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Full text of "Philologischer Anzeiger. "Als Ergänzung des Philologus." [serial]"

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THE  LIBRARY  OF  THE 

UNIVERSITY  OF 

NORTH  CAROLINA 


THE  LIBRARY  OF  THE 

UNIVERSITY  OF 

NORTH  CAROLINA 


ENDOWED  BY  THE 

DIALECTIC  AND  PHILANTHROPIC 

SOCIETIES 

BUILDING  ÖSE  ONLY 

PA3 
.P6 
Bd.U 
1872 


This  book  is  due  at  the  LOUIS  R.  WILSON  LIBRARY  on  the 
last  date  stamped  under  "Date  Due."  If  not  on  hold  it  may  be 
renewed  by  bringing  it  to  the  library. 

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DIE                       RET 

DATE                     RFT 
DLE 

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in  2013 


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*»* 


PHILOLOGISCHER 


ANZEIGER.. 

ALS  ERGÄNZUNG 

DES 

PHILOLOGUS 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

EKNST  von  LEUTSCH. 

VIERTEM  BAND. 

|  1872.  | 

GÖTTINGEN, 

VERLAG  DEE  DIETERICHSCHEN  BUCHHANDLUNG. 

1872. 

$"r#  \9  Januar  187Ä. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben   als   ergänzung   des   Pliilologus 


Ernst  von  Leutsch. 


Vorwort. 

Es  kann  und  wird  auffallen,  dass,  obschon  von  des  Ph.  Anzei- 
gers  bd.  HI  (1871)  lieft  11  und  12  nocb  feblen,  schon  dieses  lieft 
1  hervortritt.  Davon  liegt  der  grund  lediglich  in  dem  Verzeich- 
nisse der  philologen,  welche  in  dem  deutsch -französischen  kriege 
1870.  1871  gekämpft  haben;  je  weiter  nämlich  ich  in  ihm  fort- 
schritt,  desto  grössere  Schwierigkeiten  stellten  sich  dem  in  bd.  III 
beabsichtigten  abschluss  desselben  entgegen.  Denn  da  während 
des  kriegs  ich  oft  hörte,  dass  die  für  mein  unternehmen  noth wen- 
digen notizen  in  gewünschter  Vollständigkeit  erst  nach  dem  krieg 
herbeigeschafft  werden  könnten,  war  auf  diesen  Zeitpunkt  zu  war- 
ten zur  genüge  angedeutet :  ich  habe  aber  nichts  desto  weniger, 
wie  die  vorliegenden  hefte  zeigen,  doch,  wenn  auch  langsam,  ohne 
Unterbrechung  fortgearbeitet.  Als  aber  nach  dem  ersehnten  frie- 
den die  lücken  ausgefüllt  und  das  ende  herbeigeführt  werden  sollte, 
offenbarte  sich  bei  <len>v  grössern  universi täten  die  Unmöglichkeit, 
durch  diese  in  den  Jisteju  ;-voll£tätidigkek  zu  .erreichen ,  vor  allem 
wegen  der  Unsicherheit  der  betreffenden  vorstände  und  behörden 
über  den  verbleib  der  commilitoneq.  Meine  in  den  heften  9 — 12 
des  bds  III  erscheinenden  listen  werden"  demnach  trotz  aller  aufge- 
wandten mühe  in  vieler  beziehung  unvollständig  und  ungenau  aus- 
fallen; ich  will  aber  diesem  übelstand  nach  kräften  abzuhelfen  ver- 
suchen. Denn  bei  der  zu  meiner  freude  vielfach  anerkannten  mannig- 
fachen Wichtigkeit  dieses  Verzeichnisses  bin  ich  entschlossen,  selbiges 
zu  überarbeiten  und  nochmals  in  so  viel  als  möglich  berichtigter  ge- 
stalt  dem  publicum  vorzulegen :  um  dabei  aber  billigen  anforderun- 
gen  zu  genügen,  bedarf  es  nach  jetziger  Sachlage,  des  mitwirken» 
der  überlebenden  kämpfe r  selbst:  an  diese  richte  ich  somit 
Philo!.  Anz.  IV.  1 

- 


2  Vorwort 

hier  die  bitte,  wo  sie  in  den  bd.  II  und  III  gegebenen  Verzeich- 
nissen entweder  über  ihre  gefallenen  collegen  und  commilitonen 
oder  in  betreff  ihrer  selbst,  anslassungen  oder  ungenauigkeiten,  irr- 
tbümer  u.s.w.  finden,  davon  mich  baldmöglichst  in  kenntniss  setzen 
zu  wollen;  zugleich  ersuche  ich  aber  auch  an  dieser  stelle  alle  vor- 
stände und  beb  örden  so  wie  die  verwandten  und  an  ge- 
hörigen der  kämpf er  auf  das  dringendste,  mich  für  die  neue 
bearbeitung  bereitwillig  und  nach   kraften  zu   unterstützen. 

Gleichzeitig    mit    dem    verzeichniss  gedenke  ich   die  chronik 
abzuschliessen;    liegt    auch   das    material  zu   einer  nach  allen  seiten 
gerechten    darstellung    des    denkwürdigsten    kriegs   annocl)    unvoll- 
ständig   vor,    für    meine    zwecke    wird    das    vorhandene    genügeu. 
Kaum  steht  aber  Deutschland  nach  gewaltigem  ringen  als  sieger  glän- 
zend da,  als  auch  im  innern  mit  erneuter  gewalt  kämpfe  losbrechen, 
welche    in    dem    bei    triumphen    auch    den    gegebenen   Verhältnissen 
rechnung  tragenden    vaterlandsfreund  die  besorgniss  wachrufen,    ob 
es  denn   unserm   volke  und  seinen   leitern  gelingen  werde,  die  nach 
aussen  errungenen  vortheile  für  die    im   innern    zu   lösenden  aufga- 
ben befriedigend  zu  verwertbeu.      Die  lösung  verlangt  weitern  uud 
selbständigen    fortschritt :  jedes  diesen  erstrebende  volk  —  vor  allen 
das  der  freunde  ermangelnde  deutsche  —  muss  seine  kriegerische  an- 
läge auf  das  nachhaltigste  entwickeln;  es  wird  aber  nur  dann  seinen 
feinden  überlegen   sein,  wenn  es  diese  nicht  allein  in   der  ausbildung 
des  kriegers,  sondern  auch  durch  die  cultur  und  pflege  der  geistigen 
anlügen  weit  übertrifft.       Somit    hängt    aller  gedeihliche  fortschritt 
von  der  erzieh  ung  des  Volkes  ab,  also  davon,  dass  diese  als  die 
erste  aufgäbe    des  Staats    betrachtet  und  als  solche  in  der  Wirk- 
lichkeit behandelt  werde:   ist  das  bei  uns  der  fall  ?  entspricht  die 
einrichtung  der  dieser    aufgäbe  obliegenden  Staatsanstalten  den    be- 
dürfnissen  der  gegen  wart?     Weifen  wir  einen   blick  auf  die  Volks- 
schule,   so    sind    dem    dieser   zugewiesenen    (heile  deutscher  natioa 
neuerdings  in  rascher  folge  grosse  politische  freiheiten  und  grosser 
politischer  einfluss  anvertraut  und    ich  meinerseits  wünsche  ihm  die- 
sen   erhalten    und  thunlichst    erweitert:    aber    soll  dieser  fortschritt 
zum   segen   gereichen,    so    muss    die  Volksbildung  gleiche  höhe   mit 
der   politischen   freiheit  erstreben;   möge  man,  da  das  erreichen  die- 
ses ziels  die  zeit  von   generationen    erfordert,  selbst  wenn  vor  dem 
ziele  für  die  gegenwart  gar  beschwerliche  wirren  auftreten,  weise 
sich  gedulden    uud  durch  momentane  Schwierigkeiten  sich   nur  ver- 


Vorwort.  S 

anlasst  sehen,  die  zahl  der  schulen  in  innerer  den  Verhältnissen  an- 
gemessener Verschiedenheit  zu  mehren,  den  Unterricht  zu  vervoll- 
kommnen und  ehen  darum  dem  lehrer  einen  auskömmlichen  gehabt 
sichern,  der  staat  also  schon  um  der  ehre  des  Staatsdienstes  wil- 
len es  nie  an  dem  fehlen  lassen,  was  hei  uns  allein  das  wahre 
gedeihen  auf  diesem  felde  noch  immer  hemmt,  an  deu  der  Wich- 
tigkeit der  sache  entsprechenden  geldmitteln. 

Eine  andere  Stellung  nimmt  das  gymnasium  ein,  jetzt  leider 
nicht  die  ihm  gebührende.  Denn  das  gymnasium  bleibt  für  den 
im  staate  einflussreicbsten  volkstheil  als  die  grundlegende  die  bei 
weitem  wichtigste  anstalt ,  dient  am  kräftigsten  dem  schütz  und 
der  förderung  und  der  weiten  Verbreitung  wahrer  cultur;  dass  es 
jetzt  anders  und  ungünstig  angesehen  wird,  ist  eine  beklagenswer- 
te und  vom  preussischen  staat  zumeist  verschuldete  erscheiuung. 
Denn  da  dieser  staat  in  folge  der  ohne  ausreichende  kräfte  zu  be- 
hauptenden Stellung  als  grossmacht  den  für  die  geistige  erziehung 
der  nation  erforderlichen  bedeutenden  aufwand  sich  versagen  musste, 
dagegen  doch  diese  erziehung  und  vor  allen  den  gymnasial  -  Unter- 
richt trotz  der  nur  eine  Zeitlang  mit  vorliehe  behandelten  realsclm- 
len  als  für  die  förderung  seiner  hauptsächlich  militairischen  zwecke 
ganz  besonders  befähigt  klar  erkannte,  so  suchten  die  leitenden  be- 
hörden  die  gymnasien  für  die  verschiedensten  kreise  dadurch  nutz- 
bar zu  machen,  dass  an  stelle  der  nur  wissenschaftlichen  und  somit 
idealen  richtung  des  Unterrichts  eine,  ich  möchte  sagen,  enkyklo- 
pädische  trat :  dies  führte  zur  einengung  des  Studiums  der  bis 
dahin  vorherrschenden  classischen  sprachen,  zur  heranziehung  bis- 
her ausgeschlossener  lehrstoffe,  zur  ausdehnung  schon  vorhande- 
ner, zu  manchen  sonstigen  änderungen ,  die  alle  in  der  verderb- 
lich genug  allmählig  zu  einem  Staatsexamen  umgeschaifenen  ma- 
turitäts-  prüfung  gipfelten.  Dass  diese  dem  deutschen  wesen  wi- 
dersprechenden maassnahmen  bei  der  masse  Unterstützungen  fanden, 
erklart  sich  einerseits  aus  einer  reaction  gegen  das  alterthum :  als 
die  philologie  in  den  ersten  Jahrzehnten  unseres  Jahrhunderts  durch 
jugendlich  kraftige  entwicklung  die  schönste  popularität  errungen 
glaubte  man  nicht  weit  genug  sie  auf  der  schule  treiben  zu  kön- 
nen und  —  übertrieb  :  andrerseits  aus  einer  immer  mächtiger  auftre- 
tenden materialistischen  Strömung,  die  begünstigt  von  engherziger 
politik  und  irriger  auffassung  des  altert  hu  ms  die  ausdehnung  des 
Unterrichts    auf  neuere  sprachen,    geographie,     naturwissenschaften 

1  * 


4  Vorwort. 

u.  s.  w.  laut  als  gewinn  begrüsste.  Dass  bei  dem  durch  derarti- 
ges experimentiren  geübten  drucke  das,  was  geleistet  worden,  ge- 
leistet ist,  erklärt  sich  aus  der  zäbigkeit  des  deutschen  volksgei- 
stes,  dem  verhalten  der  kleinstaaten,  die  dem  preussiscben  system 
gegenüber  sich  meist  abwehrend  verhielten,  vor  allem  durch  die  stille 
Opposition  oder  vielmehr  durch  die  nicht  genug  anzuerkennende  auf- 
opfernde hingebung  des  philologischen  lehrerstandes.  Aber  ist  der 
grund  des  drückenden  Systems  geschwunden,  die  grossmacht  fest  be- 
gründet, so  muss  auch  der  druck  und  mit  ihm  das  auf  ihn  basirte  System 
fallen,  zumal  dessen  naclitheilige  Wirkungen  grell  genug  hervortreten. 
Denn  die  durch  obiges  dem  gymnasium  gewordene,  mancher  eitelkeit 
schmeichelnde  Selbständigkeit  hat  vor  allem  den  Zusammenhang  zwi- 
schen gymnasium  und  Universität  gelockert,  ein  übelstand  von  gröss- 
ter  tragweite.  Man  frage  nur  einmal  den  Juristen  auf  der  Univer- 
sität, ob  für  seine  vortrage  die  kenntnisse  der  zuhörer  im  latein 
ausreichen  und  er  wird  es  leugnen,  auch  behaupten,  früher  sei  das 
besser  gewesen.  Der  philolog  muss  leider  dem  beistimmen:  er 
vermisst  Übung  im  lateinsprechen,  fertigkeit  im  lateinschreiben,  Si- 
cherheit in  der  grammatik  und  anderes,  vor  allem  passliche  Vor- 
bereitung zum  selbständigen  arbeiten,  alles  dinge,  die,  soll  die  Uni- 
versität auf  der  ihr  zukommenden  hohe  bleiben,  von  der  schule  mit- 
gebracht werden  müssen.  Damit  dem  gründlichst  abgeholfen  werde, 
bedarf  es  zwar  der  beseitigung  vieler  nur  zum  tlieil  im  obigen  ange- 
deuteter übelstände,  als  völlige  trennung  der  sg.  realklassen  vom 
gymnasium,  Schutzmittel  gegen  übeifüllung  der  classen,  entfernung 
der  scliulräthe  vom  Vorsitz  in  der  muturitatsprüfung,  vor  allem  aber 
solcher  erweiterung  des  Unterrichts  in  den  clussischen  sprachen,  dass 
mit  der  Sicherheit  in  ihnen  wirkliche  liebe  zu  ihnen  wieder  er- 
wache. Aber  das  bedürfniss  der  zeit  erheischt  auch  das  aufge- 
ben des  prineips,  den  Unterricht  in  allen  gymnasien  auf  gleiche 
weise  einzurichten  ;  es  sollte  vielmehr  in  den  dem  alterthumsstu- 
dium  beigeordneten  Wissenschaften  Verschiedenheit  walten  ,  so  dass 
während  an  dem  einen  gymnasium  als  zweites  hauptfach  die  ge- 
schieh (c  hervortrete,  an  dem  andern  dies  der  mathematik  zukomme, 
andre  lehrzweige  dagegen  zurücktreten,  auch  dem  eignen  willen  der 
lernenden  überlassen  bleiben:  es  mag  wohl  bei  der  mannichfaltig- 
keit  der  äussern,  die  gymnasien  beeinflussenden  bedingungen  hie 
und  da  anders  zu  helfen  sein :  nur  nenne  man  nicht  solche  mittel, 
die  mit  dem  gegenwärtigen  nothstande  abzurechneu  suchen.     Unsre 


Vorwort.  5 

vorschlage,  welche  errichtung  noch  vieler  schulen  in  sich  fassen, 
werden  allerdings  aufwand  an  geld  erfordern:  aber  wir  haben 
es  ja:  warum  es  also  nicht  für  das  edelste,  für  das  beste  auf- 
wenden ? 

Wenn  nun  schon  aus  dem  gesagten  dem  lehrer  manche  vortheile 
erwachsen:  bescbränkung  und  doch  grössere  freibeit  des  Unterrichts, 
Wegfall  des  Zwanges  halbjährlich  übergrosse  partien  der  klassiker  erklä- 
ren zu  müssen :  so  verlangt  noch  ausserdem  die  materielle  läge  desselben 
dringend  Verbesserung.  Weniger  allgemein  anerkannt  und  doch  wohl 
eben  so  sehr  geboten  erscheint  aber  die  erhohung  des  etats  für  die 
gymnasial -bibliotheken.  Denn  wie  soll  man  es  nennen,  dass  dem 
lehrer  und  namentlich  dem  philologischen  das  für  gründlichen  Unter- 
richt durchaus  noth wendige  material  dauernd  vorenthalten  wird? 
Vergil  wird  gelesen :  es  fragt  aber  niemand,  ob  dem  erklärer  der 
commentar  des  Servius,  ob  die  ausgaben  von  Heyne  -  Wagner,  von 
Ribbeck  zu  geböte  stehen:  die  so  nöthigen  altern,  wie  Cerda,  sind 
schon  ganz  verschollen.  Die  grossartige  entwicklung  unsrer  Wis- 
senschaft verlangt  gebieterisch  Zeitschriften:  kommen  sie  dem  gym- 
nasium  zu  gute  %  Wohl  hilft  die  regierung  zuweilen  aus;  aber 
der  natur  der  sache  nach  ungenügend:  nun  sehe  man,  wie  diesem 
vom  Staate  verschuldeten  mangel  die  collegien  abhelfen :  sie  ver- 
wenden die  den  maturitäts- prüfungen  entfliessenden  gehler  zu  sol- 
cherlei anschaffung,  sie  errichten  lesevereine  und  schenken  das 
mit  ihren  geringen  mittein  beschaffte  der  schulbibliothek  —  mit 
einem  worte,  es  entwickelt  sich  hier  in  der  stille  ein  Patriotismus, 
wie  er  selten  in  zweigen  des  Staatsdienstes  betroffen  werden  dürfte. 
Aber  auch  der  stärkste  bogen  zu  stramm  gespannt,  zerbricht:  bringe 
man  hülfe  zur  rechten  zeit  und  somit  baldigst:  sie  besteht  auch 
hier  lediglich  in  geld!  Warum  es  hier  nicht  aufwenden?  hat 
man  es  doch  für  die  ausbildung  des  offiziers;  denn  wo  dieser  sich 
bildet,  fehlt  es  nicht  an  büchern,  an  karten ;  was  aber  vor  allem  an- 
dern ihn  bildet,  ist  der  angemessene  Wechsel  von  theoretischen  Stu- 
dien mit  der  praxis.  Warum  dasselbe  nicht  auch  für  den  gym- 
nasiallehrer  schaffen?  warum  nicht  dem  hoffnungsvollen  jungen 
gymnasiallehrer  nach  den  ersten  jähren  des  amtes  mittel  schaffen, 
um  auf  der  Universität  oder  an  anderm  passlichem  orte  ohne  exa- 
mensfurcht  eine  Zeitlang  nach  eigner  neigung  zu  studiren  ?  warum 
ein  gleiches  nach  längern  jähren  dem  bewährten  lehrer  nicht  gön- 
nen, wenn  der  Wissenschaft  daraus  vortheil  erwächst?    Da  wir  das 


$  Vorwort. 

geld   haben,    warum    es    nicht  für  das  edelste,    das  beste,  für  die 
erziehung  der  nation  aufwenden? 

Die  gymnasien  bedingen  die  blütbe  der  Universitäten,  unserer 
höchsten  bildungsanstalten:  daher  kränkeln  auch  diese  und  zwar  schon 
lange;  schönfärbende  reden  heilen  mitnichten.  Vor  allem  krankt 
auf  ihnen  die  philologie;  denn  abgesehen  von  ihrem  vorzugsweise 
engen  Zusammenhang  mit  der  schule,  abgesehen  von  der  Unzuläng- 
lichkeit der  seminare  —  nur  in  Göttingen  hat  man  ohne  irgend 
zuthun  des  curatorium  den  bedürfnissen  der  zeit  zu  entsprechen 
gesucht  —  hemmen  der  neuzeit  eigenste  maassnahmen  befriedigen- 
den aufschwung  und  erfolg.  Denn  befindet  sich  nach  mancherlei 
mühen  des  professor  der  studiosus  kaum  auf  wissenschaftlicher  bahn, 
plötzlich  verlässt  er  sie  —  er  muss  in  die  letzten  semester  gelangt 
sich  auf  das  Staatsexamen  vorbereiten,  muss  philosophie,  geographie, 
religiou,  vor  allem  neuere  geschichte  und  altdeutsch  lernen:  „habe 
ich  nicht  diese  Vorlesungen  gehört,  nicht  dieser  societät  wenig- 
stens ein  jähr  als  mitglied  angehört,  so  mache  ich  ein  schlechtes 
examen",  lautet  es,  bei  guten  unter  klagen:  mit  wie  viel  recht, 
lasse  ich  natürlich  dahingestellt  sein.  Und  nun  wird  die  philologie 
zur  nebensache,  eine  vielversprechende,  auf  eigne  neigung  begrün- 
dete entwicklung  unterbrochen,  das  leben  des  freien,  beglückenden 
forschens  mit  der  Zwangsjacke  des  reglements  vertauscht.  Daraus 
entnehme  man,  welche  Verwüstung  im  Studium  der  philologie  auf 
Universitäten  die  sg.  wissenschaftlichen  prüfungs  -  commissionen  an- 
gerichtet haben.  Ganz  natürlich :  denn  folgerichtig  verderben  sol- 
che commissionen^  nicht  den  Studenten  allein ,  auch  den  professor, 
indem  die  lehr-  und  lernfreiheit,  das  palladium  der  deutschen 
Universitäten,  nun  vernichtet  und  die  Universität  auf  das  unverant- 
wortlichste an  ihrer  empfindlichsten  seite  unheilbar  geschädigt  wird. 
Der  edle  wettkampf  unter  den  lehrern  muss  aufhören,  da  zu  dem 
mitglied  der  commission  der  hörer  schon  kommen  muss;  der  Zwie- 
tracht sich  thür  und  thor  öffnen,  da  der  onkel  den  neffen  ,  der 
Schwiegervater  den  Schwiegersohn  in  die  commission  als  das  för- 
dersamste  mittel  für  volle  collegien  zu  bringen  sucht,  die  Wissen- 
schaft verliert,  da  durch  die  masse  der  von  der  commission  ver- 
langten höchst  zeitraubenden  arbeiten  der  professor  seinem  wissen- 
schaftlichen berufe  entzogen  und  zum  praktiker  umgewandelt  wird. 
Und  was  das  schlimmste  ist,  durch  all  dies  selbstmörderische  thun 
wird  der  zweck,  abhaltung  der  untauglichen  vom  Staatsdienst,  doch 


Vorwort.  7 

nicht  erreicht:  es  scheint  eben  das  eigentümliche  verhältniss  zwi- 
schen Studenten  und  professoren  unbeachtet  geblieben,  welches  al- 
lein schon  der  einrichtung  eine  genügende  bürgschaft  für  die  tüchtig- 
keit  des  bestandenen  entziehen  inuss.  Somit  müssen  die  Universitäten 
aus  pflicht  der  selbsterhaltung  auf  beseitigung  dieser  verderblich- 
sten einrichtung  dringen,  die,  dauert  sie  fort  und  würde  sie  gar 
auf  andre  facultäten  ausgedehnt,  die  wahre  aufgäbe  der  Univer- 
sität, welche  einer  unsrer  besten  männer  dahin  formulirt,  „dass 
nur  die  Universität  blühe,  in  welcher  die  forsch  ung  den  Un- 
terricht an  die  tiefe  und  der  Unterricht  die  forschung  an  das 
leben  knüpfe",  grade  zu  unmöglich  machen  müsste.  Und  das  bes- 
sere liegt  ja  gar  nicht  fern:  bedarf  der  staat  der  prüfungen,  so 
müssen  die  sitze  der  dazu  nötbigen  bebörde  von  den  Universitäts- 
städten entfernt,  diese  selbst  zum  geringsten  theil  aus  professo- 
ren und  zwar  unter  stetem  wechseln,  zum  grö'ssten  aus  gymnasial- 
lehrern  und  andern  passlichen  staatsdienern  bestehen;  dazu  müsste, 
um  allem  zu  genügen  —  wobei  ich  freilich  mein  gebiet  über- 
schreite — ,  ein  unsern  anforderungen  entsprechendes  unterrichts-mini- 
sterium  kommen,  da  die  jetzige  Organisation  mit  ihrem  eingehen  in  das 
detail  dem  Ungeheuern  ihr  plötzlich  zugewachsenen  gebiet  nicht 
mehr  vorzustehen  vermag,  zugleich  mit  diesem  aber  eine  von  der 
Universitätsstadt  entfernte  mittelbehörde  zwischen  ministerium  und 
Universität  geschaffen  werden,  die,  den  frühern  curatorien  nachge- 
bildet, die  jetzigen  curatoren  beseitigte:  man  sieht  auch  hier,  was 
bis  jetzt  das  neunzehnte  Jahrhundert  an  den  Universitäten  geneuert, 
hat  sich  nur  selten  bewährt.  Freilich  verlangt  dies  alles  geld, 
vieles  geld:  aber  wir  haben  es  ja:  warum  es  also  nicht  für  das 
edelste ,  für  das  beste  aufwenden  ? 

Dies  über  das  unterricbtswesen,  die  sorge  des  vaterlandfreundes; 
tadelnswertb  wäre,  wegen  der  gegenwärtigen  schwäche  desselben  ein- 
zelne männer,  treue  diener  ihres  königs,  anzuklagen:  der  grund  der 
sorge  liegt  im  system:  dagegen  offen  anzukämpfen,  nicht  das  dulden, 
fordert  unsre  pflicbt.  Denn  wenn  zum  schütz  des  volkes  und  seiner 
edelsten  guter  das  beer  unentbehrlich,  dieses  aber  den  feind  nur  bei 
geistiger  bildung  niederwerfen  kann  —  muss  nicht  auch  der  noch 
so  glänzend  ausgeführte  oberbau ,  ruht  er  auf  morscher  und  zer- 
fressener grundlage,  unaufhaltsam  zusammenbrechen? 

Ernst  von  Lentsch. 


8  2.  Palaeographie.  Nr.  1. 

2.  Studia  palaeographica.  Scripsit  I.  C.  Vollgraff,  Phil, 
theor.  et  litt,  doctor.  8.  Lugduni  -  Bat.  S.  C.  van  Does- 
burgh.  MDCCCLXXI.     PP.  100. 

Die  schrift  zerfällt  in  acht  kapitel,  von  denen  1,  de  male 
contractis  et  distractis}  de  dittograpliiis  et  eis ,  quae  bis  scribenda 
erant,  semel  scriptis,  2.  de  erroribus  ortis  ex  vitios  asequiorum  pro- 
nuntiatione ,  3.  de  scriptura  unciali,  4.  de  scriptura  minuscula,  5. 
de  antiquissimis  abbreviationibus,  6.  de  notis  praepositionum,  7.  de 
compendiis  handelt.  Die  palaeographischen  Ursachen  also  der 
Verderbnisse  in  den  Schriftstellern  und  die  heilmittel  gegen  sie 
sind  die  längst  bekannten;  das  verdienst  der  schrift  beruht  nur 
darauf,  dass  anschauliche  und  sichere  beispiele  für  die  einzelnen 
versehen  gesammelt  sind.  Und  dass  diese  vorzugsweise  aus 
den  Schriften  holländischer  und  englischer  gelehrten  entnommen 
werden,  fällt  bei  einem  Holländer  nicht  auf.  Neben  Bentley  und 
Dobree  wird  besonders  Badham ,  neben  Hemsterhuis  und 
Valckenaer  namentlich  Cobet  angeführt.  Von  Badham  werden 
mehrere,  zum  theil  schöne  Verbesserungen  zu  Piaton  und  Thu- 
kydides  aus  seiner  antrittsrede  in  Sidney,  von  Valckenaer  man- 
che bisher  unbekannte  aus  seinen  Schedae  criticae ,  die  sich 
in  der  bibliothek  zu  Leyden  befinden ,  mitgetheilt.  Bisweilen 
fügt  der  vf.  auch  eigene  vermuthungen  hinzu.  Diese  beziehen 
sich  zum  grössern  theil  auf  die  scholien  zur  Odyssee  und  sie 
treffen  dann  meist  das  richtige.  So  schob  zu  £,  162  einXni'jati 
für  ov  nlotosi  (p.  31.  90),  zu  A,  568  tide  für  o78e  und  siSsvai 
f.  sivai  zu  v.  580  (p.  34),  zu  i>,  10  ngoa&qaoftev  für  ngoOtjao- 
fiev  (p.  67)  und  v.  14  jrooööäfAev  f.  ngodcofAev  (p.82),  zu  £,  334 
vnodTQSxpai  und  v.  521  sV  vpoißrj  f.  vn>  äfwißjj  (p.  80),  zu  £, 
398  xaza  ns7QT]Q  f.  inl  ntiQaq  (p.  81),  zu  v,  142  naoamnydq- 
vui  f.  neQia£[iq,&7jtat  (p.  85),  zu  §,  230  cög  Qovxvdidyg  f.  xal 
OovxvdiStjt;  (p.  92).  Doch  sind  auch  andere  darunter,  die  der 
vf.  in  seinem  etwas  altmodischen  notenjargon  mit  unrecht  für 
sicher  ausgiebt.  Im  schob  zu  v}  215  will  der  vf.  p.  22  iit'Xms 
f.  Hins  schreiben.  Ich  meine,  um  hier  nicht  auf  eine  schon  viel 
vorgekommene  erörterung  des  Unterschiedes  von  tVeCneiv  und 
Xeineiv  einzugehen,  dass  tline  für  diese  scholien  durch  das  XeC- 
nei  der  handschriften  hinreichend  geschützt  wird.  Zu  ;r,  305 
inl  tov  x«  ö  zovog  will  der  vf.  p.  27  aul  lesen.  Er  hat  also 
das  scholion  falsch  aufgefasst:    denn  es  muss  vorher  heissen  to 


Nr.  1.  2.  Palaeographie.  9 

r  so  äogiazov,  wie  auch  nach  La  Roche  in  mehreren  handschrif- 
ten  steht.  P.  28  vertheidigt  der  vf.  im  sehol.  zu  £,  199  zav 
izigav,  was  der  cod.  harl.  in  den  worten  des  Kallimachos  bie- 
tet, indem  er  Ko\o3vuku>  zojv  izsgoov  auf  die  zwei  demen  Ko- 
lonos  bezieht.  Es  ist  gefährlich  in  einem  bruchstück ,  dessen 
eigentliche  beziehung  und  meinung  man  nicht  kennt,  wie  sie 
hier  auch  Naeke  (op.  2  p.  125  ff.)  nicht  festzustellen  vermochte, 
irgend  etwas  von  dem  sinn  des  ganzen  abhängiges  ändern  zu 
wollen :  aber  der  gedanke  an  die  beiden  Kolonos  scheint  mir 
selbst  für  Kallimachos  unpassend.  Ich  denke  mir  als  das 
wahrscheinlichste ,  dass  Theseus  bei  Hekale  seinen  weg  nach 
Marathon  erzählt,  und  dann  scheint  Porsons  izuocov  durchaus 
passend;  vorher  würde  ich  81juov .  bezüglich  auf  einen  vorher 
von  Theseus  genannten ,  nördlich  von  Kolonos  gelegenen  ort, 
schreiben.  Zu  |,  222  soll  der  scholiast  geschrieben  haben  k'g- 
yo»]  im  yijg  sgyaotag  für  egyöv]  rj  yecogyla,  anb  tfjg  pgug  (p. 
43).  Aber  die  weiteren  worte  des  scholiasten  zeigen,  dass  er 
meint,  es  müsse  hier  in  tgyov  schon  eine  beziehung  auf  den 
ackerbau  liegen,  weil  sonst  überall  egyov.,  wenn  es  etwas  ande- 
res bedeute,  einen  genetiv,  wie  "dgqog,  bei  sich  habe.  Also 
ist  die  lesart  der  handschriften  richtig,  so  thöricht  der  gedanke 
ist,  dass  ega  in  sgyov  stecke.  Aber  ich  dächte,  wir  wären  an 
noch  andere  etymologieen  bei  den  alten  grammatikern  gewöhnt. 
Zu  r,  174  soll  rwv  fit]  ava^icav  aus  zä>r  ^/}  uvanCmv  verdorben 
sein  (p.  65).  apatri'cov  für  unschuldig  ist  in  diesem  zusammen- 
hange kaum  zulässig;  vielmehr  ist  wohl  nur  ftrj  a^lmv  das  rich- 
tige. Es  sind  aber  zwei  scholien  zu  scheiden:  no\ino\  anav- 
rar]  ort  xai  zäv  \ir\  a^i'oov.  und  antmove^  (*r)  iärzsg  avzoig  nr\- 
fiaivsaüai.  Zu  v,  215  will  vf.  p.  85  nag  a  zi\v  uymyrjv  —  JjSCxt]- 
aav.  Aber  nsgl  z\v  aycoyijv  ist  eben  so  richtig:  in  beziehung 
auf  die  zurückführung  in  die  heimath.  So  finden  sich  auch 
unter  den  änderungen  in  andern  Schriftstellern  neben  manchen 
guten,  wie  Eur.  Alk.  552  ?j  [tägog  ü  für  ti  pägog  ü  (p.  55)  und 
v.  1117  xugazouüv  für  xagazofAqj  (p.  98),  die  jedoch  längst 
von  Lobeck  zu  S.  Aias  801  gemacht  war,  Arist.  Ach.  612  eldev 
f.  olStv  (p.  34),  aber  schon  von  Bergk  vorgeschlagan  und  in  cod. 
J  gefunden,  —  neben  diesen  und  andern  finden  sich  auch 
manche  unrichtige.  Z.  b.  bei  Athenaeos  13,  p.  592.  E  will  vf. 
p.  23  Tour'  ova    i/rofijas    lesen,    aber    warum   ist  zoiiz'  inoirjas 


10  2.  Palaeographie.  Nr.  1. 

(dass  er  die  kinder  ohne  die  mutter  vorführte)  nicht  eben  so 
gut?  Bei  dem  bruchstück  des  Lysias  ,  das  Athen.  13,  p.  592 
E  anführt,  hat  vf.  p.  23  übersehen,  dass  es  noch  einmal  p. 
586  E  sich  findet  und  dort  xal  vor  ht  fehlt ,  wie  vf.  es  will, 
weshalb  es  auch  von  mir  Fragin.  oratt.  gr.  p.  195  längst  weg- 
gelassen ist.  Thuk.  1,  18  will.  vf.  p.  30  mit  Badham  jut-j'/ara 
dt]  iydvn  lesen,  wie  längst  H.  Stephanus  gewollt  hatte,  aber 
discpari]  wird  durch  2,  51.  4,  108  hinreichend  geschützt.  P. 
33  will  vf.  bei  Ilomer  Od.  x,  314  =  366  (nicht  y,  162  wie 
dasteht)  und  an  andern  orten  lae  für  flae  gelesen  wissen :  er 
hat  nicht  an  eaag  und  die  ähnlichen  öfter  vorkommenden  for- 
men gedacht.  Bei  Plutarch.  Fab.  c.  16  will  vf.  p.  79  co  avene- 
q>vQ7o  lesen  für  övvenzcpvoro ,  aber  damit  bringt  er  einen  bei 
Plutarch ,  wie  bekannt ,  unzulässigen  hiatus  herein  und  av/jbrfv- 
Qsa&ai  besudelt  werden  ist  der  stelle  ganz  angemessen. 
Die  banalen  phrasen  also:  Quantocyus  repone  av£7i£(pVQtoi  quod 
verbum  in  talibus  unice  verum  esse  non  opus  est  docere.  sind  ganz 
an  unrechter  stelle.  Ebenso  der  geschmacklose  ausdruck:  ubi 
necessarium  esse  oti  ev  mqwovgi  vel  coeeus  videat  p.  91  über 
Plutarchs  reg.  et  imperat.  apophth.,  denn  ov  xoivovat,  nämlich 
tovzo  o   nqnasta^s  uolvai  6  ßaaiXsvg,  ist  vollkommen  richtig. 

J.  C.  Vollgraff,  um  zu  schliessen  ,  ist  nicht  ohne  kritische 
begabung,  aber  es  fehlt  ihm  an  geschmack  und  bescheidenheit. 
Sonst  würde  er  nicht  p.  3  über  die  Deutschen  geschrieben  ha- 
ben: At  neque  (so  braucht  er  neque  einigemal  falsch  für  ne  — 
quidem)  in  vicina  Germania  criticis  sua  laus  constat  aptid  omnes. 
Et  olim  fuit  et  nunc  superest  obscurum  quoddam  genus  anonymorum, 
qui  quidquid  e  scriniis  philologorum,  nostratium  imprimis,  prodit  in 
lucem  cupide  damnant,  despicatui  habent,  derident  cum  ira  et  stu- 
dio prope  Dorvillianis.  Ecquando  haec  natio  iniqua  bella  compo- 
netf  Nihil  tarnen  istorum  (iixQO\pv%ia  umquam  movit  popidares 
nostros,  qui  fiiya  qionvovvreg  illa  omnia  non  midtum  curare  assolent. 
Was  irgend  in  Holland  tüchtiges  geleistet  wird,  findet  in  Deutsch- 
land volle  anerkennung,  wie,  um  die  früheren  nicht  zu  erwähnen, 
Geel,  Bake ,  Hofmann  -  Peerlkamp,  Cobet  zur  genüge  zeigen. 
Der  entgegengesetzte  Vorwurf,  dass  man  in  Holland  sich  gern 
abschliesst  und  viele  sich  um  das,    was  Deutsche  leisten,    wenig 

kümmern,  würde  vielleicht  eher  berechtigt  sein. 

H.  S. 


Nr.  1.  3.  Griechische  grammatik.  11 

3.  Leopoldi  Schmidtii  observationes  de  analogia  et 
anomalia  in  syntaxi  graeca.  (Universitätsprogramm).  4  Mar- 
burg. 1871.     pp.  ix. 

Der  Verfasser  hat  zu  den  früher  erschienenen  abhandlungen 
(De  omissa  apucl  optativum  et  eoniunctivum  äv  parlicula  commen- 
tatio.  Marb.  1868.  s.  Philol.  Anz.  I,  p.  2 — 5:  De  tractandae  Syn- 
taris graecae  ratione  commentatio.  Marb.  1871.  s.  Philol.  Anz. 
III,  p.  8—10)  die  obengenannte  hinzugefügt,  welche  nicht  min- 
der geistreich  als  die  früheren  ist.  Selbst  wenn  man  die  grund- 
anschauung  des  verf.  nicht  ganz  zu  theilen  vermag,  so  legt  man 
doch  keine  seiner  arbeiten  aus  der  hand,  ohne  dabei  tiefgehende 
anregung  empfangen  zu  haben.  Schmidt  ist  nämlich  der  ansieht, 
dass  der  feste  usus  bei  der  spräche  vor  allen  dingen  in  be- 
tracht  kommt.  Bei  vereinzelten  abweichungen  von  demselben 
ist  dann  zuerst  die  handschriftliche  Überlieferung  in's  äuge  zu 
fassen;  denn  aus  einigen  schlecht  überkommenen  stellen  gleich 
eigene  Sprachphänomene  ableiten  zu  wollen,  bleibt  immer  eine 
gewagte  sache.  Etwas  anderes  ist  es,  wenn  vereinzelte  erschein 
nungen  sich  auf  gute  handschriftliche  quellen  stützen.  Hier 
sind  wir  verpflichtet,  nach  der  ratio  der  erscheinung  zu  forschen 
und,  falls  sie  stichhaltig  ist,  die  erscheinung  trotz  der  Verein- 
zelung zu  aeeeptiren.  Hiebei  darf  jedoch  nicht  verschwiegen 
werden ,  dass  die  zahl  der  dissentirenden  stellen  immerhin  mit 
in  die  wagschale  bei  der  entscheidung  gelegt  werden  muss.  So 
sind  wir,  um  gleich  einen  speciellen  fall  anzuziehen,  vollkom- 
men mit  dem  verf.  (p.  v)  einverstanden,  dass  die  Verbindung 
des  futurs  mit  uv  statthaft  ist.  Der  Sprachgebrauch  wird  aus 
Plato,  für  den  uns  so  gute  quellen  zu  geböte  stehen,  genügend 
festgestellt.  Mit  recht  betrachtet  der  vf.  Eep.  X,  615  D  als 
entscheidendes  zeugniss  und  weist  völlig  überzeugend  die  con- 
jeetur  Sauppe's  zurück.  Aus  Plato  lassen  sich  zu  den  bekann- 
ten beispielen  noch  hinzufügen:  Euthyd.  274  E  ftaXiot*  uv 
tiQ07Qt\pe7s  etg  cptloaoqi'uv,  wo  das  futurum  durch  den  Clarkia- 
nus  bezeugt  ist,  und  das.  p.  287  C,  wo  wahrscheinlich  zu  lesen 
ist  y.a)  vvv  ot>5'  uv  'miovv  anoxgivti,  denn  der  Clarkianus  hat 
hier  annxottet  ohne  accent,  der  Vaticanus  aber  anoxotiei.  Steht 
av  mit  indicat.  futuri  fest,  so  ergibt  sich  weiter,  dass  daraus  uv 
mit  dem  optat.  futuri  in  der  oratio  obliqua  wird.  Also  auf  die 
oratio  obliqua  ist  dieser   gebrauch  des    uv  mit  dem   optat,   futuri 


12  3.  Griechische  graramatik.  Nr.  1 

zu  beschränken.  Aber  auch  hier  sind  die  beispiele  sehr  spär- 
lich und  fussen  auf  keiner  guten  Überlieferung.  Von  ihnen  be- 
handelt der  vf.  eingehend  und  umsichtig  Lys.  I,  22  elScog  8' 
syeo  oti  TTjvixauTa  aquyfievog  ovdev  av  ttazaX7j\pot7o  otxoi  iäv 
iniT7]8sio3v}  um  die  Bekker'sche  vermuthung  ovdha  für  ovdsv 
av ,  welche  auch  Sauppe  billigt,  als  unbegründet  nachzuwei- 
sen. Wenn  der  verf.  weiter  auch  Xen.  Cyrop.  VII,  3,  10 
ov  iovto  ivsvösi  o  ti  TTsCaoizo,  äXXa  iL  av  noir)aag  aoi  %aol* 
aono  zu  vertheidigen  sucht,  so  vermag  ich  ihm  nicht  bei- 
zustimmen. Hier  liegt  doch  ausserordentlich  nah,  %aoiGai70 
zu  ändern,  und  niemand  wird  statt  dessen  zu  laoiolro  grei- 
fen. Auch  was  der  vf.  über  einen  unterschied  des  futurums 
in  (am  und  in  lä  vermuthet,  scheint  verfehlt  zu  sein.  Den 
schluss  der  abhandlung  bildet  eine  eingehende  behandlung  von 
PI.  Symp.  175  B,  wo  von  unwesentlichen  dingen  abgesehen  Clar- 
kianus  und  Vaticanus  (ich  füge  noch  den  von  mir  in  den  ver- 
gangenen herbstferien  verglichenen  Venetus  II  hinzu)  geben: 
jvdvzoag  Ttagatl&srSj  6n  av  ßov/Tja&s,  ijttiSuv  7ig  ifxlv  (xtj  ecpe- 
Orqxei'  o  eyco  ovdsncönoTs  innCijaa.  In  dieser  stelle  handelt  es 
sich  in  erster  linie  um  die  richtige  auffassung  von  o  iyco  oüß«- 
Trtan 07 s  inoirjna.  Es  fragt  sich,  ob  damit  gesagt  werden  soll, 
vorher  habe  niemals  beauf sichtigung  der  sklaven  oder  es 
habe  vorher  niemals  nich  tbeauf  sich  t  igung  derselben  statt- 
gefunden. Es  unterliegt  keinem  zweifei,  dass  nach  dem  vor- 
gange Vermehrend  (Plat.  Stud.  p.  42)  mit  dem  vf.  im  letzten 
sinne  entschieden  werden  muss.  Es  fragt  sich  nun  weiter,  wie 
die  worte  £n£i8av  —  (irj  icpsaztjxei  zu  emendiren  sind.  Man 
sieht,  schon  grammatisch  sind  dieselben  unmöglich.  Mit 
der  correctur  des  icpsotijxei  in  sq>£GT>]yy  ist  der  grammatik, 
nicht  aber  dem  sinne  genüge  geschehen.  Wenn  aber  der 
sinn  der  worte  o  —  inoitjau  der  oben  angegebene  ist,  so 
kann  in  dem  vorausgehenden  der  gedanke  liegen:  sklaven, 
heute  werdet  ihr  ausnahmsweise  nicht  beaufsichtigt.  Es  springt 
in  die  äugen,  dass  dieser  gedanke  nur  mit  inei,  nicht 
mit  irzsidav  an  das  vorhergehende  närzcog  naQaz!&£7£  ozi  av 
ßovXrjo&£  angeschlossen  werden  kann.  Der  vf.  statuirt  nun 
hier  eine  stufenweise  verderbniss.  Zuerst  sei  ov  vor  fit)  aus- 
gefallen, dann  von  einem  zweiten  Schreiber  inel  in  in£i8av 
verwandelt  worden.      Er   schreibt   daher:    ittei    rig  vpiv   ov    /*/) 


Nr.  1.  4.  Homeros.  13 

icpsGzijxr}.  Allein  da  in  den  ältesten  und  besten  handschriften 
icpeoTt'jxsi  überliefert  ist,  so  müsste  der  process  des  verderbnis- 
ses  durch  drei  stufen  hindurchgegangen  sein:  1)  ausfall  von  ov, 
2)  Veränderung  von  sntl  in  sneidäv,  3)  Verwandlung  des  eye- 
Gzijxr]  in  iqtaTtjxtt.  Es  hängt  nun  alles  davon  ab,  dass  die 
letzte  Verwandlung  nicht  früher  erfolgt  ist,  denn  dann  wäre 
ja  kein  grund  abzusehen,  warum  ein  Schreiber  intl  in  inei- 
bav  verwandelt  haben  sollte.  Dies  macht  sonach  die  conjectur 
verdächtig.  Es  kommt  aber  noch  hinzu ,  dass  in  der  emenda- 
tion  des  vfs.  das  itg  höchst  bedenklich  ist.  Offenbar  wäre  es 
doch  das  natürlichste  gewesen,  zu  sagen  ovdelg  fxq  icpearqxy. 

Wir  bitten  schliesslich  den  verf. ,  uns  recht  bald  wieder 
mit  einer  grammatischen  abhandlung  zu  erfreuen.  M.  Seh. 

4.  Homers  Odyssee.  Für  den  schulgebrauch  erklärt  von 
Dr  K.  Fr.  Ameis.  Zweiter  bd.  Zweites  lieft.  Gesaug  XIX — 
XXIV.  Vierte  vielfach  berichtigte  aufläge  besorgt  von  Dr 
C.  Hentze.  8.  Leipzig.  Teubner.  1871.  IV  u.  163  s„  nebst 
einem  anhange  p.   116  — 125.    —      12  gr. 

Da  mit  diesem  hefte  ein  anderer  als  der  Verfasser  die 
neuen  ausgaben  dieses  als  tüchtige  leistung  anerkannten  Schul- 
buches zu  besorgen  übernommen  hat,  erscheint  es  nicht  unpas- 
send die  arbeit  des  neuen  bearbeiters  zu  betrachten.  Die 
kurze  vorrede  lässt  entnehmen,  dass  Hentze  seine  Selbständig- 
keit Ameis  gegenüber  festhalten  und  nach  eigenem  ermessen 
bessern  und  ändern  wird.  Mit  recht.  Denn  abgesehen  von 
manchen  eigenthümlichen  ansichten  des  verstorbenen  Ameis 
schreitet  doch  wohl  unsere  Wissenschaft  im  laufe  der  zeit  weiter 
vorwärts  und  stellt  noch  mehr  dem  wesen  der  sache  entspre- 
chende grundsätze  auf:  geschieht  dies,  dann  wird  es  kaum  ir- 
gendwo mehr  fühlbar  sein,  als  bei  Homer,  wo  trotz  so  vieler 
vortrefflichen  arbeiten  noch  alles  eigentlich  im  flusse  und  im 
werden  begriffen  ist.  Denn  da  die  behandlung  der  homerischen 
Sprache  mit  den  ansichten  über  die  entstehung  der  griechischen 
und  deren  Zusammenhang  mit  den  andern  gliedern  des  mittel- 
ländischen sprachstamms  in  engster  Verbindung  steht,  hängt 
etymologie  und  somit  die  wichtige  bestimmung  der  grundbedeu- 
tung  vieler  worte  von  den  richtungen  in  der  vergleichenden 
grammatik    ab    und    bleibt    mancherlei  Schwankungen  unterwor- 


ü  4.  Homeros.  Nr.  JL 

fen.  Darüber  tröstet  sich  der  philolog  leichter:  liegt  doch, 
denkt  er,  der  grund  dieses  mangels  nicht  auf  meinem  gebiet. 
Aber  wie  steht  es  denn  mit  dem  eignen  gebiet  ?  Zu  diesem 
gehört  bekanntlich  die  kritik  ;  sie  gebort  auch  in  gewisser  weise 
in  die  Schulausgaben  der  für  die  höhern  classen  bestimmten  au- 
toren:  wie  erscheint  sie  denn  im  Homer?  Ich  brauche  nicht 
erst  zu  sagen ,  wie  vortreffliche  leistungen  hier  den  forscher 
fördern:  aber  die  Schulausgaben  ignoriren  kritik  fast  gänz- 
lich, so  dass  von  handschriften ,  so  wichtig  sie  auch  sind ,  von 
Varianten  und  conjecturen,  sonst  das  Steckenpferd  des  philologen, 
gar  keine  rede  ist  und  man  meinen  sollte,  der  Schulausgaben 
wegen  habe  unser  herrgott  die  homerischen  gedichte  grade  so 
erhalten ,  wie  ihr  Verfasser  sie  vor  dreitausend  jähren  gesungen 
habe.  Es  ist  freilich  an  diesem  köhlerglauben  etwas  wahres; 
es  verdiente  unter  die  grössten  wunder  der  weit  gerechnet  zu 
werden,  dass  ein  so  uraltes  gedieht,  wie  z.  b.  II.  *P'  in  solcher 
reinheit,  wie  wir  es  jetzt  noch  besitzen,  sich  hat  erhalten 
können:  schon  um  deswillen  dürfte  kritik  hier  nicht  iguorirt 
sein.  Doch  macht  davon,  wie  ich  erst  jetzt  sehe  ,  die  ausgäbe 
Kayser's  eine  rühmliche  ausnähme:  manche  ihr  jetzt  gewordene 
schöne  bemerkung  verdankt  der  berücksichtigung  der  kritik  ihr 
dasein.  Aber  im  ganzen  ist  man  auf  diesem  gebiet  zurückgeblieben, 
es  wird  also,  sollte  man  meinen,  die  exegese,  das  eigeaste  feld 
des  philologen,  um  so  üppiger  blühen.  Aber  thäte  die  erklä- 
rung  ihre  Schuldigkeit,  gäbe  es  keine  sg.  Homerfrage;  denn 
wird  ein  gedieht  nach  der  richtigen  von  Schleiermacher  und  Böckh 
(s.  Boeckh.  Pindar.  H,  2,  praef.  p.  7)  schon  angebahnten  me- 
thode  erklärt,  können  fragen  wie  die  über  einheit  gar  nicht  um- 
gangen werden,  weil  auf  diesen  die  auffassung  und  erklärung 
des  einzelnen  beruht:  so  wie  aber  im  Homer  nur  erst  ein- 
mal ausgesprochen  war ,  die  Homerfrage  sei  von  der  erklärung 
zu  scheiden,  hat  man  dankbar  die  Verkehrtheit  aeeeptirt  und 
erklärt  ohne  sie.     Wo  bleibt    da    die    deutsche  gründlichkeit? 

Unternimmt  demnach  jetzt  ein  philolog ,  der  es  gut  mit 
seiner  Wissenschaft  meint,  eine  ausgäbe  der  homerischen  gedichte, 
so  muss  er  mit  gar  manchem  jetzt  bestehendem  gründlichst  bre- 
chen. Dies  aber  von  uuserm  vf.  bei  diesem  hefte  zu  verlangen 
wäre  nicht  gerechtfertigt,  da  er  vollkommen  richtig  iu  der  vorr. 
p.  HI  sagt:  „die  rücksicht  darauf"  (dass  dem  herausgeber  Ameis' 


Nr.  1.  4.  Homeros.  iä 

handexemplar  vorlag)  „so  wie  der  umstand,  dass  dies  das  letzte 
heft  eiuer  vom    herausgeber    noch  selbst  besorgten    aufläge  war, 
legten   es  mir  nahe,  mit  Veränderungen  sparsamer  zu  sein,    als 
ich    unter    andern    umständen  gewesen    sein  würde.       Ich  habe 
mich    daher    darauf    beschränkt,    wo  entschieden    richtigeres  ge- 
funden war  zu  bessern ,    manche  für  die  auffassung   der  schüler 
schwer  verständliche  erklärung  durch  eine  einfachere  zu  ersetzen 
und  hie  und  da  den  anmerkungen   eine  zweckmässigere  fassung 
zugeben:   dagegen   sind  eine  reihe  von   abweichenden   erklärun- 
geu    in  die  dem   hefte  beigegebenen  zusätze  und  berichtigungen 
verwiesen".       Diese    liegen    denn    auf   einem     losen,    116 — 125 
paginirten    bogen  bei  :    man     erfährt    aber   nicht ,     worauf    diese 
paginirung      sich     beziehe:      man     muss     als     herausgeber     aber 
auch    auf   solche    kleinigkeiten   aufmerksam  sein.        Fassen    wir 
diese  zusätze  nun  ins  äuge,    so    bezieht    sich    die    erste    bemer- 
kung  auf  tftTiqg  in   r,  37  :     sunt]*;    fioi    ro?%oi   /Atyüomv    -atX.,    wo 
Hentze  allerdings  mit  recht    von  Araeis    abweicht:    aber  ob  die 
erklärung  des  i(*n^g  durch  certe,  jedenfalls   das  richtige  treffe, 
möchte  ich  bezweifeln,  indem  kaum  abzusehen,    wie  dieses  wort 
zu  solcher  bedeutung  komme.     Kayser  zu  ff,  353  beruft  sich  frei- 
lich auf  die  Zusammensetzung  desselben :    aber  das  ist  doch  auch 
nur  vermuthung:  denn  Apollonios,  der  das  wort  so  oft  gebraucht, 
kennt  es  nur  adversativ:   auch  Argon,  lll,  260,  wo  runtjg  —  aber 
nur  an  dieser  stelle  wagt   dies  der  dichter  —  eine  rede  beginnt, 
ist  es  der  regel  gemäss  gesetzt.     Meines  erachtens  war  Ameis  auf 
dem  rechten  wege,  wenn  er  an  ellipse  dachte :  vs.  36  spricht  Tele- 
mach  zweifelnd,    und   den    gedanken:    „oder  soll  ich  schweigen 
um  der   «icr^/oc  willen",     unterdrückend   fährt  er  mit   'i^nrjg  — 
doch  es  leuchten  —  fort:  dies  bestätigen  die  worte  des  Odysseus 
vs.  42.  43;  so  auch  Od.  ff,  353,  wo  ich  glaube,  dass  ein  oder  zwei 
den  in  r,  42.  43    entsprechende   verse    ausgefallen    sind;    'ifAni^g 
steht    also    ähnlich    dem    aXXä,    8s  u.   s.  w.    im    anfang  von  re- 
den,   s.    Philol.    XXIX,    p.  661.    XXX,    p.    197.    208:     ver- 
wandt  unserer    stelle    erscheint    Theogn.    817.    —      Auch    die 
folgende  bemerkung  über  ai/ty  t,   104    reizt    mich    zum    Wider- 
spruch: ich  meine,    es  stellt  das  pronomen  die  königin  der  Me- 
lantho  gegenüber,  „ich  die  herrin",    so  dass    stellen  wie  Od.  £, 
99  ÖfAtoaC  zu  nat   ulrij  zu  vergleichen,  und  finde  dies  durch  Pe- 
nelope's   rede   vs.  91    vorbereitet ;    demgemäss   finde  ich  t,  509 


1$  4.  Homeros.  Nr.  1* 

einen  gegensatz  zu  Eurykleia  in  avTtj.  Aber  um  auf  eine 
wichtigere  stelle  zu  kommen,  v,  14  xQadi't]  de  oi  hSov  vtuxiet, 
schliesst  sich  vf.  an  Nutzhoru  die  Entsteh,  cett.  p.  137  an,  der 
übrigens  keine  gründe  für  seine  ansieht  beibringt:  die  meinung 
ist  nun,  dass  Odysseus  wirklich  herzklopfen  gehabt  und  dies 
mit  hundegebell  verglichen  werde:  so  schon  Eustathios.  Ich 
will  nun  gern  zugeben,  dass  Odysseus  in  seinem  leben  herz- 
klopfen zuweilen  gehabt  habe,  obgleich  Homer  doch  selbst  in 
dem  abentheuer  bei  Polyphem  davon  nicht  spricht  und  mir 
dergleichen  bei  einem  helden  eben  nicht  in  den  sinn  will :  aber 
herzklopfen  und  selbst  das  eines  heros  mit  einem  nvwXayfibg 
zu  vergleichen,  scheint  mir  eine  noch  grössere  —  und  daher 
unzulässige  —  hyperbel,  als  wenn  der  verwundete  Ares  stärker 
als  10000  mann  schreit.  Vielmehr  ist  xgadiq  vlüxtti  wie  z. 
b.  r,  92  o  Gfj  x.£q)u.\{\  drafid^sig  aus  der  Volkssprache  genommen 
und  bezeichnet  der  ebenfalls  volkstümlichen  rydug  vhamovaa, 
des  Maecius  (Suid.  s.  vlaxTovarj)  und  dem  stomachus  latrans  des 
Horaz  entsprechend  lediglich  die  innere  bewegung  des  gemüths, 
welche  vs.  10  die  worte  nolld  8s  ^{(j/jt'joi^s  xr)..  beschreiben,  so 
dass  in  dem  gleichniss  selbst  in  vs.  15  fis/jtopev  re  (tax^aOui 
die  hauptsache  enthalten.  So  erst  entspricht  auch  das  gleichniss 
der  natur  der  hiindin  :  den  ihr  gefährlich  scheinenden  unbekannten 
bellt  sie  in  aufregung  gekommen  an  und  überlegt  bei  dem  bel- 
len, ob  sie  zubeissen  soll  oder  nicht :  grade  in  solcher  aufregung 
ist  Odysseus  und  in  ihr  überlegt  er,  ob  er  die  mägde  tödten 
soll  oder  nicht.  —  Um  mit  einer  allgemeinen  bemerkung  zu 
scbliessen,  der  vf.  scheint  mit  Vorliebe  die  versuche  der  ver- 
gleichenden grammatik,  homerische  worte  zu  erklären,  zu  be- 
achten :  wir  haben  gar  nichts  dagegen,  nur  möchten  wir  wün- 
schen, dass  darüber  streng  philologische  arbeiten  nicht  verges- 
sen würden:  wenn  bei  t,  224  wegeu  h-duXhtftai.  auf  Fulda  ver- 
wiesen wird,  war  auch  auf  Merkel.  Apoll.  Rhod.  proll.  p.  ci 
zu  verweisen,  weil  man  das  material  bei  diesem  am  besten  findet. 
Hieraus  wird  man  entnehmen,  dass  der  neue  herausgeber 
trotz  der  spärlich  ihm  zugemessenen  zeit  eifrigst  und  mit  erfolg 
bemüht  gewesen,  die  brauchbarkeit  des  ihm  anvertrauten  buchs 
zu  erhöhen:  man  darf  sich  also  freuen,  dass  die  weitere  her- 
ausgäbe desselben  einem  gelehrten  so  ernsten  strebeus  übergeben 
woi'den.      Eben  deshalb  kommen  wir  auf  uusre  Vorbemerkungen 


Nr.  1.  5.  Alkman.  H 

noch  einmal  zurück.  Wir  haben  mehre  sg.  Schulausgaben  Ho- 
mers, alle  sich  sehr  ähnlich:  warum  suchen  sie  sich  nicht  durch 
einschlagen  neuer  wege  zu  überbieten?  Man  sollte  doch  um 
der  aufgäbe  zu  genügen  und  fortschritte  anzubahnen  vor  allem 
1)  der  kritik  den  gebührenden  räum  gestatten :  es  ist  kein 
grund  vorhanden,  bei  Homer  anders  als  z.  b.  bei  Sophokles  zu 
verfahren.  Dafür  müssten  2)  die  scholien  und  Eustathios  mehr 
berücksichtigt }  zum  theil  wörtliche  auszüge  aus  ihnen  gegeben 
werden ,  wie  J.  A.  Müller  und  Baumgarten-Crusius  schon  ver- 
sucht haben,  damit  die  methode  und  spräche  der  alten  erklärer 
bekannter  würden;  ein  paar  bogen  den  Ameis'schen  anhängen 
beigegeben  könnten  hier  ungemein  viel  gutes  wirken.  Ueber- 
haupt  ist  es  ein  nicht  genug  zu  beklagender  umstand,  dass  den 
studirenden  die  scholienliteratur  so  schwer  zugänglich  ist :  man 
sollte  dem  mit  aller  macht  zu  steuern  suchen;  denn  es  wirkt 
leicht  nachtheiligst  in  dem  folgenden  leben  nach.  Und  endlich  3) 
ist  auf  passende  weise  die  Homerfrage  zu  verwerthen:  wo  z.  b. 
Lachmann  angestossen  ist,  hat  der  erklärer,  auch  wenn  er  Lach- 
mann's  ansieht  nicht  mittheilt ,  in  seiner  erklärung  zu  sorgen, 
dass  der  leser  wo  möglich  auf  die  richtige  auffassung  geleitet 
und  vor  irrthum  und  Verführung  bewahrt  werde.  Man  hat  ähn- 
liches schon  gethan ,  wie  in  diesem  hefte  von  xp,  296  an  auf 
die  unechtheit  der  partie  öfter  aufmerksam  gemacht  wird:  aber, 
wie  ich  meine,  für  den  Jüngern  verwirrend;  um  hier  richtig  zu 
verfahren,  dazu  gehören  praktische  einleitungen  zu  den  verschie- 
denen büchern,  auf  die  bedacht  zu  nehmen,  wir  den  herzusge- 
bern  ganz  besonders  ans  herz  legen  möchten.  Es  gilt  dies 
auch  für  die  kritik :  Kayser's  noten  verlangen  eine  grundlegende 
einleitung.  E.  v.  L. 

5.  De  Alcmane  poeta  Laconico.      Diss.    philol.  scr.  Theo- 
dorus  Niggemeyer,  presb.  Paderb.     Monasterii  1869.     8. 

Man  war  schon  im  alterthum  zweifelhaft  darüber,  ob  die 
blüthezeit  Alkmans  in  die  erste  oder  in  die  zweite  hälfte  des 
siebenten  Jahrhunderts  zu  setzen  sei:  einige  gaben  ol.  27  oder  30, 
andere  ol.  42  an.  Der  verf.  der  genannten  dissertation  entkräftet 
im  ersten  abschnitt  derselben  die  gründe,  mit  welchen  man  die 
frühere  Zeitbestimmung  zu  widerlegen  suchte  und  spricht  sich 
zu  gunsten  derselben  aus.  Dem  negativen  theil  dieser  beweis- 
Philol.  Anz.  IV.  2 


18  5.  Alkman.  Nr.   1. 

führung  wird  man  zustimmen  müssen ;  was  aber  dann  Nigge- 
meyer  seinerseits  vorbringt,  um  jene  angäbe  als  besser  beglau- 
bigt und  wahrscheinlicher  zu  erweisen,  ist  von  geringem  belang, 
und  mit  demselben  recht,  mit  welchem  er  sie  auf  das  initium  iuventu- 
üs  bezieht  (p.  6),  lässt  sie  sich  mit  annähme  einer  öfter  vorkom- 
menden Verwechslung,  als  die  des  geburtsjahres  betrachten.  — 
Der  zweite  abschnitt  handelt  de  metris  Alcmanis,  und  zwar  werden 
zuerst  die  in  den  fragmenten  Alkmans  vorkommenden  verse 
aufgezählt.  Der  Verfasser  hält  sich  beinahe  durchgängig  an  den 
Bergkschen  text ;  aber  da  derselbe  häufig  auf  conjectur  beruht, 
so  bleibt  auch  hier  vieles  in  hohem  grade  unsicher.  Falsch  ist 
die  angäbe  p.  16,  dass  fr.  60,  v.  3  mit  einem  spondeus  be- 
ginne. Weil  der  katalektische  iambische  trimeter  am  anfang 
der  dritten  dipodie  die  länge  nicht  zulässt,  will  der  Verfasser 
nach  dem  Vorgang  anderer  diesen  vers  als  „monometer  trochaieus 
cum  anacrusi  et  ühyphallicus"  aufgefasst  wissen  (p.  17);  die  er- 
scheinung  beruht  vielmehr  auf  dem  bekannten  bedürfniss,  dass  am 
ende  des  verses  das  inetrum  rein  hervortritt.  Auch  bei  der  bespre- 
chung  der  Strophen  Alkmans  bedenkt  der  Verfasser  nicht  immer 
die  art  der  Überlieferung;  so  wenn  er  (p.  28)  fr.  25  und  27  als 
strophae  betrachtet  und  ihnen  eine  maioris  spatii  stropha  entgegen- 
stellt. Was  berechtigt  uns  denn,  jene  zwei  bruchstücke  als  voll- 
ständige Strophen  anzusehen?  —  Das  dritte  capitel  trägt  die 
Überschrift:  cuius  Graecorum  nationis  arti  lyricae  Alcmanis  poesis 
sit  trihuenda.  Neben  mehreren  richtigen ,  aber  nicht  gerade 
neuen  bemerkungen  findet  sich  manches ,  dem  entschieden  zu 
widersprechen  ist.  So  die  behauptung  (p.  41),  Alkman  verleihe 
seinen  eigenen  gefühlen  und  empfindungen  auch  in  chorliedern 
ausdruck.  Das  neu  gefundene  partheneion,  auf  welches  sich  der 
Verfasser  dafür  beruft  (er  nennt  es  noch  irrthümlich  einen  hym- 
nus  auf  die  Dioskuren)  giebt  dafür  nicht  den  mindesten  anhalts- 
punkt:  das  lob  der  Agido  enthält  nichts,  was  nicht  auch  von 
den  Jungfrauen  passend  gesagt  sein  könnte,  und  frigayis  col.  2 
v.  10  gehört  zum  text  des  gedichtes.  Noch  unbegreiflicher  ist, 
wie  der  Verfasser  p.  41  von  dem  an  die  Jungfrau  gerich- 
teten fr.  26  sagen  kann,  durch  den  sinn  ergebe  sich:  carmen 
a  choro  virginum  cantatum  esse. 


Nr.   1.  6.    Aeschylos.  lä 

6.  Aeschylus  Prometheus.  Erklärt  von  Dr  L.  Schmidt. 
Berlin  H.  Ebeling  und  C.  Plahn.   1870. 

Mit  recht  bemerkt  L.  Schmidt  in  einem  nachworte ,  dass 
der  Prometheus  des  Aeschylus  in  der  schullektüre  noch  nicht 
den  platz  gewonnen  hat  welcher  ihm  gebührt.  Die  leichtigkeit 
und  durchsichtigkeit  der  spräche,  die  verhältnissmässige  correct- 
heit  des  textes,  das  grossartige  des  inhalts,  der  personen  und 
der  handlung,  das  interesse  der  ästhetischen  auffassung ,  alles 
das  sollte  man  meinen  wäre  grund  genug  dieses  stück  den 
Schülern  zur  bildung  und  zum  genusse  vorzulegen.  Daran, 
dass  es  nicht  geschieht  oder  wenigstens  nicht  gewöhnlich  ge- 
schieht, ist  vielleicht  die  liebe  gewohnheit,  zum  theil  auch  wohl 
der  mangel  einer  geeigneten  Schulausgabe  schuld.  Die  Schul- 
ausgabe von  L.  Schmidt  „möchte  nun  das  stück  weiteren  krei- 
sen als  den  fachgelehrten  zugänglich  machen"  und  gewiss  hat 
sie  was  die  grammatische  erklärung  betrifft  einen  verdienst- 
lichen beitrag  dazu  geliefert.  „Die  sachliche  erklärung  ist  auf 
das  unumgänglich  nothwendige  beschränkt" ;  ein  grösseres  maass 
würde  zumal  bei  dem  Prometheus  nicht  nur  den  „weiteren  krei- 
sen" sondern  auch  der  schule  sehr  zu  statten  kommen.  Der 
ästhetischen  erklärung  ist  in  einer  einleitung  und  in  einem  an- 
hange bei  der  besprechung  der  bruchstücke  des  gelösten  Pro- 
metheus soweit  genüge  gethan,  dass  die  bedeutenderen  ansichten 
über  die  composition  der  Prometheustrilogie  besprochen  werden. 
Es  fehlt  jedoch  dabei  der  sichere  halt  und  das  bestimmte  ziel; 
der  Verfasser  schwankt  noch  zwischen  den  verschiedenen  an- 
sichten der  gelehrten  hin  und  her  und  hat  sich  nicht  zu  ei- 
nem festen  Standpunkt  durchzuarbeiten  vermocht,  ein  mangel, 
der  uns  auch  bei  manchen  anmerkungen  z.  b.  zu  v.  510,  860 
fühlbar  goworden  ist.  Doch  das  liegt  vielleicht  an  der  sache 
selbst  und  an  der  ungenügenden  Überlieferung.  Um  aber  ins 
einzelne  einzugehen ,  so  muss  als  sehr  lobenswerth  hervorge- 
hoben werden,  dass  alle  bernerkenswerthen  eigenthiimlichkeiten 
der  spräche  erörtert  und  durch  parallelstellen  deutlich  gemacht 
werden.  Die  früheren  ausgaben  sind  fleissig  und  mit  verstän- 
diger auswahl  benutzt.  Auch  die  Sophokles -ausgäbe  von  Schnei- 
dewin-Nauck  ist  herangezogen  worden.  Dass  dieses  immer 
stillschweigend  geschehen  ,  kann  man  bei  dem  zwecke  der  aus- 
gäbe   nicht   tadeln;    weniger    lobenswerth   ist    es    freilich,    wenn 

2* 


20  6.  Aescbyloö«  Kr.  1« 

nicht  blos  parallelstellen  daher  genommen ,  sondern  ganze  an- 
merkungen  ohne  weiteres  einfach  herübergesetzt  werden  (z.  b. 
zu  v.  458  vgl.  zu  Oed.  Tyr.  802  f.).  Einmal  hat  sich  dieses 
verfahren  gerächt,  in  der  anmerkung  zu  v.  21,  wo  die  lücke 
nach  Soph.  Trach.  3  sich  aus  den  anmerkungen  der  Schneide- 
winschen  ausgäbe  zu  Trach.  3  erklärt.  Ebensowenig  ist  zu 
billigen,  wenn  der  herausgeber  eines  Stückes  von  Aeschylus  die 
gesammelten  parallelstellen  des  Sophokles  entlehnt  und  nicht 
die  bei  Aeschylus  vorkommenden  betrachtet  oder  vielmehr  zu- 
sammensucht-, in  erster  linie  soll  jeder  Schriftsteller  aus  sich 
selbst  erklärt  werden.  Auch  das  muss  man  rügen ,  wenn  der 
Verfasser  die  citate  anderer  nicht  immer  nachschlägt  oder  con- 
trolirt,  wenn  er  v.  317  und  936  die  bei  Schütz  und  Blomfield 
stehenden  citate  Cic.  Phil.  I  und  Plat.  de  rep.  V  ohne  nä- 
here bestimmung  lässt,  wenn  er  vs.  907  und  1007  in  den  ci- 
taten  aus  Aeschylus  die  zahlen  Weils  aufnimmt,  der  nach  sei- 
ner ausgäbe  citirt,  während  Schmidt's  ausgäbe  der  Dindorfschen 
Zählung  folgt,  wenn  er  vs.  888  und  p.  103  zu  vs.  609  die  bei 
Weil  stehenden  druckfehler  oder  versehen  Thesm.  430  für  438, 
II.  IV,  377  für  277  herübernimmt,  wenn  endlich  vs.  163  das 
bei  Schömann  stehende  citat  Theogn.  89  in  der  Übertragung 
zu  Hes.  Theog.  89  wird.  —  Die  textverbessungen  des  Ver- 
fassers zu  vs.  214  tbv  vvv  %6lov  aagovr  upo%doi>  aaiöidv ,  zu 
vs.  926  rävds  ngog  nanmv  (Med.  tcöÖc  ngog  xu-acoi'  pr.  xaxui 
rec.) ,  der  Vorschlag  zu  Ag.  520  qatÖQolai  irjpiog  (!)  opftaai 
können  wir  nicht  billigen.  An  der  ersten  stelle  wird  der  scharfe 
gegensatz  der  in  naiöiuv  liegt  durch  das  epitheton  afxox&ov 
abgestumpft ;  an  der  zweiten  ist  das  wegen  seiner  Stellung 
unberührt  gebliebene  im  8t-  das  deutlichste  kennzeichen,  dass 
xuxöJ  unwillkürlich  in  den  geläufigen  casus  x«xo5»»  überging. 
Was  der  Verfasser  dabei  von  scholien  spricht ,  die  mit  ihren 
wunderlichen  erklärungen  auf  diese  lesart  hinweisen  sollen,  das 
gilt  nur  dem  schol.  B.,  dessen  erklärung  hier  ganz  bedeutungs- 
los ist.  Ich  weiss  nicht,  was  der  Verfasser  für  eine  ansieht 
von  den  scholien  hat;  aufgefallen  ist  mir  nur,  dass  er  zu  vs. 
801  Schol.  A.  und  B.,  nicht  aber  das  medieeische  scholion,  wel- 
ches mit  dem  schol.  A.  identisch  ist,  anführt,  und  zu  vs.  877 
„Schol.  Med.  intquivtjfict  &Qijvr]Tut6t>j  beibringt,  was,  aus  verse- 
hen  wie   es    scheint,    bei  Weil  steht,    für   ögijKßÖEg  inlydeynaj 


Nr.  1.  6.  Aeschylos.  21 

wie  es  im  med.  scholion  heisst.  Sehr  gut  ist  die  änderung  von 
loydai  in  Xayoai  in  dem  zu  vs.  675  aus  Blomfield  angeführten 
scholion  zu  Apoll.  Rh.  I,  1263.  Wenn  wir  dagegen  zu  vs.  377 
den  vers  des  Cicero  so  geschrieben  finden :  Mederi  posse  rationem 
(orationemt)  iracundiae,  so  wollen  wir  nicht  hoffen,  dass  oratio- 
nem  als  Verbesserung  von  rationem  gelten  solle.  —  Von  selbst- 
ständigen erklärungen  des  sinnes  ist  nur  die  zu  vs.  514  zu 
erwähnen ;  die  bisherigen  herausgeber  beziehen  dort  t?%vtj  nach 
vs.  506  auf  die  ?txvrI  des  Prometheus,  Schmidt  versteht  dar- 
unter nach  vs.  87  die  kunstvolle  fesslung  des  Prometheus,  wel- 
che Zeus  durch  Hephästos  hat  vollziehen  lassen :  ist  das  mög- 
lich bei  der  allgemeinen  fassung  des  satzes :  rs'pjy  °^  Kvdyytjg 
da&srsarsQa  fia^QW?  —  Das  metrische  Schema  ist  zum  grössten 
theile  nach  Weil  gegeben,  auch  in  vs.  696 ,  wo  Schmidt  ei- 
nen andern  text  als  Weil  hat;  vs.  901  ist  die  abweichung  des 
Schema  vom  texte  wohl  nur  die  folge  eines  druckfehlers  (opa- 
Xbg  yäfiog  für  bfiaXog  6  yd{iog).  —  Störende  druckfehler  sind 
nicht  eben  selten,  im  texte  wie  in  den  anmerkungen;  so  sind  z. 
b.  vs.  55  ff.,  v.  938  die  personenangaben  in  Unordnung,  v.  410 
steht  avpaifxövcov y  493  tivd  für  viva,  537  iXniaiv  (gegen  das 
versmass)  für  iXniaiy  vs.  1058  fehlt  y.  Auch  andere  Uneben- 
heiten finden  sich;  so  ist  z.  b.  zu  vs.  377  von  einem  griechi- 
schen bezeichnenden  ausdruck  ayoiytivra  die  rede,  welcher  in  der 
Übersetzung  Cicero's  verloren  gegangen  sei ;  aber  von  jenem 
acpQiyävta  ist  dort  keine  spur  vorhanden.  Im  text  ist  daselbst 
nebenbei  gesagt  aus  Stobaeus  öoyrjg  \naxaiag  aufgenommen,  wäh- 
rend fiaralag  doch  nur  als  ein  offenbarer  gedächtnissfehler  er- 
scheint und  von  einer  boyt;  paraia  in  der  rede  des  Okeano8 
und  bei  dem  zusammenhange  des  sinnes  auch  nicht  im  entfern- 
testen die  rede  sein  kann.  Doch  genug  der  ausstellungen ; 
wollen  wir  über  dem  tadel  das  lob  und  das  verdienst  nicht  ver- 
gessen ,  welches  sich  der  Verfasser  durch  seine  ausgäbe  erwor- 
ben hat.  Wenn  derselbe  wie  es  scheint  auch  eine  bearbeitung 
der  Perser  und  Eumeniden  beabsichtigt,  so  werden  wir  ihm,  ar- 
beitet er  nur  sorgfältiger,  dafür  nur  dankbar  sein.  Gewiss  wird 
eine  gute  Schulausgabe  der  Eumeniden  auch  dieser  herrlichen 
dichtung  eingang  in  die  schulen  verschaffen. 


22  7.    Sophokles.  Nr.  1. 

7.  Quaestiones  Sophocleae  criticae.  Particula  prior.  Scripsit 
Carolus  Georgius  Eggert.  Paderbornae  in  llbraria  Schoe- 
ninghiana  1868.     61  s.      8. 

Eggert  hat  sich  redlich  bemüht  verschiedene  meistens  offen- 
bare corruptelen  des  sophokleischen  textes  zu  beseitigen ;  er 
behandelt  zuerst  fehler,  welche  durch  falsche  Verbindung,  dann 
solche,  welche  durch  falsche  trennung  der  Wörter  entstanden  sind, 
hierauf  wird  die  vertauschung  gleichlautender  Wörter,  darauf  die 
correctur,  welche  einen  fehler  der  Überlieferung  zu  heben  suchte 
und  damit  neue  fehler  in  den  text  brachte ,  endlich  das  miss- 
verständniss  des  sinnes  als  Ursache  der  Verderbnisse  erklärt  und 
den  besserungen  zu  gründe  gelegt.  Der  erfolg  ist  kein  so 
bedeutender,  als  man  dem  grossen  fleisse  und  der  gründlichen 
Sorgfalt  der  arbeit  wünschen  möchte;  es  ist  eben  leichter  an 
einem  verdorbenen  texte  herum  zu  corrigieren  als  eine  evidente 
oder  doch  wissenschaftlich  befriedigende  emendation  zu  stände 
zu  bringen.  Die  vorgebrachten  conjecturen  betreffen  vier  stücke 
des  Sophokles,  die  Electra,  die  beiden  Oedipus  und  die  Anti- 
gone.  Als  das  beste  betrachtet  ref.  die  änderungen  zu  0.  Col. 
390  Tt  ö'  dvr)  toiovS'  di>8obg  SV  nou^eiav  är,  588  ■/}  rov  it- 
ysig,  als  das  am  wenigsten  genügende  die  verschlimmbesserun- 
gen zu  EL  193  £p  a  xdcpiazafxai  rgans^ag,  363  Sfxot,  ydg  sötoo, 
rovg  crti ,  [xij  Ivnslv  fiörov ,  0.  T.  600  ovx  av  \  yivoir'1  )  drovg 
roaövb'  |  antjQ  |  q>Q0v<äv:  725  XQV^V  5''  (particula  Heathiana)  squv- 
vav,  861  'iv8ov  y'  anav  ngä^aifi  av  wv  ri  aoi  (pi\ov ,  883  8ui- 
liovwv  sntj  (Tf'^ooj',  0.  C.  1249  f.  &vog.  dl)'  &t>  ys  fxovrog.  Wel- 
che Wortstellung  wird  dem  dichter  zugemuthet,  wenn  O.  T. 
328  soä  ö'  ab  fiif  nozs  7u.fi  mg  av  sitvoov  firj  rd  o'  sxcpijto)  xaxd 
coniciert  wird?  Und  ist  nicht  iya  im  gegensatz  zu  ndrisg  ob  qpyo- 
fshs  nothwendig?  Wie  kann  man  ebd.  424  dllmv  8s  für  cor- 
rupt  erklären  und  in  d.XV  olv  ys  corrigieren?  Oder  ebd.  583 
tag  oder  mv  soä  vorschlagen?  Ebd.  624  wird  ro  <p&nt<etr  in 
TÖvS*  6lsh>[!)  geändert  und  dieses  soll  „perdere  velle"  heissen! 
Im  folgenden  vers  soll  dlV  dniar/jctoav  lebhafter  und  geeigneter 
sein  als  ob8s  ni.<SZBvami>.  Was  soll  ebend.  1326  ti'ji<  ys  aqv  av- 
8t]v  hfjiov  (oder  qttkov)  oder  0.  Col.  62  sv  Xöyoig  bedeuten  ? 
El.  76  wird  inTxQaTijg  für  sjticnäjijg  geschrieben,  als  ob  iniatd- 
rqg  nicht  durchaus  passend  wäre.  Ebd.  466  wird  ro  ydg  8i~ 
xvuov,    obS'    e%ei  loyov   geändert   und    „nam  iustum    hoc  est"  er- 


Nr.  1.  7.    Sophokles.  23 

klärt.      Ebenso    wenig   kann  man  etwas  mit  den  vermuthungen 
zu  Ant.   211   av  tavta  Qs'^sig  oder  av  tctvt    «£>'    'ioiaig  und   776 
fiCaafta  7xüv  anfangen.      Ungerechtfertigt    ist  auch   die  änderung 
in  ebd.   1182   t]  nov  xXvovca  nuiöbg ,     ov   tvpj,    ndgu ;    welchen 
grund  soll  der  Chorführer  haben  den  zufall  zu  verneinen  ?    Min- 
der bedenklich  sind   die    übrigen    änderungen,    überzeugend    ist 
keine  derselben.     El.   112  wird   aixcog  ergänzt:    f,oüt\  tvvüg    z? 
ainäg  vTcuxXentouivovg.     Ebd.  226  f.  vermuthet  Eggert  züv  yög 
not'  gV   .   .  noöaqoQOv   äxovoai  'c>t'  snog  ;    zu    diesem   gerlauken 
passt  cfoovovvti  nötigtet  nicht.     Ganz  unstatthaft  ist  die  änderung 
ebd.   232    von    ix  xa^dtav    in    iv    xauütotg:    darüber    brauchte 
man  nicht    zu   sprechen,    auch    wenn   dnoTruvaouai    dann    einen 
richtigen  sinn  hätte.     Nicht  sehr  geschickt  hätte   der  dichter  ge- 
schrieben,   wenn    es    ebd.  327  zciavz'  otft    aXXaig   hiesse.       Die 
erklärung  von  Meineke  orx   eyco  uövov    noiä  uXXu   xai  as  ßnv- 
Xouai    noiEiv    ist    in   der  kürze  familiärer  rede    begründet.     Un- 
nütz ist    die    änderung    zu  ebd.   763   OTtcons    zig  für   'Lncan1   eyco: 
oniun    iyo)  steht  nicht  für  bnoinantv ;   während   der  erzahler  bei 
zot»'  <5'  iSovöiv  oirrso  z'i'douev    sich    unter    den    vielen  Zuschauern 
sieht,  kann   er  bei  fxtytata  nüvzav  oov  bnton    iycb   xay.mv  nur  an 
seine  eigne    lebenserfahrung    denken  („etwas    ärgeres    habe  ich 
noch  nicht  erlebt  als  was  wir  damals  mit  ansahen'1).     Ebd.  vs. 
1329  vermuthet   Esgert    ot    ov    ncio,  «.XXoig,    («/.?»'  f.v   altoTaiv 
xaxoig  tolow  ueyiatoig),  was  bedeuten  soll  „dass  ihr  bei  keinen 
andern    als    eben  (mitten)    unter    euren    ärgsten    feinden    seid" : 
wann  kann  xay.org    zolaiv    (Aeyiazoig    „den    ärgsten  feinden"   hei- 
ssen?     Eggert  führt  cpiXog  ut'yiatog  als  beleg  an:    wenn  es  nur 
auch    i^&goig    toig    [teyCotoig  hiesse.  0.   T.   681    f.    wird   xu\  für 
falsch  erklärt    und    Süxvsi   ö'  ät\  zb  oder    Ös   toi  zb  vermuthet : 
ridicule  si  quid  aliud  dicitur,    mordet  vero    etiam  iniusta   criminatio 
(non  solum    iusta).    immo    vel    maxime    multoque    magis    quam    iusta 
mordet    iniusta.  mirum    ni    stolidissimus  quisque  id    intellegat.       Al- 
lerdings;   aber    y.ai    gibt    nicht  zu  zo   (irj  evdixov  den  gegensatz 
ov  pötov  tb  adixov ,  sondern   drückt   aus,    dass    auch   auf   der 
anderen    seite  gefehlt    worden.      Ebd.    vs.  702    [syxaXööi'    iosig) 
schlägt  Eggert    für    das    von    M.    SeyfTert    vermuthete    iyxaXsiv 
fysig  vor  zu  lesen  lyxaXäv  xvgslg,    was    allerdings    der  Überlie- 
ferung   näher    kommt,    aber    eben    so    unnöthig  ist  als  lyxaXtJv 
£££«4,".     Vs.  1031  verstösst    die    änderung    ix  xaxär  (für  iv  xa- 


24  7.   Sophokles.  Nr.  1. 

xoig)  wie  die  obige  iv  xa^droig  (für  in  napidtcov)  gegen  kriti- 
sche methode,  zumal  da  bei  der  annähme  einer  corruptel  die 
lesart  des  Laur.  iv  xatgoig  für  die  emendation  massgebend  sein 
muss.  Ebd.  vs.  1083  vermuthet  Eggert  tu,  nävia  8fj  '<-/]xei 
*aaq>tj:  jedenfalls  ist  Nauck's  Vorschlag  tu  nävt>  a^  i^ijxsi  aaqirj 
vorzuziehen.  Vs.  1512  ist  die  vermuthung  vvv  de  tovr"1  ev^ 
at'  ifioC  (ort  fxoi)  nicht  besser  als  viele  andere.  —  0.  C.  22 
hat  Eggert  die  conjektur  von  Sehrwald  sv  iia&stv  jw'  e8si  in 
ev  fia&sh  \xs  8ei  geändert:  das  soll  heissen  „propter  (longum) 
tempus  bene  me  hoc  didicisse  oportet" ;  Eggert  möge  erst  aus  sei- 
ner grammatik  lernen,  was  svsna  bedeutet.  Unnütz  sind  die 
conjekturen  zu  ebd.  v.  332  co  tijgSs  xdfinv  (seil.  SvGa&Xioi  tqo~ 
cput),  500  ep  rd%si  7s,  625  ap|jafM/f(/).  Zu  dem  letzteren  be- 
merkt Eggert:  „in  verbo  tjQ^dfitjr  ita  offendo,  ut  non  reiciam  qui- 
dem,  sed  tarnen  praestare  putem  t]v^durjviC :  dieser  Standpunkt  der 
kritik  dürfte  als  überwunden  gelten.  Werthlos  ist  der  Vor- 
schlag zu  ebd.  vs.  813  (iaQTVQO(iai  tovg8\  ov  ah  nqog  ys  („par- 
ticula  ys  cum  acerba  quadam  indignatione  intendit  CfClov*")  rovg 
(pilovg  toiavt'  uueixpei  p^fta*',  rjv  ö'  eXco  noii  (kann  man  dafür 
die  anwesenden  zu  zeugen  aufrufen  ?) ;  ebenso  der  zu  ebd.  vs. 
976  mv  sSgmv  sig  ovg  y1  l'Sgcov  („nesciens  in  quos  perpetrarem 
quae  patravi") :  dadurch  würde  die  stelle  ausserordentlich  matt; 
mit  recht  aber  scheint  Eggert  die  erklärung  von  Schneidewin, 
Oedipus  habe  im  zorn  und  in  blinder  leidenschaft  gehandelt,  zu 
bekämpfen:  sig  ovg  sdgwv  ist  nur  eine  nähere  bestimmung  zu 
der  allgemeinen  angäbe  „was  ich  that".  Grammatisch  unzulässig 
ist  die  änderung  zu  ebd.  1108  rq>  tsxovti  y'  av  gu'Äa,  werthlos 
die  zu  vs.  1118  xal  aoi  ys  jovgyov  tovto  XQsrai  ßga%v  (vor- 
aus xolg  TT]\ixOiö8s)  „et  tibi  quidemf?)  utpote  seni  viro  (rolg  ttjXi- 
xotifSe)  longaeque  orationis  ambagibus  non  delectanti  breviter(t)  (a 
Theseo)  res  narrabitur  (der  logische  Zusammenhang  der  gedanken 
ist  mir  nicht  recht  klar).  Ebd.  vs.  1132  ff.  schreibt  Eggert 
nag  av  d&)iog  y1  iym  und  ovx  syatys  ge  ov8'  av  /u'  idom,  vs. 
1370  ov  ti  nov  «r'  av&ig,  sineg,  vs.  1640  ro  ysvvaiov  zgEyeiv. 
Wir  hegen  den  wünsch,  dass  particula  altera  mit  gleichem  fleiss 
und  eifer  bearbeitet  zahlreichere  glückliebe  emendationen  auf- 
zuweisen habe.  Uebrigens  kann  sich  der  Verfasser  einer  klei- 
nen und  bescheidenen  abhandlung  damit  trösten,  dass  oft  grosse 
und  glänzende  ausgaben  für  die  kritik  und  erklärung  des  dich- 
ters  wenig  oder  nichts  leisten. 


Nr.  1.  8.  Sophokles.  25 

8.  Studia  Sophoclea.  Commentationes  criticae  de  Oedipi 
Colonei  locis  LXII.     Scripsit  L.  Peters.     4.     Gottingae  1869. 

Das  erste,  was  man  von  einem  kritiker  der  emendationen 
zu  Sophokles  veröffentlicht  verlangen  kann,  ist,  dass  er  keine 
metrischen,  grammatischen  und  andere  fehler  in  den  text  cor- 
rigiere.  Diese  forderung  hat  Peters  nicht  erfüllt;  unter  den 
60  vorschlagen  zum  Oed.  Coloneus  sind  manche  gradezu  fehler- 
haft. V.  44  heisst  bei  Peters  all''  IXeco  70tö'  lusrtjv  8e<;uiazo, 
v.  553  yiaiov,  a  vvv  #'  0801g  sv  zoia8y  cckovco  (wegen  des  hiatus 
wird  auf  co  ovzog  v.  1627  und  v.  1720  all'  ins)  olßicog  y* 
slvasr  verwiesen!),  v.  912  ovd-  ov  jrsyvxug  aazeog  o'vzs  atjg 
X&ovog,  v.  1551  'fjöf]  yuQ  eonca  tov  isXsiöv  fiov  ßCov  (giebt  es  auch 
manche  verse  dieser  art,  so  ist  es  doch  niemals  gestattet  den  schö- 
nen rhythmus  des  überlieferten  verses  zu  verunstalten) ;  v.  1584 
neivöv  70i  (oder  ys)  Seiva  ßi'ozov  H-eniazuao  (die  kürze  von  zoi 
wird  mit  0.  T.  155  äfiqn  6ol  u^opsvog  rl  fxoi  tj  viov  und  mit 
dem  kurzen  oi  in  zoiovzog,  zoiöaSs,  noico  belegt!)*,  v.  1469  wird 
eSeiaa  für  dsdia  eingesetzt  und  dabei  wird  vergessen,  dass  da- 
durch die  position  für  die  vorausgehende  silbe  wegfällt ;  v.  135 
soll  mit  (ov)8ev  avov&''  (für  ovSsv  ct£ov&')  ein  anapäst  hergestellt 
■werden;  v.  48  soll  ivSsi^co  ti  8gäg  heissen  „detulero  quid  per- 
petres".  An  anderen  stellen  werden  rein  unverständliche  dinge 
zum  Vorschein  gebracht,  so  v.  402  6  zvußog  Svcfiermv  „tumulus 
tuus  hostium  (oh  Jiostibus  exstructusj",  v.  1021  tm  na.18'  acr^ioii1 
„si  virgines  abditas  tenes",  v.  1077  za%  äv  %a)QSiv  zäv  Setva 
rlaaäv  „recedere  a  virginibus",  v.  1265  TQOcpolg  zolg  aolaiv  „eo- 
rum  qui  nunc  tibi  victum  praebent  iudicio",  v.  1640  tläaag  %ot}, 
to  ö'  ivvaiop  qposr'',  icaosiv  d.  i.  zo  ö'  (ro   zhtjrai)  ivvalov  (icrz«) 

qiQsvl    (yftETgQO). 

Damit  soll  jedoch  nicht  gesagt  sein,  dass  die  arbeit  von 
Peters  nur  eine  flüchtige  sei,  ein  fleissiges  Studium  des  Stückes 
ist  nicht  zu  verkennen.  Mit  conjekturen  geht  es  nicht  anders : 
sie  befriedigen  den  Verfasser  mehr  als  den  leser.  Einige  ver- 
muthungen  von  Peters  verdienen  beachtung,  wenn  auch  keine 
davon  sicher  ist;  ich  hebe  hervor  die  zu  v.  29  avSg''  i6t>ra 
väjv,  die  erklärung  zu  v.  71  „quam  ad  rem  vis  nuntium  dicere 
vel  efficere  ut  rex  veniat?"  (nimmt  man  fioXslv  an,  so  gehört  cog 
tigog  tC  nolelv  zusammen;  dann  aber  ist  xal  xazagziacov  für 
«  xctTaQTvGcov  nothwendig) ;    die    conjektur  zu    v.  113    jöda  für 


26  8.  Sophokles.  Nr.  1. 

jtoda  (schon  andere) ,  v.243  nazgbg  bälg  z68'  ifiov  fxovor,  500 
iv  rettet  zig  TTgaaahco ,  v.  589  xeio\  ava%,  tj^nvai  (xs  (voraus 
wird  iyyevcov  „propinquorum11  erklärt),  v.  603  i^avayuä^ei,  v.  1113 
KUfie  navaazov  oder  vielmehr  navaezov ,  v.  1333  ngbg  vvv  as 
Kotvmv  Kai  deäjp  bfJLoytnav ,  v.  1413  zijg  ifitjg  vnovgyiag  von 
aXXov  (enaivov)  abhängig  (vgl.  Wunder's  anm.) ,  v.  1685  ab&i 
ydg  (schon  Heimsoeth).  Die  übrigen  änderungen,  die  zum  theil 
ganz  unnütz  sind,  können  auf  Wahrscheinlichkeit  wenig  oder 
gar  keinen  anspruch  machen;  es  sind  folgende:  55  Uoasidäv, 
ev&'  o,  156  ava  für  Iva,  257  zäv  ngoaßs  zm8'  slgijflsi'mv ,  277 
Sita  zöov  ■&£Üv  fioTgav  ngoija&s,  ^rjSaficög,  307  b8oi(l),  357  t\v 
t'aig,  voluntas,  Studium  (l),  380  äg%ag  für  "Agyog ,  dux  f actus  sive 
exercitui  praefectus(l),  502  rotö'  vqirjyijzov  8i'%a ,  523  xaxäv  ö' 
(und  mit  Gr.  Wolff  axd&agzov),  570  ßga%£'  spov  „deme",  575  oncog 
nur  ixpd&co,  658  noXXo)  5'  änstXaig,  755  a.XV  mg  ydg  sazi  „ab 
—  sie  enim",  813  nagzvqo^ai  &soi>g  tovads  .  .  Q^fiaz'''  tjv  o' 
eXm  nozi  —  „testor  hosce  deos  atque  (insuper)  istos  tuos  amicos, 
quod  talibus  respondes  verbis ;  ubi  te  quando  cepero  — ,  861  Xtyeig 
ii.  zoiizo,  919  —  923,  welche  nach  v.  931  eingesetzt  werden, 
1083  &mg  daaaa  zobfibv  appa  nach  aluazog  a<ra/(!),  1098 
ngoanortanivag,  1116  zoTg  zqXixoloSs  (mit  Nauck,  aber  auf  The- 
seus  bezogen,  der  kein  lobpreisen  seiner  thaten  verlange),  1117 
f.  rovSs  xai  kXvsiv,  ndzsg,  %gr]  aoC  ysft)  zovgyov  zovz''  spov  8 
iazat  ßga%v,  1192  ag''  ob  aog;(l),  1231  zig  nXävr\ ;  „nam  quum 
adolescentia  adest  stultitias  leves  ferens,  quis  error  multarum  miseria- 
rum  effieiens  abest  (ab  adolescentia),  quae  molestia  non  inest",  1358 
sv  jtögw,  1390  aivyvbv  naväXeg  sgsßog,  1436  fioi,  #a*>oW  inei 
ovzoi  t,ävzs  fx1  av&tg  „mortuum  enim  dum  vivetis  me  non  iterum 
habebitis" (!),  1444  7?jö'  iqitivai ,  1454  ivetg  [*iv  szega  (tztga  = 
infausta),  1466  f.  ovgavip  —  zi  [iat>  iqitjaei  zsXog;  1526  /Atjös 
KivHcdai  Xöym  „quae  vero  nefas  est  vel  oratione  tangi",  1534 
dXXd  fivgiai  —  kuv  sv  zig  otxrj  „etiamsi  quis  bene  administret", 
1690  f.  eXoi  ,  nazgi  ^vv&atslv  ysgaigm  („cum  patre  mori  laudem 
iudico  magnam") ,  zdXaiva'  nüg  ('noty'  b  fie'XXoiv  ßlog  ßi<orog; 
„Versum  antistrophicum  ut  metrum  eius  versui  strophico  aecommode- 
tur,  sie  mutandum  conjicio:  ina^^ivEi  er«  z\  co  q<(Xa,  zov  nazgog 
k>8'  igtjpus"'  (und  wie  soll  das  zusammenstimmen?),  1695  ovtt 
Hatäfisfinz'1  ißt]  tiov,  1698  pLrßapta  8>]  zi  („zi  vim  particulae  (Atj- 
dapa  äuget"!),   1701   ovzi  yag  ovr,  1749  ig  ziv    ov  pe,  1752  Jgvtf 


Nr.  1.  9.  Aristophanes.  27 

(mit  Reisig)  =  pariter,  simul,  „ubi  simul  (praeter  obitum  patris 
solatii  plenumj  in  grato  civium  animo  certa  spes  reponi  possit ,  non 
est  lugendum"  (wie  ist  eine  solche  erklärung  nur  im  entfernte- 
sten möglich?). 

9.  Untersuchungen  über  das  griechische  drama  von  E. 
W.  H.  Brentano  Dr  phil.  —  Erster  theil.  Aristophanes. 
Frankfurt  a.  M.  Heyder  und  Zimmer.   1871.  —     1  thlr. 

Es  ist  kein  gewöhnliches  buch,  das  wir  hiermit  zur  anzeige 
bringen,  kein  buch  von  bloss  speciellem  interesse  oder  unterge- 
ordnetem werthe,  sondern  ein  solches,  das  wegen  der  neuheit 
und  überraschenden  tragweite  seiner  hypothesen  und  resultate, 
insbesondere,  aber  wegen  der  rücksichtslosigkeit  des  darin  beob- 
achteten kritischen  Verfahrens  allgemeiner  bekannt  und  gewür- 
digt zu  werden  verdient. 

Eine  höhere  kritik  hat  es  schon  längst  gegeben,  und  an 
kühnheit  hat  es  ihr  nicht  gerade  gefehlt;  die  schritt  von  Bren- 
tano dagegen  treibt  höchste  und  allerhöchste  kritik.  Oder 
ist  es  nicht  eine  ansieht,  die  weit  über  alles  hinausgeht, was  in 
dieser  hinsieht  jemals  gehört  wurde,  wenn  der  verf.  in  seinem 
Vorwort  die  behauptung  aufstellt,  nicht  bloss  das  griechische 
drama,  sondern  die  griechische  litteratur  überhaupt  habe  im  be- 
ginn der  byzantinischen  periode  eine  systematische  über-  und 
Umarbeitung  erfahren  ? 

Es  ist  hier  nicht  der  ort,  eine  derartige  ungeheuerliche  hy- 
pothese  genauer  zu  besprechen,  auch  ist  der  richtige  Zeitpunkt 
dazu  noch  nicht  gekommen,  da  der  verf.  erst  in  einem  später 
folgenden  theile  seiner  Untersuchungen  diese  frage  eingehender 
zu  behandeln  gedenkt ,  ausserdem  auch  versichert,  sie  sei  erst 
nach  den  vorliegenden  aristophanischen  Untersuchungen  entstan- 
den und  demnach  ohne  allen  ursprünglichen  einfluss  auf  diesel- 
ben geblieben.  Aber  auch  abgesehen  von  jener  extravaganz  — 
denn  für  eine  solche  müssen  wir  vorläufig  die  hypothese  noch 
halten  —  bewegt  sich  die  interessante  schrift  auf  schwindeln- 
der höhe,  und  es  verlohnt  schon  der  mühe  zu  ihr  hinaufzuklim- 
men,  um  von  dort  aus  die  ganze  weit ,  insbesondere  die  arme 
weit  der  philologen  in  grauer,  nebelhafter  ferne  zu  unseren  fü- 
ssen  liegen  zu  sehen. 

Es  sind  vier  aristophanische  stücke,    denen    der  verf.  spe- 


28  9.  Aristophanes.  Nr.  1. 

ciell  seine  aufmerksamkeit  zuwendet,  die  Wolken,  der  Plutos, 
die  Vögel  und  die  Wespen,  und  zwar  nimmt  die  behandlung 
der  Wolkenfrage  als  der  schwierigsten  und  am  meisten  verfah- 
renen die  grössere  hälfte  des  buches  ein. 

Im  ersten  abschnitt  referirt  verf.  die  ansichten  der  neue- 
ren über  die  Wolken.  Er  thut  das  mit  grosser  gründlichkeit 
und  sicherem  urtheil.  Ob  auch  immer  mit  richtigem  ?  Wir 
wagen  es  zu  bezweifeln.  Die  animosität  gegen  die  Hegeische 
philosophie  und  ihre  Stellung  zu  Sokrates,  'die  sich  durch  das 
ganze  buch  hinzieht ,  (p.  70  giebt  es  eine  „hegelianische  wirr- 
construction",  p.  146  eine  „sinnverwirrende  hegelei"),  tritt  schon 
hier  mit  einer  stärke  und  heftigkeit  auf,  dass  sie  als  ein 
schreiendes  unrecht  bezeichnet  werden  muss.  Wie  die  Sa- 
che bisher  lag  und  wahrscheinlich,  trotz  der  scharfsinnigen  Un- 
tersuchungen des  verfs.  auch  in  Zukunft  liegen  wird,  waren 
Hegel  und  alle  die  sich  ihm  anschlössen,  oder,  wie  der  verf. 
p.  19  sagt,  „dem  banne  der  hegelianischen  Zauberformel"  sich 
nicht  zu  entziehen  vermochten,  befugt  zu  sagen,  dass  Sokrates, 
so  sehr  er  sich  auch  sonst  von  den  Sophisten  unterschied,  doch 
im  princip  sehr  vieles  mit  ihnen  gemein  hatte  und  dass  also 
der  dichter  recht  gut  auf  den  gedanken  kommen  konnte,  gerade 
ihn,  der  in  den  äugen  der  menge  auf  Seiten  der  Sophisten  stand 
und  dazu  ein  mann  von  ausgeprägtem  charakter  und  markirter 
individualität  war,  zum  Vertreter  der  sophistik  zu  erwählen. 
Diese  momente  beachtet  der  verf.  nicht  genug,  wiewohl  er 
sie  kennt,  und  daraus  erklärt  sich  seine ,  mit  nicht  geringer 
Selbstzufriedenheit  gepaarte  Verwunderung,  dass  in  diesen  din- 
gen philologen  und  philosophen  mit  so  grosser  blindheit  ge- 
schlagen seien. 

Im  n.  abschnitt  werden  die  angaben  der  V.  u.  VI.  hypothesis 
besprochen.  Während  man  sich  bisher  an  dem  ergebniss  genügen 
liess ,  dass  die  uns  vorliegenden  Wolken  eine  noch  vom  dichter 
selbst  begonnene  aber  nicht  vollendete  Umarbeitung  der  ersten 
Wolken  seien,  gelangt  der  Verfasser  auf  grund  dessen,  was  in 
der  V.  u.  VI.  hypothesis  überliefert  ist,  zu  folgendem  resultat: 
„in  dem  überlieferten  stück  besitzen  wir  weder 
die  I.  Wolken  noch  die  IL,  sondern  eine  unvollen- 
dete bearbeitung  der  ersteren,  also  die  III.  Wol- 
k  en"  u.  s.w.  (p.  50). 


Nr.  1.  9.  Aristophaneö.  29 

Es  ist  die  V.  hypothesis,  auf  die  sich  der  verf.  vor  allem 
beruft.  Aber  einmal  ist  zu  bemerken,  dass  sieb  die  angaben 
derselben  doeb  noeb  anders  deuten  lassen,  als  er  sie  deutet, 
insofern  unter  der  diaoxivtj  reebt  wohl  die  devregai  NsqieXai 
verstanden  werden  können  (s.  p.  37,  anm.  2),  und  dann  lassen 
sieb  die  naebriebten  der  VI.  hypothesis,  die  doeb  allen  glauben 
verdienen  (s.  Teuffei,  die  Wolken  etc.  p.  22),  durchaus  niebt 
damit  vereinigen.  Denn  da  es  bier  beisst,  das  vorliegende  stück 
sei  dasselbe  wie  die  ersten  Wolken ,  es  sei  nur  eine  Umarbei- 
tung derselben  bebuts  beabsichtigter  aber  unterbliebener  auf- 
fübrung  ,  kann  da  im  ernst  noeb  eine  stillschweigende  Voraus- 
setzung der  II.  Wolken  angenommen  werden?  Soll  wirklich 
der  betreffende  grammatiker  es  für  möglich  gehalten  haben,  dass 
der  diebter  ein  stück,  das  ibm  bereits  zwei  niederlagen  einge- 
tragen batte,  von  neuem  bearbeitete,  um  es  zum  dritten  male 
aufzuführen  ?  Nein,  für  den  Verfasser  dieser  hypothesis  giebt 
es  ganz  gewiss  keine  drei  Wolkenkomödien,  und  so  stehen  seine 
angaben  mit  denen  der  V.  im  Widerspruch.  Was  der  verf. 
dann  weiter  über  diögßaaig  und  dann  diaaxsvrj  bemerkt,  ist  ge- 
sucht und  kann  uns  nicht  für  seine  ansieht  gewinnen ;  wir  stim- 
men vielmehr  dem  bei,  was  Teuffei  (a.  a.  o.  p.  23)  so  klar 
und  verständig  darüber  gesagt  hat. 

Im  III.  abschnitt  („Scheidung  des  inhalts  unserer  Wol- 
ken") sucht  der  verf.  zunächst  zu  beweisen,  dass  uns  Strepsia- 
des  hinsichtlich  des  Standes  als  ein  ,, gedoppelter"  und  hinsicht- 
lich des  Charakters  als  ein  „unmensch"  entgegentrete.  Wir 
halten  diese  ganze  partie  für  völlig  misslungen.  Wie  Strepsia- 
des  nur  landmann  das  ganze  stück  hindurch,  nun  und  nimmer 
aber  bäcker  ist,  so  ist  er  andrerseits  trotz  aller  Schwankungen 
in  seinem  wesen  doch  ein  einheitlicher  Charakter.  Es  wäre  ein 
leichtes,  die  angriffe  auf  ihn  einen  nach  dem  andern  zurückzu- 
schlagen, allein  der  räum  verbietet  uns  näher  darauf  einzugeben. 

Die  vielen  ausstellungen ,  die  an  der  cbarakterzeichnung 
des  Sokrates  gemacht  werden,  sind  zum  theil  begründet  und 
erklären  sich  hinreichend  aus  dem  unfertigen  zustande,  in  dem 
das  stück  auf  uns  gekommen  ist,  zum  theil  aber  müssen  sie 
als  ganz  willkürliche  ansichten  bezeichnet  werden.  Sonach 
können  wir  die  Überzeugung  nicht  theilen,  die  vf.  im  IV.  ab- 
schnitt   ausspricht,    dass    von    den    drei   Wolkenkomödien    die 


30  9.  Aristophanes.  Nr.  1* 

erste  nur  den  Sokrates  und  seine  genossen  persi- 
flirt  und  die  zweite  sich  lediglich  auf  einen  an- 
griff gegen  die  sophistik  beschränkt  habe  (p.  76). 

Mit  der  indirekten  Überlieferung,  von  welcher  der  V.  ab- 
schnitt handelt,  weiss  der  verf.  ziemlich  geschickt  sich  abzufin- 
den. Die  platonische  apologie ,  die  seinen  ausführungen  direkt 
widerspricht,  ist  entweder  überhaupt  unecht,  oder  doch  an  den 
betreffenden  stellen  „aller  Wahrscheinlichkeit  nach  interpolirt" 
(p.  82).  Desgleichen  werden  die  Zeugnisse  aus  Diogenes,  Ailia- 
nos  und  Quintilianus ,  welche  die  ganze  deduction  des  verf  s  in 
frage  stellen,  als  sinnstörende  fälschungen  bezeichnet  (p.  83  ff.). 
Man  sieht,  besondere  rücksichteu  kennt  diese  kritik  nicht,  ja 
sie  rühmt  sich  dieser  rücksichtslosigkeit  noch  und  hofft  von  ihr 
allein   errettung    aus    den    Wirrnissen    der  Wolkenfrage    (p.  86). 

Im  VI.  abschnitt  („die  dritten  Wolken"^  wird  dies  unser 
stück  als  ein  nachalexandrinisches  werk  bezeichnet  und  zwar 
soll  dasselbe  von  irgend  einem  „nichtswürdigen ,  welcher  mit 
kalter  teufelsfaust  jene  unsterblichen  kunstwerke  des  griechischen 
dichters  zertrümmerte ,  um  material  für  sein  elendes  machwerk 
zu  gewinnen"  aus  Wolken  I  und  II  und  auch  noch  aus  andern 
aristophanischen  und  selbst  nichtaristophanischen  stücken  conta- 
minirt  worden  sein. 

Dieser  nichtswürdige  mit  der  kalten  teufelsfaust  ist  nun 
zum  glücke  keine  wirkliche  erscheinung ,  sondern  nur  ein  ge- 
spenst,  das  in  der  phantasie  des  verf's  sein  wesen  treibt.  Wohl 
war  das  byzantinische  Zeitalter  geschmacklos  ,  wohl  hat  es  sich 
durch  sein  unkritisches  verfahren,  durch  seine  Sorglosigkeit  und 
durch  unzählige  interpolationen  am  geiste  des  alterthums  schwer 
versündigt ;  aber  kann  man  auch  nur  einen  augenblick  glauben, 
ja  sich  den  fall  überhaupt  nur  denken ,  dass  ein  mensch  mit 
gesundem  verstände,  der  es  sich  mit  andern  Zeitgenossen  ange- 
legen sein  liess ,  die  meisterwerke  der  alten  zu  studieren  und 
kommenden  geschlechtern  aufzubewahren,  dass  ein  solcher  mensch 
den  vorsatz  fasste,  aus  verschiedenen  stücken  die  alle  regelrecht 
gebaut  waren  und  zu  keinerlei  Umarbeitung  herausforderten,  die 
heterogensten  Stoffe,  charactere  und  anschauungen  herauszuueh- 
men  und  sie  zu  einem  buntscheckigen,  regelwidrigen  ganzen 
zu  verschmelzen?  Und  wenn  es  ein  solches  ungeheuer,  einen 
solchen  „gottvergessenen"  bösewicht  gegeben  hätte ,    sollte    der 


J$r.  1.  D.    Aristophanes.  3i 

wirklich  im  stände  gewesen  sein,  ein  kunstwerk  zu  schaffen,  zu 
dem  trotz  aller  seiner  schwächen  Jahrhunderte  staunend  empor- 
geblickt haben  und  das  erst  vor  dem  vernichtenden  blicke  un- 
seres kritikers  in  staub  und  asche  zerfällt  ? 

Gleich  den  Wolken  werden  noch  der  Plutos,  die  Vögel 
und  die  Wespen  unter  das  scheermesser  der  kritik  genommen, 
und  auch  diese  stücke  haben  sich  keiner  sonderlichen  gunst  zu 
erfreuen.  Im  Plutos,  meint  der  verf.,  liege  eine  contamination 
zweier  komödien  und  zwar  einer  mit  socialistischer  und  einer  mit 
moralischer  tendenz  vor  und  die  unkünstlerische  Verbindung  des 
völlig  heterogenen  materials  sei  durchaus  nicht  das  werk  des 
Aristophanes  selber.  Die  Vögel  erklärt  er  für  die  plumpe  ver- 
quickung einer  Titanen-  und  einer  colonistenkomödie  —  hört  es, 
ihr  philologen  alle,  die  ihr  die  Straffheit  der  composition  ge- 
rade in  diesem  stücke  nicht  genug  bewundern  konntet!  —  und 
die  Wespen  zerfallen  nach  ihm  ganz  handgreiflich  in  zwei  ge- 
sonderte hälften,  wovon  die  eine  heliasten-,  die  andere  ekklesia- 
stenkomödie  genannt  zu  werden  verdienen. 

Die  argumentation  des  verfs  ist  auch  hier  bestechend  und 
ausserordentlich  fesselnd ,  weil  sie  sich  auf  umfassende  belesen- 
heit, tiefeindringendes  dichterverständniss  und  einschmeichelnde 
combinationsgabe  stützt:  dessen  ungeachtet  sind  die  ergebnisse, 
zu  denen  er  kommt,  der  art;  dass  sie  jeder  vorurtheilsfreie  le- 
ser  perhorresciren  wird. 

Es  ist  eben  ein  ganz  neuer  Aristophanes,  den  man  uns 
hier  im  ganzen  wie  im  einzelnen  bietet.  Der  Aristophanes,  den 
alle  weit  bisher  dafür  gehalten ,  wird  als  fratze  und  unerträg- 
liche carricatur  bezeichnet.  Die  Überlieferung  wird  in  echtes 
und  unechtes  geschieden,  und  aus  dem  wenigen,  was  dem  verf. 
noch  für  aristophanisch  gilt,  wird  schliesslich  der  wirkliche  ko- 
miker  mühsam  reconstruirt. 

Denn  dass  mau  ja  nicht  glaube ,  nur  die  genannten  stücke 
hätten  vor  den  äugen  unseres  kritikers  keine  gnade  gefunden. 
Auch  über  die  Acharner,  die  Lysistrate  und  selbst  die  Kitter 
,,die  doch  den  eindruck  eines  leidlich  einheitlichen  dramas 
machen  können "  hat  er  auf  der  letzten  seite  den  Stab  ge- 
brochen. 

Wehe  also  dem  jetzigen  Aristophanes,  wenn  der  verf.  recht 
behält.     Aber  seine  methode  ist  verfehlt,    der  ganze  stolze  bau 


32  10.    Longinos.  Nr.  1 

ruht  auf  morscher  grundlage.  Mit  dem  massstabe  einer  ganz 
neuen  willkürlich  ersonnenen  und  in  nichts  begründeten  definition 
von  der  alten  komödie,  wonach  dieselbe  ihr  Privilegium,  sich 
über  die  regeln  strenger  dramatik  hinwegsetzen  zu  dürfen,  ver- 
liert, tritt  er  an  den  Aristophanes  heran,  und  weil  derselbe  sei- 
nen anf orderungen  natürlicherweise  nicht  entspricht ,  so  zer- 
stückt, zerreisst,  zerfetzt  er  ihn  in  einer  weise,  dass  man  nicht 
umhin  kann,  mit  dem  gemisshandelten  mitleid  zu  empfinden. 

Von  der  wunderbaren  praxis,  die  der  verf.  befolgt,  um 
entgegenstehende  Zeugnisse  zu  beseitigen,  haben  wir  schon  frü- 
her einige  proben  kennen  gelernt;  hier  sei  nur  noch  darauf 
hingewiesen,  wie  willkürlich  er  mit  dem  texte  des  dichters  um- 
spriagt.  Die  stelle  der  Vögel  vss.  1432 — 1452  wird  einfach  ge- 
strichen; die  erste  und  zweite  parabase  der  Vögel  werden  conta- 
minirt,  um  zu  ihrer  ursprünglichen  einheit  und  reinheit  zurück- 
zukehren; Wolken  991  „wird  sofort  als  ungehörige  einfügung 
erkannt";  im  Plutos  wird  die  echtheit  aller  der  stellen  ange- 
zweifelt ,  die  für  das  hohe  alter  der  greise  sprechen ;  dass  die 
einfügung  der  eselepisode  in  den  Wespen  (168 — 202)  eine  ganz 
unvermittelte  ist,  soll  auf  der  hand  liegen  u.  s.  w.  u.  s.  w.  Bei- 
spiele dieser  art  könnten  wir  noch  in  grosser  menge  anführen, 
aber  wozu?  können  sie  bei  der  grundanschauung  des  verf 's 
noch  wunder  nehmen? 

Nach  dem  allen  glauben  wir  das  buch  von  Brentano  als  eine 
weit  über  das  ziel  hinausschweifende  und  sowohl  in  ihrem  ver- 
fahren wie  ihren  endergebnissen  unhaltbare,  trotz  alledem  aber 
sehr  anziehende  und  lehrreiche  Schrift  bezeichnen  zu  dürfen. 
Denn  das  muss  man  dem  verf.  lassen ,  er  weiss  seine  sache 
mit  grosser  gewandheit  zu  vertreten,  dazu  ist  sein  ton  frisch 
und  von  stolzem  selbstbewusstsein  gehoben.  Gälte  es  einer 
partie  des  werkes  besonderes  lob  zu  zollen,  so  würden  wir  auf 
die  kritische  betrachtuug  des  Plutos  als  auf  ein  wohldurch- 
dachtes, prächtig  construirtes  ganzes,  als  auf  ein  wahres  meister- 
werk  in  seiner  art  hinweisen.  Ch.  M. 

10.  Della  sublimita ,  libro  attribuito  a  Cassio  Longino, 
tradotto  da  Giovanni  Canna.  8.  Florenz,  Le  Monnier.  1871. 

Die  vorliegende  italienische  Übersetzung  der  schrift  nsgl 
vxjjovg  liefert  einen  neuen  erfreulichen  beweis,  wie  auch  jenseits  der 


Nr.   1.  10.  Longinos.  33 

Alpen  die  klassischen  Studien,  insbesondere  durch  berührung  mit 
der  deutschen  philologie,  sich  zu  regem  leben  wiederum  entfalten. 
Ich  beziehe  mich  dabei  nicht  sowohl  auf  die  Übersetzung  selbst, 
als  auf  die  vorausgeschickte  einleitung,  welche  auf  51  seiten 
erstlich  die  frage  nach  dem  Verfasser  der  Schrift ,  und  zweitens 
die  nach  dem  eigentlichen  thema  behandelt.  Die  Übersetzung 
ist  in  der  that  höchst  geschmackvoll  und  bei  aller  freiheit 
doch  eine  durchaus  treue  nachbildung;  aber  für  uns  Deutsche 
könnte  sie  doch  nur  so  besonderen  werth  haben,  wenn  in  ihr 
und  den  beigefügten  kurzen  noten  wesentliche  beitrage  für  kri- 
tik  und  verständniss  des  textes  enthalten  wären.  Nun  aber  hat 
der  vf. ;  dessen  starke  seite  die  niedere  kritik  nicht  zu  sein 
scheint,  lediglich  den  SpengeFschen  text  zu  gründe  gelegt  und 
sodann  nach  dem  von  0.  Jahn  eine  revision  durchgeführt,  ohne 
an  mehr  als  drei  stellen  nach  eigner  oder  fremder  conjektur 
eine  abweichung  von  dieser  grundlage  sich  zu  gestatten,  s.  p. 
57  f..  Er  will  nämlich  13,  4  für  xal  (podasig  schreiben  rag 
qiQäaeiQ,  welches  Subjekt  zu  avveftßjj*a.i  sein  soll ,  wie  im  vor- 
hergehenden zqlixavzd  xiva  zu  dem  von  ihm  für  unverdorben 
gehaltenen  lnuv^iü<5a.i ,  und  vermuthet  ferner  44 ,  5  für  das 
corrupte  avvctQOi  entweder  avaq)7]xoc  oder  avncpr^oi^  endlich 
adoptirt  er  21,  2  Cumanudes'  conjektur  arovsi  für  a.ya.vax'isZ. 
Mir  scheint  diese  letztere  ganz  annehmlich,  dagegen  Canna's  ver- 
muthungen  an  der  zweiten  stelle  als  dem  Wortlaut  nach  zuweit 
abliegend,  und  seine  auffassung  in  der  erstgenannten  als  unzu- 
lässig, indem  auch  ich  den  fehler  in  iizaxftdaat  suche.  IJonjTi- 
xag  vlaq  heisst  nicht  selve  poetiche ,  sondern  poetische  materien, 
an  welches   wort  sich  dann  cpacicst?  trefflich  anschliesst. 

In  der  einleitung  dagegen  zeigt  sich  der  vf.  ohne  frage 
als  ein  sowohl  durch  kenntnisse  als  auch  durch  gesundes  ur- 
theil  und  klare  auffassung  den  behandelten  gegenständen  durch- 
aus gewachsener  philologe.  Er  ist  vollkommen  bekannt  und 
vertraut  mit  den  einschlägigen  Schriften,  auch  Hallenser  und 
Marburger  dissertationen,  und  gibt  nun  zunächst  von  dem  gange, 
welchen  die  Untersuchung  nach  dem  vf.  der  schrift  ntgl  vipovg  ge- 
nommen, eine  ebenso  genaue  wie  übersichtliche  darstellung.  So- 
dann folgt  von  p.  39  an  die  entwickelung  der  gegen  die  autorschaft 
des  Longinus  vorgebrachten  argumente,  denen  er  selbst  noch 
manches  hinzufügt.  Man  ist  ganz  für  diese  ansieht,  die  man  auch 
Philol.  Anz.  IV.  3 


34  10.  Longinos.  Nr.  1. 

für  die  von  Canna  hält,  gewonnen,  als  plötzlich,  auf  p.  26,  die 
avaaxsvrj  alles  vorgebrachten  beginnt  und  sodann ,  nachdem  er 
dargethan ,  wie  wenig  entscheidend  alle  jene  argumente  seien, 
die  Vorführung  der  positiven  momente  für  Longinus  (p.  34). 
Auch  hier  ist  die  Wirkung  auf  den  leser  —  experto  crede  — 
eine  gleiche  wie  vorhin,  aber  nochmals  folgt  auf  p  40  eine  art 
von  avaaxsvij ,  und  das  schliessliche  resultat  ist ,  dass  Longin's 
autorschaft  als  wahrscheinlich,  wenn  auch  durchaus  nicht  als 
sicher,  hingestellt  wird.  Es  ist  dies  resultat  wirklich  das  ge- 
naue ergebniss  der  für  und  wider  vorgebrachten  argumente-, 
jeder,  dessen  entgegengesetzte  ansieht  nicht  völlig  fest  ist,  wird 
dem  Verfasser  zunächst  beistimmen  müssen ;  aber  nach  erneu- 
ter Untersuchung  der  beweisquellen  selbst  muss  ich  doch  die 
autorschaft  Longin's  entschieden  verwerfen.  Wir  lernen  diesen 
autor  aus  seiner  theilweise  erhaltenen  re%ri]  qijtoqixJj  und  aus 
einigen  fragmenten  hinreichend  kennen,  um  das  urtheil  fällen 
zu  dürfen,  dass  er  ein  mittelmässiger  und  beschränkter  köpf 
und  weniger  originell  und  schöpferisch  als  vielseitig  gebildet  und 
gelehrt  war.  In  seiner  techne  zeigt  sich  der  sophist  der  zeit, 
der  am  kleinen  haftet  und  gewaltigen  werth  auf  gewählte  atti- 
sche Wörter  legt ,  deren  er  einzeln  eine  grosse  zahl  empfiehlt 
und  auch  gewissenhaft  selbst  anwendet :  vgl.  p.  307  die  Vor- 
schrift: ov  yag  ofioiov  ovös  xata  fitxoöv,  zo  aijdsg  .,&y}.svxegiC 
slnslv ,  „aZsQneg'1  rs  xal  ,,ovx  iv  %aQiti(i,  und  die  befolgung 
derselben  311,  8:  qiai'vstai  yocg  afivdoög  te  xul  aa&siijg  x«' 
a  %ö.qi  ar  og,  ar  s gn  ij  g  rs  xai  dyl  svxi'j  g.  Das  ist  doch  kein 
schlichter  und  einfacher  stil ,  wie  Canna  zu  meinen  scheint  (p. 
31),  sondern  ein  über  die  massen  sophistisch  und  geistlos  ge- 
spreizter, und  mag  mau  nun  an  dem  stil  der  schritt  nsgl  vxpovg 
tadeln  was  man  will,  von  einem  festkleben  an  gewissen  formen 
und  von  einem  mangel  an  geist,  lebendigkeit  und  Originalität  in 
demselben  wird  man  nicht  reden  dürfen.  Ebenso  ist  es  aber 
auch  mit  den  gedanken.  Ich  verlange  nicht  den  schwung  der 
schrift  nsgl  vxpovg  in  der  rhetorik  wiederzufinden,  wohl  aber 
das  philosophische  und  geistreiche  gepräge  derselben,  und  finde 
nun  zwar  recht  viel  philosophie,  viel  mehr  als  für  die  rhetorik 
irgend  wünschenswerth  wäre,  aber  eine  recht  triviale,  langwei- 
lige und  am  ende  anwidernde.  Vgl.  den  abschnitt  nsgi  fwjjftqg 
p.  312  ff.  und  gleich  zu    anfang    desselben    die    erörterung  der 


Nr.  1.  11.  Catullus.  35 

feinen  frage,  ob  nicht  das  vergessen  auch  sein  gutes  habe,  was 
der  vf.  mit  gewichtigen  der  moral  entnommenen  gründen  leug- 
net. Endlich  zeigt  sich  in  den  fragen  des  stils  und  des  kunst- 
urtheils  überall  die  stärkste  abhängigkeit  von  den  frühern,  theils 
mit  theils  ohne  anführung  derselben .  So  stammt  nr.  3  der 
excerpte  (p.  325  Sp.)  ziemlich  wörtlich  aus  Caecilius  (s.  Phot. 
Bibl.  p.  485  Bk.),  in  den  fragmenten  des  commentars  zum  Ti- 
maeus  wird  Dionysios  benutzt  (s.  besonders  nsol  avv&.  p.  117  f. 
Reisk.),  desgleichen  in  der  Rhetorik  in  dem  abschnitt  tvsqI  %s%scoq. 
Longin's  bedeutung  für  seine  zeit  scheint  darin  zu  bestehen, 
dass  er  der  rhetorik,  statt  der  trockenen  scholastischen,  wieder 
eine  mehr  ästhetische  richtung  gab,  in  anlehnung  an  Dionysios 
und  andre ;  daher  die  ihm  von  den  späteren  gegebene  bezeich- 
nung  o  «Qirixög  oder  y.Qirty.ojturog ,  und  daher  der  titel  der 
schritt  neyl  v\povg:  diorvatov  \  Aoyyivov ,  indem  der  Urheber 
desselben  keinen  andern  rhetor  von  der  ästhetischen  richtung 
kannte  als  eben  jene  beiden,  und  deshalb  meinte ,  dass  das  na- 
menlose gut  entweder  dem  einen  oder  dem  andern  von  ihnen 
gehören  müsse.  Auch  Canna  ist  natürlich  weit  entfernt,  dieser 
Überschrift  besondere  autorität  beizumessen;  doch  scheint  mir 
auch  das  noch  zu  viel,  was  er  p.  41  sagt,  man  müsse  doch  wohl, 
weil  sie  aus  einem  altern  dokumente  stammen  könne,  sie  mit  in 
rechnung  ziehen.  Wir  haben  dasselbe,  wir  haben  ein  grösseres 
recht  nach  gutdünken  auf  einen  Verfasser  zu  rathen  wie  der 
byzantinische  Schreiber.  Wenn  aber  die  scholiasten  des  Hermo- 
genes  die  stelle  über  die  Oreithyia  des  Aeschylus  (n.  v\p.  3,  1) 
aus  den  cptXo'Aoyoi  ofxüaui  des  Longin  citiren,  so  mag  sie  recht 
wohl  da  gestanden  haben ,  aber  als  citat  oder  entlehnung  aus 
der  schritt  negl  vipovg,  die  dem  Longin  natürlich  nicht  unbe- 
kannt war  und  welche  derselbe  dann  ebensogut  verwerthete 
wie  Dionysios'  oder  Caecilius'  schritten. 

I.  Blass. 

11.  G.  Rettigii  Catulliana  HL  De  epigrammatis  in  Gel- 
lium   scriptis.     Bernae,  typis  Fischeri  MDCCCLXXI.    4.     15   S. 

Der  Verfasser  bespricht  sieben  epigramme  Catull's  ge- 
gen Gellius  (74.  80.  88.  89.  90.  91  und  116)  rücksichtlich 
ihres  adressaten  und  findet  mit  Schwabe,  dass  sie  sämmtlich 
auf  den  Jüngern  Gellius  sich  beziehen,  während  von  dem  altern 

3* 


36  11.  Catullus.  Nr.  1. 

nur  beiläufig  in  seiner  eigenschaft  als  patruus  und  zielscbeibe 
der  deliciae  des  angegriffenen  Gellius  die  rede  ist.  Wa9  man 
sonst  zu  gunsten  der  person  des  altern  Gellius,  besonders  mit 
rücksiebt  auf  die  stelle  in  Cicero's  Sestiana  glaubt  anführen  zu 
können  und  was  in  diesem  sinne  Scbwabe  beispielsbalber  um  des 
„audiatur  et  altera  pars"  willen  angeführt  hat,  wird  entkräftet, 
worauf  der  Verfasser  sich  gegen  Westphal  wendet,  der  neuer- 
dings die  von  Schwabe  aufgestellte  ansiebt  insofern  wesentlich 
verlassen  hat,  dass  er  einmal  die  gedichte  zwischen  den  perso- 
nen  des  Gellius  oheim  und  Gellius  neffe  theilte,  nämlich  jenem 
nr.  74.  80  und  116,  diesem  88.  89.  90  und  91  zuschrieb,  an- 
dererseits die  letzteren  in  umgekehrter  reihenfolge  auf  einander 
folgen  lassen  will ,  als  diese  durch  die  tradition  vorgezeich- 
net ist. 

Eettig  beginnt  damit,  die  überlieferte  reihenfolge  der  zu- 
letzt genannten  gedichte  zu  vertheidigen.  Bei  88.  89  und  90 
ist  die  sacbe  ganz  klar;  90,  weil  es  von  den  folgen  des  incests 
von  tnutter  und  söhn  spricht,  muss  nach  88  und  89  folgen,  da 
in  denselben  der  incest  selber  erwähnt  wird;  89  setzt  gedieht 
88  voraus,  denn  sonst  findet  das  epitheton  des  patruus,  nämlich 
bonus,  keine  erkläning.  Wenn  aber  Eettig  hinzufügt,  erst,  wenn 
88,  v.  1 — 4  vorangegangen  seien,  verstehe  man,  wer  in  c.  89 
die  puellae  cognatae  seien ,  so  ist  dies  nicht  richtig,  da  in  c.  88 
von  puellae  cognatae  nichts  zu  finden  ist.  Vielmehr  kann  gel- 
tend gemacht  werden,  dass  in  c.  89  den  in  c.  88  genannten  cri- 
mina  ein  neues  hinzugefügt  werde ,  eben  das  verhältniss  des 
Gellius  neben  mutter,  Schwester  und  tante  auch  noch  zu  den 
puellae  cognatae.  Eine  Steigerung  war  vom  dichter  gewiss  bei 
allen  diesen  gedichten  beabsichtigt.  Denn  das  ist  doch  klar, 
dass  die  mehrzahl  dieser  epigramme  gegen  Gellius,  wenn  nicht 
alle,  produete  gleicher  zeit  sind  und  nur  dadurch  eine  be- 
stimmte reihenfolge  für  sie  motivirt  wird,  als  der  dichter  selbst 
in  bewusster  weise  von  einem  gedieht  zum  andern  eine  steige- 
•rung  eintreten  lässt,  die  aber  durchaus  nicht  einer  in  Wirklich- 
keit successive  eingetretenen  Verschlechterung  des  Gellius  ent- 
spricht ,  sondern  nur  aus  rücksichten  dichterischer  composition 
unternommen  worden  ist. 

Verwickelter   wird    die    frage    bei   nr.  91.     Westphal  fasste 
das  gedieht  als  eine  kriegserklärung  auf,  was  es  aber,   wie  Ret- 


Nr.  1.  11.  Catullus.  37 

tig  zeigt ,  nicht  ist.  Weil  es  nun  ferner  nur  von  dem  incest 
des  Gellius  mit  mutter  und  Schwester  spricht,  glaubte  West- 
phal,  es  den  andern  voranstellen  zu  müssen.  Aber  wer  sieht 
nicht,  dass  die  erwähnung  der  blutschande  des  Gellius  in  dieser 
fassung,  wie  sie  das  gedieht  bringt,  an  stärke  und  kraft  alles 
überbietet,  was  in  den  früheren  gedienten  darüber  gesagt  wor- 
den war?  Welcher  höhn  liegt  nicht  darin,  wenn  Catull  sagt, 
er  habe  den  Gellius  nur  deshalb  für  unschädlich  gehalten,  weil 
Clodia  nicht  dessen  mutter  oder  Schwester  gewesen  sei?  Das 
enthält  eine  überaus  kräftige  Steigerung  gegenüber  den  einfa- 
chen angaben  der  früheren  gedichte,  dass  Gellius  mit  mutter 
und  Schwester  umgang  gepflogen.  Dass  die  in  c.  88  und  89  er- 
wähnte tante,  sowie  die  in  c.  89  erwähnten  cognatae  puellae  hier 
nicht  auch  noch  einmal  genannt  werden,  ist  ganz  passend;  es 
werden  hier  nicht  nur,  wie  Rettig  dies  erklärt,  die  hauptsäch- 
lichsten und  gravirendsten  inceste  verzeichnet,  sondern  die  mater 
steht  zugleich  als  repräsentantin  der  arnita  und  die  soror  als 
Vertreterin  sämmtlicher  puellae  cognatae.  Also  steht  das  gedieht 
auch  in  der  Überlieferung  an  seinem  rechten  platze. 

Hierauf  bekämpft  Rettig  die  ansieht  Westphals  bezüglich 
der  angeblich  gegen  den  altern  Gellius  gerichteten  epigramme. 
Mit  recht  erwähnt  er  bei  c.  74,  dass  überall  der  jüngere  Gellius 
subjeet  sei,  überall  er  als  thäter,  als  Verbrecher  erscheine,  wäh- 
rend dem  oheim  nur  eine  passive  rolle  zugetheilt  sei.  Wie  soll 
sich  ferner  ein  gedieht  auf  einen  mann  beziehen,  dessen  name 
gar  nicht  genannt  ist,  der  einfach  als  patruus  eines  andern  be- 
zeichnet wird,  dessen  name  ausdrücklich  an  die  spitze  des  gan- 
zen gedichts  gerückt  ist? 

Selbst  in  den  zwei  letzten  versen,  die  noch  dazu  nur  etwas 
von  Gellius  möglicher  weise  beabsichtigtes  (wie  Rettig  gut  aus- 
führt) enthalten,  erscheint  der  ältere  Gellius  nur  als  der  Über- 
fallene, der  jüngere  dagegen  als  einziger  übelthäter.  Rück- 
sichtlich des  gedichts  80  weist  Rettig  überzeugend  nach ,  dass 
ein  mensch,  dem  in  c.  74,  v.  5.  6  die  aktive  betkeiligung  an 
einem  verbrechen  zugetraut  worden  ist,  gewiss  auch  der  passi- 
ven fähig  sein  konnte.  Ferner,  wie  kann  Catull  im  einen  ge- 
dieht mit  dem  namen  Gellius  den  neffen  meinen  und  im  andern 
ohne  nähere  bezeichuung  denselben  für  dessen  oheim  anwenden  ? 
Dann  wird  auf  das    epitheton    rosea    labella   hingewiesen,    das 


38  11.  Catullus.  Nr.  1. 

wohl  vom  jungen,  nicht  aher  vom  alten  gebraucht  werden 
konnte.  Daran  anschliessend  weist  der  Verfasser  Westphals 
emendationsversuche  zu  v.  7  und  8  zurück;  mit  recht:  an  Gel- 
lius  waren  nur  die  blass  gewordenen  lippen  als  auffällig  be- 
zeichnet worden ,  nichts  anderes.  Dagegen  ist  Kettig' s  vermu- 
thung,  für  Victoris  sei  appellativ  uictoris  zu  schreiben  und  dar- 
unter der  oheim  zu  verstehen,  ebenfalls  zu  verwerfen.  Vom 
oheim  ist  im  ganzen  gedieht  keine  rede,  sonst  hätte  ihn  der 
dichter  nicht  einfach  mit  vir  bezeichnet,  sondern  das  verwand  t- 
schaftsverhältniss  mit  gebührendem  höhn  hervorgehoben.  Aber 
auch  ohne  beziehung  auf  den  oheim  kann  Victoris  nicht  appel- 
lativ genommen  werden ,  weil  Catull  bei  viri  sicherlich  eine  be- 
stimmte persönlichkeit  im  äuge  hatte,  die  er  nennen  musste. 
Wir  halten  daher  an  der  person  des  Victor  als  irrumator  des 
Gellius  fest.  Daneben  schlägt  Kettig  vor ,  huic  nach  emulso 
(v.  8)  einzuschieben,  was  allerdings  das  verhältniss  zwischen  Gel- 
lius und  Victor  klarer  hervortreten  lässt ,  obwohl  darüber  nach 
v.  1  und  2  kein  zweifei  obwalten  kann.  Die  worte  sie  certe  est 
in  v.  7  möchte  ref.  als  inhalt  des  clamant  mit  anfiihrungszeichen 
versehen  wissen:  es  ist  die  antwort,  welche  der  dichter  auf  seine 
v.  5  ausgesprochenen  zweifei  von  den  schreienden  indicien  sel- 
ber erhält.  Als  schliessliche  meinung  des  dichters  nehmen 
sich  diese  worte  nach  den  vorangegangenen  zweifeln  eigen- 
tümlich aus. 

Endlich  wird  gezeigt,  dass  auch  c.  116  an  den  jungen 
Gellius  gerichtet  sein  müsse.  Nur  bin  ich  nicht  damit  einver- 
standen, dass  Catull  damit  die  ganze  Gelliussammlung  habe  ab- 
schliessen  wollen.  Vielmehr  enthält  das  gedieht  lauter  anzeichen 
dafür ,  dass  es  die  Sammlung  einleitete ,  wenn  natürlich  auch 
zugegeben  werden  kann,  dass  der  zeit  nach  Catull  dasselbe  erst 
schrieb  ,  nachdem  er  mit  den  eigentlichen  schniähgedichten  fer- 
tig geworden  war  und  das  geschaffene  überschauen  konnte. 
Dem  sinne  nach  ist  c.  116  immer  ein  einleitungsgedicbt ,  wie 
schon  Rettig  sah,  wenn  er  es  als  eine  art  exordium  bezeichnete, 
und  wurden,  wie  wohl  anzunehmen  ist,  die  Gelliusgedichte  in 
form  eines  kleinen  pasquill's  von  Catull  separat  veröffentlicht, 
so  musste  c.  116  dieselben  einleiten.  Das  im  scblussvers  ent- 
haltene siqiplicium  da  bis  ist  drastischer  und  zeichnet  die  sie- 
gesgewisshoit  dos  dichters  bessor,  wenn  die  gedichte  erst  folgen  | 


Nr.  1.  12.  Lateinische  elegie.  39 

sollte  c.  116  den  schluss  bilden,  so  würde  Catull  mit  bezug 
auf  das  vorhergehende  nicht  dabis  gesagt  haben  können,  son- 
dern eher  das  oder  dedisti.  Dazu  kommt  nun  aber  noch  die 
eigenthümliche  haltung  der  ersten  hälfte  des  gedichts.  Catull 
spricht  darin,  wie  sehr  er  sich  früher  alle  mühe  gegeben  habe, 
Gellius  versöhnlich  zu  stimmen,  d.  h.  er  stellt  sich  so,  als  habe 
er  es  aus  furcht  vor  ihm  um  keinen  preis  mit  ihm  verderben 
wollen,  vielmehr  alles  versucht,  um  ihn  zu  gewinnen.  Denkt 
man  sich  nun,  diese  furchtbar  treffenden  gedichte  ständen  vor 
diesem,  so  hat  darauf  die  Schilderung  der  (simulirten)  früheren 
angst  keine  Wirkung  mehr,  während  der  effekt  des  contrastes 
in  ungebrochener  kraft  uns  entgegentritt,  wenn  man  aus  dem 
folgenden  gleich  zu  seinem  erstaunen  inne  wird ,  wie  wenig  es 
dem  dichter  mit  der  Schilderung  seiner  angst  ernst  gewesen  war, 
und  wie  sehr  er  recht  hatte,  des  Gellius'  bestrafung  als  eine 
ohne  zweifei  und  aufschub  alsbald  zu  gewärtigende  selber  zu 
prophezeien. 

H. 

12.  De  Tibulli  Propertii  Ovidii  distichis  quaestionum  elegia- 
carum  specimen.  Diss.  inaug.  scr.  Gualtherus  Gebhardi. 
Regim.  1870.     8. 

Diese  sorgfältige  dissertation  beschäftigt  sich  mit  denje- 
nigen pentametern  der  drei  elegiker,  welche  zwei  mit  attributen 
versehene  substantiva  in  verschränkter  Stellung  enthalten.  Die 
vollständigen  Zahlenangaben  finden  sich  in  einer  der  schrift  bei- 
gegebenen tabelle,  wo  die  beiden  substantiva  mit  a  und  a,  die 
beiden  attribute  mit  b  und  ß  bezeichnet  sind.  Bei  weitem  am 
häufigsten  sind  die  drei  formen  b  \  ß  a  a  (seu  vetus  in  trivio 
florea  serta  lapisj,  b  ß  \  a  a  (tristia  cum  multo  pocula 
feile  bibatjf  b  \  u  ß  a  (stetque  peregrinis  arbor  operta  co- 
mis).  Man  erkennt  das  gemeinsame  derselben,  nämlich  1)  ein 
attribut  steht  an  erster  und  ein  Substantiv  an  vierter  stelle;  2)  das 
attribut  des  letzteren  steht  im  ersten  halbvers,  und  3)  in  diesem 
halbvers  folgt  auf  dasselbe  keines  der  beiden  anderen  Wörter. 
Ganz  vereinzelt  sind  die  pentameter ,  wo  im  ersten  halbvers 
drei  von  den  vier  Wörtern  stehen.  Tibull  vermeidet  solche 
verse  gänzlich,  bei  Properz  finden  sich  zwei  fista  decem  men- 
ses  non   peperere    bona ,    ungue  nie  am  morso  saepe  querere  fi- 


40  12.  Lateinische  elegie.  Nr.  1. 

dem),  bei  Ovid  21.  Auf  das  einzelne  dieser  erörterungen  kön- 
nen wir  hier  selbstverständlich  nicht  eingehen.  Am  meisten 
allgemeines  interesse  hat  die  Untersuchung  über  den  grad  der 
Übereinstimmung,  welcher  in  diesen  dingen  zwischen  den  Herol- 
den und  den  übrigen  Ovidischen  dichtungen  herrscht.  Bei 
einigen  gewinnt  die  durch  andere  gründe  festgestellte  unecht- 
heit  auch  hierin  ihre  bestätigung.  So  findet  sich  z.  b.  in  der 
epistel  der  Sappho  dreimal  hinter  einander  die  form  des  penta- 
meters,  in  welcher  am  ende  des  ersten  halbverses  ein  Substantiv, 
am  ende  des  zweiten  das  dazu  gehörige  adjectiv,  zwischen  beiden 
ein  anderes  Substantiv  mit  adjectiv  steht  (70,  72,  74 :  accumulat 
curas  filia  parva  meas,  non  agitur  vento  nostra  carina  suo ,  nee 
premit  articulos  lucicla  gemma  meosj ,  ein  fall,  wie  er  nach  Geb- 
hardi  sonst  bei  den  drei  elegikern  nicht  vorkommt.  Vieles  der 
art  ist  freilich  von  sehr  geringem  belang  und  nichts  von  zwin- 
gender beweiskraft  (worüber  sich  auch  der  Verfasser  nicht 
täuscht),  dankenswerth  bleibt  indessen  jedenfalls  die  feststellung 
und  aufzählung.  Aber  nicht  zu  billigen  ist  es,  wenn  Gebhardi 
p.  35  zusammenfassend  behauptet:  her oidum  epistolae  non 
ad  amores  vel  artem  amatoriam  usu  ac  ratione  formarum  accedunt, 
sed  cum  exilii  potius  elegiis  conferantur  necesse  est.  Denn  auch 
hier  zeigen  sich,  wie  gerade  die  Untersuchungen  Gebhardi's  leh- 
ren, bedeutende  differenzen  zwischen  den  verschiedenen  Herol- 
den. Gegen  die  briefe  der  Oenone  und  der  Hypsipyle  z.  b. 
hat  Gebhardi  auch  nicht  das  geringste  vorbringen  können,  was 
von  den  in  den  Amores  und  in  der  ars  amatoria  herrschenden 
regeln  abwiche.  —  Ein  versehen  ist  es,  wenn  p.  20,  z.  3  als 
beispiel  für  die  form  a  a  \  b  ß  (nee  facies  oculos  iam  capit  ista 
meos)  der  vers  a  verbis  facies  dissidet  ista  meis  angegeben  wird. 
Ebenso  wenn  es  p.  50  heisst:  Heroidum  4,  166  trux  sie 
unaS,  tXorixai  (am  schluss  des  pentameters),  da  kurz  vorher 
für  dasselbe  adjectiv  Her.  19,  144  angeführt  worden.  —  Wenn 
Gebhardi ,  der  die  bezeichuung  pentameter  verbannt  wissen  will, 
p.  5,  anm.  3  bemerkt,  dass  „schon"  Ovid  die  verkehrte  theorie, 
auf  welcher  jener  nauie  beruht,  kenne,  so  mag  hinzugefügt  wer- 
den, dass  bereits  Hermesianax  des  [iulaxov  nvttfA  und  nepra- 
fiiiQov  ei  wähnt. 


Nr.  1.  13.  Justinus.  41 

13.  Die  Verbreitung  des  Justinus  im  mittelalter.  Eine  li- 
terarhistorische Untersuchung  von  Dr.  Franz  ßühl.  Habili- 
tationsschrift der  Universität  Leipzig.   3  871.     52  pagg.     8. 

Nachdem  für  eine  grosse  anzahl  namentlich  lateinischer 
autoren  ein,  wenn  nicht  vollständiger,  doch  für  die  ergründung 
der  textgescbichte  genügender  kritischer  apparat  gewonnen  ist, 
muss  man  mit  freuden  jeden  versuch  begrüssen  ,  auf  grundlage 
dieses  materials  eine  geschichte  der  Verbreitung  der  klassischen 
autoren  im  abendlande  während  des  mittelalters  von  dem  unter- 
gange des  weströmischen  reiches  an  bis  zu  den  zeiten  des  Wie- 
derauflebens der  Wissenschaften  anzubahnen.  Einem  solchen 
versuche  wird  die  vorstehende  Schrift  des  auf  dem  gebiete  der 
litteratur  der  quellen  des  Plutarch  vortheilhaft  bekannten  Ver- 
fassers verdankt.  Justins  auszug  aus  Pompejus  Trogus  ist  in 
kritischer  beziehung  ungemein  vernacblässigt  gewesen.  Die 
neuesten  ausgaben ,  wie  die  von  Duebner  und  Jeep ,  beruhen 
auf  einer  allzulückenhaften  und  in  folge  dessen  unsicheren  hand- 
schriftlichen grundlage,  als  dass  es  bisher  irgendwie  möglich 
gewesen  wäre,  mit  genauer  sichtung  des  diplomatischen  mate- 
rials an  die  restitution  des  in  einzelnen  worten ,  wie  durch  lü- 
cken  und  glosseme  gleichmässig  über  gebühr  corrumpirten  textes 
des  Justinus  zu  gehen.  Wenn  Justinus  auch  nicht  zu  den 
autoren  geborte,  welche  während  des  mittelalters  in  den  schulen 
gelesen  und  in  folge  dieser  Verbreitung  in  unzähligen  hand- 
schriften  vervielfältigt  wurden,  so  hat  doch  wenigstens  die  ge- 
lehrtenwelt  bis  zum  12.  Jahrhundert  hin,  sowohl  in  Italien  als 
im  norden ,  mit  Vorliebe  ihre  kenutniss  der  ausserrömischen  ge- 
schichte aus  diesem  autor  geschöpft ,  und  in  folge  davon  ist 
eine  bei  weitem  grössere  anzahl  von  handschriften  des  Justinus 
vorhanden,  als  sich  vor  den  dankenswertheu  mittheilungen  des 
Verfassers  ahnen  liess.  Wir  hoffen,  dass  die  von  ihm  angekün- 
digte abhandluug  über  die  textesquellen  des  Justinus  recht  bald 
erscheinen  wird.  In  der  vorliegenden  habilitationsschrift  hat  der 
Verfasser  bei  dem  nachweis  der  mittelalterlichen  autoren,  welche 
direkt  oder  indirekt  den  Justinus,  sei  es  paraphrasirend  benutzt, 
sei  es  direkt  ausgeschrieben  haben,  eine  umfassende  belesenheit 
und  ein  gutgeschultes  kritisches  talent  bekundet.  Die  ein- 
schlägliche mittelalterliche  litteratur,  für  welche  übrigens  wich- 
tige   anleitungen    in    der    meisterhaften    schrift  Alfred  von  Gut- 


42  14.  Griechische  alterthümer.  Nr.  1. 

schmids  über  die  fragmente  des  Poropejus  Trogus  vorlagen, 
beherrscht  der  Verfasser  vollkommen ,  und  wenn  auch  die  zum 
theil  minutiösen  resultate  der  arbeit  zunächst  vorwiegend  meh 
den  historiker  als  den  philologen  interessiren,  so  ist  doch  durch 
gelegentliche  philologische  bemerkungen  auch  für  diesen  des 
anziehenden  genug  vorhanden.  Wir  heben  vor  allem  den  in- 
teressanten ansatz  der  schriftstellerei  des  Gellius  für  das  jähr 
169  n.  Chr.  (p.  35)  hervor,  welcher  bei  Radulphus  de  Di- 
ceto  (um  1210)  geschickt  eruirt  ist,  und  welcher  allem  an- 
scheine nach  auf  eine  neben  Hieronymus  und  unabhängig  von 
diesem  einst  bestehende  chronik  voll  litterarhistorischer  angaben 
zurückgehen  dürfte.  Eine  genaue  durchforschung  der  endlich 
einmal  genau  zu  sichtenden  masse  mittelalterlicher  lateinischer 
glossare  wird  hoffentlich  noch  mehrere  auf  Hieronymus  nicht 
zurückführbare  daten  für  die  römische  litteraturgeschichte  er- 
geben, als  Usener  bisher  herausgeschält  hat.  Immer  mehr  tritt 
ja  überhaupt  das  bedürfniss  hervor,  aus  dem  wüste  der  halb- 
dunklen, mittelalterlichen  Schriften  neues  licht  für  die  antike 
litteratur  zu  gewinnen.  Möchte  doch  der  Verfasser,  der  selbst  die 
Wichtigkeit  einer  erforschung  der  quellen  des  Vincenz  von  Beau- 
vais  bei  gelegenheit  der  besprechung  des  von  diesem  aus  Justi- 
nus  geschöpften  betont,  sich  bestimmen  lassen,  namentlich  zu- 
nächst die  antiken  quellen  des  Vincenz  im  Zusammenhang  zu 
erörtern.  Besonders  anziehend  ist  namentlich  der  nachweis,  wie 
namentlich  der  transalpinische  norden  seine  eigene  handschrift- 
liche Justinüberlieferung  gehabt  hat,  und  dieser  sowohl  die  älte- 
ren nordischen  handschriften  des  Justin  angehören,  als  auch  die 
excerpte  der  nordischen  historiker  entnommen  sind. 

Beiläufig  bemerken  wir,  dass  der  mehrmals  unter  richtiger, 
aber  ungewohnter  bezeichnung  erwähnte  codex  Eusebianus  des 
Justinus  offenbar  ein  Vercellensis  in  der  bibliothek  des  dom- 
capitels  zu  Vercelli  (über  welche  zu  vergleichen  Neigebauer  in 
Neumanns  Serapeum   1857,  nr.  12)  ist. 

14.  Griechische  alterthümer  von  G.  F.  Schömann.  Er- 
ster band.  Das  Staatswesen.  Dritte  aufläge.  Berlin ,  Weidm. 
buchhandlung.  1871.     VIII   und  600  s.     8.   —     lVs   thlr. 

Eine  bei  uns  noch  immer  seltene  Vereinigung  von  solider  for- 
schung  mit  geschmackvoller   darstellung  hat  Schöniann's  behand- 


Nr.  1.  14.  Griechische  alterthümer.  43 

hing  der  griechischen  alterthümer  rasch  und  andauernd  auch  in 
weiteren  kreisen  zahlreiche  freunde  finden  lassen,  wie  von  den 
nicht  -  geschichtlichen  werken  kaum  ein  zweites  der  Weidmann'- 
schen  Sammlung  von  handbüchern.  Mit  genugthuung  begrüssen 
wir  daher  den  beginn  der  dritten  aufläge  dieses  werkes. 

Das  verkältniss  der  neuen  aufläge  zu  der  vorhergehenden, 
gerade  vor  zehn  jähren  erschienenen  bezeichnet  der  verf.  selbst 
folgendermassen:  „auch  diese  dritte  ausgäbe  erscheint  nicht 
ohne  einige  Verbesserungen  und  zusätze,  zu  denen  mich  die 
benutzung  neuer  behandlungeu  der  betreffenden  gegenstände  ver- 
anlasste. Einiges,  was  sich  nicht  füglich  durch  kurze  änderun- 
gen  im  texte  oder  in  anmerkungen  unter  demselben  anbringen 
Hess,  was  ich  aber  doch  nicht  mit  stillschweigen  übergehen  zu 
dürfen  glaubte,  ist  im  anhange   besprochen". 

Was  zunächst  die  äussere  Vermehrung  betrifft,  so  haben  die 
beiden  ersten  abschnitte  ,,einleitung"  und  „das  homerische  Grie- 
chenland" eine  solche  so  gut  wie  nicht  erfahren;  von  dem 
dritten  sind  die  beiden  ersten  kapitel  („allgemeine  Charakteri- 
stik des  griechischen  Staatswesens"  und  ,,geschichtliche  angaben 
über  die  Verfassungen  einzelner  Staaten")  zusammen  etwa  um 
vier  seiten  vermehrt ;  das  dritte ,  „der  spartanische  Staat"  hat 
einen  Zuwachs  von  zwei  Seiten  erhalten,  das  vierte,  „der  atheni- 
sche Staat"  einen  solchen  von  sieben ;  endlich  im  anhang  (p, 
573 — 588)  ist  bei  weitem  das  meiste  ganz  neu  hinzugefügt. 
Doch  sind  auch  die  im  äussern  umfang  unverändert  gebliebenen 
theile  keineswegs  ganz  dieselben  geblieben ;  auch  sie  haben  im 
einzelnen  und  kleinen  vielfach  die  bessernde  hand  erfahren.  — 
Nicht  immer  bloss  auf  fremde  anregung  hin  sind  durch  das  ganze 
buch  änderungen  und  zusätze  vorgenommen;  die  neuere  littera- 
tur  ist  nachgetragen  (auch  die  citate  sind  nach  den  neuen  auf- 
lagen durchkorrigirt) ,  polemisches  dagegen  —  soweit  es  inzwi- 
schen berücksichtigung  gefunden  hatte  oder  sonst  erledigt  war  — 
ist  weggelassen.  Ich  gehe  beispielsweise  die  neunzehnseitige  ein- 
leitung  durch,  gerade  weil  sie  nur  um  wenige  zeilen  vermehrt 
erscheint.  Hier  finden  sich  p.  7  anm.  1,  p.  12  anm.  1,  p.  14  anm. 
2,  p.  15  anm.  1,  p.  17  anm.  1  citate  aus  der  neusten  literatur 
hinzugefügt;  p.  18  ist  die  anm.  2  mit  rücksicht  auf  Nutzhorn 
weiter  ausgeführt,  p.  9  eine  anmerkung  auf  grund  der  Hercher'- 
scheu  kritik    der    fahrt    des  Telemachos    von  Pylos    nach  Lake- 


44  14.  Griechische  alterthümer.  Nr.  1. 

dämon  ganz  neu  hinzugekommen ;  ausserdem  ist  p.  5  der  pas- 
sus  über  Hellas  in  Thessalien  schärfer  und  korrekter  gefasst,  p. 
14  im  text  und  der  zugehörigen  anmerkung  die  gewagte  be- 
merkung  über  die  Aegyptiden  unterdrückt,  in  der  anmerkung 
auch  die  Zurückweisung  des  Prellerschen  erklärungsversuches 
weggelassen  und  vielmehr  die  stelle  der  neuen  auüage  der  grie- 
chischen mythologie  Preller's  citirt,  die  des  vf.'s  frühere  Warnung 
berücksichtigt;  endlich  wird  p.  19  über  Pheidon  hinzugefügt  „oder 
wahrscheinlicher  des  siebenten  (Jahrhunderts)",  und  dess  zur  be- 
kräftigung  in  der  anmerkung  auf  das  (schon  1844  erschienene) 
buch  von  Weissenborn  verwiesen. 

Eine  vollständige  anführung  der  litteratur  liegt  ja  ausser- 
halb des  Scbömann'schen  planes;  indessen  wird  von  grösseren 
antiquarischen  arbeiten ,  die  in  dem  decennium  zwischen  der 
zweiten  und  dritten  aufläge  erschienen  sind,  kaum  eine  nicht 
genannt  und  benutzt  sein.  Anders  steht  es  mit  der  kleineren 
litteratur,  insbesondere  soweit  sie  den  nächstliegenden ,  vielfach 
auch  in  die  alterthümer  hineingreifenden  disciplinen,  wie  geschichte, 
epigraphik,  archäologie  angehört.  Mancherlei  ist  zwar  auch  hier 
gelegentlich  erwähnt,  eine  erschöpfende  ausnutzung  all  dieser 
arbeiten  für  die  neue  aufläge  ist  aber  nicht  erfolgt.  Kein  verstän- 
diger wird  daraus  dem  hochverdienten  greisen  koryphaen  unse- 
rer Wissenschaft  einen  Vorwurf  machen  wollen :  und  wenn  ich 
mir  erlaube  ein  paar  beispiele  anzuführen ,  wo  der  einblick 
in  neuere  arbeiten  auch  für  sein  handbuch  von  nutzen  gewesen 
sein  würde,  so  geschiebt  dies  nur,  um  meine  behauptung  nicht 
unbewiesen  zu  lassen.  So  hätte  p.  3  neben  Jablonsky's  und 
Lassen's  behandlungen  der  karischen  spräche  die  von  Lagarde 
(ges.  Abb.  p.  267  ff.)  oder  p.  19  für  die  chronologische  fixiruug  des 
lebens  Pheidon's  neben  Weissenborn  die  gründliche  Untersuchung 
von  Unger  im  Philolog.  XXVIII,  p.  399  ff.  und  XXIX,  p. 
245  ff.  doch  recht  sehr  die  erwähnung  und  berücksichtigung 
verdient-,  und  wenn  der  verf.  davon  notiz  genommen  hätte, 
dass  in  Athen  jetzt  exemplare  der  \pi}q)o<;  azgijtog  oder  nXt'jQtji 
und  der  ipqqioQ  TeTQVTTtj^tvtj  zum  Vorschein  gekommen  sind  (s. 
arch.  Anzeig.  XVIH,  1861.  p.  223  f.;  vgl.  auch  Bulletin,  d.  inst, 
arch.  1865  n.  X),  so  würde  er  p.  516  nicht  mehr  von  durch- 
löcherten und  ganzen  „kügelchen"  gesprochen  haben ,  die  auch 
schon  Aristoteles    beschreibung   bei    Harpokr.  u.  d.  w.   tetqvjtij- 


Nr.  1.  14.  Griechische  alterthümer.  45 

fisvt]  ausschliesst.  So  hätte  p.  538,  um  eine  Vorstellung  zu  ge- 
ben von  der  bereicherung,  welche  unsere  kenntnisse  von  der  at- 
tischen epbebie  der  späteren  zeit  durch  zahlreiche  inschriften  ge- 
wonnen haben,  ausser  Böckh's  bekanntem  programm ,  von  an- 
dern ganz  zu  schweigen,  mindestens  W.  Dittenberger ,  de  ephe- 
bis  Atticis  (Gott.  1863)  herangezogen  werden  müssen. 

Von  den  besprechungen  im  anhange  ist  die  längste,  ganz 
neu  hinzugekommene  die  zu  p.  237  auf  p.  573 — 577  ,  wel- 
che den  neueren  annahmen  über  das  spartanische  doppelkönig- 
thum  gewidmet  ist.  Da  sich  dieselbe  wesentlich  gegen  meine 
ausführungen  in  Fleckeisens  Jahrb.  1868,  p.  1  ff.  richtet,  so  darf 
auch  ich  wohl  gerade  auf  diesen  punkt  noch  mit  ein  paar  Wor- 
ten eingehen,  um  zu  \»ersucken,  den  verf.,  den  noch  einige  be- 
denken von  der  Zustimmung  fern  halten,  für  mich  zu  gewinnen. 
Vor  allen  dingen  scheint  ganz  unberücksichtigt  geblieben,  dass  all- 
gemeine erwägungen  darauf  führen,  in  den  beiden  königshäu- 
sern  ursprünglich  repräsentanten  zweier  verschiedener  nicderlas- 
sungen  auf  dem  boden  des  spartanischen  Stadtgebietes  zu  sehen, 
und  das  institut  des  doppelkönigthums,  als  aus  einem  synoikis- 
mos  dieser  sondergemeinden  hervorgegangen  zu  betrachten.  Diese 
anschauung  hat  sich  mir  bei  weiteren  Studien  über  die  altspartani- 
sche geschichte  durchaus  bewährt,  und  ich  glaube  manchen  weite- 
ren beleg  für  ihre  richtigkeit  geben  zu  können,  was  freilich  nur 
im  Zusammenhang  einer  eingehenden  behandlung  der  mangel- 
haften Überlieferung  möglich  ist.  Die  officielle  darstellung  der 
älteren  Zeiten  war  natürlich  hier,  wie  sonst,  bestrebt  die  spuren 
ursprünglicher  geschiedenheit  möglichst  zu  verwischen;  auch 
Tyrtäu3,  der  mit  seinem  gedieht  EvtofAia  eine  nicht  unbedeutende 
rolle  in  der  geschichte  der  inneren  bewegungen  in  Sparta  spielt, 
steht  auf  diesem  Standpunkt.  Es  könnte  daher  auch  nicht  wun- 
der nehmen,  wenn  überhaupt  in  der  tradition  gar  kein  direktes 
zeugniss  für  die  Stammesverschiedenheit  der  beiden  könige  vor- 
läge. Die  parallelen  anderer  diarchien  (die  von  Geizer  in 
der  abschiedsschrift  des  göttinger  philologenvereins  für  Curtius 
1868,  p.  39  ff.  gut  zusammengestellt  sind),  die  eigenthümli- 
che  mischung  achäischer  und  dorischer  demente,  welche  in  der 
Stellung  des  spartanischen  königthums  wahrzunehmen  ist,  die 
von  dorischem  sonderinteresse  freie  politik  der  Agiaden  (s. 
Curtius    gr.  G.  III,  p.  37  und   p.  751  anm.  17)    würden   auch 


46  14.  15.  Griechische  alterthümer.  Nr.  1. 

dann  dafür  sprechen,  sich  diese  Verschiedenheit  so  zurecht  zu  le- 
gen, dass  die  Agiaden  Acbäer,  die  Eurypontiden  Dorer  waren. 
Allein  nun  sind  wir  so  glücklich  bei  Polyaen.  I,  10  wirklich  eine 
Version  der  sage  zu  besitzen,  welche  die  Eurystheniden  in  Sparta 
schon  vor  der  dorischen  einwanderung  angesessen  zeigt.  Kann 
es  da  genügen  zu  entgegnen,  dass  Polyän  „einer  der  geistlose- 
sten und  stümperhaftesten  compilatoren"  sei?  Oder  haben  nicht 
solche  compilatoren  zuweilen  dennoch  auch  vorzügliche  quellen 
ausgeschrieben  und  so  überaus  wichtige  nachrichten  erhalten, 
und  steht  es  denn  nicht  notorisch  eben  so  mit  Polyän  ?  — 
Weiter  hatte  ich,  um  den  bekannten  ausspruch  des  königs  Kleo- 
menes  für  meine  ansieht  verwenden  zu  dürfen,  behauptet,  dass 
die  Spartaner  aus  dem  Heraklidenthum  ihrer  könige  keinerlei 
ethnographische  consequenz  gezogen  hätten  und  finde  das  kei- 
neswegs dadurch  widerlegt,  dass  Dorieus,  der  bruder  des  Kleo- 
menes,  sieb  in  Sicilien  als  Heraklide  gerirt.  Der  verf.  un- 
terstellt dabei  —  durchaus  gegen  meinen  sinn  — ,  dass  sich  so 
Kleomenes,  weil  als  Acbäer,  nicht  als  Heraklide  gefühlt  haben 
könne.  Eben  das  leugne  ich  ja,  dass  Heraklide  sein  und  Acbäer 
oder  Dorer  sein  kongruente  begriffe  sind;  es  konnte  Herakliden, 
d.  i.  solche  die  ihre  abstammung  auf  Herakles  zurückführten, 
ebensogut  unter  Achäern  wie  Dorern  geben  (was  ja  der  vf.  p. 
574  selbst  indirekt  einräumt) ;  erregte  es  den  Hellenen  doch 
sogar  kein  bedenken,  Lyderkönige  als  Herakliden  zu  betrachten 
(Herod.  I  ,  7) :  es  verfiel  eben  niemand  darauf ,  daraus  einen 
schluss  auf  jeuer  nationalität  %\\  ziehen. 

Beiläufig  noch  eins.  Auch  in  dieser  aufläge  finde  ich  p. 
554  anm.  2  ein  offenbares  versehen  wiederholt;  der  Pausanias, 
auf  den  sich  Eustath.  zur  II.  p.  1279,  40  beruft,  kann  unmög- 
lich, wie  der  verf.  annimmt,  der  perieget  sein,  der  I,  17,  1 
weder  der  '/Icptltta  noch  der  läge  auf  der  bürg  gedenkt:  es 
ist  vielmehr  der  von  Eustathius  so  oft  benutzte  lexikograph 
gemeint,  worauf  auch  das  vorkommen  der  entsprechenden  glosse 
bei  Hesych.  u.  d.  w.  Atdovg  ßcopög  weist.  C.   W. 

15.  Conrad  Trieber.  Forschungen  zur  spartanischen 
Verfassungsgeschichte.     8.     Berlin.  Weidmann.   1871.  —   15  gr. 

Das  hier  anzuzeigende  buch  von  Trieber  enthält  zur  spar- 
tanischen  verfassuugsgeschichte    in    fünf  kapiteln    zwei  untersu- 


Nr.  5.  15.  Griechische  alterthümer.  47 

chungen  allgemeiner  und  drei  Untersuchungen  specieller  natur. 
Was  die  beiden  ersteren  betrifft ,  so  behandelt  cap.  5  die  spar- 
tanische Verfassung  im  allgemeinen,  cap.  4  den  Zusammenhang 
der  spartanischen  Verfassung  mit  der  kretischen.  Mit  recht  ist 
von  Trieber  betont  worden,  dass  die  spartanische  Verfassung  nicht 
als  eine  allgemein  dorische  aufzufassen  sei,  sondern  aus  der  alt- 
griechischen, d.  h.  homerischen,  erklärt  und  verstanden  werden 
müsse.  Dass  sich  manche  phoenikische  einflüsse  in  den  spartani- 
schen alterthümern  nachweisen  lassen,  darin  stimmt  rec.  mit  dem 
Verfasser  überein ,  während  ihm  dagegen  die  tyrannenfurcht  als 
motiv  einzelner  spartanischer  einrichtungen  z.  b.  der  t-eiqluot'a 
sehr  wenig  bewiesen  zu  sein  scheint.  Auch  mit  den  resultaten 
des  vierten  capitels  darf  man  sich  im  wesentlichen  einverstan- 
den erklären,  dass  nämlich  die  kretische  Verfassung  auf  die 
spartanische,  nicht  umgekehrt  zurückzuführen  sei.  Cap.  3  wird 
die  geschichtlichkeit  des  Lykurgos  einer  prüfung  unterzogen. 
Zuerst  wird  auf  die  Widersprüche  in  der  Chronologie  des  Lykurgos 
hingewiesen  und  daraus  weiter  auf  die  Unsicherheit  der  von  Erato- 
sthenes  benutzten  ävayQayai  geschlossen.  Wenn  der  vf.  die  ganze 
spartanische  königsliste  bis  auf  Leon  und  Anaxandridas  wegen 
der  unverhältnissmässig  langen  durchschnittlichen  regierungszeit 
der  einzelnen  könige  für  unhistorisch  hält,  so  scheint  mir  das 
zu  weit  zu  gehen.  An  eine  Vollständigkeit  dieser  liste  darf 
gewiss  nicht  gedacht  werden ,  auch  einzelue  personen  mögen 
ungeschichtlich  sein.  Dagegen  darf  aber  an  der  geschichtlich- 
keit der  mehrzahl  dieser  könige  nicht  gezweifelt  werden ,  wie 
dafür  denn  auch  die  angaben  der  bei  Pausanias  erhaltenen 
einheimischen  tradition  zu  zeugen  scheinen.  Unterschieden  muss 
werden  zwischen  einer  altern  und  Jüngern  recension  dieser  kö- 
nigslisten ,  von  denen  uns  die  ältere  zuerst  bei  Herodot ,  die 
jüngere  bei  Eratosthenes  vorliegt.  Die  jüngere  unterscheidet 
sich  von  der  altern  durch  hinzufügung  der  zahl  der  regierungs- 
jahre  zu  dem  namen  der  einzelnen  könige,  und  müssen  diese 
Zahlenangaben  auf  eine  reine  erfindung  der  Alexandriner  zu- 
rückgeführt werden.  Dass  sie  wenigstens  in  Sparta  unbekannt 
waren,  lässt  sich  aus  Pausanias  mit  ziemlicher  Sicherheit  erwei- 
sen. —  Der  vf.  führt  dann  die  Überlieferung  der  lebensschick- 
sale  des  Lykurgos  bei  Plutarch  mit  Wahrscheinlichkeit  auf 
Ephoros  zurück,  wobei  rec.  für  Plutarch  nur  eine  zwischenquelle 


48  15.  Griechische  alterthümer.  Nr.  1. 

annehmen  zu  müssen  glaubt.  Cap.  1.  behandelt  die  spartani- 
sche heeresorganisation.  Als  richtig  darf  in  demselben  gelten, 
dass  zur  zeit  der  schlacht  bei  Leuktra  das  spartanische  heer 
in  6  moren,  12  lochen,  48  pentekostyen,  96  enomotien  einge- 
teilt wurde.  Die  moreneintheilung  bereits  bei  Herodot  anzu- 
nehmen ,  ist  von  dem  verf.  durch  nichts  bewiesen.  Die  ein- 
zige stelle,  bei  Her.  9,  60  in  der  aufforderuug  des  Pausa- 
nias  an  die  Athener  vor  der  schlacht  bei  Plataiai,  dtv.uioi  iais 
Vftelg  nQog  rijv  nit£o[iSvi]v  [iuliOTa  räv  (AOigt'atv  ufAvveopisg  tV- 
poli,  hat  einen  ganz  andern  sinn ,  als  der  verf.  ihr  unterlegt. 
Pausanias  unterscheidet  in  seiner  botschaft  an  die  Athener  vor 
der  schlacht  bei  Plataiai  einestheils  die  Athener,  anderntheils  dio 
Spartaner  und  Tegeaten,  die  den  angriff  der  Perser  aufzuneh- 
men haben.  Beide  theile  wollen  sich  deshalb  gegenseitig  un- 
terstützen. Wenn  die  Athener  zuerst  angegriffen  wären ,  so 
würden  die  Spartaner  und  Tegeaten  denselben  zu  hülfe  geeilt 
sein.  Nun  aber  seien  sie  zuerst  angegriffen  und  deshalb  seien 
die  Athener  verpflichtet:  ngog  tijp  ntt^ofitiijv  puXiota  zäp  f*oi- 
gttüv  äfivvsovTEQ  ispui.  Die  folget  kann  hier  nur  den  einen 
theil  des  heeres  bezeichnen,  nämlich  die  ^Spartaner  und  Tegea- 
ten. —  Der  Tlizaviljtijg  X6%og  bei  Her.  9,  53  wird  von  dem  vf. 
ganz  mit  stillschweigen  übergangen,  eine  angäbe,  die  in  Verbin- 
dung mit  Schol.  Aristoph.  Lysistr.  453,  das  der  verf.  ungenügend 
gewürdigt  hat,  und  mit  Her.  1,  65  den  ausgangspunct  für  eine 
Untersuchung  über  die  ältere  spartanische  heeresorganisation 
bilden  muss.  Ebenfalls  darf  auch  auf  eine  kenntniss  der  moren 
bei  Thukydides  aus  der  erwähnung  der  polemarchen  allein  (Thuc. 
5,  66)  mit  dem  verf.  nicht  geschlossen  werden.  Als  gänzlich 
verfehlt  endlich,  sowohl  was  die  dort  gewonnenen  resultate,  wie 
was  die  methode  der  forschung  betrifft,  muss  das  zweite  capitel 
gelten,  welches  „die  rhetra  des  Lykurg  nebst  dem  zusatze  des 
Theopomp  und  Polydor"  behandelt.  Es  darf  als  ein  mangel 
aller  behandluugen  der  spartanischen  Verfassungsgeschichte  bis 
auf  unsere  tage  gelten,  dass  diesen  authentischen  Urkunden 
bei  denselben  nie  das  gewicht  beigelegt  ist,  das  sie  zu  bean- 
spruchen berechtigt  sind.  Den  höchsten  grad  dieses  fehlcrs  hat 
der  verf.  in  dem  zweiten  capitel  des  uns  vorliegenden  buches 
erreicht,  das  sich  die  aufgäbe  gestellt  hat,  dio  unechtheit  dieser 
Urkunden  nachzuweisen.  Die  gründe,   die  dafür  angeführt  werden, 


Nr.  I.  15.  Griechische  alterthümer.  49 

sind  so  nichtssagender  natur,  dass  sie  eine  Widerlegung  kaum 
verdienen.  Der  verf.  geht  von  dem  theopompischen  zusatze 
aus  und  behauptet,  derselbe  bedeute,  das  volk  sei  nicht  berech- 
tigt, anders  als  ja  und  nein  zu  den  vorschlagen  der  gerusie 
zu  sagen.  Diese  neuerung  des  Theopomp  soll  dann  im  Wider- 
spruch stehen  mit  der  durch  diesen  könig  erfolgten  einsetzung 
der  ephorie ,  die  der  verf.  als  eine  Schwächling  der  königlichen 
gewalt  auffasst.  Ebenso  soll  sich  auch  mit  dieser  rhetra  des 
Polydor  und  Theopomp  der  umstand  nicht  vereinigen  lassen, 
dass  das  amtssiegel  der  ephoren,  der  eigentlichen  Vertreter 
des  Volkes,  das  bildniss  des  Polydor  trug,  obwohl  er  zugleich 
mit  der  förderung  der  ephorie  die  Volksmacht  in  der  ekklesia 
geschwächt  haben  soll.  Zunächst  scheint  der  einzig  richtige 
ausgangspunct  der  Untersuchung  über  diese  frage  der  zu  sein, 
nach  der  Rhetra,  die  nach  Plut.  Lyc.  9  zu  urtheilen  auf  Aristo- 
teles zurückgeht,  —  die  ansieht  Triebers,  der  name  des  Ari- 
stoteles sei  von  dem  falscher  der  Urkunde,  um  derselben  eine 
grössere  glaubwürdigkeit  zu  verleihen,  eingeschoben  worden,  ist 
eine  ganz  unhaltbare  vermuthung  —  die  angaben  der  übrigen 
autoren  zu  regulieren,  zumal  da  der  tradition  über  die  Schwä- 
chung der  künigsgewalt  durch  einsetzuug  der  ephorie  eine  eben  so 
gut  beglaubigte  Überlieferung  gegenübersteht ,  die  die  ephoren 
ursprünglich  als  diener  der  könige  darstellt.  Nimmt  man  diese 
tradition  an,  so  ist  damit  jeder  Widerspruch  beseitigt.  Endlich 
ist  aber  auch  der  Inhalt  des  theopompischen  Zusatzes  ein  ganz 
andrer,  als  der  verf.  in  demselben  gefunden  hat.  Aus  fast  noch 
unhaltbareren  gründen  wird  die  lykurgische  rhetra  selbst  verwor- 
fen. Weil  der  Ztvg  'EXXdvtog  und  die  'Adavä  'EXXaiia  „ein 
wahres  kreuz  der  erklärer"  gewesen  sind,  weil  die  zahl  30  in 
der  rhetra  schwierig  zu  erklären  ist,  deshalb  muss  die  rhetra 
selbst  unecht  sein.  Darauf  soll  ferner  auch  die  einrichtung 
neuer  phylen  durch  Lykurg  bei  dem  Vorhandensein  der  alten 
dorischen  hinweisen.  Wenn  jede  Schwierigkeit  der  erklärung 
ein  argument  für  die  unechtheit  der  betreffenden  stelle  sein 
soll,  dann  hat  man  allerdings  ein  sehr  bequemes  mittel,  einen 
jeden  bericht,  der  einer  vorgefassten  meinung  nicht  entspricht, 
zu  beseitigen.  Die  identificierung  des  Knakion  mit  dem  Oinus 
bei  Plut.  Lyc.  6  hält  der  verf.  für  unzuträglich,  weil  nach  den 
neuern  topographen  der  Knakion  im  Süden  der  Stadt  fliessen 
Philol.  Anz.  IV.  4 


50  16.  Archa'eologie.  Nr.  1. 

müsse.  Die  neuern  topographen  können  doch  selbstverständlich 
den  Knakion  nur  nach  den  angaben  der  alten  Idealisieren  und 
wie  man  dann  denselben  im  süden  der  Stadt  Sparta  ansetzen 
kann,  während  die  alten  ihn  im  norden  der  stadt  localisier- 
ten,  ist  mir  unerfindbar.  Wenn  endlich  der  verf.  glaubt,  der 
falscher  habe  die  rhetren  aus  Tyrtaios  entlehnt,  so  ist  das  ein- 
fach deshalb  unmöglich ,  weil  in  der  stelle  des  Tyrtaios  (fr.  4. 
Bergk.),  wie  eine  genaue  betrachtung  ergiebt,  die  lykurgische 
rhetra  und  der  theopompische  zusatz  bereits  verarbeitet  erschei- 
nen und  weil  aus  einer  solchen  einheitlichen  behandlung  die 
trennung  in  zwei  verschiedene  rhetren  ganz  unerklärlich  sein 
würde.  Wenn  der  verf.  glaubt,  mit  Göttling  in  dem  satze 
übereinstimmen  zu  können  :  wer  die  drei  kleinen  (rhetren)  für 
erfunden  hält,  muss  auch  die  grössere  für  erfunden  halten,  so 
ist  das  ganz  verfehlt.  Diese  drei  rhetren,  (Plut.  Lyc.  13),  un- 
zweifelhaft erflndungen  einer  späten  zeit,  werden  durch  die  be- 
zeichnung  al  y.a%ov(i£vai  tgst*;  ql^gai  (Plut.  Ag.  26)  als  eng 
zusammengehörig  bezeichnet  und  treten  dadurch  in  einen  be- 
stimmten gegensatz  zu  der  lykurgischen  rhetra  und  dem  theo- 
pompischen  zusatz.  Dem  rec.  hat  deshalb  denn  auch  diese 
Untersuchung  des  verf.  nur  von  neuem  die  Überzeugung  befe- 
stigt, dass  jede  betrachtung  der  spartanischen  Staatsverfassung, 
wenn  sie  fruchtbringend  werden  soll,  ihren  ausgangspunet  von 
der  lykurgischen  rhetra  und  dem  theopompischen  zusatz  neh- 
men muss. 

16.  Der  Parthenon,  herausgegeben  von  Ad.  Michaelis. 
Atlas  in  fol.,  XV  taf.  Dazu:  text,  gr.  8.  XVI  und  370  s. 
Mit  einer  hülfstafel.  Leipzig,  Breitkopf  und  Härtel.  1871.  — 
6  thlr. 

Das  endliche  erscheinen  des  schon  auf  der  pbilologenversamm- 
lung  zu  Halle  1867  angezeigten,  0.  Jahn  gewidmeten  buche9,  an 
dessen  früherer  Vollendung  der  Verfasser  leider  durch  die  schmerz- 
lichsten Verluste,  die  ihn  in  seiner  familie  betroffen  haben,  verhindert 
worden  ist,  wird  gewiss  in  weiten  kreisen  freudig  begrüsst  wer- 
den. Das  hauptwerk  eines  berühmten  autors,  von  dem  bis 
jetzt  nur  bruchstücke  und  zwar  vielfach  verdorben,  vielfach  in 
schlechter  Überlieferung  bekannt  gemacht  waren,  wird  hier  zum 
ersten  male  vollständig  und  in  gutem  getreuen    texte  veröffent- 


Nr.  1.  16.    Archaeologie.  51 

liebt,  viele  stellen  die  bis  dabin  gar  keine  oder  böebst  mangel- 
hafte erklärung  gefunden  batten,  erhalten  im  commentar  durch 
genauere  feststellung  des  textes  oder  durch  herbeiziehen  von 
parallelstellen  neues  licht ,  und  dadurch  ergiebt  sich  auch  für 
das  ganze,  das  man  bis  dahin  gewohnt  war  als  aus  einzelnen 
wenig  oder  gar  niebt  unter  einander  zusammenhängenden  tbeilen 
bestebend  anzuseben,  ein  neuer  ungeahnter  Zusammenhang.  Und 
war  der  rühm  des  autors  sebon  gross  wegen  der  einzelnen 
theile,  wie  viel  mehr  wird  er  jetzt  gefeiert  werden  wo  man  er- 
kennt;  dass  vom  ersten  bis  zum  letzten  tbeile  seines  werkes  al- 
les auf  ein  gemeinsames  ziel  hinausläuft!  Der  autor  ist  Phi- 
dias,  sein  hauptwerk  der  Partbenon,  die  einzelnen  tbeile  die  met- 
open,  die  giebelfelder,  der  fries  und  die  goldelfenbeinerne  statue. 
Es  würde  leiebt  sein  in  der  spräche  der  philologischen 
kritik  weiter  zu  reden  über  jenes  buch,  in  welchem  der  Verfas- 
ser abgeseben  von  dem  hauptzweck  die  vielfach  zerstreuten  und 
meist  schlecht  publicirten  sculpturen  des  Parthenon  zu  sammeln 
und  zu  sichten,  zugleich  den  nebenzweck  verfolgt  hat,  durch  ein- 
richtung  der  tafeln  zu  zeigen,  dass  die  archäologie,  die  leider 
nach  der  meinung  noch  vieler  philologen  nur  ein  tummelfeld 
für  unbegründete  und  unbewiesene  vermuthungen  ist,  an  ebenso 
strenge  regeln  gebunden  ist  wie  nur  irgend  die  pbilologie, 
ja  dass  für  beide  zweige  der  alterthumswissenschaft  ganz  genau 
dieselben  gesetze  gelten;  ich  könnte  fortfahren  zu  reden  von 
text  und  den  darunter  gestellten  Varianten,  von  conjeeturen  und 
ergänzungen  früherer  bearbeiter  u.  s.  w.,  wenn  es  überhaupt  der 
zweck  dieser  zeilen  wäre  eine  genaue  eingehende  besprechung 
des  buebes  zu  liefern  ;  doch  kann  dies  unmöglich  meine  absieht 
sein:  einmal  weil  ich  dann  den  mir  gestatteten  räum  weit  über- 
schreiten müsste ,  dann  aber  auch  weil  zu  einer  genauen  Ver- 
knüpfung aller  der  vielen  im  „Parthenon"  aufgehäuften  einzel- 
heiten  ein  bedeutend  längerer  zeitraum  erforderlich  wäre  als 
mir  jetzt  zu  geböte  steht.  Und  selbst  wenn  es  einem  recen- 
seuten  gelänge  nachzuweisen,  dass  ein  oder  das  andre  sculptur- 
fragment  sich  den  scharfen  bücken  des  Verfassers  entzogen 
habe,  oder  dass  er  bei  anführung  der  Zeugnisse  eins  oder  das 
andere  übersehen  habe,  so  könnten  dies  doch  nur  kaum  in  be- 
tracht  kommende  kleinigkeiten  sein  und  würden  dem  Ver- 
dienste   von   Michaelis ,     zuerst    die    erhaltenen     reste    gesam- 

4* 


52  16.  Archaeologie.  Nr.  1, 

melt  und  dem  allgemeinen  urtheil  zugänglich  gemacht  zu  ha- 
ben ,  keinen  abbruch  thun.  Nein,  es  kann  nur  mein  zweck 
sein  in  kurzen  Worten  das  werk  anzuzeigen ,  plan  und  einrich- 
tung  desselben  zu  entwickeln  und  auf  das ,  was  für  einzelerklä- 
rung  und  für  deutung  des  ganzen  neues  vorgebracht  wird,  hinzu- 
weisen ;  gelingt  es  mir  damit  die  aufmerksamkeit  solcher,  die  sonst 
vielleicht  gleichgültig  an  dem  werke  vorübergegangen  wären,  auf 
dasselbe  hinzulenken,  so  ist  meiner  absieht  genüge  geschehen. 

Der  erste,  historische  theil  handelt  von  der  geschichte  des 
Parthenon,  von  der  grundsteinlegung  auf  dem  nur  wenig  er- 
weiterten unterbau  des  ehemaligen  von  den  Persern  zerstörten 
hekatompedos  an  durch  alle  phasen  der  geschichte  hindurch 
bis  auf  die  neueste  zeit.  Der  architektonische  theil,  wenn  auch 
nur  kurz,  ist  doch  mit  grosser  genauigkeit  behandelt,  nament- 
lich den  farbenspuren  viel  aufmerksamkeit  geschenkt.  Von  ein- 
zelheiten  wäre  hervorzuheben,  dass  der  name  hekatompedos  der 
tempelcella  zukommt,  die  mit  der  westlichen  scheidemauer  (nach 
dem  opisthodom  zu)  fast  genau  100  attische  fuss  misst  *j,  wäh- 
rend mit  „Parthenon"  im  eigentlichen  sinne  nur  der  unmittel- 
bare räum  vor  der  statue  des  Phidias  bezeichnet  wird.  Für 
sie  wird  mit  Bötticher,  dessen  neueste  Untersuchungen  für  den 
architektonischen  theil  überhaupt  zu  gründe  gelegt  sind,  als 
aufstellungsplatz  ein  räum  an  der  westlichen  cellawand  nachge- 
wiesen, wo  zwei  mauervorsprünge  eine  nische  bilden ;  die  wei- 
ter nach  osten  sich  findenden  spuren  (zu  tage  liegende  Paros- 
quadern),  die  früher  als  rest  der  aufstellung  des  bildes  galten, 
werden  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  für  ein  bema  in  anspruch 
genommen,  von  dem  aus  an  den  panathenäen  die  Siegerpreise 
vertheilt  wurden.  Gitter  zwischen  den  säulen  trennten  die  cella 
in  mehre  räume  die  nach  ausweis  der  inschriften  zur  aufbe- 
wahrung  der  bei  processionen  gebrauchten  heiligen  kostbaren 
geräthe  und  anderer  weibgeschenke  benutzt  wurden;  zwei 
thüren  zu  beiden  seiten  der  nische  führten  aus  der  cella 
in  den  opisthodom,  das  schatzhaus  der  Athener.  Ueberhaupt 
war  der  zweck,  als  schatzhaus  und  als  aufbewahrungsort  der 
heiligen  geräthe  zu  dienen,  eine  der  hauptbestimmungen  des 
gebäudes  ;   es  war  nicht  ein  kulttempel ,    sondern   vielmehr   mit 

1)    Die    breite  des  stylobats,    die  zufällig  auch  100  attische  fuss 
beträgt,  hat  nichts  mit  dieser  benenuung  zu  schaffen. 


Nr.  1,  16.  Archaeologie.  53 

allem  seinem  inhalt  gleichsam  ein  weihgeschenk  der  Athener  an 
die  göttin,  der  sie  den  segen  des  landes  und  schütz  in  allen 
gefahren  verdankten.  Daher  auch  der  schmuck  an  der  statue, 
in  den  giebelfeldern  und  metopen  darauf  berechnet  ist,  die  macht 
der  Pallas,  sei  es  im  kämpfe  mit  einem  gott  um  die  herrschaft 
des  landes,  sei  es  gegen  die  erdgeborenen  Giganten,  sei  es  wo 
sie  dem  athenischen  volke  oder  einzelnen  athenischen  helden 
beisteht,  zu  zeigen.  Schön  schliesst  sich  daran  der  fries,  das 
fest  der  panathenäen  darstellend,  den  dank,  den  das  athenische 
volk  seiner  göttin  bringt. 

Die  Schicksale  des  tempels  nach  seiner  Vollendung,  wie  er 
unter  der  habgier  der  dreissig  zu  leiden  hatte,  dann  durch  Ly- 
curg  wieder  mit  kostbarkeiten  angefüllt  wurde,  seine  entwei- 
hung  durch  Demetrios,  seine  beraubung  durch  Lachares,  bis  zur 
endlichen  Zerstörung  der  statue  durch  die  Christen  und  zur  Um- 
wandlung des  tempels  in  eine  kirche  der  mutter  gottes  werden 
anschaulich  geschildert;  die  vermuthung  dass  die  entwendung 
des  goldenen  gewandes  durch  Lachares  nur  auf  einer  falsch 
verstandenen  wendung  eines  komikers  '  beruhe,  ist  sehr  wahr- 
scheinlich; denn  wie  wäre  es  denkbar,  dass  der  dieb,  dem  es 
darauf  ankommen  musste  die  gestohlenen  werthsachen  transpor- 
tabel herzurichten,  das  gewand  in  einem  zustande  zurückgelas- 
sen habe,  der  die  Wiederanfügung  an  die  statue  erlaubte? 

Von  den  Umänderungen,  die  der  Parthenon  erfuhr,  als  man 
ihn  zur  christlichen  kirche  weihte,  ausführlich  zu  berichten  würde 
zu  weit  führen;  nur  so  viel  sei  bemerkt,  dass  die  sculpturen 
bis  auf  eine  platte  des  ostfrieses  (die  man  aber  sorgfältig  auf- 
hob) an  ihrer  stelle  blieben ,  dass  aber  die  langseiten  des  frie- 
ses  dadurch,  dass  das  alte  dach  abgebrochen  und  durch  ein 
kleineres  nur  bis  zur  cellamauer  reichendes  ersetzt  wurde,  al- 
len einflüssen  der  Witterung  preisgegeben  wurden.  Diesem  um- 
stände vorzüglich  ist  die  grosse  Zerstörung,  die  einzelne  platten 
durch  abblätterung  des  marmors  getroffen  hat,  zuzuschreiben. 
Auch  die  Umwandlung  der  kirche  in  eine  moschee  durch  die 
Türken  führte  wenig  Veränderungen  herbei;  desto  mehr  die  ver- 
hängnissvolle belagerung  durch  Morosini  im  jähre  1687;  ein 
glück  dass  wenigstens  ein  grosser  theil  der  sculpturen  durch 
Carrey,  den  Zeichner  des  französischen  gesandten  in  Constanti- 
nopel,  Nointel,  vorher  gezeichnet  waren! 


54  16.  Archaeologie.  Nr.  1. 

Die  nachherigen  Schicksale  des  terapels  nach  der  Zerstö- 
rung durch  die  Venetianer  lassen  sich  in  wenigen  worten  zu- 
sammenfassen. Absichtliche  Zerstörung  durch  die  Türken  und 
Verstümmelung  durch  die  reisenden  gehen  hand  in  hand.  Da 
kann  man  das  auftreten  Elgins  nur  mit  genugthuung  begrüssen, 
man  kann  sich  freuen,  dass  die  sculpturen  dem  sichern  verfall 
oder  der  Verschleppung  und  Zerstörung  entzogen  und  die  haupt- 
stücke wenigstens  nach  London  geschafft  wurden. 

Der  Verfasser  lässt  lord  Elgin  gerechtigkeit  widerfahren : 
so  wenig  die  art  und  weise  gebilligt  wird  ,  mit  welcher  theile 
des  gebäudes  der  sculpturen  wegen  zerstört  worden,  so  sehr 
nimmt  er  ihn  gegen  unberechtigte  angriffe  in  schütz  2).  Und 
wahrlich,  wenn  man  sieht  dass  auch  noch  im  jähre  1871  die 
sculpturfragmente  allen  unbilden  der  Witterung  ausgesetzt  auf 
der  Akropolis  herumliegen  (das  p.  51  erwähnte  museum  auf 
der  bürg  ist  noch  nicht  über  das  unterste  Stockwerk  hinaufge- 
kommen, und  scheint  definitiv  aufgegeben;  ein  anderes  grösse- 
res museum,  das  man  in  der  Patissiastrasse  einrichten  wollte, 
scheint  gleichfalls  ins  stocken  gerathen  zu  sein),  kann  man  nur 
zufrieden  sein,  dass  ein  grosser  theil  dieser  meisterwerke  schon 
seit  langer  zeit  allen  weiteren  Zerstörungen  entzogen  worden. 

Der  zweite  theil  enthält  übersieht  und  kritik  der  quellen. 
Unbedingte  glaubwürdigkeit  gebührt  natürlich  nur  den  origina- 
len; da  wo  diese  verloren  oder  zerstört  sind,  treten  zumeist 
gypsabgüsse  ein,  die,  von  den  originalen  in  einer  zeit  genom- 
men, wo  diese  besser  erhalten  waren ,  manches  und  theilweise 
höchst  wichtiges  überliefert  haben.  An  dritter  stelle  folgen  die 
Zeichnungen,  vor  allen  die  vor  der  venetianischen  belagerung  ge- 
machten von  Carrey,  dem  trotz  mancherlei  versehen,  die  er  sich  hat 
zu  schulden  kommen  lassen  (er  zeichete  von  unten  ohne  gerüste), 
doch  die  grösste  glaubwürdigkeit  für  den  inkalt  zukommt,   wäh- 

2)  Ich  bemerke  hier,  dass  die  englische  regierung  darauf  ausgeht, 
sämmtliche  zum  Parthenon  gehörige  fragmente  in  gypsabgüssen 
zu  vereinigen.  Im  mai  dieses  Jahres  hatte  der  formatore  Martinelli  in 
Athen  den  auftrag  erhalten,  alle  auch  die  kleinsten  fragmente  sammt 
allen  noch  an  ort  und  stelle  befindlichen  platten  abzuformen,  so  dass 
zu  hoffen  steht,  dass  man  in  kurzer  zeit  die  sämmtlichen  sculpturen 
auf  das  bequemste  in  London  wird  studiren  können.  Die  kleinen 
versehen  oder  auslassungen,  die  auf  den  tafeln  des  vorliegenden  Wer- 
kes sich  finden,  können  dann  bei  einer  zweiten  aufläge  berichtigt 
werden. 


Nr.  1.  16.   Archaeologie.  55 

rend  er,  der  schaler  Lebruns  ,  den  styl  des  Phidias  nicht  wie- 
derzugeben wusste.  Für  einige  metopenplatten  sind  noch  die 
Zeichnungen  von  d'Otiere' s  ingenieuren  wichtig.  Getreuer  im 
styl  als  Carrey,  doch  dafür  nicht  frei  von  willkürlichen  Zusä- 
tzen und  ergänzungen  ist  Stuart ,  um  der  andern  weniger  in 
betracht  kommenden  zu  geschweigen.  Die  tafeln  sind  demge- 
mäss  so  angeordnet ,  dass  in  hauptstreifen  der  text ,  d.  h.  die 
durch  die  originale  überlieferte  gestalt  gegeben  ist ;  wo  diese 
uns  fehlen  oder  die  bildwerke  in  gypsen  oder  Zeichnungen 
besser  erhalten  sind,  werden  diese  in  den  text  gesetzt,  doch 
durch  hellere  sehraffirung  kenntlich  gemacht ;  die  abweichungen 
der  anderen  Überlieferungen,  so  weit  sie  jedesmal  von  Wichtig- 
keit sind ,  werden  in  halber  grosse  als  Varianten  unter  den 
hauptstreifen  gegeben. 

Somit  wären  wir  bei  dem  atlas  und  dem  theil  III  des 
textes,  dem  entschieden  wichtigsten  theile  des  buches,  bei  der 
erklärung  der  tafeln  angelangt.  Von  den  15  tafeln  enthalten 
I  und  II  ansichten  und  plane  vom  Parthenon  und  architekto- 
nisches ;  t.  III— V  die  metopen;  VI  bis  VIII  die  giebelgruppen, 
und  IX  bis  XIV  den  fries  der  cella.  Taf.  XV  endlich  behan- 
delt die  Athena  Parthenos.  Auf  der  dem  texte  zugegebenen  hülfs- 
tafel  ist  eine  Zeichnung  des  westgiebels  von  Dalton,  und  eine 
darauf  beruhende  reconstruction  des  ganzen  giebelfeldes  abge- 
bildet. Was  die  Zeichnungen  anbetrifft,  so  lässt  sich  sagen  dass 
sie  mit  grosser  Sorgfalt  ausgeführt  sind ;  kleinere  versehen  und 
auslassungen  fehlen  zwar  nicht,  sind  aber  regelmässig  im  texte 
angemerkt. 

Die  erklärung  geht  vor  allen  dingen  darauf  aus  nachzu- 
weisen, dass  nicht  beliebig  zusammengewürfelte  scenen  den 
schmuck  des  Parthenon  bilden ,  sondern  dass  alles  auf  einen 
gesichtspunkt,  die  Verherrlichung  der  Athene  und  damit  die 
Verherrlichung  ihrer  lieblingsstadt  hinausgeht.  Im  ganzen  kann 
man  sagen,  dass  dies  dem  Verfasser  gelungen  ist;  bleiben  der 
scenen  auch  noch  viele  in  den  metopen,  die  einer  wahrscheinli- 
chen deutung  sich  entziehen  und  wegen  ihrer  schlechten  erhal- 
tung  wohl  immer  entziehen  werden,  so  ist  ja  der  Centauren- 
kampf auf  der  Südseite  (die  menschlichen  kämpfer  sind  nicht 
Lapithen,  sondern  Athener,  die  unter  Theseus  dem  Peirithous 
zu  hülfe  kommen)  nicht  angezweifelt;    der  Gigantenkampf  und 


56  15.  Archa  eologie.  Nr.  1. 

der  gegen  die  Amazonen  auf  ost-  und  Westseite  scheinen  sicher 
und  eine  scene  wenigstens  auf  der  nordseite  3)  wird,  glaube  ich, 
mit  recht  auf  die  Zerstörung  Troja's  bezogen,  an  der  die  Athe- 
ner nicht  verabsäumt  hatten,  durch  die  söhne  des  Theseus  ihren 
antheil  sich  zu  sichern.  Ob  der  Verfasser  mit  recht  annimmt, 
dass  auf  süd  -  und  nordseite  metopen  mit  andern  darstellungen 
zwischen  die  fortlaufende  scene  eingeschoben  sind,  nur  um  die 
lange  reihe  gleichartiger  darstellungen  zu  unterbrechen ,  lasse 
ich  dahingestellt;  äusserliche  umstände  könnten  ebenso  gut 
schuld  daran  gewesen  sein,  ohne  dass  deshalb  der  rühm  des 
künstlers  verringert  würde. 

Bei  den  giebelfeldern  verwahrt  sich  der  Verfasser  gegen 
die  neuesten  annahmen  Böttichers,  der  gegen  allen  augenschein 
und  gegen  die  Überlieferung  den  torso  der  Nike  (taf.  VI  n. 
14,  I)  aus  dem  ostgiebel  in  den  westgiebel  versetzt,  ebenso 
wie  gegen  die  einmischung  der  Minerva  Medici.  Die  figuren  des 
ostgiebels  werden  von  ihm  genannt:  Helios,  die  liegende  figur4) 
Dionysos  (?) ,  dann  Persephone  (?),  Demeter  (?) ,  Iris,  weiter  auf 
der  rechten  seite  Prometheus  (?),  Nike,  Pandrosos  (?),  Thalia  (?), 
Karpo(?),  Selene,  die  des  westgiebels  Kephisos,  (Morea?),  Askle- 
pios,  Hygieia,  —  Demeter,  Iakchos,  Köre,  Nike,  Hermes,  Athena, 
Poseidon  (hippokampen),  Nereide,  Amphitrite,  Palaimon,  Leuco- 
thea,  Eros,  Aphrodite,  Thalassa,  Nereide,  Ilissos,  Kalirrhoe. 

Der  fries  wird  hingestellt  als  eine  ideale  darstellung  des 
panathenaeenfestes.  Der  künstler  hatte  nicht  nöthig  allen  die 
festkränze  aufzusetzen;  einige  genügten  (und  diese  sind  vor- 
handen), um  bei  allen  gleiche  bekränzung  annehmen  zu  lassen. 
Der  zug  bewegte  sich  nach  zwei  Seiten  hin,  nicht  der  Wirklich- 
keit entsprechend,  sondern  aus  künstlerischen  gründen  wegen 
der  anordnung  um  den  tempel;  auf  der  ostseite,  als  im  tempel 
sitzend  zu  denken,  erwarten  die  götter  den  zug,  als  solche  deut- 
lich bezeichnet  durch  die  gegenwart  der  Nike  und  des  Eros, 
unsichtbar  thronend ;  zwischen  ihnen  die  priesterin  der  Polias 
und  der  Schatzmeister,  jene  beschäftigt  stuhle  mit  polstern  von 
den  zuerst  angekommenen  der    procession    in    empfang  zu  neh- 

3)  Metope  XXIV  und  XXV.  Mehrfach  wird  es  wahrscheinlich 
gemacht  dass  zwei  auf  einander  folgende  metopen  zu  einer  scene  ge- 
hören. 

4)  Die  fragezeichen  hat  Michaelis  selbst  dazugesetzt. 


Nr.  1.  16.  17.  Archaeologie.  57 

men,  dieser  im  begriff  den  ihm  überreichten  peplos,  das  ge- 
schenk  an  die  göttiu,  zu  falten.  Mit  recht  wird  Böttichers  Übungs- 
marsch zurückgewiesen ;  die  sitzenden  götter  werden  der  reihe 
nach  links  von  der  mittelgruppe  als  Hermes,  Dionysos,  Deme- 
ter, Triptolemos,  Nike,  Hera,  Zeus,  die  rechte  als  Athena,  He- 
phaistos,  Poseidoü,  Apollon,  Patroos,  Peitho,  Aphrodite,  Eros 
bezeichnet. 

Der  erläuterung  von  taf.  XV  geht  eine  Sammlung  aller 
auf  die  Parthenos  bezüglichen  stellen  voraus;  darnach  wird  die 
statue  reconstruirt ;  die  auf  jene  statue  zurückgehenden  statuen, 
reliefs  und  münzen  finden  sich  auf  taf.  XV  in  grosser  Vollstän- 
digkeit abgebildet. 

Nicht  wenig  mühe  hat  der  Verfasser  auch  auf  die  beigege- 
benen anhänge  verwandt,  die  die  inschriften  über  den  bau  des 
Parthenon,  die  Schatzverzeichnisse  und  nachrichten  über  restau- 
ration  (vgl.  zu  anh.  I,  2  noch  nachtrage,  p.  366)  möglichst 
vollständig  geben;  nicht  weniger  verdienstvoll  ist  eine  neue  Zu- 
sammenstellung aller  auf  panathenäen,  agone,  festzüge  und  opfer 
bezüglichen  stellen,  und  der  HI  und  IV.  anhang:  „Aeltere  be- 
richte über  den  Parthenon  bis  1688",  und  „aktenstücke  über 
Elgins  erwerbungen'',  werden  nicht  weniger  beifall  finden.  Ein 
vollständiges  register  macht  den  schluss. 

So  kann  denn  dies  buch  „der  Parthenon"  allen  freunden 
der  alten  kunst  auf  das  wärmste  empfohlen  werden.  Nament- 
lich steht  zu  hoffen  dass  alle  Schulbibliotheken  nicht  versäu- 
men werden  dies  werk  anzuschaffen ,  zur  anregung  und  beleh- 
rung  für  lehrer  und  schüler. 

R.  E. 

17.  Griechische  kunstmythologie  von  J.  0  verbeck.  Be- 
sonderer theil.  Erster  band.  Erstes  buch:  Zeus.  (Mit  14  li- 
thographirten  tafeln  und  17  holzschnitten).  Leipzig,  verlag  von 
Wilhelm  Engelmann,  1871.  —     6  thlr. 

Dass  eine  neue  kunstmythologie  ein  bedürfniss  für  die  ar- 
chäologische weit  ist,  weiss  jeder,  der  sich  mit  dem  handbuche 
von  Otfried  Müller  —  bisher  dem  einzigen  buche  dieser  art  — 
auch  nur  einigermassen  vertraut  gemacht  hat.  So  verdienstlich 
die  in  demselben  enthaltene  Zusammenstellung  für  ihre  zeit  auch 
war,  bei  der  jetzt  riesenhaft  angeschwollenen  menge  des  Stoffes 


58  17.  Archaeologie.  Nr,  1. 

kann  Müllers  arbeit  nicht  länger  genügen.  Dass  seit  vierund- 
zwanzig jähren  kein  neuer  versuch  gemacht  worden  ist,  die  ge- 
sammten  resultate  jener  Wissenschaft  systematisch  zu  verarbei- 
ten, erklärt  sich  wohl  hauptsächlich  aus  der  Schwierigkeit  und 
mühseligkeit  des  Unternehmens.  Um  so  verdienstlicher  ist  der 
entschluss  Overbecks ,  die  lange  reihe  seiner  archäologischen 
arbeiten  durch  ein  solches  werk  zu  krönen.  Bis  jetzt  liegt  ein 
stattlicher  band  von  600  selten  vor,  ausschliesslich  die  auf  Zeus 
bezüglichen  denkmäler  behandelnd;  der  zweite  band,  Hera,  Po- 
seidon und  Demeter  umfassend,    soll  bald  nachfolgen. 

Overbecks  arbeit  bietet,  wie  dies  die  sache  mit  sich  bringt, 
neben  den  speciell  kunstmythologischen  auch  kunsthistorische 
erläuterungen ,  und  es  entspricht  dieses  verhältniss  eben  nur 
demjenigen ,  welches  im  alterthume  selbst  zwischen  mythologie 
und  kunst  obwaltete.  So  dankenswerth  es  nun  auch  ist,  dass 
der  Verfasser  seinem  buche  eine  historische  Übersicht  der  künst- 
lerischen entwicklung  der  gestalt  des  Zeus  vorausgeschickt  hat, 
so  will  es  uns  doch  bedünken ,  als  ob  bei  besprechung  der 
einzelnen  denkmäler,  die  doch  meistens  nur  von  mittelmässigem 
werthe  sind,  die  ästhetische  beurtheilung  noch  mehr,  als  es  ge- 
schehen ist,  hätte  in  den  hintergrund  treten  können.  —  Bei 
der  anordnung  des  Stoffes,  der  classificirung  der  einzelnen  Zeus- 
darstellungen ist  Overbeck  nicht,  wie  man  vielleicht  erwarten 
möchte,  von  religiösen  gesichtspunkten  ausgegangen,  sondern 
hauptsächlich  von  äusserlichen  formalen  kriterien,  Verschieden- 
heiten der  bekleidung,  der  Stellung  und  dergleichen.  Es  ent- 
spricht aber  dieses  verfahren  durchaus  dem  gegenwärtigen  Stand- 
punkte der  Wissenschaft,  die  sich  bisher  allerdings  sehr  ausge- 
breitet, aber  nicht  in  gleichem  masse  vertieft  hat.  Ob  es  je- 
mals gelingen  wird,  mit  der  nöthigen  Sicherheit  die  verschiede- 
nen kultusgestaltungen  des  Zeus  und  der  andern  götter  auch 
im  bilde  nachzuweisen  und  die  kunstmythologie  zu  der  wün- 
schenswerthen  wissenschaftlichen  höhe  zu  erheben,  darüber  mö- 
gen die  ansichten  verschieden  sein.  Aber  dass  nach  diesem 
ziele  gestrebt  werden  muss,  wenn  die  kunstmythologie  anders 
ihrer  aufgäbe  gerecht  werden  will,  dürfte  wohl  niemand  leugnen, 
und  Overbecks  buch  wird  hoffentlich  einen  nachhaltigen  anstoss 
zu  grösserer  Vertiefung  der  kunstmythologischen  Studien  geben. 
Die  beigefügten  abbildungen,  vorzugsweise  müuzen  und  ge- 


Nr.  1.  17.  Archaeologie,  —     Theses,  59 

schnittene  steine  darstellend,  zeichnen  sich  durch  genauigkeit 
und  charakteristische  auffassung  vor  vielen  andern  vortheilhaft 
aus,  und  erwecken  ein  sehr  günstiges  vorurtheil  für  den  ver- 
sprochenen atlas  der  kunstmytkologie,  der  die  grösseren  werke 
(statuen,  büsten,  reliefs  u.  dergl.)  umfassen  soll.  Hoffentlich 
wird  dieses  unternehmen  nicht  an  financiellen  Schwierigkeiten 
scheitern.  Wie  freilich  die  Verhältnisse  in  Deutschland  liegen, 
ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  das  unerwünschte  geschieht,  da 
es  den  freunden  der  kunstwissenschaft  meistens  an  den  mittein 
zur  anschaffung  kostspieliger  werke  fehlt,  und  den  bemittelten 
meistens  an  interesse.  Den  letzteren  ist  daraus  auch  kai;m  ein 
Vorwurf  zu  machen ;  denn  wie  sollen  sie  sich  für  eine  sache  in- 
teressiren ,  von  der  sie  in  der  schule  nicht  einmal  den  namen 
gehört  haben  ?  So  lange  unsere  gymnasien  die  künstlerische 
seite  des  alterthums  gänzlich  unberücksichtigt  lassen  und  sich 
fast  ausschliesslich  mit  grammatik  und  phraseologie  beschäftigen, 
so  lange  muss  auch  die  kunstwissenschaft  auf  jede  theilnahme 
von  Seiten  des  grösseren  publikums  verzichten. 

L.  G. 

THESES  quas  .  .  in  universitate  Fridericia  Gruilelmia  Ehe- 
nana  .  .  .  d.  XVI  m.  Decemb.  a.  MDCCCLXXI  ,  .  in  publico 
defendet  Georg.  Kaibel:  I.  Diogenem  Sinopensem  cynicum 
comicus  nescioquis  cavillatur  apud  Iulian.  or.  VI,  p.  105  B.  Sp. 
versibus  hisce  leviter  immutatis  : 

anoXiq  uoixog  naTQidoq  laxsoriiiivoq, 

ovx  oßoXov  ov  doa%[ir]v  fywv  ovd*  oixhqv, 

aXk    ovSe  (id£av. 
cod.  ovx  oßoXov    ov  doayjiriv  ovx    olxhrjv   h'%u)v.      Deridet  autem 
comicus  tragici  cuiusdam  verba  ap.  Laert.  D.  VI,  38  (coli.  Ael. 
V.  H.  HI,   29);  —    II.  Pomponii    comici    vv.  21   sq.    Ribb.  sie 
in  duas  personas  dispertiendi : 

immo  mane, 

non  esuribis  diutius!  —  Qua  re?  —  rogas? 
(Nonii  codd.  roga.)  coli.  Terent.  Andr.  909 ;  —  III.  Arist. 
Pac.  1220  M.  scripsit:  xqsTttov  yao  bnovv  (codd.  w  ruv)  lanv 
i}  firiötv  laßelv  coli.  Demosth.  XX,  16 ;  —  IV.  Valerius  Mar- 
cellinus (Capit.  vit.  Max.  et  Ball.  IV,  5)  et  Fabius  Marcellinus 
(Vopisc.  Prob.  11,  7  coli.  Lamprid.  Alex.  Sev.  48,  6)  duo 
unius  hominis  nomina  sunt ;  —  V.  Arist.  Eccles.  69  spurius 
coli.  vs.  25;  —  VI.  Herodes  Atticus  a.  115  Athenis  archon 
fuit  eponymus;  —  VII.  Arist.  Eccles.  72  scribendum:  iifiiXg  de 
xi  <jpaV;  —    s'xovcif'  xavarevovat  yuq.  (codd.  ri  (fdre;  (paaC)]  —■% 


60      Neue  auflagen  und  Schulbücher.  — -   Bibliographie.     Nr.  1. 

VIII.  Varron.  Atac.  Argon.  III.  fr.  2  ed.  R.  prirao  libro  vindico; 
■ —  IX.  Arist.  Plut.  184  sq.  emblema  sunt;  —  X.  Anth.  Pal. 
VII,  18  Leonidae  Tarentini  est;  —  XL  Statuae,  quam  Lolliano 
sophistae  Phjlostr.  V,  5.  1,  23  in  foro  Atheniensi  positam  re- 
fert,  epigramma  superest  in  Ephem.  arcb.  53;  —  XII.  Adde 
lexicis  substantivum  to  epyog  ex  tit.  ap.  Le  Bas.  part.  V,  p. 
205  n.  640  [An.  PrE02)  et  ibid.  p.  428  n.  1720:  egysai  aal 
Gocpiq.     Utrumque  temere  mutavit  Waddington. 

NEUE  AUFLAGEN.  18.  Homer's  Odyssee  erklärt  von  J. 
H.  Faesi.  Dritter  bd.,  gesang  XVII— XXIV.  Fünfte  aufläge 
besorgt  von  W.  C.  Kayser.  8.  Berlin.  Weidmann.  1871;  15 
ngr.  —  19.  Sophokles.  Erklärt  von  F.  W.  Schneidewin.  Er- 
stes bändeben.  Allgemeine  einleitung.  Aias.  Sechste  aufläge 
besorgt  von  A.  Nauck.  8.  Berlin.  Weidmann.  1871;  12  gr. 
—  20.  T.  Lucretii  Cari  de  rerum  natura  libri  sex.  Gar.  Lach- 
mannus  recensuit.  Editio  quarta.  8.  Berol.  G.  Reimer. 
1871;  1  thlr.  10  gr.  —  21.  Kühner  ausführliche  grammatik 
der  griechischen  spräche.  2.  thl.  2.  abth.  8.  Hannover.  Hahn ; 
2  thlr.  10  gr.  — „22.  J.  Scherr,  allgemeine  geschichte  der 
literatur.  4.  aufl.  2.  Ifg.  8.  Stuttgart.  Conradi,  ä  8  ngr.  — 
23.  H.  Göll,  kulturbilder  aus  Hellas  und  Rom.  2.  aufl.  3.  bd. 
8.  Leipzig.  Hartknoch;  a  1  thlr.  6  gr.  —  24.  G.  F.  Puchta, 
Institutionen.  2.  bd.  7.  aufl.  besorgt  von  F.  A.  Rudorff.  8. 
Leipzig.  Breitk.  u.  Härtel;  3  thlr.  15  gr.  —  25.  H.  Allmers, 
römische  schlendertage.  3.  aufl.  8.  Oldenburg.  Schulze ;  1  thlr. 
26  ngr. 

NEUE  SCHULBUECHER.  26.27.  Freund's  schülerbi- 
bliothek.  1.  abth.  Präparationen  zu  den  griechischen  und  latei- 
nischen schulklassikern.  Präparation  zu  Xenophons  Memora- 
bilien.  2.  heft.  16.  Leipzig.  Violet;  5  ngr.  —  28.  E.  Ber- 
ger griechische  grammatik  für  den  Unterricht  auf  gymnasien 
nebst  einem  anhange  vom  homerischen  dialekt.  8.  Berlin.  G. 
Reimer.  1871;  20  gr.  —  29.  P.  D.  Ch.  Hennings  elemen- 
tarbuch zu  der  lateinischen  grammatik  von  Ellendt  -  Seyffert. 
1.  abthl.  für  Sexta.     2.  aufl.     8.     Kiel.  Homann;  8  ngr. 

BIBLIOGRAPHIE.  Unter  neuern  erscheinungen  nicht 
streng  philologischen  inhalts  bemerken  wir  ausser  den  fortsetzun- 
gen  von  Spinoza's  und  Kant's  werken,  s.  Phil.  Anz.  III,  nr. 
8,  p.  417,  Sanctorum  Patrum  opuscula  sclecta.  Ed.  H.  Hurter. 
Vol.  XVI.  Augustini  enchiridion  ad  Laurentium  et  Fulgentii  de  fide. 
16.  Insbruck,  Wagner;  9  ngr.  —  R.  Reif  f  er  scheid,  biblio- 
theca  patrum  latinorum  italica.  2.  Ed.  2.  hft.  IV.  Die  biblio- 
theken    Piemonts.      8.     Wien.  Gerold's  s. ;    26  ngr.  —     Aus- 


Nr.  1.  Kleine  philologische  zeitung.  61 

wähl  aus  den  kleinen  Schriften  von  Jacob  Grimm.  8.  Ber- 
lin. Dümmler;  1   thlr.  10  ngr. 

Georg  Reimer  versendet:  Ephemeris  epigraphica,  heft  1, 
deren  titel  unter  p.  62  genauer  angegeben:  er  sagt  auf  dem 
Umschlag,  es  sei  das  unternehmen  hervorgerufen  durch  den 
wünsch,  das  unter  der  autorität  der  berliner  academie  der  Wis- 
senschaften herausgegebene  Corpus  inscriptionum  Latinarum  nicht 
veralten,  sondern  von  den  neu  aufgefundenen  inschriften  die 
wichtigsten  so  bald  als  möglich  veröffentlichen  zu  lassen: 
deshalb  sollen  jährlich  vier  hefte  zu  4 — 5  bogen  erscheinen, 
in  denen,  gestattet  es  der  räum ,  auf  dem  gebiete  der  epigra- 
phik  sich  bewegende  Untersuchungen  mitgetheilt  werden  sollen; 
der  preis  des  bandes  beträgt  2  thlr.  —  Die  Meyer' sehe  hof- 
buchhandlung  in  Detmold  bietet  A.  Fr.  Pott's  Etymologische 
forschungen  auf  dem  gebiete  der  indo  -  germanischen  sprachen, 
bd.  1 — 3.  2.  aufl.  in  völlig  neuer  Umarbeitung  zu  dem  ermä- 
ssigten  preise  von  25  thlrn.  an. 

Cataloge  von  antiquaren:  antiquarischer  anzeiger  von  Felix 
Schneider  in  Basel,  nr.  21;  XXIX.  catalog  einer  auswahl 
von  werthvollen,  seltenen  und  grösseren  werken  aus  allen  Wis- 
senschaften, vorräthig  auf  dem  antiquarischen  lager  von  Max 
Cohen  und  söhne  in  Bonn;  Köhler's  in  Leipzig  Antiquari- 
sche Anzeigehefte  nr.  228  auetores  graeci  et  latini}  nr.  229  ver- 
mischte Schriften  und  Zeitschriften,  geschichte  u.  s.  w.  enthal- 
tend, Leipzig.  1872. 

Nuovo  Catalogo  di  libri  rari  e  di  occasione  vendibili  presso 
Detken  e  Rocholl.  IX.  Napoli,    piazza  del  plebiscito.  1871. 

KLEINE  PHILOLOGISCHE  ZEITUNG.  Das  „Journal 
für  buchdruckerkunst''  brachte  nach  dem  Börsenblatt  1871, 
nr.  287  die  nachricht,  dass  der  kronprinz  des  deutschen  reichs 
die  buchdruckerkunst  erlernt  habe.  Auf  desfalsige  anfrage  bei 
der  privateanzlei  sr.  königlichen  hoheit  erfolgte  die  rückantwort, 
dass  die  angäbe  des  Journals  auf  Wahrheit  beruhe.  Somit  steht 
jetzt  für  die  buchdrucker  fest ,  dass  der  künftige  kaiser  des 
deutschen  reichs  „einer  der  ihrigen"  ist:  mögen  sie  sich  der 
ehre  würdig  zeigen ! 

Das  zu  St.  Petersburg  am  8.  dec.  1871  begangene  fest 
des  Ordens  des  heiligen  märtyrers  und  siegbringers  Georg  wird 
genau  beschrieben  vom  Staats-Anz.   1871   n.  193,  2te  beilage. 

Sehr  beachtenswerth  erscheint  die  thätigkeit,  welche  in 
Oesterreich  die  gelehrten,  denen  die  schulfrage  am  herzen  liegt, 
auch  in  Zeitungen  entwickeln.  So  hat  die  in  Wien  erscheinende 
„Deutsche  Zeitung"  eine  eigne  rubrik  unter  dem  titel  „Un- 
terrichts-Zeitung "  eingerichtet ,  ein  unsern  Zeitungen  höchst  em- 
pfehlenswerther  Vorgang.  In  nr.  2  vom  18.  december  findet 
sich  ein  äusserst  lesenswerther    aufsatz    von   Wihelm  Hartel 


62  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  1» 

„die  österreichischen  gymnasien"  tiberschrieben,  der  offen  eine 
menge  mängel,  von  deren  gar  manchem  auch  wir  leiden ,  und 
kenntnissreich  bekämpft.  Dieselbe  nummer  enthält  ferner  einen 
aufsatz:  „mangel  an  schulen  in  Wien",  der  auch  auf  grössere 
Städte  bei  uns  passt,  eine  sehr  hübsch  geschriebene  anzeige  von 
Trendelenburg' s  Kleinen  Schriften,  mit  besonderm  anschlusse 
an  dessen  rede  ,,die  übernommene  aufgäbe  unsrer  Universitäten". 
Wir  wünschen  diesen  anstrengungen  besten  erfolg. 

Wie  wenig  und  wie  oberflächlich  unsre  tagesblätter  die 
wichtigsten  ereignisse  der  gegenwart  beachten ,  zeigt  das  still- 
schweigen über  die  Veränderungen,  welche  Ungarn  im  Schul- 
wesen macht.  Die  Oesterreicher  nämlich  sprechen  offen  aus, 
dass  dadurch ,  dass  die  schulanstalten  in  Ungarn  mit  einem 
schlage  auf  eine  neue  basis  gestellt  seien,  eine  unüberbrückbare 
kluft  zwischen  West-  und  Ostösterreich  geschaffen  worden,  ein 
riss  tiefer  und  nachhaltiger,  als  sich  durch  den  politischen  dua- 
lismus  allein  hätte  herausbilden  können.  Man  sieht  hieran,  wie 
man  die  macht  der  volkserziehung  dort  erkannt  hat  und  wie 
eifrig  die  Ungarn  ihre  plane  verfolgen.  Es  kann  und  darf  uns 
das  nicht  gleichgültig  sein. 

In  dem  Preuss.  Staats. -Anz.  1871  n.  193  lte  beil.  p. 
3912  und  nr.  200,  p.  4085  liegen  aus  dem  Athenäum  nähere 
mittheilungen  über  die  von  J.  T.  Wood  geleiteten  ausgrabun- 
gen  in  Ephesos  vor.  Schon  vor  zwei  jähren  stiess  Wood  auf 
die  von  Augustus  errichtete  mauer,  deren  vier  inschriften  diese 
mauer  als  die  bezeichneten ,  welche  den  tempel  der  Diana  und 
das  Augusteum  umschloss.  Man  verfolgte  die  mauer  mehre 
hundert  fuss  weit  und  stellte  innerhalb  des  heiligen  weichbildes 
mehre  versuchsnachgrabungen  an,  wobei  man  das  pflaster  des 
tempels  so  wie  stücke  von  weissen  marmorsäulen  und  zwei  ca- 
pitäle  von  kolossalen  dimensionen  fand.  Später  fand  man  die 
aus  dem  fussgestell  und  dem  untern  theile  bestehenden  Über- 
reste einer  der  äussern  säulen,  die  6  fuss  4  z.  im  durchmesser 
hatte.  Das  fussgestell  scheint  roth  gewesen.  Die  ausgrabun- 
gen  werden  fortgesetzt  und  Wood  hofft  in  einem  werke  über  sie 
die  noch  bestehendeu  controversen  über  den  bau  des  tempels  der 
Diana  lösen  zu  können,  da  im  laufe  des  december  eine  anzahl 
der  erfahrensten  Unteroffiziere  des  königlichen  genie-corps  zu 
Chatham  nach  Ephesus  abgegangen  sind ,  um  die  arbeiten  zur 
freilegung  des  tempels  der  Diana  zu  leiten  und  zu  überwachen. 
Vom  sultan  ist  die  erlaubniss  zur  vornähme  dieser  mit  gro- 
sser anstrengung   fortgesetzten   ausgrabungen    erwirkt  worden. 

Eine  neue  Zeitschrift  kommt  uns  von  Berlin  zu:  Ephemeris 
epigraphica,  corporis  inswiptiomim  latinarum  Svpplcmentum.  Edita 
jussu  instituti  Archaeologici  Romani.  MDCCCLXXII.  Fasciculus  pri- 
mus.  Venu  Romae  apud  intstitutum,  Bcrolini  apud  Georgium  Reimerum. 
1871.     gr.  8;    der  erfreuliche   aufschwuug,    den    die  epigraphik 


Nr.  1.  Kleine  philologische  zeitung.  63 

bei  uns  genommen,  erklärt  dies  unternehmen,  dem  wir  bestes 
gedeihen  wünschen :  aber  warum  von  Berlin  aus  nicht  ein  unter- 
nehmen für  die  griechischen  inschrifteu  begründen,  da  diese 
doch  bedeutenderes  interesse  zu  bieten  pflegen? 

Das  immer  von  neuem  wieder  auftauchende  gerücht,  die 
Universität  Kiel  solle  nach  Hamburg  verlegt  werden,  scheint 
jetzt  seine  bestimmte  Widerlegung  gefunden  zu  haben,  indem 
nach  der  Voss.  Ztg.  definitiv  beschlossen  ist,  ein  würdiges,  neues 
Universitätsgebäude  im  schlossgarten  zu  Kiel  unter  leitung  des 
prof.  Gropius  aufzuführen.  Es  ist  übrigens  ein  trauriges  zeug- 
niss  für  die  gedankenlosigkeit ,  mit  welcher  das  grosse  publicum 
die  Universität  betreffende  fragen  behandelt,  dass  als  ausgemachte 
Wahrheit  gilt,  Verlegung  einer  Universität  in  eine  grosse  Stadt  sei 
ohne  weiteres  ein  fortschritt  und  gewinn.  Jeder ,  der  die  Ver- 
hältnisse kennt,  wird  im  gegentheil  der  meinung  sein,  dass 
solche  Verlegung  nicht  zum  besten  der  deutschen  Wissenschaft 
gereicht ;  Berlin  wie  München  liefern  dafür  die  schlagendsten 
beweise,  da  sie  den  erwartungen ,  welche  man  für  die  Wissen- 
schaft und  die  erziehung  der  jugend  bei  ihrer  gründung  hegte, 
auch  nicht  im  entferntesten  entsprochen  haben. 

In  Phokäa  am  aegeischen  meere  und  nicht  weit  von  der 
nordseite  des  golfs  von  Smyrna  ist  ein  Bas  -  relief  gefunden,  was 
der  besten  zeit  der  griechischen  kunst  anzugehören  scheint.  Es 
stellt  einen  hahn  in  streitbarer  Stellung  dar ,  worin  ein  gelehr- 
ter zu  Smyrna  das  Sinnbild  der  alten  Phokäer  erblicken  will. 
(Augsb.  Allg.  Ztg.  1872,  nr.   2). 

AUSZUEGE  aus  Zeitschriften :  Augsburger  allgemeine  zeitung,  1871, 
nr.  350 :  das  Braunsberger  gymnasium :  klage  den  religionsunterricht 
betreffend.  —  Beil.  zu  nr.  350:  ausgrabungen  auf  der  ebene  von 
Troja  (IV),  von  Dr  H.  Schliemann;  auf  die  alte  Troia  ist  er  noch 
nicht  gekommen  und  zweifelt,  ob  sie  da,  wo  er  gräbt,  gelegen:  mit- 
getheilt  wird  eine  unlesbare  inschrift.  —  Auss.  beil.  zu  nr.  353 :  re- 
gierung  und  kirehe  in  Ungarn.  —  Nr.  354:  zur  Braunsberger  schul- 
frage.  —  Nr.  355:  die  Universität  zu  Strassburg. —  Beil.  zu  nr.  355: 
die  ältesten  denkmäler  Armeniens.  —  Auss.  beil.  zu  nr.  356:  die 
dreitägige  debatte  über  die  schulirage  in  Bern.  —  Nr.  359:  Bern- 
hurd  Schmidt  das  Volksleben  der  Neugriechen  und  das  hellenische  alter- 
thurn  bd.  I :  lobende  anzeige.  —  Festsitzung  des  Instituts  für  archäolo- 
gische correspondenz:  wichtig  wegen  angaben  über  neue  ausgrabun 
gen.  —  Nr.  36 1 :  die  Braunsberger  angelegenheit.  —  Nr.  363  :  die  antrage 
zum  etat  des  cultusministeriums  in  Berlin.  —  Universitäts-  comniis- 
sion  in  Strassburg.  —  Beil.  zu  nr.  363:  Zeuss ,  keltische  grammatik 
in  neuer  bearbeitung.  —  Studentische  sitten  vor  drei  Jahrhunderten. 
—  O.  Keller's  forschungen  über  das  Oehringen  der  Bömerzeit.  — 
Beil.  zu  nr.  364:  L.  Friedländer  's  darstellungen  aus  der  Sittenge- 
schichte Roms.  Dritter  bd.:  anzeige.  —  Beil.  zu  nr.  365:  ein  ge- 
retteter dichter  des  12.  Jahrhunderts :  bezieht  sich  auf  2Ja?inenborg's 
abhandlung  über  den  Ligurinus:  man  vrgl.  Philol.  Anz.  II,  nr.  5,  p. 
266  flg.:  die  anzeige  ist  von  dem  leider  jüngst  verstorbenen  Dr  Co- 
hen,   der  noch  eine  reihe  verwandter  anzeigen  folgen  sollten. 


64  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  1. 

1872,  nr.  1:  die  jüngsten  alterthumsfunde  in  der  umgegend  von 
Bologna:  der  aufsatz  bezieht  sich  erstens  auf  das  werk  von  Ant. 
Zannoni ,  sugli  scavi  della  Certosa.  Bologne.  1871  —  es  ist  eine 
ganze  nekropole,  wahrscheinlich  die  eines  theils  der  alten  stadt  Fel- 
sina und  aus  dem  dritten  jahrh.  v.  Chr.  stammend  gefunden, —  und  zwei- 
tens auf  zwei  Schriften  des  grafen  Giov.  Go zzadini,  di  uri  antica 
necropoli  a  Marzaboito  nel  Bolognese,  Bologna  ,  1 865  und  Di  ulteriori 
scoperte  neu'  antica  necropoli  ä  Marzabotto,  ib.  1870.  —  Beil.  zu  nr. 
2:  die  debatte  über  den  cultus-  und  unterrichtsetat  im  abgeordneten- 
haus  zu  Pesth. 

Ephemeris  epigraphica,  corporis  inscriptiouum  latinarum  supple- 
nientum ,  edita  jussu  instituti  archaeologici  Romani.  MDCCCLXXEI. 
Fasciculus  I.  Venit  Romae  apud  institutum,  Berolini  apud  Georgium 
Reimerum :  p.  1  —  6  kurzes  von  Gail.  Henzen  und  J.  Bart,  de  Rossi 
zu  Rom,  Th.  Mommsen  zu  Berlin,  Gust.  Willmanns  zu  Dorpat  unter- 
zeichnetes vorwort,  worin  das  sup.  p.  61.  62  mitgetheilte  ausführlicher 
gesagt  wird;  p.  7 — 32,  additamenta  ad  corporis  volumen  I.  Ad  in- 
scriptiones  bello  Hannibalico  anteriores ,  von  G.  Wilmanns ,  meistens 
schon  bekannte:  darunter  12  die  aus  Präneste:  dabei  sind  ab  und  zu 
bemerkungen  von  Th.  Mommsen  eingeschoben,  in  denen  tbeils  frühere 
ansichten  zurückgenommen,  theils  verbessert,  theils  neue  beitrage 
zur  erklärung  der  inschriften  gegeben  werden,  wie  p.  17.  18  über 
namen  der  männer  wie  frauen.  —  P.  33 — 41:  additamenta  ad  Fastos 
anni  iuliani,  von  Th.  Mommsen,  mit  einem  kurzen  vorwort  die  neuer- 
dings gefundenen  akten  der  fratres  arvales ,  in  gewöhnlicher  Schrift: 
sie  ergänzen  C.  J.  I,  p.  293 — 412.  —  P.  42—43:  additamenta  ad  fa- 
stos co?isulares,  aus  Hermes  V,  p.  379.  —  P.  44 — 48 :  additamenta  ad 
Corporis  vol.  II,  von  A.  Hiibner ,  spanische  inschriften,  —  P.  49 — 
54 :  additamenta  ad  corporis  vol.  IV,  von  R.  Zangemeister .•  meist 
schon  publicirtes :  dabei  wichtige  nachtrage ;  den  schluss  bildet  ein 
distichon:  lectum  a  nie  Romae  in  montis  Palatini  parietinis  hoc: 
OMNIA  FORMONSIS  CVPIO  DONARII  PVIILLIS 
S1IT  MIHI  DU  POPVLO  NVLLA 
PVLILLA  PLAC1IT 
P.  55 — 80:  Observationes  epigraphicae  ,  von  Th.  Mommsen;  I.  Ursus 
togatus  vitrea  qui  primus  pila  mit  besonderin  bezug  auf  Bücheler's  Anth. 
epigr.  specimen  (s.  Phil.  Anz.  II,  heft  I,  p.  17) ;  II.  De  Juniis  Sila?iis, 
mit  einem  stemma;  p.  57,  III.  de  Jide  Leonhardi  Gutenstenii,  p.  67: 
die  art  seiner  interpolation  wird  sicher  bestimmt;  IV.  Grammatica  ex 
actis  Arvalium,  p.  77,  von  Th.  Mommsen  :  nach  allgemeinen,  sehr  be- 
achtenswerthen  bemerkungen  über  die  anwendung  und  benutzung  der 
lateinischen  inschriften  —  sie  sind  ganz  anders  zu  behandeln  als  die 
griechischen  —  werden  die  jetzt  mehr  als  200  (von  den  letzten  jäh- 
ren des  Augustus  bis  auf  Gordian)  umfassenden  akten  der  fratres 
Arvales  als  besonders  lehrreich  für  Orthographie  und  grammatik  an- 
gegeben und  bemerkungen  über  die  Schreibung  von  collega,  collegium, 
dann  über  den  gebrauch  von  suns  mitgetheilt. 

Fichte,  Ulrici  und  Wirth,  Zeitschrift  für  philosophie  und  philoso- 
phische kritik;  neue  folge,  bd.  LX,  heft  1,  1872:  p.  1—38,  H.  Sie- 
beck, die  lehre  des  Aristoteles  von  dem  leben  und  der  beseelung  des 
Universum.  —  Folgen  recensionen,  darunter  von  F.  Brentano  über 
Fr.  F.  Kampe   die  erkenntnisstheorie   des  Aristoteles,   p.  81. 

Peizholdt,  neuer  anzeiger  für  bibliographie  und  bibliothekswis- 
senschaft,  1871,  heft  12:  Dr  Pichler  und  der  St.  Petersburger  bücher- 
diebstahl.  —  Zweite  beispiehsanimlung  aus  der  französischen  kriegs- 
literatur  (schluss).  —     Allgemeine  bibliographie. 


Kr.  2.  Februar  1872. 

Philologischer  Anzeiger, 

Herausgegeben   als   ergänzung   des   Philologus 

von 

Ernst  von  Leutsch. 


30.  Index  lectionum  in  univers.  litter.  Vratislaviensi  per 
aestatem  anni  MDCCCLXX  a.  d.  XXV  april.  habendarum.  In- 
est locus  Piatonis  (Conv.  p.  182  sq.)  enarratus  et  eraendatus  a 
Martin  o  Hertz.     4.     Vratisl.  —     10  pp. 

Hertz  bebandelt  in  diesem  proömium  eine  der  vielversuch- 
testen  stellen  des  Symposion.  Indem  er  den  text  von  Jabn 
zu  gründe  legt,  bekennt  er  sich  zunächst  an  der  stelle:  u  h  t ig 
joXftcärj  noitiv  ä).V  otiovv  dia/.cav  xui  ßovlöftsvog  dianQit^anOui 
nXtjP  toi  to  \<(i\()GO(\Ca*.\  ra  {ity/aza  y.ai)T70i^  uv  oi'sidr] ,  nicht 
für  die  ansieht  des  herausgebers ,  der  q>iloffO(piag  als  glossem 
ansieht  und  darin  dem  Vorgang  von  Schleiermacher,  Bekker, 
Zeller,  Prantl,  ßaiter,  Vögelin  und  Lehrs  folgt,  welche  die  weg- 
lassung des  wortes  theils  mit  theils  ohne  argnmeute  vollzogen 
haben.  Hertz  ist  der  ansieht,  dass  die  bisherigen  Übersetzun- 
gen oder  Interpretationen  wenigstens  so  viel  erreicht  haben, 
dass  es  besser  als  früher  in  den  gedankenzusammenhang  passt, 
aber  dass  keiner  durch  seine  erklärung  das  wort  dem  gedan- 
ken  ganz  habe  anpassen  können  (p.  5  narn  ut  plane  zVs,  quae  iure 
h.  I.  expectes,  vocabulum  hoc  responderet ,  nemo  effecit).  Auch  sei 
es  nicht  einmal  allen  geglückt,  den  nachweis  zu  führen,  dass 
der  inbalt,  der  ihrer  meinung  nach  darin  liegen  soll,  wirklich 
dahinter  steckt.  Z.  b.  führt  er  den  versuch  von  Ast  an,  der 
übersetzt :  ,,ohne  den  grössten  Vorwurf  der  philosophie  davon- 
zutragen", in  der  anmerkung  aber  erklärt :  d.  h.  so,  dass  jeder 
gesittete  und  gebildete  ihm  den  Vorwurf  darüber  machen  würde". 
Auch  die  zweite  WolPsche  ausgäbe  fasst  das  wort  im  weiteren 
sinne,  und  ebenso  will  es  Stallbaum  uubedingt  konserviren,  ob- 
schon  seine  gründe  nicht  stichhaltig  sind.  Selbst  wenn  (filo- 
aoqiu  hier  so  viel  bedeuten  könne,  als  weiter  unten  naibtvaig 
Philo!.  Anz.  IV.  5 


66  30.  Piaton.  Nr.  2. 

und  Gorpfu  (p.  184  D),  so  würde  es  doch  nicht  hier  passen, 
wie  Vögelin  und  Schleiermacher  richtig  eingesehen  hätten.  Auch 
Hommel,  Hirschig  und  Teufel  hätten  es  vorgezogen  (pdoGocpCag 
als  glossem  auszuscheiden.  Hertz  nimmt  schliesslich  nicht  ein 
glossem ,  sondern  eine  korruption  des  vorhandenen  textes  an. 
Sowohl  Zeller,  der  roviov  für  jovto  und  tptXoGotpluv  für  (fiXo- 
üocpiuq,  als  auch  Teufel,  der  zeitweilig  fpiXoiijxiug  vorgeschlagen 
habe,  seien  von  ihren  versuchen  zurückgekommen.  Ersterer 
habe  auch  die  vermuthung  von  o.cpiXooocfiug  (mit  vergleiclmng 
von  Rep.  IH,  p.  403  B)  wieder  aufgegeben.  Endlich  seien 
vorschlage,  wie  (pXvagfu  von  Creuzer  und  (pXrtvaofa  von  Schenkl, 
aber  nur  mit  vorbehält  gemacht  und  könnten  ebensowenig  als 
das  gezwungene  itjg  uiomug  von  Rückert ,  (pi'Xoig  ocp&tfg  von 
Badkam  oder  die  schon  von  Zeller  wiederlegte  konjektur  C. 
F.  Hermann's  nlijv  (tovto)  oder  nXqv  roviov  tpiXiug  zur  lösung 
der  Schwierigkeit  beitragen.  Der  verf.  selbst  glaubt  yilonovlug 
lesen  zu  müssen ,  weil  erstlich  tptXoGotpiag  kurz  vorhergehe 
(182  B),  woher  die  Verwechselung  seitens  der  abschreiber  er- 
klärlich sei  und  weil  zweitens  dieses  wort  dem  geforderten  sinn 
am  meisten  entspreche.  Indessen  sind  die  beweismittel,  welche 
der  verf.  zur  empfehlnng  seiner  emendation  verwendet,  für  mich 
nicht  schlagend  und  überzeugend  genug.  Denn  trotz  des  ci- 
tates  aus  Alcib.  I,  p.  122  C,  wo  unter  den  hervorragenden 
eigenschaften  der  Spartaner  die  yiXonovkt  neben  der  cpiXoreixia 
und  rpiXonfiCa  glänzt,  ist  doch  bis  jetzt  noch  aus  keiner  stelle 
erwiesen ,  dass  Plato  den  ausdruck  in  malam  partem  gefasst 
habe.  Ausserdem  spricht  die  aus  den  bqoi  IIXut.  p.  412  C. 
citirte  definition  der  <ptXonov(a  als  einer  e£ig  ujiokXiGtixj]  ,  ov 
uv  itQOfX)]iui,  xuoreolu  ixovGiog,  e%ig  uStußXtjwg  ngbg  novor,  eher 
gegen  als  für  die  ansieht  des  Verfassers.  In  den  Piaton.  Stu- 
dien von  Vermehren  (p.  55)  findet  sich  endlich  noch  der  Vor- 
schlag (piXeoaoTiuc,  ist  aber  schon  von  Peipers  im  Piniol.  Anz. 
IH,  7,  p.  376  zurückgewiesen.  Es  ist  nun  die  frage,  ob  man 
einfach  zur  annähme  des  glossems  zurückgehen  müsse  oder  ob 
es  sich  der  mühe  lohne,  noch  einen  andern  weg  einzuschlagen. 
Versuchen  wir  das  letztere  und  gehen  wir  zunächst  von  der 
erkenntniss  der  thatsache  aus,  dass  die  rede  des  Pausanias  für 
die  des  Socrates  propädeutischen  werth  hat ,  dass  sie  einzelne 
züge,   wenn  auch  nur  flüchtig  enthält,  die  in  der  nachfolgenden 


Nr.  2.  30.  Piaton.  67 

rede  des  Socrates  alle  berücksichtigung  finden.  Schon  des  Pau- 
sanias  rede  gebt  darauf  aus ,  neben  der  sinnlichen  seite  der 
kuabenlifbe  eine  ideale  nachzuweisen  und  die  letztere  als  die 
wahre  und  berechtigte  und  von  dem  gesetz  geheiligte  darzu- 
stellen, gleicliwie  die  rede  des  Socrates  die  liebe  zur  gestalten- 
scbönbeit  (tu  tn  tl'd'ti  xakov  p.  210  A)  nur  als  Vorstufe  der 
liebe  des  absolut  schönen,  der  idee ,  gefasst  wissen  will.  Also 
von  vornherein  soll  auch  den  mit  Sinnlichkeit  behafteten  be- 
strebungen  vorschweben  der  höhere,  der  philosophische  zweck. 
Das  Vorgefühl  oder  die  ahnung  von  dieser  sokratischen  er- 
kenntniss  prägt  sich  meiner  ansieht  nach  in  den  spätem  worten 
des  Pausanias  aus,  nämlich  p.  184  C:  de!  6rj  iw  vofjoj  tovtü) 
%v[ißaliXv  dg  iuvtc  ,  tov  ts  nioi  irtv  nuidtouGx(uv  xui  rov  mql 
xr\v  (pü oGoyiuv  is  xui  tt])'  uIXyjv  ugarj)',  tt  fiiXXst  ^vfjkßqvut  xa— 
7,vv  yfiiodou  ib  iguGTtj  ttuiÖixu  yuoiGuG&ui»  Es  wäre  wunder- 
bar ,  wenn  keiner  der  vorhergehenden  gedanken  darauf  bezug 
nähme.  Unzweifelhaft  findet  sich  die  erwähnung  beider  Seiten, 
des  sinnlichen  und  des  nicht  sinnlichen,  in  den  worten  von 
182  B :  jolg  yug  ßuoßuootg  diu  rüg  xvquwidug  alß^qov  tovto 
Tt  xui  r\  ys  tpiXoGocplu  xui  fj  (piXoyv/xvuGiCu.  Noch  mehr  be- 
dürfen wir  des  scharfen  gegensatzes  zwischen  der  edlen  und 
unedlen  liebe  in  der  folgenden  entwickelung.  Dieser  gegensatz 
aber  bietet  sich  an  der  fraglichen  stelle  ebenfalls,  wenn  wir  an- 
statt TtXijv  rot/70,  cpiXoGoyCug  tu  fiiyiGw  xuqtioXt  uv  ovtidr]  mit 
Veränderung  von  zovzo  in  tuvto  und  von  yiXoGocpCug  in  t7\  yt- 
).oGO(pia  lesen:  aXX'  önoiiv  diuixwv  xui  ßovXöfttvog  diunou^aG&ut 
tcXtjv  tuvto  ifi  (fiXoGo(f)i'u,  tu  /JtyiGTu  xuotioIt  uv  ove(6q}  d.  h. 
wenn  der  touGT^g  irgend  etwas  anderes  verfolgte  und  erreichen 
wollte,  als  den  mit  der  philosophie  (d.  h.  der  wahren  philoso- 
phischen erkenntniss  und  läuterung)  identischen  zweck,  so  würde 
er  sich  den  grössten  schimpf  zuziehen".  Dann  findet  sich  darin 
zugleich  eine  anspielung  niedergelegt  auf  das  wesen  des  wahren 
iuuGitjc ,  wie  es  erhellt  aus  p.  183  E:  ö  ds  tov  ij9ovg  xqtjgjov 
bi'iog  iouGirjg  diu   ßtov  fjttvsi,  uts  ^oii'/jm   Gvvtuxtlg. 

In  der  emendation  der  folgenden  stelle  (183  A),  welche 
erreicht  wird  durch  die  weglassung  des  als  interpolation  be- 
zeichneten ofivvvieg  und  die  dadurch  gewonnene  mitbeziehung 
von  notov^troi  auf  die  nicht  als  glossem  zu  verwerfenden 
worte  xui  xoifirJGHg  ini  &vouig}  kann  ich  dem  verf.  meine  volle 

5* 


68  30.  31.  Piaton.  Nr.     2. 

Zustimmung  nicht  versagen.  Auch  kann  ich  ihm  nur  beipflichten, 
wenn  er  p.  183  B  die  von  Jahn  acceptirte  konjectur  Osann's, 
den  zusatz  von  t^nolvi^iov  zu  den  an  das  bekanute  sprüchwort 
erinnernden  Worten:  ücpgoötGiov  yuo  oqxov  ov  (puGiv  tlvut  für 
überflüssig  erklärt;  indessen  geht  er  in  seinem  bestreben,  die 
worte  durch  Wiederholung  von  oqxov  vor  ov  (puGiv  in  wünschens- 
werten fluss  und  gute  abrundung  zu  bringen ,  zu  weit.  Z.  b. 
haben  auch  die  herausgeber  der  Züricher  ausgäbe  die  worte  so, 
wie  sie  waren  in  den  text  aufgenommen,  jedenfalls  in  der  Über- 
zeugung, dass  ein  so  bekanntes  nugotfxiov  auch  in  dieser  knap- 
peren form  jedem  Griechen  verständlich  sein  musste. 

Zum  schluss  sei  mir  noch  eine  bemerkung  erlaubt  über 
p.  182  A,  wo  die  worte  des  herkömmlichen  textes  lauten: 
Xi/ovat  de  dg  rovjovg  unoßliTtovng,  bgcovieg  uvrtZv  itjv  üxuigtav 
xui  äöixiuVj  intl  ov  dij  tcov  xoG^fiog  ye  xal  va/ilpoug  onovv 
■nqurrö^xivov  vjöyov  uv  Sixuiwg  cjpiooi.  Anstatt  äxaigfur,  welches 
in  dieser  bedeutung,  nämlich  „Unanständigkeit*',  sich  nur  für 
diese  eine  stelle  aus  Plato  verzeichnen  lassen  würde,  während 
es  Legg.  IV,  709  D.  im  andern  sinne,  Phaedr.  272  A.  als  ge- 
gensatz  von  evxuigia  und  Polit.  305  D.  als  gegensatz  von 
iyxuigiu  sich  findet,  würde  uxoGfiiu  erstlich  aus  dem  gründe 
richtiger  sein,  weil  es  unstreitig  das  frecbe  und  ungebührliche 
betragen  kennzeichnet  und  zweitens  deshalb,  weil  es  dem  nach- 
folgenden ov  xoGfi,(cog  am  schlagendsten  entspricht,  ebenso  wie 
das  dabeistehende  udixia  mit  dem  folgenden  ov  vofiffiojg  be- 
grifflich am  besten  korrespondirt.  Sollte  man  nicht  diesen  pa- 
rallelismus  der  glieder  und  der  analogen  begriffe  in  die  wag- 
schale fallen  lassen  ?  Uebrigens  findet  sich  uxoGfifw  unter 
andern  Symp.  188  B,  und  in  der  bedeutung  Unordnung  Gorg. 
508  A.  und  in  der  fortsetzung  der  erstgenannten  stelle  (p. 
188  C)  lassen  sich  für  die  erklärung  des  gedankens  unstreitig 
noch  die  worte  heranziehen  :    nuna    yug    t]    uGtßtiu    yiXeT  yfyvs- 

O&Ut,      luv    (llj     Jig    7M    XOGflf(0   "EgiüTl   XUQlt.JIMU    fi1]Sk    JlfJU     IE    ßü- 

xbv  xui  ngsoßivi]   iv  nuvü  tQyw,   uXXu  rov  eiiQov  x.  7.  A. 

C.    Liebhold. 

81.  Commentatio  de  Piatonis  Phaedii  aliquot  locis.  Scr. 
Albert  Grumme.     (Programm  von  Gera).     4.     8  ss. 

Der   verf.    behandelt    in    dem    vorliegenden    programm    fol- 


Nr.  2.  31.  Piaton.  69 

gende   stellen :    233  D    vertheidigt  er   mit  Heindorf   und  Stall- 
baum   rwv   aXXiüv    in    dem    glauben ,     dass    dies    die    lesart    des 
Clarkianus  sei;     er    scheint  sonach   das  fragezeichen  in  Bekker's 
comment.  crit.  p.  7,  15,  4    nicht    beachtet    zu    haben.      In  der 
that  liegt  aber  hier  ein  übersehungsfehler   Gaisford's    vor,    denn 
da     meine     collation     zu    Hermann    keine    abweichung    aufzeigt, 
so  glaube  ich  berechtigt  zu  sein ,    auch  dem   Clarkianus  mit   den 
übrigen    handschriften    Bekkers    (G    ausgenommen)    iciig    uXXoig 
zu    vindiciren.      Dass    dieses    nicht    haltbar    ist ,    davon    bin  ich 
überzeugt;  nebenbei  bemerke  ich,   dass  Badham,   dessen  ausgäbe 
verf.  nicht  zu  kennen  scheint,    xuv  roXg    üXXoig    vermuthet    hat. 
P.  229  C  wird  richtig  die  einsetzung  des  äv   nach   rputr])1,  231  C 
das  Hermanu'sche  o'C  y'  oGwv,    270  D  das  Hermann'scbe  ugifr- 
fxrjGufiivovg  vertheidigt }    im    letzten    fall  aber  ein  beispiel  beige- 
bracht ,    dem   keine    beweiskraft   zuzumessen  ist.   —     P.  230  B 
nimmt    der    verf.   nach  dem  vorgange  auderer  wg  als  exclamandi 
particula;  vielleicht  ist  das  wort  zu  streichen,  s.  p.  231  A.     Un- 
glücklich ist  der  verf.  mit  den    zwei    conjecturen,    die    er   vor- 
bringt :  p.    240  E  liest  er  nämlich  irtulvovg  rs  xul  v.xuigovg  xul 
vmgßäXXovrug    für    uxutgovg   rs    xul    Inuivovg    xul  vjregßuXXovTug. 
Hier  soll  nun  ts  dem  vorausgehenden  is,  xul  dem  nachfolgenden 
xul  entsprechen.     Es  wäre  sonach  rs  von  xul  abzutrennen ,  was 
wohl  durch  kein  beispiel  erhärtet  werden  kann.     Es  ist   zu    le- 
sen   u/.utgovg  xt  iautvovg  xul  InsgßuXXovrag,    da   xul    hier   nach 
i«    ebenso   interpolirt    ist  wie  Euthyd.  283  E :    xul  6  KiiqGnvnog 
uxovGug  rjyuvuxjrjGtp  re  xul  vnsg  xwv  mtidixtui1  xal  tlnsv,  und  an 
andern    stellen   im  Piaton.     Falsch   ist  auch  die  conjectur  uviog 
für  uviu)  246  B,  wie    schon  aus  den  gegenüberstehenden  Worten 
1%  ivuptiiav  rs  xul  ii'uvriog  hervorgeht.     Endlich  interpretirt  der 
verf.   noch    zwei    stellen,    235  A,    wo    er    tovto    ds  richtig  auf 
ro  grjTogtxuv  bezieht  und    235  E  • —  236  A.      Aus    diesem    re- 
ferate  wird  ersichtlich  sein,  dass  der  verf.,  wenn  er  auch  in  den 
meisten  fällen  ein  richtiges  urtheil  zeigt,  doch  keinen  fortschritt 
in  der  kritik  des  Phädrus  durch  seine  arbeit  begründet  hat. 

M.  Seh. 

32.     Ueber   den   mythus    bei   Plato.      Vom    Oberlehrer  Dr. 
Volquardsen.     Progr.     Schleswig.     1871.     4.  —  21  ss. 

Die  vorliegende  abhandlung,  welche  sich  mit  der  „geschichte 


70  32.  Piaton.  Nr.  2. 

der  ansichten  über  den  mythus"  befas^t,  soll  nur  der  Vorläufer 
von  einigen  andern  sein ,  in  welchen  die  kritik  der  verschiede- 
nen ansichten,  die  gcnesis  dieses  philosophischen  künstlerischen 
mythus  und  die  theorie  Piatons,  endlich  die  platonischen  my- 
then  selbst  dargestellt  und  auf  ihren  wissenschaftlichen  werth 
hin  geprüft   werden   sollen. 

Es  ist  ein  entschiedenes  verdienst  des  Verfassers,  die  an- 
sichten der  verschiedenen  gelehrten  über  den  mythus  möglichst 
vollständig  gesammelt  und  auch  in  dieser  Schrift  schon  mit  ei- 
nigen kritischen  bemerkungen  begleitet  zu  haben.  Indem  er 
die  meinungen  der  gleichzeitigen  Schüler  Plato's  in  dieser  ab- 
handlung  vorläufig  übergeht ,  referirt  er  in  chronologischer  rei- 
henfolge  die  ansichten  von  Aristoteles,  den  Epikuräern,  Macro- 
bius,  Meiners,  Eberhard,  Morgenstern,  Tennemann,  Herder, 
Schleiermacher,  Ast,  Marx,  Hegel,  Ackermann,  Bauer,  Hermann, 
Jahn,  Brandis,  Krische,  Deuschle,  Steinhart,  Susemihl,  Stallbaum 
und  Zeller. 

Trotzdem  dass  diese  abhandlung  ihrem  ganzen  inhalt  nach 
wenig  für  die  kritik  bietet,  sei  es  mir  doch  erlaubt,  einiges  zu 
berühren  und  auf  einige  gesichtspunkte  in  der  behandlung  der 
mythenfrage  aufmerksam  zu  machen.  —  Wenn  sich  z.  b.  der 
verf.  wundert  (p.  5) ,  dass  Tennemann  den  Timäus  einen  my- 
thus nennt,  so  ist  freilich  für  den  ganzen  dialog  der  ausdruck 
nicht  zutreffend ,  aber  im  allgemeinen  kann  man  dem  urtheil 
von  Deuschle  (Piaton.  Mythen,  p.  11)  beistimmen,  wenn  er 
sagt,  dass  im  Timäus  ,,die  dialektische  betrachtung  der  natur 
von  mythischen  dementen  ganz  durchzogen  sei",  wenn  auch  die 
folgenden  worte:  „oder  der  mythus  von  der  natur  erscheine 
hier  in  annähernd  dialektischer  form "  weniger  glücklich  ge- 
wählt sind.  In  der  kritik  der  ansieht  von  Schleiermacher  hebt 
der  verf.  mit  recht  hervor,  dass  Plato  in  der  gattung  allegori- 
scher mythen  unter  den  vorsokratischen  philosophen  Parmenides, 
unter  den  Sophisten  Prodikos  und  Gorgias  zu  Vorgängern  ge- 
habt habe.  Mit  gleicliem  recht  wird  die  ansieht  von  Ast,  wel- 
cher behauptet,  dass  in  den  mythen  die  erkenntniss  und  das 
dogma  gebunden  und  befestigt  werde,  verworfen  (p.  8).  Denn 
gebunden  wird  die  erkenntniss  allerdings  nicht,  sondern  höch- 
stens veranschaulicht  in  einer  dem  volksbewusstsein  möglichst 
angemessenen    form.       Mit    unrecht    tadelt    der    verf.    dagegen 


Nr.  2.  32.  Piaton.  71 

Krische  (p.  16),  wenn  er  als  quelle  mancher  platonischer  mythen 
das  dialektische  Unvermögen  bezeichnet.  Denn  unbedingt  hat  Plato 
in  der  frühem  periode  seiner  philosophischen  entwickelung  man- 
ches objekt  in  mythischer  form  darstellen  müssen,  das  er  später 
in  rein  dialektischer  weise  behandelt  und  über  die  objekte  der 
transscendeutalen  philosophie  hat  seine  darstellung  meistens  nur 
eine  mythische  bleiben  können!  Welchen  werth  aber  und 
welche  kraft  selbst  Aristoteles  dieser  mythischen  hülle  zuschrieb, 
erhellt  unter  andern  aus  Met.  II ,  3 ,  2 :  i»  o'<q  tu  fxv&wör]  xui 
nuiduoiwörj  /xiT^ov  tö/vet  tov  yiyvaiGxtiv  nsol  uviütv  diu  lo 
t&og  (vom  verf.  citirt  auf  p.  1).  Diesen  begriff  der  nuiöiu 
gebraucht  auch  Plato  mit  Vorliebe,  wenn  von  einer  derartigen 
darstellung  die  rede  ist,  z.  b.  Polit.  p.  268  D:  G%tdbv  nuidiuv 
iyxsouGufxii'Ovg  und  ähnlich  nuiduQiwSr]  xul  gadiu  im  Phileb. 
14  D;  denn  er  musste  sich  sagen,  dass  es  der  menschlichen 
demuth  geziemt,  einen  naiven  und  kindlichen  Standpunkt  einzu- 
nehmen in  dem  begreifenwollen  der  ausserhalb  der  menschlichen 
erfahrung  liegenden  dinge. 

Das  wesen  des  platonischen  mythus  kann  überhaupt  nur  dann 
richtig  ergründet  werden ,  wenn  man  die  verschiedenen  arten 
dieser  darstellungsform  unterscheidet  und  definirt,  und  wenn 
man  genau  die  stellen  ermittelt,  wo  einmal  der  mythus  ein- 
treten musste ,  d.  h.  zur  Unterstützung  dialektischer  partien, 
zweitens  platz  greifen  konnte  an  stellen ,  wo  seiner  form  vor 
einer  reinen ,  aber  ermüdenden  dialektischen  beweisführung  ein 
Vorzug  gegeben  ward.  Daraus  wird  sich  besonders  die  noth- 
wendigkeit  der  eschatologischen  mythen  neben  der  möglichkeit 
der  kosmologischen  und  politischen  ergeben.  Auch  darf  bei 
dieser  frage  nicht  unberücksichtigt  bleiben  der  ganze  bilduugs- 
gang  unseres  philosophen,  sein  kultus  der  tragischen  muse  im 
jugendlichen  alter ,  die  unverkennbare  einwirkung  früherer  und 
gleichzeitiger  philosophen  und  die  nach  dem  massstab  der  dia- 
lektischen Sicherheit  gemessenen  verschiedenen  perioden  seiner 
philosophischen  erkenntniss.  Dazu  kommt,  dass  Plato  unstreitig 
den  inhalt  des  religiösen  volksbewusstseins  weiter  ausgesponnen 
und  bisweilen  begriffe  oder  sittliche  kräfte  wie  die  liebe  perso- 
nificirt  und  damit  der  plastisch  gestaltenden  phantasie  seiner 
nation  auf  diesem  gebiete  rechnung  getragen  hat. 


72  33.  Isokrates.  Nr.  2. 

Mit  nicht  geringem  interesse  sehen  wir  nach  diesem  der 
fortsetzung  der  vorliegenden  fleissigen  aibeit  entgegen. 

C.   Liebhold. 

33.  TA  AT1QPPHTA  TOT  I20KPAT0Y2  H  I1EPI 
AOrS2N  EZXHMATIZMENS2N,  vnu  A.  Kvnoiuvov,  yvfi- 
vuGid(j%ov  70v  iv  ^A&rjvcug  ß\  yvfjraßCov.  ^Ev  *Adi\iaic}  ix  tov 
Tvnoyoayttov  'Eopov.     8.     1871.     XX  u.  235  ss. 

Die  vorliegende  schritt  des  im  juli  1859  verstorbenen  gym- 
nasialdirektors  Aristides  Kypriantfs  in  Athen ,  der  sich  schon 
früher  durch  seine  arbeit  über  Xenophons  Hellenika  bekannt 
gemacht  hat,  zeigt  schon  in  ihrem  titel,  dass  sie;  gleichwie  jene, 
der  darlegung  einer  paradoxen  behauptung  gewidmet  ist.  Sämmt- 
liche  reden  des  Isokrates  sollen  anders  aufgefasst  und  anders 
erklärt  werden  als  bisher  immer  geschehen ,  nämlich  nicht  in 
dem  sinne  wie  sie  sich  selber  geben,  als  hoyot  unlol,  sondern 
als  Xdyoi  iG%r][jaTt6~fiivo(,,  d.  h.  als  solche  die  einem  andern  als 
dem  ostensibeln  zwecke  dienen.  Hierin  beständen,  meint  Ky- 
prianos,  die  uTtogQrjzu  iov  'laoxgaTovg ,  welche  nach  einer  notiz 
bei  Diogenes  Laertius  (IV,  1,  6)  Speusippos  zuerst  veröffentlicht 
habe.  Es  seien  nun  in  walnheit  die  reden  nicht  für  das  grös- 
sere publikum,  sondern  lediglich  für  den  engen  kreis  der  schule 
bestimmt,  und  sie  seien  nicht  enkomien ,  berathende  und  ge- 
richtliche reden,  sondern  Sammlungen  von  material,  welches 
Isokrates'  Schüler  für  solche  hätten  verwerthen  sollen,  und  wel- 
ches Isokrates  an  einem  faden  aufgereiht  hätte ,  wie  wenn  man 
beispiele  für  grammatische  regeln  zu  einer  äusserlich  zusammen- 
hängenden darlegung  verarbeite.  Hierdurch  werde  auch  Iso- 
krates' ehre  wiederhergestellt ,  der  in  folge  der  bisherigen  auf- 
fassung  seiner  reden,  mit  grund  bei  den  modernen  den  ruf  ver- 
wirkt habe,  der  im  alterthum  seinen  namen  geschmückt,  während 
nunmehr  die  an  dem  redner  gemachten  schweren  ausstellungen 
einfach  wegfielen ,  dagegen  sein  rühm  als  lehrer  und  als  stylist 
hell  und  ungetrübt  hervortrete. 

Man  sieht  nun  allerdings:  was  der  Verfasser  gewinnt,  ver- 
lieren die  werke,  zu  deren  Vorzügen,  die  auch  sonst  nicht  eben 
unbedeutend  noch  wenig  zahlreich  sind,  bisher  immer  auch  der 
gerechnet  wurde,  dass  sie  kunstvoll  und  durchdacht  componirt 
seien,    während  jetzt  sie    lediglich  als  aggregate  und  conglome- 


Nr.  2.  33.  Isokrates.  73 

rate  gelten  sollen.  Es  ist  nun  aber,  nach  dem  urtheile  des  rec. 
Kyprianos  der  beweis  seiner  bebauptung  nicht  gelungen.  Die 
art,  wie  er  denselben  zu  führen  sucht,  sowie  der  inhalt  und 
gang  seiner  schritt  ist  in  kürze  folgender. 

Nach  einer  vorläufigen  darlegung  der  leitenden  idee  (p. 
1 — 10)  folgt  zunächst  als  einleitung  eine  darstellung  von  Iso- 
krates' leben  ( —  43)  und  lehrweise  ( —  75),  dann  wird,  eben- 
falls noch  einleitend ,  die  art  der  löyoi  iG^fiunßfiivoi  erörtert. 
Von  p.  102  an  beginnt  die  durchführung  des  aufgestellten 
satzes,  zuerst  einzeln  am  Panathenaicus ,  der  rede  vom  vermö- 
genstausch ,  der  Helena  und  dem  Panegyricus ,  und  dann  noch 
summarisch  an  den  übrigen  reden,  woran  sich  eine  zusammen- 
fassende Würdigung  des  Isokrates  anschliesst.  Dass  nun  der 
verf.  seinen  Isokrates  gründlich  studirt  hat,  geht  aus  allem  her- 
vor ,  und  es  sind  insbesondre  in  denjenigen  theilen  der  Schrift, 
die  sich  nicht  mit  dem  beweise  der  these  beschäftigen,  viele 
gute  gedanken  und  darlegungen  enthalten.  Aber  wo  er  auf 
sein  eigentliches  tbema  kommt ,  ist  was  er  sagt  nirgends  über- 
zeugend, trotz  der  ermüdenden  breite,  mit  der  zumal  die  haupt- 
gedanken  immer  von  neuem  eingeprägt  werden.  Beim  Pana- 
thenaicus zunächst  ist  das  ja  von  Isokrates  selbst  ausdrücklich 
ausgesprochen,  dass  diese  rede  weder  einfach,  noch  ihrem  ei- 
gentlichen zwecke  und  ziele  nach  offen  und  unverhüllt,  mit  an- 
dern worten,  dass  sie  ein  Xoyog  fiixröq  und  ia^tj/janGfitiog  ist. 
Ebenso  gibt  sich  die  Antidosis  zwar  den  anschein  einer  ge- 
richtlichen rede,  ist  aber  nichts  weniger  als  das,  und  der  Pane- 
gyricus ist  weder  einfach  eine  lobrede  noch  eine  berathende, 
sondern  etwas  aus  beiden  gemischtes.  Ferner  hat  Kyprianos 
auch  das  richtig  dargelegt,  dass  diese  reden  dem  zwecke,  den 
sie  zur  schau  tragen ,  an  vielen  stellen  gar  nicht  entsprechen, 
wie  denn  z.  b.  auch  der  Philippos,  der  zuletzt  noch  etwas  ein- 
gehender besprochen  wird,  eiue  menge  in  dieser  hinsieht  höchst 
anstössiges  enthält.  Aber  Kyprianos  hat  mit  nichts  bewiesen, 
dass  der  wirkliche  zweck  ausschliesslich  der  von  ihm  behauptete 
sei,  und  dass  Isokrates  reden  an  kein  grösseres  publikum  als 
das  seiner  schule  sich  richteten.  Nach  meiner  meinung  suchte 
er  in  der  that  ernstlich  für  die  ziele  zu  wirken ,  denen  seine 
reden  gewidmet  sind,  also  für  den  nationalkampf,  für  die  Her- 
stellung gesunderer  zustände  und  richtungen   in  Athen  u.  s.  w., 


74  33.  Isokrates.  Nr.  2. 

aber  er  ist  neben  dem  politiker  immer  auch  sophist,  der  sein 
lesepublikum  und  dessen  beurtheilung  und  bewunderung  im 
ange  hat.  Drittens  ist  er  lehrcr,  und  seine  reden  sind  aller- 
dings auch  musterstücke  für  seine  schüler;  es  lasen  sie  aber 
nicht  bloss  diese,  sondern  überhaupt  die  litterarisch  interessirten 
leute  in  ganz  Hellas,  und  dass  diese  sie  auch  nach  Isokrates' 
absieht  lesen  sollten,  geht  einfach  aus  ihrer  Veröffentlichung 
hervor.  Nun  kann  es  nicht  fehlen,  dass  manches,  was  für  den 
einen  zweck  gut,  für  den  andern  minder  passend  ist,  und  dass 
in  sofern  gewisse  Unebenheiten  in  den  reden  sich  zeigen.  Ky- 
prianos  aber,  der  dieselben  als  kunstwerke  auflösen  und  zer- 
stören will,  betont  diese  discrepanzeu  über  gebühr,  und  macht 
ferner  auch  solche  Widersprüche  mit  allem  nachdruck  geltend, 
die  entweder  von  Isokrates  mit  voller  absieht  zugelassen  waren 
—  z.  b.  Panegyr.  4  (14)  und  187  —  oder  unwesentlich 
sind  und  nur  in  der  form  beruhen;  ja  er  vermehrt  die  zahl 
noch  durch  eigne  missverständnisse.  So  ist  es  keineswegs  ein 
Widerspruch,  wenn  Isokrates  im  Panegyr.  §.  20  und  99  einerseits 
die  hegemonie  für  Athen  in  ansprach  nimmt,  und  andererseits 
§.17  eine  theilung  derselben  zwischen  Athen  und  Sparta  ver- 
langt, sowie  §.  166  tadelt  dass  man  sich  um  die  hegemonie 
zanke  statt  gegen  den  perserkönig  krieg  anzufangen.  Denn 
auch  an  jenen  ersten  stellen  verlangt  er  nur  die  hegemonie  zur 
see,  wie  im  Zusammenhang  ganz  klar  ist  (§.  17  ou  xul  ngo- 
Tf qov  fj  nolic  Tjftuiv  dixafwg  rijg  9uluaßrjg  rj^s  xal  vvv  ovx 
udixwg  afjKpiaßrixii  rij'g  rjysfjovfag),  und  dies  ist  dann  die  thei- 
lung, welche  er  §.  20  will;  der  tadel  aber  §.  166  richtet  sich 
natürlich  nur  an  diejenigen  welche  sich  dem  widersetzen ,  d.  h. 
an  die  Spartaner.  Noch  in  andrer  weise  hat  Kyprianos  wie- 
derholt stellen  des  redners  missverstanden ,  um  ihn  selbst  zum 
zeugen  für  seine  hypothese  zu  gewinnen.  Antid.  12  gibt  Iso- 
krates seinen  lesern  anweisung,  wie  sie  die  rede  lesen  sollen, 
und  ermahnt  sie  dabei  it.  a. :  nQogtyuv  xov  vovv  cn  fiüXXov  loig 
TAytü&m  ^iXkovGiv  i]  roTg  ijdr]  noofioiifiFvotc,  d.  h.  stets  zu  den- 
ken dass  das  beste  noch  kommt,  eine  für  eine  so  lange  und 
langweilige  rede  wohl  angebrachte  regel.  Aber  Kyprianos  setzt 
so  zu  sagen  stillschweigend  Ityofjiroig  für  )Jys<r9-ai  /jtXXovm,, 
und  behauptet  dass  Isokrates  hiermit  zugäbe,  dass  die  theile 
sich  widersprächen  und  dass  jeder  theil  und  jedes  theilchen    für 


Nr.  2.  34.  Lykurgos.  75 

sich  zu  nphmen  sei.  —  Paneg.  98  sagt  Isokrates,  dass  er  über 
den  vorliegenden  gegenständ  nicht  alles  sagen  wolle  was  sich 
sagen  Hesse ,  sondern  nur  was  besonders  bedeutungsvoll  und 
ferner  loig  noouorifitvoig  6fi,o%oyovf*sva  sei.  Also,  meint  Kypria- 
nos ,  gibt  es  in  der  rede  auch  manches  was  mit  dem  vorherge- 
sagten nicht  zusammenstimme.  —  Ebend.  165  heisst  es:  di- 
Seixiai  yäg,  omv  Tic  noXsprj  noog  ui'frqLojiovc  ix  tioXXüjv  icnutv 
cvXfoyofjiiovg,  ort  Sil  (/,)]  jregi/j£i>eiv  xik.:  „es  versteht  sich,  ist 
durch  die  erfahrung  erwiesen,  dass''  u.  s.  w.  Der  verf.  aber 
meint,  es  heisse:  „ich  habe  bewiesen",  und  da  nun  vorher  in  der 
rede  nichts  derartiges  vorkommt,  so  schliesst  er,  dass  Isokrates 
sich  auf  frühere  mündliche  Unterweisung  beziehe  und  dadurch 
nun  die  rede  als  lediglich  einen  theil  dieses  Unterrichts  be- 
zeichne. Endlich  die  Zeugnisse  aus  dem  alterthum,  auf  die  Ky- 
prianos  sich  noch  beruft,  wollen  gar  wenig  bedeuten,  und  das 
enkomion  auf  die  byzantinischen  gelehrten ,  welches  er  anläss- 
lich seines  hauptzeugen  Photios  vorbringt,  wird  wohl  das  von 
ihm  so  stark  getadelte  abschätzige  urtheil  der  deutschen  philo- 
logen  über  dieselben  nicht  zu  ändern  im  stände  sein. 

Uebrigens  wiederhole  ich,  dass  die  schrift,  wiewohl  in  ihrem 
eigentlichen  ziele  verfehlt ,  doch  nebenher  manches  gute  bei- 
bringt, wie  gegen  den  schluss  die  erörterung  über  die  angeb- 
liche jtyvri  des  Isokrates. 

B. 

34.  Quaestiones  Lycurgeae.  Dissertatio  inauguralis  quam 
...  scripsit  Samuel  Elias.     Halis  Saxonum   1870.  8.  58  ss. 

Die  dissertation  behandelt  in  zwei  capiteln  das  genus  di- 
cendi  des  Lykurg  im  allgemeinen  und  die  in  der  Leocratea  vom 
redner  angewandte  beweisführung.  Eine  gewisse  belesenheit  in 
den  attischen  rednern  soll  dem  Verfasser  nicht  abgestritten  wer- 
den; auch  die  Würdigung  des  rhetorischen  characters  des  Ly- 
kurg, im  anschluss  an  die  urtheile  des  Dionys  und  Hermogenes 
vorgetragen,  fasst  die  wesentlichen  gesichtspunkte  sachgemäss 
zusammen,  des  reduers  Vorliebe  für  Übertreibung  (au'^Gig)  und 
Schwarzmalerei  (ötfrwGig) ,  für  langathmige  parekbasen ,  für 
kühne  Übertragungen  (selbst  das  monströse  im  roTg  boioiq  rov 
ßfov  §.  109  sucht  Elias  durch  eine  gewagte  translatio  zu  ret- 
ten :    „an   der    grenzmark   ihres  lebens") ,    den  mangel  an  urba- 


76  34.  Lykurgos.  Nr.  2. 

nität  in  seiner  ausdrucksweise.  Im  übrigeu  aber  ist  die  arbeit 
eine  durchaus  verfehlte.  Zwar  erkennt  der  verf.  im  zweiten 
capitel  die  schwäche  der  lykurgischen  argumente  an,  bemerkt 
auch  richtig  (p.  22),  dass  die  Sprecher  vor  den  attischen  ge- 
schworenen nicht  sowohl  auf  das  rechtsgefühl,  als  auf  die  leicht 
erregbaren  affecte  der  hörer  speculirten ,  aber  in  der  gesammt- 
auffassung  wie  im  einzelnen  wimmelt  es  von  groben  irrthümern 
und  missverständnissen.  Der  redner  konnte,  nach  Elias'  an- 
sieht, anstatt  der  weitschichtigen  argumentation  einfach  den 
volksbeschluss  (§.  53) :  ho^ovq  tlvai  Trj  -wgodoGfa  tovg  (ptvyovrag 
(Schäfer,  Demosthenes  III,  11)  gegen  Leokrates  geltend  machen; 
da  er  dies  nicht  gethan,  so  ergebe  sich  daraus,  dass  er  zur 
zeit  der  Leocratea  wieder  aufgehoben  gewesen  sei  (p.  34);  er 
sieht  also  nicht  ein ,  dass  Leokrates  gerade  die  anwendbarkeit 
des  begriff's  cpvyrj,  6  cpsvyuv  auf  seinen  weggang,  der  angeblich 
zu  handelszwecken  erfolgt  war,  bestritt,  dass  sonach  der  be- 
weis dafür,  dass  das  psephisma  den  Leokrates  mit  in  sich  be- 
greife, selbst  erst  wieder  durch  einen  Cro^aff^oe  zu  erbringen 
war.  Wenn  Elias  aus  §.  147  (p.  50.  53)  schliesst,  die  eisan- 
gelia  habe  nicht  bloss  auf  ngodoGfo,  sondern  wirklich  auch  auf 
drjfiov  xuru),vGig}  uGißuttj  yoriwv  xdxwciq,  Iutotu&ov  (der  verf. 
schreibt  beharrlich  Xswiom&ov ,  trotz  Cobet,  Nov.  lect.  78)  und 
ußigartCa  gelautet,  so  verkennt  er  in  praxi  den  vorher  in  thesi 
anerkannten  satz  von  des  Lykurg  stieben  nach  uv^rjciCj  ebenso 
wenn  er  (p.  10.  55)  aus  §.  133  herausliest,  Leokrates  sei  aus 
Rhodos  ausgewiesen  worden,  und  darin  einen  Widerspruch 
zu  §.  21  findet.  Zuzugeben  ist  dem  Verfasser,  dass  die  beweis- 
führung,  Leokrates'  handlungsweise  characterisiere  sich  als  ngo- 
doGtu,  kaum  möglich  war ;  moralisch  mochte  sein  thun  verächtlich 
erscheinen,  aber  nach  den  gesetzen  war  die  auswanderungsfrei- 
heit  unbeschränkt  (zu  Lys.  XIV,  38;  XXXI,  6).  Dagegen 
weiss  er  (p.  48)  nichts  von  dem  bei  den  redneru  so  beliebten 
beweis  ex  consecutione  (ad  Herenn.  II ,  5  ,  8) ,  wenn  er  die  ver- 
nünftigkeit des  antieipierten  einwandes  §.  90  bestreitet  (zu  Lys. 
XII,  85) ;  den  vergleich  zwischen  der  auswanderung  des  Leokra- 
tes nach  Rhodos  und  der  der  Athener  nach  Salamis  §.  68  findet 
er  (p.  48)  so  absurd,  dass  die  (fvrijyogot,  ihn  jedenfalls  gar  nicht 
vorgebracht  haben  würden ;  aber  er  ist  nicht  gewagter ,  als  die 
parallele   zwischen    des  Alkibiades'  auftreten    gegen    sein    vater- 


Nr.  2.  34.  Lykurgos.  77 

land  und  dem  befreiungskatnpf  der  patrioten  im  jähre  403, 
durch  welche  der  jüngere  Alkibiades  bei  Isokr.  XVI,  13  seinen 
vater  zu  entschuldigen  sucht  und  welche  Lys.  XIV ,  32  zurück- 
wies. Mindestens  ein  schiefer  ausdruck  ist  es,  wenn  er  die 
athenischen  geschworenen  p.  21  als  a  populo  quotannis  delecti 
bezeichnet,  ein  handgreiflicher  irrtbum,  wenn  er  p.  50  als-  die 
bei  der  yoaipq  uGißtiag  herkömmliche  strafe  die  geldstrafe 
(Meier,  Process  306)  nennt.  Auch  in  der  interpretation  der 
worte  des  redners  ist  Elias  wiederholt  sehr  fehl  gegangen; 
p.  37  findet  er  in  tu  fivrjfieia  uvrwv  (züiy  loxewv)  uyavtf^wv 
§.  147  eine  fälschung ,  nam  maiorum  monumenta  excisa  non  sunt; 
offenbar  heisst  ucpavt&tv ,  „verfallen  lassen" ;  Leokrates  sorgte 
während  seiner  achtjährigen  abwesenheit  nicht  für  instandhaltung 
des  erbbegräbnisses ;  auch  die  versagung  der  todtenehren  (r« 
vofjLt^ö/jivu)  gehörte  zur  xdxwaig  yoriwv  (Meier,  Process  288, 
vgl.  van  den  Es,  de  iure  familiarum  apud  Athenienses  p.  142  f.). 
P.  41  macht  ihm  das  xtvt  6'  uv  tqv  nuiQida  Truoidwxs  fiet^ova 
[noodoßfa]  §.  78  scrupel;  er  fasst  xin  =  noaco  und  will  lieber 
xt  corrigieren;  schon  Mätzner  hat  tivb  richtig  als  masculin  ge- 
deutet und  so  Rosenberg  in  der  num.  35  angeführten  schrift 
p.  9  ;  in  dem  ephebeneid  hiess  es  ja :  i\v  nurqidu  nuoudwaui 
nXfiu)  xal  uQttuj  oarjg  av  Ttaoudi'%tjj{iai ,  in  welchen  Worten  bei 
nuQfxduüGio  ein  tchc  dutäe%Oft£vfHg  (Lys.  XIII,  62)  vorschwebt. 
Selbst  die  auf  den  ersten  blick  bestechende  ausscheidung  von 
uv  §.  78  (p.  40  und  in  den  thesen)  ist  unnöthig ;  ijfiwsv  uv 
ist  potentialis  praeteriti:  „wo  —  hätte  eintreten  können".  (Aken, 
Tempus  und  Modus  §.  72,  beispiele  zu  Lys.  I,  27.  44; 
XXV,  12). 

Noch  ein  wort  über  die  form.  Man  ist  ja  in  inaugural- 
dissertationen  an  conflicte  mit  dem  seligen  Donat  gewöhnt,  aber 
die  anspräche  der  philosophischen  facultät  zu  Halle  an  die  la- 
tinität  ihrer  doctorandi  sind  doch,  wenn  man  aus  der  vorliegen- 
den arbeit  den  schluss  machen  darf,  allzu  bescheiden.  Das  la- 
tein  ist  durchaus  schülerhaft  und  durch  und  durch  germanistisch; 
dies  beweist  nicht  nur  der  falsche  gebrauch  von  adhuc,  sane> 
passus,  plane,  etiam,  iam  (für  vel,  p.  22.  29.  34.  57,  ein  lieb- 
lingsschnitzer  von  obersecundanern),  etiam  non  für  ne  —  quidem, 
iste ,  aliquis  für  quisque  (p.  22),  exspectare  mit  folgendem  accus, 
c.  inf.  (p.  35 ;  hat  der  verf.  Keisig's  Lat.  sprachwissensch.  p.  789 


78  34.  Lykurgos.  Nr.  2. 

Haas,  oder  Döderleins  Lat.  syn.  und  etym.  3,  57  nicht  gelesen?), 
post  hac  für  postea  (p.  32),  paullulum  für  paullisper  (p.  30.  58), 
sondern  auch  die  fast  habituelle  Vernachlässigung  der  consecutio 
temporum  (z.  b.  p.  31:  institerit,  impediverit;  36:  ostendi  oportuiti 
cur  —  sit;  41  :  ostendat;  49:  populus  decrevit,  ut  fuga  —  pu- 
niatur;  51:  habucrint  u.  ö.),  der  indicativ  im  ideellen  rdativ- 
satze  (p.  42:  quifugit),  condemnari  als  hypothetischer  iofinitiv 
(p.  58),  potuissent  für  potuerunt  fp.  36),  durch  die  ganze  disser- 
tation  geht  der  falsche  gebrauch  von  antiquare  im  sinne  von 
abrogare.  Und  nun  gar  anfängerfehler  wie  ut  haud  scio  an 
(p.  14),  a  nomine  (p.  16),  duodeviginti  annorum  natus  (p.  40),  ali- 
quod  für  aliquid)  und  logische  Ungeheuerlichkeiten  wie  apud  Iso- 
cratem  saepe  ea  reperiuntur ,  quae  Lycurgi  proprio  esse  videbimus 
p.  16,  tum  temporis  (nach  der  Schlacht  bei  Chäroneia),  ea  mens, 
quae  in  Lycurgo  semper  vigebat,  in  omnibus  Aiheniensibus  inerat 
p.  55.  Anderes  mag  auf  druckfehlern  beruhen,  wie  videbitur  für 
videretur  (wo  freilich  quemvis  für  quemeunque  steht) ,  exercitio  für 
exercitu  (p.  37),  motus  quae  (p.  56 j,  obschon  man  nach  den  son- 
stigen proben  von  des  Verfassers  sprachkenntniss  einigermassen 
misstrauisch  sein  darf.  In  summa  erscheint  die  selbstrecension, 
die  vf.  p.  56  ausspricht:  mihi  hac  disputatione  (t)  clariorem  lucem 
aecusationi  offudisse  videor,  doch  als  ausdruck  eiues  wenig  be- 
gründeten Selbstgefühls,  und  die  Veröffentlichung  der  im  index 
angekündigten ,  durch  die  kürze  der  arbeit  vorläufig  ausge- 
schlossenen ferneren  drei  capitel :  de  Leocratea  ex  Anaximenis 
praeeeptis  iudicium,  de  transitionibus  in  Leocratea  adhibitis,  locorum 
quorundam  Leocrateae  interpretatio ,  wird  ohne  eine  gründliche  re- 
vision  des  inhalts  und  der  form  wohl  nur  eine  arbeit  von  sehr 
problematischem  werthe  zu  tage  fördern. 

Hermann  Frohbcrger. 

35.  De  Lycurgi  orationis  Leocrateae  interpolationibus.  Dis- 
sertatio  inauguralis  quam  .  .  scr.  Emil.  Rosenberg.  Greifs- 
walde 1869.     46  s.     gr.  8. 

Auch  eine  doefordissertation,  aber  auf's  vorteilhafteste  von 
der  vorher  besprochenen  verschieden.  Dem  Verfasser  stfht  nicht 
bloss  eine  umfassende  belcsenheit  wie  überhaupt  in  der  attischen 
dekas  so  speciell  in  der  literatur  über  Lykurg  zur  seite;  von 
den    älteren    ausgaben    scheint   er   nur  die   von   Friedrich   Osann, 


Nr.  2.  35.  Lykurgos.  79 

Jena  1821  ,  recensiert  (zugleich  mit  der  von  Heinrich)  in  der 
Hall.  A.  L.  Zeitung  1822,  märz,  nr.  63,  p.  498— 512  und  von 
Novalis  in  der  Jen.  L.  Zeitung,  Ergänz.  Bl.  1827,  nr.  26,  p. 
201.  204,  übrigens  ein  buch  von  geringem  werthe  ,  ohne  selb- 
ständige kritik,  nicht  gekannt  zu  haben,  von  der  sonstigen  li- 
teratur  findet  sieh  Jenicke,  symhölae  criticae  in  Lycurgi  Leocra- 
team,  Leipzig  1843,  nicht  citiert;  sondern  auch  Scharfsinn  und 
gesundes  urtheil  in  der  entscheidung  bäkliger  fragen.  Die  lati- 
nität  ist  fast  mustergiltig,  nur  dass  er,  freilich  ein  auch  bei 
routinierteren  Stilisten  beliebter  usus,  iam  vero  einfach  als  über- 
gangsformel,  ohne  die  darin  liegende  gradatio  („nun  gar,  nun 
vollends'',  Seyffert,  scholae  latinae  p.  29.  35)  anzuerkennen,  ge- 
braucht und  ohne  ersichtlichen  grund  p.  36  nisi  forte  mit  dem 
conjunctiv  verbindet,  zuwider  der  feststehenden  regel  (Krüger, 
lat.  Gr.  §.  603  ,  anm.  2  u.  a.).  Auf  welcher  autorität  die  lo- 
cativform  Marathon*  beruht  (p.  36  zweimal),  gesteht  ref.  nicht 
zu  wissen;  ist's  eine  unwillkürliche  reminiscenz  an  Mugudu/vi? 
Germanistisch  klingen  die  Wendungen  iusiurandum  joraestare 
p.  44  und  imparem  esse  ad  quaestionem  absolvendam  p.  41.  Un- 
richtig ist  die  p.  30,  anm.  75,  ausgesprochene  behauptung, 
dass  bei  den  attischen  rednern  selten  vergleichungen  regelrecht 
durch  beide  glieder  durchgeführt  würden;  es  genügt,  dem  ge- 
genüber darauf  hinzuweisen,  dass  die  bekannte  correlative  an- 
wendung  des  zweifachen  xui  in  vergleicbungssätzen  aus  den 
rednern  sich  vielfach  belegen  lässt  (zu  Lys.  XIV,  24).  Eine 
yQuyrj  TvQuvvCdog  (p.  4)  gab  es  wohl  nicht  zu  Athen,  sondern 
drjfiov  xuTalvGewg,  wofür  die  grammatiker  jvquvvldoq  setzen. 

Seinen  stoff  hat  Rosenberg  in  drei  capitel  zerlegt.  Im 
ersten  (p.  2 — 13)  behandelt  er  die  vor  der  ausgäbe  Scheibe's 
bereits  ermittelten  oder  doch  vermutheten  interpolationen.  Bei 
der  besprecbung  von  §.  26  hatte  er  sich  der  Bekkerscbeu  ver- 
muthung  angeschlossen,  derzufolge  trjv  *ASriiüv  —  oficovvfiov 
aiifi  ausgeschieden  werden  sollte-,  aufmerksam  gemacht  durch 
eine  conjectur  Schöne's  (Jahrb.  f.  Philol.  1869,  p.  739)  hat  er 
neuerdings  (Jahrb.  1860,  p.  806)  diese  ansieht  aufgegeben  und 
setzt  hinter  eiXrj/vTuv  ein  nfxwvxsq  ein,  wogegen  er  das  erste 
blAiürvjjov  uvrij  und  ol  rt/jtZvng  tilgt.  Adhuc  sub  iudlce  lis  est; 
dass  freilich  Lykurg  selbst  den  aecusativ  tijv  yA3r\var  gesetzt 
und    dann    duich  ein  hartes  anakoluth  die  periode  gestört  habe 


80  35.  Lykurgos.  Nr.  2. 

(Polle,  Jahrb.  1869,  p.  748),  kann  ref.  nicht  glaublich  finden. 
An  der  vielbesprochenen  stelle  §.  109  entscheidet  vf.  sich,  al- 
lerdings faute  de  mieux ,  für  Wurni's  ini  xoig  fjQioig  für  bgfocg 
und  die  ausscheidung  von  xov  ßfov;  neuerlich  (Jahrb.  1870, 
p.  809)  ist  er  auf  die  freilich  äusserst  gewagte  vermuthung  ge- 
kommen, der  ganze  passus  von  §.  105  108  sei  das  einschieb- 
sei eines  gelehrten  grammatikers,  der  bei  der  belobiguDg  der 
Athener  die  Spartaner  nicht  habe  zu  kurz  kommen  lassen  wol- 
len ;  die  weitere  consequenz  dieser  bypothese  ist,  dass  auch  das 
simonideische  epigramm  auf  die  Spartaner  nebst  den  worten 
ixtiroig  fiiv  und  idig  de  vfitiiqoig  ngoyovotg  §.  109  in  Wegfall 
kommen  muss;  unter  diesen  Voraussetzungen  billigt  Rosenberg 
die  vermuthung  Schöne's  (Jahrb  1869,  744)  ini  idig  r^ajoig  iov 
Thfißov.  Was  wird  von  den  alten  schliesslich  übrig  bleiben, 
wenn  das  seciermesser  der  kritik  so  unverdrossen  arbeitet?  Ref. 
ist  schon  lange  der  ansieht,  dass  die  so  überflüssige  Ortsbestim- 
mung ini  roig  ögloig  ein  unverständiges  glossem  aus  §.  47  und 
ßiov  eine  durch  jotacismus  und  compendium  herbeigeführte  Ver- 
stümmelung des  dort  am  rechten  platze  stehenden  Botwjfug  ist; 
die  Veränderung  des  artikels  war  dann  die  nothwendige  folge 
der  corruptel;  uvaysyQafjifiiva  bedarf  natürlich  keiner  Ortsbestim- 
mung, der  gedanke  ist:  die  Zeugnisse  ihrer  tapferkeit  sind 
schriftlich  überliefert,  nicht  bloss  uxoTj.  §.  124  billigt  Rosenberg 
Scheibe's  Supplement  vnc  %(Sv  %eru)v  hinter  'EkXqvutv,  mit  aus- 
stosBung  des  sinnlosen  rfeliaas  (Polle,  Jahrb.  1869,  p.  755  ver- 
muthet  dafür  i'^tavuGs,  nicht  recht  deutlich;  Meutzner,  de  inter- 
polationis  apud  Demosth.  obviae  vestigiis  quibusdam,  Progr.  Plauen 
1871,  ergänzt  ntnor&e  aus  ntnor&ortg,  ein  gedanke,  der  sich 
schon  bei  Jenicke ,  p.  28  der  oben  genaunteu  schrift,  findet); 
ich  glaube  Philol.  p.  XXIX,  629  nachgewiesen  zu  haben,  dass 
durch  den  gebrauch  der  redner  'vno  xüJv  noXffitwv  mehr  em- 
pfohlen wird,  wie  er  auch  §.18  gegenüber  Rosenberg's  behaup- 
tung  (p.  11),  die  dittologie  xaiu%frtig  xui  uyixo/jeiog  (l^'Pudov 
sei  unverfänglich ,  bei  seiner  vermutbung  uvux&etg  (ib.  p.  628) 
stehen  bleibt. 

Im  zweiten  capitel  (p.  13 — 29)  recensiert  Rosenberg  die 
interpolationsvermuthungcn  der  Holländer  (van  den  Es,  v.  Her- 
werden), die  diesen  äbnlicben  Dobree's  und  die  von  Jacob, 
der    in    den    emendationcs  Lycurgeae  (Progr.   Cleve  1860)    einige 


Nr.  2.  35.  Lykurgos.  81 

conjecturen  von  van  den  Es ,  theils  ablehnend  theils  billigend, 
besprochen  hat.  Mit  recht  weist  er  darauf  hin,  dass  viele  ver- 
muthungen  der  erstgenannten  auf  den  hohen  ansprüchen  beru- 
hen, die  sie  an  Lykurg  stellen  als  einen  redner ,  der  tag  und 
nacht  an  seinen  reden  gefeilt  habe  und  dessen  Leocratea  ein 
lieblingsgegenstand  der  lectüre  in  den  rhetorenschulen  gewesen 
sei.  Diese  behauptungen  sind  unbeweisbar  und  der  darauf  ge- 
baute schluss ,  dass  man  dem  Lykurg  keine  nachlässigkeiten, 
keinen  mangel  an  concinnität,  keine  Wiederholungen  u.  dgl.  zu- 
trauen dürfe,  beruht  auf  falschen  prämissen,  die  daraus  gefol- 
gerten conjecturen  also  auf  einem  nowTOv  tpsvdog.  Die  reich- 
haltigkeit  der  arbeit  gestattet  nur  einzelnes  hervorzuheben.  Mit 
recht  wird  p.  18  van  den  Es  abgewiesen,  der  §.71  rcy^'wg 
ausscheiden  will ,  sonach  nichts  weiss  von  dem  ironischen  ge- 
brauche des  wortes  (Andok.  IV,  27)  und,  wie  ich  hinzufüge, 
des  noch  häufigeren  tu%v  ys  (Demosth.  XXI,  209.  XXV,  95. 
Aesch.  I,  191.  Aristoph.  Wölk.  547),  —  p.  21  mit  gleichem  rechte 
Herwerden,  der  §.  116  in  egyco  xul  ov  löyo)  eine  lästige  ditto- 
logie  findet  und  xul  ov  Xoyco  streicht ,  mit  verkennung  einer 
ganz  gewöhnlichen  amplificatio  (zu  Lys.  XIII,  19.  Rehdantz, 
Demosth.  I,  index  u.  d.  w.  „erweiterung",  2.  aufl.)  Im  §.  134  will 
van  den  Es  das  lafiTiowg  hinter  rtrQi7]QuQxr]xs  streichen,  weil 
es  nur  zu  xoQqysiv  passe ,  als  ob  nicht  auch  bei  der  trierarchie 
der  eine  sich  mehr  als  der  andere  „splendid"  erwiesen  habe! 
Man  weiss  ja,  wie  sehr  manchen  die  rpilonfiCa  kitzelte  ein  übri- 
ges zu  thun  und  concurrenten  auszustechen ;  die  zweite  rede 
des  Lycurg,  Demosth.  L,  7,  LI,  5  f.  mögen  als  belege  dienen. 
Von  p.  22  an  bespricht  Eosenberg  die  stellen ,  wo  er  die  re- 
sultate  der  holländischen  kritik  acceptirt ;  doch  hätte  §.  40 
TiiQicpoßovi  vor  xanniriyviaz,  an  einer  stelle  von  poetischem  co- 
lorit,  schon  durch  das  homerische  öuauvis  xuzanirJTrjv  (II.  VIII, 
136)  geschützt  sein  sollen;  §.  105  ist  o?  utl  ßuffiltvovdtv  iv 
^jiuQirj  nicht  ein  insipides  einschiebsei  (van  den  Es) ,  sondern 
qualificiert  die  Herakliden  als  erbliche  repräsentanten  der 
virtus  imperatoria,  denen  gegenüber  die  bevorzugung  des  Athe- 
ners durch  das  orakel  um  so  bedeutsamer  erscheinen  musste. 
Die  vermuthung  Rosenberg's  zu  §.  107  i^iCTQuiavfiivoi  (an  die 
übrigens  auch  van  den  Es  annot.  ad  Lyc.  Leoer.  52  gedacht 
hat)  anstatt  des  kaum  zu  deutenden  ixoiquitvofisvot,  trifft  mit 
Piniol.  Anz.  IV.  6 


82  35.  Lykurgos.  Nr.  2. 

einer  randnotiz  in  meiner  handausgabe  zusammen,  wie  ich  mich 
denn  auch  mit  der  ansieht,  dass  Lys.  XX,  4  die  worte  diu  t« 
TfQcG&ev  ufiuQTrjfi-ura  hinter  imdvftTJGai  zu  tilgen  seien  (p.  16, 
anm.  52)  in  Übereinstimmung  befinde  (Philol.  XXIX,  628). 

Im  dritten  capitel  (p.  30  ff.)  entwickelt  Rosenberg  fünf  von 
ihm  selbst  aufgestellte  interpolationsbypothesen,  die  den  beifall 
Bücheler's  im  greifswalder  philologischen  seminar  gefunden  ha- 
ben. Es  bedarf  nicht  der  erwähnung ,  dass  derartige  vermu- 
thungen  in  der  regel  mehr  noch  disputabel  sind  als  solche,  die 
in  den  bereich  der  diplomatischen  kritik  gehören.  §.  15  will 
Rosenberg  den  passus  ot  Xgugi  —  oviu  ausgeschieden  wissen. 
Ohne  sonst  in  die  controverse  einzutreten,  bemerke  ich  nur, 
dass  das  schon  von  Bekker  geltend  gemachte,  von  Rosenberg 
wiederholte  argument,  öiunsnqayuivoi  könne  nicht  passivisch 
gebraucht  werden,  auf  einem  irrthum  beruht;  Rosenberg  hat 
nicht  an  jiuviwv  diantnQayuivwv  bei  Lys.  I,  38  gedacht.  §.  25 
streicht  er  xul  ehat  o&vtla  iij  %ujqu  ,  namentlich  wegen  der 
nimia  laquacitas ,  ein  ästhetisches  bedenken,  das  freilich  nach 
dem  auf  p.  16  von  Rosenberg  erörterten  nicht  allzuschwer  in's 
gewicht  fallen  sollte;  §.  48  soll  der  ganze  passus  von  tlxorcog 
—  Ökxxsivzui  in  wegfall  kommen  ,  wobei  zugegeben  werden 
muss,  dass  der  vergleich  nach  strenger  logik  nicht  recht  zur 
begründung  des  vorhergehenden  gedankens  passt,  da  r;  &qi\puGa 
(yrj)  nicht  nothwendig  auf  die  vielgerühmte  autochthonie  der 
Athener  hinweist,  sondern  schlechthin  attribut  des  Vaterlands 
als  altrix  ist;  für  die  autochthonen  dagegen  ist  das  Vaterland 
jQocpog  xal  (ir\ir\Q  (Isokr.  IV,  25.  Plat.  Menex.  237  C. :  i\  ts- 
xovGu  xul  &Qi\puGa ,  parens  altrix  Cic.  p.  Flacco  26,  62,  wo 
neuerdings  Kayser  nach  einer  handschrift  die  der  stelle  des 
Isokrates  nachgebildeten  worte  gestrichen  hat).  Allzu  scrupulös 
dagegen  ist  das  zu  den  folgenden  Worten  erhobene  bedenken, 
die  kämpfe  von  Chäroneia  könnten  nicht  durch  die  worte  cha- 
ractei'isiert  werden :  ioTg  ugiGioig  uvdQuGiv  f£  Xaov  twv  xirdvrwv 
usTaGxovTtg ,  similes  aut  pares  optimis  viris ,  vielmehr  müssten  sie 
nach  des  redners  gedanken  selbst  als  optimi  viri  bezeichnet  wer- 
den. Welcher  unterschied  ist  zwischen  par  optimo  viro  und 
optimus  vir?  Und  wenn  Rosenberg  meint,  rolg  ugiGioig  «v- 
Öqügiv  müsse  eine  bestimmte  beziehung  haben  auf  irgend  eine 
besonders    ausgezeichnete    kämpferschaar    (weshalb  er  nach  Bü- 


Nr.  2.  35.  Lykurgos.  83 

cheler's  vermuthung  in  den  worten  eine  corruptel  sucht,  hinter 
welcher  eine  andeutung  der  kämpfer  von  Marathon  stecke),  so 
verkennt  er  merkwürdiger  weise,  wie  correct  der  gedanke  ist: 
sie  haben  den  besten  männern  gleich  „gekämpft",  aber  nicht 
„dem  entsprechend"  (bpolwg)  glück  gehabt,  wobei  es  wenig  in 
frage  kommt,  ob  dem  redner  bei  ol  ugiffroi,  uvdgsg  der  ideelle 
begriff  „die  denkbar  besten"  oder  der  empirische,  die  erfahrungs- 
mässig  besten  vorgeschwebt  hat.  In  §.  60  verwirft  Rosen- 
berg den  allerdings  Schwierigkeiten  bietenden  abschnitt  von 
äaneg  bis  ävddiuxot  yivwvxai;  ich  glaube,  dass  der  stelle  we- 
niger gewaltsam  durch  die  Verbesserung  wjg  dxv^tug  für  tt}v 
dxv/Cav  (van  den  Es)  abgeholfen  werden  könne ;  zum  beleg  für 
die  redensart  nigug  iXHV  1ll'og,  den  höchsten  grad  {nigug  =  per- 
fectio)  in  etwas  erreicht  haben  (hier :  das  Unglück  der  Staaten 
ist  vollendet,  wenn  u.  s.  w.)  will  ich  nicht  auf  die  angefochtene 
stelle  Lys.  XII,  88  verweisen,  wohl  aber  auf  Aristot.  Polit.  I, 
2 ,  p.  3  Bekker.  :  t\  ix  tvXuovcüv  xwfiöjp  xotvcoviu  xiXsiog  noXig, 
rj  Sr\  ndffijg  t%ovGa  negag  xrjg  uvtagxHug ,  über  deren  sinn  kein 
zweifei  möglich  ist;  vgl.  auch  Aristid.  or.  XXXIV,  (I,  654 
Dindorf.):  unanlrfeiug  doxü  nigug  ilvui.  Den  wortreichthum  der 
stelle  und  die  allerdings  überflüssige  erklärung  il  yug  dtl  yivia- 
&ut,  kann  ich  nicht  weiter  auffällig  finden.  §.  94  möchte  Eo- 
senberg  die  worte  dxöxwg  —  fiiytaxov  ußtßrjfiu  iüxtv  tilgen,  ohne 
jedoch  die  authentie  der  worte  unbedingt  zu  verneinen.  End- 
lich inissfällt  ihm  (p.  40,  anm.  79)  der  schluss  von  §.  80,  der 
passus  von  ov  aS,iov  bis  ugsirjv,  erstens  weil  die  beziehung  von 
ov  undeutlich  sei;  aber  die  folgenden  worte  lassen  ja  keinen 
zweif'el,  dass  der  von  den  Hellenen  ehedem  geleistete,  nicht  der 
zur  zeit  noch  in  Athen  bestehende  eid  gemeint  ist;  ausserdem 
würde  nach  Streichung  der  angefochtenen  worte  gegen  uviöv  hin- 
ter uvuyiyvwoxt  sich  das  gleiche  bedenken,  und  nur  mit  grös- 
serem rechte  geltend  machen  lassen ;  alsdann  weil  die  folgenden 
worte  prorsus  inepta  seien;  aber  der  gedanke:  ,,die  thatsachen 
liegen  zwar  weit  hinter  uns ,  aber  die  schriftliche  aufzeichnung 
giebt  genügendes  zeuguiss  für  ihre  trefflichkeit",  ist  doch  nicht 
anzufechten;  der  eid  war  vermuthlich  wie  andere  documente 
(selbst  der  problematische  cimonische  friedenstractat)  auf  einer 
säule  aufgezeichnet.  Allerdings  das  handschriftliche  lap'wg 
Zguv  idilv  ist  nicht  zu  Reuten;    la%v(Zg    als    ästhetisch    kritische 

6* 


84  35.  Lykurgos.  Nr.  2. 

randglosse  eines  lesers  zu  betrachten  (Polle,  Jahrb.  1869, 
p.  754)  scheint  nicht  räthlich ,  da  eine  beziehung  zu  nuXuiuiv 
erwartet  wird ;  Scheibe's  av/vaig  ist  mir  unverständlich  ;  Ixavwg 
scheint  am  meisten  sinnentsprechend  und  liegt  der  Überlieferung 
nicht  fern. 

