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PHILOLOGISCHER
ANZEIGER.
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ALS EEG-lNZUNG
DES ,t
PHILOLOGUS^
HERAUSGEGEBEN
VON
ERNST von LEUTSCH.
FÜNFTER BAND.
1873. |
GÖTTINGEN,
VERLAG DER DIETERICHSCHEN BUCHHANDLUNG.
1873.
Nr. 1. Jannar IS73.
Philologischer Anzeiger.
Herausgegeben als ergänzung des Philolo-gus
Ernst von Leutsch.
1. Studien zur griechischen und lateinischen grammatik
herausgegeben von Georg Curtius. Dritter band. 8. Leip-
zig. Hirzel. 1870. 401 ss. — 1 thlr.
Der rasche f ortgang dieses im jähre 1868 begründeten Un-
ternehmens beweist, welch reger theilnahme sich das mit der
vergleichenden Sprachforschung in Verbindung gesetzte gramma-
tische Studium der beiden classischen sprachen bereits zu er-
freuen hat. Der dies auch durch seinen inhalt bethätigende dritte
band wird eröffnet durch eine ausführliche und sorgfältige behand-
lung der praeposition Ttaqa von F. H. Hau (de praepositionis
nagcc usu) p. 1 — 98. Nachdem in kürze einige etymologische
bemerkungen über die praeposition und die ihr in den ver-
wandten sprachen entsprechenden formen, im wesentlichen im
anschluss an Potts ausführungen in bd. I aufl. 2 seiner ety-
mologischen forschungen vorausgeschickt worden , behandelt
der Verfasser im ersten theile den gebrauch der praeposition
mit dem genetiv (p. 11 — 34), dativ (p. 34 — 51) und accusativ
(p. 51 — 88), durchweg mit einer reichen fülle von beispielen und
hin und wieder mit nicht uninteressanten vergleichungen mittel-
und neuhochdeutschen Sprachgebrauchs. Ein zweiter theil (p.88 —
98) behandelt den gebrauch der praeposition in Zusammense-
tzungen. Wir bedauern diesem zweiten theile nicht eine eben
so sorgfältige behandlung und klare anordnung des materials
nachrühmen zu können wie dem ersten. Es berührte uns im
eingange der abhandlung (p. 8) sehr wohlthuend, wieder ein-
mal mit voller entschiedenheit den satz ausgesprochen zu lesen,
alle praepositionen seien eigentlich selbständige adverbia. Aber
obwohl der Verfasser selbst darauf hinweist, dass die ur-
Philol. Anz. V. . 1
2 1. Griechische grammatik. Nr. 1.
sprünglich adverbiale bedeutung der präpositionen noch in ih-
rer Zusammensetzung mit verben deutlich hervortritt , hat er
sich die Verfolgung dieses gedankens und den nackweis an den
einzelnen zusammengesetzten verben fast ganz entgehen lassen,
was nach den bemerkungen Jacob Grimms in der vorrede zum
ersten bände des deutschen Wörterbuchs p. XLin, wo er für den
praepositionalen werth der präpositionen in Zusammensetzungen
kämpft, keineswegs unnöthig war. Noch auffallender ist die
Vernachlässigung, welche die Zusammensetzung der präposition
naga mit Substantiven erfahren hat.
Während die behandlung der wenigen aus diesem bereiche
angeführten beispiele untermischt unter die vetbalzusammense-
tzungen eine anzahl in ganz falschem lichte erscheinen lässt,
indem blos auf die begriffliche bedeutung der präposition rück-
siebt genommen ist, was sogar zu offenbar verkehrter auffassung
verführt hat, wie wenn p. 97 nagdot]uoq als derivatum von
naguarjuaivstv aufgeführt wird, hätte eine sonderung der nomi-
nalzusammensetzungen von den verbalen und sorgfältige Unter-
suchung des Verhältnisses der beiden zusammengesetzten theile
in den einzelnen Wörtern nicht nur auch ihrerseits neues licht
auf die adverbielle kraft der praeposition geworfen, sondern auch
einen interessanten beitrag zur gruppierung der griechischen no-
minalzusammensetzungen nach ihrer bedeutung geliefert, wozu
nur erst schwache anfange vorhanden sind. In einem theile der
mit praepositionen zusammengesetzten nomina hat die prae-
position wesentlich praepositionalen Charakter, sie sind hervor-
gegangen aus der construetion einer praeposition mit ihrem
casus J solche sind nagddo^og = nagd ö6%ia>, nagdXoyoq = nagd
Xöyov, ndgaXog = nag* aXi , nagdfxovaog = naga fiovaag, na'
gävofxog = naga vöfiov, nagdaeigog = naga aeigav, nageaziog
= nag'' söt(a. Von diesen sind nach meiner meinung wieder
diejenigen zu trennen, die hinten ein seeundärsuffix zeigen, wie
naga&aXdaaiog ; man darf dies nicht ohne weiteres mit naga
öaXuaGy erklären, sondern hat von dem wirklich vorhandenen
adjeetiv üaXdaaiog auszugehen, dem zur näheren speeificierung
seines begriffs das adverb nagd vorgesetzt wurde. Während
jene in das bereich der sogenannten abhängigkeitscomposita
(tatpurusas) fallen , ist das letztere eine determinative Zusam-
mensetzung (karmadhäraja) und also wesentlich von gleicher
Nr. 1. 1. Griechische grammatik. 3
art wie nagdyvfivog an der seite bloss, naqd&SQixog sehr warm,
■jvaqdXEvxog mit weiss gemischt eigentlich, daneben weiss, naqd-
mxgoQ etwas bitter, ndgicog fast gleich, Tzagofioiog fast ähnlich.
Hier war auch der ort über die von Pott Et. Forsch. I2 p. 186
berührte verkleinernde Wirkung der praeposition nagd einige
worte zu sagen und sie mit ihrer grundbedeutung zu vermit-
teln; ich glaube, dass sich z. b. in ndqioog nugöfxoiog das naqu
auf das richtige mass bezieht : neben dem genügenden masse
hin, gegen dasselbe, d. h. ohne es zu erreichen, ähnlich. End-
lich kann die ganze Zusammensetzung sogenannten possessiven
sinn haben (bahuvrihi) , wie in nagdnvi,og an den Seiten buchs-
baumholz habend, nugavlog ndgoixog daneben die wohnung ha-
bend, nagdcpqojv verkehrten sinnes.
Nach einer kurzen Zusammenstellung einiger lexikalischen
punkte des hyperideischen Sprachgebrauchs von H. Hager (de
graecitate Jiyperidea p. 101 — 114) folgen ausführungen „zur grie-
chischen etymologie und Wortbildung" von C. Angermann.
Seiner besprechung von uvu% und den zugehörigen Wörtern möch-
ten wir hinzufügen, dass die herleitung dieser Wortsippe von
der im altbaktrischen mit der bedeutung schützen erhaltenen
wurzel van an Wahrscheinlichkeit dadurch ausserordentlich ge-
winnt, dass das wort selbst in der form FANAKTEI auf einer
der altphrygischen inschriften, dem sogenannten Midasgrabe (bei
Gosche in den Verhandlungen der Meissner philologenversammlung
1863 nr. 1) erhalten ist; es ist freilich nicht klar, ob es im
altphrygischen als griechisches lehnwort aufzufassen ist oder
vielmehr ins griechische aus eränischem sprachkreise herüber
gekommen, was vielleicht das wahrscheinlichste sein dürfte. Was
die ansieht des Verfassers über die bildung des Stammes dvaxi
betrifft, so scheint mir das ein sonderbarer cirkel zu sein, aus
dvax erst das verbum dvdkjoo dvdaoca entstehen zu lassen und
dann aus dem darin enthaltenen verbalstamm dvax vermit-
telst neuer suffixbildung jenes nomen ; vielmehr konnte sich
aus dem nominalstamm ravaxo dvax von vornherein sowohl ein
verbum als ein neues nomen durch anfügung eines zweiten Suf-
fixes bilden , eine keineswegs seltene erscheinung ; dieses suf-
fix war aber nach unserer meinung nicht ti, worauf nichts hin-
deutet, sondern nach anleitung von ytigwväxtrig ta oder to}
1*
4 2. Griechische grammatik. Nr. 1.
von deren Verstümmelung auch im griechischen deutliche ana-
logieen vorliegen.
Auf den reichhaltigen inhalt des übrigen theiles des ban-
des näher einzugehen würde den umfang dieser anzeige unge-
bührlich anschwellen und ist auch darum nicht gut thunlich,
weil das meiste der behandlung von einzelheiten meist etymo-
logischer natur gewidmet ist, wie die beitrage von Röscher
(127 — 146), W. Clemm (281—344) und vom herausgeber
selbst (185 — 204). Onomatologischen inhalts ist die arbeit von
F. Gr. B e n s e 1 e r de nominibus propriis et latinis in i o <pro ius
et graecis in ig iv pro tog iov terminatis ; dialektologisch der auf-
satz von F. Allen de dialecto Locrensium und die Zusammen-
stellungen über den tzakonischen dialekt des neugriechischen
von Moritz Schmidt. Mit interessanten ausführungen über
einige schwierige punkte aus der flexi on der griechischen zu-
sammengezogenen verbalformen von der hand von Georg Cur-
tius selbst schliesst der band.
Gustav Meyer.
2. Wentzel, über die scheinbar überflüssige hinzufügung
der negation ov in der redeweise (xä.'k'kov /} ov. 4. Programm
von Glogau. 1871.
Die alten grammatiker halten die negation in dieser Ver-
bindung für überflüssig; die neueren stimmen entweder dieser
erklärung mit gewissen modificationen zu oder sie führen den
gebrauch darauf zurück, dass das zweite glied einer vergleichung
im Widerspruch stehe mit dem ersten, also einen negativen ge-
danken enthalte. Beides weist Wentzel zurück , wie auch die
ansichten der scholiasten und interpreten und behauptet, dass
Nitzsch in seiner ausgäbe von Piatons Ion auf das richtige ver-
Ständniss der Verbindung hingedeutet habe. Seine erklärung
(p. 74) lautet: in allen derartigen stellen ist eine Zurechtwei-
sung oder ein tadel ausgedrückt, und zwar so, dass im ersten
theile der vergleichung das getadelt wird , was zu unrecht ge-
schieht oder angenommen wird, im zweiten aber das , was zu
unrecht vernachlässigt wird. Von dieser zu allgemein gefass-
ten regel von Nitzsch ausgehend , macht sich Wentzel daran,
sie theils zu ergänzen , theils zu modificiren. Seine regel lau-
tet: „die ausdruckslorm (*ukkßv ■/} ov ist von den Griechen
Nr. 1. 2. Griechische grammatik. 5
grösstenteils in wirklich gehaltenen reden, seltener in histori-
schen mittheilungen angewendet worden, die sich selbst aber
wieder auf einen in einer berathenden Versammlung gefassten
beschluss oder auf eine in sonstigen Verhandlungen ausgespro-
chene ansieht beziehen. Die betreffenden stellen sind von
zweierlei art. Der redende tritt in einer vergleichenden darstel-
lung entweder einer seiner ansieht ganz entgegengesetzten
meinung oder einer einseitigen auffassung von Verhältnissen
und äusserung über dieselben entgegen ; die erstere will er gänzlich
beseitigen und nur das hinter r) ov ausgesagte allein gelten las-
sen, dagegen das einseitig ausgesprochene urtheil ergänzen und
vervollständigen, so dass das in beiden gliedern der vergleichung
dargestellte in gleichem grade als wahr und geltend bezeichnet
wird. Daher hat fiäXXov in den sätzen der ersten art die be-
deutung von potius, in denen der zweiten art die von magis'\ —
„Durch das ov hinter r) wird das subjeetive urtheil des sprechen-
den ausgedrückt; begnügt er sich aber mit einer rein objekti-
ven darstellung der Verhältnisse, so steht hinter fxäXXov rj keine
negation "■
Stellen der ersten art sind: Thuc. 2, 62. 3, 36. Dion.
Hai. Aß. 6, 81 (vrgl. Dem. Mid. §. 537. Eurip. Herc. Für.
183) ibid. 7, 10. 11, 34. — ibid. 10, 28. Xenoph. Hell. 6, 3,
15. Demosth. in Timoth. p. 1198. p. 1200. p. 1185, an welcher
letzteren stelle Wentzel das ov hinter rj beibehalten wissen
will. — Fehlt in solchen vergleichungssätzen im zweiten gliede
ov, so wird einfach die handlungsweise oder die meinung angege-
ben, welche nach der ansieht des redenden der im ersten gliede
angegebenen vorzuziehen ist; sie wird aber nicht als eine sol-
che bezeichnet, welche nicht befolgt worden ist: z. B. Thuc.
5, 9. 5, 110. Xen. Heil. 6, 3, 12.
Für die zweite art sind folgende stellen angeführt: He-
rod. 4, 118. 5, 94. 7, 16. Demosth. ad Polycl. p. 1226. Auch
in stellen dieser zweiten art fehlt ov hinter 'r\ , wenn keine
entgegenstehende meinung geäussert oder vorausgesetzt wird,
wenn also der redende keine veranlassung hat, eine einseitige
ansieht zu berichtigen: s. Thuc. 5, 9 a. e. iyä is dtil-co ov nagai-
viaai olög zs cov fiäXXov rolg niXag r) xal abzog egyq> iae^eX&eir.
C. Härtung.
6 3. 4. Lateinische grammatik. Nr. 1.
3. Lateinische grammatik für gelehrtenschulen. Der deutsch-
lateinisch-griechischen parallelgrammatik zweiter theil, verfasst
von J. C. Schmitt-Blank. 8. Mannheim. Löffler. 1870. —
Auch unter dem titel : Deutsch - lateinisch - griechische parallel-
grammatik für gelehrtenschulen. Herausgegeben von J. C.
Schmitt-Blank. — 1 thlr. 15 sgr.
4. Lateinische Sprachlehre zunächst für gymnasien. Von
Ferd. Schultz. 7te aufläge. 8. Paderborn. 1872. — 20 gr.
Schmitt - Blank sagt im vorwort p. vii: „das vorliegende
lehrbuch zählt zu der bis jetzt noch sehr geringen anzahl von
lateinischen grammatiken, die auf grund der neueren Sprach-
wissenschaft nach historisch -rationeller methode abgefasst sind;
es kann von den wenigen arbeiten neueren Schnittes eigentlich
nur die lateinische schulgrammatik von Lattmann - Müller • als
seinen Vorgänger betrachten". Weiter unten in anm. 2 fügt
derselbe vf. hinzu : „ dass für formenlehre und syntax unsre
grammatik im ganzen ihren eignen weg gegangen ist, wird man
billigerweise nicht verkennen; indessen soll doch dem Lattmann-
Müller'schen buche ein ganz besonderes wort der anerkennung
und des dankes hier gesprochen sein". Das hier im allge-
meinen angegebene verhältniss der beiden bücher zu einander nä-
her zu entwickeln, erscheint als die zunächst wichtigste aufgäbe
bei besprechung des Schm. - Blankschen Werkes.
Im umfang der formenlehre stimmen beide bücher so
ziemlich überein; in inhalt und anordnung weichen sie viel-
fach ab. Mit recht ist die bezeichnung der ersten , zweiten
u. s. w. deklination aufgegeben , der Lattmann-Müller noch fol-
gen, und die hartvokalische hauptdeklination der konsonantischen
und weichvokalischen mit ihren unterabtheilungen gegenüberge-
stellt; denn wenn die resultate der Sprachwissenschaft für die
schule zu verwerthen sind, so ist jedenfalls mit den althergebrach-
ten benennungen zuerst aufzuräumen. — In der anordnung
der sog. unregelmässigen verba folgt Schm. -Blank den einzelnen
conjugationen und zählt innerhalb einer jeden diejenigen auf,
welche reduplikation, konjugationswechsel u. a. aufweisen. Da-
gegen stellen Lattmann -Müller die stamme auf p-laut, k-laut, h
und v, t-laut , liquida, s, u und die mit konjugationswechsel
gleich hinter einander zusammen , unbekümmert um die conju-
gation , welcher das betreffende verbum folgt. Mir scheint
Nr. 1. 3. 4. Lateinische grammatik. 7
die letztere methode die richtigere zu sein, weil durch sie der
überblick über eine sprachliche erscheinung im Zusammenhang
ermöglicht und also erleichtert wird. — Die adverbien, präpo-
sitionen und conjunctionen bespricht Blank wie gewöhnlich hin-
ter dem verbum impersonale, während Lattmann-Müller die ad-
verbien im anschluss an die adjektiva, die präpositionen in Ver-
bindung mit den von ihnen regierten casibus (an welcher stelle
Blank dieselben freilich auch wiederholt), die conjunctionen in
Verknüpfung mit den satzverhältnissen richtigerweise behandeln.
Das kapitel über die Wortbildung konnte füglich ganz wegge-
lassen werden. Während also Blank in adoptirung des grund-
satzes , dass die resultate der Sprachvergleichung auch in die
schule einzuführen seien, weit über seine Vorgänger hinausgeht,
hängt er in der anordnung des stoffes zu sehr an der alten
methode. Entschieden zu weit geht derselbe, wenn er, um die
schulgrammatik zu vergeistigen, Spracherklärung und sprachent-
wickelungsgeschichte in dieselbe einfügt. Hierin überschreitet
er einerseits oft das mass, andrerseits stellt er mit apodikti-
scher gewissheit behauptungen auf, die noch lange nicht so
ganz sicher begründet sind. Unter das überflüssige rechne ich
z. b. die in anm. 17 gegebene andeutung über die allmähliche
entwickelung der casusendungen , ferner die an die flexion des
verbum angeknüpften ausführlichen erörterungen über die ent-
stehung der ternporalsuffixe aus dem hülfszeitwort esse und
über deren Wandlungen bis in die klassische zeit in anm. 59 —
66; dann anm. 111 — 20. Vergleichungen mit dem griechischen,
gothischen, alt- und mittelhochdeutschen mögen in richtiger be-
schränkung immerhin gegeben werden. In der Stufenleiter der
vokalübergänge folgt Blank der von Corssen gegebenen erwei-
terung der vokaltafel Ritschis , der ein zurückgehen von e zu
u, und von i zu e nicht gelten lässt ; warum ? gibt er nicht
an. In der Schreibweise cum hat sich Blank von Lattmann-
Müller und Schultz, die noch das alte quum bieten , mit recht
entfernt.
In der lehre vom Satzgefüge , die ich beispielshalber aus
der syntax herausgreife, weicht Blank sehr von seinem vorbild
ab, leider nicht zum vortheil seines buches. Denn indem er,
— der deutschen parallelgrammatik zu liebe, die den ersten
theil des ganzen werkes bildet — die Untersätze in Substantiv-
8 3. 4. Lateinische grammatik. Nr. 1.
adjektiv- und adverbialsätze theilt und dann wieder in die ent-
sprechenden Unterarten (so die substantivsätze in sechs klassen),
sieht er sich veranlasst, den grammatischen stoff vielfach aus
einander zu reissen und an verschiedene platze zu vertheilen
und schafft so das gegentheil von dem beabsichtigten — Un-
klarheit und Verwirrung. So werden die regeln über den acc.
c. infinitivo zersplittert, indem die sätze mit sinere und pati
unter die ergänz ungssätze, die mit credere, dicere u. s. w. unter
die behauptungssätze fallen. Im anschluss an letztere wird nun
die oratio obliqua eingeschaltet. — Am schlimmsten ergeht
es den relativsätzen. "Während die determinativen, als letzte
klasse der substantivsätze, unter diese gezogen werden, folgen
dann als neue klasse die attributiven relativsätze, und an diese
schliessen sich, als erste klasse der adverbialsätze, die lokal-
sätze; in einem anhang p. 388 ffl. werden noch diejenigen re-
lativsätze behandelt, deren modus der conjunctiv ist. Nach
meiner ansieht bieten jene drei ersten arten nichts, was in eine
schulgrammatik gehört, und sind sammt den massenhaften bei-
spielen (s. p. 340 — 43) überflüssig; wenn sie aber einmal be-
handelt werden sollen^ so müssen sie zusammengefasst werden. —
Dieselbe trennung erleidet cum; das temporale wird in §.466 —
70, das kausale in §.477—79, das concessive in §. 499 — 502 be-
handelt. Die sätze, welche von verben des verhinderns abhän-
gen, werden mit grösserem rechte ins gebiet der absichtssätze,
als in dasjenige der wirkungssätze eingefügt. Unter den fünf
Unterarten der modalen Untersätze (p. 361) fehlen durch ein
versehen "die concessivsätze. Ungebräuchliche namen wie: „fak-
titiv-, mediativ-, proportional-, restriktivsätze" dienen durchaus
nicht zur klärung der Satzverhältnisse für den schüler. Der
abl. absolutus wird nicht in anschlnss an den ablativ, sondern
ziemlich am Schlüsse der ganzen syntax behandelt. — Die
zu den regeln angeführten belegsteilen sind oft über gebühr
ausgedehnt; zu tadeln ist, dass sie bald mit voller quellenan-
gabe versehen sind, bald ohne angäbe des autors oder der
stelle angeführt werden. — Ein angehängtes register erleich-
tert das auffinden, das sonst sehr erschwert wird, indem der
vf. haupt- und untertheile äusserlich zu wenig hervortreten
lässtj auch sucht man vergebens zu anfang ein summarisches
Nr. 1. 3. 4. Lateinische grammatik. 9
inhaltsregister , das den inhalt der einzelnen paragraphen und
Seiten angäbe.
Haben wir demnach bei Blank eine gewaltige Umwälzung
und zerreissung des syntaktischen Stoffes, namentlich der syn-
taxis verbi gefunden , so dass man mit recht sagen kann , er
habe dem logischen Zusammenhang der satzformen zu liebe
das princip aufs äusserste getrieben, so verhält sich dem gegen-
über Schultz ganz konservativ, indem er der altbewährten me-
thode folgt und die systematisirung der 'grammatik verwirft.
Das hauptverdienst seiner Sprachlehre besteht meines er-
achtens in der exakten einzelforschung und in der sorgfältigen
registrirung des Sprachgebrauchs der klassischen autoren.
So ist z. b. Schultz genau (§. 94) in der aufzählung der
particc. perfecti von deponentia mit passiver bedeutung; bei
Blank dagegen fehlen : comitatus, dignatus, fabricatus , interpreta-
tus, meritus , mensus und seine composita (bis auf dimensus) mo-
deratus, p actus , populatus. — Während Blank über das genus
der Wörter nur das nothdürftigste bietet, geht Schultz mit be-
rücksichtigung der fleissigen Zusammenstellung bei Neue ins
einzelne ein, s. die bemerkungen über cupido, penus, dies und
die städtenamen; nur fehlt unter den masculinis Orchomenus und
Croto; Marathon, Pessinus, Selinus müssten richtiger als schwan-
kend bezeichnet werden, nicht als feminina. — In betreff
der verba ponere, collocare u. s. w. giebt Blank nur die hauptre-
gel, ohne die ausnahmen irgendwie zu beachten; weit eingehen-
der behandelt Schultz die regel. Denn indem er die stellen, an
denen der accusativ sich findet, zum grossen theile citirt und
aus Caesar und andern autoren belegt, ergänzt er Neue's For-
menlehre II, p. 550, der diesen Sprachgebrauch ziemlich ober-
flächlich behandelt, zumal er keine einzige der Cäsarstellen an-
führt. Aber selbst in dieser fassung ist die regel noch unvoll-
ständig, wie sich aus folgendem ergibt.
Deponere cum acc. findet sich: Liv. 23, 11, 6: se coronam Ro-
mae in zxam Apollinis deposuisse. Iust. 4 , 5, 8 : Demosthenes et
Nicias et ipsi victi exercitum in terram deponunt.
exponere in locum an folgenden stellen : Caes. BC. 1, 31 : neque
adfectum valetudine filiuni exponere in terram patitur. Liv. 34, 8:
ibi copiae omnes praeter socios navales in terram expositae. Liv.
37, 28: armatis in litora expositis terra marique simul hostis oppri-
mere. Suet. Claud. 25: cum quidam aegra et affecta mancipia in
10 3. 4. Lateinische grammatik. Nr. 1.
insulam Aesculapii taedio medendi exponerent. Vell. Pat. 2, 79, 4:
legiones expositae in terram. — exponere in loco: Liv. 28, 44: dum
expono exercitum in Africa. Suet. Caes. 4 : expositis in \\iore. ibid.
10: in quibus pars apparatus exponeretur. Iust. 18, 1, 3: exercitum
in porfa< Tarentino exponit. ibid. 22, 5, 2 : exposito in Africae litore
exercitu. Plin. NH. 35, 7, 52: gladiatoria munera in publico exponi.
Cic. div. in Caec. 8, 27 : vitam in ocu^'s conspect»que omnium expo-
nere. Also kann der ablativ nicht als das seltenere angegeben werden.
imponere in locum ist richtig als das überwiegende angegeben.
Ausser den von Neue und Schultz angeführten stellen (Plaut. Most.
2, 2, 4. Pers. 4, 6, 9. Ter. Andr. 1, 1, 102. Cic. Tusc. 1, 35, 85; Caes.
BC. 3, 14. BG. 1, 42) sind noch beweisend: Plaut. Rud. 2, 3, 27:
et quicquid domi fuit in n&vetn imposivit. Caes. BC 5, 51 : eo mu-
lieres imposuerunt. BC. 3,6: quo maior numerus militum posset
imponi. ibid. 3, 103: aeris magno pondere ad militarem usum in na-
ves imposito. Liv. 24, 40 : militibus in onerarias impositis altera die
Oricum pervenit. Liv. 30, 2: novos milites in naves imposuit. 37,
25 : Masinissam non in patrio modo locasse regno , sed in Syphacis
regnwm imposuisse. Nep. Dion. 4, 2: omnia in nav^s imposuit. Cic.
Ep. ad Farn. 8, 17, 1: cuius amicitia me paulatim in hanc perditom
causam imposuit.
proponere in loco: Cic. Ep. ad. Att. 8, 9, 2: ille in publico pro-
posuit epistolam illam. Cic. Quinct. 19, 50: libelli in celeberrimis
lom proponuntur. Plin. NH. 35, 4, 22: picturam proposuit in latere
curiae Hostiliae. ibd. 23 : oppugnationesque depictas proponendo in foro.
reponere in locum (in eigentlicher bedeutung): Cic.Ep. ad Brut.
1, 16, 4: qui in eius locum reponi pateretur. Liv. 29, 19: duplam-
que pecuniam in thesauros reponi. Verg. Aen. 1, 253: sie nos in
seeptra reponis? ibid. Georg. 4, 157: in medium quaesita reponunt.
Hör. Sat. 2, 4, 39: languidus in cubi/wm iam se conviva reponet.
Petr. 110: ego etiam repositum in pristimm äecorem puerum gaude-
bam. Plin. NH. 17,23, 205 : totus mergus abseiditur reponiturque altius
in terr«m; öfter bei Celsus und Columella. — reponere in loco: Cic.
Nat. deor. 2, 49, 125: grues in tergo praevolantium colla et capita
reponunt, ibid. Verr. IT, 4, 3, 5: quae sacra reposita in capiMws su-
stinebant. Liv. 26, 15: Fulvius aeeeptas literas cum in gremio repo-
suisset. ibid. 29, 21: omnem sacram pecuniam in thesaurw reposiie-
runt. Ovid. Met. 10, 269: moVibus in plumtä tanquam sensura repo-
nit. Val. Flacc. 3, 339: hunc .... celsoque reponit in ostro.
supponere in locum: Cic. Verr. II, 5, 30, 78: cum vulgo loque-
rentur suppositum in eius locum. Iust. 7, 3: in quaruin locum ma-
tronali habitu exornatos iuvenes supposuit.
Iransponere in locum findet sich ausser bei Iust. 23, 3 und Gell.
NA. 12, 6 auch in folgenden stellen: Tac. Ann. 2, 8: erratumque in
eo quod non subvexit aut transposuit militem dextras in terra* (al-
Nr. 1. 3. 4. Lateinische grammatik. 11
lerdings eine korrupte stelle). Plin. Ep. 10, 69, 2: erit enim facile
advecta fossa onera transponere in flumera. Gell. NA. 4, 5, 3: illam
statuam suaserunt in inferiorem locum perperam transponi.
ponere in locum findet sich auch bei Ov. Met 8, 452: in flam-
mam triplices posuere sorores. Grell. NA. 3, 15, 12: coronis suis in
capwtf patris positis. Sil. Ital. 11, 445 : et in mwros posuisse volentia
saxa. Zweifelhaft bei Liv. 38, 35: in aecfem Herculis posita, wo auch
aede gelesen wird.
cottocare in locum gebrauchen Plautus und Terentius öfter, ausser
ihnen auch Sali. lug. 61, 2: exercitum in provinciam hiemandi gratia
collocat. Cels. 8, 7 : ubi ea in saam seäem collocata est. Zweifel-
haft bei Caes. BG-. 2, 30: tanti oneris turrirn in muros sese collocare
confiderent.
considere in locum steht zweimal bei Liv. 30, 2 : Arpini terra cam-
pestri agro in mgentem sinum consedit. 45, 7 : introdnctum ....
in consilräm considere iussit.
statuere in locum verwendet Ter. Ad. 3, 2, 18: sublimem medium
primum arriperem et capite in terram statuerem, und Val. Max. 3,
1, 2, 24: ipsum Marium illo loci statuisses.
Ob constituere in locum bei Cic. Verr. II, 1, 30, 77 zu lesen sei,
ist zweifelhaft.
Daran knüpfe ich noch einige bemerkungen über die be-
handlung des genetivs. Im ganzen stimmen Lattmann- Müller
und Blank üb er ein , indem sie, systematisch zu werke gehend,
die abhängigkeit desselben von nominibus (substantivis und ad-
jectivis) und verbis zum eintheilungsgrunde machen; im einzel-
nen weichen sie von einander ab. Richtig ist es , wenn Latt-
mann-Müller den prädikativen gebrauch des possessiven und
qualitativen genetivs im anhang zusammenfassen und nicht in
jedem paragraphen die attributive und prädikative anwendung
scheiden; ferner wenn sie den gen. pretii unter den von ver-
bis regierten rechnen. Dagegen verfährt Blank richtig , wenn
er piget u. s. w. sowie interest unter den genetiv einreiht und
ebendahin die regel über indigere verlegt; freilich ist er im ein-
halten des Systems zu peinlich, wenn er die verba des erinnerns
in zwei regeln sondert nach dem transitiven und intransitiven
gebrauche. U eberflüssig ist ferner, dass er im anhang an den
substantivischen genetiv alle die fälle mit solcher ausführlich-
keit erörtert, in denen statt der genetive des personalpronomens
das possessivpronomen eintritt, sowie diejenigen, in denen ein
attributives adjektiv oder eine präpositionale Umschreibung ge-
setzt wird. — Schultz geht von zwei hauptarten des genetivs
12 5. Homeros. Nr. 1.
aus: subiectivus und objectivus; bei den übrigen arten vermisst
man nun eine bestimmung darüber, ob sie auch als hauptarten
oder vielmehr als Unterarten zu betrachten seien. Im übrigen
befolgt er ziemlich dieselbe reihenfolge, ohne gerade das Sy-
stem äusserlich ebenso hervortreten zu lassen wie die oben
genannten Verfasser. Auch in behandlung dieses casus zeigt
sich Schultz genauer als Blank; denn, um nur ein beispiel her-
auszuheben, man vermisst bei Blank unter den einen genetiv
regierenden participiis : intellegens (Cic. Fin. 2, 20. Tac. Ann. 5,
8), metuens (Cic. post red. in sen. 2, 4. p. dorn. 26, 70. Liv. 22, 3
u.s. w.), observans (Cic. p. Quinct. 39. ad Quint. fr. 1, 2, 3. Plin.
Ep. 7, 30. 10, 11), tolerans (Tac. Ann. 1, 4), temperans (Tac. Ann.
13, 46. Plin. Pan. 52, 2), cupiens (Tac. Aon. 1, 75. 14, 14.
16, 2). Zum Schlüsse spreche ich den wünsch aus, dass Schultz
in einer neuen aufläge endlich solchen Schreibweisen wie mil-
lia, quum entsagen möge. C. Härtung.
5. Scholia ad Odysseae 1. XIII ex codicibus mss. Veneto
et Monacensi edita ab A. Lud wich. 4. Programm. Königs-
berg. 1872. 22 s.
Eine willkommene besehreibung des Monac. 233 (V.) und
des Venetus 613 (M), die genaueste die wir bis jetzt haben,
bildet die einleitung. Ludwich weicht von La Roche ab in der
annähme, welche theile des Monacensis von den vier verschiede-
nen händen geschrieben sind, namentlich in betreff von M2 und
M3; er glaubt sogar dass M3 mehreren personen angehört und
nimmt für die scholien, ausser M1 und M2 die auch am texte
geschrieben haben, noch fünf Schreiber (M a — e) an. Von of-
fenbaren verschreibungen abgesehen sind zu bemerken : 82
ipda&Xijg V, 98 noxi nznii]vlai V, 208 sXojq V, 261 dXcpijzdg
V, 438 yg. d' eatQoqiog M für 8s azgöcpog. Mehr gewinn möchte
sich für den text der scholien ergeben , wie denn Ma 244 nüv
für nsQi bietet, und 12 yfieig für vpsig. Auf alte tradition geht
nur wenig zurück, so 185 dnoXvzog ?) tjfuv Ma, wo Dindorf ijfxiv;
222 die bekannte bemerkung über zni in intßazogi Ma, cf. 405 ;
234 o ngwTog (sc. rf) o^vvezat, b devregog (i. e. //) negiOTzüzai;
vielleicht auch 256 die andeutung von Mb dass negi bei 'lud-
xijg zu ergänzen sei; gewiss aber 152 (patdxcov nöXtg ininXa-
azog , o&ev nal dcparrt&ijvat, avzi}v cpifilv "Optjgog gjojisq xal er
Nr. 1. 5. Homeros. 13
'!Xid8i ro vno rav 'EXXtjvwv xaraaxsvaa&ev rsfyog Ma, woraus
deutlicher als aus seh. Q. bei Dindorf sich ergibt, dass Aristarch
die Phaeaken als ein beispiel benutzte, um die schiffsmauer als
ein ungeschichtliches nXd<5\ia zov noirjzov nachzuweisen. Vs. 190
wird fiiv durch avrrp rtjv yi]v erklärt, also die geistreiche, aber
unrichtige erklärung des Aristophanes (Ithacam Ulixi) anerkannt.
Ganz unbekannt war bis jetzt die notiz des Aristonikos v 46:
navtoitjv^ oti xatd ib oimnmfiEvov ijxovaev o OSvaaelg nsgl
(nicht: nagd)täv KvxXmncov. Alles übrige aber, was von scho-
lien nicht bei Dindorf steht, weist nicht eben auf alte gelehrte
Überlieferung. Vs. 381 citirt Ma den Aeschylos, 142 Mb eine
philosophische meinung über wasser und luft, die auf neuplato-
nischer Überlieferung ruhen könnte. Die überwiegende menge
aber beschäftigt sich mit erklärungen, die zum guten theil den
bedürfnissen von schillern dienen , so wenn gegen vierzigmal
poetische formen durch andre erklärt werden , sogar toi öfters
durch aoC oder 308 zq> durch un, 104 fVfiqjdtav durch vvpqiwv,
268 dygö&sv durch ix zov dygov , oder die pronomina durch
angäbe der substantiva auf die sie gehen, z. b. 112 rj (xiv\
vavg Ma. Andre sind einfach Umschreibungen oder glossen,
meistens aus dem bedürfniss des augenblicks entstanden ; so
214 IlvXovds] nöXig JlsXojTOH'Tjaov Md, 260 'OgciXo^ov] tbv
naida tov 'idofxEvjjog M> V. Einzelne verdienen berücksichti-
gung, so 261 dXcptjzdg] . . . % zovg dXyCzag (sie) zgecpofjtsvovg. 106
u&aißäoöovait] ?] ßofxßovai xal rnovaiv Ma. Sacherklärungen
sind auch sehr häufig. So wird 182 die zahl zwölf durch die
zahl der zwölf winde gerechtfertigt, zwar unrichtig aber cha-
rakteristisch für diese erklarer; 377 wird eine rechtfertigung
des zgiszsg gegeben und 397 bei dyvcoazov ndvzsaai das beden-
ken wegen der erkennung durch Eurykleia gehoben. Auch
sonst wird vielfach auf inhalt und gedankenzusammenhang rück-
sicht genommen. Von den paar versuchen in etymologie ist
recht unglücklich ausgefallen 434 pav] ix zov i zgizov ngoaa-
nov . . . ngoaXi^xpei zov p xal |», besser die vergleichung von
113 ätdQaxäg mit sxdg und ivzvndg. 280 del/zvov i. e. petf
o ösi novilv weist wieder auf alte Überlieferung. Bemerkens»
werth ist die Schreibart des Ma ot>/, ferner 81 ifi nedim V,
und 7(6} Öiazovzo Mb. Beispiele des iotacismus sind 144 rt-
14 6. Homeros. Nr. 1.
asig für vtoig, 280 /nvTJartjg für fivTJatig, s. 295. Ästerisci fin-
den sich in M. (Ma?) bei 430—3.
Gtiseke.
6. Das elfte lied vom zorne des Achilleus nach Karl Lach-
mann, herausgegeben von Dr phil. Hans Karl Ben icke n.
8. Barmen. 1872. — 10 gr.
jäiaiQOv OKonüt; rovg naaovg ö" säv l&yeiv. So lautet das
motto dieser kleinen schrift, welche im wesentlichen als repro-
duktion eines collegienheftes anzusehen ist. Referent, der vor
nunmehr achtzehn jähren in einer Vorlesung über die Uias die
kritik Lachmanns vortragen hörte, glaubt zu diesem urtheile
berechtigt zu sein, da er in der schrift nicht nur den inhalt
seines eigenen collegienheftes so ziemlich wiederfindet, sondern
auch sogar manche von dem vortragenden beliebten worte und
Wendungen. So wurden z. b. die grossen philologen und die
anhänger Lachmanns einfach bei ihrem namen genannt, die
gegner bekamen den titel herr, und Bäumlein erhielt als be-
sondere auszeichnung noch den unbestimmten artikel vorge-
setzt. Dies hat der Verfasser mit besonderer treue beibehalten;
wir finden sogar die beliebte Wendung wieder : „aber halt, da
kommt ein herr Bäumlein und meint". Es verdient übrigens
hier bemerkt zu werden , dass der Verfasser Bäumleins abhand-
lung gar nicht gelesen hat und auch nicht für lesenswerth hält,
aus dem einfachen gründe, weil Düntzer sie lobt. „Ich kenne
die absichten der regierung nicht, aber ich missbillige sie".
Benicken bringt ferner zweimal den gedanken, dass es ehren-
voller sei, sich mit liebe nnd treue der fübrung eines for-
schenden gelehrten hinzugeben, als eigene unerwiesene fündlein
vorzubringen. Auch uns wurde dieselbe Weisung in jenem col-
leg zu theil , und jungen Studenten gegenüber war sie gewiss
am platze. Dass aber Benicken die kaum empfangene Weisung
sogleich weiterbefördert, und zwar an Friedländers adresse, dies
hat ihm sein lehrer sicher nicht, aufgetragen. Wenn übrigens
der Verfasser dent kämpf gegen die anhänger der einheit als ei-
nen kämpf der wahrheit gegen die lüge bezeichnet, wenn er
mehrfach von den heutigen sogenannten philologen und kriti-
kern redet , auch wenn er Friedländer gnädig ein bedingtes
lob spendet, so darf man diese unangenehm berührenden dinge
Nr. 1. 7. Homeros. 15
nicht ohne weiteres als Selbstüberhebung verurtheilen , es ist
hauptsächlich nur ein unbedachtes nachsprechen fremder worte,
wofür die eigene partei ihn zurechtweisen mag.
Um aber doch etwas eigenes und neues zu bringen , er-
zählt uns Benicken zweimal, am anfang und am ende seiner
schrift, dass er auf vergnügen und geselligkeit consequent ver-
zieht leiste, und führt dabei einen scharfen seitenhieb gegen die
sogenannten jünger der Wissenschaft, die sich nach den amtsgeschäf-
ten auch eine erholung gestatten. Wir können dem Verfasser
im beiderseitigen interesse nur den rath geben , es auch so zu
machen wie die andern-, er selbst wird dann von hypochondrie
verschont bleiben und wir von der Verpflichtung, noch mehr
derartige sachen von ihm zu lesen.
Eine wissenschaftliche hritik der vorliegenden schritt konnte
hier nicht gegeben werden, einestheils wegen mangel an räum,
anderntheils , weil der wissenschaftliche inhalt auf Lachmann
zurückführt. Was über dessen teichomachie zu sagen ist, wird
im Philologus bd. XXXIII, hft. 1 und 2 seine stelle finden,
also in nächster zeit zu lesen sein,
L. G.
7. De vestigiis iuris gentium homerici. Scripsit Th. Sor-
genfrey. 8. Lipsiae, H. Haessel. 1871. — 15 ngr.
Bei dem grossen interesse, welches allen homerischen fra-
gen, auch den scheinbar untergeordneten, entgegenkommt, muss
eine arbeit wie die obengenannte, welche einen der wichtigsten
punkte aufs neue zu untersuchen sich vorsetzt, doppelt will-
kommen erscheinen. Die absieht des Verfassers geht dahin, der
ansieht Heffters gegenüber nachzuweisen, dass in dem heroen-
alter ein demjenigen, welches wir Völkerrecht nennen, entspre-
chendes verhältniss anzunehmen sei ; der gang der Untersuchung
aber ist so eingerichtet, dass zuerst in den friedlichen , dann in
den kriegerischen vorgäügen alles , was auf einen völkerrecht-
lichen zustand hindeutet, aufgezeigt wird. So ist denn zuerst in
betracht gezogen der handelsverkehr als ohne völkerrechtlichen
schütz undenkbar (wobei nur aus dem handel «, 182 ff., v,
384 nicht bestimmt auf einen griechischen handeis st and zu
schliessen sein wird), ferner die gastfreundschaft gegen fremde,
gegen bettler, die beschützung namentlich der sujoplices, die
16 7. Homeros. Nr. 1.
auch vom feind zu ehrende würde des priesters. Wenn man
aber bis hierher dem verf. unbedenklich folgen wird, so ist dies
nicht so leicht bei dem abschnitt über den seeraub , wo mit
grosser entschiedenheit versucht wird, die ansieht des Thuky-
dides (I, 5) zurückzuweisen. Doch — lesen wir vorläufig wei-
ter — so ist zunächst auffallend , dass der Verfasser sofort zu
den kriegerischen Verhältnissen übergehend sich der ansieht Nä-
gelsbachs anschliesst: „die kriege der heroenzeit waren nicht
eroberungskriege u. s. w. sondern raub- und rachekriege", wo
doch wohl bei raubkriegen nicht wieder an rachekriege, sondern
nach Wortlaut und Zusammenhang an andre, also offensive Un-
ternehmungen zu denken ist, so dass wir diese stelle nicht in ein-
klang mit der vorigen bringen können. Im weitern wird er-
innert hinsichtlich der führung der kriege an das vielfach scho-
nende verhalten des siegers gegen den besiegten , an die sitte?
die todten zum behuf des begräbnisses gegenseitig auszuliefern,
an die herolde und ihre unverletzlichkeit, an die vertrage und
ihre heilighaltung (mit besondrer rücksicht auf die Zweikämpfe),
auf das bundesgenössische verhältniss der Griechen zu einander
(wo zu zeigen gesucht wird, dass Achilles, weil freiwillig am
heereszug theilnehmend, berechtigt ist sich zurückzuziehen), end-
lich an die heilighaltung des Waffenstillstandes. Insofern nun
die meisten dieser punkte unbestritten sind, kann die frage, ob
wir hierin nur eine art religionsrecht oder ein Völkerrecht zu
sehen haben, lediglich formalen werth zu haben scheinen. In-
dessen warum soll man in diesen thatsachen nicht anzeichen
eines völkerrechtlichen zustandes erkennen, wenn derselbe auch
dem charakter der zeit gemäss nur in religiöser form erscheint?
Stellt man die frage , ob aus scheu vor den göttern oder aus
billigkeitsgefühl gegen den fremden diesem das gastrecht bewil-
ligt, der Waffenstillstand heilig gehalten wird u. s. w., so wird
man sich freilich zunächst für das erstere entscheiden müssen ;
aber warum glaubt der Grieche den fremden unter göttlichem
schütze stehend, wenn er nicht von dem gefühl des auch dem
fremden zukommenden rechts geleitet würde? Im allgemeinen also
darf man dem vf. wohl beistimmen, wenn er darauf besteht, in
den vorgebrachten thatsachen die spuren eines völkerrechtlichen
zustandes zu erkennen. Im einzelnen ist noch auf einen von ihm
erwähnten, bisher unsres wissens nicht genug beachteten punkt
Nr. 1. 7. Homeros. 17
aufmerksam zu machen , nämlich auf die wenigstens zuweilen
vorkommende sitte, den krieg förmlich anzukündigen, welche
aus der sendung des Menelaos und Odysseus nach Troja .T205
(wozu der verf. auch die des Tydeus nach Theben bezieht A
384, E 803 f.) wohl zu schliessen sein dürfte. Doch — wen-
den wir uns nach diesem überblick zu dem wichtigsten punkt
zurück, zu dem versuch des verf. , die herkömmliche meinung
von der sittlichen zulässigkeit des seeraubs im heroenzeitalter
zu bestreiten — so wäre es zweckmässiger gewesen, die raub-
züge unter der kategorie des kriegs zu besprechen, womit wohl
der oben erwähnte Widerspruch wäre vermieden worden. Dass
freilich die sache auch so noch schwierig genug bleibt, beweist
schon die meinungsverschiedenheit in diesem punkt zwischen
Thukydides und Aristarch (im schol. zu y 71 coli. Eust. p.1453),
in neuerer zeit zwischen Schoemann und Nägelsbach - Auten-
rieth, am meisten zeigen es die homerischen stellen selbst.
Gehen wir aus von A 151 ff., so enthält zwar diese stelle
durch den causalsatz : insl fiäXa noXlk ^isra^v ] ovqsu rs ....
rj^rjiaaa allerdings die meinung: wenn die Troer den Hellenen
benachbart wären, würde es an solchen raubzügen wahrscheinlich
nicht gefehlt haben, und spricht keine verurtheilung solcher züge
aus; aber der ton der ganSen stelle zeigt doch, dass Achilles
wenigstens für seine person, sofern er nicht um der Atriden
willen kämpft, den Troern gegenüber nicht bloss keinen an-
lass zum kriege zu haben glaubt (ins), o'v tt \ioi ai'ziot siaiv)
sondern fast bedenken trägt ihnen ohne solchen grund schaden
zuzufügen. Dazu nehme man, dass wir von keinen streifzü-
gen der Achäer in der gegend von Troja näheres hören ausser
von dem nach Thebe [A 366 ff., Z 415 ff.); also gegen einen
den Troern eng verbündeten ort, und dass Achilles, während
er dem krieg fern bleibt, nicht etwa, wie doch von den söh-
nen eines so raub- und rauflustigen Zeitalters könnte erwartet
werden , auf eigne faust mit seinen Myrmidonen streifzüge in
die nähe oder ferne unternimmt, sondern unthätig im zelte sitzt.
Wogegen man nicht wird einwenden wollen, dass solche streif-
züge der absieht Achill's zuwider den Troern nachtheil ge-
bracht haben würden, — eine offenbar den homerischen helden
fremdartige berechnung. Bei der andern hierhergehörigen stelle
der Ilias A 670 ff. (Nestor's erzählung von den kämpfen der
PhiloL Anz. y. 2
18 7. Homeros. Nr. 1.
Pylier und Epeer) ist es augenscheinlich, dass alle züge der
Pylier defensiv- und rachezüge sind. Doch weiter! Bei a 398
und %p 357 ist es schwer zu glauben, dass wir (bei erwähnung
der früher erbeuteten sklaven des Odysseus und vollends bei
seinem Vorsatz , für die ihm von den freiem zu grund gerich-
teten heerden sich viele andre zu erbeuten) an blosse defensiv-
züge denken sollen. Und die Kikonen! Schoemann's (von
Sorgenfrey für seinen zweck verwendete) bemerkung, dass die-
selben nach B 846 verbündete der Troer gewesen, wird schon
nicht jedermann beruhigen; aber nehmen wir sie auch an, oder,
was unter solchen umständen ebensowohl zur rechtfertigung die-
nen kann, dass mangel auf den schiffen des Odysseus zur plünde-
rung getrieben , so hilft doch beides nichts , da Alkinoos und
seine gaste nichts davon wissen, Odysseus aber es für völlig über-
flüssig hält, irgend eine begründung zu geben. Dass also
seeraub und plünderung nichts unerhörtes, wenigstens nichts
durchaus entehrendes gewesen, steht kaum in zweifei. Aber
muss denn nur das eine oder andre der fall sein ? Wenn Nestor
die angekommenen fremden nach dem mahle fragt (y 71), wer sie
seien, ob sie auf erwerb ausziehen oder auf seeraub:
co %eivoi, rCvse iazi; no&ev nXütf ifga nsXsv&a ;
i\ 7i xclto. tiqTj^iv i] fiaxpiSicog aXüXqo&e KtX.j
so lässt sich dies so und so erklären. Die Unbefangenheit, mit
welcher der alte fragt, die antwort, welche nichts von dem ge-
fühl erfahrener kränkung verrath, beweisen für die ansieht des
Thukydides. Andrerseits ist es nicht zu verkennen , dass in
den Worten [iaxfjiöiüjg ... xpvxag nagOi^itvoi^ xaxbv aXXodanotai qie-
QOftst; immerhin etwas tadelndes liegt, nur nicht so sehr, dass der
angeredete sich dadurch tödtlich beleidigt fühlen musste. Wenn
an der andern stelle, wo wir diese worte lesen, X 253 — 54 (im
mund des Kyklopen) ihre echtheit bestritten ist, so beweist
doch die Wiederholung selbst, dass man sie schon im alterthum
auch im tadelnden sinn verstand. Und ist es nicht wohl denk-
bar, dass in einer zeit, wo das haus nur selten Zuspruch von
unbekannten erfuhr, im gefühl der eignen Sicherheit auch sol-
chen fremden gerne aufnähme gewährt wurde , zu deren be-
schäftigung man nicht das beste vertrauen hatte, dass man aber
bei aller gastlichkeit ihnen solche meinung auch offen zu verstehen
gab? Es bleibt noch die schwierigste stelle zu betrachten, £
Nr. 1. 7. Homeros. 19
199 — 265 (q, 425 ff.)- Hier hat wohl Sorgenfrey recht gegen
Autenrieth, welcher letztere v. 262 unter vßgig den ungehorsam
gegen den anführer versteht, eine erklärung, die im Zusammen-
hang nicht begründet ist und dem sonstigen gebrauch des Wor-
tes widerspricht. Denn dieses bedeutet in der Ilias (z. b. von
Agamemnon gebraucht A 203) wie in der Odyssee (von den freiem
z. b. 8, 627) denjenigen übermuth, der in gewaltthat und zu-
fügung von schaden sich äussert. Allein Autenrieth würde
zu dieser erklärung nicht gekommen sein, wenn der Zusam-
menhang nicht wäre. Was nämlich den zweck dieses zuges
mit neun schiffen betrifft, so hat Autenrieth sicherlich recht
und Sorgenfrei unrecht. Die durch nichts begründete vermu-
thung , dass an eine handelsfabrt zu denken sei, ist vollends
unhaltbar angesichts von v. 230, wo den zuhörer nichts ver-
anlassen konnte, unter den neun fahrten des erzählers handels-
oder raehezüge zu verstehen. Aber lässt sich diese unsre auf-
fassung mit dem ißgsi e'i'!;avTeg (262) vereinigen? Es scheint doch.
Der Kreter (Odysseus) sucht abentheuer, sucht beute, geht aber
nur zögernd in den kämpf und — thut dem feind nicht mehr
schaden als nöthig. So geht er freilich auch hier auf raub aus,
aber eine viehheerde würde ihm genügen, daher sendet er Wäch-
ter aus, einen kämpf wo möglich zu vermeiden ; ein verwüsten
aber der felder, raub von weibern und kindern , morden der
männer liegt nicht in seinem plan. So kann er, obgleich selbst
auf raub ausgegangen , das thun seiner leute vßgig nennen.
Alles in allem — ergiebt sich, dass die Ilias nichts enthält von
einer billigung des räuberhandwerks, dass dagegen die Odyssee
eine laxere ansieht darbietet, doch mit einigem schwanken, in-
sofern aus raub und plünderung kein hehl gemacht und kein
schimpf damit verbunden wird , andrerseits doch eine gewisse
missbilligung, namentlich bei ausschreitungen, zu erkennen ist.
Aber noch an einem andern punkt war eine eingehendere Un-
tersuchung möglich, da nämlich, wo von den causae bellorum ge-
handelt wird. Denn dass kriege geführt wurden um beute zu
machen und räche zu üben , ist doch nicht alles , was hier zu
bemerken war. Es ist hier die frage, welches gefühl die strei-
tenden haben von der gerechtigkeit ihrer sache. Dass die
Griechen den raub Helena's überall als schändlichen frevel an-
sehen und ihre sache als die gerechte, bedarf keines beweises.
2*
20 7. 8. Homeros. Nr. 1.
Wäre aber weiberraub etwas gewöhnliches und für niemand
befremdliches , so würde wohl auch krieg geführt , aber schwer-
lich, mit solchem unmuth, solcher erbitterung gegen den frevler.
Jedoch wie sehen die Troer die sache an? Mit dem einwand,
dass, wenn auch sie den raub verurtheilen würden, eine Ilias
nicht mehr möglich wäre, darf man solche fragen nicht abthun.
Freilich liegt es in der natur der sache, dass die Troer nicht
in gleichem grad wie die Griechen die schuld sich beimessen,
aber gleichgültig über die that des Paris sind sie doch nicht.
Wenn selbst Priamus zu Helena sagt JH164: oiüzC (xot alzir} iooi,
&soi vi ftoi aizioi HCtv, also durch die Verneinung des gedankens
die möglichkeit desselben zugibt , was werden dann die andern
denken [Z 521 ff.)! Und die greise sprechen zwar, vom an-
blick des schönsten weibes bezaubert, ov vifisaig — , aber vor-
her sind sie, wie eben diese stelle zeigt, andrer meinung. Am
interessantesten aber ist Hektors urtheil von der sache durch
seine missbilligung (T 39 ff.), durch seine hinweisung auf den
Unwillen des volks und die möglichkeit einer ausübung der
volksjustiz [r 57, vgl. 453 — 54), aber allerdings noch durch
ein drittes. Sobald Paris wieder etwas von ■ heldenmuth zeigt,
ist wunderbarer weise Hektor völlig versöhnt. Der schimpf des
bruders mag ihn betrüben, aber heldenkühnheit und — kraft
können die schwersten fehler vergessen machen. Diese züge
beweisen wenigstens , dass im bewusstsein der kriegführenden
die gerechtigkeit der sache nicht ohne bedeutung ist, freilich nur
bis zu einem gewissen grad, deuten somit auch auf ein bewusst-
sein dessen, was wir Völkerrecht nennen. — Ueber andres,
wie über die Vorgänge bei den ogxia} gestattet der zustand der
homerischen gedichte kein sicheres urtheil. Hinsichtlich der
bundesgenössischen Verhältnisse auf troischer und griechischer
seite genügt es auf die schärfere Unterscheidung in Nägelsb.
Autenr. Hom. Theol. p. 307 zu verweisen.
A. Bischoff.
8. Der besitz und sein werth im homerischen Zeitalter.
Eine kulturhistorische skizze von Albert Haake, adjunkt
am königl. pädagogium zu Putbus. 4. Berlin, H. Ebeling und
C. Plahn, 1872.
Wenn es auch keine bedeutenden wissenschaftlichen pro-
Nr. 1. 9. Orpheus. 21
bleme sind, mit denen die vorliegende abhandlung sich beschäf-
tigt, so lässt sich doch die Schilderung der einfachen und na-
turgemässen zustände des homerischen Zeitalters ganz angenehm
lesen. Nur ist die bedeutung des besitzes für die Stellung des
mannes wohl etwas zu einseitig hervorgehoben und der aristo-
kratische grundzug im wesen der Hellenen zu sehr ignorirt.
Dass die homerischen Griechen über edle abstammung ebenso
dachten wie ihre nachkommen , zeigt sich doch deutlich genug
in der art, wie die edlen geschlechter eine abstammung von
den göttern prätendiren, und wird überdies auch geradezu aus-
gesprochen in den worten des Menelaos an Telemach:
Ov yao aqxpv ys yivog anöXcoXe toxi'icüv,
a).V utdoäv ysvog iats /liorsgeyscov ßaailtjcav
ax7]7Z70i%(ov' inel ov xs xaxol roiovgds rexotev.
Dass der handel zu Homers zeit nur wenig entwickelt
gewesen sei , schliesst der Verfasser aus der geringen achtung,
mit welcher bei Homer vom kaufmannsstande gesprochen wird;
ein irriger schluss, da auch z. b. Wolfram von Eschenbach nur
verächtlich von dem stände der krämer redet, obwohl gerade
zu seiner zeit der handel einen lebhaften aufschwung genom-
men hatte. Es sind das eben nur aristokratische vorurtbeile,
aus denen für die sache selbst durchaus nichts zu folgern ist.
Eine zu idyllische auffassung ist es ferner, wenn gesagt
wird, die habsucht sei zu Homers zeit zwar auch schon vor-
handen gewesen, aber in einer nicht anstössigen weise. Wenn
die richter sehr gewöhnlich für geld das recht verdrehen, oder
wenn Seeräuber, ohne dass es ihnen tadel bringt, friedliche men-
schen überfallen und erschlagen , um ihre besitzungen plündern
zu können, so ist dies jedenfalls noch weit weniger erfreulich
als unsere heutigen zustände es sind , denen der Verfasser die
homerischen als glänzendes gegenbild glaubt vorhalten zu müssen.
L. G.
9. De veteris Orphicae Theogoniae indole atque origine
scr. P. R. Schuster. Accedit epimetrum de Hellanici Theo-
gonia Orphica. 8. Lipsiae, Lorentz. 1869. (100 s.). — 1 thlr.
Vfr. stellt sich die aufgäbe nachzuweisen dass die hgol
Xoyoi in 24 rhapsodien , welche die Neuplatoniker als or-
phische theogonie benutzten, verschieden sei von einem alten
22 9. Orpheus. Nr. 1.
orphischen werke, aus welchem z. b. Plato schöpfte. Diese
trennung hat er jedenfalls mit recht vorgenommen, aber er geht
dabei von der Voraussetzung aus, letzteres werk sei eine theo-
gonie gewesen, die allmälig zu einem grösseren umfang erwei-
tert und so in die bände der Neuplatoniker gekommen sei.
Nun ist in dem wahrscheinlich aus Epigenes entnommenen ver-
zeichniss der werke des Orpheus bei Suidas eine theogonie un-
ter diesem titel zwar neuerdings von Gaisford aus cod. A und
nach ihm von Bernhardy aufgenommen, aber in corrupter ge-
stalt und wahrscheinlich in folge von Interpolation. Onomakritos
hätte jedenfalls zu seiner angestrebten mystischen reaction nicht
seine rslsiai unterschieben, sondern eine orphische theogonie
benutzen müssen, wenn er eine solche vorgefunden hätte. Auch
Athenagoras , der darauf ausgeht eine allgemein bekannte or-
phische theogonie zu nennen , nennt eine spätere. Es findet
sich durchaus kein citat, welches in alter zeit auf den titel
theogonie mit nothwendigkeit führt und es bedurfte also vor
allen dingen des nachweises, dass dennoch ein solcher angenom-
men werden müsse. Derselbe scheint uns nicht geliefert und
ist nicht einmal geradezu in angriff genommen. Um das orphi-
sche 'Qxeavog ngäzog ?]q^s yafioio (Plat. Crat. p.402A) in eine
theogonie zu bringen, erklärt Lobeck : zuerst unter den brüdern ;
noch gezwungener Schuster von einem iustum et auspicatum ma-
trimonium, eine Unterscheidung zwischen canonischen und wil-
den eben, die man unmöglich in alten theogonien annehmen
kann. Die worte passen besser in ein einzelnes gedieht, z. b.
eine Teleir) des Onomakritos, welches an einer beliebigen stelle
und nicht vom urbeginn anfing, als in den Zusammenhang einer
theogonie; und schon der zusatz ofiOfxi'jroQa Tij&vv zeigt, dass
der dichter noch andre ehen vor der kannte, mit welcher er
gerade anfängt. Da gerade Plato mit Vorliebe reXerdg und
XQiiancpdiag erwähnt (Protag. 316. Eeip. p. 364. Phaedr. 244), hat
man keinen grund gerade auf benutzung einer theogonie zu
schliessen, und die vermuthungen über den Inhalt dieser plato-
nischen theogonie, wie später die Untersuchungen über deren
dichter (p. 57) schweben etwas in der luft. Leichter kann man
Schuster zugeben, dass Plato's quelle die Nox als urquell der
dinge ansah und dass alles was Neuplatoniker vor dieselbe
stellen, späterer zusatz sei. In dem theile, der nach der Nox
Nr. 1. 9. Orpheus. 23
kam, glaubt der verf. (p. 27, etwas anders p. 36) dass Plato
die bekannten verse Zei/g agx>1 , Zsvg /xe'aoa xzX. aus einer
theogonie schöpfe, obwohl er (p. 88) und andere anerken-
nen, dass sie den Charakter eines hymnus tragen. Dass sie
in einer theogonie gestanden haben, ist nirgend überliefert;
dagegen sagt Tzetzes ausdrücklich sie seien der anfang der or-
phischen bymnen d. h. der alten, nicht dessen was wir so nen-
nen. Freilich ist Tzetzes oft albern genug; aber dass er den
anfang einer hymnensammlung von der mitte einer theogonie
unterscheiden konnte , kann man ihm doch zutrauen. Ueber-
zeugender ist der nachweis, dass die xatunoaig des Phanes spä-
teren Ursprungs sei und wahrscheinlich erst in der theogonie des
Hellanikos und Hieronymos vorkomme. Darauf führen einmal
die Zeugnisse, dann aber auch, was freilich vf. leugnet, der um-
stand dass die damit zusammenhängende theokrasie und pan-
theistische anschauung späten Ursprungs sind. Man kann einzelne
anfange bei früheren zugeben; zu einem theogonischen System
aber sind sie erst spät vereinigt worden. Die zerreissung des
Zagreus aber hatte Onomakritos in einer zeXezj] erzählt (Clem.
AI. protr. 15. Paus. VIII, 37, 3) und wir haben durchaus kei.
nen grund für sie auch eine theogonie desselben Schriftstellers
anzunehmen. Dass der alte, vorhomerische Orpheus keine theo-
gonie geschrieben (p. 58), geben wir gern zu. In die vermu-
thungen über thrakische religion können wir dem vf. nicht folgen.
Er scheint die gesammtmasse der Thraker als ein gleichartiges
volk anzusehen, obwohl z. b. Paeonen und Odrysen ein ganz
andres geschlecht sind als Pierer und Dier. Zum schluss be-
stimmt vf. für die von ihm postulirte orphische theogonie aus
allgemeinen betrachtungen abfassungszeit und dichter. Er fin-
det die erzählung vom raube der Köre und der ankunft der
Demeter in Eleusis im homerischen hymnus jünger als die art,
wie er sich dieselbe sache bei Orpheus erzählt denkt und setzt
demnach die orphische theogonie um 01.1, denn auch den Hom.
hymnus in Cererem setzt er früher als man es gewöhnlich thut.
Als ihren dichter denkt er sich einen der ältesten dichter Attika's,
kurz vor Pamphos. Das sind vermuthungen, zu denen uns ein
sicherer ausgangspunkt fehlt. Etwas mehr Wahrscheinlichkeit,
aber auch immer noch auf ziemlich unsicherem grund, hat die ver-
muthung des anhangs, dass ein in Phoenikien geborner stoiker
24 10. Griechische tragödie. Nr. 1.
Hellanikos nach 150 v. Chr. den stoff seiner orphischea theo-
gonie aus der schrift des aegyptiers Hieronyinus über phoeniki-
sche archaeologie geschöpft habe. Giseke.
10. Aeschylus und Sophokles. Eine dramatische Studie von
Andreas Borschke. 8. Wien. Selbstverlag des verfs. 1872.
Diese abhandlung, bei welcher der Verfasser zunächst
die schüler der obersten gymnasialklasse als leser im äuge
hat, beginnt mit einer kurzen literarhistorischen einleitung,
worin der einfluss des griechischen dramas auf die deutsche
literatur besprochen wird. Dann folgt eine instructive verglei-
chung der beiden grossen tragiker , und zwar mit specieller be-
ziehung auf die Choephoren und die Elektra. Den schluss der
fleissigen und sorgfältigen arbeit bildet eine Untersuchung über
die einrichtung der athenischen biihne , wobei namentlich die
typische bedeutung der beiden Seiten des theaters besprochen
wird. Borschke geht von der ansieht aus, dass diese bedeutung
sich durch die Volksversammlungen gebildet habe , für welche
das theater noch häufiger als für dramatische aufführungen be-
nutzt worden sei. Da nun für diese Versammlungen nur der
Zuschauerraum in betracht kommen könne , so seien die aus-
drücke links und rechts von hier aus zu verstehen.
Dagegen ist zu bemerken, dass es gar nicht darauf an-
kommt, welchen gebrauch die spätere zeit von dem räume ge-
macht hat, sondern zu welchem zwecke er ursprünglich be-
stimmt gewesen sei. Ja wir können sogar annehmen , dass
schon in dem alten hölzernen theater die conventioneile bedeu-
tung der rechten und linken seite vorhanden gewesen sei, denn
diese dinge bilden sich gleichzeitig mit dem drama selbst. In
der besebreibung des Pollux, wo vier ausgangspunkte für die
auf der bühne ankommenden genannt werden, dygo&Ev, ix Xi-
(livosi iü neXawg, dD.a^öOev 7rt£of, weiss Borschke, wie er sagt,
mit dem ersten ausdrucke nichts anzufangen, und ebenso macht ihm
der zusatz ne^ol bei otklaxö&sv bedenken. Wenn in Xuittiog auf die
fremden bezogen wird, die zur see ankommen, so kann im gegen-
satze dazudlla^öüev ns^oiuuv auf andere reisende bezogen werden,
die den landweg gewählt haben, gleichviel, ob dieser weg zu fusse,
zu pferde oder zu wagen zurückgelegt ist. In solchem sinne fin-
det sich ntt,ög schon bei Homer, z. b. Od. n, 59 : u ö' i&eleig
Nr. 1. 11. Aeschylus. 25
ne&g, ndga rot diipoog re x«i initoi. Die erklärung von aygö&sp
ergiebt sich wohl am einfachsten durch anschluss an einen kon-
kreten fall. In der Elektra heisst es vom abwesenden Aegi-
sthos, vlv 6° dygolai tvyxüvei. Wenn er also gegen ende des
Stückes auftritt, so kommt er ayqo&sv, vom felde , aus der nä-
hern Umgebung. Auffallend kann es aber scheinen, dass Pollux
für die rechte seite drei Ortsbestimmungen anführt , für die
linke dagegen nur eine, und ich hatte dagegen geglaubt, durch
eine Umstellung die Symmetrie herstellen zu müssen. Vom
athenischen theater aus sieht man ja rechts nur hafen und stadt,
links die landschaft, und ebenso bezeichnet von den periakten
die eine auch nur hafen und Stadt , die andere die landschaft, ia
£l-(o aolscog. Nimmt man aber an, wie man wohl nicht bestreiten
kann, dass die bedeutung der linken und rechten seite schon
in den ländlichen anfangen des dramas sich herausgebildet hat,
so bildet das dlXa%öüev allerdings einen genügend starken ge-
gensatz zu den drei bezeichnungen , die sich sämmtlich auf die
nähere Umgebung beziehen. Was durch die Verschiedenheit
der eingänge nicht deutlich genug bezeichnet war, konnte durch
das kostüm genauer bezeichnet werden. So ist z. b. der rei-
sende auf vasenbildern durch den hut kenntlich gemacht im
anschluss an die volkssitte; dass es auch auf der bühne so
war, zeigt die stelle im Oedipus auf Kolonos, wonach Ismene
bei ihrer reise von Theben nach Kolonos einen hut trägt,
XQati ö' T]).ioareor}g xvvij nooGama QeaaaXig (xiv d^ni^si.. Für
die dygo&ev kommenden landleute könnte der ziegenpelz ein
solches kennzeichen gebildet haben nach Theognis 55 : all'
afxqn itkiVQy/si dogag alywv naTstgißov , und was dergleichen
dinge mehr sind. L. G.
11. R. Merkel, Aeschyli cod. Laurentiani Oxoniae typis
expressi praefationis lineamenta. 4. Quedlinburg. (Programm).
1870. 16 s.
Unermüdlich und unverdrossen bestrebt die handschriftli-
che grundlage des Aeschylus festzustellen, theilt Merkel in der
angegebenen schritt, welche sich an den im j. 1871 erschienenen
abdruck des Mediceus anschliesst, beobachtungen über die quelle
des Mediceus, über das alter der corruptelen, über den werth
der übrigen handschriften mit. Nach einigen bem erkungen über
26 11. Aeschylos. Nr. 1.
die bedeutung, welche die genaue kenntniss der kolometrie des
Mediceus, die auf guter Überlieferung beruhe, für die metrische
behandlung der chorika habe, und über die reste alter Ortho-
graphie, deren erhaltung vielleicht nur der Sorglosigkeit des ab-
Schreibers zu verdanken sei, sucht Merkel die ableitung unserer
sämmtlichen handschriften aus einem gemeinsamen archetypus
näher zu bestimmen. Denn dieses ist auch die ansieht von
Merkel und diese ansieht wird sich der bequemen meinung ge-
genüber, dass abgesehen von den lücken des Agamemnon ganz
allein der Mediceus für die kritik des Aeschylus in betracht
käme, immer mehr geltung zu verschaffen wissen. Aus der be-
rechnung der abstände von verschiedenen bereits nachgewiese-
nen lücken zieht Merkel (ähnlich wie Keck: vgl. Philol. XXXI,
p. 738) die folgerung, dass der archetypus in der regel 37
zeilen auf der seite gehabt habe ; weil am ende der seiten die
verse, vielleicht durch wasserflecken , unleserlich geworden , so
sei es gekommen, dass sich in bestimmten Zwischenräumen Un-
ordnung im text, namentlich ausfall eines oder mehrerer verse
oder zusammenziehung zweier verse, zu erkennen gebe (vgl.
desselben Verfassers schrift: Aeschylus in italienischen hand-
schriften 1868, p. 70). So liegen in den Persern die von
Hermann bei v. 805 und 893 angenommenen lücken nach der
versabtheilung des Mediceus um 30 -j- 43 -f- 37 zeilen aus-
einander; 37 zeilen vor 892 findet sich im Mediceus ein lee-
rer räum von vier zeilen, wenn auch mit beigeschriebenem ov
leinst zweiter hand; 36 verse vor 804 steht der Täthselhafte
v. 778, 36 vorher der v. 731, der nach den Varianten aus
zweien verschmolzen scheinen könne; viermal soviel zeilen vor
731 stehe das um neun verse verspätete egQavzai (v. 569),
während zugleich sieben verse zuvor eine lücke im Mediceus
gelassen sei. Das weiterzählen bestätige eine wahrscheinliche
lücke bei v. 465, die von Porson bei v. 316, die von Merkel
bei v. 168 angenommene. Diese beobachtung wird an anderen
stücken geprüft und scheint sich zu bewähren. Es liegt darin
ein mittel den Widerwillen gegen annähme von lücken zu über-
winden. Nichtsdestoweniger rouss die lücke, welche Merkel
Prom. 726 H. annimmt, zweifelhaft bleiben. Die dabei ge-
machte bemerkung, dass v. 791 qbi&qov yaeigoop ogoe auf den
Hellespont zu beziehen sei, ist unrichtig, da sich die erzählung
Nr. 1. 11. Aeschylos. 27
an v. 735 anschliesst. — Merkel erweist ferner seine schon in
der ausgäbe der Eumeniden aufgestellte behauptung , dass der
Mediceus nicht aus einer uncialhandschrift abgeschrieben sei
(vgl. Weil praef. Agam. p. xn), und glaubt, dass zwischen dem
gemeinsamen archetypus der vorhandenen handschriften und
dem Mediceus noch etliche abschritten dazwischenliegen. Die-
ser Zwischenzeit und der nachlässigkeit, mit welcher damals die
handschriften abgeschrieben wurden, möchte Merkel die schuld
der vielfachen corruptelen zuschreiben , also ein verhältnissmä-
ssig junges alter derselben annehmen. Durch die verschiede-
nen abschriften habe sich allmählig die fehlerhafte Überliefe-
rung gebildet, die aus verschiedenen exemplaren in den Medi-
ceus und in die handschrift , welche die interpolatoren des XII
Jahrhunderts benutzten, übergegangen sei. Mit dieser vermu-
thung scheint die Übereinstimmung der handschriften in allen
bedeutenden Verderbnissen nicht genügend begründet zu sein. —
Merkel hat anderswo (in der oben angeführten schrift p. 5 ff.)
gezeigt , dass der erste quaternio des Aeschylus im Mediceus
jüngeren datums ist als die zehn übrigen. In diesem quaternio
und in den lesarten, welche die zweite haud im Mediceus ein-
getragen hat, findet Merkel die spuren einer zweiten recension,
die im zwölften Jahrhundert mit hülfe einer handschrift gemacht
worden sei, welche nicht viel älter als der Mediceus gewesen. —
Sehr willkommen ist die mittheilung , dass die pergamenthand-
schrift Ven. 616 (Ven. 3 oder Ven. B) nicht dem dreizehnten,
wie gewöhnlich behauptet wird, sondern dem fünfzehnten Jahr-
hundert angehört. Es bestätigt sich also der nachweis, dass der
Florentinus die priorität vor dem Ven. B habe, und man darf jetzt
wohl annehmen , dass der Ven. B eine abschrift des Flor. ist.
Wie der Schreiber des Ven. Ag. 1514 H. daxgvaiv in daxgvoig
corrigirt hat, so' hat er v. 1628 an stelle des unverständlichen
äfiaQrijrov eine lücke gelassen. V. 1632 hat nach der colla-
tion von van Heusde der Flor, und Ven. %ijhtj, der Farn. xV^-Vi
nicht aber der Flor. j£oXji, wie Franz angiebt. Der Flor, ist
demnach als quelle dieser lesart zu betrachten und die folge-
rung, welche Keck Agam. p. 201 daran knüpft, nicht stichhal-
tig. Uebrigens gilt trotz der handschriftlichen beglaubigung
von dieser lesart, was Hermann sagt: videtur monachi esse cui
imago diaboli obversabatur. — Die besserungen, die Merkel
28 12. Sophokles. Nr. 1.
nebenbei vorbringt, dürften meistenteils höchst bedenklicher
natur sein. Pers. 922 und Prom. 49 werden mit neugebildeten
Wörtern hergestellt : dort Xaxonu&ea (soll bedeuten quod miserias
clamitai) tyalitvna re ßdgt], hier anavx* incö%&7], Sept. 25
schreibt Merkel nrjgog für nvglg und erklärt 5/^a: non erit
utroque oculo, sed praeterea. Ag. 125 soll atofiiov in der bedeu-
tung ostium, fauces auf den Euripus gehen, ngozvnsv protractum,
porrectum bedeuten und argaroa&sv de montibus qui eum maris
tractum vallabant, circummuniebant gesagt sein; das vorausgehende
(ßtjpiionXri&rj) fioiga soll in &Tj/xäva verwandelt werden. Beach-
tenswerth scheint hiervon nur xpaXlrvna in der stelle der Perser
zu sein. Merkel spricht sich (in der ausgäbe der Perser Lips.
1869 p. 63) nicht deutlich über den sinn aus und bemerkt:
ea igitur ßagtj epithetis fuerunt denotanda , quae sententiam effice-
rent quam posset simillimam versui 922 H. Man müsste wohl
Xaona&ia (= ntt(jina&sa) ypaXtrvnd js (xpaXig' 7a%£itt xivqoig,
\paXizisraf a^iXXätai Hesych.) ßügij von den schweren schla-
gen verstehen, mit welchen der xopttog "Agsiog verbunden war
(vrgl. a.TtQiySänXrj'x.za. noXvnXavqTa inaGGVTsgoTgißlj ta. %tgbg
bgsyfiaza Choeph. 420). Ausserdem wird Choeph. 773 Böpov
Kvgloig Tsäg ocpgvog vsvit1 Ufisvoig Ideiv, Suppl. 735 «etcr/xar'
evvaatrjgta vermuthet, was berücksichtigung verdient.
W.
12. Sophokles könig Oedipus. Nach der ältesten hand-
schrift und den Zeugnissen der alten grammatiker berichtigt,
übersetzt, durch einen exegetisch - kritischen commentar erklärt
von Franz Eitter. 8. Leipzig. Teubner. 1870.
Unter diesem etwas preciös klingenden und viel verspre-
chenden titel hat der Verfasser eine neue ausgäbe dieser in
neuerer zeit mit vielem eifer von den philologen gepflegten
tragödie mit dem texte beigedruckter deutscher metrischer Über-
setzung veranstaltet. Sehen wir zu, ob unsere erwartungen er-
füllt werden.
Die Übersetzung hat nach vorrede p. vi und vn „neben
möglichster treue nach deutlichkeit und Verständlichkeit gestrebt".
,,Sie soll einerseits den commentar ergänzen, andrerseits das
unvergleichlich vollendete drama auch denjenigen zugänglich ma-
chen, welche mit dem griechischen minder vertraut oder des-
Nr. 1. 12. Sophokles. 29
sen unkundig sind". Wir finden zunächst nicht, dass der for-
derung der deutlichkeit und Verständlichkeit überall genügt worden
sei. V. 12 und 13: „denn des Schmerzgefühles baar War' ich,
wenn ohne beileid solche schaar mich liess", weiss der leser
ohne den griechischen text kaum, wer mitleid empfinden soll, ob
Oedipus mit der schaar, oder die schaar mit ihm. Welcher
leser, der nicht des griechischen kundig ist und sich im urtext
den commentar zur Übersetzung geben lassen kann — auch
für solche hat ja der Verfasser dieselbe geschrieben — wird vs.
35 verstehen: ,,der du, sobald zu [sie) Kadmosstadt du kamst,
Den zoll losmachtest, den erzwang die Sängerin"? Die
Übersetzung wimmelt geradezu von geschmacklosen undeutschen
Wortstellungen und ausdrücken. Vs. 39 ,,zu richten unser leben
auf"; 80 „möge glück er bringen her", 105 „selber könnt ich
schauen nie"; 109 ,,'ner alten schuld zu kommen auf die spur
ist schwer": 129 „auszuforschen ist dies", 256 „nicht billig
war es ungesühnt zu lassen sie", 430 „Eicbtweg zum strick?
[ovk {lg oXe&gov ;!) nicht rascher? willst den rücken du Nicht
diesem hause kehren und dich trollen fort?" u. s. w. : wenn, wie
es scheint, wörtliche treue das hauptbestreben des Verfassers
war , wie denn auch die zahl der verse vollkommen beibehal-
ten ist , so wäre es doch gewiss rathsamer gewesen eine pro-
saische Übersetzung zu geben , die von vornherein sich des an-
spruches auf angenehme lesbarkeit begeben hätte, während eine
metrische Übersetzung in hässlichem , plumpem stil eine contra-
dictio in adiecto enthält.
Unter den text hat Eitter die lesarten des Laurentianus
nach den angaben Dübners bei Dindorf in der dritten Ox-
forder ausgäbe gesetzt; gelegentlich, aber nicht immer auch
die nachtrage Wolffs berücksichtigt. Daneben erscheinen die
citate aus lexicographen und grammatikern, die seitdem (1871)
vollständiger in M. Schmidts ausgäbe zu finden sind: nur die anfüh-
rungen aus Suidas scheinen bei Eitter reichhaltiger zu sein. Einen
weiteren bestandtheil der unter dem texte befindlichen Varia lectio
bilden die anführ ungen von conjeeturen älterer und neuerer ge-
lehrter. Sie sind indessen ziemlich spärlich. An sich wäre
nun freilich gegen eine auswahl der bemerkenswerthesten Ver-
besserungsvorschläge — gegenüber nahezu absoluter Vollständig-
keit wie in W. Schmidts ausgäbe — nichts einzuwenden, aber
30 12. Sophokles. Nr. 1.
es will uns bedünken, dass da, wo ein kritischer commentar noch
hinzutritt, ein bestimmtes klares verhältniss zwischen den in
der Varia lectio und den im commentar erwähnten conjecturen
obwalten sollte, entweder so, dass an beiden orten die gleichen
angeführt (dort blos erwähnt, hier besprochen) würden, oder
dass die einen angaben die andern ergänzten. Nun finden wir
aber bald dieselben conjecturen in der Varia lectio und im com-
mentar angeführt (305, 308, 313, 72), bald sind gewisse emen-
dationsversuche bloss in der Varia lectio, oder bloss im com-
mentar erwähnt. Es scheint also hier mehr der zufall als ein
bestimmtes prinzip obgewaltet zu haben: sollte aber auch re-
ferent sich hierin täuschen, soviel ist sicher: wollte der Ver-
fasser einmal auch conjecturen unter dem texte anführen, so
hätte dies in viel ausgiebigerem masse geschehen sollen.
Die zweite half te ist vom exegetisch-kritischen com-
mentar ausgefüllt. Derselbe entbehrt schon deswegen eines
einheitlichen Charakters , weil er , wie der Verfasser p. vii der
vorrede sagt, theils für fachgelehrte, theils für gebildete weiterer
kreise (für schüler? studirende? oder gar wie die Übersetzung
für solche, „die mit dem griechischen minder vertraut oder des-
sen unkundig sind"?) bestimmt ist. Wir müssen auch hier
wiederholen was wir schon bei der Varia lectio sagten, der Ver-
fasser sucht zu viel zwecken zu genügen, und es ist eine noth-
wendige folge dieser verfehlten anläge , dass er keinem dieser
zwecke oder leserkreise wirklich entspricht. Aus einem popu-
lär gehaltenen commentar hätten alle grammatisch -kritischen
excurse entfernt oder wenigstens in einen besondern anhang
gebracht werden sollen. Während ferner der Verfasser mit
grosser ausführlichkeit über einzelne grammatische formen sich
verbreitet, lässt er an verschiedenen sehr schwierigen stellen nicht
blos den angehenden Griechen im stich, sondern auch den ge-
lehrten im zweifei, wie er die stelle gefasst wissen will. So
Z. b. 220: ov yag uv fJtaxQav | iptvor avzn, ju/} oiix e%03v rt
avfjßolov, wird gar nichts bemerkt; aus der Übersetzung selbst:
„drum (heisst yao : „drum"?) nimmer weit folgt ich der spur
wo nicht ein fingerzeig mir wird" kann niemand klug werden.
Ebenso wissen wir nicht, wie Ritter 261 die von ihm beibehaltene
handschriftliche lesart: xoivüv is naiöcav xcuV ap *) erklärt.
1) Lies xai vwv ye naidtov mit F. G. Schmidt.
Nr. 1. 12. Sophokles. 31
Vs. 724 : mv yäg av &eog | xgsiav igswa, eine crux interpretum, wird
übergangen und wir sollen uns mit der beiläufig gesagt sinn-
losen Übersetzung: „denn was ein gott als nützlich spürt" zu-
frieden geben ?
Welches sind nun aber abgesehen von der verfehlten an-
läge des ganzen und der durch diese zum theil bedingten lü-
ckenhaftigkeit der erklärung die wissenschaftlichen leistungen
unseres buches ? Für das beste halten wir die eingestreuten
grammatischen und sprachlichen bemerkungen. Wir heben her-
vor die erklärung von &od£eiv vs. 2, wo der Verfasser in Über-
einstimmung mit G-. Hermann die willkür alter und neuer gram-
matiker, welche hier die bedeutung „sitzen" statuiren wollen,
mit recht zurückweist; denn diese erklärung ist ein offenbarer
trugschluss aus unserer stelle; vs. 58 über dp>K>za, wie der vf.
mit recht statt äyvcoza schreibt; 129 über eigyeiv, 167 ävvtco
(welche Schreibung auchDindorf jüngsthin im Sophokles aufgenom-
men hat), 402 aytjXartjoeiv, 433 rjdr], 1311 i&jlco , 1462 über
den dual, fem., wo er sich mit Bernhardy, Cobet und Weck-
lein für die consequente herstellung der masculinformen in So-
phokles entscheidet, 695 älvco. Ritter neigt überall dazu gleich
Cobet auch gegen die handschriften der autorität der Atticisten,
insbesondere derjenigen in Bekker. Anecdd. Graec. I, p. 321 —
476, auch gegen die handschriften zu folgen. Diese bemerkungen
und excurse sind dankenswerth , wenn man auch nicht überall
den consequenzen des Verfassers folgen wird. So soll vs. 538 und
539 wegen der alexandrinischen formen yvcogiaolfti und dXs^oi-
\ki\v (als futur) als späteres einschiebsei beseitigt werden ; es ist
aber willkür dieser hypothese zu lieb aus Xen. Anab. VII, 7,
3 die futurform dls^otis&a in die gewöhnliche aXa&j&offe&a
zu verwandeln (p. 176 note). Mit beziehung auf ovv oder %vv
ist Ritter (zu v. 34) zu der alten Porsonschen regel zurückge-
kehrt, <;vv als die specifisch attische form überall zu setzen wo
das metrum nicht einspruch erhebt. Wir aber halten uns an
den, der allein die sache mit statistischer gründlichkeit unter-
sucht hat nach der Überlieferung des Laurentianus, an Herwer-
den praef. p. n sqq., auf dessen resultate Ritter merkwürdiger
weise gar keine rücksicht nimmt.
Im register giebt uns Ritter unter dem artikel ausleg ung
selbst ein verzeichniss der stellen, in deren erklärung er von
32 12. Sophokles. Nr. 1.
den andern abweicht oder abzuweichen glaubt. Wir stimmen
überein mit der erklärung von 397 (6 (itjösv slduig), von 473;
506 und an vielen andern stellen wird mit recht auf die soma-
tische lehre von der coincidenz der tugend und des wissens
aufmerksam gemacht. Zu billigen ist ferner 1320 die Vertei-
digung von epoQEtv und 1382 von ye'vovg tov Aatov durch er-
gänzung von ix aus dem vorhergehenden, womit nun auch G.
Wolff übereinstimmt. Anderes in diesem verzeichuiss ist frei-
lich entweder nicht neu oder nichts besonderes, so v. 1271 die
vertheidigung des futurum oxpoivzo gegen Hermann mit der
einfachen bemerkung, dass 6&ovvexa hier „dass" bedeute: wir
lesen das längst bei Nauck. Noch anderes ist entschieden falsch :
579 soll yijg nun doch wieder zu taov gehören im sinn von
„tafelgütern" ; 1001 wird man kaum auskommen ohne Strei-
chung dieses verses (wogegen wir gegen Herwerden, v. 1000 bei-
behalten würden); zu 1036 hat G. Wolff jetzt besseres beige-
bracht. Bei 1208: cf> fxiyag Xifttjv avzog ijQxeoev naidl xal na-
tq\ dalaiiqnöXqp neoeiv, polemisirt Ritter zunächst gegen den
scholiasten , der unter dem Xi(irj:v die lokaste selbst verstanden
habe; Xifirjv sei vielmehr ihr mutterleib (hat denn der scholiast
nicht an den leib der lokaste gedacht?); die erklärung von
fisyctg bei Bitter ist ein muster von geschmacklosigkeit, naidl
und naiQi sei nicht Oedipus und Laios, wie gewöhnlich erklärt
wird (xul nargl abhängig von uvzog, ,, derselbe wie dem vater"),
sondern diese worte beziehen sich nach Eitter auf denselben
Oedipus als kind im mutterleibe und zeugenden vater. Im
letzteren sinne aber würden wir vielmehr OTzeiQwv oder nöaig
zu erwarten haben; denn vernünftiger weise müsste man, wenn
einmal nuig das kind der lokaste bedeutet, wie Eitter will, na-
7t]Q ebenfalls als vater der lokaste fassen. Wir müssen also
diese erklärung Eitter's für verfehlt halten, und nehmen au-
sserdem mitNauck die Heimsöthsche conjectur nmg yäfiov Xifirjriäv
<p fieyag Xihtjv als wahrscheinlich an. Jedenfalls ist aber die ge-
wöhnliche erklärung von nai8\ und natgi (Oedipus und Laios)
festzuhalten. Vollends unbegreiflich ist vs. 500 behandelt :
avÖQWv 6" ozi fidvtig | nXeov tj iym q>?Q6zai, XQiaig otx saziv
dXTjd^g. Eitter übersetzt: „doch dass ein mann menschlicher
schau mehr als ich gilt, der entscheid ist nicht gewiss". Zu-
nächst was bedeutet: „ein mann menschlicher schau".' Soll
Nr. 1. 12. Sophokles. 33
damit eine von der gewöhnlichen erklärung abweichende bezie-
hung von avögäv auf pdvrig angedeutet werden = sfinsigog
av&Q(ontvriQ pavTiiag? darüber spricht sich der commentar
nicht deutlich aus, wohl aber gibt er eine erklärung, welche
weder mit der Übersetzung noch mit dem griechischen texte
stimmt: „der chor räumt ein, dass ein sterblicher seher mehr
gelte als er, meint aber, dass daraus für den vorlie-
genden fall keine sichere entscheidung folge". Was wir durch
den druck hervorheben, steht nicht in den griechischen Worten,
ist also willkürlich von Eitter eingeschoben; was Eitter will,
müsste griechisch etwa so lauten sl xal — qisgezai, oficog aegl
t ov zov xoicsiq xr).. Die einwendung aber gegen die gewöhn-
liche und, wenn man den text nicht ändert, allein mögliche er-
klärung, dass der chor, wenn er behauptete, die seher wissen
nicht mehr als andre leute, sich selbst (v. 284 — 289) wider-
sprechen würde, hätte erst dann bedeutung, wenn dieser Wider-
spruch im gleichen chorgesang sich zeigte; seit 289 sind aber
mancherlei dinge passirt, die auch die Stimmung und ansichten
des chors verändern konnten. So viel über die im register
von unserm herausgeber selbst als beispiele seiner abweichen-
den auslegung angeführten stellen.
Aber wir finden auch sonst manches auffällige, der schärfe
ermangelnde in seinen erklärungen. So soll in der königsrede
236 — 245 sich wieder auf den hehler beziehen, während doch
manche gegner Eibbecks selbst wenigstens diese beziehung ha-
ben fallen lassen und mit ihm den mörder verstanden wissen
wollen. Angesichts von 241 : cog fiiäanaTog ht).. vrgl. mit 96, mit
224 — 232 seien drei fälle als möglich angenommen: ,,1) je-
mand kennt einen Thebaner als mörder, 224 — 226; 2) den mör-
der kennt niemand als der thäter selbst, 227 — 229 ; 3) jemand
kennt einen in Theben lebenden fremden als den zu suchen-
den mörder, 230 — 232". Dagegen ist erstlich zu bemerken,
dass in 224 — 226 gerade der hauptbegriff auf den es ankom-
men soll, nämlich dass der mörder ein Thebaner sei, fehlt;
wir müssen also jene verse nicht als unterabtheilung , sondern
als allgemeine alle einzelnen fälle beschlagende fassung des ge-
botes ansehen. Zweitens ist bei dieser dem dichter zuge-
schriebenen eintheilung höchst auffällig und unlogisch, dass fall
1 und 3 als gleichartige nicht zusammengestellt sind j es würde
Philol. Anz. V. 3
34 12. Sophokles. STr. 1.
dann fall 2 erst ans ende treten. Sophokles hat in verschie-
denen seiner reden geradezu muster logischer disposition gege-
ben. Die übrigen ausleger alle suchen doch wenigstens eine
vernünftige eintheilung herzustellen: Nauck z. b. will 1) aotög
xaz' aaioi, 228; 2) ftffo»«' ig aXXtjg %&ovög, 230: Wolff will 1)
avrog xa& altov, 228; 2) aXXov i£ ipljg %&oveg. Es ist hier
nicht der ort gegen diese auslegungen unsre bedenken zu ent-
wickeln: logisch sind sie wenigstens, was die Rittersche nicht ist;
wir unsrerseits halten uns an Enger, Heimsöth, Ribbeck: 1)
aviog xa#' uvtov, 2) aXXov, a) ;} e| uXXrjg %eQog\ b) 5} avT6%siQa.
In derhandhabung der textkritik zeigt Ritter in der athe-
tese mehrerer verse eine gewisse kühnheit, besonders da wo ihm
sprachlich auffälliges zu sein scheint. Er tilgt v. 51 : indessen
ist der wortreichthum und die Wiederholung im munde des ge-
ängstigten greises wohl zu begreifen ; mit recht verwirft Ritter
nach dem Vorgang von Burges vs. 267 und 268; mit zweifelhafter
berechtigung 411, wo das logisch anstössige mar1 ov jetzt
von Wolff in oi<5' oog geändert wird. Ritter wiederholt seine
früher ausgesprochene ansieht, dass 1524 — 30 einem interpola-
tor angehören , eine meinung die referent nicht theilen kann,
da emendationen die meisten anstösse beseitigt haben ; statt
oSelv (1528) schlagen wir daselbst as delp vor, eine leichtere
anderung als das deov oder xqswv anderer. -* Andere conjec-
turen mit ausnähme jener athetesen und einiger orthographi-
scher besserungen finden wir bei Ritter nicht viele; einige pas-
sende zu den chorgesängen ; unnöthig ist aber unter diesen
511 in1 für an* in rqj an ifiäg qigsvog, wo änb ebenso be-
rechtigt ist wie 682 dficpoiv an avroiv. Im übrigen ist die
kritik des Verfassers conservativ, was zwar gegenüber gewissen
ausschreitungen des scharfsinnigen Nauck, vollends bei Her-
werden und M. Schmidt keineswegs zu tadeln ist. Aber hy-
perconservativ müssen wir es doch nennen, wenn 1423 auch
nach Naucks und Meineke's versetzungsvorschlägen, nach Her-
wardens und Teuffels annähme einer lücke gar kein gedanken-
hiatus scheint von Ritter anerkannt zu werden, wenn bei v. 17
die ungeheuerliche tmesis in' ijOeeov XsxtoI = ini'XsxTot und die
dreitheilung gegenüber Bentleys Uqsvq festgehalten wird, wäh-
rend doch vers 31 : iyvo und oids naidtg die blosse zweitkei-
lung deutlich ergeben; wenn v. 161 es noch als möglich er-
Nr. 1. 13. Sophokles. 35
achtet worden xvxXosvt' als grammatisch zu ■&q6vov, logisch zu
ayogäg gehörig zu betrachten; wenn unser herausgeber 920
xattvypaaiv festhält gegenüber dem Wunderschen xaTägyiiaaiv,
welches doch nicht nothwendig gerade einen opferstier bedeu-
ten muss; wenn endlich die ungeheuerliche erklärung und inter-
punction des scholiasten 324 : iyoo ö' ov \ii[ nozs J za(tf <ag av
unoi [xtj ta a ixqiTjvcQ xaxd wieder aufgenommen wird, um der
nothwendigkeit einer weitern emendation als arsinca für av
Einco zu entgehen; ich lese hier: iym 5' ov fir/nois 16
fivßog avsCam y [xt] xz\. Kurz für erklärung und kritik gerade
schwieriger stellen finden wir in der Ritterschen ausgäbe wenig
geleistet, während allerdings verschiedene beitrage zur kennt-
niss des Sprachgebrauches der dramatiker darin zu finden sind.
A. H.
13. Individuelle und generische erklärung der Electra des
Sophokles. Eine didaktische skizze für freunde des gymnasial-
unterrichts. Zweiter theil (v. 324 — 803). Einladungsschrift zu
den Schlussfeierlichkeiten des Jahres 1871/72 an der königl.
studienanstalt zu Nürnberg von Dr Adolf Weste rmayer
k. professoratsverweser. Nürnberg, 1872.
Die arbeit Westermayers, von welcher das obige programm
nur einen kleineren theil enthält, ist bestimmt, Schülern höherer
gymnasialklassen eine anleitung zu selbständigem Studium des
Sophokles und dramatischer werke überhaupt zu geben, und
daneben auch den nicht philologisch gebildeten freunden des
alterthums die kenntniss eines hervorragenden werkes der grie-
chischen kunst zu vermitteln. Die behandlung ist daher, dem
natürlichen gange des Schulunterrichtes entsprechend, eine von
scene zu scene fortschreitende, womit man sich ebensosehr wird
einverstanden erklären müssen , wie mit der vorausschickung
einer prosaischen Übersetzung für leser der oben bezeichneten
art. Eine wesentliche förderung für die Wissenschaft kann von
der schritt ihrer ganzen anläge nach allerdings kaum bean-
sprucht werden, doch wird sie immerhin lehrern, welche auf
dem gymnasium die Elektra zu erklären haben, durch ihre kla-
ren und ansprechenden erläuterungen ein nicht unbrauchbares
hülfsmittel gewähren.
L. G.
3*
36 14. Alte historiker. Nr. 1.
14. Antiochus von Syrakus und Coelius Antipater von
Eduard Wölfflin. — Winterthur bei J. Westfehling. In
commission bei B. G. Teubner. Leipzig. 8. VIII u. 99 s.
Dem philologischen publikum haben wir von einer Schrift
zu berichten, welche geeignet ist, in weiten kreisen bemerkt zu
werden und anerkennung zu fiuden. Der Verfasser legt uns in
leichter form die resultate von forschungen vor, die er mit seiner
philologischen gesellschaft angestellt hat. Indem er auf empi-
rischem wege „lexikalisch" forschend vorgeht und sich „ein
mikroskop " zur Untersuchung der Schriftsteller „konstruirt",
kommt er zur entsckeidung der schwierigsten fragen.
Antiocbus von Syracus wird auf p. 1— - 21, Caelius von p. 22 —
99 behandelt. Der erste aufsatz geht von Thuc. 6, 2 — 5 aus.
Die frage, ob Thukydides die dort gegebene geschichte der koloni-
sation von Sicilien eigenen forschuugen oder einer vorhandenen
quelle verdanke, wird auf dem wege „lexikalischer Sprachfor-
schung" dahin beantwortet, dass Thukydides hier ausschliesslich
der 2!txeXiaizig ovyyQayrj des Antiochus folge. Wölfflin hebt
zunächst p. 4 einige vom thucyd ideischen Sprachgebrauch ab-
weichende Wendungen in der stelle 6, 2 — 5 hervor: 2, 1: nct-
XawTuToi, sonst bei Thukydides TtaXaiiaroi ; 3, 1 : ßapog ogzig
= off, eine ionische wendung , die auf ionische quelle weise,
4, 2 zovg ' Tßlaiovg ttltj&svTag , sonst nur yaXov^dovg ; 3, 2
zov iftOfnivov tzovg, wo i^sa&ai temporal, was sonst nur lo-
kal gebraucht wird; und endlich weicht 2, 5 'izr\ iyyiig zgid-
xovza, 4, 4 und ebenso 5, 3 iyyvraza für fidXiaza^ vom ge-
brauch des Thukydides ab. So findet Wölfflin ein frem-
des stilistisches gewebe auf, das von Thukydides nur mangel-
haft überkleidet ist. Die spracbe (p. 5 — 6) deutet darauf hin,
dass der gewährsmann des Thukydides ein Grieche war; seine
Zeitrechnung bestimmt in auffallender weise alles nach der grün-
dung von Syrakus, setzt aber das jähr derselben als bekannt
voraus; er war also ein Syrakusaner, mit anderen Worten An-
tiochus (p. 7 — 8). Der zufall hat uns den anfang seines 7za-
Xiag olxiopog bei Dion. Hai. Aß. I, 12 erhalten, und der hebt
gerade an: Tijv yijv zavtijv, r\ng vvv 'haXia xalehai. Wir ha-
ben also einen „kameraden" zu dem ßcopog Saug; einen hin-
weis auf Antiocbus, wie ihn der philologe nicht deutlicher wün-
schen kann.
Nr. 1. 14. Alte historiker. 37
Wir müssen uns begnügen , in diesen wenigen zeilen die
methode des Verfassers auzudeuten , der von sicherer grundlage
aus mit klarheit fortschreitet ; und wenden uns zum zweiten,
bei weitem umfangreicheren aufsatze.
Unter der Überschrift Coelius Antipater behandelt Wölff-
lin von p. 22 an die frage nach den quellen des XXI. buches
des Livius. Die Untersuchung geht sprungweise vor und ein-
seitig, insofern nur die im allgemeinen auf Coelius zurückzufüh-
renden capitel in acht gesonderten nummern behandelt werden.
Kritische, stilistische bemerkungen bilden überall die grundlage
und werfen ihr licht auf die von Livius benutzten quellen.
Dem Verfasser zerfällt das 21. buch in zwei theile; einen wört-
lich aus Polybius und einen aus Coelius stammenden, welche
beide mit einander kontaminirt sind. Ueberall wird Coe-
lius , der Jurist , als absichtlicher verdreher von thatsachen
im interesse des vermeintlichen ruhmes seiner nation blosge-
stellt: p. 19—32; p. 37—40; p. 50—62; im übrigen ist sein
charakter als rhetor bekannt, 6owie_ seine Sorglosigkeit in geo-
graphischen dingen , p. 47 ff. Im wesentlichen geht auf ihn
der grösste theil des 21. buches zurück; dagegen sind nament-
lich gefechtsberichte , der marsch über die Alpen, aus Poly-
bius entlehnt, jedoch so, dass rhetorisch gefärbte stellen aus
Coelius gleich grellen Schlaglichtern darauf gesetzt sind , p.
47. Leider sind die stellen, welche auf Coelius und die, wel-
che auf Polybius zurückgehen sollen, nicht immer genau nach
capitel und paragraph geschieden; auch ist manches nicht er-
klärt; so z. b. die rückreise der letzten gesandtschaft von Kar-
thago über Spanien und Gallien nach Eom, Liv. 21, 19, 6 — 20,
die wir doch nicht unbedingt auf Coelius zurückführen möchten.
Einen beweis, dass die mit Polybius übereinstimmenden stellen
wirklich aus demselben stammen, hat der Verfasser nicht ange-
treten; und doch sollten wir meinen, müsse es leicht sein, an-
klänge an Polybius darin zu finden, wie diese meistens vorhan-
den sind, wenn Livius wirklich den Polybius benutzt. Indes-
sen lag dies wohl ausser des vfs. absieht; doch hat es immer
sein missliches, den einen theil der frage ohne den anderen zu
behandeln.
In betreff der für die quellenforschung gewonnenen resul-
tate wird man in vielen punkten dem verf. beistimmen müssen,
38 14. Alte historiker. Nr. 1.
und die benutzung des Coelius in dem grössten theile des bu-
ches zugeben. Dagegen müssen wir wieder daran erinnern, dass
doch eine contamination, ein verweben zweier traditionen zu ei-
ner, das corrigiren des einen autors nacb dem anderen, so viel
bis jetzt feststellt, nicht die art war, in der Livius arbeitete.
Sollte Livius wirklich geglaubt haben, die schöne Schilderung des
Polybius vom Alpenübergange durch einige an falscher stelle aufge-
setzte Schlaglichter zu verschönern, während er dies sonst nicht
thut ? Oder wenn er wirklich die autorität des Polybius in geo-
graphischen dingen so hoch stellt, warum erzählt er nicht auch
den marsch bis an die Alpen nach ihm und entscheidet den streit
über den benutzten pass mit seiner autorität? Dass er dies
nicht gedurft habe, weil Polybius ein Grieche sei, in einer für
das nationalgefühl so indifferenten sache, ist doch ziemlich
schwach (p. 57); durfte doch Coelius in seinem nationalen
werke den Silen, den Griechen im punischen lager, unbedenk-
lich benutzen. Vielmehr wird nach Wölfflin Livius selbst jetzt
zum falscher; oder wie sollen wir es anders nennen, wenn er
trotz besseren wissens den namen def Allobroger weglässt,
p. 49 ; wenn er p. 72 — 73, um eine doppelrelation zu verein-
baren, die bei Polybius angegebenen Winterquartiere „unterdrückt" !
Doch trotz etwas abweichenden Standpunktes bleibt des
trefflichen genug anzuerkennen. Dahin rechnen wir die lehr-
reiche art, in welcher p. 23 — 27 gezeigt wird, wie Livius das
archaistische latein seines Vorgängers bearbeitete, jedoch nicht
so, dass nicht noch einige spuren desselben zu finden wären;
wie dagegen Cicero die alten ausdrücke ohne weiteres aufnahm,
nachdem er den urheber genannt: Liv. 21, 22, 5 und Cic. de
Divin. 1 , 24, 9. Dahin rechnen wir ferner den kritischen an-
hang, p. 84 — 99, mit bemerkungen über livianischen styl, werth
der handschriften, und über corruptelen, welche den gediegenen
kenner des Livius uns überall zeigen.
Jedenfalls wird auch der, welcher den gewonnenen resulta-
ten nicht in allen punkten beistimmt, die schritt reich an beleh-
rung und anregung finden, und zugeben, dass die gut und
schlecht überlieferten partien des 21. buches des Livius noch
nie so deutlich geschieden und der grund der verderbten Über-
lieferung mit so überzeugender klarheit dargelegt ist.
F. F.
Hr. 1. 15. Thukydides. 39
15. Kleine beitrage zur erklärung und kritik des Thuky-
dides (I. theil), von Dr Hünnekes, rector des progymnasiums
zu Prüm. 4. Cleve 1871.
16. Proceedings of the American Academy of tue arts and
sciencgs, Cambridge, June 14, 1864. Professor Goodwin
presented I. note on Thukydides I, 22.
17. Der abschluss des 50jährigen friedens bei Thucydides
Von Julius Steup, Eh. Mus. N. F. XXV, p. 273—305.
18. Thukydides reden und Urkunden aus dem peloponne-
sischen kriege, übersetzt mit dem wichtigsten aus der kriegsge-
schichte von Carl Beck, dekan in Reutlingen. 8. Halle 1871.
Es ist eine freude , auf eine so sinnige , eingehende for-
schung aufmerksam zu machen, wie die unter nr. 15 genannte.
Auch sie bezeugt es ihrerseits, wie wacker und erfolgreich jetzt im
Thukydides gearbeitet wird. Der vf. nennt seine schritt „kleine
beitrage", und allerdings sind sie einzeln meist von geringem
umfang, aber es sind ihrer im ganzen 145, und wir dürfen sa-
gen, es ist kein kleines, was hier dem Thukydides gu gute
kommt. Zwar befürchtet der vf. in einer anmerkung nicht
ganz mit unrecht, dass er wegen der dürftigkeit seiner schul-
bibliothek inmitten der Eifel auch wohl einmal schon von an-
dern gesagtes als neues vorgebracht oder fremdes nicht gehö-
rig berücksichtigt habe. Doch muss man sagen, dass ihm bei
diesem mangel an äussern mittein seine eigne solide gelehrsam-
keit und gute genaue kenntniss des Schriftstellers trefflich aus-
geholfen hat, wenn man auch dabei den wünsch nicht unter-
drücken kann, dass entweder solche wackre kraft selbst näher
an die grosse Strasse des Verkehrs verpflanzt oder ihr in die
abgelegenen berge reichlichere mittel zugeführt werden möch-
ten. Wir können im folgenden nur die ersten etwa zehn stel-
len der schritt etwas eingehender besprechen und dürfen, wo
wir nicht einverstanden sind, deswegen abseifen des vf. nicht
sorgen, weil sich bei ihm das reine interesse, das nur dem
schriftsteiler gilt, auf jeder seite anfühlen lässt. Durch diese
volle hingäbe an den Schriftsteller hat er in diesen beitragen,
auch wo eins oder das andere ihm missrathen sein dürfte, zum
tieferen verständniss desselben eine reiche fülle von schätzen
geliefert, die keiner, der sich specieller mit Thukydides be-
schäftigt, ohne schaden unberücksichtigt lassen wird, und die
40 15. Thukydides. Nr. 1
nach dem in aussieht gestellten zweiten theil und weiterem
grosses verlangen erwecken.
Die erste stelle , die der vf. bespricht, ist leider für das
herrliche werk kein nQÖaconov zqXavyeg geworden. Er will für /,
31, 1 — 3 (Bekk.), die vielleicht schwierigste stelle, wie er meint, im
ganzen Thukydides, noch einen neuen versuch wagen. Es ist
dieser : xai vor tr)v nqöaooov verbindet anoatTJocoaiv und yCyvr]rai,
xai vor apa heisst: auch, aviotg nach iqoQpÜGiv geht auf
die Athener vor Mytilene, acpiaiv auf die Lacedämonier, und
danavT] heisst: (aufzuwendende) mittel. So übersetzt er denn:
„und damit, wenn sie diese so bedeutenden einkünfte der Athe-
ner wegnähmen, auch zugleich, wenn sie dieselben blokiren
wollten, sich ihnen die mittel dazu böten". Bei dieser auffas-
sung soll jede Schwierigkeit sowohl in sprachlicher wie in sach-
licher beziehung gehoben sein. Doch ist diese erklärung nach
beiden seiten unmöglich. Denn 1) fällt dann für den Schrift-
steller aller grund weg, warum er die worte : ttjv tiqoqooov rav-
TTjv fisyiatTjv ovauv 'A&tivalmv rjv acpelcöai, überhaupt noch sa-
gen sollte. Der inhalt dieses satzes ist in dem vorhergehenden
ttjv 'Iiov'av ajroaTtjocoaiv schon vollkommen eingeschlossen, ist
allen selbstverständlich mit ihm gegeben, und durfte nur dann
besonders hervorgehoben werden, wenn neben dem geldverlust,
den der abfall Ioniens für Athen hatte, noch ein anderer geldver-
lust der Athener zu erwähnen war. Dann 2) wäre der Vorschlag,
der dem Alkidas so gemacht würde , durch blokade die Athe-
ner zur Übergabe Mytilene's zu zwingen, für die damaligen Ver-
hältnisse etwas geradezu ungeheuerliches. Nur bei einer Über-
rumpelung hatte Teutiaplos an einen erfolg gedacht, bei einem
xaivbv tov noXsuov ; Teutiaplos selbst also hielt eine blokade
für unmöglich, und nun sollte sich jemand beigehen lassen,
dem Alkidas einen Vorschlag auf schwierigeres zu machen,
wenn er schon das geringere verweigert hatte? Und 3) kann
xai äua dandv?] cscpiai ytyvtjzai niemals heissen : „auch zugleich
sich ihnen die mittel dazu böten". An den zwölf stellen, wo
banävt] im singular im Thukydides vorkommt, auch an den
drei vom vf. angeführten, heisst es: der aufwand von mittein,
nicht die mittel zum aufwand, wie dies auch in der wurzel des
Wortes liegt [San — da — Öat'w), und daher kann auch danäpt]
ytyv&Tai, was im Thukydid es nur hier, und ßoviel ich sehe, in der
Nr. 1. 15. Thukydides. 41
ganzen gräcität nicht wieder erscheint, nur bedeuten, es entstehen
kosten, und nicht: es werden einem die mittel zur bestreitung
von kosten. Ist aber die auffassung des vf. unstatthaft, so sind
doch im obigen die demente für die richtige erklärung der
Überlieferung schon beisammen. Was der vf. über die beiden
xai sagt, ist richtig, ?jv icpooiA<ä<5iv aviolg aber heisst: wenn die
Athener sie, d. h. die abgefallenen Ionier blokiren, und ocftai
sind die Athener, die in lyoQuäoiv Subjekt geworden sind.
Das ganze also heisst: ,, damit sie Ionien zum abfall brächten
und, wenn sie den Athenern diese grössten einkünfte nähmen,
ihnen auch zugleich durch eine blokade Ioniens Unkosten ent-
ständen". Das ist was man dem sinne nach hier gebraucht
(man vgl. y, 33, 4) , und auch über die spräche darf man be-
ruhigt sein. Denn wenn auch sonst der gewöhnliche ausdruck
xai ctfxa xai ist, wie ö', 117, 9; s, 4, 23; c, 25, 8 ; #, 80, 22, so
sieht man hier den grund der änderung leicht. Dem apu, das
an ein moment ein zweites anreiht, geht das erste allemal
voran, so in jenem 8f 117: die Verhinderung der erobernden
fortschritte des Brasidas. Das war hier in den Worten: oncog
Typ 'lcovCav äTzoorTJacoaiv, noch nicht geschehen ; nothwendig
musste also, wenn hier durch aua eine zweite Schwierigkeit des
athenischen budgets bezeichnet werden sollte, die erste voraus-
geschickt sein, also nach dem ersten anschliessenden xai vor
aua erst jenes erste moment, also der satz : i^v nqögobov —
tjv acpsXmaiv folgen; worauf kein grund mehr vorlag, mit a\ia
xai fortzufahren, weil die beiden xai schon durch den Zwischen-
satz auseinander gebracht waren. Dem daaatq aqu'ai yiyvqrai
geht aber wiederum der begründende satz ebenso natürlich voran,
wie in jenem ö, 117 d xaXmg acpiai £%oi dem xai <-vußrjvai ra
aXeico. Endlich darf das erst spät nach dem object eintretende
ijv z. 2 keinen anstoss geben; man vgl. ß, 13, 12; &, 58, 23;
a, 120, 1; y, 40, 3 zw; (*, 18, 8 (und a, 82, 23, worüber
unten).
Was der vf. über a, 69, 25 und «, 121, 10 sagt, ist voll-
kommen richtig, auch y, 39, 19 ist der sinn in der hauptsache
richtig wiedergegeben , aber es ist zu viel behauptet , dass
xat nicht in engster beziehung zu vvv stehe. Wegen des xai
vor näXai gehört auch xai vvv zusammen : wie ihr vordem die
Mytilenäer nicht bevorzugen solltet, so müsst ihr's auch jetzt
42 15. Thukydides. Nr. 1.
nicht. Das ist dem ge danken nach die gegenüberstellung , nur
dass zur präcisirung des einzelnen andere worte gebraucht sind.
Hätte der vf. in seiner Übersetzung nicht das xaC vor näXai
ausgelassen, so würde er selbst mit: auch jetzt haben fort-
fahren müssen.
Im dann folgenden ö, 98, 11 hält er Eeiske's vermuthung:
xa7eiQyo/.i£v(p für durchaus geboten, nimmt 77«? als subjektsac-
cusativ und übersetzt ^vyyvosfiöv zi yiyvea&ai: excusationem aliquant
habet. Das ganze heisst ihm : » „es sei natürlich, dass jegliches
(bei) einem durch krieg und überhaupt irgend eine noth be-
drängten einige nachsieht finde auch von Seiten des gottes".
Doch möchte er für ngog zov &sov lesen: nqog zov #c/oi>, weil
die bezeichnung auf einen bestimmten gott in dem allgemein
ausgesprochenen satz seltsam erscheine. Classen hatte näv ad-
verbial genommen im sinne von: durchaus, jedenfalls, und da-
für auch «, 70, 2 : xal mg näv diacpsgovzag angeführt. Nach
dem vf. soll näv daselbst heissen : in jeder beziehung, aber
hätte Classen sich nicht auch diese Übersetzung für sein: näv
ö' elnog gefallen lassen können? In jeder beziehung, d. h.
durchaus natürlich sei es u. s. w. Classen hatte ferner ^vyyvtO'
fiov zi als prädicat zu näv als Subjekt befremdlich gefunden.
Der vf. findet das nicht, bringt aber doch eigentlich keine recht-
fertigung des ausdrucks vor. Denn wenn s^ovze'g zi %vyyvoj[tt]g
in y, 44, 29 sehr selbstverständlich ist, warum denn das zi
wie hier nicht auch bei ^vyyvmfxov in y, 40, 3 : ^vyyvmnov 8
iazi zo oMovaiov , welche stelle vor allen zur vergleichung be-
achtenswerth war. Und Classens letztes bedenken, dass bei
näv als subjekt dann xazeigyeiv mit sachlichem objekt stehe,
übergeht der vf. mit stillschweigen. So will es mir scheinen,
als hätte der vf. hier eigentlich noch keinen beruf gehabt, sich
gegen Classen vernehmen zu lassen , denn was er zu sagen
hatte, konnte ihm selbst noch keine Sicherheit geben. Ich denke,
die sache ist weit anders. Unser vf. fühlt 6ehr richtig , dass
nagä zot &eov in keinen allgemeinen satz gehört. Aber nun
musste er auch besonnener weise sogleich weiter sagen: also ist
dieser satz , um den es sich handelt, kein allgemeiner, sondern
ein specieller, und zwar ein ganz specieller, der es mit ei-
ner officiellen rechtfertigung auf eine officielle beschwerde zu
thun hat. Auf die beiden vorgebrachten anklagen der Böoter,
Nr. 1. 15. Thukydides. 43
sich de? heiligthums und des heiligen brunnens zu enthalten,
hatten die Athener bis zum fraglichen satz eingehend geant-
wortet. Das dritte stand noch aus, was die Böoter in den Wor-
ten vorgebracht hatten, c. 97, z. 24: xal oaa äv&Qanoi iv ßs-
ßfacp dgcaGiv , nävza yiyvea&ai avzo&i. Das ist nun der
punkt, auf den die Athener in unserm satze die antwort ge-
ben: näv ö' slxog £ivai zq> Tzolzpcp xal Öeivm Zivi xazsigyä/xarov
^vyyvm(i6v zi ylyvsa&ai xal Ttgog zov &sov. So ist überliefert
und so ist auch zu lesen und zu verstehen, llobg zov &eov
ist gesagt; also um den Apoll handelt es sich, in dessen na-
men die Böoter die Athener fortgewiesen hatten, c. 97, 29, und
um das handelt es sich, worauf die Athener in ihrer antwort
den Böotern bisher noch nicht gedient hatten , was noch sonst
ungebührliches durch sie im heiligthume vorkommen sollte. Sie
bleiben auch hier die specielle antwort selbst bis auf das einzelne
wort nicht schuldig. Die Böoter hatten gesagt: xal oaa äv-
&Qoonot iv ßeßrjXcp domaiv, nävza yCyvea&ai, avzö&i; die Athener
sagten darauf: näv — xazuoyofiwov — yiyvsa&ai, ein jedes,
was aufgenöthigt werde, geschehe. Darum also ist näv noth-
wendig Subjekts - accusativ , und steht im ganzen satze voran,
so gut vorher v8coq vorangestanden hatte. Häv — xazeigyo-
(asvov, nicht näv zo xazsioyopEvov, auch die Böoter hatten all-
gemein gesprochen, oaa — nävza, solche dinge lassen sich
eben nicht zählen und bestimmen. Dabei kommt xazslgyco al-
lerdings im Thukydides, bei dem es im ganzen nur fünfmal
erscheint (einmal, d} 47, 33: xa&ETol-av) , nicht mit sachlichem
objekt vor, aber doch sonst: Plut. Pomp. c. 53 und Morr. p.
445 D., und vergeblich würde man sich nach einem worte um-
sehen, das für die Situation der Athener hier besser passte.
Sodann ist eben so sehr, wie näv — xazsigyofxsvov nicht den
artikel zwischen sich haben darf, zw nole'ficp nothwendig, denn
gerade über das, was ihnen augenblicklich aufgedrungen wird,
haben die Athener sich zu rechtfertigen, und so entschuldigen
sie sich tw nolepcp, in welchem sie eben begriffen sind, und
durch alle die nicht weiter zu definirenden nöthen, die er herbei-
führt, xac 8siva> zivL Wir gebrauchen also zip noXs'fiop, um nur
stellen aus dem ersten buch anzuführen, wie «, 22, 6 ; 55, 11;
81, 18; 115, 9, und nicht noXi^ wie «, 2, 10; 34, 2; 97, 1;
103, 33; 120, 16: 140, 14. Und nun endlich %vyyvu)tu6v zi
44 15. Thukydides. Nr. 1.
yiyvsaüai. Ich frage den vf. , wenn ^vyyvcopov « yiyvsrai hei-
ssen soll: excusationem aliquam habet, warum hat der schriftstei-
ler dann hier nicht gesagt, wie sonst: <-vyyvc6n?]g zi l^fitv, y,
44, 29; ^vyyväfitjv '£%siv, y, 39, 29; oder ^vyyvco^g xvyyü.vuv
wie rj, 15, 12; oder ^vyyva(X7]v Xrjipsa&cu wie y, 40, 1? Das
ist wenigstens seine gewohnte ausdrucks weise, und Thukydides
hat immer seinen grund, wenn er die verlässt. ^tyyv(0(i6v ti
yiyvsrai im sinne, wie der vf. will, muss ich behaupten, konnte
Thukydides nicht sagen; sonst hat er noch ^vyyvmfxrj absolut,
«, 32, 1; ö, 61, 28; e, 88, 21; oder ^vyyvm^v slvai 8, 114,
7 ; &, 50, 2; er kennt also nur sati oder slvai. bei %vyyt>(6fir],
wie es auch allein, wenn man sich es einmal klar vorstellt, zum
begriff von ^vyyruui] passt; und nun gar hier, wo die Athener
doch gewiss nicht sagen werden , dass was man ihnen als ein
bereits begangenes unrecht vorwirft, bei dem gotte zu einem
verziehenen erwachsen werde. Entweder es ist verziehen oder
es ist es nicht ; so heisst es denn auch y, 40, 3, das einzige
mal, wo dasselbe adject. neutr. gen. des wortes wiederkehrt : %vy-
yvcofiov ö' ißri ro dxovaiov. riyvsa&ai und ^vyyrcopov an un-
serer stelle gehören aber nicht eng zusammen, sondern das
ytyvea&ai hier in der rechtfertigung ist dasselbe yt'yveo&ai in
der anklage, und so heisst denn das ganze: „natürlich aber
sei es, dass ein jedes, was sich ihnen durch den krieg und ir-
gend eine noth aufdränge, geschehe als etwas auch vom gotte
verziehenes". Jetzt sieht man, warum ii gesagt ist, und auch
nur dieser sinn, der mit der Überlieferung xaTstQyöpevov gewon-
nen wird, trifft das richtige mass dessen , was die Athener be-
haupten können, nicht aber was sich bei der änderung xareiQ-
yofAsvop ergiebt, da doch die Athener nicht gemeint sein können,
dass einem, der durch krieg und noth bedrängt werde , alles
und jedes (auch das durch den krieg nicht veranlasste) zu thun
erlaubt sei.
In der folgenden stelle £, 10, 17 zw.: ol de avzov avatga-
cpepjse bnlltaif inl tov Xoyov, bringt vf. für avtov einen Vor-
schlag, wie es scheint, um aus dem dilemma zu kommen, ob
er es mit Poppo für das pronomen oder mit Krüger für das
localadverb nehmen soll. Er fragt in Bekkerscher kürze an :
avzoi? und vergleicht 8, 4, 14 und ?/, 128, 14. Aber so gut
avjol gemeint ist, wollen 'wirs doch lieber nicht nehmen, denn
Nr. 1. 15. Thukydides. 45
es ist stillschweigends auch ohne dies da. Denn wenn es vor
her von diesem rechten flügel der Athener heisst z. 13: epave
fiäXXor, vom Kleon aber sogleich sv&vg cpevycov gesagt wird,
so versteht es sich von selbst , dass was die hopliten gethan,
sie aus sich selbst, ohne ihren befehlshaber gethan haben. Da-
gegen ist avzov nicht zu entbehren. Natürlich ist es adverb,
nicht pronomen. Wo hat denn Thukydides je von den krie-
gern eines griechischen feldherrn oi avzov azgaziärai gesagt?
Das geschieht nie ohne eine präposition: ß, 80, 25; y, 102,
17. 21; 107, 19; d, 25, 24; 38, 34; v, 43, 14 zw.; 52, 3;
81, 26; 82, 18; 83, 29; 0, 71, 31; 90, 32; 92, 11 zw.-, 94,
6. Nur die krieger eines asiatischen despoten sind wie sein
eigenthum, daher &, 25, 16. 18; #, 108, 6; 109, 9. Dage-
gen hat Thukydides das localadverb avzov oft genug, im gan-
zen 32 mal, wozu ich auch 8, 30, 31 rechne, wo kein grund
ist, von der Überlieferung avtov abzugehen, weil es ohnerachtet
der Stellung sich an eläaaoai anschliesst und ein avzovg, das
ohnedies im satze keinen bezug hätte, wegen d, 16, 10 und
14 lieber entbehrt wird. Das avzov nun an unsrer stelle ist
äusserst significant. Es stellt die wackern hopliten in scharfen
gegensatz zu dem sv&vg (fsvymv des Kleon und brandmarkt die-
sen ebenso sehr ein zweites mal, wie ihn schon die angäbe
vom myrkinischen peltasten gebrandmarkt hatte.
Es folgt sodann eine schöne sorgfältige besprechung von
«, 82, 22 — 28. Ohne zweifei ist die stelle nur mit der Va-
riante nal za avzmv verständlich, und ich freue mich, dass der
vf. das gesehen. Denn zu. rjfit'zeg' uvzcov verlangt einen gegen-
satz, der nur durch die bundesgenossen, ttai za avzäv, gegeben
ist. Aber ich hoffe doch, der vf. wird zugestehen, dass die
sache noch ein wenig anders ist, als er sie will. Kai vor za
rjuezso"1 avzäv, sagt er, gehört zum ganzen, und macht nun nach
i^aozvea&ai ein punkt. Das erste ist nicht der fall, und das
andere darf nicht geschehen , und so erst bekommt das ganze
seine rechte übersichtliche lesbare gestalt. Denn was soll ich mir
dabei denken: v.ut gehört zum ganzen v.a\ za hytitt^ avzüv i%ag~
tvea&ai? Soll das heissen : durch dieses «at wird das folgende
Satzglied dem vorhergehenden gegenübergestellt ? Das kann
eben des zu ?)^5r«p' avzäv wegen nicht geschehen, das noth-
wendig die bundesgenossen zum gegensatz verlangt und deswe-.
46 15. Thukydides. Nr. 1.
gen schon auf das folgende hinweist. Diesem xai vor tu tjfii-
7£q' avtäv entspricht also das xai vor %a avxStv z. 28, und so-
mit ist also nach i^agTvsa&ai kein punkt zu setzen , sondern
ein komma, und der Zusammenhang des ganzen ist also
dieser: „und inzwischen sowohl unsere eignen mittel in Be-
reitschaft zu setzen, als auch von noch auswärts zu su-
chenden bundesgenossen die ihnen zustehenden mittel uns zu
wege zu bringen". Ich sehe wohl, dass der vf. sich durch
seine weise das sxaoQi^wfis&a neben dem i^agTvsa&ai hat mil-
dern wollen ; aber ist denn xslsvoo i^aQzvsa&ai und ixaoQi£(6-
fxe&a nicht geradezu dasselbe, und ist nicht das selbständig auf-
tretende tnnoQit,(i)fxi&a hier eine viel leichtere spräche, als wenn
nach einem so langen vorbereitenden Zwischensatz mit ixnogi-
^ea&ai noch an jenes obige xeXsvoo wieder angeknüpft wäre ?
Mit der dann folgenden bemerkung des vf. zu £, 31, 12 :
ovtog ds 6 otoXog <x>g %Qoviog ts iaöfievog xai xat ancpöisga —
i^agrv&sig, weiss ich nicht was machen. Das ts vor ioope-
vog scheint ihm eingefälscht oder corrumpirt aus ys, da es doch
unmöglich mit dem xat vor xat1 aficpoxega in beziehung stehen
könne. Dies xai nach dem participium heisse auch. Und für
dies letzte vergleicht er a, 20, 2; 121, 5; 2, 35, 2 u.a. Das ist
mir alles unverständlich. Wenn von einem besondern xai nach
einem particip die rede sein soll, so folgt ein tempus finitum oder
ein infinitiv, wie auch an den vom vf. beigebrachten stellen, aber
kein anderes particip, wie es hier der fall ist. Auch ist klar,
dass ein solches xai immer die thätigkeit des folgenden verbs
mit der des vorhergehenden particips in correlation setzt und
behaupten will, dass so gut das eine sei, auch das andere ge-
schehe. Auch das ist hier ganz anders, selbst wenn man sich
vorher einmal das yi des vf. statt des ts gefallen lässt; denn
deswegen weil der atöloq iQoviog war, ist noch nicht gegeben,
dass er auch selbstverständlich xax a[xq)6tsQa, xai tavai xai ne£üi
ausgerüstet war. Daher ist ein auch im sinne des vf. hier un-
gehörig, und man hat sich zu freuen, dass man für dies xai
schon im vorhergehenden das hinweisende xe liest. Denn wenn
der vf. meint , mit xaC vor xax' äftcpoxega könne das ti doch
unmöglich in beziehung stehen, so sehe ich wahrlich nicht
ein, warum das nicht sein darf und nicht in voller Ordnung
ist. Gerade so gut wie eben vorher ini xs ßgax^t nXw — xai
Nr. 1. 15. Thukydideg. 47
naQctoxevri qpavXy gesagt ist, so haben wir hier wieder für die-
selbe sache in ihrem gegensatze: a>g igöviog ze iaofisvog xul
x«t' äfxqiötEQa — i^agtv&sig , worauf sodann, um den gegen-
satz gegen das yavlrj ins rechte licht zu setzen , natürlich die
ganze herrlichkeit dieser see - und landtruppenausrüstung im
detail ausgeführt wird. Sollte der vf. nach alle dem von sei-
nem ye noch nicht ablassen mögen, so muss ich sagen, dass ein
solches ye in steigernder bedeutung nach wg in demselben satz
im ganzen Thukydides nicht wieder gefunden wird. Thukydi-
des hat yi im ganzen 165mal, nach äg 8mal, ß, 102, 4; £,
46, 33; f, 11, 2; 92, 34; rj, 15, 7; 40, 7; 67, 9; &, 2, 17,
aber, um abzusehen von andern differenzen, stets nur mit der
Wirkung einer restriction, die hier gerade am allerwenigsten
angebracht wäre.
Unser vf. ist in seinem ersten theil, wie schon ersichtlich
geworden, besonders auf das xat aufmerksam gewesen, und hat
nai öfter als auch anerkennend manches glücklich gesehen.
Doch hat er dabei nicht immer kaltes blut behalten und ist
auf seiner jagd mitunter zu weit gerathen. So ist es ihm auch
bei der dann folgenden stelle ergangen, y, 34, 11: iv ovv rm
NorCcp ol xacayvyovTsg v.ai xazoixrjöuvTsg avro&i av&ig ataaid-
aavzsg ol jxiv xtL Er führt zunächst Poppo an, der übersetzt :
qui eo confugerant et ibi domicilium posuerant. Er widerlegt Poppo
nicht, fährt aber fort: „lieber aber möchte ich v.a.1 auch über-
setzen und zu xazoixrJGavieg ziehen : iv ovv tw Nötig? ol xura-
q,vy6visg, neu naroi.y.^aavzEg avtö&i av&ig ataGiaaavzEg, ol fxiv
xiX. Es soll also heissen, scheint es: die auch dort wohnend
wieder in eine ardaig gerathen wären. Für solche anmerkung
ist unser vf. eigentlich zu gut. Man soll nicht eine meinung
gegen eine andere stellen , das führt zu keinem ziel , sondern
erschwert bloss. Thukydides, das wissen wir alle, hat gut ge-
schrieben, und so liegt es auch nur an uns, wenn wir in einem
besondern falle die eine allein mögliche erklärung noch nicht
erkennen. So lange man aber noch in solcher läge ist, sollte
man nicht anrühren und abwarten. Im vorliegenden falle ist
die eine mögliche auffassung ersichtlich genug und kein zwei-
fei, dass Thukydides auch hier seine Schuldigkeit gethan hat.
Thukydides beginnt seinen satz : iv ovv zw Noriai. Vorher
hatte er angefangen, von des Paches fahrt nach diesem No«
48 15. Thukydides. Nr. 1.
tion zu erzählen; wir müssen aber, ehe die erzählnng weiter
fortgehen kann, vorher erfahren, wie es damals in Notion zu-
stand, also ov xazonxrjvzo KoXoqimviot zijg dvm nöXecog iaXaxviag
xzX. Das ovv ist also das bekannte ovv nach einem einschieb-
sei bei wiederaufnähme der angefangenen erzählung. Schon
dadurch wird man darauf hingewiesen, dass man xal xazoixrj-
cavzeg an xazaqsvyovzsg anzuschliessen hat, denn mit diesem
xazoixqouvzeg ist eben nur jenes ov xuzq>xt]vzo wieder gebracht.
Das ist um so mehr nöthig, weil ol xazacpvyovisg sich nicht
mit dem voz'hergehenden iv zw Noricp verbindet. Kazayevyeiv
hat im Thukydides solches iv oder was dem gleichkommt, nie
bei sich, auch nicht im part. aoristi, selbst nicht im part. per-
fecti; mit ig: r, 72, 22; «, 89, 7,; 5, 113, 11; y, 113, 10;
mit im: e, 60, 25: mit no6g: £ 102, 28; #, 106, 8; d, 46,
10; mit nagd: d, 114, 34. In ö, 14, 6 ist für iv trj yy ive-
ßaXXov dabei, in y, 71, 13 für ixsi im folgenden TteCoatzsg.
Es gehört also iv za) Nozicp zum folgenden av&ig ozaaidaavzsg
ol (isv xzX. Und das wiederum um so mehr , weil nicht ol ö*
ovv iv reo Nozicp xtxzacpvyovzeg, sondern iv ovv ia> Nozicp
ol xazacpvyovzeg xzX. gesagt ist. alzö&i schliesst an xa-
loixtjoavzsg an, weil es nach der regel nachsteht, nur im
gegensatz voran, und zeigt auch seinerseits , dass iv zdp Nozicp
von ol xazacpvyovzeg und seinem zubehör gelöst ist. Das xat xa-
rotxqaavzeg avzo&i ist aber dem ol xazacpvyovzeg hinzugefügt,
weil nur so jenes obige ov xazmxqvzo zijg dvco nöXecog iaXco-
xviag, wie es musste, vollständig wiedergegeben und zugleich
die möglichkeit der azdaig bezeichnet wird. Wo bleibt da nun
noch räum für eine frage und einen zweifei ? Der Schriftsteller
also sagt so klar und bestimmt, wie nur immer möglich: in
diesem Notion also (von dem ich euch eben gesagt , dass die
Kolophonier dort nach einnähme der oberstadt angesiedelt wa-
ren) machten die, welche dahin geflohen und aich daselbst an-
gesiedelt hatten, wiederum eine stasis u. s.w. Es ist also ge-
nau so wie Poppo erklärt hatte, und Krüger und Classen still-
schweigend anerkannt haben, während der vf. es übersieht, dass
seine auffassung das avzö&i vor xazoixijoavzeg verlangen würde,
und schon deswegen, abgesehen von allem andern, ausgeschlos-
sen ist. Offenbar ist er in seinen irrthum gefallen, weil er, wie
er angiebt, durch xai das xaracpvyöt'zeg mit ozaatdaatzeg verbin-
Nr. 1. 16. Thukydides. 49
det und xaTOixtjaavTeg dann zu azuaiäaurzeg subordinirt, wäh-
rend xaTacpvyövreg und xaTOixr'jauvzeg durch xai wie zu einem
begriffe verbunden sind und uv&tg azuaiuaavzeg zu diesem so
gegebenen Subjekt die folgenden verba vorbereitet.
Doch ich bin hier bei der klarheit des Schriftstellers viel-
leicht unnütz weitläufig geworden und muss leider abbrechen,
weil ich den vergönnten räum wohl schon überschritten habe.
Der vf. ist wie gesagt denkend überall, nicht selten glücklich
das rechte treffend , wie sogleich in den beiden nächsten be-
sprechungen von y, 53, 27 — 31 und e, 18, 22, und durch das
zutrauen, das er sich alsbald von anfang gewonnen hat, auch
da anregend, wo er für seine person seinen zweifei lieber noch
hätte zurückhalten sollen, wie z. b. in der dann folgenden stelle
£, 60 , 33 : 6 de ö/j/Aog o zäv 'Ad-tivaicov üafxevog ?.ußccp , cög
opsTO, zo aatfe'g, xal deivov noiovfxevoi tzoozsoov xzX. Das xai
vor Seivor, bemerkt er, ist mir sehr verdächtig. Er sagt nicht
warum, nur so viel, dass ihm wegen des Zusatzes noözeoov stellen
wie a, 1, 3 : äo^äftetog — xai iXniaag nicht vergleichbar erschei-
nen. Das sind sie gewiss nicht , aber soll denn das xul ganz
weg, und dann ao^evog Xußcov und deivov Tzoiovfievoi für den
gedanken so gut wie auseinander fallen, oder darf xai (auch)
ngozegov nicht etwa einen begriff zwischen sich nehmen ? Das
thut es auch «, 12, 1; a, 119, 23; y, 104, 17; 8, 8, 23; 8,
54, 35. Ö, 121, 16: c, 93, 28; ??, 18, 10; #, 48, 6; &, 83,
22, und wenn das auch an stellen wie y , 104, 17 sehr natür-
lich ist, so könnte doch eine stelle wie ö, 54, 35, denke ich,
vollkommen beruhigen. Das xui an unsrer stelle ist äusserst
schön ; mit ihm heisst es vom athenischen demos : „der die Wahr-
heit, die er zu bekommen glaubte, jetzt ebenso gern aufnahm, wie
er vorher über seine kenntniss der nachstellung aufgebracht war",
und Seivöv noiov^evog ist zwischen xui-ngözegov getreten, weil der
gegensatz zu uafievog das erfordert hat. Doch manurn de tabula.
16. Die erklärung, die G-oodwin von der viel besprochenen
stelle «, 22, 13 — 17 (Bekker) giebt, wird in Deutschland
schwerlich freunde finden. Weil bei Dionysius von Halicarnass
in der Ehetorik XI, 2, p. 398 R. diese worte des Thukydides
so citirt werden, dass hinter wayilifxa abgebrochen wird, so
kommt er auf den gedanken , hinter coysl.tna xgireiv zu inter-
pungiren und zäv fitXlövzcov aqiehfia xqtveiv zusammenzuneh-
Philol. Anz. V. 4
50 17. Thukydides. Nr. 1.
men, was etwa wie xgitfiv coqisXifiov xgiveiv twv fisXXovTmv gesagt
sein soll. Das ganze heisst ihm sodann : „für alle, welche nicht
bloss eine klare ansieht vom vergangenen haben, sondern auch
daraus (aus dem vergangenen) nützliche folgerungen für die
Zukunft ziehen wollen, wird es genügend sein". Dieser erklärung
ist sprachlich alles entgegen; denn 1) täv (leXXovtmv wqibXtfxa
hqipsiv ist keine construetion; xgiveiv verbindet sich bekanntlich
nur mit dem genetiv der strafe, Qa.v6.tov; ja wäre 2) auch
co(jpA//u« xgivttv so viel wie xgiaiv dicpsXifxov xgiieiv, so ist xglaig
(ücpsliftog noch nicht eine xgCatg, dass etwas cocpsXtfAog, sei, und
3) könnte es nicht avza ägxovvzcog s'i-ei heissen, vielmehr würde
aozd gar nicht gesetzt sein. Hätte Goodwin nach Krügers drit-
ter aufläge, die an den worten wie sie dastehen, verzweifelt,
auch schon Classens ausgäbe sich herüberkommen lassen, so
würde er gefunden haben , dass was er dem sinne nach richti-
ges in der stelle sucht, nach der alten interpunktion bei ein-
facher gesunder erklärung auch wirklich enthalten ist.
17 Ein einzelnes wort oder einen satz in den alten emen-
diren, das können auch andere leute ; aber halbe , ganze , ja
mehrere kapitel hinter einander in dem gelesensten und best-
überlieferten schriftsteiler als unecht erkennen, wo Jahrtausende
ohne arg hinweggelesen, das kann nicht ein jeder und ist ein
triumph des philologischen Scharfsinns wie Olympia unter den
kämpfen. Steup hat uns schon früher einmal mitgetheilt, dass
kap. Yi 17 im Thukydides eine interpolation ist; inzwischen
hat er im geschäft der interpolationen weiter gemacht , und so
erfahren wir denn durch obige abhandlung, dass auch t, 13,
26 — 30 die worte vopioavzeg — fyovzag interpolirt sind, ebenso
der grösste theil vom folgenden c. 14, das c. 15 mit ausschluss
einer zeile, das ganze kap. 16 und von c. 17, 29 — 2, wo
dann wieder das ächte beginnt mit xa< zöv zs ^sifiür «. Aber
wodurch erweisen sich denn dem vf. , um gleich das erste zu
nehmen, in c. 13 jene worte von vofitoavreg bis zu ende als
interpolation? Weil er den bestgeschriebenen satz mit mög-
lichst grossem fleiss sprachlich und sachlich in allen wesentli-
chen theilen vollkommen missversteht. Kai äpa soll die zweite
Ursache im vergleich zur andern als untergeordnet darstellen;
wozu vofiiaavzsg xrA., fragt er, weshalb hinterher diese ansieht der
anführer, wenn aus dem vorher gesagten schon die thatsach-
Nr. 1. 17. Thukydides. 51
liehe Unmöglichkeit des Unternehmens klar sei; wesshalb werde
nicht auch die Unmöglichkeit der sache als Überzeugung der
führer hingestellt; die auslassung von rrjv arguTtuv uyaiv bei nai-
qov thai sti sei nicht ohne härte; auch die zurückbeziehung des
ixehog auf Brasidas sei hart; das nai vor ixehog ganz und gar
unpassend; der satz \xakiaza 8s xil. befremdlich, denn wess-
halb seien sie dann überhaupt von Sparta ausgezogen. Also
könne das ganze nur des werk eines interpolators sein. Aber
xal äfxa hat es nicht in seiner art, ein untergeordnetes
zweites anzugeben; das ist eine regel, die der vf. sich hier nach
seinem bedarf zugeschnitten hat; er braucht nur die ersten besten
beispiele im Thukydides nachzusehen, um es anders zu finden; a,
2, 23 ; a, 2, 7; a, 9, 28 ; 9, 32 ; a, 14, 24. Zu xuiobv slvui hi ist nicht
aus dem vorhergehenden xr\v otqoitiuv aysiv zu ergänzen, sondern
es gehört dazu was folgt: dgüv ii oov xüxeitog irrevösi; ä^io-
XQtwv steht bei Thukydides immer absolut; so ist auch ixelvog
nicht hart , sondern das allernatürlichste von der weit ; nai ver-
gleicht nicht ihn und sie, den Brasidas mit den führern, son-
dern gehört zu cov, wie a, 12, 3 und unzählige male; und vö-
HiaavTsg xrX. endlich bringt genau die erwägung , die aus dem
angegebenen thatbestand für die feldherrn erfolgt.. So ist der
sinn und der inhalt des ganzen kap. 13 also folgender: die
Schlacht bei Amphipolis fällt ende sommers; sogleich im folgen-
den winter kommen Kamphias und die seinigen auf ihrem
zuge zum Brasidas durch Thessalien bis nach Pierion; da fin-
den sie Schwierigkeiten beim durchzuge abseifen der Thossaler
und zugleich geht ihnen dort die nachricht vom tode des Bra-
sidas zu; so entschliessen sie sich nun zur umkehr, weil
sie sich sagen, jetzt sei keine zeit mehr , einen zug weiter
fortzusetzen, der auch zu den planen des Brasidas gehörte;
denn einmal war das motiv ihres heranzuges (den Brasi-
das gegen die neu angekommene athenische macht zu ver-
stärken) nicht mehr vorhanden, nachdem die Athener schon
wieder abgezogen waren , und sodann war auch ihre eigne
Streitmacht keine bedeutende (es steht der genetiv, «|to-
Xqscov alröop, nicht der nominativ) , dass sie es noch mit den
Thessalern jetzt unnützer weise versuchen mögen. Das thaten
sie nun vollends und zumal nicht, weil sie wussten, dass schon
bei ihrem auszuge in Sparta grössere hinneigurig zum frie-
4*
52 18. Thukydides. Nr. 1.
den gewesen war nnd ihren zug nur der einfluss und der be-
trieb des Brasidas veranlasst hatte. — Das sollt ich doch
glauben wäre echt thukydideisches raisonnement und nur dann
eine interpolation, wenn der ganze Thukydides eine interpola-
tion ist. Und mit den andern interpolationen des vf. steht es
nicht anders. Aber freilich wie sonst anderwärts giebt es auch
in der philologie bisweilen epidemien, jetzt die der interpola-
tion ; es ist aber zu hoffen, dass so gute kräfte, wie der verf.
sie zu haben scheint, das fieber noch glücklich überstehen werden.
18. Man soll zufrieden sein mit dem, was einer giebt, wenn
ers nur gut giebt. Sonst möchte man wünschen, der vf. hätte
uns statt dieses auszuges sogleich den ganzen Thukydides in
acht deutscher spräche geschenkt. Denn nur für den, der sich
in die geschichte des krieges selbst hineinlebt und vertieft,
können auch die reden erst den ganzen werth haben, der doch
hier beabsichtigt ist. Für den gewöhnlichen schlag „moderner
leser" , wenn solchen der vf. liebenswürdig freundlich gern die-
nen möchte, ist der Thukydides, scheint es, überhaupt nicht. Ge-
wiss ist er „ein hauptschatz von bleibendem werth", wie der vf.
übersetzt, aber ein erbe, das man erwerben muss, um es zu besitzen.
Doch freuen wir uns der arbeit des vf. aufrichtig und
wünschen ihm glück zu dem schon recht wohl gelungenen
„wagniss". Die zeit, wo Kämpf und andere mit ihm, damals
noch mit gutem fug und recht, den Thukydides in deutscher
spräche griechisch übersetzten , ist gewesen, und der vf. hat
recht, auf Döderleins bahnen weiter zu gehen und es mit dem
griechischen wort in deutschsr art zu versuchen. Ein solcher
bäum fällt freilich nicht auf den ersten schlag, aber man wird
seine innige freude haben, wenn man sich die mühe giebt zu
vergleichen, wie viel gesundes eingehendes verständniss und
tiefes nachsinnen in dieser arbeit allerorten versteckt ist. Wir
wollen es dem vf. schon glauben, dass das nonum prematur in
annum nicht bloss von der schon 1854 herausgegebenen leichen-
rede gilt. Wiederholter treuer mühe wird hernach das eine
und andere noch besser gelingen. So scheint c. 1. nach sei-
nem beiderseitgem verlaufe, keine glückliche wähl für:
cbg inoliftyaai' agb*; nlh]lovg; in ihrer kr iegs macht fehlt tjj
näarj; theils geheim ist nicht die meinung, seine Stellung
genommen für ^vpiaräfievor zu schwach; darin lag denn
Nr, 1. 19. Ennius. 53
auch der anstoss fügt etwas fremdartiges ein. Versehen
wie c. 32: während dieselbe politik für den gegenwärti-
gen krieg Korinth von unsrer seite entfernt, wird
man selten begegnen, vielmehr häufig genug solchen stellen,
wie nur die gunst des augenblicks sie einzugeben vermag.
19. De Q. Ennii Scipione scripsit Theophilus Eoe-
per. Gedani. 1868. 30 s. 4.
Der zweck der angezeigten schrift ist auf grund einge-
hender und mit gewohnter gelehrsamkeit geführter erörterung
aller einschlägigen momente den streit über die art der von Gel-
lius als liber qui Scipio inscribitur bezeichneten schrift des En-
nius zum austrage zu bringen. Bekanntlich hat man in die-
sem Scipio ein in trochäischen septenaren verfasstes episches ge-
dieht, eine fabula praetexta, eine satura sehen wollen. Letzterer
ansieht ist namentlich Vahlen gewesen, und zwar hat er ange-
nommen, dass der Scipio das dritte buch der saturae gebildet
habe, unter der Voraussetzung der identität eines titellosen, al-
lerdings auf Scipio bezüglichen fragmentes bei Cicero und eines
citates aus dem dritten buche der saturae bei Nonius (vrgl.
Poes. Enn. reliq. p. 157, fr. X). Dass aber diese beiden frag-
mente durchaus nicht identisch sind, beweist Eoeper aufs klarste
im verlaufe der abhandlung ; es müssen also für die Untersuchung
ganz ausser acht gelassen werden alle von Vahlen mit dem
Scipio verbundenen fragmente des dritten buches der suturae,
ebenso wie die sonst noch, zumeist wegen ikrer beziehung auf
Scipio, dazu gezogenen citate. Von den drei direct unter dem
titel Scipio überlieferten bruchstücken sind zwei allerdings in
trochäischen septenaren abgefasst; das dritte aber spottet, wie
Eoeper richtig bemerkt, jedes Versuches, eine wahrscheinliche
form desselben metums aus den überlieferteu worten herzustellen.
Spricht schon dieser umstand entschieden gegen die an erster
stelle angeführte ansieht, so macht Eoeper noch mit recht da-
gegen geltend , dass die abfassung eines epischen gedichtes in
trochäischen septenaren schon an sich wenig Wahrscheinlichkeit
für sich hat, und dann auf grund einer einleuchtenden beobach-
tung über die betitelung epischer dichtungen, dass der titel Sci-
pio vielmehr auf eine tragödie oder eine satura hinweist. Vah-
len hatte die worte (Sparsis hastis longis campm splendet et hör-
54 19. Ennias. Nr. 1.
ret) als hexameter gemessen , doch durch die form desselben
bedenklich gemacht in der vorrede saturnische messung vorge-
schlagen. Diesen Vorschlag verwirft Roeper mit schlagenden grün-
den; weniger schlagend sind die gründe, die er gegen die mes-
sung als hexameter geltend macht. Dass das vorkommen ähn-
licher verse bei Ennius sich nicht bezweifeln lässt, giebt er zu,
findet aber nicht, dass die für die anderweitigen beispiele gel-
tend zu machenden entschuldigungsgründe auch auf diesen vers
anwendung finden können; überdies seien die worte ja gar
nicht als hexameter überliefert, wie doch die anderen fragmente,
folglich fehle jede berechtigung so zu messen. Seiner ansieht
nach ist die einzig statthafte messung die als dimeter anapae-
sticus acatalectus und desgleichen monometer:
sparsis hastis longis campus
splendet el horret.
Wäre diese messung richtig, so wäre damit zwischen den bei-
den noch vorhandenen möglichkeiten , ob praetexta oder sa-
tura, zu Ungunsten der letztereu so gut wie verschieden, da
ein solches metrum für eine satura doch wenig Wahrscheinlich-
keit hätte'; so aber spricht die messung von splendet als tro-
chaeus bei accentuirung der endsilbe entschieden dagegen, da
sich eine solche messung für Ennius auf grund einer blossen
vermuthung nicht annehmen lässt. Was Roeper's einwendungen
gegen die messung als hexameter betrifft, so ist damit noch
keineswegs erwiesen , was erwiesen werden soll. Da Lucilius
die wie ein hexameterausgang klingenden worte sptendet et horret in
einem hexameterschlusse persiflirt hat , so ist es die nächstlie-
gende vermuthung, dass der ganze vers ein hexameter war,
und diese vermuthung erhält einige Wahrscheinlichkeit dadurch,
dass sich das fragment wirklich als hexameter messen lässt,
für den sich ein defectus artis pro arte sehr wohl in anspruch
nehmen lässt. Noch statthaft wäre die messung als anapästischer
septenar vv — vv sparsis hdstis longis cämpus splendet et horret;
aber ebenso wenig als die messung als hexameter absolut ge-
gen eine tragödie — denn bei dem fragmente IV aus der Me-
lanippe des Ennius verdient dieselbe messung unbedingt den
Vorzug vor der von Roeper vorgeschlagenen anapästischen — ,
spräche diese messung gegen eine satura, da auch das schon
oben berührte nonianische fragment aus dem dritten buche der
Nr. 1. 20. Lateinische historiker. 55
eaturae jedenfalls mitEoeper als anapästischer septenar zumessen
ist. Von dieser seite her lässt sich also für die entscheidung
der frage nichts gewinnen. Auch dass der ton der erhaltenen
bruchstücke weniger für eine satura zu passen scheint, ist für
sich kein durchschlagendes argument, wohl aber gewinnt es be-
deutung in Verbindung mit der von Eoeper wieder in erinne-
rung gebrachten, augenscheinlich durch Vermittlung von Diomedes
auf Sueton zurückgehenden notiz des Hrabanus Maurus, nach wel-
cher Scipio wirklich gegenständ einer praetexta gewesen ist. Dar-
nach hat Eoepers ansieht, dass man in dem Scipio eine prae-
texta zu sehen hat , einen hohen grad von Wahrscheinlichkeit,
so dass man sich' billig wundern muss, die sache in der neuen aus-
gäbe der tragikerfragmente nicht einmal einer erwähnung ge-
würdigt zu sehen. Ganz einleuchtend ist ferner die vermuthung,
dass das stück bei gelegenheit der triumphalspiele nach Scipio's
rückkehr aus Afrika aufgeführt worden ist.
20. Historicorum Eomanorum relliquiae. Disposuit recen-
suit praefatus est Herrn. Peter. 8. Vol. I. Lipsiae. B. G. Teubn.
MDCCCLXX.— XV* CCCLXVIII & 377 pp. - 5 thlr. 10 ngr.
Die verliegende Sammlung der aus verlorenen werken der
römischen historiker erhaltenen bruchstücke ist zwar bereits die
dritte , welche im laufe von nicht ganz vierzig jähren veran-
staltet worden ist ; danach besteht kein zweifei, dass dieselbe
einem lebhaft empfundenen bedürfniss entgegen kam. Denn
die von A. Krause herausgegebenen Vitae et fragmenta vett. hi-
storicorum Romanorum boten zwar ein reiches material , konn-
ten aber wegen des fühlbaren mangels an kritik durchaus
nicht befriedigen. Die um zwei decennien später im an-
hange zu Gerlach's prachtausgabe des Sallustius erschienene
Sammlung von Karl Ludwig Eoth zeichnete sich durch genauere
sichtung und sorgfältigere revision der fragmente aus, war aber
nur als eine art von kritischem repertorium angelegt; litterar-
historische ausführungen Hess sie vermissen und beschränkte
sich auf die diplomatisch treue aufnähme der in lateinischem
Wortlaut erhaltenen bruchstüche, während sie die griechischen
nur in lateinischer bearbeitung darbot. Nachdem eine neue
Sammlung jähre lang von August Eeifferscheid erwartet worden
war, gab Hermann Peter, der söhn des Verfassers der geschichte
56 20. Lateinische historiker. Nr. 1.
Koms in der Schrift M. Claudi Quadrigari annalium relliquiae
(Frankfurt a. 0. 1868) zugleich eine ankündigung der nun
vorliegenden arbeit und eine probe, dass er der schwierigen
aufgäbe gewachsen sei. Der stattliche band, der bis jetzt erschie-
nen ist, deckt sich nun zwar dem wesentlichen inhalte nach mit
den Sammlungen von Krause und Roth, zeigt aber eine durch-
aus verschiedene — wir setzen gleich hiuzu — die anspräche
des gegenwärtigen Standes der forschung befriedigende ausfüh-
rung. Derselbe enthält die fragmente der älteren historiker ;
der zweite band soll zum ersten male auch die historischen
fragmente aus der römischen kaiserzeit vereinigen.
Dem texte des vorliegenden ersten theils sind ausser der
widmung (Carslo. Petero. Patri. Carissimo. S.) und der vorrede
(p. VII* — XV*), welche die methode und die hülfsmittel des
herausgebers bespricht, Prolegomenon capita quattuor vorausge-
schickt, welche mit den einzelabhandlungen de scriptorum vitis
et scriptis die hälfte des bandes (p. I — CCCLXVIII) fällen.
Wir erhalten hier eine vollständige geschichte der römischen
historiographie von den ersten anfangen bis zum ende der re^
publik neu aus den quellen dargestellt mit umfassender be-
nutzung der einschlagenden literatur. Dass sich ein herausge-
ber der fragmente lateinischer historiker einer solchen weit-
schichtigen arbeit nicht entschlagen konnte, versteht sich von
selbst; aber es bleibt doch fraglich, ob auch der gesammte
apparat dem leser vorzulegen war, wodurch das buch bedeu-
tend vertheuert und die Orientierung sicher erschwert wor-
den ist. Cap. 1 der prolegomena handelt de annalibus maximig.
Bezüglich der genesis dieser officiellen historiographie ent-
scheidet sich der herausgeber gegen Cicero mit Servius dafür,
dass diese historischen notizen nicht erst am Schlüsse des jahres
auf einer tafel in der regia publiciert werden seien, sondern dass
wichtige begebenheiten sofort auf der in der regia bereit ste-
henden tafel durch den pontifex im sinne des aristokratischen
priestercollegiums aufgezeichnet wurden, um auf diese weise
dem volke unverweilt bekannt zu werden. Somit seien die
annales, deren bezeichnung als maximi gegenüber der deutung
der alten auf den umfang bei ihrer herausgäbe bezogen wird,
ursprünglich für die Zeitgenossen bestimmt gewesen und erst
in zweiter linie für die nach weit aufbewahrt worden. Erläu-
Nr. 1. 20. Lateinische historiker. 57
tert wird die Vorstellung über die annales maximi durch die
vergleichung mit den ostertafeln des mittelalters : wie diese so
vermittelten auch jene den tibergang zur eigentlichen geschicht-
schreibung, so dass zwischen den tafeln der pontifices und den
werken eines Fabius und Cincius ein analoges verhältniss be-
steht wie zwischen unseren ostertafeln und etwa den quedlin-
burger oder hildesheimer Annalen. Wie dann im mittelalter
die persönliche fürsorge eines Karl des Grossen und späterer
kaiser , so hat in Rom der eifer der adeligen geschlechter für
den ahnenruhm ihrer familie die geschichtschreibung gefördert.
Hiemit beginnt cap. 2 de litterarum monumentis privatis. Dass
durch diese familientraditionen, wie sie namentlich in den lau-
dationes formuliert wurden, die geschichte gefälscht worden ist,
wird mehrfach ausdrücklich bezeugt. Wie aber solche subjeetive
erfinduugen eingang in die officielle geschichtsüberlieferung er-
langen konnten, ist schwer zu bestimmen. Peter vermuthet,
dass die beim grossen gallischen brande verschont gebliebenen
privatarchive der auf dem capitolium wohnenden familien zur
restitution der annales maximi beigezogen worden seien. Dabei
ist freilich die annähme so früher entstehung jener fälschungen
nicht unbedenklich. Der reichthum einzelner familienarchive
hat ohne zweifei auch den entscheidenden anstoss zu historio-
graphischen publicationen einzelner Verfasser gegeben, d. h. zur
begründung einer historischen litteratur. Die epochen dersel-
ben behandelt cap. 3 Historiae Romanae aetates primis lineis
adumbratae. An der spitze der römischen historiker steht Q.
Fabius Pictor und sein Zeitgenosse L. Cincius Alimentus als
Vertreter jener in griechischer spräche, aber mit aristokratisch
römischem geiste geschriebenen Chroniken, welche nach ausführ-
licher darstellung der anfange Roms die folgenden partieen im
einzelnen ungleich, im ganzen kurz erzählten und erst bei der
selbst erlebten oder doch aus mündlichen mittheilungen genauer
bekannten zeit ausführlicher verweilten. Eine manier, die auch
den folgenden historikern, welche umfassende stoffe behandel-
ten, geblieben ist, wie jüngst Nissen im Rhein. Mus. XXVI,
p. 499 gezeigt hat. Auch M. Porcius Cato folgte derselben, so
sehr er sonst mit ausgesprochener polemik sich zu jenen anna-
listen in bewussten gegensatz gestellt hat. Er schreibt in la-
teinischer spräche, also nicht ausschliesslich für aristokratische
58 20. Lateinische historiker. Nr. 1.
leser; in volkstümlicher auffassung, ja nicht ohne eine gewisse
Scheelsucht gegen die hochadligen männer in der geschichte;
ohne die übliche beschränkung auf die stadtgeschichte, sondern
indem er Italien als einheit betrachtet. Ob Cato, wie Peter
will, auch in der auswahl des Stoffes nur die hauptpunkte her-
vorhebt, statt an dem dünnen faden pontificaler traditionen die
erzählung der geschichte fortzuspinnen, scheint ungewiss. Denn
der begriff capitulatim in dem bekannten Zeugnisse des Nepos
v. Cat. 3 darf wohl, wie die Zusammenstellung hrevissime atque
capitulatim perstringam bei Plinius NH. II, 55 zeigt, kaum an-
ders gefasst werden, als was über Fabius und Cincius bei Diony-
sius AR. I, 6 berichtet wird : HBCpaXaicodäg ins8ga/j,sv. Unter de-
nen, die Cato folgten, tritt neben L. Cassius Hemina besonders
der moralisierende L. Calpurnius Piso hervor. Epoche macht
der von Cicero namentlich gerühmte, rhetorisch gebildete L.
Coelius Antipater, der unseres wissens zuerst den titel historiae
für seine auf den zweiten punischen krieg beschränkte, zum
ersten male auch mit fingierten reden ausgestattete darstellung
wählte. Peter nimmt hiebei anlass sich über den unterschied
zwischen annales und historiae zu äussern , worüber die Zeug-
nisse divergieren, und entscheidet sich gegenüber der besonders
seit Niebuhr geläufigen ansieht, welche unter annales die dar-
stellung der früheren zeiten, unter historiae die des eigenen
Zeitalters versteht, für jene deutung, nach welcher die einfache
chronologische erzählung die annales, die pragmatische behand-
lung die historiae characterisiert. Wichtig erscheint ferner,
wohl nächst Cato unter den älteren der interessanteste, Sempro-
nius Asellio , der vielleicht durch die pragmatik des Polybius
angeregt eine pragmatische darstellung mit bestimmter morali-
scher tendenz versucht hat. Die folgenden aber wandelten nicht
in den bahnen des Coelius und Sempronius; Q. Claudius Qua-
drigarius und Valerius Antias griffen wieder zu der form der
Annalen zurück, deren dürftige trockenheit sie, insbesondere
Valerius , durch kecke erfindung zu bereichern und pikant zu
machen strebten. Ihre darstellungen erlangten eine solche Po-
pularität , dass sie die früheren so ziemlich verdrängten und
selbst eine grundlage für die werke späterer, Livius und Dio-
nysius, werden konnten. Neben ihnen ist L. Cornelius Sisenna
zu nennen, der, obschon einen naheliegenden stoff behandelnd,
Nr. 1. 20. Lateinische historiker. 59
dennoch wie einst Clitarchus mit persönlicher Parteinahme und
phantastischem sinne zur Verherrlichung der Cornelier, namentlich
Sulla's schrieb. L. Voltacilius Plotus , der erste libertine, der
es wagte wie ein vornehmer geschichte zu schreiben, diente sei-
nem patron mehr als der Wahrheit. Auch die alterthumsfor-
schung eines C. Licinius Macer und Q. Aelius Tubero suchte
mehr das interessante als das richtige zu finden. Erst die me-
thodisch betriebenen Studien der griechischen Vorbilder brachten
nach langer entwickelung die historiographie in Eom zu rascher
blüthe. Atticus und Varro veröffentlichten ihre chronologischen
hulfsbücher ; Cäsar schrieb seine commentarien , Sallustius seine
historien, Livius schloss mit seinem umfassenden werke den
reigen der republikanischen historiker. — Wir sind dem her-
ausgeber in seiner skizzierten Übersicht absichtlich schritt vor
schritt gefolgt, um zugleich eine annähernde Vorstellung von
seiner Sicherheit in der Charakteristik zu geben. Dass übrigens
das bild des einen oder anderen unter den hier und im fol-
genden von Peter charakterisierten historikern sich noch schär-
fer und ausführlicher darstellen lässt, hat erst jüngst Wölfflin
in seiner schrift über Coelius Antipater gezeigt. — Jenem
überblick der formen und tendenzen, in welchen sich die ältere
historiographie bewegte, folgt eine kurze andeutung über die
methode der damaligen geschichtsforschung ; hier hätten jedoch
die grundlegenden ergebnisse der Untersuchungen von Nissen
eine bestimmtere und eingehendere darstellung möglich gemacht.
Auffallen kann es, dass bezüglich der Quellenstudien eines Licinius
Macer u. a. einfach auf Schwegler verwiesen wird ; denn diese kürze,
die, consequent durchgeführt, den umfang des Peter'schen bu-
ches sehr ermässigt haben würde, wird nur ausnahmswsise an-
gewendet. — Cap. 4 der prolegomena bespricht qua ratione Jiae
relliquiae nobis traditve sint. Der n achweis, wie der principielle
unterschied zwischen wörtlich überlieferten fragmenten und sol-
chen citaten, die nur den inhalt des gewährsmanns reproducie-
ren, durch die fehlerhafte citiermethode der alten historiker
und grammatiker sich praktisch ausgleicht, ist verhältnissmässig
kurz gefasst. Eine reichhaltigere Zusammenstellung verwandter
erscheinungen hätte hier wie in dem folgenden abschnitte des
buches manche späteren Wiederholungen unnöthig gemacht.
Doch hat der herausgeber, wie es scheint, absichtlich lieber
60 20. Lateinische historiker. Nr. 1.
widerholungen zugelassen, um dem leser der fragmente das
nothwendige ohne allzu weitläufiges nachschlagen iu jedem falle
möglichst zur Verfügung zu stellen. Sehr ausführlich sind die
Untersuchungen De scriptorum vitis et scriptis, in welchen alle
uns bekannten historiker von Q. Fabius Pictor an bis zu Seribo-
nius Libo herab und anhangsweise Incertae aetatis scriptores mit
eingehender Sorgfalt behandelt werden, auch die quellen, aus denen
sie geschöpft, und die späteren Schriftsteller, denen sie wie-
der als quellen gedient haben, angegeben werden. Es wird
schwer sein, dem herausgeber erhebliche auslassungen oder ei-
gentliche Unrichtigkeiten nachzuweisen. Eher könnte man über
zu grosse Umständlichkeit in der Untersuchung, in die auch al-
lerlei nebendinge hereingezogen werden, und über die bisweilen
lästige breite der sonst correcten darstellung klagen. Dass frei-
lich die zahllosen, von Peter nie umgangenen controversen nicht
immer so, wie es der leser wünschen möchte, entschieden wer-
den, kann nicht wunder nehmen. Dass Fabius auf kosten des
Polybius erhoben wird, dass die ansieht von Carl Peter über das
verhältniss von Polybius und Livius festgehalten ist, dass eine
eigene Schrift de censoribus dem Cassius Ilemina abgesprochen
wird, solche und ähnliche punkte sind es , in welchen der her-
ausgeber das richtige nicht getroffen zu haben scheint. Auch
wird sich gegen die beziehung einzelner citate und gegen die
Interpretation einzelner Zeugnisse noch mancher einspruch er-
heben. Umfassende arbeiten, wie die von Peter, bilden eben
marksteine der forschung, die auf der einen seite mit dem ge-
wonnenen abschliessen, während sie auf der anderen die bahn
für weitere Studien bezeichnen. Dagegen soll in der fragmen-
tensammlung selbst etwas möglichst festes und bleibendes gege-
ben werden; sie muss nothwendig den charakter eines urkun-
denbuches tragen. Der conjecturalkritik fällt bei so trümmer-
haften Überresten natürlich eine ausgedehnte aufgäbe zu; aber
in dem abdruck der texte selbst ist sie vom herausgeber mit
vollem recht auf ein möglich enges gebiet beschränkt worden.
Selbst probable vermuthungen sind nur unter dem texte durch
den druck hervorgehoben , in den text sind nur unzweifelhafte
Verbesserungen aufgenommen. Im allgemeinen hat der heraus-
geber mit ausbeutung des in den besten ausgaben der einzelnen
Schriftsteller gebotenen kritischen materiald einen diplomatisch
Nr. 1. 20. Lateinische historiker. 61
möglichst sicheren text hergestellt; bei einzelnen autoren, zu
denen der kritische apparat noch nicht gedruckt vorliegt, wie
bei Gellius , Servius , Varro , Orosius hat sich der herausgeber
das im besitze von Hertz, Thilo, A. Wilmanns, Zangemeister
befindliche handschriftliche material zugänglich gemacht; drei
Noniushandschriften hat er selbst für seine zwecke verglichen.
Unter dem texte hin läuft ein doppelter commentar, nämlich
parallelstellen und kurze historische eiiäuterungen und eine
reiche Sammlung der wichtigen Varianten und der versuchten
emendationen. Dass hiebei manche, aber immerhin seltene
lücken sich finden, ist bereits von Hertz durch nachtrage er-
wiesen worden ; wie wenig aber hieraus bei der ausserordent-
lichen fülle und der Zerstreutheit des Stoffes ein eigentlicher
Vorwurf für den herausgeber erwächst, bedarf keiner erörterung.
Hertz hat auch den anfang zu weiterer reioigung der nunmehr
gesichteten und geordneten textstellen gemacht; hier ist nun
ein schwer zu bearbeitendes , aber gewiss fruchtbares feld für
vorsichtige kritische thätigkeit eröffnet. Die Vollständigkeit
der vom herausgeber gesammelten stellen ist wohl nicht be-
streitbar ; denn, obwohl inzwischen schon vielfach behandelt, ist
die Sammlung doch nur in einer einzigen stelle (von Hertz in
seiner Schrift de historicorum Rom. reliquiis quaestt.) lückenhaft
befunden worden. Allerdings bekennt der herausgeber selbst,
dass ihm in diesem punkte ziemlich vorgearbeitet und eher die
aufgäbe gestellt war, die zahl der bruchstücke zu vermindern
als zu vermehren. Doch ist der herausgeber hierin wenigstens
bezüglich einer stelle noch zu schonend verfahren , vgl. Hertz,
a. o. Die anordnung der stellen ist so getroffen, dass die auf
bestimmte thatsachen zurückzuführenden fragmente nach der
chronologischen reihenfolge dieser begebenheiten, die übrigen
nach dem alter der autoren , von denen sie überliefert sind,
aufgeführt werden. Alle jene stellen, welche in den uns erhal-
tenen werken nicht namentlich auf die alten gewährsmänner
zurückgeführt sind, sondern nur vermuthungsweise dem oder je-
nem zugetheilt werden , sind aus der eigentlichen fragmenten-
sammlung ausgeschieden und in die vorausgeschickten abhandlun*
gen über die einzelnen historiker eingereiht worden. Den
beschluss des ganzen machen fünf sorgsam gearbeitete indices.
62 Bibliographie. Nr. 1.
Neue auflagen.
21. Homers's Odyssee. Erklärt von K. F. Ameis. 8. Anhang.
1. heft. 2. aufl. Leipzig. Teubner; 9 ngr. — 22. Herodot erklärt
von K. Abicht. 2. bd. 2. aufl. 8. Leipzig. Teubner; 21 ngr. —
23. Testamentum novum, graece. Ad antiquos testes denuo recogn.
C. Tischendorf. Ed. VIII critica maior. 8. Vol. II facs. 5. Lips.,
Gieseke: 1 thlr. 16 ngr. — 24. P. Vergilii Maronis opera ed. A.
Forbiger. P. 1. Ed. 4. gr, 8. Lips. Hinrichs; 2 thlr. 15 ngr.
Neue Schulbücher.
25 M. Meyring, kleine lateinische grammatik. 4. aufl. 8. Bonn.
Cohen; 22 ngr. — 26. P. D. Ch. Hennings, elementarbuch zu der
lateinischen grammatik von Ellendt-Seiffert. 3. abth. 8. Halle. Wai-
senhaus; 12 gr. — 27. H. Gull, die göttersagen und kultusformen der
Griechen, Römer, Aegypter u. s. w. 2. abdr. 8. Leipzig. Spamer; 1 thlr.
Bibliographie.
Erschienen ist: Dr. W. Müldener , Bibliotheca philologica, eine
geordnete Übersicht aller auf dem gebiete der classischen alterthums
Wissenschaft wie der älteren u. neueren Sprachwissenschaft in Deutsch-
land und dem ausländ neu erschienenen bücher. 25. jahrg. 2. hft. 8.
Göttingen. Vandenh. u. Ruprecht.
Im verlag von F. Dümmler in Berlin ist erschienen : auswahl aus
den kleinen Schriften von J. Grimm, worin ausser der Selbstbiographie
auch die rede auf K. Lachmann enthalten. Preis 1 thlr. 10 ngr.
Von der Verlagsbuchhandlung von B. G. Teubner ist ein „schul-
catalog", ebenso >Bibliotheca philologica Teubneriana« erschienen.
Es ist ausgegeben : Ausgewählte werke aus dem verlage der Weid-
manw'scheu buchhandlung in Berlin.
Preisermässigung von Mauke's verlag in Jena: darunter die aus-
gaben des Hesychius von M. Schmidt.
Cataloge von antiquaren : Antiquarischer anzeiger nr. 6 von O.
JBonde in Altenburg; St. Goar in Prankfurt a. M. verzeichniss von
werken der archäologie und kunst des alterthums und mittelalters,
nr. 31 ; 152. verzeichniss des antiquarischen lagers von H. Härtung
in Leipzig; nr. 193. bücher - verzeichniss von Th. Kampffmeyer in
Berlin ; antiquarischer catalog nr. III. von H. Killinger in Wies-
baden ; nr. 237. K. F. Kuhler 's in Leipzig antiquarische anzeige-
hefte; Bibliotheca archaeologica. 98. catalog von 31. Lempertz in Bonn,
sehr zu beachten; catalog I .. von Mayer und Müller in Berlin; Bi-
bliotheca philologica. Catalog XV von L. Rosenthal's antiquariat in
München; verzeichniss nr. 4 . . von Schneider § Otto in Göttingen;
katalog 48. Schweizer -antiquariat in Zürch (nur auctores graeci et
latini); XIII antiquariats-catalog von Simmel u. comp, in Leipzig; 94.
95. antiquarischer catalog von Ferd. Steinkopf in Stuttgart ; nr. 24
antiquarischer anzeiger von E. Wagner in Augsburg; verz. XLIII von
Alfred Würzner in Leipzig (besonders geschichte).
Von dem „Allgemeinen literarischen Wochenbericht" sind jetzt
10 nummern erschienen.
Kleine philologische zeituug.
Am 2. novemb. war der erste rektorats -.Wechsel in Strassburg,
bei dem prof. de Bary eine rede hielt, da der abgehende rektor,
prof. Bruch eine solche zu halten durch Unwohlsein verhindert war:
Nr. 1. Kleine philologische zeittmg. 63
näheres giebt Allg. Augsb. Ztg. 1872, nr. 310. Näheres über philolo-
gisches in Strassburg wird unt. nr. 2 enthalten.
Von JE. Werners Nilbildern ist die zweite lieferung erschienen,
mit erläuterungen von Dümichen und Brehm.
Der französische archäolog Hauet beginnt im auftrag Rothschilds
ausgrabungen bei Miletos vorzunehmen. Kann denn dergleichen nicht
auch von Deutschland ausgehen?
Mittheilungen aus der vom französischen uuterrichtsminister Si-
mon bei eröffnung der medicinischen facultät in Nancy gehaltenen
rede giebt der Staats-Anz. 1872, u. 282, beil. 1.
Der Staats-Anz. 1872, nr. 278 giebt folgenden bericht der sitzung
der archäologischen geselischaft in Berlin am 5. november. Prof. E.
Curtius legte einige neue abhandlungen vor , in denen Dilthey über
Apollo und Daphne (elfenbeinrelief von Ravenna) und Schubring über
Kamarina, Pervanoglu über das fäniilienmahl auf altgriechischen grab-
steinen schreiben. Hieran anknüpfend bespricht er eine besondere
gruppe dieser reliefs, wo ein reiterzug über dem vorhange sichtbar
wird, welcher den hintergrund der darstellung bildet, und legte die
abbildung zweier in Sniyrna befindlicher reliefs dieser art vor. Dann
besprach er die ersten bedeutenderen denkmäler, welche durch des
Dr. Schliemann ausgrabungen iu Troja zum Vorschein gekommen sind,
und das postament einer ehrenstatue des logisten Klaudios Kaikinas
aus Kyzikos und einen triglyphenblock mit einer vortrefflich erhalte-
nen und stylistisch sehr merkwürdigen metopentafel, die den Helios
auf springendem Viergespann darstellt. Hübner legte hierauf zu-
nächst die für die geselischaft eingegangenen geschenke vor, näm-
lich den Jahrgang 1870 — 1871 der publikationen des luxemburger al-
terthumsvereins , die festschrift des göttinger archäologischen Semi-
nars mit der abhandlung von W. Gebkard über die gemälde Po-
lygnot's in der lesche zu Delphi und der oben erwähnten abhand-
lung Pervanoglus. Unter den zahlreich eingegangenen Schriften hob
er besonders zwei neu gegründete Zeitschriften hervor, nämlich den
neugegründeten Indicateur de i ' archeologie et du collectionneur, welcher
seit dem September v. j. in St. Germain unter der leitung eines der
direktoren des bekannten dortigen museurns, des herrn Gabriel de
Mortillat, erscheint und eine portugiesische Zeitschrift, die Archaeo-
logiu artistica von Porto, redigirt von einem des deutschen vollstän-
dig kundigen gelehrten Joaquim de Vasconcellos, welcher nur besserer
fortgang als den bisherigen ähnlichen versuchen in jenem lande zu
wünschen ist; bis jetzt liegt nur ihr prospekt vor. Von den grösse-
ren werken und den broschüren wurde nur hingewiesen auf die neue,
dritte bearbeitung des bekannten handbuchs der griechischen mytho-
logie des verstorbenen Ludwig Preller, durch den Dr. E. E. Plew
hierselbst, und auf die abhandlungen von P. Foukart in Paris über
das in griechischar spräche abgefasste römische senatusconsult von
Thisbe in Böotien (aus den Archives des missions) und von H. Scheuer-
manns in Lüttich über den merkwürdigen fund von Eggenbilsen in
Belgien (etruskischer goldschmuck und erzgefässe). Eine reihe ande-
rer arbeiten musste für spätere besprechung zurückgelegt werden. —
Hierauf legte B. Strack die ihm durch den londoner architekten
Donaldson zugesendeten grossen und wohlgelungenen Photographien
der jetzt in London angelangten säulentrommel aus dem grossen Ar-
temistempel in Ephesos vor. Hr. Donaldson hatte schon in seiner
im j. 1859 erschienenen Architectura numismatica nach den wenn
auch kleinen und unvollkommenen abbildungen des tempels auf mün-
zen den schluss gezogen, dass des Plinius vielbesprochene bezeichnung
der säulen dieses tempels als columnae caeiatae nur von wirklichen
64 Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 1.
reliefs verstanden werden könne. Woods endlich von erfolg gekrönte
ausgrabungen haben diese vermutbung jetzt durchaus bestätigt;
das nächste heft der archäologischen zeitung wird nach den Photo-
graphien hergestellte abbildungen dieses in hohem mass merkwürdi-
gen säulenreliefs bringen. — Hr. Bruns, jüngst von einem römischen
aufenthalt zurückgekehrt, berichtete hierauf eingehend nach wiederhol-
ter und genauer besichtigung über die neuesten ausgrabungen auf
dem römischen forum und insbesondere über das merkwürdige haupt-
fundstück derselben, die beiden reliefplatten, deren deutung, wie es
scheint, in allem wesentlichen gelungen und für die geschichte des
forums von hoher Wichtigkeit ist. — Dr. Engelmann konnte durch
die gute des hofbildhauers herrn Gilli das schon früher in der ge-
sellschaft besprochene (vgl. Arch. Zeit. 1868, s. 89) Laokoonrelief des
maiers Wittmer in Rom im original vorlegen. Er suchte die ge-
wöhnlich gegen das alterthum des fraglichen reliefs vorgebrachten
gründe zurückzuweisen, indem er nachwies, dass einmal die ovale
form nur erst nachträglich hineingekommen sei, da das relief ur-
sprünglich ein rechteck bildete (die beschädigung einer ecke scheint
das abarbeiten veranlasst zu haben) und dass zweitens die Verschie-
denheit des styles, sowie der abweichungen von der bekannten gruppe
für eine Originalschöpfung und gegen eine fälsch ung sprächen. Letz-
teres wurde auch anerkannt , doch das werk mehrfach , vorzüglich
von seiten prof. Adlers für eine moderne arbeit erklärt. Die diskus-
sion brachte keine argumente für oder wider die ächtheit zu tage;
seit dem bekanntwerden des reliefs hat sich die grosse mehrzahl der
archäologen wie der künstler gegen dieselbe ausgesprochen. Ein alle
rweifel abschneidender beweis für die ächtheit wird sich vielleicht,
wie in so manchen fällen, auch hier nicht führen lassen; die gründe
für die unächtheit aber bedürfen einer eingehenden erörterung, welche
sich nur mit heranziehung alles einschlägigen materials, besonders
des in Madrid befindlichen Laokoonreliefs, anstellen lässt.
Auszüge ans Zeitschriften.
Augsburger allgemeine zeitung, 1871, beil. zu nr. 329: G.M.Thomas,
G. Hermann 's hundertjähriger geburtstag: schöner artikel zur erinne-
rung an unsern grossen meisten s. Phil. anz. IV, nr. 12. — Beil. zu
nr. 331 : F. Dahn , briete aus Thule. II. — Nr. 332 : der projectirte
oberste schulrath für Bayern. — Beil. zu nr. 333. 334: F. Dahn, briefe
aus Thule. III, IV: handelt vom Eridanus u. dergl. — Nr. 336: als
man in Heidelberg den 100jährigen geburtstag G. Hermann's feierte,
ward bei dem im museum veranstalteten festessen der Nestor der
Philologie in Heidelberg, der geheime hofrath Joh. Chr. Felix Bahr,
also am 28. nov. , vom schlage getroffen: er konnte noch nach hause
gefahren werden, erlag aber bald darauf einem erneuten anfall. _ —
Nr. 337 : B. Stark , nach dem griechischen Orient. VI : äusserst in-
teressant, in dem, leider nur zu kurz, Stark seinen aufenthalt in Troja
— Schliemann's ausgrabungen werden auf Neu-Ilion bezogen — , dann
auch den in Lesbos schildert. — Nr. 338 : die geographische gesellschaft
in London und Dr. Livingston. — Beil. zu nr. 338 : einige bemerkun-
gen zu den „erinnerungen aus der Steinzeit" , in nr. 292. 296. — Beil.
zu nr. 338. 339: B. Stark, nach dem griechischen Orient. VI: han-
delt vortrefflich über Smyrna wie dessen Umgebung, über den Melos,
das Dianenbad u. a., kurze angäbe der ausflüge nach Magnesia am
Sipylos, nach Ephesos, Sardes und schliessst mit einer warmen Schilde-
rung des wirkens der Diakonissen von Kaiserswerth , die dort allmäh-
lig ein eignes häuserviertel sich erworben haben voll von deutsch-
evangelischen schulen und anstalten. —
St. 2. Februar 1873.
Philologischer Anzeiger.
Herausgegeben als ergänzung des Philologus
von
Ernst von Leutsch.
28. Ausführliche grammatik der griechischen spräche von
Dr Raphael Kühner. 2. aufl. in durchaus neuer bearbei-
tung. 8. Hannover, Hahnsche hofbuchhandlung. 2ter theil.
1. abth. 1871. — 2 thlr. 10 ngr.
Die vorliegende x) zweite aufläge des trefflichen buches
enthält eine so vollständige neue bearbeitung der ersten , dass
diese nur wie eine Vorarbeit zu diesem mit seltenem fleisse zusam-
mengestellten werke erscheint , das in keiner philologischen
bibliothek fehlen darf. Eine anzeige dieser grammatik, welche
eine glücklich gelöste lebensaufgabe in sich schliesst, kann nicht
die absieht haben, sich auf einzelnheiten einzulassen — wie
wäre es bei dem gewaltigen und einer fortwährenden emenda-
tion unterworfenen stoffe möglich, dass sich nicht einzelne irr-
thümer eingeschlichen haben sollten — sondern muss sich auf
eine allgemeine charakterisirung des geleisteten beschränken, in
der es wiederum nicht darauf ankommt, ob der refereet mit dem
verf. in den principiellen fragen übereinstimmt, sondern
vielmehr, ob er bezeugen kann, dass seines wissens der vom
verf. gewählte systematische rahmen alle einzelnen ersehe i-
nungen der griechischen syntax übersichtlich umfasst. Denn
eine grammatik wie die vorliegende ist überall nur für den
philologen bestimmt, bei dem vorausgesetzt werden muss, dass
er einen wissenschaftlichen Standpunkt einnimmt; sie hat —
für jetzt wenigstens — nicht sowohl die aufgäbe nachzuweisen,
dass das in ihr zur anwendung gebrachte System das einzig
berechtigte ist und dass alle einzelnen grammatischen data rich-
tig behandelt sind, als vielmehr das gesammte sprachma-
1) S. Philol. Anz. III, nr. 7, p. 337.
Philol. Anz. V.
66 28. Griechische grammatik. Nr. 2.
terial übersichtlich und möglichst vollständig zu-
sammenzustellen und demnächst in allen erscheinungen,
die für die Wissenschaft noch einen gegenständ der Untersu-
chung bilden, den augenblicklichen Standpunkt der
frage zu fixiren. Das erste nun, die Vollständigkeit des
materials und die Übersichtlichkeit der gruppirung desselben,
steht allerdings mit dem grammatischen System stets im eng-
sten Zusammenhang: jene kann nur erreicht werden, wenn die
grenzen des Systems umfassend genug sind, und zugleich scharf
scheiden, was der grammatik einerseits, der Stilistik und rheto-
rik andrerseits angehört, diese, die Übersichtlichkeit, wird ge-
radezu bedingt durch das zu gründe gelegte system ; eine ein-
theilung der moduslehre z. b. nach den modis kann wohl ne-
ben dem Vorzüge eines möglichst vollständigen materials be-
stehen, wie K. W. Krüger zeigt, gleichzeitig aber wird durch
diese das zusammengehörige getrennt und vielfache Wiederho-
lung nöthig gemacht. Das von Kühner befolgte und in der
unabsehbaren reihe der auflagen seiner schulgrammatik zur gel-
tung gebrachte theilungsprincip besteht auch hier die probe,
es bietet weite und übersichtliche fachwerke und lässt das
gleichartige bei einander. Besonders aber ist es die Vollstän-
digkeit des materials, die bewunderung erregt und die das werk
als ein wahres repertorium der grammatischen Wissenschaft er-
scheinen lässt. Ueberall sind die fortschritte der forschung, die
mit Hermann, Lobeck und Bernhardy beginnen und durch die
historische methode seitdem von so vielen seiten, insbesondere
aber nächst den trefflichen arbeiten von Aken durch Delbrück
und Windisch fortgeführt worden, benutzt; die häufigen citate
aus Grimm, Schleicher, Curtius, Graff, Kvicala u. a. stehen
nicht zum blossen prunke da, sondern zeigen in der alterthüm-
lichen gesellschaft von Valckenaer, Wyttenbach, Porson, Spitz-
ner u. a. das redliche bemühen einer innerlichen Verarbeitung
der resultate der neueren sprachvergleichenden grammatik. Dieser
sind u. a. vielfach belehrende Zusammenstellungen entnommen,
z. b. bei den partikeln; besonderen werth hat die sorgfältige
durchforschung der oft schwer zugänglichen monographien. Da-
neben zieht sich durch das ganze werk eine sorgfältige sonde-
rung des homerischen, dichterischen und prosaischen Sprachge-
brauches nebst genaueren Scheidungen nach stilgattungeu, wo
Nr. 2. 29. Griechische grammatik. 67
diese nöthig erschien. So ist alles geschehen, um dem, der ei-
ner einzelnen erscheinung weiter nachgehen will, gleichzeitig
material und literatur nachzuweisen — möge es besonders auf
dem gebiete der syntax, die nach der historischen Seite hin zu
erforschen doch immer nur erst der anfang gemacht ist, nicht
an jungen kräften fehlen, denen der eminente fleiss Kühners
zur anregung dient. Th. Fritzsche.
29. Griechische Sprachlehre für gymnasien bearbeitet von
Dr H. A. Schnorbusch und Dr J. Sc her er. 2. verb. u.
verm. aufl. 8. Paderborn, Ferd. Schöningh. 1871. — 28 ngr.
Manche versehen der ersten aufläge sind verbessert, so
§. 164 ist das nuvroh verschwunden, §. 362 hat das wate
fiij dem wäre /xrj und mors ov platz gemacht, wie das
schon Aken in der vorrede zu seiner Gr. p. XI monirte;
ebendaselbst ist das „(ohne nachsatz) " bei xaitoi mit recht
weggelassen, es giebt aber auch in der formenlehre, dem bes-
seren theile des buches , noch manches zu ändern. So ge-
nügen §. 83 die regeln der Silbentrennung nicht ganz; Gn\dy-
%va ist zwar richtig getrennt, man sieht aber nicht, warum.
§. 84 waren yod-ßdtjr, GvVky] - ßdqv als nich t composita zu er-
wähnen. §. 383 durfte nicht stehen y,G7SQtjaofiou (seltener ots-
gtj&tjaofiai), sondern: (aber d n oarsoridtjaopiai neben dnoaze-
gtjaouai): s. Lys. 12, 70. Demosth. I, 22. Kühner Ausf. Gr. §.
343 und §. 377. 4. Die syntax hat vor allen dingen den
mangel , dass ihr jegliches , anregende fehlt : sie ist eine Samm-
lung von regeln, die nach gewissen allgemeinen gesichtspunk-
ten geordnet, aber nicht von einem wissenschaftlichen princip
abgeleitet sind, das von gewissen festen punkten aus eine
Übersicht über ganze gebiete gestattet. Einer für die schule
bestimmten griechischen syntax muss durchaus ein in sich
abgeschlossenes system zu gründe liegen. Man sage doch ja
nicht, dass die schüler ein grammatisches system vom lateini-
schen her im köpfe hätten ! Das wäre eine arge Verwechslung
eines gewissen rein äusserlichen Schematismus mit der idee, die
das agens des Systems ist — ganz abgesehen davon , dass die
lateinische grammatik den schülern, für welche die grieehische
syntax bestimmt ist, doch wohl fortwährend von dem ge-
sichtsp unkte aus darzustellen ist, wie das latein durch seine
b*
68 29. Griechische grammatik. Nr. 2.
formen abschwächung oft genöthigt wird, durch eine form das
auszudrücken, wofür das griechische noch eine reihe von mo-
difizirungen zulässt, — mit andern worten, dass, wie Bern-
hardy es als einen anachronismus empfunden zu haben be-
kennt, dass er an die römische literaturgeschichte herantrat,
bevor er die griechische bewältigt hatte, so aus der griechischen
syntax erst die lateinische erwachsen kann. Ein mehr oder
minder übersichtliches conglomerat von regeln und beispielen
ist noch keine grammatik ; durch eine solche moles wird der
Schüler stumpf, anstatt denken zu lernen, während ein wirk-
liches grammatisches System ihn stets selbst finden , selbst mit-
arbeiten lehrt und ihm die freudigkeit gewährt, die das be-
wusstsein , ein eigenthum errungen zu haben , mit sich bringt.
%In der casuslehre z. b. ist über die grundbedeutung derselben
keine andeutung gegeben, die ableitung des mannigfachen ge-
brauchs aus einer quelle nicht versucht. Soll das buch durch
solche Schweigsamkeit etwa zugleich den anhängern des localis-
mus und denen der theorie der casusformen sich empfehlen? Das
thut es mit nichten. Ein verständiger lehrer wird sich von
der einführung eines Schulbuches nicht abhalten lassen dadurch,
dass er nicht überall die in demselben befolgten ansichten theilt,
wenn es sonst nur wissenschaftlich brauchbar und praktisch ein-
gerichtet ist. Und jede neue schulgrammatik muss in solchen
brennenden fragen Stellung nehmen, so gut wie das die selbst-
verständliche pflicht jedes philologischen lehrers ist. Ueberall
vermisst man so die leitenden fingerzeige ; bei der behandlung
der genera verbi ist die entstehung des passivs aus dem me-
dium nicht verwerthet, in der tempuslehre sucht man vergeb-
lich nach dem historischen gesichtspunkt u.s.w. Aber auch
einzelnheiten sind vielfach mangelhaft. Z. b. §. 463 heisst es:
„intensives medium (dynamisches). Das medium bezeichnet
eine angestrengtere thätigkeit des Subjekts". Unter den beispie-
len figurirt nöXsfiov noith und nöle/AOv noti-ia&at, richtig über-
setzt. Muss da der schüler nicht zu dem resultate kommen,
dass es unter allen umständen eine angestrengtere thätigkeit er-
fordere, einen krieg zu führen, als ihn zu veranlassen ? ! §.561:
„Alle nebensätze stehen im (obliquen) optativ, wenn ihr in*
halt ausdrücklich als fremder gedanke hingestellt wird". Als
ob da wirklich immer der optativ stehen könnte! §. 602. 2:
Nr. 2. 30. Etruskisches. 69
„Der indicativ eines historischen tempus (gewöhnlich mit Iva,
auch tos und otuag) um •auszudrücken, dass die absieht nicht
erfüllt oder erfüllbar ist". "Onag und tag sind so selten, dass
„auch" nicht genügt. Aber die hauptsache fehlt, nämlich, dass
der hauptsatz selbst im praeteritum stehen muss.
Th. Fritzsche.
30. Etruscan inscriptions analysed, translated and com-
mented upon, by Alex. Earl of Crawford and Balcar-
res, Lord Lindsay etc. 8. London, John Murray, 1872.
Der verunglückte versuch, das etruskische aus dem semi-
tischen herzuleiten , welcher an monstruositat kaum überboten
werden zu können schien , ist faktisch durch das vorliegende
werk überboten. Der Verfasser hält die Etrusker für einen
zweig der alten Germanen, und erblickt in den etruskischen in-
sebriften dem Ulfilas um Jahrhunderte vorausgehende altdeut-
sche denkmäler, steht also im wesentlichen nicht fern von dem
Standpunkte Donaldson's. Die art und weise des etymologisi-
rens ist so völlig dilettantisch und unwissenschaftlich, dass wir
es für unter der würde dieser Zeitschrift halten, ausführlich auf
diesen unsinn einzugehen. Aus unzähligen beispielen , die wir
als beleg für die berechtigung unseres harten urtheils anführen
könnten, wählen wir, beliebig aufschlagend, folgende aus : „phanu-
sathek soll gleich sein deutschem „pfand - Satzung", pene-zs =
„pfenuig-zins", thals - aphunes = „pfund-zoll", etc. — Das
wort bulla wird von „ balg - an " oder „ belg - an " hergeleitet,
quinquatria oder quinquatrus von quinque und „afiar{\ arse uerse
von ,,vard, vairths" und })fiur'\, (dii) nouensiles von „niun" und
„sello" (= collega), Voltumna von „wald" und „anna" (= ma-
ter), duumuiri von „tuom", „dorn" (iudicium) , consul von „ga-
Sello", plebs von „bi Laifs" also von „bi Lailj-an', (lelneit) etc.
31. Winckler, über die zeiten des indicativs und den
gebrauch des conjunktivs in unabhängigen und abhängigen ne-
bensätzen. Illter theil. 4. Programm von Leobschütz 1871.
Wenn von einer behandlung grammatischer fragen in Pro-
grammen u. s. w. ein nutzen entspriessen soll, so ist zu verlangen,
dass sie entweder neues oder eine die sache von grund aus for-
dernde erörterung biete, dass d er Sprachgebrauch mehrerer aut oren
70 31. Lateinische grammatik. Nr. 2.
oder eines einzigen bis ins einzelnste hinein festgestellt werde,
dass die schulgrammatik ihren stoff aus solchen einzelfragen er-
gänze , abrunde und vertiefe. Dies kann von der obigen ab-
handlung leider nicht durchgängig gesagt werden.
In §. 20 — 23 werden die causalsätze, die conjunktion cum,
die fragesätze und die indirekte rede besprochen. — Ueber
die causalsätze ist blos das bekannte noch einmal gesagt. Dann
ist über quod folgendes zu lesen: „durch eine art logischen
fehlers wird quod fast immer bei den ausdrücken des sagens,
glaubens, meinens in der erzählung, wenn das erzählte begrün-
det wird, mit dem conjunktive des imperfects verbunden". Weit
besser sagen Lattmann -Müller: „eine eigenthümliche attractio
modi findet statt bei Verbis sentiendi und dicendi in nebensätzen,
in welchen ein von eben jenen verben abhängiger accusativ
mit infinitiv vorkommt (namentlich in sätzen mit guod.)" Z. b.
cum Hannibalis permissu exisset de castris, rediit paulo post, quod se
oblitum nescio quid diceret (= oblitus esset = weil er etwas, wie
er sagte, vergessen hätte; das diceret könnte geradezu fehlen).
Dazu konnte Winckler, der doch sonst die beispiele häuft,
noch anführen Caes. BG-. 1, 39. 5, 6. Cic. Ep. ad fam. 7, 16.
Verr. 5, 17 (dagegen der indicativ Cic. Verr. 1, 85. Plane 73).
Dagegen das beispiel aus Caes. BGr. 1, 23: Helvetii seu quod
timore perterritos Romanos discedere a se existimarent , welches
Winckler als zweites bietet, gehört nicht hierher, weil der con-
junetiv hier potentialen sinn hat; während in den obigen beispie-
len das verbum sentiendi und dicendi ganz überflüssig war, ist hier
quod existimarent = weil sie wohl glauben mochten: vrgl. 1, 27.
Cic. Mil. 29. Div. 2; 46. Sen. 85. Zuweilen steht, auch ohne ac-
cusativ mit infinitiv und bei anderen verben , dieser potentiale
conjunetiv wie Cic. Tusc. 4, 44 : noctu ambulabat Themistocles,
quod somnum capere non posset = weil er wohl nicht schlafen
konnte. Anders erklärt Winckler p. 16 unt. diese erscheinung.
Die regel über cum entbehrt der Übersicht, sowie der Voll-
ständigkeit. Beim concessiven cum fehlt die bemerkung, dass
dasselbe oft auch durch „während" zu übersetzen sei und dass
cum adversativum „während dagegen" bedeute: vrgl. Caes. BG.
4, 12. Liv, 42, 43. Cic. Orat. 3, 60. Inv. 1, 4. Leg. 1,7.—
Neu ist anm. 2 über cum praesertim und praesertim cum; der
unterschied beider ausdrucksweisen ist richtig definirt. — Bei
Nr. 2. 32. Eratosthenes. 71
cum maxime fehlt die bedeutung „gerade jetzt"; auch hätte als
beleg hinzugefügt werden können Liv. 29, 17. — Zu anm.
5 über audivi cum mit dem conjunctiv fehlt die begründung
dieses modus, der auf obliquer beziehung beruht: vrgl. Cic.
Brut. 205. Ausserdem fehlt die bemerkung, dass memini cum
als ein rein relativischer ausdruck = „ich erinnere mich der
zeit wo" den indicativ regiert: s. Ep. ad Cic. fam. 7, 28. Cat.
3, 19. Sest. 62.
Belegstellen bietet Winckler sehr viele, so zu cum mit
dem indikativ 33, zu cum mit dem conjunktiv 22, zu cum —
tum 7. Dieselben sind selbständig gesammelt und stimmen
mit den gewöhnlich in den grammatiken aufgeführten nicht
üb er ein.
Zu anm. 1. (über die fragesätze) num — an vermisse ich
die stelle aus Cic. Sen. 23, sowie die bemerkung, dass an dann
meist im ironischen sinne zu verstehen ist. Zu anm. 2, b
a. e. Hessen sich hinzufügen Cic. Brut. 126. Ep. ad fam. 9, 14.
Ueber nescio quis, aut in fragesätzen u. s.w. ist gar nichts er-
wähnt. C. Härtung.
32. Ludwig Mendelssohn, Quaestionum Eratostheni-
carum caput primum. De mortis anno Sophoclis et Euripidis.
Ex actis societ. philol. Lipsiens. ed. Eitschl. II, p. 161 — 196.8.
Lips. Teubner. 1873.
Die viel besprochenen verwickelten fragen, welche der
titel anzeigt, werden in dieser, den besten erscheinungen der
chronologischen literatur ebenbürtigen abhandlung in befriedi-
gender weise dahin gelöst, dass unter beseitigung der legenden,
welche die geschichte beider dichter verdunkelt haben, und Ver-
werfung der eratosthenischen datirung für den tod des Euripi-
des • — auf grund der in der parischen chronik gegebenen data
der tod des Sophokles in die zweite hälfte des j. 406 v. Chr.
(ol. 93, 3 zu anfang), der des Euripides in dessen erste hälfte, je-
denfalls in ol. 93, 2 gesetzt wird. In betreff des letzteren
wird die Übereinstimmung der chronik mit Philochoros nachge-
wiesen, die version des Eratosthenes und Apollodoros dagegen
in überzeugender wie scharfsinniger weise auf Timaios zurück-
geführt. Ob letzterer, wie vf. vermuthet. hiebei aus Philistos
geschöpft hat, möchten wir bezweifeln, wenigstens ist es mit
72 32. Eratosthenes. Nr. 2.
dem vorhandenen material nicht auszumachen ; ist die nachricht
des Hermippos , dass der ältere Dionysios nach dem tode des
Euripides stücke aus dessen hinterlassenschaft um schweres
geld an sich gebracht habe, gegründet, so könnte sie vielleicht
erklären, wie man zu dem irrthum kam , den tod des dichters
zeitlich mit dem regierungsantritt des tyrannen (dec. 406) zu-
sammenzubringen.
Vf. behandelt auch die verschiedenen datirungen, welche
von der geburtszeit des einen wie des andern der genannten
tragiker im alterthum aufgestellt worden sind. Hier indessen,
wo wir mit den gründen dieser Setzungen unbekannt und le-
diglich auf erforschung und abwägung der autoritäten angewiesen
sind, können wir die entschiedenheit , mit welcher vf. je eines
der verschiedenen data und gerade beidemal das einer so trü-
ben quelle, wie die parische chronik ist, bevorzugt, nicht am
platze finden. Dass Euripides am tag der Schlacht von Sala-
mis geboren sein soll, wie die meisten angeben, ist gewiss eine
fabel und der vf. hat neue momente zu ihrer erläuterung beige-
bracht ; aber ihre entstehung lässt sich doch nur dann vollständig
begreifen, wenn die Voraussetzung bestand , dass er im jähre
jener schlacht geboren war , und Philochoros , nach welchem
der dichter über 70 jähre alt wurde, hat, wie vf. selbst an-
nimmt, höchst wahrscheinlich dieses jähr als geburtsdatum im
äuge gehabt. Die parische chronik dagegen steht mit ihrem
datum : ol. 73, 4. 485/4 ganz allein , wenigstens hat uns der
versuch des vf., ihr gesellschaft zu verschaffen, nicht überzeugt.
Wenn bei Suidas s. v. Zocpoxltjg, wo die geburt dieses dich-
ters in ol. 73 und 17 jähre vor der des Sokrates gesetzt wird,
wirklich , wie vf. will , Sophokles mit Euripides verwechselt
wäre, so würde das doch dem datum der parischen chronik wenig
nützen : dem sprachgebrauche , welcher bei Zurückrechnungen
herrscht, gemäss würden die 17 jähre voll zu rechnen sein und
von ol. 77, 4. 469/8, dem geburtsjahr des Sokrates, zurück
auf ol. 73, 3. 486/5 als geburtsjahr des Euripides führen,
nicht auf ol. 73, 4. Die annähme einer solchen Verwechslung
ist jedoch, abgesehen davon dass der artikel des Suidas geflis-
sentlich von Sophokles handelt, schon deswegen unwahrschein-
lich, weil die an sich befremdliche vergleichung der geburtszeit
eines dichters mit der eines philosophen nur bei Sophokles,
Nr. 2. 32. Eratosthenes. 73
nicht aber bei Euripides, erklärlich ist. Der erste sieg und zugleich
das erste auftreten des Sophokles mit einem drama fiel bekannt-
lich gerade in das geburtsjahr des Sokrates. Allerdings wird
durch diese stelle die zahl der sophokleischen geburtsdata von
zwei (ol. 70, 4 und 71, 1) auf drei erhöht; das ist aber bei
den zahlreichen Varianten, welche besonders über die geburts-
.zeit und lebensdauer berühmter männer aus begreiflichen grün-
den in den biographischen angaben gefunden werden , keines-
wegs auffallend. Wir finden sogar , dass auch andere der von
Suidas a. a. o. ausgesprochenen ansieht gehuldigt haben : Plu«
tarchs ausdruck (Cimon. 8) nQtört]v didaaxaliav zov J£ocpo%\eovg
sri vsov xudevToe passt wohl zu 17, aber sehr wenig zu 28
oder 26 lebensjahren ; ebenso wird dann der grimm über die
erlittene niederlage, welcher den Aischylos zur auswanderung
nach Sicilien getrieben haben soll, begreiflicher, als wenn der
sieger noch mehr jähre zählte als Aischylos selbst bei seinem
ersten auftreten (er war damals 24 jähre alt gewesen) gezählt
hatte.
Warum vf. das eratosthenische jahrdatum der geburt des
Sophokles unbekannt nennt, begreife ich nicht ; es ist kein an-
dres als das von ihm so geringschätzig behandelte, welches die
Vita überliefert: ol. 71, 2. 495/4, und aus Diodor 13, 103
mit Sicherheit zu gewinnen. Die 90 jähre lebenszeit , welche
dort nach Apollodor und Eratosthenes dem dichter beigelegt
werden, mit den 91 in der parischen chronik ihm zugeschrie-
benen dadurch zu identificiren, dass jene für voll, diese für
unvollendet gehalten werden, durften andre sich gestatten: der
vf. jedoch nicht, da er (nicht ohne grund, aber ohne sich, wie
doch nöthig, darüber auszusprechen) die 91 voll nimmt und ol.
70, 4. 497/6 als datum der chronik für die geburt des Sopho-
kles ansieht. Hat Eratosthenes und sein getreuer anhänger
Apollodor die 90 jähre voll gerechnet, so fiel beiden, von ol.
93, 3. 406/5 zurückgezählt, die geburt des Sophokles in ol.
71, 1. 496/5; haben sie dagegen das letzte jähr unvollendet
genommen, so gaben sie ihm dieselbe geburtszeit wie die Vita.
Für letzteres entscheidet der umstand, dass alle vollständig er-
haltenen altersangaben des Apollodor die pleonastische Zählung
anwenden, bei welcher das letzte, noch laufende lebensjahr als
volle einheit angerechnet wird. Sokrates lebte nach Apollodor
74 32. Eratosthenes. Nr. 2.
bei Diog. Laert. 2, 44 von ol. 77, 4. 469/8 bis ol. 95, 1.
400/399 und wurde nach ebendemselben a. a. o. 70 jähre alt;
des Aristoteles geburt setzt Apollod. b. Diog. 5, 9 in ol. 99,
1. 384/3, seinen tod in ol. 114, 3. 322/1 und lässt ihn 63
jähre erreichen; endlich von Epikur gibt derselbe bei Diog.
10, 15 an, er sei ol. 109, 3. 342/1 geboren und ol. 127, 2.
271/0 in einem alter von 72 jähren gestorben. Die 90 jähre,
welche dem Sophokles von den Alexandrinern gegeben werden,
sind demnach als volle 89 anzusehen, woraus weiter folgt, dass
sie seine geburt um zwei jähre später als die chronik, auf ol.
71, 2. 495/4 angesetzt haben.
In betreff der corrupten stelle, welche in der vita Sopho-
clis nach der angäbe des geburtsjahres folgt: r;v ö' Ala^vlov
vsätsgoq sttj sma (so die meisten, wo nicht alle codd.; Brunck
ohne sichere gewähr 8sxas7iTa) , Evqmi8ov 8s naXaiörsgog
stxooi ziaaaga , stimmen wir dem verf. insofern bei , als er
hier ein andres als das so eben besprochene geburtsdatum
und zwar das der parischen chronik vorausgesetzt findet; wei-
ter aber können wir ihm nicht folgen. Weil zwischen dem
parischen datum für Sophokles (ol. 70, 4) und dem alexandri-
nischen für Euripides (ol. 75, 1) gerade 17 jähre liegen, kam
Musgrave, welcher nur die schlechte lesart öexaenza kannte,
auf den gedanken , die zahlen der vulgata (24 und 17) mit
einander zu vertauschen: ein in der textkritik selten zu em-
pfehlendes verfahren, welches der vf. nach dem vorgange an-
derer billigt, dessen gewaltsamkeit er aber noch erhöht, indem
er als zahl des Aischylos eixogioxtcj, als die des Euripides 8s-
nasmä aufstellt. Das wird von ihm p. 171 lenis mutatio ge-
nannt. Für die empfehlenswertheste, weil einfachste behand-
lung der stelle halten wir es, mit Böckh und Ritter slxoaisnra
statt snra zu schreiben, stxoai rsaaaga aber mit Kitter stehen
zu lassen. Die geburt des Aischylos wird meist (auch vom vf.)
in ol. 63, 4. 525/4 gesetzt, weil der parischen chronik zu-
folge er zur zeit der schlacht von Marathon 35 , ol. 81, 1.
456/5 aber (bei seinem tode) 69 jähre alt war. Nun hat diese
chronik allerdings bei Sophokles und Euripides die lebensjahre
voll gerechnet; daraus folgt aber, bei der bekannten inconse-
quenz derselben in behandlung der zahlen, mit nichten, dass
sie es auch bei Aischylos gethan hat. Wir nehmen die 35
Nr. 2. 33. Sokrates. 75
und 69 jähre als unvollendete und setzen demgemäss die ge-
bart des dichters in ol. 64, 1. 524/3, weil die zahlen der Vita
Aeschyli und der Synchronismus , welchen die biographischen
angaben über Pindaros aufstellen, auf ol. 64 führen. Von da
bis zum parischen geburtsdatum des Sophokles (ol. 70, 4) sind
27 jähre. Für den altersunterschied zwischen Sophokles und
Euripides die handschriftliche lesung beizubehalten , empfiehlt
sich wegen der Unmöglichkeit, den von den vorhandenen ge-
burstdaten beider dichter gelieferten zahlen (17, 15, 12, 10, 5,
1) eine gefällige emendation derselben abzugewinnen. Dadurch
erhalten wir aber auch für Euripides geburt ein drittes datum :
24 jähre nach ol. 70, 4, also ol. 76, 4. 473/2 v. Chr. Dass
dies wirklich vorhanden war, schliessen wir aus Gell. NA. 15, 20,
4, nach welchem derselbe bei seinem ersten dramatischen auf-
treten 18 jähre alt war. Euripides Hess aber sein erstlings-
werk, die Peliaden, ol. 81, 1. 456/5 aufführen, 17 volle jähre
oder im unvollendeten 18. jähr nach ol. 76, 4. Ohne zweifei
wird sich diese dreizahl der geburtsdata beider dichter noch re-
duciren lassen, wozu schon in dem hier dargelegten das doppelte
vorkommen eines 17jährigen debutanten und der Synchronismus,
welcher zwischen dem todesjahr des Aeschylos und dem ersten
auftreten des Euripides besteht, veranlassen könnte; die nächste
aufgäbe war aber, die Zeugnisse der quellen aufzuzeigen, ohne
diesen gewalt anzuthun.
Dies unsere ausstellungen an dem inhalte der abhandlung,
welche nur zeigen sollen, dass das eingangs ausgesprochene lob
kein blindes gewesen ist. Hoffentlich bemüht sich der vf. in
der fortsetzung seiner eratosthenischen Untersuchungen , deren
erscheinen wir mit lebhaftem interesse entgegensehen, dunkel-
heiten der darstellung , wie sie p. 164 z. 22 und 39, p. 176
z. 18 und 22, p. 169 sq. begegnen, zur erleichterung des le-
sers ferne zu halten.
U.
33. Sokratische Studien. I) Ueber das verhältniss zwischen
den xenophontischen und platonischen berichten über die per-
ßönlichkeit und die lehre des Sokrates ; zugleich eine darstel-
lung der hauptpuncte der socratischen lehre. II) Ueber Socra-
tes dämonion. Von DrSigurd ßibbing, professor der phi-
76 33. Sokrates. Nr. 2.
losopbie an der königlichen Universität zu Upsala. 8. Upsala,
Edquist und Berglund. 1870. 126 und 41 s. — 1 thlr.
Wenn auch die gewisseuhaftigkeit des berichterstatters es
nicht verschweigen darf, dass Ribbing, obwohl im ganzen der
deutschen spräche vollkommen mächtig, dennoch einzelne undeut-
sche Wendungen zu vermeiden nicht im stände gewesen ist, so
können doch diese kleinen mängel den dank dafür nicht verringern,
dass er diese seine arbeiten dem deutschen leserkreise zugänglich
gemacht hat. Denn es sind in Wahrheit werthvolle gaben, die
er uns bietet. Die zweite abhandlung, um mit dieser zu begin-
nen, gelangt zu dem ergebniss, das dämonion des Sokrates sei
ein plötzlich eintretendes sicheres Vorgefühl dafür gewesen, dass
gewisse einzelne handlungen, zu denen er bereits hinneigte und
sie zu thun im begriffe stand, seiner wahren inneren eigenthüm-
lichkeit widersprechen und störend auf dieselbe einwirken würden,
so dass ihm in folge dessen eine unbezwingliche antipathie ge-
gen diese handlungen entstand. Ich halte dies ergebniss für
unanfechtbar, hätte aber um so mehr gewünscht, dass Ribbing hie-
bei stehen geblieben wäre und nicht die mehr als gewagte be-
hauptung hiemit verbunden hätte, dass nun eben damit das
dämonion zugleich als das gewissen in seiner eigenschaft als
warnerstimme vor der that definirt sei, woraus er denn ferner noch
eine so enge beziehung desselben zu der lehre des Sokrates
herausspinnt, dass wenigstens Piatons angäbe, der dem letzte-
ren schon als knaben dasselbe zuschreibt, unverträglich mit
ihr wird. In der ersten abhandlung aber sucht der verf. die
Unvereinbarkeit von Piatons berichten über Sokrates mit de-
nen des Xenophon und die höhere glaubwürdigkeit der erstem
in Alkibiades rede im Symposion , ferner in der Apologie, im
Kriton und überhaupt in den mehr propädeutischen dialogen
darzuthun, und, wie es scheint, ist es ihm wirklich gelungen
nachzuweisen, dass die erstem in höherm grade, als es Zeller
und andere zugeben wollen, nach den letztern nicht bloss zu
ergänzen, sondern auch zu berichtigen sind. Indessen hätte er
bedenken sollen, dass auch Apologie und Kriton keineswegs von
allen so ohne weiteres, wie er anzunehmen scheint, als reine
historisch -treue berichte auch nur nach Piatons eigner absieht
angesehen werden, wenn sie auch zu den am meisten historisch
gehaltenen gehören. Gesetzt aber, Piaton wollte wirklich in
Nr. 2. 33. Sokrates. 77
ihnen völlig treu berichten , war er denn vermöge seiner gan-
zen individualität auch im stände dazu, oder zwang nicht viel-
mehr dieselbe eben so sehr zu einer idealisirenden wie den Xeno-
phon die seine zu einer hinter der Wirklichkeit zurückbleibenden
auffassung ? Auch Paulus meinte nur die reine lehre Jesu wieder-
gegeben zu haben. Ich kann in der that nicht einräumen, dass
die darstellung Piatons in dem grade, in welchem Kibbing es
annimmt, massgebend sei. Um mich hier auf die hauptsache
zu beschränken , so weisen allerdings selbst äusserungen bei
Xenophon darauf unzweideutig hin, dass Sokrates wenigstens
die absieht und tendenz hatte nach einem absolut guten zu
suchen. So viel beweist schon die ausdrückliche Unterschei-
dung des guten und angenehmen Mem. IV, 3, 8, am entschei-
dendsten aber ist, dass er in der von Zeller (Phil. d. Gr. IIa,
p. 105, anm. 1) u. a. missverstandnen , von Pubbing (p. 97,
anm. 2) richtig aufgefassten stelle Mem. IV, 2, 34 ausdrück-
lich sagt, die glückseligkeit selbst sei nur dann ein unbestreit-
bares gut, wenn man sie selber nicht wieder aus bloss relati-
ven gütern (äficpiXoya) zusammensetze oder solche in die Zu-
sammensetzung mit aufnehme. Bedenkt man ferner, dass er den
mangel an wissenschaftlich - sittlicher selbsterkenntniss, die mit
wissensdünkel verbundene Unwissenheit, in welche er das We-
sen der Untugend setzte , als etwas an geisteskrankheit {(xaiäa)
grenzendes bezeichnete (Mem. III, 9, 6 f., vgl. ßibbing p. 88.
111), so würde es fast nur die kehrseite hievon gewesen sein,
wenn er im gegentheil die fügend als die gesundheit der seele
bezeichnet haben sollte, und so ist es mir im gegensatz zu
Zeller mit Ribbing glaublich, dass wirklich schon ihm und nicht
erst dem Piaton eben dieser gedanke und der weiter gehende
angehört, dass die fügend eben aus diesem gründe das nütz-
lichste sei (Krit. 47 D. E), womit denn sogar eine gewisse be-
stimmung derselben als eines absoluten guten wirklich gewon-
nen wäre, indem dann der genuss des guten gewissens, der Zu-
friedenheit mit sich selbst, der eignen moralischen Vervollkomm-
nung, das höchste, wodurch Sokrates sonst die tugend empfiehlt,
kein zweck für sich, sondern nur eine nothwendig hinzutretende
folge ist. Allein wie wenig Sokrates dieses gedankens vollkom-
men herr und sich seiner tragweite und folglich auch dieser
Verbindung klar bewusst war, erhellt daraus , dass er trotz-
78 33. Sokratee. Nr. 2.
dem in jenen empfehlungen wenigstens nach Xenophons dar-
stellung (Mem. I, 6, 9. II, 1, 19. IV, 8, 6) genau ebenso verfährt
wie Prodikos, dessen Herakles er sich daher auch ohne jeden vor-
behält aneignet. Genau so wie Prodikos (Mem. II, 1, 31. 33)
verbindet er mit jener berufung auf das eigne günstige urtheil,
welches der tugendhafte über sich selbst, die auf dasjenige, wel-
ches andere über ihn fällen , also auf achtung } ehre, ansehen,
und sofort auch auf die übrigen äussern guter, welche in der
regel dem tugendhaften zuzufallen pflegen, ohne dass er im ge-
ringsten die ganz verschiedne bedeutung dieser verschiedenen
momente hervorhöbe. Und so sehe ich nicht ab, was uns hin-
dern könnte anzunehmen, dass er sogar über ein gewisses
schwanken nicht hinaus war und zu verschiedenen zeiten sich
verschieden äusserte, so dass man keinen grund hat denjenigen
berichten Xenophons zu misstrauen, nach welchen er vielfach
das gute nur relativ bestimmte und die tugend mit hinweglas-
sung alles anderen sogar nur durch hervorhebung ihrer äussern
vortheile empfahl, oder andererseits mit einem förmlichen abfall
von seinem grundprincip die moralität mit der blossen legalität
zusammenwarf. Vielmehr erklärt es sich so am leichtesten,
dass einerseits zwar Piaton an jenem obigen gedanken als acht
sokratisch festhalten und auf ihm fortbauen und den Sokrates
zum träger seiner eignen philosophie machen, andrerseits aber An-
tisthenes bei einer bloss negativen bestimmung der tugend ste-
hen bleiben, Aristippos vollends Weisheit und tugend zu blossen
mittein des richtigen genusses herabsetzen , Eukleides das rein
formale theoretische »wissen als solches bereits für das gute,
für die tugend und glückseligkeit erklären und ein so unphilo-
sophischer praktiker wie Xenophon seinen eignen Standpunkt
bei Sokrates wiederfinden konnte, indem für sie alle in der
that sachliche anknüpfungspunkte bei letzterem vorhanden wa-
ren. Gesteht doch Piaton selber ausdrücklich ein, dass So-
krates wohl bis zur seelenschönheit , aber noch nicht bis zur
Schönheit im absoluten sinne vorgedrungen sei (Sympos. 209 E
ff. ), und wenn damit zunächst nur gesagt ist, dass er die idee
des schönen, wie überhaupt die ideeulehre, noch nicht hatte, so
ist dies doch im sinne Piatons die einzige form , in welcher
das absolute überhaupt erfasst werden kann, und die wirkliche
Nr. 2. 34. Piaton. 79
und eigentliche erfassung desselben wird also hiemit zugleich
dem Sokrates abgesprochen.
Fr. Susemihl.
34. Platonische Studien von Jos. Steger, prof. am gym-
nasium in Salzburg. I. Innsbruck 1869. 8 79 ss. — 16 ngr.
Dieser erste band beschäftigt sich mit der platonischen dia-
lektik gegenüber der sophistik und zwar in dem ersten theile
mit der sophistik und sophistischen rhetorik (p. 3 — 33). Mit
möglichster Vollständigkeit und mit einer ziemlich erschöpfen-
den angäbe der in Plato's werken vorhandenen belegsteilen er-
wähnt der vf. zunächst den bekannten auf Heraklit's System
basirenden satz des Protagoras vom menschen als maas aller
dinge und die daraus gezogenen folgerungen von dem nicht
Vorhandensein einer objektiven Wahrheit und von der vergeb-
lichkeit der wissenschaftlichen forschung. Als die bezeichnend-
sten merkmale des Sophisten werden angegeben, dass er ein
avrdoyixög ist (Soph. 232 E), dass seine kunst nur eine auf
gelderwerb berechnete eristik ist und dass bei ihm alles auf schein-
wissen und täuschung hinauslaufe. Die ähnlichkeit der aus-
drücke zwischen Soph. 232 E und Rep. 596 A, wo über den
werth der darstellenden und nachbildenden kunst gesprochen
wird, ist richtig hervorgehoben. Das gebiet der sophistik ist
das [itj 6v (Soph. 254 A); deshalb ist auch die grundlage ih-
rer tugendlehre eine schwankende, deshalb wird auch der sub-
jective Standpunkt als richtschnur für das handeln bezeichnet,
daraus entspringt endlich die identificirung von ijdv und aya-
&6v, die rechtsverdrehung und die seltsamen ansichten über
natur und entstehung der gesetze , über die gerechtigkeit und
die anderen tugenden. Als eng verbunden mit der sophistik,
nur als andere seite derselben bezeichnet Plato die rhetorik sei-
ner zeit, die als nsiüovg dqpwvQyog gilt und deren aufgäbe nicht
in der belehrung, sondern in der Überredung besteht (p. 24 ff.).
Der zweite theil behandelt die platonische dialektik und
zwar in dem ersten kapitel die Widerlegung des sophistischen
principes , sowie die möglichkeit und bedingung des wissena
(p. 33 — 51). Das richtige an dem princip des Protagoras ist
nur, dass die unmittelbare sinnesempfindung, woraus die Wahr-
nehmungen und Vorstellungen entstehen, jedesmal wahr ist.
80 34. Piaton. Nr. 2.