Anhangsweise  bespricht  Rosenberg  (p.  39  ff.)  noch  die  viel- 
fach ventilierte  frage,  ob  die  §.81  angeführte  eidesformel  acht 
sei ;  er  kommt  zu  einem  verneinenden  resultate ;  die  weitere 
frage,  ob  überhaupt  jemals  ein  solcher  eid  vor  der  schlacht  bei 
Platää  geleistet  worden  oder  ob  er  eine  erfindung  der  Athener 
in  maiorem  patriae  gloriam  sei ,  beantwortet  er  dahin ,  dass  eine 
absichtliche  Verwechslung  mit  dem  zu  anfang  des  krieges  von 
den  Hellenen  geleisteten  eid  (Herod.  VII,  132)  vorliege;  be- 
kanntlich bezweifelte  schon  Theopomp  die  von  den  panegy- 
rikern  adoptierte  angebliche  thatsache  (Wesseling  zu  Diodor. 
XI,  29).  Aehnlich  hat  unlängst  Schöne  (Jahrb,  1869,  p.  743) 
sich  erklärt.  Uebrigens  irrt  Rosenberg,  wenn  er  Grote  für  den 
einzigen  Verfechter  der  authentie  der  Überlieferung  des  Lykurg 
(Diodor  und  Isokrates)  hält ;  TeMfy  macht  in  seinem  Corpus  iuris 
attici  (p.  331)  daraus  sogar,  nach  seiner  gewohnheit,  ein  ge- 
s  e  t  z   (Graeci  hoc  iusiurandum  invicem  sibi  dentj. 

Habe  ich  also  auch  manchen  Widerspruch  erheben  müssen, 
so  stehe  ich  doch  nicht  an ,  die  arbeit  Rosenberg's  als  einen 
beachtenswerthen  beitrag  zur  kritik  des  Lykurg  zu  bezeichnen. 
Von  druckfehlern  ist  mir  nur  nou  für  nois  p.  17  a.  e.  aufge- 
fallen. Nebenbei  bemerke  ich  noch  ,  dass  §.  28  für  nuQtxuXt- 
Gufjrjv  unzweifelhaft  ji()ovxuXiGÜfj,r]v  (so  schon  Taylor),  aber  auch 
avzov  für  avTovg  gelesen  werden  muss,  dass  §.  29  hinter  ä  dei 
wohl  ein  (idircu  ausgefallen  ist,  und  dass  §.  65  der  paralle- 
lismus,  so  gut  wie  in  den  beiden  folgenden  gliedern,  zu  tnnt^tov 
ein  besonderes  verbum,  etwa  tnoi>](>ur,  zu  fordern  scheint. 

Hermann  Frohberger. 

36.  De  Dionysii  Thracis  grammaticae  epitoma  partim 
inedita  quae  est  in  codice  Veneto  Marciano  531,  scripsit  A  d  ol- 
fus  Hart.     4.     Berolini.     1871.     35  ss. 

Diese  dankensvverthe  schritt  handelt  von  einem  byzantini- 
schen lehrbuch  dor  griechischen  grammatik ,  welches ,  wie  der 
Verfasser   p.  24    zusammenfassend    urtheilt ,    zur   grundlage    die 


Nr.  2  36.  Dionysius  Thrax.  85 

rtXvtl  des  Dionysios  Thrax  hat,  daneben  aber  eine  beträchtliche 
anzahl  von  lehren  und  erörterungeu  aus  anderen  quellen  (und 
zwar  besonders  aus  den  scholien  zu  Dionysios)  enthält.  So 
richtig  wie  diese  angäbe ,  ebenso  unbegreiflich  ist  es  .  weshalb 
der  Verfasser  fortwährend  das  buch  epitome  grammaticae  Diojiysii 
Thracis  bezeichnet:  worunter  sich  doch  jedermann  nur  eine  Ver- 
kürzung der  r£xrrl  denken  wird  und  nicht  eine  erweiterung  von 
viel  bedeutenderem  umfang.  Die  schrift  ist  vollständig  enthal- 
ten im  codex  Marcianus  531  (saec.  15 — 16).  Der  erste  theil 
war  bereits  von  Titze  aus  einer  Königgrätzer  handschrift  ver- 
öffentlicht und  ohne  grund  dem  Manuel  Moschopulos  zuge- 
schrieben worden  [Manuelis  Moschopuli  opuscula  grammatica  p. 
17 — 43).  Aus  dem  Marcianus  wurde  nun  das  zweite  buch  von 
Studemund,  Hart  und  Scholl  abgeschrieben,  das  erste  von  Stu- 
demund  und  Hart  nach  dem  gedruckten  text  collationirt.  So- 
weit sich  nach  dem  publicirten  theil  und  nach  Hart's  angaben 
über  den  zweiten  theil  urtheilen  lässt ,  bietet  uns  das  buch  für 
unsere  kenntniss  von  den  Studien  der  älteren  zeit  nichts  neues 
von  wesentlichem  belang.  Einen  gewissen  werth  hat  es  nur 
für  die  beurtheilung  der  byzantinischen  Studien,  sowie  dadurch, 
dass  sich  aus  ihm  die  Bekkersche  ausgäbe  der  schoben  zu  Dio- 
nysios zuweilen  verbessern  lässt.  Harts  bemerkungen  verbreiten 
sich  in  sorgfältiger  weise  über  mehrere  auf  die  geschichte  der 
alten  grammatik  bezüglichen  punkte.  —  Zu  anfang  des  zwei- 
ten theils  wird  von  dem  unterschied  zwischen  der  bedeutung  des 
nomen  und  der  des  pronomen  gehandelt:  rä  filv  yuq  ovofiaTU 
Or\ixalvu  ouGluv  xul  noiojrjta  diu  zrjg  <pix)vr)g,  r)  J«  (sc.  uvKOWfiia) 
oGov  xuru  (pwvrjv  fxovov  ovGluv  ar\{xuCvn ,  it  xal  (puvsQOvrui  rj 
noioTrjg  diu  zrjg  dsC^iwg  (p.  26  ,  3  ff.).  Statt  tl  vermuthet  Hart 
i] ;  mit  unrecht ,  xuza  (pwv^v  (oder  diu  zrjg  (ftüvrjg)  und  diu  zrtg 
öfC&uig  stehen  sich  entgegen:  „durch  die  de7%ig  wird  mittelbar 
(nämlich  durch  die  Verbindung  und  den  Zusammenhang  im  satze) 
auch  die  noiozrjg  bestimmt;  aber  wenn  dies  auch  der  fall 
ist,  das  wort  an  sich,  die  (pwvrj,  bezeichnet  lediglich  die  ovGtu"._ 
—  Weiterhin  heisst  es  vom  unterschied  des  verbum  und  parti- 
cipium:  il  d  av  nufov  r\  cpwrr]  Gr\^,ulvu  ovöiag  dtu&eGiv  rj  ivig- 
yeiav    (fw/iuzo^    rj    ipvxrjg    diädsGiv    avsv    nzwGmg    xt%u)oiG[j,ivrig, 

iftOflSV    TO    Q^fM*.    7]     Gt][XUlV£l    OVGlUV    XUI    dlU&SGlV    XUZU     ZUVZO     XUI 

jtoih     zqv     fiiioxrjv     (z.    12    ff.):    vor     xui    tioisi    ist    vielleicht 


86  36.  Dionysius  Thrax.  Nr.  2. 

/ma  mwöeioc,  im  gegensatz  zu  uvev  mwGeoig,  einzuschieben.  — 
P.  29 :  oGa  de  räiv  em&eiojv  tt]v  uliiuv  e%  tjfiwv  t%H  XeyeG&ai, 
Tuvxa  enuivov  ij  ipoyov  ffrjfiuvnxu.  rä  de  fiy  oviiog  e'xovia  /jeGa' 
wg  Tftvrjg  vytfjg  likwßrjfjivog.  ravia  de  utio  tujv  ixrog  eGnv  wg 
Ix  Tv%rig  Gvfißaivovra ,  5  (irfi  enuivov  e^et  fjtijie  ipoyov '  ov  yäg 
eTtaivovfiev  tov  vyia  «AA«  rlqg  eviv^iag  olxieiQOfxev.  Hier  bricht 
die  mittheilung  dieser  stelle  ab ,  und  mit  Sicherheit  lässt  sich 
daher  über  die  Verbesserung  der  corrupten  Schlussworte  noch 
nichts  sagen.  Es  scheint ,  dass  mehreres  ausgefallen :  ov  yag 
Inaivovfiev  xov  vyiä  v.Xla  rTjg  eviv^Cag  fiuxag  Ct,o  fiev ,  ovde 
zöv  it  ivvza  tpe  y  o  [i  ev  dXX>  olxreigoaev.  Oder  ergiebt  sich 
etwa  aus  dem  folgenden ,  dass  die  worte  durch  Umstellung  zu 
heilen  sind?  Auch  die  entsprechenden  worte  bei  Bekker  p.  865 
sind  fehlerhaft :  vytrtg  ußd-evrjg  TtlovGiog  mvrjg.  zuvtu  ärco  zöjv 
ixzog  tGzt  xqg  ipvx^g  (sie)  Gv/jßuivoviwv }  u  jjrjze  h'jtouvov  /u>;Ve 
ipoyov  SrjXovöiVj  ukku  fxuxagi^ovGi  xul  ipeyovGi.  Hier  ist  olxzeC- 
govGv  an  die  stelle  von  tpeyovGt  zu  setzen.  —  Mehrfach  stimmt 
die  schrift  genau  überein  mit  dem  dialog  des  Maximus  Planudes 
über  die  grammatik.  Unter  den  gründen,  weshalb  man  diesen 
nicht  als  quelle  betrachten  dürfe ,  führt  Hart  auch  an :  quod  in 
Philemonis  quoque  Xe^ixov  xtxvoloyixov  s.  v.  JrjfioG&err}  et  *Enl- 
&ezov  orofia  particulae  nonnullae  similes  reeeptae  sunt.  Id  autem 
lexicon  duobus  saltem  saeculis  ante  Maximum  conscriptum  et  uber- 
rimis  optimorum  fontium  copiis  instruetum  est ,  quarum  iacturam 
quodammodo  hodie  resarciat  (p.  29).  Kennt  Hart  nicht  die  (so- 
viel ref.  weiss  bis  jetzt  noch  nicht  widerlegte)  ansieht  von  Lehrs 
über  diesen  Philemon  ?  Herod.  scr.  tria  p.  439 :  Philemo  qui 
fertur  descriptus  ex  Phavorino.  Qui  si  Apuleio  Pseudographo  et 
Draconi  Stratonicensi  idem  dixerit  quod  Dionysius  tyrannus  amicis 
Pythagoreis  apud  Schillerum ,  non  poterunt  detreetare.  —  P.  33: 
ftol^og  o  zov  rcvQog  xzX.  xdgxaigog  rJx°S  i^dwv  zuv  xqexövzojv  In- 
nuiv.  ßofifiog  xul  t«  zoiavza.  Statt  ßöfjfiog  ist  ßö/ußog  zu 
schreiben. 

37.  The  Mostellaria  of  Plautus  with  notes  critical  and 
explanatory,  prolegomena  and  excursus.  By  William  Kam- 
say,  M.  A.  formely  Professor  of  humanity  in  the  university  of 
Glasgow.     Edited  by  George  G.  Kam  say,    M.  A.    trin.   coli. 


Nr.  2.  37.  Plautus.  87 

Oxoo.  Professor  of  humanity  in  the  university  of  Glasgow. 
London.     8.    Macmillan  and  Co.  1869.     XII.     CXVI.     295. 

Ist  die  beurtheilung  eines  postumen  Werkes ,  an  das  der 
Verfasser  selbst  nicht  mehr  die  letzte  hand  angelegt  bat,  schon 
an  sich  eine  missliche  sache ,  so  ist  dies  in  gauz  besonderem 
masse  bei  dem  vorliegenden  buche  der  fall.  Denn  wie  der 
herausgeber  in  der  vorrede  mittheilt,  hat  er  dasselbe  erst  aus 
den  von  seinem  oheim  incomplete  and  inarranged  hinterlassenen 
materialien  mit  mähe  zusammengestellt.  Allerdings  kann  unter 
diesen  umständen  ein  etwaiger  tadel  —  und  tadellos  ist  ja  fast 
nur  die  äussere  ausstattung  des  werkes  —  umso  weniger  als 
gegen  die  person  des  Verfassers  gerichtet  erscheinen ,  der  als 
one  of  the  most  accomplished  scholars,  and  certainly  one  of  the  most 
distinguished  and  successful  professors,  that  Scotland  ever  produced, 
das  buch  wohl  nicht  in  dieser  gestalt  veröffentlicht  haben  würde; 
dagegen  muss  den  herausgeber  schwerer  tadel  treffen ,  dass  er 
sich  durch  falsche  pietät  und  nicht  ausreichende  kenntniss  die- 
ses gebietes  hat  verleiten  lassen,  zum  weit  überwiegenden  theile 
so  wenig  werthvolle  aufzeichnungen  der  öffentlichkeit  preis- 
zugeben. 

Die  116  seiten  umfassenden  prolegomena  enthalten  in  ihren 
drei  capiteln,  the  text,  the  orthography  of  Plautus ,  the  metres  and 
prosody  of  Plautus,  des  nützlichen  verschwindend  wenig,  dage- 
gen des  völlig  werthlosen  die  fülle.  Besonders  gilt  dies  von 
dem  letzten  capitel,  von  dem  es  allerdings  in  der  vorrede  heisst: 
the  MS.  of  this  portion  of  the  work  was  in  much  confusion, 
had  evidently  undergone  little  or  no  revision ,  and  had  apparently 
ieen  written  at  different  times.  Die  in  demselben  besprochenen 
metra  sind  in  ganz  oberflächlicher  weise  behandelt;  bezeichnend 
für  die  au  gründe  liegenden  anschauungen  von  plautinischer 
verskunst  sind  z.  b.  folgende  messungen  Tace  dtque  muliebri 
parce  supellectüi ;  Trapezitae  mille"  drachumarum  Olympicum ;  Quo 
nemo  adaeque  iuventute  ex  omni  Attica;  Ego  servabo,  quasi  seque- 
stro  detis:  neütri  reddibo  dönicum  (apparently  Jamb.  Tetr.  Acat.l). 
Ganz  oberflächlich  ist  auch  die  wichtige  hiatusfrage  abgefunden, 
in  bezug  auf  welche  sich  ziemlich  deutlich  die  ansieht  ausspricht, 
dass  man  sich  der  heiligkeit  der  Überlieferung  unterwerfen 
müsse.  Zur  beseitigung  der  prosodischen  Schwierigkeiten  dient 
als  Universalmittel  die  Silbenunterdrückung;    nichts    ist    dabei  so 


88  37.  Plautus.  Nr.  2. 

unwahrscheinlich ,  dass  es  nicht  als  möglich  hingestellt  würde. 
Messungen  wie  aljos ,  hodje,  muljeris ,  satjetas ,  patrja,  quonjam, 
nuncjam,  simlem,  homnem,  opram,  facle,  Phlölacheti  ff  Philolacheti), 
trähre  (f.  trahere),  zum  theil  wo  keine  nöthigung  vorliegt,  z.  b. 
um  ganz  unverfängliche  auflösungen  in  bacchischen  versen  zu 
beseitigen,  sind  noch  nicht  das  schlimmste;  Plautus  soll  auch 
z.  b.  esse,  necesse,  omnis,  eccum  (man  vergleiche  besonders  Stich. 
577),  interim  (vgl.  bes.  Most.  1094),  inter  (vgl.  bes.  Cist.  1.  1. 
54),  inde  (vgl.  besonders  Pers.  394)  u.  a.  einsilbig,  resp.  zweisilbig 
gebraucht  haben.  Doch  es  ist  wahre  Zeitvergeudung,  auch  nur 
noch  ein  wort  über  diese  offenbar  nur  so  auf's  papier  hinge- 
worfenen erörterungen  zu  verlieren. 

Besondere  erwartungen  erregt  der  kritische  apparat  zur 
Mostellaria  nach  den  mittheilungen  in  der  vorrede,  dass  der 
Verfasser  selbst  a  careful  collation  der  vaticanischen  handschriften, 
besonders  des  Vetus  veranstaltet  und  der  herausgeber  dieselbe 
an  zweifelhaften  stellen  nachgeprüft  habe,  und  dass  die  kriti- 
schen noten  embrace  a  considerable  number  of  readings  not  recor- 
ded  by  Ritschi  and  in  sorne  few  instances  correct  Ms  errors.  Ueber 
die  Zuverlässigkeit  der  Ramsay'schen  angaben  mögen  andere 
urtheilen,  die  die  handschriften  nach  Ritschi  erneuter  prüfung 
unterworfen  haben;  soviel  aber  glaubt  ref.  mit  bestimmtheit  ver- 
sichern zu  können,  dass  unter  den  neuen  lesarten  keine  einzige 
enthalten  ist,  aus  der  sich  ein  wirklicher  gewinn  für  die  gestal- 
tung  des  textes  ergäbe.  Was  den  text  selbst  betrifft ,  der  sich 
fortunately  in  a  completed  State  vorfand,  so  ist  derselbe  über  alle 
begriffe  roh.  Die  notwendigsten  besserungen  des  metrums  sind 
unterlassen,  wie  auch  die  vorrede,  natürlich  in  lobendem  sinne, 
hervorhebt  die  rigorosität  in  ihe  demand  for  definite  evidence  before 
admitting  an  emendation  of  the  text  on  ihe  ground  of  metre  only ; 
beseitigt  sind  fast  nur  die  obvious  oder  evident  blunders  der  hand- 
schriften, wie  gleichsam  zur  entschuldigung  meistens  hinzugefügt 
wird,  soweit  sie  in  früheren  Jahrhunderten  von  den  bearbeitern 
des  Plautus  verbessert  sind ,  von  denen  auch  hin  und  wieder 
anderweitige  vermuthungen,  und  oft  ganz  offenbar  falsche,  auf- 
nähme gefunden  haben,  die  neueren  haben  höchst  selten  berück- 
sichtigung  erfahren,  auch  wo  sie  zum  mindesten  besseres  als 
ihre  Vorgänger  geben;  ein  nennenswerther  eigener  versuch,  den 
text  lesbarer  zu  machen,  ist  nirgends  gemacht.     Es  giebt   kaum 


Nr.  2.  38.  Commodianus.  89 

einen  grelleren  contrast  als  zwischen  dieser  leistung  und  dem 
Bentleyschen  Terenz,  dessen  beispiel  ohne  jede  anregung  geblie- 
ben zu  sein  scheint. 

Von  den  erklärenden  anmerkungen  ,  die  oft  gerade  da  im 
stiche  lassen,  wo  eine  erklärung  erwünscht  wäre,  lässt  sich  auch 
nicht  viel  rühmenswerthes  sagen,  vielmehr  wären  bei  näherem 
eingehen  recht  bedenkliehe  mängel  und  irrthümer  (z.  b.  der  un- 
sinn  von  der  construktion  von  clam  mit  dem  genetiv)  zu  berüh- 
ren \  auch  hinsichtlich  der  XVII  excurse  möge  die  bemerkung 
genügen,  dass  sie  in  ihren  recht  kritiklosen  Zusammenstellungen 
wenigstens  für  uns  in  Deutschland  nichts  neues  enthalten. 

38.  Ueber  Commodians  Carmen  apologeticum  adversus 
Gentes  et  Iudaeos.  Von  reallehrer  pfr.  L  ei  m  ba  eh.  4.  Pro- 
gramm der  höheren  bürgerschule  zu  Schmalkalden   1871.     28  s. 

Das  vorliegende  programm  zeigt  so  recht  wieder  den  gros- 
sen übelstand  bei  der  bearbeitung  der  antiken  christlichen  lite- 
ratur,  dass  entweder  die  nöthige  theologische  oder  philologische 
bildung  fehlt.  Recensent  sieht  sich  grade  aus  diesem  gründe 
genöthigt  auf  eine  beurtheilung  der  theologischen  seite  des  pro- 
grammes  zu  verzichten,  muss  aber  offen  gestehen,  dass  dem  Ver- 
fasser die  erforderliche  philologische  bildung  zur  behandlung 
seines  Stoffes  abgeht.  Vor  begründung  dieses  urtheils  verzeich- 
nen wir  kurz  den  inhalt  der  Schrift.  Nach  einleitenden  bemer- 
kungen  über  die  literatur  zu  Commodian ,  speciell  zu  seinem 
Carmen  apologeticum,  über  den  inhalt  desselben,  die  besonder- 
heiten  in  metrik  und  spräche  folgt  eine  ziemliche  anzahl  von 
emendationen,  aus  denen  ein  resultat  auf  die  thätigkeit  des  er- 
sten und  bisjetzt  einzigen  herausgebers  des  carmen,  (Pitra  im 
spicil.  Solesm.  1.  bd.  p.  20  ff.)  und  auf  die  beschaffenheit  der 
handschrift  gezogen  wird;  dann  beweist  Leimbach  aus  form  und 
inhalt,  dass  der  Verfasser  des  carmen  apologeticum  und  der  schon 
früher  unter  dem  namen  Commodian's  bekannten  instruetiones 
per  literas  versuum  primas  der  nämliche  ist,  was  übrigens  schon 
Pitra  gesehen  hatte;  hieran  reiht  sich  schliesslich  ein  kurzes 
urtheil  über  die  beiden  werke  Commodian's. 

Leimbach  hat  an  manchen  stellen  den  text  Pitra's  ent- 
schieden verbessert  z.  b.  v.  56:  merent  quod  ab  ipso  ridentur; 
142:    sit  licet  nunc  pulvis;    228:    dum  respuunt  forma  s;    481: 


90  38.  Commodianus.  Nr.  2. 

nugaces  aestimat  esse;  776:  et  in  poena  sero  declamat; 
824:  hunc  ipse  senalus.  Wie  sollte  er  es  aber  auch  nicht 
besser  machen  als  ein  mann,  der,  so  ausgebreitet  auch  sonst 
seine  gelehrsamkeit  sein  mag,  doch  so  tief  unter  dem  niveau 
der  gewöhnlichsten  philologischen  bildung  steht,  dass  er  unter 
anderm  behauptet ,  Lucrez  habe  in  omnis  die  vorletzte  silbe, 
Vergil  in  potest  die  letzte  als  kürze  gebraucht !  In  den  bemer- 
kungen  über  die  äussere  gestalt  des  gedichtes  verräth  Leimbach 
jedoch  selbst  auch  den  mangel  genügender  philologischer  kennt- 
nisse:  das  gute  alfclassische  wort  f acuta  stellt  er  ohne  weiteres 
neben  die  späten  bildungen  aeramen  und  excusamen;  dass  finis 
in  einer  menge  klassischer  schriftstellen  femininum  ist,  scheint 
ihm  unbekannt  zu  sein;  die  Schreibart  der  handschrift  (oder 
gar  Pitra's  ?)  sequutus  rechnet  er  unter  die  besonderheiten  der 
biegung;  die  ganz  gewöhnlichen  fehler  der  handschriften  lebior 
st.  levior ,  primitibus  st.  primitivus,  dimissum  st.  demissum  unter 
die  besonderheiten  der  Schreibung  Commodian's;  dass  über 
die  ausspräche  von  diabulus  als  zabulus  anderweitig  Untersuchun- 
gen geführt  worden  sind,  weiss  er  nicht;  aus  missverstand  von 
v.  465  nimmt  er  eine  construktion  ponere  de  vita  st.  vitam  an : 
ipse  potestatem  habeo  de  illa  ponendi  et  sumendi  iterum  habeo  po- 
testatem  in  illam ;  warum  also  nicht  auch  sumere  in  illam  st.  il- 
lam? Am  schlimmsten  tritt  der  mangel  philologischer  Sorgfalt 
hervor  bei  dem  urtheile  Leimbach's  über  die  metrische  form. 
Hier  konnte  er  sich  ausschliesslich  auf  das  vorliegende  gedieht 
beschränken  ohne  weiterer  eigentlich  philologischer  kenntnisse 
zu  bedürfen ,  und  doch  kommen  auch  in  diesem  abschnitte  die 
sonderbarsten  behauptungen  vor.  So  heisst  es  im  anfaug  des- 
selben: „nicht  nach  längen  und  kürzen,  nach  natürlich  oder 
durch  position  langen  silbeu  fragt  der  dichter beson- 
ders   unregelmässig  sind die  ersten  fünf  halbfüsse,    

die  folgende  vershälfte  ist  in  der  regel  correkt  gebaut;  na- 
mentlich ist  der  fünfte  fuss  fast  stets  ein  daktylus1'.  Nach  die- 
sen Worten  muss  jedermann  glauben ,  .der  fünfte  fuss  sei  fast 
stets  ein  prosodisch  richtiger  daktylus ,  schlägt  man  aber  das 
gedieht  nach,  so  sieht  man  sich  arg  getäuscht:  es  finden  sich 
alle  möglichen  füsse  statt  des  daktylus  vom  tribraehys  bis  zum 
molossus  und  manche  davon  gar  nicht  selten.  Weiter  unten 
behauptet  Leimbach:  „die  synizesis  kommt  öfters  vor.     So  wird 


Nr.  2.  38.  Commodianus.  91 

deus  und  deum  meist  einsilbig  gebraucht".  Dabei  bezeichnet  er 
die  behauptung  von  L.  Müller  de  re  metr.  p.  444,  dass  der  ge- 
brauch der  synizesis  in  der  rythmischen  poesie  sehr  selten  sei, 
als  irrig.  Nun  hat  aber  grade  Müller  recht,  und  was  speziell 
deus  mit  den  dazugehörigen  casusformen  betrifft ,  so  hat  recen- 
sent  in  dem  carmen  96  fälle  gezählt,  in  welchem  zweisilbige 
messung  eintreten  kann  oder  muss  ,  und  nur  einen,  der  noth- 
wendig  synizesis  verlangt  609:  ipsa  spes  est  tota  deo  credere  qui 
ligno  pependit;  aber  grade  hier  tilgt  Leimbach  das  allerdings 
sinnlose  ipsa,  was  aus  dittographie  von  spes  entstanden  zu  sein 
scheint  und  so  haben  wir  auch  hier  deo  zweisilbig,  wofür  dann 
Leimbach  ganz  ohne  grund  domino  einsetzt!  Eine  richtige  ein- 
sieht in  die  gesichtspunkte ,  welche  Commodian  bei  abfassung 
seiner  quasi -hexameter  beobachtet  hat,  ist  bei  dem  gegenwär- 
tigen stand  der  dinge  kaum  möglich :  die  instruetiones  kennen 
wir  nur  aus  älteren  collationen,  das  carmen  apologeticum  hat  Pitra 
„raptimu  abgeschrieben,  wir  entbehren  also  einstweilen  eine  ir- 
gendwie zuverlässige  grundlage ;  allein  wenn  Leimbach  etwas 
genauer  hätte  zusehen  wollen ,  so  wäre  er  doch  vor  manchem 
missgriffe  bewahrt  worden.  Wegen  mangel  an  räum  heben  wir 
nur  einzelnes  hervor.  V.  133  ist  nach  Leimbach  hypermetrisch: 
quis  potent  scire  quid  sit  trans  'Oceani  finem.  Aber  Commodian 
verletzt  n  i  e  im  sechsten  und  wohl  auch  nicht  im  fünften  vers- 
fusse  den  wortaccent ,  er  lässt  auch  keine  synalöphe  in  der 
mitte  der  verse  eintreten,  also  sicher  nicht  am  ende;  der  vers 
war  demnach  zu  skandiren :  quis  poterü  scire  quid  sit  trdns  Oceani 
finem;  auch  637  ist  nach  Leimbach  hypermetrisch:  surge,  inquit, 
iuvenis;  surrexit  ille  de  feretro;  der  codex  hat  et  resurrexit ;  zu 
schreiben  ist:  surge  inquit  iuvenis;  resurrexit  ille  feretro;  v.  537 
steht  nach  Pitra,  dessen  worte  Leimbach  ganz  merkwürdig  miss- 
verstanden hat,  im  codex  :  respiciunt  cervicosis  et  is  rectis;  daraus 
macht  Leimbach :  respiciunt  ipsi  cervicosi  caeci  et  erecti ,  oder  mit 
synalöphe:  caeci  et  erecti,  beides  gegen  die  metrik  des  carmen; 
die  constante  endung  is  in  den  adjektiven  weis't  darauf  hin, 
dass  ein  ablativ,  etwa  animis,  ausgefallen  und  so  zu  lesen  ist: 
respiciunt  animis  cervicosis  caecis  erectis,  oder  vielleicht  mit  rück- 
sicht  auf  473 :  caecis  superbis.  Den  unterschied  zwischen  plan- 
losem umhertasten  und  methodischer  emendation  hätte  Leimbach 
v.  802  sehr  wohl  empfinden  können,  wo  er  ohne  rücksicht  dar- 


92  39.  Cornelius  Nepos.  Nr.  2. 

auf,  dass  im  carmen  fast  immer  die  cäsur  nach  der  dritten  arsis 
eintritt,  sehr  selten  die  nach  der  zweiten  und  vierten  arsis  ver- 
bunden, andere  fälle  aber  mit  ausnähme  offenbar  corrupter  verse 
nicht  vorkommen,  folgenden  vers  zu  stände  bringt:  ecce  iänua 
pülsat-är  et  cogitur  ipsa ,  der  ausserdem  einen  sehr  schlechten, 
auch  von  Commodian  gemiedenen  anfang  hat.  Ebert  dagegen 
schreibt  zufolge  einer  an  Leimbach  ergangenen  mittheilung  statt 
des  handschriftlichen  ecce  ianua  pulsat  eben  mit  rücksicht  auf 
die  cäsur  durchaus  richtig :  ecce  idm  ianudrn  pulsat.  Aus  dem 
gesagten  wird  ersichtlich  sein,  dass  wir  philologen  es  nicht  sehr 
zu  bedauern  haben ,  wenn  Leimbach  auf  seine  ursprüngliche 
absieht  verzichtet  hat ,  das  ganze  gedieht  auf's  neue  zum  ab- 
druck  zu  bringen. 

39.  Cornelii  Nepotis  quae  supersunt.  i  Apparatu  critico 
adiecto  edidit  Carolus  Halm.  8.  Lipsiae  in  aedibus  B.  G. 
Teubneri.     MDCCCLXXL     136  pp.     24  gr. 

Nicht  vielen  alten  autoren  ist  es  beschieden  gewesen,  im 
laufe  weniger  jähre  zwei  so  bedeutende  herausgeber  zu  finden, 
wie  sie  dem  unbedeutenden  Nepos  in  Nipperdey  und  neuerdings 
in  Halm  zu  theil  geworden  sind.  Denn  obgleich  die  jüngste 
ausgäbe  sich  nur  als  Sammlung  des  kritischen  apparats 
ankündigt,  so  gibt  sie  doch  eine  selbständige  recogni- 
tion  des  textes,  wie  sich  von  Halm  nicht  anders  voraus- 
setzen liess.  Die  kritische  grundlage ,  welche  von  Roth  und 
Nipperdey  festgestellt  worden  ist ,  hat  auch  der  neue  heraus- 
geber nicht  erschüttert ;  vielmehr  sucht  er  den  von  Roth  ans 
licht  gezogenen  und  von  Nipperdey  zuerst  verwertheten  Par- 
censis  noch  strenger  zur  richtschnur  bei  der  constituirung  des 
textes  zu  nehmen.  Daneben  kommen  noch  namentlich  der  Gu- 
dianus  und  Sangallensis,  sowie  die  Ultraiectiua  in  betracht;  von 
dem  codex  des  Collegium  Romanum  stand  eine  collation  von 
A.  Wilmanns  ,  von  einer  1482  zu  Ulm  geschriebenen  münche- 
ner handschrift  wahrscheinlich  eine  eigene  collation  zu  geböte. 
Im  Atticus  sind  auch  die  lesarten  eines  Haeneüanus  mitgetheilt. 
Leider  aber  hat  es  Halm  unterlassen ,  prolegomena  über  das 
gegenseitige  verhältniss  und  den  relativen  werth  der  Neposma- 
nuscripte  zu  geben  ,  so  dass  seine  bearbeitung,  die  doch  zu- 
nächst,    wie   auch    die    beigefügte   sylloge  der  fragmente 


Nr.  2.  39.  Cornelius  Nepos.  93 

zeigt ,  eine  abschliessende  sammelausgabe  sein  will ,  nun  doch 
die  kenntnissnahme  der  abhandlungen  von  Roth  im  Aemilius 
Probus  p.  207 — 257  uud  im  Rheinischen  Museum  VIII,  626— 
639 ,  ferner  der  andeutungen  von  Nipperdey  vor  seiner  text- 
ausgabe  (1867)  und  von  Vischer  im  Philologus  XXVI,  706 — 
707  voraussetzt ;  wenn  die  einzelnen  lesarten  entsprechend  ge- 
würdigt werden  sollen.  In  merklich  höherem  grade  als  Nip- 
perdey gönnt  Halm  der  emendation  Spielraum,  was  der  jun- 
gen und  fehlerhaften  Überlieferung  gegenüber  gerechtfertigt  ist. 
In  der  aufnähme  eigener  vermuthungen  ist  jedoch  Halm  zu- 
rückhaltend gewesen.  Zwar  wird  in  den  kritischen  noten  eine 
nicht  geringe  zahl  mitgetheilt ,  die  zum  grössern  theile  mit  ge- 
linden mittein  die  latinitat  in  einer  weise  herstellen ,  dass  man 
wünschen  möchte,  Nepos  habe  so  und  nicht  anders  geschrieben; 
aber  in  den  text  sind  nur  verhältnissmassig  wenige  conjecturen 
Halm's  aufgenommen.  Diese  im  einzelnen  anzuführen  oder  gar 
zu  besprechen  ist  an  dieser  stelle  nicht  möglich.  Es  sollen  da- 
her nur  zwei  punkte,  in  welchen  man  anderer  meinung  als 
Halm  sein  kann ,  erörtert  werden  ,  nemlich  die  frage  der 
transpositionen  und  der  glosseme. 

Gegen  die  von  anderen  vorgeschlagenen  Umstellungen 
hat  sich  Halm  ablehnend  verhalten ;  uud  doch  scheinen  folgende 
stellen  durch  transposition  richtig  gebessert  zu  sein :  Them.  1. 
4.  10,  3  von  Dederich,  Arist.  2,  2  von  Kellerbauer,  Alcib.  1, 
3  vom  ref.  (Philol.  Anz.  II,  448),  Epam.  10,  1  von  Puteanus, 
Euro.  11,  3  von  Nipperdey,  11,  5  von  Bosius,  Phoc.  2,  5  von 
Bremi,  Hann.  10,  2  und  Att.  18,  5  von  Fleckeisen.  Einige 
andere  stellen  bedürfen  noch  einer  transposition,  wie  hier  ge- 
zeigt werden  soll:  Dion.  7  ,  '6  id  eiusmodi  erat,  ut ,  cum  milites 
reconciliasset,  amitteret  optimates,  quarum  verum  cura  frangebatur  et 
insuetus  male  audiendi  non  animo  aequo  ferebat,  de  se  ab  iis  male 
existimari,  quorum  paulo  ante  in  caelum  fuerat  elatus  laudibus  . 
vulgus  autem  offensa  in  eum  militum  voluntate  liberius  loquebatur 
et  tyrannum  non  fercndum  dictitabat.  Die  letzten  zeilen  sprechen 
von  der  ungünstigen  Stimmung  der  Soldaten  gegen  Dion  so  un- 
befangen, als  ob  nicht  kurz  vorher  das  gerade  gegentheil  aus- 
gesagt wäre,  dass  nemlich  Dion  durch  seine  contiscationen  und 
largitionen  die  soidaten  für  sich  gewonnen  habe.  Nun  ist  al- 
lerdings   ein    plötzlicher    Umschlag    dieser    günstigen     Stimmung 


94  39.  Cornelius  Nepos.  Nr.  2. 

der  truppen  in  das  entgegengesetzte  verhältniss  leicht  möglich ; 
dann  würde  aber  doch  Nepos  wahrscheinlich  auf  den  gegensatz 
der  gereizten  haltung  gegenüber  der  früheren  ergebenheit  auf- 
merksam gemacht  und  dadurch  auch  den  schein  eines  Wider- 
spruchs vermieden  haben.  Bedenkt  man  nun  noch  —  was 
übrigens  nicht  von  besonderem  gewicht  ist  —  dass  mit  aus- 
nähme des  Romauus  die  guten  handschriften  Ms  (Parc.  hiis)  bie- 
ten, wodurch  die  beziehung  des  pronomen  auf  optimales  auch 
ohne  erläuternden  relativsatz  verständlich  ist ,  so  wird  sich  fol- 
gende Ordnung  der  sätze  empfehlen  :  id  eius  modi  erat,  ut,  cum 
milites  reconciliasset ,  amitteret  optimates  .  quarum  verum  cura 
frangebatur  et  insuetus  male  audiendi  non  animo  aequo  ferebat,  de 
se  ab  his  male  existimari  .  vulgus  autem  offensa  in  eum  militum 
voluntate,  quorum  paulo  ante  in  caelum  fuerat  elatus 
laudibus ,  liberius  loquebatur  et  tyrannum  non  ferendum  dictita- 
bat.  —  Durch  den  hinblick  auf  den  zuletzt  angeführten  satz 
erscheint  noch  an  einer  anderen  stelle  eine  transposition  ange- 
zeigt, die  .sich  jedoch  auf  die  Versetzung  von  zwei  Worten  be- 
schränkt. Da  es  nemlich  nur  vom  pöbel  heisst,  dass  er  in 
Dion  den  unerträglichen  tyrannen  sah ,  während  von  den  Sol- 
daten nur  berichtet  wird ,  dass  ihre  geneigtheit  gegen  den  herr- 
scher  einen  stoss  erlitten  habe  {offensa  in  eum  militum  vo- 
luntate) :  so  wird  auch  8 ,  2  statt  der  überlieferten  Wortfolge 
propter  offensionem  populi  et  odium  militum  zu  lesen  sein :  propter 
odium  populi  et  offensionem  militum.  Dadurch  wird  auch 
die  richtige  beziehung  des  folgenden  quod  auf  periculum  deut- 
lich, die  vorher  durch  das  neben  quod  stehende  neutrum  odium 
verdunkelt  war.  Dass  odium  mit  populi  und  nicht  mit  militum 
verbunden  sei,  wird  auch  10,  2  vorausgesetzt,  wo  es  heisst: 
nam  qui  vivum  eum  tyrannum  vocitarant  [cf.  7,  3  vulgus  .  .  ty- 
rannum non  ferendum  dictitabat] ,  eidem  liberatorem  patriae  tyran- 
nique  expulsorem  praedicabant  .  sie  subito  misericordia  odio  succes- 
serat.  —  Att.  13,  4  neque  tarnen  horum  qucmquam  nisi  domi 
natum  domique  factum  habuit:  quod  est  signum  non  solum  conti- 
nentiae ,  sed  etiam  diligentiae  .  nam  et  non  intemperanter  coneu- 
piscere ,  quod  a  plurimis  videas ,  continentis  debet  duci ,  et  potius 
diligentia  quam  pretio  parare  non  medioeris  est  industriae.  Da  die 
begriffe  continentia  und  diligentia  im  folgenden  erläutert  werden, 
so  sind  die  worte  continentis  debet  duci  ebenso  natürlich,  als  der 


Nr.  2.  39.  Cornelius  Nepos.  95 

schluss  non  mediocris  est  industriae  unerträglich  ist.  Hier  müsste 
diligentiae  eingesetzt  werden ,  selbst  wenn  der  Zusammenhang 
keine  erklärung  für  die  ersetzung  dieses  begriffs  durch  indu- 
striae in  den  handschriften  böte.  Nun  ist  aber  diligentia  an 
einer  anderen  stelle  des  satzes  überliefert,  wo  industria  ebenso 
gut  passt.  Die  Umstellung  beider  begriffe  ist  demnach  ein  sehr 
gelindes  mittel,  um  die  richtige  Ordnung  der  gedanken  herzu- 
stellen. Man  lese  also:  .  .  .  continentis  debet  duci,  et  potius 
industria  quam  pretio  parare  non  mediocris  est  diligentiae.  — 
Kühner  und  darum  nur  mit  vorbehält  zu  weiterer  erwägung 
vorzulegen  ist  eine  transposition  Att.  13 ,  7  atque  hoc  non  au- 
ditum,  sed  cognitum  praedicamus.  Diese  worte  bieten  zunächst 
keinen  anstoss.  Aber  im  vorausgehenden  satze  ist  scimus  als 
überflüssig  und  ungehörig  von  Bosius  erkannt  und  von  Halm 
ausgeschieden  worden ;  doch  bleibt  das  bedenken ,  was  denn 
durch  scimus  glossirt  worden  sei.  Eine  lösung  ergibt  sich  durch 
die  annähme,  dass  das  verbum  aus  dem  folgenden  sich  hieher 
verirrt  habe  und  dass  in  folge  der  auslassung  von  scimus  an 
seiner  richtigen  stelle  die  worte  des  betreffenden  satzes  so 
geordnet  wurden ,  wie  unsere  Überlieferung  sie  aufweist.  Ur- 
sprünglich aber  würde  der  satz  gelautet  haben:  atque  hoc  non 
auditum  praedicamus ,  sed  cognitum  scimus.  —  Eine 
transposition  hat  Ziuk  vorgeschlagen  Thras.  1,  4,  wo  die  Über- 
lieferung lautet:  sed  illa  tarnen  omnia  communia  imperatoribus  cum 
militibus  et  fortuna,  quod  in  proelii  concursu  abit  res  a  consilio  ad 
vires  vimque  pugnantium  .  itaque  iure  suo  nonnulla  ab  imperatore 
miles,  plurima  vero  fortuna  vindicat.  Statt  der  unhaltbaren  worte 
ad  vires  vimque  pugnantium,  die  weder  durch  die  von  Halm  an- 
genommene conjectur  Lambins  virtutemque}  noch  durch  Madvig's 
Vorschlag  usumque  emendirt  sind,  hat  Ziuk  geschrieben:  ad  vires 
pugnantium  vimque  fortunae.  Die  einsetzung  von  fortunae  er- 
scheint nothwendig,  wenn  man  den  folgenden  satz  erwägt ;  aber 
in  Verbindung  mit  einer  Umstellung  ist  die  einfügung  eines  di- 
plomatisch gar  nicht  angedeuteten  wortes  zu  gewaltsam ,  zumal 
da  die  Verbindung  vimque  pugnantium  mit  Heerwagen  als  mög- 
lich anerkannt  werden  muss.  Man  wird  aber  ohne  transposition 
mit  änderung  eines  buchstabens  auskommen,  indem  man  schreibt: 
ad  vices  fortunae  vimque  pugnantium.      Die   zurückbeziehun"-  der 


96  39.  Cornelius  Nepos.  Nr.  2. 

folgenden  begriffe  miles  und  fortuna  ist  hier  cbiastisch   geordnet, 
was  auch  sonst  dem  usus  des  Nepos  nicht  fremd  ist. 

Viel  unbedenklicher  als  mit  der  durchführung  von  trans- 
positionen  zeigen  sich  die  herausgeber  des  Nepos  überhaupt  und 
insbesondere  Halm  mit  der  annähme  von  glossemen  und 
interpolationen.  Wenn  Halm  fast  zweimal  so  viele  glosseme 
bezeichnet  hat,  als  einst  Fleckeisen  annehmen  wollte ,  so  kön- 
nen wir  nicht  überall  beipflichten,  da  wir  vom  Schriftsteller  Ne- 
pos eine  geringere  meinung  haben.  Stellen  wie  Milt.  3,  2; 
Cim.  3,  1  ;  Con.  3,  3  scheinen  uns  mit  der  Schreibart  des  Ne- 
pos nicht  im  Widerspruch  zu  stehen.  Manches ,  was  wirklich 
ungehörig  ist  und  daher  von  Halm  ausgeschieden  wird ,  lässt 
sich  durch  transposition  beseitigen ,  worauf  schon  im  vorausge- 
henden zu  Epam.  10,  1;  Eum.  11,  5;  Phoc.  2,  5  hingewiesen 
worden  ist.  Hie  und  da  kann  man,  wo  Halm  ein  glossem  zu 
erkennen  meint,  bei  der  bekannten  breite  im  stile  des  Nepos 
eher  an  eine  lücke  denken,  z.  b.  Paus.  3,  3  aditum  petentibus 
conveniundi  non  dabat,  wo  Halm  conveniundi  als  glossem  expun- 
girtj  während  wir  vermuthen,  dass  veniam  nach  veniundi  ausge- 
fallen sei  und  dass  demnach  geschrieben  werden  müsse  :  con- 
veniundi veniam  non  dabat.  Manches  hat  wiederum  weder 
Halm  noch,  soweit  wir  wissen,  ein  Vorgänger  angetastet,  was 
unseres  bedünkens  dem  rbetor  Nepos  kaum  zugemuthet  werden 
darf  und  als  interpolation  auszuscheiden  ist.  Arist.  2 ,  2  neque 
aliud  est  ullum  huius  in  re  militari  inlustre  factum  quam  huius  im- 
perii  memoria,  iustitiae  vero  et  aequitatis  et  innocentiae  multa.  Die 
worte  et  aequitatis  scheinen  von  einem  leser  interpolirt  zu  sein, 
welcher,  da  er  in  dem  reste  des  capitels  ausser  der  iustitia  auch 
die  aequitas  erwähnt  fand,  diesen  begriff  auch  in  obiger  stelle 
für  nöthig  hielt,  weil  er  nicht  beachtete,  dass  im  folgenden  iu- 
stitia und  aequitas  nur  als  synonyme  bezeichnungen  für  einen 
und  denselben  begriff  verwendet  sind,  wie  auch  cap.  3  der  be- 
griff innocentia  durch  abstinentia  variirt  wird.  —  Eum.  8,  1 
Hie  in  Paraetacis  cum  Antigono  conflixit,  non  acie  instrueta,  sed  in 
itinere,  eumque  male  aeeeptum  in  Mediam  hiematum  coegit  redire. 
Es  ist  ebenso  sachgemäss,  dass  von  einem  feldherrn  gesagt 
wird,  er  habe  seinen  gegner  zum  rückzug  in  ein  anderes  gebiet 
gezwungen  ,  als  es  sinnwidrig  ist  zu  sagen ,  er  habe  den  feind 
zurückgedrängt,    damit    dieser    in    den    Winterquartieren    ruhe 


Nr.  2.  40.     Tanzkunst.  97 

finde.  Dies  lassen  aber  die  handscbriften  und  ausgaben  den 
autor  sagen,  indem  sie  schreiben:  hiematum  coegit  redire.  Es 
muss  daher  hiematum  gestrichen  werden  ,  mag  es  nun  aus  der 
folgenden  zeile,  wo  es  in  anderem  zusammenhange  richtig  steht, 
auch  oben  in  den  text  gerathen  sein,  oder  mag  eine  bewusste 
interpolation  stattgefunden  haben ,  indem  ein  leser  der  worte 
§.  4  ex  Medis ,  ubi  ille  hiemabat ,  diese  geistreiche  bemerkung 
schon  bei  der  ersten  gelegenheit  angebracht  wissen  wollte.  — 
Doch  wir  brechen  ab ,  ohne  diesen  aphoristischen  bemerkungen 
weiteres  hinzuzufügen.  Halms  kritische  methode  bedarf  unseres 
lobes  so  wenig  als  seine  ausgäbe  unserer  empfehlung. 

A.  B.  E. 

40.  Die  tanzkunst  des  Euripides  von  Hermann  Buch- 
holtz.  8.  Leipzig,  Teubner.  1871.     VIII  und   190  s.—   20  gr. 

Ueber  die  tanzbewegungen,  von  denen  die  aufführung  grie- 
chischer tragödien  begleitet  war,  haben  schon  August  Böckh 
und  Otfried  Müller  viele  interessante  aufschlüsse  gegeben.  Aber 
eine  geraume  zeit  ist  seit  dem  erscheinen  ihrer  Schriften  ver- 
strichen und  bedeutend  hat  sich  unterdess  die  philologische  lit- 
teratur  vermehrt.  Während  früher  Müllers  Eumeniden,  Böckhs 
Pindar  und  Antigone  als  die  hauptsächlichsten ,  um  nicht  zu 
sagen  einzigen  werke  über  metrische  und  dramatische  fragen 
von  jedem  philologen  zu  rathe  gezogen  wurden,  sind  jetzt,  zu- 
mal was  die  metrik  betrifft,  bequemer  eingerichtete  und  leichter 
zu  beschaffende  bücher  an  ihre  stelle  getreten,  in  denen  das 
dort  gebotene  nach  den  verschiedensten  seiten  hin  verwerthet 
und  ausgebeutet  ist.  Das  dort  über  den  tanz  gesagte  jedoch 
drohte  in  Vergessenheit  zu  gerathen.  Gewiss  ist  es  darum  eine 
zeitgemässe  aufgäbe,  auch  was  über  die  tanzbewegungen  im 
antiken  theater  theils  durch  jene  männer  ermittelt  ist,  theils 
sich  durch  erneute  forschung  feststellen  lässt,  zu  einem  gesammt- 
bilde  zu  vereinigen.  Was  der  Verfasser  in  dem  oben  genannten 
buche  schildert,  ist  auch  nicht  sowohl  die  specielle  praxis  des 
Euripides,  als  vielmehr  die  griechische  orchestik  überhaupt. 

Sicheren  boden  findet  die  forschung  nach  orchestischer  dar- 

stellung  zunächst  an  den  anapästischen   marschliedern. 

Man    braucht  ja    nur    die    ausdrücke  -dioig  niedersetzen,    ägctg 

aufheben  des  fusses,  novg  aufsetzen  eines,  dmoöCa  (auch  ßdaig 

Philol.  Anz.  IV.  7 


98  40.     Tanzkunst.  Nr.  2. 

oder  passus)  aufsetzen  zweier  füsse  genau  anzusehen,  um  zu 
wissen,  wie  viele  silben  sowohl  bei  den  kriegsmärschen  der  spar- 
tanischen kampfer  als  bei  den  friedlichen  aufzögen  der  atheni- 
schen choreuten  je  auf  einen  schritt  kamen. 

Den  nächsten  anhält  findet  sodann  der  verf.  an  dem  eph- 
hymnion  der  päane.  Betrachten  wir  die  über  den  trochaios 
semantos  und  den  spondeios  der  alten  processionslieder  erhal- 
tenen notizen  in  Verbindung  mit  den  in  tanzlieder  der  tragödie 
regelmässig  eingestreuten  spondeischen  anrufungen  der  gottheit, 
so  wird  es  uns  zur  gewissbeit,  dass  jene  rufe  ,  die  das  eigent- 
liche wesen  des  päan  oder  gebetliedcs  ausmachten,  aus  lauter 
langgedehnten  silben  wie  unsre  choralnoten  bestanden ,  und 
denkt  man  sich  diese  schwerwiegenden  silben  mit  tanzschritten 
verbunden,  so  wird  man  gerne  mit  dem  Verfasser  an  besonders 
starke  tritte  für  solchen  refrain  denken.  Dieser  refrain,  wie  er 
ausser  im  cult  des  Apollon  auch  in  dem  anderer  götter,  beson- 
ders des  Pan  und  Dionysos  erschollen  sein  soll,  lautete  nach 
Buchholtz  lrj  nuu'jwv.  Derselbe  citirt  dafür  den  homerischen 
hymnus  auf  Apollon  v.  182  (wir  fügen  bei:  Kallimachos  auf 
Apollon  v.  21.  97.  103.  Apollonios  Argonaut.  702)  und  misst 
ihn  als  katalektischen  anapästischen  trimeter  oder  prosodiakos, 
und  nimmt  an ,  dass  dabei  je  ein  starker  tritt  auf  die  beiden  jj 
und  ein  schwächerer  auf  die  schlusssiibe  gekommen  sei.  So 
sollen  jene  kretischen  männer  geiufen  und  getanzt  haben,  die 
sich  Apollon  nacb  der  erzählung  des  homerischen  hymnus  zu 
priestern  in  Delphi  auserseben.  Hier  müssen  wir  jedoch  wi- 
dersprechen, indem  wir  daran  erinnern,  dass  der  im  delphischen 
culte  eingebürgerte  päansruf  jedenfalls  nicht  im  ionischen,  son- 
dern im  dorischen  dialekt  eesuugen  wurde,  so  dass  er  vielmehr 
ir]  nuiüv  lautete.  So  lautete  in  der  that  auch  der  refrain  des 
auf  Lysander  gesungenen  päan  (Plut.  Lys.  18),  und  dasselbe 
ist  der  Wortlaut  des  ephhymnion  bei  Athenäos  15,  52  (vgl. 
ebd.  62),  Terentianus  Maurus  15,  91,  Macrobius  Sat.  1,  17,  17. 
Andere  Schriftsteller  weichen  zwar  im  Wortlaute  etwas  ab;  doch 
auch  bei    ihnen    bleibt   jener    ruf   viersilbig  1),    ist  also  kein  tri- 


1)  Bei  Athenäos  15,  62  gibt  Klearch  von  Soloi  den  refrain  in 
der  form  Oj  i\uu>Lv ,  ebenso  Aristophanes  im  Frieden  453  (vgl.  Ritter 
406).  Nach  Heraklides  Pontikos  in  der  eben  angeführten  stelle  des 
Athenäos  lautet  der  ruf :  i>)  mawv,  Ir,  rtcawv,  itj  Tiaiüy.     Claudian.  praef. 


Nr.   2.  40.     Tanzkunst.  99 

meter,  sondern  ein  dimeter.  Wir  können  demnach  dem  verf. 
nicht  recht  geben,  wenn  er  (zum  theil  schon  1864  im  Cottbuser 
programm  de  Euripidis  versibus  anapaesticis)  alle  in  ausschliess- 
lich langen  silben  gehalteneu  anrufungen  einer  gottheit  auf 
fünfsilbiges  mass  bringen  möchte.  In  den  Trachinierinnen  221 
lu>  toi  Uuiuv  und  im  Aias  693  tut  tu)  Uav  Tläv  ergeben  sich, 
je  nachdem  man  tut  einsilbig  oder  (was  weniger  wahrscheinlich) 
zweisilbig  fasst,  entweder  vier  oder  sechs  silben.  Sechssilbige 
rufe  finden  sich  zweimal  im  Ion.  125  f.  und  in  den  Hiketiden 
des  Aeschylos  162,  ein  achtsilbiger  im  Philoktet  829.  Im  Ion 
907  und  den  Phönissen  246  ist  die  fiinfzahl  der  silben  minde- 
stens zweifelhaft.  Die  ansieht  von  der  ausschliesslichen  herr- 
schaft  des  katalektischen  prosodiakos  in  allen  päanen  ist  wohl 
damit  genügend  widerlegt,  und  wir  glauben  der  Zustimmung  der 
leser  gewiss  zu  sein ,  wenn  wir  als  die  im  päau  auf  Apollon 
ursprünglich  übliche  formel  die  worte  ?/)  IJaiüv  bezeichnen.  Sie 
bildeten  vermuthlich  den  gedehnten  orthischen  rhythmus,  nach 
analogie  dessen  Terpander  den  trochaios  semantos  bildete  (Plut. 
de  mus.  28). 

Wirklich  gebraucht  aber  wurde  der  von  Buchholtz  so  sehr 
in  den  Vordergrund  gestellte  katalektische  prosodiakos  in  den 
nomen  des  Olympos,  jenes  Phrygiers,  auf  dessen  namen  nicht 
nur  die  einführung  der  asiatischen  flöte  in  den  Peloponnes,  son- 
dern noch  manch  andere  musicalische  neuerung  zurückgeführt 
wird.  Für  die  nomen  dieses  musikers  hat  der  verf.  das  vor- 
kommen jener  silbenreihe  erwiesen  durch  eine  recht  scharfsin- 
nige combination  mehrerer  stellen  Plutarchs  de  musica,  durch 
welche  zugleich  auf  eine  andre  metrische  frage  überraschendes 
licht  fällt. 

Nach  Plutarch  cap.  33  hat  Olympos,  nach  demselben  in 
cap.  28  hat  auch  Archilochos  im  eingang  von  liedern,  die  sich 
im  weiteren  verlauf  iambisch  oder  trochäisch  gestalteten ,  den 
Huiwv  imßuzög  angewandt,  jenen  aus  fünf  langen  silben  (Aristid. 
Quint.  38,  34)  bestehenden  rhythmus,  den  man  bisher  kretisch 
oder  fünftheilig  messen  zu  müssen  glaubte.  Nun  berichtet  aber 
Glaukos,    Plutarchs    (c.  10)    bester   gewährsmann,    päonen  und 

in  Rufin.  11  gibt  io  Paean.  Nach  Hesychios  v.  wva^  wäre  vielmehr 
(oi'ßl  lhauy  die  form  des  rufes  gewesen;  so  steht  auch  im  rasenden 
Herakles  820. 

7* 


100  40*,    Tanzkunst.  Nr.  2. 

kretischer  rbythmus  seien  von  Archilochos  noch  nicht  gebraucht 
worden,  erst  Thaletas ,  des  letzteren  schüler  habe  solche  rhyth- 
men  in  anwendung  gebracht.  Also  —  schliesst  Euchholtz  mit 
recht  —  kann  der  von  älteren  dichtem  angewandte  päon  epi- 
batos  kein  kretischer  rhythmus  sein.  Der  Phryger  Olympos 
hat  aber  nach  Plutarch  29  den  ngoaoduixog  erfunden  und  in 
seinem  nomos  auf  Ares  gebraucht,  nach  einer  stelle  in  den 
scholien  zu  Pindar  hat  er  in  eben  diesem  nomos  den  nqooodiu- 
xbg  nouciv  angewendet.  Auch  für  Archilochos  ist  der  gebrauch 
des  prosodiakos  von  Plutarch  bezeugt.  Was  wird  also  der 
imßuTog  naiwv  anderes  sein  als  der  beim  hintreten  zum  altare 
gesungene  päan,  der  bei  anderen  jiQo6odiuy.be  nutdv  oder 
schlechtweg  ngoGodiuxog  heisst? 

Das  von  uns  dem  apollinischen  päan  abgesprochene  me- 
trum  ist  also  durch  jene  aus  Asien  stammende  schule  aller- 
dings in  Griechenland  heimisch  geworden  und  Archilochos  hat 
dasselbe  angewandt.  Ob  auch  Terpander,  der  in  Delphi  am 
meisten  begünstigte  sänger  des  kilharodischen  nomos ,  sich  des- 
selben bedient,  ist  zweifelhaft.  Plutarch  erwähnt  mit  keiner 
silbe  eines  prosodiakos  bei  jenem  Lesbier.  Aber  für  das  feier- 
liche Ziv  nuvTCüv  ag^d  müssen  wir  gestehen,  dass  uns  keine 
andre  abtheilung  besser  zusagt  als  die  in  je  fünf  silben.  Es 
ist  natürlich,  dass,  nachdem  durch  Olympos,  Archilochos  und 
andre  das  fünfsilbige  ephhymnion  sanktionirt  war,  dasselbe 
auch  in  der  tragödie  2)  nicht  verpönt  ist.  Was  wir  oben  leug- 
neten ,  war  ja  nur  die  ausschliessliche  herrsebaft  der  fünfsil- 
bigen  formel. 

Wir  glauben,  dass  Buchholtz  manchmal  besser  gethan  Latte, 
das  über  bestimmte  gegenden ,  religionen  oder  dichtgattungen 
tiberlieferte  schärfer  zu  sondern  und  vor  Vermischung  zu  be- 
wahren. Besonders  ist  das  der  fall,  wenn  wir  lesen,  was  p. 
71   ff.   über    entstehung    des   dithyrambos    gesagt  ist.     Auch 

2)  Sicher  gehört  hieher  w  ßa  yas  nal  Ztv  Aesch.  Hiket.  892, 
vielleicht  auch  890,  wenn  dort  wirklich  ßoav  einsilbig  zu  messen, 
äggyf  dgofnov  im  König  Oed.  454,  iv  yn  xgovovaat  Iph.  in  Aulis  1043, 
ßiix/ut  y.ttö'fjttlai,  Bakch.  1160,  auch  wohl  fttai  t'  w  Wolga*  Eumen.  961, 
wo  freilich  der  auftakt  eine  kürze.  Weniger  passen  die  worte  vaiov 
ovgiyywy  Ion.  498  zu  einem  ephhymnion.  Dagegen  ist  der  prosodiakos 
bei  Hephästion  7  'l^t  Bcuop  wohl  zu  beachten,  vielleicht  ist  das  7^«« 
jAUt  Ilatd»  im  König  Oed.  154  dichterische  ausschmückung  dieses 
bekannten  anrufs. 


Nr.  2.  40.     Tanzkunst.  101 

dieser  gesang  nämlich  soll  aus  dem  iepäeon  hervorgegangen 
6ein.  Aber  ist  es  denn  wahrscheinlich,  dass  die  art  und  weise, 
in  der  die  nordischen  Thraker  den  stürmisch  betäubenden  wein- 
gott  anriefen,  mit  der  in  Kreta  und  dem  Peloponnes  herrschen- 
den Verehrung  des  mild  erleuchtenden  Apollon  auch  nur  das 
geringste  gemein  hatte?  Während  im  Peloponnes  und  in  Delphi 
die  aus  Asien  gekommenen  kü'nstler  sich  abmühten  unter  den 
starr  am  hergebrachten  klebenden  Doriern  neuen  formen  wie 
dem  prosodiakos  berechtigung  zu  verschaffen,  sollte  da  nicht 
im  norden  Griechenlands  völlig  unabhängig  von  jenen  formen 
und  neuerungen  Dionysos  in  einer  seinem  wesen  entsprechenden 
weise  verehrt  worden  sein?  Und  auch  in  jenen  nördlichen  ge- 
genden  fehlte  es  nicht  an  Jüngern  der  kunst,  die  berufen  wa- 
ren den  im  volksmund  hergebrachten  weisen  festere  fügung  und 
schönere  form  zu  geben.  Gerade  in  jenen  gegenden  waren  ja 
die  Musen  heimisch  und  die  namen  Orpheus  und  Thamyris 
bürgen  dafür,  dass  es  ihnen  dort  weder  an  gehorsamen  noch 
an  widerstrebenden  sängern  fehlte.  Dass  die  dorische  Apollo- 
verehrung mit  dem  thrakisch-thessalischen  Dionysoscultus  zumal 
in  bezug  auf  den  tanz  nichts  gemein  hat,  beweist  schon  die 
thatsache,  dass  der  spartanische  chor  immer  im  viereck  stand, 
während  der  dithyrambische  einen  kreis  bildete  (Buchholtz  p. 
75.  83).  Von  der  letzteren  art  werden  gewiss  immer  die  tanze 
gewesen  sein,  welche  die  muntere  jugend  ,  sei  es  zur  eigenen 
belustigung  oder  zum  dienste  einer  fröhlichen  gottheit  wie  Dio- 
nysos ,  unter  dem  schalle  der  jedermann  geläufigen  lyra  auf- 
führte. So  drehen  sich  in  der  nach  Klemens  urtheil  interpo- 
lirten  stelle  der  Ilias  18,  594  Jünglinge  und  mädchen  in  lustigem 
ringeltanze  älXftwv  inl  xuontn  x^QaS  f^ovref.  Wenn  auch 
Apollon  im  homerischen  hymnus  v.  182  ff.  bei  einem  ähnlichen 
tanz  betheiligt  gedacht  wird,  so  ist  er  da  nicht  als  der  ernste 
delphische  gott,  sondern  rein  menschlich  aufgefasst,  und  es  will 
uns  gar  nicht  nöthig  erscheinen,  dass  er  dabei ,  wie  Buchholtz 
p.  73  meint,  „die  das  ganze  weihenden  schritte"  (des  iepäeon) 
thue.  In  den  bei  Homer  geschilderten  kreistänzen  werden  wir 
also  nicht  „ebensowohl  Vorboten  des  dithyrambos  als  des  ver- 
vollkommneten päan"  erkennen,  sondern  werden  vielmehr  fest- 
halten, dass  der  im  Dionysoscult  zum  dithyrambos  ausgebildete 
rundtanz  etwas  wesentlich  anderes  sei  als  der  päan  und  die  aus 


102  40.  Tanzkunst.  Nr.  2. 

ihm  hervorgegangenen  ernsten  chorgesänge.  Beim  kitharodischen 
nomos,  bei  den  apollinischen  prosodien,  auch  bei  festzügen  zum 
altare  anderer  ernst  erhabener  götter  wie  z.  b.  der  Athene, 
erklang  im  gegensatze  zur  begleitung  jener  harmlosen  tanze 
die  grosse  mit  prunkenden  zierrathen  versehene  kithara  (vgl. 
den  parthenon-fries),  deren  spiel  besondere  ausbildung  erforderte. 

Erhaben  und  feierlich  waren  diese  gesänge ,  ruhig  gemes- 
sen und  nicht  im  kreise  wirbelnd  die  bewegungen  der  füsse. 
Etwas  lebhafter  zwar  wurden  die  rhythmen  ,  als  an  stelle  der 
spondeen  und  anapästen  der  kreter  Thaletas  seine  kreti- 
schen maasse  in  den  gymnopädien  und  pyrrhichien  zur  gel- 
tung  brachte;  aber  auch  bei  ihm  drehte  sich  der  chor  nicht  im 
kreise ,  er  stand  sich  vielmehr  in  reihen  gegenüber  (so  auch 
Buchholtz  p.  59  ff.).  Die  bewegung  war  dabei  die ,  dass  bei 
der  ersten  länge  ein  fuss  vorwärts  stark  aufgesetzt,  bei  der 
kürze  der  andre  fuss  nur  nachgezogen,  nicht  vorgesetzt  wurde, 
Während  bei  der  zweiten  länge  wieder  derselbe  fuss  wie  zuerst 
vortrat.  Der  nächste  kretiker  wurde  sodann  mit  dem  bisher 
zurückstehenden  fusse  angetreten.  So  nimmt  Buchholtz  p.  61 
gewiss  mit  allem  rechte  an.  Wenn  er  nun  aber  verlangt ,  dass 
nach  jedem  versfusse  die  tanzenden  einen  augenblick  ruhig  ste- 
hen sollen,  so  erscheint  uns  dies  sehr  bedenklich.  Unmöglich 
darf  doch  ein  kretiker,  dessen  Hauptmerkmal  die  fünf  moren 
sind,  durch  eine  pause  zum  ditrochäus  verlängert  werden.  Ein 
ritardando  aber,  ein  aufheben  des  taktes  nach  jedem  versfusse 
will  uns  ebensowenig  in  den  sinn.  Wir  wissen  nicht,  wie  wir 
uns  jenes  ruhig  stehen  denken  sollen ,  ohne  dass  der  rhythmus 
vollständig  zerstört  wird. 

Von  den  ruhigen  anapästen  gehören  je  zwei  zu  einer  ßuffig 
oder  einem  doppelschritt ,  ebenso  verhält  es  sich  bei  iamben 
und  trochäen.  Es  wird  also  bei  diesen  metreu  auf  die  kürze 
kein  niedersetzen  des  fusses  kommen,  der  tänzer  schreitet, 
er  tanzt  eigentlich  nicht.  Ein  kretiker  aber  bildet  schon  alleiu 
eine  ßdoig,  da  bei  ihm  auch  auf  die  kürze  ein  fuss  niederge- 
setzt wird ;  die  bewegung  ist  also  lebhaft,  nicht  gehend,  sondern 
hüpfend.  Kretiker  und  ebenso  daktylen  werden  im  gegensatz 
zu  jenen  erstgenannten  metren  nicht  geschritten,  sondern  ge- 
tanzt. Hier  kommt  auch  auf  jede  kürze  ein  kleiner  schritt, 
so  löst  sich  auf  höchst  plausible  weise  das  räthsel,  warum  ana- 


Nr.  2.  40.  Tanzkunst.  103 

pästen  dipodisch,  daktylen  monopodisch  gemessen  werden  (p. 
102  f.).  Weniger  sicher  als  diese  sätze  ist  wiederum  des  verf. 
ansieht  über  den  tanz  bei  aufgelösten  längen.  Es  soll 
nämlich  immer,  wo  zwei  kürzen  statt  einer  länge  stehen,  ein 
und  derselbe  fuss  zweimal  rasch  hintereinander  aufgetreten  ha- 
ben und  dadurch  eine  hastige  unruhe  durch  den  tritt  sowohl 
wie  durch  das  wort  ausgedrückt  worden  sein.  Dieselbe  auffas- 
snng  findet  sich  an  verschiedenen  stellen  des  buchs  bei  den 
verschiedenartigsten  metren  wieder  und  es  lässt  sich  nicht  leug- 
nen, dass  die  dafür  beigebrachten  beispiele  etwas  bestechendes 
haben ,  indem  sich  manche  dichterische  Schönheit  durch  solche 
auffassung  nachweisen  lässt  (p.  107  f.  136).  Aber  für  alle 
beispiele  von  auflösungen  kann  dieser  trippeltritt  unmöglich  an- 
gewendet worden  sein,  (man  nehme  Ant.  159  ort  cvyxXrjTov 
rrjvde  ytQOPTwv  7rgov&sro  Xißxqv  oder  ein  beliebiges  andres 
beispiel),  das  fühlt  wohl  der  verf.  selbst  p.  106  und  111.  Es 
wäre  doch  auch  zu  auffallend,  wenn  man  auf  die  beiden  kürzen 
des  anapäst  und  ebenso  auf  die  kürze  des  iambus  gar  keinen 
vollen  schritt  gemacht,  auf  jene  illegitimen  kürzen  dagegen  im- 
mer gewissenhaft  zwei  schrittchen  gebracht  hätte.  Da  der 
dichter  selbst  auch  den  tanz  zu  seinem  stück  einübte,  so  wird 
er  wohl  die  fälle,  in  denen  auflösungen  mit  dem  fusse  zu  mar- 
kiren  waren,  jedesmal  angegeben  haben ;  immerhin  aber  können 
fälle  der  art  nur  eine  ausnähme,  nicht  die  regel  gebildet  haben. 
Was  den  tanz  der  iamben  und  trochäen  betrifft,  so 
wurde  da  natürlich  immer  auf  der  rationalen  länge  ein  fuss  nie- 
dergesetzt, und  zwar  begann,  wenn  iambische  trimeter  getanzt 
wurden ,  der  rechte  fuss  :  das  erfahren  wir  aus  Marius  Victori- 
nus.  Der  trochäus  ist,  wie  schon  sein  name  andeutet,  zu  hastig 
laufenden  schritten  geeignet,  das  sagt  besonders  deutlich  die 
fortsetzung  des  vom  verf.  nur  zum  theil  benutzten  scholion  der 
Acharner  204.  Oft  soll  er  ein  mühevolles  weiterstreben  be- 
gleiten, bei  dem  der  gehende  grosse  anstrengungen  macht  und 
wenig  vom  flecke  kommt,  und  dies  erscheint  in  der  that  nicht 
unpassend  für  das  heraneilen  des  kranken  Philoktet.  Ein  sol- 
cher eindruck  wird  um  so  leichter  erreicht,  wenn,  wie  Buch- 
holtz  annimmt,  der  einmal  vorgesetzte  rechte  fuss  immer  der 
vorgeschobene  blieb ,  während  der  linke  beim  zweiten ,  vierten 
u.  s.  w.    versfuss    zwar    nachgezogen ,    nicht    aber   dem  rechten 


104  40.  Tanzkunst.  Nr.  2. 

wirklich  vorgesetzt  wurde.  Bei  ruhigen  tanzen,  meint  der  verf., 
wäre  dann  immer  derselbe  fuss  der  vorgeschobene  geblieben, 
bei  fröhlicheren,  lebhafteren  habe  man  dagegen  öfter  mit  dem 
vorgeschobenen  fusse  gewechselt.  Erst  im  zehnten  capitel,  das 
von  dochmien  und  anderen  lebhaften  rhythmen  handelt,  gibt  er 
zu,  dass  auch  zuweilen  im  iambus  und  trochäus  auf  die  kürze 
ein  fuss  niedergesetzt  sein  könne.  Diese  lebhaftere  tanzart  mag 
wohl  nicht  ganz  selten  gewesen  sein. 

Nachdem  wir  oben  im  Widerspruche  mit  der  meinung  des 
verf.  angenommen  haben ,  dass  bei  auflösuDg  einer  länge  die 
füsse  der  tanzenden  in  der  regel  nicht  betheiligt ,  also  von  der 
bewegung  der  zunge  und  lippen  emancipirt  waren,  sei  hier  noch 
eines  anderen  damit  verwandten  falles  erwähuung  gethan.  Es 
kann  keinem  zweifei  unterliegen ,  dass  wenn  in  den  marschlie- 
dern  der  parömiakos  eintrat,  die  vorletzte  silbe  zu  vier  moren 
gedehnt  wurde,  ohne  dass  die  bewegung  der  füsse  darum  eine 
Verzögerung  erlitt.  War  auf  die  vorletzte  silbe  der  linke  fuss 
niedergesetzt,  so  wurde  während  derselben  auch  noch  der  rechte 
erhoben  und  zur  letzten  silbe  niedergesetzt.  Derselbe  fall  tritt 
bei  der  katalektisch  iambischen  dipodie  ein.  Bei  einem  vers 
wie  ßovlsa&e  Srjia  xoivfi  muss  zur  vorletzten  silbe  nicht  nur 
der  rechte  fuss  aufgesetzt,  sondern  auch  noch  der  linke  erhoben 
worden  sein,  um  zur  schlusssilbe  wieder  niedergesetzt  zu  wer- 
den. Das  wird  uns  Buchholtz  und  jeder  andre  leser  gewiss 
sofort  zugeben. 

Da  die  Choriamben  zu  den  lebhaftem  rhythmen  zählen, 
wird  man  sich  gerne  in  ihnen  auf  jede  silbe  einen  fuss  nieder- 
gesetzt denken.  Dasselbe  ist  der  fall  bei  den  dochmien, 
deren  namen  Buchholtz  aus  den  schräg  nach  der  seite  hin  füh- 
renden tanzschritten  erklären  zu  können  glaubt.  Der  durch 
die  Sprünge  der  Kybele - priester  eingebürgerte  ioniker  wird 
ebenfalls  so  gedacht,  dass  auf  jede  kürze  ein  fuss  auftritt.  Der 
verf.  lässt  beim  ionicus  a  minori  zuerst  mit  beiden  füssen  einen 
kurzen  anlauf  nehmen ,  bei  der  ersten  länge  soll  dann  der 
rechte  fuss  (nach  Eur.  Bakch.  94,  3)  einen  kräftigen  abstoss 
zum  sprunge  geben,  bei  der  zweiten  der  andere  fuss  den  kör- 
per  auffangen.  Die  heftigkeit  dieser  bewegung  wird  in  tanz 
und  melodie  zugleich  gemässigt  bei  der  anaklasis. 

Drei  capitel,  das  sechste,  eilfte  und  zwölfte  sind  dem   tanz 


Nr.  2.  40.  Tanzkunst.  105 

im  attischen  theater  gewidmet.  Im  sechsten  wird  mit  hülfe  der 
aus  Hesychios  bekannten  drei  linien  die  gewöhnliche  Stellung 
des  tragischen  chors  in  drei  gliedern  zu  je  fünf  mann  angege- 
ben, wie  dies  in  der  hauptsache  schon  in  Müllers  Eumeniden 
geschehen  ist.  Dass  die  choreuten  sich  unter  einander  ansehen 
sollen  ohne  der  bühne  oder  den  Zuschauern  deu  rücken  zuzukeh- 
ren, veranlasst  den  verf.  zu  mehreren  hypothesen.  Alle  laufen 
übrigens  darauf  hinaus,  dass  die  choreuten,  die  durch  eine 
schräg  durchgezogene  linie  in  eine  rechte  und  eine  linke  ab- 
theilung  gesondert  sind  ,  aus  der  frontstellung  mit  dem  einen 
flügel  eine  viertel-,  mit  der  andern  eine  dreiviertelwendung 3) 
nach  der  mitte  zu  machen.  Sie  sehen  sich  dabei  allerdings  an, 
zeigen  aber  auf  dem  einen  flügel  den  Zuschauern,  auf  dem  an- 
dern der  bühne  doch  noch  den  grösseren  theil  des  rückens. 
Uns  kommt  es  wahrscheinlicher  vor,  dass  die  auf  dem  linken 
flügel  stehenden  zwei  choreuten  jeder  reihe  einfach  rechtsum, 
die  rechts  stehenden  einfach  linksum  machten  und  der  mittlere 
mann  einer  jeden  reihe  entweder  die  bewegung  der  rechten 
oder  der  linken  abtheilung  mitmachte.  So  wurde  zwar  noch 
immer  den  am  ende  de-?  halbkreises  sitzenden  Zuschauern  von 
den  zunächst  stehenden  choreuten  der  rücken  gekehrt ,  den  in 
der  mitte  des  theatron  auf  den  hauptplätzen  sitzenden  aber 
drehte  niemand  den  rücken,  und  das  scheint  uns  den  gegebenen 
anforderungen  genügend  zu  entsprechen. 

Das  eilfte  capitel  zeigt  uns  den  chor  in  bewegung.  Nächst 
den  eigentlichen  tanzliedern  oder  hyporchemen  bot  dem  chore 
am  meisten  gelegenheit  zu  entfaltung  seiner  tanzkunst  die  p  a  r- 
odos.  Die  möglichen  bewegungen  des  chors  zu  der  parodos 
der  Phönissen  werden  p.  165  fi°.  eingehend  geschildert.  Nach 
beendigung  der  Strophen  und  gegenstrophen  der  parodos  zog 
sich  der  chor  in  seine  grundstellung  zurück,  und  zwar  geschah 
dies,  wenn  der  Chorführer  oder  einige  wenige  stimmen  eine 
epodos  zu  singen  hatten,  so  dass  die  rhythmen  derselben  ge- 
tanzt wurden;  fehlte  jedoch  die  epodos,  dann  begab  sich  der 
chor  in  ruhigen  schritten  ohne  tanz  an  seinen  platz.  Während 
der  stasima  lässt  der  verf.  die  gesammtheit  des  chors  den 
platz  behaupten,  nur  einzelne  choreuten  führen,  wie  auch  Müller 

3)  Dieser  ausdruck  ist   so  zu  verstehen ,   dass  linksum  als  eine 
halbe  Wendung  angesehen  wird. 


106  40.  Tanzkunst.  Nr.  2. 

annahm,  bewegungen  aus,  wobei  sie  gegenseitig  die  platze  tau- 
schen. Wie  sich  Buchholtz  diese  bewegungen  im  einzelnen 
denkt,  zeigt  er  p.  170  ff.  an  dem  ersten  stasimon  der  PLönis- 
sen.  Er  gibt  zu,  dass  sich  dabei  vieles  immer  wiederholte, 
während  mannigfaltigkeit  und  neuheit  der  formen  vielmehr  in 
der  parodos  am  platze  gewesen  sei.  Für  die  stasima  des  Ae- 
schylos  wird  sich  vieles  jetzt  genauer  und  sichrer  bestimmen 
lassen,  seitdem  Westphal  das  gesetz  von  der  nomos-artigen  tri- 
chotomischen  theilung  derselben  entdeckt  hat.  Von  den  hyp- 
orchemen  der  sophokleischen  und  euripideischen  stücke  gibt 
der  verf.  p.  93  nur  einen  allgemeinen  überblick  ,  da  eine  ge- 
naue beschreibung  der  tanzart  gerade  bei  diesen  liedern  denn 
doch  nicht  möglich  ist.  Dagegen  bespricht  Buchholtz  im  letz- 
ten capitel  seines  buches  noch  zwei  monodieen  des  Euri- 
pides,  die  eine  ohne  antistrophische  responsion  (Iph.  Taur.  831), 
die  andre  mit  einer  solchen  (Androm.  1173).  Bei  diesen  stü- 
cken fällt  das  hauptgewicht  nicht  auf  den  tanz  mit  den  füssen, 
sondern  vielmehr  auf  die  gesten  der  hände  und  arme,  die  sich 
aus  dem  gesprochenen  schon  mit  ziemlicher  Sicherheit  entneh- 
men lassen. 

Nachdem  wir  den  hauptinhalt  des  buches  dargelegt  mit 
hervorhebung  gerade  der  Seiten ,  an  denen  wir  etwas  zu  mä- 
keln fanden,  sei  jedoch  der  Wahrheit  gemäss  nun  auch  erwähnt, 
dass  diese  schrift  unter  dem  vielen  neuen  das  sie  bietet  auch  viel 
des  guten  und  richtigen  enthält.  Der  verf.  bekundet  eine  ge- 
naue bekanntschaft  mit  der  gesammten  poetischen  litteratur  der 
Griechen  und  ein  feines  vei*ständniss  für  die  metrischen  Schön- 
heiten derselben.  Neben  vielfachen  hübschen  einzelbemerkungen 
finden  sich  auch  längere  excurse  über  die  metra  einzelner  lie- 
der  oder  dramatischer  abschnitte.  So  ist  besonders  gut  p.  77 
das  hyporchem  des  Pratinas  behandelt,  aus  den  tragödien  des 
Aeschylos  nennen  wir  die  parodos  des  Prometheus  p.  111,  aus 
Sophokles  das  tanzlied  der  Trachinierinnen  p.  140,  von  Aristo- 
phanes  den  ersten  chor  aus  dem  Frieden  p.  146,  endlich  von 
dem  bevorzugten  Euripides  das  auftreten  der  Hekuba  und  des 
Ion  in  den  gleichnamigen  stücken  p.  103  und  108,  sowie  das 
tanzlied  der  Bakeken  p.  140.  Da  trockener  citatenkram  ver- 
mieden, die  darstellung  dagegen  fliessend  und  lebendig  gehalten 
ist,    liest   sich    das  buch  durchweg  höchst  angenehm.     Gern  ge- 


Nr.  2.  Theses.     41.  Neue  auflagen  u.  s.  w.  107 

steh  ich  aus  demselben  vielfache  anregung  und  belehrung  empfan- 
gen zu  haben  und  möchte  recht  vielen  lesern  dasselbe  wünschen. 

J. 

THESES  quas  ...  in  academia  Friclericia  Guilelmia  Rhe- 
nana  .  .  d.  XX  m.  Ianuar.  .  .  .  publice  defendet  Carolus 
Rubel:  1.  Vit.  Getae  2,  1  pro  „septenario"  scribendum  „ca- 
pite  varia" ;  —  2.  Vit.  Nigri  10,  9  pro  ,,perniciem"  scribendum 
„per  vitam",  pro  ,,magis'"  „minus";  —  3.  Vit.  Albin.  4,  1  ,,Vene- 
riae"  scribendum   est  pro  „anarbo"   (cf.  vit.  Max.  et  Balb.   7,   6); 

—  4.  Vit.  Alex.  Sev.  1,  7  „severat"  corruptum  est  ex  „crea- 
verat" ;  —  5.  Proelium  Lngdunense  a.  196  neque  197  commis- 
sum  est;  —  6.  Auetor  chronici  Paschalis  nisus  est  factis  qui 
vocantur  Idatiani ;  —  8.  Fidelissimus  auetor  belli  Cautabrici 
Orosius  ist. 

NEUE  AUFLAGEN.  41.  F.  Ueberweg,  grundriss  der 
geschichte  der  philosophie  der  neuzeit.  3.  aufl.  8.  Berlin. 
Miller;   2  thlr. 

NEUE  SCHUf/BUECHER.  42.  Freund's  schulerbiblio- 
thek.  1.  abth.  Präparationen  u.  s.  w.  Präparation  zu  Xeno- 
phons  Memorabilien.  6.  hft.  3.  aufl.  Leipzig.   16.  Violet;    5  ngr. 

—  43.  0.  Eichert,  vollständiges  Wörterbuch  zu  den  ge- 
schichtswerken  des  C.  Sallustius  Crispus.  2.  aufl.  8.  Hanno- 
ver. Hahn;  12  ngr.  —  44.  H.  Schmidt's  u.  W.  Wen  seh, 
Elementarbnch  der  griechischen  spräche.  1.  abth.  7.  aufl. 
Halle.  8.  Waisenhaus;  20  ngr.  —  45.  K.  H  alm,  anleitung  zum 
übersetzen  aus  dem  deutschen  ins  griechische.  1.  thl.  1.  cur- 
sus.  9.  aufl.  8.  München.  Lindauer;  12*/2  ngr.  —  46.  M. 
Seyffert,  Palaestra  Musarum.  1.  thl.  7.  aufl.  8.  Halle. 
Waisenhaus;  15  ngr.  —  47.  G.  Fischer,  Übungsbuch  zum 
übersetzen  aus  dem  deutschen  ins  lateinische  für  mittlere  gym- 
nasialclassen.  2.  aufl.  Besorgt  von  Dr.  Otto  Müller.  8. 
Braunschweig.  Vieweg;  15  ngr.  —  48.  C.  Wernicke,  ge- 
schichte der  weit.  1.  thl.  Geschichte  des  alterthums.  2.  und 
3.  lieferung.     5.  aufl.     8.     Berlin.     Paetel;  ä  5  ngr. 

BIBLIOGRAPHIE.  Von  den  mittheilungen  der  verlags- 
handlung  B.  G.  Teubner  ist  nr.  6  erschienen,  in  denen  von 
A.  Böckh's  gesammelten  kleinen  Schriften  der  6.  bd.  ange- 
kündigt wird,  akademische  abhandlungen  aus  den  jähren  1836 — 
58  und  bd.  7  recensionpn  enthaltend;  ferner  Acta  Socictatis  phi- 
lologae  Lipsiensis  edidit  Fr.  Ritsch  elius.  T.  I.  fasc.  II;  Fr. 
Rühl  die  textesquellen  des  Justin  fs  ob.  nr.  1,  p.41);  Claudiani 
carmina,  recognovit  Lud.  Jeep,  zur  Bibl.  Teubneriana  gehörig. 


108  Bibliographie.  Nr.  2. 

Neue  erscheinungen  sind:  Max  Müller,  Essays,  3.  bd., 
beitrage  zur  literaturgescbichte,  biographie  und  alterthumskunde. 
Mit  einem  anhange :  Briefe  Bunsens  an  Max  Müller  aus  den 
j.  1848 — 59.  Aus  dem  engl,  übertragen  an  F.  Liebrecht. 
8.  Leipzig.  Engelmann;  2  tblr.  15  gr.  —  Catalogus  codicum 
manuscriptorum  bibl.  regiae  Monacensis.  T.  III.  P.  II,  Codices 
latinos  continens.  Secundum  A.  Schmelleri  indices  composuerunt 
Car.  Halm,  G.  Laubmann,  G.  Meyer.  Tom.  I,  p.  II,  add.  num. 
2501 — 5250    complectens.     gr.  8.     Müncben.  Palm,   in  comm.; 

1  tblr.  20  gr.  —  Bei  Fr:  A.  Brock  haus  ist  von  Er  seh 
und  Grubers  allgemeiner  encyclopädie  sect.  I.  Bd.  91  er- 
schienen, von  Grias-Grizi  gebend.  —  Neuer  verlag  von  S.  Hir- 
zel  in  Leipzig  aus  dem  jähre  1871  :  enthält  mancherlei  philo- 
logisches; Mauke's  verlag  (H.  Dufft)  in  Jena  ermässigt  den  preis 
von  M.  Schmidt's  ausgäbe  des  Hesychius,  5  bde,  4,  auf  16  thlr. 

Cataloge  von  antiquaren:  E.  Carlebach  in  Heidelberg  an- 
tiquarisches verzeichniss  n.  31  (Sprachwissenschaft,  heidelberger 
dissertationen),  n.  32  (alterthumskunde,  editt.  Bipontinae);  St. 
Boas  in  Frankfurt  a.  M. ,  verzeichniss  n.  26,  eine  werthvolle 
Sammlung  von  werken  aus  dem  gebiete  der  linguistik,  klassi- 
schen philologie  und  alterthumskunde;  bücher-anzeiger  nr.  6 
von  Graff  und  Müller  in  Braunschweig;  Kirchhoff,  und  Wi- 
gand  in  Leipzig,  antiquarisches  bücherlager,  nr.  332  (literärge- 
schichte);  K.  F.  Köhler' s  in  Leipzig  antiquarische  anzeige- 
hefte nr.  230  (linguistik;  mit  ausschluss  jedoch  der  werke  die 
speciell  griechische  und  lateinische  spräche  betreffen);  58.  ver- 
zeichniss einer  Sammlung  bücher  aus  der  philologie,  alterthums- 
kunde u.  s.  w. ,  welche  bei  J.  D.  Meusel  und  söhn  in  Co- 
burg zu  haben  sind;  59.  verzeichniss  einer  Sammlung  bücber 
aus  der  theologie,  pbilosophie  und  pädagogik,  welche  bei  J.  D. 
Meusel  und  söhn  in  Coburg  zu  haben  sind;  B.  Seligsburg 
in  Bayreuth,  catalog  nr.  129  des  antiquarischen  bücherlagers 
(geschichte);  Ernst  Wagner  in  Augsburg,  antiquarische  an- 
zeigen nr.  12;  catalog  105  des  antiq.  bücherlagers  von  Frie- 
drich Wagner  in  Braunschweig  (philosophie  und   pädagogik). 

Preisermässigungen  zeigt  St.  Goar  in  Frankfurt  am  M.  an 
von  Ast  Lexicon  Platonicum,  zu  6  thlr.  20  gr.,  dess.  Piatonis 
Opera  11    voll,  zu  7  thlr.   15  gr.,    Aristophanes  von  Enger   zu 

2  thlr.,  Buttmann's  Lexilogus  zu  1  thlr.  10  gr.,  Dicaearch  von 
H.  Fuhr  zu  20  gr. ,  Alexandri  et  Philemouis  rell.  von  Mei- 
neke  zu  1  thlr.  12  gr. ,  Valerius  Cat.  von  Naeke  zu  1  thlr. 
10  gr.,  Vitruv  von  A.  v.  Eode  zu  2  thlr.  20  gi\,  Sallust  von 
Ger  lach,  3  bde.  4,  zu  2  thlr.  20  gr. 

Bücherauction  am  20.  märz  in  Leipzig,  durch  H.  Francke, 
die  bibliothek  des  weiland  g.-dir.  Jastrebzoff  zu  Dünaburg. 


Nr.  2.  Kleine  philologische  zeitung.  1Ö9 

KLEINE  PHILOLOGISCHE  ZEITUNG.  Bernb.  Freyer's 
annoncenbüreau  kündigt  einen  universal-zeitungs-catalog  an,  der 
ausser  der  eigentlichen  zeitungsstatistik  auch  noch  allerlei  son- 
stige nützliche  mittheilungen  enthält,  so  eine  illustrirte  maass- 
und  gewichtstabelle ;  geheftet  15  gr. 

Ueber  Schenkungen  und  begünstigungen  der  neuen  biblio- 
thek  zu  Strassburg  stellt  mehres  zusammen  Börsenbl.  nr.  11. 

Die  französischen  Zeitungen  (s.  unt.  p.  112)  haben  schon 
länger  es  sich  zum  geschäft  gemacht,  lügenhafte  berichte  über 
Th.  Mommsens  verhältniss  zum  kaiser  Napoleon  zu  verbreiten. 
Daher  folgender  brief,  deu  die  Vossische  zeitung  mittheilt: 

Geehrter  herr  redacteur! 

Ich  finde  in  der  französischen  correspondenz  ihres  heutigen  blattes 
den  auszug  aus  einem  jetzt  durch  die  pariser  blätter  die  runde  machen- 
den artikel,  der  mich  betrifft.  Demselben  zufolge  hat  der  krieg  mich 
des  mir  von  dem  kaiser  Napoleon  für  meine  beihülfe  (collaboration)  an 
dem  leben  Cäsar's  ausgesetzten  jahresgehaltes  von  10,000  fr.  beraubt. 
Ich  habe  mich  ferner  nach  dem  frieden  an  herrn  Kenan  gewendet,  um 
die  fortführung  dieser  Studien  (les  etudes  commencees)  durch  die  pa- 
riser akademie  und  den  fortbezug  dieser  pension  zu  erwirken,  jedoch 
ohne  guten  erfolg.  Der  correspondent  knüpft  daran  die  wohlmeinende 
bemerkung,  dass  ich  nicht  verfehlen  werde,  diesen  verleumderischen 
anschuldigungen  die  gebührende  abweisung  widerfahren  zu  lassen. 

Einer  solchen  directen  aufforderung  der  deutschen  presse  nicht 
folge  zu  leisten ,  könnte ,  ich  will  nicht  sagen  missverstanden  werden, 
aber  doch  seltsam  erscheinen.  Ich  will  denn  also  erklären,  dass  ich 
nie  für  Napoleon's  leben  Cäsar's  eine  zeile  geschrieben  habe,  noch  sonst 
in  irgend  einer  weise  dafür  thätig  gewesen  bin ;  dass  ich  nie  von  der 
französischen  regierung  oder  dem  kaiser  persönlich  auch  nur  einen 
franc  empfangen,  vielmehr  bei  einer  bestimmten,  an  sich  völlig  legiti- 
men Veranlassung  ( es  handelte  sich  um  die  herausgäbe  der  werke 
Borghesi's)  die  mir  von  dem  dortigen  gouvernement  angebotene  lite- 
rarische Vergütung  zurückgewiesen  habe,  um  möglichen  missdeutungen 
aus  dem  wege  zu  g-ehen ;  dass  ich  endlich  zwar  nach  dem  frieden  mich 
pflichtmässig  bemüht  habe,  das  früher  zwischen  den  akademien  von 
Berlin  und  Paris  bestandene  gute  einvernehmen,  insbesondere  in  betreff 
des  inschriftenwerkes,  nach  möglichkeit  wieder  herzustellen,  dass  dabei 
aber  weder  Napoleon's  ,, angefangene  Studien'1  noch  irgend  eine  geld- 
frage  in  betracht  gekommen  sind. 

Ich  würde  diese  erklärung  nicht  abgegeben  haben  ,  wenn  jene 
deutsche  correspondenz  sie  mir  nicht  abgefordert  hätte.  Für  die  äusse- 
rungen  der  französischen  presse  habe  ich  keine  antwort  und  nicht  etwa 
blos  ihrer  albernheit  wegen;  wie  denn  dieser  letzte  article  de  Paris 
nicht  verfehlen  kann,  in  allen  der  literarischen  Verhältnisse  einiger- 
massen  kundigen  kreisen  heiterkeit  zu  erregen ,  theils  wegen  der  mir 
darin  beigemessenen  mitschuld  an  Napoleon's  Cäsar,  theils  wegen  des 
feinen  gedankens,  die  unterbrochenen  „Studien"  des  exkaisers  durch  die 
pariser  akademie  vollenden  zu  lassen.  Es  ist  eine  ernsthaftere  erwä- 
gung,  die  mir  gegen  solche  angriffe  schweigen  auferlegt.  Seit  dem 
letzten  kriege  hat  der  pariser  klatsch  und  sein  niederschlag ,  die  fran- 
zösische presse,  es  sich  zum  System  gemacht,  gefälschte  und,  wenn  sie 
wahr  wären ,  ehrenrührige  thatsachen  gegen  die  in  Frankreich  be- 
kannten und  dort  missliebigen  deutschen  gelehrten  in  umlauf  zu  setzen. 


110  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  2. 

Was  mich  betrifft,  so  könnte  ich,  wenn  ich  es  der  mühe  werth  hielte, 
von  pasquillen  dieser  art  erbauliche  proben  vorlegen,  und  die  in  glei- 
cher läge  befindlichen  haben  ähnliche  erl'ahrungen  gemacht.  Eine  öf- 
fentliche meinung,  an  die  der  Deutsche  in  Frankreich  appelliren  könnte, 
giebt  es  nicht  mehr.  Wie  es  meritorisch  zu  sein  scheint,  den  dort  an- 
wesenden Deutschen  todtzuschlagen,  so  scheint  es  gleichfalls  der  Patrio- 
tismus zu  fordern ,  den  abwesenden  um  seine  ehre  zu  bringen ,  indem 
man  Verleumdungen  gegen  ihn  theils  erfindet,  theils  verbreitet,  theils 
dazu  schweigt.  Wenn  der  zweck  ist,  den  Deutschen  gleichgültig  gegen 
das  zu  machen,  was  man  in  Frankreich  aut  seine  rechnung  erzählt,  so 
ist  er  nahezu  erreicht.  Unsere  landsleute  aber  werden  es  billigen,  wenn 
der  deutsche  gelehrte  jeden  aus  französischer  quelle  stammenden  be- 
richt  über  deutsche  persönlichkeiten  behandelt  wie  eine  ligurische  in- 
schrift,  zu  deren  kritik  die  angäbe  der  quelle  ausreicht. 

Berlin  3.  Januar  387*2.  Th.  Mommsen. 

Am  3.  januar  wurde  zu  Hanau  an  dem  geburtshause  von 
Jacob  und  Wilhelm  Grimm  eiue  noch  nicht  ganz  vollendete 
gedenktafel  aus  weis-em  marmor  aufgestellt.  Man  denkt  am 
24.  februar,  dem   geburt*tag   Wilhelms,  fertig  zu  sein. 

13.  Januar.  Auf  ein  gesuch  des  strassburger  bibliothekars 
erliess  der  metropolitanbisehof  in  Athen  Theophilos  ein  schrei- 
ben an  die  gelehrten  Griechenlands  mit  der  aufforderung  ihre 
sämmtlichen  druckschriften  an  die  bibliothek  zu  Strassburg  zu 
schicken. 

Börsenblatt  nr.  1  7  enthält  unter  der  Überschrift:  „Verbote" 
folgende  auffallende  mittheilung:  ,, Mittelst  patents  vom  23.  de- 
cember  v.  j.  ist  vom  hiesigen  königlichen  handeisgericht  im  be- 
zirksgericht  auf  autrag  von  gebr.  Bornträger  in  Berlin  das  werk: 
Diudorf,  G.,  Lexicon  Sophocleum  fasc.  1 — 8.  Leipzig.  1870. 
71.  Teubner,  als  widerrechtlicher  uachdruck  des  im  verlag  von 
gebr.  Bornträger  erschienenen  Lexicon  Sophocleum  von  Fr.  El- 
len dt.  Köuigsb.  1835  provisorisch  mit  beschlag  belegt  wor- 
den''. Es  ist  das  eine  ganz  unbegreifliche  maassrege!,  nach  der, 
consequent  durchgeführt,  z.  b.  eine  ganze  reihe  von  bei  Teub- 
ner ,  Weidmann  u.  s.  w.  erschienenen  ausgaben  ohne  weiteres 
mit  beschlag  belegt  werden  könnten  !  Aber  abgesehen  davon, 
hat  das  werk  von  W.  Diudoif  eine  solche  Verschiedenheit  von 
dem  Ellendt's  ,  hat  ferner  vor  .diesem  eine  menge  jedem  sach- 
kundigen in  die  angen  springenden  Vorzüge  voraus  ,  dass  man 
wirklich   nicht   weiss,   was   mau   bei  solchem   urtheile  denken  soll. 

lieber  den  Phil.  Anz.  111,  nr.  10,  p.  517  erwähnten  archäolo- 
gischen congress  in  Bologna  ist  eine  besondre  Schrift  von  J.  Me- 
Btorf.      8.      Hamburg.      Meissner.      1871   erschienen. 

Es  ist  die  drucklegung  eines  catalogs  der  überaus  reichen 
kaiserlichen  privat-  und  familien-bibliothek  zu  Wien  angeordnet 
worden   (Allg.  Ausgb.  Ztg.   beil.   nr.  5). 

Die  erste  nummer  der  Wochenschrift  für  literatur ,  kunst 
und  öffentliches  leben  „die  gegenwart"  (vorlag  von  G.  Stilke, 
redacteur  P.  Lindau)  soll  am   "20.  jauuar    erscheinen.     Die  „Ge- 


Nr.  2.  Kleine  philologische  zeitung.  111 

genwart"  will  nach  ihrem  program  m  alle  wichtigen  erscheinun- 
gen  auf  dem  gebiete  des  öffentlichen  lebens  und  des  geistigen 
Schaffens  in  den  bereich  ihrer  besprechungen  ziehen. 

Bei  Lussowo  ist  ein  urnenfeld  und  pfahlbauten  entdeckt, 
die  der  Reichs  -  Anz.  nr.  8  näher  beschreibt:  eine  desgl.  bei 
Thorn  ebendas.  nr.  27  erste  beil.  beschrieben. 

Im  königlichen  münzkabinet  zu  Berlin  ist  jetzt  eine  aus- 
wahl  von  münzen  aller  zeiten  (diese  münzsammluug  gehört  zu 
den  ausgezeichnetsten)  für  das  publicum  auf  schautischen  neu 
ausgelegt  worden  und  ein  gedruckter  leitfaden  daselbst  zu  ha- 
ben, welcher  nachrichten  über  die  münzen  enthält. 

Ueber  bibliotheken  in  Ostindien  giebt  der  Keichsanz.  nr. 
16  einige  interessante  nachrichten. 

Am  24.  jan.  starb  zu  Berlin  der  professor  rlr.  Friedrich 
Adolph  T  rend  elen  bur  g,  geboren  am  30.  octob.  1802  zu  Eu- 
tin :  ein  verzeichniss  seiner  Schriften  giebt  Eeichsanz.  nr.  23. 

Eiue  statue  des  Apoll  von  bronze,  welche  für  das  etruski- 
sche  museum  in  Florenz  angekauft  ist,  bespricht  der  Eeichsanz. 
n.  27  in  beil.  1,  p.  597. 

28.  jan.  An  diesem  tage  constituirte  sich  zu  Münster  ein 
westphäliscber  provinzialverein  für  Wissenschaft  und  kunst,  wor- 
über  die  westphälische  zeitung  dd.  das  nähere   berichtet. 

Am  30.  jan.  starb  zu  Puckolet,  grafschaft  Down,  der  beson- 
ders durch  seine  Euphrat-forschungeu  bekannte  general  C  hes  n  ey. 

Der  Reichsauz.  nr.  31  giebt  p.  686  genauere  nachrichten 
über  die  bis  jetzt  hinsichtlich  der  gründung  der  Universität 
Strassburg  von  Seiten  der  regierung  entwickelte  thätigkeit. 

Am  8.  f'ebr.  ist  dem  hause  der  abgeordneten  von  der  re- 
gierung   das    schul-aufsichtsgesetz    vorgelegt.     Es  lautet: 

Wir  Wilhelm,  von  gottes  gnaden  könig  von  Preussen  etc.,  ver- 
ordnen in  ausführung  des  art.  23  der  Verfassungsurkunde  vom  31.  Ja- 
nuar 1850  mit  Zustimmung  der  beiden  häuser  des  landtages  für  den 
umfang  der  monarchie  was  folgt : 

§.  1.  Die  aufsieht  über  alle  öffentlichen  und  Privatunterrichts-  und 
erziehungsanstalten  steht  dem  Staate  zu. 

Demgemäss  bandeln  alle  mit  dieser  aufsieht  betrauten  behörden 
und  beamten  im  auftrage  des  Staates. 

§.  2.  Die  ernennung  der  lokal-  und  kreis- schul -Inspektoren  und 
die  Abgrenzung  ihrer  aufsichtsbezirke  gebührt  dem  Staate  allein. 

Der  vom  Staate  den  Inspektoren  der  Volksschule  ertheilte  auftrag 
ist,  sofern  sie  dies  amt  als  neben-  oder  ehrenamt  verwalten,  jederzeit 
widerruflich. 

Diejenigen  personen ,  welchen  die  bisherigen  Vorschriften  die  in- 
spektion  über  die  Volksschulen  zugewiesen,  sind  verpflichtet,  dies  amt 
gegen  die  etwaigen  bisherigen  dienstbezüge  im  auftrage  des  Staats  fort- 
zutühren,  oder  auf  ertordern  zu  übernehmen. 

Alle  entgegenstehenden  bestimmungen  sind  aufgehoben. 

Urkundlich  etc. 


112  Auszüge  aus  Zeitschriften.  &r.  2. 

AUSZUEGE  aus  Zeitschriften:  Augsburger  allgemeine  zeitung:  beil. 
zu  nr.  4:  Ludwig  Lange,  römische  alterthümer:  übertrieben  lobende 
anzeige :  s.  ob.  III,  nr.  1 1,  p.  548.  —  Nr.  5 :  Nekrolog  1871.  —  Beil.  zu  nr. 
7:  ausgrabungen  in  der  ebene  von  Troia.  V:  Fortsetzung  der  berichte 
von  IT.  Schliemann.  —  Die  troianische  inschrift:  G.  P.  Heller  liest  sie: 
'ifoiiov.  —  Nr.  8:  das  brittische  museum  und  seine  gründer.  —  Beil. 
zu  nr.  9:  zu  Fr.  Diez'  5  (»jährigem  Jubiläum.  —  Nr.  10:  Th.  Mommsen 
und  Napoleon's  Cäsar:  bnef  Mommsen's —  s.  ob.  p.  109  — ,  zu  dem  die 
redaction  noch  ähnliche  angriffe  der  schlechten  Franzosen  fügt:  8.  unt. 
n.  27.  —  Beil.  zu  nr.  10:  Felix  Dahn,  die  könige  der  Germanen,  abth. 
V:  zu  beachtende  anzeige.  —  Beil.  zu  nr.  11.  12:  zur  geschichte  der 
katholischen  reformbestrebungen :  II.  Fra  Andrea  d'Altagene:  sehr  le- 
senswerth.  —  Pirkheimer  und  Scheurl:  dabei  kommt  Luther  und  Me- 
lanchthon  betreffendes  zur  spräche.  —  Beil.  zu  nr.  12:  Pompeji  und 
seine  wandinschriften.  I:  anzeige  von  F.  Zangemeister  Corp.  Inscr. 
Lat.  t.  IV ,  welche  ins  einzelne  eingeht  und  nr.  575  genauer  bespricht. 

—  Beil.  zu  nr.  13.  14:  Pompeji  und  seine  wandinschriften.  II.  III:  be- 
achtenswerthe  characteristik  der  inschriften.  —  Nr.  15:  die  , .Studen- 
tinnen" auf  der  Züricher  hochschule:  es  wird  ernsthaft  für  sie  plaidirt: 
vrgl.  ob.  III,  nr.  12.  —  Nr.  17:  Lyceum  in  Colmar.  —  Minister's  v. 
Mühler  rücktritt.  —     Auss.  beil.  zu  nr.  17:    die    Universität  Strassburg. 

—  Beil.  zu  nr.  19:  Sammlung  von  sanskrit-handschriften  in  Benares.  — 
Nr.  18:  hr.  Falck  und  hr.  v.  Mühler.  —  Nr.  23:  die  schulfrage  in 
England.  —  Beil.  zu  nr.  23:  Sebastian  Brands  narrenschiff,  von  L. 
Simrock:  anzeige.  —  Beil.  zu  nr.  26:  pariser  chronik.  I.  —  Die  deut- 
schen schulen  in  Wälschtirol.  —  Nr.  27:  dieMommsen'sche  angelegenheit: 
neue  belege  für  die  französische  Verleumdung:  s.  ob.  n.  10.  —  Das  cultus- 
ministerium  in  Berlin.  —  Beil.  zu  nr.  27:  Dr.  H.  Schliemann:  notizen 
zu  dessen  leben.   —     Nr.  28:    das  alter  der  deutschen  Universitätslehrer. 

-  Nr.  29:  Rothe's  ethik:  anzeige.  —  Nr.  30:  der  Wechsel  im  preus- 
sischen  ministerium  für  kirchen-  und  schulsachen.  —  Nr.  31:  die  ge- 
halte  der  Gymnasiallehrer.  —  Nr.  32:  die  schulinspectionen.  —  Ein- 
führung des  minister  Falck.  —  Nr.  33:  General  von  Werder  predigten- 
recensent.  -  Nr.  35  :  das  budget  der  strassburger  Universität.  —  Das 
schulaufsichtsgesetz.  —  Nr.  30:  gründung  einer  römischen  bibliothek 
in  Rum.  —     Hettnei's  literaturgeschichte  des  achtzehnten  Jahrhunderts. 

—  Beil.  zu  nr.  37:  pariser  chronik.  III.  —  Zur  musikliteratur.  — 
Beil  zu  nr.  38  :  ein  stück  aus  der  hinterlassenschaft  des  hrn  v.  Mühler': 
anzeige  der  schrift,  welche  nachzuweisen  unternimmt,  dass  unter  Mühler 
die  evangelisch-theologischen  facultäten  Preussen's  mit  entsetzlichem  (?) 
erfolge  Verwahrlust  worden  seien.  —  Nr.  39:  strengere  schuldisciplin  in 
Berlin.  —  Fürst  Bismark  gegenüber  dem  ultramontanismus ;  höchst 
beachtenswerthe  darlegung,  wie  die  ansichten  des  reichskanzlers  über  die 
ziele  und  das  wesen  der  päbstlichen  tendenzen  in  der  gegcnwart  an- 
noch  ungenügend  seien. 

Göttingische  gelehrte  anzeigen  1872,  nr.  1:  Franciscus  Fabricius 
Markodurauus.  Ein  beitrag  zur  geschichte  des  humanismus  von  Wil- 
helm Schmitz.  Köln.  1871:  anzeige  von  L.  Geiger,  welche  die  beur- 
theilung  des  Fabricius  zu  lobend  findet.  —  St.  2 :  kulturpflanzen  und 
hausthiere  in  ihrem  übergange  ans  Asien  nach  Griechenland  und  Italien 
so  wie  in  das  übrige  Europa.  Historisch-linguistische  Studien  von  Victor 
Huhn.  8.  Berlin.  1870:  anzeige  von  J.  G.  Kohl,  die  eben  die  lin- 
guistische seite  ganz  übergeht.  —  St  3:  Mythology  of  the  Aryan  na- 
tions.  By  George  W.  Cok.  2  Bde.  8.  Lond.  1870:  ausführliche 
anzeige  von  F.    Wilken. 


flr.  3.  März  1873. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben   als   ergänzung   des   Philologus 


von 

Ernst  von  Leutsch. 


49.  Novae  commentationes  Platonicae.  Scripsit  Marti- 
nus  Schanz.  8.  Wirceburgi.  Typis  et  Sumptibus  Stahelii. 
MDCCCLXXI.     X  und   168  s.    —     1    thlr. 

Der  verf.  bespricht  in  §.  1  die  formen  tavrö  und  Tavrov, 
toiovzo  und  joioiTor,  7oaov70  und  7oaov70v  und  weist  ihr  nu- 
merisches verhältniss  nach ;  dasselbe  geschieht  in  §.  2  mit  ov- 
tcag  und  ovzoi.  Der  §.  3  behandelt  die  anaphora  und  palin- 
dromie  der  periode,  §.  4  die  figur  ix  naouX'kißov ,  besonders 
bei  adverbien  der  zeit.  Dabei  ist  zu  bemerken ,  dass  Legg. 
III,  701  D  zt'fot;  8/j  %agiv  tfsau  x.  t.  X.  wohl  weniger  an 
eine  Verschiebung  einer  von  beiden  präpositionen ,  als  an  eine 
Interpolation  gedacht  zu  werden  braucht.  An  sich  wäre  es  ja 
gleichgültig ,  welcher  von  beiden  man  den  Vorzug  geben  soll, 
wenn  nicht  die  grössere  Wahrscheinlichkeit  für  idoiv  spräche 
wegen  der  vorhergehenden  Wendung:  tivos  8tj  xai  tuvü"1  rjfxlv 
av  %<igiv  iliy&ij.  §.  5  enthält  ein  räsonnement  über  die  beiden 
attischen  redensarten  cpi.vaosig,  XtjQslg  ?%u)i>  und  über  die  Zusam- 
menstellung roür'  sxsivo.  Die  letztere  scheint  mir  nicht  überall 
aufrecht  erhalten  werden  zu  können  ;  z.  b.  würde  ich  Symp.  210 
E,  um  den  begriff  der  identität  zu  urgiren,  schreiben:  i^aCqivtjg 
mtzoxpetaC  ri  üavftaazov  zrtv  (pvaiv  xu).6v ,  ravzo  ixstvq),  w 
^(axQuzsg ,  ob  Ö/j  'tvtxfv  xal  ol  euttoogOev  näv7sg  noroi  tjaav. 
Ebenso  bedarf  man  des  identitätsbegriffes  im  Phaedr.  242  C, 
wo  demnach  richtiger  zu  schreiben  ist:  i'/ACog  rj  yz  auia  [sc. 
7ov  nuüoi's]  xai  zo  näOog  rä>v  igmvitov  7  alt  6  ixeCvcp  [sc. 
to)  "E(j(oti]  ivyfävu  li,  weil  gesagt  werden  soll,  dass  „der  zu- 
stand der  liebenden  und  dessen  grund"  in  den  dichterischen 
Worten  mit  dem  Eros  identisch  gesetzt  werden  müsse.  Mit  den 
PMlol.  Anz.  IV.  8 


114  .  49.    Piaton.  Nr.  3. 

Schwurformeln  bei  Plato  beschäftigt  sich  §.  6,  sodann  §.  7  mit 
formein  zur  Stärkung  der  kraft  des  imperativs ,  §.  8  mit  der 
neigung  der  abscbreiber,  die  enge  Verbindung  verschiedener 
tempora,  wie  des  imperfekts  und  des  aorists  zu  beseitigen,  §.  9 
mit  der  figur  dmXaaiaafiög ,  §.  10  mit  der  konstruktion  Xafi- 
ßdveiv,  8tü<  u.s.w.  und  der  präposition  eV,  §.11  mit  der  auslas- 
sung  der  kopula  und  §.12  mit  der  geschickte  der  stelle  Euthyd. 
289  B.  lieber  den  codex  Clarkianus ,  der  für  den  verf.  fast 
unbedingte  norm  und  oberstes  gesetz  für  die  platonische  kritik 
geworden  ist,  enthält  §.  13  zunächst  vorläufige  andeutungen 
und  berührt  unter  andern  das  bedürfniss,  welches  ihn  bestimmt 
hat,  nach  der  kollation  von  Gaisford  noch  eine  neue,  eindring- 
lichere vorzunehmen.  Von  einzelnen  dialogen  existirt  auch 
sonst  noch  eine  kollation,  wie  die  des  Symposion  von  Jowett, 
die  der  verf.  ebenfalls  für  ungenau  hält  und  deswegen  vornehm- 
lich auch  für  diesen  dialog  eine  gewissenhaftere  mit  hülfe  der 
ausgäbe  von  C.  F.  Hermann  veranstaltet.  Das  ergebniss  die- 
ser kollation  ist  unter  andern  die  erkenntniss,  dass  der  Clar- 
kianus und  Vaticanus  viel  häufiger  übereinstimmen,  als  man 
bisher  geglaubt  und  dass  alle  Verbesserungen,  weil  aus  ganz 
später  zeit,  nur  von  geringem  werthe  sind.  In  §.  14  folgt 
eine  reihe  von  emendationen.  Euthyd.  302  E  lautet  der  über- 
lieferte text :  tujv  8t  ys  ^cücor,  s q  q ,  mfioXoytjxag  tavt  tfoui  ad} 
vaa  uv  aoi  i^ij  xal  öovvai  xat  anodüadai  xai  dvoai  uv  &tw  orcp 
uv  ßoLiliß.  Das  uv  hinter  Ouaai  glaubt  Stephanus  streichen  zu 
müssen  und  ebenso  Heindorf.  Die  Züricher  und  Hirschig 
klammern  es  ein ,  während  es  von  Badham  ausgelassen,  von 
Stallbaum  und  C.  F.  Hermann  vertheidigt  wird.  Die  gründe, 
welche  Schanz  dagegen  anführt,  sind  anzuerkennen,  die  Ver- 
besserung in  8i'j  ,  selbst  wenn  es  mit  denique  wiederzugeben 
wäre,  nicht;  denn  es  handelt  sich  um  eine  selbstverständliche 
aufeinanderfolge  der  begriffe  Bovrai,  anodoa&at  und  dvoai, 
und  ein  zwischengeschobenes  öi'j  würde  die  handlung  des  letzten 
verbi  nur  mühsam  nachschleppen.  Da  aber  einmal  die  meisten 
anzeichen  das  Vorhandensein  einer  silbe  vermuthen  lassen,  » 
so  dürfte  das  ominöse  dvaai  uv  am  leichtesten  in  dvaaa&ai 
zu  verändern  sein ,  zumal  da  die  mediale  form  dieses  verb's 
gar  häufig  bei  attischen  Schriftstellern  sich  findet  und  durch  das 
vorangehende  Gut  eher  berechtigt,    als  überflüssig  gemacht  wird. 


Nr.  3.  49.  Piaton.  115 

Dieselbe  stelle  giebt  dem  verf.  Gelegenheit ,  den  nachweis  zu 
versuchen,  dass  an  vielen  stellen  eine  vertauschung  von  8f] 
und  uv  anzunehmen  sei.  Das  lässt  sich  zwar  für  eine  anzahl 
derselben  einräumen,  aber  selbst  nicht  für  alle  diejenigen,  wo 
av  neben  einer  indicativform ,  wie  itfti*  oder  slatv  zu  stehen 
kommt,  weil  in  einigen  der  sinn  vielmehr  ein  bewahren  von 
av  und  demgemäss  eine  Veränderung  des  indicativ  in  die  ent- 
sprechenden optatiyformen  tu]  oder  thv  zu  fordern  scheint.  Mit 
recht  schreiben  daher  die  Züricher  Gorg.  492  E:  Ol  ).C9oi  yag 
av  ovtco  ys  neu  ol  vexool  evdaifxuvicfTazoi,  da  ovzco  offenbar  die 
stelle  eines  in  den  vorhergehenden  Worten  (xyStvog  Stousvot  ent- 
haltenen konditionalen  nebensatzes  vertritt,  während  der  verf.  das 
von  mehreren  codd.  beglaubigte  tlaiv  bereitwillig  aufnimmt,  um 
die  beliebte  Verwandlung  von  av  in  8r]  vornehmen  zu  können. 
Um  ferner  das  in  Clark.  Vat.  0.  Vindob.  vorhandene  iaxiv 
zu  halten,  sieht  er  sich  Euthyd.  298  A  B:  ovxovv  xal  6  Xui- 
gedt'ifAog  i(ft]  BTBQOg  av  TmTQOs  ovn  av  auTrjQ  sitj,  genöthigt ,  die 
worte  ovx  av  fallen  zu  lassen,  o'vxovv  zu  accentuiren  anstatt 
ovxovv  und  dadurch  eines  wirksamen  gegensatzes  verlustig  zu 
zu  gehen.  Dieser  gegensatz  würde  aber,  vorausgesetzt  dass  die 
lesart  der  guten  codd.,  iauv,  richtig  wäre,  ungeschwächt  erhal- 
ten, wenn  man  das  zu  dem  indicativ  nicht  passende  ovk  av  in 
ovdajxr^  verwandeln  könnte.  An  einer  andern  stelle,  die  in 
§.  15  besprochen  wird,  nämlich  Euthyd.  295  A,  hat  Schanz 
die  von  Clark.  Vat.  0.  beglaubigte  auslassung  von  GjMoXo- 
yovvxa  adoptirt  und  ausserdem  xüv  oni  anstatt  xal  a&  geschrie- 
ben, indem  er  sich  auf  die  bekannte  struktur  deixvvvai  xi  lv 
iivi  beruft.  Indessen  hat  doch  der  Vorschlag  von  Badham, 
ouoicog  s%ovta  die  meiste  Wahrscheinlichkeit.  Dagegen  hat 
unter  andern  die  konjektur  zu  Euthyd.  301  A  r]8r]  ö'  18 ia  8s 
roh  up8qoiv  xtjv  ooqiuv  ine%tiQOvv  fAifitladai  anstatt  ißt]  8s  xolv 
ävSoolv  sehr  viel  empfehlenswerthes.  Zu  Protag.  312  A,  wo 
die  textesworte  lauten :  ii  av  eirzoipev  avzov  sivat,  od  J^ooxgareg, 
Tj  imaT(i.7r}v  xou  tzoiqoai  Seuov  Xsyeiv  glaubt  Schanz  ,  indem  er 
sich  durch  die  weglassung  von  r\  in  den  bessern  handschriften 
gebunden  fühlt,  xC  uv,  ti  t'inoifxEv  x,  x.  X.  verbessern  zu  müs- 
sen, natürlich  nicht  ohne  ergänzung  von  Xiyoig  oder  si'noig. 
Zu  gleicher  zeit  glaubt  er  ,  dass  diese  wendung  der  schüchter- 
nen haltung  des  Hippokrates  besser    entspreche,    führt  aber  als 

8* 


116  49.  Piaton.  Nr.  ». 

gewähr  für  dieselbe  keine  stelle  aus  Plato,  sondern  nur  zwei  aus 
Aristophanes  an  (Nub.  154  und  Lys.  399).  Jedoch  wäre  mei- 
ner ansieht  nach  viel  einfacher  die  Veränderung  von  rl  av  in 
Ti  «/.?-.',  weil  dem  v  sehr  leicht  ein  doppeltes  X  zu  gründe  lie- 
gen kann  und  weil  die  konstruktion  dann  weiter  nichts  auffallen- 
des bietet.  Die  Worte  würden  dann  lauten:  ti  aW1  sinointv  av~ 
tov  mai,  w  ^cüx/mret,',  )j  iniarätrtv  tov  notijaai  deitnv.  Aehn- 
lich  findet  sich  die  aufeinanderfolge  von  ti  und  aXXo ,  wenn 
auch  durch  einige  worte  getrennt ,  im  Phaed.  63  D  und  den 
stellen,  welche  der  verf.  selbst  p.  86  citirt.  Von  der  thatsache 
ausgehend ,  dass  die  platonischen  codd.  interpolirt  sind ,  weist 
der  verf.  (§.  14)  nach,  dass  die  bessern  oft  mehr,  als  die 
schlechteren  an  interpolation  gelitten  haben.  So  wird  z.  b. 
Gorg.  461  C  -nai  vißls  als  interpolation  bezeichnet  und  an  Euthyd. 
278  B  nachgewiesen,  dass  iai  zweimal  auszulassen  sei.  Die 
autorität  des  Clarkianus  ist  für  den  verf.  so  zwingend,  dass  er, 
weil  Euthyd.  276  D  dieser  codex  und  der  Vaticauus  xai  hinter 
tjQOjra  nicht  haben,  auch  dies  letztere  wort  als  überflüssig  ver- 
wirft. Im  Euthyd.  300  C  lautet  der  überlieferte  text:  olxovv 
xal  ia  Xt'yovra  ötya^ ,  sirrtg  tcöv  andvTwv  iari  sc.  ia  Xt'yorta, 
wie  der  verf.  in  gedanken  ergänzen  will.  Die  lesart  Winkel- 
mann's  \t-y6fitra  ist  nicht  zu  halten  und  leyovtn,  was^  Vat.  0 
bietet,  kann  allerdings  für  eine  interpolation  gelten,  aber  noth- 
wendig  ist  es  nicht;  denn  in  dem  sophistischen  schluss  ist  eine 
Wiederholung  des  Wortes ,  auf  welches  das  volle  gewicht  der 
rede  fällt,  durchaus  nicht  so  überflüssig.  Dagegen  ist  vollkommen 
zu  billigen  die  ansieht  des  verf. 's,  dass  Protag.  319  D  der  müssige 
zusatz  des  Bodl.  und  Vat.  ötoix/JtftoK  zu  tilgen  sei  und  nur  zu 
schreiben  nsg)  tä>v  iq^  wo'Xfcoc,  was  allerdings  mehr  platonische 
färbung  verräth.  In  den  folgenden  stellen  (p.  63  ff )  weist  der 
Verf.  nach ,  dass  in  viele  platonische  partien  konjunetionen 
eingeschmuggelt  sind,  die  nach  gewähr  der  besten  codd.  uud 
nach  aualogie  anderer  stellen  entfernt  werden  müssen,  wie  nXXoi 
vor  ort  in  Euthyd.  274  B.  Dass  derselbe  process  in  einigen 
ßtellen  auch  mit  ovv  vorzunehmen  sei,  lasst  sich  wohl  anneh- 
men; wenn  aber  der  verf.  diese  partikel  auch  aus  Phaedr.  246 
inkta.  (»UV  ovv  ovaa  xat  MiTSQUifJLSPlj  (itTtcononoyti  te  xut 
nuvTa  tov  xoafiov  dioixti.  tj  8f.  TTTEoocipvi'jauaa  cpt^erui,  sag  ccv 
ortQtov    tivoa  ml.    entfernen    will,    so    kann    ich    dieser    mass- 


Nr.  3.  49.  Piaton.  117 

regel  nicht  beistimmen,  da  es  sich  hier  um  eine  nothwendige 
Schlussfolgerung  aus  der  ganzen  vorhergehenden  entwickelung  des 
mythus  handelt  und  ich  nicht  durch  eine  der  kleinen  ungenauig- 
keiten,  von  denen  eingestandenermassen  selbst  die  besten  codd. 
nicht  frei  sind,  den  gedanken  selbst  beeinträchtigt  sehen  möchte. 
Der  Euthydemus,  den  der  verf.  mit  Vorliebe  behandelt  und  von 
dem  er  eine  besondere  ausgäbe  verheisst,  wird  in  §.  20  noch- 
mals einer  besondern  durchsieht  unterworfen  und  es  werden, 
abgesehen  von  der  an  diesem  dialog  im  ganzen  glücklich  geüb- 
ten kritik  zu  p.  279  D  und  anderen  stellen  bemerkungen  ge- 
macht, die  für  die  kenntniss  des  platonischen  Sprachgebrauchs 
von  grosser  Wichtigkeit  sind.  Hinsichtlich  des  textes  von  p. 
280  D  ist  mir  die  verderbniss  der  Worte  dög  ovöh  oytXog  rijg 
xr/Juioos'  yiyrEjai  ebensowenig  zweifelhaft  wie  dem  verf. ,  aber 
ich  weiche  in  der  herstellung  der  richtigen  lesart  ein  wenig 
von  ihm  ab  ,  indem  ich  nicht  aXXtog  hinter  mg  ergäuze,  sondern 
annehme,  dass  mg  das  noch  vorhandene  Überbleibsel  von  aXXcog 
sei,  wie  ich  schon  Philol.  XXX,  p.  685  nachgewiesen  zu  haben 
glaube.  Auch  ist  ja  in  keiner  der  drei  vom  verf.  angezoge- 
nen belegstellen  (Rep.  HI,  390  E.  Gorg.  525  B.  Charm.  168 
D)  ein  mg  vor  äXXmg  zu  entdecken.  Ferner  will  der  verf.  p. 
290  B  statt  avirjg  schreiben  ctv^r},  was  wegen  der  folgenden 
Wendung  im  nXsov  ean'v  sich  wenig  empfiehlt.  Dem  sinne 
kommt  die  konjektur  von  Heindorf  dvvafiig  und  die  von  Orelli 
uGxitaig  am  meisten  entgegen.  Indessen  vermuthe  ich,  dass 
hinter  avt^jg  die  worte  «  X  X  r\  rs^vi]  verborgen  sind,  so  dass  zu 
lesen  sein  würde:  ovdtfiia  sqiJ]  rrjg  &7]Q8vrmtjg  uXXi]  ri^v?]  im 
nXtov  £oz)r,  /}  ogov  &rjQnvaai  neu  ysiQmaaa&ai.  Nach  recht  ein- 
gehenden Untersuchungen  über  die  krasis  bei  Plato  (§.  22), 
werden  in  §.  25  die  sckicksale  des  cod.  Clarkianus  erzählt,  das 
werthvolle  buch  selbst  einer  genauen  beschreibung  gewürdigt 
und  in  seiner  eigenthümlichkeit  und  seinen  charakteristischen 
formen  dargestellt.  Die  zahl  der  compendien  ist  gering,  grösser 
verhältnissmässig  die  zahl  der  schadhaften  stellen.  Der§.  27  han- 
delt von  den  scholien  des  Clarkianus,  von  denen  besonders  zwei 
hauptklassen,  die  eine  vor,  die  andere  nach  saec.  XH  unter- 
schieden werden.  Dann  beschäftigt  sich  §.  28  mit  emendation 
von  stellen  aus  Phaedon  (nach  den  codd.  Clark,  et  Tubing.),  und 
in  §.  29  werden  zwei  rezensionen  dieses  dialogs  mit  hülfe  der- 


118  49.  Piaton.  Nr.  3. 

selben  codd.  unterschieden  und  diese  Scheidung  auf  mehrere 
stellen  mit  erfolg  angewendet.  Es  wird  mit  diesem  kritischen 
apparat  unter  andern  der  beweis  geführt,  wie  gar  oft  von  spä- 
terer hand  die  kopula ,  verschiedene  pronominal  -  und  arti- 
kelformen, endlich  auch  falsche  tempora  sich  in  den  text  einge- 
schlichen haben ,  wenn  die  abschreiber  an  den  ursprünglichen 
anstoss  nahmen.  Bei  dieser  gelegenheit  wird  auch  an  das  ver- 
ständige urtheil  von  Cobet  appellirt  und  weiterhin  (p.  142) 
bemerkt ,  dass  manche  interpolationen  aus  dem  bestreben  der 
abschreiber  hervorgegangen  seien,  den  lesern  zu  zeigen,  dass  der 
schriftsteiler  auch  so  und  so  hätte  schreiben  hönnen  oder  wie  sie 
wohl  wünschten,  dass  er  geschrieben  hätte.  So  kann  man  un- 
ter andern  die  annähme  von  svlaßovfxsvoi  als  interpolation  im 
Phaed.  91  C  entschieden  billigen ,  entstanden  aus  der  absieht, 
die  wendung  itavxi  Xoycp  avTizsivstE ,  oncog  (iq  thunlichst  zu 
erklären.  Dass  die  abschreiber  bisweilen  durch  eine  glückliche 
konjektur  den  schwankenden  text  hergestellt ,  wird  nach  Co- 
bets  Vorgang  nicht  bezweifelt  und  an  mehreren  stellen  erläutert 
(p.  148  ff.).  Gegen  ende  dieses  paragraphen  werden  die  ver- 
hältnissmässig  wenigen  differenzen  zwischen  dem  tübinger  codex 
und  dem  Clarkianus  aufgezählt  und  endlich  das  verhältniss, 
in  welchem  Vat.  A  und  Ven.  II  zu  den  oben  besprochenen 
codd.  stehen,  dargelegt.  Welche  änderungen  in  einzelnen  for- 
men vorzunehmen  seien,  besonders  hinsichtlich  der  mit  er  oder 
£  anfangenden  Wörter,  des  i  subscriptum  und  des  v  icpsXxvoTixöv, 
wird  in  §.  30  behandelt,  sodann  in  §.  31  der  cod.  Tubing.  ge- 
nauer beschrieben,  in  §.  32  die  auffallenden  spuren  einer  ma- 
wus  seeunda,  wie  früher  am  Phädon,  an  andern  dialogen  nach- 
gewiesen und  endlich  in  §.  33  mit  der  emendation  einer  klei- 
neren anzahl  von  stellen  der  beschluss  gemacht. 

Wirft  man  noch  einen  kurzen  rückblick  auf  Phaed.  70  C 
(p.  134),  so  scheint  die  verbessernde  hand,  von  welcher  das 
marginale  des  Clarkianus  stammt,  das  richtige  wenigstens  an- 
gedeutet zu  haben,  weil  das  pronomen  oviog  bei  der  patheti- 
schen einführung  von  mythen  oder  mythisch  gehaltenen  stellen 
häufig  wiederkehrt,  so  dass  nicht,  wie  Schanz  annimmt,  zu  schrei- 
ben ist:  naXatog  [iev  ovv  eati  iig  o  Xöyog,  ov  fiefirtjfie&a  ,  son- 
dern mit  verwerthung  von  ovrog,  das  hinter  ovv  verborgen  sein 
kann  und  indem  man  zig  als  dittographie  der  letzten  silbe  von 


Nr.  3.  50.  Galenus.  119 

iöii  bezeichnet,  vielleicht:  naXaihg  ^sv  ooiog  sariv  6  Xöyog, 
ov  [A8^p^[xedat  womit  zu  vergleichen  p.  97  D  und  ähnliche  stellen. 
Dieser  für  die  fülle  des  materials  nur  kuze  bericht  zeigt 
doch  wohl,  wie  durch  dies  buch  die  platonische  kritik  und  ne- 
benher auch  die  kenntniss  des  platonischen  Sprachgebrauchs 
wesentlich  gefördert  worden  ist. 

C.  Liebhold. 

50.  Regiae  Friderico  -  Alexandrinae  literarum  universitatis 
prorector  Dr.  C.  Hegel  —  successorem  suum  —  commendat. 
Praemissae  sunt  Iwani  Muelleri  quaestiones  criticae  de  Galeni  li- 
bris  n  £  gl  i  <äv  x  a  #'  'lnnoxgäzi]v  xal  Jlldt  a>  v  a  So  y  p  «- 
tod»'.     Erlangae,  1871.     4.     pp.  19. 

Prof.  Müller  will  diese  neun  bücher  Galens  neu  herausge- 
ben und  hat  dafür  die  vergleichungen  dreier  handschriften ,  ei- 
ner der  Marcusbibliothek  in  Venedig  (284),  des  15.  Jahrhun- 
derts, einer  der  Laurentiana  (74,  22),  des  14.  Jahrhunderts, 
und  einer  Cambridger  (47),  ausserdem  zweier  auszüge,  die  sich  in 
Paris  finden.  Aber  für  die  florentiner  und  die  Cambridger  er- 
giebt  sichj  dass  sie  die  sich  ergänzenden  theile  einer  und  der- 
selben handschrift  sind  (p.  10).  Wie  verdorben  der  text  Ga- 
lens sei,  klagt  auch  der  vf.  mit  vollem  recht;  wie  viele  lücken 
sich  füllen,  wie  viele  sinnentstellende  fehler  sich  verbessern  las- 
sen, wenn  man  die  handschriften  zu  rathe  zieht,  so  jung  und 
nachlässig  geschrieben  sie  sein  mögen ,  zeigen  die  acht  stellen, 
die  p.  15  ff.  besprochen  werden.  In  den  meisten  derselben  leuch- 
tet die  richtigkeit  der  aus  den  handschriften  gewonnenen  Ver- 
besserungen ohne  weiteres  ein.  Auch  p.  495,  15  ist  es  si- 
cher, dass  zu  lesen  sei:  ovötig  yovv  [iür  yug)  insrifiijasv  iavzcp 
nore  xal  dagyia&i],  8iöti  tmv  dxai'gmg  (doch  wohl  dxaCgav)  ini~ 
&Vfniäv  äqitöiao&ai  ngoaigsiiai.  zig  (f.  ngoutgshai.  ei'neg  rig) 
ydg  Iv  voacp  räv  ufis'rgcog  diaxato  ft  iv  oo  v  In  i&  v  fiovvt  cav 
TS  n  6  [iazo  g  \pv%gov  (für  dphgoog  avyxaiofit'pcov  ogeyoftevog 
nd\na  io  \pv%gov  ögixrjv  nXeovu^ovauv,  ivrev&sv  negt  no/Autog  xpv- 
%gov),  Xoyiad/xevog  6).s&gov  o'iativ  avrw  (1.  avrcjj)  io  nö\xa  xal 
ßXdßrjv  ia%äT?]v  (für  ib  nofia  iaxuTijv),  tlt  iniaiav  ttjv  ogfxtjv 
xaid  TTjv  xpv^ijv  BTiszlftrjaev  avTap  (für  aurcö)  xal  (hoyioOrj,  8i6ti 
xaXäg  iXoyiauTo  ;  ovdslg,  cog  olftut,  dndviwv.  Bis  auf  eine  än- 
derung,    die    von  Iw.  Müller   selbst  herrührt.      Statt    xard  rrjv 


120  51.  52.  Antiphon.  —  Dinarchus.  Nr.  3. 

ipv%r]v  haben  die  ausgaben  und  handschriften  xal  xatd  rag  \pv- 
%oig  cii,'.  Das  dafür  vermuthete  nara  rqv  ipv%i]i>  liegt  weit  ab 
und  wäre  ganz  überflüssig.  Auch  drückt  sich  Galen  sonst  nir- 
gend so  aus.  Vergleicht  man  dagegen  p.  794  z.  e.  aal  noXld* 
mg  [asv  EXQCttrjGEv  afia  7(jj  XoytG(*q)  ir/g  ufitTQov  xivtjoeoog  10V 
dxolda-iov  r7jg  tyv%rjg  ei'dovg,  so  ergiebt  sich,  wie  ich  glaube, 
mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  die  besserung:  rijv  ögurjv  rov 
dy.o'käßtov  rtjg  xpv^tjg  instCfAtjaEv  — .  Der  ausgäbe  der 
galenischen  schrift  darf  man  also  mit  schöner  erwartung  ent- 
gegensehen. H.  S. 

51.  Antiphontis  orationes  et  fragmenta  adiunetis  Gorgiae 
Antisthenis  Alcidamantis  quae  feruntur  declamationibus  edidit 
Fridericus  Blass.     8.     Lipsiae.  Teubner.  1871. —   15  ngr. 

52.  Dinarchi  orationes  adjeeto  Demadis  qui  fertur  fragmento 
edidit  Fridericus  B  lass.  8.  Lipsiae.  Teubner.  1871. —   15ngr. 

Wir  nehmen  diese  beiden  ausgaben,  die  sich  schnell  folg- 
ten, nicht  blos  deswegen  in  eine  anzeige  zusammen,  weil  sie 
von  dem  gleichen  gelehrten  veranstaltet  sind,  sondern  auch  aus 
dem  gründe,  weil  der  text  der  beiden  redner  durch  die  glei- 
chen handschriften  repräsenlirt  ist:  was  wir  also  allenfalls  über 
das  verhältniss  der  Codices  zu  einander  und  über  die  art,  wie 
der  herausgeber  sich  zu  der  handschriftlichen  Überlieferung  stellt, 
zu  bemerken  haben,  trifft  beide  redner  und  beide  ausgaben 
gleichmässig. 

Die  von  Blass  in  der  bibliotheca  Teubneriana  besorgten  edi- 
tionen  der  redner  (ausser  den  beiden  hier  zu  besprechenden  be- 
kanntlich noch  Hypereides  1869  und  Andocides  1871)  sind 
sehr  zweckmässig  und  bequem  eingerichtet.  Die  frühere  sitte, 
die  adnotatio  critica  in  die  vorrede  zu  verweisen ,  mag  für  das 
äuge  gefälliger  sein:  die  jetzt  bei  Weidmann  und  Teubner  nach 
altern  mustern  wieder  eingeführte  einrichtung,  einen  kurzen  ap- 
paratus  criticus  unten  am  rande  mit  dem  texte  fortlaufend  an- 
zubringen, ist  nicht  bloss  für  den  gelehrten  viel  bequemer,  son- 
dern hat  auch  den  noch  höher  anzuschlagenden  vorzug,  den 
herausgeber  zu  consequenter  rechenschaft  und  zu  einer  gewis- 
sen Vollständigkeit  zu  nöthigen.  Blass  hat  es  nun  verstanden 
in  knappem  räum  das  wesentlichste  des  handschriftlichen  mate- 
riales    sowie    der  besserungsvorschläge  der  gelehrten  vollständig 


Nr.  3.  51.  52.  Antiphon.   —   Dinarchus.  121 

und  genau  mitzutheilen.  Das  erstere  hat  er  aus  den  frühern 
ausgaben,  unter  denen  besonders  die  von  Mätzner  hervorzuhe- 
ben sind,  zusammengestellt:  eigenes  bietet  er  dabei  wenig,  nur 
sporadisch  hat  er  an  besonders  schwierigen  oder  wichtigen  stel- 
len (s.  praefatio  zu  Antiphon,  p.  III,  zu  Dinarch.  p.  VII)  den 
Crippsianus  (cod.  A)  selbst  eingesehen  und  insbesondere  sich 
bemüht,  den  zweiten  corrector  vom  ersten  in  dieser  handschrift 
genauer  zu  scheiden  als  es  bisher  der  fall  war:  doch  theilen 
wir  den  wünsch  R.  Schölls  (in  der  anzeige  der  ausgäbe  des 
Antiphon  in  den  neuen  Jahrb.  f.  phiiologie  103,  p.  298),  es  möchte 
dies  noch  consequenter  geschehen  sein;  das  bedürfuiss  hiezu 
empfand,  wie  es  scheint,  Blass  erst  bei  Dinarch  (praef.  p.  III 
note)  und  zwar  zu  einer  zeit,  wo  er  ihm  nicht  mehr  vollstän- 
dig gerecht  werden  konnte.  Hier  und  da  ist  uns  auch  die 
Tragweite  der  ausdrücke,  deren  sich  Blass  im  apparatus  criticus 
bedient,  nicht  ganz  klar.  Z.  b.  Dinarch  1,77,  hat  der  text 
Httßövrag:  in  der  adnotatio  steht:  laßoviag  pr.  A  corr1.  Ist 
nun  Xaßoptag  die  ursprüngliche  Schreibart  oder  die  durch  cor- 
rectur  entstandene?  Ferner  wodurch  unterscheidet  sich  A.  corr1 
von  A  corr,  welche  bezeichnung  nach  praefat.  p.  VII  not. 
doch  auch  nur  die  correctur  von  erster  hand  ausdrücken  soll? 
Din.  1,  102  extr.  sollte  wohl  statt  vuszigag  stehen:  rm  er  s q  a  g 
NAB  Bk  Turr. 

Die  vorreden  geben  eine  dankenswerthe  Übersicht  über  die 
kritischen  fragen,  die  sich  bei  diesen  beiden  rednern  und  über 
die  kleinen  ihnen  angehängten  stücke  von  zum  theil  sehr  be- 
strittener echtheit  erheben ;  ausserdem  führen  sie  die  literatur, 
die  sich  an  diese  fragen  knüpfte,  die  monographien,  abhandlun- 
gen  neuerer  gelehrter  vollständig  an.  Unter  den  vertheidigern 
der  echtheit  der  reden  des  Dinarch  praef.  p.  IX,  note  ***  hätte 
auch  Leopold  Schmidts  aufsatz :  die  politik  des  Demo- 
sthenes  in  der  harpalischen  sache  im  Neuen  Rhein.  Mus. 
XV,  p.  212  ff.  (vgl.  insbes.  über  Dinarch  p.  217,  p.  232: 
über  die  stilistische  eigenthümlichkeit  des  Dinarchos)  genannt 
werden  sollen. 

In  der  gestaltung  des  textes  selbst  ist  der  herausgeber  mit 
Scharfsinn ,  aber  auch  mit  ziemlicher  kühnheit  verfahren.  Er 
nimmt  eine  reihe  von  conjecturen  anderer,  so  wie  eigene,  wor- 
unter mehrere  treffend  zu  nennen    sind ,    in    den  text  auf :  eine 


122  51.  52.  Antiphon.  —  Dinarchu3.  Nr.  3. 

ziemliche  zahl  neuer  vorschlage  macht  er  ferner  frageweise  un- 
ter dem  texte  geltend.  Wir  besprechen  zunächst  in  zwanglo- 
ser folge  solche  stellen,  in  welchen  die  handschriften  überein- 
stimmen :  Din.  1,  5  ist  die  Verwandlung  des  sonderbaren  aus- 
druckes  itjv  niativ  tijv  tzbq!  avt^g  in  t?]v  ni'aziv  irjv  nat  g  {av 
avttjs  beifallswerth ;  unnöthig  1,  6  die  conjectur  ovaiag  statt 
tfjv^tjg,  vgl.  die  von  Maetzner  beigebrachten  beispiele  5  1,  66  ist 
uns  die  tilgung  von  tiqmtov  unverständlich:  denn  die  übrig  blei- 
benden worte  sind  ein  ganz  nichtssagender  von  jedem  bestoche- 
nen gültiger  zusatz  und  der  von  Mätzner  herausgefundene  Wi- 
derspruch gegen  3,  7  hat  bei  einem  solchen  redner  wahrlich 
keine  bedeutung.  1,  80  schiebt  Blass  zur  herstellung  eines 
richtigen  erst  mit  insidi]  (yag)  beginnenden  satzes  vor  avaaxeva- 
aäfisvog  ein  cpxeT0  eiQ  ;  m^  dem  grundgedanken  einverstanden, 
möchte  ich  doch  im  vorhergehenden  statt  xazaaxtvdaag  einfa- 
cher xatsaxsvd  cssv  schreiben,  wodurch  das  verbum  finitum  herge- 
stellt ist,  vgl.  103:  ixsivov  vvv  asavzbv  xaraaxsvd^eig.  1,  105 
ist  es  gewiss  ein  sehr  richtiger  gedanke  des  herausgebers  nach 
arzocpdasai  einen  punkt  zu  setzen  und  das  folgende  /ttj^oa&tvtjg 
siadysrai  ngärog  als  selbständigen  satz  zu  fassen:  im  vorher- 
gehenden leuchtet  uns  dagegen  die  Verwandlung  der  corrupten 
Worte:  zb  yeyevqfjie't'ov  sldog  in  avzov  zo  y  s  ysP^f*B*o  $  elöo- 
zog  nicht  viel  mehr  ein  als  andere  zu  dieser  bedenklichen  stelle 
beigebrachte  Verbesserungsvorschläge.  Ich  glaube  hier  den 
gleichen  sinn  statuiren  zu  müssen  wie  3,  5  ov  rag  dnotfdatig 
ol/xai  vvv  xoüeaftai, ...  dlla  negi  fiovTjg  zijg  zi^oogiag  vfiäg  dtir,  und 
conjicire  also  hier:  ov  zo  ytyevquiiov  i  l-ez  «'  a  ovz  s  g,  nfimoiag 
ö'  eWx«. ..:  über  das  part.  fut.  vrgl.  3,  16.  Hübsch  ist  2,  7  die 
conjectur  ov  Sixaimg  ov8e  iacog  statt  ovÖtlg  ws'  von  N  und  A, 
wenn  wirklich  die  ergänzung  xavvq  mazevasi  in  A  nur  dem  zwei- 
ten corrector  angehört;  warum  aber  nicht  einfach  ov  Öixaioog, 
welches  so  leicht  in  ovdelg  d>g  übergehen  konnte?  3,  4  wird 
von  Blass  mit  recht  ein  s  v  0  g  eingeschoben ,  was  der  gegensatz 
/4&?]i>aiovg  ndvzag  verlangt,  2,  22  in  dXXd  xonovg  xai  xaia  rüp 
aXXoov  dv&Qmnojv  ist  nicht  dirdtzcov  ,  wie  Blass  meiut,  statt  av- 
domnaiT  zu  schreiben;  denn  das  passt  nicht  in  den  Zusammen- 
hang, wohl  aber  ein  begriff  wie  xaxäv  oder  döixcov  oder 
7Tov7]Qmv   einzuschieben:  s.  3,  14.  2,  4. 

In  Antiphon  1,  3  hätte    das   von  Lehner  und  Mätzner  ge- 


Nr.  3.  51.  52.  Antiphon.  —  Dinarchus.  123 

strichene  nsol  xaTn\ptj<fCaecog  nicht  wieder  in  den  text  einge- 
setzt werden  sollen,  ebenso  wenig  nvdnfjth'rjin  1,  14;  denn  dass 
die  angeklagte  damals  noch  nichts  von  dem  vorhaben  des  Phi- 
loneos  wusste,  geht  aus  dem  folgenden  alu&ofiei")]  xtX.  her' 
vor.  In  1,  10  ist  Mätzners  conjectur:  dlnuiöv  iartv  elvai, 
welehe  Blass  in  den  text  aufnahm  statt  des  von  den  handschrif- 
ten  gebotenen  dwcuov  sazai,  falsch;  denn  nicht  was  er  jetzt 
darüber  denkt,  sondern  was  er  damals  dachte,  soll  angegeben 
werden;  dass  dies  in  indirecter  rede  geschah  beweist  der 
ohne  einen  vorhergehenden  accus,  c.  infinitivo  oder  ort  unbe- 
greifliche optativ  uvayxätoi  im  folgenden.  Ref.  schreibt  sae- 
G&ai,  und  ixavov  statt  Sixatov,  das  letztere  mit  Eeiske.  1, 
1,  hat  Blass  richtig  7«  vor  avra  eingeschoben.  Dagegen  be- 
greifen wir  nicht ,  was  die  conjectur  nagaitela&ai  statt  alrsT- 
c&ai  in  1,  12  bedeuten  soll:  man  vrgl.  die  nämliche  construc- 
tion  in  1,  23:  iya>  <5'  vfiäg  vnlg  roh  itüngog  fiov  Ts&iewzog  al- 
zovfiai,  oncoq  navt\  zoönoa  dw.  Und  5,  32  :  vvv  8s  avtoi  r\Gav 
xai  ßaGariGTal  ttat  inni^r/zul  (,u£7«)  räv  acpiotv  avzoTg  avfxcps- 
qovtcov  ,  leuchtet  uns  dieses  eingeschobene  i*etu  ebenso  wenig 
ein  als  R.  Scholl  in  Jahrb.  f.  Philol.  103,  p.  303.  Indessen  ist 
auch  dessen  erklärung  nicht  befriedigend.  Wir  schreiben  in  t- 
fislrjtai  7wv   aqti'aiv   xtX. 

An  der  oben  angeführten  stelle  Antiphon  1,  23  hat  codex 
A:  vmo  Trjg  ^rj7Qog  zijg  avTOii  ^äarjg ;  N  lässt  das  erste  rijg 
weg;  ibid.  A:  vnso  rov  nargög  pov  re&vsöozog  ;  N  bloss  vnso 
narnog  pov.  Blass  hat  nur  dem  codex  N  zu  liebe  nach  Franke 
geschrieben:  vnso  nqzoog  und  vjtsq  nargbg  roifiov.  Wir  ge- 
ben zu,  dass  auch  dies  griechisch  ist;  aber  es  entspricht  nicht 
dem  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  und  am  allerwenigsten  dem- 
jenigen unserer  rede  ;  dann  narijn  und  i^r^tjo  haben,  wenn  sie  mit 
einem  pronomen  possessivum  oder  einem  genetiv  verbunden  sind, 
den  artikel  immer  vor  sich:  vgl.  3,6,7,9,  14,15,  16.  19  (in  6 
zrjg  [ir]7Qviäg  7ijg  l/ui/g),  20,  24  u.  s.  f. :  nie  steht  der  artikel 
bloss  nach  dem  Substantiv.  Ebenso  wenig  können  wir  es  bil- 
ligen, wenn  von  Blass  1,  12  demselben  codex  N  zu  lieb  7ov- 
7cov  öeXoptcov  statt  l9slöv7(ov  geschrieben  wird  gegen  die 
regel  (Kuehner  Ausf.  gr.  gr.  I,  p.  148),  dass  &s'\co  nur  nach 
vocalen  oder  diphthongen  stehe  mit  ausnähme  des  formelhaften 
av  &sog  &tXrj,  welches  z.  b.  Din.  2,  3  vorkommt.     Nach  unse- 


124  51.  52.  Antiphon.  —  Dinarchus.  Nr.  3. 

rer  beobachtung  wäre  dies  das  einzige  beispiel  im  ganzen  An- 
tiphon, welches  dieser  regel  widerspräche.  Ebenso  ist  1 ,  30 
nai  dt]\o7<Tiv  fc»qp'  <äv  av  annXwvtai ,  was  Blass  dem  av  anoXnvv- 
rai  desselben  N  zu  liebe  in  den  text  gesetzt  hat,  falsch;  denn 
was  soll  hier  der  begriff  von  quicunque?  (s.  Scholl  p.  301):  und 
so  kommen  denn  auch  wir  zu  dem  resultate ,  dass  Blass  die 
consequenz,  die  lesarten  des  Oxoniensis  zum  ausgangspunkt  zu 
nehmen,  zu  weit  getrieben  hat. 

Es  führt  uns  dies  auf  die  allgemeine  frage  über  das  ver- 
hältniss  der  handschriften  in  unsern  beiden  rednern.  Folgendes 
sind  die  von  Blass  darüber  aufgestellten  grundsätze: 

1)  der  Consensus  von  NAB  gegenüber  den  andern  (LZM) 
ergiebt  überall  oder  fast  überall  das  richtige.  —  In  der  tbat 
stimmen  diese  drei  handschriften  z.  b.  im  ganzen  Dinarch  an 
17  oder  18  stellen  gegen  die  andern;  und  nur  an  einer  (Din. 
1,  113,  NAB:  sri;  LMZ:  ort)  könnte  a  priori  ein  zweifei  an 
der  richtigkeit  ihrer  lesart  aufgestellt  werden ; 

2)  sehr  bedeutsam  ist  der  consensus  von  N  und  A,  d.  h. 
mit  abzug  dessen  was  der  zweite  corrector  in  A  hineinbrachte. 
Die  zahlen,  welche  Blass  besonders  in  der  vorrede  zum  Dinarch 
gegeben  hat,  sind  im  ganzen  richtig  —  wir  unserseits  haben 
in  dem  letzten  redner  zwischen  50 — 60  solche  fälle  gezählt;  in 
circa  40  sind  alle  ausleger  einig,  NA  zu  folgen. 

Wir  erhalten  nun  freilich  darüber  keinen  aufschluss,  wie 
sich  Blass  das  verhältniss  von  BLZM  zu  einander  denkt. 
Ich  rechne  dieselben  als  repräsentanten  einer  familie  und 
mache  aufmerksam  auf  Din.  1,  71,  wo  BLZM  gemeinsam  iv 
toig  statt  ivrog  haben;  Din.  1,  83  und  84  ist  ihnen  ferner  ge- 
mein die  auslassung  von  -ipijCfiafia  und  ?}  ßnvltj.  Weiter  bilden 
aber  LZM  innerhalb  dieser  familie  eine  für  sich  stehende  gruppe: 
B  steht  ihnen  coordinirt  gegenüber  und   nähert  sich  A. 

Es  erhebt  sich  aber  eine  zweite  wichtige  frage,  wie  sich  die 
gruppe  BLZM  zu  A  verhalte.  Ist  dieselbe  aus  A  durch  cor- 
rectur,  interpolation,  willkür  u.  s.  w.  entstanden  oder  stammt  sie 
aus  einer  andern  familie,  die  für  sich  kritische  gewähr  hat, 
wenn  auch  ihre  quelle  getrübt  erscheint?  Blass  scheint  das 
letztere  anzunehmen;  nach  ihm  schöpfte  der  zweite  corrector  von 
A  (p.  IV  in  vorr.  zu  Din.)  aus  einem  Über  omnibus  numeris  dete- 
rior,  ab,  immerhin  also  aus  einer  handschrift;  praef.  p.  VI  meint 


Nr.  3.  51.  52.  Antiphon.   —  Dinarchus.  125 

er  ceteros  ex  A  correeto  ßuxisse  non  improbabile  est ;  vielleicht 
verhält  es  sich  in  dieser  letzten  beziehung  umgekehrt.  So  viel 
ist  aber  sicher :  A2  (der  zweite  corrector  von  A)  gehört  zur 
gruppe  BLZM;  schöpft  er  aus  einer  vom  A  unabhängigen 
handschrift?  wenn  ja,   wie  verhält  sich  diese  zu  A  selbst? 

Man  könnte  nun  freilich  einwenden,  diese  frage  sei  irrele- 
vant, da  A  (resp.  A1)  und  N  meistens  ausreichen,  und  da  Blass 
als  dritten  grundsatz  aufstellt  bei  abweichungen  von  N  und  A 
ist  dem  erstem  unbedingt  der  vorzug  zu  geben.  Hierin  stimmt 
nämlich  Blass  mit  Mätzner  und  Franke  gegen  Sauppe,  welchem 
sich  R.  Schoell  im  genannten  aufsatze  angeschlossen  hat.  Un- 
beschadet der  oben  gemachten  bemerkung,  dass  Blass  die  con- 
sequenz  seines  dritten  satzes  übertrieben  hat ,  bemerke  ich  hier 
nur  soviel,  dass  auch  ich  in  dem  Schreiber  des  codex  N  nicht 
jenen  homo  doctus  und  emunctae  naris  entdecken  kann,  welchen 
Sauppe  sich  unter  ihm  vorstellt :  dazu  hat  er  zu  viel  sinnloses 
geschrieben.  Er  scheint  mit  der  griechischen  moduslehre  auf 
sehr  gespanntem  fusse  zu  stehn  ;  er  verwechselt  oft  t  und  rj,  o 
und  oj:  s.  Din.  2,  102,  Antiph.  1  ,  29.  —  Din.  1,  80  hat  N 
sinnlos  ^QijfASvag ;  es  liegt  aber  dem  richtigen  ^Qrjfif.vag  näher 
als  das  auf  einer  art  subjectiven  Verbesserung  der  Wörter  be- 
ruhende siotjuhag ;  und  so  könnten  wir  noch  mehrere  stellen 
der  art  anführen ,  die  sich  an  das  von  Blass  selbst  citirte  ztjv 
avtrjv  r(QX>)v  Diu.  2,  10  (cf.  praef.  Din.  p.  VI)  anschliessen. 

Auf  der  andern  seite  aber  lassen  sich  auch  die  von  Sauppe 
und  neuerdings  von  Scholl  nachgewiesenen  willkürlichkeiteu  im 
N  nicht  alle  wegdisputiren ;  sie  finden  sich  allerdings  weniger  in 
Dinarch  als  im  Antiphon.  Aber  auch  Din.  1,  7  ist  acpuXegwg 
statt  £t}Ttiv  und  das  wahrscheinlich  verdorbene  anqXd$aze  für 
inrjiiauzs  doch  nicht  reine  corruptel:  wahrscheinlich  sollte 
ayalegtüc  den  gegensatz  zu  dem  vorangegangenen  uacfaXzg  bil- 
den und  das  trügerische  spiel ,  weiches  Demosthenes  und  an- 
dere mit  dem  areopag  getrieben  hätten,  bezeichnen:  statt  unrj- 
Xü'lurs.  stand  wohl  ursprünglich  a  na  X  i a  a  t  s.  Allein  der  Schrei- 
ber des  codex  N  selbst  ist  es  sicher  nicht  gewesen,  der  der- 
gleichen etwa  wagte :  auch  nicht  ein  gelehrter,  der  desultorisch 
an  dieser  handschrift  herumcorrigirte:  denn  von  correctuien 
ist  sie  fast  ganz  frei.  Was  folgt  daraus?  dass  wir  eine 
gemeinsame     behauptung     von    Sauppe    und    Blass 


126  51.  52.    Antiphon.  —  Dinarchus.  Nr.  3. 

(praef.  ad  Din.  p.  VI:  videtur  autem  Crippsianus ,  quae  etiam 
Sauppii  nunc  sententia  est,  ex  eodem  exemplari  descriptus  esse  quod 
Oxoniensis  fons  fuitj  nicht  für  wahrscheinlich  halten 
können.  Vom  Standpunkte  Sauppe's  aus,  der  den  Schreiber 
von  N  selbst  für  den  scharfsinnigen  interpolator  hält,  ist  sie 
übrigens  berechtigt ;  mit  dem  Blass'schen  Standpunkte  steht  sie 
aber  in  Widerspruch.  Sind  nämlich  N  und  A  wirkliche  abschrif- 
ten  aus  demselben  codex,  so  lässt  sich  eine  so  colossale  abwei- 
cbung  wie  sie  zwischen  den  beiden  vorliegt,  nicht  nur  durch 
blosse  nachlässigkeit  erklären,  sondern  wir  müssten  systema- 
tische correctur  des  einen  oder  des  andern  annehmen:  bei 
N  nimmt  Blass  diese  nicht  an,  bei  A  wird  er  sie  noch  weniger 
statuiren  wollen.  Dagegen  lassen  sich  die  vielen  discrepanzen, 
wenn  man  sie  successiv  durch  mehrere  glieder  hin- 
durch bald  in  der  form  von  nachlässigkeiten  bald  in  derjeni- 
gen kecker  einfalle  auftreten  lässt,  recht  wohl  erklären.  Die 
nachlässigkeit  des  Schreibers  von  A  ist  entschieden  noch  grösser 
als  die  von  N :  er  hat  offenbar  sehr  unsicher  geschrieben,  sich 
sehr  oft  versehen,  so  dass  er  genöthigt  war,  durch  radiren  und 
corrigiren  nachträglich  wieder  so  viel  wie  möglich  gut  zu  ma- 
chen. Aus  diesem  gründe  halten  wir  auch  nicht  viel  auf  die  ra- 
suren  dieses  codex.  Ebensowenig  als  Din.  1,  82:  qv.  yüöag, 
oder  1,  13:  xaza  .  .  .  zrjg  nargCSog  auf  eine  andere  im  ori- 
ginal von  A  pr.  zu  gründe  liegende  lesart  hindeutet,  ebenso 
wenig  ist  dies  der  fall  1,  70  in  iovg  fisv  .  .  .  igya^ofisvovg 
oder  in  1,  84:  ngoyaeode  nybg  rovg  .  .  &  .  .  ovg  evofflttav, 
wo  allerdings  unser  Schreiber  vielleicht  zuerst  äi'&Qoonovg  ge- 
schrieben haben  mag,  wie  Blass  annimmt,  aber  ohne  dass  wir 
darin  etwas  anderes  als  eines  seiner  vielen  versehen  erblicken. 
Auf  der  seite  von  N  liegt  dagegen  eine  grössere  keckheit  der 
neuerungen,  die  jedoch  einem  frühem  Vorgänger  oder  corrector, 
nicht  aber  ihm  selbst  zuzuschreiben  ist. 

Eine  besonders  schwierige  frage  bilden  die  häufigen  abwei- 
chuugen  in  der  Wortstellung.  Mätzner  und  Blass  sind  hier  ein- 
fach N  gefolgt;  und  es  lässt  sich  nicht  leugnen  ,  dass  die  von 
diesem  codex  befolgten  Stellungen  in  der  regel  glücklich  ,  alle 
unanfechtbar,  die  des  codex  A  und  der  übrigen  öfters  fehlerhaft 
oder  gesucht  sind.  Zur  völligen  eutscheiduug  aber  darüber, 
ob    die    oft    so    trefflich    scheinenden    abweichungen   von  N  auf 


' 


Nr.  3.  53.  Horatius.  127 

conjectur  oder  handschriftlicher  gewähr  beruhen,  können  wir 
erst  dann  kommen,  wann  eruirt  sein  wird,  wie  sich  BLZMA2 
zu  A  verhalten.  Stammen  diese  aus  einer  dem  gemeinsamen 
Stammvater  von  A  und  N  coordinirten  alnchrift  eines  frü- 
hem archetypus,  oder  liegen  sie  schon  auf  der  sehe  von  A? 
Im  ersten  falle  wird  die  kritik  vom  consensus  von  ABLZM  aus- 
gehen müssen,  die  abweichungen  von  N  sind  subjective  ände- 
rungen ;  im  letztern  falle  dagegen  steht  N  als  gleichberechtig- 
ter zeuge  dem  consensus  von  ABLZM  gegenüber:  zufällig  ist 
dann  diese  letztere  familie  durch  viele  glieder  repräsentirt,  die 
familie  von  N  nur  durch  eines.  Dann  haben  wir  so  viel  als 
zwei  gleichberechtigte  handschriften  und  das  verfahren  wird 
einfach  ein  eclectisches  sein  müssen;  in  der  Stellung  würden 
wir  dann  unbedingt  N  folgen ,  wie  es  Blass  gethan  hat.  Zur 
lösung  der  frage  mag  eine  nochmalige  genauere  vergleichung 
des  Crippsianus  mit  möglichster  Scheidung  der  correcturen  bei- 
tragen, wie  dies  auch  Scholl  hervorgehoben  hat.  Jedenfalls 
ist    sie  noch  einer  näheren  prüfung  werth. 

A.  H. 

53.  De  Acrone,  qui  fertur,  Horati  scholiasta.  Ernesti 
Schweikerti  epistola  critica  ad  Hermannum  Usenerum.  4. 
Confl.   1871.     15  pag. 

Der  vf.,  der  schon  1865  eine  dissertation  De  Porpnyrionis  et 
Acronis  scholiis  Horatianis  herausgegeben ,  auch  im  Philol.  bd. 
XXII  einen  beitrag  zu  Horaz  geliefert  hat,  wendet  sich  wieder 
der  heiklen  frage  über  die  sg.  acronischen  scholien  zu  und  be- 
rücksichtigt insbesondere  das  ihm  in  seiner  ersten  schrift  ent- 
gangene berner  programm  Useners  von  1863  und  die  sich  daran 
schliessende  literatur.  Er  hält  Usener  und  Keller  gegen- 
über an  der  ansieht  von  dem  einen  Acro  fest,  gewinnt  zum 
theil  im  anschluss  an  des  ersteren  mittheilungen  als  äusserste 
zeitgrenzen  für  diesen  saec.  IV — IX  und  sucht  nachzuweisen, 
commentarium  Acronis  iam  antiqulssimis  temporibus  mutilatum  esse, 
novissimos  autem  Acronis  libros  manuscr.  multifariam  descriptos 
ideo  non  integra  exhibere  scliolia ,  quod  extrema  commentarii  pars 
iam  in  illius  aetatis,  cuius  liber  B land  -  anti quissimus  fuit, 
libris  manuscr.  evanuerit.  Die  schrift  enthält  mancherlei  wissens- 
werthe  mittheilungen,  so  über  die  veronesische  handschrift,  mit 


128  54.  Horatius.  Nr.  3. 

recht  jedoch  macht  der  verf.  die  endgültige  entscheidung  der 
höchst  verwickelten  frage  von  dem  nachweis  der  Verwandtschaft 
der  handschriften  abhängig.  Bei  der  bisher  unvollständigen 
mittheilung  derselben  ist  man,  allen  takt  des  letzten  herausge- 
bers  in  der  auswahl  vorausgesetzt,  doch  nicht  im  stände  sich 
ein  einigermassen  zuverlässiges  urtheil  über  ihren  Zusammenhang 
zu  bilden;  auf  weiteres  entdecken  solcher  notizen,  wie  Usener 
eine  des  Bonaventura  Vulcanius  bekannt  gemacht  hat,  darf  man 
aber  ebensowenig  warten  wie  rechnen. 

Th.  Fritzsche. 

54.  Horatius  en  zijne  uitgevers.  Een  bibliographisch  over- 
zicht  door  Dr  H.  Riedel.  Niet  in  den  handel.  Leeuwarden, 
Gr.  T.  N.  Suringar.    1870.     42  s.     8. 

An  bibliographischen  Zusammenstellungen  namentlich  der 
älteren  Horazliteiatur  fehlt  es  nicht,  doch  ist  diese  Übersicht 
willkommen  durch  glückliche  auswahl  des  wesentlichen  (auf  Voll- 
ständigkeit macht  der  vf.  von  c.  VII  an  ausdrücklich  keinen  an- 
sprach) und  klare,  anziehende  darstellung.  Die  schritt,  die 
wohl  aus  langjähriger  liebhaberei  für  Horaz  und  seine  literatur 
hervorgegangen  ist  (vorwort  fehlt,  aber  vf.  erzählt  gelegentlich, 
dass  er  schon  3  831  die  Epist,  ad  Augustum  edirt  habe)  und 
meist  nach  autopsie,  zum  theil  auch  die  eigne  Sammlung  be- 
schreibt (p.  10,  11,  12,  13,  28)  zerfällt  in  sieben  capp.,  die 
füglich  hätten  mit  Überschriften  versehen  sein  können.  C.  I — 
III  enthält  gesamm tausgaben,  I  —  Bentley,  II  Bentley  und 
die  antikritiken,  III  von  Baxter  bis  auf  unsre  zeit,  c.  IV  aus- 
gaben einzelner  werke,  c.  V  Übersetzungen,  c.  VI  Prachtaus- 
gaben etc.,  c.  VII  erklärungsschrit'ten,  scholien,  vitae  etc.  c.  VIII 
die  radicale  kritik,  Peerlkamp,  Gruppe,  Lehrs.  Neues  bringt  der 
vf.  ausser  einigen  unbedeutenden  berichtigungen  seiner  Vorgänger, 
p.  27.  28,  nicht,  hat  aber  vor  Brunet,  Ebert  u.  a.  den  Vorzug 
kurzer  darlegung  des  wissenschaftlichen  Zusammenhanges  der  ein- 
zelnen ausgaben.  Die  folioausgaben  hören  mit  dem  siebenzehn- 
ten Jahrhundert  ganz  auf,  die  quartanten  reichen  bis  ins  acht- 
zehnte Jahrhundert,  wo  auch  sie  durch  die  modernen  „dunlijvge" 
octavaus-gahen  (deren  erste  die  Aid.  1  v.  1501)  verdrängt  wer- 
den. Die  tür  einen  grösseren  leserkeis  bestimmten  ausgaben 
beginnen    mit   J.  Bond,  Loud.  1606    (46.  aufl.    Orleans    1767). 


Nr.  3.  54.  Horatius.  129 

Castrirte  ausgaben  zuerst  Horatius  obscoenitate  Romae  purgatus, 
Keulen  1603,  besonders  verbreitet  die  des  Jesuiten  Jos.  de  Jou- 
vency  (Juventius) ,  Par.  1696,  zuletzt  aufgelegt  Par.  1869  2 
voll.  18°.  Bei  dem  ^praktischen  Engelschman"  fand  die  Desprez- 
sche  ausgäbe  in  usum  Delphi ni  wegen  ihrer  prosaischen  Um- 
schreibung die  grösste  Verbreitung  (24.  auf].,  v.  1694  — 1824). 
Cap.  II  gibt  nächst  dem,  was  wir  durch  Zangemeister  bereits 
wissen,  eine  interessante  Zusammenstellung  der  anti  -  Bentley- 
schen  Horaze  in  England,  das  seinen  spieen  auch  hier  nicht 
verleugnet.  In  Übersetzungen  hat  Frankreich  das  meiste 
geschafft;  dort  sind  allein  bis  1830  152,  meist  prosaische,  nach 
Tanaq.  Faber  und  den  Daeiers,  erschienen.  Unter  den  luxus- 
drucken ist  nächst  der  berühmten  Locherschen  mit  holzschuitteu, 
Strassb.  1498,  der  Parmensischen  typ.  Bodonianis  1752,  der  Lon- 
doner, John  Murray  1849,  namentlich  die  Pariser  Firm.  Didot 
fr.,  1855.  16°,  „ein  echte  kunstiuwecl  der  drukkunst'.  Als  rarität 
bemerkenswerth  die  kleinste  Liliputausgabe ,  London,  Picke- 
ring 1824  in  48°  (192  pag.).  Bei  aufzählung  der  neueren  in 
Deutschland  erschienenen  ausgaben  zeigt  der  vf.  seine  Vertraut- 
heit mit  unsrer  gelehrtengeschichte;  hin  und  wieder  eingestreute 
urtheile  beschränken  sich  meist  auf  attribute  der  herausguber ; 
Orelli's  commentar  heisst  ,, verstandig",  Nauck  und  Krüger  „heu- 
rig bewerkt",  Dillenburger  „zeer  gezochl",  Fr.  Ritter  „zeer  prijzens- 
waard",  Doederlein  „smaakvoll" ,  Meineke  „vor  de  critiek  bijzon- 
der  belangrijka,  während  sonst  die  hurnanität  des  verf.  auch 
mancherlei  unbedeutendes  noch  belangrijk  findet.  Das  einz'ge- 
mal,  wo  er  sich  echauffirt,  geschieht  es  über  G.  Braunhard,  in 
dessen  ausgäbe  der  vf.  an  loordelijk  afgedrukt  uittrckscl (!)  ut  zijn 
eegen  commentaar  op  de  ep.  ad  Aug.  to  lezen  het  pleizier  hedu. 
Ueber  des  vf.  Stellung  der  modernen  radicaleu  kritik  gegenüber 
finden  sich  einige  auslassungen  in  c.  VIII;  Giuppe  und  Lehrs 
sind  ihm  schon  als  nachfolger  seines  landmanns  Peerlkamp  (der 
beiläufig  nur  664  verse  der  öden  für  unächt  erklärte)  ehrwürdig, 
Lehrs  kritik  ist  „noch  scherpzinniger" als  die„Peerlkamps",  man  wird 
dem  vf.  aber  beistimmen  in  dem  satze  p.  37:  „Hoe  wenig  men 
ook  möge  geneigd  zijn  den  uit  de  mss.  in  de  vier  laatste  eeuwen  opge- 
maakten  en  gezuiverden  tekst  200  willekeurig  te  besnijden  en  een 
groot  deel  als  geheel  onecht  te  beschouwen,  zal  inen  toch  moeten  er- 
kennen, dat  door  diezel/de  radicale  critiek  een  geheel  nieuw  leven 
Philol.  Anz.  IV  9 


130  55.  Julius  Caesar.  Nr.  3. 

in  de  interpretatie  en  wardeering  van  Horatius  is  ontstaan".  Auf  ein- 
zelnheiten lässt  er  sich  nicht  ein ;  nur  über  die  Archytasode  be- 
merkt er  ganz  richtig  p.  41:  De  20  eerste  reg  eis ,  dit  stemmen 
wij  volgaarne  aan  Lehrs  toe,  mähen  zonder  twijfel  een  fraai  geheel 
uit;  maar  wij  taten  de  IQ  volgende  aan  latere  critici  over,  om  hun 
oorsprong  of  beteekenis  op  voldoende  wijze  te  onderzoeken  en  te  ver- 
klaren". Ungern  vermisst  man  die  anführung  der  Haupt'schen 
texte  p.  16,  die  als  Prachtausgaben  —  man  sieht ,  wohin  rein 
bibliothekarischer  Standpunkt  führen  kann  —  erst  p.  29  ge- 
nannt werden ;  Eibbecks  Epp.  stehen  unter  den  einzelausgaben  p. 
19  als  laatste  belangrijke  editie  der  Epp.  ohne  dass  im  schluss- 
capitel  die  erwartete  beziehung  auf  das  buch  genommen  ist. 
Unbegreiflich,  dass  Lucian  Müllers  ed.  Teubn.  übersehen  ist,  zu- 
mal deren  herausgeber  der  holländischen  philologie  so  nahe  steht. 
Belehrend  ist  es ,  das  interesse  der  verschiedenen  nationen  am 
Horaz  und  ihre  eigenthümlichen  Verdienste  um  ihn  zu  verfol- 
gen; wir  Deutschen  dürfen  auch  in  diesem  wettkam pf  einige 
genugthuung  empfinden ,  wenngleich  der  Holländer  sich  wohl 
hütet,  dies  gefühl  in  uns  zu  nähren.  Dem  für  solche  gesichts- 
punkte  empfänglichen  sei    das  behagliche   schriftchen  empfohlen. 

Th.  Fritzsche. 

55.  C.  Iulii  Caesaris  de  bello  civili  commentarii  tres.  Für 
den  schulgebrauch  erklärt  von  Dr  AlbertDoberenz.  Dritte 
aufläge.     8.     Leipzig,  Teubner.  1871.  —     15  gr. 

In  dieser  neuen  aufläge  seines  buchs  hat  Doberenz  die  all- 
gemeinen Inhaltsangaben  vor  den  verschiedenen  büchern  weg- 
gelassen und  sie  der  leichteren  Übersicht  wegen  abschnittsweise 
in  die  anmerkungen  eingeschaltet.  Ferner  sind  jetzt  von  ihm 
eben  da  die  abweichungen  des  textes  der  Kramer -Hoffmann- 
schen  ausgäbe,  welche  allerdings  wohl  vielfach  neben  der  seiui- 
gen  in  den  klasseu  gebraucht  werden  wird,  angegeben,  auch 
einige  vermuthungen  Köchly's  angemerkt.  Die  hauptaufgabe, 
welche  der  Verfasser  bei  seiner  bearbeitung  der  commentarien 
sich  gestellt  hat,  ist  bekanntlich,  den  schillern  das  übersetzen 
zu  erleichtern  und  dabei  zu  einer  guten  ausdrucksweise  im  deut- 
schen anzuleiten.  Zu  diesem  zweck  gibt  er  selten  die  Über- 
setzung selbst,  gewöhnlich  deutet  er  nur  an,  wie  sie  hergestellt 
Werden  solle:    mit   recht   will    er    den    schülern   die  sache  wohl 


Nr.  3.  56.  Julius  Caesar.  131 

leicht,  aber  nicht  allzubequem  machen.  Ob  diese  andeutungen 
von  den  tertianern  immer  verstanden  werden,  ist  fraglich.  Der 
Verfasser  sagt  z.  b.  p.  1  „summa  —  contentione;  ablativ  mit 
concessivem  sinne";  werden  die  schüler  durch  diese  bemerkung 
auf  die  präposition  geführt  werden,  welche  er  haben  möchte? 
„non  defuturum:  übersetze  durch  ein  Substantiv;  denn  häufig 
vertreten  lateinische  Infinitive  deutsche  Substantive";  werden  sie 
auf  das  substantivum  kommen,  welches  er  meint?  und  wenn 
sie  es  finden  sollten,  entspricht  der  entstandene  positive  aus- 
druck  wirklich  ganz  genau  dem  vom  schriftsteiler  gewählten 
negativen?  Der  Verfasser  räumt  auch  der  grammatik  in  seinen 
bemerkungen  eine  bedeutende  stelle  ein  und  in  den  meisten 
fällen  ganz  richtig  so,  dass  er  den  schülern  die  regeln  selbst 
zu  finden  aufgiebt.  Auch  hier  ist  ihnen  wegen  der  kürze  viel- 
leicht nicht  immer  die  meinung  des  Verfassers  verständlich.  Wenn 
er  z.  b.  p.  17  sagt:  „ante  —  iturus  sit,  definire,  ut ,  si  —  non 
profectus  esset,  —  videretur:  beispiele  für  die  lehre  von  der  con- 
sec.  temp." ,  so  glaube  ich,  dass  die  schüler  vielmehr  auf  die 
abweichung  von  der  regelmässigen  consecutio  temporum ,  welche 
hier  gerade  wegen  des  bedingungssatzes  stattfindet,  hätten  auf- 
merksam gemacht  werden  müssen.  P.  16  zu  quonam  —  perti- 
nere  (I?  9)  heisst  es:  „diese  oratio  obliqua  giebt  beispiele  vom 
relativ  mit  dem  infinitiv".  Es  soll  heissen:  giebt  ein  beispiel 
zu  dem  gebrauch  des  interrogativ -pronomens  mit  dem  infinitiv; 
denn  die  relativsätze  stehen  in  dieser  indirecten  rede  —  wie 
es  bei  wirklichen,  relativsätzen ,  die  nicht  der  anknüpfung  we- 
gen bloss  demonstrative  sätze  vertreten ,  auch  der  fall  sein 
muss  —  alle  im  conjunctiv.  —  Die  verdiente  anerkennung, 
welche  die  Doberenzsche  bearbeitung  als  Schulausgabe  sich  er- 
worben hat,  weil  sie  im  allgemeinen  im  bereich  der  fassungs- 
kraft  der  schüler  bleibt,  wird  sie  gewiss  sich  auch  fernerhin 
erhalten. 

56.  Cäsar  und  die  Gallier.  Vortrag  von  H.  Köchly. 
Berlin.  Franz  Duncker.   1871.  —     10  gr. 

Der  professor  Köchly,  zu  anfang  dieses  jahres  als  reichs- 
tagsabgeordneter in  Berlin  anwesend ,  hat  vor  einer  Versamm- 
lung von  bürgern  mehrerer  zu  geselligen  und  politischen  Zu- 
sammenkünften vereinigter  bezirke  diesen  Vortrag   gehalten,    zu 

9* 


132  56.  Julius  Caesar.  Nr.   3. 

welchem  ihm  offenbar  der  deutsch -französische  krieg  die  Ver- 
anlassung gegeben  hat.  Er  benutzt  sehr  geschickt  eine  stelle 
aus  Cicero's  rede  de  prov.  cons.  (cap.  13),  um  in  einer  einlei- 
tung  diesen  kämpf  nach  seinem  wesen  und  seiner  entwicklung 
mit  dem  römisch -gallischen  kriege  Cäsar's  in  vergleich  zu  stel- 
len. Er  geht  sodann  zu  einer  Schilderung  des  gallischen  Vol- 
kes und  seiner  eroberungszüge  über  und  findet,  wie  der  ehe- 
malige kaiser  Napoleon,  dass  ein  krieg  gegen  diesen  erbfeind 
in  Eom  für  ganz  besonders  volksthiimlich  gelten  musste,  giebt 
jedoch  bei  diesem  unternehmen  dem  persönlichen  ehrgeiz  Cä- 
sar's und  streben  nach  der  herrschaft  über  sein  Vaterland  den 
gebührenden  antheil,  den  Napoleon  aus  naheliegenden  gründen 
übergangen  hatte,  und  lässt  dann ,  knapp  wie  es  der  rahmen 
eines  abendvortrags  erfordert,  die  verschiedenen  kriegsunterneh- 
mungen  Cäsar's  an  dem  zuhörer  vorübergehen.  In  dem  ganz 
gerechtfertigten  bestreben,  die  ehemaligen  Gallier  den  beutigen 
Franzosen  als  ähnlich  an  die  seite  zu  stellen,  begegnet  es  frei- 
lich dem  Verfasser,  sich  hier  und  da  auch  wohl  in  dem  rechten 
ausdruck  zu  vergreifen.  Er  schreibt  den  Galliern ,  wohl  mehr 
an  die  jetzigen  Franzosen  denkend,  p.  17  ^sittliche  rohheit,  vom 
glänzenden  firniss  äusserer  civilisation  bedeckt"  zu  ;  diese  Schil- 
derung „des  glänzenden  firniss  äusserer  civilisation"  widerspricht 
gänzlich  der  von  dem  verf.  p.  9  — 11  gegebenen  darstelluug  des 
eulturzustandes  der  Gallier  und  der  characterisirung  Cicero's 
gentibus  immanibus  et  barbaris,  welche  er  selbst  anführt  und  be- 
zieht sich  wohl  eher  auf  die  beschreibung ,  welche  Tacitus  (z. 
b.  A.  III,  40)  ein  Jahrhundert  später  von  den  Aeduerh  giebt. 
Köchly  kommt  zuletzt  wieder  auf  die  Franzosen  unsrer  tage 
zurück  und  führt  anerkennend  an  ,  dass  sie  ,  im  gegensatz  zu 
den  Galliern  der  zeit  Cäsar's,  gegen  äussere  feinde  stets  einig 
und  seit  Jahrhunderten  das  gewesen  sind,  was  wir  erst  jetzt 
anfangen  zu  werden  —  „eiue  nation ".  Den  beifall,  wel- 
chen der  verf.  vor  seinen  zuhörern  gefunden  hat,  wird  mau 
sicherlich  auch  dem  zum  besten  der  deutschen  invaliden  -  Stif- 
tung herausgegebenen  büehlem  zollen.  Es  ist  auch  in  der  form 
recht  anziehend.  Nur  ist  es  mir  aufgefallen,  dass  der  verf. 
häufig  die  dem  französischen  eigenthüinliche  art  der  inversion 
zur  anwendung  bringt:  „das  erste  mal  ist's,  dass  Deutschland 
mit  Frankreich  ordentlich  krieg  geführt" ;    „das  war  es  ja,  was 


Nr.  3.  57.  Julius  Caesar.  133 

seit  Jahrhunderten  jeder  klar  erkannt  hat  etc."-,  „es  war  nicht 
über  ein  Jahrhundert,  dass  das  heutige  Oberitalien  —  romanisirt 
worden  war;  „das  ist  es,  was  wir  nicht  mehr  partei-,  sondern 
cliquenregiment  nennen"  u.  s.  w.  Nicht  erst  seit  dem  letzten 
kriege,  sondern  seit  längerer  zeit  schon  hat  man  bei  uns  mit 
recht  angefangen,  diese  aus  der  fremde  ohne  bedürfniss  einge- 
führte wendung  aus  der  deutschen  rede  zu  verbannen. 

57.  Gallische  zustände  zu  Cäsars  zeit.  Von  Labarre, 
Programm  des  Friedrica  -  Wilhelms  -  Gymnasiums  zu  Neu  Kap- 
pin.    4.     1870. 

Der  verf.  glaubt,  dass  die  darstellung  der  zustände  Gal- 
liens zur  zeit  der  eroberung  des  lande s  durch  die  Kömer  bisher 
weder  erschöpfend  noch  durchweg  zuverlässig  dargestellt  wor- 
den ist;  er  führt  allerdings  von  den  bisherigen  arbeiten  darüber 
nur  0.  Klemm's  „allgemeine  kulturgeschichte  der  menschheit'* 
und  des  ehemaligen  kaisers  Napoleon  111.  „geschichte  Julius 
Cäsar's"  an,  übersieht  also,  dass  derselbe  gegenständ  auch  sonst 
schon  tbeils  in  besonderen  monographien,  theils  in  ausführlichen 
aufsätzen  in  Zeitschriften  behandelt  worden  ist.  Er  benutzt  fer- 
ner als  hauptquelle  nur  Cäsar's  bellum  GalUcum,  Strabo  und 
Diodor;  und  doch  lässt  sich  das  leben  und  der  eulturzustand 
der  Gallier  nicht  erschöpfend  behandeln,  wenn  man  nicht  auch 
die  denkmäler  und  die  münzen ,  welche  in  der  letzten  zeit  in 
überraschender  fülle  zu  tage  gefördert  worden  sind  und  die  auf 
veranlassung  des  kaisers  unternommenen  ausgrabungen,  welche 
über  so  viele  dinge  licht  verbreitet  haben,  zugleich  berücksich- 
tigt. Die  abhandlung  ist  in  drei  abschnitte  getheilt :  1)  die  po- 
litischen und  socialen  Institutionen ;  2)  die  localen  eigenthümlich- 
keiten ;  3)  die  militairischen  einrichtungen  ;  von  diesen  ist  die 
letzte  abtheilung,  aus  mangel  an  räum,  nur  theilweise  veröffent- 
licht. In  dem  ersten  theile  der  abhandlung  vermisst  man  eine 
deutliche  abgränzung  der  angemassten  macht  der  prineipes  von 
den  gesetzlichen  befugnissen  des  senats,  so  wie  die  klare  Schil- 
derung der  von  Cäsar  doch  so  stark  hervorgehobenen  gegen- 
überstellung  einer  demokratischen  und  einer  aristokratischen 
partei  in  den  sämmtlichen  gallischen  staateu.  Da  die  plebs, 
wie  Cäsar  sagt,  für  sich  keine  bedeutung  hatte,  so  konnte  eine 
demokratische  partei  nur  dann  zur  geltung  kommen,  wenn  sich 


134  57.  Julius  Cäsar.  Nr.  3. 

ein  princeps  an  ihre  spitze  stellte ,  wie  Dumnorix  bei  den  Ae- 
duern,  Casticus  und  vor  ihm  Catamantaloedes  bei  den  Sequanern 
u.s.w.  Hatte  der  adel  die  überhand,  so  war  der  ganze  staat 
aristokratisch,  wie  die  Aeduer  vor  dem  principatus  des  Dumno- 
rix unter  der  leitung  seines  bruders  Divitiacus.  Der  streit  der 
Sequaner  und  der  Aeduer  war  ein  ähnlicher  wie  derjenige,  wel- 
cher Athen  und  Sparta  entzweite ,  der  kämpf  eines  demokra- 
tisch und  eines  aristokratisch  regierten  Staates.  Die  demokra- 
tischen Sequaner  hatte  Ariovist  gegen  die  aristokratisch  regier- 
ten Aeduer  zu  hülfe  gerufen-,  wenn  gleichwohl  der  aristokrat 
Divitiacus  sich  für  die  Sequaner  bei  Cäsar  verwendete,  so  that 
er  es  in  der  hoffnung,  dass  die  aristokratische  partei  durch 
das  einschreiten  desselben  bei  ihnen  das  übergewicht  bekom- 
men würde.  Der  senat  (oder  adelsausschuss)  stand  im  gegensatz 
zu  den  principes,  wenn  diese  demokraten  waren ;  er  war  ihnen 
ergeben,  wenn  sie  der  aristokratischen  richtung  angehörten;  die 
magistrate  ( Vergobrete)  waren  bisweilen  aus  der  aristokratischen, 
bisweilen  aus  der  demokratischen  partei  hervorgegangen,  je 
nachdem  die  eine  oder  die  andere  partei  die  überhand  hatte 
und  befanden  sich  daher  hier  und  da  im  gegensatz  zu  den 
principes  oder  denen ,  welche  nach  der  königlichen  macht  streb- 
ten, ein  andermal  waren  sie  ihnen  befreundet.  Die  aristokrati- 
sche partei,  welche  unter  andern  bei  den  Remern  und  gewöhn- 
lich auch  bei  den  Aeduern  die  oberhand  hatte,  schloss  sich  an 
Cäsar  an;  dies  zeigt  das  beispiel  des  Divitiacus,  des  Tasgetius 
u.  s.w.;  und  wenn  die  demokratischen  principes,  wie  im  zweiten 
kriegsjahr  bei  den  Suessionen,  das  volk  zum  krieg  gegen  die 
Römer  aufgefoi'dert  hatten,  genügte  ihre  flucht,  um  es,  unter 
vortritt  des  Senats ,  zur  Unterwerfung  unter  Cäsar  zu  bringen. 
Wenngleich  diese  und  manche  andre  Verhältnisse,  so  klar  sie 
auch  in  den  commentarien  hervortreten,  nicht  genau  genug  in 
der  abhandlung  dargestellt  worden  sind,  so  ist  doch  die  Zu- 
sammenstellung des  verf.,  weil  er  überall  seine  quellen  für  sich 
sprechen  lässt,  ganz  verdienstlich  ;  dass  ihm  in  seiner  kleinen 
stadt  eben  keine  anderweitigen  hülfsmittel  zu  geböte  gestanden 
haben,  ist  wenigstens   nicht  seine  schuld. 


58.     Observationes    grammaticae    in   Sallustium.      Scripsit 
Guil.  Lilie.     Progr.  des  gymnasiums  zu  Jauer  1870.  22s.  4 


Nr.  3.  58.  Sallustius.  135 

Im  gegensatze  zur  mehrzahl  der  neueren  arbeiten  über  den 
Sprachgebrauch  einzelner  autoren  beschränkt  sich  die  abhand- 
lung  von  Lilie  keineswegs  auf  die  statistische  Zusammenstellung 
einzelner  sprachlicher  erscheinungen ,  sondern  behandelt  ihren 
stoff  streng  rationell.  Ia  der  vf.  ist  in  diesem  löblichen  stre- 
ben sogar  entschieden  zu  weit  gegangen,  indem  er  nicht  sowohl 
die  thatsachen  durch  seine  abhandlung  beleuchtet,  als  vielmehr 
seine  theoretischen  erörterungen  in  den  mittelpunkt  stellt  und 
durch  die  als  belege  angeführten  thatsachen  illustrirt.  So  bie- 
ten diese  Observationes  grammaticae  etwas  ganz  anderes ,  als  der 
titel  erwarten  lässt;  sie  sind  eher  ein  capitel  aus  der  allgemei- 
nen grammatik  mit  belegen  aus  Sallustius,  als  ein  beitrag  zur 
kenntniss  sprachlicher  eigenthümlichkeiten  des  Schriftstellers  zu 
nennen.  Das  thema  betrifft  den  unterschied  zwischen  der  par- 
ticipialconstruction  und  der  anwendung  vollständiger  nebensätze. 
Von  den  drei  theilen,  in  welche  die  Studie  zerfällt,  wird  in  der 
vorliegenden  schrift  nur  der  erste  behandelt,  welcher  die  als 
adjectiva  zu  Substantiven  gefügten  participia  erörtert.  Der 
zweite  theil,  welcher  die  als  substantiva  gabrauchten  participia 
behandelt,  und  der  dritte  über  diejenigen  participia,  welche  ih- 
ren verbalen  Charakter  bewahrt  haben,  soll  später  nachfolgen. 
Was  zunächst  hier  geboten  wird,  ist  mit  gründlichkeit,  ja  Um- 
ständlichkeit ausgeführt;  das  schwerfällige  ein  mal  (p.  7)  auch 
durch  einen  sinnstörenden  fehler  entstellte  latein,  die  einförmige 
darstellungsweise  und  die  zahlreichen  Wiederholungen  in  gedan- 
ken  und  phrasen  machen  die  leetüre  weniger  erquicklich.  Mit 
eingehender  Sorgfalt  versucht  der  verf.  aus  der  je  nach  form 
und  bedeutung  verschiedenen  natur  der  participia  bestimmte 
regeln  über  die  beschränkung  ihres  gebrauches  zu  entwickeln; 
aber  während  er  einzelne  unbequeme  beispiele  hinweg  zu  inter- 
pretiren  versucht ,  ist  er  bisweilen  zu  künstlichen  oder  auch 
nachweisbar  unrichtigen  auffassungen  und  deutungen  gelangt. 
Wenn  z.  b.  p.  6  behauptet  wird,  man  könne  Jug.  46,  6  mu- 
nito  agmine  (incedere)  und  100,  1  quadrato  agmine  (incedere)  als 
absolute  ablative  fassen,  so  widerlegt  sich  dies  durch  beispiele 
wie  or.  Lep.  24  tanto  agmine  atque  animis  incedit  oder  Hist.  fr. 
III,  71 D.  ire  laxiore  agmine.  —  In  der  stelle  ep.  Pomp.  6 
quid  deinde  proelia  aut  expeditiones  hibernas,  oppida  excisa  aut  re- 
cepta  enumerem,  weist  sowohl  der  ganze  Zusammenhang  als  auch 


136  59.  Sallustius.  Nr.  3. 

der  begriff  enumerare  unzweifelhaft  darauf  hin,  dass  an  einzel- 
nes zu  denken  ist.  Dennoch  behauptet  der  vf.  p.  17  f.,  dass 
nicht  singulae  urbes,  sondern  totum  genus  urbium  zu  verstehen 
sei ;  von  einem  totum  genus  proeliorum  oder  einem  genus  expedi- 
tionum  hibemarum  aber  schweigt  der  vf. ;  freilich  könnte  hier 
nicht  einmal  der  schein  für  seine  künstlich  ersonnene  deu.ung 
sprechen.  Doch  bildet  eine  reihe  feinsinniger  erklärungen  ein 
volles  gegengewicht  gegen  solche  deutelnde  Übertreibungen  und 
machen  die  schrift  von  Lilie  zu  einer  wirklich  belehrenden,  de- 
ren fortsetzung  man  mit  Spannung  erwarten   darf. 

59.  Quo  iure  Sallustius  Tacito  in  describendis  Germanorum 
moribus  auctor  fuisse  putetur.  Scr.  Carol.  Breuker.  Progr. 
des  Friedr  -Wilh.-gymn.  zu  Köln  1870.     14  s.     4. 

Nach  strengen  Worten  gegen  die  conjecturalkritiker  wird 
vom  vf.  dieser  schrift  als  optima  ratio  vitia,  quibus  peccant  multi 
iicpie  praeclarissimi  homines ,  perspicue  demonstrandi  ein  exempel 
verheissen,  wozu  R.  Köpke's  deutsche  forschungen  und  Th. 
Wiedemann's  abhandlung  über  eine  quelle  von  Tacitus  Germa- 
nia den  stoff  bieten  sollen.  Aber  dieser  stolzen  ankiindigung 
folgt  die  überraschende  Vertröstung  auf  einen  zweiten  theil,  in 
welchem  erst  der  beweis  geführt  werden  soll ,  homines  Mos  do- 
ctissimos  nimia  narium  sagacitate  deeeptos  magis  verborum  quam 
rerum  studlosos  mera  somnia  pro  veris  venditasse.  Der  vorliegende 
theil  gibt  nichts  weiter,  als  eine  recapitulation  des  von  jenen 
beiden  forschem  gebotenen  bevveises.  Es  will  daher  bei  dem 
mangel  selbständiger  forschungsergebnisse  des  vfs.  für  die  be- 
urtheilung  seiner  schrift  wenig  bedeuten,  wenn  manche  punkte 
in  seiner  darstellung  als  bedenklich  bezeichnet  werden,  z.  b. 
über  die  angeblich  gleiche  Ordnung  in  den  übereinstimmenden 
stellen  des  Vergilius  und  Tacitus ;  über  die  aus  den  worten  des 
vfs.  keineswegs  erhellende  nothwendigkeit,  die  directe  benutzung 
der  Georgica  in  der  Germania  zu  leugnen;  über  den  durch 
nichts  gerechtfertigten  satz,  dass  Tacitus  von  zwei  Schrif- 
ten (duobus  scriptis)  für  seine  Schilderungen  über  wohnung  und 
kleidung  und  über  sitten  und  gewohnheiten  der  Germanen  ge- 
brauch gemacht  habe ;  über  die  von  Sallustius  und  Tacitus  ge- 
gebene Charakteristik,  die  nur  auf  jenen  vollständig  passt.  Auch 
steht    es   einer  schrift,    die    über  die  methode  anderer  forscher 


Nr.  3.  60.  Tertullianus.  137 

den  stab  bricht,  übel  an,  wenn  sie  in  den  einfachsten  dingen 
sich  selbst  widerspricht,  wie  wenn  Cornelius  Nepos  unter  die 
scriptores  summt  ingenii  atque  artis  excellentissimae  gerechnet  und 
gleich  darauf  als  scriptor  tanta  negligentia  atque  credulttate  bezeich- 
net wird.  Aber  das  schlimmste  ist  der  man<rel  irgend  weicher 
andeutungen,  an  welche  die  in  aussieht  gestellte  kritik  im  zwei- 
ten theile  anknüpfen  könnte.  Er  lässt  befürchten,  dass  dort  eine 
Wiederholung  dieser  Wiederholung  geboten  werde  ;  uud  dadurch 
wird  die  beweisführnng  nur  breit,  nicht  stark. —  Soll  ref.  seinen 
Standpunkt  zur  vorwürfi-ren  frage  kennzeichnen,  so  muss  er  die 
beriihrungspunkte  zwischen  Vergilius  Georgica  III  (über  die  Scy- 
then)  und  Horatius  III ,  24  (über  die  Geten)  mit  Tacitus  Ger- 
mania als  spuren  gemeinsamer  benutzung  der  Historien  des 
Sallustius  für  unzweifelhaft  erklären.  Dagegen  scheint  ibm  die 
frage,  ob  jene  uns  nicht  erhaltene  stelle  des  Sallustius  auch  auf 
die  Germanen  bezng  genommen  habe,  noch  nicht  erledigt.  Je 
nachdem  man  diese  sicher  entscheiden  kann,  wird  dann  ent- 
weder Sallustius  als  eigentliche  quelle  der  Germania  gelten 
müssen  oder  wird  anzunehmen  sein,  dass  Tacitus  manches  von 
Sallustius  über  Scythen  (vgl.  Just.  I,  8,  7)  erzählte  auf  die 
Germanen  übertragen  habe,  wie  auch  eine  stelle  (5)  seiner  Schil- 
derung Germaniens  an  die  angaben  des  Sallustius  über  Afrika 
(Jug.  17,  5)  erinnert.  In  letzterem  falle  ist  Sallustius  nicht 
historische  quelle,  sondern  auch  hier  nur  stilistisches  vorbilddes 
Tacitus  gewesen. 

60.  Das  neue  testament  Tertullians.  Aus  den  schritten 
des  letzteren  möglichst  vollständig  reconstruirt,  mit  einleitungen 
und  anmerkungen  textkritischen  und  sprachlichen  Inhaltes.  Von 
Hermann  Rons  eh.  8.  Leipzig.  Füs's  verlag  (R.  Reisland). 
1871.   —     42/3  thlr. 

H.  Rönsch,  bereits  durch  sein  werk  Itala  und  Vulgata  rühm- 
lichst bekannt,  hat  auch  in  dieser  neuen  schrift  seinen  beruf  zu 
solchen  arbeiten  bethätigt.  In  den  höchst  lesenswerthen  be- 
merkungen  (p.  1 — 44)  bringt  er  zum  verständniss  das  nöthige 
über  Tertullian's  lebensverhältnisse ,  schritten  (besonders  über 
die  mutmassliche  reihenfolge  ihrer  abfassung)  und  biblische 
citate  bei.  Dann  widmet  er  ein  besonderes  capitel  dem  neuen 
testamente  Tertullians,    indem    er    die    bezeichnungen  der  bibel 


138  60.  Tertullianus.  Nr.  3. 

und  ihrer  theile  bei  Tertullian,  ihre  eintheilung  und  den  be- 
stand nach  den  einzelnen  büchern  bespricht  (p.45 — 54).  Hier- 
auf folgt  das  eigentliche  neue  testament  Tertullian's  in  zwei 
haupttheilen,  den  evangelica  instrumenta  (den  vier  evangelien) 
und  den  apostolica  instrumenta  (den  übrigen  Schriften  des  neuen 
testaments).  Die  einrichtung  ist  der  art,  dass  die  erste  columne 
jeder  seite  die  directen  citate  enthält,  welche  den  eigent- 
lichen Wortlaut  des  textes,  der  bisweilen  durch  ausdrück- 
lichen hinweis  eingeleitet  ist ,  vor  äugen  stellt ,  die  zweite  co- 
lumne dagegen  die  indirecten  anführungen  in  der  oratio 
obliqua  beibringt ,  ferner  neutestamentliche  ausdrücke,  anklänge 
u.  s.  w.,  nebst  proben  tertullianischer  exegese  und  reflexion  (p. 
55 — 574).  Angefügt  sind  anmerkungen  zu  den  neutestament- 
lichen  citaten  (p.  575 — 726).  Den  beschluss  macht  ein  regi- 
ster  über  die  in  den  anmerkungen  besprochenen  Wörter  u.  s.  w. 
Die  citate  sind  nach  der  Semmler'schen  ausgäbe  des  Tertullian, 
doch  mit  eigener  auswahl  anderer  lesarten ,  wo  die  von  Semm- 
ler  aufgenommenen  nicht  zu  genügen  schienen  ,  weshalb  unter 
dem  texte  die  discrepantia  lectionis  nach  der  Oehlerschen  aus- 
gäbe (von  der  sonst  der  verf.  nicht  viel  zu  halten  scheint)  ab- 
gedruckt ist. 

Wir  haben  für  unsere  zwecke  hier  nur  die  anmerkungen 
zu  berücksichtigen ,  aus  denen  wir  daher  unsern  lesern  das 
wichtigste  vor  äugen  führen  wollen. 

P.  583  wird  retro  =  antea,  olim ,  prius  besprochen  und 
mit  stellen  aus  den  Eccl.  belegt,  welche  in  den  Lexicis  fehlen.  — 
P.  584  wird  über  aemulus  =  adversarius,  inimicus,  über  aemu- 
latio  =  adversatio,  invidia,  über  aemulor  =  adversor  u.  dgl.  ge- 
handelt. —  P.  587  wird  die  bedeutung  von  sub  =  coram  bei 
Petron.  118  durch  den  häufigen  gebrauch  bei  Tertullian  bestä- 
tigt. —  P.  595  wird  advocare  =  naoaxa'ke.iv  (trösten,  auf- 
richten) in  drei  stellen  des  Tertullian  gegen  Hildebrand  zu 
Apul.  Met.  1,  21,  p.  65,  der  avocare  lesen  will,  mit  recht  in 
schütz  genommen.  —  P.  595  f.  wird  über  expungere  =  aus- 
thun  (streichen)  und  =  abthun,  auszahlen,  zufriedenstellen,  ge- 
handelt. —  P.  598  werden  tubicinare  und  tubare  =  aaXnC^eip 
aus  alten  bibelübersetzungen  nachgewiesen,  wozu  wir  bemerken, 
dass  tubicinare  auch  so  bei  Augustin.  in  Psalm.  76.  no.  4  (noli 
tubicinare  ante  te)  steht.  —  P.  602  ff.  wird  si  forte  =  et  iv%oi  in 


Nr.  3.  60.  Tertullianus.  139 

verschiedenen  bedeutungen  bei  Tertullian  nachgewiesen.  —  P. 
604  wird  über  famulo  als  factitivum  von  famulor  gesprochen, 
wozu  wir  bemerken,  dass  famulo  sich  aucb  Diom.  p.  360  P. 
(=  p.  368,  18  K.)  findet.  —  P.  604  f.  handelt  der  verf.  aus- 
führlich über  ableitung  und  bedeutung  von  suggilare,  wobei  er 
bemerkt,  dass  suggilo  (nicht  suggillo)  wohl  die  älteste  Schreibart 
zu  sein  scheine.  Allerdings  hat  auch  Varr.  Sat.  Men.  (lex  Mae- 
nia)  48,  6  (2)  cod.  Leid,  suggilent,  und  Gloss.  „suggilatus  vtio- 
s7/«(7t>£/V"  5  und  Mommsen  schreibt  Ulp.  Dig.  2,  4,  10,  §.  12 
auch  suggüat.  Wir  erinnern  dabei  an  focilo  früher  auch  facillo  in  den 
ausgaben  geschrieben. —  P.  612  bespricht  consistere  als  t.  t.  der 
fechtersprache  =  sich  feststellen,  dann  übertragen  auf  das  forum 
=  vor  gericht  streiten,  und  seine  sache  wider  jemand  behaup- 
ten. —  P.  613  f.  wird  gesprochen  über  capit  absolut  oder  mit 
folgendem  infinitiv,  oder  mit  folgendem  ut  =  es  ist  möglich, 
zulässig,  kann  füglich  oder  recht  wohl.  —  P.  620  ff.  wird 
ausführlich  über  dispungere  gehandelt,  dessen  bedeutungen  in  den 
lexicis  noch  nicht  genau  genug  ertörtert  sind.  Es  ist  bald  = 
vergleichen  und  berechnen,  bald  =  vergleichen  und  ausgleichen. 
—  Zu  dem  p.  623  über  lactans  (==  saugend,  von  jungen  thie- 
ren)  gesagten  bemerken  wir,  dass  diese  form  (nicht  lactens) 
nicht  blos  in  den  alten  bibelübersetzungen,  sondern  auch  Edict. 
Diocl.  4,  46  (wo  porcellus  lactans)  vorkommt;  auch  Pelagon.  vet. 
12,  p.  55,  wo  statt  vel  etiam  iactans  occiditur,  gelesen  werden 
muss:  vel  etiam  lactans  (sc.  porcellus)  occiditur ;  vgl.  Gloss.  Labb. : 
„lactans,  yaXovyovfxsvog ;  yuAa&rivög" ,  weshalb  Schuch  Apic.  8. 
§.  387  wohl  auch  mit  cod.  Vat.  1145  und  1146  in  porcello 
lactante  (nicht  lactente)  schreiben  musste.  —  Die  behauptung 
p.  632,  dass  antistes  durchgängig  nur  =  tempelvorsteher ,  wird 
durch  zwei  vom  verf.  aus  Tertullian  selbst  angeführte  stellen 
widerlegt,  nämlich  Apol.  1  in.,  wo  Romani  imperii  antistitis,  und 
Pall.  4  extr.,  wo  latrinarum  antistites ;  ausserdem  s.  Colum.  3, 
21,  16.  —  P.  633  wird  merito  mit  genitiv  =  kraft,  auf  grund, 
wegen,  besprochen,  und  mit  stellen  aus  den  EccI.  und  dem 
Cod.  Just,  belegt.  Dieselbe  wendung  findet  sich  auch  oft  bei 
den  Scriptor.  hist.  Augustae,  z.  b.  Capitol.  Maxim,  et  Balb.  9,  5. 
Treb.  Poll.  trig.  tyr.  22,  7.  Lampr.  Heliog.  6,  2.  —  P.  641 
wird  laciniosus  in  übertragener  bedeutung  genauer  als  in  den 
lexicis     durch    schwülstig,    schwerfällig,    weitschwei- 


140  61.  Culturgeschichte.  Nr.  3. 

fig  erklärt.  —  P.  649  wird  die  existenz  des  Wortes  sonium  = 
cura  nachgewiesen.  —  P.  667  f.  wird  genauer  als  in  den  lexi- 
cis  über  passivus  (von  pando)  =  keinen  unterschied  machend, 
ohne  unterschied  und  beliebig  geschehend,  unstät ,  regellos,  ge- 
handelt. —  P.  676  f.  handelt  der  verf.  über  die  verba  auf  — 
ficare  (z.  b.  ludificare)  und  bespricht  dann  ausführlich  ableitung 
und  bedeutung  von  prodificare ,  welches  er  als  gleichbedeutend 
mit  ludificare  nachweist.  —  Wenn  Rönscb  p.  684  strumentum 
=  instrumentum  bei  Tertull.  ad  uxor.  1,  7  in.  (wo  Oehler  in- 
strumentum)  durch  Apul.  Met.  8,  30  belegen  will,  so  ist  diese 
autorität  sehr  zweifelhaft,  da  Hildobrand  und  Eyssenhardt  dort 
stramentis  lesen,  nicht  strumentis,  wie  Rönsch  aus  ed.  Bip.  p.  187 
citirt.  —  P.  685  weist  der  verf.  detexere  in  der  bedeutung 
unten  einsäumen,  verbrämen  aus  Fronto  laud.  fumi  §. 
4  (p.  211  Nab.)  und  Tertull.  pudic.  14  und  resurr.  43  nach. 
—  Zu  p.  688  ad  summam  bemerken  wir,  dass  diese  verbiudung 
nicht  Cic.  ad  Attic.  15,  5,  sondern  7,  7,  7;  14,  1,  1  und  ad 
Fam.  14,  14,  2  steht.  —  P.  695  bespricht  der  verf.  das  ver- 
bum  praevaricari  in  der  bedeutung  sich  der  untreue,  des 
abfalls  (der  apostasie)  schuldig  machen.  —  Zu  p. 
709  bemerken  wir,  dass  aqualiculus  bes.  =  schweinsmagen,  s. 
Schuch  zu  Apic.  7,  7,  §.  289  (wo  im  texte  agualiculum  zu  le- 
sen ist). 

K.  E.  G. 

61.  Hellas  und  Rom.  Populäre  darstellung  des  öffentli- 
chen und  häuslichen  lebens  der  Griechen  und  Römer.  Von 
Albert  Forbiger.  Erste  abtheilung :  Rom  im  Zeitalter  der 
Antonine.     Erster  band.     Leipzig.  1871.     8.     420  s.—  2  thlr. 

Ueber  den  zweck  des  vorliegenden  buches  spricht  sich 
der  Verfasser  in  der  vorrede  dahin  aus ,  dass  es  nicht  etwa 
für  die  zunft  der  gelehrten  bestimmt  sei ,  sondern  die  kennt- 
niss  des  culturlebens  der  Griechen  und  Römer  in  weitere 
kreise  bringen  soll.  Daher  kann  der  werth  desselben  nicht  so 
sehr  in  neugewonnenen  resultaten  bestehen,  als  vielmehr  in  ei- 
ner sorgfältigen  und  übersichtlichen  Zusammenstellung  des  vor- 
handenen materials.  Nur  auf  die  Vermehrung  der  citate  legt 
der  Verfasser  gewicht;  denn  die  anmerkungen  seien  allerdings 
für  die  gelehrten  geschrieben,   während  der  text  auf  ein  grosse- 


Nr.  3.  61.  Culturgeschichte.  141 

res  publicum  berechnet  sei;  daher  sei  „um  die  aufmerksamkeit 
des  lesers  mehr  zu  fesseln ,  die  form  einer  reisebeschreibuug 
oder  eines  von  einem  gleichzeitig  lebenden  Griechen  abgefassten 
tagebuchsa  gewählt;  die  besprechung  von  einzelnbeiten  dage- 
gen in  die  anmerkungen  verwiesen.  Ob  man  dieses  verfahren 
gutheissen  darf,  ist  mindestens  sehr  fraglich;  wenigstens  ist 
wohl  heutzutage,  besonders  nachdem  Friedländer  in  seinem  vor- 
trefflichen, jetzt  vollendeten  werke  gezeigt  hat,  in  welcher  art 
solche  darstelluDgen  populär  und  doch  streng  wissenschaftlich 
gegeben  werden  können,  kaum  mehr  ein  zweifei  darüber,  dass 
die  ähnliche  einkleidung  in  den  bekannten  werken  Becker's, 
Charikles  und  Gallus,  keineswegs  dazu  beigetragen  hat,  den 
werth  dieser  sonst  überaus  verdienstlichen  arbeiten  zu  erhöben. 
Ein  historischer  roman  darf  kein  lehrbuch  sein  und  ein  lekr- 
buch  kein  roman,  denn  die  form  ist  nicht  etwas  rein  äusser- 
liches,  sondern  bedingt  die  ganze  anläge  uud  disposition  des  Wer- 
kes. Man  kann  nicht  leugnen,  dass  die  von  Forbiger  gewählte 
einkleidung  sich  ungleich  leichter  dem  gegenstände  anpasst: 
eine  reisebeschreibung  hat  immer  ein  didactisches  element  in 
sich  und  ist  sehr  geeignet,  in  das  kulturleben  eines  fremden 
Volkes  einzuführen.  Aber  geschick  gehört  freilich  auch  dazu 
und  dieses  geschick,  die  darstellung  einigermassen  zu  belebten, 
zu  individualisiren  und  auch  nur  für  einen  moment  d-n  eindruck 
zu  erwecken,  dass  man  es  wirklich  mit  einem  reisenden  Griechen 
zu  thun  habe,  auf  den  der  anblick  von  Rom  und  von  römischem 
leben  unmittelbar  einwirkt  —  dies  geschick  fehlt  Forbiger  leider 
gänzlich.  Mit  eingestreuten  bemerkungen,  wie  p.  14  über  die 
fischsauce  (garum)  :  ,,doch  gestehe  ich  offen,  dass  ich  nicht  recht 
begreife,  wie  die  Kömer  so  grossen  geschmack  daran  finden 
können,  wenn  ich  auch  nicht  leugne,  dass  es  ein  sehr  pikantes 
geriebt  ist",  oder  p.  251:  „nun  aber  wäre  es  unverantwortlich 
gewesen,  das  brautpärchen  noch  länger  stören  zu  wollen",  oder 
p.  284:  „wäre  es  mir  nun  auch  ungleich  erwünschter  gewesen, 
meine  neugier  (nämlich  bei  der  toilette  zu  assistiren)  im  hause 
einer  anständigen  dame  befriedigen  zu  können"  —  mit  solchen  und 
ähnlichen  bemerkungen  glaubt  der  Verfasser  seiner  pflicht  zur  cha- 
racterisirung  des  erzählers  genug  gethan  zu  haben  und  wohlweis- 
lich wird  derselbe  sofort  aller  nationalität  durch  seine  eigene 
erkläiung  (p.  13)  entkleidet:    „ich   werde,    wie  in  allen  folgen- 


142  61.   Culturgeschichte.  Nr.  3. 

den  Schilderungen,    auch  was  mit  den  griechischen  sitten  völlig 
übereinstimmt,  so  darstellen,  als  ob  es  mir  neu  wäre". 

Man  wird  vielleicht  einwenden ,  dass  das  hervortreten  der 
persönlichkeit  und  seiner  individuellen  anschauung  nicht  dem  rein 
didactischen  zwecke  des  buches  entsprechen  würde,  mag  sein, 
aber  was  beweist  das  anderes,  als  dass  auch  diese  form  der  dar- 
stellung  dann  eine  verfehlte  ist?  Und  doch,  selbst  wenn  die  person 
desbescbreibers  ganz  im  hintergrunde  bleiben  sollte,  so  konnte  doch 
der  stil  wenigstens  und  die  darstellung  einigermassen  geschickt 
und  belebt  sein.  Aber  das  ganze  buch  liest  sich  wie  eine  un- 
gelenke Übersetzung  aus  einer  fremden  spräche  und  zahlreiche 
parenthesen  hemmen  den  leser  auf  schritt  und  tritt ;  man  sieht 
eben  überall ,  dass  Forbiger  nichts  weiter  im  sinne  hat ,  als 
nur  ja  keine  kostbare  notiz,  die  er  in  seinen  excerpten  ver- 
zeichnet fand,  dem  leser  vorzuenthalten  und  ist  es  ganz  un- 
möglich, dieselben  sofort  zu  verwerthen,  so  tröstet  er  uns  mit  der 
öfters  wiederkehrenden  Versicherung ,  dass  er  darauf  noch  an 
einem  anderen  orte  eingehend  zurückkommen  werde.  War  gar 
keine  passende  stelle  zu  finden,  so  musste  ein  anhang  am 
Schlüsse  des  kapitels  gemacht  werden,  wenn  derselbe  auch  mit 
dem  vorhergehenden  absolut  nichts  zu  thun  hat ;  geradezu  ko- 
misch ist  es  z.  b.,  in  welcher  weise  der  Verfasser  eine  ausein- 
andersetzung  über  die  entstehung  und  entwickelung  der  patri- 
cier,  plebejer  und  ritter,  die  überdies  auf  einem  äusserst  niedri- 
gen niveau  steht,  am  ende  des  ersten  kapitels  angeknüpft  hat. 
Unser  Grieche  wird  nämlich  von  seinem  vornehmen  römischen 
gastfreunde  Sulpicius  seiner  geraahlin  vorgestellt,  „die  gleich 
ihrem  gatten  einem  alten  patricischen  geschlechte  angehörte"* 
. . .  „Diese  erwähnung  ihrer  patricischen  herkunft  aber  bestimmt 
mich,  alles  was  ich  namentlich  durch  mittheilung  des  Sulpicius 
und  Narcissus,  aber  auch  aus  büchern ,  die  mir  letzterer  aus 
seinem  laden  lieh,  über  die  Verhältnisse  der  drei  stände(!)  in 
Rom,  patricier,  ritter  und  plebejer,  in  erfahrung  brachte,  unten 
am  ende  dieses  kapitels  meiner  erzählung  als  anhang  kurz  zu- 
sammenzustellen". Schon  am  folgenden  tage,  nachdem  er  mit 
Narcissus  (einem  freigelassenen  des  Sulpicius,  der  einen  buch- 
handel  eröffnet  hat)  eine  grosse  rundreise  in  Rom  gemacht  und 
bei  seinen  gastfreunden  unter  sehr  belehrenden  gesprächen  sou- 
pirt  hat,    wird    das   versprechen    eingelöst:    „ich   zog  mich  auf 


Nr.  3.  62.  Griechische  antiquitäten.  143 

mein  zimmer  zurück,  um  noch  bis  in  die  nacht  hinein  in 
den  mir  von  Narcissus  geliehenen  geschichtswerken  zu  studiren 
und  theile  schon  hier  das  resultat  meiner  forschungen  über  die 
entstehung  und  Verhältnisse  der  drei  stände  Korns  als  anhang 
meiner  heutigen  erlebnisse  mit" :  wir  hätten  gern  auf  die  fol- 
genden theils  trivialen,  theils  falschen  ausführungen  verzichtet 
und  dem  müden  Griechen  etwas  mehr  schlaf  gegönnt ,  um  sich 
für  die  Wanderungen  des  folgenden  tages  und  ihre  beschreibung 
zu  stärken. 

Es  ist  nicht  unsere  absieht,  ihn  auf  allen  seinen  irrfahrten 
zu  begleiten;  zum  theil  sind  es  auch  bedenkliche  orte,  in  die  ihn 
sein  führer  Narcissus  bringt,  aber  wir  sehen  mit  befriedigung, 
dass  der  keusche  Grieche,  seinen  übrigen  landsleuten  jener  zeit 
wenig  ähnlich,  überall  nur  die  gelegenheit  benutzt,  seine  und 
unsere  kenntnisse  zu  bereichern. 

Wir  wollen  nicht  ungerecht  gegen  den  Verfasser  sein :  er 
hat  sich  redlich  bemüht,  ein  grosses  material  aus  ursprüngli- 
chen und  seeundären  quellen  zu  sammeln  und  zu  verwerthen, 
und  man  wird  den  abhandlungen  über  das  römische  haus,  villa, 
landleben,  familienleben,  Schauspiele  u.  s.  w.,  wenn  sie  auch  we- 
nig neues  enthalten,  fleiss  und  genauigkeit  im  detail  nicht  ab- 
sprechen ;  aber  zu  einer  populären  darstellung  fehlt  ihm  durch- 
aus alle  begabung.  Hätte  er  sich  damit  begnügt,  eine  Schilde- 
rung dieser  interessanten  erscheinungen  etwa  für  vorgerückte 
schüler  zu  geben,  so  würde  das  buch,  obgleich  ein  eigentliches 
bedürfniss  dafür  nach  B<jcker's  und  Friedländer's  arbeiten  ebenfalls 
nicht  vorlag,  nicht  ganz  ohne  nutzen  gewesen  sein ;  hoffent- 
lich wird  der  Verfasser,  wenn  er  die  versprochene  fortsetzung 
liefern  sollte,  auf  eine  solche  halb  romanhafte  einkleidung  ver- 
zichten und  sich  auf  eine  einfache  und  übersichtliche  darlegung 
des  materials  beschränken.  O — d. 

62.  Lehrbuch  der  griechischen  privaialterthümer  mit  ein- 
schluss  der  rechtsalterthümer  von  Karl  Friedrich  Her- 
mann. 2.  auf!.,  unter  benutzung  des  vom  Verfasser  hinterlas- 
senen  handexemplars  neu  bearbeitet  von  Dr  Karl  Bernh. 
Stark,  professor  in  Heidelberg.  Heidelb.  Mohr.  1870.  8. 
XIX  und  595  seiten.   —     2l/2  thlr. 

Wir  haben  den  ersten    theil  dieses    bandes  im  Philol.  An- 


144  62.  Griechische  antiquitäteü.  Nr.  3. 

zeiger  bereits  besprochen.  Auch  der  zweite  theil  enthält  über- 
all reiche  Zusätze,  wie  z.  b.  der  ganze  §.  50  über  hühere  be- 
rufszweige  eingeschaltet  ist:  daher  der  index,  welcher  früher 
16  seiten  betrug,  jetzt  deren  35  enthält. 

Ich  erlaube  mir  wiederum  einige  nachtrage  zu  machen. 
§.  33  anm.  39  konnte  bei  dem  xslidöriafAa  bemerkt  werden, 
dass  noch  jetzt  die  kinder  in  Griechenland  am  1.  märz  ein 
ähnliches  lied  singen ,  während  sie  eine  hölzerne  schwalbe  auf 
einem  cylinder  umdrehen.  Das.  anm.  27  handelt  von  puppen: 
man  vgl.  dazu  Heydemaun  im  Bull.  d.  inst,  di  corr.  arch.  Rom 
1868,  welcher  p.  38  solche  auf  attischen  grabmälern  nachweist, 
p.  35  einen  drachen,  dsrög,  auf  einer  vase  in  Neapel.  Eine  thon- 
puppe,  ein  mädchen,  mit  beweglichen  gliedern  aus  einem  grabe 
der  Krim  bildet  Stephani  compte-rendu  pour  1868  auf  taf.  1, 
no.  18  ab,  G.  Krüger  im  programm  des  Charlottenburger  pro- 
gymn.  (Berl.  1866)  über  Charon  und  Thanatos  ein  spielwerk 
aus  Athen,  wohl  einen  kinderkahn,  Valentin  im  Jubelprogramm 
für  Gerhard  1865  eiaen  knaben,  welcher  einen  kleinen  wagen 
zieht,  von  einer  vase  aus  Canosa  zu  München.  Dies  würde  zu 
23,  25  gehören.  §.  37,  16  bei  dem  (paivii  öVspiel  ist  schob  ad 
Clem.  Alex.  vol.  4  p.  135  Klotz,  mit  recht  ausgelassen  als 
aus  Pollux  entlehnt.  Auf  kunstwerken  weist  dies  spiel  Ste- 
phani compte-rendu  pour  1863  p.  13  anm.  3  nach.  Ich  ver- 
misse §.  33  den  aay.roXiaapirx; ,  über  welchen  ausführlich  Gras- 
berger  Eos  1865,  p.  329  handelt,  und  die  ecoloxQaoia  bei  Pho- 
tius,  Bekker  Anecd.  I,  258,  Eust.  zur  Od.  1451,  56,  Apostol.prov. 
18,  70  mit  Leutschs  anm.  ,  und  Stephani  compte-rendu  pour 
1868  p.  89  f.,  welcher  sie  auch  auf  einer  vase  findet.  Zu 
37,  3  kommt  noch  Clarac  mus.  de  sculpt.  band  4,  pl.  712,  no. 
1696,  ein  Faun,  welcher  über  einen  geschwungenen  strick  spriugt. 
Das  reifeuspiel  (33,  20)  ist  auf  vielen  vasen  in  Sicilien  darge- 
stellt, besonders  auf  lt]xv&ois:  s.  Benndorf  arch.  anz.1867,  p.  114*. 
So  viel  zu  den  spielen.  Zum  Unterricht  §.  34  gehöriges  bietet 
noch  0.  Jahn  handwcrk  p.  288  ff. —  §.  35,  5  wird  der  scliüler- 
tafeln  aus  ägyptischen  grabern  gedacht.  Vgl.  dazu  Fröhner 
soc.  de  numism.  et  d'arcMol.  Paris  1867,  p.  5  ff. f  wo  vier  sol- 
che zu  Marseille  und  eine  in  New  -  York  genau  beschrieben 
werden,  die  letzto  nach  besserer  copie  als  von  Welcher  Khein. 
Mus.  XV,  p.  155.      Ein  schwarzer  ziegel    zu  Athen  mit  einge- 


Nr.  3.  63.  Archäologie.  145 

ritzten  buckstabirübungen  ag  ßao  u.  s.  w.  sg  ßsg  u.  s.w.  r}Q  und 
so  fort  durch  alle  vocale  ist  behandelt  Philistor  4,  p.  527.  — 
Zu  §  35:  über  das  rechnen  der  Griechen  s.  Cantor  rnathem.  beitr. 
p.  126.  —  Zu  §.  48,  8  über  Wechsel  fehlt  das  gelehrte  buch 
von  Gneist:  die  formellen  vertrage  des  neueren  römischen 
Obligationenrechts  in  vergleichung  mit  den  geschäftsformen  des 
griechischen  rechts.  Berlin  1845  ,  besonders  p.  414 — 482.  — 
Zu  §.  65  :  über  die  bei  der  adoption  gebräuchlichen  ausdrücke  s. 
Keil  Rhein.  Mus.  XX,  p.  535:  yorcp,  yevei,  vpvast,  qvaixog  na~ 
tqg  —  \'>yty,  k«#'  vjinOtGi'ar ,  xaza  noiqaiv.  In  Attika  wenig- 
stens bleibt  der  alte  name,  doch  tritt  der  neue  demos  dazu.  — 
Diese  notizen  mögen  als  kleine  beitrage  zu  dem  in  der  bear- 
beitung    von  B.    Stark  sehr  verbesserten  handbuche  dienen. 

Gustav    Wolff. 

63.  Der  Parthenon,  herausgegegeben  von  Adolph  Mi- 
chaelis. Mit  einem  atlas  und  einer  hülfstafel.  8.  Leipzig, 
Breitkopf  und  Härtel,  1871.  —      10  thlr. 

Bei l)  der  ungemeinen  Wichtigkeit,  welche  der  Parthenon  für 
die  kunstwissenschaft  besitzt ,  und  bei  der  Schwierigkeit,  die  es 
für  den  einzelnen  hat ,  sich  mit  dem  überall  zerstreuten  künst- 
lerischen und  wissenschaftlichen  material  vollständig  bekannt  zu 
machen,  war  eine  erschöpfende  Zusammenstellung  und  kritische 
Sichtung  des  vorhandenen  schon  längst  zur  nothwendigkeit  ge- 
worden, zumal  da  jetzt  wohl  kaum  noch  eine  weitere  Vermeh- 
rung des  Stoffes  durch  neue  entdeckungen  zu  erwarten  steht. 
Der  Verfasser  hat  dies  dankbare  aber  auch  mühselige  unterneh- 
men, über  welches  er  bereits  früher  auf  der  philologenversamm- 
lung  zu  Halle  mittheilungen  gemacht  hatte,  jetzt  in  einer  weise 
zu  ende  geführt,  die  dem  werke  eine  hervorragende  stelle  in  der 
archäologischen  literatur  sichert.  Für  die  einrichtung  des  atlas 
ist  eine  neue  und  sehr  praktische  methode  angewendet  worden, 
die  dem  philologen  übrigens  so  nahe  liegt,  dass  man  sich  wun- 
dern muss,  sie  jetzt  zuerst  angewendet  zu  sehen.  Wie  bei  der 
herausgäbe  eines  alten  Schriftstellers  eine  bestimmte  handschrift 
zu  gründe  gelegt  wird  und  die  abweichungen  der  übrigen  nur 
in  form  von  noten  unter  dem  texte  ihre  stelle  finden ,  so 
enthält  auch  der  atlas  grössere    zusammenhängende    textstreifen 

1)  S.  ob.  nr.  1,  p.  50  flgg.      Die   Wichtigkeit  des  werks  wird  diese 
zweite  anzeige  rechtfertigen.  —     E.  v.  L. 

Philol.  Anz.  IV.  10 


146  63.  Archäologie.  Nr.  3. 

—  abbildungen  der  originale  resp.  der  der  Carreyschen  Zeich- 
nungen —  während  alles  andere,  was  zur  ergänzung  oder  be- 
richtigung  dienen  kann,  in  kleinerem  formate,  so  zu  sagen  in 
notenform,  darunter  beigefügt  ist,  und  zwar  nicht  in  überflüssi- 
ger Vollständigkeit,  sondern  nur  in  den  jedesmal  wichtigen  thei- 
len.  Dadurch  wurde  die  wünschenswerthe  Übersichtlichkeit  ge- 
wonnen und  unnöthiger  luxus  vermieden.  In  ebenso  sparsa- 
mer und  übersichtlicher  art  wird  auch  das  umfangreiche  wis- 
senschaftliche material  mitgetheilt ;  die  verschiedenen  erklärungs- 
versuche  früherer  sind  mehrfach  in  tabellenform  oder  sonst  in 
möglichst  knapper  fassung  mitgetheilt.  Trotzdem  ist  aus  dem 
texthefte,  welches  der  titel  des  atlas  verspricht,  ein  recht  ansehn- 
licher band  geworden,  wofür  man  dem  Verfasser  nur  dank  wis- 
sen kann.  Namentlich  ist  die  Sammlung  aller  auf  die  panathe- 
näen  bezüglichen  stellen  und  der  den  parthenon  betreffenden 
inschriften  eine  erwünschte  zugäbe.  Dass  übrigens  ein  buch, 
welches  einen  so  oft  untersuchten  gegenständ  behandelt,  nicht 
viele  neue  entdeckungen  bringen  kann,  versteht  sich  von  selbst. 
Die  kritik  der  bisher  aufgestellten  eiklärungen  musste  in  den 
Vordergrund  treten,  und  sie  wird  durchweg  mit  einsieht  und 
Unparteilichkeit  und  ohne  wortaufwand  geübt. 

Referent  hat  in  dem  buche  nur  wenige  punkte  gefunden, 
bei  denen  er  sich  mit  dem  Verfasser  im  Widerspruch  weiss. 
Der  wichtigste  unter  diesen  punkten  ist  die  erklärung  der  sta- 
tue  D  des  ostgiebels  als  Diouysos.  Michaelis  widerlegt  sich 
aber  gewissermassen  sogleich  selbst,  wenn  er  sagt :  ,;nächst  Dio- 
nysos hätte  wohl  der  attische  gott  Herakles  die  nächsten  an- 
spräche auf  diese  figur".  Ist  dies  wirklich  so,  kann  die  statue 
sowohl  für  einen  Dionysos  wie  für  ein  Herakles  gelten ,  so  hat 
Phidias  von  charakterisiruug  keinen  begriff  gehabt.  Ueberdies  hat 
Dionysos  so  wenig  wie  Herakles  irgend  ein  anrecht  auf  einen 
platz  im  ostgiebel,  da  beide  zur  zeit  der  geburt  Athene's  noch 
nicht  existirten.  Der  künstler  kann  zwar  unter  umständen  von 
der  Chronologie  absehen ,  wie  z.  b.  Lukas  Kranach  sich  selbst 
bei  der  kreuzigung  darstellt.  Hier  ist  aber  eine  geistige  ge- 
meinschaft  vorhanden ,  was  von  den  im  ostgiebel  vermutheten 
personen  nicht  gilt.  Hier  müssen  wir  uns  au  die  thatsachen 
halten,  dass  in  D  ein  junger  mann  von  eisenfester  muskulatur 
dargestellt  ist,  dass  es  einer  der  Olympier  sein  muss,  und  dasa 


Nr.  3.  63.  Archäologie.  147 

er  ehedem  als  attribut  einen  stab  von  bronze  (eine  lanze)  in 
der  hand  gehabt  hat,  auf  dessen  befestigung  noch  ein  bohrloch 
hinweist.     Alles  dies  passt  ausschliesslich   auf  Ares. 

Die  erklärung  der  erwähnten  giebelstatue  wirkt  wiederum 
ein  auf  die  erklärung  der  figur  25  des  östlichen  frieses,  in  der 
Michaelis  ebenfalls  den  Dionysos  erkennen  will.  Auch  diese 
gestalt  zeichnet  sich  durch  ihren  kraftvollen  körperbau  aus, 
und  die  erhebung  der  linken  hand  wird  nur  verständlich,  wenn 
man  eine  lanze  als  attribut  annimmt.  Da  überdies  zur  erklä- 
rung der  götterversammlung  schon  sämmtliche  namen  der  Olym- 
pier in  anspruch  genommen  sind,  so  bleibt  auch  hier  nur  Ares 
übrig. 

Der  irrthum  des  Verfassers  hat  schliesslich  auch  noch  auf 
die  beurtheilung  stylistischer  besonderheiten  eingewirkt.  Er 
meint,  dass  bei  der  ausführung  der  gibelstatuen  verschiedene 
hände  thätig  gewesen  sind,  und  beruft  sich  hierfür  auf  den  un- 
terschied zwischen  dem  Dionysos,  der  einen  anflug  von  sche- 
matischem,  akademischem,  stilisirtem  habe,  und  dem  Kephisos, 
der  voll  des  allerindividuellsten  lebens  sei.  Er  übersieht,  dass 
der  unterschied  nicht  bloss  in  der  ausführung,  sondern  schon 
in  der  auffassung  liegt ,  dass  er  bereits  in  der  ersten  skizze, 
falls  Phidias  eine  solche  angefertigt  hat,  sich  geltend  gemacht 
haben  muss.  In  der  figur  des  Ilissos  oder  Kephissos ,  wie  Mi- 
chaelis ihn  nennt,  beruhet  der  reizvolle  fluss  der  Knien,  so  an- 
gemessen für  das  bild  des  flussgottes ,  auf  dem  doppelten  mo- 
tive  der  bewegung,  welches  einigermassen  an  Corregio  erinnert; 
für  den  ruhig  daliegenden  kriegsgott  hingegen  ergab  sich  die 
anwendung  eines  grossen  styles  aus  der  bedeutung  des  gegen- 
ständes. Diese  Verschiedenheit  deutet  aber  nicht  auf  verschie- 
dene hände.  Phidias  besass  —  ebenso  wie  Beethoven  —  nicht 
einen  styl ,  sein  universales  genie  vereinigte  alle  stylarten  in 
sich,  und  seine  eigenthümlichkeit  besteht  gerade  darin,  dass  er 
jedem  gegenstände  die  am  meisten  passende  behandlung  zu 
theil  werden  liess ,  dass  er  also  z.  b.  einen  strengen  styl  wie 
in  D  wohl  bei  einem  Ares  anwendete,  aber  nicht  bei  einem 
Dionysos. 

In  der  götterversammlung  des  ostfrieses  bezeichnet  Michae- 
lis zwei  figuren,  die  sonst  Aeskulap  und  Hygieia  hiessen,  als 
Athene  und  Hephästos,  und  findet   sogar   bei  der  sitzenden  ge- 

10* 


148  63.  Archäologie.  Nr.  3. 

stalt  des  gottes  eine  andeutung  des  hinkens    heraus.      Hiernach 
muss  es  auffallen,  dass  das  hinken  in  einem  andern   falle  über- 
sehen   worden    ist,    wo    es    weit  deutlicher  sich  geltend    macht, 
nämlich     bei     dem     schreitenden     manne    in     metope     17     der 
Südseite.     Ich  wenigstens  kann  auch  hier  nur  Hephästos  neben 
Athene  erkennen.      Der   viereckige    kästen    oder    korb    in    den 
händen   der    göttin,    den    übrigens  Carrey    sehr    undeutlich    ge- 
zeichnet   hat,    weil    er    die    sich  herausriugelnde  schlänge  nicht 
erkannte,    deutet  darauf   hin,    dass    metope    17  und  18  zusam- 
mengehören,   wie    auch    Michaelis     annimmt.       In    18    erkennt 
man  allgemein  die  Schwestern    der  Pandrosos ,    welche  wahnsin- 
nig zum  abhänge  der  akropolis  eilen,    um    sich  herabzustürzen. 
Phidias  folgte  also  jener  sage,    welche    den  Erichthonios  zu  ei- 
nem   söhne    des    Hephästos  und    der    Athene    machte    und    die 
doppelmetope  ist  im  wesentlichen  nach  Ovid.  Metam.   2,  552  sq. 
zu  erklären.      Diesem    zusammenhange   schliesst   sich    dann  me- 
tope 19  trefflich  an,    wenn    wir    hier    mit  ßröndsted  Pandrosos 
als  angehende  priesterin  der  Athene  sehen,    wie  sie  von  Telete 
oder  Thenios  belehrung  über    ihr    priesteramt    empfängt.      Dies 
ist  der  natürliche  Übergang  zu  20  und  21,  welche  auf  den  kul- 
tus    der  Athene    bezug    haben.      Nur  dadurch,    dass  in    21   die 
Verehrung  des  vom   himmel  gefallenen    bildes  der  Athene  selbst 
dargestellt  ist,    enthält    der    mit    13  beginnende  cyklus    seinen 
abschluss;  dieser  abschluss  fehlt  aber,  wenn  wir  mit  Michaelis  21 
zur  folge  der  Centaurenkämpfe  ziehen.    Als  idee  aller  neun  me- 
topen  ergiebt  sich  unschwer  die  entwicklung  der  kultur  in  Attika, 
und    es  ist  wohl    nicht  ohne  bedeutung,    dass    diese  bilderfolge 
mitten  zwischen  die  Centaurenkämpfe  eingereihet  ist,  denn  jene 
entwicklung  vollzog  sich  nicht  im  frieden,   sondern  war  begleitet 
von  heroischen  kämpfen    gegen  kulturfeindliche    mächte.      Eine 
symbolische  auffassung    des  metopenfrieses    aber  wird  zur  noth- 
wendigkeit    durch  seine  nahe    Verbindung   mit    dem   panatheuäi- 
schen  friese.     Beide  zusammen    sind  der  künstlerische  ausdruck 
der  ideen,    welche  in    der    berühmten    leichenrede    des  Perikles 
bei  Thucydides  enthalten  sind.  L.  G. 

64.  Kritische  bemerkungen  zur  ältesten  geschichte  der 
griechischen  kunst  von  Dr  Eugen  Petersen.  4.  Programm 
des  gymnasiums  zu  Ploen  1871. 


Nr.  3.  64.  Archäologie.  149 

Diese  mit  reifem  urtheil  wie  mit  grosser  schärfe  und 
klarheit  geschriebene  abhandlung  gehört  unbedingt  zu  dem  be- 
sten, was  über  die  anfange  der  griechischen  kunstgeschichte 
in  neuerer  zeit  gesagt  worden  ist.  Den  ausgangspunkt  der 
dreigetheilten  Untersuchung  bildet  die  frage  nach  der  berechti- 
gung  der  annähme  eines  mehrhundertjährigen  Stillstandes  zwi- 
schen der  homerischen  zeit  und  den  ersten  historischen  nach- 
richten  über  die  anfange  der  griechischen  plastik. 

Bei  der  besprechung  der  kuust  des  homerischen  Zeitalters, 
die  den  ersten  abschnitt  der  eigentlichen  Untersuchung  bildet,  con- 
centrirt  sich  das  hauptinteresse  natürlich  auf  den  Achillesschild. 
Petersen  schliesst  sich  hier  der  neuesten  von  Brunn  herrühren- 
den besprechung  dieses  gegenständes  insoweit  an  ,  als  er  aner- 
kennt, dass  derselbe  kein  willkührliches  phantasiegebilde  sei, 
sondern  der  dichter  rücksichtlich  des  Stoffes  und  der  form  nach 
analogien  schildere.  Mit  recht  ist  er  dagegen  der  ansieht,  dass 
man  auch  nicht  weiter  gehen  dürfe ,  und  namentlich  von  einer 
räumlichen  disposition  der  scenen  über  die  einzelnen  streifen 
durchaus  absehen  müsse,  welche  sich  vorstellig  zu  machen  der 
dichter  auch  nicht  den  geringsten  anhält  bietet.  Brunn  hatte 
ferner  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  zwischen  diesen  äusse- 
rungen  eines  kunsttriebes ,  der  allein  darauf  ausgeht  ein  ge- 
räth  reich  zu  verzieren  ,  und  selbständig  losgelösten  kunst- 
werken  ein  sehr  grosser  unterschied  sei.  Auch  Petersen  ist 
dieser  ansieht  und  er  spricht  es  entschieden  aus,  dass  diese  ho- 
merische im  wesentlichen  vom  Orient  abhängige  kunst  mit  nich- 
ten  einfach  als  eine  unvollkommene  stufe  der  späteren  be- 
trachtet werden  dürfe. 

Der  in  der  beschreibung  des  homerischen  Schildes  als  ver- 
fertiger des  tanzplatzes  der  Ariadne  angeführte  Daidalos  bildet 
den  gegenständ  der  Untersuchung  des  nächsten  capitels.  "Wenn 
man  in  ihm  immer  noch  den  personificirten  Vertreter  einer  wenn 
auch  dem  räum  und  der  zeit  nach  weit  auseinanderliegenden 
kunstübung  sieht,  so  betont  Petersen  gewiss  richtig,  dass  sich 
bis  dahin  niemand  die  mühe  genommen,  die  auf  ihn  bezüglichen 
notizen  in  ihrer  geschichtlichen  abfolge  zu  prüfen.  Geschieht 
dies,  so  ergiebt  sich  das  einfache  resultat,  dass  die  ältere  Über- 
lieferung in  ihm  durchaus  nur  einen  mythischen  tausendkünst- 
ler  erblickt,  der  seinen  statuen  leben  und  bewegung,  ja  spräche 


150  64.  Archäologie.  Nr.  3. 

zu  verleihen  weiss  ,  ganz  in  Übereinstimmung  mit  den  an  wun- 
dern so  reichen  sagen,  die  sich  an  seinen  aufenthalt  in  Kreta, 
Sicilien  uud  Athen  anknüpfen.  Erst  eine  spätere  stark  rationa- 
listisch gefärbte  richtung  versucht  es  erhaltene  bildwerke  mit 
seinem  namen  in  beziehung  zu  setzen.  Daidalos  sollte  es  gewe- 
sen sein,  der  zuerst  die  figuren  schreitend  mit  losgelösten  armen 
und  geöffneten  äugen  dargestellt  habe.  Indem  die  archäologie, 
wenn  auch  den  Urheber  selbstverständlich  negirend,  doch  das 
factum  jenes  angeblichen  fortschrittes  anerkennt,  so  übersieht 
sie  dabei  wie  jene  nachricht  sich  schon  dadurch  als  eine  ge- 
machte erweist,  dass  sie  nicht  im  stände  ist  das  zu  erklä- 
ren ,  was  in  der  älteren  Überlieferung  als  das  wesentliche  an 
den  dädalischen  gebilden  hervorgehoben  wird :  die  selbststän- 
dige bewegung.  Auch  wird  es  nicht  zufällig  sein,  dass  sich  die 
Unterscheidung  vordädalischer  und  nachdädalischer  statuen  nach 
den  von  den  alten  selbst  an  die  hand  gegebenen  merkmalen 
an  den  uns  erhaltenen  bildwerken  schlechterdings  nicht  durch- 
führen lässt.  Diese  betrachtungsweise  wirft  ein  helles  und  schar- 
fes licht  auf  ähnliche  fabelhafte  gebilde,  die  bei  Homer  vor- 
kommen und  für  welche  etwas  wirkliches  vorauszusetzen  man 
daher  bedenken  tragen  muss.  Hat  sich  so  ergeben,  dass  der 
daidalosmythus  nichts  weniger  als  einen  historischen  kern  hat, 
so  hört  auch  die  Verpflichtung  auf  ihn  chronologisch  unterzu- 
bringen;  jener  unbequeme  Zeitraum  von  300  jähren  stillstand 
—  denn  vor  Homer  musste  Dädalus  doch  wohl  gelebt  haben 
(II.  2,  599)  —  fällt  in  sich  zusammen  und  damit  natürlich 
auch  die  nothwendigkeit  ihn  zu  erklären. 

Wie  wenig  begründet  die  bisherige  annähme  eines  hierati- 
schen zwanges  sei,  ist  Petersen  bemüht  im  dritten  abschnitt  darzu- 
legen. Drei  nachrichten,  auf  die  man  sich  hauptsächlich  dabei 
stützte ,  werden  als  nicht  hierhergehörig  abgewiesen.  Auch  an 
uns  erhaltenen  werken  lässt  sich  die  existenz  eines  solchen  nicht 
nachweisen,  und  wenn  behauptet  wird,  dass  gewisse  theile: 
gewand,  haar  und  gesicht  mit  scheinbar  verhaltener  kunst  im 
gegensatz  zu  den  körpern  gebildet  seien,  so  erklärt  sich  das 
nicht  aus  einer  Vorschrift  der  priester,  auch  nicht  daraus,  dass 
auf  diese  theile  die  nachahmung  von  so  angekleideten  kultus- 
bildern  eingewirkt,  sondern  aus  der  naturgemässen  entwicke- 
lung  der  kunst  selbst,    die  diese  theile,   welche   gewisse  schwie- 


Nr.  3.  65.    Archäologie.  151 

rigkeiten  boten,  eben  noch  nicht  anders  zu  bilden  vermochte. — 
Doch  ist  es  nicht  unsere  absieht  durch  diese  mittbeilungen  die 
leetüre  dieser  vortrefflichen  und  gehaltvollen  schrift  tiberflüssig 
zu  machen ,  auf  die  wir  um  so  nachdrücklicher  hinweisen ,  je 
näher  die  gefahr  liegt,  dass  sie  das  gewöhnliche  Schicksal  der 
schulprogramme  theile.  Z. 

65.  Vortrag  über  zwei  antike  köpfe  des  Baseler  museums, 
gehalten  an  der  elften  Jahresversammlung  des  Vereins  schwei- 
zerischer gymnasiallehrer  von  W.  Vis  eher.  4.  Aarau,  buch- 
druckerei von  H.  E.  Sauerländer,  1871. 

Die  kleine  schrift  behandelt  zwei  für  Basel  erworbene  an- 
tiken, erstens  einen  Apollokopf,  der  mit  dem  belvederischen 
die  grösste  ähnlichkeit  hat  und  zweitens  einen  dem  farnesi- 
schen  verwandten  Herakleskopf.  Den  in  Basel  befindlichen 
Apollo  hält  der  Verfasser  nach  dem  vorgange  von  Kekule"  für 
das  original,  die  belvederische  statue  für  copie.  In  betreff  des 
Herakles  sagt  er :  „er  ist  wenn  nicht  selbst  original,  was  dahin 
gestellt  werden  muss,  doch  nach  dem  griechischen  originale  in 
griechischem  geiste,  wenn  auch  vielleicht  in  Born  gearbeitet; 
der  farnesische  ist  unter  römischem  einflusse  nach  dem  gleichen 
original,  aus  dem  griechischen  typus  gleichsam  in  den  römischen 
übersetzt". 

Derartige  Untersuchungen  über  original  und  copie  sind 
heutzutage  bei  den  archäologen  sehr  beliebt,  und  der  uneinge- 
weihte würde  über  die  feinheit  der  beobachtungen  erstaunen, 
wenn  nur  nicht  leider  die  einzelnen  beobachter  sich  gewöhn- 
lich direkt  widersprächen ,  wie  z,  b.  im  vorliegenden  falle  Ke- 
kule* und  Brunn.  Hat  man  aber  erst  die  Überzeugung  gewon- 
nen, dass  die  sichere  entscheidung  solcher  fragen  zu  den  Un- 
möglichkeiten gehört,  und  muss  man  trotzdem  sehen,  dass  man- 
che archäologen  mit  gleicher  ernsthaftigkeit  wie  Cicero's  au- 
gurn  die  entscheidung  fällen,  so  wird  das  erstaunen  ganz  ande- 
rer art.  Giulio  Romano  konnte  das  portrait  des  papstes  Leo, 
an  dem  er  selbst  in  gemeinschaft  mit  Rafael  gemalt,  nicht  von 
del  Sarto's  copie  unterscheiden ;  und  dass  unsere  kunstrichter 
in  dieser  beziehung  auch  nicht  klüger  sind,  hat  der  streit  über 
die  Holbeinschen  Madonnen  sattsam  bewiesen.  Und  doch  müsste 
bei    der    neueren  maierei  eine  solche  kritik  noch  am   ersten  zu 


152  66.  67.  Archäologie.  Nr.  3. 

ermöglichen  sein,  weil  man  hier  sicher  beglaubigte  originale 
von  der  hand  der  grossen  meister  in  genügender  anzabl  be- 
sitzt, um  sich  daraus  über  die  besonderbeiten  eines  jeden  gründ- 
lich unterrichten  zu  können;  aber  wo  ist  bei  der  antike  auch 
nur  diese  Vorbedingung  erfüllt?  Und  wenn  sie  es  wäre,  ist 
nicht  schliesslich  jedes  marmorwerk  immer  nur  eine  copie  nach 
einem  thonmodelle,  so  dass  man  niemals  wissen  kann,  wie  viel 
der  meister  und  wie  viel  seine  gehülfen  daran  gethan  ?  Für 
die  Verschiedenheiten,  welche  bei  Wiederholungen  desselben  ge- 
genständes vorkommen,  lassen  sich  überdies  so  vielerlei  erklä- 
rungen  aufstellen,  dass  man  es  lieber  ganz  unterlassen  sollte, 
diese  gleichungen  mit  zehn  unbekannten  aufzulösen. 

L.  G. 

66.  Epigraphische  und  archäologische  kleinigkeiten  von 
Wilhelm  Vischer.  Mit  zwei  lithographischen  tafeln.  Ba- 
sel, Carl  Schultze's  universitätsbuchdruckerei,  1871. 

Ausser  verschiedenen  schleuderbleien,  unter  denen  eins  mit 
dem  bilde  des  blitztragenden  adlers  und  dem  namen  des  De- 
metrius  besonderes  interesse  erregt,  publicirt  der  Verfasser  auch 
noch  einige  auf  das  gerichtswesen  der  Athener  bezügliche  al- 
terthümer.  Als  besonders  seltenes  und  merkwürdiges  stück  ist 
unter  diesen  ein  athenisches  stimmtäfelchen  hervorzuheben,  des- 
sen gestalt  sich  am  besten  mit  einem  farbenkreisel  vergleichen 
lässt.  Aus  der  abbildung  ersieht  man  deutlich,  was  Aristoteles 
sagen  will,  da  er  von  dem  avltanog  spricht,  den  diese  stimm- 
täfelchen in  der  mitte  gehabt  hätten.  L.  G. 

67.  Römische  hochzeits-  und  ehedenkmäler  erläutert  von 
August  Eossbach.     8.     Leipzig.  1871.  —     1  thlr.   14ngr. 

Schon  in  seinem  buche  über  die  römische  ehe  hatte  der 
vf.  in  einem  besondern  abschnitte  anhangsweise  auch  die  be- 
züglichen kunstdenkmäler  betrachtet.  Da  er  dabei  jedoch  nur 
auf  die  grade  für  diesen  gegenständ  besonders  unzuverlässigen 
publicationen  angewiesen  war,  so  Hess  sich  voraussehen,  dass 
die  ergebnisse  seiner  besprechung  sich  nicht  überall  als  sicher 
und  richtig  bewähren  würden.  Ausserdem  fehlte  ihm  damals 
offenbar  die  nöthige  Vertrautheit  mit  der  ganzen  gattung  von 
monumenten,  die  für  seinen  zweck  besonders  in  betracht  kommt. 


Nr.  3.  67.  Archäologie.  153 

Gerhards  paradoxon:  qui  unum  monumentum  vidit  nulluni  vidit, 
gilt  ganz  eigentlich  von  den  römischen  Sarkophagen. 

Auf  einer  reise  nach  Italien  und  insbesondere  bei  einem 
längeren  aufenthalt  in  Eom  hat  nun  der  vf.  gelegenheit  gehabt 
die  in  frage  kommenden  monufnente  selbst  zu  untersuchen  und 
unter  einander  so  wie  mit  verwandten  zu  vergleichen.  Das  er- 
gebniss  dieser  Studien  sind  sehr  zahlreiche  berichtigungen  in  der 
einzelerklärung,  und,  was  wichtiger  ist,  eine  wesentliche  Verän- 
derung des  standpunctes   von  dem   die  betrachtung  ausgeht. 

Naturgemäss  schreiten  wir  von  den  einfachen  zu  umfang- 
und  inhaltsreicheren  darstellungen  vor.  Der  act  der  eheschlie- 
ssung,  welcher  durch  die  dextrarum  iunctio  ausgedrückt  wird, 
ist  als  der  wichtigste  moment,  wie  die  grosse  zahl  der  uns  er- 
haltenen denkmäler  beweist,  besonders  gern  zur  darstellung  ge- 
bracht;  aber  es  musste  den  künstler  reizen  auch  damit  unmittelbar 
zusammenhängendes,  wie  das  opfer,  das  hier  wie  bei  keiner 
feierlichen  handlung  fehlen  durfte,  oder  den  zug  glückwünschen- 
der  gaste  vorzuführen.  Endlich  konnte  er  auch  die  hocbzeit 
als  den  höhepunct  des  ganzen  lebens  betrachten  und  dieselbe 
von  scenen  umgeben  erscheinen  lassen,  die  andere  wichtige  mo- 
mente  desselben  veranschaulichen,  oder  den  rang  und  die  lebens- 
verhältnisse  oder  die  lieblings -beschäftigung  der  verstorbenen  in 
bunten  und  bewegten  bilde™  zur  anschauung  brachten.  So  sehen 
wir  denn  das  neugeborene  kind  mit  seiner  amme,  im  hinter- 
grund  bedeutungsvoll  die  drei  Parzen  ;  ferner  den  knaben  wie  er 
von  seinem  pädagogen  Unterricht  erhält.  Als  den  mann  beson- 
ders ehrende  beschäftigungen  galten  noch  in  der  späten  kaiser- 
zeit  jagd  und  krieg.  Hierauf  bezügliche  darstellungen  sind  des- 
halb besonders  beliebt.  Bald  erblicken  wir  den  verstorbenen 
von  einem  schwärm  seiner  begleiter  umgeben  auf  einen  mäch- 
tigen eber  einstürmend,  bald  erscheint  er  als  sieggekrönter  feld- 
herr,  vor  dessen  stuhl  gefangene  barbaren  geführt  werden.  Alle 
diese  darstellungen  haben  sowie  die  der  mythischen  Vorgänge  et- 
was typisches  und  eine  Zusammenstellung  lehrt,  dass  wir  es  hier 
mit  nichts  weniger  als  mit  individuell  erfundenem  zu  thun 
haben. 

Was  nun  die  hochzeitsdarstellungen  selbst  betrifft,  so  ist 
es  ein  unbestreitbares  verdienst  Eossbachs  gegen  seine  eigene 
frühere    ansieht    zum  ersten  male  ohne   rückhalt    ausgeführt    zu 


154  67.  Archäologie.  Nr.  3. 

haben,  dass,  einzelner  auf  den  ersten  blick  täuschender  realisti- 
scher details  ungeachtet  der  Vorgang  stets  idealistisch  geschil- 
dert wird  und  namentlich  nie  auch  nur  der  versuch  gemacht 
ist,  seine  in  Wirklichkeit  so  überaus  wichtige  juristische  seite 
hervorzuheben ,  die  eben  künstlerisch  durchaus  unfruchtbar  sein 
musste.  Dass  bei  der  herstellung  des  stehenden  typus  der 
gruppe  der  dextrarum  iunctio  griechische  Vorbilder  theilweise  be- 
nutzt worden  sind,  hebt  Eossbach  mit  recht  hervor.  Unver- 
kennbar ist  dies,  wenn  man  das  wundervolle  in  mehrfachen  re- 
pliken  erhaltene  terracottarelief  bei  Campana:  Overe  in  plastica 
tav.  64  vergleicht :  zugleich  werden  aber  auch  die  sehr  tiefge- 
henden änderungen  klar,  die  sich  der  römische  künstler  im 
sinne  seiner  nationalen  anschauungen  erlaubt  hat.  Man  wird 
doch  zugestehen  müssen,  dass  mit  jenem  material  von  ihm  et- 
was durchaus  neues  geschaffen  worden  ist.  Der  Grieche  als 
ächte  künstlernatur  legt  hier,  wie  überall,  den  hauptnachdruck  auf 
das  psychologische  element.  Die  Schüchternheit  und  Verschämt- 
heit der  braut  in  dem  moment,  wo  sie  dem  manne  zugeführt 
wird  ist  es,  der  der  dichter  wie  der  bildende  künstler  eine  fülle 
der  anmuthigsten  und  wirksamsten  motive  abzugewinnen  weiss. 
Zögernd  naht  sich  die  Jungfrau,  ja  von  ihrer  begleiterin  muss 
sanfte  gewalt  angewendet  werden;  sie  ist  tief  verschleiert  und 
ihr  blick  auf  den  boden  geheftet,  während  der  mann  in  fester  und 
entschiedener  Stellung  ihr  gegenüber  steht.  In  den  römischen  dar- 
stellungen  ist  daraus  ein  steifer  ceremoniös  feierlicher  act  gewor- 
den. Zwar  ist  der  blick  der  braut  noch  immer  gesenkt,  aber 
sie  erscheint,  in  ihrer  ganzen  haltung  selbstbewusster  und,  wenn 
man  will,  würdiger.  Das  sanfte  vorwärtsschieben  durch  die  be- 
gleiterin war  nicht  mehr  nöthig ,  und  nur  mitunter  finden  sich 
an  dieser  noch  schwache  spuren  dafür,  dass  das  hauptmotiv  aus 
der  griechischen  darstellung  abgeleitet  ist.  In  dem  gewand  der 
braut,  das  aus  einem  weiten  sie  ganz  umhüllenden  tuche  be- 
steht kann  man  die  römische  palla  erblicken ;  wichtig  ist  es, 
dass  die  für  diese  gelegenheit  vorschriftsmässige  tracht,  zu  der 
auch  das  flammeum  gehörte,  vom  künstler  nicht  nachgebildet 
worden  ist-,  dagegen  ist  dem  bräutigam  die  feierlich  umgewor- 
fene toga  gelassen  worden,  und  ihm  um  den  eindruck  des  gan- 
zen noch  etwas  ceremoniöser  zu  machen  die  den  geschriebe- 
nen ehecontract  enthaltende  rolle  in  die  band  gegeben. 


Nr.  3.  67.  Archäologie.  155 

Nicht  zugeben  kann  ich  dem  verf.,  dass  die  eben  ange- 
deutete Umbildung  und  namentlich  die  einschiebung  der  Inno 
pronuba  doch  schon  von  griechischen  künstlern  vorgenommen  sei, 
Eossbach  beruft  sich  hier  für  diese  seine  behauptung  auf  mehrere 
römische  Sarkophagreliefs  mit  scenen  mythischer  begebenheiten, 
namentlich  auf  einen  Medeasarkophag  im  Louvre,  Clarac  pl.  199, 
210,  n.  373,  und  ein  merkwürdiges  relief,  welches  den  ehebruch 
des  Ares  und  der  Aphrodite  darstellt  (Winckelmann  M.  I.  n. 
27)  -1).  Aber  je  deutlicher  uns  dort  in  den  mythischen  scenen 
griechische  typen  entgegentreten,  um  so  unverkennbarer  ist  doch 
der  römische  Ursprung  grade  dieser  darstellung,  welche  in  die- 
sen und  den  verwandten  fällen  durchaus  als  eine  äusserlich 
angeflickte  erscheint.  Was  für  einen  grund  konnte  ein  griechi- 
scher künstler  auch  haben  in  dem  einen  wie  in  dem  andern  fall 
grade  den  moment  der  eheschliessung  zur  darstellung  zu  brin- 
gen? Dem  römischen  künstler  dagegen,  dem  es  darauf  ankam, 
möglichst  viele  bezüge  auf  das  wirkliche  leben  zu  gewinnen  und 
der  die  köpfe  der  beiden  mythischen  verlobten  wohl  noch  als 
porträts  auszuarbeiten  beabsichtigte,  lag  dagegen  wieder  nichts 
näher.  Wenn  auf  dem  Medearelief,  wie  zugestanden  werden 
muss,  namentlich  durch  die  Seitenwendung  der  Iuno  die  Steifheit 
des  ganzen  etwas  gemildert  scheint,  so  verdient  das  bestreben 
des  künstlers  die  scene  dem  lebendigen  linienflusse  der  be- 
nachbarten griechischen  composition  einigermassen  zu  assimi- 
liren,  allerdings  lob.  Römisch  bleibt  im  gründe  die  gruppe  aber 
dennoch;  und  die  disharmonie  der  beiden  völlig  heterogenen 
theile  springt  noch  immer  unangenehm  genug  ins  äuge. 

Die  allgemeinen  bemerkungen  über  diese  scene  gelten  nun 
im  besondern  vor  allem  für  das  weitaus  vorzüglichste  denkmal 
dieser  art,  den  berühmten  Sarkophag  in  San  Lorenzo  fuor  delle 
mura,  von  dem  wir  leider  noch  immer  keine  auch  nur  einiger- 
massen genügende  publication  besitzen.  In  betreff  der  auf  die- 
sem nach  links  folgenden  darstellung  kann  ich  Rossbach  nur 
beipflichten.  Es  ist  hier  wiederum  kein  bestimmter,  weder  für 
die  confarreatio ,    noch  für  eine  andere    form    der  römischen  ehe 

1)  Ich  weiss  nicht  worauf  die  nachricht  beruht,  das  relief  existire 
poch  in  Villa  Albani  (Jahn  Ber.  d.  s.  ges.  d.  wiss.  186S,  p.  212),  schon 
Winckelmann  sagt  in  seiner  Allegorie,  dass  er  den  Standort  nicht 
wisse.    Ich  habe  es  in  ganz  Rom  vergebens  gesucht. 


156  67.  Archäologie.  Nr.  3. 

characteristischer  moment  zu  erkennen,  sondern  der  durch  seine 
rolle  auch  hier  wieder  characterisirte  bräutigam  empfängt  vor 
seinem  hause  stehend  einen  zug  göttlicher  heil  und  segen  brin- 
gender gestalten.  Auch  hier  liegt  wieder  im  wesentlichen  ein 
griechisches  vorbild  zu  gründe,  das  sich  wie  Rossbach  hervor- 
hebt bis  auf  eine  bekannte  darstellung  der  Francoi9vase  zurück- 
verfolgen lässt.  Nur  möchte  ich  in  der  hauptfigur  nicht  den 
zum  opfern  stets  bereiten,  sondern  den  wirklich  opfern- 
den bräutigam  erkennen,  dem  gradein  dem  moment  des  opferns 
der  besuch  der  götter  zu  theil  wird.  Ist  nämlich ,  wie  auch 
Rossbach  annimmt,  die  rechte  hand  des  bräutigams  mit  einer 
patera  zu  ergänzen,  so  kann  der  mit  fruchten  beladene  cylin- 
der  vor  ihm  auch  nur  ein  altar  sein  trotz  des  flechtwerks  mit 
dem  er  überzogen  ist.  Ein  blosser  fruchtkorb  wäre  an  dieser 
stelle  ein  ganz  unverständlicher  gegenständ ;  auch  sind  mir 
keine  von  solcher  höhe  auf  antiken  monumenten  bekannt. 
Ausserdem  sprechen  für  eine  ara  entschieden  die  Vorbereitun- 
gen zum  opfer  :  der  bekannte  opferdiener,  der  den  widder  führt 
und  die  beiden  camilli  im  Hintergrund.  *  Dass  jener  an  die 
stelle  eines  widderführenden  Hermes  getreten  sei  ist  eine  ver- 
muthuug  Rossbachs,  die  wohl  berücksichtigung  verdient;  je- 
denfalls durfte  er  aber  aus  der  körperbildung  desselben  keine 
stütze  für  dieselbe  entnehmen.  Die  erklärung  der  auf  ein  tä- 
feichen gereihten  rundlichen  körper  auf  opferfladen  (p.  51)  ist 
durchaus  überzeugend.  (Zoega  denkt  in  seiner  ref.  vorliegenden 
beschreibung  des  Sarkophags  gewiss  mit  unrecht  an  die  bei  der 
hochzeit  eine  gewisse  rolle  spielenden  nüsse.)  Mit  unrecht 
stellt  Rossbach  als  zweifelhaft  hin,  dass  der  andere  camühis  die 
doppelflöte  geblasen.  Es  ist  richtig,  dass  heute  der  köpf  und 
eine  hand  fehlen ,  aber  analogien  sprechen  entschieden  für  die 
von  Sante  Bartoli  vorgenommene  ergänzung.  Rossbach  hätte 
sich  nur  des  von  ihm  selbst  veröffentlichten  Sarkophags  der 
villa  Taverna  in  Frascati  zu  erinnern  brauchen ,  ausserdem 
kannte  er  wenigstens  nach  einer  ihm  von  mir  mitgetheilten  be- 
schreibung das  mittelstück  eines  Sarkophags  von  bedeutenden 
dimensionen ,    welches  sich  in  der  villa  Rössler  (via  quattro  fon- 

2)  So  auch  schon  auf  der  Coburger  Zeichnung  Monatsber.  der 
berl.  Academie  1871,  p.  497  n.  234  uud  dem  daraus  abgeleiteten  Pi- 
ghianus. 


Nr.  3.  67.  Archäologie.  157 

tane)  befindet.       Hier    erscheint    zwischen    den  beiden  ehegatten 
über  einem   leider  weggemeisselten  altar  der  bekränzte  tibicen. 

Von  den  vier  nach  rechts  schreitenden  figuren  ist  die 
erste  wohl  sicher  als  Venus  zu  betrachten,  wenn  auch  das  sehr 
zerstörte  und  abgeriebene  attribut  nicht  ganz  sicher  zu  deuten 
ist.  Mir  schien  es  wie  Rossbach  ein  vogel,  also  wohl  eine 
taube.  Grössere  Schwierigkeiten  macht  die  deutung  der  beiden 
folgenden.  Für  eine  frühlingshore  ist  die  lorbeerguirlande  eine 
so  unpassende  beigäbe  ,  dass  es  mir  unmöglich  ist  diese  deu- 
tung zu  adoptiren.  Für  den  folgenden  Jüngling  hat  Eossbach 
jetzt  mit  recht  den  von  ihm  vorgeschlagenen  namen  Talassio 
aufgegeben,  aber  ein  männlicher  Stellvertreter  der  Polyhymnia  ist 
hier  kaum  zu  rechtfertigen ,  wenigstens  nicht  mit  dem  Sarko- 
phag des  vaticanischen  museums,  Visc.  M.  P.  Cl.  IV,  15,  auf 
welchem  knabengestalten  mit  attributen  von  Musen  erscheinen,  • 
weil  der  verstorbene  ein  knabe  war.  Hier  liegt  nicht  der  ge- 
ringste grund  zu  einer  solchen  vermummung  vor.  Unzweifel- 
haft ist  wieder  die  durch  füllhorn  und  mauerkrone  deutlich  cha- 
racterisirte  figur  der  städtischen  Tyche.  Mit  unrecht  scheint 
uns  Rossbach  die  nebenseiten  von  der  hauptseite  zu  trennen,  die 
an  und  für  sich  durchaus  unselbständige  und  durch  die  rich- 
tung  ihrer  figuren  so  entschieden  als  möglich  auf  die  frontseite 
hinweisende  scenen  enthalten.  Allerdings  ist  der  Zusammenhang 
nur  ein  sehr  loser  und  vielleicht  sogar  nicht  einmal  dem  sinne 
nach  ganz  zu  rechtfertigender.  Aber  wie  soll  man  mit  Ross- 
bach erkennen ,  dass  die  drei  opferdiener  links  sich  zu  einem 
opfer  an  die   Manen   und  Laren  anschicken? 

Was  die  höchst  merkwürdige  mittelgruppe  des  deckeis  an- 
langt, so  kann  der  vf.  das  verdienst  in  anspruch  nehmen  zum 
ersten  mal  das  thatsächliche  genau  festgestellt  zu  haben,  was 
bei  der  Zerstörung  gewisser  characteristischer  theile  trotz  der 
so  überaus  günstigen  aufsteilung  des  monumentes  nicht  leicht 
war.  Niemand  wird  mehr  bezweifeln  können,  dass  die  nackte 
zeusartig  gebildete  mittelfigur  in  der  rechten  einen  speer  hielt, 
in  der  linken  dagegen  die  leine  des  neben  ihm  sitzenden  hun- 
des  fasste.  Beides  wird  durch  die  coburger  Zeichnung,  die 
das  monument  an  diesem  theile  besser  erhalten  gekannt  haben 
muss,  bestätigt.  Rossbach  hat  nun  diese  als  , Jäger"  characteri- 
Birte  figur  für  Hades,    von    seinen    begleiterinuen  die  zu   seiner 


158  67.  Archäologie.  Nr.  3. 

linken  für  Persephone,  die  zur  rechten  für  die  herbstbore  er- 
klärt. Bei  gänzlichem  mangel  an  analogen  darstellungen  wird 
man  zu  einem  ganz  sicheren  resultate  hier  vorläufig  nicht  ge- 
langen können.  Bedenklich  scheint  ref.  an  Rossbachs  deutung 
die  gegenüberstellung  zweier  so  verschiedenartiger  gottheiten 
und  der  gedanke,  den  er  in  den  ganzen  complex  hineininterpre- 
tirt,  entspricht  nicht  der  sich  sonst  nicht  grade  in  besonders  tie- 
fer Symbolik  ergehenden  phantasie  der  alten  Sarkophagkünstler. 
Die  deutung  der  figur  zur  linken  auf  Demeter  hat  auch  jetzt 
noch  für  ref.  viel  wahrscheinliches. 

Bei  der  kürze  des  hier  zugemessenen  raums  kann  sich  ref. 
über  die  übrigen  zur  besprechung  kommenden  monumente  nur 
einzelne  bemerkungen  erlauben.  Für  den  Sarkophag  des  Belve- 
dere  tritt  bei  der  heutzutage  sehr  starken  Verwitterung  der 
.Oberfläche  des  monumentes  als  erwünschtes  hülfsmittel  die  co- 
burger Zeichnung  ein  (Ber.  der  berl.  academie  1871,  p.  497,  n. 
236),  die  noch  manche  details  deutlicher  wieder  giebt  ,  als  sie 
sich  jetzt  erkennen  lassen ,  namentlich  die  geräthe  des  opfer- 
schlächters  und  die  palrae  des  siegesdämons.  Die  erklärung 
der  rechten  querseite  auf  den  todtenritt  ist  hervorgegangen  aus 
einer  pbase  archäologischer  hermeneutik,  die  wir  hinter  uns  zu- 
rückgelassen zu  haben  glaubten.  Was  Rossbach  p.  113  über 
den  gestus  des  reiters  und  über  die  rapide  geschwindigkeit  des 
j,todtenführers  sagt"  ist  mir  deshalb  unfassbar. 

Der  grund,  weshalb  auf  den  nebenseiten  des  Sarkophags 
von  Monticelli  Jäger  -  und  hirtenleben  einander  gegenüber  ge- 
stellt sind,  ist  von  Rossbach  richtig  erkannt  und  ausgesprochen 
worden  ;  weshalb  aber  die  ganz  betreffenden  scenen ,  die  ohne 
künstlerisches  verdienst  sind,  einer  weitläufigen  erörterung  für 
würdig  gehalten  weiden  und  wie  der  vf.  dazu  kommt  anzuneh- 
men, die  eine  sei  nach  einem  gemälde  copirt,  gesteht  ref. 
nicht  einzusehen. 

Auf  der  einen  nebenseite  des  Sarkophags  von  Mantua 
(Mus.  di  Mantova  I,  47  a)  will  Rossbach  die  drei  Grazien  erken- 
nen. Aber  abgesehen  davon  dass  eine  Grazie  in  der  tracht  eines 
kurzgeschürzten  camülus  etwas  ganz  unerhörtes  wäre,  so  las- 
sen solche  unterschiede  in  der  äusseren  erscheinung,  wie  sie 
sich  hier  bemerklich  machen,  in  dem  betrachter  gar  nicht  den 
gedauken  aufkommen,  dass  es  sich  hier  um  drei  wesen  handele, 


Nr.  3.  67.  68.  Archäologie.  150 

die  man  unter  sich  so  eng  verbunden  dachte.  Ist  die  figur  zur 
linken  wirklich  weiblich ,  was  ref.  sich  vorläufig  noch  zu  be- 
zweifeln erlaubt,  so  mag  man  anstatt  eines  camillus  hier  an 
eine  camüla  denken.  Diese  reliefplatte  erregt  übrigens  bei  mir 
keinen  geringen  zweifei,  ob  in  den  entsprechenden,  auch  sonst 
auf  die  nebenseiten  verwiesenen  darstellungen,  wie  man  allge- 
mein annimmt,  in  der  that  die  drei  Grazien  zu  erkennen  seien 
und  nicht  vielmehr  freundinnen  der  braut,  welche  geschenke 
bringen. 

In  dem  etwas  ungeschickt  angedeuteten  erdboden  in  der 
betreffenden  scene  des  Sarkophags  von  Frascati  sollen  wir  hin- 
gestreute aromata  erkennen ;  aber  auch  für  andere  werden  sich 
diese  steine  schwerlich  in  Weihrauch  und  myrrhen  verwandeln. 
Unmöglich  ist  es  mir  auch  Rossbach's  urtbeil  über  die  arbeit  dieses 
Sarkophags  zu  theilen,  von  welchem  eine  Zeichnung  dem  buche  bei- 
gegeben ist.  Die  worte  grazie  und  leichtigkeit  scheinen  mir 
nicht  die  richtigen  bezeichnungen  für  diese  unangenehm  gereck- 
ten ja  zum  theil  verzerrten  gestalten  und  von  einem  hauch  acht 
griechischen  Stiles  habe  ich  auch  vor  dem  originale  nichts  ge- 
spürt. 

Auf  absolute  Vollständigkeit  in  der  aufzählung  der  antiken 
reliefs  und  relieffragmente,  welche  die  dextrarum  iunctio  darstellen, 
hatte  es  der  Verfasser  von  vorn  herein  nicht  abgesehen.  Er 
hat  dafür  eine  lehrreiche  Zusammenstellung  von  münzen  gege- 
ben, auf  denen  diese  scene  in  derselben  weise  wie  auf  Sarko- 
phagen dargestellt  ist:  es  ist  gewiss  nicht  zufällig,  dass  sich 
diese  münzen  nicht  vor  Antoninus  Pius  finden,  während  dessen 
regierungszeit  die  sitte  Sarkophage  mit  reliefschmuck  zu  verzie- 
ren allgemeiner  ward.  Vielleicht  gehört  auch  das  eine  oder 
das  andere  der  monumente,  die  uns  hier  beschäftigt  haben,  noch 
dieser  zeit  an.  Jedenfalls  fehlt  in  Eossbachs  buch  von  den 
wichtigeren  denkmälern  keines  und  ref.  hätte  ausser  dem  er- 
wähnten relief  in  Villa  Eössler  höchstens  noch  zwei  bruchstücke 
einer  gut  gearbeiteten  replik  des  Sarkophags  in  Frascati  nach- 
zutragen, die  sich  in  Villa  Wolkonsky  befinden.  z. 

68.  Schultz,  bericht  über  eine  ausgrabung.  Mit  einer 
lithographischen  tafel.  4.  Zweite  abhandlung  des  programms 
von  Neu -Kuppin   v.  1871. 


160  68.  Archäologie.  Nr.  3. 

Die  ausgrabung,  über  welche  direktor  Schultz  in  dem  vor- 
liegenden programm  bericht  erstattet,  ist  von  ihm  in  den  pfingst- 
ferien  1868  in  der  nähe  von  Rheinsberg  unternommen  worden. 
Die  gefundenen  gegenstände  sind ,  wie  zu  erwarten  war ,  von 
derselben  art,  wie  unsere  vaterländischen  museen  sie  zahlreich 
aufweisen.  Sehr  beachtenswerth  ist  jedoch,  was  der  Verfasser 
über  die  continuität  in  der  fabrikation  der  verschiedeneu  gegen- 
stände an  ein  und  demselben  orte  bemerkt.  Die  eigenthü'm- 
liche  technik,  welche  bei  anfertigung  der  kranzartigen  kopfringe 
aus  bronze  angewendet  wurde,  und  über  welche  Lindenschmitt 
zuerst  aufklärung  gegeben  hat ,  findet  der  Verfasser  wieder  in 
manchen  alten  griffen  an  kirchthüren,  welche  die  sage  ob  ihrer 
wunderbaren  biegungen  und  verschlingungen  oft  dem  teufel  zu- 
schreibt. Diese  merkwürdige  thatsache  ist  in  den  äugen  des 
Verfassers  noch  kein  beweis,  aber  doch  ein  wahrscheinlichkeits- 
moment  für  die  continuität  in  der  anfertiguug  derartiger  arbei- 
ten in  derselben  gegend.  Nun  ist  es  aber  von  höchster  Wich- 
tigkeit, durch  weitere  Untersuchungen  diese  Wahrscheinlichkeit 
zur  gewissheit  zu  erheben.  Damit  wäre  bewiesen:  1)  dass  die 
alterthümer  der  bronzezeit  nicht  importirt ,  sondern  an  ort  und 
stelle  fabricirt  sind;  2)  dass  sie  nicht,  wie  gewisse  naturforscher 
behaupten,  von  einer  untergegangenen  kleinen  und  zierlichen 
menschenrasse,  sondern  von  uusern  vorfahren  herrühren ,  und 
3)  würde  damit  auch  für  die  ältere  deutsche  kunsfgeschichte 
manche  aufklärung  gewonnen  sein.  Ein  wichtiges  material  für 
eine  solche  Untersuchung  bieten  die  bauwerke  des  romanischen 
Stils.  Man  unterscheidet  hier  auf  den  ersten  blick  formen,  wel- 
che aus  griechischer  wurzel  hervorgewachsen,  und  andere,  wel- 
che einheimischen  Ursprungs  sind.  Zu  den  letzteren  gehören 
das  zickzak  -  und  zinnenoruament ,  der  kugelfries  ,  die  nagel- 
köpfe,  Sterne  und  schachbrettverzierungen  ,  die  man  in  gleicher 
weise  schon  an  den  alterthümern  der  fränkischen,  alemannischen 
und  nordischen  grabstätten  findet ;  und  zwar  zeigt  es  sich,  dass  die 
fränkischen,  alemannischen  und  nordischen  formen  sich  vorzugs- 
weise in  Süddeutschland  erhalten  haben,  die  nordischen  mehr  in  den 
bauwerken  der  Normanneu  und  Skandinavier.  Ausser  den  eigent- 
lichen Verzierungen  findet  man  auch  ganze  gegenstände  nach- 
geahmt, z.  b.  die  gewundenen  halsringe  als  Ornament  an  säu- 
lenhälsen  und  portaleinfassungen      Weiteres    material  bietet  die 


Nr.  3.  69.    Eömiscbe  antiquitäten.  161 

kleinkunst  des  mittelalters.  Eine  gründliche  durchfuhrung  der 
hier  scizzirten  Untersuchung  möchte  ein  recht  zeitgemässes  und 
dankbares  unternehmen  sein,  namentlich  seitdem  Karl  Vogt  und 
genossen  die  Urgeschichte  der  menschheit  zu  ihrem  tummelplatze 
erkoren  haben.  L.  G. 

69.  Oeuvres  completes  de  Bartolomeo  Borghesi,  pu- 
blikes par  les  ordres  et  aux  frais  de  S.  M.  l'Empereur  Napolöon 
III. —  Paris,  imprimerie  imperiale.  Vol.I — VI.  1862 — 1869.    4. 

Im  april  1860  starb  in  San  Marino  der  graf  Bartolomeo 
Borghesi.  An  die  hohe  bedeutung  zu  erinnern,  welche  das 
wirken  dieses  echten  gelehrten  für  das  Studium  des  römischen 
alterthums  gehabt  hat,  ist  für  leser  dieser  blätter  überflüssig. 
Nur  insofern  dasselbe  für  die  entstehung  und  gestaltung  der 
vorliegenden  bände  massgebend  gewesen  ist ,  soll  seiner  in  den 
folgenden  zeilen  gedacht  werden,  welche  übrigens  nichts  enthal- 
ten, was  nicht  allen  durch  ihre  wissenschaftliche  besckäftigung 
an  Borghesi's  arbeiten  gewiesenen  längst  bekannt  wäre.  —  Leider 
konnten  die  unzähligen  herrlichen  fruchte  seiues  unermüdlichen 
eifers,  welche  im  laufe  eines  halben  Jahrhunderts  vereinzelt, 
wenn  auch  in  rascher  folge  reiften,  weder  zu  allgemeinerer 
kenntniss  noch  zu  voller  Wirkung  gelangen,  sie  konnten  nicht 
gemeingut  der  jünger  der  Wissenschaft  werden,  theils  weil  sie 
meistens  in  den  schwer  zugänglichen  Schriften  der  gelehrten  ge- 
sellschaften  Italiens,  vielfach  auch  nur  in  privatbriefen  nieder- 
gelegt waren,  theils  wegen  des  noch  heutzutage  höchst  mangel- 
haften buchhändlerischen  Verkehrs  zwischen  Italien  und  Deutsch- 
land. —  Borghesi  hat  ein  langes,  rastlos  und  unermüdlich  — 
man  kann  sagen  von  kindheit  auf  —  seinem  Studium  gewidme- 
tes leben  auf  sorgfältigste  Sammlung  und  sichtung  der  materialien 
zu  einer  umfassenden  darstellung  der  römischen  familienver- 
bände  verwendet,  von  welcher  die  herstellung  der  consulver- 
zeichnisse  nur  einen  theil  bildet.  Diese  materialien  aber  wurden 
von  ihm  nicht  roh  in  die  magazine  gelegt,  sondern  sofort  von 
allen  seiten  beleuchtet  und  bearbeitet ,  ihre  berührungspunkte 
mit  dem  bekannten  aufgesucht  und ,  wenn  sie  sich  nicht  un- 
mittelbar in  das  mosaik  einfügen  liessen,  ihnen  gleichsam  ange- 
schliffen, wenigstens  ihre  wahrscheinliche  läge  und  Stellung  in 
dem  grossen  tableau  angewiesen.  Eine  gesammtanschauung  des- 
Philol.  Anz.  IV.  11 


162  69.  Römische  antiquitaten.  Nr.  3. 

selben  zu  gewähren,  sei  es  in  einer  systematischen  Übersicht 
der  gewonnenen  generellen  und  speciellen  resultate,  sei  es  in 
einer  zusammenfassenden  darstellung  besonders  wichtiger  oder 
minder  lückenhafter  gruppen,  —  mit  einem  worte ,  in  seinem 
schaffen  einen  abschluss  zu  machen  und  ein  relativ  fertiges 
werk  hinzustellen,  wozu  auf  diesem  gebiete  ganz  unbestritten 
Borghesi  wie  keiner  ausgerüstet  und  berufen  war,  das  war  ihm 
nicht  vergönnt.  Und  so  blieben  seinen  unmittelbaren  und  mit- 
telbaren schülern,  seinen  mitarbeitern,  nacheiferern  und  Vereh- 
rern gleich  einer  köstlichen  reliquie  nur  die  als  muster  gründ- 
licher forschungsmethode,  als  documente  umsichtigsten  sammler- 
fleisses  und  scharfsinnigster  combination  schwerlich  übertroffe- 
nen  einzelarbeiten  und  zahllose  gelegenheitserörterungen,  zu 
welchen  der  liebenswürdigen  zugänglichkeit  und  bereitwilligkeit 
des  von  weit  und  breit  wie  ein  orakel  in  anspruch  genomme- 
nen gelehrten  von  San  Marino  fast  unausgesetzt  und  auch 
wohl  nicht  unwillkommene  veranlassung  geboten  wurde.  —  Diese 
für  das  Studium  und  die  erkenutniss  des  römischen  alterthums 
unendlich  reiche  fundgrube  unschätzbarer  materialien  zum 
theil  aus  der  Verborgenheit  des  Privatbesitzes  herauszuziehen, 
theils  zur  förderung  der  Wissenschaft  aus  ihrer  Zerstreuung  zu 
sammeln  und  allgemein  zugänglich  und  nutzbar  zu  machen,  war 
ein  wünsch,  der  namentlich  in  Deutschland  und  Frankreich,  wo 
das  thätige  interesse  an  den  bestrebungen  und  arbeiten  des  ar- 
chäologischen instituts  in  Kom  dem  eifer  der  Italiäner  die  wage 
hielt,  ebenso  tief  gefühlt,  ein  bedürfniss,  welches  ebenso  stark 
empfunden  werden  musste,  wie  die  hoffnung  auf  erfüllung  und 
abhülfe  nur  eine  schwache,  wenigstens  nur  eine  weitaussehende 
sein  konnte. 

Das  verdienst    die    Sammlung    von  Borghesi's  Schriften   mit 
einschluss  der  briefe  in  kürzester  frist    ermöglicht  und  die  her- 
ausgäbe   in    würdiger   ausstattung   und  der  fortschreitenden  wis-    > 
senschaft    angemessen    veranstaltet    zu  haben ,    ist  lauteren  dan-    { 
kes  werth  und  dieser  dank  gebührt  Napoleon  III.  —      Wenige 
wochen  nach  Borghesi's    tode  reiste  in  des  kaisers  auftrage  Er-    i 
nest  Desjardin  nach  Italien,    um    die  erforderlichen  schritte  zur 
herbeischaffung  des  materials  zu  thun ,  und  schon  am  9.  august    ; 
1860  verkündete  der  Moniteur,  dass  Borghesi's  werke  auf  kosten 
der  civilliste  publicirt  werden  sollten  und  eine  commission,    be-    • 


Nr.  3.  69.  Römische  antiquitäten.  163 

stehend  aus  Leon  Renier ,  Jean  -  Baptiste  de  Rossi ,  Noel  des 
Vergers  und  Ernest  Desjardins  mit  der  leitung  der  herausgäbe 
betraut  sei.  Diese  commission  verstärkte  sich,  kraft  der  im 
patent  ertheilten  befugniss ,  sofort  durch  Zuziehung  von  sechs 
correspondenten :  Cavedoni  in  Modena,  Henzen  in  Rom,  Miner- 
vini  in  Neapel,  Th.  Mommsen  in  Berlin,  F.  Ritschi  (damals)  in 
Bonn,  Roccbi  in  Bologna.  Später  sind  wohl  noch  H.  Wadding- 
ton und  E.  Hübner  dazugekommen.  —  Die  Vereinigung  sol- 
cher kräfte,  welche  (ein  jedes  blatt  legt  davon  zeugniss  ab) 
mit  ganzer  liebe  sich  ihrer  aufgäbe  widmeten,  musste  wohl  ein 
würdiges  denkmal  literarischen  fleisses,  ein  werk,  welches  allen, 
die  daran  theil  haben,  zur  höchsten  ehre  gereicht,  zu  stände 
bringen.  —  Leider  hat  der  krieg  hier  einen  schaden  angerichtet, 
an  dessen  ausgleichuDg  in  den  massgebenden  kreisen  wohl  noch 
kaum  gedacht  sein  mag.  Die  herausgäbe  des  schönen  werkes 
ist  natürlich  unterbrochen,  ja  durch  den  stürz  des  imperators 
die  weiterführung  zunächst  ganz  in  frage  gestellt,  die  Vollen- 
dung wenigstens  in  unabsehbare  ferne  gerückt.  Wer  wird, 
wenn  auch  die  Wissenschaft  hellen  auges  über  die  hass-  und 
neiderfüllte  kluft,  welche  leidenschaft  und  Verblendung  zwischen 
Frankreich  und  Deutschland  aufgerissen  hat,  hinwegschauen 
sollte,  die  geldmittel  gewähren?  Möchte  die  regierung  der 
französischen  republik  es  nicht  verschmähen ,  ein  rühmliches 
unternehmen,  welches  kaiser  Napoleon  begonnen,  in  würdiger 
weise  zu  ende  zu  führen  —  und  das  deutsche  reich  die  kosten- 
summe  an  den  milliarden  der  kriegscontribution  erlassen. 

Der  nach  dem  „Vorwort"  vom  15.  juli  1862  vollständig 
im  besitz  der  commission  befindliche,  zur  herausgäbe  bestimmte 
gedruckte  und  handschriftliche  nachlass  Borghesi's  ist  in  vier 
selbständige,  in  sich  chronologisch  geordnete,  gruppen  getheilt: 
Oeuvres  numismatiques ,  2  bände  (I  1862.  II  1864);  oeuvres  epi- 
graphiques,  3  bände  (HI  1864,  IV  1865,  V  1869)  ;  lettres,  von 
welchen  der  erste  band  (VI  1868)  erschienen  ist,  einer  oder 
zwei(?)  noch  rückständig  sind;  und  endlich  die  fastes  consulai- 
res,  von  denen  nur  die  in  wenigen  exemplaren  für  die  heraus- 
geber  bestimmte ,  also  nicht  in  den  buchhandel  gelangende, 
nackte  namensliste  als  manuscript  gedruckt  ist.  —  Abgesehen 
von  den  fastes  consulaires ,  welche  natürlich  ein  in  sich  abge- 
schlossenes ganze  bilden  und    allein    einen    band   füllen  werden, 

11* 


164  69.  Komische  antiquitäten.  Nr.   3. 

erscheint  die  sonderung  der    übrigen    aufsätze  in  drei  gruppen 
dem  obersten  zwecke  der  Sammlung,  nämlich  eröffnung  und  zu- 
gänglichkeit  des  mannichfaltigen  inhalts,    nicht    eben    förderlich, 
zumal   da  ein   einheitliches   princip    der    Scheidung    nicht    festge- 
halten,   wenigstens  nicht  ersichtlich  ist.     Es  wäre  meines  erach- 
tens  zweckmässiger  gewesen,    die   „briefe"    als   solche   nicht  zu 
einer    besonderen    abtheilung  zu  machen,    sondern    sie  den  Oeu- 
vres numismatiques  und  epigraphiques  einzuordnen,    wobei   immer- 
hin   einige    briefe    zerstückt   werden    durften.      Schon,    dass  da- 
durch die  zahl  der  indices ,    die    den  schlussbänden  der  gruppen 
beigegeben    sind    und    ohne   welche    ein    umfassender   gebrauch 
des    buches    überaus    schwierig    und    zeitraubend    geblieben  sein 
würde,     sich  von    drei    auf   zwei    reducierte ,    war    ein    grosser 
gewinn;    falls  es  nicht  im  plane   lag  nach   Vollendung  des  gan- 
zen werkes  generalregister   über    alle    bände    auszuarbeiten.  — 
Die    aussonderung    der    numismatischen    aufsätze    bedarf    keiner 
rechtfertigung;  sie  war  schon  dadurch,    dass  Borghesi  selbst  sie 
zum  theil  in  decaden  vereinigt  publicirt  hatte,  angedeutet.    Wenn 
es  aber  angemessener  erschien,    denselben   wegen  ihres    speciell 
numismatischen    inhalts    die  ,, briefe"  an  Sestini  (1823)  sulV  era 
Bitinica,    und    an  Cavedoni    (1849)    delle    variazioni    sofferte    dal 
bronso  monetario    sotto    Vimpero    anzureihen ,    so   durfte   man    aus 
demselben    gründe    auch     die    erst    in   band  VI    aufgenommenen 
sieben    briefe    aus    den   jahreu  1820 — 1829  (Opp.  VI,    p.  162. 
168.  306.   323.  349.  371.  397),  sämmtlich  nur  von  münzen  han- 
delnd ,     schon  unter  den    oeuvres  numismatiques  im  zweiten  bände 
zu  finden  erwarten;    oder  jene   beiden  mussten  für  den  6.  oder 
7.  band  verspart  werden.      Ebenso  auffallend  ist  es,    die  briefe 
vom   20.   august   1837   (sul   luogo  del  congresso    triumviralej ,    vom 
1.  juli  1842  (Familie  Sejans),    vom   7.  novbr.   1845  (über  Vel- 
lej.  2,  116)  und  vom  23.  febr.   1847  (über  Vibius  Crispus),  die 
beiden    letzten    aus    Annali  1844    und  Bullett.   1846    unter    die 
oeuvres  epigraphiques    in  band  IV  aufgenommen    zu  sehen,    wäh- 
rend die  briefe  über  die  quinquefascales  (Bullett.  1843)  und  über 
die  beiden  ersten  alimentarpiäf'ecten  (Bullett.   1844)  sich   nicht 
hier  vorfinden,  sondern  wohl  erst  in  band  VII  abgedruckt  wer- 
den sollen,    wie    der  lange  brief  vom  1.  juli  1813  über  Vespa- 
sians    tribunenjahre    die  reihe  der  lettere  in  band  VI  eröffnet.  — 
Eine  solche  Zerstreuung  des  überreichen  vorrathes  erschwert  die 


Nr.  3.  69.  Komische  antiquitaten.  165 

zugänglichkeit  statt  sie  zu  erleichtern;  es  war  genügend,  nach 
ausscheidung  der  aufsätze  und  briefe  numismatischen  inhaltes 
alles  andere  (die  epigraphische  und  literarische  Überlieferung 
behandelnde)  zu  einer  einzigen,  nach  der  abfassungszeit  chrono- 
logisch geordneten,  gruppe  zu  vereinigen.  —  Vermisst  wird 
in  der  Sammlung  ein  brief  an  Orioli  aus  dem  j.  1824  über  die 
inschrift  des  L.  Mummius  Niger,  Q.  Valerius  Vigetus  (Henzen 
6634),  erwähnt  Annali  1829  p.  176,  der  sich  weder  im  dritten 
noch  im  sechsten  bände  vorfindet,  dessen  original  also  wohl  ver- 
loren gegangen  ist.  Ferner  fehlt  eine  abhandlung  sugli  Ottoviri, 
die  im  Bullett.  1839,  p.  53  —  als  im  Giornale  di  Perugia  fasc. 
aprile,  maggio,  giugno   1838   abgedruckt  —  erwähnt  wird. 

In  allen  übrigen  beziehungen  ist,  was  die  herausgeber  für 
das  werk  gethan  haben,  ein  muster  von  fleiss  und  Sorgfalt. 
Der  text  der  abhandlungen  ist  zunächst  ohne  alle  und  jede  än- 
derung  wiedergegeben ;  die  Seitenzahl  früherer  abdrücke  ist  am 
rande  bemerkt,  so  dass  jedes  ältere  citat  einer  borghesischen 
Schrift  benutzt  werden  kann  ;  Borghesi's  eigene  citate  sind  theils 
präcisiert,  theils  durch  hinzufügung  eines  hinweises  auf  neuere, 
leicht  zugängliche  inschriftenwerke  vervollständigt.  Sodann  aber 
ist  überall  durch  anmerkungen,  deren  inhalt  die  einzeln  unter- 
zeichneten Verfasser  vertreten,  dafür  sorge  getragen ,  auf  eine 
später  veränderte  auffassung  oder  wiederholte  behandlung  des- 
selben gegenständes  von  seiten  Borghesi's  hinzuweisen,  so  wie 
jede  durch  neuere  entdeckungen  oder  forschungen  evident  un- 
haltbar gewordene  darstellung  zu  notieren  und  zum  theil  zu 
berichtigen,  auch  die  behandelten  inschriften  und  münzen  in  der 
jetzt  bestbeglaubigten  lesung  vor  äugen  zu  führen. 

Da  die  Überschriften  der  aufsätze  sehr  häufig  die  darin  ab- 
gehandelten gegenstände  nicht  erkennen  lassen,  gebe  ich  eine 
auswahl  des  wichtigeren  inhaltes  der  einzelnen  bände. 

Vol.  I  (oeuvr.  num.  I)  beginnt  mit  einer  abhandlung  über 
eine  münze  des  kaisers  Heraclius,  welche  Borghesi  im  j.  1792 
als  elfjähriger  knabe  verfasst  hat ;  es  folgt  —  im  inhaltsver- 
zeichniss  des  bandes  übergangen  —  dodici  sesterzj  illustrati, 
(1808) ;  dann  die  berühmte  abhandlung  della  gente  Arria  und 
decade  I — X  der  osservazioni  numismatiche  (Giornale  Arcad.  1821  — 
1823)  fast  ausschliesslich  über  münzen  aus  der  zeit  der  repu- 
blik   und  des   zweiten  triumvirats ;    VI,  5.  6    und  X,  4.  5  über 


166  69.  Römische  antiquitäten.  Nr.  3. 

proconsularmünzen   von  Africa  unter  August   und  Tiber;    VIII, 
10  :  familie  der    Valerii  Messallae. 

Vol.  II  (oeuvr.  num.  II)  enthält  zuerst  decade  XI — XVII 
(Giorn.  Are.  1824—1828  und  1840),  darin  XI,  3:  C.  Antius 
A.  Iulius  Quadratus ;  XV,  3 :  Agrippa  und  sein  haus ;  XV,  8 — 
10:  münzen  und  Statthalter  von  Moesia  inferior  im  zweiten  und 
dritten  Jahrhundert.  Es  folgen  abhandlungen  sulV  era  Bitinica 
(1823),  über  die  münzen  des  Augustus  mit  dem  bogen  von  Ari- 
minum  (1825),  über  die  zeit  der  annexion  von  Cyrenaica  (1843), 
über  die  kupferprägung  unter  den  kaisern  (1849),  delV  era  Efe- 
sina  (1857);  ferner  ausser  ein  paar  kleineren  Sachen  die  be- 
leuchtung  des  mailänder  medaillons  der  kaiser  Marc  Aurel  cos 
III  und  L.  Verus  cos  II  mit  dem  revers  vict.  Germ,  und  eines 
ähnlichen  von  Sever  und  Caracalla.  —  Den  schluss  des  ban- 
des  bilden  vier  indices:  1)  table  des  noms  p.  489—525  mit  spe- 
cieller  angäbe  der  personalien ;  2)  legendes  des  monnaies  nach 
den  familien  alphabetisch  geordnet ;  3)  index  epigraphique ;  4) 
index  des  choses,  in  welchem  unter  anderem  die  in  dem  werke 
vorkommenden  beamten  bei  den  namen  der  betreffenden  pro- 
vinz  zusammengestellt  sind. 

Vol.  III  (Oeuvr.  epigr.  I)  umfasst  die  aufsätze  aus  den  j. 
1819 — 1835,  darunter:  museo  lapidario  Vaticano  (voreitern  des 
L.  Verus  p.  10);  über  die  beiden  Domitiae  Lucillae  p.  35; 
ara  scoperta  in  Hainburgo  (die  Orfiti  p.  51);  sul  digesto  antegiu- 
stinianeo  [==  fragm.  Vatic],  darin  Pompeianus  cos  209,  p.  124; 
arco  di  Fano  (inschrift  der  Turcii  p.  159);  iscriz.  di  Urbisaglia 
(C.  Salvius  Liberalis  und  leg.  V  Maced.  p.  177);  excerpta  Vati- 
cana  (die  töchter  M.  Aureis  p.  237,  wozu  jedoch  vol.  V,  425 
zu  vergleichen  ist);  marmo  di  S.  Paolo  (Statilius  Barbarus;  Ver- 
waltung von  Thrakien)  p.  264;  C.  Eprio  Marcello  p.  285;  iscr. 
Veneta  (Valusii  Saturnini  p.  313  ;  praef.  Urbis  bis  Domitian  p.  323); 
due  tessere  gladiatorie  (das  haus  der  Asinii  p.  344;  die  Petronii 
p.  356);  fasti  sacerdotali  [Henz.  6053 1  (Egnatii  Lolliani  p.  415); 
lapide  Gruteriana  [271,  4  =  Henz.  5587]  (Fab.  Titianus  p.  465  ; 
Pasiphilus  p.  472;  Simonius  Iulianus  p.  477;  sondername  an 
der  spitze  z.  b.   Triturii  p.  503). 

Vol.  IV  (oeuvr.  epigr.  II)  abhandlungen  aus  den  j.  1836 — 
1846;  darunter:  über  die  censoren  seit  662  p.  1 — 88;  über 
Burbuleius  p.  103 — 178   (darin:    leg.  IX  Hisp.  p.   113,    curatores 


Nr.  3.  69.  Bömische  antiquitäten.  167 

viarum  p.  121 — 134,  leg.  XVI  p.  139,  Verwaltung  von  Cappa- 
doeien,  Judäa,  Syrien  p.  157);  iscriz.  del  Reno  (die  legionen  in 
Germanien  bis  Gallienus  p.  200  —  265);  diploma  di  Decio  ["Henz. 
5534]  (die  Fulvii  Aemiliani  p.  299 — 310);  tre  consolati  di  Mu- 
ciano  p.  345;  figuline  Vellejati  p.  367 — 388,  darin  über  das 
consulat  des  Cn.  Nerius  p.  368;  iscriz.  del  museo  Campana  (fa- 
milie  Sejans)  p.  435;  Vellej.  II,  116  (Aelius  LamiaJ  p.  455; 
iscriz.  Latine  (vorname  Sergius  p.  493);  due  Aviti  coss.  144  und 
209  p.  507;  i  Lolliani  p.  519;  über  Vibius  Crispus  (und  Pas- 
sienus  Crispus)  p.   529. 