Die seele nimmt wahr theils durch Vermittlung der sinne als
ihrer Organe, theils an und für sich. Zu dem, was die seele
an und für sich wahrnimmt, gehört die Wahrnehmung des seins
[ovtfi'aj , der ähnlichkeit und unähnlichkeit, der identität und
Verschiedenheit, der zahl, des schönen und hässlichen , des gu-
ten und schlechten. Nur die idee, 4er allgemeine begriff, gilt
Piaton als das wahrhaft seiende, für die erscheinungsdinge giebt
es nur ein vorstellen, eine Öo£«. Wissen entsteht durch beleh-
rung, Vorstellung durch Überredung. Erst durch dialektische
begründung wird die richtige meinung zu wissen und somit
auch bleibend und fest. Die begriffliche begründung ist iden-
tisch mit der zurückführung auf die idee und diese wiederum
unmöglich ohne die lehre von der präexistenz. Das begriff-
liche wissen, das zusammenfassen der einzeldinge unter die ein-
heit des gattungsbegriffes ist geradezu charakteristisch für die
menschliche natur. Der für die platonische dialektik so be-
deutsame Sophistes liefert den nachweis von der existenz des
nichtseienden, erweist es als gegensatz zu einem bestimmten
seienden. Und wie dieses nichtseiende über alles seiende aus-
gebreitet ist, so kann es auch mit der rede und Vorstellung in
Verbindung treten. Giebt es aber einen irrthum in der rede,
so giebt es auch einen irrthum im denken und vorstellen. Bei
solchen Vorstellungen, die nur im denken erfasst werden, sucht
Plato den irrthum zu erklären mittelst Unterscheidung des po-
tentiellen und aktuellen wissens, die bei Aristoteles fundamen-
tale bedeutung gewonnen hat. Das zweite kapitel bekandelt
die dialektik und ihre aufgaben (p. 51 — 68). Nur das begriff-
liche wissen ist ein wahres wissen, und jene beschäftigung mit
den begriffen ist die dialektik mit ihren beiden Seiten , der be-
griff s-bildung und eintheilung. Der niedere begriff bleibt so
lange hypothese als er nicht durch den höhern seine begrün-
dung erhält. Der höchste begriff, das avvno&sTov, ist die idee
des guten, welche den übrigen ideen sowohl das vermögen des
erkanntwerdens als auch sein und Wesenheit verleiht. Für Pia-
ton sind die begriffe nicht blos denkobjekte, sondern reale, für
sich seiende Wesenheiten; in folge davon werden ihre logischen
Verhältnisse zu antilogischen. Bei erörterung über das werden
der dinge tritt als ersatz des dialektischen Verfahrens, das dabei
nach Piatons erkenntnisstheorie unmöglich ist, der mythus als die
Nr. 2. 34. Platon.j 81
form des wahrscheinlichen ein (s. Phil. Anz. IV, 2, p. 70 f.). * —
Die erfordernisse, welche Plato für ein wissenschaftliches ge-
spräch (rn dtufa'yso&ut) aufstellt, sind doppelter, sittlicher und
methodologischer art. Zur ersten art gehört die Überzeugung,
dass es eine Wahrheit giebt und die liebe zur Wahrheit und
Schönheit (als Eros im Symposion und Phädros). Gegen Un-
wissenheit und thörichte einbildung ist dialektik das einzige
heilmittel. Die methodologischen erfordernisse werden p. 74 f.
berührt. Wird auf diese weise die Unterredung mit Wahrheits-
liebe und sittlichem ernste geführt, so führt sie zugleich auf
dem wege der selbstprüfung und selbsterkenntniss zur sittlichen
Veredelung seiner selbst. Die wahre rhetorik endlich, die zum
schluss behandelt ist, verfolgt als zweck die selbstbesserung und
sittliche Veredelung der mitbürger und erstreckt sich auf alle
gebiete, die eine xpv^uyojyia Öta Xoycov erfordern.
Für die erkenntniss des platonischen Systems liefert die
arbeit des vf's nichts neues , sondern hinlänglich bekanntes,
aber in einer klaren, einfachen und übersichtlichen darstellung.
Dass die begriffe zo ov avzo, to zavtov und io &uteqov nach der
angäbe im Sophistes mit allen in Verbindung treten, hebt er mit
recht hervor, aber erwähnt nicht den epoche machenden fort-
schritt, den der Sophistes durch die theorie der ideenbewegung
macht, obgleich durch diese bewegung das erkanntwerden so-
wohl, als der, wenn auch getrübte, wiederschein der ideen in
der empirischen weit ermöglicht wird. Und im anschluss an
die erörterung des Sophistes (248 B — E) ist es nicht wunder-
bar, wenn im Parmenides (133 E) von einer Wirksamkeit {ßvva-
juis) der ideen auf einander die rede ist, weil nur dadurch die
starre einseitigkeit des eleatischen princips beseitigt werden
konnte: vgl. die ansieht von K. Ch. Planck in den NN. Jahrbb.
bd. 105, heft 8, p. 541 ff.
C. Liebhold.
35. Die lehre vom logos in der griechischen philosophie.
Von Dr. Max Heinz e. 8. Oldenburg. Ferd. Schmidt. 1872.
XIV u. 336 s. — 1 thlr. 25 gr.
Der verf. behandelt in seinem gründlichen und anregenden
werk die bedeutung des logos in der griechischen philosophie
und geht bei der lösung seiner aufgäbe von dem System des
Philol. Anz. V. 6
82 35. Griechische philosophie. Nr. 2.
Ephesiers Heraklit aus; in welchem, wie er meint, der logos
fast identisch zu setzen sei mit dem, regelmässigen gange der
bewegung, für welche das feuer oder richtiger der Wärmestoff
das physische Substrat bildet. Dieses feste gesetz der Weltbe-
wegung, welches sich in dem streite, d. h. dem umfassen der über-
all thätigen gegensätze manifestirt (sowohl bei Stobaeus als auch
bei Diog. Laertius bisweilen als ivavrio^gofxia gefasst), lässt den
pantheistischen charakter dieses Systems unverkennbar hervor-
treten. Ausserdem setzt Heraklit seinen logos mit der uner-
schütterlichkeit des Verhängnisses identisch. (An der aus Stob.
Ecl. I, 178 citirten stelle: sau yag sipagnivr} näv7iaq) dürfte
meiner ansieht nach weder nävztog noch mit Lassalle tzcci'tj/,
sondern nävzwv zu lesen und die nachfolgende lücke etwa mit
ag%ovaa auszufüllen sein.) In enge Verbindung mit der el/tag-
fAevt] bringt Lassalle die dixtj, welche ihrer kosmischen seite nach
ganz gleiche geltung mit dem allgemeinen prineip des werdens
hat. Der logos darf keinesfalls immateriell gefasst werden ;
im gegentheii gehen hylozoismus und pantheismus bei Heraklit
hand in hand. Aus der stelle des Clem. Strom. V, 604 A
will der vf. nichts entnommen wissen, als dass der logos oder
das feuer als herrschendes prineip auch das allein weise ge-
nannt wird. In der p. 32 aas Stob. Flor. 3, 81 citirten stelle
dürfte nicht zu lesen sein : on aoepöv iazi ndvzmv xtxcogiofierov,
sondern ort* aoqov iori ti xcöv ovtoav us%C0QtG[ist'Ov, denn es soll
die meinung zurückgewiesen werden, als sei das aoq-6vt gleich-
wie die späteren ideen bei Plato, etwas von der weit (tmv ov-
tcoj) getrenntes, während offenbar die immanenz aufrecht er-
halten werden muss. Die lehre , wonach der vovg ein losge-
rissener theil von gott ist , gehört einer viel späteren zeit an,
z. b. dem heraklitisierenden stoiker Mark Aurel. Sodann be-
rührt der vf. die stelle aus Plutarch. de Is. et Os. 77, 382 B,
aus welcher man die ansieht Heraklits von der intelligenz und
dem bewusstsein des höchsten prineips folgern könnte. Aber
bei dem schweigen von Aristoteles und Plato ist wohl mehr
anzunehmen, dass diese worte nicht authentisch, sondern dem
Heraklit imputirt seien, weil vor Anaxagoras der vovg oder die
denkende kraft in die philosophie nicht eingeführt ist. In der
ethik, die bei dem dunkeln Ephesier von der physik gar nicht
zu trennen ist, muss besonders beachtet werdeu, dass die seelen
Nr. 2. 35. Griechische philosophie. 83
um so feuriger, d. h. reiner sind, je mehr sie sich von dem
nassen entfernen. Die Substanz der seele aber und ihre Ver-
bindung mit dem logos wird gefördert und erhalten durch das
athmen und durch die vermittelung der sinne. Das aufgehen
im allgemeinen, im ewigen werden, ist das ethische princip bei
Heraklit und das verharrenwollen im eigenen das unsittliche.
Die über dem menschen stehende Eifiagfxsuj bestimmt das q&og
von vorn herein. Daher darf sich auch niemand wundern,
wenn Heraklit den weg verschweigt, auf welchem der mensch
der bosheit entfremdet wird. Wendungen wie tioiseiv xata
qivaiv und vßgiv %ot] oßewvsiv geben hier andeutungen. An
stelle der aufgehobenen rjöovrj hat Heraklit etwas ähnliches wie
die svageattjaig der Stoiker gesetzt. Ausserdem wird zwar eine
idia ygovqaig angenommen, aber ihr Ursprung nicht nachgewie-
sen. Das feuer enthält ein gewisses fiirgov, und dieses könnte
so viel als der loyog sein, nach dem alles geschieht. Und da
dem xoivbg Xöyog die tdia qigövtjaig entgegentritt, so muss mit
Xoyog und ygovtjGtg gleichartiges oder etwas analoges bezeichnet
sein. Danach wäre der begriff am besten mit Vernunft wieder-
zugeben. Natürlich darf man diese Vernunft nur als objektive
fassen. Der weltprocess geht in der weise von statten, dass
ihn unsere Vernunft approbirt; denn dadurch wird er als ein
vernünftiger offenbar. Die analogie mit den menschen ist in
erster linie berücksichtigt, aber vovg und qgrjv mit fleiss nicht
gewählt, weil in ihnen das subjektive erkennen als erstes ent-
gegentritt. Dieselbe bedeutung hat Xoyog ungefähr bei Parme-
nides; auch bei ihm konnte das erst von Socrates gelehrte be-
griffliche wesen noch nicht darunter verstanden sein. Die mög-
lichkeit einer anlehnung Heraklits an den Parsismus wird von
dem verf. zurückgewiesen.
Soweit das platonische System für die vorliegende forschung
in frage kommt, berücksichtigt der vf. die Republik und den
Timaios, weil in ersterer besonders die idee des guten darge-
stellt, im Timäos nachgewiesen wird, auf welche weise die idee
des guten im weltall zur Verwirklichung kommt. Dass der
demiurg als die idee des guten gefasst werden könne, lässt
sich nach de Eepb. VI, 504 wohl annehmen, doch im Timaios
gilt er mir nur als wiederaufnähme des anaxagoreischen vovg
in ethisch vertiefter fassung; dagegen kann unbestritten die
6*
84 35. Griechische philosophie. Nr. 2.
idee des guten als einheit der idee und die weltseele muss sogar
als das mittelglied gedacht werden, vermöge dessen es der Ver-
nunft möglich war , in die materie einzugehen, als die Verbin-
dung zwischen der idee und dem (jtj 6v. Gerade der ausdruck
„mittelglied1' musste den vf. bestimmen, ^wiardvat nicht blos
in dem sinne von „entstehen lassen , verfertigen" zu verstehen.
Viel eher trifft der nachher gebrauchte ausdruck „zugleich hin-
einsetzen" das richtige. Uebrigens wird der dualismus Plato's
gegeuüber dem monismus Heraklits genügend betont. Nicht
durch emanation sind die einzelseelen aus der weltseele hervor-
gegangen, sondern gleich ihr gebildet und durch mischung ent-
standen, aber mit ihr doch gleiches Wesens. Jedenfalls aber
ist die Vernunft das göttliche in uns und befähigt uns, dem
gesteckten endziel nahe zu kommen. Indessen ist die ganze
lehre vom vovg oder kosmischen princip weder ausführlich von
Plato behandelt noch frei von Widersprüchen. Aber von man-
chen theologen ward Plato als quelle des johanneischen logos
angesehen. Warum er den ausdruck löyog selbst nicht ge-
braucht, kann man nicht wissen; vielleicht wollte er sich an
den vovg des Anaxagoras anschliessen.
Bei Aristoteles ist der zweck zugleich die form und der
begriff des dinges. Der gedauke oder die Überlegung, welche
über der natur steht, wirkt trotzdem auf dieselbe, damit sie
eine zweckvolle, vernünftige bewegung habe. Aber in der me-
taphysik, wo die transcendenz gottes meistens streng festge-
halten wird, ist nicht nachgewiesen, wie das bedingungslose den-
ken in die natur hineinkommt. Mehr platz für pantbeistische
anschauung findet sich bei Aristoteles in der psychologie. Al-
lerdings erkennt man keine spur von der immanenz des göttli-
chen vovg in der seele des menschen. Dagegen wird mit Xöyog
dasjenige vermögen bezeichnet, welches durch discursives den-
ken das handeln bestimmt. Für gott, der sich selbst stets un-
mittelbar denkt, konnte diese bezeichnung des abgeleiteten den-
kens nicht gewählt werden. In der ethik endlich ist der Xo-
yog nur die praktische Vernunft und der ogOog loyug, der auch
schon bei Plato vorkommt, ist keine objektive norm, sondern
soviel als die (fijnvrjöig in jedem einzelnen menschen, zugleich
als quelle jeglicher tugend.
Der monismus der stoiker (p. 79 ff.) kann sich die be-
Nr. 2. 35. Griechische philosophie. 85
rechnete Ordnung der weit nicht denken ohne einen sie durch-
dringenden logos. Der von menschlichen kunstprodukten ent-
nommene analogieschluss spielt bei ihnen ebensowenig als bei
Aristoteles eine untergeordnete rolle. Vornehmlich sucht das
stoische System auf induktivem wege nachzuweisen, dass dieses
das ganze beherrschende und als wirkendes dem leidenden ge-
genübergestellte princip seinen grund in der weit selbst habe.
Daraus ergiebt sich auch die nothwendigkeit, den logos der
stoiker materiell zu denken. Zwar wird nicht sowohl das stoff-
liche, als das körperliche von ihm ausgesagt, weil der begriff
cojua bei den stoikern überhaupt einen viel weiteren umfang
hat, in dem z. b. auch die affekte und eigenschaften der seele
mitbegriffen werden. Bald wird der logos bezeichnet als nvsvpa,
als lufthauch, bald als bewegendes, lebenerzeugendes und er-
haltendes feuer. Und weil der äther beide qualitäten in sich
zu vereinigen scheint, so heisst es auch, dass in dem hie und
da mit der gottheit identisch gesetzten äther das qyefiovixop,
die weltleitung ihren sitz habe. Auch mit vovg wird der logos
vertauscht, wenn es heisst, dass der kosmos nara vovv regiert
werde , und bezeichnend für das planvolle denken der feineren,
formgebenden stofftheilchen sind die benennungen für gott wie
tzvq te%H%ovs oöcö ßäSt^ov, Efi.nsQtsiXt]q)6g anavzag rovg cnegiAct.-*
rixovg Xöyovg, xaö-' ovg sttaßzct xa#' BipiaQuivriv yiypsrat (Stob.
Ecl. I, 66, wo es auch heisst: avatrdrco de nüvtcav vovv svai-
&eQiov ehai &sov). Durch den begriff der yvaig kommt in
gott oder den logos die bewegung als nothwendiges moment
hinein. Die stellen bei Seneca, welchen der vf. öfter citirt,
sind nicht ohne vorsieht zu verwenden wegen der stark synkre-
tistischen färbung dieses philosophen: s. Erdmann, Gesch. d. Phil.
1, 181 f. Trotz der innigen Verbindung von activität und passivi-
tat, die uns der logos bei den stoikern zeigt, stellte sich bald das
bedürfniss einer begrifflichen sonderung heraus. Und so entstand
der Xoyog als Xöyog ansofiariMog. Sind aber die Xoyoi ansgfiarixoi
das gestaltenbildende princip , so stehen sie in engster Verbin-
dung mit der zweiten kategorie, mit dem nowv oder auch noiog
(sc. Xöyog), so ist die nothwendige folge ihrer Wirksamkeit der qua-
litativ bestimmte stoff. Aber die unendliche Vielheit der Xöyoi ansg-
(taTixol wird zusammengehalten durch den einheitlichen Xöyog aniq-
paiixog, welcher als solcher das vernünftige band des Weltalls sein
86 35. Griechische philosophie. Nr. 2.
muss (p. 122 ff.). Nicht mit den platonischen ideen, wie Stein
annimmt, hätten die ).6yoi ansQiictiixoi gleichheit oder ähnlichkeit,
sondern viel eher mit den Xoyoi evvXoi des Aristoteles, welche in-
dess weit mehr der zweiten kategorie, der reinen qualität ohne
selbständige kraft entsprächen. — Die innere nnd absolute
nothwendigkeit , die ei/iaofispi] , nach welcher der weltverlauf
vor sich geht, ist bei den stoikern der engen Verknüpfung
von Ursache und Wirkung identisch [avctym] ist nur ein stärke-
rer ausdruck dafür). In der folgenden partie weist der vf. nach,
welche versuche die stoiker gemacht haben, um das übel in
der weit zu erklären (durch die annähme eines nothwendigen
gegensatzes zum guten und durch den widerstand der materie
oder des Stoffes gegen das wirkende princip) und welche an-
laufe sie genommen, um die kluft zwischen nothwendigkeit und
freiheit zu überspringen. Das naturgemässe im menschlichen
leben muss zugleich das vernunftgemässe sein. Deshalb war
nöthig die annähme eines besondern Xoyog, eines Xöyog irdtci-
'Oeroe, der zum ngocpogixog wird, sobald das gedachte zum aus-
druck kommt. Die Unterscheidung dieser beiden Seiten des Xöyog
ist auf Aristoteles zurückzuführen. Der wivog Xoyog ist nach
ansieht des vf. nur von der nachstoischen zeit einer solchen
theilung unterzogen. Ganz stoisch ist dagegen die bezeichnung
der einzelseele als unoanaana oder fiogiov diog, d. h. abgelö-
stes von dem materiell zu denkenden feuerhauch. Alle seeli-
schen bewegungen sind produkte des logos, und von angebornen
ideen und intuitiver erkenntniss kann keine rede sein. Durch
die Sinneswahrnehmungen, eindrücke und erzeugten Vorstellungen
wird der inhalt für die ursprüngliche anläge gewonnen. Ist
der logos im menschen recht beschaffen, so hat er auch die
fähigkeit, die Wahrheit zu finden. — Indessen kann eine stoi-
sche ethik nicht für möglich gelten, sofern es die ethik zu
thun hat mit der freien that des menschen; denn die xoivij
yvotg, an welcher die einzelnen menschen theil haben, ist einer-
lei mit dem fatum. Aber sobald die stoiker das eigentlich
ethische gebiet betreten, gilt die tugend als av&atosTog. So-
mit finden sich in der stoischen philosophie die beiden entgegen-
gesetzten lehren von der nothwendigkeit und der freiheit un-
mittelbar neben einander gestellt. Doch wenn auch die stoi-
ker die willen sfroihoit praktisch und dem ausdrucke nach an-
Nr. 2. 35. Griechische philosophie. 87
Dehmen, so haben sie dieselbe bei der speculativen behandlung
der frage nie beweisen wollen, weil sie sonst einen ihrer haupt-
sätze , das iatjösp avanloig yiyvsa&ai, hätten aufgeben müssen.
Und wenn die stoiker meinen, dass zu dem endresultat unbe-
kannte Ursachen mitwirken, so ist von vornherein die freiheit
illusorisch. Auch die angenommene Verschiedenheit und ver-
schiedene prädisposition der charaktere lässt unserseits keiner-
lei willkür mehr Spielraum. Alles, was iq yph sein soll, wird
zu einem ysvopspov dt rm&v (Numenios). So bleibt zwischen
physik und ethik der stoiker ein fortwährendes dilemma. Mit
dem in ihr System aufgenommenen zwecke haben sie die nqo-
rota aufgenommen, die von Heraklit gradezu geleugnet wird,
und im ganzen ist mit der glücklichen Vereinigung von ursäch-
lichkeit und bewusster Zweckmässigkeit ein bedeutender fortschritt
auf philosophischem und religiösem gebiete gemacht. Endlich
ist durch das intelligente bewusstsein und die berechnung, die
mit der nqovoia nothwendig verbunden sind, Heraklit gegen-
über ein subjektives moment anerkannt worden, während der
begriff der persönlichkeit noch nicht aufgenommen und die frei-
heit nur als nothwendiges postulat eingeführt wird.
Von den stoikern bis Philo (p. 173 ff.) herrschen meistens
confuse ansichten bei eklektikern und synkretisten. Den ver-
such einer Vermischung der peripatetischen und stoischen lehre
findet man bei dem vf. der schrift nsgl y.öafxov. Dieses expe-
riment erreicht seinen höhepunkt in der trennung der göttlichen
kraft von dem göttlichen wesen. Eine Vermischung der beiden
genannten Systeme versucht auch Aristobulus, ein Vorläufer
Philo's. So gebraucht er aws^iv in stoischer weise von dem
zusammenhalten der weit durch gott. Die Weisheit (oocpia), die
auch bei ihm schon von grosser Wichtigkeit ist, bekommt noch
mehr bedeutung in dem pseudosalomonischen buch, das nach
ihr den namen führt (p. 192 ff.). Die bedeutung „wort" ge-
winnt in dieser schrift eine grössere herrschaft und wird mit
der „Weisheit", wenn nicht synonym , so doch mindestens pa-
rallel gebraucht.
Ausgehend von der trennung der kraft und des wesens
in der schrift negl xoafiov suchte der alexandrinische Jude Philo
(p. 204 ff.), überzeugt von der identität des inhalts der heili-
gen schrift a. T. und der heidnischen philosophie, durch eine
88 35. Griechische philosophie. Nr. 2.
allegorische Interpretation der alttestamentlichen geschichte eine
Vermittlung zwischen zwei so getrennten gebieten anzubahnen.
Der unbegreiflichen, eigenschaftslosen, absoluten gottheit tritt die
absolut nichtseiende materie gegenüber. Aber als grund aller
Wirklichkeit muss gott trotz seiner abgeschiedenheit auf irgend
eine weise mit der weit in beziehung treten ; dies geschieht
durch mittelwesen , die in der orientalisch fruchtbaren phantasie
Philo's als ein niederschlag der platonischen ideen einerseits
und der stoischen löyoi ansQfxaztMoi anderseits anzusehen sind und,
wenn man sie personificirt, mit den heidnischen dämonen und
alttestamentlichen engein gleichviel ähnlichkeit haben. Alle diese
kräfte oder ideen werden zusammengehalten und finden ihren
mittelpunkt in dem einen Xoyog, der sowohl als idee des guten,
d. h. als höchste idee, als auch personificirt als gottes söhn
oder als ein zweiter gott gedeutet wird. Auch in der ethik
lässt Philo unzweifelhaft einen nach Vermittlung strebenden dua-
lismus vorwalten und immer mehr die mystische und religiöse
seite hervortreten. Es wird als aufgäbe des sündhaften men-
schen hingestellt, sich von dem sinnlichen loszureissen und in
beziehung zu gott zu setzen , dessen wesen nur durch die be-
geisterte erhebung des innern menschen, durch eine art eksta-
tischer anschauung erfasst werden kann. Diese Verbindung
zwischen dem unendlichen und endlichen, zwischen sein und werden
war, wie der vf. richtig bemerkt, nothwendig, um die weit der
erscheinungen hervorzubringen, um sie zu erhalten und um den
zug des menschen nach oben zu befriedigen. Die analogieeu
welche das philonische system mit Plato bietet, sind im ganzen
sorgfältig berührt; indessen hätte bei der terminologie z. b.
von acpQuyig auf Theaet. 192 A, sodann auf Legg; VII, 801 D
wegen xvnog sxfiaysiSv rs und wegen des letzteren wortes auch
auf Tim. 50 C hingewiesen werden können. Ausserdem war
instructiv Tim. 28 A f. wegen der ganzen theorie der welter-
schaffung und ib. 51 A. , wo die grundlage aller bestimmten
körper genannt wird ein elSog äfiogqiov , navöexts, (ieraXäfi-
ßuvov ds anoQwxura ny tov vor\tov.
Die Neuplatoniker, namentlich Plotin, bringen manches,
was Philo in allegorischer fassung behandelt, in systematischer
form. Auch ihnen gilt der logos als bildendes princip , das als
erzeugende form auf die materie einwirkt. Ueber dem vov$,
Nr. 2. 36. Plautus. 89
der als Subjekt und objekt des erkennens eine zweiheit bildet,
nimmt Plotin noch das absolut eine als urquell aller Vielheit
an, während die von dem vovg ausgegangene weltseele als drit-
tes princip zu betrachten ist. Die wähl des dämon in der vor-
zeitlichen existenz ist, wie vieles andere, vollständig platonisch,
Uebrigens ist es Plotin ebensowenig wie den früheren gelungen,
die freiheit mit dem logos zu vermitteln, und das System der
Neuplatoniker hat als abschluss auch nur einen unklaren my-
sticismus zu bieten.
In dem schlusswort (p. 330 ff.) kann der vf. nicht umhin
zu bemerken, dass der johanneische logos mit der griechischen
philosophie im Zusammenhang stehe und dass Philo als haupt-
quelle desselben zu betrachten sei. Augustin hat kein beden-
ken, diese enge Verwandtschaft anzuerkennen, hebt aber auch
den fundamentalen unterschied des heidnischen philosophem's
und christlichen dogma's hervor, der darin bestehe, dass der lo-
gos fleisch geworden sei , dass er in sein eigenthum gekommen
sei, und die seinen ihn nicht aufgenommen hätten (über die worte
neu 6 loyog adg^ iyevero vgl. Meyer, Comm. Ev. Joh. p. 68 ff.).
Ausserdem ist der neutestamentliche logos kein untergeordnetes
wesen, sondern hat die wesenseinheit des vaters und des Soh-
nes zur Voraussetzung (vgl. Meyer a. a. o. p. 55). Jedenfalls
hat es der evangelist meiner meinung nach beabsichtigt bei
der abfassung seines vornehmlich für leute griechischer nation
geschriebenen evangeliums einen begriff zu verwerthen , der in
folge seines häufigen gebrauchs und seiner bedeutenden rolle
inmitten der vorhergehenden philosopheme dem gebildeten be-
wusstsein der griechischen weit hinlänglich bekannt und ein-
geprägt war.
C. LiebJwld.
36. Plautinische Studien von C. E. Geppert. Zweites
heft. 8. Berlin. Hempel 1871. — 25 gr. (I. II. 1 thlr. 25 gr.).
Das vorliegende zweite, heft der plautinischen Studien von
Geppert enthält mittheilungen aus dem Ambrosianus, d. h. be-
richtigungen und ergänzungen zu Ritschis angaben, wie sie sich
Geppert 1870 bei erneuter einsieht der handschrift als Vervoll-
ständigung seiner früheren aufzeichnungen ergeben haben. Vie-
les darin ist höchst dankenswerth und trägt den Stempel der
90 36. Plautus. Nr. 2.
evidenz an sich, so Stich. 638 in crastinum inspiciet diem statt
prospiciet; MGlor. 66 itane aibat statt aibant; MGlor. 393 eadem vi-
gilanti expetunt statt in vigilanti; MGlor. 700 dt tibi propitii sunt,
nam hercle si istam semel amiseris , da der Ambrosianus propiti'
namhercle hat, während im folgenden vers mit auslassung von
rursus zu schreiben sein möchte: libertatem, haut facile te in eun-
dem restitues locum; MGlor. 724 suisque amicis usui est statt vult
bene; MGlor. 865 an einer viel bestrittenen stelle, wo aus der
gestalt des verses im Ambrosianus emtibihicmihidixit .... qui'
dem mit grosser Wahrscheinlichkeit geschlossen wird auf em
tibi: hie mihi dixit stuc (wofür man allerdings lieber hoc setzen
würde) quidem. PH. dixti; Stich. 213 quot pötiones mulsi, quae
autem prandia statt quot autem; Stich. 395 ajebat ille statt a/e*
bant illi\ Stich. 699 SA. immo enim mavist ST. dulciust statt
SA. immo enim hie magis est dulcius ; Stich. 140 viro nuptum datur
statt ad virum; Pers. 480 deducam statt inducam. Wenn also ref.
an diesen und anderen stellen unbedingt zustimmen zu müssen
glaubt, so kann er andrerseits nicht verhehlen, dass vieles sehr
zweifelhaft erscheint, mehrfach jedenfalls die folgerungen Gep-
perts aus dem, was er gelesen haben will, sich als unmöglich
erweisen. So soll der vers MGlor. 721 lauten: cinserem emori:
cecidissetne ebrius an de equo uspiam?, wo das richtige sein
wird: cecidisset de equo si uspiam ebrius, oder noch einfacher:
cecidissetve ebrius de equo uspiam. Bacch. 518 wird uns gar
folgendes Wunderding von vers zugemuthet: tum quöm nihilo
pluris mihi blandiri refert. Dass blandiri in der von Ritschi
angegebenen lücke stehe, konnte man schon an sich vermuthen;
wenn aber noch mihi hinzukommt, wird in Wirklichkeit der vers
doch kaum anders gelautet haben als: tum quöm blandiri nihili
pluris referet. Wenn Stich. 483 und 484 der Ambrosianus
wirklich hat : sed quöniam nihil processit , at ego hac iero | apSr-
tiorem: age vix ita plane loquar, so wird zu schreiben sein: sie
quöniam nihil processit, alia ego adiero \ apirtiore magis via ac
plane loquar. MGlor. 707 wird es trotz des Ambrosianus, der hi
apud me aderunt, me curabunt haben soll, bei Haupts conjeetur :
ei apud me sunt ei me curant, bleiben müssen, da andere mit
dem leidigen trost „ wie man auch darüber denken mag" sich
über die präsentia des folgenden verses nicht werden hinweg-
setzen wollen. Auch die angebliche auslassung des verses MGlo r .
Nr. 2. 37. Publilius Syrus. 91
1465 wird uns sicher nicht bewegen ihn zu streichen, ebenso-
wenig wie man Poen. I, 3, 24 die acht plautinische, von Gep-
pert als tautologie bezeichnete ausdrucksweise pergin pergere
aufgeben wird, vrgl. Aulul. II, 2, 4 nunc domum properare pro-
pero. Stich. 520 müsste man an aller plautiniöchen metrik
verzweifeln, wollte man, wie es verlangt wird, betonen : ut cui-
que homini res paratast, proin amici sunt usui. Endlich wird
Pers. 357 Büchelers von Geppert nicht erwähnte vermuthung:
perennitassitque adeo perpetuum cibum, es ohne zweifei mit dem
neu geschaffenen perennitateique adeo perpetuo cibo aufnehmen
können.
Noch manches der art könnte angeführt werden ; ref. denkt,
dass das mitgetheilte genügt, um trotz des augenscheinlich rich-
tigen das väqis ttcu fi?[ivaoo amati.lv beim gebrauch von Gep-
perts angaben in besonderem masse als räthlich erscheinen zu
lassen. E. A. K.
37. Eine Sammlung von Sentenzen des Publilius Syrus.
Ein nachtrag zu den ausgaben des Publilius von Wilh. Meyer
aus Speyer. München 1872. 24 Seiten. 8. (Separatabdruck
aus den Sitzungsber. bd. II, heft 4 der münchner akad. d.
wiss. philos. philolog. cl.).
Dem vf. genannter schrift ist es durch einen glücklichen
fund und scharfe kritik gelungen, den noch am dunkelsten ge-
bliebenen punkt der Publiliusfrage der endlichen lösung bedeu-
tend näher zu bringen. Indem er bei ermittlung des eigen-
thums des dichters die zuerst von dem ref. gemachte Unter-
scheidung der zwei handschriftenklassen (Freisinger - Wiener
und Pariser - Basler - Eheinauer u. s. w.) anerkennt, deren zweite
nur eine Verstümmlung der ersten ist, und die autorität sämmt-
licher älterer ausgaben für die ächtheitsfrage auf null reducirt,
richtet er sein augenmerk auf die dritte, bisher bloss durch
cod. Turicensis vertretene Sammlung von 109 Sentenzen. Ueber
diese konnte früher eingestimmtes urtheil nicht leicht abgege-
ben werden, weil die Sprüche theilweise in entsetzlich verderb-
ter gestalt vorliegen, ein titel fehlt, und wir es jedenfalls nur
mit der auswahl eines anonymus zu thun haben, von dem man
nicht wissen konnte, ob er nicht neben Publilius auch andere
quellen benutzt habe.
92 37. Publilius Syrus. Nr. 2.
Zu diesen mit dem buchstaben C beginnenden Zürcher-
sentenzen giebt nun cod. Monac. 6969 saec. XI die fehlenden
buchstaben A. B. mit 26 Sentenzen (freilich in gleich willkür-
licher Überarbeitung, wie wir sie bei der Zürcher handschrift
bedauern), davor eine Überschrift, die Sentenzen von C. D. mit
cod. Turic. übereinstimmend, und bricht dann im buchstaben
E ab, so dass wir, da jene die buchstaben C — V umfasst, aus
beiden quellen die dritte spruchsammlung zusammensetzen und
mit hülfe des vermehrten materiales auch sicherer über den
werth und den Ursprung derselben urtheilen können. Meyer
sucht nachzuweisen, dass diese ebenso gut dem Publilius zuge-
schrieben werden dürfe, wie die Sammlung 1 und 2, dass also
die bisher offen gelassene alternative, jene sei vielleicht aus
zwei verschiedenartigen bestandtheilen zusammengesetzt, aufge-
geben werden müsse.
Und dass sie an Wahrscheinlichkeit verloren habe, ist je-
denfalls einzuräumen, obscbon wir die zürcher-münchner Publilius-
tradition als unlauterer und verdächtiger bezeichnen müssen,
als die pariser und freisinger. Denn einmal enthält sie zwei
Sprüche, die wie Meyer selbst zugiebt, nicht nur in ihrer jetzi-
gen gestalt christianisiert, sondern ursprünglich christlich ge-
dacht sind, vs. 85. 111, (= 669. 676 Wfl.); was bei den spruch-
versen der andern quellen sich nicht findet: sodann findet sich
unter den 3 37 versen der dritten Sammlung nur einer der von
Seneca und Grellius unter Publilius namen citierten, v. 77:
Improbe Neptunum accusat, qui iterum naufragium facit,
welcher vielleicht absichtlich wegen des heidnischen gottes in
Sammlung 1. 2 weggelassen ist; ferner ist die gestalt der Sen-
tenzen der 3. Sammlung oft der art zerrüttet, dass man weder
sinn noch metrum deutlich erkennt; endlich aber lautet der ti-
tel der 2. sammlnng Sententiae Senecae pMlosophi , der neue der
münchner : sententiae philosoph o r um. Weniger soll betont wer-
den, dass cod. Mon. 6369 ein im Turic. fehlendes eiuschiebsel
aus Terenz Andria 940 enthält, da auch in Sammlung 1. 2
ein vers aus demselben stücke sich findet, v. 37 Wfl. Ebenso
wollen wir nicht urgieren, dass ein neuer spruch:
Audiendo virtus crescit, socordia timor,
mit Pseudocaecilius Baibus p. 21 collidiert,
Audendo virtus crescit, tardando timor,
Nr. 2. 37. Publilius Syrus. 93
während sonst die verse der Sammlung 1. 2 sich mit diesem
autor nicht berühren. Dies sind einige puncte , welche das
bedenken erregen, ob nicht Meyer doch zu weit gegangen sei.
Gleichwohl halten wir nach dem funde für ausgemacht, dass
die 3. Sammlung Publilius verse berge, welche in Sammlung 1. 2.
fehlen, und dass man eiuige sentenzen , welche man als will-
kürliche Übertragungen oder periphrasen bekannter ansehen
könnte, besser als neue, selbstständige betrachtet.
Um schliesslich den kritischen gewinn anzudeuten , so ist
vielleicht in dem verse:
Bonarum rerum consuetudo pessima est,
trotz v. 165 Wfl. die Variante desuetudo in erwägung zu zie-
hen. V. 31 = 655 Wfl. bestätigt die handscbrift die schon
von dem ref. in den text gesetzte conjectur Fröhlichs supplicem
statt simplicem. Die sentenz des Turicensis :
Frenos inpone linguae saepius conscientia,
hat Meyer sehr schön emendirt in :
Frenos imponit linguae conscientia,
coli. v. 100 Wfl. Ueberhaupt hat er zur kritik der Zürcher
sentenzen manchen beachtenswertben beitrag geliefert *) und da-
bei (im gegensatz zu der von L. M. im Litt. Centralblatte aus-
gesprochenen ansieht) den satz aufgestellt, dass das alphabeti-
sche Stichwort fast nirgends geändert worden sei. Von den
neuen versen geben wir als probe einige in der von Meyer
und seinem freunde A. Spengel emendierten gestalt:
Avaro acerba poena natura est sua. (Vgl. 14. 337 Wf.)
Avari vita torpet morte longior.
Animo ventrique imperare debet, qui frugi esse vult.
Auxilium ubi das profligatis, contumeliam ingeras.
Bonus est vir nemo nisi qui bonus est omnibus.
E. W.
1) Da durch Meyers entdeckung die bedeutung der Züricher sen-
tenzen steigt, so wird es gestattet sein bei diesem anlasse einige in
der ausgäbe von 1869 theils absichtlich , tbeils unabsichtlich über-
gangene Varianten nachzutragen, die man übrigens auch aus Oretti,
Phuedri fabulae novae, 1832, p. 48 ff. leicht ergänzen könnte: V.
116 caret crebro periculis. 178 furore fit atrocior. 215 qüotiens suis
iacturam rerum patitur. 230 quidquid. 243 inyratescü. 246 aut felix
aut fortis. 284 ingenuitas non fert contumeliam. 309 ferre. 656 si
eulpam poenitet ineurrisse.
94 38. Livius. Nr. 2.
38. Beobachtungen über den dativ der bestimmung, be-
sonders den dativ des gerundivi bei Livius, von Lorenz. Pro-
gramm des gymnas. zu Meldorf. XX s. 4. Meldorf. 1871.
Es liegt hier der erste theil einer abhandlung vor, die,
wie die eingangsworte sagen, ihre entstehung einer bemerkung
Madvigs zum vierten theile seiner Liviusausgabe p. xh zu 41,
17, 5 verdankt und in Verfolgung des hier gegebenen anstosses
in diesem ersten theile untersucht, wo bei Livius der finale
dativ „als ergänzung von Vorstellungen, die aus einem Substan-
tiv und verbum zusammengesetzt sind" steht, ebenso „als theil
des prädicats in Verbindung mit esse, satis esse, sufficere", während
der gebrauch des finalen dativs nach adjectiven bei einer andern
gelegeuheit besprochen werden soll. — Eecht sehr ist dem re-
ferenten ein allbekannter mangel unserer grammatik hier wie-
der aufgefallen, nämlich die grosse Unsicherheit, in der wir uns
bei bestimmung unserer grammatischen begriffe befinden. So
wird hier p. ri als substrat der anzustellenden Untersuchung
eine definition des dativs dahin gegeben: „der dativ bezeichnet
im allgemeinen den gegenständ, welcher bei einer handlung in
der art b et heiligt ist, dass dieselbe eine richtung auf ihn
hat. So ist er der casus des betheiligtseins oder des ent-
fernteren zieles, dem irgend eine einwirkung zu theil
wird". Wenn das im ersten satze angegebene ein charakteristi-
sches merkmal des dativs ist, was haben wir dann wohl für
den accusativ in anspruch zu nehmen, von dem es doch als
ausdrückliches merkmal gilt, dass er den gegenständ bezeichne,
auf den die richtung der handlung sich erstreckt? Oder sol-
len etwa die ausdrücke „betheiligt sein" und „eine" richtung
hier besonders urgirt werden müssen? Aber dann wäre die
bestimmung doch viel zu vag. Und dann heisst es weiter: „so
ist er" etc. Wie ist er es denn? und ,,des entfernteren ziels"
entfernter als welches ? „dem irgend eine einwirkung zu theil
wird" irgend eine? wer kann wohl mit dieser bestimmung et-
was machen? Auf diese schwankende unterläge wird sodann
wieder ein „daher" gebaut. Es ist durchaus nicht absieht den
Verfasser allein für diese Unbestimmtheiten in anspruch zu neh-
men, wenn er sich auch selbst hätte sagen müssen, dass diese
definition auf zu schwachen fiissen steht, als dass er sie so
gestrost hätte vortragen und als grundlage für eine längere uu-
Nr. 2. 38. Livius. 95
tersuchung hinstellen können: es scheint vielmehr ein überall
entgegentretender und ziemlich in allen grammatiken fühlbarer
mangel in der bestimmung der grammatischen begriffe von ca-
sus, modus, subject u. s.w. zu sein, der sich vielleicht in dem aus-
drucke zusammenfassen lässt, dass der begriff selbst nicht hin-
länglich bezeichnet wird , sondern blos merkmale angegeben
werden, die, weil sie ebenso zu einem andern Substrate pas-
sen, bei nicht scharfer bestimmung nur zu leicht Verwirrung
hervorrufen. Doch zur sache selbst. — Die betrachtung glei-
cher und ähnlicher stellen, in denen der dativ und in gewis-
sen Verbindungen der genetiv sich findet, führt einerseits zur
aufstellung von regeln, andrerseits zur Unterscheidung schwan-
kender fälle, wobei freilich referent sich des eindrucks nicht
erwehren kann, als ob manches zu gunsten einer vorgefassten
meinung entschieden wäre, z. b. I, 1, 8, wo condendaeque urbi
locum quaerere von dem Verfasser als das richtigere behauptet
wird. Da aber an dieser stelle die maassgebenden handschrif-
ten aus einander gehen und der genetiv ebenso gut als der
dativ stehen kann, so kann nur der gedankengang den aus-
schlag geben, und da scheint doch Frey, der den genetiv in
Schutz nimmt, vor Lorenz den Vorzug zu haben. Problematisch
wird übrigens doch wohl immer die entscheidung des wirklich
von Livius geschriebenen da bleiben , wo beide casus gleich
möglich sind, und, wie dann zu geschehen pflegt, die hand-
schriftlichen lesarten schwanken , so z. b. die p. x bespro-
chene stelle 35, 11, 10: erat etiam maior orationis materia,
quo ex altiore fastigio rex quam tyrannus detractus erat. Die
stellen, welche Weissenborn zum schütze des genetivs , den
auch Lorenz befürwortet, anführt, sind so angethan , dass in
den ersten drei stellen nur der genetiv, in den letzten dreien
nur der dativ möglich ist, sie enscheiden also gar nichts. Un-
ter die letztern drei gehört auch die von Lorenz ebenfalls p. x
besprochene 26, 35, 4: tanta indignatio fuit, ut magis dux quam
materia seditioni deesset. Hier geht die bemerkung vorauf: „auch
den substantivbegriff, welcher das ziel bezeichnet, für dessen
erreichung etwas als Stoff, mittel, anlass geeignet ist, lässt es
(das wort materia) sowohl im genetiv (und den will hier der
vf.) wie im dativ folgen" ; der eiudruck aber, den deesse macht,
ist doch zu stark, als dass er sich ignoriren Hesse, und so
96 38. Livius. Nr. 2.
wird denn nach noch zwei beispielen, deren eines (3, 11, 10)
das verb suggerere, das andere (1, 23, 10) praebere hat, die be-
merkung hinzugefügt: „diese verben deesse, praebere, suggerere sind
alle drei der ergänzung des satzes durch den dativ der bestim-
mung günstig". Das heisst doch wirklich mit der einen hand neh-
men, was man mit der andern gegeben hat. Ob nun diese Un-
sicherheit in der entscheidung in einer vorgefassten meinung
ihren grund hat, wie ich auch in der p. 18 bebandelten stelle
glaube annehmen zu müssen, 29, 23, 2 : Carthaginienses quoque
haud parvum et ipsi tuendae Africae momentum adiecerunt
societatem Syphacis : (es scheint mir nämlich ganz entschieden
natürlicher zu erklären: sie verschafften in dem bündnisse mit
Syphax der deckung Afrika's ein nicht geringes moment, als
momentum tuendae Africae zu verbinden, mag auch Weissenborn
dieser ansieht sein, zumal da die von ihm herbeigerufenen stel-
len 29, 24, 2 • — wo der genetiv bloss zu momentum gehört — ,
8, 16, 11 — wo ich in averruncandae deorum irae vietimas caedere
nur den dativ finden kann — , und 28, 27, 10 — was hierher
gar nicht passt — nullius momen tisinä:): ob es also diese Vor-
liebe ist, oder wieder die oben erwähnte Unbestimmtheit gram-
matischer begriffe, will ich nicht entscheiden ; sicher aber ist es,
dass diese Unbestimmtheit — oder soll ich es mangel an gram-
matischem gefühle nennen? — wieder ganz deutlich p. 18 ge-
gen ende hervortritt. Es wird da in dem satze : Insipientis est
in errore perseverare , der genetiv insipientis als praedicativer be-
zeichnet. Wenn nun auch diese benennung nicht ganz verwor-
fen werden soll, insofern zu perseverare als subjeet insipientis
est als prädicat gedacht werden kann — freilich wird der ge-
netivus viel schärfer als der subjeetive und zwar als possessoris
bestimmt — , so ist doch die anwendung, die der vf. davon auf
stellen macht, wie 5, 3, 5: concordia ordinum dissolvendae tribuniciae
potestatis est, entschieden zu missbilligen. Denn wo in aller weit
findet sich hier nur etwas jenem infinitiv perseverare entspre-
chendes ? Zudem ist es ja fraglich, ob überhaupt dieser casus
des gerundivum mit esse stets der genetiv ist, wie denn p. 19
der Verfasser richtig traJiendae rei in 24, 27, 3 als dativ er-
klärt.
Dass die abhandlung natürlich auch des richtigen genug
bietet, bedarf wohl keiner erwähnung; wünschenswerth aber
Nr. 2. 39. Tacitus. 97
ist und bleibt es , dass der vf. bei der in aussiebt gestellten
veröffentlicbung des zweiten theiles auch diesen nochmals mit-
bearbeite und dabei die ausgangspunkte fester hinstelle — oder
etwa lieber ganz weglasse?
W. lell.
39. Beiträge zur kritik und erklärung des Tacitus. (Pro-
gramm des gymnasiums zu Eegensburg 1871/72: p. 5—17).
Von Ferdinand Schöntag. 4.
Der vf. welcher vor drei jähren in den blättern f. d. bayr.
gymnasialwesen V, p. 193 ff. kritische bemerkungen zu Tacitus
veröffentlicht hat, unterzieht in vorliegender schulschrift p. 5 —
15 zwölf stellen desselben Schriftstellers einer genaueren betrach-
tung , die ihm mehrfache schaden der Überlieferung auch da
aufzudecken schien, wo bisher keine" bedenken sich erhoben
hatten. Doch ist es hier dem vf. nicht gelungen , seine an-
nähme von corruptelen in jedem einzelnen falle zu begründen;
stellen wie Ann. I, 10 wo Brutorum exitus paternis inimicitiis
dandos statt datos, oder II, 60 wo Bructeros sua tuentis statt
urentis, ferner XVI, 22, wo extollitur ad promptum Cossu-
tiani animum Nero statt extollit ira promptum gelesen werden
soll — solche stellen wird man trotz der argumentation des
vfs. dennoch als richtig überliefert erklären. Auch Hist. IV, 50 :
gentem indomitam et inter aecolas latrociniis fecund am bedarf
der änderung des letzten Wortes in metuen dam nicht, wie I, 51
Lugdunensis . . . colonia feeunda rumoribus und II, 92 feeunda
gignendis inimicitiis civitas zeigen. Ebenso kann Ann. II, 48
ignotos et aliis infensos eoejue prineipem (sc. heredem) nuneupan-
tes proeul arcebat, nicht als corrupt gelten, obwohl die worte
bei Cassius Dio LVII, 17, 8 firjds tag xXijgovofAi'ag , äg rivsg
avtep avyysveig e%ovtsg y.aieAinov , ngooieiAEiog, offenbar an die
stelle des Tacitus anklingen. Denn wenn man mit dem vf.
den begriff avyysri-ig durch die änderung von aliis in necessa-
riis dem Tacitus aufdrängen wollte, so müsste man folgerich-
tig auch den begriff infensos in den text des Dio hineincorri-
gieren. Dagegen hat der vf. Ann. XIV, 61 die worte deosque
tan dem venerantur mit recht bekämpft, da weder ßoth's ge-
zwungene erklärung noch Nipperdey's deutung das befremdli-
che tandem zu schützen vermögen; der Vorschlag des vfs. deos-
Philol. Anz. V. 7
98 39. Tacitus. Nr. 2.
(que) gratantee venerantur zuschreiben, verdient jedenfalls be-
achtung. Entschieden misglückt aber ist ebenda die ände-
rung der ohne zweifei verderbten worte itur etiam in prin-
cipis lau des re p eti tum venerantium in folgende fassung:
nuntiatur etiam tn principis aulam de strepitu venerantium;
denn entweder erscheint principis oder der begriff aulam überflüs-
sig, auch befremdet die Verbindung von strepitus mit venerantium,
endlich ist das, was der vf. von dem „wahrscheinlich damals all-
gemein üblichen ausdrucke . . . nuntiare in aulam „im kabinet
bericht erstatten" sagt, nicht bewiesen und auch nicht zu bewei-
sen. Hist. II, 45 sortem civilium armorum misera laetitia
detestantes, werden durch die genaue Untersuchung der bedeutung
und des gebrauchs von miser allerdings probable bedenken ge-
gen die Überlieferung erhoben (an dem doppelten Oxymoron
aber nimmt der vf. mit unrecht anstoss). Gegen die vorge-
schlagene änderung mixta laetitia spricht jedoch die Wortstel-
lung, die diesen durch das particip mixta mit detestantes logisch
coordinierten gedanken gar nicht hervortreten lässt; man würde
vielmehr die nachsetzung von mixta laetitia und etwa noch die
begleitung eines solchen in echt taciteischer weise überhängen-
den ablativus durch einen motivierenden satz erwarten. Eef.
läse daher lieber mit leichter änderung von misera laetitia den
satz so: sortem civilium armorum sera maestitia detestantes, mit
bezug auf die folgenden worte : spes et praemia in ambiguo, certa
funera et luctus, und auf den gedanken : nee guisquam adeo mali
expers, ut non aliquam mortem maereret. Hist. III, 18 werden in
der sicher corrupten stelle forte victi haud perinde rebus pro-
speris ducem desideraverant atque in adversis deesse intellegebant,
die verzweifelten erklärungsversuche von Roth und Müller (Inns-
bruck) mit recht ignorirt , mit unrecht aber die vermuthuügen
von Nipperdey, welcher mit non ante victi dem gedanken
zuerst gerecht geworden ist, und von Urlichs, dessen conjeetur
fortes invicti auch den richtigen ausdruck zutreffen scheint.
Was der vf. durch die nebeneinanderstelluug forte victores,
forte victi erzielen wollte, das ist bei Nipperdey und Urlichs
durch die negation (non, in-), die in so betonter Stellung natür-
lich einen gegensatz involviert , besser erreicht. Hist. IV, 41
wird die von Döderlein aufgestellte, von Heraus angenommene
erklärung der worte probabant religionem patres, periurium argue*
Nr. 2. 40. Festus. 99
laut bekämpft. Hist. IV, 14 und Germ. 19 werden vorschlage
zur interpunctionsänderung gemacht. — P. 15 — 17 wird der
bei Tacitus bekanntlich sehr häufige fall besprochen, dass zu
einem auf den hauptsatz folgenden untergeordneten gliede ein
zweites mit dem letzteren in enger logischer beziehung stehen-
des glied in der form des unabhängigen satzes tritt. Der vf.
bezeichnet eine reihe einschlägiger stellen, an welchen bis jetzt
mit punctum oder komma interpungiert war, durch Setzung des
kolon. Ann. IV, 3 wird durch die interpunction: ceterum plena
Caeswum domus, iuvenis filius, nepotes adulti moram cupitis adfe-
rebant et quia vi tot simid corripere intutum: dolus intervalla scele-
rum poscebat — nichts gewonnen ; vielmehr ist mit Nipperdey
et vor quia zu streichen und der satz dolus . . . poscebat noch
von quia abhängig zu machen. Schliesslich wird vom vf. noch
auf solche beispiele hingewiesen, in welchen logische Vorder-
sätze aus dem straffen syntaktischen verbände gelöst sind; für
diese fälle wird die parenthese empfohlen, die übrigens z. b.
Agr. 38 längst von Ritter gesetzt war.
40. De Eufi breviario eiusque codicibus dissertatio. Scr.
W. Förster. Programm des k. k. Josefstädter ober-gymna-
siums. 8. Wien 1872. P. 93—111.
Bis jetzt besitzen wir von dem breviarium verum gestarum
populi Romani des Eufus, oder wohl richtiger gesagt, des Fe-
stus, wie ich unten zeigen werde, noch keine kritische ausgäbe,
die auch nur im geringsten dem heutigen stände der Wissen-
schaft entspräche. Denn seit langer zeit hat sich kein philolog
eingehender mit diesem Festus beschäftigt, und noch immer ist
die ausgäbe von H. Verheyk vom jähre 1762 die beste, da
Münnich (1815) nichts neues bringt, sondern alles , und in
den kritischen noten bisweilen recht flüchtig, aus Verheyk ge-
nommen hat. Auch der ausgäbe von Eaphael Mecenate,
Eom 1819, lagen nicht die besten handschriften zu gründe,
und dazu ist die ausgäbe so selten , dass auch der Verfasser
obiger arbeit sie nirgends hat auftreiben können. Es wird des-
halb eine collation dieser ausgäbe in Philol. XXXIII, 2 gege-
ben werden.
Die arbeit Försters ist in Wahrheit der erste anlauf zu einer
kritischen ausgäbe, und nach der vom vf. angewandten methode
7*
100 40. Festus. Nr. 2.
dürfen wir bald etwas gutes erwarten. Was Förster in seiner
Schrift will, stellt er in folgenden worten zusammen: opera no-
stra versabatur in inquirendis antiquissimis eisque optimis codicibus,
in definienda eorum cognationis conditione ut denique adpareat unde
textus restituendi sat firma sint sumenda adminicula. Es hat nun
vf. ausser dem bereits bekannten handschriftlichen material für
Festus, wie es uns in der ausgäbe von Verheyk (cod. L =
Leidensis, N = Nonnii Über, B1 = Basiliensis primus, H2 = Basi-
liensis secundus, B = Burmanni codex) und in einer collation des
cod. Posnaniensis von Dr Beneke 1838 vorliegt, mehrere bisher
nicht benutzte, und was das hauptsächlichste ist, sehr werth-
volle handschriften zu seiner abhandlung benutzen können. Von
dem cod. Gothanus (G), über den bereits Th. Mommsen im Her-
mes I, p. 468 berichtet, wurden ihm von E. Schulze in Gotha
(n. 101), von dem cod. Bambergensis, den schon Bernhardy in
seiner römischen literaturgeschichte und 0. Jahn in der ausgäbe
des Florus rühmend erwähnen, von prof. Günder collationen
zugesandt , mehrere wiener handschriften verglich er selbst.
Diese handschriften des Festus zerfallen nach vf. in zwei abthei-
lungen, zu der einen gehören G, der bamberger und ein wiener
codex, vom vf. mit W1 bezeichnet, die von besonderem werthe
sind; der Posnaniensis, B2 und ein wiener, W3, stammen aus
späterer zeit und kommen bei der Untersuchung wenig in be-
tracht. Zu der andern abtheilung sind zwei gute wiener, W
und W2, und drei von geringerem werthe, W4 in Wien, B1
und L zu zählen.
Der G ist in saec. IX geschrieben und somit der älteste
dieser gruppe, mit ihm stimmt meistens der bamberger (E III,
22) aus dem 11. Jahrhundert überein, ein Jahrhundert jünger
ist W1 (Bibl. palat. 451). Aus dem vom vf. angestellten ver-
gleiche dieser drei Codices geht nun deutlich hervor, dass we-
der B noch W1 aus G, noch W1 aus B abgeschrieben sein können,
dass alle drei aus einer ähnlichen quelle geflossen sind, aber
mit dem unterschiede, dass den handschriften G und B ein sehr
ähnlicher urcodex zu gründe lag, welchen Förster mit X be-
zeichnet, während höchst wahrscheinlich der archetypus von
W1 nach W corrigiert ist, da W1 mit W öfter übereinstimmt,
eed haec congruentia nonnisi in singidis vocabulis deprehenditur.
Bei dieser Untersuchung sind mir einige fehler aufgefallen, die,
N. 2. 40. Festus. 101
wenn sie auch klein sind, berichtigt werden müssen. So steht
in cap. 5 (p. 100 bei Fürster) im Bamberger, den ich gerade
zum zweck einer collation vor mir habe, nicht praesidiales, son-
dern presidales, und sicherlich ist praesidales die lesart des co-
dex X, da auch am ende des cap. 4 sowohl in cod. G als in
B diese form geschrieben ist. Ferner steht (auf derselben seite)
c. 10 im Bamberger nicht primis infestissumis , sondern primum
infestissimis. Auch vermisse ich hierbei eine stelle, aus der
deutlich hervorgeht, dass B nicht aus G stammen kann. Am
ende des cap. 10 steht nämlich im Bamberger : postea in consue-
tudinem parendi romanis clementer provocantibus pervenerunt ; G
hat dagegen mit auslassung der worte : in consuetudinem pa-
rendi Romanis nur: postea clementer provocantibus. Die richtige
lesart des urcodex X hat sich also im Bamberger erhalten, da
auch W1 postea in consuetudinem parenti romanis clementer provo-
catis hat, Daher ist auch die zwar richtige conjectur Försters
p. 109 gar nicht nöthig.
Was die andere klasse der handschriften betrifft, so kommen
hierbei hauptsächlich zwei wiener in betracht, W (Biblioth. pa-
lat. 89) aus dem 9. Jahrhundert und W2 (Bibl. palat. 323) aus
dem 12. Jahrhundert, die ohne allen zweifei aus W stammt,
wenn sie auch gerade nicht ein apographon codicis W ist. Wir
hätten somit den codex W als einzigen Vertreter dieser klasse
anzusehen.
Vergleichen wir nun beide abtheilungen mit einander, so er-
giebt sich als resultat, dass weder die eine noch die andere klasse
zur ausschliesslichen grundlage bei der herstellung des textes
dienen kann, dass aber nach dem urcodex X, als dem ältesten
und besten, mit genauer berücksichtigung des cod. W, da die-
ser an einigen stellen allein die richtige lesart bietet, der text
zu construiren ist. Aber auch so würden noch fehler vorhan-
den sein, die herausgemerzt werden können und müssen, wenn
wir den Festus einestheils mit den Schriftstellern vergleichen,
aus denen er geschöpft hat, wie Florus, Livius und Eutrop,
anderntheils aber mit dem schriftsteiler, der ihn in cap. 4 — 18
benutzt hat. Dies ist bekanntlieh Jordanis in seinem werke
de regnorum et temporum successione. Wenn nun auch Jordanis
nicht in dem masse für die constituirung des textes herbeige-
zogen werden kann, wie dies von 0. Jahn und K. Halm für
102 40. Festus. Nr. 2.
Florus geschehen ist, so hat doch Förster richtig gezeigt, dass
der text desselben hie und da reiner ist als cod. X und dass
der codex des Festus, den Jordanis benutzt hat, älter und bes-
ser gewesen ist als urcodex X. Leider fehlt uns noch immer
von diesem werke des Jordanis eine kritische ausgäbe, über-
haupt ist bis jetzt über den werth der einzelnen handschriften
noch kein festes princip aufgestellt worden. 0. Jahn benutzte
bei der herausgäbe des Florus einen der älteren Codices des
Jordanis aus dem neunten Jahrhundert zu Heidelberg und einen
Jüngern, der aber auch sehr gut ist, aus dem 12. Jahrhundert
in München, früher im kloster Polling: s. 0. Jahn praef. ad
Florum p. 7. K. Halm Neue Jahrb. 1854, p. 173. Von die-
sen beiden hh. spricht aber Förster kein wort, er erwähnt da-
gegen nur zwei wiener, von denen der beste aus dem 12. Jahr-
hundert stammt. Es lässt sich jetzt unmöglich die frage über
die gute derselben entscheiden , doch möchte ich dem vf. ra-
then, bevor er an die Veröffentlichung des Festus ginge, sich
auch die beiden von Jahn und Halm benutzten handschriften
naher anzusehen.
Was die Verbesserungen Försters betrifft, so kann ich hier
nicht alle besprechen, sondern will lieber solange damit warten,
bis erst die ausgäbe mit dem ganzen kritischen apparat fertig
vorliegt. Manche der Verbesserungen halte ich für unbedingt
richtig, um so mehr, da ich mir dieselben auch in meiner aus-
gäbe schon früher verzeichnet habe. So schiebe ich auch in
cap. 8 (p. 106) Dardaniam hinter Moesiam ein und halte auch
cap. 4 (p. 96) rebellavere saepe Sardi für ein glossem. Auch
scheint mir der satz in cap. 22 : Hie Alexander scriniorum ma-
gistrum habuit TJlpianum iuris consultum , nicht von Festus her-
zurühren, sondern aus Eutrop 8, 23 in den text aufgenommen
zu sein. Die conjeeturen auf p. 109 icit für fecit und Caius
für Claudius finden sich bereits in der Bipontina. Für falsch
muss ich den Verbesserungsvorschlag in cap. 2 halten, wo För-
ster statt 916 die zahl 834 schreiben will. In den texten
stand bis jetzt: quadraginta novem annis Jtomae constdes defue-
runt, sub decemviris annis duobus, sub tribunis militum annis qua-
draginta tribus ; sine magistratibus Roma fuit annis quatuor.
Nach den codd. G und B, also im urcodex X, heisst die stelle:
novem enim annis Eomae consulcs defuerunt, ita sub decemviris an-
Nr. 2. 40. Festns. 103
ms duobus, sub tribunis militaribus annis tribus, sine magistratibus
(fehlt in G) Roma fuit annis IUI. Es fehlt also in cod. X
zweimal quadraginta, und hiermit stimmt nicht allein cod. W,
sondern auch im allgemeinen Jordanis überein. Von sämmtli-
chen hh. hat nur B1 nach der angäbe Verbeyks das erste qua-
draginta [quadraginta novem enim annis, die berausgeber lassen
enim fort- , das zweite quadraginta fehlt aber auch in cod. B .
Ohne zweifei hat der Schreiber dieses codex aus versehen qua-
draginta hier eingeschoben, was um so leichter möglich war,
weil in diesem c. 2 noch öfter die zahl quadraginta vorkommt,
und wir dürfen wirklich kein so grosses gewicht auf B1 legen,
wie Förster es gethan hat. Nehmen wir nun an, dass in neun
jahren keine consuln zu Rom gewählt waren, so bleiben nach
der rechnung des Festus 458 jähre übrig, in denen dann 916
consuln waren praeter eos, qui in eundem annum sorte aliqua sunt
subrogati. Und diese zahl steht nicht allein im cod. G und B
d. h. im urcodex X, sondern auch im Jordanis, ja stimmt auch
im allgemeinen mit cod. W überein, denn hier wird CCCCXVII
gelesen, und jedermann sieht leicht ein, dass bei dieser zahl
D ausgefallen ist. Es hat demnach die klasse X und Jordanis
916, die klasse W 917. Welche von beiden zahlen die rich-
tige ist, ist leicht zu errathen. Dass natürlich : sub tribunis mi-
litaribus annis tribus, falsch ist, weiss jeder, aber ohne zweifei
ist Festus durch Eutrop irre geführt, der II, 3 sagt: Verum
dignitas tribunorum militarium non diu perseveravit. nam post ali-
quantum nullos placuit fieri, et quadriennium in urbe ita fluxit, ut
potestates ibi maiores non essent. resumpserunt tarnen tribuni militO'
res consulari potestate iterum dignitatem et triennio perseveraverunt.
Ausser den bereits oben angeführten fehlem will ich noch
folgende erwähnen. P. 96 sagt Förster : „praepositionem adversum
omnibus locis tuetur G", allein adversus steht nach meiner collation
in cap. 21. — P. 103 und p. 106 sind vom vf. dieselben stellen
aus cap. XI angeführt, auf p. 103 steht die form petiverunt,
auf p. 106 petierunt. Das richtige nach cod. G und B ist pe-
tiverunt. — Auf p. 106 heisst es, dass B die zahl 917
hätte. B stimmt vielmehr hier genau mit G überein, beide ha-
ben 916.
Schliesslich noch meine ansieht über den namen des Schrift-
stellers. In den hh. und älteren ausgaben steht bald Sextm
104 41. Cicero. Nr. 2.
Rufus bald Festus Rufus bald Rufus Festus (s. Münmch p.H)> För-
ster nennt ihn Rufus. Spätere autoreu haben uns, soweit mir be-
kannt ist, den namen nicht überliefert, und so sind wir denn einzig
und allein auf die hh. angewiesen. Wir müssen also untersuchen,
welches die älteste und sicherste Überlieferung ist, und so lange
darnach schreiben, bis erst bessere und zuverlässigere hülfamit-
tel aufgefunden sind. Klasse W, d. h. W und W2, hat brevia-
rium Ruft festi, cod. B breviarium festig cod. G nur: de breviario
rerum gestarum populi romani, woran sich gleich der text an-
schliesst. Allein es ist hier wohl zu beachten, was Förster nicht
zu wissen scheint, dass in Gr auf dem obern rande der Seiten
2, 3, 8, 12, 14 die bezeichnung BREVIR oder BREVIAR
FESTI steht. Auf p. 2 sind die buchstaben nur halb sichtbar,
die obere hälfte desselben scheint durch beschneiden verloren
gegangen zu sein, vielleicht enthielten alle blätter diese bezeich'
nung. Wir können daher ohne bedenken annehmen, dass in.
dem urcodex X breviarium Festi geschrieben war. Da nun aber,
wie auch Förster annimmt, cod. X eine stufe weiter herauf
geht, als klasse W und ihm unbedingt ein grösserer werth zu-
geschrieben werden muss, so können wir nicht anders , als un-
sern Schriftsteller Festus nennen. C. Wagener.
41. M. Tullii Ciceronis de legibus libri ex recognitione
Ioannis Vahleni. 8. Berolini apud Franciscum Vahlen.
MCCCLXXI. — 1 thlr.
Der bedeutende fortschritt in der kritik der bücher de le-
gibus, den die vorliegende ausgäbe bezeichnet , beruht zunächst
auf der nochmaligen sorgfältigen vergleichung der beiden Vos-
ßiani, deren Überlieferung mit der grössten bis in's einzelnste
gehenden genauigkeit verzeichnet ist. Auf grund derselben er-
halten wir einen von dem Halm - Baiterschen an vielen stellen
abweichenden, und wie hinzugesetzt werden muss, verbesserten
text. Zunächst sind bei Halm mit unrecht eingeklammerte
worte wieder in ihr recht eingesetzt, so 2, 14 legis; 3, 25 inci-
tata; 3, 40 in sententia. Ebenso so ist mehrfach die hand-
schriftliche lesart wieder zurückgeführt, wie 1, 30; 2, 11; 2,
46; 3, 14; 3, 18. Weiter sind schlagende Verbesserungen frü-
herer gelehrten, besonders des Turnebus, in den text aufgenom-
men, z. b. 1, 37 urbes; 2, 58 lamina\ 2, 59 tunicula ; auch das
Nr. 2. 41. Cicero. 105
Bakesche ad Urem 1, 14, die vermutbuug von Salmasius mor-
tuis 2, 55, die lesart der deteriores dicis für diligis 3, 1 gehört
hierher. Dazu kommen die zahlreichen eignen meist überzeu-
genden Verbesserungen des herausgebers selbst. Zu solchen
hat zunächst die auch schon den früheren editoren nicht ver-
borgene, aber nicht weit genug angewandte erkenntniss der
vielen lücken in den handschriften, worüber die vorrede sich
ausspricht, geführt; beispiele sind 1, 8 divinum et memora-
bilem; 1, 23 par et communis; 1, 42 indemnatum et indicta
causa; 2, 29 in Ulis; 3, 39 si non valuerint leges ut ne sit
ambitus, und grössere ergänzungen, die zwar problematisch blei-
ben, aber doch den sinn richtig treffen, wie 1, 34; 2, 41.
Durch die genauere angäbe der handschriftlichen Überlieferung
(recura) gewinnen wir 1, 23, 61 das richtige recursura, während
bei Halm das unmögliche recurrunt steht. Schlagend ist 1, 11
posse ita für honesta, 1, 63 pie für ipse, 2, 21 nontii für non
gesetzt. Die anmerkungen, obwohl sehr knapp gehalten , bie-
ten mehrfach werthvolle, durch herbeigezogene stellen begrün-
dete bemerkungen zum ciceronischen Sprachgebrauch, so über
sin im f ortschritt der beweisführung 1, 48; über die Wieder-
holung derselben worte 2, 14 ; zu et eosdem 2, 32 ; über quom
scias nach vorhergehender dritter person 2, 46 ; zu quaeruntur qui
astring antur , 2, 48 sq. Auch das über descriptio und discriptio
3, 12 gesagte kann referent nur unterschreiben. Sehr glücklich
ist auch 2, 53 die aus den ausgaben des Turnebus geführte nach-
weisung von der richtigkeit der ergänzungen Lambins.
Dass es bei so viel überzeugenden nicht an einzelnen
stellen fehlt , wo man nicht mit dem herausgeber überein-
stimmen kann, ist natürlich. Zu manchem von dem , was im
folgenden kurz mitgetheilt werden soll, hat er selbst erst die
anregung gegeben. 1, 15 ist Oretae vor dem folgenden in cu-
pressetis Gnosiorum nicht zu halten, also Crete cum Clinia, die
Stellung wie 3, 29 his de kominibus; 1, 19 ist in dem hand-
schriftlichen appellar& B, appellare et Heinsianus wohl appeU
lare solet zu suchen; 1, 23 quibus autem haec sunt inter eos
communia ist inter eos, offenbar nur eine falsche Wiederholung
des vorhergehenden inter eos, mit Halm zu streichen, ebenso 1,
25 nach recordetur das von Lactantius ausgelassene agnoscat;
1, 27 durfte das schöne von Heidegger gefundene oculi mimi
106 41. Cicero. Nr. 2.
arguti nicht dem seltsamen nimis arguti geopfert werden ; 1, 35
war Haupts emendation effici statt des matten und überflüssi-
gen Attico aufzunehmen ; 1 , 40 beruht atque incauti potius statt
at auf festem ciceronianischen Sprachgebrauch; 1,49 ist das von
Halm vorgeschlagene und auch vom referenten vermuthete illa
(statt una) erit virtus quae malitia rectissime dicatur einzig richtig ; 1,
52 ist aliquando tarnen (tarn B'J des codex Leidensis besser als ali-
quando iam; 1,54 erfordert wieder der Sprachgebrauch ae iam, nicht
at iam, weiterhin beweist die antwort des Atticus : qui istuc tandem
videsl dass Bake mit hoc video statt hoc dico das richtige getrof-
fen hat; 2, 3 sed nimirum me alia quoque causa delectat quae te
non attingit ita, musste mit Guilelmus Tite für ita geschrieben
werden, vergl. 2, 34 sane quaero Tite, auch 1, 37; 3, 19. 33;
2, 3 ist zu schreiben inest nescio quid et latet in animo ac sensu
meo quo me iusto plus hie locus fortasse delectet , wie wieder
die antwort des Atticus ego vero tibi istam iustam causam puto
esse zeigt ; 2, 5 steckt in idem ego te aeeipio dicere Arpinum
vielleicht oppidum ego etc.; 2, 6 kann ut enim statt des
von Lambin gesetzten etenim nur künstlich vertheidigt werden;
2, 22 ist in nos leto datus vielleicht ho min es leto datos zu su-
chen ; 2, 28 ist es vergeblich bene vero quod Mens, Pietas, Virtus,
Fides consecratur manu erklären zu wollen, für manu ist wohl
nominatim zu lesen, wie es im folgenden heisst: rerumque
expetendarum nomina, Salutis, Honoris, Opis, Victoriae; 2, 37 ist
aus dem handschriftlichen audaciam inet inmitendas religionibus
foedas zu schliessen auf audaciam et temeritatem in admitten-
dis religionibus foedls, die vermuthung des herausgebers audaciam
ruentem in licentias religionibus foedas hat keine Wahrscheinlich-
keit; 2, 38 ist die construetion des satzes richtig erkannt, aber
in cavea cantu videat fidibus et tibiis ist videat in dieser Verbin-
dung nicht zu vertheidigen ; das richtige ist gaudeat, wo-
durch die erklärung dem gesetze populärem laetitiam in cantu
et fidibus et tibiis moderanto entspricht ; 2, 63 nam et Athenis
iam illo mores a Cecrope, ut aiunt , permansit hoc ius terra hu-
mandi wäre aus illo mores vielleicht ab ultimo tempore zu
machen ; 2, 69 habetis igitur explicatum omnem . . . locum ist der
zusatz von igitur ebenso wenig zu dulden, wie 2, 16, das von
Halm vorgeschlagene hie habes legis prohoemium; 3, 38 ta-
Nr. 2. 42. Cicero. 107
men istam libertatem istam largior wird man sicherlich anstatt das
eine istam nur einzuklammern lieber ita dafür setzen.
Indem referent hier diese bemerkungen schliesst, kann er
beim scheiden von der arbeit nicht umhin dieselbe in ihrer knap-
pen, sauberen art als ein muster philologischer akribie zu be-
zeichnen, so dass ihr Studium besonders jüngeren philologen,
die methode lernen wollen, dringend zu empfehlen ist.
H. A. Koch.
42. Cicero's redner. Deutsch von Julius Sommer-
brodt. Stuttgart, Hoffmannsche verlags - handlung. 1870.
96 s. kl. 4. — 15 gr.
Der Verfasser wollte bei seinem ausscheiden aus dem lehr-
amt seinen Schülern zum andenken diese Übersetzung von Ci-
cero's Orator hinterlassen, die ihren Ursprung den stunden ver-
dankt, in denen er mit seinen primanern diese Schrift gelesen
hat. Und in der that, das ist gerade ein unverkennbarer Vor-
zug dieser im ganzen wohlgelungenen Übersetzung, dass sie,
wie man auf jeder seite gewahr wird, aus der wiederholten be-
handlung in der schule, aus dem lebendigen verkehr mit
den Schülern bei der lectüre des Schriftstellers hervorgegangen
ist. Eine gute Übersetzung ist in der regel die langsam rei-
fende frucht eines anhaltenden geistigen ringens mit der frem-
den spräche , dem sich ein strebsamer und begabter lehrer
vor und bei dem Unterricht immer wieder um so freudiger und
frischer unterzieht, je mehr er inne wird, dass er durch nichts
mehr, als durch eben diese geistige gymnastik seine schüler zu
fördern vermag.
Der Orator ist aber dem vf. von allen werken Ciceros für
die schule darum immer das liebste gewesen, „weil er, abgese-
hen von dem reichthum des inhalts , den Schriftsteller selbst
auch persönlich der jugend anziehender macht, als sonst dies der
fall zu sein pflegt". Denn „während Cicero in der politik sich
leicht gereizt und verletzt zeigte, wenn seine Verdienste seiner
meinung nach nicht hinreichend anerkannt wurden, so finden
wir hier neben dem berechtigten Selbstgefühl, dass er nach dem
höchsten in der beredsamkeit gestrebt, die neidloseste anerken-
nung der ihn überragenden grosse des Demosthenes und die
108 42. Cicero. Nr. 2.
klarste einsieht, was ihm selbst zu dem ideale, nach dem er
gerungen hat, fehle".
Der Verfasser schickt seiner Übersetzung eine kurze ein-
leitung voraus (p. xm — xvi); dann folgt die übersetung
bis p. 85, ferner am schluss als rückblick die disposition
des ganzen p. 86 — -89 und endlich von p. 90 — 96 eine kurze
erklärung der eigennamen.
Es würde die grenzen, die dieser anzeige gesteckt sind,
weit überschreiten, wenn ich dem Übersetzer schritt für schritt
auf seinem wege folgen wollte. Es fehlt da (wie dies bei ei-
ner so schwierigen und umfangreichen arbeit sehr erklärlich ist)
allerdings nicht an Unebenheiten und schiefen oder unrichtigen
auffassungen und dgl. ; aber ich muss mich hier darauf be-
schränken , nur ain paar punkte hervorzuheben und etwas nä-
her zu beleuchten.
"Wenn der vf. cap. 3 zu anfang die bekannte stelle : vi,
igitur in formis et figuris est aliquid perfectum etc. so über-
setzt: ,,wenn es also in den formen und figuren (der bildenden
künste) etwas vollkommenes und hervorragendes giebt, nach
dessen in der seele ruhendem bilde der nachahmende künstler
sich in dem richtet, was er leibhaftig vor unserem äuge dar-
stellt, so sehen wir mit unserem geistigen äuge ein ideal der
beredtsamkeit , dessen Verwirklichung durch die rede wir mit
unserm leiblichen ohre zu hören wünschen" — so verkennt
er mit allen, welche nach Geels Vorgang willkürlicher weise
non vor cadunt streichen, den eigentlichen sinn der stelle
gänzlich. Ich kann hier nur wiederholen, was ich bei ei-
ner anderen gelegenheit (in der früheren Zeitschrift Eos j. 1,
p. 401 ff.) ausführlicher dargelegt habe : es giebt in der seele
des künstlers für dessen kunstschöpfungen ein vollkommenes
urbild, das aber nur in der idee (als cogitata species) existirt,
in der aussenwelt nicht; dies im geist vorhandene idealbild
gibt den massstab ab , nach dem sich alles — köpf, gesicht,
arme, hände u s. w. — von dem eben ein sinnlich - sichtbares
original nicht vorliegt [ea quae sub oculos ipsa non cadunt)
richten muss. Ebenso haben wir ein idealbild der vollkom-
mensten beredsamkeit in der seele (eine cogitata species),
schauen es im geiste (animo videmus), das entsprechende
abbild in der Wirklichkeit ist nicht da; einen oratorem perfectum
Nr. 2. 42. Cicero. 109
zu hören (auribus) ist uns nicht vergönnt. Die worte : ea quae
sub oculos ipsa cadunt, können nimmermehr übersetzt werden:
„was er leibhaftig vor unserm äuge darstellt", sondern nur:
„was in den äugen d. h. in den bereich des gesichts oder der
sinnlichen erscheinung fällt" ; ipsa allein , ohne nonf giebt gar
keinen vernünftigen sinn. — Ebenso ist der sinn zum theil ver-
fehlt, wenn cap. 6 zu anfang übersetzt wird: „und eben in die-
ser gattung zeigten sich einige sachverständig, aber ohne glätte
und absichtlich wie ohne kunstbildung und erfahrung, andere
bei gleicher schlichtbeit mit mehr ebenmass, das heisst, ausge-
arbeitet, selbst blühend und mit leichtem schmuck". Cicero
unterscheidet auch hier hinsichtlich des genus dicendi tenue (ähn-
lich wie vorher beim genus grande) zwei richtungen, eine falsche
und eine berechtigte: die einen haben wobl den allgemeinen cha-
rakteristischen zug dieses genus dicendi subtile, den der nüch-
ternen Verständigkeit, aber sie verschmähen jede höhere bildung
und suchen etwas darin, geradezu ungebildet und ununterrichtet
zu scheinen; die anderen dagegen sind zwar auch im ganzen
einfach und nüchtern , aber sie sehen doch in ihren gedanken
auf eine gewisse Symmetrie und feinheit, sind einigermassen
elegant, ja sogar (dem grundcharakter dieses genus dicendi tenue
eigentlich entgegen) nicht ohne einen anflug blühender diction
nnd oratorischen schmucks. Hat der vf. etwa facti statt faceti
gelesen, dass er „ausgearbeitet" übersetzt? Aber man kann
wohl von einer oratio facta quodammodo (Cic. Brut. 8, 30; de
or. III, 48, 184) reden, aber nicht diese Verehrer der attischen
diction unter anderen so ohne weiteres als facti charakterisie-
ren. Dass hier faceti allein richtig ist, ergiebt sich auf das be-
stimmteste sowohl aus dem Zusammenhang, als auch aus den
parallelstellen wie Cic. Brut. 95, 325 exornato et faceto genere
verborum, oder de or. I, 8, 32 sermo facetus atque nulla in re ru-
dis, verglichen mit Quint. 10. VI, 3, 20 decoris hanc — et
excultae cuiusdarn elegantiae appellationem (nämlich facetus) puto.
In ähnlicher weise hat gleich darauf den Verfasser eine
falsche lesart zu einer ganz schiefen auffassung und Übersetzung
verleitet : er übersetzt nämlich die worte : est autem quidam interie-
ctus inter hos medius etc. so: „zwischen diesen beiden steht eine
art redner in der mitte, die gewissermassen eine mischung von
beiden ist, weder so scharf, wie die letzteren, noch so blitz-
110 42. Cicero. Nr. 2.
artiger gewalt wie die ersteren", indem er irrthümlich
fulmine gelesen hat statt des hier allein statthaften flumine; denn
eben dieser volle redestrom, oder genauer das überströmen,
gehört recht eigentlich zu dem genus amplum oder Asianum, das
Cicero hier im gegensatz zu dem genus medium oder Rhodium
im äuge hat (Brut. 95 , 325 quali est nunc Asia tota nee flu-
mine solum orationis , sed etiam exornato et faceto gener e ver-
borum\ de opt. gen. or. 3, 9 quorum vitiosa abundantia est,
quales Asia multos tulit; Quint. 10. XII, 10, 16).
Die Übersetzung der worte cap. 13 a. e. : pompae quam
pugnae similis durch „mehr für den festsaal als für den
kämpf geeignet" ist wohl nur ein druckfehler statt fechtsaal;
besser wäre vielleicht: „parade" im gegensatz zum wirkli-
chen kämpf (de or. II, 22, 34).
Die Übersetzung der stelle cap. 16, 50 cum autem quid et quo
loco dicat invenerit, illud est longe maximum, videre quonam modo,
mit: „hat der redner den stoff aufgefunden und weiss er jedes
an seiner stelle zu sagen, so ist bei weitem das wichtigste, die
art und weise der rede kennen zu lernen" — könnte doch
leicht missverstanden werden. Auf die inventio und collocatio
(das ist der sinn der stelle) folgt die elocutio (wie Part. or. 9,
9 Quid sequitur igiturf Cum inveneris, collocare etc.). Es war
also zu übersetzen : hat aber der redner den stoff der rede und
die anordnung desselben gefunden (die collocatio verum), so
ist darnach bei weitem das wichtigste für ihn, zu wissen, wie
man reden soll (die elocutio).
Cap. 20 sind die worte : non haec contorta et acris oi'atio,
irrthümlicher weise so übersetzt: „nicht diese zusammengedrängte
und zugespitzte art der rede, wie sie die Sophisten haben". Es
handelt sich ja an dieser stelle nicht um den unterschied der
diction des historikers von der redeweise des philosophen (so-
phisten) , sondern von der des redner s; haec bezieht sich
also auf die oratio forensis, wie die parallelstelle de or. II, 15,
64 deutlich beweist: die spräche des historikers (zumal in den
reden, die in seinem werke vorkommen) ist von der spräche
des redners auf dem forum verschieden: von dem historiker
verlangt man eine in einem guss und zug gleichmässig und
eben dahin fliessende darstellung, nicht diese gedrungene (den
Nr. 2. 43. Cicero. 111
gegner angreifende) und scharf eindringende spräche des foren-
sischen redners. P.
43. H. Wrampel meyer, codex Helmstadiensis, n. 304
primum ad complures, quas continet, Ciceronis orationes colla-
tus. Pars I. Programm des städtischen Lyceums II in Han-
nover. 1872. pp. l.
Der Verfasser unternimmt vornehmlich an der rede pro Caelio,
zu welcher die Varianten p. xvn — xxi mitgetheilt werden, den
nachweis zu führen, dass der cod. Heimst, n. 304, jetzt in
Wolfenbüttel, den schon Fleckeisen zu den reden pro Murena
und pro Roscio Amerino, aber nicht völlig genau (p. ix) verglichen
hatte, dem Parisinus 7794 sehr ähnlich , jedoch nicht daraus
abgeschrieben sei, sondern mit der zweiten hand desselben eine
verschiedene, auch in dem turiner und mailänder palimpsest ent-
haltene recension repräsentire. Dieser nachweis, bei welchem
der grosse fleiss und das methodische , wenn auch etwas zu
umständliche verfahren alle anerkennung verdient, ist, wie ref.
glaubt, dem vf. im wesentlichen gelungen. Die handschrift,
welche die meisten ciceronischen reden enthält, erscheint dem-
nach als eine nicht unwichtige ergänzung der sonstigen hülfs-
mittel. Man ist in der that überrascht, wenn man die nicht
geringe zahl von stellen überblickt, in welchen sie in der rede
pro Caelio entweder in den palimpsesten enthaltene oder an-
derweitig gefundene Verbesserungen giebt. So werden denn
auch manche lesarten, die sie allein hat, mit dem vf. als zur
aufnähme in den text geeignet anzusehen sein. Bedeutend und
namentlich für schwierige stellen entscheidendes hat allerdings
ref. in dieser beziehung nicht gefunden , bei einigem kann er
auch dem kritischen urtheil des vfs. nicht beistimmen. So wird
§. 34 das vom vf. empfohlene : non patruum, non avum, non pro-
avum, atavum non audieras consules fuisse, sich kaum vertheidi-
gen lassen. Auch §. 12, wo durch studuit Gatilinae auf das
früher gesagte zurückgegangen wird, wäre ac studuit sehr an-
stössig. In §. 8 hat Halm den gedanken richtig getrof-
fen mit talem te velis homines existiment, weil die subjective
thätigkeit bezeichnet sein muss ; in der lesart des Helm-
stadiensis: talem te omnes se existiment kann ebenso gut
liegen talem te omnes \yeli\s existiment, wie talem te omnes
112 44. 45. Cicero. Nr. 2.
esse existiment. Wenn dieselbe handschrift §. 52 die lücke
von P1 nach dixeritne Clodiae so ausfüllt: quam ad rem aurum
dbiret etc., ist in obiret wohl eher adhiberet als mit dem vf.
voluerit zu suchen. In §-48 wird, um den gegensatz zu mu-
lierem nullam nomindbo hervortreten zu lassen , entweder mit
Halm und Kayser ipsam rem oder mit dem referenten (Conjj.
Tüll. p. 15) tantum rem zu schreiben sein; des vfs. eam rem
genügt nicht. Cupidus, das §. 16 der Heimst, mit den übri*
gen handschriften übereinstimmend bietet, ist nicht in iudices
(p. xxm), wodurch eiusmodi nicht erklärt wird, soudern in cu-
pid[itas ei\us zu verwandeln (siehe Conjj. Tüll. p. 15).
Endlich ist §.11 für infamiam veram , wo der vf. früher dem
gedanken nach richtiger communem vermuthet hatte, jetzt aber
infamiam atgue invidiam schreiben will, wohl ohne zweifei infa-
miam universam zu setzen. Wir haben auch hier eben die
communis infamia iuventutis, von der §. 29 die rede ist.
Zum schluss den wünsch, dass die Verhältnisse (s. p. l)
es dem vf. bald gestatten mögen die in aussieht gestellten
weitereu mittheilungen aus der handschrift folgen zu lassen.
H. A. K.
44. Ciceros reden für M. Marcellus, für Q. Ligarius und
für den könig Deiotarus. Für den schulgebrauch herausgege-
ben von Fr. Richter. Leipzig bei Teubner 1870. 79 8.
8. — (6 ngr).
45. Ciceros Divinatio in Q. Caecilium. Für den schulge-
brauch herausgegeben von Fr. Richter. Leipzig bei Teub-
ner 1870. 40 s. 8. — (472 ngr).
Für fast alle von Richter herausgegebenen reden Cicero's fand
er in den Halmschen ausgaben ein treffliches vorbild vor, und
es ist daher nur zu loben, dass er sich an dieses im ganzen eng
angeschlossen hat. Seine ausgaben haben darum doch ihre beson-
deren Vorzüge und sind neben den Halmschen als recht brauch-
bare Schulausgaben zu bezeichnen. Auch fehlt es keineswegs
an selbständiger kritischer und exegetischer arbeit, ja für
die rede pro Marcello, die Halm bekanntlich mit absieht von
seiner auswahl ausgeschlossen hat, sah sich der herausgeber genö-
thigt, sich in dieser hinsieht selbst den weg zu bahnen. Er
hält diese rede „für eine nothwendige ergänzung zu den reden
Nr. 2. 45. Cicero. 113
für Q. Ligarias und für den könig Deiotarus, aus deren Ver-
einigung uns das bild jener jähre des Übergangs der republik
zur monarchie, das bild Cäsars, des grossmüthigen siegers und
milden herrn, nnd Cicero's, des wohlmeinenden bürgers und gro-
ssen redners, aber leicht erregbaren und schwachen Charakters
treu wiederetrahlt". Wenn er aber zur weiteren rechtfertigung
dafür, dass er die rede pro Marcello trotz des Wolfischen verdicts
für den schulgebrauch herausgebe, sich zu der behauptung ver-
steigt „F. A.Wolf habe sein verdammungsurtheil der rede selbst
nicht ernst gemeint", so wird er für dieses paradoxon schwerlich
viel anhänger gewinnen. Aus den letzten worten der Wölfischen
vorrede zur Marcelliana (die offenbar nur den zweck haben, den
werth einer solchen durchgreifenden kritik gegenüber ihren Veräch-
tern in launiger weise hervorzuheben) allen ernstes zu schliessen :
„Wolf habe zwar anfangs vielleicht an der echtheit dieser rede
gezweifelt, sei aber bei genauerer prüfung anderen sinnes ge-
worden — und führe nun nichtsdestoweniger den angriff durch,
um sich und seine kunst zu persifliren und durch ein auffälliges
beispiel jüngere fachgenossen von einer voreiligen Iiyperkritik
abzuschrecken", ist angesichts des ganzen inhalts und tons der
vorrede doch wohl noch niemandem eingefallen. Richter möchte
„den manen des grossen philologen nicht das grosse unrecht an-
thun, dass er die unhaltbaren angriffe Wolfs auf die echtheit der
Marcelliana für ernst gemeint halte" : aber fühlt er denn nicht,
dass er dieselben manen nur noch empfindlicher kränken muss,
wenn er annimmt, F. A. Wolf habe Cicero's rede pro Marcello
nur ediert, um in der langen vorrede und dem ausführlichen
commentar, „sich selbst und seine kunst zu persifliren?" Und
wie stimmte dazu die unzweideutige, wohlbedachte erklä-
rung Wolfs : adeo mihi in oratione pro Marcello singulos locos et
universam artem excutienti c er ta et perspicua videbantur inesse
indicia vodtCag et mirificus error per tot saecula propagatus pluri-
mis argumentis plane et evidenter convinci posse — wie stimmt
dazu die durchgängig ernste haltung des kritischen Verfahrens
von anfang bis zum ende !
Eine neue selbständige recension des textes beabsichtigt
hrgbr nicht ; er gibt vielmehr im ganzen den text von R. Klotz
(nach der gesammtausgabe von 1867) wieder , zugleich mit an-
schluss an Baiter und Kayser; nur in einigen punkten weicht
Philol. Anz. V. 8
114 45. Cicero. Nr. 2.
er von allen dreien ab, z. b. wenn er §. 8 Tiaec gui faciat
liest für facti oder §.12 florescit für florescet und §. 33 nicht
bloss omnium hinter communi sondern auch solum hinter unius
streicht. Zu §. 10 hätte wohl Nägelsbachs conjectur: omnium
Marcellorum in memoriam meum pectus se effudit angeführt wer-
den können. — Im commentar möchte die bemerkung §. 9
zu clamore militum „man denke hinzu kanonendonner,
Schlachtfelder , brennende städte , verwüstete länder" in dieser
form wenigstens der phantasie doch etwas zuviel zumuthen-, §.
23 soll dum taxat (so schreibt herausgeber das wort) eine an-
dere bedeutung als sonst z. b. pro Deiot. §. 1 haben: „nicht
über das mass, sondern höchstens nur" 5 es hat aber an beiden
stellen dieselbe, eine aussage in ihrer gültigkeit auf ein be-
stimmtes gebiet beschränkende , kraft (vrgl. Cic. Brut. 28,
108; 82, 285).
In der rede pro Ligario ist §.11 solent nach dem Vorgang
anderer in klammern gesetzt, aber dann hinter dem vorausge-
henden mores ein Semikolon; „denn so oft ich diese stelle
lese (äussert sich herausgeber im kritischen anhang) höre ich
drei glieder, zwei parallele: dies ist nicht römisch, dies ist
ausländische sitte, — und ein erläuterndes: usque ad sanguinem
etc. — " Mit recht ist §.12 das von Kayser ohne ausreichen-
den grund beseitigte omnia am schluss der periode beibehalten,
und §.22 wohl richtig nam si crimen est ullum (statt illum)
geschrieben.
In der dritten Caesariana endlich, der pro Deiotaro verthei-
digt Richter mit recht §. 8 die von Madvig , Halm, Kayser
für interpoliert erklärten worte : teque quum (so schreibt der hrgbr
stets statt cum) huic iratum tum sibi amicum esse cognoverant.
Dass §. 9 si tum auxilia etc., nicht si tantum auxilia etc. und
§. 13 ad fugientem, non ad insequentem, nicht ut ad fugientem etc.,
was Kayser unbegreiflicher weise beibehalten hat, zu lesen ist,
unterliegt keinem zweifei. Ebenso sind mit recht aufgenom-
men die lesarten: tectior §. 16, nicht rectior (vergl. auch Cic.
Orat. 42, 146 ac fortasse ceteri tectiores etc.) und §.23 aut non
Jiabuisse, nicht aut habuisse. Im §. 29 entscheidet sich der
hrgbr für armorum non ponendorum statt des handschriftlichen
deponendorum, mit unrecht, wie schon die scharfe antithese der
composita de- ponere und ab-iicere deutlich beweist. In
Nr. 2. 45. Cicero. 115
demselben paragraphen erklärt sich Richter zwar gegen Mad-
vigs emendation : qui quod in eisdem castris fuerit, non modo etc.
und bezeichnet die stelle als lückenhaft überliefert, ohne jedoch
selbst einen restitutionsversuch zu machen; §. 34 endlich kann
das nach der meinung des hrgbrs zu tilgende locus hinter nul-
lus schon aus rhetorischen gründen auf keinen fall entbehrt
werden.
In der Divinatio in Caecilium hat schon Halm §. 4 an :
qui praesertim quaestor in sua provincia fuisset, anstoss genom-
men; er erklärt: „in sua provincia (wenn die lesart richtig ist) vom
Standpunkt der Sicilier, sie möchten bedenken, dass er ihnen
quästor gewesen sei". Richter behauptet sogar : „die worte in
eua provincia stehen handschriftlich nicht ganz fest und sind
wahrscheinlich fehlerhaft überliefert; denn in sua für vestra der
directen rede ist ungewöhnlich" (soll wohl heissen: unthunlich)
,;und darin hat Caecilius vor Cicero keinen Vorzug, der ja
auch quästor in Sicilien gewesen war". Das letztere ist aller-
dings richtig und gilt Halms erklärung gegenüber. Aber nichts
desto weniger ist die handschriftlich feststehende letart in sua
hier ganz an ihrem orte. Die worte sind aus dem sinn des
Cäcilius geredet , der sein Vorrecht zur anklage wiederholt da-
mit begründet hatte, dass er landsmann der Sicilier, die
provinz Sicilien seine heimalh sei (domo Siculus). Dabei mochte
er wohl öfters in naheliegender rhetorischer Steigerung Sicilien
als su a provincia bezeichnet haben , d. h. als eine solche , der
er und die ihm der geburt nach angehöre (mea provincia, mea
est). Und so wiederholt hier Cicero nicht ohne spott diese
Wendung aus der seele des Cäcilius, „der quästor in seiner
provinz gewesen'1. Wenn Richter §. 46 lesen will: poterisne
eius orationi subire, mit beseitigung von invidiam und dazu be-
merkt : „den dativ bei subire in der bedeutung von resistere,
succumberef?) belegen alte grammatiker mit diesem beispiel",
so hätte ihn, meine ich, eben dieser mangel irgend eines an-
deren beleges doch sehr bedenklich machen und ihn verhin-
dern sollen , auf eine so zweifelhafte autorität hin hier diesen
ganz unerhörten dativ zu acceptieren. An unserer stelle mag
schon früh invidiam irrthümlich mit dem folgenden vide modo
verbunden worden sein. War dies aber einmal geschehen und
fand sich ausserdem die lesart orationi , indem dieses wort vor
8*
116 46. Cicero. Nr. 2.
dem folgenden e in subire (wie solches in ähnlichen fällen un
zählige mal vorgekommen ist) sein ihm zukommendes S einge-
büsst hatte, so war glücklich wenigstens ein beispiel gefunden,
wo subire bei Cicero mit dem dativ vorkam ! Invidiam gehört
aber offenbar zu subire und kann in dieser stelle gar nicht ent-
behrt werden. — Im commentar könnte §. 20 die ohnehin
völlig überflüssige bemerkung zu aspirare: ,,es ist vielleicht
vom schnüffeln der thiere entlehnt", mit auführung von Colum.
RRust. 8, 14, 9 ne vipera felisve aut etiam rnustela possit aspirare,
doch leicht eine ganz falsche und schiefe Vorstellung hervorru-
fen. Die vom herausgeber selbst angeführte erklärung des
6choliasten: in eam partem, qua quid quaesitum est, vultum et ocu-
los ac spiritum oris advertere, gab ja das ganz richtige. Zu §.
14 quae cum iis civitatibus C. Verri communicata sunt, hätte hin-
sichtlich des dativs der person bei communicare auf die ganz
ähnliche stelle bei Cic. Brut. 73, 254, und §. 26 für den un-
terschied von receptam und susceptam auf de oratore II §. 101
hingewiesen werden können. n.
46. Ciceros rede für den dichter Archias von Fr. Rich-
ter. 8. Leipzig, Teubner. 1872. — 4*/2 gr.
Die Schulausgaben der reden Cicero's von Richter haben
sich durch ihre sachgemässe, mit verstand und einsieht auf das
bedürfniss der schüler eingehende und zwischen dem zu viel
und zu wenig die mitte haltende erklärungsweise rasch die gunst
des publicums erworben. Auch die vorliegende hat diese eigen-
schaften. Was man selbst in einer Schulausgabe ungern vermisst,
Bind reichere belegstellen zur erläuterung des Sprachgebrauchs,
und ebenso lässt die behandlung des textes manches zu wün-
schen übrig. So möchte es schwer werden §.14 suasissem mit
acc. c. infinitivo im sinne von per suasissem als ciceronianisch zu
erweisen; §.11 ist nicht pro cive, sondern ita mit Lambin ein-
zuklammern, und gleich nachher statt iis temporibus quem ohne
frage iis temporibus quibus, etwa mit einem hinzugefügten eum
zu schreiben. Nur beistimmen kann ich der zu §.32 gemach-
ten vermuthung a forensi sermone aliena, da ich sie selbst bereits
in meinen Conjj. Tüll, (Pförtner programm 1868) p. 10 f. vor-
getragen habe.
H. A. K.
Nr. 2. 47. Kömische annalistik. 117
47. Die römische annalistik von ihren ersten anfangen bis
auf Valerius Antias, von K. W. Nitzsch. 8. Berlin. 1873.
VIII und 355 s. — 2 thlr.
Der verf. unterscheidet in der vorrede eine „äussere kri-
tik, welche durch einfache, aber möglichst umfassende verglei-
chung Zusammenhang, Veränderung und herkunft der verschie-
denen erzählungen ermittelt" und eine „innere , welche für die
geschichte des Staatslebens das leben der Verfassung in den
einzelnen Instituten und ihrer Wechselwirkung als ein organi-
sches und in seinen zwecken und mittein vernünftiges auch
für die prüfung der Überlieferung verwerthet". Er selbst er-
klärt weiterhin, dass er sich möglichst „auf die äussere ge-
schichte der tradition beschränken" werde, nachdem er vorher
die Überzeugung ausgesprochen hat, dass der von ihm eingeschla-
gene weg „am nächsten und kürzesten zu einem festen re-
sultat führen könne". Als Vertreter der anderen, der inneren
kritik nennt er Eubino und Mommsen insofern als sie, „von
der Unsicherheit und Unmöglichkeit der äusseren kritik immer
mehr überzeugt, das ganze gewicht auf die innere kritik ge-
worfen" : ein urtheil, womit Mommsen sich kaum im einklang
finden dürfte, und dessen Schiefheit, wie uns scheint, eben darin
ihren grund hat, dass zweierlei thätigkeiten der kritik unter-
schieden werden, die, wenn anders die kritik erfolg haben soll,
schlechterdings nicht von einander getrennt werden können.
Eben so wenig dürfte ein anderes urtheil haltbar sein, wenig-
stens nicht für die älteste zeit, wenn er sagt (p. 7), dass Momm-
sen „die eigentlichen Stützpunkte seiner kritischen arbeiten in
den Urkunden gesehen" habe, da für jene periode die Urkunden
bekanntlich als Stützpunkte nicht weit reichen würden.
Der wesentliche inhalt des buches selbst ist nun in der kürze
folgender. Die künde von den ersten Jahrhunderten der republik
beruht theils auf annalistischen aufzeichnungen der ältesten zeit
theils auf den durch historische lieder geschaffenen, dann durch
die laudationes fortgepflanzten und erweiterten, zugleich aber auch
vielfach corrumpierten sagen. Das neue hierbei ist , dass der
verf. jene annalistischen aufzeichnungen nicht in den Annalea
maximi findet , welche nach ihm erst im j. 249 v. Chr. ihren
anfang nehmen, sondern dass er ihren Ursprung in den Ceres-
tempel verlegt, in welchem die ädilen, „die Verwalter des tem-
118 47. Römische annalistik. Nr. 2.
pelfriedens und tempelguts, die grossen posten aus dem politisch -
religiösen leben der republik wie in einem hauptbnch zusam-
mengestellt" haben sollen (p. 214). Aus dieser doppelten quelle
also schöpfte der erste römische geschichtsschreiber Fabius Pic-
tor seinen stoff, welcher sein werk für die hellenische weit
schrieb und welchem der verf. eine literarische bedeutung ähn-
lich der seines Zeitgenossen , des „genialen" Eratosthenes bei-
misst. Fabius suchte in seinem werk besonders sein, das fabi-
sche geschlecht zu verherrlichen, insbesondere den Fabius Cunc-
tator, dem er das ganze verdienst der glücklichen beendigung
des hannibalischen krieges zuschreibt, und da die Fabier von
jeher (im gegensatz gegen die Claudier) die Vertreter und för-
derer der Plebs rustica sind (dem verf. dreht sich nämlich die
innere geschichte Eoms hauptsächlich um den parteikampf zwi-
schen der plebs rustica und plebs urbana), so sieht auch der
geschichtsschreiber Fabius in den plebejern gewissermassen nur
die plebs rustica; die plebejer sind ihm daher vom beginn der
republik an nicht eine arme Volksmasse, sondern ein kräftiger,
unter führung der tribunen um die gleichstellung mit den pa-
triciern kämpfender politischer stand , und eben deshalb sieht
er auch in der lex Terentilia nicht bloss die tendenz, durch die
schriftliche abfassuug der gesetze der willkür der patricischen
magistrate vorzubeugen, sondern vielmehr den im zweiten de-
cemvirat verwirklichten, freilich bald aufgegebenen versuch, durch
eine neue Verfassung eine ausgleichung zwischen beiden stän-
den herzustellen. So also Fabius Pictor. Der nächste schritt
in der entwickelung der annalistik geschieht sodann durch
Calpurnius Piso. Dieser war ein Zeitgenosse und ein gegner
der Gracchen ; durch und mit den Gracchen aber wurde die
förderung der interessen der plebs rustica, welche bisher in der
hand des Senats gelegen hatte, sache der volkstribunen, und so
kam es, dass die gesammte plebs sich als ganzes in der weise
wie der griechische demos dem senat und der nobilität gegen-
überstellte. Unter diesen umständen war es natürlich , dass
Piso in den plebejern der ältesten zeit nichts als einen besitz-
losen volkshaufen sah und dass sich auch die bedeutung der
lex Terentilia bei ihm in der bekannten weise abschwächte.
Eben so wie Piso beurtheilte auch der gleichzeitige Polybius
die plebs, bei dem ausserdem auch eine Opposition gegen die
Nr. 2. 47. Römische annalistik. 119
beurtheilnng des Fabius Cunctator durch den annalisten Fabius
hervorgehoben wird. Durch diese mittelstufe gelangt die anna-
listik in ihrer entwicklung zu Valerius Antias und Licinius
Macer. Beide leiten den bis zu ihrer zeit mächtig aufgeschwol-
lenen ström der sagen in ihre werke über ; Valerius Antias
schreibt im interesse seines geschlechts und sucht namentlich
seinen Zeitgenossen Valerius Flaccus, der, wie der verf. an-
nimmt, während der sullanischen bewegungen eine vermittelnde
rolle spielt, dadurch zu glorificieren, dass er die Valerier schon
in der ältesten zeit überall als vermittler auftreten lässt, wes-
halb er wahrscheinlich auch die erzählung von der schuldnoth
der plebejer schon zur zeit der ersten secession gefunden hat;
Licinius Macer dagegen führt die sache der Licinier und ihm
gebührt daher wahrscheinlich auch die geschichte von den
leges Liciniae in der form, wie sie uns überliefert ist.
Man sieht, dass das neue in den resultaten des buches (auf
eine menge von einzelnheiten, die es enthält , können wir des
beschränkten raumes wegen nicht eingehen) hauptsächlich in der
Charakterisierung der genannten annalisten und in der bestimmung
des einflusses, den dieselben auf die römische geschichte geübt, be-
steht. Der beweis hierfür wird einestheils durch zahlreiche, häufig
zur anwendung gebrachte analogien geführt, in bezug auf welche
wir nur bemerken wollen , dass analogien historische thatsachen
zwar verdeutlichen, nimmermehr aber beweisen können, andern-
theils durch eine quellenanalyse von Liv. II, 1 — IV, 8 und Dio-
nys. Hai. V — XI, welche, schon früher im Rheinischen Museum
veröffentlicht , einen bedeutenden bestandtheil unseres buches
bildet (p. 11 — 153). Durch diese analyse werden die bezeich-
neten partien in stücke zerlegt und diese dann theils dem Fa-
bius (so Liv. II, 1 — 21), theils dem Valerius Antias, theils dem
Licinius Macer zugewiesen , woraus dann wieder merkmale für
die bebandlung der weiteren geschichte durch dieselben autoren
abgeleitet werden. Da wir von allen jenen quellenschriftstel-
lern sehr wenig fragmente übrig haben und eben so wenig be-
stimmte Zeugnisse des Livius und Dionysius besitzen, so leuch-
tet ein, dass es (etwa und vielleicht Plutarchs Poplicola für Va-
lerius Antias ausgenommen) an allen festen anhaltspunkten
für diese Untersuchung fehlt und dass dieselbe 6ich sonach auf
sehr schlüpfrigem boden bewegen muss. Der verf. geht aber
120 47. Römische annalistik. Nr. 2.
überdem von einer Voraussetzung aus, die wir für nichts we-
niger als bewiesen halten können. Er nimmt nämlich an, dass
Linus immer und überall der einmal gewählten quelle ohne
anderweite einschiebsei gefolgt sei : ein satz , den er aus Nis-
sens kritischen Untersuchungen entlehnt, welcher ihn für die
vierte und fünfte dekade zu beweisen gesucht hat. Allein
selbst Nissen giebt zu, dass ,, bisweilen, aber nicht häufig
stücke aus andern quellen eingeschoben seien" (p. 12), wäh-
rend der satz von unserem Verfasser ohne einschränkung für
seine beweisführung benutzt wird: wie kann dieser satz
aber, der übrigens selbst für die vierte und fünfte decade noch
weit entfernt ist für ausgemacht zu gelten, ohne weiteres auch
auf die erste dekade angewandt werden? Ueberdem ist es
bekannt, dass Livius öfter ausdrücklich mehrere, ja sogar alle
quellen als von sich benutzt erwähnt; auch wird ein unbefan-
gener leser weder von Livius noch von Dionysius glauben, dass
sie immer nur eine und dieselbe quelle, nur etwa mit unwe-
sentlichen änderungen in der form, abgeschrieben, da dies mit
dem allgemeinen Charakter beider werke wenig übereinstimmt.
Der verf. freilich nimmt sogar an (p. 24 ff.) , dass Dionysius
auch seine reden aus seinen quellenschriftstellern entnommen habe.
Selbstverständlich hat nun aber der verf. auch von ein-
zelnen stellen für seine beweisführungen gebrauch gemacht.
Eben hier aber findet sich nach unserer ansieht das meiste un-
haltbare, indem er in viele stellen und namentlich in solche,
die dazu dienen sollen , eine neue ansieht zu begründen, einen
sinn hineingelegt hat, der nach Wortlaut und Zusammenhang
unmöglich darin liegen kann. Wir müssen dies wenigstens durch
einige beispiele zu beweisen suchen.
Polybius zählt III, 2 die zahlreichen kriege auf, welche
die Römer in der von ihm behandelten geschichtsperiode sieg-
reich bestanden , und bemerkt dabei , dass er weiterhin auch
über die römische Verfassung handeln werde, weil diese wesent-
lich zu den glücklichen erfolgen beigetragen habe. Die bezüg-
lichen worte lauten : piiyiaxa ovvsßdXeio avroig t} zov noXiiev-
fiarog idiörtjg ngog ro fvj [tövov ävaxTijocufdeci r?}** 'liaXimtäv
xal JZixeltootwr dvvaatsiav , 'in 8s xccl tijp 'IßfjQmv TZQogXctßsip
xal KeXzäiv ^qx>)>,1 aXXä aal xtX. In diese stelle nun legt der
verf. den sinn: nicht der einzelne mann (nämlich Fabius Cunc-
Nr. 2. 47. Römische annalistik, 121
tator), sondern die Verfassung selbst habe die republik gerettet,
und findet sonach darin einen beweis für die oben schon er-
wähnte ansieht, dass Polybius in seinem werke gegen Fabius
und insbesondere gegen dessen übertriebene werthschätzung des
Fabius Cunctator Opposition mache (p. 271. 291. 318). Allein
abgesehen davon, dass das wesentliche „nicht" keineswegs in
der stelle steht, ferner davon, dass Polybius von sämmtlichen
erfolgen der damaligen kriege, nicht bloss von dem glücklichen
ausgange des hannibalischen krieges spricht : hat der verf. nicht
daran gedacht, dass Polybius dem Fabius Cunctator an andern
stellen das ausgezeichnetste lob spendet, wie z. b. III, 89, ja
dass er an einer stelle eben diesem Fabius geradezu die ret-
tung des ganzen Staates beimisst ? Nämlich III, 105, wo es
heisst: z« o\a diu ztjv silüßeiup zov (paßiov aiamarai xat ngu
tov xat vlv. Und wenn er p. 270 den charakter der fabiani-
schen darstellung des Fabius Cunctator in den bekannten Wor-
ten des Ennius: unus Jiomo etc., zusammenfasst und die Opposi-
tion des Polybius gegen Fabius durch die abhängigkeit des-
selben vom hause der Scipionen erklärt : ist ihm da nicht einge-
fallen, dass gerade Ennius ebenfalls ein client dieses hauses war?
Ein anderes beispiel bietet Polyb. I, 59. Dort wird von
dem glücklichen ende des ersten punischen kriegs gehandelt
und rühmend hervorgehoben , dass dasselbe nicht durch die
kräfte des Staates, sondern durch die begeisterung und die Va-
terlandsliebe der zur ausrüstung einer neuen flotte freiwillig
beisteuernden angesehensten männer (diu tr\v twv ngosatcözcov
ävdocöv eig tu. noitd qnXozi/xiav) herbeigeführt worden sei. Hierin
aber — wer sollte es glauben — findet der verf. p. 288 einen
beweis, dass damals „die höchsten und bedeutendsten schichten
der römischen bevölkerung die eigentlichen träger der mariti-
men politik" gewesen seien. Eine ähnliche ausdehnung oder
umdeutung des sinnes ist es, wenn p. 299 aus der stelle Polyb.
III, 32, wo Polybius sagt, dass es immer noch bequemer sein
werde, seine vierzig bücher zu lesen als die zahlreichen spe-
cialgeschichten, die folgerung gezogen wird, dass das werk des
Fabius „nicht zu umfangreich" gewesen sei, oder wenn p. 273
darin, dass Polybius (II, 40) sagt , er werde die geschichte des
Arat kurz erzählen, weil sie von Arat selbst wahr und deut-
lich dargestellt sei, ein beweis gefunden wird, dass Polybius
122 Thesen. Nr. 2.
„in seiner darstellung sich sehr eng an die ihm zusagenden
quellen angeschlossen", oder wenn p. 271 der umstand, dass
Fabius hier und da allein als der älteste annalist genannt wird,
als ein anzeichen von der geringen bedeutung des Cincius Ali-
mentus angesehen wird, während man im gegentheil darin, dass
Cincius anderwärts mit Fabius zusammen an die spitze der
annalisten gestellt wird , eher einen beweis für das gegentheil
finden könnte. Auch wollen wir nicht unerwähnt lassen, dass
p. 277 von der beweisführung ex silentio gerade für einen sehr
wichtigen satz ein äusserst bedenklicher gebrauch gemacht wird.