Vol.  V  foeuvr.  epigr.  III)  abhandlungen  aus  den  j.  1846  — 
1857,  darunter:  due  iscriz.  di  Fuligno  (Haterius  Nepos;  orna~ 
menta  triumphalia)  p.  3 — 39  ;  etä  di  Giovenale  p.  49 — 76  ;  fasti 
di  Lucera  [Henz.  6441]  (die  familien  der  Sullae  und  Scauri; 
die  Pompeji]  die  consulate  des  Augustus)  p.  109  — 161;  lapide 
di  Giunio  Silano  [Ins.  Neap.  641]  e  della  sua  famiglia  p.  165 — 
232;  darin:  über  praef.  fabrum  p.  206;  iscriz.  Perugina  [Orell. 
94]  (benennung  der  colonien  mit  kaisernamen)  p.  257 — 287; 
anmerkungen  zu  Tacitus  Annalen  und  Historien  [für  Nipper- 
dey's  ausgäbe]  p.  287— 328;  iscriz.  di  Sepino  (die  Neratii;  über 
item  und  et)  p.  345;  iscriz.  di  Concordia  [Henz.  6485]  (praetores 
tutelares;  juridici  Italiae)  p.  383;  lapide  di  Narona  [Henz.  7416 
77=(?)  Berl.  M.  B.  1870  p.  626]  (Schwiegersöhne  Marc  Anrels) 
p.  425;  Mario  Massimo  p.  455;  kaiser  Pupienus  p.  485;  an- 
merkungen zu  Juvenals  satiren  p.  529.  —  Es  folgen  dann: 
Additions  et  Corrections  aux  volumes  I  ä  V,  bei  welchen  indessen 
noch  immer  eine  ganze  anzahl  von  druckfehlern  übersehen  wor- 
den ist.  Z.  b.  man  lese  vol.  III,  p.  107,  5:  296  st.  196;  — 
p.  107,  9 :  9  febr.  st.  8  febr. ;  —  vol.  IV,  p.  367,  26  :  741  st. 
740;  —  ib.  not.  1 :  lib.  ni  st.  X;  —  p.  394  not.  6:  Annal.  XIV 
st.  XIX;  p.  402  not.  3:  Grut.  p.  50  st.  40;  —  Vol.  V,  p.  176 
not.  8:  Vellej.  II,  72  st.  64;  —  p.  279  not.  1 :  Orelli  n.997  st. 
977.  —  Die  indices  über  band  IH  bis  V  bestehen  in  1)  table 
des  noms,  die  personen  senatorischen  und  ritterlichen  Standes 
betreffend;  2)  index  epigraphique.  Ein  Sachregister  ist  für  diese 
bände  nicbt  beigegeben. 

Vol.  VI  [Lettres  I)  enthält  briefe  aus  den  j.  1813  bis  ende 
1833.  Die  orientirung  in  diesem  bände  ist,  bis  dereinst  recht 
reichhaltige  und  genaue  indices  vorliegen  werden,  überaus  schwie- 


168  Theses.  Nr.  3. 

rig,  da  nirgends  die  geringste  andeutung  über  den  gegenständ 
der  einzelnen  briefe  gegeben  ist.  Die  columnentitel  bieten  nur 
jähr  und  monat  der  abfassung,  die  Überschriften  eben  nichts 
als  die  adresse.  Die  jetzt  so  vielfach  angewendeten  kurzen 
inhaltsangaben  am  rande  hätten  hier  eine  leichte  und  sehr  dan- 
kenswerthe  aushülfe  gewähren  können.  Ein  paar  kurze  nach- 
weisungen  werden  für  diesen  band  deshalb  vielleicht  am  ehe- 
sten erwünscht  sein:  Borghesi  behandelt  die  tribunenjahre  des 
Vespasian  und  Titus  p.  3 — 46 ;  kaiser  Julian  und  die  familien 
der  Didii  und  Salvii  p.  49  ;  die  inschriften  der  Postumia  Paulla 
und  Juventius  secundus  p.  47  und  p.  154:  die  Nonii  Mucianus 
und  Macrinus  p.  64;  die  Insteji  p.  139;  die  tilgung  von  Ale- 
xanders namen  in  Henz.  6523,  p.  233;  M.  Cluvius  Rufus  und 
P.  Clodius  Turrinus  in  Insc.  Neap.  2224  (vergl.  Opp.  II,  74) 
p.  258;  M.  Claudius  Fronto  in  Henz.  5479  p.  263 ;  die  cos.  suff. 
des  j.  756  p.  272  ;  die  S er ii  Augurini  und  den  titel  6  xociriGioq 
p.  298  ;  L.  Bellicius  Sollers  =  Ti.  Claudius  Alpinus  p.  329.  411 ;  die 
allmähliche  Verkürzung  der  consulate  p.  359;  Q.  Petillius  Cerialis 
p.  474;  die  consulate  Domitians  p.  478;  die  bezeichnung  cos.  ord. 
und  Ser.  Calp.  Dom.  Dexter  cos  225  p.  483.  —  Von  druckfeh- 
lern  bemerke  ich :  man  lese  p.  6  not.  2 :  Doctr.  num.  vet.  tom.  VI 
p.  321  (statt  391)  und  füge  hinzu:  „und  p.  342.  —  p.  6  not. 
3:  tom.  VIII  p.  409  (st.  419);  —  p.  420  not.  1:  Henzen  6039 
statt  5705;  —  p.  363  not.  1:  lib.  IX  Epist.  XIII  statt  XVIII; 
ib.  not.  5:  tav.  XXXII  p.  CXLV  sqq.  statt  p.  148.  —  Au- 
sserdem war  p.  250  not.  5.  hinzuzufügen:  „voyes  plus  haut  vol. 
III,  p.  428";  —  p.  413  not.  3  das  citat  zu  nr.  4:  Henzen 
5134;  —    zu  p.  483  not.  4  am  Schlüsse:  Henzen  6503. 

St. 

THESES  quas  ...  in  alma  literarum  universitate  Via- 
drina  .  .  d.  IX  m.  April.  MDCCCLXX  .  .  publice  defendet 
G.  Fries:  II.  Soph.  Oed-  R.  1136  propono:  Enlyato^ov  rooöe 
7av5oe  tqsii;  olovg:  III.  Nominativi  et  accusativi  qui  dicuntur 
absoluti  aut  ab  anacoluthia  profecti  sunt  aut  per  appositionem 
explicari  possunt;  IV.  Iuvenalem  in  Aegypto  militasse,  in  Sco- 
tia  exulasse  auctore  Trajano  contendo. 

Theses  quas  ....  in  acad.  Fridericiana  Halensi  cum  Vi- 
tebergensi  consociata  .  .  .  d.  XXIX  m.  Iulii  a.  MDCCCLXXI 
.  .  defendet  Bern.  Lengnick  Berolinensis :  I.  falso  adhuc 
A.  Cornelius    Celsus  sub  Tiberii    demum  imperio  vixisse    crede- 


Nr.  3.  Theses.  169 

batur.  —  II.  Cic.  or.  p.  Süll.  1,  1  in  verbis  bis:  in  ceteris  malis 
facile  patior  ollatum  mihi  tempus  esse,  in  quo  loni  viri  lenitatem 
meam  misericordiamque  .  .  agnoscerent ,  improbi  ac  per  diu  cives  re- 
domiti  atque  vidi,  .  ,  .  vehementem  me  fuisse  .  .  .  faterentur,  seri- 
bendum  est  pro  redomiti:  re  domiti. 

Theses  quas  amplissimi  philosophorum  Marburgensium  or- 
dinis  auctoritate  ....  die  XV  m.  Decemb.  a  MDCCCLXXI 
publice  defendet  E.  C.  F.  Eeuss  Solitariensis:  I.  Eur.  Iph. 
Taur.  v.  15  haecce  levis  medicina  admoveuda  est:  8sii'f,  8 
anvoi'a  TTvsvfiäzcav  ivrvy^ävcov  Elg  i^nvo  t]).&e  xzk.;  II.  Ihu- 
cydideum  illum  I,  39  in  summam  controversiam  vocatum  ita 
vere  seribendum  esse  profero  sententiam :  niuai  8e  xow'vr- 
oavreg  tjjv  dvvafiiv  xoiva  xa)  zu.  änoßuCi'Ovza  ?xeiv,  iyxlijfturav 
8s  zovzcov  d[iez6%oig  ovza  zwv  fiera.  rag  ngä^stg  fiovoav  (ir\  y.oi- 
voavHv.  III.  A  vulgata  ceterorum  scriptorum  opinione ,  Tbemi- 
stoclem  ipsum  manum  sibi  attulisse,  Tbucydidis  memoria  non 
abhorret.  —  VIII.  Lex  Hortensia  post  quartam  plebis  seces- 
sioriem  a.  287  a.  Chr.  lata  non  ad  legem  Publiliam  (a.  330) 
redit,  sed  ad  infimam  plebem  potestatemque  tribuniciam  augen- 
dam  valet. 

Theses  quas  ...  in  universitate  Fridericia  Guilelmia  Rhe- 
nana  . . .  d.  XXIV  m.  Februarii  a.  MDCCCLXXII  .  .  in  publico 
defendet  Frid.  Schultess:  I.  Seoec.  Quaest.  Nat.  3,  1,  1  et 
3,  26 ,  6  (quorum  locorum  conexum  difificile  est  non  videre) 
haec  scribo  (cf.  Koeler  p.  464):  3,  1,  1  :  Eleus  Sicnlis  de  fonti- 
bus  exsilit  amnis :  3,  26,  6:  hoc  et  a  te  creditum  exstat  in 
primo  cett.  :  II.  Ovid.  ex  Pont.  III,  3,  43  legas  :  praemia  nee 
Chiron  ab  alumno  talia  cepit :  III.  Xen.  Symp.  9,  7  scripsit 
oncog  zoinvzcov  zv^oiev:  VI.  Virg.  Aen.  I,  396  recte  Weidner 
(Comm.  p.  172)  comparatiouis  rationem  declaravit:  idem  acu- 
tius  quam  probabilius  tradita  defendit:  seribendum  videtur  cap- 
tis  iam  respeetare"  cett.:  VII.  Plat.  ßeip.  370 E  fin.  part.  av 
tertia  sede  (tu»'  av  avroig  ^oft«)  movenda  est ;  similiter  quidem 
media  sede  apud  Sen.  Ep,  41,  5  coli.  Fickerti  edit. :  IX.  Se- 
nec.  Dial.  II,  7,  4  scribe  remixtum:  X.  Senecae  dialogi  II 
et  IX  circa  idem  tempus  scripti  sunt  (coli.  IX ,  7,  5  —  II, 
1,  3  —  II  7,  11):  XI.  Eis  quae  Muetzell,  Teuffei,  nuper- 
rime  Eussner  (Philol.  XXXII,  157)  de  Curtii  historici  aetate 
exponunt,  quem  Claudio  imperitante  scripsisse  statuunt,  addi- 
derim  :  verbis  illis  X,  9,  28  vhuius  ortus  lucem  c alig anti  red- 
didit  mundo1'  scriptorem  ludere  videri ;  quandoquidem  ad  istud 
verbum  quivis  homo  Latinus  imperatoris  Caligulae  nomen  sub- 
audire  putandus  est. 

Theses ,  quas  .  .  auctoritate  .  .  .  ordinis  philosophorum 
Marburgensium  ...  die  XVIII  m.  Mart.  MDCCCLXXII  publice 
defendet  C.  Fl o  eck  Rhenanus:  I.  Soph.  Ant.  23  rectissime 
Caesar  iq^azoig    coniecisse  videtur:    III.    Soph.  Oed.  321    cum 


170  Neue  auflagen  und  Schulbücher  70 — 92.  Nr.  3. 

Herwardeno  lego  „eW  äöeAqDoV:    VI.  Errant,  qui  in  structura, 

quae    perfecti    infinitivum   post    quaedam    verba    pro    praesente 

praebet,  Latinos  Graecorum  dicendi  morem  esse  imitatos  putent. 
Theses  .  .  quas  .  .  in  univ.  literarum  Gryphiswaldensi  .  . . 

publice    defendet    d.  XXVII    m.  Mart.  MDCCCLXXII.    Leop. 

Reinhardt:  I.   Bellum,    quod  Aethiopes  contra  populum  Ro- 

manum   moverint,  annis  23  et  22  a.  Chr.  gestum  esse  contendo. 

(Cf.  Peter  H.  rom.  III,  p.  27) :  II.  Plaut.  Amphitr.  510.   11  sie 

legendura  esse  censeo  : 

'Edepol  tunc  si  istis  rebus  te*  sciat  operära  dare 

ego  faxim  ted    Amphitruonem  mälis  esse  quam  Iovem : 

III.  Frontonis  Arion.  p.  237   N.  lego:    cognovit  socios ,  qui  vehe- 

rent,  cupidinis  potiri. 


NEUE  AUFLAGEN.  70.  Pape,  handwörterbuch  der 
griechischen  spräche.  2  bde.  8.  Braunschw.  Vieweg.  1872: 
6  thlr. :  ist  fünfter  unveränderter  abdruck  der  zweiten  aufläge.  — 

71.  A.  Forcellini  totius  latinitatis  lexicon  ..  cura  V.  de  Vit. 
4.  Distr.  43.     Padua.  Prati   (Leipzig,    Brockhaus) ;    25  ngr.  — 

72.  E.  Guhl  und  W.  Kon  er:  das  leben  der  Griechen  und 
Römer.     3.  aufl.      1.  lief.     8.      Berlin.  Weidmann;    10  sgr.  — 

73.  F.  Kugler,  handbuch  der  kunstgeschichte.  5.  aufl.  be- 
arbeitet von  W.  Lübke.  5.  lief.  8.  Stuttgart.  Ebner  u.  S. ; 
1  thlr.  6  ngr.  —  74.  A.  v.  Reumont,  geschichte  der  Stadt 
Rom.  Neue  ausgäbe.  6.  lief.  8.  Berlin.  Decker ;  1  thlr.  — 
75.  K.  Bädeker,  Italien,  handbuch  für  reisende.  2  thl.,  Mit- 
telital.  und  Rom.  3.  aufl.  8.  Coblenz.  Bädeker;  1  thlr.  20 
gr.  —  76.  K.  Bädeker,  Italien,  handbuch  für  reisende.  3  thl. 
Unter  -  Italien  und  Sicilien.  3  aufl.  8.  Coblenz.  Bädeker ; 
1  thlr.  20  gr.  —  77.  Dr  Ed.  von  Hartmann,  philosophie 
des  unbewussten.  8.  3.  beträchtlich  vermehrte  aufl.  Berlin. 
C.  Duncker;   3  thlr.  10  ngr. 

NEUE  SCHULBUECHER.  78—82.  Freund's  schüler- 
bibliothek.  1.  abth.  Präparationen  u. s.w.  Präparation  zu  Plato's 
Apologie  des  Sokrates.  1.  heft.  16.  Leipzig.  Violet ;  5  ngr. ; 
Dess.  zu  Xenophons  Cyropädie.  2.  aufl.  5.  hft. ,  ebendas. ; 
5  ngr.;  Dess.  zu  Piatons  Apologie.  2.  hft.  ebendas.;  5  ngr.; 
desselben  präparationen  zu  Livius  römische  geschichte.  2. 
aufl.  5.  hft.  16.  Leipzig.  Violet;  5  ngr.  —  zu  Ovids  Meta- 
morphosen. 2.  hft.  4.  aufl.,  ebendas.;  5  ngr. —  83.  C.  Sehen  kl, 
Chrestomathie  aus  Xenophon.  5.  aufl.  8.  Wien.  Gerold;  1 
thlr.  —  84.  M.  Seyffert,  lesestücke  aus  griechischen  und 
lateinischen  Schriftstellern.  4.  aufl.  8.  Leipzig.  Holtze ;  22x/2 
ngr.  —  85.  Th.  K rafft  griechisches  vocabularium  für  den 
Schulunterricht.    8.    Nürnberg.  Korn;  8  gr. —  86.  W.  Bäum- 


Nr.  3.  Bibliographie.  171 

lein,  griechische  schulgrammatik.  4.  aufl.  bearbeitet  von  W. 
Gaupp.  8.  Stuttgart.  Metzler;  1  thlr.  —  87.  G.  Lang- 
reuter, anleitung  zum  übersetzen  aus  dem  deutschen  ins  grie- 
chische für  tertia  bearbeitet.  8.  Celle.  Schultze ;  13  ngr.  — 
88.  Fr.  Ellendt's  lateinisches  lesebuch  für  die  unteren  klas- 
sen  höherer  lehranstalten.  17  aufl.  v.  M.  Seyffert.  8.  Ber- 
lin. Bornträger;  15  gr.  —  89.  E.  Brock,  lateinische  syn- 
tax.  Eegelbuch  für  quarta  und  tertia.  8.  Leipzig.  Brauns ; 
5  gr.  —  90.  R.  Minzlaff,  literaturgeschichte  der  Völker  des 
alterthums.  2.  ausg.  8.  Hannover,  Hahn;  12  ngr.  —  91. 
E.  Rohde,  historischer  schulatlas  zur  alten,  mittlem  und  neuern 
geschichte.  9.  aufl.  qu.  fol.  Glogau.  Flemming;  1  thlr.  15 
ngr.  —  92.  W.  Ropp,  römische  literaturgeschichte.  2.  aufl. 
gr.   16.     Berlin.  Springer  ;  8  ngr. 

BIBLIOGRAPHIE.  In  nr.  1  v.  j.  1872  der  „mittheilun- 
gen  der  Verlagshandlung  B.  G.  Teubner  in  Leipzig"  werden 
als  künftig  erscheinende  bücher  genannt:  Homeri  Ilias,  ad  fidem 
librorum  optimorum  ed.  J.  La  Roche,  welcher  auf  grund  des  Venetus 
A,  Laurentianus  D,  vier  anderer  neu  verglichenen  handschriften, 
des  Eustathius  und  der  fragmente  alter  handschriften  den  text  neu 
constituiren  will ;  handbuch  der  griechisch-lateinischen  metrik  von 
W.  Christ,  in  dem  auch  die  metra  der  lateinischen  komiker  berück- 
sichtigt werden  sollen,  sonst  wird  nur  sehr  im  allgemeinen  der 
Standpunkt  des  vrfs  angegeben;  geographie  von  Griechenland  von 
C.  Bursian,  II,  3;  germanistische  alterthümer  und  zugleich 
erklärung  von  Tacitus  Germania.  Vorlesungen  an  der  Uni- 
versität Heidelberg  gehalten  von  Holtzmann.  Herausgegeben 
von  A.  Holder;  ist  nach  den  eignen  heften  Holtzmann's  ge- 
arbeitet; endlich  des  P.  Cornelius  Tacitus  Germania.  Für  den 
schulgebrauch  aus  dem  nachlass  von  Ad.  Holtzmann  erklärt  von 
Alfred  Holder.  Dann  folgen  noch  angaben  über  fortsetzung 
der  Bihliotheca  scriptorum  Graecorum  et  Romanorum  Teubneriana, 
Schulausgaben  u.  s.  w. 

Cataloge  der  antiquare:  antiquarischer  catalog  nr.  57  der 
T  h.  B  a  r  t  ling' sehen  buch-  und  antiquarhandlung  in  Dan- 
zig;  bericht  25  von  Calvary,  darin  I.  Bekker's  Homer- 
sammlung: es  sind  darin  vorwiegend  neuere  Schriften:  wir  he- 
ben hervor  das  handexemplar  Bekkers  von  den  ScJwlia  Veneta 
in  Hom.  Iliadem  mit  handschriftlichen  noten  behufs  einer  neuen 
ausgäbe ,  namentlich  lexiealiseben  und  grammatischen  inhalts, 
z.  th.  in  den  homerischen  blättern  benutzt;  Schul-Catalog.  Ue- 
bersicht  der  neuesten  philologischen  und  pädagogischen  werke, 
welche  im  Hahn'  sehen  Verlage  zu  Hannover  und  Leipzig  er- 
schienen sind  ;  K.  F.  K  ö  h  1  e  r1  s  in  Leipzig  antiquarische  an- 
zeige-hefte,  nr.  231,  gottesdienstliche,  Staats-  und  privat-alter- 
thümer    enthaltend;    Verzeichnis  nr.  149  des  antiquarischen  bü- 


172  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  3 

cherlagers  der  Otto'schen  buchhandlung  in  Erfurt,  literaturge- 
schichte ,  deutsche  spräche  enthaltend  ;  Antiquarischer  anzeiger 
(nr.  127)  der  S  chletter'schen  buchhandlung  in  Breslau;  VII. 
Antiquariats- katalog  von  Simmel  u.  Co.  in  Leipzig,  literatur- 
geschichte  und  bibliographie ,  Sprachwissenschaft  enthaltend; 
Ernst  Wagner  in  Augsburg,  antiquarischer  anzeiger  nr.  13; 
Friedrich  Wagner  in  Braunschweig,  catalog  92  des  an- 
tiquarischen bücherlagers. 

Bibliotheca  Venetiana.  Supplernento  II.  al  catalogo  d'una 
raccolta  di  libri,  carte  geografiche  e  vedute  di  Venezia  e  del 
suo  territorio  vendibili  presso  H.  F.  et  M.  Münster:  auch 
Sache«  von  Aldus   darin. 

Fortegnelse  over  en  del  af  de  paa  den  Gyldendalshe  bog- 
handels  forlag  udkomne  skriften,  der  fra  20de  Oktober  1871 
til  31te  december  1872  saelges  til  de  vedfejede  betydelig-  ned- 
satte  priser:  es  sind  einzelne  sachen  von  Dorph  (Virgil)  Hen- 
richsen,  Koes,  Madvig  (auch  politische),  Ussing  u.  s.  w.  darin. 

Livres  anciens  modernes  en  vente  au  prix  marque's  chez 
Martinus  Nijhoff    ä  la  Haye ;    linguistik    und    orientalia. 

Frederik  Muller  zu  Amsterdam,  verzeichniss  von  Co- 
bet's  und  anderer  holländischen  philologen  werke  zu  ermässig- 
ten  preisen:  auch  die  Mnemosyne  zu  29  holl.  gülden,  Cobet's 
ausgaben  des  Lysias  und  Xenophon,  Hirschig  Aristoph.  Vespae, 
Cicer.  de  orat.  von  Baake,  Luzac  lectiones  atticae  u.  s.  w. 

Bücher auctionen:  bei  A.  Hoyer  in  Göttingen  am  29.  april : 
bei  H.  Härtung  in  Leipzig  am  22.  mai. 

KLEINE  PHILOLOGISCHE  ZEITUNG.  John  Under- 
wood,  der  bei  seinem  im  j.  1733  erfolgten  tode  in  Wittlesea 
begraben  wurde,  vermachte  seiner  Schwester  sechstausend  pfund 
unter  der  bedingung,  dass  seine  beerdigung  auf  folgende  excen- 
trische  weise  stattfinden  müsste.  Als  nämlich  das  grab  zuge- 
schüttet und  mit  rasen  bedeckt  war,  sangen  sechs  seiner  freunde, 
die  er  namentlich  dazu  bestimmt  und  männiglich  mit  zehn  gui- 
neen  bedacht  hatte,  die  zwanzigste  ode  des  zweiten  buchs  des 
Horaz,  wobei  sie  nicht  schwarz  gekleidet  sein  durften.  Auch 
das  glockengeläute  war  untersagt ,  und  nur  sie  allein  folg- 
ten dem  sarge.  Dieser  war  Underwood's  bestimmung  zufolge 
grün  angestrichen,  der  leichnam  vollständig  bekleidet.  Unter 
seinem  köpf  lag  Sanadon's  Horaz,  zu  seinen  füssen  Bentley's 
Milton,  in  seiner  rechten  band  hielt  er  ein  kleines  griechisches 
neues  testament  mit  vergoldetem  titel ,  in  seiner  linken  eine 
taschenausgabe  des  Horaz  mit  dem  titel  „Musis  Amicus  J.  U.", 
unter  dem  rücken  lag  Bentley's  Horaz.  Nach  beendigung  des 
gesanges  kehrten  die  sechs  herren  in  des  verstorbenen  haus 
zurück,  woselbst  ein  sehr  gutes  abendbrot  sie  erwartete;  sobald 
dies  verzehrt  war,  sangen  sie  die  31.  ode  des  ersten  buchs  des 


Nr.  3.  Kleine  philologische  zeitung.  173 

Horaz,  leerten  noch  heiter  eine  flasche  und  begaben  sich  dann 
heim.  Alles  dies  war  aufs  genaueste  in  seinem  testament  vorge- 
schrieben, welches  mit  folgenden  worten  schloss :  „hierauf  wün- 
sche ich  dass  sie  noch  heiter  eine  flasche  leeren  und  nicht  wei- 
ter an  John  Underwood  denken  mögen".     (Percy  Anecdotes). 

Unter  der  leitung  des  studieuraths  Dr  I.  H.  Müller  in 
Hannover  soll  im  verlag  der  Schlüter'schen  hofbuchhandlung 
eine  ,,  Zeitschrift  für  deutsche  kulturgeschichte "  erscheinen, 
welche  nach  ihrem  programm  auch  die  Universitäten  berück- 
sichtigen und  von  männern,  die  auf  die  kultur  des  deutschen 
volks  für  längere  zeit  bedeutungsvoll  (?)  eingewirkt  haben,  bio- 
graphien  bringen  wird. 

Die  in  Wien  erscheinende  Deutsche  Zeitung  enthält  in 
ihrer  nr.  28  einen  aufsatz  zur  maturitäts-prüfungs -frage,  eben 
so  mittheilungen  über  das  pädagogium  in  Wien ,  auf  welche 
unsre  leser  aufmerksam  zu  machen  wir  nicht  unterlassen  wol- 
len. Näher  berührt  uns  ein  „die  österreichischen  Universitäten'' 
überschriebener  aufsatz  von  Wilhelm  Hartel  in  nr.  14,  in 
welchem  als  erste  bedingung  für  die  regeneration  derselben  gefor- 
dert wird,  dass  man  tüchtige  lehrkräfte  erlange  uud  dabei  nicht 
den  heimathschein  entscheiden  lasse,  nicht  den  gebornen  Oe- 
sterreicher  allen  andern  vorziehe,  sondern  aus  Deutschland  sich 
recrutire.  „Fürwahr ,  jeder  österreichische  minister  sollte  gott 
danken,  dass  es  ein  Deutschland  giebt,  welches  die  tüchtigsten 
kräfte  ihm  bietet  und  reichlich  zu  ernten  gestattet,  was  nicht  er 
gesäet.  Aber  freilich ,  die  besten  kräfte  sind  auch  die  theuer- 
sten.  Doch  sollte  man  meinen,  dass  ein  Staat,  der  für  gute 
kehlen  und  flinke  beine  hunderttausende,  für  Schauspielhäuser 
und  kasernen  millionen  verausgabt,  noch  ein  kleines  Sümmchen 
für  diesen  posten  des  budgets  einstellen  könnte,  zumal  ja  keine 
weise  unsern  Staatslenkern  geläufiger  geworden  ist,  als  die: 
Wissenschaft  ist  macht".  Man  sieht ,  wie  die  zeitung  ihr  pro-" 
gramm,  den  Zusammenhang  mit  Deutschland  in  dem  volksbe- 
wusstsein  der  Oesterreicher  wach  und  lebendig  zu  erhalten, 
kräftig  ausführt :  es  wird  aber  auch  jede  berufung  aus  Deutsch- 
land gerade  von  oben  mit  grossem  misstrauen  verfolgt.  Daher 
thut  auch,  um  diese  lehrkräfte  zu  erhalten,  „ein  wahrer  Sturmwind 
neuen  und  freien  geistigen  lebens  noth,  der  den  mittelalterlichen 
plunder",  (z.  b.  den  hochwürdigen  kanzler,  die  canonicate,  die 
doctoren  -  coüegien),  „der  an  allen  ecken  und  enden  sich  zäh  er- 
halten, wegfege  und  die  luft  von  dem  confessionellen  und  reac- 
tionären  dünsten,  die  schwer  auf  dem  universitätsieben  nament- 
lich der  beiden  grössten  hochschulen  des  reichs  lasten,  reinige". 
Was  aber  an  die  stelle  des  veralteten  setzen?  Das  1870  vom 
minister  Stremayer  vorgeschlagene  genüge  nicht :  vielmehr  müsse, 
solle  die  universitas  literarum  nicht  bloss  phrase  sein,  ein  kräfti- 
ges centralorgan    geschaffen    werden:    das   Hesse    sich   erreichen 


174  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  3. 

mit  directer  wähl  des  rectors  durch  sämmtliche  professoren, 
dadurch  dass  jeder  decan  vier  jähre  dem  academischen  Se- 
nat angehöre  und  aus  jedem  collegium  eine  bestimmte  anzahl 
von  mitgliedern  für  bestimmte  zeit  in  denselben  gewählt 
werde.  Der  vf.  scheint  dies  nur  als  andeutungen  gegeben  zu 
haben :  auch  hier  mag  nur  andeutungsweise  gesagt  sein ,  dass 
zum  gedeihen  einer  deutschen  Universität  vor  allem  zwei 
dinge  gehören,  die  freilich  jetzt  grade  schwer  herzustellen  sein 
dürften:  1)  ein  aus  sämmtlichen  ordiuarien  bestehender  senat, 
von  denen  wenigstens  viele  wissen,  was  eine  deutsche  Universi- 
tät sein  soll  und  dass  der  professor  nicht  bloss  beamter  und 
Schulmeister  ist,  und  2)  eine  dem  wahren  wesen  der  Universität 
entsprechend  handelnde,  wohlwollende  regierung,  die  trotz  ihres 
regiereus  der  Universität  die  nöthige  freibeit  gönnt:  für  beides 
giebt  das  curatorium  in  Hannover  und  GöttiDgen  bis  c.  1850  ein 
vortreffliches,  bis  jetzt  viel  zu  wenig  erkanntes  beispiel:  denn 
von  ungefähr  1850  an  war  auch  das  curatorium  in  Hannover 
ohne  festes  Steuerruder  und  System  und  — -  vielleicht  ohne  seine 
schuld  —  den  verschiedensten  einflüssen  zugänglich. 

In  der  sitzung  der  archäologischen  gesellschaft  zu  Berlin 
vom  6.  febr.  gab  Adler  eine  Chronologie  der  dorischen  bau- 
kunst,  indem  er  von  Böttichers  nachweis  ausging,  dass  die  do- 
rische beleuchtung  der  tempel  durch  metopen  ursprünglich  nur 
einen  tempel  in  antis  gestatte,  und  erst  der  ionische  tempel, 
weil  hypäthral,  ein  peripteros  sein  könne.  Der  mit  Säulengang 
rings  umgebene  dorische  tempel  zeige  schon  die  entartung,  so 
617  v.  Chr.  in  des  lihoikos  lunotempel  zu  Samos,  schon 
früher  in  zwei  tempeln  zu  Selinus  und  im  Apollotempel  in  Or- 
tygia  zu  Syrakus.  Letzterer,  um  680  gegründet,  sei  noch  mo- 
notriglyphos,  er  habe  je  einen  tropfen  zwischen  den  säulen,  wel- 
che sehr  eng  stehen.  Nachher  erweiterte  man  die  intercolum- 
nien  und  nahm  nur  halbe  tropfenplatten;  so  in  zwei,  nach  äl- 
terer art  noch  oblongen  tempeln  zu  Selinus,  um  580.  Doch 
hat  dort  bei  dem  sogenannten  tempel  C  ein  umbau  stattgefun- 
den* der  zweite  pronaos  mit  einer  inschrift  etwa  vom  jähre 
490  sei  erst  später  zugesetzt,  vom  älteren  bau  sei  jetzt  aber 
eine  ecktiiglyphe  gefunden  worden.  Auch  der  dorische  perip- 
teros zu  Assos  sei  wohl  erst  später  an  den  Schmalseiten  erwei- 
tert ;  hier  wie  sonst  setze  Texier  in  seiner  abbildung  vieles  aus 
eigener  erfindung  hinzu.  —  Nach  einer  gegenbemerkung  des 
prof.  Lohde  zeigte  prof.  Curtius  die  sterbende  Medusa  (wohl 
eher  eine  Amazone)  der  Villa  Ludovisi  in  einer  genauen  ab- 
bildung des  Dr  Dilthey  vor.  Adler  macht  darauf  aufmerk- 
sam, dass  Schlüter,  welcher  Rom  besucht,  die  masken  am  zeug- 
hause danach  gebildet  habe.  —  Curtius  zeigte  ferner  einen  klei- 
nen widdertragenden  Merkur  aus  bronze  vor,  welcher,  in  Bo- 
logna   gefunden ,   jetzt    dem    berliner   museum   angehört.       Ob- 


Nr  3.  Kleine  philologische  zeitung,  176 

wohl  die  Statuette  sehr  alt,  sei  Merkur  doch  unbärtig,  wie  ihn 
wohl  noch  Kaiamis  gebildet  habe.  Einen  gleichen  Merkur 
wies  Curtius  auf  einer  münze  und  einer  terracotta  für  die  zeit 
vor  der  kunstblütbe  nach,  uud  besprach  die  verschiedene  art  des 
widdertragens  in  solchen  darstellungen.  Endlich  bebandelte  Cur- 
tius neu  gefundene  inschriften  von  einer  quelle  zu  Opus. 
Dr  Scholl  besprach  Kumanudes  sammluug  attischer  grabin- 
schriften,  von  denen  etwa  1600  noch  nicht  herausgegeben 
waren.  Von  den  gegen  hundert  athenischen  inschriften,  welche 
Franz  Lenormant  im  rheinischen  Museum  veröffentlicht  hat,  ist 
keine  wieder  aufgefunden  worden. —  Prof.  Müllenhoff  zeigte 
eine  glaspaste  aus  Alsen  mit  drei  rohen  figuren. —  Prof.  Hüb- 
ner besprach  einige  Schriften  über  ausgrabungen  in  Deutsch- 
land und  neu  herausgegebene  spanische  inschriften  und  eine  aus 
Portugal  über  den  schriftsteiler  L.  Cornelius  Bocchus,  tribunus 
militum  der  legio  III.  Augusta,  welche  in  Africa  stand.  Es  sind 
ausserdem  aus  zwei  spanischen  orten  inschriften  über  ihn  be- 
kannt. Aus  seinem  werke  über  Spanien  schöpfte  Plinius  ,  aus 
seiner  weltchronik  Solin. —  Schliesslich  gab  Adler  über  einige 
inschriften  zu  Jerusalem  auskunft. 


AUSZUEGE  aus  Zeitschriften :  Augsburger  allgemeine  zeitung, 
1872:  nr.  33.  40.  47.  54.  61.  75.  82.  Döilinger  über  die  Wiedervereini- 
gung der  christlichen  kirchen  I.  VII.  —  Nr.  40 :  die  schulinspectio- 
nen.  —  Beil.  zu  nr.  40 :  zur  kriegsgeschichte  :  weis't  nach ,  dass  die 
falsche  nachricht  von  einem  siege  Mac-Mahon's  nicht  am  fünften, 
sondern  sechsten  august  eingetroffen  sei,  in  folge  deren  Paris  in 
diesem  kriege  zum  ersten  und  letzten  male  geflaggt  hat.  —  Beil.  zu 
nr.  41:  Ad.  Trendelenburg:  nekrolog. —  Nr.  43:  die  poesie  im  neuen 
Deutschland:  besprechung  der  unter  diesem  titel  erschienenen  broschüre 
von  F.  K.  Schubert.  —     Beil.  zu  nr.  44 :  Mäelarts  trojanischer  krieg. 

—  Die  mitrailleusen  und  ihre  leistungen  im  kriege  18/70/71.  —  Zopf- 
abschneiderei  in  Halle  a.  d.  S.  —     Nr.  45 :    das   schulaufsichtsgesetz. 

—  Nr.  46:  das  herrenhaus  und  das  schulaufsichtsgesetz.  —  Beil.  zu 
nr.  47:  M.  Heinze's   lehre    vom  logos  in  der  griechischen  philosophie. 

—  Nr.  48:  zur  abstimmung  über  das  schulaufsichtsgesetz.  —  Beil.  zu 
nr.  48 :  die  reichshochschule  und  die  fachschulen  des  reichs.  —  Nr. 
53 :  Dr  Ernst  Nizze  f.  —  Nr.  54 :  statistisches  über  den  besuch  hö- 
herer lehranstalten.  —  Nr.  55 :  H.  v.  Lutz  und  das  bayrische  cultus- 
ministerium.  —  Beil.  zu  nr.  55.  58.  59.  77.  78.  79.  80.  81 :  zur  Darwin- 
literatur. —  Beil.  zun. 55:  Berichtigung  zu  dem  vortrage  Döllingers. — 
Beil.  zu  nr.  56 :  Heilmann,  antheil  des  II.  bayerischen  armeekorps  am 
feldzug  1870 — 71.  —  Das  bevorstehende  Jubiläum  der  Universität 
München.  —  Nr.  58:  M.  A.  Levy  f.  —  Beil.  zu  nr.  59:  Dahn,  die 
könige  der  Germanen.  —  Beil.  zu  nr.  60:  eine  autobiographie  von 
Gervinus.  —  Nr.  62 :  herrenhaus  und  schulaufsichtsgesetz.  —  Beil. 
zu  63:  zwangslose  briefe  über  deutsche  Universitäten.  1.  Die  neu- 
gründung  in  Strasburg;  sehr  zu  beachtender  artikel,  wenn  gleich 
wohl  zu  scharf  gegen  einzelne  persönlichkeiten:  es  werden  am  aus- 
führlichsten die  berufungen  in  der  philosophischen  facultät  bespro- 
chen: „aber  allerdings  beruhen  die  für  jene  fächer  geschehenen  berufun- 


176  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Kr.  11, 

gen  ausnahmslos  und  ausschliesslich  auf  den  Weisungen  des  berliner 
akadeniie-hauptquartiers,  „jener  kleinen  aber  mächtigen"  partei, 
welche  im  preussischen  cultus-ministerium  nicht  ohne  stütze,  für  ihre 
protectionen  vor  allem  „Verwandtschaft"  oder  „zugethansein"  fordert, 
erst  in  zweiter  linie,  wenn  überhaupt,  auf  wissenschaftliche  leistun- 
gen  oder  gar  auf  „lehrerfolge"  sieht":  auch  sonst  habe  sich  Roggen- 
bach zu  sehr  an  „diese  Unfehlbarkeit  an  der  Spree"  gehalten,  so  dass 
doch  bei  der  neugründung  Strassburgs  vielfach  das  so  nachtheilige 
„durch  Mühler  in  Preussen  zu  ehren  gebrachte  Universitätssystem" 
sich  nur  zu  deutlich  zeige. —  Nr.  64:  die  kunst-  und  reliquienschätze 
zu  Maestricht :  betrifft  das  mittelalter.  —  Nr.  66 :  Zeller  lehnt  einen 
ruf  nach  Berlin  ab.  —  Unterstützung  der  bibliothek  in  Strassburg 
durch  den  deutschen  kaiser.  —  Nr.  67:  die  theologische  disputation 
in  Rom.  —  Nr.  69.  70.  71:  das  schulaufsichtsgesetz  im  herrenhause: 
ausführliche  mittheilung  der  debatten.  —  Beil.  zu  nr.  72,  zur  kir- 
chen-  und  schulfrage.  —  Nr.  73:  zur  abstimmung  im  herrenhause. 
—  Beil.  zu  nr.  76:  Joh.  Sturm,  Strassburgs  erster  schulrektor.  — 
Nr.  80:  ausgrabung  zu  Pompeji  vom  8.  märz  in  gegenwart  des  prin- 
zen  Friedrich  Karl. —  Beil.  zu  nr.  81.  82  (schluss) :  zwischen  Rom  und 
Neapel. —  Nr.  84:  der  kirchliche  liberalismus  in  Preussen. —  Beil.  zu 
nr.  84.  85.  86  :  französische  kriegsliteratur.  III.  —  Nr.  85:  Michaud 
und  das  katholische  Frankreich.  —  Beil.  zu  nr.  87 :  Th.  Benfey,  ent- 
deckung  der  ältesten  recension  des  Pantschatantra.  —  Beil.  zu  nr. 
88:  der  Rumänen  herkunft.  —  Nr.  91:  schulnachrichten  aus  Lon- 
don. —  Beil.  zu  nr.  93:  zur  geschichtsliteratur :  bezieht  sich  auf  die 
römische  kaiserzeit  im  anschluss  an  Höfner.  —  Beil.  zu  nr.  94:  re- 
ligion  und  staatsidee.  —  Beil.  97  :  zum  schulaufsichtsgesetz:  bezieht 
sich  speciell  auf  Hannover. 


Bekanntmachung. 

Mit  allerhöchster  genebmigung  wird  die  achtundzwanzigste 
Versammlung  deutscher  philologen  und  Schulmänner  in  rück- 
sicht  auf  die  für  den  herbst  gleichfalls  in  Leipzig  beabsichtigte 
naturforscher -Versammlung  bereits  in  den  tagen  von  22 —  25  mai 
d.  j.  in  Leipzig  stattfinden,  zu  welcher  das  unterzeichnete  Präsi- 
dium hierdurch  ergebetist  einladet.  Indem  dasselbe  die  geehrten 
fachgenossen  ersucht,  beabsichtigte  vortrage  sowohl  für  die  allge- 
meinen Sitzungen  als  auch  für  die  Verhandlungen  der  sectionen, 
deren  Präsidenten  die  herren  professoren  Fleischer,  0 ver- 
beck und  Zarncke  sind,  baldmöglichst  anmelden  zu  wollen,  er- 
klärt es  sich  zugleich  bereit,  anfragen  und  wünsche,  die  sich 
auf  theilnahme  an  der  Versammlung,  namentlich  auch  auf  Woh- 
nung beziehen,  entgegen  zu  nehmen  und  zu  erledigen. 

Leipzig  den  1.  märz  1872. 

Das  präsidium 
der    achtundzwanzigsten  Versammlung   deutscher    philologen  und 

schulmäuner. 
G-.  Curtius.     F.  A.  Eckstein.    - 


Ur.  4.  April  1873 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben   als   ergänzung   des   Philologus 


Ernst  von  Leutsch. 


93.     Ed.  Lübbert,    De  structura    participii  perf.  passivi 
pro  substantivo  verbau  positi.     Giessen.    1872.      20  s.     4. 

Diese  cornmentatio ,  von  welcher  das  Giessener  Ludwigs- 
programm von  1871  den  atifang  bietet,  bildet  die  part.  I  einer 
reihe  von  Commentationes  syntacticae,  welche  Lübbert  damit  in 
aussieht  stellt.  Die  abhaodlung  geht  aus  von  der  redensart 
provincias  decretas  rescindere  bei  Cic.  de  dorn.  9,  24  und  will 
gegen  Nägelsbach  (Lat.  Stil.  p.  96;  vgl.  in  kürze  auch  schon 
Savels  im  programm  des  Essener  gymnasiuins  von  1833,  p. 
18  f.)  nachweisen,  dass  jene  ausdrucksweise  unciceronisch  sei. 
Zu  dem  ende  wendet  sie  sich  zuvörderst  zu  einer  allgemeinen 
darlegung  de  vi  ac  potestate  jener  struetur,  nach  welcher  ein 
part.  perf.  passivi  an  die  stelle  eines  Verbalsubstantivs  tritt,  und 
einer  Zusammenstellung  ihrer  varia  genera  et  modi.  —  Die 
behandlung  ist  methodisch  und  gründlich,  nimmt  auch  mit  recht 
rücksicht  auf  die  geschichtliche  entwicklung  dieser  construetion 
bis  auf  Livius,  in  welchem  sie  eulminirt.  Man  folgt  daher  gern 
und  mit  interesse  ,  wenn  man  sich  auch  noch  keineswegs  der 
zweifei  erwehren  kann,  ob  es  dem  vf.  schliesslich  gelingen  werde 
wirklich  das  unciceronische  der  betreffenden  redensart  zu  erhärten. 
Der  verf.  steht  in  betreff  der  vier  von  Fr.  A.  Wolf  ange- 
griffenen reden  zwar  nicht  geradezu  auf  dessen  seite,  aber  doch 
auch  keineswegs  auf  seiten  derjenigen,  welche  —  nach  unserer 
meinung  mit  recht  —  in  neuerer  zeit  jene  reden  in  schütz 
genommen  haben  (vgl.  über  den  stand  der  sache  Philol.  XXI, 
p.  300,  25  ;  ausserdem  J.  Jeep  im  Wolfenb.  Progr.  1863,  p. 
5  f . ;  Literar.  Centralbl.  1865,  p.  1094).  Er  sucht  vielmehr  eine 
gewisse  mittelstellung  zu  behaupten;  er  mag  zwar  im  allgemei- 
PhiloL  Anz.  IV.  12 


178  93.  94.  Lateinische  grammatik.  Nr.  4. 

nen  die  echtheit  der  rede  de  domo  nicht  bezweifeln,  nimmt  aber 
erhebliche  corruptelen  innerhalb  derselben  an ,  welche  omnino 
fidem  orationis  infirmant,  so  dass  auch  in  rebus  ad  antiquitates 
iuris  publici  pertinentibus  haud  iam  eadem  fiducia,  quam  ceteris 
orationibus  tribuimus,  huius  orationis  testimoniis  uti  licebit  (p.  5).  — 
In  dieser  beziehung  ist ,  gleichfalls  in  Giessener  programmen 
und  ausserdem  in  den  römischen  alterthümern  in  den  letz- 
ten jahren  die  rede  de  domo  mehrfach  herangezogen  von 
L.  Lange,  jetzt  in  Leipzig;  und  ich  glaube,  Lange  braucht 
sich  zunächst  darob  noch  keine  sorge  zu  machen.  Wenig- 
stens scheint  das,  was  der  Verfasser  vorläufig  p.  17,  5  über 
Cic.  Tusc.  I,  12,  27  und  Caes.  de  b.  G.  1,  4,  1  gesagt  hat, 
keineswegs  so  einleuchtend  und  zweifellos,  dass  gerade  für  den 
accusativ  (denn  für  den  nominativ  wird  p.  13  alle  freiheit  zu- 
gestanden; vgl.  z.  b.  Tac.  ab  exe.  d.  A.  1,  8  cum  occisus  dieta- 
tor  Caesar  .  .  .  pulcherrimum  facinus  videretur)  die  beschränkung 
anerkannt  werden  dürfte:  illa  struetura  in  aecusativo  tum  solum 
admittitur,  si  substantivum  quod  pro  obiecto  est  iam  ^rect.  velj  per 
se  aliquam  cum  verbo  praedicativo  communionem  habet  (p.  16).  — 
Doch  wollen  wir  das  urtheil  suspendieren,  bis  die  abhandlung 
zu  ende  geführt  ist,  worauf  wir  hoffentlich  nicht  lange  werden 
zu  warten  haben. 

Auf  seine  eigene  latinität  muss  der  verf.  allerdings  etwas 
mehr  Sorgfalt  verwenden ;  er  gebraucht  z.  b.  wiederholt  ita  ut 
(==  so  dass),  p.  11  non  possum  quin  und  meritissimus  (=  hoch- 
verdient), p.  14  und  p.  18  uterque  in  unstatthafter  weise,  p.  12 
vigorosius.  Dergleichen  findet  man  freilich  viel  bei  neueren  la- 
teinern;  aber  ein  so  tüchtiger  spraclikenner,  wie  der  verf.,  muss 
sich  fern  davon  halten. 

94.  Karl  Abel,  dr:  über  einige  gruudzüge  der  lateini- 
schen Wortstellung.     Zweite  aufl.     8.     Berliu.   1871.     23  s. 

Dass  dies  schriftchen  die  zweite  aufläge  erlebt  hat,  kann 
Verwunderung  erregen.  Denn  zunächst  findet  sich  ein  wesent- 
licher theil  des  zu  behandelnden  Stoffes  in  jeder  grösseren 
grammatik,  und  zwar  vielfach  richtiger  dargestellt,  klarer  ge- 
fasst  uud  übersichtlicher  geordnet.  Auf  specialia  feinerer  art, 
wie  man  sie  iu  einer  solchen  monographie  erwartet,  ist  der 
vf.  mehrfach  nicht  eingegangen  (so  hätte  p.   7  zur  Stellung  der 


Nr.  4.  94.  Lateinische  grammatik.  179 

römischen  namen  auf  Philol.  XXII,  p  481  ff.  bezug  genommen 
werden  können) ;  und  wenn  derselbe  eigene  beobachtungen  mit- 
theilt, so  werden  diese  nur  durch  wenige  beispiele  belegt  und 
mehr  als  axiome  hingestellt,  an  deren  richtigkeit  doch  um  so 
eher  zweifei  erlaubt  ist,  als  es  der  verf.  bei  seiner  schrift  of- 
fenbar an  der  erforderlichen  Sorgfalt  hat  fehlen  lassen. 

Das  zeigen  schon  die  zahlreichen  druckfehler.  Auf  p.  8 
allein  finden  sich  drei  (Mitatae  st.  Usitatae  •  viden ,  Cutric.  st. 
videntur,  Cic. ;  maioris  moliri  st.  maiora  moliri).  —  Was  soll 
man  zu  regeln  sagen,  wie  p.  18:  „Qwwm  tritt  immer  (!)  hinter 
sein  subject,  indem  es  einen  eigenen  Zwischensatz  bildet;  und 
hat  der  hauptsatz  ein  anderes  subject  und  sein  eigenes  kann 
(construction ! )  weil  es  im  verbo  liegt,  ihm  nicht  voraufgehen,  so 
pflegt  es  wenigstens  einen  objectsaccusativ  vor  sich  zu  nehmen" ! 
—  oder  p.  8 :  „bei  amtsbezeichnungen  galt  in  der  republik 
der  eigenname  für  das  erste,  zur  kaiserzeit  der  der  würde: 
Cicero  consul ,  Imperator  Augustus",  —  als  ob  nicht  auch  zur 
zeit  der  republik  rex  meistens  vor  den  namen  gesetzt  wäre, 
und  andererseits  Imperator  in  der  späteren  zeit  durch  seine  Vor- 
stellung nicht  eine  specifische  bedeutung  erhalten  hätte.  — 
Was  auf  derselben  seite  über  fratres  gemini  angeführt  wird ,  ist 
schon  von  Freund  in  seinem  Wörterbuch  s.  v  frater  widerlegt.  — 
Nach  p.  9  soll  man  immer  sagen:  mea  manu.  Ja,  wenn  es  ei- 
genhändig heissen  soll!  Ueberbaupt  ist  bei  dem  Possessiv- 
pronomen übersehen,  dass  drei  fälle  zu  unterscheiden  sind: 
1)  sie  werden  im  lateinischen  ganz  weggelassen,  wenn  der  sinn 
sie  entbehren  kann;  2)  wenn  die  deutlichkeit  sie  verlangt,  so 
werden  sie  gesetzt,  stehen  aber  hinter  ihrem  nomen ;  3)  vor 
ihrem  nomen  (was  nach  dem  verf.  das  gewöhnliche  sein  soll) 
nur  dann,  wenn   ein   nachdruck  auf  ihnen  ruht. 

Schliesslich  sei  noch  erwähnt,  dass  auf  p.  6  nicht  nur  Bona 
Dea  einfach  für  Ceres  erklärt  wird,  mit  hiuweisung  auf  Juven. 
2,  86  (wo  schon  Heinrich's  note  den  verf.  eines  besseren  hätte 
belehren  köunen),  sondern  auch  dem  verf.  das  arge  quidproquo 
passiert  ist,  dass  er  in  Plin.  N.  H.  9,  3,  15  (secundas  partus) 
den  gen.  singularis  partus  für  den  acc.  plur.  fem.  generis  (!)  hält 
und  dem  entsprechend  in  umgekehrter  sttllung  seinerseits  bildet: 
partus  secundae,  zweite   niederkuuft. 


12* 


180  95.  Metrik.  Nr.  4. 

95.  Observationes  metricae  in  poetas  elegiacos  Graecos 
et  Latinos.  Pars  prior.  Scripsit  Fr.  C.  Hultgren.  4.  Pro- 
gramm des  Nicolaigymnasiums.     Leipzig  1871. 

In  dieser  schrift  werden,  in  der  art  der  forschungen  vonDro- 
bisch ,  die  hexameter  und  pentameter  der  griechischen  distichen 
einer  Untersuchung  namentlich  in  bezug  auf  zahl  der  dactylen 
und  spondeen  und  auf  den  dactylischen  oder  spondeischen  an- 
fang unterworfen-,  die  hexameter  mit  dem  spondeus  im  fünften 
fuss  werden  meistens  von  der  betrachtung  ausgeschlossen,  mit 
recht,  da  sie  eine  specielle  behandlung  verdienen  und  theilweise 
auch  bereits  erhalten  haben.  —  Bei  dem  grossen  reichthum 
der  griechischen  spräche  an  dactylen  ist  hier  bei  weitem  über- 
wiegend die  zahl  der  ,, dactylischen  hexameter",  d.  h.  nach  der 
ausdrucksweise  des  Verfassers  derjenigen  ,  unter  deren  vier  er- 
sten füssen  sich  drei  dactylen  befinden.  Was  speciell  den  er- 
sten fuss  betrifft,  so  ist  der  spondeische  anfang  bei  den  älteren 
dichtem  nur  um  ein  geringes  seltener  als  der  dactylische,  am 
wenigsten  beliebt  bei  den  Alexandrinern,  wo  ungefähr  von  drei 
hexametern  zwei  mit  dem  dactylus  beginnen.  Ganz  anders  ge- 
staltet sich  dieses  verhältniss  bei  den  Römern.  Hier  müssen 
bei  der  geringeren  anzahl  dactylischer  wortformen  viel  mehr 
spondeen  zugelassen  werden;  um  aber  gleichsam  ein  gegenge- 
wicht  dagegen  zu  bilden  und  den  dactylischen  Charakter  des 
verses  nicht  allzusehr  zu  beeinträchtigen,  wird  nun  der  dacty- 
lus an  der  ersten  stelle,  welche  für  den  rhythmus  des 
ganzen  verses  am  wichtigsten  und  beinahe  bestimmend  ist,  das 
weitaus  gewöhnlichste.  Am  wenigsten  gilt  dies  noch  von  Ca- 
tull,  welcher,  was  dactylischen  und  spondeischen  anfang  betrifft, 
ungefähr  den  Alexandrinern  gleichsteht,  am  meisten  von  Ovid, 
der  auch  abgesehen  vom  anfang  die  zahl  der  dactylen  möglichst 
zu  vermehren  sucht.  —  Für  manches  andere,  z.  b.  für  die 
Untersuchung  über  die  silbeuzahl  der  den  vers  schliessenden 
wöiter  verweisen  wir  auf  die  schrift  selbst.  Nur  darauf  wollen 
wir  noch  aufmerksam  machen,  dass  im  dritten  buch  der  Tibul- 
lischen  Sammlung,  wie  die  tabellen  p.  19  und  20  zeigen,  die 
zahl  der  spondeischen  anfange  und  der  spondeen  überhaupt  im 
verhältniss  viel  beträchtlicher  ist  als  im  ersten  und  zweiten 
buch ;  die  athetese  des  dritten  buches  würde  damit  eine  neue 
gewichtige    stütze    erhalten ,    wenn    eine    solche  überhaupt  noch 


Nr.. 4.  95.  Metrik.  181 

nöthig  wäre.  Weiterhin  zeigt  der  Verfasser  auch  den  noch 
beträchtlicheren  unterschied  der  verse  des  Lygdamus  von  denen 
des  Ovid,  um  die  hypothese  Gruppe's  zu  widerlegen;  dieselbe 
hat  indessen  wohl  niemals  einen  erwäbnenswerthen  anhänger 
gebabt.  —  Niemand  wird  verkennen ,  dass  solche  scheinbar 
auf  äusserliche  dinge  gerichtete  forschungen  zu  interessanten 
resultaten  führen  können.  Der  versbildner  steht  unter  dem 
einflusse  des  in  den  sprachformen  vorherrschenden  rhythmus; 
er  muss  sich  bei  der  behandlung  eines  recipirten  metrums  nach 
dem  rhythmischen  charakter  der  spräche  richten ;  mehr  oder 
weniger  bewusst  wird  er,  wo  dem  letzteren  das  wesen  des  me- 
trums nicht  ganz  entspricht,  nacb  einem  ausweg  suchen,  der 
beiden  mögliebst  ihr  recht  wiederfahren  lässt.  Der  Verfasser 
ist  sich  wohl  bewusst  gewesen ,  dass  nur  wenn  solche  allgemei- 
nen und  wichtigen  gesichtspunkte  im  äuge  behalten  und  conse- 
quenzen  für  dieselben  gezogen  werden,  Untersuchungen  über 
die  Zahlenverhältnisse  in  den  verschiedenen  versformen  ihren 
werth  und  ihre  berechtigung  haben.  Dagegen  können  wir  ein 
bedenken  über  seine  arbeit  nicht  unterdrücken.  Er  beschränkt 
sich  bei  der  Untersuchung  über  die  griechischen  dichter  durch- 
aus auf  den  ersten  theil  von  Bergks  anthologia  lyrica.  Dies 
verstand  sich ,  was  die  dichter  bis  auf  Theogois  betrifft,  von 
selbst ;  aber  für  die  späteren  dichter  hat  er  sich  auf  diese  weise 
die  sache  doch  etwas  gar  zu  bequem  gemacht.  Dass  es  nicht 
etwa  seine  absieht  war ,  das  epigramm  auszuschliessen ,  zeigt 
der  umstand,  dass  die  epigramme  des  aristotelischen  Peplos  be- 
rücksichtigt sind  fp.  6).  Wie  lässt  es  sich  nun  rechtfertigen, 
dass  die  weit  wichtigeren  epigramme  des  Simonides ,  des  Kalli- 
machos,  des  Leonidas  u.  s.  w.  ganz  ausser  acht  gelassen  sind, 
da  doch  die  Sicherheit  solcher  Untersuchungen  durch  die  menge 
der  herbeigezogenen  verse-  bedeutend  erhöht  wird?  Es  be- 
fremdet einigermassen,  wenn  der  Verfasser  p.  13  sagt:  quo  mi- 
nor fuit  versuum  copia  quam  nostris  de  disticho  Graeco  commen- 
tationibus  subieeimus ,  eo  uberiorem  materiam  nobis  praebent  Roma- 
norum poetae,  als  wenn  die  geringe  copia  bei  den  späteren 
Griechen  nicht  seine  eigene  schuld  wäre.  Wir  geben  ihm  da- 
her diesen  punkt  für  eine  weiterführung  seiner  dankenswerthen 
forschungen,  die  wir  nur  wünschen  können,  zu  bedenken. 


182  96.  97.  Homeros.  Nr.  4. 

96.  Schwarz,  über  die  Boeotia  des  Homer,  namentlich 
in  ihrem  verhältniss  zur  composition  der  Ilias.  4.  Programm 
des  gymnasiums  zu  Neu-Ruppin,  1871. 

Der  Verfasser ,  der  in  der  homerischen  frage  sich  zu  der 
vermittelnden  richtung  bekennt,  sieht  in  dem  schiffskatalog 
und  in  den  zunächst  vorhergehenden  partien  ( Thersites  auftre- 
ten, Odysseus  und  Nestors  reden ,  wozu  noch  die  gleichnisse 
kommen)  die  poetische  darstelluug  einer  grossen  Volksver- 
sammlung mit  alien  vorkommenden  einzelnheiten,  eine  pane- 
gyris ,  also  ein  ursprünglich  selbständiges  werk,  das  erst  spä- 
ter in  den  Zusammenhang    der  Ilias    eingefügt   worden  sei. 

Das  bedenkliche  am  schiffskatalog  ist  bekanntlich  —  we- 
nigstens für  moderne  leser  —  seine  ungebührliche  länge;  das 
missverhältniss  wird  aber  ganz  unerträglich,  wenn  diese  beiläufig 
300  verse  gar  als  schluss  eines  kürzeren  liedes  gelten  sollen.  Eine 
so  ausführliche  armeeliste  bat  wohl  sinn,  wenn  sie  der  beschrei- 
bung  des  krieges  zur  orientirung  vorausgeschickt  ist,  nicht  aber 
als  theil  einer  panegyrie.  Am  wenigsten  lässt  sich  begreifen, 
worin  das  vermittelnde  der  oben  angeführten  ansieht  bestehen 
soll.  Die  vermittelung  muss  doch  davon  ausgeben,  dass  in 
beiden  einander  gegenüberstehenden  ansiebten  das  richtige  her- 
ausgefunden und  anerkannt  wird.  Nun  lässt  sich  nicht  leug- 
nen, dass  diejenigen,  welche  den  schiffskatalog  aus  der  Ilias 
entfernen  und  für  ein  selbständiges  lied  erklären  wollen ,  dabei 
von  einem  richtigen  poetischen  gefühle  geleitet  werden ;  aber 
nicht  weniger  sind  auch  die  im  rechte,  welche  es  unbegreiflich 
finden,  wie  ein  solches  lied  habe  für  sich  allein  interesse  er- 
wecken können.  Die  vermittelung  zwischen  beiden  ansichten 
kann  nur  darin  liegen,  dass  der  schiffskatalog  von  vorn  herein 
zu  dem  zwecke  gedichtet  wurde,  in  die  bereits  fertige  Ilias 
eingeschoben  zu  werden,  und  dass  weniger  poetische,  als 
vielmehr  patriotische  erwägungen  dabei  bestimmend  waren, 
woraus  sich  dann  auch  die  trockenheit  des  ganzen  Stückes 
erklärt.  L.  G. 

97.  Beiträge  zur  syntax  der  causalsätze  bei  Homer,  von 
Pfudel.  4.  Osterprogramm  der  ritterakademie  zu  Liegnitz. 
1871. 

Mit  recht    statuirt  Pfudel    für  die    kausale   Satzverbindung 


Nr.  4.  97.  Homeros.  183 

bei  Homer  drei  verschiedene  formen:  1)  beide  sätze  sind  haupt- 
sätze,  welche  unverbnnden  neben  einander  treten.  Diese  kind- 
lich naive  Sprechweise  findet  sich  nur  in  reden,  und  zwar  meist 
dann,  wenn  die  beiden  gedanken  von  verschiedenem  werthe 
und  gewichte  sind,  so  dass  eine  Verschiedenheit  des  satztones 
möglich  ist  z.  b.  Ä,  204.  2)  Beide  sätze  sind  hauptsätze;  der 
begründende  satz  wird  durch  eine  partikel  angeknüpft,  welche 
das  kausale  verhältniss  auch  äusserlich  bezeichnet.  Dazu  dient 
y(tQ,  häufig  auch  das  unbestimmtere  Sp.  3)  Der  begründende 
satz  tritt  zum  hauptgedanken  auch  äusserlich  in  ein  unterge- 
ordnetes verhältniss  und  erscheint  entweder  in  der  form  eines 
wirklichen  relativsatzes  oder  eines  nebensatzes  ,  der  mit  subor- 
dinirenden  conjunktionen  meist  relativen  Ursprungs  wie  o ,  on, 
otvexa,  <»(,*  und  inet  eingeleitet  ist.  Wenn  Pfudel  bei  der  ein- 
theilung  der  causalsätze  nach  ihrer  bedeutung  zu  den  begrün- 
denden und  erläuternden  als  dritte  klasse  noch  motivi- 
rende  hinzufügt,  so  ist  dies  nur  zu  billigen;  nur  hätte  es  sich, 
um  eine  nahe  liegende  Verwechslung  zu  verhüten,  empfohlen, 
dieselben  „elliptische"  zu  nennen.  Vrgl,  «,  208,  an  welcher 
stelle  die  worte  zu  ergänzen  sind:  ich  darf  dies  wohl  be- 
haup  ten. 

Nachdem  die  Zusammensetzung  des  ydg  aus  yi  und  aya 
gebilligt  und  Aristarch  als  derjenige  genannt  ist ,  der  den  ge- 
brauch des  proleptischen  8s  zuerst  bemerkt  habe  ,  geht  Pfudel 
zum  proleptischen  ydg  über  und  vermittelt  zwischen  denjenigen, 
welche  diesen  gebrauch  auf  zu  enge  grenzen  eingeschränkt  ha- 
ben, und  denen ,  welche  ihn  ohne  zwingende  gründe  zu  weit 
ausdehnen.  In  36  fällen  entscheidet  sich  Pfudel  für  die  an- 
nähme des  proleptischen  yäg.  Ich  stimme  ihm  zunächst  bei  für 
«,  337.  <,  431.  B,  802.  e,  318.  H,  73,  nicht  für  K,  378.  X, 
66.  An  jener  stelle  begründet  yüg  den  vorhergehenden  satz: 
ich  werde  (und  kann)  mich  loskaufen,  denn  ich  habe 
viel  erz,  gold  und  eisen;  davon  würde  mein  vater  viel  ge- 
ben, wenn  u.  s.  w.  An  der  zweiten  der  beiden  stellen  finde 
ich  mit  Ameis  blos  eine  motivirung  der  vorher  ausgesproche- 
nen bitte.  —  Während  die  eben  behandelten  stellen  sich  auf 
das  explicativ  -  proleptische  yäg  bezogen,  handeln  die  folgenden 
vom  kausalen  proleptischen:  a)  der  nachsatz  wird  mit  äXXd 
oder  8s   eingeleitet:    N,  735.     f,  890.   x,  226.  190.    i,  70.  x, 


184  97.  Homeros.  Nr.  4. 

174.  (x,  154.  \f),  248.  x,  383.  p'j  320.  r,  406.  m,  208.  er,  259. 
t,  350.  Bios  {>,  78  folgt  der  nachsatz  ohne  dlld  oder  de.  Fast 
bei  allen  diesen  beispielen  geht  eine  einfache  anrede  im  voca- 
tiv  vorher.  Auch  ich  sehe  (mit  Pfudel)  nicht  im  mindesten  ein, 
wie  Ameis  in  dem  satze  mit  ydg  eine  begründung  der  nach- 
drucks vollen  anrede  finden  kann;  eine  solche  würde  blos 
dann  berechtigt  sein,  wenn  an  der  anrede  etwas  sonderbares 
haftete,  zu  dessen  erläuterung  der  redende  einige  worte  hinzu- 
fügen zu  müssen  glaubte;  dies  ist  aber  an  keiner  der  obigen 
stellen  der  fall.  b)  Im  nachsatz  steht  im  =  deshalb  und 
weist  auf  den  Vordersatz  mit  ydg  zurück;  H,  327.  P,  220.  iV, 
228.  P,  338.  O,  737.  *P,  606.  c)  Der  causalsatz  mit  yäQ  unter- 
bricht den  hauptgedanken  parenthetisch :  A,  286.  M,  326.  ß, 
223.  a,  301.  £,  354,  t,  589.  H,  242.  Alle  diese  beispiele  ge- 
hören eben  deshalb,  weil  ydg  nicht  völlig  proleptisch  voransteht, 
nicht  hierher,  wohl  aber  W,  857,  wo  die  parenthese  zwischen 
dem  Vordersatz  und  hauptsatz  eingeschoben  ist.  —  Demnach 
bleiben  von  den  36  stellen,  die  Pfudel  annimmt,  blos  27  als 
berechtigt  stehen. 

Die  annähme,  dass  der  satz  mit  ydg  den  vocativ  begründe, 
ist  zu  billigen  für  ß,  334.  s,  29.  W,  156.  P,  475.  —  Auf 
das  vorgehende,  nicht  auf  das  folgende  bezieht  sich  ferner  ydg  in 
den  eigentlichen  und  rhetorischen  fragesätzen  mit  näg  ydg  und 
ztt;  ydg;  in  ihnen  ist  ydg  in  eigenthümlich  -  elliptischem  sinne 
gesetzt,  wie  Pfudel  richtig  annimmt  für  die  stellen  X,  424.  61. 
X  182.  x,  501.  £,  115.  A,  122.  K,  337.  Ebenso  sind  zu  er- 
klären &,  154,  A,  293.  |,  402.  0,  201;  auch  A,  421.  v,  271. 
o,  545.  Auf  dieselbe  einfache  und  leichte  weise  lassen  sich 
auch  drei  andere  stellen  *,  417.  o,  509.  n,  222  deuten  ,  wo 
manche  editoren  ohne  allen  grund  r'  dg  vorziehen ;  daher  hat 
Pfudel  nicht  recht,  wenn  er  an  der  ersten  stelle  nach  Bekker's 
und  Düntzer's  Vorgang  sich  für  die  einfiihrung  dieser  lesart 
entscheidet.  Folgender  gedanke  ist  daselbst  zu  suppliren :  da- 
ran hast  du  sehr  unrecht  gethan,  dass  du  meinen 
söhn  nach  Pylos  und  Sparta  schicktest;  warum  denn 
hast  du  ihm  das  nicht  gesagt,  dass  er  mich  nicht  treffen  würde? 

Klar  schildert  der  vf.  die  erstarrung  des  ursprünglichen 
casus  zur  conjunktion  und  belegt  diesen  Übergang  mit  beispie- 
len.    Mit   recht   erklärt   er  sich    gegen    die    hypothese  Bekkers, 


Nr.  4.  98.  Hesiodos.  185 

dass  on  nicht  elisionsfähig  sei  und  deshalb  eine  form  ö  is 
[o  t')  zu  statuiren  sei.  Iu  der  Ilias  ist  Vorliebe  für  transitives 
ort ,  in  der  Odyssee  für  causales  o,  wogegen  transitives  o  und 
causales  Ott  verhältnissmässig  gleich  oft  in  beiden  gedienten 
erscheinen.  Im  ganzen  wird  o  häufiger  transitiv ,  oti  häufi- 
ger causal  gebraucht. 

Nachdem  sodann  Pfudel  die  homerischen  beispiele  für  ei- 
gentliche causalsätze  mit  o  und  ort  gesammelt  und  die  fälle 
des  hypothetischen  "re  besprochen  hat,  geht  er  zu  den  expli- 
cativen  und  motivirenden  o  und  ort  über  und  weist  ersterem 
sechs,  letztem  achtzehn  stellen  zu.  Für  die  letzte  derselben,  rp, 
253,  kann  ich  diesen  gebrauch  nicht  zugeben.  Die  stelle  er- 
klärt Pfudel  so:  ,, sondern  ich  klage,  wenn  wir  so  sehr  an 
kraft  hinter  dem  göttlichen  Odysseus  zurückstehen;  (ich  darf 
dies  aber  behaupten) ,  weil  wir  den  bogen  nicht  spannen  kön- 
nen." Ich  ergänze  weder  oSvgoftai,  noch  nehme  ich  oz  im 
sinne  von  ,,dass";  ich  lese  r\  8r'j  statt  et  dt]  und  erkläre,  in- 
dem ich  oV  im  hypothetischen  sinne  =  et  nehme,  wie  folgt: 
wir  sind  doch  wahrlich  rechte  Schwächlinge ,  wenn  wir  nicht 
einmal  den  bogen  spannen  können  !  C.  Härtung. 

98.  De  prooemio  Theogoniae  Hesiodeae.  Pars  prima. 
De  prooemio  vere  Hesiodeo  sive  de  versibus  1 — 35.  Diss.  in- 
aug.  quam  scr.  Gustavus  Ellger.     8.     Berolini  1871. 

Fragen  von  so  schwieriger,  verwickelter  und  unsicherer 
art  wie  diejenigen ,  welche  die  höhere  kritik  der  hesiodischen 
gedichte  betreffen,  sollten  nicht  zu  Stoffen  für  promotionsschrif- 
ten  gewählt  werden;  fehlt  es  doch  nicht  an  aufgaben,  welche 
weniger  hohe  anforderungen  stellen  und  zu  bestimmteren  er- 
gebnissen  führen  können.  Der  Verfasser  der  genannten  göttin- 
ger  dissertation  über  das  erste  proömium  der  Theogonie  hat  of- 
fenbar die  darauf  bezügliche  litteratur  fleissig  studirt  und  be- 
rücksichtigt und  über  sein  thema  ernstlich  und  eifrig  nachge- 
dacht; aber  die  complicirte  Untersuchung  über  dasselbe,  bei 
welcher  die  scharfsinnigsten  gelehrten  zu  so  verschiedenen  re- 
sultaten  gelangt  sind ,  in  wesentlichen  punkten  zu  fördern  ist 
ihm  nicht  gelungen.  Er  ist  der  ansieht,  dass  von  Hesiodos, 
dem  Verfasser  der  Theogonie ,  den  er  für  identisch  mit  dem 
Verfasser  der  werke  und  tage   zu  halten  scheint  (p.  11  f.),    als 


186  98.  Hesiodos.  Nr.  4. 

prooemium  zur  Theogonie  gedichtet  worden  sei:  v.  1 — 4.  9  f. 
22—24.  26—35.  Die  beiden  folgenden  theile  (v.  36—115) 
spricht  er  dem  Hesiodos  ab.  Was  nun  zunächst  die  ausge- 
schiedenen verse  11 — 21  betrifft,  so  stimmen  wir  mit  dem  vf.  in 
der  ansieht  überein,  dass  dieselben  wahrscheinlich  (mehr  lässt 
sich  nicht  sagen)  nicht  vom  dichter  der  Theogonie  herrühren, 
wenn  wir  auch  keineswegs  seine  beweisführung  in  allen  ein- 
zelheiten  für  zutreffend  halten.  Sie  wären  daher  für  einsebieb- 
sel  zu  halten,  wenn  es  sicher  wäre,  dass  der  rest  des  ersten 
prooemiums  ganz  oder  theilweise  von  jenem  dichter  abgefasst  ist. 
Aber  dies  ist  nichts  weniger  als  sicher ,  und  die  gründe ,  die 
Ellger  dafür  vorbringt,  sind  äusserst  schwach.  Er  geht  aus 
von  26  noi[*?v£<;  nygavXot,  x«V  fXsy%ta,  yactT? geg  olnv.  Dieser 
vers,  so  meint  er,  sei  älter  als  der  des  Epimenides  KgTJieg  dsl 
iptvcsrai,  x«x«  ötjoia,  yuan-'oeg  ägyai.  Gestehen  wir  der  kürze 
halber  zu,  dass  letzterer  vers  dem  Epimenides  angehört  und 
dass  er  dem  hesiodischen  nachgebildet  ist:  wie  kann  der  vf. 
daraus  folgern  (p.  10),  dass  der  vers  von  den  hirten  im  sieben- 
ten Jahrhundert  sich  bereits  an  dieser  stelle  befunden  habe? 
Kann  derselbe  z.  b.  nicht  ein  alter  spottvers  sein?  Dem  vf. 
aber  scheint  seine  folgerung  so  sicher ,  dass  er  auf  der  folgen- 
den seite  unbedenklich  sagt:  hanc  partem  (v.  22  —  35)  antiquis- 
simis  temporibus  iam  in  Theogonia  infuisse  demonstravi.  Tref- 
fen wir  also  hier  auf  einen  fehlschluss,  so  ist  auch  was  weiter  für 
die  autorschaft  des  „Hesiod"  in  bezug  auf  v.  22  —  35  geltend  ge- 
macht wird,  völlig  bedeutungslos:  der  dichter  nenne  sich  selbst 
Hesiodos  und  ein  mendacium  könne  man  jenen  alten  zeiten 
nicht  zutrauen;  gegen  die  annähme  einer  interpolation  spreche 
die  ungewöhnliche  form  des  prooemiums ;  es  zeige  sich  in  dem- 
selben der  stolz  und  das  Selbstvertrauen  des  dichters  der  werke 
und  tage  (!)  u.  s.  w.  Also  wie  gesagt :  rührt  das  erste  prooe- 
mium in  seinen  wesentlichen  theilen  vom  dichter  der  Theogonie 
her,  so  hat  der  vf.  recht,  v.  11 — 21  für  eine  interpolation  zu 
halten.  Im  anderen  falle  aber  fehlt  dazu  eine  genügende  ver- 
anlassung. —  Gegen  die  sehr  gegründeten  bedenken ,  welche 
jener  v.  26  erregte,  hat  der  vf.  weiter  nichts  zu  sagen  als:  at 
quis  est,  qui  Hesiodo  id  ipsum  dicendum  /wisse  concedat  ,  quod 
Deitersius  in  eius  locum  substitutus  narraturus  fuissett  (p.  16) 
Glaubt  er  in  der  that,  mit  dieser  leichtfertigen  bemerkung  eine 


Nr.  4.  99.  Theokritos.  187 

Widerlegung  gegeben  zu  haben?  Dagegen  soll  der  formel- 
hafte vers  25  unecht  sein ,  weil  er  sich  auch  an  anderen  stel- 
len unserer  Theogonie  findet  (52.  965.  1022),  weil  die  Musen 
hier  nicht  helikonische,  sondern  olympische  genannt  werden  und 
weil  er  wider  die  sonstige  kürze  des  ersten  proömiums  ver- 
stösst  —  lauter  nichts  entscheidende  gründe.  Es  lässt  sich 
hier,  wie  so  häufig  in  der  kritik  der  he*iodischen  gedichte  die 
spätere  hinzufügung  eines  in  der  that  überflüssigen  verses  we- 
der mit  Sicherheit  behaupten  noch  mit  Sicherheit  bestreiten.  — 
Ganz  unmöglich  ist  endlich  Ellgers  erklärnng  von  v.  35  i'tlXu 
7tr]  fioi  luvtet  nsQi  8(>7v  //  niroi  nh^qv ;  Er  verbindet  ntQi  8gvi> 
q  nty}  nfTgrjv  (in  örtlicher  bedeutung)  mit  lavia  und  erklärt: 
„warum  soll  ich  von  diesem  ereinniss  erzählen,  welches  ich  am 
fusse  des  Helikon  erlebte  ?  Supplendnm  enim  est:  potius  id, 
quod  Musae  iusserunt,  exsequens  deorum  genus  praedicare  volo.  Auf 
ungefähr  dieselbe  erklärung  verfiel  bereits  Wolf  ,#  verwarf  sie 
aber  mit  recht ;  Klausen  ist  ihr  dann  beigetreten ,  Rhein.  Mus. 
III,  1835,  p.  441.  Der  gedanke  der  so  interpretirten  stelle 
wäre  noch  erträglich;  aber  ist  es  glaublich,  dass  ein  dichter,  der 
(wer  er  auch  gewesen  sein  mag)  doch  von  seinem  publikum 
verstanden  sein  wollte,  den  besuch  der  Musen  mit  den  worten 
tuvia  ntf))  8qvv  rj  neot  n?Ty?]v,  also  durch  einen  gleichgültigen 
nebenumstand,  bezeichnet  habe?  Denn  bei  jenem  von  Ellger 
angenommenen  gedanken  ist  es  völlig  gleichgültig,  wo  der  be- 
such stattgefunden.  Dazu  kommt  ferner,  dass,  wenn  es  sich 
um  den  bestimmten  ort  handelt,  wo  Hesiodus  seine  schafe  wei- 
dete ,  die  conjunction  /}  durchaus  unstatthaft  ist.  (Anders 
bei  der  Schömannschen  erklärung,  nach  welcher  sich  nen)  öqvv 
%  7?fp«  aeTQtjv  auf  die  einsamkeit  des  ländlichen  aufenthaltes 
bezieht).  Somit  fällt  auch  die  vermuthung,  dass  jener  zu 
supplirende  gegenständ  vom  dichter  ausgedrückt,  aber  in  un- 
serem texte  weggefallen  sei. 

99.  De  locis  aliquot  primi  idyllii  Theocritei  difficilioribus. 
Scr.  Adrian.     (Glogau,  Osterprogramm  1871). 

Während  der  erste  theil  der  schrift  über  die  strophenab- 
theilung  des  von  I,  64  ab  beginnenden  liedes  handelt,  werden 
im  zweiten  einige  stellen  des  idylls  kritisch  besprochen.  Neues 
wird  darin  nicht  geboten,  sondern  Adrian  folgt  der  strophischen 


188  99.    Theokritos.  Nr.  4. 

eintbeilung,  die  M.  Haupt  im  Rhein.  Museum  veröffentlicht  hat. 
Danach  zerfällt  das  lied,  wie  aus  inhalt  und  form  nachgewiesen 
wird,  in  drei  theile  ,  deren  erster  von  v.  70 — 83  reicht ;  der 
zweite  umfasst  v.  94  —  113,  der  dritte  v.  114  — 136.  Vorauf 
geht  ein  exordium  mit  zwei  versen  und  ein  prologus  mit  vier 
versen,  den  schluss  bildet  ein  in  zwei  abschnitte  zerfallender 
epilogus  von  137 — 145.  Dass  der  dichter  eine  strophische  ein- 
theilung  beabsichtigte  und  dass  obiger  strophenbau  sehr  viele 
Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat,  lässt  sich  nicht  läugnen;  nur 
das  eine  bestreite  ich  ,  dass  die  versus  intercalares  an  den  an- 
fang  der  Strophen  gehören.  Freilich  scheint  der  umstand,  dass 
sie  eine  aufforde rung  enthalten,  für  diese  Stellung  zu  spre- 
chen; doch  da  der  refrainvers  in  den  Volksliedern  aller  natio- 
nen  an  den  schluss  der  Strophe  gesetzt  wird  und  da  in  den 
übrigen  strophischen  compositionen  der  griechischen  und  latei- 
nischen dichter  dieselbe  Stellung  sich  nachweisen  lässt,  so  stelle 
ich  denselben  mit  Ahrens  {^Bionis  ßmyrnai  epitaph.  Adon.  p.  29  : 
de  ephymniis  bucolicis)  ans  ende. 

Der  kritische  theil  bietet  weiter  nichts,  als  eine  eingehende 
aufzählung  und  beleuchtung  der  zu  jeder  stelle  gemachten  ver- 
muthungen  und  erklärungen.  I,  15  betont  Adrian,  dass  av- 
QtaStv  gesagt  sei  im  gegensatz  zur  asidsiv,  dass  also  der  grelle 
schreiende  ton  der  pfeife  dem  melodischen  gesang  gegenüber- 
stehe. —  V.  19  entscheidet  er  sich  für  die  lesart  alysa  sl- 
dsg.  —  An  zwei  stellen  will  Adrian  etwas  neues  bieten; 
denn  v.  51  conjicirt  er,  indem  er  sich  auf  die  worte  des  scho- 
liasten  stützt: 

(patt  7TQiv  tj  annunGum  sni  fyootm  xa&iSr] 
und  eiklärt :  priusquam  vulpes  ientaculo  eum  (puerum)  privarit. 
Hätte  er  die  grosse  kritische  ausgäbe  Fritzscke's  von  1865  bd. 
I,  heft  1  nachgelesen,  so  hätte  er  gefunden,  dass  dort  dieselbe 
conjectur  schon  gemacht  ist.  Nur  in  der  erklärung  ge- 
hen beide  aus  einander:  während  Fritzsche  die  stelle  so  er- 
klären zu  müssen  glaubte:  ,, durch  sein  pfiffiges  gesicht  verräth 
der  fuchs,  dass  er  das  knäblein  nicht  eher  locker  lassen  wolle, 
als  bis  er  das  frühstück,  das  in  dem  ranzen  ist,  in  nummer  si- 
cher gebracht  d.  i.  wegstipitzt  habe",  deutet  er  jetzt  die  stelle 
60 :  dicit  se  puerum  non  prius  dimissuram ,  quam  ille  ad  siccum 
ientaculum  sonsederit  =    bevor    sich    jener    zu    einem   nüchternen 


Nr.  4.  100.  Aeschylos.  189 

frühstück  niedergelassen  habe  d.  i.  durch  den  fuchs  der  speise 
beraubt  und  ohue  frühstück  sei.  Er  macht  also  den  knaben, 
nicht  den  fuchs  zum  Subjekte  des  letzten  satzes  und  nimmt 
w>t&lt,£iv  im  intransitven  sinne,  wie  es  immer  bei  Theokrit  vor- 
kommt. Wie  Adrian  erklärt,  haben  wir  oben  schon  gesehen; 
er  beachtet  nicht,  dass  tnt  hjQoiat  xudi&tv  tird  =  einen  aufs 
trockene  setzen  =  „prellen,  berauben",  nicht  nachweisbar  ist. 
—  An  der  zweiten  stelle  v.  85  passirt  dem  Verfasser  dasselbe 
versehen.  Den  Vorschlag,  den  er  macht,  daselbst  £arei  o'  == 
„sie  sucht  dich"  zu  lesen,  hat  seiner  zeit  schon  Fritzsche  in 
seiner  Schulausgabe  des  Theokrit  von  1857  gemacht  ;  neuer- 
dings in  der  grossen  kritischen  ausgäbe  schreibt  er  mit  aus- 
stossung  des  vorhergehenden  versus  intercalaris  das  particip  £a- 
Toirj'  =  suchend.  Da  jedoch  einerseits  dieser  vers  der  regel- 
mässigen responsion  zuliebe  beizubehalten  ist  und  andrerseits 
das  an  der  spitze  der  antistrophe  stehende  particip  nur  schwer- 
fällig auf  das  in  der  vorigen  Strophe  stehende  hauptverbum  sich 
zurückziehen  Hesse,  so  ist  die  lesart  £urtl  <j'  vorzuziehen  und 
die  erklärung,  die  Adrian  gibt,  zu  billigen:  immo  ipsa  te  quae- 
rit,  quum  tuum  sit  eam  ubique  quaerere;  tu  vero  hie  iaces  miser 
et  tabescens  et  tantopere  amore  deperditus,  ut  nihil  agas  teque  puel- 
lamque  morti  devoveas.  —  Zum  schluss  noch  eine  mehr  pä- 
dagogische bemerkung!  Wenn  Adrian  in  seinem  vorwort  sagt, 
er  habe  diese  kritischen  Übungen  für  die  primaner  eines 
gymnasiums  oder  für  Jünglinge,  die  sich  der  philologie  wid- 
men wollen,  niedergeschrieben,  so  muss  ich  ihm  bemerken, 
dass  handschriftliche  kritik  zunächst  für  den  fachphilologen  be- 
rechnet ist  und  für  den  schüler  nur  äusserst  sparsam  zur  an- 
wendung  kommen  darf,    am   allerwenigsten  an  Theokrit. 

C.   Härtung. 

100.  Aeschyli  quae  supersunt  in  codice  Laurentiauo  veter- 
rimo  quoad  effici  potuit  et  ad  Cognitionen!  necesse  est  visum 
typis  descripta  edidit  R.  Merkel.  Oxonii  e  typographeo  Cla- 
rendoniano  1871.  Londini  apud  Alexandrum  Macmillan.  8. 
und   139  s. 

Bei  den  sorgfältigen  collationen  der  medieeischen  hand- 
schrift  des  Aeschylus  vermisste  man  bisher  genaue  angaben 
über    die    versabtheilung   der  handschrift  wie    sie   für  Sophocles 


190  101.  Euripides.  Nr.  4. 

in  der  Oxforder  ausgäbe  von  Dindorf  vom  j.  1860  geboten 
sind;  man  vermisste  sie  um  so  mehr,  seitdem  man  angefangen 
der  alten  kolometrie  der  handschriften  grössere  aufmerksamkeit 
zuzuwenden  und  höheren  werth  beizulegen.  Diesem  bedürfnisse 
ist  durch  das  trefflich  ausgestattete  werk  von  K.  Merkel  in  der 
befriedigendsten  weise  abgeholfen.  Nach  kurzer  einleitung  über 
die  haudschrift  und  die  metbode  der  ausgäbe  giebt  Merkel  ohne 
irgend  welchen  anderen  zusatz  den  text  nach  einer  in  den  j. 
1863/4  angefertigten  abschritt  und  zwar  so,  dass  rasuren  durch 
punkte,  stellen  wo  nachbesserungen  ersichtlich  sind  durch  ge- 
sperrten druck ,  Verbindungszüge  der  schritt  durch  ein  strich- 
lein (z.  b.  diä  durch  8-a)  angezeigt,  die  handschriftliche  tren- 
nung  und  Verbindung  von  silben  und  Wörtern  sowie  die  ver- 
theilung  der  verse  und  zeilen  auf  die  eiuzelnen  Seiten  beibehal- 
ten wird.  So  wird  uns  ein  anschauliches  bild  der  handschrift 
geboten,  welches  manches  vor  einem  facs;mile  voraus  hat,  in  an- 
derem hinter  einem  solchen  zurückbleibt.  Ueber  die  Zuverläs- 
sigkeit der  abweichungen  von  früheren  collationen  lässt  sich 
nicht  ohne  weiteres  urtheilen.  Näheres  hierüber  wird  der  dem- 
nächst im  Philologus  XXXI  und  XXX II  erscheinende  Jahresbe- 
richt über  Aeschylus  bringen.  Der  hauptwerth  des  vorliegen- 
den Werkes  ist  oben  bezeichnet;  der  textkritik  werden  beson- 
ders die  in  aussieht  gestellten  angaben  über  die  unter  den 
rasuren  noch  lesbaren  bnchstaben ,  über  correkturen  und  nach- 
trage verschiedener  bände  und  anderes  der  art  zu  gute  kommen 
müssen,  wenn  man  sich  viel  versprechen  darf  nach  den  w orten 
der  vorrede:  de  quibus  rebus  exponetur  in  voluminibus  aliquot, 
quibus  quiequid  instrumenti  critici  Aeschylei  maximam  partem  ignoti 
adhuc  restat,  congestum  est. 

W. 

101.  E\iwtduv  Btixxut'.  The  Bacchae  of  Euripides  with 
a  revision  of  tbe  text  and  a  commentary  by  Robert  Yel- 
v ertön  Tyrell,  fellow  and  tutor  of  Tiinity  College,  Dublin. 
8.     London.  Longmanns  Green  cett.  1871.  —     Lli  u    9.'i  8. 

Der  Verfasser,  sclion  in  England  durch  seine  schönen  me- 
trischen Übersetzungen  im  dubliner  Kottabos  bekannt,  hat  hier 
eine  sehr  nützliche  schulau>gabe  der  Bakcheu  herausgegeben. 
Die  erklärungen  sind  bisweilen    knapp,  und  die  textveibesserun- 


Nr.  4.  101.  Euripides.  191 

gen  vielleicht  etwas  kühn,  aber  im  ganzen  zeigt  das  buch  ein 
freies  urtheil  und  gute  kenntniss  des  tragischen  Sprachgebrauchs. 
Die  vorrede  handelt  unter  auderm  über  den  zustand  des  textes, 
und  über  den  theologischen  Standpunkt  des  dichters.  Leider 
hat  der  Verfasser  die  zwei  handschriften  P  und  C,  auf  denen 
unsere  ausgaben  beruhen ,  nicht  selber  verglichen.  Er  stützt 
sich  auf  Kircbhoff  s  vorrede  zu  dessen  gesammtausgabe  des  Eu- 
ripides, macht  aber  mehrere  treffende  beinerkungen  über  die 
Verhältnisse  dieser  quellen.  Die  fehler  des  P  (Vaticanus)  hält 
er  meistens  für  Schreibfehler,  und  darum  leichter  als  die  feh- 
ler des  C  (Florentinus)  zu  verbessern,  da  die  letzteren  mei- 
stens verschlimmbesserungen  eines  mönches  sind.  Das  eigen- 
tümliche aber  dieser  ausgäbe  ist  doch  der  verständige  ge- 
brauch der  nachahmungen  im  Christus  patiens  und  in  den 
Dionysiaca  des  Nonnus,  da  zur  zeit  dieser  Schriften  bessere 
handschriften  noch  da  waren.  Aus  diesen  quellen  sind  et- 
liche Verbesserungen  geschöpft.  Seine  correcturen  theilt  der 
Verfasserin  zwei  classen :  die  erstem,  wo  er  sich  den  handschrif- 
ten näher  als  andre  herausgeber  gehalten  hat,  die  zweiten  wo 
er  bisher  unverdächtigte  stellen  aus  eigenen  gründen  geändert 
hat.  Als  beispiele  der  ersteren  dürfen  wir  folgende  stellen  an- 
führen :  v.  25  piloi;  der  handschriften  statt  des  Stephanus  ds'Xog 
da  das  letztere  wort  gar  nicht  von  dem  thyrsus  gebraucht ,  ja 
ihm  gar  (v.  v.  761.  2)  entgegengesetzt  werde.  Vs.  235  svoaumv 
nöfA^q.  V.  406  nücfav  #'  uv  #'  exatöat opot.  V.  447  m>8wv 
statt  Meineke's  neSöiv,  mit  vergleichung  von  Hom.  Hymn.  ad 
Dionys.  vs.  13.  Vs.  451  interpungirt  er  gut  fiudtaOf  yeiyiüv 
tovö1  e*  unxvatv  yuQ  wr  und  veriheidigt  die  Stellung  des  yao 
durch  Sophokles  Phil.  1451,  und  hier  v.  477.  V.  1Ü01  liest 
er  in  dieser  schwierigen  stelle  yiw/iuv  nwiypo*1  u&dvnrov ,  ohne 
Madvigs  Adversaria  gelesen  zu  haben,  übersetzt  aber  ä&ävu- 
7oj,  unerschütterlich,  fest,  was  mir  sehr  zweilelhaft  erscheint. 
Vs.  1020,  tO,  U)  pax%t  Otjfj,  {ftjyit.yoira  p'uxjfüv  kzX,  und  meint 
Or,Q  sei  vor  folgendem  OijQaygeTa  herausgefallen.  Vs.  1060 
ovx  i^mtouftai  fiiiitudoji'  oaaoiv  töOooi,  und  bestätigt  es  durch 
starke  grüude.  Diese  correctur  ist  wohl  eine  seiner  besten. 
Vs.  1091  schreibt  er  fyovatu  und  übersetzt,  „in  ihrem  laufe 
aushaltend",  was  er  aus  Fragm.  776  Nauck.  bestätigt.  Vs. 
1352  u.{ßdrtp  av  ö'  q    zuXaiut ,    statt  KirchhofFs    conjeetur    nut- 


192  102.    Aristophanes.  Nr.  4. 

tsc,  aus  der  paralJelslelle  im  Christ.  Pat.  1701  gezosen.  Denn 
in  derselben  stelle  kommt  dies  u(td/ji  vor,  und  Tyrell,  denkt  der 
Verfasser  hätte  es,  ein  seltenes  wort,  nicht  geschrieben,  hätte 
er  es  nicht  vor   äugen   gehabt. 

Aus  den  stellen  die  er  verdächtigt  sind  wohl  folgende  die 
wichtigsten:  v.  54  setzt  er  zwischen  vv.  22  und  24.  Vs.  100  tiOtv 
aytjtiv  |  &t]QnzQoqoi>  fxatriidiss  y-il.  wo  der  abschreibet'  des  codex  C 
&vQ(>o(f6i)Oi  verbessert  haben  soll.  Vs.  209  di<u(jdjt>  für  die  vulgata 
öt'  uQid/jüJi,  da  StuQiOnwi  unrichtig  im  activum  stehen  würde.  Vs. 
506  (/.Q  elatTi  £rjc,  ovo'  oquc  §&'  onnc  ti ;  was  er  aus  dem  Christ. 
Patiens  entnommen,  v.  279  mit  der  bemerkung  dass  das  wort 
eiö&Ti  dem  Verfasser  anderswoher  wahrscheinlich  nicht  bekannt 
wäre.  Vs.  864  für  dtgav  will  Teyrll  doyuv.  Vs.  1157  vüg&ijxd 
t'  inuntov  Aihav  und  noch  mehreres  dergleichen.  Solche  kritische 
Untersuchung  des  textes  fällt  unter  englischen  philologen  auf, 
die  doch  meistens  sich  schülerhaft  an  den  recipirten  text  halten. 
Ueber  das  ästhetische  der  Bakchen  ist  viel  verständiges  be- 
merkt, auch  hat  der  Verfasser  Pfandeis  und  andere  deutsche  Schrif- 
ten gut  verwerthet.  Als  palinodie  will  er  nicht  mit  K.  0.  Müller 
diese  tragödie  halten,  zeigt  auch  recht  treffend  wie  sie  sich  ganz 
gut  mit  dem  viel  früheren  Hippolytus  verträgt.  Ueber  die  ge- 
ringschätzung  des  dichters  bei  neuern  wegen  seiner  treuen  und 
bisweilen  an  das  gemeine  herangehenden  characterzeichnung 
spricht  Tyrell  sehr  gut;  möge  sein  rath  auch  auf  die  kritik  an- 
derer Schriftsteller  angewandt  werden.  Schliesslich  dürfen  wir  be- 
merken, dass  die  philologischen  Studien  der  Universität  Dublin 
denen  der  englischen  Universitäten  gar  nicht  nachzustehen  scheinen. 

J.   P.  Mahaffy. 

102.  De  Nubibus  Aristophanis.  Diss.  inaug.  philol.  quam 
scripsit  Paulus  Wey lan d  Pommerauus.  8.  Gryphiswaldiae. 
MDCCCLXXI. 

Der  Verfasser  dieser  dissertation  hat  sich  die  aufgäbe  ge- 
stellt, die  ersten  und  die  zweiten  Wolken  mit  einander  zu  ver- 
gleichen und  spcciell  diejenige  stelle  der  sechsten  hypothesis, 
welche  von  der  dtaGxsvij  handelt,  eingehender  zu  prüfen.  Dern- 
gemäss  ist  im  ersten  capitel  der  schrift  von  der  parabase ,  im 
zweiten  von  der  logossccue,  im  dritten  von  der  schlusspartie 
des  Stückes  die  rede.      Mit   der    einschlägigen   litteratur    die  im 


Nr.  4.  103.  Apppianos.  193 

laufe  der  zeit  so  sehr  angewachsen  ist,  besitzt  der  verf.  die 
nöthige  bekanntschaft  und  aus  der  fülle  der  hypothesen  weiss 
er  mit  geschick  die  wichtigsten  herauszuheben  und  klar  zu  ent- 
wickeln. In  den  meisten  punkten  schliesst  er  sich,  wie  das 
ganz  natürlich  ist,  an  bewährte  Vorgänger  an,  wiederholt  ist  er 
aber  auch  dazu  fortgeschritten  eigene  ansiclrten  aufzustellen. 
Können  wir  die  letzteren  auch  nicht  alle  für  stichhaltig  erklä- 
ren, wie  denn  namentlich  diejenigen  auf  sehr  schwachen  f'üssen 
stehen,  welche  die  vv.  854  ff.  und  dann  die  Strafvollstreckung 
am  ende  betreffen,  so  haben  doch  einige  unsern  vollen  beifäll, 
und  hierher  gehören  in  erster  reihe  die  besprechungen,  welche 
das  epirrhema  und  die  vv.  783 — 804  gefunden  haben.         Chr.  M. 

103.  Appianus  und  seine  quellen  von  Dr  Emanuel  Han- 
na k.  —  Allgemeines  über  Appian  und  sein  werk.  Die  frag- 
mentarisch überlieferten  bücher,  8.    Wien,  Beck.    1869.     184  s. 

—  24  ngr. 

Nachdem  Hannak.  nach  den  andeutungen  Appians  prooem. 
§.  15.  —  ohne  freilich  wesentlich  neues  zu  dem  von  Schweig- 
häuser App.  III,  p.  118,  p.  8  bemerkten  zu  liefern  —  die  äu- 
sseren lebensumstände  desselben  besprochen  hat,  geht  er  p.  12 
zur  eintheilung  def  appianischen  schritten  über.  Er  unterschei- 
det nach  des  Schriftstellers  eigener  andeutung  zwei  hauptabthei- 
Irnigen  :  die  eine  geht  bis  zur  eroberung  Aegyptens  durch  Au- 
gustus,  die  zweite  bis  auf  die  zeit  Appiaos  (p.  1 3 J :  die  Unterab- 
teilungen, die  Hannak  nach  Appians  andeutungen  statuirt, 
können   wir  hier  übergehen   und   bemerken  nur  ,   dass   vf.  richtig 

—  nach  App.  Civ.  V,  145,  vrgl.  dazu  Schweighäuser  —  die 
'IWvQiyq  als  anhaug  zur  May.tdoviY.fj,  die  Niioicnrty.fi  zur  £i/.£- 
\ixfj.  die  Ki(0^tl8(iny.fj  uud  NoftuiSiy.fi  zur  ydifivyf/  (s.  Photius)  auf- 
fasst.  Ebenso  wird  p.  18  mit  recht  eine  "Aoiavt]  als  selbständige 
schritt  neben  der  'Ei).t]iiy.^  und  'lcaiixfj  angenommen  und  die 
Tluudiv.fi  als  ein  eignes  buch  hinter  die  bürgerkriege  gestellt. 
Die  erklärung  des  ig  zu  ivv  ovta  p.  26  ist  nicht  originell,  da 
schon  Schweigliauser  übersetzt:  donec  .  .  .  Carthago  in  eum  quo 
nunc  est  statum  devenit  (prooem.   c.    12,   z.   42). 

Ueber  die  beuutzung  der  quellen  sind   Hannaks  bemerkun- 
gen  meist  zutreffend,  wenn  auch  nicht  neu   (s.  nur  Nissen,  quellen 
des  Livius    p.   11  4j;    p.  31   zu   frgt.    Ital.   9     hätte    E.    Schulze's 
Pbilol.  Anz.  IV  13 


194  103.  Appianos.  Nr.  4. 

emendation  (de  exe.  constant.  p.  33)  zu  gründe  gelegt  werden 
sollen.  P.  34  findet  sich  eine  ungenauigkeit,  da  Dionys.  AR.  VIII, 
39  die  Valeria  nicht  gemahlin,  sondern  Schwester  des  Poplicola 
nennt.  Die  von  Hannak  betonte  rationalistische  Verbesserung 
Appians  in  der  tradition  —  um  chronologischen  Schwierigkeiten 
aus  dem  wege  zu  gehen  —  findet  sich  auch  bei  Plutarch  (Momm- 
sen,  Hermes  IV,  31).  Wenn  für  das  proömium  Dionysius  als  rnu- 
ster  genannt  wird,  so  ist  dies  zutreffend,  aber  keineswegs  durfte 
die  ähnlichkeit  mit  Polybius,  auf  die  schon  Schweighäuser  hin- 
weist, übersehen  werden. 

Nach  kurzen,  nur  die  form  berührenden  bemerkungen  über 
die  constantinischen  excerpte,  Suidas  und  Photius,  geht  Hannak 
zu  seiner  hauptaufgabe  über  und  bespricht  zunächst  I.  die  kö- 
nigsgeschichte.  Dass  Dionys  hauptquelle,  ist  entschieden 
zuzugeben,  nicht  zu  billigen  aber  ist,  dass  auf  Fabius  Pictor 
als  nebenquelle  hingewiesen  wird;  jedenfalls  stimmt  an  einzelnen 
stellen  das  reiche  detail  weniger  mit  den  älteren  als  den  jün- 
geren annalisten.  Was  einzelnes  anlangt ,  so  ist  der  Vorwurf 
der  ungenauigkeit,  den  Hannak  p.  49  macht,  wohl  dem  Pho- 
tius zuzuweisen;  die  von  Dionys  abweichende  Chronologie  aber 
wird  richtig  der  flüchtigkeit  Appians  zur  last  gelegt.  Dagegen 
ist  nicht  zu  billigen,  was  Hannak  p.  56  sagt.  Die  worte:  6  de 
dsvieyog  ovösv  ijt7ov  ßfßaolXsvxß)^  ti  [xi]  xat  fiuXXov ,  tov  iav- 
zov  ßiop  izelsvTijtys  £rjoag  ...  sollen  so  durchaus  dem  berieht  bei 
Dionys  II,  76  entsprechen,  dass  man  keinen  anstand  zu  neh- 
men hätte,  aus  diesem  die  ausgefallene  anzahl  der  jabre  zu  er- 
gänzen. Diese  sucht  aber,  für  die  unbedeutendsten  und  abge- 
blasstesten  fragmente  quellen  nachzuweisen,  zeigt  sich  klar  frgt. 
5.  6.  Zudem  ist  Hannak  hier  eine  arge  Verwechselung  passirt, 
denn  das  iSiö^eroi;  des  fragmentes  entspricht  keineswegs  dem 
tSh>  naQÖviwv  rig  des  Dionys   III,  8. 

IL  Italische  geschieht e.  Auch  für  diese  wird  Dio- 
nys als  quelle  angenommen  und  wahrscheinlich  gemacht.  Für 
Plutarchs  Coriolan  freilich  brauchte  dieser  nicht  mehr  als 
quelle  vermuthet  zu  werden  (s.  Peter  quellen  Plutarchs  p.  8  ff., 
den  Hannak  gar  nicht  zu  kennen  scheint).  Unrichtig  wird  p. 
71  von  einem  schatzhaus  der  Massalier  geredet,  da  Appian 
ausdrücklich  sagt:  iv  •*■<£  Poi^afcop  x«J  MaaaulnjTcäf  d>jn<tV(jM. 
Auch  für  frgt.  8  weist  vf.  Plutarchs  Camillus  (s.  Peter  1.  1.  p.  22) 


Nr.  4.  103.  Appianos.  195 

und  Dionys  als  quelle  nach.  Aber  für  frgt,  9  weist  Mommsen 
Hermes  V,  255  mit  recht  darauf  hin,  dass  die  notiz  bei  Appian 
über  schuldenerlass  u.s.  w.   durchaus  nicht  isolirt  steht. 

III.  Samnitica.  Auch  hier  weist  Hannak  Dionys  als 
quelle  nach;  eine  besprechung  der  wichtigsten  stelle  frgt.  4,  c.  6, 
p.  26,  15B.  avftnaptsg  oaoi  fj.tzu  rovg  ÖitqdaQuevovg  //pjfov,  frei- 
lich sucht  man  vergebens;  auch  irrt  Hannak,  da  Appian  wie 
Plut.  Pyrrh.  16  von  Pyrrhus  erster  ankunft  in  Tarent  han- 
delt; dass  aber  die  quelle  Plutarchs  Dionys  ist,  sagt  er  selbst 
c.  21,  s.  Peter  1.  1.  p.  70  ff.  Mit  unrecht  ist  auch  p.  93  der 
bericht  des  Polybius  1,7  —  der  durchaus  frei  ist  von  der 
rhetorischen  Übertreibung  bei  Livius  24,  28,  —  der  unwahrschein- 
lichere genannt;  und  wenn  p.  99  Hannak  von  einer  durch 
Livius  Perioch.  13  bezeugten  gesandtschaft  nach  der  Schlacht 
von  Asculum  redet,  so  findet  sich  bei  Livius  1.  1.  von  einer 
solchen  durchaus  nichts,  und  schwebt  desshalb  die  polemik  ge- 
gen Mommsen  E.  G.  I,   511   4014  in  der  luft. 

IV.  Celtica.  Wichtig  ist  hier,  dass  Appian  selbst  einige 
male  quellen  zu  nennen  scheint,  so  fr.  1,  p.  36,  16  B.  Paulus 
Claudius  —  s.  Schweighaeuser  III,  172  Peter  1.  1.  p.  162  — 
frgt.  6  Cassius  —  s.  Schweigh.  p.  117.  Hannak  p.  118.  11 1, 
—  frgt.  17.  tcvv  7ig  avyyfjucftaiT  qrjci  und  o  de  Kulaao  sv  tolg 
idiai^  avayQntpalg  imv  Jqiijfjeocov  ?{jyc»v.  Die  Übereinstimmung 
mit  Plut.  Caes.  22  ist  nicht  weiter  verfolgt,  eben  sowenig  das 
p.  131  gezogene  resultat,  s.  p.  124  und  vrgl.  Peter  1. 1.  p.  121. 
Auch  Wijnne,  de  fiele  et  auetoritate  Appiani  scheint  Hannak 
nicht  zu  kennen. 

Die  besprechung  über  die  sicilische  gesebichte  be- 
stätigt nur  das  urtheil  Nissens  (1.  1.  p.  114),  dass  Appian  erst 
vom  zweiten  punischen  krieg  ab  Polybius  benutzt  habe.  Pur 
frgt.  3.  4.  5  wird  auf  Übereinstimmung  mit  Livius,  d.  h.  mit 
Polybius  hingewiesen,  die  besprechung  von  frgt.  6  und  7  führt 
zu  keinem  resultat.  Für  die  numidische  geschichte,  in 
der  Appian  mehrfach  von  Sallust  abweicht,  vermüthet  Hannak 
p.  146  Juba  als  quelle,  freilich  ohne  zulänglichen  grund,  für 
die  macedonische  geschichte  beruht  er  ganz  auf  Nissen, 
den  er  nur  in  einigen  puneten  von  untergeordneter  Wichtigkeit 
corrigirt. 

Neues    von    durchschlagender    Wichtigkeit    wird  demnach  in 

13* 


196  104.  Menippos.  Nr.  4. 

dem  Hannak'schen  buche  nicht  geboten;  die  leetüre  desselben 
aber  wird  durch  die  häufigen  druckfehler,  von  denen  einer  frei- 
lich —  excerpatoren  —  so  stehend  ist,  dass  man  ihn  fast  als 
etwas  anderes  anzusehen  geneigt  sein  möchte,  nicht  gerade  an- 
genehmer gemacht. 

104.  Menipp  und  Horaz.  Ein  beitrag  zur  geschichte  der 
satire.  Festschrift  von  The  o  dor  Fri  tzs  ch  e.  Güstrow.  1871. 
VI  und  30  s.     8. 

In  dieser  dem  director  der  domschule  zu  Güstrow,  Dr 
Raspe,  zu  seinem  25jährigen  directorjubiläum  im  namen  des 
lehrerkollegiums  dargebrachten  festschrift  beabsichtigt  der  vf.  den 
Zusammenhang,  der  zwischen  der  menippeischen  satire  und  der 
horazischen  besteht,  nachzuweisen,  indem  er  verschiedene  von  sei- 
nem vater  theils  in  academischen  Schriften,  theils  in  vorreden  und 
noten  zu  seinem  Lukian  (insbesondere  in  den  prolegom.  zu  vol.  II, 
part.  II  1870,  §.  6  und  7)  ausgesprochene  gedanken  weiter  ver- 
folgt uud  zu  einem  gesammtbild  abrundet.  Zu  diesem  behuf 
handelt  er  über  die  vorlauter  des  Menippos,  als  welche  er  den 
Borystheniten  Bion  und  den  Phliasier  Tinion  hinstellt,  dann  des 
genaueren  über  Menippos,  seine  Persönlichkeit  und  seiue  Schrif- 
ten, sowie  über  das  verhältniss  des  Varro  und  Lukianos  zu  Me- 
nippos und  sucht  schliesslich  nachzuweisen,  dass  sich  in  Horaz 
selbst  spuren  der  kenntniss  und  benutzung  der  menippeisek- var- 
ronischen  satire  finden;  und  diese  bestrebungen  lauten  in  die 
behauptung  aus,  dass  das  genaue  Studium  der  schritten  des  Lu- 
kianos, der  aus  denselben  quellen  wie  Horaz  geschöpft  habe, 
nämlich  den  menippeischen  Satiren,  noch  wichtige  ausbeute  für 
das  verständuiss  des  Horaz  verheisse.  So  wird  mit  emsigkeit 
ein  ganzes  künstliches  netz  von  zarten  Verbindungsfäden  gespon- 
nen:  sobald  man  sie  aber  anfasst,  zerreissen    sie. 

Für  die  natur  dieser  Untersuchungen  sehr  bezeichnend  ist 
gleich  die  zur  exempliticirung  der  „feinen  fäden,  mit  denen  der 
schaffende  poetische  geist  an  bereits  vorhandenes  anknüpft"  an  den 
aufaug  gestellte  behauptung,  dass  die  alte  komödie  „natürlich  durch 
mancherlei  mittelglieder  auf  den  Homer  zurückgreifen  muss,  des- 
sen Thersites  eine  fruchtbare  anregung  für  sie  wurde".  Dass 
Lukianos  des  Timon  sillen  kannte,  studierte,  ja  unmittelbar 
ausbeutete,  soll   die  wörtliche  Übereinstimmung   des  Lukianos  im 


Nr.  4.  104.  Menippos.  197 

Hermotimos  §.  74  mit  Timon  bei  Sextus  Empir.  adv.  geom.  3, 
10  erweisen.  Und  da  nun  die  wesentlich  aus  der  menippeischen 
abzuleitende  satire  des  Lukianos  die  beiden  vorzüglichen  eigen- 
schaften  der  Timonischen  sillen,  dialogische  form  und  geschick- 
tes parodiren  zeige,  so  dürfe  wohl  angenommen  werden,  dass  es 
Menipp  war,  welcher  diese  beiden  eigenthümlichkeiten  der  Ti- 
monischen darstellung  dem  Lukian  vermittelte  und  diesen  „über- 
haupt auf  das  Studium  des  Timon  hinführte".  Nun  ist  die  auf- 
fallende Übereinstimmung  zwischen  Lukianos  und  Sextus  ein- 
fach die,  dass  beide  gegen  die  geometrie  als  Wissenschaft  den 
bei  den  Skeptikern  landläufigen  Vorwurf  erheben,  dass  sie  von 
gewissen  unerwiesenen  gruudvorstellungen  ausgehe  und  dass 
beide  sich  dabei  des  bildes  bedienen ,  das  auf  diesem  morschen 
fundament  [aaOgoig  &ffisllotg)  errichtete  gebäude  von  schluss- 
folgerungen  könne  nicht  haltbar  sein.  Zugegeben,  was  möglich, 
aber  durchaus  nicht  nöthig  ist,  dass  beide  dabei  einer  und  der- 
selbe quellen ,  der  schritt  irgend  eines  Skeptikers  folgen :  woher 
weiss  der  vf.,  dass  dieser  Timon  ist?  Er  meint  p.  6,  des  Sextus 
quelle  sei  nach  seiner  eigenen  aus  sage  Timon  gewesen.  Soll 
diese  eigene  aussage  etwa  die  bemerkung  im  anfang  der  schrift 
ngng  yscoutTgag  sein,  wo  gesagt  wird  dass  in  ähnlicher  weise, 
wie  Timon  bei  seinem  angriff  gegen  die  j)hysiker  vorgegangen, 
er  (Sextus)  gegen  die  geometer  vorgehen  werde?  oder  soll  gar 
die  anführung  der  figürlichen  (sprichwörtlichen)  redeweise  mit 
den  worten  aattnoig  ag  qi  a  a  i  dt/Atlloig  als  ein  hinweis  auf 
Timon  gedeutet  werden  ?  Und  selbst,  wenn  eine  philosophische 
schrift  Timons  hier  von  Sextus  und  Lukianos  benutzt  wäre,  so 
wäre  damit  für  den  Zusammenhang  zwischen  den  sillen  Ti- 
mons und  der  lukianischen  satire  doch  noch  gar  nichts  erwie- 
sen. Ferner  ist  es  eben  so  incorrect,  in  der  dialogischen  form 
einen  „besondern  vorzog"  der  Timonischen  sillen  zu  erkennen, 
wie  ihre  dialogisch  gehaltene  partie  mit  den  lukianischen  dialo- 
gen  zu  parallelisiren;  denn  was  es  mit  diesem  dialog  bei  Timon 
für  eine  besondere  bewandtniss  habe,  zeigen  die  genauen  worte 
eben  bei  Laert.  Diog.  IX,  111  qialvszai  yovv  avcoiglvcav  iSevoxpctpqv 
zov  Ko)~oqo3ii,ov  nsgl  ixiiazcov  ,  6  8s  avzoSitjyovfietog  sazi. 
xat  sv  fisv  zä>  8svzs'gq>  nsgl  zdiv  c/.QXatozs'gcav,  sv  8s  reo  rgircp  nsoi 
tcov  vazs'gcav.  Und  wiederum,  selbst  wenn  das  alles  richtig  wäre, 
wie  würde  es  anhält  geben  zu  der  vermuthung  über  Men  ipp  os? 


198  104.  Menippos.  Nr.  4. 

Aehnlicb  verhält  es  sich  mit  den  übrigen  beitragen  znr 
„geschiente  der  satire"  in  dieser  Schrift,  soweit  sie  eigen- 
tümlich sind ;  ref.  darf  sich  wohl  begnügen  nur  noch  das 
nach  des  Verfassers  ansieht  wichtigste  ergebniss  dieser  Un- 
tersuchungen kurz  zu  prüfen,  dass  Lukianos  und  Horatius  öfter 
übereinstimmen,  dass  beide  aus  der  gemeinsamen  quelle  (Menip- 
pos) geschöpft  haben  und  so  Lukianos  öfters  den  einzigen  Schlüs- 
sel zum  richtigen  verständniss  des  Horatius  biete.  Der  schla- 
gendste beweis  ist  dieser.'  Die  worte  bei  Hör.  serm.  I,  1,  20 
quid  causaest  merito  quin  Ulis  Iupiter  ambas  iratus  buccas  infletl 
Würden  nur  verständlich  durch  die  stelle  in  Lukian.  Ikarome- 
nipp.  c.  26,  wo  Zeus  geschildert  wird,  wie  er  durch  eine  him- 
melsöffnung  die  gerechten  wünsche  der  menschen  durchlässt  und 
sie  neben  sich  legt,  die  ungerechten  aber  zurückbläst.  Die- 
ses bild  hat  Lukiauos  aus  dem  Menippos-,  das  lässt  sich  zwar 
nicht  beweisen,  aber  „es  giebt  dinge  ,  die  nur  neben  einander 
gestellt  zu  werden  brauchen,  damit  ihre  Zusammengehörigkeit 
einleuchtet" ;  und  eben  aus  Menippos  hat  Horatius  dieses  bild 
entlehnt,  das  er  als  reminiscenz  hier  einflicht.  Nun  handelt  es 
sich  ja  aber  —  von  allem  übrigen,  wie  von  dem  unterschied,  dass 
hier  gerade  von  den  beiden  entscheidenden  zügen  jener  komi- 
schen scene,  der  himmelsöffnung  und  dem  wegblasen  der  wün- 
sche, nichts  gesagt  ist,  oder  von  der  gänzlichen  unmotivirtheit 
des  ,,fast  unmerklichen"  Übergangs  aus  einer  Situation  in  eine 
ganz  verschiedene  andere  und  aus  dieser  wieder  zurück  in  jene, 
von  alle  dem  ganz  zu  schweigen  —  ,  es  handelt  sich  ja  aber 
hier  gar  nicht  um  zu  gewährende  oder  zu  verweigernde  wün- 
sche: denn  Iupiter  hat  ja  die  auf  den  tausch  des  lebenslooses 
mit  einem  andern  stand  gerichteten  wünsche  der  unzufriedenen 
bereits  erhört :  „iam  faciam  quod  voltis",  und  nur  die  menschen 
Wollen  nicht  auf  diesen  ihnen  bewilligten  tausch  eingehen ;  und 
eben  so  wenig  kann  man  an  die  zukünftigen  wünsche  der  be- 
treffenden denken ,  die  Iupiter  künftighin  (posthac)  nicht  so 
leicht  erhören  zu  wollen  droht,  da  er  ja  doch  nicht  in  eventum 
um  diese  wegzuscheuchen ,  gleich  jetzt  die  backen  aufblasen 
kann.  —  Durfte  das  der  vf.  p.  27  wirklich  einen  „nachweis" 
nennen?  und  er  das  im  wesentlichen  sich  genügen  lassen  zu 
der  behauptung:    „den    gefundenen   spuren  weiter  nachzugehen 


Nr.  4.  105.  Ovidius.  199 

ist  eine  6ehr  wichtige  aufgäbe,  die  sicher  noch  mehr  ausbeute  für 
die  Sermonen,  vielleicht  auch  einige  für  die  Episteln  verheisst1'  ? 

C.   W. 

105.  Ovidius  und  sein  verhältniss  zu  den  Vorgängern  und 
gleichzeitigen  dichtem,  von  Dr  A.  Zingerle,  professor  zu 
Innsbruck.  Zweites  heft:  Ovidius,  Ennius,  Lucrez,  Vergib 
Innsbruck.  Wagner,   1871.     XXII  und   121   s. 

Wie  das  1869  erschienene  heft  das  verhältniss  Ovids  zu 
den  römischen  elegikern,  so  betrachtet  dieses  seine  Stellung  zu 
den  dichtem  des  hexameters,  epikern  und  didaktikern.  Die 
nachahmung  derselben  in  ganzen  beschreibungen,  einzelnen  Sä- 
tzen, versanfängen  und' versausgängen,  im  anklang  von  versthei- 
len  und  in  einzelnen  Wendungen  ist  von  so  massenhaftem  und 
dadurch  überzeugendem  umfange  bisher  noch  nicht  zusammen- 
gestellt worden,  und  müssen  wir  dem  vf.  für  seinen  fleiss  und 
für  die  aufklärung,  die  uns  nun  deutlicher  als  bisher  über  die- 
sen punkt  der  technik  der  römischen  dichter  gegeben  ist,  dank- 
bar sein.  Denn  nicht  nur  der  geistvolle  Ovid  und  mit  ihm  die 
andern  dichter  seines  Jahrhunderts  erscheinen  nun  als  ausseror- 
dentlich häufige  nachahmer  oder  als  wiederholer  ihrer  eigenen 
Wendungen;  sogar  Ennius  schon  hat  dem  Naevius  manches  ent- 
lehnt und  auch  (vgl.  p.  5  und  7,  worauf  der  vf.  nicht  auf- 
merksam machte)  sich  selbst  wiederholt  *).  In  der  begründung 
dieser  thatsachen  aber  müssen  wir  Zingerle  entschieden  wider- 
sprechen. Er  nimmt  die  in  Köne's  buche  über  die  spräche  der 
römischen  epiker  ausgeführte  ansieht  von  der  ungeeignetheit  der 
römischen  spräche  für  das  daktylische  metrum  wieder  auf,  wo- 
durch die  dichter  genöthigt  seien ,  an  einer  einmal  gefundenen 
Wendung ,  in  ermangelung  einer  bessern  möglichkeit ,  fest  zu 
halten.  Auch  die  beabsichtigten  (oft  pikant  genug  angebrach- 
ten) reminiscenzen  seien  ursprünglich  aus  diesem  gefühl  der  dürf- 
tigkeit  hervorgegangen.  Wäre  diese  grundfalsche  ansieht  rich- 
tig, so  verdiente  wahrlich  die  römische  dichtung  nicht,  dass  ein 
gebildeter  heutigen  tags  sich  nur  im  geringsten  mit  ihr  befasste. 
Zum  glück  aber  ist's  anders,  und  zeigt  uns  gerade  Ovid,  wie 
unendlich   mannigfaltige    nuancirung    ein    gewandter    dichter   in 

1)  Enn.  v.  30,  162,  343;  ferner  v.  168,  404  sind  auch  hierher  zu 
ziehen. 


200  105.  Ovidius.  Nr.  4. 

die  spräche  des  römischen  hexameter  legen  konnte.  Weiter: 
wenn  auch  Ennius,  dem  die  flüssigkeit  der  poetischen  spräche  au- 
sserordentlich viel  verdankt,  schon  dem  Naevius  entlehnte  (Cic. 
Brut.  19,  76),  der  noch  in  saturniern  schrieb,  so  that  er  es 
doch  nicht  etwa,  weil  die  für  den  hexameter  richtige  form  durch 
Naevius  gefunden  war?  Die  Ursache  ist  vielmehr  eine  ganz  andre. 
Von  anfang  an  fand  das  alterthum  im  Homer  unzählige  selbst- 
wiederholungen,  und  zwar  bei  weitem  nicht  nur  in  den  sg.  ste- 
henden epischen  versen,  —  was  theilweise  eben  aus  der  ent- 
stehungsait  der  homerischen  gedichte  zu  erklären  ist;  —  und 
was  das  ideal  der  dichtkunst  (o  nnirjTv^)  darbot,  musste  nach- 
ahmungswerth  sein.  Daher  herrscht  diese  sitte  weiter  in  der 
griechischen,  besonders  alexandrinischen  poesie ,  und  ebenso 
aus  diesem  Ursprung  von  anfang  an  in  der  römischen  bis  zu 
ihrem  spätesten  ausleben ;  allmählich  wurde  die  sache  immer 
äusserlicher  gefasst  und  es  entstand  die  centouendichtung,  deren 
frühesten  repräsentanten,  noch  unter  Augustus,  man  in  der  Ci- 
ris  finden  darf. 

Zingerle's  buch  beginnt  mit  den  nachahmungen  aus  Ennius. 
Obgleich  Ovid  diesen  als  Urvater  der  dichtung  ehrt  (nicht: 
lobt;  er  nennt  ihn  „kunstlos"),  hat  er  doch  keine  direkte  nach- 
ahmung  aus  ihm,  wird  ihn  auch  wohl  nicht  viel  studirt  haben. 
Von  den  neun  beispielen ,  in  denen  Zingerle  directe  nachah- 
mung  findet,  sind  zwei  durch  Horaz  vermittelt2)  (Met.  6,  597 
durch  Herrn.  I,  4,  61;  A.  a.  I,  459  durch  Serm.  H,  2,  52),  an- 
dre sind  als  nachahmungen  unsicher  (Enn.  37.  94.  264.  357),  die 
letzten  mögen  durch  verlorene  dichter  (Varro  Atacinus  oder 
ähnliche?)  vermittelt  sein.  Interessante  beispiele  des  weitgrei- 
fenden mittel-  oder  unmittelbaren  einCusses,  selbst  in  gering- 
fügigen einzelnheiten,  von  Ennius  finden  wir  p.  7  ff. —  P.  12 — 
47  finden  wir  die  nachahmungen  aus  Lucrez  zusammengestellt 
(hier  ist  jedenfalls  direkte  entlehnung  anzunehmen),  und  zwar 
auch  1)  in  ganzen  Situationen,  2)  in  gleichen  versausgängen,  3) 
in  anklingenden  versen  und  verstheilen,  4)  in  gemeinsamen 
Wendungen.     Lucr.  6,  515   (p.  23)  ist  übrigens  vielleicht  durch 

2)  Auch  p.  4  zu  rumore  secundo  vgl.  Horaz  Epp.  I,  10,  19  und 
Sucius  (?)  bei  Macrob.  6,  1,  57  referant  petita  rumore  secundo),  wo 
schon  die  stellen,  welche  Zingerle  anführt,  L.  Müller's  Umstellung 
rumore  petita  secundo  widerrathen,  von  dem  an  solcher  stelle  des  he- 
xameter unschönen  und  seltenen  amphibrachys  ganz  abgesehen. 


Nr.  4.  105.  Ovidius.  201 

Vermittlung  von  Verg.  Ecl.  8,  79  bei  Ovid.  Met.  3,  487  nach- 
geahmt 3).  Zu  Ov.  Met.  4,  6  (p.  22)  vgl.  auch  9,  770.  Ist 
Anth.  Lat.  4,  72  aus  Verg.  7,  390  oder  aus  Ovid  Met.  4,  7 
oder  aus  beiden  entlehnt?  Desselben  gedichts  v.  100  ist  auf 
p.  88  sowie  Anth.  Lat.  726,  18  auf  p.  21  zu  notiren.  Ueberhaupt 
müsste  nun  dieselbe  arbeit  auch  auf  die  spätem  dichter  ausge- 
dehnt werden:  gewiss  ergäbe  sich  im  einzelnen  manches  auch 
literarhistorisch  interessante.  Dass  selbst  die  textkritik  dabei 
nicht  ganz  leer  ausgeht  (vorsieht  ist  natürlich  geboten)  zeigen 
die  bemerkungen  auf  p.  86  f.  heft  III ,  p.  25.  —  Ganz  be- 
sonders reichhaltig  ist  natürlich  die  Sammlung  vergilischer  nach- 
ahmungen  p.  48  — 113.  Käme  jemand  etwa  auf  den  gedanken, 
alle  solche  stellen  in  einer  ausgäbe  des  Ovid  durch  andern 
druck  hervorzuheben,  so  würden  dessen  dichtungen  stellenweise 
ein  halbcentonenartiges  aussehen  erhalten!  Ein  neuer  beweis, 
wie  wenig,  bei  der  eminenten  formbegabung  Ovids ,  die  obige 
begründung  Zingerle's  die  richtige  sein  kann.  —  Zu  p.  76 : 
hier  steht  Ov.  Met.  39  vario  sermone  levemus  mit  Verg.  8,  309 
varioque  viam  sermone  levabat  zusammen.  Wenn  nun  auch  Varro's 
Menippeen  sowohl  Endym.  fg.  6  E.  (wo  schon  ein  citat  aus  Ennius 
vorkommt)  sermone  cenulam  variamus,  als  besonders  Pr.  par.  fg. 
1  itiner  longum  sermone  levare  bieten,  so  wird  die  vermuthung 
nicht  gewagt  erscheinen,  dass  dieselbe  phrase  sich  schon  bei 
Ennius  fand  und  von  ihm  zu  Varro  und  zu  Vergil  gelangte. 
Zu  demselben  resultat  ennianischen  Ursprungs  wird  man  p. 
96  für  moriemur  inulti  unter  hinzufügung  von  Hör.  Serm.  II,  8? 
34  gelangen.  So  dürfte  wohl  durch  vergleichung  der  ausdrucks- 
weisen gerade  für  Ennius  noch  mancher  gewinn  zu  erlangen 
sein.  Möge  die  dankenswerthe  arbeit  des  vf.'s  hierzu  an- 
regen! Dass  er  der  kürze  halber  manches  ihm  weniger  wich- 
tig scheinende  aus  seinen  Sammlungen  unterdrückt  hat,  ist  nicht 
zu  billigen,  da  möglichste  Vollständigkeit  hier  durchaus  wün- 
schenswerth  ist.  Vielleicht  findet  er  noch  gelegenheit ,  diese 
nachtrage  anderweitig  —  und  hoffentlich  wenigstens  mit  Zuzie- 
hung der  kleineren  sg.  Vergiliana,  die  doch  zum  theil  der  zeit 
und  auch   den  kreisen  Vergils  entstammen  —  zu  veröffentlichen. 

3)  Zum  ersten  heft   ist  nachzutragen:    Catull  64,  132:    143;    vgl. 
Ov.  Fast.  3,  469;  471. 

A.  R. 


202  106.  Publilius  Syrus.  Nr.  4. 

106.  Publilii  Syri  Senteutiae.  Ad  fidem  codicum  optimo- 
rum  primum  recensuit  Eduardus  Wölfflin.  Accedit  in- 
certi  auctoris  liber  qui  vulgo  dicitur  de  moribus.  8.  Lipsiae  in 
aed.  B.  G.  Teubneri  1869.    —      1   thlr. 

Bereits  1853  bat  der  herausgeber  seine  Studien  auf  diesem 
gebiete  mit  der  vergleichung  der  freisinger  bandscbrift  begon- 
nen, 1865  im  Pbilologus  seine  bahnbrechende  abhandlung  „der 
mimograph  Publilius  Syrus"  veröffentlicht,  1869  folgt  auf  grund 
sorgfältigster  vorarbeiten  endlich  die  ausgäbe  des  textes,  die 
somit  erwarten  darf,  als  reife  frucht  einer  lieblingsarbeit  auf 
ungewöhnlich  krautigem  felde  mit  freuden  begrüsst  zu  werden. 
In  der  erforschung  des  handschriftlichen  materials  ist  Wölfflin  seit 
1865  weiter  vorgedrungen,  wie  die  beurtheilung  der  handschriften 
in  Proll.p.  15  verglichen  mit  Philol.  XXII,  p.  437  zeigt.  Doch  ver- 
misst  man  in  diesem  dankenswerthen  abschnitt  noch  mancherlei; 
abgesehen  von  der  doch  nur  sehr  relativen  Vollständigkeit,  von 
der  Wölfflin  am  besten  wissen  wird ,  dass  sie  der  sache  nicht 
schadet,  fehlt  es  an  dem  versuch,  die  handschriften  nacb  an- 
dern gesichtspunkten  zu  ordnen,  als  nach  dem  umfang  ihrer 
Überlieferungen,  und  verwöhnt  wie  man  jetzt  ist  möchte  man 
mindestens  die  erklärung  haben ,  dass  eine  aufstellung  ihrer 
Verwandtschaft  bei  dem  chaos  der  traditionen  eine  kaum  loh- 
nende arbeit  sein  würde.  Besondere  belehrung  gewähren  Pro- 
legg.  cap.  IV  über  die  kriterien  der  ächtheit,  c.  V  über  die  In- 
terpolationen, und  c.  VI  über  die  emendation ,  wo  eine  reihe 
interessanter  thatsacben  zusammengestellt  ist;  gewiss  wünschte 
mancher  diese  abschnitte  auf  kosten  der  früheren,  in  denen  sich 
Wölfflin  häufig  mit  einem  citiren  des  Philologus  hätte  begnü- 
gen können,  noch  weiter  ausgeführt  und  namentlich  wäre  eine 
aufstellung  der  aus  den  Sententiae  selbst  für  deren  emendation 
sich  ergebenden  gesetze,  beispielsweise  des  1  o  gi  sehen  gegen- 
satzes  dercorrespondirenden  hauptbegriffe  will- 
kommen gewesen.  Von  einem  genaueren  referat  sehe  ich  ab 
und  glaube  dem  berausgeber  die  beste  anerkennung  durch 
eingehen  auf  einige  einzelheiten  zu  bezeugen.  Proll.  p.  11 
hätte  wohl  bei  dem  vs.  Desunt  inopiae  die  frage  erörte- 
rung  verdient ,  ob  nicht  ein  derartiges  citiren  aus  dem  köpfe 
zur  emendation  zu  brauchen  ist,  d.  h.  welche  lesart  unter  den 
bereits  im  alterthum    verbreiteten  vom  dichter  selbst  her- 


Nr.  4.  106.    Publilius  Syrus.  203 

rührt.  Denn  darauf  kommt  doch  alles  an.  —  P.  52  note 
und  vs.  9  fehlt  der  nachweis,  dass  aspicere  überhaupt  bedeuten 
könne  oculis  custodire.  Vgl.  auch  vs.  47.  —  P.  54  soll  Tzschu- 
cke's  conjektur  valeat  in  vs.  348  nicht  ins  metrum  gehen:  aber 
dech  wohl  mit  Maehly's  Umstellung  ,  s.  vs.  375.  —  Vs.  50 
musste  emori  schon  nach  Bentleys  und  Ritschis  vorgange  ent- 
fernt werden.  —  Vs.  75  ist  vielleicht  zu  schreiben:  brevis 
summae  ipsa  est  memoria  iracundiae.  —  Vs.  90,  wo  mir  die 
quantität  oderunt  praef.  p.  56  bei  der  beschaffenheit  der  codd. 
keineswegs  gesichert  erscheint,  steckt  die  corruptel  in  cives.  Ich 
vermuthe,  der  vers  heisst :  Cuius  mortem  amici  expectant ,  filius 
vitam  oderat.  —  Vs.  110  (die  verszahl  ist  im  commentar  ausge- 
fallen) ist  der  anfang  stark  verdorben.  Vermuthlich  hat  der  vers 
gelautet  Consilium  in  dubiis  inveniunt  multi ,  docti  se  explicant. 
Vgl.  vs.  593.  —  Vs.  137  wird  durch  vs.  542  nicht  erklärt; 
ich  dachte  zuerst,  dass  in  Dies  vielleicht  Danaus  stecke  —  ver- 
derbungen durch  nichtverstehen  von  eigennamen  sind  ja  häufig, 
s.  Bergk  Arist.  Xub.  282  u.  a.  —  allein  durch  vergleichung  von 
382  ita  ludit  dies  und  vs.  480  intellegere  quid  donet  dies,  ist  es 
mir  doch  wahrscheinlich  geworden,  dass  dies  unverderbt  ist  und 
den  zufall  den  der  tag  bringt,  bedeutet.  ■ —  Vs.  151 
verlangt  deest  nothwendig  superest  anstatt  superat,  wie  schon 
Bentley  sah.  —  Vs.  152  ist  für  quid  sis  mindestens  mit  Bent- 
ley  qui  sis  zu  schreiben,  sehr  möglich  aber  bei  der  Unklarheit  des 
gedankens ,  dass  die  corruptel  weiter  gegangen  ist  und  qui  seit 
da  stand,  wo  dann  auch  expedit  natürlich  nicht  richtig  sein 
könnte.  —  Vs.  181  macht  die  vergleichung  von  vs.  39  nicht 
das  eo  der  vulgata  überflüssig,  das  daher  auch  Eibbeck  mit  recht 
beibehalten  hat.  —  Vs.  187  wird  man  sich  mit  des  Pithoeus 
otium  wohl  begnügen  müssen,  wie  Wölfflin  gethan  hat.  Der 
vers  heisst  dann  :  man  erspart  viel  zeit  und  sorge,  wenn  man 
darauf  verzichtet,  die  weiber  zur  vernunft  bringen  zu  wollen. 
Oper  am  perdere  et  otium,,  was  nahe  genug  liegt,  lässt  sich 
wegen  de3  unentbehrlichen  desperare  nicht  herausbringen. —  Vs. 
248  heisst  es  bei  Ribbeck  und  Wölfflin :  Invidia  tacite  sed  ini- 
mice  irascitur.  Mancherlei  unbefriedigende  änderungen  sind  ver- 
sucht; der  gedanke  in  der  reeipirten  lesart  ist  wo  nicht  gradezu 
unsinnig,  doch  gewiss  nichts  weniger  als  geistreich.  Ich  möchte 
glauben,    dass    irascitur    eine   verschreibung  aus  ira  nascitur 


204  106.  Publilius  Syrus.  Nr.  4. 

ist;  dann  ergiebt  sieb,  die  schlagende  gegenüberstellung  invidia 
und  ira.  Durch  inimicum  an  derselben  stelle  des  folgenden  ver- 
ses  ist  offenbar  die  richtige  lesart  verdrängt;  erfordert  wird  ein 
gegensatz  zu  tacite;  vermuthlich  ist  ilico  oder  manifeste  zu  schrei- 
ben. Wem  diese  änderung  zu  kühn  scheint,  der  findet  Proll. 
c.  V  interessante  aufklärung.  —  Vs.  325  ist  kein  senar,  die 
auch  von  Ribbeck  beibehaltene  vulgata  ist  nicht  zu  ändern ; 
vs.  347  ist  des  schlechten  ictus  wegen  tarnen  cogitat  umzustel- 
len. —  Vs.  348  und  in  ähnlichen  fällen  halte  ich  die  ausfü'h- 
rungen  p.  54  nicht  für  zwingend,  das  fragepronomeu,  das  Mähly 
hier  richtig  hergestellt,  abzuweisen.  So  ist  z.  b.  vs.  373  si 
scias  quod  nescias  unmöglich  und  nur  die  wähl  zwischen  quid 
nescias  oder  quod  nescis.  —  Vs.  380  ist  opteritur  wohl  etwas 
gesucht.  (NB.  in  der  Orthographie  sind  gewisse  neuerungen  mit 
recht  festgehalten;  unliebsam  ist  auf  derselben  seite  vs.  52  ac- 
commodas  und  vs.  57  adeommodat).  —  In  den  Provv.  p.  90 
n  6  und  7  ist  offenbar  ein  gleichmässiger  bau,  daher  neges  oder 
petes  zu  schreiben,  wofür  auch  handschriftliche  anhaltspunkte 
da  sind,  —  Ib.  p.  91  vs  17  ist  ein  hexameter;  für  Nulla  pu- 
silla  domus  quae  multos  reeipit  amicos  ist  reeepit  mit  weglassung 
von  quae  wiederherzustellen,  vielleicht  auch  nidlos  für  multos 
zu  setzen.  —  Vs.  412  ist  für  Meyers  sehr  gesuchtes  facultas 
wohl  Gruters  felicitas  mit  Ribbeck  beizubehalten.  —  Vs.  430 
ist  nicht  recht  klar ;  man  erwartet  wohl  hier  in  morte  mortali,  cf. 
vs.  286. —  P.  94  Pro  v.  31  ist  ein  senar:  Peccandi  oportet  odium 
non  facias  metum. 

Damit  mag  es  genug  sein.  Die  conjecturalkritik  hat  be- 
greiflich einen  weiten  Spielraum  in  versen,  die  bis  zu  ihrer  fixi- 
rung  als  Sententiae  im  munde  des  volks  vielfachen  Wandlun- 
gen unterworfen  waren  und  nachher  die  Schicksale  der  hand- 
schriften  des  Seneca  u.  s.  w.  zu  theilen  hatten.  Dass  sich  der 
text  von  Wölfflin  durch  eine  reihe  eigener  emendationen  aus- 
zeichnen würde,  war  zu  erwarten  ;  zu  deu  trefflichsten  gehören 
z.  b.  vs.  24  und  230.  Im  allgemeinen  hätte  wohl  Bentley  noch 
öfter  gefolgt  werden  sollen,  wie  vs.  44.  45.  54.  151  (wo  auch 
Eibbeck  die  vulgate  beibehält)  191  u.  ö.  Doch  soll  der  Schwer- 
punkt dieser  ausgäbe  offenbar  nicht  sowohl  in  der  gestaltung 
des  textes  im  einzelnen,  als  in  der  unendlich  schwierigeren  er- 
forschung  des  wahren  eigenthums    des  Publilius  Syrus  beruhen, 


Nr.  4.  107.  Griechische  antiquitäten.  205 

das  sich  incl.  der  Sententiae  Turicenses  nunmehr  auf  639  verse 
149  zeilen  prosaischer  ausspräche  beläuft,  während  Bentley  nur 
273  ächte  verse,  Bothe  dagegen  deren  10'20  zählte.  Eine  wei- 
tere aufgäbe  bleibt  noch  die  herstellung  eines  comtnentars  nach 
art  von  Ahrens'  Theocrit  mit  angäbe  der  auctores  und  imi- 
tatores,  der  für  dies  gebiet  unerlässlich  ist  und  für  den  bereits 
mancherlei  dankenswerthe  vorarbeiten  in  dieser  ausgäbe  vorlie- 
gen. Mit  Spannung  erwarten  wir  die  zweite  aufläge  der  Co- 
mici  latini,  in  denen  Bibbeck  sich  die  gründliche  arbeit  Wölff- 
lins  zu  nutze  gemacht  haben  wird.  Th.  Fritzsche. 

107  Adolph  Philippi,  beitrage  zu  einer  geschickte  des 
attischen  bürgerrechts.   8.   Berlin    1870.      296  s.  —   1  thlr.  20  gr. 

Der  Verfasser  dieses  beachtenswerten  buches,  der  in  die- 
sem gebiet  zuerst  durch  seine  Untersuchungen  über  die  authen- 
tie  der  unter  JDemosthenes'  namen  gehenden  rede  gegen  Zeno- 
thernis  (Jahrb.  f.  Phil.  95,  577  ff.)  vor  die  Öffentlichkeit  getre- 
ten ist,  sucht  nachzuweisen,  dass  sogut  wie  im  alten  römischen 
staat;  auch  in  Athen  eine  reine  geschlechterverfassung  bestan- 
den, dass  bis  auf  Sol  o  n  jeder  volibürger  einem  ges  ch  1  ec  hte 
{yitog)  und  nur  dadurch  der  phratria,  der  phyle  uud  als  bürger 
dem  Staate  angehört  habe,  dass  durch  Solon  an  stelle  der 
gentilität  die  angehörigkeit  an  eine  q-QazQta  die  bedingung  der 
civität  geworden  und  zu  den  altbüigern,  den  ytvvijtai  oder 
OfioyäXaxreg,  die  neubürger,  die  ayytavki;  hinzugekommen  seien, 
dass  endlich  Kleisthenes  das  bürgerthum  an  die  einordnung  in  den 
einen  demos  geknüpft  habe,  wodurch  die  geschlechterverbände 
zwrar  nicht  aufgehoben ,  aber  politisch  bedeutungslos  wurden, 
wogegen  die  einführung  des  neubiirgers  in  eine  phratrie  ais  noth- 
wendig  beibehalten  ward.  Durch  diesen  historischen  process 
wrard  allmählich  aus  dem  g  e  n  t  i  lic  i  seh  en  Staate  der  vor- 
wiegend dem  alterthum  angehört,  derauf  corporativer  grund- 
lage  coustituierte,  der  an  seine  bürger  nicht  mehr  die  forderung 
adliger,  sondern  nur  reiner  bürgerlicher  abkunft  (xa&aQiäs  oder 
fx  dvolv  'ddr/iatar,  bei  theoretikern  wie  Aristot.  Polit.  III, 
2,  p.  60  Bekker.  auch  e|  ufsqfnsijwi  nuXtiäv  ytyovirui)  stellt. 
Den  nachweis  für  diese  entwickelung  giebt  Philippi  nament- 
lich in  der  einleitung  (p.  1  —  27)  und  dem  vierten  und  fünf- 
ten   abschnitte    des    buches    (p.   147 — 229j;    ausserdem    enthält 


206  107.  Griechische  antiquitäten.  Nr.  4. 

das  buch  sorgfältig  ausgeführte  Untersuchungen  über  die  Stel- 
lung der  halbbürtigen  (lo'flo/)  zum  attischen  bürgerrechte  und  die 
wiederholt  ergriffenen  massregeln  zur  Säuberung  des  bürgerstan- 
des  von  unberechtigten  eindringlingen  (capitel  1;  p.  31 — 65), 
über  das  das  matrimonium  iustum  begründende  connubium  (ini- 
ycLI*ta)  und  die  formen  der  eheschliessung  bei  den  Athenern 
(capitel  2,  p.  69 — 78),  über  die  Stellung  der  unehelichen  im 
eigentlichen  sinne  (auch  diese  heissen  vd&oi)  zum  bürgerrechte 
(capitel  3,  p.  81  — 143),  endlich  im  6.  capitel  (p.  233 — 296) 
die  durch  klarheit  und  präcise  berichterstattung  über  den  derma- 
ligen stand  der  frage  besonders  ausgezeichnete  erörterung  über 
die  bildung  des  attischen  gesammtstaates  tavi o/xmuoV),  die  al- 
lerdings nicht  in  allen  punkten  mit  dem  plane  des  buches  in 
engem  zusammenhange  steht. 

Die  arbeit  Philippi's  ist  ein  muster  von  besonnener  for- 
schung,  massvoller  polemik  (namentlich  in  der  frage  über  die 
Stellung  der  vö&oi  und  die  epigamie  gegen  die  hypothesen  in 
van  den  Es'  de  jure  familiarum  apud  Athenienses  libri  III t  nicht 
selten  auch  gegen  K.  F.  Hermann  u.  a.),  umfassender  benutzung 
der  quellen,  auch  der  Inschriften  im  C.  I.  und  in  Ross'  Demen 
von  Attika,  und  der  hülfsmittel,  von  denen  ihm  nur  einzelne 
monographieen  entgangen  zu  sein  scheinen;  die  durch  die  römi- 
sche geschlechterverfassung  gebotenen  parallelen  sind ,  nament- 
lich auf  grund  der  von  Mommsen  gefundenen  ergebnisse,  tref- 
fend zur  vergleichung  herbeigezogen  ,  die  rückschlüsse  aus  der 
historischen,  sicher  beglaubigten  zeit  auf  die  ältere  minder  oder 
gar  nicht  durch  positive  quellenangaben  beleuchtete  verlieren 
sich  nicht  in  ein  gewagtes  conjecturiren,  wenn  schon,  der  uatur 
der  erörterung  gemäss,  die  acten  noch  nicht  allenthalben  ge- 
schlossen sind;  der  Verfasser  hat  in  seinem  bescheidenen  Vor- 
wort diese  prätension  auch  nicht  erhoben,  sondern  seiner  arbeit 
ausdrücklich  den  character  einer  weitere  forschungen  auzuregen 
bestimmten  vindiciert.  Bei  der  benutzung  der  quelleu  hat  Phi- 
lippi  hier  und  da,  so  glaubt  wenigstens  referent ,  die  behaup- 
tungen  der  redner  im  interesse  ihres  dienten  (man  gestatte 
der  kürze  wegen  das  wort),  namentlich  ihre  invectiven  gegen 
die  gegner,  zu  schnell  für  baare  münze  genommen  (vgl.  beson- 
ders  p.   119jj  man  weisss  ja,  dass   das  calumniari  audacter,    mit 


Nr.  4.  107.    Griechische  antiquitaten.  207 

seltenen  ausnahmen,  den  Sprechern  vor  den  geschwornen  wenig 
gewissensscrupel  machte. 

Referent  giebt  nachstehend  einige  nachtrage,  resp.  berich- 
tigungen  zu  dem  reichen  inhalte  des  buches.  Bei  der  begriffs- 
bestimmung  des  bürgers  nach  Aristoteles  (p.  4)  fehlt  das  aus 
Polit.  III,  13,  p.  81  Bekker.  zu  entnehmende  merkmal,  der  hin- 
weis  auf  die  p  flicht,  sich  der  bestehenden  Ordnung  zu  fü- 
gen (o  [ieTt%(ap  tov  ctQ%eiv  hui  ag^sa&ai),  P.  18  wird  mit 
recht  die  politische  theorie,  dass  die  civität  abhängig  sei  vom 
grundbesitz,  zurückgeführt  auf  den  ethischen  fundamentalsatz, 
den  Menander  bei  Stob.  Floiil.  56,  5  ausspricht:  uy1  lai}v  dgs- 
t7jg  xflt/  ßtov  SiduoxtiXng  iXsv&sgov  roig  nuaiv  an&goanoig  uyoögi 
der  ackerbau  galt  nicht  bloss  als  der  dixaioiuTog  räv  xorjua- 
TiGfJicöv  (Plut.  Philop.  4),  sondern  auch,  im  gegensatz  zum 
handvverk  und  handel,  als  garantie  für  die  Gmrpgooüvq  und  da- 
mit für  conservative  gesinnung  im  staatsieben,  eine  idee  ,  die 
nicht  bloss  als  theorem  des  Aristoteles  (Polit.  VII,  4,  p.  182 
Bekker.),  sondern  als  die  volksthümliche  aus  den  dichtem,  Xe~ 
nophon  u.  a.  hätte  belegt  werden  hönnen.  Schief  ist  der  aus- 
druck  p.  20,  der  bekannte  antrag  des  Phormisios  unter  dem  ar- 
chontat  des  Eukleides  habe  ,,aus  dem  grundbesitz  bürgerloose 
machen  wollen'' ;  Dionysios  iudic.  de  Lys.  sagt:  yvcopifv  tUrjyijaaro 
irjv  noÄirelav  rolg  ytjv  eyovßi  jiuquöolkh.  —  Bei  der  sorgfältigen 
Untersuchung  über  die  ygo.qi\  &*iag  p.  38  ff.  findet  sich  nicht 
citiert  die  abhandlung  von  de  Bruyn  de  Neve  Moll,  de  peregri- 
norum  apud  Athenienses  conditione  (Dortrecht  1839),  die  p.  56 
ff.  diese  sowie  ihre  möglichen  consequenzen  sehr  eingehend  be- 
handelt. Dass  die  Säuberung  der  bürgerschaft  unter  Perikles 
nicht  durch  das  mehrmalige  verfahren  der  diayjijcpiaig ,  sondern 
durch  yoacpal  %eviag  erfolgt  sei,  schliesst  Philippi  mit  recht  aus 
dem  plutarchischen  berichte  (Perikl.  37J ;  es  wurden  damals 
gegen  5000  noXliai  naQfyyQajtroi  ausgestossen  und  ,  nach 
Plutarch,  en  masse  als  sclaven  verkauft;  dass  diese  letztere  an- 
gäbe ungenau  ist,  bemerkt  vf.  p.  35  f.  ;  nach  seiner  ansieht  be- 
zieht sich  das  innä&ijaur  bei  Plutarch  nur  auf  die,  die  bei  dem 
Spruche  der  heliasten  sich  nicht  beruhigten,  sondern  ,,appel- 
lierten".  Aber  eine  ,,appellation"  (i'qriötc)  von  der  heliaea, 
die  ja  die  höchste  instanz  bildete,  war  unmöglich ;  Philippi  hat 
an    die    appellation    von    dem    spruch    der    demoten  an  das  ge- 


20Ö  107.  Griechische  antiquitäten.  Nr.  4. 

schwornengericht ,  wie  sie  bei  der  diapsephisis  statthaft  war, 
gedacht;  wohl  aber  konnte  der  %uviag  verurtbeilte  die  restitu« 
tions  -  oder  nullitätsklage  (avadixiu)  anstellen,  denn  die  yoaqrj 
^sviag  war  „qivadiitoQ"  (de  Bruyn,  p.  67  f.);  der  verlust  der 
persönlichen  freiheit  traf  jedenfalls  damals  diejenigen,  die  nach 
dem  verlust  des  bürgerrechts  vergebens  eine  rescissio  judicii  an- 
gestrebt hatten.  —  P.  70  konnte  als  beleg  dafür,  dass  die  epi- 
gamie  auswärtiger  Staaten  auch  ohne  gleichzeitige  Verleihung 
der  civität  geschenkt  werden  konnte,  auch  das  cyprische  Sala- 
mis angeführt  werden,  welches  unter  Euagoras  von  den  Athe- 
nern durch' das  connubium  ausgezeichnet  war  (Isokr.  IX,  5ü). — 
Bei  der  besprechung  der  doxifAaaia  f«V  ardyug  (p.  104)  ist  nicht 
angeführt  die  wenigstens  in  citaten  sehr  reiche  dissertation  von 
Heinrichs,  de  ephelia  attica  (Berlin.  1851),  ob  absichtlich  (vgl. 
Vorwort  p.  v),  steht  dahin  —  Die  p.  113  erwähnte  Urkunde  über 
die  Verleihung  des  bärgerrechtes  an  die  mörder  des  Phryniehos 
ist  nicht  von  Ussing  zuerst  veröffentlicht,  sondern,  allerdings 
in  drei  stücken,  von  Pittakis  (vgl.  Westermann  ,  de  locis  aliquot 
orat.  att.  intcrpolatione  corruptis,  Leipzig  1859,  p.  9),  recon- 
struiert  von  Velsen,  dessen  redaction  Kirchhoff  besprochen  hat 
in  den  Abhandl.  der  berliner  akad.  der  wissensch.  1861,  juui- 
heft.  —  Wo  Philippi  die  etymologie  und  Schreibung  des  Wortes 
CpQUToia  (euphonisch  q^argta)  bespricht  (p.  177),  hätte  die  ge- 
wichtige autorität  von  Curtius  (Grundzüge  der  griech.  etym. 
272)  doch  nicht  unerwähnt  bleiben  sollen  bei  dem  nachweise, 
das  (fQargia  collectivbegriff"  ist  zu  qroar//y,  frater  ^Hesych.  tj>{H]T/]Q 
=  a8e\q>6<i)  die  „brüderschal t".  —  Nicht  befriedigend  erscheint 
dem  ref.  die  vermuthung, .  der  übliche  ausdruck  ti<;  reflJ«;  qp^u'rf- 
gag  {eUdytd&ai  und  dgl.)  sei  nicht  auf  sämmtliche  genossen 
der  phratrie,  sondern  nur  auf  einen  ausschuss,  etwa  einen  „con- 
gress  der  näc  h  s  tb  et  h  ei  1  igten  verwandten1'  zu  beziehen. 
Bei  der  reeeption  der  söhne  von  neu  bürgern  in  die  phra- 
tria  wenigstens  lässt  sich  dies  nicht  füglich  denken  ;  glaubwür- 
diger ist,  da  allerdings  nicht  wohl  die  ganze  „brüderschaft"  um 
jeder  eiuführung  willen  sich  vollständig  versammeln  konnte, 
dass  jede  phratria  an  den  apaturien  jedesmal  durch  einen  ge- 
wählten  ausschuss  vertreten  war,  der  eben  die  anmeldungen 
zur  reeeption  abstimmungsweise  richtete  (vergl.  A.  Mommsen, 
Heortologie  p.  306,  aum.  l.J,  worauf  die  eintragung  der  nameu 


Nr.  4.  107.  Griechische  antiquitäten.  209 

der  recipierten  in's  qgazogtxov  ygaptitureiov  durch  den  cpgargCao- 
%og  protokollmässig  erfolgte  (zu  Lys.  XXX,  2).  —  Bei  der  vor- 
trefflichen darstellung  der  Verknüpfung  der  demen  -  und  nau- 
krarienverfassung  durch  Kleisthenes  (p.  151  ff.)  ist  nicht  ange- 
führt die  abhandlung  :  Herodoti  et  Aristotelis  de  Nuvxgdgoig  te- 
stimonia ,  in  Hulleman's  quaestiones  graecae  p.  19  ff.  —  Ein 
irrthum  ist  es,  wenn  p.  195  behauptet  wird,  die  Verpflichtung 
zur  blutrache  habe  schon  Drakon  beschränkt  auf  bestimmte 
Verwandtschaftsgrade  (ßixQi  apexpiaÖäv  Demosth.  XXXXVII,  72, 
ivrng  apetytOTtjtog  Demosth.  XXXXIH,  57,  vgl.  Piaton  Legg.  IX, 
871  B),  ohne  dieselbe  auf  die  gesammtheit  der  verwandten  und 
phrateren  auszudehnen ;  Drakon  hat  im  gegentheil  ausser  den 
consanguinei  bis  zu  den  vetterskindern  auch  die  nächsten  af- 
finitätsgrade  und  in  dritter  linie  die  phrateren  gesetzlich  ver- 
pflichtet, wie  ein  im  j.  1843  in  Athen  aufgefundenes,  früher  von 
Pittakis  und  Rhangabe,  neuerdings  correcter  von  Köhler,  Her- 
mes II,  1,  27  ff.,  edirtes  fragment  der  dracontischen  legislatur 
über  qötog  uxovaiog  beweist;  es  heisst  dort  (Köhler  a.  a.  o. 
p.  31)  ganz  bestimmt :  ngoeiTtetv  tw  xttlvavri  in  uyogci  ivzog 
avsxpiözqiog  y.al  upsipiov,  ovtötcüxstv  8s  xul  dvsxpiovg  y.al  uvtxpiäv 
Ttuldug  xai   yuftßgovg   xai   nsv&sgnbg   xai    cpgu7ugag. 

Im  letzten  abschnitte  entscheidet  sich  Philippi,  nach  licht- 
voller auseinandersetzung  seiner  gründe,  für  die  ansieht,  dass 
die  vier  sogenannten  ionischen  phylen  nicht  durch  rangun- 
terschiede abgestufte  berufskasten,  sondern  alle  vier  gleichbe- 
rechtigte adelsstämme  gewesen  seien,  die  nicht  durch  colonisa- 
tion  so  zu  sagen  importiert,  sondern  auf  attischem  boden  er- 
wachsen und  von  da  nach  Milet  und  Kyzikos  übertragen  wor- 
den seien;  in  Attika  hätten  sie  sich  gebildet  durch  die  Ver- 
schmelzung einer  autochthonen  und  einer  später  zugewanderten 
bevölkerung,  aus  welcher  letzteren  namentlich  die  hopleten  her- 
vorgegangen seien  ;  diese  vier  phylen  hätten  von  haus  aus  für 
sich  getrennt,  in  örtlich  geschlossenen  Wohnsitzen  existirt ;  sie 
seien  theilkönigthümer  gewesen,  aus  denen  nach  der  tradition 
unter  Theseus  sich  der  gesammtstaat  zusammensetzte;  die  in 
der  historischen  zeit  vorkommende  sacrale  behörde  der  (fvlo^a- 
aiXttg  sei  so  gut  eine  remiuiscenz  an  die  fürsten  der  alten  par- 
ticularkönigreiche  wie  der  rex  sacrificulus  zu  Rom  und  der  ug%aov 
^uaiXti'g  in  Athen  eine  erinnerung  an  den  monarchen  des  ge- 
Philol.   Anz.  IV.  14 


210  108.  Römische  antiquitaten.  Nr.  4. 

sammtstaats  (p.  246).  Die  Überlieferung  über  die  dodekapo- 
lis,  die  in  verschiedener  fassung  bei  den  lexicographen  und  bei 
Strabon  vorliegt,  habe  nur  problematischen  werth  (p.  269)  und 
sei  vermuthlich  spätere  combination,  um  die  über  die  zahl  der 
partikularstaaten  schweigende  stelle  Thukyd.  II,  15  zu  ergän- 
zen. —  P.  273  vermisst  ref.  die  anführung  der  monographie  von 
Müller,  de  primarum  quatuor  populi  Athen,  tribuum  origine  (Mar- 
burg 1849),  in  welcher  p.  83  ebenso  wie  bei  Schümann  und 
Duncker  die  deutung  der  'doyadeii;  als  ackerbauer  (nicht  hand- 
werker;  wie  die  Interpretation  durch  Squmvoyo'i  bei  Plut.  Solon 
23.   Strabon  VIII,  p.  383   erklärt)   vertreten  wird. 

Druckfehler  sind  dem  ref.  nicht  aufgefallen  ;  ein  versehen 
ist  es,  wenn  p.  61  f.  das  archontat  des  Eukleides  identificiert 
wird  mit  dem  j.  404/3  v.  Chr.-,  es  muss  403/2  heissen.  Ein 
missverständniss  sucht  p.  72  in  der  phrase  ?fpjj  ovds  u?i%arri 
oi>8?fjtä  einen  sinn,  der  den  begriff  der  worte  Ttpt]  und  fttj/air] 
urgiert;  sie  bedeutet  doch  nur:  „in  keinem  falle,  unter  allen 
umständen  nicht"  (zu  Lys.  XIII,  95).  Die  deutung  der  stelle 
Lys.  XXX,  2  auf  p.  123  macht  nicht  deutlich  genug,  in  wie- 
fern dem  Nikomachos  der  Vorwurf  der  erschleichung  des  bür- 
gerrechtes  gemacht  werden  konnte;  ref.  hofft  in  seiner  bemer- 
kung  zu  der  stelle,  (wo  statt  Demosth.  XXXXVI,  zu  lesen  ist 
XXXXIV,  41)  den  richtigen  gesichtspunkt  angedeutet  zu  ha- 
ben. Endlich  war  p.  133,  aum.  137  als  officieller  ausdruck  für 
die  erwerbung  von  grundbesitz  neben  p^  xal  oixiat;  syxrijöig 
noch  anzuführen  der  in  bürgerrechts  -  verleihungsdecreten  vor- 
kommende terminus:  yriniftmv  eyxzqaig. 

Hermann  Frohherger. 

108.  Handbuch  der  römischen  alterthümer  von  Joachim 
Marquardt  und  Theodor  Mommsen.  Erster  band:  römi- 
sches Staatsrecht  von  T  h.  Mommsen.  I.  Leipzig.  Verlag  von 
S.  Hirzel.   1871.     8.     XVIII  und   527  s.   —      3  thlr. 

Ein  vierteljahrhundert  hindurch  ist  das  Becker- Marquardt- 
sche  bandbuch  der  römischen  alterthümer  ein  unentbehrliches 
und  vorzügliches  hülfsmittel  bei  den  Studien,  welche  sich 
dem  leben  des  römischen  volkes  zuwandten ,  gewesen  ,  ein  ge- 
wissenhafter rathgeber  und  treuer  Wegweiser  auf  der  ruinen- 
stätte,  der  mit  seiner  fackel  überall  herum-   und  hineinleuchtete, 


Nr.  4.  108.  Römische  antiquitäten.  211 

mit  aufmerksamkeit  und  Sorgfalt  auch    die   kleinsten    fragmente 
sammelte  und   das  gebäude  des  römischen  Staatslebens,  in  seinen 
einzelnen   theilen   so    weit    als    möglich   hergestellt ,    in   den   ver- 
schiedenen hauptepochen  seiner  erscheinung    zur  anschauung  zu 
bringen  versuchte.      Doch    schon    seit    längerer  zeit   machte  sich 
das   bedürfniss    einer    neuen    aufläge    der  ersten  bände  des  Wer- 
kes geltend,    äusserlich,    weil    sie    nur    noch    im    antiquarischen 
buchhandel  zu  haben  waren,  innerlich,    weil   das  material  inzwi- 
schen vielfach  bereichert  und  dadurch  hie    und  da    die  gesichts- 
und  ausgangspunkte   bei   der  behandlung  verändert  waren,  weil 
mit  einem  worte  das   ganze  einer  vervollständigenden,  theilweise 
berichtigenden    Umarbeitung    bedurfte.  —      Der    erste  band    des 
Beckerschen  handbuchs    (die    topographie    der  Stadt  Rom)  ist  in 
den  kreis  des  neuen  Unternehmens  nicht  hineingezogen  worden; 
er    wird  durch    den    ersten    band  von   H.  Jordan's   buch  ersetzt 
werden.      Dagegen  ist  nun    eine    neue    bearbeitung^   der     bände 
II    bis    IV    des    Becker -Marquardtschen     handbuchs     durch     J. 
Marquardt  und  Th.   Mommsen  in    angriff   genommen,    von  wel- 
cher   der    erste  theil    des    römischen    Staatsrechtes    vorliegt.    — 
Vor  allem  dürfen  wir  wohl  dem  „zunächst  zu  dieser  arbeit  be- 
rufenen, dem  Vollender  des  Beckerschen  handbuchs"  aufrichtigen 
dank  dafür    aussprechen,     dass    derselbe   —     und    wäre    es  auch 
nur,    um    die    Vollendung    des    buches    zu  beschleunigen,  „denn 
handbücher  sind    nun  einmal   bestimmt    noch    kürzer  zu  dauern 
als  andere    gelehrte    arbeiten "   —   mühe    und    rubmeslohn    der 
so  umfangreichen  wie  anstrengenden  arbeit  nicht  für  sich  allein 
genommen    hat    und  wir  es    „seinem    eigenen  wünsche"    zu  ver- 
danken haben,   dass  Th.   Mommsen    eine  „vor  vielen  jähren  mit 
leichterem  sinn  gegebene  zusage  die  neue  bearbeitung  des  zwei- 
ten bandes  des  Beckerschen  handbuchs,  wenn  sie  einmal  nöthig 
werden  sollte,    zu  übernehmen"    jetzt   zu    lösen    veranlasst  wor- 
den ist.  —     Wir    erhalten    dadurch    endlich  von  des  Verfassers 
System   der  römischen  Verfassung  ein  vollständig  nach  allen  Sei- 
ten  ausgeführtes    bild.       Waren    auch    die    grundzüge    desselben 
durch    seine    „römische  geschichte"    längst    bekannt    und    einige 
haupt-   und  kernfragen  theils  in    den  „römischen    forschungen", 
theils  in  der  „rechtsfrage  zwischen   Cäsar    und  dem   Senat"  und 
dem  „stadtrechte  von  Malaca  und   Salpensa",    manches    andere 
in    zahlreichen    abhandlungen    und    gelegentlichen    bemerkungen 

14* 


212  108.  Römische  antiquitäten.  Nr.  4. 

an  den  verschiedensten  orten  und  zu  den  verschiedensten  Zei- 
ten entwickelt  und  zu  einem  vorläufigen  abschluss  gebracht,  so 
blieb  es  doch  überaus  schwierig,  immer  und  überall  die  einwir- 
kung  veränderter  anschauung  im  einzelnen  auf  die  Verhältnisse 
des  ganzen  sich  zu  vergegenwärtigen  und  von  der  errichtung 
des  römischen  Staatsgebäudes ,  wie  es  im  geiste  des  verf.  sich 
gestaltet  hatte,  ein  einheitliches  bild  zu  gewinnen,  während  unab- 
lässig der  ausbau  in  den  einzelnen  theilen  gefördert  und  hie 
und  da  ein  umbau  im  innern  nöthig  wurde.  Solch  ein  grosses 
einheitliches  bild  wird  vor  uns  liegen,  wenn  die  drei  bände  von 
Mommsens  „römischem  Staatsrecht",  auf  welche  die  Umarbei- 
tung von  Beckers  zweitem  bände  berechnet  ist,  nach  der  ver- 
heissung  der  Verlagshandlung  in  nicht  langer  zeit  vollendet  sein 
werden.  Wir  können  uns  nur  freuen,  dass  der  vf.  seinem  wün- 
sche „die  schwierige  arbeit  noch  länger  zurückzuhalten,  insbe- 
sondere um  die  vorhandene  literatur  vollständiger  dafür  auszu- 
nutzen", im  interesse  der  beschleunigung  der  herausgäbe  nicht 
nachgegeben  hat.  Einmal  musste  doch  ein  strich  gezogen  wer- 
den. Und  je  eher  dies  jetzt  geschieht,  desto  besser  für  alle 
diejenigen,  deren  Unterstützung  und  mitarbeit  bei  seinem  bau 
der  meister  nicht  verschmäht.  Denn  nun  erst  werden,  von 
ihm  selbst  bezeichnet,  die  weiterer  forschung  oder  genauerer  Un- 
tersuchung bedürftigen  theile  nach  umfang  und  Wichtigkeit  deut- 
lich zu  tage  treten  und  von  den  „vielen  geschäftigen  leuten, 
welche  auf  dem  antiquarischen  bauplatze  bloss  die  balken  und 
ziegel  durcheinanderwerfen,  aber  weder  das  baumaterial  zu  ver- 
mehren noch  zu  bauen  verstehen",  doch  einer  und  der  andere 
sich  noch  zu  nützlichen  arbeitern  heranzubilden  in  den  stand 
gesetzt  werden.  Und  dies  wird  um  so  eher  sich  erfüllen  kön- 
nen, als  die  anläge  des  buches  sich  in  einem  sehr  wesentlichen 
stücke  von  der  des  früheren  unterscheidet:  es  wird  uns  —  um 
in  dem  bilde  zu  bleiben  —  vor  dem  aufriss  des  gebäudes  der 
grundriss  gezeichnet. 

Der  vorliegende  erste  band  enthält  die  darlegung  der  recht- 
lichen grundanschaunngen  und  grundbedingungen  in  ihrer  all- 
gemeiuheit  und  ihrem  innern  zusammenhange ,  denen  sich  die 
faktisch  und  äusserlich  in  den  verschiedeneu  magistraten  des 
römischen  Staates  in  die  erscheinung  tretenden  speciellen  gestal- 
tungen  unterordnen.    Erst  durch  eine  solche  darstellung  gelangt 


Nr.  4.  108.  Römische  antiquitäten.  213 

die  locale  und  faktische  Zusammengehörigkeit  der  erscheinungen 
zu  einer  begrifflichen  einigung,  und  in  dieser  anordnung  finde  ich 
einen  hauptvorzug  der  neuen  bearbeitung.  —  Auch  darin  kann 
man  dem  vf.  beistimmen,  dass  durch  das  aufgeben  der  sonderung 
nach  historischen  entwicklungsepochen  als  des  obersten  einthei- 
lungsprincipes  die  Orientierung  erleichtert  wird.  —  Was  im 
übrigen  das  verhältniss  des  inhalts  zu  dem  des  Beckerseben 
handbuchs  betrifft,  so  sagt  der  verf.  in  der  vorrede,  dass  „des- 
sen gesammter  lehrstoff,  so  weit  sich  dies  mit  dem  arbeitsplan 
irgend  vertrug,  auf  dies  handbuch  übernommen  worden  sei 
und  über  dasjenige,  worüber  bei  Becker  belehrung  zu  finden 
war,  man  sie  hier  nicht  vermissen  werde".  Nun,  so  weit  sich 
darüber  aus  dem  vorliegenden  bände  ein  urtheil  abgeben  lässt, 
wird  diese  zusage  nicht  nur  in  vollem  masse  erfüllt ,  sondern 
ein  reichliches  mehr,  namentlich  auch  an  detail ,  geliefert  wer- 
den ;  den  1171  seiten  (zu  37  zeilen)  des  Beckerschen  bandes 
II,  1 — 3  werden  circa  1500  Seiten  (zu  39  zeilen)  entsprechen; 
bei  der  bekannten  conciesen  darstellungsart  des  verf.  beweist 
dies  zahlenverhältniss  zur  genüge. 

Ein  näheres  eingehen  auf  den  inhalt  des  vorliegenden  ban- 
des in  diesen  blättern  wird  niemand  erwarten.  Von  besonde- 
rem interesse  erscheinen  mir  die  ausführungen  über  die  maior 
und  par  potestas,  über  das  coercitions-  und  intercessionsrecht,  die 
schärfere  Scheidung  der  patricischen  und  plebejischen  magistratu- 
ren,  die  wesentlich  berichtigte  lehre  von  der  intervallierung  der  äm- 
ter.  —  Dass  es,  abgesehen  von  dem  streit  über  prineipienfragen, 
an  anfechtungen  und  manchen  bedenken  gegen  einzelne  ausführun- 
gen und  vermuthungen  nicht  fehlen  wird ,  dürfte  den  verf.  we- 
der überraschen  noch  beunruhigen;  jedenfalls  wird  zur  sicheren 
begründung  und  durchführung  solcher  einwände  erst  das  er- 
scheinen der  folgenden  bände  abzuwarten  sein.  —  Nur  ein, 
wie  mir  scheint ,  guter  alter  brauch  wird  wohl  nicht  von  mir 
allein  in  dem  buche  vermisst  werden;  es  ist  das  vor  den  haupt- 
abschnitten  die  Zusammenstellung  der  bedeutenderen  darüber 
handelnden  literatur,  namentlich  der  älteren,  wo  möglich  mit 
einer  kritischen  notiz.  Für  ein  handbuch  halte  ich  einen  der- 
artigen nachweis  für  eine  unerlässliche  zugäbe;  es  ist  jedoch 
vielleicht  eben  nur  für  diesen  ersten  band  wegen  seines  allge- 
meineren inhaltes  davon  abstand  genommen  worden. 


214  109.  Vergleichende  grammatik.  Nr.  4. 

Es  wäre  unbillig  in  einem  werke  mit  einer  solchen  Un- 
zahl von  citaten  einen  ganz  fehlerfreien  druck  zu  verlangen; 
mir  sind,  bei  genauerer  vergleichung  einiger  partieen  ,  verhält- 
nissmassig  nur  wenige  einer  berichtigung  bedürftige  stellen  auf- 
gefallen. Z.  b.  p.  243  z.  10  unt.  F.  Hofmanns  programm  ist 
1851  (nicht  1861)  erschienen;  —  p.  377  anm.  1  muss  auf 
p.  376  anm.  4.  5  (nicht,  6)  7  zurückgewiesen  werden;  —  p. 
448  anm.  1  lies  L.  (statt  C.)  Fulvius  Aemilianus;  —  p.  457  anm. 
1  gehören  die  worte  „gilt  davon  das"  an  den  anfang  der  nächst 
vorhergehenden  zeile;  —  p.  473  anm.  2  lies  cos  108  (statt 
109)  im  33.  (statt  34.)  lebensjahre;  —  p.  475  anm.  3.  Tibe- 
rius  war  am  16.  (nicht  15.)  november  712  geboren.  —  Nicht 
ohne  Verwunderung  aber  bemerkt  man  bei  der  her  Übernahme 
der  amts  -  und  standesbenenuungen  auf  atus  in  betreff  des  gram- 
matischen geschlechts  ein  fortwährendes  schwanken.  Es  ist  füg- 
lich ziemlich  gleichgültig,  ob  man  im  deutschen  an  stelle  des 
altgewohnten  neutrums  das  richtigere  masculinum  gebrauchen 
will;  aber:  entweder  —  oder!  Denn  z.  b.  p.  455  im  texte  2mal 
(z.  5.  18)  „den  volkstribunat"  und  in  der  anmerkung  zu  der 
letzten  stelle  gleich  in  der  ersten  zeile  „das  tribunat"  zu  le- 
sen (vergl.  p.  437  p.  20  mit  29),  beleidigt  auch  ein  minder 
feines  ohr.  Auf  den  pp.  107  bis  458  habe  ich  bei  nur  flüchti- 
ger durchsieht  16mal  „das  oder  sein  (accus.)  consulat", 
keinmal  das  masculinum  gefunden,  —  8tnal  „das",  24mal 
„der  tribunat",  —  einmal  „das",  6mal  „der  vigintivirat, — 
eiumal  „das",  4mal  „der  patriciat"!  Wenn  danach  es  scheint, 
dass  der  verf.  dem  masculinum  im  deutschen  den  Vorzug  gibt, 
so  war  es  sache,  mein'  ich,  des  correctors  bei  der  durchsieht  der 
probebogen  die  leidige  inconsequenz  zu  beseitigen. 

St. 

109.  räXa  [räla-ATo^]  Lac  (Lactis)  der  graecoitalische  name 
der  milch.  Ein  monographischer  beitrag  zur  ältesten  empfin- 
dungsgeschichte  der  indogermanischen  Völker.  Von  dl  Her- 
mann Brunnhofer.     Aarau  1871.     44  s.     8. 

Bekanntlich  gehören  ynla  und  lac  zu  den  Wörtern,  die 
seit  begründung  der  wissenschaftlichen  etymologie  den  Scharfsinn 
der  meister  und  jünger  derselben  mehrfach  beschäftigt,  und  be- 
reits eine  ausführlichere  monographische  behandlung  (Hugo  We- 


Nr.  4.  109.     Vergleichende  grammatik.  215 

bers  Etymologische  Untersuchungen  I.  Halle  1861)  erfahren  ha- 
ben. Der  verf.  beginnt  daher  mit  der  besprechung  und  Zurück- 
weisung seiner  Vorgänger.  Die  deutung  Potts,  Benfey's  und 
Leo  Meyer's  aus  wz.  marg  =  melken  wird  gewiss  mit  recht  ent- 
schieden verworfen;  auch  Bopps  (A.  Webers,  Max  Müllers)  er- 
klärung,  wonach  yülaxr  aus  yu  =  skr.  gäus,  kuh  und  Xaxz  = 
lad  (=  dukta  oder  rahta  oder  ragas)  zusammengesetzt  sei,  wird 
wegen  der  unerklärbaren  gestalt  des  ersten  theils  als  verfehlt 
betrachtet  werden  müssen;  wiewohl  der  einwand  Bruunhofers 
p.  6,  ydXaxz  könne  schon  darum  nicht  ,,kukmilch"  bedeuten, 
weil  es  die  animalische  milch  überhaupt,  ja  den  pflanzensaft  be- 
zeichne, nicht  stichhaltig  ist.  Denn  es  ist  keine  seltene  er- 
scheinung,  dass  der  Ursprung  des  ersten  theils  einer  Zusammen- 
setzung aufhört  empfunden  zu  werden  und  das  wort  eine  all- 
gemeinere bedeutung  erhält:  so  im  skr.  go  -  pä  kuhhirt,  hirt: 
go-juga  rinderpaar,  aber  ushtra-go-juga  ein  paar  kameele,  go-shta 
kuhstall ,  aber  agva-go-shta  pferdestall  u.  a.  bei  Benfey  Vollst, 
skrtgr.  233,  Innoi  ßov -xoXeqvto  Hom.  T221,  Inno-ßov-xoloi  Eurip. 
Phoen.  28,  ßov-Ovrsi  vv  Ar.  Plut.  819,  mo-toxsl  nuxoa  Ösid^ea 
Emped.  286,  vinrag  i-epvo-%6ei  z/  3,  yigovTa  natb-aycoy^Gm  Eur. 
Bacch.  193,  tojV  oxt'Xeai  %hqo-vouuv  Herodt.  VI,  129,  oixo-do- 
fi£?i>  nvQapida  Herodt.  VIII,  71,  aeclificare  naves  u.  a.  Die  be- 
zeichnung  des  pflanzensaftes  als  milch  ist  überdies  im  indischen 
wie  im  griechischen  spät  und  jedenfalls  durfte  der  verf.  aus 
dieser  jedem  volke  sehr  nahe  liegenden  Übertragung  eine  der- 
artige Verwendung  des  wortes  in  der  indogermanischen  Ursprache 
nicht  erschliessen.  Wenig  schlagend  erscheint  die  Widerlegung 
der  ansieht  H.  Weber's,  der  eine  wz.  gal  =  glänzen  augesetzt  hatte 
mit  Zustimmung  von  Curtius  Gr.  Et.3  p.  164.  Denn  wenn  auch 
Brunnhofer  mit  recht  sich  gegen  das  alles  mögliche  und  unmögliche 
in  glänz  und  Schimmer  auflösende  etymologisieren  Webers  wendet, 
so  ist  doch  eine  benennung  grade  der  milch  von  ihrer  hellen  färbe 
sehr  wohl  denkbar,  wie  schon  Schweizerin  Kuhn's  Ztsch.  XVI,  130 
beiläufig  bemerkt  hat,  und  widerspricht  keineswegs  dem  naiven 
naturleben  jener  urzeit,  da  ja  naturmenschen  und  naturvölker  be- 
kannter massen  eine  kindliche  freude  an  allem  hellen  und  glän- 
zenden haben  und  die  Indogermanen  insbesondere  in  folge  der 
temperaturverhältnisse  ihrer  Urheimat  allen  grund  hatten  des 
lichten  und  leuchtenden  froh  zu    sein ,    wie   sie    denn    auch    im 


216  109.  Vergleichende   grammatik.  Nr.  4. 

allgemeinen  licht  und  gutes,  finsterniss  und  böses  identifizierten 
und  die  zahlreichen  wurzeln  mit  der  grundbedeutung  des  glän- 
zens,  hellseins  reiche  sprossen  in  allen  töchtersprachen  getrieben 
haben.  Brunnhofer  selbst  setzt  ydla  =  skr.  gala-rn  ursprünglich 
gala-m  wasser ,  wovon  auch  ydlax-eg  =  skr.  galaha  muschel, 
und  führt  beides  zurück  auf  wz.  gal:  gar  essen,  trinken,  wo- 
von skr.  gara  trank,  ydgog,  yär>ov  brühe  u.  a.  Eine  herleitung 
von  ydXa  aus  einer  wz.,  die  „trinken"  bedeutet,  ist  an  und  für 
sich  recht  ansprechend,  wenn  man  die  milchnamen  skr.  pajas 
n.  von  pä  pT,  dadhi  und  dhenä  v.  dhe  trinken  vergleicht  (die  ab- 
leitung  von  Jcshira  von  wz.  ghas  essen  ist  zu  wenig  sicher,  um 
sich  darauf  zu  berufen,  vgl.  Bß.  II,  557  Justi  Zendspr.  p.  23); 
wohl  aber  ist  die  gleichsetzung  von  ydla.  und  skr.  g'alam  unmög- 
lich, da  einem  altindischen  galam  einzig  ydXov  entsprechen 
kann.  Die  von  Brunnhofer  p.  14  f.  angeführten  angeblichen  ana- 
logieen  sind,  abgesehen  von  der  theilweisen  Unsicherheit  ihrer 
erklärung,  schon  darum  ohne  beweiskraft,  weil  sie  ganz  andern 
gebieten  der  Wortbildung  entnommen  sind,  und  die  Ebelsche  er- 
klärung (Kuhn  Z.  V,  65)  des  ersten  theiles  von  da-  ntdov  aus  skr. 
dam  haus  wird  eben  dadurch  noch  verdächtiger,  abgesehen  von 
der  nichtberücksichtigung  von  £dns8ov  (Ahrens  Aeol.  Dial.  46. 
Curtius  Gr.2  Et.  548).  Die  vermeintliche  ursprüngliche  form  yd- 
Xav  im  heutigen  trapezuntischen  dialekt  erklärt  sich  einfach  aus 
Mullach  Gr.  vulgspr.  163.  Es  ist  ydXaxz  nun  nach  Brunnhofer  aus 
ydla  durch  zwei  diminutivsuffixe  erweitert,  die  dem  ganzen  die 
bedeutung,  der-  „liebe,  liebe  trank"  geben  sollen.  Dagegen 
spricht  ungefähr  alles.  Liebkosende  diminutivbildungen  sind 
durchaus  nur  ausdruck  einer  momentanen  Stimmung  und  für 
den  augenblicklichen  gebrauch  von  der  volks-  oder  dichterspra- 
che  geschaffen;  undenkbar  aber  ist  es  und  ohne  jede  analogie, 
dass  ein  volk  bei  dem  recht  ernsten  geschäft  der  benennung 
eines  seiner  hauptexistenzmittel  in  so  liebenswürdig  kindlicher 
weise  verfahren  wäre.  Ferner  stützt  Brunnhofer  sein  diminutives 
t  7i  einzig  auf  die  sehr  zweifelhafte  erklärung  von  vtjnvttog  Cur- 
tius Gr. 3  451,  denn  yaldtiov  erklärt  richtig  Schwabe  de  di- 
min.  p.  53.  „Weniger  selten,  fährt  Brunnhofer  fort,  begegnet 
to  ;  Curtius  erblickt  es  p.  6  in  rvvvov-zo-g".  Die  logik  dieses 
eatzes  richtet  sich  von  selbst.  Ebenso  wenig  kann  der  verf. 
eine  Verbindung  dieses  t  mit  dem    diminutiven    xo    nachweisen ; 


Nr.  4.     Neue  auflagen  u.s.w.  110 — 117.  —  Bibliographie.       217 

und  schliesslich  wäre  die  abstumpfung  beider  zu  xr  selbst  für 
die  graecoitalische  periode  schwer  möglich.  Die  erklärung  Brunn- 
hofer's  ist  also,  so  scharfsinnig  sie  sein  mag,  entschieden  ver- 
fehlt; weit  einfacher  kann  man  aber  die  verschiedenen  formen 
des  wortes  mit  yaX  trinken  auf  die  nämliche  weise  vereinigen, 
wie  es  Curtius  a.  a.  o.  mit  yäl  glänzen  macht.  Zu  derselben 
wz.  gal  stellt  Brunnhofer  auch  ßdXavog  glano  (die  essbare  frucht, 
nicht  unwahrscheinlich,  wenn  auch  die  beweissteilen  aus  den 
Schilderungen  des  goldnen  Zeitalters  bei  späten  dichtem  nicht 
bindend  sind,  doch  vgl.  yrjyög  von  cpay ,  axvXog  von  skr.  ag 
essen)  gut-tur  =  gul-tur,  vultur  der  „fresser"  (ginge  also  mit 
guttur  auf  eine  grundform  gvultur  zurück,  daher  besser  mit  Cors- 
sen  Ausspr.  II2  157  zu  var  zerreissen),  vultus  die  „fresse"  (!  der 
Sprachgebrauch  spricht  für  eine  der  bisherigen  deutungen  s.  Auf- 
recht KZ.  I,  154.  Corssen  Ausspr.  II2  157.  Fick  Wtb.2  397), 
yavXog  milchnapf  =  yavXog  schiff,  ydXomg  ydXcog  glas  (grdf.  ga- 
lavas,  für  die  deutung  „milchschwester'',  „die  mit  (derselben) 
milch  begabte"  fehlt  grade  der  eingeklammerte  hauptbegriff,  vgl. 
u-dtXcpeog,  a-yäXaxrsg  u.  a.). 

NEUE  AUFLAGEN.  110.  Homer's  Iliade  erklärt  von 
J.  U.  Fähsi.  2.  bd.  5.  aufl.,  besorgt  von  F.  R.  Franke. 
8.  Berlin,  Weidmann;  15  ngr.  —  111.  Schwegler  römi- 
sche geschichte.  3,  bd.  2.  aufl.  8.  Tübingen.  Laupp;  2  thlr. 
—  112.  J.  M.  v.  Mauch,  die  architektonischen  Ordnungen 
der  Griechen  und  Römer.  6.  aufl.  besorgt  von  L.  Loh  de.  1. 
heft.     4  imp.     Berlin.  Ernst  und  Korn;  4  thlr.  25  ngr. 

NEUE  SCHULBUECHER.  113.  Bell  er  mann  griechi- 
sche schulgrammatik  nebst  lesebuch.  1.  thl.  Grammatik.  3. 
aufl.  8.  Leipzig.  Felix;  1  thlr.  — .  114.  Freund  Schüler- 
bibliothek. 1.  abth.  Präparation  zu  Horaz'  werken.  2.  aufl. 
2.  heft.  16.  Leipzig.  Violet;  5  ngr.  —  115.  Wörterverzeich- 
niss  zu  "Weller's  lateinischem  lesebuch  aus  Livius.  3.  aufl.  8. 
Hildburghausen.  Kesselring;  5  ngr.  —  116.  E.  Dettmer, 
Vocabularium  und  Übungsbuch  für  den  griechischen  elementar- 
unterricht.  5.  aufl.  8.  Braunschweig.  Bruhn ;  12  ngr.  —  117. 
G.  Weller,  lateinisches  lesebuch  aus  Herodot.  12.  aufl.  8. 
Hildburghausen.     Kesselring;   10  gr. 

BIBLIOGRAPHIE.     Verlagsbericht    für    1872   von    F.  A. 

Brockhaus  in  Leipzig;  enthält  wenig  eigentlich  philologisches. 

Verzeichniss  im  preise  ermässigter  werke    aus  dem  verlage 


218  Bibliographie  m\  118  —  137.  Nr.  4. 

von  W.  Weber  in   Berlin:    es  sind  bücher  von  Böckh,  Bonitz, 
Christ,  Mützell,Dirksen,  Engel,  Meineke,  Vater,  Villoison  darunter. 

Versendet  ist  ein  prospect  von  der  Sammlung  gemeinver- 
ständlicher wissenschaftlicher  vortrage,  herausgegeben  von  J. 
Virchow  und  Fr.  v.  Ho  1  tz  e  n  d  or  ff :  die  ersten  sechs  Se- 
rien umfassen  nr.  1 — 144;  aus  dem  von  der  Vllten  Serie  an- 
gekündigtem erwähnen  wir  hier:  B.  Stosch,  aus  dem  reiche 
des  Tantalos  und  Krösus,  eine  reisestudie;  Dr  W.  Masing 
über  das  tragische:  Dr  Abel,  der  begriff  der  liebe  in  alten 
und  neuern  sprachen. 

Preisherabsetzung  werthvoller  philologischer  werke  zeigt 
Mauke' s  verlag  in  Jena  an:  darunter  die  ausgaben  des  He- 
sychius  von  M.  Schmidt,  Eichstädt's  Opuscula  oratoria, 
Weissenborn' s  Hellen  u.  s.  w. 

Wichtigere  werke  der  ausländischen  literatur:  118.  F.  Ravais- 
sou  la  Venus  de  Milo.  (68  pp.  8  s.  u.  3  pl.)  Paris;  119.  Scip. 
Maffei  della  antiche  epigrafi  Veronesi  in  volgare;  frammenta 
dal  autografo  nella  capitolare  biblioteca  di  Verona  (IV.  4  pp. 
4)  Verona;  120.  H.  Rezi,  essay  sur  le  droit  prive*  athenien.  66 
pp.  8.  Toulouse;  121.  P.  V  idal- Lablache,  commentatio 
de  titulis  funebribus  graecis  in  Asia  minore  (100  pp.  8.)  Paris; 
122.  desselben  Hdrode  Atticus,  dtude  critique  sur  la  vie  cett. 
(188  pp.  8.),  Paris;  123.  V.  Duruy,  bistoire  des  Romains  de- 
puis  les  temps  les  plus  recules  jusqu'a  la  fin  du  regne  des  An- 
tonios. T.  3  (HI.  571  pp.  8.),  Paris;  7  fr.  50  c.  (der  vierte 
band  fehlt  nocb>,  124.  E.  G  erm  er- Dur  and,  decouvertes  ar- 
cb^ologiques  faites  ä  Nimes  et  dans  le  G-ard  pendant  l'anne'e 
1869  (84p.  8.),  Nimes;  125.  H.  Martin,  etudes  d'arche'olo- 
gie  celtique.  Notes  de  voyages  dans  les  pays  celtiques  et 
scandinaves  (IV,  480  p.  8.1,  Paris;  126.  B.  G.  de  Lagrece, 
Pomp&,  les  catacombes,  l'Alhambra,  etude  k  l'aide  des  monu- 
ments  de  la  vie  pai'enne  ä  son  declin,  de  la  vie  chretienne  a, 
son  aurore,  de  la  vie  musulmane  ä  son  apogee.  Ouvrage  illustre 
de  95  grav.  dessinees  par  Eacinat.  Retard  cett.  (496  pp.  8.) 
Paris;  127.  J.  C.  Moffat  a  comparative  history  of  religions. 
Part.  I.  Ancient  scriptures  (250  p.  12),  London;  128.  G.  Long, 
the  decline  of  the  roman  empire.  Vol.  4  (160  p.  4),  75.  bd.; 
129.  Le  Bas  et  Wad  d  ingt  o  n  voyage  archeologique  en  Grece 
et  en  Asie  mineure,  fait  par  ordre  du  gouvernement  francais 
pendant  les  anneSes  1843  et  44.  Livr.  75.  76.  77  (p.  649- 
744),  Paris;  130.  La  Colonne  Trajane  d'apres  le  surmoulage 
exe'cute  ä  Rome  en  1861 — 62,  reproduite  en  Photographie  par 
G.  Arosa.  220  pl.  imprimees  en  couleur,  avec  texte  orn6  de 
nombreuses  vignettes,  par  W.  Fro  ebner.  Liv.  7 — 12  (4  p. 
fol.  et  11  pl.),  Paris,  30  fr.;  131.  P.  A.  Curti  Pompei  et  le 
sue  vovine.  Vol.  I.  (XVI,  302  p.  16.  con  incisioni),  Milano; 
132.  A.  Matsch eg  Cesare  ed  il  suo  tempo.    Vol.  III  (234  p. 


Nr.  4.  Kleine  philologische  zeitung.  219 

8.),  Venezia;  133.  L.  Becq  de  Fouquieres,  Aspasie  de 
Milet.  Etüde  historique  et  morale  (Vlll.  376  p.  8.),  Paris, 
3  fr.  50  c;  134.  W.  Froehner,  les  Musees  de  France,  recueil 
de  monuments  antiques  (glyptique,  pointure,  ceramique,  verre- 
rie,  orfevrerie).  Keproductions  en  Chromolithographie,  eaux-for- 
tes,  gravures  sur  bois,  phototypographies  cett.  Liv.  1.  2.  (16  p. 
fol.  et  8  pl.),  Paris;  135.  J.  Crametz,  etude  sur  le  divorce 
romain  et  la  Separation  de  corps ,  suivie  d'un  essay  contre  le 
rätablissement  du  divorce  (216  p.  8.),  Abbeville;  136.  Du 
Mesnil- Marig  ny  histoire  de  Feconomie  politique  des  anciens 
peuples  de  Finde,  de  FEgypte,  de  la  Grece.  2  voll.  (937  p. 
8.),  Paris;  137.  Biographie  universelle  (Michaud)  ancienne  et 
moderne.  T.  9.  (638  p.  8.),  Paris;  8  fr.  50  c.  (Aus 
Zarncke's  Lit.  C  e  ntr  albl  a  tt). 

Cataloge  der  antiquare:  Sam.  E.  Taussig  in  Prag,  Anti- 
quarisches verzeichniss  nr.  7:  Ernst  Wagner  in  Augsburg, 
antiquarischer   anzeiger,  nr.   14. 

Catalogue  du  magasin  de  livres  anciens  et  modernes  de 
E.  Gr.  B  rill,  libraire- editeur,  imprimeur  de  Funiversite  ä  Leyde. 
Vol.  III,  Auteurs  grecs   et  latins,  philologie,  archeologie  cett. 

Bücher -emotionen:  zu  Bonn  bei  M.  Lempertz  am  2.  mai, 
verzeichniss  der  von  den  hh.  Dr  Passow  zu  Lingen,  Dr  F.  Köh- 
ler in  Marburg,  pfarrer  Jonas  in  Emden  nachgelassenen  biblio- 
theken ;  zu  Halle  a.  d.  S.  bei  J.  F.  Lippert  und  M.  Nie- 
meyer am  13.  mai,  verzeichniss  der  von  Dr  Wiegand,  GR. 
Winkler,  pastor  Jacobi  nachgelassenen  bibliotheken. 

KLEINE  PHILOLOGISCHE  ZEITUNG.  Der  oberst  von 
Cohausen  hat  bei  dem  dorfe  Nieder-Ockstadt  (provinz  Hessen- 
Nassau)  spuren  eines  römischen  Castells  gefunden.  Die 
auffindung  ist  insofern  von  werth,  als  durch  dieselbe  eine  bis- 
her bestandene  liieke  in  dem  römischen  befestigungsnetze  jener 
gegend  ergänzt  wird.  Es  werden  in  nächster  zeit  sorgfältige 
nachgrabungen  vorgenommen  werden. 

A  utoren  em  pf  i  nd  lichkeit]  1870  erschien  im  Hahn- 
schen  verlage  zu  Leipzig  die  „griechische  schulgrammatik  für 
alle  klassen,  auch  zum  Selbstunterricht,  von  Dr.  B.  Suhle,  1. 
th.  formenl  gr.  8,  VIII  und  53  ss.  1/3  thlr.  Vor  diesem  buch 
ist  bereits  im  Anzeiger  III,  p.  287  gelegentlich  wegen  ungründ- 
lichkeit  der  documentirten  kenntnisse  gewarnt.  Jetzt  scheint  es 
das  interesse  des  philologischen  oder  doch  des  lehrerpublicums 
in  anderer  weise  herausfordern  zu  wollen  —  eiue  sturmfluth 
ungezogener  antworten  des  verf.  auf  ihm  unliebsame  kritiken 
sind  erschienen ,  insbesondere  gegen  die  ganz  unverfängliche 
besprechung  des  Dr  Kohl  im  11.  heft  der  Jahrb.  f.  philol.  und 
päd.  Suhle  hat  nicht  bloss  zwei  flugschriften  mit  den  klassi- 
schen titeln  :  „Anti-Kohl,  nachweisung  wundersamer  aber  zweck- 


220  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  4. 

massiger  angriffsmittel  gegen  eine  neue  griechische  schulgram- 
matik,  die  man  nicht  todtschweigen  kann"  und  „Anti-Kohl, -  2. 
theil,  der  unfehlbare  recensent"  in  die  weit  geschickt,  sondern 
es  haben  sich  ihm  auch  die  für  besseres  zu  nutzenden  Jahrbb. 
d.  philol.  und  päd.  im  1.  hefte  d.  j.  zu  „einem  letzten  wort 
gegen  Dr  Kohl's  polemik"  aufgethan.  Wenn  sich  ein  durch  werth- 
volle  ausgaben  des  Thukydides,  Xenophon,  Arrian  u.  s.  w.  be- 
rühmter Verfasser  einer  ausgezeichneten  grammatik  nicht  beru- 
higen konnte  über  die  von  Herold  ,  Bäumlein  und  namentlich 
Curtius  drohende  concurrenz  und  zu  auslassungen  seine  Zuflucht 
nahm,  deren  gallige  natur  aus  krankhafter  Verbitterung  stammte, 
oder  wenn  nicht  minder  bekannte  lexicographen  sich  in  die 
haare  geriethen,  weil  es  dem  sonst  trefflichen  altern  herrn  nicht 
mehr  recht  begreiflich  werden  wollte,  dass  die  Wissenschaft  keine 
privatdomäne  kennt  —  so  war  es  immerhin  zu  bedauern,  dass 
so  bedeutende  männer  ein  kleinliches  Schauspiel  gaben  ;  aber  sie 
hatten  durch  ihre  Verdienste  um  die  Wissenschaft  ein  recht,  das 
gelehrte  publicum  zum  Schiedsrichter  ihres  zwistes  aufzurufen. 
Wo  aber  ein  solches  verdienst  durchaus  fehlt,  sollte  man  nicht 
durch  Zänkerei  eine  bedeutung  prätendiren  wollen,  die  nur  durch 
reelle  leistungen  erworben  werden  kann.    [S.  unt.  hft.  5,  p.  226.] 

Es  ist  das  verzeichniss  der  Vorlesungen ,  welche  an  der 
Universität  Strassburg  im  sommersemester  1872  vom  1.  mai 
bis  15.  august  gehalten  werden  sollen,  erschienen;  einen  aus- 
zug  davon  giebt  auch  der  Eeichsanzeiger  nr.  64. 

In  Medun,  einem  dorfe  am  eingange  nach  Fayum  in  Egyp- 
ten,  ist  ein  altes  grabmal  entdeckt.  Dasselbe  ist  eine  für- 
stengruft,  100  meter  lang  und  50  meter  breit,  wahrscheinlich 
aus  der  zeit  vor  der  dritten  dynastie,  folglich  älter  als  irgend 
ein  bisher  entdecktes  grabmonument.  Man  fand  darin  zwei  herr- 
liche statuen.  Mariette  Bey  liess  sie  sorgfältig  einpacken  und 
nach  Cairo  überführen,  wo  sie  im  museum  zu  Bulak  bald  zur 
allgemeinen  besichtigung  aufgestellt  sein  werden.  Auf  dem 
eingange  zum  grabmal  fand  man  eine  arabische,  500  jähre  alte 
inschrift,  in  welcher  der  Schreiber  die  personen  verflucht,  welche 
ihm  den  rath  gegeben,  in  dem  grabe  nach  schätzen  zu  suchen. 

Mr.  Wood  hat  im  laufe  des  jahrs  1871.  —  s.  Philol.  Anz.III, 
nr.10,  p. 517,  ob.  hft.  1,  p.  62 — einen  grossen  theil  desDiana-tem- 
pels  in  Ephesos  blosgelegt,  und  —  wie  der  „Times"  aus  Smyrna  ge- 
schrieben wird  —  verschiedene,  mehr  oder  weniger  verstümmelte 
architektonische  marmorblöcke,  Säulen  u.  s.  w.  aufgefunden,  aus  de- 
nen sich  schliessen  lässt,  dass  die  proportionen  dieses  bauwerkes 
weit  grossartiger  waren,  als  die  irgend  eines  anderen  Überbleibsels 
griechischer  architektur.  —  Die  säulen  nämlich,  welche  noch  so 
da  lagen,  wie  die  Zerstörer  der  byzantinischen  zeit  sie  liegen 
Hessen ,  messen  nicht  weniger  als  sechs  fuss  im  durchmesse^ 
und  das  ungeheuere  gewicht    derselben   hat   es    nothwendig    ge. 


Nr.  4.  Kleine  philologische  zeitung.  221 

macht,  das  englische  marine- ministeriura  um  hülfeleistung  anzu- 
gehen. Dieses  stellte  dann  auch  das  panzerschiff  ,,Caledonia" 
zur  Verfügung,  und  seit  anfang  januar  ist  dasselbe  mit  dem 
einladen  der  von  Mr.  Wood  für  das  britische  museum  ausge- 
wählten marmorsäulen  beschäftigt.  Der  grösste  block ,  welcher 
über  11  tons  wiegt,  ist  ein  theil  einer  der  von  Plinius  erwähn- 
ten 36  elevatae  columnae  und  zeigt  Herkules,  wie  er  mit  einer 
weiblichen  gestalt  ringt,  während  auf  einem  anderen  bruchstück 
die  unteren  hälften  einiger  sitzenden  und  stehenden  weiblichen  figu- 
ren  zu  sehen  sind.  Der  tempel  war  im  ionischen  styl  aufgeführt, 
und  Mr.  Wood  hat  die  bruchstücke  so  gewählt,  dass  sich  ein  ur- 
theil  bilden  lässt,  wie  die  basis,  das  kapital  und  die  anordnung 
im  allgemeinen  gewesen  ist.  Noch  ende  januar  sollte  die  „Ca- 
ledonia"  mit  ihrem  werthvollen  kargo  nach  England  absegeln. 

Ueber  die  am  24.  febr.  vollzogene  enthüllung  der  marmor- 
tafel,  welche  in  Hanau  zu  ehren  von  Jacob  und  Wilhelm 
Grimm  gestiftet  worden  (s.  ob.  heft  2,  p.  110)  giebt  der 
Reichsanz.  nr.  49  ausführliche  nachricht. 

Aus  Zürich  wird  vom  8.  märz  gemeldet,  dass  in  dem  be- 
cken  des  Untersees  zwischen  dem  weissen  Hörn  und  dem  sg. 
Staad  in  der  nähe  von  Ermattingen  alte  pfahlbauten  entdeckt 
sind. 

Unter  den  letzten  erwerbungen  des  britischen  museums 
befindet  sich  auch  die  statue  eines  jungen  mannes,  ohne  drape- 
rie,  dargestellt  in  dem  akt,  wie  er  sein  haupt  mit  einem  stirn- 
bande  schmückt.  Dieses  kunstwerk  wurde  im  theater  zu  Vais- 
son,  dem  alten  Vasio,  in  Frankreich  entdeckt,  und  scheint  kein 
zweifei  darüber  zu  herrschen,  dass  es  eine  copie  des  berühmten 
Diadoumenos  von  Polykletos  ist.  Der  entwurf  ist  edel,  die  aus- 
führung  verhältnissmässig  dürftig. 

In  der  kirche  zu  Seligenstadt  ist  das  grab  von  Egin- 
hard  und  Emma  kürzlich,  wie  das  ,, Mainz.  Abendblatt"  er- 
zählt, durch  das  bischöfliche  Ordinariat  von  Mainz  geöffnet  wor- 
den. Ausser  den  gebeinen  von  Eginhard  und  Emma  fanden 
sich  die  einer  dritten  leiche,  einer  tochter  Eginhards,  Gisela  ge- 
nannt, wie  die  bei  derselben  befindliche  inschrift  besagt,  die  bis- 
her in  der  geschiebte  Eginhards  nicht  geuannt  ist  und  erst 
durch  diese  inschrift  bekannt  wird.  Man  kannte  nur  einen 
söhn  desselben,  Vussinus  genannt,  den  er  seinem  freunde  Rha- 
banus  Maurus,  nachherigem  bischof  von  Mainz,  damals  abt  in 
Fulda,  zur  erziehung  übergab.  Von  den  gebeinen  Eginhards 
fehlt  das  haupt. 

Ueber  im  Wilhelms  -  Gymnasium  zu  Berlin  aufgestellte 
marmortafeln,  welche  die  namen  der  im  deutsch -französischen 
kriege  1870/u  gefallenen  lehrer  und  schüler  dieses  gymnasiums 
enthalten,  giebt  nähere  nachricht  der  Reichsanz.  nr.   73. 

Am  12.  märz  feierte  der  procurist  der  B.  G.  Teubner'schen 


222  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  4. 

buchhandlung  August  Schmidt  den  tag,  an  welchem  er  vor 
25  jahien  in  dieses  haus  eingetreten  war:  näheres  giebt  Bör- 
senbl.  n.  64.  Wir  theilen  hier  die  tabula  gratulatoria  mit,  mit 
welcher   Fr.  Ritschi  den  Jubilar   beehrt   hat: 

Viro  omni  humanitatis  laude  ornatissimo  |  Henrico  Au- 
gusto  Schmitt  |  Hachenburgo-Nassoviensi  j  inclutac  libra- 
riae  Teubneriae  Lipsiensis  curatori  |  redimendis  libris  praepo- 
sito  |  postqaam  per  quinque  lustrorum  spatium  cum  illius  pos- 
sessoribus  atque  |  moderatoribus  honestissitnis  |  Ad.  Rossbachio 
et  A.  Ackermanno  |  felicissima  laborum  negotiorum  consilio- 
rum  societate  coniunctus  |  in  administrando  munere  tarn  et 
praedicabilem  industriam  gnavitatemque  |  et  singularem  pruden- 
tiam  atque  intellegentiam  comprobavit  |  ut  officina  Teubneria 
edita  librorum  utilissimorum  insigni  multitudine  |  cum  de  aliis 
litterarum  partibus  egregie  meruerit  tum  in  philologicis  potissi- 
mum  |  disciplinis  sine  controversia  hodie  principatum  teneat  tarn 
autem  strenua  |  contentione  publicis  commodis  praeclare  inser- 
vierit  I  laetissimi  diei  sollemnitatem  ex  animo  gratulatur  |  plu- 
rimorumque  annorum  parem  et  vigorem  et  prosperitatem  ex- 
optat  Fridericus  Ritschelius  |  iucuuda  mutuorum  officio- 
rum  consuetudine  coniunctissimus  amicus  |  Lipsiae  die  XII  men- 
sis  Martii  anni  MDCCCLXXII. 

Ans  dem  regierungsbezirke  Merseburg  sollen  der  Magdebur- 
ger Zeitung  zufolge  seit  einem  halben  jähre  über  70  lehrer 
ausgetreten  und  nach  dem  königreich  Sachsen  gegangen  sein. 

Ein  erlass  des  ministers  von  Lutz  vom  april  empfiehlt  auf 
königlichen  befekl  allen  lehranstalten  die  anschaffung  von  Pe- 
stalozzis werken,  herausgegeben  von   L.  W.   Seyffarth,    16   bde. 

Anfang  april  ist  auf  dem  kircbliof  zu  Bonn  das  von  colle- 
gen  und  Schülern  gestiftete,  von  Robert  Cauer  in  Kreuznach 
ausgeführte  monument  Fr.  G.  Welcker's  aufgestellt.  Ein  por- 
traitmedaillon  von  weissem  marmor  giebt  getreu  die  edlen  ziige 
des  verewigten  wieder,  darunter  auf  der  geschmackvoll  ausge- 
führten stele  Welcker's  name  mit  geburts-  und  todestag. 

Zu  Baden  im  Aargau  sind  vor  kurzem  nach  der 
,, Neuen  Züricher  Zeitung"  bei  der  fundamentirung  des  neuen 
kursaales  ansehnliche  Überreste  römischer  gebäulichkei- 
ten  aufgedeckt.  Bis  jetzt  sind  zwei  seiteumauern,  jede  von  24' 
länge  und  2'  7"  stärke,  zu  tage  getreten,  welche  sich  noch 
weiter  auszudehnen  scheinen.  An  dieselbe  schlieset  sich  unmit- 
telbar der  sogenannte  hypokaust  oder  die  heizeinrichtung  an, 
von  welcher  in  sieben  reihen  je  zwölf  ca.  2  fuss  hohe  mauerpfeiler 
sichtbar  geworden.  Der  estrich  und  die  Steinplatten,  die  auf 
diesen  pfeilern  ruhten,  sind  eingebrochen,  und  der  Zwischen- 
raum mit  schuft  erfüllt;  bruchstücke  von  heizröhren  zeigen  sich 
überall  massenhaft.  Eine  weitere  nachforschung  dürfte  viel- 
leicht auch  verschiedene  alterthümtr    zu   tage  fördern,    wie    sie 


Nr.  4.  Kleine  philologische  zeitung.  223 

im  letztvergangenen  herbst  bei  der  herstellung  eines  Waschhau- 
ses gefunden  wurden.  Man  stiess  dabei  nämlich  auf  mauern 
zweier  aneinander  stosseuder  gebaude,  deren  konstruktion  allein 
schon  die  Wohlhabenheit  des  erbauers  bezeugte.  Iu  dem  engen 
räume  zwischen  diesen  beiden  häusern  fand  man  in  verschiede- 
nen tiefen  von  8  bis  11'  eine  menge  gerät hschaflen ,  die  sich 
entweder  auf  die  bauliche  eiurichtuug  des  hauses  oder  die  aus- 
rüstung  der  verschiedenen  gemacher  bezichen,  wie  z.  b.  dach- 
ziegel,  heizröhren,  stücke  von  bemalten  wänden,  handmithlen- 
steine,  amphoren,  Scherben  von  kochgeschirr  und  aretinischer 
(rother)  erde,  thonlampen,  sodann  verschiedene  dinge  aus  bronze 
und  endlich  eine  menge  eiseugeräthe,  ketten,  beschlage  an  thüren, 
und  wagen,  schlüssei ,  acker-  und  gaitengeräthe.  Von  den 
bronzegegenstäuden  sind  zu  erwähnen  eine  weibliche  büste  (höhe 
Mieter  0,14),  eine  Statuette  des  Merkur  (höhe  m.  0,8)  und  ein 
höchst  seltsames  bronzebild,  welches  das  gewicht  einer  schnell- 
waage  gebildet  hat.  Das  bild  besteht  aus  einer  doppelfigur, 
einem  wohlbeleibten  manne  von  völlig  fratzenhaftem  aussehen 
und  einem  rehbocke,  sodann  noch  aus  verschiedenen  weiteren 
attributen.  Die  abbilclung  oder  erwähnung  einer  ähnlichen  figur 
ist  bis  jetzt  in  archäologischen  werken  und  Zeitschriften  nicht 
gefunden  worden.  bämmtliche  aufgefundene  alterthümer  sind 
in  der  nr.  1  des  Anzeigers  für  schweizerische  alterthumskunde 
pro   1872  beschrieben  und  zum  theil  abgebildet. 

Auf  der  sg.  Emeraner- breite  bei  Kegensburg  sind  ansehn- 
liche partien  eines  römischen  todteufeldes  augefunden,  deren 
blosslegung  sich  der  historische  verein  zu  Kegensburg  besonders 
angelegen  sein  lässt.  Auffallend  erscheint  besonders,  dass  zu- 
weilen an  einer  und  derselben  stelle  sich  fünf  bis  sechs  ver- 
schiedene begräbnissarten  finden:  so  zeigen  sich  einzelne  aschen- 
urnen,  dann  mehrere  zusammen  in  einer  art  gewölbe  (columba- 
rien) ,  ferner  sorgfältig  ausgemauerte  gräber  und  platten  ,  die 
den  Stempel  der  dritten  legion  tragen.  Auch  eine  grosse  menge 
starker  steinsärge  siud  gefunden.    Augsb.  Allg.  Ztg.  beil.  zu  nr.  103. 

Im  münchener  kunstverein  ist  eine  neuerdings  bei  Kehl- 
heim  ausgegrabene  Statuette  des  Bacchus  aufgestellt. 

Von  Strassburg  ist  ein  rundschreiben  einer  commission,  an 
deren  spitze  der  maire  Ernst  Lauth  steht,  vor  kurzem  verbrei- 
tet worden,  welches  um  Zusendungen  von  büchern  und  dgl. 
bittet,  um  die  bei  der  belagerung  zerstörte  Stadt bibliothek  wie- 
der herzustellen:  dieses  unternehmen  wird  als  eine  von  franzö- 
sisch gesinnten  Strassbuigern  ausgehende  demonstration  von 
Petzholdt  im   Börsenbl.  nr.  82   dargestellt. 

AUSZUEGE  aus  Zeitschriften:  Augsburger  allgemeine  zeitung,  beil. 
zu  nr.  95:  italienische  lexicographie :  bezieht  sich  nur  auf  die  italie- 
nische spräche,  zeigt  aber  die  Vorliebe  der  Italiener  für  arbeiten  die- 
ser art.—     Beil.  zu  nr.  08:  beitrage  zur  Völkerpsychologie.     Betrach- 


224  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  4. 

tungen  eines  Franzosen  aus  der  zeit  des  krieges.  I:  nach  G.  Mo- 
nod,  Souvenirs  de  campagne.  Paris.  1871,  jedenfalls  bei  allen  ihren 
schwächen  eine  beachten swerthe  schritt:  das  ergebniss  seiner  benier- 
kungen  über  Deutsche  und  Franzosen  drängt  er  in  den  satz  zusam- 
men, dass  die  deutschen  Soldaten  verglichen  mit  den  französischen 
männer  waren,  welche  gegen  kinder  fochten.  —  Nr.  99  .•  Frosscham- 
mer,  die  philosophie  und  die  Darwinsche  lehre :  vertheidigt  die  Phi- 
losophie gegen  die  vorwürfe  vom  31.  W.  in  nr.  80.  81  der  allgemei- 
nen zeitung.  —  Joh.  Wolff's  Jerusalem:  kurze  anzeige.  —  Nr.  100: 
eine  Universität  in  Bromberg.  —  Bericht  über  die  erste  generalver- 
sammlung  des  Vereins  von  lehrern  an  bayerischen  Studienanstalten.  — 
Beil.  zu  nr.  102.  103.  104:  beitrage  zur  Völkerpsychologie.  II.  III.  — 
Beil.  zu  nr.  103:  Römergräber  bei  Regensburg:  s.  ob.  p.  223.  —  Beil. 
zu  nr.  104.  105.  107 :  Uhlands  Schriften  zur  geschichte  der  dichtung 
und  sagen  I:  besprechung.  —  Beil.  zu  nr.  109:  die  processacten  des 
Hugo  Grotius:  höchst  interessanter  aufsatz,  an  holländische  Schriften 
über  diesen  gegenständ  anknüpfend.  —  Beil.  zu  nr.  110:  der  cultus- 
minister  und  das  oberconsistorium  zu  Berlin:  das  schulaufsichtsgesetz 
betreffend.  —  Nr.  111:  zur  eröffnung  der  Universität  Strassburg.  — 
Beil.  zu  nr.  112:  zur  ophirfrage.  —  Nr.  113:  Konrad  Halder,  nekro- 
log.  —  Das  ziel  der  ultramontanen.  —  Beil.  zu  nr.  114.  115:  zwei 
französische  werke  über  deutsche  litteratur:  bezieht  sich  auf  G.  A. 
Heinr  ich  ,  histoire  de  la  litlerature  allemande ,  2  voll.,  und  A.  Bos- 
sert,  la  litteratur e  allemande  au  mögen  age  et  les  origines  de  l'epopee 
germanique,  welche  beide  sehr  empfohlen  werden. 

Blätter  für  das  bayerische  gymnasialschulwesen  ,  redigirt  von  TV. 
Baur  und  Dr  Friedlein,  bd.  VII,  München  1871,  heft  10,  p.  335: 
des  Pseudo -Ovidius  XX  und  XXI.  heroide  von  J.  Mahly:  Dilthey's 
behauptung,  dass  die  planudeische  Übersetzung  der  heroiden  für  die 
kritik  völlig  werthlos  sei ,  gehe  zu  weit.  Für  einzelne  stellen 
sei  sein  text  der  bessere  und  ursprüngliche.  Unter  theilweiser 
bezugnahme  hierauf  wird  vorgeschlagen:  XX,  2  promissam  satis; 
eben  so  XXI,  4  promissam  scires;  XX,  4  ut  meus  est  le  ulla;  und 
v.  13  Oudendorp's  teneo  und  acrius  urit;  v.  19  ut  erant  tua  verba;  v. 
20  sei  unverdorben:  coma  =  capite,  dicta  tulisse  sei  durch  Planudes'  noog- 
dide/ftai,  r«  tlotj/uiva  gerechtfertigt;  v.  36  sei  zu  schreiben:  teque,  pe- 
tam  caveas  te  licet,  usque  petam;  v.  53  tu  si  esses;  v.  87  qua?nvis 
violens  satiaverit;  v.  74  parta  mihi;  v.  93  fac  quoque,  quod  tu  vis, 
sit  scriptum;  v.  101  aper  quo  scimus  et  ipsa;  v.  127  in  caput  en 
nostrum;  v.  134  adsideoque  toro :  v.  140  Candida  percontans; 
V.  153  tibi,  nostif  dicimus;  v.  175  hoc  a  deunte;  v.  189  at  mo- 
nita  es;  v.  193  haec  repetensque  alias  audita  oder  repetensque  an- 
tehac  audita;  v.  215  nube  proco;  v.  220  inveniet  votis;  v.  228 
talis  avendus  erat;  XXI,  24  et  pacta  dat  ;  v.  30  sed  melius  iusto 
quamque  mereris  ago;  v.  41  quam  exortus  in  altum  :  v.  59  perdere 
feile  velis;  v.  98  in  sanctis;  v.  119  nullus  Amazonius  caelato; 
v.  180  a  noslraque  tuast  spreta;  v.  189  spem  tibi  dira  mei;  v. 
193:  de  re  ;  v.  197  adjicit;  v.  203  subit  in  de  voluptas ;  v.  205 
mens  nisi  laeva  foret;  v.  227  vellem  me,  ut  et  ipse ;  v.  231  moe- 
stis  vocibus;  v.  235  hoc  deus  en  vates.  —  P.  343:  equus ,  etymolo- 
gisch behandelt  von  Zehetmayr.  —  P,  351:  Horat.  carm.  III,  5,  27 
sqq,  von  A.  Therm :  weist  die  von  Ohlenschläger  im  4.  hefte  gege- 
bene erklärung  von  fucus  als  nicht  neu  und  ungeeignet  energisch 
zurück.  —  P.  355:  Cornelius  Nepos  und  sein  ende  von  Adam  Fuss- 
ner.  Von  literarhistorischem  interesse.  Schliesslich  wird  dem  autor 
für  schulzwecke  das  wort  geredet  und  die  ausgäbe  Dähne-Fbeling  im 
ganzen  empfehlend  besprochen. 


Nr.  5.  Mai  1872. 

Philologischer  Anzeiger, 

Herausgegeben   als   erganzung   des   Philologus 


von 


Ernst  von  Leutsch. 


138.  Ueber  aufgäbe  und  Stellung  der  classischen  philolo- 
gie  insbesondere  ihr  verhältniss  zur  vergleichenden  Sprachwis- 
senschaft. Academische  antrittsrede  gehalten  in  der  grossen 
aula  zu  Giessen  am  4.  november  1871  von  Dr  Wilhelm 
Clemm,  a.  professor  der  classischen  philologie.  8.  Giessen 
(Kicker)  1872. 

Diese  mit  voller  sachkenntniss  und  recht  lebendig  geschrie- 
bene rede  erörtert  zuerst  die  aufgäbe  der  classischen  philologie 
als  der  Wissenschaft  des  gesammten  griechischen  und  römischen 
alterthums  und  die  Stellung ,  welche  dieselbe  gegenüber  den 
anderen  Wissenschaften  einnimmt.  Hierauf  handelt  der  verf, 
von  dem  Verhältnisse  der  classischen  philologie  zur  vergleichen- 
den Sprachwissenschaft,  deren  hohe  bedeutung  für  die  gramma- 
tischen und  etymologischen  Studien  er  mit  recht  hervorhebt, 
und  fordert  die  Vertreter  der  classischen  philologie  auf  die  Ver- 
mittlung der  beiden  richtungen  in  der  grammatik  ,  der  histo- 
risch-kritischen und  der  historisch -comparativen,  zu  überneh- 
men und  ein  für  die  Wissenschaft  sehr  gedeihliches  zusammen- 
wirken derselben  herbeizuführen.  Man  wird  in  der  darstellung 
und  begründung  dieser  ansichten  kaum  etwas  vermissen,  nur 
darauf  konnte  wohl  noch  hingewiesen  werden,  dass  mit  dem 
bestreben  die  indogermanische  Ursprache  in  ihrem  baue  und 
Wortschatze  wieder  herzustellen  zugleich  auch  und  zwar  we- 
sentlich auf  etymologischer  grundlage  die  forschung  nach  dem 
culturzustande  jenes  indogermanischen  urvolkes,  nach  dem  ge- 
meinsamen in  silte,  religion  u.  s.  w.  bei  den  einzelnen  zweigen 
des  grossen  Stammes,  immer  weiter  schreitet,  und  dass  daher 
auf  alle  zweige  der  griechischen  und  römischen  antiquitäten, 
Philol.  Anz.  IV.  15 


226  139.  Griechische  grammatik.  Nr.  5. 

namentlich  auf  die  mythologie ,  ein  reiches  licht  fällt ,  welches 
besonders  die  früher  so  dunklen  anfange  wunderbar  erhellt. 
Der  rede  sind  reiche  anmerkungen  beigegeben,  welche  für  viele, 
namentlich  für  junge  philologen  ein  willkommenes  repertorium 
über  die  einschlägige  literatur  bilden  dürften.  Der  verf.  hat 
darin  manche  treffende  bemerkungen  niedergelegt,  z.  b.  über  die 
art  und  weise,  wie  der  angehende  philologe  seine  Studien  an 
der  Universität  mit  rücksicht  auf  die  vergleichende  Sprachwis- 
senschaft einzuriahten  habe,  über  die  noth wendigheit,  dass  der 
lehrer  der  classischen  sprachen  an  gymnasien  von  der  bürde  an- 
derer gegenstände  enthoben  und  bloss  auf  sein  fach  beschränkt 
werde,  über  die  verschiedenen  richtungen  in  der  indo  -germani- 
schen Sprachforschung  u.  s.  w.  Wir  zweifeln  nach  dieser  rede 
nicht,  dass  der  verf.  das,  wozu  er  die  Vertreter  der  classischen 
philologie  auffordert,  nach  seinem  vorbilde,  Georg  Curtius,  in 
wahrhaft  gedeihlicher  weise  leisten  wird. 

K.  S. 

139.  Eine  neue  erklärung  der  sogenannten  epischen  zer- 
dehnung.     Von  Berthold  Suhle.     8.      Leipzig.  1872.     8  s. 

Die  neue  erklärung  läuft ,  wenn  ich  den  Verfasser  recht 
verstehe,  darauf  hinaus,  dass  der  durch  contraction  entstandene 
vocal  nicht  zwei,  sondern  drei  moren  enthalten  und  folglich 
nicht  bloss  für  die  arsis,  sondern  auch  für  die  halbe  und  bei 
hinzutretender  position  für  die  ganze  thesis  ausreichen  soll. 
Erst  später  habe  mau  sich  veranlasst  gesehen,  dies  verhältniss 
durch  die  schrift  anders  zu  bezeichnen;  „die  schriftliche  tren- 
nung  ist  nichts  weiter  als  späteres  zeichen  für  die  vom  metrum 
erforderte  vertheilung  auf  arsis  und  thesis;  je  nach  der  stelle 
im  verse  musste  die  theilung  verschieden  ausfallen,  bald  o<u, 
bald  coo  u.  s.  w."  Der  gedauke,  dass  bei  einem  aus  kurzem 
und  langem  vocal,  z.  b.  aus  «a>,  hervorgegangenen  contractions- 
vocal  (oj)  noch  eine  nachwirkung  in  der  Quantität  sich  fühlbar 
gemacht,  derselbe  also  den  rhythmischen  werth  von  drei  moren 
gehabt  habe,  ist  an  sich  nicht  widersinnig,  zumal  formen  wie 
oQoietoi>,  OQitofitv  nur  contraction,  nicht  distraction  erleiden;  es 
wäre  das  ein  analogon  zu  der  s.  g.  ersatzdehnung,  bei  der  eine 
verloren  gegangene  positionslänge  durch  dehnung  des  vocals  er- 
setzt wird.      Auf    die  frage,    wie   man  die  zerdehuung  oooo  statt 


Nr.  5.  140.  Lateinische  grammatik.  227 

(oo  zu  erklären  habe,  giebt  der  Verfasser  (p.  7)  die  antwort, 
man  solle  die  ursprünglich  vorhandene  position  herstellen,  also 
etwa  statt  ftaificomai  ftai/AODOvzt  =  /aui^ooizi  aus  [Aai/jäortt  u.  s. 
w.  schreiben  oder  lieber  dehnung  des  die  halbe  thesis  füllenden 
vocals  annehmen.  Das  letztere  auskunftsmittel  möchte  sich 
mehr  empfehlen  als  das  erstere.  Gegen  die  annähme  von  G. 
Curtius  —  angleichung  nebst  ersatzdehnung  des  ersten  oder 
zweiten  vocals  für  ausgefallenes  j  —  hat  der  Verfasser  das 
,, schwere"  bedenken,  dass  durch  ersatzdehnung  im  ionischen 
und  attischen  in  onav ,  onjn ,  ovtt  stets  o  zu  ov  werde.  Al- 
lein zeigt  nicht  der  dorische  dialect  z.  b.  Xoyug  für  Xöyovq 
aus  \üynvii}  und  ist  es  unmöglich,  dass  in  einer  altern  periode 
der  spräche  diese  art  der  ersatzdehnung  einen  weitern  umfang 
hatte?  Empfiehlt  es  sich  doch  unter  anderm  sehr,  die  form 
[lifiucüTs^  durch   ersatzdehnung  aus  fx^fiupons^  abzuleiten. 

Jedenfalls  möchte  die  einführung  der  neuen  erklärung  in 
den  Schulunterricht,  die  der  Verfasser  wünscht,  ,,da  das  beste 
für    den   schüler    eben   gut    genug    sei",    so    lange    beanstandet 

!   werden  müssen,    bis  er  dieselbe  gegen  alle  bedenken  sicher  ge- 

,   stellt  haben  wird. 

H.  D.  M. 

140.  Regeln  und  wörterverzeichniss  für  die  lateinische  Or- 
thographie zum  schulgebrauch  herausgegeben  von  einem  gym- 
nasial-Oberlehrer.  (Berlin,  H.  Ebeling  und  C.  Plan).  7  s.  — 
1  sgr. 

Dass  eine  einheitliche  Orthographie,  mit  Zugrundelegung  der 
Schreibweise  des  quintilianischen  Zeitalters,  in  unseren  gelehrten- 
schulen  dringend  noth  thut ,  darüber  kann  nur  eine  stimme 
sein.  Ebenso  ist  es  erwünscht,  dass  jedem  schüler,  bis  er  sich 
an  die  neue  Orthographie  gewöhnt  bat,  ein  verzeichniss ,  wie 
das  vorliegende  es  sein  will,  in  die  band  gegeben  werde.  Aber 
man  sollte  doch  ein  solches  verzeichniss  von  druckfehlern  rein 
halten  können,  zumal  es  eigentlich  nur  fünf  Seiten  umfasst. 
Aber  da  liest  man  p.  6  lauterna  statt  lanterna,  ebds.  ne  (nicht 
ne  naea)  statt  ne  (nicht  nae];    auch    in    dem    Schlussworte  dieser 

I  Seite   ist    falsche    Silbentrennungsbezeichnung.      Pag.  3    zeile  33 
steht    zu    anfang    ein    den    sinn    arg    verwirrendes   Gai.      Es  ist 

)  fast  unglaublich,    dass   sich   auf    diesem  geringen    räum  eine  in- 

15* 


228  141.  Griechische  lexikographie.  Nr.  5. 

consequenz  findet,  wie  p.  6  für  eluor  auf  nr.  4  verwiesen  wird, 
wo  aber  von  helluor  nichts  steht.  Auch  dürfte  es  noch  keines- 
wegs ausgemacht  sein,  dass  illico,  und  nicht  ilico  zu  schreiben 
ist;  ebensowenig,  dass  Kalendae  und  haput  (legis)  nur  mit  an- 
lautendem K  geschrieben  werden  müssen:  denn  so  stehend  auch 
für  die  abkürzungen  (notae)  bei  diesen  Worten  das  anlautende 
K  ist,  weil  die  notae  hierfür  eben  in  einer  zeit  aufkamen ,  in 
welcher  K  zur  bezeichnung  des  harten  gutturalen  angewandt 
wurde,  so  grundlos  ist  doch  die  anwendung  des  K  im  anlaute, 
sobald  diese  worte  ausgeschrieben  werden.  Manches,  was  noth- 
wendig  zu  besprechen  war,  ist  fortgelassen,  wie  der  unterschied 
von  discribo  und  describo,  ob,  wenn  scaena  zu  schreiben  ist,  des- 
halb auch  etwa  proscaenium  etc.  geschrieben  werden  solle.  Ohne 
weitere  bezeichnung  der  bedeutung  wird  der  schüler  es  nicht 
verstehen  können,  wenn  p.  4  ihm  befohlen  wird  tempto  mit  p, 
aber  tento  ohne  p  zu  schreiben,  vollends  da  es  p.  7  heisst: 
„tento  und  tempto1'.  P.  4  unter  nr.  3  war  einfacher  zu  sa- 
gen ,  dass  die  adjectiva  auf  -icius  überhaupt  mit  c  zu  schrei- 
ben sind,  dabei  aber  war  propitius  zu  besprechen.  Doch  wir 
wollen  mit  dem  flüchtigen  machwerke,  desseu  verf.  zu  seinem 
glücke  anonym  geblieben  ist,  nicht  mehr  zeit  verlieren. 

141.  Griechisch-  deutsches  Wörterbuch  für  den  schul-  und 
handgebrauch  von  Dr  Val.  Christ.  Friedr.  Rost,  ober-schul- 
rath  und  gymnasialdirector  in  Gotha.  Vierte,  gänzlich  um- 
gearbeitete aufläge,  siebenter  abdruck,  unter  mitwirkung  von 
prof.  Dr  Karl  Fr.  Am  eis  und  Dr  Gustav  M  üb  1  mann.  Er- 
ster band  XX  und  616  s.  Zweiter  band  673  und  eigennamen 
150  s.  gr.  8.  Braunschweig,  druck  und  verlag  von  George 
Westermann.  1871.  — 

Die  vorliegende  ausgäbe  des  allbekannten  trefflichen  Wer- 
kes ist  leider  nur  ein  unveränderter  abdruck  der  schon  im  j. 
1851  erschienenen  neuen  bearbeitung  des  Kostschen  Wörterbuchs. 
Dass  in  den  seitdem  verflossenen  zwanzig  jähren  die  ganze 
griechische  lexikographie  durch  sorgfältige  recensionen  der 
Schriftsteller  und  durch  die  fülle  neuer  auf'schliisse  der  verglei- 
chenden Sprachforschung  in  ein  ganz  neues  Stadium  eingetreter 
ist,  dass  in  folge  dessen  vieles  hier  gebotene  längst  nicht  raehl 
stichhaltig,    anderes  aber    in   reichem    masse    nachzutragen    ist, 


Nr.  5.  141.  Griechische  lexikographie.  229 

bedarf  keines  ausführlichen  nachweises.  Wohl  aber  dürfte  es 
angemessen  sein ,  hier  in  der  kürze  die  grundsätze  darzulegen, 
nach  welchen  ein  so  hochverdientes,  immer  noch  vielgebrauch- 
tes und  weitverbreitetes  werk  neu  zu  bearbeiten  wäre.  Das 
buch  soll  ein  „Schulwörterbuch"  sein,  und  auf  p.  vi  heisst  es: 
„weil  aber  das  bucb  auch  für  solche  bestimmt  sein  soll,  die 
nach  ihrer  Schulzeit  noch  einen  Griechen  aus  irgend  einem 
nichtphilologischen  gründe  zu  lesen  gedenken,  so  sind  alle  übri- 
gen schriftsteiler  bis  auf  die  Byzantiner  herab  nicht  unbeachtet 
geblieben.  Selbst  die  Septuaginta,  das  neue  testament  und 
die  kirchenschriftsteller  sind  mit  ihrem  eigentümlichen  wort- 
vorrathe  herbeigezogen".  Solche  zwecke  in  einem  buche  von 
eng  begrenztem  umfange  zu  erreichen,  ist  kaum  möglich;  für 
einen  philologen  bietet  das  Wörterbuch  immer  zu  wenig,  für 
einen  schüler  zu  viel  und  doch  auch  in  mancher  beziehung 
nicht  genug.  Die  wenigen  aber  welche  vielleicht  „aus  nicht 
philologischen  gründen"  einen  spätem  Schriftsteller  lesen,  wer- 
den leicht  andere  hülfsmittel  finden  und  kaum  darauf  kommen, 
grade  dieses  Wörterbuch  zu  wählen.  Mit  weglassung  aller  ne- 
benzwecke  würde  sich  nun  das  buch  am  besten  für  den  schul- 
gebrauch und  etwa  noch  für  den  bedarf  von  theologen  umge- 
stalten lassen,  da  ja  das  neue  testament  ohnehin  auch  für  die 
schule  zu  beachten  ist.  Die  in  der  schule  gelesenen  autoren, 
namentlich  Homer  und  Sophokles,  Xenophon  und  die  redner 
wären  möglichst  vollständig  zu  berücksichtigen,  fragmente,  In- 
schriften und  spätere  Schriftsteller  dagegen  würden  fehlen  müs- 
sen. Die  in  den  zu  beachtenden  schritten  vorkommenden  ei- 
gennamen  wären  überall  unter  die  übrigen  Wörter  einzureihen, 
geographische  und  geschichtliche  mit  einer  kurzen  orientirenden 
notiz  zu  versehen;  die  behandlung  der  partikeln  könnte  sehr 
knapp  sein,  da  der  schüler  sich  selten  im  lexikon  darüber  raths 
erholen  wird.  Die  etymologie  müsste  durch  Zerlegung  der 
composita  in  ihre  bestandtheile ,  durch  beisetzung  der  Stamm- 
wörter zu  ihren  ableitungen  angedeutet  werden.  —  Ein  grö- 
sseres lexikon  der  griechischen  spräche,  wie  es  den  jetzigen  an- 
forderungen  der  Wissenschaft  entspricht,  lässt  sich  auf  so  en- 
gem räume  natürlich  nicht  geben.  Auch  ist  uns  schon  von 
höchst  competenter  seite  die  forderung  der  etymologischen  an- 
ordnung    nach    Wortfamilien   gemacht    worden ;    wir  glauben  je. 


230  141.  Griechische  lexikographie.  Nr.  5. 

doch  mit  unrecht.  Ein  etymologisch  geordneter  Sprachschatz 
wird  immer  nur  für  einige  wenige  eingeweihte  bequem  zu 
gebrauchen  und  wirklich  brauchbar  sein ;  für  die  mehrzahl  de- 
rer aber,  welche  ein  solches  buch  benutzen  könnten  und  möch- 
ten, würden  die  so  aufgespeicherten  schätze  für  immer  unter 
schloss  und  riegel  liegen.  Alphabetisch  muss  die  Ordnung  sein 
mit  den  nöthigen  literarischen  nachweisen  bei  den  einzelnen 
grundwörtern ;  auf  diese  wiederum  muss  bei  den  abgeleiteten 
verwiesen  werden.  Um  jedoch  zugleich  den  streng  wissenschaft- 
lichen forderungen  gerecht  zu  werden,  könnten  etymologische 
indices  beigegeben  werden.  Diese  würden  auch  den  vortheil 
bieten,  dass  sie  sich  leichter  erneuern  Hessen  als  ein  umfang- 
reiches theures  werk.  Ueberhaupt  um  umfang  und  preis  nicht 
übermässig  gross  zu  machen  und  der  bequemüchkeit  des  käu- 
fers  und  benutzers  nach  möglichkeit  gerecht  zu  werden,  dürfte 
es  sich  ferner  empfehlen,  die  partikeln,  präpositionen  und  con- 
junctionen  besonders  zu  behandeln,  in  dem  wortschalze  selbst  aber 
nur  einen  kurzen  überblick  über  deren  gebrauch  und  bedeutung  zu 
geben,  um  auch  dem  ein  vollständiges  lexicon  zu  bieten ,  wel- 
cher sich  den  band  partikeln  u.  s.  w.  nicht  anschaffen  will.  Der 
übrige  Wortschatz  wäre  aber  so  zu  behandeln,  dass  der  Sprach- 
gebrauch der  attischen  redner,  komiker  und  historiker  zu  gründe 
gelegt  und  vollständig  aufgeführt  würde;  das  bei  andern  Schrift- 
stellern übereinstimmende  wäre  kurz  anzudeuten,  das  abweichende 
genau  und  vollständig  zu  verzeichnen.  Vorarbeiten  sind  jetzt 
eine  grosse  zahl  in  specialwörterbüchern  und  einzeluntersuchun- 
gen  vorhanden,  noch  mehr  fehlen  jedoch  und  müssen  vor  beginn 
einer  so  umfassenden  arbeit  gemacht  werden.  Es  ist  hier  und  auf 
grammatischem  gebiete  ein  ebenso  reiches  als  ergiebiges  feld 
für  kleinere  abhandlungen  und  gelegenheitsschriften ;  neues  bie- 
tet jede  durcharbeitung  eines  noch  so  gelesenen  Schriftstellers, 
und  doch  sieht  man  so  wenig  in  dieser  weise  arbeiten.  Es 
ist  eben  bequemer,  ohne  mühsame  Sammlungen,  denen  man  bei 
ihrem  geringen  umfange  nicht  sogleich  die  darauf  verwandte 
zeit  und  arbeit  ansieht,  raisonnirende  abhandlungen  zusammen- 
zuschreiben, denen  meist  die  feste  basis  gewissenhafter  beob- 
achtung  gänzlich  gebricht.  Doch  wollen  wir  hoffen,  dass  sich 
bald  eine  anzahl   tüchtiger  gelehrten  zu  einem  ähnlichen  werke 


Nr.   5.  142.  Euripides.  231 

wie  wir  es  eben  skizzirt   haben  und  wie  es  wirklieb  noth  tbut, 
sich  vereinigt. 

H.  Ebeling. 

142.  De  Orestis  Euripideae  versibus  836  — 1010  (ed.  Kirch- 
hoff. 1855)  scr.  Henricus  Schäfer.  8.  Diss.  inaug.  Be- 
rolini  (typis  Muelleri)   1871. 

Nacb  einer  ziemlich  breiten  und  nicht  immer  streng  lo- 
gisch gehaltenen  einleitung  giebt  der  verf.  einen  kritischen  und 
erklärenden  commentar  zu  Euripides  Orestes  vv.  844 — 1012 
(N.) ,  dem  er  noch  eine  lateinische  Übersetzung  dieser  stelle 
beifügt.  Es  ist  nicht  recht  abzusehen,  welchen  zweck  eine  sol- 
che arbeit  hat,  und  zwar  um  so  mehr  als  der  commentar  nicht 
nach  einem  bestimmten  principe  verfasst  ist,  indem  sich  darin 
neben  kritischen  erörterungen  auch  ganz  gewöhnliche  dinge,  z. 
b.  das  imperfectum  des  conatus,  noch  dazu  bisweilen  mit  einer 
ausführlichkeit  behandelt  finden,  die  selbst  in  einer  Schulausgabe 
nicht  am  platze  wäre.  Wie  breit  die  darstellung  ist  und  wie 
sehr  sie  einen  niederen  standpunet  des  lesers  voraussetzt,  mag 
die  note  zu  v.  984  lv  iv  fry/jvoioiv  dvaßodaa)  beweisen  :  ,,tV«  par- 
ticulam  hoc  loco  finalem,  non  localem  vim  habere,  ita  ut  coniuneti- 
vus  aoristi  avaßoäaco  sequatur,  inde  cognosci  potest,  quod  verbi  uva- 
ßoäv  futurum  activum  non  exstat".  Offenbar  hätte  der  verf.  bes- 
ser gethan  ,  wenn  er  sich  auf  die  behandlung  einiger  schwieri- 
gen stellen  beschränkt  hätte.  Ganz  überflüssig  ist  die  lateini- 
sche Übersetzung,  die  ein  gemisch  von  poetischem  und  prosai- 
schem stile  darbietet  und  auch  an  ungenauigkeiten  leidet.  Wenn 
wir  nun  weiter  über  den  werth  des  commentares  ein  urtheil 
abgeben  sollen ,  so  erkennen  wir  gern  den  fleiss  des  verf.  und 
die  meist  sorgfältige  benutzung  der  literatur  an,  müssen  aber 
andrerseits  uns  dahin  aussprechen ,  dass  die  arbeit  wenig 
selbständiges  enthält  und  auch  dieses  wenige  schwerlich  ir- 
gendwo Zustimmung  finden  wird.  So  ist  es  gewiss  unwahr- 
scheinlich ,  wenn  der  verf.  behauptet  Euripides  habe  in  diesem 
drama  mit  "Aofoq  beide  städte,  Argos  und  Mykenä,  wegen  ihrer 
nähe  gleichsam  als  glieder  eines  leibes  bezeichnen  wollen.  Die 
scene  ist  sicher  in  Argos  und ,  wenn  manchmal  Mvvqvaloi  ne- 
ben '/ioydoi  vorkommt ,  so  ist  dies  eine  art  concession  an  den 
mythos.  —   Ganz  undenkbar  ist  die  construetion  v.  859  f.,   wo- 


232  142.  Euripides.  Nr.  5. 

nach  die  beiden  accusative  fjv  und  zh  /aHXov  von  qnßovfulrt]  abhän- 
gen sollen;  es  ist  vielmehr  zo  uiXlov  mit  cpoßovfjsvj]  und  fjv  mit  ?£e- 
rrjxn/irjv  ycoig  zu  verbinden.  Dass  xqe(6v  v.  938  richtig  ist,  klingt 
unglaublich.  Da  die  rede  des  angelos  mehrfach  interpoliert,  der 
vers  938  sehr  matt  und  überflüssig,  ausserdem  v.  941  durch  die 
Wiederholung  der  wendung  xov  tp&dmi  &rtjaxeov  zig  av  verdächtig 
ist,  so  vermuthe  ich,  dass  die  verse  938  und  941  zu  streichen 
sind  und  v.  942  zu  lauten  hat:  xtivrjg  (oder  zavztj<)  ys  z6X— 
[it]g  ov  anätig  yevtjoe.zai.  Vs.  990  entspricht  die  erklärung  von 
neXüye'Si  Sutblyobvai-  durch  „ad  mare  usque  curru  vectus  est"  weder 
dem  Wortlaute  noch  dem  zusammenhange,  man  muss  vielmehr 
jTulciytai  als  localen  dativ  „am  meere"  und  diadwpQeveiv  in  der 
bedeutung  ,, hindurchfahren,  den  weg  fahrend  zurücklegen"  fas- 
sen. Auch  lässt  ä(i(ia7e vaag  [v.  994)  die  deutung  nicht  zu, 
welche  der  verf.  den  versen  992  ff.  geben  will,  dass  Pelops 
am  festlande  gegenüber  von  Gerästos  den  Myrtilos  ins  meer 
gestürzt  habe,  abgesehen  davon,  dass  die  allerdings  wohl  nicht 
ursprüngliche  sage  die  that  nach  Gerästos  verlegte.  Die  (aovg- 
ncolog  umg  (v,  1004)  erklärt  sich  weder  durch  Verweisung  auf 
philosophische  doctrinen  noch  durch  die  bemerkung,  dass  Euri- 
pides hierbei  hauptsächlich  an  den  yaxsqiöyog  oder  ecsTiEQog  ge- 
dacht habe,  sondern  durch  die  notiz  des  scholiasten:  die  Eos 
reite  auf  dem  Pegasos  oder  fahre  mit  demselben,  wie  denn  der 
Pegasos  auch  dem  Zeus  zum  reitross  dient  oder  dessen  wagen 
zieht  (vgl.  die  von  Klotz  z.  d.  v.  angezogenen  stellen).  Vcs.  1007 
wird  mit  unrecht  die  erklärung  G.  Hermanns  gebilligt,  wonach 
das  subject  von  afxe/ßsi :  za  incovvfia  dtinva  Qviarov  und  za 
XsnTQa  Kyijaaag  sein  soll;  denn  woher  entnimmt  man,  dass 
unter  zuivds  Atreus  und  Thyestes  zu  verstehen  sind ,  und  wie 
verträgt  sich  damit  die  nennung  des  namens  Thyestes  im  fol- 
genden? Dagegen  aber  erklärt  sich  zävSs  leicht,  wenn  man 
es  auf  das  ganze  geschlecht  der  Pelopiden  bezieht,  wobei  man 
natürlich  mit  Matthiä,  dem  Dindorf  beistimmt,  als  subject  Ztvg 
ergänzen,  dtinva  aber  und  XtxzQu  als  object,  wie  Oaräiovg  fas- 
sen muss.  Uebrigens  findeu  sich  noch  in  dem  schriftchen  man- 
cherlei ganz  seltsame  grammatische  erklärungen,  so  von  ös  (v. 
874),  dem  nach  des  verf.  meinung  eigentlich  immer  ein  per 
vorhergehen  soll,  von  <ag  xaläg  (901),  das  mit  „quam  probe" 
wiedergegeben  wird,  von  ozsyavou*  (924),    wozu    man  folgende 


Nr.  5.  143.    Valerius  Flaccus.  233 

note  liest:  ,,non  GTscput  <är>ai ,  quia  agricola  censet  non  uno  Mo 
die,  sed  omnibus  deinceps  diebus  Orebtem  coronandum  esse"1 ;  cog 
(959)  soll  „exclamandi  vim"  haben,  TtoXvnoroig  aväyxaig  (1012) 
soll  eiu  dativus  commodi  sein  u.  dgl.  mehr.  Hie  und  da  wie- 
derholt auch  der  vf.  ansichten  von  Kirchhoff,  welche  dieser  in  der 
grösseren  ausgäbe  vorgebracht,  aber  schon  längst  aufgegeben 
hat,  z.  b.  v.  729,  wo  Kirchhoff  früher  nach  A  ttqo  äciTstog 
schrieb,  während  die  neuere  textausgabe  richtig  di  aareoag  bietet. 
"Was  über  v.  901  bemerkt  wird,  liest  man  schon  in  der  neuen 
ausgäbe  der  Poetae  scenici  graeci  von  Dindorf,  welche  der  verf. 
besser  hätte  benutzen  sollen.  Das  schriftchen  ist  sehr  nach- 
lässig gedruckt  und  daher  durch  viele  fehler  entstellt;  einige 
davon,  wie  p.  22  VlO rjryoiv  ,  p.  23  davaXSäv  (statt  /Javaidär), 
p.  64  tu  navvatata  ö'  (für  8')  mögen  wohl  dem  verf.  zur  last 
fallen. 

Karl  Schenkt. 

143.  De  Valerii  Flacci  in  adhibendis  comparationibus  usu. 
Von  Oberlehrer  Dr  Bussenius.  Gymnasialprogr.  4.  Lü- 
beck. 1872. 

Indem  der  verf.  seinen  stoff  im  steten  hinblicke  auf  die 
anderen  epiker  von  Homer  an  behandelt,  gibt  er  eine  willkom- 
mene Übersicht  über  die  Verwendung  der  gleichnisse  in  der 
epischen  poesie  überhaupt  Avie  bei  den  einzelnen  dichtem  und 
stellt  eben  durch  diese  vergleichung  die  kunst  des  Valerius  in 
das  rechte  licht.  Nach  der  vorliegenden  berechnung  hat  Vale- 
rius in  5600  versen  111  gleichnisse  angewendet,  zeigt  also  in 
dieser  beziehung  einen  grösseren  reichthum  als  Vergil,  bei  wel- 
chem auf  9896  verse  nur  105  vergleichungen  kommen.  Frei- 
lich ganz  genau  ist  die  rechnung  des  verf.  nicht,  da  er  einiges 
derartige  übersehen  hat,  z.  b.  II,  453  (wo  mit  Schott  ceu  für 
cum  zu  schreiben  ist),  461  (wo  man  ebenfalls  cum  in  ceu  ändern 
muss  ,  vgl.  meine  "Studien  zu  Val.  Flacc.  p.14),  IV,  531,  564 
und  dgl.  Es  sind  daher  auch  die  folgenden  zahlen  vielfach 
nur  als  vorläufige  zu  nehmen.  Die  gleichnisse  des  Valerius 
sind  gewöhnlich  kurz  gefasst,  entsprechend  der  übrigen  diction, 
wegen  welcher  man  nicht  unpassend  den  Valerius  als  den  Ta- 
citus  unter  den  dichtem  bezeichnet  bat;  nur  15  überschreiten 
den  umfang    von    vier    versen ,    während    sich    bei  Vergil  unter 


234  143.  Valerius  Flaccus.  Nr.  5. 

105  vergleichungen  42  länger  ausgeführte  finden.  Häufungen 
von  gleichnissen  kommen  bei  Valerius  dreizehnmal  (eigentlich 
zwölfmal,  denn  VI,  334  gehört  ja  nicht  hieher  und  auch  355, 
was  etwa  gemeint  sein  könnte,  lässt  sich  nicht  so  fassen)  vor, 
also  gerade  so  oft  wie  bei  Vergil ,  der  bei  freilich  grösserem 
umfange  zwölf  solcher  vergleichungen  gebraucht.  Bemerkens- 
werth  ist,  dass  Valerius  mit  sehr  richtigem  tacte  die  meisten 
gleichnisse  für  die  hauptfiguren  seines  gedichtes  verwendet,  wo- 
nach für  Iason  22,  für  Medea  17  entfallen. 

In  dem  zweiten  abschnitte  spricht  der  verf.  über  die  quel- 
len, aus  denen  die  vergleichungen  geschöpft  sind,  und  unter- 
scheidet drei:  mythen,  natur,  das  menschliche  leben  mit  seinen 
beschäftigungen,  wie  kunst,  Jagd,  schifffahrt  u.  dgl.  Während 
nun  Vergil  nur  vierzehnmal  seine  gleichnisse  aus  der  mythologie 
geschöpft  hat,  hat  dies  Valerius  43mal  gethan  und  zeigt  sich 
so  als  einen  gelehrten  dichter.  Die  natur  hat  ihm  etwa  50mal 
den  stoff  dazu  dargeboten,  wobei  er  allerdings  wie  Vergil  den 
Homer  nachgeahmt  hat ,  aber  viel  seltener  und  zum  theil 
mit  grösserer  Selbständigkeit,  Der  verf.  giebt  hierüber  p.  9 
eine  art  tabelle,  die  aber  nicht  immer  genau  ist.  So  erinnert 
z.  b.  Arg.  VII,  581  ff.  weit  mehr  an  Aen.  XI,  624  ff.  als  an  Aen. 

VII,  528  ff.;  Aen.X,  272  ff.  stimmt  mehr  mit  Arg.  V,  368  ff.,. als  mit 
Arg.  VI,  607  f.  Welche  ähnlichkeit  besteht  übrigens  zwischen 
Arg.  HI,  581  ff.  und  II.  XU,  299  ff.,  Aen.  IX,  339  ff.?  Viel- 
leicht ist  v.  587  ff.  gemeint,  obwohl  die  drei  stellen  nichts  als 
dasselbe  bild  des  löwen  gemein  haben,  sonst  aber  ganz  ver- 
schieden sind;  die  vergilische  stelle  hat  Valerius  VI,  613  f. 
vor  äugen  gehabt.  Eben  so  wenig  kann  ich  eine  besondere 
ähnlichkeit  zwischen   II.  XXII,   139  ff.,  Aen.  XI,   721  ff.,  Argon. 

VIII,  32  ff.  herausfinden;  allerdings  kommt  an  allen  drei  stel- 
len das  bild  der  vom  habicht  verfolgten  taube  vor ,  aber  die 
Situation  ist  überall  eine  wesentlich  andere.  Aus  dem  kreise 
des  menschlichen  lebens  hat  Valerius  22  vergleichungen,  Ver- 
gil 16  entnommen.  Ganz  neue  bilder  bietet  unser  dichter  frei- 
lich bloss  zwei,  das  des  eisvogels  IV,  45  flg.,  und  des  bürger- 
krieges  VI,  402  ff. ,  aber  auch  Vergil  hat  in  dieser  hinsieht 
nicht  viel  mehr  aufzuweisen.  Sehr  bezeichnend  für  das  grössere 
talent  das  Valerius  im  vergleiche  mit  seinem  vorbilde  Apollonios 
ist  es,  dass  er,    wie   er  überhaupt    die    gemüthszustände   seiner 


Nr.  5.  143.  Valerius  Flaccus.  235 

helden  weit  mehr  und  viel  lebendiger  darstellt  als  sein  Vorgän- 
ger und  besonders  in  seiner  Medea  eine  wahrhaft  grossartige 
figur  geschaffen  hat,  so  auch  gerade  zur  Schilderung  dieser  see- 
lenzustände  dreimal  so  viel  gleichnisse  verwendet  als  Apollonios. 
Der  dritte  abschnitt  handelt  von  der  grammatischen  form 
der  comparationes ,  d.  i.  einerseits  über  den  gebrauch  der  tem- 
pora  und  modi  in  denselben,  andererseits  über  die  Verwendung 
von  pronomina,  adverbien ,  conjunctionen  bei  der  Verknüpfung 
des  vergleichungssatzes  mit  dem  hauptsatze.  Diese  darstellung 
lässt  wohl  manches  zu  wünschen  übrig.  Der  verf.  hat  nämlich 
die  ausgäbe  von  Thilo  zu  gründe  gelegt,  welcher  bekanntlich 
streng  an  der  Überlieferung  festhält,  und  nach  dessen  texte  man- 
che gebrauchsweisen  von  einzelnen  partikeln  oder  Verbindungen 
derselben  angenommen,  welche  dem  gesammten  sprachgebrauche, 
zum  theil  auch  dem  zusammenhange  oder  sinne  widersprechen. 
Man  muss  hiebei  noch  bedenken,  dass  der  Vaticanus,  die  ein- 
zige quelle  des  textes  (denn  von  Codices  hier  zu  sprechen  ist 
ganz  verkehrt),  gerade  in  diesen  kleinen  wörtchen  alle  die  feh- 
ler und  Verwechslungen  zeigt,  wie  sie  gewöhnlich  bei  nachlässi- 
gen Schreibern  vorkommen  (vgl.  meine  Studien  p.  75  ff.).  So 
gibt  z.  b.  der  verf.  an,  dass  I,  489  f.  der  vergleichungssatz 
durch  „haud  aliter  cum"  eingeleitet  werde.  Wo  findet  sich  aber 
in  der  ganzen  latinität  eine  ähnliche  construction?  Die  auslas- 
sung  von  ac,  mit  welcher  man  sich  etwa  helfen  könnte,  ist 
eine  blosse  annähme,  welche  durch  nichts  bestätigt  wird.  Der 
verf.  scheint  zwar  eine  solche  erklärung  für  möglich  zu  halten; 
denn  er  sagt  später  (p.  19):  Iam  Lucanus  uno  quod  apud  cum 
exstat  exemplo  „aca  omisit  neque  aliter  Valerius ,  apud  quem  in- 
veniuntur  „non  secus  quam'1  et  sie  ubi  —  haud  secus.  Aber 
bei  Lucanus  1 ,  303  lesen  wir  ja  die  Verbindung  non  secus  .  .  . 
quam  si ,  in  welcher  doch  von  einer  auslassung  des  ac  keine 
rede  sein  kann.  Unserer  stelle  hingegen  ist  nur  zu  helfen 
wenn  man  schreibt:  abseidit  haut  aliter,  saltus  ...  venator  ceu  lu 
stra  fugit".  Eben  so  wenig  zulässig  ist  „sie  ubi  ....  sie"  IV,  507 
was  der  verf.  ruhig  hinnimmt ,  obwohl  schon  Thilo  (Prolegg 
p.  XXXV)  es  für  unmöglich  erklärt  hat.  Ich  habe  sicut  .. 
urbes ,  turbine  sie  und  in  der  ganz  gleichen  stelle  IV,  661  si- 
cut  ....  artus ,  haud  secus  geschrieben  (vgl.  meine  Studien  p. 
78).      Manche  stelle  hat  der  verf.  auch  etwas    oberflächlich  an- 


236  144.  Horatius.  Nr.  5. 

gesehen,  z.  b.  I,  704,  wo  nach  seiner  angäbe  haut  secus  cum 
den  vergleichungssatz  einführt ,  während  doch  haut  secus  mit 
infremuit,  hingegen  cum  mit  prosiluit  verbunden  werden  muss. 
Den  beschluss  machen  Animadversiones  criticae,  in  welchen  vier 
stellen,  nämlich  III,  737  ff.,  IV,  714ff,  VI,  256  ff.,  VII,  560ff.,  aber 
ohne  erfolg  behandelt  sind.  Merkwürdig  ist  hiebei,  dass  der  vf., 
welcher  sich  gescheut  hat,  eine  kleine  partikel  zu  ändern,  bei  diesen 
stellen  zum  theil  sehr  kühn  und  willkürlich  vorgeht.  So  will 
er  III,  738  f.  sedet  inde  viis  inclusaque  longo  pervigilant  castella 
rnetu  in  sedet  indignans  incensaque  longo  pervigil  ante  cubile  metu 
verändern,  während  doch  die  Überlieferung  ganz  heil  ist.  Und 
wie  matt  wäre  dies  indignans,  wie  verkehrt  das  incensa  longo 
metu"}  da  doch  die  löwenmutter  nach  verlast  ihrer  jungen  nichts 
mehr  zu  fürchten  hat.  Die  conjectur  zu  IV,  715  f.  litora,  neo 
tantas  oris  Tyrrhenus  et  Aegon  volvat  aquas,  geminis  et  desint 
Syrtibus  undae  ist  mir  unverständlich.  Wenn  der  verf.  meine 
vermuthung  tenues  für  tantas  anführt ,  so  hätte  er  doch  auch 
erwähnen  müssen ,  dass  ich  et  desint  in  vel  desint  umgeän- 
dert habe.  Auch  mit  dem  Vorschlag  dies  für  axis  VII,  560 
ist  nichts  geholfen ;  denn  axis  ist,  wenn  man  es  richtig  erklärt, 
durchaus  nicht  sinnlos  (vgl.  meine  Studien  p.  84). 

Karl  Schenlcl. 

144.  De  interpolationibus  in  carminibus  Horatii  certa  ra- 
tione  diiudicandis  scripsit  S.  Heyne  mann  phil.  dr.  8.  Bon- 
nae  apud  Adolphum  Marcum.   1871.     IV  und  72  s. 

Eine  tüchtige  arbeit  und  unter  den  neueren  Horatianis 
eine  höchst  erfreuliche  erscheinung.  S.  Heynemann,  ein  Schü- 
ler Haupts ,  wie  man  auch  ohne  das  ausdrückliche  zeugniss  p. 
17  erkennen  würde,  steht  auf  dem  durch  Lachmann,  Meineke, 
Haupt  und  Lucian  Müller  repräsentirten  Standpunkt  und  hat 
dabei  den  nicht  zu  unterschätzenden  vorzug  der  Selbständigkeit 
des  urtheils.  Die  schrift  zerfällt  in  drei  abschnitte:  einleitung, 
p.  13,  Übersicht  der  geschichte  der  horatianischen  textkritik 
von  Guiet  bis  L.  Müller,  p.  8  und  kritische  metbode  —  sit  ve- 
nia verbo  • —  Peerlkamps,  p.  13.  Sodann  folgt  die  eigentliche 
abhandlung,  deren  erster  theil  nach  dem  grundsatz  Non  pugnan' 
tia  secum  poeta  loquitur  eine  reihe  von  stellen  aus  den  öden 
(auf   diese   beschränkt   sich    die  schrift)  als  interpolirt    verwirft, 


Nr.  5.  145.  Phaedrus.  237 

die  mit  ausnähme  von  II,  20,  17—20,  III,  30,  10—12  (Peerl- 
kamp  allein  verdächtigte  bisher  v.  1 1  und  12)  und  der  be- 
sonders ausführlich  und  scharfsinnig  behandelten  IV,  8  sämmt- 
lich  bereits  in  den  texten  von  Meineke,  Haupt  nnd  L.  Müller 
als  unecht  bezeichnet  sind.  Giebt  der  vf.  somit  auch  nur  an  den 
letztgenannten  stellen  neues,  so  erwuchs  ihm  doch  die  fähigkeit 
dazu  wesentlich  aus  dem  eingehenden  Studium  seiner  Vorgänger, 
deren  methode  in  ihren  resul taten  nachgewiesen  und  weiter 
verfolgt  zu  haben  ein  entschiedenes  verdienst  ist.  Nicht  zu 
billigen  dagegen  ist  die  hier  und  da  auftretende  herbigkeit  des 
urtheils  ;  behauptungen  wie:  Orellium  —  cuius  totus  commentarius 
minoris  pretii  est  quam  ipsi  errores  Peerlkampii,  sind  weder  neu 
noch  wahr.  Dass  die  literatur  in  weiterem  umfange  benutzt 
ist,  als  die  citate  erweisen ,  bedarf  keiner  entschuldigung  j  in 
zwei  significanten  fällen  muss  indess  die  nichterwähnung  Kel- 
lers und  A.  Kiesslings  auffallen.  Der  zweite  theil  behandelt  die 
fragen  über  die  entstehungszeit  und  die  characteristischen  merk- 
male  der  Interpolationen,  und  endigt  mit  dem  kritischen  canon 
p.  70:  Nego  ullum  locum  probabiliter  suspectari  nisi  talem,  qui 
licet  non  posse  a  poeta  scriptus  esse  non  demonstretur,  tarnen  et  ha- 
beat  quiddam,  in  quo  gravüer  offendas,  et  ad  genus  illud  quod  de- 
lineavi  amplificationum  variationum  interpretationum  pertineat  et  ita 
segregari  possit,  ut  neque  lacunosum  carmen  relinquatur  neque  opus 
fiat  transpositionibus.  Eine  Zusammenstellung  der  loci  de  interpo- 
latione  suspecti  bildet  den  schluss.  Dem  verf.  steht  eine  klare 
und  anschauliche  darstellung  zu  geböte,  deren  reiz  durch  ein 
fliessendes  latein  erhöht  wird.  Die  ausstattung  der  schritt,  die 
durch  marginalcompendien  an  Übersichtlichkeit  gewinnt,  macht 
der  verlagshaudlung  ehre. 

Th.  Fritzsche. 

145.  Komulus,  die  paraphrasen  des  Phädrus  und  die  äsopi- 
sche fabel  im  mittelalter.  Von  Hermann  Oesterley.  Ber- 
lin, Weidmannsche  buchhandlung,  1870.  1 — XXXVII  und  38— 
124  s. 

„Die  vorliegende  arbeit  hat  einen  doppelten  zweck:  erstens 
einen  philologischen,  die  möglichste  nutzbarmachung  der  älte- 
sten prosaauflösungeu  des  Phädrus  für  die  textkritik  der  phä- 
drianischen    fabeln;    zweitens    einen    literärgeschichtlichen ,    die 


238  145.  Phaedrus.  ffr.  5. 

darlegung  der  historischen  gestaltung  und  entfaltung  sowohl  des 
Romulus    selbst,     des    einflussreichsten    unter    den  paraphrasten 
des  Phädrus,  als  auch   der  späteren  ausflüsse  und  erweiterungen 
des   Romulus,  eine  darlegung    also   von    der  geschichtlichen   eut- 
wicklung  der  sogenannten  äsopischen    fabel  im  mittelalter''.     Mit 
diesen  worten  beginnt  die  einleitung  des  oben  genannten  Werkes. 
Der  zweite    der  hier  angegebenen   gesichtspunkte  hat  ein  mehr 
allgemeines,   literarhistorisches  interesse ;   es  sei  uns   desshalb  ge- 
stattet, ohne  der  Wichtigkeit   des  buches  in   dieser  beziehung  zu 
nahe  treten   zu   wollen,  uns  auf  ein  paar  bemerkungen  rein  phi- 
lologischen  inhaltes  zu  beschränken.      Der  text   der  sogenannten 
paraphrasen    des  Romulus     war    bis   jetzt    im    wesentlichen    nur 
nach  jüngeren  Handschriften   und  einer  im  1 7.  Jahrhundert  durch 
Guden    gemachten    und   jetzt    in   Wolfenbüttel  befindlichen  ab- 
schritt des   verschollenen   Divionensis    bekannt,     welcher    angeb- 
lichs  aus   dem  .12.  Jahrhundert  stammte.      Oesterley  hat  nun  im 
britischen    museum    einen    codex  Burneianus    des   Romulus    aus 
dem   10.  Jahrhundert  gefunden,  welchen  er  in   der  weise  seinem 
text  zu  gründe  legt,    dass    er  ihn  bis  auf  einiges  in  den  noten 
bemerkte  buchstäblich  genau  abdruckt.     Der  Divionensis  stimmt 
mit  diesem  text  in  allem  wesentlichen,   überdies  in  vielen  schreib- 
und  lesefehlern  genau  überein.     Die  dritte  quelle  des  textes  ist 
eine  handschrift  aus  Weissenburg,   jetzt  in  Wolfenbüttel  als  co- 
dex Gudianus,    aus    der    bereits    einiges    mitgetheilt    wurde  von 
L.   T  r  o  s  s    ad  Iulium  Fleutelot  de  codice    Weissenburgensi  epistola. 
Hamm,   1844.       Sie    euthält    einen   sich    enger    an    Phädrus    an- 
schliessenden   text,    welcher    nach   Oesterley  gradezu    auf    eine 
allerdings    defekte    und    interpolirte  Phädrushandschrift    als   mit- 
telbare quelle  zurückzuführen  ist;    sie     hat    jedoch    später    noch 
durch  correkturen  und  rasuren  grosse  änderungen   erfahren.     Tu 
einer  appendix  haben   bei   Oesterley  die  zahlreichen   fabeln   platz 
gefunden,    welche  in   dem  Burneianus   und   Divionensis  nicht  er- 
halten sind   und    fast    alle    sich    nur    in   jüngeren    haudschriften 
finden. 

Der  gewinn  für  die  texteskritik  der  im  codex  Remensis, 
Pithoeanus  und  bei  Perotti  erhaltenen  fabeln  des  Phädrus  ist 
uunseres  erachteus  ausserordentlich  dürftig;  Oesterley  legt  in 
dieser  beziehung  den  paraphrasen  viel  zu  grosse  Wichtigkeit 
bei.      In    vereinzelten    iällen    finden    wir  freilich   eine   fast  wört- 


Nr.  5.  145.    Pbaedrus.  239 

liehe  Wiederholung,  z.  b.  Phaedr.  5,  9  M.  app.  2  Oesterl. ;  da- 
gegen auch  so  freie  paraphrasen  selbst  in  dem  von  Oesterley 
besonders  hervorgehobenen  Wisseburgensis,  dass  der  unverdorben 
überlieferte  text  des  Phädrus  einen  ganz  anderen  sinn  gibt,  z. 
b.  Phaed.  1,  21  vergleiche  man  die  drei  letzten  verse :  at  ille 
expirans  :  fort  es  indigne  tuli  mihi  insultare:  te,  naturae  dedecus, 
quod  ferre  cogor ,  certe  Ms  videor  mori,  mit  nachstehender  para- 
phrase  bei  Oesterl.  1,  15:  Et  ille  cum  gemitu  suspirans  sie  di- 
xisse  fertur:  cum  esset  virtus  mea,  fuit  honos  fuit  timor,  ut  omnes 
viso  me  fugerent  et  opinio  ipsa  terreret  plures,  Quos  cum  benevo- 
lus  non  laesi,  quibus  et  auxiliator  fui,  ipsi  malignantur  mihi  et  quia 
sum  sine  viribus,  nullus  est  honor  pristinus.  Da  sich  die  para- 
phrasen in  diesem  weiten  rahmen  bewegen,  befinden  wir 
uns,  offenbar ,  wenn  wir  dieselben  bei  emendationen  des  Phä- 
drus zu  gründe  legen  wollen  ,  auf  einem  äusserst  schlüpfrigen 
boden  und  es  ist  gar  nichts  damit  gewonnen,  dass  wir  in  ein- 
zelnen wortconstellationen  des  stark  abweichenden  textes  der 
paraphrasen  sehr  leicht  anklänge  an  iambische  verse  herausfin- 
den können.  So  bringt  Tross  a.  a.  o.  p.  13  in  der  sehr  freien 
paraphrase  von  Phädr.  1,  13  (2,  12  Oesterl.)  mit  leichter  Um- 
stellung folgenden  vers  zu  stände :  sie  et  deripiunt  vestrae  me 
fallaciae.  Die  fabel  ist  jedoch  bei  Phädrus  in  sich  durchaus 
teres  atque  rotunda  und  es  würde  eine  ganz  fehlerhafte  kritik 
sein,  durch  gewaltige  interpolationen  und  zum  theil  selbstge- 
machte verse  eine  Übereinstimmung  zwischen  dem  paraphrasten 
und  dem  dichter  herbeiführen  zu  wollen.  Wichtiger  sind  un- 
streitig die  paraphrasen  der  verlorenen  fabeln.  Wir  lernen  auf 
diese  weise  wenigstens  den  in  halt  vieler  kennen.  Was  jedoch 
die  form  derselben  betrifft,  so  ist  im  wesentlichen  richtig  das 
urtheil  von  L.  Müller  in  seiner  vorrede  zu  Phädrus  p.  vn: 
-operam  vanam  (die  Wiederherstellung  der  bezeichneten  fabeln) 
nee  aut  Phaedro  aut  ipsius  studiosis  profuturam  cito  damnavit  ani- 
mus.  Nur  für  ganz  vereinzelte  fälle  kann  diese  behauptung 
nicht  gelten,  z.  b.  bei  app.  1  Oesterley,  wo  der  text  der  para- 
phrase sich  von  der  ursprünglichen  poetischen  form  nicht  ent- 
fernt, einzelne  änderungen  ausgenommen ,  die  jedoch  den  um- 
fang gewöhnlicher  corruptelen  nicht  überschreiten.  Fassen  wir 
das  gesagte  zusammen,  so  ergiebt  sich,  dass  von  einer  verwer- 
thung  der  paraphrasen    für    die    kritik    des    Phädrus    kaum    die 


240  146.    Sallustius.  Nr.  5. 

rede  sein  kann,  dass  ferner  Oesterley  auf  einem  ganz  verkehr- 
ten  Standpunkt  sich  befindet,  wenn  er  p.  xv  sagt:  „bei  einer 
demnächst  etwa  vorzunehmenden  ausnutzung  des  damit  nutzbar 
gemachten  wird  als  gruudsatz  festgehalten  werden  können,  dass 
im  grossen  und  ganzen  der  Wisseburgensis  dem  Burneianus  und 
Divionensis  als  controle  dient,  also  alles  ihnen  gemeinschaftli- 
che als  unzweifelhaft  dem  Phädrus  angehörend  betrach- 
tet werden  muss".  Die  Pbädrushandschriften  selbst  müssen  also 
gegen  die  paraphrasen  überhaupt   zurücktreten! 

146.  Bemerkungen  über  die  einleitungen  zu  Sallust's  bel- 
lum Catilinarium  et  Jugurthinum  von  Rud.  Kuhn.  Beilage 
zum  programm  des  grossherzoglichen  gymnasiums  zu  Tauber- 
bischofsheim  1868.     8. 

Obschon  etwas  älteren  datums  verdient  doch  diese  ziem- 
lich gut  geschriebene  abhandlung,  dass  die  betrachtung  auf  sie 
gelenkt  werde;  denn  sie  betrifft  eines  der  schwierigsten  pro- 
bleme  für  die  interpretation  des  Sallustius.  Ausgehend  von  dem 
alten  und  noch  immer  nicht  ganz  gelösten  widerstreite  der  mei- 
nungen  über  den  persönlichen  und  schriftstellerischen  Charakter 
des  autors  glaubt  der  vf.  in  dem  nachweise  des  Zusammenhan- 
ges der  proömien  mit  den  werken  und  der  person  des  Sallu- 
stius einen  beitrag  ,,zur  richtigeren  und  für  den  Schriftsteller 
günstigeren  beurtheilung  liefern  zu  können".  Aber  die  ausfüh- 
rung  dieses  Vorwurfes  entbehrt  der  durchdringenden  schärfe  kri- 
tischer beobachtung  und  lässt  bei  aller  ausfiihrlichkeit  in  der 
paraphrase  des  einzelnen  doch  gerade  den  gesuchten  nachweis 
des  geistigen  bandes  vermissen.  Der  in  beiden  proömien  do- 
minirende  grundgedanke,  den  Sallustius  seinem  materiell  gesinn- 
ten Zeitalter  wiederholt  einschärft,  lässt  sich  in  die  worte  fas- 
sen: der  geist  ist  es,  der  lebendig  macht.  Diese  in  der  erzäh- 
lung  beider  monographieen  mehr  negativ  angedeutete  philoso- 
phische gruudanschauung  des  autors  ist  in  den  einleitungen  po- 
sitiv mit  beziehung  sowohl  auf  das  dasein  des  einzelnen  als  auf 
die  grossen  Verhältnisse  des  Staatslebens  durchgeführt  und  nach 
einem  rhetorisch  nicht  tadellosen  Übergänge  mit  der  darlegung 
des  individuellen  Standpunktes  des  autors  abgeschlossen.  Die- 
ser schluss  dient  in  doppelter  weise  einer  apologetischen  ten- 
denz,  indem  Sallustius  eine  historische  rechtfertigung  dafür  giebt, 


Nr.  5.  146.  Sallustius.  241 

dass  und  wie  er  geschiente  zu  schreiben  unternommen  hat.  So 
weit  reicht  die  geschichte  beider  proömien ;  ist  sie  von  dem 
vf.  nicht  deutlich  genug  markirt ,  so  ist  die  für  die  vorliegende 
aufgäbe  noch  wichtigere  Verschiedenheit  derselben  nicht  einmal 
angedeutet.  Versuchen  wir  es  ,  sie  in  kürze  zu  charakterisiren. 
Die  behandlung  erscheint  im  proöraium  zum  Catilina  objeetiver 
in  den  gedanken,  ruhiger  im  ausdruck  ,  während  die  einleitung 
zum  Jugurtha  subjeetiver  gehalten  ist  und  einen  gereizteren 
ton  annimmt.  Die  polemik  bricht  hier  offen  durch :  wie  in  den 
anfangs  Worten  1,  1  falso  queritur  genus  humanuni,  so  in  der  per- 
sönlichen Wendung  1,  4  suam  quisque  eulpam  auetores  ad  negotia 
transferunt,  und  insbesondere  in  dem  bitteren  satze  4,  3  atque 
ego  credo  fore  qui,  quia  decrevi  proeul  a  re  publica  aetatem  agere, 
tanto  tamque  utili  labori  meo  nomen  inertiae  inponant,  certe  quibus 
muxuma  industria  videtur  salutare  plebem  et  conviviis  gratiam  quae- 
rere.  Man  wird  nicht  irre  gehen,  wenn  man,  obgleich  diese 
worte  sich  nur  auf  die  möglichkeit  eines  missverstandnisses 
von  seite  andersdenkender  beziehen,  zwischen  den  Zeilen  einen 
hinweis  auf  eine  bereits  wirklich  eingetretene  verkennung 
der  bestrebungen  des  Sallustius  herausliest.  Und  hierin  liegt 
der  Schlüssel  zur  auflösung  der  frage,  warum  Sallustius  bei  sei- 
nem ersten  auftreten  als  historiker  und  schriftsteiler  ein  raisonni- 
rendes  hors  d'oeuvre  als  einleitung  für  nothwendig  halten  konnte, 
warum  er  bei  seiner  zweiten  historischen  arbeit  die  im  ersten 
werke  bereits  dargelegten  grundgedanken  wiederholen  mochte, 
endlich  warum  er  unwillkürlich  dazu  kam,  dieselben  hier  mehr 
zuzuspitzen  und  zu  verschärfen.  Man  vergleiche  zum  beweise  für 
den  letzteren  punkt  nur  die  gegenüberstellung  der  staatsmännischen 
und  schriftstellerischen  thätigkeit  im  Catilina  und  die  im  Jugurtha : 
Cat.  3,  1  pulchrum  est  bene  facere  rei  publicae:  Jug.  3,  1  magi- 
stratus  et  imperia,  postremo  omnis  cura  verum  publicarum  minume 
mihi  hac  tempestate  cupiunda  videntur ;  Cat.  3,  1  bene 
dicere  haud  ab  sur  dum  est:  Jug.  4,  1  magno  usui  est  me- 
moria rerum  gestarum.  Dass  mit  solchen  theoretischen  erörte- 
rungen  in  einer  historischen  monographie  das  künstlerische 
mass  überschritten  wird ,  hat  Sallustius  selbst  erkannt  und  in 
einer  für  den  rhetorischen  techniker  nicht  befriedigenden ,  dem 
fühlenden  menschen  aber  vollauf  genügenden  weise  mit  den 
Philol.  Anz.  IV.  16 


242  147.  Sallustitts;  Nr.  5. 

vielsagenden  Schlussworten  Jug.  4,  9  entschuldigt:  verum  ego 
liberius  altiusque  processi ,  dum  me  civitatis  morum  piget  taedetque. 
_ 

147.  Sallust's  bedeutung  in  der  römischen  literatur  vom 
prof.  Karl  Stejskal.  Programm  des  k.  k.  deutschen  gym- 
nasiums  in  Olmütz.  1870.     8. 

Der  verf.  scheint  den  sinn  seines  dankbaren  themas  nicht 
verstanden  zu  haben.  Denn  nach  einer  sehr  allgemeinen  be- 
merkung  über  die  vielen  Sallustausgaben  wirft  er  die  frage  auf: 
„worin  liegt  der  grund  der  so  vielseitigen  und  zahlreichen  (!)  be- 
schäftigung  gerade  mit  diesem  geschichtschreiber?  Woher  diese 
seine  bedeutung  in  der  römischen  literatur?"  —  Als  ob  die 
beschäftigung  der  um  viele  Jahrhunderte  später  lebenden  mit 
einem  autor  und  die  bedeutung  desselben  für  seine  literatur 
identisch  wären!  ,,Die  Ursachen  dieser  erscheinung  dürften  in 
etwa  folgenden  gründen  (!)  zu  suchen  sein:  1.  ist  Sallust  ein 
geistreicher,  ebenso  anziehender  als  anregender  und  belehrender 
Schriftsteller,  .  .  .  den,  wie  der  vortreffliche  schuhuann  K.  F. 
v.  Nägelsbach  in  seiner  Gymnasialpädagogik  schreibt  (richtiger: 
zu  sagen  pflegte),  jeder  philologe  wenigstens  einmal  im  jähre 
lesen  sollte."  —  Also  weil  ein  schulmanu  vor  zwanzig  jähren 
gerathen  hat,  fleissig  Sallust  zu  lesen,  darum  —  es  ist  wenig- 
stens ein  grund  —  darum  sind  seit  vierhundert  jähren  so  viele 
ausgaben  erschienen  und  darum  ist  Sallust  so  bedeutend  in  der 
römischen  literatur  gewesen!  ,,2.  Die  unsicheren  nachrichten 
über  die  Verfasser  seiner  biographie(I),  die  Schreibart  seines  na- 
mens Salustius  und  Sallustius  (!) ,  sein  name  und  beiname  und 
die  umgekehrte  folge  derselben  in  Überschriften  (!) " —  So  geht 
es  fort :  im  ganzen  sind  es  fünf  gründe,  die  der  verf.  vorbringt. 
Hierauf  wird  die  berechtigung  der  ,, günstigen  und  ungünstigen 
urtheile  über  Sallust"  in  sechs  abschnitten  mit  derselben  logik 
und  der  gleichen  Unterscheidung  des  wichtigen  und  unwichtigen, 
wie  sie  aus  den  gegebenen  proben  erhellt,  untersucht.  Aeusse- 
rungen,  wie  die  p.  7,  dass  zu  Sallust's  zeit  „in  Kom,  wie  von 
jeher,  noch  immer  vorzugsweise  die  geschichte  und  bered- 
samkeit  .  .  .  gepflegt  wurden",  deuten  auf  eine  originelle  an- 
sieht von  der  entwicklung  der  römischen  literatur ,  deren  an- 
fange sonst  wohl  später  angesetzt  werdeu.  Leider  lässt  sich 
aber  an  der  auf  Sallust  selbst  bezüglichen  darstellung   originali- 


Nr.  5.  148.  Livius.  243 

tat  nicht  rühmen;  vielmehr  werden  die  vom  verf.  benutzten 
arbeiten  über  Sallust  bis  auf  stilistische  Wendungen  ausgebeutet 
Dagegen  sind  die  endlos  sich  fortwindenden  sätze,  ferner  phra- 
sen  wie  die  p.  18  von  der  „völligen  Vertrautheit  des  Sallust 
und  Thucydides"  eigenthum  des  verfs.  Auch  die  Verwechse- 
lung von  Karl  Friedrich  und  Gottfried  Hermann  p.  5  scheint 
nicht  entlehnt  zu  sein. 

148.  Die  hauptpunkte  der  livianischen  syntax.  Für  das 
bedürfniss  der  schule  entworfen  von  Ludwig  Kühn ast.  Zweite 
mit  einem  überblick  über  die  lateinische  formenlehre  und  mit 
Sammlungen  zur  livianischen  Stilistik  uud  glottographie  ver- 
mehrte bearbeitung.  Zweite  hälfte,  Berlin,  W.  Weber.  1872. 
p.   193—402.     8.  —     1  thlr. 

Jetzt  erst,  nachdem  das  werk  von  Kühnast  abgeschlossen 
vorliegt,  lässt  sich  die  volle  bedeutung  desselben  ermessen. 
Das  lob,  welches  seiner  zeit  in  dieser  Zeitschrift  (bd.  III,  1871, 
2,  p.  84 — 90)  aus  vollster  Überzeugung  der  ersten  hälfte  ge- 
spendet worden,  verdient  in  gleichem,  in  gewisser  beziehung 
noch  in  höherem  grade  die  zweite.  Beide  theile  enthalten  die 
reichsten,  sorgfältigsten  Sammlungen  und  sind  eine  wahre  fund- 
grube  für  lexicographie  und  grammatik,  aber  der  zweite  bietet 
dem  in  der  literatur  des  Livius  bewanderten  noch  viel  mehr 
neues  als  der  erste.  Ich  meine  damit  hauptsächlich  die  an- 
hänge, von  denen  der  erste  von  p.  273—331  die  liviani- 
sche  Stilistik  (pleonasmus ,  ellipse,  brachylogie,  asyndeton 
und  polysyndeton,  die  construction  anh  xouov,  zeugma,  hendia- 
dys,  enallage,  die  metapher  ,  die  specifisch  rhetorischen  figuren, 
Wortstellung  und  periodenbau),  der  zweite  von  p.  331  bis  zum 
schluss  die  dem  Livius  eigenthümlichen  oder  von  ihm  zuerst 
oder  mit  besonderer  Vorliebe  angewendeten  Wörter  und  con- 
structionen,  nach  Wortklassen  geordnet,  aufführt.  Der  aus- 
drücklichen erklärung  des  Verfassers  (p.  273  anm.),  dass  diese 
beiden  anhänge  in  noch  geringerm  masse  als  die  voraufgehende 
syntax  anspruch  auf  Vollständigkeit  erheben  könnten  ,  hätte  es 
gar  nicht  bedurft.  Noch  besitzen  wir  für  keinen  lateinischen 
Schriftsteller  vollständige  stilistische  Sammlungen  —  auch  Drä- 
ger' s  syntax  des  Tacitus  wird  diese  prätension  nicht  erheben, 
—  :  wie  wäre  es  auch  möglich  eine  nur  annähernd  vollständige 

16* 


244  148.  Livius.  Nr.  5. 

Zusammenstellung  der  stilistischen  eigenthümlichkeiten  gerade 
des  Livius  zu  geben  ?  Ebenso  wenig  liegen  für  eine  arbeit, 
die  es  sich  zur  aufgäbe  gestellt  die  lexikalischen  eigenthümlich- 
keiten des  Livius  zu  behandeln,  zur  zeit  noch  die  nöthigen 
vorarbeiten  vor  weder  für  Livius  selbst  noch  für  die  Schriftstel- 
ler, mit  denen  es  gilt  ihn  zu  vergleichen. 

Aber  es  ist  ja  auch  zu  vielen  zwecken  Vollständigkeit  der 
Sammlungen  gar  nicht  erforderlich.  Sie  ist  dann  unerlässlich,  wenn 
bestimmt  formulirte  sätze  deducirj,  und  in  strittigen  fragen  das  Züng- 
lein der  entscheidung  auf  die  eine  oder  andere  seite  gezogen  wer- 
den soll.  Aber  daraufhat  es  Kühnast  gar  nicht  abgesehen,  weniger, 
als  es  sicher  manchen  ungeduldigen  lesern  lieb  sein  wird,  die  sich 
gern  durch  präcis  gefasste  Schlussparagraphen  der  mühe,  die 
vorausgehenden  abschnitte  durchzuarbeiten ,  überhoben  sehen 
würden.  Ihm  kam  es  darauf  an,  die  geistige  eigenthümlichkeit 
des  Livius,  seine  stilart,  die  kunstmittel  seiner  rhetorik,  seinen 
Wortschatz  und  die  art,  wie  er  mit  demselben  schaltet,  insbe- 
sondere den  einfluss,  den  das  Studium  der  griechischen  literatur 
auf  die  ausbildung  seiner  Schreibweise  geübt  hat,  durch  eine 
reich  gegliederte  und  sorgfältig  distinguirende  beispielsam m- 
lung  zu  illustriren.  Nur  selten  zieht  er  selbst  die  endresul- 
tate  (wie  z.  b.  p.  301);  meist  übt  er  die  resignation,  reihen 
von  beweisstellen  aufzuführen  —  die  frucht  langjähriger,  müh- 
samer Sammlung,  —  ohne  dem  leser  vor  äugen  zu  führen,  wie 
werthvoll  diese  bausteine  sind  und  was  nacharbeitende  forscher 
dereinst  aus  ihnen  machen  können. 

Am  werthvollsten  ist  meines  erachtens  der  äusserst  reich- 
haltige abschnitt  über  die  metaphern  des  Livius  (p.  293 — 
302)  und  die  glott  ographische  Zusammenstellung  p. 
335 — 384,  an  die  sich  ein  verzeichniss  der  „seltnen  Wörter  bei 
Livius"  anschliesst,  welches  dem  literarhistoriker  und  lexicogra- 
phen,  der  versteht  zwischen  den  zeilen  zu  lesen ,  viel  zu  den- 
ken geben  wird  ,  wie  nicht  minder  die  bei  gelegenheit  der  be- 
sprechung  der  metapher  (p.  298  anm.)  beiläufig  gegebene  Zu- 
sammenstellung von  zumeist  bildlichen  ausdrücken,  welche  sich 
bei  anderen  Schriftstellern  der  classischeu  zeit,  nicht  aber 
oder  wenigstens  nicht  metaphorisch  bei  Livius  finden. 
Derartige  Zusammenstellungen  sind,  dafern  sie  anders  sorgfältig 
sind,  im  höchsten  grade  instruktiv,    wenn  man  sich  auch  hüten 


Nr.  5.  148.  Livius.  245 

muss,  sofort  bestimmte  satze  aus  denselben  herleiten  zu  wollen. 
Jedenfalls  regen  sie  den  forscher  an,  causalzusammenhänge  auch 
da  zu  suchen ,  wo  der  flüchtige  betrachter  nur  ein  spiel  des 
zufalls  zu  sehen  vermag.  In  diesen  capiteln  —  um  nur  auf 
eines  hinzuweisen  —  stösst  der  leser  hier  und  da  auf  einzel- 
heiten,  die  den  eindruck  des  Provinzialismus,  der  patavinitas, 
machen,  während  die  syntax  und  Stilistik  nur  sehr  wenige  Sin- 
gularitäten aufweisen,  welche  nicht  als  nachbildungen  dichteri- 
scher oder  griechischer  ausdrucksweise  und  als  gemeingut  der 
rhetorischen  geschichtsschreibung  bezeichnet  werden  könnten. 

Doch  nun  noch  einige  einzelheiten,  damit  man  ersehe,  dass 
ref.  in  dem  fleissigen  buche  nicht  bloss  geblättert  hat.  P.  196 
stehen  wohl  nur  aus  versehen  quidvis  und  quavis  unter  den  all- 
gemeinen relativen,  ,,die  im  classischen  latein  selten  ohne  ver- 
bum  vorkämen",  während  man  den  hinweis  auf  das  zuerst  (?) 
bei  Livius  in  prosa  vorkommende  quantuslibet  vermisst.  —  P. 
2  00  sind  die  auseinandersetzungen  über  quisque  nicht  erschö- 
pfend. Zu  den  von  Weissenborn  zu  4,  58,  13  und  45,  38, 
12  angeführten  stellen,  wo  quisque  keine  der  üblichen  stü- 
tzen hat,  ist  ausser  26,  44,  9  noch  24,  45  ,  4  libera  de  quoque 
arbitria,  21,  58,  10  quisque  inops  und  34,  34,  7  respicienda 
cuique  domestica  nachzutragen,  wenn  auch  an  der  letztgenannten 
stelle  das  voraufgehende  omnes  (s.  Fabri  -  Heerwagen  zu  21, 
45 ,  9)  dem  sinne  nach  als  stütze  des  distributiven  prono- 
mens  angesehen  werden  kann.  Die  assimilation  an  das  vor- 
aufgehende reflexiv  findet  sich  3,  22,  6  suae  cuique  parti\ 
25,  17,  5  suae  cuique  genti,  24,  3,  5  sui  cuiusque  generis  1). 
Etwas  anderer  art  ist  33 ,  46,  9  suo  quoque  anno.  Zwi- 
schen dem  (voraufgehenden)  relativum  und  dem  reflexivum  ist 
quisque  gestellt  5 ,  20,  8  ;  6  ,  25,  9  ;  22,  7,  10  5  32,  19, 
9-,  dem  reflexivum  steht  es  einfach  nach  21,  48,  2;  28, 
22,  15;  33,  45 ,  6 ;  37,  54,  19;  42,  53,  3,  während  es 
sonst  immer  (?)  bei  Livius  die  regelrechte  Stellung  vor  demsel- 
ben einnimmt.      Der    grund    der  ungewöhnlichen    Wortfolge   ist 

1)  Auch  ohne  reflexiv  gewähren  genus  und  modus  dem  pronomen 
quisque  genügende  stütze,  was  beiläufig  erwähnt  werden  mag,  da  die 
gangbaren  lehrbücher  diesen  fall  zu  übergehen  pflegen.  Vgl.  cuius- 
que generis  Nep.  17,  8;  Sali.  Cat.  24,  3;  28,  4;  40,  6;  Caes.  BC.  1, 
51,  2;  3,  63,  6;  BG-.  5,  12,  5;  cuiusque  modi  Sali.  Cat.  39,  6;  Jug. 
75,  4;  Flor.  3,  4,  2  u.  aw. 


246  148.  Livius.  Nr.  5. 

offenbar  an  allen  fünf  stellen  ein  rhetorischer,  nämlich  das  voran- 
gehen eines  betonten  mehrsilbigen  Substantivs.  Noch  sei  nachge- 
tragen, dass  sich  quaeque  als  femin.  pluralis  32,  16,  9;  39,  31, 
12;  quosque  auch  4,  56,  7  findet,  während  quique  42,  44,  1  und 
quisqne  =  quibusque  24,  16,  17  nur  zweifelhafte  lesarten  sind. 
Den  plural  des  Substantivs  verbindet  Livius  mit  dem  singulari- 
schen quisgue,  z.  b.  21,  48,  2  in  civitates  quemque  suas;  desgl. 
25,  12,  2;  42,  58,  4  und  64,  2.  Offenbar  war  es  gar  nicht 
absieht  des  Verfassers,  das  vorkommen  dieses  prouomens  bei 
Livius  erschöpfend  zu  behandeln ;  das  könnte  auch  nur  in  einer 
umfänglichen  monographie  geschehen. —  P.  2  1  1  postquam  c.  imper- 
fecta ist  im  classischen  latein  nicht  so  selten,  als  es  nach  der  be- 
merkung  des  vf.  a.  a.  o.  scheinen  könnte,  vgl.  Cic.  p.  Quint.  70 
postquam  poterant ;  p.  Rose.  Com.  30  postquam  explodebatur ;  Caes. 
BG.  7,  87,  5;  BC.  3,  58,  5  ;  3,  60,  5.  —  P.  2  2  7  der  anwen- 
dung  der  zweiten  person  conj.  präsentis  für  den  imperativ  zieht 
der  verf.  doch  zu  enge  grenzen ;  sogar  ein  an  eine  bestimmte 
einzelne  person  gerichtetes  gebot  oder  verbot  wird  biswei- 
weilen  in  dieser  weise  ausgedrückt  [so  Cic.  Off.  3,  2,  6  fac  ut 
efficias  neve  committas;  de  Nat.  d.  2,  74  nolitote  —  et  mehercule 
ne  experiamini  quidem;  ad  Att.  13,  23,  3  ne  existimes;  ebendas. 
14,  1,  2  ne  pigrere;  Epp.  ad  fam.  9,  26,  1  vivas  in  literis;  eben- 
das. 14,  4,  3  conßrmes,  adiuves;  ad  Att.  1,  17,  11  eures;  eben- 
das. 10,  15,  4  literas  des],  allgemeine  aufforderungen  oder 
verböte  aber  allerwärts  häufig.  Jedenfalls  hat  der  verf.  den 
letzteren  fall  bei  seinem  satze :  „bei  Cicero  sehr  selten  und  viel- 
leicht nur  im  briefstil"  stillschweigend  ausgeschlossen.  S.  über 
diesen  ganzen  punkt  Teipel,  praktische  anleit.  z.  übersetzen 
cp.  I,  p.  12;  II,  p.  55,  wo  freilich  irrthümlich  auch  einige  ab- 
sichtssätze  (ne  putes,  ne  mireris  u.  ä.)  als  imperativsätze  aufge- 
führt werden.  —  P.  2  41.  Ausser  BG.  6,  24,  1  hat  Cäsar 
cum  mit  conjunktiv  nach  fuit  tempus  und  gleichartigen  Wendun- 
gen auch  anderwärts  z.  b.  BG.  1,  23,  1;  BC.  3,  1.  Vgl. 
Proksch,    gebrauch  der  nebensätze  bei  Cäsar,  progr.  v.  Bautzen 

1870,  p.  24. —  P.  2  43.  Für  die  besprechung  der  hypothetischen 
Sätze  wird  bei  einer  zweiten  aufläge  zu  berücksichtigen  sein  die 
unlängst  erschienene  arbeit  ven  Günther,  die  formen  der  hypo- 
thesis  aus  Livius  für  den  schulgebrauch  entwickelt,  4  Bromberg 

1871.  —     P.  2  44.     Die  bemerkung,    dass    quamvis    ohne  ver- 


Nr.  5.  148.  Livius.  247 

bum  bei  Cicero  selten  sei,  ist  in  dieser  form  schwerlich  stich- 
haltig. Bekanntlich  findet  sich  diese  conjunktion  gerade  bei 
ihm  äusserst  häufig,  gewissermassen  adverbiell  gebraucht,  ohne 
verbum  in  unmittelbarem  anschluss  an  adjectiva  (Cato  maj. 
4;  Tusc.  3,  73;  5,  46;  p.  Rose.  Am.  47;  Off.  2,  69;  3,  19; 
Verr.  3,  224;  de  Orat.  2,  131;  de  Legg.  3,  24;  Lael.  91  u.  ö\), 
oder  adverbia  (Tusc.  1,  47;  4,  57;  p.  Rose.  Am.  91;  de  Or. 
3,  101,  wo  quamvis  und  dicatur  nicht  zusammengehören;  Verr. 
2,  134  u.  ö.).  Auf  derselben  seite  war  die  notiz  über  das  vor- 
kommen von  quamvis  mit  dem  conjunktiv  bei  Cicero  bestimm- 
ter zu  fassen;  es  steht  fest  de  Legg.  3,  18;  Tusc.  5,  85 ;  Fin.  3, 
70;  Orat.  183,  wo  überall  der  conjunktiv  potentiell  zu  fassen 
ist;  Off.  1,  6  hat  Orelli  den  indikativ  reeipirt;  de  Orat.  3,  27 
findet  der  conjunktiv  durch  das  oblique  Satzgefüge  seine  erklä- 
rung.  —  P.  2  4  7.  Bei  besprechung  des  von  adjektiven  ab- 
hängigen infinitivs  war  der  dichtergebrauch  mehr  zu  berücksich- 
tigen. Reiche  Sammlungen  hierfür  enthalten  die  arbeiten  von 
Kubier ,  de  infinitivo  ap.  Roman,  poetas  a  nominibus  adjeetivis 
apto,  Berol.  1861  und  H.  Merguet ,  de  usu  syntactico  infinitivi 
latini,  maxime  poetico.  Itegimonti,  diss.  inaug.  1863.  8. —  P.  2  5  2. 
Auch  Cicero  verbindet  eunetari  mit  dem  infinitiv  Tim.  3  non 
eunetandum  profiteri;  p.  Balb.  8  euneter  agere;  an  beiden  stellen 
ist  der  satz  (der  form  oder  dem  sinne  nach)  negativ.  —  P. 
2  6  7.  Das  über  den  gebrauch  des  attributiven  part.  perf.  passivi 
zur  Umschreibung  eines  abstrakten  substantiv's  gesagte  (terruit 
animos  extinetus  ignis ,  transportati  milites  causa  fuere  und  dgl.) 
lässt  sich  vervollständigen  aus  Lübbert's  akademischer  schrift 
Comment.  syntaet.  part.  L,  Giessen  1871.  —  P.  2  7 1.  Zu 
emensus  mit  passivem  sinn  macht  Kühnast  die  bemerkung:  ,, nicht 
vor  Livius".  Zu  erwähnen  war  wenigstens  Mommsen's  geist- 
volle, von  mehreren  neueren  herausgebern  gebilligte  conjektur 
zu  Caes.  BC.  1,  5,  2  toto  denique  emenso  spatio  für  oetavo  de- 
nique  mense  und  hinzuweisen  auf  den  passiven  gebrauch  von 
dimensus  BC.  2,  19,  6;  4,  17,  3;  Cic.  Orat.  38  und  Cato  59, 
wo  sogar  esse  dabei  steht  (wie  de  Orat.  2,  118  meditatum  esse 
sich  findet);  auch  das  simplex  mensus  findet  sich  passivisch  ge- 
braucht de  Nat.  d.  2,  69.  Vgl.  die  reichhaltige  Zusammenstel- 
lung von  Tischer  zu  Cic.  Cato  §.  4.  —  P.  3  1  7  die  Stellung 
der  präposition  ex  hinter  dem  relativ  war   als    „äusserst    selten 


248  148.  Livius.  Nr.  5. 

zu  bezeichnen;  35,  12,  10  wird  sie  gemildert  durch  den  nach- 
folgenden comparativ.  Vgl.  eo  cum  maiore  33,  2,  4;  36,  36,  7 
(wo  die  lesart  schwankt)  und  quam  in  optimo  Cic.  Finn.  5,  26  ; 
quam  de  variis,  ebendas.  4,  13  ;  überall  liegt  derselbe  rhetorische 
grund  zur  inversion  vor  ,  der  auch  in  den  demonstrativverbin- 
düngen  tarn  ex  nobili ,  Verr.  4,  96;  tarn  in  paucis  5,  127  u.  ä. 
gewirkt  hat.  —  P.  3  19.  Drei  verschiednen  sätzeu  angehö- 
rige  verba  unmittelbar  hinter  einander  hat  vor  Curtius  verein- 
zelt schon  Cicero:  so  de  Or.  2,  112  ab  Ulis  causis ,  in  quibus, 
qualis  quaeque  res  sit,  disceptatur,  seiungunt.  —  P.  3  2  4.  Bei 
der  behandlung  der  inconcinnität  konnte  wohl  darauf  hingewie- 
sen werden,  dass  Sallust  hierin  wacker  vorangegangen  war; 
bei  diesem  ist  das  vermeiden  paralleler  syntaktischer  Wendungen 
geradezu  manier;  er  ist  hierin  der  entschiedene  Vorgänger 
des  Tacitus.  Die  classiker  dagegen  opfern  häufig  sogar  logi- 
sche und  grammatische  richtigkeit  zu  gunsten  des  parallelismus 
auf,  wie  dies  denn  auch  Sallust,  Tacitus  und  Livius  (s.  die 
ausleger  zu  24,  45.  3  aliunde  stet,  aliunde  sentiat)  bisweilen 
thun.  —  P.  3  51.  Bei  mox  =  paullo  post  war  auf  extemplo 
—  mox  40,  48,  6;  jprimo  —  mox  33,  8,  10;  ibi — mox  —  tum 
39,  2,  4  hinzuweisen,  s.  Hand.  Turs.  III,  657.  —  P.  35  8 
wird  beiläufig  unter  Verweisung  auf  Weissenborn  zu  32,  31.  5 
non  ita  ut  =  „so  dassa  gesprochen.  Es  sei  erlaubt,  bei  dieser 
gelegenheit  die  gewöhnliche  schulregel,  dass  ita  ut  =  so  dass 
nur  statthaft  sei,  wenn  beide  worte  durch  quidem,  tarnen  u.  dgl. 
getrennt  oder  ita  sich  eng  an  ein  wort  des  hauptsatzes  (zumal 
sed)  anschliesse,  in  etwas  zu  modificiren.  Ita  ut  einfach  = 
ut  steht  sicher  Cic.  p.  Marc.  12;  p.  Sest.  100;  ad  Att.  12, 
19,  2  2);  Caes.  BC.  1,  12,  1;  1,  38,  5;  BC.  2,  9,1; 
3,  27,  2;  Liv.  8,  7,  1 ;  8,31,  5;  9,  32,  9;  10,  29,  7;  23, 
35,  15;  27,  20,  6;  27,  22,  2;  28,  11,  13;  32,  31,  5;  39,  8, 
8  und  öfter  anderwärts.  Vgl.  auch  Lepid.  in  Cic.  Epp.  10. 
34,  1.  Bei  Nepos  und  Sallust  scheint  diese  Verbindung  nicht 
vorzukommen,  dagegen  findet  sie  sich,  zum  theil  sehr  häufig, 

2)  Absichtlich  übergangen  sind  stellen  wie  edixit  ita  ut,  ad  Att.  11, 
7,  2;  et  quidem  ita,  ut  Finn.  3,  58;  compositis  rebus  iüi,  ut  Curt.  4,  7, 
5.  Selbstverständlich  lässt  sieh  oft  schwer  entscheiden,  ob  ita  zu  ei- 
nem worte  des  hauptsatzes  zu  beziehen  sei  oder  nicht.  Aber  an  ei- 
nigen der  oben  angeführten  stellen  steht  offenbar  ita  mit  dem 
hauptsatze  in  keiner  engeren  beziehung  als  unser  tonloses  „so"  in: 
„so  dass". 


Nr.  5.  148.  Livius.  249 

bei  Varro,  Vellejus ,  Curtius ,  Seneca,  Columella,  Justin  und 
späteren.  Ferner  findet  sich  sie  ut(i)  in  gleicher  weise  ge- 
braucht Cic.  Brut,  302;  Caes.  BG.  2,  32,  4;  5,  17,  2(?);  5, 
51,  5;  5,  11,  2;  BC.  2,  16,  2  ;  3,  80,  6  ;  Nep.  15,  2.  Phaedr. 
Append.  3,  9,  7  und  adeo  ut  Caes.  BC.  1,  80,  5;  2,  28,  1 ; 
3,  58,  3;  3,  82,  2;  Epp.  ad  Q.  fr.  1,  2,  15;  Nep.  2,  1,  1; 
10,  9,  4;  Liv.  2,  57,  2;  5,  13,  1;  44,  2,  12;  Vell.  1,  18,  1; 
2,  55,  3;  2,  87,  2;  2,  103,  4  3).  Ausserdem  haben,  was  ref. 
mit  ziffern  beweisen  kann,  diese  Verbindung :  Celsus,  Curtius  (we- 
nigstens sechsmal),  Justin,  Tacitus,  Sueton,  Mela,  Florus,  Quin- 
tilian  und  andere  spätere  schriftsteiler. —  P.  3  6  9.  Ueber  at  enim 
geben  genaueres  Fabri  zu  21,  18,  9;  Hand  Tursell.  I,  p.  444 
sqq.;  Reissig,  anm.  427.  —  P.  3  7  3  nee  =  „auch  nicht1'  ist 
bei  Cicero  nicht  gar  selten:  nee  interire ,  suspicari  Tusc.  1,71; 
Acad.  post.  1,  7:  nee  in  deo  Tusc.  1,  65;  sed  nee  in  Cat.  2,  8 ;  at 
nee,  p.  Eosc.  Am.  120  u.  am.. —  P.  3  7  7  füge  zu  den  bemer- 
kenswerthen  construetionen  hinzu  animo  est  29 ,  36,  7  (?)  und 
submittere  se  in  aliquem  statum  [privatum  fastigium,  humilitatem)  27, 
31,  6;  38,  52,  2.  —  P.  383.  Füge  hinzu:  pugnam  eiere  1, 
12,  2.  Zu  in  spe  esse  35,  12,  2  konnte  Caes.  BC.  2,  17,  3 
magna  esse  in  spe  verglichen  werden.  Auf  der  folgenden  seite 
konnte  füglich  die  construetion  volutare  in  animo  28,  18,  11 
und  volutare  animum  tacitis  consiliis  9,  17,  2  (?)  einen  platz  fin- 
den, über  welche  die  ausleger  zu  d.  ang.  st.  zu  vergleichen  sind. 
Illucunde  abii  redeo;  was  man  auch  im  einzelnen  an  Kühnast's 
arbeit  mäkeln  mag,  jedenfalls  ist  es  ein  hülfsmittel  von  ganz  bedeu- 
tendem werth  für  jeden,  der  sich  eingehend  mit  lateinischer  sprä- 
che beschäftigt.  Dies  mit  dank  auszusprechen,  hat  ref.  für 
seine  pflicht  gehalten ;  zu  seiner  freude  hat  er  aus  mancher 
jüngst  erschienenen  schrift  ersehen,  dass  er  mit  seiner  ansieht 
über  das  buch  nicht  allein  steht.  Zum  schluss  kann  er  nur 
den  in  der  anzeige  des  ersten  theils  ausgesprochenen  wünsch 
wiederholen,  dass  dieses  werk  im  kreise  der  Schulmänner 
recht  weite  Verbreitung  finden  möge,    zu  deren  nutz  und  from- 

3)  Obige  beispielsammlung  erhebt  nicht  im  geringsten  an- 
sprach auf  Vollständigkeit.  Schwerlich  fehlt  sie  ut  =  so  dass  ganz 
bei  Livius,  adeo  ut  bei  Cicero  in  den  reden  und  philosophischen  Schrif- 
ten. Aus  nachklassikern  eine  nubes  exemplorum  anzuführen  erschien 
überflüssig;  in  den  Script,  hist.  Aug.  z.  b.  findet  sich  adeo  ut  und  ita 
ut  äusserst  häufig,  fast  auf  jeder  dritten  seite. 


250  149.  Eutropius.  Nr.  5. 

men  es  vom  verf.  (s.  das  vorwort)  hauptsächlich  bestimmt  ist. 
Sie  werden  sich  aus  demselben  nach  vielen  Seiten  hin  bessere 
und  gründlichere  belehrung  holen  als  aus  einer  ganzen  reihe  do- 
gmatisirender  sehulgrammatiken. 

149.  Eutropi  breviarium  ab  urbe  condita.  G-uilelmus 
Hartel  recognovit.  Berolini,  apud  Weidmannos. MDCCCLXXII. 
VIII  und  84  pp.     8. 

Th.  Mommsen,  der  zuerst  aus  dem  Gotbanus  s.  IX  (Ful- 
densis)  n.  101  den  wirklichen  tite!  des  von  Eutropius  verfasse 
ten  werkchens  bekannt  gemacht  und  diesen  codex  zugleich  als 
die  quelle  des  echten  textes  bezeichnet  hat  (Hermes  I,  468), 
ist  auch  um  Hartel's  ausgäbe  besonders  verdient,  indem  er  seine 
collation  der  genannten  handschrift  dem  herausgeber  zur  Verfü- 
gung gestellt  hat.  Die  von  Hartel  gerühmte  genauigkeit  dieser 
vergleichung  kann  ref.  bestätigen,  indem  er  die  wenigen  und 
unbedeutenden  abweichungen  seiner  eigenen  collation  zum  ersten 
buche  mittheilt:  p.  3,  5  vitae  grecia.  5,  5  aeditus.  5,  12  praeter  F: 
propter  s.  I.  m.  2.  5,  13  tum  s.  I.  m.  2.  5,  15  atque  (ex  adque  corr.) 
earum  uirgines  add.  in  mar gine  inferiore  m.  2.  5,  18  tempe~ 
state  ex  tempestatem  F.  5,  19  tricensimo  addeos  F:  septimo  s.  I.  m. 
2.  et  consecratus  in  marg.  m.  2.  6,  3  pompilius  ex  pomplius.  6,6 
consuetudine  ex  consuetudinem.  6,  9  quadragensimo.  6,  15,  mar- 
cius  s.  I.  m.  2.  6,  16  nepus.  6,  22  qui  ex  quia.  6,  23  isdem. 
6,  28  tullius  F:  i  expunctum.  6,  29  sabinus  ex  sanos.  7,  1 
sceleri.  generi  F:  s  s.  I.  m.  2.  7,  6  capitolio  ex  capitolo.  7,  13 
contra  in  marg.  add.  tarquinii  F:  v  s.  I.  7,  15  reliquid  F:  t  s. 
Z.  7,  21  cepere.  7,  28  pelleretur  et  tarquinius  in  marg.  in/er. 
m.  2.  8,  5  receserunt  F:  s  s.  I.  8,  15  poene  c^pit.  8,  18  pre- 
staret.  8 ,  20  quattuordecem.  8,  22  lucius  ualerius.  8,  27  socrz. 
vindicandam  ex  iudicandam  ut  videtur.  8,  28  apellatur.  8,  33 
c^ssar.  8,  35  honore  ex  honorem.  9,  3  adque  F:  t  s.  2.  9,  11  accepit 
ex  acepit,  9,  12  sepe.  9,  14  uenisent  F:  s  s.  I.  9,  15  removit  ex 
renovit.  9,  17  fauio  lucio.  9,  21  exercitum  F:  u  s.  I.  9,  22  pre- 
lio.  9,  25  anno  tarnen.  9,  27  dictator  ex  dictor.  10,  9  prestabant. 
10,  13  aequitum.  10,  14  deinde  om.  10,  17  caepit.  10,  18  coe- 
pit.  10,  22  apud  ex  aput.  10,  24  laborarent  ex  laboroarent.  10, 
26  gravissimaeque.  10,  28  datum  ex  tatum.  10,  30  apellatus. 
Bedenkt  man,  dass  Hartel  res  ad  meram  orthographiam  pertinen- 


Nr.  5.  149.  Eutropius.  251 

tes  von  seinem  apparat  ausgeschlossen  hat  nnd  dass  eine  reihe 
der  angeführten  stellen  nur  eine  bestimmtere  Vorstellung  über 
die  art  der  in  F  eingetragenen  nachbesserungen  geben  soll, 
so  schwindet  die  zahl  der  discrepanzen  zwischen  der  hier 
mitgetheilten  und  der  für  die  ausgäbe  verwertheten  col- 
lation  auf  ein  miniraum  zusammen.  Ausser  F  als  dem  re- 
präsentanten  der  echten  tradition  sind  auch  ein  Bambergensis 
s.  IX  (B)  nach  Eyssenbardt's  collation  und  ein  vom  herausge- 
ber  selbst  verglichener  Monacensis  s.  X  (A)  als  Vertreter  des 
von  Paulus  (P)  überarbeiteten  textes  für  die  recognition  beige- 
zogen, da  F  von  fehlem  aller  art,  insbesondere  kleineren  lücken, 
entstellt  ist.  Geringere  hülfe  für  die  emendation  gewähren  die 
griechischen  Übersetzungen  des  Paeanius  aus  dem  ende  des 
vierten  Jahrhunderts  und  die  über  ein  Jahrhundert  jüngere  nur 
in  zerstreuten  bruchstücken  erhaltene  des  Capito.  Von  der 
conjecturalkritik  hat  Hartel  nur  mit  höchster,  ja  übertriebener 
vorsieht  gebrauch  gemacht  und  sowohl  fremde  als  eigene  ver- 
muthungen  nur  selten  in  den  text  gesetzt,  häufiger  sie  in  den 
noten  mitgetheilt.  In  neuester  zeit  ist  fast  gar  nichts  für  die 
kritik  des  Eutropius  veröffentlicht  worden  ;  vereinzelte  beitrage 
in  Eussner's  Specimen  criticum  ad  scriptores  quosdam  latinos  (Würz- 
burg 1868)  und  in  den  blättern  f.  d.  bayr.  gymn.- schulw.  VIII, 
75  f.  scheint  der  herausgeber  übersehen  zu  haben.  Es  ist  wohl 
noch  nicht  an  der  zeit  auf  die  constituirung  der  einzelnen  stel- 
len in  der  neuen  ausgäbe  einzugehen,  da  wohl  erst  das  erschei- 
nen der  abhandlung  de  Eutropi  emendatione ,  welche  der  heraus- 
geber in  aussieht  gestellt  hat,  abzuwarten  sein  dürfte  ;  dagegen 
mögen  einige  Verbesserungsvorschläge  hier  mitgetheilt  werden. 
II,  23  decrevit  senatus  ut  a  maritirnis  proeliis  recederetur  et  tantum 
sexaginta  naves  ad  praesidium  Italiae  salvae  essent.  Das  unpassende 
salvae  ist  aus  dittographie  von  Italiae  entstanden  und  muss, 
worauf  auch  das  einfache  pavg  txstv  bei  Paeanius  führt,  gestri- 
chen werden.  —  III,  3  (Hasdrubal)  vivus  est  captus,  occisa  cum 
eo  duodeeim  milia,  capti  mille  quingenti.  Der  Widerspruch  zwi- 
schen vivus  captus  und  occisa  cum  eo  liegt  am  tage;  es  ist  zu 
transponiren :  occisa  duodeeim  milia,  capti  cum  eo  mille  quin- 
genti. —  VI,  16  nulla  umquam  pompa  triumpM  similis  fuit. 
Wahrscheinlich  ist  nach  pompa  ausgefallen  Pomp  ei.  —  VIII 
4  orbem  terrarum  aedißcans,    multas  inmunitates  civitatibus  tribuens. 


252  149.  Eutropius.  Nr.  5. 

Das  unerträgliche  orbem  terrarum  aedificans  ist  durch  auswerfung 
eines  buchstaben  und  eiuschiebung  der  präposition  zu  beseitigen: 
p  er  orbem  terrarum  aedificans  multa,  inmunitates  civitatibus  tri- 
buens ,  vgl.  Paeanius  oixodouijudroov  ds  avtöp  navTU^ov  rjjg 
oixovfisvqg  noXvg  tjv  6  Xöyog'  nal  zag  noXsig  dzsXsiag  rjgi'ov. 
Die  nachstellung  des  objects  multa  kann  nicht  befremden;  un- 
mittelbar vorher  heisst  es  ähnlich  ditans  omnes.  —  VIII,  6  ne 
multi  cives  Romani  barbaris  traderentur.  Vielleicht  ist  zu  lesen 
inulti.  —  VIII,  13  ac  Pannoniis  servitio  liberatis  Romae  rur- 
sus  cum  Commodo  .  .  triumfavit.  Ein  passender  gegensatz  zu 
dem  vorausgehenden  cum  apud  Carnuntum  iugi  triennio  perseveras- 
set  würde  sich  ergeben,  wenn  man  läse:  Romam  reversus, 
vgl.   IX ,    1 3    ingressusque    Romam    nobilem    triumphum  .  .   egit.   — 

VIII,  23  militarem  disciplinam  severissime  rexit.  Das  ist  dem 
usus  des  Eutropius  fremd;  ebenso  erexit ,  woran  man  zunächst 
denken  könnte.  Man  lese  „cor rexit,  wie  IV,  17  militem  .  . 
correxit.  IX,  14  disciplinae  tarnen  militaris  .  .  corrector.  —  IX, 
9  Tarn  desperatis  rebus.  Es  ist  zu  lesen:  iam,  worauf  auch 
Paeanius  deutet :  Ansyioaaixsvcov  de  Tjdtj  zäv  ngnt/fiaTav.  —  IX,  9 
quod  Mogontiacum,  quae  adver sus  eum  rebellaverat  .  .,  diripiendam 
militibus  tradere  noluisset.  Die  femininformen  quae  und  diripiendam 
lassen ,  da  Eutropius  die  form  Moguntia  nicht  kennt,  auf  den 
ausfall  von  civitatem,  das  der  autor  so  oft  gebraucht,  vor 
dem  relativsatz  schliessen.  Dies  bestätigt  Paeanius  Moyoviia- 
küv  r  y  v  n  o  X  iv.  —  IX,  24  adver sum  Narseum  proelium  inse- 
cundum  habuit.  Man  lese  proelium  minus  secundum,  da  inse- 
cundum,  wie  es  scheint,  wenigstens  den  historikern  fremd  ist.  — 

IX,  27  hie  (Herculius)  naturae  suae  indulgens  Diocletiano  in  Omni- 
bus est  severioribus  consiliis  obsecutus.  So  F;  Hartel  schreibt  et 
severioribus ;  dem  sinne  entspricht  besser  in  omnibus,  certe  seve- 
rioribus consiliis',  vgl.  IX,  20  proditum  ab  exercitu  suo,  quem  for- 
tiorem  habebat,  certe  desertum.  Paeanius:  tag  ynvv  aniitsoTfQag 
JtouXrjTtavov  ßovXdg.  —  Vielleicht  geht  aus  diesen  emenda- 
tionsversuchen  hervor,  dass  Paeanius  doch  weniger  werthlos  ist, 
als  gegenwärtig  angenommen  zu  werden  scheint,  und  dass  eine 
neue  ausgäbe  der  metaphrasten  erwünscht  sein  muss.  Darnach 
muss  man  mit  Spannung  der  abliandlnng  entgegensehen,  welche 
wie  oben  erwähnt,  Hartel  in  aussieht  gestellt  hat. 

A.  B.  E. 


Nr.  5.  150.  Griechische  alterthümer.  253 

150.  Karl  Lugebil,  zur  geschichte  der  Staatsverfas- 
sung von  Athen.  Separatabdruck  aus  dem  fünften  supplement- 
band der  jabrbücber  für  classische  philologie.  8.  Leipzig, 
Teubner.  1872.   -      1   thlr. 

Der  verf.  des  hier  anzuzeigenden  bucbes  hat  seinen  Ver- 
diensten um  die  erforschung  der  athenischen  Verfassung  beson- 
ders durch  die  zweite  der  in  seiner  scbrift  enthaltenen  Unter- 
suchungen ein  neues  hinzugefügt.  In  beiden  Untersuchungen 
zeigt  sich  Scharfsinn  und  grosse  gründlichkeit  3  die  man  aller- 
dings an  einzelnen  stellen  Weitschweifigkeit  zu  nennen  sich  ver- 
sucht fühlen  möchte.  Die  erste  Untersuchung,  nur  von  einem 
geriugen  umfange,  behandelt  „könig  Kodros  und  die  sogenannten 
lebenslänglichen  archonten".  Der  verf.  tritt  in  derselben  der 
gewöhnlichen  auffassung  entgegen,  dass  mit  Kodros'  tode  das 
königthum  iu  Athen  abgeschafft  sei,  indem  er  nachweist,  dass 
neben  dieser  gewöhnlichen  tradition  eine  andre  Überlieferung 
hergeht,  nach  welcher  sich  auch  nach  diesem  zeitpuncte  die 
monarchie  unverändert  erhielt,  ja  durch  diese  heldenthat  noch 
mehr  befestigt  wurde.  Der  unterschied  ,  welcher  in  der  Über- 
lieferung zwischen  den  königen  und  den  lebenslänglichen  ar- 
chonten gemacht  wird,  indem  die  erstem  unverantwortlich,  die 
letztern  verantwortlich  genannt  werden,  wird  wegen  der  Unmög- 
lichkeit einer  juridischen  Verantwortlichkeit  bei  einer  lebensläng- 
lichen magistratur  als  unhaltbar  zurückgewiesen.  Der  verf. 
kommt  dann  zu  dem  Schlüsse,  dass  die  beseitigung  der  monar- 
chie in  Athen  erst  von  der  einführung  der  zehnjährigen  ar- 
chonten datiert  werden  könne. 

Die  zweite  untersuschung,  welche  den  bei  weitem  gröss- 
ten  theil  des  buches  umfasst,  führt  den  titel:  „das  archon- 
tat  und  die  Strategie  zur  zeit  der  Perserkriege  und  die  hi- 
storische bedeutung  der  beamtenerloosung" ,  und  behandelt 
die  vielfach  erörterte  frage  über  die  einführung  des  looses 
in  die  athenische  Verfassung.  Der  Verfasser  giebt  zunächst 
eine  geschichte  dieser  frage  von  Sigonius  bis  auf  unsere 
tage,  deren  entwicklung  ein  dreifaches  Stadium  durchgemacht 
hat.  Sigonius  nahm  als  Zeitpunkt  für  die  einführung  des  loo- 
ses die  Verfassungsänderung  des  Solon,  Ubbo  Emmius  die  des 
Kleistbenes,  Jacob  Perizonius  die  des  Aristeides  nach  der  schlacht 
bei  Plataiai  an,  während  Tittmann  die  vermittelnde  ansieht  auf- 


264  150.    Griechische    alterthümer.  Nr.  5. 

stellte,  die  einführung  habe  zwischen  der  reform  des  Kleisthe- 
nes  und  der  schlacht  bei  Marathon  stattgefunden.  Alle  neuern 
bebandler  dieser  frage  haben  sich  der  ansieht  eines  dieser  Vor- 
gänger angeschlossen.  Da  wir  eine  directe  Überlieferung  über 
die  zeit  der  einführung  selbst  nicht  besitzen,  so  beruht  die 
entscheidung  dieser  frage  im  wesentlichen  darauf,  ob  Kallima- 
chos,  der  polemarch  der  schlacht  bei  Marathon,  als  6  ?<ji  xväfi(p 
Xayoov  'd&qraicov  nüXsfiäg^eHv  bei  Herodot  (6,  109)  bezeichnet 
und  Aristeides,  als  archont  des  jahres  489  von  Demetrios  von 
Phaleron  rw  xvu^cp  laimv  (Plut.  Arist.  1.)  genannt,  in  dieser  Über- 
lieferung als  genügend  beglaubigt  erscheinen.  Was  zunächst  die 
erloosung  des  polemarchen  Kallimachos  betrifft,  so  tritt  der  vf.  der 
annähme  derselben  durch  den  nachweis  entgegen,  dass  sich  aus 
einer  genauen  interpretation  der  herodoteischen  Schilderung  der 
schlacht  bei  Marathon  der  polemarch  als  oberanführer  des  atti- 
schen heeres  ergiebt,  dass  aber  ein  erlooster  befehlshaber  un- 
denkbar ist.  Die  hauptgründe,  welche  für  die  oberanführerschaft 
des  polemarchen  in  der  schlacht  bei  Marathon  sprechen ,  sind 
folgende.  Der  polemarch  ist  als  svbixaioq  xptjyiöoqöoog  (Her. 
6,  109),  als  derjenige,  welcher  zuletzt  seine  stimme  abgiebt  und 
bei  Stimmengleichheit  durch  seine  stimme  entscheidet,  der  Vor- 
sitzende des  kriegsraths,  der  als  solcher  aber  auch  selbstverständ- 
lich Oberbefehlshaber  auf  dem  schlachtfelde  gewesen  sein  muss. 
Die  Stellung  des  Kallimachos  auf  dem  rechten  flügel  des  heeres 
in  der  schlacht,  welche  Stellung  dem  polemarchen  bei  den  Athe- 
nern gesetzlich  zukam  (Her.  6,  111),  kennzeichnet  denselben 
gleichfalls  als  Oberbefehlshaber.  Der  verf.  hat  an  zahlreichen 
beispielen  nachgewiesen,  wie  bei  den  Griechen  jeuer  zeit  der 
rechte  flügel  der  ehrenplatz  des  oberanführers  war.  Aber  auch 
Herodots  eigne  worte,  fjysofiiivov  de  tovtov,  weisen  dem  Kalli- 
machos den  oberbefehl  über  das  ganze  beer  zu,  eine  auffassung 
die  gegenüber  andern  ansichten  bei  dem  verf.  richtig  bewiesen 
erscheint.  Hatte  nun  aber  der  polemarch  den  oberbefehl  über  das 
heer,  so  kann  selbstverständlich  die  bei  Herodot  erwähnte  pry- 
tanie  der  Strategen  denselben  nicht  bezeichnen.  Indem  der 
verf.  aus  Plut.  Cim.  8.  Arist.  5  erweist,  dass  in  der  damaligen 
zeit  je  ein  Stratege  aus  jeder  phyle  gewählt  wurde,  bezieht  er 
mit  recht  die  piytanie  der  Strategen  zugleich  auf  die  phylen 
und  erkennt  dieselbe  in  der  ehrenstelluug  auf    dem  rechteu  flu- 


Nr.  5.  150.  Griechische  alterthümer.  255 

gel.      Diese    prytanie   wurde    von    den    übrigen    Strategen    dem 
Miltiades  abgetreten,  damit  dieser  am  tage  der  schlacht  dem  po- 
lemarchen   zur  hand  war.     An  die   cpvltj   Tcgvravsvovaa  schlössen 
sich  die   übrigen  phylen  in  der  bekannten    officiellen  reibenfolge 
an,    wie  aus  den    worten :    ijytnutinv    8s    tovtov    i^eSsxovto    cög 
TjoiitfJt'irTo     ai    cpvlal     £%6ftst>ai    ullijlwv  (Her.    6,   111),    gegen 
Boeckh  richtig  erwiesen   wird.      Nachdem    der    verf.  dann    noch 
die  Zeugnisse  secundaerer  natur  in  der  Überlieferung   für  die  er- 
wählung des  Kallimachos    zusammengestellt    hat ,     kommt   er  zu 
dem,   wie  es  ref.  scheint,  kaum   anfechtbaren  resultate,   dass  die 
worte  o   tw    xvünm    kayrnv    von  Herodot    ohne    besondere    beto- 
nung    nach    analogie    derartiger    ernennungen  zu  seiner  zeit  ge- 
braucht seien.   —      Das   zweite  scheinbare  zeugniss  für  das   Vor- 
handensein   der    beamtenerloosung    in    jener    zeit,    nämlich    das 
von  Demetrios   von  Phaleron  überlieferte  erlooste   archontat  des 
Aristeides  im  jähre  489   (vergl.  Plut.  Arist.   5)  ,    wird  von  dem 
verf.   gleichfalls  mit  recht    widerlegt.       In    dem    zusammenhange 
seiner    darstellung    war    es  für  Demetrios  ganz  gleichgültig,    ob 
Aristeides   erwählt  oder    erloost  war  und  es  lag  demselben  sehr 
nahe ,   nach  der  analogie  der  spätem    zeit  das   letztere  anzuneh- 
men.    Dem  gegenüber  wird  man  dem  Zeugnisse   des  Idomeneus 
von  Lampsakos :    y.a\  fxrjv   uo^ai    ys   ton  '/4(jifiTti8r}v    6    'löo/jgievg 
ov   xvafÄtvTcv ,    aXV    iln/nsicüv  ' ' Aftr\vat<av   q>7]6iv   (Plut.  Arist.    1.), 
in   diesem    falle,    wenn    auch    sonst    die    glaubwürdigkeit    dieses 
Schriftstellers    sehr    erheblichen    bedenken    unterliegt ,    seine  Zu- 
stimmung   nicht    versagen    können.        Der    verf.  schliesst    dann, 
nachdem     die    entgegenstehenden    Zeugnisse     so    beseitigt    sind, 
dass  die  beamtenerloosung    erst    seit    der    reform    des  Ephialtes 
eingeführt  sein  könne,    weil  erst  durch  diesen   das  archontat    so 
weit     seiner     frühern    machtfülle    entkleidet     worden    sei,     um 
eine    erloosung    desselben    denkbar    erscheinen    zu    lassen.       Als 
zweck    des    looses    hat    der    verf.    gut    den    erkannt ,    dass  man 
durch  einführung    desselben  kleinliche  parteiintriguen  vermeiden 
wollte,    um    die    ganze    aufinerksamkeit    auf   die    besetzung  der 
höchsten    ämter    hinzulenken.      Die    zum    schluss    gegebene    an- 
sieht des  verf.  von  den  vorkleisthenischen    phylen  findet  in  der 
Überlieferung  keine  stütze,    kann  hier  aber,    wegen    der    Schwie- 
rigkeit dieser  frage  s*  nuQf-'oyq)  nicht  berücksichtigt  werden.     Im 
ganzen  kann  man  nicht  umhin,  die  angezeigte  schrift   als  einen 


256  151.  Römische  geschichte.  Nr.  5. 

sehr  dankenswerthen  beitrag  zur  kenntniss  der  athenischen  Ver- 
fassungsgeschichte anzuerkennen. 

151.  Karl  Peter,  geschichte  Roms  in  drei  bänden.  — 
Dritter  band:  elftes  bis  dreizehntes  buch,  die  geschichte  der 
kaiser  bis  zum  tode  Marc  Aureis.  —  Dritte  verbesserte  auf- 
läge. 8.  Halle,  verlag  der  buchhandlung  des  Waisenhauses. 
1871.  —  XXXII  und  520  s.  —     2  thlr. 

„Der  gegenwärtige  dritte  band",  beginnt  die  vorrede,  ,,in 
welchem  nunmehr  die  früher  getrennt  erschienenen  zwei  abthei- 
lungen  desselben  vereinigt  sind ,  bringt  die  römische  kaiserge- 
schichte  und  somit  die  gesammte(l)  römische  geschichte  zum 
abschluss,  so  weit  es  sich  um  eine  darstellung  dessen  handelt, 
was  der  eigentliche  (!)  römische  geist  gewesen  ist  und  geleistet 
hat.  Dieser(!)  römische  geist  ist  nach  unserer  ansieht  bereits 
zu  der  zeit  erloschen,  wo  das  julisch-claudische  kaiserhaus  aus- 
stirbt. Zum  völligen  (!)  abschluss  schien  es  uns  aber  nöthig  u. 
s.  w."  In  der  vorrede  zu  der  1867  erschienenen  ersten  ab- 
theilung  hiess  es:  „der  dritte  band  bringt,  wie  mir  scheint,  die 
eigentliche  (!)  römische  geschichte  zum  abschluss"  und:  ,,der  ur- 
sprüngliche (!)  römische  geist,  das  eigentliche  römerthum  ist  er- 
loschen". —  Eine  so  veränderte  fassung  der  neuen  vorrede 
war  dadurch  geboten,  dass  eine  im  j.  1869  erschienene  zweite 
abtheilung  des  dritten  bandes,  welche  die  schon  zum  abschluss 
gebrachte  geschichte  Roms  unerwartet  fortsetzte  und  zum  „völ- 
ligen" abschluss  zu  bringen  bestimmt  war,  also  ein  blosser  an- 
hang,  als  ein  integrirender  theil  des  buches  auftreten  sollte.  Je- 
doch ist  und  bleibt  diese  Vereinigung  eine  rein  äusserliche;  ja 
sie  hebt  meines  erachtens  das  einheitliche  des  eindruckes,  wel- 
chen das  dreibändige  buch  als  ganzes  machte,  wieder  auf. 

Wenn  geschichte  „Roms",  wie  Peter  sein  buch  betitelt, 
etwas  anderes  bedeuten  kann  oder  soll,  als  was  man  „römische" 
geschichte  oder  geschichte  „der  Römer"  zu  nennen  pflegt,  so 
kann  dem  Verfasser  die  berechtigung  nicht  abgesprochen  wer- 
den, dieselbe  mit  dem  untergange  der  römischen  repuhlik  als 
beendigt  anzusehen,  gleichviel  ob  er  dieses  „Rom"  nach  der 
tödtiiehen  wunde  von  Thapsos  durch  den  gnadenstoss  von  Ac- 
tium  sterben  oder  noch  langsamer  verbluten  lassen  will.  Aber 
wer  hat   je  unter  Trajan    oder   gar  unter  Marc  Aurel  noch  ein 


Nr.  5.  151.  Römische  geschichte.  257 

todeszucken  jenes  alten  Rom  wahrzunehmen  geglaubt  und  wer 
hat  nicht,  statt  das  starre  äuge  voll  bedauern  auf  die  letzten 
spuren  der  Verwesung  des  entseelten  leichnams  geheftet  zu  hal- 
ten, lieber  den  forschenden  blick  nach  den  keimen  und  ersten 
regungen  des  neuen  lebens  ausgesendet,  welches  aus  einer  ver- 
gangenen herrlichkeit  emporblühen  sollte?  ,,Rom"  d.  h.  das 
Rom,  welches  nach  Peter  (p.  x)  auf  dem  höhepunkt  seiner  ent- 
wickelung  in  der  zeit  der  punischen  kriege  stand  ,  hatte  aller- 
dings nach  einem  leben  von  800  und  etlichen  jähren  zu  sein 
gänzlich  aufgehört,  denn,  was  der  Verfasser  (p.  i)  den  „ei- 
gentlichen römischen  geist"  oder  (p.  xi)  „römischen  Patrio- 
tismus" nennt  und  fp.  x)  als  das  „auf  freier  Selbstbestimmung 
des  volkes  beruhende  aufgehen  des  individuums  in  dem  Staate" 
definiert,  war  freilich  damals  bereits  „erloschen".  —  Aber  ein 
von  diesem  „eigentlichen"  Römerthum  zwar  verschiedenes,  je- 
doch immer  noch  ein  Römerthum  —  ich  würde  es  lieber 
abgeartet  als  „entartet"  nennen  —  war  doch  nicht  nur  vor- 
handen, sondern  fing  an,  sich  in  eigenthümlicher  weise  zu  ent- 
wickeln und  zu  entfalten  und  ist  erst  nach  mehrhundertjähri- 
gem wirken,  nachdem  es  seine  aufgäbe  den  occident  zu  civilisie- 
ren  und  der  christlich  -  germanischen  culturepoche  die  statte  zu 
bereiten  erfüllt  hatte ,  von  der  weltbühne  abgetreten.  Sonach 
kann  eine  „römische"  geschichte,  die  freilich  zugleich  mit  dem 
abstreifen  der  republikanischen  Staatsformen  und  dem  erlöschen 
der  alten  eriunerungen  mehr  und  mehr  eine  Universalgeschichte 
wird  und  werden  muss,  ihren  „völligen"  abschluss  erst  da  fin- 
den, wo  die  morsche  formhülle  des  längst  mit  neuem  inhalt 
gefüllten  gefässes  gänzlich  zusammenbricht  und  die  römische 
culturepoche  der  christlich -germanischen  das  feld  räumt,  d.  h. 
wo  alterthum  und  mittelalter  sich  scheiden. 

Von  dieser  „römischen"  geschichte  will  Peter's  „geschichte 
Romsu  nur  den  ersten  grossen  abschnitt ,  welchen  er  in  der 
früheren  vorrede  des  dritten  bandes  die  „eigentliche"  römische 
geschichte  nannte,  zur  darstellung  bringen.  In  diesem  abschnitt 
bilden  aber,  wie  der  Verfasser  richtig  gefühlt  hatte,  die  julisch- 
claudischen  kaiser  die  äusserste  grenze  seines  Stoffgebietes,  und 
in  solcher  beziehung  konnte  und  durfte  ihr  sein  und  wirken 
kaum  anders  aufgefasst  und  behandelt  werden ,  als  von  dem 
Verfasser  geschehen.  Eine  wesentlich  hievon  verschiedene  be» 
Philol.  Anz.  iy  17 


258  151.  Kömische  geschichte.  Nr.  5. 

deutung  haben  aber  diese  selben  fürsten  und  diese  selben 
jahrzehente ,  insofern  mit  ihnen  der  zweite  grosse  abschnitt  der 
römischen  geschichte  beginnt.  Wer  eine  geschichte  nur  der 
römischen  kaiserzeit  schreiben  wollte,  würde  einer  darstel- 
lung der  letzten  zeiten  der  republik  (sei  es  seit  den  Gracchen 
oder  seit  Sulla)  als  einleitung  nicht  entbehren  können,  und  diese 
würde  neben  den  merkzeichen  des  Verfalles  der  alten  Ordnun- 
gen namentlich  und  ganz  besonders  alle  keime  der  künftigen 
entwickeluug  und  gestaltung  aufzusuchen  und  zu  beleuchten  ha- 
ben ;  dann  aber  bildet  das  julisch  -  claudische  kaiserhaus  nicht 
ende  und  abschluss  einer  abgelebten,  sondern  anfang  und  grund- 
stein  einer  werdenden  zeitepoche  —  und  eine  wahrhaft  histo- 
rische darstellung  des  achten  Jahrhunderts  der  Stadt  müsste  sicher- 
lich ein  anderes  bild  desselben  vor  uns  aufrollen,  als  es  Tacitus  hat 
thun  können,  der  jenen  zeiten  viel  zu  nahe  stand ,  und  als  es 
Peter  gethan  hat.  Es  dürfte  überhaupt  noch  mehr  als  zweifel- 
haft sein,  ob  die  zeit  zu  einer  umfassenden  darstellung  der  rö- 
mischen kaisergeschichte  schon  gekommen  sei,  wenn  man  unter 
einer  solchen  mehr  als  die  Verarbeitung  und  Vervollständigung 
des  Tillemont'schen  quellenmaterials  versteht. 

Nach  diesen  erörterungen  kann  ich  meine  ansieht  über  das 
in  dem  vorliegenden  bände  gebotene  in  wenige  worte  zusam- 
menfassen. Der  erste  theil  (buch  XI.  XII:  das  julisch -claudi- 
sche kaiserhaus)  bildet  einen  der  auffassung  der  geschichte  der 
römischen  republik,  wie  sie  in  den  beiden  ersten  bänden  ent- 
wickelt ist,  entsprechenden  abschluss  und  einem  solchen  er- 
scheint inhalt  und  behandlung  angemessen.  Er  bringt  uns  den 
Vernichtungskampf  zur  anschauung ,  welchen  das  Cäsarenthum, 
nachdem  das  republikanische  regiment  in  Rom  für  immer  ge- 
stürzt und  beseitigt  war,  gegen  alles  führte,  was  der  neuen 
Ordnung  der  dinge  sich  nicht  fügen  konnte  oder  wollte ;  wir 
sehen  die  letzten  regungen  jenes  geistes,  der  einst  die  republik 
gehoben  und  getragen  hatte,  völlig  erstickt.  Die  bekannten 
und  allgemein  anerkannten  Vorzüge  der  historischen  darstel- 
lungsweise des  Verfassers,  welche  seinem  buche  einen  platz 
in  erster  reihe  erworben  haben,  finden  sich  hier  wieder;  die 
schwäche  —  den  quellen  gegenüber  —  konnte  hier  weniger  ein- 
fluss  üben.  —  Der  zweite  theil  dagegen  (buch  XIII,  die  zeit 
von  Nero's  tode  bis  zum   ende  Marc  Aureis  umfassend)  erscheint 


Nr.  5.  151.  152.  Komische  geschichte.  259 

mir  als  ein  nicht  nur  überflüssiger,  sondern  die  totalität  des 
eindruckes  störender  anharig.  Darstellungen  einzelner  Zeitab- 
schnitte der  römischen  kaisergeschichte  haben  für  jetzt  meines 
erachtens  nur  einen  werth  in  monographischer  bearbeitung,  bei 
"welcher  das  quellenmaterial  in  möglichster  Vollständigkeit  vor- 
geführt und  beleuchtet,  sodann  die  bedeutung  der  gewonnenen 
ergebnisse  ganz  vornehmlich  nach  vorwärts  gewürdigt  wer- 
den. Keines  von  beiden  trifft  im  vorliegenden  falle  zu.  Und 
was  dem  ersten  theile  (buch  XI.  XII)  trotz  derselben  mängel 
berechtigung  und  interesse  verschafft,  der  unmittelbare  äussere 
und  innere  Zusammenhang  mit  der  katastrophe  von  Actium  und 
dem  thatsächlichen  ende  der  republik,  das  fehlt  dieser  fortse- 
tzung  so  gänzlich,  dass  sie  in  der  that  als  ein  theil  dieses 
buches  keine  bedeutung  beanspruchen  kann,  während  sie  für 
sich  betrachtet  der  Vorzüge  und  des  werthes  einer  monographi- 
schen arbeit  schon  wegen  des  mangelnden  details  entbehren  muss. 
Was  das  verhältniss  der  neuen,  verbesserten  aufläge  zu  der 
älteren  betrifft,  so  beziehen  sich  die  Veränderungen  hauptsäch- 
lich auf  feilung  der  darstellungsform.  Vielfach  sind  perioden 
umgebaut,  der  ausdruck  präcisiert ,  an  einigen  stellen  der  stoff 
zweckmässiger  gruppiert  (z.  b.  in  der  geschickte  des  Germani- 
cus,  in  den  letzten  paragraphen  des  schlusscapitels  über  litera- 
tur  u.  a.) ;  die  anmerkungen  gekürzt  oder  erweitert;  überall 
aber,  —  wie  es  nicht  anders  von  der  Sorgfalt  des  Verfassers 
zu  erwarten  war,  —  einzelresultate  neuester  forschungen  gewis- 
senhaft verwerthet;  bei  der  Chronologie  von  Seneca's  Schriften 
konnte  noch :  de  brevitate  vitae  im  j.  49,  s.  Otto  Hirschfeld 
Philol.  29,  p.  95,  hinzugefügt  werden.  —  Die  sehr  wenigen 
druckfehler  der  ersten  ausgäbe  (auch  im  zweiten  theile)  sind 
berichtigt,  merkwürdigerweise  ist  aber  p.  237  noch  immer  (doch 
wohl  nicht  absichtlich)  M.  Claudius  Silanus  als  der  name 
von  Caligula's  Schwiegervater  zu  lesen.  Einwendungen  und  be- 
denken in  sachlicher  beziehung  gegen  einzelnes  zu  erheben  ist 
hier  nicht  der  ort.  St. 

152.  Kritische  erörterungen  über  den  römischen  Staat,  von 
Dr  Octavius  Clason.  —  Rostock  1871.  (3  hefte.  8.  210 
s..  —  ä  12.  15.  77a  sgr.). 

Die    grosse   bedeutung    der  „römischen  geschichte"  Theod. 

17* 


260  152.  Komische  altertbümer.  Nr.  5. 

Mommsen's  beruht  nicht    zum    geringsten  theil  in  einer  vielfach 
neuen  grundanschauung  von  dem  boden ,    auf   welchem  —  und 
den  Verhältnissen,  unter  und  aus  welchen  sich  das  politische  le- 
ben Eoms  entwickelte.     Namentlich  muss  es  sich  dabei  um  We- 
sen und  bedeutung  von  politischen  Institutionen   handeln,    wel- 
che zu  der  zeit,  als  unsere  quellen  über  sie  berichten,    in  ihrer 
ursprünglichen    form     und     geltung     theils     gänzlich     erstorben 
waren,    theils    abgeschwächt    und    verändert    in    dem    späteren 
Staatsorganismus  eine  durchaus  verschiedene    und    darum  häufig 
missverstandene    Stellung    einnahmen.      Ob.    wie  lange    und   in- 
wieweit  das   patricierthum    auch  nach  ausgleich  des  ständekam- 
pfes  im  besitz  von  besonderen,    aus    seiner  früheren  privilegier- 
ten   Stellung    herübergetragenen   rechten  geblieben  und   welches 
während  des  ringens  der  beiden  stände  jene  Vorrechte  gewesen, 
welche    bedeutung    das    patricierthum    innerhalb    der  gemischten 
körperschaften  gehabt  und  bebalten  habe:  das  sind  hauptfragen, 
welche    die    forschung  auf   dem    gebiete    der    älteren  römischen 
geschichte    seit  Niebuhr    immer    wieder    beschäftigt    haben    und 
welche  Mommsen    aufs    neue    in    ihrem    innern  zusammenhange 
erläutert  und    beantwortet  hat.      Die    bestimmtheit    und    lücken- 
lose consequenz  dieser  antwort,  vermöge  deren  seine  „geschichte" 
ein  so  lebensvolles,    einheitliches    bild  der  staatlichen  entwicke- 
lung  Roms  vor  uns  aufrollt,    verbunden  mit  der  autorität,    die 
tiefem  und  breitem  wissen  und  glänzender    combinationsgabe  so 
gern  zugestanden  wird  ,    haben    der  darstellung  Mommsen's  wie 
deren  fundamentalanschauungen  schnell    begeisterte   freunde  er- 
worben —  besonders,    seitdem  in  den  „römischen  forschuugen" 
eine  ausführliche  begründung  und  entwickelung  der  in  der  ,, ge- 
schichte" verwendeten  resultate    antiquarischer   Studien    erschien 
und  damit    in  ergänzung    der    zu    einem    theile   schon  früher  in 
den  „römischen  tribus"  gegebenen  ausfiihrungen ,  nun  das  voll- 
ständige material    zur    erkenntuiss    und  prüfung  des  neugebote- 
nen in  ganzer  ausdehnung   und   scharfer    beleuchtung  vorgelegt 
wurde. 

Durch  die  an  der  spitze  dieser  bemerkungen  genannte 
kleine  schritt  nun  hat  deren  Verfasser  den  nicht  leichten  und 
schon  deshalb  jedenfalls  dankenswerthen  versuch  gemacht,  Momm- 
sen's theorie  und  beweisführung  in  allen  theilen  einer  eingehen- 
den   betrachtung    und    beleuchtung    zu    unterziehen,    und    diese 


Nr.  5.  152.  Römische  alterthümer,  261 

aufgäbe  —  wie  mir  scheint  —  sine  ira  et  studio  und  mit 
dem  erfolge  gelöst,  dass  die  erörterungen  über  die  betreffenden 
fragen  als  abgeschlossen  noch  durchaus  nicht  erachtet  werden 
dürfen. 

Die  beiden  ersten  hefte  behandeln  zunächst  „die  Zusam- 
mensetzung der  curien  und  ihrer  comitien ,  das  wesen  der  tri- 
bus  und  der  tribusversammlungen  der  älteren  republik,  das  we- 
sen und  die  Zusammensetzung  des  Senats"  —  den  ausführun- 
gen  Mommsen's  schritt  für  schritt  folgend  und  nicht  nur  deren 
resultate  an  und  für  sich  und  in  ihren  Wechselbeziehungen,  son- 
dern auch  die  methode,  durch  welche  sie  gewonnen,  scharf  und 
umsichtig  beleuchtend.  Gegen  die  methode  wird  hauptsächlich 
der  Vorwurf  geltend  gemacht,  dass  vielfach  erst  durch  künst- 
liche Interpretation,  ja  durch  gänzliche  Verwerfung  oder  Verän- 
derung der  literarischen  oder  historischen  Überlieferung  die  fun- 
damentalsätze  geschaffen  werden,  welche  dann  wieder  dazu  die- 
nen müssen ,  die  glaubwürdigkeit  anderer  berichte  zu  stärken 
oder  abzuschwächen.  —  Das  gesammtergebniss  dieser  auf  Momm- 
sen's , Forschungen"  bezüglichen  Untersuchungen  ist :  den  beweis 
zu  führen,  dass  die  plebejer  viel  vor  anfang  des  sechsten  Jahr- 
hunderts der  Stadt  in  die  curien  eingetreten  sind ;  dass  die 
tribus  vor  Rullianus  nur  die  ansässigen  bürger  enthielten,  dass 
es  seit  305  d.  st.  zwei  verschiedene  tribusversammlungen  (pa- 
tricisch- plebejische  tribut  c  o  m  i  tien  ,  aiif  deren  beschlösse  der 
name  plebiscita  nur  missbräuchlich  anwendbar  sei,  und  rein  ple- 
bejische tribus co ncilien,  aus  deren  berathungen  die  plebiscita 
hervorgingen)  gegeben  hat;  dass  in  dem  senat  vor  dem  vierten 
Jahrhundert  faktisch  plebejische  mitglieder  zutritt  erlangt  und 
stets  die  patricier  eine  Corporation  mit  besonderen  rechten  in- 
nerhalb desselben  gebildet  haben,  —  alles  dies  überzeugend  zu 
erweisen  sei  Mommsen  nicht  gelungen. 

An  diese  ablehnung  der  Mommsenschen  ansichten  über  das 
verhältniss  der  plebejer  zu  den  patriciern  reiht  sich  dann  in  dem 
letzten  abschnitt  des  zweiten  heftes  (p.  139 — 164)  ein  versuch, 
im  zusammenhange  „den  entwickelungsgang  des  gesammten  ple- 
bejischen Staatsrechtes  zu  verfolgen",  in  welchem  —  mit  beson- 
derer beachtung  der  beiden  aufsätze  von  J.  Ptaschnik  (Zeitschr. 
f.  österr.  gyinn.  1866  und  1870)  —  die  oben  beiläufig  gewon- 
nenen resultate  systematisch  geordnet  werden.     Es  ergeben  sich 


262  152.  Römische  alterthümer.  Nr.  5. 

durch  die  erörterung  vier  entwickelungsstufen  der  plebejischen 
rechtsverhältnisse :  1)  die  zeit  bis  zur  ersten  secession;  2j  seit 
der  errichtung  des  volkstribunates,  3)  seit  dem  j.  283,  wo  durch 
die  rogationen  des  Volero  die  plebejischen  concilien  die  rechte 
der  comitien  d.  h.  einer  Standesversammlung  erhalten,  4)  seit  dem 
j.  305,  wo  die  tribut  comitien,  an  welchen  nun  auch  die  pa- 
tricier  sich  zu  betheiligen  anfingen,  die  befugniss  zu  legislatori- 
scher thätigkeit  erhielten.  Die  gesetze  von  415  und  467  seien 
dann  nur  eine  zweimalige  erneuerung  des  Valerisch-Horatischen 
gesetzes  gewesen.  Eine  vermuthung  über  eine  durch  dieselben 
bewirkte  competenzenerweiterung  wird  p.  114   aufgestellt. 

Das  dritte  heft  endlich  construiert  in  ,, positiver"  Unter- 
suchung: „die  grundlage  und  wurzeln  jener  späteren  staats- 
entwickelungen",  behandelt  also  1)  die  entstehung  des  römischen 
Staatswesens  (die  vereinigten  römischen  urgemeinden,  nun  tribus, 
mit  dem  wahlkönig  ein  künstliches  abbild  der  römischen  fami- 
lie  unter  dem  paterfamilias ;  die  dreissig  curien  bilden  die 
Staatseinheit ,  den  populus;  ihre  angehörigen  sind  die  Quirites) ; 
2)  das  wesen  des  römischen  königthums  (die  persönliche 
Übertragung  und  die  inauguration  nothwendige  erfordernisse  der 
legitimität;  die  tyrannis  beginnt,  nach  einem  verunglückten 
versuche  des  älteren  Tarquin,  mit  Servius  Tullius,  welcher  durch 
die  ertheilung  politischer  rechte  an  die  plebs  der  eigentliche 
Schöpfer  eines  bevorrechteten  patricierthums  wird). 

Diese  andeutungen  werden  genügen ,  die  aufmerksamkeit 
auf  die  hefte  zu  lenken,  da  dieselben  beachtenswerte  Streif- 
lichter in  das  dunkel  jenes  hypothesenwaldes  werfen  und  die 
objectivität  der  betrachtung  nach  möglicbkeit  gewahrt  erscheint. 
Nur  an  einer  stelle  glaube  ich  eine  offenbare  Übereilung  bemerkt 
zu  haben,  die  zwar  das  resultat  im  ganzen  nicht  beeinträchtigt, 
aber  durch  den  ziemlich  scharfen  ton ,  mit  welchem  Mommsen 
des  irrthums  geziehen  wird,  um  so  auffallender  hervortritt.  Es 
ist  die  erörterung  über  verhältniss,  unterschied  und  färbe  des 
calceus  senatorius  und  patricius.  Der  Verfasser  bemerkt  ganz 
richtig,  dass  an  den  von  Mommsen  (Forsch,  p.  255)  citierten 
stellen  nirgends  die  rothe  färbe  ausdrücklich  erwähnt  ist;  nichts 
desto  weniger  aber  wird  Mommsen  gegen  Marquardt  (Handbch. 
5,  2,  191)  und  gegen  den  verf.  darin  recht  behalten  müssen, 
dass  der  an  jenen  stellen  in  rede  stehende  senatorenschuh  roth 


Nr.  5.  153.  Kömische  alterthümer.  263 

gewesen,  wie  mit  Sicherheit  aus  Festus  p.  142  hervorgeht.  Da- 
mit sind  nun  zwar  die  von  dem  Verfasser  aus  seiner  bemerkung 
hergeleiteten  folgerungen  hinfällig,  jedoch  hebt  uns  Mommsen 
auch  durch  seine  neuesten  zusätze  (Staatsrecht  I,  p.  341)  darum 
noch  nicht  über  alle  Schwierigkeiten  der  frage  hinweg,  auf  wel- 
che ich  an  anderer  stelle  ausführlich  zurückzukommen  gedenke. 

St. 

153.  Cassius  Dio  LTT,  20:  zur  frage  über  die  leges  annales 
der  römischen  kaiserzeit.  Von  Dr  Octavius  Clason.  Bres- 
lau. 1870.     8.     40  seiten.  —     10  gr. 

Nachdem  Wex  gezeigt  hatte ,  dass  Masson  in  seiner  vita 
Plinii  bezüglich  der  annalgesetze  durch  die  anwendung  der 
republikanischen  Ordnung  auf  die  kaiserzeit  zu  falschen  resulta- 
ten  habe  kommen  müssen,  sind  von  ihm  ,  dann  später  von  Ur- 
lichs und  Mommsen  mehr  oder  weniger  ausführliche  erörterun- 
gen  über  den  gegenständ  veröffentlicht  worden  ,  alle  aber  eben 
nur  zur  begründung  und  erläuterung  ihrer  ansieht  über  die 
Chronologie  einer  speciellen  amtslaufbahn.  Auch  Nipperdey 
fügte  seiner  grundlegenden  arbeit  über  die  leges  annales  der  re- 
publik einen  kurzen  excurs  über  die  bestimmungen  der  kaiser- 
zeit bei.  Diesen  arbeiten  reiht  sich  die  in  der  Überschrift  be- 
zeichnete Untersuchung  über  die  bekannte  stelle  Dio's  an ,  de- 
ren ganz  unzweideutiger  sinn  einerseits  unzweifelhaft  den  we- 
sentlichen inhalt  der  kaiserlichen  bestimmungen  über  die  amts- 
altersgrenzen  ausdrückt ,  andrerseits  aber  weder  durch  die  hi- 
storisch überlieferten  beispiele  bestätigt  zu  werden  noch  in  sei- 
nem verhältniss  zur  republikanischen  Ordnung  genügend  erklär- 
bar zu  sein  scheint.  Zum  zweck  der  lösung  dieser  Widersprü- 
che, die  doch  eben  nur  scheinbare  sein  können,  sobald  man  in 
Dio's  worten  den  ausdruck  einer  gesetzlichen  normirung  aner- 
kennt, müht  der  verf.  —  wie  alle  seine  Vorgänger  —  sich  ver- 
gebens ab  durch  künstliche  rechnungen  nachzuweisen,  wie  den 
gesetzlichen  forderungen  in  betreff  der  intervallfristen  auch  nach 
einführung  der  neuen  altersgrenzen  (25  und  30  jähre)  habe  ge- 
nüge geleistet  werden  können.  Vergebens  —  denn  das  coeptus 
annus  pro  pleno  habetur  ist  wohl  für  berechnung  der  altersgren- 
zen, aber  nie  der  intervallfristen  verwendet  worden.  —  Dass 
der  verf.  einen  offenbaren  Widerspruch   bei  Dio    in   betreff   von 


264  153.  Römische  alterthümer.  Nr.  5. 

Tiberius  amtslaufbahn  (ihm  wurde  die  bewerbung  fünf  jähre 
vor  der  gesetzlichen  zeit  —  25  j.  —  gestattet  und  doch  die 
quästur  schon  im  19.  lebensjahre  gegeben)  damit  erklärt,  Dio 
habe  jenen  rechtsgrundsatz  „ eigenmächtig  zu  annus  plenus  pro 
coepto  ponitur  erweitert  und  verändert"  und  so  25  aus  24  ge- 
macht, dürfte  ein  keineswegs  glücklicher  einfall  zu  nennen  sein. 
Ebenso  verfehlt  scheint  es,  die  Zahlenangabe  für  das  prätorische 
alter  (30  jähre)  für  eine  nicht  ausdrücklich  im  gesetze  bestimmte, 
sondern  von  Dio  berechnete  zu  halten,  und  obenein  diese  grenze 
durch  addition  des  alten  biennium  zum  ädilicischen  alter,  wel- 
ches nun  gar  nirgends  angegeben  wird ,  gefunden  zu  denken. 
Verwunderlich  ist  ferner  die  ansieht,  dass  die  curulädilität  ei- 
gentlich das  als  mittelstation  in  betracht  gezogene  amt  gewe- 
sen sei  —  und  doch  wurde  nicht  aedilicii ,  sondern  tribunicii 
die  bezeichnung  der  rangstufe!  —  Unter  den  beispielen  der 
amtslaufbahnen  wird  ausser  Tiberius ,  Germanicus ,  Agricola, 
Plinius  und  anderen  hauptsächlich  Hadrian  ausführlich  bespro- 
chen. Aber  die  ergebnisse  in  betreff  der  prätur  entfernen  sich 
noch  weiter  als  Henzens  nicht  ausreichend  gestützte  bestimmung 
von  der  Wahrscheinlichkeit;  ist  doch  seit  vier  jähren  Hadrians 
consulatsjahr  durch  das  weissenburger  diplom  sicher  auf  das  j. 
108  bestimmt.  [Ich  glaube,  dass  bei  Spartian  die  consulatsangaben 
irrthümlich  an  die  falschen  stellen  gerathen  sind  und  Hadrian  100/1 
q.,  102/3  tr.  pl.,  105  praetor  gewesen  ist]. —  So  weit  für  jetzt  deut- 
lichere einsieht  in  die  annalgesetze  der  kaiserzeit  zu  gewinnen 
ist,  hat  dieselbe  in  den  wesentlichsten  punkten  Mommsen  in  seinem 
„Staatsrecht"  gebracht,  der  namentlich  auf  die  nothwendigkeit 
der  Unterscheidung  zwischen  der  früheren  befristung  der  inter- 
valle  und  den  spätem  fixirten  altersgrenzen  aufmerksam  ge- 
macht hat.  Mit  seiner  darstellung,  obwohl  darin  noch  manches 
unerledigt,  einzelnes  bedenklich  bleibt,  werden  wir  uns  vorläufig 
begnügen  müssen.  Ob  je  vollständige  klarkeit  in  die  sacke  kom- 
men kann,  steht  dahin,  da  das  kaiserliche  dispensatiousrecht  eine 
rationelle  berechnung  in  den  meisten  fällen  illusorisch  macht, 
sich  also  aus  den  historisch  überlieferten  beispielen  ganz  sichere 
Schlüsse  auf  die  gesetzlichen  bestimmungen  nicht    ziehen  lassen. 

St. 


Bibliographie  nr.  154—158.  265 

NEUE  AUFLAGEN.  154.  H.  W.  St  oll,  anthologie 
griechischer  lyriker.  1.  abth.  Elegie  und  epigramme.  4.  aufl. 
8.  Hannover,  Rümpler;  15  ngr.  —  155.  G.  F.  Puchta, 
institutionen.  3.  bd.  6.  aufl.  besorgt  von  A.  F.  Rudorff, 
8.     Leipzig,  Breitkopf  und  Härtel ;  2  thlr. 

NEUE  SCHULBUECHER.  156.  Corn.  Nepotis  Vitae  ex- 
cellentium  imperatorum.  In  usum  scholarum  ed.  0.  Eichert. 
16.  Ed.  VI.  Breslau,  Korn;  4  ngr.:  mit  Wörterbuch  8.  aufl. 
12  ngr.;  Wörterbuch  apart  8  ngr. —  157.  F.  Spiess  Übungs- 
buch zum  übersetzen  aus  dem  deutschen  ins  lateinische  zu  der 
lateinischen  schulgrammatik  von  Siberti  und  Meiring  f.  d.  quarta 
bearbeitet.  12.  aufl.  8.  Essen,  Bädeker;  12x/2  ngr.  —  158. 
A.  Buttmann,  kurzgefasste  geographie  von  Alt-Griechenland. 
8.     Berlin,  Nicolai;   18   ngr. 

BIBLIOGRAPHIE.  Von  neu  erschienenen  büchern  bemer- 
ken wir:  A.  Prüsker,  lexikon  der  bedeutenderen  schlachten, 
belagerungen  und  gefechte  von  den  ältesten  zeiten  bis  auf  un- 
sre  tage.  8.  Leipzig,  Luckhardt;  20  gr.;  A.  Franz,  M.  Au- 
relius  Cassiodorus.  Ein  beitrag  zur  geschichte  der  theologi- 
schen Literatur.      8.     Breslau,  Aderholz-,   20  ngr. 

Verlags  -  bericht  von  H.  Ebeling  und  C.  Plahn  in  Berlin, 
januar  —  märz  1872  :  kündigt  erscheinende  werke  an ,  von  R. 
Volkmann,  die  rhetorik  der  Griechen  und  Römer,  3  thlr.  28  gr., 
T.  Terenti  Hauton   timorumenos  von   W.   Wagner,  12  gr.  u.a. 

Verzeichnisse  des  musikalischen  Verlags  von  G.  W.  Fritzsch 
zu  Leipzig  gehen  uns  zu :  wir  heben  daraus  hervor  die  Schrif- 
ten von  Dr.  C.  Fuchs,  präliminarien  zu  einer  kritik  der 
tonkunst.  8.  Leipzig.  1871:  Virtuos  und  Dilettant,  ideen 
über  clavier- Unterricht  und  über  reproductive  kunst.  8.  Eberi- 
das.  1871.  Auch  die  gesammelten  Schriften  und  dichtungen 
von  Richard  Wagner  sollen  hier  erscheinen. 

Verzeichniss  im  preise  ermässigter  werke  aus  dem  Verlage 
von  W.  Weber  in  Berlin:  darunter  Schriften  von  Bonitz, 
Christ,  Mützel,  Meineke,  Panofka:  aus  dem  verlage  der  Meyer'- 
schen  hofbuchhandlung  in  Detmold,  Schriften  von  Fr.  Q.  Pott, 
sonst  meist  veraltete  Sachen.  —  Is.  St.  Groar  offerit  Sui- 
dae  Lexicon  ed.   G.  Bernhardy  zu  neun  thlrn. 

Cataloge  von  antiquaren:  bücheranzeigen  von  Graff  und  Mül- 
ler in  Braunschweig;  80.  lager  -  catalog  von  F.  Schmitz  an- 
tiquariat  in  Elberfeld  ;  antiquarische  anzeigen  nr.  15  von  Ernst 
Wagner  in  Augsburg. 

KLEINE  PHILOLOGISCHE  ZEITUNG.  Durch  ein  gün- 
stiges geschick  ist  uns  eine  so  viel  wir  wissen  in  weitern  krei- 
sen nicht  bekannt  gewordene  tabula  gratulatoria  Ritschl's  zu  ge- 


266  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  5. 

sieht  gekommen  und  da  wir  hoffen,  dass  der  vf.  ihre  Veröffent- 
lichung uns  nicht  verübeln  werde,  auch  sicher  wissen,  durch 
diese  unsern  lesern  einen  dienst  zu  erweisen,  so  theilen  wir  sie 
hier  mit : 

Q.  b.  f.  f.  f.  q.  s  |  Viro  omni  humanitatis  laude  ornatissimo| 
Alfredo  Graffunde  r  |  Pomerano  nunc  Berolinensi  |  augustis- 
simo  Borussorum  regi  a  consiliis  regiminis  sanetioribus  |  regii 
ordinis  aquilae  rubrae  equiti  |  postquam  per  decem  lustrorum 
spatium  publicis  commodis  civitatis  praedicabili  [  gnavitate  sin- 
gularique  intellegentia  pro  viribus  consuluit  |  praeter  cetera  au- 
tem  et  rem  scholasticam  territorii  Erfordiensis  prudentissimo] 
consilio  raroque  exemplo  promovit  emendavit  adauxit  |  et  libro- 
rum  pari  subtilitati  elegantia  scriptorum  varietate  j  cum  institu- 
tionis  publicae  artem  ac  diseiplinam  ad  certorum  praeceptorum| 
salubritatem  revoeavit  |  tum  quaestiones  phdosoj)bicas  in  acade- 
miae  Erfordiensis  consessibus  peculiari  |  acumine  inlustravit 
tum  de  philologicis  litteris  strenue  investigata  luculenterque 
enarrata  Zingarorum  lingua  egregie  meruit  |  laetissimi  diei  XIX. 
m.  Martii  a.  MDCCCLXXII  sollemnitatem  ex  |  animo  gratula- 
tur  |  multorumque  annorum  cum  parem  vigorem  tum  etiam  |  ma- 
jorem prosperitatem  exoptat  |  diutinae  consuetudinis  suavis- 
simae  memoria  animique  vere  fraterni  pietate  |  coniunetissi- 
mus  |  Fridericus  Kitschi  |  natu  Borussus  Vargulanus  mu- 
nerum  longinquitate  Halensis  Vratislaviensis  Bonnensis  |  Mueble- 
rianae  potentiae  tetricis  consiliis  extorris  nunc  Saxo  Lipsiensis] 
honorificae  pacis  felicitate  perfruens. 

Berlin.  In  der  sitzung  der  archäologischen  gesellschaft  am 
9.  april  zeigte  professor  G.  Wolff  den  neuesten  rechenschaftsbe- 
richt  der  archäologischen  kommission  zu  St.  Petersburg  vor, 
verfasst  von  dem  grafen  Stroganoff  und  dem  wirklichen  staats- 
rath  Stephani ,  und  begleitet  von  seebs  zum  theil  farbigen  ta- 
feln und  mehreren  holzschnitten.  Prof.  Wolff  hob  einige  der 
gelehrten  erörterungen  Stepbani's  hervor.  —  Baurath  Adler  be- 
handelte die  Atbena  Parthenos  des  Phidias  und  bereebnete  die 
zeit  ihrer  Verfertigung  auf  etwa  471 — 65  v.  Chr.,  ihre  höhe 
auf  52  —  54',  mit  sockel  auf  70 — 74',  so  dass  sie  den  64'  hohen 
obersten  first  des  Parthenon  überragte.  Sie  werde  als  schlüs- 
selhalterin  bezeichnet,  könne  aber  nicht  als  die  hüterin  der  pro- 
pyläen  gelten,  sondern  als  die  des  Poliastempels.  Er  zeigte 
eine  in  diesem  jähre  von  der  bürg  Athens  in  das  berliner  mu- 
seum  gekommene  bronzestatuette  vor  ,  deren  attribute  er  nach 
den  naebrichten  der  alten  ergänzt  hatte.  Ihre  grosse  beträgt 
Vioc  der  von  ihm  berechneten  grosse  des  Originals.  —  Dr  von 
Sallet  wies  ein  bronzefigürchen  des  niederlausitzer  alterthums- 
vereins  vor,  einen  Iupiter,  Dr  Heydemann  durchzeichnungen 
interessanter  vasenbilder  der  Sammlung  Jatta's  zu  Kuvo ,  Dr 
Graser  die  Zeichnung  eines  alten  brouzeoinaments  von  dem  vor- 


"Nr.  5.  Kleine  philologische  zeitung.  267 

derbug  eines  Schiffes,  des  kopfes  der  göttin  Eoma,  herrn  Dou- 
glas in  England  gehörig,  und  besprachen  die  vorlagen.  —  Ma- 
ler Wittich  las  über  die  maasse  des  Artemisions  zu  Ephesus. 
Hermann  Grimm  wies  den  einfluss  des  Appulejus  und  von 
1517  an  auch  des  Philostratus  auf  kompositiouen  Eafael's  nach: 
besonders  in  der  Vermischung  von  liebesgöttern  mit  hindern 
zeige  sich  nachahmung  von  Philostratus  bildern,  ebenso  auf 
einigen  kupfern  Albrecht  Dürer's,  welchem  vermuthlich  Pirkhei- 
mer  mittheilungen  aus  einer  handschrift  des  Philostratus  ge- 
macht habe.  —  Prof.  Hübner,  welcher  in  abwesenheit  des 
prof.  Curtius  den  Vorsitz  führte,  beklagte  den  8.  april  zu  Rom 
erfolgten  tod  des  alterthumsforschers  Dr  Parthey.  [S.  Augsb. 
Allg.  Ztg.   nr.   102:  auch  Börsenbl.  nr.  86] 

Dass  die  ob.  heft  4,  p.  223  erwähnte  warnung  Petzhol  dt's 
in  betreff  der  zu  gründenden  strassburger  Stadtbibliothek  das 
richtige  getroffen,  führt  ein  artikel  im  Börsenbl.  nr.  88  aus 
und  wird  auch  durch  zeitungen  bestätigt,  vrgl.  auch  Börsenbl. 
nr.   86,  Augsb.   Allg.  Ztg.   nr.   123. 

Zur  erinnerung  an  Friedrich  Perthes  ist  ein  lesenswerther 
aufsatz  von  H.  Böhlau  im  Börsenbl.  nr.  88.89  erschienen:  vrgl. 
ebendas.  P.  Moebius  in  nr.  91  ;  ebendas.  nr.  100  F.  J.  From- 
mann. 

Arnold  Perls  zu  Gleiwitz  in  Schlesien  versendet  einen 
prospect  und  einladung  zur  subscription  auf  eine  „Zeitschrift 
für  die  deutschen  gymnasiasten  und  realschüler",  welche  im 
verlag  von  Issleib  und  Rietschel  in  Gera  erscheinen  soll :  „den 
gesinnungen  der  deutschen  schülerweit  ausdruck  zu  geben,  eine 
geistige  Verbindung  in  ihr  herzustellen ,  das  wird  die  aufgäbe 
der  Zeitschrift  sein",  die  nicht  bloss  die  von  ihr  angeredeten 
„deutschen  Jünglinge"  brandschatzen  will,  sondern  auch  Oester- 
reich,  die  deutsche  Schweiz,  die  baltischen  provinzen  Russlands, 
kurz  „so  weit  die  deutsche  znnge  klingt"  in  den  bereich  ihrer 
speculationen  zu  ziehen  wünscht.  Kann  der  Schwindel  noch 
höher  steigen? 

Der  Sentinella  hresciana  wird  aus  Chiari  (Lombardei)  u.  4. 
april  geschrieben ,  dass  man  daselbst  ein  meter  unter  der  erde 
anf  eine  todtenstadt  gestossen  sei,  die  nach  den  Untersuchungen 
des  professors  Biondelli  den  Cenomanen  angehöre,  mithin  noch 
in  vorrömische  zeiten  hinaufreichen  würde.  Es  wurden  bis 
jetzt  17  skelette  aufgefunden. 

Bei  der  fundamentirung  zu  den  gebauden  der  aktienbraue- 
rei  an  der  Altenburg  in  Cöln  sind  5.  april  römische  baureste  ge- 
funden. Dieselben  weisen  sich  als  Überbleibsel  eines  mit  Sorg- 
falt ausgeführten,  umfangreichen,  starken  bauwerkes  aus,  welches 
mit  einem  kleinen  und  einem  grossen  thurme,  sowie  einem  nach 
dem  Rheine  führenden  portale  versehen  war  und  ausser  einer 
reihe  kleiner  räumlichkeiten     einen    grossen ,     2400    quadratfuss 


268  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  5, 

fassenden  saal  hatte.  Nach  anläge  und  konstruktion  dieses 
Werkes  scheint  dasselbe  dem  alten  römischen  wasserkastell  an- 
zugehören. 

Stockholm.  9.  april.  Bei  einigen  im  südöstlichen  Norwegen 
durch  den  jungen  norwegischen  alterthumsforscher  Anders  Lorange 
aus  Frederikshald  vorgenommenen  ausgrabungen  sind  mehrere 
gegenstände  aus  dem  steinalter  ans  tageslicbt  befördert  worden.' 
Bei  Stenkjär  in  der  nähe  von  Drontheim  hat  man  sogar  einen 
sogenannten  „Kjökken  mödding"  (häufen  von  küchenabfall)  aus 
dem  steinalter  vorgefunden,  was  von  interesse  für  die  alter- 
thumsforscher scheint,  da  mau  bisher  so  hoch  im  norden  keine 
spuren  von  bewohnern  aus  dem  steinalter  gefunden  hatte. 

Athen,  13.  april.  In  einem  garten  zu  Sparta  wurde  ein 
wohlerhaltener  mosaikboden,  wahrscheinlich  aus  römischer  zeit 
entdeckt:  die  darstellnng  ist  der  raub  der  Europa. 

Aus  Tiflis  wird  berichtet,  dass  20  werste  von  dort,  am 
flusse  Kur,  bei  dem  orte  Mzchet,  ein  grosses  todtenfeld  mit 
steinkastengräbern  unter  der  leitung  des  naturforschers  Baiern 
ausgegraben  wurde.  Fast  jedes  grab  enthielt  vier  leichen  von 
erwachsenen  und  zwei  bis  vier  hindern.  Als  beigäbe  der  lei- 
chen sind  thränenfläschchen  aus  glas  und  thon  zu  erwähnen, 
goldene  ringe  mit  rubinen  und  perlen,  goldene  knöpfe  und  na- 
deln, Schmuckgegenstände  aus  bronze,  Werkzeuge  aus  stahl  und 
eisen.  Die  form  der  schädel  sowohl,  als  die  kunstgegenstände 
weisen  auf  einen  semitischen  stamm ,  welcher  zwischen  Assy- 
rer  und  Egypter  zu  stellen  sein  wird.  Die  alten  nannten  sie 
Iberier,  die  gräber  mögen  in  die  zeit  der  macedonischen  könige 
gehören.  Das  volk  scheint  sehr  reich  gewesen  und  handel  mit 
Indien  und  Egypten  getrieben  zu  haben.  Sein  kult  war  der 
sogenannte  Molochdienst.  Menschen-  und  ganz  besonders  kin- 
deropfer  im  grossartigsten  maasstabe  wurden  Bai  und  der  sido- 
nischen  Astarte  dargebracht.  Besonders  häufig  findet  sich  als 
beigäbe  der  leichen  die  stachelkeule  des  Mars  und  die  knollen- 
keule  des  Herkules,  an  spangen  der  hammer  des  Hephästos, 
an  den  Siegelringen  gemmen  mit  Priapus,  kornähren,  hase  und 
esel.    [Reichsanz.  nr.   102,  beil.   1]. 

Aus  Oester  reich.  Durch  eine  Verordnung  des  Unterrichts- 
ministerium vom  15.  april,  deren  Wortlaut  in  dem  abendblatt  der 
Deutschen  zeitung  vom  26. april  zuerst  veröffentlicht  wurde, 
ist  endlich  eine  reform  der  rigorosen  -  Ordnung  durchgeführt  wor- 
den, an  deren  Zustandekommen  die  sämmtlichen  facultäten  und 
die  aufgeklärte  öffentliche  meinung  seit  mehr  als  zwanzig  jähren 
unablässig  gearbeitet  haben.  Das  philosophische  doctorat  an 
den  österreichischen  Universitäten  war  bisher  ein  unicum  und 
forderte  Deutschland  zu  berechtigtem  spott  heraus.  Wer  einen 
doctor  machen  wollte,  hatte  sich  drei  „strengen"  prüfungen 
aus  geschichte,    philosophie    und  mathematik  in  Verbindung  mit 


Nr.  5.  Kleine  philologische  zeitung.  269 

physik  zu  unterziehen,  ohne  rücksicht  darauf,  dass  der  betref- 
fende doctorand  vielleicht  keines  dieser  fächer  während  seines 
universitäts -trienniums  eingehender  studirt  hatte.  Der  philo- 
loge  also  musste  seine  Wissenschaft  bei  seite  legen  und  zwängte 
sich  in  der  regel  drei  compendien  der  bezeichneten  fächer  so 
weit  ein,  dass  er  bei  den  rigorosen  ungefähr  dasselbe  quantum 
von  kenntnissen,  gewöhnlich  aber  ein  ansehnlich  geringeres,  als 
er  drei  jähre  vorher  bei  der  ablegung  der  maturitäts-prüfung 
für  den  calciil  der  reife  haben  musste,  zeigen  konnte.  Und  dass 
man  nicht  mehr  forderte,  war  durchaus  billig;  denn  die  prüfen- 
den professoren  mussten  das  ministeiium  doch  um  die  einsieht 
übertreffen,  dass  es  bei  dem  heutigen  umfange  dieser  einzelnen  dis- 
ciplinen  unmöglich  sei,  ein  universelles  wissen  in  dem  bezeichneten 
umfange  sich  anzueignen.  Aber  immerhin  war  damit  für  jenen, 
der  nun  einmal  z.  b.§für  eine  universitäts -carriere  des  doctor- 
titels  benöthigte,  ein  unersetzlicher  schaden  für  den  betrieb  sei- 
nes facb.es  verbunden. 

Wie  konnte  sich  aber  eine  so  unsinnig  lächerliche,  die 
Wissenschaft  und  ihre  Vertreter  herabwürdigende  einrichtung  so 
lange  halten?  Das  wird  nur  der  begreifen,  der  eine  richtige 
Vorstellung  von  dem  im  österreichischen  universitätsieben  herr- 
schenden gesetz  der  trägheit  und  einen  einblick  in  unsere  spe- 
eifischen  einrichtungen  gewonnen  hat.  Die  österreichischen  Uni- 
versitäten (wenigstens  die  zwei  grössten  ,  Wien  und  Prag)  be- 
stehen nämlich  nicht,  wie  die  der  übrigen  weit,  aus  den  leh- 
renden und  lernenden,  den  Studenten  und  professoren,  sondern 
an  ihnen  hängt  noch  ein  dritter  gleichberechtigter  bestandtheil, 
das  bleigewicht  der  d  oct  o  r  en  -c  o  1  leg  i  en.  Wer  nämlich  auf 
die  angegebene  weise  sein  doctorat  bestanden  und  150  gülden 
auszugeben  lust  hat,  kann  in  die  gesellschaft  der  doctoren  sich 
einkaufen ,  kann  jährlich  einen  decan  wählen  und  sobald  die 
reihe  au  ihn  kommt,  selbst  zum  decan  gewählt  werden,  und 
hat  dann  als  solcher  sitz  und  stimme  im  professoren  -  collegium 
und  in  der  obersten  universitäts  -  behörde  (consistorium)  und 
das  recht  bei  allen  rigorosen  zu  prüfen  und  taxen  einzustrei- 
chen. So  wichtige  rechte  sind  also  an  den  nachvveis  von  kennt- 
nissen, mit  denen  ein  gymnasiast  zur  noth  ausreicht  und  an 
die  Zahlung  der  paar  gülden  geknüpft.  Das  doctoren- collegium 
vereinigt  auch  thatsächlich  nicht  Vertreter  der  Wissenschaft,  ja  nicht 
einmal  nur  solche,  die  zur  Wissenschaft  in  irgend  einer  beziehung 
stehen  oder  jemals  in  einer  anderen  gestanden  haben  als  dass  sie 
einige  compendien  disparater  fächer  ihrem  gedächtniss  einge- 
prägt. Mit  rücksicht  auf  die  doctoren  -  decane  also ,  wie  sie 
nun  einmal  ein  solcher  verein  von  mitteimässigkeiten  hervor- 
zubringen vermag,  mussten  jene  prüfungsforderungen  aufrecht 
erhalten  werden;  denn  man  hätte  diese  prüfenden  decane  in 
arge    Verlegenheit     gebracht ,     wenn     man     ihnen     zugemuthet 


270  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  5. 

hätte,  eineu  candidaten  ein  stück  Piaton  wollen  wir  sagen  über- 
setzen zu  lassen   oder  selber  zu  übersetzen. 

Das  gegenwärtige  ministerium  scheint  den  muth  zu  haben, 
an  diesen  mit  dem  katholischen  charakter  der  Universität  eng 
zusammenhängenden  doctoren  -  collegien  zu  rütteln.  Wenn  das 
interesse  der  Universität  es  in  diesem  vorsatz  nicht  bestärken 
sollte,  so  mussten  politische  erwägungen  diese  reform  gebiete- 
risch erheischen;  denn  die  prager  Universität  ist  wesentlich 
durch  die  starken  czechischen  majoritäten  ihrer  doctoren  -  colle- 
gien zu  einem  tummelplatz  des  nationalen  radicalismus,  welcher 
der  deutseben  Wissenschaft  tod  geschworen,  herabgesunken.  Die 
neue  rigorosen- Ordnung  ist  ein  erster  schritt  auf  dem  wege  der 
reform,  die  endlich  auch  den  mittelalterlichen  plunder  der  doc- 
toren-collegien  hinwegfegen  wird.  Es  ist  durch  dieselbe  das 
prineip  der  fachprüfungen  aeeeptirt  worden,  welche  wissenschaft- 
liche dilettanten  als  prüfungs-commissaire  von  selbst  aus- 
schliessen. 

Die  neue  rigorosen -Ordnung  verlangt  von  dem  candidaten 
zunächst  eine  gedruckte  oder  nicht  gedruckte  dissertation  aus 
einem  der  zum  bereich  der  philosophischen  facultät  gehörigen 
fächer  und  zwei  rigorosen,  eines  aus  philosophie  und  das  zweite 
aus  einer  der  folgenden  fachgruppen,  zwischen  denen  die  wähl 
freigestellt  ist:  1)  geschichte  in  Verbindung  mit  der  griechischen 
oder  lateinischen  philologie ,  2)  classische  philologie  in  Verbin- 
dung mit  der  geschichte  der  alten  weit,  3)  mathematik  und  phy- 
sik  oder  einen  dieser  gegenstände  mit  chemie  oder  einem  zweig 
der  descriptiven  naturwissenschaften  (zoologie  ,  botanik,  minera- 
logie).  Ausserdem  bietet  das  specielle  wissenschaftliche  gebiet, 
dem  das  thema  der  dissertation  entnommen  ist,  einen  bestand- 
theil  der  von  dem  candidaten  abzulegenden  faebgruppenprüfung. 

Im  grossen  und  ganzen  entspricht  diese  reform  unseren  wün- 
schen und  nähert  sich  dieselbe  dem  an  den  meisten  deutschen 
Universitäten  herrschenden  gebrauch.  Aber  eine  speeifisch  öster- 
reichische schrulle  klebt  ihr  doch  an,  welche  ■ —  wir  erwar- 
ten es  —  die  praktische  durchführung  abstreifen  oder  unschäd- 
lich machen  wird,  nämlich  der  respect  und  die  ganz  unverhält- 
nissmässige  berücksichtigung  der  philosophie.  Jeder  muss  ein 
rigorosum  aus  philosophie  machen  und  wird  demnach  ein  phi- 
lologe,  da  philosophie  in  einem  rigorosum  für  sich,  philologie 
aber  in  Verbindung  mit  alter  geschichte  geprüft  wird,  eingehen- 
der aus  philosophie  als  aus  seinem  speciellen  fache  geprüft  wer- 
den können.  Hierin  steht  die  reform  auf  einem  völlig  veralte- 
ten Standpunkt.  Sie  nimmt  an  dass  philosophie  heutzutage 
noch  die  rolle  spielt,  die  ihr  nicht  gebührt.  Indessen  ist  phi- 
losophie eine  im  niedergang  begriffene  Wissenschaft,  die  also 
bestenfalls  als  ein  fach  neben  andern,  niemals  aber  als  köni- 
gin  über  alle  gestellt  werden  durfte. 


Nr.  5.  Kleine  philologische  zeitung.  271 

Strassburg.  29.  april.  Heute  wurde  am  akademiege- 
bäude  in  der  über  dem  kaupteingange  befindlichen  cartouche 
eine  marmortafel  mit  folgender  inschrift  angebracht: 

Universitatem  litterariam  summis  auspiciis  Maximiliani  II 
Imperatoris  Augusti  in  illustri  civitate  Argentinensi  anti- 
quissima  in  Germania  bonarum  artiura  sede  anno  MDLXVI 
constitutam  et  Ferdinandi  II  anno  MDCXXI  novis  privile- 
giis  auctam  quae  ab  initio  huius  saeculi  sub  Academiae  no- 
mine floruit  Guilelmus  Imperator  Germaniae  in  integrum  re- 
stituit  ac  renovavit  MDCCCLXXII. 

Die  innere  einrichtung  des  akademiegebäudes  ist  vollen- 
det und  die  vorlesuugen,  die  bereits  zahlreich  am  schwarzen 
brett  angekündigt  sind,  werden  am  montag  den  6.  mai  beginnen. 
London.  31.  april.  In  einem  sumpfe  in  der  nahe  von 
Otisville ,  orange  County ,  New- York ,  wurden  unlängst  die 
Überreste  eines  mastodons  entdeckt.  Es  sind  nunmehr  beinahe 
alle  knochen  ausgegraben  worden,  und  das  zusammengesetzte 
gerippe  repräsentirt  ein  thier  von  14  fuss  höhe  und  25  fuss 
länge.  Auch  ermittelte  man  den  inhalt  des  magens  ,  der  aus 
sehr  grossen  blättern  und  halmen  einer  unbekannten  grasart 
von   1 — 3  zoll  breite  bestand. 

Der  ausbruch  des  Vesuv  wird  genau  in  Köln.  Ztg.  v.  27. 
april  und  danach  im  Eeichsanz.  nr.    105  beil.   1    beschrieben. 


AUSZUEGE  aus  Zeitschriften:  Augsburger  allgemeine  zeitung,  beil. 
zu  nr.  117:  zur  mythen-  und  legenden -literatur.  —  Nr.  118:  die 
Universitäten  Heidelberg  und  Strassburg.  —  Dr  Deiters  in  Düren: 
dessen  ernennung  zum  director  des  gymnasium  scheint  einen  conflict 
mit  dem  erzbischof  von  Köln  zu  veranlassen.  —  Nr.  119:  ausbruch 
des  Vesuv.  —  Beil.  zu  nr.  119:  l'k.  Waiiz,  anthropologie  der  natur- 
völker,  fortgesetzt  von  G.  Gerland:  anzeige.  —  Nr.  120  :  anzeige  des 
buchs  voq  H.  Kurz,  aus  den  tagen  der  schmach  :  der  ref.  theiit  aus 
„Teutsche  Sprach  und  Weissheit.  fol.  Augsburg  1616"  unter  anderm 
den  satz  mit :  »Deutschland  ist  wie  ein  schöner  weidlicher  hengst, 
der  futter  und  alles  genug  hat ,  und  fehlt  im  nur  an  einem 
guten  reuter«.  —  Ausbruch  des  Vesuv.  —  Nr.  121:  ausbruch  des 
Vesuv. —  Beil.  zu  nr.  121:  zur  geschichte  des  alterthums:  macht  auf- 
merksam auf  Mahaffy  Prolegomena  of  ancient  history ,  die  sich  zu- 
meist auf  den  Orient  beziehen.  —  Nr.  122:  ausbruch  des  Vesuv.  — 
Beil.  zu  122:  die  römischen  ausgrabungen.  I.  Das  forum:  sehr  zu 
beachten.  —  Die  confessionellen  schulen  Tirol's.  —  Nr.  123 :  die 
Verwerfung  des  neuen  züricherischen  Schulgesetzes.  —  Zur  eröff- 
nung  der  Universität  Strassburg:  auch  in  den  vorhergehenden  nurn- 
mern  sind  hinsichtlich  dieser  feier  mehrfach  notizen  mitgetheilt.  — 
Beil.  zu  nr.  123:  pariser  chronik.  XII.  —  Ueber  die  quelle  des  Do- 
lopathos,  von  Herrn.  Oesterley ;  sie  wird  in  der  rectificirten  historia 
Lucinii  gefunden,  über  die  vf.  sich  ausspricht.  —  Nr.  124:  festfeier 
in  Strassburg.  —  Prag  und  Strassburg.  —  Der  Vesuv.  —  Beil.  zu 
nr.  124:  unterrichtswesen  in  Japan.  —  Nr.  125.  126.  beil.  zu  nr. 
126:  die  eröffnung  der  Universität  Strassburg.  I.  IL  III.  —  Beil.  zu 
nr.  124,  nr.  127:   zur  geschichte   der  Universität  Strassburg.  I.  II.  — 


272  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  5. 

Deutsche  kriegsliteratur.  —  Auss.  beil.  zu  nr.  126:  Vorlesungen  Cl. 
Groth's  über  deutsche  literatur  in  deutscher  spräche  zu  Oxford.  — 
Nr.  127:  tschechische-  gänge.  —  Beil.  zu  nr.  128.  129:  Karolina 
Bauer:  wir  fügen  hinzu,  dass  sie  eine  vortreffliche  darstellerin  der 
Antigone  des  Sophokles  war.  —  Nr.  129:  die  betheiligung  der  El- 
sässer  bei  der  einweihung  der  strassburger  Universität:  der  artikel 
wie  auch  was  sonst  in  den  Zeitungen  zu  lesen,  will  nicht  recht  mit 
der  spräche  heraus.  Warum  denn  nicht?  Die  Wahrheit  kommt  doch 
heraus :  man  sieht  aus  allen  mittheilungen,  wie  die  masse  der  Elsässer 
kein  herz  für  die  feier  gehabt  hat.  —  Beil.  zu  nr.  129.  180 :  die 
strassburger  festtage:  enthält  auch  einzelne  an  ihnen  gehaltene  re- 
den. —  Nr.  131:  der  oberkirchenrath  in  Berlin  und  das  schulaufsichts- 
gesetz.  —  Beil.  zu  nr.  131:  anfang  der  Vorlesungen,  wähl  des  pro- 
rektor  und  Ordnung  der  Verfassung  der  Universität  Strassburg. 

Blätter  für  das  bayerische  gymnasial  Schulwesen ,  redigirt  von  W. 
Baur  und  Dr  Friedlein,  VIII.  bd.  München  1871.  Heft  1,  p.  1:  die  grie- 
chischen deponentia  (fortsetzung).  III.  Media  mit  passiven  formen  und 
umgekehrt.  Sechs  verba  mit  medialer  und  intransitiver  bedeutung  von 
Scholl. —  P.  16:  Novae  commentationes  Platonicae.  Scrijjsit  Mar  t onus 
Schanz.  Wircehurgi.  1871.  Sendschreiben  an  herrn  prof.  Bauer  in 
München  von  Chr.  Cron.  Begrüsst  die  schrift  als  »eine  höchst  wich- 
tige, ohne  jedoch  von  ihr  immer  befriedigtzu  sein«.  [S.ob.  nr.3,  p.113]. 

—  P.  20 :  Beiträge  zur  erklärung  des  platonischen  Georgias  im  ganzen  und 
einzelnen  von  Christian  Cron.  Leipzig  1870:  Markhauser  bestreitet  in 
seiner  im  zweiten  hefte  (p.  62)  beendeten  anzeige  unter  anerkennung 
der  gediegenheit  des  buches ,  dass  Kallikles  identisch  sei  mit  Kritias, 
und  dass  die  scene  überallhin  verlegt  werden  könne,  nur  nicht  in  das 
haus  des  Kallikles  (vgl.  Philol.  Anzeiger  III,  2,  p.  69).  —  P.  33: 
Ovidius  und  sein  verhältniss  zu  den  Vorgängern  und  seinen  gleichzei- 
tigen römischen  dichtem.  Von  Dr  Anton  Zingerle.  Zweites  heft: 
Ovid,  Ennius,  Lucrez,  Vergib  Innsbruck  1871 :  angez.  von  Gross.  Wird 
als  sorgfältige  arbeit  bezeichnet.  —     [S.  ob.  n.  4,  p.  199.] 

Zarncke,  literarisches  centralblatt.  1872,  nr.  1:  G.  Rettig,  Catul- 
liana  III.  De  epigrammatis  in  Gellium  scriptis.  4.  Bern.  1871:  bil- 
ligt die  polemik  gegen  Westphal,  will  aber  gegen  Rettig  i.  c.  80,  7 
Victoris  als  nomen  proprium,  nicht  als  appellativum  gefasst  und  c. 
116  nicht  als.  schluss,  sondern  als  anfang  der  gedickte  gegen  Gellius 
betrachtet  wissen.  (S.  ob.  nr.  1,  p.  35.]  —  31.  C.  Pamikas,  beitrage 
zur  byzantinischen   literatur.     8.     Münch.  1871:    anzeige  von  Bu.  — 

—  B.  Schmidt,  das  Volksleben  der  Neugriechen  und  das  hellenische 
alterthum.  8.  Lpzg.  1871:  anzeige  von  Bu.  —  A.  Michaelis,  der  Par- 
thenon. 8.  Leipzig.  1871:  anzeige  von  Bu,  der  abweichende  ansich- 
ten  ausspricht.  [S.  ob.  n.  1,  p.  50;  nr.  3,  p.  145.].  —  A.  Salinas, 
le  monete  delle  antiche  citta  di  Sicilia,  fol.  fasc.  1.  Palermo.  1871:  an- 
zeige von  Bu.  —  Nr.  2:  A.  v.  Sollet,  die  künstlerinschriften  auf 
griechischen  münzen.  8.  Berlin.  1871:  anzeige  von  Bit.  —  Fr. 
Reher,  kunstgeschichte  des  alterthums.  8.  Leipzig.  1871:  anzeige 
von  Bu:  vrgl.  Phil.  Anz.  III,  nr.  6,  p.  315.  — -  Nr.  3:  G.  Curtius, 
studien  zur  griechischen  und  lateinischen  grammatik.  8.  Bd.  IV, 
heft  1.  Leipzig.  1871:  anzeige  von  C,  welche  sich  besonders  über  die 
abhandluno-  von  C.  Brugmann  de  Graecae  linguae  pnxluctioiie  sup- 
pletoria  ausführlicher  auslässt.  —  ./.  Schneider,  neue  beitrage  zur  al- 
ten geschichte  und  geographie  der  Rheinlande.  Dritte  folge.  Der  kreis 
Duisburg  unter  den  Römern.  4.  Düsseldorf.  1871:  anzeige  von  Bu. — 
Der  srabfund  von  Wald-Algesheim  erläutert  v. F. aus  in  Jl'erth:  anz.v.-Bw. 


Nr.  6.  Jmii  1872. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben   als    erganzung   des   Püilologus 


Ernst  von  Leutsch. 


159.  Georg  Kai  bei,  de  monumentorum  aliquot  Grae- 
corum  carminibus.      8.      Dissert.   philol.     Bonn   1871.     46   s. 

Die  hübsche  abhandlung  offenbart  gründliche  Vorstudien 
zu  einer  Anthologia  epigraphica ,  welche  der  Verfasser  zu  bear- 
beiten gedenkt.  Zu  mehreren  lückenhaften  metrischen  inschrif- 
ten  werden  ergänzungen  geboten,  durch  herstellung  von  g#'  ai 
für  das  aus  fehlerhafter  ausspräche  entstandene  aitf  i  wird  die 
von  Longpe'rier  in  der  Rev.  arch.  1849,  p.  198  und  darnach 
von  Welcker  im  Rh.  Mus.  VIT,  p.  619  veröffentlichte  Inschrift 
emendiert  für  das  in  Constantinopel  gefundene  von  Henzen  im 
Bull.  arch.  1847,  p.  122  bekannt  gemachte  epigramm  wird  auf 
das  gleichlautende  epigramm  in  der  Anthol.  Palat.  V,  340  ver- 
wiesen und  daran  aus  der  geschichte  der  rennbahnparteien  der 
grünen  und  blauen  in  Constantinopel  eine  erläuternde  ausein- 
andersetzung  geknüpft.  Am  interessantesten  für  uns  ist  der 
versuch  an  die  stelle  des  von  Karsten ,  Kayser ,  Westermann 
als  unecht  erkannten  epigramms  in  der  kranzrede  des  Demo- 
sthenes  §.  289  das  ächte  zu  setzen.  Der  versuch  scheint  ge- 
lungen. Bisher  glaubte  man,  dass  Demosthenes  mit  den  Wor- 
ten: uxoveig,  Alo"flvr[^  xui  iv  aüzcp  rovrq)  ib  „/xr/ösv  afxaQtdv 
iazi  &sov  xal  nävta  y.uTGQ&ovv",  einen  vers  des  vorgelesenen 
epigramms  wiederhole ;  Kaibel  bemerkt  mit  recht,  dass  der  red- 
ner  sich  auf  einen  alten  sprichwörtlichen  vers  berufe,  der  für 
die  Verhältnisse  des  redners,  nicht  aber  für  das  fragliche  epi- 
gramm passe.  Kaibel  hat  nun  gefunden ,  dass  das  von  einem 
in  der  nähe  des  Olympieions  gefundenen  'stücke  pentelischen 
marmors  abgeschriebene,  von  Pittakis  in  der  Eph.  archaiol.  n. 
Philol.  Anz.  IV.  18 


274  159.  Epigraphik.   —      160.  Homeros.  Nr.   6. 

545  veröffentlichte  fragment  eines  epigramms  gleichlautend  ist 
mit  dem  epigramm  der  Anthol.  Palat.  VIT,  245  : 

fi  Xqops,  navtolxov  Qvr\xolg  Tinventaxons  duifxov, 

ayysXog  ijpisriooiv  näai  yerov  na&sav. 
oog   ItQav  acö&iv   netQCüfiSvoi  '  EXXd8a  ^ccQav 

BOIGOZGQV     xÄSlVOig    &V)JGX0flEV    SV     8a7I8Ö0ig, 

und  hat  sich  von  Koehler  mittheilen  lassen,  dass  der  Charakter 
der  schrift  den  jähren  350 — 300  v.  Chr.  angehöre.  Es  ist 
also  die  beziehung  des  epigramms  auf  die  niederlage  von  Chä- 
ronea  durchaus  wahrscheinlich,  da  caifceiv  nsigmusvoi  auf  eine 
niederlage  hindeutet  und  keine  andere  niederlage  der  Athener 
—  in  Athen  ist  ja  die  Inschrift  gefunden  worden  —  der  zeit, 
dem  orte,  der  Stimmung  der  inschrift  in  gleicher  weise  entspricht. 
Dass  das  lemma  der  Anthologie  iov  axnov  (d.  i.  des  Gaetulikus) 
sig  rovg  avrovg  jiaxsduiptoviovg  einer  solchen  annähme  nicht  im 
wege  stehe,  hat  Kaibel  erwiesen.  Die  provenienz  der  marmor- 
inschrift,  welche  wir  eher  in  der  gegend  des  äusseren  Keramei- 
kos  erwarten  (Paus.  I,  29,  11),  darf  auch  niemanden  zwei- 
fei erregen ;  denn  die  fälle ,  wo  solche  steine  verschleppt  wor- 
den sind,  gehören  nicht  zu  den  Seltenheiten.  Die  entdeckung 
dieser  beziehung  ist  nicht  nur  für  die  lücke  der  demostheni- 
schen  rede  sehr  willkommen,  sondern  verleiht  auch  dem  epi- 
gramme  selbst  eine  eigenthümliche  spräche,  die  unser  warmes 
mitgefühl  weckt. 

W. 

160.  Prolegoraena  ad  hymnum  in  Venerem  Homericum 
quartum  scripsit  K.  Thiele.  8.  Halis,  sumptibus  et  typis  or- 
phanotrophei.  MDCCCLXXII.     81  ss.  —     15  gr. 

Von  den  vier  grösseren  homerischen  hymnen  hat  merkwürdi- 
gerweise gerade  derjenige,  der  bei  den  alten  der  bekannteste  ge- 
wesen zu  sein  scheint  und  von  ihnen  mit  dem  uamen  des  n^^nixcö- 
ratng  ausgezeichnet  wurde,  bei  den  neueren  die  verhältnissmä- 
ssig  geringste  beachtung  gefunden  und  so  muss  man  es  dem 
verf.  dank  wissen,  dass  er  sich  der  aufgäbe  unterzogen  hat,  die 
wichtigsten ,  diesen  hymuus  betreffenden  fragen  eingehend  zu 
erörtern  und,  so  gut  es  gehen  wollte,  zu  einer  art  von  ab- 
schluss  zu  bringen. 

Die  schrift  umfasst   drei    grössere  capitel.      Im  ersten  der- 


Nr.  6.  160.  Homeros.  275 

selben  werden  die  ansichten  referiert,  welche  die  gelehrten  von 
Groddeck  an  bis  auf  Baumeister  in  betreff  dieses  hymnus  auf- 
gestellt haben ,  im  zweiten  kommen  die  metrischen  und  stilisti- 
schen punkte  zur  spräche,  und  im  dritten  wird  von  dem  Inhalt 
des  gedichtes,  von  dem  orte  der  entstehung  und  dem  muth- 
masslicben  Verfasser  gehandelt. 

Das  erste  capitel  bietet  selbstverständlich  nichts  neues  und 
eigenthümliches ,  ist  aber  insofern  nicht  ohne  interesse  ,  als  es 
erkennen  lässt,  wie  man  im  verlaufe  der  zeit  zu  immer  gereif- 
teren  urtheilen  über  den  Ursprung  und  den  gehalt  der  dichtung 
fortschritt. 

Die  metrischen  und  stilistischen  Untersuchungen ,  die  den 
inhalt  des  zweiten  capitels  bilden,  sind  unter  zugrundlegung  der 
resultate,  welche  Köhn,  Windisch  und  Hoffmann  gefunden  ha- 
ben, und  unter  anlehnung  an  die  bewährte  methode  von  Gr. 
Curtius  mit  grosser  genauigkeit  und  umsieht  geführt.  Unter 
anderem  wird  hier  der  beweis  geliefert,  dass  unser  hymnus  rück- 
sichtlich des  gebrauchs  der  cäsuren ,  der  behandlung  der  posi- 
tion,  der  Verwendung  der  daktylen  u.  dgl.  m.  mit  den  homeri- 
schen gedienten  die  grösste  ähnlichkeit  besitzt,  dass  er  dagegen 
in  behandlung  des  digamma,  in  der  Verlängerung  und  Ver- 
kürzung der  silben  u.  s.  w.  sich  mehr  den  hesiodischen  epen 
nähert.  Verdient  also  schon  aus  metrischen  gründen  unser  hymnus 
öfArjoiMoÖTazog  genannt  zu  werden,  so  noch  mehr  aus  grammati- 
schen und  lexicologischen.  Denn  erinnert  auch  einiges  im  Wort- 
schatz und  in  der  formbildung  an  Hesiod ,  so  trägt  doch  das 
allermeiste  homerischen  Charakter.  Es  liegt  nahe  an  direkte 
entlehnung  aus  den  grossen  epen  zu  denken ;  möglich  auch, 
wie  hier  vermuthet  wird,  dass  der  Verfasser  dieses  hymnus  nur 
aus    derselben    gemeinsamen    quelle    der    Überlieferung   schöpfte. 

Im  dritten  capitel  weist  der  Verfasser  zunächst  nach,  dass 
der  inhalt  des  hymnus  in  vielen  punkten  sich  durchaus  nicht 
mit  echt  griechischer  anschauung  verträgt,  dass  z.  b.  Zeus  hier 
eine  ungewöhnliche  rolle  spielt;  dass  aber  namentlich  die  Venus 
wie  sie  hier  gezeichnet  ist ,  wenig  oder  gar  nichts  mit  der  ge- 
mein hat,  der  wir  in  der  übrigen  litteratur  begegnen.  Das  sind 
notorische  Schwierigkeiten;  wie  werden  sie  gehoben?  Zumeist 
im  unmittelbaren  anschluss  an  die  vortreffliche  arbeit  von  Klau- 
sen (Aeneas  und  die  Penaten)  setzt  der  verf.  klar  auseinander, 

18* 


276  160.  Homeros.  Nr.  6. 

dass  die  Venus  dieses  gedientes  nicht  die  griechische  Venus, 
sondern  jene  troische  göttermutter  ist ,  welche  sich  im  wesent- 
lichen von  der  phrygischen  Kybele  und  der  thrakischen  Kotytto 
nicht  unterscheidet ,  und  dass  sich  mit  der  natur  dieser  magna 
mater  und  ihrem  Sagenkreise  alles  vereinigen  lässt,  was  sich  in 
der  dichtung  befremdliches  findet. 

Die  physikalische  exkursion ,  die  der  verf.  auf  p.  64  an 
diese  gehaltvolle  Untersuchung  anschliesst ,  hätte  er  füglich  un- 
terlassen können,  da  sie  das  verständniss  der  dichtung  in  nichts 
fördert  und  uns  kaum  etwas  anderes  als  sehr  problematische 
hypothesen  vorführt. 

Wenn  schliesslich  der  verf.  p.  67  ff.  zu  dem  resultate 
kommt,  die  trojanische  sage  vom  Anchises  habe  sich  im  lande 
der  Trojaner  auch  noch  nach  dem  trojanischen  kriege  erhalten, 
sei  dann,  wie  nach  anderen  colonien,  so  auch  nach  der  pflanz- 
stadt  Gergition  im  gebiete  von  Cumä  mit  ausgewandert,  und 
hier  sei  unser  hymnus  von  einem  ionischen  rhapsoden  nicht 
lange  nach  abschluss  des  Homerepos  zur  zeit  der  Kypriendich- 
tung,  also  gegen  ende  des  neunten  oder  anfang  des  achten  Jahr- 
hunderts verfasst  worden,  so  wird  man  diesen  vermuthungen, 
da  sie  hinreichend  begründet  sind,  einen  hohen  grad  von  Wahr- 
scheinlichkeit nicht  absprechen  können. 

Auf  textkritik  hat  sich  der  verf.  für  diesmal  absichtlich 
nicht  eingelassen;  die  wenigen  Verbesserungen,  die  er  gelegent- 
lich in  Vorschlag  bringt,  wie  z.  b.  das  qiaaiv  v.  284,  vermögen 
wir  durchaus  nicht  als  solche  zu  betrachten.  Einige  thatsäch- 
liche  irrthümer  sind  auch  mit  untergelaufen.  So  ist  falsch, 
wenn  behauptet  wird  ai/iö^oio  finde  sich  stets  nur  in  der  buko- 
lischen cäsur-,  v.  8  unseres  hymnus  und  Hom.  11.  Ä',  553  be- 
weisen das  gegentheil. 

Die  spräche  ist  verständlich ,  entbehrt  aber  allzuoft  der 
eleganz  und  selbst  der  nöthigen  correetheit.  Ein  viermaliges 
cui  resp.  quibus  inscriptum  est,  die  bis  zum  überdruss  wiederhol- 
ten Wendungen  nee  non,  quum  dicat,  facere  non  possum  quin, 
deutsch- lateinische  phrasen  wie  contra  Vossium  surrexit  Mat- 
thiaeus  —  in  ludo  puer  iam  non  ignorat  —  ita  ut  optis  non  ha- 
beam  disputatione  ampliore  probare  —  postquam  iJraemisimits  ,  re- 
vertamur  —  in  Gordiam(l)  offenderunt  —  ne  %mo  quidem  tempo- 
ris  puncto    dubito   —    Carmen  epicum,    quorum(l)    multa    a  Graecis 


Nr.   6.  161.  162,  Aristophanes.  277 

tum  confecta  sunt  —    dies    und    vieles    andere    der   art  gereicht 
der  abhandlung  nicht  gerade  zur  zierde.  Chr.  M. 

161.  Der  chor  in  der  griechischen  komödie  vor  Aristopha- 
nes. Vom  Oberlehrer  Dr  Chr.  Muff.  Programm  der  lateini- 
schen hauptschule  in  Halle.  1871.     4.     40  s. 

162.  Ueber  den  Vortrag  der  chorischen  partieen  bei  Aristo- 
phanes von  Chr.  Muff.  Halle.  1872.  8.  175  s.  —  1  thlr.  10  ngr. 

Weil  die  geschichte  des  chors  im  gründe  die  geschichte 
der  komödie  selber  sei,  betrachtet  die  erste  abhandlung,  um  ein 
anschauliches  bild  vom  ersten  auftreten  und  der  ältesten  Verfas- 
sung des  komischen  chores  zu  gewinnen,  die  entstehungsge- 
schichte  der  komödie  in  ihrem  verlaufe.  Neue  ergebnisse  dürfte 
diese  betrachtung  nur  in  der  genaueren  bestimmung  und  richti- 
geren auffassung  einiger  bruchstücke  der  älteren  komiker  er- 
zielt haben.  Der  Verfasser  fasst  die  resultate  seiner  Untersu- 
chung in  folgenden  Worten  zusammen :  „der  bau  der  komödie 
ist,  schon  rein  änsserlich  betrachtet,  von  dem,  wie  wir  ihn 
bei  Aristophanes  finden,  durchaus  nicht  verschieden.  Es  sind  alle 
die  chorlieder  vorhanden,  welche  die  eigentliche  gliederung  der 
alten  komödie  bedingen.  Denn  es  finden  sich  spuren  einer  par- 
odos;  von  dem  Vorhandensein  der  nagußaatg  legen  zahlreiche 
Überreste  zeugniss  ab;  die  vielen  melischen  fragmente  skopti- 
schen  und  hymnodischen  inhalts  sind  unbedenklich  als  verse 
aus  verloren  gegangenen  aräaifAa  zu  betrachten,  und  endlich 
glauben  wir  auch  reste  einer  s^odog  gefunden  zu  haben  (Cra- 
tin.  fr.  XXII  ralta  dvoh>  iv  IroTv  r/fxiv  fiöl.ig  i^anovrj&r] ,  vgl. 
Aristoph.  Nub.  1510.  Thesmoph.  1227).  Damit  war  die  com- 
position  der  komödie  vollendet;  das  lyrische  und  dramatische 
element  waren  in  diejenige  beziehung  zu  einander  getreten, 
welche  von  nun  an  massgebend  bleibt,  und  das  ganze  umfasst 
dieselben  theile,  welche  ein  regelrechtes  stück  zu  haben  pflegt". 

In  der  verdienstlichen  schritt  über  den  Vortrag  der  cbori- 
schen  partieen  bei  Aristophanes  sucht  Muff  die  kriterien  für  die 
Unterscheidung  des  dialogischen  und  melischen  Vortrags  und  die 
vertheilung  der  chorpartieen  unter  koryphaios  und  gesammt- 
chor  festzustellen.  Solche  kriterien  findet  er  in  dem  inhalte, 
je  nachdem  dieser  der  funktion  eines  Schauspielers  (koryphaios) 
oder    der   funktion    eines  sängers  (gesammtchor)  entspreche,    in 


278  162.  Aristophaiies.  Nr.  6. 

der  nachahmung  und  parodie  melischer  partieen,  im  tanze,  der 
nur  dem  gesammtchor  zukomme,  in  charakteristischen  textwor- 
ten,  welche  eine  partie  als  gesang  bezeichnen,  endlich  in  den 
metra.  Mit  recht  weist  Muff  abweichend  von  Kock  Av.  1720 — 
1725  dem  chore,  v.  1726 — 1730  dem  koryphaios  zu.  Dagegen 
scheint  die  auffassung  von  Eccl.  1167  ff.  nicht  richtig  zu  sein. 
Muff  betrachtet  nämlich  das  lied  mit  Westphal  als  hyporchema, 
welches  der  chor  unter  lebhaftem  tanze  vortrage,  während 
Bergk  und  Meineke  darin  eine  monodie  des  koryphaios  er- 
blicken. Der  chorführer  fordert  in  gleicher  weise  den  Blepyros 
wie  den  chor  (xou  ov  xivei  .  .  x«<  r«u5f)  zu  einem  kretischen 
tanze  auf,  während  er  fortfahrend  das  motiv  des  tanzes  an- 
gibt (tä%a  y  a  q  snsiat  xtX.).  Man  muss  also  annehmen,  dass 
der  chor  ebenso  wie  Blepyros  den  gesang  des  koryphaios  mit 
lebhaftem  tanze  begleite.  —  In  den  metra  schliesst  sich  Muff 
zumeist  den  Untersuchungen  und  ansichten  von  Westphal  an 
und  bespricht  zuerst  die  metra  (iamben,  trochäen ,  anapäste, 
daktylen),  welche  sowohl  dialogisch  als  melisch  gebraucht  wer- 
den, darauf  diejenigen,  welche  nur  melischen  Vortrag  zulassen. 
So  treffend  manche  bemerkungen  sind ,  so  wird  doch  der  Ver- 
fasser selbst  gern  zugeben,  dass  diese  frage,  besonders  soweit 
sie  die  Unterscheidung  des  melischen  und  melodramatischen  Vor- 
trags betrifft,  noch  nicht  zu  einer  durchaus  befriedigenden  lösung 
geführt  sei.  —  In  einem  weiteren  abschnitt  werden  die  haupt- 
chorlieder  der  komödie  behandelt.  Für  die  parodos  wird  nur 
melischer  Vortrag  angenommen,  weil  sie  den  chor  bei  seinem 
einrücken  in  die  orchestra  begleitet  und  weil  die  darin  ange- 
wandten metra  eine  durchweg  melische  behandlung  erfahren  ha- 
ben. „Die  parodoi  der  Ritter,  der  Wolken,  der  Wespen,  des 
Friedens  und  der  Vögel  sind  nur  vom  cköre,  dagegen  die  der 
Acharner ,  der  Lysistrata ,  des  Plutus  und  der  Frösche  sind 
theils  vom  chore,  theils  vom  koryphaios  vorgetragen".  —  In 
betreff  der  parabase  tritt  Muff  der  ansieht  derjenigen  bei,  welche 
das  xofifxdnov  vom  koryphaios  gesungen,  die  anapäste  und  das 
nvlyoq  von  eben  demselben  melodramatisch  oder  monodisch 
vorgetragen ,  ode  und  antode  von  dem  gesammten  chor  unter 
tanz  gesungen,  ebenso  die  epirrhematische  syzygie  vom  ganzen 
chor  gesungen  und  von  orchestischer  bewegung  begleitet  sein 
lassen.      Ist  die  ansieht  über  das  epirrhema  richtig  —  und  die 


Nr.  6.  162.  Aristophanes.  279 

strophische  gliederung  desselben  sowie  die  öftere  Verbindung 
mit  lyrischen  versen  scheint  dafür  zu  sprechen  — ,  so  zeigt 
sich  nur  ,  wie  unsicher  der  schluss  von  dem  inhalte  —  man 
denke  z.  b.  an  das  epirrhema  der  Frösche  —  auf  die  art  des 
Vortrags  ist.  —  In  dem  nächsten  abschnitt  über  die  theilung 
des  chors  kommt  Muff  zu  demselben  resultat  wie  Kolster  und 
Richter,  dass  eine  theilung  des  chors  in  zwei  halbchöre  in  sel- 
tenen fällen  vorgenommen  sei.  —  Der  neunte  abschnitt  handelt 
über  die  parachoregemata.  Der  Verfasser  versteht  unter  aaua- 
%ogt]yTjftaza  jedes  aussergewöhnliche  auftreten  des  chorpersonals 
sowie  jede  Vermehrung  desselben  zum  zwecke  besonderer  Ver- 
wendung bald  auf  der  bühne  bald  hinter  der  bühne  bald  in  der 
orchestra.  Nichtsdestoweniger  fasst  er  7TaQa%oQ)'jy>j[Aa  in  dem 
sinne  einer  ausserordentlichen  leistung  des  choregen.  Man  müsste 
also  annehmen,  dass  der  begriff  einer  nebenauslage  des  choregen 
der  ursprüngliche  gewesen  sei  und  dass  sich  aus  diesem  der 
begriff  jeder  aussergewöhnlichen  Verwendung  auch  der  ohnedies 
vorhandenen  kräfte  gebildet  habe.  Das  ist  aber  kaum  annehm- 
bar. Da  die  erklärung  bei  Poll.  IV,  109  völlig  unverständlich 
ist,  so  bleiben  uns  nur  die  namen  nanaG-A^viov  und  7zaQa%0QTjy?][ia 
und  es  empfiehlt  sich  vielleicht  folgende  erklärung.  Wenn  die 
regelmässigen  Schauspieler  oder  choreuten  hinter  der  bühne 
sprachen  oder  sangen,  so  hiess  das  nngaaxTJviov ;  der  chor  der 
Frösche  ist  also  ein  TrtXQCicsxijpiov,  kein  naQa^ooijy^na ,  wie  die 
scholiasten  erklären ,  welche  die  begriffe  verwechselten ;  wenn 
dagegen  zu  den  drei  gewöhnlichen  schauspielern  ein  vierter  Schau- 
spieler gemiethet  und  eingeübt  wurde  oder  zu  dem  chor  ein  ne- 
benchor  kam  wie  der  chor  der  frauen  und  mädchen  in  den 
Fröschen,  so  wurde  diese  extraordinaere  leistung  des  choregen 
mit  naoayoQi'iytjua  bezeichnet.  —  Im  zehnten  abschnitt  über  das 
auftreten  einzelner  choreuten  wendet  sich  Muff  gegen  die  an- 
sieht von  R.  Arnoldt  (scenische  Untersuchungen  über  den  chor 
bei  Aristophanes,  Elbing  1871),  welcher  eine  häufige  Verwen- 
dung der  reihe  nach  sprechender  choreuten  annimmt.  Die  Wi- 
derlegung dieser  modernisierenden  auffassung  scheint  hinreichend 
geliefert  zu  sein.  —  Der  Vollständigkeit  halber  wird  in  dem 
elften  abschnitt  über  den  tanz  gesprochen  und  mit  Bode  eine 
seltene  anwendung  des  kordax  bei  Aristophanes  angenommen, 
mit  Kock  überhaupt    die    anwendung    des  kordax   in    der  para- 


280  163.  Lateinische  poesie.  Nr.  6. 

base  der  Frösche,  wo  ihn  Kock  noch  zugesteht,  verneint.  Da- 
bei scheint  der  irrthum ,  dass  der  erste  vers  der  antistrophe 
eine  euripideische  stelle  parodire  (p.  130),  nur  Schreibfehler 
zu  sein,  da  das  scholion  tovto  "Icotög  iaiw  ix  &owixog  •)] 
Kauscog  ausdrücklich  citirt  wird.  —  Der  zwölfte  abschnitt 
endlich  enthält  eine  spezielle  besprechung  der  einzelnen  stücke, 
indem  die  chorpartieen  aller  elf  komödien  der  reihe  nach  auf- 
gezählt und  nach  den  voraus  angegebenen  grundsätzen  in  be- 
zug   auf  Vortrag  und  tanzbegleitung    bestimmt  werden.         W. 

163.  Exempla  poetarum  e    codice  Vaticano    edita    ab  Hen- 
rico  Keilio.     Ind.  schol.  aestiv.  un.  Hai.     4.     Halae  1872. 

Nachdem  aus  einer  pariser  handschrift  eine  Sammlung  von 
166  als  prosodische  beispiele  im  siebenten  oder  achten  Jahrhun- 
dert zusammengestellten  versen  im  Rhein.  Museum  XXVI,  p.  332 
ff.  edirt  war,  wird  uns  nun  dieselbe  Sammlung  aus  einer  noch 
älteren  Vaticanhandschrift  (cod.  Reg.  215)  saec.  VHI — IX  auf 
die  zabl  von  272  versen  vermehrt  dargeboten.  Am  rand  ist 
überall  das  wort,  für  dessen  prosodie  der  vers  gewählt  ist,  mit 
den  quantitätszeichen  versehen  angegeben.  Wenn  dabei  der 
vers  Lucans  VIII,  697  durch  einen  Schreibfehler  (digna  statt 
indigna)  zu  einem  pentameter  umgestaltet  und  in  diesem  nun 
die  prosodische  bezeichnung  maüsoleä  (!)  angewendet  wird, 
so  ist  dies  von  interesse,  indem  es  uns  eines  der  motive  nach- 
weist ,  welche  bei  den  spätem  dichtem  zu  der  Vernachlässi- 
gung der  quantität  führten.  Die  benutzten  autoren  sind  Ver- 
gil,  Horaz,  Ovid,  Martial,  Prudentius,  Priscians  Periegesis,  dane- 
ben noch  manche  andere.  V.  199 — 201  stammen  übrigens  aus 
Anthol.  lat.  448,  2.  417,  3 ;  5.  Zu  mehreren  versen  ist  der 
zusatz  Catal.  beigefügt,  und  zwar  zu  solchen  aus  Martial,  Iuve- 
nal,  Lucan,  der  Anthologie  und  zu  einem  christlichen  verse; 
was  bedeutet  er?  Catalecta?  oder  catalecticus?  —  Mit  recht 
nimmt  H.  Keil  p.  iv  an,  dass  spätere  grammatiker  ihre  dich- 
terstellen bisweilen  solchen  Sammlungen  entnahmen ,  worin  die 
namen  der  autoren  zu  andern  versen  als  den  ihrigen  rücken 
konnten.  Hierfür  finde  ich  einen  deutlichen  beweis  in  der 
schrift  de  dubiis  nominibus  (Gramm,  lat.  V),  deren  poetische  au- 
ctores  im  ganzen  derselben  art  wie  hier,  und  wo  Varro  mit 
Vergilius  und  Ovidius,  dieser  mit  Livius  und  Prudentius,  letzte- 


Nr.  6.  164.  Valerius  Flaccus.  281 

rer  mit  Propertius  u.  a.  verwechselt  sind.  —  Der  Parisinus 
ist  mit  Keil's  handschrift  sehr  nahe  verwandt,  jedoch  wie  mir 
scheint  (cf.  v.  1)  nicht  aus  ihr  abgeschrieben.  Zu  bedauern 
ist,  dass  der  in  der  vorrede  erwähnte  Mico  nicht  vollständig 
abgedruckt  ist,  der  seinen  versen  wie  es  scheint  die  richtigen 
autoren  beifügt,  und  nach  welchem  v.  52  (Anthol.  lat.  680)  von 
Prudentius  stammt.  [„Unter  den  noch  nicht  nachgewiesenen  stel- 
len stehn  v.  1  Paulin.  de  vit.  S.  Mart.  3,  77;  v.  2  Venant. 
Fortun.  de  vit.  S.  Mart.  3,  234;  v.  3  Paulin.  de  vit.  S.  Mart. 
3,  95;  v.  41  Paulin.  de  vit.  S.  Mart.  5,  675;  v.  116  carm.  de 
Aetna  321   ed.  Iac:  H.  KeU."]  A.  R. 

164.  Observationes  Valerianae  scr.  Ernestus  ßeuss. 
Diss.   inaug.     8.     Marburg,    (El wert)   1871. 

Die  vorliegende  dissertation  zerfällt  in  zwei  theile.  In  dem 
ersteren  handelt  der  verf.  über  den  dichterischen  werth  der  Ar- 
gonautica  des  Valerius  unter  besonderer  rücksicht  auf  die  bei- 
den Vorbilder  desselben,  Apollonios  und  Vergilius.  Schon  aus 
dem  geringen  umfange  dieses  theiles  (23  seiten,  von  denen 
neun  mit  einer  allgemeinen  einleitung  über  die  entwicklung  der 
epischen  poesie  bei  den  Römern  nach  Ennius  und  eben  so  viele 
mit  einer  vergleichenden  inhaltsangabe  der  beiden  Argonautica 
des  Apollonios  und  Valerius  ausgefüllt  sind,  wornach  für  das  ei- 
gentliche thema  kaum  fünf  seiten  entfallen)  ergibt  sich  zur  genüge, 
dass  hier  nur  eine  leichte  skizze  gegeben  werden  konnte,  die 
sich  mit  dem ,  was  Weichert  und  selbst  Thilo  (in  den  prolego- 
menen  zu  seiner  ausgäbe  des  Valerius)  erörtert  haben,  nicht 
messen  kann.  Indessen  wollen  wir  doch  gern  anerkennen,  dass 
die  polemik  des  verf.  gegen  das  urtheil  von  Bernhardy  über 
Valerius  berechtigt  ist  und  dass  sich  hie  und  da  eine  gute  be- 
merkung  findet,  z.  b.  über  das  talent  des  Vergil  für  das  drama 
(p.  8).  Wenn  der  verf.  (p.  22)  die  diction  des  Valerius  cha- 
rakterisirt,  so  musste  doch  hervorgehoben  werden,  dass  derselbe 
sich  nicht  selten  kühne  und  ganz  eigenthümliche  fügungen  er- 
laubt und  mitunter  entschieden  gegen  den  Sprachgebrauch  ver- 
stösst  (vgl.  meine  Studien  p.  4  f.). 

In  dem  zweiten  theile  (p.  23  —  46)  bespricht  der  verf.  eine 
reihe  von  kritisch  bedenklichen  stellen,  wobei  er  die  reihen- 
folge  der  bücher  einhält.      Er    schliesst    sich    hiebei    an  die  an- 


282  164.   Valerius  Flaccus.  Nr.  6. 

sichten  von  G.  Meynke  in  dessen  Quaestiones  Valerianae  (Bonn 
1865)  an,  welcher  nicht  bloss  den  codex  des  Carrion  als  gleich- 
berechtigt neben  dem  Vaticanus  hinstellt ,  sondern  auch  den 
übrigen  handschriften  und  selbst  den  texten  alter  ausgaben  (wie 
der  editio  princeps  oder  Bononiensis  I  und  der  ausgäbe  des  Pius) 
einen  kritischen  werth  beilegen  will.  Auch  nimmt  er  gleich- 
falls nach  dem  vorgange  von  Meynke  an ,  dass  der  text  des 
gedichtes  sehr  durch  Interpolationen  und  willkürliche  Verbesse- 
rungen gelitten  habe.  Aber  alle  diese  ansichten  sind,  wie  ich 
in  meinen  Studien  nachgewiesen  zu  haben  glaube,  entschieden 
unrichtig.  Der  Vaticanus  ist  die  einzige  quelle  für  unseren 
text,  aus  ihm  sind  alle  anderen  handschriften ,  welche  sämmt- 
lich  dem  fünfzehnten  Jahrhundert  angehören,  geflossen.  Dies 
gilt  auch  von  dem  codex  des  Carrion,  bei  welchem  übrigens 
wohl  erwogen  werden  muss,  dass  eine  ziemliche  anzahl  der  von 
Carrion  aus  ihm  angeführten  lesearten  rein  erdichtet  und  blosse 
einfalle  dieses  Windbeutels  sind.  Die  Bononiensis  ist  aus  einer 
jungen  handschrift  geflossen  und  Pius  hat  ausser  dem  Vatica- 
nus nur  noch  zwei  andere  Codices  aus  dem  fünfzehnten  oder 
gar  sechszehnten  Jahrhunderte  vor  sich  gehabt.  Der  text  im 
Vaticanus  ist  nicht  im  entferntesten  interpoliert  oder  durch  will- 
kürliche besserungen  entstellt,  sondern  leidet  eben  nur  an  den 
fehlem ,  wie  sie  sich  unkundige  und  sorglose  abschreiber  zu 
schulden  kommen  Hessen,  namentlich  auslassungen  von  buch- 
staben,  sylben  und  Wörtern ,  und  Verwechslungen  von  solchen 
Wörtern,  die  sich  den  lauten  oder  schriftzügen  nach  ähnlich 
sind.  Wer  sich  also  bei  der  kritik  dieses  dichters  nicht 
genau  an  die  Überlieferung  anschliesst,  der  muss  in  seinen 
emendationsversuchen  nothwendiger  weise  fehlgehen.  Dies  gilt 
auch  von  dem  Verfasser  der  vorliegenden  abhandlung ,  dem 
es  meiner  ansieht  nach  nicht  gelungen  ist  irgend  eine  stelle 
wirklich  zu  verbessern.  Seine  conjeeturen  sind  gewaltsam  und 
willkürlich,  z.  b.  III,  737  f.,  wo  er  für  das  überlieferte:  non 
aliter  gemitu  quondam  lea  prolis  ademptae  Ter  (ja  dedit,  sedet  inde 
viis,  schreiben  will :  non  aliter  gemitu  quaerit  lea  prolis  ademptae 
indicia  insistitque  viis,  wobei  überdies  indicia  quaerit  unlatei- 
nisch ist,  oder  III,  133  f.,  wo  das  handschriftliche:  tollitur  Jiinc 
totusque  ruit  Tirynthius  arcu  Pectore  certa  regens  adversa  spicula 
fiamma ,    in    tollitur    hinc    tentoque    ruit    Tirynthius    arcu     fundere 


Nr.  6.  164.  Valerius  Flaccus.  283 

eerta  regens  adversa  spicula  flamma,  umgeändert  werden  soll. 
In  der  ganzen  stelle  ist  nichts  auffällig  als  pectore,  das  übri- 
gens, wie  der  verf.  selbst  anerkennt,  in  dem  verse  472  eine 
bedeutsame  analogie  bat.  Und  wie  seltsam  würde  sieb  bei  die- 
ser fassung  regens  ausnehmen?  Oft  verschmäht  auch  der 
verf.  emendationen,  welche  einen  hohen  grad  von  Wahrschein- 
lichkeit haben,  um  seine  eigenen  vermuthungen,  die  nicht  den 
gleicben  werth  haben,  vorzutragen,  z.  b.  II,  243,  wo  er  für 
orsa  feram,  das  ich  nach  Heinsius  vorgeschlagen  und  durch 
Verweisung-  auf  V,  470  gestützt  habe^  vota  feram  empfiehlt, 
welches  doch  sieber  der  Überlieferung  ora  feram  nicht  näber 
liegt  und  dem  sinne  nach  unpassend  ist;  die  stelle  III,  415 
bat  mit  der  vorliegenden  keine  ähnlichkeit.  Und  welchen 
Vorzug  soll  denn  die  conjeetur  :  namque  ego  te  quocumgue 
voees  seguar;  agmina  ferro  dura  metam ,  vor  der  leseart  mei- 
ner ausgäbe,  die  theilweise  auf  Heinsius  und  Jacobs  zurück- 
geht :  en  egomet  quocumgue  vocas  seguar ;  agmina  ferro  prima 
metam  haben?  Steht  doch  diese  dem  überlieferten  et  ego  et 
quocumgue  voces  qua  tegmina  ferro  plura  metam  ungleich  nä- 
her ;  zudem  ist  prima  ein  sehr  bezeichnender  ausdruck,  während 
mit  dura  nichts  anzufangen  ist.  Das  gleiche  gilt  von  I,  157, 
wo  statt  vegit  nicht  evehit,  sondern  gerit,  wie  schon  die  zweite 
hand  im  Monacensis  bietet,  zu  lesen  ist  (vgl.  meine  Studien  p. 
49),  oder  von  VIII,  444,  wo  schon  Bon.  I  für  das  sinnlose 
parentum  das  unzweifelhaft  richtige  parantem  gibt ,  gegen  wel- 
ches paventem  oder  morantem  nicht  in  betracht  kommen  kann. 
Auch  verdächtigt  der  verf.  ohne  noth  ganz  gesunde  stellen 
und  sucht  sie  dann  in  seiner  weise  zu  verbessern.  So  will  er 
I,  150  natosque  mit  Burmann  in  matresque  und  in  der  paralle- 
len stelle  IV,  89  pectore  nati  in  pectore  amici  ändern,  weil  er 
nicht  begreift,  was  hier  die  erwähnung  der  kinder  bedeuten 
solle.  Aber  man  braucht  nur  die  verse  I,  255  ff.  zu  lesen, 
um  zu  fühlen,  wie  bedeutungsvoll  jenes  nati  an  beiden  stellen 
ist.  Oder  sollten  die  anderen  helden  nicht  das  gleiche  fühlen 
wie  Peleus  ?  I,  755  schlägt  er  für  das  überlieferte  flagrantes 
aras  vestemque  nemusque  sacerdos  Praecipitat  vor  flagrantique  (was 
soll  jenes  quet)  arae  vestemque  vittamque  sacerdos  praecipitat,  weil 
er  sich  die  construetion  und  nemus  nicht  erklären  kann.  Es 
war  freilich  sehr  kühn  von  Valerius  nemus  für  corona  zu  gebrau- 


284  165.  Horatius.  Nr.  6. 

chen;  aber  man  wird  dies  ihm  zutrauen,  wenn  man  hört,  dass 
er  VI,  223  silva  im  sinne  eines  iazog  „webebaum"  verwendet 
hat;  flagrantes  aras  aber  ist  mit  dem  folgenden  durch  ein  zeugma 
verbunden.  IV,  201  habe  ich  die  ursprüngliche  lesart:  quem 
nee  sua  turba  tuendo  it  taciti  (nicht  tanti)  secura  metus  in  meinen 
Studien  p.  20  f.  gerechtfertigt,  V,  187  wird  Pario  (Maserius'  con- 
jeetur  für  parvo)  de  marmore,  woran  auch  Meynke  anstoss  nahm, 
durch  die  nachahmung  des  Claudius  Marius  Victor  III,  138 
bestätigt  (vgl.  meine  Studien  p.  38,  98).  Zweimal  will  der 
verf.  die  Überlieferung  festhalten,  ohne  dies  aber  eingehend  zu 
begründen,  nämlich  I,  156  {conanti),  VII,  32  f.  (parantem,  frei- 
lich mit  änderung  von  ante  aperit  in  antevenit).  Aber  conanti 
ist  ganz  ohne  sinn  und  an  der  zweiten  stelle  begreife  ich  nicht, 
wie  vultus  auf  Iason  gehen  kann,  während  durch  die  besserung 
paratas,  die  schon  in  der  Juntina  II  steht ,  und  die  beziehung 
auf  Aeetes  alle  bedenken  auch  hinsichtlich  ante  aperit  behoben 
sind.  Karl  SchenM. 

165.  Beiträge  zur  kritik  und  zur  erklärung  der  Horazi- 
schen  satire  I,  3.  Von  dem  professor  Dr  Heinrich  Muther, 
Programm  des  Casimirianums  zu  Coburg  1871.  35  s.     4. 

Im  anschluss  an  Keck  und  Peerlkamp  sucht  der  verf.  nach- 
zuweisen, dass  der  etwas  ungeschickte  eingang  der  satire  über 
Tigellius  bis  v.  23  und  der  erste  theil  der  betrachtung  über  die 
toleranz  gegen  freunde  (bis  v.  75)  in  v.  24 — 42  und  72  ernst- 
lichen anstoss  biete.  Der  nachweis  ist  nicht  überall  gelungen, 
insbesondere  nicht  p.  12,  wo  als  indicieu  für  corruptelen  in  v.  38 — 
42  angeführt  wird:  1)  „der  mit  at  beginnende  satz  —  setzt  vor- 
aus, dass  —  —  ein  negativer  satz  vorausgeht,  zu  dem  der  mit 
at  einen  gegensatz  bildet;  2)  der  conjunet.  imperfecti  in  den  Wor- 
ten vettern  in  amicitia  lässt  sich  nicht  rechtfertigen,  da  zu  vel- 
lem  kein  geeigneter  conditionalsatz  ergänzt  werden  kann".  Man 
traut  seinen  äugen  kaum  bei  dieser  antediluvianischen  gramma- 
tischen expectoration.  Das  praeter,  conjunetivi  als  modus  der 
nichtwirklichkeit  und  die  Verschiebung  der  modalität  bei  den 
hülfsverbis  sollten  doch  einem  schriftsteiler  über  Horaz  geläufig 
sein!  Die  worte  können  nur  heissen:  ,,ich  möchte  wünschen 
(vgl.  opt.  c.  av)  dass  man  in  dem  verhalten  den  freunden  gegen- 
über sich  solcher  Selbsttäuschung  überliesse,  und  dass  diese  so- 


Nr.  6.  166.  Römische  tragodie.  285 

gar  für  einen  Vorzug  gelte  —  allein,  da  dies  leider  nicht 
der  fall  ist,  so  ist  es  wenigstens  unsre  Schuldigkeit,  die  milde, 
wie  sie  der  vater  den  gebrechen  des  sohnes  gegenüber  zeigt, 
auch  bei  der  beurtheilung  der  freunde  zu  beachten".  Der  ne- 
gative gedanke  ist  somit  allerdings  vorhanden,  und  also  at  ganz 
in  der  Ordnung.  Andere  bedenken  sind  besser  begründet,  aber 
auch  sie  treten  zurück ,  sobald  man  nicht  den  maasstab  poeti- 
scher Vollkommenheit  anlegt,  wozu  man  in  dieser  satire  am  al- 
lerwenigsten berechtigt  ist.  Muther  schlägt  nun  vor,  1)  v.  20  zu 
schreiben  imo,  alii  et  fortasse  cett.  Der  fragende  füge  selbst  die  ant- 
wort  hinzu:  o  ja,  du  hast  fehler  und  andere  haben  vielleicht 
kleinere  als  du  (hier  durfte  Lehrs  conjectur  nicht  übersehen 
werden  imo  aio  et  cett. ,  in  der  für  et  besser  at  folgte).  2)  v. 
24  hinter  42  zu  setzen ;  3)  v.  25 — 28  seien  worte  des  ali- 
quis  von  v.  19  an  Horaz  ;  4)  v.  29  —  37  seien  hinter  v.  72  zu 
stellen ;  5)  zwischen  v.  28  und  38  seien  zwei  verse  ausgefallen, 
in  denen  Horaz  sagte:  „ich  will  mich  mit  meinen  freunden 
verständigen,  wie  wir  es  in  beziehung  auf  unsre  fehler  gegen- 
seitig halten  wollen";  6)  v.  41  für  et  isti  sei  zu  schreiben  ei  si, 
v.  48  zwischen  fultum  male  ein  haud  einzuschalten;  8)  v.  57.  58 
Uli  tardo  cognomen  pingui  daraus  gegen  Bentley's  berühmte  re- 
stitution  aus  Bland,  vetus  (wofür  sich  wunderbarer  weise  auch 
Lucian  Müllers  autorität  hätte  anführen  lassen)  ;  9)  v.  65  für  mo- 
lestus  modestus ,  10)  v.  76  für  irae  ira.  Dass  kein  versuch 
gemacht  ist,  diese  kleinigkeiten  irgendwie  palaeographisch  zu 
rechtfertigen,  ist  —  leider !  —  nach  bekanntem  vorgange  kaum 
zu  verwundern ;  ich  muss  sie  alle  für  verfehlt  halten.  Bes- 
ser ist  der  gedanke,  dass  Horatius  durch  den  aliquis  zu  an- 
fang  nicht  bloss  mögliche  reden  seiner  gegner,  sondern  wirkli- 
che äu^serungen  eines  ihm  feindlich  gesinnten  mannes,  eines 
anmassenden  stoikers,  aussprechen  lässt  und  zu  bedauern ,  dass 
der  verf.  anstatt  seiner  kritischen  versuche  nicht  lieber  seine 
ansichten  aber  den  gedankengang  der  weniger  unvollkommnen 
zweiten  hälfte  des  gedichts  und  über  die  person  des  Alfenus 
(Alfenius  ist  ein  ärgerlicher  druckfehler)  mitgetheilt  hat. 

Th.  Fritzsehe. 

166.   Scaenicae  Romanorum  poesis  fragmenta  secundis    curis 


286  166.  Römische  tragodie.  Nr.  6. 

recensuit  Otto  Eibbeck.  8.  Vol.  I.  Tragicorum  fragmenta. 
Lipsiae  in  aedibus  Teubneri.  1871.  LXXIX.     1685.  —  3  thlr. 

Die  höchste  anerkennung  an  der  angezeigten  bearbeitung 
des  werthvollen  buches  verdient  der  ausserordentliche  fleiss,  mit 
dem  zusammengetragen  und  verwerthet  worden  ist ,  was  die 
seit  dem  ersten  erscheinen  verstrichenen  zwei  Jahrzehnte  an 
einschläglichem  materiale  jeder  art  nur  irgend  mit  sich  gebracht 
haben.  Nimmt  man  hierzu  die  selbständigen  ermittelungen  des 
vf.  in  diesem  Zeiträume,  so  darf  es  nicht  wunder  nehmen,  wenn 
sich  die  neue  ausgäbe  sehr  wesentlich  von  der  ersten  unterscheidet ; 
ref.  hat  bei  sorgfältiger  vergleichung  nur  wenige  seiten  gefunden, 
die  nicht  mehr  oder  minder  erhebliche  änderungen  theils  im 
texte  theils  im  kritischen  apparate  aufweisen.  In  zahlreichen 
fällen  bezeichnen  die  änderungen  im  texte  einen  fortschritt, 
indem  sie  an  die  stelle  des  früheren  richtigeres  oder  doch  wahr- 
scheinlicheres setzen.  Dass  bei  alle  dem  noch  recht  viel  zu 
thun  übrig  gelassen  ist,  wird  jedem  begreiflich  sein,  der  nur  ei- 
nigermassen  einsieht  in  die  mit  der  kritischen  behandlung  die- 
ser trümmer  verknüpften  ausserordentlichen  Schwierigkeiten  hat, 
bei  denen  eben  nur  ein  ganz  allmähliches  fortschreiten  möglich 
ist.  Wie  weit  übrigens  Ribbeck  selbst  von  selbstgenügender 
Zufriedenheit  entfernt  ist,  geht  deutlich  aus  dem  inhaltreichen 
corollarium  hervor,  in  dem  er  zu  einer  reihe  von  stellen  theils 
berichtigungen  theils  neue  vorschlage  beibringt.  Jedoch  darf  bei 
aller  anerkennung  des  geleisteten  und  bei  voller  berücksichtigung 
der  zu  überwindenden  Schwierigkeiten  nicht  verhehlt  werden, 
dass  es  an  fällen  nicht  fehlt,  wo  Ribbeck's  verfahren  gerade 
kein  lob  zu  verdienen  scheint.  Zur  begrüudung  dieses  urtheils 
sei  es  verstattet,  auf  einen  nicht  unwesentlichen  punkt  näher 
einzugehen. 

Dass  Ritschl's  von  den  „schwachen  des  marktes"  allerdings 
mit  einigem  misstrauen  aufgenommenen ,  von  den  starken  gei- 
stern aber  mit  enthusiasmus  begrüssten  jüngsten  entdeckungen 
über  auslautendes  d  im  alten  latein  von  einem  so  hervorra- 
genden gliede  der  Ritschrschen  schule  zur  praktischen  anwen- 
dung  gebracht  werden  würden,  war  von  vornherein  zu  erwar- 
ten, und  ist  auch  nicht  gerade  sparsam  geschehen,  mit  wel- 
chem rechte,  möge  das  folgende  lehren.  Dass  Plautus  die  for- 
men med  und  ted  braucht,  ist  jetzt  ausser  allem  zweifei,  ebenso 


Nr.  6.  166.  Römische  tragoedle.  287 

aber  auch,  dass  es  für  das  von  Ritschi  diesen  formen  entspre- 
chend angenommene  sed  keinen  einzigen  sicheren  beleg  giebt. 
Diese  form  hat  Ribbeck  auch  nur  an  einer  stelle  auf  Ritschl's 
autorität  hin  in  den  text  zu  setzen  gewagt,  Pacuv.  p.  82,  39, 
mit  welchem  gefühle  der  Sicherheit  ergiebt  sich  zur  genüge  aus 
der  anführung  dieser  stelle  im  index :  sed  vel  sese.  Sodann  ist 
sie  zu  einem  verse  desselben  dichters  p.  98,  17  in  der  anmer- 
kung  vermutungsweise  vorgeschlagen ;  aber  hier  ist  überhaupt 
jede  änderung  bei  folgender  messung  unnöthig: 

Habet  hoc  sönectus  in  se,  cum  pigra  est  ipsa,  ut  spisse 

ömnia 

Videantur  confieri. 
Schliesslich,    wenn   uns  nichts   entgangen  ist,    findet  verf.    diese 
form  coroll.  p.  LI.,    aber    ohne    zwingenden    grund,    in    einem 
sonst  für  die  partikel  gehaltenen  sed    bei  Acc.  p.   146,   81,    wo 
er  mit  einem   argen  fehler  zu  schreiben  vorschlägt: 

Sed  angustitäte  inclusam  säxi,  [situ]  squälidam. 
Auch  die  an  sich  ja  nicht  verfänglichen  formen  med  und 
ted  hat  Ribbeck  nicht  mit  sonderlichem  glücke  in  anwendung  ge- 
bracht. Handschriftliche  spuren  derselben  finden  sich  unseres 
wissens  in  diesen  fragmenten  nirgends;  denn  in  dem  Acc.  p. 
142,  53,  wo  zumal  med  für  das  metrum  ganz  unnöthig  ist, 
überlieferten  me  esse  eodem  hat  eine  solche  spur  [quod  „meed 
eodem"  interpretari  possis ,  wie  p.  137,  8  zu  dem  überlieferten 
me  esse  bemerkt  wird  fort,  ex  „meed"  ortum)  wohl  nur  der  wünsch 
sehen  lassen,  irgend  einen  handschriftlichen  anhält  ausfindig  zu 
machen,  ein  wünsch,  der  auch  die  bemerkung  zu  p.  155,  152: 
dbsque  testimonio  Nonii  esset,  „huius  med  invidia"'  (statt  huius  me 
dividia)  non  displiceret,  veranlasst  zu  haben  scheint.  Eine  ge- 
wisse Wahrscheinlichkeit,  insofern  durch  einsetzung  dieser  for- 
men vollständige  verse  gewonnen  werden,  haben  (med)  Pac.  p. 
95,  150.  p.  129,  395.  Acc.  p.  173,  283.  p.  202,  515;  (ted) 
Pac.  p.  108,  248.  Am  wahrscheinlichsten  ist  ted  im  letzten 
verse,  im  vorletzten  liegt  mindestens  eben  so  nahe  me  uti  für 
me  ut  als  med  ut,  bei  den  übrigen  liegt  ebenso  wenig  ein  zwin- 
gender grund  vor,  warum  sie  senare  sein  müssen,  als  warum 
z.  b.  p.  12,  48  (ut  videam  Volcani  öpera  haec  flammis  fierit  Flora), 
p.  28,  102.  p.  57,  288.  p.  71,  385.  p.  107,  241.  p.  194,  453 
nicht  senare  sein  dürfen.      Gar  keine   Wahrscheinlichkeit  haben, 


288  166.  Komische  tragödie.  Nr.  6. 

ausser  dem  oben  berührten  Acc.  p.  172,  53,  Naev.  p.  9,  19 
(vgl.  coroll.  p.  xi),  Enn.  p.  18,  26.  p.  34,  142.  p.  41,  192 
(vgl.  d.  anm.),  ine.  ine.  p.  257,  148,  der  vermuthungen  in  den 
anmerkungen  zu  Acc.  p.  184,  370  (wo  übrigens  das  tete  im 
texte  auch  schwerlich  richtig  ist).  372.  ine.  ine.  p.  242,  52  zu  ge- 
schweigen.  Aus  dem  anderweitigen  pronominalgebiete  entsinnen 
wir  uns  nicht  ein  beispiel  im  texte  gelesen  zu  haben;  nur  in 
der  anm.  zu  Enn.  p.  38,  174  heisst  es  zu  der  handschriftlichen 
lesart  quos  quis  oder  quo  quis  (is  quo  im  texte):  an:  quod  ist 
und  zu  Pac.  p.  123,  364,  wo  die  handschriften  isla  oder  isto, 
der  text  istoc  hat:  an:  istod?  Ziemlich  zahlreich  sind  dagegen 
wieder  die  beispiele  für  d  im  nominalgebiete ,  bei  dreien  sind 
sogar  nach  Ribbeck's  meinung  deutliche  spuren  in  der  Überlie- 
ferung enthalten:  Naev.  p.  9,  19  (cf.  coroll.  p.  x)  soll  vel  hoc 
auf  velod  hinweisen,  das  sogar  vor  consonantischem  anlaute  ste- 
hen würde,  Pac.  p.  119,  338  pro  sua  parte  anf  pro  suad  arte 
(auch  hier  wird  die  form  mit  d  nicht  vom  metrum  gefordert), 
Acc.  p.  219,  644  novo  dabunt  auf  novod  avuneulo.  Die  Enn.  p.  39, 
184  in  den  text  aufgenommene  conjeetur:  Quam  cum  quis  negötiosod 
ütitur  negötio  (für  quam  cum  est  negotium  in  negotio)  hat  er  selbst 
coroll.  p.  xxvi  fallen  lassen,  dafür  aber  ib.  p.  xix  zu  p.  20,  40 
neben  ubi  illa  pausillo  in  Vorschlag  gebracht  ubi  illa  paulod,  und 
p.  xxi  zu  p.  25,  76  für  das  im  texte  stehende  Aüxilio  [aut]  ixili 
aüt  fugae  freta  sim  jetzt:  Aüxiliod  exili  aut  [quo]  fugae  freta  simf 
wo  sich  jedoch  ein  trochäischer  vers  annehmen  lässt :  Aüxilio  ixili 
aut  fugae  freta  sim.  —  Pac.  p.  106,  237  schreibt  Ribbeck  jetzt: 
Qua  super  red  interfectum  [tu]  e"sse  dixisti  Hippotem;  aber  was 
hindert  ohne,  änderung  der  Überlieferung  zu  messen:  qua  super\ 
Re  interfectum  esse  Hippotem  dixisti  —  (oder  qua  super  re  \  Inter- 
fectum ss)t  Nicht  wahrscheinlicher  sind  Pac.  p.  116,  315: 
Postquäm  defessus  perrogitantod  ddvenas 
[Fuit]  de  gnatis,  nöque  quemquain  invenit  scium, 
und  Acc.  p.  146,  85: 

An  malad  aetate  mävis  male  mulcdri  exemplis  Omnibus; 
denn  dort  lässt  sich  das  nothwendige  verburn  substantivum 
(aber  gerade  die  form  fuit  scheint  bedeuklich)  auch  an  an- 
derer stelle  ergänzen  und  damit  ohne  weitere  änderung  eine 
genügende  metrische  fassung  gewinnen  (vgl.  Bücheier  in  der 
anm.);  und  der    zweite    vers  ist   ein    zu    wenig  schöner    iambi- 


Nr.  6.  166.  Römische  tragödie.  289 

scher  teframeter,  als  dass  er  dem  dichter  einer  blossen  conjec- 
tur  zu  liebe  zugemuthet  werden  dürfte.  Hat  Accius  wirklich, 
wie  Ribbeck  angenommen  haben  muss,  da  er  die  in  der  an- 
m erkung  erwähnte  messung  an  mala  |  Aetüte  mavis  nicht  zuge- 
lassen hat,  die  vierfache  alliteration  in  demselben  verse  beab- 
sichtigt, so  ist  eine  zum  mindesten  nicht  unwahrscheinlichere 
vermuthung  als   die  Ribbeck'scke: 

'An  mala  aetate  mavis  male  mulcäri[er] 

Exemplis  Omnibus? 
Den  ersten  vers  mit  beibehaltung  von  mulcari als  catalectischen  cre- 
tischen  tetrameter  zu  messen,  dürfte  deshalb  nicht  gerathen  sein, 
weil  die  sicheren  beispiele  catalectisch  cretischer  verse  bei  den  al- 
ten scenikern  stets  im  vorletzten  fusse  einen  reinen  creticus,  wenn 
auch  mit  auflösungen,  haben;  die  vermuthung  mulcarier  hat  von 
seiten  der  Überlieferung  jedenfalls  mehr  stütze  als  die  von  adirier 
bei  Enn.  p.59,  306,  abgesehen  davon  dassEnnius  sicherlich  nicht 
so  geschrieben  hat,  falls  er  nicht  hinter  der  von  Plautus  geüb- 
ten technik  zurückgeblieben  ist,  einen  bacchius  auf  eine  dacty- 
lische  wortform  nicht  ausgehen  zu  lassen.  Sollte  übrigens  nicht 
eine  solche  infinitivform  auch  Pacuv.  p.  132,  410  herzustellen 
sein  :  nee  tuendi  sdiietas  capier  potest.  Eine  gewisse  Wahrschein- 
lichkeit haben  hingegen  Acc.  p.  146,  84  Ut  tarn  öbstinatod 
dnimo  confisüs  tuo,  und  p.  153,  131  Aüt  infandod  hömine  cett., 
da  durch  einsetzung  dieser  formen  vollständige  verse  gewon- 
nen werden;  aber  kann,  abgesehen  von  der  auch  von  Rib- 
beck erkannten  möglichkeit  im  zweiten  verse  hörnerne  zu 
schreiben,  dieser  umstand  die  gewissheit  geben,  dass  wie  der 
eben  genannte  zu  p.  146,  84  einfach  statuirt,  derartige  formen 
zur  zeit  des  Accius  wenn  auch  nur  in  der  tragödie  noch  in 
gebrauch  waren?  Aus  dem  adverbialgebiete  wäre,  um  von  Acc. 
p.  143,  62  (vgl.  die  anm.)  abzusehen,  ein  urkundliches  beispiel 
Pac.  p.  104,  225  Quid  tandem?  ubi  ea  est?  quöd  reeeptast?  cett., 
wenn  die  lesart  etwas  mehr  Sicherheit  böie  und  zweitens  selbst 
bei  der  gewissheit,  dass  Pacuvius  derartige  formen  zugelassen 
doch  immer  noch  nicht  ohne  weiteres  die  anwendung  derselben 
auch  ohne  metrischen  zwang  anzunehmen  wäre.  Ein  interead 
ist  angenommen  Liv.  p.  4,  26  Ego  puerum  interead  aneülae  cett .: 
aber  die  richtigkeit  der  von  Ribbeck  angenommenen  metrischen 
fassung  vorausgesetzt ,  so  erregt  doch  in  erster  linie  der  pro- 
Philol.  Anz.  IV.  19 


290  167.  Sallustius.  Nr.  6. 

celeusmaticus  ego  puerum  anstoss  ;  beseitigt  man  diesen  z.  b.  durch 
die  naheliegende  änderung  von  puerum  in  puellum,  so  ist  auch 
zugleich  der  fehlerhafte  hiatus  nach  interea  beseitigt.  Ein 
praed  schliesslich  hat  Ribbeck  nur  in  der  anm.  zu  Acc.  p.  155, 
146  in  Vorschlag  zu  bringen  gewagt. 

Ein  ähnliches  verfahren,  bald  übermässig  conservativ,  bald 
ziemlich  gewaltsam ,  Hesse  sich  noch  in  anderen  beziehungen 
nachweisen;  doch  wird  diese  darlegung  genügen,  um  obiges 
urtheil  in  den  äugen  von  vorurteilsfreien  nicht  als  ein  unge- 
rechtes erscheinen  zu  lassen.  Im  einzelnen  wäre  noch  manches 
zu  bemerken;  doch  muss  es  in  rücksicht  auf  die  hier  gesteck- 
ten grenzen  unterbleiben.  Zum  schluss  noch  die  bemerkung, 
dass  die  ausstattung  des  buches  eine  vorzügliche  ist;  druck- 
fehler  entsinnt  sich  referent  nur  zwei  gesehen  zu  haben,  p.  22 
anm.  zu  v.  58  continuo  statt  contuo,  p.  140  anm.  zu  v.  30  mali 
g.  statt  mali  p.;  viel  mehr  können  es  auf  keinen  fall  sein. 

167.  De  archaismis  Sallustianis.  Diss.  inaug.  quam  .  .  . 
defendet  auetor  Paulus  Schulze,  Berolinensis.  Halis  Saxo- 
nura  [1871].     33  pp.     8. 

Eine  kritische  Zusammenstellung  und  sichtung  der  schon 
im  alterthume  berufenen  archaismen  bei  Sallust  ist  auch  nach 
den  verschiedenen  von  einzelnen  herausgebern  z.  b.  Gerlach 
angelegten  Sammlungen  ein  daukenswertb.es  unternehmen.  Die 
ausführung  dieser  aufgäbe  ist  jedoch  dem  verf.  der  neuesten 
hierauf  bezüglichen  Schrift  trotz  des  unverkennbaren  fleisses 
nicht  völlig  gelungen.  Zunächst  vermisst  man  im  einzelnen 
die  allein  vertrauen  erweckende  akribie.  Trotz  der  durch 
wörtlichen  abdruck  vieler  stelleu  neuerer  grammatiker  und  her- 
ausgeber  herbeigeführten  breite  und  trotz  vielfacher  Wiederho- 
lungen ,  die  aus  der  unterlassenen  Zusammenfassung  des  gleich- 
artigen unter  einen  gesichtspunkt  entstanden  sind,  genügt  die 
arbeit  doch  nicht  einmal  der  ersten  forderuug  der  Vollständig- 
keit. Um  nur  ein  beispiel  zu  geben,  so  ist  p.  77  bei  der  erör- 
terung  der  zahlreichen  im  plural  gebrauchten  abstraeta  ein  ein- 
faches „eic."  um  so  weniger  am  platze,  da  gerade  sehr  aufal- 
lende,  wie  famae,  luces ,  paecs,  saevitiae  fehlen;  während  umge- 
kehrt die  anführung  von  gloriae  nach  den  gegen  diesen  gebrauch 
erhobenen  bedenken  von  Beruays  und   liergk  unterbleiben  oder 


Nr.  6.  167.    Sallustius.  291 

wenigstens  mit  einem  worte  gerechtfertigt  werden  musste.  Wich- 
tiger noch  erscheint,  um  von  unvollständiger  aufzählung  der 
belegstellen  zu  schweigen,  die  auslassung  einiger  unleugbaren 
archaismen  in  der  von  Schnitze  gegebenen  Übersicht ;  man  ver- 
misst  hier  u.  a.  decor  und  dedecor  (Priscian. :  apud  vetustissimos), 
obsequela,  sallere,  turbamentum.  Am  wenigsten  aber  lässt  sich  die 
beschränkung  auf  grammatische  und  lexikalische  archaismen  und 
die  nichtbeachtung  der  archaischen  elemente  in  der  Stilisierung 
des  Sallust  billigen ,  wofür  doch  bei  Deltour ,  de  Sali.  Catonis 
imüatore  p.  26  sqq.  eine  brauchbare  Vorarbeit  gegeben  war. 
Aber  auch  bei  dem,  was  der  Verf.  wirklieh  geboten  hat,  zeigt 
sich  dieser  mangel  an  akribie;  nicht  nur  die  ansichten  der  for- 
scher über  einzelne  stellen  sind  mehrmals  unbeachtet  geblieben, 
auch  die  Überlieferung  ist  nicht  immer  gehörig  beachtet,  z.  b.  lug. 
44,  4,  wo  die  besten  hanclschriften  alle  (PP'BET)  odor  bieten, 
wird  vom  verf.  p.  32  gerade  als  beleg  für  -os  angeführt,  wel- 
che form  nur  in  geringeren  handschriften  und  bei  Fronto  p. 
110  N.  überliefert  ist.  Auch  die  vom  verf.  vorausgesetzten  oder 
ausdrücklich  gegebenen  erklärungen  treffen  nicht  immer  das 
richtige,  z.  b.  lug.  102,  9,  welches  beispiel  nach  der  einstimmi- 
gen lesart  von  V  und  P  gar  nicht  in  die  vom  verf.  p.  71  be- 
liebte kategorie  gehört.  Noch  anderes  weist  deutlich  auf  den 
mangel  einer  durchgreifenden  feile  hin;  ausser  fehlenden  oder 
unvollständigen  anführungen  und  abgesehen  von  irrungen  um 
einen  §  sind  mir  ungesucht  folgende  unrichtige  citate  aufge- 
fallen: p.  23  Cat.  51,  1  statt  53;  lug.  38,  3  statt  Cat. ;  p.  40 
lug.  45,  6  statt  54;  lug.  85,  2  statt  26;  p.  47  lug.  92,  2 
statt  96;  p.  49  lug.  37,  5  statt  27;  p.  65  lug.  38,  1  statt 
10;  p.  67  lug.  11  statt  111,  2;  p.  71  Cat.  37,  4  statt  lug.; 
p.  72  lug.  168,  3  statt  108;  p.  79  lug.  7,  16  statt  6.  Unan- 
genehmer sind ,  von  den  vielen  druckfehlern  nicht  zu  reden, 
zahlreiche  Schreibfehler,  z.  b.  adhibere  mit  nominativ  p.  45  und 
mit  ablativ  p.  63 ;  indicativ  bei  ut  p.  46  (potest)  oder  cum  p. 
73;  falsche  negation  p.  52,  53  u.  s.  w.  Am  schwersten  aber 
wiegen  die  groben  Verstösse  gegen  die  latinität  im  gebrauche 
der  partikeln,  in  dem  satzbau  und  in  einzelnen  unrichtigen, 
jedoch  stets  wiederkehrenden,  Wendungen,  z.  b.  p.  75  Quin- 
tiliano  auctore  Sallustium  archaismum  .  .  adhibuisse ,  was  sich 
öfter   bei  teste,  testibus,   auctore,   auctoribus,  praeeunte  u.  s.  w.   wie- 

19* 


292  167.  Sallustius.  Nr.  6. 

derholt.  Begegnen  derartige  Unebenheiten  fast  auf  jeder  seite, 
so  fehlt  es  ab  und  zu  auch  nicht  an  sünden  gegen  die  logik, 
z.  b.  p.  70  locutio  .  .  antiquior  est,  quia  eam  haud  raro  a 
Plauto  usurpatam  esse  cognovi.  Ja  p.  81  scheint  in  der  eile 
sogar  eine  spur  doppelter  redaction  der  arbeit  stehen  geblieben 
zu  sein.     Doch  genug  der  einzelheiten. 

Auch  die  auf  fas  s  u  n  g  Schultze's  bezüglich  der  arebaismen 
des  Sallust  im  ganzen  unterliegt  manchen  bedenken.  Richtig 
wird  die  schon  von  Seneca  und  Quintilian  erkannte  nothwen- 
digkeit  einer  Scheidung  der  lateinischen  archaismen  überhaupt 
nach  bestimmten  zeitperioden  hervorgehoben,  dann  bezüglich 
Sallust's  speciell  eine  doppelte  beschränkung  seines  archaismus 
festgestellt :  p.  7  Sallustius  quidem  ex  antiquissimis  temporibus  non 
formas  grammaticas ,  sed  tantum  singula  vocabula  nonnullaque  ad 
syntaxin  pertinentia  repetiit ;  nee  vero  Catonis  aetatem  in  oratione  for- 
manda  et  verbis  cligendis  transgressum  esse  .  .  arbitror;  p.  10  sq.: 
Sallustius  archaismos  usurpavit,  qui  tarnen  iniuria  ita  augebantur,  ut 
cum  multa,  quae  in  optimis  scriptoribus  etiamnunc  sunt ,  prisca  ha- 
berentur,  tum  iusti  graecismi  in  archaismis  adnumerarentur.  Dieser 
satz,  dass  man,  insbesondere  Gerlach  (der  übrigens  in  seiner 
ausg.  1870,  p.  89  gewissermassen  widerruft)  in  der  annähme 
von  archaismen  zu  weit  gegangen  ist,  hat  der  verf.  erwiesen 5 
dagegen  wird  jeder  leser  erkennen,  dass  der  verf.  seinerseits 
in  der  ableugnung  von  archaismen  das  ziel  überschritten  hat. 
Oder  ist  es  etwas  anderes,  wenn  er  über  den  mangel  eines 
evidenten  beweises  für  die  annähme  eines  archaismus  klagt  und 
auf  grund  hievon  zur  annähme  einer  Wirkung  des  sermo  vulga- 
ris greift,  ohne  jedoch  selbst  den  schein  eines  beweises  zu  lie- 
fern? Unrichtig  ist  auch  der  öfter  ausgesprochene  satz,  dass 
Sallust  omnino  antiquos  scriptores  (p.  15.  16.  64  und  sonst)  nach- 
geahmt habe,  sowie  die  ausdrückliche  Scheidung  zwischen  ar- 
chaismus und  der  nachahmung  des  Cato  (z.  b.  p.  79).  Die 
alten  Zeugnisse  führen  auf  das  gegentheil,  indem  sie  beides  zu- 
sammenfassen, vgl.  Sueton.  Gramm.  15  priscorum  Catonis 
verborum  furem;  Quintil.  VIII,  3,  '29  verba  antiqui  multum  furate 
Catonis.  Die  Würdigung  dieser  uud  der  übrigen  Zeugnisse  führt 
auch  zur  allein  richtigen  erklärung  des  archaismus  bei  Sal- 
lust. Weder  gloriae  splendorisque  causa,  wie  der  Franzose  Del- 
tour  wähnt,    noch   weil    er  oraüoncm    aetatis   suae   propter    ambi- 


Nr.  6.  168.   Tacitus.  293 

tus  corruptricem  habebat,  wie  Laws  glaubt,  noch  auch  um  admira- 
tionem  antiquitatis  taediumque  verum  praesentium  auszudrücken, 
was  nach  Kritz  und  Badstübner  der  verf.  annimmt,  hat  Sallust 
seiner  rede  das  alterthümliche  gepräge  gegeben;  vielmehr  er- 
scheint der  archaismus  bei  dem  schriftsteiler  als  etwas  sekundä- 
res. Wie  zunächst  die  Vorliebe  des  autors  für  Thucydides  das 
seinem  wesen  entsprechende  streben  nach  kürze  und  die  hin- 
neigung  zu  griechischen  Wendungen  bewirkte ,  so  hat  die  be- 
wunderung  des  Cato,  die  beschäftigung  mit  seinen  werken  und 
das  eindringen  in  den  geist  derselben  die  freude  am  alterthüm- 
lichen  und  an  strengeren  formen  überhaupt  genährt.  Können 
wir  trotz  des  geringen  bestandes  der  erhaltenen  schritten  des 
Sallust  und  trotz  der  weit  geringeren  reste  von  Cato  immerhin 
zahlreiche  und  unverkennbare  berührungspunkte  finden,  so  sind 
wir  im  zusammenhalte  mit  den  alten  Zeugnissen  zu  dem  schlösse 
berechtigt,  Cato  als  muster  und  meister  des  Sallust  in  seinem 
archaismus  überhaupt  zu  betrachten.  Vgl.  die  erörterung  in 
der  Zeitschr.  f.  d.  g.  w.  XXV,   741. 

168.  Gerber,  Dr.  A. ,  nonnulla  de  usu  praepositionum 
apud  Tacitum.     Gymnasial -Programm  von   Glückstadt.   1871. 

Was  in  dieser  Schrift  des  sonst  schon  in  der  Tacituslitera- 
tur  bekannten  Verfassers  zu  finden,  gibt  er  selbst  an:  in  prima 
parte  de  anastropha  quae  dicitur  et  de  media  praepositionum  col- 
locatione  egi,  quibus  pauca  de  variandi  genere  addidi  quoad  in 
ip&is  praepositionibus  conspicitur;  in  altera  parte  primurn  praepositio- 
num compositiones  collegi,  deinde  de  praepositione  in,  tum  de  non- 
nullis  aliis  praepositionibus  disserui.  Zum  schluss  hat  Gerber  ei- 
nen index  alphabeticus  omnium  particularum  quae  apud  Tacitum 
leguntur  hinzugefügt,  über  welche  er  bald  genaueres  veröffent- 
lichen möge,  da  es  bei  mancher  partikel  noch  an  specialforschun- 
gen  mangelt.  Neben  gratia  habe  ich  in  dem  index  causa  ver- 
misst,  das  sich  mehrfach  findet  z.  b.  im  Dial.  20,  13,  in  den 
Hist.:  III,  68,  10.  70,  22.  IV,  3,  5.  An.  1,  13,  22.  3,  53, 
20.  4,  1,  18.  16,  14.  35,  6.  39,  16.  11,  27,  5  (in  einer  for- 
mel)  und  27,  8.  14,  57,  20.  Der  zufall  hat  es  gefügt,  dass  ihm 
die  arbeit  des  ref.  :  De  praepositionum  usu  apud  Tacitum  dissert. 
Gotting.  1869,  obgleich  schon  im  1.  hft.  v.  1869  der  Biblioth. 
philologica    von    Müldener   angezeigt,    und  Maud:    De  praeposi- 


294  168.  Tacitus.  Nr.  €. 

positionis  „ad"  usu  Taciteo.  Frankfurt  1870  (Müldener  2.  heft 
1870)  nicht  bekannt  geworden  sind.  Eefercnt  handelte  bereits 
über  mehrere  präpositionen ,  die  auch  Gerber  hat:  namentlich 
über  apud  und  im  vergleich  dazu  ad,  coram,  wie  über  adversus, 
contra,  erga,  ferner  in  der  einleitung  über  propter ,  prope,  iuxta, 
praeter,  super,  pone,  sccundum,  infra,  citra,  eis,  circa,  circum,  prae, 
trans  und  tenus.  —  Es  wäre  gut  und  für  Eine  arbeit  notwen- 
dig, dass  in  Ann.  buch  VI.  nach  Einer  methode  citirt  wird,  so 
dass  nicht  wie  bei  Gerber  unter  apud  (p.  2)  6,  37  (=  6,  31) 
und  hinwiederum  z.  b.  unter  ob  (p.  7)  6,  39  (statt  6,  45)  steht, 
an  welcher  letzteren  stelle  es  jedoch  nicht  nullam  ob  invidiam 
heisst,  sondern  nullam  ob  eximiam  artem.  Am  besten  wäre  es, 
wenn  alle  in  gleicher  weise  verführen,  und  da  dürfte  sich  die 
in  den  sehr  verbreiteten  ausgaben  von  Nipperdey  und  Dräger 
(bei  Halm  ist  beides)  befolgte  Zählung  am  meisten  empfehlen. 
Da  ferner  Eiae  präposition  manchmal  mehrfach  in  Einem  kapi- 
tel  vorkommt  und  auch  das  aufsuchen  besonders  bei  massenhaf- 
ten citaten  zu  viel  zeit  in  anspruch  nimmt,  so  wäre  es  prak- 
tisch, wenn,  wie  ich  bereits  oben  und  schon  in  meiner  dissertation 
gethan,  dem  auch  Maue*  gefolgt  ist,  die  Zeilenzahl  angegeben 
würde  und  zwar  nach  der  allgemein  verbreiteten  textansgabe 
von  Halm.  Genauigkeit  und  Vollständigkeit  ist  aber,  sollen 
derartige  forschungen  zu  endgültigen  resultaten  führen,  unum- 
gänglich nothwendig.  Wie  leicht  jedoch  etwas  übersehen  wer- 
den kann,  zeigt  gleich  die  erste  präposition  bei  Gerber:  apud. 
Zu  den  vier  unter  ß  angeführten  beispielen  kommen  nämlich 
noch  weitere  fünf,  vgl.  meine  diss.  p.  12.  Ferner  steht  Ann. 
1,  31,  4  nicht  ripam  apud  Rheni,  sondern  regelmässig  apud 
ripam  Rheni.  Es  wäre  wünschenswert!)  gewesen,  wenn  Gerber 
bei  anführung  der  stellen  sich  der  von  Draeger  Syntax  p.  76, 
§.  225  gegebenen  eintheilung  in  die  sieben  klassen  angeschlos- 
sen hätte.  Zu  coram  ist  zu  bemerken ,  dass  me  coram  Ann.  3, 
52  (muss  übrigens  3,  53,  2  heissen)  nicht  richtig  ist ,  denn  co- 
ram ist  dort  adverbium.  —  Nr.  3 — 5  und  8 — 13  sind  voll- 
ständig, vgl.  Nipperd.  zu  Ann.  3,  64.  —  Bei  inter  vermisse  ich 
Ann.  6,  41,  13  Artabanum  Scythas  inter  eduetum  und  14, 
33,  1.  Ann.  2,  83,  15  veteres  inter  scriptorcs.  Wie  z.  b.  bei  de 
hätte  auch  das  einmalige  16,  27,  4  inter  quorum  aspectus  et  mi- 
nus herangezogen  werden  können.  —     Unter  intra  fehlt  13,  4, 


Nr.  6.  168.  Tacitus.  295 

8  und  statt  11,  20  muss  es  11,  10,  14,  statt  14,  40  —  4,  40,  19, 
statt  16,  7  —  16,  17,  1  heissen,  wie  auch  unter  super  nicht  Hist.  3, 
16,  sondern  3,  19,  2  und  nicht  Ann.  4,  40,  sondern  Hist.  4, 
40,  23.  —  Bei  tenus  hätte  Gerber  nicht  13,  41,  15  anführen 
dürfen,  giebt  er  doch  auch  selbst  gleich  darauf  dieses  beispiel 
unter  hactenus  an:  vgl.  Nipperd.  und  Draeger  zu  d.  st.  —  Mit 
recht  verwirft  er  (doch  zuerst  Wölfflin  im  Jahresbericht  Piniol. 
XXV,  p.  116)  die  Ritter'sche  conjectur  Ann.  3,  34,  5.  Unter 
a  und  ab  giebt  Gerber  zuerst  die  stellen,  wo  sich  ab  vor  con- 
sonanten  (Neue,  Formenlehre  II,  p.  533)  findet:  bei  ante  literam 
,,s"  fehlen  Ann.  4,  20,  10  ab  saevis  adul.  und  5,  4,  15,  wie 
15,  18,  2  ab  senatu.  Da  sonst  in  den  kleinen  schritten  und 
historien  vor  s  stets  a  steht  und  ferner  die  cod.  CDE  im  Dial. 
14,  24  auch  a  haben ,  so  ist  wohl  hier  a  scholasticis  (Michaelis, 
Halm,  Gerber  schreiben  ab)  zu  lesen.  Ferner  führt  Gerber  un- 
ter ab  mit  Otto,  Halm  Ann.  6,  54  (48),  18  «5  semet  an:  die 
cod.  haben  ac ,  wie  verschreibungen  sich  mehrfach  finden  z.  b. 
Ann.  2,  62,  11  und  6,  9,  15  steht  in  den  cod.  ad,  wofür  man 
„ab"  sedibus  und  „ab"  Sejano  geschrieben  hat.  Ich  glaube  je- 
doch, dass  Rhenanus  das  richtige  getroffen  und  Nipperdey  auch 
in  seiner  neuen  Weidmann'schen  textausgabe  mit  recht  ,,a"  se- 
met aufgenommen  hat.  Denn  Tacitus  hat  in  den  bei  Gerber 
und  oben  von  mir  angeführten  beispielen  ab  nur  vor  den  Wor- 
ten: sedeeim,  senatu  (doch  auch  „a"  senatu:  3,  48,  2.  13,  2,  15 
und  10,  3.  14,  48,  9),  solidis,  sedibus,  Suria,  Sejano  (nach  emend., 
doch  „a"  3,  16,  5),  Servüio,  während  er  stets  vor  dem  pronomen 
se  die  form  „a"  hat  (Ann.  I,  13,  20.  17,  23.  4  7,  9.  3,  12,  3. 
6,  18,  5.  13,  34,  12.  14,  25,  6.  55,  7.  15,  26,  12.  55,  10. 
67,  21.   70,  4),  ferner  gerade   „a"  semet    sich    auch    noch  findet 

12,  44,  14  und  15,  45,  11,  überhaupt  auch  in  den  Ann.  vor  s 
das  gewöhnliche  die  form  „a"  ist :  ausser  den  schon  angeführten 
stellen  noch  1,  67,  9.  3,  50,  7.  66,  2.  6,  3,  7.  50,  23.  12,   34,  6. 

13,  32,  2.  14,  20,  4.  59,  4.  15,  35,  2,  wie  vor  S  1,  57,  1. 
2,  47,  10.  80,   8.  3,  66,  6.  11,  35,   13.  12,  53,  6.  13,  3,  7  = 

14,  65,  5  =  15,  45,  15.  —  Zu  den  drei  stellen,  wo  ab  vor 
L  steht,  ist  noch  Ann.  1,  53,  22  hinzuzufügen,  wie  unter  denen 
für  die  anastrophe  (4,  24,  2  nationibus  statt  primoribus)  Ann.  3, 
10,  10  iudice  ab  uno  und  Ann.  4,  5,  9  initio  ab  Suriae  nicht 
hatten    vergessen  werden    dürfen.  —     Unter  den    beispielen   in 


296  168.  Tacitus.  Nr.  6. 

der  anm.  p.  4  für  a  tergo,  wofür  bei  Tacitus  nie  ab  tergo,  wie 
bei  Caesar  (s.  Neue  Formenl.  p.  534,  Caes.  BG-.  7,  87,  4. 
BC.  3,  86,  3,  doch  auch  „a"  tergo:  BC.  3,  44,  4.  93, 
6.  94,  2.  B.  Alex.  20,  auch  „a"  B.  Afr.  5.  40,  B.  Hisp. 
40),  Sallust  (s.  Dietsch  zu  lug.  I,  58,  4),  Livius,  und 
auch  ähnlich  nie  post  tergum  steht,  fehlt  Hist.  3,  23,  12.  — 
Ueber  adversus  vgl.  meine  diss.  p.  39  ff.  —  ad  ist  zu  ergän- 
zen nach  Maue* ,  s.  diss.  p.  71  und  72,  der  mit  recht  die  ver- 
schiedenen arten  der  anastrophe  gesondert  giebt;  bei  Maue"  feh- 
len jedoch  unter  a)  11,  28,  6.  15,  46,  6:  auch  ist  hier  3,  13, 
8  fälschlich  angegeben,  b)  Ann.  4,  74,  15  quod  quisque  ad  ne- 
gotium, c)  11,  37,  7.  d)  14,  61,  17  steht  ad  cuius  nutum.  — 
Unter  den  stellen  von  cum  hätte  vor  allem  nicht  Germ.  40,  11, 
multa  cum  veneratione  fehlen  dürfen,  weil  derartiges  bekanntlieh 
in  den  kleineren  Schriften  äusserst  selten  ist.  Quieta  c.  indu- 
stria  steht  nicht  Hist.  4,  50,  sondern  3,  50,  11.  Zwar  ist  es 
richtig,  was  Gerber  sagt:  cum  est  unica  praepositio  quae  in  M- 
etoriarum  libris  frequentius  hunc  medium  locum  obtinet,  doch  darf  von 
weniger  mit  dem  schriftsteiler  vertrauten  daraus  nicht  geschlos- 
sen werden ,  dass  die  gewöhnliche  Wortstellung  nicht  die  übli- 
che in  den  Historien  wäre;  diese  ist  vielmehr  die  durchgehende, 
ja  im  ersten  buche  die  alleinige,  wie  bei  Sallust  cum  nie  zwi- 
schen adjectiv  und  Substantiv  steht.  Unter  den  beispielen  fehlt 
noch  Ann.  1,  34,  14,  wie  auch  Ann.  12,  14,  6  erwähnenswerth 
war.  —  Cum  mit  dem  personalpronomen  ist  es  bei  Gerber 
(p.  6  oben)  recht  übel  ergangen  und  thut  hier  die  controle 
sehr  noth  :  es  zeigt  dieser  im  lateinischen  constante  gebrauch 
der  postposition  auch  in  der  entwicklung  der  Schriften  des  Ta- 
citus nichts  ungewöhnliches ,  denn  in  den  kleineren  Schriften 
findet  es  sich  5mal,  in  den  Hist.  12,  in  den  Ann.  20mal  und 
zwar  (ich  gebe  die  stellen  wegen  des  irrthums  bei  Gerber)  me- 
cum:  Dial.  15,  12.  Hist.  H,  47,  14.  Ann.  3,  53,  6.  13,  21, 
12.  15,  2,  3.,  tecum  nur  Dial.  10,  19.,  secumt  Agr.  46,  10. 
Hist.  1,  12,  6.  88,  6.  3,  20,  15.  4,  17,  19.  71,  17.  76,  5. 
Ann.  2,  12,  9.     4,  12,  8.     6,  15,  13.     11,  25,  13.     12,  2, 

9.  22,  2.  13,  15,  3.  14,  23,  9.  34,  11.  35,  12.  15,  54, 
15.  16,  26,  19.  32,  2.  nobiscum:  G.  29,  11.  Hist.  1,  15,  27. 
38,  8.  84,  21.  3,  20,  21.  4,  65,   10.    Ann.  4,  55,  23.    12,  10, 

10.  18,  5.  62,  3.   vobiscum  nur  Dial.  22,  2.  —     Bei    dem   ein- 


Nr.  6.  168.  Tacitus.  297 

maligen  quibuscum  (Ann.  1,  25,  10)  muss  bemerkt  werden,  dass 
es  sich  in  einem  briefe  findet:  in  diesen  hat  ja  Tacitus  man- 
ches besondere;  sonst  sagt  er,  wie  auch  stets  Livius ,  Com. 
Nepos,  Curtius  Rufus  *),  cum  quibus ,  und  auch  cum  quo,  cum 
qua.  Wenn  Dial.  37,  38  die  emendation  von  Latinus  Latinius 
in  seiner  bibliotheca  profana  p.  37  Rom  1677  für  das  hand- 
schriftliche qui  richtig  ist  (s.  auch  Dryander  conjecturae  in 
Dial.  de  orat.  progr.  v.  Halle  1851  p.  29),  so  würden  wir  für 
die  erstlingsschrift  des  Tacitus  noch  ein  dem  relativum  ange- 
hängtes cum  gewinnen:  vgl.  Michaelis  ed.  (die  stelle  bei  Halm 
ganz  anders)  und  Sirker,  Taciteische  Formenlehre  Berl.  1871, 
p.  43.  —  P.  6,  z.  4  ist  fälschlich  Ann.  1,  25  wiederholt.  — 
Für  de  giebt  Gerber  alle  beispiele:   es  hätte  nur  noch  Ann.   12, 

14,  16  Arsacis  de  gente  erwähnt  werden  können.  Ferner  steht 
adverso  de  proelio  Hist.  2,  52,  3  und  quaqua  de  re  Ann.  6,  7 
(13),  18.  — -  Zu  ex  will  ich  bemerken,  dass  in  der  Germ.  2, 
12  Tacitus  noch  e  quorum  nominibus  sagt  und  auch  Ann.  13, 
13,  5  ex  cuius  familiaribus  (wie  auch  bei  in  z.  b.  15,  22,  9  in 
cuius  locum):  dies  kann,  wie  bei  de,  mit  den  beiden  stellen  aus 
den  Ann.  verglichen  werden.  Ann.  3,  1,  6  muss  es  vicinis  e 
municipiis  heissen  und  unter  den  sechs  stellen  für  magna  ex 
parte,  wofür  Tacitus  nie  ex  magna  parte  sagt,  Hist.  II,  37,  16 
statt  Hist.  37.  —  Die  besprechung  über  die  Stellung  der  prä- 
position  in,  wie  über  ihre  bedeutung  p.  10  ff.  behalte  ich  mir 
einstweilen  vor,  da  ich  bei  dieser  präposition  kein  volles  zu- 
trauen zu  meinen  collectaneen  habe.  Sehr  vieles  giebt  Maue 
zur  vergleichung  mit  ad.  Der  recenseht  W(ölfflin)  in  Zamke's 
Liter.  Centralblatt  1871,  nr.  25  sagt,  dass  unter  den  Verbin- 
dungen von  in  mit  adjectiv,  die  bekanntlich  Tacitus  mit  schö- 
pferischem geiste  ausgebildet,  bloss  in  prominenti  Ann.  1,  53, 
17  fehle,  bei  in  lubrico  und  in  publice-  die  stellen  6,  51,  8.  59 
(muss  15,  59,  17  heissen,    für    welche    stelle  Gerber    fälschlich 

15,  19  angiebt)  übergangen  seien  und  Ann.  4,  22,  2  in  prae- 
ceps  statt  in  aneeps  citirt  werde.  In  hinsieht  auf  jene  recen- 
sion  will  ich  nebenbei  bemerken,  dass  per  idem  tempus  (Maue*  p. 

1)  "Wenn  Kräh  im  Insterburger  progr.  1871  „Curtius  als  schul- 
lectüre"  th.  II,  p.  9  übrigens  angiebt:  „Cum  quibus"  hat  Curtius  3mal, 
so  hat  er  sich  wahrscheinlich  zu  sehr  auf  die  anmerkung  in  Mützell's 
ed.  p.  559  verlassen:  es  steht  noch  VII,  6,  8.  X,  2,  16  und  2,  29  au- 
sser VI,  7,  14.  VII,  11,  6.  VIII,  5,  9. 


298  168.  Tacitus.  Nr.  6. 

33)  sich  doch  schon  einmal  in  den  Historien  findet:  1,  73,  1. 
—  Ob  ist  vollständig.  —  Bei  per  fehlt  Hist.  1,  62,  16,  Ann. 
15,  36,  7,  wie  unter  den  neun  stellen  für  das  beliebte  tot  per 
annos  Ann.  14,  54,  12,  wofür  Tacitus,  selbst  wenn  der  nach- 
druck  auf  tot  liegt  z.  b.  Ann.  3,  58,  10,  das  regelmässige  per 
tot  annos  noch  hat:  Ann.  1,  12,  13.  54,  10.  2,  27,  4.  6,  32, 
9.  12,  18,  9.  13,  50,  12.  Den  sieben  stellen  mit  vorgesetzten 
numeralien  stehen  in  den  Annalen  ebenso  viele  gegenüber,  z.  b. 
Ann.  I,  9,  6  per  Septem  et  triginta  annos  etc.,  einmal  mit  nach- 
druck  hinter  dem  Substantiv  3,  55,  3,  wie  auch  3,  34,  24  per 
plures  annos  vgl.  6,  25,  14  =  11,  22,  7.  Bei  pronominen 
(Maue*  p.  50)  hat  per  stets  (ausgenommen  I,  23,  2  quorum  per 
umeros)  seine  Stellung  vor  diesen,  z.  b.  in  vergleich  mit  den 
stellen  bei  Gerber  für  dies:  wie  Ag.  41,  1  per  eos  dies,  so  Hist. 

1,  20,  13.  88,  1.  3,  38,  1.  63,  9.  46,  1.  Ann.  1,  69,  5.  14, 
21,  23.  1,  42,  7  per  hos  dies,  3,  44,  12  per  Mos  dies  =  4, 
42,  1.  63,  10.  16,  2,  5.  cf.  2,  24,  9.  —  Ann.  3,  60,  4  muss 
es  Graecas  per  urbes  heissen.  —  Zu  post  und  zur  anm.  p.  8 
will  ich  bemerken,  dass  multos  post  annos  Ann.  2,  52,  20  und 
14,  12,   12  steht  (vgl.  über  Sallust,  Dietsch  zu  lug.  41,  1   und 

11,  2),  ferner  dass  Tacitus  immer  paucos  post  dies  sagt.  Vgl. 
zu  Ann.  4,  8,  3  und  29,  14,  wie  12,  27,  14  auch  Ann.  I,  17, 
22  post  sedecim  annos  und  6,  46,  20  post  iricesimum  annum.  — 
paucos  ante  dies  wird  Hist.  2,  76  statt  Hist.  3,  76,  9  citirt. 
Neben  Ann.  2,  85,  16  certam  a.  diem  und  Ann.  3,  51,  8,  wo 
das  zahlwort  mit  nachdruck  nachsteht,  steht  Hist.  2,  95,  3 
a.  illum  diem.     Vgl.   Ann.   13,  53,  5   (Dial.  25,  4)    mit  13,  58, 

2.  Erwähnenswerth  wäre   die  merkwürdige  anastrophe  in  Ann. 

12,  69,  1  gewesen:  vgl.  Draeger  und  Nipperd.  zu  d.  St.  — 
Unter  sub  muss  es  Ann.  14,  48,  15  egregio  sub  principe  heissen. — 
P.  8  und  9  handelt  Gerber  nur  im  allgemeinen  über  die  varia- 
tio,  weshalb  ich  nicht  genauer  darauf  eingehen  will :  er  hätte 
jedoch  (Roth  Agric.  p.  277.  Zernial  genetiv  p.  14)  für  die 
kleineren  Schriften,  weil  Draeger  „Syntax  und  Stil  des  Taci- 
tus" p.  36,  §.  104  irrt,  noch  andere  beispiele  z.  b.  aus  der 
Germania  als  nur  c.  46  „victui  herba  etc.  (Draeger  Syntax  p. 
82)  bringen  müssen:  vgl.  z.  b.  die  4  in  meiner  diss.  p.  10 
oder  für  den  Wechsel  einer  präposition  mit  einem  casus  (Drae- 
ger   §.   105)    neben    G.  32,  4    apud    Chattos   —     quam    Tencteris 


Nr.  6.  168.  Tacitus.  299 

G.  17,  15  non  libidine,  sed  ob  nobilitatem  pluribus  nuptiis  ambiun- 
tur  oder  G.  40,  2  non  per  obsequium,  sed  proeliis  et  periclitando 
tuti  sunt.  —  Die  unter  den  drei  aus  Agr.  c.  12,  4  angeführte 
stelle,  in  welcher  Draeger  mit  unrecht  das  pro  nobis  als  ver- 
dächtig anzweifelt,  enthält  doch  gewiss  keine  variatio.  —  Eine 
bis  jetzt  noch  wenig  beobachtete  variatio  (fehlt  auch  bei  Drae- 
ger Syntax  p.  82),  besteht  darin,  dass  mit  einem  adjectiv  ein 
präpositionaler  ausdruck  wechselt,  wie  bei  sine2):  G.  35 ,  8 
sine  cupiditate ,  sine  impotentia,  quieti  secretique  nulla  provocant 
bella,  Hist.  3,  8,  16  incruentam  et  sine  luctu  victoriam,  Hist.  4, 
58,  38  maturam  et  sine  noxa  poenitentiam)  Ann.  3,  69,  20  insidam 
Gyarum  inmitem  et  sine  cultu  hominum.  —  Ein  schlagendes  bei- 
spiel  für  die  variatio  aus  den  Historien  wäre  gewesen  4,  11, 
1:  Tali  rerum  statu,  cum  discordia  int  er  patres,  ira  aptid  victos, 
nulla  in  victoribus   auctoritas,   non  leges  essent,   etc. 

P.  11  giebt  Gerber  im  anschluss  an  in  die  beispiele  der 
häufigen  Verbindung  von  e  und  ex  mit  einem  adject.  neutr. 
gen.  Diese  ist  in  den  kleineren  schritten  zwar  noch  sehr 
sporadisch  (Dial.  nicht,  Ag.  zweimal,  G.  einmal),  aber  dann 
dehnt  sie  sich  besonders  in  den  Historien  aus  (I  4mal,  86,  12  e 
publico  fehlt  bei  Gerber;  n  5mal ,  97,  8  ex  aequo  fehlt,  oder 
6mal,  wenn  77,  11  ex.  tuto  von  Haase  statt  tu  hos  bei  Halm 
richtig  ist,  III  8mal  oder  9mal ,  wenn  Heraeus  23,  4  richtig 
„e"  vacuo  atque  aperto  vermutbete,  IV  6mal),  während  sie  hin- 
wiederum in  den  Annalen  nicht  so  häufig  ist,  wie  dies  ja  in 
manchen  erscheinungen  bei  Tacitus  der  fall  ist  (I  lmal,  II  und 
HI  je  2mal,  3,  1,  9  ex  alto  fehlt,  IV  6mal,  in  V  lmal,  in  XH 
und  XIV  je  einmal,  Xni  3mal,  XV  2mal,  in  den  übrigen  bü- 
chern  nicht).  Ich  gebe  diese  übersieht  ,  weil  sie  bei  Gerber 
nicht  recht  deutlich  hervortritt.  —  Bei  ex  propinquo  fehlt  Ann. 
4,  33,  23  und  Ann.  2,  24  muss  es  revenerat  heissen.  —  Es  hät- 
ten hier  auch  die  ausdrücke  mit  per  und  mit  einem  adject.  sing, 
neutr.  gen.  erwähnt  werden  können,  die  sich,  statt  eines  adverbs 
gebraucht,  jedoch  auf  per  oecultum  (vgl.  in  u.  ex  oeculto)  reduciren 
(nur  in  den  Ann.  4,  42,  8.  71,  21.  5,  4,  13.  6,  7,  15  cum  primores 
senatus  infimas  etiam  delationes  exercerent,   alii  propalam,   multi  per 

2)  Oft  zwar  aus  mangel  an  einem  adjectiv,  doch  nicht  immer. 
Der  Wechsel  namentlich  mit  sine  häufig,  besonders  bei  dichtem,  doch 
auch  andere  präpositionen  z.  b.  de  bei  Ovid  Met.  9 ,  730  naturale  et 
de  more  malum. 


300  168.  Tacitus.  Nr.   6. 

occultum)  vgl.  weiterhin  Agr.  23,  4  per  inmensum  =  Ann.  15, 
40,  2  und  namentlich  zu  dieser  stelle  Draeger.  —  Ann.  3,  65, 
1.  4,  62,  5  (63,  8).  11,  21,  4  =  14,  59,  8  vgl.  Heraeus  zu 
Hist.  3,  79,  1  und  82,  15.  16,  1,8.—  Zu  p.  16  anm.:  für  inter 
se  giebt  Gerber  alle  stellen  mit  ausnähme  von  12,  30,  8.  44,  2. 
14,  27,  11  (und  unter  5)  Hist.  1,  85  st.  H.  2,  85,  7.  Ann.  15,  72 
ist  fälschlich  angeführt),  wie  auch  für  inter  nos;  c.  26  st.  Hist. 
5,  26,  7.  —  Zu  der  präpos.  ob  p.  22,  auf  deren  entwicklung 
Gerber  p.  9  aufmerksam  macht  (Dial.  nicht,  Ag.  2,  G.  3,  Hist. 
27  (nicht  25),  Ann.  138  (nicht  135)  mal),  will  ich  bemerken, 
dass  mir  Ann.  1,  79,  1  in  ob  nicht  das  id  ipsum  quod  quis 
agendo  assequi  studet,  consilii  ac  finis  notio  enthalten  scheint,  son- 
dern dies  in  der  ausdrucksweise  mit  dem  gerundivum  liegt.  An- 
ders sind  natürlich  die  zwei  anderen  beispiele  mit  dem  gerund, 
zu  fassen:  Ann.  4,  31,  11  und  11,  5,  10.  Es  hätte  wohl  ge- 
nügt zu  sagen,  dass  an  dieser  stelle  das  von  Tacitus  beliebte 
ob  etwa  in  der  bedeutung  des  sonst  gewöhnlichen  ad  stehe.  — 
Ferner  erscheint  mir  die  erhlärung  von  Ann.  1,  44,  15  egui- 
dem  interpretari  mallem  ,, gegen"  die,  non  vero  ,, wegen"  der  — 
zu  gesucht  oder  vielmehr  unrichtig.  Ob  hat  gerade  bei  Tacitus 
grossentheils  die  funktion  des  bei  ihm  nur  zweimaligen  (vgl. 
meine  diss.  p.  5),  bei  Caesar,  Cicero  u.  a.  so  häufigen  causa- 
len  propter  oder  ähnlicher  ausdrücke.  Ferner  ist  zu  beachten, 
dass  Tacitus  mit  dem  gebrauche  von  ob  in  den  ersten  büchern 
der  Annalen  im  vollen  zuge  ist  (in  I  und  III  je  21,  in  II  24mal 
etc.,  in  den  letzten  büchern  lässt  jedoch  —  eine  von  mehr- 
fachen erscheinungen  —  der  gebrauch  von  ob  sehr  nach),  ferner, 
dass,  wenn  Tacitus  an  dieser  stelle  die  bedeutung  ,,gegeu"  im 
äuge  gehabt  hätte ,  er  wohl  nicht  specie  defendendae  provinciae 
ob  inminentis  Suebos  geschrieben,  sondern  eben  schon  der  merk- 
würdigen bedeutung  wegen,  von  welcher  Gerber  selbst  zugiebt 
quamvis  unicum  (d.  h.  übrigens  nicht  allein  bei  Tacitus,  sondern 
in  der  ganzen  latinität)  huius  usus  exemplum  esset,  sich  der  Wort- 
stellung sp.  prov.  def.  ob  inm.  S.  bedient  hätte.  —  Mag  immer- 
hin etwas  alterthümliches,  ein  antiquus  color  —  in  den  beispielen 
dafür  ist  Gerber  etwas  zu  weit  gegangen  —  in  ob  sein,  so  haben 
wir  darin  eben  einen  grund,  weshalb  Tacitus  diese  präposition 
allmählich  so  bevorzugt  hat.  Schade,  dass  Gerber  mitten  in  der 
darstellung  von  ob  abbricht.     Gewiss  hätte  sich  mancher  freund 


Nr.  6.  168.  Tacitus.  301 

des  Tacitus  gegenüber  dem  von  Gerber  mitgetheilten  interessirt, 
wenn  er  z.  b.  noch  erfahren  hätte,  dass  trotz  des  so  häufigen 
ob  Tacitns  das  sonst  so  beliebte  quam  ob  rem ,  quam  ob  causam 
und  ähnliches  nicht  gebraucht,  gewiss  weil  zu  abgenutzt,  son- 
dern, wie  zuweilen  auch  Sallust  und  schon  mehrfach  Livius  vgl. 
Kühnast,  „llauptp.  der  liv.  Synt."  p.  365,  dafür  stets  neben 
dem  einmaligen  easque  ob  res  ,,zur  belohnung  dieser  thaten"  Ann. 
4,  44,  10  sagt  ob  quae:  Ann.  2,  30,  16  ob  id  2,  35,  4.  66,  9. 
3,  42,  9.-75,  9.  6,  8,  2.  9,  8.  25,  12.  13,  5,  5.  14,  60.  7.  ob 
ea  2,  87,  3.  11,  25,  17.  ob  eaclem  4,  52,  14  ob  liaec  12,  65, 
3.  13,  41,  17.  14,  64,  11  und  endlich  für  das  einmalige  (2  45, 
5)  non  aliam  ob  causam,  quam  quia  in  2 ,  82,  7  neque  ob  aliud 
quam  quia  und  2,  86,  6  non  ob  aliud  quam  quod.  —  P.  23 
bespricht  Gerber  mit  herbeiziehung  auch  anderer  Schriftsteller 
propter.  Für  das  bei  Tacitus  einmalige  und  zwar  metaphorisch 
gebrauchte  prope  (Gerber  p.  24),  worüber  Kühnast  p.  366  „me- 
taphorisch selten,  Livius  zuerst",  konnten  zwei  ganz  ähnliche 
beispiele  (vergl.  meine  diss.  p,  6)  aus  Livius  beigebracht  wer- 
den. Im  anschluss  an  prope  handelt  Gerber  p.  25  über  propius 
etc.,  dann  über  juxta  und  p.  26  über  pone  in  Übereinstimmung 
mit  mir  p.  7.  —  Unter  super  giebt  Gerber  (p.  26)  im  ver- 
gleich mit  insuper  den  „adverbialen"  gebrauch  und  zeigt ,  dass 
in  locis  Tacitinis  meram  localem  notionem  in  adverbio  „super"  inesse, 
quod  nunquam  in  locum  adverbii  „insuper"  i.  q.  noch  dazu,  noch  oben- 
drein ccssit.  Ueberzeugend  scheint  mir  deshalb  seine  leichte  Ver- 
besserung Hist.  2  ,  34 ,  9  iactls  insuper  ancoris  statt  super, 
denn  der  zweite  erklärungsversuch  als  praeposition  „die  schiffe 
wurden  über  ausgeworfenen  ankern  (ruhend)  gegen  die  Strö- 
mung des  flusses  gerichtet"  ist  abgesehen  von  dem  dage- 
gen vorgebrachten  doch  wohl  nicht  ernstlich  gemeint.  Le- 
ber den  „  präpositionaleu "  gebrauch  habe  ich  in  meiner  diss. 
p.  6  anm.  3  und  p.  7  gehandelt  und  durch  anführuug  der 
beispiele  gezeigt,  quantum  Tacitus  paullatim  pro  magis  vulgari 
„praeter"  praepos.  „super",  qui  usus  primum  invenitur  apud'  Li- 
vium,  (vgl.  jetzt  dazu  Kühnast  p.  367)  adamaverit.  —  Mit  der  er- 
klarung  (p.  27)  von  Ann.  15,  63  vrgl.  die  meinige  p.  51  ff.  — 
Zum  schluss  theilt  Gerber  den  adverbialen  und  präpositionalen 
gebrauch  von  coram  mit.  Unter  den  beispielen  für  den  letzteren 
giebt  er  ausser  den   schon    von  mir  (p.  36)    angeführten  stellen 


302  169.  Seneca.  Nr.  6. 

noch  Ann.  4,  75,  2:  doch  mit  unrecht,  denn  Cn.  Domitio  ist  dativ 
und  coram  adverbium,  welches  —  Tiber  war,  wie  kurz  vorher 
berichtet  ist,  nicht  mehr  in  Rom  —  dem  in  urbe  gegenübersteht. 

Greef. 

169.  De  L.  Ann.  Senecae  quaestionibus  naturalibus  et 
epistolis  diss.  scr.  Fr.  Schul tess.     8.     Bonn.   1872. 

Haase  hatte  sich  durch  auszüge  des  Vinceotius  aus  den  Quaest. 
Naturales  zu  der  vermuthung  bestimmen  lassen,  die  ursprüng- 
lichen acht  bücher  der  schrift  seien  in  Verwirrung  gerathen,  in- 
dem ein  zu  anfang  und  am  ende  beschädigtes  exempiar  in  der 
mitte  zerschnitten  und  die  hälften  später  verkehrt  zusammenge- 
fügt wurden.  Die  von  ihm  angenommene  reihenfo'ge  der  bü- 
cher: IVb  (IV,  3  —  13)  V.  VI.  VII.  I.  IL  IE.  IV»  (IV,  1.  2) 
hat    sein    schüler   Larisch  im   cod.   Leidensis  wirklich    gefunden. 

Mit  recht  macht  Schultess  hiergegen  geltend:  1)  die  schwung- 
volle vorrede  des  üb.  I  gehört  dem  ganzen  werke  an  und  kann 
darum  nicht  in  der  mitte  gestanden  haben  ;  2)  die  worte  quam 
magnarum  verum  fundamenta  ponam  (praef.  lib.  III)  müssen 
einem  früheren  als  dem  vorletzten  buche  angehören;  3)  die  ein- 
theilung  des  Stoffes  (init.  lib.  II)  und  besonders  die  futura  §.  4 
weisen  diesem  buche  einen  früheren  als  den  drittletzten  platz 
zu;  und  versucht  auszuführen,  dass  die  jetzige  reihenfolge  die 
ursprüngliche  sei  mit  ausnähme  von  lib.  I,  welches  aus  versehen 
statt  an  die  letzte  stelle  hinter  die  gesammt-voirede  gekommen. 
Unter  den  gründen  hierfür  ist  der  schwächste,  wenn  aus  VI,  23, 
4  und  VII,  5,  3.  5  folgen  soll,  dass  lib.  VII  nach  lib.  VI  geschrie- 
ben ist,  während  mit  gutem  recht  aus  der  handschriftlichen  les- 
art  dictum  est  (I,  15,  4)  geschlossen  wird,  dass  lib.  I  hinter  lib. 
VII  gehört.  Unbeachtet  geblieben  sind  die  epiloge  lib.  II,  V 
und  VI,  welche  einerseits  die  annähme  einer  herausgäbe  nach 
Seneca's  tode  (p.  25  not.)  ausschliesseu ,  andrerseits  dafür  spre- 
chen, dass  praef.  lib.  I,  VII,  I  und  II,  ferner  IV8,  lVb  und  V 
zusammen,  III  und  VI,  jeder  für  sich  herausgegeben  sind.  — 
Hinsichtlich  der  briefe  widerlegt  Schultess  die  bedenken,  welche 
gegen  die  aus  der  schrift  selbst  sich  ergehenden  Zeitbestimmun- 
gen erhoben  sind,  lässt  sich  aber  seihst  durch  das  behagen  an 
seiner  conjectur  ac  Pompciorum  tuorum  conspectus  (ep.  49)  ver- 
führen, ep.  68 — 70  zwischen  48  und  49  zu  setzen.      Mehr  an- 


Nr.  6.  170.  Montesquieu.  303 

sprechen  dürften  seine  vorschlage:  22,  1  quaedam  non  nisi  prae- 
senti  monstrantur ;  26,  3  düigenter  excutere,  quae  non  possim  fa- 
cere,  quae  nolim  posse,  habiturus  aequi,  si  nolim  quidquid  non  posse 
me  video;  40,  4  incompta  für  incomposita ;  53,  7  sopor  aniraum  al- 
tius  rnergit,  quam  ut  in  ullo  intellectu  sui  sit\  61,  1  ea  desii  velle 
quae  puer  volui;  Qu.  N.  IV  praef.  10  quod  consectari  malles 
quam  contueri. 

H.   Lehmann. 

170.  Considerations  sur  les  causes  de  la  grandeur  des  Ro- 
mains et  de  leur  decadence  par  Montesquieu.  Für  den 
schulgebrauch  erklärt  von  Dr  W.  Wendler,  Oberlehrer  am 
gymnasium   zu   Zwickau.      8.      Leipzig,   Teubner.    1871. 

Ganz  gewiss  bat  der  Verfasser  einen  glücklichen  griff  da- 
mit gethan ,  dass  er  das  wegen  seines  gediegenen  inhalts  und 
seiner  körnigen  spräche  noch  immer  sehr  lesenswerthe  werk 
Moutesquieu's  zur  lectüre  für  die  oberen  gymnasialklassen  aus- 
gewählt und  eingerichtet  hat.  Nach  seiner  vorrede  will  er 
,, durch  herbeiziehen  des  lateinischen  den  Unterricht  im  franzö- 
sischen auf  den  höheren  lehranstalten  unterstützen  und  die- 
sen Unterricht  in  Verbindung  bringen  mit  andern  disciplinen". 
Ohne  zweifei  meint  der  verf.  damit  die  geschichte  und  die  geo- 
graphie.  Beide  Wissenschaften  sind  in  den  anmerkungen  auch 
reichlich  bedacht,  oft  vielleicht  zu  reichlich.  Eine  geschmack- 
volle interpretation  beschränkt  sich  auf  das,  was  zum  verständ- 
niss  des  Schriftstellers  förderlich  ist;  was  darüber  hinausgeht, 
ist  vom  übel.  Die  blosse  erwähnung  Thessaliens  und  der  kö- 
nige  von  Macedonien  erfordert  z.  b.  p.  42  und  43  die  aus- 
führliche beschreibung  beider  länder  nicht  im  entferntesten-, 
durch  die  Schilderung  erhält  die  stelle  Moutesquieu's  nicht  die 
mindeste  beleuchtung. 

Ob  der  verf.  in  den  grammatischen  anmerkungen  immer 
seinem  Vorsatz  treu  geblieben  ist ,  die  lateinische  grammatik 
herbeizuziehen,  bezweifle  ich.  Gerade  für  die  gymnasiasten 
müsste  die  gruppirung  der  fälle,  in  welchen  die  französische 
grammatik  dem  subjonctif  die  einfache  Verneinung  ne  hinzuzu- 
fügen gebietet,  durch  die  vergleichung  des  lateinischen  sehr 
leicht  und  sehr  förderlich  sein.  Denn  1)  nach  den  verbis  ti- 
mendi  braucht  man  im  lateinischen  für  unser  dass  ne,  im  fran- 


304  170.  Montesquieu.  Nr.  6. 

zösischen  (wenigstens  für  das  affirmative  zeitwort  des  fürchtens) 
den  subjonctif  mit  ne;  2)  nach  non  dubito  etc.  steht  im  latei- 
nischen quin,  im  französischen  nach  den  Zeitwörtern  des  zwei- 
felus  und  bestreitens ,  und  auch  nur  wenn  sie  verneint  sind, 
ne  mit  dem  subjonctif ;  3)  nach  den  verbis  impediencü  folgt 
quominus  (d.  h.  ein  verneinender  ausdruck)  oder  wenn  sie  selbst 
verneint  sind,  auch  wohl  quin;  im  französischen  nach  empeclier, 
iviter  und  ähnlichen  regelmässig,  nach  dem  affirmativen  wie 
verneinten  verbum,  ne  beim  subjonctif;  und  4)  im  lateinischen 
nach  non  multum  abest  gleichfalls  quin,  im  französischen  nach 
peu  sen  faut  der  subjonctif  mit  ne.  Statt  nun  aber  die  fälle 
in  dieser  übersichtlichen  weise  zu  gruppiren  und  auseinander- 
zuhalten, bringt  der  verf.  durch  seine  bcmerkungen  nur  Verwir- 
rung in  die  sache.  Er  sagt  p.  51  :  ,,die  verba  douter,  nier,  conte- 
ster  enthalten  an  und  für  sich  schon  eine  negation,  durch  welche 
die  befürchtungen  vor  dem  eintreten  eines  ereignisses  in  abrede 
gestellt  werden.  Tritt  aber  eine  negation  hinzu,  so  wird  durch 
dieselbe  die  in  den  verbis  liegende  negation  aufgehoben,  es 
wird  also  aus  dem  verbum  des  zweifelns  ein  verbum  des  be- 
hauptens  und  fürchtens;  es  ist  demnach  falsch  zu  sagen  :  diese 
verben  werden  umgekehrt  construirt  als  die  verben  des  fürch- 
tens ;  man  muss  vielmehr  sagen,  sie  werden  durch  hinzutretende 
negation  zu  einem  verbum  des  fürchtens  und  müssen  demge- 
mäss  construirt  werden".  Man  denke :  „je  ne  doute  pas  quHl  n'y 
ait  un  dieuu.  soll  nach  dem  Verfasser  bedeuten:  ,,je  crains  qu'il  n'y 
ait  un  dieu" ;  und  nach  ihm  ist:  „ich  behaupte,  dass  es  einen  gott 
giebt"  und  „ich  fürchte,  es  könnte  einen  gott  geben"  dasselbe! 
Zu  solchen  abenteuerlichkeiten  kommt  man,  wenn  man  im  bestre- 
ben allgemeine  gesichtspunkte  zu  erfassen,  ungehöriges  mit  ein- 
ander vermengt,  und  gerade  die  historische  Sprachforschung, 
mit  welcher  der  Verfasser  sich  beschäftigt  hat,  hätte  ihn  von 
solchen  versehen  zurückhalten  müssen.  Jeder  gymnasiast  weis9, 
dass  nach  nemo  est  qui  — ,  nihil  est  quod  —  der  conjunctiv  ge- 
setzt werden  muss.  Die  regel  ist  im  französischen  dieselbe;  aber 
statt  auf  den  Ursprung  derselben  aus  der  lateinischen  ausdrucks- 
weise aufmerksam  zu  machen,  sagt  der  Verfasser  p.  28  zu  den 
Worten  il  n'y  avait  point  d'csp&rancc  —  qui  put  Völliger  ä  faire 
la  paix:  „ne  —  point  hat  die  bcdeutung  eines  Superlativs"  und 
verwirft    damit    auf   die    erst    abgeleitete    eigenthümlichkeit    des 


Nr.  6.  170.  Montesquieu.  305 

französischen,  nach  dem  Superlativ  in  relativsätzen  den  subjonctiv 
zu  gebrauchen,  statt  auf  das  ursprüngliche  aus  dem  lateinischen 
stammende  Sprachgesetz. 

Für  die  grammatischen  regeln,  welche  der  Verfasser  in  den 
anmerkungen  herbeizieht,  hat  er  im  allgemeinen  die  besten  quel- 
len benutzt,  Mätzner  und  Holder;  gleichwohl  hätte  manches 
deutlicher  und  genauer  gefasst  werden  müssen.  Wenn  er  p. 
12  sagt,  zu  den  worten  VEtat  sembla  avoir  perdu  Väme  qui  le 
faisait  mouvoir:  ,, mouvoir:  der  infinitiv  hat  passive,  reflexive 
oder  intransitive  bedeutung,  da  „le"  object  der  handlung  ist", 
so  wird  weder  die  spracheigenthümlichkeit  begriffen,  noch  der 
lernende  in  stand  gesetzt ,  in  ähnlichen  fällen  richtig  zu  schrei- 
ben. Aber  freilich  giebt  auch  keine  grammatik ,  so  viel  ich 
weiss,  auskunft  über  diesen  fall.  Bei  reflexiven  Zeitwörtern  (oder 
verbes  pronominaux)  nämlich  wird  hinter  faire  stets  se  (oder  das 
zurückbezügliche  fürwort  überhaupt)  ausgelassen.  Man  sagt  se 
taire,  aber  faire  taire  qlq. ,  s'asseoir ,  aber  faire  asseoir  qlq. ,  se 
repentir,  aber  faire  repentir  qlq.  etc.  (man  findet  mehr  beispiele 
in  Herrig's  Archiv  XXI,  p.  319  flg.).  Diese  ellipse  des  für- 
worts  hat  selbst  grammatiker  getäuscht.  So  hat  Plötz  in  ei- 
nem französischen  Schriftsteller  gefunden:  Cliopätre  jeta  une 
perle  dans  un  vase  de  vinaigre  et  Vy  fit  resoudre  und  übersetzt 
das:  „und  liess  sie  darin  auflösen",  als  wenn  sie  einem  diener 
befohlen  hätte,  die  perle  aufzulösen.  Er  hätte  übersetzen  müs- 
sen „und  liess  sie  sich  darin  auflösen",  da  resoudre  hinter  fit  für 
se  risoudre  steht.  Doch  sagt  man:  faire  se  retourner  qlq.  bewir- 
ken, dass  jemand  sich  umdreht,  weil  faire  retourner  zurückkehren 
lassen  heisst.  Nach  der  erklärung  Wendler's  könnte  der  schüler 
leicht  auf  die  Vorstellung  kommen,  dass  mouvoir  (wie  allerdings 
bisweilen  das  lateinische  movere)  auch  intransitiv  gebraucht  wer- 
den könne.  Aber  man  muss  sagen  :  VEtat  se  meut  und  cela 
fuit  mouvoir  VEtat.  Eben  so  unklar  ist  die  bemerkung  p.  112 
respecter  ist  als  infin.  passivi  anzusehen,  daher  steht  auch  der 
ablativ  des  soldats.  Es  heisst  bei  Montesquieu :  ils  se  firent  re- 
specter des  soldats;  das  passive  ist  nicht  respecter,  sondern  se 
faire.  Bisweilen  ist  die  begränzung  der  regel  nicht  scharf  ge- 
nug. P.  37  heisst  es:  „etre  mit  dem  blossen  infinitiv  ist  ein 
verbum  der  beweguug.  Das  präsens  hat  dabei  die  bedeutung 
eines  perfects"  Welcher  schüler  würde  nicht  daraus  schliessen, 
Philol.  Änz.  IV.  20 


306  170.  Montesquieu.  Nr.  6. 

dass  man  auch  das  präsens    von  etre,    das   ja   ausdrücklich    ge- 
nannt   wird,    mit    dem  blossen    infinitiv    verbinden  kann?    und 
doch  kann  man  zwar  in  den  präteritis  sagen:    fai   eti   me  pro- 
mener, aber  niemals  je  suis  me  promener,  etre  se  promener.  —    Es 
ist  die  gewöhnliche  grammatische  regel ,  dass  meme  hinter  meh- 
reren   Substantiven    kein    s   bekommt:    aber    diese    gewöhnliche 
grammatische    regel    ist    eben  nur  ein  nothbehelf.      Besser  sagt 
schon  Holder,  dass  meme  unverändert  bleibt ,  wenn  es ,    wie  an 
der  stelle  Montesquieu's  p.  9,  eine  Steigerung  ausdrückt.     Sonst 
ist    es    auch    hinter  zwei  Substantiven  veränderlich;    mit    einem 
von  mir  gemachten  zusatz  müsste  Barthelemy  an  einer  bekann- 
ten stelle  gesagt  haben :  Les  Romains  n'ont  vaincu  les  Grecs  et  les 
Gaulois    que  par  les  Grecs  et  les  Guulois  memes.      Andere    bemer- 
kungen,  welche  als  allgemein  gültig  hingestellt  werden,    passen 
höchstens  auf  einzelne  fälle  und    treffen  gar  nicht  den  kern  der 
sache.      Zwei  adjectiva,    sagt    der    Verfasser  p.  5,    stehen  nach 
dem  substantivum ,    wenn  der  ton  auf  dem  letzteren  ruht;    wer 
wird  in  dem   ausdruck  une  terre    rousse   et   ferrugineuse   und  tau- 
tend  ähnlichen  das  substantivum  betonen  ?      Einzelne  erklärun- 
gen  sind  geradezu  falsch.      Zu  p.   55   z.  b.  bringt  der  Verfasser 
einen    ganz   unbegründeten    unterschied    von  pret  de  und  pret  ä 
vor.     Man  höre  zuerst,  was  das  dictionnaire  critique  von  Feraud, 
Marseille   1788   darüber  sagt:   On  dit,  dans  le  Dict.  Gram,  (wel- 
ches   gleichfalls  von   Feraud  herrührt),    qu'il    regit  „ä"    et  „de": 
on  le  dit  d'apres  Vexemple  de  plusieurs  auteurs,   qui  ont  employi  le 
second  regime:  mais  c'est  une  inattention  de  leur  part:    ils  ont  con- 
fondu  pret    avec  pres  • —  —    Montesquieu    dit,    pret  de.       „II    n'y 
avait  point  de  Services  que  les  peuples  et  les    rois    ne  fussent   prets 
de    rendre    ni    de  bassesse    quils    ne    fissent   pour    Vobtenir  (le  titre 
d'allies  des  Romains)" .      On  doit  dire  pret  a  rendre   —    —    Ce  se- 
rait  une  faute  de  dire  „pret  de  partir".     Plusieurs  fönt  cette  faute. 
Acad.    Wailly.       Und    welchen    unterschied    bringt    der    verf.    zu 
eben  dieser  stelle   Montesquieu's   heraus?      Er    schreibt:    prets  de 
=  etre  disposis;  prets  h  =  etre  au  point.       Gerade   umgekehrt : 
wo  die  älteren   schrittsteiler ,    in  folge    einer  Verwechslung,   pret 
de  gesagt   haben,     ist  es  gewöhnlich  in   der  bedeutung  von  prbs 
de    genommen,    zu    dessen    Umschreibung    der    verf.    etre   sur  le 
point  hätte  sagen  müssen ;    au  point  heisst  „in   dem  grade".     Zu 
p.   56   II  n'y  a  qu'ä  voir  comme   ils  terminerent  les  guerres  d'Atta- 


Nr.  6.  170.  Montesquieu.  307 

lus  et  de  Prusias,  fragt  der  verf.:  „warum  nicht  comment?"  Das 
letztere  ist  für  die  jetzige  spräche  nothwendig ;  comme  wird  in 
indirecten  fragen  nur  in  einem  mit  combien  ähnlichen  sinne,  Ver- 
wunderung oder  indignation  ausdrückend,  gebraucht,  wie  in 
dem  von  der  academie  angeführten  satze :  voyez  comme  il  m'a 
traitel  Zu  aisement  lässt  der  Verfasser  p.  57  communement  etc. 
vergleichen ;  aber  das  erstere  ist  adverbium  zu  aise,  das  andere 
von  commun;  der  verf.  hätte  lieber  die  adverbien  von  eigen- 
schaftswörtern  auf  e  zusammenstellen  sollen,  wie  passionnement 
etc.  und  hätte  dann  auch  noch  diejenigen  dieser  adjectiva  an- 
geben können,   die  kein  adverb  bilden,  wie  zele  etc. 

In  einzelnen  fällen  hat  der  Verfasser  den  sinn  des  Schrift- 
stellers nicht  recht  gefasst.  Auf  p.  47  zu  dem  satze:  Enfin 
les  rois  de  Syrie  tenaient  la  haute  et  la  hasse  Asie:  mais  Vexpe- 
rience  a  fait  voir  que  dans  ce  cas,  lorsque  la  capitale  et  les  princi- 
pales  fovces  sont  dans  les  provinces  basses  de  V Asie ,  on  ne  peut 
pas  conserver  les  hautes ;  et  que ,  quand  le  siege  de  Vempire  est 
dans  les  hautes,  on  s'affaiblit  en  voidant  garder  les  basses,  bemerkt 
er:  ,,nacb  dem  deutschen  Sprachgefühl  müsste  que  stehen,  d.  h. 
wir  würden  den  gedanken  consecutiv  auffassen:  wenn  das  ver- 
hältniss  derart  wäre,  dass  etc.  Montesquieu  aber  denkt  nicht 
nur  an  einen  nur  gesetzten  fall,  sondern  an  die  Wirklichkeit 
und  sagt:  „jedesmal,  wenn  die  hauptstadt  etc.  und  in  dem  vor- 
liegenden falle  war's  so".  Der  verf.  bezieht  fälschlich  lorsque 
auf  en  ce  cas  und  übersetzt  es :  in  diesem  falle  wo  — .  Aber 
en  ce  cas  bezieht  sich  auf  das  vorgehende  und  will  sagen : 
für  den  fall,  dass  der  Staat  sowohl  das  hochland  als  die  tief- 
ebene  Vorderasieus  umfasst;  und  dazu  Werden  zwei  Unter- 
abteilungen gemacht  ,  welche  durch  lorsque  und  quand  ein- 
geführt werden:  einerseits  wenn  die  hauptstadt  im  tiefland 
liegt,  kann  man  das  hochland  nicht  behaupten,  andererseits, 
wenn  sie  im  hochland  liegt,  ist  das  tiefland  schwer  zu  halten. 
Hätte  der  verf.  vor  dans  ce  cas  ein  komma  gesetzt,  würde  er 
nicht  dazu  gekommen  sein,  dans  ce  cas  und  lorsque  für  correla- 
tiv  zu  halten;  auch  hätte  er  wissen  müssen,  dass  man  wohl 
au  cas  que  und  en  cas  que,  aber  dans  le  cas  ou,  dans  ce  cas  oü 
sagen  muss.  So  zieht  ein  versehen  immer  das  audere  nach 
sich.  Auf  p.  54  ferner  meint  er,  dass  in  dem  satze:  Par  la 
üs  recevaient  rarement  la  guerre,    mais    la  faisaient    toujours    dans 

20* 


308  170.  Montesquieu.  Nr.  6. 

le  temps,  de  la  maniere  et  avec  ceux  quHl  leur  convenait,  die  worte 
guHl  leur  convenait  den  relativsatz  qui  leur  convenaient  ersetzen, 
ohne  gewahr  zu  werden,  dass  qitil  leur  convenait  nicht  nur  auf 
avec  ceux,  sondern  auch  auf  dans  le  temps  und  auf  de  la  ma- 
niere bezug  hat;  durch  den  relativsatz  würde  diese  beziehung 
fortfallen.  Er  hätte  sagen  sollen:  die  natürliche  Verbindung 
welche  que  auf  dans  le  temps  und  auf  de  la  maniere  hat,  führt 
die  ungewöhnliche  Verbindung  mit  dem  dritten  damit  verbunde- 
nen satzgliede  avec  ceux  herbei. 

Die  jetzt  nicht  mehr  üblichen  ausdrucksweisen,  von  welchen 
Montesquieu  noch  gebrauch  macht,  hat  der  Verfasser  nicht  an- 
gemerkt, doch  hätte  es  wohl  für  den  lernenden  geschehen  müs- 
sen. Man  sagt  nicht  mehr  donner  la  bataille,  sondern  livrer  ba- 
taille,  nur  noch  absolut  donner  angreifen;  zu  fuit  p.  15  hätte 
der  Verfasser  wohl  bemerken  können,  dass  dies  passe  defini  jetzt 
nicht  mehr  gebräuchlich  ist,  sondern  dass  man  dafür  s'enfuit, 
prit  la  fuite  sagen  muss.  Man  findet  es,  doch  äusserst  selten, 
bei  Bossuet,  Voltaire  (Charles  XII  am  ende  des  zweiten  buchs); 
die  neueren  französischen  grammatikeu  lassen  es;  als  veraltet, 
ganz  fort,  obgleich  es  die  academie  noch  aufführt. 

Ein  hauptaugenmerk  hat  der  Verfasser  auf  die  etymologie 
gerichtet;  es  ist  zu  befürchten,  dass  er  hierin  für  die  schule  zu 
viel  thnt.  Ganz  gewiss  gehört  es  zum  französischen  Unterricht, 
namentlich  auf  einem  gymnasium,  die  ausdrücke  dieser  spräche, 
welche  auf  das  lateinische  durch  leicht  ersichtliche  ableitung 
zurückgeführt  werden  können,  nach  ihrer  abstammung  zu  erläu- 
tern ;  auf  denjenigen  schulen,  in  welchen  das  mittelhochdeutsche  in 
den  kreis  des  Unterrichts  hineingezogen  wird,  werden  gewiss  auch 
einzelne  herleitungen  aus  dem  gothischen  oder  alihochdeutschen 
mit  nutzen  angeführt  werden  können,  aber  überall  doch  immer 
nur  die  fälle,  in  welchen  völlige  gewissheit  vorliegt.  Was  kann 
es  helfeu,  dass  der  Verfasser,  wenn  die  etymologie  nicht  fest- 
steht oder  unter  den  gelehrten  streitig  ist ,  sich  bei  den  Schü- 
lern durch  ein  fragezeichen  darnach  erkundigt.  So  findet  man 
p.  13:  „blit  etymologie?  p.  15:  javelot :  mittelhochdeutsch 
gabilöt,  etymologie?,  Grimm  aus  nord.  gefja,  Speer,  ags.  lac, 
spiel"  ;  p.  26  :  „retrancher:  etym.  ?  Dies  aus  internecare  (soll  wohl 
heissen  intersecare)  =  abschneiden  durch  einen  wall  von  der 
übrigen  gegeud";  p.  34  :   „chiourme:  etym.?     Nach  Diez  aus   xf- 


Nr.  6.  170.  Montesquieu.  309 

levcritci,  nach  andern  türkischen  Ursprungs"  etc.  Ich  glaube  nicht, 
dass  durch  die  übertriebene  hinweisung  auf  die  etymologie  die 
fertigkeit  des  ausdrucks  befördert  wird,  welche  doch  in  den 
neueren  sprachen,  selbst  auf  dem  gymuasium,  die  hauptsache 
bleibt.  Die  schüler  haben  wenig  oder  gar  keinen  gewinn  von 
weit  hergeholten  ableitungen.  Ich  erinnere  mich,  dass  einer 
unserer  lehrer  bei  der  lectüre  der  Cyropädie  uns  regelmässig 
die  wurzeln  oder  Wörter  des  sanskrit  angeführt  hat ,  welche 
den  griechischen  Wörtern,  die  gerade  bei  Xenophon  vorkamen, 
verwandt  sind:  es  hat  keiner  von  uns  auch  nur  einen  einzigen 
fall  dieser  art  aufgefasst,  geschweige  denn  behalten,  selbst  nicht 
die  wenigen,  welche  schon  damals  den  entschluss  gefasst  hat- 
ten, das  sanskrit  kennen  zu  lernen.  Im  besten  fall  werden 
solche  etymologische  notizen  vergessen;  wer  sie  behält,  geräth 
leicht  in  die  gefahr,  das  nmherwerfen  mit  denselben  für  sprach- 
kenntniss  zu  nehmen  und  sie  in  der  Unterhaltung  auszukramen, 
wie  einer  meiner  bekannten,  der  dadurch  eine  leibhaftige  in- 
carnation  des  Holofernes  in  Love's  lalour's  lost  geworden  ist 
und  von  dem  man,  wie  von  dem  Shakspearischen  Schulmeister, 
6agen  möchte  :  he  has  been  at  a  great  feast  of  languages  and  has 
stolen  the  scraps.  Ausserdem  könnte  den  lernenden,  die  mehr 
auf  die  etymologie  versessen  als  bemüht  sind,  die  bedeutung  der 
Wörter  richtig  aufzufassen,  leicht  ein  so  böser  Unfall  zustossen, 
wie  es  dem  Verfasser  des  buches    begegnet    ist.      Er  sagt  p.  6 : 

„miprisable ;  von  prendre:  le  mepris,   der  missgriff;  von 

priser:  la  meprise  die  Verachtung".     Umgekehrt,  herr  doctor! 

Man  sieht ,  ich  habe  eine  nicht  unbeträchtliche  reihe  von 
ausstellungen  an  dem  buche  gemacht.  Wer  daraus  den  schluss 
machen  wollte ,  dass  ich  es  für  schlecht  halte ,  würde  sich  ir- 
ren. Ich  habe  im  gegentheil  die  Überzeugung ,  dass  es  mit 
weglassung  des  ungehörigen  und  überflüssigen  und  unter  Ver- 
besserung des  fehlerhaften  und  ungenauen  ein  sehr  brauchbares 
buch  werden  kann;  wäre  dies  nicht  der  fall,  würde  ich  der 
beurtheilung  desselben  nicht  so  viel  zeit  und  räum  gegönnt  ha- 
ben. Es  enthält  schon  jetzt  viel  nützliches  und  schätzenswer- 
thes  :  gute  grammatische  bemerkungen,  wirklich  für  schüler  be- 
achtenswerthe  etymologien ,  knapp  und  scharf  ausgedrückte  Un- 
terscheidungen sinnverwandter  Wörter.  Wir  haben  wenige  werke 
französischer  Schriftsteller,    welche    in    empfehlenswerther  weise 


310  171.   Deutsche    zustände.  Nr.  6. 

erklärt  sind;  die  kunst  der  Interpretation  moderner  Schriften 
muss  erst  noch  erlernt  werden;  die  befolgung  des  Verfahrens 
und  die  genauigkeit  der  klassischen  philologie  allein  kann  den 
weg  dazu  bahnen.  Und  weil  ich  dieser  Überzeugung  bin,  habe 
ich  in  einer  sonst  nur  den  alten  sprachen  gewidmeten  Zeitschrift 
die  ausführliche  philologische  besprechung  eines  buches,  welches 
übrigens  durch  den  iuhalt  des  textes  auch  noch  in  einer  andern 
beziehuug  zum  alterthum  steht,  nicht  für  unstatthaft  gehalten. 

H.  J.  Heller. 

171.  Cheirisophos  des  Spartiaten  reise  durch  Böotien.  Bei 
Isarlik  als  griechisches  manuscript  aufgefunden  und  ins  deutsche 
übersetzt  von  Dr  Schliemaun  d.  j.  8.  Gotha,  Perthes,  1872. 
XU  und   112  s.   —      20   ngr. 

Unter  diesem  titel  erschien  vor  wenigen  wochen  ein  schrift- 
chen, das  streng  genommen  seinem  inhalte  nach  in  diesen  blät- 
tern nicht  zur  spräche  gebracht  werden  sollte;  aber  doch  muss 
ref.  bitten,  ihm  aus  barmherzigkeit  und  um  gotteswillen  ein 
kleines  plätzchen  einzuräumen  und  wäre  es  auch  ein  armensün- 
derwinkel.  Denn  wo  soll  er  sich  sonst  hinwenden ,  um  die 
schrift  eines  mannes  anzuzeigen,  dessen  name  zwar  in  ganz 
Deutschland  durch  seine  wissenschaftlichen  und  poetischen  lei- 
stungen  wohl  bekannt  und  geachtet  ist,  der  aber  die  Untugend 
hat,  sich  in  allen  dingen  ein  selbständiges  urtheil  anzumassen,  das 
eben  deshalb  weder  in  eine  liberale  noch  reactionäre  Schablone 
passt  ?  Soll  er  bei  den  grossen  deutschen  zeitungen  herumbet- 
teln ?  Sie  haben  jetzt  nur  zeit  für  die  wichtigen  fragen  des 
reichs  und  dürften  wenig  geneigt  sein  sich  mit  den  innern 
Verhältnissen  des  deutschen  Böotiens  abzugeben  und  namentlich 
mit  seinen  Schulangelegenheiten,  denen  die  satire  in  erster  linie 
gewidmet  ist ,  wenngleich  sie  mit  ihrem  köstlichen  humor  auch 
eine  anzahl  anderer  wichtiger  fragen  bespricht,  die  durch  die 
blauweissen  grenzpfähle  nicht  eingeschlossen  sind.  Die  bay- 
rische liberale  presse?  Wird  sie  es  wagen  ein  buch  zu  em- 
pfehlen, das  mit  rücksichtslosem  sarkasmus  das  schosskind  un- 
serer zeit,  den  Darwinismus  lächerlich  macht  und  —  horribile 
dietul  —  in  der  Unverschämtheit  so  weit  geht,  mit  seiner  lauge 
sogar  die  „volksbildner"  zu  bespritzen?  Aber  die  bayrischen 
gymnasialblätter  werden    sich  doch  die  gelegenheit    nicht   entge- 


Nr.  6.  171.  Deutsche  zustände.  311 

hen  lassen,  die  gymnasial  -  und  Universitätsfrage  an  der  band 
eines  gewiss  urtheilsfähigen  mannes  aufs  neue  zu  beleuchten? 
Um  Vergebung  —  hier  sitzt   gerade   das  hühnerauge! 

Diejenigen  fachgenossen,  welche  vor  einigen  jähren  an  der 
Würzburger  philologenversammlung  sich  betheiligt  haben,  wer- 
den sich  erinnern,  dass  damals  in  der  pädagogischen  section 
die  bayrischen  gyrnnasialveihältnisse  ,  namentlich  der  Unterricht 
im  lateinischen  in  einer  für  Bayern  gerade  nicht  schmeichelhaf- 
ten weise  besprochen  wurden.  Die  norddeutschen,  oder  besser 
gesagt  die  nichtbayrischen  Schulmänner  behaupteten  geradezu, 
es  ginge  ihnen  das  verständniss  für  die  bayrische  auffassung 
ab.  Dies  hinderte  jedoch  nicht,  dass  diese  specifisch  bajuvari- 
sche  anschauung  auch  heute  noch  in  voller  blüthe  steht,  ja 
heute  vielleicht  noch  mehr  als  sonst  unsere  gymnasien  geradezu 
beherrscht.  Sie  hat  ihren  sitz  im  bayrischen  gymnasiallehrer- 
verein, ihr  organ  sind  die  bayrischen  gymnasialblätter ,  denen 
wir  übrigens   nichts   schlechtes  nachsagen  wollen. 

Es  ist  seit  decennien  in  Bayern  klage  darüber  erhoben  wor- 
den, dass  unsere  gymnasien  in  den  händen  der  bureaukratie  sind 
und  deshalb  sich  nicht  frei  entwickeln  können.  Die  klage  war 
berechtigt  und  ist  berechtigt.  Auch  unser  Satiriker  erhebt  seine 
stimme  laut  gegen  diesen  missstand.  Aber  thöricht  wäre  es  zu  glau- 
ben, man  dürfe  die  Oberleitung  unserer  schulen  nur  in  die  häude 
von  fachmännern  legen,  so  stände  alles  gut.  Der  schaden  liegt 
tiefer,  und  dies  wieder  einmal  klar  ausgesprochen  zu  haben,  ist 
das  verdienst  des  Cheirisophos ,  der  in  Chäronea  gelegenheit 
hatte,  einen  blick  in  das  böotische  unterrichtswesen  zu  werfen. 
Auch  früher  war  die  Oberleitung  unserer  gymnasien  in  den  hän- 
den von  bureaukraten,  und  doch  stand  es  besser ;  einige  gym- 
nasien wenigstens  —  nomina  sunt  odiosa  —  waren  ächte  bil- 
dungsanstalten ;  der  geist,  den  tüchtige,  vom  classischen  alter- 
thum  durchdrungene  rectoren  ihrem  lehrercollegium  und  ihren 
anstalten  einzuhauchen  verstanden,  durchbrach  eben  die  schran- 
ken des  bureaukratismus  und  bewies,  dass  der  geist  wehet,  wo 
er  will  —  wenn  er  nur  überhaupt  vorhanden  ist.  Hie  haeret 
aqua.  Der  gefährlichste  feind  des  besserwerdens  für  unsere  gym- 
nasien sind  die  schulmänner  selbst.  Ref.  weiss,  was  er  sagt. 
Mau  lobt  zwar  unaufhörlich,  —  um  nur  verstorbene  zu  nen- 
nen —  männer  wie  Thiersch,   Roth,  Doederlein,    Naegelsbach  j 


312  171.  Deutsche  zustände.  Nr.  6. 

aber  wenn  sie  heute  wieder  auferstehen  würden  aus  ihren  grä- 
bern,  sie  würden  mit  einer  stimme  rufen:  „wir  kennen  euch 
nicht.  Was  ihr  unter  bildung  versteht,  das  zu  bekämpfen  ha- 
ben wir  stets  als  unsere  lebensaufgabe  angesehen.  Missbraucht 
unsere  worte  und   unsere  namen   nicht!" 

Cheirisophos  trifft  in  Chäronea  in  den  händen  eines  Schü- 
lers die  grammatik  des  Dr  Anglandros  (Englmann) ,  die  in 
den  meisten  böotischen  anstalten  eingeführt  ist.  Einen  besseren 
griff  hätte  der  Satiriker  gar  nicht  thun  können,  um  mit  einem 
ßchlage  die  ganze  herrschende  richtung  zu  characterisiren.  Diese 
grammatik  ist  die  incarnation  der  specifisch  bayrischen  anschau- 
ung  von  classischer  bildung,  ein  conglomerat  von  einzelnen  mit 
gleicher  berechtigung  neben  einander  gestellten  regeln,  aber 
kein  aus  einer  einheitlichen  auschauung  herausgewachsenes  sprach- 
gebäude.  Nimmt  man  dazu  eine  dem  entsprechende  behand- 
lung  des  Unterrichts  selbst,  so  wird  man  begreifen,  dass  man  in 
Böotien  nur  darauf  ausgeht,  den  schülern  eine  gewisse  summe 
einzelner  kenntnisse  beizubringen  und  einige  fertigkeit  in  ihrer 
anwendung  zu  erzielen.  Diese  utilitarische,  nichts  weniger  als 
bildende  unterrichtsweise  ist  es,  die  sich  auch  auf  alle  anderen 
fächer  erstreckend  mehr  und  mehr  auf  unsern  gymnasien  breit 
macht  und  ihrem  gedeihen  viel  mehr  hinderlich  ist  als  jeder 
bureaukratische  druck. 

Bei  solcher  auffassung  ist  es  allerdings  einerlei,  ob  der 
lehrer  katholik  oder  protestant  ist,  und  in  sofern  liegt  eine 
gewisse  berechtigung  in  dem  bestreben  die  confessionelle  tren- 
nung  unserer  gymnasien  aufzuheben.  Die  Verschiedenheit  des 
im  katholicismus  und  protestantismus  waltenden  geistes  kommt 
hiebei  nicht  mehr  in  betracht,  weil  überhaupt  von  keinem  geist 
mehr  die  rede  sein  kann.  Auch  ref.  sieht  das  ganze  heil  der 
Zukunft,  auch  der  zukunft  unserer  gymnasien  darin,  dass  man 
den  in  unserm  volke  vorhandenen  kräften  eine  möglichst  freie 
bewegung  gestattet,  aber  vor  einem  solchen  liberalismus  möge 
gott  unsere  gymnasien  in  gnaden  bewahren.  Die  folge  würde 
nur  die  sein,  wie  auch  unser  Satiriker  mit  recht  hervorhebt, 
dass  mehr  und  mehr  unsern  protestantischen  anstalten  das  ge- 
nommen, worauf  sie  bisher,  ganz  abgesehen  von  ihren  leistun- 
gen  im  einzelnen,  mit  recht  stolz  waren,  ohne  dass  deshalb  die 
katholischen    anstalten    dem    protestantischen    einflusse   geöffnet 


Nr,  6,  Theses.  313 

würden.  Und  wenn  einmal  wieder,  was  gott  verhüten  wolle, 
was  aber  doch  nicht  im  bereiche  der  Unmöglichkeit  liegt,  die 
ultramontane  richtung  oberwasser  erhält,  so  ist  dann  trefflich 
vorgearbeitet,  dass  es  im  ganzen  lande  keine  anstalt  mehr  gibt, 
wohin  sich  das  freiere  leben  noch  flüchten  könnte.  Aber  auch 
schon  für  die  gegen  wart  hat  die  sache  ihre  bedenkliche  seite; 
denn  auch  der  liberale  katholieismus  bleibt  immer  katholicis- 
mus  und  ist  im  tiefsten  gründe  ein  gegner  des  protestantischen 
geistes. 

THESES  quas  ...  in  acad.  Christi ana  Albertina  .  .  . 
d  XIII.  m.  Mart.  .  .  .  publice  defendet  J.  Claussenus  Tychopo- 
litanus :  1.  Quintiliani  I.  0.  1,  5,  31,  ubi  secundum  edi- 
tionem  Halmianatn  haec  leguntur :  „  Praeterea  nunquam  in 
eadem  flexa  et  acuta  [quoniam  est  in  flexa  et  acuta].  Itaque 
neutra  cludet  vocem  latinam :  ea  vero ,  quae  sunt  syllabae 
unius,  erunt  acuta  aut  flexa  [ne  sit  aliqua  vox  sine  acuta]", 
verba,  quae  uncis  inclusi,  delenda  sunt.  —  2.  Quintiliani  I.  O. 
1,  6,  19  genuina  est  librorum  scriptura:  „Sed  Augustus  quo- 
que  .  .  .  emendat,  quod  is  calidum  dicere  quam  caldum  tnalit" 
(cf.  Keili  adnot.  in  editione  Halmiana  II,  p.  367).  —  3.  Se- 
necae  philosophi  Dialog.  2,  7,  2  „Denique  validius  debet  esse 
quod  laedit  eo  quod  laeditur.  Non  est  autem  fortior  nequitia 
virtute.  [Non  potest  ergo  laedi  sapiens].  Iniuria  in  bonos  nisi 
a  maus  non  temptatur:  bonis  inter  se  pax  est.  [Mali  tarn 
bouis  perniciosi  quam  inter  se.]  Quodsi  laedi  nisi  infirmior 
non  potest,  malus  autem  bono  infirmior  est,  nee  iniuria  bonis 
nisi  a  dispari  verenda  est :  iniuria  in  sapientem  virum  non  ca- 
dit.  Illud  enim  iam  non  es  admonendus  neminem  bonum  esse 
nisi  sapientem."  duae  illae,  quas  a  ceteris  segregavi ,  senten- 
tiae  spuriae  sunt.  —  4.  In  verbis  Gellianis  N.  A.  4,  17,  7 
„Secunda  enim  littera  in  his  verbis  per  duo  i,  non  per  unum 
scribenda  est",  illi  ,,litera"  vox  „syllaba"  erit  substituenda.  — 
5.  Versus  qui  exstat  in  Septem  Aeschylea  deeimus : 

Vfiäg  8s  iqt\  vvv  v.a.1  Ti>v  iXXsinov^  Sti 
graviter  corruptus  est.  —  6.  In  verbis  quae  leguntur  Theo- 
phrasti  Charact.  22  :  „aal  avaazag  ti\v  oixiav  ixxogTjaai  xat  rag 
xXtvag  xaXXvvaf  aal  aa&e^öfxsvog  nagaßTQsxpai  rov  zgCßonva,  ov 
avtog  qiOQeT",  vox  avrng  post  verbum  auXXvvai  erit  transpo- 
nenda.  —  7.  Quintiliani  I.  0.  1 ,  7 ,  2  in  verbis  ,,Ut  longis 
syllabis  omnibus  adponere  apicem  ineptissimum  est ,  ...  sed 
interim  necessarium  etc."  adverbium  „ut"  delendum  est.  —  8. 
Verba  Quintilianea  1,  5,  12  „At  in  eadem  vitii  geminatione  Me- 
tioeo  Fufetioeo  dicens  Ennius"  a  Eitschelio  immerito  sollicitata 
sunt  (Mus.  rhen.  22,  p.  600  sq.). 


314  172  —  183.  Neue  buchen  —  Bibliographie.         Nr.  6. 

NEUE  AUFLAGEN.  172.  Sophokles.  Für  den  schulge- 
brauch erklärt  von  G.  Wolff.  2,  thl.  Electra.  8.  Leipzig. 
Teubner ;  10  ngr.  —  173.  Novum  testamentum  graece.  Ad 
autiq.  festes  denuo  rec.  C.  Tischendorf.  Ed.  V11I  critica 
maior.  Vol.  II  fasc.  4.  8.  Lips.  Gies.  et.  Devrient ;  1  thlr.  — 
174.  E.  Guhl  und  W.  Kon  er  das  leben  der  Griechen  und 
Eömer.  3.  aufl.  2.  und  3.  heft.  8.  Berlin.  Weidmann;  ä 
10  gr.  —  175.  G.  Bernhardy,  grundriss  der  griechischen 
literatur.  3  bearbeit.  2.  thl.  2.  abth.,  8.  Halle;  4  thlr.-— 
176.  Seh  wegler,  römische  geschickte.  3.  bd.  2.  aufl.  8. 
Tübingen.  Laupp;  2  thlr.  —  177.  A.  v.  Beumont,  geschiebte 
der  stadt  Born.  8.  Neue  ausg.  10.  11.  lief.  Berlin.  Decker; 
ä,  1  thlr. 


NEUE  SCHULBUECHEB.  178.  Freund's  Schülerbi- 
bliothek, 1.  abth.  piäparation  zu  Sophokles  werken.  4.  heft. 
2.  aufl.  16.  Leipzig.  Violet;  5  ngr.  —  179.  Dess.  Schü- 
lerbibliothek, 1.  abth.  präparation  zu  Cicero's  werken.  9.  heft.  2. 
aufl.  16.  Leipzig.  Violet;  5  ngr.  —  180.  Dess.  Schülerbi- 
bliothek, 1.  abth.  präparation  zu  Horaz  werken.  7.  heft.  16. 
Leipzig.  Violet;  5  ngr.;  desselb.  8.  heft.  ebendas ;  5  ngr.  — 
181.  L.  Viel  h  aber,  aufgaben  zum  übersetzen  ins  lateinische 
zur  einübung  der  syntax.  8.  2.  aufl.  1.  heft.  Casuslehre. 
Wien.  Beck;  16  ngr.  —  182.  P.  D.  Ch.  Hennings,  ele- 
mentarbuch zur  lateinischen  grammatik  von  Ellendt-Seyffert. 
1.  abth.  für  sexta.  2.  aufl.  8.  Halle.  Waisenh.;  8  ngr.  — 
183.  M.  Seyffert,  Übungsbuch  zum  übersetzen  aus  dem  deut- 
schen ins  latein  für  seeunda.   10.  aufl.   8.   Leipzig.   Holtze;    1  thl. 

BIBLIOGBAPHIE.  Ueber  L  eipzig's  buchhandel  luden 
jähren  1869  und  1870  finden  sich  notizen  und  nach  Weisungen 
im  Börsenbl.  nr.   94. 

Es  ist  jetzt  erschienen  :  Deutscher  universitäts-  und  schul- 
kalender  auf  die  zeit  vom  1.  octob.  1871  bis  31.  märz  1873 
von  Dr  E.  Mushacke.  8.  Berlin.  Schulze  1872:  es  ist 
XXI  Jahrg.     Bd.  II  und  III. 

Es  ist  erschienen:  Bibliotlieca  plrilologica  oder  geordnete 
Übersicht  aller  auf  dem  gebiete  der  classischen  alterthnmswis- 
senschaft  wie  der  altern  und  neuern  Sprachwissenschaft  in  Deutsch- 
land und  dem  ausländ  neu  erschienenen  bücher.  Herausgege- 
ben von  Dr  W.  Mulde ner.  XXIV.  jahrg.  2.  heft.  Iuli  — 
december  1871.     Göttingen.  Vandenhöck  und  Buprecht. 

Die  von  professor  B  ergmann  gegründeten  philosophi- 
schen monatshefte  sind  zu  einem  central organ  erweitert, 
welches  allen  richtungen  zur  ausspräche  sich  darbietet  und  die 
gegenwärtige  entwickelung  der  deutschen  philosophie  und  auch 


Nr.  6.  Kleine  philologische  zeitung.  315 

"die  praktische  seite  der  philosophischen  bewegung  so  wie  ihre 
eiuwnkung  auf  die  übrigen  Wissenschaften  objectiv  darstellen 
will.  Die  redaction  ist  durch  hinzutritt  des  Dr.  F.  Ascher- 
son  und   S.  E.   Bratuschek  erweitert. 

Im  verlag  von  Otto  Leuckart  (Constantin  Sander)  in 
Leipzig  soll  erscheinen:  Des  Auicius  Manlius  Severinus  Boetius 
fünf  bücher  über  die  musik.  Aus  dem  lateinischen  in  die  deut- 
sche spräche  übertragen  und  mit  besonderer  berücksichtigung 
der  griechischen  harmunik  sachlich  erklärt  von  Oskar  Paul. 
27   bogen  8;   5   thlr.   10   gr. 

Cataloge  von  antiauaren :  24.  verzeichniss  des  antiquarischen 
bücherlagers  von  Georg  Friedrich  in  Breslau:  ausschliess- 
lich philoiogie  und  altdeutsch ;.  auch  neulateiner;  Ferd.  Stein- 
kopf in  Stuttgart,  verzeichniss  einer  Sammlung  von  biichern 
aus  dem  gebiete  der  literär- geschickte  und  der  älteren  deut- 
schen   literatur. 

Bibliotheca  literaria.  Catalogue  des  livres  anciens  et  mo- 
dernes en  vente  aus  prix  marqiuis  chez  J.  van  B  aalen  et 
fils,  Rotterdam;  Livres  anciens  et  modernes  en  vente,  aux  prix 
marque's  chez  Martinus  Nijhoff,  k  la  Haye  (Linguistique 
et  literature  Orientale  ;  Bibliotheca  Venetiana.  Supplemento  II 
al  catalogo  d'una  raccolta  di  libri,  carte  geografi  che  e  veduta 
di  Venezia  e  äA  suo  territorio  vindibili  presso  H.  E.  et  M. 
Münster,   Venezia. 

Weigels  bücherauction.  12.  juni  1872.  Verzeichniss  der 
hauptsächlich  das  gebiet  der  kunst  umfassenden  bibliothek  des 
zu  Paris  verstorbenen  kunstforschers  Otto  Mündler:  dabei 
auch  noch  andre  Sammlungen. 

KLEINE  PHILOLOGISCHE  ZEITUNG.  Es  gehen  uns 
zu:  Proceedings  of  the  third  annual  Session  of  tlie  American  Philolo- 
gical  Association  Held  at  New  -  Haven ,  CT.,  July,  1871.  New- 
York:  S.  W.  Green,  Printer.  16  and  18  Jacob  Street.  1872. 
34  s.  Die  Verhandlungen  dieser  americanischen  philologen  be- 
ginnen mit  einem  bericht  des  secretairs,  der  gegen  60  mitglieder 
aufzählt  darunter  auch  eine  dame,  die  während  des  jahres  1870 — 
71  beigetreten  sind.  Dann  berichtet  der  Schatzmeister.  Die  ein- 
nahmen betrugen  doli.  587,86,  die  ausgaben  486,26.  Darauf 
folgen  vortrage  über  sehr  verschiedene  dinge.  Die  gesellschaft 
hat  nach  p.  8  ihre  vorzüglichste  aufgäbe  in  erforschung  america- 
nischer  sprachen,  doch  auch  alle  anderen,  auch  die  classischen 
sprachen  berücksichtigt  sie.  Gleich  der  erste  Vortrag  p.  4  des 
professor  Fisk  Brewer  beschäftigt  sich  mit  dem  nachweis, 
dass  Grote  in  seiner  darstellung  des  rückzuges  der  Zehntausend 
mehrfach  ungenau  sei.  Der  zweite  Vortrag  betrifft  die  spräche 
der   Dakota,    der    dritte    das    passivum    im    englischen;     dann 


316  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  6. 

sprach  der  prä'sident  Goodwin  über  die  Bedeutung  und  We- 
sen der  Sprachwissenschaft,  forderte  professor  Com  fort,  dass 
die  kinder  zunächst  eine  lebende  spräche  lernen  und  zwar  durch 
Sprechübungen,  darauf  grammatisch,  darauf  eine  zweite  lebende 
spräche,  darauf  latein  und  zuletzt  griechisch.  Dies  der  erste 
tag  25.  juli. 

Am  26ten  folgten  auf  drei  vortrage  über  englische  gram- 
matik,  einer  über  die  zweite  attische  decünation  von  Allen, 
darauf  zwei  über  americanische  sprachen.  Am  27.  juli  sucht  in 
dem  ersten  vortrage:  Strictures  on  the  Views  of  August  Schleicher 
respecting  the  nature  of  Language  and  other  related  subjects  überschrie- 
ben, professor  W.  D.  Whitney  die  bezüglichen  ansuchten  Schlei- 
chers zu  widerlegen.  Der  zweite  Vortrag  ist  von  professor  F. 
A.  March  über  den  Ursprung  der  spräche;  der  dritte  An  old 
Latin  Text  -  Boolc  vom  colonel  T.  W.  Higginson  —  seitdem 
erschienen  in  den  Atlantic  Essays  desselben  —  rühmt  den  se- 
gensreichen einfluss  des  Unterrichts  der  kinder  in  den  alten  spra- 
chen. Namentlich  werde  nicht  nur  das  wissen  gemehrt,  sondern 
zugleich  auch  der  Schönheitssinn  geweckt.  —  Der  vierte  Vor- 
trag behandelt  die  Zeichensprache.  Der  fünfte  (Dr  J.  Tho- 
mas und  Dr  N.  W.  Benedict)  über  die  ausspräche  des  grie- 
chischen und  lateinischen,  veranlasste  eine  lebhafte  debatte.  Die 
gesellschaft  hat  ein  eigenes  committee  on  pronounciation.  Am 
abend  folgten  vortrage  über:  The  Celtic  Elements  in  French  von 
professor  A.  H.  Mixer  an  der  Rochester  University;  ferner  Stu- 
dies  in  Cymric  Philology  von  Professor  E.  M.  Evans  of  Cornell 
University,  Ithaca,  N.    Y.     Der  letzte   über  indianische  namen. 

28.  1)  Ihe  Chronology  of  some  of  the  Events  mentioned  in 
Demosthenes  on  the  Crown ,  by  Professor  W.  W.  Goodwin ,  of 
Harvard  University,  Cambridge,  Mass.  — -  2)  Ueber  zahlen  in 
indianischen  sprachen.  —  3)  Ueber  ein  lexicon  einer  indianer- 
sprache.  —  3)  An  Ancient  Bulgarian  Poem  concerning  Orpheus  über- 
setzt von  C.  F.  Morse,  der  dreizehn  jähre  lang  als  missionär  in 
Bulgarien  lebte.  Das  gedieht  ist  in  Moscau  gedruckt  1867  durch 
S.  J.  Vercovich.  Von  der  griechischen  sage  ist  nur  der  name 
Orpheus  genommen.  — •  4)  Pronounciation  of  the  Greeh  Aspirates 
von  Professor  A.  C.  Kendrick  of  Rochester  Uuiversity ,  N.  Y.: 
die  Untersuchung  bietet  eine  kritik  der  ansieht  von  Curtius, 
weniger  ein  eigenes  System.  —  4)  M.  J.  B.  Gr eenough  of 
Harvard  University  sucht  zu  zeigen,  that  the  „General  Supposition  in 
Greeh,  which  is  expressed  by  the  subjunetive  or  optative  in  the  protasis 
and  the  indicative  of  a  general  truth  in  the  apodosis,  was  also  found 
in  Latin,  sei  ein  erbe  der  zeit  of  Indo-European  unity,  or,  what 
practically  amounts  to  ihe  same  thing  if  it  is  not  really  the  same, 
the  Urne  of  Graeco- Italic-  Sanskrit  unity.  —  5)  Hon.  J.  H. 
Trumbull:  Contributions  to  ihe  Comparative  Grammar  of  ihe  Al~ 
gonkin  Languages,  gestützt  auf  25  Übersetzungen  des  Vaterunser 


Nr.  6.  Kleine  philologische  zeltung.  31 7 

in  neunzehn  sprachen  und  dialecten  desAlgonkinstammes.  — 
6)  Der  präsident  Samson  gab  aus  mangel  an  zeit  nur  einen 
auszug  aus  einem  vortrage  über  die  „Families  of  Languages  as 
developed  in  the  Mediterranean  Civilization,  and  their  inßuence  wpon 
each  other. —  Es  folgen  förmlichkeiten  und  beschlüsse:  l)„eine  com- 
mission  zu  ernennen,  für  die  frage:  ob  es  räthlich  sei  eine  gramma- 
tik  des  in  America  gesprochenen  und  geschriebenen  englisch  abzufas- 
sen; 2)  den  vorstand  zu  ersuchen,  der  nächsten  Versammlung 
einen  genauen  arbeitsplan  der  gesellschaft  vorzulegen  und  über 
die  abhaltung  von  Versammlungen  der  ortsvereine.  Dann  folgt 
das  verzeichniss  der  228  mitglieder  ■ —  darunter  auch  einige 
damen,  —  des  Vorstandes  und  bekanntmachungen  für  die  nächste 
Zusammenkunft   24.  juli   1872. 

In  der  Wochenschrift  „im  neuen  reich"  nr.  3  wird  über 
den  oben  erwähnten  aufruf  der  Strassburger  zur  gründung  ei- 
ner Stadtbibliothek  gehandelt  und  darnach    im  Börsenbl.  nr.   94. 

Stade,  28.  april.  In  der  stader  feldmark  ist  kürzlich  eine 
interessante  römische  münze  gefunden ,  welche  bereits  zu 
verschiedenen  beschreibungen  und  erklärungsversuchen  veran- 
lassung gegeben  hat.  Dieselbe  führt  im  avers  einen  männlichen, 
mit  einem  lorbeerkranze  geschmückten  köpf.  Die  Umschrift, 
von  perlkranz  und  stab  umgeben,  lautet:  TL  CLAVDIVS.  CAE- 
SAR AVG.  P.  M.  TR.  P.  IMP.  P.  P.  und  lässt  sich  wahrschein- 
lich in  folgender  weise  ergänzen  :  Tiberius  Claudius  Caesar  Augu- 
stus.  Pontifex  rnaximus.  Tribunicia  potestate.  Imperator.  Pater  pa- 
triae. Auf  dem  revers  befinden  sich  drei  behelmte  krieger,  de- 
ren einem  eine  mit  der  toga  bekleidete  figur  (entweder  die  hoff- 
nung  [S/>es]  oder  der  kaiser)  die  hand  reicht.  —  Die  Umschrift, 
von  perlkranz  und  stab  umgeben,  lautet:  SPES  AVGVSTA. 
Der  revers  scheint  demnach  die  entsendung  eines  heeres  zu  ei- 
nem feldzuge,  mit  der  ausgesprochenen  hoffnung  eines  glückli- 
chen erfolges  anzudeuten  und  könnte  sich  vielleicht  auf  die  un- 
ter Claudius  (41 — 54  nach  Chr.  geb.)  unternommenen  feldzuge 
gegen  Mauritauien  oder  Britannien  beziehen.  Die  münze  ist 
von  sehr  harter  bronce  und  hat  die  grosse  und  stärke  eines 
alten  ungeränderten  preussischen  thalers  von  der  kleineren  sorte. 
Sie  ist  wohlei halten  und  ohne  ansatz  von  oxyd  und  verdankt 
ihre  konserviiung  dem  umstände,  dass  sie  von  einer  dicken  und 
festen,  aus  sog.  ortstein  bestehenden  kruste  eingeschlossen  war. 
Das  stück  scheint  nach  dem  gepräge  des  revers  eine  gedäclit- 
nissmünze,  nicht  aber  eine  conrantmünze  zu  sein.  D.  Reichs- 
anz.   nr.   103. 

Nach  Rossi's  ansieht  wird  im  verlauf  von  zwei  jähren  die 
völlige  freilegung  des  forum  Romanum  zu  erwarten  sein;  bis 
jetzt  sind  die  fundamente  desCastor-  und  Pollux  -  tempels,  der 
Ba-älica  Iulia,  der  Phocassäule ,  des  Saturn-,  Vespasian  -  und 
Concordia-tempels,  endlich  che  unterbauten  des   ttmpel  des  lulins 


318  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  6. 

Caesar  zu  tage  gefördert.  Vrgl.  Augsb.  Allg.  Ztg.  1872,  beil. 
zu  nr.  147.  Keichsanz.  nr.  114  beil.  1. 

Näheres  über  den  ausbruch  des  Vesuv  giebt  nach  neapo- 
litanischen Zeitungen  der  Staatsanz.  nr.  113,  beil.  2. 

Zu  Lucera  (bei  Eoggia)  ist  beim  bau  einer  strssse  eine 
statue  der  Venus  von  7  palmen  höhe,  eine  marmorvase  von 
8,5  m.  umfang  und  bruchstücke  eines  mosaikbodens  gefunden 
worden.  Die  Venus  hat  zu  den  füssen  einen  delphin  und  soll 
von  sehr  guter  arbeit  sein;  sie  ist  zerbrochen,  aber  sämmtliche 
stücke  sind  erhalten.  Die  vase  trägt  die  inschrift:  Divo  Com- 
modo.      Das  munizipium  lässt  die  ausgrabungeu   fortsetzen. 

Koni.  8.  mai.  Bei  Koccasecca  in  der  Terra  di  Lavoro 
ist  ein  grab  aus  der  Steinzeit  eutdeckt  worden.  Dasselbe  be- 
steht aus  einer  ungefähr  einen  meter  breiten  und  drei  meter 
langen,  mit  schweren  steinen  gedeckten  gruft,  in  welcher  ein 
skelett  von  ungewöhnlicher  grosse,  mit  dem  haupte  nach  westen 
gewendet,  sich  befand.  Neben  dem  schädel  stand  ein  roh  mit 
der  band  gearbeitetes  rothbraunes  thongefäss,  während  rings- 
herum 22  steinerne  waffeu,  18  pf'eile,  2  dolciie  und  2  lauzen- 
spitzen  lagen.  Die  waffen  sind  von  kiesel  und  mit  bewunde- 
rungswürdiger Sorgfalt  gearbeitet.  Die  pfeile  mit  scharfer  zwei- 
schneidiger spitze,  Stil,  griff  und  flügelchen,  einer  der  dolche 
vollkommen  dem  bei  Altamura  gefundenen  ähnlich,  welcher  im 
geologischen  museum  zu  Neapel  aufbewahrt  wird.  Er  ist  170 
milliineter  lang,  am  griffe  35  millimeter  breit,  hatte  scharfe  spi- 
tzen und  schneiden  und  einen  halbkreisförmigen  griff.  Ein  rand 
vertritt  die  stelle  des  Stichblattes.  Auch  die  beiden  ianzenspitzen, 
120  mm.  lang  und  an  der  stärksten  stelle  27  mm.  breit,  sind 
von  ganz  vorzüglicher  arbeit.  D.e  iustrumente  sind  alle  mit 
absieht  zerbrochen  worden,  als  sie  ms  grab  gelegt  wurden,  als 
andeutung,  dass  die  tapfere  band,  welche  sie  führte,  erlahmt  war. 
Das  skelett  wurde  leider  von  den  arbeiiern  gänzlich  zerstört, 
während  die  übrigen  gegenstände  in  den  besitz  des  herrn  Giunt. 
Nicolazzi  gelangt  sind,  welcher  das  alter  des  grabes  in  die  blü- 
hendste periode  der  Steinzeit,  etwa  5U00  jähre  vor  unsere  Zeit- 
rechnung, setzt.  —      D.   Reichsanz.  nr.   117    beil.   1. 

London,  25.  mai.  Dem  soeben  veröffentlichten  Jahresbericht 
des  British  Museums  zufolge  sind  die  literarischen  und  wis- 
senschaftlichen Sammlungen  dieser  anstalt  im  vorigen  jähre  durch 
werthvolle  acquisitionen  bereichert  worden.  Die  bibliothek  des 
museums  wurde  um  nicht  weniger  als  08,579  bände,  brochuren 
und  vermischte  schritten  verstärkt.  Unter  letzteren  verdient  er- 
wähnung  eine  fast  vollständige  Sammlung  der  während  des 
jüngsten  krieges  zwischen  Frankreich  und  Deutschland  ,  und 
während  der  herrschaft  der  französischen  Kommune  veröffentlich- 
ten Journale,  flugschrifteu ,  Proklamationen  und  karrikaturen. 
Das  landkarten- departement  erhielt  u.  a.  187  Photographien  des 


Nr.  6.  Auszüge  aus  Zeitschriften.  319 

Schauplatzes  des  letzten  krieges  zwischen  Frankreich  und  Deutsch- 
land. Das  manuscriptea  -  departenient  empfing  unter  seinen  vie- 
len acquisitionen  sieben  blätter  der  unvollständigen  lateinischen 
abhandlung  über  die  laster ,  illuminirt  durch  den  „mönch  von 
Hyeres"  im  14.  Jahrhundert ;  ferner  eine  Sammlung  von  Original- 
briefen von  bischof  Gardiner,  bischof  Hooper ,  Martin  Bucer, 
Peter  Martyr,  Beza  und  anderen  mit  der  reformation  in  Eng- 
land verknüpften  personeu.  Während  des  Jahres  1871  wurden 
die  Sammlungen  des  museums  von  418,130  personen  frequentirt. 

Zur  Strassburger  bibliothek  finden  sich  notizen  im  Bör- 
senbl.  nr.  103. 

Nachträgliche  decorationen  von  buchhändlern,  für  im  kriege 
1870/7i  geleistete  dienste  verzeichnetBörsenbl.  nr. 103. 106. 116.122. 

Rom.  29.  mai.  Der  historisch-archäologische  rath 
war  dieser  tage  unter  Contu's  vorsitz  versammelt.  Unter  an- 
derm  behandelte  er  die  erwerbung  und  Wiederherstellung  der 
acten  der  fratres  Arvales ,  die  restauration  der  mosaiken  der 
Palatina,  mehrerer  kirchen,  die  art  die  wahre  patina  der  antiken 
metalle  von  der  nachgemachten  zu  erkennen ;  auch  besprach 
man  eine  Verbesserung  des  Systems  der  bibliotheken ,  museen, 
der  archäologischen  proviozialcommissionen ;  auch  soll  darauf 
gesehen  werden ,  dass  die  erforschung  der  classischen  alterthü- 
rner  nicht  zur  Zerstörung  etwaiger  reste  aus  dem  mittelalter 
führe  (Augsb.   allg.  ztg.   beil.   zu  nr.  157). 

AUSZUEGrE  aus  Zeitschriften:  Augsburger  allgemeine  zeüuny,  nr. 
132 :  Urhchs  kauft  die  Feoli'sehe  vasensammlung  für  die  Univer- 
sität zu  Würzburg.  —  Beil.  zu  nr.  132:  Übersetzung  von  des  Apu- 
leius  Cuptdo  und  Psyche  durch  Bintz.  —  Beil.  zu  nr.  136  :  fran- 
zösische kriegslitteratur.  IV.  —  Beil.  zu  nr.  137.  138:  das  franzö- 
sische untemchtswesen.  I.  IL  —  Beil.  zu  nr.  138:  Dr  Deiters 
keine  persona  grata.  —  Nr.  139:  nachtrag  zu  der  ob.  nr.  120  er- 
wähnten vergleichung  Deutschlands  mit  einem  hengst.  —  Beil.  zu 
nr.  140:  Roms  bevölkerungs-  und  wohnungsverhältnisse.  —  Nr. 
141  :  zum  ausbrach  des  Vesuvs.  —  Beil.  zu  nr.  142:  J.  H.  Müller  's 
Zeitschrift  für  deutsche  culturgeschichte.  1.  heft:  wird  gerühmt;  es 
enthält  nichts  philologisches.  —  Beil.  zu  nr.  143:  zur  archäologi- 
schen literatur:  eiugehende  anzeige  von:  /  retievi  dcl.e  urne  etrusche 
publicali  a  nome  dad  Instttuto  di  corrtspondenza  urcheologica  da  Enrico 
Brunn.,  Vol.  I.  Cyclo  iroico.  Borne.  1870:  namentlich  für  das  epos  auch 
zu  beachten  :  s.  Ph.  A.  III,  nr.  4,  p.  240.  —  Beil.  zu  nr.  144  :  Cheirisophos 
des  spartiaten  reise  durch  Böotien:  empfehlende  anzeige  dieser  satire  auf 
die  gelehrten  studienanstalten  in  Bayern  und  Deutschland:  „möge  jeder, 
der  ein  freund  des  humor  ist  und  interesse  für  die  brennenden  fra- 
gen der  gegenwart  hegt,  das  büchlein  selbst  zur  band  nehmen"  :  vrgl. 
ob.  p.  312.  ■—  Nr.  145:  notiz  über  die  zu  Berlin  gebildete  „acade- 
mie  der  moderneu  philologie".  —  Beil.  zu  nr.  146:  kurze  notiz  über 
die  eröffnung  der  philologen- Versammlung  in  Leipzig.  —  Beil.  zu 
nr.  147:  die  römischen  ausgrabungen  (s.  ob.  n.  122):  betreffen:  3.  das 
forum :  unter  anderm  ward  entdeckt  das  marmorne  gesims  eines  eh- 
rendenkmals  mit  der  inschrift: 


320  Auszüge  aus  Zeitschriften.  ftr.  6. 

Dominis  omnium  Gratiano  Valentiniano  et  Theodosio  |  imperato- 
rib.  aug.  L.  Val.  Sept.  Bass.  v(ir)  C(larissimus)  praef(ee£ws)  urb(*s) 
majestati(5ws)  eorum  dicavit: 
dieser  präfect  L.  Valerius  Septimius  Bassus  sei  unbekannt;  4.  der 
palatin  ;  5.  die  Caracallathermen  ;  6.  die  ausgrabungen  am  quirinal ;  7. 
die  ausgrabungen  in  der  umgegend:  diese  beschränken  sich  auf  die 
villa  Hadrians  bei  Tivoli  und  auf  den  hafen  von  Ostia.  —  Beil.  zu 
nr.  152:  die  philologenversammlung  in  Leipzig:  Zusammenstellung 
der  berichte  einiger  Zeitungen.  —  Beil.  zu  nr.  154:  Karl  Ludwig 
Kayser:  nekrolog,  mit  dem  motto:  ovioi  ktlxpava  xiav  aya&iZu  avdywv 
äytugtiiai,  xqövog:  wahre  und  liebevolle  Schilderung  des  edlen  men- 
schen und  unermüdlichen  forschers!  —  Nr.  155:  über  den  Ursprung 
der  Semiten.  —  Nr.  157:  der  kämpf  der  hochschule  zu  München  ge- 
gen errichtung  neuer  lehrstühle  für  vaticanische  dogmatik  und  phi- 
losopbie.  —  Beil.  zu  nr.  158:  aus  dem  reiche  des  Tantalus  und  Krö- 
sus, von  B.  Stark:  anzeige.  —  Beil.  zu  nr.  160:  die  reform  des 
österreichischen  Universitätswesens :  bespricht  die  neuere  Opposition  der 
Universität  zu  Wien:  vrgl.  ob.  nr.  5,  p.  268. 

Güttingische  gelehrte  anzeigen,  st.  5:  E.  Wilken,  geschichte  der 
geistlichen  spiele  in  Deutschland:  selbstanzeige.  —  St.  6:  Anecdota  graeca 
et  graecolatina.  Mittheilungen  aus  handschriften  zur  geschichte  der 
griechischen  Wissenschaft  von  Dr  Val.  Rose.  2.  heft.8.  Berlin.  1870:  an- 
zeige von  H.  Sauppe,  der  über  die  einzelnen  stücke  genau  referirt,  am 
Schlüsse  aber  über  III :  des  Aristophanes  Byzantius  iwv  'Aqwtot&ovs  nfol 
£üW  iniTo/urj,  eine  reihe  textes -Verbesserungen  vorträgt. —  Nr.  7:  das 
volksieben  der  Neugriechen  und  das  hellenische  alterthum  von  Bern- 
hard Schmidt.  Bd.  I.  Leipzig.  8 :  beachtenswerte  anzeige  von  C.  Wachs- 
muth.  —  St.  14  :  Gaudeamus  igitur.  Eine  studie  von  Hoffmann  von 
Fallersleben.  Nebst  einem  Sendschreiben  und  Carmen  an  denselben 
von  Gustav  Schwetschke.  8.  Halle:  anzeige  von  E Hissen ,  der  von 
Schwetschke's  lied:  patri  patriae  die  schlussstrophe  mittheilt: 

Gaudeamus  et  teramus 

Salamandras  maximas 

Dissipanti  incultorum 

Et  virorum  obscurorum 

Cultum  et  nequitias. 
Zarncke,  literarisches  centralblatt :  nr.  4:  Ewald  Schmidt,  über  das 
römische  decemvirat.  Ein  beitrag  zu  den  römischen  staatsalterthü- 
mern.  8.  (ohne  angäbe  des  druckorts  und  jahrs):  eingehende  anzeige 
von  L.,  der  den  ansichten  des  vrfs.  überall  widerspricht.  —  T.  Ranke, 
August  Meineke,  ein  lebensbild.  8.  Leipzig:  lobende  anzeige.  —  W. 
S.  Teuffei,  Studien  und  Charakteristiken  zur  griechischen  und  römi- 
schen so  wie  zur  deutschen  literaturgeschichte.  8.  Leipzig:  anzeige 
von  (),  die  genauer  auf  Plat.  Symp.  p.  194  B  eingeht. —  Nr.  5:  An- 
tiphontis  orationes  et  fragmenta  ...  ed.  Fr.  Btuss.  8.  Lips.  1871: 
wird  sehr  gelobt:  s.  ob.  nr.  3,  p.  120.  —  M.  Tullii  Ciceronis  de  Le- 
gibus IL  III  ex  rec.  J.  Vuhleni.  8.  Berlin.  1871:  anzeige  von  K., 
der  die  Wichtigkeit  der  ausgäbe  anerkennt,  aber  theils  findet,  dass 
Vahlen  olt  uumögliches  veitheidige,  wie  I,  2,  6.  II,  5,  11.  17,  42  — 
an  letzterer  stelle  nimmt  ref.  eine  lücke  an  -  25,  63:  theils  die  eig- 
nen vorschlage  Vahlen's  für  ungenügend  hält,  wie  1,  4,  11:  ei^ne 
ausführungen  enthält  die  anzeige  nicht.  -  E.  Buchholz,  die  home- 
rischen realien.  1.  bd.  Welt  und  natur.  1.  abth.:  homerische  kos- 
mographie  uud  geographie.  8.  Leipzig.  1871:  anzeige  von  W.  B. 
—  Th.  Benfeg,  lube.o  und  seine  verwaudte.  4.  Göttingen.  1871 
ablehnende  anzeige  von   Wi. 


Nr.  7.  Juli  1872. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben   als    ergänzung   des  Püilologus 


Ernst  von  Leutsch. 


184.  Historische  syntax  der  lateinischen  spräche  von  Dr 
A.  Dräger,  director  des  gymnasiums  zu  Friedland  i.  M.  Er- 
ster theil.  Gebrauch  der  redetheile.  8.  Leipzig.  Teubner, 
1872.  —     1   thlr. 

Dräger,  der  bekannte  Verfasser  der  fleissig  gearbeiteten 
schritt  ,,  über  syntax  und  stil  des  Tacitus "  und  herausgeber 
der  vortrefflichen  Schulausgabe  der  Annalen  des  Tacitus  wurde 
nach  vorr.  p.  iv  im  anfang  der  fünfziger  jähre  gewahr,  dass 
unseren  lateinischen  grammatiken  nicht  überall  zu  trauen  sei. 
Er  entschloss  sich  daher  zunächst  den  Livius  auszubeuten ,  zu 
welchem  zwecke  er  Drakenborehs  ausgäbe  genau  durchging; 
dann  studierte  er  Cäsar  und  Sallust  und  excerpirte  den  Cicero. 
Auch  das  genügte  ihm  nicht,  und  er  zog  daher  den  Cornificius 
(Auetor  ad  Rerennium),  dann  nach  und  nach  alle  dichter  der  classi- 
schen  und  fast  alle  prosaiker  und  dichter  der  nachclassischen 
zeit  in  den  bereich  seiner  Untersuchungen.  Selbst  die  kirchen- 
schriftsteller  blieben  nicht  unbeachtet ,  weshalb  der  verf.  den 
Bunnemannschen  commentar  zum  Lactanz  studierte  und  etwas 
aus  Tertullian  und  Augustin  auszog.  So  viel  über  die  entste- 
hung  des  buchs.  P.  vh  der  vorrede  lässt  sich  Dräger  speciell 
über  diese  I.  abth.  also  aus:  ,,die  darstellung  der  wort  formen 
und  ihrer  entstehung  gehört  allerdings  nicht  in  die  syntax,  aber 
die  an  wendung,  welche  sie  in  verschiedenen  Zeitaltern  oder 
bei  den  einzelnen  autoren  gefunden  haben ,  wüsste  ich  in  kei- 
nem anderen  abschnitte  unterzubringen".  Warum  nannte  Drä- 
ger diese  I.  abth.  nicht  „Historische  formenlehre"  ?,  wie  Neue 
sein  so  reichhaltiges ,  aber  auch  nur  aus  sporadischer  leetüre 
Philol.  Anz.  IV.  21 


322  184.  Lateinische  grammatik.  Nr.  7. 

hervorgegangenes  buch  „Formenlehre    der  lateinischen  spräche" 
benannt  hat. 

In  wie  weit  nun  obige  angaben  über  die  erstaunens- 
werthe  lectüre  des  verf.  in  bezug  auf  die  eigentliche  syntax 
wahr  sind,  weiden  die  folgenden  abtheilungen  zeigen;  für  diese 
I.  abth.  müssen  wir  die  Wahrheit  derselben  sehr  in  zweifei  zie- 
hen. Wie  wir  unten  zeigen  werden  hat  Dräger  für  diese  I.  abth. 
seine  notizen  nur  aus  gelegentlichen  aufzeichnungen  aus  den 
genannten  Schriftstellern  und  aus  dem  handwörterbuche  der  la- 
teinischen spräche  von  R.  Klotz,  aber  auch  diesem  nur  flüchtig 
entnommen.  Neue's  buch  ist  gar  nicht  benutzt  worden,  und 
selbst  Tacitus ,  den  Dräger  doch  in  syntaktischer  und  exegeti- 
scher beziehung  besonders  tractirt  hat ,  ist  nicht  gründlich  aus- 
gebeutet worden. 

Nachdem  Dräger  in  einer  einleitung  (p.  ix  —  xxn)  eine  kurze 
Charakteristik  der  einzelnen  Schriftsteller  in  bezug  auf  wortfor- 
men und  darstellung  gegeben  hat,  geht  er  zu  seiner  eigentlichen 
aufgäbe  über  und  bespricht  in  vier  capiteln  das  substantivum,  ad- 
iectivum,  die  pronomina,  Zahlwörter,  adverbia,  das  verbum.  Da 
der  uns  zugemessene  räum  die  prüfung  des  ganzen  buches  nicht 
zulässt,  so  wollen  wir  c.  I,  §.  7  (p.  9  ff.)  die  pluralia  abstracta 
etwas  genauer  ansehen. 

Nach  Drägers  angäbe  giebt  es  im  lateinischen  3814  ab- 
stracte  substantiva,  wovon  2889  nur  im  singular,  925  auch  im 
plural  vorkommen.  Er  scheidet :  a)  vorclassische  zeit  bis  Te- 
rentius  incl.  (mit  58  Wörtern);  —  b)  klassische  prosa,  d.  h.  Ci- 
cero, der  auctor  ad  Herennium,  Cäsar,  Varro  und  Sallust  (mit 
383  Wörtern)  ;  —  c)  klassische  dichter,  nachklassische  prosai- 
ker  incl.  Livius  und  nachklassische  dichter  (mit  484  Wörtern). 
In  jeder  dieser  abtheilungen  sind  die  Wörter  in  alphabetischer 
Ordnung  verzeichnet,  jedoch  ohne  jede  genauere  angäbe  der 
f'undorte,  während  man  doch  in  einer  historischen  syntax 
gerade  eine  solche  angäbe  hätte  erwarten  müssen,  da  durch  die- 
selbe gleichsam  die  geschichte  eiues  jeden  Wortes  gegeben  wird. 
Aber  das  schlimmste  ist,  dass  Dräger  die  rechnung  ohne  den 
wirth  gemacht  hat.  Es  fehlen  bei  ihm  viele  Wörter  aus  den 
drei  classen  gänzlich,  viele  hat  er  unter  nr.  b  gebracht,  die  un- 
ter nr.  a  gehören.  Nach  einer  flüchtigen  Zählung  könnte  ich 
gegen    vierhundert    fehlende    pluralia    abstracta    nachweisen. 


Nr.  7.  184.  Lateinische  grammatik.  323 

Aus  mangel  an  räum  werde  ich  nur  die  aus  der  vorklassischen 
zeit,  welche  Dräger  übergangen  hat,  vollständig  aufführen  und 
dann  für  die  klassische  und  nachklassische  nur  die  aus  einem 
und  dem  andern  buchstaben  beibringen  ,  damit  der  leser  sich 
überzeuge ,  dass  meine  oben  ausgesprochene  meinung  über  die 
entstehung  der  angaben  Drägers   gegründet  sei. 

a)  Es  fehlen  aus  vorklassischer  zeit  gänzlich:  amoenitates, 
argumenta,  argutiae,  ariolationes,  artes,  auxilia,  benefacta,  beneficia, 
blanditiae,  clades,  cognationes,  compressiones,  colloquia,  consilia,  con,' 
tumeliae,  corruptelae,  cupidines,  cupiditates,  curae,  damna,  deleni- 
menta,  deliramenta,  deliciae,  deportationes  (Cato  RR.  144,  3),  de- 
sertitudlnes,  doli,  dolores,  edictiones,  exempla,  exitia,  facinora,  fa- 
ctiones,  furta,  Mstoriae,  ictus,  illecebrae,  incommoditates,  iniuriae,  in- 
satietates,  itiones,  iura,  iura  iuranda  (Poet.  vet.  be:  Fest.  p.  133, 
29  M.),  iurgia,  lamentae,  malefacta,  malitiae,  morsiunculae,  pericula, 
perlecebrae,  potationes,  querimoniae,  rictus,  risiones  (rissiones),  rumo- 
res,  scelera,  Servitutes  (Plaut.  Pers.  418  R  stabulum  servitutium, 
wo  aber  die  besten  handschriften  servitriciurn  haben),  subigitatio- 
nes,  sumsiones  (Cato  RR.  145,   2),  unctiones,  victus,  vitia,  vota. 

b)  Es  gehören  in  die  vorklassische  zeit,  sind  aber  von 
Dräger  für  die  klassische  oder  nachklassische  zeit  aufgeführt : 
aegritudines  (Plaut.  Stich.  526 ,  wo  freilich  Spengel  im  Philolo- 
gus  28,  370  f.  omni  me  .  .  .  aegritudine  lesen  will),  blandimenta, 
captiones}  conditiones,  consuetudines ,  discordiae,  famae,  ßagitia,  flc 
tus,  fortunae,  gaudia,  gratiae,  inimicitiae,  laetitiae,  laudes,  liquores, 
luctus,  noxiae,  operae,  ordines  (Plaut.  Amphitr.  224)  ,  sollicitudi- 
nes,  sonitus  (Plaut.  Menaechm.  866,  wo  freilich  Ritschi  appareat 
liest;  auch  Cic.  ad  Att.  1,  14,  4,  bei  Dräger  falsch  unter  nr. 
c,  nachklassisch) ,  Status,  studio,  sumptus,  suspiciones,  tempestates, 
vadimonia ,  virtutes,  vitae,  voluptates :  die  belege  aus  Plautus  und 
Terenz  findet  man  im  index  zu  den  ausgaben  in  usum  Delphini 
Paris.  1679  und  1675,  aus  fragmenten  der  alten  tragiker  und 
komiker  in  den  indices  zu  den  ausgaben  von  Ribbeck  und  Vah- 
len,  aus  dem  Cato  im  index  zur  ausgäbe  von  H.  Jordan. 

c)  Es  fehlen  aus  der  klassischen  zeit  oder  sind  falsch 
aus  der  nachklassischen  angeführt:  adiumenta,  admirationes 
admissurae  (Varr.  RR.  2,  4,  8),  admixtiones ,  adoptiones ,  (Cic. 
Tusc.  1,  14,  31  ed.  Sorof.,  Tertull.  adv.  nat.  2,1:  an  bei- 
den stellen  mit  Variante  adoptationes) ,  aegrotationes ,  aemulationes 

21* 


324  184.  Lateinische  grammatik.  Nr.  7. 

ambulationes ,  analogiae,  angores ,  animadversiones ,  appellationea, 
arbitria ,  ardores ,  argumentationes ,  artificia ,  attributiones  ,  aucu- 
pia}  auguria,  auspicia ,  calores,  calumniae,  cantus,  celeritates,  col- 
ligationes  (Cic.  Tim.  7,  21.  Vitr.  10,  1,  2),  commendationes, 
commotiones,  commutationes,  conatus,  concitationes,  confessiones,  con- 
sitiones,  contemplationes ,  contrectationes  (Cic.  Rep.  4,  4,  §.4),  con- 
troversiae}  conubia,  curationes,  culpae,  debilitates,  defectiones,  defen- 
siones,  demonstrationes,  detrimenta,  devotiones,  differentiae  (Cic.  Top. 
7,  31),  dimicationes ,  dimissiones,  dinumerationes  (Cic.  Rep.  3,  2, 
3) ,  disceptationes ,  discidia ,  discrimina ,  disputationes ,  divinationes, 
documenta,  ductus  aquarum  (Cic.  Off.  2,  4,  14)  u.  s.w.,  es  fehlen 
noch  über  hundert  Wörter. 

d)  Es  fehlen  aus  der  nachklassischen  zeit:  abactus,  abitus, 
abiectiones  (Augustin.  Serm.  302,  nr.  3  =  erniedrigungen,  de- 
müthigungen) ,  ablaqueationes,  absentiae,  absolutiones ,  accensiones, 
accentus,  acceptiones,  accubitationes,  accubitiones,  decubitus ,  aeeibatio- 
nes  (Cyprian.  ep.  45,  2),  acores,  adaerationes,  adhortamina  (Apul. 
Flor.  no.  18),  adimpletiones,  adinventiones,  aditiones  (iCt ),  adiudi- 
cationes  (ICt.)  adiutoria,  adorationes,  adustiones,  adversationes  (Sen. 
de  ira  1,  4,  3  ed.  Haase),  aequalitates,  aequüates,  aeternitates,  qfflic- 
tiones,  affricationes,  agitationes,  algores,  allenimenta,  alligationes,  al- 
loquia,  alucinationes,  amictus,  amplificationes  Quintil.  I.  Or.  10,  1, 
49),  annotationes,  antecessus,  antepassiones,  aniiquitates,  anxietates  (Cy- 
prian.  de  bono  patient.  12),  apparationes ,  appetentiae,  apportatio- 
nes  (Vitruv.  2,  9,  16),  appositiones  epularum  (Vulg.  Eccl.  30,  8), 
arcaturae  (Cassiod.  Var.  3,  52),  arcuationes  (Frontin.  aqu.  II,  §. 
121),  ariditates,  arrogation.es,  articulationes  (Fulgent.  Contin.  Virg. 
p.  154  ed.  Muncker.),  arurae,  aspiramina ,  aspirationes  (Lactant. 
2,  14,  10),  assaturae,  assequelae,  assessiones,  assumptiones  (Lactant. 
2,  5,  31.  Vulg.  Thren.  2,  14),  assumptus,  astruetiones,  augmenta, 
augmina,  auraturae,  auscidtatus  (Fulgent.  Contin.  Virg.  p.  142), 
aversiones,  aviditates,  avocamenta  u.  s.  w. ,  noch  über  zweihun- 
dert Wörter:  (die  fehlenden  belege  zu  nr.  c  und  d  stehen  in 
den  lexicis  won  Gesuer,  Forcellini  [besonders  in  der  neuen  aus- 
gäbe von  De-Vit|,  Freund,  Klotz,  Georges,  in  Nizolii  lexicon 
Cic.  ed.  Facciolati ,  im  Manuale  latinitatis  fontium  iur.  civil. 
Kom.  ed.  Dirksen.,  in  den  indices  zu  den  ausgaben  in  usum 
Delphini  des  Tacitus  und  Apulejus,  in  Bibliorum  vulg.   ed.  Con- 


Nr.  7.  184.  Lateinische  grammatik.  325 

cordantiae,  beste  ausgäbe  Venet.  1768,  und  in  Neue's  Formen- 
lehre der  lat.  spräche.     Bd.   1,  p.  434  ff. 

Die  angaben  Drägers  sind  übrigens  nicht  einmal  nach  den 
neuesten  texten  rectificirt,  welche  überhaupt  in  Drägers  biblio- 
thek  nicht  stark  vertreten  zu  sein  scheinen ;  so  citirt  Dräger  den 
Tertullianus  nach  der  Seitenzahl  der  ausgäbe  von  Eigaltius,  den 
Apulejus  noch  nach  der  von  Elmenhorst.  Aber  auch  bei  Solin  steht 
c.  23  extr.  (ed.  Mommsen)  nicht  mehr  adauctus,  sondern  ad  auctus 
(als  zwei  Wörter) ,  infelicitates  ist  bei  Apul.  de  dogm.  Plat.  2, 
10  zweifelhaft  (sicher  steht  das  wort  Firmic.  Math.  3 ,  7.  no. 
9),  pestilentiae  ist  bei  Gell.  NA.  1,  2,  4  zweifelhaft,  puncturae  ist 
zweifelhaft,  da  Cels.  8,  10.  no.  7  ed.  Daremberg.  (p.  351,  22), 
wie  auch  schon  in  früheren  ausgaben,  punitiones  steht  (das  ci- 
tat  Cels.  10,  9  bei  Klotz-Hudemann  ist  falsch),  suspiritus  steht 
nicht  mehr  bei  Apul.  Met.  8,  13;  Hildebrand  und  Eyssenhardt 
lesen  spiritus;  endlich  steht  violentiae  nicht  mehr  TJlp.  Dig.  1, 
18,  6  in.  ;  Beck  und  Mommsen  lesen  et  violentia  factas. 

Auch  sonstige  fehler,  falsche  citate,  auslassungen  und  dgl. 
finden  sich  mehrfach  im  buche.  So  muss  es  p.  2,  §.  2  heissen 
Cic.  de  Div.  2,  8,  20  (st.  bl.  8,  20),  p.  8,  §.  6  Terent.  Andr. 
5,  3,  20  (st.  30).  P.  17,  no.  4  hält  der  verf.  Cic.  de  Sen. 
21,  78  (bei  Dräger  bl.  78,  während  er  sonst  nur  nach  buch 
und  capitel  citirt)  tantae  scientiae  für  nominat.  pluralis  (s.  aber 
Nauck  und  andre  z.  st.).  P.  22,  §.  11,  A  wird  directior  aus  Quadrig. 
ap.  Gell.  NA.  9,  1,  2  angeführt;  aber  das  wort  gehört  dort  dem 
Gellius  selbst.  P.  24.  I,  1  lies  separatius  Cic.  de  Inv.  2,  51,  156 
(st.  2,  5.  1).  P.  27,  1  war  nicht  blos  der  Superlativ  von  scelerate, 
sondern  auch  der  von  seleratus  (s.  Klotz's  Handwörterbuch)  an- 
zuführen. P.  28,  §.  12  a.  e.  fehlt  Superlativ  von  exornatus  bei 
Cornif.  ad  Her.  4,  47,  60  (den  comparativ  bringt  Dräger  p.  29 
A  a.  e.  aus  Anthol.Lat.  1,  p.  692,  vs.  25  Burm.).  Ebendas.  durfte 
egregius  nicht  aus  Lucr.  4,  469  angeführt  werden,  da  Lach- 
mann und  Bernays  4,  465  (467)  dort  aegrius  lesen.  Ebendas. 
muss  es  heissen  expolitior  (st.  impolitior)  Catull.  39,  20  und  Co- 
lum.  2,  20,  6  {impolitior  steht  Veget.  Mil.  2,  4  extr.)  P.  30 
Seneca  der  ältere  hat  auch  candidissimus  (Suas.  6,  §.  22,  p.  35, 
27  ed.  Burs.),  exactissimus  (Contr.  2,  12,  8  ed.  Burs.).  P.  31 
fehlt  aus  Plinius  der  comparativ  von  niger  (HN.  37,  §.  95).  P. 
32  fehlt  aus  Plin.  Ep.  8,  23,  5  der  Superlativ  von  exactus.     P.  41 


326  185.  Rhetorik.  Nr.  7. 

unten  haben  Hertz  und  Weissenborn  Liv.  5  ,  33,  1  die  lesart 
8i  quidquam  humanorum  certi  est  beibehalten-,  die  lesart  scheint 
ihnen  also  nicht  so  unerhört  vorgekommen  zu  sein,  wie  Drä- 
ger.  P.  110  ist  für  vix  et  aegerrime  die  belegstelle  Apul.  Met. 
1,  14  extr.  P.  129,  no.  2  wird  Quint.  Declam.  556(ü)  statt 
287  citirt.  P.  130  ist  excretus  bei  Virg.  Georg.  3,  398  von 
excerno  abzuleiten  (s.  Wagner  z.  st.).  Doch  der  zugemessene 
räum  ist  schon  überschritten ;  ich  ersuche  schliesslich  noch  Drä- 
ger,  wenn  er  Wörter  als  in  den  lexicis  fehlend  angeben  will, 
doch  zuvor  mein  Handwörterbuch  einzusehen ;  er  wird  das  be- 
treffende wort  (z.  b.  p.  42  in  concavum  und  p.  134  potento)  in 
der  regel  in  demselben  finden.  Aus  demselben  handwörterbuche 
können  Dräger  und  Heraus  die  in  ihren  ausgaben  des  Tacitus 
über  das  vorkommen  eines  wortes  oder  einer  construction  jre- 
machten  angaben  oft  berichtigen ,  wie  bereits  prof.  J.  Ott  in 
Eottweil  in  der  Zeitschrift  für  österr.  gymnasialw.  1871,  p.  152 
nachgewiesen  hat. 

K.  E.  Georges. 

185.  Gustav  Dzialas,  Rhetorum  antiquorum  de  figuris 
doctrina.     Paris  prior.     (Prgr.).     4.     Breslau.  1869.     27  s. 

Der  verf.  behandelt  im  anschluss  an  R.  Volkmann's  Her- 
magoras  die  lehre  der  alten  von  den  figuren  im  allgemeinen 
und  sodann  die  von  den  einzelnen  figurae  verborum,  indem  er 
die  erörterung  der  figurae  sententiarum ,  der  grammatischen  figu- 
ren und  der  tropen  auf  eine  andre  gelegenheit  verspart.  Die 
darstellung  ist  genau  und  sorgfältig  mit  wörtlicher  auführung 
der  in  betracht  kommenden  stellen  der  rhetoren.  Wer  indes- 
sen es  unternimmt  das  bei  Volkmann  dargelegte  System  der 
rhetorik  in  einem  einzelnen  punkte  noch  weiter  auszuführen, 
müsste  sich  eigentlich,  um  mehr  wirklich  neues  zu  liefern,  be- 
streben das  System  nicht  als  etwas  abgeschlossenes ,  sondern  in 
6einem  werden  darzustellen,  also  z.  b.  die  lehre  von  den  figuren 
bis  auf  ihre  anfange  bei  Gorgias  und  Isokrates  zurückzuverfol- 
gen  und  weiterhin  ihren  allmählich  erfolgenden  ausbau  zu  zeich- 
nen. Dies  ist  von  seiten  des  vf s.  nicht  geschehen ;  man  ver- 
misst  überhaupt  eine  genauere  berücksichtigung  der  nicht  bei 
Walz  enthaltenen  griechischen  rhetoren,  wie  des  Dionysios  von 
Halikarnass,    dessen    Schriften   wenn    nicht  viel  und  namentlich 


Nr.  7.  186.  Homeros.  327 

nichts  zusammenhängendes ,    so  doch  immer  hie   und  da  einiges 
auch  für  diesen  gegenständ  bieten. 

186.  Fedde  über  Wortzusammensetzung  im  Homer.  8. 
Breslau.     Elisabetbgymnasium,  programm  von  ostern  1871. 

Im  ersten  capitel  spricht  Fedde  im  allgemeinen  seine  an- 
sieht aus  über  ableitung,  abwandlung  und  Zusammen- 
setzung. Der  letzte  ausdruck  bezeichnet  nach  seiner  ansieht 
nicht  das,  was  dem  einen  der  drei  bildungsprocesse  der  sprä- 
che, welchem  dieser  name  beigelegt  wird,  besonders  eigen- 
thümlich  ist,  sondern  das  ihnen  allen  gemeinsame.  Die  ablei- 
tungssuffixe  dienen  dazu,  um  die  ungeforrnten  wurzeln  zu 
selbständigen  Wörtern  zu  formen  und  die  allgemeinheit  der  wur- 
zelvorstellungen  zu  individualisiren  und  begrifflich  zu  gestalten. 
Die  flexion  send  unge  n  werden  verwendet,  um  die  gramma- 
tischen Wechselbeziehungen,  in  welche  die  Wörter  im  zusammen- 
hange des  satzes  zu  einander  treten,  namentlich  die  congruenz 
und  dependenz,  auszudrücken.  Die  composition  dagegen 
ist  eine  Verbindung  von  stoffwurzeln ,  also  von  Wörtern,  welche 
sich  in  der  spräche  noch  einer  lautlichen  und  begrifflichen  Selb- 
ständigkeit erfreuen. 

Im  zweiten  capitel  wird  die  Verbindung  von  Wörtern  in 
der  reihenfolge  behandelt ,  dass  von  der  losesten  bis  zur  feste- 
sten vorgeschritten  wird,  lediglich  mit  rücksicht  auf  den  epi- 
schen dialekt  der  griechischen  spräche.  Diese  stufen  benennt  der 
Verfasser:  1)  Verbindung  der  Wörter  in  construktion; 
2)  zusammens  ehr  eibung;  3)  zusammenrückung;  4]  z  u- 
s  amm  enf  ügung  ;  5)  eigentliche  Zusammensetzung. 
Stufe   1 — 4  werden  im  programm  besprochen. 

Nr.  1  wird  mit  wenigen  Worten  abgethan  und  hätte  recht 
gut  völlig  wegbleiben  können,  da  diese  ganz  lose  und  lockere 
Verbindung  eben  deshalb  gar  nicht  composition  genannt  zu  wer- 
den verdient. 

Zu  nr.  2  ist  zu  bemerken,  dass  die  annähme  graphischer  com- 
posita  überhaupt  eine  sehr  gewagte  sache  ist.  Fedde  selbst  sagt 
darüber:  da  die  accentzeichen  erst  von  den  alexandrinischen  ge- 
lehrten gesetzt  wurden  und  die  graphische  trennung  der  Wör- 
ter noch  später  eingeführt  wurde,  so  haben  selbst  die  besten 
Überlieferungen    in    orthographischer   hinsieht    nur  wenig  werth, 


328  186.  Homeros.  Nr.  7. 

namentlich  bei  Homer.  Also  bleibt  die  entscheidung  dem  sub- 
jectiven  ermessen  der  neueren  forscher  überlassen.  Graphische 
composita  sieht  der  Verfasser  in:  aQtji  xTa^svog,  ßagv  oteräymr, 
dal'  HTapevog,  öuxqv  ^e'coj',  iv  xvipsfog,  iv  vaiEracov,  iv  i/ai6(*i- 
vog,  evqv  xqeCwv,  evqv  qs(üv  ,  X.ÜQ11  xofiocüvreg,  ndXtp  nXayy&sig, 
näXiv  oQfiEvog,  näai  (xiXovaa.  Ich  bin  der  ansieht,  dass  alle 
diese  Verbindungen  in  einem  worte  zu  schreiben  seien.  Jeden- 
falls aber  ist  kein  unterschied  zu  machen  zwischen  iiv.mog  und 
et?  vaio/xsvog,  da  in  beiden  fällen  das  zweite  wort  eine  verbal- 
form ist;  gerade  so  gut  wie  man  behaupten  kann,  dass  das  ad- 
jeetivum  verbale  aus  dem  bereiche  des  verbi,  dessen  weseu  doch 
immer  in  zeitlichen  hergängen  begründet  ist,  herausgetreten  sei, 
ebenso  kann  man  letzteres  für  häufig  vorkommende  partieipia 
statuiren.  —  Eine  ähnliche  zusammenschreibung  existirt  nach 
Fedde's  ansieht  in  den  adverbien,  welche  durch  zusammenrücken 
von  präpositionen  mit  casusformen  entstanden  sind;  und  zwar 
ist  ihm  dies  ganz  sicher  für:  holz*  avrrjariv ,  vnsg  (xoqov,  ■nar' 
axQrj&ei',  im  ds^ia,  vnsg  (aoqcc,  x«z'  iväna;  hinsichtlich  der  an- 
dern auf  p.  11  aufgezählten  adverbia  hält  er  es  für  wahr- 
scheinlich. 

3)  Zusammenrückung.  Das  wesen  derselben  besteht  nach 
Fedde  darin ,  dass  zwei  selbständige  Wörter  zu  einer  toneinheit 
verschmolzen  werden,  ohne  im  übrigen  eine  andere  formation 
anzunehmen,  eine  andere  auch  nur  innigere  logische  einigung 
einzugehen ,  als  in  der  parathesis.  Daher  zeigt  sich  die  kraft 
der  Verknüpfung  bei  den  primitiven  verbis  compositis  nur  darin, 
das  präposition  und  verbalform  unter  einen  hauptton  gestellt 
werden;  eine  wesentliche  modificirung  des  verba'begriffs  durch 
die  hinzutretende  präposition  tritt  nicht  ein,  ein  neuer  gesammt- 
begriff  wird  nicht  geschaffen.  Nächst  diesen  sieht  Fedde  zu- 
sammenrückungen in  den  adverbien,  welche  aus  präpositionen 
und  casusformen  entstanden  sind,  wie  ur-dtyn  u.  s.  w.  Ferner 
sind  dieselben  zu  sehen  in  einer  anzahl  von  zusammengesetz- 
ten nominibus,  welche  in  ihrem  ersten  theile  adverbiell  gebrauchte 
präpositionen  enthalten:  ducpt-daavg,  noXvduidaXog  u.s.w.  Daran 
schliessen  sich  die  zusammengesetzten  Zahlwörter  und  haupt- 
wörter,  wie  TQiq-yiXioi,  im-ßovxoXog.  Endlich  gehören  dahin 
viele  nomina ,  in  deren  ersten  gliedern  casusformen  erkannt 
werden.     Zunächst  werden  alle  hierher    gehörigen  Wörter  in  al- 


Nr.  7.  187,  Alkman.  329 

phabetischer  reihenfolge  aufgezählt,  doch  lässt  Fedde  blos  fol- 
gende als  uneigentlich  zusammengesetzte  Wörter  gelten:  'EM.qg- 
noviog ,  SovQi-ulsizog,  öovQi-xlvrög,  dovQi-xzi]T6g,  xtjQeaai-cpoQi]' 
tog,  Navat-ß-aog,  vavai-xlettog,  vavGi-nkvxög.  Die  übrigen  p.  25. 
26  aufgezählten  zusammenrückungen  verweist  derselbe  Verfasser 
p.  27  ins  gebiet  der  zusammenfügungen  (dixag-noX-og,  iix-nvQi-ßtj- 
Ttjg,  Nawji-xa-a,  öSot-noQ-og,  odoi-noQ-iov,  ov8evog-03QO-g,  ITaai- 
&s'-7],  nvXoi-yer-ijg ,  ][afxai-evt>7j-g,  lOQOi-ivn-iat^  vielleicht  auch 
l&ai-)'£t>-?jg,  'l&ai-fih'tjg,  K'kvTai-firrj-cs-TQt],  ölooi-7QO^-og,  IlvXai- 
fih-rjg)  und  zeigt  eben  durch  dieses  schwanken  und  durch  das 
geständnis,  die  grenze  zwischen  beiden  gebieten  lasse  sich  nicht 
immer  scharf  ziehen,  —  dass  die  ganze  eintheilung  auf  etwas  un- 
sicheren füssen  stehe.  Ferner  ist  zu  tadeln,  was  Fedde  p.  24 
über  a.Q?i-i-cpu7og  und  ägy-t-cpilog  sagt:  ,,weil  die  zwei  anderen 
composita  ägti-i'-ftoog  und  'ÄQtj-i-lvxog  die  annähme  eines  da- 
tivs  nicht  zuliessen,  so  sei  auch  für  die  zwei  ersten  Verbindun- 
gen i  als  hülfsvokal  aufzufassen".  In  den  zwei  ersten  Wörtern 
ist  mir  der  dativ  unzweifelbar  und  jede  andere  erklärung  eine 
gesuchte;  wenn  auch  in  den  zwei  anderen  Verbindungen  das 
i  sich  nicht  auf  dieselbe  weise  erklären  lässt,  so  ist  darum  noch 
nicht  alles  über  einen  kämm  zu  scheeren. 

4)  Zusammenfügungen.  Während  die  äusseren  kennzeichen 
der  zusammenrückung  die  gemeinsamkeit  des  tones  und  die  fle- 
xionsendnng  des  ersten  gliedes  waren,  tritt  hierbei  noch  hinzu, 
dass  das  zweite  glied  träger  einer  dem  compositum  gemeinsamen 
endung  ist,  vgl.  'E/X>']g-7Tovtog  und  Fft-TzvQi-ßq-TrjQ.  Zunächst  wer- 
den zusammenfügungen  aufgezählt,  welche  in  ihrem  ersten  gliede 
ein  adverbium ,  im  zweiten  ein  verbales  nomen  enthalten,  z.  b. 
$£-ojj-o-ff,  i*-on-tj ,  noo-[xa%-i-£-co ,  ifji-ßtt-ddv.  Dann  folgen  sol- 
che, deren  zweite  glieder  in  isoiirtem  gebrauche  schon  vorkom- 
mende nomina  sind:  vxpi-avlo-g,  afityi-eiX-o-g,  ä/.tq-rjx^g.  Zu- 
letzt reihen  sich  an  präpositionale  zusammenfügungen:  &■/$• 
&eo-g ,  iv-ala-i/AO-g,  ini-yovv-i-g  u.  a. 

C.  Härtung. 

187.  Gustav  Benseier,  Quaestionum  Alcmanicarum  pars 
I.  —     4.     Progr.  Eisenach.   1872.  —     11   s. 

In  dem  ersten  abschnitte  dieser  abhandlung,  überschrieben 
de  Alcmanis  vita,  indole,  carminibus,   werden  mit  anerkennenswer- 


330  188.  Griechische  tragoedie.  Nr.   7. 

ther  Sorgfalt  die  fragen  nach  Alkman's  herkunft  und  lebenszeit 
nochmals  erörtert.  Der  vf.  spricht  sich  gegen  Welcker's  an- 
nähme dahin  aus,  dass  Alkman  nicht  etwa  der  in  Sparta  geborene 
söhn  eines  Lyders,  sondern  selbst  in  Sardes  geboren  und  als  knabe 
nach  Sparta  gekommen  sei:  was  er  aus  dem  epigramm  des 
Alexander  Aetolus  und  aus  Alkman's  eignen  versen  (fr.  25)  zu 
beweisen  sucht.  Allerdings  sind  diese  beweisquellen  kaum  für 
die  feststellung  der  lydischen  abkunft  überhaupt ,  viel  weniger 
für  solche  genaueren  bestimmungen  zureichend.  Ueber  indoles 
und  earmina  wird  kaum  etwas  beigebracht ;  in  einem  2.  abschnitt 
handelt  sodann  der  vf.  de  digammate  et  aeolismis  apud  Alcma- 
nem  occurrentibus,  in  einem  3.  de  vocalium  ei  diphthongorum  mu- 
tationibus  in  carminibus  Alcmanis  exMbitis.  Man  hätte  mehr  ge- 
wünscht die  frage  nach  gebrauch  oder  Vermeidung  speziell  la- 
konischer formen  mit  zuhülfenahme  der  inschriften  erörtert  zu 
sehen ,  z.  b.  ob  Alkman  selbst  a  für  &  geschrieben ,  oder  ob 
solche  formen,  die  den  altlakonischen  inschriften  fremd,  erst 
durch  spätere  redaktion  in  seinen  text  hineingebracht  seien. 
Für  das  von  ihm  behandelte  hat  der  verf.  um  so  weniger 
wesentlich  neues  beibringen  können ,  als  er  die  wichtigste 
quelle,  das  ägyptische  fragment,  lediglich  aus  Bergk's  Veröffent- 
lichungen (im  Philologus  und  in  den  Lyrici  Graeci)  kennt,  wäh- 
rend doch  die  späteren  arbeiten  von  Ahrens,  Blass,  Canini  und 
andern  (s.  Phil.  Anz.  II,  n.  10,  p.  506)  die  herstellung  weit 
darüber  hinaus  gefördert  haben. 