Nach diesem allen glauben wir kaum, trotz der ausgebrei-
teten gelehrsamkeit und der feinheit der beobachtung des verf.,
dass das gebäude , welches er in diesem buche ausgeführt , ein
haltbares sein werde. Es ist darin viel zu viel mit unbe-
kannten grossen gerechnet und viel zu viel aus unsicheren
Voraussetzungen und unbegründeten interpretationen gefolgert.
Aber auch die hauptresultate als richtig vorausgesetzt, so würde
doch für die kenntniss der älteren römischen geschichte damit
wenig gewonnen sein. Diese hauptresultate führen doch immer
nur bis auf den annalisten Fabius und einige, verhältnissmässig
wenige, zusammenhangslose, meist unwesentliches enthaltende,
überdem nicht einmal mit völliger Sicherheit zu erkennende äl-
tere annalistische notizen zurück , können uns also von den
thatsachen der altern geschichte keine sichere und ausreichende
künde geben, und selbst die Charakteristik der von dem verf.
fast ausschliesslich berücksichtigten annalisten Fabius Pictor,
Valerius Antias und Licinius Macer ist doch im wesentlichen
insofern nur negativer tiatur, als dadurch bei ihnen hauptsäch-
lich nur die einwirkung falscher und unhistorischer tendenzen
nachgewiesen wird.
Theses
quas auctqritate . . . ordinis philosophoruin Marburgensiuin . . d.
IX m. Ianuar. 1873 publice defendet Iulius Ernst, Fuldensis: 1. Ro-
mani cum dicerent » si volueris (potueris) , ittud facies « similia , in
enunciato subiuncto minime futurum exactum sed potius coniuncti-
vum perfecti, quem vocamus modum potentialem, intellegebant. II.
napcuvstisis quae Isocratis feruntur ita videntur ortae esse, ut prooe-
mia et conclusiones, quos locos commuues secundum illius temporis
rhetorum consuetudinem ipse Isocrates conscripserat, ab aliis hominibus
argumentis expleta sint. III. Tertius Isocrates, quem Dionysii Hali-
carnassei aequalem fuisse Muretus et H. Stephanus contenderunt,
Nr. 2. Bibliographie. 123
nuniquam fuit. IV. Catulli c. LXIV v. 45 sie legendus est: candet
ebur soliis, collucent pocula mensis. V. Ibid. v. 49 hoc modo emen-
dandum censeo: tineta tegit roseo conehyli purpura sueo. VI. In
emendandis Sophoclis Aiacis vv. 961 sqq. Seyfferti coniectura probata,
ex qua in vs. 916 pro l/tol legendum est dt' oTsr, omnia et resecandi
et transponendi studia ad irritum rediguntur.
. . . quas auetoritate . . . ordinis philosopborum Marburgensium
. . publice defendet L. Keller .- I. Appiani 1. 1, 1—37 Iubam fuisse auc-
torem pro certo habeo. II. Liv. 26, 47, 1 codd. lectionem »facti«
in »infecti« mutandam esse censeo. IV. Pugnam Zamensem a. d. XIV m.
Kai. Nov. anni 202 a. Chr. faetam esse pro certo habeo. VI. Thucyd. 1,
21 verbis ovn we . . . ixvivr/.rj/.ÖTa tum alios scriptores cum Jüerodo-
tum significare contendo. VII. Thucyd. 1, 21 verbo koyoyqdffoi eos
significat, qui pedestri sermone utuntur.
Neue auflagen.
48. Q. Horatius Flaccus Satiren und Episteln. Erklärt von T. G. A.
Krüger. 7. aufl. 8. Leipzig. Teubner; 24 gr. — 49. C. I. Caesaris
cominentarii de bello gallico. Erklärt von Fr. Krahner. 8. aufl.
8. Von W. Dittenberger. 8. Berlin. Weidmann; 22V2 ngr. — 50.
Apuleii Psyche et Cupido. Rec, et emendavit C. Jahn. Ed. 2. 16.
Leipzig Breitkopf et Haertel; 15 ngr. — 51. R. Nicolai, griechische
literatur - geschichte in neuer bearbeitung 1. bd. 1. hälfte. 8. Mag-
deburg. Heinrich; 20 ngr. — 52. C. Schnaase, geschichte der bil-
denden künste. 5. bd. 2. aufl. 8. Düsseldorf. Buddeus; 4 thlr.
10 ngr. — 53. G. H. Lewes , geschichte der philosophie. 2. aufl.
2. lief. 8. Berlin. Oppenheim; 10 ngr. — 54. E. Guhl und W.
Koner, das leben der Griechen und Römer. 3. aufl. 11. 12. lief. Berl.
Weidmann; ä 10 ngr. — 55. A. v. Remnont, geschichte Roms. Neue
ausgäbe. 20. lief. 8. Berlin. Decker; 1 thlr. — 56. A. Forcellini
totius latinitatis lexicon. T. IL distr. 13. p. 4. Prati, Leipzig, Brock-
haus; 25 ngr. — 57. Schilleri de campana Carmen. Latine redd. G.
de Diepenbroik- Grueter. 3. aufl. 8. Berlin. Grote; 15 ngr. — 58.
E. v. Hartmann, philosophie des unbewussten. 5. aufl. 1. lief. 8.
Berlin. Dunker; 12 ngr.
Neue Schulbücher.
59 — 62. Freund's schülerbibliothek. 1. abth. Präparationen zu den
griechischen und lateinischen schulklassikern. Homers Odyssee. 11. hft.
3. aufl.; Sophokles. 5. hft. 2. aufl. — zu Horaz werken. 16. hft. —
Livius' römische geschichte. 10. hft. 2. aufl. 16. Leipzig. Violet; a 5
ngr. — 63. M. Seyffert, hauptregeln der griechischen syntax. 7. aufl.
8. Berlin. Springer; 5 ngr. — 64. P. Wesener, griechisches elementarbuch,
zunächst nach der grammatik von Curtius und Koch bearbeitet. 1. thl.
2. aufl. 8. Leipzig. Teubner; 7x/2 ngr« — 65. Fr. Ellendt's lateinische
grammatik bearbeitet von M. Seyffert. 10. aufl. 8. Berlin. Weidmann;
20 ngr. — 66. Ch. Fr. Koch, figuren und tropen und die grundzüge
der metrik und poetik. Hülfsbüchlein für den deutschen Unterricht
2. aufl. 8. Jena. Mauke; 5 ngr..
Bibliographie.
Schriftsteller und verleger vor hundert jähren, aufsatz im Börsen-
blatt 1872, nr. 266. 273. 277. 283.
124 Bibliographie. Nr. 2.
Ueber das arge und verderbliche treiben der Verleger in hinsieht
auf reclame handelt Joh. Scherr in Lindau's gegenwart 1872 novemb.:
etwas davon steht auch im Börsenbl. nr. 283.
Blick auf das leben des verdienstvollen buchhändlers Franz Köh-
ler (vater) im Börsenbl. nr. 287.
Noch 1872 sind ausgegeben: Mittheilungen der verlagshandlung
B. G. Teicbner in Leipzig nr. 5, in deren ersten abtheilung als künftig
erscheinend angekündigt werden: Aristophanes und die historische kri-
tik. Polemische studien zur geschichte von Athen im 5jahrh. vor Chr.
Von Herrn. Müller- Strübing : es werden besonders die bedeutung der
vloosämter* , dann auch die Strategen erläutert und dem Thukydides
seine historischen fehler (!) nachgewiesen werden. — Die Chorpartien
des Aristophanes scenisch erläutert von Dr Richard Arnold, wo in
fünf capiteln das auftreten des chors , seine bewegungen und beson-
ders die fragen über die ^wt/opt« besprochen werden sollen. — Ein-
heit der Odyssee und ausführliche Widerlegung der ansichten von
Lachmann, Steinthal, Köchly, Hennings und Kirchhoff von Dv JEd.
Kammer: der vf. »ist durchdrungen von der einheit des plans dieser
gedichte, wie er sich im grossen und ganzen in dem aufbau der hand-
lung von Station zu Station kundgiebt; dagegen ist er durchaus nicht
geneigt, das ganze so wie es uns überliefert ist, einem dichter zu-
zusprechen. Vielmehr macht er eine reihe von interpolationen, ein-
lagen, neuen motiven bekannt, die beim weitersingen der gedichte
in dieselbe hineinkamen u. s.w. — Heraklit von Ephesos. Ein ver-
such , dessen fragmente in ihrer ursprünglichen Ordnung wieder her-
zustellen. Von P. Schuster: zerfällt in einen philosophischen, politi-
schen und theologischen theil: dazu excurse mit beitragen von K.
Lehrs. Es ist diese abhandlung besondrer abdruck aus Ritschi
Acta soc. Graecae T. III, der ausser dieser abhandlung noch eine von
Ch. Lütjohann , kritische beitrage zu Apuleius Metamorphosen und
Ch. Oehmicher de 31. Varrone et Isidoro C. Plinii chorographis
auetoribus primariis enthalten wird.
Desgleichen ist von denselben mittheilungen erschienen nr. 6, in
deren erster abtheilung angegeben werden: Kritische Untersuchungen
über die interpolationen in den Schriften Xenophons, vorzugsweise
der Anabasis und den Hellenicis. Von Dr Ernst Albert Richter. (Se-
paratabdruck a. d. suppl. d. jahrb. f. class. philologie). Panegyrici
Latini XII. Recensuit Aemilius Baehrens. Accedit Appendix:
nach neuen collationen. — Dracontii carmina plurima inedita ex cod.
Neapolitano ed. Frid.de Duhn: der herausgeber hat cod. Neap.
selbst verglichen und versichert, dass durch die neuen gedichte das
wenige , was wir von römischer literatur in Karthago aus der zeit
des Verfassers wissen, vortheilhaft ergänzt werde.
Neue philologische Unternehmungen aus den jähren 1867—1872
von Mauke's verlag (Hermann Dufft) in Jena: Westphal's griechi-
sche grammatik , M. Schmidt's ausgäbe des Hesychius , Soph. Oed.
Tyrannus, Pindar, Hygin, lykische studien, so wie bücher von Put-
sche, Dünnebier u. s.w. werden empfohlen.
Preis - ermässigung von K. F. Köhler's Antiquarium : zu beachten
wegen P. de Lagarde gesammelte abhandlungen, 2 thlr. 20 gr. , R.
Schneider, quaestiones de Serv. Sulpicio Icto Born., 10 gr.. Schirren
de ratione , quae inter Iordanem et Cassiodorum intercedit conini.,
10 gr.
F. Ch. Baur, Symbolik und Mythologie oder die naturrebgion
des alterthums, 3. bd., jetzt zu 3 thlr. bei F. Steinkopf in Stuttgart.
Cataloge der antiquare : Richter $ Harrassowitz in Leipzig anti-
Nr. 2. Kleine philologische zeitung. 125
quarischer catalog nr. 3, enthält viel philologisches; catalog nr. 39
des antiquarischen bücherlagers von Scheitle in Stuttgart, vorzugs-
weise philosophie ; antiquarisches verzeichniss 117 von Felix /Schnei-
der in Basel, griechische und lateinische classiker, alte philologie.
Messrs Longnians, Green, Reader and Dyer's Monthly list of new
books published in Great Britain. Deceinb. 2, 1872: philologisches
von bedeutung fehlt: Vergils Eclogen und Georgica in prosa über-
setzt von Wilkins, Lexicon to Xenophon Anabasis von Barram, grie-
chische grarnatik für schulen, Übersetzungsbücher u. dgl.
Kleine philologische zeitung.
Römische alterthümer sind im Ahr- thale bei ausgrabungen zu
tage gekommen: Staats.-Anz. 1872, nr. 286, beil. 1.
Ueber einen in der Sammlung von assyrischen schreibtafeln im
British-Museum entdeckten chaldäischen bericht über die sündfluth
giebt nach einem vortrage des entdeckers, George Smith genauere
auskunft der Staats-Anz. 1872, nr. 294 beil. 2.
Am 13. Dec. 1872 sind die Sitzungen des deutschen archäologi-
schen instituts zu Rom eröffnet worden.
In der sitzung der philosophisch - historischen classe der K. K.
Acad. d. Wiss. zu Wien vom 2. januar hielt Dv Robert Zimmermann
einen Vortrag ȟber den einfluss der tonlehre auf Herbart's philoso-
phie« und kommt dabei auf den einfluss derselben bei den Griechen
zu sprechen. — In der sitzung vom 8. januar ward aus einer abhand-
lung des prof. R. Roesler in Graz referirt, dass die festsetzung der
Slaven in Mösien nicht im 5. oder 6., sondern erst im 7. jahrh. er-
folgt sei.
Ueber seine ausgrabungen in Troja (s. Philol. Anz. IV, nr. 1 1., p. 573 :
vgl. ob. p.64) berichtet Dr Schliemann in der Augsb. Allg. Ztg. 1873. Beil.
zu nr. 1 wie folgt: Unter vielen audern merkwüi-digen entdeckungen
habe ich bei meinen diesjährigen ausgrabungen in Troja auch die
gemacht: dass »yXa.vy.wmg« (das gewöhnliche homerische beiwort der
Athene) nicht, wie es von den gelehrten aller Jahrhunderte übersetzt
worden ist, »mit funkelnden feurigen äugen«, sondern »mit dem eu-
lengesicht« bedeutet. Ich fand nämlich gleich unter der trümmer-
schichte der griechischen kolonie, welche nach Strabo (XIII, 1, 24)
unter lydischer herrschaft, somit ungefähr 700 jähre v. Chr., gegrün-
det sein muss, und zwar bereits in 2 metern tiefe, becher von terra-
cotta mit profilen von eulengesichtern und einer art heim , die auch
in allen folgenden schuttschichten , bis in 12 meter unter der ober-
flache, vorkamen, und sich bis in 9 meter tiefe sehr häufig fanden.
Gleichzeitig fand ich, von 5 metern tiefe abwärts , in allen trümmer-
schichten bis zu 10 metern tiefe vasen mit profilen von eulenge-
sichtern, zwei jungfräulichen brüsten und bauchnabel, und in sechs
metern tiefe, sogar eine vase, auf welcher der bauchnabel mit ei-
nem kreuz verziert ist, und an jedem der vier enden dessel-
ben sieht man einen nagel dargestellt. Auch fand ich in 14 me-
tern tiefe den oberen theil eines glänzend rothen gefässes mit ei-
nem eulengesicht verziert. Vasen ohne profile des eulenkopfes,
aber mit zwei grossen brüsten und bauchnabel, finden sich in grosser
menge in allen schuttschichten zwischen 2 und 10 metern tiefe. Es
kamen aber auch häufig auf vasen und bechern eulengesichter mit
einem wirklichen menschenmund unter dem schnabel vor; auch viel-
fältig in 7 und 8 meter tiefe menschliche gesiebter ohne mund; die
vieles von der eule hatten. Verhältnissmässig kamen nur sehr we-
nige menschengesichter ohne die kennzeichen der eule zum vor-
126 Kleine philologische zeitung. Nr. 2.
schein, und ich fand unter denselben blos sechs mit männlichen
gesichtszügen auf drei bechern und drei vasen , welche letztere
aber zwei weibliche brüste und einen bauchnabel hatten. — Au-
sser dem fanden sich von 2y2 metern tiefe abwärts , in allen
schuttschichten bis zu 16 metern tiefe, 4 — 6 centimeter lange, 21/»
bis 4 centimeter breite, ganz platte idole von einem sehr harten
weissen stein ; auf sehr vielen derselben sieht man das eulengesicht
und den frauengürtel eingravirt, und auf manchen hat dieser gürtel
eine Verzierung von punkten. Drei dieser idole aus 8 und 9 metern
tiefe haben einen punkt, eines aus 9 metern tiefe hat einen zweig
auf der stirn; ein idol aus 8 metern tiefe hat auch zwei brüste. Es
kamen aber auch fünf kleine idole von terracotta in 3, 6, 8, 9 und
14 metern tiefe vor. Auf denen aus 3 und 8 metern tiefe sind eu-
lengesichler, halstücher, zwei frauenbrüste und auf der rückseite lang
herabhängendes haupthaar eingravirt. Die arme des terracotta-
idols aus 3 metern tiefe sind abgebrochen ; jenem aus 8 metern tiefe
ist ein emporgehobener arm erhalten, und zwei von den schultern
ausgehende linien, die sich auf der stelle des bauchnabels kreuzen,
geben der figur ein kriegerisches ansehen. — Diese auf bechern, va-
sen und idolen so vielfältig vorkommenden eulengesichter mit frauen-
gestalt können nur eine göttin darstellen , und diese göttin kann
nur Minerva, die schutzgöttin von Troja, sein, um so mehr als sie
Homer fortwährend „9eä ykuvx<Zni,g 'A^vt]" — die göttin Athene mit
eulengesicht — nennt. — Die Schlussfolgerung ist, dass bei fortschrei-
tender civilisation Pallas Athene allmählich ein menschliches gesicht
erhielt, und aus ihrem eulenkopf ihr lieblingsvogel, die eule gemacht
wurde. — Noch muss ich hinzufügen, dass wenn man, im gegensatz
zu dem allgemeinen naturgesetz, in Troja spuren höherer civilisation
findet, je tiefer man gräbt, und man entschieden die merkwürdigsten,
feinsten und schönsten terracotten auf dem urboden, in 14 — lb" me-
tern tiefe, entdeckt, so macht jedenfalls die bildhauerkunst eine aus-
nähme davon , denn bei weitem die plumpsten und kunstlosesten
idiole von hartem weissen stein fand ich gerade auf dem urboden. —
Sogleich nach beendigung meiner ausgrabungen in Troja, die ich
am 1. februar, in gesellschaft meiner frau, noch auf fünf monate mit
150 arbeitern fortzusetzen beabsichtige, um den uralten Minerva-tem-
pel auszugraben, dessen bausteile ich jetzt bestimmt gefunden zu ha-
ben glaube , und um die von Iliums grossem thurm , den ich aufge-
deckt habe, ausgehenden riesenmauern , soweit es möglich sein wird,
ans licht zu bringen, werde ich ein werk über meine ausgrabungen
publiciren, mit den Photographien aller von mir entdeckten gegen-
stände, die nur irgendwie interesse für die Wissenschaft haben können.
Florenz. 8. Januar. In der hiesigen anihrojiologischen gesell-
schaft las der präsident Ilantegazza eine arbeit Niccolucci's über
die anthropologischen Charaktere der Latiner. In der schädelform
sind die heutigen bewohner Latiums von den alten in nichts ver-
schieden und die mehrfach ausgesprochene meinung , dass der altrö-
mische typus gänzlich verschwunden und dass die heutigen Römer
ein bastardirter stamm seien, ist thatsächlich unbegründet. Aus
den antiken bildwerken geht hervor, dass der alte Römer mittelgross,
von starken gliedern und besonders starken muskeln, dass sein köpf
wohl entwickelt und auf dem scheitel etwas gedrückt war. Die stirn
war breit, aber nicht sehr hoch, die äugen gross und weit geöffnet,
die nase im profil keine adlernase, die nasenfiügel leicht gewölbt, der
mund mittelgross, die wangen wenig hervortretend, das gesicht
länglich und der umriss desselben ein leicht ovaler. Dieselben Cha-
raktere kommen im ganzen den Römern noch heute zu. Dagegen sei,
Nr. 1. Auszüge aus Zeitschriften. 127
wie Niccolucci ausführt , vom anthropologischen Standpunkte die be-
nennung »latinische Völker,« wie sie gewöhnlich für Franzosen, Spa-
nier , Portugiesen und Rurnänier gebraucht wird, zu verwerfen ; lati-
nisch sei nur Italien und auch hier seien wahre Latiner nur die ein-
geborenen von Latium gewesen.
Die firma T e u b n e r versandte im februar folgendes circular :
»Nachdem hier ein strike der buchdruckergehülfen ausgebrochen ist,
sind mir nur so viel arbeitskräfte geblieben , dass die tagesblätter
und Wochenschriften, welche in meiner officin hergestellt werden, ge-
liefert werden können. Ich bin daher genöhigt, den satz aller b fl-
ehe r und der in längeren Zwischenräumen erscheinenden Zeitschrif-
ten für eigenen und fremden verlag vorerst vollständig ruhen zu
lassen. Indem ich mich beehre, Ihnen hiervon nachricht zu geben,
beziehe ich mich zugleich auf die "anläge und zeichne u. s. w.« Die
beilage »zur aufklärung über die gegenwärtigen Zerwürfnisse in der
buchdruckerweit« betitelt, 4 ss. 4, enthält eine darstellung der Sach-
lage von Seiten der buchdruckerei -besitzer. Wir kommen später
vielleicht darauf zurück.
Auszüge aus Zeitschriften.
Augsburger allgemeine zeitang, 1871, nr. 340: das gymnasium in
Braunsberg. — Beil. zu nr. 340: die assyrischen keilinschriften im
anschluss an Schraders buch : die assyrischen keilinschriften. Lpzg.
1872. — Freiirau Emilie von Gleichen -Russwurm, geb. v. Schiller:
kurzer nekrolog. — Beilage zu nr. 341. 342. 343: zur archäologi-
schen literatur: bezieht sich auf Friederichs' nachgelassene werke. —
Nr. 343: der oberste schulrath in Baiern noch einmal. — Französi-
sche kriegsliteratur. — Beil. zu nr. 343 : J. H. Voss von W. Herbst :
lobende anzeige, die jedoch in der darstellung der religiösen richtung
vou Voss vielerlei zu tadeln findet. — Nr. 348 : Thiers über den
Ursprung des kriegs von 1870. — Beil. zu nr. 349': der religions-
unterricht in Deutschlands schulen: mit bezieh ung auf die schrift
gleichen titeis von Fr. Schnitze. — Nr. 350: die altkatholische be-
wegung in der Schweiz.
Ephemeris epigraphica, corporis inscriptionum Latinarum supple-
mentum 1872. Fasciculus tertius , p. 153 — 228. Fast die hälfte des
heftes (p. 153 — 186) wird von nachtragen zu den erschienenen thei-
len des Corpus eingenommen; zu vol. I auf p. 153 theilt Helbig die
Urschriften einer eiste und eines spiegeis, beide kürzlich in Präneste
gefunden, mit; p. 154 — 159 bringt Henzen ergänzungen zu den con-
sularfasten der jähre 616—620 und den triumphaltafeln aus den
Jahren 454 und 559 — 563, nebst einem interessanten fragment der
triumphe des Romulus über die Caeninenses und Antcmnates; sämmt-
liche stücke sind bei der unter P. Rosu's leitung in diesem jähre
begonnenen ausgrabung des Forum Romanum zu tage gekommen;
beigegeben ist (p. 155 — 6) von Mommsen das stemma der Fulvii
Flacci. — P. 160 — 176 pompejanische gefässinschriften von Bri-
zio mit bemerkungen und nachtragen von Schoene; p. 177 — 181 pom-
pejanische wandin Schriften aus den neuesten ausgrabungen von Zan-
gemeister; p. 182--186 neugefundene inschriften aus Spanien von
Hübner mitgetheilt , unter denen n. 291 mit Wahrscheinlichkeit, wie
eine schon früher bekannte inschrift (Corp. I. L. II, 35) auf den von
Plinius benutzten schriftsteiler Cornelius Bocchus bezogen wird. —
Den zweiten theil des heftes machen wiederum epigraphisch -an-
tiquarische abhandlungen aus, von denen die erste {Henzen, de
nundinis consularibus aetatis imperatoriae p. 187 — 199) die schwierige
128 Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 2.
frage nach der amtsdauer der Consules suffecti der lösung näher bringt
und vorzüglich aus den monumenten erweist, dass keineswegs, wie
Brambach angenommen, seit Trajan stets zwei monatliche consulate
gewesen, sondern viermonatliche sich mindestens noch unter Conimo-
dus finden, ausnahmsweise auch drei- und einmonatliche; die zweite
(Mar quardt de provinciarum Romanarum conciliis et sacerdotibus p.
200 — 214) eine Übersicht der provinzialpriesterthümer in den verschie-
denen provinzen giebt und mit recht gegen Waddington die identi-
tät der ctQxuyilg rtjs 'Adas, Bt&vviag etc. mit den oft in Inschriften
und bei Schriftstellern genannten ' Agiüqxcu, Bi&vvidQ/at behauptet. —
Den beschluss des reichhaltigen heftes machen Miscellanea aus: p.
215 — 219 : fünf lateinische und eine griechische inschrift , mitge-
theilt von Henzen , und p. 220 — 227: fortsetzung der Observationes
epigraphicae von Mommsen grammatisch -antiquarischen Inhaltes: —
nr. 9: alphabeta Etrusca reperta Clusii. Nr. 10: flamonium. fia-
minium. Nr. 11: cjgaTtjyhg vnatog. Nr. 12: analecta de Pisonibus
et Crassis Frugi), schliesslich p. 228 eine bemerkung Rudorff's über
die in einer kürzlich publicirten inschrift gebrauchte formel: per
auctorem tutorem.
Göttingische gelehrte anzeigen. 1873 st. 2: Wolfgang Ratichius oder
Ratke im lichte seiner und der Zeitgenossen briete und als didakti-
kus in Cöthen und Magdeburg. Originalbeitrag zur geschichte der
Pädagogik des 17. jahrh. von G. Krause. 8. Leipzig. Dyk. 1872 :
anzeige von L. Geiger, der nach dem eigentlich nur eine Sammlung
von Briefen enthaltenden buche selbständig über ßatke spricht. —
Inscriptiones latinae et graecae cum carmine graeco extemporali Quinti
Sulpicii Maximi cum notis per Aloisium Ciofi advoc. Ed. altera
c. appendice. 8. Romac. 1871; ferner: Lectio inscriptionum in sepulcro
Q. Sulpicii Maximi ad portam Salariam Herum vmdicuta per Alois.
Ciofi adv. 8. Romae. 1872: kurze anzeige von H. Sauppe , nach
dem in diesen schritten der vf. mit einer für einen italiener und
laien anerkennenswerthen belesenheit in der griechischen poesie seine
textgestaltung und erklärung gegen die abweichenden ansichten Vis-
conti's und Henzens vertheidigt: es werden dafür ein paar stellen
als beweis behandelt: sonst s. Philol. Anz. bd. III, nr. 6, p. 322.
— St. 3: La legende Athenienne , etude de mythologie comparie
par E. Burnouf. 8. Paris, 1872: anzeige von C. Gilbert, die
eine häufig den resultaten des vfs beistimmende Übersicht des In-
halts giebt : es wird nämlich in dem buche der niythos von Athene
behandelt und zwar auf recht französische weise: Athene ist die
morgenröthe : der name 'A&avS wird als ahand fem. des adj. ahana,
d. h. morgendlich erklärt: da diese bezeichnung häufig von der mor-
genröthe gebraucht wird, so ist dem vf. die identität beider sicher!
Cap. 4 wird Poseidon behandelt, dessen herrschaft nicht auf die ge-
wässer der erde beschränkt, sondern ursprünglich der gott der himm-
lischen gewässer ist, womit ref. völlig einverstanden ist, aber doch
noch weiter gehen möchte. Das mag genügen. — St. 4 : Voyage en
Russie, au Caucase et en Perse, dans la Mesopotamie, le Kurdistan, la
Syrie, la Palestine et le Turquie , execute pendant les annees 1866. 1867
et 1868 par T. M. chevalier Ly cklama a Nijeholt. 8. T. I.
Paris et Amsterdam. 1872 : lobende anzeige von J. G. Kohl: das
buch bezieht sich nur auf die gegenwart, muss aber doch hier er-
wähnt werden. — Der alte und der neue glaube. Ein bekenntniss
von David Friedrich Slrauss. 8. Leipzig. 1872: anzeige von H.Ewald,
die das buch als aller gelehrsamkeit und Wissenschaft baar und ledig
schildert, da wahre Wissenschaft immer zum christenthume führe.
Kr. 3. März 1873.
Philologischer Anzeiger.
Herausgegeben als ergänzung des Pliilologus
von
Ernst von Leutseh.
67. Studien zur griechischen und lateinischen grammatik»
Herausgegeben von Georg Curtius. Vierter band. 8. Leip-
zig. Hirzel. 1871. 491 ss. — 22/3 thlr.
Unter den grösseren arbeiten dieses bandes darf als die
werthvollste bezeichnet werden die auch durch ihren umfang
am meisten hervorragende arbeit von Carl Brugman de
graecae linguae jproductione suppletoria, p. 58 — 189. Diese durch
die sorgfältige Zusammenstellung des umfangreichen materials
wie durch die besonnene methode der Untersuchung gleich aus-
gezeichnete abhandlung behandelt einen für etymologie und
morphologie gleich wichtigen abschnitt der lautlehre, die mit
dem ausfall von consonanten (nasalen, liquiden, Spiranten) ver-
bundene sogenannte ersatzdehnung. Der erste theil, der die
nach dem ausfall von nasalen eintretende ersatzdehnung be-
spricht, berührt sich mit einem theile des kürzlich erschienenen
buches von Johannes Schmidt, zur geschichte des indoger-
manischen vocalismus. I. Weimar. 1871, und es ist gewiss
ein gutes zeichen für die Sicherheit der gewonnenen resultate,
dass die beiden etwa gleichzeitig entstandenen schritten
(Schmidt konnte indess die Brugman'sche schrift noch benutzen)
in einigen cardinalpunkten grosse Übereinstimmung zeigen. So
2. b. in der physiologischen erklärung jener dehnung durch
den mittelweg der nasalierung des vocals (p. 79), was im we-
sentlichen mit den freilich auf einer umfassenderen sprachwissen-
schaftlichen grundlage aufgebauten ausführungen Schmidts p.
40 ff. zusammentrifft. Im Widerspruch mit Schmidt befindet
sich die behauptung p. 74, dass ein nasal vor einem explosiv-
laut nie mit ersatzdehnung ausgestossen wird. Schmidt führt
(im anschluss an eine frühere erklärung von Christ) zum be-
Philol. Anz. V. 9
130 67. Grammatik. Nr. 3.
weise des gegentheils die formen dfäoftui Xrjtyopai Xfäofxai rjSoficu
lij&(0 an, die nach ihm aus day^ofiai kafixfjofitxi lay^oftui ävdofiai
latdm entstanden sind (p. 120), ebenso wie er die Steigerung in
Xtlnot i£v%(a nsv&o/Aai u. s. w. aus vorhergehender nasalierung er-
klärt. Ich bekenne, dass ich mich in diesem punkte lieber auf
die seite von Brugman stelle. Auch das sanskrit, besonders
das vedische, kennt bei den wurzeln, die ihren praesensstamm
durch innere nasalierung oder nasalsuffix bilden (beides auf
einen Ursprung zurück gehend), nebenformen mit gunie-
• v v—
rung des praesensstammes , wie hsunatti und Jcsodati, bhinatti
Und bhedati, bhunakti und bhögate, rinahti und rek'ati, runaddhi
tind rodhati, junahti und jogati, ksubhnuti und hsobhate u. s.w.;
neben altbaktrisch hinagti steht sk. k'etati, neben miihnditi me-
thati. Auch hier erklärt Schmidt die Steigerung aus der nasa-
lierung; aber gewiss konnten, was auch Delbrück Kuhn Z. XXI,
85 betont hat, von anfang an bei jenen wurzeln beide arten der
praesensbildung vorhanden gewesen sein, und wenn wir auch
zugeben, dass die lautliche möglichkeit der entstehung der gu-
nierten formen aus den nasalierten vorhanden ist, so werden
wir doch die nothwendigkeit davon leugnen müssen gegenüber
der thatsache , dass neben den nasalierten praesensbildungen
noch andre herlaufen, mit denen jene einen lautlichen Zusam-
menhang durchaus nicht haben können. Sehr häufig ist z. b.
die formation mit ja (6. klasse), wie agnäti agjati ihnäti is-jati,
oder mit dem einfachen suffix a, wie aJc&nöti ahkati, hhindati
Jchidati; dasselbe findet im verhältniss der verwandten spra-
chen zu einander statt, vgl. altbulg. zinqii und zijati mit gr.
•^alvco , ghrnöti und ^algm , ddpvqfii und damjati, rinahti und
Xslnm, vrnöti altbulg. voljq, got. valjan viljan u.s.w. Dies kann
genügen, um den nachweis zu liefern, dass bei einer grossen
anzahl von wurzeln von anfang an eine reihe verschiedenar-
tiger praesensbildungen neben einander herliefen, deren verhält-
niss zu einander man sehr falsch auffassen würde , wenn
man sie mit einander auf denselben Ursprung zurückleiten
wollte. Es liegt hier dieselbe erscheinung vor wie bei den
nominalbildenden Suffixen : so wenig man das recht hat alle
nomina, die aus derselben wurzel mit verschiedenen Suffixen
gebildet sind, für ursprünglich identisch zn erklären, sondern
schon der Ursprache eine grosse maunigfaltigkeit und beweg-
Nr. 3. 67. Grammatik. 131
lichkeit in der Wortbildung zuzuschreiben hat (Leo Meyer und
Alfred Ludwig leugnen das freilich), ebenso wird man auch
für das gebiet der verbalbildung dasselbe zugeben müssen.
Im einzelnen sind uns begreiflicher weise gegen die erklä-
rungen des Verfassers hie und da bedenken aufgestiegen. Um
nur eins anzufübren, erklärt der verf. p. 98 die formen rivco
und qt&ivco aus tivpa uvia und cp&ivpca cf&ivvca, allerdings im
anschluss an Curtius Erläut. 2 122, um die länge des f zu
deuten. Allein mit rücksicht darauf, dass im attischen das
i kurz ist, nur episch durchweg lang, dass auch das von dem-
selben stamme gebildete iia bei Homer sowohl kurzes als lan-
ges t zeigt (Kühner Ausf. gr. I, 919), dass ferner auch die
übrige tempusbildung ein T zeigt (riaco tiloa iitlxa, vgl. dage-
gen xf'xptxa), dass endlich keins der mit vvco gebildeten verben
wie ich sie neulich in Curtius Studien V, p. 338 zusammenge-
stellt habe, ihr v zu p gewandelt haben, stehe ich nicht an
diese länge als eine stammhafte Verlängerung des wurzelvocals
zu erklären, ähnlich wie im lat. ob-inunt neben sk, inöti,
Suva* dhüna neben dhunöti abulg. dunqti, mjna neben minüti^
livoi> neben linäti, vergleichbar auch der Steigerung von ^evyvvfxi
neben jug u. a. ; auch cfQCco zeigt in cpdiqg Bf 368 cpdtaw 77,
461 u.s.w. langes £, während cf&ivm attisch t hat, s. Kühner
a. o. I, 927. Was iauvco betrifft, das Brugman geneigt scheint
mit Benfey und Leo Meyer aus ixätjoa zu erklären, so glaube
ich mit rücksicht darauf, dass dtjco stets zu aivm wird, es verhält
sich zu inatö-g wie neXciva zu fielavo-g^ d. h. der nominal-
Btamm mit suffix avo ist als praesensstamm verwendet; die
abweichende Quantität erklärt sich wie im skr. äna neben ana%
gr, i-avo-s neben i-avo-g.
Unter dem titel Neograeca gibt p. 233 — 322 Michael Deffner
höchst werthvolle beitrage zur kenntniss der neugriechischen
lautlehre. Eine geschichte der griechischen spräche, speciell
eine griechische lautgeschichte ist nicht möglich, ehe nicht die
entwickelung und der heutige zustand des vulgärgriechischen
allseitig dargestellt ist, und darum haben arbeiten wie diese
als bausteine zu diesem vorläufig noch der zukunft aufzusparen-
den gebäude einen hohen werth. Es sei gestattet bei dieser
gelegenheit auch auf die interessante Sammlung von denkmälern
des vulgärgriechisch des 15. bis 17. Jahrhunderts von Legrand
Collection ü& monuments joour servir & Vetude de la languQ neo-heh
9*
132 68. Grammatik. Nr. 3,
Unique. Paria 1869 — 72 aufmerksam zu machen. Demselben
zwecke dient auch die alte dialektforschung, zu der die abhandlung
von R. Meister , de dialecto Heracliensium italicorum p. 357 ff.
einen beitrag liefert, die p. 448 auch eine ausgäbe der von dem
Verfasser ans ende des vierten Jahrhunderts gesetzten herakleen-
ßischen tafeln gibt. Von ganz besonderem interesse sind auch
diesmal wieder die beitrage des herausgebers selbst, besonders
der brief an professor Hartel in Wien p. 471 ff. über die Ver-
längerung der kurzen endvocale vor liquiden im homerischen
vers. Hartel hatte diese in seinen Homerischen Studien — ab-
gesehen von den fällen, wo ursprünglich eine consonantengruppe
das wort anlautete — aus einer volleren articulation der liqui-
den erklärt, so dass diese dem werthe von consonantengrup-
pen nahezu gleichkommen, während Curtius seine alte erklä-
rung (epische licenz auf der basis der analogie) aufrecht hält.
Wie wir hören, wird prof. Hartel den interessanten streit in
einer zweiten ausgäbe seiner Studien weiter fortführen.
Etymologisches geben H. W. Röscher (p. 189 ff., z. b.
'Od'vöaeig als „führer", von dvx lat. düco got. tiuhan) und Sop-
phus Bugge (p. 203 ff. 323 ff.); den homerischen accusativ mit
dem imiuitiv besonders mit vtrgleicbung des gothischen und
althochdeutschen Sprachgebrauchs erklärt Carl Albrecht s. lff.
Ghistav Meyer.
68. Griechische grammatik für gymnasien. Auf grundlage
der vergleichenden Sprachforschung bearbeitet von Heinr,
Dietr. Müller, prof. am gymnasium zu Göttingen, und Ju-
lius Lattmann, Dr., director des gymnasiums zu Clausthal.
1. theil. Formenlehre. 2. verru. u. verb. auf!. 8. Göttingen,
Vandenhoeck und Ruprechts verlag. 1871. — 18 gr.
Bei der günstigen aufnähme welche das buch in der er-
sten aufläge erfahren hat, bedarf es zur empfehlung dieser neuen
bearbeitung nur des hiuweises, dass die verf. die brauchbar-
keit ihrer formenlehre durch zahlreiche Verbesserungen und
durch das hinzufügen einer methodischen wortbildungslehre er-
höht haben. Sie sind damit einem entschiedenen bedürfnisse
entgegengekommen. Möchte die auf gleichen principien aufzu-
bauende syntax nicht mehr lange auf sich warten lassen, ohne
welche der einführung des ersten theiles manche praktische be-
Nr. 3. 69. Harmonik. 133
denken entgegenstehn. Eigentümlich klingt die klage, vorr.
p. vin, über den mangel an vorarbeiten auf diesem gebiete
sammt der berufung auf Curtius Erläuterungen p, 149, nach-
dem bereits 1861 Akens Grundziige der lehre von tempus und
modus und 1868 dessen grammatik erschienen waren, arbeiten,
in denen der der Wissenschaft zu früh entrissene Verfasser die
grundlinien zu einer historischen syntax mit einer seltenen In-
tuition und schärfe gelegt hat.
69. Kurzer überblick über die altgriechische harmonik von
Carl Lang. 8. Heidelberg. Gg. Weiss 1872. — 47 ss.
druck und 30 ss. abklatsch. — 16 gr.
Der Verfasser hat diese schrift eigentlich als sehulprogramm
herausgegeben und sich seine schüler sowie deren angehörige
als nächstes lesepublicum gedacht. Er beabsichtigte demnach
eine populäre darstellung der antiken harmonik zu liefern
und hatte die glückliche idee die erhaltenen musikreste auto»
graphirt seiner schrift beizugeben. Wer den weg durch West-
phals dickleibige metrik scheut, soll also hier auf kürzerem
wege in die kenntniss von der griechischen musik eingeführt
werden und bekommt für seine 16 sgr. noch die erhaltenen
hymnen und fragmente mit in kauf.
Die idee des verf. wird sich gewiss allseitiger billigung er-
freuen; anders aber steht es mit der art, in der er dieselbe
ausgeführt hat. Das büchlein enthält in dem engen rahmen zu
vielerlei von. der grauen theorie, lässt sich sogar in polemik ein
und unterlässt es dagegen die vorgetragenen lehren mit der er-
forderlichen klarheit zu geben. Mit dem unterschiede der be-
nennung nazu övrapiv und antä &sfftv, mit den Helmholtzischen
namen der otfavgattungen konnte der laie verschont werden,
ebenso mit einer beschreibung der handschriften, in denen dia
hymnen stehen, und mit den wundersamen drei gründen dafür,
warum die mit a schliessenden hymnen nicht aus F dur gehen
können. Dass beilage a, welche die gesammte antike noten-
schrift enthalten sollte, nicht zur ausführung gekommen, ist nicht
schade. Es wäre wohl überhaupt gerathener gewesen, anstatt
für schüler und ähnliches publicum die ganze theorie der har-
monik zu entwickeln, sich mehr an die praxis zu halten, vom
päan, vom nomos, vom chorgesang u. s. w. zu erzählen und die
134 70. Griechische tragödie. Nr. 3.
mitgetbeilten hymuen nach jeder seite hin zu betrachten. Kam
man dabei auf dorische tonart zu sprechen, so musste natür-
lich — aber unendlich viel deutlicher als es in der schlechten
tabelle p. 7 und dem kurzen texte p. 10 der fall — gelehrt
werden , worin das wesen dieser octavgattung und ihr unter-
schied von den übrigen bestehe. Bellermanns anmerkungen
zum Anonymus können für eine solche ausführung zum muster
dienen. Den laien, der von der existenz einer scala von E-e
ohne vorzeichnung noch keine ahnung hat, wird man darauf
hinweisen , dass er in der choral - melodie „o haupt voll blut
und wunden" bereits diese scala kennt, wird aber freilich dabei
hervorheben müssen, dass die alte musik die terz als consonanz
nicht kannte, dass wir folglich unsre E dur- und A raoZZ-accorde
zum alten dorisch nicht mitbringen dürfen. Der Verfasser führt
in d»em capitel über polyphonie p. 34 ff., das uns als das beste
in dieser schrift erscheint, beherzigenswerthe worte von Ambros
an, kann sich aber doch nicht so weit von Westphal losmachen,
um nicht mehrfach von dur und moll zu reden. Zu deutlicher
und eingehender behandlung der octavgattungen hätte dem
verf. der aufsatz über die tonarten in Plato's Eepublik in Fleck-
eisen's Jahrbb. 1867 manch beachtenswerthen fingerzeig geben
können. Die dort gegebene erklärung des ausdrucks ivagfio»
viog von der siebensaitigen lyra, deren hohe töne h c e waren
und die zugleich die octave (agfiovia) E-e und die alte ur-
sprüngliche enharmonik darstellte, hätte ihn vielleicht auch
davor bewahrt, ivagfioviog von ,, ivagfiorrtiv einfügen" abzulei-
ten. Eine besprechung der den hymnen beigegebenen accord-
begleitung haben wir in Jos. Müllers Allgemeiner musicalischer
zeitung 1872, nr. 46, p. 729 figg. gegeben.
J.
70. Die geburt der tragödie aus dem geiste der musik.
Von Friedrich Nietzsche, ordentlichem professor der clas-
sischen philologie an der Universität Basel. 8. Leipzig, verlag
von E. W. Fritzsch. 1872. — 1 thlr.
Zur vorläufigen orientirung mag hier gleich bemerkt wer-
den, dass obige schrift, obwohl vom griechischen alterthume
ausgehend, doch vornehmlich zur Verherrlichung Eichard Wag-
ner's dient. Nietzsche sagt selbst in der vorrede, dass er bei
Nr. 3. 70. Griechische tragödie. 135
allem, was er sich dachte, mit Wagner wie mit einem gegen-
wärtigen verkehrte und nur etwas dieser gegenwart entspre-
chendes niederschreiben durfte. Nun, es ist ihm geglückt! Man
erkennt Wagner's Vorbild in der auffassung der griechischen
tragödie, in mancherlei anderen ästhetischen urtheilen, im ge-
schraubten styl, namentlich aber auch in der art, wie fremdes
verdienst gewürdigt wird. Von seiner eigenen Wissenschaft, der
philologie, spricht Nietzsche mit grosser geringschätzung; es scheint
ihm, als ob unsere so stolz sich gebärdende klassisch - helle-
nische Wissenschaft in der hauptsache bis jetzt nur an Schat-
tenspielen und äusserlichkeiten sich zu ernähren gewusst habej
die philologen gelten ihm für geistlose correctorea von alten
texten oder naturhistorische sprachmikroskopiker, die ästhetiker
finden noch weniger gnade vor seinen äugen. Das ganze auf-
treten des Verfassers lässt vermuthen s dass er etwas durchaus
neues und unerhörtes zu sagen hat.
Die fortentwicklung der kunst ist nach ihm an die du-
plicität des apollinischen traumes und des dionysischen rau-
ßches gebunden, welches erstere princip im homerischen epoa
herrscht, das andere in der lyrik , während die tragödie aus
einer Vereinigung dieser beiden hervorgegangen ist. Die neuheit
besteht hier zunächst in der Wunderlichkeit der bezeichnungen,
vornehmlich aber in all den mystischen zuthaten, mit welchen
jene einfache Wahrheit derartig umhüllt ist, dass es schwer
hält, sie herauszuschälen. Wie unglücklich gewählt überdies
die vergleichung mit träum und rausch ist, braucht wohl kaum
hervorgehoben zu werden. In beiden zuständen erscheinen die
höhern geisteskräfte gebunden und gelähmt, während doch zur
conception eines kunstwerkes ein erhöheter seelenzustand nö-
thig ist, bei welchem alle kräfte, die sonst nur einzeln wirken
können, gemüth, phantasie und verstand, in unbegreiflicher
weise zu einem reinen accorde sich vereinigen. Traum und
rausch sind jedoch bei Nietzsche nicht bloss gleichnisse, sie
ßind fast die sache selbst. Wir wollen hier nicht auf seine er-
klärung dieser zustände eingehen, damit mögen mediziner sich
erheitern; nur um zu zeigen, wie ernst es dem Verfasser mit
diesen dingen ist, wollen wir hier anführen, was er über das
träumen bei den Griechen zu berichten weiss. „Man wird sich
nicht entbrechen können, auch für ihre träume eine logische
136 70. Griechische tragödie. Nr. 3.
causalität der linien und umrisse, färben und gruppen, eine
ihren besten reliefs ähnelnde folge der scenen vorauszusetzen,
deren Vollkommenheit uns, wenn eine vergleichung möglich
wäre , gewiss berechtigen würde, die Griechen als träumende
Homere und Homer als träumenden Griechen zu bezeichnen".
Zur speciellen betrachtung der lyrik gelangt, erklärt Nietz-
sche die Subjektivität des lyrikers im sinne der neuen ästheti-
ker für eine einbildung, denn der subjektive künstler ist der
schlechte künstler, und ohne Objektivität ist nicht die geringste
wahrhaft künstlerische erzeugung möglich. Das letztere ist ge-
wiss richtig, nur trifft der Vorwurf gar nicht die neuere ästhe-
tik. Mit dem worte „subjektiv" soll ja nur der erste anstoss
zu dem künstlerischen processe bezeichnet werden, nicht dieser
selbst , denn die entstehung des lyrischen kunstwerkes findet,
wie jeder weiss, immer erst statt, sobald die subjektiven em-
pfindungen für den lyriker Objektivität erlangt haben. Auch
der dionysische rausch schafft nicht unmittelbar das kunstwerk :
„der dionysische künstler ruhet in der stillen meeresruhe der
apollinischen betrachtung, so sehr auch alles, was er durch das
medium der musik anschauet, um ihn herum in drängender
und treibender bewegung ist". Aus dem schwerverständlichen
hymnenstyl in wissenschaftliches deutsch übertragen, besagen
diese worte doch ebenfalls nichts anderes, als was oben stand,
und die polemik gegen die neuere ästhetik scheint weiter kei-
nen zweck gehabt zu haben, als die gleichheit der anschauun-
gen weniger hervortreten zu lassen.
Ebensowenig können wir es als etwas besonders neues an-
erkennen, wenn die tragödie aus dem dionysischen chor herge-
leitet und eine ursprüngliche Verbindung zwischen lyrik und
musik nachgewiesen wird. Auch das paradoxon, dass die Athe-
ner den Sokrates mit recht verurtheilt hätten, weil durch seine
Philosophie das alte Hellenenthum geschädigt und gestürzt wor-
den sei, auch dieses kann nicht auf neuheit, noch weniger aber
auf richtigkeit anspruch machen. Der vf. scheint anzunehmen,
dass die vertheidiger des bestehenden berechtigt seien, alle re-
formatoren gewaltsam zu vernichten, womit dann auch die ke-
tzerverfolgungen entschuldigt wären; er scheint ferner anzuneh-
men dass die athenischen richter, obwohl sie von der sokräti-
ßchen philosophie wenig oder nichts wussten, dennoch die folgen
Nr. 3. 70. Griechische tragödie. 137
derselben bereits mit derjenigen klarheit erkannt hätten, wie es
uns heutzutage möglich ist, und drittens muss er von der stren-
gen gerechtigkeitsliebe der Athener eine höchst vorteilhafte
meinung haben , trotz der rumänischen zustände, wie sie aus
Aristophanes und andern Schriftstellern bekannt sind. Ein drei-
facher irrthum also, und im gründe doch nur deshalb, um ein
vor dreissig jähren bereits aufgestelltes paradoxon wieder ein-
mal aufwärmen zu können !
Indessen soll durchaus nicht behauptet werden, dass das
buch nur allgemein bekannte dinge enthält. Neu ist jedenfalls
die anschauung, dass die ursprüngliche gestalt der lyrik wie
der tragödie auch zugleich die vollkommenste gestalt derselben
sei, aus welcher anschauung sich natürlich die seltsamsten ur-
theile über die höher entwickelte kunst ergeben müssen. Die
moderne lyrik wird mit einer statue ohne köpf verglichen, weil
ihr die musikalische grundlage fehlt, und ferner wird der ver-
fall der tragödie schon bei Sophokles gefunden, weil dieser die
handlung dem chore gleichberechtigt gemacht habe. Der letz-
tere Vorwurf trifft übrigens nicht Sophokles, sondern Aeschylus,
so dass also künftig von diesem der verfall der tragödie wird
herzudatiren sein.
Vom philologischen Standpunkte aus begreift man nicht,
wie der Verfasser zu solchen ansichten gelangen konnte 5 die
erklärung liegt darin, dass er die dinge durch die Wagnersche
brille angeschaut hat. Wagner rechnet es sich als besonderes
verdienst an, dass er eine neue kunstform erfunden hat, und
auch Nietzsche preist diese neuerung als die rettende that, wel-
che den deutschen Genius aus seiner langen entwürdigung zu
befreien bestimmt ist. In der urform der tragödie glaubte nun
Wagner etwas seinen eigenen bestrebungen analoges gefunden
zu haben, nämlich ein gleichberechtigtes zusammenwirken der
verschiedenen künste, daher die Ungunst, mit welcher die spä-
tere entwickelung dieser urform betrachtet wird; denn sobald
die dramatische handlung zur hauptsache wird und das musika-
lische element zurücktritt, erscheint ja sofort die verlangte gleich-
berechtigung der künste aufgehoben. Dies wird aber, trotz
Wagners missbilligung, überall eintreten, sobald die kunst einen
höhepunkt erreicht hat; alsdann ist nämlich eine Vereinigung
verschiedener künste zu gleichem zwecke nur denkbar, indem
138 70. Griechische tragödie; Nr. 3.
eine von innen die herrschaft führt, und die andern sich ihr die-
nend unterordnen ; bei gleicher berechtigung würde jede kunst
die volle aufmerksamkeit für sich beanspruchen und schliesslich
keine einzige zu ihrem vollen rechte gelangen. So ist es na-
türlich und nothwendig, dass lyrik wie tragödie auf der höhe
ihrer entwicklung sich von der musik emancipiren und diese
entweder gar nicht oder nur noch in dienender weise zur Verwen-
dung kommen lassen; dass andrerseits oper und Oratorium die
poesie nur als etwas untergeordnetes behandeln, und so auch auf
allen andern gebieten. Die gleichberechtigung ist eben nur da denk-
bar, wo alles entweder noch gleichmässig unreif oder aber schon
gleichmässig verderbt ist, also im beginn oder am ende einer kunst-
entwicklung. Unter diesen umständen geräth nun Nietzsche in die
üble läge, entweder die höchsten leistungen der kunst in misscredit
bringen zu müssen, wie er es in bezug auf Sophokles und die mo-
derne lyrik wirklich versucht, oder aber, wenn dies durchaus nicht
angeht, jede abweichung von der urform zu leugnen. Das letz-
tere thut er ebenfalls in bezug auf die tragödie. Für ihn bleibt
der chor stets Satyrchor, und der held auf der bühne, mag er
nun Orestes oder Oedipus oder Antigone heissen, ist ihm im-
mer nur der verkappte Dionysos. Rechtfertigen lässt sich dies
natürlich nicht mehr durch wissenschaftliche beweise, weshalb
der Verfasser statt derselben von einer unklaren mystik ge-
brauch macht, auch hierin seinem vorbilde getreu.
Es ist nicht sehr erfreulich , wenn ein gelehrter, dem es
an geist durchaus nicht fehlt, wie mancherlei einzelnheiten
des buches beweisen, aus blosser Vorliebe für eine falsche
kunstrichtung sich zu solchen extravaganzen hinreissen lässt;
noch schlimmer ist es aber, wenn er aus demselben gründe so-
gar zu ungerechtfertigten angriffen gegen hochverdiente gelehrte
übergeht. Bekanntlich hat Otto Jahn die ganze nichtigkeit
und Verkehrtheit des Wagnerschen treibens mit tiefer sach-
kenntniss und feinem ästhetischem gefühle aufgedeckt, wie mit
gleichem geschicke kein anderer. Dass ein anhänger Wagners
hiervon wenig erbaut sein kann, lässt sich denken. Aber diese
leicht begreifliche und selbst zu entschuldigende Verstimmung
berechtigt ihn noch nicht, dem geschmackvollsten und gebildet-
sten philologen rohheit und empfindungsarme nüchternheit vor-
zuwerfen.
Nr. 3. 71. Xenophon. 139
Das gesammturtheil üher Nietzsches buch lässt sich kurz
dahin zusammenfassen, dass der versuch, die grundlage für eine
Zukunftsästhetik zu schaffen, welche das nothwendige correlat
zu der Zukunftsmusik bilden würde, als gänzlich gescheitert
anzusehen ist. — l —
71. Ueber die abfassung von Xenophons Hellenica. Von
H. Nitsche. — 4. Berlin 1871 (Programm des Sophien-
gvmnasiums).
Man darf in dem jetzt so lebhaft geführten streite um
den werth und die gestalt der Hellenica des Xenophon wohl
auf eine baldige klärung der ansichten hoffen, nachdem nun so
ziemlich alle möglichen vermuthungen über diese Schrift aufge-
stellt sind, zu deren Vervollständigung uns neuerdings noch
der nachweis in aussieht gestellt wird, dass die Hellenica sy-
stematisch interpolirt seien, vergl. E. A. Richter, Untersuchun-
gen über interpolationen in den Schriften Xenophon's, vorzugs-
weise der Anabasis und den Hellenicis. — Aber auch die von
Niebuhr zuerst angeregte frage über die abfassung dieser schrift
ist noch nicht durch eine endgültige antwort aus der weit ge-
schafft : während man auf der einen seite noch immer die un-
terbrochene abfassung der Hellenica bestreitet, kann man sich
auf der anderen nicht über die stelle einigen, an der die commis-
eur zu suchen sei. Dem Verfasser der oben bezeichneten schrift
gebührt das verdienst, durch seine gediegene, mit urtheilsvoller
gelehrsamkeit geführte Untersuchung zur lösung dieser Schwie-
rigkeiten wesentlich beigetragen zu haben , indem er die frage
nach der einheit oder zweitheiligkeit der Hellenica überzeugend
dahin beantwortet hat, dass die fragliche schrift aus zwei zu
verschiedenen Zeiten verfassten theilen bestehe, und dass die
fuge zwischen beiden abschnitten nach dem ersten capitel des
fünften bnches zu suchen sei. Eine wunderbare bestätigung erhält
die ansieht Nitsche's durch die in diesen tagen von E. v. Leutsch
aufgestellte, frappante hypothese (Philologus bd. XXXIII, p.
97), der zufolge Kratippus und Xenophon identisch seien, in-
dem dieser den ersten theil seiner Hellenica unter dem Pseudo-
nym „Kratippus" herausgegeben habe, denn nach der inhaltsan-
gabe bei Plutarch (de glor. Athen. I, 1) würde das ende der
sogenannten fortsetzung des Thucydides durch Kratippus mit
140 71. Xenophon. Nr. 3,
dem letzten capitel des vierten buches der Hellenica zusam-
menfallen. — Nachdem Nitsche im eingange seiner schritt kurz
den stand der frage erörtert hat, wird in §. 2 durch feine be-
merkungen über Zusammenhang und Sprachgebrauch der nach-
weis erbracht, dass Hell. III — V, 1 ein abgeschlossenes ganze
bilden; wir sind überzeugt, dass Nitsche, indem er nach V, 1
einen abschnitt macht , durchaus das richtige getroffen bat ge-
genüber Grosser (Jahrb. f. class. Phil. 95, p. 737 ff.), der die
beiden folgenden capitel noch zum vorhergehenden zieht, denn
es ist an der von Nitsche angenommenen stelle offenbar ein
ruhepunkt in der handlung gegeben durch den frieden des An-
talkidas (vergl. Freese, über den plan, welchen Xenophon im
zweiten theile seiner hellenischen geschichte verfolgt. Stral-
sund. 1865). Dagegen ruht unseres erachtens die chronologi-
sche bestimmung, nach der die abfassung dieses abschnitts in
die zeit von mitte 384 bis herbst 383 fallen soll, auf unsiche-
rer grundlage. Denn wenn Nitsche um den terminus ultra quem
non zu fixiren sich mit Grosser auf die stelle Hell. IV, 3, 16,
wo es von der Schlacht bei Koroneia heisst : iyit'ezo oft] ovx
aXXt} rmv y' icpy rjfjiwv, beruft und daraus folgert , dass diese
Worte vor der Schlacht bei Leuctra geschrieben sein müssten,
so ist dagegen einzuwenden, dass in anbetracht der zahl der
kämpfenden die Schlacht bei Leuctra keineswegs bedeutender
zu nennen ist als die koroneische (vergl. Schambach , Untersu-
chungen über Xenophon's Hellenica. Jena. 1871, p. 23 ff.).
Ebenso hat das was weiter über die behandlung von Phlius
seitens der Lacedaemonier vorgebracht wird, um die zeitgren-
zen, innerhalb deren der abschnitt verfasst ist, einander näher zu
bringen, keine gewähr. Kein unbefangener wird auf die worte
Hell. IV, 4, 15 ol AaxiSaipiovioi — naoiXaßov eine Zeitbestim-
mung gründen wollen. Xenophon berichtet einfach über das
verhalten der Lacedaemonier mit dem bekannten wohlwollen,
und wir finden nicht, dass er gerade hier „den mund sehr voll
genommen" ; ja man könnte mit demselben rechte sagen, dass
hier geflissentlich ihr betragen hervorgehoben wird im gegensatz zu
ihrer späteren handlungsweise. Auch die erwähnung des todes
des Pausanias (III, 5, 25) ist wenig geeignet als anhält für
eine Zeitbestimmung, da nichts natürlicher ist, als dass Xeno-
phon au seine freiwillige Verbannung nach Tegea die fünf
Nr. 3, 71. Xenophon, 141
Worte anschliesst : xa« izsXsvr^as (i&vtoi istsT voacp. Die im Zu-
sammenhang damit aufgestellte folgerung für das todesjahr
des Pausanias beruht auf einem kreisschluss. Wir können der
beweisführung nur insoweit beitreten, als wir zugeben, dass das
fragliche stück nach dem jähre 385 verfasst sein müsse. Die
behauptung dass V, 2 — VII ein für sich bestehendes ganze
bilden ist durch gute gründe, die sich leicht vermehren Hessen,
gestützt, aber eine in dem ganzen stücke bestimmt und eigen-
tümlich ausgeprägte tendenz scheint unerweislich ; damit ist
jedoch nicht ausgeschlossen, dass, wie Nitsche klar darlegt, der
ton in beiden abschnitten ein verschiedener ist; neue argumente
dafür siehe bei Schambach p. 25 ff. Während es auch für die
abfassungszeit dieses theiles an bestimmten, direct beweisenden
stellen fehlt (wenigstens ist die notiz VI, 4, 37 tmv tavta — ■
aQ%ijv i?/f, die einen anhaltspunkt geben könnte, nicht chrono-
logisch genau fixirbar), wird durch sehr geschickte combinatio-
nen wahrscheinlich gemacht , dass er im jähre 357 oder 356
abgefasst ist. Wenn wir nun auch oben die behauptung, dass
der erste theil 384/83 abgefasst sei, als unerwiesen bezeichne-
ten, so ist doch, selbst wenn man 384/83 als obere zeitgrenze
ansetzt, bis zum jähre 357 ein genügend grosser Zeitraum
vorhanden, innerhalb welches die ausarbeitung des ersten thei-
les trotz des veränderten tones gesetzt werden kann. Im an-
schluss hieran versucht nun Nitsche das geburtsjahr des Xenophon.
festzustellen, ohne sich lange mit der Zurückweisung der früheren
conjecturen zu beschäftigen, da er eine ganz neue fixirung aus
zum theil unberücksichtigt gebliebenen stellen für möglich hält.
Durch eine geschickt angelegte Wahrscheinlichkeitsrechnung (in-
nerhalb deren mit durchschlagenden gründen die unächtheit
von Oecon. IV, 17 — 25 nachgewiesen wird) kommt der Verfas-
ser, indem er das alter des Kritobulos und Eutkydemos annä«
herungsweise berechnet, zu dem überzeugenden Schlussresultate,
dass Xenophon's geburtszeit zwischen den jähren 442 und 436
zu suchen sei; mehr glauben wir hier nicht zugeben zu dür-
fen, denn wenn weiterhin als das wirkliche geburtsjahr 440 an-
gesetzt wird, so steht und fällt diese annähme mit der conjec-
tur Cobets zu Apomn. I, 3, 8, tbv '<4%i»xov liöv, deren un-
antastbarkeit zu erweisen Nitsche nicht gelungen ist. Nach die»
ßer excursion kehrt Nitsche zu seinem eigentlichen thema zu-
142 71. Xenophon. Nr. 3,
rück und erörtert in §. 8 "Die bücher I. II sind erst nach
dem frieden des Antalkidas geschrieben; sie setzen zwar den
Thukydides fort, das material aber verdankt ihm Xenophon
nicht. Die Hellenica liegen uns nicht im auszuge, sondern im
original vor". Man kann der scharfsinnigen ausführung, in
der begründet wird, dass buch I. II erst nach dem frieden des
Antalkidas verfasst seien, die billigung nicht versagen ; nament-
lich basirt die darstellung auf einer probabeln zurückführung
des in diesen büchern enthaltenen Stoffes auf seine quellen, in-
dem die einzelnen orte, die Xenophon nachweislich in seinem
späteren leben kennen lernte, aufgezählt werden und an ihnen
mit rücksicht auf die ausführlichere beschreibung, die ihnen an-
dern gegenüber zu theil wird, gezeigt wird, dass Xenophon bei
abfassung dieser partien schon jene auf autopsie beruhenden
kenntnisse in sich aufgenommen haben musste. Die frage,
ob dem Xenophon tbukydideisches material vorgelegen habe,
durfte nach den erörterungen von Büchsenschütz (Philol. XIV,
p. 516 ff.) als abgethan angesehen werden; gleichwohl verdienen
die argumente, mit denen Nitsche noch Büchsenschütz's ansieht
stützt, alle beachtung. So entschieden wir mit dem Verfasser
die angeführte frage verneinen, müssen wir die andere, ob Xe-
nophon den Thukydides habe fortsetzen wollen, bejahen. Frei-
lich darf das wort fortsetzung nicht in dem sinne aufgefasst
Werden, als habe Xenophon den plan des Thukydides wieder auf-
nehmen und zu ende führen wollen ; es kam dem Xenophon
nur darauf an, eine Verbindung zwischen seinem werke und dem
des grossen meisters, dem ohne zweifei der beifall der Zeitge-
nossen eine längere dauer verbürgte, herzustellen. Stimmt man
dem oben angeführten urtheile über die person des Kratippus
bei (Nitsche schliesst sich p. 37 in dieser hinsieht dem urtheile
von G. Müller und Schaefer an, dem zufolge Kratippus be-
deutend später als Thukydides gelebt hat, ohne diese sehr ge-
wagte behauptung neu zu begründen), so kann in zukunft von
einem eigentlichen fortsetzer des Thukydides nicht mehr die
rede sein; denn dass Theopomp diesen namen noch viel weni-
ger verdient als Xenophon, lehrt eine einfache erwägung: seine
Hellenica umfassten in zwölf büchern die zeit von Ol. 92, 2 —
96, 3, also siebenzehn jähre, die sogenannte fortsetzung des
Thukydides aber ging nicht über das erste buch hinaus, somit
waren in diesem einen buche sechs ereignissvolle jähre zusam«
Nr. 3. 71. Xenophon. 143
mengedrängt, während jedes folgende jähr durchschnittlich ein
buch füllte; es kann demnach das erste buch unmöglich mehr
als eine flüchtige aufzählung der dem eigentlichen thema vor-
ausliegenden ereignisse enthalten haben. Ist nun aber die Vor-
stellung, als habe Xenophon als fortsetzer des Thukydides auf-
treten wollen, eine irrige, so fällt damit auch jeder grund weg,
die beiden ersten bücher als ein für sich bestehendes und ein-
zeln herausgegebenes ganze anzusehen. Was den anschluss des
Xenophon an Thukydides anbetrifft , so sind wohl heutzutage
die urtheilsfähigen einig , dass wir den anfang der Hellenica
nicht mehr besitzen , wahrscheinlich ging er dadurch verlo-
ren, dass man (in Alexandria?) um eine ununterbrochene con-
tinuität mit dem werke des Thukydides herzustellen , die An-
leitung wegschnitt, ein verfahren für das sich analogien anfüh-
ren Hessen. Mit wenigen Worten deutet Nitsche seine Stellung
zu der frage an , ob wir die Hellenica im auszug oder original
vor uns haben und entscheidet mit berufung auf einen inzwischen
in den Jahrbb. f. class. Phil, erschienenen aufsatz von Büchsenschütz
für das letztere-, mittlerweile ist auch Breitenbach in einem auf-
satze im Rhein. Museum zu demselben resultate gekommen. Dass
die sache indessen damit noch nicht völlig abgethan ist, lehrt
Grosser (Jahrbb. f. class. Phil. 1873, hft. 2). Mit den aufstellungen
Nitsche's lässt sieh nun auch die notiz über die Anabasis des The-
mistogenes vereinigen, da unter der Voraussetzung, dass Xeno-
phon den ersten theil der Hellenica lange vor dem jähre 357
geschrieben habe, sich die hinweisung III, 1, 1 auf jene Schrift
mit der annähme erklärt, dass die Anabasis des Xenophon noch
nicht existirte; wenn wir nun die ab fassung dieser schrift mit den
meisten gelehrten in das jähr 372 oder 370 setzen, so erhal-
ten wir damit zugleich eine untere zeitgrenze für die abfassung
des ersten theiles der Hellenica. (Stimmt man dagegen der
erwähnten hypothese über Kratippus bei, so ergiebt sich auch
die Anabasis des Themistogenes als eine grosse , mit der man
nicht mehr zu reebnen braucht.) Nitsche macht ferner im an-
schluss an Morus darauf aufmerksam, dass Xenophon in den
Hellenica an verschiedenen stellen offenbar den Stoff für die
Anabasis aufgespart habe und zieht daraus den schluss, dass
diese schrift wohl nicht lange nach 380 abgefasst sei, freilich
kann diese bestimmuug nur dann aufrecht erhalten werden,
wenn man die behauptung, die Hellenica seien 384/83 geschrie-
144 72. Valerius Flaccus. Kr. 3.
ben, für erwiesen ansieht. Eng damit zusammen hängt auch
die folgerung, dass die Persica des Ktesias vor 380 und zwar
zwischen 387 — 80 verfasst sein müssten, weil sie Xenophon
in der Anabasis erwähnt. In den bemerkungen über die Ana-
basis des Sophainetos bewährt Nitsche den gewohnten Scharf-
sinn, ohne jedoch durchgängig zu überzeugen. Sehr anspre-
chend sind noch die auf den zweiten theil der Hellenica ge-
gründeten combinationen über Xenophon's lebensverhältnisse.
Zum Schlüsse seiner ebenso anregenden als inhaltreichen schrift
handelt Nitsche noch über die abfassung folgender Schriften :
nvvtjysTtxog , nsgi mnmtjg, AaxsbaifiOtiwv nokizeia, Ofxoro/fixo£a
'Isgoav , lnna.Qiw.6g) KvQovnaiötta, sowie negl InnixTjg von Si-
mon. Wir müssen es uns jedoch versagen , an dieser stelle
den ausführungen des verf. weiter nachzugehen.
Emil Jungmann.
72. C. Valeri Flacci Setini Balbi Argonauticon libri octo.
Edidit Carolus Schenk 1. Cum tabula geographica. 8. Be-
rolini. Weidmann. 1871. — 18 gr.
73. Studien zu den Argonautica des Valerius Flaccus von
Dr Karl Schenkl, wirklichem mitgliede der kaiserl. akade-
mie der Wissenschaften. Wien. 1871 in commission bei Karl
Gerold's söhn, 114 s. 8. [Aus dem junihefte des Jahrganges
1871 der Sitzungsberichte der phil.-hist. -classe der kaiserl.
akademie der Wissenschaften bd. LXVIIL, p. 271 besonders
abgedruckt].
In nr. 73 stellt Schenkl nach einer kurzen Übersicht über
die neueren leistungen auf dem gebiete der kritik des Vale-
rius Flaccus im cap. I die wenigen bekannten daten aus dem
leben des dichters zusammen und geht dann zu einer längeren
besprechung des werkes desselben über. Hier handelt vf. nach
einer kurzen erörterung der arbeitsweise jener dichter des ge-
lehrten Studiums, die wohl nicht zur begründung der allbe-
kannten thatsachen aus der Überlieferungsgeschichte des Vergil
bedurft hätte, hauptsächlich über das fragmentarische des Vale-
rius, woraus er mit recht wie Thilo schliesst, dass das ganze
gedieht vom dichter nie vollendet gewesen sein könne. Wie
weit aber Schenkl in seinen annahmen im einzelnen recht hat,
ist sehr die frage. Sicher sind gewiss lücken nach II, 328,
Nr. 3. 72. Valerins Flaccus. 145
VI, 77 und VIII, 139, was schon früher erkannt war, ebenso
nach II, 331 ; auch mag nach VIII, 440 gegen ende dieses unferti-
gen buches etwas ausgefallen sein, während vf. mit recht Thilo
widerspricht, welcher nach II, 317 eine lücke annahm, wenn
auch SchenkTs herstellung: sed te, vaga Ceto, Proteaqiie ambi-
guum Phariis est rumor ab antris, zweifelhaft bleiben muss.
Ebenso richtig verwirft Schenkl gegen Thilo die lücke nach
II, 565 und nach II, 656 und nach V, 669, wo das SchenkT-
sche: fessaque nunc cedam sie (tibi in der ausgäbe) femina? je-
denfalls dem sinne entspricht; auch den Widerspruch, den Thilo
zwischen IV, 200 ff. und 279 ff. fand, entfernt Schenkl durch
heranziehung der lesart des V(aticanus) taciti. Dagegen müs-
sen wir bei der nach VI, 95 von Thilo angenommenen lücke
beharren, da die ergänzung des objeets (equorum celeritatem)
aus habenas unmöglich ist. Das gleiche gilt über die lücke
nach VI, 571 ; denn brevibus praereptus (ereptus schreibt Schenkl
mit V.) in annis und v. 570 immoritur primaevus Helix,
ist identisch und kann nicht auf eine person bezogen werden.
Sicher wäre nach I, 662 nur die lücke, wenn Schenkl mit
recht den text uniformirend II, 103, 453, 467, I, 490 ceu
für cum schriebe. Auch ist naturlich mit Thilo die lücke
vor VI, 102 festzuhalten. Was Schenkl dagegen sagt, beruht
nur auf einem starken versehen, indem er gegen Thilo polemi-
sirt, als habe dieser nach 102 eine lücke angenommen, wäh-
rend dieser ausdrücklich sagt: ante 102 versum intereidisse pro-
babilius est (vgl. proleg. p. XLVli: post 101 versum intereidisse
suspicor). — Weniger glück hat Schenkl mit seiner annähme
von interpolationen, besonders insofern er aus ihnen Schlüsse
auf die nichtvollendung der Argonautica zu machen sucht; denn
wenn auch V, 566 mit Bulaeus zu entfernen ist, so kann die-
ser vers mit Wagner nur als eine in den text eingedrungene
parallelstelle betrachtet werden. Dasselbe gilt von VII, 572.
Aber nicht nur in dieser beziehung, sondern auch in bezug
auf das zutreffende der angenommenen interpolationen selbst
müssen wir bedeutende zweifei hegen. So ist die Streichung von
I, 410 wegen des asyndeton ganz willkührlich, da der vers
augenscheinlich zu dem sinne der ganzen stelle passt; jeden-
falls fehlt zwischen 409 und 410 ein vers, der die Verbindung
herstellte. I, 779 — 84 sind allerdings nicht an ihrem platze j
Philoh Anz. V. IQ
146 72. Valerius Flaccus. Kr. 3.
sie jedoch mit Schenkl einfach zu entfernen, ist zum minde-
sten unmethodisch, zumal, was Schenkl gar nicht erwähnt, be-
reits Thilo nicht ohne Wahrscheinlichkeit 781 — 784 hinter 816
zu stellen vorschlug und daher doch wenigstens nur 779 — 80
anstoss erregen können. I, 831 — 32 enthält durchaus nicht
dermassen dasselbe, wie v. 827 ff.; dass in erstem nur ein
anderer entwurf der letzteren zu sehen ist , wird jeder zuge-
ben, welcher die stelle unbefangen liest. Ueberhaupt verliert
Schenkl's urtheil dadurch jeden halt, dass vor v. 831 eine
lücke überliefert ist. HI, 273 steht allerdings ohne allen Zusam-
menhang, ist aber mit Thilo nach 310 zu transponiren, wo er,
wie Schenkl selbst zugiebt , einen passenden sinn herstellt.
Dass dann „kein satz so zu sagen auf den andern
klappte" ist kein grund für seine Streichung. Möglich bleibt
ja immerhin , dass Valerius bei gehöriger durcharbeitung das
asyndeton beseitigt hätte. V, 308 muss gegen Schenkl gehal-
ten werden mit der conjectur des Columbus alios für altos;
die homerische stelle (X, 3 ff.) kann nichts zu gunsten Schenkl's
beweisen, da Valerius doch kein Übersetzer des Homer ist,
und man noch dazu nie sicher weiss, ob derartige anklänge
in den spätem dichtem direct auf Homer zurückgehen oder
durch andere dichter vermittelt sind (vgl. L. Jeep, quaest. crit.
cett. p. 23, 2). Auch VI, 238 darf nicht voreilig gestrichen wer-
den. Der fehler liegt in relinqui. Wollte man das wort er-
klären , so müsste man es natürlich mit Wagner fassen als ut
et in hostis corpore fixa relinqui gösset. Eine solche erklärung
stimmt aber gar wenig mit dem brauch ulanenartiger reiter, wie
die an unserer stelle geschilderten sind: es gehört an die
stelle von relinqui ein wort, welches die im vorübergehen von
Burmann erwähnte bedeutung pro suo loco iterum locatum ma-
uere wirklich haben kann. Durchaus richtig ist dagegen die trans-
position IV, 213 hinter 208, ebenso mit der editio Aldina und
Bononiensis die von V, 426 hinter 406 und mit Meyncke von
V, 584 — 586 hinter 601 , was wir übrigens nicht weniger für
einen fehler eines librarius halten , als die andern Verstellun-
gen.— In cap. H spricht sich Schenkl im anschluss an Thilo
über die handschriftliche frage aus. Ausführlicher als dieser
handelt er p. 40 ff. über die Excerpta Parisina (L). Auch hier
gelangt er zu demselben resultate, wie jener, dass nämlich
Nr. 3. 72. Valerius Flaccus. 147
diese Excerpta auf V zurückzuführen sein, indem er die ab-
weichungen jener von V theils aus dem streben nach eigen-
mächtigen Veränderungen , theils, soweit sie den text verbes-
sern, für glückliche conjecturen erklärt. Doch dürfte die zahl
ersterer sehr gering anzusetzen sein; was aber den andern
punkt betrifft, so ist I, 330 raucos entschieden keine con-
jectur für paucos , sondern letzteres ist in V dadurch ent-
standen, dass der Schreiber p für das alte lange y (so) schrieb.
Ebenso ist im höchsten grade unwahrscheinlich, dass I, 331
polumque für cretamque eine conjectur sein soll, wie schon
Meyncke richtig bemerkte, wenn ein solcher versausgang auch
bei Statius zweimal vorkommt. Dazu finden sich beide stellen
des Valerius ebenso im codex des Carrion (C), eine Übereinstim-
mung, die Schenkl in bezug auf raucos nicht einmal erwähnt hat.
Wenn Schenkl aber meint , dass die annähme Meynckes , cre-
tamque sei dadurch entstanden, dass jemand bei dem stürmi-
schen meere an Kreta sich erinnerte und Creta als glosse
beischrieb, deswegen unwahrscheinlich sei, weil derartige glos-
seme sich in V nirgends nachweisen liessen, so beruht dies
eben auf der adoptirten Thiloschen ansieht über das ver-
hältniss von V und L, deren unzuverlässigkeit das oben ge-
sagte bereits andeutet. Sehr ähnlich ist die Claud. E. Pr. II,
170 in die MSS. eingedrungene glosse sicula für dura, über
die näheres in Ritachl's Acta I, p. 373 ff. Uebrigens ist dem
excerptenmacher I, 249 jenes isdem für istem nach Thilo's ap-
parat mit unrecht von Sckenkl beigemessen ; denn isdem schreibt
Vaticanus 1613 (P) und nicht Parisinus 7647 (Paris. = L), wäh-
rend 1 , 579 die richtige Überlieferung des Parisinus a parte
für aperte mit stillschweigen übergangen ist. I, 593 weisen
auch die Varianten cohoruis V und coorstum L für cohors jeden
unbefangenen nicht auf eine abstammung des letzteren aus V,
sondern auf eine unleserliche stelle in irgend einer andern
handschrift, aus der beide corruptelen flössen. — Pag. 47 —
59 behandelt Schenkl die frage von dem werthe des codex C.
Er entscheidet sich nach längern Untersuchungen gegen Meyn-
cke für die ansieht Thilo's , dass derselbe keinen werth für
die kritik habe, indem er (vgl. p. 59) auf einem „von einem
italienischen gelehrten des saec. XV bearbeiteten text" beruhe.
Die Orthographie jedoch kann nach den alten angaben nicht als
10*
148 72. Valerius Flaccus. Nr. 3.
fester anhaltspunkt angesehen werden und ebensowenig vermag die
häufige Übereinstimmung des C mit den Jüngern MSS. einen
massstab für das alter der handschrift zu geben. So steht z.
b. der Bruxellensis 5381 , welcher bereits die jüngere recen-
sion des Claudian enthält, den guten MSS. an alter (saec. XI)
ebenbürtig zur seite , ja übertrifft sie zum theil darin. Die
emendationen aber , die Schenkl p. 51 als mit den conjectu-
ren italienischer gelehrten übereinstimmend angiebt, sind zu
einfache correcturen, als dass man, vorausgesetzt dass man C
aus V ableiten müsste, nicht glauben dürfte, dass dieselben von
verschiedenen leuten in gleicher weise gemacht sein könnten,
indem sie auf rectificirung der gewöhnlichen lesefehler beruhen,
wie : longo V\ longe C; vocat] novat ; pueris perfusa] pueri spes lusa
u. s. w. Der verdacht läge, meine ich, viel näher, dass jene alten
emendatoren ihre Weisheit irgendwelchen handschriftlichen notizen
verdanken, als umgekehrt. Uebrigens lautet auch die lesart des
Angelus Politianus V, 147 rupem nicht rupes, und die des En-
gentinus V, 460 torum nicht toros , wie Schenkl ungenau an-
führt. Dass aber zwischen den scholien des Carrion vom jähre
1565 und den Castigationes von 1566 grosse differenzen, wie
Schenkl p. 52 angiebt, existiren, kann bei der frühern art Ies-
arten zu notiren nicht im mindesten das ungünstige urtheil über
Carrion befestigen. Ganz gleiche erscheinungen bieten die
Claudianausgaben des Heinsius von 1650, 1665 und der drit-
ten bearbeitung bei Burmann, wo man , um nur eins anzufüh-
ren, vergleichen möge Epith. Pall. 28 — 29. Ausserdem hat sich
entschieden mancher druckfehler bei Carrion eingeschlichen, was
Schenkl um so sicherer behaupten durfte, da ihm in seiner ausgäbe
IV, 428 derselbe druckfehler entschlüpft ist (Typhoides) wie dem
Carrion ebendaselbst. Ob dabei die zahl der Verbesserun-
gen, die C bringt, grösser oder geringer ist, als die corruptelen
der handschrift darf wahrhaftig nicht in's gewicht fallen. Ei-
nen schluss auf Carrion's unzuverlässigkeit wenigstens kann
man daraus nicht machen, welche Schenkl schon p. 48 ff.
vergebens (vgl. Meyncke, quaest. Valerian. p. 3 ff.) aus eini-
gen Übeln notizen über seinen ruf herzuleiten suchte, zumal
wir an dem codex Darmstadieosis des Censorinus einen prüf-
etein seiner glaubwürdigkeit im taxiren von MSS. haben. Alle
diese gründe Schenkl's verlieren um so mehr bedeutung, als
Nr. 3. 72. Valerius Flaccus. 149
gerade an den stellen, an denen V lücken hat, wie 1H, 146 —
185 und VI, 439 — 476 C ebenso das richtige bietet als an
andern stellen. Endlich weist auch der umstand auf die Zu-
verlässigkeit des Carrion, dass , wie oben gesagt, I, 330 und
331 eine Übereinstimmung mit L vorliegt, der bekanntlich schoa
dem saec. XIII angehört, mithin auf eine ältere tradition hin-
weist. Somit können wir mit dem urtheile Schenkl's über C
und L nicht übereinstimmen, müssen vielmehr beide als selbst-
ständige quellen der emendation anerkennen, wenn auch V
stets das grösste ansehen bleiben muss. Wie ferner Vaticanua
1653, den Schenkl näher untersucht hat, mit C in eine classe
in dem Stammbaume p. 67 gebracht werden konnte, ist uner-
findlich. Eine grössere Verschiedenheit kann man sich wirklich
kaum denken, wie folgende beispiele zeigen mögen: I, 17 we-
gue in Vat.1 enim in C ; 38 timens] tuens ; 49 lacera assiduis
namque] meque assiduis lacera; 130 sperata sedens] insperato U.
8. w. — In caput ni bespricht Schenkl eingehend V, indem
er, wie Thilo proleg. p. xl ff. , den einzelnen gründen der
fehler dieses codex systematisch nachzugehen sucht. Dies ist
der abschnitt, in dem Schenkl dem Valerius durch emendirung
einer menge von kleinigkeiten wesentlich genützt hat. So setzt
er VI, 241 richtig at für et, H, 284 set für et, VII, 135 ut für
et, VIII, 434 te für et, indem er der vertauschung gleichlau-
tender worte nachgeht; ebenso III, 295 talisne für talisue^
II, 90 dum für cum, VIII, 265 aethere für aequore. Dazu
kommen andere sichere correcturen, wie III, 593 viri statt
viris, VII, 486 natique für nataeque, VII, 20 huc statt
hunc; auch HI, 469 tendunt statt tendit, VII, 226 repeten-
tur statt repetuntur u. s.w. ; alles emendationen die keines Worts
der empfehlung weiter bedürfen. Dagegen fehlt es auch nicht
an weniger gelungenen vermuthungen. So ist die herstellung
von I, 19—20 sehr verfehlt, wie schon Bährens Fleck. Jahrb.
1872, p. 198 bemerkt hat, indem Schenkl mit ganz gekünstel-
ter annähme einer vertauschung der anfangsworte beider verse
(seu tu und et) v. 19 ac tu herstellt, so dass also et erst noch
in ac verwandelt wird, während das so nahe liegende Grronov-
sche si für seu, wie Baehrens richtig hervorhebt, keinen an-
stoss gibt. V, 660 ist cui falsch geschrieben für das überlie-
ferte qui} denn Pallas identificirt sich hier mit den Griechen
150 73. Valerius Flaccus. Nr. 3.
und die maria, die für diese nondum nota sind, sind es auch
für sie. I, 13 schreibt Schenkl Solymoque, um das asyndeton
au vermeiden (Bährens lieber ac) , während das von Heinsius
vorgeschlagene versa -Idume, welches das asyndeton in natür-
licher weise entfernt aufzunehmen ist. — Im vierten capitel be-
handelt Schenkl noch einige einzelne stellen , von denen nur
die erste als probe einer nicht glücklichen herstellung hier her-
vorgehoben werden mag, während die andern noch gründlicher
im Philologus besprochen werden sollen. I, 833 nämlich ist
in den worten hie geminae aeternum jportae ohne frage aetemum
sinnlos. Jedoch sowohl das zuerst vorgeschlagene introrsum
(= hineinführend), was auch sprachlich bedenken hat, als auch
das dann vermuthete antrorum sind matt und dem sinne we-
nig entsprechend. Das gleiche gilt von dem zu willkürlichen
numero, welches Bährens vorschlägt. Es ist wohl zu schreiben
infernum als genetivus von inferna (= die unterweit). Den
schluss des capitels bilden wohl zu beachtende auseinanderse-
tzungen über richtigere interpunction des Valerius. In einem
anhange führt Schenkl in grosser Vollständigkeit die nachah-
mungen einzelner stellen bei Valerius an, dem zum schluss ein
index der behandelten stellen folgt.
Gemäss dem wünsche Schenkl's, welcher vor der ausgäbe
des Valerius nur eine ganz kurze praefatio giebt, haben wir die
besprechung von nr. 73 der besprechung seiner ausgäbe (nr. 72)
vorangehen lassen (vgl. praef. p. v). Das urtheil über letztere
ergiebt sich unmittelbar von selbst, denn die Studien zu Valerius
Bind ja nur die begründung dessen, was Schenkl in seiner aus-
gäbe geliefert hat. Lassen wir jetzt auch die handschriftliche
frage ganz aus dem spiele, die, da L und C nur excerpte sind,
ja nie eine totula Umgestaltung des textes herbeiführen könnte,
ßo müssen wir allerdings Bährens a. a. o. p. 204 beistimmen,
dass zwar manches gute für den Valerius geleistet ist, dass
aber trotzdem „noch immer eine menge wunder stellen ihres
emendators harrt", so dass auf diesem gebiete die arbeit auch
noch nicht annähernd erschöpft ist. Das was wir noch hinzuzu-
fügen haben, bezieht sich mehr auf äusserlichkeiten. Der appa-
rat nämlich zeigt, wiewohl er zwar nur ein ausgewählter sein
soll, zuweilen zu auffallende lücken. So war I, 513 zu er-
wähnen, dass insedimw nur auf conjectur von Zingerlingius be-
Nr. 3, 74. Claudianus. 151
ruht, wahrend V insedibus bietet. I, 579 ist natürlich a parte
(L) aufgenommen für das fehlerhafte aperte (V) 5 trotzdem keine
erwahnung davon im apparate. I, 781 — 84 war das Thilosche:
post 816 collocandi videntur , um so nothwendiger zu erwähnen,
als Schenkl hier selbst in anderer art bessern will. III, 207
vermisst man donat C (dagegen vgl. Studien p. 51); V, 540 fehlt
die lesart von C und L; VI, 102 wäre Thilo zu erwähnen ge-
wesen; es hätte dann auch den oben p. 145 berührten irrthum
schwerlich gegeben. VI, 288 ersieht keiner aus dem apparate
Schenkl's, dass er in V hinter v. 245 steht. I, 331 ist die in
den Studien p. 17 erwiesene lücke im apparat gleichfalls nicht
notirt. — Druckfehler stossen nicht selten auf. So gleich in
den corrigenda muss es heissen in zeile 4 für 428 : 408 ; p. 40
gehört post cet. auf p. 41; p. 53 steht am rande 345 statt 335,
p. 102 gehört ein häkchen hinter v. 592 statt hinter v. 604;
p. 123 muss es am rande heissen 620 statt 520 u. s. w. Sehr
schätzenswerth ist die von Kiepert beigegebene karte, die be-
deutend zur klaren anschauung des ganzen zuges beiträgt; in
gleicher weise ist der hinten angehängte Index Nominum sehr
dankenswerth. Ludwig Jeep.
74. Die politischen bestrebungen Stilicho's während sei-
ner Verwaltung des weströmischen reiches von Dr Edmund
Vogt. Erster theil. Einleitung und quellen, Cöln 1870. 24
8. 4. (Programm des Apostelgymnasiums).
Der Verfasser gibt in dieser schrift, deren zweiter theil
leider ausfallen musste, weil derselbe, wie die schlussnote lehrt,
zur mobilen armee einberufen wurde, über die quellen, aus wel-
chen die geschichte des Stilicho für uns zu schöpfen ist, im
wesentlichen dasselbe, was er bereits in seiner lesenswerthen
doctordissertation : De Cl. Claudiani carminum quae Stilichonem
praedicant fide historica, Bonnae 1863, p, 14 ff. gegeben hatte.
Ein wesentliches verdienst Vogts liegt in der vernünftigen be-
urtheilung dieser quellen, indem er darauf hinweist, dass weder
die schriftsteiler der heidnischen partei, noch die der christli-
chen für den forscher massgebend sein dürfen: beide geben
nur ein Zerrbild des Stilicho. Mit recht legt daher der Verfas-
ser gewicht auf Claudianus und den codex Theodosianus. Letz-
terer ist natürlich ein ganz objectiver zeuge; ersterer verdient
152 75. Livius. Nr. 3.
aber, trotzdem er der erklärte lobredner des Stilicho ist, die
grösste beacktung wegen ßeines engen persönlichen Verhältnis-
ses zu seinem beiden und dem hofe, in folge dessen es jeden-
falls ganz unmöglich für ihn war thatsacben zu „erfinden",
was man ihm in frühem zeiten so gern schuld gab. Dass
dieses urtheil begründet ist, hat Ney in den Vindiciae Claudia-
neae 1865 in gründlicher detailuntersuchung gezeigt. So sehr
wir nun aucb das urtheil Vogt's über Claudianus als quelle lo-
ben müssen, so darf ihm, dem , wie wir wenigstens hoffen, zu-
künftigen Schreiber einer zusammenhängenden geschichte des
Stilicho, der hinweis nicht vorenthalten werden, eine wie grosse
Schwierigkeit bei der benutzung des Claudianus als historische
quelle noch darin meist verborgen liegt, dass der text noch
mehrj wie viele andere texte auch in bezug auf höhere kritik
im argen liegt. Eine wie weite tragweite dies auch für beur-
theilung historischer Verhältnisse hat, kann man ersehen aus beob-
achtungen, die im Rhein. Mus. 1872, p. 618 ff. und auch schon
früher von Paul (Glogauer progr. 1857) gemacht worden sind.
Ludwig Jeep.
75. De pugna ad Trebiam flumen commissa quaestiones
criticae. Scr. Rob. Pöble. 8. Halis Saxonum, 1872. 27 ss.
Nachdem ausser Mommsen , Peter, Voigt , Guillaume, Nie-
meyer, Cron, Binder, welche der vf. genannter schrift benutzt,
auch La Roche, Herrn. Müller, Ihne, Leop. Vielhaber über die
Schlacht an der Trebia geschrieben haben , ist es nachgerade
unmöglich geworden neues vorzubringen; denn das mögliche
oder unmögliche ist bereits geleistet, wenn zwar nicht ein berg,
aber doch die stadt Placentia von dem rechten Trebiaufer auf
das linke versetzt worden ist.
Der vf., ein schüler Momnisens, nach dem stile mehr histo-
riker als philolog, hat die Schlacht selbst nur wenig berührt,
dafür aber die lokalfragen bezüglich der Stellungen der beiden
armeen einer nachprüfung unterzogen. Mit recht setzt er nach
dem gefecht am Tessin beide lager anfänglich auf das linke
Trebiaufer , lässt dann in folge der desertion der Gallier den
Scipio auf das rechte übergehen, und die schlacht endlich wie-
der auf dem linken geschlagen werden. Der entgegengesetzte
calcül gründet sich meist darauf, dass man das ross am schwänz
Nr. 3. 76. Tacitus. 153
aufgezäumt und aus einer von Livius angehängten (caeliani-
schen) notiz über den rückzug der römischen lagerbesatzung
(21, 56, 8. 9) falsche rückschlüsse auf die früheren nach Po-
lybius geschilderten bewegungen gezogen hat. Der andere grund
des irrthums ist dem vf. verborgen geblieben: er liegt darin,
dass Liv. 21, 52, 2 eine aus Polybius geschöpfte notiz: quod
tnter Trebiam Padumqiie agri est etc., wo er von den römischen
consuln spricht, eingesetzt hat, während in seiner quelle die
worte fxejaiv iov IIuSov xat toii Tgeßi'a xrL sich an Hannibals
einnähme von Clastidium anreihen und sich daher auf das west-
liche Trebiaufer beziehen. Somit bleiben Mommsens worte be-
stehen, dass die läge des Schlachtfeldes wohl bestritten worden,
aber nichts desto weniger unbestreitbar sei.
Einen neuen und richtigen gedanken haben wir p. 13 oben
gefunden, dass die nach Polybius am Tessin erfolgte gefangen-
nehmung der 600 Eömer von Livius nicht aus flüchtigkeit, wie
andere glauben, an den Po verlegt worden sei, sondern nach
Caelius, den Livius 21, 47, 3 ff. mit Polybius contaminirte. Die
weitere Verfolgung der Verschiedenheit der beiden traditionen, dass
sich nach Caelius Scipio nach Placentia zurückzog, nach Poly-
bius nur in die nähe der Stadt (negi), hätte die Verwirrung bei
Livius und den neueren noch deutlicher machen können. Wel-
che Stellung Scipio einnehmen musste , um dem Hannibal die
Strasse nach Rom zu sperren und den Sempronius abzuwarten,
sagt der gesunde menschenverstand ; Polybius unterstützt diese
auffassung in allen theilen , und die paar Widersprüche des Li-
vius lassen sich erklären , ohne dass man mit Niebuhr an-
nimmt, Sempronius sei über Genua statt über Ariminum ge-
kommen.
Liv. 21, 56, 8 schlägt Pohle vor, die lücke mit sparsorum
statt mit sauciorum auszufüllen ; unter den druckfehlern bemer-
ken wir p. 9 z. 6 peditibus statt equitibus. E. W.
76. Taciteische Formenlehre. Von Dr C. Sirker. Ber-
lin. Ebeling und Plahn. 1871. 64 s. — 20 sgr.
Mit dieser Schrift von Sirker wird der cyklus von „ab-
handlungen zur grammatik, lexikographie und literatur der al-
ten sprachen" eröffnet, welche die Ebeling -Plahn'sche Verlags-
buchhandlung herauszugeben beabsichtigt. Wir können, nur
154 76. Tacitua. Nr. 3.
wünschen, dass uns durch dieses unternehmen recht bald mehr
solche specielle arbeiten über einzelne Schriftsteller, von denen
wir ja jetzt für eine grosse anzahl recht gute kritische ausga-
ben besitzen, gebracht werden, denn erst so sind die lücken,
welche die umfassenderen werke von Schneider , Haase , Neue
u. s w. natürlicherweise in sich bergen, zu beseitigen. Wäh-
rend die syntax einzelner Schriftsteller schon genaue bearbei-
tungen gefunden, ist jedoch die formenlehre bis jetzt noch recht
stiefmütterlich bedacht. Sirker behandelt nun die Taciteische for»
menlehre und zwar p. 5 — 22 die der substantiva, darin in beson-
deren paragraphen das genus, sing, und plur. tantum, defectiva, abun-
dantia, ferner p. 34 adjectiva, p. 40 Zahlwörter, p.42 pronomina, p.
46 Zeitwörter, p. 63 adverbia. Bei den einzelnen formen ist die
literatur aus den alten wie neueren grammatikern sehr reichlich
gegeben , selbst für die allgemeineren erscheinungen , so dass
ähnliche arbeiten später nur auf Sirker zu verweisen brauchen,
allerdings hier und da auch wohl ergänzend. Was jedoch die
citirmethode von Sirker aus den ,, alten" grammatikern an vie-
len stellen bedeuten soll, sieht gewiss selbst derjenige schwer-
lich ein, welcher nur die formenlehre von Neue besitzt, ge-
schweige der, dem die übrigen neueren hülfsmittel zu ge-
böte stehen. Was soll es z. b. bedeuten, wenn, um nur
bei den ersten zwei paragraphen stehen zu bleiben, in §.
1 angeführt wird: cf. Varro L. L. VIII, 38, 73; Prise.
VI, 1, 6 Keil., (p. 679 P., 222 Kr.); Char. I, p. 107 K.
(83 P., 60 L.) und in §.2: cf. Prise. VII, 3, 9 K. (32 P
(muss , wie Neue auch giebt , 732 heissen) , 236 Kr.) — stel-
len , die wir alle zusammen bei dem auch von Sirker in die-
sen paragraphen citirten Neue mitsammt dem texte vorfinden?!
Dass derjenige, welcher sich mit derartigen fragen der formen-
lehre beschäftigt, wenigstens das buch von Neue besitzt, darf
doch billigerweise als selbstverständlich vorausgesetzt werden.
Was die belegsteilen zu den einzelnen stellen anbetrifft, so sind
sie von Sirker mit grosser Sorgfalt gesammelt und nur wenige
ungenauigkeiten sind ihm untergelaufen. Es hätte jedoch das
verhältniss der weniger gebräuchlichen formen zu den gewöhn-
lichen nicht nur hier nnd da, sondern durchgehends angegeben
werden müssen, denn erst dadurch gelangen wir zu der richti-
gen beurtheilung der diction eines Schriftstellers. Sehr zu be-
Nr. 3. 76. Tacitus. 155
dauern und fast unbegreiflich ist es, dass dem Verfasser die in
der Tacitusliteratur epoche machenden abhandlungen von Wölff-
lin „Jahresbericht" im XXV., XXVI. und XXVII. band des
Philologus unbekannt geblieben sind: es hätte, abgesehen davon,
dass Sirker sehr vieles aus diesen arbeiten hätte schöpfen kön-
nen und häufig eine zuweilen auch berichtigende Verweisung
auf sie ausreichend gewesen wäre, die schrift von Sirker eine
weitergehende bedeutung leicht erreicht, indem sie nämlich auf
die darlegung der allmählichen entwicklung im Taciteischen stil,
der sich gerade auch in der formenlehre sehr anziehende seiten
abgewinnen lassen, rücksicht genommen hätte: man vergleiche
u. v. a. beispielsweise den §. 40 Äbundantia mit der interessan-
ten darstellung von Wölfflin b. XXV, p. 99 ff. Unbekannt ist
Sirker von neueren arbeiten z. b. auch die von Unico Zernial über
den genetiv. Göttingen 1864, der p. 91 de formis genetivi. al-
lerdings unvollständig, handelte: vgl. Philolog. XXV, p. 133
und XXVII, p. 117 anm. Nun noch einige einzelheiten. In
§. 1 muss es statt Neue formenlehre I, p. 63 heissen p. 6 und
daselbst ist für Caesar und Livius statt „doch nicht weniger
gebräuchlich auch in dieser Verbindung (pater u.s. w.) ist familiae"
zu setzen, dass diese Schriftsteller sich immer nur der form fami-
liae bedienen. — In §. 3 ist zu berichtigen, dass Nipperdey
in seinen beiden neuesten ausgaben den contrahirten ablativ
auf is nicht mehr aufgenommen hat: ebenso schreibt Heraeus,
auch in den §. 10 citirten stellen stets iis. — §.11: nummo-
rum steht nicht Ann. XV, 5 , sondern XI, 5, 6 (die letzte zahl
bedeutet die zeile iu der Teubn. ed. von Halm.). Die form
liberorum noch Germ. 19, 14. H. III, 68, 12. XIV, 59, 3, fer-
ner deorum (§. 12) nicht sechsmal, sondern mindestens vierzehn-
mal: es fehlen Germ. 9, 1. 9, 9. 10, 17. 33, 5. H. HI, 82, 5.
IV, 64, 5. V, 3, 7. Ann. III, 36,6. Bei diesen formen des genet.
plur. auf um statt orum wäre z. b. für die entwicklung des
taciteischen stils zu bemerken gewesen, dass in den kleinen
Schriften die bildung auf orum die allein zulässige ist. Diese
beobachtung war dann für Agr. 27 zu verwerthen, denn schon
aus diesem gründe ist die emendation von Rhenanus eine noth-
wendigkeit. — §. 16 : turrim ausser den drei citirten stellen
noch XV, 11, 4, wie in §. 17 penatium noch Hist. I, 51, 19.
Ann. XV, 45, 2 wird nach den ed. von Nipperdey, auch in
156 77. Geographie. Nr. 3.
der von 1872, civitatium gelesen, nicht civüatum, welche letztere
form Sirkermit recht in den kleineren Schriften (Agr. 27 und 29)
aufgenommen wissen will, voluptatum steht noch Hist. II, 62, 8. 67,
10. Ann. II, 73, 7. XIV, 14, 11. XV, 36, 16. 48, 11. XVI, 18, 13, wie
tempestatum Agr. 10, 21. Hist. II, 8, 9. Ann. III, 54, 20. —
§. 32 : den lokativ domui giebt auch Nipperdey. Der dativ
steht nicht nur nach Zernial p. 92 anm. 6. Hist. IV, 68, 9,
sondern auch noch Ann. V, 4, 11. XIV, 7, 13. — Bei ad
hunc diem (§. 35) fehlen Hist. I, 30, 16 und XH, 42, 12. —
Der ablativ lauru (§. 40, p. 31) findet sich XV, 71, 3. —
Mit recht behält Sirker (§. 41) das überlieferte alacrior gegen
Halm, Nipperdey u. a. bei, dagegen ist die von Sirker (§. 51,
p. 43) empfohlene conjectur von Latinus Latinius (nicht von
Dryander, wie angegeben wird) quicum im Dial. 37 mir sehr un-
wahrscheinlich: vgl. meine bemerk, im Philol. XXXII, p. 723.
§.54: expleverint Hist. IV, 14, 16: impleverat noch Ann. IV, 9,
3 und complevere Ann. III, 2, 13 wie adolevere Hist. V, 7, 5
und adolevisse Hist. IV, 24, 8. Gegen Halm und Heraeus ist
ohne zweifei richtig (p. 57) von excindere im part. perf. die
überall überlieferte form mit einem s aufrecht gehalten, wie
auch Nipperdey in den drei stellen aus den Annalen schreibt,
während Heraeus doch wohl richtig von abscidere in den Hist. H,
88, III, 74. 78 auch diese form giebt. dbscindere steht nicht
Ann. XIV, sondern XV, 69, 11. enisus (p. 61) noch XIV,
28, 10 und subnixus nicht XIH, 7, sondern 6, 18. §. 62:
queat noch Ann. HI, 54, 27. Ueber nequibant nach Sirkers
conjectur XIII, 41 vgl. Philolog. XXVII, p. 147.
Schliesslich möchten wir den wünsch ausdrücken, dass der
Verfasser im anschluss an seine eigene und an die Wölfflin'schen
abhandlungen bald eine ergänzende arbeit in beziehung auf die
entwicklung des taciteischen Sprachgebrauchs veröffentlichen möge.
Greef.
77. Itinerarium Alexandri ed. Didericus Volkmann,
Einladungsprogramm der landesschule Pforta zum 22. mai 1871,
4. Naumburg. 1871.
Wie es sich noch immer gelohnt hat die von Angelo Mai
zuerst edirten alten Schriftwerke einer genauen revision nach
den haudschriftea zu unterwerfen, so giebt Volkmann in der
Nr. 3. 77. Geographie. 157
ausgäbe des obigen Itinerars einen neuen beweis für diese
thatsache; denn auch dieser text ist von Mai gar nicht selten
mit der oberflächlichen leichtfertigkeit entstellt worden, die sich
über geringere und grössere Schwierigkeiten hinweghilft, sobald
nur eine scheinbar mögliche lesung gegeben ist. Zwar hat
nicht der herausgeber selbst die ursprünglich avignoner, jetzt
ambrosianische handschrift, die einzige, welche das werk erhal-
ten hat, nachcollationiren können, sondern er verdankt diese
arbeit den geübten äugen und der gute Studemunds; was aber
aus einer solchen collation zu machen ist , hat er in allen be-
ziehungen daraus zu machen gewusst. Die ausgäbe ist jedes
lobes werth. Der vielfach corrumpirte text ist durch meist
leichte und gefällige correcturen fast überall lesbar gemacht,
die noten geben die ab weichungen der handschrift, conjecturen,
hie und da zur begründung der in den text aufgenommenen
einzelne parallelstellen. Die prolegomenen berichten über den
zustand der handschrift, geben reichliche Zusammenstellungen
der charakteristischen fehlerclassen ihres textes, aus denen das
maass abzunehmen ist , wie viel etwa bei conjecturen gewagt
werden kann. Dazu erfahren wir, dass ausser H. Haase's und
Kluge's einschlägigen abhandlungen noch A. Koch, E. Peiper,
L. Dilthey und A. Kiessling den herausgeber in freundschaft-
licher weise durch ihre beihülfe unterstützt haben , worüber die
noten im einzelnen berichten.
Eine hauptschwierigkeit für die kritische arbeit am texte
liegt in der wahrhaft eisernen latinität desselben, in die man
sich erst mit anstrengung hineinliest, und deren geschnörkelter
etil an schwierigen stellen oftmals alles nachsinnens spottende
räthsel aufgiebt. Nicht selten steht daher eine conjectur der
andern mit ziemlich gleicher Wahrscheinlichkeit gegenüber, feste
kriterien fehlen da, welche die entscheidung nach der einen
oder andern seite hin fördern könnten, dem sinn der stelle
scheint auf mehr als eine weise genügt zu werden. Man wird
sich indess meist mit dem herausgeber einverstanden erklären,
der dann gewöhnlich diejenige lesung vorzieht, welche sich
den überlieferten schriftzügen am nächsten anschliesst. Ueber-
all aber wird man den eindruck solider arbeit und umsichtiger
erwägung aller in betracht kommenden gesichtspunkte em-
pfangen.
158 77. Geographie. Nr. 3.
Zu ein paar stellen sei es erlaubt neue vorschlage zu ma-
chen. Gleich die ersten worte schreibt der herausg. nach Haa-
se's Vorgang : Dextrum admodum sciens et omen tibi et magisterium
futurum, domine Constanti, si . . . itinerarium . . , Alexandri . . ,
componerem, während die handschrift ome mit einem strich über
dem m (also nicht über dem e) und magisterio futurorum bietet.
Das erstere wort kann danach wohl omine gelesen und der
handschriftliche text völlig beibehalten werden. — Die Schlacht
am Granicus wird c. 9 mit den worten eingeleitet: Ita res
belli audaciane an vero fortuna plus valeat (so nach Haase : die
handschrift plus sua), haud pronunties exemplo praesentium. Dann
wird der Übergang über den fluss beschrieben, nach der vom
herausg. und Dilthey gegebenen lesung in folgender weise:
Vbi ordo .... incertus ubi solidum vadi, divina fortuna vix ta-
rnen profundo sese vultu modo liberi dexterisgue emersissent mutuo
adminiculabundi, mox eis erat scutum levare etc. Die handschrift
ist hier schwer verdorben, sie giebt : incerta sub soli validi divinae
fortuna. Im obigen texte tritt der gegensatz zwischen der for-
tuna und audacia nicht deutlich hervor, auch missfällt der aus-
druck divina fortuna, endlich fehlt das moment des herabstei-
gen in den fluss, auf das doch zunächst gewicht zu legen ist.
Mir scheinen diese Schwierigkeiten beseitigt, wenn man liest:
Ubi ordo . . . incerta subdoli vadi [vgl. Tac. Hist. 5, 14: loci
forma, incertis vadis subdola] divinante fortuna, vix tarnen pro~
fundo sese . . . immersissent. — In c. 19 scheint mir bei der
beschreibung Gaza's zu lesen : quod urbs . . . harenis circa per-
pinguibusve (vgl. die proleg. p. viii) umectis satis subsidiis vallare-
tur, während der herausg. nach Mai perpinguibus et (die hand-
schr. ut) schreibt; mir scheint letzteres beiwort unmöglich mit
harenis verbunden werden zu können. — Bei der gründung
Alexandria's c. 20 mangelt es an kreide um den strassenplan
vorzuzeichnen , die architecten sollen daher mehl dazu benutzt
haben : eximissere solo pingendo paruisne, wie es in der handschrift
heisst. Das letzte wort ist offenbar corrumpirt, malim o per am
navasse, fügt der herausg. bei, mir scheint pares fuisse die
einfachste correctur.
Mag aber auch hie und da im texte vielleicht eine kleine
nachbesserung möglich sein, in allem wesentlichen liegt er uns
in Volkmanus ausgäbe gewiss definitiv gesichert vor. D. Dt
Nr. 3. 78. Cicero. 159
78. M. Tullii Ciceronis epistolae. Eecognovit D. Alber-
tus Sadolinus Wesenberg, praeceptor primarius scholae Ca-
thedralis Viburgensis. 8. Vol. I. Lipsiae. Teubner, 1872. — 1 thlr.
Von Wesenberg, dessen Verdienste um die kritik der briefe
Ciceros bekannt sind, erbalten wir bier eine neue recension dersel-
ben. Die erwartungen, mit denen man einer solcben entgegen-
sehen musste , sind nicht unerfüllt geblieben , wenn gleich an-
drerseits mängel darin hervortreten , auf die man kaum gefasst
sein konnte. Zunächst fällt die nicht geringe zahl der druck-
fehler auf, die in einer solchen ausgäbe durchaus unzulässig er-
scheinen. Es sind von mir deren folgende angemerkt: 1, 2, 2
unter dem text cubierant und cubierunt statt cupierant und cupie-
runt; 6,20, 3 tu statt tui; 10, 33, 3 hello statt bellum; 12, 44,
4 a mare statt ad mare; 13, 16, 4 litteras statt litteris; 13, 75
neminisse statt meminisse; 14, 4 rum statt cum und considecetis
statt consideretis ; 15, 1, 6 satuti statt saluti; 15, 4, 4 augustiis
statt angustiis, ebenso 16, 21, 4 ; 15, 10, 1 eorum statt earum;
16, 15, 10 opertuerat statt oportuerat; 16, 21 in der jahresan-
gabe 71 statt 710-, ad Quint. fr. 1, 2, 7 in der anmerkung
magnam statt magnum. Einen noch viel ungünstigeren eindruck
macht die geflissentliche nichtachtung alles dessen , was in
Deutschland für eine wissenschaftliche lateinische Orthographie
geschehen ist. Es soll nicht davon die rede sein , dass hand-
schriftliche formen wie Laudicea, Haedui, Clytemestra verschmäht
sind, aber dass neben abiicere, quotidie, intelligere, epistola und
vielem ähnlichen auch das längst begrabene quum uns nicht er-
spart bleibt, ist doch zuviel. Wozu nützen denn alle hülfs*
büchlein, alle Verhandlungen auf philologenversammlungen, wenn
diese dinge in den ganz eigentlich für den gebrauch der klasse
bestimmten ausgaben uns immer wieder vorgeführt werden, oder
wie kann ein gewissenhafter lehrer seinen Schülern bücher em-
pfehlen , in denen seinen eigenen Vorschriften so geradezu
entgegengearbeitet wird ? Gern wende ich mich nach dieser
rüge , die nicht unausgesprochen bleiben durfte , zu dem fort-
schritt , den die ausgäbe auf dem gebiet der kritik bezeichnet.