188.  E.  Krause  de  attractionis  usu  in  infinitivo  tragi- 
corum  locis  collatis.  4.  Breslau,  programm  des  Friedrichsgym- 
nasiums. 1871. 

Krause  liefert  als  nachtrag  zu  seiner  früher  erschienenen 
dissertation  ,,über  den  gebrauch  der  attraction"  den  dritten 
theil  über  die  anwendung  derselben  beim  infinitiv.  —  Zunächst 
bespricht  er  die  erscheinung,  dass  überall,  wo  die  intinitive  das- 
selbe subject  haben  wie  das  verbum  finitum,  die  Griechen  das 
Subjekt  des  infinitivs  weglassen  und  die  sogenannte  attraction 
der  prädikate  anwenden,  z.  b.  Aesch.  Agam.  1613  (ich  citire 
nach  Dindorf): 

ah  5'   üt'ÖQa   tavös  gifig  ixen*  yarayrafBiv^ 
fiövog  d''  eaowjov  t6v8e  (iovlevaat  yövov. 


Nr.  7.  188.  Griechische  tragoedie.  331 

Darauf  werden  die  stellen  aufgezählt,  an  denen  diese  regel  nicht 
beachtet  wird.  Sodann  wird  das  subjekt  beim  infinitiv  wegge- 
lasssen ,  wenn  es  dasselbe  ist  wie  das  objekt  des  verbi  finiti 
und  das  prädikat  oder  das  zu  jenem  subject  gehörige  beiwort 
richtet  sich  nach  eben  diesem  objekt,  z.  b.  Soph.  Trach.  (ed. 
Dind.)  453; 

mg  slsv&EQCp 

\psvSsi   xalelG&ai    y.ijQ   fiQvgeoTiP   ov    xaXtj. 
Eine    ausnähme  hiervon    bilden    Soph.   Phil.    348.   Aesch.    Sept. 
785.  Eum.  34.     Nun  folgen  die  ansichten  neuerer  grammatiker: 
während   Buttmann    und  Bernhardy    eine    berichtigung    erhalten, 
wird  Krügers  m einung  verworfen. 

Wichtiger  als  das  erste  capitel ,  welches  nichts  neues  und 
wesentliches  bietet,  ist  cap.  II,  in  welchem  diejenigen  stellen 
aufgezählt  werden,  an  denen  die  genitivische  und  dativische 
attraktion  nicht  beachtet  ist.  Im  gegensatz  zu  Buttmann,  Rost 
u.  a.  welche  behaupten,  die  attraktion  werde  beliebig  bald 
gebraucht ,  bald  nicht ,  statuirt  Krause ,  die  attraktion  werde 
oft  deshalb  vernachlässigt,  weil  die  Griechen  dieselbe  für  lä- 
stig befunden  hätten,  z.  b.  Soph.  Trach.  468: 

aol  ö'  iym  (jP(j«£co 
xaxov  ngng  aXXop  slvai. 
Aehnliche  stellen,  in  denen  das  prädikat  im  accusativ  statt  im 
dativ  steht,  sind:  Aesch.  Choeph.  140.  Soph.  Ai.  116.  Phil. 
1470.  Eurip.  Heracl.  (ed.  Nauck)  477.  Die  beiwörter ,  meist 
participia,  bleiben  im  accusativ,  um  das  verbum  finitum  und 
den  infinitiv  zu  unterscheiden  :  Aesch.  Agam.  27.  341.  923. 
1199.  1610.  Choeph.  704.  1029.  Eum.  622.  804.  867.  Prom. 
216.—  Soph.  Oed.  Col.  92.  El.  962.  Ai.  1007.  Phil.  669.— 
Eurip.  Ale.  357.  Iph.  Taur.  907.  El.  1250.  Med.  290.  659.  743. 
814.  886.  1236.  In  allen  diesen  stellen,  zwei  ausgenommen, 
hat  das  verbum  finitum  den  dativ  bei  sich ,  der  genetiv  steht 
nur  Agam.  1199.  Eurip.  Iph.  Taur.  907.  Meiner  meinung 
nach  fällt  die  erste  stelle  durch  die  einzig  berechtigte  lesart 
Dindorfs:  &av(id^m   de  as 

tiüvtov   negetv   TQacpsiaav   xtX. 
und  verliert  ihre  beweiskraft;  an  der  zweiten  stelle: 

oocfcav  yug   up8qcÖp   tavTa,  f<il  *xßävzai;  iv%t]g, 

naigov  kaßovraii,  rjdopag  aXXag   Xaßstv, 


332  189.  Euripides,  Nr.  7. 

steht  aocpöov  avÖQüiv  ian  =  sapientis   est  in  einem    so  bestimmt 
ausgeprägten  sinne,    dass  sie  ebenfalls  nicht  in  betracht  kömmt. 

C.  Härtung. 

189.  Euripides  Kyklops  im  versmasse  des  originales  über- 
tragen, mit  einer  einleitung  über  das  satyrdrama  und  kurzen 
erläuternden  bemerkungen  von  Val.  Hintner.  8.  Progr.  des 
gymnasiums  zu  Czernowitz.  1871. 

Die  einleitung  bietet  nichts  neues  und  giebt  zum  theile 
nur  das  wieder ,  was  in  der  einleitung  Kock's  zu  lesen  ist. 
Die  Übersetzung  ist  nicht  ohne  werth;  sie  schliesst  sich  zwar 
ziemlich  an  die  Übertragung  Kock's  an,  ist  aber  im  einzelnen 
treuer  und  gibt  manche  stelle  recht  glücklich  wieder.  Einiges 
ist  entschieden  verfehlt,  z.  b.  „69  Jakchos,  Jakchos  sing  ich, 
104  schlauen  schreihals,  152  heraus  damit,  235  und  durch  dein 
äuge  dann  zu  ziehn  die  eingeweid'f,  u.  dgl.  Auch  leidet  die 
Übersetzung  sehr  an  unangenehmen  härten,  z.  b.  231  „sie  wussten 
nicht,  dass  ich  ein  gott  von  göttern  stamm"  ?  Endlich  ist  noch 
zu  tadeln,  dass  der  Verfasser,  freilich  nach  dem  vorgange  Kock's, 
die  derben  stellen  in  seiner  Übersetzung  verkleidet  hat,  z.  b. 
169  f.  „der  wein  ja  ist's,  der  alle  lebensgeister  weckt,  der  uns 
das  kosen  lehret,  liebeslust  entfacht",  180  „habt  ihr  nicht  alle, 
mann  für  mann,  es  (das  frauchen)  durchgeküsst"  u.  dgl.,  wodurch 
die  Sprache  des  satyrdrama  nothwendig  ihre  eigenthümliche  fär- 
bung  verliert.  Die  beigegebenen  anmerkungen  zeigen,  dass  der 
Verfasser  mit  der  euripideischen  literatur  ausreichend  bekannt 
ist,  was  man  gewiss  anerkennen  muss,  wenn  man  bedenkt,  wo 
dieses  programm  verfasst  wurde.  Unter  den  kritischen  bemer- 
kungen verdient  die  zu  v.  551  beachtung,  welchen  vers  der 
verf.  mit  den  handschriften  dem  Odysseus  gibt,  während  man 
ihn  jetzt  allgemein  nach  dem  vorgange  Lentings  dem  Seilenos 
zuweist.  Sonst  aber  sind  die  vorschlage  des  vf.  verfehlt,  z.  b.  136 
alyag  für  J/o<,'(!),  566  Xnßoöv  w  $«V  olri?  olvo%6oe  fi  f*ot  ys- 
vov.  Bei  dieser  gelegenheit  geben  wir  noch  ein  paar  kleinig- 
keiten  zur  kritik  und  erklärung  des  Kyklops.  Vs.  153  ist  viel- 
leicht oapqv  eine  glosse  zu  dem  ursprünglichen  ar&ijv,  durch 
welches  alle  Schwierigkeiten  der  stelle  behoben  wären.  Die 
verse  480—482  erregen  durch  die  breite  des  ausdrucks  und 
das  aus  v.  478  wiederholte  (pllov^  den  verdacht  der  unechtheit. 


Nr.  7.  190.    Plutarchos.  333 

Vs.  502  versteht  man  unter  Ovgav  die  thüre  der  geliebten,  es 
muss  aber,  wie  schon  Hermann  erkannt  hat,  hier  offenbar  eine 
zote  vorliegen.  Bedenkt  man,  dass  der  chor  von  einem  zecher 
spricht,  der  links  seinen  liebling,  rechts  eine  üppige  dirne  neben 
sich  hat  und  nun  übermüthig  ausruft:  wer  öffnet  mir  die  thüre?, 
so  kann  man  über  den  sinn  von  Qdqöl  nicht  im  zweifei  sein. 
Zum  Überflüsse  möge  noch  auf  den  gebrauch  von  elviivou  [slae'k- 
Oeiv)  verwiesen  werden,  der  sich  in  Aesop.  fab.  148  Halm,  findet. 

190.  G.  Treu,  de  codicibus  nounullis  Parisinis  Plutarchi 
Moralium  narratio.  —  Progr.  des  gymnasium  zu  Jauer.  1871. 
Der  Verfasser,  Oberlehrer  Treu,  zählt  zu  anfang  alle  hand- 
schriften  der  pariser  bibliothek  auf,  in  welchen  eine  oder  die 
andere  der  moralischen  Schriften  Plutarchs  enthalten  ist.  Dann 
bespricht  er  die  beschafienheit  der  handschriften,  die  zu  der  Schrift 
de  profectibus  in  virtute  enthalten  sind,  und  theilt  dieselben  (no. 
1211.  1671.  1672.  1955.  1957.  2076)  in  zwei  klassen.  Von 
den  fünf  übrigen  ist  zu  trennen  cod.  1211  aus  dem  vierzehn- 
ten Jahrhundert.  Derselbe  enthält  viele  glossen  und  scholien 
am  rand  und  zwischen  den  zeilen,  deren  ein  grosser  theil  an- 
geführt wird;  sie  reichen  bis  X,  81,  d.  Die  scholien  taugen 
zwar  nichts,  desto  mehr  aber  der  codex;  er  stammt  mit  dem 
Tischendorfer  VH  in  Leipzig  aus  einer  quelle;  denn  beide 
stimmen  ganz  überein  bis  auf  wenige  fehler  des  abschreibers. 
Sodann  werden  die  richtigen  lesarten,  welche  beide  allein  bie- 
ten, aufgezählt.  Die  übrigen  fünf  handschriften  haben  nur  we- 
nige ihnen  eigenthümliche  Varianten,  die  der  erste  Schreiber 
gegeben  hat;  auch  sie  werden  namhaft  gemacht.  Unter  ih- 
nen ist  wieder  eine  engere  Scheidung  zu  treffen,  insofern  1671. 
1672  auf  der  einen  seite  und  auf  der  anderen  1955.  1957. 
2076  unter  einander  näher  verwandt  sind.  Nachdem  darauf 
die  einzelnen  handschriften  in  betreff  ihrer  individualität  bespro- 
chen sind,  gelangt  Treu  zu  folgendem  resultat:  1211  und 
Tischendorf.  Vn  sind  durchweg  der  textgestaltung  zu  gründe 
zu  legen;  die  übrigen  haben  nur  manchmal  werth,  um  die  feh- 
ler jener  beiden  zu  beseitigen  oder  ihre  lücken  auszufüllen.  Da- 
her hat  Dübner  unrecht,  wenn  er  1672  und  1671  für  die  besten 
handschriften  erklärt;  er  übersieht,  was  Volkmann  Plutarchs  le- 
ben und  schritten  I,  101  u.  s.  w.  schreibt,    dass  das    corpus  mo- 


334  191.  Plutarchos.  Nr.  7. 

ralium  nicht  vor  dem  zehnten  Jahrhundert  zusammengestellt 
sein  könne;  dass  der  Sammler  handschriften  von  sehr  verschie- 
denem werthe  benutzt  habe;  dass  diejenigen  handschriften,  wel- 
che einzelne  Schriften  Plutarchs  enthalten,  einer  älteren  und 
besseren  recension  entnommen  sind. 

Ueber  den  apparat  des  Coutus,  der  in  der  pariser  biblio- 
thek  vorhanden  ist ,  fällt  Treu  nach  aufzählung  der  demselben 
anhaftenden  fehler  das  urtheil,  derselbe  tauge  nichts,  weil  er 
den  Vorschriften  der  heutigen  kritik  sehr  schlecht  entspreche ;  denn 
nicht  über  die  gute  einer  jeden  handschrift  werde  in  demselben 
gehandelt  und  nicht  über  die  Verwandtschaft  der  einzelnen  werde 
geurtheilt,  sondern  Contus  habe  sich  begnügt,  möglichst  viele 
Varianten  zu  sammeln  5  er  befolge  nicht  einmal  die  gruudsätze, 
welche  er  selbst  zu  anfang  seines  werkes  aufgestellt  habe,  son- 
dern biete  bald  die  erste  lesart  und  die  correctur,  bald  blos  die 
correctur,  er  unterscheide  nie  die  handschriften  und  bringe  man- 
ches falsche  aus  versehen.  Nach  dieser  auseinandersetzung 
wird  allerdings  wohl  kein  neuer  herausgeber  Plutarchs  auf  die- 
sen apparatus  zurückgreifen.  C.  Härtung. 

191.  De  Plutarchi  libro,  qui  inscribitur  „de  communibus 
notitiis"  commentatio.  Scrips.  Ed.  Rasmus.  (Programm  des 
Friedrichs -gymnas.  zu  Frankfurt  a/O.  1872). 

Der  Verfasser  dieser  abhandlung  als  kenner  des  Plutarch 
schon  durch  frühere  arbeiten  bekannt  {Emendationes  in  Plutarchi 
libro  qui  inscr.  non  posse  suaviter  v.  s.  Ep,  und  advers.  Colot.  Frank- 
fürt a/O.  1863  ;  beide  programme  sind  bei  S.  Calvary  erschie- 
nen — )  bat  eine  aufgäbe  übernommen  und  gelöst,  die  Volk- 
mann auf  sich  zu  nehmen  nicht  den  muth  gehabt  hat.  —  Seine 
abhandlung  zerfällt  in  zwei  theile;  der  erste  beschäftigt  sich 
mit  dem  autor  der  schritt  de  comm.  notitiis  (p.  1 — 12).  Nach- 
dem Rasmus  zunächst  die  titel  der  Schriften  aufgezählt  hat, 
welche  Plutarch  nach  angäbe  des  cod.  Florentinus  (des  sogenann- 
ten catalog  des  Lamprias)  gegen  die  philosophie  der  stoiker 
geschrieben  haben  soll,  bemerkt  er,  dass  das  buch  tifqI  owt]- 
&eCag  ngog  toiv  2itai)tov$  und  neo)  (xoDUf)  ivvoiäv  nyag  toog 
JSimixove  ein  und  dasselbe  sein  müssen,  indem  er  das  argument, 
mit  welchem  A.  Schaefer  bewies ,  dass  der  sogenannte  catalog 
des  Lamprias  nicht  von  einem  söhne  des  Plutarch  herrühre,  mit 


Nr.  7.  191.  Plutarchos.  335 

recht  auf  diese  titel  anwendet.  Hinsichtlich  der  anderen  titel 
der  gegen  die  stoa  gerichteten  Schriften  ist  alles  schwankend 
und  mehr  als  zweifelhaft,  mit  ausnähme  der  drei  noch  erhalte- 
nen Schriften.  Von  diesen  sind  de  Stoicorum  repugnantiis  und 
Stoicos  absurdiora  quam  poetas  dicere  als  plutarchisch  unbezwei- 
felt,  gegen  die  echtheit  von  de  comm.  notitiis  sind  aber  mehrfach 
und  auch  gerade  von  bedeutenden  autoritäten  zweifei  erhoben 
worden,  wenn  es  auch  dabei  nicht  zu  einer  sachgemässen  begrün- 
dung,  sondern  nur  zu  einem  subjectiven  raisonnement  gekom- 
men ist.  Auch  Rasmus  beginnt,  wie  alle  neuern  Untersuchungen 
über  echtheit  und  unechtheit  einer  plutarchischen  schrift  mit  einer 
Untersuchung  des  hiat.  Auf  grund  des  zu  häufigen  Vorkom- 
mens von  hiaten  hatte  Benseier  und  ihm  folgend  Volkmann 
diese  schrift  dem  Plutarch  abgesprochen  (bei  Volkmann  treten 
allerdings  noch  einige  andere  gründe  hinzu).  —  Inzwischen  sind 
mehrere  neuere  forschungen  nicht  mehr  auf  dem  boden  stehen 
geblieben,  auf  welchem  Benseier  basirte.  Das  urtheil  über  das 
wesen  des  hiats  ist  jetzt  ein  anderes,  als  früher;  man  nennt 
nicht  mehr  hiat  den  zusammenstoss  zweier  vocale  am  anfang 
und  ende  eines  wortes  schlechthin,  sondern  beschrankt  ihn  auf 
die  fälle ,  wo  ein  langer  vocal  mit  einem  kurzen  oder 
ebenfalls  langen  zusammentrifft.  Auch  ist  die  zahl  der  ausnah- 
men, in  denen  sich  Plutarch  den  hiat  gestattete,  vermehrt  und 
erweitert ;  Rasmus  hat  das  verdienst  den  bekannten  sechs  aus- 
nahmen noch  eine  siebente  hinzugefügt  zu  haben :  vor  den  for- 
men des  verbi  e?v«i.  Und  diesen  fall  der  hiatzulässigkeit  hat 
Rasmus  mit  einer  hinreichenden  anzahl  von  beweissteilen  aus 
den  Moralia  gestützt;  ob  aber  derselbe  auch  auf  die  Vitae 
ausgedehnt  werden  darf,  ist  nicht  ersichtbar;  mir  wenigstens  ist 
kein  fall  bekannt  mit  ausnähme  des  hiats  nach  [*  rj  ,  der  schon 
an  sich   erlaubt  ist. 

Dann  giebt  Rasmus  das  urtheil  Benselers  über  die  beiden 
Schriften  und  bespricht  die  hiatstellen  in  de  notitiis.  Benseier 
hatte  29  gröbere  hiate  in  dieser  schrift  entdeckt;  darum  glaubte 
er,  ein  nachahmer  des  Plutarch  habe  diese  schrift  geschrieben; 
auf  dieses  urtheil  stützte  später  Volkmann  seine  ansieht.  Ras- 
mus untersucht  nun  diese  hiate  genau  und  beseitigt  sie  theils 
auf  grund  seiner  neuen  ausnähme  telvat)  theils  durch  Umstellung, 
theils  dadurch,    dass    er  zeigt,  wie  mehrere    vom    hiat    inficirte 


336  191.  Plutarchos.  Nr.  7. 

stellen  ausspräche  oder  formein  der  stoiker  sind,  theils  durch  grö- 
ssere interpunction  oder  constatirung  einer  lücke  im  texte.  Ganz 
anders  erscheint  der  text  der  handschrift  de  stoic.  repugnantiis,  wo  in 
folge  der  sehr  häufigen  anführung  von  aussprächen  anderer  die 
zahl  der  hiate  sehr  gross  ist.  So  z.  b.  finden  sich  in  den  Worten 
des  Chrysippos  beinahe  50  gröbere  hiaten  ;  dagegen  in  Plutarch's 
eigenen  Worten  nur  sehr  wenige.  Ein  vergleich  aber  beider 
Schriften  ergiebt,  dass  die  art  und  weise,  wie  in  beiden  Schrif- 
ten der  hiat  vermieden  resp.  zugelassen  worden  sei ,  ganz  die- 
selbe ist.  Somit  ist  denn  aus  dem  hiat  kein  argument  gegen 
die  autorschaft  des  Plutarch  zu  gewinnen.  —  Im  folgenden 
wendet  sich  Rasmus  gegen  Volkmann  der  an  dem  stil  und  in- 
halt  der  schrift  de  comm.  notitiis  vielerlei  auszusetzen  hatte  (I,  p. 
210).  Zunächst  bespricht  Easmus  den  Vorwurf  Volkmann's, 
dass  Plutarch  sich  einer  gehässigen  art  von  polemik  gegen  die 
stoiker  bedient  habe,  die  er  selbst  in  advers.  Colotem  diesem  zum 
Vorwurf  mache.  Die  art  der  Widerlegung  erscheint  mir  nicht 
sehr  glücklich;  dass  die  menschen  oft  selbst  das  thun,  was  sie  an 
andern  tadeln  ist  gewiss  richtig,  allein  aus  diesem  allgemeinen 
erfahrungssatze  lässt  sich  doch  die  erklärung  von  Plutarch's  ge- 
hässiger polemik  nicht  herleiten;  Plutarch  zeigt  sich  in  sehr 
vielen  Schriften  als  ein  sehr  energischer  gegner  der  stoa ,  die 
er  mit  allen  waffen  bekämpft  und  auch  oft  lächerlich  zu  ma- 
chen sucht ;  so  gehässig  aber ,  wie  hier ,  zeigt  er  sich  nirgends 
gegen  sie,  und  dieser  punkt  bedarf  noch  einer  erklärung,  die 
ich  mich  vergebens  bemüht  habe,  zu  finden.  Die  behauptung 
Rasmus,  dass  Plutarch  nicht  immer  nach  einer  logischen  dispo- 
sition  und  nach  genau  vorher  überlegten  planen  seine  Schriften 
angelegt  und  geschrieben  habe,  ist  richtig  und  die  meisten  plutar- 
chischen  Schriften  liefern  hierfür  den  beweis ;  so  ist  es  auch 
hier  geschehen,  wenn  auch  Plutarch  nicht  so  ganz  ohne  plan 
verfahren  ist,  wie  Volkmann  meint;  (s.  p.  11).  Uebrigens  ist  die 
Zusammengehörigkeit  der  gedanken  und  der  Zusammenhang  der 
einzelnen  abschnitte  in  de  comm.  notitiis  nicht  unterbrochen.  In 
dem  punkte  aber  hat  sich  Volkmann  geirrt,  dass  in  de  comm.  no- 
titiis mehr  citate  anderer  sind,  als  in  de  Stoic.  repugnantiis ;  dazu 
kommt,  dass  der  plan  beider  schritten  wesentlich  von  einander  ab- 
weicht; denn  in  letzterer  bekämpfen  sich  die  stoiker  selbst,  in  de 
comm.  notitiis  wird  in  der  form  eines  dialogs  auseinandergesetzt, 


Nr.  7.  191.  Plutarchos.  337 

wie  sehr  die  ansiebten  der  stoiker  im  widersprach  stehen  mit  den 
ansiebten  anderer  menschen;  es  folgt  daraus,  dass  ,  während  in 
de  repugnantiis  Chiysipp's  lehre  mit  Chrysipp's  aussprächen  ge- 
schlagen wird,  in  de  comm.  notitüs  dagegen  den  aussprächen  Chry- 
sipps  andere  entgegengestellt  weiden,  die  zahl  der  Chrysippci- 
tate  in  de  repugnantiis  doppelt  so  gross,  als  in  der  andern  schrift 
ist.  —  Ferner  hatte  Volkmann  gerügt ,  dass  in  keiner  dieser 
beiden  Schriften  auf  die  andere  bezug  genommen  worden  sei. 
Easmus  sucht  nun  zwar  de  rcp.  XII 1  und  LV  mit  de  comm. 
not.  XXV  in  einklang  zu  bringen  und  eine  gegenseitige  bezie- 
bung  auf  einander  darin  zu  finden,  allein  diese  von  Rasmus 
selbst  levis  mentio  genannte  beziehung  ist  für  mich  wirklich 
nicht  da.  Und  es  bleibt  dies  immer  noch  ein  bedenklicher 
punkt,  wenn  man  bedenkt,  wie  Plutarch  es  liebt  sich  auf  seine 
andern  Schriften  zu  beziehen,  und  hier,  wo  stoff  und  zweck 
derselbe  war,  konnte  man  allerdings  eine  häufigere  beziehung 
erwarten.  Wie  es  nun  auch  geschehen  sein  mag,  dass  diese  be- 
ziehungen  nicht  da  sind  und  aus.  welchen  nicht  bekannten  gründen 
Plutarch  eine  solche  vermieden  hat,  ein  argument  gegen  die 
echtheit  wird  sich  hieraus  schwerlich  ableiten  lassen.  Uebrigens 
sind  in  dieser  schrift  sehr  viele  lücken  und  es  ist  nicht  unmög- 
lich, dass  in  einigen  dieser  lücken  gerade  beziebungen  der  einen 
schrift  auf  die  andere  sich  gefunden  haben.  Dass  aber  sonst 
zwischen  beiden  schritten  eine  Verwandtschaft  sei ,  hat  Easmus 
gezeigt;  so  findet  sich  im  citiren  der  ausspräche  der  stoiker 
vollkommene  Übereinstimmung;  es  folgt  eine  Zusammenstellung 
der  citate  der  stoiker,  welche  sich  in  beiden  schritten  fin- 
den; die  zahl  in  ersterer ,  de  Stoic.  repugnantiis,  ist  18,  in 
der  zweiten  19  (p.  7  —  11).  Und  dieser  Zusammenstellung 
schenke  ich  meinen  ganzen  beifall,  da  die  stellen  mit  gro- 
ssem fleisse  und  philologischer  genauigkeit  gesammelt  sind.  Bei 
dieser  Zusammenstellung  hat  vf.  auch  noch  auf  einen  unterschied 
aufmerksam  gemacht,  der  sich  zwischen  beiden  schritten  findet: 
nämlich  in  de  notitüs  sind  die  aussprüche  der  stoiker  meist  enger 
zusammengefasst  und  nicht  so  ausführlich  angegeben,  als  in  de 
repugnantiis.  Mit  recht  weist  Easmus  dann  darauf  hin,  dass  je  zwei 
stellen  des  Chrysipp  sich  in  beiden  schritten  verbunden  finden; 
ferner  haben  beide  schritten  das  gemeinsame,  dass  zuerst  die 
ethik,  dann  die  physik  zum  gegenständ  der  Untersuchung  ge- 
Philol.  Anz.  IV.  22 


358  191.  Plutarchos.  Nr.  7. 

wählt  wurde,  nicht  also    die    disputation   sich    nicht  in  dem  ge- 
wohnten   gang  der   stoiker    bewegte.      Es    wäre    also   auch    die 
zweite    frage    erledigt ,     dass    hinsichtlich    des    iubalts    und    der 
ganzen  gestaltung  der  schrift  de  comm.  notitiis  gegen  die  autor- 
schaft  Plutarch's  eigentlich  nichts  spräche.      Wenn  es  sich  aber 
noch  urn  Stützpunkte  für  die  autorschaft  Plutarchs  handelt ,    so 
möchte  ich  doch  nicht  übergangen  wissen,  was  Volkmann  I,  p. 
210,  der   die  ganze  frage  zweifelhaft  lässt,  wenn  er  auch  mehr 
gegen,  als  für  Plutarch's  autorschaft  spricht,  angeführt  hat.    Für 
Plutarch    spricht    der    umstand ,    dass  Lamprias  als  unterredner 
auftritt    und    die   in    der    schrift    zu    tage    tretende    grosse    ge- 
lehrsamkeit  des  Verfassers,  die  es  schwerlich  erlaubt,   in  ihr  das 
werk  eines  nachahmers  zu    erblicken,    der  seine  arbeit  für  plu- 
tarchisch  hätte  ausgeben  wollen.     Die  rein  sprachliche  Seite  hat 
Basmus    nicht   behandelt:    er    hätte    leicht    nachweisen    können, 
dass  die  von  Plutarch  immer    und    überall    gebrauchte   Wortver- 
bindung sich  auch  hier  fände ,    dass  alle  partikeln ,    die  ihm  ei- 
genthümlich  sind,  auch  in  dieser  schrift  nicht  fehlen,  dass  über- 
haupt die  ausdrucksweise  ganz   plutarchisch    sei.      Dafür  hat  er 
uns  mit  einer  grossen  anzahl  Verbesserungsvorschläge  beschenkt, 
die  den  ganzen  zweiten  theil  seiner  arbeit  ausmachen  ;  vorher  giebt 
er  aber  eine  art  literaturgescbicbtlichen  überblick  über  alle  die- 
jenigen j  die  sich  mit  der  emendation   de  comm.  notitiis    beschäf- 
tigt haben    und    spendet    bei  dieser  gelegeuheit  vor  allem  Mad- 
vig  reiches  lob.     Es  führt  zu  weit  gegen  80  emendationen    und 
conjecturen  hier  anzuführen,  von  denen  viele  allerdings  das  rich- 
tige getroffen   zu   haben  scheinen ,    andre    wie  z.   b.  cap.  IX,  2 
mit  cot,"   'inog    tlneiv    oder  XI,  8  auf   schwachen    füssen    stehen. 
Immerhin   aber  ist  durch  Piasmus    arbeit    unsere    kenutniss    der 
weise    des    Plutarch    gefördert    und    dankbar  müssen    wir  aner- 
kennen, was  er  geleistet  hat.  —  Der  druck  ist  durchaus  correct. 

H.  H. 

192.  Andocidis  orationes  edidit  Fr idericus  B lass.  Lip- 
siae  in  aedibus  B.  Gr.  Teubneri.     XVIII  und  110  s.     8. 

Auf  seine  bearbeitung  des  Antiphon  hat  Blass  rasch  die 
vorliegende  ausgäbe  des  Andokides  folgen  lassen,  die  mit  jener 
die  gleiche    zweckmässige    einrichtung    gemein    hat:    hinter  der 


Nr.  7.  192.  Andokides.  339 

praefatio  die  iudicia  veterum  und  kurze  argumenta  orationum,  am 
ende  des  bandes  die  spärlichen  fragmente  und  einen  index  no- 
minum  et  verum  memorabüium,  unter  dem  texte  der  reden  selbst 
in  einer  gedrängten  adnotatio  critica  eine  auswabl  des  kritischen 
apparats  ,  darunter  die  lesarten  des  codex  Crippslanus  (A)  voll- 
ständig nach  Bekkers  und  Dobsons  angaben.  Auf  eine  neue 
vergleichung  dieser  handschrift  hat  Blass  leider  verzieht  gelei- 
stet. Allerdings  war  sie  für  unsern  redner  nicht  so  unumgäng- 
lich, wie  für  Antiphon  und  Deinarchos,  da  die  für  die  kritik  der 
letztem  fundamentale  frage  nach  dem  verhältniss  des  codex 
A  zum  Oxoniensis  ohne  eine  neue  collation  von  A  nicht  zu 
entscheiden  ist.  Aber  wenn  Blass  meint,  dass  im  Andokides 
die  lesarten  der  ersten  band  von  A  darum  von  geringerem 
werthe  seien,  weil  die  correcturen  sämintlich  von  derselben  band 
herrührten,  so  bedarf  dies  urtbeil  doch  einiger  beschränkung. 
Eine  anzahl  von  lesarten  haben  die  berausgeber  lediglich  auf 
die  autorität  von  A  pr.  in  den  text  genommen,  manche  darun- 
ter zuerst  Blass  selbst,  wie  I;  30.  114.  Danach  verlangt  aber 
die  consequenz  dasselbe  auch  anderwärts  zu  thun ,  also  I,  23 
zu  schreiben  ovdiva  nänot''  eyco  tlnötia  oida  statt  oldivag  — 
tiiiöiTuig,  ebenso  I,  39  herzustellen  b(jmv  de  avtöjv  ngög  rijp 
otl/jiijv  z«  ngooeana  t«  Ttltlara  (für  iäv  nXtCarcor)  yiytäoxtiv. 
Für  die  emendation  des  textes  sind  die  beitrage  älterer 
und  neuerer  gelehrter  sorgfältig  herangezogen  worden.  Nur 
weniges  mag  Blass  entgangen  sein.  Für  das  psephisma  des 
Tisamenos  war  Köhler ,  Urkunden  und  Untersuchungen  p.  63 
ff.  zu  benutzen  •,  die  dort  restituirte  Schätzungsurkunde  von  Ol. 
88,  4  erweist  nicht  allein  die  ächtheit  des  decrets,  sondern  be- 
stätigt auch  im  einzelnen  Sluiters  ol  8txa  ftorjfAtroi  toftoßitai 
und  widerlegt  die  von  Blass  vorgenommene  (übrigens  schon 
von  Petitus  und  Taylor  verlaugte)  Umstellung  der  worte  ol  ntv- 
rw/.öatoi  hinter  /}  ßovXrj.  Die  entscheiduugen  über  probabilität 
der  neueren  besseruugsversuche  zeugen  überall  von  besonnenem 
urtheile ;  nur  hier  und  da  sind  sie  zu  conservativ  ausgefallen, 
z.  b.  I,  86  uou  ...  ntuitXtintto  ntgi  ozov  olüv  z'  /)  aQXVv  siadysiv 
rj  bfiäiv  Tiüäiat  Tut,  wo  Sluiters  unentbehrliches  iwa  nicht  ein- 
mal in  der  anmerkung  erwähnt  ist.  Ueberhaupt  hätte  ref.  ge- 
wünscht ,  dass  Blass  sich  nicht  auf  anführung  der  conjeeturen 
beschränkt    hätte,     die    ihm    satis    verisimües   (p.  x)    erschienen, 

22* 


840  192.  Andokides.  Nr.  7. 

Je  weniger  zu  erwarten  ist,  dass  die  reden  des  Andokides  so- 
bald wieder  einen  bearbeiter  finden  werden,  um  so  mehr  hätte 
es  sich  empfohlen,  die  in  Zeitschriften  nnd  programmen  zerstreu- 
ten beitrage  zu  ihrer  kritik  im  wesentlichen  vollständig  zu  ver- 
zeichnen,  wie  dies  auch  in  andern  bänden  der  Teubnerscken 
Sammlung  geschehen  ist. —  Wohl  zu  spröde  steht  Blass  der  an- 
nähme von  interpolationen  gegenüber.  Die  worte  I,  64  u&sv 
ögucöfjEvoi  lavi"1  inoiovv  inslvoi  sucht  er  gegen  die  athetese  des 
ref.  durch  eine  erklärung  zu  halten,  mit  welcher  wenigstens  die 
überlieferte  fassung  der  worte  nicht  zu  vereinbaren  ist.  Eben 
so  wenig  kann  ich  die  von  mir  empfohlene  Streichung  der  worte 
ab  mar  sigöfistog  I,  15  durch  die  gegenbemerkungeu  in  der  vor- 
rede widerlegt  finden.  Die  möglichkeit  der  deutung ,  welche 
Blass  dem  vorausgehenden  \pT]q>toai*-evi]g  rfji;  ßnvX7j<,'  geben  will, 
ist  doch  durch  den  zusatz  r/v  ydg  «t  Toy.ouT<ug  ausgeschlossen. 
Dagegen  möchte  ich  I,  75  avimv  nicht  mit  Blass  streichen,  son- 
dern nur  in  uvtwv  ändern  und  dies  mit  der  bekannten  demo- 
sthenischen  stelle  41,   12   schützen. 

Wir  sind  hiermit  zu  den  eignen  leistungen  des  herausge- 
bers  für  die  emendation  des  textes  gelangt,  welche  einen  aner- 
kennenswerthen  Scharfsinn  bezeugen,  wenn  er  auch  in  der  auf- 
nähme seiner  vermuthungen  mehrfach  zu  rasch  verfahren  ist. 
Namentlich  hat  er  die  schon  früher  gemachte  beobachtung,  dass 
der  text  des  Andokides  nicht  selten  durch  ausfall  einzelner 
worte  gelitten  hat,  noch  weiter  verfolgt  und  manchem  anstosse 
auf  diesem  wege  glücklich  abgeholfen.  Sehr  gut  ist  besonders 
I,  45  durch  eiufügung  des  nyo  vor  vvxiog  geheilt;  auch  I,  56 
ist  der  gedanke,  dass  vor  tha  de  ein  dllu  nnwzov  pe*  vpa$ 
ausgefallen  sei,  zwar  auf  den  ersten  blick  überraschend  ,  aber 
der  sonst  beliebten  zusetzung  von  Ipiv  in  den  vorausgeheuden 
Worten  weitaus  vorzuziehn.  Entschieden  falsch  ist  wohl  nur 
die  ergänzung  I,  11  iuv  \pr]q)iai]o9e  ubtiav  (w  di>)  jj-co  ytXnvm 
wegen  des  «v,  da  Pythonikos  die  ubtiu  für  eine  bestimmte 
person  verlangt.  Anderes  erscheint  aber  wenigstens  überflüssig, 
wie  I,  88  nvgiat  nicht  nöthig  ist,  wenn  man  tiev  richtig  inter- 
pretirt.  Von  den  sonstigen  besseruugen  des  herausgebers  hebe 
ich  als  zweifellos  richtig  heraus  1,  136  au1  yaq  nltiöiov^  für 
iov$  yuQ  nkttöTov^i  14,  12  (itya).oit  uyaßdtjv  aitta  für  fAsyäktav 
dyuöoji »•  kJik,  III,  20 {iHüntt  ftii  /(itutza^;  letztere  beiden  ände- 


Nr.  7.  193.   Isaios.  341 

rungen  stehn  seit  jähren  am  rande  meines  handexemplars.  Ir- 
rig ist.  I,  24  die  änderung  des  überlieferten  7«/«  oder  raXka 
in  jux«.,  da  der  artikel  nicht  zu  entbehren  ist.  Und  III,  31 
ist  statt  des  in  den  text  gehetzten  lxxa.Xe.lv  aviäv  tov  üvfxöv 
wenigstens  das  medium  erforderlich. 

Durch  die  verdienstliclie  leistung  von  Blass  werden  hof- 
fentlich auch  andre  angeregt  werden,  sich  mit  der  kritik  des  An- 
dokides  zu  beschäft'gen ,  der  noch  gar  manche  rückstänrle  ver- 
blieben sind.  Ref.  beschränkt  sich  darauf  einige  kleinigkeiten 
zu  berühren,  die  sich  in  aller  kürze  erledigen  lassen.  Eine  ganz 
verkehrte  interpunktion  hat  man  bis  jetzt  in  dem  locus  classicus 
über  die  atimia  I,  76  geduldet;  es  ist  zu  lesen:  hsooig  ovx  r\v 
ynaxpaa&io,  rolg  5'  ivdsiqäi'  rolg  8s  fit]  avanXevGai  elg  EXXtj— 
GTCovtnv,  aXXoig  8  etg  Iooviav ,  rolg  5'  etg  tijv  ayooav  [irj  eiais- 
vai  ngnarahg  r\v,  —  I,  89  onoz*  ovv  idn^sv  vulv  wäre  nach  dem 
sprachgebrauche  des  Andokides  auch  wenn  kein  sirav&ol  folgte, 
onov  zu  schreiben,  vgl.  I,  58.  86.  90.  II,  1.  27.  III,  2  (an- 
ders steht  önnrs  I,  7). —  I,  41  tot  8s  naTsoa  tov  suov  rv^slv 
shnvra  na}  einslv  ai<7ni>,  nahm  an  avrnv  schon  Reiske  mit  recht 
anstoss;  man  wird  dafür  avtm  zu  setzen  haben.  Anderes  würde 
eine  ausführlichere  erörterung  nöthig  machen  ,  als  uns  hier  ge- 
stattet ist.  Nur  das  eine  mag  noch  angedeutet  sein ,  dass  das 
oben  erwähnte  psephisma  des  Tisamenos  ebenso  wenig  vollstän- 
dig sein  kann,  wie  das  vorausgebende  des  Patrokleides  ;  in  je- 
nem ist  eine  lücke  vor  anhatov  8'  av  ngoads'y,  in  diesem  vor 
nsol  8s  icöv  imysygafxfjievmv  anzusetzen.  Denn  an  der  ächtheit 
des  letztgenannten  decrets  wird  heutzutage  wohl  niemand  mehr 
zweifeln  ;  man  vergleiche  darüber  jetzt  auch  R.  Scholl  im  Her- 
mes VI,  p.  21  dessen  deutungen  ich  freilich  in  keiner  .weise 
folgen  kann. 

J.  H.  L. 

193.  Arnold  Laudahn;  welchen  einfluss  hat  Isaios  auf 
die  demosthenischen  vormundschaftsreden  ausgeübt  ?  Abthei- 
lung I.  Die  prooemien  jener  reden.  4.  Progr.  Hildesheim. 
1872.     12  s. 

Der  vf.  unternimmt  hier,  die  Überlieferung  über  Isaios'  mit- 
betheiligung  bei  der  abfassung  von  Demosthenes'  vormundschafts- 
reden,   daneben   auch    die   über  den  vierjährigen  aufenthalt  des 


342  194.  Lucretius.  Nr.   7. 

lehrers  im  hause  des  schülers  nach  dessen  mündigkeitserklärung 
aus  den  reden  selbst  zu  prüfen  und  zwar  als  falsch  nachzuwei- 
sen. Er  will  auf  dreierlei  sein  augenmerk  richten  :  auf  den  bau 
der  reden,  auf  die  periodenbildung,  endlich  auf  einzelne  dem 
Demosthenes  eigenthümliche  ausdrücke,  Wendungen  und  figuren, 
die  sich  etwa  in  diesen  reden  wiederfinden.  Soweit  nun  des 
vfs.  darlegung  hier  vorliegt ,  hat  er  offenbar  sein  ziel  vollstän- 
dig erreicht:  ausgerüstet  nicht  nur  mit  der  kenntniss  der  ein- 
schlägigen litteratur ,  sondern  vor  allen  dingen  auch  mit  ei- 
nem feinen  verständniss  für  rhetorische  und  stilistische  fragen, 
legt  er  an  den  prooemien  der  reden  mit  genauer  analyse  dar, 
wie  Demosthenes  anfänglich  nur  nach  mustern  seines  lehrers, 
aber  in  einer  ihm  selbst  eigenthümlichen  weise,  die  der  des 
Isaios  noch  sehr  nachsteht,  und  später  mit  voller  Selbständig- 
keit und  mit  schon  entwickelter  kunst  gearbeitet  hat.  Ausser 
den  beiden  prooemien  der  ersten  reden  gegen  Aphobos  und 
gegen  Onetor  wird  noch  drittens  das  der  rede  gegen  Spudias 
zur  vergleichung  mit  herangezogen,  über  welche  der  vf.  Schä- 
fer's  ansieht  theilt,  dass  sie  echt  und  zwar  eine  Jugendarbeit 
des  Demosthenes  sei.  Möge  nur  die  so  sehr  zu  wünschende 
fortsetzung  dieser  trefflichen  Untersuchungen  nicht  zu  lauge  auf 
sich  warten  lassen. 

194.  Syntaxis  Lucretianae  Lineamenta.  Scripsit  Fr.  Guil. 
Holtze.     Lipsiae.    8.     Otto  Holtze.   1868.   —     1   thlr.   4  sgr. 

Ohne  zweifei  war  eine  Lucrez  -  grammatik ,  seitdem  Lach- 
mann dem  grossen  dichter  durch  seine  mustergültige  ausgäbe 
neue  und  zahlreiche  Verehrer  gewonnen,  ein  dankenswerthes 
unternehmen.  Schon  als  beitrag  zu  einer  künftigen  grammatik 
der  lateinischen  dichter  musste  diese  arbeit,  wie  die  früheren 
desselben  verf. ,  willkommen  sein.  Auf  197  seiten  wird  die 
syntaxis  lucretiana  behandelt:  ein  stattlicher  umfang  für  die 
Specialgrammatik  eines  lateinischen  dichters.  Aber  gerade  in 
dieser  ausführlichkeit  liegt  eine  aufforderung  zu  untersuchen,  ob 
die  auswahl  der  gesammelten  stellen  —  denn  darin  besteht  die 
arbeit  hauptsächlich  —  eine  geeignete  ist;  ferner,  ob  alle  für 
einen  dichter  wesentlichen  punkte  berücksichtigt  sind.  Auf  der 
einen  seite  hat  nun  der  verf.  zu  viel  gethan;  denn  gerade  für 
grammatisch  ganz  triviale  und  selbstverständliche  dinge  ist  eine 


Nr.  7.  194.  Lucretius.  ,   343 

ermüdende  und  überflüssige  menge  von  stellen  citirt;  auf  der 
andern  ist  sowohl  in  den  bebandelten  abschnitten  der  gramma- 
tik  mancbes  bemerkenswerte  und  interessante  übergangen  ,  als 
auch  eine  reibe  von  punkten  unberührt  geblieben,  die  man  in 
einer  syntaxis  lucretiana  ungern  vermisst.  Endlich  weist  die 
eintbeilung  der  einzelnen  materien,  namentlich  im  gebrauche  der 
casus,  sowie  die  terminologie  eine  reihe  von  eigenthümlichkeiten 
auf,  die  gewiss  keinen  allgemeinen  beifall  finden  werden.  So- 
weit der  dieser  besprechung  angewiesene  räum  es  gestattet,  mö- 
gen beispiele  und  beweise  für  unsere  behauptungen  folgen. 
Welchen  zweck  hat  es ,  als  beispiele  des  plurals  terrae  rationes 
fortunae  motus  fines  catervae  anzuführen?  (p.  2.  3).  Ueberflüssig, 
weil  der  prosaischen  syntax  entsprechend ,  war  ferner  opus  est 
c.  nom.  p.  3  mit  5  stellen,  die  anführung  von  exire  (5  st.),  procul 
dubio  (5  st.)  und  extorris  c.  abl.,  loco  (3  st.,  p.  8),  hoc  tempore  (9 
stellen,  p.  11),  die  abl.  absoluti  (24  st.,  p.  13),  ablativ  beim  com- 
parativ,  bei  egeo  privo  spolio  compleo  abundo  careo,  dignus  (p.  13 — 
15),  beispiele  für  orior  und  fast  sämmtliche  des  abl.  instrumenti 
(p.  15 — 21),  quare  (p.  21):  die  meisten  beispiele  des  abl.  modi 
(p.  22.  23),  z.  b.  ratione,  modo  und  des  abl.  qualitatis  (p.  28. 
29),  namentlich  mit  esse  verbunden.  Der  accusativus  qualitatis 
umfasst  allein  fünf  Seiten.  Ebenso  ist  unter  den  präpositionen 
eine  menge  von  beispielen  des  gewöhnlichsten  Sprachgebrauchs 
angehäuft,  die  grammatisch  ohne  inteiesse  sind.  Dasselbe  gilt 
von  den  übrigen  abschnitten  des  buches  mehr  oder  weniger. 
So  werden  für  Jiaud  (p.  165.  166)  33  stellen  citirt,  von  denen 
20  abgedruckt  sind.  In  einem  wörterbuche  zu  Lucrez  würde 
dies  vielleicht  am  platze  sein :  für  eine  grammatik  des  dichters 
ist  es  bailast.  Trotz  dieser  übermässigen  ausführlicbkeit  in  ein- 
zelnen abschnitten  ist  manches  übergangen,  was  beachtung  ver- 
diente. Einige  kleine  nachtrage ,  die  auf  Vollständigkeit  nicht 
den  geringsten  anspruch  machen,  mögen  dies  veranschaulichen. 
So  braucht  Lucrez  zu '  Umschreibungen  des  begriffes  (cp.  I,  3, 
p.  1)  ausser  vis  noch  natura  [acpcae  I,  281),  potestas  (aeris  III, 
287),  corporis  atque  animi  (III,  334),  auctus  (arboris  VI,  168 
corporis  II,  482.  V,  1171).  Die  beispiele  zu  vis  sind  unvoll- 
ständig: es  fehlen  IV,  681.  V,  28.  1286.  I,  738.  III,  397.  Zum 
pluralis  ist  zu  bemerken:  p.  2  aeres  IV,  291,  coeli  omnis  II, 
1097,  lumina  =    vita  III,   1025,    silentia,  öfter  sapores,  II,  430, 


344    •  194.  Lucretius.  Nr.  7. 

aestus  III,  1012,  loquellae  I,  39,  contemptus  V,  833.  1278,  adi- 
pesIV,  641. —  Der  poefische  plnral  von  naturgegenständen,  wie 
absinthia  I,  11  und  sonst,  habrotoni,  centaurea  IV,  125,  von  ab- 
stracten,  wie  ortus,  von  orten,  gegenden,  Aussen  u.  s.  w.  [aequora 
ponti,  laeus,  u.  ä.),  wie  überhaupt  der  eigentlich  dichterische  ge- 
brauch dieses  numerus  ist  nicht  angegeben.  —  Beim  nominativ 
(p.  3.  4)  fehlt  satis  esset  causa  profecto  1,  241.  —  Zum  abl.  loci  nach 
eintheilung  des  vf.  fügen  wir:  manat  uberibus  lacteus  umor  1,259, 
abrupti  nubibus  ignes  II,  214:  zum  locativus  p.  8  peeudes  pin- 
gui  per  pabula  laeta  Corpora  deponunt  1 ,  257,  speculis  quaeeun- 
que  apparent  IV,  98.  vrgl.  331.  VI,  1254  casa  iacebant,  VI,  376 
tempestas  coelo  cietur:  zum  abl.  copiae  et  inopiae  p.  14,  der  unter 
der  rubrik  abl.  medii  figurirt:  II,  845  quae  sonitu  sterila  aut 
sueo  ieiuna  feruntur.  —  Der  ablat.  instrumenti  wird  als  zum  abl. 
qualitatis  gehörig  durch  zahllose  beispiele  (allein  für  consto  sind 
neun  beispiele  abgedruckt)  illustrirt ,  und  neben  ihm  erscheint 
der  abl.  prineipii  und  medii.  Schon  unter  dem  abl.  quantitatis 
p.  4  wurde  ein  abl.  prineipii  aufgeführt  und  in  der  that  möchte 
es  schwer  sein,  anzugeben ,  aus  welchem  gründe  exire  finibus, 
erumpere  caelo,  Jundo,  corpore  nicht  unter  dieselbe  kategorie  fal- 
len wie  p.  15  oriri  alienigenis,  exsistere  terra,  denn  in  beiden  fäl- 
len beantwortet  der  ablativ  die  frage:  von  wo?  —  Unter  dem 
abl.  instrumenti  ist  eine  anzahl  von  beispielen  angeführt  die  gar 
nicht  dahin  gehören,  z.  b.  reeubare  corpore  saneto,  minitanti  mur- 
mure  caelum  comprimere,  donare  mit  ablativ,  seminibus  certis  creari, 
—  während  creata  figuris  und  zwei  andere  beispiele  desselben 
verbnm  unter  dem  abl.  originis  angeführt  werden  —  ,  usus  est 
spatio,  opus  est  semine  (vier  beispiele),  semine  certo  crescere,  con- 
stare  mit  abl.;  praeditus,  floreo,  pingui  corpora  deponcre,  coniunetus 
colore,  mulier  coniuneta  viro  u.  s.  w.  Sogar  frui  wird  unter  die- 
sem ablativ  aufgeführt.  Weit  bemerkenswerther  ist  z.  b.  I,  256 
novis  avibus  canunt  silvae,  und  beim  abl.  limitationis  (p.  22) :  II, 
387  ignis  noster  hie  e  lignis  ortu  taedaque  creatus  (die  handschrif- 
ten  geben,  wie  VI,  909,  ortus),  II,  505  daedala  chordis  carmina, 
II,  408  bona  sensibus  et  mala  tactu,  VI,  779  taetn  vitanda  — 
aspectu  fugtenda  saporeque  tristia ,  VI,  1140  exhausit  civibus  ur- 
bem,  IV,  12  47  admiscetur  semine  semen,  wonach  auch  wohl  das 
häufige  admixtum  rebus  inane  zu  beurtheilen  ist.  —  Der  abl. 
modi  und  qualitatis  p.  22  ff.  bringt  zwölf  beispiele  für  hoc  modo, 


Nr.  7.  194.  Lucretius.  345 

oder  modis  und  34  ausgedruckte  für  ratione. —  Mit  dem  ablativ  wie 
mit  dem  accusativ  sind  eine  reihe  von  adverbien  verbunden  quae 
eanclem  hahent  significationem.  So  treffen  wir  unter  dem  abl.  prm- 
cipii  als  einer  unterabtheilung  des  abl.  qualitatis  an:  inde  hinc 
illinc  utrimque  extrinsecus  intrinsecus  penitus  aliunde  deorsum  seorsum, 
und  unter  dem  abl.  habitus  :  qua  hac  extra  supra  ultra  prope 
una;  unter  dem  der  zeit:  dbhinc  deinde  exinde  und  sogar  extemplo ; 
ferner  quando  tunc  tum  nunc;  endlich  unter  dem  abl.  modi  p. 
23  ff. :  ingratis  alte  certe  conseque  longe  und  eine  reihe  anderer, 
sogar  ut,  so  dass  man  sich  erstaunt  fragt ,  wie  diese  adverbien 
in  die  casuslehre  verschlagen  worden  sind.  Dasselbe  gilt  vom 
accusativ.  Doch  genug  über  diesen  punkt:  das  gesagte  wird 
genügen ,  um  unsere  ansieht  zu  begründen ,  dass  sich  gegen 
die  anordnung  des  Stoffes  manches  einwenden  lässt.  —  Zum 
acc.  temporis  war  p.  29  anzuführen:  DI,  907  aetemumque 
Nulla  dies  nobis  merorem  e  pectore  demet,  1 ,  905  ullum  tem- 
pus  celarier:  ferner  der  gebrauch  von  aetatem  =  diutissime; 
auch  zu  p.  30  (acc.  graecus)  ist  zu  bemerken  III ,  568  id  eo 
conclusa  moventur  Sensiferos  motus,  p.  32  wo  unter  dem  accus, 
quantitatis  plötzlich  tarn  auftritt,  fehlt  die  angäbe,  dass  Lu- 
crez  neben   quanto  magis  —    tarn  magis    auch    sagt :     quam  magis 

—  tanto  magis  VI,  460,  auch  magis  ac  magis  III,  546,  so  wie 
minus  et  minus  ib.  547  verdiente  erwähnt  zu  werden.  —  Merk- 
würdig ist  auch  der  accusativ  beim  comparativ  mit  auslassung 
von  quam',  IV,  414:  digitum  non  altior  unum.  —  P.  34  —  38  wo 
vieles  unnöthige  sich  findet  (z.  b.  19  stellen  für  sequi  mit  accu- 
sativ) fehlt  insinuo  mit  acc.  V,  74:  dbuti  mit  acc.  V,  1033,  sonst 
mit  abl.  II,   656.     Auch  VI,   1136  geben   die   handschriften  quod 

—  uti,  was  Lachmann  in  quo  änderte,  ob  mit  recht  ist  um  so 
mehr  fraglich,  als  bekanntlich  auch  Cicero  diese  construetion  ge- 
braucht :   so  Ep.  ad  Attic.  XII,  22  ne  Silius  quidem  quidquam  utitur. 

—  Auch  aeeido  V,  608  'segetes)  bemerken  wir,  wie  ineido  aures  IV, 
568,  wo  Lambin.  vermuthete  aeeidit ;  impendere  mare,  I,  326  saxum 
III,  980,  wie  Lucilius:  quae  res  me  imp endet,  agat-ur;  dann  penetrare 
quasvis  res  IV,  197.  894,  hoc  increpare  alicui  III,  932.  —  Un- 
ter dem  gen.  qualitatis  p.  46  wird  eine  reihe  von  genetiven 
citirt,  die  in  der  that  einfach  nur  die  frage  wessen?  beantwor- 
ten, z.  b.  elementa  rationis,  via  sceleris,  finis  aerumnarum ,  natura 
animin,  ähnliches.    Wir  fügen  einiges  weniger  gewöhnliche  hinzu : 


346  194.  Lucretius.  Nr.  7. 

süvae  ferarum  V,  201,  mortis  timentes  VI,  1239,  verborum  daedalus 
IV,  549,  ne  poenarum  solvendi  tempus  sit  adultum  V,  1224,  quod 
liquimus  eius  IV,  372-  —  P.  49  würde  eine  vollständigere  an- 
gäbe der  neutra  von  adjectiven  mit  dem  genetiv  von  Substan- 
tiven erwünscht  gewesen  sein.  Wir.  vermissen:  prima  virorum 
(ganz  griechisch),  cava  calamorum,  cuncta  viai ,  munita  viai, 
aliena  rogorum ,  vitalia  rerum,  terrai  abdita,  aperta  promptaque 
caeli.  —  Zur  präposition  ab  p.  52  ff.  ist  zu  bemerken,  dass 
bei  Lucrez  der  ablativ.  instrumenti  oft  durch  ab  verstärkt 
wird:  stellen  giebt  schon  Farbiger  in  seinem  index.  —  Bei 
cum  war  der  gebrauch  von  cum  primis  =  imprimis  zu  beachten: 

II,  336.849.  V,  621.  VI,  260;  zu  de,  p.  57  a:  1,  413  fundo  de 
pectore,  cf.  II,  1122.  IV,  397,  zu  p.  59,  c:  II,  390.  791.  975. 
IV,  1214;  de  in  der  bedeutung:  gemäss,  erscheint  V,  155. 
Dort  geben  die  handschriften  tenues  de  corpore  eorum.  —  Ad  (p. 
70—72)  heisst  auch:  in  bezug  auf,  für,  cf.  I,  750.  III,  214. 
397  .  —  P.  74  unter  contra  war  der  pleonastische  gebrauch 
zu  erwähnen:  I,  67.  II,  1043,  IV,  712.  —  Infra  als  präposition 
steht  auch  noch  III,  274,  also  an  zwei  stellen.  Zu  indu  p. 
100  fehlt  die  form  endo,  VI,  890;  unter  den  pronomiuibus 
vermisst  man  das  seltene  correlativ  totus:  VI,  652  nee  tota 
pars,  homo  terrai  quota  totius  unus.  Bei  ut  p.  146  fehlt  die  an- 
gäbe dass  der  temporale  gebrauch  Lucrez  unbekannt  ist,  Lackm. 
p.  363;  quamvis  (p.  147)  scheint  der  verf.  nur  mit  dem  con- 
junetiv  zu  kennen.      Es    hat   bei  Lucrez  den  indicativ  II,  391. 

III,  403.  IV,  426.  679,  denn  man  wird  hier  nicht  überall  sa- 
gen können,  quamvis  beziehe  sich  nur  auf  ein  einzelnes  wort. 
Quianam  (Lachra.  zu  I,  599)  fehlt  ganz.  Das  causale  oder  con- 
cessive  cum  mit  dem  indicativ  (p.  141)  findet  sich  noch  —  diese 
angäbe  wäre  nicht  überflüssig  gewesen  —  II,  29  cum  tarnen  — 
curant ,  III,  107  cum  tarnen  —  laetamur ,  DI,  109.  III,  146 
cum  —  commovet.  Zu  si  (p.  195)  ist  nachtzutragen,  dass  in 
den  conditionalsätzen  der  modus  variirt:  II,  1090  quae  benc 
cognita  si  teneas,  natura  videtur ;  was  allerdings  bei  possc  das  ge- 
wöhnliche ist,  II,  1033.  —  Si  non  mit  eilipse  des  verbums  steht 
I,  174.  203.  Der  modus  bei  si  non  variirt:  I,  515.  II,  40. 
1017.  Unvollständig  ist  p.  119  das  verzeichniss  der  verba 
intran^itiva,  die  Lucrez  transitiv  braucht:  es  fehlen  consistere  vi- 
tam  tutam  VI,   11,   sc  ipsum  indignari  III,  870,    conßigere   semina 


Nr.  7.  194.  Lucretius.  347 

IV,  1216,  induimus  nos  in  fraudem  IV,  817,  mors  manenda  III, 
1075;  vgl.  decurso  lumine  vitae  III,  1042;  tempestas  et  tenebrae 
impensa  miperne  IV ,  491  ,  conventa  primordia  V,  430,  morte 
obita  I;  135.  IV,  734.  So  sagt  Lucilius  sol  oecasus.  Dage- 
gen steht  intransitiv  sistere  IV,  415.  T,  1014.  1055  II,  603, 
nie  transitiv;  parare  II,  643.  V,  1269.  Auch  turbare  ist  intransitiv 
II,  126.  438.  V,  504;  ferner  vibrare  III,  657,  volventia  lustraY, 
931  =se  volventia:  endlich  resolvo  IV,  953.  Ein  passivisch  ge- 
brauchtes deponens  (zu  p.  121)  ist  noch  comitari  hymenaeo  I,  97. 
Auffallend  ist  übrigens  die  Vorliebe  des  dichters  für  die  verba  com- 
posita;  namentlich  mit  rc,  oft  pleonastisch  mit  retro  oder  rursus  ver- 
bunden. Ich  zähle  deren  23.  —  Zum  substantivirten  adjectiv  p. 
152  machen  wir  noch  aufmerksam  auf  I,  164  cidta  ae  deserta,  II, 
488  summa  atque  ima  locans,  transmutans  dextera  laevis  ,  V,  417 
ponti  profunda.  —  Der  Infinitiv  (p.  123  ff.)  als  subject  er- 
scheint ausser  den  von  Lachmann  und  dem  verf.  angeführten 
stellen  noch  II,  122  iactari  —  quäle  sit.  Unter  dem  infinitiv 
als  object  (p.  125 — 128)  ist  eine  menge  unnöthiges  angehäuft 
—  allein   für  cogo  mit  infin.  21    stellen!  — ,    es    fehlt    dagegen 

V,  1186  ergo  perfugium  sibi  Tiabebant  omnia  divis  Tr ädere  et  illo- 
rum  nutu  facere  omnia  flecti,  III ,  239  nil  horum  quoniam  recipit 
quem  posse  creare,  VI,  69  remittis  .  .  .  putare.  —  Doch  wir 
würden  den  uns  gestatteten  räum  überschreiten,  wenn  wir  diese 
nachtrage,  was  nicht  schwer  sein  möchte,  weiter  fortsetzen  woll- 
ten. Hätte  der  verf.  sich  auf  das  wesentliche  beschränkt ,  so 
würde  er  räum  genug  übrig  behalten  haben ,  um  dinge  zu  be- 
sprechen, die  in  einer  dichtergrammatik  nicht  fehlen  dürfen,  z. 
b.  die  substantivirung  der  participien  (e.ventum  medentes  volantes 
venantes  u.  a.),  den  adverbialen  gebrauch  des  adj.  g.  neutrius  (mu- 
tua  vivere  oder  fungi,  crebra  revisere,  acerba  tueri,  longum  morari, 
rectum  fern;  die  von  participien  gebildeten  comparative,  z.  b. 
contractior  V,  570,  cunctantior  HE,  193,  distractior  VI,  392,  do- 
minantior  III,  397.  VI,  238,  superantior  V,  394,  divisior  IV,  958, 
welche  übrigens  auch  die  dissertation  von  Reinh.  Schubert  {de 
Jjucretiana  verborum  formatione  Hai.  Sax.  1865)  unbeachtet  lässt. 
Auf  anwendung  rhetorischer  figuren  z.  b.  der  enallage,  gen- 
tes  liominum  italae,  I,  119  impia  rationis  elementa  I,  81,  verna 
species  diei  I,  10,  Thessaliens  concharum  color  II,  501,  Cerbereae 
canum  facies    IV,   733,,    Nemeaeus    hiatus    leonis  V,  24,    war    zu 


348  195.  Persius  und  Iuvenalis.  Nr.  7. 

achten;  desgleichen  auf  die  anaphora:  vgl.  IV,  1173  etc.;  ferner 
die  bei  Lucrez  besonders  beliebte  anadiplosis,  z.  b.  II,  935  vin- 
cere  saepe,  Vincere ;  so  III,  12.  V,  950.  VI,  528;  ferner  die 
gräcismen  und  manches  andere,  z.  b.  die  sog.  constructio  ad  in- 
tellectum  (I,  351.  IV,  1274.  IV,  60  etc.,  vgl.  auch  I,  238—240. 
III,  184  res,  —  quorum):  alles  dies  wird  man  vergeblich  suchen. 
Wir  erwähnen  noch  die  metaphern,  welche  eine  besondere  Zu- 
sammenstellung verdient  hätten  (zum  beispiel:  arta  claustra 
naturae,  moenla  mundi,  tela  diei,  rnater  certa  rerum,  vada  leti,  fa- 
ces  coeli,  adytum  cordis,  aestus  belli,  fax  und  fluctus  irae ,  lampas 
solis,  fretus  anni,  mucro  =  finis,  navis  corporis,  templum  linguae, 
mentis),  ferner  transitionen,  periodenbau,  und  übergehen  dagegen 
anderes,  wofür  sich  räum  gefunden  haben  würde,  wenn  der  grund- 
satz  befolgt  wäre,  nur  das  zusammenzustellen,  was  dem  Lucrez 
eigenthümlich  ist  oder  von  der  prosaischen  syntax  abweicht. 

Bouterwek. 

195.  Demonstratur  brevi  disputatione,  quid  elocutio  Iu- 
venalis a  Persiana  differat.  Sciipsit  Dr  H.  Wilcke.  4.  Sten- 
dal.  Progr.  1869.     18  s. 

Die  abhandlung  entspricht  insofern  nicht  dem  titel,  als  verf. 
wegen  mangels  an  räum  genöthigt  gewesen  ist,  die  besprechung 
der  eigentlichen  elocutio  für  eine  andere  gelegenheit  aufzuspa- 
ren. Das  geburtsjühr  beider  dichter  und  der  character  ihres 
Zeitalters  werden  zunächst  festgestellt:  Sueton  (Nero  c.  39)  er- 
hält in  seiner  angäbe  über  Nero's  nachsieht  gegen  persönliche 
angriffe  trotz  Tacitus'  entgegenstehender  bemerkung  (Annal. 
XV,  67)  recht.  Wir  können  dieser  ansieht  nicht  beistim- 
men. In  c.  II  folgt  eine  vergleichung  der  persönlichen  Verhält- 
nisse beider  dichter,  wobei  der  einfluss  nachgewiesen  wird,  den 
ihr  leben  auf  den  ton  ihrer  darstellung  geübt  (c.  II).  Hieran 
schliesst  sich  eine  besprechung  ihres  bildungsganges,  ihrer  Stel- 
lung zur  philosophie  und  des  moralischen  gehaltes  ihrer  dich- 
tungen.  Es  wird  ferner  untersucht,  welchen  dichtem  beide  in 
einzelnen  stellen  gefolgt  seien ;  die  erwähnung  des  Sophron 
giebt  veranlassung,  in  diesem  abschnitte  die  kunst  der  characte- 
ristischen  darstellung  von  personen ,  welche  beiden  dichtem  ei- 
gen ist,    zu  beleuchten  (c.  III). 

B. 


Nr.  7.  196.  Sallustius.  349 

196.  Quaestiones  Sallustianae  maxime  ad  librum  Vatica- 
num  3864  spectantes  scripsit  A.  Weinhold  Lipsiensis.  (Aus 
den  Actae  societ.  Eitschl.  I,   2,  p.   183). 

Wenn  auch  Sallust  mit  zu  den  gelesensten  und  am  mei- 
sten herausgegebenen  Schriftstellern  gehört,  so  ist  doch  die 
grundlage,  auf  welcher  der  text  aufgebaut  werden  soll,  noch 
immer  ein  gegenständ  wissenschaftlicher  controverse.  Die  kri- 
tische ausgäbe  von  Dietsch  (1859),  obwohl  an  sich  ein  ver- 
dienstliches unternehmen,  zeigte,  wie  viel  erst  noch  zu  thun  sei: 
der  bailast  von  lesarten  aus  wertlosen  handschriften  —  abge- 
sehen von  den  vielen  Unrichtigkeiten  in  den  angaben  —  er- 
schwerte die  Übersicht,  eine  methodisch  gehandhabte  kritik 
wurde  vermisst.  Dagegen  lieferte  Jordan  in  seiner  textrecognition 
(1866),  die  sich  mit  möglichster  consequenz  an  den  besten  pa- 
riser codex  (Sorb.  500)  als  an  die  relativ  beste  quelle  anschliesst, 
eine  ausgäbe ,  durch  welche  er  sich  die  philologische  weit  zu 
dank  verpflichtete.  Indess  erhob  sich  gegen  die  von  Jordan 
eingeschlagene  methode  Widerspruch,  zunächst  von  seite  des  ref. 
(Aarau  1867),  der,  gestützt  auf  eine  genaue  collation  des  pari- 
ser codex  Sorb.  1576  zu  beweisen  suchte,  dass  dieser  (PI) 
mit  dem  von  Jordan  bevorzugten  (P)  eng  verwandt  sei,  ja  auf 
dieselbe  urhandschrift  zurückgehe,  und  daher  zur  controle  von  P 
herbeizuziehen  sei,  dass  er  eine  reihe  von  lesarten  enthalte,  die 
gegen  P  das  richtige  oder  das  dem  richtigen  näherstehende  ent- 
weder allein  oder  mit  andern  biete.  Jetzt  wird  das  von  Jor- 
dan befolgte  verfahren  durch  die  angeführte  abhandlung  Wein- 
holds  von  anderer  operationsbasis  aus  angefochten.  Bekannt- 
lich giebt  es  eine  classe  Sallusthandschriften,  die  nur  excerpte 
enthält,  die  reden  und  briefe;  ihr  massgebender  repräsentant 
ist  der  Vaticanus  3864  aus  dem  zehnten  Jahrhundert,  zuerst 
durch  Gerlach,  wie  es  scheint,  ans  licht  gezogen,  dann  von  Lin- 
ker (1855)  und  Dietsch  (1859)  bevorzugt  und  verwerthet.  Die- 
ser handschrift  (V)  hat  der  verf. ,  gegenüber  Jordan,  welcher 
sie  als  die  durchcorrigierte  recension  eines  willkürlich  ändernden 
redactors  darstellend  dem  codex  P  nachgesetzt  hat  (Hermes  I, 
231),  deren  autorität  auch  Dietsch  (1867)  preisgegeben,  zu  ih- 
rem rechte  verholfen,  und  wenn  irgend  in  solchen  dingen  ein 
beweis  erbracht  werden  kann,  bewiesen,  dass  V  weit  entfernt,  in 
seinen  eigenthümlichen  lesarten  die  band    eines    bessernden  rhe- 


350  196.  Sallustius.  Nr.  7. 

tors  oder  grammatikers  zu  verrathen,  an  einer  stattlichen  reihe 
von  stellen  allein  das  richtige  bewahrt  habe,  und  dass  durch 
vergleichung  des  von  ihm  gebotenen  mit  der  Überlieferung  an- 
derer handschriften  ein  schluss  auf  die  gewähr  dieser  gezogen 
werden  könne. 

Mit  recht  hält  sich  der  verf.  nur  kurz  dabei  auf,  zu  ver- 
werfen, was  Jordan  zu  schnell  an  die  vermuthung  knüpfte,  dass 
die  allein  in  V  überlieferten  epistulae  Caesarum  zum  Verfasser 
denselben  rhetor  haben ,  der  die  excerpte  aus  Sallust  zusam- 
mengestellt habe,  —  um  sich  auf  den  festen  boden  der  über- 
lieferten lesarten  zu  stellen  und  von  da  aus  die  eigenthümlich- 
keit  und  die  gute  der  handschrift  zu  prüfen.  Zuerst  geht  er  die- 
jenigen stellen  durch,  die  Jordan  seinerseits  als  Zeugnisse  schul- 
mässiger  Umänderung  vorgebracht  hatte  —  Cat.  29,  7.  (52,  1) 
52,35.  lug.  14,12.  24,1.9.  31,  28.  85,  16.  29  — ,  und  weist 
nach,  dass  einige  allein  durch  V  richtig  überliefert  sind ,  dass 
an  andern  zweifelhaft,  ob  die  lesart  von  V  oder  von  P  vorzüg- 
licher, dass  endlich  an  noch  andern  offenbare  fehler,  wie  sie 
selbst  die  besten  handschriften  aufweisen ,  vorliegen ,  nirgends 
aber  die  willkürlich  bessernde  hand  eines  redactors  zu  tage 
trete.  Zu  den  stellen  der  letzten  gattung  möchte  ich  auch  C. 
52,  35 :  intra  moenia  atque  in  sinu  urbis,  rechnen,  im  gegensatz 
zum  verf. ,  der  urbis  nach  V  ausscheidet ;  denn ,  wenn  moenia 
im  gegensatz  zu  sinu  steht,  so  bedeutet  es  nicht  urbs,  für 
welche  bedeutung  zumal  belege  aus  Vergil,  Vitruv,  Florus  ihr 
bedenkliches  haben,  sondern  —  den  durch  die  befestigung  ge- 
bildeten umkreis,  und  kann  also  nicht  moenium  zu  sinu  ergänzt 
werden ;  vielmehr  ist  ebensowohl  die  ergänzung  vou  urbis  zu 
moenia  gefällig  und  leicht,  als  der  ausfall  des  wortes  in  V  mög- 
lich, doch  nicht  aus  absieht  eines  correctors,  sondern  aus  ver- 
sehen des  abschreibers  :  an  sechs  stellen  hat  V  einzelne  Wörter 
ausgelassen. 

Der  zweite  haupttheil  beschäftigt  sich  mit  der  prüfung  der 
von  V  allein  oder  zugleich  mit  andern  mauuscripten  richtig 
überlieferten  stellen;  die  beweisführung  ist  überzeugend,  bündig 
und  erschöpfend,  gestützt  auf  vorurt heilsfreies  und  gesundes 
urtheil,  auf  berücksichtiguug  des  sallustianischeu  Sprachgebrauchs 
und  auf  vollständige  benutzung  der  bezüglichen  litteratur;  man 
müsste  denn  etwa  die  erwähnuug  von  Gerlach's  neuester  arbeit 


i 


tfr.  7.  196.    Sallustius.  351 

vermissen;  aber  einmal  ist  die  abhandlung  schon  seit  bald  zwei 
jahren  verfasst,  andrerseits  wäre  nicht  viel  daraus  zu  holen, 
selbst  nicht  für  die  kenntniss  der  baseler  handschrift,  s.  Euss- 
ner  in  Berl.  Zeitschr.  für  gymn.-wes.  1871.  Die  stellen,  wo  nach 
dem  verf.  V  allein  die  richtige  lesart  enthält,  sind  folgende,  ab- 
gesehen von  orthographischen  kleinigkeiten :  Cat.  20,  2.  6.  15. 
(3  3,  2).  51,  4.  9.  33.  35.  40.  5  2,  2.  18.  35  (s.  oben).  lug. 
10,  2.  14,  1.  3.  9.  11.  12.  18.  2  4,  3  (bis).  31,8.  10.  16. 
18.  19.  25.  85,  2.  11.  14.  23.  24.  26.  30,  (bis).  31.  42;  im 
verein  mit  andern  handschriften:  Cat.  2  0,  10.  16.  3  3,  1  (bis). 
51,4.  5.  15.  21.  43.  52,28.  33.  5  8,  11.  12.  13.  lug.  10,  1. 
14,  11.  21.  39,  17.  28.  85,  3.  13.  17.  26.  29.  34.  40.  Man 
muss  dem  verf.  zugeben ,  dass  er  sorgfältig  und  sparsam  bei 
der  auswahl  dieser  über  60  stellen  verfahren  ist;  nur  in  bezug 
auf  I,  14,  11:  regno  meo  nach  V  erhebe  ich  einspruch;  da  er- 
fordert gerade  der  nachdruck  die  Stellung  meo  regno  mit  PC. 
Ferner  sind  14  stellen  aus  Catilina,  21  aus  Iugurtha,  wo  der  vf. 
nicht  entscheiden  will,  ob  V  allein  oder  mit  andern  gegen  PC  die 
bessere  lesart  habe;  es  genügt  ihm  sie  aufzuzählen;  ebenso  die 
40  stellen,  wo  V  oder  VC  entschieden  falsches  bieten.  In  kei- 
nem fall  aber  findet  sich  eine  stelle,  wo  die  spur  einer  absicht- 
lichen correctur  eines  redactors  nachgewiesen  werden  könnte. 
Im  gegentheil  vertheidigt  der  verf.  beiläufig  an  drei  durch  con- 
jectureu  heimgesuchten  stellen  der  Historien-excerpte  die  autori- 
tät  der  lesart  des  V:  or.  Phil.  10:  agitur  (auch  von  Jordan 
gebilligt),  or.  Lep.  1 :  in  tutandis  periculis,  21  :  praeter  victoriam; 
an  der  letzten  nicht  so  ,  dass  Kritzs'  begründung  seines  prae- 
ter  victor em  widerlegt  wäre. 

Ferner  zieht  der  vf.  die  frage  in  den  kreis  seiner  erörterun- 
gen,  auf  welche  quelle  die  Varianten  am  rande  von  P,  welche, 
wie  schon  Wölfflin  gesehen,  mit  den  V  eigenthümlichen  lesarten 
stimmen,  zurückgehen;  es  wird  nachgewiesen,  dass  sie  nicht 
schon  im  archetypus  von  P  und  PI  gestanden,  denn  in  lezterm 
findet  sich  keine  spur  davon;  sondern  dass  sie  erst  inP  von  zwei- 
ter band  eingetragen  seien,  und  zwar  nicht  aus  V  selbst,  sondern 
aus  einem  demselben  nahe  verwandten  codex.  Endlich  prüft  der 
verf.  die  lesarten  des  nur  einen  theil  der  excerpte  enthalten- 
den Berner-codex  357(53),  um  zu  dem  schluss  zu  kommen,  dass 
er  nicht  aus  V  abgeschrieben,  sondern  aus  einen  aus  demselben 


352  197.  Tacitus.  Nr.  1. 

archetypus   mit  V  geflossenen   handschrift,    und    dass    er   keine 
gewähr  neben  V  beanspruchen   dürfe. 

In  einem  epirnetrum  emendationum  werden  vier  stellen  behan- 
delt, und  können  Cat.  33,  1  und  lug.  97,  5  als  durch  glückliche 
benutzung  geheilt  erklärt  werden  ;  der  vf.  liest  statt  plerique  patriae 
(oder  patria)  sed  ornnes'.  patria  sede  —  expertes;  und  statt  novi- 
que  et  ob:  veteres  novique  ob  ea  scientes  belli.  Ob  dasselbe  von 
den  verinuthungen  zu  Cat.  20,  7 :  strenui  imbellesque,  nobiles  atque 
ignobiles  und  lug.  38,  10:  mortis  metu  maturabantur,  gelten  darf, 
scheint  zweifelhaft  zu  sein :  gegen  imbelles  lässt  sich  dasselbe 
einwenden,  was  der  verf.  gegen  Jordans  boni  malique  mit  recht 
geltend  macht,  es  passe  nicht  in  Catilina's  anrede  an  seine 
genossen,  mit  denen  er  sich  selbst  zusanimeufasst  (omnes  — 
volgus  sumus);  man  wird  sich  bei  der  lesart  von  V  zu  beruhi- 
gen haben:  boni  atque  strenui  nobiles  et  ignobiles;  maturabantur 
endlich  scheint  nicht  das  wort,  das  man  natürlicherweise  hier 
erwartet. 

197.  Cornelii  Taciti  Germania.  Erläutert  von  Dr  Hein- 
rich Schweizer -Siedler.  8.  Halle,  buchhandl.  des  Wai- 
senhauses  1871.  —    15  ngr. 

Schweizer  -  Siedler  gehört  nicht  zu  den  unbedingten  be- 
wunderern  der  Germania.  Er  findet  p.  vin,  dass  der  stil  noch 
nicht  vollendet  ist.  „Neben  änigmatischer  kürze  in  fällen  wo 
wir  uns  sehr  nach  einlässlicherer  darstellung  sehnten,  herrscht 
zuweilen  überfülle  des  ausdruckes,  welchen  man  umsonst  aus 
vorurtheil  mehrbedeutend  zu  machen  sucht,  ja,  wir  läugnen  nicht, 
es  giebt  stellen  in  der  Germania,  wo  das  streben  antithesen  zu 
gestalten  und  rhetorischen  ausdruck  zu  gewinnen  recht  unbe- 
deutende gedanken  zu  tage  fördert". 

Dieser  taclel  trifft  meines  erachtens  die  unrichtige  stelle. 
Sicher  ist  es,  wir  werden  bei  den  wichtigsten  dingen  mit  änigma- 
tischer kürze  abgespeist,  die  zu  der  grösseren  ausführlichkeit, 
zu  den  widerholuogen  bei  minder  wichtigen  dingen  in  Wider- 
spruch steht.  Aber  mit  unrecht  klagt  Schweizer-Siedler  deshalb 
den  stil  des  Tacitus  an:  dieser  mangel  liegt  in  der  anläge  des 
Werkes.  Die  Germania  ist  nicht,  wie  Schweizer-Siedler  p.  vin 
will  „ein  abgeschlossenes  ganze":  sehr  wohl  hätten  mehrere  ca- 
pitel  hinzugefügt  werden  können,  in  denen  z.  b.  die  Versammlung 


Nr.  7.  197.  Tacitus.  353 

des  pagus,  der  unterschied  des  princeps  pagi  und  des  princeps 
civitatis  u.  s.  f.  geschildert  wäre.  Auch  sind  die  einzelnen  theile 
nicht  ,, innig  unter  sich  verbunden'',  sondern  äusserlich.  Denn 
es  ist  eine  sehr  äusserliche  Verbindung,  wenn  ein  ausdruck,  der 
gebraucht  ist  bei  der  darstellung  des  ersten  gegenständes,  die 
wähl  des  folgenden  veranlasst,  es  sei  denn  dass  eine  sachliche 
Ordnung  die  grundlage  bildet.  Aber  diese  sachliche  Ordnung 
fehlt  bei  Tacitus,  schon  die  inhaltsübersicht,  welche  Schweizer- 
Siedler  p.  XII,  xin  giebt,  lehrt  dies.  Die  Schilderung  des  Pri- 
vatlebens soll  c.  16  beginnen  bis  c.  17  und  c.  5  bringt  gerade 
hierfür  die  wesentlichsten  züge.  Cp.  6 — 15  soll  das  öffentliche 
leben  umfassen,  aber  blutrache,  Stellung  der  sclaven,  feldgemein- 
schaft  steht  c.  21.  25.   26. 

Dies  alles  lässt  sich  erklären ,  wenn  man  ausspricht ,  dass 
die  Germania  keine  staatswissenschaftliche  abhandlung  ist,  dass  sie 
keine  vollständige,  keine  zusammenhängende  darstellung  der  recht- 
lichen, wirthschaftlichen,  staatlichen  und  gesellschaftlichen  zustände 
Deutschlands  giebt.  Tacitus  besass  ohne  zweifei  eine  grosse  an- 
zahl  vortrefflicher  einzelbeobachtungen  über  Deutschland,  die 
neuere  forschung  hat  das  wiederholt  bestätigt,  vgl.  Sohm  frän- 
kische reichs-  und  gerichtsverfassung  p.552  anm.  19  ende.  Aber 
abgesehen  von  dem  häuslichen  leben  hat  er  sich  aus  denselben 
nicht  einmal  selbst  ein  zusammenhängendes  bild  entworfen ,  ge- 
schweige denn  dass  wir  es  aus  ihm  gewinnen  könnten. 

Tacitus  ist  auch  in  dieser  schritt  redner  und  nicht  geschichts- 
forscher.  Die  einzelne  thatsache  berührt  sein  gemüth  und  den 
so  erregten  gefühlen  ausdruck  zu  leihen  ist  ihm  die  vorzüglich- 
ste aufgäbe.  Und  dies  gemüth  ist  krankhaft  erregt,  über  die 
zustände  Korns  ist  er  so  hoffnungslos  betrübt ,  dass  er  in  dem 
schlusscapitel  die  rohheit,  ja  die  thierische  Stumpfheit  der  Fin- 
nen, die  auf  bäumen  hausen,  mit  den  worten  preist:  sed  beatius 
arbitrantur  quam  ingemere  agris,  illaborare  domibus,  suas  alienasque 
fortunas  spe  metuque  versare  securi  adversus  homines,  securi  adversus 
deos  rem  difficillimam  assecuti  sunt,  ut  Ulis  ne  voto  quidem  opus  sit. 

Dies  musste  gerade  in  einer  Schulausgabe  mit  aller  schärfe 

betont  werden;    denn    wenn    man    ein    werk   in  der  schule  liest, 

so  ist  es  doch  die    aufgäbe    des    lehrers ,    zu  sorgen ,    dass    die 

schüler  sich  eine  deutliche  Vorstellung    von    dem    gelesenen  ma- 

Philol.  Anz.  IV.  23 


354  197.  Tacitus.  tfr.  1. 

chen    und    wenn    die   schrift  keine  deutlichen    Vorstellungen    ge- 
währt, zu  zeigen  wo   der  mangel  liegt. 

Jeder  lehrer  aber,  dessen  fachstudien  die  Untersuchungen 
über  den  altdeutschen  staat  ferner  liegen,  wird  sich  von  dem  herr- 
schenden vorurtbeil  als  biete  die  Germania  eine  vollständige  darstel- 
lung  der  wichtigsten  lebensordnungen  nur  schwer  losmachen. 
Und  doch  gestaltet  sich  der  eine  das  bild  des  princeps,  des  rex, 
des  adels,  der  wehrhaftmachung,  der  gefolgschaft,  des  ackerbaus 
u.  s.  w.  so,  der  andere  so. 

Die  rechtlichen  Verhältnisse  des  grundbesitzes  z.  b.  und  die 
art  der  bestellung  behandelt  Tacitus  in  3V2  reihen  und  zwar 
im  anschluss  an  den  satz,  dass  wucher  bei  den  Deutschen  un- 
bekannt sei  und  deshalb  völliger  unterbleibe  als  wenn  er  ver- 
boten wäre.  Diese  bemerkung  ist  nicht  so  thöricht,  wie  sie 
scheint ,  sie  ist  ein  ausdruck  der  klage :  in  Rom  hilft  kein  ge- 
setz  gegen  den  wucher.  Aber  freilich  ist  diese  klage  hier  um 
so  störender  als  niemand ,  der  das  fünfte  capitel  der  Germania 
gelesen  hatte,  auf  den  gedauken  kommen  konnte,  Wucherer  in 
Deutschland  zu  suchen.  Hierfür  hat  Tacitus  platz,  die  Ordnung 
des  grundbesitzes  berührt  er  dagegen  so  kurz ,  dass  man  ihn 
nicht  versteht.  Ferner:  c.  27  spricht  von  den  belustigungen 
der  Deutschen,  erst  von  dem  tollkühnen  waffentauz ,  dann  von 
dem  tollkühnen  spiel,  bei  dem  sie  zuletzt  die  eigene  freiheit 
auf  den  wurf  des  würfeis  setzen.  Die  erwähnung  der  so  in 
sclaverei  verfallenen  führt  zur  Schilderung  der  läge  der  sclaven 
überhaupt  und  dann  weiter  zu  der  der  freigelassenen.  Mit  ei- 
nem wort:  fast  alles  was  Tacitus  von  den  Standesverhältnissen 
der  Deutschen  sagt,  wird  erwähnt  an  dieser  stelle,  in  gelegent- 
licher bemerkung  auf  die  das  Würfelspiel  geführt  hatte. 

Aus  der  einleitung  hebe  ich  noch  hervor,  dass  Schweizer- 
Siedler  in  der  übersieht  der  taciteischen  Schriften  den  Dialogus 
dem  Tacitus  zuschreibt  „weil  kein  anderer  gleichzeitiger  Schrift- 
steller zu  einer  so  tiefsinnigen  und  feinen  compositiou  befähigt 
gewesen  wäre".  Das  ist  ein  ganz  unbrauchbares  argumentum  ex 
süentio.  Ueber  die  lieder  der  Suleika  würde  mau  vielleicht  das- 
selbe gesagt  haben,  wenn  es  bezweifelt  wäre,  dass  Goethe  der 
Verfasser  sei,  ehe  die  dichterin  bekauut  wurde.  Man  begnüge 
sich  zu  sagen,  dass  man  die  gründe,    durch    welche  die  gegner 


Nr.  7.  197.  Tacitus.  355 

dem  Tacitus  den  dialogus  absprechen,  nicht  für  überzeugend 
halte. 

Kann  ich  mich  so  mit  der  einleitung  nicht  einverstanden 
erklären,  so  erkenne  ich  um  so  freudiger  an ,  dass  die  ausgäbe 
selbst  eine  reiche  fülle  von  belehrenden  anmerkungen  bietet. 
Der  verf.  hat  sich  offenbar  mit  dem  deutschen  und  weiter  noch 
mit  dem  indogermanischen  alterthum  eingehend  beschäftigt.  Am 
sichersten  bewegt  er  sich  in  der  sage,  sitte  und  poesie  der 
Deutschen.  Für  die  sprachvergleichenden  bemerkungen  erbat 
ich  mir  das  urtheil  meines  freundes  Fick;  den  meisten  erklä- 
rungen  stimmt  er  zu,  einigen  nicht.  Bedenklich  scheint  ihm  z.  b. 
franca  von  framea  abzuleiten,  falsch  c.  23  a.  3  wo  Schweizer- 
Siedler  bestreitet,  dass  der  becher  sticklos  genannt  ward,  weil 
die  ältesten  becher  die  spitzen  hörner  waren,  s.  Fick  in  Kuhns 
Ztschr.  XX,  p.  360. 

In  dem  streit  der  ansichten  über  den  altdeutschen  staat 
scheint  der  vf.  dagegen  keine  selbständige  Stellung  gewonnen  zu 
haben.  Denn  im  c.  XIII  liest  Schweizer-Siedler  principis  dignitatem 
statt  dignationem  und  erklärt  „würde  des  pi-inceps",  während  der  Zu- 
sammenhang fordert,  dass  diese  adolescentuli  in  das  gefolge  ein- 
treten. Schweizer-Siedler  fühlt  den  Widerspruch,  dass  die  ado- 
lescentuli das  gaugericht  leiten  sollen  und  erklärt,  es  sei  nur  die 
anwartschaft  auf  die  Stellung  des  princeps  ertheilt  —  aber  1) 
sagt  Tacitus  das  nicht,  2)  ist  dies  mit  den  bewegten  zuständen 
jener  tage  schwer  vereinbar.  Ist  dignitas  zu  lesen,  so  ent- 
schliesse  man  sich  zu  sagen,  dass  Tacitus  sich  hier  ver- 
wirrt. —  Nicht  glücklich  scheint  mir  c.  VIII  nubiles  statt  nobiles. 
Die  wehrhaftmachung  wird  irriger  weise  dem  ritterschlag  ver- 
glichen ,  s.  meine  abhaudlung :  wehrhaftmachung  kein  ritter- 
schlag im  Philol.  bd.  XXXI  (1871),  p.  490—510. 

Ganz  unglücklich  ist,  was  vf.  c.  13  a.  14  aus  Müllenhoff  auf- 
nimmt. Asdingi,  der  name  des  vandalischen  köuigsgeschiechts 
wird  gleichgesetzt  dem  goth.  Razdiggüs  und  soll  deshalb  bedeu- 
ten männer  mit  frauenhaar.  Weil  nun  c.  43  bei  den  Nahanar- 
valen  ein  sacerdos  muliebri  ornatu  erwähnt  wird,  so  soll  dies 
ein  priester  mit  frauenhaar  und  deshalb  aus  dem  geschlecht 
der  Asdinge  sein.  Dieses  spielen  mit  möglichkeiten  richtet  sich 
selbst  —  aber  auch  die  erklärung  Asdinge  =  männer  mit  frauen- 
haar ist  bedenklich.     Jord.  XXII  erklärt  guae  (Asdingorum  stirpsj 

23* 


356  198.  Griechische  literaturgeschichte.  Nr.  7. 

genus  indicat  bellicosissimum  und  Asdingi  ist  zugleich  name  des 
volks,  s.  Jord.  c.  XVI.  Doch  im  einzelnen  wird  jeder  an  jeder 
ausgäbe  manches  anders  wünschen  —  im  ganzen  bietet  diese 
ausgäbe  ein  willkommenes  hülfsmittel  für  das  verständniss  der 
Germania. 

Georg  Kaufmann, 

198.  Histoire  de  la  litterature  grecque ,  par  Emile  Bur- 
nouf,  directeur  de  l'ecole  francaise  d'Athenes.  8.  Paris  1859. 
2  bände,  400.  476  s.   —     2  thlr.  10  gr. 

Wie  schon  aus  dem  umfange  dieses  werks  ersichtlich,  ent- 
hält dasselbe  nicht  etwa  eiuzelforschungen  über  das  gesammte 
ungeheure  gebiet  der  griechischen  litteratur ,  sondern  lediglich 
eine  übersichtliche,  manchmal  mehr,  manchmal  weniger  ausführ- 
liche darstellung  ihres  entwickelungsganges,  ohne  allen  gelehr- 
ten apparat  und  mehr  für  laien  und  lernende  als  für  fachge- 
nossen geschrieben.  Der  vf.  hat  eine  angenehme  form  der 
darstellung ,  einen  gebildeten  geschmack  und  geistreiche  ge- 
danken  in  fülle;  dazu  kennt  er  den  klassischen  boden  und  seine 
denkmäler  überall  aus  eigener  anschauung  und  weiss  diese 
kenntniss  an  geeigneter  stelle  trefflich  zu  verwerthen.  Daher 
kann  auch  der  philologe  manche  partien  dieser  literaturgeschichte 
mit  vergnügen  und  mit  interesse  lesen;  wer  allerdings  nicht 
blosse  anregung,  sondern  gründliche  belehrung  sucht,  der  hat 
sich  an  andre,  auf  tiefere  Studien  gegründete  darstellungen  zu 
halten.  Wiewohl  Burnouf  manche  nichtfranzösiche  und  beson- 
ders auch  deutsche  werke  kennt  und  benutzt,  vor  allem  die 
litteraturgeschichte  von  0.  Müller,  so  ist  doch  im  ganzen  seine 
bekanntschaft  mit  der  einschlägigen  litteratur  sehr  lückenhaft  und 
ungenügend;  auch  seine  sprachlichen  kenntnisse  reichen  nicht  über- 
all zu,  und  es  kann  ihm  begegnen,  in  dem  alkmanischen  fragment 
75  Bgk.  eoqxE  (f's'-jpe)  mit  ü  a  envoye"  und  aüXlttv  (wegen  saliret) 
mit  danser  zu  übersetzen,  wie  er  denn  auch  den  namen  dieses  dich- 
ters  '/4Xxinh>o<:  schreibt  und  folglich  Alcmane  wiedergiebt.  Vollends 
in  metrischen  Sachen  theilt  er  ganz  und  gar  die  bekanute  schwä- 
che seiner  landsleute  :  nach  seiner  meinung  giebt  es  in  den  me- 
lischen  gedichten  und  in  den  dramatischen  chören  keiue  proso- 
dische  messung  (memre  prosodique) ,  sondern  nur  „rbythmen" 
(d,  i.  wohl  zeilen  von  bestimmter  silbeuzahl),    und    wo  er  lyri- 


Nr.  7.  198.  Griechische  literaturgeschichte.  357 

sehe  verse  in  musik  setzt  (z.  b.  I,  p.305),  ist  er  im  stände  ein  wort 
wie  OiÖCnov  mit  zwei  viertel  -  und  einer  achtelnote  zu  bezeich- 
nen. Dieser  mangel  an  gründlichem  Studium  muss  denn  im 
einzelnen  zahlreiche  verkehrte  ansichten  und  schiefe  auffassun- 
geu  zur  folge  haben.  So  stellt  er  sich  zur  homerischen  frage 
so,  dass  er  zwar  die  Odyssee  als  einheitliches  kunstwerk  eines 
einzelnen  dichters,  als  xotquet,  die  Iliade  dagegen  lediglich  als  ag- 
gregat  von  liedern  ansieht ,  welchem  jede  einheit  ausser  der 
chronologischen  mangle  und  welches  ohne  nachtheil  eines  be- 
liebig früheren  anfangs  und  einer  beliebigen  fortsetzung  fähig 
sei;  diese  lieder  aber  zeigen  nach  ihm  manchmal  eine  solche  na- 
turwahrheit  der  darstellung,  dass  sie  auf  augenzeugen  der  troi- 
schen  kämpfe  zurückzugehen  scheinen.  Er  kennt  Wolf  und 
erwähnt  ihn;  Lachmann  dagegen  und  die  ganze  spätere  Homer- 
forschung scheint  ihm  völlig  fremd  zu  sein. 

Aehnlicb  verhält  es  sich  auch  mit  der  grundidee  des  gan- 
zen werkes,  der  wir  noch  einige  worte  widmen  müssen.  Aus- 
gehend von  dem  angeblich  empirisch  festgestellten  satze,  dass  nur 
verwandte  racen  auf  einander  dauernd  einwirken  könnten,  leug- 
net er  jede  wesentliche  beeinflussung  der  Hellenen  durch  Aegyp- 
ter  oder  Semiten,  behauptet  dagegen,  neben  dem  ursprünglichen 
zusammenhange  mit  Persern  und  Indern,  auch  einen  fortgesetz- 
ten nie  unterbrochenen  einfluss  derselben,  der  nach  der  abtreu- 
nung  der  Hellenen  anfänglich  mehr  und  mehr  abnimmt,  bis  zur 
epoche  des  Perikles,  dann  aber  wiederum  sich  steigert  und  am 
ende,  vermöge  des  mit  den  altarischen  lehren  wesentlich  iden- 
tischen christenthums,  die  eigenthümlich  hellenische  bildung  völ- 
lig erdrückt.  Diese  theorie  ist  a  priori  aufgestellt  und  wird  nach- 
her im  einzelnen  nur  äusserst  mangelhaft  begründet:  die  ablei- 
tung  des  namens  Tlvd-ayogag  von  buddhaguru  (buddhistischer  mis- 
sionar)  ist  dem  Verfasser  selber  zweifelhaft,  und  bei  Piaton  be- 
hauptet er  kurzweg,  dass  derselbe  in  Aegypten,  welches  da- 
mals in  den  höheren  ständen  längst  persische  bildung  gehabt, 
diese  und  nicht  etwa  die  altägyptische  kennen  gelernt  hätte, 
und  dass  kein  grund  sei  die  Überlieferung  des  alterthums(?) 
zu  verwerfen,  wonach  Piaton  auch  Persien  selber  besucht.  Wei- 
tere schüler  des  Zoroaster  sind  die  stoiker  mit  ihrer  lehre  vom 
künstlichen  feuer;  dann  kommen  Philon,  Hermes  Trismegistos 
(Hermes  =  Krishna?),  die  Evangelisten  und  der  hirt  des  Her- 


358  200.  Römische  geschichte.  Nr.  7. 

mas;  und  am  ende  Gnostiker,  die  Neuplatoniker  und  Kirchen- 
väter. Der  aufgäbe  diese  theorie  zu  beweisen  ist  Burnouf  of- 
fenbar nicht  gewachsen, 

B. 

199.  Untersuchungen  zur  geschichte  des  kaisers  L.  Septi- 
mius  Severus  und  seiner  dynastie.  Von  Dr  J.  Höfner,  pri- 
vatdocenten  an  der  Universität  Giessen.  I.  bd.  1.  abtheilung. 
8.     Giessen  1872.  —     20  gr. 

Diese  Untersuchungen  sollen  nach  der  vorrede  die  basis 
bilden,  auf  welcher  der  Verfasser  die  geschichte  des  Septimius 
Severus  und  seiner  nächsten  nachfolger  aufzubauen  gedenkt. 
Abschnitt  I — V  geben  eine  Charakteristik  der  quellen,  abschnitt 
VI  enthält  eine  kritische  prüfung  der  nachrichten  über  das  le- 
ben des  Septimius  Severus  bis  zu  seiner  thronbesteigung  1.  juni 
193  nach  Chr. 

Wenn  gleich  eine  durch  kritische  erörterungen  nicht  unter- 
brochene darstellung  wünschenswerther  gewesen  wäre,  so  geben 
doch  diese  ins  kleinste  detail  eingehenden  Untersuchungen  an 
einigen  punkten  eine  genauere  feststellung  der  thatsachen  und 
haben  wegen  der  kritischen  Untersuchungen  über  den  Zusam- 
menhang und  die  abhängigkeit  der  quellen  werth. 

Es  sei  erlaubt  einige  ausstellungen  und  wünsche  mitzuthei- 
len.  Bei  der  beurtheilung  der  „denkwürdigkeiten  des  Severus" 
hat  vrf.  die  tendenz  dieser  schritt  scharf  genug  hervorgehoben. 
Zwei  Überlieferungen  charakterisiren  sie  uns  hinreichend :  zu- 
nächst die  nachricht,  dass  der  kaiser  in  seine  autobiographie 
die  prodigien  und  Vorzeichen  aufgenommen  habe ,  welche  seine 
erhebung  zum  kaiser  voraus  verkündigt,  und  dann  die  darstel- 
lung seines  Verhältnisses  zu  den  gegenkaisern  Pescennius  Niger 
und  Clodius  Albinus.  Es  ist  bemerkenswerth,  dass  schon  der 
Senator  Cassius  Dio  ein  von  Sever  mit  vielem  bei  fall  aufgenom- 
menes büchlein  über  diese  wunderzeichen  herausgegeben  hatte. 
Der  Senator  wie  der  kaiser  selbst  konnten  offenbar  hierbei  nur 
die  absieht  haben,  allgemein  im  volke  den  glauben  zu  verbrei- 
ten, dass  Severus  von  den  göttern  nach  so  gewaltigen  katastro- 
phen  als  retter  des  kaiserreichs  berufen  sei.  Die  darstellung 
seines  Verhältnisses  zu  den  gegenkaisern,  welche  als  undankbare, 
dann  als  unfähige    und    schlechte  menschen  geschildert  werden, 


Nr.  7.  199.  Komische  geschichte,  359 

lässt  deutlich  die  absieht  durchblicken,  die  perfide  politik  gegen 
Albinus  zu  vertuschen,  die  harte  und  grausamkeit  gegen  beide 
gegner,  deren  familien  und  anhänger  zu  entschuldigen  und  zu 
rechtfertigen,  endlich  die  energische  Wandlung  in  seiner  Stellung 
zum  Senate  zu  begründen.  Die  denkwürdigkeiten  sind  also 
eine  rechtfertigung  seiner  ersten  regierungshandlungen.  Die 
scharfe  hervorhebung  dieses  Charakters  der  schrift  ist  für  die 
kritik  im  einzelnen,  wie  für  die  gesammtauffassung  der  ersten 
regierungsjahre   Sever's  von  wesentlicher  bedeutung. 

Endlich  hat  der  Verfasser  eine  für  die  denkwürdigkeiten 
des  Severus  wichtige  stelle  im  Herodian  übersehen,  II,  15.  6 
ed.  Becker.:  rt/g  /<£»•  ovr  o8oinogiag  rovg  aTuOuovg  xai  ra  xaö' 
sxdaT)]r  noXiv  avTw  Xsy&tvta  y.ui.  aijusla  &sCa  ngovoia  dö^uvTa 
aoXXdxig  qr«3-/J;«/;  #<»£>£«  ts  BKaara  xai  nugaru^eig  xal  rov  jcov 
attariQoa&sv  nsaovtcov  ugi&pov  GzguTtcozäv  iv  tatg  (iu^aig,  lato- 
giag  TS  jroXkot  avyyoaqislg  x)   y.al  noirjTai  (tsrgcov   tzXutvtsqov   avi- 

STuht  V  ,      V  71  6  &  S  6  I  V     71010V  [iE  f  Ol     TT  Ct  O  t]  $    T  7]  $    77  Q  d  f  (l  «  7  S  tu.  Q 

7  o  »•  JZsovtjQov  ßCov.  Wenn  auch  Herodian  unmittelbar  dar- 
auf sagt:  suoi  8s  GHonog  vnagysi  stwv  sßdofiTjKOrza  nga^eig  noX- 
Xäv  ßaaiXscov  avvtd^avTi  ygriipm  ag  avtog  olda,  so  ist  doch 
unzweifelhaft  anzunehmen,  dass  er  die  genannten  Schriften  und 
denkwürdigkeiten  des  Severus  gekannt  und  benutzt  hat  und 
dass  die  genaue  bekanntschaft  mit  den  orientalischen  Verhältnis- 
sen während  des  feldzuges  gegen  Niger  nicht  persönlicher  er- 
fahrung,   sondern  eben  diesen  quellen  zuzuschreiben  ist. 

In  des  verf.  beurtheilung  des  Marius  Maximus  gegen  Mül- 
ler in  Büdinger's  Forschungen  muss  man  einstimmen.  Dagegen 
hätte  bei  der  beurtheilung  des  Cassius  Dio  viel  mehr,  als  das 
bisher  geschehen,  seine  Stellung  als  parteimann  in's  äuge  ge- 
fasst  werden  müssen. 

Cassius  Dio  hat  in  seiner  rede,  welche  er  den  Mäcenas  an 
Octavian  halten  lässt,  die  grundsätze  auseinandergesetzt,  welche 
ihm  für  das  kaisertkum  als  die  richtigen  und  einzig  erspriess- 
lichen  erschienen.  Bei  aller  rücksichtnahme  auf  die  faktische 
autokratie  der  kaiser  steht  er  niemals  an,    die  rechte  des  sena- 

1)  Zu  diesen  ist  auch  wohl  der  sophist  Antipater  aus  Hieropolis 
Talg  ßatiilsicus  imoroXcäg  innny^slg  (Galen.  Theriac.  II,  p.  458)  und  er- 
zieher  der  söhne  des  Severus  zu  zählen,  welcher  nach  Philostratus  (Vit. 
sophist.  II,  n.  24)  eine  geschichte  des  Severus  schrieb. 


360  200.  Römische  antiquitäten.  Nr.  7. 

tes,  als  des  legitimen  Vertreters  des  römischen  volkes  mit  aller 
energie  zu  vertheidigen.  Eine  aufmerksame  beobachtung  wird 
den  strengsenatorischen  Standpunkt  fast  überall  in  der  beurthei- 
lung  der  einzelnen  kaiser  herausfinden.  In  der  beurtheilung  des 
Septimius  Severus  zeigt  sich  dieser  Standpunkt  deutlich  in  dem 
Wechsel  der  gesinnung ,  welchen  des  Sever  veränderte  politik 
gegen  den  senat  hervorgerufen.  Gerade  die  schriftstellerische 
thätigkeit  Dio's,  welche  anfangs  im  interesse  des  neuen  kaisers 
sich  bewegte  und  sein  später  modifizirtes  urtheil  über  ihn  hätte 
den  Verfasser  dazu  führen  müssen,  diese  politische  Stellung  des 
historikers  und  Senators  zu  fixiren  und  ihren  einfluss  auf  seine 
auffassung  und  darstellung  zu  untersuchen. 

Dr  J.    W.  Schulte. 

200.  Caroli  Nipperdeii  variarum  observationum  an- 
tiquitatis  Romanae  caput  II.  (Index  scholarum  aestiv.  in  univ. 
litt.  Ienensi  — ,  habendarum).     4.      1872. 

Wir  greifen,  anschliessend  an  die  besprechung  von  Weinholds 
arbeit  über  die  vaticanische  Sallusthandschrift  (s.  ob.  p.  349)  aus 
Nipperdey's  Observationes  zunächst  das  heraus,  was  über  Sallust 
handelt.  Der  verdiente  herausgeber  des  Nepos  und  des  Tacitus, 
der  seit  zwanzig  jähren  über  Sallust  liest,  erklärt  sich  ebenfalls 
gegen  Jordan's  versuch  den  text  Sallusts  hauptsächlich  nach 
Par.  500  festzustellen,  und  empfiehlt  einen  methodischen  eclec- 
ticismus,  in  der  weise,  dass  aus  dieser  und  den  andern  an  gute 
ihr  gleich  —  oder  nahekommenden  büchern  der  familie  die 
lesungen  ihres  archetypus  hergestellt  werden;  als  solche  gute  hand- 
schriften  bezeichnet  er  den  Par.  1576,  den  von  Havercamp 
benutzten  Leidensis  L,  den  Nazarianus  (oder  Palatinus  I)  Gru- 
ters  —  jener  von  Dietsch  nicht  benutzt,  s.  krit.  ausg.  I,  p.  10 
anm.  2,  dieser  wohl  in  Rom  verborgen,  vgl.  Jordan  im  Hermes 
III,  461  mit  I,  240  — ,  den  etwas  schlechtem  Basler  (I),  fer- 
ner die  vom  einsiedler,  wolfenbiittler  (V,  nach  Corte)  und  dem 
Commelinianus  gebildete  gruppe.  In  Würdigung  des  Vatica- 
nus  theilt  der  verf.  Jordan's  ansieht:  deteriorem  cum  esse  altera 
optima  familia,  sed  qui  complura  vera  solus  servavent  et,  cum  non 
ex  eodem  codice  ortus  sit  atque  ii,  quos  supra  nominavi,  in  dissensu 
horum  magnum  pondus  addat  ei  parti,  quacum  consentit,  nisi  hoc 
casui  aut  consilio,    in    quod    pluribus   ineidere  proelive   fuit  tribuen- 


Nr.  7.  200.  Römische  antiquitäten.  361 

dum  esse  probabüe  sit.  Dies  die  ohne  weitere  beweise  aufgestellte 
ansieht  Nipperdey's  über  den  werth  der  handschriften  Sallusts. 
Im  weitern  vindicirt  der  verf.  der  schritt  über  Catilina  auf 
grund  der  handschrift  P  den  titel  bellum  Catilinae,  in  Überein- 
stimmung mit  Quint.  I.  Or.  III,  8,  9.  Zu  Cat.  10,  3  empfiehlt 
er  folgende  lesungen :  igitur  primo  imperii,  deinde  peeuniae  cupido 
crevit ,  eae  quasi  materies  omnium  malorum  fuere,  die  Umstellung 
mit  rücksicht  auf  11,  1,  die  Änderung  von  ea ,  weil  singularem 
non  admittit  fuere,  neutrum  pluralis  attractionis  lex,  quae  pronomen 
aut  ad  cupidines  imperii  et  peeuniae  aut  ad  materies  aecomo- 
dari  iubet.  Die  letztere  wird  widerlegt  durch  den  Sallustiani- 
schen  Sprachgebrauch ,  s.  Badstiibner  de  Sali,  dicendi  genere, 
Berlin,  1863,  p.  5;  die  erstere  durch  folgende  auslegung :  durch 
den  satz  10,  3  wird  bezeichnet  die  zeitliche  folge,  in  der 
geldgier  und  herrschgier  eingerissen,  durch  den  satz  11,  1,  dass 
nach  dem  einreissen  beider  (10,  6  haec  primo  paulatim  crescere) 
die  ambitio  zuerst  intensiver  wirkte  als  die  avaritia.  Zu  den 
gegen  Linkers  Versetzung  von  Cat.  28,  4  —  31,  4  nach  27, 
2  geltend  gemachten  gründen  fügt  der  verf.  noch  einen  neuen  : 
gegen  sie  spreche,  dass  27,  4  docet  se  praemisisse  etc.  nach  30,  1 
gelesen  werde,  wo  vom  publikwerden  der  erhebung  des  Manlius 
die  rede  ist.  Ebenso  wendet  sich  der  verf.  gegen  Mommsen's 
(Hermes  I,  p.  430)  von  Jordan  gebilligte  conjeetur  zu  lug.  43,  1 
consides  de  senatus  sententia  statt  designati,  da  das  folgende  :  is 
ubi  primum  rnagistratum  ingressus  est  etc.  zeige,  dass  Sallust  zwi- 
schen dem,  was  vor  dem  amtsantritt  und  nach  demselben  ge- 
schehen, unterscheide.  Dieser  einwand  ist  triftig  genug;  frei- 
lich wird  so  die  annähme  unabweislich ,  dass  Sallust  eine  be- 
denklich verwirrte  erzählung  giebt,  insofern  die  consuln  in  ih- 
rem amtsjahr  selbst  gewählt  (37,  2.  44,  3)  „nicht  erst  designati 
werden,  sondern  extemplo  antreten"  (Mommsen  1.  c).  Aber  es 
scheint  dieser  irrthum  mit  dem  andern  ebenfalls  von  Momm- 
sen aufgedeckten  und  nur  allzusehr  beschönigten  irrthum  in 
Wechselbeziehung  zu  stehen ,  dass  nämlich  Sallust  (39,  2.  4) 
den  Albinus  noch  im  jähre  645/109  als  consul  fortamtiren 
lässt. 

Ein  anderer  theil  der  observationes  Nipperdey's  giebt  Zu- 
sätze zu  seiner  schritt,  über  „die  leges  annales  der  römischen,  re- 
publik"   in   bezug    auf   das    Staatsrecht  in  der  kaiserzeit.       Per 


362  200.  Römische  antiquitäten.  Nr.  7. 

erste  punkt  betrifft  die  qualification  für  die  quaestur;  aus  in- 
schriften  und  Schriftstellern  ,  besonders  Tacitus  wird  nachgewie- 
sen, dass  für  die  bekleidung  der  quästur,  abgesehen  von  der  al- 
tersgrenze  von  25  jähren,  nothwendige  Vorbedingung  gewesen 
die  bekleidung  des  vigintivirats  oder  seltener  einer  militäri- 
schen charge,  und  zwar  gewöhnlich  des  tribunats;  dass  aber  häufig 
genug  vor  der  quästur  sowohl  vigintivirat  als  auch  eine  militäri- 
sche charge,  und  zwar  gewöhnlich  jener  vor  dieser,  bekleidet 
worden.  In  bezug  auf  die  qualification  für  die  praetur  nimmt 
der  verf.,  wiederum  ausgehend  von  einer  anzahl  inschriften,  an, 
dass  das  Augusteische  gesetz  ,  das  zur  bekleidung  der  praetur 
die  vorherige  bekleidung  der  aedilität  oder  des  tribunats  forderte, 
unter  Traian  modificirt  worden,  in  dem  sinne  dass  diese  ämter 
zu  übergehen  wenigstens  gestattet  war,  wobei  jedoch  die  zwi- 
schenfrist  von  einem  jähr  und  die  altersgrenze  von  30  jähren 
festgehalten  wurde;  ferner  dass  das  gesetz  des  Severus  Alexan- 
der das  tribunat  und  die  aedilität  nicht  aufgehoben,  wohl  aber 
die  quaestores  candidati  unmittelbar,  nur  mit  einhaltung  der  ein- 
jährigen zwischenfrist,  antwartschaft  auf  die  praetur  hatten. 
Mit  diesen  aufstellungen  sind  zu  vergleichen  die  betreffenden 
stellen  in  Mommsen's  Römischem  Staatsrecht  I,  mit  welchem  der 
verf.  in  einer  anmerkung  auch  in  bezug  auf  andere  rechte  ein 
hühnchen  rupft. 

Weitere  bemerkungen  beschäftigen  sich  mit  Tacitus ;  einige 
geben  ausführungen  und  excurse  zu  des  verf.  ausgäbe  der  An- 
nalen :  zu  TU,  18  über  die  restitution  von  M.  Antonius  nameu 
in  den  Fasten  durch  Augustus ;  zu  TI,  41  betreffend  den  doppel- 
namen  des  C.  Caelius,  zu  IT,  36  über  die  zeit  der  wahlcomi- 
tien;  andere  beziehen  sich  auf  die  kritik  des  Agricola:  c.  42 
wird  mit  Hs.  r,  zum  theil  nach  Lipsius,  gelesen  Africae  ant  (vel) 
Asiae,  gegen  Urlichs  (festgruss  zur  Würzburg.  Philologenver- 
sammlung p.  8),  der  die  worte  streichen  will ;  c.  24  wird  prima 
nave  unerklärbar  gefunden,  aber  Madvigs  (Advers.  crit.  I,  147) 
conjectur  Sabrinam  verworfen,  dagegen  versucht:  in  Clotac  pro- 
xima.  Endlich  giebt  der  vf.,  indem  er  zurücknimmt,  was  er  in 
der  zweiten  abhandlung  de  locis  quibusdam -Horatii  ex  primo  satira- 
rum,  Jena  1858,  p.  7  gesagt,  Heindorf  recht,  dass  I,  10,  28  nur 
zwei  männer  erwähnt  seien,  L.  Pedius  Poplicola  und  M.  Mes- 
sala  Corvinus,  hält  aber  aufrecht,  dass  die  beiden  nicht  brüder, 


Nr.  7.  201.  Römische  alterthümer.  363 

sondern    v.  85    mit    dem    bruder   des  Messala  L.  G-ellius  Popli- 
cola,  consul  36  v.   Chr..  gemeint  sei. 


201.  Darstellungen  aus  der  Sittengeschichte  Roms  in  der 
zeit  von  August  bis  zum  ausgang  der  Antonine.  Von  L.  Fried- 
länder.    Dritter  theil.   1871.   8.    XVIII  und  678s.—    2  thlr. 

Der  neu  erschienene  dritte  theil ,  mit  welchem  der  verf. 
„vorläufig  seinen  versuch  ,  die  bedeutenderen  erscheinungen  der 
römischen  kultur  in  den  beiden  ersten  Jahrhunderten  der  kai- 
serzeit  darzustellen,  beschliesst",  wird  den  zahlreichen  freunden 
des  werks  willkommen  sein.  Derselbe  besteht  aus  sechs  ab- 
schnitten, in  welchen  nach  einander  der  luxus  (p.  1 — 104),  die 
künste  (p.  105 — 270),  die  schöne  literatur  (p.  271—420),  die 
religiösen  zustände  (421  —  540),  die  philosophie  als  erzieherin 
zur  Sittlichkeit  fp.  543 — 612)  und  der  Unsterblichkeitsglaube 
(p.  615  —  652)  behandelt  werden.  Die  art  der  behandlung  ist 
im  allgemeinen  bekannt.  Während  z.  b.  Marquardt  im  fünften 
band  der  Beckerschen  alterthümer,  worin  er  sich  der  natur  der 
sache  nach  vielfach  mit  unserem  verf.  berührt,  seinen  gegen- 
ständ überall  in  seiner  gründlichen  weise  dem  leser  vollständig 
und,  wo  es  nöthig,  mit  dem  nöthigen  material  zur  eigenen  be- 
urtheilung  darzulegen  sucht,  so  ist  es  unserm  verf.  mehr  darum 
zu  thun,  eindruck  auf  den  leser  zu  machen  und  aus  seiner  aus- 
gebreiteten lectüre  interessante  und  bezeichnende  züge  hervor- 
zuheben und  zusammenzustellen.  Dies  geschieht  mit  grosser 
sachkenntniss  und  gelehrsamkeit  und  demnach  auch  mit  ent- 
sprechendem erfolg,  wenn  man  sich  auch  öfter  bei  der  nutzan- 
wendung  der  belegstellen  grosser  bedenken  wegen  ihrer  beweis- 
kraft  nicht  enthalten  kann.  Als  zugäbe  sind  zu  abschn.  I.  II. 
III  mehrere  gelehrte  abhandlungen  anhangsweise  hinzugefügt, 
z.  b.  über  die  Chronologie  der  epigramme  Martials,  der  Silven 
des  Statius,  chronologisches  zu  Gellius ,  die  ich  aus  der  zahl 
der  übrigen  hervorhebe,  theils  weil  sie  vorzugsweise  geeignet  sind, 
das  interesse  des  gelehrten  publikums  zu  erregen ,  theils  weil 
sie  nicht  frei  sind  von  dem  fehler,  an  welchem  derartige  Unter- 
suchungen häufig  leiden,  nämlich  von  dem  fehler,  dass  aus  un- 
sicheren, höchstens  wahrscheinlichen  prämissen  consequenzen  in 
Widerspruch  mit  den  regeln   der  logik  gezogen  werden. 

So  weit  etwa  stimmt   der   gegenwärtige  dritte  theil  in  sei- 


364  201.  Römische  alterthümer.  Nr.  7. 

nem  allgemeinen  Charakter  mit  den  beiden  früheren  theilen 
tiberein.  Es  bleibt  aber  noch  etwas  übrig ,  was  diesen  theil 
von  den  übrigen  unterscheidet  und  worauf  wir  noch  besonders 
aufmerksam  machen  zu  müssen  glauben;  dies  ist  das  hier  mehr 
hervortretende  tendentiöse  der  ausführungen  des  verf.,  nämlich 
das  bestreben  die  einzelnen  erscheinungen  zur  begründung  all- 
gemeiner urtheile  über  die  zustände  Roms  und  des  römi- 
schen reichs  zu  benutzen:  ein  unterschied,  den  der  verf.  selbst 
in  der  vorrede  anzudeuten  scheint,  wenn  er  sagt ,  dass  der  In- 
halt dieses  theils  ,,mehr  kultur-  als  sittengeschichtlich"  sei.  •  Ins- 
besondere sucht  er  zu  beweisen,  dass  die  allgemein  verbreiteten 
ansichten  vom  luxus  der  zeit  unhaltbar  seien  ,  ferner  stellt  er 
die  poesie  und  literatur  der  Römer  in  den  beiden  ersten  Jahr- 
hunderten der  kaiserzeit  in  ein  sehr  günstiges  licht  und  stimmt 
endlich  lebhaft  in  das  bekannte  bonmot  Mommsens  ein,  „dass 
die  römische  kaiserzeit  mehr  geschmäht  als  gekannt  sei".  In- 
dess  scheint  uns  der  beweis  für  alle  diese  sätze  wesentlichen 
bedenken  zu  unterliegen.  Wenn  aus  anderen  und  namentlich  aus 
neuern  zeiten  beispiele  von  noch  grösserem  luxus  angeführt  wer- 
den, worauf  der  verf.  seinen  beweis  zu  gründen  sucht,  so  bleibt 
doch,  abgesehen  davon,  dass  eine  solche  vergleichung  überhaupt 
nicht  als  rechtfertigung  dienen  kann,  die  frage  übrig,  ob  denn 
der  luxus  der  neueren  zeit  nicht  auch  verwerflich  und  gefährlich  sei, 
ferner  ist  dabei  unbeachtet  gelassen,  dass  der  luxus  der  kaiser- 
zeit jedenfalls  für  Rom,  zwar  nicht  gegen  das  letzte  Jahrhun- 
dert der  republik ,  wo  der  luxus  bereits  begonnen  hatte ,  aber 
gegen  die  früheren  Jahrhunderte  eine  entartung  in  sich  schloss 
und  daher  nachtheilig  wirkte,  und  dass  in  Rom  die  Verhältnisse 
in  einer  menge  beziehungen  ganz  andere  waren,  so  dass  schon 
ein  geringerer  grad  des  luxus  eine  verderbliche  Wirkung  äussern 
konnte.  Einen  wesentlichen  unterschied  bildet  in  dieser  hin- 
sieht schon  der  umstand,  dass  den  Römern  der  mittelstaud, 
dem  heutzutage  der  luxus  als  förderer  der  freien  arbeit  und  der 
bildung  hauptsächlich  zu  gute  kömmt,  fast  völlig  fehlte.  Was 
sodann  die  vermeintliche  blüthe  der  poesie  und  literatur  an- 
langt, so  kann  es  hierfür  nach  unserer  ansieht  nicht  auf  ein 
gewisses  interesse  der  kaiser  und  einiger  hohen  Mäcenate  oder 
auf  die  lebhaftigkeit  im  äusseren  betrieb  der  schriftstellerei  an- 
kommen, auf  die  der  verf.  seinen  beweis  gründet ,    sondern  nur 


Nr.  1.  202.  203.  Orthographie.  36ä 

oder  doch  hauptsächlich  auf  die  kraft,  die  einfachheit,  den  In- 
halt der  literarischen  productionen ,  und  hierüber  wird  wohl 
kaum  ein  sachverständiger  ein  sehr  günstiges  urtheil  fällen  wol- 
len. Eben  so  wenig  endlich  scheint  uns  auch  der  beweis  für 
das  glück  dieser  zeiten  im  allgemeinen  erbracht  zu  sein,  wenn 
der  verf.  nachweist,  dass  damals  im  allgemeinen  ruhe,  friede 
und  ein  gewisser  (übrigens  doch  mehrfach  bedingter)  Wohlstand 
geherrscht  habe,  denn  dann  würde  etwa  ein  schaafstall  und  eine 
schaafheerde  das  ideal  eines  Staates  und  volkes  bilden:  dazu 
scheinen  uns  vielmehr  noch  manche  andere  dinge  zu  gehören, 
welche  hier  zu  erörtern  uns  der  räum  verbietet. 

202.  Die  wichtigsten  punkte  der  lateinischen  rechtschrei- 
bung  für  schulen.  Nebst  einem  orthographischen  register.  Von 
Dr  Konrad  Bock.  8.  Berlin.  Weidmannsche  buchhandlung. 
1872.  —     3  ngr. 

203.  Hülfsbüchlein  für  lateinische  rechtschreibung  von  Wil- 
helm Brambach.  8.  Leipzig,  druck  und  verlag  von  B.  G. 
Teubner.   1872.  —      5  gr. 

Der  verf.  von  nr.  1  will  nach  Eitschl's  und  Brambachs 
Vorgang  die  für  uns  mustergültige  lateinische  Orthographie  auf  die 
Zeugnisse  der  römischen  grammatiker,  besonders  des  Quintilian 
basirt  wissen ;  die  Zeugnisse  der  inschriften  und  handschriften 
haben  in  seinen  äugen  nur  eine  sehr  untergeordnete  Stellung. 

Bock  stellt  in  in  21  §§  allgemeine  regeln  für  die  lateini- 
sche rechtschreibung  auf  und  Iässt  dann  ein  Wortregister  folgen 
in  welchem  jedem  worte  die  zahl  des  paragraphen,  in  welchem 
es  aufgeführt  ist,  beigefügt  wird.  Der  vf.  scheint  keine  besondere 
orthographische  Studien  gemacht  zu  haben,  sondern  die  21  §§  ba- 
siren  auf  Brambach's  schrift  „die  neugestaltung  der  lateinischen 
Orthographie",  welche  schrift  er  aber  im  Vorworte  mit  keiner 
silbe  erwähnt.  Wo  ihn  Brambach  im  Stiche  lässt,  geräth  er 
zuweilen  auf  abwege.  Er  will  z.  b.  §.  9,  c,  p.  9  exhodus,  pe- 
rihodus  schreiben ;  aber  die  handschriften  der  Eccl.  und  Not. 
Tir.  p.  196  kennen  nur  exoclus;  und  periodus  schreibt  Halm  im 
Quintilianus,  wenn  auch  hie  und  da,  z.  b.  VIII,  3,  10  der  cod. 
M  perihodus  hat;  ebenso  Keil  in  Plin.  Ep.  6,  20,  4  (wo  cod. 
M  ebenso  perihodus  bietet);  exodium,  welches  Bock  übergeht 
ist  nie  in  den  handschriften  exhodium  geschrieben.     Noch  schlim- 


366  202.  203.  Orthographie.  Jfr.   7. 

meres  begegnet  Bock  §.  19,  d,  p.  12,  wo  er  behauptet  Ap- 
pulus  habe  bessere  auctorität  als  Apulus ;  aber  s.  Lennep 
zu  Terent.  Maur.  1430,  p.  94.  Peiikamp  und  Eitter  zu  Hör. 
carm.  III,  4,  10  (Ritter  :  monstra  scripturae  sunt  Appulus,  Appulia, 
Apullia) ,  Martini  Laguna  zu  Lucan.  2,  608.  Für  Appuleius 
und  Ajpuleius  ist  zu  scheiden  die  classische  zeit,  welche  wohl 
Appuleius  schrieb,  und  die  kaiserzeit,  welche  Apuleius  vorzog; 
vgl.  Hildebrand  zu  Apul.  Opp.  tom.  1,  p.  1  f  und  Osann  zu 
Apul.  de  orthogr.  p.   14. 

Der  verf.  von  nr.  2  (der  noch  im  j.  1869  im  Ehein.  Mus.  bd. 
24,  p.  542  ein  alphabetisch  geordnetes  hülfsbuch  der  lateinischen 
Orthographie  weder  für  die  schule  noch  für  die  Wissenschaft  er- 
spriesslich  findet!!!)  schickt  p.  1 — 20  ebenfalls  allgemeine  regeln 
der  lateinischen  rechtschreibung  voraus,  und  zwar  in  drei  capi- 
teln :  A.  über  die  schritt  (§.  1  und  2);  B.  regeln,  welche 
sich  der  lautlehre  entnehmen  lassen  (§.  3  — 12);  C.  regeln, 
welche  sich  der  fiexionslehre  entnehmen  lassen  (§.  13  —  20). 
Dann  folgt  ein  orthographisches  wörterverzeichniss  in  alphabe- 
tischer reihenfolge,  und  zuletzt  ein  handweiser  der  lateinischen 
rechtschreibung  (2  blätter) ,  der  auch  für  die  schüler  besonders 
käuflich  ist. 

Den  in  diesem  wörterbuche  aufgestellten  Schreibungen  kann 
im  ganzen  nicht  die  billigung  versagt  werden,  auffallend  ist  es 
nur,  dass  Brambach  sich  in  diesem  schriftchen  meist  auf  hand- 
schriftliche und  inschriftliche  Zeugnisse  beruft ,  während  er  in 
seinem  grösseren  werke  die  Zeugnisse  der  grammatiker  in  den 
Vordergrund  gestellt  hat.  Auch  will  es  uns  nicht  gefallen,  dass 
der  verf.  sich  grösstentheils  nur  auf  die  angaben  von  Keller  und  Hol- 
der zum  Horatius  und  die  von  Eibbeck  zum  Virgilius  beschränkt, 
da  die  ausgaben  dieser  gelehrten  in  den  händen  deren,  für  die  das 
schriftchen  bestimmt  ist,  sich  nicht  leicht  befinden  dürften.  Wenn 
daher  Brambach  z.  b.  caepe,  nicht  cepe,  mit  Verweisung  auf 
Eibbeck  und  Keller,  schreiben  will,  so  steht  er  im  geraden  Wi- 
derspruche mit  der  Schreibung  der  neuesten  ausgaben ,  indem 
in  fast  allen  in  Neue's  Formenlehre  1.  bd.,  p.  577  augeführten 
stellen  cepe  geschrieben  wird,  wie  ich  bereits  Philol.  Anz.  bd. 
3,  p.  266  f.  bemerkt  habe.  Ebenso  steht  es  mit  caespes  und 
cespes,  s.  meine  bemerkungen  im  Philol.  Anz.  bd.  3,  p.  267. 
Ferner  empfiehlt  Brambach    auch  jetzt  noch  promunturium,  nicht 


Nr.  7.  202.  203.  Orthographie.  56? 

Promontorium;  aber  s.  meine  bemerkung  a.  a.  o.  p.  268  und 
Ribbeck  Annotatt.  Corollar.  p.  XLI  (vor  der  2.  ausg.  der  Tra- 
gic.  Rom.  fragm.),  der  sich  ebenfalls  für  Promontorium  entschei- 
det. Endlich  will  Brambach  volaemus,  nicht  volemus  geschrieben 
wissen ,  mit  berufung  auf  Ribbeck  zu  Virg.  Ge.  2,  88.  Aber 
in  den  handschriften  aller  andern  stellen  mit  volemus  (bei  Cato, 
Columella,  Plinius,  Cloatius  bei  Macrobius,  Servius  zu  Virgil)  findet 
sich  keine  spur  dieser  Schreibung,  sondern  überall  volemum,  vo- 
lema;  dazu  noch  Grloss.  Labb. :  „volenti  (so  ! )  aolonv v&ideg  anioi. 
Was  ich  bei  der  Wagnerschen  schrift  (Philol.  Anz.  bd.  3  ,  p.  266) 
gerügt  habe,  dass  der  verf.  eine  grosse  anzahl  Schreibungen  bringe, 
die  niemand  gebraucht,  gilt  auch  vielfach  von  Brambach's  an- 
gaben. Wer  schreibt  actarius  statt  actuarius,  erumna  statt  ae- 
rumna}   alumentum   statt  alimentum,   bassis  statt  basis  u.  dgl.  ? 

Die  angaben  in  nr.  1  stehen  mit  denen  in  nr.  2  oft  in 
Widerspruch.  Bock  sagt  z.  b.  p.  6  „glaeba  und  gleba",  Brambach 
p.  39  b  :  „glaeba  nicht  gleba1',  aber  die  handschriften  des  Lucr., 
Cic,  Liv.,  Ovid  u.  a.  haben  keine  spur  von  glaeba;  ebenso  nir- 
gends glaebula,  glaebarius,  und  auch  Gloss.  Labb.  schreiben  gleba 
glebula.  Varr.  R.  R.  1,  27,  2  hat  der  cod.  Victor ii  glaeb  a,  der  des 
Ursinus  gleba. —  Bock  bemerkt  p.  9  ,,tentare  ist  besser  als  temp- 
tare"1, Brambach  p.62  (b)  tentare  und  temptare  (richtig!  denn  temptare 
steht  jetzt  in  allen  neueren  texten  des  Lucr.,  Cic,  Virg.,  Liv. 
u.  a.;  vgl.  Wagner  Orthogr.  Verg.  p.  475).  —  P.  11  will  Bock 
nur  unquam,  nunquam  gelten  lassen,  Brambach  49  (b)  unquam 
und  umquam,  nunquam  und  numquam.  Ebendas.  sagt  Bock  „nanc- 
tus  und  nactus"  sind  gleich  gut";  Brambach  p.48  (a)  „nactus  bes- 
ser als  nanctus"- :  nactus  haben  auch  Not.  Tir.  p,  93.  —  Bock 
will  p.  12  illico  (es  steht  verdruckt  illicio)  geschrieben  wissen 
Brambach  ilico  (richtig  nach  Lachmanns  theorie  zu  Lucr.  1, 
313;  vgl.  Ritschi  zu  Plaut.  Irin.  608).  Bock  lässt  p.  12  villi- 
cus  und  vilicus  gelten,  Brambach  p.65  (a)  blos  vilicus  (richtig  nach 
Lachmann  a.  a.  o.  und  den  besten  handschriften  und  inschriften). 

Auch  in  diesen  beiden  schriftchen  vermisst  man  einzelne 
Schreibungen,  die  eher  zur  kenntniss  der  schüler  gebracht  zu 
werden  verdienten,  als  viele  der  angeführten.  So  z.  b.  Boeoti  und 
Boeotii,  faeles  oder  feiest  [faeles  jetzt  überall  in  der  Zürcher  aus- 
gäbe des  Cicero  von  Halm  und  Baiter,  Tuse.  5,  27,  78  p.  252, 
28;    de  N.  D.  1,  29,  82.  p.  390,  26;    de  Legg.  1,  11,  32.  p. 


S68>  204.  Lateinisches  elementarbuch.  Nr.  7. 

865,    14:    ebenso    schon   Varr.  E.  E.  3,  11,.  3    und  3,  12,  3 

ed.  Schneid.),  Herculaneum,  nicht  Herculanum.  mytilus,  nicht  mi- 
tylus,  mitulus,  mutulus  u.  dgl.  Den  nom.  pluralis  triumviri  kann  ich 
jetzt  (vgl.  Philol.-Anz.  bd.  3,  p.  268  f.)  aus  Not.  Tir.  p.  61  nach- 
weisen, wo  Triumviri  capitalis  (so!)  und  Triumviri  rei  publica^ 
constituendae  steht:  das.  auch  Duumvir,  aber  nom.  plur.  Duoviri  ca- 
pitalis (so!),  was  Zumpt  für  seine  behauptung  anführen  könnte. 
Wie  wir  hören,  ist  auch  in  der  pädagogischen  abtheilung 
der  philologenversaminlung  zu  Leipzig  über  die  einfiihrung  der 
neueren  lateinischen  Orthographie  verhandelt  und  die  verstän- 
dige ansieht  ausgesprochen  worden,  dass  das  nöthige  den  Schü- 
lern mündlich  mitzutheilen  sei.  Man  sage  etwa  dem  schüler, 
,,du  musst  nicht  coelum,  sondern  caelum,  nicht  coena ,  sondern 
cena,  nicht  concio,  sondern  contio  u.  s.  w.  schreiben" ;  die  punkte 
aber,  über  welche  selbst  die  männer  von  fach  noch  nicht  einig 
sind  (z.  b.  Fleckeisen  convitium ,  susjpitio,  Brambach  convicium, 
susjpicio,  Fleckeisen  und  Brambach  promuntorium ,  Eibbeck  Pro- 
montorium) übergehe  man  mit  stillschweigen. 

K.  E.  G. 

204.  Dr  F.  Bleske' s  Elementarbuch  der  lateinischen  sprä- 
che, bearbeitet  von  Dr  Albert  Müller,  director  des  gymna- 
siums  zu  Ploen.     8.     Hannover,  Meyer  1871. 

Der  Verfasser  dieses  mit  Übungen  zum  übersetzen  verbun- 
denen elementarbuchs  schickt,  um  die  sämmtlichen  von  den 
Schülern  erlernten  formen  (aecusativ,  dativ,  ablativ)  sogleich  in 
beispielen  verwenden  zu  können,  in  ganz  praktischer  weise  den 
declinationen  das  präsens  der  vier  conjugationen  vorauf.  Durch 
eine  an  den  anfang  des  buchs  gestellte  und  für  den  lehrer  be- 
stimmte genetische  entwicklung  will  der  Verfasser  die  art  und 
weise ,  wie  er  die  paradigmen  der  dritten  declination  gegeben 
hat,  erläutern ;  er  declinirt  achtzehn  beispiele  der  ganz  regel- 
mässigen flexion  durch;  es  ist  zu  fürchten,  dass  diese  fülle  der 
paradigmen  den  anfänger  eher  einschüchtert  als  aufklärt.  Auch 
in  der  comparation  muss  die  weitläufigere  bildung  der  formen 
dem  anfänger  die  sache  erschweren.  Früher  lernte  mau :  an 
den  casus  auf  i  wird  für  den  comparativ  or,  für  den  Superlativ 
ssimus  gehängt;  jetzt  heisst  es:  durus,  duri,  dur-,  dur-  ior  dur- 
issimue.      Man    unterrichtet  jetzt  in  den  schulen  schon  von  der 


Nr.  7.  205.  Geschichte  der  philologie.  369 

sexta  an  so,  als  ob  alle  scliüler  einmal  vorzugsweise  historische 
Sprachforschung   und    vergleichende    Sprachkunde    lernen   sollten 
und  wollten.     Dagegen   sind    die  regeln  über  den  ablativ  auf  i, 
über  den  gen.   pluralis  auf  ium  vereinfacht  und  mit  recht  durch 
paradigmata  zur  anschauung  gebracht;  auch  in  den  genusregeln 
ist  manches  überflüssige  weggelassen;  einzelne  von  den  leidigen 
versen,    welche  die  schiiler  gegen  rhyfchmus  und  ausspräche  ab- 
stumpfen müssen,    kehren  auch  hier    wieder,    wenngleich    etwas 
verändert,  doch  nicht  verbessert,  zurück,  wie: 
Wörter,  die  auf  e-x  enden, 
Zum  männlichen  geschlecht  sich  wenden; 
Aber  merke :  lex  und  nex 
Verbleiben  weiblichen  geschlechts. 
Warum  nicht  kürzer  so  : 

Männlich  ist,  was  schliesst  auf  ex, 
Aber  weiblich  lex  und  nex. 
Die  beispiele,  welche  zur  einübung  der  formen  dienen,  sind 
zweckentsprechend  nicht  hochtrabende  Sentenzen,  sondern  ein- 
fache sätze.  Und  doch  wird  der  Verfasser  hier  und  da  an 
ihnen  zu  ändern  finden.  In  dem  satze  p.  119:  orator,  qui  saejpe 
populum  verbis  suis  rexerat ,  a  populo  ipse  damnatus  est,  hat  ipse 
keinen  gegensatz ;  sollte  es  ihn  haben,  müsste  der  relativsatz 
etwa  heissen,  qui  multos  damnandos  curaverat.  Wenn  die  Schü- 
ler p.  94  „0  Iunius  Brutus  und  Tarquinius  Collatinus ,  nicht 
■ein  jähr  seid  ihr  consuln  gewesen",  nach  dem,  was  sie  bisher 
gelernt  haben ,  übersetzen :  non  unum  annum  statt  ne  unum  qui- 
dem  annum,  das  sie  noch  nicht  kennen,  so  wird  ihnen  eine  fal- 
sche Vorstellung  entweder  von  der  thatsache  oder  von  dem  lateini- 
schen ausdruck  mitgegeben.  Unter  den  zu  lernenden  Wörtern 
findet  sich  mehrmals  „Amaryllis ,  name  eines  hirtenmädchens"; 
sollte  der  wohltönende  name  des  hirtenmädchens  den  sextanern 
wenigstens  einer  grossen  stadt  nicht  spasshaft  vorkommen  ?  Das 
buch  verdient,  wegen  seiner  überwiegenden  Vorzüge,  angelegent- 
lich, empfohlen  zu  werden. 

205.  L'hellenisme  en  France,  lecons  sur  l'influence  des 
eludes  grecques  dans  le  developpement  de  la  langue  et  de  la 
littdrature  francaises,  par  E.  Egger.  Paris  1859.  2  bände, 
472  u.  498  s.    8.    —     2  thlr.  15  gr, 

Piniol.  Anz.  IV.  24 


870  205.    Geschichte  der  philologie.  Nr.  1. 

Wie  der  titel  besagt,  ist  das  werk  aus  Vorlesungen  her- 
vorgegangen, die  der  bekannte  vf.  nicht  lange  vorher  an  der 
Sorbonne  gehalten  ;  es  hat  die  form  von  legons,  in  ganzen  32, 
behalten,  und  ebenso  ist  der  inhalt  wesentlich  unverändert  ge- 
blieben, ausser  dass  die  erforderlichen  noten  mit  den  citaten 
sowie  einige  anhänge  hinzugekommen  sind.  Behandelt  wird 
der  einfluss  des  hellenismus  auf  die  gallische  bez.  französische 
bildung  von  den  zeiten  der  Massalioten  an  bis  auf  die  erste  re- 
volution;  einiges  ist  kürzer,  anderes  ausführlicher  dargestellt, 
je  nachdem  der  Verfasser  genügende  vorarbeiten  fand,  auf  die  er 
verweisen  konnte,  oder  selbst  erst  das  material  zusammenzustel- 
len und  zu  verarbeiten  hatte.  Ausser  einer  lebendigen  und  an- 
genehmen darstellung  zeichnet  sich  das  werk  einerseits  durch 
ausgedehnte  gelehrsamkeit  und  bücherkenntniss,  andrerseits  durch 
strenge  und  nüchterne  kritik  aufs  vortheilhafteste  aus.  Egger 
beginnt  seine  darstellung  nicht  früher,  als  er  auf  festem  histori- 
schen boden  steht;  er  bespricht  in  der  höflichsten  form,  aber 
in  der  sache  mit  unbarmherziger  strenge  die  vielfältigen  be- 
hauptungen  von  direkt  dem  griechischen  entstammenden  de- 
menten in  der  französischen  spräche  und  insbesondre  in  den 
provencalischen  dialekten;  ebenso  klar  und  unbeeinflusst  ist 
auch  sein  urtheil  über  die  entwicklung  der  griechischen  spräche, 
über  das  verhältniss  des  neugriechischen  zum  altgriechischen 
und  über  die  vorzuziehende  ausspräche  des  letzteren,  über  wel- 
che punkte  im  ersten  und  dritten  anhange  zum  ersten  bände  ge- 
handelt wird.  Das  gebiet,  über  welches  sich  die  darstellung  sonst 
ausbreitet,  ist  ein  sehr  ausgedehntes  :  die  litteratur  in  ihren  sämmt- 
lichen  gattungen,  seit  den  ersten  zeiten  der  renaissance,  die 
spräche  in  ihren  verschiedenen  perioden ;  in  den  anhängen  zum 
zweiten  bände  kommt  noch  das  Wiederaufleben  der  griechischen 
Studien  im  gegenwärtigen  Jahrhundert  nsch  allen  Seiten  hin  zur 
besprechung.  Egger  theilt  nicht  die  von  vielen  auch  in  Frank- 
reich gehegte  ansieht,  dass  das  Studium  des  griechischen  einer 
vergangenen  zeit  angehöre  und  gegenwärtig  in  abnähme  und 
im  verschwinden  begriffen  sei;  im  gegen theil  glaubt  er  durch 
zahlen  nachweisen  zu  können,  dass  vielmehr  eine  fortwahrende 
ausbreitung  desselben  stattfinde,  und  lebt  überdies  der  Überzeu- 
gung,   dass    der    werth    der  denkmäler    des  hellenischen  Volkes 


Nr.  7.  206.   Sammelwerke.  371 

unvergänglich  sei  und  dass  darum  auch  das  Studium  derselben 
niemals  aufhören  dürfe. 

206.  Acta  Societatis  philologae  Lipsiensis  edidit  Frideri- 
cus  Ritschelius.  8.  Tom.  I.  Lipsiae ,  in  aedibus  B.  Gr. 
Teubneri.  MDCCCLXXII.   -     XVIII  und  414  s.  —     2  thlr. 

Dieser  in  zwei  heften  ausgegebene  band  enthält  abhand- 
lungen von  mitgliedern  der  von  Kitschi  vor  einigen  jähren 
zu  Leipzig  gegründeten  ßocietas  phüologa ;  in  dem  ersten  hefte 
(1871  erschienen)  steht  voran  die  widmung  des  herausgebers: 

Dis   manibus 
Godofredi  Hermanni 
Saxonis 
C  a  r  o  1  i  E,  e  i  s  i  g  i 
Thuringi 
verae  severaeque  artis 
luminum  atque  custodum 
superstes  pietas  discipuli 
sacrum  esse  voluit. 

Dann  folgt  ein  vorwort  von  Ritschi,  in  welchem  er  kurz  das  löbliche 
unternehmen  durch  hinweisung  auf  ähnliche  Sammlungen,  wel- 
che seit  1801  in  Leipzig  durch  leipziger  philologen  veröffentlicht 
sind,  rechtfertigt;  darauf  die  abhandlungen  I — >VI:  dies  der  erste 
fasciculus,  dem  andere  folgen  sollen,  si  primus,  id  quod  spera- 
raus,  harum  verum  peritis  non  displicuerit.  Und  diese  hoffnung 
hat  nicht  getäuscht,  da  das  zweite  heft  (1872)  schon  da  ist: 
in  ihm  stehen,  wiederum  nach  einem  kurzen  vorwort  Kitschl's, 
in  dem  weiter  unten  anzugebende  nachtrage  zu  einigen  auf- 
sätzen  des  ersten  heftes  enthalten  sind,  die  abhandlungen  VII — 
XI  nebst  einem  index  locorum.     Die  abhandlungen  sind : 

I.  Certamen  quod  dicitur  Homeri  et  Hesiodi:  e  codice 
Florentino  post  Henricum  Stephanum  denuo  eclidit  Fridericus 
Nietzsche  Numburgeusis  (nunc  Basileensis)  p.  1 ;  II.  isigoni  Ni- 
caeensis  de  rebus  mirabilibus  breviarium:  e  codice  Vaticauo  nunc 
priraum  edidit  Eroinus  Rohde  Hatnburgensis  (nunc  Kiloaiensis), 
p.  25,  dazu  vrgl.  fasc.  II,  praef.  p.  vn;  III.  Quaestiones  Ful- 
gentianae  (cap.  I  et  II):  scripsit  Aemilius  Jungmann  Thuringus 
(nunc  Freibergensis),  p.  43,  dazu  vrgl.  fasc.  II,  praef.  p.  yu; 
IV.  floovaeXeip:  ein  kritisch  -  etymologischer  verbuch  von  Wil- 
helm Clemm  in  Giessen,  p.  75;    V.  Satura  critica:    scripsit  Guh 

24* 


372  206.  Sammelwerke.  Nr.  7. 

lelmus  Röscher  Gottingensis  (nunc  Budissinensis)  p.91,  vrgl.  dazu 
fasc.  II,  praef.  p.  vm;  VI.  Emendationes  Taciti  qui  fertur  dia- 
iogi  de  oratoribus:  scripsit  Georgius  Andresen  Holsatus  (uunc 
Berolinensis)  p.  108,  vrgl.  dazu  fasc.  II,  praef.  p.  vni;  VII. 
Quaestiones  Sallustianae  maxiine  ad  librum  Vaticanurn  3864 
spectantes  scripsit:  Alfredus  Weinhold  Dresdensis,  p.  183;  VIII. 
De  incisionibus  anapaesti  in  trimetro  comico  Graecorum :  scripsit 
Curtius  Bernhardi  Lipsiensis  (nunc  Zittaviensis),  p.  243;  IX. 
Observationes  criticae  in  Dionysii  Halicarnassensis  Antiquitates 
Komanas:  scripsit  Carolus  Iacobiy  Borussus  Memelensis  (nunc 
Dresdensis),  p.  287  ;  X.  Die  handschriften  von  Claudian's  Raptus 
Proserpinae :  von  Ludwig  Jeep  aus  Wolfenbüttel  (jetzt  in  Leip- 
zig), p.  345;  XL  Miscella  critica  ad  Aeschylurn,  Euripidem, 
Mimnermum,  Thucydidem,  Ciceronem,  Livium ,  Tacitum  spec- 
tantia ;  scripserunt  Otto  Sievers  Brunsvicensis,  Justus  Sigismund 
Lipsiensis,  Walterus  Gilbert  Dresdensis  et  F.  ß.,  Carolus  Brug- 
mann  Mattiacus,  Theodorus  Forssmann  Archangelopolites,  Ludovi- 
cus  Mendelssohn  Oldenburgensis ,  Edmundus  Lammert  Tburingus 
Sondersbusanus,  Theodorus  Opitz  Dresdensis,  Ernestus  Wezel  Saxo 
Limbacensis,  eques  crucis  ferreae,  p.  391. 

Die  einzelnen  abbandlungen  sollen,  wie  scbon  bei  einer 
gescbeben  (s.  ob.  p.  349),  einzeln  besprocben  werden ;  da  dazu 
die  Miscella  critica  (nr.  XI)  sieb  niebt  eignen,  beben  wir  zu  ih- 
rer cbaracterisirung  ein    paar  stellen    beraus :    Aescb.  Pers.   228 

sagt  Atossa: 

•zavta   ö",  mg  icpießat, 

nävta  &tJgo[a,ev  &soiai  toig  r'  ti'to&e  yrjg  giiloig, 

evt  uv  elg  olxovg  fxoXcofisf 
Sievers  will  cp&itoig  statt  qCXoig:  allein  dagegen  scheint  vs.  220 
davTEQot'  ös  XQV  X°u-£  ||  Y Vi  Tl  yat  cpüitcug  xwadai  zu  sprechen; 
nicht  an  Darius,  wie  nach  Schütz  auch  Sievers  will ,  muss  bei 
cpi'Xoig  vorzugsweise  gedacht  werden,  sondern  auch  an  die  erde, 
weshalb  1%  wohl  besser  geschrieben  würde,  mit  grossem  an- 
fangsbuchstaben.  Weiter  will  Sievers  Choeph.  91.  92  ohne  ge- 
nügende gründe  streichen:  denn  diese  ganz  an  ihrer  stelle  ste- 
henden verse  schliessen  die  zweite  masse  der  symmetrisch  ge- 
gliederten rede  ab:  deshalb  wiederholt  vs.  92  den  vs.  87  Ti'^p'cp 
—  so  ist  wegen  vs.  92  zu  schreiben  —  %?ovc>a  xtX.,  wie  vs. 
100  Ttjg  o°  iau  htI.  den  vs.  86  nofinn}  y.rX.  Das  schwanken  der 
Elektra  wird  so  klar  geschildert.  Dagegen  erscheint  gelungen 
die  von  Kitschi  selbst  vorgetragene  emendation  W.  Gilberts  in 
Eur.   Cycl.  326   nXiwv  statt  des  überlieferten   ninlov :  den  vs. 


Nr.  7.  206.  Sammelwerke.  373 

325  dagegen  durch  dntrvfxsvog'  iyysXwv  r«  yantfQ1  vjttCav  ktX. 
zu  heilen  dürfte  kaum  glücklich  sein,  da  meines  erachtens  vn- 
ziog  geschrieben  und  das  mit  Inezrumv  verbunden  werden  muss: 
■yuatrjo  vnria  ist  hier  gar  nicht  zu  denken ,  da  eine  solche 
sich  doch  übergeben  müsste,  etwas,  was  ein  Kyklop  schwerlich 
thut.  Für  Iv  aityovti  freilich  weiss  ich  bis  jetzt  auch  keinen 
rath.  Auch  E.  Brugmann's  behandlung  von  dem  so  schwie- 
rigen Mimn.  fr.  1  scheint  mir  das  richtige  nicht  zu  treffen : 
er  meint  dem  fragment  durch  änderung  von  u  in  oig  vs.  4  auf- 
zuhelfen ;  es  wäre  gut  gewesen  ,  hätte  der  verf.  —  was  übri- 
gens auch  sämmtlichen  Verfassern  der  miscellen  ans  herz  zu 
legen  —  eine  Übersetzung  beigefügt :  er  würde  sonder  zweifei 
dann  selbst  das  ungefüge  der  von  ihm  geschaffenen  rede  be- 
merkt haben.  Aber  er  konnte  überhaupt  deshalb  zu  keinem 
befriedigenden  resultat  gelangen,  weil  er  trotz  meiner  mahnung 
in  Piniol.  XIX,  p.  664  dies  fr.  1  für  ein  in  sich  abgeschlosse- 
nes gedieht  hält:  es  fehlt  in  ihm  doch  jede  gliederung,  au- 
sser vs.  5  jede  andeutung  neuer  theile.  Meines  erachtens  sind 
vs.  1.  2  als  ein  für  sich  bestehendes  fragment  anzusehen  und 
also  vom  folgenden  ganz  zu  trennen:  denn,  wie  Plutarch.  de 
virt.  mor.  c.  6,  Apost.  XVI,  61c  darthun  ,  standen  diese  verse 
in  Anthologien  allein-,  ferner  wie  das  fehlen  der  vss.  3 — 10  bei 
Trincavellus  zeigt,  stand  in  alten  handschriften  des  Stobäus 
vor  vs.  3  rov  ainov  ;  endlich  geben  vs.  1.  2  auch  für  sich  einen 
sinn.  Damit  haben  wir  eine  ganz  neue  basis  für  die  behandlung 
von  vs.  4  gewonnen:  er  muss  nämlich  eng  mit  vs.  3  zusam- 
menhängen-, da  nun  AB  n  "\ßr\g  av&ea,  Arsenius  aber  Viol.  X, 
11  (nach  meiner  Zählung)  i]ßrjg  eiv  av&si  geben,  so  ist  Sauppe's 
uv  yßt]?  ap&si  das  richtige;  darin  aber  geht  auch  Sauppe  mit  den 
andern  fehl,  dass  er  mit  vs.  4  den  anfang  von  vs.  5  avdQciaiv 
qds  yvvai^lv  verbindet:  denn  da  diese  Verbindung  mit  dem  vo- 
rigen nie  einen  vernünftigen  sinn  giebt,  so  folgt,  dass  hier  verse 
ausgefallen,  die  1)  die  lieblichkeit  der  blüthenreichen  Jugendzeit 
schilderten,  darauf  2)  ausführten,  wie  das  alter  der  männer  wie 
frauen  nichts  wünschenswerthes  enthielte ,  vrgl.  fr.  2,  9.  fr.  3 : 
dazu  Theogn.  1009  ov  yar>  avqßäv  A)g  ntXsrui  ngog  &EK>r,  und 
dürfte  auch  ib.  vs.  1066  sq.  auf  solchen  sinn  sich  beziehen  und 
darnach  herzustellen  sein:  darauf  folgte  dann  die  uns  erhaltene 


374  Theses.  Nr.  7. 

klage  über  das  alter,  wodurch  denn  in  dem  ganzen  ein  anklang 
an  fr.  II  erreicht  wird. 

Dock  ich  muss  kier  abbrecken:  nur  einer  kurzen,  trocknen 
anzeige  kalber  blickte  ich  in  die  miscellen  und  —  gerathe  so- 
fort ins  disputiren  und  recensiren :  doch  wohl  ein  beweis ,  wie 
viel  des  anregenden  und  guten  hier  geboten  wird.  Daher  möge 
in  aller  kürze  der  freude  über*diese  Zeugnisse  von  Ritsckl's 
auch  in  Leipzig  wieder  so  glänzend  sick  bewährender  lehrerthä- 
tigkeit  ausdruck  gegeben  werden :  jetzt,  wo  der  erspriesslicken 
Wirksamkeit  des  classischen  philologen  an  der  Universität  durch 
reglements  und  examina  und  zeitströmungen  grössere  Schwierig- 
keiten als  je  entgegensteken,  muss  ein  solches  wirken,  wie  es 
kier  hervortritt,  um  so  höher  geschätzt,  um  so  lauter  aner- 
kannt werden :  möge  es  also  Eitschl'n  gegönnt  sein,  noch  lange 
trotz  aller  kleinlicken  und  mit  nichts  viel  lärm  machenden  geg- 
ner  und  neider  seine  für  die  wahre  philologie  so  segensreiche 
thätigkeit  rüstig  und  mit  bestem  erfolg  fortzusetzen. 

E.  v.  L. 

THESES  quas  consensu  et  auctoritate  amplissitni  philoso- 
phorum  ordinis  in  .  .  universitate  Friderica  Guilelma  .  . 
d.  XVI  m.  Marti  MDCCCLXXII  publice  defendet  auctor  Sa- 
muelis  Herrlich:  1.  in  Tac.  dial.  de  Orat.  c.  19  legendum 
est :  nam  quatenus  antiquorum  admiratores  nunc  velut  terminum 
antiquitatis  constituere  eumque  Cassium  S everum  faciunt 
quem  et  q.  s. ;  2.  Ps.  Xenoph.d.  r.  p.  Ath.  I,  §.  5  scribendum 
est:  svi  rovrotg  röov  av&Qnncov :  3.  ibid.  II,  §.3  verba  sie 
transponencla  sunt:  al  fxsv  fimgal  8ia  df.og  aoyovTca,  al  8?  [if- 
yälai  navv  8ia  xqsiccv:  4.  apud  Spart.  Vit.  Getae  c.  2  scriben- 
dum  est  :  ex  formulario  forensi. 

—  quas  .  .  in  universitate  Gryphiswaldensi  .  .  d. 
XXVI  m.  Aprilis  a.  MDCCCLXXII  publice  defendet  Paulus 
Giese:  1.  Mart.  Ep.  XIV,  114  sie  legendum  esse  censeo: 

hanc  tibi  Cumanae  rubieundam  pulvere  terrae 
Municipem  misit  casta  Sibylla  suam. 
2.  Liber  XII  epigrarnmatum  a.  102  p.  Chr.  n.  editus  est;  3. 
Tac.  Dial.  de  Orat.  c.  10  scribendum  est:  ut  si  in  Grraecia  na- 
tus  esses,  ubi  ludicras  quoque  artis  exercere  honestum  est,  ac  tibi 
Nicostrati  robur  ac  vires  du  dedissent,  non  paterer  immanes  istos  et 
ad  pugnam  natos  laecrtos  levitate  iaculi  aut  disci  vancscere : 
iactu  enim  vocabulum  ex  dittographia  ortum  delendum  est. 

—  quas  amplissimi  philosophorum  Marbur  gens  iura  or- 
dinis    auctoritate    .  .  <1.    XIV    m.    Maii    MDCCCLXXII    publice 


Nr.  7.        207—218.  Neue  bticher.  —  Bibliographie.  376 

defendet  Adolphus  Steubing:  1.  vs.  Terentianus  Eun.  III, 
5,   12  hac  ratione  sanandus  esse  videtur  : 

Ad.    Quid  taces?    Ch.    o    festus    dies    huius    hominis!    a 

amice,  salve: 
Nemöst  quem'  cett. ; 
3.  genetivus  singnlaris  substantivorum  secundae  declinationis 
in  ius  et  zum  terminatorum  antecedente  consonanti  etiam  e  scri- 
bendi  usu  temporum  imperatorum  simplici  litera  i  exarandus 
est;  5.  Hör.  Epist.  1,  5,  9  verbis  eras  nato  Caesare  festus  Dat 
veniam  somnumque  dies,  non  C.  Iulii  Caesaris  sed  Caesaris  Au- 
gusti  diem  natalem  designari  existimo  ;  7.  locum  Mecleae  euri- 
pideae  vss.  1386 — 88  Nauckio  iure  suspectum  (cf.  Eur.  Stud. 
1,  p.  138)  ita  emendari  posse  iudico,  ut  vs.   1387  secludatur. 

NEUE  AUFLAGEN.  207.  Platon's  auserwählte  Schriften. 
Erklärt  von  C  h.  Cron  und  J.  Deuschle  1.  thl.  5.  aufl.  8. 
Leipzig.  Teubner;  9  gr.  —  208.  Taciti  historiarum  libri  qui 
supersunt.  Schulausgabe  von  C.  Heraus  1.  bd.  2.  aufl.  8. 
Leipzig.  Teubner;  15  ngr.  —  209.  M.  Tullii  Ciceronis  Cato 
maior  de  senectute.  Für  den  schulgebrauch  erklärt  von  G. 
La  hm  eye  r.  3  aufl.  8.  Leipzig.  Teubner;  5  ngr.  —  210. 
A.  F.  St  en  zier,  elementarbueh  der  Sanscrit- spräche.  Gram- 
matik, text,  Wörterbuch.     2.  aufl.     8.     Breslau.  Melzer ;  1  thlr. 

NEUE  SCHULBUECHER.  211.  G.  Böhme,  aufgaben 
zum  übersetzen  ins  griechische.  4.  aufl.  8.  Leipzig.  Teubner; 
24  ngr.  —  212.  II.  Warschauer,  die  syntax  der  lateini- 
schen spräche.  8.  Jena.  Frommann;  12  ngr.  —  213.  M. 
Seyffert,  scholae  latinae.  Beiträge  zu  einer  methodischen 
praxis  der  lateinischen  stil  -  und  compositionsübungen.  2.  thl. 
die  chrie.  3.  aufl.  8.  Leipzig.  Holtze;  1  thlr.  10  gr.  — 
214.  E.  Dorschel,  lateinisches  Übungsbuch  für  die  untern 
classen  der  gymnasien  und  realschulen.  1.  cursus.  Für  sexta.  8. 
Jena.  Frommann;  8  ngr.  —  215.  H.  Warschauer,  mate- 
rialien  zur  einübung  der  lateinischen  syntax.  8.  Jena.  From- 
mann; 18  ngr.  —  216.  M.  Meiring,  Übungsbuch  zur  latei- 
nischen grammatik  für  die  unteren  classen  der  gymnasien,  real- 
und  bürgerschulen.  1.  abth.  8.  Bonn.  Cohen  und  söhn;  10 
ngr.  —  217.  F.  Wyss,  leitfaden  der  Stilistik.  3.  aufl.  8. 
Bonn.  Dalp.;  5  ngr. —  218.  F.  A.  Heinichen,  deutsch-la- 
teinisches Schulwörterbuch.  2.  aufl.  8.  Leipzig.  Teubner;  1 
rthlr.  18   ngr. 


BIBLIOGRAPHIE.  Nach  Börsenbl.  nr.132  ist  der  Verfasser 
der  broschüre:  „Hartmann's  philosophie  des  unbewussten.  Ein 
schmerzensschrei    des    gesunden  menschenverstandes    von  J.  C. 


376  Bibliographie.  Nr.  7. 

Fischer".  Lpzg.  Wiegand,  ein  buchhändler  dieses  namens 
in  Wien. 

Verlag  von  L.  Heimann  in  Berlin,  Wilhelmstr.  84:  Hi- 
storisch-politische bibliothek  ,,oder  Sammlung  von  hauptwerken 
aus  dem  gebiete  der  geschichte  und  politik  alter  und  neuer 
zeit;  in  wöchentlichen  heften  zu  5  sp.:  darunter:  Grützma- 
cher über  die  erste  dekade  des  Titus  Livius;  Winckelmann 
geschichte  der  kunst  des  alterthums  nebst  einer  auswahl  seiner 
kleinem  Schriften.  Mit  biographie  und  einleitung  versehen  von 
Dr  J.  Lessing.  6  hefte,  1  thlr.  —  Philosophische  biblio- 
thek oder  Sammlung  der  hauptwerke  der  philosophie  alter  und 
neuer  zeit.  Unter  mitwirkung  von  namhaften  gelehrten  heraus- 
gegeben ,  beziehungsweise  übersetzt ,  erläutert  und  mit  lebens- 
beschreibungen  versehen  von  J.  H.  von  Kirch  mann:  wö- 
chentlich ein  heft  zu  5  sgr.  :  darunter  Aristoteles  Poetik,  über- 
setzt von  Ueberweg,  Metaphysik  übersetzt  von  J.  H.  v. 
Kirchmann,  drei  bücher  über  die  Seele  von  demselben; 
Plato's  staat. 

Rom.  Die  J.  Sp  ithö  ver'sche  buchhandlung  (W.  Haass) 
fährt  der  Ungunst  der  zeit  ungeachtet  mit  anerkennenswerthem 
eifer  fort,  dem  literarischen  verkehr  zwischen  Italien  und  Deutsch- 
land durch  den  verlag  gediegener  werke  ehre  zu  machen.  Das 
bezeugen  von  neuem  zwei  so  eben  von  ihr  veröffentlichte  opera 
postuma  von  Angel o  Mai,  deren  inhalt  wir  hier  kurz  anfüh- 
ren: Novae  patrum  bibliothecac  ab  Angel  o  card.  Maio  editae 
tomus  octavus  a.  J.  Cossa  monacho  Basiliano  absolutus,  continens 
in  parte  I:  S.  Theo  d  ori  Studitae  epistolas  et  fragmenta ,  in 
parte  II:  Georgii  Metochitae  diaconi  historiae  dogmaticae  li- 
brum  I  et  II,  in  parte  III:  SS.  Simeonum  Stylitarum  ser- 
mones  et  S.  Isaaci  Syri  epistolam ,  das  ganze  ein  quartband 
von  664  s.  Das  zweite  werk  giebt  auf  268  s.  zwei  ausführ- 
liche nachtrage:  1)  Appendix  ad  opera  edita  ab  Angelo  Maio  S. 
R.  E.  presbytero  cardinali  continens  quaedam  scriptorum  veterum 
poetica,  historica,  philologica  e  codd.  collecta  (O  r  estis  fabida  ab 
Enoch  Asculano  reperta,  de  Dracontio  poeta  meritum,  epimetrum 
de  epitome  Valerii  Maxim i  et  Auli  Gellii,  Blossii  Aemilii 
Dracontii  V.  C.  raptus  Helenae,  ad  Draco  ntii  poema  de 
laudibus  Dei  collatio  cod.  Vaticani  h855,  de  Chalcidii  commento 
in  Horatii  carmen,  de  Dr acone  normannico  monitum,  Draco 
normannicus,  carmina  varia ,  Petronius  Arbiter  de  antiquis  di- 
ctionibus,  Imagontes  de  vetustis  vocahdis ,  Viceconitum  Esten- 
lisque  familiae  veteris  affinitatis  diuturnae  amicitiae  ac  muftä  prae- 
sidii  memoria  Georgii  Merulae ,  S.  Gregorii  Papae  VII  vita 
Onuphrio  Panv  inio  auctore  ,  historia  Brittonum  edita  ab  ana- 
choreta  Marco  ciusdem  gentis  episcopo,  Virgilius  gr  ammati- 
cus  de  octo  partibus  orationis,  eiusdcm  epitomae  Vergilii ;  2) 
Appendix  altera  ad  opera  edita  ab  Ang.  Maio  S.   R.  E.  presbytero 


Nr.  7.  Kleine  philologische  zeitung.  377 

cardinali  continens  loh.  Scoti  Er  igen  ae  expositiones  super  hie- 
rachias  caelestes  sancti  Dionysii.  —  [Augsb.  Allg.  Zeit.  beil.  zu 
nr.  161]. 

Mittheilungen  der  verlagshandlungB.  G.  T  eubner  in  Leip- 
zig 1872,  nr.  2  :  enthält  in  ihrer  ersten  abtheilung  notizen  über 
künftig  erscheinende  werke  folgendes  :  über  die  spräche  der 
Etrusker  von  W.  C  o  r  s  s  e  n :  genaue  angäbe  des  inhalts  mit 
dem  schlusswort:  ., diese  Untersuchungen  haben  zu  dem  ergeb- 
niss  geführt ,  dass  das  etruskische  eine  rein  italische  spräche 
ist ,  durch  innige  blutsverwandtschaft  verbunden  mit  dem  latei- 
nischen, umbrischen  und  oskischen ,  so  regelmässig  und  sinn- 
reich in  lautgestaltung  und  formenbildung  wie  jede  der  ver- 
wandten sprachen".  —  Untersuchungen  über  das  System  Platon's 
von  Dr  D.  Peip  ers.  1.  abth.:  die  platonische  erkenntnisstheo- 
rie :  Inhaltsangabe  vom  vrf.  :  diese  1.  abth.  beschäftigt  sich  vor- 
zugsweise mit  dem  Theätet.  —  Demosthenis  de  corona  oratio.  In 
usum  scholarum  ed.  J.  H.  Lipsius:  ist  darauf  berechnet  acade- 
mischen  Vorlesungen  zur  grundla?e  zu  dienen.  —  Anthologia 
latina  epigraphica  ed.  Fr.  Buecheler :  als  probe  sind  Pro- 
gramme des  vfs  u.  a.  zu  betrachten  (s.  Philol.  Anz.  II,  nr.  1, 
p.  18).  —  Die  conjunction  quorn  etymologisch  und  syntak- 
tisch untersucht  von  Dr  G.  Autenrieth. 

Bibliorum  sacrorum  graecus  codex  Vaticanus.  T.  III  cora- 
plectens  libros  psalmorum ,  proverbiorum,  ecclesiastae .  cantici, 
lob,  Sapientiae  Salomonis  et  Sirach.  gr.  fol.  Eom. ;  40  thlr. : 
bei  Brockhaus  Sort.  in  Leipzig  zu  haben. 

Cataloge  von  antiquaren:  verzeichniss  nr.  149  des  antiqua- 
rischen lagers  von  H.  Härtung  in  Leipzig,  „vermischte  Schrif- 
ten" enthaltend;  Lang  und  Ein  sie'  s  buchhandlung  in  Wien, 
antiquarischer  catalog  nr.  7,  philosophie  und  theologie ;  Ren- 
tel,  buchhandlung  in  Potsdam,  antiquarischer  catalog  nr.  22, 
theologie  und  philosophie;  schweizerisches  antiquariat  in 
Zürich,  nr.   42,   Sprachwissenschaft. 

KLEINF  PHILOLOGISCHE  ZEITUNG.  „Zur  erinne- 
rung  an  Dr  Ludwig  Schweiger":  eine  A.  E.  unterzeichnete 
kurze  biographie  des  am  23.  april  in  Göttingen  verstorbenen 
bibliothekars  und  professors  in  Petzholdts  anzeiger  für  bi- 
bliographie  heft  6.   1872. 

Heinrich  Lämmert  buchhändler  in  Rio  de  Janeiro 
wurde  von  dem  grossherzog  von  Baden  in  anerkennung  seiner 
Verdienste  um  die  Sammlungen  für  die  verwundeten  in  dem 
deutsch -französischen  kriege  mit  dem  erinnerungskreuz  von 
1870    und  1871   decorirt.  [Börse  nbl.  nr.  140.] 

Coblenz.  Zu  Acron.  Im  Philol.  Anz.  1872,  3  (p.  127) 
wird  von  mir  berichtet,    ich    hätte    als    äusserste  zeitgrenze  für 


378  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  7. 

Acron  saec.  IV.— IX  aufgestellt.  Ich  habe  diese  ungefähre 
Zeitbestimmung  in  ermangelung  einer  bestimmteren  für  den  ano- 
nymus  der  sogenannten  Vita  II  angenommen,  indem  ich  mich 
hauptsächlich  darauf  stützte,  dass  sie  jedenfalls  jünger  als  Acron 
sein  müsse,  und  ausführte,  dass  mir  die  annähme  KelJer'Sj  diese 
Vita  rühre  sammt  dem  grössten  theil  unserer  acronischen  scho- 
lien  von  Fabius  Placiades  Fulgentius  her,  nicht  stichhaltig  er- 
scheine. Ich  ging  dabei  von  der  annähme  aus,  dass  Hele- 
nius  Acron  in  die  zeit  des  Iulius  Eomanus  (um  200  p.  Chr.) 
gehöre  und  wahrscheinlich  wenig  älter  als  Pomponius  Porpby- 
rion  sei  (p.  12 :  Verumtamen  Acronem  saeculi  tertii  p.  dir.  n. 
mitio  vel  altero  extremo  fuisse  non  modo  Schottmuellero  ferocius  re- 
pugnare  meum  non  est ,  sed  Porphyrione  Acronem  paulo  superiorem 
fuisse  probabile  mihi  videtur).  Die  uns  erhaltene  recension  der 
scholien  aber  setzte  ich  p.  7  in's  IX.  oder  X.  Jahrhundert.  — 
[E.  Schiveikert]. 

In  der  sitzung  der  philosophisch-historischen  classe  der  kaiser- 
lichen academie  zu  Wien  am  15.  mai  a.  c.  wird  über  den  inhalt 
der  von  Dr  Ad.  Horawitz  eingesendeten  abhandlung:  ,,des 
Beatus  Rhenanus  literarische  thätigkeit  in  den  jäh- 
ren 1508  —  1531",  folgendes  mitgetheilt:  die  literarische  thätig- 
keit des  Beatus  Rhenanus  ist  in  eingehender,  zusammenhängender 
darstellung  noch  nicht  besprochen.  So  ansprechend  auch  die  kurze 
abhandlung  ,J.  Mähly's  (Alsatia  1856—57)  ist,  so  erschöpft  sie  doch 
den  stoff  bei  weitem  nicht.  In  dem  vorliegenden  aufsatze  sollteu 
vorerst  eine  genaue  bibliographische  aufzählung  der  werke  des  Rhe- 
nanus von  1508 — 1531,  sowie  eine  besprechung  der  verschiedenen  aus- 
gaben und  kurze  Charakteristik  des  werthes  jener  Schriften  gegeben 
werden.  Es  ist  die  vornehmlich  philologische  periode  des  Rhenanus, 
die  hier  besprochen  wird,  jene  epoche,  in  der  er  als  herausgeber  von 
classikern  und  kirchenvätern  thätig  ist.  Hie  und  da  konnten  bisher 
gar  nicht  besprochene  kleinere  Schriften  des  rastlos  fleissigen  mannes 
beschrieben  und  charakterisirt  werden.  In  diesem  Zeitraum  und  in 
den  kreis  dieser  abhandlung  gehört  die  ausgäbe  der  Epistolae  prö- 
verbiales  des  Faustus  Andrelinus  (1508) ,  die-  abfassung  der  Vita  J. 
Geileri  (1510) ,  die  edition  einiger  tendenziöser  Sammelwerke  (1510, 
1511),  darauf  folgten  die  ausgaben  des  Ludus  L.  Annaei  Scnecae  de 
morte  Claudii ,  des  Synesius  de.  laudibus  caluitii  (1515),,  des  Curtius 
Rufus  (1518),  Maximus  Tyrius  (1519),  der  Formulae  familiarium  Col- 
loquiorum  des  Erasmus  (1519),  der  Panegyriker  (1520),  des  Tertullia- 
nus  (1521  und  1528),  des  Vellejus  (1522),  der  Autores  Historiae  ec- 
clesiasticae  (1523)  und  die  Plinius-Emendationen  (1526).  Alle  diese 
werke  finden  eine  kurze  besprechung ;  zum  Schlüsse  wird  die  eigen- 
thümliche  philologische  methode  des  Rhenanus  in  den  äussersten  um- 
rissen dargestellt. 

Ferner  legte  in  derselben  sitzung  prof.  C  o  n  z  e  mit  einigen 
erläuternden  worten  über  den  stand  des  Unternehmens  die  erste 
kupfertafel  der  mit  Unterstützung  der  kaiserlichen  akademie  vor- 
bereiteten und  für  die  denkschriften  bestimmten  publication : 
, römische  bildwerke  einheimischen  fundorts  in 
O  esterreich"  vor.  —      Zugleich  überreichte  derselbe  für  die 


ftr.  7.  Kleine  philologische  zeitung.  379 

Sitzungsberichte  einen  aufsatz  ,,über  griechische  grabre- 
liefs",  der  sich  kritisch  mit  einem  grabrelief  in  der  Bibliotheca 
civica  zu  Triest  und  einem  andern  im  Museo  lapidario  zu  Ve- 
rona beschäftigt;  den  besondern  anlass  hierzu  geben  die  mit 
beiden  reliefs  vorgenommenen  fälschungen.  Bei  dem  relief 
in  Triest  lassen  sich  diese  fälschungen  sehr  bestimmt  durch 
eine  von  Fourmont  herrührende  Zeichnung  erweisen.  Diese  ist 
vor  der  jetzt  mit  dem  relief  vorgenommenen  Umgestaltung  ge- 
macht und  ist,  so  sehr  sie  gegen  Fourmonts  treue  in  der  wie- 
dergäbe eines  bildwerkes  zeugniss  ablegt,  werthvoll  nach  zwei 
Seiten  hin,  indem  sie  die  später  gefälschten  theile  noch  nicht 
zeigt  und  dieselben  somit  verurtheilt,  die  an  sich  sonst  anstös- 
sige  inschrift  dagegen  als  schon  zu  Fourmonts  zeit  vorhanden 
und  so  wahrscheinlich  als  echt  sichert.  —  Bei  dem  veroneser 
grabsteine  war  schon  früher  der  versuch  gemacht  ein  in  einer  ge- 
fälschten beischrift  irrthümlich  auf  den  Eros  Uranios  bezogenes 
figürchen  vielmehr  als  eine  Sirene  und  damit  zugleich  die  in- 
schrift um  so  deutlicher  für  gefälscht  zu  erklären.  Den  zwei- 
feln Stephani's  gegenüber  kann  diese  erklärung  jetzt  durch  her- 
beiziehung eines  griechischen  grabsteins  in  Wiltonhouse  bei  Sa- 
lisbury  und  eines  andern  in  der  Calvert'schen  Sammlung  an 
den  Dardanellen  ganz  festgestellt  werden. 

In  der  Sitzung  derselben  classe  vom  29.  mai  a.  c.  berich- 
tete Dr  Kenner  über  zwei  abhandlungen  ,  deren  erste  den  ti- 
tel  „über  eine  griechische  inschrift  aus  Erythrae", 
die  zweite  den  titel  „über  die  römische  reichsstrasse 
von  Virunum  nach  Ovilaba  und  über  die  ausgra- 
bungen    von    Win  d  i  s  ch-  Garsten    in    0  b  er  ö  s  t  err  eich 

führt.  Die  erste  abhandlung  betrifft  eine  in  dem  alten  Erythrae  in 
Ionien  gefundene  raarniorstele  mit  griechischer  inschrift,  welche  das 
kaiserliche  münz-  und  antiken -cabinet  durch  die  Vermittlung  des 
contreadmirals  ritter  von  Millosich  im  letzten  herbste  zu  erwerben 
gelegenheit  erhielt.  Sie  stammt  aus  dem  ersten  drittel  des  zweiten 
Jahrhunderts  vor  Chr.  und  enthält  den  volksbeschluss  einer  gemeinde, 
deren  name  zwar  nicht  genannt  wird,  aber  aus  veschiedenen  krite- 
rien  des  denkmals  selbst  und  aus  einer  andern  schon  bekannten  de-- 
lischen  inschrift  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  sich  ergänzen  lässt ; 
es  war  Mytilene  auf  Lesbos.  Wohl  wegen  zeitweiliger  schärfung 
des  parteihaders,  an  welchem  die  einheimischen  richter  betheiligt 
sein  mochten,  ersuchten  die  Mytilenaeer  die  befreundete  stadt  der 
Erythraeer  um  aushülfe ;  diese  sandte  einen  gerichtshof  bestehend  aus 
zwei  richtern  und  zwei  unterbeamten.  Am  ende  ihrer  verdienstlichen 
thätigkeit  wurden  sie ,  sowie  die  stadt  der  Erythraeer  selbst ,  durch 
unsern  volksbeschluss  mit  verschiedenen  auszeichnungen  bedacht,  be- 
lobungen,  goldenen  kränzen  und  mit  dem  officiellen  mahl  im  pryta- 
neion;  ausserdem  erhielten  die  Strategen  den  auftrag,  für  die  beiden 
richter  auf  Verleihung  des  bürgerrechts  und  des  rechtes  der  gast- 
freundschaft  anzustragen.  Die  antrage  über  diese  punkte,  die  ihnen 
entsprechenden  beschlüsse  selbst  mit  der  angäbe  der  motive  und  die 
ausführungsbestimmungen  bilden  die  drei  theile ,  in  welche  die  in- 
schrift zerfällt.    Es  mangelt  nicht  an  parallelen  aus  den  griechischen 


£80  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  7. 

inseln  und  den  städten  an  der  Westküste  von  Kleinasien;  sie  sind  al- 
lerdings nicht  zahlreich,  lassen  aber  an  der  ähnlichen  Stilisierung 
doch  erkennen,  dass  sich  ungeachtet  der  Verschiedenheit  der  orte  eine 
gewisse  gleichförniigkeit  der  behandlung  solcher  fälle  gebildet  habe, 
die  letzteren  also  ziemlich  häufig  eingetreten  sein  müssen.  Daher 
bietet  auch  die  stele  von  Erythrae  im  einzelnen  wenig  neues  dar. 
Es  lässt  sich  aus  ihr  folgern,  dass  Mytilene  eine  der  attischen  sehr 
ähnliche  Verfassung  gehabt  habe,  was  auch  an  sich  wahrscheinlich 
ist,  da  es  durch  lange  zeit,  wenn  gleich  unter  wechselnden  Schick- 
salen ein  wichtiges  mitglied  des  attischen  seebundes  war.  Statt  der 
sonst  üblichen  auszeichnung  von  porträtstatuen  an  die  fremden  rich- 
ter  wird  hier  die  politie  und  proxenie  verliehen.  Auch  eine  ganz 
neue  amtsperson  taucht  hier  auf,  der  dikastogog ,  welcher  als  unter- 
ster beamter  dem  fremden  gerichtshof  beigegeben  ist.  Wie  aus  den 
motiven  der  beschlüsse  gefolgert  werden  kann,  hatte  er  die  Obliegen- 
heiten eines  sachverständigen  zu  erfüllen,  um  die  richter  in  die  nö- 
thige  kenntniss  über  persönliche  und  tbatsächliche  Verhältnisse  in 
den  strittigen  dingen  einzuführen  und  ihnen  die  fällung  gerechter 
urtheile  möglich  zu  machen.  In  sprachlicher  beziehung  ist  die  ver- 
mengung ionischer  und  aeolischer  formen  bemerkenswerth.  Der 
entwurf  der  inschrift  war  im  aeolischen  dialecte  abgefasst,  die  stele 
aber  in  Erythrae  selbst  von  einem  ionischen  Steinmetz  gearbeitet,  auf 
dessen  rechnung  die  meisten  ionismen  kommen  mögen. 

Die  zweite  abhandlung  bildet  den  ersten  theil  einer  Untersuchung 
über  die  römische  reichsstrasse  von  Virunum  nach  Ovilaba  und  über 
die  ausgrabungen  von  Windisch -Garsten  in  Ober-Oesterreich.  Kaum 
bei  einem  andern  anlasse  gehen  die  meinungen  über  die  richtung 
der  Strasse  und  die  bestimmung  der  einzelnen  orte  so  weit  auseinan- 
der als  bezüglich  dieser  route,  für  welche  im  Itinerarium  Antouini 
bis  auf  die  höhe  des  Pirn  ganz  andere  Stationen  genannt  werden,  als 
in  der  Peutinger'schen  tafel;  selbst  da,  wo  in  beiden  die  gleichen 
Stationen  erscheinen  (vom  Pirn  bis  Wels) ,  sind  die  distanzangaben 
verschieden.  Im  wesentlichen  dreht  sich  der  streit  um  zwei  punkte, 
ob  die  beiden  quellen  denselben  oder  theilweise  verchiedene  strassen- 
züge  im  äuge  haben,  dann  ob  der  Rottenmanner- Tauern  direct  über- 
setzt oder  im  thale  der  Mur  und  des  Paltenbaches  umgangen  worden 
sei.  Nachdem  aus  keltischen  Ortsnamen  nachgewiesen  ist,  dass  schon 
in  vorrömischer  zeit  sowohl  über  den  Pirn  als  den  Tauern  ein  uralter 
Verkehrsweg  geführt  habe ,  wird  das  eigenthümliche  verhältniss  des 
Itinerars  und  der  Tabula  bezüglich  dieser  route  einer  eingehenden 
kritik  unterzogen.  Ihre  ergebnisse  laufen  darauf  hinaus ,  dass  beide 
•quellen  dieselbe  Strasse  darstellen  und  diese  den  Rottenmanner-Tauern 
direct  übersetzt  habe.  Dabei  lassen  sich  die  spuren  einer  gründli- 
chen Umgestaltung  erkennen ,  welcher  die  route  zur  zeit  Alexander's 
Severus'  unterzogen  wurde.  Die  ältere,  nur  auf  den  dienst  der  staats- 
couriere  berechnete  eintheilung  der  tagreisen,  die  manche  auffallende 
Ungleichheiten  und  Unbequemlichkeiten  —  die  dritte  und  vierte  nacht- 
herberge  entfielen  auf  die  höhe  des  Tauern  und  des  Pirn  —  mit  sich 
brachte  ,  wurde  späterhin  zum  vortheile  des  zahlreicher  gewordenen 
reisepublicums  abgeändert,  indem  die  tagreisen  gleichförmiger  einge- 
teilt und  die  herbergen  sämmtlich  in  die  thäler  verlegt  wurden. 
Damit  war  eine  Verschiebung  der  neuen  Stationen  um  durchschnitt- 
lich fünf  millia  pussmim  gegen  die  alten  verbunden,  welche  sich  aus 
der  vergleichung  der  distanzangaben  beider  quellen  mit  völliger  Si- 
cherheit nachweisen  lässt.  Der  umstand,  dass  bei  dieser  Verschiebung 
die  neuen  Stationen  südwärts  vom  Pirn  auf  andere  Ortschaften  entfie- 
len, als  früherhin  ,    während  sie  nordwärts   desselben  mit  den   alten 


jfr.  7.  Kleine  philologische  zeitung.  381 

Ortsnamen  erschienen,  ist  ein  beweis,  dass  dort  die  römisch  norischen 
ansiedlungen  viel  dichter  neben  einander  standen  ,  als  hier ,  wo  nur 
einzelne  über  lange  Wegstrecken  ausgedehnte  Keltendörfer  lagen;  es 
lässt  sich  nachweisen,  dass  die  heutige  Ortschaft  Klaus,  welche  zwei 
stunden  weges  lang  sich  hinzieht,  genau  mit  den  grenzen  des  alten 
Tutatio  zusammenfällt.  Nach  den  also  gewonnenen  anhalten  wird 
eine  neue  bestimmung  der  orte  versucht  und  zum  Schlüsse  die  länge 
der  ganzen  und  halben  tagereisen  Dach  anderwärtigen  parallelen  be- 
stimmt, um  eine  neue  grundlage  für  die  bemessung  der  durchschnitt- 
lichen fahrgeschvvindigkeit  der  römischen  post  zu  gewinnen.  Sie 
stellt  sich  als  eine  im  vergleich  mit  unseren  heutigen  begriffen  ge- 
ringe heraus,  indem  —  besondere  fälle  ausgenommen  —  bei  einer 
täglichen  fahrzeit  von  nur  sechs  stunden ,  im  besten  falle  d.  h.  bei 
günstigem  terrain,  ein  weg  von  15  bis  1772  stunden  länge,  bei  un- 
günstigem terrain  von  6  bis  10  stunden  zurückgelegt  wurde. 

In  Bergmann's  Philosoph.  Monatsheft.  VIII,  1  findet  sich 
ein  aufsatz  von  E.  B rat  us ch eck  Adolph  Trendelenburg's 
Jugendgeschichte. 

8.  juni  ward  in  Dresden  im  japanischen  palais  ein  denk- 
mal  für  J.  J.  Winckelmann  im  beisein  mehrer  minister  ent- 
hüllt: es  besteht  aus  einem  von  Brossmann  modellirten ,  in 
bronze  gegossenen  reliefportrait,  was  auf  einer  platte  von  sächsi- 
schem serpentinstein  eingesetzt  und  im  treppenhaus  zur  öffent- 
lichen bibliothek  eingefügt  ist.  Genaueres  giebt  Augsb.  Allg. 
Ztg.  beil.  zu  nr.  164. 

Stade,  20.  mai.  Der  hiesige  verein  für  geschiente  und 
alterthümer  erhielt  im  verflossenen  winter  die  mittheilung,  dass 
in  der  nähe  von  Nincop  bei  Neufelde  im  Altenlande  bei 
gelegenheit  des  dort  in  ausführung  begriffenen  chausseebaues 
Pfahlbauten  aufgefunden  seien.  Die  eingezogenen  erkundi- 
gungen  haben  folgendes  ergeben:  in  der  nähe  von  Nincop  zieht 
sich  in  einer  breite  von  ca.  100  bis  200°  östlich,  d.  h.  rechts- 
seitig von  der  erte  und  parallel  zu  dieser  eine  sumpfige  niede- 
rung  hin,  welche  sich  von  der  Geest  bis  zur  Elbe  erstreckt  und 
vermuthlich  ein  zugeschlemmter  ertearm  ist.  In  der  niederung 
befindet  sich  eine  in  der  marsch  sehr  vereinzelt  dastehende  er- 
scheinung,  nämlich  eine  aus  reinem  körnigen  geestsande  beste- 
hende anhöbe,  die  bei  einer  stärke  von  6  fuss  etwa  2  morgen 
fläche  hat.  Unter  dieser  sandbedeckung  sind  nun  bei  jenen 
erdarbeiten  spuren  eines  alten  pfähl baues  aufgefunden  ,  dessen 
Überreste ,  so  weit  sie  sich  in  dem  feuchten  und  moorigen  Un- 
tergründe befanden,  sich  wohl  erhalten  zeigten.  In  der  nähe 
dieser  pfähireste,  namentlich  in  der  mit  sand  bedeckten  rnoor- 
schicht,  hat  man  ausserdem  noch  Scherben,  gebrannte  ziegel, 
knochen,'   zum  theil  in  versteinertem   zustand  etc.,  gefunden. 

Aargau.  Das  ,, Tagblatt"  berichtet  über  interessante  ent- 
deckungen,  die  kürzlich  wieder  bei  den  erdarbeiten  auf  dem 
kurhausplatze  von  den  Baden  gemacht  wurden.  So  grub  man 
in    den    letzten    tagen    eine    römische    topfbrennerei  aus.       Der 


882"  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  f. 

töpferofen  hat  eine  länge  von  6  bis  7'  und  ist  eben  so  breit 
und  etwa  6  bis  7'  hoch.  Er  ist  aus  ziegelstücken  aufgemauert, 
mit  einem  grösseren  gewölbe  von  etwa  3'  höhe  und  2'  linien 
breite,  von  welchem  rechtswinklig  horizontal  nach  jeder  der 
beiden  Seiten  hin  je  3  züge  auslaufen  von  3  bis  4"  weite  und 
2'  höhe.  Die  züge,  sowie  die  innere  wand  des  gewölbes  sind 
meist  noch  mit  lehm  ausgestrichen.  Dass  es  nicht  eine  ge- 
wöhnliche ziegelbrennerei  war,  beweisen  die  kleinen  dimensionen 
der  anläge,  während  für  eine  töpferei  in  der  nähe  befindliche 
häufen  von  grösseren  und  kleineren  scherben  zeugen.  Ziemlich 
häufig  sind  auch  grössere,  zwei  mass  haltende  becken ,  in  der 
form  unserer  milchbecken,  zu  finden.  Wie  die  gefundenen  Über- 
reste zeigen,  wurden  geschirre  gemacht  aus  gewöhnlichem  lehm 
und  aus  feinem  thon.  Der  hals  einer  aufgefundenen  amphore 
mass  3x/2"  durchmessen 

Regensburg,  9.  juni.  Die  erdarbeiten,  welche  aus  ver- 
anlassung der  bauten  der  ostbahn  und  Donauthalbahn  in  unmit- 
telbarer nähe  der  Stadt  vorgenommen  werden,  fördern  bestän- 
dig eine  erhebliche  zahl  von  römischen  gr abstatten  zu 
tage.  Die  Sammlungen  des  hiesigen  historischen  Vereins,  der 
dieselben  überwacht,  haben  daher  erhebliche  Vermehrungen ,  na- 
mentlich an  aschenurnen  der  verschiedenartigsten  gestalt ,  thrä- 
nenfläschchen,  grablämpchen  von  der  einfachsten  bis  zur  kunst- 
reichsten form  erhalten;  besonders  bemerkenswerth  ist  die  auf- 
findung  kleiner  glöckchen  von  eisen  oder  bronze.  Die  partien, 
welche  gegenwärtig  zur  aufdeckung  gelangen,  bergen  die  gräber 
aus  dem  ende  des  2.  Jahrhunderts,  wie  man  nach  den  aufge- 
fundenen münzen,  welche  den  kaisern  aus  jener  zeit  angehören, 
schliessen  darf.  Als  ein  interessantes  resultat  ergiebt  sich  aus 
den  beobachteten  ausgrabungen  die  Überzeugung,  dass  das  ver- 
brennen der  leichen  zu  gleicher  zeit  mit  dem  beerdigen  dersel- 
ben in  gebrauch  war ;  freilich  war  die  erstere  art  die  bei  wei- 
tem häufigere,  so  dass  man  ungefähr  25  brandstätten  begegnet, 
ehe  man  eine  unverbrannte  leiche  findet.  Noch  verdient  bemerkt 
zu  werden  ,  dass  an  mehreren  stellen  quaderkonstruktionen  zu 
tage  gefördert  wurden,  welche  offenbar  als  unterbau  für  monu- 
mente  dienten,  von  denen  manche  reste,  wie  z.  b.  der  wohler- 
haltene köpf  eines  greifen,  zum  Vorschein  kamen. 

Aus  Athen,  8.  juni,  schreibt  man:  ein  interessanter  ar- 
chäologischer fund  wurde  vor  einigen  tagen  hier  bei  Hagia 
Trias  gemacht,  nämlich  eine  säule  mit  inschriften ,  welche  ihrer 
läge  nach  die  glänze  zwischen  dem  äussern  und  innern  Kera- 
meikos  bildete.  In  der  nähe  wurden  die  fundameute  eines 
grossen  thores,  höchst  wahrscheinlich  des  dipylon ,  an  den  tag 
gelegt.  Die  hiesige  archäologische  gesellschaft,  welche  die  aus- 
grabungen leitet,   wird  darüber  eine  dissertation  veröffentlichen. 

Der  kämpf  des  Staats  mit   der  katholischen    kirche    nimmt, 


Nr.  f.  Kleine  philologische  zeitung.  383 

wie  es  scheint,  immer  grössere  dimensionen  an,  greift  daher 
natürlich  auch  tief  in  die  Verhältnisse  der  schule  und  das  we- 
gen der  Wissenschaft  ein.  Um  zu  zeigen,  wie  in  Oesterreich 
als  einem  katholischen  lande  der  kämpf  geführt  wird ,  machen 
wir  auf  den  bei  uns  wohl  weniger  bekannten,  in  Wien  erschei- 
nenden „Sonn-  und  Fei  er  tags-  C  ouri  er  "  aufmerksam  :  er 
hat  z.  b.  in  nr.  27  vom  20.  mai  einen  die  ,,aussöhnung  mit 
Rom"  überschriebenen  artikel,  in  dem  es  unter  anderm  heisst : 
„mit  dem  ultramontanismus  giebt  es  nur  einen  einzigen  modus 
vivendi,  und  dieser  ist:  strenge  aufrechthaltung  der  gesetze  ohne 
Schonung  der  würden  oder  titel,  und  Währung  der  staatsautori- 
tät  gegenüber  der  clericalen  anmaasung:  jeder  andre  weg  führt 
unvermeidlich  zur  demüthigung  des  Staats,  zur  Verletzung  der  Ver- 
fassung, zur  reaction".  In  derselben  nummer  ferner,  dann  in  nr. 
29.  31,  ist  von  einem  katholischen  geistlichen  unter  dem  titel: 
„die  bischöfe  und  ihr  Wirkungskreis"  die  jetzige  Stellung  der 
bischöfe  einer  strengen  kritik  —  anch  mit  rücksicht  auf  die 
schule ,  auf  den  Unterricht  in  alumnaten  und  knabensemina- 
ren  —  unterzogen-,  endlich  in  nr.  30  ,,das  verhältniss  zwischen 
kirche  und  staat"  besprochen,  dabei  die  prunksucht  bei  pro- 
cessionen  u.  dergl.  getadelt,  der  verfall  der  katholischen  kirche 
überhaupt  geschildert  und  abhülfe  verlangt:  ,,mit  dem  populär 
gewordenen  schlagworte  „trennung  des  Staates  von  der  kirche" 
ist  blutwenig  gesagt ,  zu  seiner  durchfuhrung  wenig  geholfen, 
wenn  dieser  trennung  nicht  radicale  reformen  vorangehen.  So 
müsste  vor  allem  andern  den  bischöfen  jede  art  von  staatsrecht- 
licher autorität  entzogen  werden :  die  priester  müssen  privat- 
und  nicht  amtspersonen  sein"  ....  „Eine  weitere  consequenz 
wäre,  dass  die  guter  der  kirche  nicht  mehr  den  bischöfen  zur 
freien  Verfügung  überlassen,  sondern  dass  dieselben  ihren  eigent- 
lichen eigenthümern,  den  kirckeugemeinden,  zurückgegeben  wer- 
den" ....  „Wollen  wir  auf  kirchlichem  gebiete  etwas  wahr- 
haft erspriessliches  schaffen,  dann  müssen  wir  die  autonomie 
der  katholischen  kirchengemeinde  auf  unsre  fahne 
schreiben.  Die  gemeinde  muss  ihre  priester  frei  wählen  und 
absetzen  können,  sie  muss  das  kirchengut  verwalten  und  über 
ihr  geistiges  wohl  und  wehe  berathen  und  beschliessen  können. 
Dann  brauchen  wir  keine  ausnahmsgesetze  gegen  die  Jesuiten, 
dann  werden  wir  würdige  priester  finden,  welche  nur  des  erlö- 
senden wortes  harren,  um  wahre,  ehrliche  und  freie  führer  und 
berather  ihrer  gemeinden  sein  zu  können".  Dies  um  diese  den 
extremen  auch  nicht  fremde  richtung  zu  charakterisiren :  sie 
trifft   auch  mit  Rüge  zusammen:   s.   unt.  nr.  8. 

Augsburger  Allgemeine  Zeitung  nr.  161  :  zum  confhct  zwischen 
der  münchener  Universität  und  dem  kultusniiDisterium :  betrifft  in- 
fallibilistische  professoren.  —  Nr.  162:  Fr.  Arnold  Brockhaus:  refe- 
rat  über  dessen   biograpkie,  —     Beil.  zu   nr.  164:    Römergräber  bei 


384  Auszuge  aus  Zeitschriften.  Nr.  7. 

Regensburg:  s.  ob.  p.  382.  —  Nr.  165:  Zusammenkunft  der  profes- 
soren  aus  Freiburg,  Heidelberg  und  Strassburg  in  Baden-Baden.  — 
Beil.  zu  nr.  166.  167:  sonst  und  jetzt.  Klar  und  wahr:  anzeige  von 
A.  F.  Quenstedt's  populären  vortragen  über  geologie.  —  Zur  inschrif- 
tenfälschung  in  Jerusalem:  kurze  inittheilung  von  Socin.  —  Beil. 
zu  nr.  168:  „was  wir  von  Frankreich  lernen  können"?  anzeige  einer 
broschüre  dieses  titeis  von  Sybel.  —  Nr.  169:  die  erzthüren  von  St. 
Paul  und  die  Platon-herme  von  Tivoli:  aufsatz  von  F.  Piper,  der 
auf  die  jetzt  verschollene  Herme  aufmerksam  macht.  —  Ausserord. 
beil.  zu  nr.  171:  gründung  einer  neuen  gesellschaft  in  Paris,  Associa- 
tion fr  an^aise  pour  l'avancement  des  sciences.  —  Beil.  zu  nr.  172:  zeit- 
betrachtungen.  —  Ausserord.  beil.  zu  nr.  172 :  kurze  notiz  über  Mordt- 
mann's  studien  über  die  geschichte  Armeniens.  —  Nr.  173 :  aus  Ae- 
gypten ;  vorzugsweise  den  process  des  marquis  de  Bassano  betreuend. 
—  Der  neue  etat  für  die  Universität  Bonn.  —  Beil.  zu  nr.  174: 
über  nationale  erziehung :  anzeige  der  vom  Verfasser  der  „briefe  über 
berliner  erziehung"  unter  diesem  titel  veröffentlichten  schrift.  —  Nr. 
175:  Ringseis  contra  Döllinger.  —  Nr.  176:  zur  characteristik  der 
Jesuiten  und  ihres  Stifters.  —  Beil.  zu  nr.  177:  Robert  Prutz  f.  — 
Beil.  zu  nr.  179 :  Graf  Montalembert  über  die  Jesuiten  —  Münche- 
ner kunst.  —  Nr.  180:  die  ausweisung  der  Jesuiten  und  ihre 
gründe.  —  Denkmal  des  ministers  vom  Stein  in  Nassau.  —  Nr. 
181.  182:  schule  und  kirche  in  Preussen.  I.  IL  —  Beil.  zu  nr. 
181:  die  serailsbibliothek  und  Kritobulos,  von  Tischendorf:  erzäh- 
lung  von  der  auffindung  des  werkes  eines  sonst  nicht  bekannten  mön- 
ches  aus  Inibros,  Kritobulos,  welches  die  geschichte  der  eroberung 
Konstantinopels  durcb  Mahomed  II  enthält.  —  Beil.  zu  184:  nach 
dem  griechischen  Orient:  von  B.  Stark.  I.  Vom  Rhein  zur  Donau: 
beschreibung  der  reise  von  Heidelberg  nach  Wien. 

Nachrichten  von  der  königl.  gesellschaft  der  wiss.  zu  Göttingen:  nr. 
1  :  Th.  Benfey,  die  sanskritische  femininalendung  km  (vermittelst 
tkni)  für  tni  von  einem  masculinoneutralem  tna  =  dem  griechischen 
tvo  oder  cJVo. 

Preussische  Jahrbücher  von  H.  v,  Treitschke  und  W.  Wehrenpfen- 
nig, bd.  XXIX,  heft  4:  E.  Fritze,  zur  reform  des  frühern  Schulwesens, 
p.  396.  —  E.  Üonze ,  vom  berliner  museum,  p.  506:  kurze  anzeige 
von  C.  Friederichs  Berlins  antike  bildwerke,  bd.  2,  Düsseldorf,  1871: 
C.  Bötticher ,  erklärendes  verzeichniss  der  abgüsse  antiker  werke. 
Berlin.  1871:  Friederichs  wird  gelobt,  nur  die  bitterkeit  gegen  Ger- 
hard getadelt,  dagegen  Bötticher's  buch  stark  getadelt,  erstens  we- 
gen der  anordnung  des  Stoffs,  die  im  berliner  museum  ausgeführt  ist, 
dann  dass  er  seine  ansichten  überall  und  unmässig  in  den  Vorder- 
grund gestellt ,  endlich ,  dass  diese  sehr  häufig  verfehlt  seien :  in  der 
ganzen  anzeige  kann  man  animosität  gegen  Bötticher  nicht  verken- 
nen. Es  ist  das  zu  beklagen:  grade  von  solchen  catalogen  gilt  das 
naaw  udtlv  %alknöv.  [Es  wird  Bötticher's  buch  im  Anzeiger  noch 
besprochen  werden]. 

Z arncke,  literarisches  centralblatt ,  nr.  6:  31.  Heinze ,  die  lebre 
vom  logos  in  der  griechischen  philosophie.  8.  Oldenburg:  sehr  em- 
pfehlende anzeige  von  K. —  Nr.  7:  Pseudo-Callisthenes.  Nach  der 
leidener  handschrift  herausgegeben  von  H.  Mensel.  8.  Leipzig.  Teub- 
ner ;  anzeige.  —  W.  Christ ,  werth  der  überlieferten  kolonietrie  in 
den  griechischen  dramen.     8.     München:  lobende  anzeige. 


Nr.  8.  August  1873. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben   als   ergänzung   des   Philologus 


Ernst  von  Leutsch. 


219.  Sammlung  der  parallelstellen  zum  ersten  buche  der 
Odyssee.  Aus  dem  nachgelassenen  manuscripte  des  „Parallel- 
Homer"  von  Job..  Ernst  Ellendt  herausgegeben  durch  Georg 
Ellen  dt.  Progr.  des  königl.  Friedrichs  -  collegiums.  4.  Kö- 
nigsberg in  Pr.  1871. 

Die  absieht  des  herausgebers  den  im  manuscript  vollstän- 
dig vorhandenen  Parallel-Homer  seines  vaters  im  ganzen  her- 
auszugeben ist  an  der  Schwierigkeit  einen  Verleger  zu  finden 
gescheitert,  da  die  nicht  unbedeutenden  kosten  der  typographi- 
schen herstellung  abschrecken,  ein  bedeutender  gewinn  aber  bei 
diesem  unternehmen  wohl  nicht  in  aussieht  steht.  Auch  ein 
durch  I.  Bekker's  Vermittlung  gemachter  versuch  von  der  berliner 
academie  eine  beihülfe  zu  den  druckkosten  zu  erlangen  hatte 
keinen  erfolg.  Unter  diesen  umständen  blieb  nichts  übrig,  als 
einzeln  mit  der  publication  vorzugehen:  und  so  liegt  denn  hier 
zunächst  das  erste  buch  der  Odyssee  vor,  nach  demselben  prin- 
cip  bearbeitet,  welches  der  Verfasser  selbst  bei  dem  elften  buch 
der  Ilias  (Joh.  Ernst  Ellendt  drei  homerische  abhandlungen. 
Leipzig.  1864.  p.  53  ff.)  in  anwendung  gebracht  hatte-,  vorbe- 
reitet für  den  druck  sind  ausserdem  A   und  r,  sowie  ?/. 

Wie  sehr  es  nun  zu  bedauern  ist,  wenn  dies  mühsame 
werk  langjähriger  arbeit,  wie  es  wohl  nur  deutscher  fleiss  und 
deutsche  ausdauer  zu  stände  bringen  konnte,  durch  Ungunst  der 
Verhältnisse  zu  einer  stückweise  erfolgenden  publication  verur- 
theilt  ist,  wird  jeder  empfinden,  der  darauf  einen  näheren,  prü- 
fenden blick  wirft.  Der  Verfasser  hat  sich  nämlich  nicht  darauf 
beschränkt  die  halben  und  ganzen  verse,  die  ganz  oder  fast 
gleichlautend  sind ,  die  Wiederholung  derselben  Wendungen  und 
Philol.  Anz.  IV.  25 


386  219.  Homeros.  NV.  Ö. 

formein  oder  umgekehrt  das  alleinstehen  und  die  eigenartigkeit 
des  ausdrucks  zu  verzeichnen,  sondern  er  hat  seine  anfmerk- 
samkeit  auch  auf  die  Stellung  der  wort-  und  ausdrucksweise 
innerhalb  des  verses,  auf  die  rhythmischen  anklänge,  die  ety- 
mologischen formen,  die  syntaktischen  constructionen ,  partikeln 
u.  s.  w.  gerichtet  und  überall  das  gleichartige,  wie  das  verschie- 
denartige verzeichnet.  Von  diesen  Zusammenstellungen  ver- 
sprach sich  der  verf.  „eine  nicht  unwesentliche  Unterstützung 
zur  klärung,  wenn  auch  nicht  lösung  der  schwebenden  fragen 
sowohl  über  die  allmähliche  gestaltung  der  beiden  epopoeen, 
wie  sie  uns  jetzt  vorliegen,  als  über  das  fremdartige ,  das  sie 
enthalten" :  und  gewiss  ist  nur  auf  solchem  wege  für  die  erör- 
terung  dieser  fragen  eine  feste  grundlage  zu  gewinnen,  die  vor 
der  Willkür  subjectiven  beliebens  bewahren  und  zu  annähernd 
sicheren  resultaten  führen  kann.  Aber  auch  abgesehen  von  die- 
sem dem  Verfasser  bei  seiner  arbeit  vorschwebenden  ziel  wird 
das  verständniss  des  dichters  selbst  durch  solche  Untersuchun- 
gen, wenn  sie  vollständig  vorliegen,  im  einzelnen  bedeutend 
gefördert  werden  können.  Denn  wie  in  gleicher  weise  vielleicht 
bei  keinem  andern  Schriftsteller,  bedarf  es  für  das  verständniss 
der  homerischen  gedichte  der  genauesten  vergleichung  des  dich- 
ters mit  sich  selbst  und  vielfach  giebt  erst  die  Zusammenstel- 
lung des  ähnlichen,  abweichenden  oder  auch  völlig  verschiede- 
nen den  einzelnen  stellen  ihr  rechtes  licht.  Dass  aber  die  für 
diese  zwecke  nothwendige  Sorgfalt  und  genauigkeit  die  arbeit 
auszeichnet,  lässt  sich  von  vornherein  von  der  auch  sonst  be- 
währten akribie  des  Verfassers  erwarten :  absolute  Vollständig- 
keit in  den  angaben  zu  verlangen  wäre  bei  einer  solchen  arbeit 
nicht  gerechtfertigt ,  und  so  wird  trotz  der  Sorgfalt  des  Verfas- 
sers immer  noch  eine  nicht  ganz  unbedeutende  nachlese  von 
parallelen  gehalten  werden  können.  So  habe  ich  bei  der  durch- 
sieht des  ersten  buches  folgendes  bemerkt ,  was  nachgetragen 
werden  kann :  v.  4  der  versanfang  no).Xa  ö'  eye  =  1  541  ; 
v.  11  werden  für  das  erste  hemistich  mehr  parallelen  angege- 
ben von  Ameis  im  anhang  zur  stelle;  v.  83  fehlt  v.  239;  v. 
115  zum  versschluss  ß  351;  v.  122  ß  269;  v.  146  zum  ver- 
schluss <5  216;  v.  149  8  218;  v.  150  7  67;  /*  308.  0  303.  7*480. 
B  432.  *F57;  v.  170  zum  ersten  hemistich  >/  238;  zu  v.  179 
giebt  mehr  Ameis   im  anhang  zu  £  192;    v.  296  kann  zu  ovde 


Nr.  8.  220.  Antiphon.  387 

zi  as  %qtj  hinzugefügt  werden  T  133.,  vgl.  i  118.  T  67.  — 
Möge  es  dem  herausgeber  vergönnt  sein,  bald  mehr  nachfolgen 
zu  lassen. 

C.  Hentse. 

220.  Arnold  Hug,  de  arte  critica  in  Antiphontis  oratio- 
nibus  factitanda.      4.     Universitätsprogr.      Zürich.  1872.     26   s. 

In  der  vorliegenden  Schrift  wird  die  oft  behandelte  frage 
nach  dem  gegenseitigen  verhältniss  und  dem  relativen  werthe 
der  handschriften  des  Antiphon  von  neuem  einer  besprechung 
unterzogen,  und  zwar  tritt  der  vf.  dem  ref.  gegenüber ,  welcher 
mit  Mätzner  den  Oxoniensis  bevorzugt ,  auf  die  seite  Sauppe's, 
der  diesen  für  willkürlich  interpolirt  und  den  Crippsianus  A  für 
den  sichereren  führer  erklärt  hat.  Zunächst  ist  es  nun  dem 
vf.  sehr  zu  danken,  dass  er  durch  einen  früheren  schüler,  B. 
Sigg,  den  Crippsianus  an  ort  und  stelle  vollständig  neu  hat 
vergleichen  lassen,  von  welcher  collation  ein  grosser  theil  in  die- 
ser schrift  mitgetheilt  wird.  Hug  zeigt  nun  zuerst  mit  hinläng- 
licher evidenz,  dass  der  zweite  corrector  des  Crippsianus  (A2) 
nicht  nach  conjektur,  sondern  nach  einer  ihm  vorliegenden 
handschrift  emendirt  hat,  welche  zu  der  familie  ß  (codd.  BLZM) 
gehörte;  zu  dieser  familie  zählt  sich  folglich  auch  A2.  Sodann 
aber  behauptet  er,  dass  die  familie  ß  einen  selbständigen  werth 
neben  A  und  N  besitze  —  beweis  sei  die  anzahl  von  ihr  allein 
gebotener  trefflicher  lesarten  —  und  stellt  das  stemma  der  hand- 
schriften so  auf,  dass  von  einer  urhandschrift  x  einerseits  das 
original  von  N  und  A  (a),  andrerseits  das  der  familie  ß  (ß)  sich 
herleitet ;  zwischen  a  und  N  steht  eine  handschrift  n,  in  der 
die  angebliche  Interpolation  stattgefunden.  Nun  ist  eine  Selb- 
ständigkeit der  klasse  ß  allerdings  zuzugeben,  ein  selbständiger 
werth  aber  nur  in  äusserst  geringem  maasse,  indem  hier  wirk- 
lich interpolation  gewaltet  hat.  Was  heisst  denn  eigentlich  in- 
terpolation?  Doch  wohl  hewusste  freie  änderung  einer  ver- 
derbten stelle,  wodurch  ein  täuschender  schein  von  unverderbt- 
heit  hervorgebracht  wird.  So  etwas  hat  in  ß  an  zahlreichen 
stellen  stattgefunden;  dagegen  was  beim  Oxoniensis  interpola- 
tion genannt  wird ,  ist  von  ganz  andrer  art  und  theils  einfache 
verderbniss,  theils  nicht  auf  conjektur  sondern  auf  handschrift- 
liche  gewähr   zurückzuführen.      Hug   zählt  p.  19  f.     die   intet - 

25* 


388  220.  Antiphon.  Nr.  8. 

polationen  des  Oxoniensis  auf;  darunter  befindet  sich  2  a 
7  nu&[öT7]6ep  aus  na&i'atTjaiv  (A  und  ß)  —  ist  das  ein  do- 
ctus  grammaticus,  der  so  etwas  schreibt?  1  ,  3  an?i\i](i[i4Mp 
statt  äaeilsifupiivcp  (A),  wogegen  ß  und  A2  das  richtige  cn.no- 
XeleiiApevq)  bieten:  ist  hier  interpolation,  so  ist  das  die  les- 
art  von  ß,  während  in  N  lediglich  die  verderbniss  um  ein  klei- 
nes weiter  gegangen.  Ganz  ähnlich  2  a  hypotb.  reo  loycp  tqj 
TiQog  MixCrtjv  richtig  A,  Mvx/jvqv  N,  quod  nomen  grammatico 
notum  erat,  sagt  Hug.  Eichtiger  librario ,  denn  den  kann  ich 
nicht  grammaticus  nennen,  der  hier  den  namen  einer  Stadt  hin- 
einbringt und  unmittelbar  vorher  die  leichte  änderung  von  Av- 
Gi'q>  in  Avala  (so  auch  A  corr.1,  A  jpr.  wie  N)  unterlässt.  Und 
dieser  selbe  mann  soll  willkürlich  die  Wortfolge  an  zahlreichen 
stellen  mit  richtigem  und  feinem  gefühl  geändert,  er  soll  2/6 
ayäva  statt  xivbvvov ,  2  y  2  nQoidövrsg  statt  iSövTsg  willkürlich 
geschrieben  haben,  wo  jeder  schein  eines  zu  bessernden  ver- 
derbnisses  fehlte.  Ebenso  4Ö2  tolv  o<y§a\\ioh  statt  zotg  ocp&oü- 
fiois ,  während  er  unmittelbar  darauf  zoig  caafv  stehen  Hess. 
Eef.  hat  an  allen  diesen  stellen  die  lesart  des  Oxoniensis  auf- 
genommen, an  der  letztern  um  so  mehr,  weil  auch  sonst  tcocpa)ft(6 
oft,  Too  ocze  dagegen  seines  wissens  nirgends  vorkommt;  diesem 
Sprachgebrauch  gemäss  kann  wohl  Antiphon  geschrieben,  aber 
nimmer  ein  grammatiker  gewöhnlicher  art  geändert  haben.  Hug 
seinerseits  hält  es  für  unglaublich,  dass  die  lesart  von  ß  in  5,  «,  46 
i^eltjTat  für  e^slaiiai,  oder  die  hinzufügung  von  dwa^ifimr  5,  «, 
3  auf  conjektur  zurückgehe:  besserungen,  die  spräche  und  sinn 
forderten,  und  die  jeder  grammaticus  machen  konnte.  Ich  muss 
nach  wie  vor  meine  ansieht  dahin  aussprechen,  dass  für  die  ab- 
weichenden lesarten  in  N  die  annähme  einer  auf  conjektur  und 
Willkür  beruhenden  interpolation  keine  zureichende  erklärung 
ist,  und  dass  dafür  eine  handschriftliche  grundlage  dagewesen 
sein  muss.  Wenn  ich  nun  im  Ehein.  Museum  XXVII,  p.  92  ff. 
diese  in  beigeschriebeneu  lesarten  der  urhandschrift  suchte ,  so 
ist  Hug,  wiewohl  er  die  existeuz  von  Varianten  in  derselben 
anerkennt,  dadurch  nicht  befriedigt,  indem  sich  nach  seiner 
meinuug  in  A  dann  noch  mehr  spuren  der  doppelten  lesart  fin- 
den müssteu.  Mir  kommt  wenig  darauf  an,  wo  diese  lesarten 
gestanden  haben ,  ob  in  «  (wo  sie  nach  der  anfertigung  von 
A  eingetragen  sein  konnten  ,  so  dass  der  spätere  Schreiber  von 


Nr.  8.  220.  Antiphon.  389 

N  sie  benutzte,  der  von  A  nicht)  oder  in  n,  der  von  Hug  nach 
Scholl  zwischen  a  und  N  eingeschalteten  handschrift,  an  deren 
existenz  ich  übrigens  zweifle :  da  x  und  a  und  n  unbekannte 
grossen  sind,  so  lässt  sich  am  ende  nichts  so  bestimmtes  dar- 
über wissen.  Aber  nach  der  innern  beschaffenheit  der  lesar- 
ten  des  Oxoniensis  muss  ich  daran  festhalten,  dass  sie  nicht  auf 
Willkür  und  conjektur  beruhen  können,  und  darnach  ihre  werth- 
schätzung  für  die  kritik.  Vor  allem  müssen  wir,  nach  meiner 
auffassung,  unbeschränktes  misstrauen  hegen  wider  die  interpo- 
lirte  klasse  ß,  und  ich  bedaure  nur,  in  meiner  ausgäbe  hierin 
lange  nicht  weit  genug  gegangen  zu  sein.  Z.  bsp.  3  5  9  ha- 
ben a  und  A2  o  8s  xa&aobg  7?jg  ah  lag  iäv  diacp&ag^ ,  aber 
A  pr.  (Sigg)  und  N  geben  6  5«  xa&aQog  rrjg  alziag  og  8s  sav 
qi&agrj :  aus  dem  og  8s  wird  n8s  einzuschieben  sein,  während 
allerdings  Siayüaoy  beibehalten  werden  muss.  3  y  6  ff.  hält 
Hug  das  von  mir  im  Rhein.  Mus.  a.  o.  nach  A  pr.  und  N  herge- 
stellte für  unannehmbar  und  hält  sich  lieber  an  die  lesarten 
von  ß.  Aber  der  interpolator,  der  sonst  alles  recht  hübsch  um- 
gestaltet hat,  wird  überführt  an  dem  fiällov  8s  sacov  ovrs  sßa- 
Xsv  ovrs  am'xTsive,  wo  seine  Herstellung  eine  durchaus  ungenü- 
gende ist.  Hingegen  die  fassung  in  A  pr.  und  N  hat  nur  das 
eine,  was  eben  Hug  gegen  sie  einnimmt,  dass  sie  mehr  so- 
phistisch als  logisch  ist ;  aber  ist  das  ein  grund  dagegeu ,  hier 
bei  diesen  tetralogien?  Vorher  (§.  5)  hat  der  Sprecher  gesagt, 
dass  er  mit  mehr  recht  auf  absichtlichen  mord  klagen  als  der 
gegner  die  that  ganz  leugnen  könne.  Jetzt  aber  sagt  er,  dass 
der  mord  nicht  absichtlich  geschehen  sei ,  aber  doch  eher  die- 
ses als,  wie  jener  behauptet,  gar  nicht.  Das  stimmt  doch  zu- 
sammen, und  wenn  er  nun  fortfährt,  dass  die  that  ebensogut 
(oi'x  rjnnov)  absichtlich  als  unabsichtlich  sei,  so  ist  das  zwar 
keine  folge  aus  dem  vorigen,  sondern  ein  sprung,  aber  als  sol- 
cher innerhalb  dieses  ganzen  recht  wohl  zu  begreifen. 

Wenn  ich  übrigens  auch  in  der  cardinalfrage,  der  nach 
der  autorität  von  N,  und  ebenso  betreffs  der  relativen  werth- 
schätzung  von  ß  die  ansieht  von  Hug  nicht  theilen  kann,  so 
darf  doch  dies  die  sonstige  anerkennung  der  höchst  sorgfältig 
gearbeiteten  und  bedeutende  resultate  bietenden  schrift  nicht  im 
geringsten  schmälern. 

F.  Blass. 


390  221.  Plautus.  Nr.  8. 

221.  Collationen  des  codex  vetus  Camerarii  (B,  biblioth. 
Vatic.  cod.  Palat.  1615)  und  des  codex  Ursinianus  (D,  Vatic. 
3870)  zur  Aulularia  desPlautus.  "Von  Aug.  0.  Fr.  Lorenz. 
Berlin.  1872  (programm  des  kölnischen  gymnasiums).    20  s.    4. 

Zu  den  mannigfachen  Verdiensten,  die  sich  Lorenz  um  kritik 
und  erklärung  des  Plautus  erworben,  hat  er  mit  der  oben  ange- 
gebenen Veröffentlichung  ein  ganz  besonders  dankenswerthes  hin- 
zugefügt; denn  nunmehr  besitzen  wir  für  eines  der  plautinischen 
stücke  mehr  und  zwar  für  eines  der  interessantesten  die  voll- 
ständige critische  grundlage.  Die  collationen  machen  durchaus 
den  eindruck  der  höchsten  Zuverlässigkeit  und  lassen  nur  in 
höchst  seltenen  und  unwesentlichen  fällen  zweifei  übrig :    so  II, 

2,  21  über  die  lesart  von  D,  ob  diese  handschrift  wirklich,  wie 
bei  Gronov  (nach  dessen  ausgäbe  sind  die  collationen  angefer- 
tigt) nach  Gruter's  schlechter  vermuthung  steht,  qui  sibi  und  nicht 
vielmehr  wie  die  übrigen  qui  iubi  oder  quin  ibi  giebt,  ferner  ob 
IV,  7,  7  in  BD  wirklich  wie  bei  Gronov  caussa  steht ;  von  III, 

3,  6  giebt  Ritschl  bei  Reifferscheid  Sueton.  Kell.  p.  508  an,  dass 
Ba  Hern  perii,  Bb  Temperi  hat,  Lorenz  bemerkt  nur,  dass  das  T 
von  zweiter  hand,  das  übrige  vielleicht  schon  von  erster  hand  sei. 
Dass  p.  7  z.  1  nach  legibus  ein  si  ausgefallen,  lehrt  z.  5 ;  III,  6, 
24,  wo  als  lesart  von  Ba  uellemi  angegeben  ist  mit  der  bemer- 
kung,  dass  durch  ein  übergeschriebenes  gi  daraus  uel  legioni 
gemacht  sei,  darf  man  wohl  aus  dieser  bemerkung  folgern,  dass 
uellemi  verdruckt  ist  aus  uelleoni,  wie  Pareus  und  Schwarzmann 
angeben  und  auch  die  anderen  handschriften  haben ;  II,  2, 
57  ist  uumquam  wohl  auch  nur  druckfehler  für  numquam,  wie 
deren  ausser  einigen  falschen  oder  ausgelassenen  zahlen  noch 
II,  2,  64  in  der  lesart  von  D,  II,  5,  7  und  IV,  5,  1  in  der 
von  B  vorzuliegen  scheinen. 

Abgesehen  von  dem  speciellen  ertrage  für  die  Aulularia, 
deren  text  durch  die  Vervollständigung  und  die  berichtigung 
der  früheren  angaben  über  den  Vetus  und  der  hier  zum  ersten 
male  mitgetheilten  collation  des  Decurtatus  immerhin  an  einer 
ziemlichen  anzahl  von  stellen  festgestellt  wird  —  so  ist  jetzt 
durch  das  gemeinsame  zeugniss  von  BD  jeder  zweifei  an  der 
Wortfolge  tibi  me  II,  1,  31,  an  der  liuic  nuptum  II,  3,  4  (s.  IV, 
10, 13  apud  me  te)  beseitigt;  III,  2,  10  wird  künftig  nach  BD  zu 
schreiben    sein   aequom   me  erat  (Brix    vermuthete  schon  me  ae- 


Nr.  8.  221.  Plautus.  391 

quom  erat) ;  IV,  1  5  sin  dormitet ,  IV,  1,8  eo  impellere,  IV,  7, 
11  em  (schon  von  Brix  vermuthet),  IV,  9,  8  quid  est  quod  ri- 
detis,  nach  Bb  und  D  wohl  III,  6,  13  de  senatu  sevocas:  in  B 
ausgefallene  Wörter  werden  durch  D  ergänzt:  so  ausser  dem  schon 
von  Ritschi  mitgetheilten  nunc  I,  1;  5  in  I,  1,  16  (t  Äbscede  etiam- 
nunc,  etiam  nunc,  etiam ,  [etiam]  ohe) ,  II,  2,  74  (te  nach  ego), 
II,  5,  16  (andern  nach  facj:  andrerseits  ist  wohl  II,  2,  73  mit 
D  das  in  B  auch  nur  von  zweiter  hand  vor  me  übergeschriebene 
tu  ganz  zu  tilgen  (tImpero[que]  auctörque  sum,  ut  me  cett.),  wie 
auch  II,  1,  41  das  mit  Festus  übereinstimmende  fortuito  derselben 
handschrift  das  fortuitu  des  Vetus  ziemlich  zweifelhaft  macht.  Aber 
abgesehen  7on  dergleichen  lässt  sich  mit  hülfe  dieser  collationen 
nunmehr  eine  wichtige  frage  entscheiden,  in  welchem  Verhältnisse 
nämlich  die  handschriften  der  acht  ersten  stücke  zu  einander  ste- 
hen. Denn  nach  den  sonstigen  erfahrungen  darf  man  anneh- 
men, dass  das  aus  einem  stücke  sich  ergebende  resultat  auch  für 
die  andern  geltung  hat.  Ritschl's  übertriebene  Vorstellung  von 
dem  werthe  der  von  ihm  mit  J  bezeichneten  handschrift  des 
britischen  museums  (proll.  p.  xxxvn.  xli)  hat  Wagner  in  seiner 
ausgäbe  der  Aulularia,  Cambridge  1866,  p.  ix  sq.,  widerlegt; 
doch  scheint  auch  er  noch  eine  zu  günstige  meinung  von  die- 
ser handschrift  zu  haben.  Eine  vergleichung  derselben  mit  den 
von  Pareus  ausser  dem  Vetus  benutzten  handscbriften  ergiebt 
in  so  vielen  und  so  gravirenden  fällen  eine  so  fatale  Überein- 
stimmung, dass  man  sie  nothwendig  auf  ein  und  dieselbe  quelle 
zurückführen  muss ;  folgende  belege  von  einer  grossen  zahl  wer- 
den genügen:  III,  2,  12  lassen  sie  alle  ganz  aus,  desgleichen  II, 
1,  19  te,  IV,  9,  14  das  con  von  concustodivi,  I,  2,  6  geben  BD 
quispiam  —  sisi  quispiam  «7,  si  quispiam  Pall.,  II,  8,  11  ventri 
cordique  —  cordi  ventrique ,  II,  2,  61  quod  dem  —  quidem,  II, 
4,  7  diuidi  —  diuium  J,  di  uum  Pall.,  DI,  5,  10  poscamus 
que  ad  aravin  (poscarn  usque  ad  ravim)  —  poscamus  ad  ar- 
ram  J,  aram  Pall.,  III,  2,  37  medico  —  medio,  EU,  5,  15 
namque  —  neque,  IV,  8,  1  Picis  —  Vites  J,  dites  Pall.  An- 
drerseits zeigt  J  mit  D  dem  Vetus  gegenüber  in  zahlreichen 
punkten  eine  auffallende  Übereinstimmung;  eo  lassen  sie  II,  1, 
33.  DI,  1,  6  ganz  aus,  I,  2,  34  das  est  nach  prope,  II,  5,  13 
in  vor  principio,  II,  8,  2  me,  geben  sie  falsch  II,  2,  45  uti  (ut), 
DU,  5,  34  lanarius  (linarius),   46  dicuntur  (ducuntur),  ELI,  6,  6   mi- 


392  221.  Plautus.  Nr.  8. 

nerunt  D, meminerunt  J [meminerint),  24 obseguium  (ofooramm),  30  laterna 

i 
(lantema),  IV,  1,  9  inductur  D,  inducitur  J  (induetur  BJ,  IV,  5,  4  <se- 
cre*  D,  ferret  J  (feret),  IV,  10,  65  impulsum  (impulsu),  II,  1,  36 
haben  sie  beide  tibi  dare  frater ,  nur  dass  in  D  durch  punkte 
die  in  B  überlieferte  Wortstellung  tibi  frater  dote  angezeigt  wird. 
Da  sich  an  allen  diesen  stellen  die  Übereinstimmung  füglich 
nicht  auf  einen  blossen  zufall  zurückführen  lässt,  an  eine  ablei- 
tung  aber  aus  D  zu  denken  neben  anderen  gründen  der  um- 
stand nicht  zulässt,  das  J  ausser  anderen,  aber  durchweg  leich- 
teren versehen  in  D  eine  reihe  von  auslassungen  mit  dieser 
handschrift  nicht  theilt  (est  prol.  4.  III,  2,  9.  IV,  2,  14;  ei 
prol.  13;  exl,  1,5;  meas  I,  2,  20;  ut  11,2,  6;  ego  II,  3,  7.  II, 
4,  9;  mihi  III,  6,  36;  atque  etiam  IV,  2,  7;  i  IV,  7.  16;  ni  IV, 
10,  12;  es  IV,  10,  38),  so  muss  man  wohl  annehmen,  dass'D 
und  J  sammt  den  verwandten  handschriften  einer  gemeinsamen 
quelle  entstammen ,  und  es  wäre  daher  das  von  Ritschi  proll. 
p.  xxxvn  aufgestellte  stemma  in  diesem  theile  in  folgender 
weise  zu  berichtigen:  8 

D  '  *  J  cum  reliquis  octo  priorum  fere 
omnibus. 
Gegen  diese  annähme  würden  nur  solche  fälle  sprechen, 
wo  J  mit  ß  in  offenbaren  fehlem  D  gegenüber  übereinstimmte. 
Entscheidende  fälle  dieser  art  finden  sich  aber  nicht.  Wenn 
I,  2,  34,  wo  numquam  das  richtige  ist,  D  nüquam  statt  nusquam 
BJ  bietet,  so  kann  hier  derselbe  fall  vorliegen  wie  z.  b.  Trin. 
1068.  Merc.  364,  wo  B  charmide,  solü ,  Merc.  822,  wo  C  alu- 
mnü,  für  cliarmides,  solus,  alumnus  bieten;  wenn  III,  6,  1  statt  edi 
in  D  di,  in  Ba  di  audivi,  in  J  audivi  steht,  so  zeigt  das 
von  Bb  über  audivi  geschriebene  id  est ,  dass  audivi  in  dem 
archetypus  übergeschrieben  war,  dasselbe  war  auch  in  £  der 
fall,  der  abschreiber  des  Vaticanus  liess  es  einfach  weg,  während 
es  in  J  an  die  stelle  des  unverständlichen  di  gesetzt  wurde, 
wie  II,  1,  2  die  in  BD  über  das  unverständliche  haec  gesetzte 
Variante  hoc  in  J  statt  jenes  einfach  in  den  text  gesetzt  ist ; 
wenn  schliesslich  III,  6,  18  D  gerynaces,  BJ  gerronaces  haben, 
in  B  aber  das  zweite  r  aus  y  corrigirt  ist,  so  erklärt  sich  dies 
daraus,  dass  in  £  wie  in  5  eine  doppelte  lesart  stand,    die  eine 


Nr.  8.  222.  Plautus.  393 

ging  in  D,  die  andere  in  die  handschriftenklasse  über,  zu  der  J 
gehört,  ein  Vorgang,  wie  er  m,  6,  12  klar  zu  tage  liegt,  wo 
B  die  lesarten  e  senatu  und  de  senatu  bietet,  D  die  letztere ,  J 
aber  die  erstere.  Es  hat  demnach  die  von  J  reprasentirte 
handschriftenklasse  dem  gemeinsamen  Zeugnisse  von  BD  gegen- 
über gar  keinen  werth  (wo  sie  allein  das  richtige  bietet  wie 
gar  nicht  selten ,  ist  dies  also  als  blosse  conjectur  anzusehen), 
wohl  aber  in  der  Übereinstimmung  mit  B  oder  D  ;  in  letzterem 
falle  wird  dadurch  die  lesart  von  £  festgestellt,  in  ersterem  wie 
bei  der  Übereinstimmung  von  D  mit  B  die  des  gemeinsamen 
archetypus  8,  so  dass  also  auch  an  sich  statthafte  Varianten 
von  D,  wie  Aul.  II,  1,12  das  wegen  des  metrums  (zwei  catalecti- 
sche  iambische  dimetri)  ganz  erwünschte  occultatum  neben  occul- 
tum  BJ,  höchstens  als  conjectur  gelten  können.  Wo  aber  die 
controlle  von  D  fehlt,  können  die  von  B  abweichenden  lesarten 
der  interpolirten  klasse  im  allgemeinen  als  für  sich  allein  keine 
gewähr  bietend  nicht  in  betracht  kommen. 

222.  De  retractatis  fabulis  Plautinis.  Dissertatio  quam  scripsit 
LeopoldReinhardt.8.Gryphisvald.  1872.  35  s.  (doctordissert.). 
Einer  unserer  aus  dem  kriege  zurückgekehrten  helden  (re- 
dux  per  raedios  Tiostes  /actus  sagt  er  in  der  vita)  bietet  uns  hier 
als  erstlingsprobe  seiner  Studien  theile  einer  grösseren  arbeit, 
deren  rest  nächstens  bei  Weidmann  erscheinen  soll.  Im  ersten 
abschnitte  behandelt  er  im  anschluss  an  Dziatzko  (Rhein.  Mus. 
XXVI,  p.  421  folgg.)  den  Mercatorprolog  und  gelangt  dabei  zu 
dem  ergebnisse,  dass  der  echte  prolog  vorliege  in  den  versen  1  — 
2,  7—9,  106—110,  dass  w.  3-6,  10  —  11,  40—54,  61—105 
nach  Plautus  tode  von  einem  dominus  gregis  bei  gelegenheit  ei- 
ner neuen  aufführung  hinzugefügt  sind ,  von  einem  anderen  in- 
terpolator  ungefähr  um  700  d.  st.  vv.  12 — 17,  18 — 39  und  55 — 
60  schliesslich  zu  einer  zeit,  wo  die  stücke  nur  noch  gelesen, 
nicht  mehr  aufgeführt  wurden,  und  zwar  vielleicht  von  verschie- 
denen interpolatoren,  vv.  18 — 39  wohl  erst  im  frontonianischen 
Zeitalter.  Von  106  — 110  ist  es  gar  nicht  anders  denkbar,  als 
dass  sie  dem  ursprünglichen  prologe  angehören,  dasselbe  ist  von 
1 — 2,  7  —  9  kaum  zu  bezweifeln,  ebensowenig  als  von  5 — 6, 
12 — 39;  dass  sie  unplautinisch  sind.  Dass  aber  diese  zehn  verse 
den  ganzen  ursprünglichen  prolog  bilden,  ist  schwer  zu  glauben: 


394  222.  Plautus.  Nr.  8. 

nicht  nur  lässt  die  ausdrucksweise  von  vs.  2  et  argumentum  et  meos 
amores  eloquar  eine  ausführlichere  erzählung  erwarten ,  es  fehlt 
auch  zum  mindesten  zwischen  v.  9  (Ibi  amare  occepi  forma  exi- 
mia  mulier em)  und  106  Quid  verhis  opus  est?  emi  eam  atque  ad- 
vexi  heri ,  eine  das  emi  begründende  notiz.  Dies  spricht  schon 
von  vornherein  wenig  für  die  annähme,  dass  die  v.  106  voran- 
gehende erzählung,  in  der  das  amores  in  v.  2  und  das  emi  in 
v.  106  zur  genüge  gerechtfertigt  werden,  ganz  und  gar  auszu- 
scheiden sei.  Aber  auch  die  von  dem  verf.  beigebrachten 
gründe  sind  nicht  der  art ,  dass  sie  von  der  unechtheit  der 
ganzen  partie  10 — 11.  40  — 105  überzeugen  können,  wo- 
mit nicht  geleugnet  werden  soll,  dass  sich  im  einzelnen  man- 
che verdächtigen  spuren  finden.  So  zeigen  nicht  nur  v.  61 — 
63  mit  Terenz  And.  51.  Haut.  110  Verwandtschaft,  sondern 
die  ganze  stelle  46  folgg.  mit  Haut.  102  flgg.  Dagegen  er- 
scheint die  athetisirung  von  3 — 6  wohl  begründet. 

Im  zweiten  capitel  de  compositione  Truculenti  erweist 
Verfasser  die  erste  scene  des  Stückes  als  den  ursprünglichen 
prolog.  Dagegen  können  wir  den  für  die  unechtheit  von  n, 
1,  5 — 13  und  IH,  2,  14 — 15  versuchten  nachweis  nicht  für 
erbracht  halten.  An  letzterer  stelle  bezieht  der  verf.  ganz 
willkürlich  die  worte:  postquam  in  urbem  crebro  commeo ,  auf  die 
begegnung  mit  Astapliium  in  II ,  2,  wodurch  dann  allerdings 
eine  unzuträglichkeit  entsteht.  Wie  die  worte  aber  dastehen, 
bedeuten  sie  einfach :  seit  ich  häufiger  zur  Stadt  komme.  Ge- 
rade mit  diesen  versen  wird  die  Sinnesänderung  des  früheren 
Truculentus  motivirt  —  der  natürlich  der  handlung  des  Stückes 
als  vorangegangen  zu  denkende  häufigere  besuch  der  stadt  hat 
seine  trucidentia  erschüttert  und  die  erwähnte  begegnung  mit 
Astapliium  ihr  den  letzten  stoss  gegeben  — ,  und  zwar  für  eine 
solche  nebenperson,  wie  sie  Stratullax  ist,  trotzdem  er  die  titel- 
rolle  spielt,  in  ganz  ausreichender  weise.  Damit  fällt  auch  die 
auf  den  nach  ausscheidung  dieser  verse  eintretenden  mangel 
an  motivirung  für  die  Umwandlung  des  Tructdentits  gegründete 
behauptung,  dass  ganze  scenen  ausgefallen  seien,  in  denen  nach 
der  jedes  sicheren  anhaltes  entbehrenden  vermuthung  des  verf. 
auch  von  Diniarchus  Verhältnisse  zu  Callicles  tochter  ausführli- 
cher die  rede  gewesen  wäre. 

Im  dritten  capitel  de  Epidico  sind   die  verse  I,  1,  44 — 47 


Nr.  8.  223.  Ovidius.  395 

richtig  als  Interpolation  erkannt  und  die  V,  2,  54  von  anderen 
erst  hineingetragenen  Schwierigkeiten  durch  verständige  Inter- 
pretation beseitigt.  Auch  für  II,  2,  109  ist  der  richtige  weg 
gefunden,  nur  befriedigt  die  vorgeschlagene  emendation  nicht 
vollständig:  Ego  conveniam  hunc  atque  adducam  ad  illum  quoiast 
fidicina  (Ego  illum  conveniam  atque  adducam  huc  ad  te ,  quoiast 
fidicina  der  Vet.,  vielleicht:  Ego  illum  conveniam  atque  adducam 
hunc  ad  eum,  quoiast  fidicina ,  so  dass  mit  illum  und  eum  der 
leno,  mit  hunc  Apoecides  gemeint  ist).  Ueber  die  behandlung  der 
schwierigen  stelle  III,  2,  28 — 30  bescheiden  wir  uns  vorläufig 
eines  urtheiles ,  da  verf.  eine  genauere  erörterung  noch  in  aus- 
sieht stellt.  Die  von  der  nicht  minder  schwierigen  stelle  III, 
2,  33 — 34  gegebene  erklärung  beseitigt  noch  keineswegs  alle 
bedenken.  Während  bei  dem  Epidicus  an  eine  contamination 
nach  dem  von  K.  Müller  und  dem  verf.  gegebenen  nachweise 
nicht  zu  denken  ist,  wird  eine  solche  zum  Schlüsse  für  den 
Poenulus  in  klarer  weise  dargelegt. 

Sollen  wir  schliesslich  ein  zusammenfassendes  urtheil  über 
die  arbeit  geben,  so  müssen  wir  dieselbe  trotz  mancher  ausstel- 
lungen  als  eine  ganz  tüchtige  leistung  bezeichnen,  die  wohl  ge- 
eignet ist,  uns  das  recht  baldige  erscheinen  des  restes  wünschen 
zu  lassen. 

223.  P.  Ovidii  Nasonis  Metamorphoses.  Auswahl  für  schu- 
len ....  von  Dr  Johannes  Siebeiis  .  .  .  .  Zweites  heft, 
buch  X — XV  und  das  mythologisch  -  geographische  register  ent- 
haltend. Sechste  aufläge,  besorgt  von  Dr  Friedrich  Polle  .  . 
.  .  Leipzig.  B.  G.  Teubner.  1871.  IUI  und  212  s.  8.  15 
gr.  —  Dess.  erstes  heft.  Siebente  aufläge.  1871.  XVIIII  und 
186  s. 

Nachdem  bereits  vor  geraumer  zeit  (bd.  III,  heft  5,  nr.  113, 
p.  254 — 57)  die  sechste  aufläge  des  ersten  heftes  besprochen 
worden  und  nicht  nur  die  am  Schlüsse    der  besprechung  2)  aus- 

1)  Darin  sind  ausser  einigen  von  selbst  in  die  äugen  fallenden 
kleinigkeiten  noch  mehrere  versehen  zu  berichtigen  und  einige  stel- 
len gestalten  sich  nach  der  neuen  aufläge  anders.     Es  muss  heissen: 

P.  254,  z.    6  v.  u.  statt  XX  .  .  .  XVI 

»  255  »  3      »   117  ...  17,  ebend.  statt  341  ..  .  336 

»   >  >  15      »   162  ...  157 

»       »     »  10  ▼.  ti.  fehlt  nach  ist:  vgl.  2,  45;  statt  15  ....  2 


396  223.  Ovidius.  Nr.  8. 

gesprochene  erwartung  in  erfüllung  gegangen,  sondern  auch  fast 
gleichzeitig  mit  dem  zweiten  hefte  schon  eine  neue  aufläge  des 
ersten  erschienen  ist,  dürfte  es  jetzt,  nach  beseitigung  der  drin- 
gendsten abhaltungen,  immer  noch  nicht  zu  spat  sein ,  das  in 
aussieht  gestellte  abschliessende  urtheil  folgen  zu  lassen.  Die- 
ser Verpflichtung  wäre  ich  um  so  lieber  viel  früher  nachgekom- 
men, eine  je  dringendere  aufforderung  dazu  ich  selbst  mir  aus 
den  anerkennenden  worten  des  herausgebers  im  vorwort  zu 
der  letzteren    (p.  HU.    a.  e.)    nehmen    zu    müssen    glaubte. 

Auch  in  diesem  hefte  hat  fast  jede  seite  mehrfache  spuren 
von  der  bessernden  hand  des  herausgebers  aufzuweisen.  Nach 
Vollendung  des  ganzen  muss  sich  dem  unbefangenen  beurtheiler 
beim  vergleiche  mit  der  ursprünglichen  arbeit  noch  lebhafter  als 
zuvor  die  Überzeugung  aufdrängen,  dass  die  Umarbeitung  Polle's 
auf  selbständigen  philologischen  Studien  und  auf  gereifter  päda- 
gogischer erfahrung  beruht.  Unter  den  stellen  des  zweiten  hef- 
tes,  die  entschieden  durch  die  anmerkungen  gewonnen  oder 
erst  durch  Polle  ihre  richtige  erklärung  gefunden  haben,  hebe 
ich  folgende  hervor:  27,  5  Chaonis.  7.  20.  25.  100.  121.  28, 
14.  30.  47.  62  Umtos.  29,  9.  47.  62.  30,  23.  44.  69  (nach 
Bentl.).  81  (zusatz).  88.  103  haustae.  31,  15.  18.  32,  1  und  6 
(zusätze).  54.  68  (mit  ansprechender  eigner  conjeetur).  78.  80.  91. 
100  und  116  (zusätze).  33,  3  (nach  Bentley,  Verkürzung).  109. 
114.  123  und  128  (zusätze).  187.  206.  242.  34,  13  (wird  aber 
überflüssig ,  wenn  man  mit  dem  herausgeber,  Jahrb.  für  phil. 
101,  p.  210  die  beiden  vorhergehenden  verse  für  unecht  er- 
klärt, eine  plausible  athetese,  ob  aber  nothwendig?).  35,  6  (durch 
blosse  Verweisung).  36,  16.  30  (zusatz).  77.  80  (wo  jedoch  noch 
auf  1,  52  pondere  terrae  zu  achten  ist).  106.  37,  12.  42  und 
51.  91.  99  (zusätze;    der  letzte  dem    sinne  nach  richtig).  147. 

P.  255  z.    9  v.  u.  statt  26  ....  25 

»     256  »    3  »     112  ..  .  9.  21;  vor  228  fehlt  226 

»       »     »    3— 6  ist  in  der  7.  aufl.  befolgt. 

»       »     »  16  statt  39  .  .  .  93. 

»       »     »  18       »     quom  .  .  .  quem. 

»       »     »  14    v.  u.  statt  163  ..  .  148  (Sieb.  155) 

»  257  »  1  beseitigt  durch  die,  von  mir  nicht  gebilligte  auf- 
nähme der  lesart  feretis  nach  Bentley,  vgl.  vorr. 
p.  III,  z.  10  v.  u. 

»       »     »    2     statt  29  ...  20. 

»  »  »  8  kommt  ebenfalls  durch  änderung  in  der  7.  aufl. 
in  wegfall. 


Nr.  Ö.  223.   Ovidms.  397 

167.  171.  176.  185.  191.  290.  304  saxo.  327  (Verkürzung).  370 
(wo  die  ziffer  fehlt  und  statt  Polydamanta  —  e  steht).  38,  28. 
33.  43  (rückkehr  zur  richtigen  lesart  Oileos).  46.  99.  177  (zusatz). 
200.  a.  e.  203.  205.  249.  281.  283  (nach  Bentley).  302  und 
325  anm.  1  a.  e.  331  (fehlt  — )  339.  367  (nach  Bentley).  372. 
416.  423.  439  (conjectur;  warum  quoad  nicht  ein  wort?).  39, 
50  f.  107.  125    (nach  Bentley).   154.    40,  13.    32.  41,    65.    69. 

72  (nach  Bentley).  42,  28.  53.  69  a.  e.  102.  43,  47  (was  zu 
38,  174  f.  zu  vergleichen  war).  44,  14  f.  98.  45,  2  f.  33  (bis 
auf  tantum).  53  f.  70.  88.  46,  16,  36  und  38  a.  e.  (zusätze).  52. 

73  (war  kürzer  zu  fassen).  77  ff.  101  f.  47,  24.  32.  66. 
anm.  2.  103.  210.  242—245.  303  (zusatz).  358  (wesentliche 
Verkürzung).  48,  46.  49,  65  (zusatz).  87.  97  anm.  2.  122  (zu- 
satz). 50,  14.  78  anm.  2.  106  (zusatz).  116.  Nur  wenige  stel- 
len dürften  zu  finden  sein,  wo  das  neue  nicht  als  ein  entschie- 
dener fortschritt  zu  bezeichnen  wäre.  So  scheint  mir  die  er- 
klärung  auch  in  der  neuen  fassung  noch  nicht  das  rich- 
tige getroffen  zu  haben  26,  13,  wo  Taenaria  porta  ein  ab- 
lat.  instrumenti  ist ,  wie  Siebeiis  will,  nicht  loci,  wie  es  Polle 
auffasst.  38,  311  ist  zwar  eine  neue  zweckmässige  note  hin- 
zugekommen, welche  sich  mehr  auf  das  verhältniss  dieses  ver- 
ses  zum  folgenden  bezieht  (Adspicite  en),  allein  Siebeiis'  bemer» 
kung  durfte  modificiert  und  mit  berichtigter  Verweisung  auf  v.  58 
fictis  —  verbis  wegen  des  Zusammenhangs  nicht  ganz  beseitigt 
werden.  Nicht  nöthig  hingegen  finde  ich  die  neuen  anmerkungen 
zu  27,  74.  39,  66,  die  alten ,  theilweise  umgeänderten  zu  33, 
14.  38,  235  (wo  vielmehr  das  in  zu  erklären  wäre).  39,  11, 
während  hingegen  das  et  v.  75  einer  erklärung  bedurfte,  also 
auch  in  das  letzte  register  kommen  musste ;  sogar  falsch  in 
betreff  der  Metamorphosen  die  zu  41,  1  vor  Sperrt,  eingescho- 
bene bemerkung,  vgl.  Siebeiis1  Wörterbuch  zu  den  Metamorpho- 
sen unter  tarnen  (21  stellen).  Diesen  andeutungen  füge  ich 
noch  einige  ausführlichere  bemerkungen  über  einzelne  punkte 
im  texte  oder  in  den  anmerkungen  hei,  in  denen  ich  mich  mit 
dem  verfahren  des  verdienten  herausgebers,  meist  weil  oder  in- 
soweit er  den  spuren  seines  Vorgängers  folgt,  nicht  einverstan- 
den erklären  kann,  vorzugsweise  aus  dem  37.  und  38.  stück 
(Xu.  XIII).  Zu  26,  18  anm.  frage  ich  1):  auf  welcher  aucto- 
rität  beruht  die  Schreibweise   reccidimus ,    wie  13,  67  recciditt 


398  223.  Ovidius.  Nr.  8. 

doch  auf  keiner  anderen  als  der  falschen  relligio:   vgl.  Luc.  Mül- 
ler de  re  metr.  VI,  p.  361  f.     So   sehr  dieselbe  beim  perfectum 
26,  88  (X,   180)  zu  billigen  ist,    wiewobl  auch  da  Merkel  nach 
den  handschriften  das    einfache  c  hat ,    so    wenig    sollte    sie    an 
den    beiden    anderen    stellen  (praesens)  gegen  die   handschriften 
eingeführt  werden,    trotz  Neue,    der  Formenl.  II,  p.  365    sogar 
an  der   richtigkeit  des  perfects  reccidit  zu  zweifeln  scheint;  —  2) 
wird    daselbst    mit  recht    auf    eine  Cicerostelle    verwiesen ,    dass 
dieselbe    aber    p.  125    zu  47,    240    wieder    ausgeschrieben   ist, 
kann  nicht  gebilligt  werden.  —     Ebenso    ist  in    der  kurzen  an- 
merkung  zu  26,  21    des    guten    zu    viel  gethan:    es    wäre    nur 
zu    verweisen    gewesen  auf  11,   155  crinitos   draconibus  und  dort 
wieder    auf  11,  84.  124,  so  dass  die  drei  stellen  IUI,  699.  741. 
771  mit  jener  (X,  21)    zusammengehalten    einander    zur    erklä- 
rung  dienten.  - —     37,  19  anm.  enthält,    trotzdem  dass  sie  der 
gewöhnlichen  terminologie  entspricht,    eine   ungenaue    erkläruug 
oder    wenigstens    die    Versuchung    zur    falschen    auffassuug    der 
worte  domito  • — ■   Cycno  (Merkel  Cygno) ;  es  wird   dem  schüler  die 
möglichkeit  gelassen  zu  verstehen:  den  sieg,  den  Achilles  davon 
getragen,  nachdem  er  den  Cycnus  überwunden  hatte,  während  doch 
der  ablativ  den  näheren  umstand  augiebt,  die  erklärung,    worin 
der  sieg  bestanden   habe:    der    sieg,    der   in   der   Überwältigung 
des  Cycnus  bestand.      Würde   man    etwa  den  abl.  causae   caeso 
genitore  11,  321  (V,  145)  schlechtweg  abl.  absolutus  nennen  dürfen, 
ohne  befürchten  zu  müssen,    den  schüler  geradezu  zum  falschen 
verständniss  desselben  zu  nöthigen?  —  Wie  überflüssig  die  anmer- 
kung  zu  37,  21  ist,  geht  schon  aus  der  fassung  hervor:  wiesollte  es 
auch  als  etwas  besonderes  hingestellt  zu  werden  verdienen,  dass  z. 
b.  miserabilis  II,  329  mit  luctu  —  aegro,  placabilis  X,  399  mit  sacris, 
BjpectabilisYI,   166   mit  intexto  —  auro  und  VII,  705  mit  roseo  — 
ore  verbunden  ist ,    oder    wer    möchte    wohl    an    den    negativen 
ausdrücken    (mit    abl.     causae)    nullaque    domabüe   flamma  Villi, 
253,    non  habitabilis    aestu  1 ,   49,     caput    insuperabile    bello    XII, 
613  (während  dasselbe  adjectiv  XV,  807  absolut  steht),  nullis  sa- 
nabilis  lierbis  I,  523  (absolut  Eemed.  Amor.  101:  s.  Ep.  ex  Pont.  II, 
2,  59.  —  ebd.  61  narrabilis)  ansloss  nehmen?  —   lauter  gleichar- 
tige ablative,    trotz    der   Verschiedenheit   der    deutschen  Überse- 
tzung —  ganz  zu  geschweigen  davon,  dass  die  mehrzahl  dieser 
zahlreichen,   namentlich  von  Ovid  (vgl.  Ziugerle,  Ovid.  I,  p.  14 


Kr.  Ö.  223.  Övidmö.  399 

f.)  mit  Vorliebe  gebrauchten,  zum  grossen  tlieile  von  ihm  neugeschaf- 
fenen classe  von  adjectiven  auf  übilis  (und  die  wenigen  auf  ebilis) 
—  denn  nur  diese  kann  der  herausgeber  gemeint  haben  —  eine 
so  selbständige,  absolute  geltung  haben ,  dass  sie  einen  ablativ 
gar  nicht  bei  sich  haben  können,  wie  admirabilis  VI,  14, 
agitabilis  I,  75,  dubitabilis  XIII,  21,  das  nicht  verbale,  doch 
analog  gebildete  exitiabilis  VI,  25  f.  VIII,  425,  habitabilis  affir- 
mativ VIII,  624.  XV,  830,  iaculabilis  VII,  680,  lacrimabilis  II, 
796.  VIII,  44,  lamentabilis  VIII,  262,  memorabilis  IUI,  416  (mit 
abl.  loci).  615.  VI,  12.  X,  608.  XIIII,  225,  das  auch  sonst 
sehr  gewöhnliche  mirabilis  II II,  271.  747.  VIII,  199.  (hingegen 
mit  ablativ  III,  424,  wegen  der  antithese  —  Hör.  Ep.  I,  6,  23 
mit  dativ  der  person  — },  das  schon  genannte  miserabilis  III, 
396.  495,  V,  118  (trotz  casu,  was  zum  ganzen  praedicat  ge- 
hört). VI,  90.  582.  665.  VIII,  782.  XIIH,  751,  memorabilis  V, 
588  (nur  noch  Hör.  A.  P.  206  vorkommend) ,  optabilis  Villi, 
759,  sonabilis  und  resonabilis  (activ)  VHII ,  784.  III,  358.  [flebi- 
lis  VII,  518.  XI,  52  f.  dreimal  XHI,  620.  XIII,  748);  dazu, 
ausser  den  schon  genannten,  die  negativen  ausdrücke  in  — ■  ama- 
bilis  IUI,  477.  XIIII,  590  (=  inamoenus  X,  15),  in-consola- 
bilis  V,  426,  nee  -  dubitabilis  I,  223  (das  Vergilische  inelucta- 
bilis ,  das  sogar  Velleius  braucht,  fehlt  bei  Ovidius),  in-  und 
non-  evitabilis  IH ,  301.  VI,  234,  in  -  excusabilis  VII,  511,  non- 
und  in  -  exorabilis ,  letzteres  in  prosa  sehr  gewöhnlich,  II,  546, 
V,  244,  im -medicabilis  I,  190.  II,  825.  X,  189,  in-nabilis 
I,  16,  dem  vorhergehenden  instäbilis  zu  liebe  erfunden,  (statt 
des  sogar  in  prosa  vorkommenden  innumerabilis  braucht  Ovid 
[trotz  immedicabilis\  mit  andern  dichtem  aus  rhythmischen  grün- 
den innumerus;  hingegen  steht  es  als  zweite  hälfte  des  Asclepia- 
deus  minor  Hör.  Carm.  IH,  30,  4,  dafür  I,  28,  1  im  dactyli- 
schen  rhy  thmus  [Alemanische  strophe]  numero  . .  carens,  zu  ver- 
gleichen mit  den  Ovidischen  Umschreibungen  Met.  II,  762.  IH, 
226.  VH,  851.  VHn,  331.  XIIH,  132.  XV,  130.  531),  im- 
placabilis  (neben  implacatus  VIII,  845.)  HH ,  452,  in-delebilis 
XV,  876,  nur  ovidisch,  noch  Ep.  ex  Pont.  II,  8,  25.  —  Während  es 
also  vollkommen  zu  billigen  ist,  dass  jenem  ablativ  im  letzten  re- 
gister  s.  v.  adiectiva  die  letzte  stelle  gelassen  worden  ist,  müsste 
einerseits  vor  demselben,  eben  wegen  der  zu  37,  21  aus  nr.  34  ange- 
führten stelle,  der  dativ  der  person  erwähn*  sein,  andrerseits  in  den 


40Ö  223.  Ovidius.  Nr.  8. 

anmerkungen  zu  37,  21  (wo  das  ungenaue  citat  expugnabüis  statt 
(nee) -inexpugnabilis  sich  von  der  ersten  Siebelis'schen  ausgäbe  bis 
jetzt  fortgepflanzt  hat)  das  Siebelissche  „ist  —  gewöhnlicher"  un- 
bedingt beseitigt  werden.  Genau  genommen  aber  gehörte  die 
ganze  anmerkung,  wenn  sie  ihrem  wesen  nach  bleiben  sollte, 
schon  zu  34,  19,  oder  richtiger  in  das  erste  heft  unter  nr.  25, 
wo  drei  einschlägige  stellen  kurz  nach  einander  vorkommen, 
nämlich  v.  154  das  oben  erwähnte  nullaque  domabile  flamm  a, 
v.  156  eunetisque  meum  laetabile  factum  |  Dis  fore  confido,  v.  163 
quodeunque  fu.it  populabile  flamm  ae.  Da  also  schon  dort  unge- 
fähr folgende  regel  hätte  aufgenommen  werden  sollen:  „die 
verbaladiectiva  auf —  dbilis  können  einen  ablativ  der  sache 
oder  einen  dativ  der  person  bei  sich  haben,  selten  einen 
dativ  der  sache  (personification)"  ,  wäre  es  an  der  fraglichen 
stelle  sehr  wohl  nöthig  gewesen  auf  11,  240  und  42;  125.  (V, 
67.  XIII,  857)  zu  verweisen  als  die  einzigen  stellen,  wo  das- 
selbe penetrabilis  activisch  steht ,  vielleicht  auch  auf  die  not- 
wendige beschränkung  dieser  adjeetiva  auf  den  vierten  und  fünf- 
ten versfuss,  welche  zugleich  den  grund  für  die  häufigkeit  ihrer 
anwendung  bei  Ovid  abgiebt.  Doch  habe  ich  der  anmerkung, 
wie  sie  einmal  lautet,  noch  folgendes  hinzuzufügen:  1)  12,211. 
(V,  486)  steht  inexpugnabilis  absolut,  ohne  dativ  ;  2)  unmittelbar 
nach  der  oben  unter  miserabilis  erwähnten  stelle,  23,  59  (VIII,  783) 
regiert  dasselbe  eben  erst  absolut  und  affirmativ  gebrauchte  ad- 
iectiv,  negativ  gebraucht,  um  des  Wortspiels  willen  zugleich  den 
dativ  der  person  und  den  ablativ  der  sache:  si  non  J  liu 
suis  esset  nulli  miserabilis  actis;  3)  die  beiden  einzigen  mir 
bekannten  stellen  aus  Ovid  für  den  dativ  der  sache  (beidemal 
affirmativ)  sind  die  schon  erwähnte  Met.  Villi,  262,  wo  dem 
populabile  flamm  ae  das  negative  nulla  —  flamm  a  v.  253  gegen- 
übersteht, und  Remed.  Am.  135  Ergo  ubi  visus  eris  nostrae  me- 
dicabilis  arti  (wo  es  kaum  zulässig  erscheint  den  dativ  von  vi- 
den  abhängig  zu  denken)  =  mihi  medico,  verglichen  mit  ib.  v.  123 
nee  adhuc  traetabilis  arte  und  Ep.  ex  Pont.  I,  3,  25  nulla  medi- 
cäbili8  arte  —  interessante  analogien,  welche,  die  Vollständigkeit 
meiner  Sammlung,  sowie  die  bestätigung  meiner  lesarten  durch 
Riese's  forschungen  vorausgesetzt,  den  dativ  der  person  bei 
diesen  Ovidischen  nachbildungen  auf  die  negative  ausdrucks- 
weise beschränken,  die  der  sache  von  derselben  ausschliessen. 


Nr.  8.  223.  Ovidius.  401 

—  Wenn  zu  37,  28  auf  die  Wiederholung  von  lucina  3,  175 
verwiesen  wird,  so  ist  dabei  der  wesentliche  unterschied  zwi- 
schen beiden  stellen  aus  den  äugen  gelassen:  wegen  des  Chias- 
mus war  vielmehr  auf  3,  78  una  domus  —  domus  una,  142  f. 
vehit  unda  —  unda  vehit ,  oder  wegen  des  die  chiastische  Wie- 
derholung herbeiführenden  relativsatzes  auf  das  musterbeispiel 
(wo  ebenfalls  nur  auf  bucina  verwiesen  ist)  11,  302  f.  Donylas 
cett.  zu  verweisen,  wo  zu  dem  dreifachen  chiasmus  aus  metri- 
schen gründen  noch  die  Verwandlung  des  Superlativs  in  den 
positiv  (deterrimus  —  Dives)  und  der  gebrauch  von  agri  mit 
verschiedener  quantität  hinzutritt;  gewiss  ist  jedes  davon  einer  an- 
merkung  werth.  —  Zu  37 ',  34  wäre  statt  der  langen  Siebelis'schen 
anmerkung  doch  eine  erwähnung  des  eigentlichen  Verhältnisses 
zwischen  certamen  und  pugna  am  platze  gewesen,  zumal  da,  ab- 
gesehen von  anderen  ähnlichen  ausdrücken,  in  ipso  certamine  pugnae 
sogar  bei  Livius  XXXVI,  19,  12  vorkommt,  und  das  wesentliche 
bei  ersterem,  ursprünglich  das  streben,  die  entscheidung  herbei- 
zuführen, in  solchen  Zusammenstellungen  (vgl.  Weissenborn  ebd. 
XXIII,  45,  7)  die  „anstrengung"  ist.  —  37,  37  passt  die 
Übersetzung  von  fugit  „entfällt"  nicht  in  den  Zusammenhang: 
es  müsste  heissen:  „ist  —  entfallen",  oder  um  das  lateinische 
tempus  beizubehalten :  „ich  entsinne  mich  nicht  mehr"  (gegensatz 
meniini  v.  38).  —  Ferner  kann  ich  mich  nicht  von  der  rich- 
tigkeit  der  gewöhnlichen ,  althergebrachten  erklärung  von  38, 
51  Surgit  ad  hos  überzeugen,  nach  der  dies  dem  schüler  als 
eine  brachylogie  für  surgit,  ut  ad  hos  dicat,  loquatur  erscheinen 
müsste  —  letzteres  ohne  zusatz  nicht  einmal  in  der  poesie  zu- 
lässig (Verg.  AeD.  9,  5  Ad  quos  sie  —  locutast,  Ovid.  Ep.  ex  Pont. 
IUI,  6,  10  pro  me  ]  Numeri  ad  Augustum  supplice  voce  logui). 
Auch  das  mit  recht  herbeigezogene  homerische  analogon  widerspricht 
dem.  Natürlich  ist  der  sinn  beider  ausdrücke  :  er  stand  vor  ihnen 
auf.  Da  man  sagt  dicere,  loqui,  contionari,  verba  facere  apud  — 
hat  surgere  folgerichtig  ad  zu  beanspruchen:  dasselbe  verhält- 
niss  wie  zwischen  esse  und  venire.  —  Wie  in  fictis  38,  58  der 
begriff  „schlau"  (so  auch  Gross)  mit  liegen  soll,  sehe  ich  nicht 
ein.  Dass  nun  das  reden  dem  kämpfen,  der  zungenkampf 
dem  faustkampf  entgegengesetzt  wird,  geht,  wie  auch  die  an- 
merkung zu  v.  59  ausdrücklich  andeutet,  aus  dem  satze  selbst 
Tutius  —  manu  (wo  Gross  statt  des  ausrufungszeichens  die  an- 
Philol.  Anz.  iy.  26 


402  223.  Ovidius.  Nr.  g. 

merkung:  „Sarkasmus!"  hat)  wie  aus  dem  folgenden,  v.  59 — 
61,  hervor*,  warum  aber  die  zu  erwartenden  worte  des  Ulixes 
ficta  genannt,  d.  h.  als  aufschneiderei  bezeichnet  werden,  aus  v. 
63  f.  sua  (nämlich  facta)  quae  sine  teste  gerit;  vgl.  85  ff.  furore 
—  ficto,  commenta  (106  f.),  115  non  —  finge  auch  24,  31  f.  55 — 
58.  —  38,  174  f.  (unter  173  a.  e.)  kann  ich  exspectato  — 
sono  (vgl.  47,  74  f.)  ebensowenig  wie  48,  6  venturis  fatis  als 
dativ  fassen ;  es  ist  derselbe  ablativ,  der  bekannt  ist  aus  proelio 
lacessere,  tergeminis  tollere  honoribus  u.  ä  ,  und  neben  dem  das 
haec  in  verba  4,  313  ebensowohl  bestehen  kann  wie  neben  diesen 
ausdrücken  ad  pugnam  provocare,  evehere  in  und  ad  summum 
fastigium,  promovere  ad  maiores  honores  cett.  —  38,  246  wäre 
es  nicht  überflüssig  gewesen  eine  anmerkung  über  Plena  —  vi- 
ris  hinzuzufügen,  wiewohl  nicht  alle  einschlägigen  stellen  in  der 
auswahl  vorkommen.  Während  nämlich  plenus  elfmal  in  den 
Metamorphosen  den  genetiv  der  sache  regiert  (darunter plena 
patris  d.  i.  seminis  paterni  =  gravida  ex  patre  X,  469),  hängen 
ausser  unserer  stelle  nur  zweimal  personen  im  ablativ  da- 
von ab,  VIII,  358.  Villi,  195,  an  den  drei  übrigen  stellen 
drückt  der  ablativ  der  sache,  der  sich  zum  theil  auch  durch 
metrische  rücksichten  erklären  lässt,  die  bewirkende  Ursache  aus : 
VI,  509.  VIII,  273  (die  Übersetzung  von  Siebelis-Polle  „reich  an" 
ist  deshalb  nicht  zu  verwerfen).  Villi,  694.  Die  in  Klotz  hand- 
wörterbuch  mit  verzeichnete  stelle  XV,  176  gehört  nicht  hier- 
her: ventis  ist  dativ.  —  47,  424  ist  ,, erprobt"  gewiss  nicht 
der  richtige  ausdruck  für  nota,  da  notum  aliquid  habeo  doch 
nichts  anderes  heissen  kann  als  notum  mihi  est  aliquid. 

Das  erste  verzeichniss :  „abweichungen"  musste  sich  nach 
dem  bedeutenden  fortschritt  in  der  gestaltung  des  textes,  worin 
jedoch  Polle,  wie  sich  muthmasslich  durch  Kiese's  ausgäbe  her- 
ausstellen wird,  namentlich  in  betreff  der  aufnähme  der  schla- 
genden aber  nicht  nothwendigen  Bentleyschen  conjecturen  eher 
zu  viel  als  zu  wenig  gethan  hat ,  bedeutend  reichhaltiger  ge- 
stalten als  es  ursprünglich  war:  es  ist  noch  einmal  so  umfang- 
reich geworden.  Während  es  aber  nur  zu  billigen  ist,  dass  er 
42,  101  mit  Heinsius  capraeque  statt  caperque  schreibt,  muss 
es  befremden,  dass  er  dem  sinne  zu  liebe,  trotz  seiner 
richtigen  anmerkung  zu  den  st.  p.  95.  p.  152  die  vermuthung 
ausspricht,     es    sei     lepores    capreaeque    zu     schreiben.        Dass 


Nr.  8.  223.  Ovidius.  403 

dies  ein  völlig  unovidischer  rhythmus  ist,  wird  weder  durch 
VII,  130  (16,  125)  sunt  nata  \  viris  simul  \  arma,  noch  durch 
den  eigennamen  Ganymedes  XI,  756  (34,  8)  widerlegt.  Ueber- 
gangen  ist  in  diesem  verzeichniss  6,  93,  wo  mir  jedoch  schon  der 
Stellung  wegen  irnae  beizubehalten  zu  sein  scheint;  7,  135  (vgl. 
vorw.  p.  in) ,  mir  sehr  bedenklich  trotz  des  schönen  gegen- 
satzes  vultu-ore  (die  änderung  in  v.  134  bedingt  übrigens  den 
wegfall  der  anm.  zu  135);  25,  1,  aber  auch  diese  änderung,  ad- 
monuit,  ist  rhythmisch  unzulässig,  und  domuit  verstösst  durch- 
aus nicht  gegen  den  sinn  und  Zusammenhang:  perdiderat  v.  5. 
ist  nur  eine  Steigerung  desselben. 

In  dem  schon  ursprünglich  sehr  sorgfältig  gearbeiteten  zweiten, 
„mythologisch  geographischen  register"  ist  in  folge  neuer  lesar- 
ten  nur  ein  neuer  artikel  hinzugekommen,  Athamanes,  hingegen 
fordert  die  lesart  der  7.  aufl.  des  1.  heftes  11,  84  Lampetide 
(s.  vorw.  p.  in)  noch  einen  neuen.  Das  dritte  register  ist 
in  folge  des  bedeutend  vermehrten  anmerkungsstoffes  wesent- 
lich bereichert ;  neue ,  sehr  dankenswerthe  artikel  sind  z.  b. 
personification  (auch  im  mythologischen  register  öfters  statt 
„gott"  gesetzt),  Systole,  versaccent,  witzworte  u.  s.  w.  Während 
darin  p.  195,  nur  mit  einem  druckfehler  (155)  richtig  auf  16, 
150  verwiesen  ist  mit  den  worten,  auctor  als  femininum,  ist  an 
der  citirten  stelle,  h.  I,  p.  124  a.  e.,  immer  noch  die  anmer- 
kung  zu  finden:  „auctor  auf  ein  femininum  zu  beziehen  ist  unge- 
wöhnlich". Das  „ungewöhnlich"  würde  nicht  einmal  richtig 
sein,  wenn  es  sich  um  ein  abstractum  beliebigen  geschlechts 
handelte;  vgl.  ausser  den  grammatiken,  in  denen  das  wort  mit 
recht  als  commune  aufgeführt  wird,  das  ziemlich  vollständige 
quellenverzeichniss  bei  Klotz  unter  (auctrix  und)  auctor  3,  b, 
(darunter  fünf  beispiele  aus  prosaikern)  und  aus  Metam,  VIII,  108 
meritorum  auctore  relicta,  besonders  aber  die  characteristische  stelle 
Fast.  VI,  709  Sum  tarnen  inventrix  auctorque   ego  carminis  huius, 

Druckfehler  sind  mir  ausser  den  schon  erwähnten  noch 
folgende  aufgefallen:  p.  51  anm.  zu  37,  143  z.  4  v.  u.  ad- 
versus  st.  adversum;  p.  78  anm.  zu  38,  371  steht  das  anfüh- 
rungszeichen  immer  noch  an  der  falschen  stelle;  p.  83  anm.  zu 
39,  64  steht  4  6  st.  64;  p.  95  anm.  zu  42,  90  (wo  „beziehe  auf" 
durch  „denke  hinzu"  zu  ersetzen  wäre)  ist  das  citat  16,131  falsch. 

Da  das  feststehende  maass    in  dieser    anzeige  einmal  über- 

26* 


404  224.  Ovidius.  Nr.  8". 

schritten  ist,  füge  ich  noch  einige  vorschlage  zu  kürzungen  und 
besserungen  für  den  anfang  der  gewiss  bald  erscheinenden  8. 
aufl.  des  1.  heftes  hinzu.  Ich  wünschte,  dass  die  drei  anmer- 
kungen  zu  1,  25.  40  und  3,  11  in  eine  zusammengezogen  wür- 
den (mit  zweimaliger  Verweisung  auf  1,25);  dass  p.  14  anm.  zu 
3,  40  bedeutend  verkürzt,  zu  51  auf  1,  78  verwiesen,  zu  53 
beseitigt,  zu  3,  94  in  fatis  richtig  erklärt  würde;  zu  103  der 
schluss  wegfiele,  zu  108  verkürzt,  116  anders  erklärt  („macht"), 
zu  118  (.itrarpoga,  statt  der  germanisirten  form  geschrieben,  zu  142 
verkürzt  wegen  v.  78,  zu  204  anders  gefasst  („einzigen  —  manemus" 
Widerspruch),    zu  207  verkürzt  und  auf  52  verwiesen  würde. 

Möge  der  tüchtige  herausgeber  aus  allen  meinen  bemer- 
kungen  den  wünsch  herauslesen,  dass  seine  sorgfältige  und  von 
grosser  liebe  zur  sache  zeugende  arbeit  immer  brauchbarer  und 
vollkommener  werde.  B.  D. 

224.  Ottonis  Kreussleri  Observationes  in  Ovidii  Fa- 
stos.    4.     Programm  von  Bautzen,  ostern  1872. 

Der  vf.  vermuthet  zu  Ov.  Fast.  I,  49  richtig  nee  toti,  ob- 
wohl die  andern  formen  auf  -e  bei  Ovid  (fide,  die)  nicht  dative 
sondern  genetive  sind ;  I,  53  nonus,  gegen  das  ovidische  Sprach- 
gefühl (dasselbe  gilt  für  sein  geminum  Amor.  I,  8,  16);  I,  331 
nam  pecus,  und  schliesst  diesen  vers  an  326  an,  was  richtig 
ist ,  jedoch  in  andrer  weise  geschehen  muss  als  er  es  will ;  I, 
637  wird  Candida  zu  Concordia  639  bezogen,  was  die  Vorstel- 
lung verbietet;  639  prospiciens ;  640  nunc\  ut  (läge  nicht  nam 
näher?);  II,  854  nee  (so  schon  H.  A.  Koch  in  Symbola  phil. 
Bonn.) ;  III,  594  a  votis  (so  derselbe) ;  III,  105  Hyadas,  quis;  III, 
693  castae  (quare  Haupt  im  Herrn.  I,  259);  IV,  866  rite  professa- 
rum  (falsch);  V,  661  restituistis ;  nach  VI,  662  sei  ein  distichon 
ausgefallen.  Die  zu  I,  41  f.  vorgeschlagene  interpunktion  ist  in 
Merkels  kleinerer  ausgäbe  schon  befolgt.  Zu  beachten  ist,  was 
p.  3  f.  über  die  Quantität  der  adjeetiva  auf  -inus  und  über  die 
folgerungen,  welche  sich  über  die  quantität  einiger  worte  aus  ih- 
rem nichtvorkommen  bei  dichtem  ziehen  lassen,    bemerkt  wird. 

A.  R. 

225.  Catonis  philosophi  liber  post  Jos.  Scaligerum  vulgo 
dictus  Dionysii  Catonis  disticha    de  moribus    ad  filium   ad  fidem 


Nr.  8.  225.  Cato.  405 

vetustissimorum  librorum  manuscriptorum  atque  impressorum 
recensuit  Ferdinandus  Hauthal.  8.  Berolini ,  sumptibus 
Calvarii  sociorum   1870.   —     1   tblr. 

Es  ist  ein  eigenthümliches  gefühl ,  welches  einen  bei  der 
lectüre  dieses  buches  ergreift.  Fühlt  man  sich  doch  ganz  in 
das  achtzehnte  Jahrhundert  zurückversetzt ;  so  wenig  entspricht 
diese  ausgäbe  den  anforderungen,  welche  man  gegenwärtig  an 
die  kritische  bearbeitung  eines  autors  stellt.  Schon  die  ziem- 
lich umfangreiche  einleitung  (38  pp.)  mahnt  uns  in  ihrer  anord- 
nung  an  eine  praefatio  der  alten  zeit,  wie  man  sie  z.  b.  in  den 
Poetae  latini  minores  von  Wernsdorf  lesen  kann.  Der  verf.  zählt 
zuerst  die  handschriften  auf,  welche  er  für  seine  ausgäbe  ver- 
glichen hat,  allerdings  eine  ganz  stattliche  zahl  (12  pariser, 
3  in  Oxford  und  Cambridge,  eine  in  Bern),  aber  er  gliedert 
sie  nicht  nach  familien,  erörtert  nicht  ihren  werth  ,  sucht  nicht 
festzustellen,  welche  von  ihnen  eigentlich  als  grundlage  des  tex- 
tes  zu  gelten  haben.  Man  begreift  nicht,  wozu  die  vergleichung 
von  sechs  pariser  handschriften  aus  dem  zwölften  bis  vierzehn- 
ten Jahrhundert  unternommen  wurde,  da  sie  doch  gegenüber  den 
alten  handschriften  des  neunten  und  zehnten  Jahrhunderts  ])  kei- 
nen werth  haben.  Und  warum  wurden  denn  nicht  andere,  schon 
längst  verglichene  Codices  in  dieser  vorrede  erwähnt,  vor  allen 
der  sehr  beachtenswerthe  Turicensis  C.  78,  dessen  text  im  deut- 
schen Cato  von  Zarncke  p.  174  ff.  abgedruckt  ist.  In  dieser  hand- 
schrift  hat  sich  allein  II,  3  in  der  ursprünglichen  fassung :  an 
dii  sint  caelumque  regant ,  ne  quaere  doceri,  erhalten,  während 
sonst  überall  die  christliche  Umformung :  mitte  arcana  dei  caelum- 
que inquirere  quidsit,  eingedrungen  ist,  die  auch  im  Turicensis  vor- 
ansteht 2).  —    Nach  den  handschriften  bespricht  Hauthal   in  ganz 

1)  Uebrigens  scheint  Hauthal  das  alter  der  pariser  Codices  zum 
theile  etwas  überschätzt  zu  haben;  denn  von  den  beiden  Codices  2772 
und  8319,  die  Hauthal  ins  zehnte  Jahrhundert  setzt,  schreibt  Riese 
den  ersteren  dem  10.  oder  11.,  den  letzteren  dem  11.  Jahrhundert  zu. 

2)  Von  den  fünf  versen,  welche  der  Tur.  irn  zweiten  buche  mehr  hat, 
liest  man  das  distichon  nach  v.  8:  Laetandum  est  vita,  nullius  morte 
dolendum:  cur  etenim  doleas  a  quo  dolor  ipse  rccessit ,  sowie  den  vers 
nach  13:  dulcis  enim  labor  est  cum  fructu  ferre  laborem  in  den  Monosticha 
(Anth.  lat.  ed.  Riese  n.  716),  die  auch  in  einigen  handschriften  den  ti- 
tel  Proverbia  Catonis  philosophi  führen.  Da  sie  aber  begreiflicher 
weise  dort  später  eingeschoben  sind  ,  so  scheint  allerdings  der  Tur. 
uns  den  Cato  vollständiger  überliefert  zu  haben  als  die  anderen  Co- 
dices.    Ausser  den  genannten  drei  versen  giebt  er  unmittelbar  nach 


406  225.  Cato.  Nr.  8. 

unnötliiger  breite  die  alten  ausgaben  des  Cato,  die  doch  für  die 
kritik  g-anz  werthlos  sind,  und  giebt  dann  ganz  nach  alter  weise 
varia  de  istis  libellis  testimonia,  Die  fragen  dagegen  nach  dem 
Verfasser  der  schrift,  nach  der  zeit  ihrer  entstehung,  ihrer  spä- 
teren Überarbeitung  behandelt  er  ganz  oberflächlich  oder  geht 
auf  sie  gar  nicht  ein.  Weil  der  Parisiensis  8320  die  aufschrift 
Catonis  Cordub.  hat,  so  nimmt  verf.  einen  Spanier  Cato  als 
Verfasser  an,  ohne  zu  bedenken,  dass  Cordubensis  nur  der  will- 
kürliche zusatz  eines  Schreibers  ist,  der  diesen  von  dem  berühm- 
ten Seneca  Cordubensis  entlehnte.  Es  hat  dies  aber  ebensowe- 
nig zu  bedeuten  als  der  beisatz  philosoplii  in  einigen  handschrif- 
ten.  Die  aufschrift  Cato  erklärt  sich  vielmehr  einfach  so.  Da 
das  gedieht  nach  dem  citate  in  der  epistula  des  Vindicianus  comes 
archiatrorum  vor  378  n.  Chr.  entstanden  sein  muss ,  so  darf 
man  annehmen,  dass  schon  im  vierten  Jahrhunderte  eine  spruch- 
sammluug  Sententiae  Catonis,  wie  ähnliche  unter  dem  namen  des 
Seneca  und  Varro,  vorhanden  war.  Aus  derselben  stammen 
möglicher  weise  die  56  prosaischen  Sentenzen  am  eingange  des 
ersten  buches.  Auf  grundlage  einer  solchen  Spruchsammlung 
und  der  tradition  von  den  längst  verschollenen  praeeepta  ad 
filium  des  M.  Porcius  Cato  so  wie  dessen  carmen  de  moribus 
verfasste  nun  wahrscheinlich  irgend  ein  rhetor  das  vorliegende 
buch,  das  er  Cato  betitelte.  Es  ist  bezeichnend  für  die  armse- 
lige bildung  der  zeit,  dass  dasselbe ,  wie  aus  jenem  citate  bei 
Vindicianus  erhellt,  eine  ungemein  rasche  Verbreitung  fand  und 
sogar  für  ein  werk  des  alten  Cato  gehalten  wurde.  Was  die 
angebliche  aufschrift  in  dem  codex  des  Bosius  :  Dionysii  Catonis 
disticha  de  moribus  ad  filium,  anbetrifft,  so  legt  ihr  Hauthal  mit 
recht  keinen  werth  bei;  doch  irrt  er  wohl,  wenn  er  sie  für 
eine  erdichtung  hält.  Kann  ja  doch,  wie  Haupt  vermuthet  hat, 
jenes  Dionysii  davon  herrühren,    dass  der  Cato    einmal  in  einer 

jenem  verse  dulcis  enim  etc.  das  distichon  Quod  scieris  esse  tibi  opus 
(lies  opus  esse  tibi),  dimittere  noli;  oblatum  auxilium  stultum  est  dimit- 
tere cuiquam.  Dazu  kommen  noch  aus  den  Monosticha  der  vers  Quod 
nocet  interdum,  si  prodest,  ferre  inemento  ,  der  mit  jenem  dulcis  enim 
etc.  ein  paar  bildet  und  dann  noch  das  distichon  Cum  vitu  alterius  sa- 
tis  acri  lumine  cernas  nee  tua  prospicias ,  fis  verus  {vero  Bücheier)  cri- 
minc  caecus.  Uebrigens  sei  noch  bemerkt,  dass  die  aufschrift  jener 
Monosticha  im  Vindobonensis  281 :  Versus  Piatonis  de  ijrceo  in  latinum 
translati  von  n.  490  jenem  hymnus  des  Tiberianus  herrührt,  was  Riese 
übersehen  hat  (vgl.  Zeitschrift  für  österr.  gymn.  1864,  p.  716). 


Nr.  8.  225.  Cato.  407 

handschrift  mit  der  periegese  des  Dionysius  verbunden  war; 
ad  filium  aber  konnte  ein  Schreiber  leicht  aus  dem  fili  carissime 
des  prologus  entnehmen  3).  Das  gedieht  ist,  wie  sich  aus  vie- 
len stellen  entnehmen  lässt,  noch  im  heidnischen  sinne  abge- 
fasst,  lässt  aber  hie  und  da,  wie  das  in  jener  zeit  vielfach  der 
fall  ist,  die  einwirkung  des  christenthums  auf  das  heidenthum 
erkennen,  z.  b.  I,  v.  1,  IV,  v.  75. 

Was  nun  die  textesrecension  in  dieser  ausgäbe  betrifft ,  so 
ist  die  vergleichung  der  ältesten  pariser  Codices  allerdings  dan- 
kenswerth,  obwohl  sie  für  die  herstellung  des  stark  verderbten 
textes  nur  sehr  wenig  bieten.  Ob  diese  vergleichung  eine  ge- 
naue ist,  kann  rec.  nicht  sagen.  Man  ist  gegen  Hauthals  col- 
lationen  misstrauisch  geworden,  seitdem  man  erfahren ,  wie  gar 
ungenau  er  den  Monacensis  für  die  scholien  des  Horaz  vergli- 
chen hat  (W.  Meyer,  beitrage  zur  kritik  des  Porphyrion.  Mün- 
chen. 1870).  Darf  man  nach  der  collation  des  Par.  2772  für 
das  Epitaphium  Vitalis  mimi  (Praef.  p.  vu) ,  die  auch  Riese 
Anth.  lat.  II,  193  gibt,  einen  schluss  ziehen,  so  wäre  diesmal  wenig- 
stens Hauthal  genauer  verfahren.  Aber  die  art,  wie  der  text 
des  Cato  kritisch  behandelt  ist,  kann  eben  so  wenig  als  in  der 
ausgäbe  der  scholien  befriedigen.  So  finden  wir  gleich  im  Pro- 
logus die  ganz  verkehrte  manier ,  die  Hauthal  so  oft  in  dem 
texte  der  scholien  angewendet,  zwei  verschiedene  lesarten  neben 
einander  aufzunehmen,  wie  [errori]  opinioni,  oder  Wörter,  die  in 
einigen  handschriften  fehlen,  ohne  entscheidung,  ob  sie  als  echt 
zu  betrachten  sind  oder  nicht,  mittelst  klammern  in  den  text 
zu  setzen,  wie  plurimos  [homines].  Dazu  kommt,  dass  er  sich 
blindlings  an  die  handschriften  anschliesst  und  ihre  lesarten 
auch  da  festhält,  wo  dieselben  rein  sinnlos  sind  und  dafür  schon 
in  den  älteren  ausgaben  richtige  emendationen  vorliegen,  z.  b. 
IV,  v.  62  quod  (st.  qua),  64  cui  (st.  quo),  71  quae  sunt  (st.  quae- 
sita)   u.    dgl.      Was    aber  Hauthal    selbst    an    conjeeturen    vor- 

3)  Wenn  sich  im  Tur.  und  den  Par.  2772  und  8319  unmittelbar 
nach  dem  Cato  das  epitaphium  Vitalis  mimi  und  zwar  im  Par.  2772 
mit  dem  beisatze  ßlii  Catonis  findet ,  so  darf  man  daraus ,  wie  Hau- 
thal mit  recht  bemerkt,  durchaus  nicht  auf  irgend  eine  beziehung  zwi- 
schen beiden  gedichten  schliessen.  Ein  Schreiber  hat  in  einem  co- 
dex ein  leeres  blatt  mit  jenem  epitaphium  ausgefüllt  und  der  bei- 
satz  Catonis  ßlii  erklärt  sich  wiederum  ganz  einfach  aus  dem  ßli  ca- 
rissime. Es  hätte  daher  Riese  in  der  Überschrift  diese  worte  tilgen 
oder  doch  in  klammern  setzen  sollen. 


408  225.  Cato.  Nr.  8. 

schlägt,  ist  sämmtlich  verfehlt,  oft  geradezu  verkehrt.  Man 
möge  nur  die  textesrecension  des  Epitaphium  Vitalis,  wie  sie 
Hauthal  p.  vu  gibt,  mit  dem  texte  in  der  Anth.  latina  von  Riese 
oder  auch  in  der  von  Meyer  vergleichen  und  man  wird  sich 
über  die  akrisie ,  die  uns  hier  entgegentritt,  geradezu  verwun- 
dern müssen.  So  hält  er  v.  13  die  lesart  tragica  quoque  verba 
placebant  fest,  obwohl  schon  Pithoeus  richtig  tragica  quoque  voce 
placebam  verbessert  hat;  v.  18  nimmt  er  für  das  überlieferte 
vultus  se  magis  ense  (hse,  isse)  meos  seine  ganz  verkehrte  con- 
jectur  vultus  se  maris  isse  suos  auf,  während  man  doch  schon 
bei  Meyer  das  richtige  vultu  se  magis  esse  meo  liest ;  v.  21  hat 
er  für  das  verderbte  videbantur,  das  allerdings  noch  nicht  emen- 
dirt  ist ,  das  ganz  unverständliche  ridebant  in  den  text  gesetzt. 
Und  da  sagt  er  noch:  hoc  epitaphium ,  quod  multis  vitiis  macula- 
tum  singulari  cura  emendavi. 

Der  britische  commentar  ist  allerdings  fleissig  gearbeitet, 
indem  alle  ansichten  der  früheren  herausgeber  in  denselben  zu- 
sammengetragen sind,  aber  er  hat  andererseits  dadurch  an  Über- 
sichtlichkeit verloren.  Auch  bleibt  es  fraglich,  ob  all  die  er- 
klärungen  eines  Erasmus  und  anderer  hier  nochmals  abgedruckt 
zu  werden  verdienten.  Wenn  Hauthal  die  griechischen  Über- 
setzungen des  Planudes  und  Scaliger  anführte,  so  hätte  er  doch 
bei  dem  einen  die  fehler  der  abschreiber,  bei  dem  anderen  die 
druckfehler  der  offlcina  Raphelengiana  verbessern  können.  Denn 
dass  diese  verse  in  so  jämmerlicher  gestalt  vorliegen,  ist  nicht 
die  schuld  der  Übersetzer. 

Zum  Schlüsse  noch  einige  beitrage  zur  emendation  des, 
wie  schon  oben  bemerkt  wurde ,  stark  verderbten  textes.  I,  v. 
10  cur  culpas  st.  cum  culpiant,  v.  73  Servorum  cidpa;  v.  79  f. 
wahrscheinlich  mit  Versetzung  der  beiden  ersten  vershälften  also  zu 
schreiben:  Cum  fueris  felix,  notis  haud  parcas  amicis,  dapsüis  in- 
terdum,  semper  tibi  proximus  esto,  II,  v.  16  at  tempore;  v.  95  In- 
dignos  noli  successus,  III,  v.  9  wahrscheinlich  qua  vitae,  v.  15  f. 
Quae  tibi  fors  dederit  tabulis  suprema  notato:  at  eadem  serva,  ne  sis 
quem  fama  loquatur,  IV,  v.  7  f.  vielleicht  Dilige  denarium,  sed  parce, 
despice  fenus,  quod  nemo  sanctus  nee  honestus  captat  habere,  wobei 
übrigens  denarium  nicht  etwa  als  molossus  sondern  als  choriambuB 
mit  willkürlicher    Verkürzung    der    zweiten  silbe  gelesen  werden 


Nr.  8.  226.  Cicero.  409 

muss,    v.   71   Exerce  studio  qnamvis  perceperis  artem,    v.  56   wohl 
amicum. 

226.  Hugo  Weber,  Coniectmae  Tullianae.  Programm- 
abbaadlung  des  gymnasium  zu  Weimar.   1871.     13   s.     4. 

Vorstehende  abhandlung  bringt  ausser  einem  kurzen  latei- 
nischen briefe  C'aroli  Reisigii  ad  C.  F.  Heinrichium  de  loco  quodam 
(10,  21)  orationis  pro  Scauro  —  eine  reihe  von  emendationsver- 
suchen  Webers  zu  Livius  und  Cicero  'besonders  Philipp.  1,  2 
und  3  und  Tusculanen)  und  daneben  auch  conjecturen  eines 
Anonymus  zu  Cic.  Tusc.    1. 

Was  die  Weberschen  vorschlage  betrifft,  so  werden  freilich 
schwerlich  viele  derselben  auf  allgemeinere  Zustimmung  rechnen 
dürfen.  So  wird  z.  b.  Philipp.  1,  13,  31  gewiss  nicht  vestri  animi  für 
veterani  zu  schreiben  sein  ;  schon  die  Wortstellung  spricht  dagegen, 
und  der  sinn  verlangt  vielmehr  ein  wort  gleich  dem  Ernestischen 
senatus. —  1,  14,  35  scheint  von  Weber,  welcher  nee  iueundus  für 
das  handschriftliche  nee  unetus  vorschlägt ,  die  doch  schon  von 
Halm  halb  und  halb  gebilligte  emendation  von  P.  R  Müller  (Philol. 
1858,  XII,  p.  315)  nee  munitus  nicht  beachtet  zu  sein,  welche  ent- 
schieden den  Vorzug  verdient  vor  dem  Ostermannschen  nee  ul- 
lus  (=  von  irgend  einem  werthe  :  ebendas.  1859,  XIV,  p.  331). 
—  2,  22,  55  soll  mit  Umstellung  des  genetivs  belli  geschrieben 
werden:  Ut  Helena  Troianis  belli,  sie  iste  huic  rei  publicae  causa 
pestis  atque  exitii  fuit.  Hierdurch  würde  aber  der  ausdruck  bel- 
lum in  einen  gegensatz  zu  pestis  -atque  exitium  hineingedrängt 
werden,  welcher  nicht  sachgemäss  ist.  —  Wenn  3,  5,  12  tum 
vero  intolerabilius  est  geändert  würde,  so  würde  der  lebhafte 
gegensatz,  welcher  zwischen  den  beiden  begriffen  misera  und 
intolerabilis  obwaltet,  zu  einem  bloss  graduellen  unterschiede  ab- 
geschwächt. Vielleicht  ist  zu  bessern:  tum  vero  res  intolerabi- 
lis est. 

Einige  conjecturen  Webers  dagegen  verdienen  alle  beach- 
tung,  wie  z.  b.  Tusc.  I,  22,  50,  wo  vorgeschlagen  wird:  ut ,  si 
iam  possent  ....  teeta  sunt,  sciant,  casurusne  .  .  .,  während 
C.  Meissner  letzthin  (N.  Jahrb.  1869,  99,  p.  798  f.)  schreiben 
.wollte:  ut  ...  .  casurus  in  conspectum  videatur  animus ,  ac  non 
(dem  vorhergehenden  quasi  vero  entsprechend)  .  .  .  Ferner  I, 
30,  73    qui    tarn    acriter    oculis    deßeientem   solem  intuerentur ,    ut 


410  227.  Cicero.  Nr.  8. 

.  .  .  Weiter  5,  37,  106  quam  sit  ea  contemnenda  sententia, 
paulo  ante  dictum  est.  —  Mit  recht  stimmt  Weber  in  Phil.  2, 
19  (nicht  29),  49  mit  J.  Jeep  überein,  dass  aus  dem  hand- 
schriftlichen tu  a  me  ovatus  besser  als  observatus,  oder  adiutus, 
oder  ähnliches  herauszunehmen  ist:  tu  a  me  auctus. 

Bei  den  conjecturen  des  Anonymus,  welche  Weber  in  die 
Kühnersche  ausgäbe  der  Tusculanen  auf  der  bibliothek  seines 
gymnasiums  hineingeschrieben  fand ,  lag  es  von  vorn  herein 
nicht  fern,  an  Herrn.  Sauppe  zu  denken,  der  ja  bis  1856  di- 
rector  des  Weimarschen  gymnasiums  gewesen  ist;  und  diese 
vermuthung  würde  sich  bei  Weber  zu  grösserer  Wahrscheinlich- 
keit gesteigert  haben,  wenn  er  beachtet  hätte,  dass  mehrere  die- 
ser von  ihm  mitgetheilten  emendationen ,  ganz  oder  doch  theil- 
weise  so,  bereits  von  Baiter  in  der  edit.  Turicensis  unter  Sauppe's 
namen  veröffentlicht  sind;  so  Tusc.  I,  31,  75  ecquidnam 
aliud  est  mori  discere;  36,  87  quis  est  qui  id  dixeritt  36,  88 
at  ita  carere  in  morte  non  dicitur  (was  neuerdings  durch  C. 
Feldhügel  im  programm  des  Magdeb.  Pädagog.  zum  kloster 
U.  L.  F.  1871,  p.  22  f.,  mit  hereinziehung  des  von  Seyffert 
verlangten  ablativ  re,  vervollständigt  ist  zu:  at  ita  re  ca- 
rere in  morte  non  dicitur,  wie  denn  allerdings  das  ATITAKE 
leicht  ausfallen  konnte  nach  dem  unmittelbar  vorhergehenden 
PATIAEE).  Dankenswerth  bleibt  die  mittheilung  der  Sauppe- 
schen  emendationen  zu  I,  24,  59:  quam  habet  vim  aut  unde  na- 
tum;  28,  69:  contemplatorem  caeli  et  agrorum  cultorem,  wo  schon 
Klotz  früher  agrorumque  cultorem  vorgeschlagen  hat;  31,  77: 
doctissimus  quisque  contendit,  statt  des  handschriftlichen  contemnit; 
32,  78 :  illud  autem,  ....  consequens,  id  vero  non  dant,  eine  lesung, 
welche  gleichfalls  schon  in  Klotz  ihren  Vertreter  gefunden  hat, 
während  Mähly  nicht  so  wahrscheinlich  (Philol.  23,  1865,  p. 
678)  mit  Silbenumstellung  ändern  wollte:  id  non  concedant. 

227.  W.  Oetling;  Librorum  manuscriptorum ,  qui  Cice- 
rouis  orationem  pro  L.  Flacco  continent,  qualis  sit  condicio, 
demonstratur.  Programm -abhandlung  des  gymnasiums  zu  Ha- 
meln. Ost.  1872.     21  s.     4. 

Derselbe  fleissige  forscher,  dessen  abhandlung  über  die  Li- 
bri  manuscripti,  qui  Ciceronis  orationem  pro  Caelio  continent,  1867 
in  Göttingen  den  preis  davon  getragen  hat,  hat  jetzt  die  band- 


Nr.  8.  227.  Cicero.  411 

Schriften  der  rede  pro  L.  Flacco  zum  gegenstände  einer  einge- 
henden Untersuchung  gemacht. 

Bei  dieser  rede  ist  die  kritik  hauptsächlich  auf  die  codd. 
S  und  T  angewiesen.  Oetling  sucht  darzulegen,  dass  diesel- 
ben, wenn  auch  nicht  direct,  aus  dem  alten,  von  demselben  ar- 
chetypon,  wie  B,  stammenden  cod.  F.1)  geflossen  seien,  von 
welchem  wir  freilich  nur  noch  einen  theil  haben.  Bei  der  ver- 
gleichung  von  S  und  T  will  Oetling  der  letzteren  handschrift 
grösseres  ansehen  vindicieren,  so  dass  man ,  wenn  die  lesarten 
beider  guten  sinn  gäben,  es  doch  vielmehr  mit  T  halten  müsse. 
Uebrigens  böten  beide  handschriften  genug  stellen,  an  welchen 
eine  corruptel  anzunehmen  und  durch  correctur  zu  bessern  sei. 
Die  abhandlung  schliesst  mit  einem  stemma  der  handschriften, 
welches  die  ergebnisse  der  vorhergehenden  betrachtung  in  an- 
schaulicher und  übersichtlicher  form  zusammenstellt. 

Eine  grosse  zahl  einzelner  stellen  ist  angeführt,  welche 
obigen  sätzen  zur  begründung  dienen  sollen.  Die  programm- 
abhandlung  von  H.  A.  Koch  (Pforta  1868)  scheint  dem  verf. 
nicht  bekannt  gewesen  zu  sein;  sonst  würde  er  wohl  auf  die 
dort  gemachten  vorschlage  hier  und  da  rücksicht  genommen 
haben,  auch  wenn  er  sie  nicht  billigte. 

Eine  prüfung  des  einzelnen  würde  sich  für  diese  blätter 
nicht  eignen.  Nur  so  viel  sei  gesagt ,  dass ,  was  der  verf.  (p. 
12  f.)  anführt,  um  den  Vorzug  von  T  vor  S  zu  erweisen,  doch 
manchem  zweifei  unterworfen  ist  und  am  wenigsten  überzeu- 
gende kraft  zu  haben  scheint.  —  So  wird  §.  5  repetitur  beizu- 
behalten sein  (statt  rapitur).  Ich  sehe  nicht  ein,  warum  vin  S. 
aliquis,  gui  vim  verbi  rapiendi  interpretaturus  erat ,  minus  grave 
verbum  rep  etendi  substituerit".  In  repetere  liegt,  wie  so  viel- 
fach in  den  compositis  mit  re  — ,  der  begriff  dessen,  was  als 
schuldig  in  anspruch  genommen  werden  kann.  —  Weiter  scheint 
mir  §.  33  die  lesart  genus  vor  der  bereits  von  Manutius  em- 
pfohlenen onus  nichtsdestoweniger  den  vorzug  zu  verdienen.  — 
Auch  das  ist  nicht  zuzugeben,  dass  §.  64  die  lesart  maritima 
„optime  se  habet1'.     Dass  §.   30   dieselbe   küste    maritima  genannt 

1)  Oetling  verweist  p.  5  auf  das,  was  über  diese  handschrift 
Baiterus  in  ed.  Orell.  II  ante  Valerianam  et  Pisonianam  et  Philippi- 
cas  scripsit.  Vor  Pisonianam  musste  hinzugefügt  werden:  Halmius 
ante. 


412  228.  Minucius  Felix.  Nr.  8. 

wird,  thut  offenbar  nichts  zur  sacbe.  Dagegen  weist  der  ge- 
gensatz,  welcher  in  den  vprhergehenden  Worten  parvum  quendam 
locum  liegt,  unverkennbar  auf  die  richtigkeit  der  lesart  maxi- 
mam  oram  hin. 

228.  De  Minucio  Feiice  commentatio.  Scripsit  Dr.  Al- 
bert Faber  conrector.    4.    Nordhusae  1872.  apud  C.  Haacke. 

Die  vorliegende  dem  rector  Dr  W.  Herbst  in  Magdeburg 
gewidmete  abhandlung  beschäftigt  sich  mit  dem  dialog  Octavius 
des  Minucius  Felix,  der,  seitdem  er  durch  die  in  der  wiener 
Sammlung  lateinischer  kirchenväter  erschienenen  Halm'schen  aus- 
gäbe wieder  auf  die  tagesordnung  philologischer  besprechung  ge- 
setzt worden  ist ,  den  stoff  zu  interessanten  literarhistorischen 
und  kritischen  Untersuchungen  geliefert  hat.  Der  dialog  Octa- 
vius steht  an  der  schwelle  der  christlich  lateinischen  litteratur 
und  beansprucht  schon  dadurch  ein  hohes  interesse,  welches 
durch  seine  einem  klassischen  muster  nachgebildete  form  und 
seinen  relativen  gedankenreichthum  nur  gesteigert  wird.  Aber 
diese  ehrenstelle ,  eine  neue  gattung  der  litteratur  zu  beginnen, 
wird  ihm  streitig  gemacht  durch  eine  schritt  ähnlichen  inhalts, 
das  Apologeticum  Tertullians ,  das  spätestens  199  n.  Chr.  ver- 
fasst  sein  muss.  Allerdings  hat  Ebert  in  einer  eingehenden 
Untersuchung  (Tertullian's  verhältniss  zu  Minucius  Felix  im 
V.  bände  der  philologisch-historischen  klasse  der  königlich  säch- 
sischen gesellschaft  der  Wissenschaften  1868)  für  die  priorität 
des  Octavius  plaidirt.  Wer  aber  vorurtheilsfrei  die  vom  refe- 
renten  vei-suchte  kritik  der  Ebert'schen  argumente  verfolgt  (in 
der  Zeitschr.  für  österr.  gymn.  1869,  p.  348—368),  dürfte  eher 
zu  der  gegentheiligen  annähme  hinneigen.  Diese  Streitfrage 
könnte  für  eine  betrachtung  des  inhaltes  und  gedankenganges 
des  Octavius,  welche  die  vorliegende  abhandlung  in  ihrem  er- 
sten theile  zu  geben  unternimmt,  gleichgültig  erscheinen,  wenn  sie 
nicht  ausscbliesslich  aus  inneren  gründen ,  durch  eine  verglei- 
chung  auffällig  übereinstimmender  stellen  in  beiden  schritten  ge- 
löst werden  müsste.  Ebert  fand,  dass  diese  stellen  im  Octa- 
vius eben  so  innig  und  organisch  mit.  dem  gange  zusammen- 
hängen, wie  sie  lose  und  äusserlich  an  dem  Apologeticum  kle- 
ben, dass  der  klaren  und  lichtvollen  erörterung  des  Minucius 
eine  confuse  und  theilweise    unverständliche   auseinandersetzung 


flr.  8.  228.  Minucius  Felix.  4lSS 

bei  Tertullian  gegenüberstehe.  Ich  hingegen  fand,  dass  Tertul- 
lian  an  den  bezüglichen  stellen  die  gedanken  ebenso  vertiefte 
wie  sie  Minucius  verflachte,  dass  der  streng  logische  Zusam- 
menhang bei  jenem,  die  ausserliche  aneiuanderreihung  bei  die- 
sem zu  tage  trete.  Noch  wichtiger  wird  aber  für  eine  genaue 
analyse  des  Octavius  die  richtige  lösung  jener  Streitfrage  sein 
müssen.  Es  lässt  sich  nämlich  zu  voller  evidenz  erweisen,  dass 
weder  Tertullian  aus  Minucius  noch  Minucius  aus  Tertullian  ge- 
schöpft habe,  sondern  dass  beide  eine  uns  verlorene  ältere 
quelle  mit  jener  freiheit  benutzten,  welche  auf  diesem  gebiet 
der  literatur  stets  üblich  war. 

Wäre  der  verf.  vom  stand  und  ziel  dieser  Untersuchungen 
unterrichtet  gewesen,  so  hätten  sich  ihm  andere,  ungleich  frucht- 
barere gesichtspunkte  eröffnet.  Er  würde  auf  jene  stellen  ein 
besonderes  augenmerk  gerichtet  haben  und  durch  sie  auf  eine 
reihe  anderer  geführt  worden  sein,  an  welchen  gleich  auffällige 
mäugel  des  Zusammenhanges  auf  weitere  entlehnungen  zu  schlie- 
ssen  erlauben.  Statt  dessen  wird  uns  im  engen  anschluss  an 
das  original  der  gang  der  Unterredung  vorgeführt  und  ansätze 
einer  kritischen  auffassung  finden  sich  nur  darin,  dass  der  eine 
oder  andere  gedanke  gelobt  oder  getadelt  wird  oder  wohl  auch 
(p.  11)  gelehrt  wird,  wie  Minucius  die  disputation  hätte  führen 
sollen.  Vielleicht  hätte  sich  dann  auch  dem  vf.  eine  andere  be- 
autwortung  der  frage,  ob  dem  dialog  eine  wirkliche  Unterredung 
zu  gründe  liege,  ergeben  als  die  p.  28  hingestellte:  re  vera 
aliquando  Antonini  Pii  aetate  Octavium  et  Caecilium  coram  Minu- 
cio  de  fide  Christiana  sermonem  instituisse,  welche  durch  die  an- 
schauliche Schilderung  der  eingangsscene  erwiesen  werden  soll. 
Der  vf.  scheint  also  nicht  zu  bedenken,  dass  durch  Piaton  und 
seine  nachahiner  leicht  zu  befolgende  stilgesetze  dem  wissenschaft- 
lichen dialog  vorgezeichnet  waren. 

Dankenswerther  als  der  erste  theil  der  Untersuchung  ist  der 
zweite  p.  31 — 44  (Commentatio  de  nonnullis  locis  M.  Minucii  Fe- 
licia) und  davon  besonders  die  erste  abhandlung,  welche  stellen 
behandelt,  quorum  difficultates  interpretanda  expediri  possunt.  Wir 
hätten  es  gern  gesehen,  wenn  er  sich  nicht  bloss  auf  die  kleine 
auswahl  beschränkt  hätte.  Auf  diesem  wege  ist  noch  mancher 
sichere  gewinn  zu  erreichen,  welcher  bis  jetzt  der  mit  Vorliebe 
gepflegten  conjecturalkritik  nicht    werden   wollte.       Die    eigenen 


414  229.  Aristides.  Nr.  8. 

vorschlage  des  vfs.  überzeugen  wenig :  4,  3  liest  er :  de  toto  de  in- 
tegre) mihi  cum  Octavio  res  est  (der  codex  hat  von  erster  hand  de  toto 
integro,  von  zweiter  de  toto  et  integro,  Halm  sieht  in  toto  ein  glossem), 
was  sprachlich  anstössig  ist.  Vielleicht  schrieb  Minucius  de  toto  in- 
tegro. Das  totum,  worüber  entschieden  werden  soll  (integra  res  est), 
ist,  wie  p.  37  richtig  bemerkt  wird,  die  frage  ,  num  fides  Christiana 
gentilium  erroribus  sit  praeferenda  —  7,  1  speeta  de  libris  me- 
moriam  (memoria  P),  iam  eos  deprehendes  initiasse  ritus  omnium 
religionum ,  will  der  vf.  mit  Wopkens  de  libris  als  dittographie 
des  vorausgehenden  delubris  tilgen  und  mit  Rigault  memorias 
lesen.  Aber  de  libris  memoriam  ist  so  viel  wie  librorum  memo- 
riam  nach  einem  selbst  Minucius  nicht  fremden  Sprachgebrauch, 
von  dem  reiche  belege  im  3.  bände  meiner  ausgäbe  Cyprians 
p.  419  zusammengestellt  sind  —  31,  7  et  quod  in  dies  nostri 
numerus  augetur,  non  est  crimen  erroris ,  sed  testimonium  laudis; 
nam  in  pulcro  genere  vivendi  et  perstat  et  perseverat  suus  et  ad- 
crescit  alienus,  finde  ich  durchaus  nichts  anstössiges,  wohl  aber 
in  dem,  was  Faber  dafür  gesetzt  wissen  will :  perseverat  adsuetus 
et  aecreseit  alienus,  weil  adsuetus  keinen  rechten  gegensatz  zu 
alienus  bildet  und  weil  durch  das  adsuetus  das  perseverare  nach 
einer  seite  hin  motivirt  ist,  welche  hier  nicht  in  betracht  kom- 
men darf,  ohne  dem  Zusammenhang  zu  schaden ;  denn  wenn  es 
die  liebe  gewohnheit  ist,  welche  die  glieder  der  heerde  zusam- 
menhält, so  wird  das  testimonium  laudis  doch  sehr  herabgedrückt. 
Suus  ist  allein  das  richtige,  in  der  kirche  verbleibt,  wer  ihr  ein- 
mal angehört  und  fremde  wachsen  zu.  "Lieber  diesen  prägnan- 
ten gebrauch  von  suus  vrgl.  Cyprian  p.  598,  21  ecclesiae  catho- 
licae  corpus  suum  scindere  nituntur,  603,  6  litter as  ad  te  collegae 
nostri  manu  sua  (eigenhändig)  subscriptas  miserunt,  und  meinen  in- 
dex p.  455. 

W.  H. 

229.  Aristides.  Erster  theil.  Doctordissertation  von  C. 
A.  Berg.     Göttingen  1871.     44  s.     8. 

Der  verf.  behandelt  das  leben  des  Aristides  bis  zum  ab- 
schlusse  seines  konflikts  mit  Themistokles.  Wenn  auch  an  eine 
erstlingsschrift  nicht  ein  allzustrenger  massstab  angelegt  werden 
darf,  so  kann  doch  nicht  gelaugnet  werden  ,  dass  die  treffliche 
göttinger  philologisch -historische  schule  uns  darangewöhnt  hat, 


$fr.  g.  230.  Epaminondas.  415 

tüchtige,  gewissenhafte,  reichlich  durchgearbeitete  und  inhaltvolle 
arbeiten  von  ihren  Schülern  zu  erwarten,  und  dass  obengenann- 
ter Aristides  sich  zu  seinem  nachtheil  von  den  sonstigen  göt- 
tinger  dissertationen  unterscheidet.  Dies  im  einzelnen  nachzu- 
weisen ist  hier  nicht  der  ort,  und  ebensowenig  fordert  die  dis- 
sertation  zu  einer  eingehenden  prüfung  auf,  die  übrigens  ref. 
unternommen  hat,  ohne  zu  eiuem  anderen  resultate  zu  kommen, 
als  dass  das  nonum  prematur  in  annum  dieser  arbeit  gegenüber  sein 
recht  behält.  Vermisst  wird  vor  allem  ein  übersichtlicher  und 
geregelter  gang  der  Untersuchung ,  weshalb  der  vf.  sich  häufig 
wiederholt  und  zu  gehäuften  Verweisungen  genöthigt  ist.  Es 
finden  sich  mehrfache  ausätze  zu  speciellen  Untersuchungen,  ohne 
zum  abschluss  gebracht  zu  werden,  und  besonders  bei  der  frage 
nach  den  quellen  der  plutarchischen  biographie  hätte  der  vf. 
gut  gethan,  sich  die  von  ihm  gelobten  arbeiten  von  Sauppe, 
Kühl,  Stedefeldt,  Fricke  zum  muster  zu  nehmen.  Hierbei  er- 
laubt sich  ref.  die  anfrage,  ob  es  wahr  ist ,  was  vf.  p.  5  anm. 
1  erwähnt,  dass  Dr  W.  Fricke  gestorben  ist?  Ihm  ist  nur 
bekannt ,  dass  der  unmittelbar  vorher  genannte  Dr  H.  Stede- 
feldt im  letzten  kriege  gefallen  ist,  und  ref.  giebt  sich  der 
hoffnung  hin,  dass  hier  ein  verseben  vorliegt,  und  dass  der  Wis- 
senschaft nicht  zwei  so  hoffnungerweckende  jünger  geraubt  wor- 
den sind.  —  Dem  vf.  aber  wird  bei  ernstlich  und  gewissen- 
haft fortgesetztem  Studium  die  anerkennung  nicht  fehlen ,  die 
wir  bedauern  seiner  erstlingsschrift  versagen  zu  müssen. 

A.  S. 

230.  Das  leben  des  Epaminondas,  sein  charakter  und 
seine  politik  von  Dr  L.  P  o  m  t  o  w.  Jahresbericht  des  Joachims- 
thalschen  gymnasiums  in  Berlin  1870.     4.      122  s. 

Es  kann  nicht  oft  genug  gesagt  werden,  dass  die  bearbei- 
tung  eines  jeden  historischen  Stoffes,  zumal  eines  der  alten  ge- 
schichte  angehörigen,  nur  dann  aussieht  auf  gesicherte  resultate 
hat,  wenn  sie  auf  grund  einer  vorangegangenen  kritischen  prü- 
fung der  tradition  und  ihrer  quellen  unternommen  wird.  Die- 
ser grundsatz,  den  die  philologie  seit  lange  für  die  textkritik 
als  richtschnur  erkennt  und  betrachtet,  den  die  geschichtschrei- 
bung  der  römischen,  mittelalterlichen  und  modernen  geschichte 
mit  so  glänzendem  erfolge  seit  jähren  festhält,  ist  leider  für  die 


416  230.  Epaminondas.  Nr.  $. 

griechische  geschichte  noch  immer  nicht  zu  allgemeiner  geltung 
gekommen.  So  geschieht  es,  dass  noch  immer  wieder  gelehrte, 
welche  entschiedenes  historisches  talent,  respektable  allgemeine 
und  politische  bildung,  umfassende  belesenheit  in  den  quellen  und 
eine  tüchtige  kenntniss  des  alterthums  besitzen,  sich  damit  begnü- 
gen, aus  den  verschiedensten  nachrichten  von  quellen,  die  wiede- 
rum unter  einander  national,  parteiisch,  zeitlich  und  subjektiv  ver- 
schieden sind,  ein  mosaikbild  zusammenzustellen,  das  im  wesentlichen 
das  richtige  treffen  kann,  aber  vermöge  der  art  seiner  Zusammen- 
setzung die  Wahrscheinlichkeit  weit  eher  gegen  als  für  sich  hat. 
Allerdings  giebt  es  auch  in  der  griechischen  geschichte  ge- 
stalten von  einer  so  ausgeprägten  Individualität,  dass  alle  diffe- 
renzen  der  traditiou  nur  in  einzelheiten  störend  einwirken 
können,  während  das  gesammtbild  in  seinen  grundzügen  klar 
ausgeprägt  erscheint,  und  Epaminondas  gehört  in  die  reihe  die- 
ser auserwählten.  Trotzdem  muss  man  bedauern ,  dass  eine  so 
tüchtige  historische  kraft  wie  Pomtow  ist,  den  mühevollen,  aber 
lohnenden  und  nothwendigen  umweg  einer  vorausgeschickten 
quellenuntersuchung  verschmähte,  und  demgemäss  in  seiner  dar- 
stellung  Polybius,  Diodor,  Plutarch,  Pausanias,  Polyän  so  ziem- 
lich auf  einer  stufe  historischer  glaubwürdigkeit  stehend  erschei- 
nen. Vermag  man  es,  von  diesem  prinzipiellen  differenzpunkte 
abzusehen,  so  folgt  man  seiner  darstellung  von  Epaminondas' 
leben  und  wirken  mit  vergnügen  und  interesse,  wenn  man  auch 
hie  und  da  ein  etwas  bescheideneres  mass  von  reflexion  und  hi- 
storischer parallelisirung  wünschen  möchte.  Das  gilt,  um  dies 
gleich  hier  zu  bemerken,  besonders  von  p.  121  f.,  wTo  der  vf. 
auf  den  sonderbaren  einfall  geräth,  Caesar  und  Epaminondas 
zu  vergleichen,  was  recht  gut  ist,  wenn  es  yvftvaßtutms^  etwa 
als  thema  zu  lateinischer  oder  deutscher  abband lung  der  prima 
behandelt  wird,  aber  irgend  welchen  historischen  gewinn  durch- 
aus nicht  bringt  noch  bringen  kann.  —  Einige  speziellere 
ausstellungen  füge  ich  im  folgenden  an.  —  Unverständlich  ist 
mir  die  citirmethode  des  vf.,  der  zuweilen  volle  und  genaue, 
weit  öfter  aber  ganz  ungenügende  citate  giebt,  wie  z.  b.  p.  32, 
1_45  36,  2.  3;  72,  2;  73,  1;  78,  1;  79,  1;  98,  1;  100,  1; 
102,  1 ;  109,  1.  So  polemisirt  er  auf  p.  75  gegen  Polybius 
und  meint  da  jedenfalls  die  stelle  2,  39,  9.  Nach  dem  vf.  soll 
Polybius  berichten,  dass  „an  Sparta  noch  einmal  neue  vermitt- 


Nr.  8.  230.  Epaminondas.  417 

lungsvorschläge  gerichtet  worden  seien,  und  dass  ihm  angetra- 
gen worden,  die  achäischen  Städte  als  Schiedsrichter  der  schwe- 
benden Streitigkeiten  gelten  zu  lassen".  Eine  nachricht,  die 
dem  vf.  völlig  unglaublich  erscheint.  Allein  Polybius  sagt  aus- 
drücklich nur,  dass  die  Achäer  zu  schiedsrichtern  über  den  — 
beiden  theilen  zweifelhaften  —  ausgang  der  Schlacht  bei  Leuk- 
tra,  und  zwar  gleichmässig  von  Sparta  und  Theben  gewählt 
worden  seien,  und  diese  nachricht  verdient  allen  glauben,  ein- 
mal um  ihrer  selber  willen,  dann  weil  sie  von  Polybius  stammt. 
—  Die  p.  120  erwähnte  stelle  des  Plutarch  ist  de  garrul.  22, 
p.  514C.  Der  dort  spottend  Epaminondas  genannte  Schwätzer 
hatte  aber  nicht  wahrscheinlich  den Ephoros  gelesen,  sondern 
Plutarch  sagt  ausdrücklich  täv  nuQ1  f/ph  Tig  xutu  rv-pp  dpeyvmxGog 
ovo  räv  'Eyöoov  ßißlicov  ?}  roia.  —  P.  80,  2  werden  vier  dif- 
ferente  datirungen  bei  Pausanias,  Marm.  Parium,  Plutarch  und 
Diodor  für  die  gründung  von  Megalopolis  angeführt;  sie  sollen 
sich  vortrefflich  vereinigen  lassen  ,, indem  sie  bezeugen,  dass  vier 
jähre  hintereinander  daran  gebaut  worden".  Die  griechische 
Zeitrechnung  in  dieser  weise  behandelt  würde  verzweifelte  re- 
sultate  ergeben.  —  P.  116  wird  die  letzte  äusserung  des  Epa- 
minondas über  seine  beiden  ,,  töchter "  Leuktra  und  Mantineia 
mit  den  worten  zurückgewiesen :  „er  hat  nachweisbar  derglei- 
chen weder  im  leben  noch  im  tode  gesagt".  Abgesehen  von 
dem  etwas  seltsamen  ausdruck  lässt  sich  fragen:  wieso  nach- 
weisbar? —  Auf  derselben  seite  anm.  1  heisst  es,  Polyaen. 
2,  3,  1  lasse  den  Epaminondas  gegen  das  einstimmige  zeug- 
niss  des  alterthums  vermählt  sein.  Die  dagegen  sprechende  stelle 
des  sogenannten  Kt'esiphon  bei  Müller  Fr.  hist.  gr.  4,  375  hat 
der  vf.  vermuthlich  um  deswillen  unberücksichtigt  gelassen,  weil 
sie  der  albernen  fälschung  der  Pseudoplut.  Parall.  min.  c.  12 
entstammt.  Die  gleiche  vorsieht  dürfte  aber  einigen  anderen 
häufig  von  ihm  citirten  sogen.  Plutarchischen  Schriften  gegen- 
über geboten  gewesen  sein.  Desgleichen  darf  die  Plutarchische 
abbandlung  de  genio  Socratis,  von  der  p.  37 — 47  eine  sehr  hüb- 
sche Übersetzung  gegeben  wird,  nicht  so  unbefangen  als  histo- 
rische quelle  verwendet  werden ,  wie  es  vom  verf.  geschehen 
ist.  —  Einen  anhang  über  die  böotischen  städte,  ihre  feste 
und  Verfassungen  u.  s.  w.  verspricht  der  verf.  demnächst  zu 
Philol.  Anz.  IV.  27 


418  231.  Griechische  alterthümer.  Nr.  8. 

veröffentlichen ,    was    seine    fachgenossen    mit   dank    aufnehmen 
werden.  As. 

231.  Symbolae  ad  doctrinam  iuris  Attici  de  syngraphis 
et  de  ovaCag  notione.  Habilitationsschrift  durch  welche  mit  Zu- 
stimmung der  philosophischen  facultät  der  Universität  Leipzig 
zu  seinem  —  probe -Vortrag  ergebenst  einladet  Dr  Adolf  Phi- 
lip pi.     8.     Leipzig.   1871.  —     18  s. 

Die  kleine  schrift ,  welche  sich  als  Vorläufer  einer  grö- 
sseren arbeit  auf  dem  gleichen  gebiete  ankündigt,  hat  zur  auf- 
gäbe den  nachweis,  dass  in  der  reconstruction  des  attischen  pri- 
vatrechts  nach  einer  doppelten  richtung  noch  grössere  vorsieht 
als  bisher  zu  üben  sei,  einmal  in  der  herübernahme  von  römi- 
schen rechtsanschauungen,  andrerseits  in  der  benutzung  der  von 
den  griechischen  grammatikern  und  lexikograpken  überlieferten 
angaben.  In  ersterer  beziehung  wird  im  anschlusse  an  Gneist's 
Untersuchungen  die  seit  Salmasius  herkömmliche  meinung  wi- 
derlegt, dass  für  testamente  und  Vertragsurkunden  die  un- 
terschreibung  und  untersiegelung  durch  zeugen  auch  in  Athen 
erforderlich  gewesen  sei.  Nach  der  andern  seite  wird  die  no- 
tiz  des  Harpokration  über  den  ixnterschied  der  yetvegd  und 
ayavrß  ovoia  einer  erneuten  erörterung  unterzogen;  als  ursprüng- 
liche bedeutung  der  cpavegix  ergiebt  sich  dem  verf.  quae  quis  ita 
possidet,  ut  se  possidere  negare  nequeat,  daher  dann  einerseits  das 
baarvermögen  im  gegensatz  zu  den  aussenständen,  andrerseits 
das  vermögen  ,  sofern  es  zu  den  Staatsleistungen  herangezogen 
wird,  mit  dem  gleichen  ausdrucke  bezeichnet  wird.  Diese  er- 
gebnisse  werden  durch  eine  sorgfältige  prüfüng  der  einschlagen- 
den quellstellen  gewonnen ,  der  man  meistentheils  nur  zustim- 
mend folgen  kann.  Unrichtig  behandelt  ist  jedoch  von  Philippi 
die  stelle  des  Isaios  VIII,  32.  Die  worte:  cv^inavta  de  öaa 
(fategä  i\v  nliov  i\  ivsvtjxovra  [tvcov,  müssen  nothwendig  die  ge- 
sammtsumme  aus  allen  vorher  einzeln  aufgezählten  vermögeus- 
posten  mit  einrechnung  der  sclaven  und  des  mobiliars  ziehen  und 
da  man  dem  Isaios  einen  groben  rechnungsfehler  nicht  zutrauen 
darf,  so  muss  in  den  vorausgehenden  zahlen  irgend  ein  fehler 
stecken,  wahrscheinlich  in  öia^iKui.',  was  leicht  aus  %ih'a<;  xal 
sxazov  (XX  statt  XH)  verderbt  werden  konnte.  Danach  bedürfen 
auch  die  bemerkungen  auf  p.  17  einer  niodification.  J.H.L. 


Nr.  8.  232.  Römische  alterthümer.  419 

232.  Die  ausrüstung  und  bewaffnung  des  römischen  heeres 
in  der  kaiserzeit.  Zur  erklärung  von  14,  nach  den  angaben 
des  Verfassers  von  Ernst  du  Bois  in  Hannover  entworfenen 
und  gravierten  modellfiguren  kurz  zusammengestellt  von  Dr 
Albert  Müller,  director  des  gymnasiums  in  Ploen.  8.  Han- 
nover.  1872.  —     32  ss. 

(Die  modellsammlung  nebst  beschreibung  ist  zum  preise 
von  1  thlr.  25  sgr.  zu  bekommen  entweder  auf  directe  bestel- 
lung  bei  J.  E.  du  Bois'  zinnfigurenfabrik  in  Hannover,  oder 
durch  Vermittlung  des  Verfassers). 

Wir  haben  hier  die  ausführung  des  von  dem  verf.  auf 
mehreren  philologen-  Versammlungen ,  namentlich  auf  der  zu 
Kiel  1869  angekündigten  Unternehmens  (vgl.  Verhandlungen  der 
27.  Versammlung  deutscher  philologen  und  Schulmänner  in  Kiel 
p.  172 — 175),  und  es  freut  uns,  versichern  zu  können,  dass 
diese  ausführung  eine  gelungene  ist. 

Die  den  denkmälern  und  schriftquellen  nachgebildeten  vier- 
zehn modelle  römischer  krieger  sind  bestimmt  durch  lebendige  an- 
schauung  das  verständniss  der  zahlreichen  stellen  der  classiker 
über  das  kriegswesen  zu  fördern;  die  beschreibung  macht  auf 
die  einzelnen  bei  jeder  figur  besonders  zu  beachtenden  thei'e 
der  ausrüstung  aufmerksam  und  stellt  das  nöthige  zur  erklärung 
zusammen. 

Die  vierzehn  figuren  zerfallen  in  zwei  durch  die  färbe  des 
helmbusches  (soweit  ein  solcher  überhaupt  da  ist)  unterschiedene 
parteien.  Die  eine  derselben,  mit  rothem  helmbusche,  giebt  ei- 
nen legionarius,  einen  centurio,  einen  aquilifer,  einen  buccinator, 
einen  eques,  einen  vexillarius  und  einen  imperator;  die  andere, 
mit  schwarzem  helmbusche  umfasst  einen  praetorianus ,  einen 
centurio,  einen  signifer,  einen  tubicen,  einen  eques,  einen  vexil- 
larius und  einen  imperator. 

Sowohl  der  auswahl  der  dargestellten  krieger,  als  der  sorg, 
fältigen  nachbildung  der  gegebenen  muster  und  der  auf  die  be- 
sten (in  den  anmerkungen  angeführten)  quellen  bezug  nehmen- 
den umfassendes  Studium  bezeugenden  beschreibung  können 
wir  unsern  beifall  nicht  versagen. 

C  L.  G. 


27* 


420  233.  Geschichte  der  philologie.  Nr.  8. 

233.  Aus  meinem  bühnenleben.  Erinnerungen  von  Ka- 
roline Bauer.  Herausgegeben  von  Arnold  Wellmer.  8. 
Berlin.  E.  v.  Decker.  1871.  XVI  u.  475  s.  —    2  thlr.  15  ngr. 

Dies  buch  hier?  denkt  kopfschüttelnd  wohl  mancher.  Nun, 
der  philolog  als  reconstruirer  einer  ganzen  weit,  muss  auf  gar 
vieles  achten,  um  sichere  leitfaden  für  seine  thätigkeit  zu  erlan- 
gen. Und  so  gab  es  denn  auch  im  classiscben  alterthum  eine 
Schauspielkunst:  für  ihre  geschichte  aber  wie  für  die  der  Schau- 
spieler selbst  stehen  uns  nur  trübe  und  lückenhafte  quellen, 
nur  zusammenhangslose  notizen  zu  geböte,  was  nicht  allein  aus 
der  allgemeinen  über  das  alterthum  verhängten  Zerstörung,  son- 
dern, fassen  wir  zunächst  Griechenland  ins  äuge,  auch  aus  der 
beschaffenheit  der  schriftstellerei  grade  in  der  classischen  pe- 
riode  Athens  sich  erklärt,  vor  allem  jedoch  aus  der  natur  die- 
ser kunst  selbst ;  die  leistung  des  Schauspielers  ist  so  an  die 
gegenwart  gefesselt,  dass  sie  wie  diese  rasch  und  unwiederbring- 
lich vergeht.  Da  nun  in  der  politischen  geschichte  die  analo- 
gie  eine  freilich  gefährliche  und  in  keiner  zeit  mehr  als  in  der 
unsern  missbrauchte ,  dagegen  richtig  angewandt  eine  vortreff- 
liche hülfe  gewährt :  warum  soll  sie  diese  bei  aller  innern  Ver- 
schiedenheit der  zeiten  nicht  auch  der  kunst  gewähren  ?  Hat 
doch  die  kunst  eine  für  alle  culturvölker  geltende  allgemeine 
grundlage,  welche  auch  für  das  verständniss  des  einzelnen  för- 
dernd einzugreifen  vermag.  So  treten  in  der  blüthezeit  Athens  die 
dichter  —  wie  in  Alt -England  —  zugleich  als  Schauspieler  auf, 
um  die  grösste  Übereinstimmung  zwischen  dichtung  und  darstel- 
lung  zu  erzielen:  aber  solche  Verbindung  scheint  gar  bald  zu 
schwer  befunden  und  wie  Sophokles  hat  auch  Aristophanes  sich 
allmählig  von  der  bühne  zurückgezogen,  so  dass  grade  die  vollen- 
detsten dramatiker  am  liebsten  ihre  Schöpfungen  andern,  d.  h. 
den  schauspielern  anvertrauen:  es  liegt  mein'  ich  darin  das  zu- 
geständniss ,  dass  auch  der  Schauspieler  eine  den  ganzen  mann 
verlangende  kunst  übe,  wie  denn  auch  sonst  in  dem  classischen 
griechenthum  der  grundsatz  sich  erkennen  lässt ;  es  solle  nie- 
mand zweien  herren  dienen.  Daher  das  streben  der  dichter 
nach  kunstsinnigen  schauspielern;  daher  der  enge  verkehr  zwi- 
schen beiden;  der  dichter  sucht  das  verständniss  seiner  dich- 
tung dem  Schauspieler  zu  eröffnen ,  der  Schauspieler  begeistert 
durch  die  poesie  mit   aufbieten    aller  kräfte   die   idealen    gedan- 


Nr.  8.  233.  Geschichte  der  philologle.  421 

ken  der  natur  entsprechend  darzustellen;  schon  Polos  beweist 
dies :  Gell.  NA.  VII,  5.  Dabei  ward  den  schauspielern  dieser 
alten  zeit  viel  mehr  als  bei  uns  zugemuthet:  denn  sie  mussten, 
da  Schauspielerinnen  in  diesem  sinne  es  nicht  gab ,  auch  die 
weiblichen  rollen  übernehmen,  ein  umstand ,  der  sicherlich  auch 
auf  die  dichtung  selbst  seinen  einfluss  wie  bei  Shakespeare  ge- 
übt hat;  man  prüfe  darauf  nur  Aeschylos'  Klytaimnestra  oder 
die  Elektra  des  Sophokles  —  rollen,  in  die  ein  mann  wegen  des 
zurücktretens  des  eigentlich  weiblichen  leicht  sich  hineinversetzt, 
während  einem  mädchen,  einer  frau  sie  schwerer  geworden  wä- 
ren: eine  Jungfrau  von  Orleans  ist  ja  etwas  ganz  anderes. 
Aber  ausserdem  verlangte  das  alterthum  noch  von  dem  Schau- 
spieler, dass  er  in  einer  und  derselben  aufführung  mehre  rollen 
gab,  so  dass  er  in  einem  stücke  nur  geringe  zeit  von  der  bühne 
kam;  es  konnte  dies  übrigens  auch  bei  einer  rolle  vorkommen, 
wie  in  der  der  Elektra  im  gleichnamigen  stücke  des  Sophokles. 
Diese  einrichtung  hatte  ihre  grosse  gefahr :  konnte  sie  doch  dra- 
men  veranlassen,  welche  dem  Schauspieler  Ludwig-  Devrient's 
kunststück,  Franz  und  Karl  Moor  an  einem  abend  zu  spielen, 
als  aufgäbe  stellten :  vor  dergleichen  sicherte  das  alterthum  aber 
das  treue  anschliessen  an  die  natur.  So  viel  zum  beweis,  dass 
bei  aller  Verschiedenheit  der  alten  und  modernen  hypokritik 
beide  bei  richtiger  erkenntniss  sich  auch  vielfach  berühren ;  stim- 
men sie  doch  auch  darin  überein,  dass  es  schon  bald  nach  dem 
abieben  der  meister  sehr  schwer  hält,  eine  richtige  erkenntniss 
über  sie  zu  gewinnen,  indem  wohl  kaum  über  die  jünger  einer 
andren  kunst  so  früh  schon  so  viel  falsche  und  unwürdige 
Vorstellungen  im  volke  bestehen,  als  grade  über  diese:  stellt 
der  Schauspieler  üppiges,  schlechtes  wahr  dar ,  nun  so  muss  er 
dies  schlechte  aus  eigener  erfahrung  kennen.  Und  das  führt 
uns  nun  zu  dem  oben  angezeigten  buche  zurück:  denn  es  wird 
vor  allem  dazu  dienen  würdige  Vorstellungen  von  Thalia's  kunst 
und  ihen  Jüngern  zu  verbreiten,  dabei  überzeugen,  dass  der  wirk- 
liche Schauspieler  nicht  in  der  gemeinen  Wirklichkeit ,  sondern 
von  seiner  kunst  begeistert  nur  in  der  idealen  darstellung  der 
Wirklichkeit  seine  wahre  befriedigung  finde ,  sich  daher  in  seine 
rolle  so  hineinversetze,  dass  er  das,  was  er  spielt,  selbst  zu  er- 
leben glaube;  wie  denn  Devrient  (p.  115)  in  einer  sterbescene 
wirklich   gestorben    zu    sein    glaubte.      Zu   solcher   begeisterung 


422  234.  Reiseliteratur.  Nr.  8. 

führt  allein  das  völlige  verständniss  einer  classiscben  dichtung : 
daher  also  das  anhaltende  Studium ,  die  genaue  analyse  des 
drama;  die  Schauspieler  sind,  wie  fast  auf  jeder  seite  unser 
buch  darthut,  die  genauesten  interpreten  des  dichters.  Dabei 
gilt  es  denn  auch,  die  eigne  kraft,  den  eignen  charakter  zu  er- 
kennen; es  wirkt  der  letztere  wohl  immer,  am  meisten  wohl 
bei  Schauspielerinnen  ein;  wie  denn  auch  Karoline  Bauer,  das 
deutsche  mädchen ,  als  donna  Diana  nicht  völlig  genügte  (vorr. 
p.  xn),  weil  sie  diese  deutsch,    nicht  als  Spanierin  auffasste. 

Dies  mag  genügen,  um  auch  in  unserm  kreis  auf  dies  buch 
aufmerksam  zu  machen,  namentlich  auch  noch  deshalb,  weil 
gar  manche  hübsche  notizen  über  gelehrte  und  philologen,  die 
der  verf.  auf  ihrem  lebenswege  begegnet,  in  ihm  vorkommen. 
So  trifft  sie  in  Berlin  (p.  154)  mit  A.  W.  von  Schlegel  zu- 
sammen und  macht  er  auf  sie  —  nur  natürlich  —  keinen  gün- 
stigen eindruck:  von  Varnhagen  von  Ense  heisst  es  p.  91: 
„er  machte  auf  mich  von  vornherein  einen  recht  unbedeuten- 
den, ja  unangenehmen  eindruck.  Er  hat  nicht  die  spur  von 
ernster,  würdiger,  imponirender  männliehkeit.  Er  gilt  auch  in 
ganz  Berlin  für  eine  klatschbase  prima  sorte".  — ,  worte,  die  ich 
hieher  setze,  weil  mir  einst  der  edle  Heinrich  Ritter  diesen  cha- 
racterlosen  mann  fast  mit  denselben  worten  schilderte.  Nur 
liebes  dagegen  wird  p.  336  von  Bötticher  berichtet  und  wahrhaft 
köstlich  ist  p.  364  erzählt,  wie  selbiger  die  skizze  eines  ita- 
lienischen räuberhäuptlings  und  seiner  derben  geliebten  für  Tieck 
und  die  mit  ihrem  fast  zu  seele  gewordenen  körper  nur  in 
zarter  Spitzenumhüllung  einherschwebende  gräfin  von  Finken- 
stein hält:  grade  aber  über  Tieck,  der  uns  ja  auch  schon  we- 
gen Sophokles'  Antigone  nahe  steht ,  wird  verf.  am  ausführ- 
lichsten. Und  somit  wollen  wir  das  buch  der  beachtung  unsrer 
fachgenossen  empfohlen  haben  und  wünschen,  dass  es  an  seinem 
theil  auch  zur  richtigen  auffassung  und  Würdigung  des  griechi- 
schen drama  mithelfen  möge.  E.  v.  L. 

234.  Italienische  blätter  von  Hermann  Riegel.  8. 
Hannover,  Rümpler.  1871.—  358  s.  u.  X.  —     1    thlr.  20  gr. 

Diese  blätter  sind  vorzugsweise  dem  jetzigen  Italien  und 
seiner  kunst  gewidmet :  aber  auch  sie  bezeugen,  dass  der  einsich- 
tige beschauer  der  gegenwart  immer   auf  das  alterthum  zurück- 


Nr.  8.  234.  Reiseliteratur.  423 

geführt  wird  und  fast  wider  willen  beitrage  zu  der  kenntniss 
des  altertliums  liefert.  So  begegnen  wir  denn  aucb  in  diesem 
buche  Schilderungen  der  sitten  und  des  volkscharacters ,  welche 
die  alte  zeit  erläutern:  z.  b.  berichtet  vf.  p.  339  über  eine 
vortreffliche  aufführung  des  Hamlet  in  Neapel  und  schliesst: 
„nach  dem  Schlüsse  des  Hamlet  folgte  eine  posse  „in  hemdsär- 
meln",  die  ich  jedoch  nicht  mit  ansah ,  um  mir  den  eindruck 
nicht  zu  stören.  Diese  einrichtung  erinnerte  aber  ganz  an  die 
satyr spiele,  die  nach  den  antiken  tragödien  einst  gegeben 
wurden" :  characteristisch  ist  auch  das  weggehn  des  vfs :  man 
sieht,  wie  wir  ganz  andre  ansprüche  an  das  theater  machen, 
als  die  alten.  Dazu  vergleiche  man  noch  Schilderungen  aus 
Genua,  Urbino,  Eom,  p.  6.  166.  290  u.  s.  w.  Unverändert  ist 
aber  die  natur  geblieben  und  so  sind  die  skizzen  beachtenswerth, 
welche  der  vf.  unter  andern  von  Umbrien  p.  278,  von  Pästum 
p.  351  entwirft.  Oefter  aber  führt  ihn  die  kunst  der  zeit  auf 
die  alte,  auch  auf  die  byzantinische :  so  wird  hübsch  das  am- 
phitheater  in  Verona,  p.  50,  beschrieben:  viel  beschäftigen  Rie- 
gel  in  Ravenna  die  bauten  Theoderichs  und  die  geschichte  ein- 
zelner mit  ihm  in  Verbindung  stehender  personen,  p.  137  sqq.: 
anziehend  sind  die  betrachtungen  über  die  Laokoonsgruppe  p. 
44,  zu  denen  ein  gemälde  von  Giulio  Romano  in  Mantua  den 
anlass  giebt,  der  von  Vergil  dabei  sich  hat  bestimmen  lassen  : 
kurzum  man  sieht,  auch  für  den  philologen  hat  das  buch  sein 
interesse.  Natürlich  ist  auch  von  den  verkommenen  zuständen 
in  Italien  die  rede :  einen  auffallenden  beleg  dafür  giebt  die 
Schilderung,  welche  der  vf.  vom  zustande  des  museum  zu  Neapel 
im  j.  1868  macht.  Grade  dies  mag  denn  den  schluss  des  bu- 
ches  hervorgerufen  haben :  „der  letzte  bedeutende  eindruck  mei- 
ner gesammten  reise  war  die  wohlthuende  und  beglückende  em- 
pfindung,  wieder  im  deutschen  laude  zu  sein.  Die  art  der 
menschen  kommt  uns  wieder  heimisch  und  vertraut  entgegen,  der 
muttersprache  vielgeliebter  klang  tönt  wieder  in  unser  ohr,  und 
bedeutendes  wirken  und  schaffen  der  gegenwart  erfüllt  uns  mit 
stolz  und  hoffnung.  Nicht  würdiger  und  freundlicher  kann  man 
im  vaterlande  empfangen  werden,  als  wenn  man,  wie  ich,  das 
glück  hat,  sogleich  im  anschauen  eines  werkes,  wie  der  Gluck'- 
schen  Armide,  die  ich  in  München  sah,  sich  an  der  kraft  und 
herrlichkeit  deutschen  geistes  zu  stärken,    und   wenn    mau    die- 


424  235 — 246.  Neue  auflagen  und  bücher.  Nr.  8. 

sen  erhabenen  genuss  mit  wohlwollenden  und  freundlich  ge- 
sinnten menschen  theilt.  Man  fühlt  mit  neuem  bewusstsein 
sein  eignes  wesen,  dessen  tiefste  eigenschaften  und  höchste 
bedürfnisse  mächtig  an  das  heimathsland  gebunden,  und  wie 
sehr  auch  das  rückverlangen  nach  dem  schönen  Hesperien  von 
nun  an  immerdar  uns  durchs  leben  begleitet,  so  müssen  wir 
doch  sagen:  nur  im  vaterlande  selbst  zu  leben  ist  wahrhaft 
würdig  und  recht,  wahrhaft  beglückend  und  heilsam!"  Wir  wol- 
len wünschen  und  hoffen,  dass  des  Vaterlands  geschicke  zu  sol- 
cher   ansieht  dem  Deutschen  immer  den  anlass  geben  mögen. 


NEUE  AUFLÄGEN.  235.  Homers'  Odyssee.  Für  den 
schulgebrauch  erklärt  von  F.  K.  Am  eis.  1.  bd.  1.  heft.  5. 
aufl.  besorgt  von  C.  Hentze.  8.  Leipzig.  Teubner;  12  gr. 
—  236.  G.  E.  Benseier,  griechisch  deutsches  Schulwörter- 
buch. 4.  aufl.  besorgt  von  J.  Ri  eck  her.  Gr.  8.  Leipzig. 
Teubner;  2  thlr.  —  237.  J.  Lattman.n  und  D.  Müller 
lateinische  schulgrammatik  für  alle  classen  des  gymnasium.  3. 
aufl.  8.  Göttingen.  Vand.  u.  Euprecht ;  1  thlr.  5  gr.  —  238. 
Cheirisophos  des  Spartiaten  reise  durch  Böotien.  2.  aufl.  8. 
Gotha.  Perthes;  16  ngr. 

NEUE  SCHULBUECHFR.  239.  Frennd's  schülerbi- 
bliothek.  Präparationen  cett. :  Homers  Ilias.  2.  heft.  4.  aufl. 
Leipzig.  Violet.      16.;    5  sgr ;    3.  heft.      2.  aufl.  ib.;    5  gr.  — 

240.  F.  Franke,  aufgaben  zum  übersetzen  in  das  griechische. 
3.  cursus.      5.   aufl.      8.      Leipzig.  Brandstetter ;    I7V2  ngr.  — 

241.  Freund' s  Schülerbibliothek.  Präparationen  cett.:  Cice- 
ro's  werke.     8.  heft.     3.  aufl.     16.     Leipzig.  Violet;  5  sgr.  — 

242.  Aurelius  Victor  de  viris  illustribus.  Mit  Wörterbuch  von 
G.  Keil.  2.  ausg.  8.  Breslau.  Max;  9  gr.  —  243.  244. 
Freund's  Schülerbibliothek.  Präparationen  cett.:  Virgü's  Ae- 
neis.  3.  heft.  4.  aufl.  16.  Leipzig.  Violet;  5  gr. :  Horaz 
werke.  3.  heft.  2.  aufl.  16.  Leipzig.  Violet;  5  sgr.:  9. 
heft  ib.  5  ngr.  —  245.  J.  Lattmann  und  D.  Müller  kurzge- 
fasste  lateinische  grammatik  für  gymnasien  und  realschulen.  8. 
Göttingen.  Vand.  u.  Ruprecht;  24  ngr.  —  246.  F.  Franke 
Chrestomathie  aus  römischen  dichtem.  4.  aufl.  8.  Leipzig. 
Brandstetter;  12  gr. 

BIBLIOGRAPHIE.  Im  Verlage  von  ErmannoLoe- 
scher  zu  Turin  soll  unter  der  redaction  von  Giuseppe  Mül- 
ler und  Dominico  Pezzi  erscheinen:  Rivista  di  filo- 
logia  e  d*  istruzione  classica,  über  deren  inhalt  eine  im 
mai  a.  c.  erlassene  ankündigung  folgendes  sagt:   Pubblicheremo 


Nr.  8.  Bibliographie.  425 

pertanto  :  1°  dissertazioni  intorno  agl'idiomi  ed  alle  letterature, 
ai  miti  ed  ai  sistemi  filosofici ,  talvolta  eziandio  intorno  ai  mo- 
numenti,  ai  costumi,  alle  vicende  civili,  politiche ,  militari  dei 
Greci  e  dei  Romani;  2°  monografie,  nelle  quali  verranno  dis- 
cussi  i  problemi,  generali  e  speciali,  che  concernono  lo  insegna- 
mento  delle  lingue  e  delle  lettere  classiche  nelle  scuole  ginna- 
siali,  liceali,  universitarie,  e  le  leggi  che  governano  o  governe- 
ranno  tale  insegnamento ,  non  senza  fare  menzione  delle  piü 
importanti  fra  le  notizie  che  si  riferiranno  a  si  fatte  scuole  in 
Italia  e  fuori  d'Italia;  3°  cenni  critici  intorno  ai  nuovi  libri  e 
giornali,  italiani  e  stranieri ,  in  cui  verranno  trattati  argomenti 
affini  alla  natura  di  questa  Rivista.  E  nostro  fermo  proposito 
serbarci  sempre  ed  in  tutto  fedeli  ai  principii ,  agl'intendimenti, 
ai  metodi,  ai  risultati  della  filologia  e  della  pedagogica  odierna, 
accogliere  e  significare  liberamente  il  vero,  qualunque  esso  siasi 
e  da  qualunque  parte  ci  provenga. 

Es  soll  erscheinen :  „Catalogus  codicum  Bernensium.  (Bi- 
bliotheca  Bongarsiana.)  Edidit  et  praefatus  est  Herrn  an  nus 
Hagen".  Jedenfalls  ein  sehr  gewünschtes  unternehmen.  Denn 
die  gedeihliche  benutzung  der  durch  die  berühmten  handschrif- 
tenkenner  und  freunde  des  alterthums  Peter  Daniel  und 
Jakob  Bongars  im  16.  Jahrhundert  gesammelten  und  seit 
dem  jähre  1628  durch  eine  Schenkung  in  den  besitz  der  Stadt 
Bern  übergegangenen  bibliotheca  Bongarsiana  codicum  manu- 
scriptorum ,  ist  dadurch  so  sehr  erschwert,  dass  von  dem 
vorhandenen  mindestens  ein  drittheil  gar  nicht  bekannt  ,  weil 
nicht  verzeichnet  ist ,  und  vom  übrigen  nur  ungenaue  und  we- 
gen der  Seltenheit  des  Sinner'schen  ungenügenden  catalogs 
schwer  erhältliche  künde  gegeben  ist.  —  Dies  bestimmte  den 
professor  H.  Hagen,  schon  seit  sieben  jähren  auf  vielfache  auf- 
forderung  hin  die  herstellung  eines  neuen  catalogs  anzubahnen; 
er  hat  sämmtliche  in  das  gebiet  der  classischen  und  christlichen 
(kirchenväter  besonders)  litteratur,  sowie  der  geschichte  des  alt- 
deutschen einschlagende  handschriften ,  deren  zahl  die  summe 
von  700  übersteigt ,  untersucht ,  sowie  der  redaction  der  von 
competenten  fachmännern  theils  übernommenen ,  theils  noch  zu 
übernehmenden  beschreibung  der  handschriften  der  arabischen, 
hebräischen  und  altfranzösischen  litteratur  (zusammen  gegen 
150  stück)  sich  unterzogen.  —  Der  plan  der  daraus  erwachse- 
nen lateinisch  geschriebenen  arbeit  ist  folgender.  Jede  hand- 
schrift  wird,  der  reihe  der  jetzigen  numerirung  nach,  genau  bis 
in  die  einzelsten  theile  beschrieben,  und  zwar  so,  dass  bei 
behannten  schritten  titel  und  subscriptio  (natürlich  alter,  schrift- 
charakter,  folienzahl  und  sonstige  eigenthümlichkeiten),  bei  frag- 
menten  und  anonyma  die  anfangs-  und  Schlussworte,  bei  den  letz- 
teren endlich  noch  in  wenig  worten  der  inhalt  angegeben  wird. 


426  Bibliographie.  Nr.  8. 

Mehrere  detaillirte  indices  rubriciren  den  inhalt  so,  dass  der 
forscher  alsbald  die  gesammte  hier  erhaltene  litteratur  über  den 
von  ihm  in  angriff  genommenen  autor  oder  stoff  überblicken 
kann.  Dagegen  verzichtete  der  unterzeichnete  darauf,  in  der 
Sinner'schen  manier  excerpte  von  wirklichen  oder  scheinbaren 
ineditis  einzuflechten,  da  dies  Sache  der  Specialuntersuchung  ist 
und  der  gelehrten  einzelforschung  nicht  zu  viel  vorweg  genom- 
men werden  sollte.  Auch  mnss  sich  ein  wissenschaftlicher  ca- 
talog  trotz  aller  Studien  durch  grösstmögliche  kürze  und  Über- 
sichtlichkeit auszeichnen.  —  Dem  buche  wird  endlich  eine  vor- 
rede vorausgeschickt,  in  welcher  die  historischen  nachweise  über 
herkunft  und  geschichte  der  bibliothek  und  einzelner  theile  der- 
selben geliefert  werden  ;  dies  führt  von  selbst  zu  einigen  spe- 
cialuntersuchungen  über  die  gründer  Peter  Daniel  und  Ja- 
kob Bongars.  Ferner  gehört  hierher  der  nachweis  über  die 
seitherige  benutzung  (soweit  dies  ermittelt  werden  konnte),  was 
den  künftigen  benutzern  nur  angenehm  sein  kann,  und  endlich 
eine  zum  ersten  male  mitzutheilende  aufzählung  sämmtlicher 
mit  collationen  u.s.w.  versehener  alter  drucke  der  Bongarsiana, 
von  denen  Sinner  ebenfalls  geschwiegen  hatte.  —  Eine  arti- 
stische beilage  von  einigen  lithographirten  facsimiles  wird  pa- 
läographisch  wichtige  proben  von  allen  hier  vertretenen  Jahr- 
hunderten ,  und  zwar  namentlich  von  datirten  handschriften 
geben.  Den  vertrieb  hat  die  Hai  ler  sc  he  Verlagshandlung  in 
Bern  übernommen. 

Von  Waldow's  typographischer  bibliothek  ist  das  fünfte 
heft  erschienen,  welches  enthält :  „Anleitung  zum  zeichnen  von 
correcturen  auf  druckarbeiten  nebst  erklärung  typographischer 
fachausdrücke  und  belehrung  über  die  herstellung  von  druck- 
werken".     8.     Leipzig.  Waldow ;  5  sgr. 

Es  ist  erschienen :  Mittheilungen  der  Verlagsbuchhandlung 
von  B.  G.  Teubner  in  Leipzig  nr.  3,  aus  deren  ersten  ab- 
theilung:  „Notizen  über  künftig  erscheinende  bächer u  wir  nach- 
stehendes entnehmen.  Es  sollen  demnächst  erscheinen:  Era- 
tosthenis  carminum  reliquiae.  Disposuit  et  explicavit  Ed.  Hil- 
ler: der  inhalt  wird  angegeben  und  bemerkt,  dass  die  anfüh- 
rungen  aus  Eratosthenes,  die  sich  auf  mythen  von  Sternbildern 
beziehen,  vom  vf.  eben  so  wie  die  Katasterismen  auf  ein  pro- 
sawerk zurückzuführen  seien.  Sie  scheinen  also  von  diesem 
werke  ausgeschlossen  werden  zu  sollen :  es  scheint  das  doch  nicht 
wünschenswertb.  —  Ferner:  Poetae  latini  minores.  Eccensuit  et 
emendavit  Aemilius  B aehrens:  soll  Wernsdorfs  Poetae  la- 
tini minores  ersetzen:  auch  ein  gewiss  nur  zeitgemässes  unter- 
nehmen; doch  möchten  wir  darauf  aufmerksam  machen,  dass 
passende  einleitungen  zu  den  einzelnen  gedienten  nöthig  er- 
scheinen und  solche  vom  philologischen  publicum  gewiss  nur 
dankbar  aufgenommen  werden  würden.  —    Ferner:  Technologie 


Nr.  8.  Kleine  philologische  zeitung.  427 

und  terminologie  der  gewerbe  und  künste  bei  Griechen  und 
Römern  von  Hugo  Blümner.  2.  bd. :  wenn  der  vf.  das 
wirklich  leistet,  was  hier  angegeben  wird,  darf  er  der  höchsten 
anerkennung  versichert  sein.  Dabei  möchten  wir  den  wünsch 
aussprechen,  dass  1)  so  viel  als  möglich  Griechen  und  Römer 
getrennt  würden,  und  dass  2)  controversen  u.  dgl.  sowohl  um 
des  vfs  willen  als  um  des  lesers  willen  nicht  in  noten,  sondern 
in  excurse  oder  anhänge  verwiesen  würden.  —  Historische 
aufsätze  und  festreden  von  Arnold  Schäfer:  nur  die  drei 
ersten  der  fünfzehn  hier  verzeichneten  aufsätze  beziehen  sich 
auf  die  alte  weit.  —  Aus  der  Bibliotheca  scriptorum  Graecorum 
et  Latinorum  Teuhneriana  werden  angekündigt :  Plutarchi  Chaero- 
nensis  moralia  ex  recensione  R.  Hercheri.  Vol.  I,  und  Dictys 
Cretensis  ephemerides  belli  Troiani  libri  VI.  Recognovit  F.  Mei- 
ster, beides  sehr  erwünschte  gaben,  so  wie  auch  Theodori  Pro- 
dromi  Catomyomachia.  Ex  recensione  R.  Hercheri,  da  dies 
kleine  gedieht  hier  zum  ersten  mal  mit  hülfe  eines  codex  Vene- 
tus  in  lesbarer  gestalt  erscheinen  wird. 

Catäloge  von  antiquaren:  verzeichniss  des  antiquarischen  la- 
gers  (nr.  149)  von  H.  Härtung  in  Leipzig,  vermischte  Schrif- 
ten enthaltend;  antiquarischer  anzeiger  (nr.  25)  der  Weller'- 
schen  buchhandlung  in  Bautzen,  classische  philologie,  bücher 
sämmtlich  gut  erhalten. 

KLEINE  PHILOLOGISCHE  ZEITUNG.  In  Nord  Arne- 
rica  sind  wieder  meetings  über  Verlagsrecht  gehalten:  im  eige- 
nen lande  will  man  es  wohl  anerkennen,  aber  dem  ausländ  ge- 
genüber wehrt  sich  noch  die  mehrzahl  der  buchhändler:  s.  Bör- 
senbl.  nr.  152. 

Die  neue  bearbeitung  von  Forcellini's  lexicon,  besorgt  von 
V.  de  Vit  schreitet  rasch  vorwärts:  das  44.  45  heft  ist  jetzt 
angekündigt.     Vrgl.    Phil.  Anz.  bd.  III,  nr.    9,  p.   446. 

In  der  sitzung  der  philologisch -historischen  classe  der  k. 
k.  academie  der  Wissenschaften  zu  Wien  vom  5.  juni  hielt  prf. 
Vahlen  folgenden  Vortrag  „über  eine  controverse  stelle  in  Ari- 
stoteles' büchern  von  der  seele,  wie  folgt:  der  letzte  herausge- 
ber  der  Aristotelischen  schrift  über  die  seele,  A.  Torstrik,  hat 
sich  das  grosse  verdienst  erworben  für  einen  erheblichen  theil  des 
zweiten  buches  eine  zweite  redaction  dieser  schrift  ans  licht  zu  zie- 
hen und  hat  beide  fassungen  in  einer  weise  neben  einandergestellt, 
die  eine  nach  mehreren  seifen  anziehende  vergleichung  und  prüfung 
der  abweichungen  ermöglicht.  In  dieser  urkundlich  festgestellten 
thatsache ,  dass  von  der  schrift  über  die  seele  im  alterthum  eine 
doppelte  recension  vorhanden  war,  —  beide,  wie  man  annimmt,  von 
Aristoteles  selbst  herrührend  —  hat  Torstrik  geglaubt,  den  Schlüssel 
zu  gewinnen  zur  lösung  der  vielen  und  grossen  Schwierigkeiten,  wel- 
che namentlich  das  dritte  buch  dieser  schrift  dem  verständniss  ent- 
gegensetzt:   er  nimmt  an,    dass    an    einer  reihe  von   stellen   klarheit 


428  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  8. 

und  Zusammenhang  der  Aristotelischen  erörterung  dadurch  gestört 
und  getrübt  sei,  dass  zwei  verschiedene  redactionen  derselben  stelle 
in  eins  verarbeitet  seien.  Auf  grund  dieser  hypothese  bat  er,  obne 
den  text  selbst  umzugestalten,  in  den  kritischen  anmerkungen  mehr- 
fach die  nach  seiner  meinung  in  einander  geflossenen  redactionen  ge- 
sondert und  das  der  editio  prior  und  der  editio  posterior  angehörige 
neben  einander  gestellt. —  Gegen  diese  annähme  und  das  darauf  ge- 
gründete verfahren  hat  man  einspruch  erhoben,  mehr  aus  allgemeinen 
gründen,  deren  sich  verschiedene  geltend  machen  lassen,  namentlich 
aus  der  vergleichung  der  beiden  redactionen ,  da  wo  sie  urkundlich 
vorliegen.  Doch  wird  man  vielleicht  sicherer  zum  ziele  gelangen, 
wenn  man  von  der  prüfung  der  einzelnen  in  dieser  art  behandelten 
stellen  ausgeht  und  untersucht,  ob  das  angewendete  mittel  eine  wirk- 
liche lösung  der  Schwierigkeit  gewährt  oder  die  kritik  dieses  heilver- 
fahrens  überall  entrathen  kann.  Diese  Untersuchung  erscheint  um  so 
gebotener,  da  man  dasselbe  verfahren  bereits  auf  andere  Schriften 
des  Aristoteles  übertragen  hat,  bei  denen  nicht  einmal  wie  bei  den 
büchern  von  der  seele  die  verbürgte  thatsache  des  Vorhandenseins  ei- 
ner doppelten  recension  zu  hülfe  kommt.  —  Eine  solche  stelle  aus  den 
büchern  von  der  seele,  deren  Untersuchung  zu  einem  befriedigenden 
abschluss  geführt  hat,  ist  gegenständ  des  vorgelegten  aufsatzes:  wie- 
wohl das  resultat  gegen  Torstriks  annähme  gewendet  ist,  so  darf  doch 
nicht  verschwiegen  werden,  dass  die  Untersuchung  durch  nichts  so  sehr 
gefördert  worden  als  durch  dieses  herausgebers  scharf  und  scharfsinnig 
eindringende  art  der  behandlung,  mit  der  er  an  keiner  wirklich  vor- 
handenen Schwierigkeit  vorübergeht,  nur  in  der  anwendung  der  heil- 
mittel  sich  manchmal  vergreift.  —  Der  fragliche  abschnitt,  der  sich 
ohne  nachtheil  für  das  verständniss  aus  der  weiteren  Umgebung 
herausheben  lässt,  steht  im  eingang  des  6.  capitels  des  III.  buches. 
—  Aristoteles  redet  davon,  dass  im  denken  des  einfachen  (adtaigsra) 
der  irrthum  nicht  sei,  sondern,  dass  wo  Wahrheit  und  irrthum  sich 
einstelle  ,  bereits  eine  Zusammensetzung  (<fvv&sais)  der  begriffe  statt- 
finde: und  erläutert  zunächst  diese  synthesis  selbst  an  einem  beispiel, 
welches  ihm  Empedocles'  naturanschauung  darbietet ,  vermöge  deren 
erst  die  glieder  für  sich  vorhanden  gewesen  ,  dann  eine  Vereinigung 
derselben  eingetreten  sei:  so  seien  im  bereich  des  denkens  die  ein- 
zelbegriffe erst  gesondert,  wie  incommensurabilität  und  diagonale 
(olov  ro  ußvfXfxttQov  xai  r\  di&fxiTQog  —  der  weitere  zusatz  ist  vom  über- 
fluss),  könnten  aber  eine  synthesis  zur  einheit  eingehen,  wie  in  dem 
satz,  die  diagonale  ist  incommensurabel  (versteht  sich  zur  seite  des 
Parallelogramms) ;  oder  auch  so ,  dass  beim  denken  des  vergangenen 
oder  zukünftigen  die  zeit  mitgedacht  und  so  eine  synthesis  herge- 
stellt werde  {tov  xqüvov  iiqoGtvvouiv  xccl  Gwn&tls ,  worin  man  letz- 
teres nicht  auch  mit  /qövov  verbinden  darf).  —  Nachdem  so  die 
synthese  nach  zwei  seiten  erläutert  ist ,  kehrt  Aristoteles  zurück 
zur  begründung  des  hauptgedankens ,  dass  wo  Wahrheit  und  irr- 
thum sei,  da  bereits  eine  Zusammensetzung  von  begriffen  statt- 
gefunden habe.  Der  irrthum,  sagt  er,  besteht  immer  in  der  Zu- 
sammensetzung: denn  wer  das  weisse  nicht  weiss  und  weiss  das 
nichtweisse  nennt,  macht  eiue  synthesis.  Man  kann  aber  auch, 
fügt  er  hinzu,  alles  von  der  diairesis  aussagen,  die  man  schon  nach 
dem  platz,  an  dem  diese  bemerkung  steht ,  nur  von  der  negativen 
aussage  wird  verstehen  dürfen ;  daher  Aristoteles  anderwärts  (n.  iq/j*]v. 
c.  1)  Wahrheit  und  irrthum  in  synthesis  und  diairesis  setzt,  doch 
indem  er  hier  diesen  nur  angedeuteten  unterschied  auf  sich  beruhen 
lässt,   fasst  er  in    form    eines  beispiels    die   beiden  seiten  des  haupt- 


Nr.  8.  Kleine  philologische  zeitung.  429 

gedankens  zusammen,  dass  Wahrheit  und  irrthum  nicht  blos  in  der 
einfachen  Zusammensetzung  von  begriffen,  sondern  auch  in  der  die 
zeit  mitdenkenden  synthese  gegeben  sei,  und  schliesst  ab  mit  dem 
satz:  das  aber,  was  die  begriffe  zur  einheit  verbindet,  ist  der  geist. 
—  Aus  dieser  kurzen  bezeichnung  des  gedankenfortschrittes ,  bei 
welcher  die  gerade  in  diesen  büchern  vielfach  überaus  schroffe  und 
karge  ausdrucksweise  des  Aristoteles  nur  ein  wenig  in  fluss  gebracht 
ist,  springen  zwei  seiten  des  gedankens  hervor,  die  erläuterung  der 
synthesis  als  solcher,  und  zweitens,  dass  in  der  Zusammensetzung  erst 
Wahrheit  und  irrthum  gelegen  sei.  Und  diese  beiden  in  einander 
verschlungenen  theile  des  gedankens  hat  Torstrik  von  einander  ge- 
löst und  in  die  beiden  redactionen  verlegt:  es  wird  der  nachweis 
versucht,  wie  keine  dieser  beiden  von  ihm  erst  erfundenen  fassungen 
für  sich  allein  befriedigend  genannt  werden  kann ,  und  andrerseits 
dargethan,  dass  die  gegen  den  überlieferten  Zusammenhang  geltend 
gemachten  Schwierigkeiten  bei  sorgsamer  exegese  verschwinden,  die 
freilich  den  weg  durch  sehr  detaillirte  ausführungen  über  Aristoteles' 
arfc  und  ausdrucksweise  nehmen  muss.  —  Auch  im  einzelnen  hat  Tor- 
strik noch  mehrfach  abänderungen  des  überlieferten  textes  nothwendig 
erachtet,  die  nicht  stichhaltig  sind,  wie,  ausser  dem  schon  im  frü- 
heren angedeuteten ,  an  ndvia  430b  4 ,  das  man  nur  in  der  durch 
den  Zusammenhang  gebotenen  einschränkung  zu  nehmen  hat,  um  es 
richtig  zu  finden ,  und  an  dem  nach  dem  sonstigen  Aristotelischen 
Sprachgebrauch  durchaus  untadeligen  all'  ovv  %ßu  yt  ov  (xövov  xrk. 
Nur  an  einer  stelle  ist  augenscheinlich  eine  verderbniss  der  Über- 
lieferung eingetreten ,  die  man  längst  erkannt  und  in  verschiedener 
weise  zu  verbessern  gesucht  hat,  für  die  aber  eine  einfache  und  der 
weise  des  Aristoteles  besser  entsprechende  herstellung  in  Vorschlag  ge- 
bracht wird:  xccl  yay  «V  to  Xsvxbv  firj  ktvxbv  (xal  Xtvxbv~)  rb  fxrj  Itvxöv, 

GVVS&r]X£V. 

»Ueber  den  bedeutungswechsel  gewisser,  die  Zurech- 
nung und  den  ökonomischen  erfolg  einer  that  bezeich- 
nender technischer  1-ateinischer  ausdrücke«  ist  der  titel 
einer  abhandlung,  welche  Moritz  Voigt,  professor  zu  Leipzig  in 
den  abhandlungen  der  philologisch  -  historischen  classe  der  sächs.  ge- 
sellsch.  d.  wiss.  VI,  p.  159  flg.  veröffentlicht  hat.  Wir  finden  in  der 
abhandlung  sehr  eingehende  forschungen  über  den  allmählichen  be- 
deutungswechsel der  folgenden  ausdrücke  der  römischen  rechtssprache : 
culpa,  fortuna,  voluntas,  prudentia,  scienüa,  animus,  dolus,  fraus,  no- 
xia,  noxa,  damnum  und  andere,  und  resumiren  wir  den  inhalt  der  ab- 
handlung mit  dem  Verfasser  (p.  157,  158)  wie  folgt:  »allenthalben  be- 
kundet sich  somit  der  process,  dass  eine  anzahl  von  worten ,  die  von 
alters  her  zur  technischen  Vertretung  gewisser  juristischer  begriffe  be- 
rufen sind ,  im  laufe  der  zeit  diese  ihre  function  einbüssen  und  be- 
ziehentlich die  Vertretung  des  betreffenden  begriffes  an  einen  andern 
ausdruck  abgeben.  Und  zwar  tritt  hierbei  ein  zweifaches  verhältniss 
zu  tage:  zunächst  nämlich,  dass  die  alttechnischen  ausdrücke  infolge 
jenes  processes  selbst  ihre  technische  function  verlieren  und  somit 
aus  dem  kreise  der  juristisch  technischen  begriffe  ganz  heraustreten; 
und  dies  ist  der  fall  mit  den  worten  fortuna,  prudentia  ,  im- 
prudentia ,  noxa,  lax,  wie  auch  sciens  dolo  malo.  Und  zwar 
sind  hier  die  agentien  solchen  processes  theils  intuitiver  beschaffen- 
heit,  beruhend  in  einem  Wechsel  der  nationatanschauung  oder  der 
wissenschaftlichen  autfassung,  wie  bezüglich  der  worte  fortuna 
und  prudentia ,  imprudentia,  theils  sind  sie  gegeben  in  dem 
bestreben  nach  kürzung  einer  lästig  vollen  formel ,  wie  bei  sciens 
dolo  malo,   während   dieselben   wiederum   bezüglich  der  worte   la? 


430  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  8. 

und  noxa  unserer  kenntniss  sich  entziehen.  Sodann  tritt  aher  auch 
darin  die  andere  erscheinung  zu  tage,  dass  ein  von  alters  her  über- 
lieferter technischer  ausdruck,  die  altvertretene  bedeutung  aufgebend 
und  an  ein  anderes  wort  abtretend,  selbst  zugleich  wieder  die  Ver- 
tretung eines  anderen  technischen  begrifl'es  übernimmt ,  der  von  al- 
ters her  mit  einem  ganz  anderen  worte  verbunden  war.  Und  dies  ist 
in  isolirter  weise  der  fall,  wenn  fr  aus  in  der  nachaugusteischen 
zeit  die  Vertretung  des  begriffes  von  nachtheil  aufgiebt  und  dagegen 
von  hinterlist  übernimmt.  In  viel  weiterer  ausdehnung  und  Verket- 
tung aber  tritt  solcher  process  auf  innerhaLb  der  wortreihe:  dam- 
num,  noxia,  culpa,  imprudentia  oder  inscientia  und  casus, 
wie  fortuna.  Denn  damnum,  von  alters  her  die  rechtsverbind- 
lichkeit bezeichnend,  übernimmt  durch  die  lex  Aquilia  von  467  die 
technische  Vertretung  des  begrifl'es  schaden ;  dadurch  nun  wird  noxia, 
welches  von  alters  her  diesen  letzteren  begriff  technisch  repräsentirt, 
aus  dieser  seiner  Stellung  verdrängt  und  übernimmt  im  sechsten  Jahr- 
hundert die  Vertretung  des  begrifl'es  Verschuldung;  hiermit  wiederum 
ward  das  wort  culpa,  welches  den  letzten  begriff  von  alters  her  tech- 
nisch repräsentirt  hatte,  frei  zur  übernähme  der  technischen  Vertretung 
des  begrifl'es  fahrlässigkeit,  welche  ihm  von  Qu.  Mucius  Scaevola 
Pont.,  sonach  in  der  mitte  des  siebenten  Jahrhunderts,  übertragen  ward; 
und  in  folge  dessen  verloren  ebenso  die  imprudentia  und  inscien- 
tia ihre  Stellung  als  technische  bezeichnungen  der  fahrlässigkeit,  wie 
auch  die  indirecte  Vertretung  dieses  begrifl'es  durch  das  wort  casus, 
als  des  aus  fahrlässigkeit  nicht  berechneten ,  aber  berechenbaren  er- 
folges  einer  handlung  entbehrlich  wurde,  daher  nun  in  der  zweiten 
hälfte  des  siebenten  Jahrhunderts  casus  diese  seine  altüberlieferte 
bedeutung  verliert  und  die  technische  Vertretung  des  begrifl'es  zufall 
übernimmt,  infolge  des  wiederum  fortuna  seiner  altüberlieferten 
repräsentation  dieses  begrifl'es  entsetzt  und  aus  dem  kreise  der  juri- 
stisch technischen  ausdrücke  gänzlich  verdrängt  wurde«. 

Heidelberg,  18.  juni.  Vor  kurzem  ist  ein  bemerkens- 
werther  fund  gemacht  worden,  der  sich  auf  die  im  dreissig- 
jährigen  kriege  von  hier  nach  Rom  geführte  grösste  bibliothek 
der  damaligen  zeit,  die  bibliotheca  Palatino,,  bezieht.  Mit  der 
Verpackung  und  dem  transport  derselben  nach  Rom  war  vom 
pabste  als  bevollmächtigter  Leo  Alacci  beauftragt,  welcher  über 
seine  hin  -  und  herreise  eine  bisher  unbekannte,  sehr  genaue 
beschreibung  handschriftlich  hinterlassen  hat.  Diese  handschrift 
wurde  kürzlich  in  einem  dorfe  bei  Udine  aufgefunden  und  so- 
fort dem  oberbibliothekar  der  hiesigen  Universitätsbibliothek, 
geh.  hof-rath  Dr  Bahr,  iibersandt,  welcher  sie  in  den  „Heidel- 
berger Jahrbüchern"  veröffentlichen  wird.  Der  inhalt  der  hand- 
schrift ist  in  vielfacher  beziehung  von  interesse.  Unter  ande- 
rem wird  die  vom  stadtpfarrer  Herbst  hier  neuerdings  aufgestellte 
behauptung,  die  bibliothek  sei  auf  der  zweiten  emporkirche  der 
im  jähre  1400  u.  ff.  erbauten  Stiftskirche  zum  heiligen  geist 
aufbewahrt  gewesen,  durch  Alacci  vollkommen  bestätigt. 

AUSZUEGE  aus  Zeitschriften  :  Archäologische  zeitung  herausgege- 
ben von  E.  Hübner,  1872,  bd.  IV.  heft  2:  H.  Megdemann,  v'asen- 
sammlung   des  museums   zu  Palermo,   dabei  taf.  nr.  45—48  nebet  ei- 


Nr.  8.  Auszüge  aus  Zeitschriften.  4ol 

nem  holzsclinitt  (zu  taf.  47  s.  Conze  hft.  4,  p.  163);  p.  53:  besonders 
zu  beachten  die  darstellung  von  Aias  des  Telamoniers  tod  und  die  der 
weihung  des  ofupeckds  zu  Delphi.  —  H.  Iordan ,  über  römische  aus- 
hängeschilder,  mit  holzschnitt;  p.  65:  enthält  viel  wichtiges  über  to- 
pographie  Rorn's;  daneben  auch  einen  anhang:  tres  Fortunae ,  mit 
bezug  auf  Krinagoras  in  Anth.  Plan.  IV,  40,  p.  77.  —  J.  Friedlän- 
der,  Philoktet  und  Aeacus  auf  zwei  münzen  des  k.  rnünzkabinets  in 
Berlin,  mit  einer  lithographie ;  p.  79.  —  A.  Conze,  athenisches  se- 
pulcralrelief,  mit  tafel  nr.  49  ;  p.  81.  —  K.  Bötticher,  zwei  hermen- 
bildnisse  der  Sappho  ,  mit  photographischer  tafel  nr.  50;  p.  83.  — 
E.  Hühner,  die  madrider  Sapphoherme,  p.  86:  sucht  sich  gegen  tadel 
in  Bötticher's  vorherstehendem  aufsatze  zu  rechtfertigen.  —  Mi  sc  ei- 
len und  berichte:  Sitzungsbericht  des  arch.  instituts  zu  Rom  vom 
21.  april,  p.  87.  —  Archäologische  gesellschaft  in  Berlin,  p.  89.  — 
E.  Hübtier,  die  fälschung  der  nenniger  Inschriften,  p.  95.  —  L. 
Schwabe,  Aphrodite  mit  der  sandale  drohend,  p.  97.  —  Ad.  Michaelis, 
Priamos  bei  Achilleus,  p.  100. —  H.  Heydemann,  apulische  vasenbilder, 
p.  101.  —  A.  I.  Murray,  etruskische  Spiegel,  p.  102.  —  E.  aus'm 
Werth,  ausgrabungen  in  Nennig  und  Cöllig,  p.  103.  —  E.  Herzog,  neue 
inschrift  aus  Africa,  p.  104,  mit  zusatz  von  Th.  Mommsen  ,  der  den 
schluss  der  inschrift  aus  dem  jähr  186  p.  Chr.  anders  als  Herzog  lies't. 

Heft  3,  1872:  H.  Wittich,  von  den  maassen  des  Parthenon,  des 
vorpersischen  und  des  perikleischen,  p.  105.  —  A.  Michaelis,  zu  den 
Parthenonsculpturen,  p.  110:  bezieht  sich  auf  Böttiger's  catalog  und 
auf  erörterungen  von  Matz:  s.  ob.  nr.  3,  p.  145  und  Philol.  Anz.  III. 
nr.  12,  p.  604.  —  H.  Heydemann,  relieffragmente ,  mit  tafel  54;  p. 
116:  wegen  der  Aeneassage  zu  beachten.  —  Miscellen:  R.  För- 
ster, archäologische  miscellen,  mit  taf.  55,  p.  123:  nr.  V  bezieht  sich 
auf  den  cult  der  Hera  in  Sicilien  und  bespricht  dabei  folgende  in- 
schrift : 

APKE29.1 
A12XYAOY 
HP  AI  EYXAN 
—  Stalin,    neue  inschriften   aus  Würtemberg,    p.  131.  —     Forchham- 
mer, Eirene  mit  dem  Plutos  und  Athene  Lemnia,  p.  131. 

Augsburger  allgemeine  zeitung,  beil.  zu  nr.  185:  geschichtsforschung 
am  Oberrhein.  I. :  sehr  lesenswerth.  —  L.  Stark,  nach  dem  griechi- 
schen Orient.  IL  Die  Donaufahrt  zwischen  Linz  und  Wien :  ohne  alles 
interesse.  —  Beil.  zu  nr  186:  Steger,  platonische  Studien:  anzeige. — 
Beil.  zu  nr.  187.  188. 189:  M.  Wagner,  über  den  einfluss  der  nahrungs- 
mittel  auf  völkerzustände  und  kurlturgeschichte.  —  Nr.  188.  Beil.  zu 
nr.  189.  nr.  90.  beil.  zu  nr.  193:  zum  Jubiläum  der  Universität  Mün- 
chen. —  Beil.  zu  nr.  189:  die  bildung  des  geistlichen.—  Nr.  190.  beil. 
zu  nr.  190  :  nach  dem  griechischen  Orient.  III.  Zehn  tage  in  Wien. 
Historischer  gesammteindruck  der  stadt.  Die  antike  kunst  und  ihre 
Sammlungen.  Moderne  bauten  und  ihr  styl:  dies  die  Überschrift, 
welche  genügen  wird,  um  jeden  über  die  bedeutung  des  hier  gegebe- 
nen zu  unterrichten.  —  Beil.  zu  nr.  191:  bericht  über  das  todten- 
feld  bei  Regensburg  (s.  ob.  nr.  7,  p.  382),  wo  namentlich  merkwür- 
dige thierreste  gefunden.  —  Nr.  183.  194.  195 :  die  enthüllung  des 
Steindenkmals.  I.  IL  III.  —  Nr.  195 :  das  werk  des  grossen  ge- 
neralstabs:  nämlich  des  preussischen  über  den  krieg  gegen  Napo- 
leon III.  —  Beil.  zu  nr.  195.  196:  die  geschichtsforschung  am  Ober- 
rhein. IL  —  Beil.  zu  nr.  196  :  die  frage  über  das  25jährige  pontifi- 
cat  Petri.  —  Nr.  197:  ein  illustrirtes  conversations  -  lexicon.  —  Beil. 
zu  nr.  198.  199.  200.  201 :  nach  dem  griechischen  Orient  von  B.  Stark, 
IV:  von  der  Donau  zum  Bosporus.     Donaufahrt  von  Wien  nach  Pest, 


432  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  8. 

Gesammteindruck  von  Buda-Pest.  Die  bäder.  Das  nationalmuseuni  und 
die  Esterhazy-gallerie.  Von  Pest  nach  Konstantinopel :  ohne  philologi- 
schen inhalt.  —  Beil.  zu  nr.  199.  200/  das  reich  und  die  Wissen- 
schaft, von  L.  Bamberger,  I.  II:  geistreiche  betrachtungen ;  auch  über 
die  Verbreitung  der  classiscben  literatur  bei  dem  kaufmannsstande 
in  England,;  leider  ist  ein  gleiches  von  Deutschland  nicht  zu  sagen.  — 
Beil.  zu  nr.  201  :  Kraus,  die  »nachfolge  Christi«  und  die  Jesuiten.  — 
Die  orakel:  anzeige  des  schriftchens  von  Dühler  über  diesen  gegen- 
ständ. —  Beil.  zu  nr.  204  :  das  reich  und  die  wissenschdft.  III.  IV.  —  Die 
abteikirche  zu  Seligenstadt  und  das  grab  von  Einhard's  und  Emma's.  — 
Unermessliche  heuschreckensckwärme  in  Sardinien.  —  Nr.  203:  der 
katholicismus  in  England.  —  Beil.  zu  nr.  203:  J.  Gr.  Hamann.  Pho- 
tographie und  lichtdruck  in  ihrer  bedeutung  für  die  Wissenschaft.  — 
Nr.  204:   gottesdienst  bei  dem  Jubiläum  der  Universität  München. 

G,  Füllner ,  deutsche  b lütter  ,  eine  nionatsschrift.  1871,  nr.  11, 
november:  G.  M**,  das  Elsass  und  seine  bedeutung  für  Deutschland: 
I.  Die  politischen  zustände.  —  Nr.  12,  december,  p.  149:  A.  Schä- 
fer, die  bedeutung  des  Studiums  der  alten  geschichte  für  die  gegen- 
wart,  rede:  nimmt  unter  anderem  beachtenswerthen  auch  besonders 
auf  Niebuhr  rücksicht.  —  P.  205 :  G.  M**,  das  Elsass  und  seine 
bedeutung  für  Deutschland.  II.  Die  religiösen  und  kirchlichen  zu- 
stände :  sehr  beachtenswerthe  abhandlung ,  die  nach  allen  seiten  un- 
parteiisch und  einsichtsvoll  sich  zeigt. 

Zar n che  s  literarisches  ccntralblatt,  nr.  9:  Anisii  Manlii  Severini 
Boetii  philosophiae  consolationis  libri  quinque.  Acccdunt  eiusdem  atque 
incertorum  opuscula  Sacra.  Bec.  B.  Peiper.  8.  Lips.  Teubner.  1871: 
kurze  anerkennende  anzeige ,  jedoch  scheint  dem  reo.  zu  wenig  für 
eine  neue  ausgäbe  im  texte  verändert.  Sonderbare  leute  diese  recen- 
senten!  —  G.  Soltau,  de  fontibus  Plutarchi  in  secundo  belle-  Pu- 
nico  enarrando.  8.  Bonn.  Weber.  1870:  kurze,  den  ansichten  des  vfs. 
beitretende,  aber  das  greuliche  latein  noch  schmerzlich  empfindende 
anzeige.  —  Nr.  10  :  F.  W.  Cuhnann,  versuch  einer  erklärung  der  ad- 
spiraten  nebst  beleuchtung  gewisser  grundsätze  der  neueren  Sprach- 
forschung. 8.  Leipzig:  wird  von  ref.  C.  als  ganz  verfehlt  bezeich- 
net. —  S.  Thasci  Caecili  Cypriani  opera  omnia  et  appendix  .  .  ex 
rec.  G.  Hartelii.  2  voll.  8.  Wien.  1871:  anzeige,  die  doch  dem 
fleisse  des  vrfs  gerechter  hätte  sein  sollen.  —  Joannis  Zonarae  epitome 
historiarum  cum  C.  Ducangii  suisque  annotationibas  ed.  Lud.  Din- 
dorfius.  Vol.  IVum.  8.  Lips.  Teubn.  1871:  referat  ohne  urtheil. 
—  Nr.  11:  Analecta  philologica  historica  I  .  .  .  diss.  A.  Schoen  e. 
8.  Lips.  1870 :  lobende  inhaltsanzeige :  genaueres  s.  Philol.  Anz.  II, 
nr.  9,  p.  436.  —  Nr.  12 :  Nie.  Madvigii  adversaria  critica  ad  scri- 
ptores  graecos.  Praemittitur  artis  criticae  conjecturalis  adumbratio. 
8.  Kopenh.  1871:  anzeige  von  W.,  der  trotz  vielen  lobes  doch  mit 
der  theoretischen  abhandlung  über  die  sg.  ars  critica  sich  nicht  ein- 
verstanden erklärt.  Wie  wenig  befriedigend  die  griechischen  dich- 
ter von  Madvig  behandelt  seien  ist  von  Heimsöth  (s.  Philol.  Anz. 
III,  n.  8,  p.  395)  schlagend  nachgewiesen.  Das  sollten  doch  die  re- 
ferenten  nicht  verschweigen.  —  31.  Schanz,  novae  commentatio- 
nes  platonicae.  4.  Würzburg.  1871,  anzeige  vou  B.  F.,  welche  die 
Wichtigkeit  der  schritt  eben  nicht  erkennen  lässt:  s.  oben  nr.  3,  p. 
113.  —  Nr.  13:  Bevue  critique  d'histoire  et  de  litterature,  red.  de 
M.  Breal,  P.  Meyer,  C.  Morel,  G.  Paris.  8.  Paris:  anzeige, 
dass  diese  Zeitschrift  wieder  erscheine,  dabei  bemerkungen  über  fran- 
zösische Verkehrtheiten  in   betreff  des  letzten  krieges. 


Nr.  9.  September  1872. 

Philologischer  Anzeiger, 

Herausgegeben   als   ergänzung   des   Pkilologus 


von 


Ernst  von  Leutsch. 


247.  Corpus  inscriptionum  latinarum  consilio  et  auetori- 
tate  acaderniae  literarum  regiae  Borussicae  editum.  Volumi- 
nis  quinti  pars  prior,  fol.  Berolini  apud  Georgium  Reimerum. 
MDCCCLXXII. 

A.  u.  d.  t. :  Inscriptiones  Galliae  cisalpinae  latinae.  Con- 
silio et  auetoritate  academiae  literarum  regiae  Borussicae  edidit 
Theodorus  Mommsen.  Pars  prior  inscriptiones  regionis 
Italiae  deeimae  comprehendens.  fol.  Berolini  apud  G.  Reime- 
rum.  MDCCCLXXII.  —     56  u.  544  ss.:  16  thlr. 

Es  ist  sehr  erfreulich ,  dass  die  academie  und  die  heraus- 
geber  in  folge  mehrfach  geäusserten  Wunsches  mit  diesem  bände 
beginnen  einzelne  abtheilungen  des  grossen  inschriftenwerkes 
herauszugeben,  da  ja  die  in  dem  hier  aufgespeicherten  material 
geborgenen  schätze  so  wie  die  an  sie  sich  anknüpfenden  gelehr- 
ten ausführungen  und  bemerkungen  nicht  früh  geuug  der  for- 
schung  und  benutzung  übergeben  werden  können.  Da  diesem 
bände  weder  vorrede  noch  register  beigegeben,  beschränken 
wir  uns  auf  eine  möglichst  kurze  inhaltsangabe ,  eine  genauere 
besprechung  späterer  zeit  vorbehaltend.  Der  band  beginnt  mit: 
inscriptiones  falsae  vel  alienae,  auf  56  Seiten  590  inschriften  :  die 
arabischen  zahlen  sind  mit  einem  Sternchen  versehen  ;  etwas 
unbequem ;  besser  wären  doch  lateinische  gewesen.  Darauf  fol- 
gen auf  pp.  1  —  544  in  56  abschnitten  5091  inschriften,  alle 
mit  gleicher  Sorgfalt  behandelt:  p.  1.  2  enthalten  einen  ab- 
schnitt: de  Histria  et  histricarum  inscriptionum  auetoribus ,  dem 
aber  bei  jeder  folgenden  Stadt,  ist  nur  stoff  dazu  vorhanden, 
zur  ergänzung  specielle  gleicher  art  folgen,  so  p.  53  eine  kurze 
geschichte  von  Tergeste,  dann  de  auetoribus  Tergestinis,  p.  78  — 
Philol.  Anz.  IV.  28 


434  247.  Epigraphik.  Nr.  S. 

83  inschriftensammler  von  Aquileja,  p.  83  geschiebte  der  stadt, 
p.  178  von  Colonia  Iulia  Concordia,  p.  186  von  Opitergium, 
p.  201  von  Tarvisium  ,  p.  319  von  Verona  u.  s.  w.:  auf  solche 
einleitungen  folgen  dann  in  der  aus  den  frühern  bänden  be- 
kannten behandlungsweise  die  inschriften  selbst.  Die  einzelnen 
abschnitte  sind  folgende  : 

I.  Nesactium?  —  Barbana.  Momorano.  Altura,  p.  2;  II. 
Colonia  pietas  lulia  Pola  (PolaJ.  Tribu  Velina?  p.  3;  III.  Rovigno, 
p.  33;  IV.  Pedena  et  Pisino  cum  locis  vicinis  ,  p.  34;  V.  Colo- 
nia Iulia  Parentium  (Parenzo).  Tribu  Lemonia,  p.  35  ;  VI.  Abrega, 
p.  39;  VII.  Neapolis  (Cittanuova) ,  p.  39;  VIII.  Volles  Quieti 
fluvii  et  Montonensis,  p.  41  ;  IX.  Piquentum  (Pinquente) ,  p.  44; 
X.  Umago.  Salvore.  Pirano.  Isola ,  p.  48;  X  (sie),  Capodistria. 
Acc.  Lonche  et  Cernical,  p.  49;  XL  Tergeste  colonia  (Trieste). 
Tribu  Pupinia,  p.  53  ;  XII.  Ager  inter  Tergeste  Aquileiam  Alpes 
Iulias,  p.  75;  XIII.  Histriae  incertae,  p.  77;  XIV.  Mun.  Aqui- 
leia  (Aquileja).  Tribu  Velina,  p.  78 ;  XV.  Forum  Iulium  (Civi- 
dale  d' Austria  sive  Patria  dl  Friuli).  \Tribu  Scaptia,  p.  163; 
XVI  :  Friulanae  incertae,  p.  166  ;  XVII.  Ad  Tricesimum  (Trice- 
simoj.  San  Daniele  et  vicinia,  p.  167:  XVIII.  Glemona?  (Ge- 
mona).  Acc.  Moggio  et  Resiulta,  p.  169  ;  XIX.  Col.  Iulium 
Carnicum  (Zuglio).  Tribu  Claudia.  Acc.  Monte  della  Croce  et 
Comegliano,  p.  172;  XX.  Col.  Iulia  Concordia  (Concordia).  Tribu 
Claudia?  p.  178;  XXI.  Opitergium  (Oderco).  Tribu  Papiria,  p. 
186;  XXIII.  (sie)  Pagus  Lacbactium  (Castello  Lavazzo),  p.  191; 
XXIV.  Bellunum  (Belluno).  Tribu  Papiria,  p.  192;  XXV.  Feltria 
(Feltre).  Tribu  Menenia ,  p.  195;  XXVI.  Acelum  ?  (Azolo)  et 
vicinia,  p.  198;  XXVII.  Tarvisium  (Treviso).  Tribu  Claudia,  p. 
201;  XXVIII.  Altinum  (Altino).  Tribu  Scaptia.  Venezia,  p. 
201  ;  XXIX.  Pelestrina.  Chioggia,  p.  210;  XXX.  Atria  (Adria). 
Tribu  Camilia,  p.  220;  XXXI.  Ferrara  cum  agro ,  p.  225; 
XXXII.  Rovigo  cum  agro,  p.  236  ;  XXXIII.  Col.  Ateste  (Este). 
Tribu  Romilia,  p  239  ;  XXXIV.  Patavium  (Padova).  Tribu 
Fabia,  p.  263;  XXXV.  Vicetia  (Vicenza).  Tribu  Menenia,  p. 
304;  XXXVI.  Verona  (Verona).  Tribu  Poblilia,  p.  319;  XXXVII. 
Arusnatium  Pagus  (Fumane  in  Volle  Palicella),  p.  390;  XXXVIII. 
Ager  inter  Benacum  et  Athcsin  a  Bardalino  ad  Roveretum,  p.  398  ; 
XXXIX.  Avilica  (Peschiera).  Sirmio  (Sirmione),  p.  400;  XL. 
Ager  inter  Benacum  Mincium  Oll/um  Clesum,  p.  403  :  XLI.  Man- 
tua  (Manlua).  Tribu  Sabatina,  p.  40b;  XLII.  Ager  inter  Man- 
tuam  et  Cremonam.  Betnacum  (prope  Calvatone),  p.  411;  XLIII. 
Col.  Ciemona  (Cremuna).  Tribu  Aniensi,  p.  413  ;  XLIV.  Ager 
inter  Cremonam  et  Brixiam,  p.  419;  XLV.  Col.  civica  Aug.  Bri- 
xia  (Brcscia).  Tribu  Fabia,  p.  426;  XLVI.  Benacenses»  (Tos- 
colano).  Tremofcine.  Limone,  p.  507;  XLVII.  Val  Bona.  Sa* 
biui  (Val  Sabbia),  p.  512;    XLVIII.     Trumpliui   (Val  Trompia), 


Nr.  9.  247.  Epigraphik.  435 

p.  515;  XLIX.  Caraunni  (Clvidate  dl  Val  Camoniea).  Tribu 
Quirina,  p.  519;  L.  Riva-Vallis  Gludicavia,  p.  524;  LI.  Col. 
Tridentum  (Trento).  Tribu  Papiria ,  p.  529;  LH.  Ausugum 
(Borgo  d.  Val  Sugan),  p.  536  ;  LUX  Anauni  (Val  di  Non),  p. 
537;  LIV.  Vallis  Eisack  ß.  Sublavio  (Sehen).  Vipitenum  (Ster- 
zing),   p.   542  ;   LV.      Vallis  Athesis  supra   l'ridentum,   p.   543. 

Aus  dieser  dürren  übersieht  ergiebt  sich  zunächst,  wie  zer- 
streut die  inschriften  sind  und  wie  grade  die  orte,  wo  man  die 
meisten  und  auch  ältere  erwartet  und  wünscht,  die  erwartung 
täuschen.  Viel  wichtiges  enthalten  sie  aber  und  dies  nun 
mit  Sicherheit  und  bequem  ausnutzen  zu  können,  haben  wir  der 
meisterhaft  durchgeführten  behandlung  zu  danken,  welche  über- 
all den  ausdauerndsten  und  wahrhaft  bewundernswürdigen  fleiss, 
die  grösstmögliche  Sorgfalt  und  aufmerksamkeit  erkennen  lässt. 
Ueberall  begegnet  man  Mommsen's  descripsi,  contuli,  überall  wer- 
den um  einer  inschrift  willen  massen  von  büchern  eingesehen  und 
benutzt  und  verglichen  :  wo  Interpolationen  sich  finden,  wo  ein 
stein  schwierig  zu  lesen  war,  wird  es  angegeben;  glaubt  der 
verf.  allein  nicht  durchzukommen,  zieht  er  hülfe  zu,  wie  Stu- 
demund,  s.  p.  359,  vrgl.  p.  378.  417  —  und  erregt  durch  die- 
ses u.  a.  überall  das  grösste  vertrauen  für  seine  angaben  und 
texte.  War  gleich  die  grösste  kürze  geboten,  so  findet  sich 
doch  räum  für  ergänzung  der  Kicken,  für  erklärung  schwieriger 
formein  und  ausdrücke,  für  Verweisungen  in  betreff  der  in  den 
inschriften  erwähnten  personen ,  z.  b.  über  die  Nonii  p.  330, 
für  berichtigung  alter  und  neuer  autoren ,  wie  über  Drusus  p. 
521,  über  Julius  Cäsar,  p.  57,  die  dispensatores  p.  15  — kurzum 
es  tritt  uns  hier  ein  reichthum  von  angaben  aller  art  und  eine 
meisterschaft  in  behandlung  desselben  entgegen,  auf  die 
Deutschland  mit  vollem  recht  stolz  sein  darf.  Viel  mehr  wird 
sich  das  bei  genauerer  beschäftigung  —  zu  der  die  zeit  ja  noch 
nicht  ausreichte  —  und  nach  Vollendung  des  bandes  aufdrängen: 
möge  dem  vf.  kraft  nicht  fehlen,  die  Vollendung  bald  zu  be- 
werkstelligen. 

E.  v.  L. 

248.  Homerische  abhandlungen  von  Dr  Heinrich  Dün- 
tzer,  professor  und  bibliothekar.  8.  Leipzig.  Hahn'sche  Ver- 
lagsbuchhandlung. 1872.  —      XVI  u.  604  ss.  —    3  thlr. 

Die  vorrede,  bestimmt,  wie  es  scheint,  die   Selbständigkeit 

28* 


436  248.  Homeros.  Kr.   9. 

der  in  den  abhandlungen  vorgetragenen  ansichten  nachzuweisen, 
erzählt  wie  vf.  schon  auf  dem   gymnasium  eigne  ansichten  über 
das  wesen  und  die  Schicksale  der    epen  des    Mäoniden    sich  ge- 
bildet   habe,    so  dass    weder  Nitzsch's    forschungen    noch  später 
auf  der  Universität  Welcker's  und  Näke's  Vorlesungen    ihn  hät- 
ten  befriedigen    und    in   seiner  rneinung   wankend  machen  kön- 
nen:   er  unternahm  daher  „zu  seiner   eigenen  belekrung"  (p.  rv) 
eine  vollständige  darleguug  seiner  auffassung,  deren  Schilderung 
p.  v  mit  den  worten  schliesst:     „man  wird  gestehen,    dass  eine 
solche  arbeit  des  eben    zwanzigjährigen   studirenden  nicht  allein 
grosse  liebe  zu  dem  dichter,  sondern  auch  ein  streben  nach  all- 
seitigem eindringen  verräth".      Darnach  begreift  sich,   dass  auch 
Böckh,    den  vrf.  im   winter   1834/35    zugleich    mit  Alexander  von 
Humboldt    —     warum    wird    der    eigentlich    hier    erwähnt?    — 
hörte,    ohne  einfluss  auf  Düntzer's  Homer -forschung  blieb:  we- 
nigstens ist  p.  v  von  einem   solchen  nichts  zu  lesen.     Seit  1836 
beginnt  dann  der  vf.  einzelne  theile    seiner   Studien    durch    den 
druck  bekannt  zu  machen:    er  führt  sie  chronologisch  auf,    un- 
termischt mit  mancherlei   wie    ich    meine  den  leser  nicht  immer 
angenehm  berührenden    bemerkungen.     So  heisst  es  p.vm:  „im 
jähre  1847  —    ich  war  ein  jähr  vorher  in  folge  wohlgeleiteter, 
kein  mittel    scheuender   und    über  leider   zu    grosse  verfügender 
Verfolgung  eines  neuerdings  in  anderer  weise  entlarvten  gegners 
aus  meiner  verkümmerten  academischen  thätigkeit  geschieden  — 
legte  mir"  u.  s.  w.:  eine  klage  und  anklage,    wie  sie  nie  sollten 
geschrieben  werden :    denn  nur    wenigen    ist   beschieden  durch's 
leben  ohne  kämpf  zu  kommen  und  wer  in  ihm  von  seiner  bahn  sich 
abdrängen  lässt,   ist  eben  der  schwache  —   will  man  anklagen, 
lege    man    rücksichtslos   und  klar  das  erlittene  unrecht  dar,    so 
dass  auch  der  fernstehende  urtheilen    kann:    verfährt    man    an- 
ders ,    so  ruft  man  vermuthung  über  die    schwäche    der    eignen 
sache  wach.      Anziehender  sind    die    mittheilungen    aus    briefen 
von  Böckh  und   Welcker,  welche  der  vf.  als  solche,    die  seinen 
„homerischen  forschungen  mit  innigem  antheil  und  lebendiger  an- 
erkennung  gefolgt  seien''  p.  ix,  mit  gebührendem  danke  erwähnt: 
wir  heben  von  den  briefen   des  erstem   hier  nur  den  letzten  (p. 
Xl)  hervor:   Düntzer  scheint  über  mangel  an  anerkennung  geklagt 
zu    haben,    worauf   Böckh    schreibt:    „aber    zum    theil   ist   auch 
die  wähl  der  litteratur  darau  schuld,  der  Sie  sich  widmen;    ich 


Nr.  9.  248.   Homeros.  437 

meine  die  homerische,  die  ein  unauflösliches  knäuel  ist,  obwohl" 
u.  s.  w.  :  eine  merkwürdige  mahnung,  hervorgerufen  wohl  durch 
das  Schicksal  der  Schriften  über  Homer;  denn  während  auf  an- 
dern gebieten  gute  bücher  den  Verfassern  dank  mancher  zeiten 
einbringen,  vermögen  hier  kaum  die,  welchen  grade  in  den 
hauptfragen  für  ganze  generationen  grundlage  und  richtung 
zu  finden  vergönnt  war,  sich  dauernder  Wirkung  zu  freuen:  al- 
les andre  verschwindet  schneller  als  rauch.  Auch  sonst  ver- 
hält sich  Böckh"  abwehrend  gegen  Düntzer's  resultate :  ,,und  ich 
stimme  ihnen  in  den  meisten  fällen  bei",  heisst  es  p.  xi,  „so- 
bald ich  mich  auf  Ihren  Standpunkt  stelle,  obgleich  durch  die 
athetesen  grosse  Schönheiten  verloren  gehen'':  ja,  wenn  der 
Standpunkt  nicht  wäre!  Und  so  noch  öfter:  natürlich  findet 
er  auch  zu  loben;  doch  in  betreff  der  hauptsache  muss  man 
verstehen,  zwischen  den  zeilen  zu  lesen. 

Auf  diese  vorrede  folgen  die  abhandlungen  selbst;  nicht 
alle  —  die  fehlenden  finden  sich  p.  xm  verzeichnet  — ,  aber  fast 
unverändert,  Verbesserungen  des  ausdrucks  abgerechnet:  ich  billige 
das  nicht,  meine  vielmehr,  dass  ein  Schriftsteller  nie  die  gelegen- 
heit,  früher  geschriebenes  umzugestalten  und  zu  bessern  unbenutzt 
vorüber  gehen  lassen  sollte.      Die   abhandlungen  sind  folgende  : 

1.  Peisistratos  und  Homeros.  Nebst  zusatz,  p.  1 ;  2.  Ueber  Lach- 
manns kritik  der  homerischen  gesänge.  I.  II,  p.  28;  3.  Lachmanns 
nächste  nachfolger.  Nebst  zusatz,  p.  101;  4.  Das  prooemium  der  Ilias. 
Nebst  zusatz,  p.  164;  5.  Das  erste  buch  der  Ilias  in  seiner  untheilbarkeit. 
Nebst  zusatz;  p.  180;  6.  Der  schiffskatalog  der  Ilias.  Nebst  zusatz; 
p.  212;  7.  Das  dritte  bis  siebente  buch  der  Ilias  als  selbständiges 
gedieht.  Nebst  zusatz,  p.  234;  8.  Die  Doloneia,  p.  305;  9.  Ueber  das 
vierundzwanzigste  buch  der  Ilias,  p.  326;  10.  Die  Wächter  im  letzten 
buche  der  Ilias,  p.  377;  11.  Ueber  den  schluss  der  Ilias,  p.  383;  12. 
Das  kunstgesetz  des  Homeros  nach  2000  jähren  wieder  entdeckt  durch 
W.  Jordan  (dieser  aufsatz  war  bisher  noch  nicht  gedruckt,  s.  vorr.  p. 
XIII),  p.  399;  13.  Der  zorn  des  Poseidon  in  der  Odyssee,  p.  409;  14. 
Die  composition  des  ersten  buches  der  Odyssee,  p.  429;  15.  Eine  noch 
unentdeckte  interpolation  im  eilften  buche  der  Odyssee,  p.  446 ;  16. 
Zur  homerischen  darstellung  der  Skylla  und  Charybdis.  p.  451;  17.  Die 
bedeutung  der  Wiederholungen  für  die  homerische  kritik,  p.  464 ;  18. 
Zu  den  homerischen  gleichnissen  ,  p.  485;  19.  Zur  beurtheiluug  der 
stehenden  homerischen  beiwörter,  p.  507;  20.  Ueber  den  einfluss  des 
metrums  auf  den  homerischen  ausdruck.  Nebst  zusatz,  p.  517;  21. 
'A^ctiol,  TlttvctycaoL,  'Agyelot,  Javctoi  bei  Homeros,  p.  565 ;  22.  Ueber  av, 
ewre,  avng  und  av&tg,  p.  573.     Dazu  p.  593  flg.  register. 

Die  längst  bekannten  aufsätze  hier   zu  kritisiren,    kann  un- 

sre  aufgäbe    nicht    sein;    über    die    zu  s  ätze    dagegen    müssen 

wir  wohl  ein  wort  sagen.     Als  characteristisch   für  den  ton  des 


438  248.  Homeros.  Nr.  9. 

vrfs.  heben  wir  den  gegen  I.  Bekker's  ansieht  vom  proömium  der 
Ilias  gerichteten  zusatz  p.  176  hervor:  dass  Diintzer  diese  an- 
sieht  eine  „höchst  unglückliche"  nennt,  dazu  hat  er  gewiss  das 
recht;  aber  sätze  wie  dieser:  „wenn  ein  mann  von  Bekkers 
kenntniss  des  alterthums  im  ernste  meinte ,  wegen  der  schreck- 
lichen folgen  des  zorns  würde  dieser  Stoff  des  gesanges  den  zu- 
hörer  gleich  abgestossen  haben ,  ...  so  weiss  man  nicht, 
was  man  dazu  sagen  soll"  —  sollten  nicht  vorkommen.  Schreibt 
ein  gelehrter  ersten  rangs  einmal  leichtfertig,  so  soll  man  ihn 
rücksichtsloser  als  jeden  andern  tadeln:  wo  aber  resultate 
gewissenhaftesten  Studiums  von  einem  solchen  wie  in  unserm 
falle  vorliegen,  da  darf  auch  wo  man  irrthum  zu  finden  glaubt, 
die  acktung  und  der  respect  nicht  ausser  acht  gelassen  wer- 
den, namentlich  dann  nicht,  wenn  an  stelle  des. getadelten  man 
selbst  nichts  besseres  als  hier  geschieht  zu  setzen  vermag;  denn 
Düntzer  will  II.  A,  vss.  3 — 5  auswerfen,  sieht  also  nicht,  dass 
dann  «£  ov  und  t«  noäta  nicht  genügend  motivirt  sind,  da  für 
sie  (xvQia  alysa  nicht  ausreicht:  vrgl.  nur  0,  295.  co  ,  309.  |, 
378.  r,  595.  n,  142.  i/j,  18.  Aber  nach  solcher  behandlung 
Bekker's  muss  ich  längst  zufrieden  sein,  wenn  es  p.  392  heisst: 
„schon  v.  Leutsch  im  Philol.  XII,  33  ff.  hat  die  klaggesänge 
(in  II.  ,ß)  als  strophisch  nachweisen  wollen ,  welche  mühe  er 
sich  bei  einer  so  schlechten  arbeit  billig  erspart  hätte" :  und  p. 
393  a.  e.:  „wer  die  von  Leutsch  gefundenen  Strophen  als  sol- 
che mit  ihm  bewundern  will,  mag  es  auf  seine  gefahr  thun!" 
Dagegen  lässt  sich  nun  freilich  nicht  streiten :  eher  gegen  fol- 
gendes :  „Leutsch  .  .  tilgt  764  f.,  obgleich  diese  offenbar  766 
ff.  einleiten,  woher  sie  mit  der  ganzen  rede  stehen  und  fallen", 
p.  393:  denn  1,  tilge  ich  gar  nicht  vs.  764.  65,  sondern  765 
und  766,  den  ersteren  (765),  vielleicht  eine  reminiscenz  aus  Od. 
m,  310,  ausserdem  von  Düntzer  p.  391  selbst  ausgeworfenen, 
mit  den  alten;  und  2,  enthalten  die  vss.  765.  66  nichts,  was 
nicht  vs.  764  enthielte ;  warum  soll  also  764  zum  einleiten 
nicht  genügen?  Düntzer  findet  freilich  Ij  psv  unerträglich:  wir 
setzen  die  verse  deshalb  hierher : 

"Ehtoq,  £[acZ)  Ovfuo   8aSQ03v  nolv  qn'Xrazs  nccvr(or} 
tj  fiiv  (xoi  noaig  iartp  'yäls^avögog  O-Eosid/jg, 
ng  ft    ayays    TqoItjvS''   oj?  ttq\v  cöcfsXlov   nXfadai. 
765  [Jjdq  yaQ   vvv  fioi  toö"  iawoazov  hos  iöTtv, 


Nr.  9.  248.  Homeros.  439 

8§  ov  xel&ev  sßrjv  xal  iftrjg  aneX?jlv&a  jtuTQi]?.]. 

dlV  ov  nco  atv  anovaa  xaxov  'inog  ovo*  afsiyrjlov  xrX. 
Zur  rechtfertigung  der  stelle  bemerke  man,  dass  Helena  psy- 
chologisch fein  und  richtig  in  dieser  rede  der  der  Hekabe  folgt 
und  zwar  am  genauesten  im  anfang;  dass  ferner  der  sinn  der 
drei  ersten  verse  dem  inhalt  nach  den  II.  Z,  345  ausgespro- 
chenen gedanken  enthalten;  dieser  sinn  endlich  auch  hier  voll- 
kommen der  Situation  entspricht :  „Hektor,  fürwahr  mein  ge- 
mahl  ist  gewiss  Alexander ,  der  mich  leider  nach  Troja  führte, 
—  d.  h.  du  hättest  mir  als  der  Urheberin  vieles  leides  für 
Troja  zürnen  und  mich  hassen  können  —  aber  du  hast 
mir  immer  liebe  bezeugt  und  das  berechtigt  mich  dich  (vs. 
772)  zu  beklagen":  somit  enthalten  diese  ersten  verse  die 
grundlage  der  ganzen  folgenden  klagrede  und  daher  wird 
am  schluss  mit  vs.  773  auf  vss.  763.  64,  mit  vs.  775  auf 
vs.  762  [noXv  q>(XTatf)  schön  zurückgewiesen.  Indem  ich  noch 
hinzufüge,  dass  auch  vs.  772  vortrefflich  passt  und  (vrgl.  II. 
H,  119)  nicht  anzutasten  ist,  wende  ich  mich  noch  zu  Q,  721, 
der  p.  388  besprochen  wird  ohne  meine  behandlung  Philol.  Suppl. 
bd.  I,  p.  72  zu  berücksichtigen :  die  richtige  lesart  soll  sein : 
&Qr'jvovg,  l^aQ^ova'  oizs  axovötaaav  aoidrjv,  eine  lesung,  welche 
La  Roche  verworfen  hat:  dagegen  replicirt  Düntzer  wie  folgt: 
„weil  er  in  gewohnter  leichtfertigkeit  meinte,  das  relativ  müsse 
nothwendig  am  anfange  des  satzes  stehen.  Er  kennt  also 
diese  von  Homeros  ab  allen  dichtem  geläufige  freiheit  gar 
nicht!"  Aber  wo  steht  denn  bei  Homer  das  prädicat  vor 
dem  relativ  und  vor  allem  gerade  vor  o gts  ?  Zu  dem  beweise 
dafür  genügen  selbst  stellen  nicht  wie  IL  B,  125.  La  Roche  ist 
also  sehr  sorgfältig  hier  verfahren,  hat  in  diesem  falle  ganz  recht, 
wird  auch  gewiss  noch  aus  andern  gründen  sich  an  Düntzer's 
ansieht  nicht  haben  anschliessen  mögen:  was  mich  betrifft,  so 
halte  ich  auch  jetzt  noch  an  der  im  Suppl.  bd.  1.  c.  angenom- 
menen lücke  fest.  Freilich  will  zu  solchen  Vorkommnissen  der 
in  der  vorrede  für  diese  abhandlungen  in  ansprach  genom- 
mene „besonnene  ernst"  nicht  recht  passen:  es  mag  ausser  an- 
derm  auch  darin  der  grund  von  solchen  fehlgriffen  liegen,  dass 
auch  Lachmann's  forschung  auf  den  vf.  nicht  gewirkt  hat :  das 
was  ich  Philol.  XIII ,  p.  238  über  diese  geschrieben ,  dürfte 
zumeist  auch  von  diesem  hier  angezeigten  buche  gelten.       E.  v.  L. 


440  249.  Homeros.  Nr.  9. 

249.  Bemerkungen  über  den  gebrauch  von  iditv  bei  Homer, 
I.     Von  Skerlo  x}.     4.     Progr.  Graudenz  1869.     20  s. 

Das  verbum  iSsh  erblicken  bezeichnet  das  eintreten  eines 
gegenständes  in  den  gesichtskreis  und  ist  mit  recht  aoristisch, 
weil  nur  den  moment  ausdrückend.  Einen  imperativ  kann  das 
verbum  streng  genommen  nicht  bilden,  doch  sei  schon  Homer 
über  diese  grenze  hinausgegangen  und  habe  ihn  dreimal.  Das 
geistige  sehen,  bei  dem  p.  3  stellen  wie  0105,  316,  N  449,  fi 
44,  a  375  übergangen  werden,  sei  vorzüglich  dem  medium  ei- 
gentbümlich  und  komme  in  der  Ilias  deshalb  mehr  vor,  weil 
da  eidsvai  und  idslv  noch  nicht  so  vollständig  geschieden  wa- 
ren als  in  der  spätem  Odyssee.  Das  medium  unterscheide 
sich  vom  activum  dadurch  dass  es  hervorhebe  dass  das  erblicken 
des  gegenständes  von  umständen  abhängig  sei.  Ob  dieser  un- 
terschied des  mediums  sich  behaupten  lässt ,  soll  hier  nicht  un- 
tersucht werden,  jedenfalls  ist  er  nicht  qualitativ,  sondern  quan- 
titativ und  deshalb  Schwankungen  unterworfen  ,  die  im  vorlie- 
genden falle  über  die  grenzen  einer  gesunden  interpretation 
hinausgehen.  Ohne  die  in  den  ausgaben  hie  und  da  verstreu- 
ten bemerkungen  z.  b.  von  Ameis  und  La  Roche  zu  erwähnen, 
bemüht  sich  der  vrf.  an  jeder  einzelnen  stelle  nachzuweisen, 
dass  ein  solches  hervorheben  und  also  das  medium  nöthig  sei 
oder  im  gegentheil  das  activum  platz  finden  müsse.  Dabei 
muss  er  sein  ursprüngliches  princip  vielfach  erweitern  und  um- 
gestalten und  kommt  doch  nicht  ganz  aus.  So  wird  p.  10  die 
zweite  pers.  medii  ä  205  vertheidigt ,  und  z/  195  die  dritte 
pers.  activi  weil  bei  der  dritten  person  kein  grund  vorhanden  sei 
die  Schwierigkeiten  welche  sich  dem  sehen  entgegenstellen  her- 
vorzuheben. Dagegen  ist  p.  9  in  A  203,  die  zweite  pers.  activi 
vorgezogen,  weil  da  ein  perfect  dabei  stehe.  Es  scheint  als  ob 
bei  der  Vergangenheit  die  schon  überwundenen  Schwierigkeiten 
keine  weitere  beachtung  finden  sollen.  Wenn  vf.  A  262  in 
i8ov  die  nicht  mehr  abhängige  thatsache,  in  i'öcofuti  die  erwar- 
tung,  also  die  abhängigkeit  sieht,  so  liegt  letztere  ja  im  coniunctiv, 
nicht  im  medium  und  konnte  man  fragen,  warum  die  in  der 
Vergangenheit    einmal    vorhanden    gewesene    Schwierigkeit    nicht 

1)  Die  schrift  ist  schon  Phil.  Anz.  II,  nr.  121,  p.  189  besprochen, 
aber  ohne  angäbe  des  namens  des  vrfs:  doch  hoffen  wir,  dass  auch 
diese  anzeige  unsern  lesern  willkommen  sein  wird.  —     Die  redaction. 


Nr.  9.  250.  251.  Homeros.  441 

auch  durch  das  medium  l8ö/j>]v  hätte  ausgedrückt  werden  sollen. 
Aehnliches  wie  von  diesem  coniunctiv  gilt  von  der  bebandlung  des 
opt.  medii  in  2  524.  Beim  optativ  fühlt  vrf.  die  Schwierigkeiten 
in  die  er  sich  verwickelt  selbst  und  gesteht  sie  auch  ein.  Er 
hätte  besser  gethan  sie  auch  beim  infinitiv  zuzugeben,  als  zwischen 
&avua  idt-'nftui  und  &avftot  i8eiv  so  zu  unterscheiden,  dass  jenes 
ausdrücke  wie  man  ein  wunder  nur  unter  umständen  zu  sehen 
bekomme,  dieses  „dass  der  mensch  nicht  in  den  fall  kommen 
könne  dieses  &avfia  zu  sehen".  A  249  wird  Cp.  10)  t'fyr'  in 
löqvd''  geändert  und  2  65  gar  idco/xai  hergestellt  (?),  das  gar 
nicht  in  den  vers  geht.  Homer  hat  jedenfalls  nach  versbe- 
dürfniss  zwischen  activ  und  medium  gewechselt,  daher  am  ende 
&u.Tf.ia  iSraftui ,  in  der  mitte  einmal  davfict  ideiv.  Ob  er  noch 
ein  gefühl  für  den  unterschied  in  der  bedeutung  hatte,  ist  min- 
destens sehr  fraglich. 

Giseke. 

250.  0.  Hecht,  de  epithetis  Homericis,  imprimis  de  pa- 
tronymicis  Atridej,  Pelides,  Tydides,  Kronides.  4.  Programm 
des  gymnasiums  zu  Tilsit,  1869  (21   s.). 

Enthält  nichts  von  bedeutung  für  die  Wissenschaft. 

Giseke. 

251.  W.  Büchner,  homerische  Studien.  H.  Die  sagen 
von  Ilion  und  ihre  Verbreitung  nach  Ionien.  Homer  und  Kreo- 
phylos.  Programm  des  gymnasiums  zu  Schwerin  1872.  (36 
s.     4.). 

Dem  vf.  ist  nach  seiner  vorjährigen  abhandlung  (s.  Philol. 
Anz.  1871  p.  340)  der  troianische  krieg,  sammt  dem  Selbst- 
morde des  Aias  eine  unzweifelhafte  historische  thatsache  ,  nicht 
weil  sie  gut  beglaubigt  auf  uns  gekommen  ist,  sondern  weil 
die  erzählung  zum  zustande  der  troianischen  ebene  gut  passt 
und  innere  Wahrscheinlichkeit  hat.  Die  stelle  wo  die  zerstörte 
Stadt  gelegen  hatte,  entschwand  dem  gedächtniss,  denn  sie  war 
verflucht ;  und  nicht  einmal  den  alten  namen  wagte  man  ihr 
zu  geben,  man  nannte  sie  dmuaia  ßaailijog,  welches  deshalb 
schon  bei  Homer  als  bezeichnung  für  die  stadt  selbst  dienen 
soll  und  von  den  Türken  in  Hissarlik  d.  h.  paläste  gewandelt 
wurde.     Den  stoff  zur  Ilias  soll  der  dichter  aus   den  localsagen 


442  251.  Homeros.  Nr.  9. 

entnommen  haben,  selbst  die  Charakteristik  Hectors,  dessen  grab 
vfr.  noch  aufweisen  zu  können  meint.  Es  ist  der  namenlose 
grabhügel  auf  dem  bergzuge  unweit  der  alten  stadt,  den  man 
ausgraben  sollte  um  Hektors  gebeine  zu  finden.  Weiter  süd- 
lich .findet  sich  ein  zweiter  hü^el  Alavrjtov  rärpng,  bei  den 
Türken  Pascha-te'pe  genannt.  So  genau  kennt  Homer,  ohne 
dort  gewesen  zu  sein,  aus  den  sagen  dies  local,  dass  er  ß,  799 
bei  Hektors  beisetzung  späher  ausstellen  lässt,  weil  man  von  dem 
grabe  das  lager  der  Griechen  nicht  sehen  konnte,  wohl  aber  von 
Hissarlik  und  Pascha- te"pe.  Die  meisten  sagen  haften  am  mee- 
resstrande:  die  von  Achill  und  seinem  freund  an  dem  gleich- 
falls Pascha -tepe  genannten  hügel ;  die  von  Antilochos  an  dem 
kleinen  anstossenden;  die  von  Aias,  seinem  Zweikampf  mit  Hek- 
tor,  der  vertheidigung  der  schiffe  und  seinem  tode  am  In -tepe"; 
eine  grosse  fülle  endlieh  von  stoff  z.  b.  über  Diomedes,  Odysseus 
u.  a.  an  dem  naustathmos.  Sonst  hat  sich  die  sagenfülle  nach 
Ionien  geflüchtet  und  den  culturzustand  dieses  landes  zur  zeit 
des  kriegs  schildert  vfr.  ganz  genau,  wenn  auch  nach  unbe- 
kannten quellen.  Durch  noth  gezwungen  hatte  sich  das  volk 
auf  die  see  geworfen  und  bedurfte  zur  regelung  des  ruderschlags 
eines  niXsvctfia  ,  welches  drei  ,  sage  drei  ruderschläge  in  einem 
athemzuge  umfasste  (et  ö'  nyi,  all''  äye)  und  aus  der  Verbin- 
dung von  zwei  dreifüssigen  reihen  war  der  hexameter  entstan- 
den, welcher  Weissagungen  und  gebete  enthielt  und  gesprochen 
wurde  von  einem  xsXsvatTJe,  der  nach  umständen  anch  mit  dem 
stabe  tactirte  und  also  gaßdcpSog  war.  Zu  der  in  diesem  zu- 
stande eingetretenen  Stagnation  trat  dann  belebend  die  troische 
sage,  den  Seefahrern  interessant,  weil  Troia  ein  seeräubernest 
gewesen  war,  und  gab  anlass  zu  der  zweiten  periode  des  ioni- 
schen gesangs ,  in  welcher  die  troischen  lieder  gesungen  wur- 
den. Es  bemächtigten  sich  dieser  lieder  die  aoeden ,  fahrende 
sänger,  auf  die  mildthätigkeit  der  menschen  angewiesen  und  von 
dem  lorbeerzweige  in  ihrer  hand  iyrqpfioC  genannt.  Sie  sangen 
im  gegenseitigen  Wetteifer  alle  troischen  sagen,  bis  einer  von 
ihnen  eine  grosse  menge  der  einzelnen  lieder  mit  dichterischer 
kraft  zur  einheit  zusammenfasste.  Die  existenz  Homers  ist  ,,eine 
durch  die  einstimmigkeit  des  alterthums  beglaubigte  thatsache",  er 
war  blind  und  persönlicher  ahuherr  der  Homerideu  auf  Chios,  im 
h.  in  Apoll.  172  spricht  er  in  eigener  person.  Aber  als  blinder  konnte 


Nr.  9.  252.  Homeros.  443 

er  nicht  ohne  begleiter  umherziehen ,  er  war  an  denselben  ge- 
bunden, also  o[atjpo<;,  woraus  dann  sein  eigenname  wurde.  Der 
begleiter  war  Kreophylos,  richtiger  Kreophilos,  Fleischlieb,  weil 
er  die  guten  bissen  liebte  u.  s.  w.  Alles  dies  ist  nach  dem  vf. 
streng  historisch,  beweis  ist  immer  der  consensus  der  alten  und 
die  innere  glaubwürdigkeit ,  die  beide  ihre  kraft  auch  dadurch 
bewähren ,  dass  vom  vf.  die  grössten  Schwierigkeiten  wie  spie- 
lend gelöst  werden.  Es  ist  förmlich  wohlthuend  in  unserm 
skeptischen  Zeitalter  solchem  glauben  zu  begegnen.  ff. 

252.  H.  Dtintzer,  Kirchhoff,  Köchly  und  die  Odyssee. 
1872  (125  s    in  8).  —     20  gr. 

Indem  Kirchhoff  eine  Telemachie ,  einen  alten  nostos  und 
zusätze  von  einem  spätem  bearbeiter  annimmt,  sucht  er  über 
weite  strecken  hin  mängel  von  einer  und  derselben  art  aufzu- 
spüren, geht  also  mit  einer  gewissen  planmässigkeit  zu  werke, 
welche  in  gefahr  kommt  an  eingenommenheit  zu  streifen ,  wie 
ihm  denn  Düntzer  (vgl.  auch  Phil.  Anz.  1870,  p.  37,  1871,  p. 
371)  nachweist,  dass  die  apologe  nicht  aus  dritter  person  in 
die  erste  umgesetzt  sind  und  dass  der  dichter  von  a  nicht  ein 
nachahmer  und  verderber  von  ß  gewesen  ist,  also  seine  an- 
nähme eines  zweiten  bearbeiters  über  den  häufen  wirft.  Köchly 
mit  „chevaleresker  kühnheit"  wie  es  Düntzer  nennt,  zu  werke 
gehend,  betrachtet  die  Odyssee  als  ein  regelloses  aneinander, 
und  operirt  an  ihr  indem  er  einzelne  stücke  ausschneidet  und 
kleine  Umänderungen  und  positive  zusätze  nicht  scheut,  um  die 
stücke  zu  einem  für  uns  neuen  ganzen  zu  verbinden  ;  vielmehr 
aber  zu  dem  alten  ganzen,  welches  sie  waren  ehe  der  grausame 
zusammensetzer  der  Odyssee  sie  zerriss  und  unordentlich  nach 
seinem  plane  wieder  an  einander  reihte.  Köchly's  fünfte  rhap- 
sodie,  die  heimkehr  des  Odysseus ,  allerdings  die  schwächste 
partie  seines  werks,  ist  ein  wunderliches  gemisch  von  scenen, 
bei  denen  man ,  Köchly's  meinung  zugegeben ,  nicht  weiss  soll 
man  mehr  bewundern,  dass  das  alte  gedieht  so  zerrissen  und 
an  ganz  verschiedenen  stellen  der  Odyssee  eingefügt  einen  leid- 
lichen sinn  behielt,  oder  dass  es  gelungen  die  discerpta  membra 
wieder  zu  sammeln.  Auch  ihm  schwebt  ein  plan  vor,  nach 
welchem  aus  kleinen  wohlgeordneten  ganzen  ein  grosses  aber 
schlechtverbundenes  gedieht  entstanden  sei;    nur    scheut  er   ge- 


444  252.  Homeros.  Nr.  9. 

waltaamkeiten  nicht  und  geht  der  genesis  dieser  Umbildung 
nicht  so  ganz  systematisch  nach,  wie  Kirchhoff.  Beiden  hat 
Düntzer  nachgewiesen,  dass  sie  Unebenheiten  übersehen,  welche 
sich  in  den  gesuchten  plan  nicht  schicken.  Düntzer  selbst  geht 
vorsichtiger  zu  werke,  indem  er  das  anstössige  als  interpolirt 
ausscheidet,  ohne  daraus  wieder  fertige  lieder  gestalten  zu  wol- 
len und  überhaupt  ohne  aus  solchen  mangeln  einen  einheitlichen 
plan  für  die  gestaltung  der  heutigen  Odyssee  gewinnen  zu  wol- 
len. Wir  gestehen  aber  seine  bekanntlich  sehr  zahlreichen  athe- 
tesen  nicht  überall  billigen  zu  können.  So  verwirft  er  (p.  93) 
C  178  f.  als  durchaus  fremdartig.  Odysseus  bitte  allgemein 
um  schütz,  hätte  er  ein  besonderes  verlangen  gestellt,  so  wäre 
die  frage  nach  dem  lande  wo  er  sei  das  erste.  Aber  der  nackte 
wird  zu  allen  zeiten  zuerst  eine  decke  für  seine  blosse  verlan- 
gen, gleichviel  wie  das  laud  heisst  wo  er  friert,  und  der  ver- 
lassene wird  zur  nächsten  stadt  verlangen  und  erst  wenn  er 
sie  sieht  nach  dem  namen  fragen.  So  wird  s  272 — 7  athetirt 
(p.  89),  weil  Odysseus  nur  nach  dem  baren  zu  blicken  habe, 
nicht  nach  den  andern  Sternen:  als  könne  jemand  siebenzehn 
tage  lang  das  äuge  auf  einen  einzigen  punkt  heften.  Wäre  das 
auch  möglich,  so  dürfte  der  dichter  die  gelegenheit  den  schö- 
nen Sternenhimmel  zu  beschreiben  nicht  abweisen.  Ueberhaupt 
ist  mit  diesen  massenhaften  interpolationen  doch  nicht  immer 
auszukommen  und  Kirchhoffs  forderung ,  für  jede  interpolation 
müsse  eine  veranlassung  nachweisbar  sein,  hat  wenigstens  mehr 
als  Düntzer  zugesteht  für  sich.  Wer  immer  n  281  —  98  ge- 
dichtet hat,  hat  bei  tevooo  xecpalf,  eine  andere  Situation  in  ge- 
danken  als  sie  t  2  uns  vorliegt.  Wir  dürfen  doch  nicht  diese 
rhapsoden  als  menschen  denken,  denen  solche  abweichungen  in 
der  Schilderung  einer  und  derselben  Situation  unwillkürlich  vor- 
kamen ,  wie  allerdings  Köchly  geneigt  ist  sie  zu  stümpern  zu 
machen,  die  ewig  umhersuchen  nach  den  worten  anderer  um  ei- 
nen cento  daraus  zu  fabriciren.  So  scheint  Kirchhoff  mit  recht 
anzunehmen  dass  über  die  Unkenntlichkeit  des  Odysseus  und 
die  wegschaffung  der  waffen  verschiedene  ansichteu  neben  ein- 
ander herlaufen.  Düntzers  beispiele  von  dem  wegfallen  früher 
benutzter  motive  (p.  63)  sind  nicht  treffend.  Nausikaa  z.  b. 
kann  verschwinden,  weil  man  sie  im  frauengemach  vermuthet  und 
die  handlung  im  männersaale  vorgeht.     Aber  ungläubig  werden 


Nr.  9.  253.  Homeros.  445 

wir,  wenn  der  kahlköpfige  bettler  wir  wissen  nicht  wie  zum 
männlich  schönen  Odysseus  wird;  das  zeugniss  unserer  äugen 
lassen  wir  uns  durch  keine  poetische  fiction  streitig  machen. 
So  gross  übrigens  auch  die  Verschiedenheit  Düntzers  und  sei- 
ner beiden  gegner  ist,  stehen  sie  doch  im  gründe  auf  demsel- 
ben boden,  alle  drei  verwerfen  die  einheit  und  nehmen  Zusammen- 
setzung aus  grösseren  und  kleineren  gedichten  an.  Giseke. 

253.  R.  Thiele,  prolegomena  ad  hymnum  in  Venerem 
homericum   quartum   v).       Halle.  1872.  (81    s.     8.)    —       15  gr. 

Mit  sorgfältiger  berücksichtigung  der  meinungen  anderer, 
aber  in  etwas  breiter,  unnöthiges  einmischender  und  bekann- 
tes wiederholender  darstellung  (p.  31  fortasse  nimium  fusae), 
wird  der  versbau  des  hymnus  nach  caesur ,  position ,  gebrauch 
von  dactylen  und  auch  spondeen,  Verlängerung  kurzer  silben  in 
basi  und  Verkürzung  langer,  hiatus ,  digamma,  gebrauch  ho- 
merischer verse,  worte  und  formen  untersucht  und  nachgewie- 
sen, dass  er  den  echten  homericis  näher  steht  als  alle  andern. 
Aus  den  homerischen  forschungen  des  referenten  (§.  177),  die 
vfr.  hier  nicht  benutzt,  würden  sich  noch  andere  puncte  ähnlicher 

art  ergeben,  wie  z.  b.  worte  des  masses    0 &L vor  der  cae" 

sur  Hat«  tqi'tov  Tgo%aiov  in  diesem  hymnus  durchschnittlich  eben 
so  oft  vorkommen  als  in  der  Ilias  und  weniger  als  in  den  andern 
hymnen,  namentlich  dem  auf  Merkur,  der  sich  in  dieser  bezie- 
hung  den  spätem  nähert.  Dass  die  Verlängerung  von  t  in  ivt 
fttfttQoiai»  v.  231  eine  erinnerung  an  die  alte  länge  des  vocals 
sei,  kann  man  nicht  zugeben ,  vfr.  beruft  sich  auch  nebenbei 
noch  auf  ^sola  arsis  vi".  Vs.  285  vertheidigt  er  die  lesart  der 
codd.  cpaaC,  indem  er  quaiv  schreibt,  aber  der  sinn  würde  dann 
ein  futurum  verlangen.  Des  digammas  halber  und  von  Bau- 
meister abweichend  nimmt  er  vs.  6  mit  Mose,  und  Ambr.  Hoff- 
mann's  Vorschlag  nüoi  8h  egya  in  schütz,  schwerlich  mit  recht 
auch  v.  44  xtrövu  idviav  und  vs.  134  xtdvu  löuirj,  mit  recht  aber 
weist  er  vs.  164  lös  elfiaTa  zurück,  welches  Baumeister  gegen 
M.  in  den  text  genommen  hat.  Die  aus  Homer  entlehnten 
verse  35.  60—63.  68.  99.  143.  165  hält  er  nicht  für  recht 
passend,    aber    thut    recht    sie    nicht    zu  verwerfen,    denn    re- 

1)  Wir  lassen  von  dieser  schrift  eine  zweite  anzeige  —  s.  ob. 
nr.  6,  p.  274  —  hier  folgen.  Die  redaction. 


446  253.  Homefos.  Nr.  9. 

miniscenzen  konnte  auch  der  ursprüngliche  dichter  anbringen 
und  ganz  so  gut  sind  sie  nie  am  platze  wie  im  originale.  Die 
andern  zehn  homerischen  verse  habe  der  dichter  entweder  ab- 
sichtlich aus  Homer  oder  aus  derselben  quelle  mit  Homer.  Es 
ist  nicht  sonderlich  wahrscheinlich  dass  diese  quellen  in  später 
zeit  noch  flössen.  Unrichtig  ist  dass  v.  93  hesiodeischen  cha- 
racter  habe  wegen  der  drei  namen  mit  einem  beiwort  oder  vs. 
94  wegen  der  zwei  namen  mit  je  einem  beiwort.  Diese  formen 
sind  homerisch  und  namentlich  im  katalog  gebräuchlich;  hesio- 
disch  ist  die  Verbindung  von  vier  oder  mehr  namen  ohne  ad- 
jectiv  (Gieseke,  hom.  forsch.  §.110).  Die  zeit  der  abfassung  wird 
in  den  ausgang  des  neunten  oder  anfang  des  achten  Jahrhun- 
dert v.  Chr.  gesetzt.  Groddecks  meinung,  der  hymnus  sei  ein 
stück  der  Cypria  wird  mit  recht  zurückgewiesen  und  bemerkt, 
dass  Aphrodite  im  hymnus  nicht  die  griechische  göttin  sei, 
sondern  züge  der  göttermutter  Cybele  trage.  Diese  habe  sie 
in  Troja  von  den  kleinasiatischen  culten  angenommen  und  so 
sei  sie  zu  den  Griechen  in  dieser  gegend  gekommen.  Asia- 
tisch sei  namentlich  die  sage  von  dem  Ursprünge  eines  für- 
sten,  hier  des  Aeneas ,  aus  der  umarmung  eines  mannes  und 
einer  göttin.  Dardaner  im  Ida  sind  in  historischer  zeit  bekannt 
und  ihre  herrscher,  die  Anchisiaden ,  haben  natürlich  die  sage 
von  ihrer  herkunft  bewahrt  und  verbreitet.  Aus  diesem  asiati- 
schen Ursprünge  des  Stoffes  erklärt  sich  die  lange  erzählung 
von  Ganymed,  Diana  als  schützerin  der  Stadt  der  gerechten 
männer,  Vesta  und  z.  b.  auch  des  gebrauchs  des  worts  aurirag 
v.  13.  Wegen  der  münzen  bei  Claussen  wird  gegen  Baumei- 
ster festgehalten,  dass  diese  Völkerschaft  griechisch  und  zwar 
aeolisch  gesprochen  habe ;  aber  der  hymnus  sei  nicht  im  Ida 
gedichtet,  weil  er  sich  dann  nicht  so  eng  an  Homer  anschliessen 
würde,  sondern  von  einem  griechischen  dichter  und  zwar  in 
dem  kymeischen  Gergis,  wo  sich  troisches  und  griechisches  We- 
sen vermischt  habe.  Das  ist  eine  kühne  vermuthung,  hat  aber 
eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit,  mit  der  mau  zufrieden  sein  kann, 
wo  historische  Überlieferung  fehlt.  Das  druckfehlerverzeichniss 
geht  bis  p.  48,  es  hätte  wenigstens  bis  p.  59  z.  12  und  p.  64 
z.  19  fortgesetzt  werden  sollen.  Vfr.  theilt  ab  invec-tum  u. 
s.  f.  und  beschwert  sich  dass  der  setzer  mehrmals  das  richtige 
hergestellt  hat.  Gisehe. 


Nr.  9.  254.  Hipparchos.  447 

254.  Die  geographischen  fragmente  des  Hipparch.  Zu- 
sammengestellt und  besprochen  von  Hugo  Berger,  8.  Leipz. 
Teubner.  1869.      126   s.   —      15   ngr. 

Die  wenigen  auf  uns  gekommenen  fragmente  der  drei  bü- 
cher  umfassenden  Hypomuemata,  in  welchen  Hipparch 
die  geographie  des  Eratosthenes  einer  eingehenden  kritik  unter- 
warf, hat  H.  Berger  in  dem  vorliegenden  werke  mit  grossem 
fleisse  aus  den  verschiedenen  griechischen  und  lateinischen  Schrift- 
stellern gesammelt,  dieselben  nach  bestimmten  gesichtspuucten 
mit  glücklicher  umsieht  geordnet  und  zusammengestellt  und 
daran  eine  so  eingehende  kritische  besprechung  geknüpft,  dass 
wir  eine  möglichst  vollständige  kenntniss  von  den  forderungen 
Hipparchs  gegenüber  den  geographischen  bestrebungen  des  Era- 
tosthenes erhalten.  Indem  wir  auf  einige  hauptpunete  der  vor- 
liegenden schrift  etwas  genauer  eingehen ,  machen  wir  dabei 
zugleich  auf  die  interessanten  abschnitte  über  „die  erdmessung 
des  Eratosthenes"  und  über  „die  geographie  nach  Pytheas"  iu 
MüllenhofFs  Deutscher  Alterthumskundel,  (s.  Ph.  Anz  III,  nr.  9, 
p.  456)  aufmerksam,  welche  namentlich  auch  die  geographischen 
leistungen  des  Eratosthenes  und  Hipparch  sehr  ausführlich  bespre- 
chen und  im  folgenden  wiederholt  mit  in  betracht  gezogen  sind. 

Einen  wie  bedeutenden  werth  die  Bergersche  Sammlung  der 
fragmente  des  Hipparch  und  die  daran  geknüpfte  kritik  haben, 
und  wie  sehr  die  oft  allzukühnen  Schlüsse  MüllenhofFs  dadurch 
erschüttert  werden,  erklärt  MüllenhofF  selbst  in  den  nachtragen 
seines  genannten  werkes  (p.  500  f.),  indem  er  sagt:  „diese 
blätter  [p.  326 — 349]  waren  eben,  abgesetzt  und  druckfertig, 
als  ich  „die  geographischen  fragmente  des  Hipparch ,  zusam- 
mengestellt und  besprochen  von  Hugo  Berger,  Leipzig  1869" 
zu  gesicht  bekam.  Ich  musste  mir  sofort  sagen,  dass,  wenn 
die  darin  vorgetragene  ansieht  richtig  ist,  jene  besser  unge- 
druckt blieben  und   nie  das  tageslicht   erblickten Auch 

meine  daistellung  uud  auffassuug  des  Eratosthenes  hätte  eine 
ganz  andere  und  manches  im  folgenden  geändert  werden  müs- 
sen1'. Wenn  wir  nun  auch  jene  inhaltreichen  selten  des  Mül- 
lenhoff'schen  werkes  sehr  ungern  entbehren  möchten,  so  müssen 
wir  allerdings  doch  gestehen,  dass  die  dort  vorgetragenen  an- 
sichteu  durch  Berger's  schrift  sehr  wesentlich  modificirt  werden, 
und  sowohl  Eratosthenes,    der    bei  Müllenhoff  mit  grosser  vor- 


448'  254.  Hipparchos.  Nr.  9. 

liebe  behandelt  ist,  als  auch  der  minder  günstig  beurtheilte  Hip- 
parch  vielfach  in  anderem  lichte  erscheinen.  Auch  der  arme 
Strabo,  welcher  bei  Müllen  hoff  (p.  313  ff.)  sehr  schlecht  weg- 
kommt und  sich  dem  Eratosthenes  gegenüber  einen  „argen  töl- 
pel"  nennen  lassen  muss ,  wobei  jedoch  Müllenhoff  selbst  (p. 
314)  in  seiner  spottenden  kritik  des  Strabo  eine  mathematische 
Unmöglichkeit  behauptet,  erscheiut  bei  Berger  weit  mehr  ge- 
rechtfertigt und  mit  grund  eutschuldigt ,  indem  nachgewiesen 
wird,  wie  Strabo  von  ganz  anderen  forderungen  für  die  geo- 
graphie  ausgehe.  Da  ferner  Berger  mit  grosser  vorsieht  und 
strenge  seine  Schlüsse  aufbaut,  stets  sicheren  grund  unter  den 
füssen  zu  behalten  sucht  und  den  so  schwankenden  bodeu  der 
hypothesen  thunlichst  vermeidet,  so  sind  seine  resultate  um  so 
werthvoller  und  in   vielen   punkten  kaum    noch  anfechtbar. 

Einen  ungefähren  anhält  für  die  lebenszeit  Hipparchs  ge- 
ben dessen  früheste  und  späteste  bezeugte  astronomische  beob- 
achtung,  welche  in  die  jähre  161  und  126  v.  Chr.  fallen.  Die 
abfassung  der  in  rede  stehenden  hypomnemata  gegen  Eratosthe- 
nes verlegt  Müllenhoff  (p.  350  f.),  welcher  sie  „nicht  zu  den 
ältesten  arbeiten  Hipparchs  rechnet",  in  die  „dreissiger  jähre  des 
zweiten  Jahrhunderts  vor  Chr.",  welche  worte  allerdings  zwei- 
felhaft sein  könnten,  da  sie  eigentlich  auf  die  jähre  30  bis  39 
des  zweiten  Jahrhunderts  v.  Chr.,  also  auf  170 — 161  v.  Chr. 
gedeutet  werden  müssten,  wenn  Müllenhoff  nicht  des  Polybius 
werk  als  ungefähr  gleichzeitig  setzte,  demnach  wohl  die  zeit 
zwischen  139  und  130  v.  Chr.  im  sinne  hat. —  Als  Hipparchs 
aufentbaltsort  vermag  Berger  ausser  dessen  heimath  Bithynien 
nur  Rhodus  mit  Sicherheit  anzugeben ,  selbst  ein  besuch  in 
Alexandrien,  so  wahrscheinlich  er  ist,  lässt  sich  nicht  beweisen 
(p.  8  f.),  wird  aber  deunoch  unbewiesen  von  vielen  behauptet, 
wie  allerdings  auch  Müllenhoff  (p.  270)  unter  berufung  auf  Le- 
tronne  sagt,  Hipparch  habe  „sehr  kurze  zeit  in  Alexandrien 
gelebt  und  dort  wenige  beobachtungen  angestellt'. 

Indem  darnach  Berger  sich  den  fragmenten  selbst  zuwen- 
det, giebt  er  in  der  „reihe  I"  derselben  „allgemeine  Zeugnisse 
über  Hipparchs  kritik  der  Eratosthenischen  geographie"  und 
legt  in  der  „reihe  II"  die  „forderungen  und  grundlageu"  dar, 
die  „Hipparch  vom  geographen  befolgt  wissen  wollte",  indem 
er  vor  allem    auf   astronomische    Ortsbestimmungen    dringe    und 


Kr.  9.  254.  Hipparchos.  449 

nur  solche  kartenzeichnungen  in  zukunft  brauchbar  nenne,  wel- 
che die  orte  nach  länge  und  breite  richtig  anzugeben  vermögen. 
Wenn  Hipparch  das  fehlen  derselben  in  den  karten  des  Erato- 
sthenes  tadelt,  so  hat  er  gleichwohl,  wie  die  VI.  reihe  der 
fragraente  nachweist,  keine  eigene  karte  zu  entwerfen  unter- 
nommen, sondern  nur  sich  bemüht,  für  spätere  geographen  nach 
möglichkeit  vorzuarbeiten.  Mit  recht  legt  Berger  auf  diese 
„vorarbeiten"  (IV.  reihe)  besonderen  werth,  durch  welche  Hip- 
parch der  eigentliche  begründer  der  mathematischen  geographie 
wurde,  und  vermag  es  wahrscheinlich  zu  machen,  dass  Hip- 
parch nicht  nur  projectionen  zu  entwerfen  versuchte,  sondern 
auch  behufs  messung  der  geographischen  längen  eine  fiusterniss- 
tabelle  aufgestellt  und  die  phänomene  des  himmels  berechnet 
habe,  deren  beobachtung  allein  zu  einer  genauen  breitenbestim- 
mung  führen  konnte.  Nicht  eine  „klimentafel"  (Müllenhoff''j, 
die  nach  der  dauer  des  längsten  tages  von  Viertelstunde  zu 
Viertelstunde  fortschreitet,  sondern  eine  ,,breitentabelle"  (Berger) 
entwarf  Hipparch,  welche  von  grad  zu  grad  die  für  einen  jeden 
der  90  parailelkreise  der  nördlichen  hemisphäre  berechneten 
himmelserscheinungen  verzeichnete,  wie  es  abgesehen  von  den 
noch  erhaltenen  derartigen  bestimmungen  aus  Strabo's  Worten 
erhellt,  welcher,  700  Stadien  als  abstand  (diaar^jua)  zweier  pa- 
rallelen, also  als  länge  eines  breitengrades  in  Übereinstimmung 
mit  Hipparch  rechnend,  sagt  (p.  132  Cas.) :  inelvos  ['innaQ- 
yoi]  i*ev  ötj  aQ%8Tat  anb  iwc  iv  io)  ia?j[Atgito}  oixoipicat ,  xul 
"Kombv  ael  öY  inzaxoaiwv  Gzadioov  tug  i(pe£/}$  oini^iig  inuuv 
xutu  luv  Xt^Oivtu  [diu  Megdr^]  (*8at](tßgii?öv  ntiQuzai  Xiytiv  za 
nag  sxäoiotg  yuu Optra.  Mit  unrecht  greift  MüllenhofF  (p. 
327  f.)  diesen  bericht  an,  indem  er  sagt,  es  sei  ,,noch  deutlich 
genug,  dass  Strabo  sich  nur  irreleitend  ausgedrückt"  habe,  und 
führt  zum  beweise  noch  einige  stellen  btrabo's  an,  die  aber 
weit  eher  gegen  als  für  die  behauptung  Müllenhoff's  zeugen. 
Hipparch  berechnete  nicht  die  grade  für  bestimmte  tageslängen, 
sondern  die  tageslängen  für  alle  grade.  Diese  tabelle,  welcher 
Strabo  nur  „die  bezeichnendsten  und  einfacheren"  data  (p.  132 
Cas.)  entlehnen  wollte,  lässt  sich  nicht  reconstruireu  aus  den 
etwa  zwölf  bestimmungen,  die  Berger  mit  ziemlicher  Sicherheit 
als  hipparchisch  gesammelt  hat,  und  auch  Müllenhoff  (auf  der 
letzten  seite  seiner  nachtrage  und  berichtigungen)  scheint  sei« 
Philol.  Anz.  IV.  29 


450  254.  fiipparchos.  Mr.  9. 

ber  nicht  geneigt,  seinen  ausführlichen  entwurf  von  „Hipparch's 
klimentafel"  (p.  335 — 349)  aufrecht  zu  erhalten. 

Eingehend  wendet  sich  Berger  der  Besprechung  jener  von 
Hipparch  als  besonders  wichtig  betonten  mathematischen  de- 
mente der  geographie  zu  und  legt  in  der  III.  reihe  der  frag- 
mente  die  ansichten  Hipparchs  über  die  erdmessung  des  Era- 
tosthenes  dar ,  um  dann  die  einzelnen  data  der  breitentabelle 
(IV  und  V.  reihe),  soweit  sie  noch  nachweisbar  sind,  genauer 
zu  erörtern. 

Betreffs  des  ersteren  punktes  verweisen  wir  auf  unseren 
aufsatz  „über  die  angaben  der  alten  von  der  grosse  des  erd- 
umfaogs"  im  Philologus  XXXI,  p.  698  ff.,  der  zwar  erst  kürz- 
lich zum  abdruck  gelangte,  aber  mit  ausnähme  eines  letzten 
nachtrages  und  einiger  kleinen  änderungen  bei  der  druckrevi- 
sion  bereits  vor  den  werken  Berger's  und  Müllenhoff's  in  Göt- 
tingen war  und  daher  leider  auf  diese  nicht  die  gebührende 
rücksicht  nehmen  konnte,  und  wollen  gegenüber  der  von  Ber- 
ger p.  25  (und  ähnlich  von  Müllenhoff  p.  293)  ausgesproche- 
nen ansieht,  als  seien  von  mathematikern  der  nacheratostheni- 
schen  zeit  wiederholt  „messungen"  des  erdumfängs  unternom- 
men worden,  zwischen  denen  Hipparch  zu  wählen  gehabt,  be- 
sonders betonen,  dass  ausser  der  eratostheuischen  keine  einzige 
wirkliche  gradmessung  im  alterthum  nachweisbar  ist,  dass 
die  von  Cleomedes,  Meteor.  I,  10  (p.  49 — 52  Balf.),  gegebene 
darstellung  trotz  der  worte :  xul  piv  Jlootiöcoviov  syoÖo<;  ntpi  roi 
narä  tii*  yt/v  fAtye&ov*'  roiaüri],  durchaus  keine  „messung  des 
Posidonius",  sondern  nur  etwa  ein  dem  Posidonius  entnomme- 
nes beispiel  (viraxeia&io  oi>i(ü<;  'i%tiv  sagt  Cieomedes)  lür  die 
methode  einer  erdmessung  ist,  und  dass  das  von  Ptolemaeus 
(Geogr.  I,  3)  und  dessen  scholiasten  angeführte  verfahren  zwar 
theoretisch  ganz  richtig,  aber,  wie  Deiambie  (bist,  de  l'astron. 
anc  11,  p.  521)  mit  recht  bemerkt,  praktisch  sehr  unsicher  und 
kaum  ausführbar  war  (vgl.  Ptol.  Geogr.  p.  10  sqq.  ed.  Wilberg.). 
Nur  solche  auf  hypothetischen  aunahmen  bashte  Berechnungen,  also 
Schätzungen  des  erdumfängs,  die  man  gleichwohl  uvu^htq/^ 
atitj  nannte,  mögen  von  mathematikern  olt  angestellt  sein  (vgl. 
z.  b.  Aiistot.  de  coel.  LI,  14,  16;  Strab.  p.  95  und  113  Cas. ; 
Ptolem.  Geogr.  1,  3  und  VII,  5;  12j,  aber  Hipparch  konnte 
dieselben,  weil    sie    zu    hypothetisch    waren,    nicht    gebrauchen, 


Ür,  9.  254.  Hipparcbos.  451 

konnte  nur  die  wirkliche  m  essung  des  Eratosthenes  trotz  ih- 
rer aus  den  unvermeidlichen  beobachtungsfehlern  folgenden  un- 
genauigkeit  als  die  möglichst  beste  annehmen ,  wenn  er  nicht 
selber  eine  bessere  messung  an  die  stelle  setzen  wollte,  zu  der 
ihm  aber  hinreichend  sichere  grundlagen  fehlten.  Aus  gleichem 
gründe  haben  später  Marinus  von  Tyrus  und  Ptolemaeus  keine 
eigenen  messungen  gemacht. 

Müllenhoff  sucht  ausführlich  darzuthun,  dass  allerdings  Era- 
tosthenes aus  der  entfernung  von  Syene  und  Alexandrien  und 
der  grosse  des  zwischen  beiden  orten  liegenden  meridianbogens 
den  erdumfang  erhalten,  aber  dies  nur  als  einen  ersten  vorläu- 
figen versuch  angesehen,  ,, diese  berechnung  nur  der  kürze  und 
fasslichkeit  halber  und  vorläufig  angegeben",  nachher  aber  noch 
eine  sorgfältigere  bestimmung  für  den  werth  des  mittleren  erd- 
grades  durch  eine  gradmessung  zwischen  Meroe  und  Syene  unter- 
nommen habe,  da  es  ,, leichtfertig  und  einfältig  zugleich  gewesen" 
wäre,  denselben  „unbesehens  der  Überlieferung  abzunehmen"  (p. 
273).  Doch  diese  ansieht,  so  zuversichtlich  sie  auch  auftritt,  scheint 
völlig  unhaltbar,  nicht  allein,  da  vor  Eratosthenes  kein  werth 
für  den  mittleren  erdgrad  existirte  und  selbst  Eratosthenes 
die  kreiseiutheilung  in  360  grade  noch  nicht  kannte,  sondern 
vor  allem,  da  Müllenhoff  jene  behauptung  vorzugsweise  auf  eine 
einzige  höchst  unvollständige  notiz  bei  Martianus  Capeila  (die 
bekannte  stelle  p.  194  Grot.)  begründet,  von  dessen  unmittel- 
bar vorhergehenden  worten,  welche  die  beschreibung  des  gno- 
mon  enthalten,  Müllenhoff  doch  selbst  sagt,  dass  sie  die  eines 
„unverständigen  und  unkundigen  seien".  Aber  trotz  der  zuhiilfe- 
nahine  zweier  in  dieser  hinsieht  durchaus  unklaren  stellen  des 
Plinius  (III,  c.  73  und  74,  §.  183—185  und  VI,  c.  29,  §.171), 
dessen  „unsinnige  behauptung"  sowie  „gedankenlosigkeit  und 
unkuDde"  in  behandlung  seiner  excerpte  grade  hier  Müllenhoff 
rügt,  scheint  uns  jene  behauptung,  als  sei  aus  dem  gradbogeo 
zwischen  Meroe  und  Syene  durch  Eratosthenes  eine  genauere 
grosse  des  mittleren  erdgrades  gefunden,  so  scharfsinnig  sie  von 
Müllenhoff  auch  vertkeidigt  wird,  gleichwohl  unbewiesen,  ja 
nicht  einmal  wahrscheinlich   gemacht  zu  sein. 

Bei  Berger  sind  die  fragmente  der  eigentlichen  breitenta- 
belle  in  der  V.  reihe  eingehend  besprochen ,  und  man  wird 
wohl  der  hauptsache  nach  dieselben  als  durchaus  richtig  ausge» 

29* 


ihi  264.  Hippärchos.  $r.  9. 

wählt  und  die  daran  geknüpfte  kritik  als  völlig  zutreffend  an- 
erkennen müssen.     Im  einzelnen  sei  noch  folgendes  erwähnt. 

Unrichtig  ist  es,  dass  p.  46  das  fragment  V,  3  c.  auf  den 
zwölften  grad  bezogen  und  behauptet  wird,  im  Strabo  (p.  77 
Cas.)  sei  es  „augenscheinlich  an  falsche  stelle  gerathen"  und 
Hipparch  könne,  da  er  selbst  die  zeit  vom  frühlingsäquinoctium 
zum  soinmersolstitiuin  zu  94*/2  tage  angebe,  die  bestimmung, 
dass  die  sonne  45  tage  vor  der  Sommersonnenwende  im  Schei- 
tel stehe  -1) ,  „unmöglich  für  Meroe  angenommen  haben".  Es 
lässt  sich  leicht  vermuthen,  durch  welche  falsche  Voraussetzung 
Berger  zu  jener  behauptung  veranlasst  sei,  während  doch  in 
der  that  die  angegebenen  astronomischen  thatsachen  durchaus 
richtig  sind.  Denn  in  Wahrheit  berechnet  sich  für  die  mitte 
des  zweiten  Jahrhunderts  v.  Chr.  aus  der  schiefe  der  ecliptik, 
welche  23°  43'  12"  im  jähre  150  v.  Chr.  betrug ,  und  dem 
mittleren  bogen  von  0,°952381,  den  die  sonne  in  derselben  zur 
zeit  des  Hipparch  im  frühlingsvierteljahr  täglich  zurücklegte, 
für  den  45.  tag  vor  dem  sommersolstitium  die  länge  der  sonne 
zu  47°  8'  34"  und  daraus  die  declination  derselben  zu  17°  9' 
1,  8.  Diese  letztere  zahl  ist  also  für  den  ort  (Meroe),  wo  die 
sonne  im  scheitel  gesehen  wurde,  die  geographische  breite,  mit 
der  auch  die  von  Förster  bei  Müllenhoff  (p.  277)  iür  Meroe 
mitgetheilte  polhöhe  fast  genau  übereinstimmt.  In  der  that  ist 
also  die  stelle  bei  Strabo  ganz  in  Ordnung. 

Zu  fragm.  V,  5  sei  erwähnt,  dass  die  bestimmung  der 
schiefe  der  ecliptik  zu  der  hälfte  von  n/s3  des  ganzen  kreises, 
welche  Ptolemaus  (Alm.  I,  10)  als  eratosthenisch  und  hippar- 
chisch  mittheilt  und  auch  damit  übereinstimmend  selbst  gefun- 
den haben  will,  allerdings  23°  51'  20"  ergiebt,  dass  aber  aus 
den  zusammengehörenden  angaben  über  die  dauer  des  längsten 
tages  und  die  darauf  zu  beliebenden  geographischen  breiten, 
welche  Ptolemaeus  in  seiner  geographie  autstellt,  sich  recht 
verschiedene  werthe  berechnen  lassen,  die  er  als  schiefe  der 
ecliptik  dabei  vorausgesetzt  haue.  Und  da  Hipparch  nach  Ber- 
ger (p.  55)  die  längsten  tage  für  die  einzelnen  graddistanzen 
berechnete,  so  würde,    wenn   wir    beispielsweise   die    bei  Berger 

1)   Bei  Müllenhoff  (p.  336)   steht  durch  druckfehler  45°  statt  45 
tage. 


Nr.  9.  254.  Hipparchos.  453 

p.  46 — 54  gegebenen  bez'ehungen  zwischen  längsten  tagen  und 
geographischen  breiten  auch  als  hipparchisch  ansehen  sollen, 
daraus  folgen,  dass  Hipparch  (und  ebenso  Ptolemaeus)  die 
schiefe  der  ecliptik  verschieden  gross  gerechnet  habe,  bald  zu 
23°  48'  52"  (1474h  bei  33°  20'),  bald  zu  23°  53' 32"  (143/5h 
bei  37°),  wobei  wir  natürlich  nicht  in  rechnung  ziehen  dürfen, 
wie  jene  zahlen  sich  unter  berücksichtigung  von  refraction  und 
parallaxe  herausstellen.  Das  mittel  aus  den  bei  Berger  p.  46 — ■ 
54  genannten  angaben  ergiebt  eine  zu  gründe  gelegte  schiefe 
der  ecliptik  von  23°  51'  5",  9.  Der  wahre  werth  betrug  je- 
doch zur  zeit  des  Eratosthenes  (250  v.  Chr.)  23°  44',  zur  zeit 
des  Hipparch  (150  v.  Chr.)  23°  43'  12",  zur  zeit  des  Ptole- 
maeus (150  n.  Chr.)  etwa  23°  40'  48",  und  Eratosthenes  und 
Hipparch  wie  Ptolemaeus  hätten  denselben  recht  gut  mit  grö- 
sserer genauigkeit  bestimmen  können ,  da  die  aus  der  grosse 
des  scheinbaren  sonnendurchmessers  bei  der  gnomonbeobachtung 
resultirenden  fehler  auf  das  resultat  ohne  einfluss  bleiben  muss- 
ten,  wenn  man,  wie  es  die  regel  war ,  dasselbe  aus  der  gröss- 
ten  und  kleinsten  Sonnenhöhe  ableitete. 

Die  satzstellung  im  fragm.  V,  6  (Strab.  p.  133  Cas.)  wird  in 
der  überlieferten  form,  wie  auch  Meineke  in  seiner  ausgäbe  de3 
Strabo  (vol.  I,  179  sq.)  sie  giebt,  gegen  Grosskurd  (bd.  I,  p. 
217  f.)  festgehalten,  dagegen  mit  recht  darauf  aufmerksam 
gemacht,  dass  dieworte:  6  aoxrnvooQ  piixonv  fxxXtrcov  ngng  vo- 
rov,  wie  sie  bei  Grosskurd,  Meineke,  Müllenhoff  (p.  338)  bei- 
behalten sind,  ungenau  seien ;  denn  da  Hipparch  mehrfach  er- 
wähne, der  Arctur  stehe  auf  dem  31.  parallel  im  Scheitel,  so  müsse 
es  also  in  der  dort  in  rede  s'ehenden  breite  von  etwa  30°  20' 
vielmehr  heissen:   o   aoxrnvQOQ  ftixnov  ixxXivcov  ngog  agxiov. 

Die  fragmente  V,  7  a)  und  7  b)  scheinen  bei  Müllenhoff 
übersehen  zu  sein,  wenigstens  sind  sie  im  entwurf  der  klimen- 
tafel  nicht  benutzt. 

In  fragm.  V,  9  (Strab.  p.  137  Cas.)  liest  Berger  wie  bisher 
ia,  ZvQ(VA.oGitav  voritoTega,  während  Müllenhoff  (p.  341  und  auch 
schon  in  einer  früheren  abhandlung  über  die  weitkarte  des  Au- 
gustus)  der  ansieht  ist ,  es  sei  voticots qo.  verschrieben  für  agx- 
Tixmteoa,  weil  dasselbe  wort  unmittelbar  vorhergehe.  Doch  ist 
Berger,  dem  die  hypothese  Müllenhoffs  nicht  bekannt  gewesen 
zu  sein  scheint,  gewiss  völlig  im  recht,  sowohl,    da  der  text  so 


454  254.  Hipparchos,  Nr.  9. 

überliefert,  als  namentlich  auch,  da  zugleich  der  Sachverhalt 
durchaus  richtig  ist,  so  richtig,  dass  Berger  sogar  den  schluss 
zieht,  Syrakus  sei  „der  breite  nach  von  Hipparch  berechnet 
und  in  die  tabellen  aufgenommen  worden". 

Zweifellos  aber  muss  es  wohl  sein  ,  dass  Hipparch  weder 
in  Athen  noch  in  Byzanz  selbst  beobachtungen  angestellt  habe, 
da  es  sonst  nicht  wohl  denkbar  wäre,  sowohl  dass  er  für  Athen 
die  breite  von  „ungefähr  370u  („nfgi  finmäv  ?£  ''  in  V.  fragm. 
11  a)  und  b))  annähme,  welche  nur  für  den  südlichsten  theil 
des  Peloponnes  gilt,  als  auch  dass  er  für  Byzanz  ein  sehr  un- 
genaues gnomonverhältniss  überliefert  hätte,  zu  welchem  er  nur 
durch  die  ohne  die  möglichkeit  einer  prüfung  als  richtig  vor- 
ausgesetzte annähme  gelangte,  dass  Byzanz  unter  demselben 
parallel  mit  Massilia  liege  und  die  für  letzteren  ort  von  Py- 
theas  gegebene  messung  also  auch  für  Byzanz  gültig  sei.  Dass 
Hipparch  für  Byzanz  einfach  das  von  Pytheas  für  Massilia  beob- 
achtete zahlenverhältniss  angenommen  habe,  ist  auch  Müllen- 
hofTs  ansieht  (p.  308  f.),  während  Berger  diese  behauptung 
nicht  so  bestimmt  aussprechen  will. 

In  fragm.  V,  15  a)  (Strab.  135  Cas.")  bringt  Berger  die 
ohnedies  in  ihrer  erklärung  schwierige  stelle  in  bessere  Überein- 
stimmung, indem  er  x«/  8txarov  statt  na)  8m8t'xa7or  schreibt,  und 
stellt  in  dem  als  parallelstelle  dazu  angeführten  fragm.  V,  16 
(Strab.  75  Cas.)  mit  recht  (und  in  Übereinstimmung  mit  Müllen- 
hofF  p.  347  f )  die  handschriftlich  überlieferte  lesart  xarit  tä 
vwTimrtQa  gegen  die  neueren  herausgeber,  namentlich  auch  ge- 
gen Grosskurd,  Meineke  u.  a.  wieder  her. 

Recapitulirend  erinnert  Berger  nochmals  daran,  wie  gering 
demnach  die  zahl  der  wirklichen  breitengradmessungen  gewesen 
sei;  und  man  sieht  sich  ja  den  oft  sehr  ungenauen  angaben 
des  Ptolemaeus  gegenüber,  auf  die  mit  recht  Müllenhoff  (p. 
309  anm.)  aufmerksam  macht,  gradezu  zu  der  annähme  gezwun- 
gen, dass  selbst  Ptolemaeus  nur  sehr  wenige  wirkliche  breiten- 
messungen,  vielleicht  kaum  mehr  als  Hipparch,  kannte  und  fast 
alle  seine  breitenangaben  nur  berechnet,  aber  nicht  beobachtet 
habe. 

In  den  vier  letzten  reihen  (Vn— X),  welche  umfangreichere 
aber  in  ihrer  kritischen  behandlung  im  ganzen  weniger  Schwierig- 
keit bietende  fragmente  enthalten,    legt  Berger    zunächst  „Hip- 


Nr.  9.  254.  Hipparchog,  455 

parch's  ansieht  über  die  homerische  geographie"  dar  (reihe  VII) 
und  geht  dann  ausführlich  auf  die  hipparchische  „beurtheilung 
der  Eratosthenischen  karte ,  ihrer  neuerungen  und  des  dabe 
zur  anwendung  gebrachten  Verfahrens  sowie  auf  die  abwägung 
des  rechtes  der  älteren  karten  gegen  dieselben"  ein.  Nachdem 
er  in  der  ersten  gruppe  (reihe  VTII)  die  fragmente  mitgetheilt, 
welche  die  frage  der  „trennung  des  Weltmeeres"  behandeln, 
giebt  die  XI.  reihe  die  fragmente,  in  denen  „Hipparch  die  cor- 
rectur  bekämpft,  die  Eratosthenes  in  der  Zeichnung  der  asiati- 
schen gebirge  vollzogen  hatte'*,  während  endlich  in  der  X.  reihe 
„Hipparch  die  eratosthenischen  sphragiden  auf  trigonometrischem 
wege  analysirt". 

Leider  verstattet  der  räum  uns  nicht,  auf  diese  interessan- 
ten fragen  hier  näher  einzugehen,  mit  deren  besprechung  man 
sich  in  der  hauptsache  wird  einverstanden  erklären  müssen, 
wie  überhaupt  die  Eergersche  kritik  wegen  der  schon  erwähn- 
ten vorsieht  und  möglichsten  Vermeidung  aller  hypothesen  eine 
sehr  glückliche  ist. 

Was  endlich  die  berechnung  der  vielen  Zahlenangaben  be- 
trifft, so  ist  von  einigen  derselben  schon  oben  die  rede  gewe- 
sen, und  wir  fügen  hinzu,  dass  dieselben  bei  Berger  meistens 
nur  genäherte  werthe  geben  sollten,  so  dass  wir  uns  nicht  für 
berechtigt  halten,  dafür  die  ganz  genauen  werthe  zu  substituiren. 
So  weist  beispielsweise  das  gnomonverhältniss  4  :  3  bei  Berger 
auf  eine  geographische  breite  von  „etwa  36°  53''',  bei  Müllen- 
hoff  von  36°  52'  2",  während  man  36°  52'  12"  finden  muss, 
wenn  man  ohne  berücksichtigung  des  stets  vernachlässigten 
constanten  fehlers  die  rechnung  genau  ausführt. 

Der  druck  ist  sehr  correct;  uns  ist  von  wesentlicheren 
druckfehlem  nur  aufgefallen,  dass  auf  p.  67  nach  „V.  fragm. 
13  a)"  statt  „fortsetzung"  stehen  soll  Str.  II  C.  13  4. 

Indem  wir  unsere  kurze  besprechung  des  werthvollen  werk- 
chens hiemit  schliessen,  machen  wir  nochmals  besonders  darauf 
aufmerksam,  dass  in  zukunft  eine  darstellung  der  geographi- 
schen leistungen  des  Hipparch  wesentlich  von  der  vorliegenden 
schrift  Berger's  auszugehen  hat,  in  der  die  basis  für  eine  rich- 
tige kritik  des  Verhältnisses  des  Hipparch  zu  Eratosthenes  und 
Strabo  gegeben  ist.  H.    W.  Schaefer. 


456  255.  Horatius.  Nr.  9. 

255.  Des  Q.  Horatius  Fl  accus  Episteln  und  buch  von  der 
dichtkunst  mit  einleitung  und  kritischen  bemerkungen  von  0. 
Ribbeck.  8.  Berlin.  J.  Guttentag.   1869.  IV  u.  260s.—  1  tblr. 

Es  sind  allerdings  „eigentümliche  resultate,  zu  welchen 
den  Verfasser  sein  bemühen  in  den  gedankengang  der  horazi- 
scben  briefe  einzudringen  geführt  hat".  Nur  sieben  briefe  (I, 
3.  4.  7.  8.  11.  13.  19)  sind  ohne  umste'lungen  geblieben, 
durch  welche  alle  anderen  mehr  oder  weniger  gelitten  haben. 
Die  erste  epistel  hat  folgende  gestalt  erhalten  :  v.  1  — 12;  dann 
20  —  26;  dann  13—19;  dann  41—48;  52—69;  (v.  56,  die 
hälfte  von  60  und  v.  61  fallen  aus,  so  dass  nach  si  rede  fa- 
des eine  lücke  bleibt).  Dann  49 — 51,  28—40,  27,  zuletzt  70— 
108.  Die  vierzehnte  epistel  sieht  also  aus:  1 — 5,  10 — 13,  31, 
14—30,  6—9,  37—39,  32—36,  35,  40—44;  in  der  zwölften 
epistel  wird  nach  v.  1 — 11  aus  der  zwGiten  epistel  des  zwei- 
ten buchs  v.  184 — 191  eingeschoben;  die  achtzehnte  epistel 
besteht  nur  aus  v.  1 — 20  und  89 — 103,  wobei  noch  aus  v. 
91  und  92  nur  einer  geworden  ist :  potores  porrecta  negantem  pocula, 
quamvis,  und  v.  98  und  99  ausfallen.  Das  übrige  ist  in  die 
siebzehnte  epistel  aufgenommen,  die  also  umgeformt  ist:  v.  1 — 
37,  52  —  62,  43—51  (38—42  fallen  aus);  dann  aus  der  acht- 
zehnten epistel:  v.  21  —  36  (23  und  24  fallen  aus),  39 — 67, 
72 — 75,  37  und  38,  68—71,  76  —  88.  —  Dies  wird  genügen, 
um  einen  einblick  in  das  verfahren  des  Verfassers  zu  ge- 
währen. In  der  sechsten  epistel  hat  Döderlein  bekanntlich  ein 
Zwiegespräch  angenommen  zwischen  Horaz  und  Numicius.  Rib- 
beck gestaltet  sie  so,  dass  auf  v.  1 — 16  zunächst  28 — 66  fol- 
gen, dann  aus  der  zehnten  epistel  v.  26 — 41,  dann  aus  der 
sechsten  17 — 27  und  67  und  68.  Abgesehen  von  der  einschie- 
bung  aus  der  zehnten  epistel  ,  in  welcher  dadurch  eine  unaus- 
gefüllte  lücke  entsteht,  kann  in  diesem  falle  zugegeben  werden, 
dass  die  ganze  auseinandersetzung  den  besten  abschluss  gewinnt 
dadurch,  dass  die  verse  17 — 27  an  das  ende  kommen,  die  mit 
I  nunc  beginnen  und  endigen  mit  Ire  tarnen  reMat ,  Numa  quo 
devenit  et  Ancus.  Aber  haben  wir  denn  überhaupt  das  recht, 
wenn  wir  einem  dichter  in  seinem  gedankengang  nicht  auf  die 
Sprünge  kommen  können,  alle  Überlieferung  umzustossen  und 
die  gedichte  nach  unserm  gedankengang  umzumorleln  ?  Referent 
muss  dies  entschieden    bezweifeln    selbst    auf   die  gefahr  hin  in 


Nr.  9.  255.  256.  Horatius.  457 

den  äugen  des  Verfassers  „der  tiefen  neigung  der  meisten  Ho- 
razerklärer  zum  verkehrten"  (p.  128)  anheimzufallen.  Diese 
und  ähnliche  kraftausdrücke  werden  auch  nicht  grade  dazu  bei- 
tragen, die  eigenthümlichen  ansuchten  des  Verfassers  bestens  zu 
empfehlen. 

Verbesserungsvorschläge  zu  einzelnen  stellen  kommen  nur 
gelegentlich  vor;  so  schreibt  Ribbeck  in  der  zwanzigsten  epistel 
v.  24  „lusibus  aptum,  zu  scherzen  aufgelegt"  statt  solibus  aptum. 
Das  kann  Horaz  um  von  andern  gründen  zu  schweigen,  schon 
deshalb  nicht  gesagt  haben,  weil  er  am  anfang  desselben  buchs 
(ep.   1,   10)  das  gegentheil  sagt:  ludicra  pono. 

256.  Bemerkungen  zum  ersten  buch  der  Satiren  des  Ho- 
raz vom  director  Dr  T.  Mommsen,  programm  des  gymna- 
siums  zu  Frankfurt  a.  M.  1871.     4.     30  s. 

Ausgehend  von  dem  unstreitig  richtigen  satze ,  rdass  die 
geistige  einheit  in  den  Satiren  und  Episteln  des  Horaz  weit 
mehr  beruht  auf  der  Stimmung  des  dichters  als  auf  bewusster 
logischer  durchf  ührunsr  eines  einzelnen  gedankens ,  dass  also 
auch  einer  solchen  dichtung  mit  dem  blos  urtheilenden  ver- 
stände nicht  beizukommen  ist",  gibt  der  Verfasser  werthvolle 
beitrage  zur  erkenntniss  des  gedankenzusammenhangs  und  ein- 
zelner beziehungen  auf  gleichzeitige  ereignisse  und  personen; 
nur  möchte  man  zuweilen  wünschen,  dass  sich  bestimmter  für 
eine  erklärung  entschieden  wäre.  So  wird  in  1,  88  das  Ab  si 
mit  recht  beibehalten  (als  anaphora,  wie  das  nicht  seltene  dop- 
pelte dilti  der  redner)  mit  der  ergänzung:  so  lange  du  näm- 
lich bei  deinem  geize  bleibst.  Dagegen  wird  zu  v.  108  schliess- 
lich die  Nipperdey'sche  conjectur  Quia  empfohlen,  die  doch  un- 
nöthig  ist,  wenn,  wie  zuvor  ausführlich  bewiesen  wird,  die  beste 
trarlition  Qui  in  der  direkten  frage  auch  am  klarsten  für  die 
auffassung  des  Zusammenhangs  ist.  Ferner  glaubt  Mommsen 
trotz  des  chronologischen  gegenbeweises  von  Kirchner,  dass  mit 
dem  Labeo  in  3,  82  doch  der  nachmalige  berühmte  rechtsleh- 
rer  M.  Antistius  Labeo  gemeint  sei ,  „da  ja  beispiele  genug 
selbst  der  neuesten  zeit  sich  dafür  anführen  Hessen ,  dass  wer 
in  reiferen  jähren  ein  sehr  bedeutender  mann  geworden  ist,  in 
seiner  jugend  fast  für  einen  abenteuerlichen  narren  gegolten 
hat".  —     Nur  als  bescheidene  andeutung,    die   auch  kaum  be-> 


455  257,  Livius.  Nr.  9 

friedigen  möchte,  erklärt  Mommsen  zu  4,  21  (ultro  delatia  eapsia 
et  imagine),  dass  dem  Fannius  ohne  sein  bitten  von  seinen  an- 
hängern  hefte  und  illustrationen  auf  die  kathedra  gelegt  wor- 
den seien,  damit  er  selbst  sofort  habe  anfangen  können  zu  le- 
sen. —  Dass  der  Oassius  Etruscus  in  10,  62  identisch  sei 
mit  dem  Cassius  Parmensis  wagt  der  Verfasser  nicht  zu  läug- 
nen,  indem  er  die  Widersprüche  gegen  die  identitat  als  mehr 
scheinbar  denn  wirklich  nachweist  und  sich  auf  das  directe 
zeugniss  des  Porpbyrio  stützt, 

S. 


257.  Otto  Kohl:  über  zweck  und  bedeutung  der  Livia- 
nischen  reden.     Programm.  Barmen  1872.     29  s.     4. 

Die  vorliegende  schrift ,  welche  auf  fleissiger  lectüre  des 
Livius  und  anderer  lateinischen  und  griechischen  historiker  be- 
ruht, stellt,  wie  der  titel  sagt,  sich  das  ziel  die  reden  des  Li- 
vius nach  möglichst  allen  seiten  hin  zu  betrachten,  also  im  Ver- 
hältnisse zu  den  begebenheiten ,  zu  den  sprechenden  personen, 
zu  Livius  selbst  und  wie  er  in  ihnen  seinen  eigenen  Standpunkt 
zu  erkennen  gibt ,  zu  andern  antiken  geschichtschreibern  und 
ihrer  besondern  art  reden  in  ihre  werke  zu  verweben  ,  zu  den 
quellen,  die  Livius  benutzt  hat,  und  betrachtet  zuletzt  kurz  die 
rhetorische  form.  Man  sieht,  das  schriftchen  enthält  viel,  und 
doch  glaube  ich  muss  man  noch  das  eine  und  andere  vermis- 
sen. Darunter  rechne  ich  vor  allem  den  begriff  „rede'',  denn 
die  p.  2  gegebene  aufzählung  aller  directen  anführungen  mit  der 
colossalen  nummer  407,  die  dann  ganz  äusserlich  nach  zeilen 
des  Teubnerschen  textes  klassificirt  werden ,  hat  doch  eine  zu 
materielle  basis  ;  warum  wird  denn  nicht  im  vorliegenden  falle 
rede  z.  b.  als  ein  kunstwerk  definirt,  welches  deutlich  die 
drei  haupttheile  exordium,  tractatio,  peroratio  zeigt?  alsdann 
würde  sich  gezeigt  haben  dass  auch  die  vielen  indirecten  re- 
den nicht  bloss  auszüge  sind,  sondern  wirkliche  reden,  die 
sich  eben  nur  in  der  form  von  den  directen  unterscheiden,  wie 
z.  b.  die  des  alten  Fabius  8,  33,  oder  das  redenpaar  10,  24, 
oder  die  des  Scipio  28,  33.  —  Bei  besprechung  der  arten, 
welcher  die  Livianischen  reden  angehören,  p.  24,  scheint  es  dem 
referenten ,  als  hätte  der  Vollständigkeit  wegen  auf  einen  dop- 
pelten Standpunkt  hingewiesen  werden    müssen.      Bedenkt  mau 


Nr.  9.  258.  Tacitus.  469 

nämlich  dass,  als  Livius  diese  reden  schrieb,  keine  einzige  einen 
wirklich  praktischen  zweck  hatte,  so  sind  sie  alle  deelamationea, 
also  dem  yfaoq  tntdemtmov  angehörig,  und  treten  erst  in  Ver- 
bindung mit  dem  inhalte  in  eine  der  bekannten  drei  arten,  un- 
ter denen  dann  hier  das  genus  deliberativum  natürlich  bei  wei- 
tem vorwiegt.  In  wie  weit  aber  die  ansieht  des  vfs.,  dass  sich 
kaum  eine  rele  bei  Livius  finden  lässt,  in  welcher  nicht  die  utilitas 
mit  ihren  unterabtheilungen  eine  rolle  spiele,  stichhaltig  ist  (p.  24), 
das  ist  doch  etwas  zweifelhaft:  was  macht  man  denn,  wenn  in 
dieser  beziehung  die  rtlixtl  xecfdkain  angewendet  werden,  z.  b. 
mit  der  rede  des  Camillus  5,  51 — 54,  die  doch  wohl  zu  den 
am  sorgfältigsten  gearbeiteten  gehört?,  die  propositio  ist:  wir 
müssen  in  Rom  bleiben  1.  (51,  4 — 52  extr.) :  der  götter  we- 
gen: a,  wegen  ihres  sichtbaren  waltens  (4  — 10),  b,  der  reli- 
gion,  hei!ij;thümer  und  des  eultus  wegen  (c.  52);  2,  unsertwe- 
gen (c.  53),  3,  des  ortes  wegen  (c.  54).  Vielleicht  wäre  hier 
die  umgekehrte  folge  in  der  climax  ad  malus  (3.  2.  1)  vorzu- 
ziehen. —  Referent  ist  mit  dem  verf.  vollkommen  der  an- 
sieht, dass  in  diesen  reden  alles  nach  Schema  gearbeitet  ist,  aber 
ein  einziges  Schema  liegt  sicher  nicht  zu  gründe  und  gewiss 
würde  es  sich  der  mühe  verlohnen ,  wenn  jemand  darauf  hin 
eine  gründliche  Untersuchung  anstellen  und  nachweisen  wollte, 
weche  Schemata  und  aus  welchen  schulen  —  so  weit  es  nach- 
weisbar ist  —  angewendet  sind,  welche  fundorte  Livius  für  die 
exordien  benutzt  hat  u.  ä. ;  dabei  müsste  aber  zugleich  auch 
auf  den  genauen  schmuck  der  rede  in  figuren  u.  s.  w.  rücksicht 
genommen  werden. 

W.  Teil. 

258.  Cornelius  Tacitus  a  Carolo  Nipperdeio  recogni- 
tus.  Pars  I,  ab  excessu  divi  Augusti  lib.  I — VI,  pars  II,  ab 
exe.  d.  A.  lib.  XI— XVI.  8.  Berlin,  Weidmann.  1871.  1872 
—  je  9  gr. 

Diese  neue  Tacitusausgabe  von  Nipperdey  verzeichnet  un- 
ter dem  texte  die  wichtigeren  Varianten  der  haupthandschrift, 
Medic.  I  und  II,  die  autoren  der  gebilligten  emendationen,  un- 
ter denen  ein  ganz  neuer  erscheint ,  P.  Candidus ,  der  besitzer 
und  emendator  der  wolfenbüttler  handsebrift,  endlich  eine  sehr 
beschränkte  auswahl  von  conjeeturen.     Wenn  wir  nach  unserem 


460  258.  Tacitus.  Nr.  9. 

persönlichen  geschmacke  vorgezogen  hätten ,  die  abweichungen 
der  M  durch  ausscheidung  handgreiflicher  und  bedeutungsloser 
Bchreibfehler  zu  reducieren  und  dafür  die  besserungsvorschläge 
weniger  sparsam  mitzutheilen,  so  ersehen  wir  freilich  aus  der 
vorrede,  dass  Nipperdey  entgegengesetzter  ansieht  ist;  hält  er 
doch  selbst  von  den  wenigen  mitgetheilten  conjeeturen  wieder 
nur  wenige  für  probabiles. 

Man  wird  unter  solchen  umständen  erwarten,  dass  Nipper- 
dey seine  eigenen  conjeeturen  mit  demselben  strengen  mass- 
Stabe  beurtheilt  habe;  indessen  wenn  man  auch  mit  vergnügen 
bemerkt,  dass  Nipperdey  hin  und  wieder  eigene  früher  verfoch- 
tene  ansichten  aufgegeben,  so  sind  doch  noch  genug:  conjeetu- 
ren im  texte  stehen  geblieben ,  welche  voraussichtlich  bei  kei- 
nem einzigen  späteren  editor  billigung  finden  werden.  So  bleibt 
es  2,  13  nobilitatem  decorem,  patientiam  comitatem,  per  seria  per  iocoa 
eundem  in  (in  ego  addidi)  animum  laudibus  ferre,  gleich  räthselbaft, 
wie  man  an  der  Überlieferung  des  letzten  objeetes  (=  animi  con- 
stantiam,  ähnlich  aequanimitatem)  anstoss  nehmen,  als  wie  man  die 
vorgeschlagene  änderung  im  sinne  von  eandem  in  sententiam,  uno 
ore  laudare  verstehen  könne  ;  unerklärlich  wie  man  3,  55  Verum 
haec  nos  (nos  ego  addidi);  nobis  maiores:  certamina  ex  honesto 
mancant,  dem  Tacitus  ein  solches  muster  zerhackten  stiles  zu- 
muthen,  oder  wie  man  15,  44  die  durch  Sulpicius  Severus  2, 
29  geschützten  worte:  aut  crueibus  afftxi  aut  flammati,  auswerfen 
könne,  während  das  folgende  atque  .  .  .  urerentur ,  welches 
wohl  Nipperdey  nicht  mit  aut  zu  stimmen  schien,  einfacher  in 
utque  zu  ändern  freistand.  Auch  14,  7  hat  Nipperdey  seine 
verunglückte  conjeetur  an  aperiens  nicht  aus  dem  texte  zurückge- 
zogen, obschon  doch  offenbar  zu  emendieren  ist:  quos  (nämlich 
Burrus  und  Seneca)  Nero  statim  aeeiverat,  incertum  experiens  (cod. 
expergens,  wie  in  demselben  buche  c.  48  magestas,  50  vegento) 
an  et  ante  (schon  vorher)  gnaros.  15,  13  braucht  man  nicht 
zwischen  den  zeilen,  sondern  einfach  die  buchstaben  der  Über- 
lieferung exemplis  caudi  nenum  antineque  zu  lesen  um  zu  erken- 
nen, dass  in  derselben  nicht  Caudi  et  Numantiac  stecke,  sondern 
Caudinae  Numantinaeque  und  dass  ein  Substantiv  wie  ignominiae 
ausgefallen  ist.  In  dieselbe  classe  der  uns  unbegreiflichen  än- 
derungen  müssen  wir   1,  10  nuberet  quae  edito ,    15,  12  per  eo~ 


tök.  9",  258.  TacituS.  461 

rum  numerum  obrueretur ,   15,   35   quin    ne  occultet,    und    etwa  ein 
halbes  dutzend  ähnlicher  stellen  einreihen. 

Mit  besonderer  ausfiihrlichkeit  spricht  sich  Nipperdey  in 
der  vorrede  zu  P.  I  über  die  im  Philologus  bd.  25.  26.  27 
dargelegte  genetische  entwicklung  des  taciteischen  Stiles  aus, 
die  er  im  ganzen  unter  belobung  des  vf.  anerkennt,  von  der 
er  aber  erklärt,  der  langen  rede  kurzen  sinn  habe  er  selbst  in 
seiner  vorrede  längst  angegeben.  Vgl.  Annalen,  4.  aufl.  p. 
xxxvi :  „Agricola  und  Germania  haben  am  wenigsten  erhebuug: 
fehlerfrei  und  am  blühendsten  ist  der  taciteische  stil  in  den  Histo- 
rien ;  in  den  b.  ab  excessu  ist  das  sprachliche  theilweise  noch  mehr 
dem  poetischen  genähert"  u.  s.  w.  Wir  bedauern,  dass  niemand 
den  vollen  sinn  dieser  worte  verstanden  zu  haben  scheint  und 
können  nur  constatieren,  dass  erst  seit  der  Veröffentlichung  der 
aufsätze  im  Philologus  eine  reihe  von  philologen  jenen  neuen 
grundgedanken  weiter  untersucht  und  dabei  mit  seltener  Über- 
einstimmung sämmtlich  auf  den  mitarbeiter  des  Philologus,  nicht 
auf  Nipperdey  bezug  genommen  haben.  Dräger,  Gerber,  Greef, 
Liebaldt,  Maue,  Morgenstern,  Pohlmau,  Teuffei,  Zernial  —  das 
sind  in  wenigen  jähren  die  ,}multi  qui  nova  arripere  sine  iudicio 
consuerunt",  während  es  an  einer  entgegengesetzten  kundgebung 
unseres  Wissens  fehlt.  Wenn  es  kaum  zu  vermeiden  war,  dass 
im  ersten  anlaufe  die  natürlichen  grenzen  hie  und  da  überschrit- 
ten worden  sind,  so  bemüht  sich  nun  umgekehrt  Nipperdey 
vergeblich,  die  resultate  zu  weit  zurückzudrängen.  Während  er 
selbst  aus  der  einen  stelle  3,  59  varie  disserere  folgert,  dass 
Linker  und  Ritter  mit  unrecht  die  handschriftliche  Überlieferung 
variae  disserere  Hist.  4,  81,  Ann.  1,  11  in  varia  edisserere  aufge- 
löst haben,  weil  die  Verwechslung  von  e  und  ae  ein  jrequentis' 
simus  error  sei,  hält  er  doch  2,  57  an  dem  überlieferten  post« 
que  (adverb)  zähe  fest,  indem  er  den  einwurf,  dass  Tacitus 
nie  so,  sondern  nur  post  quae,  analog  post  haec  und  postea  ge* 
schrieben  habe,  für  nichts  erachtet,  und  zur  vertheidigung  die 
längst  bekannten  stellen  von  inque  (präpositionj  aulzählt.  Die 
bemerkung ,  dass  Tacitus  in  den  Historien  von  sich  rettulimue, 
diximus,  memoravimus,  memorabimus  schreibe,  in  den  Annalen  fast 
regelmässig  die  entsprechenden  singularformen  gebrauche,  wie 
ähnliches  bei  Livius  beobachtet  wird,  verdunkelt  er  dadurch, 
dass  er  als  scheinbare    ausnahmen  reddemus,  trademus ,  silebimus, 


259.  Griechische  geschickte.  Nr.  §. 

memoramus  etc.  aus  den  Annalen  anführt,  womit  sicher  alle 
gewonnen  werden,  welche  nicht  den  Pbilologus  zur  hand  haben. 
Dort  aber  steht  25,  98  note:  „wir  übergehen  hier  einige  ver- 
einzelte Wendungen,  namentlich  futural formen,  die  wegen  des 
seltenen  gebrauches  nicht  eine  feste  form  auszuprägen  im  stände 
waren",  so  dass  also  die  ausdrücke  darum  absichtlich  übergan- 
gen wurden,  weil  sie  bei  Tacitus  nur  einmal  vorkommen,  und 
silebo,  memoro  etc.  gegenübersteht.  Aehnlich  verwirft  Nipper- 
dey  die  beobachtung,  dass  die  auf  den  vf.  bezüglichen  conjunc- 
tivformen  stets  im  singular  stehen,  bringt  aber  gegen  die  mit 
einschluss  des  perf.  conjunctivi  48  Singularbeispiele  kein  das 
gegentheil  beweisendes  bei  (weil  im  ganzen  Tacitus  keines  auf- 
zutreiben ist)  und  wir  auch  selbst  schwerlich  crediderimus  für 
crediderim  schreiben,  er  müsste  denn  die  bescheidenheit  weiter 
treiben  wollen  als  sie  die  Lateiner  getrieben  haben. 

So  wenig  mehrfache  berichtigungen  abzustreiten  sind,  so 
wenig  kann  es  hier  gestattet  sein  zur  rechtfertigung  das  schon 
früher  veröffentlichte  zu  wiederholen.  Warum  z.  b.  Agric.  4 
emendirt  werden  müsse:  pater  Uli  (statt  Iuli)  Iulius  Graecinus, 
was  bereits  von  dreifacher  seite  Zustimmung  gefunden,  ist  schon 
Piniol.  26,  140  auseinandergesetzt:  Nipperdey  weist  die  emen- 
dation  zurück,  weil  er  in  den  aus  einer  Vielheit  von  beispielen 
gezogenen  stilistischen  consequenzen  das  spiel  des  Zufalles,  nicht 
das  walten  einer  ratio,  gleichviel  ob  einer  in  der  spräche  selbst 
begründeten  oder  einer  nur  persönlichen  liebhaberei  erkennen 
zu  müssen  glaubt. 

E.    W. 

259.  Quaestionum  Amphictyonicarum  specimen.  De  gente 
Aetolica  Ampbictyoniae  participe.  Scripsit  Carolus  Bücher. 
8.     Bonnae.   1870. 

Den  wichtigsten  theil  seiner  aufgäbe,  die  frage,  von  wel- 
cher zeit  an  und  bis  wann  die  Aetoler  am  Amphiktyonenbund 
theilgenommen  haben ,  hat  der  vf.  dieser  promotionsschrift  in 
Behr  anerkennenswerlher  weise  behandelt.  Er  zeigt  aus  neuer- 
dings, besonders  von  Wescher ,  veröffentlichten  Inschriften  und 
weiterbauend  auf  dem  von  Aug.  Mommsen  Piniol.  XXIV,  p.  1  ff. 
gelegten  chronologischen  grund,  dass  die  Aetoler  bald  nach  340 
v.  Chr.  (wahrscheinlich    durch  Philipps    Vermittlung)    aufgenom- 


Nr.  9.  259.    Griechische  geschichte.  463 

men  worden  sind  und  gegen  hundert  jähre  lang  dem  bunde  an- 
gehört haben.  Den  überwiegenden  einfluss,  welchen  sie  in  dem- 
selben bald  gewannen,  weist  er  urkundlich  nach  und  erklärt 
ihn  treffend  aus  der  einverleibung  vieler  Amphiktyonenvölker 
in  den  aetolischen  buud,  welche  er  nur  nicht  p.  19  und  36  — 
im  Widerspruch  mit  seiner  eigenen  ausführuug  p.  '62  —  als  ein 
abhäugigkeitsverhältniss  hätte  auffassen  sollen. 

Die  zwei  von  den  vierundzwanzig  stimmen  der  zwölf  bun- 
desvölker,  welche  den  Aetolern  bei  ihrer  aufnähme  zugewiesen 
wurden,  hatten  vorher  wohl  den  Makedonern  gehört,  von  wel- 
chen in  den  Urkunden  der  aetolischen  periode  keine  Hieromne- 
monen  aufzutiudeu  sind.  Diesen  gedanken,  auf  welchen  der 
vf.  selbst  gekommen  war  (p.  22],  hat  er  gegen  die  vermuthung 
aufgegeben,  dass  die  zwei  stimmen  vorher  den  Lacedaemoniern 
und  den  ozolischen  Lokrern  gehört  hatten.  Nun  ist  nirgends 
bezeugt  oder  bewiesen,  dass  die  eine  der  zwei  dorischen  srim» 
men  eigeuthum  Sparta's  und  nicht  vielmehr  sämmtlicher  pelo- 
ponnesjscher  Dorier  gewesen  ist ;  fest  steht  nur,  dass  die  Lace- 
daemonier  im  j.  346  von  der  amphiktyonie  ausgeschlossen  wor- 
den  sind.  Eben  daraus  folgt  jedoch,  dass  339  oder  später  die 
Aetoler  eine  stimme  nicht  erhalten  konuten,  über  welche,  wenn 
sie  überhaupt  vorhanden  gewesen,  schon  346  verfügt  worden 
war.  Die  ozolischen  Lokrer  ferner  sind  nach  Bücher  339/8 
wegen  des  freveis,  welchen  die  Amphisseer  verübt  hatten,  nach 
dem  hiedurch  herbeigeiührten  heiligen  kriege  ausgestossen  wor- 
den. Dann  hätten  aber,  was  schwer  zu  glauben ,  die  unschul- 
digen städte  Axis,  Eupalion,  Oiauthe,  Oinoe,  Phy&kos,  Tolo- 
phon,  Tritaia  und  andere  mitgebübst,  was  bloss  Amphissa  ver- 
schuldet hatte.  Der  verf.  weiss  (p.  9  aum.  4)  für  seine  be» 
hauptung  weiter  kein  argument  beizubringen  als  den  umstand, 
dass  die  ozolischen  Lokrer  von  Amphissa  einige  mal  schlecht« 
hin  als  Lokrer  bezeicuuet  werden,  z.  b.  Demosth.  cor.  I5ü— - 
152,  wo  zweimal  jene  vollständige  und  (offenbar  der  kürze  we- 
gen! zweimal  die&e  einfachere  beuennung  gebraucht  wird;  eine 
beziehuug  auf  bämnitliche  ozoliscue  Lokier  ist  an  keiner 
der  vom  vf.  citirten  stellen  aufzufinden.  Nirgends  wird  einer 
ausstossung ,  sei  es  der  Amphisseer  oder  sämmtlicher  Ozoler, 
aus  dem  Amphiktyouenbuud  gedacht.  6ehr  natürlich,  weil  sie 
sich  in   demselben   damals   noch  gar  nicht  befunden  hatten.     Dies 


464  259.  Griechische  geschichte.  Nr.  9\ 

beweist  Pausanias  10,  8,  2  bei  auf  Zählung  der  ursprünglich 
(bis  346)  zum  bunde  gehörenden  Völker.  Die  andern  nennt  er 
einfach  Ioner,  Doloper,  Thessaler  u.  s.  w. ,  die  Lokrer  dagegen 
bezeichnet  er  durch  den  zusatz:  riß  <l>a)xiöi  öfiögovg  v  nb  zqj  öyei 
7\j  Kirjuidi,  als  die  östlichen.  Das  andere  verzeichniss  der  mit- 
glieder  im  j.  346,  bei  Aeschines  fals.  leg.  116,  nennt  schlecht- 
weg Lokrer.  Ein  drittes  über  diese  ältere  zeit  giebt  es  nicht, 
wenigstens  sucht  Bücher  mit  unrecht  ein  solches  bei  Diodor  16, 
29  (wo  auch  einfach  AuxqoC  steht).  Nachdem  Diod.  16,  28  er- 
zählt hat,  dass  im  j.  354  die  Amphiktyonen  krieg  gegen  Pho- 
kis  beschlossen  und  darauf  hin  ganz  Hellas  sich  in  zwei  par- 
teien,  für  und  wider  die  Phoker,  gespalten  habe,  fügt  er  im 
nächsten  capitel  eine  aufzählung  der  Völker  ein,  welche  für  das 
delphische  heiligthum  sich  erklärten.  Um  dies  zu  thun,  brauchte 
man  nicht  der  ainphiktyonie  anzugehören  und  Diodor  nennt  un- 
ter diesen  Völkern  auch  die  Athamanen,  welche  wir  dem  Am- 
phiktyonenbund  einreihen  müssten,  wenn  dort  eine  Amphiktyo- 
nenliste  zu  lesen  wäre:  die  von  Bücher  p.  6  fg.  aufgestellte 
diodorische  liste  lässt  aber  inconsequenter  weise  die  Athamauen 
weg.  Das  bestreben ,  aus  den  Schriftstellern  dinge  herauszule- 
sen, welche  sich  bei  ihnen  nicht  vorfinden,  kehrt  p.  18  wieder: 
wo  die  gesandtschaft  des  Philipp  und  der  Thessaler,  Aetoler, 
Aenianen,  Phthioten  und  Achäer  an  die  Athener  nach  dem 
falle  Elateias  (Demosth.  cor.  211.  Philochoros  b.  Dionys.  ad  Amm. 
1,  11)  für  eine  Amphiktyonenbotschaft  erklärt  und  als  ein  be- 
weis für  die  behauptung  angeführt  wird,  dass  die  Aetoler  339/8 
schon  aufgenommen  waren. 

Bei  Stephanus  Byz.  v.  (frvoxog  und  in  den  ausgaben  des 
Skymnos  590  wird  Aitolos  ein  nachkomme  des  Amphiktyon 
genannt,  eine  genealogie,  in  welcher  vf.  einen  versuch  erkennt, 
die  ansprüche  der  Aetoler  auf  die  amphiktyonie  mythologisch 
EU  begründen.  Dieser  versuch  wäre  überflüssig  gewesen:  die 
hergebrachte  ableitung  des  Aitolos  von  Aethlios ,  dem  enkel 
des  Deukalion  und  schwestersohn  des  Amphiktyon  reichte  für 
jenen  zweck  so  gut  aus  wie  die  ähnliche  genealogische  Verbin- 
dung des  Achaios,  Ion,  Magnes  u.  a.  mit  Amphiktyon.  Dass 
der  uame  Aitolos  an  jenen  zwei  stellen  (bei  Skymnos  hat  die 
handschrift  'Izcolog)  in  "hwrog  zu  ändern  ist,  glauben  wir  Piniol. 
Supplem.  II,  p.  684  erwiesen  zu  haben.  U. 


Nr.  9.       260—268.  Neue  auflagen  und  Schulbücher.  465 

NEUE  AUFLAGEN.  260.  H.  Bonitz,  über  den  Ur- 
sprung der  homerischen  gedichte.  3.  aufl.  8.  Wien.  Gerold 
söhn;  20  gr.  —  261.  A.  v.  Reumont,  geschichte  der  stadt 
Rom.  Neue  ausgäbe.  14.  ]fg.  8.  Berlin.  Decker;  1  thlr.  — 
262.  Ed.  Guhl  und  W.  Koner  das  leben  der  Griechen 
und  Römer.  3.  aufl.  5.  und  6.  liefg.  8.  Berlin.  Weidmann; 
ä    7a  thlr. 

NEUE  SCHULBUECHER.  263.  Homers  Odyssee  erklärt 
von  V.  H.  Koch.  4.  lieft.  8.  Hannover.  Hahn;  6  ngr.  — 
264.  Freund's  schülerbibliotbek.  Präparatiouen  cett. :  präpa- 
ration  zu  Horaz  werken.  10.  bft.  16.  Leipzig.  Violet;  5  ngr. 
—  265.  Ausgewählte  stücke  aus  der  3.  decade  des  Livius. 
Mit  anmerkungen  für  den  schulgebrauch  von  W.  Jo  rdan.  8min. 

2.  aufl.  Stuttgart.  Neff;  15  ngr.  —  266.  R.  Kühner,  ele 
mentarbuch  der  griechischen  spräche.  27.  aufl.  8.  Hannover. 
Hahn;   27J/2  gr.  —     267.  F.  E.  Lindner,  griechische  syntax. 

3.  aufl.  8.  Breslau.  Gosohorsky;  8x/2  ngr.  —  268.  R.  Küh- 
ner, elementargrammatik  der  lateinischen  spräche.  35.  aufl. 
8.     Hannover.  Hahn;  1   thlr. 

BIBLIOGRAPHIE.  Zur  ausführung  von  Illustrationen 
wissenschaftlicher  werke  in  Ölfarbendruck  erbietet  sich  die  litho- 
graphische kunstanstalt  von  H.  J.    Grebe  zu  Arnstadt. 

Bibliotheken  werden  zu  den  höchsten  preisen  stets  ange- 
kauft von  J.  A.  Stargardt  zu  Berlin  Jägerstrasse  53,  W.  L. 
Prag  er  ebendas.  linienstrasse  138,  vonA.  Hoyer  in  Göttingen. 

Um  den  nachtheiligen  einfluss  der  neuesten  gesetzgebung 
des  norddeutschen  bundes  über  nachdruck  zu  erkennen, 
beachte  man  die  im  juli  a.  c.  von  der  Hahn' sehen  hofbuch- 
handlung  ia  Hannover  erlassene  ankündigung  der  XV.  Original- 
ausgabe von  J.  C  h.  A.  Heyse's  fremdwörterbueb,  die  am  1. 
october  a.  c.  erscheinen  soll :  zwei  buchhandlungen  eignen  sich 
den  titel  des  buches  an,  um  ihrem  fabricat  dadurch  ein  grösse- 
res publicum  freilich  auf  eben  nicht  anständige  weise  zu  ver- 
schaffen. 

In  der  Schräg' sehen  Verlags  -  anstalt  (H.  Klemm)  iu  Dres- 
den ist  erschienen:  „Der  neuaufgefundene  Luther -codex  v.  j. 
1530.  Eine  von  dem  grossen  reformator  eigenhändig  benutzte 
und  ihm  von  dem  kursäcksischen  capellmeister  J.  Walther  ver- 
ehrte handschriftliche  Sammlung  geistlicher  lieder  und  tonsätze. 
Herausgegeben  von  0.  K  a  d  e : "  diese  Sammlung  bestand  aus 
mehrern  bänden,  von  denen  aber  nur  dieser  sich  erhalten  hat; 
wenigstens  sind  andre  bis  jetzt  nicht  bekannt:  diese  composi- 
tionen  sind  zum  theil  von  Josquins  de  Pres,  dem  bedeutend- 
sten tonmeister  der  vor  -  palestrinischen  zeit,  dann  von  J.  Wal- 

Philol.  Anz.  IV.  30 


466  Bibliographie.  Nr.  9. 

ther,  L.  Senfl  u.  a.;  über  dies  und  a.  giebt  Kade's  den  liedern 
vorausgeschickte  abhandlung  „  Luther  und  Walther  als  begrün- 
der  des  evangelischen  gemeinde  -  gesanges"  nähere  auskunft : 
wir  machen  auf  diese  sowohl  für  Luther  und  seine  liebe  zur 
musik  als  auch  überhaupt  für  die  geschichte  des  gesangs  höchst 
wichtige  arbeit  hier  kurz  aufmerksam. 

Albert  Cohn  in  Berlin,  besitzer  der  firma  A.  Asher  und 
comp,  hat  eine  Sammlung  englischer  autoren ,  britischer  sowohl 
als  amerikanischer,  zu  veröffentlichen  begonnen,  über  welche  die 
Augsb.  Allg.  Ztg.  beil.  zu  nr.  224  sich  empfehlend  auslässt. 

Wichtige  werke  der  ausländischen  literatur: 
269.  H.  M.  Westropp  prehistoric  phases;  or  introductory 
essays  on  pre-historic  archaeology;  with  illustr.;  270.  R. 
Brown  Poseidon,  a  link  between  Semite,  Harmite  and  Aryan; 
271.  A.  Hovelacque  Instructions  pour  l'etude  elementaire  de 
la  linguistique  indo  -  europe'enne ,  Paris;  272.  Biographie  uni- 
verselle (Michaud)  ancienne  et  moderne,  T.  IX;  273.  C.  M  a- 
spero  une  enquete  judiciaire  a  Thebes  au  temps  de  la  20. 
dynastie.  Etüde  sur  le  papyrus  Abott,  Paris;  274.  G.  Spezi 
degli  antichi  studi  greci  e  latini  discorso,  Koma;  275.  C.  We- 
scher,  notice  des  plusieurs  textes  palimpsestes  qui  se  recon- 
trent  parmi  les  inscriptions  grecques  de  FEgypte,  Paris;  276. 
M.  Haldvy,  examen  critique  du  temoignage  d'Herodote  sur 
la  religion  des  Arabes,  Paris;  277.  L.  Heuzy,  un  palais  grec 
en  Macedoine.  Etüde  sur  l'architecture  antique.  Avec  un  plan 
restaure"  et  un  parallele  des  ordres  d'architecture  par  H.  Dau- 
met,  Paris;  278.  Jos.  Val entin el  li,  Bibliotheca  manuscripta 
ad  S.  Marci  Venetiarum.  Codd.  manuscr.  latini.  T.  IVus.  Ve- 
nezia;  279.  AI.  Ciofi  lectio  inscriptionum  in  sepulchro  Q.  Sul- 
picii  Maximi  ad  portam  Solariam  iterum  vindicata,  Roma;  280. 
St.  Augustin  oeuvres  completes,  traduites  en  francais  et  an- 
notees  par  Pdronne,  Ecalle,  Vincent ,  Charpentier  et  H.  Bar- 
reau.  Renfermant  le  texte  latin  et  les  notes  de  l'edition  des 
Be'ne'dictins.  T.  XVII,  Sermons  au  peuple ,  Paris;  281.  L. 
Sissa,  i  due  manuscritti  di  C.  Sallustio  Crispo  conservati  nelle 
biblioteca  municipale  di  Fermo,  notizia,  Feimo :  282.  W.  H. 
Waddington,  fastes  des  pronvinces  asiatiques  de  l'empire 
romain  depuis  leur  origine  jusqu'au  regne  de  Diocletien,  Paris; 
283.  de  Saulcy,  memoire  sur  les  monnaies  des  Seleucides, 
Paris;  284.  Berger  et  Cucheval  histoire  de  l'e'loquence  la- 
tiue  depuis  l'origine  de  Rome  jusqu'a  Ciceron ,  d'apres  les  no- 
tes de  M.  A.  Berger.  2  voll.  Paris;  285.  Roget  deBel- 
loguet,  eHhnogenie  gauloise,  ou  M^moires  critiques  sur  l'ori- 
gine et  la  parente"  des  Cimme'riens,  des  Cimbres,  des  Ombres, 
des  Beiges  ,  des  Ligures  et  des  ancients  Celtes.  Iutroduction, 
le  partie ,  Paris;  286.  J.  Roidot  origines  d'Augustodunum. 
Etüde    critique    sur    les    textes  d'Eumene  et  d'Ammien  Marcel- 


Nr.  9.  Kleine  philologische  zeitung.  46t 

lin,  Autun;  287.  J.  Dixmier  de  l'action  farailiae,  en  droit 
romain,  Paris;  288.  H.  Maurin  la  repetition  de  l'indu  en 
droit  romain  et  en  droit  franQais,  Paris;  289.  L.  Juliemies 
du  gage  en  droit  romain  et  en  droit  fran^ais,  Paris;  290.  E. 
Pilavoine  de  la  lesion  en  droit  f'ran9ais,  Paris;  291.  H.Du- 
rand de  Lau r,  Erasme  precurseur  et  initiateur  de  l'esprit 
moderne,  2  voll.  Paris. —  (Aus  Zarncke's  literarischem  cen- 
tralblatt). 

Cataloge  von  antiquaren:  XV.  verzeichniss  des  antiquari- 
schen bücherlagers  von  E.  Mohr  in  Heidelberg;  m\  18.  anti- 
quarischer anzeiger  von  E.  Wagner  in  Heidelberg;  antiquari- 
scher anzeiger  nr.  26  der  Well  ersehen  buchhandlung  (0. 
Kösger)  in  Bautzen :  enthalten  alle  philologisches. 

KLEINE  PHILOLOGISCHE  ZEITUNG.  Weimar,  20. 
apr.  Während  meines  aufenthalts  in  Eom  fand  ich  in  einer  zeitung 
eine  notiz,  die  ich  bisher  in  keiner  deutschen  zeitung  erwähnt  gefun- 
den habe.  Nämlich  UTribuno,  freitag  d.  5.  april  1872  nr.  266 
meldet:  „das  alte  gefängniss  aus  der  epoche  der  römischen  kö- 
nige  ist  neulich  entdeckt  worden  in  den  kellern,  die  zu  einigen 
häusern  in  der  via  cli  Marforio  und  dem  vicolo  del  Ghettarello 
gehören,  zugleich  mit  einem  unterirdischen  durchgang,  der  es 
verbindet  mit  der  vorhalle  des  gefängnisses,  das  bekannt  ist 
unter  dem  namen  „gefängniss  von  St.  Peter"'.  Dieser  durch- 
gang ist  80  meter  laug  und  die  construetion  dieselbe ,  wie  im 
ältesten  theil  der  cloaca  maxima.  Besagter  räum  soll  freitag  den 
5ten  april  nachmittag  5x/2  uhr  illuminirt  werden"-  Zu  leichte- 
rem verständniss  der  notiz  will  ich  nur  noch  hinzufügen,  dass 
das  gefängniss  von  St.  Peter,  gelegen  unter  der  Kirche  St. 
Giuseppe  de'  Falegnani  an  der  nordecke  des  forum  bisher  mit 
dem  carcer  Mamertinus  identificirt  wurde.  —  [iü.    M^\ 

Grimma.  Das  gymnasium  hat  schwere  zeiten  durchzuma- 
chen gehabt:  das  daselbst  unter  den  schülern  tief  eingewurzelte 
Verbindungswesen  hat  endlich  unzuträglichkeiten  schlimmer  art 
hervorgebracht  und  ist  nur  durch  strenge  carcerstrafe  und  di- 
missionen  zu  bändigen  gewesen :  aber  ob  dieser  krebsschaden 
für  die  dauer  geheilt,  steht  dahin.  Ueberhaupt  wäre  sehr  zu 
wünschen,  dass  die  schulbehörden  auf  das  Verbindungswesen  in 
schulen  und  gynmasien  ein  strengeres  augenmerk  richteten; 
denn  mit  ihm  zieht  der  ärgste  pennalismus  wieder  ein ;  es 
kommt  auf  gymnasien  wieder  vor,  dass  die  neu  in  classen  auf- 
genommenen durch  Ofenröhren,  gitter  und  dergl.  gezogen  wer- 
den, was  in  einzelnen  fällen  von  den  traurigsten  folgen  für 
knaben  gewesen  ist. 

Strassburg.  Am  l.mai  ist  in  den  wieder  gewonnenen 
reichslanden  die  Universität  Strassburg  von  neuem  gegründet  und 
feierlich  eröffnet  worden.  Die  alte  hochschule,  welche  gleichfalls  am, 

30* 


468  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  9. 

l.mai  1567  ins  leben  trat,  hatte,  obwohl  Strassburg  1681  in  die 
bände  Frankreichs  fiel,  dennoch  deutschen  geist  und  deutsche  wis- 
senschaftlichkeit bewahrt,  bis  sie  1794  ein  opfer  der  revolution 
wurde,  welche,  um  den  eigenen  ausdruck  der  commissäre  Ro- 
bespierre's  zu  gebrauchen,  die  hyder  des  deutscbthums  zu  er- 
würgen sich  beeilte.  Koch,  Schöpflin,  Oberlin,  Schweighäuser, 
die  glänzenden  Vertreter  der  Strassburger  Universität  unmittel- 
bar vor  ihrem  untergange  waren  deutsche  männer ;  Schweighäu- 
ser schreibt  in  einem  briefe  an  Thomas  Tyrwhitt  mit  stolz :  „for  i 
am  of  German  blood".  Die  schöne  feier  fand  in  dem  hofe  des  kaiser- 
lichen Schlosses  statt,  welcher  in  ein  festzelt  umgewandelt  und  reich 
geschmückt  war.  Eine  glänzende  Versammlung  füllte  denselben, 
die  spitzen  der  behörden,  zahlreiche  Vertreter  des  officierscorps, 
der  gemeinderath,  eine  menge  von  ehrengästen,  darunter  ein 
reicher  kränz  von  damen  waren  erschienen.  Die  Studenten  der 
neuen  Universität  und  die  zahlreichen  Studentendeputationen  der 
verschiedenen  hochschulen  nahmen  die  linke  seite  des  saales  ein. 
Hinter  der  rednerbühne  erhoben  sich  tribünen,  auf  welchen  der 
neue  gesangsverein,  eine  gründung  des  tüchtigen  Sering,  musik- 
directors  am  schullehrerseminar ,  und  ein  Orchester  platz  ge- 
nommen hatten.  Um  11  uhr  traten  unter  den  klängen  eines 
marsches  von  Mozart  die  mitglieder  der  neuen  hochschule  nach 
facultäten  geordnet  und  hinter  ihnen  die  deputationen  der  aus- 
wärtigen Universitäten  nach  alphabetischer  reihenfolge  in  den 
festraum.  Die  adressen  der  deutschen  hochschulen  an  ihre  neue 
Schwester,  welche  in  reicher  ausstattung  prangten,  wurden  feier- 
lichst überreicht.  Ausser  fast  allen  deutschen  Universitäten  wa- 
ren aus  Oesterreich  Wien,  Prag,  Graz,  Innsbruck,  aus  der 
Schweiz  Zürich,  Bern,  Basel  durch  deputationen  vertreten.  Nach- 
dem das  Orchester  die  Ouvertüre  zur  weihe  des  hauses  von  Beet- 
hoven in  trefflicher  weise  aufgeführt  hatte,  verlas  der  regierungs- 
präsident  von  Möller  die  kaiserliche  gründungsurkunde  vom 
23.  april  und  hob  unter  herzlichen  glückwünschen  für  das  ge- 
deihen der  neuen  anstalt  die  bedeutung  derselben  für  Deutsch- 
land und  Elsass  hervor.  Hiernach  sprach  der  doctor  Bruch, 
professor  der  theologie ,  ein  Elsässer ,  der  regierung  und  der 
gemeinde  den  dank  für  die  opfer  aus,  die  sie  gebracht  hatten, 
so  wie  dem  staatsmiuister  von  Eoggenbach  für  sein  unermüdli- 
ches wirken,  dem  es  zu  verdanken  sei,  dass  die  Universität 
schon  in  diesem  semester  eröffnet  werden  könne ,  und  be- 
tonte mit  warmen  Worten  seine  zuversichtliche  hoffnung,  dass  die 
Universität  das  grosse  werk  der  Versöhnung  im  Elsass  glück- 
lich vollziehen  werde.  Nach  einem  chore  aus  der  Schöpfung 
von  Haydn  hielt  prof.  Springer  in  meisterhafter  weise  die  fest- 
rede.  Er  entwickelte  die  bedeutung  von  Elsass  für  deutsche 
dichtung  und  Wissenschaft,  indem  er  die  zuhörer  durch  die  ein- 
zelnen   perioden    derselben   führte,    und  entwarf    in  grossen  zu- 


Nr.  9.  Kleine  philologische  zeltung.  469 

gen  ein  Charakterbild  der  deutschen  Wissenschaft,  die  keusch 
und  rein,  nicht  dem  gewinne  und  eigennutze  dient,  sondern  nur 
auf  das  wahre  und  gute  hinarbeitet,  die  nur  baut,  nicht  zer- 
stört. Wenn  er  den  wünsch  aussprach,  dass  die  deutsche  Wis- 
senschaft auch  an  dieser  statte  in  gleicher  weise  segnend  wir- 
ken werde,  so  zeigte  ihm  der  tausendfache  Widerhall  seines 
Schlusswortes  „das  walte  gottu,  dass  sein  wünsch  eigentlich  schon 
jetzt  in  erfüllung  gehe.  An  die  rede  Spriuger's  schloss  sich 
wieder  ein  der  Schöpfung  entnommener  chor  an.  Es  folgten 
die  begrüssungen  der  neuen  hochschule  durch  die  drei  Sprecher, 
welche  die  deutschen,  österreichischen  und  schweizerischen  Uni- 
versitäten für  sich  gewählt  hatten,  professor  Waitz  aus  Göttin- 
gen, prof.  Tomascheck  aus  "Wien,  prof.  Wyss  aus  Zürich,  deren 
worte  ebenfalls  von  der  Versammlung  begeistert  aufgenommen 
wurden,  namentlich  als  Tomaschek  des  einträchtige  zusammenge- 
hen von  Deutschland  und  Oesterreich  betoute  und  Wyss  der 
alten  freundschaft  zwischen  den  Schweizerstädten  und  dem  deut- 
schen Strassburg  gedachte.  Tief  ergriffen  dankte  der  greise 
rector  für  diese  theilnahme,  welche  er  als  einen  kostbaren  schätz 
der  neuen  hochschule  bezeichnete.  Die  Jubelouvertüre  von  Weber 
bildete  den  schluss  des  schönen  festes ,  das  in  ganz  würdiger 
weise  ohne  jeden  missklang  verlief.  Es  wäre  noch  viel  zu 
erzählen  von  dem  festmahle  mit  seinen  trefflichen  trinksprüchen, 
der  zaubervollen  beleuchtung  des  Münsterthurmes,  der  lusti- 
gen fahrt  nach  dem  Ottilienberge,  aber  das  würde  die  grenzen 
dieser  notiz  überschreiten.  Darum  sei  nur  am  Schlüsse  der 
wünsch  für  ein  schnelles ,  glückliches  gedeihen  der  strassburger 
hochschule  ausgesprochen.  Möge  sie  wachsen  und  blühen  und 
männer  schaffen  gleich  jenen  aus  der  schönsten  zeit  ihrer  frü- 
heren blüthe.     Das  walte  gott! 

Konstanz.  28.  juni.  Man  ist  auf  grosse  Überreste  al- 
ter mauer  -  und  festungswerke  gestossen  und  sonstige  römische 
alterthümer ,  welche  letztere  der  städtischen  alterthumssammlung 
im  Rosgarten  einverleibt  sind.  Es  ist  dies  bis  jetzt  der  ein- 
zige anhaltspunkt  dafür,  dass  sich  ehemals  hier  ein  römisches 
castell  befand. 

Luzern.  30.  juni.  Es  sind  pfahlbauten  am  Baldeggersee 
aufgefunden  und  dabei  allerlei  gegenstände  wie  hämmer,  meis- 
sel,  hirschgeweihe,  knocken  von  auerochsen  u.  s.  w. :  sie  werden 
im  museum  zu  Luzern  aufbewahrt. 

Regens  bürg.  30.  juni.  Vom  pfarrer  Dahlem  ist  in 
dem  historischen  verein  von  Oberpfalz  und  Regensburg  ein  Vor- 
trag über  das  bei  Regensburg  entdeckte  römische  leichenfeld 
gehalten  (s.  ob.  nr.  7,  p.  382),  über  den  Deutsch.  Reichsanz. 
nr.  156  beil.  I  berichtet:  derselbe  Reichsanz.  nr.  163  berichtet 
weiter,  dass  die  ausgrabungen  immer  grössere  bedeutung  ge- 
wönnen:   um    den  6.  juli   ist  eine  grosse   uroe  von  glas  gefun- 


470  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  9. 

den,  in  der  sich  ein  reifchen  von  golddraht  birgt,  an  das  eine 
perle  geschnürt  ist;  in  einer  zweiten  urne  fand  man  zwei  fast 
noch  unversehrte  eier,  ferner  in  der  umgegend  knochen  von 
thieren,  eierschaalen,  münzen  drgl. 

Berlin.  In  der  sitzung  der  archäologischen  ges  ell- 
schaft vom  2.  juli  besprach  E.  Curtius  zuerst  das  neu  erschie- 
nene werk  von  Richard  Schöne  über  griechische  reliefs 
und  machte  auf  den  reichen  inhalt  desselben  aufmerksam,  in- 
dem er  besonders  auf  die  plastische  ausstattung  der  öffentlichen 
schrifturkunden  und  die  sogenannten  melischen  thonreliefs  nä- 
her einging.  An  die  letzteren  anknüpfend,  legte  er  einige  von 
ihm  neuerdings  für  das  museum  erworbene  thonreliefs  vor,  na- 
mentlich eine  gruppe  von  Eos  und  Kephalos,  wie  sie  in  ähnli- 
cher weise  auf  dem  dache  der  königshalle  vorzustellen  ist;  zwei- 
tens eine  tafel  aus  Melos,  welche  eine  sterbend  zusammensin- 
kende frau  darstellt,  die  von  einem  hinter  ihr  stehenden  manne 
gehalten  wird;  drittens  eine  terracotta  aus  Olympia,  das  mo- 
dell  einer  spiegelkapsel ,  Aphrodite  und  Adonis  in  rundem  re- 
lief  darstellend.  —  Engelmann  sprach  sodann  über  die  in  vie- 
len exemplaren  erhaltene  statue  des  Amor  mit  dem  bogen. 
Während  die  erklärung  von  Friederichs  über  die  handhabung 
des  bogens  allgemeinen  beifall  gefunden  hat,  ist  seiner  deutung, 
dass  Amor  nicht  seinen  bogen,  sondern  den  des  Herakles  spanne, 
mehrfach,  und  zwar  mit  recht,  widersprochen  worden.  Der  letzte, 
der  darüber  gehandelt  hat,  L.  Schwabe  (s.  Phil.  Anz.  II,  p.  105),  hat 
zugleich  eine  Zusammenstellung  der  vorhandenen  exemplare  der 
statue  gegeben,  in  welcher  sich  jedoch  einige,  die  nur  in  kata- 
logen  als  bogenspannend  bezeichnet  werden ,  fälschlich  aufge- 
zeichnet finden,  nämlich  die  aus  der  Galleria  Lapidaria  des  Va- 
tikans (nr.  211)  und  die  aus  dem  Museo  Chiaramonti  (nr.  653). 
Erstere  stellt  einen  trunkenen  Eroten  aus  der  spätesten  zeit 
der  kunst,  letztere  zwar  einen  bogenspanner ,  aber  von  einem 
ganz  anderen  typus  dar.  Es  giebt  zwei  verschiedene  auffassun- 
gen  des  Amor  mit  dem  bogen,  die  zweite  durch  jene  statue 
des  Museo  Chiaramonti  und  durch  die  von  Friederichs  publi- 
zirte  berliner  gemme  vertreten ,  zu  denen  der  vortragende  als 
drittes  beispiel  das  reliefbild  einer  in  Corfu  gefundenen  und  in 
seinem  besitz  befindlichen  lampe  hinzufügen  konnte.  Mit  bezug 
auf  den  ursprünglichen  künstler  bemerkte  er  noch,  dass  der 
berühmte  Eros  des  Praxiteles  in  Thespiä  entweder  gleich  oder 
wenigstens  ganz  ähnlieh  aufgefasst  gewesen  sein  muss,  da  er  nach 
den  epigrammen  den  bogen  hielt,  aber  noch  nicht  schoss,  son- 
dern sich  nach  einem  ziele  umsah  (noXX1  ä.Teri£6[teing).  Der 
umstand,  dass  von  dem  thespischen  Eros  mehrere  nachbildungen 
erwähut  werden  (eine  von  Menodoros  aus  Athen,  eine  andre  im 
sacrarium  des  Heius  in  Messina)  könnte  zu  dem  gedanken  ver- 
leiten, die  beiden  erhaltenen  typen  des  bogenspanuers  mit  dem 


Nr.  9.  Kleine  philologische  zeitung.  47t 

praxitelischen  Eros  und  seinen  nachbildungen  in  Zusammenhang 
zu  bringen;  doch  behielt  dies  der  vortragende  einer  genaueren  Un- 
tersuchung vor.  Zugleich  legte  er  die  abgüsse  und  Zeichnungen 
zweier  alterthiimlichen  athenischen  werke,  eines  terrakotten- 
reliefs  und  eines  reliefs  aus  marmor,  beide  eine  frau  dar- 
stellend, vor. —  G.  Wolff  legte  Stephani's  jüngst  erschienenen  kata- 
log  der  antik ensammlung  des  grossfürsten  Konstantin.  Niko- 
lajewitch  zu  Pawlowsk  (aus  den  Memoiren  der  petersburger 
akademie  von  1872)  und  die  dazu  gehörigen  bemerkungen  dessel- 
ben (im  Bulletin  derselben  akademie  von  1872)  vor  und  besprach 
kurz  den  inhalt.  —  Hübner  legte  zuerst  die  jüngst  erschienenen 
hefte  der  pariser  Revue  archeologique  vor ,  welche  seit  dem  juli 
1870  unter  den  ausliegenden  novitäten  der  gesellschaft  gefehlt 
haben.  Er  hob  ferner  hervor,  dass  der  seit  dem  krieg  unter- 
brochene austausch  dieser  Zeitschrift  gegen  das  organ  der  ge- 
sellschaft, die  archäologische  zeitung  aus  freiem  antriebe  von 
den  herausgebern  der  revue,  ohne  dass  von  hier  aus,  wie  selbst- 
verständlich, irgend  welche  dahingehende  schritte  gethan  wor- 
den seien,  wieder  aufgenommen  worden  ist  und  begrüsste  darin 
ein  erfreuliches  sympton  für  die  allmähliche  Wiederherstellung 
des  wissenschaftlichen  Verkehrs  mit  Frankreich.  Derselbe  zeigte 
ferner  noch  zwei  andere  arbeiten  französischer  gelehrter,  näm- 
lich die  erste  hälfte  von  Waddingtons  ausführlichem  werk  Faates  des 
provinces  asiatiques  de  Vempire  Romain  jusqu'au  regne  de  Diocle- 
tien,  welches  aus  Schriftstellerzeugnissen,  inschriften  und  münzen 
einen  wichtigen  theil  der  römischen  geschichte  vom  jähre  131 
v.  Chr.  an  neu  aufbaut,  und  eine  studie  Leblant's,  Recherches 
sur  V accusation  de  magie  dirigee  contre  les  premiers  chritiens  (aus 
dem  31.  bände  der  Memoiren  der  Antiquaires  de  France),  welche 
mit  berücksichtigung  der  antiken  Zeugnisse  über  magie  beson- 
ders des  Apulejus  in  seiner  bekannten  schrift,  und  des  Vorkom- 
mens von  zauberstäben  auf  antiken  darstellungen  das  gleiche 
vorkommen  auf  den  altchristlichen  fresken,  gläsern  und  Sarko- 
phagen als  mitwirkendes  motiv  zu  jenen  anklagen  hervorhebt. 
Endlich  besprach  derselbe  kurz  die  so  eben  erschienene  abhand- 
lung  von  Veit  Valentin  über  die  melische  Venus  (die  hohe 
frau  von  Milo;  eine  ästhetische  Untersuchung.  Mit  vier  tafeln 
geometrischer  Zeichnungen.  Berlin,  1872.  4.)  Der  vortragende 
sah  sich  genöthigt,  bei  aller  anerkennung  für  den  umständlichen 
fleiss,  mit  welchem  die  besprochene  statue  hier  von  neuem  be- 
handelt worden  ist,  zu  konstatiren,  dass  damit,  seiner  Überzeu- 
gung nach,  die  frage  nach  der  ursprünglichen  komposition  und 
bedeutung  derselben  um  nichts  wesentliches  gefördert  sei;  ins- 
besondere musste  er  die  versuchte  restauration  (mit  einem  schrei- 
tenden mann,  „etwa  Mars ",  welcher  der  göttin  das  schon  sin- 
kende gewand  gänzlich  herabzureissen  sucht)  als  verfehlt  be- 
zeichnen. —  Erwähnt  wurde  endlich  noch  der  diesjährige  bericht 


472  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  9. 

über  die  Verwaltung  des  britischen  museums,  welcher  Newton 
verdankt  wird.  Die  Sammlungen  griechischer  und  römischer 
alterthümer  sind  dieses  mal  nicht  so  stark  vermehrt  worden, 
wie  in  den  letzten  jähren;  dagegen  hat  die  Sammlung  von  in 
England  selbst  gefundenen  alterthümern  durch  ihren  eifrigen 
vorstand,  hrn.  Franks,  einige  sehr  erhebliche  bereicherungen  er- 
fahren. Endlich  wurde  Overbeck's  grosser  bilderatlas  zu 
dessen  werke  über  den  Zeus  vorgelegt;  eine  besprechung  der 
einzelheiten  einer  so  umfangreichen  und  im  format  nicht  so 
handlichen  publikation  musste  jedoch  für  spätere  Sitzungen  ver- 
schoben werden. —  E.  Curtius  legte  seine  durch  die  lithographi- 
schen arbeiten  lang  verzögerten  „beitrage  zur  geschichte 
und  topographie  Kleinasiens"  vor,  in  gemeinscbaft 
mit  major  Regely,  baurath  Adler,  Dr.  Hirschfeld  und  Dr.  Gei- 
zer gemachte  erforschungen ,  welche  auf  dem  boden  von  Ephe- 
sos,  Pergamon,  Alt-Smyrna  und  Sardes  vorgenommen  sind. 
Endlich  legte  er  noch  den  abdruck  einer  mine  von  Antiochia 
vor,  mit  dem  anker  der  Seleuciden,  einem  schiffe  als  neben- 
stempel ,  den  namen  der  agoranomen  und  der  angäbe  des 
jahres.  —  Heydemann  legte  die  aus  dem  nachlass  des  ver- 
storbenen professors  C.  Friederichs  erschienenen  Reis  ebri  efe 
aus  Griechenland,  dem  Orient  und  Italien  (Düssel- 
dorf 1872)  vor,  welche  ein  anschauliches  bild  von  dem  enthu- 
siasmus  gewähren,  mit  dem  der  Verfasser  sich  seiner  Wissen- 
schaft hingegeben  hat.  Ferner  theilte  er  die  durchzeichnun- 
gen  einiger  vasenfragmente  aus  Ruvo  mit,  die  eine 
prozession  der  Adonisfeste  darzustellen  scheinen.  Näheres  dar- 
über wird   die  archäologische  zeitung   1872   bringen. 

Berlin.  Der  rücktritt  Kiessling's  vom  Joachimsthal'- 
schen  gymnasium.  Nachdem  das  lehrercolleginm  schon  am  3.  juli 
zu  ehren  des  scheidenden  directors  ein  abschiedsmahl  im  englischen 
hause  veranstaltet  hatte,  versammelten  sich  am  5.  juli  abends  8uhr 
lehrer  und  schüler  in  der  aula  der  anstalt ,  um  dem  seitheri- 
gen haupte  ein  feierliches  lebewohl  zuzurufen.  Die  feier  wurde 
durch  den  gesang  zweier  verse  des  liedes  ,,von  gott  will  ich  nicht 
lassen"  eingeleitet.  Darauf  hielt  der  direktor  (proviuzialschul- 
rath  Dr  Kiessling)  die  letzte  seiner  stets  durch  ihren  reichen 
und  klassisch  stilisirten  inhalt  ausgezeichneten  reden;  er  führte 
in  kürze  aus,  mit  welchen  absiebten  er  das  mühevolle  amt  über- 
nommen, wie  er  hoffe,  dass  es  gute  fruchte  getragen  habe  und 
noch  tragen  werde.  Er  habe  aber  in  der  letzten  zeit  eine  ab- 
nähme seiner  kräfte  gespürt  und  deshalb  das  ihm  so  lieb  ge- 
wordene amt  aufgegeben.  Daran  knüpfte  er  heisse  Segenswün- 
sche für  das  Wohlergehen  der  alten  schule,  des  Vaterlandes  und 
seines  erlauchten  monarchen ,  des  nachkommens  der  grüuder 
des  Joachimicum.  Zuletzt  bat  er  den  allmächtigen  auch  um 
heil  und  segen  für   seine   person.      Auf    diese    rede  folgte  eine 


Nr.  9.  Kleine  philologische  zeitung.  473 

kurze  antwort  unseres  collegen  0.  Schmidt,  der  zeit  ersten 
professors,  in  der  die  Verdienste,  die  sich  der  scheidende  leiter 
während  seiner  fünfzehnjährigen  direktion  um  die  förderung  der 
gelehrten  Studien  unter  derjugend,  um  die  bildung  tüchtiger  Cha- 
raktere und  um  das  zusammenwirken  derlehrer  erworben  habe,  tref- 
fend hervorgehoben  wurden.  Dann  gab  sie  dem  grossen  schmerze 
der  lehrer  und  schüler  ausdruck ,  um  dem  abtretenden  chef 
schliesslich  lauge  und  gesegnete  müsse  und  erholung  zu  wünschen 
und  ihn  zu  bitten,  auch  ein  äusseres  zeichen  unserer  Verehrung, 
einen  tafelaufsatz,  anzunehmen.  Nachdem  dann  die  chorklasse 
einen  psalm  gesungen  hatte  ,  folgte  eine  kurze  anrede  des  pri- 
mus  omnium  im  namen  der  schüler ,  die  der  direktor  in  herzli- 
chen worten  beantwortete.  Drei  verse  des  liedes  „ich  singe 
dir  mit  herz  und  mund"  schlössen  die  schöne  feier.  Noch 
will  ich  erwähnen,  dass  auch  die  schüler  ihrer  lateinischen 
valedictionsepistel  ein  kostbares  geschenk  (eine  stutzuhr)  beige- 
fügt hatten.  So  schied  ein  mann  aus  unserer  mitte,  dessen  hu- 
maner charakter  und  praktische  tüchtigkeit  bei  umfassendem 
wissen  stets  in  dankbarster  erinnerung  der  schüler  und  colle- 
gen leben  wird.  Kiessling  war  43  jähre  im  amte;  er  hatte  in 
Halle  studirt,  war  dann  in  Halle,  Zeitz,  Hildburghausen  und 
Posen  als  lehrer  und  direktor  thätig.  Von  Posen  kam  er  als 
provinzialschulrath  nach  Berlin.  Die  Sehnsucht,  wieder  in  le- 
bendigen verkehr  mit  der  jugend  zu  treten,  liess  ihn  aber  schon 
1857  die  stelle  als  schulrath  aufgeben,  um  das  ihm  angebotene 
direktorat  des  Joachimsthalschen  gymnasiums  an  stelle  des  ab- 
tretenden H.  Meineke  zu  übernehmen.  Vom  1.  juli  1857  bis 
zum  1.  juli  a.  c.  leitete  er  die  anstalt. —  Daran  knüpfen  wir: 
Gustavo  Kiesslingio  |  amico  fidelissimo  |  exacta  gloriosissime  ae- 
tate  |  in  otium  recedenti  j  hoc  pietatis  summique  amoris  do- 
cumentum  |  D.  D.  |  Mauritius  Seyffertus.  |  Postdamiae,  mense 
Iunio  a.  MDCCCLXXH. 

Quam  vellem  veteri  numine  percitus 

Laudes  posse  Tuas  plenius  aureis 

Inspirans  fidibus  ferre  sub  aethera 

Et,  quod  longa  Tibi  materies  iubet, 
5  Passim  Pieridum  prata  perambulans 

In  sertum  innumeros  nectere  flosculos. 

Sed  pridem  prohibet  me  nemorum  sacris 

Arcetque  Aonio   fönte  deus  potens 

Inclusum  tenebris  pallidulae  domus, 
10  Tristi  cum  senio  quam  subiit  lues, 

Imis  implicitum  visceribus  malum. 

Ergo  quid  faciam  perditus  ac  miser? 

Scriberis  aliis  nempe  valentibus 

Immortalis  honos  ac  patriae  decus, 
15  Artes  ingenuas  remque  scholasticam 


474  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  9. 

Dum  vel  consilio  vel  cathedra  iuvas 
Et  miti  sapiens,  quisquis  eget  Tui, 
Grermanus  recreas  alloquio  pater, 
Aut  monstras  pueris  atque  aperis  vias 
20  Ad  vitae  facilis  raunera  publicae. 
Me  libare  decet  talis  adoreae 
Summas  ac  memorem  pectore  prosequi. 
Sed,  quod  res  patitur  nee  deus  abnegat, 
Pro  dono  pretium  non  operosius 
25  Effictumque  manu  possumus  addere, 
Quod  pro  me  faciat  verba  disertius. 
Ergo  propitiis,  quid  velit  hie  scyphus 
Simplex  munditiis,  auribus  aeeipe. 
Qualis  forma  scypho ,  sie  niteant  Tibi 
30  Et  puri  redeant  perpetuo  dies, 
Dum  fessum  assidua  militia  latus 
Tranquillo  relevas  abditus  otio. 
Quod  cum  neetarei,  quos  sibi  proprios 
Deposcit,  latices  imbuerint  scyphum, 
35  Sumens  innocui  munera  Lesbii. 

Hinc  ducas  animos  et  Senium  grave 
Longe  distineas  quidquid  habet  mali. 
Sic  laeta  poteris  mente  resuscitans 
Exactis  iterum  temporibus  frui, 
40  Haerens  in  gremio  coniugis  unicae, 
Ac,  dum  plena  vides  plurima  gaudii, 
Et  nostri  memorem  spargere  lacrimam. 
Hanau,  10.  juli.     In    der    nähe    von  Hanau,    bei  dem 
dorfe  Rückingen  sind  aschenkrüge,    steine  mit  dem  zeichen  der 
XXII  römischen  legion  u.  s.  w.  gefunden ,    woraus    sich  auf  ein 
Standquartier  der  Römer    schliessen    lässt.      Schon    früher    sind 
reste  eines  bades  und  gräber  in  dieser  gegend  gefunden. 

Berlin,  13.  juli.  Ueber  den  letzten  ausbruch  des  Ve- 
suv veröffentlicht  prof.  Palmieri,  director  des  Observatorium 
in  Neapel  einen  bericht  unter  dem  titel:  Incendio  Vesuviano  del 
26e  Aprile.  1872,  wovon  eine  deutsche  Übersetzung  von  Dr 
C.  Rammeisberg  in  Berlin  bei  Denicke  erscheint. 

Köln,  14.  juli.  Vorige  woche  sind  in  der  nähe  der  villa 
Weisshaus  mehrere  steinerne  sarge  ausgegraben;  man  vermu- 
thet  es  seien  römische. 

Augsburg,  19.  juli.  In  der  tiefe  von  fünfzehn  fuss 
fand  man  bei  legung  des  fundaments  des  justizpalastes  eine 
broncemünze  aus  3.  jahrh.  p.  Chr. ,  eine  vase  von  schwarzem 
thon,  einige  backsteine,  gerippe  von  thieren:  diesem  orte  ge- 
genüber lag  der  tempel  des  Pluto  und  der  Proserpina,  mit  de- 
ren kult  man  diese  gegenstände  in  Verbindung  bringen  möchte. 
Nach   dem  Deutsch.  Reichsanzeig.  n.  175    haben    die    aus- 


Nr.  9.  Kleine  philologische  zeitung.  475 

grabungen  in  Athen  zu  dem  resultat  geführt,  dass  die  nörd- 
liche ringmauer  als  die  von  Themistokles  aufgeführte  anerkannt 
worden  ist.  Man  fand  in  derselben  neuerdings  verschiedene 
materialien,  grabsteine  und  dergleichen  ungebräuchliche  aushül- 
fen, die  man  in  der  eile  zusammenraffte  und  mit  eingebaut  hat, 
wie  aus  den  alten  bekannt. 

Karlsruhe,  30.  juli.  Der  ägyptologe  Eisenlohr  hat 
die  von  Harris  aufgefundene  4072  meter  lange,  4272  centime- 
ter  breite  papyrosrolle  untersucht  und  gefunden ,  dass  sie  sich 
auf  die  geschichte  von  Ramses  III  (Rampsinit  bei  Herodot)  be- 
zieht: näheres  giebt  der  Deutsch.  Reichsanz.  nr.  179,  beil.  1; 
auch   Augsb.  Allg.  Ztg.  a.  c.  beil.   zu  nr.   245. 

München.  Der  Speisezettel  des  am  1.  august  bei  dem 
Jubiläum  zu  München  im  odeonssale  veranstalteten  festmahles 
war  lateinisch  abgefasst  und  lautet  nach  der  Augsb.  Allg.  Ztg. 
a.  c.  beil.  zu  nr.  217   wie  folgt: 

Symposium.  Gustatio:  pisciculi  oleo  perfusi  et  salmo- 
nes  fumo  siccati  ad  cibi  appetentiam  excitandam.  Mensa  prima: 
ius  pingue  testudinaceum,  carnali  succo  Liebigiano  conditum. 
Salmones  Danubiani,  qui  Rhenanos  saporis  gratia  facile  vincunt, 
cum  liquamine  et  bulbis  rotundis  Americanis.  Bovini  lumbi 
assi,  omnibus  horti  olitorii  deliciis  coronati.  Caro  ferina  inter 
fungos  natans,  opere  pistorio  inclusa.  Squillae  cum  vitellis,  oleo 
et  aceto  in  unum  mixtis.  Capones  pingues  ex  incluta  urbe 
Ratisbonensi  advecti.  Pisa  novella  coctura  Apiciana  macerata. 
Mensa  secunda.  Placenta  maior  dulciaria ,  opere  tectorio  sigillis 
aliisque  artificiis  mirabilem  in  modum  ornata.  Fi^ura  pueruli 
Monacensis  (a  barbaris  dicti  „münchener  kindl")  Praxitelis  in- 
genio  inventa  et  ipsius  manu  expressa,  quae  ut  Alpes  trans- 
cendit  —  prob  dolor!  —  frigorum  vi  correpta  et  conglaciata 
est.  Frugum  regionis  glacialis  genera  varia,  botanicorum  oculis 
et  studiis  nunc  primum  proposita.  —  Vinum  dulce  Hispanicum; 
molle  Silvestre;  mite  Burdigalense;  fortius  Palatinum  ex  vineto 
Iesuitarum  depromptum;  ex  Castro  Rosario  oriundum;  spumans 
Campanum. 

Weimar,  2.  august.  In  Capua  ist  eine  vase  aufgefun- 
den worden,  welche  man  mit  der  332  a.  Chr.  den  Siegern  in 
spielen  zu  Athen  gegebenen  identificirt ;  neben  ihr  fand  man 
das  skelett  eines  mannes.  Auf  der  einen  seite  dieser  amphora 
steht  die  athenische  Pallas  zwischen  zwei  säulen  und  schleudert 
einen  wurfspiess,  auf  jeder  säule  eine  Victoria;  auf  der  andern 
seite  ist  eine  ringergruppe  dargestellt,  dazu  ein  jüngling ,  der 
dem  kämpf  zusieht,  ein  Schiedsrichter,  ein  greis  mit  einem  stabe. 
Oben  steht  der  name  des  ersten  archonten  des  j.  332  und  die 
worte  „belohnung  von  Athen".     Weira.  Ztg. 

London,  2.  aug.  Ein  grosses  stück  einer  säule  vom 
tempel  der  Diana  zu  Ephesos,  das  umfangreichste,  was  bis  jetzt 


476  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  9. 

von  diesem  gebäude  nach  England  gekommen,  ist  dieser  tage 
nach  dem  British  Museum  gebracht.  Zehn  pferde  waren  zum 
transport  nöthig :  vrgl.  Deutsch.  Reichsanz.  nr.  187  beil.   1. 

München,  7.  aug.  Die  in  München  erscheinende  „Ge- 
meindezeitung" hat  dem  universitäts -Jubiläum  eine  eigne  fest- 
nummer  gewidmet  mit  einem  aufsatz  von  E.  von  Destouches: 
„die  stadt  München  in  ihren  äussern  beziehungen  zur  Universi- 
tät": jetzt  bringt  sie  in  ihren  nummern  vom  6.  august  von 
demselben  Verfasser  als  nachklänge  zum  universitäts -Jubiläum 
einige  artikel  „über  die  grossen  stadtfeste  in  München  seit  dem 
14.  Jahrhundert".  Das  älteste  urkundlich  nachweisbare  fest  der 
art  war  der  siegeseinzug  Ludwig  des  Bayern  nach  der  schlacht 
bei  Ampfing  im  november  1322.  Es  ist  sehr  erfreulich  zu  sehen 
wie  in  unserer  so  materiellen  zeit,  die  stadt  München  an  dem 
ehrentage  ihrer  Universität  sich  so  lebhaft  betheiligt;  zugleich 
möchten  wir  letzterem  aufsatz  um  deswillen  auch  jetzt  viele  Ver- 
breitung wünschen,  damit  von  den  vorvordern  unsre  gegenwart 
lerne,  wie  Volksfeste  eingerichtet  werden  sollen ;  denn  das  scheint 
unre  zeit  ganz  verlernt  zu  haben. 

AUSZUEGE  aus  Zeitschriften :  Archäologische  zeitung  herausgege- 
ben von  JE.  Hübner,  bd.  IV.  heft  4,  1872:  R.  Schöne,  reliefgruppe 
in  Marsala,  mit  taf.  51  ;  p.  133,  dazu  nachtrag  p.  188.  —  Matz, 
goldschaale  von  Pietraossa,  mit  taf.  52;  p.  135 ;  wird  auf  Triptolemos 
und  Segnungen  der  eleusinischen  gottheiten  bezogen.  —  Ad.  Michae- 
lis ,  griechische  grabreliefs,  mit  taf.  53,  53a;  p.  138;  auch  wegen  der 
daselbst  behandelten  inschriften  zu  beachten.  —  H.  Heydemann,  das 
morraspiel,  mit  taf.  56;  p.  151.  —  H.  Heydrmann ,  Iason  bei  Aie- 
tes,  vasenbild  aus  Rufo,  p.  154.  —  H.  Heydemann,  darstellungen 
aus  dem  mythos  der  Phädra  und  des  Hippolytos,  p.  157.  —  Mise  ei- 
len: J.  Friedender,  über  das  von  hrn  prof.  Wieseler  gefundene 
»bisher  nicht  richtig  erkannte  wichtige  attribut  des  Vulcanus,  »p.  162: 
weist  nach ,  dass,  was  Wieseler  für  den  omphalos  hält,  ein  hut  ist. 
—  A.  Conze,  zu  taf.  47,  p.  163:  s.  ob.  p.  431 :  bestätigt  Heydemann's 
erklärung.  —  P.  Pervanoglu ,  zur  topographie  Athens,  p.  164.  —  G. 
Willmanns,  bonner  inschriftensteine,  p.  165.  —  H.  Bergan,  antiken- 
fund  in  Nürnberg,  p.  166.  —  H.  Heydemann ,  zum  urtheil  des  Pa- 
ris, p.  167.  —  H.  H. ,  Museo  Espagnol  de  antiauedados ,  p.  167.  — 
H.  Heydemann ,  zusatz  zu  dieser  zeitung  1871,  p.  11,  p.  168:  be- 
zieht eine  vase  auf  Memnon's  kämpf  mit  Achilles.  —  H.  Heyde- 
mann, Kurze  beschreibung  der  vasensammlung  könig  Ludwig  des  I, 
p.  169:  kurze  anzeige. —  H.  Schliemann,  inschriften  aus  Neu-Ilion,  p. 
169:  drei  sollen  aus  den  letzten  Jahrhunderten  v.  Chr.  sein.  —  I. 
Becher,  römische  inschriften  aus  Deutschland,  p.  171.  —  Sitzungs- 
berichte der  archäologischen  gesellschaft  in  Berlin,  p.  172. —  Chro- 
nik der  Winkelmannsfeste,  p.  175.  —  E.  Merzbacher,  litera- 
turbericht,  p.  180:  es  wäre  gut  gewesen,  das  datum  der  abfassung 
dieses  berichtes  anzugeben:  denn  er  ist  sehr  unvollständig.  —  Ver- 
zeichniss  der  mitarbeiter,  p.186. —  JE.  Curtius,  neue  funde  aus  Klein- 
Asien  und  Griechenland:  zwei  inschriften:  1)  eine  aus  Smyrna ,  aus 
der  zeit  des  Lysimachos ,  wo  nach  dem  aufbau  von  Smyrna  der  alte 
bund  der  ionischen  städte  wieder  hergestellt  ist;  sie  lautet,  nach  Ku- 
manudes,  der  sie  in  Palingenesia  vom  15.  april  veröffentlicht: 


Nr.  9.  Auszüge  aus  Zeitschriften.  477 

sdoZtv  'Iojpcov  tw  xotyw  tüv  iQt[ioxa£]dixcc  nöksav  Imi&ri  InnödTQct- 
tos  cInn[odq][xov  Mvkrjßiog  ffikög  wV  rov  ßa6ikm\g  Avci\fxd^ov  xai  ctqcc- 
trjyog  Ini  tuü/li  n[oXtu>v]  xai  xoivr,  ndct  xq<ü[i£VOQ  dianktl'  dya[xtf,  i&]xfl 
dtdü^&ui  tw  xowui  '/7in 6[cTQtt\iov  'Imioö'r/juov  Mikitßiov  dqttrig  iyt[xa  xai] 
tvvoiag  tjy  iyuiv  diaitkti  nqbg  10  xoiv]uy  twV]  'lutvwv  xai  tlvai  avtbv 
cnikrj  navmv  i\y  raig]  nöktot  Talg  twV  '/wVwj>*  lavra  dt  vtikq\j(uv\  cIti- 
nooTQÜTO)  uvtw  xai  Ixyövotg'  GT>joa[i  dt  av]rov  xai  tixüva  %akxrtv  $q>'  in- 
nov  iu  üavKJi\yi(p\ '  tkiaüoi,  dt  nöktig  dvo  ydr/ ,  ainvtg  in^i/utk^Gourai 
bnwg  av  >i  tlxmv  tj  '  Innocrtjaro\y  6ia\&fi  xuia  Tuyj>g,  Xva  xai  ol  komol 
nuvTtg  [tidü)]6iv,  ön  ol  viWs?  tovg  xakovg  xai  dya&oi>\4\  üvdqag  xai  XQtiafi 
naQfYOfievovg  ial[g  nükt]oi  nfiüSci  dwyiulg  zaig  nQogrjxovaut.g'  \^avti/ty\xtiv 
dt  txaaiovg  iw/u  ßovkiviiov  tu  &y\yu)0{At\va* ImGt  tig  rag  Idiag  nvktig,  vnwg 
vna[(>Yij  £v\  rdig  dtjfxooloig  (lyaytyQuju/utva  tc'c  l\yv(üd\fjtsva  vnö  'Iujvojv 
to  dt  döyfxa  tudt  \civa\yyuipat,  tig  to  ßäd-Qov  Ttjg  tixoyog  tijg  —  — .  2)  In 
Sparta  hat  man  eine  iebensgrosse  männliche  marmorstatue  mit  abge- 
schlagenem köpf  gefunden,  auf  deren  kreisförmigen  basis  zu  lesen  sein 
soll:  KJAV  VPAZUA  TON  llATKPA.  Das  kenotaphion  des  Bra- 
sidas    erwähnt  Paus.  III,  14,  1  bei  dem  theater. 

Augsburger  allgemeine  zeitung ,  beil.  zu  nr.  205.  207.  208 :  das 
studium  der  frauen  mit  besonderer  rücksicht  auf  das  studium  der 
medicin.  I — V. —  Schopenhauer  und  Hartmann.  —  Nr.  206.  207.  208 : 
zur  religiösen  einigung  der  deutschen  nation.  I.  II.  III.  —  Beil.  zu  nr. 
206 :  das  neue  Italien  und  seine  kunstschätze.  —  Schopenhauer  und 
Hartmann  (schluss).  —  Stanley's  Livingstone  -  espedition  :  weist  Stan- 
ley viele  fehler  und  Unrichtigkeiten  nach.  —  Nr.  209:  die  auswei- 
sung  der  Jesuiten  und  ihre  gründe.  —  Die  haltung  des  klerus  in 
Braunsberg.  —  Beil.  zu  nr.  209.  nr.  210.  nr.  212:  M.  W.,  das  stu- 
dentenleben  auf  der  Ludwig.  Maximilians  -  Universität.  Ein  beitrag 
zu  der  vierhundertjährigen  Jubelfeier  derselben:  holt  sehr  weit  aus 
und  berichtet  von  dem  treiben  in  Ingolstadt,  geht  dann  zur  verle- 
guDg  der  Universität  nach  Landshut  (1800)  über,  spricht  vom  dorti- 
gen Verbindungswesen ,  sucht  das  mangelnde  interesse  an  der  bur- 
schenschaft  zu  erklären  und  kommt  so  zu  der  1826  erfolgten  Über- 
siedlung nach  München  ui)d  der  geschichte  der  dortigen  Verbindungen: 
verherrlicht  wird  durch  diese  artikel  weder  die  regierung  noch  die 
Universität.  —  Nr.  210:  England  im  kämpfe  mit  der  kirche.  —  Die 
schulen  in  Posen. —  Nr.  212:  Stanley  als  retter  Livingstone's :  vrgl. 
auch  nr.  218,  beil.  zu  nr.  219.  —  Beil.  zu  nr.  212:  ein  brief  Living- 
stone's: giebt  nachricht  von  der  Wasserscheide  im  südlichen  Central- 
africa;  sie  ist  über  700  englische  meilen  lang,  die  in  ihr  zahllosen 
quellen  laufen  in  vier  grosse  flüsse  zusammen  und  diese  münden  in 
zwei  mächtige  ströme  im  grossen  Nilthal;  ausserdem  berichtet  vf. 
von  vier  seen  und  kommt  auf  die  bei  Herodot  II,  28  erwähnten  quellen 
des  Nils;  doch  ist  da  der  bericht  nicht  ganz  deutlich.  (Vgl.  unt.  r.  10). 
—  Beil.  zu  nr.  213:  Versammlung  der  deutschen  anthropologischen  ge- 
sellschaft  in  Stuttgart. —  Nr.  214:  Stellung  der  regierung  zum  zweithei- 
lungsproject  der  prager  Universität. —  Beil.  zu  nr.  214:  volksgeist  und 
Volksbildung.  —  Die  vierhundertjährige  Jubelfeier  der  Universität 
München.  I.  —  Nr.  215:  Jubelfeier  der  Universität  München.  —  Nr. 
216,  beil.  zu  nr.  216,  nr.  217,  die  vierhundertjährige  Jubelfeier  der 
Universität  München  IL  III.  IV.  V  :  es  werden  die  dabei  gehaltenen 
reden  und  toaste  u.s.w.  auch  mitgetheilt. 

Ephemeris  epigraphica  1872  fasciculus  secundus:  G.  Wil- 
manns:  de  praefecto  castrorum  et  praefecto  legionis  (p.  81  — 105) 
weist  nach  chronologischer  Zusammenstellung  der  auf  diese  Offiziere 
bezüglichen  Zeugnisse  aus  Schriftstellern  und  inschriften  nach,  dass  die 
praefecti  castrorum  von  August  bis  Septimius  Severus   bestanden   ha- 


478  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  9. 

ben  und  seit  dieser  zeit  praefecti  legionis  genannt  worden  sind.  Ue- 
ber  die  functionen  und  carriere  dieser  Offiziere  finden  sich  manche 
werth  volle  bemerkungen.  —  W.  Wittenberg  er,  de  ütulis  nonnullis 
Atticis  ad  res  romanas  spectantibus  *)  (p.  106  — 117) :  bespricht  und  er- 
gänzt fünf  inschriften  aus  der  ersten  kaiserzeit,  die  zum  grösseren 
theil  historisch  bedeutende  persönlichkeiten  betreffen ;  philologisch 
von  besonderem  interesse  ist  die  zweite  inschrift,  da  aus  inr  hervor- 
geht, das  virgo  Vestalis  griechisch  durch  laoä  nagd-wog  wiedergegeben 
und  ferner ,  wie  Dittenberger  nachgewiesen  hat ,  bei  Tacit.  Ann.  II, 
48:  Vibidium  Virronem  statt  Varronem  zu  lesen  ist.  —  F.  Bor- 
mann, de  quorundam  aedißciorum  publicorum  urbis  JRomae  titulis  (p. 
118—122):  knüpft  an  vier  stadtrömische  inschriften  topographisch -hi- 
storische bemerkungen  an  und  weist  nach,  dass  aus  den  von  dem 
Anonymus  Einsiedlensis  noch  vollständig  kopirten  inschriften  auf  dem 
drei-säulen-  und  acht-säulen-tempel  in  Rom  mit  Sicherheit  geschlos- 
sen werden  kann,  dass  der  erstere  dem  Vespasian,  der  zweite  dem 
Saturnus  geweiht  gewesen  sei.  Es  darf  diese  bestrittenste  aller  fra- 
gen aus  der  römischen  topographie  durch  die  bündige  beweistührung 
Bormann's  als  definitiv  erledigt  betrachtet  werden.  —  Th.  Monim- 
sen:  observationes  epigraphicae  n.  5 — 8  (p.  123 — 150):  5)  de  Diocle- 
tiani  collegarumque  nominibus  erasis;  6)  quinquefascalis  titulus  Cistensis; 
7)  de  titulis  C.  Octavii Sabini  cos.  a.p.  Chr.  CCXIV;  mit  vergleichender 
erörterung  der  senatorischen  ämtercarrieren  im  anfange  des  dritten  Jahr- 
hunderts; 8)  titulus  Atticus  Frugi  et  Piso?iis,  an  den  der  verf.  wichtige 
bemerkungen  über  die  Calpurnii,  Pisones  und  Licinii  Crassi  im  ersten 
Jahrhundert  n.  Chr.  knüpft  und  nachweist,  dass  das  cognomen  Frugi 
seit  dem  anfange  der  kaiserzeit  bei  den  Calpurnii  Pisones  nicht  mehr 
erscheine ,  sondern  auf  die  Licinii  Crassi,  wahrscheinlich  durch  adop- 
tion  übergegangen  sei ;  zuerst  tritt  es  bei  M.  Licinius  Crassus  Frugi 
cos.  27  auf,  den  Mommsen  für  den  jüngeren  der  Pisonen  hält,  an  die 
Horaz  seine  sogenannte  ars  poetica  gerichtet :  eine  vermuthung,  die  al- 
lerdings nicht  als  erwiesen  erachtet  werden  kann.  —  Den  schluss  des 
reichhaltigen  heftes  (p.  151)  machen  einige  nachtrage  von  Mommsen 
zu  seiner  abhandlung  über  die  Iunii  Silani  im  ersten  hefte  der  Ephe- 
meris. 

Zarncke's  literarisches  centralblatt ,  nr.  15:  Kiepert,  neuer  atlas 
von  Hellas  und  den  hellenischen  colonien.  3.  lief.  Berlin.  1871:  lo- 
bende anzeige  von  Bu.  —  A.  Böckh's  akademische  abhandlungen: 
auch  u.  d.  t. :  A.  Boeckh's  gesammelte  kleine  schritten  bd.  5:  an- 
zeige :  am  ende  angäbe  einiger  druckfehler  :  sonst  vgl.  Phil.  Anz.  III, 
n.  11,  p.  551.  —  E.  W.  H.  Brentano,  imtersuchungen  über  das 
griechische  drama.  Bd.  1.  Aristophanes.  Frankf.  a.  M.  1871:  aus- 
führliche und  das  verkehrte  der  ansichten  des  vis  klar  aufdeckende 
anzeige  von  Bu ;  vrgl.  ob.  nr.  1,  p.  27.  Der  vf.  hat  sich  in  nr.  18, 
p.  490  gegen  Bu  zu  vertheidigen  gesucht:  die  ihm  auch  da  von  Bu 
gewordene  abfertigung  wird  jeder  ruhige  beurtheiler  billigen ;  lasse 
sich  der  offenbar  talentvolle  vf.  gesagt  sein ,  dass  ohne  strenge  nie- 
thode  und  gewissenhafte  forschung  man  in  der  philologie  nichts  er- 
reichen kann.  —  Acta  societatis  philologae  Lipsiensis  ed.  Fr.  R ti- 
schet ins.  T.  I  fasc.  2.  Lips.  1871:  der  ref.  W.  beschäftigt  sich 
nur  —  und  auch  das  sehr  kurz  —  mit  Weinhold  (s.  ob.  n.  7,  p.347)  und 

1)  Allerdings  könnte  man  trotz  dieses  Zusatzes  zu  der  frage  be- 
rechtigt sein,  ob  griechische  inschriften  in  ein  Corporis  inscriptionum 
Latinarum  supplementum  gehören  V  Eine  trennung  der  älteren  grie- 
chischen inschriften  und  derjenigen  aus  römischer  zeit  erscheint  frei- 
lich durch  inhalt  und  form  geboten. 


Nr.  9.  Auszüge  aus  Zeitschriften.  479' 

zeigt,  dass  vom  vf.  Sali.  Jug.  24,  2.  85,  14  falsch,  behandelt  sei:  sonst 
vrgl.  ob.  heft  7,  p.  371.  —  P.  Schnitze,  de  archaismis  Sallustianis. 
8.  Halle  (ohne  jahresangabe):  anzeige  von  W:  s.  ob.  nr.  6,  p.  290. 
—  JE.  Koch,  griechische  schulgrammatik.  2.  aufl.  8.  Leipz.  1871: 
anzeige  von  C,  die  Veränderungen  in  der  zweiten  aufläge  beträfen 
meist  die  darstellung.  —  J.  Laßmann  und  D.  Müller,  lateinische 
schulgrammatik  für  alle  classen  des  gymnasiums.  3.  aufl.  8.  Göt- 
tingen :  anzeige  von  C,  der  die  behandlung  der  formenlehre  als  ge- 
lungen bezeichnet,  in  der  syntax  dagegen  den  stoff  nicht  hinlänglich 
erschöpft  und  deshalb  Zumpt  nicht  ersetzt  findet ;  dabei  erkennt  ref. 
aber  Selbständigkeit  des  urtheils  und  besonnenheit  in  der  durchfüh- 
rung  an  und  steht  nicht  an  trotz  abweichenden  ansichten  dieser  gram- 
matik  vor  den  andern  verwandter  richtung  den  Vorzug  zu  geben.  — 
Fr.  Wieseler,  über  den  delphischen  dreiiüss.  Götting.  1871:  anzeige 
von  Bit,  der  der  conjectur  des  verfs  bei  Cedren.  Hist.  compl.(?)  1,  p. 
532  Bekk.  sei  xikißuv  statt  xakvßav  zu  lesen  entgegentritt.  —  A. 
Rossbach,  römische  hochzeits  -  und  ehedenkmäler.  8.  Leipz.  1871: 
ausführliche  und  anerkennende  anzeige  von  Bu;  s.  ob.  n.  3,  p.  152.  — 
Nr.  16:  J.  C.  Vollgr  äff ,  studio  palaeographica.  8.  Leiden.  1871: 
anzeige  von  Bu ,  der  das  griechische  paläographic  behandelnde  buch 
empfiehlt.  —  Fragmenta  scaenicae  Romanorion  poesis  secundis  curis 
rec.  Otto  Ribbeck.  Vol.  I.  8.  Lips.  1872:  anerkennende  anzeige 
von  (o,  welche  eine  reihe  sehr  beachtenswerther  eigner  vorschlage  ent- 
hält. Vgl.  ob.  n.  6,  p.  285. —  A.  Kiessling,  neue  beitrage  zur  kritik  des 
rhetor  Seneca.  8.  Hamburg.  1871 :  anzeige  von  Bu,  mit  einigen  ge- 
genbemerkungen.  —  A.  Martens,  de  L.  Annaei  Senecae  vita  et  de 
tempore  quo  scripta  eius  philosophica  quae  supersunt,  composita  sunt.  8. 
Hamburg.  1871:  anzeige  von  Bu,  abweichende  meinungen  und  nach- 
trage enthaltend.  —  Itinerarium  Alexandri  ed.  Lid.  Volkmann. 
4.  Naumburg.  1871:  anerkennende  anzeige  von  Bu,  mit  einigen  vor- 
schlagen zur  Verbesserung  des  textes.  —  H.  Buchholtz,  die  tanzkunst 
des  Euripides.  8.  Leipzig.  1871:  anzeige  von  Bu,  der  viele  Seltsam- 
keiten und  falsches  in  dem  buche  findet,  schliesslich  aber  meint,  dass 
auch  manches  gute  darin  sei:  s.  ob.  nr.  2,  p.  97.  —  Nr.  17:  R. 
Westphal,  elemente  des  musikalischen  rhythmus  mit  besonderer  rück- 
sicht  auf  unsere  opern-musik.  1.  theil.  8.  Jena:  ausführliche  an- 
zeige von  K.  L.  .  .  s  ,  (d.  h.  Lehrs)  der  sich  gegen  die  ihn  betreffen- 
den angriffe  in  der  vorrede  Westphal's  scharf  vertheidigt,  dabei  die 
zweite  aufläge  von  Westphal's  griechischer  rnetrik  als  eine  »breiige« 
und  als  einen  rückschritt  bezeichnet,  namentlich  das  verfehlte  und  un- 
genügende des  abschnittes  über  den  epischen  hexameter  hervorhebend: 
man  muss  diesem  tadel  wohl  beistimmen  ,  den  ton  der  anzeige  aber 
missbilligen  ,  es  wäre  nach  dieser  art  des  auftretens  doch  wohl  nur 
in  der  Ordnung,  wenn  Lehrs,  statt  bloss  zu  orakeln  und  zu  höhnen, 
statt  Schmidt's  und  Brill's  wenig  philologische  Schriften  zu  verthei- 
digen,  selbst  im  zusammenhange  seine  rhythmischen  ansichten  darlegte, 
damit  man  endlich  aus  seiner  eigenen  darlegung  genau  ersehe, 
wie  er  denn  eigentlich  seine  modernen  ansichten  auf  die  antike  an- 
gewendet wissen  will.  —  Nr.  18  :  Herodoti  historiae.  Rec.  Henr. 
Stein.  T.  Ilus.  8.  Berol.  1871:  lobende  anzeige:  ref.  vermuthet,  VII, 
20  /jtjdiy  av  tfaivta^ca,  sei  zu  schreiben,  ib.  149  y.ainig  rb  xorjorrjoiov 
(foßio/uiyovs,  ib.  169  imUyta&t  für  tm/ui/wftc&s,  zugleich  auch  auf 
übersehene  conjecturen  in  Houisma  Lex  rhetor.  Cantagrigiense  auf- 
merksam machend.  —  II.  Hübschmann ,  ein  zoröastrisches  lied  über- 
setzt. 8.  München:  anzeige  von  J.  —  E.  R.  Lepsius ,  über  einige 
ägyptische  kunstformen  und  ihre  entwicklung.  4.  Berl.  1871:  an- 
zeige von  E.  G.  —     Nr.  19:    K.  Knebel,    de  fontibus  quaiuor  prio- 


Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  9, 

rum  historiae  Augustae  scriptt.  pars  I.  8.  Bonn. :  anzeige  von  J.  J. 
M.,  der  in  vielen  punkten  die  ansichten  des  vfs  bestreitet,  einzelne 
stellen  auch  emendirt ,  in  Ael.  Spart.  Vit.  Sever.  91  apud  Cyrrhum 
oder  Cilicam  statt  apud  Cyzicum  gelesen  wissen  will.  —  M.  Höf- 
ner, Untersuchungen  zur  geschichte  des  kaisers  Septimius  Severus  und 
seiner  dynastie.  Bd.  I.  1.  Giessen.  8:  anzeige  von  J.  J.  M . ,  der 
in  vielem,  einzelnem  abweicht,  ein  urtheil  über  die  schrift  aber  nicht 
ausspricht:  vgl.  ob.  n.  7.  p.  858.  —  Ephemeris  epigraphica  corpo- 
ris imcriptionum  latinarum  supplementum.  8.  Rom.:  anzeige:  s.  ob. 
n.  1,  p.  64.  —  Stoli ,  bilder  aus  dem  altrömischen  leben.  8.  Leipz. 
1871:  im  allgemeinen  lobende,  im  einzelnen  ausstellungen  machende 
anzeige.  —  Nr.  20:  Andociäis  orationes  ed.  Fr.  Blass.  8.  Lips. 
1871:  Dinar  chi  orationes  adjecto  Demadis  qui  fertur  fragmento  ed. 
Fr.  Blass.  8.  Lips.  1871:  anerkennende  anzeige,  in  der  Di- 
narch.  adv.  Demosth.  §.  7  behandelt  wird.  —  A.  F.  v.  Vel- 
sen  über  den  codex  Urbinas  der  Lysistrata  und  die  Thesmophoriazu- 
sen  des  Aristophanes.  8.  Halle.  1871:  anzeige.  —  Cebetts  tabula, 
praefatus  est,  app.  crit.  et  verb.  indice  instruxit  Fr.  Drosihn.  8. 
Lips.  1871:  anzeige.  —  Nr.  21:  F.  Hitzig,  spräche  und  sprachen 
Assyriens.  8.  Leipzig.  1871:  ausführliche  anzeige  von  J.  —  W. 
Hartel,  homerische  studien.  8.  Wien.  1871:  anzeige  von  C,  der  dem 
von  Gr.  Curtius  studien  IV,  1  gegen  den  ersten  theil  gesagten  bei- 
stimmt, sonst  zustimmt,  ohne  eignes  beizubringen.  —  Nr.  22:  E. 
L  eg r and,  collection  de  monuments  pour  servir  ä  l'etude  de  la  langue 
neo- hellenique.  Paris.  1869:  anerkennende  anzeige,  die  nur  den  preis 
des  buches  zu  hoch  findet.  —  E.  Muff,  über  den  Vortrag  der  chori- 
schen partien  bei  Aristophanes.  8.  Halle :  lobende  anzeige :  s. 
ob.  nr.  6,  p.  277.  —  M.  Schnitze,  über  den  lautwerth  der  griechi- 
schen sehriftzeichen.  8.  Thorn:  wie  es  scheint  sehr  wenig  zustim- 
mende anzeige  von  C.  —  Hesiodea  quae  feruntur  carmina  ad  codd. 
mss.  et  antiquorum  testium  ßdem  recensuit,  criticorum  coniecturas  adje- 
cit  Aem.  Koechly ,  lectionis  varietatem  adscripsit  G.  Kinkel.  8. 
Lips.  1870:  die  richtung  der  ausgäbe  schildernde  anzeige  von  C.  — 
J.  Bühlmann,  die  architectur  des  classischen  alterthums  und  der 
renaissance.  1.  abth.  Die  säulenordnungen.  8.  Stuttgart:  anerken- 
nende anzeige  von  A.  —  Nr.  23:  Ad.  Trendelenburg,  kleine  Schriften. 
8.  Lpzg.  1871:  anzeige.  —  H.  Steinthal,  einleitung  in  die  psychologie 
der  Sprachwissenschaft.  8.  Berlin.  1871:  ausführliche  anzeige.  —  Nr.  24: 
Friederichs  kleinere  kunst  und  industrie  im  alterthum.  8.  Düssel- 
dorf. 1871:  kurze  lobende  anzeige  von  A:   vrgl.  ob.  nr.  7,  p.  384.  — 


Druckfehler.    Heft  8,  p.  408  z.  16  v.  o.  lies:  kritische 


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s>  schreibe :  Doloper  statt : 

Achäer 

Nr.  10.  October  1872. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben  als   ergänzung  des  Philologus 


von 


Ernst  von  Leutsch. 


292.  Des  Euripides  Herakliden  zum  schulgebrauch  mit  er- 
klärenden anmerkungen  versehen  von  Wolfg.  Bauer,  professor 
am  königl.  Wilhelmsgymnasium  zu  München.  8.  München.  Lin- 
dauer.   1870.  —  54  ss. ;  8  ngr. 

293.  Des  Euripides  Medea  zum  schulgebrauch  mit  erklä- 
renden anmerkungen  versehen  von  Wolfg.  Bauer  8.  Mün- 
chen. Lindauer  (Schöpping).  1871.  —  81   ss. ;  8  ngr. 

294.  Des  Euripides  Alkestis  zum  schulgebrauch  mit  er- 
klärenden anmerkungen  versehen  von  Wolfg.  Bauer.  8. 
München.  Lindauer.  1871.  —  60  ss.;  8  ngr. 

295.  Zu  den  Herakliden  des  Euripides.  Kritisches  und 
exegetisches.  (Programm).  4.  München.  1870.  —   20  es.;  4  gr. 

296.  Zur  Medea  des  Euripides.  Kritisches  und  exegeti- 
sches. (Programm  des  Wilhelmsgymnasium).  4.  München. 
1870.  31  ss.;  4  ngr. 

Der  verf.  von  dem  gedanken  ausgehend,  dass  neben  So- 
phokles auch  Euripides  auf  dem  gymnasium  und  zwar  am  besten 
vor  Sophokles  gelesen  werden  solle,  hat  sich  die  aufgäbe  ge- 
stellt eine  auswahl  euripideischer  dramen  mit  einem  knappen, 
bloss  für  die  bedürfnisse  der  schule  berechneten  commentare 
herauszugeben.  Der  schüler  soll  bloss  die  unentbehrlichsten 
winke  erhalten ,  um  sich  mit  erfolg  für  die  lehrstunden  vorbe- 
reiten zu  können,  das  andere  möge  dem  mündlichen  unterrichte 
vorbehalten  bleiben ;  der  schüler  darf  nicht  in  den  anmerkungen 
eine  masse  material  finden,  das  er  nicht  bewältigen,  theilweise 
gar  nicht  verdauen  kann.  Daher  soll,  wie  es  in  dem  pro- 
gramme  von  1870  p.  6  heilst,  eine  solche  ausgäbe  zuerst  eine 
kurze  darstellung  der  fabel,  wie  sie  der  dichter  zu  gründe  ge- 
Pbilol.  Anz.  iy.  31 


482  292—96.  Euripides.  Kr.  10. 

legt  hat,  geben,  woran  sich  eine  in  wenigen  Worten  bestehende 
angäbe  des  ortes,  an  dem  das  drama  spielt,  und  der  zeit  der 
aufführung,  soweit  sich  das  mit  Sicherheit  oder  Wahrscheinlich- 
keit bestimmen  lässt,  eventuell  auch  eine  summarische  andeutung 
über  die  tendenz  des  Stückes  schliessen  kann.  Der  commentar 
hat  unter  Zugrundelegung  eines  lesbaren  textes  und  unter  hin- 
weis  auf  die  scenische  darstellung  alles  das  und  nur  das  zu 
geben,  was  auf  dieser  unterrichtsstufe  noch  erklärt  werden  muss, 
um  die  dem  Verständnisse  des  textes  entgegenstehenden  Hinder- 
nisse zu  beseitigen.  Sprachliche  und  sachliche  erläuterungen 
müssen  möglichst  präcis  und  verständlich  sein  und  dürfen 
nur  insoweit  in  citaten  bestehen ,  als  sie  der  schüler  wirklich 
finden  und  verstehen  und  aus  ihnen  für  die  richtige  auffassung 
des  vorliegenden  nutzen  ziehen  kann.  Kritische  und  ästheti- 
sche bemerkungen  in  dem  beschränkten  masse ,  als  sie  in  der 
schule  zulässig  sind,  müssen  dem  mündlichen  Unterricht  überlas- 
sen werden  und  können  auch  wohl  den  gegenständ  schriftlicher 
ausarbeitungen  bilden.  Nach  diesem  plan  sind  nun  die  vorlie- 
genden ausgaben  eingerichtet.  Ohne  das  redliche  bestreben,  das 
hier  zu  gründe  liegt,  zu  verkennen,  möchte  ich  mich  doch  ge- 
gen diese  allzu  knappe  form  der  Schulausgaben  erklären.  Warum 
soll  z.  b.  die  einleitung  bloss  auf  das  obige  mass  beschränkt 
sein?  Wird  nicht  für  den  schüler  eine  kurze  erörterung  über 
die  entstehung  und  fortbildung  des  mythos  anziehend  und  be- 
lehrend sein,  besonders  da  er  daraus  ersehen  wird,  wie  ihn  der 
dichter  für  seine  zwecke  umgebildet  hat?  Muss  nicht  der  schü- 
ler in  den  Herakliden  schon  bei  der  Vorbereitung  auf  die  grosse 
lücke  nach  v.  629  aufmerksam  gemacht  werden?  Auch  für 
den  commentar  ist  eine  solche  allzu  kurze  fassung  nicht  em- 
pfehlenswerth.  Die  kritik  möge  allerdings,  wie  ja  das  gegen- 
wärtig meistens  geschieht,  von  demselben  ausgeschlossen  und  in 
einen  besonderen  anhang  verwiesen  sein ,  aber  eine  präcise 
ästhetische  beinerkuug  wird  auch  schon  bei  der  Vorbereitung 
gute  fruchte  tragen  und  kurze  erörterungen  über  Sprachgebrauch, 
nachahmungen  und  dergl.  lassen  sich  ohne  allen  schaden  im 
commentare  anbringen,  wie  denn  auch  citate  aus  anderen  dra- 
men  desselben  dichters  oder  aus  anderen  tragikern  und  beson- 
ders auch  aus  Homer  dem  fleissigen  schüler  bei  der  ersten 
durcharbeitung  sehr  zu  statten  kommen  werden.     Wenn  ich  nun 


Nr.  10.  292—96.  Euripides.  483 

auch  die  ansieht  des  verf.  über  die  form  von  schulcommenta- 
ren  nicht  theile ,  so  will  ich  doch  gerne  an  den  vorliegenden 
ausgaben  anerkennen,  dass  die  anmerkungen  klar  und  verstän- 
dig abgefasst  sind  und  man  in  dieser  beziehung  nur  selten  et- 
was zu  tadeln  findet.  So  ist  z.  b.  in  der  einleitung  zu  den 
Herakliden  die  bemerkung :  „  das  stück  spielt  in  Marathon 
vor  dem  tempel  des  Zevg  äyogalog;  doch  hat  sich  der  dichter 
erlaubt  den  ort  in  unmittelbare  Verbindung  mit  Athen  zu  bringen", 
weder  richtig  noch  leicht  verständlich.  Für  die  attische  bühne 
bestehen  die  entfernungen  in  räum  und  zeit  vielfach  nicht. 
Wenn  in  dem  Agamemnon  des  Aeschylos  der  könig  von  Troia 
nach  Mykenai  kommen,  wenn  in  den  Trachinierinnen  des  Sopho- 
kles der  todtkranke  Herakles  von  der  nordwestlichen  landspitze 
Euböa's  nach  Trachis  gebracht  werden  kann,  so  ist  es  doch  nicht 
auffallend,  wenn  die  könige  Attika's  mit  solcher  Schnelligkeit 
von  Athen  aus  in  Marathon  erscheinen.  V.  2  muss  es  wohl 
heissen:  „dUaiog  avr<Q  ist  prädicat";  nach  der  note  zu  v.  239 
„navrjyvQiv  schaar,  wegen  der  grossen  anzahl  der  söhne  des 
Herakles  (nach  Apollodor  mehr  als  70)"  wird  der  schüler  an- 
nehmen dass  Iolaos  mit  vielen  kindern  auf  der  bühne  erschie- 
nen ist,  was  sich  bei  den  Verhältnissen  der  griechischen  bühne 
nicht  annehmen  lässt;  unrichtig  ist  die  bemerkung,  dass  v.  387 
sig  tag  'A&rivag  dem  sinne  nach  eben  so  zu  naiv  wie  zu  ob 
g^imqov  (fQOväv  gehöre.  Ueberflüssig  sind  wohl  noten,  wie  v. 
3  y)avEiftevov  zu  IT^a  zu  construieren"  oder  v.  112  ,,[xij  gehört 
bloss  zu  ayelxsip,  nicht  auch  zu  ofßovz'1". 

Diese  wenigen  andeutungen  werden  wohl  genügen,  um  die 
vorliegenden  ausgaben  zu  charakterisieren.  Was  den  text  an- 
betrifft, so  hat  ihn  der  verf.  selbständig  constituiert  und  seine 
ansichten  über  eine  reihe  von  stellen  der  Herakliden  und  der 
Medea  in  den  beiden  oben  erwähnten  programmen  entwickelt. 
Er  zeigt  sich  hierbei  meistens  als  der  Vertreter  der  conserva- 
tiven  richtung  und  schliesst  sich  häufig  an  die  Klotz'sche  aus- 
gäbe an,  von  deren  erklärungen  auch  viele  in  seinen  commen- 
tar  übergegangen  sind.  Bedenkt  man  aber,  in  welch  traurigem 
zustande  uns  die  euiipideischen  tragödien  überliefert  sind,  so 
wird  man  viel  mehr  dafür  sein  ,  dass  der  Verfasser  einer  Schul- 
ausgabe eine  wenn  auch  nicht  sichere  conjeetur  aufnehme,  als 
dass  er  zu  einer   verkehrten,    geradezu    unmöglichen    erklärung 

31* 


292—96.  Euripides.  .Nr.  10. 

greife.  Gerade  in  solchen  deutungen  hat  Klotz  unglaubliches 
geleistet  und  auch  die  vorliegenden  ausgaben  enthalten  genug 
noten,  die  als  beispiele  jener  falschen  richtung  gelten  können. 
Ich  will,  um  dies  nachzuweisen ,  hauptsächlich  auf  die  Herakli- 
den  eingehen,  da  der  text  derselben  sehr  stark  verderbt  ist  und 
ich  die  gelegenheit  benutzen  will,  um  einige  beitrage  zur  kritik 
dieses  drama  mitzutheilen.  So  hat  der  verf.  eine  reihe  sicherer 
emendationen  verschmäht,  die  ohne  weiteres  in  den  text  aufge- 
nommen zu  werden  verdienten,  z.  b.  v.  140  ikoav,  152  äßovXwg, 
197  HQavovoi ]),  202  nolsi,  211  avzavsxptmv  u.  dgl.,  was  dann 
zu  unmöglichen  erklärungen  des  überlieferten  führte,  z.  b.  152 
„äßovXovg  rathlos"  (aber  aßovXog  ist  nicht  anogog  oder  dfA^a- 
vog),  197  Xoyovg  xgivovai  aovg  „deine  vorschlage  wählen,  nach 
deinen  vorschlagen  entscheiden",  202  nöXiv  (xbv  dgxsl  „eine  apo- 
siopesis,  die  aus  dem  folgenden  zu  ergänzen  ist  (?}:  loiavra 
inaiv£aat(l,  211  avzavetpioo  „(leibliche  vettern)  nicht  genau ,  da 
sie  nicht  geschwisterkinder ,  sondern  kinder  von  geschwister- 
kindern,  also  eigentlich  s^apsxpico  sind".  Was  die  in  dem 
genannten  programme  gegebenen  erklärungen  und  conjecturen 
anbetrifft,  so  findet  sich  darunter  manche  gute  bemerkung,  z.  b. 
v.  95  über  zi  %Qtog;  v.  577  über  ngoüv/xog  dov;  einiges  war 
schon  von  anderen  gegeben  worden,  wie  die  vermuthung  jtta- 
%oi>ias&'  v.  689  von  Dobree  oder  die  Streichung  von  dpcoeg  ... 
xzavovzag  v.  lo5o  f.  von  F.  G.  Schmidt.  Anderes  ist  entschie- 
den verfehlt,  wie  v.  38  der  Vorschlag  oqov  in  ogwv  zu  ändern, 
wornach  ziqfxovag  ogoov  einen  begriff  ,grenzmarken"  bilden  soll 
(man  könnte  an  zovad'  d(ptx6(AEO&'1  ifiov  denken;  doch  ist  hier 
alles  unsicher),  v.  103  die  conjectur  äntXäaat  öe  8ti  (da  der 
begriff  des  freveis  gegen  das  heiligthum  erfordert  wird  ;  ob  F. 
G.  Schmidt  mit  seinem  zdS1  dhrsiv  ö'  idij  das  richtige  getroffen 
hat,  lasse  ich  dahingestellt),  v.  640  i]net>  (richtiger  itxei  y',  wie 
Linder  und  Firnhaber  wollten)  u.  s.  w.  Es  mögen  nun  noch 
einige  stellen  folgen,  für  deren  heilung  ich  einiges  bieten  au 
können  glaube.  Ueber  v.  2,  wo  der  verf.  die  erklärung  von 
Klotz  festhält,  dass  dUaiog  uvijg  prädicat  sei  und  den  dativ 
zoig  niXag  regiere,  habe  ich  schon  in  der   Zeitschrift    für  öster- 

1)  Trotz  der  vertheidigung  des  überlieferten  xQtvovat  in  dein  pro- 
gramme über  die  Medea  (p.  17);  denn  in  der  stelle  der  Med.  v.  642 
Hat  xqIvov  die  bedeutung  „möge  urtheilen,   möge  walten  über   .  .  ."' 


Nr.  10.  292—96.   Euripides.  485 

reichische  gymnasien  1868,  p.  351  gesprochen  und  gezeigt, 
dass  hier  dem  sinne  nach  und  mit  rücksicht  auf  das  folgende 
ein  gedanke,  wie  Hesiod,  "Egy.  436  rrij^a  xaxog  ysirav  oaaov  x1 
dya&og  psf  oveictg,  erfordert  wird.  Jetzt  glaube  ich  auch  das 
entsprechende  wort  für  avrjg  gefunden  zu  haben,  nämlich  dgog 
was  Aesch.  Suppl.  875  (vgl.  Eusth.  p.  1422,  19)  steht.  Aller- 
dings ist  dgog  ein  sehr  seltenes  wort,  aber  Euripides  hat 
auch  derartiges  nicht  verschmäht;  dazu  kommt,  dass  unser 
drama  wie  in  der  Situation,  so  auch  im  ausdrucke  sich  öf- 
ters mit  den  lIxfaid$g  des  Aeschylos  berührt  (vgl.  Firnhaber 
Piniol.  I,  p.  445  ff.).  Wir  haben  hier  eine,  wie  es  scheint ,  sehr 
alte  verderbniss.  Vs.  176  ist  wahrscheinlich  qnlovai  statt  cpi- 
Ieize,  das  dem  vorhergehenden  Stsgyac&Eh''  av  seinen  Ursprung 
verdankt,  zu  schreiben,  desgleichen  v.  171  anlia(ihoig  statt 
doTiliOfisvoi;  vv.  255  ff.  ist,  wie  dies  in  unserem  drama  sich 
mehrfach  nachweisen  lässt,  die  Ordnung  der  verse  zerstört;  man 
wird  schreiben  müssen: 

259  KO.  Ssi>g\  mg  eoixe  rotg  xaxolai  cpEvxiiov,  255 

260  AH.  ccnaai  xoivov  gvfxa  Saifiormv  e8qu. 

257  KO.  gv  ö'  e!~6qi£e,  x«i'  exei&ev  a^ofxsv. 

258  AH.  axaiog  ns'cpvxag  rov  ■Beov   nlslco  qtQovmv. 

255  KO.  o'vxovv  ipol  zo'ö'  aloftgov,  dXld   aoi  ßXdßog; 

256  AH.  ifiot  f,  idv  coi  rovgtf  ECfiXxEa&ai  fisüa.  260. 
So  wird  ßXdßog  dem  ßXdtircov  und  ßlanzsads  v.  263  f.  näher 
gerückt  und  diese  erst  durch  die  anspielung  auf  jenes  verständ- 
lich. V.  480  empfiehlt  sich  wohl  s7fti  ydg  nag  ngooyogog 
(gleich  einem  ngooxaigog),  582  f.  oroor  (so  Nauck)  fatj  nag' 
A\8r\  (Med.  1059)  xagSia  atpakrjasrai  (so  Badham),  v.  522 
scheint  unecht  zu  sein. 

Ich  will  nun  noch  mit  einigen  worten  das  andere  programm 
(über  die  Medea)  besprechen,  in  welchem  eine  grosse  an  zahl 
von  stellen  dieses  drama  behandelt  sind.  Aueh  hier  finden  wir 
einige  ganz  treffende  erklärungen  und  bemerkungen,  z.  b.  v.  25, 
wornach  zu  &wrrjkoifoa  das  object  von  vq>Eiß-a,  nämlich  cäpa, 
zu  ergänzen  ist,  v.  862  fioiguv  mit  <povov  zu  verbinden,  was 
aueh  Dindorf  mit  recht  aufgenommen  hat,  während  Nauck  die 
lefeeart  des  Vaticanus  von  zweiter  hand  yvvtp  billigt  und  dieses 
wort  zu  dem  folgenden  satze  zieht;  nur  komme  ich  auf  meinen 
in  der  Zeitschrift  für  österr.  gymnasien  1868,  p.   357  gemachten 


486  292—96.  Euripides.  Nr.  10. 

Vorschlag  zurück,  aöaxgvg  statt  uöaxgvv  zu  schreiben,  das  doch 
mit  axrißsig  verbunden  viel  ausdrucksvoller  ist ;  vv.  930 — 932  als 
parenthese  zu  fassen,  v.  1216  r\  5'  dvxeXi'tXsvz>  „die  vergiftete 
kleidung  der  Glauke  (oder  wohl  noch  richtiger:  der  vergiftete 
leib)  schloss  sich  so  fest  an"  gegen  Schöne,  der  in  seinem  com- 
mentar  hier  die  bemerkung  macht  „indem  sie  in  ihrer  Verzweif- 
lung in  ihm  einen  schmerzenslinderer  zu  finden  wähnte".  Da- 
gegen finden  sich  auch  ganz  verfehlte  erklärungen,  wie  v.  195, 
wo  ßgoröov  mit  atvyiovg  Xvnag  verbunden  wird,  v.  232,  wo 
tiQwza  fASf,  dem,  wie  Klotz  ganz  richtig  erkannt  hat,  tlg  xatva  ö' 
rj&tl  (238)  entspricht,  seine  fortsetzung  in  Ssanorrjv  ta  acc/iazog 
XaßeTv  haben  soll,  v.  538  (x-q  ngoq  la^vog  %ügiv  die  nicht  nach  dem 
belieben  der  gewalt,  nach  willkühr  gegeben  sind",  v.  600,  wonach 
ixsrsv^iß  und  cparrjg  (so  soll  statt  qp«»rj  geschrieben  werden)  als  ex- 
hortative  conjunctive  erklärt  werden,  wofür  als  beweis  die  stelle 
Soph.  Oed.  Col.  75  oigV  tag  vvv  firj  ocpaXrjg  gelten  soll  u.  dgl. 
Auch  in  dieser  abhandlung  zeigt  sich  das  bestreben  entschieden 
verderbten  stellen  durch  erklärungen  aufzuhelfen,  welche  natür- 
lich nur  gekünstelt  und  gezwungen,  bisweilen  ganz  verkehrt  aus- 
fallen mussten.  So  z.  b.  soll  v.  44  xaXXtvixor,  wozu  der  vf.  mit 
recht  Gxfxpavov  nicht  ergänzen  will,  mit  ty&gav  verbunden  und 
dann  xaXXlvixov  e%&guv  oi'aerai  gleich  fCxtjv  'fy&gag  oiasrai  ge- 
fasst  werden,  während  Murets  leichte  conjectur  aaerai  alle 
Schwierigkeiten  hebt,  v.  135  will  der  verf.  uftcpinvXov  mit 
ptXddQov  verbinden  und  die  beiden  präpositionen  in''  nnd  sam 
so  fassen,  dass  die  erste  durch  die  zweite  näher  bestimmt  werde; 
gewiss  eine  seltsame  erklärung,  der  man  wohl  die  geringe  än- 
derung  Schöne's  vn?  dfiqunvXov  vorziehen  wird ;  v.  150  soll  die 
lesart  unXtjorov  gegen  die  emendation  von  Elmsley  dnXdtov 
(der  Vat.  hat  dnXdaTov)  festgehalten  und  als  „unbefriedigtes 
d.  i.  ein  solches  lager,  das  man  nicht  haben  kann"  erklärt  wer- 
den; anX)]GTov  gehöre  eigentlich  zu  egcag ,  sei  aber  nach  einer 
bei  den  tragikern  nicht  seltenen  enallage  mit  xoirag  verbunden. 
Unter  den  eigenen  conjecturen  des  verf.  sind  nur  zwei  beach- 
tenswerth,  nämlich  v.  183  cntvanv  ö'  eri  (Hermann  ansvaov 
de  rt);  v.  1304  iym  8s  statt  ifiööp  de;  die  anderen  ziemlich  zahl- 
reichen sind  verfehlt  oder  haben  doch  keine  Wahrscheinlichkeit, 
z.  b.  v.  297  xoivd  (statt  xaivd),  404  dopoig  (statt  ydfioig,  wel- 
ches ganz  richtig  ist;    nur   wird  man   mit  Herwerden  lolatf  für 


yjr,  10.  297.  Lukianos.  487 

roig  t  schreiben  müssen);  die  verse  785  und  786  will  der 
verf.  umstellen,  welche  Ordnung  übrigens  schon  im  Parisinus 
2712  vorkommt;  doch  ist  der  vers  785,  dessen  zweite  hälfte 
v.  940  und  943  wiederkehrt,  eben  dieser  ähnlichkeit  wegen, 
dann  mit  rücksicht  auf  seine  Stellung  und  endlich  wegen  des 
seltsamen  gebrauches  des  infinitives  dringend  der  unechtheit 
verdächtig;  es  ist  also  mit  dieser  Umstellung  nichts  geholfen. 
Uebrigens  verweise  ich  auf  das,  was  ich  a.  a.  o.  p.  356  erör- 
tert habe.  V.  1317  hat  der  verf.  ähnlich,  wie  Weil,  der  il- 
aovaav  yövov  vermuthete,  riaovaav  dtxtjv  vorgeschlagen;  aber 
an  diesem  verse  sollte  man  wahrhaftig  keine  besserung  versu- 
chen; denn  derselbe  ist  ohne  zweifei  untergeschoben. 

Die  ausstattung  der  ausgaben  ist  eine  ganz  entsprechende, 
nur  könnte  der  druck  correcter  sein,  namentlich  die  interpunc- 
tion,  vgl.  Her.  v.  468,  511,  929;  denn  468  sollte  nach  dys- 
veig,  929  tjxopsv  kein  komma  stehen. 

Karl  Schenhl. 

297.  Lucianus  Samosatensis.  Franciscus  Fritzschius 
recensuit.  Vol.  I,  pars  I.  Rostochii  1860.  Vol.  I,  pars  II. 
Rost.  1862.  Vol.  II,  pars  I.  Rost.  1865.  Vol.  II,  pars  II. 
Rost.  1870. 

Allen  freunden  des  Lucian  ist  über  die  hohe  bedeutung 
dieser  ausgäbe  von  vorläufig  22  Schriften  dieses  autors  nichts 
neues  zu  sagen:  sie  wissen  selbst  wie  dieselbe,  lange  erwartet, 
alle  hoffnungen  die  man  für  die  herstellung  des  lucianischen 
textes  auf  die  nun  seit  langen  Jahrzehnten  so  vielfach  erprobte 
kritische  befähigung  des  herausgebers  setzte ,  reichlich  erfüllt 
hat;  sie  kennen  schon  aus  seinen  Quaestiones  Lucianeae  und  zahl- 
reichen weiteren  Lucianea  seine  acht  kritischen  eigenschaf- 
ten :  den  besonnenen  Scharfblick ,  den  feinen  sinn  für  die  art, 
die  genaueste  beobachtung  des  eigenthümlichen  ausdruckes  sei- 
nes autors,  die  sicherste  hand  in  der  rectificirung  des  im  laufe 
der  zeit  verbogenen  und  verkrümmten.  Zu  diesem  allen  die 
reifste  Überlegung  eines  mit  beharrlicher  liebe  festgehaltenen 
Studiums,  das,  in  immer  erneuter  bemühung,  nie  zu  steifer  ab- 
geschlossenheit  erstarrte ,  bei  keiner  Schwierigkeit  sich  mit  ei- 
nem bequemen  compromiss  genügen  Hess ,  und  nun  sein  end- 
gültiges ergebniss  mit  viel  mehr  recht,  als  es  den  meisten  her- 


488  297.  LukianOB.  Nr.  10» 

ausgebern  alter  texte  zusteht,  als  eine  wirkliche  reöensio  bezeich- 
nen darf.  Auch  dafür  wollen  wir  dem  herausgeber  dankbar 
sein,  dass  er  nicht  allzu  strenge  sich  an  jene  mürrische  kürze 
gebunden  hat,  mit  der  heutzutage  philologische  kritiker  ihre 
entscheidungen  dem  leser  hinzuwerfen  lieben ,  sondern  stellen- 
weise in  lehrreicher  ausführlichkeit  über  sprachlich  und  sach- 
lich merkwürdige  punkte  sich  verbreitet,  vornehmlich  auch  die 
vielfachen  persönlichen  bezüge  der  lucianischen  satiren  aufzu- 
klären sich  bemüht,  die  abfassungszeit  mancher  Schriften  (wie  des 
Demonax,  Eunuchüs,  der  Fugitivi,  der  Necyomantia,  des  Pere- 
grinus  u.  s.  w.)  genauer  festgestellt,  etwaigen  quellen  des  lucia- 
nischen witzes  bei  älteren  komikern,  cynischen  und  skeptischen 
popularpkilosophen  nachgespürt  hat.  Dieses  alles  nur  an- 
deutend ,  wollen  wir  einzig  das  handschriftliche  material  der 
ausgäbe  etwas  näher  in's  äuge  fassen.  Die  frage  nach  der 
handschriftlichen  Überlieferung  der  lucianischen  Schriften  ist  aus 
mancherlei  gründen  sehr  verwickelt.  Die  allermeisten  dersel- 
ben waren  zunächst  für  den  mündlichen  Vortrag  vor  einer  grö- 
sseren gesellschaft  bestimmt:  ausser  den  ngoluXtd!  und  den  ei- 
gentlichen reden  auch  die  menippischen  dialoge  (wie  „Zeuxis" 
und  „Prometheus"  deutlich  bezeugen),  ja  selbst  die  in  brief- 
form  an  einen  freund  gerichtete  schritt  negl  iäv  im  [uadw 
a^vövrmv  (vgl.  Apolog.  3) ;  und  überhaupt  haben  wir  uns  die 
geduld  eitles  gebildeten  publicums  der  damaligen  reciiatiönes  sehr 
gross  und  wenig  wählerisch  zu  denken:  wurden  doch  z.  b.  alle 
die  werke  über  den  parthischen  krieg,  die  Lucian  in  der  schrift 
über  die  geschichtschreibung  erwähnt,  zunächst  nur  vorgelesen, 
und  waren  auch  dem  Lucian  nur  aus  solchen  Vorlesungen  be- 
kannt x).  Wie  übel  es  nun  solchen  arbeiten  noch  bei  lebzeiten 
ihres  Verfassers  gehen  konnte,  bezeugen  die  klagen  des  Galen ; 
und  So  mochte  schon  eine  erste  Sammlung  lucianischer  aufsätze 
eine  vielfach  entstellte  gestalt  zeigen.  Wurde  sie  aber  gar  von 
einem  andern  als  dem  autor  selbst  veranstaltet,  so  konnten  sich 
auch  damals  schon  mancherlei  xpevSsni'yQaqta  einschleichen;  denn 
dass  man  darin  im  Sophistenzeitalter  leichtsinnig  genug  verfuhr, 
lehren  mancherlei  beispiele  in  den  Bi'oi  aocptaräi'  des  Philostratus. 

1)  Das  bezeugen  seine  ausdrücke  in  der  ganzen  echrift  überall. 
Daher  wird  denn  auch  wohl  cap.  32  statt  aviyvoiv  yaQ  zn  lesen  sein : 
ttyiyvti)  ydg,  oder  lieber  noch:  avvaviyvu)  yaQ. 


Nr.  10.  297.  Lukianos.  489 

Die  Schriften  des  unbequemen  Spötters  scheinen  übrigens  in  der 
nächsten  zeit  nach  seinem  tode  wenig  gelesen  worden  ZU  sein; 
und  als  nun  viel  später,  zu  einer  zeit  da  die  von  ihm  verhöhnte 
Sophistenherrlichkeit  längst  verklungen  war,  die  schmiegsame 
grazie  seiner  Schreibart  ihm  neue  bewunderer  und  aufmerksame 
leser  erweckte  (vielleicht  unter  den  Byzantinern  des  zehnten 
Jahrhunderts),  da  fand  sich  nur  ein  codex  seiner  aufsätze,  der 
zum  Stammvater  unsrer  sämmtlichen  abschritten  wurde.  Von 
diesem  stammen  nun  alle  unsre  handschriften  keineswegs  in 
gerader  linie  ab,  sondern  sie  gehören  zwei  familien  an ,  deren 
jede  von  einer  copie  jenes  archetypus  sich  herleitet.  Dass 
unsre  handschriften  von  einem  gemeinschaftlichen  Stammvater 
(a)  herrühren,  beweist  ihre  Übereinstimmung  in  entschiedenen 
lücken  und  corruptelen ;  dass  sie  mit  a  nur  durch  die  Vermittlung 
zweier  Zwischenglieder,  ß  und  y  zusammenhängen,  zeigt  ihre 
auffallende  divergenz  an  zahllosen  stellen,  wo  eine  förmliche 
itio  in  partes,  nach  immer  gleichbleibenden  parteien,  stattfindet. 
Dieses  scheint  denn  auch  Fritzsches  ansieht  zu  sein  (s.  I,  1, 
p.  xni.  II,  1,  p.  ix.  II,  2,  p.  vm);  mit  Scharfsinn  und  beson- 
nenheit  hat  Siemonsen  (Qnaestt.  Luc.  Hadersl.  1865)  die- 
ses verhältniss  entwickelt.  Nur  ist  eine  sehr  wesentliche  frage 
noch  nicht  genügend  erwogen :  ob  nämlich  die  familie  ß  wirk- 
lich, im  gegensaiz  zur  familie  y,  von  interpola^krtten  frei  ge- 
blieben sei,  und  ob  an  den  ausserordentlich  zahlreichen  stellen, 
wo  die  verschiedenen  lesarten  in  ß  und  y  dem  sinne  in  glei- 
cher weise  genug  thun,  man  so  unbedenklich  der  von  ß  darge- 
botenen lesart  zu  folgen  habe,  wie  Siemonsen  anräth  und  Fritz- 
sche  in  der  regel  thut.  Zur  familie  ß  ist,  ausser  B  (Vindöbon.), 
A  (G-orlic.)  und  W  (Marcian.  436),  namentlich  Und  vor  allen 
andern  der  Vaticanus  81  (21)  zu  rechnen  2);  zur  familie  y  aber 
gehören  von  vortrefflichen  handschriften  nicht  nur  (p  (Floren- 
tin.)  und  (jo  (Marcianus  434 3),  sondern,  als  bester  Vertreter, 
der    Vaticanus    90    (r)   (wovon    Vatic.  89    eine    copie   Zu    ßein 

2)  Mit  dem  ein  Urbinas  (n.  121)  im  Charon  ganz  auffällig  ge* 
rade  in  den  vortrefflichen,  von  Sommerbrodt  Lucianea  p.  158.  159 
hervorgehobenen  lesarten  übereinstimmt. 

3)  Dieser  in  seiner  ersten ,  bis  fol.  369  reichenden  hälfte ;  der 
rest,  auf  s.  g.  niedieeerpergament  im  15.  Jährhundert  isehr  sauber 
geschrieben,  scheint  aus  irgend  einer  handschrift  der  familie  y  copirt 
zu  sein. 


490  297.  Lukianos.  Nr.  10. 

scheint),  daneben  auch  (wenigstens  in  dem  von  mir  verglichenen 
Peregrinus)  Palatinus  73,  auch  ein  bisher  ganz  unbenutzter  bom- 
bycincodex  der  urbinatischen  Sammlung  (n.  120).  Vergleicht 
man  nun  (z.  b.  im  Gallus)  die  lesarten  beider  familien  genau,  so 
zeigt  sich  allerdings,  dass  die  familie  ß  meist  einen  reineren  text 
erhalten  hat;  aber  die  stellen,  wo  die  von  y  abstammenden  hand- 
scbriften  allein  das  richtige,  die  familie  ß}  aus  fiüchtigkeit  und 
gar  nicht  selten  auf  grund  willkührlicher  interpolation ,  ganz 
falsches  bietet,  sind  ebenfalls  sehr  zahlreich,  und  ich  meine 
dass  in  sehr  vielen  fällen  ein  nicht  praeoccupirtes  urtheil  schwan- 
ken wird,  welcher  von  beiden  familien  man  zu  folgen  habe. 
Man  lese  darauf  hin  z.  b.  den  von  Fritzsche  und  Sommerbrodt 
gesammelten  apparat  zum  24sten  capitel  des  Gallus  durch. 
Kurz,  die  sache  scheint  bei  reiflicher  Überlegung  so  zu  liegen, 
dass  man  keineswegs  die  familie  ß  kurzweg  als  die  von  inter- 
polationen  reine  überall  zu  bevorzugen,  sondern  dass  man  hier 
einmal,  auf  kosten  der  beliebten  kritischen  reinlichkeit,  ein  frei- 
lich recht  scrupulöses  und  spinöses  eklektisches  verfahren  zu 
beobachten  habe;  denn  wirklich  ergänzen  sich  die  beiden  fami- 
lien4), wo  sie  aber  mit  gleich  guten,  verschiedenen  lesarten 
einander  schroff  gegenüberstehen,  da  fehlt  es  an  jedem  zurei- 
reichenden  gründe,  der  uns  in  der  einen  lesart  die  eigne  hand 
des  Lucian,  in  der  andern  eine  spätere  Veränderung  erkennen 
Hesse.  Ich  fürchte  sogar  dass  in  solchen  fällen  oft  genug  keine 
von  beiden  lesarten  den  ursprünglichen  Wortlaut  darstellt.  Ue- 
brigens  scheinen  manche  Schriften  nur  in  den  handschriften  der 
familie  y  erhalten  zu  sein,  z.  b.  der  Peregrinus,  der,  soweit  mir 
bekannt,  sich  nur  in  ruOFM  und  Palat.  73  findet.  Andre 
Schriften  sind  bis  jetzt  nur  in  der  gestalt  bekannt,  die  ihnen  in 
der  familie  y  gegeben  wurde :  so  der  Philopseudes  (edirt  aus 
$M,  einem  codex  Graevii  V,  und  einer  höchst  bedenklichen 
autorität,  genannt  T,  Varianten  aus  Wesselings  exemplar  der  er- 
sten Aldina).  Die  Varianten  aus  CO  (zweite  hälfte)  zu  dieser 
schrift  theilt  Sommerbrodt  mit  (Lucianea  p.  61  ff.);  die  Schrift 
findet  sich  auch  im  Palatinus  213  (fol.  230*  ff.),  und  im  Vati- 

4)  Schwerlich  aber  wird  man  jemals  die  verschiedenen  lesarten 
der  beiden  familien  zu  Einer  verschmelzen  dürfen,  wie  z.  b.  Som- 
merbrodt einmal  im  Gallus  23,  Fritzsche  im  Philops.  39  {*$*}*>  liyay), 
Bis  accus.  10  gethan  hat. 