Dieser besteht zunächst in der ausdehnung, mit der das von
frühern herausgebern geleistete zu seinem rechte kommt. Viel-
fach ist auf Ernesti zurückgegangen , nicht selten auch auf
Lambin , der wie keiner im ciceronischen Sprachgebrauch zu
160 78. Cicero. Nr. 3.
hause war, ebenso sind die lesarten aus Cratander und den
älteren ausgaben mehrfach benutzt, nur hätten sie wohl noch
öfter in als unter dem text platz haben sollen. Die eigenen
Verbesserungen des Verfassers betreffen zum grossen theil die
interpunction. Wenn ich gestehen muss öfter nicht einzusehn,
weshalb ein kolon statt eines semicolons, ein semicolon anstatt
eines punktes gesetzt ist und dergleichen mehr , so kann ich
mich nur einverstanden erklären mit der durchgreifenden an-
wendung der dem briefstil durchaus entsprechenden parenthese,
die, von den früheren herausgebern vielfach verkannt , jetzt in
eine menge von stellen licht und deutlichkeit bringt. Weiter ist
wiederholt mit recht hi und Ms. in ei und eis verwandelt worden,
wofür man freilich lieber i und is geschrieben sähe. Auch der
zusatz eines e in den abgekürzten formein s. v. b. e und s. v.
b. e. e. v. 12, 16; 14, 11; 21; 23, 24; 15, 19 kann nur gebilligt
werden. Zweifelhaft bleibt der zusatz der copula bei zwei Sub-
stantiven, wie virtutis, industriae 3, 12, 1; consilio, studio &, 7,
6; studiis, beneficiis, 7, 5; Studium, diligentiam 12, 15, 6; studio
diligentia 13, 11, 3 ; luctum, laborem ad Q. fr. 1, 4, 4, da die stel-
len sich gegenseitig schützen. Anderweitige, vornämlich in kleinen
nachbesserungen des ausdrucks bestehende änderungen, wie den
zusatz von et bei folgendem et ; levissime für lenissime und umge-
kehrt, änderungen der tempora, dieanwendung des conjunctivs und
des indicativs in nebensätzen abhängiger rede, womit man
durchweg einverstanden sein kann, übergehe ich, um in kur-
zem die stellen zu besprechen, in denen die lesart von Baiter
wieder herzustellen sein wird. 1, 9, 19 verräth die anordnung
der terenzischen verse : Phaedriam intromittamus commissatum, tu:
Pamphilam, wenig metrisches gefühl, wie auch 12, 25, 5 in dem
Andriaverse: nunc hie dies aliam vitam affert, alios mores postulat,
wunderlicher weise die handschriftliche lesart defert verschmäht
ist, hier freilich mit Baiter; 3, 10, 11 ist perfecta, ebenso
wie 13, 6, 4 jperfectum beizubehalten, wie auch Bücheier de pet.
cons. 22 richtig perßciatur geschrieben hat; 4, 9, 4 ist nach stul-
tum verkehrt est hinzugesetzt, da offenbar sit gerade wie nach
duri zu ergänzen ist. 5, 13, 4 wird in omnium desperatione
durch Caes. Bell, civil. 1, 5, 3 geschützt. Dass 9, 14, 3
gratulor tibi cum ebenso wie 13, 24, 2 maximas gratias ago cum
anstatt quod das richtige ist, zeigt Plaut. Truc. 1 , 6, 35 f. und
Nr. 3. 78. Cicero 161
an anderen stellen. 5, 8, 5 quod eius fieri possit, durfte auch
nicht unter dem text quoad vermuthet werden, ebenso wenig wie
3, 2, 2 quod eius facere potueris und 14, 4, 6 cura , quod potes
(vrgl. de Pet. cons. 36 quod eius fieri potuerit bei Bücheier). 13,
1, 2 ist jedenfalls communia nach omnia nothwendig, ebenso 13,
7, 2 ei nach commune; 13, 66, 1 calamitosum nach talem unerträg-
lich. 15, 14, 3 ist consequeremur nach utemur unverständlich.
14, 9 kann an der richtigkeit von ut de Dolabellae wohl kein
zweifei sein. Ep. ad. Q. fr. 1, 1, 10 setzt Wesenberg certe
scio mit M, aber was will eine solche vereinzelte stelle besa-
gen, wenn man 4, 13, 6; 5, 2, 7, wo Wesenberg unrichtig credo
schreibt; 6, 3, 2; 6, 51; 10, 29; 11, 5, 2; 13, 1, 4; 13, 41;
14, 19 dagegen halt. Ep. ad Q. fr. 2, 5, 2 durfte die schöne
Verbesserung Mommsens Exiturus a. d. VIII, mit tilgung des-
selben wortes 2, 4, 2 nicht aus dem text entfernt werden.
An diese stellen mögen einige eigene vorschlage sich rei-
hen, indem ich zunächst auf meine Conjj. Tüll. p. 31 ff. ver-
weise, die Wesenberg nicht gekannt bat, aber mit denselben Ep,
ad fam. 1, 9, 20 in proxumis superioribus ; 10, 24, 3 in [faZ/s] ;
Ep. ad Q. fr. 1, 1, 40 in avaritia und multo fuit; de pet. cons.
34 in utare frequentia zusammengetroffen ist. Auch propinquo
te die 16, 3, 2, das er J. Krauss (fälschlich von ihm Krause
genannt) zuschreibt, findet sich schon N. Rh. Mus. 12, 8, p. 270.
Weitere vorschlage also sind folgende: 1, 2, 4 agantur omnia
omni mea\ 1, 7, 10 tu id ut tuis wie 2, 16, 1 te id ut non
putem; 5, 7, 1 litteris tuis; 5, 19, 2 alterum tribuam timori;
6, 5, 3 summamque dicendi vir tut em] 6, 17, 1 in litteris tuis;
7, 1 4 artem deponerem statt desinerem (?); 10, 12, 2 et eas Ut-
teras ; 10,21, 7 excuso litteris ohne fragezeichen ; 11, 11, 2 con-
soldbor ine; 12, 20 quodsi ut soles (statt es), cessabis; 13, 71 te
et (statt et te) facere posse et libenter mea causa facturum esse ;
13, 29, 1 quae specicm habent aliquam aus habeant'?); 13, 43,
1 tarnen iam ea aus tarnen mea\ 13, 63, 1 paucis verbis [sed ta-
rnen] ut, da sed tarnen eben vorhergegangen ist. 14, 19, 1 et
iam (statt etiam) ante fecissem; 15, 4, 6, ex toto regno coacto
iis(f); ad Q. fr. 1, 1, 45 singularem in te amorem infinita avidi-
tas mit Ursinus.
Schliesslich noch einige worte über die schrift de Petitione
consulatus, von der bekanntlich schon 1869 die neue ausgäbe von
Philol. Anz. V. H
162 79. Griechische geschichte. Nr. $.
Bücheier erschienen ist. Da Wesenberg dieselbe nicht benutzt
hat, so können sich beide recensionen gegenseitig ergänzen,
wiewohl nach meiner ansieht Büchelers arbeit bedeutend höher
steht. An einzelnen stellen, wie 7 nam (anstatt iarn)... putet op or-
tere; 8 cum alios, quos ad tabellam poneret, non haberet; 33
tum autem, quod equester ordo tuus est, sequuntur Uli; 34 utare
frequentia hat Wesenberg das richtigere; an vielen anderen
Bücheier, so steht 3 commonendo für commendando (so schon in den
conjj. Tüll. p. 34); 4 \ac numero] ; 6 qui volunt; 10 vivo stanti
ohne -4- (vgl. Cypr. de cath. eccl. un. 18 stantes atque viventes rece-
dentis soli hiatus absorbuit) ; 1 6 laborem. Petitio magistratus divisa est :
1 2 qui nequaquam sunt tarn genere quam virtute nobiles ; 44 tarnen
si ab amicis laudatur (conjj. Tüll. p. 34 f. tarnen ab amicis si
laudatur). Noch füge ich hinzu, dass 23, wo Bücheier studio-
rum streicht, vielleicht noch besser dafür studiosorum geschrie-
ben wird, und 26 in dem handschriftlichen magne aestimare ein
magni se aestimare zu liegen scheint. H. A. Koch.
79. De tempore quo templum Iovis Olympiae conditum
sit disputatio. Scr. Conr. Bursian. 4. Index scholar. hi-
bern. in Univers. Ienensi habend. 1872. (13 s.).
In den Verhandlungen der Halle'schen Philologenversamm-
lung, Leipzig. 1868, p. 70 fgg. , sucht Urlichs die durch 0.
Müller ausser curs gesetzte ansieht Heyne's wieder zu ehren
zu bringen, dass die Zerstörung von Pisa und der bau des
Zeustempels in Olympia erst zur zeit des Pheidias in der mitte
des fünften Jahrhunderts vor Chr. vor sich gegangen sei. Um
dieser ansieht ihre hauptstütze zu entziehen, will vf. die worte
des Pausanias 5, 10: inoiijOij 6 taög xul 76 äyaltua rtjj
dn and Xacfivocov, ?;»«x« Iliaav vi Hltlvi xat oaov twv nsniot-
xeov aXXo aviane.GT)] Uiaaimg noltitm xuOtü.or, durch annähme
einer ellipse [inotrjOr] — um) kayiQejv, tu ös Xiicfvaa
Tavru iXt'jcpOt], i/i-ixa Illaav 01 'Hitint — xadtilnr) so ge-
deutet wissen, dass nur die enichtung des tempels und die
Schöpfung der Zeusstatue durch Pheidias dem fünften Jahrhun-
dert, der Untergang der stadt dagegen einer weit früheren zeit
(Ol. 52 = 572 — 568 v. Ch.) zugewiesen werden kann. Die
vom vf. angezogenen parallelstellen kommen aber dieser äusserst
gewagten auslegung nicht zu statten: bei Paus. 10, 21 xovto
Nr. 3. 79. Griechische geschickte. 163
insyiyganro (dies war darauf zu lesen), ttq\v rj tovg avv 2vl\a
zag acniSag xa&sleiv, ist die annähme einer ellipse (xcu avs-
xsno avti] t] aanlg, tzqIp rj) unnöthig und Paus. 5, 17, ist nach
Bursians eigner deutung die ergänzung in ganz gewöhnlicher
weise aus den nächststehenden textesworten zu entnehmen ;
wogegen die hereinnähme eines satzes von besonderem inhalt,
für welchen weder die worte der nächsten Umgebung noch (wie
bei der ellipse von «?>•«*, ihat, noiüv udgl.) die construction des
textes einen anhält und eine andeutung gibt, eine anomalie in
sich schliesst, welche willkürlichen erklärungen thür und thor
öffnen und aus allem alles zu machen gestatten würde.
Nicht glücklicher ist Bursian in dem versuch, ein andres
von Urlichs vorgebrachtes argument zu widerlegen. Als zu
seiner zeit (in ipso) von den Eleern zerstört nennt Herod. 4,
148 allerdings nur triphylische städte, nicht auch Pisa: eben
weil er von Pisa zu reden dort keinen anlass hat. Wir wissen
aber , dass von den sechs hier genannten triphylischen Städten
nur Lepreon der Zerstörung entging, und gerade die grösste
unter den fünf andern, die Herodot an erster stelle nennt, Ma-
kistos war es, welche nach Pausan. 6, 22 an dem aufstand von
Pisa sich betheiligte und mit ihm auch das Schicksal der Zer-
störung getheilt hat. Ist nun Makistos erst zur zeit Herodots
zerstört worden, so folgt, dass auch die Stadt Pisa bis in des-
sen zeit bestanden hat.
Eine dritte stelle (Strab. 8, p. 355) , welche gleichfalls
den Untergang von Pisa mit dem der meisten triphylischen städte
verknüpft und diese ereignisse in die zeit des letzten messe-
nischen aufstandes, also in die mitte des fünften Jahrhunderts
setzt, nennt Bursian zwar unter den belegen, welche für die
von ihm bekämpfte ansieht aufgeführt worden sind, unterlässt
aber anzugeben, was er von diesem zeugniss denkt. Was au-
sserdem ich in der abhandlung über Pheidons Zeitverhältnisse
im Piniol. 28, 413 unabhängig von Urlichs für die Heyne'sche
ansieht beigebracht habe, scheint dem vf. ganz unbekannt ge-
blieben zu sein : im andern falle würden vielleicht auch seine
aufstellungen über die Olympiaden und über die periode der
Unabhängigkeit Pisa's eine modification erfahren haben.
Von allen gegen Urlichs erhobenen einwendungen trifft
nur das über Paus. 6, 22, 4 gesagte zu: wie diese stelle über-
11*
164 80. Archäologie. Nr. 3
liefert ist, besagt sie allerdings, dass der Untergang Pisa's unter
dem bruder und nachfolger des aus ol. 48 bekannten Damo-
phon eingetreten ist. Diese stelle, die einzige stütze der
ansieht 0. Müllers , steht aber nicht bloss mit den besproche-
nen Zeugnissen des Herodot, Strabo und Pausanias, sondern
auch mit einer zweiten des letzteren (5, 16: die rückkebr der
Pisaten unter eleische botmässigkeit nach dem tode üamophons
sei auf gütlichem wege erfolgt) in Widerspruch und ich habe
schon a. a. o. angedeutet, dass sie durch eine lücke entstellt
sein dürfte, durch welche die ol. 52 geschehene friedliche Un-
terwerfung der Pisaten mit der über 100 jähre später erfolg-
ten Zerstörung der Stadt confuudirt worden ist. Hierüber mehr
bei einer andern gelegenheit.
Können wir hiernach dem chronologischen theil der schrift
nicht zustimmen, so drängt es uns um so mehr, dem vf. un-
sern dank auszusprechen für die in kürze beigegebenen ausein-
andersetzungen über die statuen und reliefs, welche den tempel
zierten, über den kunstcharakter des Paionios und sein verhält-
niss zu Pheidias u. a.
U.
80. Die composition der gemälde des Polygnot in der
lesche zu Delphi. Festschrift zur feier des fiiufundzwanzig-
jährigen Jubiläums des königlichen archäologischen seminars der
Georg- Augusts -Universität in Göttingen von W. Gebhardt,
derzeitigem senior de3 archäologischen seminars. 4. Göttingen.
1872.
Es ist ein oft behandelter gegenständ , den der Verfasser
sich für seine fest schrift erwählt hat, doch ist es ihm gelungen,
für die Untersuchung eine neue grundlage zu gewinnen. Die
glückliche beobachtung, dass Pausanias in seiuer beschreibung
des gemäldes von der eroberung Troja's stets das letzte glied
einer gruppe oder eines gruppencornplexes mit de y.ui anreibet,
ist von ihm als mittel benutzt worden, die composition zu zer-
gliedern; im engen anschlusse an die worte des Pausanias hat
er sodann versucht , den einzelnen gruppen ihre stelle anzuwei-
sen. Die ganze composition zerfällt nach Gebhardt in sechs
hauptabtheilungen, innerhalb deren über einander die einzelnen
gruppen vertheilt sind. Durch rechnungen und übersichtstabel-
Nr. 3. SO. Archäologie. 165
Jen sucht er sodann nachzuweisen, dass zwischen den einzelnen
theilen die genaueste Symmetrie herrscht. Offenbar ist Geb-
hardt dem wahren auf der spur gewesen, aber es scheint , als
ob ein tückischer zufall ihn verhindert hätte, aus seinen metho-
dischen Untersuchungen die richtigen resultate zu ziehen; denn
in seiner reconstruction des gemäldes ist die Symmetrie fast
durchweg am falschen orte vorhanden. Symmetrisch soll-
ten von rechtswegen diejenigen gruppen sein, welche von ei-
nem gemeinsamen mittelpunkte gleich weit nach links oder
rechts abstehen und überdies auf derselben grundlinie sich be-
finden; aber mit ausnähme der ersten und letzten abtheilung,
über deren stellang ohnehin kein zweifei sein kann, findet sich
die Übereinstimmung immer nur zwischen gruppen von unglei-
chen abständen und verschiedener grundlinie, als wäre das ge-
mälde nicht eine composition Polygnots, sondern des prinzen
Pallagonia.
Man könnte versucht sein zu glauben, bei dem restaura-
tionsversuche Gebhardts habe eine Verwechslung von rechts
und links und von oben und unten stattgefunden. Dies ist
aber durchaus nicht der fall, sondern der fehler liegt zumeist
in der mechanischen art der Zählung. Erwachsene und kinder
sind für ihn gleich gewichtvoll, obwohl sonst in antiken grup-
pen die kleinen kinder gar nicht mitgezählt werden, die thiere
hingegen, die in der composition oft mehr gewicht als ein
mensch haben, rechnet er gar nicht mit. Und doch ist klar,
dass Epeios sammt der Stadtmauer und dem hölzernen rosse
mehr räum und bedeutung in anspruch nimmt, als etwa der
kleine Astyanax.
In derselben strengen anlehnung au den text, wie Geb-
hardt, aber zugleich auch mit der nöthigen berücksichtigung
der allgemein gültigen künstlerischen gesetze kommt man zu
einem andern resultate, das hier, wo eine vollständige Zeichnung
nicht gegeben werden kann , wenigstens durch mathematische
figuren veranschaulicht werden mag, in denen zugleich die ver*
echiedenen formen des gruppenbau's sich erkennen lassen. Die
erste und letzte abtheilung des gemäldes , die abreise des Me-
nelaos und die des Antenor, sind hier weggelassen, weil über
diese beiden stücke in der hauptsache Übereinstimmung der
meinungen vorhanden ist. Die den figuren eingeschriebenen
166
80. Archäologie.
Nr. 3.
buchstaben bezeichnen den gang, den Pausanias bei seiner be-
schreibung genommen hat , die beigefügten Ziffern die personen-
zahl.
Pausanias beginnt mit der gmppe der Briseis, Diomede und
Iphis (a) ; da die höhere Stellung der Diomede ausdrücklich be-
zeugt ist, so kann an der pyramidalen form der gruppe kein
zweifei sein. Daneben sind Helena, zwei dienerinnen und der
herold Eurybates (b) ; die eine dienerin kniet vor ihr, die an-
dere steht hinter ihr, woraus sich, wenn der herold noch hin-
zugenommen wird , die in der Zeichnung angedeutete gruppen-
form ergiebt. lieber Helena sind Helenos, Meges, Lykomedes,
Euryalos (c); die stelle der sitzenden eckfigur ist gerade über
Helena. Jetzt steigt Pausanias wieder zur untern reihe herab.
Neben Heleoa ist die gruppe der gefangenen frauen , Aethra,
zu welcher Demophon getreten ist, dann Andromache mit
Astyanax, Medesikaste, Polyxena (d). Nestor mit dem pfeide,
das sich wälzen will (e) , gehört ebenfalls in diese reihe , aber
natürlich nicht zu derselben gruppe, sondern er steht isolirt.
Ueber der gruppe der gefangenen frauen sind Klymene, Kreusa,
Aristomache, Xenodike (f), und über diesen wieder Dei'nome,
Metioche, Peisis, Kleodike (g). Daneben ist Epeios mit dem
hölzernen pferde, dessen köpf über die Stadtmauer ragt (h).
Dass Epeios ebensowenig, wie unten Nestor, mit der gruppe
der gefangeuen frauen verbunden werden darf, versteht sich
wohl von selbst. Hierauf beschreibt Pausanias die gruppe (i),
Polypoites , Akamas, Odysseus, Kassandra am boden sitzend,
Aias, Menelaos, Agamemnon. Der weg, den Pausanias nimmt,
da er nach dieser gruppe erst wieder das pferd des Nestor
nennt, um von hier aus die Stellung von (k) zu bezeichnen,
Nr. 3. 80. Archäologie. 167
lässt für die grösste und wichtigste gruppe keinen andern platz
zu, als den naturgemässen in der mitte der ganzen composition.
Kassandra, am altare niedergesunken, bildet unter diesen sieben
figuren natürlich den mittelpunkt, was auch Gebhardt dagegen
sagen mag. Wir haben jetzt, nachdem die rechte hälfte und
die mitte der composition erledigt sind, die correspondirende
linke hälfte zu betrachten. Neben dem pferde des Nestor ist
Neoptolemos, welcher den Elasos bereits getödtet hat und den
Astynoos so eben tödtet, dabei ein kleiner knabe am altar (k).
Diese gruppe hat zwar weniger menschliche figuren als d, das
gleichgewicht ist aber durch den altar und durch die ausschrei-
tende Stellung des Neoptolemos hergestellt. Um zu bezeichnen,
dass k ebensoviel räum einnimmt als d, ist bei erster figur die
formel 3 — |— 2 hingeschrieben, entsprechend der 5 in k. Jen-
seits des altars steht Laodike, dann folgt Medusa auf dem
erdboden neben einem badegefässe sitzend, und eine alte oder
ein eunuch mit einem kinde auf dem schoosse (1). Hier, wie
in dem correspondirenden b, ist der mittlere theil der gruppe
der niedrigste. Hieran schliesst sich, correspondirend mit a,
eine pyramidale gruppe m, Pelis auf dem rücken liegend, über
ihm Eioneus und Admetos. Nach beendigung der untern reihe
wendet sich Pausanias zur obern reihe. Ueber dem badegefässe
ist Leokritos (n), über Eioneus und Admetos ist Koroibos, und
höher als dieser Priamos, Axion und Agenor (o). In dieser
aufzählung der getödteten Trojaner ist auffällig, dass für n,
welches als gegenstück zu f vier figuren enthalten sollte, nur
eine einzige genannt wird; dieser auffallende umstand erklärt
sich wohl daraus, dass hier im bilde die namen nicht beige-
schrieben waren. Zuletzt erwähnt Pausanias noch Sinon und
Anchialos, welche den leichnam des Laomedon wegtragen, und
dazu nennt er noch den todten Eresos (p). Da bei dieser
gruppe die mitte eingesenkt ist, so ist für g dasselbe anzuneh-
men, nämlich so, dass an die sitzenden eckfiguren die andern
sich anlehnen. Für sämmtliche gruppen die gestalt, welche
ihnen in der Zeichnung gegeben ist, ausführlich zu rechtferti-
gen, ist hier nicht möglich , und ebensowenig kann jetzt noch
der ideenzusammenhang zwischen den correspondirenden thei-
len nachgewiesen werden. Nur darauf wollte ich noch aufmerk-
sam machen; dass die gesammtcomposition, und zwar ohne un«
168 Bibliographie. Nr. 3.
ser zuthun, pyramidale gestalt erhalten halt, ein beweis, dass
Welcker doch recht hatte, als er in solcher gestalt das bild
reconstruiren wollte.
Es bleibt nun noch das andere gemälde des Polygnot
übrig, bei welchem Gebhardt nur durch eine sehr complicirte
rechnung zu einer art von Symmetrie gelangt ist, von der je-
doch in der Zeichnung absolut nichts zu sehen ist. Wir müs-
sen es uns versagen, auf dieses gemälde ebenfalls noch speciell
einzugehen, da der uns zugemessene räum bereits ausgefüllt,
wenn nicht gar schon überschritten ist. L, G.
Biene aiiflageu.
81. Aristotelis rhetorica et poetica. Ab I. Bekkero a. 1859 ter-
tium editae nunc iteratae. 8. Berlin. G. Reimer; 18 ngr. — 82.
P. Virgilii Maronis Opera. Ed. A. ForUger. Ed. 4. P. ITa. 8.
Lips. Hinrichs; 2 thlr. 10 gr. — 83. A. Forcellini totius latinitatia
lexicon. Distr. 67. Prati (Brockhaus in Leipzig); 25 ngr. — 84. F.
TJeberwpg , grnndriss der geschickte der philosophie. 2. thl. 4. aufl.
8. Berlin. Mittler; 1 thlr. 12 ngr. — 85. A. Schioegler , geschichte
der philosophie im nmriss. 8. aufl. 8. Stuttgart. Conradi; 1 thlr.
24 ngr. — • 86. G. H. Letoes, geschichte der alten philosophie. 2.
aufl. 4. u. 5. lief. 8. Berlin. Oppenheim; ä 20 ngr. — 87. A.
Schleicher, die Darvinische theorie und die Sprachwissenschaft. 2.
aufl. 8. Weimar. Höhlau; 8 ngr. — 88. A. F. Pott, etymologische
forschungen auf dem gebiete der indo - germanischen sprachen. 2.
aufl. 4. bd. 8. Detmold. Meyer; 6 thlr.
Neue Schulbücher.
89. Homers Iliade erklärt von W. Koch. 4. heft. 2. aufl. 8.
Hannover. Hahn; 10 ngr. — 89. Präparationen zu Homers Odyssee.
3. gesang. 16. Ccln. Schwan; 3!/2 ngr. — 91 — 93. Freund's schü-
lerbibliothek zu Sophokles werken. 13. hft. 16. Leipzig. Violet;
5 ngr.: — zu Horaz werken. 5. heft. 2. aufl. 16. ib.; 5 ngr. —
zu Cornelius Nepos. 1. hft. 4. aufl. ebendas. 5 ngr. — 94. JB. J3üch-
senschütz, griechisches lesebuch. 2. aufl. 8. Berlin. Oehmigke; 15
ngr. — 95. 6. Stier, griechisches lesebuch für das zweite unter-
richtsjahr. 8. Wittenbei-g. Kölling; 20 gr. — 96. J. F. Haug's
Übungsbuch zum übersetzen aus dem deutschen ins lateinische für
mittlere classen. 1. abth. 2. aufl. 8. Heilbronn. Scheurlen ; 15 ngr.
— 97. W. Kopp, römische kriegsalterthümer für höhere lehranstal-
ten und weitere kreise bearbeitet. 2. aufl. 8. Berlin. Springer;
10 ngr.
Bibliographie.
Zur ergänzung des Phil. Anz. IV, n. 12 , p. 608 über das Jubi-
läum des sächsischen königspaars gesagten bemerken wir, dass in
Petzholdt's N. Anzeig, für bibliogr. 1873 heft 1—3 „die litteratur
zum goldenen ehejubiläum des königs Johann von Sachsen« angege-
ben ist.
Nr. 3. Bibliographie. 169
Die academische lesehalle in Wien hat einen zweiten Jahresbe-
richt über das jähr 1872 veröffentlicht.
Die bisher von Dr Bergmann herausgegebenen philosophischen
monatshefte erscheinen vom band VIII an unter der redaction von Dr
Ascherson, Bergmann und Bratuschek.
Bei Gyldendul in Kopenhagen erscheint: Bibliotheca danica. Ca-
talogue systematique de la litterature danoise de 1482 jusqu'ä 1830
cett.: genaues giebt Börsenbl. nr. 26.
Ueber den schaden , der aus der Vernichtung der stras^burger
bibliothek der bibliographie erwachsen, hat sich Signouret Souve-
nirs du bombardement et de la capüulation de Strassbourg. Bayonne
1872 sehr stark ausgesprochen; daher suchen die sache auf die Wahr-
heit zurückzuführen Augsb. Allg. Ztg. 1872, beil. zu nr. 352 : und
Börsenbl. 1872, n. 47.
lieber die ob. nr. 2, p. 127 erwähnte arbeitseinstellnng der setzer in
Leipzig giebt genauere nachricht das Börsenbl. nr.19. 26 : ferner stehen
ebend.nr.29 art.III. IV, welche factisches enthalten, wie auch V— VIII
in nv. 33. 35. 39. 51. 57. Dagegen bilden ein ganzes nr. 27. 35: die
arbeiterbewegung und der buchhandel, I: der schluss lautet: »aber
so viel darf man als ausgemacht annehmen , diese folgen werden
keine zusammenstürzenden paläste sein, sondern höchstens eine an-
zahl weinender trauen!« nr. 35 bringt II, beide von A. Schürmann.
Auch ia Hamburg war ein setzer- strike ausgebrochen: das haupt-
ergebniss war rückkehr der setzer in die offizinen und anstellung von
setzerinnen, namentlich in den grossen buchdruckereien. Börsenbl.
nr. 51: die einführung von solchen wird im Börsenbl. nr. 53 von E.
A. S. lebhaft empfohlen.
Die gruudsätze des Berliner Verleger - Vereins finden sich im Bör-
senbl. nr. 54.
Die verlagshandlung von G. van Muyden in Berlin veröffentlicht
einen prospect über eine von Dr Ad. Laiin bearbeitete ausgäbe von
Moliere's werken mit deutschen einleituugen, commentar und excursen.
Prospecte sind uns zugekommen von G. Henry Lewes geschichte
der alten philosophie, 2. aufl., Berlin, Oppenheim; von Dr K. R. Ha-
genbachs kirchengeschichte, als jetzt vollständig erschienen in 7 bdn,
Leipzig, Hirzel; Protestanten- bibel neuen testaments unter mitwir-
kung von Dr Paul Willi. Schmidt und Dr Fr. v. Holtzendorff , Leip-
zig, Barth ; auswahl aus den kleineren schritten von Jacob Grimm,
Berlin, Dümmler.
Verzeichniss und auswahl von büchern aus dem verlag der Die-
terichschen Verlagsbuchhandlung zu Göttingen, welche bis z. e. 1873
zu bedeutend ermässigten preisen abgegeben werden.
Cataloge von antiquaren: antiquarisches bücherlager von Kirch-
hoff und Wigand in Leipzig nr. 368, classische philologie und archä-
lologie; verzeichniss von werken aus dem gebiete der classischen phi-
ologie, der archäologie, der epigraphik so wie der alten geschichte
aus dem nachlasse des herrn prof. E. Petersen in Hamburg, welche
zu den beigesetzten preisen von List und Francke in Leipzig zu be-
ziehen sind ; verzeichniss des antiquarischen bücherlagers der Otto-
sehen buchhandlung in Erfurt, Altclassische philologie und alter-
thnmskunde.
Leipziger bücherauetion, 3. april 1873. Verzeichniss der dou-
bletten der universitäts - bibliothek zu Leipzig, welche nebst andern
Sammlungen . . durch H. Härtung in Leipzig versteigert werden
sollen.
170 Kleine philologische zeitung. Nr. 3.
Kleine philologische zeitung.
Eine sehr wichtige sache, welche namentlich auf den gymnasien
auf unverantwortliche weise aus falscher vornehmthuerei vernachlässigt
wird, ist der schreibunterricht : es ist äusserst selten, dass man un-
ter den studirenden solche trifft, welche eine nur erträglich gute band
schreiben ; jeder der schriftliche arbeiten der studirenden gelegenheit
hat zu sehen, wird das bezeugen. Daher ist erfreulich , dass jetzt in
andern kreisen man anfängt auf die schretbekunst zu achten ; man
vrgl. Börsenbl. 1873, nr. 1. 2. »das optische verhalten von fractur
und antiqua«, von Otto Müller: es lenkt das die aufin erksarukeit
auf diese sache auch wohl in andern kreisen, als für die grade die-
ser aufsatz geschrieben.
In Ahrweiler sind bei Neubauten thon - und glasgefässe und mün-
zen von Valerianus gefunden. Augsb. Allg. Ztg. 1872, nr. 350, beilage.
Die bnchhandlung Hachetfe in Paris hat sich ein neues verdienst
erworben durch ausgäbe des buchs: Histoire de la Ceramique, etade
descriptive et raisonnee des poteries de tous les temps et de tous les
peuples par Albert Jacquemart , avec 200 fiyures sur Lots et 12
planches ä Venu forte , par Jules Jacquemart. vol. I: es beginnt
der vf. mit Egypten: sehr wird das werk in der Augsb. Allg. Ztg.
1872, nr. 361 empfohlen.
Dr Bischojf, praktischer arzt in Aleppo, unternimmt im april
eine reise nach Palmyra: näheres s. in Augsb. Allg. Ztg. 1873, beil. nr. 37.
Gbttingen. Der am 5. nov. 1872 erfolgte tod des auch als phil-
hellenen bekannten Dr Adolph Ellissen hat namentlich in Griechen-
land schmerzlich überrascht. Als beweis dieser theilnahme hat der
professor an der Universität zu Athen P. Joannu der familie des hin-
geschiedenen folgende distichen übersandt:
'Enrnj/ußiof
(lg Tov cal/LiytjaToy 'Adökrjov 'Elhaeevioy,
ffWTayftiv vnb tov xn^rjyt]Tov 'PMrtnou "iwdyvov.
Movo~j] f/urj y iXoftgrjixp odvQOfAivrj inl Tu/jßoig
ovag vTiia/tg ngiv tvfAtvig fy ßioTw. («)
"H JV a anoiyö^ivov vvv uiutii Gnvüyovca,
ct\v no9inva' ägtTtjv, tfilrctT' 'EXXiaaivtf.
OücT nvTrj junvvt] ff' iJXoy vgtrat, ciXXa xttl 'EXXdg
av/unao', 5} ff' tffTtgl;' loa Ttxvoioiv tolg'
Jirjv yt(Q navgot marov vvov, w? o~v, t'frjvav.
ol nXsovtg ö" oi tao' ig \pöyov b^vngoi,.
(«) Ztifxtiwcig. Tovto Xiytrcu Ttsgl tov 'Elhöotviov wg xgivttyrog ngo
nvwv hwv iiotr,[imä Tiva xal fniTv/jßicc tov xadrjytjTov tptXinnov 'icoüv-
vov. [S. Götting. Gel. Anz. 1865, st. 51.]
Ueber die reisen Livingstone's sind kurze nachrichten im Staats-
Anz. 1873, nr. 20.
München. 21. Januar. Unter den ausgrabungen des Dr Schlie~
mann — s. ob. nr.2, p. 125 — nimmt nach der beil. z. Augsb. Allg. Ztg.
nr. 22 die auffindung eines triglj-phen-blocks von panschem marmor
2 m. lang, 86 cm. hoch mit reliefdarstellung des Phoebos Apollo auf
einer quadriga den ersten rang ein. Diesen triglyphen-block hielt
Dr Schliemann gleich anfangs für ein meisterwerk aus der zeit des Ly-
simachus aus dem ende des vierten Jahrhunderts v.Chr., während pro-
fessor Kumanoudis in Athen und Newton, der director des britischen
museums, meinen, es sei zwischen der zeit des Perikles und Alexai
ders und somit etwa um 375 v. Chr. in Athen entstanden und nacl
Troja geschickt worden. Ausser diesem für die kunstgeschichte wicl
tigen fund glaubt der genannte forscher auch »Ilions grossen thurm«
aufgedeckt zu haben.
Nr. 3. Kleine philologische zeitung. 171
Zürich, 21. januar. Das »Tagblatt v. Bünden«. — Augsb. All-
gem. Zeitung nr. 25. Staats - Anz. nr. 22 meldet einen interes-
santen antiquarischen fund aus dem Veltlin: in Stazzona wurde
ein römischer grabstein von weissem marmor von strassenarbeitern
drei meter tief in der erde gefunden. Der stein trägt die inschrift
in lateinischen majuskeln : Pontico Germanif. Pecusae Graici f. Cum—
munnis, Medussae Graici f. sorori. — Hie siti sunt. In deutscher
Übersetzung: dem Ponticus, söhn des Germanicus, derPecussa, tochter
des Graicus, den Camunern, der Schwester Medussa, tochter des Grai-
cus. Hier liegen sie. — Stazzona hat seinen namen von einer römi-
schen poststation. Es liegt an einem wichtigen knotenpunkte des Ver-
kehrs in der mitte des Veltlins, von wo aus Seitenwege nördlich nach
Puschlav und südlich zu den Camunern im heutigen Val Camonica
führten. Die namen Pecussa und Medussa haben einen provinzialen
klang und scheinen eher aus dem etruskischen zu stammen als aus dem
lateinischen. Dieser fund bildet ein nicht uninteressantes seitenstück
zu der im jähr 1871 in Trevisio, ebenfalls im Veltlin, gefundenen
etruskischen inschrift. Diese fände , sowie der keltische gräberfund
in Mels sind treffende belege für die aufstellungen der neuern ethno-
graphischen forschungen, welchen zufolge die südlichen Alpenthäler
Rhätiens in vorrömischer zeit von Etruskern, die diesseitigen hinge-
gen von Kelten bewohnt waren.
Freiburg i B., 24. jan. Gestern starb hier der geheime hofrath
Karl ZMt im 80 lebenswahre, als geschmackvoller alterthumsforscher
bekannt.
Einen kurzen überblick über die geschichte der universitäts-bi-
bliothek zu Strassburg giebt der Reichs-Anz. n. 27 ; vrgl. dazu eben-
das. nr. 48.
Der Reichs-Anz. n. 26 enthält ein verzeichniss der personen, wel-
che sich während des kriegs 1870/71 durch patriotische handlungen
ausserhalb des kriegsschauplatzes besonders ausgezeichnet haben.
Im monat mai 1873 wird durch die österreichische regierung aus-
gerüstet eine expedition abgehen, um die altgriechischen ruinen auf
der insel Samothrake zu untersuchen , und zwar unter leitnng des
prof. AI. Conze, den Alois Hauser und G. Niemann begleiten. Staats-
Anz. nr. 28, beil. 1.
In J. H. Müllers Zeitschrift für deutsche kulturgeschichte jahrg.
1 heft 11 und 12 finden sich referate über die Schriften von A. Ho-
rawitz über Beatus Rhenanus.
Es geht uns zu: Die hausaufgaben im oberen gymnasium zu
Stuttgart. Ein circular und eine rede von rektor Dr K. A. Schmid. 8.
Stuttgart. Karl Kirn. 1873, ss. 20; ein treffliches schriftchen, welches
zwar zunächst nur einer localen veranlassung seine entstehung ver-
dankt; der gegenständ aber, auf den es sich bezieht, ist von
sehr allgemeinem pädagogischem interesse. Es handelt nämlich
von der unentbehrlichkeit und nützlichkeit , wie von dem umfang
und dem rechten mass der s. g. hausaufgaben. Es ist im höch-
sten grade dankenswerth, dass der vf. beides, sowohl das circular
und die anfrage an die eitern, als auch die besprechung der einge-
gangenen antworten für weitere kreise veröffentlicht hat. Den kla-
gen mancher eitern, dass ihre kinder von seiten der schule mit zu-
viel häuslichen arbeiten überbürdet würden, wird man nicht leicht
treffender begegnen können, als es hier geschieht. Wir freuen uns
mit dem vf. über das günstige ergebniss der von ihm angestellten en-
quete, durch das sich auch andere gymnasien von neuem ermuntert
fühlen werden, »an dem bestreben festzuhalten, dass die ihnen anver-
traute jugend auch durch zweckmässige hausaufgaben zu der intellectu-
172 Kleine philologische zeitung. Nr. 3.
eilen und sittlichen kraft und Selbständigkeit herangezogen werde,
die zur erfüllung der sie erwartenden lebensaufgaben erforderlich ist,
n.
Seit october v. j. erscheint unter dem titel : »Deutsche Schulge-
setz -sammluug, centralorgan für das gesammte Schulwesen im deut-
schen reiche, in Deutsch -Oesterreich und in der Schweiz« eine Wo-
chenschrift unter redaction des seminarlehrers a. d. Eduard Keller,
welche die das Schulwesen dieser länder betreffenden gesetze, Verord-
nungen u. s. w. ohne sonstige zutbat enthält.
Rom. 26. januar. Dieser tage ist in der Villa Casali an der Via
Appia ein altes grab von sehr schöner architektur entdeckt worden.
Es besteht aus drei kammern, welche vier mit bildhauerarbeiten ver-
zierte sarge aus weissem marmor enthalten. Diese Skulpturen stel-
len in erhabener arbeit: 1) die Musen, 2) Bacchus und Ariadne, 3)
eine jagd auf wilde thiere und 4) die thür eines grabmals dar. Man
nimmt an, dass eine der Musen, deren haupt mit blumen bekränzt
ist, das bildniss der verstorbenen darstellt , deren Überreste in dem
grabe ruhen. Man liest auf demselben : Titus Olius Nikephoms. Die
schritt, der styl der Skulpturen und andere einzelheiten verweisen
die gräber in die zeit des Septimius Severus. Eine der frauen trägt
ihre haare nach art der Iulia Mammäa, ein diadem von haaren auf
hoher stirn , was sehr charakteristisch ist. Reichs-Anz. nr. 29.
Hanau. 28. januar. Notizen über die bd.IV, n.9 p. 474 erwähnten
ausgrabungen in unserer gegend gibt Augsb. Allg. Ztg. 1872, beil.
zu nr. 354, auch Reichs-Anz. n. 32: sie haben kein wissenschaftliches
interesse , sind auch sonst nicht eben erfreulich. Anderes giebt A.
Duncker in Augsb. Allg. Ztg. 1873 beil. zu nr. 2. Einen gegenständ
erläutert genau Philol. XXXIIT, 2, p. 335 sq.
Berlin. 4. februar, sitzung der archäologischen gesellschaft. E. Cur-
tius legte der gesellschaft den schluss von prof. Starks inhaltreichen
briefen über seine reise in Kleinasien und Griechenland (aus der
»Allg. Ztg« s. unt. p. 175) vor, ferner die altattischen künstlerinschriften,
die prof. Rhusopulos herausgegeben, dann prof. Conze's Übersicht über
die neueren erscheinungen in der archäologischen literatur (aus der
»Oesterreichischen Zeitschrift für gymnasien«) und das verzeichniss
cyprischer alterthümer aus der Sammlung Pierides, welche in Paris
zur Versteigerung ausgestellt werden, endlich das nunmehr vollendet
vorliegende grosse werk von Perrot , Guillaume und Delbet über die
denkmäler von Galatien, Phrygien, Cappadocien und Pontus. Der
vortragende erörterte die kunstgeschichtliche bedeutung dieses wer-
tes, welches die kleinasiatischen Untersuchungen von H. Barth we-
sentlich vervollständige; er wies darauf hin, dass es durch diese Publi-
kation, sowie durch das werk von Longperier über das Mitsee Napo-
leon III. mehr und mehr gelinge, gewisse typische formen der baby-
lonisch - assyrischen kunst in ihrer Verbreitung nach westen auf dem
land - und seewege zu verfolgen und dass man dabei den stil der
weberei und den auf siegelbilder zurückgehenden wappenstil zu un-
terscheiden habe. — Adler legte den aufsatz von W. Gurlitt und E.
Ziller über das Theseion zu Athen (in Lützows Zeitschr. für bildende
kunst VIII, 3, p. 86 ff.) vor und besprach, anknüpfend an seinen
am Wiuckelmannsfeste v. j. gehaltenen Vortrag über das Theseion
und dessen doppelten sekos für Herakles und Theseus den werth der
darin niedergelegten Untersuchungen, bei denen er die wichtige frage,
ob und wieweit eine plinthe in der postikumthür vorhanden ist oder
wie dieselbe endigt, leider unberücksichtigt fand. Der vortragende
führte aus, wie seiner meinung nach die neueren Untersuchungen sei-
ner hypothese über das Herakleion-Theseion nicht hinderlich wären,
Nr. 5. Kleine philologische zeitung. 173
und stützte seine erklärung durch neue gründe, nämlich durch beto-
nung des umstandes, dass der tempel seit dem mittelalter als The-
seustempel genannt und bekannt wäre, ferner durch die hindeutung
auf die kimonische gründungszeit, die noch unter dem eindruck des
marathonischen sieges sowie der dabei von Theseus geleisteten hülfe
gestanden habe, und endlich durch hinweisung auf den tempel zu
Sunion, der (in massen, proportionen, anten- und deckenbildung) mit
dem Theseion nahezu kongruent sei. Da aber der tempel zu Sunion
nach Vitruv Arch. IV, 8, der ausführlich erläutert wurde, und den er-
haltenen resten sicher als ein »doppelheiligthum« zu erkennen sei,
so wäre also auch das Theseion (ebenso wie der grössere tempel zu
Rhainnus) ein doppelheiligthum und zwar des Herakles und Theseus.
Am scbluss besprach er noch die einzelnen tempel , die in der ange-
führten Vitruvstelle ausser dem tempel zu Sunion erwähnt werden.
An der debatte, die sich an den Vortrag anscbloss , betheiligten sich
namentlich Curtius und Hübner. — G. Wolff wies einen bei Brunn und
Overbeck noch nicht verzeichneten nialer Timotheus beiPsellos (hinter
de operatione daemonum ed. JSoissonade p. 134) nach; vgl. auch Chori-
cius ed. Boiss. p. 172. Dagegen seien die schritten über tempel bei
Bipponion, dort befindliche erzthüren des Dädalos und Praxiteles und
anderes aus Proklos auszügen über die orakel bei Marufioü chroniche
ed antichitä di Calubria (Padua 1601) lälschungen; jener Minoritenpa-
ter habe vielfach namen von schriltstellern und werken für seine be-
lege erdichtet. — Hübner legte das soeben erschienene 8. heft der
archäologischen zeitung , ferner die beiden ersten hefte der in Porto
erscheinenden portugiesischen Archeologia artistica (von freilich sehr
unarchäologischem inhalt), die beiden neuesten hefte der Revue ar-
che-ilogique, endlich den dritten theil von Bruee's grossem werk über
die römischen alterthümer in Nordengland [lapidunum septentrionale)
vor. Perrot hat der gesellschaft ein exemplar seines jetzt fertig ge-
wordenen .prachtweikes über Galatien zum geschenk gemacht, wo-
für ihm der schuldige dank hiermit öffentlich erstattet wurde. Der
vortragende berührte dann noch kurz einige von A. Philippi in dem
aufsatz über römische triumphal-reliefs, der der gesellschaft schon
einmal vorgelegen hatte, aufgestellte behauptungen; zu einem nähe-
ren eingehen auf diese vielfach anregende, aber andererseits auch
sehr unzulängliche arbeit, fehlte es an zeit. Wenn die vom Verfasser
in aussieht gestellte publikation der reliefs vom Claudius -bogen,
welche in den institutsschnften erfolgen soll, vorliegt, wird im zu-
zammenhang auf die an dies bisher noch ganz vernachlässigte kunst-
gebiet sich anschliessenden tragen zurückzukommen sein. — Heyde-
rnann legte zuerst die durchzeichnung einer Lekythos im Mnseo Ci-
vico zu 13ologna (nr. 147"J) vor, die er der gütigen vermittelung W.
Gurlitts und E. Scbulze's verdankte und die von interesse ist, weil
sie aus derselben fabrik gefälschter bemalter vasen stammt, aus der
die moderne Leesensehe vasenzeichnung nr. Iü7 herrührt (s. Phil. Anz.
III, n. 11, p. 562); auf der vase zu Bologna ist dieselbe alte tanzende
frau dargestellt, die sich bei Leesen findet. Dann besprach er eingehend
den stattlichen katalog der Sammlung des E. de Meester de Rave-
stein: 3Iusc'e de JRavestein (Liege 1871. 2 bde. gr. 8), der von dem
besitzer selbst geschrieben, eiu schönes, bleibendes denkmal seiner
kunstliebe und gelehrsainkeit ist. Die Sammlung, welche sich auf
dem schloss Ravestein bei Mecheln befindet, ist ungemeiu reich an
kleineren bronzen, geschnittenen steinen, münzen und terrakotten,
die meistens aus Italien stammen; doch sind auch belgisch -römische
antiken gut vertreten. Aeusserst interessant ist auch die sammluno-
der verschiedenen marmorarten, welche die alten zu plastik und ar-
174 Kleine philologische zeitung. Nr. 3.
chitektur verwandten und in solcher Vollständigkeit wohl nirgends
zu finden sein möchten. Ein atlas, der hoffentlich nicht zu lange
auf sich warten lässt, wird den gelehrten die bisher nur theilweise
(namentlich in den Schriften des römischen instituts) publizirten an-
tiken noch zugänglicher und bekannter machen. Ferner legte der
vortragende noch die darstellung des rasenden Lykurgos auf einer
neuen im September v. j. in Ruvo gefundenen und ins museum Jatta
gekommenen vase vor, deren bause er der gute Giovanni Jatta's ver-
dankt, und die schritt von Simone Un ipogeo Messapico (Lerre.1872,
2 taf.) worin über ein am 30. august v. j. bei Rusce (in der nähe
von Lerre) gefundenes grabmal mit messapischen inschriften berichtet,
sowie über die Urgeschichte des alten Kalabrien phantasirt wird. —
V. Sallet besprach einen kupferstich Dürers (die s. g. eifersucht),
welcher einen gegenständ aus der giechischen mythologie behandelt.
Die darstellung des blattes — ein im schooss eines satyrs liegen-
des weib wird von einem andern weibe, das einen knüttel schwingt,
bedroht ; daneben steht abwehrend ein nackter mann mit einem
vorgehaltenen baumstamme ; rechts entflieht ein knabe — wird bis
in die neueste zeit auf die mannichfaltigste und unverständigste art
erklärt, doch schon Vasari erkannte darin eine mythologische scene.
Seit Hausmann nachgewiesen, dass Dürer selbst in seinem tagebuch
das blatt den »Herkulum« nennt, und seit der vortragende auf den
Zusammenhang dieses »Herkules« mit einem unstreitig nach dem Dü-
rerschen bilde kopirten blättchen von H. S. ßeham, den satyr mit
dem weib im schoosse allein ' darstellend und die beischriften DEI
ANIRA NESSVS tragend, aufmerksam gemacht hat und wenn man
erwägt, dass auch Aldegrever die Ceutauren als satyre darstellt, wird
die annähme fast zur gewissheit, dass auch das Dürersche blatt den
mythus von Herkules , Nessus und Deianira in einer allerdings noch
nicht aufgefundenen verderbten, vielleicht mittelalterlichen Version
darstelle. Herkules spielt hier, wie schon bisweilen im alterthum,
eine komische und lächerliche rolle, indem er sein untreues weib
und deren liebhaber gegen angriff schützt. Von einer Zuneigung der
Deianira zu Nessus scheint die klassische mythologie nichts zu wissen,
— Reichsanz. nr. 42.
In Athen sind im monat februar zwei statuen aus der zeit Ha-
drians gefunden worden, die eine stellt den Asklepios, die andre die
Hygieia dar: Reichs- Anz. nr. 43.
Berlin. 15. februar. Heute starb hier der geheime justizrath Dr
A. Rudorff, bekannt namentlich durch seine arbeiten auf dem ge-
biete der römischen rechtsgeschichte.
Weimar. 18. februar. Der professor der aegyptologie in Leipzig,
Dr Georg Ebers, der seit vorigem herbst in Aegypten weilt, hat
in dem zu der nekropolis von Theben gehörenden Abd-el- Ausuah
das grab eines gewissen Amen -em- heb auflegen lassen und in ihm
eine historische inschrift von grossem und allgemeinem interesse ent-
deckt. Es wird in ihr der lebenslauf des verstorbenen den nachge-
borenen niitgetheilt. Amen-em-heb lebte in der XV11I. ägyptischen
dynastie, etwa im 17. Jahrhundert vor Christus und nahm theil an
den feldzügen des Pharao Tutines JH., mit dem er den Euphrat über-
schritt uud vou dem er dekorationeu aller art für seine heldenthaten
empfing. Viele namen von westasiatischen städten geben künde von
der ältesten form derselben. Ihre folge giebt wichtige geographische
fingerzeige. Besonders werthvoll für die Chronologie ist die angäbe
der regierungsdauer des grossen königs Tutmes III. aut jähr und
tag, monat und tag. Unter Ameuophis IL, dem nachfolger des Tut-
nies, war Amen-em-heb ein geehrter hofmann. Reichs- Anz. nr. 47.
Kr. 3. Auszüge aus Zeitschriften. 175
Berlin. 24. februar. In der heutigen sitzung der academie der
Wissenschaften las prof. Bonitz über Platon's Eutyphron.
Leipzig. 25. februar. Heute starb 79 jähr alt doinherr und pro-
fessor Dr Gr. Lud. Th. Marezoll, besonders bekannt durch seine arbei-
ten über römische rechtsgeschichte.
Berlin. 8. märz. Heute hielt prof. Zeller einen Vortrag über
nationalität und humanität. Auszüge s. iui Reichs-Anz. nr. 61.
Hildesheim. 8. märz. Nachbildungen des hiesigen silberfundes,
ein geschenk des königs , sind im städtischen museuni heute aufge-
stellt.
Nach dem Athenaeum "will der custos der manuscripte im Bri-
tish Museum einen catalog der ältesten dort aufbewahrten manuscripte
mit facsimiles herausgeben.
Rom. 8. märz. Im gebiete von Aricia bei Albano hat man eine
beträchtliche anzahl von vasen , geräthschaften u. s. w. entdeckt von
denen man meint, dass sie den alten einwohnern Latiums angehören.
Reicbs-Anz. n. 63 beil. 1.
Auszüge aus Zeitschriften.
Augsburger Allgemeine Zeitung 1872, nr. 351, dann beil. von nr.
352 — 357 : B. Stark, nach dem griechischen Orient. VII (schlussar-
tikel): aus dem hellenischen königreich und von der heimkehr: be-
schreibt lebendig die quarantaine in Syra, kommt dabei auf Ka'iris,
den durch die iuseln vermittelten Zusammenhang zwischen Orient und
occident, auf den nationalcharacter der jetzigen Griechen; dann folgen
notizen über die reste des theater in Syra, mit inschrift 'Aoafjudwoov,
welche auf einen ehreu platz oder auf den namen der ganzen abtheilung
bezogen wird, darauf beschreibung eines vierwöchentlichen aufenthalts
in Athen: zuerst gesellschaftliches, Schilderung einer taufe: »merk-
würdig war dabei das sichere einsetzen des Kyrie eleison von dem
den priester als sänger begleitenden knaben. Sofort nach schiuss des
actes jubel und begeisterung vor allen über die von kindern der fa-
milie hereingetragenen platten von confect aller art und nüssen, die
unter die festveivainmlung geworfen wurden« : dann Wanderungen in
Athen, dabei erwähnung einer inschrift, in der die namen der stadfr-
theile Mehtu und Kode vorkommen; es folgen topographische betrach-
tungen (nr. 353), so über die sg. nyü$, die vf. als volksversammlungs-
platz verwirft, dagegen als uralten felsaltar der Kranaer (s. Piniol.
XXXII1, p, 99 flgg.) bezeugt, er bezieht Paus. 1, 28, 8 auf sie; dann
über den N vmphenhügel , den Areopag , in dessen nähe E. Curtius
lang- und quergräben ziehen liess, die manches erläuterten, aber zu
beistimmten resultaten nicht führten: es werden dann kurz erwähnt
die Attalos-stoa, die sg. Griganten-stoa, mehrere statuen, ausführlicher
aber die gräberstrasse, und gelangt der vf. hierauf zur Akropolis (nr.
356) mit ihrem tbeater, pvopyläen u. s.w., wo wir überall den treff-
lichen arbeiten der deutscheu gelehrten entgegentreten und schliesst
nach einem blick auf die autikensamtnlungen im moderuen Athen,
die eben nicht gut wegkommen, mit angäbe der ausflüge in die wei-
tern Umgebungen Athens. Auf der rückreise wird nur Bologna be-
sonders hervorgehoben. — A ddresse der Universität Strassburg an
prorector prof. Dr Bruch. — Beil zu nr. 352 : notizen über die
Schenkungen an die strassburger bibliotbek. — Beil. zu nr. 353:
Roget de ßelloguet: nekrolog: forscher über die älteste geschichte
der Kelten. — Nr. 354: Norris in London f- — Nr. 354: Asso-
pios in Athen f. — Nr. 356: gedanken eines Griechen über die
Laurion- frage. — Beil. zu nr. 359: der chaldäische fluthbericht. —
176 Auszüge aus Zeitschriften, Nr. 3*
Künstlerische prachtwerke II (n. I in beil. zu nr. 345), von W. Lübke.
— Das Winkelmannsfest in Rom: bericht über die am 14. dec. 1872
gehaltene sitzung des archäologischen instituts, aus dem wir hervor-
heben den Vortrag von W. Heibig über die in CeiTetri gefundene
vase des Duris, mit darstellungen aus dem Unterricht der griechi-
schen jugend; dann aus dem vom prof. Henzen die übersiebt aus den
neuesten ausgrabungen in Rom, in der er besonders bei den beiden
grossen marmorreliefs (s. Philol. Anz. IV, n. 11, p. 574) in der nähe
der säule des Phokas verweilte: sie scheinen die balustraden ei-
nes engen Zuganges zu irgend einem theile des forum gebildet
zu haben. Jedes derselben hat auf der rückseite die opferthiere
der suovetaurilien , auf der Vorderseite sehr figurenreiche, offen-
bar historische darstellungen und im hintergrunde verschiedene
tempel und andere gebäude. Die rostra, der ruminalische feigen-
baum und die statue des Marsyas, welche auf beiden reliefs sich fin-
den, zeigen dass die handlung auf dem forum vor sich geht. Diese
scenen sind nach vf. auf die zeit Trajan's zu beziehen : das eine giebt
eine Verherrlichung der erst von Trajan begründeten alimentenstiftung
— daher die vor dem sitzenden kaiser stehende , ihm ein kind dar-
reichende flau, dann der von lictoren umgebene auf den rostris ste-
hende, zum volke redende kaiser — , das andre stellt die Verbren-
nung der listen der von Trajan erlassenen stenerrückstände dar. —
Beil. zu nr. 361. 362: einige bemerkungen zu den »erinnerungen aus
der Steinzeit. II: nr. I steht in beil. zu n. 338. — Zur archäologi-
schen literatur , von prof. X. Kraus , bespricht kurz werke von de
Rossi und Oarucci, die sich auf die katakomben beziehen und macht
dabei aufsein eignes buch aufmerksam: über die römischen blut-am-
pullen. — Nr. 362: inhaltsangabe von heft 2 des werkes des berli-
ner generalstabes über den krieg von 1870/71. — Beil. zu nr. 362:
die grundlinien des hm von JVlühler: anzeige. — Nr. 363: kurz
wird aufmerksam gemacht auf das werk: La conquete de Constantino-
ple par Geoffroi de Villa Hur du in, publice pur Natalie de Wailiy.
Paris. Didot. 1872, gleichzeitige beschreibung der eroberung von
Constautiuopel 1204. — Beil. zu nr. 361 — 366: Th. Ziegler kritik
gegen kritik. I. II. III: bezieht sich auf das buch von Slrauss:
der alte und der neue glaube: s. ob. heft 1, p. 61. — Nr. 366:
ultramontane Schmähschriften und heiligea-erscheinungen im Elsass. —
Die ausgrabung und Wiederherstellung der Krypta unter dem ostchor
des rnainzer doms: zeigt unter andern, wie weit sich die alte römi-
sche technik ins mittelalter erstreckt. — Beil. zu nr. 366: eine kri-
sis des römischen Staats in alter zeit: wendet die zustände im j. 522
a. u. auf die kämpfe über die kreisverfassung im herrenhaus zu Ber-
lin an.
1873. Nr. 1: ein neujahrswunsch, von B. Auerbach: es möge der
10. mai zum festtag für die Wiedervereinigung Deutschlands bestimmt
werden. — Beil. zu nr. 1: Ausgrabungen in Troja: s. ob. heft 2, p.
125. — Nr. 2: ein blick auf die innere politik des deutschen reichs.
— Beil. zu nr. 2, nr. 13. Beil. zu nr. 13 Lauth, ägyptische reise-
briefe. 1.11. III. — Unterrichtsreform in Japan. — Nr. 3: die directo-
ren der höhern englischen schulen wollen die ersetzuug des lateini-
schen und griechischen Unterrichts durch französisch oder deutsch befür-
worten. — Beil. zu nr. 7. 8. 9. 10: Fr. v. Loher, vom sprach- und
Völkerstreit in Ungarn. — Beil. zu nr. 9 : iu Sachen des Strauss'-
schen buches, von Haber; gegen Ziegler, s.- ob. beil. zu nr.364. — Beil.
zu nr. 10: Louis Napoleon f- — Kraus, katakomben und christliche
kunst: anzeige: s. ob. in beil. zu nr. 361. — Erklärung des aus-
drucks blaustrümpfe.
Nr. 4. April 1873.
Philologischer Anzeiger.
Herausgegeben als ergänzung des Philologus
von
Ernst von Leutsch.
98. Studien zu Valerius Flaccus von Dr Adolph Löh-
bach. Jahresbericht des progymnasium zu Andernach für
das Schuljahr 1871 — 72. 17 s. 4.
Der Verfasser, welcher schon in dem programme von 1869
schätzenswerthe beitrage zur kritik der Argonautica geliefert
hatte, bespricht in dieser abhandlung wieder eine ziemliche an-
zahl von stellen dieses gedichtes, welche er theils zu erklären,
theils zu verbessern sucht. Seine kritik ist fast durchaus eine
objective, auf richtigen anschauungen von der Überlieferung des
textes beruhende, und macht so einen sehr wohlthuenden ein-
druck gegenüber der ganz unverantwortlichen willkür, mit wel-
cher neulich in den Jahn'schen Jahrbüchern (1872, 3, p.197 ff.)
die Argonautica behandelt worden sind. Auffallend ist es, dass
Löhbach, der doch sonst mit recht auf den codex des Carrion
(C) kein gewicht legt, VIT, 341 qui nunc est periturus (qui nunc
est prvnwevus C, qui nunc est crudelis Monac.) schreiben will;
denn crudelis, die echte lesart, kann man doch nicht so leicht
preisgeben und jenes periturus lässt sich nur dann denken, wenn
man von jenem primaevus ausgeht. Um nun gleich diejenigen
bemerkungen, welche beachtenswerth scheinen, hervorzuheben,
erwähnen wir I, 535 die richtige erklärung von varios . . .
reges (ich hatte dafür mit Slothouwer varias . . . leges ge-
schrieben), wornach darunter die in den verschiedenen perioden
der geschichte herrschenden Völker (vgl. 543) zu verstehen sind;
es ist belehrend hiefür Eutil. Nam. I, 83 ff. zu vergleichen;
ferner die conjecturen meriti I, 797 (obwohl regis tectis sich als
ein begriff fassen lässt), nam II, 524, cum III, 350, illum statt unum
VII, 240, invictae VIII, 224; der Vorschlag die verse VI, 572—574
Philol. Anz. V. 12
178. 98. Valerius Flaccus. TCr, 4.
hinter 554 zu stellen, die interpunction proxima, quaegue IV,
440 , dann der weitere nacbweis für die in meinen Stu-
dien p. 12 ff. begründete ansieht, dass Valerius sein gedieht
in unfertigem zustande hinterlassen habe, der aus III, 181 ge-
zogen wird; denn dieser vers ist an seinem platze allerdings
befremdlich, obwohl ich ihn deshalb noch nicht der Hylasepi-
sode zuweisen möchte. Der schroffe Übergang VI, 755 wird
wohl aus demselben gründe zu erklären sein und möchte ich
deshalb die conjeetur ad fera Nyctelii paulum ut per cett. nicht
vertreten. Ganz vortrefflich ist die bemerkung zu III, 208
ff., dass hier, sowie IV, 507 ff. und 686 ff. nur der aus-
bruch des Vesuv im august 79 gemeint sein kann, da man
ja bis zu diesem jähre, insoweit es eine historische Überliefe-
rung gibt, den vulkan für erloschen hielt. Darnach war
Valerius um das jähr 80 erst in der ausarbeitung des dritten
und vierten buebes begriffen, kann also recht wohl bis 86 oder
87 gelebt haben, wodurch das bekannte nuper des Quintilianus
eine leichtere deutung erhält. Wir sehen daraus, dass er sehr
langsam arbeitete; denn 71 war das buch vollendet (vgl. meine
Studien p. 6 ff.) und 15 oder 16 jähre nachher war der dich-
ter nur bis in die mitte des achten buches gekommen.
An anderen stellen kann ich mich mit dem, was der verf.
bietet, nicht einverstanden erklären. Die conjeeturen me Pe-
lias, me fata trahunt (I, 200), paratos statt paternos (243), et
meritos (508), bruma rigens (515), resoluta (II, 536, nicht wie irr-
thümlich steht, 526; so muss auch gleich vier zeilen nachher
562 statt 526 geschrieben werden), VII, 119 consedit in und dgl.
sind überflüssig, da die überlieferte lesart sich ganz gut erklären
lässt. Um nur eines oder das andere der eben angeführten
beispiele näher zu beleuchten, heben wir v. 508 heraus, wozu
vf. bemerkt „an ist nicht haltbar, weil es einen gegensatz
voraussetzt , welcher zwischen der glücklichen fahrt der
Argo und den klagen des Sol nicht existirt". Diese auffas-
sung ist unrichtig. Der Sonnengott, welcher den willen des
Juppiter recht wohl kennt, stellt sich so, als ob er noch daran
zweifelte und fragt: „ist dies dein wille, in welchem falle ich
mich bescheiden müsste, oder kann ich mich darüber ausspre-
chen". Man sieht, dass an hier ganz passend ist. — Bruma statt
nube (v. 515) wäre erträglich, wenn es als ablativ gefasst wer-
Nr. 4. 98. Valerius Flaccus. 179
den könnte, aber als nominativ ist es doch gar nicht denkbar,
weil offenbar sona das subject ist; nur für dieses subject passt
nescia veris, dagegen für bruma nicht, und man wird doch nicht
nach rigens interpungieren wollen. Allerdings hat der dichter
die stelle des Lucanus Phars. I, 27 vor äugen gehabt, aber
dort steht bruma rigens ac nescia vere rernitti, was doch etwas
ganz anderes ist. Mit mibe wollte der dichter den nebel be-
zeichnen, der bei grosser kälte die ferne einhüllt. Man muss
auch nur bedenken, dass die dichter bei ihren nachahmungen
vieles veränderten und gerade in dieser Umformung der stellen
der eigenlhümliche reiz für den leser lag. VI, 300 gebe ich
das von mir vermutbete Cyrnum (Löhbach schlägt natura vor)
nicht auf; denn gerade die nennung des namens scheint hier
bedeutend, wo der vater durch die schlachtreihen irrt und den
namen seines lieblings ruft.
An anderen stellen, wo der verf. die Überlieferung gegen die
vorgeschlagenen Verbesserungen zu vertheidigen sucht , möchte
ich ihm gleichfalls nicht beistimmen, wie z. b. I, 63, wo er externis
als aus dem sinne des dichters gesprochen fassen will: „aus-
ländische, d. i. mit einem besonderen grauen umgebene gift-
kräuter"; I, 524, wo er generös festhalten will, indem er hiezu
aus dem vorhergehenden Graia stirpe ein Graios ergänzt ; II
395, wo er natorum tempora zu rechtfertigen sucht mit der er-
klärung „wann werden unsere kinder so weit herangewach-
sen sein, dass familie und staat wieder in Ordnung kommen":
aber es handelt sich hier ja darum , dass sie erst kinder be-
kommen, und darum wird wohl corpora, was ich vorgeschlagen
habe, richtig sein. Auch die vertheidigung von quantisque I, 242
wird schwerlich dieses retten. III, 439 möchte ich jetzt pectora,
was als der bezeichnende theil für das ganze steht, gegenüber
der conjectur Löhbachs' corpora, auf die übrigens auch ich ver-
fallen war, festhalten; tergora, was Löhbach jetzt nach Bäh-
rens empfiehlt, passt nicht zu prosectaque ; jedenfalls muss aber
440 partim wegen des folgenden partim geschrieben werden J).
1) Ein versehen enthält die bemerkung zu I, 75 , indem nämlich
superet mit duret verwechselt ist. — In der verzweifelten stelle V,
670 dürfte meine vermuthung, dass in fas aliquae: fessaque steckt
(denn auf die übrigen worte in meiner conjectur lege ich selbst kein
gewicht) doch von werth sein und vielleicht zur vollständigen emen-
dation führen; man vergleiche nur III, 664 nomine fesso.
12*
180 99. Bellum Africanum. Nr. 4.
Auch manche der hier empfohlenen Interpunktionen lassen
sich schwerlich ausreichend begründen, z. b. I, 529, wo tempta-
taque wieder zum folgenden gezogen werden soll. Dem ein-
würfe, dass dann der satz qui . . . videt keinen sinn gebe, sucht
Löhbach durch die bemerkung zu begegnen. Mars sehe sich
durch die rede des Sol im besitze des goldenen vliesses ge-
sichert. Aber dies können ja die worte: qui vellera dono Belli-
potens sibi fixa videt, gar nicht bedeuten. Das gleiche gilt von
den interpunctionen II, 75 ff. aves. cum . . , undas, certatim, 103
S(j. auro ; sidereos diffusa sinus eadem.
Sehr scbätzenswerth sind die zahlreichen nachweisungen der
Vorbilder einzelner stellen aus Vergilius, wodurch die Sammlung
in meinen Studien p. 103 ff. mehrfach ergänzt wird, aus Ovi-
dius und Lucanus , ebenso die der nachabmungen von stellen
der Argonautica bei Statius.
K. S.
99. Das bellum Africanum, sprachlich und historisch be-
handelt, mit kurzer einleitung über titel und Verfasser, sowie
die fortsetzungen zu Caesar überhaupt. Von Franz Fröh-
lich. 8. Erugg. 1872. 100 s.
Wenn im allgemeinen die vortrefflichen prolegomena von
Nipperdey zu Cäsar die grundlage jeder späteren Untersuchung
bilden müssen, so hat auch hier die grundausicht über die
Verfasser des Bellum Africanum und Hispaniense nur einige
modificationen erlitten, wonacb jene beiden, Offiziere niederen ran-
ges, die schritten nicht im auftrage des Hirtius, sondern zu ih-
rem privatvergnügen nach der beendigung des feldzuges ausge-
arbeitet und den obercommandanten , unter denen sie gedient,
zugeeignet hätten, wodurch dann weiter dieselben in die bände
der vertrauten Cäsars gelangt und zur Vervollständigung des
unvollendeten werkes verwendet worden wären. In entschie-
denem Widerspruch aber mit Nipperdey und den meisten litte—
rärbistorikern stellt sich vf., indem er gelegentlich das Bellum
Alexandrinum nicbt dem vf. des achten buches des Bellum Gallicum
Hirtius, sondern dem L. Cornelius Baibus zuschreibt, eine hypo-
these , welche wir zwar durch einige stilistische beobachtungen
(8, 28. 33. 78 demonstravimus , docuimus, scripsimus, bloss 35
scripsi; BAlex. 10. 19. 44. 47. 48 docui, scripsi, commemoravi,
Nr. 4. 99. Bellum Africanum. 181
etatui) unterstützen, durch andere aber auch zurückweisen könn-
ten und daher nicht für richtig halten, schon darum nicht, weil
die Voraussetzung derselben , Baibus habe den stil des vf. des
achten buches nachgeahmt (warum nicht des Cäsar, an den er
anscbloss?), nicht gerade glaublich erscheint.
Dagegen hat vf. entschieden recht, wenn er die titel der
fortsetzungen als unpassend (BAlexandrinum) oder unsicher
(BAfricanum, Africum, Afiicae) bezeichnet. Er durfte vielleicht
noch einen schritt weiter gehen, und den nur auf c. 1 — 33,
nicht auf 34 — 78 passenden titel BAlexandrinum als aus den
anfangsworten (hello Älexandrino conflato), welche an BCiv. 3, 112
(Tiaec initia belli Alexandrini fuerunt) anknüpfen, entstanden be-
zeichnen, da doch der vf. ebenso gut ein viertes buch de hello
civili zu schreiben die absieht hatte, als mit der fortsetzung der
sieben bücher des BGallicum ein achtes, und jene Schlussworte
Cäsars (3, 112) so wenig auf eine bestimmte buchüberschrift hin-
weisen, als 1, 30. 4, 16. 5, 4 die bezeichnung BHelvetiorum,
Germanicum, Britannicum. Was den von Fröhlich vorgezogenen
titel bellum, Africanum betrifft, so ist derselbe wohl sprachlich cor-
rect nach des verfs. subtiler Unterscheidung; damit aber noch
nicht bewiesen, dass der halbgebildete autor gerade diese form
gewählt habe, da Cäsar selbst BCiv. 2, 31 (was schon Nipp,
p. 92 anführt) von einem bellum Africum spricht 1).
Der hauptwerth der abhandlung besteht in dem zweiten,
umfangreichsten theile, welcher die schrift nach der sprachli-
chen seite untersucht, und auf grund sorgfältiger beobacb-
tungen eine reihe schöner emendationen und conjeeturen vor-
legt. Man kann in dem stile zwei verschiedene elemente un-
terscheiden, die dem vf. geläufige ausdrucksweise (Vulgärlatein),
und die künstlerisch - rhetorische , zu der er sich zu erheben
mühe giebt : unvermittelt, wie sie geblieben sind, geben sie der
darstellung etwas buntscheckiges und unharmonisches. Der vf.
1) Wenn es Cäsar vergönnt gewesen wäre sein werk selbst zu
vollenden, so ist sogar wahrscheinlich, dass die beiden titel BGalli-
cum und BCivile in einen haupttitel rerum suarum (Cic. Brut. §. 263.
Suet. Caes. 56) oder rerum (a se) gestarum (BG-all. 8. praef.) auf-
gegangen wären: wenigstens fasste das alterthuin das werk als auto-
biographie, nicht als historia. Bei Appian Celt. 18 wird zu lesen
sein: iv rals {(frjutQcus dvayqct^ais (commentarii) iwv Witav egyiay (re-
rum suarum).
182 99. Bellum Africanum. Nr. i,
hat es indessen nicht dabei bewenden lassen, die eigenthümlich-
keit des autors festzustellen, sondern oft den Sprachgebrauch
Cäsars oder der bedeutendsten römischen historiker überhaupt
in vergleich gesetzt, wodurch einzelne excurse eine weiter grei-
fende bedeutung erhalten haben. Man vgl. p. 18 über magis
mit dem comparativ, 29 über perfecta auf erunt [ere], 44 über
gebrauch und Stellung von namque und nam , 54 über die mit
präpositionen componirten verba, welche bloss eine Verstärkung
des grün d begriff es enthalten, 58 über bildungen wie errabundus.
Von emendationen heben wir hervor c. 20 milites als glossem zu
stipendiarii zu streichen; 26 dirui delerique statt deserique nach
c. 20; c. 38 facile für facere; c. 50 adversarii statt dbusi, 88
das comma vor omnes zu setzen, nach analogie von 37. 63;
19 Buthroto statt Brundisio; c. 20 praeter ea pauea, quae war
das pronomen zu tilgen, nach c. 95.
Da es dem vf. am wenigsten gelungen ist, das vulgäre
in der spräche nachzuweisen, so mögen hier einige nachtrage
folgen, damit nicht aus dem stillschweigen der schluss gezogen
werde, als sei es der lexicalischen forschung unmöglich in die-
ser richtung weiter vorzudringen. Wie pulcher in der Umgangs-
sprache durch das in den romanischen sprachen erhaltene bcllus
vertreten ist, so finden wir auch im BAfricanum oft durch magnus
das bei Cäsar seltene grandis ersetzt (18. 24. 34. 42. 48.
76. 79) und durch aliquantus (21. aliquantumnumerurn)] parvus
durch minutus (27. 29. 51. Hisp. 5: vgl. minutatim 31. 78,
minor, minimus, Terent. Andr. 369 pisciculos minutos, Cic. ad Att.
16, 1, 3 navigia minuta, Vitr. 7, 5 minutum theatrum) und durch p au'
cus (67 pauco numero) und zwar grade in Verbindungen wie
minuta proelia, wofür Cäsar 2, 30. 5, 50 parvula proelia sagt.
Für „ausgezeichnet" schreibt der vf. des BAfricanum mirabi-
lis 10. 13. 22. 31. 37. 69, welches bei Cäsar und seinen fort-
setzern ganz fehlt , (Hirtius admirandus) , oft auch das bei Cä-
sar verhältnissmässig seltenere mirificus.
Zu den von Nipperdey p. 18 gesammelten vulgären deminu-
tivformen fügt vf. uurichtig sagulum, insofern diese form (der liebe
mantel, vgl. lectulus, sella = sedecula) auch von Cäsar, Livius u.
a. gebraucht wird; unbesprochen aber blieb villa (9. 26. 40. 65.
67. 91 bis), welches wort bei Cäsar und seinen fortsetzern fehlt
und sich der bedeutung nach als deminutiv zu vicus (vicula)
Nr. 4. 100. Grammatik. 183
präsentiert. Aus der vergleichung von c. 26 villas exuri, agros
vastari mit Cäsar 3, 29 (vastatis agris, vicis aedificiisque incensis
und ebenso 2, 7. 4, 4) möchte man schliessen, dass der vf.
unter villa nicht nur einzelne häuser, sondern ganze, mit mauern
umschlossene gehörte (c. 40) und complexe mehrerer Wohnun-
gen versteht, woraus sich das französische vüle besser ableiten
lässt.
Unter den verben finden wir beispielweise curro mit Sipp-
schaft für ire, venire; porto für fero, z. b. 69 sarcinas compor-
tare für das cäsarianische conferre; einen ausgedehnten gebrauch
von porrigere (4. 17. 30. 42. 60. 78) und dirigere; convulne-
rare neben vulnerare, se fugae commendare 34 statt man-
dare (BGall. 1, 12 und oft), consuefacere für adsuefacere, die
archaistische wendung sauciis f actis c. 70, wie bei Cato frg. 83
Peter., Sisenna fr. 36; unter den adverbien konnten citatim,
catervatim, cumulatim , minutatim, ordinatim u. a. in bezug auf
Vulgarismus oder archaismus näher untersucht, hercule, meher-
cule 12. 16 als bei Cäsar und seinen fortsetzern fehlend be-
zeichnet werden u. s. f.
Der dritte theil der dissertation führt aus, dass das BAfrica«
num von Plutarch im leben Cäsars direct (entgegen der an-
sieht Peters), von Dio Cassius indirect, von Appian gar nicht
als quelle benutzt worden sei. Auch diese Untersuchung be-
stätigt unser gesammturtheil , dass wir, einzelne mängel und
versehen abgerechnet, eine ebenso fleissige als wackere erst-
lingsarbeit vor uns haben.
E. W.
100. Studien zur griechischen und lateinischen grammatik
herausgegeben von Georg Curtius. Fünfter band. 8. Leip-
zig. Hirzel. 1872. 442 ss. — 2 thlr. 20 gr.
Diesen neuen band der Sammlung eröffnen „Beiträge zur
stammbildungslehre des griechischen und lateinischen" von Gu-
stav Meyer (p. 1 — 116): der vf. geht aus von den bekannten,
von den verschiedenen forschem in der abweichendsten weise
erklärten Zusammensetzungen, bei denen das zweite glied in
abhängigem verhältniss zum ersten steht, und sucht dem ersten
theile nomina mit suffix as, a, ti und i zu vindicieren. Den
Schwerpunkt seiner Untersuchung legt er indessen in den nach-
184 100. Grammatik. Nr. 4.
weis, dass in der griechischen wie in der lateinischen Wortbil-
dung ein sehr ausgedehnter Übergang aus der consonantischen
in die vocalische declination stattgefunden habe, indem sich
consonantische stamme im auslaut mit einem vocal erweiterten,
und dass man das o bzw. i, das am ende des ersten gliedes
von Zusammensetzungen erscheint, nicht für einen bindevocal
zu halten habe, der hier wie sonst keine berechtigung hat,
sondern entweder für den hier bewahrten auslaut eines ur-
sprünglich vocalischen Stammes oder für eine solche vocalische
Stammerweiterung. In einem „Nachtrag" p. 335 — 338 wird
auf analoge erscheinungen im prakrit und in der verbalbildung
hingewiesen.
Die zweite grössere arbeit des bandes sind sehr sorgfältige
Untersuchungen über die griechische metathesis von Justus Sie-
gismund (de metathesi graeca cajpita duo, p. 117 — 217). Den
grund der metathesis sieht der vf. in einem gewissen übereilen
im aussprechen besonders der liquiden und nasale, wodurch
diese vor dem vocal anticipiert werden , dem sie eigentlich fol-
gen sollten. Es lässt sich nicht leugnen, dass erscheinungen
der späteren vulgärsprachen diese auffassung begünstigen, wie-
wohl man für die ältere zeit gern an der Benfey'schen ansieht
fest hält, wonach die metathesis ihren ursprupg verdankt einer
vocalisierung der in den liquiden enthaltenen stimme (ra ara
ar<* arj. Nur liquiden und nasale werden von der metathesis
betroffen, und zwar letztere weitaus seltener; dabei werden die
liquidae vor den vocal gesetzt (eine besonders im slawischen
häufige erscheinung), selten und nur in späten beispielen der
vocal vor die liquida. In §. 4 wird die metathesis des q, in
§. 5 die des X besprochen; das etymologische material ent-
nimmt der verf. fast durchweg Curtins und Fick, ohne eigene
combinationen zu machen, eine mässiguug, die da, wo es sich um
eine nach sicheren resultaten ausgehende lautgeschichtliche Un-
tersuchung handelt, gewiss nur zu billigen ist. Eine beraer-
kung möchten wir uns zu xQutvta p. 148 erlauben, das auch
von Maurophrydes Kuhn Z. VII, 353 nicht genau aufgefasst wor-
den ist; der nasal des Stammes xgav erklärt sich aus dem ver-
wachsen des nasalsuffixes mit der wurzel kar, die ursprünglich
mit 6uffix nu flectiert wurde (ved. krnömi d. i. kar-nü'ini,
später karömi). In §. 6, wo der vf. die nur in einzelnen for-
Nr. L 100. Grammatik, 185
men stattfindende metathesis behandelt, kommt er auch zur be-
sprechung der dative nargaat u. s. w., die er meiner meinung
nach richtig aus metathesis (für narag - ai) erklärt ; Brugmann in
demselben bände p. 330 kämpft für synkope und binde -vocal
(nwiEQ-a -oi) ; aber wie g vor sich ein a entwickeln konnte,
so konnte es auch ein stimmhaftes a bewahren , und die an-
nähme eines bindevocals hat hier wie überhaupt in der flexion
keine berechtigung. Die fälle, wo die Versetzung der liquida
mit einer affection des vocals verbunden ist, werden §. 7 be-
handelt ; hier scheint uns die auseinandersetzung über xgitoi p.
179 an einer gewissen Unklarheit zu leiden. Die durch meta-
thesis entstandene wurzel y.gt liegt noch vor in xfi-xpT-xct xgi -
ro-g y.Qi-ai-g; einstige nasalflexion dieser wz. wird erwiesen
durch das lateinische cer-no, dessen identität mit xgiva freilich
nicht so gross ist, als auf den ersten anblick scheinen könnte;
denn die länge des T und das aeolische xgiww weisen deutlich
auf einen untergegangenen Spiranten hin. Wir haben uns den
Vorgang so zu denken, dass der nasal der praesensbildung mit
der wurzel verschmolz, so dass man kqiv als neue wurzel be-
trachten und mit neuem praesensstammbildungssuffix , wohl ja,
flectieren konnte. Aus diesem nghjco entstand durch assimila-
tion XQivvta und daraus durch schwinden des einen * und ersatz-
dehnung (d. h. nach Job. Schmidts unzweifelhaft richtiger auf-
fassung, durch Verschmelzung von tv zum nasalvocal und daraus
hervorgehende längung des i) xgivco , nicht, wie Curtius auch
hier will, durch epenthese. §. 8 behandelt die seltene nach-
Stellung der liquida (z. b. 'jägzaqjsgvqg aus 'AgTctqgtvtjg Aeschy-
los, altp. — frana), §. 10 die metathesis der nasale, §. 11
Wurzelvariation durch metathesis; in der erklärung dieser er-
scheinung p. 206 schwankt der verf. zwischen synkope und
metathesis umher, augenscheinlich verwirrt durch die Voraus-
setzung graeco - italischer formen, mit deren ansetzung man doch
vorsichtiger sein muss , besonders seit Joh. Schmidts letztem
buche über die Verwandtschaftsverhältnisse der indogermanischen
sprachen. Metathesis im aulaut und metathesis von liquidae
und nasalen mit consonanten schliesst die interessante und
ergebnissreiche Untersuchung.
Von den übrigen beitragen heben wir die miscellen des
186 101. Grammatik. Nr. 4.
Herausgebers p. 218 und 241 ff. hervor, der uns auch durch
den Wiederabdruck seines kieler programms de aoristi latini re-
liquiis 431 ff. eine sehr willkommene gäbe gebracht hat;
möchte es ihm gefallen auch seine andern kleineren Untersuchun-
gen durch eine Sammlung allgemeiner zugänglich zu machen. —
Einen beitrag zu dem noch leider so ungenügend bearbeiteten
ionischen dialekt gibt die arbeit von Wilhelm Ermann de ti-
tulorum ionicorum dialecto (251 — 310), während sich Nie. Chalkio-
pulos aus Lokris in seiner abhandlung : de sonorum affectionibua,
quae pereipiuntur in dialecto neo -locrtca p. 339 ff. an die grössere
arbeit von Deffner im vorigen bände Neograeca anschliesst. Ety-
mologisch ist der beitrag von Brugmann p. 220, onomatolo-
gisch Angermann die römischen männernamen auf a, sprach-
physiologisch Brugmann zur physiologie der r-laute in den in-
dogermanischen sprachen p. 311 ff.; interessant ist endlich auch
der aus dem englischen übersetzte aufsatz : Ueber wesen und
theorie der griechischen betonung (p. 407 ff.) von dem leider im
november vorigen Jahres zu New - Haven verstorbenen profes-
sor Hadley, einem der bedeutendsten Vertreter der Sprachwis-
senschaft jenseits des oceans. Gustav Meyer.
101. Dr G. E. H. Raspe, Grammatische kleinigkeiten
(programm der domschule zu Güstrow) 1871. 4. 23 s.
Es sind verschiedene fragen aus dem gebiet der griechi-
schen und lateinischen syntax, die hier, zum theil mit recht
lebendigem Sprachgefühl behandelt werden: I) der genetiv
bei den verben des sagens im griechischen. „Es
gibt eine anzahl von stellen bei griechischen dichtem und pro-
saikern, insbesondre bei Sophokles, in denen zu den verben
des sagens ein genetiv in der art gesetzt erscheint, dass man
zweifelhaft sein kann, ob dieser casus unmittelbar von dem ver-
bum des sagens abhängt oder von etwas andern — zum theil
auch, ob eine anakoluthische fügung anzunehmen ist oder nicht".
Der vf. geht von der bekannten stelle bei Soph. 0. T. 700
C(irö — KoiovzoQ) old ptoi ßeßovisvxojg s%ei aus und gelangt
durch betrachtung der andern stellen: Trach. 1122, Philoct.
439, Electr. 317, Ai. 1236, Trach. 928 und 0. Col. 355, un-
ter hinzunahme von Hom. Od. XI, 174. 494. 506. XV, 347
zu dem resultat, dass der genetiv hier überall zu dem
Nr. 4. 101. Grammatik. 187
verbum des sagens gehört: „1. das subject des neben-
Satzes wird in den hauptsatz gerückt, dadurch zu einem objec-
tivum des verbums des hauptsatzes umgewandelt, und erscheint
im genetiv, um sich zunächst nur ganz allgemein als den ge-
genständ vorzuführen, von welchem die rede ihren stoff ent-
nimmt oder entnehmen soll ; der abhängige satz enthält dann
die specielle angäbe dessen, was über diesen gegenständ ge-
sagt wird oder gesagt werden soll"; „2) der genetiv ist nicht
aus wegrückung aus dem nebensatz in den hauptsatz ent-
standen , da anstatt eines abhängigen satzes ein nominalob-
ject (Ai. 1236) oder ein pronominalobject (Trach. 928) ge-
treten ist, oder das object in passiver construction als sub-
ject des satzes erscheint (0. C. 355), oder endlich das verb
des sagens absolut (ohne accusativ des inhalts) steht, (Philoct.
441 noiov 8s tovzov nXfjv y* '(Idvootag igsig)11. Wenn aber
der vf. dabei zu 1 behauptet, es mache für den gedankenin-
halt keinen unterschied ob der genetiv oder der accusativ stehe
und Sophokles habe (abgesehen vom hiatus) 0. T. 700 ebenso
gut sagen können: eym — Kqsovtu, oid poi ßsßovXtvxdäg «#£«,
so verkennt er die wesentliche differenz zwischen der anwen-
dung des genetivs und der des accusativs doch in höchst auf-
fallender weise. Er gesteht zwar zu, dass „dem accusativ
eine andere anschauung zu gründe liege, insofern dieser den ge-
genständ bezeichne, über welchen hin sich die rede verbreitet";
indem er aber zur begründung der eben erwähnten behauptung
(Sophokles habe a. a. o. ebenso gut sqoj Kotovra sagen kön-
nen) stellen wie Phil. 573 d).Xu top 8 s (xqi (poüaov ttg iaiiv
und O. T. 740 iov 8s Aä'iov cpvaiv x'iv stys cpod^s anführt,
übersieht er gerade den gruud , aus dem in den beiden letzten
fällen der accusativ steht, während 0. T. 700 und in ähnlichen
stellen der genetiv gebraucht wird. Wo die aussage die ganze
person an sich, ihr dasein, umfassen soll, da wird das in den
hauptsatz als object zu qiQiiaov , ggü^s gezogene subject des
nebensatzes in den accusativ gesetzt (und verhält es sich in
dieser beziehung mit röiSs fxoi cpodaov ilg iativ schlechthin
nicht anders als wie mit ol8a zovtov ibv uv8qh Sang iazlv)]
soll aber etwas von der person , eine thätigkeit , läge, zu-
stand u.s.w. gesagt werden, so stellt der dichter das in den
hauptsatz gezogene subject des nebensatzes in den genetiv:
188 101. Grammatik. Nr. 4«
sqoo Kgiovrog, olä [tot ßeßovlsvxcog s%ei oder iT\g firtTQog tJxoo rijg
sp>ig (fgdamv iv oig tvv iaziv xta. Schon daraus ergiebt sich
zugleich, dass die behauptung des vf. zu 2 : „darnach kann man
also griechisch sagen: 1) igä Kgiovrog ola — s'^ct, 2) iom
Koeovrog 7«5f, 3) sgä Kgsovrog schlechtweg" — in dieser ab-
stracten fassung unhaltbar ist. — Unter II M)j ov mit
dem particip, werden Herod. II, 110; VI, 9. 106, Soph.
0. C. 258. 0. T. 13, und ausführlicher 0. C. 221 besprochen.
„In allen diesen stellen hat sich mit der negation des haupt-
satzes die Vorstellung oder auch das flüchtige gefühl eines hin-
derns, abwehrens, widerstrebens verbunden; diese Vorstellung
schwebt auch noch im participialsatz vor und kommt zu ihrem
bloss andeutenden ausdruck in dem zur negation hinzutretenden
prohibitiven /*/;". — Nr. III handelt vom Nominativus äbsolutus
und Infinitivus historicus. Sehr sinnreich stellt der vf. beide
neben einander: „wie der griechische nominativus äbsolutus
(vielleicht auch plasticus zu nennen, denn es liegt etwas pla-
stisches in dieser redeform: sie ist nicht aussage, sondern
darstellung) die schranken der grammatischen gesetze durch-
bricht, so thut es auch der lateinische infinitivus historicus, denn
in ihm erscheint die organische Verbindung des prädicats mit dem
subject formell aufgehoben, indem er der temporal- modal - und
personalbeziehungsformen entkleidet den verbalbegriff absolut
hinstellt. Und wie der absolute nominativ in seiner emancipa-
tion von den gesetzen der satzfügung darstellen will, so
will hier das prädicat in seiner emancipation von der gewalt
des subjects die aufmerksamkeit vorzugsweise auf sich
richten". — IV ist überschrieben: lam — cum. „Es gibt ein
doppeltes lam — cum, 1) das rhetorische, spannende,
welches zwei handlungen oder ereignisse derartig in beziehung
zu einander bringt , dass die mit cum eingeführte überraschend,
fördernd, hemmend, entscheidend in einen moment der im haupt-
satz dargestellten fällt, oder in dem moment ihres abschlus-
ses, unmittelbar nach ihr, eintritt, Liv. III, 18, 8; 60,9. II, 10,
10 etc.; 2) das logische, welches einfach angibt, dass die
erste handlung (oder das erste ereigniss) bereits eingetreten
oder vollendet war, als die zweite eintrat, Liv. XXII in. IX»
23, 13 etc" — Unter V wird ausführlich über accusativ-ap-
positionen in Sätzen, wie Cic. Or. 16, 52 hoc mihi quae*
Nr. 4, 102. 103. Lateinische grammatik. 189
rere videbarß, quod genus ipsius orationis Optimum iudicarem: rem
difficilem, dii immortales atque omnium difficillimam, gehandelt.
Zuletzt bespricht der verf. VI das Cum temporale und stellt
die regel auf: „wird das im nebensatz dargestellte ereigniss
als ein völlig eben so selbständiges gedacht wie das im baupt-
satz dargestellte, so bleibt der indicativ; der conjunctiv tritt
ein, wenn das nebenereigniss auch als nebenbestimmung des
hauptereignisses gedacht wird". „Wenn Cicero sagt Zeno-
nem cum Athenis essem audiebam frequenter, so versteht es sich
— meint der vf. — dass dafür auch eram gesetzt werden konnte;
es geschah nicht, weil Cicero seinen aufenthalt in Athen nicht
als etwas gewichtiges, auf das der leser wohl achten möchte, dar-
stellen wollte — das essem ist gleichsam ein conjunctiv der be-
scheidenheit". Sollte nicht vielmehr Cicero mit cum Athenis
essem haben sagen wollen: es verstand sich von selbst, dass ich
bei meiner anwesenheit in Athen auch dort die namhaften
damaligen philosophen und unter diesen den Epikureer Zeno
(Fin. B. et M. I, 5, 16) hörte.
Was übrigens die correctheit des drucks betrifft, so lässt
diese mitunter viel zu wünschen übrig. Fehler wie p. 1 ^ap»
&sv (statt tjfiuQtsv) und ganz unten rovto (statt toviov) , (p. 4
Od. 11, 106 (statt 5u6), p. 5 eiaäv (statt eintov), p. 8 der
parodos (statt die parodos), p. 10 oifioyh (statt oifimyij) durf-
ten doch, zumal der verf. nach seiner eigenen Versicherung (p.
20) bei diesen kleinen abhandlungen hauptsächlich seine Schü-
ler im äuge hat, auf keinen fall uncorrigirt bleiben.
n.
102. 1) Lateinische schulgrammatik von Latt mann-Mül-
ler. 3. aufl. Göttingen. Vandenhoeck u. Euprecht. — 1 thlr. 5 gr.
103. 2) Kurzgefasste lateinische grammatik von Lattmann-
Müller. 3. aufl. Göttingen Vandenhöck und Euprecht. 8.
1872. - 24 gr.
Wenn *) die Verfasser die Überzeugung aussprechen , dass
die lateinische grammatik nicht blos als dienende magd für den
zweck des lateinschreibens und der interpretation der schrift-
steiler in der schule anzusehen sei, sondern auch als selbstän-
diges bildungsmittel verwerthet werden müsse, und wenn sie
1) S. Philol. Anzeig. IV, nr. 11, p. 539. — Die redaction.
190 102. Lateinische grammatik. Nr. 4.
daraus folgern, dass die syntax eingebend auf unseren bildungs-
anstalten zu betreiben sei, so wird ihnen jeder lehrer nur gern
beipflichten. Denn , wie ein erfahrener pädagog mit vollem
rechte sagt, die syntax gerade einer fremden spräche, in ihrer
steten beziehung zu der muttersprache, muss dem schüler die
erforderliche schärfe und geschmeidigkeit in der anwendung der
denkgesetze geben. Daher kann auch ein systematischer Unter-
richt in der grammatik auf unseren höheren schulen nicht ent-
behrt werden; es mag möglich sein, die schüler auf dem wege
der baren empirie rascher zu einer bestimmten beherrschung
und verwerthung des Sprachschatzes zu befähigen, allein die
entwickelung ihres Verstandes wird bei einem solchen verfah-
ren ungebührlich vernachlässigt.
In einem punkte unterscheiden sich die obigen gramma-
tiken wesentlich von den übrigen (z. b. Zumpt, Schultz): sie
enthalten vieles, was diese bieten, nicht. So fehlt die wortbil-
dungslehre, und mit vollem recht, wie mir scheint; denn sie
steht doch blos zum prunk in den grammatiken und wird äu-
sserst selten oder nie benutzt. Auch die adverbia, conjunctio-
nen und präpositionen sind nur kurz behandelt, die interjectio-
nen gar nicht; wer näheres darüber wissen will, wird auf das
lexikon verwiesen. Desgleichen ist das ganze gebiet der synta-
xis ornata, als zur Stilistik gehörend, weggelassen worden ; nur
von den negationen handelt ein kurzer abschnitt. Auch die
prosodie und metrik sind ausgemerzt, blos dem römischen ge-
wicht, geld, mass und kalender ist ein kleines plätzchen in der
neuen aufläge vergönnt worden. Allerdings gehören bemerkun-
gen über Stilistik und metrik nicht eigentlich zur grammatik,
auch könnte ja für jene in einem besonderen hülfsbüchlein, für
diese in einem anhang zu Phädrus oder Ovid gesorgt sein ;
doch tritt dabei der übelstand ein, dass zu viele bücher dem
schüler in die hände gegeben werden müssen, um dies zu ver-
hüten, wäre es doch wünschenswerth, wenn die grammatiken
die „üblichen zuthaten" , wenigstens die syntax ornata, in ihren
bereich zögen.
Durch weglassung dieser zuthaten haben natürlich die Ver-
fasser viel räum gewonnen, um ausführlich, bis zu einem gc
wissen grade erschöpfend die einzelnen erscheinungen der h
teinischeu syntax zu besprechen und eingehend zu begründei
Nr. 4. 102. Lateinische grammatik. 191
so widmen sie z. b. der conjunction cum 16 Seiten, Schultz und
Zumpt nur 4 — 5 Seiten.
Während am Schlüsse der vorrede zur schulgrammatik gesagt
ist, dass dieselbe für gymnasien dienen solle, betont die vorrede zu
2., dass letztere da, wo man auf möglichste kürze besonderes gewicht
lege, als das einzige lehrbuch für das ganze gymnasium benützt wer-
den könne; zu diesem zwecke hat auch 2. in ihrer dritten aufläge
eine bedeutende erweiterung erfahren. Für realschulen reicht
sie in dieser fassung allerdings völlig aus; ob auch für gymnasien,
darüber lässt sich streiten. — Auf p. 1 — 107, also in der gan-
zen formenlehre und im ersten cursus der Satzlehre, der eine
übersichtliche lehre vom einfachen satze bietet, entsprechen sich
1 und 2 gänzlich ; in den übrigen §§ des zweiten und dritten
cursus ist der text vom 2. fast überall wörtlich dem texte
von 1 entlehnt. Die kürzere fassung von 2 (2 = 304,
1 = 423 seifen) ist dadurch gewonnen, dass ausführliche ent-
wickelungen, viele anmerkungen so wie beispiele in derselben
weggelassen sind , z. b. in §. 58, welcher vom abl. absolutus
handelt, enthält 1 zu anmerkung 2 die erweiterung über die
ausnähme von der hauptregel, nach welcher blos dann der abl.
absolutus stehen soll, wenn der nebensatz ein subject hat, wel-
ches im hauptsatz nicht vorkommt. Zu anm. 3, die in 2 einge-
klammert am Schlüsse steht, fügt 1 noch zwei beispiele hinzu. —
§. 149 ist die erscheinung , dass hinter den verbis des fürch-
tens ne = „dass", ut = ,,dass nicht'* steht, in 1 weitläufiger
erörtert als in 2, wo die stelle über die analogen verba „sor-
gen, besorgen" fehlt. Die am Schlüsse eingeklammerten worte:
„ut in diesen Sätzen als fragewort zu betrachten, ist schon we-
gen seiner in fragesätzen üblichen bedeutung nicht angemessen"
fehlen in 2, doch auch für 1 scheint mir die bezugnahme auf
eine andere erklärungsweise dieser construktion überflüssig, da
es für den schüler doch blos darauf ankommt, eine erklärung
als überhaupt gültig hinzunehmen , der lehrer aber das übrige
von selbst wissen soll. Auch scheint die gegebene begründung
nicht ganz stichhaltig, da ja ut = quomodo ziemlich häufig,
auch bei Cicero, sich findet; der haupteinwand, der sich gegen
jene erklärung geltend machen lässt, ist vielmehr der, dass,
wenn auch ut auf obige weise sich erklären liesse, ne noch
lange nicht dadurch erklärt wäre. Ferner stehen statt der
192 102. Lateinische grammatik. Nr. 4f
neun beispiele , die 1 bietet, in 2 blos sechs ; auch ist in 1 die
Übersetzung der beiden ersten weggeblieben. Zu anm. 2, 1
enthält 1 ein beispiel mehr, ebenso zu 2, drei; die in 2, 2
enthaltene bemerkung, dass Verla timendi selten den acc. c. in-
finitivo regieren, fehlt in 2 ganz. Ebenso fehlen zu anm. 3, 2
die vier letzten beispiele. Das darin vorkommende wort „Urbani-
tät" wird besser ins deutsche übertragen und durch „form der
höflichen Umgangssprache" ersetzt. — Was §. 158, A über
die bedeutung von quin, gesagt ist, wird in 2 ganz übergangen;
richtig ist die erklärung , dass quin nicht aus dem ablativ qui,
sondern aus dem flexionslosen stamme des relativs und ne zu-
sammengesetzt ist. So viel möge genügen, um das verhält-
niss der beiden grammatiken zu einander zu kon-
statieren.
Die zahl der belegst eilen für einen jeden einzelnen
fall ist eine grosse und dient dazu, die regel nach allen seiten
zu beleuchten und reichliche gesichtspunkte zu eröffnen ; nur
ist manchmal des guten zu viel geschehen. So z. b. werden
zu cum historicum 13 sätze angeführt, in der Schulgrammatik
gar 20, die eine volle seite einnehmen. Von jenen 13 Sätzen
könnten 6 und 7 recht gut fehlen, da sie dem fünften entspre-
chen. Die sätze zeigen in der mannichfaltigsten weise, wie der
satz mit cum bald am anfang, bald in der mitte, bald am
Schlüsse der periode steht; wie imperfekt und plusquamperfekt
sich verbinden; wie im hauptsatze meist das perfekt, seltener
des präsens historicum oder imperfekt gesetzt wird. Gut ist
die einrichtung, dass die belegsteilen mit angäbe des ortes, wo
sie verzeichnet sind, citirt werden; auch für die kurzgefasste
grammatik wäre dies durchaus wünschenswerth. Letztere bietet
manchmal andere belege als die schulgrammatik. Dass einzelne
stellen, die zur beleuchtung der regeln am geeignetsten sind,
mit den in anderen grammatiken angeführten übereinstimmen,
ist nicht zu vermeiden ; dass die belegstellen insgesammt aber
nicht daher entlehnt, sondern vermittelst sorgfälliger lectüre
selbständig zusammengetragen sind, davon zeugt jede seite.
Die anordnung der syntaktischen regeln, die auf genauer
einhaltung eines zu gründe gelegten Systems fusst, bietet dem-
gemäss in vielerlei hinsieht neues. So sind die sätze mit quin
ganz richtig unter die relativsätze gestellt, die mit quod unter
Nr. 4. 102. Lateinische grammatik. 193
die causalsätze, die verba impediendi und timendi unter die final-
sätze ; quo, welches sonst eine allein stehende regel füllte , ist
unter die Zwecksätze eingereiht worden. Die eintheilung der
nebensätze, die gruppirung der casusregeln ist in vielen punk-
ten von der gewöhnlichen abweichend. Sehr instruktiv um das
wesen des abl. absolutus erkennen zu lassen, ist, dass derselbe als
satztheil mit adverbialer bestimmung nicht beim particip, son-
dern unter dem ablativ behandelt ist. Dagegen missfällt mir,
dass die impersonalia: pudet, piget, paenitet, taedet, miseret, decet
und dedecet, interest und refert als zusatz zur casuslehre ange-
fügt sind, während sie doch einfacher unter dem genetiv bzw.
accusativ besprochen werden könnten.
Für viele fälle sind neue und treffende namen erfun-
den, welche das wesen des zu erörternden punktes scharf bezeich-
nen; so für die verba iudidalia, für den accusativus verbalis und
adverbialis, den ablativus separativus und sociativus sowie originis,
für cum inversum; neu ist ferner die beziehung der coincidenz,
sowie die Wahrnehmung, dass der conjunctivus zunächst für
den gebrauch im hauptsatze geschaffen ist und seine,
erst durch die weitere entwickelung der spräche und des satz-
baus entstandene, Verwendung im nebensätze also aus jenem ab-
geleitet werden muss, feiner die lehre vom selbständigen,
bezogenen und abhängigen gebrauch der tempora.
In der vorrede betonen LM ., dass sie den durchgreifen-
den gebrauch der mustergültigen prosa wiedergeben wollen,
modiöciren dies aber an einer anderen stelle dahiu , dass man-
che bemeikuugen über seltenere ersch>inungen auch in einer
Schulgrammatik nicht fehlen dürften. Ueber das maass des auf-
zunehmenden können freilich die meinungen sehr auseinander
geben; ich habe im folgenden einige punkte, wo änderungen
oder erweiterungen nöthig scheinen, zusammengestellt. — §.4
anra. fehlen unter den verbis, die auxiliär gebraucht werden kön-
nen: festinare Cic. Ep. ad Att. 3, 26. cessare ibid. 11, 11. instare
Liv. 24, 46. curare Cic. Tusc. 5, 31. parare Ep. ad Att. 14, 21.
cogitare p. Mil. 20. p. Sulla 24. — §. 26, anm. 1 vermisse ich die
bemerkung, dass der dativus ethicus bei Cicero fast nur in Ver-
bindung mit ecce vorkommt: Cic. Ep. ad Att. 2, 8. — §.30 anm.
1 ist die bei Livius öfter (Liv. 1 , 54, 9. 33, 46. 8. 45, 30,
2) vorkommende redensart divisui esse nicht erwähnt. — §. 33
Philol. Anz. V. 13
194 103. Lateinische grammatik, Nr. 4.
könnte hinzugefügt werden, dass der genetivus qualitatis biswei-
len in Cicero's briefen eine freiere Verwendung findet: ad Fam.
7, 1. 13, 77. 9, 26. 13, 29. — §. 45 anm. 1, c steht die re-
densart interdicere cui aqua et igni „verbannen" unter dem all,
separativus ; sie ist also von den verbis induere, donare u. s. w. (§.
29, anm 3), mit dem sie sonst zusammengestellt zu werden pflegt,
getrennt. — §.49, anm. 2 fehlt: seltenersteht statt des ablativs der
Zeitbestimmung die präposition ad, im deutschen durch „über" zu
übersetzen, um den endpunkt des Zeitabschnitts deutlicher zu
bezeichnen: Cic. Ep. ad Att. 12, 46.Tusc. 1, 37. — §.86 anm. 1
vermisse ich unter den redensarten, die, weil sie den auxilären
verbis entsprechen, mit dem infinitiv verbunden werden, in animo
est, stat, certum est, deliberatum est, iudicatum est mit den beleg-
stellen: Cic. Ep.Fam. 11, 14. Nep.Att.21. Cic. p. Eosc. Am. 11.
Ep. ad Att. 15, 5. Fam. 7, 32. — Zu §.86, anm. 2 fehlt unter den
verbis, die, vom gewöhnlichen Sprachgebrauch abweichend, den
infinitiv regieren: fugere: Cic. Att. 10, 8. p. Mur. 5. de orat.
3, 38. — Zu §. 88, 2. Unter den adjectiven und verben, die den
dat. gerundii zu sich nehmen, ist nicht verzeichnet: destinatus,
Liv. 1, 55, 7: itaque Pometinae manubiae, quae perducendo ad
culmen operi destinatae erant, vix in fundamenta suppeditavere. —
In §. 113, 2 gefällt mir die fassung der regel nicht: „nicht
selbsterlebte ereignisse stehen bei memini im inf. perfecti",
weil der ausdruck missverstanden werden kann. Denn (ich be-
spreche das beispiel) Cicero hat doch zu der zeit gelebt, als Marius
nach Afrika floh, wenn er auch nicht selbst zeuge de9 ereig-
nisses gewesen ist. Schärfer und klarer ist die gestaltung der
regel bei Schultz §. 393, anm. 1. — §.126 anm. vermisse
ich die bemerkung: dagegen muss der conjunktiv nothwendig
stehen, wenn die worte nicht aus dem sinne des erzählers, son-
dern der gerade handelnden person angeführt sind : Liv. 1,
59, 6: ubi eo ventum est, quacunque incedit armata raulti-
tudo, pavorem ac tumultum facit. rursus ubi anteire primäres civi-
tatis vident, quid quid sit, haud temere esse rentur. — §.151,
3 ist die erscheiuung , dass hiuter dignus u. s. w. der infinitiv
gesetzt wird, mit recht unbeachtet gebliebeu, da derartige sel-
tene licenzen des poetischen Sprachgebrauchs in eine
grammatik nicht gehören; diesem prinzip gemäss hätten auch die
anmerkungen 30, 2. 51, 2 wegbleiben sollen. — §.157 anm. 5
Wr. 4. 103. Lateinische grammatik. 195
sagen LM. zum Schlüsse: in Cicero's briefen öfter quod (eius) Jacere
poteris neben imperativ oder f utur : so Cic. Ep. Att. 10, 2. 11, 12.
Farn. 3, 2. Hier oder unter quoad muss die bemerkung ange-
fügt werden, dass in diesem sinne auch quoad gebraucht wird :
Cic. Ep. Farn. 3, 2. 5, 8 (an welchen beiden stellen freilich auch
die Variante quod existirt), de inv. 2, 6. Liv. 39, 45. — Zu §.
163 und 165 wiederholt sich die bemerkung, dass donec (bis)
mit dem ind. perfecti verbunden werde, mit dem unterschiede, dass
dort der gebrauch auf Cicero beschränkt, hier auf die Schrift-
steller vor Livius erweitert wird. Unter den beispielen zu 163
konnte, um einen inf. historicus im hauptsatze zu bieten, hinzuge-
fügt werden: Liv. 1, 54, 10 : sensus malorum publicorum adimi,
donec orba consilio auxilioque Gabina res regi Romano sine ulla
dimicatione in manum tr aditur.
Auf p. 1 der vorrede sagen die Verfasser: ,,in der syntax
hat eine consequentere und durchgreifendere berücksichtigung
der gesichtspunkte, welche ein sichereres und tieferes verständ-
niss der sprachformen und der spracbgeschichte an die band
geben, zu einer behandlung geführt, welche nicht nur auf eine
ziemliche anzahl einzelner Spracherscheinungen, sondern auf
ganze partieen der syntax ein neues licht zu werfen geeignet
sein möchte". Ich betrachte demgemäss die lehre vom abla-
tiv (p. 136 — 160). Die rein mechanische aufzahlung der ab-
lativarten ist völlig über den häufen geworfen und eine aus
den gesetzen der logik und der Sprachvergleichung sich erge-
bende statt jener aufgestellt. Richtig ist an diesem casus der
grundsatz durchgeführt, dass die spräche anfangs eine mehrheit
von casus hatte, deren luxus man später abwarf und aufs noth-
wendigste zurückführte; dass neben den sinnlichen anschauungen
als grundbegriffen des casus bald auch rein geistige mitwirkten ;
dass durch Substitution eines casus für einen andern der loca-
tivus und instrumentalis in den ablativus übergingen. Von drei
sinnlichen grundanschauungen ausgehend, gewinnen die Verfasser
den abl. localis (wo ? ), den abl. separativus (woher ?), den abl. so-
ciativus (womit?). Aus dem localis entwickelt sich der abl. tem-
poris ; aus dem separativus der abl. originis und mensurae\ aus
dem sociativus der abl. modi , qualitatis und instrumenti. Ein
nothbehelf ist nun, dass als vierte hauptart noch der abl. cau-
sae aufgestellt wird; dies kommt daher, weil er sich in seiner
13*
196 103. Lateinische grämmatik. Nr. 4.
geistigen Übertragung oft weit von der sinnlichen grundanscb.au-
ung entfernt, dass dieselbe nicht mehr mit Sicherheit zu bestim-
men ist und verschiedene auffassungen möglich sind. So ist
z. b. der satz amore pugnandi in exercitu remansit auf einen
abl. origini 8 zurückzuführen, amicitiam non spe mercedis ex-
petendam putamus auf einen abl. mensurae, crescit inopia
omnium longa ob sidione auf einen abl. instrumenta. Es
ist aber praktisch nicht ausführbar, wenn man unter jeder die-
ser Unterarten den abl. causae verzeichnen wollte, daher die be-
trachtung derselben als einer besonderen hauptart nicht zu um-
gehen. — Aus gleicher rücksiebt haben LM. in der schluss-
bemerkung zu §. 46 die construktion der verba privandi und
inopiae sowie complendi und copiae zusammengeworfen ; denn die
von ihnen aufgestellte erklärung, die construktion der ersteren
werde auf letztere übertragen, ist unstatthaft. Mit grösserem
rechte wird der ablativ bei letzteren als sociativus und zwar als
instrumentalis aufgefasst; daher müsste die regel, wenn einmal
die anordnung streng durchgeführt werden sollte, getheilt wer-
den. — Dasselbe schwanken ist beim ablativus pretii der fall,
der sich als abl mensurae oder instrumenti erklären lässt. —
Auch dass die regel §. 59 die vorher einzeln aufgeführten de-
pouentia noch einmal zusammenfasst, ist eine conivenz an den
praktischen schulgebrauch ; der ablativ bei utor, fungor, fruor,
vescor wird als instrumenti (bei fruor , vescor vielleicht besser als
separativus) erklärt , bei laetor und glorior als instrumenti oder
originis, bei dignor als mensurae, bei patior uad nitor als loci. —
Trefflich ist in §. 56 zu anfang die Unterscheidung des mittels,
des persönlichen Urhebers und der mittelsperson , sowie beim
abl. causae die von causa, propter, ob. — Trotz mancher Un-
ebenheiten ist die eiutheilung besser als die bei »Schultz, der blos
zwei hauptformen aufstellt , den instrumentalis und den localis,
unter welchen letzteren auch der separativus gerechnet wird.
„Sowie das buch jetzt vorliegt", sagen die Verfasser, ,,hat
es seine definitive gestalt erhalten , und Veränderungen werden
nicht weiter eintreten , insofern nicht der fortschritt der Wis-
senschaft solche unbedingt fordern sollte. Nur werden wir be-
müht sein, in einer etwaigen späteren aufläge einige inkonse-
quenzen in der Orthographie der belegstellen zu beseitigen".
Möchten die Verfasser danu auch die herkömmliche Schreibweise
Nr. 4. 104. Mythologie. 197
quum über bord werfen! Druckfehler habe ich nur sehr wenige
gefunden wie p. 118: gm., p. 136: der drei sinnlicher, p. 204:
acco m odata.
Mein gesammturtheil über die vorliegenden grarama-
tiken fasse ich dahin zusammen: sie sind eine auf selbständiger
forschung beruhende arbeit, welche in anordnung des Stoffes,
in beobachtung des Sprachgebrauchs und in mannichfaltigkeit der
belegstellen vieles neue und gute bietet.
C. Härtung.
104. Die religiöse seite der grossen Pythien. Ein beitrag
zur delphischen heortologie von Dr Ludwig Weniger. Er-
ster theil. Programm. 4. Breslau. 1870.
Diese gelehrt und gewandt geschriebene abbandlung bildet ei-
nen abschnitt aus einer „erschöpfenden darstellung des delphischen
festjahrs", die der vf. demnächst erscheinen zu lassen beabsichtigt.
Sie beschäftigt sich mit der „mythischen grundlage" der grossen
Pythien, um über die denselben zu gründe liegende religiöse
anschauung ins klare zu kommen. Hauptsächlich auf den ho-
merischen hymnus gestützt kommt der vf. zunächst zu dem re-
sultate, dass der cult des Apollon Delpbinios von Kreta aus in
Krisa gegründet sei. Er schreibt diesem einen von der übli-
chen auffassung des hellenischen Apollon völlig verschiedenen
character zu und erklärt ihn für eine uralte seegottheit, dem
sich orientalische elemente aus dem culte des Melkarth und
der Astarte beigemischt hätten. Allerdings scheint es unzwei-
felhaft, dass der krisäische cult in enger beziehung zu dem
kretischen gestanden hat, aber wenn man nun einmal in dem
homerischen hymnus die „älteste Stiftungsurkunde" desselben
sieht, so darf man auch nichts weiter aus dieser entnehmen,
als was sie ausdrücklich sagt, dass nämlich der gott kretische
männer aus Knosos zu dienern seines schon bestehenden hei-
ligthums bestellt habe. Nehmen wir an, dass zu irgend einer
zeit einmal eine Wanderung den cult nicht von Kreta nach
Krisa, sondern umgekehrt von Krisa nach Kreta getragen habe,
und wie es hellenische sitte war , die colonie sich längere zeit
hindurch bei dem muttercult durch theorien betheiligt , auch
tempeldiener gestellt habe, so würde sich die entstehung jener
tradition des hymnus vollständig erklären, ohne dass wir nö-
198 103. Mythologie. Nr. 4.
thig hätten den Ursprung des cultes ausserhalb des griechischen
festlandes zu suchen.
Weiterhin behandelt der vf. die sage von der drachentöd-
tung, die „den mittelpunkt und die grundlage einer menge von
heiligen gebrauchen bildete, unter denen die festfeier der gro-
ssen Pythien den ersten rang einnahm. Als „sichere" ergeb-
nisse seiner Untersuchungen stellt der vf. p. 26 folgende sätze auf:
I. in den ältesten zeiten des heiligthums von Parnassos
fand dort ein cultus der Gaia statt , veranlasst durch das /iar-
rsiop xdötiov des dampfenden felsenspalts ;
II. Python der drache ist das syinbol dieses erdorakels ;
III. die legende von der ankunft des knosischen Delphinios
bezeichnet das von Kreta -Krisa ausgehende eindringen eines
apollinischen cultus mit ursprünglich solarisch -mariner natur,
doch stark vorhandener beimischung musisch -man tisch er de-
mente;
IV. wenn die sage berichtet , dass Apollon den Python
tödtet, so besagt das nichts anderes als: das uralte chthoniache
orakel wurde zu dem apollinischen der spätem auffassung , sei
es durch einfache Verdrängung des erstem oder durch eine
theokrasie beider. Und zwar geschah dies eben von Kreta-
Krisa aus durch das überhandnehmen des Delphiniosdienstes,
der so viel verwandtes mit dem der pythischen erdprophetie
besass, dass die letztere allmählich sich verlor oder geradezu
durch eine cultusreform beseitigt wurde.
Mir scheinen sämmtliche vier puncte nicht nur sehr un-
sicher, sondern geradezu falsch zu sein. Dass Gaia vor Apol-
lon inhaberin des orakels gewesen sein soll, sagt allerdings die
Überlieferung, in der aber nichts weiter zu sehen ist als ein
explicativer oder ätiologischer mythus jungem datums, der auf
die aus tiefem erdspalt emporsteigenden begeisternden dämpfe
hindeutet, was schon Diod. XVI, 26 richtig eingesehen hat.
Ohnehin ist Gaia selbst eine sehr junge göttin, der erst die
theologische speculation die Stellung zugewiesen hat, welche sie
in der theogonie einnimmt. Der zweite satz stützt sich auf die
unbewiesene und durchaus unstatthafte annähme, dass Ilv&oav
etymologisch = Tvqxav sei. Gegen den vierten satz muss gel-
tend gemacht werden, dass cultusveränderungen als inbalt so
alter mythen voraussetzen nichts andres heisst als zu einem
Nr. 4. 105. Mythologie. 199
längst verlassenen und widerlegten Standpunkte in der mytho-
logh zurückkehren. Die wahre bedeutung des drachenkampfes
wird man nur erfassen , wenn man seine blicke auf den nah
verwandten mythus von Kadmos richtet und auch die drachen-
kämpfe, von denen die deutsche mythologie weiss, zur verglei-
chung heranzieht. Es wird sich daraus, um es kurz zu sagen,
ergeben, oass der drache, den Apollon tödtet, ein symbol sei-
nes eigenen unterweltlichen selbst ist, von dem er sich befreien
muss, ehe er seine Wirksamkeit auf der oberweit beginnen kann.
Eben darum heisst auch der drache Ilv&cov , um diesen seinen
Zusammenhang mit dem Apollon Ilü&iog anzudeuten. Das die-
sen kämpf feiernde fest ist von haus aus ein frühlingsfest ge-
wesen , hat jedoch diese bedeutung im bewusstsein des volkes
früh verloren und sich die Verlegung auf Spätsommer gefallen
lassen müssen, weil namentlich die grossen Pythien später
zwecken dienten, für welche diese Jahreszeit die angemessenste war.
H. D. M.
105. Die poesie der Orestessage. Eine Studie zur geschichte
der kultur und dramatik von Dr Ferdinand Hüttemann,
gymnasiallehrer in Braunsberg. 4. Zwei theile, Braunsberg 1871
und 1872. Commissionsverlag bei A. Martens (Ed. Peter).
Von der ersten erwähnung der sage bei Homer und ihrer
weitern ausbildung bei Agias von Trözene, Xanthus, Stesicho-
rus von Himera, Pindar u. s. w. geht der Verfasser über zu den
tragikern, deren verschiedene auffassung und behandlung des
gegenständes in gründlicher und geistvoller weise besprochen
wird. Es wird zuvörderst der ideale charakter der äschylei-
schen dramatik dargelegt, mit dem sich naturgemäss eine man-
gelhafte individualisirung der handelnden personen verbindet.
Spiel und gegenspiel finden hier gewissermassen noch innerhalb
der götterweit statt , Orestes ist nicht viel mehr als ein Werk-
zeug in den händen Apollo's. Sophokles, der auf psychologi-
sche motivirung und wirkliche dramatische bewegung ausgeht,
sieht sich genöthigt, weil bei Orestes die that von vorn herein be-
schlossen ist, Elektra zur hauptperson zu machen, wodurch erst
eine dramatische entwicklung möglich wird. Da aber die aus-
führung der that schliesslich doch allein dem Orestes zufällt, so
kommt hierdurch ein ähnlicher dualismus in die tragödie, wie
200 106. Alte geschiente. Nr. 4,
bei Aescliylus durch die thätige theilnahme Apollo's. In cle-
sem dualisums liegt die berechtigung für Euripides, eine reue
lösung der aufgäbe zu versuchen. Der erwähnte anstoss is: bei
ibm glücklich besaitigt, die Charaktere sind menschlicher gewor-
den und die handlung natürlich motivirt, dafür ist aber andrerseits
bei ihm die dramatische bewegung abgeschwächt und die idea-
lität der Charaktere verloren gegangen. Diese flüchtige skizzi-
rung deutet ungefähr den gang an, welchen der Verfasser bei
seiner Untersuchung eingeschlagen hat. Vom griechischen drarna
wendet er sich schliesslich noch zu den deutschen bearbeitun-
gen der Orestessage, zu Göthe's Iphigenie, zu der Elektra von
G. Konrad und der von H. Allmers. Vielleicht wäre es gut
gewesen, bei beurtheilung der griechischen tragiker genauer zu
unterscheiden zwischen den mangeln, die dem Stoffe selbst an-
haften, und denen, für welche der dichter allein verantw örtlich zu
machen ist; indessen soll durch diese ausstellung die gediegene
arbeit des Verfassers keineswegs herabgesetzt werden. L. G.
106. Der gebrauch der Schrift unter den römischen köni-
gen. Von Modestow. 8. Berlin. Calvary. 1871. VI und
136 ss. — 1 thlr.
Der vf. ist professor in Kiew (früher in Kasan) und hat die
vorliegende schrift zuerst in russischer spräche herausgegeben.
Zu der gegenwärtigen deutschen bearbeitung ist er durch den
wünsch einiger befreundeter deutscher gelehrten, insbesondere
des prof. Gerlach in Basel, wie er in der vorrede sagt, ermu-
thigt worden. Den inhalt bilden die sämmtlichen , nach seiner
meinung in die zeit der römischen könige zurück zu versetzen-
den aufzeichnungen, insbesondere die Leges regiae, die commen'
tarn, die foedera regum, die priesterlichen auf Zeichnungen (den
annales maximi ist ein besonderes capitel gewidmet) und die
lieder der Arvalbrüder und der Salier. Er stellt die nacbrich-
ten bei den alten über diese aufzeichnuugen zusammen und
sucht aus ihnen zu beweisen , dass sie in ältester zeit nieder-
geschrieben seien, um damit zugleich den beweis zu liefern,
dass die schrift bei den Römern in der frühesten königszeit in
gebrauch gewesen. Ein besonderes (das erste) kapitel hat er
der entstehung des lateinischen alphabets gewidmet, um auch
hieraus weitere beweisgründe für seine ansieht abzuleiten.
Nr. 4. 107. Alte geschichte. 201
Der verf. ist mit den deutschen gelehrten arbeiten von
Niebuhr, Schwegler, Mommsen, Henzen u. a. wohl bekannt, wie
aus den häufigen anführungen derselben hervorgeht. Er befin-
det sieh aber in directer Opposition gegen den „skepticis-
mus, welcher in der Wissenschaft bei allen fragen über die rö-
mische geschichte um sich gegriffen hat" (p. 98). Die überlie-
rungen über die älteste zeit sind ihm also geschichte, und dem-
nach kommt es ihm nur darauf an, notizen über jene auf-
Zeichnungen bei den alten zu finden, die ihm sofort als Zeug-
nisse gelten. So beweist er also z. b. in bezug auf die annales
maximi, dass diese bis in die zeit des königs Numa zurückrei-
chen (obgleich er sich hierüber hier und da etwas zweifelhaft
äussert). Wenn sich stellen finden, wonach sie schon mit der
gründung der Stadt und mit Eomulus begonnen haben müssten,
so begnügt er sich, diese, aber auch nur eben diese als unhaltbar
zu bezeichnen, da er ja bei seinem glauben an die tradition an-
nehmen muss, dass die pontifices erst von Numa eingesetzt
seien ; weitere folgerungen werden daraus nicht gezogen. Eben
so wenig wird hinsichtlich der Leges regiae berücksichtigt, dass
nach allgemeiner tradition die aufzeichnung von gesetzen zu-
erst durch die decemvirn geschehen ist. Man fühlt sich bei
der lectüre des anspruchlosen buches wie aus dem gewirr und
dickitht der kritik in ein stilles, ruhiges thal versetzt, wo noch
glaube und Unschuld wohnen ; einen gewinn für die Wissenschaft
wird man kaum darin finden.
107. Studien zur geschichte der griechischen lehre vom
staat von Dr Hermann Henkel. 8. Leipzig. Druck und
verlag von B. G. Teubner. 1872. 168 ss. — 1 thlr. 6 gr.
Der inhalt dieser auf grund besonnener forschung und mit
durchsichtiger klarheit verfassten schrift zerfällt in drei beson-
dere abschnitte, von denen der erste (p. 1—38) die politische
literatur der Griechen behandelt und nicht nur ein verzeichniss
der erhaltenen, sondern auch der verlorenen politischen werke
der Griechen und der von griechischer Wissenschaft abhängigen
Römer bis auf das byzantinische Zeitalter herab enthält und
in chronologischer reihenfolge die auf dem gebiete der staats-
theorie entstandenen produkte der vorsokratischen schulen, der
202 107. Alte geschickte. Nr. 4.
sokratiker, cyniker, megariker, Piatons, Aristoteles, der akade-
miker, peripatetiker, stoiker, epikureer, eklektiker, neupythagoreer,
neuplatoniker und einiger keiner bestimmten schule angehörigen
Philosophen und rhetoren verzeichnet. Bemerkenswerth in die-
sem abschnitt erscheint mir unter andern, dass der verf. mit
Cobet den xenophontischen Ursprung der AttxtSuifjioitoav no\i-
rsia anerkennt, dagegen die autorschaft der 'd&qvaicov noh-
rsi'a Xenophon abspricht und die möglichkeit aufgiebt, die per-
son des verf's mit Sicherheit zu ergründen. Ausserdem vertritt
der verf. die von Oncken (in der Staatslehre des Aristoteles p.
194 ff.) angefochtene echtheit der vier ersten bücher der platoni-
schen Ncfxoi und einer partie des fünften buches und gründet seine
beweisführung auf die einschläglichen stellen der aristotelischen
politik, bei welcher gelegenheit sich eine Inkonsequenz von Sei-
ten Onckens herausstellt, die der verf. unabhängig von Suse-
mihl's Untersuchung (in Jahn's Jahrbb. CHI, p. 131) entdeckt
zu haben gesteht.
Der IL abschn. (p. 38 — 120) behandelt die griechische lehre
von den Staatsformen und zwar in vier kapiteln die vorplato-
nische, platonische, aristotelische und nacharistotelische theorie.
Den reigen der vorplatoniker eröffnet Herodot, der bei gelegen-
heit der erzählung von der berathung der persischen grossen nach
des magiers stürz seine ansichten über die drei schon frühzei-
tig in dem bewusstsein der Griechen unterschiedenen staatsfor-
men mittheilt. Das gebiet der ethischen und socialen probleme
betritt zuerst die sophistik und betont mit einschneidender
schärfe die berechtigung des individuums dem Staat gegenüber
und will den menschen auf grund seiner angebornen freiheit
über die beengenden formen des staatsbürgerthums erhoben wis-
sen. Das politische ideal der sophistik ist die tyrannis. Auch
die kyniker und kyrenaiker wirken zersetzend und auflösend
mit ihrer speculation , indem die einen die natürliche und die
andern die geistesfreiheit durch den gesetzes- und rechtsstaat
nicht verkümmert haben wollen. Nach Sokrates ist die herr-
scherkunst die höchste aller künste, der inbegriff der tugend
und glückseligkeit, beruht aber, wie alle tugend, auf dialekti-
schem wissen, auf theoretischer einsieht. Auf der grenzscheide
der philosophie und rhetorik bewegt sich Isokrates; er hält die
traditionelle Unterscheidung der drei hauptformen fest, der mo-
Nr. 4. 107. Alte geschiebte. 203
narebie, Oligarchie und demokratie. Die monarchie, obgleich
die älteste und unter umständen vorzüglichste grundform ist
nicht mehr verträglich mit dem entwickelten freiheitssinn der
Griechen. Die demokratie bekommt den Vorzug vor der Oligar-
chie, weil es Isokrates für unnatürlich halt , die mehrzabl der
minderzahl unterzuordnen und diejenigen zurückzusetzen, die
der zufall mit einem mangel an glücksgütern bedacht. Das
resultat ist, dass die echte demokratie nur den tüchtigsten und
intelligentesten männern die leitung der Staatsgeschäfte überlas-
sen soll und dass überhaupt viel weniger gewicht auf die form
der Verfassung, als auf die art der regierung zu legen sei. Für
Piaton haben die im Politikos niedergelegten ansichten nur
transitorischen oder präliminarischen werth ; die entwickelung
dieses dialogs gipfelt in dem ideal eines Staatsmannes. Dage-
gen ist die aristokratie der wissenden, der philosophen, der kar-
dinalpunkt des in den büchern de Republica entworfenen ideal-
staates und die gliederung in drei stände nebst der rücksichts-
losen f orderung einer guter- und weibergemeinschaft und einer
Öffentlichen erziehung der beiden ersten stände die grundlage,
auf der sich das seltsame gebäude platonischer Staatstheorie mit
unverkennbarer anlehnung an dorische , insonderheit spartani-
sche Staatsformen erhebt. Dass Universum, Staat und mensch in
dem platonischen System gleichartige gliederung zeigen und dass
die drei stände in korrespondenz mit der dreitheilung der
menschlichen seele treten, hat der verf. mit recht hervorgeho-
ben. Aber nebenher würde vielleicht der nachweis von der
entstehung des platonischen idealstaates als einer nothwendigen
consequenz seiner metaphysik, als einer folge des schroffen
dualismus zwischen ideen- und erscheinungsweit nicht uninter-
essant gewesen sein. Der idealstaat mit seinen forderun-
gen schimmert auch durch die komposition des letzten plato-
nischen werkes, der gesetze, hindurch , obgleich sich der philo-
soph in diesem werke bemüht, den realen Verhältnissen der hi-
storisch gegebenen Wirklichkeit möglichst gerecht zu werden.
„Er betritt den boden der erfahrungsweit und setzt dem trans-
cendententalen ein historisches ideal zur seite." Freilich wäre
es nicht überflüssig gewesen , wenn der verf. die änderung der
politischen theorien erklärt hätte durch den Umschwung, wel-
chen das ganze platonische System in dieser letzten periode
204 107. Alte geschiente. Nr. 4.
erfahren, durch die reform der ideenlehre, durch das hinneigen
zu dem pythagoreismus und die dadurch bedingte aufnähme
des mathematischen als einer Vermittlung zwischen ideen- und
Binnenwelt.
Aristoteles fand recht gut den wunden fleck der platoni-
schen theorie, das ignoriren des individuums und seiner berech-
tigten bedürfnisse (vgl. Lewes, Gesch. d. alten phil. p. 391).
Und wenn auch das aristotelische System das wahre wesen der
dinge in die form verlegt und in die begriffliche erkenntniss
das wahre wissen, so sieht es doch in den eiuzelwesen das
wahrhaft wirkliche und bringt die schöpferische Wirksamkeit,
die es der form viudicirt, mit der erscheinungsweit in die in-
nigste Verbindung (vgl. Zeller, Phil. d. Griechen II, 2, p. 633).
Die glückseligkeit der Staatsbürger und die freie bethätigung
der tugend , das sind die obersten zwecke des aristotelischen
Staates, die durch erziehung und Unterricht, durch einsieht und
Willensstärke erreicht werden sollen. Den fortschritt der aristo-
telischen gegen die platonische theorie hat der verf. in klaren
zügen gekennzeichnet. Unter den nacharistotelischen denkern
werden Zenon, die neupythagoreer Hippodamos und Archytas,
Dikäarchos , Polybios und Cicero und endlich die geringen mo-
dificationen erwähnt, welche die Staatstheorie durch Tacitus,
Philo und Plutarchos erfahren hat.
Der III. abschnitt (p. 121 — 168) behandelt die anfange
der griechischen Staatswissenschaft, und zwar im ersten kapitel
die sophistische und die kynisch-kyrenaische lehre vom Staat,
das zweite Sokrates , das dritte Xenophon und Isokrates und
endlich das vierte Hippodamos und Phaleas. Auch dieser ab-
schnitt ist mit sorgfältigem fleisse gearbeitet und führt mit
grosser genauigkeit aus, was der verf. zum scbluss resumirt,
dass nämlich „die griechische staatsdoctrin sich in zwei haupt-
richtungen einer revolutionären oder restauratorischen bewegt,
an welche Piaton widerlegend oder fortbildend anzuknüpfen sich
berufen sah".
Endlich sei es mir noch vergönnt, zu den von dem verf.
citirten stellen einiges zu bemerken, worauf ich vielleicht später
ausführlicher zurückkommen kann. In dem citat auf p. 68,
Legg. IX, p. 857 E ist nicht mit dem überlieferten text zu lesen
nuiötvtt jovg noXi'zag, aXX1 ov ro^o&nei, sondern rzaidsvei tovs
Nr. 4. 108. Griechische geschichte. 205
TtoXi'rag, aXV ovnco vov&srti. Auf p. 92, anm. 21 verwirft der
verf. den überlieferten text von Arist. Polit. V, 9, 21 und liest
mit Spengel nach beseitigung von uXiyag^ia, xai so: naaäv bXi-
yoxQOficaTÜTt] rä>v noXiTEtööv tau tVQctpvig: den Superlativ will
er wegen jruaäv haben , obgleich an dem comparativ niemand
anstoss finden wird, der in naatüv den gen. comparativus sieht.
In der auf p. 123 citirten stelle aus Legg. X, 889 E ist in
den Worten: xut drj xut tu xuXa. cpvati pie* utXa slvcu, vo/jq> Ss
8Ttoa, anstatt aXXu meiner ansieht nach aaXä zu lesen. Ausser-
dem hält in der aus Legg. TV, 714 B. (auf p. 127 anm. 20)
citirten stelle: o'vxs. yao ngog [/o*] noXsttov ovrs ngbg ugsrrjv
oXrtv ßXinEiv 8hv q-aai tovg iopiovg, aXX t]ti^ uv y.udtßTi]y.vla rj
noXizsln, TuvTrj Seh ro QVfMpsgoVj onwi x. r. X.} Madvig (Adv.
Crit. I, 44) das zweite 8tlf mit recht für verderbt. Doch kann
ich seinem vorschlage, £j?«*v zu lesen, nicht beistimmen, son-
dern halte uiith für die richtige Schreibung.
C. Liebhold.
108. Studien zur altspartanischen geschichte. Von Gustav
Gilbert. 8. Göttingen, Vandenhoeck und Kuprecht's verlag.
1872. gr. 8. 196 s. — 1 tblr. 2 gr.
In Fieckeisens Jabrbb. 97, p. 1 — 9 stellt Gurt Wachsmuth
die vermuthung auf, das spartanische doppelkönigthum sei aus
einem comproniiss hervorgegangen, mittelst dessen zwei einan-
der benachbarte, unter eigenen königen stehende gemeinden in
einen synoikismos zusammengetreten seien, die eine, achäischen
Stammes, von Agiaden geführt, habe die akropolis, die andere,
Dorier unter den Eurypontiden , die höhen von Neusparta be-
wohnt. Diese (nach uusrer ansieht haltlose) hypothese zu
grund legend, ausführend und erweiternd gelangt die oben be-
zeichnete schritt zu einem neuen und jedenfalls originellen auf-
bau der älteren geschichte von Sparta.
In den ersten zeiten der dorischen ansiedluug spielten auch
einwanderer aus Lemnos eine rolle in Lakonien, leute von un-
bekannter abkunft, welche bald als Pelasger bald als nachkom-
men von Argonauten, also Minyer, griechische nationalitat be-
anspruchten. Der vf. nimmt sie als Minyer und da mit ihrem
auszug aus Lakonien auch der Kadmeier Theras verknüpft
wird, von welchem sich das Aegidengeschlecht ableitete, so fin-
206 108. Griechische geschichte. Nr. 4.
det er nicht nur, dass dieser selbst ein Minyer gewesen (wie
die Minyer sich zu den Kadmeiern verhalten haben, gibt er
Dicht an, verwendet aber den Theras nebenbei auch als Kad-
meier), sondern auch , dass neben den bereits aufgezeigten ge-
meinden Agiadai und Eurypontidai noch eine dritte, Aigeidai,
westlich von der akropolis gegen den Taygetos hin existirt
habe, bestehend aus Minyern, regiert von Theras und seinen
nachkommen-, aus dem synoikismos dieser drei flecken sei die
stadt Sparta erwachsen, welche so bis zum ende des ersten mes-
senischen krieges nicht zwei , sondern gleichzeitig drei könige
gehabt habe, Agiaden, Eurypontiden und Aegiden. Die „un-
verwerflichen spuren des Aegidenkönigthums" werden „nachge-
wiesen": insofern nach Pausanias 4, 7, 11 in einer schlacht
jenes krieges der Aegide Euryleon das centrum führte, während
die könige Polydoros und Theopompos auf den flügeln befeh-
ligten ; und sofern nach Paus. 3, 3, Polemarchos, der mörder
des Polydoros, aus einem nicht unrühmlichen hause gewesen
und ihm ein noch zu Pausanias zeit vorhandenes mnema gesetzt
worden ist. In diesem Polemarchos „erkennt" vf. einen Aegi-
den, und zwar „vielleicht den letzten Aegidenkönig".
Auch in den gentilsacra der drei stamme weiss vf. be-
scheid. Achäischer stammgott war, wie schon Gerhard (in sei-
ner weise) gezeigt hat , Zeus ; dorischer nicht , wie 0. Müller
wollte, Apollon, sondern (warum ? „diese ansieht" wird „durch
einige beispiele erhärtet" p. Qo, wie sie für jeden andern stamm
auch zu geböte stünden) abermals Zeus. Da nun zu Herodots
zeit die könige das priesterthum des Zeus Lakedaimon und Zeus
Uranios bekleidet haben , und Lakedaimon nach vf. die alte
achäische herrenburg war, so findet er, dass Zeus Lakedaimon
Schutzpatron von Agiadai, und Zeus Uranios stammgott der
Dorier von Eurypontidai gewesen ist. Bei den Minyern von
Aigeidai kommt vf. fast in Verlegenheit durch den reichthum
seiner forschung3tnittel. Hier sollte man nämlich Poseidon als
Schutzherrn erwarten: „denn Aigeus ist nach 0. Müller ein po-
seidonischer name; aber der schon mehr vergeistigte dienst der
Athene scheint sich doch besser für einen gentilcult geeignet
zu haben". Aus dieser Verlegenheit hilft ein „beweis": schutz-
göttin des [Minyers ?] Kadmos , von welchem Theras stammt,
war nämlich Athene Onga, was vf. daraus schliesst, dass deren
Nr. 4. 108. Griechische geschichte. 207
altar und agalma in Theben für ein weihgeschenk des Kadmos
gehalten wurde. Die hauptsache ist wohl, dass vf. diese göttin zu
seiner auffassung der lykurgischen rhetra braucht, weiter unten
wird dann wieder Poseidon in die Stellung eines Minyerschutz-
gottes eingesetzt.
Für die gesetzgeberische thätigkeit des Lykurgos verlieren
wir den darlegungen unsrer schritt zufolge jeden geschichtlichen
anhält (p. 118); derselbe ist weiter nichts als der lichtgott
Apollon Lykeios, heroisirt als schutzgott der von Terpandros
eingeführten Verfassung. Die grosse lykurgische rhetra ist
nach vf. jener vertrag, durch welchen die drei gemeinden sich
im synoikisirten Sparta vereinten. Zeus Syllanios und Athena Syl-
lania, die gottheiten welchen die rhetra ein heiligthum zu errichten
vorschreibt, sind Zeus Sellanios (d. i. Hellenios) und die Athena
Sellania (Hellenia), jener eine Verschmelzung des Zeus Lakedai-
mon mit Zeus Uranios [und doch waren die könige in späterer
zeit noch priester der geschiedenen culte] , diese die bisherige
schutzpatronin von Aigeidai. Die Verfassung ferner, welche
durch diese rhetra begründet wurde, war eine demokratie:
denn die gerusia ist dazumal bloss geschäftsführender aus-
schuss der Volksversammlung gewesen, wenn wir dem vf. glau-
ben schenken, und bestand nicht, wie man bisher glaubte, aus 2
königen und 28 geronten, sondern aus 3 königen und 27 ge-
ronten. Der phylen, welche sammt den oben jetzt eingerichtet
wurden (qvläi; q>vXd%avta aai aißng ojßä^avza sagt die rhetra),
waren nach dem vf. neun: er gewinnt sie durch zusammenwer-
fen der erhaltenen localen phylennamen Pitane, Limnai, Me-
soa, Kynosura (diese bei Pausanias) und Dyme (bei Hesycbios)
mit den namen der militärischen lochoi bei Schol. Arist.
Lysistr. 454: Edolos, Sinis, Arimas, Ploas und Messoages (schol.
Thukyd. 4, 8 Messoates). Dass der scholiast diesen lochen
bestimmt die füufzahl beilegt , verschlägt dem vf. nichts. In-
dem er aber voraussetzt, dass jede in 3 oben getheilt gewesen
sein wird, so ergibt sich ihm die zahl von 27 oben; mithin
war von den angenommenen 27 geronten jeder der Vertreter
einer von den so gefundenen 27 oben. Bestätigung: im zweiten
jahrh. v. Chr. (also ein halbes Jahrtausend nachdem das drei-
fache königthum in ein zweifaches und die 27 geronten in 28
verwandelt worden waren) finden wir bei dem Karneenfest, ei-
208 108. Griechische geschickte. Nr. 4.
nem abbild des lagerlebens, neun zelte errichtet, in deren jedem
neun tage lang neun männer als Vertreter von drei phratrien speisten.
Schon zur zeit des tripelkönigthums gab es dem vf. zu-
folge innerhalb der spartanischen Vollbürgerschaft (o/aoioi) noch
einen besonderen adel. Da nämlich Thukydides für seine zeit
von nQmzoi avÖQsg, Aristoteles von xalul xayaöo/, aoioroi und
deren merkmal, der agszrj spricht und durch reichthum hervor-
ragende männer vielfach im späteren Sparta nachweisbar sind,
so erhellt, dass das adelige, aristokraten gewesen sein müssen ;
für die frühere zeit ersetzt vf. den nachweis derselben durch
Wendungen wie „gewiss auch", „ich sehe nicht ein , wesshalb
nicht", „wie soll man sich sonst denken, dass". Mit hülfe die-
ser aristokraten wusste könig Theopompos dem demos das ihm
in der grossen rhetra gewährleistete recht der letzten entschei-
dung zu nehmen und auf die gerusie als Vertretung des adels
zu übertragen. Dies der zweck seiner zusatzrhetra. Ferner
war, so fährt vf. fort, durch den synoikisinos es möglich ge-
worden, Amyklai und die andern gemeinden Lakouiens der Stadt
Sparta unterthan zu machen. Erst jetzt also, nach dem er-
werb von so viel land, entstand die agrarische frage; zu Ly-
kurgs zeit war diese einfach deshalb nicht möglich , weil nach
der verbreitetsten meinung er ja vormund des Cbarilaos genannt
wird. (Warum nicht eiufaclier , weil er ein gott war?) Jetzt
also nahm der demos durch assignation am gruudbesitz des
Staates theil, indem er unveräusserliche leben bekam, während
der adel freies eigenthum, allodialbesitz, hatte.
Durch könig Theopompos wurde aber nicht bloss die ari-
stokratische Verfassung , sondern auch das ephorat eingeführt,
welches man „verkehrter weise" als eine concession an den
demos aufzufassen pflegt. Er war es endlich auch, der im
Verein mit köuig Polydoros das doppelkönigthum an die stelle
des dreifachen setzte. Die Chronologie des ersten messenischen
krieges behandelt nämlich vf. so, dass das ende desselben nahe
an die zeit der gründung von Tarent herabrückt. Die Parthe-
nier aber, welche diese Stadt von Sparta aus gründeten, wird
man, wie vf. meint, als Minyer nehmen dürfen, ja „der Cha-
rakter dieser Stadt war viel mehr minyeisch als dorisch, denn Ta-
ras war söhn des Poseidon, des hauptgottes [vgl. oben] der
Minyer" ; wozu noch einige andere eben so schwer wiegende
Nr. 4. 108. Griechische geschichte. 209
argumente kommen (p. 190 sq.). Die stasis, welche Terpan-
dros beschwichtigt haben soll, bestand in den parteikämpfen
zwischen den Minyern und den zwei andern stammen um die
politische gleichberechtigung. Durch ihn kommt ein neuer
compromiss zu stände : die Versöhnung der gegensätze erfolgt
durch abschaffung des Minyerkönigthums und auswanderung
der widerstrebenden Minyer nach Tarent ; die religiöse weihe
gibt Terpandros durch einführung des Karneenfestes, indem er
an stelle von Zeus Sellanios und Athena Sellania den vorher
bloss minyischen Apollon Karneios zum obersten staatsgott
erhebt.
Dies die leitenden unter vielen, durch ihren inhalt ebenso
wie durch die art der begründung überraschenden gedanken
der schrift , welche einer eingehenderen besprechung und beirr«
theilung zu unterziehen um so weniger nöthig sein dürfte , als
vf. selbst — trotz der vielen, so sicher auftretenden Wendun-
gen wie „darum denn auch", ,, daher denn auch", ,,deshalb denn
auch" udgl. — im grund seines herzens seinen entdeckungen
doch nicht recht zu trauen scheint. Wenigstens beschliesst er
die darlegung einer für die ganze schrift sehr massgebenden
these (die ungeschichtlichkeit des Lykurgos betr.) mit dem cha-
rakteristischen geständniss, dass sie weder den anspruch auf
gewissheit noch auf Wahrscheinlichkeit mache (p. 120). Neh-
men wir zu dieser , auch sonst z. b. in wiederholten , inneren
Widersprüchen sich verrathenden eigenen Unsicherheit des vf.
die unbeholfenheit des ausdrucks und das saloppe der ganzen
ausdrucksweise, so wird leicht ersichtlich, dass der vf. es ver-
säumt hat, seinen gährenden ideen die zur reife nöthige zeit
zu lassen. An leistungsfähigkeit hätte es ihm offenbar nicht
gefehlt. Das oben angeführte lässt immerhin eine gewandte
combinationsgabe erkennen und , wo jene grundgedanken
der schrift nicht einwirken, finden sich ausführungen genug, die
ein treffendes urtheil bekunden. So die polemischen partien,
z. b. gegen 0. Müllers lehre von dem dorischen Charakter des
Apollodienstes, gegen Peter über Phylarch als quelle des plu-
tarchischen Lykurg, gegen Triebers Verdächtigung der grossen
rhetra, gegen Flügel über die benutzung des Ephoros durch
Herakleides, gegen Schäfer über die ephoren. Viel gelungenes
oder wenigstens ansprechendes enthalten cap. 1 über die ein-
Philol. Anz. V. 14
210 109. Komische geschickte. Nr. 4.
heimische tradition der Spartaner, c. 4 die äussere geschichte
bis auf könig Charilaos und c. 6 über die tradition des Ly-
kurg (besonders was die textkritik und erklärung der lykurgi-
schen rhetra betrifft).
Fg.
109. W. Ch. Ihne, Komische geschichte, dritter band,
Leipzig. 1872. VIII u. 368 s. — 1 thlr. 15 gr.
Die jetzt erschienene fortsetzung dieses Werkes enthält die
äussere geschichte der zeit nach dem zweiten punischen kriege
bis zum fall von Numantia, also von 200 bis 133 v. Chr. 5 die
innere geschichte ist einem weiteren bände vorbehalten. Der vf.
hatte früher erklärt, dass er die ganze römische geschichte in drei
bänden zu umfassen gedenke; diese absieht hat sich ihm nunmehr
als unausführbar erwiesen, worüber er sich in der vorrede —
wahrscheinlich auf veranlssung eines ungerechtfertigten deshal-
bigen Vorwurfs — entschuldigend äussert. Wir sind weit ent-
fernt, in diesen Vorwurf einzustimmen; indess scheint es doch
als ob der vf., wenn er in dieser weise fortfährt, eine grosse
anzahl von bänden würde liefern müssen. Es wird ihm wahr-
scheinlich ergehen wie nach der bekannten stelle im eingang
des 31. buches dem Livius , der, je weiter er in seinem werke
vorschritt, sein ziel sich in immer weitere ferne entrücken sah.
Der vf. erzählt die äusseren ereignisse der bezeichneten
zeit hauptsächlich, wie sich von selbst versteht, dem Polybius
und Livius folgend, mit einer ausführlichkeit, die auch kleinre,
unerheblichere dinge nicht fallen lässt und die an das in-
teresse eines grösseren publikums, für welches er schreibt, wohl
allzugrosseansprüche machen dürfte. Seine darstellung ist indess,
wie in den früheren bänden, klar und fliessend und nicht selten
durch beurtheilende betrachtungen oder hinweisungen auf ana-
logien aus anderen theilen der geschichte (besonders der eng-
lischen) belebt. Man wird mit diesen betrachtungen sich meist
in Übereinstimmung finden ; insbesondere wird man ihm recht ge-
ben, wenn er im gegensatz gegen Mommsen die römische politik
dieser zeit so cbarakterisirt, wie sie war, nämlich nicht nur
rücksichtslos gegen alles fremde, sondern auch lauernd, hinter-
listig und treulos, wiewohl er hierin hie und da sogar etwas
zu weit gehen dürfte. Weniger überzeugend ist es z. b., wenn
Nr. 4. 109. Kömische geschichte. 211
er den könig Perseus in Widerspruch mit den quellen im gün-
stigsten lichte darstellt, und noch weniger, wenn er den Has-
drubal, welcher bei der letzten katastrophe von Karthago eine
hervortretende rolle spielt, den „letzten Karthager im besten
sinne des worts" und den ,,repräsentanten der intensiven kraft,
Zähigkeit, Vaterlandsliebe und unerschöpflichen Vielseitigkeit sei-
nes volks" nennen zu müssen glaubt. Wenn Polybius ihn, wie
bekannt, ganz anders darstellt, so vermuthet der verf. , dass
der grund hiervon in einer „persönlichen rancüne" zu suchen sei.
Es kann nicht unsere absieht sein, über die anordnung des
Stoffes etwas zu bemerken, die sich in dieser partie der römischen
geschichte von selbst ergiebt, und eben so wenig würde es an die-
ser stelle angemessen sein, bei einzelheiten zu verweilen, die etwa
anlass zu ausstellungen geben möchten. Dagegen glauben wir zum
schluss noch mit einem worte die handhabung der kritik von Seiten
des vf. berühren zu sollen. Wir finden sehr häufig, dass er ge-
gen Valerius Antias, gegen Appian, Orosius, Justin, aber auch
gegen Livius und zuweilen auch gegen Polybius polemisirt.
Was die erstgenannten Schriftsteller anlangt, so dürfte die po-
lemik zum grossen theile unnöthig sein , da ihre fehler und
mängel allgemein bekannt sind; dass er bei Livius wiederholt
darauf aufmerksam macht, dass er aus Patriotismus manches
verschwiegen oder verhüllt habe, ist gewiss eben so richtig als
anerkennenswerth; wenn er aber dem Polybius dienstbeflissenheit
gegen die Römer schuld giebt und ihn deswegen öfter bekämpft,
scheint uns ungerechtfertigt. Beruht doch des verf. ungünstige
darstellung der römischen politik selbst fast ausschliesslich auf
Polybius und dessen berichten undurtheilen! Von neueren arbeiten
werden fast nur Mommsens römische geschichte und Kissens „Un-
tersuchungen" berücksichtigt, die erstere, wie man bei der oben
erwähnten Verschiedenheit der grundansicht nicht anders vor-
aussetzen wird, lediglich, um gegen sie zu polemisieren. Es
geschieht dies durchweg in der gebührenden anständigen und
rücksichtsvollen weise, zuweilen jedoch nicht ohne eine gewisse
scharfe. Wenn z. b. Mommsen sagt, es könne „nur von der
verächtlichen Unredlichkeit oder der schwächlichen Sentimenta-
lität verkannt werden , dass es mit der befreiung Griechen-
lands den Eömern vollkommen ernst war'', so bemerkt Ihne da-
gegen treffend, dass gerade Sentimentalität „sonderbarer weise"
14*
212 110. Bömische geschickte. Nr. 4.
denen vorgeworfen werde, „die an eine gefühlspolitik der Kö-
rner nicht glauben wollen" (p. 63).
110. Pfitzner, das geburtsjahr Jesu Christi. 4. Pro-
gramm des gymnasiums in Parchim. 1873. 20 s.
Der verf. ist durch Zumpts scbrift über denselben gegen-
ständ (vgl.Phil. Anz. II, 6, p.301) veranlasst worden, sich ebenfalls
mit der lösung der vielbestrittenen frage zu beschäftigen, und
zwar in apologetischem interesse für Lucas und mit dem resul-
tat, dass das j. 749 d. st. das wahre geburtsjahr sei. Jene
apologetische tendenz äussert sich in der art, dass der verf.
nicht sowohl untersucht , ob Ev. Luc. 2 , 2 gegenüber den
Schwierigkeiten, die namentlich Josephus macht, zu halten sei,
sondern einfach sagt: wesshalb soll Lucas nicht beanspruchen
dürfen, dass seine angaben in dem ausgleichungsprocess mit
Josephus a priori als haltbar angenommen und zwischen ihm
und dem jüdischen geschichtschreiber gerade so verfahren werde
wie zwischen zwei andern Schriftstellern, deren angaben im Wi-
derspruch zu stehen scheinen? (vgl. p. 13). Für die Würdigung
dieses standpuncts sowie für die art, wie der vf. mit dem stern
der magier, der flucht nach Aegypten und andern momenten der
evangelischen geschichte operirt, werden wir ihn an die theo«
logen verweisen dürfen. Von philologischer seite ergibt sich
nur insofern ein interesse an solchen ausgleichungsversuchen,
als sie beanspruchen, eine einrichtung der römischen Verwaltung
in neuer weise klar zu stellen, wie dies der fall war mit der Piniol.
XXII, p. 720 erwähnten abhandluug. Dies thut der vf,, indem er
(p. 12) die reihenfolge der Statthalter Syriens so darstellt: „I.
C. Sentius Saturninus von 9 v. Chr. ; 2. P. Qninctilius Varus
von 6 v. Chr. ; 3. Quirinius von 5 v. Chr. ; 4. P. Quinctilius
Varus von 4 v. Chr." „Diese auf grund der positiven nach-
richt des evangelisten Lucas verbürgte einreihung des Quiri-
nius als Statthalter von Syrien widerspricht im gründe auch nicht
den angaben des Josephus". Auf diese weise wird allerdings
die Schwierigkeit, dass bei Josephus Varus sowohl i. j. 748 als
750 v. Chr. Statthalter von Syrien ist, gehoben, aber wie!
Dem Varus hatte die Schätzung nicht gelingen wollen, so wird
denn nach einem jähr Quirinius als der rechte mann dafür
eingeschoben ; dieser bringt im sommer des jahrs 749 das von
Nr. 4. 113. Römische altertbümer. 213
Saturnmus schon vorbereitete geschäft (Tertullian. adv. Marc.
4, 19) zu stände und überlässt dann wieder i. j. 750 dem Varus
die Statthalterschaft. Ganz schön, aber credat Judaeus Apella.
111. Samuel Herrlich, de aerario et fisco Romanorum
quaestiones. Dissertatio inauguralis. 8. Berolini 1872. 47 SS.
Die fragen, welche der verf. in dieser Th. Mommsen ge-
widmeten abhandlung zu beantworten sucht, sind zum theil
mehr juristischer, als philologisch -historischer art. Es gilt dies
besonders von dem ersten abschnitt: de iure aerarii populi Eo-
mani (p. 5 — 18), in dem der vf. die rechtliche Stellung des aera-
rium nach Bruns' vorgange als eine nur in gewisser hinsieht
privilegirte characterisirt. Es schliesst sich daran ein Excur-
sus de actoribus sive syndicis munieipiorum (p. 18 — 20). Der
zweite theil: de fisco imperatorum Eomanorum (p. 21—25) be-
handelt in ziemlich oberflächlicher weise einige die Verwaltung
des kaiserlichen fiscus betreffende fragen. Von höherem werthe
ist der dritte abschnitt: de advocato fisci (p. 25 — 46), der mit
benutzung des inschriftlichen materials eine eingehende Untersu-
chung über diese von Hadrian eingesetzte advocatur in ihren
verschiedenen entwickelungsstadien bietet; mit den resultaten
derselben wird man sich im allgemeinen durchaus einverstanden
erklären können.
Von einzelnheiten wäre mancherlei zu berichtigen; so die
behauptung (p. 22), dass das aerarium p. E. schon unter M.
Aurel zu einer städtischen kasse herabgesunken sei, was kei-
neswegs vor Alexander Severus geschehen und erst für die zeit
Aurelian's bezeugt ist; ferner (p. 22), dass unter Tiber die ab-
gaben aus senatoriseben provinzen zum theil in den fiscus ge-
flossen seien, was fälschlich aus einer missverstandenen stelle
des Tacitus (Ann. 2, 47) gefolgert wird. Ebensowenig kann
ich mich mit der vertheidigung der vulgat- lesart in der vita
Getae c. 2: ex formulario (die handschriften haben: formularia)
forensi einverstanden erklären, noch mit der datirung der bei
Maffei, Mus. Veron. 462 und Philostrat. Vitt. Sophist. II,
29 genannten advocati fisci (p. 28), die beide nicht in den an-
fang des dritten, sondern unzweifelhaft noch in das zweite Jahr-
hundert zu setzen sind. Auch von dem gebrauche falscher
inschriften hat sich der verf. nicht ganz frei gehalten: so sind
214 112. Archäologie. Nr. 4.
die aus Fabretti angeführten (anrn. 89 und 108), in denen pro-
curatores caducorum sich finden, sämmtlich falsch und dieser ti-
tel, wie 6chon Eichhorst (quaestiones epigraphicae p. 19) nachge-
wiesen hat, nirgends in echten inschriften bezeugt.
Trotz dieser und ähnlicher irrthümer zeugt die abhandlung
von Sorgfalt und verständiger kritik und besonders die darstel-
lung der advocati fisci kann als recht gelungen bezeichnet wer-
den; leider ist die schrift durch eine grosse menge druckfehler
entstellt. O — d.
112. Supplement zu den 6tudien über den bilderkreis von
Eleusis von Carl Strube. Herausgeg. von H. B r u n n. 8. 1872.
Die Zeichnungen der drei vasenbilder, welche in dem vorlie-
genden heftchen veröffentlicht werden, hatte der verf. der schon
im philologischen Anzeiger bd. II, h. 10, p. 524 besprochenen
Studien von einer italienischen reise mitgebracht. Vermuthlich
waren sie bestimmt die beigäbe eines umfangreicheren nachtra-
ges zu bilden, zu dem Strube auch sonst weitere materialien
gesammelt. Sein tod — er fiel im kämpfe vor Metz — ver-
eitelte diesen plan und so sind diese blätter, die Brunn unter
benutzung einiger in den papieren seines früheren Schülers ge-
fundenen aufzeichnungen mit einem kurzen text begleitet hat,
das gedächtnissmal eines jungen gelehrten geworden, dessen ge-
diegene erstlingsschrift das beste versprach.
Bei weitem das wichtigste der hier veröffentlichten vasen-
bilder ist das dritte von dessen existenz die gelehrte weit schon
seit E. W. Visconti unterrichtet war, ohne dass es bis dahin
gelungen wäre eine Zeichnung zu erhalten. Es enthält die ein-
zige bis dahin bekannte sichere darstellung der anodos der
Kora. Wenn uns nun diese schöne composition einerseits zu
dem geständniss nöthigt, dass einfacher und durchsichtiger der
Vorgang überhaupt nicht dargestellt werden konnte, so werden
wir andrerseits jetzt um so mehr überzeugt sein, dass Strube
mit recht die Stephanische beziehung einer berühmten Kertschen
vase [Compte - Rendu pour 1859 pl. 1) auf diesen gegenständ
bestritten hat. Kora ist auf dem jetzt bekannt gemachten bild
wirklich ßteigend dargestellt. Die erhobene band und der ge
öffnete mund drücken characteristisch das staunen über di
überwältigende Wirkung des solange entbehrten lichtes aus.
Nr. 4. 112. Archäologie. 215
Tafel 1 giebt dann die bilder eines prachtvollen stamnos
der früheren Campanaschen Sammlung mit rothen figuren im stren-
gen stil. Die Vorderseite stellt den sehr häufigen auszug des
Triptolemos dar, dem nach heroischer weise der abschiedstrunk
gereicht wird. Die deutung der einschenkenden frauengestalt
auf Demeter, die der hinter dem wagen stehenden als Kora
wird für unser gefäss unzweifelhaft zu recht bestehen bleiben, wenn
auch durch eine seitdem bei Capua gefundene prachtvolle vase
des Hieron bewiesen ist, dass Brunn mit unrecht das entschei-
dende moment für diese benennung der figuren in ihrer Stellung
zur hauptfigur erblicken wollte. Hier heisst nämlich, wie wir aus
der im Bulletino delV Instituto von 1870 p. 41 gegebenen beschrei-
bung ersehen, die einschenkende Persephone {<l>EPO<l>ATTÄ),
während Demeter {/1EMETPE) mit fackel und ähren hinter dem
wagen erscheint. Gesichert ist ferner wohl Hekate und auch gegen
Keleos und Hippothoon, die nach massgabe eines vasenbildes
in der Elite Ceramogr. III, 62 so genannt sind, wird kaum
etwas eingewandt werden können. Sehr zweifelhaft scheint
es uns dagegen trotz der scheinbar vermittelnden Stellung der
einen fackelhaltenden figur , ob die rückseite in so nahen Zu-
sammenhang mit der Vorderseite zu setzen ist, wie Brunn an-
nimmt. Die Verkündigung der hohen bestimmung, zu der nach
den rathschlägen der götter Triptolemos berufen ist, scheint uns
in der that ein zu untergeordneter moment, als dass wir ihn
überhaupt dargestellt erwarteten. Die geberde des entsetzens
welche die supponirte Metaneira macht scheint vielmehr darauf
hinzuweisen, dass die botschaft des Hermes ihre person viel nä-
her angeht. Welchen mythus der maier im äuge hatte, lässt sich
bei dem mangel an Charakteristik allerdings nicht mehr feststel-
len. Was das an zweiter stelle publicirte figurenreiche bild ei-
nes unteritalischen krater des neapolitanischen museums be-
trifft, so ist von Strube richtig erkannt worden, dass jede be-
ziehung auf die familie des Triptolemos als attischen heros hier
wegfällt. Wenn er jedoch in der weiblichen gestalt , die ihm
einen kränz reicht, seine unsterbliche mutter Polyhymnia er-
kennen will, so scheint uns das kaum mehr als ein blosser ein-
fall. Wenn dieser gestützt werden sollte, so konnte das nicht
durch die von Brunn eingeschlagene ausschlussmethode, sondern
nur durch eine im weitesten umfang angestellte Untersuchung
216 113. Numismatik. — Theses. Nr. 4.
geschehen , theils über die quellen , denen die unteritalischen
vasenmaler ihre sujets entlehnen, theils über die natur des gan-
zen figurenapparates, mit denen sie den kern der composition
zu umgeben pflegen. Ob man dabei auf die orphische poesie
— der Brunn wohl mit recht jene tradition über die mutter des
Triptolemos zuweist — stossen würde, ist doch wohl sehr zwei-
felhaft; uns scheint vielmehr wahrscheinlich, dass man für diese
figur, die in ihrer beziehung zu Triptolemos den abschied
vom heimathlichen boden ausdrücken und durch den kränz den
gedanken an das glückliche gelingen der fahrt nahe legen soll,
überhaupt keinen bestimmten namen suchen darf.
113. Le crocodile de Nimes. Par W._Fröhner. 8.
Paris 1872.
Das schriftchen enthält eine sorgfältige und gelehrte Unter-
suchung über die wohl mehr dem numismatiker von fach als
dem archäologen bekannten münzen der römischen colonie von
Nemausus, deren revers das auf dem titel genannte thier neben
der kröne (?) eines palmbaumes zeigen. Eine genaue Unter-
scheidung aller in betracht kommenden typen führt zu dem
resultat, dass der Zeitraum, in dem diese münzen geprägt sind,
nicht, wie man bisher annahm, drei sondern achtzehn jähre
724 — 742 u. c. umfasst. Dass der revers eine anspielung auf den
ägyptischen feldzug (723) enthält, an dem die von Octavian in
Nemausus angesiedelten Veteranen theilnahmen , ist durch die
p. 13 gegebenen nachweise ausser allen zweifei gesetzt. Nur
geht der verf. sicher zu weit, wenn er, anstatt die erfindung
der sehr verständlichen Symbolik demjenigen zuzuschreiben, wel-
cher den Stempel schneiden liess, anzunehmen geneigt ist, dass
wir hier die nachbildung eines zur erinnerung an die glück-
liche expedition in Nimes „ wahrscheinlich als weihgeschenk
aufgestellten ehernen palmbaums und eines ausgestopft mitge-
brachten crocodils" vor uns haben. Man ist versucht den Ver-
fasser zu fragen, ob er das wirklich alles ernstes gemeint habe?
Theses
quas ... in academia Fridericiana Halensi . . . d. VII m. Martii
publice defendet Aemilius Walter: I. Hom. IL I, 19. 64. 395 digamma
retinendum est. IL Aesch. Agam. 1287 sqq. legendum est: Im ßgö-
Ttia nQccyfxat'. tvTv^ovvra fiiv 2xid ng av tq^kuv, il dt dvaiv/tj, Bokcüg
iyQüiOffoJV anüyyog wXtotv ygayqv. III. Soph. Antig. VV. 904 — 91t
Nr. 4. 114 — 125. Neue auflagen und Schulbücher. 217
tamquam interpolati removendi sunt ex editionibus. IV. Quint. I. 0.
X, 1, 104 iure Halmius Cremutii nonien restituit; falso autem präe-
cedentia verba » superest . . intelligitur « ad eundem referuntur. V.
Tac. Ann. II, 33 verba »erat . . . promere« recte Nipperdeius ab inter-
prete interposita censuit. VI. Homoioteleuton quod proprie dioimus
et nomine et re Germanorum est inventio.
Neue auflagen.
114. Homer's Odyssee. Erklärt von J. U. Fähsi. 1. bd. 6. aufl.
besorgt von W. C. Kayser. 8. Berlin. Weidmann; 18 gr. — 115.
Homer's Odyssee. Für den schulgebraucb erklärt von K. E. Ameis.
1. bd. 2. heft. 5. aufl. besorgt von C. Hentze. 8. Leipzig. Teubner;
12 ngr. — 116. Sophokles. Für den schulgebraucb von G. Wolff.
3. thl. Antigone. 2. aufl. 8. ebendas.; 15 gr. — 117. Thukydides.
Erklärkt von J. Classen. 1. bd. 2. aufl. 8. Berlin. Weidmann; 25
gr. — 118. Xenophons Anabasis. Erklärt von C. Mehdantz. 1. bd.
3. aufl. 8. Berlin. Weidmann; 15 gr. — 119. T. M. Plautus, aus-
gewählte komödien. Für den schulgebrauch erklärt von J. Brix.
1. bd. Trinummus. 2 aufl. gr. 8. ebendas; 12 ngr. — 120. Cice-
ro's rede für C. Plancius. Für den schulgebrauch erklärt von E.
Kvpke. 2. aufl. 8. Leipzig. Teubner; 12 gr. — 121. T. Livi ab
urbe condita libri. Erklärt von E. Weissenborn. 8 bd. 2. aufl. Ber-
lin. Weidmann; 25 ngr. — 122. L. O Broker, Untersuchungen über
die glaubwürdigkeit der altrömischen Verfassungsgeschichte. 2. ausg.
8. Hamburg. Gröning; 1 thlr.
Neue Schulbücher.
123. 124. Freund, Schülerbibliothek. 1. abth. Präparation zu
Sophokles werken. 14. heft. 16. Leipzig. Violet; 5 ngr. — zu Sal-
lust's werken. 4. heft. 3. aufl. ebendas. — 125. R. Kühner, Übungs-
buch enthaltend deutsche uud griechische Übersetzungsstücke zur er-
lernung der formenlehre und syntax. 2. aufl. 8. Hannover, Hahn;
15 ngr.
Bibliographie.
Weitere nachrichten über die arbeiteinstellung der setzer in
Leipzig finden sich im Börsenbl. nr. 64; ferner nr. 74.
Eine biographie von Ambmise Firmin Didot von 0. Mühlbrecht
steht im Börsenbl. nr. 70 : sie stand zuerst in der Leipziger illustrir-
ten zeitung: es ist sehr unrecht, dass bei der herausgäbe von IT.
Stephani Thesaurus Dübner nicht genannt ist, der auch bei andern
Unternehmungen Didot's rechte hand gewesen.
Sehr beachtenswerth ist der aus der » Gegenwart« im Börsenbl.
nr. 76 aufgenommene artikel von H. W. Eras: »der gewerkverein
der buchdruckergehülfen und herr Brentano« : professor Brentano in
Breslau vertheidigt die massnahmen der gehülfen.
Mauke's verlag (Hermann Dufft) in Jena versendet einen pro-
Bpect über: Lexicon zu den reden des Cicero mit angaben sämmtlicher
stellen von H. Merguet, welches 40 lieferungen a 5 bogen zum preise
von 20 sgr. für jede lieferung umfassen soll : jedes jähr werden sechs
lieferungen erscheinen. Es ist das gewiss ein sehr zeitgemässes un-
ternehmen. Der prospect enthält p. 4 auch angaben über andre neue
philologische Unternehmungen dieser firma.
Im märz ist ausgegeben: verzeichniss empfehlenswerther karten-
218 Bibliographie. Nr, 4.
werke für lehr - anstalten aus dem verlage von Dietrich Reimer in
Berlin; ferner: verlags - bericht von L. Heimanns verlag (Erich Ko-
schny) in Berlin, worin über die daselbst erseheinende philosophische
und historisch -politische bibliothek das nähere angegeben.
Im laufe des monats märz ist die probenummer der » Wissen-
schaftlichen Monatsblatter « erschienen, welche von Dr Karl Hopf und
Dr Oscar Schade, professoren an der Universität Königsberg, heraus-
gegeben werden sollen, in jedem monat ein »ungleich starkes heft,
abonnementspreis 20 sgr. pro semesterx : es sollen diese blätter »ob-
jectiv gehaltene besprechungen hervorragender und interessanter novi-
täten bringen«, und zwar, wie die probenummer zeigt, sehr kurze
und aus allen fächern : als motiv für diese gründung giebt der pro-
ßpect p. 1 an, dass sich in Königsberg das bedürfniss fühlbar gemacht
habe »die daselbst vorhandenen wissenschaftlichen kräfte mehr zu
vereinigen, in bewegung zu setzen und mit auswärtigen kräften in
berührung zu bringen « : es lässt sich das sehr wohl begreifen, aber
es fragt sich, ob die herausgeber den richtigen weg dafür betreten
haben. Mir erscheint es verfehlt, dass man die ganze Wissenschaft
umfassen will : denn da weder einer noch zwei jetzt dies vermögen,
dürfte das eindringen der partei, auch das der unkenntniss kaum zu
vermeiden sein : scheint doch das diese probenummer schon zu beweisen ;
denn die anzeige über Rutilius Namatianus p. 9 ist nicht gerecht
gegen Zumpt, s. Phil. Anz. III, p. 122, die über Nitzsch's annalistik
doch wohl zu freundlich, s. ob. nr. 2, p. 117: am auffallendsten ist
p. 15 bei der besprechung der metrischen ansichten von Lehrs das
schweigen über Böckh, der doch erst Lehrs zum zweifeln an G. Her-
mann's system gebracht hat, noch auffallender , dass Rossbach und
Westphal von Lehrs abhängen sollen, während sie doch selbst auf
Böckh weiter fortzubauen offen und dankbar aussprechen: s. Ross-
bach Rhythmik vorr. p. VII. Dies ein bedenken : ein andres ist,
dass anzeigen der art, wie sie die probenummer giebt, bei der jetzt
üblichen art der Versendung der novitäten durch die buchhändler
selbst überflüssig erscheinen; endlich dürfte der räum zu klein sein:
jetzt glauben das die herausgeber mir wahrscheinlich nicht; aber
schon gegen das ende des ersten Jahrgangs werden sie mir recht ge-
ben. Es ist dies geschrieben, um wo möglich die herausgeber zu
nochmaliger prüfung ihres plans zu veranlassen und sie somit vor
enttäuschung zu bewahren: es will mich auch bedünken, als bedäch-
ten sie nicht, wie sie in unsrer so eitlen zeit nur dann freunde fin-
den werden, wenn sie Verfasser wie Verleger der anzuzeigenden bü-
cher immer recht derb zu loben verstehen : das scheinen sie aber
doch nicht zu wollen. — F. v. L,
Cataloge von antiquaren : Antiquarisches vezeichniss 117 von Fe-
lix Schneider in Basel, nur griechische und lateinische classiker; ca-
talog 116 des antiquarischen bücherlagers von Fried, Wagner in
Braunschweig, auch classische philologie.
Kleiue philologische zcitung.
Bei Muraz in "Wallis sind keltische und römische gräber gefun-
den, in denen Statuetten heidnischer gottheiten u. a. sich befanden:
Augsb. Allg. Ztg. nr. 65.
Im Levant Herald hat Frank Calvcrt, ein durch v. Hahn schon
bekannter in der nähe der Dardanellen ansässiger Franzose, einen
ausführlichen bericht unter 25. Januar über die in neuerer zeit veran-
stalteten ausgrabungen in der ebene von Troja erstattet, bei denen
er meist selbst betheiligt war : es ist aber nichts neues darin enthal-
Nr. 4. Kleine philologische zeitung. 219
ten, wird aber vielen interessant sein: die Augsb. Allg. Ztg. giebt
den artikel in der beil. zu nr. 66.
Archäologische gesellschaft in Berlin, 4. märz. Brandis legte die
beiden werke von F. Schröder » die assyrisch - babylonischen keilin-
schriften« und »die keilinschriften und das alte Testament« vor und
machte auf deren grosse bedeutung aufmerksam, da in ihnen zum
ersten mal in Deutschland von einem auf der höhe seiner Wissenschaft
stehenden Orientalisten eine umfassende darstellung der assyrisch-ba-
bylonischen schritt und spräche , sowie der gegenwärtigen ergebnisse
der bisher fast nur in England und Frankreich betriebenen forschung
dargeboten wird. Insbesondere wurde die behandlung des linguisti-
schen theils sehr anerkannt, bei der behandlung des schriftsystems
nur eine Untersuchung über die Ursachen der polyphonie vermisst. —
Adler legte zwei von ihm in Athen gefertigte Zeichnungen vor : zu-
erst ein relief - bruchstück von pentelischem marmor, von der akro-
polis, eine Nike mit heiliger binde darstellend, welche einen tiefer ste-
henden mann kränzt, von dem nur noch der köpf erhalten ist. Die Stel-
lung beider figuren, besonders der verschiedene masstab, weisen dar-
auf hin, dass die Nike auf der hand eines grösseren, verloren gegan-
genen götterbildes stand. Die anmuth in der bewegung sowie die
vorzügliche gesammtcomposition der Nike lassen auf ein ausgezeich-
netes originalwerk schliessen, dessen replik verstümmelt uns vorliegt.
Mit rücksicht darauf, dass die Nike keinen kränz, sondern eine binde
trägt, würde die vermuthung statthaft sein, dass das götterbild ein
olympischer Zeus war und vielleicht eine replik der chryselephanti-
nen statue im hadrianischen olympieion zu Athen. Dann legte der
vortragende die Zeichnung (in natürlicher grosse) zweier auf der Akro-
polis vorhandener alterthümlicher (echt archaischer) terracottenbüsten
vor, welche, weil sie ohne rückseite sind , wahrscheinlich als stirnzie-
gel gedient, jedenfalls eine architektonische Verwendung gefunden
hatten. — Heydemann besprach die darstellung des sog. Schildes des
Scipio im C abinet des Medailles et Antiques zu Paris (Chabouillet Ca-
tal. (jeneral et raisonne nr. 2875) und erkannte in ihr — mit A. (x.
Lange (Welcker Zeitschr. für kunst p. 490 ff.) im gegensatz zu Win-
ckelmann — nicht die rückgabe der Briseis und Versöhnung zwischen
Achill und Agamemnon, sondern vielmehr die wegführung der Briseis
aus dem ersten buch der Ilias ; und zwar sei der dem herold mit
der trompete voranstehende mann, falls Chabouillet (1. c. p. 459)
wirklich recht habe, dass er einen pilos trage, Odysseus an stelle des
zweiten von Homer erwähnten heroldes. Sollte die annähme des pi-
los aber irrig sein — und Millins genaue Zeichnung (Mo?i. inedits I.
pl. 10) scheint dafür zu sprechen, — so ist in dem betreffenden
manne Agamemnon selbst zu erkennen, der sich, wie er gedroht hatte
(Ilias I., 185), Briseis selbst holt: eine Wendung der sage, für die
auch ein vasenbild des Hieron (Mon. dell' Inst. IV, 19) als stützender
beweis angeführt werden kann. Dann theilte der vortragende mit,
dass E. de Meester de Raveslein der gesellschaft ein exemplar seines
in der vorigen sitzung besprochenen katalogs zum geschenk gemacht
hat, wofür ihm öffentlich der schuldige dank erstattet ward. — Cur-
tius legte der gesellschaft vor: den von Egger verfassfen Rapport
fait au nom de la commission de l'ecole francaisr d'Athenes über die ar-
beiten der schule 1869 — 72, und die erste zusammenfassende arbeit
über die ausgrabungen auf dem Palatin , den guida del Palatino von
Visconti und Lanciani. Sodann besprach er den durch Mahmud- Beg
aufgenommenen plan von Alexandria nach der von Kiepert darüber
veröffentlichten abhandlung »zur topographie des alten Alexandria«
und erörtert dann einen von C. Hamann entworfenen Stadtplan von
220 Kleine philologische zeitong. Nr. 4,
Philadelphia mit einer skizze des anliegenden Tmolos. Ferner gab
er aus briefen des Dr Hirschfeld mittheilung über die neuesten ent-
deckungen auf dem boden von Athen und die dort gefundenen thon-
platten, welche zur Wandverkleidung in gräbern gehört haben. Er
legte die farbigen abbildungen ähnlicher thongemälde aus gräbern
von Caere vor, welche dem Musde Napoleon III. angehören, und ein
gleichfalls aus Caere stammendes bruchstück des hiesigen antiqua-
riums, worauf in sehr altem stil mann und frau, einander die hand
reichend, mit einem zwischen ihnen schwebenden vogel dargestellt
sind. Endlich zeigte er eine ebenfalls dem antiquarium angehörende
kleine bronze, welche einen den kränz sich aufsetzenden Amor dar-
stellt. — Reichs-Anz. nr. 68.
Königsberg i. Pr. Am 7. märz c. feierte hier professor Karl
Lehrs sein 50jähriges doctorjubiläum. Die philosophische facultät
würdigte in dem erneuerten doctordiplom den Jubilar treffend in fol-
genden schönen worten: summo philologo. librorum vere immortalium
auctori. qui munere j)rofessoris qicum in schola Fridericiana tum in hac
academia paene per L annos tanto studio tantoque successu functus est :
ut inter praeceptores de hac provincia optime meritos numerandus sii.
quem locum etiam tum deserere noluit quum ante hos XXIV an?tos in
Godofredi Hermann'i cathedram vocaretur : cui innumeri et ab ipso et
ab eius discipulis instituti debent quod humanitatis artibus politi sint:
veritatis libertatis pulcritudinis amatori. cuius comitatem et
modestiam magnitudo meritorum minuere non potuit. Zahlreich waren
die beweise der anerkennung, Verehrung und liebe, die dem gelehr-
ten, dem lehrer und freunde von nah und fern zugingen: der kron-
prinz des deutschen reichs, rector der Universität, sandte einen tele-
graphischen glückwunsch ; oberpräsident von Hörn , curator der Uni-
versität, überbrachte den rothen adlerorden zweiter classe ; Vertreter
ehemaliger schüler des Jubilars überreichten die Urkunde über ein
von diesen begründetes und ihrem verehrten lehrer zu freier Verfügung
gestelltes Stipendium Lehrsianum (stammcapital 1500 thaler) »als
ein dauerndes zeichen der Verehrung« ; deputierte der Universität,
der Studentenschaft — ein festlicher aufzug war abgelehnt worden — ,
des provinzial-schulcollegiums, des collegium Fridericianum , dem
Lehrs vom j. 1825 bis zum j. 1845 als lehrer angehörte , sowie der
beiden anderen gymnasien der stadt bezeugten dem Jubilar in war-
men worten ihren herzlichsten dank für seine langjährige überaua
segensreiche Wirksamkeit. Dasselbe geschah in schriftlichen glück-
wünschen von mehreren Unterrichtsanstalten der provinz und vielen
privaten, auch von der leipziger philosophischen facultät; deren
schreiben lautet folgendermassen :
Hochgeehrter herr!
Der tag, an dem eine der ersten zierden, wie der ehrwürdigen Al-
bertina, so der klassischen philologie Deutschlands, vor einem halben
Jahrhundert den öffentlichen eintritt in die gelehrtenwelt vollzog,
kann nicht verfehlen die unterzeichnete facultät mit den theilneh-
mendsten empfindungen zu erfüllen.
Wenn eine so rühm - wie segensreiche thätigkeit, mit hingebender
treue geübt im dienste der streng wissenschaftlichen forschung und er-
kenntniss , der wohlthätigen heranbildung des nachwachsenden ge-
schlechts, der lebendigen förderung ächter humanität, dankbar huldi-
gende anerkennung von allen seiten hervorrufen wird , so wollen
Sie, verehrter herr Jubilar, auch unserer genossenschaft die warme be-
theiligung an einem so allgemein menschlichen interesse freundlich
vergönnen und dieselbe auch persönlich eine gute statte bei Sich fin-
den lassen.
Nr. 4. Kleine philologische zeitung. 221
Möge Ihnen die "wohlverdiente gunst aller guten götter noch
lange die jugendliche gedanken - und Willenskraft frisch erhalten,
der wir bisher so hellleuchtende erfolge verdankten , und den glänz
eines arbeitsvollen rnannesalters mit einem so heitern wie erfüllungs-
reichen lebensabend krönen.
Q. D. 0. M. ß. V. ET. F. F. F. Q. E. I.
Leipzig, zum 7. märz 1873.
Die philosophische facultät der Universität.
Dazu fügen wir die in klassischem inschriftenstil geschriebene von
Fr. Ritschi dem Jubilar gewidmete votivtafel:
KAROLO LEHRSIO | Regimontano | Vniversitatis Albertinae de-
ooriatque ornamento singulari | eximio eximii praeceptoris et discipulo
et aemulo|Aristarcheaevirtutis interpreti atque vindicivere Aristarcheo]
MOPQUüClN ESHrHClN KPICIN cum graecarum tum latinarum litte-
rarum | veterum magistrorum exemplo | laetissima eademque fructuo-
sissima consortione socianti | sfrenueque iuventutis institutione | ad
futurae aetatis usum saeculi vitio in dies periclitantem | salutariter
propaganti | tarn luculenter sustentatos honores quinquagenarios | No-
nis Martiis a. CIOIOCCCLXXIII | ex animo gratulatur | multorumque
annorum salutem prosperitatem duraturamque hilaritatem | arnicis«
sime exoptat I FR1DERICVS R1TSCHELIVS | olim Bonnensis, nunc
unus e Lipsiensibus si fas est dicere yga/aficamolc.
Beide Zuschriften aus Leipzig konnten nicht gedruckt überreicht
werden: der jammervolle setzer- und druckerstrike nöthigte zu hand-
schriftlicher mittheilung. Ausser diesen ehrenbezeugungen sind noch
folgende festschriften dem Jubilar von coJlegen und schülern dedicirt
worden: Ludwig Friedländer Ueber die entstehung und entwick-
lung des gefühls für das romantische in der natur. Leipzig, S. Hir-
zel (45 s.); H. Jordan Incertorum scriptorum origo gentis Romanae
et de viris inlicstribus urbis Romae über. S. Aureli Vicioris et incerti
de Caesaribus libri cum commentariis. Leipzig, Breitkopf und Härtel
(unter der presse) ; Dr Richard Arnold t (gjnnnasiallehrer in Elbing)
die chorpartien bei Aristophanes scenisch erläutert. Leipzig, B. G.
Teubner (196 s.); Hermann Raumgart [gymnasiallehrer in Königs-
berg) Pathos und pathema im aristotelischen Sprachgebrauch. Zur
erläuterung von Aristoteles' definition der tragödie dargelegt. Kö-
nigsberg, W. Koch (58 s.); Dr Otto Carnuth (gymnasiallehrer in Ol-
denburg) De Etgmologici magni fontibus. Berlin , gebr. Bornträger
(36 s.); Dr Hans Flach (gymnasiallehrer in Elbing) die Hesiodische
theogonie mit prolegomena. Berlin, Weidmannsche buchhandlung
(105 s.) ; Dr. Eduard Kammer (gymnasiallehrer in Königsberg) ein-
heit der Odyssee und ausführliche Widerlegung der ansichten von
Lachmann -Steinthal, Köchly, Hennings und Kirchhoff. Leipzig, B.
Teubner (unter der presse) ; Dr Arthur Ludwich (gymnasiallehrer in
Königsberg) beitrage zur kritik des Nonnos von Panopolis. Königs-
berg, C. Th. Nürnberger (144 s. 4. Gratulationsschritt des Collegium
Fridericianum) ; Dr H. Merguet (realschullehrer in Gumbinnen) lexicon
zu den reden des Cicero mit angäbe sämmtlicher stellen. Erster band.
Jena, Mauke (unter der presse). — Mit welcher jugendfrischen ela-
sticität, mit welcher heiteren laune der liebenswürdige greis die vie-
len äusserungen inniger liebe und Verehrung entgegennahm und zu-
letzt noch im freundeskreise bis zu später abendstunde unermüdet
mit herzerfreuendem humor zu erwidern wusste: das wird uns we-
nigstens immer unvergesslich bleiben, die wir mit wahrhaftiger liebe
unserem lehrer anhängen und denen auch seine »Zehngebote für clas-
ßische philologie« ins herz geschrieben sind. [^4.2/.] — Wir fügen, in
der meinung, dass unsern lesern das nur angenehm sein wird, noch ei-
222 Kleine philologische Zeitung. Nr. 4.
nige notizen aus des Jubilars leben hinzu, welche wir den wissen-
schaftlichen monatsblättern — s. ob. p. 218 — nr. 1, p. 14 figg. ent-
nehmen, welche daselbst ebenfalls einen bericht über dieses Jubi-
läum gegeben. Karl Lehrs ist zu Königsberg am 14. januar 1802
geboren, bezog ostern 1812 das Friedrichs -collegiuni daselbst, wo
Grotthold, Jacob, seit 1816 der aus dem felde zurückgekehrte K.
Lachmann vorzugsweise einfluss auf den jüngling übten. Von mi-
chaelis 1818 bis ostern 1823 studierte er unter Lobeck und Lach-
mann philologie, hörte aber auch Herbart und andere, ward am 7.
märz 1823 auf grund einer dissertation über die declination im epi-
schen dialecte promovirt: sie ist, obgleich sie früher als preisauf-
gabe gekrönt war , doch nicht gedruckt. Bald nach der promo-
tion vertrat Lehrs in Da.nzig am gymnasium ein halbes jähr einen
nach Italien gereisten lehrer , blieb aber noch ein zweites halbes
jähr Privatunterrichts halber daselbst: hier ward mit Meineke freund-
schaft geschlossen, die erst durch den 1870 erfolgten tod Meineke's
gelöst worden. Es folgte ein jähr am gymnasium in Marienwerder;
aber schon 1825 kam der junge doctor an das Fridericianum zu Kö-
nigsberg, an welchem er dann in den drei obern classen mit inniger
lust und reichem segen ununterbrochen volle 20 jähre gelehrt hat.
Daneben hielt er seit 15. october 1831 durch die schritt Quaestionum
Aristarchearum specimen habilitirt , an der Universität Vorlesungen,
ward unter dem 16. december 1835 extraordinarius, aber erst 1845
professor Ordinarius : er soll eben kein liebling des damaligen curator
gewesen sein : er schrieb zum antritt dieser professur ein programm
de Asclepiade Myrteano. Nun aber gab er die Stellung an der schule
auf, um mit ganzer kraft den anforderungen der uuiversität zu ge-
nügen; wie theuer und werth ihm sein Wirkungskreis an dieser war,
zeigte sich 1848, wo er um Gr. Hermann zu ersetzen einen glänzen-
den ruf nach Leipzig erhielt; er schlug ihn aus und »so einfach
waren damals noch die sitten unter den professoren
oder so uneigennützig war dieser, dass er den glänzen-
den ruf nicht einmal zur erhöhung seines hiesigen ma-
geren gehaltes benutzte«. Wie Lehrs an seiner stelle als leh-
rer wirkte, davon zeugt ja dieses sein doctor -Jubiläum: was er der
Wissenschaft gewesen ist, weiss jeder philolog: möge ihm vergönnt
sein , den bisherigen leistungen noch weitere — eine quellenunter-
suchung über Pindar soll handschriftlich vollendet sein — glänzende
in frische und kraft hinzuzufügen !
Das Börsenblatt nr. 59 bringt auszüge aus Büchner's »aus den
papieren der Weidmannschen buchhandlung« bd. IL
Pfahlbauten im Sternberger see werden nach Dr Zittel genau
beschrieben in Reichs-Anz. nr. 69.
Neue Veröffentlichungen aus Göthc's nachlass verzeichnen Reichs-
Anz. nr. 70, Augsb. Allg. Ztg. beil. zu nr. 32.
Ueber das neueste werk von Beule, Fouilles et decouvertes, re-
sumees et discoutees en vue de Ihistoire de l'act äussern sich Augsb.
Allg. Ztg. beil. zu nr. 74 und Reichs-Anz. nr. 71 folgendermassen:
das erste buch ist Griechenland und Italien gewidmet: Beule beginnt
mit einem tagebuch über die ausgrabungen auf der Akropolis von Athen.
Er veröffentlicht die zur zeit seiner ausgrabungen tag für tag, stunde
für stunde, über die verschiedenen wechselfälle seiner Unternehmung
gemachten aufzeichnungen. Am 20. februar 1852 schrieb er: »Meine
tage vergehen auf der Akropolis, d. h. auf diesem mit tempeln und
weihgeschenken bedeckteu plateau, das die citadelle von Athen war. ...
Da die läge der propyläen, des tempels der unbeflügelten Victoria, des
parthenon, der tenipel der Minerva Polias und des Neptun sicher
Nr. 4. Auszüge aus Zeitschriften. 223
fest steht, so muss man die Strassen, die thore, die pforten, die deko-
rationsgruppen, die votivsäulen, die mauern der verschiedenen heilig-
tbümer, die spuren der Pelasger, die zuerst den berg besetzt und ge-
ebnet batten, den tempel der brauroniscben Diana, den tempel der
Minerva Ergane , den der Ceres , den der Roma und des Augustus,
den platz der beiden Minerva -kolosse, der eine von elfenbein , der
andere von bronze, wiederfinden«. Von grosser bedentung waren
namentlich seine ausgrabungen an den propyläen , erbt dadurch ge-
wann man klarbeit über dieses gebäude , das früber durcb eine ba-
stion Mobammeds II. fast unkenntlich war. Der rest des bandes ent-
hält abhandlungen über den tempel der Juno in Argos, forschun-
gen über Delphi, die insel Thasos, den Olymp und Akarnanien,
dann über die in Italien von 1846 bis 1866 gemachten entdeckungen,
über Etrurien und die Etrusker, die gemälde von Orvieto, die bau-
ten der flavischen familie. Im zweiten bände beschäftigt sich Beulo
mit den ruinen von Cyrene , der vase der Berenice , dem Serapeum
und den ausgrabungen Mariette's, der grossen Sphinx, mit Ninive
und der assyrischen kunst, mit den entdeckungen Newtons in
Kleinasien, namentlich mit dem grabe des Mausolus, den denkmä-
lern von Ephesus und einem edikt Diokletians, sowie den alterthü-
mern des Bosporus. Von grossem interesse sind auch die im zwei-
ten bände veröffentlichten briefe Beule's, über die ausgrabungen in
Carthago 1859. Auf dem gebiet von Carthago wurden zu verschie-
denen zeiten ausgrabungen veranstaltet , theils durch die carthagi-
sche gesellschaft, theils durch Nathan Davis; dieselben haben manche
interessante stücke in die museen des Louvre, von Kopenhagen und
von London geliefei't, deren funde jedoch fast alle der römischen
und späteren zeit angehören und keinen bestimmten aufschluss
über die phönizische kunst und architektur geben. Die Cartha-
ger haben niemals die grosse kunst gepflegt, wohl aber waren sie
geschickte goldarbeiter und Juweliere, graveure in stein und metall,
ihre kunstwerke mussten sich daher besonders durch den reichthum
der Ornamentik auszeichnen. Von den mauern Carthago's wissen wir,
dass sie 30' dick, 45' hoch waren und drei etagen hatten. Zu ebener
erde waren 300 elephanten untergebracht, im ersten stock 4000
pferde, im zweiten 24,0ü0 Soldaten. Der hafen konnte eine flotte
von 350 galeren mit 42,000 kombattanten und 105,000 matrosen
aufnehmen. In Byrsa, der citadelle Carthagos , begann Beule
seine ausgrabungen. Er deckte einige der mauern auf vom
gründe bis zu einer höhe von 15'. Diese mauern sind von kolossalen
unregelmässigen blocken, ähnlich den archaistischen mauern Grie-
chenlands und Etruriens, ohne mörtel aufgebaut. Auch über den
ganzen plan der mauern, ihre fortifikatorische einrichtung gewährten
erst die entdeckungen Beule's wichtige aufschlüsse. Weitere ausgra-
bungen machte er in der nekropole Carthago's und in dem hafen die-
ser merkwürdigen handelsstadt.
Auszüge aus Zeitschriften.
Archäologische Zeitung. Unter mitwirkung von E. Curtius her-
ausgegeben von E. Hübuer. Neuer folge bd. V heft 1 u. 2. Berlin.
E. Schuhe, über die giebelgrnppe des capitolinischen Jupitertempels
(biezu taf. 57), p. 1. — Derselbe, der tempel des Hercules an der
porta trigemina (hiezu taf. 58), p. 9. — F. Matz, Sarkophag aus
Patras (hiezu taf. 59), p. 11. — G. Hirschfeld, nachtrage zu den at-
tischen künstlerinschriften (hiezu taf. 60. 61), p. 19: enthalten theils
bisher unbekannte, theils ungenügend bekannte inschriften; sehr zu
224 Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 4.
beachten. — H. Wittich zum ephesischen Artemision , p. 29. — C.
Lüders, der westfries der cella des parthenon in seinem jetzigen zu-
stande, p. 31. — H. Heydemann berichtet über: deux peintures de
vases grecs de la necropole de Kameiros, Paris 1871 fol., p. 35, ein von
TV. Frühner edirtes heft, in dem er zwei im britischen museuni be-
findliche vasen erläutert : Heydemann macht dazu bemerkungen und
nachtrage. — H. Heydemann, teller aus Kameiros, p. 38: mit einem
holzschnitt: ist ein terracottenteller, der bei den Salzmann'schen aus-
grabungen in Kameiros gefunden. — Sitzungsbericht der archäologi-
schen gesellschaft in Berlin, p. 39. — Festsitzung des archäologi-
schen Instituts in Rom, p. 44. — Miscellen : E. Hübner, zur madrider
Sapphoherme , p. 47 : bezieht sich auf taf. 50. — E. Hübner, zum
grabstein des Antipatros von Ascalon in Athen , p. 47. — JE. Hüb-
ner, ausgrabungen in der Saalburg, p. 47, giebt nach dem in Wies-
baden erscheinenden Rheinischen Courier nachricht über einen Saal-
burg-verein, der ausgrabungen u. s. w. unter leitung des oberst von
Cohausen und baumeister Jacobi veranstalten will.
Heft 3. B. Graser, ein bronze-buchbild eines antiken fahrzeuges
aus Actium (hiezu taf. 22), p. 49. — E. Curtius, die geburt des
Erichthonios (hiezu taf. 63), p. 51. — Derselbe, neue funde in Ilion
(hierzu taf. 64), p. 57 : bezieht sich auf eine schon vielbesprochene
von Dr Schlieniann gefundene roetope : s. unt. heft 5. — H. Wit-
tich, die pyramidenmaasse des Plinius, p. 60. — H. Heydemann,
vier Wandgemälde aus Stabiä, p.63. — jÖem>/Je,Adonia (?) auf einer
vase aus Ruvo, p. 65. — Derselbe , die wuth des Lykurgos, p. 66. —
Derselbe, antiken des grafen Wilh. v. Pourtales iu Berlin, p. 68. —
Fr. Wiese/er, das heerd- und feuersymbol bei Vulcanus, p.69, mit ei-
ner entgegnung von Friedländer, p. 71. — E. Curtius, die säulenre-
liefs von Ephesos (hierzu taf. 65. 66), p. 72. — Sitzungsberichte der
archäologischen gesellschaft in Berlin, p. 75. — Miscellen: K. War-
mann, pompejanische anmerkungen, p. 78. — ß. Bergan, die soge-
nannte riesensäule im Odenwalde, p. 80. — E. Hübner, alterthümer
aus der provinz Posen , p. 81. — Derselbe, römische inschrift aus
Frankfurt am Main (s. Philol. XXXIII, 2, p. 369).
Augsburger allgemeine zeitung 1873: Nr. 11. Ludwig Napoleon Boua-
parte: nekrolog. — Beil. zu nr. 11 : zur frage Überbestand und berechti-
gung unserer humanistischen schulen: knüpft an die schrift von Sürgel
an: s. Phil. Anz. IV, nr. 12, p. 597. — Beil. zu nr. 12: physiologie des
menschlichen denkens, anzeige des buches gleichen titeis von Jessen.
— Beil. zu nr. 15. nr. 16: die Falk'schen gesetzentwürfe. — Beil.
zu nr. 16, zu nr. 18. 19: zu nr. 21: Bamberger, reminiscenzen an Na-
poleon III. I. II. III. IV. — Kurze naturwissenschaftliche bemerkun-
gen zu hrn Hubers kritik von Strauss' neuestem buche, von K. Sem-
per. — Die verurtheilung des Dr Sydow in Berlin. — Beil. zu nr. 17:
das preussische Staatsgrundgesetz und die kirche. — Beil. zu nr. 19.
20. 21. Waldemar Kuden, ein ausflug in die Abbruzzen. — Nr.
21: Gramont, Beust und Andrassy. — Beil. zu nr. 22: zu den
ausgrabungen Schlieinanns : s. ob. nr. 2, p. 125.
Berichtigungen.
In heft 2, p. 124 sind z. 24 nach »u. s. w.« die worte aus z. 27.
28 zu setzen : » dazu excurse . . . Lehrs.« Ebendas. z. 29 ist statt
Graecae zu schreiben: phä, Lipsiensis.
Nr. 5. Mai 1873.
Philologischer Anzeiger.
Herausgegeben als ergänzung des Philologus
von
Ernst von Leutscli.
126. Versuch einer erklärung der aspiraten nebst beleuch-
tung gewisser grundsätze der neueren Sprachforschung. Von
F. W. Culmann. 48 ss. 8. Leipzig, Fleischer. 1871. — lOngr.
127. Versuch einer erklärung der Zahlwörter der indoger-
manischen stamme nebst beilagen über indogermanische Wort-
bildung. VonF. W. Culmaan. 93 ss. 8. Leipzig, Fleischer. 1872.
128. Das geheimniss des spiritus asper. Eine mittheilung
aus der schrift : Versuch einer erklärung der Zahlwörter. Von
F. W. Culmann. 23 ss. 8. Leipzig, Fleischer. 1872.
Im jähre 1790 erschien von dem Holländer Lennep ein
buch, das sein Verfasser dazu bestimmt hatte, in das bisherige
dunkel des etymologisierens klarheit zu bringen, die praelectio-
nes aeademicae de analogia linguae graecae. Diese analogia, mit
der der Verfasser die ludibria seiner Vorgänger endgültig zu
beseitigen meinte, geht aus von der berechnung der denkbar
einfachsten urverba, als die sich «co sco im oco va ergeben;
daraus entstehen durch vor- oder einsetzung von consonanten
ßdoj yda> ußu) uyoo u. s.w. Als sechsundzwanzig jähre später
Bopp sein conjugationssystem schrieb und im anschluss daran
sich die vergleichende Sprachwissenschaft entwickelte, warf man
diese und ähnliche träumereien über sprachschöpfung und sprach-
entwickelung ohne ein wort darüber zu verlieren einfach in die
rumpelkammer der geschichte der grammatik, in die nur mitun-
ter ein gelehrtes äuge einen wenig erquicklichen blick thut.
Sonderbar muthete es uns daher an , als wir auf jeder seite
der oben namhaft gemachten brochuren die geister der urverba
des seligen Lennep in unheimlich neuer Verkörperung herum-
spuken und auf den grabhügeln der bisherigen sprachwissen-
Philol. Anz. V. 15
226 126—28. Grammatik. Nr. 5.
schaftlichen resultate einen fröhlichen todtentanz aufführen sa-
hen. Der Zauberlehrling, der die geister gerufen, ist, irren wir
nicht , pfarrer in Bischweiler im Elsass , dem seine seelsorge-
rische thätigkeit noch so viel zeit übrig lässt um auf die Sprach-
wissenschaft einen umgestaltenden einfluss auszuüben. Er hat
die traurige entdeckung gemacht, dass das, was „unter dem na-
men von wurzeln auf dem markte der Sprachforschung erscheint,
nichts anderes sind als etymologische nothbehelfe, wie man de-
ren so manche in ermangelung tieferer einsieht in das wesen
der Wortbildung erfunden hat". Die nothwendige „tiefere ein-
sieht" steht nun aber glücklicher weise Culmann zu geböte
und setzt ihn in den stand ,,den meistern und jungem der in-
dogermanischen Sprachwissenschaft" die interessante mittheilung
zu machen, dass der ganze Wortschatz der indogermanischen
sprachen (zu denen, wie wir beiläufig auf p. 73 der zweiten
schrift erfahren , nicht nur das semitische , sondern auch das
finnische, esthnische, ungarische, baskische gehören) auf ein „ur-
oder elementarverbum" zurück geht, das, „wie die analyse je-
des indogermanischen wortes bezeugt", kein andres als das ein-
fache d oder aha (sk. ah got. ahan deutsch ahen gr. ativ, cf.
Lennep) gewesen sein kann. Aha! wir können unser freudiges
erstaunen über diese endliche lösung eines längst gesuchten pro-
blems unmöglich besser ausdrücken als durch anwendung dieses
indogermanischen urverbs. Nachdem wir in einer poetisch ange-
hauchten Charakteristik dieses urverbs erfahren haben, dass sein
„lebenathmender vocal gewissermassen den seelischen kern oder
keim aller Wörter" bildet, werden uns weitere einblicke in die
werkstätte indogermanischer Sprachbildung gestattet und wir sehen,
wie aus diesem verbum ,,urverben zweiter instanz" hervorgingen
durch Vorschlag der einfachen consonanten, vierzehn an zahl, näm-
lich vaha baha paha daha taha saha haha jaha gaha haha laha
maha naha raha. Durch gegenseitigen anschluss dieser vierzehn
seeundären urverba an einander und an das eigentliche urver-
bum , das „organisch ablautet" in aja aga aha und „redupli-
ciert" agga anga anha sammt agha acha acha absetzt, entstanden
sammtliche andere verben, hauptwörter, adjeetiva, pronomina,
praepositiouen u. s.w. Auch in die bedeutung jener seeundären
urverben verräth Culmann eine „tiefere einsieht"; vaha haha paha
sind propulsiv lebensrege, unbestimmt voranbewegend, daha taha
Nr. 5. 129. Lateinische grammatik. 227
saha objectiv, gleichsam ziel- wie stossweise dahin bewegend,
jaha und gaha impulsiv, betreibend, in gang setzend; haha at-
tractiv , herzubewegend u. s. w. Man sieht , an mannigfacher
nuancierung eines begriffs Hess die spräche unsrer Urväter nichts
zu wünschen übrig. Eine menge speciellerer mittheilungen aus
dem indogermanischen lexicon (wie sahnaivaha schneien, sahai-
väiara Sondga , saharavaha ygacpsiv u. s. w.) müssen wir leider
übergehen, da wir einerseits von dem werthe des papiers einen
höheren begriff haben als Culmann , andrerseits demjenigen,
der seinen nerven vielleicht die heilsame erschütterung eines
aaßsazog ysXoog gönnen will, durch weiteren auszug nicht vor-
greifen wollen. Und so scheiden wir denn von dem Verfas-
ser mit dem wünsche, dass er recht bald müsse finden möge
um, wie er (p. 73) versprochen , verschiedene dunkle punkte
der indogermanischen Wortbildung in „einer ausführlicheren be~
leuchtung" zu zeigen. Gustav Meyer.
129. Historische syntax der lateinischen spräche von Dr
A. Drager. Zweiter theil. Erste hälfte. Leipzig, B. G. Teub-
ner. 1872. p. 147—322. gr. 8. — 24 gr.
Dem ersten bände des Dräger'schen werkes, über welchen
in diesem Anzeiger IV, 544 — 551 berichtet worden (vgl. auch
die anzeige IV, 321 ff.), ist überraschend schnell die erste ab-
theilung des zweiten bandes gefolgt, welche in vier abschnitten
A. subject und prädicat, B. ellipse des prädicates,
C. tempora und modi und D. (unvollständig) die form
der directen frage behandelt. Auch hier empfängt der le-
ser den eindruck, dass ungewöhnlich viele arbeit und hinge-
bung in dem buche verborgen ist ; aber die gestellte aufgäbe
ist so gross, dass selbst jenes hohe mass von thätigkeit zu ih-
rer lösung noch nicht genügt. So waren von dem ersten theile
nicht nur gar manche Vorzüge zu rühmen, sondern auch zahlreiche
mängel zu rügen; beides gilt auch für die bis jetzt erschienene
Fortsetzung des buches. Allerdings stehen wir in diesem zwei-
ten theile wirklich auf dem boden der syntax, aber das prädi-
cat einer historischen darstellung kann man dem buche nicht
ohne erhebliche einschränkung ertheilen. Zwar konnte der
Weitumschriebene kreis der lectüre des vfs. , worüber in der
vorrede zum ersten theile schlicht und wahr rechenscbaft ge-
15*
228 129. Lateinische grammatik. Nr. 5.
geben ist, wenn auch nicht zu einer bis ins detail vollständi-
gen und abschliessenden darstellung , so doch für eine die histo-
rische entwicklung der syntaktischen erscbeinungen in ihren
grundzügen nachweisende, bahnbrechende arbeit genügen —
vorausgesetzt, dass der vf. gleich anfangs bei seiner lectüre den
umfang seiner aufgäbe überblickte. Dies aber scheint mit nich-
ten der fall zu sein; sonst wäre es kaum möglich, dass bei
wirklich wichtigen partieen jede mittheilung über den usus ein-
zelner, nicht unbedeutender autoren fehlt, die docb, wie andere
capitel des buches zeigen, vom vf. für manche punkte genau
durchgearbeitet worden sind. Zwar fehlt es auch im ersten
theile nicht an ähulichen äusserungen wie hier z. b. p. 207:
„ob spätere prosaiker obiges nachgeahmt haben, ist bisher nicht
untersucht worden", oder p. 212: „indess fehlt es darüber an
beobachtungen" — äusserungen , die um so auffallender sind,
als man von dem herausgeber der Annalen und des Agricola
wenigstens über den gebrauch bei Tacitus aufschlüsse erwarten
durfte. Aber es ist uns doch aus dem ersten theile kein bei-
spiel erinnerlich, wie es hier §. 126 „tempusfolge nach praete-
ritis, die von praesentibus abhängen" vorkommt. Auf den elf
Seiten dieses paragraphen sind Quintilian und Sallust einmal,
Livius zweimal genannt (ausserdem aus dem ciceronischen
briefwechsel Caelius zweimal, Pollio, Pompejus und Sulpicius
je einmal) ; keine dieser erwähnuugen umfasst mehr als zwei
bis drei zeilen. Alles andere behandelt den usus des einzigen
Cicero, auf welchen sich auch Keusch im Elbinger Programm
1861 beschränkt hatte. Und das nennt man ,, historische Syn-
tax"! So etwas erklärt sich nur daraus, dass das mit kundi-
ger band entworfene werk fertig gemacht wurde, bevor es voll-
endet war. Denn nicht nur die ungleiche auswahl , sondern
auch die gruppirung und fassung des Stoffes macheu eher den
eindruck einer excerptensaramlung als den eines durchgearbei-
teten , für sicheren und leichten gebrauch geordneten buches.
Bald sind die autorennamen gesperrt gedruckt, was die über-
sieht erleichtert, bald ist es nicht geschehen; wiederum wechselt
gesperrte und cursivschrift , wodurch das gleichartige auf den
ersten blick als verschiedenes sich darstellt. Citirt wird bald
nach paragraphen, bald nur nach capiteln; im Nepos ist bald
die nummer der biographie, bald der name des feldherrn an-
Nr. 5. 129. Lateinische grammatik. 229
gegeben. Neue abschnitte treten uns entgegen, wo wir uns
darüber wundern , während sie anderwärts fehlen, wo man sie
erwarten durfte; z. b. p. 207 steht Virgil in demselben abschnitt
mit Sallust; gleich darauf beginnt für Properz ein neuer ab-
schnitt. Doch das sind die äusserlichkeiten , die sich bei dem
drucke der folgenden bände leicht bessern lassen; den inneren
mangeln des buches in den noch zu erwartenden theilen abzu-
helfen, ist schwerer, — jedoch vielleicht nicht unmöglich. Der
vf., der ein schätzbares material sich gesammelt hat, muss auch
die lücken desselben selbst am besten erkennen. Möge er die
fortsetzung seines buches, das doch bestimmt ist eine wichtige
stelle in der grammatischen litteratur einzunehmen , lieber so
lange verzögern, bis es ihm möglich sein wird, seine Sammlun-
gen in entsprechender weise zu ergänzen.
Als beweis für das gesagte mögen hier noch einige bemerkun-
gen das capitel über die tempora und modi betreffend hinzugefügt
werden. P. 207 werden für den Wechsel des präsens mit dem per-
fect zwei beispiele aus Sallust angeführt; aber Jug. 13, 6 schreibt
Jordan nach guten handschriften das präsens, und Cat. 41 , 5 haben
sich Linker und Jordan (allerdings gegen die handschriften) für das
präsens entschieden, so dass beide stellen nicht als sichere belege ei-
nes perfectum nach einem präsens angeführt werden durften. Aber
für den Wechsel beider tempora in umgekehrter folge bietet Sallust
eine auswahl von beispielen, vgl. Badstübner de Sali, dicendi genere
comm. p. 33 sq. Doch sind unter den daselbst citirten stellen Jug.
12, 4 und 26, 3 zu tilgen. Denselben gebrauch weist aus Justinus
nach Fischer, de elocutione Justini p. 46. — P. 212 wird Sali. Jug.
46, 4 als beispiel dafür angeführt, dass Sallust »gegen die logische
anordnung der sätze« die tempora nach einem historischen präsens
vertausche; aber Sallust hat auch umgekehrt »nach Cicero's gebrauch«
zwischen präsens und Präteritum gewechselt, Cat. 32, 2. — P. 215
ißt unter den für die repräsentation durch den conj. präsentis in in-
directer rede aus Sallust aufgeführten belegen Cat. 41, 5 als bestrit-
ten zu streichen. — P. 229 Hessen sich aus Sallust ausser der citir-
ten stelle noch andere belege für das sogen, perfectum consuetudinis
heranziehen: Cat. 11, 3. 51, 2. Jug. 85, 49. — P. 230 ist zu §. 128
»über den sogenannten aoristischen infinitiv des perfect« zu verglei-
chen Dietze, de sernwne Caloniano p. 27 sq. Wie unstatthaft übri-
gens jene von Dräger adoptirte bezeichnung ist, da dieselbe auf einer
unrichtigen parallele beruht, ist längst von Gr. Curtius ausgesprochen;
8. Zeitschr. f. d. gymn.-W. I 4. heft, p. 102. — P. 235 sollte das
als beleg für den gebrauch des plusquaniperfects statt des perfects
angeführte dixerai Sali. Cat. 50, 4 entweder gestrichen, oder doch
230 129. Lateinische grammatik. Nr. 5.
als bestritten bezeichnet werden, da Roschers conjectur dixit höchst
■wahrscheinlich das allein richtige getroffen hat. — P. 240 lassen
die bei anführung der stelle von Nepos Milt. 5, 2 gebrauchten worte :
» so wird man mit Nipperdey valeret schreiben « — nicht erkennen,
dass selbst die beste handschriftliche gewähr für das auch von Halm
aufgenommene valeret spricht. Das beispiel war also hier gar nicht an-
zuführen, wo es sich um belege für den conj. perfecti nach einem histo-
rischen tempus handelt. Auch sonst lässt sich bei der wähl von be-
legen namentlich aus Nepos die nöthige vorsieht vermissen : p. 248
wird aus Epam. 2, 2 dimiserit aufgeführt, während Nipperdey Spioi-
leg. crit. p. 49 dimisit als das ursprüngliche erwiesen hat , wie auch
Halm schreibt. Sonach wäre dieses beispiel gleichfalls zu beseitigen.
Ebenso ist p. 253 aus Epam. 8, 3 fuit ohne bedenken als beleg auf-
genommen, obschon Madvig, Fleckeisen und Halm diese lesart ver-
worfen haben. Auch p. 273 ist das aus Epam. 4, 6 für den conj.
imperfecti citierte beispiel zu entfernen, indem sowohl Nipperdey als
Halm nicht possemiis, sondern nach Fleckeisen possumus lesen. — P.
255 werden partieipia de conatu nur aus Cicero und Livius mitge-
theüt. Vgl. auch Sali. ep. Mithr. 6 ei subvenientem Antiochum »den
Antiochus, der jenem zu hülfe kommen wollte« (Cless). — P. 257
liess sich für das futurum von volo im nebensatze anführen Sali,
ep. Mithr. 3. 4. — P. 267 sagt der vf. , für den infinitiv des fut.
II im passiv mit fore fehle es sehr an belegen. So möge aus
Sallust hier stehen Jug. 28, 4: quae deliquisset munita fore sperabat.
— P. 269 fehlt unter den aus Sallust zu entnehmenden beispielen
für habere mit partic. perf. passivi die stelle Cat. 58, 1 compertum
ego habeo. — P. 271 wird mit recht angenommen, dass das imper-
fectum poteram bei vorschwebender hypothese nicht nur von der ge-
genwart, sondern auch von der Vergangenheit gebraucht werde. Mad«
vig hat die letztere beziehung nicht erwähnt; dagegen ist sie mit
beispielen belegt bei Johansen , de usu modorum in verlis debere
sqq. p. 47. — P. 274 konnte das aus Cic. de Div. n, 43, 91 ange-
führte debebant präciser erklärt werden nach F. Schultz, Gr. §. 336
anm. 1. — Der p. 279 besprochene gebrauch des conjunetivus »zur
bezeichnung der wiederholten handlung in temporal- und bedingungs-
sätzen« findet sich schon zweimal bei Sali. Jug. 14, 10 hostis nullus
erat, nisi forte quem vos iussissetis ; 58, 3 sin Numidae propius adees»
sissent, ibi vero virtutem ostendere (inf. hist.). An beiden stellen hat
freilich Jacobs eine andere Interpretation versucht. — P. 290 — 295
wird über die attraction der tempora und modi, wenn man von drei
stellen aus Seneca's briefen und einer livianischen stelle absieht , mit
ausschliesslicher beachtung des ciceronischen Sprachgebrauchs gehandelt.
Da ist doch die frage berechtigt , ob und wie weit jener gebrauch
auch auf andere autoren sich erstreckt? — P. 295 f. lassen sich die
angeführten beispiele eines imperfects als potentialis der vergangen-
Nr. 5. 130. Rhythmik und metrik. 231
heit nach einem präsens ergänzen aus Hannwacker, zur lehre von
den bedingungssätzen p. 23. — P. 297 ist umsonst eine erklärung
der lesart viderem bei Cic. in Pis. 41, 99 versucht. Man lese videbo
(oder viderof). — P. 298 wären beispiele für den in prosa seltenen
gebrauch des imperat. präsentis im sinne eines imp. futuri erwünscht;
vgl. Liv. YI, 12 übt videris , in/er, dissipa. — P. 299 ist es auffal-
lend, dass für die keineswegs ungewöhnliche concessive bedeutung
des imp. futuri lediglich auf ein wenig bekanntes schulprogramm
verwiesen wird, während der vf. in anderen fällen den wesentlichen
inhalt solcher Specialuntersuchungen excerpirt und in seine darstel-
lung verarbeitet hat. Unter den beispielen für die periphrastische
ausdrucksweise des negativen imperativs durch wo^'vermisst man sol-
che für die auffällige, aber durchaus nicht vereinzelte Verbindung
noli velle; vgl. Cic. p. Mur. 25, 50. p. Cael. 32, 79. Phil. VII, 8, 25.
Die poetischen Umschreibungen des imperativ durch fuge, mitte, parce
u. a. werden vom vf . gar nicht beachtet. — P. 304 werden belege für den
gehäuften gebrauch historischer infinitive bei Sallust beigebracht; dass
Sallust auch gern einzelne historische infinitive setzt, lässt sich aus der
darstellung des vfs nicht erkennen. Eine vollständige Sammlung der
hierher gehörigen beispiele bietet Koziol in seiner schrift über die be-
deutung und den gebrauch des hist. infinitivs bei Sallust; aus derselben
quelle Hess sich auch eine genauere erklärung dieser grammatischen
eigenthümlichkeit schöpfen, als die p. 302 gegebene andeutung ist. —
Schliesslich sei hier noch auf die befremdende thatsache hingewiesen,
dass der vf. p. 313 f. eine reihe von beispielen für nonne aus Plautus
und Terenz anführt , ohne der überzeugenden abhandlung von A.
Spengel, die partikel nonne im altlateinischen — mit einem worte
zu gedenken. Und doch musste auf das ergebniss dieser schrift, dass
nonne sowohl dem Plautus als Terenz fremd sei , selbst dann hinge-
deutet werden, wenn der vf. damit nicht übereinstimmen sollte.
130. Leitfaden in der rhythmik und metrik der classischen
sprachen für schulen. Von Dr J. H. Heinrich Schmidt.
Leipzig, Vogel. 1869. gr. 8. XIX. 206 s. — 1 thlr.
Der alte streit um die gleichtaktigkeit in den dichtungen
und den sie begleitenden künsten der alten wird noch immer
fortgeführt. Nun man erst die lehre von der ausgleichung der
vierzeitigen mit den dreizeitigen füssen hatte — weil nämlich
jene nach Dionys den dreizeitigen takten sehr nahe wären,
wagte man den sprung aus dem „sehr nahe" ein „durchaus
gleich" zu machen, — so glaubte man nicht locker lassen zu
dürfen bis das genaueste gleichsetzen der kleinen zusammenge-
hörigen theile fertig wäre. Waren frühere bestrebungen dieser
232 130. Rhythmik und metrik. Nr. 5.
art wie Apels als mit den nacbrichten der alten nicht überein-
stimmend , alles nach eigenen und neuen grundsätzen einrich-
tend zurückgewiesen , so setzten Rossbach und Westphal noch
einmal an, indem sie mit hülfe des gedankens von der eu-
rythmischen entsprechung der theile eines grösseren gan-
zen und mit hülfe der überall her durch fleiss und auch
durch kühnes zusammenbringen aufgesuchten reste alter leh-
ren über taktlehre rüstig ausglichen ohne die drei - und mehr-
zeitigen längen zu sparen , vor welchen Boeckh , er welcher
auf diese reste zuerst hinwies, gewarnt hatte. Ihm stand, um
von den dionysischen irrationalen füssen ausgehend die bahn
der ausgleichung zu betreten , offenbar besonders die thatsache
entgegen, dass die alten durch mischung des taktvollen , des
dem takte sich fügenden mit takthärten nicht, wie unsere mu-
sik ganz selten, fast nie, sondern unzählig oft gerade etwas
erreichen wollten — unantastbar durch aneinanderstossen gu-
ter takttheile in dochmien, kretikern, in den als abwechslung
des regelmässigen ganges unzählig vorkommenden antispasten.
Trauten nun schon viele dem mit fleiss aber oft kühn aufge-
richteten unterbau alter Überlieferung in Rossbach und West-
phals fast durchweg nach ausgleichung strebender lehre über die
alten verse und Strophen nicht recht, so konnte in der that das
ganze ausgleichungsstreben nicht leicht einen grösseren stoss er-
halten als durch J. H. Heinrich Schmidts Compositionslehre
u. s. w., indem er dasselbe mit vielfach richtiger ausserachtlas-
sung der oft durch künstelei verbundenen und gemachten alten
lehren nach eigenen meist an sich nicht unvernünftigen grund-
sätzen auf die spitze treibt.
Diese meine wenigen beobachtungen glaube ich besser an den
die grundsätze des ganzen wiedergebenden leitfaden als an das
grosse auf fleissige betrachtung der texte zum theil etwas weit
sich verbreitende werk anzuschliessen. Ich weise weniger auf
Unrichtigkeiten nach meiner eben ausgesprochenen anschauung
hin als auf das, was in dem buche mit sich selbst nicht stimmt.
Im ersten „buche" von der lautlehre wird mit recht der
werth guter ausspräche betont. Eine eigenthümliche Vorstel-
lung ist hier, weil unsere deutschen dichter sich nicht die mühe
gegeben haben lang und kurz zu scheiden, vielmehr eins gele-
gentlich für das andere setzen, unsere deutschen silben alle für
Nr. 5, 130. Rhythmik und metrik. 233
lang zu erklären. Alle für kurz zu erklären wäre ebenso rich-
tig. Er hat eigentümliche belege dafür, wie dass man selbst in
„glaube" die letzte silbe lang zu sprechen „ylaußq" geneigt sei.
Da kann man doch nur an einen scherz, in welchem es ,,glau-
beeV statt ,, glauben" heisst, sich erinnern. P. 5 heisst es vom
griechischen : ,, geschärfte silben sind durchaus lang, wenn sie
auf einen consonanten schliessen, <m'p - ysiv , aiÖQ-yr}". Nein,
ist zu sagen, nur wenn auch die folgende silbe mit einem con-
sonanten anfängt, wie z. b. mto-i]v zeigt. P. 8 „Man sprach
me-ni-ri'aeide" ist eine grille, die mit dem eben erwähnten
versehen zusammenhängt; es muss heissen me-nin- u, s. w.