Nr.  10.  297.  Lukianos.  491 

canus  90.  Diese  letzte  handschrift  ist  nun  aber  von  einer  zwei- 
ten hand  durchcorrigirt,  und  bei  einer  genauen  betrachtung  dieser 
correcturen  (wie  sie  ein  jeder  in  der  von  Sommerbrodt  mitge- 
theilten  collation  des  Gallus  anstellen  kann)  zeigt  es  sich,  dass 
diese  zweite  hand  einen  codex  der  familie  ß  zu  ih- 
ren nachtragen  benutzte.  So  ist  denn  auch  im  Philo- 
pseudes  der  Vat.  90  so  gut  wie  zwei  handschriften  beider  fami- 
lien ;  die  zweite  hand  bietet  hier  einige  sehr  beachtenswerthe 
Varianten:  z.  b.  c.  12  s^i)laasv\  slzexdXeaev,  c.  19  tj  yuo ,  fir\ 
oxänzs  (ohne  xa«),  c.  20  näg  3'  ovv  (welche  drei  lesarten  Fritz- 
sches  conjecturen  bestätigen),  c.  20  noo  tolv  nodolv  (wie  Sola- 
nus wollte),  c.  22  fy&ero]  tjhovszo  (toi,  c.  24  zagzciosiov  zo  [*i- 
ys&og]  z.  zo  ßd&og  u.  s.  w.  —  Dieses  sind  keine  conjecturen, 
sondern  abweichungen  der  im  allgemeinen  jedenfalls  besseren 
familie  ß ;  und  so  wäre  denn,  neben  einer  gründlichen  benutzung 
des  Vatic.  87  (als  des  besten  Vertreters  der  familie  ß),  eine 
sorgfältige  vergleichung  des  Vat.  90,  nach  seinen  beiden  hän- 
den,  als  grundlage  für  die  weitere  fortsetzung  der  Fritzscheschen 
ausgäbe  vor  allem  zu  wünschen.  Die  Sicherheit  der  kritischen 
entscheidung  wird  durch  eine  ausgedehntere  kenntniss  des  ap- 
parats  zwar  eher  vermindert  als  vermehrt  werden ,  aber  die 
merkwürdige  geschichte  des  lucianischen  textes  wird  erst  dann 
sich  ganz  klar  darstellen. 

Wenn  ich  nun  so  die  eigentlichen  cardinalfragen  luciani- 
scher  texteskritik  nur  ganz  kurz  berühren  durfte,  so  möge  es 
auch  vergönnt  sein,  eine  anzahl  einzelner  stellen,  an  denen 
auch  nach  der  neuesten  recension  noch  zu  zweifeln  veranlas- 
sung ist,  nur  in  aller  kürze  zu  besprechen. 

Somn.  11.6  ßovXsvad(isv6g  zi  mgl  dysvvovg  ovtto  ti%vr\q.  So  die 
handschriften.  Schi*eibe:  6  ßovXsvadpisvog  szi  vitkq  dysvvovg  xzX.— 
De  hist.  conscr.  13  sl  de  zig  advzmg  zo  zsonvov  tjysizai  syna- 
zttfieiiix&ui  8siv  zq  tazogta  nag  dXXd  avv  dXtj&sicc  zsonvöv  sazi* 
iv  zolg  dXXotg  xdXXsai  zov  Xöyov.  Ueber  diese  verzweifelte  stelle 
s.  Fritzsche  I,  1,  p.  46  sq.  Vielleicht  ist  das  T1ACAAAA  entstan- 
den aus  :  UAOAAAEIA  —  nuaa  dbsta,  ähnlich  wie  man  sonst 
sagt:  noXX'q  avyyrcofitj.  Dann  wäre  fortzufahren:  avv  81  dXrj&sCa  zo 
zsqnvov  svsazco  iv  nzX. —  Ib.  c.  26  zäv  tzoXvzsXojv  ixslvcov  deiTzvcov. 
Deutlicher  wäre:  sxstvov,  des  Severianus.  —  C.51  zd  fiev  Xsx&i]a6- 
fiBva  sazi  xal  elotjcsszcti.     Statt  des  unverständlichen  eioijaazai  ist 


492  297.  Lukianos.  Nr.  10. 

vielleicht  EVitögiorai  zu  schreiben;  was  dann  weiter  in  Evfzogrjrai 
zu  corrigiren  wäre  (s.  Lobeck  Phryn.576).  —  Gall.  28  extr.  dög  [ttj 
ymlsvoig  dtd  ftdrsgov  zi\g  oigäg  pegog.  Fritzsche:  öia  [roi/ro]  &a- 
rsgov,  nicht  ganz  klar.  Klarerund  einfacher  wäre :  cog  fx^  luiXevoig 
8%  &UTSQOV  xzX.:  mg-dtj  mit  ironischer  färbung,  wie  bei  Lucian 
eo  oft.  —  Alex.  10.  Der  rühm  des  Alexander  drang  ig  ro 
Aßeovov  rsfyog  xal  ranixEiva '  o?  xal  vsav  avtiy.cn.  ixptjqiiaavzo 
iysigai  xal  rovg  &sfisliovg  rjdi]  taxanrov.  So  Fritzsche.  Aber 
das  „xal  rämxeiva",  an  sich  wenig  passend,  ist  vor  dem  gleich 
folgenden  ol  ganz  unerträglich.  Die  handschriften :  ...  tü'/oi' 
xäxEivoi  yag  und  ixeTvoi  ydg.  Man  wird  wohl  nur  xuxeivoi  drj 
zu  schreiben  haben.  Auch  c.  21  ix  ydg  rovzmv  dndvrmv  • — 
ist  vielleicht  das  ydg  in  Srj  zu  verwandeln.  —  C.  25:  ...  slra 
&av/ia£stg  ei  im  fiiya  qgfti]  ro  xQqatijgiov  ,  ogmv  rag  igtarT]- 
ösig  rtav  ngoaiovrmv  ßvvsrdg  xal  jisnaidEv/ihag;  Vor  avvsrag 
scheint  ovrta  ausgefallen  zu  sein.  —  Peregr.  7.  im  al&ofiivoig 
Toig  ngorigoig  hgoig  int^si  röov  ajrovSmv.  Für  im  ist  vielleicht 
Ett  zu  schreiben.  —  Cap.  13  rbv  dveüxoXomafisvov  ixsTrov  co- 
y>iati}t>  «»-r'  avrmv  ngoaxvvovai  (die  Christen  nämlich)  :  dvri  hat 
Fritzsche  zugesetzt;  äocfnsztjv  avzmv  haben  FM:  in  r  sind  die 
beiden  worte  halb  ausradirt,  eben  so  in  Pal.  73,  in  welchem 
aber  von  der  ursprünglichen  schrift  noch  avzov  zu  erkennen  ist : 
und  dieses  ist  das  richtige:  s.  Sommerbr.  Lucian.  p.  127.  — 
Cap.  23  init.  Öga  r  und  Pal.  73;  Fritzsche's,  auf  das  dgäv  in  F 
gestützten  vermuthungen  sind  also  unnöthig.  —  C.  39  dvixgivov 
lue  Xiyorrsg:  das  überflüssige  Myovrsg  fehlt  in  r  und  Pal.  73. — 
Philops.  4  OEfii'OTe'gag  änocpaivovrEg  rag  nazgldag.  So  7YÜ, 
offenbar,  nach  dem  vorausgegangenen  iyxazafiiyvvvzsg ,  passen- 
der als  das  gewöhnliche  unocfalvovrai.  Vgl.  Somn.  8.  —  C.  5 
steht :  ov8t\g  av  vidi;  mozEvoEisv.  Dass  das  ovds  sinnlos  sei,  be- 
merkt schon  Fritzsche.  Schwerlich  ist  es  aber  ganz  zu  tilgen; 
man  schreibe:  övSslg  av,  ev  ol8a  ,  thözevoeiev.  —  Cap.  19  tj 
ov  vopt&ig  zov  avzov  eIvui  xal  ininifinEiv  jjmdXovg  o'tg  av  i&s'Xy 
ei  ys  xal  dnonifittEiv  övvazbv  avriö ;  So  die  handschriften,  auch 
ro).  Cobet  tilgt  Ei  ys  und  Svvazov  &vta),  „fnistra"  wie  Fritz- 
sche mit  recht  meint.  Aber  seine  eigne  Umstellung:  xal  uno- 
niftnEir,  Ei  )e  Svvarov  avzcp  entspricht  dem  Zusammenhang  nicht, 
welcher  nothwendig  diesen  sinn  fordert ;  glaubst  du  etwa  nicht, 
da*s  derselbe  dir  fieber  schicken  kann,    dem   es   so   offenbar 


Nr.  10.  297.  Lukianos,  493 

(nach  dem  eben  erzählten)  möglich  ist,  solche  verschwinden  zu 
machen?  Also  gewiss  nicht:  wenn  es  anders  ihm  möglich  ist. 
Zu  schreiben  scheint:  <£  ye  xal  dnoni^nstv  dvvuzbv  avzovg,  —  C. 
21.  In  dem  hause  des  arztes  Antigonus  geht  nachts  ein  eher- 
nes bild  des  Hippocrates  um,  zu  anderm  Schabernack  xal  ztjv 
■d-igav  neQiTQinmv.  Wozu  dies?  und  wie  kann  man  eine  thüre 
„umwenden"?  Zu  schreiben  ist  wohl:  zrtv  öveiav  asoizoeamv 
Das  sinnreiche  gespenst  dreht  den  mörser  um,  z\v  &vsiav, 
um  die  hausbewohner  daran  zu  mahnen ,  dass  sie  ztjv  &  v  aiav 
?jf  xazd  zb  szog  exaGzov  avzw  &  v  ousv  noch  nicht  dargebracht 
haben.  Zu  den  vorhergenannten  nv^ldeg  und  qjäo^axa  passt 
zudem  ein  mörser  gewiss  besser  als  eine  thür.  —  De  merc. 
cond.  15.  Bei  tische  verspotten  ol  zäv  avvdeCmwv  uxöXovdot 
deine  unsiola,  zsxfxijotop  tioiov/aevoi  zov  \ir\  naq1  aXXqp  noözE- 
göv  os  dedsiTtvriy.siai  zb  xanbv  ehai  aoi  zb  %Eig6fiaxzQOv  zi&S' 
fievov.  So  <Pr,  und  daran  ist  gar  nichts  auszusetzen.  Der  sehr 
verständliche  sinn  ist  dieser :  dass  du  nie  früher  in  einem  vor- 
nehmen hause  gespeist  habest,  schliessen  die  lakaien  daraus, 
dass  die  dir  hingelegte  (zidiixsvov)  serviette  dir  etwas  neues, 
ungewohntes  ist.  Servietten  brachten  nicht  nur  die  gaste  mit, 
auch  vornehme  gastgeber  lieferten  solche:  vergl.  Marquardt 
Eöm.  Alterth.  V,  1,  322,  n.  1995:  und  gerade  auf  dem  „  u- 
diusvov"  liegt  der  ton.  Was  Cobet  V.  L.  240  und  Fritz- 
sche  I,  2,  p.  162  versucht  haben,  dient,  nach  meiner  Überzeu- 
gung, nur  dazu,  den  an  sich  einfachen  Sachverhalt  unklarer  zu 
machen.  —  C.  17  xal  ftovotg  zolg  "EXX?joi  zovzotg  dvicpxzai  ?) 
'  PwfiaCoiv  noXtg.  So  die  handschriften.  Statt  des  sinnlosen 
xai  schreibt  Fritzsche  ov ,  und  macht  den  satz  zu  einem  un- 
willig fragenden.  Leichter  und  im  ausdruck  energischer  wäre: 
i>ai',  (Acroig  — ,  ohne  frage.  —  C.  42  r)  uvodog  (zu  den  Herr- 
lichkeiten eines  inl  (iicdüj  ovvubv)  inl  noXv  xal  dvuvztjg  xal 
cfoaöov  'i^ovaa.  Statt  des  unverständlichen  inl  noXv  schreibt 
Fritzsche  noXXij ,  mit  ziemlich  gewaltthätiger  änderung.  Will 
man  nicht  schreiben  inl  nolv  dvdvztjg  („gewöhnlich,  in  den 
meisten  fällen  steil".  Vgl.  idav  cög  inl  z6  no).v  uniyv<x>aij.ivfjv 
in  einer  ähnlichen  Schilderung,  Ehet.  praec.  3) ,  so  wäre  viel- 
leicht inl  nolv  in:  ininovog  zu  ändern.  —  Bis  accus.  28  zov 
didXoyov,  zov  ano  zov  a^fÄurog  0tXo(Joqiiag  vibv  sliat  Xtyope' 
tot.      Die   Wortstellung   dieser    stark   verderbten    stelle    ist  von 


4H  297.  Lukianos'.  Kr.  lö. 

Sommerbrodt  und  Fritzsche  endlich  zurecbtgerenkt  worden.  Nur 
das  vlov  scheint  mir  noch  bedenklich;  denn  wer  sollte  so  kühn 
sein,  irgend  jemanden  „seinem  gebahren  nach"  [dnb  tov  ayj\- 
fiatog)  ohne  weiteres  für  den  söhn  eines  ähnlich  sich  gebah- 
renden  zu  erklären?  Ich  meine,  dem  dialog  geschieht  genug, 
wenn  wir  ihn  dnb  tov  ai^natog  (iJtXoaocpiag  oixslov  nen- 
nen lassen,  wie  ihn  denn  die  philosophen  bei  Lucian  Pisc.  26 
tjfihsQov  olxsiov  nennen.  —  Ib.  yaol  de  avrov  (den  Lucian) 
fitjös  ngog  tov  igcofisvov  tovtov  (den  dialog)  sigtjvqv  äyeiv,  dXXd 
oluai  xai  dg  sxsivov  vßgi^siv.  Für  das  olpai  der  handschriften 
schreibt  Fritzsche,  mit  scharfsinniger  conjectur,  ta  opota.  Nur 
leidet  ja  doch  der  dialog  nicht  vom  Lucian  „das  gleiche",  wie 
die  böslich  verlassene  ehegattin  Khetorica.  Vielleicht  ist  AA- 
AAOlMAI  entstanden  aus  AAAAAQINA  =  dXXd  deivd.  Cap. 
33  sagt  der  dialog  selbst:  nag  ovv  ov  Ssivd  vßgiGfiai;  — 
Hermotim.  67.  aTVOfirjxvvmv  to  ngäypa  ig  ysvwg  dXXag :  noX- 
Xdg  Courier ;  besser  wohl  oXag.  —  Das  sprüchwort  Hermot. 
69  g.  E.  ist  vielleicht  so  zu  restituiren :  noXXä  ^o^&rjaavTsg 
Mv  T<p]  bfioiqj  iaixsv.  —  Sympos.  c.  5.  Aristaenetus  ersieht 
sich  den  söhn  des  Eukritos  zum  eidam:  uövov  ovza  nXov- 
aiöv  ts  rcj>  Evxghq).  So  DAUÜ,  auch  Ti  nXovoioj)  im  EvxgCzqp 
Fritzsche.  Leichter  wäre:  nXovtovvzi  to?  Evxgitcp.  —  C. 
12:  sdsdoixeoav  tov  'AlxiddftavTa  ßorjv  dya&ov  aTS^v^g  ovtcc 
(so  Fr.  aus  conjectur;  ebenso  T)  xai  xgaxTixooTazov  Kvvi- 
xiöv  undvicov ,  nag  o  xai  upeivoiv  id6x8t  xai  cpoßegtüxaTog 
tjv  dnaaiv.  Statt  des  unerträglichen  dfieivcov  erwarte  ich  noch 
ein  homerisches  prädicat,  nämlich  d  u  v  u  w  v ,  untadelig,  insofern 
ihn  niemand  laut  zu  tadeln  wagt,  wie  kurz  vorher  gesagt  wor- 
den ist.  —  C.  41.  Der  erste  vers  des  von  Histiaeus  vorgetrag- 
nen gedichts  lautet  in  den  handschriften  (auch  in  r)  ganz  rieh* 
tig  7]  oft]  7Iot  dg'1  T]  ys  Agioraivhov  iv  ptydgotoiv  (fteydgotg  r); 
es  bedarf  der  kühnen  änderungen  Fritzsches  gar  nicht;  denn 
'  Agiataivitov  konnte  der  dichter  ganz  wohl  mit  kurzer  zweiten 
silbe  messen,  ebenso  wie  Homer  'lazCaiav  misst  und  dergl. :  vgl. 
Westpbal  Gr.  Metr.  II,  79  f.  —  C.  45  Tagung  xai  öaxgvmv 
[M<STa  i\v  ndvza.  xai  al  psv  yvvalxsg  ixwxvov  tw  Xaigsa  nsgi- 
%v&Eioai  oi  äs  uXXoi  xaThTiavov.  „Die  andern  suchten  sie  zu 
beschwichtigen".  Gott  bewahre:  die  sind  ja  mitten  im  eifrig- 
sten kämpfe.     Fritzsche  schiebt  hinter  dXXoi:    oixixat  ein;    wo- 


Nr.  10.  296.  Lukianoö.  496 

bei  mir  ausser  andern  bedenklichkeiten  auch  die  bleibt,  ob  man 
so  sagen  könne :  die  andern  (nämlich  die)  diener,  wenn  es  wie 
hier,  ausser  den  dienern  und  den  vorher  genannten  weibern 
noch  andre  SiXXot  giebt.  Von  diesen,  den  gasten,  wollen  wir 
etwas  hören.  Vielleicht  ist  zu  schreiben:  xal  Inaiov  xal 
inaiovt  o.  Wie  daraus  die  handschriftliche  lesart  entstand, 
sieht  man  leicht  ein.  Zum  ausdruck  vgl.  ib.  c.  19  naiwv  xou  natö- 
[isvog  iv  7<w  jWf££<,  Saltat.  10:  s.  Fritzsche  Quaest.  Luc.  42  sq. 
—  Fugit.  23  aXXu  aal  av  w  'Hguxlsig ,  äua  xal  rrjv  fatloao- 
qsiav  aiir^v  tfortsg  aniTs.  Ausdruck  und  sachlicher  Zusammen- 
hang verlangen  gleichmässig,  dass  vor  aal  av  eingeschoben  werde: 
av  a>  'Eqixtj.  —  Zum  Schlüsse  will  ich  noch  über  eine  heillos 
verderbte  stelle  meine  meinung  ohne  alle  begründung  hinstel- 
len. Hermotim.  63  (I,  p.  805  E.  init.)  hat  Fritzsche  II,  2,  p. 
205  eine  lücke  mit  zutreffendem  Scharfblick  erkannt:  statt  des 
von  ihm  vorgeschlagenen  Supplementes  scheinen  mir  aber  einzig1 
folgende  worte  den  nothwendig  zu  erfordernden  inhalt  des 
verlorenen  wiederzugeben:  —  altidaa&at,  [ösop  xov  Xöyov  tov 
ifjiot   aiziäa&at,  päXXov   de  ovds   to"v%ov\  tat    uv  fxrj   — . 

Damit  nehmen  wir  von  dem  hochverdienten  herausgeber 
abschied,  aber  nur  in  der  hoffnung,  ihm  in  einem  dritten  und 
vierten  und  fünften  bände  seiner  Lucianausgabe  recht  bald 
aufs  neue  zu  begegnen. 

Erwin  Rohde. 

298.  Lucianea  von  Julius  Sommerbrodt.  8.  Leipz. 
Teubner.  1872.  —     15  ngr. 

Diese  Sammlung  kritischer  beitrage  zum  Lucian  zerfällt  in 
zwei  abtheilungen.  Die  erste,  „handschriftliches"  enthaltend 
bietet  eine  Vervollständigung  der  schon  früher  von  dem  um  Lu- 
cian so  vielfach  verdienten  Verfasser  mitgetheilten  lesarten  der 
beiden  Marciani  434  und  436;  zu  neunzehn  weiteren  Schrif- 
ten werden  die  Varianten  beider  oder  je  einer  jener  beiden 
handschriften  mitgetheilt.  Ohne  zweifei  werden  freunde  des  Lu- 
cian diese  bereicherung  des  kritischen  materials  mit  theilnahme 
begrüssen,  namentlich  in  denjenigen  abschnitten  wo  die  lesarten 
beider  handschriften  mitgetheilt  sind:  denn  da  434  die  ge- 
ringere handschriftenf'amilie,  436  die  bessere  vertritt,  so  bieten 
ihre    vereinten   lesarten    ein   ziemlich    vollständiges  bild  dessen 


496  298.  Lukiands,  N'r.  10« 

was  die  diplomatische  Überlieferung  des  lucianischen  textes  uns 
überhaupt  gewähren  kann.  Leider  hat  ein  ungünstiges  Schick- 
sal es  so  gefügt,  dass  die  repräsentanten  der  bessern  familie, 
mit  ausnähme  des  einzigen  Vindobonensis  B,  jüngeren  alters 
sind,  die  stattlichsten  Vertreter  lucianiseher  texte  (wie  Marc. 
434.  Vat.  90.  Palat.  73)  die  weniger  reine  Überlieferung  der 
andern  familie  (y)  erhalten  haben.  Um  so  mehr  darf  man 
vielleicht  von  einer  vollständigen  eollation  der  besten  aller  hand- 
schriften  der  familie  ß,  des  Vaticanus  87  erwarten,  aus  wel- 
chem bis  jetzt  nur  zum  Nigrinus  und  Icaromenippus  die  voll- 
ständigen Varianten  von  Sommerbrodt  (Ausgew.  Sehr,  des  Luc. 
Bd.  II,  2.  aufl.)  mitgetheilt  worden  sind. 

Die  zweite  abtheilung  vereinigt  die  von  Sommerbrodt  in 
einzelnen  bänden  der  Iahrbücher  für  class.  philologie  veröffent- 
lichten beitrage  zur  kritik  des  Lucian,  und  fügt  einige  neue  Ver- 
besserungsvorschläge hinzu.  Man  wird  diese  bisher  weit  ver- 
streuten einzelbeiträge  um  so  lieber  zu  bequemerem  gebrauche 
verbunden  sehen,  da  in  den  meisten  gesunde  schärfe  des  ur- 
theils  sich  mit  jener  geduldigen  beobachtung  des  speeifischen 
redegebrauchs  des  behandelten  autors  vereinigt,  die  bei  Lucian, 
wie  bei  allen  späteren,  einen  correcten  griechischen  stil  nur 
nach  peinlicher  einlernung  schreibenden  Schriftstellern ,  zur  er- 
folgreichen handhabung  der  kritik  durchaus  unerlässlich  ist. 
Einzelne  besonders  gelungene  Verbesserungen  hervorzuheben  ist 
kaum  nöthig,  zumal  da  solchen  schon  von  nachkommenden  kri- 
tikern,  W.  Pindorf,  Fritzsche  u.  a.  die  gebührende  anerkennung 
zu  theil  geworden  ist.  Nur  auf  eine  emendation  will  ich  mir 
doch  erlauben  mit  besonderm  nachdruck  hinzuweisen,  nämlich 
auf  die,  p.  146 — 148  mitgetheilte  Verbesserung  einer  stelle  im 
20.  capitel  der  schrift  über  die  geschichtschreibung :  mit  völ- 
lig einleuchtender  Sicherheit  wird  hier  durch  ein  einziges  ein- 
ßchobenes  äg  ein  verwirrtes  und  unklares  gleichniss  zu  befriedi* 
gender  klarheit  zurückgeführt.  Da  aber  doch  der  kritiker  von 
amtswegen  den  geistern  die  verneinen  zugehört,  wird  es  er- 
laubt sein,  statt  motivirten  beifalls  zu  so  vielen  schönen  Verbes- 
serungen vielmehr  mit  apodiktischer  kürze  die  einwendungen 
gegen  einzelne  minder  gelungen  erscheinende  vermuthungen  vor- 
zutragen. 

Bhet.  praec.  10  schreibt  Sommerbrodt  p.  89 :  (accxqu  x^'Qsip 


Nr.  10.  298.  Lukianos.  497 

[«fTTOT»']  Xsys  dvaßaiveiv  avrov.  Warum  soll  der  schüler  jenen  rauhen 
führer  gehen  heissen?  Treffender  scheint,  was  auch  der  hand- 
schriftlichen lesart  näher  liegt:  paxgd  %at'gEtv  Xeyoov,  ea  dvaßaivstv 
avrov  (geschrieben  Xs'y  sa  dvaßaivstv,  woraus  leicht  Xs'ys  dva- 
ßaivstv entstand).  —  Rhet.  praec.  3.  algqoetg  ov  xaficov.  ctlgrjaeig  [top 
ydfxov]  ov  xaitoov  Sommerbrodt  p.  92.  Aber  das  bild  von  der  hoch- 
zeit  folgt  erst  später  (von  cap.  6  an),  und  kann  unmöglich  hier 
ohne  alle  einleitung  anticipirt  werden.  Besser  also  etwa:  alg?'jasig 
zb  aOlov  ov  xa/icov.  Oder  ist  etwa  KAIAIPHCE1C  entstanden 
aus:  KAIKAAAIEPHCE1C  =  xai  xaXXisgijosigt  Dem  gleich 
folgenden  evca^arj  geht  ein  opfer  naturgemäss  voraus :  vgl.  z. 
b.  Bis  accus.  10  Ovovai  —  slt  svaxovvrat,  zd  xgia.  —  De  salt. 
81  aonsg  iv  xazonrgm  zd)  6g%qGT%.  Vor  zdo  schiebt  Sommerbrodt 
p.  100  ein  iv  ein ;  gegen  einen  feststehenden  Sprachgebrauch 
in  solchen  vergleichungen ,  den  Krüger  Sprachl.  68,  8  am  ge- 
nauesten formulirt  hat.  Beispiele  giebt  Bernhardy  Wiss.  synt. 
p.  204  f.  u.  a.;  auch  Cobet  V.  L.  163 — 166  redet  von  diesem 
Sprachgebrauch,  in  seiner  art,  d.  h.  mit  einer  miene,  als  ob  er 
von  der  Vorsehung  ausdrücklich  bestellt  sei,  um  über  diese  und 
so  viele  andre,  nicht  eben  unbekannte  Sachen  die  weit  und  im 
besonderen  die  dummen  Deutschen  zum  ersten  mal  zu  belehren. 
—  Navig.  29.  Statt  des  tjärj  der  hss.  hat  Sommerbrodt  p.  117  ge- 
wiss richtig  tjdv  vorgeschlagen;  am  schluss  aber  ist  statt :  ozav 
idy  ttg  avzog  öY  avrov  xzrjadfxsvog  ztjv  dvvdazstav,  nicht  orav  \ 
mit  ihm  zu  schreiben,  sondern  vielmehr  orav  sidy. ;  „wenn  man 
sich  bewusst  ist,  zu  —  haben",  vgl.  Krüger  Sprl.  56,  7, 
5.  —  Bis  accus.  24  iwnei  zoiizo  ngd^siv.  Sommerbrodt  schiebt 
p.  118  vor  ngd^stv  ein  ov  ein;  dann  müsste  zovzo  heissen 
können :  „das  ankommen",  während  es  nach  dem  Zusammenhang 
nur  für  „das  nicht  ankommen"  stehen  kann.  Die  überlieferte 
lesart  ist  ganz  in  der  Ordnung:  „es  sah  ihm  ähnlich  dass  er  dies 
thun  würde",  nämlich  wegbleiben.  —  Peregr.  25.  Die  Inder 
„xazce  Gi?i(xa  xdovzai11  :  r/gs/Aa  xdovzai  Sommerbr.  p.  129.  Aber 
0£%*a  wird  durch  die  von  Fritzsche  angeführte  stelle  Plutarch, 
Alex.  69  durchaus  geschützt.  Sollte  xazd  oxWa  nicht  heissen 
können  :  „in  geordneter,  feierlicher  Stellung  oder  läge"  (ohne  arti- 
kel  auch  Bis  accus.  29  extr.  Anach.  19:  an  beiden  stellen  liest 
freilich  Fritzsche  natu  zd  <r^^a),  so  schreibe  man  xazd  zavzb 
Philol.  Anz.  IV.  32 


498  298.  Lukianos.  Nr.  10. 

a%?]/xa:  „in  unveränderter  läge".  Nur  an  ff^jua  ist  gewiss  nicht 
zu  rütteln ;  es  bedeutet  die  halbliegende  positur  auf  einem  ru- 
hebett:  vgl.  namentlich  Somnium  11.  —  Philops.  20  ov  &so- 
nowg  zig  äU'  äv&yanonoidg  wv.  SommerbroJt's  einwürfe  ge- 
gen das  av&Qtanonoiog  p.  133  sind  sehr  zutreffend;  ebenso 
sicher  ist  aber  das  ihm  gleichfalls  verdächtige  &sonoiög  rich- 
tig. Will  man  all.'  avdooijionoiög  nicht  ganz  streichen  (wie  es 
denn  im  Vat.  90  nur  am  Rande  steht),  so  könnte  man  schreiben  : 
alV  aidoiavionoiög.  —  Nigr.  6.  Sommerbr.  p.  139.  Ist  viel- 
leicht das  avtäv  nur  in  aXXcov  zu  ändern?  —  Ib.  14  toiuvt^ 
io&tjzi  &£03fxevog:  ^Qm/xsvog  Sommerbr.  p.  141 :  aber  das  anstössige 
liegt  nicht  darin,  dass  er  ein  solches  gewand  überhaupt  hat, 
sondern  dass  er  ,, darin  zuschaut".  Also  öewpetog  ist  gewiss  rich- 
tig; schreibe  aber:  iv  loiainrj  ia&ijri  üsm/xsiog.  —  Bis  accus.  33 
wird  0609  von  Sommerbrodt  p.  143  in  og  verändert,  ohne  noth, 
da  oertpäiicn  ohne  vorhergehenden  comparativ  =  „insofern"  ge- 
braucht wird;  z.  b.  Thucyd.  VI,  92,  4:  vgl.  Lucian.  Alex.  2. 
Apol.  9.  Couv.  2.  Bis  accus.  31.  —  Peregr.  32  xaromv  rov  iwv 
KrjQvxmv  dymtog:  von  Sommerbr.  143  gegen  Fritzsche  gut  ver- 
theidigt ;  er  konnte  vor  allem  Conviv.  20  init.  vergleichen.  Was 
aber  an :  tov  ßlov  ts  <ag  ipim  anstössig  sei,  verstehe  ich  nicht.  — 
Rhet.  praec.  15  zavTa  ph  avzov  xQ'i  f^siv,  Sommerbrodt's 
sehr  richtige  erwägungen  (p.  150)  leiten  keineswegs  auf  sein 
gewaltsames  mittel  einer  amputation  des  ganzen  satzes.  Man 
schreibe  avri'xa  statt  autör,  und  alles  ist  in  Ordnung.  So  hat 
Sommerbrodt  selbst  Nigr.  21  Scheibe's  avttxa  statt  des  av- 
toi  der  haudschriften  aufgenommen. 

Necyom.  3  ixvapqv  ist  fälsch  ;  aber  das  ixivovfii]f  der  bes- 
sern handschriftenclasse  möchte  ich  mit  Sommerbrodt's  ixijXov- 
fiTjv  (p.  153)  nicht  vertauschen.  Vgl.  Zeuxis  1  ixexipijrto  vnb 
ttjg  axgoäaeayg  „sie  waren  ergriffen". —  Vitar.  auct.  14.  Weder 
Fritzsche  (II,  1,  p.  57,  p.  xn)  nach  Sommerbr.  p.  154  scheinen 
sich  der  scharfsinnigen  erörterung  dieser  stelle  durch  Bernays 
Rhein.  Mus.  VII,  109  erinnert  zu  haben.  —  Hermot.  44  olde 
yao  svTiQooooTtov  odds'v.  Das  ovöev  ist  nur  dann  „überflüssig", 
wenn  man  mit  Sommerbr.  p.  155  slngöamnov  in  irgend  ein 
wort  verändert,  zu  dem  „meine  behauptung"  das  zu  supplirende 
subject  sein  müsste.     Die  Überlieferung  ist  aber  ganz  in  Ordnung: 


Nr.  10.  299.  C.  Iulius  Caesar.  499 

„es  giebt  ja  anch  nichts  scheinbares,  mit  probabilität  gegen 
meine  behauptungen  einzuwendendes".  Gerade  in  dieser  be- 
deutung  wird  ja  svngöamnog  gar  nicht  selten  gebraucht;  z.  b. 
gleich  wieder  im  Herrnot.  cap.  51.  —  Zeux.  2  zovrav  8i. 
dij  Sommerbr.  p.  156:  vgl.  aber  Fritzsche  Quaest.  Luc.  46. —  De 
luctu  21.  Die  leichen  b  'fodog  vu)q>  nsQiXQ(ei.  ai(/.7.q>  Sommerbr. 
p.  157.  Das  soll  wohl  jedenfalls  von  aialog  kommen;  wird 
aber  irgendwo  berichtet,  dass  die  Inder  ihre  leichen  mit  fett 
beschmierten?  Es  soll  gewiss  irgend  eine  art  der  conservi- 
rung  beschrieben  werden.  Nun  verbrannten  die  Inder  be- 
kanntlich ihre  leichen:  mit  valog,  vermuthlich  irgend  einer  art 
von  lack,  wurden  die  leichen  überzogen  bei  den  Aethiopen: 
s.  Herodot  III,  24.  Diodor  II,  15  (dort  Wesseling).  EI,  9. 
Die  Aethiopen  aber  sind  hier  wohl  mit  den  Indern  ver- 
wechselt, mit  gewöhnlichem  irrthum  (vgl.  Letronne,  matiriaux 
pour  Vhist.  du  christianisme  en  Egypte  etc.  p.  31 — 33);  und  so 
wird  an  dem  vä'kcg  schwerlich  etwas  auszusetzen  sein.  —  Her- 
cul.  1.  oXog  'HQuxlrjg  iati  tavtä  ye.  Des  vfs.  änderungen  (p. 
157)  scheinen  unnöthig:  vgl.  Necyom.  1,  ibiq.  Fritzsch.  U,  1,  p. 
161.  —  Dial  meretr.  VI,  1.  Sommerbr.  p.  157.  Vielleicht  ist 
zu  schreiben:    sv  olo&'  oncog  — ,  ohne  frage. 

Erwin  Rohde. 

299.  Gebrauch  der  nebensätze  bei  Caesar.  I.  Abhandlung 
vom  Oberlehrer  dr.  Procksch.  —  Programm  des  gymnasiums 
zu  Bautzen  1870.  —     40  s.     8. 

Schon  im  zweiten  hefte  des  bd.III  des  Phil.  Anzeigers  (1871) 
ist  von  V.  p.  85  anm.  2,  leider  mit  unrichtigem  namendes  vfs.,  auf 
diese  abhandlung  als  fortsetzung  von  Fischers  rectionslehre  bei 
Caesar  I.  II.  Halle.  1853.  1854  aufmerksam  gemacht  worden. 
In  der  that  war  es  ein  verdienstliches  unternehmen,  die  Fischer- 
sche  arbeit ,  auf  deren  fortsetzung  man  schon  sechzehn  jähre 
lang  vergebens  gewartet  hatte,  wieder  aufzunehmen  und  weiter 
zu  spinnen,  und  der  wünsch  dürfte  wohl  als  gerechtfertigt  er- 
scheinen, dass  dieses  neue ,  einem  so  alten  dringenden  bedürf- 
nisse  abhelfende  repertorium  des  Caesar'schen  Sprachgebrauchs 
nicht  auch  unvollendet  bliebe. 

Der  vf. ,  jetzt   rector   des  lyceums  zu  Eisenberg,    hat    bis 

32* 


500  299.  C.  Iulius  Caesar.  Nr.  10. 

jetzt,  an  der  hand  der  G.  T.  A.  Krügerschen  grammatik,  was 
nur  zu  billigen  ist,  in  drei  abschnitten  behandelt  A)  die  attri- 
butivsätze,  B)  die  substautivsätze,  C)  die  adverbialsätze,  diese 
in  acht  unterabtheilungen,  nämlich  local-,  temporal  -,  modal  = 
incl.  comparativ-,  consecutiv -,  final-,  causal-,  condicional-  und 
concessivsätze.  In  mehreren  dieser  artikel,  z.  b.  art.  VI.  VIII, 
herrscht  Übersichtlichkeit ,  doch  ist  vielfach  dieser  berechtig- 
ten forderung  nicht  genug  rechnung  getragen,  und  da  es 
bis  jetzt  noch  an  einem  index  fehlt,  der  jedenfalls  bei  der 
Vollendung  der  arbeit  als  unerlässliche  zugäbe  zu  beanspruchen 
ist,  kann  die  klage  nicht  verschwiegen  werden ,  dass  die  be- 
nutzung  der  abhandlung  als  nachschlagebuch  bedeutend  erschwert 
ist,  wenn  auch  nicht  in  demselben  masse  wie  bei  Fischers  rec- 
tionslehre. 

Zur  prüfung  des  reichhaltigen  materials  fordert  der  verf. 
selbst  am  ende  p.  40  auf,  und  allerdings  braucht  er  dieselbe 
im  allgemeinen  weder  in  hinsieht  der  richtigkeit  noch  der  Selb- 
ständigkeit zu  scheuen.  Er  hat  sich  seine  aufgäbe  nicht  leicht 
gemacht,  wovon  sich  jeder  durch  nachschlagen  der  massenhaf- 
ten belegstellen  bei  den  wichtigsten  erscheinungen  überzeu- 
gen kann.  Namentlich  da,  wo  die  sache  selbst  eine  lange  reihe 
von  citaten  erheischt,  herrscht  durchgehends  eine  höchst  lobens- 
werthe  genauigkeit  und  gründlichkeit.  Dass  trotzdem  —  und 
wer  wollte  daraus  dem  vf.  einen  Vorwurf  machen?  —  einzelne 
ungenauigkeiten  untergelaufen  sind,  gedenken  wir  im  folgenden 
nachzuweisen. 

Unter  B  2)  „substantivsätze  mit  uC  hätte  B.  C.  I,  47,  1 
haec  —  praefertur  opinio  ut,  was  p.  32  unter  den  consecutiv- 
sätzen  steht  (wie  auch  Doberenz  in  einer  anmerkung  zu  d.  st. 
48,  1  vergleicht  I ),  mit  verzeichnet  werden  müssen ,  da  auch 
stellen,  wo  auf  id  consüium,  B.  G.  V,  6,  5.  VI,  40,  6,  und  id 
consilii  das  erklärende  ut  folgt,  ebenda  berück sichtigung  gefun- 
den haben,  und  mit  recht;  unter  aeeidit  fehlt  B.  C.  I,  85,  4 
(wo  zu  beachten  ist,  dass  uti  —  petant  durch  eine  art  attrac- 
tion  vom  verbum  des  nebensatzes  aeeidere  solcat  abhäugt  statt 
vom  hauptsalze  der  or.  obliqua).  Jedenfalls  ist  auch  der  kurz  dar- 
auf folgende  erklärungssatz  zu  novi  gencris  imperia  constitui,  nämlich 
ut  —  obtineat,  unter  diese  kategorie  zu  stellen,    wiewohl  er  auch 


Nr.  10.  299.  C.  Iulius  Caesar.  501 

als  consecutivsatz  aufgefasst  werden  könnte  (trotz  des  §.  9  co- 
ordinirten  ne  —  mittantur  auf  keinen  fall  finalsatz)  ;  wenn  hin- 
gegen ebend.  §.  10,  p.  6  die  worte  ut  —  dimittant  als  ein  von 
servari  (passiv.)  abhängiger  objectssatz  gefasst  werden,  so 
ist  das  abhängigkeitsverhältniss  ungenau  angegeben :  das  sub- 
ject  von  servari,  quod  sit  —  datum  (=  concessum),  führt  dieses 
ut  herbei.  Dieses  beispiel  sollte  also  weiter  oben,  unter  dare 
oder  datum  angeführt  sein ,  ebenso  wie  das  andre  von  servare, 
B.  C.  III,  84,  3,  wegen  institutum  §.  5  unter  subject  zu  setzen 
ist.  Unter  den  von  constituere  abhängigen  objectssätzen  ist  auch 
B.  G.  VII,  78,  1  angeführt,  die  fortsetzung  aber  §.  2,  wo  das- 
selbe verbum  den  accusativ  mit  infinitiv  regiert,  p.  17  am  ende 
weggelassen,  was  um  so  weniger  geschehen  durfte,  da  in  der 
Zusammenstellung  der  verschiedenen  constructionen,  p.  19  f., 
die  freilich  nichts  weniger  als  übersichtlich  ist  (constituere  kommt 
allein  viermal  vor),  die  stellen,  an  denen  ein  und  dasselbe  ver- 
bum nach  einander  verschiedene  constructionen  hat,  nicht  citiert 
sind.  Auch  unter  instituere  ebd.  herrscht  ungenauigkeit :  die  erste 
stelle  ist  B.  C.  (nicht  G.,  wie  dasteht)  III,  92,  4  (Nipp.  3), 
aus  der  zu  zweit  stehenden  aber,  ebd.  43,  3,  hängt  ut  von  haec 
spectans  ab,  unter  dem  sie  auch  nochmals  angeführt  ist,  aber 
fälschlich  §.  2.  (Nipp.),  wo  quo  minore  u.s.w.  steht,  während 
erst  §.  3  uti  folgt.  Am  Schlüsse  dieses  abschnitts  endlich,  p.  8 
(conjunctiv  ohne  ut),  steht  als  zweites  beispiel  zu  constituere 
B.  C.  HI,  1,  2.  Kichtig  ist  dies,  aber  es  musste  doch  bemerkt 
werden,  dass  die  worte  per  eos  fierent  cett.  nur  eine  fortse- 
tzung von  ut  arbitri  darentur  sind;  also:  ,, nach  vorhergehendem 
ut".  Auch  weiter  unten  unter  senatus  consultum  ist  der  ausdruck 
„subject"  ungenau,  denn  der  hauptsatz  B.  C.  I,  5,  3  lautet: 
decurritur  ad  illud  —  SC.  (hingegen  sind  ebd.  3,  p.  8.  a.  e., 
die  beiden  beispiele  zu  beneßcia  objectssätze  wegen  der  verba 
commemorat,  exponit);  zu  refertur  ebd.  c.  3  ist  zu  ergänzen,  dass 
im  dritten  gliede  uti  steht  (umgekehrter  fall  wie  oben  III,  1, 
2).  Dass  das  beispiel  zu  placet  B.  C.  III,  83,  3,  von  Polle 
JB.  f.  Phil.  103,  p.  339  emendiert,  nicht  hierher  gehört,  habe 
ich  schon  durch  meine  interpunction  (=  Nipp.)  gezeigt  und 
werde  es  auch  anderweit  nachweisen ;  übrigens  wäre  auch  hier 
der  Übergang  von  einer  construction  in  die  andre,    vom  accus. 


502  299.  C.  Iulius  Caesar.  Nr.  10. 

c.  infinitivo  zum  conjunctiv  (mit  oder  ohne  ut)  zu  notieren  ge- 
wesen, wie  er  in  den  beiden  folgenden  beispielen  zu  summa 
mandatorum  thatsächlich  stattfindet:  im  ersten  B.  C.  I,  10 ,  3 
(ohne  ut)  umgekehrt;  ebenso  mit  ut  bei  censere  ebd.  67,  1, 
worüber,  nachdem  es  schon  p.  5  a.  e.  angeführt  war,  p.  10  a. 
e.  eine  ganz  unbegreifliche  bemerkung  steht,  und  II,  20,  3  bei 
denuntiare,  was  dreimal  aufgeführt  ist,  p.  5  unter  ut,  p.  7  unter 
ne  (zweimal  dieselbe  stelle),  p.  13  unter  accusativ  mit  infinitiv 
(hier  ohne  Wiederholung  dieser  stelle). 

Unter  B  3,  quod,  fehlt  p.  9,  z.  7,  wo  auch  der  ganze  aus- 
druck,  namentlich  „causal"  falsch  ist  (frage:  wodurch,  in  wel- 
cher hinsieht  ?  ) ,  als  erstes  beispiel  B.  Gr.  III ,  4,  3  hoc  supe- 
rari  (==  inferiores  esse  Kr.),  quod.  Die  auffassung  von  B.  G. 
1,44,  13  als  objeetssatz  beruht  auf  rein  äusserlichem  gründe; 
dasselbe  könnte  man  von  §.  11  Qui  nisi  decedat  sagen,  §.12 
dagegen  müsste  Quod  si  eum  interfeeerit  als  subjeetssatz  be- 
zeichnet werden:  allein  mit  der  conjunetion  quod  haben  alle 
drei  bedingungssatze ,  also  auch  §.  12.  13  absolut  nichts  zu 
schaffen;  letztere  stehen  auch  richtig  p.  37  unter  quodsi,  wäh- 
rend §.  11,  qui  nisi,  nicht,  analog  dem  qui  si  ebd.,  besonders 
angefübrt  ist,  sondern  schlechthin  unter  nisi.  Ebd.  4a.  steht 
unter  oportet  aus  versehen  bei  B.  C.  III,  10,  9  esse  statt  placere : 
es  ist  wohl  eine  andere  stelle  gemeint.  Die  unmittelbar  vorher- 
gehenden stellen  über  den  infinitiv  des  deponens  sind  richtig, 
aber,  da  vrf.  mit  recht  in  den  ersten  beiden  nicht,  wie  Kraner, 
metiri  passivisch  fasst  (vgl.  metari  p.  14),  als  verschiedenartig  zu 
bezeichnen  (B.  C.  II,  31,  4  acc.  mit  infinitiv);  was  die  aus  der 
vollständigen  Zusammenstellung  sich  ergebende  conjeetur  dari 
statt  dare  ebd.  III,  95,  1  betrifft,  so  ist  nur  zu  verwundern, 
dass  Kraner  trotz  seiner  anmerkung  zu  jenem  ersten  metiri:  „da 
oportet  sonst  nie  den  blossen  infinitiv  regiert",  sie  nicht  schon 
gemacht  hat  und  auch  Hofmann  dare  schreibt,  ohne  es  als 
einzige  ausnähme  zu  bezeichnen.  Nach  meinem  Staudpunkte 
in  der  kritik  Caesars  kann  ich  dari  nicht  annehmen;  vgl. 
iubere,  bei  Procksch  p.  14.  Wunder  muss  es  aber  auch 
wiederum  nehmen,  dass  der  vf.  ebd.  exspeetari  B.  G.  VII,  60, 
1  anficht:  die  kurz  vorher  erwähnte  stelle  B.  C.  I,  61,  4  (vgl. 
Kraner)  hätte  ihm  jeden  zweifei  benehmen  sollen.  —  P.  9  ist  bei 


Nr.  10.  299.   C.  Iulius  Caesar.  503 

commodum  (soll  keissen  commodissimum ,  wie  nachher  optimum, 
wozu  das  beispiel  erst  unten  citirt  ist)  richtig  B.  Gr.  V,  11,  5 
angeführt,  dasselbe  aber  irrthümlicherweise  auch  wieder  p.  16, 
wo  vom  blossen  infinitiv  die  rede  ist;  hier  also  zu  streichen. 
Am  Schlüsse  von  a)  ist  statt  „subject"  zu  schreiben:  ergänzung 
des  subjects;  das  erste  beispiel,  B.  C.  III,  33,  1,  ist  auch  p. 
8  unter  dem  blossen  conjunctiv  erwähnt ;  dass  aber  dieser  die 
fortsetzung  des  accusativs  mit  infinitiv  bildet ,  ist  auch  dort 
nicht  angedeutet. 

Unter  4  b,  (object)  ist  p.  10  a.  e.  „pass."  bei  dem  citat 
B.  G.  VII,  37,  2  ungenau,  da  die  worte  lauten:  ut  se  liberos 
et  imperio  natos  (adjectiv)  meminerint  (vgl.  Dinter,  Lat.  Gramm. 
p.  15)  ;  bei  merninisse  mit  infin.  perfecti  fehlt  aber  B.  C.  III, 
47,  5  (depon.  und  activum).  —  P.  12  unter  polliceri  ist  das 
citat  „  4  ,  6 ,  1  "  falsch ,  ich  finde  auch  nicht ,  welche  stelle 
gemeint  ist;  die  beiden  folgenden  aber  hätten  mit  „2,  32, 
3",  s.  unten,  zusammen  als  beispiele  vom  blossen  inf.  praesentis 
statt  accusativ  cum  infinit,  futuri  (p.  20  nach  4  c),  wie  wir  es 
der  kürze  wegen  nennen  wollen,  da  b)  zweimal  steht ,  aufge- 
führt werden  sollen,  getrennt  von  denen,  wo  bloss  der  subjects- 
accusativ  se  u.  dgl.  fehlt  (aber  natürlich  auch  von  den  unten 
durch  „ebenso"  und  „auch"  angefügten  stellen  B.  G.  I,  20,  6. 
VI,  29,  5).  —  P.  13  anf.  und  später  unter  demonstrare  musste 
der  deutlichkeit  wegen  auf  die  leider  in  der  schule  wenig  be- 
kannte regel  bei  Krüger  §.  570,  anm.  1  a.  hingedeutet  werden 
(auch  b.  gehört  hierher) ;  nach  ihr  ist  unten  quod  B.  G.  II,  9, 
3  richtig  als  accusativ  aufgefasst,  aber  der  ausdruck  „passivum" 
ist  nicht  genau;  VI,  25,  1  gehört  aber  nicht  als  ausnähme  dahin, 
weil  kein  infinitiv  von  demonstrare  abhängt ;  sonst  müsste  ebenso 
oben  mit  I,  1,  5  verglichen  werden  16,  2.  Nach  derselben  re- 
gel ist  auch  die  fälschlich  unter  „dico  mit  fut"  (richtig  unter 
„video"  p.  11)  angeführte  stelle  B.  G.  I,  46,  3  zu  beurtheilen: 
ut  —  dici  posset  (=  zusammengesetztes  tempus)  eos  —  cir- 
cumventos  (vgl.  existimari  posset  B.  C.  III,  96,  1,  Procksch  p. 
10),  so  dass  sie  p.  13  anf.  nach  I,  1,  5  zu  setzen  war,  wo 
auch  in  der  sich  unmittelbar  anschliessenden  bestätigung  der 
regel  durch  das  gegentheil  (einfache  zeiten)  V,  4,  1  zu  strei- 
chen ist.  Aus  diesen  wenigen  andeutungen  ergiebt  sich,  dass 
nicht    nur  das    p.  10  über  existimari   und   iudicari  (NB.  iudicari 


504  299.  C.  Iulius  Caesar.  Nr.  10. 

d  eher  et)  gesagte,  sondern  auch  der  ganze  abschnitt  von  dicere 
bis  mit  nuntiare  (die  folgenden  verba  sind  hierbei  nicht  betheiligt), 
also  gerade  eine  Seite,  ein  ganz  anderes  aussehen  haben  müsste, 
und  dass  auch  die  kurze  Zusammenstellung  p.  16  demgemäss 
zu  modifizieren  ist.  —  P.  14  sind  aus  versehen  die  worte 
„ib.  34,  1  (während  ib.  §.  3,  51,  3  u.  s.  w.)"  auf  B.  C.  II;  25, 
6  bezogen;  dass  sie  sich  auf  das  jenem  unmittelbar  vorherge- 
hende beispiel  B.  G.  V,  33,  1  beziehen ,  erhellt  schon  daraus, 
dass  B.  0.  II  kein  cap.  51  hat.  Ferner  halte  ich  es  für  falsch, 
dass  p.  15  cogere  mit  unter  dem  acc.  mit  infinitiv  steht:  die 
ganze  terminologie,  vor  allem  „s  ubj  ectsaccusativ"  und  „nom. 
mit  infinitiv"  ist  schief;  so  steht  cogere  auch  p.  19  mitten  un- 
ter ganz  heterogenen  verbis  (trotz  der  Stammverwandtschaft  mit 
cogitare)\  ebenso  verhält  es  sich  mit  perhibere,  welches  überhaupt 
nicht  unter  die  verba  der  ,,gemüthsthätigkeit"  gehört:  es  musste 
gleichermassen  unter  den  blossen  infinitiv  kommen  (4c).  Bei- 
läufig hängt  im  ersten  beispiel,  B.  G.  I,  47,  6,  dicere  von 
conantis  ab  (was  auch  p.  18  anerkannt  ist),  wäre  also  zu  pro- 
hibuit  höchstens  zu  ergänzen.  Auch  studere  gehört  mit  der 
einzigen  stelle,  wo  es  den  acc.  mit  infinitiv  (pass.)  regiert,  nicht 
hierher,  sondern  in  den  vorhergehenden  abschnitt  („wollen"), 
wie  sich  aus  der  vom  vf.  beigefügten  parenthese  ergiebt ;  reci- 
pere  gehört  zu  polliceri  p.  12,  argumenti  sumere  loco  (dies  weg- 
gelassen!) in  denselben  abschnitt  p.  10  (coniecturam  capere  u. 
ä.).  Nach  dem  vorher  gesagten  ist  es  falsch,  wenn  p.  16  anf. 
ypolliceor"  mit  aufgeführt  wird  ;  vgl.  p.   12  a.  e. 

Nach  dem  durchgängig  befolgten  principe  musste  p.  16  a. 
e.  videri  (bei  dem  die  ersten  beiden  citatenreihen,  als  streng- 
genommen nicht  zur  sache  gehörig ,  in  parenthese  zu  setzen 
waren)  unter  4  b ,  acc.  mit  infinitiv,  als  passiv  nach  vidcre  ge- 
setzt werden ;  auch  nimmt  es  sich  unter  seiner  Umgebung 
recht  fremdartig  aus.  Warum  unmittelbar  vor  demselben  „coe- 
ptus  est11  steht,  während  coepisse  u.  s.  w.  erst  später  folgt,  p.  17. 
—  instituere  aus  rein  äusserlichem  gründe  erst  p.  18  anf. ;  wel- 
che versprengung  des  zusammengehörigen!  — ,  ist  nicht  abzu- 
sehen. In  dieselbe  kategorie,  4  c,  p.  17,  ist  auch  invitare  we- 
gen B.  G.  I,  35,  2  gebracht ,  aber  venire  hängt  dort  von  gra- 
vari  ab   (invitatus   „trotz    ausdrücklicher   einladung"),     die  stelle 


Nr.  10.  299.  C.  Iulius  Caesar.  505 

gehört  also,    NB   mit  BC.  I,   9,  1,  unten  p.  18   in  die  gegend 
von  nolle  oder  auch  recusare. 

In  der  Zusammenstellung  p.  19  steht,  ehenso  wie  p.  8  g. 
e.,  difficultas  regiere  quod;  dieses  hängt  aber  B.  G.  Till,  24,  2 
von  ob  has  causas  ab,  an  beiden  stellen  kommt  also  difficultas  in 
wegfall.  Dass  malle  nur  zweimal  mit  acc.  m.  infinitiv  construiert 
ist,  s.  p.  14  a.  e.,  rechtfertigt  nicht  die  Schlussworte  p.  20: 
„wo  esse  die  abweichung  entschuldigt;"  vgl.  andere  Schrift- 
steller. —  P.  21,  z.  4  passt  „eum"  nicht  auf  das  erste  beispiel. 

Weit  weniger  ausstellungen  sind  in  den,  auch  bei  weitem 
nicht  so  complicierten,  folgenden  capiteln  zu  machen.  Nur  in 
folgenden  punkten  wird  der  vf.  nicht  auf  allgemeine  Zustim- 
mung rechnen  können.  C.  III,  p.  26  finde  ich  zwar  die  Zu- 
sammenstellung von  B.  G.  III,  4,  2  und  B.  C.  III,  62,  6  inso- 
fern gerechtfertigt,  als  man  in  beiden  stellen  ut  ebenfalls  eine 
locale  ,,färbung"  zuschreiben  könnte,  aber  den  avisdruck  zu  vag 
und  den  wesentlichen  unterschied  von  der  zweiten  stelle,  wel- 
chen auaeque  in  der  ersten  herbeiführt,  nicht  berücksichtigt  (un- 
genaue responsion,  =  ut  quaeque  —  ita  ad  eam).  Auch  Kra- 
ners anmerkung  zu  der  ersteren  stelle  ist  mangelhaft:  er  fasst 
ut  temporal.  Ebensowenig  reicht  das  p.  30  anf.  über  ut  qui 
gesagte  hin ;  vgl.  Kraner  zu  der  ersten  angeführten  stelle,  B. 
G.  III,  23,  5,  welche  freilich  überhaupt  vom  vf.  nicht  hinrei- 
chend ausgenutzt  ist,  da  sie  noch  in  zwei  anderen  beziehungen 
zu  erwähnen  war,  nämlich  wegen  ut  —  postularent  (or.  obl.)  p. 
28  nach  der  parallelstelle  EL,  22,  1,  und  wegen  monuit,  — 
omnes  res  —  administrarentur  (pass.  nur  des  Wohlklangs  wegen), 
zur  Vermeidung  zu  häufiger  Wiederholung  ohne  ut,  (was  Caesar 
gewiss  gesetzt  hätte,  wenn  quippe  qui  zu  seiner  phraseologie  ge- 
hörte), p.  8  vor  „admoneo";  und  was  das  dritte  beispiel  von 
ut  qui  betrifft,  so  kann  meine  conjectur  celticam  quinon  u.s.w., 
die  ich  niemand  octroyieren  will ,  doch  wenigstens  beachtung, 
resp.  Widerlegung  beanspruchen.  —  Dass  der  vf.  ebd.  unter 
ut  quisque  B.  C.  I,  2,  8,  sogar  in  den  Vordersatz  ein  quam  ein- 
schwärzt ,  ist  doch  des  guten  zu  viel ;  ich  habe  auch  das  im 
nachsatze  ita  quam  maxime  nach  Kindscher  als  unlateinisch  ein- 
geklammert. Als  mittelglied  zwischen  B.  G.  VI,  15,  1  und 
VII,  48,  2  vgl.  Liv.  Villi,  6,  1  ut  quisque  gradu  proximus  erat, 
ita  ignominiae  obiectus.  —      Beim  letzten  beispiele  in  demselben 


506  300.  Cassiodorius.  Nr.  10. 

abschnitte  („concessiv")  B.  C.  II,  41,  3  passt  „ebenso"  durch- 
aus nicht,  weil  „selbst  wenn"  für  dieses  ut  keinen  sinn  hätte  : 
es  ist  richtig  von  Kraner  erklärt.  Natürlich  gehört  es  p.  29 
a.  e.  unter  die  übrigen  beispiele  aus  demselben  buche  (von  de- 
nen unbedingt  5,  2  auszuscheiden  ist,  da  es  ja  sonst  p.  8  vor 
33,  2  mit  hätte  angeführt  werden  müssen). 

Unter  VI,  1,  p.  35  scheint  mir,  weil  ich  trotz  Nipperdey 
von  dem  handschriftlichen  quod  B.  C.  III,  25,  5  nicht  abgehen 
kann,  die  polemik  des  vfs  nicht  zu  billigen :  worauf  es  dem 
Schriftsteller  ankommen  sollte,  haben  wir  ihm  doch  jetzt 
nicht  vorzuschreiben.  Ebd.  a.  e.  macht  die  von  Kraner  zu  B. 
Gr.  IV,  2,  1  angeführte  parallelstelle  alle  künstlichen  erklärungen 
überflüssig.  Wie  ebd.  3,  p.  36  a.  e.  zwischen  den  beiden  cum 
(Procksch    durchgängig    quum)  B.  G.  V,  27,  11    und  B.  C.  I, 

24,  6  ein  unterschied  angenommen  werden  kann,  ist  mir  unbe- 
greiflich: eben  weil  hier  das  per  alios  condiciones  ferri  schon 
wirklich  geschehen  war  (L.  Caesar  und  L.  Eoscius),  musste 
Caesar  schreiben  cum  —  ferantur,  während  das  nur  vorge- 
schlagene nicht  anders  als  durch  einen  bedingungssatz  (st 
—  di&ceptetur)  ausgedrückt  werden  konnte. 

Dass  endlich  VII,  p.  38   a.  .,    bei   sive  —    sive  B.  C.  III, 

25,  4  „die  ursprüngliche  bedeutung  von  si  nicht  mehr  deutlich 
durchscheint",  kann  ich  durchaus  nicht  zugeben ;  die  erklärung 
dieser,  schon  wegen  des  engen  anschlusses  an  die  handschriftli- 
che Überlieferung  sich  empfehlenden  und  wohl  auch  allgemein  an« 
genommenen  emendation  sehe  man  bei  ihrem  Schöpfer  selbst  nach. 

Alle  diese  einzelheiten  sind,  zumal  für  den,  der  die  läge 
eines  programmatarius  aus  eigner  erfahrung  kennt,  nicht  dazu 
angethan,  das  endurtheil  umzustossen,  dass  Procksch  eine  ar- 
beit geliefert  hat ,  die  auf  eingehendem  und  gründlichem  Stu- 
dium beruht  und  schliesslich  in  demselben  geiste,  aber  mit  et- 
was mehr  müsse  durchgeführt ,  sehr  wohl  geeignet  werden 
wird,  die  kenntniss  des  Sprachgebrauchs  Caesars  wesentlich  zu 
fördern.  B.  D. 

300.  Adolph  Franz,  Lic.  theol.  M.  Aurelius  Cassio- 
dorius Senator.  Ein  beitrag  zur  geschichte  der  theologischen 
literatur.     Breslau  1872.     Aderholz  (Gr.  Porsch).     137  s. 

Obgleich   sich  das  buch  überwiegend  mit  der  theologischen 


Nr.  10.  300.  Cassiodorius.  507 

literatur  beschäftigt,  so  bat  doch  Cassiodorius  für  die  geschichte 
der  römischen  literatur  eine  solche  bedeutung,  dass  es  wohl  er- 
laubt sein  wird,  von  demselben  an  diesem  orte  eine  kurze  an- 
zeige zu  geben. 

Nach  einigen  kurzen  biographischen  nachrichten  gibt  der 
Verfasser  ein  biid  des  wissenschaftlichen  Standpunktes  der  zeit 
Theodorichs.  Die  berühmtesten  schulen  Italiens,  wie  die  zu  Ra- 
venna  und  Rom,  gingen  über  ein  bescheidenes  mass  wissenschaft- 
licher bildung  nicht  hinaus  :  man  lernte  nur  so  viel  auf  ihnen, 
als  ausreichte ,  um  für  die  Verwaltung  eines  öffentlichen  amtes 
sich  zu  befähigen.  In  dieser  traurigen  zeit  ist  neben  Boethius 
und  Ennodius  bischof  von  Ticinum  Cassiodorius  ein  um  so  her- 
vorleuchtenderes muster  wissenschaftlichen  strebens,  als  er  durch 
seine  vielseitigen  Staatsgeschäfte  sich  nicht  abhalten  Hess,  seine 
müsse  der  Wissenschaft  und  der  förderung  der  schulen  zu  wid- 
men. Als  sich  Cassiodorius  dann  aus  dem  öffentlichen  leben 
zurückzog  und  als  mönch  in  dem  von  ihm  gegründeten  klo- 
ster  Vivarium  (in  Bruttium)  lebte,  widmete  er  seine  ganze  unge- 
teilte kraft  der  förderung  der  Wissenschaften.  Interessant  ist 
hier  des  Verfassers  nachweis ,  dass  ein  wissenschaftliches 
Studium  der  h.  schrift  und  die  beschäftigung  mit  den  profa- 
nen Wissenschaften  zuerst  in  diesem  kloster  des  Cassiodorius 
eingang  gefunden  hat ,  während  die  regeln  des  h.  Pachomius 
und  Basilius,  und  die  Schriften  des  Joannes  Cassianus,  ja  selbst 
die  regeln  des  h.  Benedict  die  möncbe  nur  zur  betrachtung 
und  zur  körperlichen  arbeit  auffordern.  Hiernach  müssen  wir 
den  Cassiodorius  als  den  begründer  der  wissenschaftlichen  Stu- 
dien innerhalb  der  mönchsorden  ansehen  und  ihm  das  verdienst 
zuerkennen ,  dass  er  das  bücherabschreiben  als  allgemeine  be- 
rufsarbeit  empfohlen  und  in  die  klöster  eingeführt  hat. 

Die  abschnitte  V :  „die  schule  zu  Vivarium  —  biblische 
arbeiten":  VI.  „anleitung  und  hülfsmittel  zu  den  Studien": 
VII.  „die  bibliothek  zu  Vivarium",  geben  uns  ein  interessan- 
tes bild  der  von  ihm  angeregten  wissenschaftlichen  thätigkeit. 
Besonders  hervorheben  möchte  ich  hieraus  die  auseinanderse- 
tzung  der  grundsätze  und  regeln ,  welche  Cassiodorius  von 
seinen  mönchen  beim  abschreiben  der  h.  schrift  wie  profaner 
Schriftsteller  befolgt  wissen  wollte,  dann  den  katalog  der  biblio- 
thek zu  Vivarium,    welcher   mit    grosser   Sorgfalt   aus  den  wer- 


508  301.  Griechisches  theater.  Nr.  10. 

ken  Cassiodor's  zusammengestellt  ist  und  eine  wesentliche  er- 
gänzung  zu  dem  werkchen  von  Olleris ,  Cassiodore,  comervateur 
des  livres  de  Vantiquite  latine,  Paris  1841  bietet.  Verdienstvoll 
ist  auch  die  am  schluss  angefügte  Zusammenstellung  der  aus- 
gaben des  Cassiodorius. 

J.    W.  S. 

301.  Studien  zur  scenischen  archäologie.  Von  N.  Weck- 
lein.    (Aus  dem  Philologus  *),  bd.  XXXI,  p.  435  flgg.). 

Wecklein  hat  einige  resultate  auf  dem  gebiete  der  sceni- 
schen alterthümer  zusammengefasst.  Man  kann  ihm  dafür 
dankbar  sein,  wenn  auch  das  meiste  davon  durch  die  Untersu- 
chungen anderer  bereits  festgestellt  war.  Bedenklicher  ist,  dass, 
wo  er  neues  hinzufügt,  er  oft  wieder  in  den  alten  von  Genelli 
u.  a.  betretenen  weg  sich  verirrt,  das  alterthum  zu  erdichten, 
anstatt  es  aus  den  vorhandenen  Schriften  und  kunstdenkmälern 
zu  erklären.  Wer  gerade  auf  diesem  gebiete  nicht  die  heilsame, 
freilich  entsagung  fordernde  kunst  versteht,  nicht  mehr  wissen 
zu  wollen,  als  was  sicher  sich  begründen  lässt,  wird  immer  in 
gefahr  gerathen,  das  gefundene  wieder  zu  verschütten,  anstatt 
dessen  besitz  zu  sichern  und  durch  bedächtige  forschung  wenn 
auch  nur  langsam  zu  vermehren. 

Ohne  festen  grund  und  boden  ist  zum  beispiel  in  der 
zweiten  abhandlung:  ,,über  die  &v(isX?j  und  oßp/ffTp«; 
über  die  urspüngliche  gestalt  des  theaters"  p.  441 
die  behauptung,  dass  das  gebäude  für  die  Zuschauer  im  atheni- 
schen theater  sich  aus  einem  vollständig  kreisrunden  bau 
entwickelt  habe.  „Bei  der  anfänglichen  bedeutung  des  chors", 
sagt  er ,  ,,war  auch  eine  solche  anläge  wie  bei  unserm  circus 
die  natürliche  und  das  natürliche  und  zweckmässige  müssen  wir 
für  das  ursprüngliche  halten".  Mit  diesem  satze  ist  Weckleiu 
über  alle  Schwierigkeiten  hinweg.  Als  wenn  nicht  aus  der  un- 
mittelbaren Übertragung  unserer  theaterverhältnisse  auf  die  des 
alterthums  leicht  Verwirrung  und  trübung  des  thatbestandes  her- 
vorgehn,  und  über  das  was  natürlich,  namentlich  über  das  was 
zweckmässig  ist ,    die  ansichten  sehr  verschieden    sein  könnten. 

1)  Wegen  der  Wichtigkeit  der   sache  lassen   wir    hier  ausnahms- 
weise eine  besprechung  über  einen  aufsatz  einer  Zeitschrift  folgen.  — 

Die  redaction. 


Nr.  10.  301.  Griechisches  theater.  509 

Wenn  man  z.  b.  erwidern  wollte,  es  scheine  ganz  natürlich, 
dass  die  Zuschauer  im  theater  nicht  im  räume  der  darstellenden 
künstler  sich  befinden,  sondern  ihnen  gegenüber,  so  würde  sich 
wohl  nichts  wesentliches  dagegen  einwenden  lassen.  Jedenfalls 
könnte  nur  für  die  ältesten  zeiten,  wo  es  noch  nicht  Schauspie- 
ler, also  eine  dramatische  kunst  nicht  gab,  wo  überhaupt  ein 
theaterbau  noch  nicht  vorhanden  war,  an  einen  sol- 
chen circusartigen  räum  gedacht  werden. 

„Nur  bei  einer  solchen  annähme",  fährt  Wecklein  fort, 
„stellt  sich  die  erweiterung  über  den  halbkreis  hinaus  in  der 
peripherie  des  kreises  als  organisch  begründet  dara  und  fügt 
hinzu:  „wir  werden  es  jetzt  zu  würdigen  wissen,  wenn  es  von 
Aeschylus  heisst,  dass  er  die  nQoaxrjvia  erfunden  habe  (Cramer 
Anecd.  Paris.  I,  p.  19:  ei  fxsv  dfj  nrivza  ng  Aia%vl(p  ßovXszai 
za  nsoi  zi\v  axrjvrjv  si'Qrjfxazu  TZQoartfxeiv  —  7ZQOOxr'jVia  y,al  diazs* 
ylag  x.  z.  1.).  Sommerbrodt,  welcher  eine  solche  erfindung  des 
Aeschylus  für  undenkbar  hält,  will  ngoanrivia  in  nagaG-Atpia 
ändern.  Im  gegentheil,  wenn  man  von  vornherein  vermu- 
then  muss ,  dass  Aeschylus  an  dem  bau  und  der  einrichtung 
des  steinernen  theaters  vorzüglichen  antheil  gehabt  hat ,  so  ha- 
ben wir  in  der  angeführten  stelle  ein  ausdrückliches  zeugniss 
dafür,  dass  Aeschylus  der  Urheber  der  neuen  einrichtung  gewe- 
sen ist,  durch  welche  die  eigentliche  bühne  geschaffen  wurde"* 
Verstehe  ich  Wecklein  recht,  so  soll  durch  die  angäbe,  dass 
Aeschylus  die  proskenia  erfunden  habe,  seine  hypothese  bestä- 
tigt werden ,  dass  das  athenische  theater  sich  aus  einem  kreis- 
runden bau  entwickelt  habe.  Es  soll  daraus  abgeleitet  werden, 
dass  Aeschylus  der  urheber  der  neuen  einrichtung  gewesen  sei, 
durch  welche  die  eigentliche  bühne  geschaffen  wurde.  Es  wäre 
zu  wünschen  gewesen,  Wecklein  hätte  sich  etwas  bestimmter 
und  schärfer  darüber  ausgedrückt,  was  er  unter  der  „eigent- 
lichen bühne"  und  unter  dem  it qo  a x?jv tov  versteht.  Was 
das  letztere  betrifft,  so  kann  man  nur  aus  c.  IV  seiner  Studien 
p.  448,  wo  er  über  die  bedeutung  des  wortes  handelt,  (wäh- 
rend er  hier  auf  die  so  nothwendige  erklärung  des  begriffs  sich 
nicht  einlässt),  den  schluss  ziehen,  dass  er  an  unserer  stelle  von 
proskenien  in  der  gewöhnlichen  bedeutung  spricht,  die  am  bün- 
digsten   von    Servius    zu  Verg.  Georg.  II ,  381     jproscenia    autem 


510  301.  Griechisches  theätef.  Nr.  10- 

sunt  pul pita  ante  scenam,    quibus  hidicra   exercentur,  gegeben 
werde. 

Dass  Aeschylus  epoche  machend  für  die  begründung  eines 
festen  bühnengebäudes  und  dessen  vollkommener  einrich- 
tung  gewesen,  ist  durchaus  richtig  und  von  andern  wie  von 
mir  in  meiner  abhandlung  de  Aeschyli  re  scenica.  (Berlin.  Weid- 
mannsche  buchhandlung  1848 — 1858)  aus  dieser  wie  aus  vie- 
len andern  stellen  nachgewiesen.  Fasst  aber  Wecklein  das 
wort  „bühne"  in  der  bedeutung  auf,  wie  wir  es  heute  ge- 
brauchen, als  den  ort,  auf  welchem  die  handlung  den  Zu- 
schauern vorgeführt  wird  und  nimmt  er  an,  dass  die  erfin- 
dung  dieser  bühne  und  dieses  b  ühn  enraumes  Aeschy- 
lus zuzusehreiben  sei ,  so  kann  ich  Wecklein  nicht  beitreten, 
wenn  er  behauptet,  dass  hier  das  wort  irQooxqvta,  den  beweis 
dafür  gebe;  ja  ich  bestreite,  dass  der  beweis  überhaupt  geführt 
werden  kann.  Die  bedenken,  die  mich  bestimmt  hatten,  an  der 
richtigkeit  des  wortes  n Qooxrjiria.  an  dieser  stelle  zu  zweifeln, 
sind  keineswegs  beseitigt,  wenn  Wecklein  meine  ansieht  ohne 
weiteres  mit  den  Worten  „im  gegentheil''  zurückweist.  Mit 
so  leichter  mühe  wird,  mein  ich,  nichts  gefördert.  Noch  heute 
halte  ich  daran  fest,  dass  der  plural  izQoaxrjvia  anstoss  erre- 
gen muss,  sofern  TroQGxrjviov  den  räum  vor  dem  bühnen- 
gebäude  bedeutet  und  dieser  der  natur  der  sache  entspre- 
chend ein  einziger  ungetheilter  ist,  wofür  auch  ausdrücklich  Pol- 
lux  (Onomast.  IV,  123)  in  seiner  aufzählung  der  bestandtheile 
des  theaters  :  OMivrj,  OQi^azga,  Xoyslov,  n g  oatrjviov,  nagaaxtj- 
via,  vnoattjvia  spricht.  Und  wenn  Servius  zu  Verg.  Georg.  II, 
381  proscaenia  autem  sunt  pulpita  ante  scaenam  den  plural  ge- 
braucht, so  geschieht  es  nur  im  anschluss  an  des  dichters  worte: 
non  aliam  ob  eulpam  Baccho  caper  omnibus  aris 
caeditur  et  veteres  ineunt  proscaenia  ludi, 
in  denen  der  plural  vollkommen  gerechtfertigt  ist. 

Wichtiger  noch  ist  das  folgende :  darf  man  annehmen,  dass 
dieser  räum  von  Aeschylus  zugleich  mit  dem  bühnengebäude 
erfunden  worden  sei?  Liegen  nicht  zwischen  den  ersten 
anfangen  des  dionysischen  chorgesangs  und  der  Vollendung,  zu 
welcher  Aeschylus  das  theater  gebracht  hat,  mehrere  durch  die 
Zeugnisse  der  alten  hinlänglich  beglaubigte  entwicklungsstufen 
des  drama  und  der  dramatischen  darstellung? 


Nr.  10.  301.  Griechisches  theater.  511 

Wenn  irgend  etwas  vor  dem  bau  eines  stehenden  gebäudes 
vorhanden  gewesen  sein  muss,  so  ist  es  das  ngoaxr/viov.  Gab 
es  nämlich  in  der  ältesten  zeit  vor  der  einrichturjg  eines  büh- 
nengebäudes  einen  räum,  aus  welchen  die  Schauspieler  her- 
vortraten —  und  das  wort  oxrjitj  =  zeit  (Isidor.  Origg.  XVIII, 
43:  dicta  autem  scaena  Graeca  appellatione  eo  quod  in  speciem 
domus  erat  exstructa)  legt  davon  zeugniss  ab  —  so  gab  es  auch 
einen  platz  vor  diesem  skenenraum  d.  i.  ein  ngoaxtjnov, 
auf  welchen  sie  hervortreten. 

Unmöglich  also  kann  man  die  erfindung  dieses  raumes  ngo- 
axfjviov  dem  Aeschylus  zuschreiben,  wenn  man  nicht  annehmen 
will,  dass  es  vor  Aeschylus  überhaupt  eine  dramatische  darstel- 
lung  durch  Schauspieler  nicht  gegeben  hat,  wogegen  die  ge- 
schichte  des  griechischen  theaters   entschiedenen  einspruch  thut. 

Und  endlich  —  in  welcher  gesellschaft  finden  wir  in  der  an- 
geführten stelle  (Cramer.  Anecd.  Paris.  1.  c.)  die  ngoaxtfvta.  Weck- 
lein hat  nur  die  ersten  worte  angeführt.  Es  wird  nöthig  sein, 
sie  vollständig  zu  geben:    d   ptev  dt]  ndvra    rig  Ai<5%vk<$  ßuiiXe- 

TCtl     7«      718  gl      7  f]  V      6  X  7]  l ■  t]  V      eVQIjfta'ZCt      7ZQ0ÖVSfXElV,     sxxvxXtj- 

fiaza  xat  nsgtäxiovg,  (wofür  zu  lesen  nsgtäxTOvg)  xai  firj^avdg, 
i^coarga  te  xat  Ttgoaxrjvia  (?)  xat  diazeyiag  xai  xsgavroaxonsta 
xai  ßgovreiu  xai  &ii>Xo)£ia  xai  ysgävovg,  xai  nov  xai  ^vartdag  xai 
ßargaftidag  xat  ngöomna  xai  xo&ogvovg  xai  ravii  rä  noix[\at 
Cvgfiard  te  xai  xaXvnrgav  xai  xöXnmuct  xat  nagämqyy  xat  äg- 
yt]vhv  xai  vnoxgnr)v  Ini  tw  8ev7£gcp  täv  rgirojp  (zu  verbessern 
zov  rgizov)'  rj  xai  ^oqsoxXtjg  eanv  a  tovtfav  ngoaefiij^af^öaro 
xai  ngoot&vgtv. 

Hier  stehen  die  ngoöxrjvia  mitten  unter  den  erfindungen, 
welche  sich  auf  maschinerie,  decoration,  theater,  garderobe,  lar- 
ven,  masken  u.  s.  w.  beziehen.  An  eine  erwähnung  des  proske- 
nions  „räum  vor  dem  bühnengebäude",  wird  man  nicht  denken 
dürfen. 

Die  Schwierigkeit,  das  richtige  wort  für  diese  stelle  zu  fin- 
den, liegt  in  der  Verworrenheit  und  Planlosigkeit  der  notiz. 
Denn  wenn  sie  sich  auch  auf  die  vorher  angeführten  gegen- 
stände beschränkt,  so  werden  diese  doch  ohne  alle  Ordnung  auf- 
geführt. Auf  das  ekkyklema  und  die  periakten  folgen  die  ma- 
schinen,  während  es  doch  feststeht,  dass  die  ekkyklemen  und 
die  periakten  auch  zu  den  maschinen  gehören  und  mit  den  ma- 


512  301.  Griechisches  theater.  Nr.  10. 

schinen  werden  dann  ausser  den  fraglichen  proskenien  die  di- 
stegien  aufgeführt,  die  doch  gewiss  nicht  zu  den  maschinen 
gehören.  Dann  folgen  die  xegawoaxoneia ,  ßonvtua  und  ys- 
gavoi,  die  wieder  den  maschinen  zugezählt  werden  müssen. 

Bei  dieser  Sachlage  können  wir  mit  Sicherheit  nur  zu 
dem  negativen  ergebniss  gelangen,  dass  hier  das  wort  ngoaxtj- 
via.  in  der  bedeutung  „räum  vor  der  bühne"  nicht  statthaft 
ist.  Ob  es  aber  in  einer  andern  der  von  mir  für  dieses  wort 
nachgewiesenen  bedeutungen,  als  decoration  des  haupt- 
gebäudes,  das  heisst  der  skenenhinterwand  (nach  Suidas:  ngo- 
Gxtjvior'  iq  nqo  ir\g  axqvijg  neQinhaafia)  zum  unterschied  der 
decoration  der  skenenhinterwände  (nsQtaxtot)  gedul- 
det werden  kann ,  oder  ob  ein  anderes  wort  und  welches  an 
seine  stelle  treten  soll ,  wird  schwer  zu  entscheiden  sein. 

Denn  wenn  mir  auch  noch  immer  aus  diplomatischen  und 
sachlichen  gründen  naoacxi\via.  statt  ngoaxtjvia  sehr  wahrschein- 
lich ist,  —  naoa  und  nqb  werden  oft  verwechselt,  nuQaoxrtvia  aber 
bedeuten  die  Seitenflügel  des  bühnengebäudes,  auf  welchen,  wie 
wenigstens  von  Demosthenes  Zeiten  erwiesen  ist,  die  theaterap- 
parate  aufbewahrt  wurden,  und  ihre  erwähnung  erscheint  daher 
an  der  stelle ,  wo  hauptsächlich  von  maschinen ,  garderobe  und 
sonstigen  theaterrequisiten  die  rede  ist,  ganz  passend  — ,  so 
wird  man  doch  der  conjectur  nicht  solche  evidenz  zuschreiben 
können,  dass  jede  andere  ausgeschlossen  wäre. 

Im  IV.  abschnitte  über  die  bedeutung  des  wortes 
proskenion  handelt  Wecklein  von  der  zweiten  oben  ange- 
führten bedeutung  des  wortes  nooaxrjviov  (decoration  der  ske- 
nenhinterwand). Es  ist  bemerkenswerth ,  dass  er  hierbei  ganz 
dasselbe  vorbringt,  was  ich  darüber  gesagt  habe,  dieselben  stel- 
len, die  ich  zum  beweise  meiner  ansieht  angeführt  hatte  auf 
dieselbe  weise  erklärt,  schliesslich  das  ergebniss  mit  mir  überein- 
stimmend so  zusammenfasst:  ,,es  ist  also  allerdings  nqoaxrjviov 
tb  nob  rijs  axrjvijg  Tveotniraopa ,  aber  nicht  der  bühnen- 
vorhang,  sondern  der  decorationsvorhang,  der  teppich, 
auf  welchem  die  scenerie  gemalt  war",  und  nur  in  einer  anmer- 
merkung  hinzufügt:  „nach  der  band  finde  ich,  dass  schon  Mei- 
neke  —  die  gleiche  bedeutung  von  tjqooxi'jviov  aus  jenem  Spott- 
namen (Suid.  s.  v.  A'ütfior)  abgeleitet  hat".  Es  scheint  ihm 
also  meine  auseinandersetzung  in  der    beurtheilung   von  C.    E. 


Nr.  10.  301.  Griechisches  theater.  513 

Geppert,  die  altgriechisehe  bühne  in  der  Zeitschrift  für  die  alter- 
thumswissenschaft  1845  n.  45  und  von  Lohde,  die  skene  der  al- 
ten in  den  Jahrbüchern  für  philologie  und  pädagogik  1861  heft 
8  entgangen  zu  sein.  An  der  letzten  stelle  hatte  ich  p.  566. 
567  in  ausführlicher  begründung  meiner  ansieht ,  und  nachdem 
ich  namentlich  die  annähme  eines  Vorhanges  im  griechischen 
theater  zu  widerlegen  gesucht  hatte ,  mich  so  geäussert :  „ngo- 
Gxrjriov  ist  erstens,  wie  Suidas  sagt,  ro  im  rijg  axtjvrjg  tzsqi- 
niraepa  d.  i.  da  skene  das  bühnengebaude  bezeichnet ,  die  d  e- 
coration  des  bühnengebaude s.  Als  die  bühnendecora- 
tion  selbst  oxtjvtj  genannt  wurde  (was  z.  b.  aus  Plutarch.  Demetr. 
25  (900 d)  und  aus  Vitruvius  hervorgeht,  der  die  arten  von 
skenen  aufführt:  unum  quocl  dicitur  tragicum,  alterum  comicum, 
tertium  satyricum),  so  wurde  das  wort  ngooxqviov  in  dem  sinne 
„räum  vor  der  skenen  wand"  gebraucht.  —  Auf  diese  bei- 
den bedeutungen  lassen  sich  alle  stellen,  in  welchen  vom  pro- 
skenion  die  rede  ist,  zurückführen^. 

Ich  mache  auf  diesen  punkt  nur  deshalb  aufmerksam ,  weil 
man  so  um  so  mehr  grund  hat,  des  gefundenen  resultats  als 
eines  sichren  besitzes  sich  zu  freuen,  als  Wecklein  unabhängig 
von  seinen  Vorgängern  auf  dasselbe  ergebniss  gekommen  ist. 

Um  das  zusammengehörige  nicht  zu  trennen,  habe  ich  meine 
bemerkung  über  nr.  IV  hier  eingeschaltet.  Ich  kehre  noch  ein- 
mal zur  zweiten  abhandlung  zurück.  Dort  tadelt  Wecklein 
meine  conjeetur  zu  Pollux  IV,  132  in  bezug  auf  die  charoni- 
schen  treppen.  Ich  hatte  {De  Aeschyli  re  scenica  p.  39)  vor- 
geschlagen statt:  al  ds  ftagcoviot  xlCfiaxsg  xara  rag  ix  zav  sdo3- 
"kicov  xa&ödovg  xsC/jisvui  ru  sidcoXa  an  avröjp  avanifinovai,  zu 
lesen  xara  rag  räv  sidcaXcav  xa&ödovg  und  hinzugefügt:  Quae 
quidem  sententia  ut  minime  est  aecurata  atque  elegans ,  ita  a  tenui 
Pollucis  ingenio  ncquaquam  abhorret.  So  gern  ich  bereit  bin, 
diese  handschriftlich  einigermassen  gestützte  conjeetur  gegen  ein 
besseres  heilmittel  preiszugeben,  so  wenig  kann  ich  einräumen, 
dass  man  die  vorgeschlagene  ausdrucksweise  einem  geiste  wie 
Pollux  nicht  zutrauen  dürfe.  Ist  ja  doch  die  bald  darauf  fol- 
gende erklärung:  zu  8s  a  v  a  n  isa fi  ar  a  rb  fiir  iariv  (v  zrj 
cxTjvfi  cog  norafjiuv  uvsX&hv  rj  roiovrov  ri  ngooeonov,  ro  5  s 
tisq]  rovg  av aß  a& (xovg,  «g>'  av  uv  { ßatv  ov  Eq  iv  v  eg,  um 
nichts  besser,  da  man  von  der  läge  der  zweiten  versenkungs- 
Philol.  Anz.  IV.  33 


514  301.  Griechisches  theater.  Nr.   10. 

maschine  [avanlsa^a)  welche    bei  der  stiege  liegen  soll,  auf  wel 
eher  die  Erinyen  hinaufsteigen ,    eben    so    wenig  bestimmtes  er- 
fährt, wie  wenn  man  bei  den  charonischen  treppen  liest :  sie  sind 
da,  wo  die  Schattenbilder  hinabsteigen. 

Aber  woher  weiss  Wecklein,  dass  diese  charonischen  trep- 
pen sich  in  der  orchestra  befanden?  Ist  es  etwas  anderes,  als 
eine  unbegründete  muthmassung,  wenn  er  sagt:  „eins,  glaub1 
ich,  muss  feststehen:  diese  Vorrichtung  stand  in  Verbindung  mit 
dem  hölzernen  gerüste  der  orchestra.  In  dem  bretterboden 
der  orchestra  konnte  ein  avante<5\ia  angebracht  sein  und  es 
konnte  daneben  —  die  charonische  stiege  auf  die  höhe  der  or- 
chestra führen".  Das  ist  freilich  möglich.  Aber  dass  es  so 
gewesen  ist ,  welchen  beweis  giebt  uns  dafür  Wecklein  ?  Kei- 
nen. Auch  zweifle  ich ,  ob  sich  der  beweis  wird  führen  lassen. 
Wenn  es  richtig  ist,  dass  die  bühne  den  schauspielern,  die 
orchestra  dem  chor  angehört,  wie  Wecklein  p.  458  selbst  zu- 
giebt,  wie  es  richtig  ist,  dass  der  chor  nur  in  ausnahmefällen, 
nur  dann  wenn  er  selbst  handelnd  in  das  drama  eingreift,  die 
bühne,  nie  aber  der  Schauspieler  die  orchestra  betreten  hat, 
wenn  es  richtig  ist,  dass  alle  theatermaschinerien,  aller  die  auf- 
führung  eines  Stückes  betreffende,  znr  darstellung  des  dramas 
gehörige  schmuck,  wie  ich  in  meiner  abhandlung  de  Aeschyli  re 
scenica  pag.  40  sqq.  gezeigt  zu  haben  glaube,  nur  dem  bühnen- 
raume  zukommt,  so  ist  es  in  hohem  grade  unwahrscheinlich,  dass 
einzig  und  allein  die  charonische  stiege  in  der  orchestra  sich 
befunden  haben  sollte.  Wenn  aber  Wecklein  sagt:  „wir  ha- 
ben keinen  grund  im  Widerspruch  mit  dem  ausdrücklichen  zeug- 
niss  des  Pollux  eine  solche  Vorrichtung  aus  der  orchestra  zu 
entfernen",  so  bin  ich  meines  theils  ausser  stände,  in  der  stelle 
des  Pollux:  al  ds  ^«pco^tot  xXifxaxsg  xata  tag  ix  t(üv  sdooXCcov 
xa&6dovg  xeifievai  xa  eidcoXa  arf  avtüiv  ävamfinovait',  irgend 
eine  spur  eines  ausdrücklichen  Zeugnisses  dafür  zu  entdecken, 
ebenso  wie  in  IV,  127  keine  vorhanden  ist,  wo  ebenfalls  die 
%aqävioi  xX/^axeg  aber  eben  nur  als  eine  theatereinrichtung 
erwähnt  werden  (si'rj  ö'  ap  zmv  ix  &sdtQOV  xal  ixxvxXqpcc 
—  xal  lagävioi  xXiftaxeg). 

In  VIII  (über  xvxXiog  %oQog  und  das  auftreten 
des  chors)  spricht  Wecklein  über  den  Ursprung  des  namens 
„kyk  lisch  er"  chor.     Ich  führe  auch  hier  seine  eignen  worte 


Nr.  10.  301.  Griechisches  theater.  515 

an.  Da  mir  seine  beweisführung  nicht  klar  ist,  so  könnte  es 
mir  leicht  begegnen,  dass  ich  im  auszuge  seine  gedanken  nicht 
richtig  wiedergäbe :  „Aus  der  Überlieferung  (vgl.  Härtung  im 
Piniol.  I,  p.  400  f.)  darf  man  schliessen,  dass  rovg  xvxXlovg 
%oqov$  GTrjaat  eine  ursprüngliche  bezeichnung  ist,  dass  also 
xvxliog  einen  gegensatz  haben  muss.  Dieser  gegensatz  kann  na- 
türlich nicht  im  rs7Q(/yarog  %og6g  gesucht  werden.  Da  vielmehr 
der  ausdruck  azrjaat  yogoig  auf  die  feste  Stellung  hinweist,  wel- 
che der  chor  im  gegensatz  zur  früheren  zeit  erhalten  hat,  so 
finde  ich  den  gegensatz  zu  xvxXiog  %OQÖg  in  der 
vorher  bunten  und  ungeordnet  herumstehenden 
menge.  Ursprünglich  nämlich  nahm  das  ganze  volk  antheil 
an  gesang  und  tanz.  Arion  war  es,  welcher  den  allge- 
meinen volksgesang  zum  kunstvollen  chorgesang 
um  sc  hu  f.  Von  da  nahm  der  chor  in  der  mitte  Stellung;  das 
volk  musste  von  allen  seifen  zurückweichen  und  es  bildete  sich 
in  der  mitte  ein  xvxlog".  Im  wesentlichen  ist  das  alles  von 
andern  bereits  festgestellt  und  ganz  richtig  bis  auf  die  folge- 
rungen ,  die  Wecklein  daraus  zieht.  Verstehe  ich  Wecklein 
recht,  so  würde  der  xvxlog  der  Umgebung  des  nvulog  entge- 
gengesetzt sein  und  der  kyklische  chor  der  ihn  an  allen 
Seiten  umgebenden  menge,  welche  nicht  zum  chor  gehört, 
während  man  doch  erwartet,  dass  der  kyklische  chor  sei- 
nen namen  zum  unterschied  von  einem  andern  chor  haben 
müsste.  Doch  davon  abgesehn,  was  in  der  mitte  steht,  ist 
doch  nicht  deshalb  an  und  für  sich  selbst  ein  kreis.  Der 
chor  in  der  mitte  konnte  trotzdem  eine  eckige  gestalt  haben. 
Ein  solcher  im  Viereck  aufgestellter  chor,  welcher  dem  drama 
angehört,  wird  aber  ausdrücklich  von  dem  kyklischen  unter- 
schieden und  man  sieht  durchaus  nicht  ein,  warum  der  kykli- 
sche chor  einen  andern  gegensatz  haben  müsse,  warum  „na tür- 
lich dieser  gegensatz  nicht  im  TSTQuycovog  %0QÖg  gesucht  wer- 
den kann".  Vielmehr  wird  in  Übereinstimmung  mit  den  Zeug- 
nissen der  alten  festzuhalten  sein,  dass  nicht  der  platz,  wo  er 
stand,  sondern  die  kreisförmige  aufstellung  und  die  damit  zu- 
sammenhängende Verschiedenheit  der  tauzbewegungen  dem  ky- 
klischen chore  zum  unterschied  von  dem  später  kunstvoll  sich 
entwickelnden  im  viereck  aufgestellten  chor  der  tragödie  und 
des    satyrdramas    seinen    namen    gegeben     hat.      Den    ausdruck 

33* 


516  301.  Griechisches  theater.  Nr.  10. 

arrjaai  tov  %öqov  würde  aber  Wecklein  kaum  zur  Unterstü- 
tzung seiner  ansieht  angeführt  haben,  wenn  er  sich  verge- 
genwärtigt hätte ,  dass  er  sich  ebensowohl  auf  den  drama- 
tischen als  auf  den  kyklischen  chor  bezieht  und  nichts  ande- 
res heisst,  als  den  chor  kunstgerecht  aufstellen  und 
dessen  bewegungen  anordnen.  Dass  dies  so  ist,  ergiebt  sich 
aus  dem  worte  ^ogoaräT^g ,  das  gleichbedeutend  mit  j^opo- 
notog  ,  %OQoXFitTi]g,  qye/jcov  %'ygov^  xogvqxuog,  xogTqyög  einen  Chor- 
führer bezeichnet.  Zur  begründung  dieser  behauptung  führe 
ich  nur  zwei  stellen  an:  Himerii  oratt.  IX,  p.  3  ed.  Wernsdorf.: 
ovico  x««  xvßsgvrjTov  t'oaovvTog  olov  GV(A7rda%ei  ro  Gxücpog  nal  6 
%ogbg  ufiaxj(evTog  [xsvsi  tov  %o g  oaz nt'i ov  neifiivov^  und  Ju- 
lian. Epist.  91  :  cppQS  Got}  na&ünsg  .  .  .  ngbg  rr/v  %ogeiav  ätezoi 
qitgovcat  olico  x«i  tjftsig  vno  t$  öw  Trh'jxrgq)  to  Eixog  uvTt]%t]O0- 
[xev ,  mansg  ol  t  w  %o  g  o  a  räry  ngog  to  tyxXrjfja  tov  gv&fxov 
ovt'OfAaQTovvTeg.  Ausführlicheres  darüber  findet  sich  in  meinem 
Rerum  scenicarum  capita  selecta.      Berolini  1835. 

Noch  auffallender  ist  die  art  und  weise,  wie  Wecklein  in 
demselben  abschnitt  über  den  fall  sich  äussert,  wo  der  chor, 
wie  er  meint,  nachdem  er  auf  der  skene  aufgetreten,  von  der 
skene  auf  die  orchestra  sich  begiebt.  Ein  beispiel  davon  findet 
er  in  Sophokles  Philoktet.  Dort  verlange  die  läge  der  dinge, 
dass  Neoptolemos  nicht  getrennt  vom  chor  erscheine.  Neopto- 
lemos  auf  der  orchestra  auftreten  zu  lassen  sei  nicht  statthaft. 
Neoptolemos  auf  der  bühne,  den  chor  auf  der  orchestra  auftre- 
ten zu  lassen,  (wie  es  der  brauch  des  altgriechischen  theaters 
erforderte),  sei  unnatürlich.  Und  doch  würde  nichts  anderes 
übrig  bleiben,  wenn  nicht  im  stücke  selbst  auf  eine  Verände- 
rung in  der  Stellung  des  chors  deutlich  hingewiesen  würde. 
„Dieser  hinweis",  so  fährt  er  fort,  ,, liegt  in  den  versen  146  ff. : 

bnotav  6s  juo^fl 

deivhg  öSCrqg  tc5*ö'  &■*  (AsXä&gcov 

ngog  i(At]V  alel  %£iga  n  g  o  %a  g  wv 

7Z£iQ(ß  to  nagbv  deganeveit". 
Ich  kann  diese  verse  nicht  anders  erklären,  als  dass  darin  Neopto- 
lemos dem  chor  aufträgt,  ihm  immer  zur  band  (ngog  iftijv  aiel 
Zeiget),  das  heisst,  immer  zur  seito  zu  bleiben,  ja  noch  näher  zu 
treten,  als  bis  dahin,  um  ihm,  je  nachdem  es  die  Verhältnisse 
forderten,  hülfe  leisten  zu  können.     Wecklein  aber  sagt:  „diese 


Nr.  10.  302.  Keiseliteratur.  517 

verse  zeigen  an,  dass  bei  dem  erscheinen  des  Philoktet  Neopto- 
lemos  mit  einer  handbewegung  das  zeichen  giebt,  sich 
auf  einige  schritte  von  der  höhle  des  Philoktet  zurückzu- 
ziehn,  „dass  folglich  bei  dem  auftritte  des  Philo- 
ktet der  chor  die  bühne  verlässt".  Wie  ist  es  möglich, 
nQo^mgmv  was  vorwärts  gehn  heisst  in  die  entgegengesetzte 
bedeutung  „sichzurückziehn"  zu  verkehren  und  wie  ver- 
mag der  chor  Neoptolemos  in  jedem  augenblick  die  erforderli- 
che hülfe  zu  leisten,  wenn  er  sich  von  ihm  entfernt,  ja  die 
bühne  ganz  verlässt?  Und  was  wird  aus  dem  aht,  wenn  der 
chor  doch  zunächst  auf  das  einmalige  zeichen,  das  Neoptolemos 
ihm  beim  herannahen  des  Philoktet  geben  will,  sich  auf  die 
orchestra  zurückziehn  soll?  Ist  es  bei  seiner  engumschlossenen 
Stellung  in  der  mitte  des  verses  gestattet ,  es  aus  seiner  natür- 
lichen Verbindung  loszulösen  und  zum  folgenden  verse  zu  be- 
ziehn?  Irre  ich  nicht,  so  streitet  fast  wort  für  wort  gegen  die 
auffassung  Wecklein's  und  kaum  möchte  jemand  ihm  beistim- 
men, wenn  er  seine  auseinandersetzung  mit  den  Worten  schliesst: 
,,so  erkennt  man  erst  den  eigentlichen  sinn  und  zweck  dieser 
worte.  Wir  müssen  also  bei  der  interessanten  stelle 
ein  stummes   zeichen  annehmen". 

Iulius  Sommerirodt. 

302.  Ein  ausflug  nach  Calabrien  von  prof.  Gerh.  vom 
Rath.  Nebst  einer  lithographischen  tafel  und  einem  holz- 
schnitt.     8.     Bonn.  Marcus,  1871.  —      175  s.  —     25  ngr. 

Das  schon  um  der  seltner  beschriebenen  gegend  willen  an- 
ziehende buch  bietet  auch  dem  philologen  viel  beachtenswerthes ; 
denn  ist  gleich  der  vf.  naturforscher,  hat  er  doch  das,  was  sei- 
ner meinung  nach  sich  ihm  für  die  kenntniss  des  classischen 
alterthums  beachtenswerthes  dargeboten,  mit  sichtbarer  Vorliebe 
verzeichnet.  Es  ist  dessen  nicht  wenig,  da  trotz  der  vielen 
stürme,  welche  seit  dem  Untergang  der  herrschaft  Eoms  über 
den  süden  Italiens  gekommen,  dem  beobachter  noch  jetzt  auch 
im  Volksleben  dem  alterthum  entstammende  sitten  und  gebrau- 
che entgegentreten,  und  zwar  eben  so  wohl  römischen  als  grie- 
chischen Ursprungs.  Um  einiges  davon  zu  berühren,  so  fällt 
dem  nordländer  das  mit  dem  alterthum  stimmende  wenige  es- 
sen auf,  p.  49,  die  genügsamkeit  —  ein  paar  kastanien  reichen 


518  302.  Eeiseliteratur.  Nr.  10. 

zur  mahlzeit  hin,  p.  107,  vrgl.  Ar.  Equitt.  604,  —    und  dabei 
das  vermögen,  lange  ohne  nahrung  aushalten  zu  können,  p.  66 
flg. ;    die    bunte  tracht    der    frauen  um  Catanzaro  gilt  als   grie- 
chisch,    p.  84,  vrgl.  Athen.  XII",    p.  518  E  sqq.;  an  Alt -Grie- 
chenland erinnert  das  wasserholen    der    frauen  in  amphoren  an- 
tiker form,   p.  39,   vrgl.  p.  22,    was    an  Hom.  Od.  j/,   131   na- 
mentlich erinnert:    o&sv  vSqevovto  noXfaai,  q,  206:    sonst  vrgl. 
Od.  tj,  20.  h,  105.  v,  154.    Hom.    h.  in  Cerer.  105.    Pind.   Ol. 
VI,  39   —  das  getrennte    leben    der  männer  und  frauen  in  Co- 
senza,  p.  127,  ja  sogar  das  brot,    das    ein  bauer  in  Coraci  an- 
bot, hatte  die  form  der  in  Pompeji  gefundenen,  p.  106:    dazu 
die    grosse   gastfreiheit    bei    allen  ständen,    p.  69.  24:    als    vrf. 
nach  Vulkano  fuhr ,    liess  ihm  der  canonicus  Perez  wie  weiland 
Theognis  dem  Klearistos  (Theogn.  511  flg.)  ein  fässchen  malva- 
sier  in  das  boot  legen.      Diesen    Zusammenhang    mit  dem  anti- 
ken kennen  die  einwohner;  erinnert  sie  doch  auch  ihre  spräche 
daran,  in  der  noch  viele  worte,    nomina  proprio,  wie  appellativa, 
ihren  griechischen  Ursprung  verrathen,  s.  p.  84.  30.  134:  vrgl. 
Pott  im  Philol.  XI,  p.   245  :  daher  denn  kein  wunder,  dass  ein 
diener  in  Reggio  mit  seinem  braunen,  dem  eckigen  sich  nähern- 
den gesicht  und  schwarzem  struppigen  haar    den    typus  der  al- 
ten Bruttier  dem  vf.  zu  haben  schien ,    so    dass  also  noch  jetzt 
directe  nachkommen  jenes    uralten  italischen    Stammes  existiren, 
p.  25.  29;    vrgl.  1.32,    und  der  brigandaccio ,    von  dem  der  vf. 
auch  vielerlei  zu  erzählen  weiss,  p.  88.  104,  seinen  Stammbaum 
sehr  hoch  wird  hinauf  verfolgen  können.      Aber    auch   die  bes- 
sern Seiten  des  alterthums  lassen  sich  verfolgen,  namentlich  die 
hohe  geistige  begabung,  von  welcher  trotz  der  beispiellosen  Ver- 
wahrlosung alles  Unterrichts    unter   der   bourbonischen  regierung 
—  Strassen  wie  schulen  fehlen  überall  —  vor  andern  beweisen 
ein  schönes    beispiel    das  vom   vf.  p.   64  flgg.  beschriebene  pas- 
sionsspiel  in  Stilo  ablegt,    in  welchem  gar  viel  an  die  alte  zeit 
erinnert :    der  text  angeblich  von  Johannes  dem    täufer  verfasst, 
existirt  nur  im  manuscript,    die  darsteller  gehören  zumeist    dem 
Handwerkerstände  an,  sind  Schneider,    koche ,  zimmerleute,    wel- 
che   auch    die    frauenrollen    geben ,    die  darstellung    selbst ,    an 
sich  ganz  vortrefflich ,    lehnt  für    anzug ,   gruppirung  u.  s.  w.  an 
die   im   volke  bekannten    bilder  von  Christus,    Maria  u.  s.  w  an, 
wird  dadurch  verständlich  und  populair:    aus    diesem   anschluss 


Nr.  10.  302.  Eeiseliteratur .  519 

an  das  volk  dürfte  wohl  auch  die  besondre  Sorgfalt  sich  erklä- 
ren, welche  auf  entwickluug  und  darstellung  des  characters  des 
schliesslich  von  zwei  teufein  geholten  Judas  verwandt  wird. 
Zu  ganz  besonderm  schmucke  diente  der  auffübrung  aber  der 
gesang  von  vier  bis  sechs  kleinen  knaben ,  welche  besonders 
die  scenen,  in  denen  der  heiland  auftrat ,  vortbeilbaft  auszeich' 
neten:  man  kann  darnach  annehmen,  dass  auch  Molossos  in 
der  Andromache  oder  die  jungen  im  chor  der  Vespen  und  die 
mädchen  des  Trygaios  ihre  Sachen  gut  gemacht  haben  werden. 
Wie  tief  aber  überhaupt  mimisches  talent  eingewurzelt  und  an- 
geboren ist,  erläutert  gut  der  erzpriester  von  Agnana,  mit  dem 
der  vf.  uns  p.  34  bekannt  macht:  ,,jeder  Schauspieler  hätte  bei 
unserm  erzpriester  in  bezug  auf  beweglichkeit  der  gesicktsmus- 
keln  und  ihre  unglaublichen  und  doch  bedeutsamen  Verzerrun- 
gen in  die  schule  gehen  können.  Die  Calabresen  vermögen, 
ohne  ein  wort  zu  reden,  lange  Unterhaltungen  mit  einander  zu 
führen,  welche  einem  fremden  begreiflicher  weise  völlig  unver- 
ständlich sind.  So  sprach  der  arciprete  mit  seiner  haushälte- 
rin  ohne  alle  worte.  Die  pantomimen  sind  ganz  seltsam  und 
unbeschreiblich,  gesicht  und  hände  spielen  bald  einzeln,  bald 
gemeinsam.  Ein  finger  wird  an  die  lippen  gelegt,  in  den  mund, 
ins  ohr  gesteckt,  an's  äuge  gelegt,  es  wird  gegurgelt,  die  äugen 
geschlossen,  einzeln  oder  beide  u. s.w.":  daher  der  mimus:  auch 
commentiert  dies  Quintil.  I.  0.  VI,  3,  14  sqq.  Und  zwar  war 
bei  dem  arcipreten  das  alles  natur,  kein  studium,  da  nach  Ver- 
sicherung des  vrfs  die  calabrische  geistlichkeit  ohne  zweifei  die 
verderbteste  und  unwissendste  Europa's  ist,  p.   27. 

Dies  betraf  die  menschen  ;  aber  auch  die  bemerkungen  des 
vfs  über  das  land  bieten  vielfach  anknüpfungspunkte  zur  erläu- 
terung  des  alterthums.  So  die  schöne  beschreibung  der  mor- 
gendämmerung,  der  alba,  p.  77,  welche  für  Vergil's  achte  ecloge 
zu  benutzen,  s.  Philol.  XXH,  p.  215;  die  bemerkungen  über 
gutes  trinkwasser ,  was  die  alten  Griechen  so  hoch  schätzten, 
Pind.  Ol.  VI,  85,  vrgl.  Unger.  parad.  Theb.  I,  p.  190,  über 
die  jetzt  so  oft  wiederkehrenden,  gewaltigen  erdbeben  für  Pli- 
nius  (Epist.  VI,  16)  und  andre,  p.  114.  124;  den  trocknen 
Pomponius  Mela  (II,  4)  kann  man  sich  aus  dem  p.  22.  146 
flgg.  gesagten  beleben.  Doch  unseres  erachtens  ist  kaum  et- 
was von  unserm  Standpunkt  aus   lehrreicher   als    die  erörterun- 


520  302.  Keiseliteratur.  Nr.  10. 

gen  des  vf.  über  die  malaria  und  die  jetzt  so  ausgedehnten  fie- 
ber;  ein  gegenständ,  der  wie  im  alterthum  so  auch  in  neuerer 
und  neuster  zeit  die  gelehrten  vielfach  beschäftigt  hat:  Cic. 
Eeip.  II,  6  mit  der  note  von  A.  Mai,  Liv.  X,  47,  6,  Nieb. 
RG„  HI,  p.  477,  vrgl.  das.  II,  p.  308.  Bunsen  in  Beschreib, 
d.  st.  Rom  I,  p.  82  flg.,  Raff.  Pareto  relatione  sulle  condi- 
zione  agraria  ed  igieniclie  della  campagna  di  Roma,  Firense,  1872, 
Augsb.  Allg.  Ztg.  1872,  beil.  zu  nr.  223  flg.;  denn  hier,  in  Ca- 
labrien,  lässt  dieses  übel  sich  von  seinem  entstehen  an  verfol- 
gen: noch  Plin.  NH.  II,  98,  211  sagt:  Locris  et  Orotone  pesti- 
lentiam  numquam  fuisse  nee  ullo  terrae  motu  laboratum  adnotatum 
est:  also  ist  das  übel  erst  später  entstanden,  da  wie  die  gegend 
von  Lokri  und  Croton  so  auch  die  von  Sybaris,  Metapont  u.  s. 
w.  jetzt  fast  unbewohnt  sind,  p.  22.  125.  140  flg.  149:  die 
durch  die  allmählig  gar  dünn  gewordene  bevölkerung  veran- 
lasste Verödung,  verbunden  mit  bildung  grosser  landgüter,  hat 
wegen  mangelnder  eultur  Versandung  der  flussmündungen ,  da- 
durch Überschwemmung  und  sümpfe  entstehen  lassen ,  welche 
mit  ihren  ausdünstungen  die  luf't  verpesten.  Wo  jetzt  durch 
eisenbahnen  und  andre  umstände  die  eultur  sich  hebt ,  scheint 
das  wundervolle  land  der  frühern  trefflichkeit  wieder  zugeführt 
zu  werden,  und  eröffnet  sich  somit  hier  für  eine  wohlwollende 
und  thätige  regierung  die  aussieht  auf  eine  Wirksamkeit,  die 
noch  späte  Jahrhunderte  segnen  würden. 

Dies  anspruchlose  bemerkungen  zu  angaben,  bei  denen 
Rath  des  alterthums  nicht  gedacht  hat:  gar  oft  weis't  er  aber 
auch  auf  dasselbe  hin,  wie  auf  Horaz  p.  153,  auf  Pindar  p.  29, 
Dionysios  von  Halikarnass  p.  91,  auf  den  naraen  Zankle  p.  9 
u.  s.  w. :  dass  dabei  einzelne  fehler  unterlaufen,  wird  niemand  dem 
vf.  hoch  anrechnen  wollen.  So  sagt  er  p.  11  vom  Aetna:  „er 
glich  einer  säule  des  himmels  (Hesiod) ",  aber  im  Hesiodos 
steht  dergleichen  nicht:  Piud.  Pyth.  1,  19  ovoavia  xieov  wird 
gemeint  sein;  p.  81  liest  man:  ein  altes  sprüchwort  sagt: 
aliae  urbes  si  ad  Crotonem  conferentur ,  vanae  nihilqae  sunt :  aber 
ein  solches  giebt  es  nicht;  zu  gründe  liegt:  fiäraia  raXXa 
naoa  Koorcova  taaisctj  Scholl,  ad  Theoer.  Id.  IV,  33,  Corp. 
Paroem.  Gr.  T.  II,  p.  759  Gott.;  p.  128  wird  „das  erz  von 
Temese"  (Hom.  Od.  a,  184)  ohne  weiteres  mit  Strabo  in  die 
nahe  von  Longobucco   verlegt,    aber    welche   bedenken  der  an- 


Nr.  10.  302.  Reiseliteratur.  521 

nähme  entgegenstellen  und  dass  an  Kypros  zu  denken ,  ist  oft 
bemerkt:  s.  Nitzsch  zu  Hom.  1.  c.  I,  p.  36.  Engel  Kypros  I, 
p.  42  flg.  Doch  viel  wichtiger  als  dergleichen  ist  die  Sorgfalt, 
womit  vf.  auf  seiner  Wanderung  vorgekommene  ruinen  und  son- 
stige reste  aus  dem  alterthum  verzeichnet,  so  alte  säulen  im 
dorn  zu  Messina,  p.  8,  eine  inschrift  zu  Eeggio,  p.  12,  trüm- 
mer  in  Stilo,  p.  58,  mosaik  bei  Consolino  ,  p.  63,  mit  der  er 
der  läge  alter  städte  und  Ortschaften  nachspürt,  wie  Caulonia 
p.  45,  Scylaceum  p.  8 1 ,  Terina ,  wo  des  SC.  de  Bacchanalibus 
gedacht  wird,  p.  104,  Metapont,  p.  149,  der  fluss  Sagra  p.  46; 
der  Krathis,  p.  146;  auch  bleibt  es  nicht  bloss  bei  kurzen  er- 
wähnungen,  sondern  besonders  wo  die  ansichten  der  einwohner, 
welche  häufig  mit  Vorliebe  den  traditionen  aus  alter  zeit  nach- 
gehen, dazu  veranlassen ,  geht  er  auf  ausführliche  historische 
erörterungen  ein;  wie  p.  101  flg.  die  läge  von  Pandosia  und 
die  stelle  wo  Alexander  von  Epiros  den  tod  gefunden,  ausführ- 
lich besprochen  wird  ,  ferner  Kroton  und  Sybaris,  p.  81.  137. 
147,  die  Bruttier  und  die  Sila,  p.  91.  132  u.  s.  w. 

Aus  der  fülle  ähnlicher  bemerkungen  führen  wir  zum  Schlüsse 
die  günstige  Stimmung  über  Deutschland  an ,  welche  dem  vf. 
überall  begegnete.  Nirgend,  meint  man  in  Italien  selbst,  sei 
Italiens  lob  schöner  besungen  als  in  Göthe's  „kennst  du  das 
land"  u.  s.  w.,  kein  buch  so  lehrreich  als  A.  v.  Humboldt's  Kos- 
mos: dergleichen  und  ferner  die  frömmigkeit  des  deutschen  kai- 
ßers,  aus  den  siegestelegrammen  bekannt,  die  Weisheit  Bismark's 
und  Moltke's,  die  tapferkeit  und  sonstige  tüchtigkeit  des  deut- 
schen volkes  bringen  bei  dem  so  beweglichen  Italiener  eigen- 
thümliche  hyperbeln  hervor:  ich  bin,  sagte  einer,  in  Oesterreich 
als  gefangener  sehr  gut  daran  gewesen:  um  wie  viel  schöner 
würde  es  mir  aber  in  Preussen  ergangen  sein ;  wäre  ich  in 
Preussen  professor,  meinte  der  zum  lehrer  erzogene,  aber  für 
1  fr.  täglich  conducteur  -  dienste  thuende  söhn  eines  mit  äu- 
sserst geringem  gehalte  (100 — 150  fr.  al  mese!),  aber  mit  zahl- 
reicher familie  gesegneten  professors  in  Cosenza,  „welch  loh- 
nende Stellung  würde  ich  da  finden",  p.  141.  Und  oft  hörte 
der  Verfasser  die  äusserung :  ;, könnten  wir  nur  hin  —  in  euer 
land,  da  würde  es  uns  wohl  besser  gehen"  !  Möge  die  zukunft 
Deutschlands  und  seiner  gelehrsamkeit  nicht  zu  weit  von  den 
phantasien  dieser  guten  leute  entfernt  bleiben!  E.  v.  L. 


522       Theses.  —  Neue  aufl.  u.  Schulbücher.  303—312.    Nr,  10. 

THESES  quas  ...  in  literarum  universitate  Fridericiaua 
Halensi  cum  Vitebergensi  consociata  d.  XXIII  m.  Iulii  a. 
MDCCCLXXII  .  .  .  publice  defendet  Hermannus  Groth  Beroli- 
nensis:  II.  In  Choephoris  in  vs.  474  Aeschylum  nalvmovaiv 
scripsisse  arbitror  et  in  antistr.  v.  56  figvsi  Xqovi^ovt'  etm/^ij 
ita  ut  versus  53 — 57  contra  Hermannum  sie  interpreter  (omnes 
assequitur  iustitia) ;  in  alios  ea  celeriter  clara  iam  luce  se  con- 
vertit ,  alia  in  confiniis  tenebrarum  exspeetat  manentia  per  ali- 
quod  tempus  felicia,  alios  profunda  non  tenet  (i.  e.  alii  sero 
demnm  dant  poenam  iustam).  —  III.  In  Soph.  Philoctetae  vs. 
1383:  nöoq  yäo  zig  aMSyyvoiz1  uv  CüqisXovixsvog ;  passivum  coqds- 
Xovfievog  ferri  non  posse  et  ooqisXmv  rivog  scribendum  esse  puto. 

—  quas  in  alma  literararum  universitate  Fridericia  Guil- 
elma  .  .  .  publice  defendet  Paulus  Hoffmann  Pommeranus :  I. 
In  Horat.  Epist.  I,  18,  82  legendum  esse  opinor  „deute  Bioneo", 
non  „dente  Theonino",  quae  verba  nuue  exstant.  (cf.  Epist.  II, 
2,  60).  —  II.  Ciceronem  errasse  credo  Or.  13,  42,  ubi  ex  iis, 
quae  Plato  in  fine  „  Phaedri "  Socratem  de  Isocrate  dicentem 
facit,  effici  posse  iudicet,  „illum  omnium  rhetorum  exagitatorem 
hunc  unum  mirari". 

NEUE  AUFLAGEN.  303.  E.  Guhl  und  W.  Kon  er, 
das  leben  der  Griechen  und  Römer.  3.  aufl.  7.  lief.  Berlin. 
Weidmann;  10  ngr.  —  304.  G.  Bernhardy,  grundriss  der 
römischen  literatur.  5.  bearbeitung.  8.  Halle.  Schwetschke 
und  s. ;  4  thlr.  15  gr.  —  305.  W.  S.  Teuf  fei,  geschichte 
der  römischen  literatur.  2.  aufl.  3.  lfg.  gr.  8.  Leipzig.  Teub- 
ner; 1  thlr.  10  ngr.  —  306.  W.  Wattenbach,  anleitung 
zur  lateinischen  paläographie.  2.  aufl.  4.  Leipzig.  Hirzel ; 
20  ngr. 

NEUE  SCHULBUECHER.  307.  Euripides  Iphigenia  auf 
Taurien  zum  schulgebrauche  mit  anmerkungen  versehen  von 
W.  Bauer.  8.  München.  Lindauer;  10  ngr.  —  308.  F. 
Vollbrecht,  Wörterbuch  zu  Xenophon's  Anabasis.  2.  aufl. 
8  mai.  Leipzig.  Teubner;  18  ngr.  —  309.  Freund's  schü- 
lerbibliothek.  1.  abth.  präparationen  cett. :  präparation  zu 
Horaz'  werken.  11.  12.  heft.  16.  Leipzig.  Violet;  ä  5  ngr. — 
310.  H.  W.  St  oll,  die  götter  und  heroen  des  classischen  al- 
terthums.  2  bde.  4.  aufl.  8  min.  Leipzig.  Teubner ;  1  thlr. 
15  ngr.  —  311.  L.  Englmann,  lateinischer  vorbereitungs- 
unterricht.  3.  aufl.  8.  Bamberg.  Buchner;  5  ngr.  —  312. 
C.  Ostermann,  lateinisch  -  deutsches  und  deutsch -lateinisches 
Wörterbuch  zu  Ostermann's  lateinischen  Übungsbüchern  f.  sexta 
und  quinta.     5.  aufl.     8.     Leipzig.  Teubner;     7x/2  ngr- 


Nr.  10.  Bibliographie.  523 

BIBLIOGRAPHIE.  Ein  sehr  bedeutendes  geschenk  hat  die 
universitäts-bibliothek  zu  S  t  ras  s  bürg  aus  Oxford  erhalten, 
etwa  650  prächtig  gebundene  bände.  Sie  wurden  nach  ihrer 
ankunft  öffentlich  ausgestellt,  bei  welcher  gelegenheit  prof.  Max 
Müller  einen  den  buchhandel  der  Universität  Oxford  betref- 
fenden Vortrag  hielt,  in  welchem  er  die  entstehung ,  einkünfte 
u.  s.  w.  desselben  erörterte.  Die  Universität  besitzt  eine  drucke- 
rei,  Clarendon  Press,  —  so  genannt  von  Lord  Clarendon,  der  sie  mit 
seinem  vermögen  gestiftet  —  papiermühle ,  buchbinderei,  buch- 
handlung,  ferner  das  recht  die  sg.  authorized  version  der  bibel 
und  des  gebetsbuchs  der  englischen  kirche  zu  drucken.  Ein 
theil  der  einküufte  werden  von  den  10  curatoren  dazu  verwen- 
det, bücher  zu  drucken,  die  ein  buchhändler  wegen  voraussicht- 
lichem geringen  absatz  oder  überhaupt  der  kosten  wegen  nicht 
verlegen  kann ,  die  aber  doch  für  die  Wissenschaft  von  bedeu- 
tung  sind.  Die  hauptsächlichsten  Veröffentlichungen  der  art  be- 
ziehen sich  auf  theologie  und  philologie  ,  so  die  mehrfach  von 
Deutschen  besorgten  ausgaben  griechischer  und  römischer  clas- 
siker.  —     Börsenbl.  n.  210. 

In  Calvary's  verlag  zu  Berlin  erscheint  eine  „philologi- 
sche und  archäologische  bibliothek ",  welche  hauptsächlich  den 
abdruck  älterer  classischer  hülfsbücher  zum  Stadium  der  philo- 
logie und  im  anschluss  daran  neue  werke  ähnlichen  inhalts 
bringen  wird  ;  die  Veröffentlichung  soll  in  lieferungen  zu  4 — 5 
bogen  zu  5  gr.  erfolgen.  Erschienen  ist  eine  lieferung  von  Fr. 
A.  Wolff  Prolegomena  ad  Iliadem  (sie):  in  aussieht  gestellt  ist 
Niebuhr's  römische  geschichte. 

Frankfurter  bücher  -  auetion.  Verzeichniss  der  von  Dr  Geid- 
ner  dahier  nachgelassenen  bibliothek,  welche  .  .  .  dienstag  den 
15.  october  .  .  in  Frankfurt  a.  M.  versteigert  wird  .  .  durch 
Rudolph  St.  Goar:  für  linguistik,  geschichte  drgl.  zu  be- 
achten. 

Wichtige  werke  der  ausländischen  literatur:  313.  L.  Paris, 
les  manuscrits  de  la  bibliotheque  du  Louvre  bulle's  dans  la 
müt  du  23  au  24  mai  1871 ,  sous  le  regne  de  la  Commune, 
Paris,  5  frs  ;  314.  Catalogue  general  des  manuscrits  des  biblio- 
theques  publiques  des  departements ;  publie'  sous  les  auspices 
du  ministre  de  l'instruction  publique.  T.  I.  Arras ,  Avranches, 
Boulogne,  8.  (XU.  812)  Paris;  315.  Ch.  Dollfuss,  considerations 
sur  l'histoire.  Le  monde  antique,  Paris,  7  fr.  50  c;  316.  F. 
Find,  ricerche  por  lo  studio  deh"  antichita  Assiria,  Roma;  317. 
Fr.  Mennier ,  etudes  de  grammaire  compare'e.  Les  composes 
syntactiques  en  grec,  en  latin,  en  francais  et  subsidiairement  en 
zend  et  en  indien,  Paris;  318.  E.  Gibbon,  the  decline  and  fall 
of  the  roman  empire.  Verbatim  reprint.  3.  voll.,  10  sh.  6 
d. ;  319.  M.  Coquille,   du  edsarisme   daus  l'antiquitä    et  dans  les 


524  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  10. 

temps  modernes,  Paris;  320.  J.  Gilles,  Marius  et  Jules  Ce'sar. 
Leurs  monuments  dans  la  Gaule.  Vercingetorix  prisonnier. 
La  Graule  et  la  grande  Bretagne  captives,  Marseille;  321.  E. 
P.  Biardot  les  terres  cuites  grecques  funebres  dans  leur  rapport 
avec  les  mysteres  de  Bacchus,  accompagne  d'un  atlas  et.  54  pl. 
noires  et  colorie'es,  Paris  ;  322.  H.  de  Ferry,  le  Maconnais  pre- 
historique.  Memoire  sur  les  äges  primitifs  de  la  pierre,  du 
bronze  et  du  fer  en  Maconnais  et  dans  quelques  contrees  li- 
mitrophes.  Ouvrage  posthume,  Paris;  323.  W.  Froehner,  les  Mu- 
s^es  de  France,  recueil  de  monuments  antiques  cett.  livr.  3.  4. 
5:  s.  ob.  n.  4,  p.  219;  324.  W.  Froehner,  la  colonne  Trajane, 
reproduite  en  phototypographie,  d'apres  le  surmoulage  ex^cute* 
a  Rome  en  1861  et  1862.  200  pl.  en  couleur.  Texte  expli- 
catif.  PI.  par  Gust.  Arosa.  Liv.  13  ä  24.  Paris  60  fr.  (nur 
in  200  exemplaren  abgezogen);  325.  Deslarreaux- Bernard  etude 
bibliographique  sur  lMdition  du  Speculum  quadruplex  de  Vin- 
cent de  Beauvais ,  attribuee  ä  Jean  Mentel  ou  Mentelin  de 
Strassbourg,  Paris. 


KLEINE  PHILOLOGISCHE  ZEITUNG.  Der  Staats- 
Anz.  nr.  187  beil.  1  bringt  auch  aus  englischen  Zeitungen  die 
ansichten  Livingstone's  über  die  quellen  des  Nils  und  die  gro- 
ssen quellen,  flüsse  und  seen  in  Central- Africa,  vrgl.  ob.  n. 
9,  p.  477,  ferner  in  nr.  191  die  vollständige  Übersetzung  der 
von  Livingstone  an  das  englische  auswärtige  amt  gerichteten 
depeschen:  die  Spener' sehe  zeitung  vom  19.  sept.  nr.  298 
dieselben  von  Brachvogel  aus  americanischen  zeitungen:  Stan- 
ley war  von  G.  J.  Bennet,  dem  eigenthümer  des  Newjork- 
Herald  zur  auffindung  Livingstone's  ausgeschickt,  weshalb  denn 
die  Amerikaner  selbige  als  ihr  werk  ansehen.  Der  artikel 
Brachvogel's  ist  sehr  hübsch  und  anschaulich  geschrieben:  aber 
eine  ganz  klare  und  sichere  einsieht  in  die  Verhältnisse  des 
Nil's  und  seiner  quellen  zu  jenen  seen  u.  s.  w.  erhält  man 
auch  jetzt  noch  nicht,  da  das  fehlen  des  letzten  gliedes  zur 
Sicherheit  eingestandener  massen  noch  fehlt:  daher  enthalten 
wir  uns  hier  eines  nähern  eingehens  auf  diese  seit  alter  zeit 
problematischen  fragen. 

Giesse.n,  29.  august.  Dr.  J.  W.  Schulte  hat  ob.  n.  7, 
p.  358  in  seinem  referate  über  die  erste  abtheilung  meiner  Un- 
tersuchungen zur  geschichte  des  kaisers  L.  Septimius  Severus 
bemerkt,  ich  habe  die  stelle  bei  Herodian,  II,  15,  6  übersehen. 
Wie  mir  scheint,  ohne  grund.  Die  fragliche  stelle  findet  sich  in 
meiner  schrift,  p.  26,  note  10  gesperrt  gedruckt.  Nur  möchte 
ich  aus  derselben  nicht  dasselbe  folgern,  was  Dr  J.  W.  Schulte. 
Mir  scheint  es  vielmehr  höchst  unwahrscheinlich,  dass  Hero- 
dian die  denkwürdigkeiten  des  Severus  benutzt  hat.  —     Dr  J. 


Nr.  10.  Kleine  philologische  zeitung.  ,  525 

M.  Höfner.  —  Zu  vorstehendem  habe  ich  zu  bemerken ,  dass 
ich  in  meinem  referate  nicht  gesagt  habe,  Dr  M.  J.  Höfner 
habe  die  stelle  bei  Herodian  II,  15,  6  überhaupt  übersehen, 
sondern  nur  in  dem  abschnitte  über  ,,die  denkwürdigkeiten  des 
Severus".  Hier  musste  sie  nach  meiner  meinung  allerdings  be- 
rücksichtigung  finden,  weil  sie  über  die  form  und  den  inhalt  die- 
ser denkwürdigkeiten,  auch  abgesehen  von  der  frage,  ob  Hero- 
dian diese  denkwürdigkeiten  benutzt  habe,  nicht  uninteressante 
aufschlüsse  ertheilt.  —  Münster  den  7.  September  1872.  — 
Dr  J.   W.  Schulte. 

Würzburg,  10.  septbr.  Der  münchener  Universität  sind  zu 
ihrer  vierten  saecularfeier  am  1.  aug.  1872  von  bayerischen 
gymnasien  folgende  festschriften  gewidmet  worden:  1)  Augs- 
burg, St.  Anna-gymnasium:  Almae  Litterarum  Universi- 
tati  Ludoviciae  Maximilianeae  Monacensi  Sacra  Saecularia  Quarta 
Gratulatur  Gymnasium  Augustanum  Ad  D.  Annae  Interprete  Ch  r  i- 
stiano  Guilelmo  I os  epho  Cron  Monacensi.  Inest  Commen- 
tatio  De  Oraculi  Siphniis  Editi  Vi  Ac  Potestate.  20  p. 
4.  —  2)  Augsburg,  St.  Stephans-gymnasium:  die 
gelehrte  tischgesellschaft  des  Athenäus.  V.  buch 
cap.  1 — 45.  In's  deutsche  übersetzt  und  mit  erklärungen  ver- 
sehen von  P.  Thomas  Kram  er,  kgl.  gymnasialprofessor. 
88  s.  8.  —  3)  Kempten:  Universitati  Ludovico  -  Maximilia- 
neae VI.  Cal.  Quintiles,  Quo  Die  Ante  Annos  Quadringentos  Consti- 
tuta  Est,  Solenniter  Obeunti  Summa  Pietate  Et  Observantia  Suo  Ac 
Collegarum  Nomine  Gratulatur  Ph.  Hannw  ach  er ,  Gymnasii  Cam- 
podunensis  Rector.  6p.  4.  —  4)  Landshut:  zur  mittelalter- 
lichen topographie  und  geschichte  Bayerns  aus  professor  Freu- 
densprunges Sammlungen  —  von  Franz  Christian  Höger, 
kgl.  gymnasialprofessor.  30  s.  4.  —  5)  München,  Wil- 
helms-gymnasium: zu  Euripides  Iphigenie  auf 
Taurien.  Kritisches  und  exegetisches.  —  Verfasst  von  prof. 
Wolfg.  Bauer.  21  s.  4.  —  6)  München,  Ludwigs- 
gymnasium: über  die  handschrift  Co  d.  Augustanu  s 
I  Monac.  des  Demosthenes.  Ein  beitrag  zur  texteskritik 
des  Demosthenes  von  Dr  A.  Sp  eng  el. —  24  s.  4. —  7)  Mün- 
chen, Maximilians-gymnasium:  Q.  B.  F.  F.  Q,  S.  Uni- 
versitati Litterarum  Ludovico  -  Maximilianeae  Ut  Homines  Virtutibus 
Et  Litteris  Crescerent  Et  Ad  Excelsum  Humanae  Condicionis  Fasti- 
gium  Acqidrendum  Facilius  Inducerentur ,  Constitutae,  Quae  Bene 
Beateque  Vivendi  Viam  Praebet,  Scientiam  Omni  Tempore  Et  Ade- 
ptae  Et  Largitae  Almae  Matri  Quattuor  Saecula  Feliciter  Peracta 
Omni  Qua  Par  Est  Reverentia  Gymnasii  Maximilianei  Monacensis 
Rector  Et  Collegae  Congratulantur.  ■ — ■  Studien  zu  den  Frö- 
schen des  Aristophanes  von  Dr.  E.  Wecklein.  33  s. 
4.  —  8)  Neu  bürg:  zur  feier  des  400jährigen  Jubiläums  der 
Ludwig- Maximilians-Universität    in   München.      Festgedicht 


526  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  10. 

von  Hermann  Loe.  8  s.  4.  —  9)  Schweinfurt:  kri- 
tische beitrage  zur  rhetorik  des  C.  Chirius  Fortu- 
natianus —  von  Dr.  Jacob  Simon  professor.  38  s.  4. 
—  11)  Würz  bürg:  Q.  B.  F.  F.  F.  Q.  S.  Almae  Litterarum 
Parenti  Ludovico  -  Maximilianeae  Monacensi  Quarta  Sollemnia  Saecu- 
laria  Auspicato  Celebranda  Gratulatur  Gymnasium  Virceburgense 
Interprete  Adamo  Eussnero..  Inest  Commentariolum  Pe- 
titionis  Examinatum  Atque  Emendatum.  43  p.  4. — 
11)  Zweibrücken:  zur  vierhundertjährigen  Stiftungsfeier  be- 
grüssen  und  beglückwünschen  die  Ludwigs -Maximilians -Univer- 
sität der  rector  und  das  lehrercollegium  des  gymnasiums  in 
Zweibrücken.  Mit  einem  aufs  atz :  Xenophon  als  patriot 
[von  Friedrich  Butters].     9  s.     4. 

Die  regierung  von  So  lothur  n  hat  auf  rath  Dr  Kell  er' s 
beschlossen,  den  in  der  rathhaushalle  eingemauerten  römischen 
Steinmonumenten  eine  passendere   stelle  zu  geben. 

Im  D.  Keichsanzeig.  nr.  188  beginnt  ein  aufsatz  „die  volks- 
wirtschaftlichen zustände  Aegyptens",  der  auch  für  die  alte 
zeit  beachtenswerthes  bietet. 

19.  septemb.  Die  „Times"  geben  einen  auszug  aus  dem 
berichte  der  londoner  ,,  Dilettanty  Society "  über  die  ausgra- 
bungen  des  englischen  archäologen  Wood  an  der  stelle  des  ehe- 
maligen tempels  der  ephesischen  Artemis.  Wood  be- 
gann seine  arbeiten  in  dem  dorfe  Ajaslack,  das  auf  der  stelle 
des  alten  Ephesus  sich  befindet,  im  jähre  1863  und  führte  sie 
bis  heute  unermüdet  fort.  Auf  die  spuren  des  tempels  führte 
ihn  kein  Zufall,  sondern  sichere  berechnung.  Als  Wood  die 
räume  des  grossen  theaters  zu  Ephesus  untersuchte ,  fand  er 
eine  inschrift ,  welche  merkwürdige  aufschlüsse  über  die  aus- 
Btattung  und  den  gottesdienst  enthielt  und  vor  allem  den  weg 
beschrieb,  auf  welchem  an  dem  geburtsfeste  der  göttin  ihre  sil- 
bernen Schreine  und  ihre  übrigen  kostbarkeiten  aus  dem  tem- 
pel  durch  das  eine  stadtthor  zu  dem  grossen  tbeater  und  zu- 
rück zum  tempel  durch  ein  anderes  stadtthor  ,  das  sogenannte 
magnesische,  getragen  werden  mussten.  Diese  entdeckung  war 
der  Schlüssel  zu  den  übrigen.  Bald  fand  Wood  eines  der  in 
der  inschrift  genannten  thore.  Von  diesem  ging  eine  alte 
Strasse  aus,  gleich  der  Via  Appia  auf  beiden  Seiten  mit  grab- 
denkmälern  eingefasst.  Man  konnte  längs  derselben  die  spuren 
eines  porticus  verfolgen,  der  wahrscheinlich  derselbe  ist,  wel- 
cher von  einem  gewissen  Damianus  im  zweiten  Jahrhunderte 
der  christlichen  Aera  zum  schütze  der  prozessionen  gegen  sonne 
und  regen  gebaut  wurde.  Das  alte  pflaster  der  Strasse  lag  in 
einer  durchschnittlichen  tiefe  von  12  fuss,  und  längs  derselben 
waren  die  gräber  der  proprätoren  und  anderer  grossen  aus 
der  zeit  der  römischen  herrschaft  über  Ephesus.  Diese  alte 
Strasse  ging  in  nordöstlicher  richtung,    und    bei    durchforschuug 


Nr.  10.  Kleine  philologische  zeitung.  527 

des  hodens  an  einem  in  der  nähe  des  Stadiums  gelegenen  thore 
der  Stadt  wurde  eine  zweite  mit  der  vorigen  konvergirende 
Strasse  entdeckt.  Wood  dachte,  dass  er,  wenn  er  diese  kon- 
vergireuden  linien  verfolge,  auf  die  mauerlinie  kommen  müsste, 
von  welcher  der  peribolos,  d.  h.  der  heilige  räum  rings  um  den 
tempel,  umgeben  war,  und  in  der  that  stiess  er  im  april  1869 
auf  einen  winkel  der  peribolosmauer,  in  deren  mauerwerk  sich 
eine  griechisch  und  lateinisch  abgefasste  inscbrift  befand,  welche 
mittheilte,  dass  kaiser  Augustus  von  den  einkünften  der  gott- 
heit  jene  mauer  wieder  hergestellt  habe.  Es  war  klar,  dass 
sich  innerhalb  dieses  peribolos  der  tempel  irgendwo  befinden 
müsse.  Indessen  konnte  man  die  aera  des  peribolos  nicht  fest- 
stellen, und  man  musste  nun,  um  den  tempel  zu  suchen,  inner- 
halb des  vermutheten  raumes  des  peribolos  schachte  eintreiben. 
Der  alluvial-boden  war  an  dieser  stelle  22  fuss  tief  über  der 
alten  Oberfläche.  Monate  vergingen  über  dieser  schweren  ar- 
beit. Endlich,  april  1870,  kam  man  auf  eine  pflasterung  von 
quadratblöcken  aus  schönem  weissen  marmor  ,  auf  welchem  ei- 
nige fragmente  kolossaler  sculpturen  lagen.  Diese  Überreste 
wurden  18  fuss  unter  der  Oberfläche  gefunden;  unmittelbar  über 
dem  pflaster  war  eine  decke  von  weissen,  zum  theile  von  feuer 
zerstörten  marmorplatten.  Als  die  ausgrabungs  -  aera  auf  diesem 
punkte  erweitert  wurde,  fand  man  überall  kolossale  reste  joni- 
scher architektur  von  griechischem  charakter.  Man  stiess  auf 
ein  stück  eines  säulenschaftes,  das  6'  1"  im  durchmesser  hatte, 
und  im  herbst  1871  auf  einen  fast  völlig  erhaltenen  säulen- 
scbaft,  auf  welchem  eine  gruppe  von  stehenden  und  sitzenden 
männlichen  und  weiblichen  figuren  eingehauen  war.  Die  ste- 
henden figuren  waren  6'  hoch.  Der  ganze  fund  gehörte  offen- 
bar zu  jenen  36  mit  skulpturen  geschmückten  säulen,  die  Pli- 
nius  unter  den  merkwürdigkeiten  des  tempels  aufführt.  Fer- 
ner fand  man  ein  pilaster  mit  einer  schönen  gruppe  in  hautre- 
lief,  prächtige  kapitaler  u.  s.w.  Diese  ersten  ergebnisse  der  Un- 
ternehmung hat  der  dampfer  „  Caledonia",  der  von  Malta  hin 
beordert  wurde,  in  einer  ladung  von  60  tonnen  nach  London 
mitgenommen.  —  Im  nächsten  herbst  sollen  die  arbeiten  fort- 
gesetzt werden. 

Marburg,  29.  sept.  Gegenüber  dem  von  A.  S.  im  Phi- 
lologischen anzeiger  ob.  h.  8,  p.  415  ausgesprochenen  zweifei 
muss  leider  bestätigt  werden,  dass  Wilhelm  Fr  icke,  der 
vielversprechende  Verfasser  der  Untersuchungen  über  die  quellen 
des  Plutarchos  im  Nikias  und  Alkibiades,  kurz  nach  dem  er- 
scheinen dieser  schrift  in  Marburg,  wo  er  seine  Studien  absol- 
virt  hatte,  einem  brustleiden  erlegen  ist. 

AUSZUEGE     aus    Zeitschriften.       Augsburger    allgemeine  zeitung: 
beil.  zu  nr.  216.  217.  n.  218  der  fels  Petri  in  Rom.  —    Nr.  218,  beiL 


528  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  10. 

zu  nr.  219:  über  die  Vesuv  -  eruption  am  26.  april  1872.  —  Beil.  zu 
ur.  219:  zur  Jubelfeier  der  Universität  München:  handelt  von  der 
theilnahme  Augsburgs.  —  Nr.  220:  die  reform  der  theologischen  fa- 
cultäten  in  Oesterreich.  —  Die  rede  Max  Müller's  beim  Jubiläum 
der  Universität  München.  —  Zu  Petri  Romfahrt:  vrgl.  nr.  222.  — 
Beil.  zu  nr.  220:  H.  M.  Schletterer,  über  den  neu  aufgefundenen  Lu- 
ther-codex  v.  j.  1530,  auf  die  stimm-  und  liederbücher  Luther's  be- 
züglich. —  Nr.  221:  notizen  über  die  zu  ankaufen  für  das  brittische 
museum  bestimmten  gelder.  —  Nr.  223:  mittheilungen  aus  depe- 
schen  Livingstone's ,  welche  etwas  ausführlicher  über  die  quellen  des 
Nils  berichten.  —  Beil.  zu  nr.  223.  224:  die  campagne  Rom's.  I.  II: 
höchst  wichtig,  namentlich  auch  in  betreff  der  Malaria.  —  Nr.  225: 
römische  toleranz :  als  commentar  zu  Seneca's  ausspruch :  ubicunque 
Momanus  vicit ,  Romanus  habitat.  —  Beil.  zu  nr.  226:  das  Jubelfest 
der  bayerschen  Ludwigs-Maximilians-universität.  —  Beil.  zu  nr.  227  : 
eine  geschichte  des  alten  Sicilien:  anzeige  des  buches  von  Holm:  vrgl. 
Phil.  Anz.  III,  nr.  1,  p.  51.  —  Nach  niittheilungen  aus  Petersburg 
ist  in  Kertsch  eine  katakombe  entdeckt ,  auf  deren  mauern  jagden 
und  kämpfe  dargestellt  und  in  denen  Sarkophage  gefunden  sind :  man 
hält  alles  für  skythisch.  [Vrgl.  auch  D.  Reichsanz.  nr.  186,  beil.  1.] 
—  Beil.  zu  nr.  229.  230.  231:  die  dritte  allgemeine  Versammlung  der 
deutschen  anthropologischen  gesellschaft  zu  Stuttgart.  I.  IL  III.  — 
Beil.  zu  nr.  230 :  über  die  gründung  einer  deutschen  academie  in 
Rom.  —  Nr.  233:  ausgrabungen  bei  Gotha:  sg.  hühnengräber  wur- 
den aufgedeckt.  —  Beil.  zu  nr.  233.  234:  das  studium  und  die  aus- 
übung  der  medizin  durch  frauen:  weist  das  verkehrte  dieses  studium 
bei  den  frauen  nach:  der  artikel  ist  gegen  nr.  205  flg.  gerichtet,  wo 
für  dieses  studium  plaidirt  war.  —  Nr.  235:  das  italienische  un- 
terrichtswesen  und  der  neue  unterrichsminister  Senator  Scialoja.  — 
Beil.  zu  nr.  236.  237:  geschichte  der  Ludwig -Maximilians -Universität 
in  Ingolstadt,  Landshut,  München:  anzeige  des  zur  festfeier  der  Uni- 
versität von  prof.  Prantl  im  auftrage  des  academischen  Senats  ver- 
fassten  werkes,  2.  bd.,  München.  Kaiser.  —  Bierstudien:  anzeige  ei- 
nes aufsatzes  über  die  geschichte  des  angeblich  von  Osiris  erfun- 
denen biers  von  Grässe ,  in  dessen  buche :  ernst  und  scherz.  8. 
Dresden.  John.  —  Mittheilungen  über  eine  im  monat  mai  bei  Aspra 
im  Sabinerland  gefundene  antike  statue  der  Venus,  deren  original 
aus  der  schule  des  Praxiteles  stammen  soll.  —  Nr.  238:  das  unter- 
richtsbudget  in  Frankreich.  —  Ausgrabungen  in  Konstanz:  ein  rö- 
misches grab  ist  entdeckt  an  einer  stelle ,  wo  ein  alter  begräbniss- 
platz  gewesen  sein  mag. 

Zarncke's  literarisches  centralblatt,  1872:  nr.  25:  J.  Steger,  plato- 
nische studien.  IL  8.  Insbruck.  1870:  anzeige.  —  Sud.  Hirzel,  über 
das  rhetorische  und  seine  bedeutung  bei  Plato.  8.  Lpzg.  1871 :  mög- 
lichst kurze  anzeige.  —  Fr,  Rühl,  die  textesquellen  des  Justinus. 
8.  Lpzg. :  desselben  die  Verbreitung  des  Justinus  im  mittelalter.  8. 
Leipzig:  sehr  ausführliche  anzeige  von  A.  v.  S.:  vrgl.  ob.  nr.  1, 
p.  41.  —  Nr.  26:  Thiele,  prolegomena  ad  hymnum  in  Venerem 
homericum  quartum.  8.  Halle :  anzeige  von  C,  der  den  guten  wil- 
len des  vrfs  anerkennt ,  aber  namentlich  für  form  mehr  Sorgfalt 
gewünscht  hätte :  vrgl.  ob.  nr.  9,  p.  445.  —  Max  Müller,  über  die 
resultate  der  Sprachwissenschaft:  ausführliche  anzeige  von  J  ...  y.  — 
Lugebil,  zur  geschichte  der  Staatsverfassung  von  Athen.  8.  Lpzg.: 
genaue  und  im  einzelnen  gar  vieles  bestreitende  anzeige  von  A.  — 
Th.  Mommsen,  römisches  Staatsrecht.  1.  bd.  8.  Leipzig  1871:  ein- 
gehende und  vieles  bekämpfende  anzeige  von  L.  L.  .  .  e;  vrgl.  ob. 
nr.  4,  p.  210.        


tfr.  11.  November  1872. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben  als   ergänzung   des  Philologus 


von 


Ernst  von  Leutsch. 


326.  Ueber  nationale  erziehung.  Vom  Verfasser  der  „briefe 
über  berliner  erziehung".  8.  Leipzig.  Teubner.  1872.  VIII 
und  231  s.  —     1   thlr. 

Man  wird  nicht  erwarteD,  dass  in  den  engen  grenzen,  wel- 
che diese  Zeitschrift  der  besprechung  rein  pädagogischer  werke 
zieht,  alle  seiten  des  vorliegenden  an  ideen  so  reichen  buches 
berücksichtigt  werden.  Es  wird  für  die  hier  zu  verfolgenden 
zwecke  genügen  auf  die  hohe  bedeutung  des  buches  aufmerk- 
sam zu  machen  und  dasjenige  hervorzuheben,  was  in  bezug  auf 
die  alten  sprachen  gesagt  wird.  Der  Verfasser,  dessen  „briefe 
über  berliner  erziehung"  in  weiten  kreisen  die  verdiente  beach- 
tung  gefunden  haben  ,  zieht  hier  abermals  schaden  ans  licht, 
deren  Vorhandensein  von  keinem  schulmanne  geleugnet  werden 
kann  und  gibt  mittel  zu  deren  abhülfe  an.  Wird  man  nun 
auch  nicht  überall  mit  dem  Verfasser  einverstanden  sein,  wird 
man  namentlich  anerkennen  müssen ,  dass  die  färben  oft  recht 
stark  aufgetragen  sind,  so  wird  doch  kein  schulmann  das  buch 
ungelesen  lassen  dürfen  und  ohne  reiche  anregung  zur  prüfung 
seines  Verfahrens  aus  der  band  legen. 

Der  gedankengang  des  vf.  ist  etwa  folgender:  von  den  an 
„nationale  erziehung"  zu  stellenden  forderungen  sind  zwei,  näm- 
lich „dass  sie  aus  dem  ureigensten  geiste  der  nation  erzeugt 
sei"  und  „das  wesentlichste  gepräge  dieses  geistes  an  sich  trage" 
stets  von  unserer  bisherigen  erziehungsweise  erfüllt.  Dagegen 
ist  der  dritten  „dass  sie  die  bildung  und  erhöhung  des  nationa- 
len geistes  mit  bewusster  rnethod,e  bezwecke  und  erreiche"  bis- 
lang nicht  völlig  genüge  geleistet.  Bei  voller  anerkennung  der 
zahlreichen  tugenden  des  deutschen  volksgeists  muss  man  doch 
Philol.  Anz.  IV.  34 


530  326.  Nationale  erziehung.  Nr.  11. 

erklären ,  dass  es  an  Sammlung ,  klarheit  und  energie  des  be- 
wusstseins  und  daraus  folgend  an  Unabhängigkeit  der  gesinnung, 
selbständigem  handeln  gemäss  der  eignen  individualität  gegen- 
über jeder  andern  individualität  gefehlt  hat.  Nachdem  jetzt 
das  nationale  bewusstsein  völlig  erwacht  ist,  ist  es  an  der  zeit 
ihm  die  gehörige  nahrung  zu  geben,  damit  es  zu  der  gehörigen 
klarheit  gelangen  kann.  Die  aufgäbe  für  die  erziehung  stellt 
sich  also  dahin:  entweder  im  gegensatze  zu  der  bisherigen  me- 
thode,  oder  im  höheren  grade,  als  diese  es  zu  leisten  vermocht 
hat,  in  jedem  einzelnen  Sammlung,  klarheit  und  energie  des  be- 
wusstseins,  also  die  individualität,  im  nationalen  sinne  auszubilden. 

Mit  vollem  rechte  wird  sodann  in  specie  für  die  schule  als 
basis  der  künftigen  nationalen  erziehung  die  gewöhnung  zur 
„beobachtung  und  zum  eignen  wirklichen  denken"  hingestellt. 
Der  schule  sei  unter  dem  streben  nach  ansammlung  einer  gro- 
ssen menge  von  kenntnissen  im  gedächtnisse  der  schüler  und 
einem  rein  reproductiven  gebrauch  derselben  in  den  letzten 
Jahrzehnten  immer  mehr  die  erkenntniss  abhanden  gekom- 
men, dass  ihre  hauptaufgabe  doch  in  der  entwickelung  der  fä- 
higkeit  selber  zu  denken  und  geistig  zu  arbeiten  bestehe.  Da- 
durch werde  Zerfahrenheit  des  inneren  und  äusseren  lebens  her- 
vorgerufen. Die  fragmentarischen  kenntnisse  bleiben  isolirt  ohne 
einen  intellectuellen  kern,  an  den  sich  alle  einzelnheiten  mit 
klarheit  und  bestimmtheit  anschliessen  könnten.  Die  ungeord- 
neten darstellungen  geriethen  allmählich  zu  einem  verworrenen 
knäuel  durcheinander,  und  bei  dem  mangel  bestimmter  begriffe 
nehme  die  wirkliche  urtheilslosigkeit  immer  mehr  überhand. 
Eine  ebenso  schlimme  folge  des  rein  receptiven  Verhaltens  der 
schüler  sei  die  Unselbständigkeit  des  eigenen  denkens  und  wollens. 
Nur  ein  geringer  theil  der  tradierten  kenntnisse  bleibe  haften 
und  der  schüler  in  steter  abhängigkeit  vom  lehrer.  Die  nur 
äusserlich  aufgenommenen  kenntnisse  hätten  keine  bildende  Wir- 
kung und  blieben  ohne  Zusammenhang  mit  den  neigungen  der 
menschen.  So  lebe  der  schüler  von  früh  an  zwei  leben ,  das 
eine  aus  zwang,  das  andre  mit  allen  neigungen,  und  dies  dop- 
pelieben bleibe  auf  der  Universität  und  später  im  amte. 

Nothwendig  sei  nun  eine  andre  methode  des  Unterrichts 
für  die  gymnasien  (die  hier  allein  berücksichtigt  werden),  die 
sich  im  gegensatz  zu    dem   jetzigen   streben    nach   Überlieferung 


Nr.  11.  326.  Nationale  erziehung.  531 

einer  möglichst  grossen  summe  von  kenntnissen  zum  ziel  setze 
im  scbüler  das  rechte  verständniss  zu  entwickeln  und  zu  ver- 
tiefen und  die  denkfähigkeit  anzuregen  und  auszubilden,  bis 
Selbständigkeit  erreicht  sei.  Dazu  bedürfe  es  eines  neuen  un- 
terrichtsplanes. Das  gymnasium  des  Verfassers  zerfällt  nun  in 
zehn  einjährige  curse,  da  die  quarta  in  zwei  classen  zerlegt  ist. 
Das  lateinische  hat  in  VI  und  V  je  10,  in  IV  und  III  je  8, 
in  II  und  I  je  6  stunden.  Das  griechische  bekommt  in  IV 
und  III  je  6 ,  in  II  und  I  je  8  stunden.  Für  die  geschichte 
sind  in  VI  und  V  3,  in  IV  und  III  4,  in  II  und  I  5  stunden 
ausgesetzt.  Die  naturwissenschaften  und  die  mathematik  bzw. 
das  rechnen  bekommen  durch  die  ganze  anstalt  je  4  stunden. 
Das  deutsche  ist  in  IV  und  III  mit  2,  in  allen  übrigen  classen 
mit  3  stunden  bedacht.  Der  geographie  werden  in  VI  und  V 
4,  in  IV  und  III  2  stunden  gewidmet.  Die  unterschiede  von 
dem  preussischen  normalplane  fallen  ins  äuge.  Hinsichtlich  der 
begründung  der  einzelnen  ansätze  müssen  wir  die  lehrer  auf 
das  buch  selbst  verweisen.  Mit  dem  ausschlusse  des  religions- 
unterrichtes  und  der  motivierung  desselben  können  wir  uns  nicht 
einverstanden  erklären,  im  gegentheil  wünschen  wir,  dass  grade 
in  jetziger  zeit  das  gymnasium  durch  eingehenden  orientieren- 
den Unterricht  seinen  schülern  zu  einer  festen  position  verhilft. 
Iudiffereuzierung  aller  dogmatischer  unterschiede  wird  nur  zur 
haltlosigkeit  führen.  Auch  glauben  wir,  dass  aus  politischen 
gründen  die  neuern  sprachen  sich  nicht  beseitigen  lassen. 

Aus  dem  höchst  interessanten  abschnitte  über  die  methode 
der  einzelnen  Unterrichtsgegenstände  heben  wir  nur  das  über 
die  alten  sprachen  gesagte  hervor.  Nach  dem  verf.  hat  die  bis- 
herige methode  dieselben  zu  lehren  am  meisten  dazu  beigetragen 
jenen  mangel  an  denkthätigkeit  und  jene  geistige  Zerfahrenheit 
hervorzurufen,  da  dem  schüler  die  resultate  der  abstractionspro- 
cesse,  d.  h.  die  regeln  der  graramatik,  fertig  vorgelegt  und  als 
gedächtnissmässig  aufzunehmender  lehrstoff  geboten  werden. 
Auch  die  thätigkeit  des  schülers  bei  einübung  und  anwendung 
der  regeln  sei  kaum  etwas  mehr  als  reproduction,  höchstens 
eine  art  subsumption ,  keine  wirkliche  denkthätigkeit.  Somit 
komme  es  nicht  zu  der  fähigkeit,  die  regeln  seihst  in  einen  le- 
bendigen Innern  Zusammenhang  zu  setzen  und  aus  den  concre- 
ten  fällen  einen,  wenn  auch  nur  kleinen,  bruchtheil  der  spräche 

34* 


532  326.  Nationale  erziehung.  Nr.  11. 

selbst  zu  bilden.  Hieraus  wird  gefolgert,  dass  der  schüler  bei 
seinen  Sprachstudien  nur  dann  denken  lernen  kann ,  wenn  er 
angebalten  wird,  die  abstractionen  selbst  zu  machen.  Im  wei- 
tern verlauf  heisst  es  über  die  berechtigung  des  lateinschreibens : 
eine  hauptgefahr  der  bisherigen  methode,  welche  ein  so  erheb- 
liches gewicht  auf  dasselbe  lege,  sei  die  erzeugung  des  irrthums, 
als  sei  ein  alle  zeit  gewandter  ausdruck  die  hauptaufgabe  der 
bildung.  Da  das  gymnasium  nicht  mehr  speciell  für  die  philo- 
logie  vorbereite,  so  könne  die  fertigkeit  gewandt  latein  zu  schrei- 
ben nicht  mehr  als  das  ziel  des  gesammtunterrichts  hingestellt 
werden.  Die  lateinischen  aufsittze  der  schüler  mit  ihren  zusam- 
mengestoppelten phrasen  seien  arm  an  gedaüken  und  ohne  jede 
individuelle  nüancierung.  Daran  sei  neben  der  unbeholfenheit 
der  schüler  wesentlich  die  lateinische  spräche  selbst  schuld,  die 
unser  modernes  denken  nicht  erschöpfend  ausdrücken  könne. 
Sei  das  lateinschreiben  nicht  Selbstzweck,  so  könne  es  nur  den 
haben  den  ausdruck  zu  bilden  und  dem  müsse,  namentlich  in 
Norddeutschland,  eher  gesteuert  werden.  Damit  falle  denn  auch 
der  anspruch  des  lateinischen  auf  vorrang  vor  dem  griechischen, 
das  wenigstens  von  IIb  an  die  erste  stelle  einzunehmen  habe. 

Das  sind  in  der  that  schwere  vorwürfe  namentlich  für  das 
Schulwesen  einer  nation,  die  man  oft  ein  volk  von  denkern  ge- 
nannt hat;  und  leider  müssen  wir  zugestehen,  dass  sie  nicht 
unbegründet  sind,  wenn  der  verf.  auch  ins  schwarze  gemalt 
hat.  Wie  viele  primaner  sind  denn  wirklich  im  stände  aus 
vorgelegtem  Sprachmaterial  ohne  hülfe  des  lehrers  abstractionen 
zu  machen!  Bei  wie  vielen  ßchülern  der  untern  classen  ist  das 
anfertigen  der  exercitien  wirklich  eine  arbeit,  die  mit  anstren- 
gung  aller  geistigen  kraft  ausgeführt  wird ,  und  nicht  vielmehr 
ein  blosser  mechanismus!  Man  vergleiche  nur,  was  noch  vor 
kurzem  auf  der  letzten  directorenconferenz  der  provinz  Preussen 
in  dem  referate  über  das  lateinsprechen  constatiert  ist.  Sicher 
lernen  noch  manche  junge  leute  auf  unsern  gymnasien  wirklich 
denken,  aber  eben  so  sicher  sind  jedem  schulmanne  .in  nicht 
geringer  zahl  solche  vorgekommen ,  die  zwar  mit  einem  nicht 
unerheblichen  masse  von  kenntnissen  ausgerüstet,  doch  beim 
abgange  auf  die  Universität  noch  alles  eignen  urtheils  baar  und 
zur  reparierung  dieses  Schadens  lediglich  auf  die  etwaige  gunst 
der  lebensfübrung  angewiesen  sind. 


Nr.  11.  326.  Nationale  erziehung.  533 

Wie  ist  dem  abzuhelfen?  In  den  ersten  decennien  dieses 
Jahrhunderts  sind  jene  übelstände  weniger  hervorgetreten.  Die 
gymnasien  sahen  damals  weniger  darauf,  dass  alle  ihre  schüler 
sich  wirklich  ein  bestimmtes  mass  von  kenutnissen  erwarben; 
man  begnügte  sich  gelegenheit  zum  lernen  zu  geben  und  über- 
liess  es  jedem  dieselbe  in  möglichst  freier  weise  zu  benutzen. 
Wer  wissenschaftliches  interesse  besass ,  fand  bei  den  lehrern 
die  bereitwilligste  Unterstützung  für  seine  Studien.  Was  auf  diese 
weise  an  kenntnissen  erworben  wurde,  war  wirklich  selbständig 
erarbeitet  und  wahrhaft  geistiges  eigenthum;  solche  schüler 
hatten  wirklich  denken  und  urtheilen  gelernt.  Sollen  wir  zu 
diesem  System  zurückkehren  ?  Ich  denke  nicht ;  denn  die  kehr- 
seite  war  doch  traurig:  die  interesselosen  blieben  unbeachtet 
und  lernten  wenig  oder  gar  nichts.  Die  einführung  des  matu- 
ritätsexamens  schuf  darin  wandel;  es  wurde  ausbildung  aller 
verlangt,  aber  unläugbar  damit  jenem  freien  arbeiten  mit  seiner 
ungehinderten  entfaltung  der  Individualität  eine  schranke  ge- 
setzt, und  um  so  mehr  als  die  ersten  Verordnungen  eigentlich 
von  dem  principe  ausgingen,  der  schüler  solle  in  allen  stücken, 
in  denen  er  je  unterrichtet  sei,  auch  geprüft  werden.  Sollen 
wir  denn  nun  das  examen  wieder  abschaffen  ?  Auch  das  kann 
nicht  befürwortet  werden;  wird  auch  vom  Verfasser  nicht  ver- 
langt. Aber  Vereinfachung  ist  wünschenswerth,  und  erfreulicher 
weise  bewegen  sich  auch  alle  modificationen  der  prüfungsverord- 
nungen  in  dieser  bahn.  Gewiss  kann  darin  noch  manches  ge- 
schehen, namentlich  in  der  richtung,  dass  mehr  auf  documentie- 
rung  der  denk  -  und  urtheilsreife,  als  auf  gedächtnissmässige  re- 
production  reicher  kenntnisse  gesehen  wird.  Hienach  kann  das 
heilmittel  nur  im  unterrichtsplane  und  der  methode  liegen.  Den 
plan  des  Verfassers  kennen  wir,    sehen  wir,    welche  methode  er 

—  wenigstens  für  die  alten  sprachen  —  empfiehlt. 

Die  hauptgrundsätze  des  neuen  Verfahrens  sind  beseitigung 
des  bisherigen  grammatischen  Unterrichts  und  der  stilistischen 
Übungen;  dafür  soll  dar  schüler  sich  im  laufe  der  Schulzeit  seine 
grammatik  aus  der  lectüre  selbst  zusammenarbeiten.  Daraus  folgt, 
dass  die  lectüre  statarisch  sein  muss ;  sämmtliche  in  der  classe 
gelesene  pensen  sollen  schriftlich  ins  deutsche  übersetzt  werden 

—  zum    ersatz    der  sehr    beschränkten    deutschen    stilübungen; 
auch  fällt  von  IIb  an  die  vorgängige  ausarbeitung  der  commen- 


534  326.  Nationale  erziehung.  Nr.  11. 

tare  dem  schüler  zu.  Um  aber  dem  schüler  eine  möglichst 
grosse  masse  von  eoncreter  spräche  vorzulegen,  tritt  neben  die 
statarische  eine  reiche  cursorische  lectüre.  Der  schüler  soll  so 
eine  durch  eigene  thätigkeit  gebildete  Übersicht  über  die  wirk- 
lichen Spracherscheinungen  in  form  von  zusammenhängenden  grup- 
pen  erlangen,  und  gewöhnt  werden  mit  allen  geistigen  kräften 
zu  arbeiten.  Die  lectüre  vertheilt  sich  so:  IVb  Nepos  4  stun- 
den; IVa  Caes.  B.  Call.  4  st.  statarisch,  2  st.  cursorisch;  IIIb 
Caes.  B.  Civ.  3  st.  statarisch,  1  st.  cursorisch;  Ovid  2  st.; 
IIIa  Sallust  3  st.  statarisch,  1  st.  cursorisch;  Ovid  2  st.;  IIb  und 
IIa  Cicero  2  st.  statarisch,  Cicero  und  Livius  1  st.  cursorisch, 
Virgil  2  st.;  P>  Tacitus  3  st.  statarisch,  Cicero  1  st.  cursorisch, 
Horaz  2  st. ;  la  cursorische  lectüre  durch  alle  gattungen  der  lite- 
ratur  6  st.  Was  von  dem  oben  angegebenen  stundenmaass  übrig 
bleibt,  wird  auf  grammatik  verwandt ;  und  zwar  dictirt  in  IVb  der 
lehrer  die  in  der  lectüre  vorgekommenen  sätze  mit  conjunctionen, 
acc.  mit  infinitiv  und  participialconstructionen ,  nach  den  allge- 
meinsten kategorien  geschieden.  Im  verlauf  des  jahrescursus 
macht  der  schüler  die  arbeit  selbst,  der  lehrer  controliert  die 
richtigkeit  in  der  classe.  Nur  alle  vier  wochen  ein  exercitium 
oder  eine  rückübersetzung,  wobei  besonders  darauf  gesehen  wird, 
ob  die  eigenart  der  verschiedenen  sätze  richtig  erkannt  ist.  In 
IVa  fortsetzung  dieser  Sammlung  und  solche  für  die  casuslehre, 
doch  ohne  berücksichtigung  feinerer  unterschiede  in  den  katego- 
rien. Vollständigkeit  wird  nur  für  die  statarisch  gelesenen 
pensa  verlangt,  die  ausbeutung  der  cursorischen  lectüre  wird 
dem  privatfleiss  überlassen.  IIP  fortsetzung  von  IVa  und  Samm- 
lung für  tempora  und  modi,  durcharbeitung  des  materials  aus 
IVb,  tieferes  eingehen  auf  den  Sprachgebrauch.  IIIa  fortsetzung 
aller  bisherigen  Sammlungen ,  besonders  aber  bildung  von  vor- 
stellungs  -  gruppen  und  -  reihen  und  zwar  im  ersten  semester 
gruppirung  der  beispiele  für  die  casuslehre  nach  seineu  unter- 
schieden, im  zweiten  Verarbeitung  der  Sammlungen  für  tempora 
und  modi  zu  grösseren  und  kleineren  complexen.  In  IIb  bil- 
dung von  gruppen  für  den  gebrauch  der  pronomina  und  ein- 
zelner eigentümlicher  constructionen;  in  IIa  Sammlung  von 
bildern  und  metaphern  und  rhetorischen  figuren.  Die  ver- 
theilung  der  griechischen  lectüre  ist  folgende:  IIP  Xcnophon 
3  st.;  IIIa    Xenophon  cursorisch   2  st.,  Ilomer  statarisch  2  st.j 


Nr.  11.  326.  Nationale  erziehung.  535 

IIb  Lysias  3  st.  atatarisch,  andre  redner  1  st.  cursorisch,  Ho- 
mer 2  st. ;  II"  Herodot  3  st.  statarisch,  Plutarch  1  st.  cursorisch, 
Homer  2  st.;  Ib  Thucydides  2  st.  statarisch,  Plato  2  st.  sta- 
tarisch, 1  st.  cursorische  lectüre  in  beiden  Schriftstellern,  tragiker2, 
Homer  1  st.;  Ia  Demosthenes  2 st.  statarisch,  tragiker  2, Homer  1  st., 
cursorische  lectüre  durch  die'ganze  literatur  3  st.  Die  grammatischen 
stunden  werden  ähnlich  verwandt,  wie  im  lateinischen.  In  prima 
geht  neben  der  lectüre  eine  vergleichende  philologische  behand- 
lung  der  griechischen ,  lateinischen  und  deutschen  grammatik 
und  lexikologie  her  und  zwar  in  P  2  st.,  in  Ia  1  st.  im  ersten 
semester  —  die  zeit  wird  dem  deutschen  unterrichte  entnom- 
men — ;  im  zweiten  semester  werden  die  abiturienten  aus- 
schliesslich durch  freie  arbeiten  in  der  schule  beschäftigt. 

Dieser  zweite  plan,  der  gewiss  bei  trefflichen  lehrern  und 
schülern  die  gewünschten  resultate  erzielen  wird,  dürfte  vorzugs- 
weise geeignet  sein  in  einem  kleinen  kreise  von  ein  und  dem- 
selben lehrer  durchgeführt  zu  werden.  Ihn  ohne  weiteres  in 
unsern  grössern  gymnasien  zur  anwendung  zu  bringen,  dagegen 
scheinen  mir  praktische  bedenken  obzuwalten.  Einverstanden 
sind  wir  mit  der  erweiterung  des  gymnasialcursus  auf  zehn 
jähre ;  wir  kennen  eine  so  organisierte  anstalt  aus  eigner  an- 
schauung.  Ebenso  möchten  wir  bessere  Stellung  der  naturwis- 
senschaften,  geschichte  und  geographie  befürworten,  nur  nicht 
auf  kosten  der  religion  und  des  französischen;  hingegen  liesse 
sich  durch  erhöhung  der  Stundenzahl  auf  32  wöchentliche  stun- 
den etwas  erübrigen.  Auch  dem  griechischen  wünschten  wir  die 
ihm  zugedachte  Stundenzahl,  wenn  nur  zeit  da  wäre;  denn  vom 
lateinischen  möchten  wir  nichts  abgeben,  da  wir  die  ansichten 
des  verf.  über  das  lateinische  nicht  theilen.  Bei  richtiger  me- 
thode  lässt  es  sich  dahin  bringen ,  dass  die  stilistischen  Übun- 
gen wirklich  die  gesammte  geistige  thätigkeit  des  schülers  in 
bewegung  setzen,  und  dann  sind  sie  doch  wie  nur  eine  geeig- 
net die  denkthätigkeit  zu  fördern.  Das  gymnasium  bedarf  ein- 
mal eines  faches,  das  eine  centrale  Stellung  einnimmt ;  diese  weist 
der  vf.  der  denkenden  betrachtung  und  durchdringung  der  bei- 
den alten  sprachen  und  ihrer  literatur  an;  das  scheint  uns  zu 
hoch  gegriffen.  Die  methode  des  verf.  lässt  sich  allerdings  nur 
vermittelst  statarischer  lectüre  durchführen;  doch  macht  man  die 


536  326.  Nationale  erziehung.  Nr.  11. 

texte  zum  caput  mortuum,  um  aus  ihnen  grammatik  herauszuar- 
beiten, so  kann  von  genuss  der  schriftsteiler  keine  rede  sein. 
Freilich  tritt  daneben  die  reiche  cursorische  lectüre  ein  ;  doch 
muss  auch  bei  dieser  an  schwierigen  stellen  langsamer  gelesen 
werden,  sonst  müssen  wir  uns  entschieden  gegen  sie  aussprechen. 
Befremdlich  ist,  dass  in  einer  classe  wieder  drei,  ja  vier  auto- 
ren  neben  einander  gelesen  werden  sollen;  warum  nicht  lieber 
pro  rata  parte  sämmtliche  stunden  auf  einen  einzigen  verwen- 
den? Ist  es  nicht  zu  viel,  alles  in  der  classe  gelesene  schrift- 
lich übersetzen  zu  lassen?  Wie  lässt  sich  in  überfüllten  clas- 
sen  die  correctheit  ausgedehnter  grammatischer  Sammlungen  con- 
trollieren?  Wird  nicht  das  fortgesetzte  sammeln  überdruss  bei 
lehrern  und  Schülern  hervorrufen?  Auch  scheint  uns  von  den 
Schülern  mehr  arbeit  gefordert  zu  werden,  als  bisher,  wo  schon 
so  viele  klagen  von  eitern  und  Schulmännern  erhoben  sind. 
Ferner  wird  der  jetzt  so  häufige  lehrerwechsel  so  wie  das  oft 
nicht  zu  umgehende  nebeneinanderunterrichten  mehrerer  lehrer 
in  derselben  spräche  hindernd  in  den  weg  treten.  Eigentlich 
fordern  die  vorschlage,  dass  e  i  n  lehrer  die  schüler  von  IVb  bis 
II  durchführt,  und  das  ist  schwer  zu  erreichen.  Ebenso  wird 
beim  gänzlichen  mangel  eines  grammatischen  lehrbuchs  ein  von 
aussen  mitten  in  den  cursus  eintretender  schüler  enorme  Schwie- 
rigkeiten finden. 

Diese  und  ähnliche  bedenken  lassen  mich  zweifeln ,  ob  die 
vorgeschlagene  methode  je  wird  auf  öffentlichen  schulen  eingang 
finden  können.  Eine  so  fundamentale  änderung  wird  auch  nicht 
nöthig  sein,  wenn  nur  die  ausätze  zur  aus  führ  ung  der  princi- 
pien  des  Verfassers ,  so  weit  sie  schon  vorhanden  sind  —  und 
dass  manches  vorgeschlagene  bereits  hier  und  da  praktisch  ist, 
ßteht  nicht  zu  bezweifeln  —  immer  sorgfältiger  ausgebildet  wer- 
den. Dann,  denke  ich,  werden  „beobachtiing  und  denkthätigkeit" 
immer  mehr  geweckt  werden  und  die  ans  licht  gezogenen  übel- 
stände mehr  und  mehr  verschwinden.  Diese  principien  aller- 
dings müssen  wir  auf  unsere  fahne  schreiben,  und  in  der  rich- 
tung  wird  das  vorliegende  werk  ohne  zweifei  viel  segen  stiften. 
In  betreff  der  höchst  anregenden  aufstellungen  über  die  behand- 
lung  der  übrigen  schulfächer  ,  die  unterrichtsweise  der  Universi- 
täten, die  begründung  der  mittelschulen  und  die  raädchenerziehung 
mögen   die  leser   das    im  hohen    grade  interessant    geschriebene 


Nr.  11.  327.  Der  elementarunterricht.  537 

buch  selbst  studieren;  wir  aber  nehmen  vom  Verfasser  mit  dem 
besten  danke  für  die  reiche  anregung  und  belehrung  abschied. 

327.  Die  durch  die  neuere  Sprachwissenschaft  herbeigeführte 
reform  des  elementarunterrichtes  in  den  alten  sprachen.  Von 
Dr  Julius  Lattmann  director.  Clausthal,  osterprogramm 
1871.     22  s.     4. 

Gelegentlich  der  einführung  seiner  in  gemeinschaft  mit  H. 
D.  Müller  herausgegebenen  Schulbücher  für  den  deutschen,  la- 
teinischen und  griechischen  Unterricht  auf  dem  gymnasium  zu 
Clausthal  giebt  Lattmann  kurz  die  methodischen  principien  an, 
auf  denen  jene  bücher  beruhen.  Der  Standpunkt  des  verf.  ist 
bekannt,  eine  erneute  darlegung  auf  grund  fortgesetzter  erfah- 
rungen  aber  willkommen  und  nicht  bloss  für  den  laien  von 
belehrung.  In  vielen  wesentlichen  punkten  wird  jeder,  der  mit 
Lattmann  auf  dem  boden  der  historisch -vergleichenden  Sprach- 
forschung steht ,  einverstanden  sein,  insbesondere  mit  der  immer 
aufs  neue  zu  betonenden  forderung,  dass  in  der  prima  der  wissen- 
schaftlichen behandlung  der  formenlehre  ein  zusammenfassender 
abschluss  zu  geben  ist.  Dass  dies  indessen  durch  eine  deut- 
sche grammatik,  deren  kern  das  mittelhochdeutsche  wäre,  am 
besten  zu  erreichen  ist,  bezweifle  ich;  denn  wenn  auch  dieser 
Unterricht  von  brechung  und  umlaut  an  bis  zur  lehre  von  der 
lautverschiebung  hin  ein  ganz  eigentlich  sprach  vergleichender  ist 
und  durch  heranziehung  der  dritten  sprachstufe  überall  erst  der 
Zusammenhang  der  lautlichen  erscheinungen  sich  veranschaulichen 
lässt,  so  werden  doch  auch  hier  bald  zu  enge  grenzen  theils  durch 
das  praktische  bedürfniss,  zunächst  das  mittelhochdeutsche  zu  be- 
wältigen gesteckt  werden,  theils  doch  eben  nur  die  allgemeinsten 
gesetze  der  Sprachverwandtschaft,  insbesondere  nur  die  analogen 
erscheinungen  der  zweiten  sprachstufe  in  betracht  kommen  kön- 
nen. Meiner  meinung  nach  bleibt  vielmehr  die  hauptquelle  für 
das  eindringende  verständniss  des  Zusammenhanges  der  arischen 
sprachen  die  griechische  spräche  und  zwar  deswegen,  weil 
sie  ihren  Homer  hat.  Was  dieser  für  den  einblick  in  das  wer- 
den der  spräche  bietet,  ist  durch  nichts  zu  ersetzen.  Den  Homer 
ordentlich  heranziehen  und  zwar  nicht  bloss  nach  der  Seite  der 
formen-  und  Wortbildung  hin,  sondern  ganz  besonders  auch  hin- 
sichtlich seiner  syntax,  die  immer  der  eigentlich  geistige  tummeh 


538  327.  Der  elementarunterricht.  Nr.  11. 

platz  für  den  oberen  schüler  bleiben  muss,  das  heisst  die  sicher- 
ste grundlage  zu  einer  historischen  betrachtung  der  spräche  le- 
gen. Und  zwar  muss  die  lectüre  des  Homer  von  vorne  herein, 
also  schon  von  der  tertia  an,  nach  dieser  richtung  ausgebeutet 
werden ;  die  erweiterung  und  Zusammenfassung  der  in  der  ter- 
tia gegebenen  einzelnen  gesichtspunkte  gehört  in  die  secunda, 
in  der  dann  die  lateinische  syntax  eine  reihe  von  erscheinun- 
gen  bietet,  die  durch  den  hinweis  auf  ursprüngliche  einheit  des 
lateinischen  und  griechischen  eben  so  schnell  einleuchtend  wer- 
den, wie  die  Unterscheidung  des  gräco  -  italischen  formen-  und 
Wortschatzes  von  den  späteren  bildungen.  Mit  dieser  histori- 
schen behandlung  der  sprachen,  bei  der  im  übrigen  die  lectüre 
und  die  fertigkeit  im  handhaben  der  sprachen  selbst  nicht  im 
mindesten  leiden  darf,  sondern  vielmehr  stets  hauptsache  bleibt, 
ist  aber  schon  in  der  secunda  der  Unterricht  im  mittelhochdeut- 
schen, soweit  dieser  überhaupt  auf  die  schule  gehört,  zu  ver- 
binden. Die  gründe  hierfür  liegen  für  mich  wesentlich  in  der 
stofflichen  beschaffenheit  der  deutschen  literatur.  Die  mittel- 
hochdeutsche periode  gipfelt  im  epos ,  correspondirt  also  mit 
Homer  und  Vergil  und  ist  in  ihren  grossen  das  gemüth  pa- 
ckenden und  die  phantasie  belebenden  gestaltungen  die  rechte 
nahrung  für  den  secundaner.  Die  sprachlichen  Schwierigkeiten 
sind  verschwindend  unbedeutend,  dafern  sich  der  lehrer  ent- 
schliesst,  das  ganze  erste  jähr  des  deutschen  Unterrichts  im  zwei- 
jährigen cursus  von  secunda  auf  die  Nibelungen  zu  verwenden 
und  erst  das  zweite  jähr  zu  einer  literargeschichtlichen  Übersicht 
über  den  alten  zeitraum  benutzt.  Die  neuhochdeutsche  lite- 
ratur hingegen  culminirt  im  drama,  dessen  theoretisches  ver- 
ständniss  erst  durch  Sophokles  erschlossen  wird,  sie  gehört  in 
die  prima;  erst  auf  dieser  stufe  geistiger  entwickelung  lässt  sich 
ein  Lessing  und  Göthe  und  gar  ein  Klopstock  und  Herder  an- 
nähernd begreifen.  So  gehört  das  mittelhochdeutsche  nach  mei- 
ner ansieht  und  erfahrung  principiell  nicht  in  die  prima;  dage- 
gen muss  sieh  in  prima  zeit  finden  zu  einem  zusammenfassen- 
den grammatischen  Unterricht  nach  den  gesichtspunkten  der 
Sprachvergleichung ;  das  material  ist  da,  die  hauptdata  und  die 
anfange  des  Systems  sind  in  der  secunda  gegeben :  hier  knüpfe 
die  prima  an  und  zwar  nicht  mehr  bloss  gelegentlich,  sondern 
systematisch.       Ich    meine,    dass    auch   für   prima    Homer   den 


Nr.  11.  328.  Lateinische  grammatik.  539 

richtigsten  anknüpfungspunkt  bietet;  indessen  hängt  die  ausführ- 
barkeit  vor  der  band  noch  von  Zufälligkeiten  ab  —  unter  an- 
dern  von  der  Stellung  der  lebrer  zur  sache. 

Dass  mit  zugruudlegung  der  Müller  -  Lattmannschen  Unter- 
richtsliteratur das  latein  erst  in  quinta ,  das  französische  in 
quarta,  das  griechische  in  Untertertia  ohne  nachtheil  solle  be- 
ginnen können ,  und  zwar  unter  andern  damit  der  realen  bil- 
dung  eine  grössere  pflege  zugewendet  werde ,  will  mir  nicht 
einleuchten.  Den  realen  disciplinen  ist  nicht  damit  geholfen, 
dass  sie  sich  auf  den  untersten  stufen  etwas  ausdehnen  kön- 
nen, wie  der  verf.  selbst  richtig  bemerkt ;  ausserdem  ist  ein 
unterschied  in  praxi  wohl  festzuhalten  zwischen  den  erfolgen 
einer  methode  an  sich  und  den  erfolgen  von  lehr  er  n, 
die  mit  besonderem  interesse  nach  einer  bestimm- 
ten methode  unterrichten.  Die  erfolge  der  letzteren 
darf  man  nicht  ohne  bedeutende  subtraction  der  methode  an 
sich  zuschreiben. 

Th.  Fritzsclie. 

328.  Lateinische  schulgrammatik  für  alle  klassen  des 
gymnasiums  von  J.  Lattmann  und  H.  D.  Müller.  Dritte 
vermehrte  und  verbesserte  aufläge.  8.  Göttingen,  Vanden- 
hoeck  und  Euprecht.  1872.     XVHI  u.  424  s.   —     1  thlr. 

Dass  die  dritte  aufläge  eines  für  die  schule  bestimmten 
buches  in  diesen  der  Wissenschaft  gewidmeten  blättern  eine  be- 
sprechung  findet,  ist  nicht  nur  insofern  begründet,  als  das  buch 
auf  solider  wissenschaftlicher  basis  ruht,  sondern  auch  dadurch, 
dass  dasselbe  nach  einer  ausdrücklichen  bemerkung  in  der  vor- 
rede p.  vhi  jetzt  erst  jene  feste  form  und  abgeschlossenheit 
gewonnen  hat,  welche  für  ein  Schulbuch  wünschenswerth  ist, 
und  dass  in  künftigen  auflagen  nur  dann  Veränderungen  eintre- 
ten sollen ,  wenn  der  fortschritt  der  Wissenschaft  solche  unbe- 
dingt fordert.  Denn  die  Wissenschaft  für  die  praxis  zu  ver- 
werthen ,  die  resultate  der  Sprachvergleichung ,  soweit  sie  si- 
cher genug  sind  und  der  fassungskraft  des  schülers  zugäng- 
lich gemacht  werden  können,  auch  in  die  schule  einzuführen  — 
das  ist  die  tendenz,  von  welcher  die  rühmlich  bekannten  Ver- 
fasser geleitet  waren. 

Am  wenigsten  scheint    die  durchführung    dieser  richtig  ge- 


540  328.  Lateinische  grammatik.  Nr.  11. 

stellten  aufgäbe  in  der  lautlehre  gelungen  zu  sein.  Es  verräth 
eine  eigentümliche  auffassung,  wenn  ausdrücklich  bemerkt  wird, 
die  wichtigsten  regeln  derselben  seien  „hauptsächlich  zur  instruc- 
tion  für  den  lehrer"  entwickelt.  Gerade  für  diesen  sollte  es 
doch  einer  solchen  , Instruction",  die  ohnehin  nach  dem  zwecke 
eines  Schulbuches  sehr  summarisch  gehalten  werden  musste,  nicht 
bedürfen ;  denn  für  ihn  haben  Bergk,  Corssen,  Ritschi  u.  a.  geschrie- 
ben. —  Der  abschnitt  über  Orthographie,  so  passend  er  ange- 
legt ist,  kann  nicht  als  sorgfältig  durchgearbeitet  gelten.  Wenn 
die  nicht  empfehlenswerthen  —  wir  hätten  lieber  gelesen:  die 
minder  gut  bezeugten  —  Schreibweisen  eingeklammert  werden 
sollten,  so  mussten  z.  b.  unter  den  ersten  24  Wörtern ,  welche 
aufgeführt  sind,  gewiss  noch  folgende  formen  in  klammern  ge- 
schlossen werden:  coenum ,  foenum,  fenum,  foenus,  foetus ,  coecus, 
coelebs ,  moeror,  seculum,  cespes,  Peligni,  paenuria,  scena,  scaeptruiu, 
teter,  foecundus,  foemina.  Ungeeignet  erscheint  übrigens  in  ei- 
nem schulbuche  die  bemerkung,  dass  „einige  derselben  (nämlich 
von  jenen  welche  „jedenfalls  nicht  zu  empfehlen "  sind)  aus 
praktischen  gründen  wohl  geduldet  werden  können".  Aber 
auch  wenn  man  diesen  gesichtspunkt  bezüglich  quum  u.  s.  w. 
zugeben  wollte,  so  ist  doch  kaum  ersichtlich,  warum  denn  con- 
ditio oder  convicium  praktischer  sein  sollte  als  die  formen  con- 
ditio und  convitium.  Noch  weniger  gerechtfertigt  dürfte  es  sein, 
in  jene  kategorie  „geduldeter"  formen  auch  suspicio  einzureihen, 
nachdem  Haupt  im  Herrn.  IV,  p.  147  die  berechtigung  dieser 
Schreibung  erwiesen  hat. 

Ungleich  glücklicher  sind  die  verf.  in  der  darstellung  der 
auf  sechs  druckbogen  behandelten  formenlehre  gewesen.  Es 
genügt  an  dieser  stelle  zu  constatieren,  welches  lob  von  compe- 
tenter  seite  gegenüber  der  halbheit  oder  Übertreibung  anderer 
dem  glücklichen  takte  gespendet  worden  ist,  welchen  die  verf. 
in  der  aufnähme  und  Verarbeitung  des  wesentlichen  sowie  in 
der  ablehnung  des  unwesentlichen  und  problematischen  aus  den 
neueren  Forschungen  bewährt  haben. 

Das  hauptverdienst  des  buches  beruht  jedoch  wohl  darin, 
dass  neue,  aus  der  vergleichenden  Sprachforschung  sich  erge- 
bende gesichtspunkte  hier  zum  erstenmale  auch  für  die  anläge 
der  syntax,  obgleich  sich  dieselbe  ihrem  didaktischen  zwecke 
gemäss  auf    den    Sprachgebrauch    der    mustergültigen   prosa  be- 


Nr.  11.  328.  Lateinische  grammatik.  54l 

schränkt,  fruchtbringend  gemacht  worden  sind.  H.  D.  Müller, 
welchem  nach  einer  andeutung  der  vorrede  p.  ix  die  Verant- 
wortung und  —  fügen  wir  hinzu  —  auch  das  verdienst  für 
diese  richtung  des  buches  zufällt ,  hat  bezüglich  der  syntax, 
welche  mit  weit  grösserer  ausführlichkeit  als  die  übrigen  theile 
behandelt  ist,  namentlich  auf  die  theilweise  originelle  darstel- 
lung  des  ablativus,  des  conjunctivus  und  der  tempuslehre  hin- 
gewiesen. 

Der  ablativus,  welcher  in  der  ausgebildeten  sprachform  die 
functionen  von  drei  casus  der  ursprünglichen  Sprachgestaltung 
in  sich  vereinigt,  theilt  sich  nach  diesen  functionen  in  den  lo- 
calis (locativus),  separativus  (ablativ  im  engeren  sinne)  und  so- 
ciativus  (Instrumentalis)  und  entspricht  so  den  drei  fragen:  wo? 
woher?  womit?  Durch  die  Übertragung  der  hier  zu  gründe 
liegenden  sinnlichen  auschauungen  auf  geistige  Verhältnisse  wird 
der  localis  vom  räume  auf  die  zeit  (abl.  temporis)  angewendet, 
der  separativus  auf  den  Ursprung  (abl.  originis)  und  das  mass 
(abl.  mensurae)^  der  sociativus  auf  die  art  und  weise  (abl.  modiV 
die  beschaffenheit  (abl.  qualitatis)  und  das  mittel  (abl.  instrumentiV 
während  der  begriff  der  wirkenden  Ursache  (abl.  causae)  auf  jede 
der  drei  sinnlichen  gruudbedeutungen  zurückgeführt  werden 
kann.  —  Befremden  kann  hier  die  subsumption  des  abl.  men- 
surae  unter  den  separativus  statt  unter  den  Instrumentalis.  Im 
einzelnen  erweist  sich  die  regel  vom  abl.  qualitatis  und  im  zu- 
sammenhange damit  jene  vom  gen.  qiialitatis  als  ungenau.  Es 
soll  hier  nicht  urgiert  werden,  dass  derjenige  fall,  in  welchem 
nur  der  genetiv,  nie  aber  der  ablativ  steht  —  nämlich  bei  Zahl- 
wörtern —  nicht  unter  §.  33  bei  der  lehre  vom  genetiv,  sondern 
erst  §.  55  beim  ablativ  in  einer  anmerkung  besprochen  wird. 
Aber  wichtiger  ist  es  ,  dass  die  regel  nach  einer  andern  seite 
hin  unvollständig  ist;  es  fehlt  nämlich  die  angäbe,  dass  der  ge- 
brauch der  adjectivischen  pronomina  sich  im  allgemeinen  auf 
den  ablativ  beschränkt  und  nicht  auf  den  genetiv  miterstreckt, 
nur  dass  idem  bisweilen  (bei  Livius)  auch  im  gen.  qualitatis 
steht.  Auch  war  anzumerken,  dass  par,  similis  u.  s.  w.  regel- 
mässig im  abl.  qualitatis,  nicht  im  genetiv  stehen  ;  ferner  dass 
plurale,  wenn  kein  zahlwort,  sondern  ein  adjectivum  beigefügt 
ist,  im  abl.  qualitatis  stehen.  —  Genetive  wie  eiusmodi  und  ähn- 
liche sind  von  Heumann   als    casus    der   Zugehörigkeit  erwiesen 


542  328.  Lateinische  grammatik.  Nr.  11. 

worden;  dadurch  fallt  auch  auf  die  §.  33  anm.  2  besprochene 
Verbindung  id  genus,  id  aetatis  ein  anderes  licht.  —  Eine  mis- 
verständliche  notiz  findet  sich  §.  53  ß  über  den  ablativ  bei 
abesse  und  distare,  wo  es  heisst,  es  stehe  bei  „Cäsar  öfter  spatio, 
intervallo" ;  denn  diese  structur  wird  ebenso  von  Livius  ge- 
braucht, ja  sie  scheint  sogar  regel  gewesen  zu  sein,  wenn  bei 
spatio  u.  s.  w.  eine  zahlangabe  steht. 

Diese  aus  dem  abschnitt  über  den  ablativus  herausgegrif- 
fenen regeln  sind  übrigens  nicht  die  einzigen,  deren  fassung 
bedenken  erregt.  So  ist  z.  b.  §.87  bei  der  lehre  vom  gerun- 
dium  der  ausdruck  schief:  ;,accusativus  und  ablativus  können 
auch  von  präpositionen  abhängig  sein" ;  doch  mag  dies  hingehen. 
Unvollständig  aber  erscheint  wieder  §.  162  A:  hier  werden  drei 
fälle,  in  welchen  bei  postquam,  ubi  u.  s.  w.  das  plusquamperfectum 
steht,  angeführt,  nämlich  zur  bezeichnung  einer  Wiederholung 
(antecedens  iterativum)  oder  des  ergebnisses  einer  vorausgegan- 
genen handlung  oder  bei  ausdrücklicher  angäbe  eines  zwischen 
beiden  in  frage  stehenden  handlungen  verflossenen  Zeitraums. 
Es  fehlt  demnach  hier  die  angäbe  desjenigen  falles,  in  welchem 
auch  die  apodosis  das  plusquamperfectum  hat,  z.  b.  Sali.  Cat. 
24,  3  ubi  aetas  tantum  modo  quaestui  neque  luxuriae  modum  fe- 
cerat,  aes  alienum  grande  conflaverant.  lug.  108,  1  cum  Boc- 
cho  Numida  quidam  —  familiariter  agebat ,  praemissus  (=  qui 
praemissus  erat)  ab  Iugurtha,  postquam  Sullam  accitum  audier at. 
Auch  ein  zusatz  zu  dem  von  den  verfn.  als  dritten  bezeichne- 
ten falle  scheint  uns  wünschenswerth,  wiewohl  man  darüber 
auch  anderer  meinung  sein  kann;  das  plusquamperfectum  nach 
postquam  findet  sich  nämlich  selbst  ohne  ausdrückliche  angäbe 
einer  Zwischenzeit  wenn  eine  nicht  unmittelbare  folge  der  tbat- 
sachen  stillschweigend  anzunehmen  ist,  z.  b.  Sali.  lug.  97,  1 
at  Iugurtha,  po  st  quam  oppidum  Capsam  aliosque  locos  muni- 
tos et  sibi  utilis,  simul  et  magnam  pecuniam  amiserat,  ad  Boc- 
chum  nuntios  misit.     Doch  genug  des  einzelnen. 

Die  lehre  vom  conjunctivus  behandelt  zunächst  die  selb- 
ständige Verwendung  dieses  modus  im  hauptsatze,  woraus  dann 
erst  der  gebrauch  desselben  im  nebensatze  abgeleitet  wird. 
Doch  ist  diese  richtige  auordnung  nicht  dieser  grammatik  al- 
lein eigenthümlich,  so  dass  wir  hierbei  nicht  verweilen.  Auch 
die    von   H.    D.    Müller    namentlich    hervorgehobene    sonderung 


Nr.  li.  328.  Lateinische  grammatife.  543 

des  selbständigen  (absoluten),  bezogenen  (relativen)  und  abhän- 
gigen gebrauchs  der  Zeitformen  ist  zwar  hier  mit  besonderer 
Sorgfalt  durchgeführt,  jedoch  nicht  neu.  Dagegen  verdient  die 
von  den  verfn.  neben  der  congruenz  und  antecedenz  unterschie- 
dene beziehung  der  coincidenz  der  tempora  genaue  beachtung. 
Es  ist  unter  dieser  beziehung  dasjenige  verhältniss  zu  verste- 
hen, nacb  welchem  im  haupt  -  und  nebensatze  dasselbe  subject 
sich  findet  und  auch  die  beiden  prädicate  identisch  sind,  oder 
so  in  einander  fallen  ,  dass  die  eine  handlung  in  der  andern 
mit  enthalten  ist,  weshalb  auch  in  beiden  coincidenten  sätzen 
dasselbe  tempus  zu  stehen  pflegt.  Eine  reiche  beispielsammlung 
erläutert  diese  insbesondere  für  die  tempora  actionis  perfectae 
wichtige  und  bei  dum  und  cum  freier  auftretende  beziehung. 

Auf  eine  möglichst  umfassende  auswahl  von  belegen  haben 
die  verf.  überhaupt  namentlich  im  dritten  cursus  (der  p.  xv 
fälschlich  als  zweiter  bezeichnet  ist)  bedacht  genommen.  Dass 
trotzdem  nicht  immer  das  treffendste  beispiel  gefunden  wird, 
versteht  sich  von  selbst.  So  musste,  um  nur  eines  anzuführen, 
§.  164  anm.  3  die  stelle  Verr.  IV,  40,  87  neque  tarnen  finis 
huic  iniuriae  fiebat,  donec  populus  .  .  .  senatum  clamore  coegit,  um 
so  mehr  beigebracht  werden,  da  sie  wohl  die  einzige  dieser  art 
bei  Cicero  ist  und  überdies  den  in  der  grammatik  a.  o.  auf- 
gestellten satz :  „  das  imperfectum  im  hauptsatze  [bei  donec 
in  der  protasis]  gebrauchen  Livius ,  Curtius "  wesentlich  mo- 
dificirt.  Störend  sind  in  den  belegsteilen  die  vielfachen,  zum 
theil  gar  nicht  indicierten  Umgestaltungen,  kürzungen  und  inter- 
polationen,  ferner  die  zahlreichen  versehen  in  den  citaten.  Druck- 
fehler begegnen  auch  sonst  in  dem  buche  zu  minderten,  obgleich 
die  verf.  von  drei  collegen  bei  der  correctur  unterstützt  waren. 

Hienach  wünschen  wir  dieser  an  eigenartigen  Vorzügen 
reichen  schulgrammatik  recht  bald  eine  neue  aufläge  und  den 
geehrten  Verfassern  so  viele  Selbstüberwindung ,  um  trotz  der 
bestimmten  äusserung  über  die  ,, definitive  gestalta  ihres  buches 
dieselbe  Sorgfalt,  welche  sie  bis  jetzt  dem  entwürfe  im  grossen 
und  manchen  einzelnen  partieen  zugewendet  haben ,  auf  alle 
theile  gleicbmässig  zu  übertragen,  die  fassung  jeder  einzelnen 
regel  wiederholt  zu  prüfen ,  die  belege  sowohl  dem  Wortlaute 
nach  als  auch  in  den  Zahlenangaben  zu  verificieren  und  für 
eine  übersichtliche   und   gefällige    ausstattung  durch   einführung 


544  329.  Lateinische  grammatik.  Nr.  11. 

von  columnentiteln  und   genauigkeit   in   der   correctur  sorge  zu 
tragen. 

329.  Historische  syntax  der  lateinischen  spräche  von  Dr 
A.  Dräger,  director  des  gymnasiums  zu  Friedland  in  M.  Er- 
ster theil:  gebrauch  der  redetheile.  Leipzig,  B.  G.  Teubner 
1872.     XXVI  und  146  s.     gr.  8. 

Das  werk  x)  zwanzigjährigen  fleisses ,  das  der  gelehrte  ken- 
ner  des  Tacitus  in  seinem  ersten  theile  veröffentlicht  hat,  bietet 
etwas  anderes  als  der  titel  verheisst.  Es  ist  nämlich  weder  hi- 
storisch im  wahren  sinne  des  wortes  noch  eine  syntax.  Eine 
syntax  ist  es  nicht ;  denn  der  bis  jetzt  vorliegende  band  über 
den  gebrauch  der  redetheile,  welchem  drei  weitere  bände  über 
den  einfachen  satz,  die  coordiuation  und  die  Subordination  fol- 
gen sollen,  betrifft  nach  seinem  hauptinhalte  solche  grammati- 
sche erscheinungen,  welche  sonst  in  den  handbüchern  mit  gutem 
gründe  nicht  in  die  syntax  eingereiht  zu  werden  pflegen ,  son- 
dern, soweit  nicht  der  stoff  den  lexicis  überlassen  bleibt,  in  den 
abschnitten  über  die  formenlekre  zur  behandlung  kommen.  Hi- 
storisch ist  aber  die  darstellung  darum  nicht ,  weil  sie,  statt  die 
allmähliche  entwickelung  eines  Wortgebrauches  innerhalb  einer 
jeden  hauptepoche  der  spräche  nach  möglichkeit  nachzuweisen, 
sich  auf  eine  aufzählung  von  Wörtern  in  alphabetischer  folge  nach 
den  sehr  allgemeinen  rubriken  „vorclassisch,  classisch  und  nach- 
classisch "  beschränkt.  Dadurch  ist  dem  leser  die  möglich- 
keit entzogen  ,  das  sprachliche  leben  in  seiner  steten  bewegung 
zu  begleiten  und  gleichsam  in  den  haushält  der  spräche,  in 
ihre  Verluste,  in  die  versuche  des  ersatzes  für  das  verlorene, 
in  die  erwerbung  neuen  sprachgutes  und  in  die  ausbeutung  und 
verwerthung  desselben  einen  blick  zu  thun.  Nach  unseren  be- 
griffen musste  eine  behandlung  der  historischen  syntax  sogar 
innerhalb  des  Sprachgebrauches  einzelner  autoren ,  wie  man 
hier  längst  die  verschiedenen  redegattungen  unterschieden  hat, 
auch  die  einzelnen  epochen  genau  zu  sondern  suchen,  etwa  wie 
dies  Wölfflin  am  Tacitus  in  musterhafter  weise  gezeigt  hat. 
Aber  nicht  nur  die  zeitliche  entwickelung  war  mit  grösserer 
bestimmtheit  darzustellen,    sondern    auch    über   die  ausdehuung 

1)  Vrgl.  die  anzeige  ob.  n.  7,  p.  321.  —     Die  redaction. 


Nr.  11.  329.  Lateinische  grammatik.  545 

des  gebraucks  innerhalb  jeder  epoche  bei  den  verschiedenen 
autoren  durfte  man  eingehendere  und  umfassendere  mittheilun- 
gen  erwarten.  Denn  nur  genaue  statistische  angaben  über  die 
häufigkeit  der  anwendung  gewisser  Wörter,  formen  und  structu- 
ren  vermögen  ein  treues  bild  der  sprachlichen  erscheinungen  zu 
geben,  während  ausserdem  der  leser  vor  schiefer  auffassung  nicht 
geschützt  ist,  ja  bisweilen  sogar  dazu  verleitet  wird.  Schwerer 
zu  vermeiden  sind  einzelne  mängel,  die  auf  der  annähme  einer 
schlecht  verbürgten  lesart,  auf  einem  irrthum  in  der  Interpre- 
tation, auf  einem  uugenauen  citat  beruhen.  Belege  für  das 
eben  ausgesprochene  werden  unten  folgen.  Vorher  bedarf  es 
noch  einer  bemerkung  über  die  ausbeutung  der  epigraphischen 
texte  für  die  zwecke  dieses  buches.  Was  der  verf.  p.  xii  über 
die  schwache  ausbeute,  welche  die  alten  inschriften  zu  bieten 
versprachen,  bemerkt,  genügt  mit  nickten  zur  rechtfertigung  des 
vom  vf.  eingeschlagenen  Verfahrens.  Mögen  wir  immerhin  aus 
den  inschriften  nicht  „die  spräche  des  gebildeten  Umganges,  der 
öffentlichen  Verhandlungen,  der  prosaischen  litteratur  und  des 
Volkes''  kennen  lernen:  —  aus  den  dichtem  lernen  wir  auch 
von  all  diesen  richtungen  der  spräche  nichts  oder  wenig,  und 
doch  ist  dem  verf.  nicht  eingefallen,  sie  bei  seite  zu  schieben. 
Wenn  aber  der  verf.  gar  bemerkt,  dass  uns  aus  den  inschrif- 
ten auch  nicht  „über  syntaktische  Verbindungen  aufschlüsse" 
zu  theil  werden,  so  kann  man  diesen  grund  für  die  ausschlie- 
ssung  derselben  um  so  weniger  gelten  lassen,  da  gerade  dieser 
erste  theil  des  werkes  weit  mehr  auf  einzelne  formen  und  Wör- 
ter als  auf  „syntaktische  Verbindungen"  sich  bezieht. 

Auf  die  vorrede,  in  welcher  die  genesis  des  buches  er- 
zählt wird,  folgt  die  einleitung.  In  dieser  wird  eine  Über- 
sicht über  die  hauptepochen  der  entwickelung  des  lateinischen 
Wortschatzes  von  Appius  Claudius  Caecus  bis  zu  den  kirchen- 
vätern  geboten;  der  einfluss  gewisser  autoren  auf  die  spräche 
ihrer  eigenen  und  der  folgenden  zeit  so  wie  die  art  wie  die  meisten 
schriftsteiler  durch  Vorgänger  und  Zeitgenossen  bestimmt  worden, 
wird  in  flüchtigen  andeutungen  bezeichnet:  ein  blick  auf  die 
allmählich  eingedrungenen  fremden  demente  aus  orientalischen, 
germanischen,  keltischen  und  iberischen  sprachen  bildet  den 
schluss  der  einleitung.  Wir  können  die  Übersicht  als  zweck- 
mässig bezeichnen  und  beschränken  unsere  bemerkungen  daher 
Phüol.  Anz.  iy.  35 


546  329.  Lateinische  grammatik.  Nr.  11. 

auf  die  ersten  der  folgenden  capitel,  indem  wir  lediglich  zu  dem 
aus  Sallustius  entnommenen  oder  zu  entnehmenden  material  be- 
richtigungen  und  zusätze  zu  geben  versuchen.  Den  ansprach 
absoluter  Vollständigkeit  erheben  wir  natürlich  nicht;  alles,  was 
nicht  direct  durch  sallustianische  handschriften  überliefert,  son- 
dern durch  vermittelung  anderer  autoren  indirect  und  fragmen- 
tarisch auf  uns  gekommen  ist,  schliessen  wir  trotz  der  sprach 
liehen  Wichtigkeit  einzelner  bruchstücke  aus ,  da  wir  im  augen- 
blicke  die  Sicherheit  der  Überlieferung  der  einzelnen  fragmente 
nicht  nachzuprüfen  vermögen. 

Im  ersten  abschnitte,  der  über  das  substantivum  han- 
delt, wird  atn  Schlüsse  des  §.  2  als  regel  aufgestellt,  das  appo» 
sitionsverhältniss  statt  des  partitiven  genetivs  stehe  „bei  klas- 
sikern  sehr  selten".  Für  Sallust,  den  Dräger  ausdrücklich  und 
consequent  unter  die  klassiker  im  engsten  sinne  einreiht,  ist  die 
regel  unrichtig.  Ausser  etwa  zehn  beispielen  bei  quisque  und 
abgesehen  von  den  bei  Dräger  angeführten  belegstellen  findet 
sich  noch  folgendes :  Cat.  1 ,  7  utrumque  .  .  .  alterum  alterius 
auxilio  eget,  vgl.  lug.  18,  12  utrique  alteris  freti,  wo  vielleicht  zu 
emendiren  ist  utrique  alteri  alteris  freti.  C.  33,  1  qui  .  .  .  ple- 
rique  .  . .  expertes  sumus.  lug.  14,  15  propinqiios  ceteros  meos  alium 
alia  clades  f  s.  46,  4  legatos  alium  ab  alio  divorsos.  —  Zu  den 
beispielen  für  den  plural  der  concreta  statt  des  Singular  bei  stoff- 
namen  §.  4a  fügen  wir:  aquae  wassermasse,  „gewässer"  lug.  17, 
5;  ignes  „feuerstellen"  lug.  98,  6.  106,  4,  vielleicht  fr.  Vat.  Ib 
16;  „feuerbrände"  fr.  Vat.  IV  a  8  sq^  Für  den  plural  bei  be- 
nennung  von  collectiven:  exercitus  „heeresinacht"  (nicht  „beere") 
lug.  10,  4  (14,  1  nach  cod.  Vat.),  or.  Macri  6.  —  Zu  pecu- 
niae  wird  je  ein  beispiel  aus  Cicero,  Livius  und  Suetonius  ge- 
geben, keines  aus  Sallust,  bei  welchem  sich  doch  dieser  plural 
siebenmal  findet:  C.  18,  3.  49,  2.  51,  43.  52,  14.  lug.  31, 
25.  40,  1.  or.  Phil.  17.  —  Der  ausdruck  praedas  agere  steht 
ausser  der  vom  vf.  aus  Sallust  citirten  stelle  noch  lug.  32,  3. 
44,  5.  88,  3;  sonst  findet  sich  der  plural  praedae  lug.  41,  7  (und 
nach  cod.  Vat.  31 ,  10).  —  Patrimonia  wird  nur  aus  Cicero 
belegt-,  es  steht  ebenso  bei  Sali.  C.  37,  5.  —  §.5  beim  plu- 
ral der  concreta  (zunächst  kbrpertheile)  wird  angeführt  „cervi- 
ces,  das  bei  Cicero  stets  im  plural  erscheint".  Auch  Sallust 
gebraucht   ausschliesslich  diesen  numerus,  ep.  Pomp.  4.  or.  Ma- 


Nr.  11.  329.  Lateinische  grammatik.  547 

cri  21.  —  Von  den  §.  7  b  a.  e.  erwähnten  ,, schon  in  der 
älteren  periode"  vorkommenden  pluralen  der  abstracta  finden 
sich  bei  Sallust:  aerumnae:  C.  51,  20.  lug.  14,  7.  23.  24,  10. 
49,  3  und  zwar  überall  im  plural;  astutiae  nur  C.  26,  2;  doli 
im  ablativ  C.  11,  2.  14,  5.  lug.  6,  3.   14,  11.  22,  4.  23,  1.  25, 

9.  56,  1  ;  häufiger  aber  ist  der  Singular;  fallaciae  nur  C.  11, 
2;  raodi  C.  5,  6.  13,  5.  16,  1.  20,  12.  26,  1.  29,  3.  lug.  15, 
2.  39,  2.  55,  3  und  zwar  stets  im  ablativ;  rnunditiae  nur  im 
plural  lug.  63,  3.  85,  40;  an  ersterer  stelle  mit  unrecht  be- 
stritten von  W.  Wagner  im  Ehein.  Mus.  XXIII,  700,  der  mol- 
lüüs  vorschlägt  im  Widerspruch  mit  dem  Sprachgebrauch  des 
Sallust,  welcher  mollitia  nur  im  singular  verwendet,  vgl.  C.  52, 
28.  lug.  70,  5.  85,  35.  or.  Phil.  3;  yollicitationes  bei  Sallust 
nur  im  plural  lug.  20,  1.  61 ,  4.  — ■  P.  15  wird  unter  den 
pluralen,  welche  mehrere  arten  des  abstractums  bezeichnen,  exi- 
tia  mit  zwei  beispielen  (es  giebt  deren  aber  mehrere)  aus  Cicero 
belegt;  wir  vermissen  das  beispiel  aus  Sali.  or.  Lep.  25  um  so 
mehr,  da  p.  10  bei  aufzählung  der  in  klassischer  prosa  vor- 
kommenden plurale  der  abstracta  exitia  fehlt.  —  Unter  den 
bezeichnungen  von  zuständen,  affecten  u. s.w.  im  plural  ist  fa- 
müiaritates  aus  einer  ciceronischen  stelle  angeführt;  es  findet 
sich  auch  bei  Sali.  C.  14,  5  und  zwar  nur  an  dieser  stelle.  — 
Von  22  nach  Dräger  „auch  in  der  prosa  besonders  häufig" 
stehenden  pluralen  dieser  art  hat  Sallust  nur  wenige:  lubidines 
nur  einmal  C.  13,  5,  während  das  wort  im  singular  oft  bei  ihm 
vorkommt;  gaudia  zweimal  C.  61.  9.  lug.  2,  4;  luctus  viel- 
leicht einmal  C.  61,  9  varie  laetitia  maeror  luctus  atque  gaudia, 
wenn  nicht  auch  hier  gemäss  dem  Constanten  usus  des  Sallust 
luctus  als  singular  zu  fassen  ist;  denn  dass  drei  singulare  neben 
einem  plural  stehen,  ist  zwar  nicht  concinn,  aber  gewiss  ebenso 
sallustianisch  als  der  umgekehrte  fall  C.  5,  2  ;  animi  häufig.  — 
Unrichtig  ist  die  bemerkung  p.  15:  „der  plural  der  amtsnamen 
erst  seit  Livius  z.  b.  4,  10  consulatus " ;  denn  derselbe  amts- 
name  wird  von  Sallust  zweimal  im  plural  gebraucht:    lug.   31, 

10.  85,  29.  —  Den  p.  16  nur  aus  Cicero  belegten  plural 
potestates  findet  man  auch  bei  Sali.  lug.  (63,  5)  85,  9.  —  Der 
p.  17  erwähnte  Wechsel  von  domos  mit  domum  ist  auch  dem 
Sallust  nicht  fremd,  der  wenigstens  ein  mal  lug.  66,  3  den 
plural  setzt.  —      »Der  plural    der    concinnität,    überall   selten 

35* 


548  329.  Lateinische  grammatik.  Nr.  11. 

und  durchaus  keinem  gesetze  folgend"  wird  p.  17  durch  zwei 
beispiele  aus  Sallust  erläutert ,  von  denen  aber  nur  C.  15,  4 
negue  vigiliis  neque  quietibus  unbestritten  ist,  während  der  plural 
gloriae  lug.  41,  7  von  Bernays  und  Bergk  verdächtigt  worden 
ist.  Einen  offenbar  der  concinnität  zu  liebe  gebildeten  plural 
hat  übrigens  Sallust,  der  sonst  zu  variiren  liebt,  auch  lug.  31 
20  hellet,  atqice  paces.  —  Amicitiae,  als  plural  der  concinnität  aus 
Livius  angeführt,  steht  ebenso  0.  10,  5,  aber  ohne  diesen  grund 
im  sinne  von  „freundschaftliche  Verbindungen"  C.  6,  5.  —  §. 
8  äbstractum  pro  concreto  ist  bei  servitia  bemerkt:  ,,Liv.  1,  40. 
2,  10  und  noch  an  zwölf  stellen".  Warum  steht  daneben 
„Sali.  Catil,  24  und  öfter"  statt  der  bestimmten  angäbe:  und 
noch  an  fünf  stellen  ?  Für  vicinitas  werden  stellen  aus  Cicero, 
Caesar  und  Nepos  beigebracht;  die  stelle  bei  Sali.  C.  36,  1  fehlt. 
Auch  pestis  findet  sich  wie  bei  Cicero  so  von  Sallust  gebraucht 
lug.  14,  10.  Imperia  =  imperatores  ist  nur  aus  Caesar  belegt ; 
man  vgl.  Sali.  C.  6,  5.  Bei  munitio  und  machinationes  steht  der 
name  Sallust ;  man  vermisst  aber  die  statistischen  angaben :  muni- 
tio lug.  38,  6  und  im  plural  lug.  23,  2 ;  machinationes  lug.  92,  7. 
Coniuratio,  nur  aus  Cicero  aufgenommen ,  steht  für  coniurati  auch 
Sali.  C.  43,  1.  Vermisst  wird  in  Drägers  verzeichniss  ignavia  statt 
des  concretums  im  plural  Sali.  C.  20,  2.  —  §.9  pluralis  modestiae 
[ad  evitandam  iaetantiam  sagt  Servius)  wird  ausser  den  von  Dräger 
citirten  stellen  C.  7,  7  (7,  10  ist  druckfekler)  von  Sallust  noch 
C.  22,  3  und  lug.  79,  1  (10).  84,  1  gefunden.  Zwei  dieser 
stellen  sind  zugleich  belege  dafür,  wie  willkürlich  die  Schrift- 
steller „beide  numeri  promiscue"  setzen:  C.  7,  7  memorare  pos- 
sem  .  .  . ,  ni  ea  res  longius  nos  ab  ineepto  traheret,  lug.  79,  1: 
sed  quoniam  in  eas  regiones  per  Leptitanorum  negotia  venimus, 
non  indignum  videtur  egregium  atque  mirabile  facinus  duorum  Car- 
thaginiensium  memorare:  eam  rem  nos  locus  admonuit.  10.  nunc 
ad  rem  redeo.  —  Im  zweiten  abschnitte,  welcher  das  ad- 
jeetivum  betrifft,  §.  12  B,  ist  unter  den  superlativformen, 
welche  bei  klassikern  von  partieipien  gebildet  werden,  für  Sal- 
lust nachzutragen:  scientissumi  lug.  100,  3.  —  §.  18,  2  wird 
als  beleg  für  den  substantivisch  gebrauchten  dativ  eines  adjec- 
tivs  im  masculinum  aus  Sallust  angeführt  lug.  42,  3  bono  vinci 
satius  est;  aber  das  beruht  auf  unrichtiger  deutuug  des  ganzen 
satzes,   in    welchem    bono  vielmehr  als    adjeetivisch    gebrauchter 


Nr.  11.  329.  Lateinische  grammatik.  549 

ablativ  zu  verstehen  und  auf  das  folgende  more  zu  beziehen 
ist,  vgl.  Jacobs  z.  d.  st.  Dagegen  hat  Sallust  an  anderen  stel- 
len bonus  substantiviert:  im  nominativ  C.  11 ,  2.  15,  2.  lug. 
31,  28,  im  ablativ  C.  2,  6.  —  §.  23,  c  war  bei  der  ,,sehr 
beschränkten  zahl"  abstracter  substantivbegriffe,  welche  durch 
den  singular  der  adjectiva  neutra  gebildet  werden ,  unter  den 
seltenen  dativen  Sali.  lug.  16,  1  vero  nicht  zu  übergehen.  Das 
ebenda  d  für  den  ablativ  falsch  citierte  beispiel  aus  Sallust 
steht  lug.  8,  2.  —  Lückenhaft  ist  §.  24  die  Sammlung  von 
belegen  für  den  singular  substantivierter  adjectiva  neutra,  so- 
weit derselbe  von  präpositionen  abhängt.  Wir  ergänzen :  C.  15, 
2  pro  certo,  52,  11  in  extremo  cf.  lug.  23,  2.  37  4.  lug.  5,  3 
in  aperto.  22 ,  4  pro  bono,  30,  2  a  vero  bonoque,  59,  2  ex  oc- 
culto  cf.  85,  23  in  oeculto.  lug.  93,  2  ad  summum.  —  Im  drit- 
ten abschnitte,  welcher  über  das  pronomen  handelt,  konnten 
zu  §.  26  belege  für  die  Vertretung  des  personalpronomens 
der  ersten  und  zweiten  person  durch  ein  nomen  als  subject  aus 
Sallust  angeführt  werden  :  C.  20,  5.  7.  lug.  24,  3.  110,  1.  — 
Zu  §.  28  b  sind  für  die  beziehung  des  refiexivums  auf  ein  lo- 
gisches subject  aus  Sallust  ausser  den  citierten  beispielen  noch 
anzumerken:  C.  21,  4.  51,  11.  lug.  9,  2.  54,  7.  73,  4.  — 
§.  29  werden  zu  der  regel,  dass  in  der  oratio  obliqua  ausnahms- 
weise ,,das  pronomen  is,  seltener  ille,  an  die  stelle  des  reflesi- 
vums  trete"  zwei  beispiele  aus  Sallust  citiert,  ohne  dass  eine 
weitere  Unterscheidung  gegeben  würde.  Aber  lug.  62 ,  1  be- 
zieht sich  illo  cunctante  auf  die  angeredete  person,  ist  also 
kein  ausnahmsfall  und  entspricht  durchaus  dem  usus  des  Sal- 
lust, vgl.  lug.  8,  2.  33,  4.  56,  4.  61,  4.  64,  2.  4.  Ganz  an- 
ders verhält  es  sich  lug.  96,  2,  wo  sich  Uli  quam  plurimum  de- 
berent  auf  das  handelnde  subject  zurückbezieht ;  dies  beispiel 
ist  für  Sallust  singular.  —  §.  34,  2  bemerkt  der  verf. ,  dass 
et  „auch"  bei  Sallust  nur  einmal  erscheine.  Es  kommt  aber 
gar  nicht  vor ;  denn  C.  35,  3  ist  die  Überlieferung  ohne  zweifei 
zerrüttet,  wie  die  widersprechenden  und  ohne  ausnähme  unhalt- 
baren lesarten  der  handschriften  zeigen;  und  unter  den  neue- 
sten emendationen  von  Jordan,  Dietsch  und  Eussner,  so  wenig 
sie  im  übrigen  zusammenstimmen ,  hat  doch  keine  et  in  diesem 
sinne  zu  halten  vermocht.  —  §.38  werden  über  ille  (is)  qui- 
dem  mit  folgendem    sed  u.  s.  w.   beispiele  aus  Cicero  angezogen 


550  329.   Lateinische  grammatik.  Nr.  11. 

und  hierauf  bemerkt:  ,,in  wie  weit  andere  Schriftsteller  ausser 
Cicero  diesen  pleonastischen  gebrauch  der  demonstrativa  anwen- 
den, ist  bis  jetzt  nicht  nachgewiesen".  Das  klingt  sonderbar; 
dann  war  es  ja  eben  aufgäbe  einer  „historischen  syntax",  die 
doch  nicht  nur  eine  Sammlung  fremder  Untersuchungen  bieten 
sondern  selbst  auf  eigener  forschung  ruhen  soll,  den  fehlenden 
nachweis  zu  liefern.  Bei  Sallust  findet  sich  ille  quidem  mit  nach- 
folgendem gegensatze  nicht,  bei  Nepos  wenigtens  ein  mal  Eum. 
1,  1.  —  §.  44,  3  wird  bemerkt,  „in  der  klassischen  periode 
scheine  aliquis  bei  alius  gebräuchlicher".  Sallust  aber  sagt  nie 
alius  aliquis,  ein  mal  or.  Macri  15  alium  quem;  denn  lug.  45, 
2  ne  quisquam  in  castris  panem  aut  quem  alium  coctum  cibum  ven- 
deret  ist  es  zweifelhaft,  ob  die  tonlose  form  quem  durch  das 
vorausgehende  ne  oder  das  folgende  alium  veranlasst  ist.  — 
§.  46  c  kehrt  eine  ähnliche  bemerkung  wieder  wie  die  vorhin 
besprochene:  „ob  dies  [nämlich  die  Setzung  von  aliquis]  nach 
den  verbis  des  fürchtens  als  regel  gilt,  ist  bis  jetzt  nicht  un- 
tersucht worden":  Sallust  hat,  wie  es  scheint,  nur  ein  einziges 
beispiel:  hier  aber  steht  vereor  ne  quoslxxg.  14,  20.  —  §-47  muss 
zu  den  wenigen  beispielen  für  den  gebrauch  von  quispiam  in 
verneinten  Sätzen  hinzugefügt  werden  lug.  45,  2  ne  quispiam  or- 
dine  egrederetur.  Dräger  hat  diesen  satz  fälschlich  p.  81  unter 
den  belegen  für  ne  quisquam  aufgeführt,  obgleich  die  lesart  quis- 
piam durch  cod.  Paris.  500  und  die  besten  übrigen  handschrif- 
ten  gesichert  ist  und  in  den  ausgaben  von  Jordan,  Dietsch  und 
Jacobs  steht.  —  §.  48  b  ist  zu  den  belegen  für  quisquam  „in 
den  der  negativen  bedentung  sich  nähernden  bedingungssätzen" 
zu  ergänzen  Sali.  C  52,  34  quibus  si  quicquam  umquam  pensi 
fuisset.  —  §.  48  f.  „Quisquam  mit  einem  Substantiv  verbunden" 
findet  sich  bei  Sallust'  ziemlich  häufig:  C.  31,  2  (cf.  lug.  72, 
2).  C.  58,  10.  61,  5.  lug.  85,  49.  —  §.  51  b  „Quicunque  als 
indefinitum  bei  klassikern  selten"  steht  bei  Sallust  ein  mal  lug. 
103,  3.  —  Unter  den  pronominalia  wird  §.  55  alii  für  reli- 
qui  oder  ceteri,  das  „vor  Livius  noch  wenig  gebräuchlich"  ist, 
mit  zwei  stellen  aus  Sallust  belegt-,  es  Hessen  sich  noch  anfüh- 
ren C.  27,  2.  lug.  10,  2.  63,  6.  85,  4.  94,  3. 

Der  vierte,  fünfte  und  sechste  abschnitt,  in  welchen  Zahl- 
wörter, adverbia  und  das  verbum  abgehandelt  werden, 
können  wegen  mangelnden  raumes   hier  nicht  in  gleicher  weise 


Nr.  11.  330.   Homeros.  551 

mit  nachtragen  begleitet  werden.  Ohnehin  werden  die  zu  den 
drei  ersten  abschnitten  gegebenen  bemerkungen ,  die  einen  ein- 
zigen schriftsteiler  betreffen,  dessen  werke  überdies  nur  in  sehr 
geringem  umfange  erhalten  sind,  zur  genüge  zeigen,  wie  viel- 
facher Vervollständigung  der  erste  theil  des  Dräger'schen  Wer- 
kes noch  fähig  ist.  Aber  das  buch  verdient  auch  trotz  andrer 
mängel  als  erster  umfassender  versuch  in  seiner  art  dennoch  alle 
anerkennung  für  das  viele  und  treffliche,  das  in  demselben  ge- 
boten wird.  Und  der  vom  verf.  gehoffte  erfolg,  dass  sich  viele 
zu  erneuten  anstrengungen  auf  diesem  gebiete  durch  sein  werk 
angeregt  fühlen  werden  ,  wird  nicht  ausbleiben. 

330.  H.  Lutze,  de  homericorum  carminum  ratione  stro- 
phica.     Programm.  Sorau  1871. 

In  sorgfältigem  referat  wird  gezeigt  wie  von  der  lyrischen 
poesie  ausgehend  Leutsch  im  epicedium  auf  Hektor  Strophen 
entdeckte  und  Westphal  zu  ähnlichem  ergebniss  kam ;  wie  als- 
dann, vielleicht  durch  A.  Mommsen  angeregt,  Köchly  den  kata- 
log,  allerdings  schon  mit  annähme  bedeutenderer  interpolationen, 
die  er  bekanntlich  nach  drei  gattungen  schied,  in  Strophen  zer- 
legte. Gegen  ihn  trat  Bäumlein  auf,  aber  auch  dieser  muss 
interpolationen  zugeben;  und  Bernhardy  gibt  im  katalog  die 
stropben  zu,  die  sich  da  leicht  genug  ergeben.  Kühner  noch 
als  Köchly  verfuhr  Düntzer  mit  dem  katalog,  und  Eibbeck  hat 
hier  die  strophe  als  ein  mittel  das  gedächtniss  zu  unterstützen 
auch  innerlich  zu  rechtfertigen  gesucht.  Einen  weiteren  schritt 
hat  alsdann  Köchly  in  der  kleinen  Dias  gethan.  Er  nimmt  auch  in 
rein  epischen  stücken  Strophen  zu  2,  3,  4  und  mehr  versen  an, 
die  an  stellen  ähnlichen  oder  entgegengestzten  sinnes  sich  ent- 
sprechen. Dabei  werden  die  verse,  wo  jemand  redend  einge- 
führt wird,  ausser  berechnung  gelassen.  Hier  aber  kann  man 
ihm  nicht  folgen,  schon  weil  er  selbst  und  andere  neben  ihm  das- 
selbe gedieht  auf  verschiedne  weise  zerlegten,  auch  ein  innerer 
grund  gleich  lange,  nicht  verschiedene  Strophen  erzeugt  hätte. 
Man  könne  höchstens  an  gewissen  stellen,  z.  b.  nach  aufregen- 
den reden  eine  binäre  strophe,  die  auch  nach  Köchlys  ansieht 
ohne  absieht  des  dichters  entstanden  sei,  zugeben.  Weit  ent- 
fernte Strophen,  wie  sie  Köchly  zuweilen  annehme,  könne  man 
nicht  zugeben,   weil   sie  ohne  äussere  hülfe  gar  nicht  bemerkt 


552  331.  Homeros.  Nr.  11. 

worden  seien.  Man  wird  dem  resultat  der  umsichtigen  arbeit 
zustimmen  können  und  ref.  bat  nur  den  ausdrücklichen  bin- 
weis  darauf  vermisst,  dass  Köchly  mit  unrecht  .ß,  weil  es  Stro- 
phen enthalte ,  für  älter  ansieht  als  rein  epische  stücke  ohne 
solche  gliederung.  Ein  solcher  vergleich  lässt  sich  doch  bloss 
bei  stücken  gleichartigen  inbalts  anstellen. 

Giseke. 

331.  De  temporum  apud  Homerum  usu  scr.  F.  Riemer. 
Programm.     Neustadt  Westpr.  1871.  —     40  s. 

Es  werden  alle  tempora,  auch  in  den  obliquen  moden,  und 
in  einem  anhange  auch  noch  ocpQa,  das,  oncog,  fx/j,  der  conjunc- 
tiv,  optativ,  infinitiv  behandelt,  ein  weitschichtiges  thema  ,  wel- 
ches in  engen  grenzen  gar  nicht  erschöpft  werden  kann,  wie 
denn  z.  b.  p.  8  bei  dem  infin.  praesentis  als  bezeichnung  für 
die  zur  zeit  der  haupthandlung  dauernde  handlung  sieben  bei- 
spiele  gegeben  werden  und  vier  beispiele  für  die  erst  erwartete 
nebenhandlung.  Die  behauptungen  sind  hier  an  sich  richtig, 
aber  eine  so  geringe  anzahl  von  beispielen  könnte  aus  der 
grossen  masse  auch  gefunden  werden  als  Scheinbeweis  für  un- 
richtiges. Die  mühe  des  vrfs  würde  mehr  nützen ,  wenn  er, 
statt  allgemeiner  behauptungen  über  unterschiede  z.  b.  der  modi 
von  praesens  und  aorist,  die,  an  sich  kaum  annehmbar,  jeden- 
falls mit  ein  paar  beispielen  nicht  bewiesen  werden,  eine  er- 
schöpfende Sammlung  und  behandlung  aller  beispiele  eines  ge- 
brauchs  gegeben  hätte ,  z.  b.  wenn  der  inf.  praesentis  und  inf. 
aoristi  mit  erschöpfenden  belegstellen  einander  gegenüberge- 
stellt wären.  Gegenwärtig  ist  seine  arbeit  eine  Zusammen- 
stellung des  anderweitig  bekannten ,  welche  aus  guten  quellen 
geschöpft  ist  und  die  hauptsachen  giebt,  wenn  auch  z,  b.  die 
ansieht  Bäumleins  über  aorist  und  imperfectum  erwähnung  ver- 
dient hätte,  aber  nicht  gefunden  hat.  Wenig  leser  werden  die 
geduld  haben  sich  durch  das  ganze  durchzuarbeiten  und  zum 
nachschlagen  ist  es  nicht  praktisch  genug.  Es  wird  also  die 
mühevolle  arbeit  das  verdiente  loos  so  vieler  gymnasialpro- 
gramme  theilen,  welche  sich  von  den  Universitätsprogrammen 
häufig  zu  ihrem  nicht  geringen  nachtheil  dadurch  unterscheiden, 
dass  sie  ein  zu  weites  feld  behandeln,  aber  nicht  erschöpfen. 
Der    folgende  fängt    die  Sisyphusarbeit  wieder  von  vorn  an. 


Nr.  11.  332.  Sophokles.  553 

332.  De  anacoluthis  Sophocleis.  Pars  prior.  Diss.  in- 
aug.  scr.  Guilelmus  Fries.     8.     Vratisl.  1870.     56  s. 

Der  vrf.  definiert  anakoluth  als  abweichung  von  der  begonne- 
nen construction,  in  folge  deren  das  ende  dem  anfange  nicht  ent- 
spricht, lind  rechnet  zu  den  anakoluthen  vier  arten  von  Unre- 
gelmässigkeiten, nämlich  solche,  bei  welchen  die  begonnene  con- 
struction aufgegeben  und  eine  neue  gebracht  wird ,  solche  bei 
welchen  die  construction  gewissermassen  wiederholt  und  erneuert 
wird,  ferner  diejenigen,  bei  welchen  die  construction  unvollen- 
det bleibt,  endlich  solche,  bei  welchen  verschiedene  construc- 
tionen  vertauscht  und  durcheinander  geschoben  sind.  Hievon 
werden  die  zwei  ersten  arten  behandelt ,  indem  die  bei  Sopho- 
kles vorkommenden  beispiele  in  systematischer  Ordnung  aufge- 
zählt und  erörtert  werden.  Man  wird  darüber  streiten  können, 
ob  die  zweite  art,  ob  beispiele  wie  wv  yaq  riQcco&ri  xvyslv  sx7rjaa&' 
avTtS,  &uvazov  ovnsQ  't'j&slsv  oder  hg  aov  ttüqoov  tfxovGsv,  (ag  tavitig 
no&ca  nolig  dafisii]  näaa  novyl  Av8la  tisqgsiev  avztjv,  aXV  b  r-fiatf 
sgcog  (pavsig,  als  anakoluthe  zu  betrachten  seien.  Wenigstens 
wird  man  zum  ausgangspunkt  nicht  einen  zufälligen  terminus, 
sondern  einen  principiellen  begriff  nehmen  müssen.  Im  übri- 
gen können  wir  der  gründlichen  erörterung  und  der  von  sorg- 
fältigem Studium  des  Sophokles  zeugenden  auffassung  der  ein- 
zelnen fälle  nur  unsere  anerkennung  zollen.  Mit  recht  geht 
z.  b.  Fries  (p.  42)  in  der  zum  überdruss  besprochenen  stelle 
Ant.  2  f.  auf  die  erklärung  des  scholiasten :  slnsv  8s  Sittcöq' 
noätov  fxsv  ort,  snsira  8s  onolov  ägaoiivrog  ftazsQOv ,  welche 
schon  von  Seidler  als  die  richtige  erkannt  worden  ist ,  zu- 
rück. Eichtig  ist  auch  die  auffassung  von  Phil.  57  f.  Xsysiv 
AyiXkmg  nctig  (seil,  naqshai  oder  slvai)'  toö'  ovy\  xXsmeov 
nXsig  ö1  <x>g  ngög  olxov  :  persona  eadem  servatur,  construetio  muta- 
tur,  quum  verhum  id ,  quod  e  voce  Xsysiv  pendens  infinitivo  expri- 
mendum  erat,  in  indicativi  jormam  transeat  (p.  33).  Es  ist  durch- 
aus zu  missbilligen,  wenn  Blaydes  nlslv  für  nlsTg  schreibt,  als 
ob  der  dichter  an  die  starre  regelmässigkeit  gebunden  wäre. 
Man  darf  nicht  au  eine  auslassung  von  oti  {Xsysiv  on  nXsig) 
denken.  Odysseus  giebt  dem  Neoptolemos  die  thatsachen  an 
die  hand,  welche  für  seine  Unterredung  mit  Philoktet  massge- 
bend sein  sollen  („du  bist  —  für  ihn  —  auf  der  heimfahrt  be- 
griffen").    Gegen  conjekturen  ist  gleichfalls  das  anakoluth  Ant- 


554  332.  Sophokles.  Nr.  11. 

1162  ff.  Gtöaag  fxsv  .  .  Xaßtav  ts  .  .  sv&vve,  &dXXcov  (für  gcogus 
psv  .  .  Xctßcöv  te  .  .  -&dXXcov  8s)  in  schütz  zu  nehmen  und 
zwar  hat  die  anfügung  von  Xaßcov  ts  %(ogag  navzsXtj  novagyJav 
die  änderung  der  construction  veranlasst  (vgl.  p.  29).  Stellen 
wie  Ant.  673  avzt]  nöXstg  oXXvgiv,  r/ö'  dvaGidzovg  o'ixovg  ii&qai 
sollten  nicht  immer  hin  und  her  besprochen  werden  (vgl.  p.  7), 
denn  da  der  Laurentianus  nöXig  &  mit  übergeschriebenem  i  gibt, 
so  verlangt  methodische  kritik  das  &  (vor  spiritus  lenis)  als 
missverständniss  des  über  noXig  geschriebenem  E  zu  betrach- 
ten und  aus  dem  text  zu  lassen.  —  Die  behandlung  des  8s 
im  nachsatze  (p.  50  sqq.)  erregt  mancherlei  bedenken.  Dass 
z.  b.  Philoct.  86  iycb  [asv  ovg  av  zcov  Xoycov  dXyco  xXvcov,  zova8s 
xtxi  ngciGGsiv  azvyco  nicht  rovg  8£  und  Trach.  23  Saug  yv  dzag- 
ßqs  .  .  od'  av  Xs'yoi  nicht  o  #'  zu  schreiben  ist,  zeigt  doch 
deutlich  Ant.  463  oarig  ydg  .  .  £//,  ncog  o5'  ovyl  .  .  cps'gei;  Zu 
den  fällen  von  8s  im  nachsatz  einer  vergleichung  gehört  Ant. 
499  ff.  nicht.  Die  richtige  erklärung  solcher  fälle  gibt  Her- 
mann zu  Soph.  El.  25  ff.  —  Für  8s  im  nachsatze  eines  temporal- 
satzes  ist  0.  R.  1266  Ins)  8s  yrj  'ixsizo  zX^mv ,  Ssivd  ö'  ijv 
zav&t'v8'  ogccv,  das  einzige  beispiel  und  eine  änderung  kaum  ab- 
zuweisen (Ssivd  8tj  zdv&ivB'  bgdv'i);  denn  El.  293  ff.  gehört 
nicht  hierher.  —  In  beispielen  wie  O.  R.  302  f.  noXiv  [isv  d 
«ctt  (itj  ßXsTisig,  (pgovsTg  5'  oficog  ist  an  die  stelle  von  nöXiv  ßXs- 
nsig  nsv  ov,  qgovEig  ö'  oficog  eine  rücksichtsvollere  Wendung  ge- 
treten. 0.  C.  1006  f.  gehört  nicht  dazu.  Ant.  234  kann  xsl 
nur  etiamsi  bedeuten;  die  Überlieferung  ist  also  fehlerhaft.  — 
Sehr  unsicher  sind  die  zwei  textänderungen ,  welche  der  Ver- 
fasser im  laufe  der  abhandlung  vorbringt,  nämlich  0.  R.  818 
JxgoaqicopTJfiaGiv  für  ngoaqxorsTv  riva  (p.  23  sq.)  und  0.  C.  640 
niixxpoo  aeps  oder  dgl.  für  das  nach  seiner  meinung  aus  vs.  638 
stammende  zo  6"  rjSv.  Unrichtig  ist  die  unter  den  sententiae 
controversae  zu  0.  R.  1136  gegebene  vermuthung  inXtjGta^ov 
Tco'Ss  rav8gs. 

W. 

333.  Observationes  Thucydideae  Grammaticae.  Disserta« 
tio  ...  scripsit  Carolus  Floeck,  Rhenanus.  8.  Marburgi.  1872. 

Die  vorrede  giebt  den  inhalt  der  schrift  specieller  mit  den 
Worten  an :   de  ratione  quae  inter  iiißnitivos  praesentw  et  aoriet  i  et 


Nr.  11.  333.  Thukydides.  555 

futuri  apud  Thucydidem  intercedit.  In  einem  ersten  theile  han- 
delt der  vf.  von  den  fällen  im  Thukydides,  wo  praesens  oder 
aorist  für  futur,  im  zweiten,  wo  futur  für  praesens  oder  aorist 
erscheine.  Wer  der  meinung  ist,  Thukydides  wäre  gerade  der 
mann,  der  ein  jedes  nur  an  seiner  eignen  besonderen  stelle  ge- 
braucht, nie  beliebig  eins  für  ein  anderes,  könnte  von  vornherein 
für  diese  Untersuchung  besorgt  werden,  zumal  wenn  er  p.  18  gera- 
dezu von  einem  varius  usus  liest,  den  Thukydides  angewendet  ha- 
ben soll.  Als  wenn  so  oder  auch  etwas  anderes  bei  ihm  auf  das- 
selbe herauskäme.  Aber  so  böse  ist's  denn  doch  nicht  gemeint. 
Der  vf.  geht  auch  seinerseits  davon  aus ,  die  gränzen  und  be- 
dingungen  des  gebrauchs  zu  bestimmen  und  versucht's  mitunter 
wirklich  hinter  dem  ausdruck  die  Sache  zu  sehen.  Doch  ist 
ihm  gerade  dies  letzte  noch  wenig  gelungen,  weil  er  sich  auf 
seinem  wege  Voemel's  lehre  zum  führer  genommen  hat,  p.  7: 
locum  esse  aoristi  sive  re  postulante  praesentis ,  ubi  non  tempus  fu- 
turum sed  sola  actio  significetur.  Denn  was  ist  mit  solcher  Un- 
terscheidung gewonnen?  Kehrt  denn  nicht  in  jedem  einzelnen 
falle  die  frage  wieder  zurück  :  warum  hat  denn  hier  der  Schrift- 
steller bei  einer  sache,  die  in  der  zukunft  liegt,  bloss  die  hand- 
lung  bezeichnen  wollen  ?  So  sollen  p.  14  die  Zeitwörter  des 
schwörens  immer  mit  dem  infin.  futuri  verbunden  sein,  ubi  scri- 
ptor  verba  sollemnis  iurisiurandi  formulae  magis  respicit  ac  re- 
ferre  vult,  mit  dem  inf.  praesentis,  ubi  magis  res,  de  quibus  ius- 
iurandum  fiat,  indicare  vult.  Ist  es  doch,  als  wenn  in  jedem  be- 
sondern fall  der  vf.  vom  Schriftsteller  noch  eine  geheime  pri- 
vatmittheilung  bekommen  hat,  was  er  eigentlich  gewollt;  und 
wo  ist  die  wagschale ,  mit  der  wir  jenes  magis  abmessen  sol- 
len? Und  noch  nicht  genug;  dann  soll  sich  auch  mitunter  dem 
einen  begriff  ein  anderer  unterschieben,  und  nach  diesem  con- 
struirt  sein.  Freilich  mit  diesen  mittein  ist  alles  fertig  zu 
bringen;  nur  schade,  dass  sie  nichts  nützen,  weil  sie  nichts  er- 
klären und  niemand  überzeugen  können.  Sehen  wir  uns  ein- 
mal das  erste  beste  beispiel  darauf  an  ,  was  auf  diesem  wege 
herauskommt.  Bei  den  verbis  iurandi  bespricht  vf.  zuerst  p. 
15  &,  75,  16  das  präsens  miH^QvuBvea&ai  nach  den  mehreren 
vorausgegangenen  futuren.  Zuerst  habe  der  Schriftsteller  offen- 
bar an  die  formel  gedacht,  qua  iurarunt  milites,  also  die  futura: 
dqfioxQarqoofte&aj  ofioroTJoopsr,  diotoopsv,  noXspiot  icopeda,  nun 


556  333.  Thukydides.  Nr.  11. 

folge  aber  mit  gutem  bedacht  das  praesens  intxr]QvxevsG&ai, 
ich  muss  seine  eigenen  worte  hersetzen:  quia  cum  huius  verbi 
actio  iam  in  proxime  antecedentibus  nolsfior  dioiaeiv  et  noXsftioi 
SGSG&ai  per  se  contineatur,  scriptor  ad  complendam,  ut  ita  dicam, 
sententiam  ex  sua  mente  hoc  addere  voluit,  ita  ut  constructione, 
quae  verbis  voluntatis  est  propria,  uteretur,  quasi  dixisset :  aal  ov- 
8sv  imxtjQVHEvsa&ai  ißovXovto.  Also  erst  die  futura,  weil  der  vf. 
vom  Schriftsteller  weiss,  dass  er  dabei  nur  an  die  schwurformel 
gedacht  hat;  dann  aber  das  praesens  imxrjovxevsG&ai,  warum? 
weil  der  inhalt  dieses  zeitworts  schon  im  vorhergehenden,  dem 
ndlsfjiov  dioiGsiv  und  noi.s(xiot.  sGSG&ai  enthalten  ist.  Das  ini- 
M]QvxsvsG&ai  oder  das  ovösp  imxrjQvxsveG&cti  ?  Wenn  das  letz- 
tere, was  der  vf.  natürlich  gemeint  haben  muss,  so  war  es  also 
nicht  selbstverständlich  im  vorhergehenden  nolsfiioi  sGSG&ai  ent- 
halten («,  146,  17),  denn  mit  dem  andern,  dem  noXspov  Öioi- 
Gtiv ,  ist  ja  ein  ganz  andrer  krieg  gemeint.  Dann  weiss  der 
vf.,  dass  der  schriftsteiler  zum  schwur  der  Soldaten  aus  eigner 
meinung  etwas  hinzusetzen  wollte.  Also  wieder  jene  besondere 
privatmittheilung ;  und  zuletzt  ist  dieser  eigne  zusatz  des  Schrift- 
stellers zum  schwur  der  Soldaten,  weil  im  infinitiv  ausgedrückt, 
zwar  noch  zur  schwurformel  gehörig,  aber  der  zeit  nach  von  einem 
begriffe  abhängig,  den  der  Schriftsteller  bei  sich  in  gedanken 
behalten,  also  wiederum  dem  vf.  irgendwie  in  eigenthümlicher 
weise  verrathen  hat.  Ich  hätte  geglaubt,  solche  erklärungsme- 
thoden  hätte  unsre  philologie  längst  hinter  sich.  Mit  recht  ha- 
ben die  neueren  herausgeber  an  dem  praesens  imxqovxEi/EG&ai 
nicht  gerührt,  nur  vor  alters  Reiske  und  in  jüngster  zeit  wie 
selbstverständlich  Cobet.  Aber  gewiss  haben  doch  jene  sich 
beim  praesens  beruhigt  aus  keinem  andern  gründe  als  weil  sie 
einsahen,  dass  mit  jenem  futur'  die  dauer  in  der  zukunft,  mit 
diesem  präsens  die  augenblickliche  gegenwart  auszudrücken  war. 
Denn  das  botensenden  zu  Unterhandlungen  gehörte  hier  so  sehr 
zur  gegenwart,  dass  es  bereits  erst  eben  schon  einmal  gesche- 
hen war,  c.  74,  20.  Hier  also,  wo  von  augenblicklicher  gegen- 
wart zu  sprechen  so  nahe  lag,  unterlässt  er's,  dagegen  thut  er's 
gleich  hernach,  wo  es  so  unpassend  wie  möglich  war.  —  £,  38 
26  haben  die  handschriften  dfivveiv ,  was  Bekker  und  mit  ihm 
alle  neueren  in  apivvm>  verändern.  Bekker,  sagt  vf.  p.  16,  sensu 
aecurate  non   perspecto  futuri  forniam  praeferendam    esse  putavit. 


Nr.  11.  333.  Thukydides.  557 

afivreiv  meint  er  optimo  iure  idcirco  defendi  potest  quia  actionem 
exhibet,  quae  ad  id  tenipus ,  quo  erat  iurandum,  proxime  se  adpli- 
catt  quoniam  ea  rerum  conditio  iamiam  aderat,  in  qua  praestandum 
erat  auxilium.  Aber  wo  in  aller  weit  ist  hier  von  einer  augen- 
blicklichen Hilfsleistung  die  rede  ?  Das  sv  zö?  naqaxv^övti 
kann  Flock  nicht  so  missverstanden  haben,  denn  er  giebt  den 
sinn  der  stelle  wieder  mit  den  Worten :  iusiurandum  dare  placuit, 
se  et  nunc  et  postea,  quotiescunque  res  ßagitaret,  opem  ferre  velle; 
für  «V  rqj  naooLTV/övri  hat  er  also  die  Poppo'sche  Übersetzung  : 
quotiescunque  res  hoc  flagitaret ;  aber  wo  nimmt  er  dann  sein  et 
nunc  et  postea  her  ?  Also  deswegen  wagt  er  von  einem  manne 
wie  Bekker  non  accurate  zu  sagen,  weil  Bekker  des  verfs 
nunc  et  postea  nicht  finden  konnte,  das  jeder  im  texte  vergeb- 
lich sucht  ?  Nichts  desto  weniger  wird  äfivveiv,  die  Überliefe- 
rung, das  richtige  sein.  Die  futura  ju^  tcoXs^/jgsiv  rq>  (if]8s 
^v^ßfiGsa&ai  ävev  xoivrjg  yvoopqs  sind  von  der  zukunft  in  alle 
weite  gesagt ;  aftvrsiv  aber  hat  durch  iv  rw  naoazvyovii  täj 
deofiitcp  seinen  bestimmten  bezug  ;  es  ist  natürlich  nicht  wirkli- 
che gegenwart,  aber  es  wird  durch  diesen  beisatz  für  die  Vor- 
stellung vergegenwärtigt.  Das  ist  beim  Thukydides,  meine  ich, 
ein  gesetz,  dem  man  viel  begegnen  wird;  man  vgl.  etwa  8,  31, 
23;  e,  16,  1;  e,  22,  27;  f,  28,  31 5  £,  34,  4  u.  a.  m.  So 
wäre  z.  b.  an  der  letzten  stelle  xuv  ccpsig  iv  novo*  sivai  aller 
grund  für  ein  futur ,  wie  man  schon  aus  dem  vorausgehenden 
81  tÜ8s  TTQotjCopzai  sieht ;  aber  gerade  in  diesem  beisatz  gewinnt 
die  Vorstellung  eine  anlehnung  und  wird  dadurch  zur  bezügli- 
chen gegenwart.  —  Nachdem  der  vf.  auf  derselben  seite  16 
für  die  Zeitwörter  des  schwörens  mit  dem  futur  noch  zwei  stel- 
len angeführt  hat:  IV,  75;  VI,  73  (sollte  heissen:  IV,  74,  3; 
VI,  72,  6),  spricht  er  von  den  verbis paciscendi.  Er  belehrt  uns 
darüber  wiederum  auf  seine  weise :  ubi  infinitivus  futuri  sequitur, 
ibi  maiore  pondere  esse  notionem  promittendi  putandum  est.  Multo 
maior  vero  est  copia  locorum ,  in  quibus  talia  verba  cum  infinitivo 
praesentis  vel  aoristi  coniunguntur,  ut  indicetur,  quid  faciendum  pa- 
ctio  statuerit.  Also  wie  oben  jenes  magis,  so  hier  wieder  ma- 
iore pondere,  als  wenn  sich  darnach  etwas  bestimmen  Hesse. 
Und  von  dem  unterschiede,  ob  präsens  nach  diesen  Zeitwörtern 
oder  aorist,  ist  mit  keiner  silbe  die  rede.  8,  69  steht  nach 
^vrtßrjGav  z.  8  aTiolv&r^ai^   und  sogleich  z.   9  xq^cQui;    8,  66 


558  333.  Thukydides.  Nr.  11. 

z.  27:  eXsTv  und  z.  32:  tzsiQcio&ai.  Hat  denn  dieser  Wechsel 
keine  bedeutung  ?  Für  den  vf.  existirt  diese  frage  allerdings 
nicht,  weil  er  die  zeiten  von  zu  supplirenden  begriffen  abhängig 
sein  lässt,  und  dabei  um  den  eigentlichen  werth  der  zeiten  sich 
nicht  bekümmert.  Und  doch  ist  klar,  und  ich  meine  auch  hin- 
reichend schon  von  andern  erwiesen,  dass  es  eben  auf  die  be- 
sondere bedeutung  der  zeiten  allein  ankommt.  8}  118,  9  zw. 
steht  futur  ififtEveiv  nur  darum,  weil  von  einer  dauer  in  der 
zukunft  die  rede  ist;  8,  66,  32;  8,  69,  9  das  präsens,  weil  es 
sich  um  eine  fortgehende  gegenwart  handelt,  aber  an  diesen 
stellen  z.  27  und  z.  8  der  aorist,  weil  diese  handlungen  der 
gegenwart  in  bestimmten  momenten  sich  abschliessen.  Ebenso- 
wenig wie  den  zeiten,  ist  es  bei  dieser  gelegenheit  dem  vf.  ge- 
lungen, den  verschiedenen  constructionen  ihr  recht  werden  zu 
lassen ,  die  sich  beim  Thukydides  mit  diesen  Zeitwörtern  ver- 
bunden finden.  Er  sagt  darüber  p.  18  bloss :  superest  ut  non- 
nullos  locos  addam,  in  quibus  ooars  adiectum  est,  quo  infinitivi  sen- 
tentia  laxiore  sane  vinculo  adiuncta  magis  libera ,  ut  ita  dicam, 
reddatur.  Und  hernach  ist  noch  von  folgendem  e<p'  m  (nicht 
igj'  wts,  wie  er  hat,  denn  a,  103,  22  gehört  das  re  zum  fol- 
genden nat)  die  rede.  Also  auch  hier  wieder  sein  beliebtes 
magis;  und  nun  gar  was  soll  man  sich  dabei  denken:  infinitivi 
sententia  magis  libera  redditur  f  Damit  kann  der  vf.  doch  nicht 
geglaubt  haben ,  eine  regel  zu  geben,  die  den  Sprachgebrauch 
des  Schriftstellers  bestimmt.  Und  doch  ist  dieser  hier  ersicht- 
lich genug.  So  hat  Thukydides  den  infinitiv  xqcctsiv  gesetzt 
in  der  letzten  stelle,  die  der  vf.  angiebt,  VIII,  55  (er  meint 
aber  VIII,  52,  20),  weil  er  den  inhalt  des  Vertrages  zu  bezeich- 
nen hatte,  wtfze  setzt  er,  wenn  er  die  bedingungen,  und  zwar 
die  augenblicklich  erfüllbaren  angeben  will ,  unter  denen  der 
vertrag  zu  stände  kommt ;  eqp'  «  dagegen  (ausser  den  beiden 
stellen,  die  der  vf.  angiebt:  a,  103,  22  und  a,  113,  18  noch 
sonst:  a,  126,  20  zw.;  8,  30,  7),  wenn  die  bedingungen  nicht 
sogleich,  sondern  erst  im  laufe  der  zeit  ganz  zu  erfüllen  sind, 
daher  an  allen  diesen  stellen  mit  dem  indicat.  futuri;  z.  b. : 
«,  103,  22:  ol  ö'  iv  'I&cofxy  —  ^vvißrjaav  nqbg  ioi>g  sictxsdai- 
fioviovg  iq>'  w  ze  i^laaiv  (futur)  in  Ilslonovitjoov  vnöanovSoi 
xat  nySmoTB  iniß^aovzai  avtijg;  also:  unter  der  bedingung,  dass 
sie  das  in  zukunft  thun  wollen;    «,  113,  18:   xal  t/}^  Bouariav 


Nr.  11.  333.  Thukydides. 

i^sXinov  'A&Tjvalot  näauv,  anordäg  notr]Gdiisvoi>  itf  m  zovg  av- 
dgag  aofitovvzai ;  man  lernt  also  aus  dieser  ausdrucksweise  zu- 
gleich dass  die  Athener  erst,  nachdem  sie  das  ganze  Böotien 
verlassen  haben,  die  gefangenen  ausgeliefert  erhalten  sollen. 
Nur  eine  stelle  giebt  es  noch  mit  folgendem  optat.  praesentis 
und  av :  e,  41,  17:  ol  nosaßeig  —  Xöyovg  inoiovvzo  Ttgbg  zovg 
j[axe8ai{iovCovg  iqü  a  av  ocpCai  ai  otzovSuI  yCyvoivzo ,  und  zwar 
nothwendig  so,  weil  nicht  von  einer  dauernden  handlung  in  der 
zukunft,  sondern  von  gegenwart  die  rede  ist.  Ueber  das  part. 
aoristi,  das  nach  diesen  Zeitwörtern  paciscendi  folgt ,  macht  der 
vf.  sodann  die  bemerkung :  quod  (participium)  vim  suam  retinet, 
ita  ut  scriptor  significare  velit,  foedus  tum  demum  factum  esse, 
postqiiam  conditio nibus ,  guas  constructio  participialis  continet,  esset 
satisfactum.  Er  sagt  freilich  wieder  nach  seiner  weise :  ut  scri- 
ptor significare  velit,  doch  ist  das  die  absieht  des  Thukydides 
gewiss  nicht  gewesen.  Aber  hier  wollen  wir  mit  dem  vf.  nicht 
rechten ,  weil  die  Sache  bisher  noch  nicht  erledigt  ist.  Doch 
musste  er  sich  sagen,  dass  nach  de r  auffassung,  die  er  bei  die- 
sen stellen  («,  101,  28—32;  «,  108,  27—30;  «,  115,  4;  a} 
117,  25  —  27)  hat,  sonst  in  der  weit  vertrage  in  der  regel 
nicht  abgeschlossen  werden.  Eine  belagerte  stadt,  die  sich  er- 
geben hat,  wird  nicht  hungernd  so  lange  eingeschlossen  gehal- 
ten, bis  alle  bedingungen  thatsächlich  erfüllt  sind.  Die  worte 
scheinen  das  freilich  zu  sagen,  aber  es  ist  unrichtig,  was  der 
vf .  sagt :  partieipium  aoristi  vim  suam  retinet.  Nehmen  wir  die 
erste  stelle:  Odoioi  de  zgiz<p  ezei  aoXtogxovftsvoi  cbfAoXoyqaav 
'A&qiaioig  t£r/_6g  ze  xa&sXövzsg  xal  vavg  jzagadovzeg  xzX.  Wie 
das  zu  verstehen  ist,  zeigt  die  vergleichung  z.  b.  mit  s,  77, 
16 :  xuzzdös  doxsi  ra  iuxl^aia  zäsv  ^daxeöaipovicov  ^VfißaXsa&ai 
Tvozzdog  Agysicog ,  anodidovzag  za>g  naidag  zoig  ' Ogiofxevioig  xzX, 
Hier  ist  alles  in  selbstverständlicher  Ordnung;  ^vfißaXe'a&ai  ist 
der  aorist  des  bezuges  zum  praesens  öoxsi,  und  das  ganze  8c 
xei  ^v/xßaXsa&ai  ist  praesensbegriff,  dem  sich  ein  partic.  prae- 
sentis als  die  zu  erfüllende  bedingung  anschliesst.  Statt  dieses 
präsens  doxsl  ist  in  «,  101  ein  aorist:  cä[xoX6yt]aav,  wie  an  je- 
nen andern  stellen  gleichfalls,  und  diesem  aorist  sind  nun  auch 
die  aoristpartieipia  gefolgt,  y.a&eXovzeg,  nagadovzsg,  zum  erweis 
also,  dass  wir  hier  nur  einen  formellen  aorist  haben,  qui  vim 
suam  non  retinet.  —     Zum  beweis,  dass  der  vf.  sich  auch  sonst 


560  333.  Thukydides.  Nr.  11. 

gleich  bleibt,  nur  noch  ein  wort  über  die  dann  folgenden  verba 
sperandi.  Pag.  20  spricht  er  von  einem  praesens  nach  iXni- 
£ew.  Huc  pertinent,  heisst  es,  duo  loci,  ubi  infinitivi  praesentis  et 
aoristi  bene  coniuncti  occurrunt :  IV,  21  (was  aber  IV,  24,  26 
sein  soll):  zo  ' Pr\ytov  rjXm£ov  —  %ziQK*GaG&ai  xal  ?]8i]  aqsäv 
laxvQoi,  za  ngayiiaza  yiyvea&ai,  und  £,  87,  11:  8ia  zo  izoCftqp 
vnelvai  ilnCöa  zw  [xev  atrizv^siv  — ■  zw  de  si  ?j^o[xev  [irj  adeeig 
tfvai  tuvdvvsvsiv.  Warum  die  verschiedenen  zeiten  ?  Natürlich 
wird  er  wieder  irgend  einen  andern  begriff  unterzuschieben  wis- 
sen. Aber  auch  hier  ist  für  das  präsens  der  bezug  da,  wovon 
wir  oben  gesprochen  haben,  das  eine  mal  in  ij8r],  das  andere 
mal  in  sl  föopev.  In  dem  dann  folgenden  IV,  13 ,  21 :  IXni- 
£ovzsg  zo  zsT%og  vxpog  fiev  s%eiv ,  anoßäaecag  de  fidXiaza  ovaijg 
eXelv,  spricht  er  es  wieder  aus,  dass  er  die  notio  putandi  bereit 
hat  und  deswegen  Ullrichs  conjectur  'iypv  entbehren  kann.  Aber 
hier  müsste  es  doch  nicht  die  notio  putandi,  sondern  videndi  lei- 
der cum  participio  sein,  und  dann  von  alle  dem,  was  Ullrich  und 
Classen  gegen  eftsiv  gesagt  haben,  wieder  keine  silbe.  Dagegen 
lässt  er  sich  über  das  nagi%uv  ß,  84,  27  nach  vorausgegange- 
nem [iEveiv  und  <~v[ifi£G8ia&ai  eines  weiteren  aus :  navigia  mi- 
nora  in  medium  circulum  recepta  iamiam  impedimento  erant  ne- 
que  ideo  oportebat  praesentis  infinitivum  in  dubium  vocari,  ut  ab 
interpretibus  factum  est.  Aber  dass  die  nXola  in  der  mitte  schon 
jetzt  hinderlich  waren,  ist  nirgends  zu  lesen.  Der  satz  mit 
jjlni^e  ist  eingefügt,  wo  von  einer  Verwirrung  der  peloponuesi- 
schen  flotte  noch  nichts  bemerkt  ist.  So  hatte  der  vf.  also  auch 
keinen  grund,  das  besser  bezeugte  nagexuv  dem  nagi&iv  vor- 
zuziehen. Doch  aber  ist  nage%eiv  ohne  zweifei  das  richtige. 
Denn  auch  hier  lehnt  sich  der  satz  aal  zä  nXoia  zaga%tjp  nag- 
8%sip  an  den  vorhergehenden  an  und  der  sinn  ist  dieser:  die 
kriegsschiffe  würden  immer  enger  zusammengetrieben  gegen  ein- 
ander stossen,  in  welchem  falle  auch  die  nXoia  hinderlich  Wcä- 
ren.  Dass  so  der  Vorgang  erzählt  werden  sollte ,  zeigen  die 
folgenden  zeilen  32 — 34,  aus  denen  gerade  erhellt,  dass  die 
nXola  erst  jetzt  das  ihrige  zu  der  Verwirrung  beitragen.  Es 
ist  also  hier  ganz  dasselbe  gesetz,  das  wir  schon  oben  berührten, 
dieses  praesens  des  bezuges,  das  auch  sogleich  wieder  in  der  beim 
vf.  folgenden  stelle  ö,  9,  14  nach  iXnC&vzeg  bei  ixeitoig  zs  ßia- 


Nr.  11.  334.  Horatiua.  561 

Zopsvoig  ztjv  aaoßaaiv   und   in   ähnlicher  weise  gar  nicht  selten 
auftritt. 

Doch  es  mag  genug  sein.  Leider  können  wir  nicht  sagen, 
dass  wir  in  der  ganzen  schrift  einem  gesunden  klar  ausgeführ- 
ten gedanken  begegnet  sind.  Ersichtlich  fehlt  es  dem  vf.  nicht 
an  fleiss,  auch  gewiss  nicht  an  frische  und  lebendigkeit  des  gei- 
stes,  aber  doch  will  uns  scheinen,  an  der  einen  eigenschaft,  de- 
ren mangel  um  alle  frucht  bringt,  an  —  methode. 

334.  Ueber  horazische  lyrik.  Eine  Vorschule  zur  kennt- 
niss  des  dichters  von  A.  Bischoff.  Erstes  heft.  Mit  zwei 
beilagen.  1)  Bemerkungen  über  einige  kritische  fragen.  2) 
Interpolationen  in  deutschen  dichtem.  8.  Schaffhausen.  Fr. 
Hurtersche  buchhandlung.  1872.  VI  und  107  s.  —  15  gr. 
Die  schrift  kündet  sich  als  ein  „probestück"  an ,  bei  dem 
man  nicht  sowohl  auf  die  „resultate  als  auf  plan  und  methode" 
sehen  soll.  Aber  darf  man  für  ein  breites  analysiren  eines 
gedichtes  zum  zweck  des  nachweises  seines  gedankenganges 
den  anspruch  auf  „methode"  erheben?  Oder  ist  das  etwa  me- 
thode, wenn  „das  analysiren  als  eine  aufgäbe  für  sich  selbst" 
hingestellt  wird,  „die  etwas  schwieriger  ist,  als  das  beliebte 
kritisiren  und  disputiren,  z.  b.  ob  III,  5,  37  inscius  zu  lesen 
oder  anxius  oder  aptius  oder  dgl."  Die  äusserst  saloppe  be- 
handlung  der  grammatik  und  kritik,  wie  man  sie  nach  diesem 
erguss  nicht  anders  erwarten  kann,  wird  durch  ein  gewisses 
poetisches  verständniss  nicht  aufgewogen.  So  wird  über  dona- 
rem  IV,  8  gesagt :  wenn  auch  schon  das  imperfect  donarem  an- 
deutet, dass  aus  dem  wünsch  wenig  werden  wird  und  das  di- 
vite  me  noch  mehr  die  illusion  zerstört,  so  ist  doch  erst  mit 
sed  non  haec  mihi  vis  das  entscheidende  wort  gesprochen ,  ge- 
radeso wie  wir,  wenn  jemand  uns  sagt:  ich  würde  —  immer 
noch  leise  hoffen,  bis  erst  die  entscheidung  kommt  durch  ein 
„wenn"  oder  „wenn  nicht"  oder  „aber".  Man  sieht,  zu  wel- 
chen verirrungen  die  Vernachlässigung  der  grammatik  führt! 
Als  probe  der  kritik  genüge  die  bemerkung  zu  I,  1  :  „wenn  es 
v.  30  heisst  dis  miscent  superis,  dann  v.  32  secernunt  populo ,  so 
ist  dieses  ein  abfallen,  ein  sinken  des  tones  ,  welches  unange- 
nehm auffällt.  Sollten  nicht  beide  ausdrücke  zu  versetzen  sein, 
also  v.  30  secernunt  populo,  v.  32  dis  miscent  superis  — ?  So 
Pbilol.  Anz.  IV.  36 


562  335.  Römische  geschickte.  Nr.  11. 

wird,  —  man  sehe  selbst  —  alles  gut  harmoniren".  Ein  ei- 
gentümliches verkennen  des  Horaz  ist  es,  wenn  zu  II,  20 
bemerkt  wird :  „der  dichter  spricht  in  weichem  ,  wehmüthigem 
ton  pauperum  sanguis  parentum" ,  wo  vielmehr  sich  das  hohe 
selbstbewusstsein  des  dichters  grade  so  deutlich  ausspricht  wie 
in  dem  libertino  patre  natum  Sat.  I,  6,  6,  oder  wenn  Horaz  eine 
„träumerische"  natur  genannt  wird.  Das  beste  in  der  schrift 
sind  die  beobachtungen  über  den  sprachlichen  und  poetischen 
ausdruck,  die  zwar  noch  gar  sehr  der  schärfe  und  Vollständig- 
keit ermangeln,  aber  manche  treffende  bemerkung  enthalten  und 
ein  gewisses  Stilgefühl  zeigen.  Auf  diesem  wege  wird  der  vf. 
mehr  als  durch  allgemeines  raisonnement  zum  verständniss  des 
Horaz  beitragen. 

Th.  Fritzsche. 

335.  Roesner,  rerum  Praenestinarum  pars  HI.  Programm 
von  Patschkau.   1871. 

In  diesem  programm,  welches  eine  fortsetzung  der  Glatzer 
programme  von  1861  und  1867  gibt,  bespricht  der  Verfasser 
nach  einer  anschaulichen  beschreibung  der  pränestinischen  gebirgs- 
züge  die  flüsschen  des  gebietes.  Den  bei  Strabo  5,  3,  11  ge- 
nannten Ovigtotg  finden  manche  im  Osa  wieder,  andere  im  Rio 
maggiore,  andere  im  Acqua  salsa,  noch  andere  im  Acqua  rossa; 
doch  weil  keiner  der  genannten  fiüsse  durch  das  gebiet  von  Prä- 
neste fliesst,  sondern  höchstens  einer  und  der  andere  dort  ent- 
springt, Strabo  aber  ausdrücklich  von  einem  derartigen  flusse 
spricht,  so  behauptet  Roesner,  es  handle  sich  gar  nicht  um  ei- 
nen nebenfluss  des  Anio,  sondern  um  den  nach  süden  fliessen- 
den Fosso  di  Palestrina.  Dann  spricht  Roesner  von  der  vulka- 
nischen natur  des  bodens,  von  der  fruchtbarkeit  und  gesunden 
luft,  von  den  villen  der  Römer  bei  Präneste,  vom  baumwuchse 
der  ebene  und  berge,  von  den  pränestinischen  nüssen,  von  den 
parkanlagen,  von  den  durch  färbe  und  duft  berühmten  rosen, 
von  den  produkten :  rosenöl,  wein,  olivenöl ,  zwiebeln.  Die 
berge  lieferten  eine  reiche  jagd,  die  Steinbrüche  herrlichen  mar- 
mor  zum  villenbau,  auch  wurde  in  der  nahe  der  Stadt  prächtige 
töpfererde  gefunden.  —  Die  stellen  der  alten  autoren,  aus  de- 
nen   einzelne    züge    zur   Schilderung  sich    schöpfen   lassen ,    sind 


Nr.  11.  336.  Komische  alterthümer.  563 

sorgfältig  zusammengetragen,    ebenso  sind  die  neueren  topogra- 
phien  zu  rathe  gezogen;  die  darstelluüg  ist  gefällig. 

Während  cap.  1  de  natura  agri  Praenestini  betitelt  war, 
handelt  cap.  2  de  via  Praenestina;  der  punkt,  wo  die  vom  fo- 
rum aus  führende  Strasse  die  Stadtmauer  Roms  durchbrach,  wird 
genau  erörtert.  Dass  die  Strasse  ihre  eigenen  curatores  hatte, 
wird  aus  einer  inschrift  bei  Ceccon.  p.  13  not.  5  gefolgert. 
Die  entfernung  Präueste's  von  Rom  wird  nach  dem  Itinerarium 
Antonini  und  der  Tabula  Peutingeriana  auf  23  meilen  angegeben; 
die  an  der  Strasse  liegendeu  deversoria  werden  genau  aufge- 
zählt. —  Ein  sauber  ausgeführtes  kärtchen  erhöht  den  werth 
der  abhandlung. 

C.  Härtung. 

336.  Die  entwickelung  der  römischen  heeresorganisation 
und  der  stand  der  armee  unter  dem  ersten  kaiser.  Von  Dr 
H.  Ba  bücke.  Mit  einer  lithographischen  tafel.  8.  Aurich, 
Fischer.     40  s.  —     7x/2  sgr. 

Ohne  den  anspruch  zu  machen  etwas  erhebliches  neues  zu 
bieten,  lässt  der  Verfasser  einen  Vortrag  zum  abdruck  bringen, 
den  er  in  Marienwerder  im  literarischen  verein  gehalten  hat. 
Dass  er  die  quellen,  aus  denen  er  geschöpft  hat,  blos  in  der 
vorrede  erwähnt ,  daraus  wird  niemand  bei  einer  solchen  arbeit 
dem  Verfasser  einen  Vorwurf  machen.  Das  urtheil  freilich  über 
die  richtigkeit  einiger  behauptungen  wird  dem  philologischen  le- 
ser  dadurch  erschwert,  dass  nur  wenige  citate  anhangsweise  bei- 
gegeben sind.  Dass  der  Verfasser  bei  der  Schilderung  der  ent- 
Wicklung  der  römischen  heeresorganisation  bei  Augustus  stehen 
geblieben  ist  und  nicht  auch  die  zeit  der  spätem  kaiser  bespro- 
chen hat,  hat  wohl  mit  darin  seinen  grund,  dass  er  die  absieht 
hat  eine  parallele  zu  ziehen  zwischen  der  entwicklung  des  rö- 
mischen und  der  des  modernen  ,  insbesondere  des  deutschen, 
resp.  preussischen  kriegswesens,  sich  diese  aber,  wie  er  p.  2 
sagt,  nicht  weiter  ziehen  lässt.  Man  kann  nicht  leugnen,  dass 
der  vf.  durch  diese  parallele  dem  nichtphilologen  das  verständ- 
niss  des  alten  kriegswesens  erleichtert.  Und  für  solche  leser  ist 
das  schriftchen  im  wesentlichen  berechnet.  Für  den  philologen 
hat  es  insofern  interesse,  als  es  die  heeresverfassung  des  Augustus 
genauer  darzustellen  sucht.     Diesem  grösseren  theile  geht  vorher 

36* 


564  336.  Römische  alterthümer.  Nr.  11. 

eine  darstellung  des  heerwesens  unter  Romulus  und  Schilderung 
der  reformen  des  Servius  Tullius ,  Camillus ,  Marius.  Die  dar- 
stellung ist  im  ganzen  richtig  und  hebt  das  wesentliche  hervor; 
dass  so  manches,  was  behauptet  wird,  noch  streitig  ist,  wird 
der  Verfasser  selbst  am  besten  wissen.  Nur  auf  einiges  wollen 
wir  eingehn. 

Die  beschreibung  des  heerwesens  unter  Romulus  ist  ein 
gewagtes  ding,  da  ja  erst  spätere  historiker  spätere  einrichtun- 
gen  auf  die  frühere  zeit  übertragen  haben,  und  was  auf  solchen 
fictionen  basierend  der  verf.  über  die  alten  Römer  und  alten 
Deutschen  sagt,  ist  unberechtigt. 

Wenn  es  p.  4  heisst:  „zum  kriegsdienst  im  fussvolk  berech- 
tigt und  verpflichtet  waren  nur  diese  fünf  klassen,  die  dar- 
unter stehende  masse  der  Proletarier  wurde  nur  in  fällen  der 
noth  herangezogen*',  so  mag  das  für  die  älteste  zeit  nach  Ser- 
vius wohl  richtig  sein,  wenn  vf.  aber  dann,  wohl  nach  Livius  I, 
43  angiebt,  dass  solche  leute,  die  noch  herangezogen  wurden, 
„mindestens  noch  11000  as  =  ca  800  rthlr.  im  besitz  hatten", 
so  muss  ich  doch  auf  Polyb.  VI,  19  verweisen,  wonach  alle 
herangezogen  werden  nl-qv  tcäv  vnb  rag  tETQaxoGiag  öoa%/jag 
xsxz-qfisvmv.  —  Die  „accensi  velati  (p.  5)  =  montiert  assentierte" 
kenne  ich  nicht.—  P.  14  ist  gut  hervorgehoben,  dass  seit  Marius 
die  legion  nur  noch  ein  Infanterieregiment  ist ,  welchem  nach 
bedürfniss  die  reiterei  und  leichte  truppen  zugetheilt  werden, 
aber  nicht  mehr,  wie  früher,  organisch  angehörten.  Denn  noch 
immer  begegnet  man  der  annähme  von  legionsreiterei,  eine  an- 
nähme, die  wir  hoffentlich  bald  an  andrer  stelle  vollständig  wi- 
derlegen werden. 

Ueber  die  feldzeichen  drückt  sich  der  verf.  p.  15,  sich  an 
Becker- Marquardt  anschliessend,  nicht  ganz  entschieden  aus. 
Er  berichtet,  dass  die  cohorte,  die  die  tactische  einheit  bildete, 
ohne  eignes  feldzeichen  blieb,  wobei  natürlich  nicht  ausgeschlos- 
sen ist,  dass  irgend  eine  der  manipelfahnen ,  vielleicht  die  des 
ersten  manipels,  durch  besondere  abzeichen  zugleich  zum  ge- 
meinsamen feldzeichen  der  cohorte  gemacht  wurde.  Vegetius 
U,  13  behauptet  jede  cohorte  habe  einen  draconarius ,  aber  die 
antiqui,  fährt  er  fort  —  und  dies  kann  sich  wegen  der  erwäh- 
nung  der  cohorteneintheilung  nur  auf  die  zeit  nach  Marius  be- 
ziehen —    haben    die    cohorten    in    centurien   getheilt  und  jede 


Nr.  11.  336.  Römische  alterthümer.  565 

centurie  hatte  ein  vexülurn;  dieser  ausspruch  ist  nur  theilweise 
für  unsere  frage  von  bedeutung,  weil  Vegetius  den  unterschied 
zwischen  centurie  und  manipel  gar  nicht  kennt,  s.  II,  14  anf. 
Lange,  bist,  mutat.  p.  23,  ist  der  ansieht,  dass  weder  cohorten 
noch  centurien,  sondern  bloss  die  manipeln  feldzeichen  gehabt 
haben,  hat  diese  behauptung  aber  nicht  zur  evidenz  erweisen 
können.  Jedenfalls  hat  Rüstow  unrecht,  der,  s.  Cäsars  heerwe- 
6en  p.  15,  behauptet,  dass  nur  die  cohorten  feldzeichen  gehabt 
haben.  Für  ihn  spricht  allerdings  die  Wahrscheinlichkeit,  dass 
die  taktische  einheit,  nicht  aber  die  unterabtheiluugen,  die  fahne 
gehabt  hat,  aber  was  er  sonst  beibringt,  ist  nicht  stichhaltig  und 
er  selbst  gesteht  die  schwäche  seiner  behauptung  ein ,  indem 
er  einräumt,  dass  sich  mit  ihr  die  grosse  menge  der  verlorenen 
feldzeichen  nicht  vereinigen  lässt.  Im  treffen  von  Dyrrhachium 
verliert  Caesar,  der  mit  33  cohorten  kämpft,  32  feldzeichen.  Al- 
lerdings hatte  er  auch  reiter,  bei  denen  nach  Vegetius  II,  14 
auf  32  ein  vexülurn  kommt.  Es  fielen  aber  im  treffen  auf  sei- 
ner seite  960  (legions)soldaten.  Gesetzt  nun  auch,  dass  von 
den  32  feldzeichen  der  vierte  theil  den  reitern  gehört  hatte,  so 
blieben  24  cohortenzeichen.  Von  33  cohorten  also,  die  eine 
ungefähre  stärke  von  10,000  mann  darstellen,  sollen,  während 
noch  nicht  der  zehnte  theil  fällt,  drei  viertel  ihre  fahnen  verlo- 
ren haben.  Solcher  feigheit  wird  doch  niemand  Caesars  Solda- 
ten zeihen.  Noch  mehr  widerspricht  Rüstows  ansieht  Caes.  b. 
civ.  III,  99,  wo  15000  Soldaten  fallen  und  180  feldzeichen 
in  feindliche  hände  gerathen.  Wenn  wir  in  betracht  ziehn 
1)  dass  es  nach  dem  eben  vorgebrachten  unmöglich  ist,  dass 
nur  die  -cohorten  fahnen  gehabt  haben;  dass  2)  aus  Caesar, 
bell.  gall.  II,  25,  wie  Rüstow  richtig  erwähnt,  hervorgeht,  dass 
ein  fahnenträger  als  cohortenfähndrich  angesehen  wird  ;  3)  aus 
Varro  LL.  V,  88  manipulos,  exercitus  minimas  manus,  quae  unum 
sequuntur  signum,  folgt,  dass  die  centurien  keine  besondern  feld- 
zeichen gehabt  haben;  dass  4)  keine  besondern  Offiziere  und 
keine  besondern  beamten  für  die  cohorte  existieren,  sondern  die 
ersten  der  cohorte  nur  als  primi  inter  pares  gelten;  besondere 
cohortenfahnenträger  aber  eine  übergeordnete  Stellung  haben 
müssten  über  die  einzelnen  manipeln  —  so  folgt:  dass  es 
keine  besondere  zeichen  für  die  cohorte  gab,  der  übrigen 
Organisation    entsprechend    aber    der    fahnenträger    der   ersten 


566  336.  Römische  alterthümer.  Nr.  11. 

manipel  zugleich  als  fähndrich  der  cohorte  galt,  wie  der  pi- 
lus  prior  einer  cohorte  zugleich  als  anführer  der  ganzen  co- 
horte angesehen  wurde.  Die  von  Babucke  erwähnte  vermu- 
thung  Becker-Marquardts  ist  demnach  als  zutreffend  zu  bezeich- 
nen, natürlich  nur  für  die  periode  Marius-Augustus.  —  Eine 
erwähnung  der  antesignani  vermisse  ich. 

Der  vergleich  p.  16  der  römischen  Söldnerheere  mit  den 
deutschen  im  dreissigjährigen  kriege  ist  unrichtig.  Denn  wäh- 
rend im  mittelalter  durchaus  keine  dienstpflicht  mehr  existirte, 
wurde  sie  zu  Caesars  zeit  wenigstens  nicht  als  aufgehoben 
angesehn,  s.  Caes.  b.  c.  III,  102  erat  edictum  Pompei  nomine 
Amphipoli  propositum,  uti  omnes  eins  provinciae  iuniores, 
Graeci  civesque  Romani,  iurandi  causa  convenirent.  Da  aber  nicht 
alle  dienstfähigen  jedes  Jahrgangs  gebraucht  wurden,  so  gestal- 
tete es  sich  thatsächlich  so,  dass ,  weil  genug  junge  leute  des 
gewinnes  halber  gern  dienten,  eine  grosse  anzahl,  welche  keine 
lust  dazu  hatten,  besonders  gegen  Zahlung  von  geldsummen, 
cf.  bell.  Alex.  56,  des  kriegsdienstes  ledig  wurden.  —  Ob  der 
unterschied  zwischen  tribuni  maiores,  die  vom  kaiser  ernannt 
werden,  und  minores,  die  sich  emporgearbeitet  haben  aus  nie- 
derer Stellung  (p.  23),  sich  schon  auf  die  zeit  des  Augustus  be- 
zieht, ist  aus  Veget.  II,  17  nicht  ersichtlich.  —  Dass  jede 
legion  unter  Augustus  (p.  31)  ein  vexillum  veter anorum  von  un- 
gefähr 500  mann  gehabt  habe,  lässt  sich  wohl  kaum  erweisen. 
—  So  Hesse  sich  wohl  noch  manches  erwähnen,  was  etwas 
kühn  entschieden  worden  ist.  —  Die  beigegebene  tafel  mit 
abbildungen  von  legionssoldaten  verschiedener  grade  nach  der 
Trajanssäule  ist  dankenswerth,  ob  aber  freilich  das  pilum,  das 
sich  bekanntlich  auf  jener  säule  nicht  mehr  findet,  richtig  an- 
gegeben ist,  dürfte  noch  zweifelhaft  sein.  —  Jedenfalls  giebt 
das  büchlein ,  das  nicht  die  absieht  hat,  die  Wissenschaft 
wesentlich  zu  fördern,  sondern  seinen  gegenständ  in  weitern 
kreisen  bekannt  zu  machen,  in  fliessender  spräche  eine  anspre- 
chende Übersicht  über  die  römischen  heeresformen  und  ist  de- 
nen, die  sich  ohne  gründlichere  Vertiefung  mit  diesen  Verhält- 
nissen bekannt  machen  wollen,  als  lesenswerth  zu  empfehlen. 

Mg. 


Nr.  11.  337.  Geschichte  der  philologie.  567 

337.  August  Böckh's  gesammelte  kleine  Schriften.  Sechs- 
ter band.  Akademische  abhandlungen  nebst  einem  anhange. 
8.  Leipzig.  Druck  und  verlag  von  B.  G.  Teubner.  1872.  — 
Auch  u.  d.  titel:  August  Böckh's  academische  abhandlun- 
gen vorgetragen  in  den  jähren  1836  — 1858  in  der  academie 
der  Wissenschaften  zu  Berlin.  Nebst  einem  anhange  epigraphi- 
sche abhandlungen  aus  Zeitschriften  enthaltend ,  herausgegeben 
von  Ernst  Bratuscheck  und  Paul  Eichholtz.  8.  Leip- 
zig. Druck  und  verlag  von  B.  G.  Teubner.  1872.  —  VIII 
und  469  ss.  nebst  XIV  tafeln.  -—     2  thlr. 

Für  die  rasche  förderung  dieser  Sammlung  (s.  Philol.  Anz. 
III,  nr.  11,  p.  551)  kann  man  herausgebern  wie  Verleger  nur 
dankbar  sein,  da  sie  die  bürgschaft  giebt,  dass  die  Sammlung 
vollständig  und  zu  ende  geführt  werde.  Auch,  ist  das  wieder- 
erscheinen dieser  in  dem  vorliegenden  bände  enthaltenen  ab- 
handlungen um  so  erwünschter,  als  sie  zumeist  zu  der  staats- 
haushaltung  der  Athener  und  dem  Corpus  inscriptionum  graeca- 
rum,  diesen  grossen  leistungen  Böckh's,  im  engsten  zusammen« 
hange  stehen.     Es  sind  folgende: 

Aus  den  abhandlungen  (A)  und  monatsberichten  (M)  der 
academie  der  Wissenschaften  zu  Berlin :  I.  Ueber  die  von  herrn 
Prokesch  in  Thera  entdeckten  inschriften.  A.  1836.  (Hierzu 
tafel  I.  II)  p.  1 ;  II.  Ueber  die  kenntnisse  der  alten  von  der 
verschiedenen  schwere  des  wassers.  M.  1839,  p.  67;  III.  Ue- 
ber zwei  attische  rechnungsurkunden.  A.  1846.  (Hierzu  taf. 
III.  IV.  V.  VI.) ,  p.  73 ;  IV.  Bemerkungen  über  einige  theile 
der  tributlisten  der  Athene.  M.  1852.  (Hierzu  taf.  VII),  p.  139; 
V.  Inschriften  von  Gerasa.  M.  1853.  (Hierzu  taf.  VIIL),  p. 
153;  VI.  Athenische  Volksbeschlüsse  über  die  aussendung  einer 
colonie  nach  Brea.  M.  1853.  (Hierzu  taf.  IX.),  p.  167;  VH. 
Hermias  von  Atarneus  und  bündniss  desselben  mit  den  Ery- 
thräern.  A.  1853.  (Hierzu  taf.  X.),  p.  185-,  VIIL  Ueber  eine 
attische  rechnungsurkunde.  M.  1853.  (Hierzu  taf.  XL),  p.  211; 
IX.  Das  babylonische  längenmaass  an  sich  und  im  verhältniss 
zu  den  andern  vorzüglichsten  maassen  und  gewichten  des  alter- 
thums.  M.  1854,  p.  252 ;  X.  Bergsche  inschriften  von  Olym- 
pos.  M.  1854,  p.  293;  XL  Ueber  Cato:  Carmen  de  moribus. 
M.  1854,  p.  296;  XH.  Ueber  einige  im  besitz  des  herzogs  von 
Luynes  befindliche  griechische  inschriften.  M.  1854.  (Hierzu 
tafel  XII),  p.  321;  XIII.  Zur  geschichte  der  mondcyclen  der 
Hellenen.  M.  1855,  p.  329;  XIV.  Ueber  eine  inschrift  von 
Aegosthena.  M.  1857.  (Hierzu  tafel  XIIL),  p.  363;  X.  Eine 
bemerkung   über  den  zodiacalen  kalender   des  astronomen  Dio 


568  338—346.  Neue  auflagen.  Nr.  11. 

nysius.  M.  1858,  p.  374.  —  Anhang.  Epigraphische  ab- 
handlungen  aus  Zeitschriften:  XVI.  Eine  inschrift  von  Kalau- 
rea  und  eine  Peyssonersche  inschrift  von  Athen,  1829,  p.  385; 
XVH.  Inscriptiones  Teniae.  1832,  p.  403;  XVIH.  De  frag- 
mento  inscriptiouis  atticao,  quo  acta  et  fasti  quaestorum  Mi- 
nervae  emendantur  et  supplentur.  1835.  (Hierzu  tafel  XIV.),  p. 
407 ;  XIX.  Bemerkungen  zu  einigen  Rossischen  inschriften  von 
Athen,  1835,  p.  430;  XX.  Ueber  eine  griechische  inschrift 
am  boden  einer  volcentischen  vase,  1846,  p.  449 :  XXI.  Be- 
merkungen über  einen  athenischen  obolus,  1847,  p.  452; 
XXII.  Bosporenische  inschriften.  1847,  p.  458  ;  XXIII.  Bemer- 
kungen zu  dem  denkmal  der  Phrasikleia,  1850,  p.  467.  — 
Berichtigungen  und  nachtrage,  p.  469. 

Von  diesen  abhandlungen  sind  I — IX,  XIII,  XV  von  Bra- 
tuscheck,  die  übrigen  von  Eichholtz  redigirt  und  zwar  äusserst 
sorgsam;  den  anhang  hat  professor  Kirchhoff  einer  genaueren 
durchsieht  unterzogen:  ihnen  allen  werden  für  diese  mühwal- 
tung  die  fachgenossen  den  aufrichtigsten  dank  gern  zollen. 

E.  v.  L. 

NEUE  AUFLAGEN.  338.  Sophokles  erklärt  von  F.  W. 
Schneidewin.  2.  bdehn.  6.  aufl.  von  A.  Nauck.  8.  Ber- 
lin. Weidmann;  12  ngr.  —  339.  Euripides  ausgewählte  tra- 
gödien.  Erklärt  von  F.  Gr.  Schöne.  2.  bdeh.  3.  aufl.  8. 
Von  H.  Köchly.  8.  Berlin.  Weidmann;  15  ngr.  —  340. 
Horaz'  sämmtliche  werke.  Text  nebst  metrischer  Übersetzung 
ausgewählt  von  Tb.  Obbarius.  3.  ausg.  1.  thl.  16.  Pa- 
derborn. Schöning;  15  ngr.  —  341.  C.  Iulii  Caesaris  com- 
mentarii  cum  supplementis  A.  Hirtii  et  aliorum.  Ex  rec.  C. 
Nipperdeii.  Ed.  3.  gr.  8.  Lips.  Breitk.  et  Haertel;  10 
ngr.  —  342.  Caesaris  commentarii  de  bello  civili.  Erklärt 
von  F.  Kr  an  er.  5.  aufl.  von  F.  Hof  mann.  8.  Berlin. 
Weidmann;  22*/2  ngr.  —  343.  Ciceronis  Tusculanarum  dis- 
putationum  ad  M.  Brutum  11.  V.  Erklärt  von  Gr.  Tischer.  6. 
aufl.  von  Gr.  Sorow.  8.  Berlin.  Weidmann  ;  22x/2  gr. —  344. 
Ciceros  ausgewählte  reden.  Erklärt  von  K.  Halm.  7.  bdeh. 
2.  aufl.  8.  Berl.  Weidmann;  10  ngr. —  345.  K.  Bottich  er, 
die  tektonik  der  Hellenen.  2.  aufl.  2.  lief,  hoch  4.  Mit 
atlas  gr.  fol.  Berlin,  Ernst  u.  Korn;  3  thlr.  10  gr.  —  346. 
Forcellini,  totius  latinitatis  lexicon  .  .  cura  V.  de  Vit. 
4.     Leipzig.    Brockhaus;  dist.  46.     25  ngr. 


NEUE  SCHULBUECHER.  347.  Freund' s  schülerbiblio- 
thek.  1.  abth.  cett.  Präparationen  zu  Horaz  werken.  13. 
lief.     16.     Leipzig*    Violet;     5  ngr.  ~      348.  Freund's   schü- 


Nr.  11.     Neue  Schulbücher.  347—350.  —   Bibliographie.       569 

lerbibliothek.  1.  abth.  Präparation  zu  Livius  römischer  ge- 
schickte. 2.  heft.  3.  aufl.  16.  Leipzig.  Violet;  5  ngr.  — 
349.  W.  Eibbeck,  homerische  formenlehre.  8.  Berlin.  Cal- 
vary ;  15  ngr.  —  350.  L.  Englmann,  Übungsbuch  zum  über- 
setzen aus  dem  deutschen  ins  lateinische.  1.  thl.  8.  Formen- 
lehre.    9.  aufl.    München.  Lindauer;   16  ngr. 

BIBLIOGRAPHIE.  Von  Eobert  Cowtan,  einem  der 
ältesten  beamten  des  britischen  museum ,  sind  Memories  of  the 
British  Museum  erschienen,  die  über  gedruckte  bücher  oft  sehr 
interessante  notizen  geben:  so  über  die  Mazarin  -  bibel  und  an- 
dre biblen,  über  die  Verbreitung  des  Eobinson  Crusoe  u. 
s.  w.:  einiges  darüber  giebt  das  Börsenbl.  n.  218. 

Mittheilungen  der  Verlagsbuchhandlung  B.  G.  Teubner 
in  Leipzig,  no.  4-,  abtheilung  1  :  Notizen  über  künftig  erschei- 
nende bücher:  KXavdiov  raXrjvov  tzsqi  iwv  xa#'  'Innoagätr^v 
y.ai  nidrcova  doyudrcov  ßißXia  svvsa.  Cl.  Galeni  de  Hippocratis 
et  Piatonis  placitis  11.  IX.  JRecensuit,  latine  reddidit,  commentariis 
instruxit  Iw.  Mu  eil  er.  Vol.  I.  Prolegomena  critica  et  textum 
cum  apparatu  critico  et  interpr.  latina  continens.  gr.  8:  ein  gewiss 
sehr  zeitgemässes  unternehmen:  vrgl.  ob.  nr.  3,  p.  119;  ferner: 
Euripidis  Medea,  edidit  Pud.  Prinz,  gr.  8,  soll  eine  kritische, 
als  grundlage  bei  academischen  Vorlesungen  dienende  ausgäbe 
werden:  ausser  einem  auf  neuen  collationen  beruhenden  kriti- 
schen apparat  sollen  auch  die  scholien  verbessert  erscheinen, 
was  besonders  erwünscht  ist;  grade  die  bessere  scholienliteratur 
ist  noch  viel  zu  wenig  zugänglich ;  Nonii  Marcelli  de  compen- 
diosa  doctrina  liber.  Emendavit  et  annotavit  Luc.  Müller:  die 
von  L.  Müller  selbst  geschriebene  anzeige  enthält  eine  scharfe 
kritik  der  ausgäbe  Quicherat's,  eine  sehr  leichte  aufgäbe;  wir 
wollen  hoffen,  dass  die  ungründlichkeit  des  Franzosen  den  deut- 
schen herausgeber  zur  gründlichkeit  bringe,  welche  die  letzten 
arbeiten  Müller's,  z.  b.  Eutilius  Namatianus  und  die  elegiker, 
sehr  vermissen  liessen ;  D.  Iunii  luvenalis  Satirarum  11.  V  er- 
klärt von  A.  Weidner:  ein  commentar  mit  deutschen  noten 
ist  für  studirende  der  philologie  kein  bedürfniss;  auch  fürch- 
ten wir  nach  dem  plane  für  den  commentar  eine  aus  des  vrfs 
ausgäbe  von  Vergils  Aeneis  bekannte  unerquickliche  breite ;  end- 
lich: Etymologisches  Wörterbuch  der  lateinischen  spräche  von 
Alois  Vanieck.  —  Die  abtheilung  IT  verzeichnet  erschienene  bü- 
cher ,  ein  recensions  -  Verzeichnis  und  eins  der  photographischen 
philologenportraits. 

Im  september  1872  versendete  die  G.  Basse' sehe  buchhand- 
lung  in  Quedlinburg  einen  catalog,  dessen  erste  abtheilung  an- 
zeigt: bibliothek  der  gesammten  deutschen  national- literatur 
von  der  ältesten   bis  auf  die    neuere    zeit;   ferner    philologi' 


570  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  11. 

sehe  literatur,  den  verlag  der  buchhandlung ;  einen  scbul-katalog 
für  höhere  und  mittlere  lehranstalten  Ferdinand  Hirt  in 
Breslau,  neue  bearbeitung;  ferner  Dietrich  Reimer  in  Ber- 
lin ein  verzeichniss  empfehlenswerther  kartenwerke;  schulcata- 
log  der  verlagshandlung  G.  B.  Teubner  in  Leipzig;  ausge- 
wählte werke  aus  dem  verlag  der  Weid  mann  sehen  buch- 
handlung in  Berlin. 

Ferner  erschienen:  Von  haus  zu  haus,  literarische  mit- 
theilnngen  der  Verlagsbuchhandlung  Otto  Spamer  in  Leip- 
zig :  enthält  dem  plane  nach  nur  wenig  philologisches. 

Am  1.  october  ist  ausgegeben  nr.  1  des  ersten  Jahrgangs 
einer  monatsschrift :  „der  literatur  freund,  ein  führer  für 
bücherliebhaber  und  buchhändler.  Herausgegeben  von  Edmund 
Höfer.  8.  Stuttgart.  A.  Kröne;  halbjählich  10  ngr.  In  der 
nr.  1  ist  von  philologie  nicht  die  rede. 

Cataloge  der  antiguare:  verzeichniss  XIX  des  antiquarischen 
bücherlagers  von  F.  Dörling  in  Hamburg;  antiquarischer 
anzeiger  nr.  98  von  Fr.  Hanke  in  Zürich:  antiquarisches  bü- 
cherlager  von  Kirchhoff  und  Wigand  in  Leipzig,  cat.  nr. 
358,  dieses  sehr  wichtig  für  philologen;  verzeichniss  nr.  155. 
156  des  antiquarischen  bücherlagers  der  Otto' sehen  buchhand- 
lung in  Erfurt:  philologie  namentlich  und  pädagogik. 

Bücherauction  in  Leipzig,  25.  november :  verzeichniss  der 
hinterlassenen  bibliothek  des  geh.  medicinalrath  Suitin ger  in 
Posen :  enthält  vorzugsweise  polnische  Sachen  :  grosse  bücher- 
auction am  4.  nov.  in  Wien,  der  bibliothek  des  Dr  Heinrich 
Schiel. 

KLEINE  PHILOLOGISCHE  ZEITUNG.  351.  Pseudo- 
Plutarchos  JJEPI  AZKH1E8.2  bearbeitet  von  J.  Gildemei- 
ster u.  F.  Bücheier.  (Separatabdruck  aus  dem  Rh.  Mus.  N. 
F.bd.  XXVH,  p.  520  ff.  Bonn.  1872.  C.Georgi).  Die  schrift  negl 
dax/jasooi,'  findet  sich  in  einem  manuscript  des  VIH  oder  IX  saec. 
mit  anderen  in's  syrische  übersetzten  griechischen  Schriften,  in 
dem  auch  eine  im  Rh.  M.  ibid.  p.  438  mitgetheilte  rede  des  The- 
mistios  steht.  Zunächst  giebt  Gildemeister  einen  kurzen  nach- 
weis  dessen,  was  von  Plutarch  in  den  Orient  gelangt  ist;  dann 
giebt  er  eine  probe  von  der  art  der  syrischen  Übersetzung  aus 
de  cohibenda  ira  cap.  VI  und  IX;  Gildemeister  macht  darauf 
aufmerksam ,  dass  namentlich  mit  eigennamen ,  als  seinen  sy- 
rischen landsleuten  wenig  geläufigen  namen,  der  Übersetzer 
schlecht  umgegangen  ist.  Und  in  der  that  ergiebt  dies  ein 
vergleich  mit  dem  griechischen  original.  Plutarch  spricht  im 
anfange  des  capitels  von  den  Lakoniern,  der  syrische  Übersetzer 
lässt  sie  weg;  der  arzt  Hippokrates  ist  übergangen,  obgleich 
sein  urtheil,  aber  allgemeiner  gefasst,  gegeben  ist;  ein  weiser 
ist  gesagt  statt  des  redners  C.  Gracchus,  die  verse  aus  Aesch  y- 


Nr.  11.  Kleine  philologische  zeitung.  571 

lus  Proraeth.  574.  75  fehlen  ganz;  was  von  der  Athene  er- 
zählt wird,  geschah  irgend  einem  ungenannten  flötenspieler  •,  im 
cap.  IX  ist  der  könig  Antigonus  zum  könige  Autiochus  gewor- 
den u.  s.  w.  —  Bei  solcher  Übersetzung  kann  man  doch  nur 
noch  von  Überarbeitung  und  Umarbeitung  sprechen.  Bücheier 
giebt  nun  zunächst  den  inhalt  der  schrift  Tteni  uGxr'jaswg  kurz 
an,  der  eingang  derselben  fehlt;  zeigt,  dass  sie,  wie  auch  unter 
der  schrift  steht,  eine  rede  und  zwar  an  römische  Jünglinge  ge- 
wesen sei;  auch  giebt  die  Überschrift  an,  dass  ein  philosoph  sie 
geschrieben  habe;  allein  die  flüchtige  kürze  der  gedanken,  das 
haschen  nach  interessantem  und  unterhaltendem  zeigt  einen 
oberflächlichen  Sophisten  als  autor  oder  bearbeiter.  Auf  Plu- 
tarch's  rechnung  darf  die  schrift  nicht  gesetzt  werden,  trotz 
der  unterschritt.  Zwar  finden  sich  im  catalog  des  Lam- 
prias ähnliche  büchertitel,  eine  schrift  negi  äa-Atjcecog  giebt  es 
aber  auch  dort  nicht;  denn  so  muss  die  Überschrift  gelautet  ha- 
ben. Manches  in  der  rede  ist  nach  Plutarch  gearbeitet  und 
auch  ihm  ähnlich ;  aber  Plutarch  konnte  nicht  schreiben ,  wie 
Bücheier  richtig  zeigt,  dass  Perikles  nach  der  schlacht  bei  Ku- 
naxa  gestorben  sei.  Die  abfassungszeit  ist  aber  nicht  viel  spä- 
ter als  Plutarchs  lebenszeit  zu  setzen,  das  zeigen  sitten  und 
zustände,  die  darin  geschildert  werden.  Den  schluss  der  schrift 
bildet  die  Übersetzung  der  rede  ntol  aaxtjascog  aus  dem  syri- 
schen, mit  anmerkungen  von  Bücheier.  H.  H. 

Bei  Bretscbneider  in  Marienburg  ist  erschienen :  säcular- 
feier  des  gymnasiums  zu  Marienburg,  gefeiert  am  9.  Sep- 
tember 1872:  21/«  gr. :  philologisches  ist  nicht  darin. 

Aus  London.  Der  grosse  vorläufige  katalog  der  hand- 
schriften  im  britischen  Museum  wird  wahrscheinlich  zu  weih- 
nachteu  d.  j.  fertig.  Der  aufseher  Bond,  hat  mit  seinen  leu- 
ten  sieben  jähre  daran  gearbeitet. 

Ueber  einen  rechtshandel  zwischen  Napoleon  III  und  Henri 
Plön,  dem  Verleger  von  der  histoire  de  Iules  Cesar  des  erstem 
berichtet  die  Allg.  Milit.  Ztg.  folgendes :  Plön  hatte  auf  eigne 
kosten  und  gefahr  den  verlag  des  Werkes  übernommen  und  für 
das  Verlagsrecht  an  den  kaiser  192000  frcs  —  ein  hübsches 
honorar! —  gezahlt.  Die  höhe  der  aufläge  ist  unbekannt;  aber 
30000  expl.  sollen  nicht  verkauft  sein ,  ausserdem  montagnes  de 
cartes  et  de  plans.  Der  vertrag  enthielt  jedoch  die  clausel,  dass 
der  autor  in  dem  falle  ,  dass  seine  arbeit  unterbrochen  oder  er 
sie  nicht  vollenden  werde,  für  einen  bestimmten  preis  die  nicht 
verkauften  exemplare  übernehmen  und  die  herstellungskosten  de- 
cken müsse.  Darauf  gestützt  klagt  nun  der  Verleger,  da  bd.  2 
schon  vor  sieben  jähren  erschienen  und  der  absatz  des  unvollen- 
deten werkes  ein  äusserst  geringer  gewesen  sei.  Der  kaiser 
will  sich  aber  auf  nichts  einlassen  und  so  muss  ein  richterspruch 
die  sache  entscheiden. 


572  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  11. 

Otto  Janke  in  Berlin  hat  für  seine  thätigkeit  in  der 
freiwilligen  krankenpflege  im  letzten  kriege  orden  vom  deut- 
schen kaiser,  von  den  königen  von  Sachsen  und  Würtemberg 
und  vom  grossherzog  von  Baden  erhalten. 

Einen  prospectus  folgenden  werkes  versendet  Ernst  Flei- 
scher: Geschichte  der  schrift  und  des  schriftthums  von  den 
rohen  anfangen  des  Schreibens  in  der  tatuirung  bis  zur  legung 
elektromagnetischer  drahte,  von  Heinrich  Wuttke.  Der 
vrf.  sagt  in  der  vorrede :  „ich  habe  mich  bemüht ,  den  gegen- 
ständ dieses  buchs  so  einfach,  klar  und  fasslich  zu  behandeln, 
dass  jeder  nur  einigermassen  gebildete  es  lesen  und  verstehen 
kann:  der  literarische  apparat  ist  einem  beibande  vorbehalten". 
Wir  verfehlen  nicht  schon  hier  auf  dies  äusserst  wichtige  werk 
aufmerksam  zu  machen. 

In  Berlin  erschien  bei  Ernst  &  Korn:  „von  dem  berli- 
ner museum.  Eine  berichtigung  an  A.  Conze  in  Wien  von 
Karl  Bötticher:  22  s.  16:"  bezieht  sich  auf  den  ob.  n.  7, 
p.  384  erwähnten  aufsatz  Conze's:  es  vertheidigt  sich  Böt- 
ticher auf  treffende  weise  gegen  die  gegen  ihn  erhobenen 
anschuldigungen :  das  äusserst  pikant  geschriebene  büchlein 
schliesst  mit  den  Worten:  „doch  will  ich  .  .  .  ihm  (Conze'n) 
zum  Schlüsse  auch  für  alles  was  er  in  dem  eigenartigen  seiner 
spräche  über  meine  aufstellung  und  deren  catalog  gesagt ,  wie 
über  meinen  verfehlten  beruf  zur  Verwaltung  der  sculpturen- 
sammlung  des  museum  in  so  dreist  naiver  weise  geurtheilt  hat, 
meine  ganze  und  volle  befriedigung  ausdrücken:  denn  es  erin- 
nert das  alles,  wort  für  wort,  an  die  hübsche  Wahrnehmung  Gö- 
the's:  „wo  anmassung  mir  wohlgefällt?  An  kindern!  Ihnen 
gehört  die  weit! " 

Es  geht  uns  auf  einem  besondern  bogen  eine  art  anzeige 
des  buches  zu :  „die  geburt  der  tragödie  aus  dem  geiste  der  mu- 
sik.  Von  Fr.  Nietzsche.  8.  Leipzig.  Fritzsche.  1872":  es 
beginnt  zunächst  mit  der  klage,  dem  Vorwurf,  dass  das  buch 
noch  nicht  besprochen  sei  und  legt  dann  die  grundgedanken 
desselben  in  begeisterter  spräche  dar :  dabei  giebt  der  vrf.  sich 
als  Verehrer  der  philosophie  A.  Schopenhauer's  und  der  musik 
E.  Wagner's  zu  erkennen :  er  steht  also  mit  Nietzsche  auf  glei- 
cher grundlage.  Der  im  anfange  erwähnte  Vorwurf  ist  übrigens 
ungerecht:  derartige  bücher  wollen  studirt  sein  und  ausserdem 
ist  es  jetzt  ungemein  schwer  grade  für  derartige  ersch einungen 
gelehrte  und  unparteiische  beurtheiler  zu  finden. 

Nach  Staats- Anz.  nr.  193  bestätigt  sich  die  ansieht,  bei 
Stade  (im  alten  lande)  seien  reste  von  pfahlbauten  zu  tage 
gekommen,  nicht. 

Nach  englischen  quellen  giebt  Staats- Anz.  v.  14.  sept. 
nr.  218  beil.  1  eine  genaue  beschreibung  eines  in  der  grafschaft 
York  erhaltenen  Druidentempels. 


Nr.  11.  Kleine  philologische  zeitung.  573 

Göttingen.  Es  ist  gewiss  kein  ungünstiges  zeichen  der 
Stellung ,  welche  die  Universität  Göttingen  einnimmt ,  dass  am 
ende  des  sommer  -  Semesters  acht  privatdocenten,  von  denen  die 
mehrzahl  der  philosophischen  facultät  angehört,  als  professoren 
an  andre  Universitäten  und  höhere  wissenschaftliche  anstalten 
berufen  sind ;  die  grundsätze  sowohl,  welche  die  facultäten  beim 
doctor  -  examen  und  für  die  habilitation  leiten ,  erscheinen  als 
durchaus  der  sache  angemessen,  als  auch  die  professoren  der 
förderung  jüngerer  wissenschaftlicher  krafte  auf  echt  humane 
weise  beflissen  und  geneigt.  Die  abgegangenen  verzeichnet  die 
Augsb.  Allg.  Ztg.  nr.   239. 

Coburg,  29.  august:  Hünengräber  in  grosser  anzahl 
sind  bei  dem  dorfe  Mirsdorf  entdeckt:  ähnliches  auf  Sylt,  worü- 
ber s.  Staats.-Anz.  nr.  221  beil.   1. 

Der  Staats  Anz.  vom  29.  aug.  nr.  203  beil.  1  berichtet 
nach  der  National-Ztg.  über  die  ausgrabungen  des  Dr  S ch He- 
rn ann  in  Troja.  Darnach  stiess  Schliemann  am  19.  juli  in  10 
meter  oder  33  fuss  tiefe  auf  die  kolossale  trojanische  mauer, 
deren  bau  Homer  dem  Neptun  und  dem  Apollo  zuschreibt 
(Ilias  VH,  452  —  453);  sie  ist  von  mehr  oder  weniger  behaue- 
nen,  mit  erde  zusammengesetzten  steinen  erbaut,  die  so  gelegt 
sind,  dass  sowohl  die  aussenseite,  welche  unter  einem  winkel 
von  70  —  75  grad  hinabläuft,  als  auch  die  innenseite,  welche  senk- 
recht ist,  ein  ziemlich  glattes  ansehen  haben.  Sie  ist  oben  auf 
der  Westseite  372,  auf  der  ostseite  4  meter  breit  und  scheint 
bis  auf  den  urboden  hinunter  zu  gehen.  Ihre  zunehmende 
breite  an  der  ostseite  lässt  vermuthen,  dass  in  ganz  geringer 
entfernung  vielleicht  nach  einigen  schritten,  das  thor  ist ,  wel- 
ches von  der  Stadt  nach  der  akropolis  führte.  Dr  Schliemann 
arbeitet  schon  seit  1.  april,  im  anfang  mit  nur  100,  darauf  mit 
126  und  jetzt,  seit  einem  monate,  mit  150  arbeitern.  Bei  der 
grabung  eines  kanals  durch  den  berg,  welcher  ihm  ausbeute  zu 
versprechen  schien  ,  stiess  er  auf  der  Südseite  in  einer  entfer- 
nung von  50  meter  oder  165  fuss  vom  abhänge  auf  die  mauer, 
welche  Laomedon  durch  die  beiden  götter  bauen  Hess.  Näch- 
sten märz  will  er  die  ausgrabungen  in  grossem  maassstabe  fort- 
setzen und  dann  vor  allen  dingen  die  mauer  der  akropolis  und 
ihren  Zusammenhang  mit  der  grossen  Stadtmauer  erforschen. 
Zahlreiche  stücken  terra  cotta  in  form  des  vulkans  und  des 
carousels,  die  mit  den  verschiedenartigsten  religiösen  Symbolen 
bedeckt  sind ,  auch  andere  mannigfaltige  tüpferarbeit  hat  die 
ausgrabung  zu  tage  gefördert.  Gleichzeitig  gräbt  derselbe  auch 
die  baustelle  des  Apollotempels  bis  zum  urboden  ab,  der  dort 
aber  nur  in  21  meter  oder  70  fuss  tiefe  zu  sein  scheint;  er 
fand  daselbst  einen  herrlichen  bearbeiteten  marmorblock,  der 
den  Phöbus  Apollo  mit  vier  unsterblichen  pferden  darstellt  und 
aus   der   zeit   des  Lysimachus    zu   sein  scheint.  —     Der  zweite 


574  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  11, 

brief  vom  31  juli  meldet,  dass  die  mauer  zu  einem  grossen 
thurm  gehöre,  dessen  breite  40  fuss  ist  und  dessen  länge  er 
noch  nicht  habe  ermitteln  können.  Der  ihurm  sei  in  16  meter 
oder  53  fuss  tiefe  auf  dem  fels  gebaut.  Jedenfalls  vermuthe  er, 
dass  dies  der  (ifyag  nvQyo^  'iXiöv  sei,  den  Homer  (II.  VI,  386) 
erwähnt.  An  der  nordseite  habe  er  bei  der  tempelausgrabung 
eine  gewaltige  mauer  entdeckt,  die  jetzt  50  meter  vom  abhänge 
des  berges  entfernt  ist,  einst  aber  auf  dem  abhänge  des  berges 
selbst  gebaut  war,  wie  es  deutlich  die  Schutthaufen  beweisen. 
Von  dieser  mauer  und  vom  grossen  thurme  aus  sei  es  leicht 
sämmtliche  ringmauern  Iliums  bloszulegen.  Die  leitung  der 
ausgrabung  des  thurms  werde  ihn  noch  vier  wochen  beschäf- 
tigen. —  Im  September  fand  Schliemann  in  14.  meter  tiefe  das 
vollständige  gerippe  einer  Trojanerin  (?)  mit  ihren  goldnen 
Schmucksachen.  Wichtig  sollen  namentlich  sein  die  in  masse 
vorgefundenen  terracotten  mit  vorhistorischen  Symbolen:  nur 
das  museum  in  Parma  soll  bis  jetzt  zwei  exemplare  dieser  art 
besitzen:  Staats- Anz.  v.  14.  octob.  nr.   243. 

Magdeburg,    5.  sept.     Beim  umbau  der  pionier-caserne 
ist  das  wappen  der  brauer-  und  bäckerinnung  Magdeburgs  blos- 
gelegt,    welches  folgende  vom    rector    der  altstädtischen  schule, 
Daniel  Clasen  (1648 — 1660)  verfasste  inschrift  trägt: 
Hie  antiqua  domus  flammis  exusta  nefandis, 

Urbe  sub  hostili  sie  pereunte  manu, 
Stat  reparata  uovis  saxis ;  fatoque  benigno 

Gaudia  fert  tedis  priscaque  iura  tenet. 
In  serös  annos  renovata  haec  teeta  perennent 
Et  pacis  fruetus  sentiat  aequa  tribus: 
Staats-Anz.  nr.  211  beil.  1. —  Ob,  wenn  jetzt  eine  gilde  ihr  Wap- 
pen aufstellte,    eine    lateinische    aufschrift   irgendwer   verlangen 
würde? 

Frankfurt  a.  M.  5.  sept.  Vortrag  des  prof.  Becker 
im  verein  für  gesch.  und  alterthumskunde  über  die  ausgrabun- 
gen  an  der  Saal  bürg  [Artaunon  bei  Ptolem.) :  genaueres  giebt 
Staats-Anz.  nr.  213. 

Rom,  12.  sept.  Unweit  der  Phokassäule  ward  ein  gro- 
sses fragment  einer  balustrade  ausgegraben,  welche  wahrschein- 
lich die  umhegung  des  areals  mitbildete,  wo  das  volk  die  rostra 
zu  umstehen  pflegte.  Ihre  reliefs  stellen  auf  der  einen  seite 
suovetaurilienopfer  dar;  auf  der  kehrseite  erscheinen  drei  Seiten 
des  forum  mit  allen  seinen  gebäuden:  der  tempel  des  Vespasian 
fehlt,  anderes,  wie  auch  die  rednerbühne  mit  den  rostris  tritt 
deutlich  hervor;  in  einem  andern  theile  der  reliefs  erscheinen 
sclaven  mit  bücherrollen,  wie  es  scheint,  um  sie  zu  verbrennen. 
Das  ganze  scheint  aus  der  besten  zeit  der  römischen  kunst  zu 
stammen.  Augsb.  Allg.  Ztg.  n.  260.  261.  Staats-Anz.  207 
beil.  1,  216  beil.   1,  227,  beil.  1:  nach  ebendas.  nr.  228  beil.  1 


Nr.  11.  Kleine  philologische  zeitung.  575 

wird  die  städtische  archäologische  commission  in  Rom  hald  nä- 
heres darüber  veröffentlichen. 

Unter  leitung  des  naturforschers  Baiern  finden  auf  dem 
Kaukasus  nachgiabungeu  statt.  Nach  russischen  angaben  hat 
man  daselbst  einen  silbernen  pokal  aus  s.  IV  vor  Chr.  gefun- 
den mit  trefflich  gearbeiteten  Ornamenten,  die  thaten  des  He- 
rakles darstellend,  ferner  einen  ring  mit  dem  bilde  der  Kal- 
liope,  eine  thränenschale,  eine  Steinplatte  mit  altphouizischer  in- 
schrift  u.  s.  w.:  Staats-Anz.  nr.226  beil.  1:  vrgl.  nr.251,  beil.  1. 

Rom,  30.  september.  Auf  der  Strasse  von  San  Giovanni 
Laterano  in  Rom  hat  man  unter  den  fundamenten  eines  bauses 
einen  grabcippus  und  bei  den  ausgrabungen  am  castro  Pretorio 
in  der  ehemaligen  villa  Capranisa  ein  schönes  buntes  mosaik 
entdeckt.  Auf  der  Strasse  nach  porta  San  Lorenzo  hat  man 
auch  ein  stück  mosaik  gefunden:  es  enthält  den  plan  einiger 
römischer  thermen.      Staats-Anz.   n.   239. 

Trier,  24.  sept. :  daselbst  ist  ein  antiker  steinsarg  mit 
ziemlich  erhaltenem  skelett  gefunden:  Staats-Anz.  nr.  232   beil.  1. 

Aus  dem  „Dresdener  Anzeiger"  druckt  Börsenbl.  v.  2.  oct. 
nr.  260  einen  artikel  ab,  in  dem  mit  worten  des  früheren 
staatsrechtslehrers  Zachariae  in  Heidelberg  vor  der  anschaffung 
von  büchern  gewarnt  wird:  das  Börsenblatt  fügt  eine  spöttische 
bemerkung  hinzu.  Aber  die  Verleger  sollten  doch  nicht  ohne 
weiteres  darüber  weggehen,  da  der  artikel  trotz  seiner  Verkehrt- 
heit doch  jetzt  noch  vielfach  anklang  finden  wird.  Man  be- 
denkt sich  jetzt  sehr  in  gewissen  zweigen  der  philologischen  li- 
teratur  mit  ankauf  der  bücher,  wegen  des  offenbaren  missbruachs, 
der  mit  —  neuen  auflagen  getrieben  wird.  Vrgl.  Philol.  Anz. 
II,  3,  p.  170. 

Terni,  5.  oct.  Unsre  Stadt  hat  eine  subscription  eröff- 
net, um  dem  historiker  Cornelius  Tacitus,  der  daselbst 
54  p.  Cb.  geboren,  ein  denkmal  zu  errichten.  —  Man  sieht 
hier  von  neuem,  wie  schwer  es  hält,  alte  auf  Patriotismus  be- 
ruhende fehler  auszurotten:  Tacitus  ist  weder  54  p.  Ch.  noch 
zu  Terni  geboren;  die  deutschen  Untersuchungen  kennt  man  in 
Terni  nicht. 

Vom  monat  november  ab  wird  in  Tiflis  ein  archäologi- 
sches, historisches  und  bibliographisches  Journal  unter  dem  titel 
„das  kaukasische  alterthum"  erscheinen,  zu  dessen  hauptzwecken 
die  erhaltung  der  denkmäler  der  Vergangenheit  gehört. 

AUSZUEGE  aus  Zeitschriften.  Augsburger  allgemeine  zeitung :  nr. 
240 :  das  wiedererwachen  philologischer  Studien  in  Italien :  was  dafür 
angeführt  wird,  ist  aber  nicht  von  weitgreifender  bedeutung.  —  Nr.  242: 
altrömische  votivtafel  in  Frankfurt  a.  M.  gefunden:  sie  stammt  ausCom- 
modus  zeit.  —  Nr.  243 :  ausgrabungen  in  Rom  :  anmeutlich  wichtig  ein 
peperinsarg,  der  aus  der  zeit  des  Servius  Tullius  stammen  soll.  —  Beil. 


576  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  11. 

zu  nr.  243:  christliche  alterthümer  in  Rom.  —  Nr.  243:  zu  Petri 
Romfahrt.  —  Beil.  zu  nr.  243:  das  alte  Rätien;  anschliessend  an 
das  buch  gleichen  titeis  von  Planta,  Berlin.  Weidmann.  —  Der  grosse 
papyrus  Harris:  anschliessend  an  das  buch  von Eisenlohr  gleichen  titeis: 
man  darf  aber  den  angegebenen  resultaten  nicht  sofort  trauen:  nament- 
lich was  über  Moses  gesagt  wird,  ist  sehr  vorsichtig  zu  behandeln: 
s.  ob.  nr.  9,  p.  475.  —  Beil.  zu  nr.  249:  die  Universität  Oxford  und 
ihr  geschenk  an  die  universitäts  -  bibliothek  zu  Strassburg:  ausführli- 
ches über  das  ob.  n.  10,  p.  523  gesagte.  —  Beil.  zu  nr.  248  flg.:  Hil- 
lebrand,  Frankreich  und  die  Franzosen.  —  N.  253:  weitere  fünde 
von  alterthümern  in  Konstanz:  s.  ob.  n.  10,  p.  528.  —  Zu  Königs- 
felden  (Aargau)  ist  eine  inschrift  gefunden ,  die  ausser  anderm  bestä- 
tigt, dass  hier,  in  Vindonissa,  ein  tempel  des  Jupiter  gewesen. —  Nr. 
260:  ausgrabungen  in  Rom:  s.  ob.  p.  575.  —  Nr.  262:  gräberfund 
in  Naumburg  a.  d.  S.  —  Nr.  263:  Steinhart  f  am  9.  aug. :  bemer- 
kungen  über  ihn.  —  Beil.  zu  nr.  264:  archäologenversammlung  in 
Darmstadt:  die  Verhandlungen  beziehen  sich  nur  auf  die  neuere 
kunst.  —  Beil.  zu  nr.  278:  artistisches  aus  Italien:  bezieht  sich  auf 
neuere  kunst.  —  Beil.  zu  nr.  277.  278:  Hückel's  natürliche  Schö- 
pfungsgeschichte. —  Beil.  zu  nr.  278:  Stimmungsbilder  aus  Berlin. 
—  Nr.  281 :  zur  erinnerung  an  Fr.  Ad.  Trendelenburg :  schliesst  an 
den  vortrefflichen  Vortrag  von  Hermann  Bonitz  an.  —  Beil.  zu  nr. 
283.  284.  285.  286.  nach  dem  griechischen  Orient.  Von  B.  Stark.  V. 
Acht  tage  am  Bosporus:  wird  jetzt  philologisch  reichhaltiger:  so  wird 
von  den  geschichtlichen  epochen  von  Byzanz  gesprochen ,  von  dem 
ersten  museum  der  alterthümer,  von  der  schlangensäule ,  die  einge- 
hend besprochen  wird.  —  Beil.  zu  nr.  284:  Gervinus.  —  Beil.  zu 
nr.  286:  die  censur  in  Russland. 

Zarncke1  s  literarisches  centralblatt ,  nr.  27:  Pohjbii  histortac  ed. 
Fr.  Hu  lisch.  Vol.  III  et  TV.  Berlin.  Weidmann:  anzeige. —  Jtd. 
Jolly,  ein  kapitel  der  vergleichenden  syntax.  Der  conjunctiv  und  Opta- 
tiv und  die  nebensätze  im  Zend  und  Altpersischen  im  vergleich  mit  dem 
sanskrit und  griechischen.  8.  München.  Ackermann:  eingehende  und  vie- 
les vermissende  anzeige  von  Cl.  —  J.  H.  Krause,  die  Musen,  Grazien, 
Hören  und  Nymphen  mit  betrachtung  der  flussgötter  in  philologischer, 
mythisch -religiöser  und  kunstarchäologischer  beziehung  aus  den  schrift- 
und  bildwerken  des  alterthums  dargestellt.  8.  Halle.  Schwetschke: 
anzeige  von  Bu,  die  das  buch  als  ein  durchaus  misslungenes  bezeich- 
net. —  J.  Haupt,  die  dakische  königs-  und  tempelburg  auf  der 
columna  Trajana,  4.  Wien.  1870 :  anzeige  von  E.  S.,  die  den  freun- 
den einer  erheiternden  lectüre  das  buch  wegen  seiner  Verkehrtheit 
empfiehlt.  —  H.  Hoher,  der  hildesheimer  antike  silberfund.  8. 
Hildesheim.  1870:  anzeige  von  Bu,  die  einzelnes  tadelt,  sonst  vrgl. 
Philol.  Anz.  III,  n.  8,  p.  303. 

Druckfehler:  heft  10,  p.  497  z.  6  v.  u.  lies:  rjoifict  xaraxctov- 
rts  p.  508  z.  16  v.  o.  lies:  schrift-  und  p.  509  z.  2  v.  o.  lies: 
im  rücken  der  p.  512  z.  12  v.  o.  lies:  scenen  -  Seiten  würde  p. 
514  z.  17  v.  o.  lies:   giebt,   wenn  es  richtig  heft  11,  p.  530  z. 

22  v.  o.  lies:  blieben  p.  530  z.  33  v.  o.  lies:  neiguugen  des  p. 
531  z.  17  v.  o.  lies:  die  leser  auf  p.  531  z.  24  v.  o.  lies:  aus  prak- 
tischen p.  531  z.  3  v.  u.  lies:  selbst  in  p.  534  z.  8  v.  o.  lies: 
nach  feineren  unter-  p.  535  z.  8  v.  o.  lies:  vergleichende  philoso- 
phische p.  535  z.  14  v.  o.  lies:  Dieser  geniale  plan  p.  535  z. 
10  v.  u.  lies:  das  lateinschreiben  nicht  p.  536  z.  12  v.  o.  lies: 
trolieren 


ffr.  12.  December  1878. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben   als   ergänzung  des  Philologus 


von 

Ernst  von  Leutsch. 


352.    Stein,    de  Atlante  Homerico  et  Aeschyleo.      Pro- 
gramm von  Oppeln  1871. 

Der  Verfasser  bespricht  zuerst  die  stelle  Odyss.  «,  52  ffl. : 
"AtXavzog  &vya.Ti}Q  oXoöqtgovog  ooie  &uXa.GC?]g 
tzda^g  ßev&sa  oldev,  e%ei  8s  ts  xiovag  avtog 
fiaxgcig  al  yaiav  rs  y.al  ovgavov  dfiqiig  'iypvGiv, 
und  folgt  nach  Verwerfung  anderer  ansichten  der  von  Butt- 
mann Lexil.  II,  219  gegebenen  erklärung:  die  säulen  trennen 
himmel  und  erde,  indem  ihre  spitze  an  jenem,  ihr  fusspunkt  an 
dieser  anstösst.  Statt  sich  hierbei  zu  beruhigen,  führt  Stein 
die  Untersuchung  weiter  und  verfällt  auf  die  spitzfindige  frage, 
wie  es  möglich  sei,  dass  Atlas  nicht  nur  eine,  sondern  sogar 
mehrere  säulen  trage.  Wie  es  denjenigen  zu  ergehen  pflegt, 
die  das  der  phantasie  des  dichters  vorschwebende  bild  zu  re- 
construiren  suchen,  was  eben  in  den  meisten  fällen  gar  nicht 
möglich  ist,  so  auch  dem  genannten  Verfasser:  er  nimmt  zu  ge- 
wagten hypotbesen  seine  Zuflucht  und  beweist  zuletzt  nichts. 
Er  behauptet  nämlich ,  Atlas  sei  im  homerischen  Zeitalter  ein 
meergott  gewesen  und  folgert  dies  aus  dem  epitheton  bXoöqjQav, 
wie  auch  Proteus  in  Od.  8,  357  oloym'a  sldcog  genannt  werde, 
so  wie  aus  den  worten:  „der  die  tiefen  des  ganzen  meeres 
kennt".  So  wie  nun  Neptun  yau'joyog  heisse,  weil  das  meer  die 
erde  umspanne,  so  trage  Atlas,  ein  mächtiger  meergott,  das 
schwere  gewicht  der  erde  und  zugleich  die  zum  himmel  stre- 
benden säulen.  Dies  kommt  von  der  verkehrten  auffassung 
des  wortes  8%ei.  Die  Sachlage  ist  eine  andere :  zunächst  hält 
oder  trägt  Atlas  nicht  die  säulen  (deren  er  übrigens  recht  gut  zwei 
oder  mehr  tragen  könnte,  da  der  dichter  körper  und  hände  des 
Philol.  Anz.  IV.  37 


578  353.  Euripides.  Nr.  12. 

riesen  sich  ja  beliebig  gross  denken  kann),  sondern  er  hat 
sie  als  etwas  ihm  zugetheiltes  oder  zukommendes  (s.  Ameis  zu 
der  stelle)  unter  sich ,  beherrscht  und  besorgt  sie ;  zweitens 
kennt  er  die  tiefen  des  meeres ,  weil  sein  fuss  ins  meer  taucht, 
weil  er  bei  seiner  grosse  recht  gut  ins  meer  treten  kann. 

Nach  einer  kuzen  abschweifung   auf  Hesiod  geht  Stein  zu 
Aesch.  Prom.  347 : 

btzsi  fxs  xal  y.aaiyvtjzov  zv%ai 
vitoova'  'AzXavzog,  og  noog  iantQOvg  zönovg 

iaTtJXS    HIOV1    OVQCtVOV    ZS    x«!    %&ovbg 

afxoig  eQtidcoVj  u%&og  ovx  eläyxaXov, 
an  welcher    stelle  Atlas    blos    eine    säule    trägt   und    mit   dem 
meere  nichts    zu    thun  hat.     Zur    vergleichung    zieht    er    heran 
trotz  des  schwankenden  textes  ibid.  v.  427: 
eldopav  &sdv  j4zXav&' 

og  aisv  vniqoyipv  a&svog  xouTaiov 

ovodviov  ze  nöXov  vcözotg  vnoGzeyd^si. 
und  deutet  die  darstellung  des  Aeschylos  allegorisch,  vom 
berge  Atlas.  In  a&svog  xQuzaiöv  sieht  Stein  mit  Schneider  „die 
säule,  die  Atlas  auf  den  schultern  trägt"  =  den  berg.  Dazu 
passt  recht  gut  vjzeQo^og,  emporragend-,  noXog  ist  die  auf  der 
axe  ruhende  last  ==  himmel.  Also  bedeuten  die  worte  nichts 
anderes  als :  Atlas  trägt  auf  seinen  schultern  sowohl  die  gewal- 
tige last  des  berges ,  als  auch  den  darauf  gestützten  himmel ; 
er  selbst  liegt  unter  dem  riesigen  bau  etwa  so  wie  Enceladus 
unter  dem  Aetna.     Die  bei  Aeschylos  folgenden  worte: 

ßoa  de   novziog  xXvdav 

aviAnCzi'OJv,  azs'vsi  ßv&og, 

xsXatvog  * Atdog  ö'   vnoßQSfiei  tuv%og  yäg, 

nctyaC  z"1  uyvoQvzoov  noza/jüv  azlvovaiv  ciXyog  oix7g6v, 
beziehen   sich    dann    auf  die  nähe  des  meeres,  an  welchem   der 
riesige  Atlas  liegt.  C.  Härtung. 

353.  The  Bacchae  of  Euripides  with  a  revision  of  the 
text  and  a  commentary  by  Robert  Yel verton  Tyrrell, 
M.  A.     8.     London.  1871.     XLVH  und  93  s.  ]). 

Durch  äussere  umstände  veranlasst  hat  der  Verfasser,  wie 
er  in  der  einleitung  erzählt ,    den  Bacchen ,    einem    der  interes- 

1)  Vrgl.  ob.  n.  4,  p.  190.  —     Die  redaction. 


Nr.  12.  353.  Euripides.  579 

santesten  stücke  des  Euripides,  seit  einiger  zeit  seine  aufmerk- 
samkeit  zugewendet  und  zuletzt  gefunden,  dass  eine  sorgfältige 
ausgäbe  davon  nicht  ohne  leser  sein  werde.  Die  von  ihm  her- 
gestellte ausgäbe  ist  allerdings  geeignet,  leser  zu  finden;  sie  ist 
nicht  eine  eigentliche  Schulausgabe,  sondern  dient  rein  philolo- 
gischen zwecken.  Für  kritik  und  erklärung  bringt  der  Verfas- 
ser ein  gesundes  urtheil ,  umfassende  kenntniss  der  tragiker, 
guten  geschmack  mit.  Wenn  der  erfolg  und  das  wissenschaft- 
liche ergebniss  der  arbeit  nicbt  so  bedeutend  ist  als  man  von 
einer  solchen  ausgäbe  erwarten  möchte ,  so  liegt  die  schuld 
wohl  mehr  in  der  Schwierigkeit  der  sacbe  als  in  der  befähigung 
des  herausgcbers.  Nur  hätte  derselbe  vielleicht  weniger  an- 
spruchsvoll auftreten  dürfen.  Wenn  er  z.  b.  die  gefällige, 
wenn  auch  unnöthige  vermutbung  von  Nauck  zu  v.  856  ug 
idsvpetcsv  (für  uiai  ösuog  Jjv)  mit:  male  NaucMus ,  abfertigt,  so 
sehen  wir  uns  vergeblich  nach  einer  gleich  gefälligen  und  scharf- 
sinnigen conjektur  von  ibm  selber  um.  Bei  Nauck  ist  jenes 
nur  als  bescheidene  vermutbung  gegeben,  bei  Tyrrell  steht  z.  b. 
v.  1002  yvwfxav  oüqoov''  a&ävuzov  unQoepuoiozwg  ig  zu  &eav 
eqsv  ßgotsicüv  i'  sysiv  aXvnog  ßtog  als  emendation  im  text ,  was 
vielleicht  ausser  Tyrrell  niemand  versteht.  Derselbe  wahrt  sich 
die  Originalität  der  erfindung  von  acoq.QOp'  u&ävazov  (für  aoi- 
qiQOia  üärazog')  gegen  Matthiae,  der  dazu  sehr  richtig  bemerkt: 
quod  ego  dedi  u&urazov  ,  metro  quidem  satisfacit,  sensui  non  item. 
Nach  Tyrrell  bedeutet  yvoouav  gohqqov'1  a&avaiov  .  .  hyuv  „ha- 
ving  deeply  seated  (ineradicably  rooted)  in  the  mind  a  temperateness 
of  judgment".  Ueberhaupt  ist  die  erklärung  dieser  stelle  und 
der  folgenden  verse  ein  kunststück  in  der  Interpretation  eines 
sinnlosen  textes. 

Die  einleitung  behandelt  zuerst  die  äussere  form  des  Stückes, 
wobei  unter  anderem  der  darin  hervortrende  sinn  für  land- 
schaftsmalerei  und  naturschönheit  gut  hervorgehoben  wird. 
Dann  spricht  der  herausgeber  von  den  hülfsmitteln  der  textes- 
kritik ,  von  den  handschriften  und  der  benutzung  des  Cliristiis 
patiens  und  der  Dionysiaca  des  Nonnus  für  die  emendation. 
Derselbe  folgt  mit  recht  in  der  werthschätzung  der  beiden  hand- 
schriften der  ansieht  von  Kirchhoff  und  gibt  dem  Palatinus  den 
Vorzug  vor  dem  Florentinus.  Mit  recht  auch  findet  er  einen 
besondern   beweis    dafür  in  v.  101,    wo  der  Palatinus  &?jqotq6~ 

37* 


580  353.  Euripides.  Nr.  12. 

cpot,  der  Florentinus  üvgaocpögoi  gibt,  während  die  von  Tyrrell 
bekannt  gemachte  emendation  Aliens  Ü7]g6rgoq>ov  die  ursprüng- 
liche lesart  herstellt.  Die  bedeutung  des  Christus  patiens  für 
die  kritik  der  Bacchen,  der  Troades  und  des  Rhesus  ist  aner- 
kannt. Die  Dionysiaca  glaubt  der  Verfasser  besonders  für  die 
Herstellung  des  v.  1060,  wo  die  Überlieferung  ovn  i^iyvovfiai 
/xairddcov  Zaoi  vo&cov  lautet,  in  nutzbringender  weise  verwendet 
zu  haben.  Er  ändert  nämlich  oaoi.  rö&cov  in  oaaoiv  vo&oov  und 
betrachtet  als  bestätigung  dieser  änderung  die  stelle  des  Non- 
nus  46,  207  ju^öe  8afi.TJvai  BaoaagCScov  rsov  via  vo&aig  na\a- 
[irjaiv  idctjg.  Aber  diese  beziehung  ist  durchaus  unsicher,  ebenso 
unsicher  als  die  beziehung  von  ovgapo8go/jq}  %v).q>  Christ,  pa- 
tient.  v.  660  auf  ilxEÖgofxov  (oder  vielmehr  sXix68go(iov)  v.  1067 
(vgl.  ovgdnov  xlddor  v.  1064).  Wenn  vo&cov  richtig  ist,  so 
wird  jedenfalls  mit  Hermann  oaaoig  zu  schreiben  sein ,  da  sieb 
nur  diese  form  bei  den  tragikern  findet.  In  betreff  der  Aldina 
schliesst  sich  Tyrrell  gleichfalls  der  ansieht  von  Kirchhoff  an, 
dass  diese  ausgäbe  keine  vom  Palatinus  unahängige  bedeutung 
habe.  Nichts  desto  weniger  nimmt  er  v.  1257  den  zusatz  der 
Aldina  aoi  z1  iat)  \ko.(xo)  fi?j  coqioig  ^aigsiv  xaxoTg.  nov  'ort?;] 
auf.  Woher  soll  denn  dieser  stammen?  —  Ferner  wird  die 
religiöse  unfl  moralische  bedeutung  der  Bacchen  erörtert  und 
dabei  ein  unterschied  zwischen  dem  sokratischen  und  euripidei- 
schen  rationalismus  einerseits  und  dem  sophistischen  andrerseits 
gemacht ;  der  kämpf  gegen  den  rationalismus  in  den  Bacchen 
sei  nicht  eine  bekehrung  von  der  aufklärung  der  früheren  stücke 
und  eine  reaktion  zu  gunsten  einer  dogmatischen  Orthodoxie, 
sondern  nur  ein  kämpf  gegen  den  sophistischen  Standpunkt, 
während  der  rationalismus  der  früheren  stücke  der  sokratisch- 
euripideische  sei.  Das  ist  mehr  eine  äusserliche  construetion. 
In  Wirklichkeit  unterscheiden  sich  die  Bacchen  in  auffallender 
weise  von  den  übrigen  stücken.  —  Zuletzt  werden  noch  die 
dramatischen  personen  charakterisiert  und  die  popularität  der 
Bacchen  besprochen. 

Der  commentar  ist  in  kritische  noten ,  welche  lateinisch 
geschrieben  •  sind ,  und  erklärende  anmerkuugen  in  englischer 
spräche  getheilt.  Dabei  wird  öfters,  was  oben  lateinisch  steht, 
unten  englisch  wiederholt-,  denn  der  erklärende  commentar  ist 
von  kritischen  erörterungen  nicht  freigehalten.      Die  handschrift- 


Nr.  12.  353.  Euripides.  581 

liehen  angaben  sind  nicht  immer  genau,  z.  b.  vs.  15,  25,  32, 
192,  493  [Bgofiiog  M),  1021  (undeutlich),    1287. 

Unter  den  textverbesserungen  verdient  die  zu  v.  235  be- 
sonders hervorgehoben  zu  werden:  evoapcöp  xoptjg  (^av&oioi 
ßoorQvxoiGiv  Evoopööv  xofttjg) ,  weil  sie  der  Überlieferung  evoafiov 
nofirjp  näher  liegt  als  die  sonst  gefälligere  besserung  von  Bad- 
ham,  tvoapotg  y.opwp.  Auch  die  annähme  einer  lücke  nach 
v.  756  ist  bemerkenswerth ;  nagijv  kann  natürlich  zu  oi  yak- 
xbg  ov  oiÖygog  nicht  ergänzt  werden.  Zu  vs.  887  wird  eine 
wahrscheinliche  emendation  von  Davies  mitgetheilt:  öox«  für 
öo'|«.  Die  Veränderung  von  vuQ&tjxd  zs  tvigzov  Äidav  v.  1156 
in  vaQ&tjxd  t'  snawzov  (d.  i.  av&aCQszov)  * ' Aibav  verdient  be- 
achtung. 

Zu  v.  25,  wo  die  handschriften  fxiXog  haben,  bemerkt  Tyr- 
rell: sollicitant  editores ,  foedis  Stephani  mendaeiis  illusi,  gui  in 
Mss.  Italicis  quibusdam  ßeXog  se  invenisse  finxit.  Kirchhoff  hat 
das  gezeigt,  hat  aber  nichts  desto  weniger  ßAog  in  den  text 
gesetzt,  eben  nicht  als  handschriftliche  lesart,  "sondern  als  con- 
jektur  von  H.  Stephanus.  Und  das  mit  recht.  Tyrrell  dekre- 
tiert einfach,  dass  dvmXöXv^a  mit  doppeltem  aecusativ  verbunden 
[dvcoloXv^ct.  Ot'jßag  Ktaaivov  /.tsXog)  falsch  und  dass  xicoivov  gleich- 
bedeutend mit  Kiaatov  sei.  Das  eine  wie  das  andere  ist  nichts 
als  reine  willkür ;  ßilog  aber  ist  nothwendig.  Zudem  hat  die 
bessere  handschrift  üvqcov,  nicht  &v(joov  ;  dieses  ist  eine  cor- 
rectur,  wie  sie  in  der  anderen  handschrift  häufig  sind,  weil 
&vgaov  pikog  als  unmögliche  Verbindung  erschien.  Zu  &vqGov 
xiaaivov  ßeJ.og  vgl.  xtaoCvov  ßduzgov  (xsza  v.  363,  maairojv  &vq- 
amv  v.  710.  —  Um  zu  v.  21  f.  das  verbum  finitum  zu  gewin- 
nen hat  Tyrrell  nach  einem  Vorschlag  von  Allen  v.  54  nach 
v.  22  eingesetzt.  Gegen  diese  herstellung  erheben  sich  bedeut- 
same bedenken.  Einmal  ist  die  bemerkung:  it  gives  significance 
to  the  (otherioise  otiose)  concluding  words  of  the  previous  line,  iV 
sitjv  ifxcpavrjg  daifimv  ßgozoig ,  nicht  richtig-,  wenn  auch  v.  54 
hier  folgt,  gehört  tV  eirjv  iiMpavtjg  ßgozolg  zu  xdxsT  %OQ£vaag 
hza.  Denn  nicht  um  seine  gottheit  zu  offenbaren,  sondern  um 
seine  göttliche  natur  zu  verbergen,  hat  Dionysos,  wie  v.  50  ff. 
ausgesprochen  ist,  menschliche  gestalt  angenommen.  Nach  v. 
22  steht  also  v.  54  nicht  in  richtigem  Zusammenhang.  End- 
lich  würde  iu   lästiger  weise    derselbe  gedanke  dreimal,   v.  4, 


582  353.  Euripides.  Nr.  12. 

nach  v.  22,  v.  53  wiederkehren.  Bei  der  überlieferten  Ord- 
nung wird  das  erste  mal  die  einfache  thatsache ,  das  zweite 
mal  der  grund  dazu  angegeben.  Mit  recht  erklärt  sich  übrigens 
Tyrrell  gegen  die  Umstellung  des  v.  20 :  Piersonus ,  sequente 
Elmsleio,  v.  20  post  v.  22  transjponit ,  ineptam  tautologiam  Euri- 
pidi  obtrudens.  Das  einfachste  heilmittel  wird  die  Verwandlung 
von  %ogevöug  xal  yaraairjaug  in  %ogeva<av  xai  "/MTaat^acov  sein; 
dann  haben  wir  eine  richtige  gedankenfolge:  ,, nachdem  ich 
Asien,  wo  allenthalben  mein  dienst  besteht,  verlassen,  bin  ich 
nach  Griechenland  —  und  zwar  zuerst  nach  Theben  —  ge- 
kommen, um  auch  da  —  in  Griechenland  wie  in  Asien  —  rei- 
gen  aufzuführen  und  meinen  dienst  einzusetzen".  —  V.  209 
kann  weder  die  besserung  von  Tyrrell  8iagi&p<x>v  noch  die  von 
ihm  in  den  text  gesetzte  vermuthung  Brady's  diaioäv  richtig 
sein,  weil  ovdsv  zu  av^sa&ai  üsXsi  gehört.  —  V.  261  ist  in  klam- 
mern eingeschlossen  als  aus  v.  280  entlehnt.  Wovon  soll  dann 
der  dativ  yvvai^i  abhängig  sein?  —  V.  211  kann  /}  de  86%a 
oov  voasi  nicht  parenthetisch  stehen,  weil  es  wesentlich  zur  Ver- 
vollständigung des  gedankens  gehört.  Es  ist  also  aus  der  Al- 
dina  vocrj  aufzunehmen.  —  V.  406  entspricht  ITdcpov  #'  av 
#'  (vgl.  Matthiae)  zwar  dem  sinne,  aber  nicht  dem  metrum.  — 
V.  451  will  Tyrrell  durch  andre  interpunktion  nachhelfen: 
fiaiiea&e'  %eigriöv  tovS*  iv  ägxvaiv  yug  cor.  Abgesehen  von  der 
Stellung  von  ydg,  welche  der  Verfasser  rechtfertigen  zu  können 
glaubt,  enthält  %£igÖ3v  tnvd'1  iv  dgxvaiv  yug  xre  keine  begrün- 
dung  zu  ftaivsa&s.  Die  richtige  emendation  ist  und  bleibt  /as- 
&EO&e  %mqüv  iov& '  iv  azs.  So  haben  wir  eine  passende  be- 
gründung  und  für  die  äussere  handlung  erscheint  ein  solcher 
befehl  des  herrschers  sogar  nothwendig;  denn  Dionysos  wird 
gefesselt  hereingeführt;  die  fesseln  bleiben  (iv  dgxvaiv  ai);  die 
diener  aber ,  welche  ihn  an  der  haucl  halten ,  müssen  für  die 
Unterredung  zwischen  Pentheus  und  Dionysos  und  damit  Pen- 
theus  den  gott  von  unten  bis  oben  betrachten  kann,  zurücktre- 
ten. —  V.  506  glaubt  Tyrrell  die  keilung  der  vielbesproche- 
nen stelle:  ovx  oia&'  vti  £yg  ovo'  ogccg  ov^  oang  f7,  in  Christ. 
pat.  279:  ag  eioizi  £T/£  öeivu  raüt'  eigyuoftii'og  gefunden  zu 
haben  und  schreibt:  ag  slaizi  £$$  ovo*  ögäg  sfr'  oang  elf 
aber  einmal  ist  die  entlehnung  höchst  fraglich ;  auch  zwei- 
tens sehr  bedenklich  dem  Euripides  das  wort  eiasti  zuzuschrei- 


Nr.  12.  353.  Euripides.  583 

ben,  und  drittens  müsste  es  xov%  6gäg  für  ovS1  ogäg  heissen.  —  V. 
606  ist  gewiss  das  unnöthige  Usv&ecog^  nicht  Säpa  glossem  und 
der  vers  hat  ursprünglich  wohl  gelautet:  öiazivd^avtog  zu  8m- 
^a?'1  ein'  ay'  i^aviazazs.  Vgl.  v.  623  f.  —  V.  636  hätte 
die  evidente  änderung  von  Bothe  jjov%og  cV  ixßdg  iym  aufge- 
nommen, nicht  aber  unnütze  conjekturen  wie  sv%og  ig  ßux%ag 
ö"  aycop  vorgebracht  werden  sollen.  —  V.  787  ist  ttbi'&si  (Tyrrell 
tihcei)  richtig;  vgl.  auch  Hei.  446.  —  V.  843  ist  die  über- 
lieferte lesart  iX&ovz'  d.  i.  iXdovze  richtig,  sobald  der  vers  dem 
Pentheus  gegeben  wird,  dem  der  folgende  vers:  s^eari'  nävzri 
zo  ■f  ifibv  etTQsneg  näga,  nicht  gehört.  Entweder  müssen  also 
die  beiden  verse  umgestellt  oder  es  muss  nach  v.  842  eine 
lücke  angenommen  werden.  —  Eine  ungeschickte  änderung 
ist  v.  864  die  Verwandlung  von  degav  in  Sogar:  wirft  etwa 
auch  das  hirschkalb  sein  feil  in  die  luft?  —  Die  vermuthun- 
gen  zu  v.  913,  998,  1017  ff.,  1155,  1165  können  hier  unbe- 
achtet bleiben.  —  V.  1169  ist  ti  8s{?)  dtog&iüg  eine  zweck  - 
und  man  darf  wohl  auch  sagen  sinnlose  conjektur;  man  hat 
nur  die  wähl  zwischen  der  änderung  von  Hermann:  ti  fx1  ogo- 
■dvvetg  <»,  und  der  von  Fix:  ti  (is  &gosTg  zacV  m.  —  V.  1287 
ist  näg  sft  tjX&ev  ig  p'pa?  grammatisch  unhaltbar;  das  richtige 
iftdg  tjX&sv  (für  tjX&eg  d.  i.  rß&sv  mit  übergeschriebenem  ig)  %(• 
gag  hat  Elmsley  hergestellt. 

Eine  richtige  erklärung  wird  zu  v.  1147  tbv  xaXXivixov  % 
Sungvct.  vixfjcpogsi  gegeben  :  perhaps  it  i$  easier  to  understand  y 
as  agreeing  with  vixy  taJcen  out  of  aaXXCvixov.  —  Richtig  ist 
wohl  auch  die  erklärung  von  oaai  yvvaixeg  \aav  v.  35,  welches 
als  pleonastischer  zusatz  zu  näv  to  ß-ißv  ansgfia  betrachtet 
wird  [all  the  female  Thebens,  every  woman  of  ihem).  —  V.  327 
scheint  die  erklärung  von  ovt*  avav  zovzwv  voasTg  zu  künstlich 
und  gesucht.  —  V.  860  heisst  es:  ivazdraig,  male  Nauchius, 
Was  aber  soll  man  zu  der  Verbindung  von  iv  tiXsi  mit  yvcoos- 
tai  sagen?  —  Falsch  ist  die  meinung  von  Tyrrell,  v.  1049  sei 
ano  durch  tmesis  von  aco^ovzeg  getrennt.  —  V.  1090  soll 
rfeav  nsXeiag  K>v.vzr\z'  ov%  tjaaoveg,  nodäp  s%ovcai  avvrovoig  Sgo- 
[xrjttaci  richtig  sein  und  fyovaai  holding  their  course,  pushing  on 
heissen.  Dafür  wird  Ist  ö'  «ojd'  inzd  IlXeiddcov  ££coj>  8g6[iov  und 
die  redensart  lijoelg  s'^cov  als  beleg  angeführt!  Vielleicht  ist 
der  zweite  vers  nur  iuterpolation,  trotz  der  benutzung  im  Christ. 


584  354.  Piaton.  Nr.  12. 

patiens,  welche  z.  b.  auch  v.  716  nicht  zu  schützen  vermag, 
wie  Tyrrell  glaubt  (vgl.  dessen  eigene  bemerkungen  zu  v.  287, 
291). 

Den  schluss  der  ausgäbe  bildet  eine  kurze  beschreibung 
der  metra  und  ein  anhang  über  die  bildung  des  fünften  fusses 
im  trimeter.  Des  Porson'schen  gesetzes  wird  dabei  keine  er- 
wähnung  gethan.  Von  der  regel  ,,dass  wenn  nach  der  thesis 
des  fünften  fusses  eine  cäsur  sei ,  die  thesis  kurz  sein  müsse" 
werden  vier  ausnahmen  gestattet :  wenn  der  sinn  einen  schwer- 
fälligen rhythmus  verlange  wie  im  ersten  vers  des  Ion;  bei 
eigennamen,  z.  b.  Pers,  321 ;  wenn  die  thesis  des  fünften 
fusses  von  einem  einsilbigen  worte  gebildet  werde,  das  einen 
satz  beginnen  könne,  z.  b.  zwv  |  opyCcov;  endlich  wenn  die  ar- 
sis  des  fünften  fusses  in  einem  mehrsilbigen  worte  bestehe,  das 
nicht  fähig  sei  einen  satz  anzufangen,  besonders  in  einer  en- 
klitika,  welche  sich  mit  dem  vorausgehenden  worte  innig  ver- 
knüpfe.   Diese  bestimmungen  dürften  die  sache  nicht  erschöpfen. 

W. 

354.  H.  Kirchstein,  über  Platon's  Protagoras.  Pro- 
gramm der  höheren  bürgerschule  zu  Gumbinnen  1871.  4. 
18  Seiten. 

Es  wird  der  gedankengang  des  platonischen  dialogs  ent- 
wickelt, und  dabei  werden,  weil  die  erzählung  so  vollendet  dra- 
matisch ist ,  die  kunstausdrücke  der  dramatischen  abtheilun- 
gen  angewendet,  also:  prologos  310a — 314c,  parodos  314c  — 
316a,  erstes  epeisodion)  316a— 328d  u. s.w.  Kann  man  auch 
über  einzelnes  anderer  meinung  sein  als  der  Verfasser,  (z.  b. 
über  die  auffassung  von  335d — 338e  als  stasimon),  so  ist  die 
gliederung  des  dialogs  ja  durchsichtig  genug;  wir  haben  wie  in 
einem  drama  sieben  theile,  deren  Verhältnis  zu  einander  die 
schönste  harmonie  zeigt.  Der  tragische  held  ist  Protagoras, 
der  im  ersten  epeisodion  auf  seiner  höchsten  höhe  gezeigt  wird, 
im  letzten  (351b — 360e)  „zusammengesunken  und  sprachlos 
dasitzt,  ein  ergreifendes,  furcht  und  mitleid  erregendes  bild  ge- 
brochener grosse". 

Bei  dieser  gelegenheit  sei  eine  bemerkung  zu  einer  stelle 
des  Simonideischen  gedichtes  gestattet.  Sauppe  sowohl  wie 
Deuschle  u.  a.  finden  in  den  Worten:  «rettf'  vph  evQmr  anayyt- 


Nr.  12.  355.  Horatius.  585 

Xtca  (345c)  „einen  humoristischen  zusatz",  „ein  scherzhaftes  ver- 
sprechen". Muss  aber  nicht  ein  erklärer  auch  hinzufügen,  dass, 
was  den  sehnsüchtigen  heiden  eine  angaxzog  einig  war,  zu  fin- 
den den  TTuvaficofxov  äv&Qoanov,  für  uns  Christen  durch  das  svay- 
yiliov  herrlich  erfüllt  worden  ist,  oder  liegt  diese  beziehung  so 
nahe,  dass  sie  noch  keinem  ausleger  entgangen  ist? 

S. 

355.  H.  Runge,  zur  kritik  und  erklärung  einiger  öden 
des  Horaz.  Programm  des  rathsgymnasium  zu  Osnabrück 
1871.  10  s.     4. 

Der  verf.  behandelt  C.  I,  2.  II,  13  und  14  und  wendet 
sich  gegen  die  von  Lehrs  geübte  kritik ,  indem  er  die  wesent- 
lich aesthetischen  ausstellungen  desselben  mit  gleicher  waffe  be- 
kämpft. Am  eingehendsten  und  nicht  ohne  Scharfsinn  ist 
I,  2  behandelt,  in  welcher  auch  v.  9—12  als  horazisch  ange- 
sprochen werden.  Dafür  hätte  die  bekannte  Ovidstelle  mehr 
ausgebeutet  und  Kiessling's  Horat.  kleinigkeiten  benutzt  wer- 
den können.  II,  13  sucht  der  verf.  Italum  robur  als  „die  un- 
erschütterlich ausdauernde  kraft  des  italischen  fussvolkes"  zu 
retten,  und  will  darum  cateias  für  catenas  lesen.  Aber  abge- 
sehen davon,  dass  cateias  kein  lateinisches  wort  ist,  wie  es  hier 
doch  ganz  nothwendig  erfordert  wird,  hätten  stellen  wie  daret 
ut  catenis  Fatale  monstrum,  me  pater  saevis  oneret  catenis  und  na- 
mentlich Cantaber  sera  domitus  catena  gegen  eine  solche  ände- 
rung  bedenken  einflössen  sollen;  auch  würde  Horatius  schwer- 
lich Italum  robur  vom  italischen  fussvolk  gesagt  haben  (in 
den  öden  findet  sich  nur  in  der  Verbindung  per  quas  Latinum 
nomen  et  Italae  Crevere  vires  Italus  analog  gebraucht) ,  sondern 
Marsa  cohors  oder  ähnliche.  Es  wird  also  wohl  bei  der  ge- 
wöhnlichen erklärung  von  robur  sein  bewenden  behalten  müssen. 
Auch  die  schlussstrophe  II,  14  sucht  der  verf.  mit  recht  als 
horazisch  zu  halten ;  der  gedanke  ist  offenbar :  für  dich  ist  nach 
dem  tode  alles  irdische  gut  verloren,  das  bekommt  dein  erbe. 
Dagegen  wird  man  nicht  mit  der  auffassung  von  dignior  ein- 
verstanden sein,  das  entweder  ironische  bedeutung  haben  oder 
in  dignius  geändert  werden  soll.  Denn  —  abgesehen  von  der 
unzulässigkeit  der  ironie  an  sich,  für  die  ich  mich  auf  kein  wei- 
teres beispiel  besinne  als  das  weit  leichtere  und  schalkhafte  in~ 


586  356.  Cornelius  Nepos.  Nr.  12. 


III,  27.  71  —  kommt  im  moralischen  sinne  dignus  nur 
in  den  Sermonen  und  Episteln  vor,  gerade  so  wie  rectius  II,  10,  1, 
obwohl  recht  eigentlich  der  stoischen  lehre  entnommen,  doch 
„glücklich"  heisst,  und  kann  schon  darum  nicht  =  indignior  ste- 
hen, sodann  würde  dignior  =  indignior  der  strophe  den  mit 
recht  vom  verf.  bestrittenen  sinn,  dass  sie  zum  lebensgenuss 
auffordere,  erst  recht  beilegen.  Und  dignius  soll  heissen:  „der 
erbe  wird  den  caecuber  verprassen,  der  in  würdigerer  weise 
(d.  h.  besser)  mit  hundert  schlossern  verwahrt  ist  und  verwahrt 
würde".  Man  sieht,  wie  das  „verwahrt  ist"  mit  dem  „verwahrt 
würde"  gar  nicht  zusammenpasst ;  nur  der  sinn  „verwahrt  würde" 
soll  herausgebracht  werden.  Das  müsste  aber  heissen  servari 
digniora  oder  digna,  vgl.  pia  testet,  —  moveri  digna  bono  die,  denn 
nur  das  part.  fut.  activi  kommt  in  den  öden  zweimal  =  opt. 
C.  äv  vor:  Septimi  Gades  aditure  mecum  und  donatura  eyeni  si 
libeat  sonum.  Dignior  ist  der  heres  dem  Posthumus  gegenüber  ipsa 
re,  er  überlebt  ihn  und  ist  darum  vom  Schicksal  gewürdigt, 
seinen  caecuber  auszutrinken. 

Th.  FritzscJie. 

356.  Der  satzbau  des  Cornelius  Nepos.  I.  Der  einfache 
satz;  vom  gymnasiallehrer  Dr  B.  Lupus.  Programm  zum  Jah- 
resbericht über  das  städtische  progymnasium  zu  Waren.  1872. 
28  s.     4     (Berlin,  Weidmann). 

Eine  genaue  statistische  behandlung  des  Sprachgebrauchs  in 
den  Vitae  des  Nepos  ist  seit  langer  zeit  wünschenswerth  gewe- 
sen, aber  jetzt  erst,  wie  der  vf.  bemerkt,  möglich  geworden, 
nachdem  durch  die  herstellung  des  urkundlichen  textes  und 
durch  die  Sammlung  des  früher  sehr  zerstreuten  apparats  in 
Halms  grösserer  ausgäbe  eine  möglichst  feste  basis  zur  gram- 
matica  Corneliana  vorliegt.  Das  verdienstliche  einer  solchen 
grammatischen  leistung  wird  nicht  dadurch  beeinträchtigt,  wenn 
der  positive  gewinn  für  die  festsetzung  des  textes  verhältniss- 
mässig  gering  erscheint.  Denn  einerseits  ist  der  usus  gerade 
dieses  autors,  je  nachdem  derselbe  treu  seiner  quelle  folgt  oder 
sich  frei  bewegt,  so  schwankend  und  unbestimmt,  dass  für  ana- 
loge fälle  die  struetur  oft  variiert;  und  andrerseits  liegt  die 
besondere  eigenthümlichkeit  nicht  sowohl  in  den  formen  und 
dem  gebrauche  der  casus,    auf  deren  darstellung  (zunächst   mit 


Nr.  12.  356.  Cornelius  Nepos.  587 

ausschluss  des  ablativus)  sich  die  Schrift  von  Lupus  bisjetzt  er- 
streckt, sondern  in  der  lockeren  Verbindung  der  sätze,  in  der 
losen  beziehung  der  pronomina  und  in  gewissen  irregularitäten 
des  modusgebrauches.  Doch  hätte  der  vf.  auch  in  dem  vorlie- 
genden theile  seiner  arbeit  mehr  resultate  erzielt,  wenn  er  nicht 
nur  sporadisch,  sondern  mit  consequenz  über  den  von  Halm  consti- 
tuierten  text  hinaus  zur  besten  handschriftlichen  Überlieferung  zu- 
rückgegangen wäre  und  daneben  die  auf  Nepos  gerichteten  gram- 
matischen forschungen,  insbesondere  die  ausgezeichneten  beitrage 
von  Nipperdey  im  Spicüegium  alterum  vollständiger  ausgebeutet 
hätte.  Ferner  durfte  sich  der  vf.  nicht  allzusehr  auf  Nepos 
beschränken ,  sondern  musste  zur  erläuterung  auch  verwandte 
sprachliche  erscheinungen ,  namentlich  bei  den  für  Nepos  wich- 
tigen komikern,  vergleichen.  Der  Versicherung  des  vfs.,  dass  er, 
wo  nicht  das  gegentheil  ausdrücklich  bemerkt  sei,  alle  betref- 
fenden stellen  herbeigezogen  habe,  dürfen  wir,  obschon  wir 
keine  durchlaufende  controlle  vorgenommen,  nach  mehrfach  an- 
gestellten proben  im  ganzen  glauben  schenken.  Einiges  auffäl- 
lige, was  sich  nach  den  angedeuteten  beziehungen  hin  gelegent- 
lich bei  der  lesung  ergeben  hat,  mag  hier  angemerkt  werden. 
P.  4  durfte  Milt.  3 ,  1  ipsorum  urbium  nicht  als  beispiel  für 
den  doppelgenetiv  herangezogen  werden,  da  diese  von  Halm 
aufgenommene  lesart  nur  auf  einer  durch  Nipperdey  und  an- 
dere bestrittenen  vermuthuug  von  Lambinus  beruht.  —  P.  8  ist 
Paus.  3,  3  aditus  conveniundi  nicht  nur  als  „fast  pleonastisch" 
zu  bezeichnen,  sondern  als  ganz  tautologisch  anzuerkennen;  die 
Philol.  Anz.  IV,  96  vorgeschlagene  emendation  wird  dnrch  Ale. 
9,  5  geschützt.  Der  pleonasmus  Att.  2,  6  modus  mensurae  ist 
wahrscheinlich  durch  die  Vorliebe  des  autors  für  gleichklänge 
(modius,  modus,  medimnus)  entstanden.  —  P.  16  wird  eine  von 
Halm  als  emblema  gekennzeichnete  stelle  Milt.  3,  2  als  beleg 
angeführt,  während  sonst  p.  21  und  27  die  von  Halm  statuierte 
athetese  Chabr.  3,  3;  Them.  10,  1  berücksichtigt  worden  ist. — 
P.  17  vermisst  man  §.19  die  anführung  der  phrase  in  consi- 
lium  dare  alicui,  Timoth.  3,  2. —  P.  23  fehlt  §.  29  unter  den 
absolut  gebrauchten  transitiven  desero ,  vgl.  Nipperdey  spicileg. 
II,  5,  p.  5;  dagegen  ist  ebenda  facio  adversus  nach  Grasber- 
gers  Vorschlag  zu  Eum.  8,2  Eos  I,  p.231  wahrscheinlich  auszu- 
schliessen.  —     Mehrmals  finden  sich   in  den  Stellensammlungen 


588  357.  Metrik.  Nr.  12. 

einzelnstehende  ausdrücke  und  structuren,  deren  vorkommen  bei 
dem  sich  selbst  so  häufig  wiederholenden  Schriftsteller  auffallen 
muss:  p,  16  wird  die  möglichkeit,  Ages.  4,  6  quid  iis  vellet 
fieri  als  einziges  beispiel  des  ethischen  dativus  zu  deuten,  abzu- 
weisen sein.  Eine  einfache  hindeutung  auf  Them.  2,  6  consul- 
tum  quidnam  facerent  de  rebus  suis  wäre  besser  unterblieben ,  da 
hier  die  präposition  längst  angefochten  wird,  mag  man  nun 
nach  Lambinus  de  streichen  oder  vielleicht  durch  Umstellung 
helfen,  so  dass  zu  lesen  wäre :  consultum  de  rebus  suis,  quidnam 
facerent.  —  P.  18  muss  die  überlieferte  structur  Thras.  4,  2 
quod  multi  invideant,  die  nicht  nur  bei  Nepos  ein  unicum  ist, 
wenn  nicht  dem  autor  abgesprochen,  so  doch  im  hinblick  auf 
Nipperdey  spicileg.  II,  2,  p.  15  sq.  gerechtfertigt  werden.  — 
P.  25  scheint  die  zahl  der  beispiele  von  diem  supremum  obire 
darauf  hinzudeuten,  dass  Nepos  auch  Dion  10,  3  dieselbe  phrase 
geschrieben  hatte.  —  Die  von  Fischer  für  Caesar  gemachte, 
von  Lupus  p.  7  auch  für  Nepos  bestätigte  bemerkung,  dass  ein- 
silbige Wörter  vor  dem  von  ihnen  abhängigen  genetiv  stehen, 
wird  durch  die  scheinbaren  ausnahmen  Milt.  3,  1  und  Cato  2, 
5  nicht  aufgehoben.  Dagegen  steht  Ale.  10,  5  flammae  vim 
mit  jener  beobachtung  im  Widerspruch ;  es  darf  daher  an  die 
Philol.  Anz.  I,  55  angedeutete  änderung  flammae  viam  transiit 
erinnert  werden,  vgl.  Ages.  4,  4  iter  . . .  transierit.  —  Möge  der 
vf.  in  diesen  einzelnen  bedenken,  die  gewiss  nicht  die  einzigen 
sind  welche  sich  erheben  lassen,  nichts  anderes  erkennen  als 
einen  ausdruck  des  Wunsches ,  dass  seine  willkommene  arbeit, 
deren  Vollendung  hoffentlich  bald  zu  erwarten  ist,  ein  möglichst 
zuverlässiger  pfeiler  für  den  künftigen  bau  einer  historischen 
grammatik  der  lateinischen  spräche  werden  möge. 

357.  J.  Eumpel,  de  trimetri  graeci  exitu.  4.  Pro- 
gramm des  gymnasiums  zu  Insterburg,  1872. 

Verf.  macht  in  den  einleitenden  worten  mit  recht  geltend, 
dass  eine  eingehendere  betrachtung  des  sechsten  fusses  des  trimet. 
iambicus  ihre  berechtigung  und  ihren  werth  hat,  in  so  fern 
ohne  zweifei,  wie  die  Prosaschriftsteller  auf  künstlerische  abrun- 
dung  ihrer  perioden,  so  die  scenischen  dichter  auf  einen  cor- 
recten  und  schönen  abschluss  auch  der  xaza  orlyov  componier- 
ten  verse   eine   ganz   besondere    Sorgfalt  verwandten.     In  dem 


Nr.  12.  357.  Metrik.  589 

vorliegenden  ersten  abschnitt  wird  von  der  sylldba  anceps  ge- 
handelt. Bekannt  ist ,  dass  im  auslaut  jeder  metrischen  pe- 
riode  eine  kurze  (offene  oder  geschlossene)  silbe  die  function 
der  rhythmischen  länge  übernehmen  kann  (Hephaest.  p.  28 ; 
Terent.  Maur.  1640,  Victorin.  p.  1957  u.  a).  Verf.  findet  nun 
durch  genaue  prüfung  sämmtlicher  trimeter,  sowohl  der  iambo- 
graphen,  wie  der  tragiker  und  des  Aristophanes,  dass  die  an- 
weadung  der  kurzen  silben  am  versschluss  im  verhältniss  zu 
den  langen  etwa  wie  1  :  21J2  steht  (genauer:  bei  den  jambo- 
graphen  ,  so  weit  sich  das  verhältniss  aus  den  spärlichen  frag- 
menten  bestimmen  lässt,  fast  1  :  3,  bei  Aeschylos  1  :  21/,3,  bei 
Sophokles  1 :  23/4,  bei  Euripides  1  :  22/s,  bei  Aristophanes  1 :  21/a)J 
und  zwar  ungefähr  übereinstimmend  in  sämmtlichen  tragödien, 
wie  komödien.  Die  vergleichung  der  geschlossenen  und 
der  offenen  kurzen  silben  zeigt,  dass  bei  den  iambographen 
die  letzteren  im  verhältniss  zu  den  ersteren  ungefähr  wie  1  :  4 
angewandt  sind,  bei  Aeschylos  wie  1:3,  bei  Euripides,  Sophokles 
und  Aristophanes  fast  wie  1  :  2.  Bei  dem  komiker  sind  in  drei 
stücken  (Lysistr.,  Pax,  Ean.)  offene  und  geschlossene  kurze  sil- 
ben fast  gleich  viel ,  in  drei  andern  (Nub. ,  Eccles.  7  Plut.)  jene 
sogar  in  überwiegender  zahl.  Da  nun  diese  stücke  nachweislich 
die  jüngsten  des  Aristophanes  sind  (die  Nub.  in  der  spätem 
redaction) ,  so  folgert  verf . ,  dass  im  lauf  der  zeit  in  der  bil- 
dung  des  letzten  fusses  allmählich  eine  Veränderung  vor  sich 
gegangen  sei(?). 

Für  die  genaue  bestimmung  des  Verhältnisses  von  offenen 
und  geschlossenen  silben  ist  natürlich  vor  allem  die  frage  nach 
der  anwendung  des  sog.  v  paragogicum ,  über  welche  die  mei- 
nungen  bekanntlich  weit  auseinandergehen,  von  besonderer  Wich- 
tigkeit. Ihrer  lösung  hat  verf.  besondere  Sorgfalt  gewidmet. 
Er  tadelt  mit  recht  die  in  den  meisten  ausgaben,  auch  in  Dind. 
poetae  scen.  Graec.  ed.  V,  in  dieser  beziehung  zu  tage  tretende 
inconsequenz ,  weist  aber  auch  die  Vorschrift  Hermanns ,  am 
schlussdes  triineters  überall  das  v  paragogicum  eintreten  zulassen, 
zurück  (p.  6)  und  versucht  eine  neue  lösung  der  frage.  Der 
gang  seiner  Untersuchung  ist  folgender:  einerseits  weist  das 
häufige  vorkommen  des  hiats  zwischen  der  schlusssilbe  des  ei- 
nen und  der  anfangssilbe  des  folgenden  verses  darauf  hin,  dass 
die    einzelnen    trimeter    als   in   sich  geschlossene  verse  von  den 


590  357.  Metrik.  Nr.  12. 

alten  betrachtet  sind ,  auch  wenn  sie  im  Zusammenhang  der 
rede  aufs  engste  sich  an  einander  anschliessen  (wie  Aesch.  Prom. 
259  dö^ei  de  nän,';  rt'g  iXntg ;  ov%  ögüg  ort  "Hfiaqtsg ;  xrX.) ; 
andrerseits  zeigt  die  —  obwohl  seltene  —  freiheit  der  episyn- 
alöphe,  dass  die  verse  doch  auch  nicht  als  völlig  getrennt  angese- 
hen sind.  Wo  gedanken-  und  versschluss  nicht  zusammenfällt, 
ist  also  wohl  beim  ausgang  des  trimeters  bezüglich  des  v  para- 
gogicum  von  den  dichtem  ähnlich  verfahren,  wie  in  der  mitte  des- 
selben. Daraus  ergiebt  sich:  das  v  paragogicum  ist  stets  zu  setzen 
1)  wenn  das  erste  wort  des  folgenden  trimeters  mit  einem  vo- 
cal  anfängt ;  2)  vor  einer  grösseren  interpunction  (punkt ,  ko- 
lon,  fragezeichen  und  starkem  komma);  es  ist  wegzulassen,  wenn 
ein  vers  mit  consonantischem  anlaut  folgt,  der  durch  keine  in- 
terpunction (oder  das  schwache  komma  vor  infinitiven,  vocati- 
ven,  appositionen  u.  dgl.)  von  dem  voraufgehenden  geschieden  ist. 
Diese  regeln  werden  am  schluss  auf  eine  reihe  von  versen  ange- 
wandt, und  folgendes  verhältniss  zwischen  den  formen  mit  und 
ohne  praragogisches  v  im  ausgang  der  trimeter  bei  den  scenischen 
dichtem  festgestellt:  bei  Aeschylus  sind  von  91  Wörtern  62  mit 
v,  29  ohne  v  zu  schreiben,  bei  Sophokles  von  55  Wörtern  35 
mit  v,  20  ohne  r}  bei  Euripides  von  226  Wörtern  147  mit  r, 
79  ohne  *',  bei  Aristophanes  endlich  von  115  Wörtern  96  mit 
v,  19  ohne  v ,  während  in  der  Dindorfschen  ausgäbe  bei  Ae- 
schylus 86  mit  r,  5  ohne  v  stehen,  bei  Sophokles  51  -J-  4, 
bei  Euripides  131  -f-  95>  Dei  Aristophanes  114  (?  111)  -f-  4. 
Es  ist  nicht  zu  verkennen,  dass  die  von  Eumpel  vorge- 
schlagenen regeln  ganz  rationell  erscheinen;  aber  andererseits 
glaube  ich  nicht,  dass  die  oben  angeführte  argumentation  dazu 
ausreichend  ist,  die  Hermannsche  Vorschrift  durch  eine  neue, 
—  wennschon  an  sich  plausible  —  zu  verdrängen.  Vif.  stützt 
sich,  um  den  engen  anschluss  der  trimeter  an  einander  und  dar- 
aus die  anwendung  des  v  paragogicum  am  schluss  des  verses  ähn- 
lich wie  in  der  mitte  desselben  nachzuweisen,  auf  die  episyna- 
löphe,  d.  h.  apostrophirung  am  ende  des  verses  (Schol.  A  zu 
Hephaest.  ep.  4,  p.144).  Allein  es  ist  festzuhalten,  dass  diese, 
wie  auch  verf.  p.  7  zugiebt,  äusserst  selten  vorkommende  und 
auf  bestimmte  fälle  beschränkte  licenz  von  den  alten  stets  als 
kühne  und,  wenn  man  will ,  regelwidrige  neueruug  des  Sopho- 
kles   angesehen    ist  (Schol.  1.  1.  i^aiQszag,    vSars    xaleia&ai    ro 


Nr.  12.  357.  Metrik.  591 

sl8og  2oq>r'x\siov)}  die  Aeschylus  nirgends  (Lachm.  zu  Lucr.  II, 
118)  und  eben  so  wenig  Euripides  (Iph.  T.  961  ist  z'  von 
Kirchhoff  und  Nauck  mit  recht  gestrichen),  Aristophanes  aber 
sehr  selten  und  wohl  bloss  parodierend  angewandt  hat.  Für 
die  erklärung  der  sophokleischen  miawaloiyr}  ist  mir  äusserst 
wahrscheinlich,  was  Leutsch  (Piniol.  XI,  p.  750  ff.,  wo  am  ein- 
gehendsten über  die  wortbrechung  am  schluss  der  verse  gehan-j 
delt  ist)  vermuthet,  es  sei  in  diesen  fällen  eine  engere  Vereini- 
gung der  verse  durch  hülfe  der  musik  bewirkt.  Die 
verse  mit  episynalöphe  sind  also  gewissermassen  nicht  xara 
ciiyjiv,  sondern  xaza  ovaztjua  vermittelst  der  sog.  nagaKaznloyi] 
(vgl.  Plut.  de  mus.  28,  Rossbach  und  Westphal,  griech.  metr. 
p.  184)  componiert,  und  keinenfalls  scheint  mir  durch  sie  be- 
wiesen zu  werden ,  dass  die  dichter  durch  bildung  des  ver- 
schlusses hoc  fere  modo  se  gerebant  quasi  in  medio  versu  versa- 
rentur  (p.  7).  Am  ende  jedes  verses  ist  ein  halt;  daher  muss 
er  stets  mit  einem  vollen  wort  auslauten ,  ebenso  wie  er  mit 
einem  solchen  anlauten  muss  (Westphals  allgetn.  griech.  metr. 
p.  336),  daher  ist  am  ende  unbedingt  der  hiat  gestattet  und 
ebenso  unbedingt  syllaba  anceps.  Eben  daraus  folgt  auch, 
scheint  mir,  evident,  dass  am  schluss  jedes  trimeters  das  v  pa- 
ragogicum  eintreten  muss,  wie  Hermann  (de  emend.  rat.  gr.  gr.  p. 
22)  vorschreibt,  nicht  etwa  um  den  hiat  zu  vermeiden,  sondern 
quo  facilius  in  ea  syllaba  vox  consistere  et  pausam  facere  possit, 
antequam  ad  sequentem  versum  pergat. —  Vgl.  auch  die  auf  diese 
frage  bezüglichen  stellen  in  Leutsch,  Grdr.  der  Metr.  §§.  68. 
73.  74. 

Können  wir  somit  in  dem  haupttheil  seiner  Untersuchung 
mit  dem  verf.  nicht  übereinstimmen,  so  sind  wir  ihm  doch  für 
seine  mit  grosser  akribie  angestellten  beobachtungen,  die  für 
eine  hoffentlich  bald  unternommene  geschichte  des  iambischen 
trimeters  keinesweges  ohne  nutzen  sind,  zu  dank  verpflichtet. 
Seine  angaben  sind,  so  weit  sie  ref.  nachgeprüft  hat ,  meistens 
genau  zutreffend  (bei  den  iambographen  zähle  ich  256  trimeter, 
61  des  Archilochus,  und  finde  102  pyrrhichien  am  Schlüsse 
statt  89).  Die  zahl  114  auf  p.  9,  z.  6  v.  u.  beruht  wohl  auf 
einem  druckfehler  (statt  111),  wie  structurum  p.  4 ,  z.  1  v.  o. 
anstatt  structuram. 

C.  Fr.  Müller. 


592  358.  Vergleichende  grammatik.  Nr.  12. 

358.  Tiede,  vergleichende  bemerkungen  über  lateinische 
und  deutsche  Umgangssprache.     Programm  von  Sprottau.  1872. 

Was  Hand  lat.  Stilistik  p.  55  behauptet,  „Cicero  sei  frei 
von  fehlem  der  nachlässigkeit,  da  ihm  die  gesetze  eines  klaren 
bestimmten  denkens  als  leitendes  prinzip  gelten",  passt  nicht 
unbedingt  auf  alle  stilarten;  denn  nicht  selten  hat  er  sich,  na- 
mentlich in  stilistischer  hinsieht,  auch  wenn  wir  von  den  brie- 
fen  absehen,  absichtliche  oder  zufällige  freiheiten ,  nachlässig- 
keiten  gestattet,  wie  sie  nur  der  spräche  des  Umgangs  erlaubt 
und  eigen  sein  dürfen.  Auch  für  ihn  gilt  also  das  horazische: 
quandoque  bonus  dormitat  Homerus.  Dies  will  Tiede  an  einigen 
syntaktischen  beziehungen  nachweisen,  unter  hauptsächlicher  be- 
rücksichtigung  der  dialogischen  Schriften  Cicero's,  wobei  auch 
andere  Schriftsteller  gelegentlich  angezogen  werden. 

Nachdem  der  Verfasser  eine  allgemeine  Charakteristik  der 
Umgangssprache  gegeben,  namentlich  das  fehlen  von  redefigu- 
ren,  die  anwendung  der  deminutiva  ohne  den  deminutiven  sinn 
und  den  freieren  periodenlosen  satzbau  als  hauptkennzeichen  der- 
selben hervorgehoben  hat,  behandelt  er  unter  steter  vergleichung 
des  deutschen  1)  die  Wortstellung,  2)  die  lose  (meist  nur  durch 
präpositionen  vermittelte)  syntaktische  Verbindung  zweier  sub- 
stantiva,  von  denen  das  eine  nähere  bestimmung  des  andern 
ist,  3)  die  anakoluthie,  4)  den  pleonasmus  nnd  die  hyperbel,  5) 
die  ellipse,  6)  die  attraktion. 

Den  ausführungen  Tiede's  über  die  Wortstellung  pflichte  ich 
völlig  bei.  Wenn  er  aber  p.  8  sagt:  „am  weitesten  geht  diese 
freiheit  loser  Verbindung  in  Cic.  Ep.  ad  fam.  2,  16,  2:  nil  unquam 
de  profectione  nisi  vobis  approbantibus  cogitavi,  wo  das  Substantiv 
profectione  von  einem  durch  einen  abl.  absolutus  ausgedrückten 
attribut  begleitet  ist ;  zu  cogitavi  kann  nisi  vobis  approbantibus 
nicht  gehören,  da  ein  denken  ohne  die  billigung  eines  andern 
ein  unding  ist"  so  verstehe  ich  zunächst  die  letzten  worte  nicht 
recht;  sie  sollen  wohl  heissen:  zum  denken  bedarf  man  der 
einwilligung  eines  anderen  nicht,  das  denken  ist  jedem  erlaubt. 
Doch  davon  abgesehen  meine  ich,  dass  diese  stelle  überhaupt 
nicht  hierher  zu  rechnen  sei;  denn  nisi  vobis  approbantibus  = 
nisi  vos  approbaretis  bedeutet  ganz  einfach :  ich  habe  ans  abrei- 
sen nie  gedacht,  ohne  eure  einwilligung  vorausgesetzt  resp.  zur 
bedingung    für   mich   gemacht  zu  haben  =    ich  war  stets  ent- 


Nr.  12.  358.  Vergleichende  grammatik.  593 

schlössen,  nur  dann  abzureisen,  wenn  ihr  eure  genehmigung  er- 
theilen  würdet.  Weil  also  ein  abl.  absolutus  darin  enthalten  ist, 
so  steht  das  beispiel  nicht  auf  derselben  stufe  wie  die  voran- 
gehenden. Letztere  sind  meist  mit  den  präpositionen  sine  und 
cum  gebildet,  entprechen  daher  einem  deutschen  mit  den  endun- 
gen  „los"  oder  ,,voll"  gebildeten  eigenschaftswort,  z.  b.  mors 
cum  gloria  =  ein  ehrenvoller  tod  ,  senectus  sine  guerela  =  ein 
klageloses  alter. 

Zu  der  p.  14  erwähnten  hyperbel  nullus  (ich  möchte  diese 
ausdrucksweise  blos  nachdrucksvolle  prädikative  anwendung  für 
non  nennen)  könnten  noch  folgende  beispiele  gefügt  werden:  Cic. 
Cat.  1,  16  :  misericordia  quae  tibi  nulla  debetur:  Ep.  ad.  Att.  15,  22: 
Sextus  ...  ab  armis  nullus  discederet:  id.  Cat.  mai.  22,  79nolite  arbi- 
trarime  ...  nusquam  aut  nullum  fore.  —  Zu  den  hyperbolischen  aus- 
drücken rechnet  Tiede  auch  den  gebrauch  von  calefacere,  z.  b.  Ep. 
ad  Fam.  8,  6,  4:  si  Parthi  vos  nihil  calfaciunt:  ad  Quint.  fr.  3,  2,  1 : 
eodem  die  Gabinium  ad  jpopulum  luculente  calfecerat  Memmius.  Aller- 
dings lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  eine  gewisse  Übertreibung 
des  ausdrucks  hierbei  vorliegt;  trotzdem  gehören  diese  redens- 
arten  ins  gebiet  der  metapher  d.  i.  des  abgekürzten  gleichnis- 
ses.  Denn  ursprünglich  ist  der  gedanke :  Memmius  hatte  den 
Gabinius  tüchtig  gescholten,  dadurch  ihm  warm  gemacht,  wie 
das  feuer  denjenigen  erhitzt,  auf  welchen  es  losfährt. 

Die  definition  der  ellipse,  welche  Tiede  p.  15  durch  zu- 
sammenfassen der  erklärungen  von  Seyffert  und  F.  Schulz  ge- 
winnt: „die  ellipse  ist  eine  auslassung  von  Wörtern,  die  entwe- 
der aus  dem  zusammenhange  oder  aus  der  kenntniss  des  sprach- 
lichen gemeinguts  einer  nation  ergänzt  werden  können",  scheint 
mir  nicht  erschöpfend  zu  sein,  da  er  p.  16  noch  ausserdem  el- 
lipsen  ganz  individueller  art  statuiren  muss,  welche  auf  den 
besonderen  Verhältnissen  und  beziehungen  zwischen  Schreiber 
und  empfänger  beruhen  und  nur  aus  kenntniss  derselben  für 
andere  verständlich  6ind. 

C.  Härtung, 

359.    Sententiarum    liber.     Collegit  et    disposuit   C.  Här- 
tung.    8.     Berol.  Henschel.  MDCCCLXXIL  —     1  thlr. 

Nachdem    der    herausgeber  p.  i   ff.    der    vorrede   über  den 
zweck    solcher    Sentenzensammlungen    allerlei   bekanntes  vorge- 
Philol.  Anz.  IV.  38 


594  359.  Sententiarnm  übet.  Nr.  12 

bracht  hat,  geht  er  p.  vn  zu  einer  kritik  des  Wüstemannschen 
Promptuarium  sententiarum  über ,  die  füglich  besser  unterblieben 
wäre,  da  das  nette  buch  trotz  seiner  mängel  seiner  zeit  grossen 
anklang,  namentlich  in  England,  gefunden  und  daher  auch  eine 
zweite  aufläge  erlebt  hat.  Wenn  aber  unser  sammler  gar 
der  meinung  ist,  dass  die  54  Seiten  lange  vorrede  hätte  weg- 
bleiben können,  so  möge  er  wissen ,  dass  gerade  diese  so  mei« 
eterhaft  geschriebene  vorrede,  das  schwanenlied  meines  unver- 
gesslichen  lehrers  und  freundes,  dem  buche  viele  freunde  und 
abnehmer  verschafft  hat.  Auch  ist  es  überhaupt  nicht  schön 
sich  auf  kosten  seiner  Vorgänger  erheben  zu  wollen.  Die  Har- 
tung'sche  Sammlung  ist  übrigens  ein  ganz  brauchbares  buch, 
nur  hätte  der  herausgeber  sich  nicht  das  ansehen  geben  sollen, 
als  sei  seine  Sammlung  die  vollständigste  von  allen.  Sie  giebt 
allerdings  einige  hundert  Sentenzen  mehr  als  mauche  andere, 
lässt  aber  dennoch  den  benutzer  in  vielen  fällen  im  stiche. 
Nach  der  vorrede  p.  ix  will  Härtung  eine  möglichst  voll- 
ständige Sammlung  der  besten  und  bekanntesten  Sen- 
tenzen bieten.  Die  Sammlung  enthalte  5750  Sentenzen  unter 
517  begriffen.  Die  ergiebigsten  fundorte  seien  gewesen  die 
prosaiker  Quintilian  (declamationesj,  Seneca,  Varro,  und  die  poe- 
ten  Syrus,  Dionysius  Cato ;  ferner  Cicero ,  Curtius,  Livius,  die 
beiden  Plinii,  Quiutilianus,  Sallustius,  Tacitus,  Velleius,  Vale- 
rius  Maximus;  die  Anthologia  latina,  Ennius,  Horatius,  Iuvenalis, 
Lucilius,  Persius,  Phaedrus,  Plautus,  Seneca,  Terentius,  Vergi- 
lius.  Bei  den  übrigen  autoren  kämen  die  Sentenzen  weniger  häu- 
fig vor.  Härtung  will  also  den  leser  glauben  machen,  die  vor- 
stehenden Schriftsteller  seien  von  ihm  vollständig  ausgenutzt. 
Dem  ist  aber  durchaus  nicht  so.  Vor  mir  liegt  eine  alte  sen- 
tenzensammlung:  Loci  communes  sive  ilorilegium  verum  et  mate- 
riarum  selectarum  etc.  Studio  et  opera  los.  Langii.  Argentor. 
MDCV.  Ich  schlage  p.  329  den  artikel  Ira  auf.  Von  den 
17  dort  aufgeführten  Sentenzen  hat  Hartungs  Sammlung  unter 
Zorn  eine  einzige  aus  Horat.  Ep.  2,  2,  62,  Lange  hat  noch 
Horat.  Ep.  1,  2,  59;  1,  18,  37.  Ovid.  Amor.  1,7,  66;  1, 
8,  81;  Her.  3,  85;  6,  140;  12,  207;  Art.  am.  3,  503  (s. 
auch  502)  Pers.  116  sqq.  Stat.  Theb.  10,  703  sqq.  Claudian. 
Epigr.  28,  1.  Senec.  Med.  152    und  203  sqq.      Ebenso    fehlen 


Nr.  12.  359.  Sententiarum  über.  595 

ausserdem  noch  viele  Sentenzen,  z.  b.  ackerbau,  fehlt  Ovid. 
ex  Pont.  2,  7,  69.  —  Adel,  Ovid.  Met.  13,  140  sq.  Tibull. 
4,  1,  28  sqq.  —  Ehrgeiz,  Senec.  Ep.  60 ,  3  ;  73,  3.  — 
Eid,  Syr.  Sent.  15.  —  Faulheit,  Ovid.  ex  Pont.  1,  5,  5 
sq.  —  Fehler,  Senec.  de  Clem.  1,  6,3.  —  Freude, 
Syr.  Sent.  55.  —  Friede,  fauler,  Tacit.  ann.  3,  44  (misera 
pax  vel  hello  bene  mutalur).  —  Glück,  Val.  Max.  4,  7.  Ext. 
2  (ebenso  die  stellen  für:  jeder  ist  seines  glück ea 
schmied,  Appius  bei  Ps.  -  Sallust.  de  rep.  1,  1,  2.  Poeta 
ap.  Corn.  Nep.  Att.  11,  6  und  Cic.  Parad.  5,  1,  34,  welche  bei 
Wuestem.  Prompt,  p.  43  und  Georges  Gnomol.  p.  57  sq.  zu 
finden  sind).  —  Gut,  luven.  13,  26,  4  sq.  —  Leben,  kürze 
des  lebens,  Horat.  carm.  2,  16,  17.  —  Mensch,  Hör.  Sat. 
2,  1,  27.  —  Menschlich,  Phaedr.  3,  16,  1  sq.  —  Mit- 
leid, Syr.  Sent.  263.  Sen.  Contr.  1,1.  §.  14  ed.  Burs.  — 
Muth,  wird  fortes  fortuna  adiuvat  aus  Liv.  34,  37,  4  an- 
geführt, während  es  schon  Terent.  Phorm.  1,  41,  25  (205)  und 
Cic.  Tusc.  2,  4,  11  steht,  wie  jeder  etwas  belesene  philolog 
wissen  muss,  u.s.  w.  u.  s.  w. 

Nicht  anders  steht  es  mit  der  Vollständigkeit  der  titel  über- 
haupt. Es  fehlt  z.  b.  aufhören  (Quintil.  5,  10,  79.  Senec. 
ad  Polyb.  1,1),  begleite r  (Comes),  beharrlichkeit  (Constan^ 
tia),  br uder  (FraterJ,  gelehrsamkei t,  g e  1  e h r t e r  (Doctrina, 
Doctus):,  gemüths-  oder  Seelenruhe  (Tranquillitas  animi, 
Senec.  Ep.  56,  6;  55,8),  halbgelehrter,  halbheit  (Fronto 
Ep.  ad  M.  Caes.  4,  3  in.),  hof  des  fürsten  (Aula),  kriegs- 
glück  (Fortuna  belli),  nachsieht  (Indulgentia,  Ovid.  Art.  am. 
2,  145  sq.),  nächster  (Proximus,  Plaut.  Trin.  1154.  Terent. 
Andr.  636),  papier  (Papyrus,  Plin.  Nat.  Hist.  13,  §.  70: 
papyro  constat  immortalitas  hominum ;  steht  auch  nicht  unter 
ewig,  unsterblich),  rose  (Ovid.  Eem.  Amor.  46.  Ammian.  Mar- 
ceil. 16,  7,  4.  Mythogr.  Lat.  ed.  Bode  3,  11,  229),  schelten 
[Objurgatio ,  auch  nicht  unter  tadel;  schimpfreden,  Male- 
dicere,  Maledictum),  stunde  (Hora) ,  tischgenosse  (Con- 
victor ,  Sen.  Ep.  7,  7),  Versöhnlichkeit  (Placabilitas ,  Cic. 
Offic.  1,  25,  88),  verzug  (Mora),  v ortheile  (Commoda ,  Lu- 
cil.  bei  Lactant.  6,  5,  2),  wankelmüthigkeit  (Ovid.  Met. 
10,371 — 373),  Wortwechsel,  (Altercatio);  s.  meine  Gno- 
mologia   unter    den   hier  beigesetzten   lateinischen  titeln. 

38* 


596  359.  Sententiarum  über.  Nr.  12. 

Viele  artikel  sind  einseitig  gehalten.  So  steht  unter  bit- 
ten keine  einzige  sentenz  mit  Preces  (s.  meine  Gnomol.),  unter 
betrug  keine  einzige  mit  Dolus  (s.  Hör.  Ep.  1,  2,  15.  Phaedr. 
1,13,  1),  enthaltsamkeit  hat  keine  einzige  mit  Abstinentia  (s. 
meine  Gnomol.),  erinner ung  keine  einzige  mit  Admonitio  (s. 
m.  Gnomol.),  feind  keine  einzige  mit  Hostis  (s.  m.  Gnomol.), 
gehorsam  keine  einzige  mit  Obsequium  (s.  das.).  Unter  herr 
fehlt  =  gutsherr  {Dominus,  s.  das.),  mann  fehlt  grosser 
mann,  (vir  magnus.  s.  Cic.  de  Nat.  Deor.  2,  66,  167.  Senec. 
Ep.  66.  Ep.  66,  3;  102,  30  in  m.  Gnomol.  p.  93),  mein- 
eid  fehlt  meineid  liebender  (Tibull.  1,  4,  24;  3,  6,  49. 
Ovid.  Art.  Am.  1,  633)  u.s.  w.  u.  s.  w. 

Was  den  text  der  angeführten  sentenzen  betrifft,  so  ist 
uns  nur  selten  unkritisches  aufgestossen.  Unter  glück  (p. 
72)  ist  in  der  stelle  aus  Senec.  ad  Polyb.  28  (9),  5  parta  statt 
parata  wohl  druckfehler,  ebenso  Liv.  45,  8,  6  cedere  statt  cre- 
dere.  —  Die  stelle  unter  neid  (p.  140)  aus  Plaut.  Truc.  4, 
2,  32  (nicht  37)  lautet  bei  Spengel:  qui  invident  egenti;  Ulis 
quibus  invidetur,  %  (==  ii)  rem  habent  (bei  Härtung  Uli,  qui- 
bus  invidetur,  rem  tenent,  was  keine  handschrift  hat). 

Die  citate  sind  im  ganzen  ebenfalls  correct ;  zu  tadeln  ist 
nur,  dass  der  herausgeber  nicht  überall  auch  die  paragraphen 
angeführt  hat,  so  dass  der,  welcher  einmal  eine  stelle  nach- 
schlagen will,  erst  lange  lesen  muss  (z.  b.  in  den  langen  brie- 
fen  des  Seneca),  ehe  er  das  gesuchte  findet.  Falsche  citate 
sind:  p.  1  (adel)  luven.  8,  20  (nicht  15),  p.  3  (alter)  Caec. 
(besser  Caecil.  com.)  ap.  Cic.  Cato  mai.  8,  25  (nicht  ap.  Cic.  8,  25), 
p.  29  (eile)  August,  (nicht  Cato)  ap.  Suet.  Aug.  25,  p.  62 
(geiz)  Sen.  Contr.  3  (7),  18.  §.  8  ed.  Burs.  (nicht  bl.  7,  3), 
p.  76  (glück)  Amm.  Marc.  21,  16,  13  (nicht  3),  p.  97(hoff- 
nung)  Sen.    Exe.    Contr.  5,  1.  §.  2    (nicht  Sen.  Contr.   5,  1). 

Ich  wiederhole  es  nochmals:    das  buch  ist  brauchbar,    und 

ich  wünsche  ihm  recht  viele  abnehmer;    aber    für    einen  absatz 

im    auslande  (z.  b.    in  England    und    in    Italien,    wohin    meine 

Gnomologia    oft    verlangt    wird)    ist    es     nicht    elegant    genug 

ausgestattet. 

K.  E.  Georges. 


Nr.  12.  360.  Paedagogik.  697 

360.  J.  So  er  gel,  die  gegenwärtige  gymnasialbildung  mit 
besonderer  berücksichtigung  des  bayerischen  gymnasialwesens . 
8.     Nördlingen,  Becksche  buchhandlung.  1872.     132  8. 

Der  kämpf  um  den  vorzog  der  realistischen  oder  humani- 
stischen bildung,  speciell  die  frage,  ob  den  abiturienten  der 
realschulen  der  zutritt  zu  allen  oder  wenigstens  einigen  facul- 
tätsstudien  an  der  Universität  zu  gestatten  sei ,  beschäftigt  seit 
jahren  im  norden  Deutschlands  die  kreise  der  gebildeten.  Das 
für  und  wider  ist  in  Zeitschriften  und  brochuren  bereits  so 
vielfach  und  mit  einer  oft  bis  zur  leidenschaft  gesteigerten 
wärme  erörtert  worden,  dass  man  wohl  annehmen  darf,  es  werde 
sich  schwerlich  noch  ein  neues,  für  eine  definitive  entscheidung 
wesentliches  moment  auffinden  lassen.  Die  bescheidung  der 
von  verschiedenen  Städten  an  das  preussische  abgeordnetenhaus 
gerichteten  petitionen  um  gleichberechtigung  der  abiturienten  der 
realschulen  erster  Ordnung  mit  denen  der  humanistischen  gym- 
nasien  berührt  zwar  in  erster  linie  nur  den  preussischen  staat ; 
sie  wird  aber  schon  wegen  der  grosse  und  machtstellung  des- 
selben von  entscheidender  Wichtigkeit  für  ganz  Deutschland  und 
hat  insofern  auch  principielle  bedeutung,  weil  mit  ihr  zugleich 
ein  urtheil  über  den  werth  der  classischen  bildung  gefällt  wird. 
Es  ist  deshalb  sehr  erklärlich,  dass  auch  der  süden  unseres  Va- 
terlandes der  sache  nicht  gleichgültig  gegenübersteht,  wenn  sie 
dort  auch  noch  keine  eminente  practische  bedeutung  bekommen 
und  die  gemüther  der  betheiligten  noch  nicht  in  gleich  hohem 
grade  erhitzt  hat.  Dass  man  aber  auch  dort  wohl  weiss  um 
was  es  sich  handelt,  beweisen  die  eingehenden  besprechungen, 
welche  diese  frage  in  der  Wochenschrift  der  bayerischen  fort- 
schrittspartei  gefunden  hat,  und  die  theilnahme,  mit  welcher  ih- 
nen das  publikum  folgte. 

Auch  die  vorliegende  schrift  des  erlanger  gymnasialpro- 
fessors  Soergel  beschäftigt  sich  eingehend  mit  diesem  thema 
und  kann  schon  deshalb  auch  über  die  grenzen  Bayerns  hinaus 
anspruch  auf  beachtung  machen.  Die  ganze  erste  hälfte  der 
schrift  ist  der  frage  über  den  werth  der  sog.  realistischen  bil- 
dung gewidmet.  Der  verf.  unterzieht,  gestützt  auf  eine,  wie 
es  scheint,  sehr  gründliche  und  umfassende  kenntniss  der  einschlä- 
gigen polemischen  literatur  ,  die  leistungen  der  bildungsanstal- 
ten  beider  sich  bekämpfenden  richtungen  einer   ruhigen,    nach 


598  360.  Pädagogik.  Nr.  12. 

beiden  selten  bin  grösster  billigkeit  sich  befleissigenden  vergleicbung 
und  kritik  und  ist,  gerade  weil  er  selbst  lehrer  an  einer  huma- 
nistischen anstalt  ist,  vor  allem  bestrebt  die  wirklichen  Vorzüge 
der  realschulen  auch  rückhaltslos  anzuerkennen.  Damit  soll 
jedoch  keineswegs  gesagt  sein,  dass  wir  es  hier  mit  einer  kal- 
ten und  farblosen  erörterung  zu  thun  hätten,  oder  gar,  dass 
sich  der  verf.  schliesslich  zu  gunsten  der  neueren ,  von  dem 
zeitgeiste  bevorzugten  richtung  ausspreche.  Im  gegentheil,  er 
tritt  unbeschadet  der  Unparteilichkeit,  warm  und  mit  vollem 
herzen  für  die  classischen  Studien  ein  und  legt  in  überzeu- 
gender weise  dar,  welch  hoher  werth  ihnen  auch  in  der 
gegenwärtigen  zeit  auf  dem  gebiete  der  bildung  und  erzie- 
hung  noch  zukommt.  Ein  doppeltes  verdienst  vindicirt  er  ih- 
nen: einmal,  dass  sie  das  beste  und  kaum  durch  irgend 
etwas  anderes  zu  ersetzende  mittel  zur  erlangung  einer  all- 
gemeinen ,  formalen  bildung  des  geistes  sind  ,  und  dann ,  dass 
wir  gerade  in  ihnen  ein  kräftig  wirkendes  gegenmittel  gegen 
die  selbstsüchtigen,  blos  auf  gewinn  und  genuss  gerichteten  ma- 
teriellen bestrebungen  unserer  zeit  haben  ;  ja  er  behauptet,  dass 
der  immer  noch  dem  deutschen  volk  eigene  ideale  zug,  das  bei 
uns  mehr  noch  als  anderswo  vorhandene  bewusstsein  der  pflicht 
des  einzelnen  gegen  den  staat,  vorzüglich  auf  die  treue  pflege 
der  classischen  Studien  zurückzuführen  ist,  da  unsere  jugend 
durch  sie  neben  der  geistigen  Schulung,  welche  die  jahrelange 
beschäftigung  mit  der  alten  literatur  nothwendig  erzeugen  muss, 
die  kräftigsten  sittlichen  eindrücke  empfängt ,  die  für  ihr  gan- 
zes leben  von  den  wohlthätigsten  folgen  sein  müssen.  Diesen 
grossen  Vorzügen  gegenüber  fällt  es  nicht  schwer  in  die  wag- 
schale, wenn,  was  ja  zugestanden  werden  muss,  die  realschulen 
wirklich  in  einzelnen  fächern  bedeutende  leistungen  erzielen  und 
für  bestimmte  berufsarten  wirklich  besser  vorbereiten  als  die 
humanistischen  gymnasien,  deren  aufgäbe  ja  niemals  die  vorbe 
reitung  für  einen  besondern  berufszweig  war,  sondern  stets  die 
Vermittlung  der  allgemeinen  geistigen  bildung.  Man  verschiebe 
die  grenzen  nicht  ■,  die  realschulen  haben,  um  die  worte  des  gut- 
achtens  der  bonner  evangelisch-theologischen  facultät  zu  gebrau- 
chen, zu  ihrem  ziel  das  polytechnikum,  die  humanistischen  gym- 
nasien die  Universität.  Und  wenn  Deutschland  auch  stets  mit 
stolz  auf  die  leistungen  seiner,    mit  recht  auch   im  ausländ  ge- 


Nr.  12.  361—373.  Neue  auflagen.  699 

achteten  polytechnischen  institute  blicken  wird,  so  wird  es  doch 
immer  als  die  träger  der  bildung  und  den  sitz  des  edlen  deut- 
schen idealismus  nur  seine  Universitäten  anerkennen.  Empfiehlt 
shh  nun  nach  dieser  seite  hin  Soergels  trefflich  geschriebene 
und  bisweilen  auch  mit  frischem  humor  gewürzte  schrift 
allen ,  denen  die  sache  der  bildung  überhaupt  am  herzen 
liegt,  so  werden  diejenigen ,  welche  sich  speciell  für  den  stand 
der  bayerischen  gymnasien  interessiren,  nicht  ohne  nutzen  auch 
den  zweiten  theil  der  brochure  lesen,  welcher  veranlasst  durch 
eine  Interpellation  des  auch  als  landtags- abgeordneter  thätigen 
Verfassers  über  die  reorganisation  der  bayerischen  studienanstal- 
ten,  die  in  der  kammer  erhobenen  klagen  über  vorhandene 
grobe  nissstände  durch  thatsachen  belegt  und  auch  den  fern- 
stehenden erkennen  lässt ;  woher  der  bayerische  ultramontanis- 
mus  und  particularismus  immer  von  neuem  nahrung  erhält. 

NEUE  AUFLAGEN.  361.  Herodot,  erklärt  von  H. 
Stein.  1.  bd.  2.  heft.  3.  aufl.  8.  Berlin.  Weidmann; 
15  ngr.  —  362.  Ausgewählte  reden  des  Lysias.  Erklärt  von 
L.  Kauchenstein.  6.  aufl.  8.  Berlin.  Weidmann;  18  ngr. 
—  363.  Lucian's  ausgewählte  Schriften.  Erklärt  von  A.  S  o  m- 
merbrodt.  1.  bdch.  2.  aug.  8.  Berlin.  Weidmann;  12 
ngr.  —  364.  Griechische  prosaiker  herausgeg.  in  neuen  Über- 
setzungen von  C.  N.  v.  Oslander  und  G.  Schwab.  Lysias 
reden.  II.  3.  aufl. :  Livius  IX.  10.  aufl.  Stuttgart.  Metzler; 
k  4  gr. —  365.  R.  Volk  mann,  leben,  Schriften  und  philoso- 
phie  des  Plutarch  von  Chäronea.  Neue  ausgäbe.  8.  Berlin. 
Calvary ;  3  thlr.  —  366.  J.  Ov  erb  eck,  Pompeji  in  seinen 
gebäuden,  alterthümern  und  kunstwerken.  2.  aufl.  8.  Leip- 
zig. Engelmann;  6  thlr.  —  367.  W.  Pape,  deutsch -griechi- 
sches handwörterbuch.  3.  aufl.  Bearbeitet  von  M.  Senge- 
busch. 8.  Braunschweig.  Vieweg;  3  thlr.  —  368.  M.  Tüll. 
Cicero's  rede  für  T.  A.  Milo.  Mit  einl.  u.  erkl.  anmerk.  von 
E.  Osenbrüggen.  Neu  bearbeitet  von  H.  Wirz.  8.  Ham- 
burg. Mauke;  221J2  gr.  —  369.  T.  Livi  ab  urbe  condita  IL 
Erklärt  von  W.  Weissenborn.  1.  bdch.  5.  aufl.  8.  Berl. 
Weidmann;  24  ngr.  —  370.  E.  Guhl  und  W.  Kon  er,  das 
leben  der  Griechen  und  Eömer.  3.  aufl.  Lief.  9.  10.  Berlin. 
Weidmann;  ä  10  ngr.  —  371.  Preller,  griechische  mytho- 
logie.  3.  aufl.  von  E.  Plew.  1.  bd.  8.  Berlin.  Weidmann; 
2  thlr.  —  372.  E.  Hübner,  grundriss  zu  Vorlesungen  über 
die  römische  literaturgeschichte.  3.  aufl.  8.  Berlin.  Weid- 
mann; 15  ngr.  —  373.  M.  Carriere,  die  kunst  im  Zusam- 
menhang der  culturentwicklung  und   die  ideale  der  menschheit. 


600  Schulbücher,  n.  374—390.  —  Bibliographie.    Nr.  12. 

3.   bd.      1.  abth.      2.   aufl.      8.      Leipzig.    Brockhaus;    2  thlr. 
20  gr. 


NEUE  SCHULBUEGHER:  374.  5.  Freunds  schüler- 
bibliothek.        Präparation      zu     Homer's    Odyssee.        4.    heft. 

4.  aufl.:  11.  heft.  3.  aufl.  16.  Leipzig.  Violet ;  ä  5  ngr. 
—  376.  Präparationen  zu  Homer's  Odyssee.  Von  einem 
schulmann.  2.  aufl.  Gesang  1 — 3.  8.  Köln.  Schwann;  127a 
ngr.  —  377.  Xenophon's  Anabasis.  Erklärt  von  F.  Voll- 
brecht. 2.  bdch.  4.  aufl.  8;  Leipzig.  Teubner;  12  ngr. 
— -  378.  Platon's  Apologie  des  Socrates  u.  Kriton.  Für  den 
schulgebrauch  von  A.  Ludwig.  5.  aufl.  8.  Wien.  Gerold; 
12  ngr.  —  379—83.  Freund  Schülerbibliothek.  Präparatio- 
nen zu  Virgils  Aeneis.  4.  heft.  4.  aufl.;  zu  Horaz  werken. 
14.  heft;  4.  heft.  2.  aufl.  16.  Leipzig.  Violet;  ä  5  gr.: 
Zu  Sallust's  werken  heft  1.  ib.  j  5  gr.;  Livius.  9.  heft.  2. 
aufl.  ib.;  5  ngr.  —  384.  Gedike's  lateinisches  lesebuch. 
Herausgegeben  von  F.  Hof  mann.  27.  aufl.  8.  Berlin. 
Dümmler;  1276  ngr.  —  385.  K.  W.  Osterwald,  Aescky- 
loserzählungen  für  die  Jugend  bearbeitet.  1.  bdch.  8.  Halle. 
Waisenhaus;  12  ngr.  —  386.  E.  Dietsch,  grurtdriss  der 
allgemeinen  geschichte.  1.  thl.  7.  aufl.  8.  Leipzig,  Teub- 
ner;  12  ngr.  —  387.  J.  Klein,  die  wichtigsten  regeln  der 
griechischen  syntax.  2.  aufl.  8.  Bonn.  Cohen;  12  ngr.  — 
388.  A.  Nicolai,  materialien  zu  mündlichem  und  schriftlichem 
übersetzen  aus  dem  deutschen  ins  griechische.  8.  Berlin.  Weid- 
mann; 15  ngr.  —  389.  H.  A.  Hermann  und  J.  Gr.  Weck- 
herlin  lateinische  schulgrammatik  für  untere  gymnasialkiassen. 

5.  aufl.  8.  Stuttgart.  Metzler;  1  thlr.  4  ngr.  —  390.  E. 
Berger,  lateinische  grammatik.  8.  aufl.  8.  Celle.  Kariowa; 
1  thlr. :  desselb.  kurzgefasste  lateinische  grammatik.  8.  Eben- 
das.  15  ngr.;  dess.  lateinische  übungs-  und  lesebücher.  Thl. 
I.  H.     5.  aufl.     8.     Ebend.;  I.  th.  12  ngr.,  H.  th.  18  ngr. 

BIBLIOGRAPHIE.  Die  inhaber  einer  londoner  buchhand- 
lung,  gebr.  Dullan,  haben  öffentlichen  blättern  zufolge  sämmt- 
liche  in  Paris  während  des  deutsch  -  französischen  kriegs  ver- 
öffentlichten carricaturen  in  sechs  bänden  gesammelt.  Ein 
exemplar  ist  vom  fürsten  Bismark ,  ein  zweites  vom  britischen 
museum  angekauft,  ein  drittes  befindet  sich  im  besitz  der  Samm- 
ler.    Börsenbl.  nr.  258. 

Ein  merkwürdiges  beispiel,  wie  incorrect  auctionskataloge 
gedruckt  werden,  weist  an  dem  bei  Prandel  in  Wien  kürz- 
lich erschienenen  das  Börsenbl.  nr.  289  nach. 

Der  Verleger  von  L.  Napoleon's  HUtoire  de  Jules  CSsar, 
Henri  Plön  in  Paris,    ist  66  jähr   alt  am  25.  nov.  gestorben. 


Nr.  12.  Kleine  philologische  zeituug.  601 

Cataloge  von  antiquaren:  Fliegender  antiquarischer  anzeiger 
der  G.  H.  Beck'schen  buchhandlung  in  Nördlingen ,  nr.  24; 
antiquarisches  verzeichniss  nr.  34  (decemb.)  von  Ernst  Car- 
lebach  in  Heidelberg  (philologie  und  Sprachwissenschaft). 


KLEINE  PHILOLOGISCHE  ZEITUNG.  Der  literari- 
sche nachlass  von  G.  H.  Bürger,  der  wichtige  briefe  u.  s.  w. 
enthalten  soll ,  ist  in  den  besitz  von  Eichard  Werth  zu  Melle 
übergegangen :  Börsenbl.  n.  206. 

Ein  verzeichniss  der  deutschen  bücher ,  welche  neuerdings 
in  holländischen  Übersetzungen  erschienen  sind,  giebt  Börsenbl. 
nr.  238:  von  philologischem  ist  nur  darunter:  Brambach 
hülfsbüchlein  der  lateinischen  rechtschreibung  und  Müller  re» 
eultate  der  Sprachwissenschaft. 

,,  Schriftsteller  und  Verleger  vor  100  jähren "  ist  ein  auf» 
satz  betitelt  im  Börsenbl.  nr.  260.  266. 

Güstrow.  Am  3.  und  4.  oct.  hat  hieselbst  in  der  aula 
der  domschule  eine  Versammlung  der  Schulmänner  Mecklen- 
burg^ stattgefunden;  es  war  seit  mehreren  jähren  der  wünsch, 
eine  periodisch  wiederkehrende  Vereinigung  zum  zweck  der  ver- 
mittelun^  persönlicher  bekanntschaft  und  zur  gegenseitigen  anre- 
gung  und  förderung  herbeizuführen,  zumal  nach  dem  aufhören  des 
„Vereins  norddeutscher  Schulmänner"  wiederholt  laut  geworden 
und  hatte  zuletzt  in  einer  zu  Pfingsten  1866  in  Kleinen  statt- 
gehabten Versammlung  zwar  lebhaften  anklang  gefunden ,  aber 
zu  der  dort  verabredeten  Wiederholung  solcher  Zusammenkünfte 
wegen  der  Zeitereignisse  nicht  geführt.  Je  grösser  aber  durch 
das  seitherige  rasche  emporblühen  des  höheren  Schulwesens  in 
unserem  lande  die  zahl  der  uns  zugeführten  neuen  kräfte  ge- 
worden ist,  desto  dringender  ward  der  wünsch  nach  einer  sol- 
chen Vereinigung.  Daher  haben  die  collegien  der  domschule  und 
realschule  zu  Güstrow  von  der  erwägung  ausgehend,  dass  Gü- 
strow durch  seine  auch  für  Mecklenburg-Strelitz  leicht  erreich- 
bare läge  am  geeignetsten  erscheint,  den  ort  einer  Zusammen- 
kunft abzugeben  und  dass  wegen  der  in  diesem  jähre  erfolgten 
Verlegung  der  philologenversammlung  in  die  pfingstferien  und 
der  der  naturforscherversammlung  in  die  hundstagsferien  die 
bevorstehenden  michaelisferien  der  angemessene  Zeit- 
punkt zu  einer  solchen  sind ,  die  initiative  ergriffen  und  auf 
den  oben  erwähnten  tag  eine  Zusammenkunft  anberaumt.  Sie 
ist  denn  auch  mit  allgemeiner  Zufriedenheit  abgehalten ;  denn  der 
einladung  waren  42  lehrer,  darunter  director  Briegleb,  prof.  Dühr, 
Dr  Heusi,  Dr  Labes  u.  s.  w.  gefolgt,  so  dass  fast  alle  mecklenbur- 
gischen gymnasien  und  realschulen  vertreten  waren.  Dir.  Dr 
Raspe  -  Güstrow  eröffnete  die  Verhandlungen,  zunächst  über  eon- 


602  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  12. 

etituirung  eines  Vereins :  es  ward  einstimmig  beschlossen ,  einen 
verein  mecklenburgischer  schulmänner  zu  gründen ,  der  sieh 
alljährlich  am  dienstag  nach  pfingsten  an  einem  vorher  zu  be- 
stimmenden orte  versammeln  und  die  aufgäbe  haben  solle, 
pädagogische  und  wissenschaftliche  fragen  zu  besprechen  und 
durch  Vermittlung  persönlicher  bekanntschaft  belebend  und  an- 
regend auf  die  mitglieder  zu  wirken.  Demnächst  wurden  Sta- 
tuten des  Vereins  nach  bereit  gehaltenem  entwurf  durcbbera- 
then  und  die  bildung  von  sectionen  dem  jeweiligen  bedürfniss 
vorbehalten.  Den  schluss  bildeten  über  Versetzungen  von 
Rasp  e -  Güstrow  gestellte  thesen.  Von  wissenschaftlichen  vor- 
tragen wurde  diesmal  abstand  genommen.  Die  rege  betheili- 
gung  an  dieser  Vorversammlung  lässt  erwarten,  das  ein  le- 
benskräftiger verein  zu  stände  kommen  wird.  Es  lässt  sich 
voraussehen ,  dass  da  die  sogenannte  deutsche  philologenver- 
sammlung  in  den  letzten  jähren  eben  nicht  glücklich  geführt  ist, 
solche  kleinere  vereine  in  grösserer  anzahl  entstehen  werden ; 
es  wäre  das  nur  zu  beklagen,  da  gerade  jetzt,  wo  eine  zeit- 
gemässe  Umbildung  des  deutschen  gymnasial  -  wie  universitäts- 
wesens  so  dringend  geboten  ist,  eine  grosse,  die  besten  pä- 
dagogischen kräfte  Deutschlands  vereinigende  Versammlung,  rich- 
tig geleitet,  einen  wohlthätigen  und  der  bureaukratie  gegen- 
über äusserst  nothwendigen  einfluss  ausüben  könnte  und  müsste. 

11.  octob.  Der  geschichts  -  und  alterthumsverein  in  Ha- 
nau hat  das  recht  erworben  auf  dem  dortigen  sg.  römischen 
todtenfelde  ausgrabungen  zu  veranstalten :  diese  sind  begonnen 
und  es  sollen  schon  werthvolle  gegenstände  gefunden  sein.  Nä- 
heres giebt  hierüber  Staats-Anz.  n.   304  beil.   1. 

Chemnitz.  14.  oct.  Seitdem  im  jabre  1835  das  alte,  in  sei- 
nen anfangen  bis  über  die  reformation  hinaus  reichende  städtische 
lyceum,  die  bildungsstätte  grosser  philologen  (Fabricius,  Heyne) 
und  theologen  (Bretschneider,  "Winzer,  Illgen)  aus  mangel  an 
mittein  eingegangen  war ,  entbehrte  die  dritte  Stadt  Sachsens 
bei  einer  einwohnerzahl  von  (1871)  über  68000  seelen  einer 
humanistischen  bildungsstätte.  Erst  seit  1866  nahm  das  cultus- 
ministerium,  dazu  angeregt  durch  petitionen  des  raths  und  der 
Stadtverordneten  von  Chemnitz ,  die  angelegenheit  ernstlich  in 
betracht;  zu  michaelis  1868  ward  vorläufig  ein  dreiklassiges  pro- 
gymnasium  mit  drei  lehrern  und  einunddreissig  schülern  eröff- 
net, anfangs  unter  der  Oberleitung  des  hiesigen  realschuldirec- 
tors  prof.  Caspari.  Zu  ostern  1871  erhielt  die  inzwischen  bis  zu 
8  lehrern  und  105  schülern  herangewachsene  anstalt  einen  rec- 
tor  in  der  person  des  bisherigen  professors  an  der  landesschule 
zu  Meissen,  Dr  Theodor  Vogel.  Die  stadt  hatte  sich  dem 
ministerium  gegenüber  zur  gewährung  eines  geeigneten  baupla- 
tzes  verpflichtet,    der  nach  langen  unerquicklichen,    das    ganze 


Nr.  12.  Kleine  philologische  zeitung.  603 

vorübergehend  in  frage  stellenden  Verhandlungen  in  einem  für 
ca  22500  thlr.  angekauften  grundstück  auf  dem  sogen.  Kass- 
berg, einer  massig  hohen,  steil  ansteigenden  höhe  im  nordwe- 
sten  der  stadt,  gefunden  ward.  Am  14.  october  dieses  jahres 
fand  die  inauguration  des  neuen,  einfach •  würdigen  gebäudes 
statt :  die  kosten  des  baues  mit  einschluss  der  mobiliarausstat- 
tung  belaufen  sich  auf  ca  63000  thlr.  Zur  eröffnungsfeierlich- 
keit  hatte  der  rector  durch  eine  alcäische  ode  eingeladen:  sie 
schliesst; 

At  tu,  potenti  numine  qui  mare, 
Terrain  et  micantem  sideribus  polum, 
Mortalium  qui  res  caducas 
Arbitrio  regis  unus  aequo, 

Amplo  dicatos  officio  Lares 
Sancteque  Christi  nomine  conditos 
Custodias  nutu  et  benigno, 
Summe  Deus,  tueare  vultu, 

Ut  nee  procellae  fulmina  nee  mala 
Sacrata  tangant  baec  Tibi  moenia 
Neu  plebis  insanae  tumultus 
Hosticus  aut  furor  et  libido, 

Ut  salva  perstet  tempus  ad  ultimum 
Gaudens  frequenti  diseipulo  schola, 
Saecli  mala  incorrupta  tabe, 
Chemnitii  patriaeque  lumen ! 

Die  einladung  stiess  auf  eine  ausserordentlich  rege  theilnahrae ; 
unter  dem  zahlreichen  auditorium,  das  dem  inaugurationsactus 
beiwohnte,  befanden  sich  der  eultusminister  Dr  v.  Gerber ,  der 
geheime  kirchen  -  und  schulrath  Dr  Gilbert,  eine  grosse  anzahl 
früherer  schüler  des  lyceums  und  unter  ihnen  der  letzte  rector 
desselben,  professor  Dr  Friedrich  Wolf  Heinichen,  bekannt  durch 
seine  literarischen  arbeiten  auf  dem  gebiete  der  patristik,  der 
lateinischen  lexicographie  und  Stilistik.  Ausserdem  liefen  schrift- 
liche glückwünsche  in  versen  und  prosa  ein,  welche  passend 
aufgelegt  waren:  davon  ist  uns  bekannt  geworden  eine  latei- 
nische mit  schöner  das  gymnasial  -  gebäude  darstellenden  Vignette 
geschmückte  elegie  von  A.  G.  Dinter  in  Grimma,  deren  schluss 
lautet : 

Hunc  signate  diem,  precor,  albo  rite  lapillo, 
Praebet  enim  nobis  gaudia  spemque  simul. 

Chemnitiense  novum  crescat  vigeatque  precemur 
Gymnasium !  votis  annuat  ipse  Deus ! 

Ferner  hat  Rieh.  Richter  im  namen  des  lehrer-collegiums 
zu  Zwickau  mit  einer  schönen  elegie  gratulirt,  deren  schluss 
wir  ebenfalls  hier  mittheilen  : 

Nil  magni  sine  magnanimo  est  certamine  natum, 
certando  uirtus  nascitur  ipsa  uiris. 


604  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  12. 

Ergo  age  certemus !  rapiat  concordia  discors 

nos  simul  illustris  limite  curriculi! 
Propositum  est  quodcumque  refert  pulchrique  bonique 

Aonidum  cultus,  praeniia  digna  sequi. 
Cras  tarnen  intremus  stadium:  nunc  esse  bibendum, 

nunc  puto  laetitiae  cuncta  replenda  sono. 
Heus!  deprome,  puer,  Bacchi  spumantia  dona 

—  interior  feste-  lumine  digua  nota  est  — 
utbene  uicinum!  plena  ad  carchesia  dicam 

intrantique  scholae  limina  fausta  precer. 
Stet  domus  inconeussa,  polo  dum  saeuiet  Auster, 

sacrilegique  proeul  sit  scelerata  manus. 
Ut  splendens  nouitate  sua  fumo  urbis  et  umbra 

emicat  et  late  conspicienda  nitet, 
sie  domus  baec  late  doctrinae  lumina  spargat 

et  lux  sit  patriae  Candida  sitque  decus. 
Hanc  quicumque  colit  ciuis,  seu  doctus  ab  arte, 

siue  artis  tetigit  uix  elementa  labris, 
Semper  inoffenso  premat  baec  pede  limina;  nulluni 

eiciat  leuitas  nequitiesue  sua. 
Si  tarnen  eveniat  —  sola  baec  commercia  nostra 

deprecor  —  ad  fines  ne  migret  ille  meos. 

Nachdem  der  staatsminister  Dr  v.  Gerber  das  gebäude  der  ßtadt 
Chemnitz  übergeben  und  warme  worte  an  die  (11)  lehrer  der 
(jetzt  151  schüler  in  7  classen  zählenden)  anstalt  gerichtet, 
und  nachdem  geheimer  rath  Dr  Gilbert,  selbst  ein  schüler  des 
lyceums,  eine  tief  empfundene  weihrede  gehalten  hatte,  be- 
antwortete der  rector  in  längerer  rede  im  anschluss  an  Iesaias 
die  frage:  „was  ist  es  denn  für  ein  haus  das  wir  dem  herru 
bauen",  durch  die  dreifache  antwort:  „wir  weihen  das  haus  zur 
ringschule  der  geister,  zur  pflegestätte  klassischer  humanität, 
zum  tempel  der  anbetung  gottes  im  geist  und  in  der  Wahrheit". 
Die  Stadt  Chemnitz  bekundete  ihr  interesse  an  dem  gymnasium, 
dem  auf  dem  hiesigen  durch  das  commercielle  leben  beherrsch- 
ten boden,  mitten  unter  hervorragenden  statten  der  realistischen 
Studien  und  exaeten  Wissenschaften  eine  so  bedeutsame  auf- 
gäbe zufällt,  durch  die  anweisung  eines  capitals  von  2000 
thlr  zu  Stipendien;  ausserdem  sind  von  Privatpersonen  der 
jungen  anstalt  an  diesem  und  den  vorhergehenden  tagen  3900 
thlr  und  2000  gülden  östr.  w.  zugewendet  worden;  daneben 
gegenstände  von  kunstwerth  (z.  b.  ein  kunstvoll  geschnitztes 
katheder  für  die  aula,  eine  prachtvolle  fahne  von  den  müttern 
und  Schwestern  der  schüler).  Den  6chluss  der  festlichkeiten 
bildete  ein  sehr  animiertes  vom  Ministerium  den  lehrern  des 
gymnasiums  ,  den  zahlreich  erschienenen  deputationen  (Meissen, 
Grimma,  Dresden,  Zwickau,  Freiburg,  realschule  Mittweida  u.  8. 
w.)  und  hervorragenden  persönlichkeiten  der  Stadt  gegebenes 
diner,  am  andern  tage  ein  ebenfalls  vom  ministerium  den  Schü- 
lern gewährtes  fest,  concert,  theatralische  aufführungen  und 
ball.     Möge  nun  Chemnitz  auch  auf  dem  gebiete  der  humaniora 


Nr.  12,  Kleine  philologische  zeitung.  605 

das  epitheton  ornans  bewahrheiten,  das  einst  Georg  der  bärtige 
mit  beziehung  auf  seine  mauern  ihm  beilegte:  „Chemnitz  die 
feste". 

Marienburg,  den  15.  october.  In  unserer  nähe,  die  an 
Überresten  aus  der  alten  heidenzeit  so  reich  ist,  hat  man  vor 
einigen  tagen  einen  nicht  unbedeutenden  fund  gethan.  Beim  pflü- 
gen stiess  man  auf  ein  steingrab  auf  dem  sog.  Galgenberge, 
einer  gegend,  welche  in  früheren  Zeiten  entweder  das  haff-  oder 
ein  seeufer  gebildet  hat.  Bei  weiteren  nachgrabungeu  wurden 
vier  wohlerhaltene  urnen  ans  licht  gebracht;  ausserdem  reste 
von  einer  grösseren  anzahl  gefässe,  darunter  auch  eine  flache 
ßchaale.  Von  Schmucksachen  fanden  sich  einige  bronceüberreste. 
In  der  sehr  feuchten  erde  hatte  eine  menge  der  gefässe  gelit- 
ten ;  der  nasse,  zähe,  aber  an  der  luft  sehr  schnell  erhärtende 
boden  bereitete  auch  der  ausgrabung  Schwierigkeiten.  Uebri- 
gens  vermuthet  man  noch  mehr  gräber  in  der  nähe ;  leider  alle 
im  besten,  sorgfältig  bestellten  weizenboden. 

Petersburg  18.  octob.  Im  Kawkas  sind  weitere  nach- 
richten  über  von  Baiern  begonnene  ausgrabungen  auf  dem 
kirchhof  bei  dem  dorfe  Mzchet  enthalten:  in  grabmälern  sind 
gegenstände  mit  kursiv  lateinischen  und  griechischen  inschriften 
gefunden,  aber  auch  solche,  die  mit  assyrischen,  phönizischen, 
ja  mit  schriftzeichen  einer  noch  altern  schrift  versehen  sein  sol- 
len.    Näheres  Staatsanz.  n.  251.  beil.  1. 

Das  Bismark- Stipendium  für  die  Universität  Strassburg 
hat  von  der  münchen-aachener  feuerversicherungsanstalt  20000 
thlr.  erhalten  :  Staatsanz.  nr.  254. 

21.  octob.  fand  in  Berlin  die  feierliche  eröffnung  der 
academie  für  moderne  philologie  statt:  näheres  im  Staats- 
anz. nr.  255  beil.  1. 

Halle  a.  d.  Saale.  Am  30.  october  feierte  der  geheime- 
rath  professor  und  oberbibliothekar  Dr  Bernhardy  hieselbst 
sein  fünfzigjähriges  doctor- Jubiläum.  Von  allen  Seiten  beeilte 
man  sich  dem  verehrten  manne  die  innigsten  glückwünsche  dar- 
zubringen und  ihm  die  gebührende  anerkennung  zu  zollen. 
Der  Staat  ehrte  die  hohen  Verdienste  des  Jubilars  durch  Verlei- 
hung des  Rothen  Adlerordens  zweiter  klasse  mit  eichenlaub ; 
Universitäten  und  academien  begrüssten  ihn  in  solennen  votiv- 
tafeln;  die  behörden  der  provinz  und  der  Stadt  sandten  ihre 
Vertreter  zum  feste,  und  eine  grosse  anzahl  von  gymnasien  des 
in  -  und  ausländes  schickte  deputationen ,  um  dem  academi- 
schen  lehrer  für  alle  die  förderung  zu  danken,  welche  das  phi- 
lologische Studium  und  indirect  das  höhere  Schulwesen  gerade 
durch  sein  wort  und  durch  seine  ßchriften  erfahren.  Um  die- 
sen gefühlen  des  dankes  noch  besondern  ausdruck  zu  geben, 
hatte  man  unter  den  schülern  und  Verehrern  des  Jubilars  be- 
hufs   gründung  eines  Bernhardy -Stipendium   für  philolo- 


606  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  12. 

gie  studierende  an  der  Universität  Halle  eine  geldsammlung  ver- 
anstaltet, und  der  ertrag  derselben  —  er  beläuft  sich  jetzt  auf 
ziemlich  800  thlr.  —  konnte  bereits  zu  weiterer  bestimmung 
tibergeben  werden.  Und  wie  es  eine  so  ungewöhnliche  feier  mit 
sich  bringt,  man  beschränkte  sich  nicht  darauf  mit  flüchti- 
gem wort  ihr  gerecht  zu  werden,  sondern  man  suchte  auch  in 
Schriften  aller  art  eine  bleibende  erinnerung  an  sie  zu  stiften; 
es  sind  nämlich  folgende  festschriften  dargebracht:  von  der  kö- 
nigl.  landesschule  Pforta:  II.  Ad.  Kochii  Emendationes  Plau- 
tinae;  von  den  Frankischen  Stiftungen  in  Halle  abhandlungen 
von  Dr  Chr.  Muff  De  exitu  Vesparum  Aristophaneae  fabulae 
cornmentatio ,  und  von  Dr  Aug.  Müller  „die  griechischen  philo- 
sophen  in  der  arabischen  Überlieferung";  vom  Stadtgymnasium 
in  Halle  eine  Untersuchung  von  Dr  Rud.  Peppmüller  „Ueber  die 
composition  der  klaglieder  im  vierundzwanzigsten  buch  der 
Ilias"  ;  vom  philologischen  seminar  der  Universität  Halle  eine 
collectivschrift  mit  beitragen  von  O.  Friedet:  De  Hippiae  so- 
phistae  studiis  Homericis,  von  O.  Neuhaus:  De  Sophoclis  Antigo- 
nae  initio,  von  A.  Schinck:  De  duplici  Aristophanis  Ranarum 
recensione,  und  E.  Seiler:  De  Tibulli  elegia  I,  2;  ferner  vom 
prof.  Dr  E.  Dümmler  eine  schritt :  „Anselm  der  peripatetiker, 
nebst  anderen  beitragen  zur  literaturgeschichte  Italiens  im  elf- 
ten Jahrhundert" ;  vom  gymnasialdireetor  Dr  Hense  in  Parchim 
eine  schritt:  „Das  schweigen  und  verschweigen  in  dichtungen"; 
vom  privatdocenten  Dr  O.  Hense  „Kritische  blätter.  —  (Aeschy- 
lus'  Choephoren.  Miscellen)"  ;  vom  prof.  Dr  Unger  in  Halle  und 
prof.  Dr  Künstler  in  Ratibor  lateinische  öden.  Hervorhe- 
ben müssen  wir  aber  auch  das  am  nachmittage  des  jubeltages 
im  saale  des  hoteis  „Stadt  Hamburg"  unter  regster  betheiligung 
durcbgeführte  festmahl ,  und  zwar  deshalb,  weil  es  eine  wahre 
freude  war  den  Jubilar  im  lebhaftesten  und  heitersten  ver- 
kehr mit  so  vielen  männern  zu  sehen,  die,  so  verschieden  sie 
auch  an  alter  und  Stellung  waren,  ihm  alle  dieselbe  pietät  be- 
zeugten. Es  wurde  hier  manch  gutes  wort  zu  seinem  lobe 
geredet,  unbedingt  das  beste  aber  sprach  er  selbst  in  seiner 
erwiderung.  Mit  kurzen,  kräftigen  strichen  entwarf  er  ein  an- 
schauliches bild  von  seinem  bildungsgange,  knüpfte  daran  eine 
vortreffliche  Würdigung  der  philologischen  Studien  auf  schulen 
und  Universitäten ,  legte  es  der  studierenden  jugend  dringend 
ans  herz  wieder  zu  dem  wissenschaftlichen  sinn  und  dem  idea- 
len streben  früherer  generationen  zurückzukehren  und  trank 
dann  auf  das  wohl  der  alma  mater,  an  der  er  43  jähre  so 
ruhmvoll  gearbeitet  hat,  der  hallischen  Fridericiana.  —  Wir 
schliessen  dieses  referat  mit  dem  herzlichen  wünsche,  dass  es 
dem  würdigen  und  hochverdienten  gelehrten  vergönnt  sein  möge 
noch    recht    lange   in    andauernder    körperlicher   und   geistiger 


Nr.  12,  Kleine  philologische  zeitung.  607 

frische  und  mit  reichstem  erfolge  im  dienste  der  Wissenschaft 
zu  wirken. 

30.  october.  Darmstadt.  Heute  fand  die  erste  sitzung 
des  komites  zur  errichtung  eines  denkmals  für  die  von  der 
hessischen  division  im  deutsch  -  französischen  kriege  gefal- 
lenen statt. 

Hauptmann  Burton,  bekannt  durch  ein  werk  über  Sy- 
rien, bereis't  zum  zweck  wissenschaftlicher  Untersuchungen  die 
insel  Island. 

Stockholm.  2.  nov.  Die  gelebrtenschule  in  Westems 
wurde  wegen  daselbst  herrschenden  nervenfiebers  geschlossen. 

Neue  entdeckungen  inßom,  Im  quartier  des  Campo 
Militare  (im  alten  Eom:  Castro,  Praetoria)  wurde  eine  marmor- 
platte von  cm.  58  länge,  25  höhe,  10  dicke  gefunden,  worauf 
namen  und  tage  verzeichnet  sind.  Es  ist  dies  eine  tafel  zur 
einschreibung  von  Soldaten  der  prätorianergarde.  Die  Zusammen- 
setzung der  cohorteö,  der  tag  des  eintritts  der  Soldaten  in  den 
dienst,  ihr  geburtsort  u.  s.  w.  sind  darauf  verzeichnet.  Die 
tafel  rührt  aus  der  zeit  des  kaisers  Commodus  her;  als  con- 
suln  sind  angegeben  Crispinus  und  Delianus,  Fuscianus  und 
Silanus.  —  Am  Viminal  fand  man  die  spuren  einer  uralten 
civilisation,  die  noch  weit  über  die  gründung  Eoms  hinaufreicht. 
Unter  den  dort  entdeckten  gegenständen  ist  ein  glasbecher  von 
grosser  feinheit;  ein  gläserner  krug;  vieles  aus  terracotta,  aus 
der  vorrömischen  zeit  stammend.  —  Bei  der  Basilica  di  St. 
Maria  Maggiore,  zwischen  Esquilin  und  Viminal,  fand  man  ei- 
nen prachtvollen  mosaikboden  von  10  qu.-m.  und  ausserordent- 
lich schöner  arbeit.  Das  stück  wurde  mit  grosser  Sorgfalt  weg- 
genommen und  in  das  kapitolinische  museum  gebracht. —  Im  mit- 
telpunkt  der  stadt  fand  fürst  Chigi  beim  bau  eines  hauses  9 
m.  unter  dem  niveau  der  Strasse  St.  Nicola  de  Tolentino  (im 
nordosten)  eine  alte  grabinscbrift.  —  Der  herzog  von  Fiano  hat 
beim  ausbau  seines  palastes  am  Corso  interessante  funde  ge- 
than  :  so  einen  alten  Sarkophag  mit  basreliefs.  —  Die  aufschrift 
eines  zweiten  sarges,  der  bei  der  kirche  St.  Lorenso  entdeckt 
wurde,  lautet:  „FLo  GAVDESTIVS  V.  D.  P.  T.  L.  D.  ET 
HONOEATA  CONIVX  D.  P.  T.  N.  SEPT."  D.  h.:  „Fla- 
vius  Gaudentius,  vir  dignus,  presbyter  titulo  Laurentii,  devotus,  et 
honorata  coniux.  Depositi  nonis  septembris."  Dieses  grab  stammt 
entschieden  aus  den  ersten  zeiten  des  christenthums.  —  Auf 
dem  forum  bei  der  Phokassäule  faud  man  bruchstücke  eines 
grossen  basreliefs  in  marmor,  auf  beiden  seiten  mit  bildhauer- 
arbeiten geschmückt.  Das  stück  diente  wahrscheinlich  als  gal- 
lerie  für  das  publikum,  wenn  ein  redner  auf  dem  forum  sprach. 
Das  stück  ist  1,40  m.  hoch  und  9,70  m.  lang.  Die  Skulptu- 
ren sind  sehr  interessant,  u.  a.  eine  scene  vom  forum  darstel- 
lend ,    redner   und   zuhörer.      Die    menschlichen    figuren  sind  1 


608  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  12. 

meter  hoch ,  das  ganze  stammt  wohl  aus  Hadrians  Zeiten ,  ist 
aber  stark  beschädigt:  Staatsanz.  nr.  265.  Beil.  3.  Ueber  das 
am  schluss  erwähnte  basrelief  s.  Ph.    Anz.  V,  3. 

Im  Staatsanz.  nr.  267  beil.  1  wird  auf  eine  eigentbüm- 
liche  antiken-fäls  chung  aufmerksam  gemacht:  in  Giur- 
dini  in  Sicilien,  unweit  des  alten  Naxos,  sollen  kleine  miss- 
gestaltene  figuren  mit  uralten  griechischen  inschriften  gefunden 
sein,  die  jetzt  in  Rom  verkauft  werden.  Die  fälschung  zeigen 
die  inschriften  deutlich:  so  lautet  eine  Elisabetha  regina,  eine 
andre,  Hony  soit  gut  mal  y  pense.  Es  muss  sich  doch  mit  drgl. 
ein  guter  profit  machen  lassen. 

Dresden.  10.  nov.  An  diesem  tage  wurde  hieselbst  und 
im  ganzen  lande  die  goldene  hochzeit  des  könig  Johann  und 
der  königin  A  m  a  1  i  a  gefeiert  und  hat  selbstverständlich  die 
sächsische  gelehrsamkeit  nicht  unterlassen,  diesen  ehrentag  des 
gelehrten  königs  zu  feiern  und  ihre  dankbarkeit  für  die  unter 
dieser  regierung  unablässig  und  erfolgreich  der  gelehrsamkeit 
zugewandte  förderung  und  pflege  öffentlich  auszusprechen.  Von 
derartigen  äusserungen  ist  uns  das  gedieht  der  sächsischen  gym- 
nasien,  verfassL  vom  rector  Dr  Ilberg,  zugekommen:  der  titel 
lautet:  Principibus  optimis  |  Ioanni  J  Saxoniae  regi  |  et  |  Ama- 
liae  |  Saxoniae  reginae  |  parentibus  patriae  |  diem  laetissimum 
atque  auspicatissimum  |  quo  |  ante  decem  lustra  felicissimum  con- 
iugium  |  inierunt  |  piis  votis  nuneupatis  |  vereeundissime  con- 
gratulantur  j  Gymnasia  Saxoniae.  Als  probe  theilen  wir  die  letz- 
ten Strophen  mit: 

Mutatur  aetas,  interit  et  vetus 
Floretque  ritu  mox  iuvenuni  recens 
Motu  perenni,  nescit  unda 
Flmninis  effugiens  redire. 
Cum  forma  rerum  corrueret  vetus, 
Custodiistis  pristina  fortiter 
Fideque  eulpari  timente 
Foedera,  propositi  tenaces: 
Cum  Mars  sileret,  belligerum  caput 
Cum  rursus  alto  vertice  tolleret, 
Vestra  fide  nil  clariore 
Splenduit  emieuitque  luce, 

Periculosae  temporeque  aleae 
Exemplo  honesto  gentibus  edito 
Landes  coruscantes  per  omnem 
Saxoniae  genuistis  orbem, 
Vetusque  quercus  vividior  qnatit 
Germana  ramos  surgit  et  altior 
Nullasque  tempestatis  iras 
Auspiciis  metuit  seeundis. 
Virtute  funetos  non  patitur  mori 
Dignosque  amari  gentis  amor  Duces, 
Ut  astra  fulgent,  quae  ora  numquam 
Fluctibus  Oceani  recondunt. 


Nr.  12.  Kleine  philologische  zeitung.  609 

Felix  beato  Principe  patria, 
Lugente  luget:  tollite,  Saxones, 
Plausus  secundos  et  secundas 
TTnanimi  gerninati  voces: 

Orbein  potenti  nuniine  qui  regis, 
Tuere  Regem  ter  venerabilem, 
Tuere  Pieginain  benignam 
Regium  et  omne  Genus  tuere ! 

London.  13.  nov.  In  den  assyrischen  archiven  des 
British  Museum  ist  ein  chaldäischer  bericht  über  die  sünd- 
fluth  entdeckt,  der  grosse  ähnlichkeit  mit  dem  im  ersten  buch 
Mosis  enthaltenen  haben  soll.  Darüber  giebt  nun  der  Staats- 
anz.  nr.  294,  beil.  2  genaueres,  aus  dem  wir  folgendes  entneh- 
men. Hr.  Smith,  beamter  des  brittischen  museum  fand  den 
sündfiuthbericht,  der  ,,keil-inschrift"  genannt  wird,  unter  assy- 
rischen schreibtafeln  mythologischen  und  mythischen  Inhalts. 
Es  sind  bruch>tücke  von  drei  duplikat- texte  enthaltenden  kopien 
dieser  Inschrift  vorhanden ,  und  diese  kopien ,  welche  der  zeit 
von  Assurdanipal,  oder  ca.  660  jähre  vor  der  christlichen  Zeitrech- 
nung angehören ,  wurden  in  der  bibliothek  dieses  monarchen 
im  palast  von  Niniveh  gefunden.  Der  Originaltext  der  version 
oder  tradition  der  sündfluth  scheint,  den  angaben  dieser  assyri- 
schen schreibtafeln  zufolge,  der  frühen  chaldäischen  periode,  in 
der  jetzt  durch  die  ruinen  von  Warka  repräsentirten  Stadt  Erech 
(eine  der  städte  Nimrods)  anzugehören.  Der  bericht  über  die 
sündfluth ,  der  als  eine  erzahlung  in  den  mund  von  Sisit  (dem 
Noah  der  bibel)  gelegt  ist,  hat  eine  genauere  ähnlichkeit  mit 
dem  durch  die  Griechen  von  Berosus,  dem  chaldäischen  histo- 
riker,  überlieferten  bericht  als  mit  der  biblischen  geschichte,  weicht 
aber  von  keiner  dieser  Versionen  wesentlich  ab.  —  Der  bericht  in 
keilschrift  ist  viel  ausführlicher  als  der  des  Berosus,  und  ent- 
hält mehrere  details ,  die  sowohl  in  der  bibel,  wie  in  dem 
griechischen  gesckichtswerke  fehlen.  Sisit  erzählt  von  der  gott- 
losigkeit  der  weit,  von  dem  göttlichen  gebot,  eine  arche  zu  bauen, 
dereu  erbauung  und  ausfüllung,  der  sündfluth,  dem  ruhen  der 
arche  auf  einem  berge,  dem  aussenden  der  vögel  u.  s.w.  Mit 
bezug  auf  die  dauer  der  sündfluth  ist  zwischen  der  bibel  und 
der  keilförmigen  inschrift  ein  grosser  unterschied  vorhanden. 
Der  griechische  bericht  des  Berosus  schweigt  über  diesen  punkt 
gänzlich.  Weitere  abweichungen  von  der  bibelversion  beziehen 
sich  auf  das  aussenden  der  vögel  und  den  namen  des  berges, 
auf  welchem  die  arche  ruhte.  Der  Ararat  der  bibel  heisst  in 
der  inschrift:  Nizir.  Smith  gelangt  zu  dem  schluss ,  dass  die 
in  der  bibel  wie  in  der  inschrift  geschilderten  ereiguisse  im 
ganzen  dieselben  seien  und  in  derselben  Ordnung  sich  zutrugen, 
dass  aber  die  bedeutenden  abweichungen  in  den  einzelnheiten 
beweisen,    dass    die  inschrift    eine  unabhängige  und  für  sich  be- 

Philol.  Anz.  IY.  39 


610  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  12* 

stehende  tradition  repräsentire.  Trotz  einer  auffälligen  ähnlich- 
keit  im  style  gehörten  die  zwei  Schilderungen  zwei  gänzlich 
verschiedenen  Völkern  —  die  eine  einem  binnenlandvolke,  die 
andere  einem  seefahrenden  volke  —  an.  Es  ist  das  natürlich 
alles  mit  grosser  vorsieht  aufzunehmen, 

London.  20.  nov.  Der  americanische  missionair  Dr 
Grant  in  Cairo  hat  ein  hebräisches  manuscript,  theile  der  bi- 
bel  enthaltend,  in  einer  45  jähre  vor  Zerstörung  des  zweiten 
tempels  erbauten  Synagoge  entdeckt. 

Von  der  Aar,  27.  nov.  In  der  nähe  des  Apollinaris- 
brunnen  sind  bei  gelegenheit  von  neubauten  römische  münzen 
aus  der  kaiserzeit  und  sonstige  alterthümer  gefunden. 

Von  New-York  ging  unlängst  eine  expedition  zur  erfor- 
schung  von  Palästina  ab,  unter  führung  des  lieutenant 
S  t  e  v  e  r. 

Bei  den  erdarbeiten  der  Donauthalbahn  in  der  nähe  von 
Regensburg  an  der  Strasse  nach  Kumpfmühl  wurde  ein  gro- 
sser theil  des  ehemaligen  römischen  Leichenfeldes  westlich 
dieser  Strasse,  in  welcher  die  alte  beerstrasse  zu  verinuthen  sein 
dürfte,  aufgegraben  und  zahlreiche  funde  ans  dem  2.  bis  ins  4. 
Jahrhundert  gemacht.  Diese  stelle  hatte  besonderes  interesse 
dadurch,  dass  sich  der  im  3.  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung 
stattfindende  Übergang  von  der  vorherrschenden  leichenverbren- 
nung  zur  ausschliesslichen  beerdigung  im  sarge  fortschreitend 
verfolgen  liess.  Die  üblichen  beigaben  zu  den  urnen  und  beer- 
digungen,  wie  grablampen,  gefässe,  armreife,  fiugerringe,  Spie- 
gel, perlen,  haarnadeln,  auch  eine  nahuadel  von  bein,  stücke 
von  kämmen,  messer,  münzen  u.  s.w.  wurden  in  beträchtlicher 
anzahl,  mitunter  in  kulturhistorisch  merkwürdigen  exemplaren 
erhoben,  z.  b.  ein  fingerring  von  bernstein.  Die  zahl  der  fund- 
nummern  beläuft  sich  in  den  letzten  acht  wochen  bereits  auf 
350.  Auch  zwei  steinsärge  wurden  ausgegraben,  von  denen 
der  erstere  früher  schon  erbrochen  war,  er  enthielt  verworfene 
knochenüberreste  dreier  leichen,  die  einem  starken  manne,  ei- 
ner mittelgrossen  frau  und  einem  kinde  angehört  haben  dürf- 
ten. Der  andere  kleine  sarg,  dessen  walmdachähnlicher  deckel 
von  der  form  der  bisher  gefundenen  abwich  (indem  diese  mit 
zwei  seiten  abgedacht  und  an  den  ecken  mit  buckeln  versehen 
sind),  wurde  gestern  blossgelegt;  in  demselben  waren  knochen- 
reste  eines  etwa  fünfjährigen  mädchens,  wenn  die  dabei  gefun- 
dene halbe  haarnadel  diesen  schluss  erlaubt.  Mehr  interesse 
noch  dürfte  das  vorkommen  von  Überresten  zweier  römischen 
gebäude  beanspruchen ,  deren  fundamente  auf  dem  leichenfelde 
kürzlich  abgegraben  wurden.  Beide  gehörten  wohl  zusammen 
und  waren  offenbar  durch  brand  zerstört.  Das  westliche  be- 
stand aus  einem  einzigen  inuenraum  von  24  fuss  länge;  13V2 
fuss  breite,  die  Umfassungsmauern  waren  2^2  fuss  mächtig.    Das 


Nr.  12.  Kleine  philologische  zeittmg.  611 

estrich  dieses  raumes,  unmittelbar  auf  dem  planirten  lehmunter- 
grund  aufgelegt,  war,  das  nordöstliche  eck  ausgenommen ,  vor- 
trefflich erhalten  und  gab  ein  schönes  bild  des  einfachen  römi- 
schen fussbodens.  Er  bestand  über  die  ganze  fläche  hin  aus 
einer  2 — 3  zoll  dicken  schicht  eines  leicht  als  römisch  erkenn- 
baren mörtelgusses,  der  in  der  südlichen  hälfte  auf  ein  dünnes 
lager  groben  kieses,  in  der  nördlichen  auf  Stückchen  klein  zer- 
trümmerter bruchsteine  ausgebreitet  war.  Dieser  mörtel,  unter- 
mischt mit  grauen  und  schwarzen  kiessteinchen  und  rothen  zie- 
gelbröckchen  von  V2 — 1-  crr).  im  dnrchmesser  und  auf  der  ober- 
flache  glatt  geschliffen,  hatte  ein  porphyrähnliches  aussehen, 
lebhaft  an  mosaikboden  erinnernd.      S.  Reichsauz.  nr,   298. 

Berlin.  9.  dec.  Am  Winckelmannsfest  der  archäologischen 
gesellschaft  am  9.  december  eröffnete  E.  Curtius  die  sitzung, 
indem  er  auf  die  bedeutung  dieses  von  der  deutschen  Wis- 
senschaft diesseits  und  jenseits  der  Alpen  gefeierten  tages 
hinwies  und  zum  zeugniss  für  die  sich  mehrende  denkmä- 
lerkenntniss  die  für  die  archäologische  zeitung  gemachten 
tafeln,  namentlich  die  abbildungen  der  relief säulen  vom 
tempel  der  Artemis  in  Ephesos  vorlegte  und  erläuterte. 
—  Hübner  hielt  hierauf  den  ersten  festvortrag,  in  welchem 
er ,  anknüpfend  an  früherere  mittheilungen  an  die  gesellschaft, 
die  büste  einer  germanischen  frau  aus  St.  Peters- 
burg und  den  sogenannten  Arminius  des  capitolinisch  en 
museums  in  Rom,  deren  abgüsse  im  saal  aufgestellt  waren, 
in  vergleich  mit  den  übrigen  erhaltenen  darstellungen  der  Ger- 
manen in  der  antiken  kunst  besprach.  —  Adler  trug  sodann, 
unter  Vorlegung  zahlreicher  plane  und  Zeichnungen ,  über  das 
vielbesprochene,  aber  noch  nicht  endgültig  erklärte  und  allsei- 
tig verstandene  Theseion  zu  Athen  vor,  welches  er  aus 
seiner  struktur  als  ein  doppelheroon  des  Theseus  und  Herakles 
zu  erweisen  suchte.  —  Schubring  sprach  über  die  wertk- 
vollen  entdeckungen,  welche  Sa v.  Cavallari  als  direktor  der 
sicilischen  alterthümer  bei  seinen  ausgrabungen  in  Seli- 
nunt  in  den  jähren  1865,  68,  70  und  71  gemacht  hat,  und 
verbreitete  sich,  einige  folgerungen  ziehend ,  über  die  topogra- 
phie,  die  tempel  des  Herakles,  der  Here  und  Apollon  und  über 
die  drei  inschriften ,  von  denen  besonders  die  des  Apollotem- 
pels lebhaftes  interesse  erweckte.  —  Zum  schluss  legte  H  ev- 
tl emann  die  Zeichnungen  zweier  1868  gefundener  Wandge- 
mälde aus  Pompeji  vor  und  besprach  ihre  darstellung.  — 
Hierauf  fand  das  üblichefestmahl  statt :  Staatsanzeig.  nr.  306,  beil.  1. 

Torgau.  21.  dec.  Das  gymnasium  Torgau's,  auch  in 
unsern  tagen  von  manchem  stürme  betroffen ,  hat  unter  der 
leitung  des  jetzigen  director  einen  aufschwung  genommen,  dem 
selbst  kreise ,  welche  sonst  den  gelehrten  Studien  fern  stehen, 
ihre  freudige  anerkennung  nicht  versagen.      Einen  blick  in  die 

39* 


612  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  12. 

stille  Wirksamkeit  der  anstalt  lässt  der  19.  decemb.  thun,  über 
den  wir  hier  zuerst  einen  bericht  der  Magdeb.  Ztg.  nr.  302 
beil.  1  folgen  lassen :  Wie  in  jeder  deutschen  Stadt  der  ge- 
sang  und  die  musik  ein  wesentliches  element  nicht  blos  der 
geselligkeit  und  Unterhaltung,  sondern  auch  der  bildung  aus- 
macht, so  ragt  auch  unsere  Stadt  durch  eine  ganz  besondere 
pflege  dieser  kunstzweige  hervor.  Ausser  den  vielen  sonstigen 
gesangvereinen  ist  es  namentlich  der  aus  den  schülern  der  obe- 
ren gymnasialklassen  gebildete  und  unter  der  trefflichen  leituhg 
des  Dr  0.  Taub  er  t  stehende  gymnasialchor ,  welcher  durch 
seine  wirklich  klassischen  leistungen  das  kunstsinnige  publicum 
in  den  alljährlich  wiederkehrenden  öffentlichen  aufführungen 
erfreut.  Für  diesmal  hatte  hr.  Dr  Taubert  den  sophokleischen 
Ajax  nach  der  composition  des  bekannten  professors  Bellermann 
und  nach  der  Übersetzung  von  Donner  eingeübt,  und  musste 
die  am  19.  d.  m.  stattgefundene  aufführung  um  so  grösseres 
interesse  erregen,  als  es  das  erste  mal  war,  dass  der  sopho- 
kleische  Ajax  ausserhalb  der  mauern  Berlins  zur  aufführung 
kam.  Es  waren  denn  auch  die  weiten  räume  unseres  rathhaus- 
saales ,  welcher  von  der  bürgerschaft  bereitwilligst  zur  disposi- 
tion  gestellt  war ,  bis  auf  den  letzten  platz  gefüllt  und  man 
hatte  sich  in  den  allgemein  etwas  hochgestellten  erwartungen 
nicht  getäuscht,  denn  sowohl  das  Orchester  und  die  aus  etwa  70 
Sängern  bestehenden  chöre,  als  auch  endlich  die  einzelnen  per- 
sonen  des  dramas  machten  ihre  sache  vortrefflich,  namentlich 
verdienen  rühmend  hervorgehoben  zu  werden  die  darsteiler  der 
Tekmessa,  des  Ajax,  des  Teukros  und  des  Chorführers.  Ob- 
gleich nun  zwar  die  darstellung  nicht  in  griechischem  costume 
und  griechischer  spräche  stattfand,  so  war  sie  doch  vollständig 
geeignet,  dem  Zuschauer  einen  begriff  vom  griechischen  drama 
zu  geben,  um  so  mehr ,  als  wenige  tage  zuvor  herr  gymn.-dir. 
H  a  a  k  e  einen  eingehenden  öffentlichen  Vortrag  über  diesen 
gegenständ  gehalten  hatte.  Besonderes  interesse  gewann  die 
aufführung  dadurch,  dass  der  componist,  prof.  Bellermann, 
dieselbe  mit  seiner  gegenwart  beehrte.  So  weit  die  zeitung. 
Zu  der  aufführung  war  der  deutsche  text  besonders  gedruckt, 
vorn  mit  einer  kleinen  mythischen  einleitung  versehen,  auf  der 
letzten  seite  die  namen  der  darsteiler  und  der  Chorsänger.  Zur 
belohnung  für  die  leistung  folgte  am  20.  dec.  ein  ball  der  Schü- 
ler der  obern  classen :  für  ihn  waren  in  visitenkartenform 
tanzordnungen  gedruckt ;  die  erste  zeile  derselben  enthielt 
das  motto :  vvv  yug  i/tol  fxt'lsi  ^ogevaai,  dann  folgen  die  tanze: 
polonaise  |  polka  |  walzer  |  francaise  |  rheinländer  |  tyrolienne  || 
Walzer  |  francaise  |  tyrolienne  |  rheinländer  |  polka  -mazurka  | 
cotillon  |  Torgau  20.  december  1872.  —  Wir  wünschen  de- 
nen, die  auf  so  sinnige  weise  dem  classischen  alterthum,  einer 
der  besten  grundlagen  für  wahres  deutschthum,  anerkennung  zu 


Nr.  12.  Kleine  philologische  zeitung.  613 

schaffen    bemüht  sind,    für  ihr  mühen  besten  erfolg,  den  wahr- 
haft befriedigenden  lohn. 

Strassburg.  Das  philologische  seminar  leitet  allein 
prof.  Studemund:  es  besteht  aus  zwei  klassen,  dem  seminar  im 
engeren  sinne  und  dem  proseminar,  in  welchem  letzteren  be» 
sonders  auf  die  bedürfnisse  der  Elsässer  rücksicht  genommen 
wird.  Die  jetzige  gestalt  wird  das  proseminar  auch  behalten 
bis  1877/78,  wo  man  hofft,  dass  die  elsässischen  gymnasien  den 
abiturienten  deutscher  gymnasien  gleichkommende  liefern  wer- 
den. Das  proseminar  hat  daher  wesentlich  den  zweck  die 
lücken  auszufüllen,  welche  elsässischen  studierenden  von  den 
elsässischen  schulen  her  anhaften.  Es  zerfällt  in  zwei  sectio- 
nen,  eine  lateinische  und  eine  griechische.  In  diesem  semester 
hat  ausnahmsweise  die  griechische  abtheilung  prof.  Heitz  über- 
nommen, die  lateinische  leitet  prof.  Studemund.  In  der  latei- 
nischen abtheilung  sind  21  mitglieder,  von  denen  bei  weitem 
der  grössere  theil  Elsässer,  die  andern  studierenden  sind  im  er- 
sten semester;  in  der  griechischen  abtheilung  sind  nur  einige 
weniger.  Im  erstem  wird  Tacitus  Germania  interpretiert  und 
aus  dem  deutschen  ins  lateinische  übersetzt,  wöchentlich  zwei 
stunden,  in  der  griechischen  section  werden  Xenophons  Memora- 
bilien  interpretiert  und  griechische  scripta  gemacht.  —  Das  se- 
minar im  engeren  sinne  zerfällt  ebenfalls  in  zwei  sectionen,  eine 
griechische  und  eine  lateinische,  in  jeder  wöchentlich  vier  stunden, 
Übungen,  beide  geleitet  von  prof.  Studemund.  In  der  grie- 
chischen section  sind  22  mitglieder,  davon  16  ordentliche,  in- 
terpretiert werden  Aristophanes  Kitter;  daneben  disputationen; 
in  der  lateinischen  section  sind  23  ,  davon  17  ordentliche  mit- 
glieder ,  darin  wird  Cicero's  Orator  erklärt,  und  lateinische  Sti- 
listik nach  anleitung  von  Nägelsbach  durchgegangen.  —  Das 
seminar  hat  eine  in  zwei  von  früh  morgens  bis  spät  abends 
zur  benutzung  geöffneten  zimmern  aufgestellte  philologische  hand- 
bibliothek.  Die  benutzung  ist  erlaubt  allen  ordentlichen  mit- 
gliedern,  und  dann  den  ausserdeutschen  nach  specieller  erlaub- 
niss  des  directors.  Der  grundstock  der  bibliothek  ist  haupt- 
sächlich zu  stände  gekommen  durch  umfassende  Schenkungen 
der  bedeutendsten  Verleger  philologischer  werke  in  Deutschland. 
Ausserdem  hat  in  jüngster  zeit  die  regierung  grössere  summen 
für  die  completierung  zur  Verfügung  gestellt.  Vorhanden  sind 
alle  bedeutenden  thesauri,  lexica  und  handbücher  aus  den  ver- 
schiedensten zweigen  der  alterthumswissenschaft  sowie  die  mei- 
sten Schriftsteller  in  den  besten  erklärenden  wie  kritischen 
ausgaben.     Die  bibliothekszimmer  werden  fleissig  benutzt. 

Ueber  die  grosse  der  alten  bibliotheken.  Un- 
ter der  Überschrift  ,,On  the  Extent  of  Ancient  Libraries"  hat  der 
zu  Manchester  wohnhafte  gelehrte,  William  E.  A.  Ozon  un- 
längst  in    den  Transactiom  of  the  royal  Society  of  Literature  ei- 


614  Kleine  phlilologische  zeitung. 

nen  für  das  grössere  publikum  bestimmten  aufsatz  mitgetheilt, 
dessen  schluss  ich  hier  wiedergeben  will,  da  er  namentlich  die 
klassischen  philologen  näher  angeht.  Nachdem  nämlich  der 
verf.  bemerkt,  dass  jede  abtheilung  (buch,  Über)  einer  schritt  bei 
den  alten  eine  rolle  [volumen)  bildete  x),  daher  z.  b.  Ovid's  Me- 
tamorphosen fünfzehn,  die  Ars  amatoria  drei,  Cicero's  Tuscu- 
lanen  ebenso  drei  volumina  ausmachten  (Ov.  Trist.  1,  1,  117. 
3,  1,  13.  Cic.  Tusc.  3,  3),  fugt  er  hinzu  dass,  um  die  durch- 
schnittliche ausdehnung  eines  solchen  volumen  kennen  zu  ler- 
nen ,  er  die  buchstaben  einer  grösseren  anzahl  derselben  habe 
sorgfältig  berechnen  lassen  und  sich  folgendes  ergebniss  heraus- 
gestellt habe  :  volumina :  buchstaben : 
Vergil's   Bucolica  zusammen    .     1,     ungefähr  =        32,777 

„         Georgica 4,  ,,         =        83,868 

Aeneide 12,  „         =      385,328 

Culex 1,  „         =        15,183 

PHnius  Hist.  Nat 37,  „         =  2,330,165 

Livius 35,  „         =  2,954,100 

Tacitus  Annalen       ....   12,  „         =      543,090 

„         Historien     ....     5,  „         =      316,240 

„         De  Oratoribus       .     .     1,  „         =        58,050 

„         Germania      ,     .     .     .     1,  ,,         =        32,400 

„         Agricola       ....     1,  „         =        38,950 

Gellius  N.  A 20,  „         =      604,610 

Ovid's  Amores 3,  „         =        81,200 

„         Metam.  die  ersten         11,  „         =      279,942 

144  7,755,903 

„Wir  haben  hier,  fährt  der  verf.  fort,  144  volumina,  von 
denen  37  (Plin.)  der  Wissenschaft  im  allgemeinen,  54  der  ge- 
schichte,  32  der  poesie  und  21  (Gellius  und  Tac.  de  Orat.)  der 
vermischten  literatur  angehören,  die  also  zusammen  die  einzel- 
nen zweige  des  schriftenthums  ziemlich  vollständig  repräsenti- 
ren.  Sie  enthalten  7,755,903  buchstaben  und  geben  durch- 
schnittlich für  jeden  band  53860  buchstaben.  Nimmt  man  nun 
Chamber's  Encyclopaedie  (Edinburgh  1860 — 1868),  unterwirft 
sie  einer  ähnlichen  berechnung,  so  findet  man  dass  die  zehn 
bände  derselben  8266  Seiten  enthalten,  auf  jeder  dieser  letzte- 
ren aber,  wenn  ohne  holzschnitte,  sich  ungefähr  5928  buchsta- 
ben befinden.  Das  ganze  werk  enthält  also  ungefähr  49,000,848 
buchstaben,  daher  so  viel  wie  854  volumina  der  alten  literatur. 
Ein    einzelner   band    der  Encyclopaedie  enthält  so  viel  wie  854 

1)  »Nach  Reimann,  dessen  werk  ich  aber  nicht  nachsehen  kann, 
schrieb  der  autor  jedes  buch  oder  abtheilung  seiner  schrift  auf  eine 
besondere  rolle ,  obwohl  sie  danu  beim  abschreiben  sämmtlich  auf 
eine  einzige  rolle  oder  volumen  kamen.  Dies  dünkt  mir  sehr  un- 
wahrscheinlich, und  die  wenigen  auf  diesen  gegenständ  bezüglichen 
klassischen  stellen  unterstützen  diese  ansieht  nicht«.     Anm.  des  verf. 


Nr.  12.  Kleine  philologische  zeitung.  615 

alter  volumina.  Nimmt  man  ferner  als  die  grösste  des  alter- 
thums  die  alexandrinische  bibliothek,  so  belief  sich  die  zahl  der 
volumina  derselben  nach  der  höchsten  angäbe  (bei  Gellius  und 
Amraianus  Marcellinus)  auf  700,000,  und  diese  würden ,  wenn 
gedruckt,  8247  bände  wie  die  der  edinburger  encyclopädie  ab- 
geben. Wahrscheinlich  aber  befanden  sich  zu  Alexandrien 
zwei  grosse  bibliotheken,  eine  mit  400,000,  die  andere  mit 
300,000  volumina,  die  also  respect.  4,706  und  3,535  gedruckten 
bänden  entsprechen  würden.  —  Neben  den  ungeheuren  bü- 
chersammlungen  der  neuern  zeit  sinken  also  die  des  alterthums 
zu  einer  absoluten  bedeutungslosigkeit  herab.  Das  britische 
museum  z.  b.  erhielt  im  j.  1860  (abgesehen  von  den  ungeheu- 
ren sammlungeu  der  handschriften)  beinahe  700000  gedruckte 
bände,  wozu  dann  noch  jährlich  ein  ungefährer  Zuwachs  von 
30,000  bänden  kommt.  Aber  auch  unter  den  öffentlichen  oder 
halböffentlichen  bibliotheken,  die  ausserhalb  London  in  ganz 
England  jetzt  so  zahlreich  sind,  giebt  es  nur  wenige,  welche 
die  alexandrinische  nicht  an  ausdehnung  tibertreffen,  wenigstens 
der  quantität  nach;  was  die  qualität  betrifft,  so  lässt  sich  dar- 
über streiten.  Indessen  wenn  die  Römer  einen  Juvenal  be- 
sassen,  so  besassen  sie  auch  einen  Codrus.  —  Was  die  privat- 
bibliotheken  anlangt,  so  ist  der  contrast  zwischen  alterthum 
und  neuzeit  nicht  minder  auffällig.  Die  1696  volumina  oder 
rollen,  die  man  in  einem  hause  zu  Pompeji  gefunden  hat,  würden 
ungefähr  so  viel  enthalten  wie  zwanzig  der  oben  genannten 
bände.   —      [Felix  Lielrecht.] 

Am  31.  decemb.  starb  zu  Züliichau  der  director  des  kö- 
nigl.  paedagogium  und  Waisenhauses  daselbst,  Rudolph  Ha- 
nov,  seit  1840  in  dieser  von  ihm  mit  grösster  hiogebung  und 
schönstem  erfolg  verwalteten  stelle :  ein  ausgezeichneter  philolog 
war  er  zugleich  einer  der  ausgezeichnetsten  Schulmänner  unsres 
Vaterlandes. 

Dies  führt  uns  auf  das  nach  langer,  durch  zwingende  gründe 
veranlasster  Unterbrechung  wieder  aufzunehmende  und  nun  so 
bald  als  nur  möglich  abzuschliessende  verzeichniss  der  pbilolo- 
gen,  welche  in  dem  1870  so  freventlich  von  dem  erbfeinde  her- 
beigeführten krieg  thätig  gewesen:  wir  schliessen  hiermit  an 
Philol.  Anz.  III,  p.  620  an.  Wie  sich  gebührt  und  auch  bis- 
her stets  geschehen,  stellen  wir  die  voran,  welchen  ihre  liebe  und 
treue  zum  Vaterland  mit  dem  tode  zu  besiegeln  bestimmt  war. 
I.     Es  sind  gefallen  : 

438.  Johann  Friedrich  Rudolph  Hehlt,  am  17.  sept.  1845  zu 
Greifs wald  geboren,  ostern  1865  vom  gymnasium  daselbst  mit 
dem  zeugniss  der  reife  entlassen,  und  bis  ostern  1869  auf  den 
Universitäten  Bonn  und  Greifswald  weiter  fortgebildet.  Am  19. 
februar  1870  bestand  er  das  exameu  pro  facultate  zu  Greifs- 
wald   und    trat  daselbst  ostern  1870   sein  probejahr  an.      Beim 


616  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.   12. 

beginn  des  ki'ieges  ward  er  zu  den  fahnen  des  grenadierregi- 
ments  könig  Friedrich  Wilhelm  IV  (erstes  pomrnersches  nr.  2) 
einberufen ,  machte  alle  züge  und  schlachten  desselben  mit 
und  verunglückte  am  22.  juni  1871  mit  seinen  kameraden  bei 
Zschortau   bei  dem  bekannten  eisenbahnunfall. 

439.  Eugen  Theodor  Lehmann,  fünfter  ordentlicher  lehrer  an 
der  realschule  zu  Elbiug,  ist  am  31.  märz  1844  zu  Bischof- 
ßtein  im  regbz.  Königsberg  i.  Pr.  geboren.  Zu  ostern  1864 
wurde  er  von  dem  kgl.  Friedrichs -collegium  in  Königsberg, 
das  er  als  zögling  des  kgl.  Waisenhauses  ebendaselbst  besuchte, 
mit  dem  zeugniss  der  reife  entlassen  uud  bezog  mit  beginn  des 
Sommersemesters  1864  die  dortige  Universität.  Nachdem  er  hier 
bis  michaelis  1867  philologische  und  germanistische  Vorlesungen 
gehört  hatte,  wurde  er  Weihnachten  1867  auf  grund  der  öffent- 
lich vertheidigten  dissertation :  de  adiectivis  compositis  apud  Ca- 
tullum,  Tibullum,  Propertium,  Vcrgilium,  Ovidium,  Horatium  oecur- 
rentibus ,  quorum  priore  parte  particula  continetur,  zum  Dr  ph. 
promovirt  und  bestand  ende  märz  1868  vor  der  kgl.  wissen- 
schaftlichen prüfungscommission  zu  Königsberg  das  examen  pro 
facultate  docendi.  Als  schulamtscandidat  zunächst  an  der  real- 
schule auf  der  bürg  in  Königsberg  und  dann  an  der  städti- 
schen realschule  zu  Elbing  beschäftigt,  wurde  er  zum  fünften 
ordentlichen  lehrer  an  letzterer  anstalt  gewählt  und  bestätigt. 
Er  fiel  als  lieutenant  in  der  reserve  des  ost  -  preussischen  gre- 
nadier-regiments  kronprinz  nr.  1  in  der  nacht  vom  31.  august 
auf  den  1.  September  1870  in  der  Schlacht  bei  Noisseville. 
Er  ruht  an  der  seite  seines  hauptmanns  auf  dem  kirchhof  des 
dorfes  Failly,  den  die  elfte  und  zwölfte  compagnie  des  genann- 
ten regiments  so  keldenmüthig  gegen  die  Übermacht  dreier  feind- 
licher bataillone  vertheidigt  haben. 

440.  Hermann  Schneider,  geboren  am  16.  Januar  1847  zu 
Gera  im  fürstenthum  Reuss ,  besuchte  zuerst  die  bürgerschule, 
sodann  das  gymnasium  seiner  Vaterstadt.  Ostern  1867  mit 
dem  zeugniss  der  reife  entlassen,  widmete  er  sich  dem  Studium 
der  philologie.  Fr  studierte  zuerst  zwei  Semester  in  Leipzig, 
darauf  eben  so  lange  in  Jena ,  wo  er  zugleich  als  einjährig- 
freiwilliger bei  dem  füsilierbataillon  des  regiments  nr.  94  sei- 
ner militärpflicht  genügte.  Ostern  1869  bezog  er  die  Univer- 
sität Berlin.  Bei  ausbruch  des  krieges  kam  er  als  Unteroffizier 
zur  11.  compagnie  des  brandenburgischen  füsilierregimeuts  nr. 
35  und  kämpfte  in  der  schlacht  am  16.  august  beim  stürm 
auf  Vionville  mit  der  grössten  uuerschrockenheit.  In  folge  des 
überaus  schweren  dienstes  bei  der  cernirung  von  Metz,  dem 
er  sich  nach  aussage  seines  compagniechefs  jederzeit  mit  der 
grössten  treue  unterzog,  erkrankte  er.  Bereits  schwer  krank 
fand  er  aufnähme  in  dem  feldlazarethe  zu  Conflans,  woselbst 
er  am  26.  octobor  den  folgen  des  typhus  erlag. 


Nr.  12.  Kleine  philologische  zeitung.  617 

441.  Dr  phil.  Albert  Schroetter,  ordentlicher  lehrer  am 
gymnasium  zu  Culm,  war  geboren  1841  am  26.  april,  stand 
während  des  kriegs  als  lieutenant  im  44.  regiment,  erhielt  das 
eiserne  kreuz  zweiter  classe  und  ist  in  folge  der  bei  der 
belagerung  von  Metz  bestandenen  strapatzen  an  hartnäckigem 
darmkatarh  und  affection  der  respirationsorgane  am  10.  juli 
1873   zu  Culm  gestorben. 

442.  Gustav  Ferdinand  Alexander  Schulz,  hülfslehrer  am  gym- 
nasium  zu  Greifs  wald,  geb.  den  22.  febrüar  1843  zu  Trep- 
tow a.  d.  Rega,  evangelischer  coufession,  söhn  des^  lehrers  Schulz 
am  gymnasium  daselbst,  ist  von  der  genannten  anstalt  ostern 
1862  mit  dem  zeugniss  der  reife  entlassen,  hat  1862 — 1866  zu 
Berlin  uud  Greifswald  studirt,  am  12.  dec.  1868  das  examen 
pro  facultate  docendi  bestanden  und  neujahr  1869  sein  probe- 
jahr  am  gymnasium  zu  Greifswald  angetreten.  Gleichzeitig 
war  ihm  die  Verwaltung  einer  hülfslehrerstelle  übertragen ,  in 
welche  er  nach  Vollendung  des  probejahres  berufen  ward. 
Beim  beginn  des  krieges  trat  er  als  vicewacktmeister  in  das 
neumärkische  dragoner- regiment  nr.  3,  erkrankte  vor  Metz  und 
starb  am  27.  october  1870  im  kriegslazareth  zu  Berlin. 

311.  Anton  Rudolf  Trömel,  geboren  zu  Gera  den  8.  august 
1848,  besuchte  seit  dem  sechsten  jähre  das  gymnasium  seiner 
Vaterstadt  bis  zur  prima.  Ging  dann  ostern  1868  auf  die  Uni- 
versität Leipzig  um  philologie  zu  studiren.  Nachdem  er  diese 
Wissenschaft  ein  jähr  lang  eifrigst  betrieben,  diente  er  im  107. 
regiment  des  königl.  Sachs.  12.  armeecorps  als  einjährig  freiwil- 
liger; das  erste  halbe  jähr  in  Döbeln,  das  letzte  in  Leipzig. 
Als  er  seinen  militairdienst  beendet,  nahm  er  seine  Studien  wieder 
auf,  wurde  aber  schon  nach  einigen  monaten  darinnen  unterbro- 
chen, da  er  zur  fahne  beordert  wurde.  Doch  es  sollte  ihm 
nicht  lange  vergönnt  sein,  sein  Vaterland  zu  vertheidigen,  denn 
schon  am  18.  august  1870  in  der  schlacht  bei  St.  Privat  wurde 
seinem  jungen  leben  durch  eine  kugel,  die  ihm  das  herz  durch- 
bohrte, ein  ende  gemacht.  —  (S.  Phil.  Anz.  III,  nr.  9,   p.  472). 

443.  Dr.  Ernst  Hermann  Vierth,  geboren  den  13.  november 
1843  zu  Stettin,  hat  studiert  in  Berlin,  machte  den  feldzug  1866 
im  8.  regiment  mit,  wurde  Unteroffizier  und  erhielt  das  mili- 
tair  -  ehrenzeichen  IL  classe;  bestand  die  ober-lehrerpriifung  zu 
Berlin  und  erhielt  ein  zeugniss  ersten  grades,  wurde  1868  pro- 
visorischer collaborator,  später  wirklicher  collaborator  an  der 
Friedrich- Wilhelms-schule ,  realschule  I.  ord.  zu  Stettin.  Ging 
sommer  1870  im  14.  regiment  als  reserveoffizier  mit  zu  felde 
und  fiel  am  2.  december  1870  bei  Champigny  vor  Paris.  Eine 
chassepotkugel  traf  ihn  ins  äuge  und  tödtete  ihn  auf  der  stelle. 
—  Ehre  seinem  andenken.  —  Ein  schüler  der  schule,  an  der 
er  als  lehrer  wirkte,  ist  ihm  auf  dem  saale  derselben  eine  ge- 
denktafel  gewidmet. 


618  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  12. 

444.  Dr.  ph.  Robert  Zöller,  wissenschaftlicher  .  hülfslebrer 
am  gymnasium  zu  Neustettin,  fiel  bei  Champigny  vor  Paris  am 

2.  december. 

II.     Im  felde  stehen: 
1.    Philologen  in  amt  und  würden: 

445.  V.  Gardthatisen,  geboren  1843,  hielt  sich  nach  bestan- 
denem examen  in  Italien  seit  1869  auf,  ging  nach  ausbruch 
des  kriegs  sofort  nach  Deutschland  zurück  und  trat  als  freiwil- 
liger auf  kriegsdauer  in  das  magdeburger  fiisilier-regmt  nr.  36, 
kam  in  den  ersten  tagen  Januar  1871  vom  ersatz  zum  regi- 
ment  nach  Orleans  und  ward  nach  geschlossenem  frieden  ent- 
lassen. Er  ging  nun  wieder  nach  Italien  ,  von  da  nach  Grie- 
chenland, von  wo  er  herbst  1872  zurückkehrte  und  in  Leipzig 
für  alte  geschichte  sich  habilitierte. 

Friedrich  -  gymnasium  in  Berlin. 

446.  Dr  Bernhard  Förster,  ordentlicher  lehrer,  trat  beim  60ten 
brandenburgischen  inf.-rgmt  im  sept.  1870  als  vicefeldwebel,  ein, 
stand  vor  Metz,  erhielt  das  eiserne  kreuz  zweiter  classe 
für  die  während  der  belagerung  bei  recognoscirungen  und  auf 
Vorposten  bewiesene  tüchtigkeit,  stand  dann  vor  Verdun,  er- 
krankte daselbst  und  kam  erst  nach  geschlossenem  Waffenstill- 
stand   zum  regiment   zurück  ;   jetzt  beim  35.  landwehrregiment. 

447.  Gustav  Ernst  Friedrich  Le  Viseur,  Oberlehrer,  als  land- 
wehroffizier  beim  4ten  garde-grenadier-regiment  (königin  Au- 
gusta),  anfangs  beim  ersatzbataillon  zu  Coblenz,  später  bei  der 
belagerung  von  Paris  (schlacht  bei  Le  Bourget),  erhielt  das  ei- 
serne kreuz  zweiter  classe. 

448.  Dr.  Karl  August  Emil  Thicniann,  ordentlicher  lehrer, 
Unteroffizier  beim    brandenburgischen    feld-artillerie-regiment  nr. 

3,  anfangs  beim  ersatzbataillon,    dann  bei  der  armee  des  prin- 
zen  Friedrich-Karl  von   der  schlacht  bei  Le  Mans  an. 

Friedrichs  -  realschule  in  Berlin. 

449.  Dr.  phil.  Friedrich  August;  geboren  in  Berlin  27.  sept. 
1840,  jetzt  Oberlehrer.  Am  anfang  des  feldzuges  seconde-lieu- 
tenant,  am  ende  desselben  premier- lieutenant  und  compagnie- 
führer,  stand  er  im  zweiten  bataillon  (Sorau)  des  II.  branden- 
burgischen landwehrregiments  nr.  12  ,  war  bei  cernirung  von 
Metz,  Mezieres,  den  vorpostengefechte  bei  dem  dorfe  La  Franche- 
ville,    erhielt  das  eiserne  kreuz  zweiter  classe. 

450.  Dr.  phil.  Wilhelm  Bieder,  schulamtscandidat ,  geboren 
in  Osterburg  i.  d.  provinz  Sachsen,  am  31.  october  1845,  stand 
als  gefreiter  im  26.  Infanterie  -  regiment,  war  bei  der  schlacht 
von  Sedan  und  belagerung  von  Paris. 

451.  Dr  phil.  Ernst  Symous,  ordentlicher  lehrer,  geboren  in 


Nr.  12.  Kleine  philologische  zeitung.  619 

Kaldenkirchen  i.  d.  Rheinprovinz  am  13.  märz  1845,  beim  be- 
ginn des  krieges  vicefeldwebel ,  gegen  ende  desselben  seconde- 
lieutenant  im  20.  infanterie- regiment,  war  bei  der  belagerung 
von  Metz,  den  januarkämpfen  bei  Le  Mans,  besonders  an  dem 
blutigen  kämpfe  bei  Azay  am  6.  Januar  1871,  erhielt  das 
eiserne    kreuz  zweiter  classe. 

Joachimthal'sches  gymnasium  in  Berlin. 

452.  Paul  Förster,  adjunct,  stand  im  anfang  September  bei 
dem  3.  rheinischen  regiment  nr.  29,  war  vor  Metz,  dann  in  den 
schlachten  der  nordarmee;  erhielt  das  eiserne  kreuz  zwei- 
ter classe. 

Wilhelms -gymnasium  in  Berlin. 

453.  Otto  Philipp  Hermann  i'raiimiiller,  jetzt  7ter  ordentlicher 
lehrer,  von  seinem  eintritt  in  die  anstalt  ostern   1869  bis  ostern 

1870  wissenschaftlicher  hülfslehrer,  ist  geboren  den  5.  sept. 
1843,  trat  am  1.  april  1866  in  das  beer  ein  bei  der  3.  com- 
pagnie  kaiser  Franz -garde-grenadier-regiments  nr.  2.,  machte 
den  feldzug  gegen  Oesterreich  mit,  nahm  theil  an  dem  gefechte 
von  Alt-ßognitz  und  an  der  schlacht  von  Königgrätz ,  wurde 
am  8.  juli  1866  zum  gefreiten,  am  30.  märz  1867  zum  Unter- 
offizier befördert;  am  31.  märz  1867  zur  reserve  entlassen 
wurde  er  am  21.  juli  1871  wieder  eingezogen  und  zwar  beim 
brandenburger  füsilier  -  regmt.  nr.  35  (11.  compagnie) ,  rückte 
mit  dem  regiment  am  24.  juli  ins  feld,  machte  die  schlachten 
von  Gravelotte  und  Noisseville,  und  die  belagerung  von  Metz  und 
das  gefecht  von  Neuville  bei  Orleans  (24.  nov.  1870)  mit,  be- 
kam in  letzterem  treffen  einen  streifschuss  in  den  rechten  Ober- 
schenkel, war  drei  wochen  im  lazareth,  beziehungsweise  in  ärzt- 
licher   behandlung    in    Etampes,    wurde    dann  bis    ende    januar 

1871  im  bureau  beschäftigt  und  kehrte  darauf  zum  regiment 
zurück,  bei  welchem  er  bis  zu  seiner  am  6.  juli  1871  erfolgten 
entlassung  verblieb.  Am  23.  dec.  1870  wurde  er  vicefeldwe- 
bel, am  21.  sept.  1871  zum  offizier  befördert,  nachdem  er  schon 
etwas  früher  bei  Neuville  das  eiserne  kreuz  zweiter 
classe  erhalten  hatte.  Am  1.  nov.  1871  trat  er  zur  land- 
wehr  über. 

454.  Waldemar  Gillhauseu,  geboren  31.  december  1847,  jetzt 
12.  ordentlicher  lehrer  ,  trat  als  solcher  zu  michaelis  1872  in 
die  anstalt  ein,  nachdem  er  sein  probejahr  am  hiesigen  Ioachim- 
tbalschen  gymnasium  abgeleistet  hatte.  Er  trat  am  12.  sept. 
1870  in  das  heer  bei  dem  ersatzbataillon,  demnächst  bei  der 
7.  compagnie  des  2.  garde-regiments  zu  fuss  ein,  nahm  darauf 
theil  an  der  belagerung  von  Paris  und  hierbei  an  dem  gefechte 
von  Le  Bourget  am  21.  dec.  1870,  wurde  zum  gefreiten  be- 
fördert und  als  Unteroffizier  mit  dem  qualificationsatteste  zum 
landwehroffizier  am  12.  sept.   1871  zur  reserve  entlassen. 

455.  Conrad  Heinrich  Rothwisch,  geboren  zu  Berlin  den  31.  au  - 


620  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  12. 

gust  1845,  jetzt  achter  ordentlicher' lehrer,  trat  in  die  anstalt  ein 
als  cand.  probandus  osteml869  und  blieb  in  dieser  Stellung  bis 
ostern  1870;  zu  welchem  termin  er  zum  eilften  ordentlichen 
lehrer  befördert  wurde.  Er  trat  am  28.  juni  1866  in  das  heer 
ein  bei  dem  ersatzbataillon  des  kaiser  Franz  garde  -  grenadier- 
regiments  nr.  2,  gehört  seit  der  rückkehr  desselben  aus  dem 
feldzuge  der  Sten  compagnie  an,  wurde  am  8.  jan.  1867  zum 
Unteroffizier  befördert  und  am  28.  juni  1867  mit  dem  qualifi- 
cationsattest  zum  landwehroffizier  zur  reserve  entlassen.  Beim 
ausbruch  des  krieges  gegen  Frankreich  1870  zum  westphälischen 
füsilierregiment  nr.  37  wieder  eingezogen,  machte  er  als  Unter- 
offizier in  demselben  das  gefecht  von  Weissenburg,  die  Schlacht 
von  Wörth  und  die  Schlacht  von  Sddan  mit,  als  vicefeldwebel 
(seit  6.  sept.  70)  nahm  er  darauf  theil  an  der  belagerung  von 
Paris  und  erwarb  für  die  Schlacht  am  Mt.  Valerien  am  19.  Ja- 
nuar 1871  das  eiserne  kreuz  zweiter  classe.  Mit  patent 
vom  5.  märz  1871  wurde  er  zum  reserveoffizier  des  genannten 
regiments  befördert  und  ist  unter  dem  8.  november  1871  in 
das  landwehrverhältniss  übergetreten. 

456.  Gustav  Adolf  Textor,  geboren  zu  Stettin  den  15.  jan.  1847, 
seit  ostern  1873  als  hülfslehrer  am  Wilhelms  -  gymnasium  be- 
schäftigt. Er  trat  am  23.  juli  in  das  heer  beim  ersatz-batail- 
lon  des  ersten  pommerschen  grenadier-regiments  (könig  Friedr. 
Wilhelm  IV)  nr.  2,  dann  dem  regiment  nachgeschickt  nahm  er 
theil  an  der  belagerung  von  Metz ,  vor  Paris  an  dem  ausfall- 
gefecht  von  Champigny  (2.  dec),  bestand  darauf  glücklich  meh- 
rere kleine  gefechte  gegen  truppenabtheilungen  der  Bourbaki- 
schen  armee,  erhielt  noch  als  gemeiner  für  das  gefecht  in  den 
Strassen  von  Dole  (21.  jan.  1871)  das  eiserne  kreuz  zweiter 
classe,  blieb  bis  ende  juni  1871  mit  dem  regiment  in  Frank- 
reich und  wurde  nach  der  rückkehr  am  23.  juli  1871  mit  dem 
qualificationsattest  zum  landwehroffizier  als  Unteroffizier  entlassen. 

Provinz  Preussen. 
Die  gymnasien  und  realschulen  zu  Königsberg   in  Pr. 

1.    Königliches  Friedrichs  collegium. 

457.  Karl  Besch,  6.  ordentlicher  lehrer,  geboren  am  3.  Ja- 
nuar 1849,  vicefeldwebel  im  ostpreussischen.  feld  -  art.  -  regmt. 
I,  1.  bataillon,  5.  batt.,  kämpfte  im  ausfallgefecht  bei  Metz 
22.  September,  bei  Harcy  13.  nov. ,  St.  Ouen  4.  Januar,  bei 
Bouneville  13.  januar,  belagerung  von  Metz  uud  Mezieres  ,  er- 
hielt die  kriegsdenkmünze  1870/71. 

458.  Dr.  phil.  Arthur  Gronau ,  geboren  am  23.  September 
1848,  jetzt  lehrer  am  gymnasium  in  Strassburg  in  Westpreu- 
ßsen,  stand  bei  dem  ostpreussischen  iufauterie  -regiment  nr.  43., 
erhielt  die  kriegsdenkmünze  1870/71. 


Nr.  12.  Kleine  philologische  zeitung.  621 

459.  Richard  Hirsch,  geboren  27.  october  1846 ,  8.  ordent- 
licher lehrer  am  Friedr.  collegium,  lieutenant  der  reserve  des  gre- 
nadier-r^giments  kronprinz  nr.  1,  war  bei  cernirung  von  Metz : 
beim  gefecht  bei  Laqueraxy ,  Schlacht  von  Noisseville,  schlacht 
bei  Amiens  (27.  november  1871),  cernirung  von  Mezieres,  er- 
hielt die  kriegsdenkmünze  1870/71. 

460.  Eduard  feuessner,  geboren  1.  juli  1841,  zweiter  lehrer 
an  der  Vorschule  des  k.  Fried,  collegiums  ,  stand  im  5.  ostpr. 
inf.-regmt.  nr.  41,  nahm  als  Unteroffizier  in  demselben  regmt. 
schon  1866  an  allen  schlachten  des  regiments  theil,  war  in 
der  scblacht  bei  Metz  14.  aug.,  der  schlacht  bei  Noisseville,  im 
gefecht  bei  Villers  l'Orme  7.  octob.,  bei  Mezieres  13.  nov., 
cernirung  von  Mezieres  14.  nov.,  bei  der  ruine  Robert  le 
Diable  31.  decemb. ,  bei  Moulineaux -la  Longe  4.  Jan.,  der 
schlacht    bei  St.  Quentin  19.  Jan.,  erhielt  die  kriegsdenkmünze. 

461.  Richard  Tieffenbach,  geboren  21.  nov.  1844,  candidat, 
lieutenant  der  reserve  des  86.  regiment,  war  in  der  schlacht  bei 
Beaumont  30.  aug.  1870,  Sedan  1.  sept.,  belagerung  von  Paris, 
beim  ausfallsgefecht  am  30.  nov.  1870,  bei  Epinay,  bei  Rouen, 
erhielt  die  kriegsdenkmünze  1870/71. 

Altstädtisches  gymnasium. 

462.  Otto  Rauschning,  geboren  5.  januar  1848,  cand.  pro- 
bandus  am  gymnasium,  vom  1.  oct.  ordentlicher  lehrer  daselbst, 
stand  im  61.  ostpr.  inf.-regmt.  nr.  43,  war  bei  der  cernirung 
von  Metz  und  Mezieres,  bei  der  schlacht  an  der  Hallue,  dem 
gefecht    bei  Moulineaux,  erhielt  die   kriegsdenkmünze. 

463.  Benjamin  feiein,  geboren  28.  aug.  1842,  zweiter  leh- 
rer der  Vorschule,  stand  im  2ten  ostpr.  inf.-regmt.  Dr.  3.  war 
bei  cernirung  von  Metz  und  den  schlachten  vor  Metz,  der 
schlacht  bei  Noisseville,  dem  vorpostengefecht  bei  Franche- 
ville,  der  cernirung  von  Mezieres,  dem  gefechte  bei  Beaumont, 
der  schlacht  an  der  Hallue,  dem  gefecht  bei  Monliueans,  Maison 
brülee  und  St.  Ouen,  erhielt  das  eiserne  kreuz  zwei- 
ter   classe    und  kriegsdenkmünze  für  combattanten. 

Kneiphöfisches  gymnasium. 

464.  Hugo  feleiber,  geboren  20.  april  1847,  ordentlicher  leh- 
rer am  gymnasium,  stand  als  Unteroffizier  im  43.  inf.  -  regmt., 
war  bei  cernirung  von  Metz  und  cernirung  von  Mezieres 
vom  14  bis   19  nov.,  erhielt  die  kriegsdenkmünze  70/71. 

465.  Gutar  Bargschat,  geboren  9.  juni  1848,  schulamtscan- 
didat  am  gymnasium,  stand  als  Unteroffizier  im  inf.-regmt.  nr. 
43,  war  bei  der  cernirung  von  Metz  und  Mezieres,  erhielt  die 
kriegsdenkmünze  70/71. 

Städtische  realschule. 

466.  Hugo  Fritsch,  geboren  5.  märz  1844,  ordentlicher  leh- 
rer an    der  städtischen    realschule,    stand  als  lieutenant  der  re- 


622  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  12. 

serve  des   1 .  ostpreuss.  artillerieregiments,  war   in  der  Schlacht 
bei  Metz  14.  aug.  (hier  verwundet),  erhielt  das  eiserne  kreuz. 

467.  Johann  Kiesow ,  geboren  27.  mai  1846,  probekandi- 
dat  an  der  realschule,  stand  im  79.  inf. -regrat.,  war  in  der 
Schlacht  bei  Metz  16.  und  18  aug.,  bei  Noisseville  und  zwei  andren 
ausfallgefeckten  vor  Metz;  dann  bei  Jusanville  26.  nov. ,  Beaune 
la  Rolande  28.  nov.,  Mezieres  30.  nov.,  Beaugency  im  dec, 
Vendome  15.  und  16.  dec,  Epuisay  im  dec,  Azay  im  dec  ,  Mon- 
toire,  Vendome,  LeRoches,  erhielt  die  allgemeine  denkmünze  70/71. 

Realschule  auf  der  Burg. 

468.  Otto  Däumlehner,  geboren  29.  sept.  1847,  wissenschaftli- 
cher hülfslehrer  und  Vertreter  der  sechsten  ordentlichen  lehrerstelle, 
stand  als  Unteroffizier  der  reserve  im  43.  regiment,  war  bei  be- 
lagerung  von  Metz  und  Mezieres,  im  gefecht  bei  Bourgderould 
am  4.  januar  1871,  erhielt  die  kriegsdenkmünze  von  70/71. 

469.  Friedrich  Engelien,  geboren  31.  juli  1848,  zur  zeit 
ordentlicher  sem.-lehrer  am  lehrer  -  sem.  zu  Königsberg,  stand 
im  1.  westpreussischen  grenadier  -  regmt.  nr.  6,  war  in  der 
schlackt  bei  Weissenburg,  bei  Wörth;  bei  Beaumont;  Schlacht 
bei  Sedan  (hier  verwundet),  erhielt  kriegsdenkmünze  und  ei- 
sernes kreuz  zweiter  klasse. 

470.  Dr.  phil.  Hermann  Fieikau,  geboren  12.  februar  1843, 
vierter  ordentlicher  lehrer  an  der  realschule  auf  der  Burg,  stand 
als  lieutenant  der  reserve  im  41.  regiment,  war  in  den  schlachten 
bei  Metz;  am  14.  august;  ausfallgefecht  am  26.  aug. 5  erhielt 
kriegsdenkmünze  von  70/71. 

471.  Gustav  Siek,  geboren  am  1.  februar  1844,  zweiter 
lehrer  der  Vorschule  an  der  realschule  auf  der  Burg;  Unterof- 
fizier im  7.  ostpr.  inf. -regmt.  nr.  44,  ersatzbataillon  ;  war  bei 
den  besatzungstruppen  in  Danzig ,  vom  21.  juli  1870  bis  5. 
Juni  1871. 

472.  Franz  Stumpf,  geboren  12.  oct.  1842,  wissenschaftli- 
cher hülfslehrer  a.  d.  realschule  auf  der  Burg,  stand  als  Unter- 
offizier beim  königl.  reserve  -  landwehrbat.  (Königsberg)  nr.  33, 
war  am  14.  aug.  70  bei  Metz;  17.  aug.  demonstration  gegen 
Metz;  cernirung  19.  aug.  —  28.  oct.  —  schlacht  bei  Noisse- 
ville am  31.  aug.  und  1.  sept.;  gefecht  von  Woippy  am  7.  oct. 
—  Schlacht  bei  Amiens  am  27.  nov.  —  gefecht  von  Orival 
30.  dec.  —  gefecht  von  Moulineaux  4.  jan.  71  ;  erhielt  kriegs- 
denkmünze 70/71. 

473.  Dr.  med.  Gottlieb  Emil  Mühlricb,  geboren  25.  septemb. 
1831,  turnlehrer  für  die  fünf  höhern  schulen  Königsbergs 
und  praktischer  arzt ,  stand  als  Stabsarzt  im  2.  ostpreuss. 
grenad. -regmt.  nr.  3,  1.  bataillon,  war  in  der  schlacht  bei  Metz 
14.  aug.  1870,  cernirung  von  Metz,  schlacht  von  Noisseville 
am  31.  aug.  und  1.  septbr.,  ausfallgefecht  vor  Mezieres  am  15. 
novbr.,  cernirung  von  Mezieres,   schlacht  bei  Amiens  27.  nov., 


Nr.  12.  Kleine  philologische  zeitung.  623 

schlacht  an  der  Hallue  (dorfgefecht  in  Daours)  am  23.  decemb., 
Überfall  von  Moulineaux ,  stürm  auf  Maison  brülee  und  ge- 
fecht  bei  St.  Ouan  de  Touberville  am  4.  januar  1871 ;  erhielt 
eisernes  kreuz  zweiter  classe  und  kriegsdenkmünze  für 
comb.  70/71. 

Gymnasium  zu  C  u  1  m  in  WPr. 

474.  Anton  Sioda,  1845  geboren,  trat  als  student  in  Bres- 
lau ein,  machte  den  feldzug  mit  und  ist  jetzt  commissarischer 
lehrer  in  Culm. 

475.  August  Wontzke,  geboren  1849,  ordentlicher  lehrer  in 
Culm,  fungirte  während  der  zweiten  hälfte  des  feldzugs  freiwil- 
lig als  reserve-premier-lieutenant  mit  hauptmannsdiensten  in  der 
festung  Graudenz,  wofür  er  das  goldne  militair- verdienstkreuz 
und  ausserdem  die  erinnerugsmedaille  für  nichtcombattanten 
erhielt. 

476.  August  Zimmermann,  geboren  7.  juni  1845,  als  candi- 
datus  probandus  eingezogen,  machte  die  zweite  hälfte  des  feld- 
zuges  im  ostpreussischen  infanterie  -regiment  nr.  43  mit:  steht 
jetzt  als  commissarischer  lehrer  in  Culm. 

Gymnasium  zu  Deutsch-Crone: 

477.  Dr.  Ritt,  geboren  1843,  trat  als  student  in  Berlin 
ein;  jetzt  kommissarischer  lehrer  in  Deutsch-Crone;  hat  die 
erinnerungsmedaille. 

478.  Zidiusky,  geboren  1834,  vierter  ordentlicher  lehrer, 
machte  den  ganzen  feldzug  als  gefreiter  in  dem  sanitätscorps 
des  4.  pommerschen  landwehrregiments  mit;  hat  die  erinne- 
rungsmedaille. 

Gymnasium  in  Danzig: 

479.  Dr  ph.  Giitzlaif,  geboren  1839,  reserveoffizier :  kämpfte 
im  heere  den  ganzen  krieg  durch. 

Petrischule  zu  Danzig: 

480.  Cosack,  Oberlehrer,  führte  als  hauptmann  ein  bataillon 
in  der  schlacbt  an  der  Lizaine  bei  Beifort,  erhielt  das  eiserne 
kreuz;  jetzt  major  a.  d. 

481.  Fischer,  geboren  1845,  Lieutenant  im  33.  regiment, 
ward  vor  Amiens  schwer  verwundet;  erhielt  das  eiserne  kreuz. 

482.  liilger,  geboren  1847. 
Gymnasium  zu  Elbing: 

483.  B.  Gortzilza,  geboren  1842,  vierter  ordentlicher  lehrer, 
im  kriege  1866  wie  1870  beim  4.  regiment  eingestellt. 

Realschule  zu  Elbing: 

484.  Wiltko,  geboren  1844,  fünfter  ordentlicher  lehrer. 
Gymnasium  in  Graudenz: 

485.  Aust,  geboren  1842,  stand  im  5.  regiment  als  gefreiter. 

486.  Dr  phil.  Oscar  Errimann,  geboren  1846,  zweiter  or- 
dentlicher lehrer,  stand    im  45.  regiment    und    wurde  vor  Metz 


624  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  12. 

etehend    nach  Danzig    als   doilmetscher    in    das    lazareth    com- 
mandirt. 

487.  Laudicu,  geboren  1846,  dritter  ordentlicher  lehrer, 
stand  im  5.  regiment. 

488.  Skerlo ,  geboren  1837,  vierter  Oberlehrer,  kämpfte 
1866  im  vierten,  1870  im  44.  regiment. 

Gymnasium  zu  Inst  er  bürg: 

489.  Gustav  Itohrer,  hülfslehrer. 
Gymnasium  zu  Lyck: 

490.  Olto  Bock,  geboren  zu  Marienwerder  den  29.  januar 
1838,  1866  im  exsatzbataillon  des  regmt.  45  ;  hat  dann  1870 
den  krieg  mitgemacht  als  seconde  -  lieutenant  im  6.  ostpreussi- 
schen  inf. -regmt.  nr.  43  ;  das  eiserne  kreuz  hat  er  erhalten 
für  die  schlacht  bei  Colombey  undNouilly  am  14.  august  1870 
(früher  Courcelles  genannt),  ward  in  der  schlacht  von  Noisseville 
am  1.  September  verwundet;  gegenwärtig  dritter  ordentlicher 
lehrer. 

491.  Haus  Fabian,  geboren  11.  juni  1843  zu  Lyck,  studirte 
in  Berlin  und  Königsberg,  war  vom  1.  october  1873  ab  an 
der  realschule  in  Elbing,  machte  1866  den  krieg  mit,  stand 
1870/71   beim  43  regmt. 

492.  Otto  Gorlzitza,  studirte  in  Königsberg,  gymnasial- 
hülfslehrer  in  Gumbinnen,  kämpfte  1866  im  dritten  regiment, 
stand  1870/71  beim  43  regmt.,  erhielt  das  eiserne  kreuz 
am  ende  des  winters  für  die  cernirung  von  Metz. 

493.  Carl  Tliiem,  geboren  zu  Inowraclaw  den  10.  sept. 
1846,  vicefeldwebel  im  ostprenss.  füsilier-regmt.  nr.  33,  hat  das 
eiserne  kreuz  erbalten  nach  dem  gefecht  bei  Bapaume  am 
3.  janu.  1871.  —  An  schlachten  hat  er  mitgemacht:  schlacht  bei 
Gravelotte,  bei  Amiens,  an  der  Hallue,  bei  Bapaume,  bei  St. 
Quentin,  also  bei  allen  schlachten  des  8.  armeecorps  betheiligt, 
gegenwärtig  mit  der  provisorischen  Verwaltung  der  7.  ordent- 
lichen lehr  erstelle  betraut.       , 

Gymnasium  zu  Marien  bürg: 
11.  Dr.  Fredersdorff:  s.  Phil.  Anz.  II  nr.  10,  p.  534. 

494.  Schulz,  geboren  1842,  viecefeldwebel  im  93.  regiment, 
erhielt  für  Beaumont  und  Paris  das  eiserne  kreuz. 

Gymnasium  zu  Marienwerder: 

495.  Dr  ilabmka,  jetzt  in  Aurich,  als  der  krieg  ausbrach 
vierter  ordentlicher  lehrer,  stand  im  ersatzbataillon  des  5.  re- 
giments. 

496.  Pietsch,  geboren  1846,  diente  als  Unteroffizier  im  43. 
regiment. 

497.  Dr  Schüssler,  fünfter  ordeutlicher  lehrer:  stand  im  5. 
regiment. 


Nr.  12.  Kleine  philologische  zeitung.  625 

Gymnasium  zu  Rastenburg: 

498.  Dr  ph.  0.  Hüber,  geboren  1843,  zweiter  ordentlicher 
lehrer,   stand  als  oltizier  im  45.  regiment. 

499.  Dr  ph.  Tribuiialt,  geboren  1843,  dritter  ordentlicher 
lehier,  stand  im  41.  regiment. 

Gymnasium  zu  Strassburg  (Westpreussen): 

500.  0.  Scbaunslaud,  geboren  1849  ,  sechster  ordentlicher 
lehrer,  stand  im   43  regiment. 

Gymnasium  zu  Thorn: 

501.  Iloyuacher,  geboreu  1848,  diente  im  45.  regiment; 
jetzt  in  demselben  reserveoffizier. 

Gymnasium  zu  Tilsit: 

502.  lleuter,  stand  im  ersatzbataillon  des  78.  regiments. 

III.    Mitglieder  des  paedagogischen  seminars  zu  Königsberg. 

503.  Wilhelm  Lose,  geboren  1846,  stand  im  89.  grenadier- 
regiment,  ward  verwundet  vor  Orleans  und  erhielt  das  eiserne 
kreuz  und  das  meklenburgische  verdienstkreuz. 

504.  Franz  flaziew,  geboren  1848,  vicefeldwebel  im  33.  re- 
giment, mit  welchem  er  alle  schlachten  mitgemacht  hat  (Gra- 
velotte,  Amiens,  an  der  Hallue,  Vapaume,  St.  Quentin)  :  erhielt 
das  eiserne    kreuz. 

505.  Robert  Müller,  geboren  1846,  Unteroffizier  in  der  ersten 
artill.-brigade,  verwundet  vor  Metz  ;  erwarb  das  eisernes  kreuz. 

Chronik  des  deutsch- französischen  Jcriegs.  Während  das  deut- 
sche heer  (s.  Philol.  Anz.  III,  p.  620)  zur  völligen  niederwer- 
fuug  des  gewaltigen  feiudes  alle  kraft  aufbot  und  unaufhaltsam 
gegen  ihn  andrängte,  strengte  man  gleichzeitig  in  Deutschland 
alle  mittel  an  um  einerseits  sowohl  die  in  den  armeen  entstan- 
denen lücken  durch  die  ersatz -bataillone  und  Schwadronen  aus- 
zufüllen als  auch  neue  truppenkörper  für  die  weitern  und  jetzt 
nothwendig  entstehenden  plane  der  kriegsführung  aufzustellen, 
andrerseits  aber  auch  die  fruchte  der  siege  dem  deutschen  volke 
zu  sichern  und  nicht  wie  früher  verkümmern  zu  lassen.  Dem- 
gemäss   beschloss  eine  am 

HO.  august  in  Berlin  unter  Vorsitz  des  Oberbürgermeister 
Seydel  im  englischen  hause  abgehaltene  Versammlung  einen 
dahin  abzielenden  aufruf  an  das  deutsche  volk  und  zugleich  eine 
addresse  an  den  könig.     Der  erstere  lautet : 

Aufruf  an   das   deutsche  volk. 

Während  der  bewaffnete  theil  des  Volkes  auf  fremden  bo- 
den  den  uns  zugedachten  angriff  abwehrt  und  seinen  Siegeslauf 
mit  seinem  herzblut  besiegelt,  rüstet  sich  die  diplomatie  frem- 
der mächte,  uns  im  entscbeideuden  Zeitpunkt  die  bedingungen 
des  friedens  aufzuerlegen.  Schon  einmal  nach  den  glorreichen 
kämpfen  von  1813,  14  und  15  ist  das  deutsche  volk  durch 
fremde  missgunst  um  den  vollen  lohn  seiner  siege,  um  die  er- 
Philol.  Anz.  IV.  40 


626  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  12 

füllung  seiner  heissesten  wünsche  betrogen  worden.  Der  be- 
siegte feind  wurde  über  sein  eigenes  erwarten  geschont  und 
begünstigt ,  die  deutschen  gränzen  blieben  gefährdet  und  der 
erneuten  angriffslust  ausgesetzt ;  statt  der  einheit  des  deutschen 
reiches  wurde  uns  die  schwäche  des  alten  bundes  auferlegt. 
Ein  halbes  Jahrhundert  hat  Europa  im  bewaffneten  frieden  die 
schuld  der  diplomatie  gebüsst.  Während  jetzt  die  gleiche  ge- 
fahr  droht,  darf  das  deutsche  volk  nicht  schweigen.  Die  weit 
muss  erfahren,  dass  herrscber  und  volk  entschlossen  sind,  nach- 
zuholen, was  1815  uns  vorenthalten  ist:  ein  einiges  reich  und 
geschützte  grenzen. 

In  der  nachstehenden  adresse  an  se.  majestät  den  könig 
haben  wir  den  einfachen  ausdruck  unserer  gesinnungen  niederge- 
legt. Mögen  die  Unterschriften  aus  dem  gesammten  Deutschland 
darthun,  dass  wir  die  gesinnungen  des  ganzen  volkes  wiedergeben. 

Berlin,  30.  august  1870.    —    (Staatsanz.  n.  239). 
Die  adresse  lautet : 

Allerdurchlauchtigster,  grossmächtigster, 
allergnadigster  könig  und  herr ! 

Um  ew.  majestät  und  deren  verbündete  schaarte  sich,  als 
der  krieg  unvermeidlich  war,  einmüthig  die  nation.  Sie  ge- 
lobte treu  auszuharren  in  dem  kämpfe  für  die  Sicherheit,  ein- 
heit Und  grosse  des  deutschen  Vaterlandes.  'Gutt  hat  die  Waf- 
fen gesegnet,  welche  für  die  gerechte  sache  mit  unübertroffener 
tapferkeit  geführt  werden.  Mit  strömen  des  edelsten  blutes 
sind  die  siege  errungen  worden,  doch  unerwartet  schnell  haben 
sie  dem  vorgesteckten  ziele  uns  nahe  gebracht.  Gewaltige  an- 
strengungen  stehen  uns  noch  bevor;  das  deutsche  volk  ist  zu 
jedem  opfer  entschlossen,  welches  den  höchsten  nationalen  auf- 
gaben gewidmet  ist.  Aber  in  der  mitte  der  ernsten  und  geho- 
benen Stimmung  werden  wir  beunruhigt  durch  die  immer  wie- 
derkehrenden berichte,  dass  fremde  einmischung ,  die  doch  die 
schrecken  des  krieges  nicht  abzuwenden  wnsste,  jetzt  bemüht 
sei,  den  preis  unserer  kämpfe  nach  ihrem  ermessen  zu  begren- 
zen. Das  andenken  an  die  Vorgänge  nach  der  glorreichen  er- 
hebung  unserer  väter  lebt  frisch  in  unserem  gedächtniss  und 
mahnt  Deutschland ,  dass  es  die  forderungen  seiner  Wohlfahrt 
allein  berathe.  Darum  nahen  ew.  majestät  "Wir  abermals  mit 
dem  gelöbniss,  treu  auszuharren,  bis  es  der  Weisheit  ew.  maje- 
stät gelingt,  unter  ausschluss  jeder  fremden  einmischung  zu- 
stände zu  schaffen,  welche  das  friedliche  verhalten  des  nachbar- 
volkes  besser,  als  bisher,  verbürgen,  die  einheit  des  gesammten 
deutschen  reiches  begründen  und  gegen  jede  anfechtung  sicher  stellen. 

In  unverbrüchlicher  treue  verharren  wir  ehrfurchtsvoll 
ew.  majestät 

treu  gehorsame. 

(So  nach  der  Spener'schen  zeitung). 


Nr.  12.  Kleine  philologische  zeitung.  627 

Wie  man  damit  der  Stimmung  und  den  die  Deutschen 
bewegenden  ansichten  entsprochen,  mögen  folgende  notizen  be- 
zeugen :  am 

1.  Sept.  beschliesst  die  bürgerschaft  in  Stettin  einmüthig^ 
eine  kundgebung  an  se.  majestät  den    könig    gegen    die    einmi- 
schungsgelüste  des  ausländes  im  sinne  der  berliner  addresse. 

— ■  —  München.  Heute  ward  hier  absendung  einer  ad- 
dresse an  könig  Ludwig  im  sinne  des  berliner  aufrufs  von 
der  bürgerschaft  und  den  in  München  anwesenden  liberalen  ab- 
geordneten beschlossen. 

—  —  Leipzig.  Heute  wurde  eine  addresse  an  den  kö- 
nig von  Preussen  zur  Unterzeichnung  öffentlich  aufgelegt ,  in 
welcher  um  fernhaltung  jeder  fremden  einmischung  und  um 
fortführung  des  kampfes  ,, gegen  wen  es  auch  sei"  bis  zur  er- 
lanp'ung  eines  dauerhaften  friedens  gebeten  wird.  Eine  gleiche 
addresse  wid  an  den  könig  von  Sachsen  gerichtet.  Beide  ad- 
dressen  sind  sofort  mit  Unterschriften  bedeckt. 

2.  sept.  Königsberg.  Die  bürgerschaft  beschliesst  ein- 
stimmig eine  a<ldresse  an  den  könig  zu  richten,  die  der  in  Ber- 
lin erlassenen   völlig  entspricht. 

—  —  Mainz.  Der  gemeinderath  beschliesst  eine  ad- 
dresse an  den  könig  von  Preussen,  worin  es  heisst,  es  sei  nur 
eine  stimme  aller  dem  vaterlande  ergebenen  manner,  dass 
Deutschland  vor  allem  die  zu  seinem  schütze  erforderlichen 
friedeusbedingungen  zu  bestimmen  habe. 

3.  Sept.  Dresden.  Der  rath  und  die  Stadtverordneten 
erlassen  eine  addresse  an  den  könig  von  Sachsen,  welche  be- 
züglich des  friedensschlusses   der  berliner  sich  anschliesst. 

—  —  Chemnitz.  Eath  und  Stadtverordnete  erlassen 
eine  addresse  an  eleu  könig  von  Preussen  ,  in  der  sie  der  ber- 
liner  adresse  beitreten. 

—  —  Darmstadt.  Der  gemeinderath  richtet  eine  addresse 
an  den  grossherzog,  derselbe  wolle  dahin  wirken ,  dass  mit 
ausschluss  jeder  fremden  einmischung  ein  nur  die  interessen 
Deutschlands  berücksichtigender  friede  geschlossen  werde. 

—  —  Stuttgart.  In  einer  zahlreich  besuchten  Volksver- 
sammlung wird  unter  andern  auch  die  resolution  angenommen: 
„das  deutsche  volk  weist  jeden  vermittlungs-  oder  einmischungs- 
versuch  der  neutralen  mächte    beim  friedensschlusse  zurück". 

Addressen  gleichen  Inhalts  sind  dem  Staats-Anzeiger,  nach  nr. 
252  noch  aus  Breslau,  Ma-ueburg,  Schleswig,  Kiel ,  Marburg, 
Frankfurt,  Schwerin,  Meiningen,  Augsburg  zugegangen,  ferner  aus 
Posen,  Braunschweig,   Coburg,  Offenbach  u.  s.  w.,   ebend.  nr.  262. 

7.  Sept.  Hannover.  Heute  ist  eine  addresse  zur  ab- 
wehr  etwaiger  einmischung  fremder  mächte  bei  den  friedensver- 
handlungen  etwa  mit  60UO  Unterschriften  versehen  von  hier 
abgegangen. 

40* 


628  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  12. 

7.  sept.  Bremen.  Die  bürgerschaft  bescbliesst  einstim- 
mig eine  addresse  an  den  könig  von  Preussen  gegen  einmi- 
scbung  der  neutralen  mächte    in   den   abzuschliessenden   frieden. 

—  —  Chodjiesen.  Die  bürgerscbaft  bescbloss  anscbluss 
an  die  addresse  der  berliner  bürgerscbaft. 

9.  sept.  Cötben.  Eine  addresse  wegen  abwebr  fremder 
eintniscbung  ist,  der  berliner  entsprechend  an  den  könig  abgesandt. 

12.  sept.  Werl.  Eine  zahlreiche  Volksversammlung  be- 
scbloss eine  addresse  an  den  könig,  worin  se.  majestät  gebeten 
werden,  keiner  fremden  macht  zu  gestatten,  bei  dem  bevorste- 
henden friedensschlusse  sich  in  die  angelegenheiten  unseres  Va- 
terlandes einzumischen,  um  die  siegreichen  und  mit  deutschem 
blute  erkauften  errungenschaften  abzuschwächen  und  einen 
dauernden  frieden  in  frage  zu  stellen. 

13.  sept.  Kheiydt,  die  addresse  an  den  könig,  welche 
um  abwehr  etwaiger  einmischung  fremder  mächte  bei  den  frie- 
densverhandlungen  bittet,  ist  von  hier  abgegangen. 

Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Augsburger  allgemeine  zettung,  beil.  zu  nr.  287.  289 :  Frankreich 
und  die  Franzosen.  Von  K.  Hillebrand,  XL  XII.  —  Nach  dem  grie- 
chischen Orient.  V.  Acht  tage  am  Bosporus  :  s.  Phil.  Anz.  V,nr.  l,p.64,  nr. 
p.  175.  —  Nr.  289  :  die  denkschrift  der  deutschen  bischöfe.  —  Beil. 
zu  nr.  290:  L.  von  Stein,  die  lehre  vom  heerwesen:  anzeige.  —  Beil. 
zu  nr.  291:  entdeckungen  im  gelobten  lande  von  Dr  Sepp. —  Beil.  zu 
nr.292,  293:  Dr  Sepp,  tu  es  Petrus,  erinnerungen  an  die  Steinzeit. I.  II. — 
Beil.  zu  nr.  293:  briefe  aus  Aegypten.  —  Beil.  zu  nr.  294.  295  :  zum 
Ursprung  der  spräche:  anzeige  von  Geiger's  bd.  II:  zustimmend.  — 
Beil.  zu  nr.  296.  297 :  die  thätigkeit  der  verbundenen  deutschen  hülfs- 
vereine  in  den  kriegsjahren  1870/71.  —  Beil.  zu  nr.  298:  Nomina 
geographica :  anknüpfend  an  Egli's  buch  dieses  titeis.  —  Carricatu- 
ren  aus  den  jähren  1870  —  71.  —  Beil.  zu  nr.  300:  zur  Vertretung 
der  neuen  deutschen  spräche  und  literatur  auf  den  hochschulen  des 
deutschen  reichs.  —  Beil.  zu  nr.  303.  304 :  Sprachenkampf  in  den 
bergen  Tirol's.  —  Beil.  zu  nr.  304:  kriegslitteratur.  —  Beil.  zu  nr. 
306  :  zur  abwehr  gegen  professor  K.  Bötticher  in  Berlin ,  von  W. 
Lübke,  gegen  eine  broschüre  Böttichers:  s.  ob.  nr.  11,  p.  572.  —  Nr. 
309:  die  Universität  Stassburg.  —  Beil.  zu  nr.  312.  314.  315.  323. 
324:  Friedberg,  die  grenzen  zwischen  staat  und  kirche  und  die  ga- 
rantien  gegen  deren  Verletzung.  I.  IL  III.  —  Beil.  zu  314:  zur  by- 
zantinischen literatur.  —  Nr.  315:  der  protest  gegen  die  rectorwahl 
in  Innsbruck.  —  Nr.  316:  Pariser  chronik.  XVI.  —  Ad.  Ellissen  f- 
—  Beil.  zu  nr.  317:  Stimmungsbilder  aus  Berlin.  IL  —  Artistisches 
aus  Berlin.  IL  —  Artistisches  aus  Italien.  VII.  —  Nr.  318:  die 
goldene  hochzeit  des  sächsischen  königspaares :  s.  ob.  p.  608.  —  Beil. 
zu  nr.  318:  briete  aus  Thule,  von  Felix  Dahn  I.  —  Beil.  zu  nr. 
322:  sachliche  berichtigung  zu  Dr  Sepp's  aufsatz  tu  es  Petrus,  von 
L.  Stein.  —  Nr.  325 :  eine  erklärung  gegen  die  denkschrift  der 
deutschen  bischöfe.  —  Beil.  zu  nr.  325.  32(5 :  deutsche  kriegslittera- 
tur. —  Drohende  russificirung  der  Universität  Dorpat.  —  Nr.  326: 
politische  Überzeugungen  in  England.  —  Beil.  zu  nr.  328:  harmlose 
plaudereicn  aus  München  I.  —  Beil.  zu  nr.  328:  Gregorovius  ge- 
schichte  der  etadt  Ilom. 


Nr.  12.  Auszüge  aus  Zeitschriften.  629 

Rheinisches  museum  für  philologie  herausg.  v.  Fr.  Rilschl  und 
A.  Klette:  bd.  XXVI,  heft  3:  H.  Blümner,  beitrage  zur  geschichte 
der  griechischen  maierei,  p.  353.  —  J.  Savelsberg,  lateinische  Parti- 
keln auf  d  und  m  (schluss),  p.  370.  —  O.  Ribbeck,  zur  lateini- 
schen anthologie,  p.  406.  —  H.  Wachendorf ,  conjectanea  in  Demo- 
sthenem,  p.  411.  —  K.  Dziatzko,  über  den  Mercatorprolog  des  Plau- 
tus,  p.  421.  —  F.  Susemihl,  studien  zur  aristotelischen  Poetik,  p. 
440.  —  C.  Wachsmuth ,  ein  decret  des  ägyptischen  Satrapen  Ptole- 
maios  I,  p.  463.  —  J.  Steup,  des  Thukydides  bericht  über  die  atti- 
sche pest,  p.  473.  —  Miscellen:  F.  Ritschi,  zur  Plautusliteratur, 
II,  p.  483.  —      W.  Teuffei,    Probus  bei  Martialis  und  Gellius,  p.  488. 

—  F.B.,  zur  lateinischen  anthologie,  p.  491.  —  Zu  Calpurnius,  vonZ. 
31.,  p.493.  —  E.  Baehrens,  zu  Orestis  tragoedia,  p.  493.  —  F.  Ritschi,  zu 
Cicero,  p.  496.  —  Erotemata  philologica  3,  p.  446.   Berichtigung,  p.447. 

XXVI,  heft  4:  IL  Nissen,    die  historien  des  Plinius;  p.  497.  640. 

—  H  A.  Koch,  zu  Plautus,  p.  549.  —  E.  Rohde  ,  die  quellen  des 
Iamblichus  in  seiner  biographie  des  Pythagoras,  p.  554.  —  L.  Mül- 
ler, vier  emendationen  zu  Lucilius,  p.  577.  —  E.  Hiller,  de  Adrasti 
Peripatetici  in  Timaeum  commentario,  p.  582.  —  L.  Urlichs,  noch 
einmal  Aristides  ,  p.  590.  —  Fr.  Ritschi ,  Canticum  und  diverbium 
im  Plautus  p.  593.  —  Miscellen:  K.  Lehr's,  zum  Artemis  -  cultus, 
p.  688.  —  L.  Urlichs,  zu  Ammianus  Marcellinus,  p.  688.  —  A. 
Riese,  zur  historia  Apollonii,  p.  688.  —  N.  Wecklein,  zu  Pindar  und 
Aeschylos,  p.  689.  —     Nachträge  und  berichtigungen. 

Registerheft  zu  bd.  1 — XXIV:  eine  äusserst  sorgfältig  gearbeitete 
und  nützliche  beigäbe. 

XXVII,  1  (1872) :  A.  Rapp ,  die  mänade  im  griechischen  cul- 
tus, in  der  kunst  und  poesie,  p.  1.  —  E.  Rohde,  die  quellen  des 
Iamblichus  in  seiner  biographie  des  Pythagoras,  p.  23.  —  J.  Steup, 
erwiederung  auf  W.  Teuffels  Probus  bei  Martialis  und  Gellius,  p.  62. 
192.  —  C.  Wachsmuth,  versprengte  trümmer  der  Eklogen  des  Sto- 
bäus'  in  seinem  florilegium,  p. 73.  —   G.Krüger,  zu  Horaz,  p. 81.  192. 

—  F.  Blass,  zur  kritik  des  Antiphon,  p.  92.  —  W.  Teuffei,  zur  hi- 
storia Apollonii  regis  Tyri,  p.  103.  —  F.  Ritschi,  Aeschylos'  Perser 
in  Aegypten,  ein  neues  Simonideum  (mit  facsimile),  p.  114.  —  F. 
Buecheler,  inscriptiones  latinae  (Anthologiae  epigraphicae  latinae  spec. 
II,  p.  127  [s.  Phil.  Anz.  II,  1,  p.  18.  —  Miscellen:  J.  M.  Mordt- 
mann ,  griechische  inschriften  aus  Arabia,  p.  146. —  F.  Rühl,  pom- 
pejanische  nachtrage,  p.  151.  —  W.  Heibig,  Hieron  II  und  Philistis 
auf  einem  agrigentiner  relief,  p.  153.  —  M.  J.  Höfner,  die  zeigenössische 
geschichte  des  Cassius  Dio,  p.  156. —  F.  Rühl,  zu  Zosimus,  p.  159. — 
K.  Dziatzko,  Hauton  timorumenos  oder  Heauton  timorumenos,  p.  159. — 
L.  Müller,  der  Neapolitanus  des  Propertius,  p.  162.  —  N.  Wecklein, 
zu  Sophokles,  p.  164.  —  Zu  Euripides ,  von  demselben,  p.  165.  — 
C  Badhain,  Philebi  Platonici  emendationes,  p.  165.  —  M  Voigt,  zu 
Plautus  (Cure),  p.  168.  —     Zu  Plautus  (Men.)  von  J.   Vahlen,  p.  173. 

—  Zu  Plautus  (Trin.) ,  von  O  Ribbeck,  p.  177.  —  Zu  Lucilius,  von 
demselben,  p.  180.  —  Coniectanea  Sueiana,  von  demselben,  p.  180. — 
Zu  Catullus  und  Catvus,  von  L.  Müller,  p.  183.  —  Vergil,  nicht  Lucrez 
oder  Lucilius,  p.  184. —  Zu  Ovidius,  von  E.  Baehrens,  p.  185.  —  Zu 
Calpurnius,  von  demselben,  p.  186. —    Zu  Cicero,  von  J.  Vahlen,  p.  186. 

—  F.  Ritschi,  nachtrag  zu  Canticum  und  Diverbium  bei  Plautus,  p.  187. 

Zarnke,  literarisches  centralblatt,  nr.  28:  Anna  Comnena,  von 
L.  Osten,  Rastatt  1871  :  wird  gelobt.  —  G.  Rohlfs,  von  Tripolis  nach 
Alexandrien.  Bremen,  1871:  referirende  anzeige.  —  S.  Heynemann, 
de  interpolationibus  in  carminibus  Horatii  certa  ratione  diiudicandis. 
Bonn.  1871 :  zustimmende  anzeige  (s.  ob.  nr.  5,  p.  236). 


Index  rerum. 


Aargau,  s.  ausgrabungen. 

Abel,  K.,  s.  lat.  gramui. 

Acro,  s.  Horaz. 

Adler,  s.  archaeol. 

Adrian,  s.  Theocrit. 

Aeschylus ,  Prom.  ed.  L.  Schmidt 
19.  Abdruck  des  Laurent,  v. 
R.  Merkel  189. 

Aetbiopicum  bellum  170. 

Aleidamas,  s.  Antiphon. 

Alcman,  leben  u.  Schriften  v.  Th. 
Niggemeyer  17.  Quaestt.  Alcm. 
v.  G.  Benseier  329. 

Alterthümer,  gr.,  K.  F.  Hermann, 
handbuch  143.  K.  Lugebil,  athen. 
staatsverfass.  253.  A.  Philippi. 
att.  bürgerrecht  205.  id.  symbola 
ad  doctr.  jur.  att.  418.  K.  F. 
Schoemann ,  handbuch  42.  K. 
Trieber,  spart,  verfassungsgesch. 
46. 

— ,  röm.  H.  Babucke ,  heeresorg. 
der  kaiserz.  563.  0.  Clason, 
krit.  erörterungen  259.  id.  leges 
annales  263.  L.  Friedländei",  sit- 
.  tengesch.  363.  Marquardt  und 
Mommsen,  handbuch  210.  A. 
Müller,  ausrüst.  u.  bewaffn.  d.  r 
heeres  419.  C.  Nipperdey,  va- 
riae  observatt.  360.  Roesner,  re- 
rum Praenest.  pars.  III,  562. 

Aineis,  K.,  s.  Homer. 

Amerikan.  philologenversamml.  v, 
1871  315. 

Amor  mit  dem  bogen,   s.  archaeol 

Andocides  ed.  F.  Blass  338. 

Antikenfälschung  608. 

Antiphon,  Antisthenes,  Aleidamas 
ed.  F.  Blass  120.  Ueber  kritik 
des  Antiph.  v.  A.  Hug  387. 

Antisthenes,  s.  Antiphon. 

Appiau,  quellen  v.  E.  Hannak   193 


Apulejus  einfluss  auf  Raphael,  s. 
archaeol. 

Archaeologie.  Adler,  chronol.  der 
baukunst  174.  Artemisium  zu 
Ephesus  267.  526.  A.  Conze,  röm. 
bilclwerke  in  Oestr. ;  id.,  griech. 
grabreliefs  379.  E.  Curtius,  ster- 
bende Medusa  174 ;  id.,  widder- 
tragender Mercur  174.  Engel- 
mann, Amor  mit  dem  bogen  470. 
H.  Grimm,  Apulejus  u.  Philostra- 
tus  einfluss  auf  Raphael  267.  Iu- 
piterstatue  266.  A.  Michaelis, 
Parthenon  50.  145.  J.  O verbeck, 
kunstmythol.  57.  E.  Petersen, 
zur  gesch.  der  gr.  kunst  148.  — 
Phidias,  Athene  Parthenos  266. 
Polyklet,  Diadumenos  221.  —  A. 
Rossbach,  hochzeits-  u.  ehedenk- 
mäler  152.  Pt.  Schoell,  Kumanu- 
des  grabinschriften  175.  R. 
Schoene,  gr.  reliefs  470.  Ste- 
phani,  katalog  der  antikensamml. 
des  grossf.  Constantin  471.  W. 
Vischer,  kleinigkeiten  152.  id., 
antike  köpfe  im  bas.  mus.  157. 
V.  Veit,  die  hohe  frau  v.  Milo 
471. 

Archaeolog.  gesellsch. ,  Sitzungen, 
174.  266.  470.   611. 

Aristides,  v.  C.  A.  Berg  414. 

Aristophanes.  E.  Brentano,  Unter- 
suchungen 27.  Chr.  Muff,  der 
chor.  vor  A.  277.  id.,  Vortrag  der 
chorpartieen  277.  P.  Weyland, 
de  Nubibus  192. 

Aristoteles,  über  eine  stelle  in  den 
büchern  v.  der  seele  v.  J.  Vah- 
len  427. 

Athen,  s.  Ausgrabungen. 

Ausgrabungen.  Aargau,  röm.  topf- 
brennerei  381.    Athen,  reste  der 


Nr.   12. 


Index  rerum. 


631 


mauer  des  Themist.  475.  Kera 
meikos,  grenzsäulen  382.  Augs 
bürg,  bronzemünze  d.  III.  jahrh 
474.  Baden,  röm.  gebäulichkei 
ten  222.  Capua,  vase  475.  Cau- 
casus ,  pokal  des  IV.  jahrh.  a. 
Chr.  575.  Chiari,  todtenstadt  267. 
Coburg,  hünengräber  573.  Cöln, 
röm.  baureste  267.  Hanau,  ascken- 
kriige,  steine  mit  den  zeichen  d. 
22.  leg.  474.  Kehlheim,  Bacchus- 
statue 223.  Lucera,  venusstatue 
318.  Marienburg,  steingrab  605. 
Medun,  grabmal  220.  Mzchet, 
grabmäler  268.  605.  Phokaea, 
basreliefs  63.  Regensburg,  röm. 
todtenfeld  223.  382.469.  610.  Roc- 
casecca,  grab  aus  d.  Steinzeit  318. 
Rom,  fragm.  einer  balustrade  574. 
Grabcippen  u.  mosaik  575.  for. 
rom.  317.  607.  verschiedenes 
607.  Ruva,  vasenfragm.  472.  Se- 
ligenstadt,  grab  v.  Eginhardt  u. 
Emma  221.  Sparta,  mosaikboden 
268.  Stade,  röm.  münze  317. 
Trier,  steinsarg  575. 

Babucke,  EL,  s.  alterthümer. 

Baden,  s.  ausgrabungen. 

Bauer,  Karoline,  420. 

Bauer,  W.,  s.  Euripides. 

BeatusRhenanus,    v.  A.  v.  Horawitz 
378. 

Benseier,  Gr.,  s.  Alcman. 

Berg,  C.  A.,  s.  Aristides. 

Berger,  H.  s.  Hipparch. 

Bernhardy,  G.,  6u5. 

Bischoff,  A.,  s.  Horaz. 

Blass ,  F.,    s.    Autiphon,    Dinarch, 
Andocides. 

Bleske,  F.,  s.  lat.  gramm. 

Bocchus,  L.,  Corn.  175. 

Bock,  K.,  s.  orthogr. 

Boeckh,  A.,  kleine  Schriften  567. 

Boetticher,  C,  gegen  Conze  572. 

Borghesi,  B.,  ges.  werke  161. 

Brambach,  W.,  s.  orthogr. 

Brentano,  E.,  s.  Aristoph. 

British  Museum,  Jahresbericht  318. 

Breuker,  C,  s.  Sallust. 

Brunnhofer,  H.,  s.  vergl.  gramm. 

Buchholtz,  H.,  s.  Eurip. 

Buecheler,  F.,  s.  Plutarch. 

Buecher,  C,  s.  gr.  gesch. 

Buechner,  W.,  s.  Homer. 

Buerger,  Gr.  H.,  nachlass  601. 

Burnouf,  E.,  s.  litteraturgesch. 

Bussenius,  s.  Yaler.  Flaccus. 


Caesar,    ed.    A.  Dobereuz  130.      C. 

u.  die  Gallier  v.  H.  Koechly  131. 

Gall.    zustände    zur    zeit   Caesars 

v.  Labarre    133.      Nebensätze   v. 

Procksch  499. 
Canna,  s.  Longin. 
Cantabricum  bellum  107. 
Capua,  s,  ausgrabungen. 
Cassiodor,  leben,    v.  A.  Franz  506. 
Catonis  disticha  ed.  F.  Hauthal  405. 
Catull,    de   epigramm.    in    Gellium 

v.  G.  Rettig  35. 
Caucasus,  s.  ausgrabungen. 
Celsus  168. 

Chemnitz,  einweih,  des  gymn.  602. 
Chesney  f  Hl- 
Chiari,  s.  ausgrabungen. 
Chronicon  Paschale  107. 
Cicero,  conjectt.  Tüll.  v.  H.  Weber 

409.     Handschriften   der   or.  pro 

Flacco  v.  W.  Oetling  410. 
Clasen,  L\,  wappeninschrift  574. 
Clason,  O.,  S.  alterthümer. 
Clemm,  W.,  aufg.  u.  stell,  der  phi- 

lol.  225. 
Coburg,  s.  ausgrabungen. 
Cohausen  röm.  Castell;  219. 
Commodian,    c.   apol.  v.  Leimbach 

89; 
Curtius,  E.,  s.  archaeol. 
Demades,  s.  Dinarch. 
Destouches,    E.  v.,  die  stadt  Mün- 
chen in  ihrer  bez.  zur  univ.  476. 
Dinarchi   oratt.    adj.    Demadis   qui 

fertur  fragmento  ed.  F.  Blass  120. 
Dindorf,  W.,  s.  Sophocles. 
Dionysius  Thrax:    epit.  ed.  ex  cod. 

Marc.  531  v.  A.  Hart  84. 
Doberenz,  A.,  s.  Caesar. 
Draeger,  A.,  s.  lat.  gramm. 
Duentzer,  H.  s.  Homer. 
Dzialas,  G.,  redefiguren  326. 
Egger,  E.,  s.  philol. 
Eggert,  s.  Sophocles. 
Eisenlohr,    papyrusrolle  von  Harris 

475. 
Elementarunterricht,    reform   dess. 

durch    die    Sprachwissenschaft  v. 

J.  Lattmann  537. 
Elias,  S.,  s.  Lycurg. 
Ellendt,  E.,  s.  Homer. 
Ellger,  G.,  s.  Hesiod. 
Engelmann,  s.  archaeol. 
Epaminondes  v.  L.  Pomtow  415. 
Epigraphik.  C.  I.  L.  Vol.  V,  1  von 

Th.   Mommsen   433.      Ephemeris 

epigr.  61.     Rom.    münzinschrift 


Index  rerum. 


Nr.  12. 


317.  sarginalschrift  in  Rom  607. 
Gr.  inschr.  v.  Erythrae  379. 

Erythrae,  s.  epigraphik. 

Erziehung,  nationale  529. 

Eutropius  ed.  W.  Hartel  250. 

Euripides.  Alk.  v.  W.  Bauer  481. 
Bacch.  v.  R.  Yellerton  Tyrrell 
190.  578.  Herakl.  v.  W.  Bauer 
481.  Kvkl.  v.  V.  Hintner  332. 
Med.  v.  W.  Bauer  481.  Zu  den 
Herakl.  v.  dems.  481  ff.,  zur  Med. 
v.  dems.  481  ff.  Orest.  v.  836- 
1010  v.  H.  Schaefer  231.  Tanz- 
kunst des  E.  v.  H.  Buchholtz  97. 

Faber,  A.,  s.  Minuc.  Felix. 

Fedde,  s.  Homer. 

Floeck,  C,  s.  Thukyd. 

Forbiger,  A.,  s.  Hellas  u.  Rom. 

Franz,  A.,  s.  Cassiodor. 

Fricke,  W.,  f  527. 

Friedländer,  L.,  s.  alterthümer. 

Friedrichs,  E.,  reisebriefe  472. 

Fries,  W.,  s.  Sophocles. 

Fritzsche,  F.,  s.  Lucian. 

— ,  Th.,  s.  Menipp  u.  Horaz. 

Galenus,  quaestt.  critt.  v.  J.  Mül- 
ler 119. 

Gebbardi,  s.  Tibull,  Prop.,  Ovid 

Gerber,  A.,  s.  Tacit. 

Geschichte,  gr.  quaestt.  amphictt. 
v.  C.  Buecher  462. 

— ,  röm.  gesch.  Roms  v.  K.  Peter 
256.  L.  Septim.  Severus  v.  J 
Hoefner  358.    vrgl.  alterthümer. 

Gildemeister,  J.,  s.  Plutarch. 

Graeber,  s.  ausgrabungeu. 

Graffunder,  A.,  266. 

Grammatik,  gr.,  L.  Schmidt,  de  ana 
log.  et  anom.  in  synt.  gr.  11 
B.  Suhle,    zerdehnung  226. 

—  lat.  gen.  von  wörteim  auf  ius  und 
tum  375.  K.  Abel,  über  einige 
grundzüge  derl.  gr.  178.  F.Bleske 
elementarbncb  368.  A.  Draeger, 
hist.  synt.  322.  544.  E.  Lueb- 
bert,  de  struct.  partic.  perf.  pass. 
pro  subst.  pos.  177.  Lattmann 
und  Müller,  schulgramm.  539. 
M.  Voigt,  bedeutungswechsel  lat. 
ausdrücke  429. 

—  vrgl.  H.  Brunnhofer ,  yctlä,  lac. 
214.  Tiede,  vergl.  bemerkungen 
über  lat.  u.deutsche  umgangsspr. 
592. 

Grimm,  W.  u.  J.,  110.  221. 
— ,  H.,  s.  archaeol. 
Grimma,  gymnas.  467. 


Gramme,  A.,  s.  Plato. 

Guestmw,  versamml.  der  Schulmän- 
ner 601. 

Halm,  C,  s.  Nepos. 

Hanau,  s.  ausgrabuncren. 

Hannack,  E.,  s    Appian. 

Harris,  s.  Eisenlohr. 

Hart,  A.,  s.  Dionys.  Thrax. 

Hartel,  W.,  oestr.  gymnasien  61. 
s.  Eutrop. 

Härtung,  ß.,   s.  sententiarum  über. 

Hauthal,  F.,  s.  Catonis  disticha. 

Hecht,  O.,  s.  Homer. 

Hellas  u.  Rom  v.  A.  Forbiger  140. 

Hermann,  K.  F.,  s.  alterthümer. 

Herodes  Atticus  arch.  epon.  115.  59. 

Hertz,  M..  s.  Plato. 

Hesiod,  de  prooem.  theog.  v.  G. 
Ellger  185. 

Heynemann,  S.,  s.  Horaz. 

Hintner,  V.,  s.  Eurip. 

Hipparch ,  geogr.  fragmm.  v.  H. 
Berger  447. 

Histor.  -  archaeol.  rath  v.  Rom  319. 

Hoefner,  S.,  röm.  gesch. 

Holtze,  F.  W.,  s.  Lucrez. 

Homer,  llias.  Boeotia  v.  Schwarz.  1 82. 

—  Od.  v.  K.  Ameis  13.  Parallel- 
len  zum  I.  buch  v.  E.  Ellendt 
385.  Kirchhoff,  Köchly  u.  die 
Od.  v.  H.  Duentzer  443. 

—  W.  Bnechner,  hom.  studd.  441. 
H.  Duentzer,  hom.  abhandlungen 
435.  Fedde, Wortzusammensetzung 
327.  O.  Hecht,  de  epithetis  441. 
H.  Lutze,  de  strophica  ratione 
551.  Pfudel,  causalsiitze  182.  F. 
Riemer,  de  temporum  usu  552. 
Skerlo,  l&nv  440. 

Homerische  Hymnen.  Prolegg.  ad 
hvmnum  in  Ven.  v.  R.  Thiele 
274.  445. 

Horaz.  A.  Bischoff,  hör.  lyrik  561. 
S.  Heynemann,  interpolatt.  236. 
T.  Mommsen,  zu  sat.  I,  457.  H. 
Muther,  zu  sat.  I,  3.  285.  O. 
Ribbeck,  episteln  456.  H.  Rie- 
del, bibliographie  128.  H.  Runge, 
zur  kritik  der  öden  585.  E. 
Schweikert,  de  Acrone  127.  cf. 
377. 

Horawitz,  A.  v.,  Beatus  Rhenanua 
378. 

Hortensta,  lex,  169. 

Hup,  A.,  s.  Antiphon. 

Hultgren,  F.  C,  s.  rnetrik. 

Ilberg,  gratulationsgedicht  608. 


Nr.  12. 


Index  rerum. 


633 


Isaeus,    einfl.   aut  Demosth.   v.    A. 

Laudahn  341. 
Isocrates,   figuren  v.  Kyprianös  72. 
Ianke,  0.,  572. 
Iupiterstatue,  s.  archaeol. 
Instin,    verbreit,  im  mittelalter    v. 

F.  Ruehl  41. 
Invenal,  quid  elocutio  ejus  differat 

a   Persiana   von  H.    Wilcke   348. 

Kriegsdienst  in  Aegypten  168. 
Kaibel,  Gr.,    de  monumentorum  ali- 
quot graecorum    carminibus  274. 
Kehlneim,  s.  ausgrabungen. 
Keil,  H.,  exempla  poetarum  e  cod. 

Vat.  edita  280. 
Kiel,  univers.  63. 
Kiessling,  G.,  472. 
Kirchslein,  H.,  s.  Plato. 
Koechly,  H.,  s.  Caesar. 
Kohl,  0.,  s.  Livius. 
Krause,  E.,  s.  tragg.  gr. 
Kreussler,  0.,  s.  Ovid. 
Kuehnast,  L.,  s.  Livius. 
Kuhn,  R.,  s.  Sallust. 
Kumanudes,  s.  archaeol. 
Kyprianös,  s.  Isocrates. 
Labarre,  s.  Caesar. 
Laemmert,  E.,  377. 
Lattmann ,    J. ,    s.    elementarunter- 

richt  u.  lat.  gramm. 
Laudahn,  A.,  s.  Isaeus. 
Leimbach,  s.  Commodiau. 
Lexicographie.      Griech.  -  deutsches 

wörterb.  v.  Rost  228. 
Lilie,  W.,  s.  Sallust. 
Litteraturgeschichte.      Histoire    de 

la  litt,  grecque  parE.  Burnouf  356. 
Livius.      0.  Kohl,   reden  458.      L. 

Kuehnast,  syntax  243. 
Longin,  übers,  v.  G.  Canna  32. 
Lorentz,  A.  0.  F.,  s.  Plautus. 
Lucera,  s.  ausgrabungen. 
Lucian,   ed.  F.  Fritzsche  487.     Lu- 

cianea  v.  J.  Sommerbrodt  495. 
Lucrez,    syntax    v.    F.    W.    Holtze 

342. 
Luebbert,  E.,  s.  lat.  gramm. 
Lugdunense,  proelium  107. 
Lugebil,  K.,  s.  alterthümer. 
Lupus,  B.,  s.  Nepos. 
Lussowo,  pfahlbauten  111. 
Lutze,  EL,  s.  Homer. 
Lycurg,    quaestt.    lyc.   v.   S.   Elias 

75.  v.  E.  Rosenberg '78. 
Mamertinus,  carcer  467. 
Marcellinus,  Fab.  et  Valer.  59. 
Marienburg,  s.  ausgrabungen. 


Marquardt,  J.,  s.  alterthümer. 

Martialis  lib.  XII  epigr.  a.  102  p. 
Chr.  ed.  374. 

Medun,  s.  ausgrabungen. 

Medusa,  s.  archaeol. 

Menipp  u.  Horaz  v.  Th.  Fritzsche 
196. 

Mercur,  s.  archaeol. 

Merkel,  R.,  s.  Aeschylus. 

Mestorf,  J.,  110. 

Metrik.  F.  C.  Hultgren ,  observatt. 
in  poett.  elegiacos  gr.  et  1.  180. 
J.  Rumpel,  de  trimetri  gr.  exitu 
588. 

Michaelis,  A.,  s.  archeol. 

Minucius  Felix  v.  A.  Faber  412. 

Mommsen,  Th. ,  s.  alterthümer  und 
epigraphik. 

— ,  T.,  s.  Horaz. 

Montesquieu ,  considerations  etc. 
übersetzt  v.  W.  Wendler  303. 

Mueller,  A.,  s.  alterthümer. 

—  J.,  s.  Galenus. 

Muff,  Chr.,  s.  Aristophanes. 

Muther,  H.,  s.  Horaz. 

Mzchet,  s.  ausgrabungen. 

Nepos,  ed.  C.  Halm  92.  Der  satz- 
bau des  KT.  v.  B.  Lupus  586. 

Niggemeyer,  Th.,  s.  Alcman. 

Nipperdey,  C. ,  s.  alterthümer  und 
Tacitus. 

Oesterley,  H.,  s.  Phaedrus. 

Oetling,  W.,  s.  Cicero. 

Orosius,  s.  bell.  Cantabricum. 

Orthographie.  K.  Bock,  die  wich- 
tigsten punkte  der  orth.  364.  W. 
Brambach,  hülfsbüchlein  364.  Re- 
geln u.  -wörterverzeichniss  für  lat. 
orthogr.  227.  perihodus,  exhodus 
365.  Appulejus366.caepe,  caespes. 
promunturium  366.  volaemus, 
glaeba,  tentare ,  numquam ,  nan- 
ctus ,  illico,  villicus,  Boeoti,  fae- 
les  367. 

Ovid.  Gebhardi,  de  Tibulli,  Pro- 
pertii ,  Ovidii  distichis  39.  A. 
Zingerle ,  Ovids  verhältniss  zu 
den  Vorgängern  u.  gleichzeitigen 
dichtem  199. 

— ,  Metamorph. ,  ed.  J.  Siebeiis 
(Polle)  395.  0.  Kreussler,  obser- 
vatt. in  fastos  404. 

Paedagogik.  J.  Soergel,  die  gegen- 
wärt.  gymnasialbild.  mit  berücks. 
des  bair.  gymnasialwesens  597. 

Palaeographie.  J.  C.  Vollgraff, 
studd.  palaeogr.    8. 


634 


Index    rerum . 


Nr.  12. 


Palatina,  bliblioth.  430. 

Palinieri,  ausbruch  d.  Vesuv  474 

Parthey  f  267. 

Persius,  s.  Juvenal. 

Perthes,  F.  267. 

Peter,  K.,  s.  röm.  gesch. 

Peters,  L.,  s.  Sophocles. 

Petersen,  E.,  s.  archaeol. 

Pfahlbauten  381. 

Pfudel,  s.  Homer. 

Phaedrus.    Paraphrase    des    Romu- 

lus  v.  H.  Oesterley  237. 
Phidias,  s.  archaeol. 
Philippi,  s.  alterthümer. 
Philologie,  geschichte  ders.  l'Helle- 

nisme  en  france  v.  E.  Egger  369. 
Philostratus,    einfluss   auf  Raphael, 

s.  archaeol. 
Phokaea,  s.  ausgrabungen. 
Plato.  M.  Hertz,  sympos.  loc.  enarr. 

et  emend.  65.     A.  Gramme,  zum 

Phaedrus  68.    H.  Kirchstein,  über 

Protagoras  584.     M.  Schanz,    no- 

vae  commentatt.  1 13.    Volquard- 

sen,  über  den  mythus  69. 
Plautus.     A.   0.   F.  Lorentz,    colla- 

tionen  zur  Aulul.  390.    W.  Ram- 

say,  Mostellaria  86.  L.  Reinhardt, 

de  fabulis  retract.  393. 
Plutarch.     H.    Gildemeister  und  F. 

Buecheler:  mgl  äa/qafais  570.  E. 

Rasmus,    de  communibus  notitiis 

334.     G.  Treu,  de  codicc.  Pariss. 

Moralium  333. 
Polle,  F.,  s.  Ovid. 
Polyklet,  s.  archaeol. 
Pomtow,  L.,  s.  Epaminondas. 
Proeksch,  s.  Caesar. 
Properz.  Gebhardi,  de  Tibulli,  Pro- 

pertii  Ovidii  distichis  39. 
Publilius  Syrus  ed.  E.  Woelfflin  202. 
Ramsay,  W.,  s.  Plautus. 
Rasmus,  E..  s.  Plutarch. 
Rath,  Gerh.  vom,  ausflug  nach  Ca- 

labrien  517. 
Regensburg,  s.  ausgrabungen. 
Reichsstrasse,  röm.,  v.  Virunum  nach 

Ovilaba  379. 
Reinhardt,  L.,  s.  Plautus. 
Rettig,  G.,  s.  Catull. 
Reuss,  E.,  s.  Valerius  Flaccus. 
Rhenanus,  s.  Beatus. 
Rhetorum     antiquorum    de    figuris 

doctrina  v.  G.  Dzialas  326. 
Ribbeck,  O.,  s.  Scaenici  u.  Horaz. 
Richter,  R.,  gratulationsgedicht  603 
Riedel,  H.  s.  Horaz. 


Riegel,  H.,  italien.  blätter  422. 

Riemer,  F.,  s.  Homer. 

Ritschi,  F.,    acta  societ.  Lips.  371. 

Roccasecca,  s.  ausgrabungen. 

Roensch,  H.,  s.  Tertullian. 

Roesner,  s.  alterthümer. 

Rom ,  s.  ausgrabungen. 

Rosenberg,  E.,  s.  Lycurg. 

Rossbach,  A.,  s.  archaeol. 

Rost,  F.,  s.  lexicographie. 

Ruehl,  F.,  s.  Justin. 

Rumpel,  J.,  s.  metrik. 

Runge,  H.,  s.  Horaz. 

Ruvo,  s.  ausgrabungen. 

Sallust,  C.  Preuker,  S.  auctor  Ta- 
citi  136.  R.  Kuhn,  einleitungen 
des  S.  240.  W.  Lilie,  observatt. 
gramm.  134.  P.  Schulze,  de  ar- 
chaismis  290.  K.  Stejskal,  be- 
deut.  des  Sali.  242.  A.  Wein- 
hold, Vat.  3864.  349. 

Seaenicae  R.  poesis  fragmenta  v. 
O.  Ribbeck  ed.  II.  285. 

Schaefer,  H.,  s.  Eurip. 

Schanz,  M.,  s.  Plato. 

Schlieman,  Cheirisophos  reise  durch 
Boeotien  310.  Ausgrabungen  573. 

Schmidt,  L.,  s.  lat.  gramm. 

Schmitt,  A.,  221. 

Schoell,  R.,  s.  archaeol. 

Schoemann,  K.  F.,  s.  alterthümer. 

Schoene,  R.,  s.  archaeol. 

Schulaufsichtsgesetz  111. 

Schultess,  F.,  s.  Seneca. 

Schulze,  P.,  s.  Sallust. 

Schwarz,  s.  Homer. 

Schweikert,  E.,  s.  Horaz. 

Schweizer -Siedler,  H.,  s.  Tacit. 

Seligenstadt,  s.  ausgrabungen. 

Seneca,  de  quaestt.  natural,  et 
epist.  v.  Fr.  Schultess  302. 

Sententiarum  liber  v.  C.  Härtung 
593. 

Siebeiis,  F.,  s.  Ovid. 

Skerlo,  s.  Homer. 

Soergel,  J.,  s.  pädagogik. 

Sommerbrodt,  J.,  s.  Lucian. 

Sophocles.  W.  Dindorf,  lexicon  110. 
C.  G.  Eggert,  quaestt.  critt.  22. 
W.  Fries,  anacolutha  553.  L. 
Peters  studd.  Sophocl.  25. 

Sparta,  s.  ausgrabungen. 

Stade,  s.  ausgrabungen. 

Stein,  de  Atlante  Homerico  et  Ae- 
schyleo  578. 

Stejskal,  K.,  s.  Sallust. 

Strassburg,  univ.  467.  271.   613. 


Nr.  12. 


Index  locorum. 


635 


Suhle,  B.,  s.  gr.  gramm.  u.  219. 
Symposium  (münchener  universitäts- 

jubiläum)  475. 
Tacitus  denkmal  in  Terni  575.     A. 

Gerber ,    praepositionen  293.  ed. 

C.  Nipperdey   459.    Germania  v. 

H.  Schweizer-Siedler  352. 
Tertullian,  das  neue  testament  des- 
selben v.  H.  Roensch  137. 
Theater.    N.  Wecklein ,  studd.  zur 

scen.  archaeol.  508. 
Themistocles  169. 

Theocrit,  kritisches  v.  Adrian  187. 
Thiele,  R.,  s.  hom.  hymnen. 
Thukydides,    observatt.   gramm.  v. 

C.  Flock  554. 
Tibull,  s.  Properz. 
Tiede,  s.  vergl.  gramm. 
Tragici  gr.  de  attractionis  vi  v.  E. 

Krause  330. 
—  lat.,  s.  Scaenici. 
Trendelenburg,  A.,  |  HI- 
Treu,  G.,  s.  Plutarch. 
Trieber,  K.,  s.  gr.  alterthümer. 
Trier,  s.  ausgrabungen. 
Tyrrell,  s.  Euripides. 


Underwood,  J.,  173. 

Vahlen,  J.  s.  Aristoteles. 

Valerius    Flaccus.      Bussenius ,    de 

comparationibus   233.     E.  Reuss, 

obervatt.  281. 
Veit,  V.,  s.  archaeol. 
Vesuv  271. 

Vischer,  W.,  s.  archaeol. 
Voigt,  M.,  s.  lat.  gramm. 
Vollgraff,  J.  ö.j  s.  Palaeogr. 
Volquardsen,  s.  Plato. 
Waddington,   fastes   des  provinces 

asiatiques  de  l'empire  römäin471. 
Weber,  H.,  s.  Cicero. 
Wecklein.  N.,  s.  theater. 
Weinhold,  A.,  s.  Sallust. 
Welcker's  monument  in  Bonn  222. 
Wendler,  W.,  s.  Montesquieu. 
Weyland,  P.,  s.  Aristophanes. 
Wilcke,  H.,  s.  Juvenal. 
Winckelmann,  J.  J.,  381. 
Woelftlin,  E.,  s.  Publil.  Syrus. 
Wood,  ausgrabungen  62.  220. 
Wuttke,  H.,  gesch.  der  schrift  572. 
Zingerle,  A.,  s.  Ovid 


Index  locorum. 


Accius  [Ribb.  ed.  II]  p.  137,  8  287 

p.  142,  53  287 

»  146,  81  287 

»  146,  84  289 

»  146,  85  288 

»   153,  131  289 

»  155,  146  290 

»  173,  283  287 

»  184,  370,  372       288 1— 

»  202,  515  287; 56 

»  219,  644  288 

ine.  ine.  p.  142,  52     288 

Aeschylus.  Agam.  520  20 

—  Choeph.  47  522 

56  522 

91  372 

92  372 

—  Pers.  228  372 

—  Prom.  314  20 

347  578 

427  578 

514  21 

675  20 


Aeschyl.  Prom.  926 
—  Sept.  10 
Andocid.  I,  1 

15 

23 

24 

39 

41 

45 


64 

75 

76 

86 

88 

89 

136 

—  II,  12 

—  III,  20 

31 

Anecd.  Paris.  I,  p.  19 
Anthol.  Pal.  VII,  18 
Anthol.  lat.  683,  13 


20 
313 
340 
340 
339 
341 
339 
341 
340 
340 
340 
340 
341 
339 
340 
341 
340 
340 
340 
341 
509 

60 
408 


Index  locorum. 


Nr.  12. 


Autholog.  lat.  083,18,  21 

408 

Dinaren.  I,  13 

126 

Antiphon.  I,  1 

123 

— 

— 

66 

122 

-  I,  3 

122 

— 

— 

70 

126 

10 

123 

— 

— 

80 

122. 

125 

-  -  12 

123 

— 

— 

82,  84 

126 

14 

123 

— 

— 

105 

122 

23   ,  - 

123 

— 

II, 

7,  22 

122 

30 

124 

— 

III,  4,  7 

122 

—  V,  32 

123 

Diogen.  Sinop.  s.  Julian. 

—  II  «  hyp.  2 

388 

Di 

jnysius  Thrax  epit.  ed. 

Hart. 

4 y   2 

388 

— 

P- 

26,  3  ff. 

85 

—  III  y  6 

389 

— 

P- 

29,  33 

86 

-  -  —  ä  9 

389 

Ennius  (Ribb.  ed.  II)  p.  IE 

,26 

288 

—  IV  d  2 

388 

- 

P- 

20,  40 

288 

Apollon.Rhod.Schol.  ad  I  1263  21 

— 

» 

25,  76 

288 

Aristophanes.  Achar.  612 

9 

— 

» 

34,  142 

288 

—  Eccl.  69 

59 

— 

» 

38,  174 

288 

—  —  72 

59 

— 

» 

39,  184 

288 

—  Pax  1120 

59 

— 

» 

41,  192 

288 

Athenaeus  XIII,  p.  592  E 

9.  10 

— 

» 

59,  306 

289 

p.  586  E 

10 

ine.  ine.  184,  370 

288 

Bekk.  anecd.  p.  865 

86 

Eurip 

.  Ale.  552 

9 

Cassius  Dio  I,  II,  20 

263 

— 

— 

1117 

9 

Catonis  disticha  I,  10,  73, 

79  408 

— 

Bacch.'  20 

582 

—  II,  16,  95 

408 

— 

— 

21 

581 

—  III,  9,  15 

408 

— 

_ 

25 

191. 

581 

-IV,  7 

408 

— 

— 

54,  100 

192 

—  IV,  56 

409 

— 

— 

209 

192. 

582 

—  IV,  62,  64,  71 

407 

— 

— 

211 

582 

—  IV,  71 

409 

— 

— 

235 

191. 

581 

Cic.  or.  pr.  Flacc.  §§  5,  30, 

33, 

— 

261 

582 

64 

411 

— 

— 

406 

191. 

582 

—  Philipp.  I,  13,  31 

409 

— 

— 

451 

191. 

582 

—  I,  14,  35 

409 

— 

— 

506 

582 

-  I,  22,  50 

409 

— 

— 

606 

583 

—  II,  19,  49 

410 

— 

— 

636 

583 

22,  55 

409 

— 

— 

756 

581 

—  III,  5,  12 

409 

— 

787 

583 

—  V,  37,  106 

410 

— 

— 

842,  843 

583 

—  or.  pr.  Süll.  I,  1 

169 

— 

— 

856 

579 

—  Or.  13,  42 

522 

— 

— 

860 

583 

—  Tusc.  I,  24,  59 

410 

— 

— 

864 

192. 

583 

28,  69 

410 

— 

— 

887 

581 

31,  75,  77 

410 

— 

— 

1001 

191 

32,  78 

410 

— 

— 

1002 

579 

36,  87 

410 

— 

— 

1020 

191 

Commodian.  c.  apol.  56 

89 

— 

— 

1049 

583 

—  133 

91 

— 

— 

1060 

191. 

580 

—  142,  228 

89 

— 

— 

1090 

583 

—  465,  481 

90 

— 

— 

1091 

191 

—  537,  609 

91 

— 

— 

1147 

583 

—  637 

91 

— 

— 

1156 

581 

—  776,  824 

90 

— 

— 

1157 

192 

Curt.  Ruf.  X,  9,  28 

169 

— 

— 

1169 

583 

Demosth.  de  cor.  §.  289 

273 

— 

— 

1257 

580 

Dinaren.  I,  5,  6 

122 

— 

— 

1287 

583 

7 

125 

— 

— 

1352 

161 

Nr.  12. 


Index  locorüiü. 


637 


Eurip.  Heracl.  2,  38,  103 

484 

Homer.  Od.  a  353 

15 

140,  152 

484 

r  37 

15 

171,  176 

485 

»104 

15 

197,  202 

484 

»  224 

16 

211 

484 

v  14 

16 

255,  480 

485 

y»  253 

185 

522,  582 

485 

Eomerscholien  Od.  X,  568 

8 

629,  640 

484 

v  10,  14 

8 

689 

482 

>  142,  215 

8 

1050 

484 

»  174 

9 

—   Iphig.  Taur.  15 

169 

§  162 

8 

—  Kykl.  136 

332 

»  199 

9 

153 

332 

»222 

9 

325 

372 

»  230,  334 

8 

326 

372 

»398 

8 

480-82 

332 

n  305 

8 

502 

333 

Homer,  hymnen,  in  Ven.  44 

445 

551 

332 

Ven.  134 

445 

—  Med.  25 

44,  135 

150.  183 

195,  232 

297,  404 

538,  785 

786 

862 

930-32 

1216,  1304 

485 
486 
486 
486 
486 
486 
486 
485 
486 
486 

»     284 

»     285 

Horat.  Od.  II,  14  fin. 
—  Sat.  I,  1,  88 

3,  20 

3,  24 

3,  28,  38 

3,  29-37 

3,  41,  57 

3,  58,  65 

276 
445 
585 
457 
285 
285 
285 
285 
285 
285 

1317 

486 

—  3,  76 

285 

1386-88 

375 

3,  82 

3,  108 

457 
457 

—  Orest.  844—1012 

231 

10,  28 

362 

938,  941 

232 

10,  62 

458 

942,  983 

232 

10,  85 

362 

Eutrop.  II,  23 

251 

—  Ep.  I,  5,  9 

375 

—  III,  3 

251 

I,  18,  82 

522 

—  VI,  16 

251 

I,  20,  24 

457 

—  VIII,  4 

251 

Iulian.  or.  VI,  p.  105  B  Sp. 

59 

6,  13,  23 

252 

Liv.  Andron.  (Ribbeck    ed.  II 

—  IX,  9,  14 

252 

p.  4,  26 

289 

24,  27 

252 

Longin.  13,   4 

33 

Fronton.  Arion.  p.  237  N. 

170 

-  21,  2 

SS 

Galen,  p.  495,  15 

119 

-  44,  5 

33 

Gellius  IV,  17,  7 

313 

Lucian.  Alex.  10,  21,  25 

492 

Hesiod.  Theog.  1—35 

185 

—  Bis   acc.  24 

497 

Homer.  11.  A  3 — 5 

438 

28 

493 

J  249 

441 

33                               494 

498 

2-65 

441 

—  dial.  meretr.  VI,    1 

499 

Sl  721 

439 

—  de  merc.  cond.  15,  17,  42 

493 

»765 

438 

—  Fugit.  23 

495 

—  Od.  «  52  ff. 

577 

—  Gall.  28 

492 

t  272—7 

444 

—  Hermot.  44 

498 

C  178 

444 

63 

495 

x  314—366 

10 

—  de  hist.  conscr.  13,  26,  51 

491 

v  417 

184 

—  Hercul.  1 

499 

n  222 

184 

—  de  luctu  21 

499 

_  2S1-28S 

444 

—  iNavis  29 

497 

638 


Index  locorum. 


Nr.  12. 


Lucian.  Nigr.  6,  14 

498 

Nepos.  Eum.  XI,  5 

96 

—  Necyom.  3 

498 

—  Hann.  X,  2 

93 

—  Peregr.  32 

498 

-  Mi  lt.  III,  2 

96 

25 

497 

-   Paus.  III,  3 

96 

7,  13,  23,  39 

492 

-  Pboc.  II,  5 

93.  96 

—  Philops.  4,  5,  19 

492 

—  Them.  I,  4 

93 

20,  21 

493 

X,  3 

93 

—  Rhet.  praec.  3 

497 

—  Thras.  I,  4 

95 

10 

496 

Ovid.  ex  Pont.  III,  3.  43 

169 

15 

498 

—  Fast.  I,  41,  49,  53 

404 

—  de  salt.  81 

497 

331,  637 

404 

—  somn.  11 

491 

639,  640 

404 

—  Sympos.  5,  12,  41,  45 

497 

II,  854 

404 

Lycurg.  §  15 

82 

III,  105,  594,  693 

404 

18 

80 

IV,  866 

404 

25 

82 

V,  661 

404 

26 

79 

VI,  662 

404 

28 

84 

Pacuv.  (Ribbeck  ed.II)p.  951 

50  287 

29 

84 

—  p.  98,  17 

287 

-  -  40 

81 

—  »  82,  39 

287 

47 

80 

-  »  106,  315 

288 

48 

82 

—  »  108,  248 

288 

60 

83 

—  »  116,  315 

288 

-65 

84 

—  »  119,  338 

288 

71 

81 

—  »  123,  364 

288 

78 

77 

-  »  129,  395 

287 

80 

83 

—  »  132,  410 

289 

81 

384 

Petrou.  118 

138 

94 

83 

Phaedrus  (M.)  I,  13,  21 

239 

105-108 

80 

-  V,  9 

239 

105,  107 

81 

Philostratus  I,  23 

60 

109 

80 

-  V,  5 

60 

116 

81 

Plato  Conviv.  p.  175  B 

12 

124 

80 

—  —  p,  182  sqq. 

65 

134 

81 

»  182  A 

68 

137 

77 

»  183  A 

67 

Lys.  I,  22 

12 

»  210  E 

113 

—  frgm.  Sauppe  p.  195 

10 

-  Euthy.  274  B 

116 

Martial.  ep.  XIV,  114 

374 

274  E 

11 

Minmenn.  frgm.  I,  4 

373 

276  D 

116 

Minuc.  Felix  4,  3 

414 

278  B 

116 

7,  1 

414 

279  D 

117 

31,  7 

414 

280  D 

117 

Naevius  [Ribbeck  ed.  II]  p.  9, 

19  288 

287  C 

11 

Nepos.  Ale.  I,  3 

93 

289  B 

114 

-  Arist.  II,  92 

93.  96 

290  B 

117 

—  Attic.  XIII,  4 

94 

295  A 

115 

—  —  —  7 

95 

298  A.  B 

115 

XVIII,  5 

93 

301  A 

115 

—  Cim.  III,  1 

96 

302  E 

114 

—  Con.  III,  3 

96 

—  Gorg.  461  C 

116 

—  Dion.  VII,  3 

93 

492  E 

115 

VIII,  2 

94 

—  Legg.  III,  701  D 

113 

X,  2 

94 

-  Phaedr.  70  C 

118 

—  Epam.  X,  1 

93.  96 

91  C 

118 

-  Eum.  VIII,  1 

96 

2'29  C 

69 

XI,  3 

93 

230  B 

69 

Nr.   12. 

Index  1 

ocorum. 

639 

Plato  Phaedr.  231  C 

69 

Sallust  lug.  97,  5 

352 

233  D 

69 

— 

— 

100,  1 

135 

235  A 

69 

— 

ep 

.  Pomp.  6 

135 

235  E  —  236  A 

69 

Scriptt.  hist.    Aug.  Vit.  Albin. 

240  E 

69 

H  1 

107 

242  C 

113 

— 

— 

Alex.  Sev.  1,  7 

107 

246  B 

69.  116 

— 

— 

Get.  2,  1 

107 

270  D 

69 

2, 

374 

—  Protag.  312  A 

115 

— 

— 

Nigr.  10,  9 

107 

319  D 

116 

Seneca  quaestt.  nat.  3,  1,  1 

169 

—  Resp.  370  E 

169 

— 

— 

3,  26,  6 

169 

615  D 

11 

— 

— 

4,  praef.  10 

303 

Plautus.     Aniph.  510 

170 

— 

epist.  22,  1 

303 

—  Aulul.  I,  1,  5 

392 

— 

— 

26,  3 

303 

II,  1,  31 

390 

— 

— 

40,  4 

303 

2,  74 

392 

— 

— 

49 

303 

3,  4 

390 

— 

— 

53,  7 

303 

III,  2,  10 

390 

— 

— 

61,  1 

303- 

2,  73 

392 

— 

— 

dial.  II,  7,  2 

313 

IV,  1,  5 

391 

— 

— 

—  II,  7,  4 

169 

1,   8 

391 

So 

phocles  Antig.  2 

553 

7.  11 

391 

— 

— 

23 

169 

9,  8 

391 

— 

— 

211 

23 

—  Epid.  I,  1,  44-47 

394 

— 

— 

673 

554 

II,  2,  109 

395 

— 

— 

776,  1182 

23 

III,  2,  33-34 

395 

— 

El 

43,  76 

22 

2,  28—30 

395 

— 

— 

112,  226 

23 

V,  2  54 

395 

— 

— 

232,  327 

23 

—  Merc.  prol. 

393 

— 

— 

363 

22 

—  Truc:  scen.  I 

394 

— 

— 

468 

22 

11,  1,  5-13 

394 

— 

— 

763 

23 

III,  2,  14-15 

394 

— 

— 

1329 

23 

Plutarch.-Fab.  16 

10 

— 

Oed.  Col.  22 

24 

—  reg.  et  imp.  apophth. 

10 

— 

— 

29 

25 

—  de  conmi.  notit.  IX,  2 

338 

— 

— 

44,  48 

25 

XI,  8 

338 

— 

— 

55 

26 

Pompon.  com.  v.  21  sqq. 

R          59 

— 

— 

62 

22 

Publil.  Syr.  50,  75,  90 

203 

— 

— 

71 

25 

110,  137,  151 

203 

— 

— 

113 

25 

152,  181,  187 

203 

— 

— 

156 

26 

248 

203 

— 

— 

243,  257,  277 

26 

325,  347 

204 

— 

— 

307 

26 

348 

203.  204 

— 

— 

332 

25 

373.  380 

203 

— 

— 

357 

29 

412,  430 

203 

— 

— 

380 

26 

Quintilian.  I,  5,  12,  31 

313 

— 

— 

390 

22 

6,  19 

313 

— : 

— 

402 

25 

Sallust.  bell.  Cat.  10,  3 

361 

— 

— 

500 

24.  26 

11,  1 

361 

— 

— 

502,  523 

26 

20,  7 

352 

— 

— 

553 

25 

33,  1 

352 

— 

— 

570,  575 

26 

35,  3 

549 

— 

— 

Oed.  Col.  588 

22 

52,  35 

350 

— 

— 

589 

26 

—  lug.  38,  10 

352 

— 

— 

603 

26 

43,  1 

361 

— 

— 

625 

24 

44,  4 

291 

— 

— 

640 

554 

46,  6 

135 

— 

— 

658,  755 

26 

640 


Index  Iocorura. 


Nr.  12. 


Sophocl.  Oed.  Col.  813  24. 

26 

861 

26 

912 

25 

919-23 

26 

1021,  1077 

25 

1083,  1098 

26 

1108 

24 

1113,  1116 

26 

1117 

26 

1118,  1132 

24 

1192 

26 

1231 

26 

1249 

22 

1265 

25 

1333,  1358 

26 

1370 

24 

1390 

26 

1413,  1436,  1444 

26 

1454,  1466 

26 

1469 

25 

1526,  1534 

26 

1551,  1584 

25 

1627,  1640 

25 

1640 

24 

1685,  1690 

26 

1695,  1698 

26 

1701 

26 

1720 

25 

1749,  1752 

26 

—  Oed.  R.  302 

554 

328 

22 

424 

22 

583 

22 

600,  624,  625 

22 

681 

23 

'  702 

23 

725 

22 

818 

554 

861,  883 

22 

1031 

23 

1083 

24 

1136           168 

554 

1266 

554 

1326 

22 

1512 

24 

—  Phil.  57 

553 

86 

554 

146  ff. 

516 

1162 

554 

1383 

522 

—  Trach.  23 

554 

Strabo  135  Caa. 

454 

Tacitus  Agric.  4 

462 

—  Ann.  I,  11 

461 

II,  13 

460 

Tacit.  Ann.  24,  36,  41,  42 

57 

III,  18 

55 

XIV,  7 

XV,  12 

13,  35,  44 

-  Dial.  c.  10,  c.  19 

-  Gerin.  c.  8,  c.  13 

-  Hist.  IV,  81 
Terenz  Eun.  III,  5,  12 
Tertullian.  (Semmler)  P.  583 

584,  587,  595 

598,  602 

604,  612,  613 

620,  623,  632 

633,  641 

649,  667,  676 

684,  685 

688,  695,  709 

Tneocrit.  Id.  I,  15,  19,  51 

-    85 
Theophr.  Charakt.  22 
Thukyd.  I,  18 

-  I,  39 

-  II,  84 

-  IV,  13 

-  V,  38 
Valer.  Place.  I,  150 

156 

157,  755 


355 

461 
355 
460 
460 
460 
460 
374 
355 
461 
375 
138 
138 
138 
139 
139 
139 
140 
140 
140 
189 
189 
338 
10 
169 
560 
560 
556 
288 
284 
283 
235 
283 
233 
282 
236.  282 
236 


II,  243 

453,  461 

III,  133 

737 

738 

IV,  89  283 

201  284 

537  235 

714,  715  236 

V,  187  284 

VI,  223  284 

256  236 

VII,  32  284 

560  236 

VIII,  444  283 

Varr.  Atac.  Argon.  III  frgm. 

2  (R)  60 

Vergil  Aen.  I,  396  169 

Xenopk.  Cyrop.  VII,  3,  10  12 

-  Sympos.  IX,  7,  7  169 

-  de  rep.  I,  §.  5  374 
II,  §.  3  374 


Nr.  12.    Verzeichniss.  —  Index  rerum  zu  den  excerpten.    641 

Verzeichniss  der  excerpirten  Zeitschriften. 

Archaeologische  zeitung  63.  236. 

Augsburger  allgemeine  zeitung  63.  112.  175.  223.  271.  319.  383.  431. 

477.  527.  575.  628. 
Blaetter  für  das  bayerische  gynmasialschulwesen  224.  272. 
Ephemeris  epigraphica  64,  272. 

Fichte,  Ulrici  nnd.  Wirth  Zeitschrift  für  philosophie  64. 
Füllner,  deutsche  blätter  432. 
Göttingische  gelehrte  anzeigen  112.  320. 
Nachrichten  von   der  königlichen  gesellschaft   der    Wissenschaften  zu 

Göttingen  1384. 
Petzholdt,  neuer  anzeiger  für  bibliographie  64. 
Preussische  Jahrbücher  384. 
Zarnckes   literarisches   centralblatt   272.  320.  384.  432.  480.  528.  576. 

629. 


Index  rerum  zu  den  excerpten. 


Adrastus,  de  A.  Perip.  in  Tina,  conini. 
v.  Hiller  629. 

Aeschylos  Perser  in  Aegypten  v. 
Ritschi  629. 

—     und  Pindar  v.  Wecklein  629. 

Alterthümer ,  christliche  in  Roni 
576  ;  rörn.  b.  Apollinarisbrunnen 
610. 

Amniianus  Marcell. ,  zu  A.  v.  Ur- 
lichs 629. 

Andocides  ed.  Blass  480. 

Andrea  d'Altagene,  s.  reformation. 

Anecdota  gr.  et  graecolat.  v.  Rose 
320. 

Anna  Comnena  v.  L.  Osten  629. 

Anthologie,  z.  lat.  v.  Ribbeck  629. 
v.  F.  B.  629.  anth.  epigr.  lat. 
spec.  v.  Bücheier  629. 

Anthropolog.  gesellsch. ,  Versamm- 
lung in  Stuttgart  477.  528. 

Antiphon  ed.  Blass  320.  629. 

Apollonius,  zur  hist.  A.  von  A. 
Riese  629.  W.  Teuffei  629. 

Apulejus,  Amor  u.  Psyche  übers,  v. 
Bintz  319. 

Archäologie.  Adler,  Theseion  zu 
Athen  611.  Blümner,  griech.  ma- 
ierei 629.  Boetticher,  hermenbild- 
nisse  der  Sappho  431.  Buehl- 
mann,  architektur  des  klass.  al- 
terthums  480.  Brunn,  etrnsk  urne 

Philol.  Anz.  IV. 


319.  Conze,  berliner  museum  384; 
id.,  athen.  sepulchralrelief  431. 
Curtius,  Artemistempel  z.  Ephe- 
sos  611.  Forchhammer,  Eirene 
mit  dem  Plutoskinde  431.  Frie- 
derichs, berl.  antike  bildwerke 
384  ;  id.,  kleinere  kunst  und  in- 
dust.  der  Gr.  480.  Fried länder, 
Philoktet  u.  Aeakus  auf  müuzen 
430;  id.,  attribute  des  Vulcan 
430.  Heibig,  agrigent.  reliel'629. 
Heydemann:  apulische  vasenbil- 
der431.id.  Iasonbei  Aeetes  476. id. 
morraspiel  476.  id.  Phaedra  u.  Hip- 
polyt476.id.relieffragm.431  id.  ur- 
theil  des  Paris476.  id.  vasensamm- 
lung  des  königs  Ludwigl476.id.  va- 
sensamml.  v.Palermo431.id.  Pom- 
pej.  Wandgemälde  611.  Hübner, 
Germanen  in  ant.  kunst  611.  Jor- 
dan, röm.  aushängeschilde  431. 
Lepsius,  aeg.  kunstformen  479. 
Matz,  goldschale  von  Pietraossa 
476. Michaelis,  Parthenon  272;  id., 
Priamus  bei  Achill  431 ;  id.,  Par- 
theuonsculpturen431;  id.gr.grab- 
reliefs476.  Murray,  etrusk.  Spie- 
gel 431.  Pervanoglu,  topogr. 
Athens  476.  Rapp,  s.  Maenade. 
Schoene,  reliefgruppen  in  Mar- 
sala  476.    Schubring,  ausgrabun- 

41 


642 


Index  rerum  zu  den  exe  erpten. 


Nr.  12. 


gen  in  Selinunt  611.     Schwaben     abgüsse  der  antiken  bildwerke  in 
Aphrod.    in.  d.   eandale    drohend      Berlin  384.  s.  archäol.   s.  Lübke. 
431.    Wittich,   neue  maasse  des  Bologna,  alterthumsfunde  64. 
Parthenon.  431.  Wieseler,  delphi-jBonn,  univ.  384. 
scher  dreiiuss  479.  ^  Borrmann,  s.  epigraphik. 

Archaeol.     gesellschaft ,     Sitzungen  Bosporus  628. 

Bessert,  la  litt,  allem,  au  moyen  age 


des 
er- 
zur 


63.  476 

Archaeologenversamnilung  in  Darm- 
stadt 576. 

Architektur  des  kl.  alterth.  v.Buehl- 
niaun  480. 

Aristides,  noch  einmal  A.  v.  Ur- 
lichs 629. 

Aristophanes  Byz.  320. 

Aristophanes.  cod  Urbinas  v.  Vel- 
sen  480.  chorpartieen  v.  Muft. 
480. 

Aristoteles  lehre  vom  leben  etc, 
Universums  v.  Siebeck  64. 
kenntnisslehre  v.  Kampe  64 
arist.  poet,  v.  Susemihl   629. 

Armenien,  denkmäler  63.  s.  Mordt- 
mann. 

Artemiscultus  v.  Lehrs  529. 

Assyrien,  sprachen  v.  Hitzig  480. 

Ausgrabungen  v.  Coeln  431.  v.  Go- 
tha 528.  Kertsch  528.  Konstanz 
528.  v.  Nenning  431.  Regensburg 
224.  384.  Rom  271.  319.  431 
575.  576.  Seligenstaüt  432.  Troja 
63.112.  WaJd  -  Algesheini  v.E. 
aus'm  Werth  272 

Baehrens  s.  Calpurn.,  Orest.  trag., 
Ovid. 

Bamberger,  das  reich  u.  die  wis 
sensch.  432. 

Bassano  384. 

Bauer,  Caroline  272. 

Benares,  handschriften  112. 

Benfey ,  älteste  recens.  des  Pant- 
schatantra  176.  s.  vergl.   gramm 

Bergau,  s.  Nürnberg. 

Berlin,  Stimmungsbilder  aus  B.  625. 

.    Artist.  628. 

Bern,  schuli'rage  63. 

Bibelmanuscr.  hebr.  610. 

Bibliotheken,  grosse  deraltenB.  613 

Bintz,  s.  Apulejus. 

Bischöfe,  deutsche  628. 

Bismark  gegen  die  ultramontanen 
112. 

Blass,  s.  Andocides  u.  Antiphon 

Blümner  s.  archaeol. 

Boeckh's  opusec.  478. 

Boetius  ed.  Peiper  432. 

Boetticher,  erklär,  verzeichniss  der 


224. 

Brant's  narrenschiff  v.  Simrockll2. 
Braunsberg ,    gymnas.    63.      klerus 

477. 
Brentano,  Untersuchungen  über  d. 

gr.  drama  478. 
Blockhaus,  F.  A.,  383. 
Bromberg,  Universitätsfrage  224. 
Brugman,  s.  gr.  grammatik. 
Brunn,  s.  archäol. 
Buchholtz,  s.  Homer  u.  Euripides. 
bücheler,  s.  anthol.  u.  inschr. 
buehlmann,  s.  archäol. 
Caesar    v.  Napoleon    u.   Mommsen 

112. 
Callisthenes    (Pseudo)    ed.    Mensel 

384. 
Calpurnius,  zu  C.  v.  L.  M.  629;  E. 

Baehrens  629. 
Cassius  Bio  v.  Hoefner  629. 
Catulliana  v.   Rettig   272.     Catull. 

u.  Catvus  v.  L.  Müller  629. 
Cebetis  tabula  v.  Drosihn  480. 
Cheirisophos  reise  d.  Boeot.  319. 
Christ,  werth  der  kolometrie  384. 
Cicero  de  legg.  v.  Vahlen  320.  ders. 

zu  Cic.  629,  v.  Ritschi  629. 
Cohen  63. 
Cok,  s.  mythologie. 
Colmar,  Lyceum  112. 
Conversationslex.,  illustr.  431. 
Conze,  s.  archäol. 
Cron,  s.  Plato. 
Culmann,  s.  vergl.  gramm. 
Cultusministerium     in    Berlin    63. 

112. 

-  in  Baiern  175. 
Curtius,  Gr.,  s.  gramm. 

—  E. ,  neue  funde  aus  Kleinasien 
476.  Artemistempel  in  Ephesos 
611. 

Cyprian  v.  Hartel  432. 

Bahn,   könige  der    Germanen   175. 

Briefe  aus  Thule  628. 
Darwinlitteratur  175. 
Deiters  271.  319. 
Deruosthenes,  conjeet.  in  D.  v.  Wa- 

chendorf  629.  -, 


Nr.  12. 


Index  rerum  zu  den  excerpten. 


643 


Dichter,  ein  geretteter  des  12. 
jahrh.  63. 

Diez,  jubilaeum  112. 

Dittenberger,  s.  epigr. 

Doehler,  orakel  etc.  432. 

Doellinger,  wiederverein,  der  ehr. 
kirchen  175.  berichtigungen  175. 

Dolopathos,  quelle  271. 

Dorpat  328. 

Drosihn,  s.  Cebetis  tabula. 

Duisburg  272. 

Dziatzko,  s.  Plautus  u.  Terenz. 

Ellissen  f  628. 

Elsass  u.  seine  bedeut.  für  D.  432. 

England,  schulfrage  112.  Katho- 
licism.432.  Kirche  477  -.politik  628. 

Ephemeris  epigr.  64.  477.  480. 

Epigraphik.  Ephemeris  epigr.  fasc. 
I  enthaltend: 

Addidara.  ad  C.  I.  L.  I  64. 
Observatt.  ep.  v.  Mommsen  64. 
de  praefecto  castr.  v.  Wilmanns 
De  norinull.  titulis  Atticis  478. 
Tituli  Romani,  v.  Borsmann  478. 
cf.  ausserdem  »Inschriften«. 

Euripides  ,  tanzkunst  v.  Buchholtz 
479.     Zu  Eur.  v.  Wecklein  629. 

Fabricius,  francisc.  v.  Schmitz  112. 

Falck  112. 

Felsina  64. 

Feolische  vasensammlung  nach 
Wuerzburg  319. 

Foerster,  archaeol.  miscellen  431. 

Forchhammer,  s.  archaeol. 

Friedberg,  staat  u.  kirche  628. 

Friederichs,  s.  archaeol. 

Friedlaender,  s.  archaeol. 

Fritze,  reform  des  Schulwesens  384 

Frosschammer,  die  philosophie  und 
Darwins  lehre  224. 

Gaudeamus  igitur ,  studien  Hoff- 
manns v.  Fallersleben  320. 

Geiger,  Ursprung  d.  spr.  628. 

Generalstabswerk  431. 

Geographica  nomina  628. 

Gervinus,  autobiogr.  175. 

Geschichtslitteratur  der  röm.  kai- 
serz.  176. 

Gozzadini,  di  un'  antica  necropoli 
a  Marzabotto  uel  Bologna  64. 

Grammatik.  Benfey ,  jubeo  etc. 
176.  knitni  =  ivo,  cJW  284.  Brug- 
mann,  ersatzdehnung  272.  Cul- 
mann,  aspiraten  432.  Curtius, 
studien  272.  Scholl,  die  depo- 
nentia  im  gr.  272.   —     Joly,  ein] 


kapitel    vergleichender     gramm. 

576.     Savelsberg,   lat.   part.   auf 

d  u.  m  629. 
Graut,  s.  bibelmanuscr. 
Gregorovius ,  gesch.   d.    stadt  Rom 

628. 
Groth ,    Vorlesungen   über  deutsche 

litt,  in  Oxford  271. 
Grorius,  processacten  224. 
Gymnasiallehrergehalte  112. 
Haeckel's     natürliche     schöpfungs- 

gesch.  576. 
Halder,  nekrolog  224. 
Halle,  zopfabschneiderei  175. 
Hamann ,    becleut.  der  photogr.  für 

die  wissensch.  432. 
Hanov  f  615. 
Harris,  papyrusrolle  576. 
Hartel,  s.  Cyprian. 
Haupt,  F.,  die  dakische  konigsburg 

auf  der  col.  Traj.  576. 
Hehn,  kulturpflanzen  u.  hausthiere 

in  ihrem    übergange    von    Asien 

nach  Gr.  u.  Ital.  112. 
Heidelberg  u.  Strassburg,   univers. 

271. 
Heilmann,    das  II.   bair.   corps    in 

Frankr.  175. 
Heinrich,  hist.  de  la  litt,  allem.  224. 
Heinze,  lehre  vom  logos  175. 
Heibig,  s.  archaeol. 
Heller,  G.  0.,  112. 
Herodot  v.  Stein  479. 
Hesiod  ed.  Koechly  u.  Kinkel  480. 
Hettner,  s.  litteraturgesch. 
Heydemann,  s.  archaeol. 
Heynemann,  s.  Horaz. 
Hildesheim,    silberfund  von  Holzer 

576. 
Hillebrand,  Frankreich  u.  die  Fran- 
zosen 576.  628 
Hill  er,  s.  Adrast. 
Hitzig,  s.  Assyrien. 
Hoefner,  s.  Cass.  Dio  über  Septim. 

Sever.  480. 
Holzer,  s.  Hildesheim. 
Homer.     Realien  v,  Buchholtz  320. 

hom.  studd.  v.  Hartel  480. 
Hom.  hymnus  in  Ven.  v.  Thiele  528 
Horaz  carm.  III,  5,  27  v.  Thenn  p. 

224.     Heynemann   de  interpolat. 

629.     Zu  Horat.  v.  Krüger  629. 
Huebner,  s.  Madrid,    Inschriften  u. 

archaeol. 
Huebschmann ,     ein    zoroastrisches 

lied  479. 


644 


Index  rerum  zu  den  excerpten. 


Nr.  12. 


Hülfsvereine  in  den  kriegsjahren 
628. 

Hultsch,  s.  Polyb. 

Jauiblichus  quellen  v.  Rohde  629. 

Insbruck,  rectorwabl  628. 

Inschriften  von  Africa  von  Herzog 
431.  Bonn  v.  Willmanns  476 
Buecheler  v.  anthol.  v.  Deutsch- 
land v.  Becker  476.  Künstlerin- 
schriften auf  gr.  münzen  v.  A.  Sal- 
let  272.  Königsfelden  576.  Nen- 
nig v.  Huebner  479.  Rom  320. 
Sicilien  431.  Smyrna  476.  Sparta 
477.  Troja  63.  112.  476.  Wür 
temberg  v.  Staelin  431.  Keilin 
schrift  609.  Griech.  aus  Arab. 
629. 

Inschriftenfälschung  von  Jerusalem 
484. 

Italien.  Unterrichtswesen  528.  Wie- 
dererwachen der  philologie  576. 
Artistisches  628. 

Itinerarium  Alex.  M.  v.  Volkmann 
479. 

Iapan,  unterrichtswesen  271. 

Iesuiten,  Charakteristik.  384.  Aus- 
weisung 477. 

Iordan,  s.  archaeol. 

lustin,  textesquellen  v.  Ruehl  528. 
im  mittelalter  ibidem. 

Kampe,  s.  Aristot. 

Kayser,  necrolog  320. 

Keilinschrift,  s.  sündfluthbericht. 

Keller,  s.  Oehringen. 

Kiepert,  Atlas  von  Hellas  478. 

Koch,  s.  Plautus. 

Koenigsfelden,  s.  inschriften. 

Konstanz,  alterthümer  576. 

Kraus,  nachfolge  Christi  432. 

Krause,  Musen,  grazien  etc.  576. 

Kriegslitt.,  deutsche  271.  628. 

— ,  franz.  64.  319. 

Kriegsgeschichte,  zur  franz.  175. 
176. 

Kritobulus  v.  Tischendorf  384. 

Krüger,  s.  Horaz. 

Kurz,  aus  den  tagen  der  schmach 
271. 

Lange,  röm.  alterthümer  112. 

Legrand,  zum  neugriechischen  480. 

Lehrs,  s.  Artemiscultus. 

Lepsius,  s.  archaeol. 

Levy  f  175. 

Lexicographie,  ital.  223. 

Liberalismus  in  Preussen  176. 

Ligurinua  63. 


Litteraturgesch.  des  18.  jahrh.   von 

Hettner  112.  deutsche  auf  hoch- 

schulen  628.    zur   byzantinischen 

628. 
Livingstone  477.  528. 
London,  schulnachrichten  176. 
Lübke,  abwehr  gegen  Bötticher  628. 
Lucilius,  zu  L.  v.  L.  Müller  629  v. 

Ribbeck  629. 
Lucrez,  s.  Vergib 
Lugebil,  zur  gesch.  der  athenischen 

Staatsverfassung  528. 
Luther,  s.  reformationsbestrebungen. 
Luthercodex  528. 
Lutz  175. 
Madrider  Sapphoherme  v.  Huebner 

431. 
Madvig,  adversaria  432. 
Maelarts  troj.  krieg  105. 
Maenade    in   cultus,   kunst,  poesie 

v.  Rapp  629. 
Maestrich t,  kunst-  u.  reliquenschätze 

176. 
Mahaffy,  prolegg.  of  ancient  history 

271. 
Matz,  s.  archaeol. 
Meineke,    ein  lebensbild  v.  Ranke 

320. 
Melanchthon,  s.  reformationsbestreb. 
Merzbacher,  litteraturbericht  476. 
Meusel,  s.  Callisthens. 
Michaelis,  s.  archaeol. 
Michaud,   u.  das  kath.  Frankreich 

176. 
Mommsen  112.  u.  s.  epigr. 

—  Staatsrecht  528. 
Moutalembert,    über    die    Jesuiten 

384. 
Mordtmann,    studd.  üb.  gesch.  Ar- 
meniens 384. 

—  griech.  iuschr.  aus  Arab.  629. 

Muehler's  rücktritt  112;  Verwahr- 
losung der  evang.  theol.  facultät 
112. 

Mueller,  M. ,  resultate  der  vergl. 
sprachw.  528. 

—  L.,  s.  Lucil.,  Catull.  Propert., 
Virgil.,  Calpurn. 

Mueller's  zeitschr.  für  deutsche  cul- 
turgesch.  319. 

Muenchen,  jubil.  der  univ.  175.431. 
474.  528.  kämpf  der  hochschule 
gegen  Rom  320.  383.  studen- 
tenleben  477.  plaudereien  aus  M. 
628- 

Muff,  s.  Aristoph. 


Nr.  12. 


Index  rerum  zu  den  excexpten. 


645 


Murray,  s.  archaeol. 
Museum,  brit.  112.  609. 
Mythen-  u.  legendenlitteratur  271. 
Mythologie    der  asiat.  Völker    von 

Cok  112. 
Napoleon  112. 

Nepos,  sein  ende,  v.  Eussner  224. 
Xennig,  s.  Inschriften  u.  ausgrab. 
Nizze  f  175. 
Nuernberg,  antiken,  v.  Bergau  476 


629;  zuPl.v.  Kooh629;  zu  Cure.  v. 
629.  Voigt  629;  zu Trin.v.  Ribbeck 
629;  zu  Men.  v.  Vahlen  629;  zur 
Plautuslit.  v.  Ritsckl  629;  cant, 
div.   v.   Ritschi   629. 


u 


des  PI. 


H. 


Plinius,    die    histor. 

Nissen  629. 
Plutarch,  de  fontibus  v.  Soltau  432. 
Poesie  im  neuen  Deutschi.  v.  Schu. 

bert  175. 


Oberrhein,  zur  geschichtsforschung;p0lybius  v.  Hultsch  576. 

des  ,  431.  fPonipeji  wandinschriften  v.  Zange- 

Oehringen,  forsch ungen  v.  Keller  63.1     TOeister  112,  s.  ausgrabungen!76. 


Ponipejan.  nachtr.  v.  Rühl  629. 
Posen,  schulen  112.  477. 
Prag  u.  Strassburg  271. 
Prac,  univ.  477. 
Prantl,    gesch.   der  univ.  München 

528. 
Probus  b.  Martial  u.  Gell,  v 

fei  629;  v.  Steup.  629. 


Teuf- 


v.  L. 


Satr. 


Oesterreich ,    reform    der  theol.  fa- 

cultäten  528. 
Oldenburg  384. 
Ophirfrage  224. 
Orestis  trag.,  zu  0.,  v.  E.  Baehrens 

629. 
Orient,  s.  Bosporus. 
Osten,  s.  Anna. 
Ovid  (Pseudo)  Heroid.  XX.  XXI.  p-!propertius.   Neapolit.   des  P. 

224.  |     Müller  629. 

Ovid's  verhältniss  zu  andern  dich-prutz  f  384. 

tern    v.    A.  Zingerle  272   zu   Ov-!ptolemaeus ,    decret  des   aeg. 

v.  E.  Baehrens  629.  Pt.  v.  Wachsmuth  629. 

Oxford,  geschenk  an  die  universitätQuenstedt,    populäre  vortrage  384. 

Strassburg  576.  jRaetieu,  das  alte  576. 

Ozon,  s.  biblioth.  |Bapp,  s.  Maenade. 

Palaestina,  expedition  nach  P.  610.'Reber,  kunstgesch.  des  alterth.  272. 
Pantschatantra,  s.  Benfey.  iReform  bestrebungen.  kathol..  Fra 

Paranikas,  zur  byzant.  litt.  272.  Andrea  d'Altagene  112.  Pirkhei- 

Pariser  chronik  112.  271.  628.    as-|     mer    u.  Scheurl  112.    Luther    u. 

sociation    franc.    pour    l'avance-j     Melanchthon    112. 

ment  des  sciences  384.  iRe^ensburg,  s.  ause-rabungen. 

Pervanoglu,  topogr.  Athens  476.      |Religion  u.  staatsidee  176. 
Pesth,  eultus-  u.  unterrichtsetat  64.  Rettig,  s.  Catull. 
Petersburg,  bücherdiebstahl  64.        JRibbeck,  s.  Scaenici,  Plaut.,  Lucil., 
Philologen  im  fr.  kriege  615.  Sueius  u.  Anthol. 

Philologenversamml.  in  Leipzig  319.  Riese,  s.  Apollonius. 

320.  'Ringeis  contra  Doellinger  384. 

Philologie,    academie    für  moderne  Ritschi     Acta    478,     s.    Aeschylus, 

ph.  in  Berlin  319.  Cicero,  Plautus. 

Pichler,  s.  Petersburg.  Rohde,  s.  Jamblichus. 

Pindar    u.  Aeschylus    v.  "Wecklein  Rohlfs,  s.  Tripolis. 

629.  Rom  ,    Campagne    528.     Sitzungen 

Piper,  erzthüren  v.  St.  Paul  u.  Pia-:     des  arch.  inst.  431 ;  theol.  dispu- 

tonherme  v.  Tivoli  384.  tat.  I76.bevölkerungsverhältnisse 

Pirkheimer,    s.  reformationsbestreb.j     319. 

Planta,  das  alte  Raetien  576.  [Rossbach  ,    hochzeits-    u.  ehedenk- 

Plato  novae  commentatt.  v.  Schanz      mäler  479. 

272;    zu    Gorgias    v.    Cron    272;:Rothe,  ethik  112. 

piaton.  studd.  v.  Steger  528;  das  Ruehl,    s.  Justin,  Zosimus  u.  Pom- 

rhetor.    bei  PI.  von  Hirzel  528 ;      peji. 

Philebi    emend.  v.  Badham.  629.jRumaenen,  herkunft  176. 
Plautus,  Mercatorprolog.v.Dziatzko|Russländ,  censur  576. 


646 


Index  rerum  zu  den  excerpten. 


Nr.  12. 


Saunas,  sicil.  münzen  272. 

Sallet,  s.  inschr. 

Sallust.  Schultze  de  archaismis  479, 
Weinhold:  cod.  Vatic.  478. 

Savelsverg,  s.  gramm. 

ScaenicaeRoni.  poes.  fragin.  v.  Rib- 
beck 479. 

Scbaefer,  bedeut.  des  alt.  geschichts- 
unterr.  f.  d.  gegenw.  432. 

Schanz,  s.  Plato. 

Scheurl,  s.  reforrnbestrebungen. 

Schliemann,     leben   112.     ausgra- 
bungen  63.  112. 

Schmidt,    B. ,  Volksleben  der  Neu- 
griechen 63.  272.  320. 

— ,  E.,  das  röm.  decemvirat  320. 

Schmitz,  s.  Fabricius. 

Schneider,    beitr.    zur  alten  gesch. 
272. 

Schoene,  A.,  anal,  phil.-hist.  432. 

— ,  R.,  s.  archaeol. 

Scholl,  s.  griech.  gramm. 

Schopenhauer  u.  Hartmann  477. 

Schubert,  s.  poesie. 

Schubring,  s.  archaeol. 

Schulbesuch  175. 

Schuldisciplin  112. 

Schule  u   kirche  in  Preussen  384. 

Schulen,  hochsch,  u.  fachsch.  im  d. 
reich  175. 

Schulgrammatik,  gr.  v.  Koch  479. 

— ,  lat.  v.  Lattmann  u.  Müller  479. 

Schulinspection  112.  175.  176.  224. 
272. 

Schultze,  s.  Sallust. 

— ,  lautwerth  der  gr.  schriftzeichen 
480. 

Schwabe,  s.  archaeol. 

Scriptt.  hist.  Aug.,  fontes  v.  Knebel 
480. 

Semiten,  Ursprung  320. 

Seneca,  zur  kritik  v.  Kiesslirig  479. 
vita  v.  Martens  479. 

Sepp,  s.  Steinzeit. 

Sicilien,  zur  gesch.  von  S.  528. 

Siebeck,  s.  Aristot. 

Simrock,  s.  Brant. 

Smith,  s.  sündfluthbericht. 

Soltau,  s.  Plutarch. 

Sophocles ,  zu  S.  v.  Wecklein  629. 

Stanley,  Livingstoneexpedit.  476. 

Stark ,    aus  dem  reiche  des  Tanta- 
lus    u.  Kroesus  320.      Nach   dem 
gr.  Orient  384.  431.  576. 
Steger,  s.  Plato. 


Stein,  denkmal  in  Nassau  384.  431. 

L.  v.,  heerwesen  628. 
Steinhart  f  576. 
Steinthal,  einleit.  in   die  psych,  d. 

sprachw.  480. 
Steinzeit  628. 

Steup,  s.  Thukyd.u.  Probus. 
Stever,  s.  Palästina. 
Stobaeus,  versprengte  trümmer  des 

floril.  v.  Wachsmuth  629. 
Stoll,  bilder  aus  d.  r.  leben  480. 
Studentische  sitten  vor  drei  jahrh. 

63. 
Strassburg,  univ.  63,  112.  224.  271. 

272.  628.  biblioth.  176. 
Studium  der  frauen  477. 
Sturm,  176. 

Sündfluthbericht,  chald.  609.  ' 
Sueius,   conject.  S.  v.  Ribbeck  629. 
Susemihl,  s.  Aristot. 
Sybel,  was  wir  v.  Fr.  lernen  384. 
Tereuz,  Hauton  tim.  od.  Heautont. 

Dziatzko  629. 
Teuffei,   studd.  u.  charakt.  320,   s. 

Probus  u.  Apollonius. 
Thenn,  s.  Horaz. 
Thukydides   pestbericht    v.    Steup 

629. 
Tirol,    confessionelle   schulen  271  ; 

Sprachenkampf  628. 
Torgau,  gymnas.  611. 
Trendelenburg,   necrolog  175.  576; 

kl.  Schriften  480. 
Tripolis ,    v.  Tr.  nach  Alexandrien 

v.  Rohlfs  629. 
Troja,   s.  inschriften  u.  ausgrabun- 

gem 

Unland ,    zur    gesch.    der   dichtung 

u.  sage  224. 
Ungarn,  kirche  63. 
Universitäten,  briefe  über  Deutsche 

175. 
— ,  oesterreichische  320. 
Universitätslehrer,   alter  derselben 

in  Deutschi.  112. 
Unterrichtswesen    in  Frankr.  319. 
Urlichs,  s.  Ammian.  u.  Aristides. 
Vahlen,  s.  Cicero  u.  Plautus. 
Velsen,  s.  Aristoph. 
Venusstatue  von  Aspra  528. 
Vergil,  nicht  Lucr.  od.  Lucil.  v.  L. 

Müller  629. 
Vesuv,  ausbrach  271.  319.  528. 
Voelkerpsychologie,    beitrage   223. 

224. 
Vollgraff,  studd.  palaeogr.  479. 


Nr.  12. 


Index  locorum  zn    den  excerpten. 


647 


Wachendorf,  s.  Demosth. 
Wachsmuth,  s.  Ptolem.  u.  Stobaeus. 
Waelschtirol,  deutsche  schulen  112. 
Wagner ,    einfluss  der  nahrung  auf 

kulturgesch.  431. 
Waitz,  anthropologie  der  naturvöl- 

ker  271. 
Wecklein,  s.  Pindar,  Aeschylus,  So- 

phocles,  Eurip. 
Weinhold,  s.  Sallust. 
Werth,  E.,  aus'm ,  s.  ausgrabungen 
Westphal,  eleni.  des  musik.  rhyth- 

mus  479. 
Wieseler,  s.  archaeol. 
Wilken,   geistl.  spiele  in  Deutschi 

320. 


Wilinanns,  s.  epigr. 
Winkelmannsfeste  476. 
Wittich,  s.  archaeol. 
Wolff,  Jerusalem  224. 
Zangemeister,  s.  Pompeji. 
Zannoni,  sugli  scavi  della  Certosa  64. 
Zeitmann,    studd.    über    Armenien 

384 
Zeller  176. 

Zeuss,  kelt.  gramm.  63. 
Zingerle,  s.  Ovid. 
Zonaras  v.  Dindorf  432. 
Zosimus  v.  Ruehl  629. 
Zuerich,  Studentinnen  112. 


Index  locorum  zu  den  excerpten. 


Catull  c.  80.  7  272 

Cedren.   Hist.  compl.  1,   p  532 

Bekk.  479 

Dinaren,  adv.  Demosth.  §.  7  480 
Herod.  VII,  20.  149.  169  479 

Horat.  c.  III,  5,  27  224 

Ovid.  (Pseudo)  Herod.  XX,  2.  4. 

13.    19.   20.  36.  53.    74.    87. 


93.  101.    127.  135.  140.  153. 
175.  189. 193.  210.  220.  228       224 
XXI,   4.    24.   30.    41.   59.  98 
119.  180.  189.  193.  197.  203. 
205.  227.  231,  235.  243  224 

Scriptt.  hist.  Aug.   Ael.   Spart. 


Vit.  Sever.  91 


480 


'M, 


UNIVERSITY  OF  N.C.  AT  CHAPEL  HILL 


00044537652