Wie der vf. ganz von den neueren takten ausgeht, ist es ihm
zuwider, dass die alten den takt mit dem auftakte anfangen
sollten; diesen sondert er stets vorne ganz ab, erklärt nur
seine grosse von dem folgenden takte bedingt. Aber die fol-
gen hiervon sind bedenklich, wie z. b. dass der iambische tri-
meter zum Schlüsse noch eine ,, achtelpause" [\ haben muss,
dass also hier aus achtzehn neunzehn zeiten werden. Oder
soll ich diese ganz neue pause, nicht aber die erste silbe
vorne zählen? An des vfs stelle hätte ich hier keine pause
gesetzt, den takt unvollständig als durch den auftakt zu ergän-
zen gelassen , gerade wie es in unserer notenschrift zu gesche-
hen pflegt. Doch auf p. 32 bei gelegenheit der ioniker macht
er es gerade so. Noch ein anderes wunderliches kommt durch
diese abgeschnittenen auftakte heraus. P. 29 heisst es, die
daktylen haben manchmal auftakt wie im Agamemnon szi yaQ
u. s. w., seien aber darum keine anapaesten. Wäre es möglich,
wenn den anapaesten ihr auftakt doch auch abgeschnitten wird?
Doch den unterschied erfahren wir p. 30, nämlich dass solche
daktylen nicht v v — , die auflösung der betonten länge haben
könnten. Wir müssen uns also nun schon noch merken, dass
Tyrtaeos, welcher diese auflösung (Tanzk. p. 107) noch nicht
hatte, in daktylen, nicht in anapaesten seine marschlieder dich-
tete. Doch sind es p. 40 echte anapaesten. Ueber die frage
wegen der rhythmischen Setzung der katalexen von versen mit
auftakten habe ich ein andermal geredet. Der vf. ist hier in
ungleichmässigkeit. P. 30 hat er (wie ich glaube, richtig) die
zweizeitige pause zum Schlüsse von paroemiakern, sonst aber
(z. b. p. 40 auch paroimiaker) nach Westphal den schluss ' — ' —
234 130. Rhythmik und metrik. Nr. 5.
und i— — ; man vgl. besonders p. 114. 115, wo auakreooteen
mit zwei kürzen vorne als auftakt nichts dreizeitiges vor dem
schlösse haben, Söts fxoi Xvgtjv 'Ofxt'iQov^ — — A, wohl aber
eben solche verse mit einsilbigem auftakte, rj yt} piiXaiva nivsi
i — | — A u. s. w. P. 37 spricht vf. seine neigung für solche
dehnungen aus; wir machten „gern" in dieser weise aus drei
takten vier, „es rieselt klar und wehend" | < — > | — A. Ist es
aber deshalb bei den alten richtig? Unentschiedenheit zeigt
sich übrigens öfter, wie wenn es p. 33 heisst: 4, 6 iamben
„am besten" in dichoreen zu theilen. Es versteht sich nach
meinen einleitenden worten, dass hier jedes aneinanderstossen
von iamben und trochaeen durch eine dreizeitigkeit an der ent-
scheidenden stelle beseitigt wird. Auf die spitze getrieben, wie
ich sagte, erscheint das ausgleichungsstreben , wenn nicht nur
bei jeder gelegenheit lyrische verse mit jenen „fallenden"
Schlüssen versehen werden, sondern auch p. 39 der hinkende
trimeter gegen seinen namen um eine silbe zu lang wird v \ — v | —
v\ — v | — v 1 1 — , | — d; damit man es glaube ist das schema gleich
doppelt gesetzt. So wird auf der folgenden seite durch denselben
kunstgriff der hinkende trochäische tetrameter aus einem kata-
lektischen zu einem akatalektischen. Ueber die sog. dorischen epi-
triten, sowie über des vfs responsion und responsion der pausen
und über vollständiges gleichsetzen kyklischer und dreizeitiger
füsse hat Brambach vortrefflich in den rhythmischen Untersuchun-
gen (8. Heidelb. Jahrb. 1872 n. 52. 53) gesprochen. Das kühnste
stück von ausgleichungslehre scheint mir auf p. 44 zu sein,
dass der einem daktylos gelegentlich antistrophisch entsprechende
tribrachys (vgl. m. de dactyl. Eur. versibus) der daktylos mit auf-
gelöster länge und zusammengezogenen kürzen sei; damit dies
bequemer auszusprechen sei, nicht als ein anapaest herauskomme,
sei die letzte der drei silben statt lang kurz, aber nur metrisch,
rhythmisch sei sie doch lang. Was uns kein Dionysios hat er-
halten wollen, das lernen wir also nun durch Schmidt; jener sagt:
die länge ist manchmal um ein unberechenbares kürzer als zwei
Zeiten (muss heissen, sagen Schmidt p. 47 u. a. , ganz gleich
einer kürze) ; dieser setzt hinzu : und die kürze manchmal gleich
einer länge. Denn ebenso setzt er auch — i>, den trochaeus,
gleich zwei vierteln. P. 45. 46 v v v = v v v (so erklärt vf.
Nr. 5. 130. Rhythmik und metrik. 235
logaoeden) ist wohl ein druckfehler statt = v v v. Starker
glaube gehört wie schon zur gleichsetzung der trochaeischen di-
podien und kretiker, so zur annähme solcher ioniker, — v — vv
= — — v v. Jener annähme kurzer längen verwandt ist
die annähme p. 50 von daktylen (Agam.) als trochaeen mit
halbirten kürzen (zwei sechzehnteln). Ein wortstreit, bei dem
der vf. noch dazu im unrecht, ist es, wenn p. 51 steht „ganz
verkehrt ist es an kyklische proceleusmatici zu denken und
ein trimeter wie v — v — vvvvv — v — v — [des komikers
Piaton ovzog xz/.] wäre nicht zu theilen : v ■ — v\ — v | vvv v\
—— v I — v — , sondern v • — v\ — w J w v | — v\ — v — ". Denn
vvvv wird doch in dem letzten richtigen betont und das nennt
man ja gerade einen prokeleusmatiker , nicht aber vv vv. Bei
der allgemeinen ausgleichung wundern wir uns nicht hier auch
p. 54 v. — zu finden, wo i — nicht zu der übrigen messung
passt. Dass der vf. mit den auftakten es sich so leicht macht,
rächt sich noch durch eine Oberflächlichkeit p. 62 ff. Das theilen
der dipodien tripodien u. s. w. der alten , ganz ähnlich wie bei
den zeiten der kleinen versfüsse, nach mehr oder weniger schwer
betonten abschnitten ist ihm etwas spitzfindiges und werthloses,
da gewiss jeder nach seinem eigenen gefühl sich seinen ictus
gesetzt habe, unbekümmert um solche regeln (auch hier die so
üblen folgen der Vermischung von wirklichem takt und dekla-
mationskünsten). So kann es ihm denn das gewissen nicht be-
unruhigen zu sehen, wie hier im grossen es auch leichter betonte
stücke vor den schwerbetonten , also nachbilder jener kleinen
auftakte giebt : werden die auch abgesondert, nicht mitgerechnet?
Ich glaube die richtung und das wesentlich neue dieser
rhythmik gegeben zu haben und übergehe der kürze halber
die anwendungen, wie besonders in dem Schlussabschnitte, wel-
cher die lyrischen „partien" des Aias und der Antigone behan-
delt, so wie schon anderweitig besprochenes. So viel, denke
ich, wird klar: wenn man so Ordnung schafft, entsteht nicht,
wie der vf. öfters verheisst, regel und Sicherheit, sondern Will-
kür und schrankenlosigkeit. Bei dieser dehnbarkeit der wer-
the müsste es noch vieles geben , was eben so berechtigt
wie dieses hier wäre. Dass dieses buch also nicht, wie es
auf dem titel heisst, für schulen ist, brauche ich nicht erst zu
sagen. Dass ich die Vorzüge, wie hindrängen auf ganze Zeilen,
236 131. Metrik. Nr. 5.
keine bruchstücke, übersähe, wird nach dem gesagten keiner
behaupten. Noch will ich zwei Zurechtweisungen des Horaz
hervorheben. In seiner bekannten sapphischen strophe soll
die dreimal wiederholte elfsilbige zeile zwei fehler haben; er-
stens die stehende irrationale länge im ersten doppeltrochaeen,
zweitens den (fast) stehenden einschnitt hinter der länge des ky-
klischen daktylen, indem derselbe zerrissen werde. So scheint
der vf. die herrliche wunderkraft des einschnittes (caesur) ge-
rade durch schneiden zu verbinden nicht zu kennen. Oder
meint er nur, ein „kyklischer" fuss gerade sollte nicht durch
caesur getheilt und also in der zeit verlängert werden? Da
würden sich doch bespiele dagegen finden. Wenn aber Horaz
durch die länge die erste trochäische dipodie von der folgenden lo-
gaödischen tripodie ein für allemal sonderte, so weiss ich keinen
grund des tadeis: dipodie und tripodie passen ja zusammen. Eben
so spricht sich der vf. über die irr. länge in der ersten alcaei-
sehen zeile etwa in der mitte und über das stehende wortende
an dieser stelle aus. Er nennt es nach der gewöhnlichen art
eine theilung oder diaeresis. Die terminologie : dipodia trochaica
gravis praemissa anacrusi und ordo logaoedicus daetylicus simplex du-
pliciter trochaicus catalecticus rührt von Boeckh her-, es war aber
namentlich zu anfang ein mehr bequemer als die sache erschö-
pfender ausdruck, wie Boeckh selbst zugab. Ich empfehle zur
Überlegung , ob wir hier nicht ebenfalls eine caesur haben , also
eine iambische dipodie und eine logaödische reihe — — v — |
— || — vv — v — . H. Buchholts,
131. Griechische metrik. Von Dr J.H. Heinrich Schmidt.
8. Leipzig. 1872. 680 ss. — 4 thlr. 10 gr.
Vorstehendes buch bildet den vierten band des grossen
vierbändigen werkes, die kunstformen der griechischen poesie,
und hängt im inhalt eng mit dem vor einigen jähren erschie-
nenen „Leitfaden in der rhythmik und metrik" zusammen. Es
ist nicht das erste mal, dass ich mich mit diesen arbeiten
Schmidts beschäftige; ich habe dieselben nicht blos gelegentlich
berührt, sondern ihnen auch bereits zwei mal in den blättern
für das bayerische gymnasialschulwesen, bd. VI, p. 36 — 42 und
bd. VIII, p. 116 — 124, eingehende recensionen gewidmet. Den
beifall Schmidts habe ich mir dadurch nicht erworben, was ich
Nr. 5. 131. Metrik. 237
begreiflich finde bei einem manne , der allein in dem gebiete
der rhytbmik und metrik das scepter zu schwingen beansprucht
und daher ungern den nachweis liest, dass er in den Ecclesia-
zusen des Aristophanes v. 890—2 (s. bd. II, p. CCCLXVIII)
die gewöhnlichsten jambischen trimeter nicht erkannt hat. Er
bezeichnet mich desshalb in dem neuesten bände als einen re-
censenten ohne inneren beruf und drückt seine Verwunderung
aus, wie leute von meinem schlag noch über metrik zu schreiben
wagen. Ich bin nun keineswegs gewillt mich dem machtgebot
von Husum zu fügen, habe aber doch anfangs trotz der freund-
lichen einladung der redaction der bayerischen gymnasialblätter
die besprechung des vorliegenden bandes abgelehnt. Denn mir
ist es bei recensionen zunächst darum zu thun, beitrage zur
besprochenen disciplin zu liefern und somit dem Verfasser des
recensirten buches selbst einen dienst zu leisten, bei Schmidt
habe ich jede hoffnung aufgegeben, ihn durch meine darle-
gungen zu überzeugen , und wenn ich daher einer erneuerten
einladung hiemit nachkomme, so thue ich es nur, um meine
Stellung zu dem buche zu begründen und die geneigten leser
über die methode des Verfassers aufzuklären.
Aus einzelnen fehlem und Schnitzern lässt sich noch kein
unbedingtes urtheil über die bedeutung eines werkes ableiten. Aber
bei einem buche, das so viele bestrittene grundsätze aufstellt und
nur obenhin begründet, wird der recensent nicht den Vorwurf
kleinlicher nörgelei verdienen, wenn er zunächst an einzelnen
fällen die genauigkeit und wissenschaftliche umsieht des Ver-
fassers prüft. Sehen wir uns nun die parodie des Agathon in
den Thesmophoriazusen v. 101 — 129 an, der Schmidt einen
eigenen abschnitt unter dem titel „verfall der classischen
kunst" widmet und prüfen die sonderung der verse des chors :
tnofiai x).r,£ov6ct ctuvt)v
yövov 6\fii£ovaa Aatovg,
ceßofiat ylaiä t"1 uvaaGav
ttl&agiv ts fiaiio' vpimv
UQtJSIl ßoÜ ÖOXtfACp.
Es gehört wahrlich nicht viel Scharfsinn dazu, um auf den er-
sten blick zu erkennen, dass wir es hier mit respondirenden perio-
denzu thun haben; schon der gleichklingende eingaDg macht den
238 131. Metrik. Nr. 5.
verständigen leser darauf aufmerksam. Haben wir es aber hier
mit Strophe und antistrophe zu thun , so entsprechen sich an
zweiter stelle die versformen
vv — — — v — — und vv — v — v — —
Dadurch wird der kenner noch mehr in der sich ohnehin auf-
dringenden vermuthung bestärkt, dass die beiden ersten verse
in strophe und antistrophe gebrochene ionische dimeter vv —
v — v — — sind, die vortrefflich zum charakter des süss-
lichen Agathon und des göttlichen preisgesangs passen. Was
thut aber Schmidt? er erkennt nicht die responsion, er erkennt
nicht den ionischen rhythmus; er hilft sich mit wiederholter
dreizeitiger messung. Ich selbst aber habe nicht zuerst das
wahre sachverhältniss aufgedeckt; Schmidt hätte nur nicht so
vornehm die leistungen anderer ignoriren, sondern die ausga-
ben von Fritzsche und Enger aufschlagen sollen und er hätte
sich vor so schmählichen irrthümern bewahrt.
Mehrmals, p. 124 und 474, kommt Schmidt auf die verse
der Alcestis 989 = 1000:
neu &eö)v oxouoi y&ivovtii nctidsg iv &avd.zqp.
xai tig doxfiiav xilev&ov ifißctiftav toS1 igst.
zu sprechen, indem er für dieselben geradeso, wie in band III,
p. XXII, das Schema:
V | V | V | V, || V | — vv A ^
aufstellt, und demnach in dem ersten fuss einer trochäischen
tetrapodie einen spondeus einem reinen trochäus entsprechen
lässt und anotioi zweisilbig zu lesen befiehlt. Dass einer ein
mal aus versehen zu solch ungeheuerlichen annahmen seine Zu-
flucht nimmt, ist noch verzeihlich; aber rein unbegreiflich ist
es, wie ein metriker bei dreimaliger behandlung derselben stelle
nicht merkt, dass allen Schwierigkeiten durch die messung:
v — vv — v — v| — v — vv —
einfach aus dem wege gegangen werden kann. Aber die eu-
rhythmie, höre ich Schmidt rufen ; nun , darauf erwiedere ich
einfach mit einem elementarsatz der logik, dass eine hypothese
erst aus sicheren thatsachen erwiesen werden muss und nicht
zur grundlage eines beweises dienen darf. Ich selbst habe in
meinen Prolegomena zur Anthologia graeca carminum byzantino-
rum p. civ sq. gezeigt, dass ich mich der annähme eines sym-
metrischen baues der Strophen durchaus nicht verschliesse,
Nr. 5. 131. Metrik. 239
wenn sich derselbe einfach und ungezwungen gibt; aber gewalt-
same abweichungen von der regelrechten prosodie können durch
die hypothese der eurythmie mit nichten begründet oder nur
entschuldigt werden. Mich wenigstens , und ich bin der Zu-
stimmung der meisten , wenn nicht aller meiner leser sicher,
kann die eurythmie nicht einmal dazu bestimmen , den vers in
den Troad. 1303:
üofufis UgtaftS) av pav 6).6nevo? uraqsng a(pt\.og
mit Schmidt bd. III, p. cdxc und bd. IV, p. 225 im durch-
gängigen Widerspruch mit den accenten iambisch statt tro-
chäisch zu messen. Aber mit der prosodie nimmt es Schmidt
ohnehin nicht so genau , wenn nur seine neuen grundsätze zu
rechte kommen. So lässt er p. 361 es auf sich beruhen, wenn
M. Wilms, de personarum mutatione p. 19, den vers des Ari-
stophanes Ach. 1023:
AI. nödtv ; rE. ol7jo 0v).?ig ilaßov oi Boicötioi,
um die zerschneidung der beiden kürzen der aufgelösten länge
zu vermeiden, folgeudermassen umstellt:
dJ. nödiv; rE. 4)v\qg an"1 ekaßov oi BoitOTtot,
dass im trimeter an zweiter stelle auch bei den komikern kein
spondeus stehen kann, ficht ihn so wenig an, wie es Wilms
angefochten zu haben scheint, dessen schrift ich leider nicht
einsehen konnte.
In der weise mache ich mich anheischig in jedem Paragra-
phen des buches dutzende von fehlem gegen die prosodie,
grammatik, texteskritik nachzuweisen ; hier ist natürlich zu ei-
ner solchen ausführlichkeit nicht der ort, ich begnüge mich
daher damit, noch einige allgemeine gesichtspunkte zu be-
rühren.
Schmidt ist ein mann von vielen ideen , selbständigem ur-
theil und ausgedehntem wissen; seine spräche hat nichts von
der langweile trockner gelehrsamkeit und besticht durch fri-
sche, geistreiche darstellung. Von diesen Vorzügen hat er auch
in dem vorliegenden bände wieder schöne beweise geliefert.
Seine Unterscheidung des dentalen und gutturalen q verdient
alle beachtung, seine einwendungen gegen Westphals terpandri-
sche composition sind auch mir ganz aus der seele gesprochen,
seine vergleichung der griechischen harmonien mit irländischen,
polnischen, amerikanischen singweisen ist überaus belehrend,
240 131. Metrik. Nr. 5.
über den grund der unterschiedenen betonung von no8i und
jiödu, von Xdftßavs und laße erinnere ich mich nicht etwas zu-
treffenderes gelesen zu haben; kurzweg auch in dem letzten
bände seines Werkes bringt der verf. so vortreffliche gedanken
vor, dass man sich nur ungern in Opposition zu ihm setzt.
Wenn aber trotzdem die fachgenossen zum grossen theil in
ßcharfablehnender haltung verbleiben, so hat dieses wesentlich
darin seinen grund, dass Sehmidt weder an sich eine strenge
Selbstkritik übt noch auf die einwürfe seiner gegner eingeht.
Ich will dabei weniger betonen, dass die redselige, fast ge-
schwätzige breite, die Unbestimmtheit im citiren, die Vernachläs-
sigung der handschriftlichen Überlieferung, die alles überhu-
delnde eilfertigkeit im vierten bände dieselbe, wie in den vor-
hergehenden geblieben ist; denn diese eigenschaften scheinen
eben Schmidt bereits zur zweiten natur geworden zu sein.
Aber das hätte man doch erwarten sollen, dass er die ein-
würfe, welche Brambach in seinen Metrischen Studien zu So-
phokles gegen den grundpfeiler seiner lehre, gegen die euryth-
mie, erhoben hatte, ernstlich zu widerlegen suchen würde.
Brambach hat nämlich besonders darauf hingewiesen, dass verse,
die nur in der anzahl der tacte gleich sind , im übrigen aber
durch die form der einzelnen füsse, sowie durch den bald feh-
lenden, bald vorausgeschickten auftact sich wesentlich von ein-
ander unterscheiden, auch durch die responsionsbogen noch
keine eurythmie zu schaffen geeignet sind. Statt nun auf
diesen einwand einzugehen, ergiesst sich Schmidt in masslo-
sen Schmähungen gegen einen mann, der ihm in der ruhigsten
weise entgegen getreten war. Um ferner mir ja nicht zugeben
zu müssen, dass ich mit recht die unbestimmte fassung seiner
regeln getadelt habe, lässt er avtch im vierten bände p. 127
bei der regel vocalis ante vocalem corripitur die Sonderstellung
des daktylischen rhythmus und der tactsenkung bei Seite und
gibt der regel eine möglichst unbestimmte und sachwidrige fas-
sung. Dafür erhalten wir alle paar Seiten ausfälle des Unwil-
lens über die plackereien gelehrter mittelmässigkeit und aus-
rufe selbstgefälliger Zufriedenheit über das gelingen des eige-
nen werkes. Schmidt gönne ich gern jenes hochgefühl, aber
peinlich berührt mich in der ganzen sache die Stellung des re-
censenten des Leipziger Centralblattes. Gerade einem manne
Nr. 5. 132. Metrik. 241
wie Schmidt, gegenüber, der die in unfruchtbare gelehrsamkeit
und pedantische kleinmeisterei sich verwirrende philologie re-
formiren will, hatte die kritik die aufgäbe auf die nothwendig-
keit wissenschaftlicher genauigkeit und sorgfältiger detailfor-
schung zu dringen. Statt dessen hat ein mann von der bedeu-
tung von Lehrs es für gut befunden nur die lichtseiten des Werkes
hervorzukehren, und so wesentlich dazu beigetragen, dass sich
Schmidt in seine fehler capricirte und so immer mehr die män-
gel seiner methode hervortreten Hess.
W. Christ.
132. Ueber metrische und rhythmische Schlüsse. Von Dr
A. Vogel mann. 8. Programm des gymnasiums in Ellwangen
1872.
Ausgehend von der modernen musik , in der zwar nicht
immer, aber doch in der regel die schlussnote auf das gute
takttheil fällt, betrachtet der Verfasser die Schlüsse der antiken
compositionen nach eben diesem gesichtspunkt. Das resultat
der betrachtung ist, dass auch im alterthum in der überwiegen-
den mehrzahl von fällen der schluss auf einer ictussilbe [&egiq)
erfolgte. Wo dasselbe nicht auf den ersten blick der fall zu
sein scheint, lässt sich doch meist ein umstand geltend machen,
der zu gunsten jener behauptung entscheidet. Dahin gehört
vor allem die dehnuug der vorletzten silbe, jenes einfache mit-
tel, das auch bei unsern Chorälen so oft angewandt erscheint.
Es wird für die alcäische Strophe in anspruch genommen, so
wie für alle horazischen Strophen, die nicht von selbst auf eine
ictusform schliessen. Im ionicus a minori, z. b. Soph. El. 824,
lässt der verf. mit Gottfr. Hermann die beiden längen als &e-
cig - silben betrachten. Für eine anzahl von metren , wie na-
mentlich für den heroischen hexameter , in denen keines der
vorgenannten mittel statt haben kann, macht dagegen Vogel-
mann auf den nebenton aufmerksam, der allerdings der dritten
more des daktylus im gegensatz zur vierten ohne zweifei zu
vindiciren ist. Die zahl der dann noch übrig bleibenden ans-
nahmen ist verschwindend gering. Das musikstück §. 100 des
Anonymus braucht gar nicht in betracht zu kommen ; denn es
hat musikalisch betrachtet gar keinen schluss ? es enthält nur
combinationen, die unter den vier tönen eines tetrachords mög
Philol. Anz. V. 16
242 132. Metrik. Nr. 5.
lieh sind, wenn man stets mit dem grundton beginnt. Der
lateinische trochäische octonarius bildet allerdings eine aus-
nähme; aber mit recht weist der verf. darauf hin, dass dieses
metrum lediglich zur declamation , nie zum gesang bestimmt
war. Eine auffällige ausnähme bleiben die reinen daetylen Alc-
man's (fr. 45), für die Vogelmann kyklische messueg in West-
phal'scher weise geltend machen möchte, so dass der vierten
more doch einiges gewicht zufiele. Die sache ist freilich nicht
ohne bedenken.
An der hand Brambach's betrachtet endlich der verf. die
Schlüsse sämmtlicher sophokleischer Strophen. Da 23 von selbst
auf der tonsilbe schliessen, für 67 andere von Brambach deh-
nung der paenultima angenommen ist, bleiben nur etwa 15
fälle übrig, die alle einzeln besprochen werden. Für viele von
diesen stellen hat Brambach nun nicht in seinen „Metrischen
Studien" dehnung statuirt , thut es aber in den „ Sophoklei-
schen Gesängen" und ein blick auf die eurythmische com-
position der Strophen bestätigt dann meist die letztere auffas-
sung. Es kann also für die altgriechischen so gut wie
für die modernen compositionen als regel angenommen wer-
den , dass jede strophe auf einem gut betonten takttheil
schliessen soll. Von Strophen , an denen die eurythmie jenen
ausweg mit dehnung der vorletzten silbe einzuschlagen verbietet,
bleiben nur übrig: Antigone 363. Philoktet. 863 und vielleicht
Aias 914. Dagegen schliesst Antigone 818 nach Schmidt's auf-
fassung auf eine &E<stg. Nicht ganz sicher ist Vogelmann , ob
er hier dem adonius eine dehnung der paenultima vindiciren solle.
Dieser vers mit seinen scheinbar zwei takten durchbricht manch-
mal die Symmetrie in höchst auffälliger weise, z. b. Aias 1204,
Antigone 811. Wir möchten glauben, dass er in all seinen Sil-
ben gedehnt wurde. Wie Händel in vielen chören die Schlusstakte
adagio nimmt , wie Graun am Schlüsse seines chores „Freuet
euch alle, ihr frommen" s/2 misst statt 3/4, so wird der versus
Adonius an den angeführten stellen so wie Antigone 140 vier
takte statt zwei beansprucht haben. Wenn er, wie im könig
Oedipus 896, einen anftakt hat, so ändert das natürlich gar
nichts , und die Worte dvgcorvfiog A'i'ag in der gleichnamigen
tragödie 914 können durch solche dehnung nur gewinnen. In
der sapphischen strophe bilden fünf takte einen vers ; da wird
Nr. 5. 133. Homeros. 243
auch der adonius so viel betragen müssen; die vorletzte silbe
dauert zwei takte.
J.
133. Das fünfte lied vom zorne des Achilleus, nach Karl
Lachmann und Moriz Haupt aus A und E der Ilias
herausgegeben von H. K. B enicken. 8. Halle. 1873. (X,
104). — 15 ngr.
Kaum wird der protestantenverein von dem heftigen angriff
kenntniss erhalten, den die vorrede gegen ihn richtet. Die
schrift *) selbst steht durchaus auf dem bekannten standpunct
Lachmann's und Haupt's. Die ausführungen die sich auf die
spräche beziehen beurtheile ich ähnlich, wie einst Hoffmann
(Piniol. 3, 210) Geist's hieher gehörigen nachweisungen , dass
nemlich eine eigenthümlichkeit in bezug auf Sprachgebrauch
anzuerkennen ist, aber dass sie nicht nothwendig auf späte ent-
stehungszeit, wie sie (p. 6) der vf. annimmt, führe. Einiges ist
kaum so auffallend, wie vf. es aufstellt, so rijXvyhco im dual neben
dem sonst vorkommenden singular (p. 13), die form visig als vocativ
(p. 14), die von imxai als plural (p. 10) ; äXXoriQoaaXXog ist ein
glücklich gebildetes wort für einen seltenen begriff (p. 11), ähnlich
nannaQw (p. 9), 1%c6q götterblut ist, wenn gleich auch von
Duentzer (ges. Abb. 256) beanstandet, ein singuläres wort das
keinen masstab abgeben kann für das alter des dichters, der
in die läge kam es zu gebrauchen. Zu yortjsig vergleicht vf.
nicht, wie G-oebel (Adi. auf ug p. 5) es thut, avnaQiaa^sig und Sev-
ÖQrjeK;; bei dem dual ptc. aXovre, der E 487 (nicht 481) zum
plural gesetzt ist, nicht die ähnlichen stellen J407. 7/371. W
413 und, wenigstens nach Zenodot's erkläruug, A 567 (s.
Lehrs inZeitschr. f. A.W. 1834, p. 144. Geist ib. 1837, p. 1254),
sondern betrachtet die sache einfach als eigenthümlichkeit des
fünften liedes. In der hauptsache wiederholt der vf. die gründe
von Lachmann und Haupt, sogar bis auf Haupt's scherze vom
stehlen des götterwagens (p. 27), den er mehr behaglich als
geschmackvoll weiter ausführt. In der Pylaemenes -frage steht
ref. zu seiner freude auf der seite derjenigen, welche vf. (p.
24) als die einsichtigen bezeichnet, hält aber den gegensatz
1) Vrgl. ob. nr. 1, p. 14 flg. — E. v. L.
16*
244 134. Homeros. Nr. 5.
„übelwollende" für einen logischen fehler. Der ausdruck die
„denen sonst alles eins ist" stammt von Haupt (Zus. 100), nicht
von Lachmann, wie vf. (p. 26) annimmt. Dagegen hat zwar
Lachmann (Betr. p. 20) E 206 — 8 als bedenklich bezeichnet,
Haupt hat sie aber wenigstens Zus. p. 109 noch beibehalten.
Hat er sie, wie vf. angiebt, verworfen, so ist das an einer an-
dern stelle geschehn und dem ref. unbekannt geblieben. Die
gründe Lachmann's und Haupt's werden weiter ausgeführt, doch
eigentlich nur wo es polemik gegen Köchly oder Düntzer gilt.
Des ersteren abhandlung erscheint dem vf. (p. 39) als eine an-
regende und fördernde, ihm selbst macht er aber (p. 31. 4)
den Vorwurf der unkritik und unwissenschaftlichen arbeit. Auch
von Düntzer, von dem er p. 51 mit lob und anerkennung spricht,
bezweifelt er p. 67 (vgl. p. 75), ob man überhaupt bei ihm von
gründen reden dürfe. Im ganzen geht vf. mit Haupt darauf
aus zu beweisen, dass sein fünftes lied eine fortsetzung von B
sei, unabhängig von JT und A ; er entfernt also die beziehun-
gen auf diese Zwischenstücke. Köchly stellt einzelne lieder
her, deren stücke aus ihrem zusammenhange gerissen und hie
und da verstreut sein. Düntzer will nachweisen, dass ein ein-
ziges gedieht von T bis H sich erstrecke. Es kommt vor, dass
die eine partei eine lücke im Homer annimmt, in welcher das
erforderliche gestanden habe und eine stelle athetirt, in welcher
etwas anderes steht, und dass die gegenpartei diese annahmen
nicht anerkennt, für sich aber ähnliches in anspruch nimmt.
Noch eine möglichkeit ist vorhanden, von Grenz im Sorauer
programm 1870 angedeutet, aber noch nicht ausgeführt, dass
Haupts ansprechendes fünftes lied zwar im anschluss an B, aber
auch mit kenntniss von T und A gedichtet sei, dass somit die
beziehungen auf r und A nicht nothwendig aus E zu entfernen
seien und doch E eine gewisse Selbständigkeit behauptet.
Giseke.
134. Gutsche, W. 0., quaestiones de homerico hymno
in Cererem. 8. Halle. 1872 (41 s.).
Vf. nimmt stillschweigend an, dass die Orphiker den Bak-
chos zu den eleusinischen weihen zugesetzt hätten, und glaubt
dass das gedieht, weil es den Bakchos noch nicht kenne, vor
dieser erweiterung abgefasst sei: eine argumentativ a eilentio,
Nr. 5. 134. Homeros. 245
welche im Widerspruche steht mit der weitern, wahrscheinliche-
ren annähme, dass der hymnus im interesse der Keleiden ge-
dichtet sei. Wenn die Keleiden mit der bakchischen seite nichts
zu thun gehabt haben, würde der dichter dieselbe also aus die-
sem gründe nicht berührt haben. Ueberhaupt aber ist kein
dichter verpflichtet mit der erschöpfenden Vollständigkeit eines
gelehrten einen stoff in seiner gesammtheit darzustellen, viel-
mehr erwählt er sich mit künstlerischer freiheit einen ihm be-
liebenden theil und lässt bei seite was ihm nicht passt: dieser
dichter hatte den raub der Köre mit seinen folgen darzustel-
len, nicht den Bakchos. Im irrthum ist der vf., wenn er p.12
ohne weiteres annimmt, der raub sei auf Kreta geschehen.
Allerdings erzählt die noch unbekannte göttin sie komme aus
Kreta, aber das ist homerische weise, dass wer seine abstam-
mung verheimlicht, sich einen Kretenser nennt. Vielleicht hat
es schon in alter zeit eine anschauung gegeben , welche sich
später in den lügen der Kretenser zuspitzte. Der hymnus er-
wähnt zwei localitäten, das nysische feld (v. 17) und die hohle
der Hekate (v. 25). Letztere lag in Samothrake und so wird
dieses Nysa, so gut wie Z, 133, in Thrakien am Pangaion lie-
gen. Eben dahin weist die Eumolpossage. Dort bewahrte der
fluss Zygaktes (Appian. b. c. 4, 105) das andenken an den raub.
Von dort ist Demeter nach Attika gekommen und also höchst
wahrscheinlich schon in Verbindung mit dem Bakchosdienst, der
von eben daher kommend, in Mittel -Griechenland auf heftigen
widerstand stiess, ganz wie der Demeterdienst von Eleusis
sich erst durch den krieg mit Athen festsetzte. In der er-
wähnung von Nysa liegt eine erwähnung des Dionysos, über
welche vf. nicht so stillschweigend hätte weggehen dürfen. — Bei
den stellen, in denen die alten kenntniss der hymnen zeigen
(p. 28), vermisst man Aristoph. Eq. 1016 wo Kleons orakel:
Ta%Ev i% ädvroio diu zginödcov eqitCucop, eine deutliche anspielung
auf Hom. hymn. Ap. 443 ig ö' udvzov xazedvas 8iä tginöScov
$Qizi'[icov enthält, was neben Thukydides ein fernerer beweis dafür
ist, dass die Attiker wenigstens den Apollohymnus benutzten. Dass
auch der Demeterhymnus etwas attisches an sich trägt und von einem
Attiker gedichtet worden, ist wahrscheinlich ; weiter können wir
aber nicht gehen. Was zur charakterisirung von versbau und
spräche beigebracht wird ist wenig und bekanntes. Die verdopp -
246 135. Aeschylos. Nr. 5.
lung in äyciogoov (p. 16) erklärt sich aus (a)ot'a). Vf. sagt causa
non in aperto est. äla> hat nicht nur Cp 388 (p. 17), sondern
noch O 252. K 532 langes «. In dem kritischen anhang zieht vf.
die dativform uficpoiv der überlieferten äfiqsco (v. 15, cf. v. 1.
<P 162) vor. Will er gegen die handschrift ändern? Vs. 64
billigt er Peerlkamps &sdv &eog.
Giseke.
135. Otto Hense, kritische blätter. Erstes heft. Ae-
schylus Choephoren. Miscellen. 8. Halle 1872. 86 s. — 10 gr.
In dem zweiten theile der abhandlung bietet der Verfasser
einige sehr beachtenswerthe emendationen zu griechischen und
lateinischen Schriftstellern. So wird der schluss von Corn. Nep.
Chabr. I in folgender weise verbessert : ex quo factum est, ut
postea iis statibus in statuis ponendis uterentur (quibus) athletae
ceterique artifices, cum victoriam essent adepti. In Marius Victori-
nus p. 1 1 1 K. : hoc quoque cognatum aeolico generi metrum esse in
dubium non venu, quod primo spondeo et dactylis quattuor subsistit,
nisi quod huic interdum ultimus creticus est, ut
ad plenius venit Alpibus aeria nive
cui ad implendum hexametrum spondeus deest — wird ad plenius in
at Pleias emendiert. Richtig ist gewiss auch die herstellung
von Eur. fr. 363 N. (Stob. Flor. 121, 15),
sya de lovg xuXwg ie&t'i]x6iag
£ijv qp«7fu fiäXXov iov ßXsnovtog ov (für ßXinsiv lovg /itj) xuX<äg,
sehr beachtenswerth der Vorschlag in Eur. fr. 793 (Stob. Ecl.
n, i, 2)
oang yccQ av%u &£<ap inlaraa&ai ks'qi,
ovdev ii [idXXov oidev ?] ttbi&si Xsycov,
zu lesen «; neC&siv Xecov. Eine kritische schrift muss man nach
dem beurtheilen , was darin gutes geleistet ist , und wo so
treffliche emendationen vorliegen, muss man die arbeit schätzen
und anerkennen, wenn man auch mit anderen und zahlreichen
emendationsversuchen nicht einverstanden sein kann. Als eine
sichere emendation kann man kaum eine einzige von den ver-
muthungen, welche zu den Choephoren vorgebracht werden, be-
zeichnen. Wenn es z. b. p. 37 zu v. 131 heisst: „der kun-
dige bedarf jetzt nur der erinnerung, dass der dichter schrieb:
ndieo, inoixieiQov r1 eps
Nr. 5. 135. Aeschyloa. 247
cpTjvov (für qiilov) z"1 ' ÖQtazrjv nag drä^ofisv 86fioigu,
so hat zwar auch Hermann apd^oftev dopotg für richtig gehalten;
aher weder ist der dativ döpotg am platze noch passt dvct^o-
fisv: die rückführung kann Elektra vom vater erflehen [äval-ov
ig 86(xovg), nicht aber in irgend einer weise von sich erwarten.
Ebenso entschieden wird p. 12 eine conjectur zu v. 42 vorge-
tragen: „man hat mit Sicherheit herzustellen ^oölv 8 s %Üqiv
a%uQi7ov xtL", und diese herstellung wird als bestatigung für
die änderung von Casaubonus in v. 23 %oäv (für %oäg) ttqo-
nofATzög betrachtet. Wir können die änderung von zoiävSs in
%oüv 8s nur für eine höchst unnütze und unglückliche conjektur
halten. Unglücklich ist auch die änderung von oiyorzt v. 71
in vooovvti. Die ganze behandlung der parodos erregt man-
cherlei bedenken. V. 35 soll negl cpoßcp glossem sein: dieser
acht äschyleische ausdruck (vgl. v. 547 dfxcpl zciQßsi) sieht nicht
wie die bemerkung eines grammatikers aus und die emen-
dation des ersten verses zooog yuQ 6q&6&qi% cpoßog ist
nichts weniger als sicher. In nsgl cpoßm muss man nur die be-
statigung dafür suchen , was man von vornherein vermuthen
kann, dass in zogog yug yoißog 6q&6&qi% eine noch nicht ge-
fundene lesart verborgen ist. Für die erklärung von v. 57 ff.
schliesst sich Hense der auffassung von Heimsoeth an, wel-
che nur nicht im texte des Aeschylus gesucht werden darf.
Wegen des „anonymen" ug, welches an und für sich auf Kly-
tämnestra hinweisen soll, möge man Ag. 449 zd8e oTyd zig
ßav^si nachsehen. Wie können gedanken zusammenkommen
wie „statt der unnahbaren herrscherhoheit ist die furcht einge-
zogen", und „glücklich sein, darauf ist das ganze streben gerich-
tet"? Und das soll in den Worten: (poßslzai 8e zig' zo ö' sv-
zv%slv z6b'> iv ßgozoig ösog ze xai ösov reXsov liegenl Dass der
versuch v. 61 ff. (besonders im anschluss an die auffassung
Heimsoeths von zovg ö' äxQazog e%ei. i>v£) zu erklären als miss-
lungen bezeichnet werden darf, zeigt allein der satz p. 24:
„auch das frauengemach giebt kein heil und alle ströme ver-
möchten die blutbefleckte mörderhand nicht rein zu waschen"
— hier wird nur negativ ausgedrückt, was oben positiv ange-
droht war: zovg 8" uxQazog e%ei vv%tl. Mit den Worten zovg ö'
axQazog b%ei vv"8, soll „der endlich gewaltsam eintreffende schlag
der Dike" bezeichnet werden und diesen Worten, welche die
248 136. Sophokles. Nr. 5.
strafe angeben, soll der gedanke, dass nichts die schuld verber-
gen kann, gleichstehen! Man sieht, hier fehlt es noch an
gründlicher Überlegung. Immerhin aber steht diese behand-
lund der parodos zehnmal höher als die „geistreiche" misshand-
lung, welche diese partie in den Symbola philol. Bonnensiwm erfah-
ren hat. — Beachtung verdient der Vorschlag v. 230 avunBroov-
[tevov für av^/^hgov reo ato (doch sehr unsicher) und v. 239
7TQoaav8uv ö' '&<sx> avaynal(6v o' ö/x)iäg narsga zu schreiben.
136. Sophokles erklärt von F. W. S chneidewin. Er-
stes bändchen: allgemeine einleitung. Aias. 6. aufl. besorgt
von August Nauck. 8. Berlin. 1871. 201s. — 15 ngr.
Im jähr 1855 gab Schneidewin das erste bändchen seines
Sophokles (Aias. Philoctetes, bereichert mit der allgemeinen
einleitung) in 3. aufläge heraus. Demnächst sollte das vierte
bändchen, die Antigone, in dritter aufläge erscheinen: Schnei-
dewin starb darüber hinweg (ll.jan. 1856) und E. von Leutsch
besorgte die correctur der Antigone wie des Agamemnon. A.
Nauck wurde nach dem wünsche Schneidewins von der ver-
lagshandlung mit der fortsetzung des Sophokles betraut und
hat die sämmtlichen bändchen wiederholt bearbeitet. Im jähr
1869 ist die Antigone, im jähr 1871 der Aias und Philoctetes,
welche jetzt zweckmässig auf zwei bändchen vertheilt sind,
1872 der Oed. Tyrannos in 6. aufläge erschienen; vonderElectra
und dem Oed. Coloneus liegt die 5. aufläge vor (1869. 1870), von
den Trach. die 3, (1864). Die grundsätze seiner fortsetzung hat
Nauck im vorwort zur 5. aufläge des 1. bändchens näher erörtert.
Da die zusätze Naucks nur in dem kritischen anhange, nicht
im commentare von dem eigenthume Schneidewins gesondert
sind, so besteht begreiflicher weise, wie man sich oft überzeu-
gen kann, eine ziemliche Unklarheit darüber, in wie weit diese
ausgaben des Sophokles Schneidewin oder Nauck angehören.
Es dürften darum einige notizen darüber, die durch verglei-
chung der 3. und 6. aufläge des Aias gewonnen sind, den zahl-
reichen benutzern und Verehrern dieser ausgaben nicht unwill-
kommen sein.
Wer Naucks sonstige arbeiten kennt, wird von vornherein
geneigt sein die textkritik, welche in den noten oder im an-
hange gegeben ist, als das werk Naucks zu betrachten.
Nr. 5. 136. Sophokles. 249
In der that beruht das bedeutendste verdienst , welches sich
Nauck um Sophokles erworben hat, in der kritischen behand-
lung des textes, und zwar ein wirkliches und grosses verdienst.
Mag man auch in der annähme von corruptelen und interpo-
lationen manchmal ein hyperkritisches und unberechtigtes ver-
fahren erblicken und änderungen wie Ai. 1813 rov in Isxovg
ysymza doginovov voüov (für tov £x ÖOQog ysyära nolsiiiov vo-
■&ov) nur für scharfsinnige lusus ingenii halten , immerhin muss
man Nauck zugestehen , dass er auf zahlreiche schaden der
Überlieferung aufmerksam gemacht und eine ungesunde inter-
pretation corrupter stellen beseitigt, dass er an vielen stellen
eine glückliche und treffliche emendation gefunden hat. Wer
das nicht zugesteht , der möge z. b. auch die „conservative"
ausgäbe des Euripides von Klotz , welche für die kritik oder
erklärung des Euripides kaum etwas nennenswerthes geleistet
hat, der mit kühnen textänderungen ausgestatteten ausgäbe von
Nauck, welche aber für die kritik und damit auch für die In-
terpretation des Euripides epochemachend geworden ist, vorzie-
hen. Manche werden vielleicht die kritik von Schulausgaben
ferngehalten wünschen und namentlich die Verdächtigungen der
textworte in den anmerkungen missbilligen und da solche no-
ten, soviel wir gesehen, sämmtlich Nauck angehören, darin
eine unvortheilhafte änderung der Schneidewinschen arbeit er-
blicken. Es kann sich bloss fragen,, ob die bemerkungen rich-
tig seien oder nicht: im übrigen dürfen auch dem schüler nicht
steine für brod geboten werden.
Was den commentar betrifft, so darf man sagen, der ei-
gentliche Charakter dieser Sophokles -ausgaben, die feinen ästhe-
tischen bemerkungen, die sinnige und geschmackvolle interpre-
tation des Zusammenhangs und der wähl des ausdrucks, die
sachlichen notizen, alles das ist das werk von Schneidewin. In-
sofern ist der charakter der Schneidewinschen arbeit erhalten
und die fortsetzung Naucks verhält sich dazu als nachbesse-
rung und ergänzung, wie sie etwa Schneidewin selbst bei neuen
auflagen vorgenommen haben würde. Nur in einer beziehung
— abgesehen von den schon erwähnten noten kritischen inhalts
— hat Nauck die arbeit Schneidewins wesentlich verändert.
Schneidewin ging oft zu weit und entdeckte eine absieht oder be-
ziehung, die man bei unbefangener betrachtung nicht finden kann.
250 137. Plautus. Nr, 5.
Solche noten hat Nauck weggelassen. Er hätte vielleicht noch
weiter gehen und manches andere der art beseitigen dürfen.
Dazu scheinen uns die bemerkungen zu Ai. v. 106, v. 172 (zu
TavQonoXa), v. 200, 408 (anspielung auf die dixQazeTs 'AtqeT-
dat), 490, 589 u. a. zu gehören. Eine änderung hätte wohl
auch die anmerkung über vvv v, 151 bedurft, über Innovaifiag
v. 232 (die hirten reiten auf pferden wie so häufig in Italien),
über äcpoßoiq &?]qgI v. 366 (den gegensatz bilden nicht cpoßeQoi
driQtg, sondern nur av8qsg), über avrodaTJ v. 700 (avzodarj be-
zieht sich bloss auf die tanzerregende innerliche freude und be-
geisterung), über ovttsq ova iyoo v. 1237 (Agamemnon bestrei-
tet die besondere auszeichnung und tapferkeit des Aias und
behauptet , er habe an allen gefahren theil genommen, die Aias
bestanden). — Nur an wenigen stellen dürfte die bessere er-
klärung Schneidewins durch eine schlechtere ersetzt worden
sein, so v. 206, 576 (Nauck oo^ für aXXij), 955, 1136 f.,
1366. Auch die erklärung von iv roiads toig xaxolöiv v. 532
kann ich nicht für richtig halten. Die richtige giebt v. 546
veoaqiayTJ fiov z6v§& TzgoaXBvaaav cpövov an die hand. Die be-
merkung v. 649 über 6 dewog ogxog ist nur zum theil richtig;
der sinn ist allgemein (ovösv iariv dnoofiorov). Durch änderung
des commentars hat sich in die anmerkung zu v. 986 ein klei-
ner widersprach mit der note zu v. 1003 eingeschlichen. —
Obwohl der commentar wesentlich das eigenthum von Schnei-
dewin ist, so darf man die arbeit Naucks in dieser beziehung
doch nicht gering anschlagen: fast jede seite zeigt nachtrage
und berichtigende oder ergänzende zusätze; die litteratur ist
gewissenhaft benützt; überhaupt ist alles gethan um diese aus-
gäbe des Sophokles, welche sich so grosser anerkennung und
Verbreitung erfreut, zu vervollkommnen und brauchbarer zu
machen. W.
137. Hermanni Adolfi Kochii Emendationes Plautinae
(gratulationsschrift des collegiums der Schulpforte zu Gr. Bern-
hardy's fünfzigjährigem doctorjubiläum) . Numburgi 1872. 4. 14 s.
Gleich die erste der von Koch behandelten stellen Aul.
prol. 12 fordert zu einer bemerkung heraus; wie hier vf. über-
sehen hat, dass auch Lorenz Piniol. XXX, p. 586 A den vers
für unecht erklärt, so hat er es sich noch mehrfach entgehen
Nr. 5. 137. Plautus. 251
lassen, dass die bei ihm vorgetragenen vermuthungen in jüng-
ster zeit bereits von anderer seite geäussert waren: so hat
Most. 1047 (p. ix) schon Müller, Pros. p. 574, qua maris qua
feminas conjicirt, Men. 350 (p. xi) ders. in Fleckeisen's Jahrb.
1861, p. 264 und Pros. p. 558, hos aliquos viginti dies — - übri-
gens wird wohl auch Merc. 542 zu schreiben sein sequere sis:
Jiu[ii]e me diem unum oravit , nicht wie neulich vermuthet wor-
den: sequere sit Jiac me: diem unum oravit — , Ps. 1191 (p. xv)
derselbe nachtr. p. 140 vero serio hoc, MGI. 679 (p.xn) schlug
schon Bücheier Lat. declin. p. 30 ad ollas artis vor; auch ßud.
II, 7, 20 ist das p. xvi vermuthete ni längst von anderen ge-
funden, vgl. ausser Kiessling Fleckeisen's Jahrb. 1868, p. 434,
Müller Pros. p. 435 A besonders Lorenz Piniol. XXVIII, p.
185 sqq. Hätte Koch die vermuthung der beiden letzteren: in
mari quia [semel] elavi , ni hie in terra iterum eluam , gekannt,
so hätte er sich vielleicht gehütet zu vermuthen: In mari quod
elavi, hie in terrad iterum ni eluam. Merc. 308 Decide Collum
stanti, falsum loquar schrieb schon Bergk im Hall, progr. zum
2. august 1862, p. 5.
Der eifer, immer neue belege für altlateinisches d im aus-
laute ausfindig zu machen, hat ihn noch an einer anderen stelle
irre geleitet. Stich. 478 geben BCD Alium convivam quaerito
in hunc diem, das schon von Pylades mit richtigem gefühle vor
in eingeschaltete tibi bietet der Ambrosianus, ausserdem steht in
dieser handschrift noch über dem letzten buchstaben von quaerito
TA : unde apparet, sagt nun Koch p. xvn, hie exstare duarum recensio-
num vestigia, quarum altera habehat „quaerita tibiu> altera „quaerito"
id est „quaeritod in hunc diem", quod novum exemplum accedit im-
perativis in d exeuntibus sqq. , eine beweisführung fürwahr , über
die weiter kein wort zu verlieren ist. Auch bei Terenz Ph.
664 wird a. a. o. ohne weiteres petitod angenommen , als ob
für diesen die Verwendung derartiger formen sich schon von
selbst verstände, wäre sie auch wirklich für Plautus erwiesen,
was sie ja keineswegs ist. Auch mit den übrigen versuchen
des Verfassers, verschollene formen aufzustöbern, steht es nicht
besser. Most. 978 hatte der archetypus der Palatinen agio
i
für aio, jedenfalls entstanden aus ago\ nach Koch p. ix ist hier
die von Corssen angenommene grundform von aio erhalten:
252 137. Plautus. Nr. 5.
wahrscheinlich wird er in nächster zeit nun auch an den stel-
len , wo agis für ais verschrieben ist , ersteres als alte form
in schütz nehmen. Im Miles ist bekanntlich der Vetus zum
theil höchst liederlich geschrieben und steht er an zahlreichen
stellen CD in der wiedergäbe des archetypus erheblich nach.
Bei dieser Sachlage sieht, wer nicht auf antiquitäten jagt, in den
Ceteris des B MGI. 660 weiter nichts als ein versehen für das
untadelige Cedo tris der anderen handschrifteu ; Koch erklärt
p. xn dieses ceteris als cettris = cedo tris, mit dem bemerken:
eiusmodi verborum coagmentationes apud Plautum multo latius patere
quam vulgo putatur, haud pauca sunt quae probare videantur. Men.
384 haben die Palatinen mit einem naheliegenden Schreibfeh-
ler obvolvit für oboluit und MGI. 41 praevolat für praeolat\ für
Koch sind diese formen in verein mit dem neapolitanischen
vuoglio = oleum grund genug zu der vermuthung (p. x), dass
es eine alte form volere für olere gegeben und Plautus diese
hier und anderwärts gebraucht habe. Gleich in dem Miles-
verse widerstrebt die sonstige Überlieferung : Curämque adhi-
bere, ut praiolat mihi quod tu velis, der form praevolat; doch
ist dem leicht abzuhelfen durch Streichung der worte mihi und
tu, welche mit einer vocum mihi et tu sono elatarum molestia po-
tius quam elegantia begründet wird. Doch dieses immerhin et-
was bedenklichen mittels hätte es gar nicht bedurft ; Koch hätte
nur an sein ulis für velis denken und damit einen neuen beleg
auch für derartige formen gewinnen sollen. Einen solchen beleg
und gar für ein olo statt volo ist Koch gar nicht abgeneigt in
v
der lesart des Vetus Pers. 332 dis olentibus zu sehen, trotzdem
ACD das in B übergeschriebene v an richtiger stelle geben ;
auch das olui des D für volui ^d. II, 8, 1 wird herangezogen,
wo minder scharfsinnige freilich meinen werden , dass wie häu-
fig in dieser handschrift der erste buchstabe der scene für den
rubricator weggelasssen ist, vgl. II, 1, 1 elim für velim , eine
stelle, die sich eigentlich Koch für seine zwecke nicht hätte
entgehen lassen dürfen. Dieses haschen nach verschollenen
formen ist wirklich ebenso fieberhaft, als der von einem be-
kannten gelehrten mit demselben ausdrucke bezeichnete eifer, bei
Plautus für alle möglichen formen länge der endsilbe zu erweisen. JL
So conservativ sich Koch hier der Überlieferung gegen-
Nr. 5. 137. Plautus. 253
über zeigt, bo wenig respect hat er anderwärts vor derselben;
denn an einer anzahl von stellen nimmt er änderungen vor,
wo eine solche ganz und gar überflüssig ist. Wir wollen uns
an drei beispielen genügen lassen. P. xi wird Men. 876 Iamne
tsti abierunt quaeso ex conspectu meo für quaeso plane geschrieben
mit dem bemerken : quaeso, quod Brixius rede observavit esse
hortantis (addere poterat etiam indignantis) ferri non potest;
der gebrauch von quaeso ist aber ganz und gar kein so be-
schränkter, es ist an der in rede stehenden stelle ebensowohl
am platze als z. b. Asin. 630. 735. Men. 910. Most. 552. MGI.
1306. Ps. 1080. Eud. 1269. Stich. 552.— P.xiv schreibt Koch
Merc. 573 Perverse facies. — Quödne amemt — Tantö minus,
für das letzte wort magis ; allerdings ist man ja berechtigt,
weiss für schwarz und schwarz für weiss zu schreiben, wenn
der sinn es erheischt: hier aber liegt gar keine nothwendig-
keit zu einer solchen änderung vor ; man ergänze aus dem vor-
hergehenden einfach facies zu minus, so ist alles in Ordnung.
Ebendaselbst vermuthet vf. Pseud. 251 :
luppiter te
Perddt, quisquis\ — Te volo [ego\. — At vös ego [nolo]
dmbos ;
abgesehen davon dass dies ein ganz abscheulicher bacchi-
scher tetrameter ist , zumal im vergleiche mit der überliefer-
ten versform und den übrigen bacchischen versen dieser par-
tie, ist an der Überlieferung: luppiter te Perddt, quisquis es. —
Te volo. — At vos ego dmbos, gar nichts zu ändern , wenn man
sich nur die mühe giebt , sie zu verstehen : das te volo des
Pseudolus ist zweideutig, da es die ergänzung luppiter perdat
zulässt; so fasst es der leno auf und antwortet daher At vos
ego ambos sc. volo luppiter perdat. — Auch wo wirkliche Verderb-
nisse vorliegen, sind Koch's vorschlage mit wenigen ausnahmen
nicht sonderlich einleuchtend. Selbst die vermuthung Epid. IT,
2, 98 (p. vm) quod velis velle. — Et sapis et placet, wird wohl au-
sser ref. noch anderen nicht als certa emendatio erscheinen. Was
nur das p. xii Rud. III, 4, 4 vermuthete Tua legirupa una hie
nobiscum dis te facere postulas bedeuten soll? Ob wohl Koch
zu der p. ix gebilligten vermuthung Men. 236 Mare superum-
[que] omne Graeciamque exoticam einen einzigen sicheren beleg
für eine solche Stellung des que bei Plautus beibringen kann?
254 138. Lucilius. Nr. 5.
Recht gefällig dagegen ist vermuthet p. ix Most. 1165 suppli-
ci[mi] habeo satis, p. xv, Ps. 1241 at ego iam intus.
138. C. Lucili saturarum reliquiae. Emendavit et adnota-
vit Lucianus Mueller. Accedunt Acci (praeter scaenica)
et Suei carminum reliquiae. 8. Lipsiae in aedibus B. G. Teub-
neri. 1872. — 3 thlr.
Nachdem lange zeit vergeblich aus dem nachlasse Carl
Lachmanns eine ausgäbe des Lucilius erwartet worden, liegt
eine mit wünschenswerther akribie gefertigte Sammlung dieser
schwer verderbten fragmente durch Lucian Mueller vor, welcher
durch langjährige beschäftigung mit lateinischen dichtem und
mit dem in erster linie für die Überlieferung in betracht kom-
menden grammatiker Nonius zur herausgäbe vorzüglich geeignet
war. An die vorausgeschickten Quaestiones Lueüianae, in welchen
über die Ordnung und metrische form der dreissig bücher Luciliani-
scher satiren, über die benutzung des Satirikers im späteren al-
terthum, über die leistungen auf dem gebiete der Lucilianischen
kritik seit dem Wiederaufleben der Wissenschaften und über die
zahlreichen handschriftlichen hülfsmittel des neuen herausgebers
sowie über die zu billigenden grundsätze in der handhabung
der kritik berichtet wird (p. vn bis xlvi), schliesst sich der
scharfsinnig berichtigte abdruck der erhaltenen fragmente mit
unter dem texte stehendem kritischen apparat. Es folgen Te-
stimonia de Lucilio und ein Commentarius in Lucilium, in welchem
der erklärung bedürftige stellen besprochen bezw. besserungen
gerechtfertigt werden und als commentar zu den Testimonia in
knapper form über das leben des dichters gehandelt wird: die-
ses gewinnt eine von der bisherigen Vorstellung ganz abwei-
chende gestalt durch eine geniale vermuthung Moriz Haupt's
(p. 289), wonach Hieronymus in folge einer Verwechslung
ähnlich lautender consulnamen die geburt des Lucilius in das
jähr 607 statt des jahres 574 gesetzt hat. Beigegeben sind
die auf dem titelblatt genannten fragmente des Accius und des
Sueius. Angehängt sind sorgfältige indices, welche Emil Baeh-
rens und G. Götz angefertigt haben.
Da bisher die kritischen beitrage neuerer forscher zu Lu-
cilius in den verschiedensten Zeitschriften zerstreut waren und
die vorhandenen fragmentsammluugen durchaus ungenügend wa-
Nr. 5. 138. Lucilius. 255
ren, so wird es dem grösseren philologischen publikum erst
durch diese ausgäbe möglich, sich ein annähernd treues bild
von der litterarischen bedeutung und der kunst des Lucilius
zu machen, wenn schon es nicht möglich ist, den gedankengang
einer Satire genügend vollständig zu übersehen. Man erkennt
vielfach namentlich in den im iambischen und trochäischen nu-
merus abgefassten büchern den engeren ansckluss an die älte-
ren komiker, speciell an Plautus (vgl. z. b. ausser allbekanntem
XXVII, 27 mit Plaut. Truc. II, 6, 53 fg.). Genaue kennt-
niss der sprachlichen eigenthümlichkeiten der archaischen ko-
miker ist daher Voraussetzung für die möglichkeit einer glück-
lichen kritik im Lucilius. Es ist selbstverständlich, dass die
Müller'sche ausgäbe trotz manchem vortrefflichen, das sie bietet,
nicht als abschliessend gelten kann; sie bildet aber eine tüch-
tige grundlage für weitere forschungen, und den vereinten be-
mühungen vieler wird es vielleicht gelingen, die zahl der schein-
bar heillos verderbten stellen bedeutend zu verringern. Ich füge
einige winzige bemerkungen bei :
Lib. I vs. 8 : Vettern cum primis, fieri si forte potesset: hier ist
cumprimis wohl in dem unter anderen auch von Placidus p. 448
(ed. Mai) angegebenen sinne als etwa gleichbedeutend mit inprimis
zu fassen, wie es nach der Überlieferung der palatinischen hand-
schriften auch von Plaut. Truc. III, 1 , 15 angewandt ist:
Eü'adicarest certum cumprimis patrem, Postid locorum matrem.
III, 18 ist Dicarchitum schon vor Müller von Robert Un-
ger Analect. Propert. (Halle 1850) p. 8 gefunden.
IX , 4 konnte wohl Jung's {de satira Romana, programm
gymn. Neisse 1862, p. 14) Vorschlag erwähnt werden: A pri-
mum brevi' syllaba [erat; qua re geminarunt, Vti qui\ longa [vel-
leni\ ; nos [dein] tarnen unum etc.
Oft, wo die Überlieferung, wie das metrum zeigt, lücken-
haft ist, lässt sich schwer entscheiden, ob das von Müller zu-
gesetzte einschiebsei das rechte getroffen hat. Z. b. ist XIV,
4 das von Müller ergänzte iam in dem verse: Carpathium mare
transuectus cenaM Rhodi \iam\, durch dessen hinzufügung der
vers aus einem iambischen senar zu einem dactylischen hexame-
ter umgestaltet ist, natürlich nur beispielsweise vorgeschlagen ;
man könnte ebenso wohl an cras oder dgl. denken. — XIV,
17 ist das von Müller durch conjectur hergestellte nonne zwei-
256 138. Lucilius. Nr. $.
felhaft, da das archaische latein diese partikel erst allmählig auf-
genommen hat und zunächst nur dann angewandt zu haben
scheint, wenn der auslautende vokal in den anfangsvokal des
nächsten worts elidirt wurde (z. b. XXX , 32 ; vgl. auch A.
Spengel im programm des münchener Ludwigs - gymnasiums
1866/67). — Auch ob Lucilius, wie Müller aus conjectur er-
gänzt, en geschrieben hat, ist zweifelhaft (IX, 68 schreibt ei-
ern) ; vgl. auch 0. Ribbeck beitrage zur lehre von den lateini-
schen partikeln (Leipzig 1869) p. 29 fgg. — Zu XXVI, 52
war Ribbeck im Corollarium zu den Tragic. fragm. p. lxxi zu
beachten. — XXVI, 85 ist es zweifelhaft, ob der wegen der Ver-
bindung eines cretischen mit einem iambischen worte unerträg-
liche septenarausgang dextra conficis tibi der vulgate mit Müller
durch die Umstellung conficis dextra tibi zu beseitigen ist oder
ob August Luchs das richtige getroffen hat, als er (vgl. meine
Studien auf dem gebiete des archaischen lateins I, p. 13) vor-
schlug dextera tibi conficis. — XXVI, 96 fg. sucht Müller die
Überlieferung : si miserantur se ipsi uide ne illorum causa superiore
loco conlocauit, durch folgende Umstellungen in das maass tro-
chäischer septenare zu zwängen:
— v - — v — v — si miserantur se ipsi, vide,
Causam illorum superiore conlocarit ne loco:
allein die dadurch erreichte Stellung der conjunction ne scheint
unerträglich. Es war wohl, wenn man keine conjectur wagen
wollte, anzusetzen:
Si miserantur se ipsi, vide ne — v — causam loco
(oder vide ne causam — v — loco)
Superiore conlocarit. — v — v — v —
Das schwierige fragment XXVIII, 1 fgg. ist von Müller nicht
glücklich behandelt ; weiter gefördert hat das verständniss Luchs
(Studien I, p. 11 fgg.). — XXVIII, 11 Submittas alios, siquos
possis, censeo, muss wohl, wenn censeo statt des handschriftlichen
censeas richtig hergestellt ist, vor censeo Personenwechsel nach art
der ausdrucksweise der Plautinischen komödie angesetzt wer-
den. — In dem Zwiegespräch XXVIII, 43 „Piscium magnam
atque altilium vim interfecisti". — „At nego", hat Müller gewiss
unrichtig^ aus dem ut der Codices hergestellt; Lucilius schrieb
offenbar „Haut nego". — XXVIII, 61 hat Müller mit seiner con-
jectur : Tantae se emporiis merces et faenera tollent, schwerlich das
Nr. 5. 139. Asconius. 257
richtige getroffen; da die bandschriften tanti se temporis mon-
tes et faetera tollent überliefern , so mag etwa Tanti se empo-
riis montes trans (oder super) aethera tollent das ursprüng-
liche gewesen sein. — XXIX, 66 (Muell.) Deierat enim [se]
scribse et pöst non scripturum, scheint zu schreiben : Deierat ni-
mium scripsisse et pöst non scripturüm. Die auslassung des pro-
nomen ist wohl durch den gebrauch der älteren archaischen
dichter zu entschuldigen. — XXIX, 73 Ni rediret ad se atque
illam exterminaret miserulam, ist vielleicht als Schlusswort midie-
rem anzusetzen, obgleich die Müller'sche verinuthung dem hand-
schriftlichen miseram etwas näher steht. — Dass XXX, 23 die
von Müller gebilligte conjectur Lachmanns : Sed tarnen hoc dicas
quid rest, si noenu molcstumst unmöglich ist, weil in derartigen
indirekten fragesätzen der conjunctiv nothwendig erfordert wird,
mithin auch an quid id est (mit Schneider) nicht zu denken ist,
sondern: Sed tarnen hoc dicas, quid sit , si noenu molcstumst (die
Codices geben quid est, si) geschrieben werden muss, hat Eduard
Becker (in meinen ,, Studien" I, p. 169) bewiesen. — Zu
lib. ine. 108 vgl. Thesaur. nov. latinit. (Mai. Class. auet. t. VIII)
p. 534: dicitur squarrosus quasi squamis corrosus / unde Ennius'.
squarrosa et inconpeta rostra. — Zu lib. ine. LXXIX und LXXX
vgl. Osann gloss. lat. spec. 1826 p. 5 n. 14 und 22. — P. 64
z. 7 v. u. ist appellari statt quod verschrieben; p. 231 z. 6
ist zu lesen obscurum,
W. Studemund.
139. Adolf i Kiessling de Asconii codice Pistoriensi
disputatiuneula. (Vor dem Index Scholarum in univ. litt. Gry-
phisw. per sem. aest. 1873 — habendarum.) 4. Gryphiswaldiae
1873. — 10 ss.
Diese abhandlung eröffnet die aussieht auf eine wesentlich
verbesserte ausgäbe der commentare des Q. Asconius zu Cice-
ro's reden, die A. Kiessling und E. Scholl vorbereiten. Bisher
schien als grundlage für die textgestaltung nur die abschrift
gelten zu können, welche Fr. Poggio während seines aufent-
halts bei dem constanzer concil im j. 1416 von einer im klo-
ster St. Gallen gefundenen sehr verstümmelten und seitdem ver-
schwundenen handschrift genommen hatte. Auch Poggio's abschrift
ist selbst nicht mehr vorhanden, sondern nur die erste ausgäbe
Philol. Anz. V. -17
258 139. Ascom'us. Nr. 5.
vom j. 1477 und mehrere junge handschriften , die aus ihr ab-
geschrieben waren. Aber Poggio selbst sagt, dass er alles in
St. Gallen gefundene velociter abgeschrieben habe (Poggii epi-
stolae. Ed. de Toneliis 1, p. 26), und die beschaffenheit des
textes spricht sehr dafür, dass viele fehler desselben auf rechnung
dieser velocitas zu setzen seien. Es galt daher womöglich von
Poggio unabhängige abschriften der St. Galler handschrift auf-
zufinden und schon Melius, (s. Ambrosii Traversarn vita p. 45),
dann wieder Madvig, (de Q. Asconii commentariis p. 25 f.),
hatten darauf hingewiesen, dass eine handschrift in der stadtbi-
bliothek von Pistoia, geschrieben von der band des Sozome-
nus, canonicus in Pistoia und professor der literae humaniores
in Florenz, eines angesehenen geschichtschreibers jener zeit, der
mit Poggio in Constanz gewesen , eine unmittelbar von der St.
Galler genommene abschrift sei. Diese vermuthung hat sich
vollständig bestätigt : nach der vergleichung der handschrift in
Pistoia durch R. Scholl zeigt Kiesslings vorliegende abhand-
lung in überzeugender weise, dass Sozomenus die schwer leser-
lichen züge der St. Galler handschrift bisweilen nicht richtig
fasste, aber immer mit der grössten Sorgfalt wiederzugeben be-
müht war. Es erhellt, dass Poggio zwar manchmal richtiger
las, aber häufig willkürlich änderte, wegliess, zusetzte, nament-
lich lücken, die in der offenbar zum theil zerstörten handschrift
vorhanden waren, entweder einfach nicht bezeichnete oder nach
gutdünken füllte. So lässt sich p.6, 8 Or. die lücke nach dem,
was in S (d. i. Sozomenus abschrift) erhalten ist, mit Scholl jetzt so
ergänzen : C. enim Mario [L. Valerio] coss. id senatum decre[visse, qui]
coss. ante consu\la\tum Ciceronis [XXXVII annis fuerint\. Sedhie — .
Nur ist wohl annis zwischen coss. und ante zu setzen , da auch
nach diesem coss. in der handschrift eine lücke angegeben ist und die
nach Ciceronis nicht so viel fasst, als Scholl vermuthet. — P.6
giebt Kiessling ein langes verzeichniss von lücken, die S p. 57
bis 70 angiebt, Poggio nicht bezeichnet. So hat S 61, 11
nicht praefecturas, sondern praeferat und Kiessling stellt deshalb
richtig her : apud duas [urnas gratiam ei pe\pererat. Statt «r-
nas ist es wohl einfacher partes zu lesen. P. 68, 5 hat S
nicht quae per cos annos quibus haec significabantur populo latae
erant, sondern statt quibus haec eine lücke: glücklich vermuthet
daher Kiessling p. 7 : quae per eos annos [ab eis qui] gratifica-
Nr. 5. 140. Archäologie. 259
bantur populo latae erant. Noth wendige zusätze in S sind p.
3, 7 ducenti (so Scholl für ducendi) zwischen equites und dedu-
cendi, p. 14, 24 L. vor autemCrasso, p. 19, 19 necessitudine zwischen
zw und Cn. Pompei. — Ferner bestätigt S p. 19, 2 die vermuthung
von Rau: a. d. IUI. Non., und p. 41, 23 durch sein iudicissimus die
Verbesserung desselben gelehrten iudicii summus. Trefflich werden
endlich p. 77, 16 durch Porciam für ponam, p. 66, 3 durch
wZ£m de/ensa est für altera defensa est (nur dass «cm vor ultra
hinzuzufügen ist) fehler des textes beseitigt. P. 48, 11 giebt
S de ei für caede et und dies hat Kiessling p. 10 auf die her-
stelluag de cuius diei periculo suo geführt. P. 81, 5 hat S
iectum für eiectum, und Kiessling stellt die stelle her, indem er
lectum schreibt und die worte von eontemptissimuni an Asconius
zutheilt. Diese beispiele zeigen zur genüge , welchen gewinn
die vergleichung der handschrift in Pistoia gebracht hat und
mit wie grossen erwartungen wir der neuen ausgäbe des Asco-
nius entgegenzusehen berechtigt sind.
H. S.
140. Athena und Marsyas. Zweiunddreissigstes programm
zum Winckelmannsfest der archäologischen gesellschaft zu Ber-
lin. Von G. Hirschfeld. 4. Mit 2 tafeln. Berlin. 1872.
In commission bei W. Hertz (Bessersche buchhandlung).
Auf einer in Attika gefundenen, jetzt zu Berlin befindli-
chen vase ist in rothen figuren auf schwarzem gründe die scene
dargestellt, wie Marsyas die von Athene weggeworfenen flöten
aufzunehmen sich anschickt, also derselbe gegenständ, der schon
aus einer attischen münze (bei Bröndsted) und einem relief (bei
Stuart) bekannt ist. Mit hülfe dieser drei genannten stücke
versucht es der Verfasser, eine statue des Lateran, welche von
Benndorf und Schöne für einen tanzenden satyr erklärt worden ist,
von Stephani für einen trunkenen satyr, nach Brunns vorgange
als Marsyas nachzuweisen. Hierin wird man dem Verfasser
unbedenklich beistimmen können. Wenn er aber diesen Mar-
syas für den Überrest einer gruppe erklärt, diese sodann für
eine copie des von Pausanias 1 , 24 , 1 beschriebenen werkes,
und letzteres schliesslich mit einem bei Plinius erwähnten werke
des Myron identificirt, so scheint uns dies denn doch zu kühn.
Bei Pausanias heisst es, dass Athene den Marsyas schlägt, wo-
17*
260 141. Archäologie. Nr. 5.
von in den von Hirschfeld mitgetheilten bildwerken nichts zu
sehen ist; und wenn man auch die conjektur nzootiaa für nat-
ovaa wollte gelten lassen , so würde selbst dadurch noch keine
Übereinstimmung erreicht sein, da Athene auf dem vasenbilde
wie auf der münze und dem relief eine durchaus ruhige hal-
tung hat. Betrachtet man ferner die worte des Plinius im zu-
sammenhange (fecit et canem et discobolon et Persea et pristas et
Satyrum admirantem tibias et Minervam\ so muss man sogar die
Minerva für ein ganz selbständiges werk halten, will man nicht
mit Hirschfeld den accusativ Minervam von admirantem abhän-
gen lassen. Doch auch in diesem fall muss zugegeben werden,
dass ein satyr, der die Minerva bewundert und ein satyr, den
die Minerva schlägt oder scheucht, zwei verschiedene dinge
sind. Lässt man hingegen die Minerva hinweg, für welche auch
neben der statue des Lateran kein rechter platz ist , so kann
man auf die letztere die worte des Plinius sehr wohl anwen-
den. Die zurückweichende bewegung des satyr erklärt sich
nicht, wie Hirschfeld will , aus der furcht vor Minerva ; viel-
mehr drückt sich das erstaunen über die beseelte flöte , die
sprechen kann, bei dem affenraenschen in so übertriebener weise
aus. Da überdies Brunn in dieser statue etwas vom style des
Myron findet, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie eine
copie des von Plinius erwähnten werkes ist, nur darf man die
auf der Akropolis zu Athen befindliche gruppe nicht mit jener
einzelstatue vermengen.
L. G.
141. Die feier des königlichen geburtstages in Preussen.
Die Verdienste des preussischen königspaars um die erforschung
des klassischen bodens. Reden zur feier des geburtstages Sei-
ner Majestät des Königs auf der Universität zu Breslau am
22. märz 1869 und 1870 gehalten von M. Hertz. 4. Bres-
lau, druck von Grass, Barth und comp. (W. Friedrich).
Hertz spricht den grundsatz aus, dass eine festrede am
geburtstage des königs nicht beliebige wissenschaftliche themata
behandeln dürfe , welche zur person des gefeierten in keinem
verhältniss ständen, sondern dass sie vielmehr ihrem gauzen In-
halte nach der bedeutung des tages entsprechen müsse. Dass.
es einem manne von geschmack nicht behagen kann, am ge~
Nr. 5. 141. Archäologie. 261
burtstage des königs über eine neuentdeckte käferart reden zu
hören, ist begreiflich; ob aber bei strenger durchführung jenes
grundsatzes den festrednern nicht zuletzt die themata ausgehen
werden, dies möchte doch auch zu bedenken sein. Jedenfalls
hat Hertz in den beiden vorliegenden reden seine absieht' mit
geschick und erfolg durchgeführt, und damit den vielen, wel-
che alljährlich an öffentlichen anstalten festreden zu halten ha-
ben, zwei musterhafte beispiele geboten , musterhaft nicht nur
nach inhalt und form , sondern auch in der gesinnung. Inso-
fern haben die beiden reden auch für manchen philologen ein
näheres interesse, und dies rechtfertigt ihre besprechung im phi-
lologischen Anzeiger, wozu wenigstens die erste rede sonst kei-
nen anlass bieten würde. Dieselbe schildert nämlich die ver-
schiedenen Stimmungen und Verhältnisse, unter denen der kö-
nigliche geburtstag seit anderthalb Jahrhunderten, namentlich
aber unter den drei letzten regierungen in Preussen gefeiert
wurde, und lässt von diesem originellen Standpunkte aus einen
lehrreichen blick auf die geschichte des preussischen Staates
thun. Die zweite rede berichtet über mehrfache förderungen,
welche die archäologischen forschungen auf griechischem und
römischem boden durch den jetzigen kaiser und seine gemahlin
gefunden haben. Zwar waren die Unterstützungen nicht immer
sehr reichlich zugemessen, denn Curtius musste, als er im jähre
1862 in Athen war, schliesslich zu eigenen mittein seine Zu-
flucht nehmen, indessen ist man in Deutschland nicht verwöhnt
und nicht unbescheiden, und weiss schliesslich auch mit gerin-
gen mittein immer noch viel zu erreichen. Wenn übrigens
Hertz am Schlüsse seiner rede den neuaufgefundenen senatsbe-
schluss erwähnt, wonach am geburtstage des kaisers den göt-
tern Mars , Neptun und Apollo opfer gebracht werden sollten,
als den beschützern der landmacht, der Seemacht und der künste
des friedens, so können wir dabei den wünsch nicht unterdrü-
cken , dass im neuen kaiserreiche die opfer für Apollo künf-
tig etwas reichlicher ausfallen und nicht gar zu sehr hinter
Mars und Neptun zurückbleiben mögen. L. G.
142. C. L. Grotefend, chronologische anordnung der
athenischen silbermünzen. 8. Hannover 1872.
Der titel ist dahin zu beschränken, dass nur die späteren
262 142. 143. Numismatik. Nr. 5.
münzen, die des sogenannten neuen stils, besprochen und clas-
sificirt sind. Die kleine 23 Seiten lange schritt hat das ver-
dienst, dass sie verschiedene irrthümer in dem grösseren werk
von Beule les monnaies cCAthenes (Paris 1858) aufdeckt. Der
Verfasser unterzieht nämlich die darin aufgestellten sätze einer
genauen prüfung und setzt, da sie sich unhaltbar erweisen, an-
dere an die stelle. Vortrefflich ist namentlich die auseinander-
setzung über die magistratsnamen und die Symbole ; deutsche
gründlichkeit zeigt sich dabei , wie auch sonst , dem französi-
schen vorurtheil gegenüber in hellem lichte. Die gewonnenen
richtschnuren beruhen auf triftigen gründen, was sich von Beu-
le's anordnung nicht sagen lässt ; vieles ist aufgeklärt, manches
der aufklärung wenigstens näher gebracht. Letzteres gilt be-
sonders von der anfangszeit des neuen stils, die Beule* hundert
jähre zu früh ansetzte; nach Grotefend p. 14 sind die ersten
der betreffenden münzen um 220 v. Chr. geprägt. Wann die
prägung aufhörte , bleibt auch jetzt noch unentschieden ; p. 2
ist darüber nur bemerkt , dass die reihe der athenischen mün-
zen in die zeit der ßömerherrschaft in Griechenland und Asien
nur eben hinein zu reichen scheine. Demnach empfehlen wir
die schritt der aufmerksamkeit aller derer, welche sich für diese
Studien interessiren.
R. Suchier.
143. Catalogue de m^dailles du Bosphore Cimmerien. Pa-
ris. 8. 1872.
Kataloge zu münzversteigerungen sind für die numismatik
besonders wichtig, wenn sie gewissenhaft abgefasst sind und von
allem, was nicht alltäglich ist, eine genaue beschreibung geben.
Es sind dann wahre fundgruben, worin die Wissenschaft weiter
forschen kann. So auch der vorliegende katalog, der zur auf-
stellung eiues noch wenig bekannten gebietes viel werthvolles
material liefert. Die darin verzeichnete Sammlung, im mai
1872 bereits in Paris versteigert, gehörte Julius Lemme zu
Odessa, der fünfzehn jähre sein augenmerk darauf richtete, die
münzen des alten bosporanischen reichs zusammen zu bringen,
was ihm auch bei ausdauerndem eifer und günstigen umstän-
den so gut gelang, dass keine einzige Sammlung, wie es in der
vorrede heisst, mit der seinigen wetteifern konnte. Als beweis
Nr. 5. 143. Numismatik. 263
ist angeführt, dass allein von Panticapäum etwa vierzig un-
edirte stücke vorkommen.
Die sämmtlichen münzen sind beschrieben, nicht bloss ober-
flächlich, was dem katalog bleibenden werth verleiht. Da zu-
gleich zwei tafeln abbildungen beigefügt sind, gewährt er schon
ein ganz anschauliches bild von den münzverhältnissen jener
für uns so entlegenen gegend; für besitzer des Hauptwerks von
Köhne le rnusee KotcTioubey ist er ein unentbehrlicher nachtrag.
Vorangestellt sind die münzen von Panticapäum, mit recht,
weil die offenbar ältesten münzen mit guadratum incusum dort-
hin gehören. Interessant ist die Wahrnehmung, dass die ein-
wohner immer nur II ANTIK AD. AITQN genannt sind, während
doch diese namensform, wie aus Pape's Wörterbuch der griechi-
schen eigennamen zu ersehen, weder auf inschriften, noch bei
einem Schriftsteller vorkommt. Es folgen sodann zahlreiche
münzen von Olbia, darunter der einzige bis jetzt bekannte goldstater
dieser stadt. Nr. 157 ist eine bronzemünze mit AA zum er-
sten mal für eine von Alopecia (mit beigefügtem fragezeichen)
erklärt. Mehrere marken und münzen mit APIX (nr. 158 —
161) sind nicht wie bisher der stadt Olbia, sondern dem bei
Strabo Aqqr\'fpi^ bei Ptolemäus "Agiyoi genannten volk zugewie-
sen. Zu nr. 162, einer bronzemünze mit IIAT2, ist als Über-
schrift nur PAUS gesetzt und dabei bemerkt: Nous connais-
sons plusieurs peuples dont le nom commence jpar ces lettres, mala
aucun d'eux rCliabitait le voisinage de la Pakts Meotide. Mehrere
Völker sind das doch nicht, sondern nur eins am Kaukasus,
das bei Stephanus von Byzanz üavGÜQxai, bei Herodot III, 92
IJavaixai heisst. Bei nr. 163., tessera mit QT (was bisher ir-
rig, wie behauptet wird, OT gelesen sei), wird an die thracische
hafenstadt Thynias gedacht. Alles das sind vermuthungen,
ebensowenig zu widerlegen als zu beweisen. Dann folgen mün-
zen von Phanagoria, drei unedirte vom volk der Sindi (stadt-
name Sinda vielleicht vorzuziehen, s. Pape's Wörterbuch v. 2iv-
dixog hftTjp), zwei von Dioskurias, wohin auch zwei verschie-
dene bronzemünzen mit KA12APESIN und mit ArPinnE&N,
beide mit dem köpf der Livia, verlegt sind. Eine beigefügte
anmerkung giebt die gründe zu dieser neuerung an; dieselben
sind nicht grade zu verachten , berechtigen aber keineswegs
dazu, der stadt ohne weiteres (wie bei der Überschrift gesche-
264 143. Numismatik. Nr. 5.
hen) den namen Agrippias Caesarea beizulegen. Danach kom-
men zwei silbermünzen ohne schrift, Kolchis zugewiesen, eine
von der stadt Istros und nr. 185 eine räthselhafte sübermünze
mit EMINAKO, auf tafel I abgebildet (bei der beschreibung ist
das „gravie" vergessen). Eine wunderliche erklärung ist dazu
versucht : sui könnte = sifiL und Naxo der anfang eines (noch zu
findenden) stadtnamens sein. Zwar ist vorausgeschickt: II ne
serait pas impossible, nach unserer kenntniss der numismatik aber
müssen wir sagen: es ist unmöglich. Die antiken münzen ge-
ben sich mit keiner oratio recta ab, höchstens mit participien
wie Sarmatia devicta, signis receptis u. dgl.
Den schluss machen die münzen der könige, von Leukon
II c. 240 v. Chr. an his zur zeit Constantins. Nr. 194 ist
ein roi inconnu hinzugekommen, von dem aber nichts weiter zu
sagen , als dass sein monogramm mit B beginnt ; die münze
(ohne köpf) hat doppelschlag und ist wahrscheinlich schlecht,
sonst wäre sie wohl abgebildet. Nr. 201 ist zu den bronze-
münzen des Asander bemerkt , der köpf sei wahrscheinlich nicht
der des Alexander , denn er habe keine ahnlichkeit mit dem
auf den goldmünzen. Zu diesem grund kommt noch ein an-
derer, der wohl entscheidend ist; Asander heisst- nämlich auf
den münzen von bronze noch nicht ßuatlevg wie auf dem sta-
ter nr. 203, sondern nur uqicov. Nr. 204 — 207 ist die zahl
IB u. a. vor das wort ETOTC gesetzt, während das umge-
gek ehrte allein richtig ist, wie ein blick auf die abbildung von
nr. 205 und vergleichung der alexandrinischen münzen lehrt.
Eheskuporis I nr. 209 — 211 ist wohl nur durch ein versehen,
der chronologischen Ordnung entgegen , hinter Polemon II ge-
kommen; ebenso ist Eheskuporis VII nr. 291, der an den schluss
des ganzen gehörte , an falsche stelle gerathen. Uebrigens ist
das verzeichniss der königsmünzen sehr reichhaltig und schätzbar.
Die abbildungen sind in der französischen einfachen weise,
nett und sauber. Die köpfe der kaiser Augustus , Tiberius
und Claudius auf den goldmünzen nr. 209 und 219 sind zwar
denen auf römischen münzen sehr unähnlich , wahrscheinlich
fällt dies aber weniger dem Zeichner in Paris zur last als dem
alten bosporanischen graveur, wie ja überhaupt aus begreiflichen
gründen die portraitähnlichkeit in den von Korn fernen ländern
nicht gross ist. R. Suchier.
Nr. 5. 144—155. Neue auflagen und Schulbücher. 265
Theses
quas ... in academia Friderica Guilelma Bonnensi . . . d. II. m. Maii
defendet Joannes Froilzheim : I. C. Iulius Caesar infra locum, ubi ho-
die Bonna sita est, bis Rbenum transiit. IL Ära Ubiorum non Ger-
manico cuidam nuniini, sed Caesari Augusto dedicata erat. III. Ta-
citum Gernianiae terras adiisse non affirmaveris.
Neue auflagen.
144. Sophokles. Deutsch von /. C. E. Donner. 7. aufl. 8. Leip-
zig. Winter; 2 thlr. — 145. R. Klotz, handwörterbuch der lateini-
schen spräche. 5. abdruck. 1. lfrg. 8. Braunschweig. Westermann;
4 ngr. — 146. G. F. Puchta, Vorlesungen über das heutige römische
recht, herausgeg. von A. T. Rudorff. 6. aufl. 8. Leipzig. Tauchnitz;
Neue Schulbücher.
147. W. Freund . . . präparation zu Sophokles. 15. heft. 16.
Leipzig. Violet ; 5 gr. — 148. G. Curtius griechische schulgramma-
tik. 10. aufl. bearbeitet von B. Gerth. 8. Prag. Teinpski; 28 ngr.
— 149. K. W. Krüger, griechische Sprachlehre für schulen. 1. thl.
2 heft. 5. aufl. 8. Berlin. Krüger; 1 thlr. — 150. Halm, elemen-
tarbuch der griechischen syntax. 2. cursus. 6. aufl. 8. München.
Lindauer; 16 ngr. — 151. J. Saupe, hauptregeln der griechischen
syntax für mittlere gymnasialklassen. 2. aufl. von E. Frohwein. 8.
Gera. Kanitz ; 7Va ngr- — 152. Ciceronis epistolae selectae tempo-
rum ordine compositae. Für den schulgebrauch herausgegeben von
K. F. Süpße. 7. aufl. 8. Carlsruhe. Groos; 1 thlr. 3 ngr. — 153.
Freund . . . präparation zu Cicero's werken. 2. heft. 3. aufl. 16.
Leipzig. Violet; 5 ngr. — 154. TV. Freund . . . präparation zu Li-
vius römischer geschichte. 3. aufl. 16. Leipzig. Violet; 5 ngr. —
155. W. Freund, tafeln der griechischen, römischen und deutschen
literaturgeschichte. 8. Taf. 1. griechische literaturgeschichte. Leip-
zig. Violet; 5 ngr.
Bibliographie.
Zur arbeitseinstellung der setzer in Leipzig. XIII. XIV. XV : Bör-
senbl. nr. 76. 80. 92. Dazu auch ebendas. nr. 82 zu vergleichen und
nrr. 84. 92. 98.
Auf die anklagen, 'welche Joh. Scherr Hammerschi. u. Histor. 1,
p. 456 gegen die deutschen Verleger gerichtet hat, wird mit treffen-
den gründen in Börsenbl. nr. 80 geantwortet.
Ein auszug aus dem aufsatz von H. Uhde über Elisabeth Campe
geb. Hoffmann steht im Börsenbl. nr. 95.
Ein verzeichniss der in ihrem verlag erschienenen » unter rieh ts-
bücher, compendien und Wörterbücher « versenden Friedrich Vieweg
und söhn und erklären sich bereit directoren von lehranstalten bei
einführung frei - exemplare zu gewähren.
Von den » mittheilungen der Verlagsbuchhandlung ~B. G. Teub-
ner in Leipzig« ist nr. 1 für 1873 erschienen aus deren ersten ab-
theilung: »notizen über künftig erscheinende bücher « wir hervorhe-
ben: Dionysii Halicar nassen sis Romanarum antiquitatum libri qui su-
persunt. Emendavit Ad, Kiessling. Vol. I: es ist dies eine grö-
266 Bibliographie. Nr. 5.
ssere mit vollständigem kritischen apparat versehene und auf vier
bände berechnete ausgäbe, dabei prolegomena und quaestiones Diony-
siacae, »welche die frage nach den quellen des Schriftstellers so wie
einzelne sprachliche wie stilistische eigenheiten desselben eingehend
erörtern und die vorgenommenen änderungen rechtfertigen werden«, —
ferner A. Schäfer, abriss der quellenkunde der griechischen geschichte
bis auf Polybius, zweite ergänzte und verbesserte aufläge; — Läb-
ker reallexicon des classischen alterthums für gymnasien. Vierte
aufläge . . besorgt von Dr A. Eckstein: es wäre doch wohl mehr als
wünschenswerth, dass statt neuer aufläge die Verlagshandlung darauf
bedacht nähme, an die stelle dieses überall mangelhaften buches ein
neues, besseres treten zu lassen; — Q. Horatii Flacci carmina. Rec.
Luc. Mueller : elegante miniatur- ausgäbe. — Zu der Bibliotheca
scriptorum Gr. et Rom. Teubneriana gehörig: M. Iuniani Iastini epi-
tomae historiarum Pompei Trogi ex rec. Franc. Ruehl. Accedunt
prologi in Pompeium TrogumabAlf. a Gutschmid recensiti et emen-
dati: Rühl selbst giebt das nähere dieser ausgäbe an und bemerkt,
dass unmittelbar nach der Vollendung dieser ausgäbe eine grössere
derselben Schriftwerke in angriff genommen werde, welche den kri-
tischen apparat mit kritischen noten enthalten solle ; demselben werke
wird beigefügt sein eine neue Sammlung der fragmente des Pompejus
Trogus, ausführliche prolegomena und indices. — Aus den Schulausgaben
mit deutschen anmerkungen ist angekündigt: P. Ovidii Nasonis Fa-
storum IL VI. Für die schule erklärt von Hermann Peter: der aus-
gäbe wird ein zweiter besonders verkäuflicher theil hinzugefügt, »wel-
cher ergänzungen und ausführungen des unter dem text stehenden
commentars so wie einzelne kritische erörterungen und die in der
Oxforder ausgäbe von 1827 vergrabenen coniecturen Bentley's zu den
Fasten enthalten wird«. Wir begrüssen diese neuerung um so leb-
hafter, als im Phil. Anzeiger von anfang an (s. bd. I, p. 130) darauf
gedrungen, dass den Schulausgaben auf selbständiger arbeit des her-
ausgebers beruhende wissenschaftlich werthvolle beigaben nicht feh-
len dürften: hoffen wir, dass diese ansieht trotz vornehmen ignori-
rens und trotz der angriffe infallibel sich dünkender schulmänner
(s. Ph. Anz. III, p. 594) sich immer mehr zum besten unsrer Wissen-
schaft bahn breche.
Die Fr. Lintz'sche buchhandlung in Trier kündigt an , dass das
längst erwartete werk: »Der dorn zu Trier in seinen drei hauptperio-
den , der römischen , der fränkischen , der romanischen , beschrieben
und durch XXVI tafeln erläutert von domkapitular von Wilmoicsky«,
demnächst erscheinen werde, dabei wird die vorrede und der inhalt
mitgetheilt, aus welchem letztern wir folgendes hervorheben: Römi-
sche periode. Abtheilung I. Die läge des baudenkmals in der an-
tiken stadt. Die bodenschichte worauf dasselbe steht. Das verschie-
denartige baumaterial , das für dasselbe verwendet ist. Der Charak-
ter der bauanlage: ihres Vorplatzes, ihrer facade, ihres innern. Er-
gebniss aus den eigenthümlichkeiten des monumentes für seine bau-
zeit, seinen gründer und seine bestimmung. Der bau, ein werk des
kaisers Valentinian I: eine grossartige halle für die öffentliche ge-
richtspflege. Geschichtliche begründung dieser bestimmung, bestäti-
gung derselben durch eine im mauerwerk aufgefundene münze. Die
dauer des gebrauchs der Valentinianischen gerichtshalle und die Ursa-
che ihrer schnellen entbehrlichkeit. Die gründe ihrer Umwandlung
für den christlichen eult. Die Zerstörung des iunenbaues beim brande
der stadt durch die Franken, und die dauer des nichtgebrauches nach
demselben. Abtheilung II. Nähere beschreibung der bauanlage und
ihrer veränderten einrichtung vom IV. bis VI. Jahrhundert: ergebniss
Nr. 5. Kleine philologische zeitung. 267
der Untersuchungen in den jähren 1843—1858: es wird das ausgeführt
in zwei abschnitten : 1) die fränkische periode , das baudenkmal in
der marovingischen und karolingiscben zeit; 2) romanische periode,
das baudenkmal im 11. 12. 13. Jahrhundert. — Der subscriptions-
preis ist auf 25 thlr berechnet.
Cataloge von antiquaren : Alfred Coppenrath in Regensburg, Anti-
quarischer anzeiger, nr. 55: Mayer und Müller in Berlin, verzeich-
niss einer Sammlung von werken . . . die zu beigesetzten preisen
verkauft werden, Cat. 2; Antiquarisches verzeichniss 121 von Felix
Schneider in Basel , Zeitschriften , pädagogik , Universitätsgeschichte,
Philosophie : dass. verzeichniss 122 neue sprachen und orientalia ent-
haltend.
Kleine philologische zeitung.
Im SenJcenherg^schen museum in Frankfurt a. M. ist die Dr Ros-
selsche Sammlung von artefacten aus den schweizer pfahlbauten auf-
gestellt: näheres über sie giebt Reichsanz. 73.
Aarau. 12. märz. Nachdem das »Neue schweizerische museum,
Zeitschrift für die humanistischen Studien und das gymnasialwesen in
der Schweiz« mit seinem 6. Jahrgang im jähre 1866 eingegangen war,
stellte sich für den verein schweizerischer gymnasiallehrer, welcher
sich im jähre 1861 in Aarau constituirt und die herausgäbe des mu-
seum beschlossen hatte, bald das bedürfniss heraus, ein organ zu be-
sitzen, wodurch es der öffentlichkeit, den behörden und den Mitglie-
dern, der zunft der paedagogen und weitern kreisen, die sich für
das gymnasialwesen interessiren , nachrichten gebe von seinen Ver-
handlungen und von dem schweizerischen gymnasialwesen. So ent-
standen folgende publicationen :
1) Zusammenstellung der gymnasiallehrpläne der deutschen Schweiz,
der bedeutendsten deutschen Staaten und Frankreichs nebst paeda-
gogischen thesen von prof. Dr Uhlig in Aarau und prof. Dr Burch-
hardt- Brenner in Basel, in Aarau 1868;
2) Verhandlungen des Vereins schweizerischer gymnasiallehrer
an der (IX.) lehrerversammlung zu St. Gallen, Aarau 1869;
3) Zweites, drittes und viertes jahresheft des Vereins schweizeri-
scher gymnasiallehrer zu Bern, zu Ölten und zu Frauenfeld , Aarau
1870, 1871, 1872. Sämmtlich in commission bei H. R. Sauerländer in
Aarau.
Den Vorläufer bildet die unter 1) genannte schrift. Sie enthält
thesen von Vertretern der historisch -philologischen und der mathe-
matisch-naturwissenschaftlichen fächer aufgestellt, bestimmt die grund-
lage zu bilden für berathungen über die wünschbare einrichtung des
lehrplans der schweizerischen gymnasien, mit besonderer berücksich-
tigung der frage inwiefern eine beschränkung der fächer oder inner-
halb der einzelnen fächer wünschbar sei. Nachdem in vier paragra-
phen zweck und aufgäbe des gymnasialunterrichts bestimmt und als
statistische grundlage für die weitern thesen eine Zusammenstellung
der lehrpläne von 17 gymnasien der deutschen Schweiz — von 7 ta-
bellarisch, von den übrigen summarisch — ferner, derjenigen von
Preussen (1856) Oesterreich (1854) , Bayern (1854), Stuttgart (1867),
der französischen Lycees (1865) und der englischen obern schule in
Eton (1861) — dazu gehört die generaltabelle am schluss — gege-
ben ist, wird im folgenden zunächst umfang und ziel der einzelnen
gymnasialfächer bestimmt, und zwar von religion, philosophischer
Propädeutik, deutsch, latein, griechisch, französisch, geschichte und
268 Kleine philologische zeitung. Nr. 5,
geographie , mathematik, naturgeschichte, physik, hebräisch, englisch,
italienisch, zeichnen, gesang, turnen und militärübungen mit festse-
tzung des minimum der Stundenzahl, berechnet für ein gymnasium
von sieben lehrcursen ; ferner wird ein entwurf eines normallehrplans
mitgetheilt, und schliesslich die frage berührt, inwiefern es zulässig
sei realschulen als vorbildungsanstalten für gyrnnasien zu verwenden.
Die discussion über diese thesen, welche der lehrerversainnilung des
Vereins in St. Gallen zur berathung vorlagen, ist enthalten in der unter
2 genannten schrift. Den anfang derselben machen die auf die einzelnen
aufstellungen bezüglichen beleuchtungen der beiden referenten, Uhlig
und Burckhardt, und um die hierin berührten punkte dreht sich
dann auch hauptsächlich die debatte: behandlung und ausdehnung
des naturwissenschaftlichen Unterrichts , zulässigkeit der chemie als
Unterrichtsfach am gymnasium. Anhangsweise in ergänzung der Zu-
sammenstellung der lehrpläne (1) ist die tabellarische Übersicht der
lehrpläne von sieben gyrnnasien der deutschen Schweiz gegeben.
Die unter 3 angeführten publicationen bringen nicht mehr nur
das protocoll der Verhandlungen über pädagogische fragen, sondern auch
die auszüge oder den Wortlaut von vortragen wissenschaftlichen in-
halts und nachrichten über entstehung und geschichte schweizerischer
gyrnnasien. Besprechungen über fragen der gymnasialpaedagogik
finden sich im zweiten heft : auszug aus einem Vortrag des Dr Bäb-
ler in Bern über den deutschen Unterricht als mittelpunkt des Unter-
richts am gymnasium, und die discussion über denselben, aus welcher
wir hervorheben die voten von Dr Uhlig, jetzt lyceumdirector und a.
0. professor an der Universität in Heidelberg, und von prof. Dr Schwei-
zer-Sidler in Zürich; im dritten: thesen über die disciplin der schüler
ausserhalb der schule, besonders in bezug auf wirthshausbesuch, ver-
einswesen, convicte , aufgestellt und begründet von rector Hunziker
in Aarau, und die manches piquante enthaltende discussion über die-
selben; ferner thesen über das maturitätsexamen aufgestellt und ein-
gehend begründet von Dr Dziatzko , damals in Luzern , jetzt oberbi-
bliothecar in Breslau ; im IV. die discussion des grössern theils der
von Dziatzko aufgestellten thesen über das maturitätsesameu, deren
vertheidigung durch H. Uhlig geführt wurde , noch eine besprechung
des lehrplans der zürcherischen gyrnnasien mit bezug auf den ent-
wurf des neuen unterricbtsgesetzes. Von wissenschaftlichen vortragen
enthält heft II nur kurze auszüge : weil. Dr Zündel in Bern über den
einbrach fremder Völker in Aegypten zur zeit des Pharao des Exo-
dus, und Dr Bachmann in Bern über die geologischen entwickelungs-
phasen der gegend von Bern ; III. : einen Vortrag des prof. Dr W.
Vischer in Basel über die antiken büsten des Apollon und Herakles
in Basel (s. Philol. Anz. bd. IV, nr. 3, p. 151 flg.) und des H. Krippen-
dorf in Aarau über Photographien auf collodiano ; IV. : einen Vortrag
von Dr Haag in Frauenfcld über einige nutzanwendungen der ver-
gleichenden grammatik für die schule. — Die geschichtlichen nach-
richten über schweizerische gyrnnasien betreffen erste folge in II: die
schulen von Aarau, Altdorf, Bern, Chur, Einsiedlen, Frauenfeld, St.
Maurice, Neuenburg, Pruntrut, Schaffhausen, Winterthur, Zürich;
zweite folge in III: Engelberg, St. Gallen, Samen, Solothurn, Zug;
dritte folge in IV: Basel, Luzern, Schwyz. Einen überblick über die
thätigkeit des Vereins von 1861 — 1S70 giebt die begrüssungsrede
des Vorsitzenden an der Jahresversammlung in Ölten, des Dr Uhlig,
im III. heft.
Die sämmtlichen publicationen, deren inhalt hier kurz vorgeführt
ist, enthalten mancherlei, was die beachtung auch der gymnasialleh«
rer und schulbehörden Deutchlands verdienen dürfte. — H. Wz.
Nr. 5. Kleine philologische zeittmg. 269
München, 16. märz. In den räumen des kunstvereins hat die firma
»Franz Steigerwalds neffe« zwei glasvasen, welche copien von in gräbern
zu Pompeji gefundenen, und für die Weltausstellung in Wien bestimmt
sind, ausgestellt: nach der Augsb. Allg. Ztg. Beil. nr. 78, die sie nach
Zahn's werk näher beschreibt, sind sie der höchsten beachtung würdig.
In Pompeji sind in der mitte des märz in dem vestibul eines
kleinen hauses zwei skelette gefunden, davon eines, das einer frau,
ein schweres goldnes armband von ungewöbnlicber form trug. Im
garten fand man die Statuette eines philosophen von terracotta: im
gartenhäuschen aber eines nebenhauses die wohlerhaltene kolorirte
marmorstatue einer Venus, von etwa einem meter höhe, der nur zwei
finger der rechten hand abgebrochen sind. Die haare sind gelb ge-
malt, die augenbrauen und die ränder der augenlieder schwarz, das
gewand, welches über den linken arm herabhängt und die beine be-
deckt, ist aussen gelb mit rothen bändern, im innern derselben sind
spuren von blauer färbe. Die linke hand, welche einen apfel hält,
stützt sich auf ein kleines figürchen, dessen gewandung gelb, grün
und schwarz bemalt ist. Die nackten theile sind nicht bemalt: Reichs-
anz. nr. 74. Beil. zur Augsb. Allg. Ztg. nr. 85.
Wien. 19. märz. In Wien soll eine »orientalische academie«
errichtet werden, deren plan die N. Fr. Pr. bringt und von der
Augsb. Allg. Ztg. nr. 81 reproduzirt wird. So flickt man an den
Universitäten herum, und legt auf das alte zeug oder an dasselbe neue
und andersfarbige läppen und sieht nicht, dass dadurch allerdings
etwas sehr buntes, aber durchaus nichts haltbares entsteht.
München. 21. märz. Dieser tage fand die aufführung der Anti-
gone des Sophokles statt, bei vollem hause: die darstellung war vor-
trefflich, aber der erfolg kein grade zu erfreulicher: es wurde wenig
geklatscht. Es bespricht dies die beil. zur Augsb. Allg. Ztg. nr. 80
des näheren und stellt beachtenswerthe betrachtungen über den ge-
genwärtigen zustand des drama bei uns an. Ueberall kla.gen über
das publicum, überall tadel: wo steckt denn der grund davon? Will
man denn überall nicht sehen, dass unser gesammtes unterrichts-
wesen der durchgreifendsten reform bedarf?
London. 24. märz. Nach der Levant Times ist kürzlich in der
nähe des dorfes Iris auf Kreta eine antike statue der Venus gefun-
den: sie soll in das neugegründete museum von Konstantinopel ge-
schickt werden.
Ueber den römischen votivaltar des Gellius in Seligenstadt, des-
sen inschrift bei Brambach. Corp. Inscr. Rhen. n. 1406 zu lesen, hat
A. Duncker in den nächstens erscheinenden Hanauer Blättern der Ver-
gangenheit und gegenwart, nähere nachweisungen gegeben, von denen
in Reichsanz. nr. 77 ein kurzer auszug steht: auf ihm findet sich der
name des Geta, des braders des Caracalla, ausgekratzt, was Duncker
aus Dio Cass. LXXVII, c. 12 des weitern erläutert.
London. 26. märz. Die society of Antiquaries in London hatte
an den schatzkanzler mit dem gesuche sich gewandt, auf Staatskosten
die erforschung der gräber um Troja vornehmen zu lassen. Der
schatzkanzler lehnt das in einem vom Reichsanz. n. 78, Augsb. Allg.
Ztg. n. 94 und 95 mitgetheilten sarkastisch gehaltenen briete ab : se
lordschaft meint, es würde dabei nichts herauskommen , was für das
grosse publicum von interesse wäre, ferner aber, dass die reichen in
England für dergl. geld selbst haben würden und müssten. Der Prä-
sident der Society, lord Stanhope, hat freilich dagegen replicirt, aber
doch dem öffentlichen spott nicht entgehen können : die Times mei-
nen, man Bolle taucher nach den Dardanellen schicken, um die goldne
270 Kleine philologische zeitung. Nr. 5.
rauchpfanne und den goldnen becher und den säbel, die Xerxes nach
Herod. VII, 54 in den Hellespont geworfen, heraufschaffen zu lassen;
oder nach Eion, von dessen mauern der Perser Boges sich mit fami-
lie und ganzem vermögen in den Strymon gestürzt habe.
Heidelberg. 25. märz. Die stadt dehnt sich aus und so müssen
die kirckhöfe aufgehoben und verlegt werden : so kommt denn auch
das grab von J. H. Voss in gefahr vernichtet zu werden. Es ist
durch einen rothen Sandstein mit folgender inschrift bezeichnet: »hier
ruht seit dem 1. april 1826 nächst dem am 20. oct. 1822 vorange-
gangenen geliebten söhne Heinrich Voss, das was der erde angehört
von Johann Heinrich Voss geboren den 20. februar 1751. Diesen
stein setzte Ernestine Voss, 40 jähre lang seine lebensgefährtin. Hier
wird auch ihr staub ruhen. Sie ruht nun hier, geboren am 31. Ja-
nuar 1756, gestorben am 10. märz 1834«. Hoffentlich wird, wenn es
die stadt nicht von selbst thut , die universtät veranlassen , dass für
zweckmässige erhaltung des grabes und steines sorge getragen werde :
gerade die gegenwart mahnt daran: der 29. märz 1826 ist der todes-
tag des »nie genug zu schätzenden Voss«. Vrgl. Augsb. Allg. Ztg.
Beil. zu nr. 86.
Berlin. 1. april: sitzung der archäologischen gesellschaft : nach
erwähnung neuerer Schriften ward von E. Curtins näher eingegangen
auf Doell, verzeichniss der Sammlung Cesuole und das beim dorfe
Atienu gefundene heiligthum näher beschrieben. Trendelenburg be-
richtet über einen in Pompeji gefundenen leider sehr zerstörten
Erotenfries, Engelmann von der reise Conze's — s. ob. n. 3, p. 171.
— nach Samothrake, legte auch die Photographie eines kopfes der
Hygieia und abbildung zweier in Centocelle bei Rom gefundenen mo-
saike an. Auf anlass des buches von Dumont, Inscriptions ceramo-
graphiques de Qrece sprach Brandis von den rhodischen, thasischen,
knidischen und olbischen thonhenkel - inschriften, Jordan von einem
im Bulletino archeologico Municipale lieft 1 (Rom 1872) publicirten
grundrisse von gebäuden darstellenden mosaik, Adler, über die aus-
grabungen Wood's in Ephesos und erläuterte den von diesem aufge-
stellten grundriss des Artemision daselbst. Vrgl. D. Reichsanz. nr. 91.
Frankfurt a. M. 2. april. Das osterprogramm unseres gymna-
sium enthält die Statuten der grossartigen Kbnigswerter'schen studien-
stiftung von 300000 gülden: einen auszug daraus theilt die Augsb.
Allg. Ztg. nr. 95 mit.
London. 3. april. Nach der Times ist dem vice-könig von Ae-
gypten eine adresse überreicht und von ihm sehr freundlich aufge-
nommen worden, in welcher gebeten wird, die altägyptischen denk-
mäler , tempel u. s. w. vor der Verewigungssucht der reisenden aus
dem westen in schütz zu nehmen, eben so auch reparaturen vorneh-
men zu lassen : die etwaigen kosten könnten wie in Pompeji u. s. w.
durch ein eintrittsgeld gedeckt werden: Augsb. Allg. Ztg. n. 96.
München. 6. April. Der künig von Baiern hat das ehrenprotec-
torat für den Münchener alterthumsverein huldvoll angenommen.
München. 15. april. Aus der von dem Hermann -denkmal-co-
mite ausgeschriebenen concurrenz für eine lateinische inschrift an
der basis des denkmals ist folgende von prof. Ferrucci in Pisa ver-
fasste als preisgekrönt hervorgegangen:
Heic tibi romano rubuerunt sanguine valles
Duxque datus trina cum legione neci,
Hostibus heic terror post saecula multa resurgo
Vindex germani nominis Arminius.
Nr. 5. Auszüge aus Zeitschriften. 271
Auszüge aus Zeitschriften.
Augsburger Allgemeine Zeitung 1873: Beil. zu nr. 23: ein ca-
talanisches thierepos : schliesst an einen aufsatz Hofmanns in den
Abhandl. der k. bayer. acad. d. wiss. zu München 1872 an. — Nr.
24: zur Sydowschen angelegenheit. — Beil. zu nr. 24. 25: Schel-
lings leben von Kuno Fischer. — Beil. zu nr. 25. 26. 27: zur ge-
schichte der geistlichen spiele in Deutschland. — Auch ein wort über
Louis Napoleon : bezieht sich auf ob. nr. 16. — Beil. zu nr. 26: der schul-
zwang in Ungarn. — Nr. 29. 31 : die Gramontschen enthüllungen und die
deutsche politik. I. IL — Beil. zu nr. 29. 30. 32: die Laurionfrage. Von
B. v. Cotta. I. IL III. IV. — Zur sache Sydow und für Würtemberg.
— Beil. zu nr. 30: pfahlbauten in der nähe von Leipzig. — Nr.
34: zur pädagogischen literatur: gegen die schrift von Beck in Gies-
sen. — Beil. zu nr. 37 : Dr Bischoffs reise nach Palinyra. — Nr.
38: protest des preussischen episcopats gegen die Falk'schen ent-
würfe. — Beil. zu nr. 38: George Sand über Napoleon III. — Nr. 41 :
Conze's mittheilung über die reise nach Samothrake: s. ob. nr. 3, p. 171
und p.270. — Nr. 42: Stipendium für geschichte in München. — Beil.
zu nr. 42. 46. 49 : zur Orientierung über die weit : anzeige von J. J.
Baumann, philosophische orientirung über die weit. I. IL III. — Ko-
stümkunde von H. Weiss: anzeige. — Nr. 43. 46. 49. 51. 56: denk-
schrift des preussischen episkopats. 1. IL III. IV. V. — Beil. zu 45 :
fund antiker statuen in Athen : s. ob. n. 3, p. 174. — Beil. zu 51.
52: zur orientirung über die descendenzlehre. — Beil. zu nr. 52:
die verse des h. Augustinus über die bibel: sie stammen aber vom
Basler Werenfels: beil. zu nr. 81. — Beil. zu nr. 54. 55. 80. 81. 82.
86. 88: ägyptische reisebriefe von Lauth, IV. V. VI. VII. VIII. —
Nr. 55. Beil. zu nr. 59: zur italienischen nekrologie. — Beil. zu
nr. 56. 63. nr. 76. beil. zu nr. 77: die schimmelkirchen zu Haledau.
Commentar zu Tacitus Germania. Von Dr Sepp , I. IL III. — Nr.
58: Ebert's entdeckungen in Egypten: s. ob. n. 3, p. 174. — Beil.
zu nr. 58. 59: geschichte der stadt Rom im mittelalter von Gregoro-
viüs : anzeige. — Nr. 59 : Marezoll f — Nr. 60 : religion und Wis-
senschaft : staat und kirche : anzeige des buchs von Zeising eine gott-
und Weltanschauung u. s. w.: wird empfohlen. — Beil. zu nr. 61:
Heinrich Kurz, nekrolog. — Beil. zu nr. 65: Reumont's geschichte
der stadt Rom: bemerkungen des vfs gegen anzeigen in der Allge-
meinen zeitung. — Beil. zu nr. 66: die ausgrabungen auf der ebene von
Troja: s. ob. nr. 4, p. 218. — Nr. 77: Fürst Bismark und hr. v. Müh-
ler. — Beil. zu nr. 77: briefe aus Sicilien : vrgl. nr. 46. — Nr. 78:
Max von Ring, als alterthumsforscher im Elsass bekannt, f. — Beil.
zu nr. 78: pompeianische vasen: nachbildung derselben: s. ob. p. 269.
— Beil. zu nr. 80 : Schleich , glossen zum strikewesen. — Beil. zu
nr. 80: Sophokles in München: s. ob. p. 269. — Nr. 80: der deut-
sche episkopat. — Nr. 67: mädchen-lyceum in Graz. — Die uni-
versitätsbill für Irland. — Beil. zu nr. 67 : das k. bayerische armee-
korps im kriege 1870/71. — Africanisches forschungswerk: bespricht
deutsche Unternehmungen nach Africa. — Zur Imitatio Christi: wird auf
das autograph in Brüssel aufmerksam gemacht. — Nr. 68 : Beil. zu nr. 68.
nr. 70. 73: die universitätsbill für Irland. — Beil. zu nr. 68: Ulrici's na-
turrecht: anzeige. — Nr. 70: erste Versammlung der Societe pour la con-
servation des monuments d' Alsace nach dem kriege. — Nr. 71: Baker' s
expedition am obern Nil. — Nr. 43: weiblicher doctor in Leipzig.
— Beil. zu nr. 73. 74 : vulkane und erdbeben : bericht über das
buch von Poulett Scrope über vulkane. — Beil. zu nr. 75 : die neuen
funde in Moab. — Anzeige des buchs von Beule, Fouilles et
272 Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 5.
decouvertes resumees et discutees en vue de Vhistoire de l'art, in dem die
die ausgrabungen in Karthago betreffenden stellen besonders zu be-
achten sind: s. ob. nr. 4, p. 222. — Beil. zu nr.-81: die lateinischen ge-
dieh te des professor Werenfels in Basel nach dessen Opuscula, 3 bde.
Basel 1782. — Beil. zu nr. 82: staat und kirche in theorie und pra-
xis. — Beil. zu nr. 84. 85 : H. Ullmann , Fr. von Sickingen : einge-
hende anzeige. — Roma sotterranea: anzeige von Kraus' werke. —
Beil. zu nr. 85: ein beitrag zur geschichte des Gaudeamus igitur. —
Beil. zu nr. 86: kurze anzeige von G. Volkmar , über die römische
pabstmythe: der vf. weist nach, dass Petrus nur zwischen 60 — 64 p.
Chr. in Rom gewesen sein könne, also in einer zeit, wo in Rom die
christliche kirche längst bestanden habe. — Nr. 87 : schulrath J. C.
v. Held zu Baireuth f — Beil. zu nr. 87: Fr. Schlie, eine griechi-
sche metope : bespricht eine von Schliemann in Ilium gefundene me-
tope und sucht sie in die römische zeit zu setzen, während Schlie-
mann u. a. sie in die zeit der attischen kunst setzen wollen: vrgl.
Archäol. Ztg. bd. V, heft 3, p. 57. — Nr. 89: der historiker Ama-
dee Thierry zu Paris f- — Beil. zu nr. 89 : ein spanisches werk über
Sprachwissenschaft : ausführliche anzeige von : El estudio de la filolo-
gia en so relacion con el sanskrit for D. Francisco Garvia Ayuso.
8. Madrid. 1871, 376 s. - Nr. 90: Piloty's Thusnelda. — Beil.
zu nr. 92: der index lectionum der Universität Wien: wird eben nicht
glimpflich besprochen. — Beil. zu nr. 93. 91: neue beitrage zu den
Streitfragen der entwicklungslehre. I. — Beil. zu nr. 94: zeitbetrach-
tungen. — Beil. zu nr. 95. 96: die Araber in Sicilien: anzeige des
buebes von 31. Amari, storia del Musulmani di Sicilia. I — III. Fi-
renze, 1854—72. — Beil. zu nr. 96: zur Jugendgeschichte des feld-
marschalls von Moltke. — N. 97: zur literatur der christlichen
kunst. — Beil. zu nr. 101. 102. nr. 111. beil. nr. 112. nr. 118: Ae-
gyptische briete von Lauth, IX. X. XI: das königliche theater: Aby-
dos. — Beil. zu nr. 102: das alter des menschengeschlechts. — Mit-
theilung von Benndorf's erklärung der im berliner museum befindli-
chen bronzestatue , »der betende knabe« genannt: Benndorf fasst
sie als einen vor dem kämpfe in der palästra die götter um den
sieg anflehenden knaben. — Beil. zu nr. 105. 106: Tylor , anfange
der kultur. I. II. — Beil. zu nr. 107: Hassler in Ulrn f. — Nr. 109.
Beil. zu nr. 121: nachrichten von dem Africa- reisenden Nachtigal. —
Archäologischer fund in Rom : s. ob. nr. 3, p. 1 74 und unt. nr. 6. — Beil. zu
nr. 114: papyrus Ebers. Das buch vom bereiten der arzeneien für alle
körpertheile von personen : giebt die geschichte der erwerbung dieses
hieratischen papyrus und den inhalt. — Die hohe frau von Milo:
ausführliche anzeige von WGrW. des buches gleichen titeis von V.
Valentin. — Kurze anzeige des buchs von A. v. D umreicher : die Ver-
waltung der Universitäten seit dem letzten Systemwechsel in Oester-
reich. — Nr. 115: Wolfgang Menzel f- — Beil. zu nr. 115: fest-
sitzung des archäologischen instituts in Rom: s. unt. nr. 6. — Beil.
zu nr. 117: zur literatur über Tacitns Germania: kurze anzeige von
Holtzmami's von Holder herausgegebenen germanischen alterthümern.
— Das k. antiquarium in München. — Beil. zu nr. 119: Friedrich
Wilhelms IV briefwechsel mit Bunsen : sehr zu beachtende anzeige von
L. v. Ranke's buche. — Beil. zu nr. 120. 121 : kurze angäbe von
neuerdings in der Pfalz gefundenen römischen alterthümern. — Beil.
zu nr. 121: Wuttke's geschichte der schritt und des schriftthums : an-
zeige dieses buches.
Nr. 6. Iuni 1873.
Philologischer Anzeiger.
Herausgegeben als erganzung des Philologns
Ernst von Lentsch.
156. Jubeo und seine verwandte. Altbactrisch yaozhdä =
sanskritisch yaud oder yaut , beide beruhend auf einer grund-
form *yavas-dhä; altbactrisch yaozhdaya = lateinisch *jousbe —
in joubere, jübere, beruhend auf einer grundform *yavas-dhä
mit affix aya. Von Theodor Benfey. 4. Aus dem sechzehn-
ten bände der abhandlungen der königlichen gesellschaft der Wis-
senschaften zu Göttingen. 1871. — 20 gr.
Erwartungsvoll begrüsst man eine monographie, wie die
vorliegende, in welcher Th. Benfey, „im kleinsten punkte die
höchste kraft" zu sammeln scheint. Haben sich doch am
verbum iubeo die etymologen seit Jahrhunderten immer und
immer wieder versucht, und zwar namentlich seit gründung
der Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung mit erneutem
eifer, zahlreicher anderweitiger behandlungen gar nicht zu ge-
denken. Der gegenständ ist also einer Untersuchung auf 44
quartseiten nicht unwürdig. Indessen dem eigentlichen ergeb-
nisse dieser weitschichtigen Specialstudie wird man nicht bei-
pflichten können.
Fassen wir zuerst Benfey's ansieht mit seinen eignen Wor-
ten (p. 44) kurz zusammen: „Jubeo steht für ursprünglicheres
jousbeo, zusammengesetzt aus jous und einer ableitung auf aya
von dem grundsprachlichen verbum dhä, mit Übergang des dh
in b. In der grundsprache würde die Zusammensetzung yavas-
dhaya gelautet haben; dieses ist wiedergespiegelt im altbactri-
schen yaozhdaya, welchem lateinisches jousbe für jousbeje genau
entspricht. Diese basis auf grundsprachliches aya ist im La-
tein, wie in vielen andern fällen, auf das praesens und die da-
mit zusammenhängenden formen beschränkt. Im perfectum
u. s. w. liegt die Zusammensetzung mit dem primären verbum
Philol. Aaz. V. 18
274 156. Grammatik. Nr. 6.
dJid zu gründe, welche sich im altbactrischen yaozhdä erhalten
hat; allein im latein ist, wie in den indogermanischen sprachen
vielfach und in diesem fall auch speziell im sanskrit , das aus-
lautende d eingebüsst, so dass die basis jousb entstand, entspre-
chend dem sanskritischen yaui yaut und *yot, dort wie hier für
ursprünglicheres yavas-dh. Das stumme s ward später vor
dem tönenden laute, hier b, eingebüsst, also joubeo; dafür dann
jubeo. Doch wie s in eisdem für idem , msc. , noch zwischen
144 — 105 vor Chr. erscheint, so fand auch die einbusse in
jousb erst zu einer zeit statt, wo perfect, particip u. s. w. schon
gebildet waren. Jenes war, nach analogie von sorp-si zu sor-
beo, aus jousb durch si gebildet und lautete also ursprünglich
vielleicht jousb - si , dann durch theilweise assimilirung des tö-
nenden b an das stummes, jousp-si; das particip knüpfte, nach
analogie von labor lapsus , das affix to mit Übergang des t in
s an, so dass auch hier jousp - sus entstand. Sowohl in jouspsi
als jouspsus fiel das p zwischen den beiden s dann aus". So
Benfey.
I. Die beiden s haben also nach Benfey gemeinschaftlich
die ausstossung des p, behufs erleichterung der ausspräche , be-
wirkt. Est ist aber eine thatsache, dass im perfekt
bis gegen die Ciceronische zeit hin nur ein s vor-
handen war; über das particip lässt sich nichts bestimmtes
sagen.
In den ersten 80 jähren nach einführung der consonanten-
verdoppelung, von dem noch in die Ennianische zeit fallenden
dekret des L. Aemilius Paullus an, das 1867 in Spanien aufge-
funden wurde (C. Inscr. L. II, n. 5041), bis zum agrargesetz 643
d. st. (C. Inscr. L. I, n. 200), begegnen wir, abgesehen vom S. C.
de Bacchanalibus , welches überhaupt noch keine consonanten
verdoppelt, dem perfekt und den davon abgeleiteten formen,
iousi, iusi, iuserit U.S.W, vierzehn mal, einmal im Repetundenge-
setz dem particip iusei, kein einzigesmal einer form dieses ver-
bums mit ss. Das ioussimus iousierunt der plumpen falscher,
welche die genuesische tafel bei anfertigung des schiedsrichter-
ßpruchs inter Asylianos et Aenetos ac Patavos benutzten (C. Inscr.
L. V. * 121), kommt natürlich eben so wenig in betracht, wie
ihr dreimaliges iossuimm.
Für die nächsten sechzig jähre mangeln uns freilich alle
Nr. 6. 156. Grammatik. 275
inschriftlichen anhalt9punkte sowohl für iusi als für iussi. Die
lücke wird aber hinlänglich ausgefüllt durch das bestimmte
zeugniss des Quintilian in der bekannten stelle I, 7, 21, wo
er berichtet, dass sowohl Cicero als Virgil, wie ihre noch er-
haltenen handschriften auswiesen , caussae cassus divissiones ge-
schrieben hätten; atqui paulum anteriores, fährt er fort, etiam
illud, quod nos gemina s dicimus, iussi , una dixerunt. Gewöhn-
lich denkt man bei paulum superiores an die periode vor En-
nius, wie denn auch Eitschl Mon. epigr. tr. p. 3 und p. 34
alle Verdoppelung schon für die zeit, wo man noch ou schrieb,
anzunehmen scheint: IOVSSI. Aber jene auslegung von pau-
lum superiores: die Römer, die ein ganzes Jahrhundert früher
lebten, wäre doch wohl eine sehr freie, und ausserdem begreift
man nicht, warum Quintilian denn gerade das eine iusi aus der
uozahl der Wörter , in denen es sich überhaupt um einfache
oder doppelconsonanten handelt, herausnähme und es den obi-
gen drei beispielen einer wieder ziemlich abgekommenen Schrei-
bung gegenüberstellte. Die einzig mögliche interpretation sei-
ner worte ist vielmehr diese: es ist auffallend, dass man kurz
vor Cicero das perfect von iubeo noch mit einfachem s schrieb.
Wurde aber noch so lange nach Ennius iusi geschrieben,
so hat auch Ennius selbst so geschrieben, und es ist nicht blos
so geschrieben, sondern auch so gesprochen worden. Denn es
ist ganz unglaublich, dass man, nachdem man in so vielen an-
dern Wörtern sich der doppelconsonanten zu bedienen angefan-
gen, sie im perfect u. s. w. von iubeo so lange zeit hindurch
verschmäht hätte , wenn man ein verschärftes s gehört hätte.
Anders ist es in zeiten , wo die Schreibweisen schwanken, wo
eine neuere auftaucht und mit der altern um die herrschaft
streitet; da ist gewiss die ältere Schreibweise die wahrere be-
zeichnung der gleichzeitigen ausspräche. Das gilt in unserm
falle in betreff der lex Rubria vom j. 705 und der lex Iulia mu-
nicipalis vom j. 710 (C. Inscr. L. I , n. 206 und 205, Ritschi
XXXIII— XXXIV und XXXII). Die lex Rubria hat viermal
iussum, die lex Iulia in iuset iuserit viermal ein einfaches s.
Von da an begegnet man nur mehr der Schreibung iussi ius-
sum; auf inschriften kenne ich nur eine einzige ausnähme: C.
Inscr. L. V, n. 215 iusit; iussit findet sich unzählige male.
Nun kann es zwar mit der phonetischen Ursache, weshalb
18*
27 6 156. Grammatik. Nr. 6.
so lange nur ein s gesprochen wurde, immer noch eine besondere
bewandtniss haben, denn es lässt sich nachweisen, dass die
Ennianische und die nachklassische periode ein doppeltes s nach
langem vokal im allgemeinen nicht vertrugen; aber dieser
umstand dürfte der Benfey'schen hypothese kaum zu gute kom-
men. Denn dass die beiden s zuerst das zwischenstehende p
verdrängten und dann zu einem s verschmolzen sein sollten,
das wäre doch eine zu künstliche annähme, der man, so lange
sie sich nicht wenigstens durch eine einzige analogie stützen
lässt, den glauben versagen müsste. Einstweilen sieht man nicht
ein, weshalb die spräche nicht einfach das erste s, das schon
in unvordenklicher zeit als schliessendes s einen schwachen laut-
lichen werth gehabt haben müsste, ausgestossen und iupsi iu-
jpsum gebildet hätte, wenn überhaupt ein dhd oder be dem per-
fectum zu gründe läge-, ein umstand, der auch Corssen's neueste
ansieht widerlegt (Aussprache II. aufl. bd. II, p. 1027): iussi
sei gleich iushipsi von iushibeo, die beiden s hätten sich vereinigt.
IL Benfey's hypothese ist aber auch für das präsens be-
denklich. Denn wenn zur zeit der constituirung des italischen
sprachzweigs, Vorbildung des speeifisch lateinischen perfects und
partieips , ein jusbeje, jusbe bereits existirt hätte , so bliebe es
unerklärlich, dass die perfectbildung u. s. w. ohne jegliche ein-
wirkung jenes angefügten verbums, das ja mit dem ersten be-
standtheile bereits zu einem ganzen verwachsen gewesen wäre,
hätte erfolgen können.
III. Andere nehmen kein praesens jousbeo zu hülfe, son-
dern halten sich an die historischen formen ioubeo iubeo; dem-
gemäss statuiren sie auch keine ausstossung des b, sondern des-
sen assimilation. Se schon Priscian I, 44 Keil -Hertz: B
transit in s: iubeo iussi. Von neuern sei hier nur Bopp (Ver-
gleich, grammatik II. ausg. bd. I, p. 172) erwähnt. Dieser an-
sieht stände die Schreibung iusi iousi, wofern man nur dabei
eine länge ausspricht, an und für sich nicht im wege. Aber
eine assimilation von b zu « lässt sich im lateinischen nicht
nachweisen; scribo , nubo, glubo, labor verhärten die media vor
e; repo, saepio , depo bewahren die tenuis. Eine begründung
jener grossen lautlichen abweichung versucht nur Curtius,
wenn er (Bildung der tempora und modi p. 306) sagt: die assi-
milation von b und s hat wenigstens in der sehr häufigen des
Nr. 6. 156. Grammatik. 277
verwandten v ihr analogon, z. b. liberassem für liberavsem. Aber
es müsste erst bewiesen werden, dass die spräche das doppelte
8 früher in den contrahirten , als in den nichtcontrahirten for-
men eingeführt, dass sie also gleichzeitig liberassem gebildet und
liberavisem bewahrt hätte. Eine Scipionengrabschrift , die des
flamen dialis (Mommsen n. 33, Ritschi XXXIX F) , die man
gewöhnlich ohne zwingende gründe gegen ende des VI. jahrh.
setzt, deren buchstabenformen aber eher auf den anfang des
VII. hinweisen, hat nicht blos licuiset , sondern auch superases,
und zwar neben terra und essent. Anderes material ist zur zeit
noch nicht vorhanden.
IV. Somit bliebe die annähme noch immer unvermeidlich,
dass dem perfekt und particip ein veraltetes, einfacheres ver-
bum iousere oder iousere zu gründe liege ; ausserdem wäre noch
festzuhalten , dass das jetzige praesens erst auf lateinischem
sprachboden entstanden und auf IOV-S und ein zweites latei-
nisches wort, am wahrscheinlichsten habeo {-hibeo, wie praefhij-
beo, deßijbeo, manubiae), wie auch Corssen in den Kritischen bei-
tragen p. 241 noch glaubte, zurückzuführen sei. Allerdings sind
auch diese analogieen nicht vollkommen zutreffend, die Unzu-
länglichkeit der bisherigen andern erklärungen wird aber durch
diese einwendung nicht beseitigt.
Die Verkürzung des u in dem nur positionslangen iussi ius-
sunt und die Ursache dieser nachträglichen Verdoppelung des s
lassen sich nur im Zusammenhang mit andern erscheinungen
aus dem gebiete der gemination besprechen, was ich demnächst
im Philologus zu thun gedenke.
V. Die bedeutung unseres verbums beschränkt sich
in der gesetzessprache bekanntlich nicht auf befehlen ; schon
den alten hat sie Schwierigkeiten gemacht. Die excerpte
aus Festus besagen: iubere ponebatur pro dicere, quod valet
interdum pro decernere , ut: populus iussit. Bei der wieder«
gäbe des SC. de Bacchanalibus, worin es zweimal (z. 9 und
18) mit zulässig erklären zu übersetzen ist, sagt Livius dafür
permittere (XXXIX, 18). Die verschiedenen formalen deutungen
bei den neuern involvirten ebenso verschiedene hypothesen über
die ursprüngliche bedeutung. Benfey übersetzt das angeführte
sanskritische und baktrische wort p. 23 Verbindung machen, ver-
binden ; iubere p. 44 : recht setzen, als recht hinstellen (legem), ver-
278 157. Musik. Nr. 6.
fügen, zu recht bestellen, wählen (regem, tribunos), in bezug auf je-
mand als recht hinstellen, dann einerseits berechtigen (iussus possi-
derej, andrerseits verpflichten , befehlen. Auch gegen das erste
glied dieser reihe liesse sich bei der „entwickelung der arten",
an welche die Sprachvergleichung uns gewöhnt , um so weniger
etwas einwenden, als auch darnach die construktion mit dem
acc. c. infinitivo hinlänglich verständlich wäre, aber — dielautge-
setze sind wenigstens für das perfekt und particip — minder
dehnbar. Scaliger's und Corssen's erklärung ius habere, für
recht halten, für recht erMären, ratum habere und Corssen's frü-
here auffassung des dem perfekt zu gründe liegenden verbums
iousere rechtsverbindlich machen passen auch. Zum austrag kann
der streit wohl nur auf dem formalen gebiete kommen.
W. Weissbrodt.
157. Des Anicius Manlius Severinus Boetius fünf bücher
über die musik, übertragen und erklärt von Oscar Paul.
8. Leipzig, Leuckart. 1872. — 5l/s thlr.
Die lösung der vielen schwierigen probleme, welche die
uns überlieferte musikalische theorie der alten bietet, kann ne-
ben anwendung der philologischen methode vielfach der tech-
nisch-musikalischen kenntniss nicht entrathen; diese betrachtung
hat den herausgeber obiger schrift, der nicht philologe ist, ver-
muthlich geleitet, als er es unternahm, teinen der alten quellen-
schriftsteller über musik in deutscher Übertragung und mit
deutschem commentar zu veröffentlichen. Boetius, der im
sechsten Jahrhundert seine fünf bücher de institutione musica
als einen theil seiner behandlung der mathematischen discipli-
nen herausgab, erschien ihm dazu besonders geeignet, weil er
das in den griechischen quellen vorhandene material sorgfältig
gesammelt habe, weil er ,;den musikalischen ausdruck seiner
zeit repräsentire ", und zur fortpflanzung der griechischen theo-
rie auf das mittelalter wesentlich beigetragen habe. Da uns
die griechischen quellen des Boetius, namentlich Ptolemaeus,
zum grossen theil noch selbst zugänglich sind, so möchte man-
cher den wünsch gehabt haben, zuerst diese zum vollen Ver-
ständnisse gebracht zu sehen, aus denen doch die auschauung
des griechischen Systems unmittelbar und sicherer zu gewinnen
war. Indessen werden wir bei dem regen eifer , der sich jetzt
Nr. 6. 157. Musik. 279
auch diesen Studien zugewandt bat, jeden beitrag, wenn er aus
eingebenden Studien hervorgebt, gern empfangen. Der Ver-
fasser hat sich wie es scheint mit Boetius eifrig beschäftigt,
da er sich wie er mittbeilt , einen ausgedehnten handschriftli-
chen apparat zu demselben verscbafft bat und ihn auch latei-
nisch herausgeben will. Wie bekannt, hat Friedlein vor eini-
gen jähren auf grund neuen materiales den text des Boetius
herausgegeben.
Der Übersetzung geht eine einleitung voraus , in welcher
die literarischen nachricbten über Boetius zusammengestellt wer-
den, dann aber auch schon mebreres technische (die tonfolge
in den geschlechtern u. a.) berührt (wir dürfen sagen : vorweg-
genommen) wird. Die etwas gezierte art, in welcher von an-
deren forschem gesprochen wird, lässt den laien in philo-
logischen dingen erkennen. Noch weniger erfreulich ist die
polemik , die hier und an vielen späteren stellen des buches
gegen den verdientesten und besonnensten forscher auf diesem
gebiete, Friedrich Bellermann, geführt wird; unerfreu-
lich besonders darum , weil sie sich vielfach an äusserliche und
unwesentlicbe dinge haftet und das bewusstsein der eingreifen-
den förderung dieser Studien durch Bellermann, ohne welche
Paul selbst seine arbeiten kaum würde unternehmen können,
zu wenig erkennen lässt.
Die Übersetzung liest sich fliessend und strebt vf. sichtlich
nacb bequemer deutscher darstellung, nach Verwischung des ein-
drucks der Übertragung. Fragen wir aber daneben, wie es mit einer
genauen wiedergäbe der gedanken und angaben des Schriftstellers
steht, und ziehen zu diesem bebufe den lateinischen text zu, so
werden wir schon auf den ersten Seiten sehr bedenklich; und je
weiter wir fortschreiten, desto mehr werden wir an dem sorgsamen
Studium des Originals, an der genauen kenntniss anderer quellen,
an dem richtigen verständniss allgemeiner gedanken sowohl wie
technischer mittheilungen, ja vielfach an der kenntniss des la-
teinischen irre. So spricht Boetius I, 1 von den arten, wie
man die Sehkraft erklären könne: adest enim cunctis mortalibus
Visus, qui utrum venitntibus ad visum figuris, an ad sensibilia ra*
diis emissis efficiatur , inter doctos guidem dubitabile est: Paul
übersetzt „ob diese nun durch figuren, welche zu gesicht kom-
men, oder dadurch, dass strahlen auf die sinneswerkzeuge
280 157. Musik. Nr. 6.
gerichtet sind , hervorgebracht wird". Er hat den sinn des
zweiten satztheiles völlig umgekehrt. Boetius will die existenz
einer weltharmonie darthun : (I, 2) qui enim fieri potest , ut tarn
velox caeli machina tacito silentique cursu moveatur; Paul ,,wie
könnte es denn sonst geschehen, dass die ma seh ine des him-
mels so schnell und in so schweigsamem laufe bewegt wird" ?
Durch verkehrte beziehung des velox ist wieder gerade der ent-
gegengetzte sinn in die stelle getragen. In demselben capitel
heisst es von den bahnen der gestirne: alii \cursus\ excelsiores
alii feruntur, „man hält einige bahnen für niedriger, andere
für höher". Es war leicht zu sehen, dass feruntur buchstäblich
zu nehmen ist. Cap. 3 heisst es: velut si conum, quem turbinem
vocant, quis diligenter extomet, , .gleichwie wenn jemand ei-
nen kegel, den man gewöhnlich kreisel nennt, sorgfältig aus-
schmückt". Der Übersetzer fand wohl extomare (drechseln)
nicht in seinem lexicon und hielt es für einen fehler statt exor-
nare. I, 34 vergleicht Boetius die aufgäbe des rechten musikers,
d. i. des mit wissenschaftlicher kenntniss ausgerüsteten, mit ande-
ren thätigkeiten , bei denen die geistige leitung über der tech-
nischen ausführung steht: quod scilicet in aedificiorum bello-
rumque opere videmus , in contraria scilicet nuneupatione voca-
buli. Eorum namque nominibus vel aedificia inscribuntur vel dueun-
tur triumphi etc. Paul: „dies sehen wir sowohl bei ausführung
schöner kunstwerke, als auch durch die Wortbezeichnung"!
Es bedarf keines weiteren wortes über solche missverständnisse,
und es fällt dann weiter nicht auf, wenn attonitus „durch Zu-
fall hinzugeführt", offensus „geöffnet", titubare gar nicht über-
setzt wird. Schlimmer noch sind solche fehler bei einem, der
über die musicalische theorie „forscht", wenn sie auch in tech-
nischen dingen vorkommen. I, 3 Idcirco definitur sonus percus-
sio aeris indissoluta usque ad auditum, „deswegen wird der klang
als unaufgelöster luftstoss, welcher bis zum ge-
hör dringt, definirt". Der Übersetzer musste in jenen Worten
die definition des tones bei den Pythagoräern erkennen (Ni-
com. p. 6 nlijhg atQog ä&Qvntog hi'xqi äxoiji,') und sehen, dass
indissolutus, ungebrochen, zu usque ad auditum gehört. Ueber
den einfluss der Zahlverhältnisse auf die consonauzen heisst es
I, 5 obtinere igilur maiorem ad consonantias potestatem videtur mul-
tiplex, consequentem autem superparticularis , „in betreff der conso-
Nr. 6. 157. Musik. 281
nanzen scheint also das vielfache und in der folge auch das
übertheilige die grössere herrschaft zu behaupten". Es
heisst vielmehr so : „es scheint , dass auf hervorbringung der
consonanzen das vielfache grösseren einfluss habe, diesem zu-
nächst aber das übertheilige''. Alles also, worauf es ankommt,
ist hier missverstanden. Alle bedeutung spricht Boetius auch
der Wahrnehmung nicht ab : I, 9 quasi admonitionis vicem tenet
auditus: Paul ,,den Wechsel der erinnerung halt gewissermassen
das gehör fest" ! I, 28 : Consonantiam vero licet aurium quoque
sensus diiudicet, tarnen ratio perpendit: Paul ,,der gehörsinn hat
die berechtig ung, die consonanz zu beurtheilen, doch steht
die berechnung höher! I, 21 bei erklärung der tongeschlech-
ter: enarmonium vero quod est, magis coaptatum est, Paul ,, das en-
harmonische ist noch mehr zusammengesetzt". Der forscher in
den antiken musikern musste wissen, dass mit coaptare das grie-
chische ugfio&iv wiedergegeben wird. Wir brauchen diese bei-
spiele nicht zu vermehren ; wir könnten eine menge ungenauer
wortübertraguugen , mangelhafter auflösungen der sätze durch
unkenntniss der bedeutung der conjunctionen , vielfacher weg-
lassungen u. dgl. anführen; es genügen die obigen um zu zei-
gen, dass der Übersetzer weder des lateinischen hinlänglich kun-
dig, noch im sprachgebrauche der musiker genügend fest, noch
überhaupt sorgfältig genug sich gezeigt hat, um als berufener
Übersetzer eines lateinischen musicalischen Schriftstellers betrach-
tet zu werden. Für die zu erwartende lateinische ausgäbe er-
weckt dies ein übles vorurtheil , auch wenn nicht verschiedene
male des vfs Unsicherheit in kritischen dingen schon in der Über-
setzung stark hervorträte. So giebt er z. b. dem ganzen werke
schon einen unrichtigen titel; derselbe war, wie Friedlein
nach der guten Überlieferung schreibt, de institutione musica,
von der musicalischen Unterweisung. Auch gehört hierher die
frage nach den Überschriften der einzelnen capitel, welche er
sich wohl hätte vorlegen können. Nach unserer Überzeugung
rühren dieselben nicht vom Schriftsteller her , weil viele ab-
schnitte mehr enthalten wie die Überschrift sagt, andere zu klein
an umfang sind, um ausgedehnte Überschriften zu rechtfertigen,
und mehrfach der eine abschnitt sich ganz unmittelbar an den
vorherigen mit ausschluss jeder Unterbrechung anschliesst. Um
einiges einzelne zu nennen , so übersetzt Paul I, 1 (Friedl. p.
282 157. Musik. Nr. 6
185) die lesart pacatissime ,,auf die friedlichste art", wo Fried-
lein nach der guten handschrift pacatissimae [mentisj liest , und
ähnlich vorher statt (Friedl. p. 180 maximae permutationes) die
schlechtere lesart maxime. Die handschriftliche Schreibart e für
ae scheint ihm nicht bekannt zu sein. C. 3 (Friedl. p.190) über-
setzt er die unsinnige lesart einiger handschriften rarusque, während
es rarosque [pulsus\ heisst. C. 6 gibt er die worte: ea namque
probantur coaptationi consent anea, so wieder: „das wird zur ver-
gleichung für vernuDftgemäss erachtet", und folgt also der
schlechten lesart comparationi. C. 20, wo von der allmählichen
Vermehrung der saiten die rede ist, heisst es bei Boetius: para-
mese quidem vocata est sola, quae post mediam collocdbatur, welche
nach der fiiarj , der mittleren, gesetzt wurde: die schlechteren
handschriften bei Friedlein lesen medium, ohne sinn ; danach
übersetzt Paul: „paramese wurde nun eben bloss mit dem ei-
nen namen benannt, als sie hinter die mitte gesetzt wurde".
Abgesehen von dieser Unklarheit in handhabung der kritik, tritt
soviel wir erkennen, trotz seines rühmens kenntniss einer an-
deren und besseren Überlieferung nicht hervor. Ein kölner
codex, aus dem er p. 26 ein facsimile mittheilt, stimmt dem-
nach mit der schlechteren familie bei Friedlein, welche dieselbe
tabelle enthält.
Der Übersetzung ist ein ausführlicher commentar beigege-
ben, der aber keineswegs den zweck verfolgt, von kapitel zu
kapitel die Schwierigkeiten des Boetius zu erklären und seine
mittheilungen im einzelnen auf ihre quelleu zurückzuführen,
sondern nur , neben kurzer Zurückweisung auf den inhalt der
kapitel, an geeignet scheinenden stellen eine masse materiales
zusammenzutragen, was bei jedem anderen Schriftsteller in glei-
cher oder ähnlicher weise geschehen konnte, am besten aber
überhaupt nicht in commentare, sondern in systematische hand-
bücher gehört. Dahin rechnen wir die langen erörterungen
über pythagoräische zahlenlehre, die weitläufige darstellung über
die instrumente der alten, die mittheilungen über die Schwin-
gungsgesetze nach Helmholtz und manches andere, wobei man
den Boetius völlig aus den äugen verliert ; wenn auch manches
nicht ohne fleiss zusammengestellt ist und auch einzelne paral-
lelen mit neuer theorie sich als interessant erweisen. Im all-
gemeinen aber ist es bei ungemeiner Weitschweifigkeit (nament-
Nr. 6. 158. Homeros. 283
lieh durch die in endloser menge wiederholten tabellen) dem
Ieser schwer gemacht, den inhalt des commentars sich recht
nutzbar zu machen, und man weiss vielfach nicht recht , ob er
ihn mehr für philologen oder musiker bestimmt hat ; erstere
können das meiste auch anderweitig finden. Wie wenig er sich
in den grenzen des commentars hält, zeigt noch die beigäbe
einer vollständigen (ebenfalls nicht sehr gelungenen) Überse-
tzung der pseudo • euclidischen Introductio , sowie des ganzen
abschnitts über die thetischen und dynamischen tonbenennun-
gen bei Ptolemaeus , obgleich zu letzteren Boetius gar keine
nothwendige veranlassung bot. In der benutzung der letzteren
ist er, von einzelnen abweichungen abgesehen, gauz in den fes-
seln der Westphalschen theorie, und hat eingehenden Widerle-
gungen, wie der Zieglerschen, keine beachtung geschenkt. Da-
gegen bietet ihm dieser abschnitt wiederum gelegenheit zur fort-
setzung jener unerquicklichen polemik gegen Bellerraann, aus
dessen familie er sich noch dazu persönlich angegriffen glaubt.
Das unternehmen, Boetius zu übersetzen und zu erklären,
war gewiss ein verdienstliches ; wir können uns aber nicht zu
der anerkennung entschliessen, dass es hier in die richtige hand
gekommen sei. Man wird die Paulsche Übersetzung nur mit
der grössten vorsieht und nur mit beständiger Zuziehung des
Originals benutzen dürfen.
158. Sammlung der parallelstellen zum ersten buche der
Odyssee. Aus dem nachgelassenen manuscript des Parallel-Ho-
mer von J. E. Ellendt herausgegeben. 8. Königsb. 1871.
Der Ellendtsche Parallelhomer *) wird in seinem ganzen
umfang nicht erscheinen: theilweise Veröffentlichungen werden
kaum allgemein zugänglich und selbst für den glücklichen, der
sie alle besitzt, höchst unbequem zu gebrauchen sein. Das beste
ist oft ein feind des guten und vielleicht wäre eine gekürzte
ausgäbe, wenn auch nicht ganz so bequem, doch brauchbar.
Es werden erstens die wörtlichen entlehnungen zu bezeichnen sein ;
sind es ganze verse, so genügt die stelle ; sind es stücke, so müs-
sen die anfangsbuchstaben der betreffenden worte beigegeben wer-
den, ohne weitere bezeichnung wenn die versstelle gleich ist ; ist
sie verschieden so bezeichnet | vorder stelle den versanfang; da-
1) S. Philol. Anz. IV, nr. 8, p. 385.
284 159. Nonnos. Nr. 6.
hinter den scbluss; sonst tritt ein stern hinzu. Hierauf zwei-
tens mit cf. die ähnlichen stellen ohne wörtliche anführung, da
genaueres forschen doch zum nachschlagen nöthigt. Endlich drit-
tens die anaS, und anavmq sigypsvcc, letztere durch das beigesetzte
citat kenntlich und wenn die wortform eine andere ist, durch
cf. kenntlich gemacht. Die drei spalten werden durch punctum
getrennt, sonst nur komma angewandt. So würde der anfang
von a im Königsberger programm 1871 folgende gestalt an-
nehmen:
«
1. ixoi 's. Movaa \ B 761. nolvigoTiog x 330.
2. i, jtr. i 165. nläyi&ri A 351. cf & 120. saegasv (c.
aug.)
3. cf o 492 i 128.
4. ov x. &v(ji6v | £244 v 90 (cf). v 59 y 345 N 8 W 769.
cf x 458 o 487, v 263 321 II 55 2 397, S2 7.
5. cf. xal vöaiov x 15. uQvvfisvog Z 446 cf. A 159 £553.
6. «. o. eo? ß 23 £ 324 379 x 291 # 265 351 587 A
255 M 432 P 697. igQvaaro T 194, i. rc£? x 246 £ 142
cf i 409.
7. acp. a o. d 409, d. o. x 437. cf. a 34 x 27 cf. x 317
416, ^ 67.
8. v. ol 0 177 0 104. 'Tu. 'H. cf. ^ 176, 133 346 374.
XUlÜ i'jGÜlOV.
9. a. o Tolatv | 72 383, r. ^ap a 168 £ 253, a 354, y
253 £ 220 t 311 0 466 ? 571.
10. &ecc &. A. E 815. cf. E 348 H 24. a^ofo»-.
159. Henr. Tiedke, Quaestionum Nonnianarum speci-
men. Dissert. inauguralis. 8. Berolini. 1873. 58 s.
Beiläufig wird Nonnos immer noch berücksichtigt; aber
solche beiläufige berücksichtigung ist der richtigen beurtheilung
des dichters und zumal der herstellung seines textes nur wenig
förderlich gewesen. Nonnos will studiert sein ; seine beiden
gedichte sind Studien, und wer in seinem urtheil über den dich-
ter und über einzelne stellen in seinen gedichten nicht irre ge-
hen will, muss diese in allen ihren durchaus eigenthümlichen
zügen durchforscht, sich mit ihren eigenheiteu in spräche und
Nr. 6. 159. Nonnos. 285
technik genau bekannt gemacht haben. Dazu gehört freilich
mehr als bei einem anderen Schriftsteller unermüdliche ausdauer:
sie wird aber auch reichlicher als irgendwo durch sichere und
merkwürdige ergebnisse belohnt. Das beweist das vorliegende
schriftchen, dessen verf. die zur behandlung eines in vieler be-
ziehung so schwierigen dichters nothwendigen eigenschaften in
hohem grade überall bekundet. Was wir hier über die cäsu-
ren bei Nonnos und seinen nachahmern Tryphiodoros, Musaios
und Kolluthos (andere, wie Christodoros , Johannes von Gaza,
Paulus Silentiarius, sind nicht berücksichtigt) erfahren, über die
diäresen (der ausdruck caesura semiseptenaria p. 2 und ähnli-
che sind unstatthaft, schon wegen der diaer esis bucolica p. 2
u. ö.), über die positionslänge und den spondeus an gewissen
versstellen, über spracheigenthümlichkeiten und besondere kate-
gorien von fehlem in den texten des Nonnos, ist in dieser sorg-
samen ausführlichkeit und erschöpfenden darlegung völlig neu
und, wie zu erwarten war, für die textkritik von nicht gerin-
ger bedeutung. Denn das ist ja eben die dankbare seite an
diesem dichter, dass eine jede derartige gründliche Untersuchung
zu praktisch für die textkritik verwerthbaren resultaten führt.
Eine anzahl der von dem verf. gefundenen emendationen ist
evident: Dionys. 7, 345 og^azog annslötiQ nsQidsdoofAsv [s'vya-
Itov oder E'uiov~\ svvijv (p. 13). 24, 264 xal rjjpaia SäxEP
avaacrj statt auirrj fXETi'dcoy.Ev (p. 10). 43, 128 zElsaag ezeqov
tvnov (p. 11). 48, 500 Tzors novj 7t6ts &slyszai Avgr\ (p. 13).
Metab. H 19 nowila Dav/Aaza dei^ov ogm^Eva nägzvQi (st.
Oav(xara) xößfim (p. 30). K 129 äyicp oqtQtjyiaoazo dsaftw st.
6ec![aco (p. 33). A 220 xwqijq ö' ivtog ixavev (p. 30). M 163
xatsyQUCpE ■dsamöi ßt'ßXca st. cpcovi] (p. 31). P 71 qvztJqu st. Iv-
TtjOa (p. 48). 2 32 ftirvr&adiov %ciqiv oXßov st. egyov (p. 50).
(p 37 6%vg oQoiöag st. iyyvg (p. 7), u. a. Uebersehen ist, dass
0 147 (.lE&inEi fiE Xa&lqQOi'og mog liAäadhjg st. y.sXai6qiQOvog
(p. 56) und T 108 dvuöj st. (xv&m (p. 31) schon von Hermann
(Ztschr. f. d. AW. 1834. p. 997 und 1001) gebessert war. B
102 (p. 36) und E 98 (p. 45) hat Gottfr. Kinkel in seiner klei-
nen schritt „die Überlieferung der paraphrase des evangeliums
Johannis von Nonnos. I. heft. Zürich 1870" bereits das rich-
tige, und ebenso de Marcellus in seiner ausgäbe der Metabole
(Paris. 1861) an folgenden stellen: E 130 (Tiedke p. 34), TV
286 159. Nonnos. Nr. 6.
140 (das.), 2 115 (p. 49), T 101 (p. 31) und 159 (p. 44).
Beide bücber sind dem verf. unbekannt gewesen: was er p. 34
über die gleichen versausgänge bei Nonnos sagt, würde wahr-
scheinlich nicht mit J 96 f. belegt sein, wenn er gewusst hätte,
dass hier Marcellus v.rjfASQTti dvftco st. (iv&cp offenbar richtig
corrigirt hat. Wie selbst eminente kenner des Nonnos , nicht
völlig vertraut mit seinen subtilen metrischen gesetzen, zuwei-
len nicht das rechte trafen , mag man ersehen aus dem , was
der verf. über 25, 532 (p. 8 u. 3 0), 36, 284 (p. 8) und 48,
909 (p. 6 u. 10) bemerkt; mit recht vertheidigt er die Über-
lieferung 15, 368 (p. 33) und 31, 193 (p. 26) und die conjec-
tur Falkenburg's 42, 416 (p. 13). Auch auf das missglückte
Nv^fcii ' j4^abQvä8sg , isgyg naga nv&^tva ddcpvrjg 17, 311
ist aufmerksam gemacht: eine solche Verlängerung einer kur-
zen silbe ist bei Nonnos unerhört. Wenn Köchly bemerkt: po-
terat etiam Quöiv^g, so habe ich gegen diesen letzteren Vorschlag
einzuwenden, dass das wort guditög dem Nonnos unbekannt
ist. Von den p. 38 angeführten beweisstellen wird 2, 473 ovo'
vyobv axonia) vscpog so%iaai>, zu streichen sein: s. meine beitrage
zur kritik des Nonnos p. 8. Auch das, was p. 46 über eli-
sion gelehrt ist, wird sich nach den Beitr. p. 16 ff. modifizie-
ren und ergänzen lassen. Uebrigens freue ich mich auf anderem
wege als der verf. über einige punkte zu übereinstimmenden
resultaten gelangt zu sein: so über vnodgrjg imtsv (1. vnorgi-
fccxsv) Z 186 (Beitr. p. 125 und Tiedke p. 28), über d&ya
vaJixbv eXvgev äxayjxt'i'ov o|h ösoiAcp T 201 (Beitr. p. 115 und
Tiedke p. 25), über e%si nQOTe'gijv naoaxomv 29, 330 (Beitr.
p. 71 und Tiedke p. 24). Die letztere stelle hatte mir veran-
lassung gegeben über die versausgänge bei Nonnos einiges zu
sammeln; eine nachher angestellte umfassendere Untersuchung
führte wieder zu neuen interessanten resultaten. So hat sich
z. b. ergeben , dass die von mir Beitr. p. 79 vorgeschlagene
Underung Alaxog egya nähig öeSaqfte'vOQ tvnahtftoio 37, 555
ebenso unzulässig ist wie die bei Tiedke p. 3 ijvxofiog Maoi'tj,
Xqiotoio ds daii'Vftf'voio M 13 und in der ausgäbe Köchly's tyxvov
UftaXloyögov oyxov elvae dvyaxgoyövov xaudzoio 5, 193 äfttjTt)g
daldijgog nedioio 26, 244 und fiitQfiugvytjp ftgexTetgav aftaXloiöxov
nsdioto 38, 249. Alle diese conjecturen nämlich widerstreiten
dem bis jetzt noch gar nicht beachteten durchaus feststehenden
Nr. 6. 160. Eratosthenes. 287
gesetz, dass Nonnos nur solche genetiv formen auf -oio in
die letzte versstelle zuliess, bei deneu wort- und versa c-
cent zusammenfallen: urgumzoio 'HoiSavolo 'Ianszoio Ksls-
oio, viqstoio 'OpftOfiEvoto no7a(Aclo TivQszoTo'fixsavoto. Ein ähnliches
gesetz habe ich Beitr. p. 79 für die accusativformen der dritten de-
clination auf -a nachgewiesen : Nonnos schliesst seinen hexameter
wohl mit dijioTijia Ai&iomja ' A).xvo7ju ßaöilqa Boyt/a 8uizv[xo-
t>>ja ijytfioilja t]Vio%ija ijneoonJja ioiza &uv6vTct löiju xufiöiza u. a.,
aber nie mit y.uxtnrjTa agtja nöXr^a (pas&ovra i&eXovza xntoarioiTa
u. a. Dasselbe gesetz hat der dichter bei den übrigen kurzen
casusendungen dieser declination beobachtet. Wie weit er es
auch auf verbalformen ausgedehnt hat, wäre noch zu untersu-
chen; die participia wenigstens behandelt er ganz wie die no-
mina, und auch das steht fest, dass Nonnos nie einen vers mit
einer form wie 'idqatv (Marcellus zu T 153) oder äptcpaydaa^eg
(interpolation P 85) geschlossen hat, ja nicht einmal mit silxs,
welches Tiedke p. 47 anm. A 119 für slxet vorschlägt.
Arthur Ludwich.
160. Eratosthenis carminum reliquiae. Disposuit et explica-
vit Ed. Hiller. 8. Lips. Teubner. 1872. — 1 thlr.
Diese neue ausgäbe der eratosthenischen gedichtsfragmente
bildet eine schätzenswerthe bereicherung unserer kenntniss der
alexandrinischen poesie. Treffliche kritische methode — über-
all fast sind die lesarten der besten handschriften nach neuen
collationen gegeben — gründliche Vertrautheit mit der einschla-
genden literatur , den sprachlichen und metrischen eigenthüm-
licbkeiten jener zeit, sowie sorgsamsten fleiss in der exegese
findet man hier verbunden und machen diese Vorzüge das vor-
liegende werk jedem unentbehrlich, der sich mit grammatischen
Studien überhaupt und mit alexandrinischer poesie insbesondere
beschäftigt. Wir erhalten einen neuen einblick in das poeti-
sche schaffen jener grammatiker , die wissenschaftliche Studien
und dichterische thätigkeit mit einander verbanden , besonders
in der art der mythenbehandlung, wie sie die verschiedenartig-
sten demente vereinigten und sich der Umbildung der mythen
durchaus nicht enthielten.
Ist die zahl der fragmente auch nicht vermehrt — ein be-
weis, wie sorgfältig Bernhardy gesammelt hatte — so ist doch
288 160. Eratosthenes. Nr. 6.
der fortschritt gegen dieses gelehrten, säramtlicbe eratostheni-
sche fragmente umfassende arbeit auf keiner seite zu verken-
nen; so gleich zunächst in der Inhaltsbestimmung des eratosthe-
nischen Mercurius. Unbeirrt durch irgend welche vorgefasste
meinung kommt Hiller über dieses vielbestrittene gedieht durch
induetion zu dem Schlüsse , dass es enthielt die erzählung von
der kindheit Mercurs, seine Jugendstreiche, den raub der stiere,
die erfindung der leier, den besuch des himmels, den Mercur
selbst erzählte — dies ist bei der betrachtung der betreffenden
fragmente stets festzuhalten (p. 64 sqq.). In der deutung und
anordnung der meisten bruchstücke ist Hiller beizustimmen, zwei-
felhaft bleibt natürlich, wie bei jeder derartigen Untersuchung
vieles. Nicht zu billigen scheint die behandlung von fragment
XI (p. 21). Dass die verse nicht local zusammengehören, ver-
steht sich von selbst; wie man aber aus: agdov' au) ydg (.täl-
lov inwdivovoi, (JidgifAvai, herauslesen will, dass die sorgen zur
lösung von Schwierigkeiten beitragen, sieht man nicht ab. Treff-
lich dagegen ist die behandlung der schwierigen stelle aus der
armenischen Philoübersetzung, bei der den verf. prof. Grilde-
meister unterstützte (fragment XVI), trefflich die erklärung von
fr. XIH, wo Hiller richtig mit Sturz llaQH£t>iaxog liest, eben so
von fr. XVIII, das allein einen passenden sinn gibt, wenn man zu
hsrfxs, a^cof, nicht 'EQfAtjg als subjeet nimmt. Auch die von
Bernhardy als identisch mit dem letzten theil des Mercurius be-
haupteten xaTaoisQiönoi — als voller titel wird p. 69 xaiälo-
yog xaraaTSQiGiiäv vermuthet — werden p. 69 als besondere,
in prosa verfasste schrift dem Eratosthenes mit recht zugesprochen
(s. Suidas s. v. ^Egcczoa&h'ijg, wo xaiaotsQiGLiovg gesicherte con-
jeetur ist, und Achill. Tat. p. 146); freilich muss nach der
bei Achilles Tatius erhaltenen erzählung ihr inhalt von den
der uns überlieferten, längst als pseudoeratosthenisch bezeichne-
ten naraarsQia(io[ verschieden gewesen sein.
Als zweites gedieht des Eratosthenes führt Hillcr an die
'Ai'izQirüg, welches gedieht den titel 'Hai'oöog (s. Göttling, He-
Biod. p. xv) getragen haben soll: der inhalt stimmt, indem das
betreffende gedieht die ermordung des Hesiod und die bestrafung
seiner mörder enthalten zu haben scheint. Der emendationsver-
such p. 86 beim Schol. ad Nie. Ther. 472 statt sl toi oace
zu lesen $x ti ol ugöe , ist gewiss zu billigen : als grund
Nr. 6. 160. Eratosthenes. 289
aber dieses fragment zur Anterinys zu ziehen, wird man ge-
wiss nicht gelten lassen , dass es beim scholiasten zu Nicander
steht, der jenes gedieht noch zweimal citirt, sonst nichts von
Eratostbenes. Frgt XXIII aber gehört sicherlich nicht zum Hesiod :
denn bei einer so wunderbaren fortschaffung ist sicher nicht
an eine Verwesung zu denken, während Bernhardy's meinung,
das fragment auf Icarius zu beziehen, durchaus wahrscheinlich
ist, wenngleich sie der gewöhnlichen tradition (Preller Gr. M.
I, p. 551) widerspricht. Dass Erigone dessen leiche selbst
fand, deuten stellen wie Pollux V, 42 ''Eöet^s (rrj 'Hgiyovy 6
nvcov) ibv 'Ixaglov vexgov an.
Das dritte gedieht, aus dem fragmente angeführt werden,
ist die Erigone, in elegischem versmaass abgefasst. Fragm.
27 und 28 sind sehr unsicher, fragm. 30, das Meineke (Anall.
alex. p. 277) zum 'Hguxl.tjs des Parthenius zieht , will Heller
p. 102 wie Bernhardy p. 154, Bergk comm. crit. II, 5, Anall.
alex. I, p. 16 dem Eratosthenes vindiciren. Während aber
Bernhardy die stelle im Etym. Magnum durch annähme einer
lücke nach 'Egaroa&tirjg zu heilen meinte, Bergk entweder Um-
stellung oder verwandelung von avgoaiäöa in aigoc%ä8og a'ivvzo
empfiehlt, will Hiller so lesen: algoa^äg r\ ayi.ns.lot;' ii£(i,vqroi.i
TlaQ&e.viog iv 'HgcwXei. ahgoa^üSa ßötgvv 'IxagicoviTjs (oder nach
Haupts emendation 'IxagiojvivTjg) 'Egaroadivtjs .... de iv
im&alttfitq) ro y.aru ßötgvv xlrjfitt. Die conjeetur ist gewiss
sehr ansprechend, hat aber ausser der seltsamen art des citi-
rens das bedenkliche , dass das so eratosthenisch gewordene
fragment wie schon Bergk sah, gar nicht die im Etym. Magnum
gegebene bedeutung haben kann. Neu und scharfsinnig ist p.
106 Hillers ansieht über fragm. XXXH (Hygin. de astron.
II, 4) ; Hiller nimmt nämlich an, dass der vers von der quelle
Hygins falsch verstanden und auf die askolien bezogen wor-
den sei, und zwar deswegen, weil er an einer stelle gestan-
den habe, wo der Zusammenhang seinen sinn nicht erklären
konnte. Ich glaube man muss beistimmen , nur dass an der
lesart Bursians 'Ixugtoi festzuhalten ist, was wenn der vers
wirklich im proömium stand, keinen anstoss erregen kann. Zu-
dem ist die form ja durch Stephanus von Byzanz verbürgt. Der
vers besagt also : dort brachten die Ikarier zuerst bockopfer
dem Dionysos dar.
Philol. Anz. V. 19
290 161. Sophokles. Nr. 6.
In sprachlicher beziehung sind hervorzuheben die bemer-
kungen des vf. über den pluralischen gebrauch von niv p. 11,
wo die Übereinstimmung mit Zenodot zu betonen ist, über gx»-
Qictfiog p. 10, das ein vortreffliches beispiel bietet für die ety-
mologischen Spielereien der Alexandriner, über die sitte jener
dichter, verwandte Wörter gleichbedeutend zu brauchen (p. 63),
über ßavvog (p. 99), über ygrjpog (fragm. XXXIII), über äno-
fiätrsaOai p. 117, über ävQoa%ug (fragm. XXX). Im rhetori-
schen und metrischen wird Übereinstimmung besonders mit Cal-
limachus gezeigt (s. p. 10. 19). Sachlich wichtig sind die er-
örterungen über den i'ovlog (p. 23 sq.), über die eratostheni-
sehe ansieht vom kosmos (p. 40 sqq. 51 sqq.).
Angefügt ist der pseudo - eratosthenische brief über die
Verdoppelung des kubus wegen des entschieden unächten epi-
gramms, das unter des Eratosthenes namen gehend denselben
gegenständ behandelt. R. E.
161. The Trachiniae of Sophocles eritieally revised,
with the aid of Mss. nowly collated, and explained byFrede-
rik H. M. Blaydes, M. A. London and Edinburgh. Williams
and Norgate 1871. 323 und XV. 8.
Diese prachtvoll ausgestattete ausgäbe der Trachinierinnen,
des fünften Stückes von Sophokles, welches der Verfasser bearbeitet
hat, verdient vollkommen das gleiche lob , das Nauck im Vor-
wort zur sechsten aufläge des Philoktetes der ausgäbe des Phi-
loktetes (London 1870) gespendet hat. Sowohl gedanken und
Sentenzen als auch grammatische construetioneu und sprachli-
che eigenthümlichkeiten werden durch die reichhaltigste Samm-
lung von parallelstellen erläutert. Man findet ferner die ver-
schiedenen ansichten kritischer und exegetischer art, welche
über einzelne stellen vorgebracht worden sind , sorgfältig und
genau zusammengestellt und kann so leicht eine übersieht über
die bisherigen leistungen gewinnen. Endlich hat der text die
gründlichste und eingehendste prüfung erfahren. In der revi-
sion des textes liegt der hauptwerth der ausgäbe, soll er we-
nigstens nach der absieht des Verfassers liegen. Sehr anspre-
chend sind die Verbesserungen zu v. 381 tqaiv'1 mg (für iq-oi-
vei vgl. v. 267), zu v. 506 nuyxovn' ine^qX&o» (für nayxövnä t
§%tj\dot), zu v. 590 otÜTtoi' fyco 'reo niartcog (für ovzmg fyei f i]
.Nr. 6. 161. Sophokles. 291
niazig dag), zu v. 728 ogyfj nsneigog ijg (für ogyfj ns'nsiga ztjg),
zu v. 1014 ov %£gct zgetysi (für ovx dnozgsxpsi ; vielleicht ov%
äXa TQt/ipei nach 0. R. 1411 &aXäaaiov ixglxpaz'', Aesch. Prom.
582 nvgi fis qsXQov tj %&ov\ xdXvipov tj novzioig ddxeGi dbg ßo-
gdv, Eur. Androm. 847 ff.) Mit recht hat Blaydes in v. 400 —
404 die Ordnung der handschriften beibehalten. Der beweis da-
für, dass diese Ordnung allein richtig ist, liegt in der Stel-
lung von av 8s v. 403. Würde dieser vers nach v. 400 ste-
hen, so wäre ig zC 8s 8q av die erforderliche Stellung. — An
anderen stellen werden bloss vorschlage der emendation, ge-
wöhnlich zugleich mehrere, die bald mehr bald weniger wahr-
scheinlich sind, oft sich sehr weit von der Überlieferung entfer-
nen, dargeboten. Hierin dürfte bei allem glänzenden Scharfsinn
und aller gewandtheit in der hatidhabung der spräche die minder
zweckvolle seite des werkes gefunden werden. Der verf. hat von
der handschriftlichen Überlieferung eine sehr geringschätzige Vor-
stellung; bei jedem vierten oder füüften verse bringt er besse-
rungen und vorschlage zu einer anderen lesung; jede Unregelmä-
ssigkeit, oft die gewöhnlichste, bietet ihm anstoss und anlass zu
änderungen des textes ; auf diplomatische wahrscbeinlichkeit der
änderung wird oft wenig rücksicht genommen. Niemand wird
z. b. v. 453 oog iXtvOegco tytvSei xaleia&ai xtjg ngoGSGziv ov
xaXfj für verdorben halten: Biaydes bemerkt dazu: But the ex-
pression sounds a stränge one. Qu. xXtjÖov1 ov xaXrjv e%ei (or ovx
l^et xaXtp). Or — y' tat* ovsiÖog ov xaXov. Or ßd^tg iazlv ov
xaXr\. Orthus: xpsvötl xkvtiv ngoanGzi ßd%tg ov xaXtj. — V. 548,
wo die Überlieferung lautet: u>v dqiagnd&tv yiXei 'Oy&aXfidg
dv&og, zk>v 81 vjzexzginsi nö8a, steht qiiXsl nag QaXsgbv av&og
im texte: daneben heisst es in der note : I toould propose: äv
dqiagnd^eiv qiiXsl dv&oj ÖQsnea&ai. Or oov cpiXst nag zig ßgo-
tmv (or qulovaiv dgGsveg) äv&og dginsa&ai. Or äc Ögsneiv
nag zig qiiXei zo &dXX6v (or zo ftaXsgbv) av&og. Or av dcpag
nag zig cpilsi av&og dgsnsaOai u. s. f. (vgl. unter addenda p.
297 sqq.). — Zu vs. 555 heisst es p. 298: ix v£ggov might
easily have joassed into äg%ulov. Der sinn gestattet die än-
derung ix NtGGov doßev (für ag%aiov nozi) gar nicht, weil
o zov SaGVGzegvov nagä Nsggov qi&lvovzog ix (poväv dvei-
X6[i7]v darauf folgt. Leichthin sind unsichere vermuthungen
in den text aufgenommen. Das vs. 145 aufgenommene: %<a-
19*
292 161. Sophokles. "Nr. 6.
%cbgotg iv' ov tyvxog viv ist sehr passend, kann aber unmöglich
in der Überlieferung %c»goioiv avzov xai viv enthalten sein. Zu
nozi v. 380 wird angemerkt : hardly right. Qu. tote. Or V «&».
Or &afid. Or zgoqrj. Or anogd. Or ngbg ov. — Or nag' cp. — Davon
steht anogd im text. V. 517 ist xBQ^' unzweifelhaft richtig:
Blaydes hat Sogbg ohne weiteres in den text gesetzt; ebenso
v. 738 '%etQyaa[isvov für Gzvyovfisvov, v. 781 (ieazbv für Xsvxop
u. a. Für neu zag anaidag slg zb Xombv ovaCag v. 911 denkt
Blaydes an rag avdvdgovg — svygovag (or Tjfiegug), an tag
dvoXßovg — Tjixf'gag, an nal zotig andtogag — ixyovovg. Wie
kann eine frau die eben im sinne hat ■ sich das leben zu neh-
men idg avdvdgovg dg zb Xombv svcpgtvag beklagen? Kein
vorsichtiger kritiker wird wagen die Unregelmässigkeit v. 1238
dvrjg oö° mg soixsv ov vsfieiv ifiol qi&ivovzi fioigav zu entfernen;
Blaydes zählt die nicht seltenen fälle einer gleichen Unregel-
mässigkeit auf, hält sich aber doch für berechtigt sieben con-
jecturen vorzubringen und eine davon ov vsptl nazgi in den
text aufzunehmen. V. 803 erkennt Blaydes zoaavz' iwaxTj-
xpavzog (sc. avzov) mit darauf folgendem &epzsg (Tqps als richtig
an, sieht sich aber doch veranlasst hinzuzufügen : Qu. sniaxtj-
xpavza 8tj 'v (iiam ozgazqj: dagegen vgl. z. b. Eur. Hei. 58 avv dt-
dgi yvövxog [zov dvdgog). — Sehr gern wendet Blaydes das be-
denkliche mittel der Umstellung vonworten an, z. b. v. 815, wo iäz'
dqtfgastv nicht den geringsten anstoss bietet, Blaydes aber an-
merkt : Qu. I« 0qp' dcpigneiv, ea viv tsgjteiv, or egneiv iäze oq>\ Bei
den fünf änderungen , welche an der wahrscheinlich gesunden
stelle v. 1112 w zXijpov 'EXXdg, nsv&og oiov eiaogäj | Qovaav
vorgenommen werden, läuft auch eine unrhythmische oder doch
bedenkliche änderung mit unter: olov ergo' (oder <j') tiaoow. Ebenso
ist v. 903 das überlieferte iv&a (i?j zig siatdot richtig, während
das von Blaydes vermuthete iv&a firj zig uv actf töoi gramma-
tisch unrichtig ist. — Man darf an dieser kritischen thätig-
keit von Blaydes keinen anstoss nehmen , da sich alle diese
herstellungsversuche als das darbieten was sie sind, nicht als
unumstössliche emendationen. Doch muss dagegen der Stand-
punkt festgehalten werden, dass es uns nur auf ermittelung
des ursprünglichen textes ankommt und dass da, wo eine solche
ermittelung nicht möglich scheint , alle wissenschaftliche thätig-
keit ihr ende hat. Alle blossen Möglichkeiten, die keinen bo-
Nr. 6. 161. Sophokles. 293
den mehr in der Überlieferung haben, sind für die Wissenschaft
werthlos. — Die collation der pariser handscbriften, welche
Blaydes eigens für seine ausgäbe gemacht hat, scheint, wie
leicht zu erwarten, für die herstellung des textes keinen ge-
winn gebracht zu haben. — In einer wesentlich kritischen
ausgäbe, wie die von Blaydes ist, hätten wir eine gründlichere
und aufmerksamere berücksichtigung der schoben erwartet.
Wenn wir zu der sinnlosen lesart v. 526 tyca 8s [tu.'trjQ fih
ola ygägco das scholion haben : iya, qp^a/V, ivdia&etatg cöaei ptj-
7t]Q Xiyeo. syw nagziaa tu. noXXa t« zs'Xt] Xs'yco eav ngayudzcov,
so muss jeder sehen, dass hier zwei ganz verschiedene schoben
verbunden sind, welche einen ebenso verschiedenen text zur
vorläge hatten. Es gilt also die einfache regel, dass das scho-
lion, welches der überlieferten und offenbar verdorbenen lesart
folgt (hier syco, (prjaiv, . . i^qirig Xeym), das jüngere und werth-
lose ist und das andere von der überlieferten lesart abweichende
zum ausgangspunkt der emendation gemacht werden muss. Zu-
dem ist der gedanke , welcher durch das scholion angedeutet
ist, der gegensatz der gewissheit nach vollbrachter that zu dem
bangen harren des mädchens ((Xeivov dfifis'vsi v. 528) während
des kampfes, womit der hörer ermahnt wird, nicht die thatsa-
chen leicht anzuhören, sondern sich in den zustand des ban-
genden mädchens zu versetzen, so geeignet und so trefflich,
dass man nicht begreift, wie noch eine ungewissheit über die
bedeutung des scholions oder über die ächtheit der verse 527 —
530, die zu dem gedanken nothwendig gehören, obwalten könne.
Demnach kann keine rede mehr sein von der an und für sich
bedeutungslosen änderung syco 8s fiazgog xXvovca <p£>«£a>, welche
Blaydes in den text gesetzt hat. Das richtige hat allein Härtung
gesehen, welcher nach jenem scholion iym 8s iä zegpaz' ola
yga^co geschrieben hat. Ueberlieferung und metrum verlangen
nur, dass ^.äzrjg (xlv in (xdv zs'gfxazi verwandelt werde : iyco 8s
puv isQuai* ola cpgd£a. Der scholiast hat olu mit nagslaa. zä
noXXä erklärt ; dies ist, richtig , wenn darunter die verschiede-
nen momente des kampfes verstanden werden. — Ebenso ist
z. b. in v. 1262 cog mijaqxov zsXitog atxovaiov sgyov das scho-
lion: oo g ini%agzov afia xa\ dxovaiov ngdyy,a ytaqovaa, höchst
beachtenswerth und spricht nicht sehr für die gewöhnlich aufge-
nommene änderung zsXsova\ wenn nicht etwa das scholion selbst
294 161. Sophokles. Nr. 6.
verdorben und für %cogov6ct gelesen werden muss £y%eiQovoa.
Auch iu diesem falle ist vielleicht atiXXovd für rsXswg zu
schreiben. — Da der scholiast zu der heillos verderbten stelle
v. 661 tag nsi&ovg nay^oiat^ ovyxga&elg inl ngoq>äaei Orjgog
bemerkt:: leinst xb ninXo^ 3 so ist es kaum statthaft ninXco in
den text aufzunehmen. Vielleicht kann aus dem scholion 8id
ro Tov Nsoaov yÜQixaxov entnommen werden, dass in dem un-
brauchbaren 7vay%QiaT(p enthalten ist näg /<£, womit wir das
nöthige Substantiv gewinnen. — Dagegen ist es bedenklich,
aus dem scholion zu v. 243 : dvoysvsig (die correctur elytvstg
ist wohl richtig) ydg doxovoiv sirat , et (itj dga /as oqxzXXovaiv
Ott xax avzdg avpirpogni' zovzsaziv , st firj dga Sid ztjv zvyr\v
vnsdvo-av zov ofazor, zu schliessen, der scholiast habe ein syno-
nymum von svyevsTg statt oixTgai gelesen. Blaydes hält la&Xai
oder iQ^axal für die einfachste und wahrscheinlichste änderung ;
man sieht aber nicht ein, wie daraus olxigat werden konnte;
xsdvai hätte noch einen schein der Überlieferung an sich. Al-
lein der zusatz öia zrjv tvyriv vTttdvaav top olxzov zeigt,
dass auch der scholiast olxzgai gelesen hat, und den ge-
dankenzusammenhaug, iu welchem oixrgat steht, erkennt man
aus v. 298 — 302 [olxzgai cog l£ svysvsazdzcov doiXai ysvöfxsvai), —
Mit recht ist v. 866 $/«t rtg övx uatjftov dXXd övgzv^ xmxvzov
efoco der unrichtige gegensatz zwischen darjpiov und dvazvp]
hervorgehoben und das scholion: ov uixgbv, dXXd fxiya xui • £%d-
xovötov , als beweis dafür angeführt , dass ursprünglich etwas
anderes da gestanden. Aber die vermuthungen diuqart], fidXa
(or xa'i) aayt], xdfACput'f], dXX'' dyav aacptj erklären die Überliefe-
rung nicht. Es ist wahrscheinlich Övo&goov für dvatv^}] zu
schreiben. — Manchmal wünschten wir die textkritik metho-
discher gehandhabt. So wird eine methodische kritik durchaus
verlangen in v. 602 sich mit der trefflichen emendation von Wun-
der zovde ravavcpTj zu befriedigen, zumal dieselbe ihre be-
stätigung im scholion ia%vovgyri , XsTtzovcptj zusammengehal-
ten mit Hesychius , Photius, Suidas findet. V. 205 ff. dürfte
die rücksicht auf poetischen ausdruck es als gerathen er-
scheinen lassen von 6 fisXX6vvfiq>og auszugehen und dazu in
döpotg das geeignete Substantiv zu suchen. Das kann aber
kaum azöXog gewesen sein , woran Blaydes unter anderem
denkt. Das von mehreren aufgenommene öopog 6 /AeXXovvficpog hat
Nr. 6. 162. Sophokles. 295
eben sowenig einen sinn als Ööpog räv [tEXXovvftqHov. Wenn
Aesch. Ag. 594 yvvaixtioi vo/xot bXoXvypibv . . sXuaxov das rich-
tige ist, dürfte es auch hier avoloXv^äroo vöfiog . . 6 fA.sXXovv[x-
cpog („jungfrauengesang") geheissen haben. — Unter den er-
klärungen hebe ich die zu v. 1071 jtoXXolatv in many respects
hervor. Die erläuterung zu tioXXo'igiv wird durch das folgende
oang cüff7« -ats gegeben. Für unrichtig halte ich die erklärung
von Xsyog v. 27, von iö y su tzqÜggsiv v. 92 (zu to act rightly
passt absolut intl rzvüoizo nicht), von dW uxäßavrog . . ßo-
gia v. 112 (der genetiv gehört zu xvuaza), von rtjg £(x?jg %£gög
v. 603 (der genetiv gehört zu dägtjjxa, aber nicht im sinne „das
meine hand gegeben", sondern im sinne „das meine band ge-
arbeitet hat"). V. 178 ist der genetiv ovußaivsi "/gövov tov vvv
nugövzog ebenso zu fassen als wenn es hiesse f.az\ oder rvy%d-
vei ouaa tov vvv nagövjo* "ignvov. V. 675 gibt das vielfach
behandelte ugy^za (Jyomv dgyTjTu) einfach die Wirkung zu s^giov
an („ich salbte das kleid schimmernd weiss"), vgl. v. 764. Vs.
810 hat allein der scholiast die richtige erklärung von ngo'v-
ßaXeg: 7t g 6 i s g a trjv üt/niv äneggixpag; ngb hat hier dieselbe
bedeutung wie Aesch. Prom. 239 in ngo&f'fAevog, — Dass die
auffassung : all tvhich error s of the copyists (i/ro/t fta&^aezai und
dgl) had their origin in the pronunciation of the modern Greeh,
(zu v. 615) zu beschränkt ist, zeigen die inschriften. — Doch
wir wollen unsere bemerkungen nicht fortsetzen. Das gegebene
wird genügen zu zeigen , welch anregende , fleissige arbeit wir
in diesem neuen werke von Blaydes besitzen. W.
162. Die Antigone des Sophokles. Ein beitrag zur Anti-
gone-litteratur August Boeckh zum todtenopfer. Von Leopold
Seligmann. 8. 1869. 172 s. — 1 thlr.
„Inmitten des hellenischen culturlebens , das einst unter
Griechenlands azurnem himmel der sinnende mensch geschaffen,
wo die phantasie eine ganze götterweit auf den Olympos zu
zaubern im stände war, wo der sänger auf der lyra seelenvoll
der thaten der alten beiden gedachte, der dichter die höchsten
irdischen ziele verkündigte und der denkende geist die letzten
fragen der menschheit vor seine schranken bannte, sehen wir
vor allem zwei ideen bedeutsam und gewaltig gleich zwei leit-
sternen hervorleuchten; um sie concentrirt sich das reichhaltige
296 163. Lysias. Nr. 6.
griechische geistesleben , sie bilden die beiden brennpunkte in
dem, was der dichter schuf, der redner vortrug und der weise
lehrte, sie erscheinen als zwei sittliche mächte, deren jede für
sich ihren antheil an dem leben der Griechen eifersüchtig wahr-
nimmt, und welche beide die Sorgfalt für ihre interessen jedem
individuum gebieterisch auferlegen, das sind die ideen der fa-
milie und des Staates". Mit dieser behauptung beginnt der
systematische theil des buches (p. 110). Wem sie gefällt, der
möge die schritt lesen; wer darin nur Unklarheit und schwulst
des gedankens sieht, der hat nach unserer meinung den Cha-
rakter des ganzen buches erkannt, das allerdings ein beitrag
zur Antigone-litteratur ist, aber ohne schaden für das ver-
ständniss der Antigone ungelesen bleiben kann. Es enthält im
grund genommen nichts weiter als eine verwässerung der von
Boeckh aufgestellten ansieht über den grundgedanken der An-
tigone. Im übrigen offenbart der Verfasser nur sinn für die
Hegel'sche construetion , nicht für die historische entwicklung
der tragödie trotz des historischen theils der schrift, welcher
„eine einleitung zum griechischen draraa" giebt und die ver-
schiedenen ansichten, welche über die Antigone laut geworden
sind, unter andern die von Gruppe, Klein, E. Wagner und Ei-
nette Homberg behandelt und kritisiert. Gelegentlich wird in
diesem theile Boeckh gegen den Vorwurf hartnäckigen festhal-
tens an angenommenen meinuugen vertheidigt. Neues dürfte
darin nur die ableitung des Wortes tragödie „von zQiiyog bock
lind oldico oder olddco = singen" (p. 13) enthalten. Zum lobe
des buches sei gesagt, dass es gut und geschmackvoll geschrie-
ben ist.
W.
163. De quibusdam locis XX orationis Lysiacae scr. Dr.
Hoff meist er. 4. Stargard. (schulprogramm) 1872.
Dass diese rede nicht von Lysias sei ist schon vielfach
ausgesprochen worden , und Hoffmeister macht mit recht gel-
tend, dass dieses sich auch sofort aus dem mangel an disposition
ergebe. Entscheidend aber ist, denke ich, der umstand, dass
die rede nur wenige jähre nach Vertreibung der Vierhun-
hundert, also spätestens ins jähr 406 fällt, während Lysias
sich damals noch nicht, sondern erst seit 403 als logograph
Nr. 6. 163. Lysias. 297
bethätigte. Dass sie aber weder eine deuterologie noch im ein-
gangs verstümmelt ist, muss man zugeben. Daraus folgt jedoch
nicht dass sie eine blosse fiction sei, wie Hoffineister mit dem
ausdruck qui orationem habuisse fingitur andeutet; im gegentheil
führen die darin enthaltenen thatsachen zu der annähme , dass
ßie wirklich gehalten, wenigstens für den Vortrag geschrieben
wurde, wie auch Herbst „die schlacht bei den Arginusen'' p. 76 ff.
unbedenklich annimmt, während Hoffmeister den Verfasser wieder-
holt einen Uro nennt, so dass man glauben könnte, er bezeichne
damit das Übungsstück eines schülers der rhetorik. Allerdings
enthält die rede manch seltsames, lacken in der beweisführung,
weniger geschickte Verbindung der gedanken , was zwar wohl
theilweise aber keineswegs überall auf spätere corruption des
textes zurückgeführt werden kann.
Hoffmeister behandelt im programm nur die ersten sechs
Paragraphen und weist darin scharfsinnig viel anstössiges nach,
ist hier aber bisweilen auch zu weit gegangen. Gleich §. 1:
„Mich dünkt ihr sollet nicht zürnen dem manne der 400",
alka Tolg egyoig ivicov, missbilligt er spCcov, dem wenigstens noch
ttizäv beizufügen war. Aber dieses uvz&v, nämlich der 400,
versteht sich von selbst, und der Sprecher, dessen greiser vater
Polystratos selbst einer der 400 gewesen war, redet natürlich
von dem ganzen collegium nicht mit höchster erbitterung, son-
dern begnügt sich mit ivicov. Im folgenden: oi /jsv ytio imßov-
Xevactvzeg ijaar uvicHv , oi ö' tva (atjzs ttjv nöliv (irßsv xaxov
igydaaivTO f*Tj&' vpäv ju^SfV«, äXX evioi ovrsg üarß.&ov eig ib
ßovlevz/jQiov, ist zwar qaav unmöglich , weil für beide subjecte
eiarjX-dov prädicat sein muss , weswegen ich vyilv für ?jcsav
schreibe, aber im zweiten gliede, wo man, wie Hoffmeister be-
merkt, oi 8' ov% 'Iva ri — tj erwarten sollte, findet doch der
text einige entschuldigung, weil die absieht beider vorangestellt
wird: sie traten in den rath, die einen mit schlimmen absich-
ten gegen euch, die andern um weder dem Staate noch einzel-
nen schlimmes zuzufügen, sondern mit wohlwollenden gesinnun-
gen (also um zum guten zu rathen). Eine grosse Unklarheit
deckt Hoffmeister §. 2 auf. Im §. 1 war von den 400 die
rede, von denen einer Polystratos war. Nun folgt §. 2 olzog
yag i)Qsdt] (isv vno täv (pvXezüv. So sollte man glauben, er
sei von den genossen seiner phyle unter die 400 gewählt wor-
298 163. Lysias. Nr. 6.
den. Das ist aber falsch, da die 400 von den probulen (Thucyd.
VIII, 67) gewählt wurden, von den phylen aber, von jeder ei-
ner oder zwei xazaXoysig, welche die 5000, die den dijfiog reprä-
sentiren sollten, zu wählen hatten, wie man aus §. 13 ersieht
(vgl. Herrn. Staatsalt. §. 157, 11). Nun ist es aber dem Spre-
cher darum zu thun , dass sein vater volksfreundlich war, und
als schlagenden beweis dafür führt er an, dass er von den ge-
nossen seiner phyle (als xaraXoyEv'i) gewählt wurde. Jetzt
zeigt sich, dass das störende yäg sich auf einen ausgefallenen
satz beziehen muss etwa von folgendem inhalt: neu. ort toiov-
rog, nämlich sttovg, fjvf yvcoasa&s ixd&sv. So ist der weitere
verlauf klar, und an f*h> nach gQs&r] und dem ihm entspre-
chenden dV in xarrjyoQovat 8s avzov nicht mit Hoffmeister an-
stoss zu nehmen. Allerdings könnte man dann statt algsüetg
wegen avzov erwarten algs&svTog, allein hier bat Hertlein durch
einsetzung von 6 vor aigsOsig trefflich geholfen , indem so ein
contrast entsteht etwa wie: was? er sollte nicht volksfreundlich
sein! er der gewählt wurde von den genossen seiner phyle, die
über sich selbst, d. h. über die mitglieder ihrer genossenschaft
wohl am besten urtheilen können, wo Hoffmeister auch an ksqi
aquäv aviäv unnöthig anstoss nimmt. — §.3 ist allerdings ov-
rng 8s unerträglich , weil von Polystratos nicht im gegensatz
zu einem anderen die rede ist. Dem aber wird abgeholfen durch
ovTog 5?/, da auf das vorausgehende nothwendig bezug zu neh-
men ist: „dieser also", nämlich der so gewählte. Polystratos aber
war damals ein greis von wenigstens siebenzig jähren. Ich sage
wenigstens, damals wird er über achtzig gewesen sein. Denn wenn
es §. 10 heisst , in siebenzig jähren habe er sich gegen das
volk in nichts verfehlt, so kann man die jähre der kindheit doch
nicht unter den siebenzig- verstanden denken. Jetzt folgt pas-
send die frage : weshalb sollte er nach Oligarchie gestrebt
haben? Etwa weil er das kräftige alter hatte (womit ver-
muthlich auf schwäche seiner stimme hingedeutet wird) mit re-
den etwas durchzusetzen, oder um im vertrauen auf seine kör-
perstärke einem von euch gewalt anzuthun ? An der formi-
rung der Satzglieder können wir nicht so viel anstoss nehmen,
und wenn Hoffmeister sagt : fretns ülorum (der 400) potentia ta-
lia committere putandus est, so ist was das reden betrifft schon
darauf geantwortet und das körperliche gewaltüben ist gerade nur
Nr. 6. 163. Lysias. 299
als absurde annähme hinzugefügt. Eichtig ist aber des vf. tadel
§. 4, wo er sagt claudicant verba rj zäv naCÖmv. Aber das clau-
dicare hört auf, wenn wir interpungireu to vfiSTsgov. r\ zmv naC-
8av ; (nämlich tiexa), wo dann freilich statt ö ph yug zu schrei-
ben wäre alV 6 (xh yug. §. 5 bringt Hoffmeister selber die
richtige Verbesserung mit einsetzung von xat vor oliyag. Be-
treffend dann die thatsächlichen Verhältnisse in §. 5, so wer-
den dieselben als allbekannt nicht einzeln erwähnt, aber so viel
ist klar: der vater wurde für keine der beamtungen, die er
unter den 400 führte, wohl aber für anderes (§. 12 und 13)
verklagt, weswegen der söhn sagen darf, keiner könne nach-
weisen on ov xaläg tjq£sv, verurtheilt aber wurde er, wie es
in bausch und bogen vielen geschab , weil er unter den 400
gewesen war, und um eine beträchtliche summe gebüsst (§. 18).
Jetzt ist er von sykophanten , die auf den rest seines Ver-
mögens speculiren, zum zweitenmale verklagt und wird zu-
dem noch atimie gegen ihn beantragt, die auch wie der ver-
vermögensverlust seine drei söhne mitbetreffen würde (§. 35.
36). Bei diesem ungeregelten verfahren in stürmischen zeiten
begreift es sich, dass Polystratos nicht dazu kam als beste recht-
fertigung sv&vvag buvvai über seine äg%ai, und da er den Verhand-
lungen der 400 nur acht tage lang beiwohnte (§. 10), dann
aber die agxv in Oropos übernahm, so konnte der söhn (§. 6)
behaupten, dass der vater weder die staatsinteressen schädigte
[rjQovdcoxe) noch eine Verfassungsänderung herbeiführte. Hoff-
meister sucht die vulgate ovzs ngoidaxa v, a ) sztgav TtoXirsiav
xaTtOTtjoe dadurch aufrecht zu erhalten, dass er nv rs. trennt,
damit sich rs auf v.ai beziehe. Das ist aber syntaktisch un-
möglich und eher mit Taylor ovrs statt '/,al zu schreiben.
Der Verfasser der rede ist allerdings in der anordnung des
Stoffes nicht geschickt und man muss mancher scharfsinnigen be-
merkung Hoffmeisters recht geben, aber darum ist es doch
keine fingirte schulrede, in welcher ohne zweifei die anordnung
geschickter ausgefallen wäre, sondern sie ist für den wirklichen
fall geschrieben. Da Hoffmeister viele andere fehler in den
folgenden §§ ein andermal zu behandeln in aussieht stellt,
so füge ich als beisteuer noch folgende eigne emendationsvor-
schläge hinzu. §. 7 statt ol 8s ov% vtisfisivav lies ot ovi vniyihi-
vav (sondern Athen verliessen), wo dann 6 ö° ^yovfxevog richtig
300 164. Lucretius. Nr. 6.
folgt. §. 8 sl v/xiv fisv svvot rjaav, ixsivoig (den 400) de ovx
änrndärovzo ist oi statt et zu lesen, so hat man nicht nöthig
mit Scheibe ovx in [ttj zu verwandeln. §. 9 dürfte wohl zu
lesen sein mors nmg ov Qadi'cog [teiiort] vfilv r\ noXCzsia; §. 12
ovo' slatjveyxsv avtco to aoyvotov : es ist von einer geldbusse
die rede, zu der Polystratos dem Phrynichos keinen beitrag
leistete, also zo zu streichen. §. 16 schreibe ich: drjXoi vpiv
oiog tjv, og, e'i nsg n. §. 19 nach sl fiev fy'vog zig sX&cov scheint
sv noi/jöag oder Xe'ycov sv noirjoai ausgefallen und dann statt
öooasze ijfiäg avzovg zu schreiben Scoaezs iftäg sv noii\aavzag
oder auch noiqaaGiv. §. 23 schlage ich vor oacov sdsi oidsfiiag,
worauf cod. X mit oacov ov de (nag zu führen scheint. Mit
recht schreiben §. 34 Westermann und Scheibe nach Hirschig
rovg ts naldctg öf' avzöv statt vulg. xai avzöv. dann wird aber
auch consequeut §.35 geschrieben werden müssen TjfASig de zbv
nazsga zovzovl oV ftfuäg (statt neu fjfiäg) i^aizovfxs&a , weil sich
die söhne in kriegszügen verdient gemacht haben. Kurz vor-
her aber tilgt Kayser tjpäg nach i^aizovvzai mit recht.
R. Rauchenstein,
164. Lucrez im verhältniss zu Catull und späteren. Nebst
beitragen zur kritik und erklärung des Lucrez. Von Dr Ju-
lius Jessen. 4. 24 s. Programm der Kieler gelehrtenschule.
1872.
Bekanntlich liegt über dem leben des Lucrez, mit aus-
nähme der beiden äussersten punkte desselben völliges dunkel
und auch die äussere geschichte seines gedichtes ist, ebenfalls
mit ausnähme zweier in demselben enthaltenen fingerzeige bis-
her ein räthsel geblieben. Combinationen irgend welcher art,
wodurch ein wenn auch nur schwacher lichtstrahl auf dichter
oder gedieht geworfen werden könnte, sind deshalb dankbar zu
begrüssen. Eine solche ist von Munro insofern aufgestellt, als
er nachzuweisen versucht, dass das gedieht des Lucrez einen
nachahmer in Catull gefunden habe. Liesse sich die behaup-
tung fest begründen, so gewännen wir damit einen zuverlässi-
gen anhält für die zeit nicht nur der herausgäbe des lucrezi-
schen lehrgedichts , sondern auch der abfassung derjenigen ge-
dichte des Catull, welche dem Lucrez nachgeahmt sein sollen.
Leider aber besteht die behauptung Munro's, wie Jessen gründlich
Nr. 6. 164. Lucretius. 301
und mit berücksichtigung aller einschlagenden momente erweist,
die probe nicht. Die scheinbaren entlehnungen, welche Munro
im 64 gedieht des Catull aufzählt, erklären sich aus der gleich-
heit der Sprachmittel und des poetischen Sprachschatzes jener
zeit, die einestheils mit den überkommenen Schöpfungen früherer
dichter bei ihren Studien wirthschaftete, also aus denselben ge-
meinsam und ohne bewusste benutzung des einen durch den
andern entlehnte, anderntheils bei dem lebendigen austausche
der dichtergesellschaften (mag nun Lucrez denselben ange-
hört haben oder nicht) bestimmte formen und ausdrücke schuf,
an die sich die einzelnen dichter je nach ihrer grösseren oder
geringeren Selbständigkeit mehr oder weniger anlehnten. Den-
noch müsste es allerdings wunder nehmen, wenn sich entschie-
dene ähnlichkeiten mit dem lucrezischen gedichte nur in jenem
einen gedichte des Catull fänden , in den andern aber nicht ;
allein Jessen beweist mit vollkommener klarheit, dass sich de-
ren auch in den übrigen liedern Catull's eine leidliche anzahl
nachweisen lassen, und er hätte in beziehung auf andere Über-
einstimmungen beider dichter diese anzahl mit benutzung von
M. Haupt's Observatt. critt. pag. 12. 16. 17. 35. 36 noch ver-
mehren können. Wenn trotzdem Jessen, indem er das resultat
seiner kritik der Munro'schen behauptung zieht, nicht so weit
geht, jegliche beziehung der beiden dichter auf einander ent-
schieden in abrede zu stellen, sondern sich darauf beschränkt,
die nachahmung des Lucrez durch Catull nur für die episode
des Theseus und der Ariadne im Epithalamium Thetidos, wie sie
Munro behauptet , positiv abzuweisen , im übrigen eine solche
als nicht nachweisbar, ja als höchst zweifelhaft zu bezeichnen,
so wird jeder besonnene angesichts der höchst trümmerhaften
Überlieferung der älteren römischen litteratur dem nur beistim-
men können *).
Deutlicher ist, wie Jessen von p. 15 an nachweist, der
einfluss des Lucrez auf die Schriftsteller der augusteischen zeit.
Für Horaz ist die parodirende nachahmung (Sat. I, 6, 4) des
l) Auf p. 12 macht Jessen auf eine reminiscenz aus Vergil (Aen.
I, 37) bei Petron (de bello civ. 82 und 83 p. 158 Buch.), die bisher
nicht bemerkt wurde, aufmerksam. Wenn er aber ebendaselbst mens
animi bei Catull und Lucrez anführt, so konnte der gedanke an eine
nachahmung von Seiten des ersteren schon mit Schömann's bemer-
kung (opusc. acad. IV, 356) entschieden beseitigt werden.
302 164. Lucretius. Nr. 6.
Lucrez (III , 1039) , auf welche ten Brink (Mnemosyne IV,
181) aufmerksam machte, vergessen. Was ferner über ein bis-
her übersehenes citat aus Lucrez bei Boetius (Arithmet. II, 1)
bemerkt wird (Jessen will die stelle als glosse ausscheiden), dar-
über lässt sich rechten, wie denn Jessen selbst verschiedene mög-
lichkeiten einräumt. Wenn von mehrfachen erwähnungen des
Lucrez oder aus Lucrez bei Tertullian geredet wird, so ist mir
nur die eine de anima 5, welche Jessen anführt, bekannt, und
diese ist von der art, dass der verdacht einer interpolation schon
aus sprachlichen gründen nahe liegt. Zum schluss (p. 17 — 21)
wendet sich Jessen zu Arnobius, bei welchem unter sämmtli-
chen uns erhaltenen Schriftstellern die nachahmung des Lucrez
am evidentesten hervortritt. Er geht aus von meinem artikel
„Arnobius und Lucrez" (Philolog. XXVI, 362, nicht XXVII,
wie bei Jessen verdruckt ist) und kritisirt zunächst die dort
ausgesprochene ansieht, dass das Studium des Lucrez für Arno-
bius der vermittelnde Übergang vom heidenthum zum christen-
thum geworden sei. Bei dieser gelegenheit wird mit vollem
recht bemerkt, dass die von mir angezogene stelle des Hiero-
nymus für den epikuraismus des Arnobius nichts beweise. Al-
lein selbst wenn man dieses zeugniss zunächst fallen lässt, so
bleibt doch nicht minder sicher die behauptung stehen , dass
Arnobius in der Zwischenzeit zwischen seinem entschiedenen
heidenthum und seinem Übergang zur christlichen lehre ,,auch
philosophische Studien getrieben , und zwar sich häuptsächlich
der epikuräischen philosophie hingegeben habe" ; denn dass er
diese philosophie nur aus Lucrez kennen lernte, das kann doch
bei seiner ganz entschiedenen nachahmung desselben nicht
ernstlich bezweifelt werden. Ich sage „in der Zwischenzeit".
Denn wenn Jessen in den worten des Hieronymus eine plötz-
liche bekehrung des Arnobius angedeutet finden will, so weist
doch das compelleretur auf ein entschiedenes sträuben des apo-
logeten gegen das bekenntniss des christenthums hin, und dass
wiederholte träume ihn endlich zur gläubigkeit brachten , lässt
sich doch schwerlich eine plötzliche bekehrung nennen , wie
denn auch Jessen selbst die träume als vermittelung zum über-
gange anerkennt. Und wenn nun dieses schwanken bei Arno-
bius herrschte, so war es doch so lange ein schwanken zu gun-
sten des epikuraismus, bis die träume den ausschlag für das
Nr. 6. 164. Lucretius. 303
christenthum gaben. Ferner erklärt Jessen seine Übereinstim-
mung mit mir in dem punkte , dass , wenn Arnobius von sich
sagt, er sei nuper noch beide gewesen, damit nicht gemeint sei,
er sei es noch ganz vor kurzem gewesen. Nun meldete sich
aber Arnobius sicherlich, sobald sein sträuben durch die träume
überwunden war, alsbald bei dem bischofe zur aufnähme in die
gemeinde und schrieb, als er von diesem abgewiesen wurde, si-
cherlich im dränge des neulings bald darauf seine bücher ad-
versus nationes (wie schon elucubravit bei Hieronymus andeu-
tet), und zwar gewiss das erste buch , in dem sich die frag-
liche stelle findet, zuerst. Jessen würde also bei seiner ansieht
nuper doch wohl im sinne der nächsten Vergangenheit auffassen
müssen. Was endlich gegen meine combination der umstand
bedeuten soll, dass Arnobius nicht den Epicur, sondern Aesculap,
Baccbus und Hercules mit Cbristus vergleicht, will mir nicht ein-
leuchten. Einestheils nämlich ist, wie Jessen selbst zugesteht, die
lobrede auf Christus bei Arnobius der lobrede auf Epicur bei Lucrez
entschieden entlehnt, anderntheils erscheinen die genannten göt-
ter bei Arnobius und Lucrez ganz in derselben weise : der eine ver-
gleicht dieselben mit Epicur, der andere mit Christus, beide aber
so, dass sie gegen die Verdienste ihrer gefeierten in den hinter-
grund treten. Also abermals eine nachahraung der lobrede auf
Epicur zum zweck einer lobrede auf Christus. Schreibe man
das immerhin auf rechnung der masslosigkeit des rhetors Ar-
nobius. Um desto weniger, sollte ich denken, hätte man grund
zu der ansieht, welche Jessen halb zweifelnd ausspricht, dass
dieser Arnobius den straffen und einfachen, körnigen und flos-
kellosen Lucrez mehr als stilmuster als wegen des epicuräi-
sehen inhalts studirt, der homo confusus, wie ihn* Hieronymus
nennt, den streng ordnenden denker zum muster für seine dar-
stellung gewählt habe. Gern gebe ich zwar Jessen zu, dass er
mit seinen gegengründen meine ansieht zu einer blossen com-
bination herabgedrückt hat. Allein wie man die vorliegenden,
höchst auffälligen thatsachen anders vereinigen könne als durch
die annähme, dass Arnobius vor seinem christenthum anhänger
der epicuräischen philosophie gewesen, gestehe ich nicht einzu-
sehen. Der christliche neuling, vollends der durch träume trotz
seinem widerstreben zum christenthum genöthigte, konnte doch
nur dann die lucrezische lobrede auf Epicur auf Christus über-
304 165. Martialis. Nr. 6.
tragen, wenn er den ersteren als eine grossartige, verehrungs-
würdige persönlichkeit ansah , und vollends in einem buche,
welches die abneigung des bischofs gegen den neubekehrten
früheren Verfolger der christlichen lehre zu beseitigen bestimmt
war. Dagegen will es nichts besagen , dass Arnobius hie und
da (ich hatte bereits selbst p. 366 auf diesen punkt ausdrück-
lich hingewiesen) seine abweichung von einigen lehren Epicurs
scharf äussert: er war ja eben Christ geworden und hatte das
von seinem neuen glaubensbekenntniss , so weit er dasselbe
kannte, entschieden abweichende, wie die zufällige entstehung
der weit, die Sterblichkeit der seele, abzulehnen. — Neue nach-
weise von nachahmungen des Lucrez durch Arnobius nebst ei-
ner reihe conjecturen zu dem letztern , freilich meistens schon
von frühern bearbeitern gemacht, schliessen diesen abschnitt. —
Zu den nachahmern des Lucrez hätte , wie nächstens im Philo-
logus erscheinende andeutungen zeigen werden , auch Minucius
Felix gerechnet werden können. Die letzten seiten nehmen
verbessungsvorschläge nebst einigen gelungenen erklärungspro-
ben ein. — Die freunde des Lucrez wie des Arnobius werden
mit dem referenten dem Verfasser der vortrefflichen gelegenheits-
schrift dank wissen.
Ernst Klussmann,
165. De personis a Martiale commemoratis. Dissertatio
inauguralis. Scr. Paul Griese. 8. Gryphiswaldiae. 1872. 37 pp.
Der von Mommsen verfasste index Plinianus, den sich der
Verfasser dieser schrift zum muster genommen , hat in ausge-
zeichneter weise gezeigt, wie werthvoll solche arbeiten für das
verständniss. der Schriftsteller und für die geschichte der zeit,
welcher dieselben angehören, sein können. Aber allerdings wird
die bedeutung derselben eine sehr verschiedene sein , je nach-
dem die genannten personen ein grösseres oder geringeres in-
teresse verdienen und Martial kann, wie der Verfasser selbst be-
merkt, in dieser hinsieht den vergleich mit Plinius auch nicht
entfernt aushalten, da die mehrzahl derselben den unteren schich-
ten der römischen gesellscbaft angehört und nur verhältniss-
mässig wenige hervorragende persönlichkeiten in seinen poe-
sien uns entgegentreten. Es kommt hinzu, dass Martial nach
seinem eigenen zeugniss in der regel fingirte namen gebraucht
Nr. 6. 165. Martialis. 305
hat, um sich mit seinen bissigen angriffen nicht persönliche
Unannehmlichkeiten zuzuziehen, und da es nur in den seltensten
fällen möglich ist, mit einiger Wahrscheinlichkeit die wahren na-
men zu eruiren, so entziehen sich dieselben vollständig histori-
scher benutzung. Schon aus diesen gründen würde die vorlie-
gende arbeit keine grosse bedeutung beanspruchen können ; es
wäre jedenfalls zweckmässig gewesen, wenigstens noch den
gleichzeitigen Statius heranzuziehen, da vielfach hochgestellte
personen bei beiden als gönner der dichter auftreten, wie
dies Friedländer (Sittengeschichte 3, 396 ff.: die gönner und
freunde des Martial und Statius) auch gethan hat. Wenn
sich der verf. trotzdem veranlasst sah , einen personalindex
nur zu Martial zu liefern, so würde man mindestens erwarten,
neue aufschlüsse über die schon von anderen besproche-
nen persönlichkeiten von ihm zu erhalten : aber bis auf ver-
schwindend wenige eigene vermuthungen , die theilweise sogar
sicher verfehlt sind (wie z. b. die zurückführung der Petiliana
regna XII, 57 auf den Schreiber L. Petil(l)ius, auf dessen
acker a. 573, also fast 300 jähre bevor Martial sein zwölftes
buch verfasste, die untergeschobenen Schriften des Numa gefunden
wurden), beschränken sich die gegebenen notizen auf das, was
schon von Mommsen, Friedländer oder in der Pauly'schen En-
cyclopädie zusammengestellt ist. Selbst sehr naheliegendes ist
übersehen , wie die wichtige inschrift des berühmten wagenlen-
kers Scorpus (Gruter 337), in der sein voller name: Flavius
Scorpus (er war ohne zweifei von Domitian freigelassen wor-
den) und die ungeheure zahl seiner siege, 2048, aufgeführt ist.
Auch gegen die anordnung liesse sich manches einwenden; dass
die reges et imperatores von den privati getrennt sind, ist ge-
wiss zu billigen , wie es auch Mommsen in seinem index ge-
than hat ; aber es ist dann eigenthümlicb, unter den privati den
Iulus filius Aeneae zu finden. Ferner wäre es meines erach-
tens durchaus nothwendig gewesen, die unzweifelhaft fingirten
namen von den echten zu sondern und über die verschiedenen
kategorien derselben, die meistentheils keineswegs zufällig ge-
wählt sind, wie Afer, Bithynicus, Ponticus, Sabellus oder Oporinus,
Chirnerinus u. a. m. einige erläuternde worte vorauszuschicken.
Einzelne versehen wären mehrfach zu berichtigen, wie
beispiels halber: Cinna, Cinnamum se appellari voluit, die sa-
Philol. Anz. V. 20
306 166. Sallustius. Nr. 6.
che gerade umdreht, da Cinna der römische name ist, Cinnamus
den freigelassenen kennzeichnet (vgl. VII, 64: tonsor Cinnamus
dominae munere /actus eques , der wahrscheinlich identisch ist);
jedoch ist es zeit abzubrechen und das gesagte dürfte genügen,
um darzuthun, dass eine solche arbeit in keiner weise geeignet
ist, den mangel eines onomasti'cum zu den Schriftstellern der
kaiserzeit weniger fühlbar zu machen. o — d.
166. De Sallustio imitatore Thucydidis Demosthenis alio-
rumque scriptorum Graecorum. Dissertatio philologica quam
. . defendet auctor Silvius Dolega. 8. Vratislaviae (1871).
IX u. 59 pp.
Das verhältniss des Sallustius zu seinen griechischen mu-
stern verdiente eine zusammenfassende Untersuchung, nachdem
bisher nur gelegentlich darüber gehandelt worden war und le-
diglich die beziehung zu Thucydides eine eigene betrachtung
gefunden hatte. Aber auch hier war noch manche arbeit zu
thun, denn Ebersteins Schrift de Sallustio Thucydidem imitante
(Lund 1811. 18 pp. 4) ist ganz ungenügend; Poppo aber in
seinen prolegomena zur grösseren ausgäbe des Thukydides ist
in der annähme entlehnter gedanken und structuren entschieden
zu weit gegangen. Hiegegen verfährt der vf. vorliegender
schrift mit besonnener Überlegung; seine darstellung hat daher,
obwohl sie nicht durchaus correct geschrieben ist, sondern an
Wiederholungen, Unklarheiten, germanismen und grammatischen
irrthümern leidet, im wesentlichen das richtige getroffen. Sie
behandelt ihren stoft in drei abschnitten: 1. Quatenus consilium
dispositioque librorum Sallustii pendeant ab opere Thucydideo. Hier
ist gezeigt, wie das prooemium der Historien , die einflechtung
von reden und excursen in die erzählung auch der kleinen
Schriften auf eingehendes Studium des griechischen meisters
hinweisen. Ui ber die tendeuz der prooemien des Catilina und
Jugurtha ist keine aufklärung gegeben; vrgl. hierüber Philol.
Anz. IV, 241. — II. Quas sententias locosque Sallustius ex Graecis
ecriptoribus transtulerit quatenusque in rhetorico genere dicendi ad
Thucydidem ee applieaverit , quaeritur. Dieser ausführlichste ab-
schnitt gibt ausser zahlreichen das einzelne betreffenden nach-
weisen die belege dafür, dass Sallust in den reden des Catilina
an Thucydides , in jenen der Historien mehr an Demosthenes
Nr. 6. 166. Sallustius. 307
sich anschliesst , während die rhetorischen partieen des Jugur-
tha verhältniss massig am originellsten sind und nur die erzäh-
lenden theile dieser schritt öfter an Thucydides erinnern. Bis-
weilen sieht der vf. parallelen, wo ref. keine zu finden vermag,
z. b. Cat. 6, 6. 20, 2 u. s. w. ; umgekehrt vermisst ref. nachweise
von entlehnungen , die vom vf. weder hier noch im folgenden
abschnitt angegeben werden z. b. Jug. 79, 6. 84, 1 u. s. w.
Ganz lückenhaft sind die angaben des vfs. über analoge stellen
bei Isokrates und Xeuophon ; und des Polybius wird gar nicht
gedacht, obgleich sich mehrere schlagende parallelen finden, von
denen eine, XV, 32, 4, sogar zur emendation von Cat. 46, 2
verwendet worden ist-, vgl. Wiedemann Philol. XIX, 155. Hie-
nach ist auch die Schlussbemerkung des vfs. p. 59 über den ge-
ringen ertrag der betrachtung solcher analogieen für die textkritik
des Sallust zu modificieren. Auf kritik einzelner stellen ist der
vf. nur im III. abschnitt eingegangen, der betitelt ist: Quatenus
Sallustius in structura verborum Graecos scriptores imitatus sit,
quaeritur. Auch hier zeigt sich besonnenes urtheil sowohl in
der abwägung einzelner discrepanzen als auch in der bevorzu-
gung der in P repräsentirten handschriftenklasse gegenüber der
in V gebotenen Überlieferung. Was aber die p. 52 f. ausge-
sprochene ansieht über cod. Nazarianus betrifft, so hat inzwi-
schen Nipperdey im Jenaer Lectionskatalog für das sommerse-
mester 1872 p. 16 das richtige dargelegt. — Die der abhandlung
vom vf. vorausgeschickte einleitung stellt die Zeugnisse der al-
ten über das slhp'i^tiv des Sallust zusammen. Die herbeizie-
hung von Sueton. Gramm, ill. 10 in diesen Zusammenhang beruht
jedoch nachweislich auf falscher interpretation des vfs. ; die stelle
(Reiffer scheid p. 109) lautet: Quo magis miror Asinium credidisse,
antiqua eum (sc. AteiumJ verba et figuras solitum esse colligere Sal-
lustio; cum sibi sciat nil aliud suader e quam ut noto civilique et
proprio sermone utatur , vitetque maxime obscuritatem Sallusti et
audaciam in translationibus. Das letzte wort soll hier nach dem
vf. „Übersetzungen" bedeuten; aber dass vielmehr fAS7uqoQaC
gemeint sind, lehrt sowohl der Zusammenhang der stelle selbst
als auch der rhetorische Sprachgebrauch überhaupt. Es han-
delt sieb nicht um drei dinge, wie der vf. meint, sondern um
zwei, antiqua verba et figuras: auf ersteren begriff bezieht sich
obscuritas und der gegensatz hiezu notus civilisque sermo) auf
20*
308 167. Griechische geschichte. Nr. 6.
figuras bezieht sich der begriff translationes mit seinem gegen-
satze proprius sermo. Was nun über diese punkte gemeint sei,
erhellt aus der vergleichung mit Cic. de orat. III, 38, 152 ff.:
Tria sunt igitur in verbo simplici, quae orator adferat ad illustran-
dam atque exornandam orationem: aut inusitatum verbum (den an-
tiqua verba entsprechend) aut novatum (davon spricht Sueton
nicht) aut translatum (vgl. figuras). Inusitata sunt prisca fere
ac vetustate ab usu cotidiani sermonis (notus civilisque sermo sagt
Sueton) iam diu intermissa (daher die von Sueton erwähnte ob-
scuritas). — Tertius ille modus transferendi verbi late patet, quem
necessitas genuit inopia coacta et angustiis, post autem iucunditas
delectatioque celebravit. — Ergo liae translationes quasi mu-
tuationes sunt, cum quod non habeas aliunde sumas. Illae paullo
audacior es, quae e. q. s. Es ist klar, dass auch an der
fraglichen stelle bei Sueton die dem proprius sermo entgegenge-
setzte audacia in translationibus dasselbe bedeutet, was Cicero
mit translationes audaciores ausdrückt d. h. pi£7acpoQut. Vgl. für
das epitheton Quintil. I. Or. VIII, 6, 11 audaci et proxime peri-
culum translatione und für den gegensatz zu proprius Quint. 1. c. I,
5, 51 Propria sunt verba, cum id significant, in quod primo deno-
minata sunt \ translata , cum alium natura intellectum , atium loco
praebent. Also nicht vor Sallust's „gewagten Übersetzungen"
wurde Asinius von Ateius gewarnt, sondern vor dessen „küh-
nen metaphern".
167. De ephoris Spartanis. Dissertatio inauguralis, quam
— scripsit Carolus Fr ick. 8. Gottingae. 1872. 32 s.
Der verf. dieser abhandlung erwirbt sich ein besonderes
verdienst durch die treffende kritik , welche in derselben an
den verschiedenen bis jetzt über die anfange der ephorie
aufgestellten meiuungen geübt wird. Festhaltend als ergebniss
der neueren forschung, dass in Lykurgs Verfassungswerk die
ephoren noch keine oder nur eine untergeordnete stelle gefun-
den und auch nach ihrer einsetzung oder hebung durch könig
Theopompos noch lange der macht fülle entbehrt haben, welche
ihnen in späterer zeit zukam, sucht verf. die aufgäbe und Stel-
lung zu ermitteln, welche dieser köuig ihnen zugewiesen hatte.
Die meinungen dass die ephoren anfangs marktherren (0. Mül-
ler), Statthalter der fünf landkreise (A. Schäfer) oder Vorsteher
Nr. 6. 167. Griechische geschiente. 309
der stadtquartiere (Stein) von Sparta gewesen seien, werden
mit guten gründen zurückgewiesen, die ächtheit der rhetra des
Theopompos und Polydoros bei Plutarch Lyk. 6 gegen Trieber
siegreich vertheidigt, die beantwortung der frage aber durch
vergleichung dieser rhetra mit der thatsache, dass Theopompos
zugleich begründer der ephorie gewesen, und beider momente
mit den einschlägigen angaben des Piaton und Aristoteles zu
gewinnen gesucht.
Da durch die erwähnte rhetra die gültigkeit der in der
Volksversammlung gefassten beschlüsse von der billigung der
gerusia abhängig gemacht, durch die einführung (oder erhöhung)
der ephoren dagegen dem volk, aus dessen mitte dieselben hervor-
gingen , ein machtzuwachs verschafft worden ist, so hat Arnold
die von K. F. Hermann weitergeführte ansieht ausgesprochen
dass Theopompos für die einbusse, welche das volk durch seine
und seines mitregenten rhetra erlitten hatte , demselben durch
aufrichtung der ephoren einen ersatz geboten habe. Hiegegen
macht vf. mit recht geltend, dass die ephorie schon ol. 5, 4
(besser hätte er gesagt: um ol. 5, 4, da alle bloss aus den randno-
tizen des eusebischen kanon bekannten datirungen eine abwei-
chung von mehreren jähren zulassen), also vor der zeit des Poly-
doros, dessen vater Alkamenes zu anfang des ersten messenischen
krieges (ol. 9, 2) noch könig war, aufgekommen und somit äl-
ter ist als die rhetra der zwei könige. Weitere folgerungen
aus dem wahren zeitlichen und ursächlichen verhältniss, wel-
ches zwischen beiden massregeln besteht, zu ziehen hat der
vf. unbegreiflicher weise unterlassen.
Nach seiner eigenen ansieht waren die von Theopompos
in Sparta eingesetzten ephoren ungefähr das, was in Rom die
volkstribunen: Vertreter und beschützer des demos, d. i. einer
art plebs, deren mitglieder nur ein beschränktes bürgerrecht
und kleinere ackerloose besassen, auch des connubiums mit den
vollbürgern (Spartiaten) entbehrten. Ihre absieht, gleiche rechte
mit den höherstehenden zu erlangen hätten sie nach verschiede-
nen versuchen endlich im zweiten messenischen krieg erreicht,
ebenso sei es den ephoren gelungen, allmählich die leitung der
Volksversammlung an sich zu reissen.
Von alle dem können wir in den quellen nichts entdecken.
Die Minyer, von deren vorübergehendem auftreten in Lakonien
310 168. Römische geschichte. Nr. 6.
Herodot erzählt, für die wissenschaftliche betrachtung eine un~
bekannte grosse, liefern dem vf. das material zu den plebeiern,
deren seine volkstribunen benöthigt sind. Herodot lässt sie
nach der dorischen Wanderung in Lakonien ein- und bald
nachher, lange vor Lykurg und noch länger vor der zeit des
Theopompos, wieder ausziehen-, aber nach dem vf. waren sie
schon vor den Doriern im land und verliess dasselbe nur ein
verhältnissmässig geringer theil von ihnen. Herodot gibt an,
dass sie nicht bloss theil am land und aufnähme in die phylen,
sondern auch das connubium mit den ersten häusern von
Sparta erlangt haben ; der vf. behauptet das gegentheil. Das
alles bloss desswegen, weil ihm nun einmal feststeht , dass die
aufgäbe der neuen ephorie darin bestand, den demos gegen
die könige und optimaten zu schützen. Denn wie er ganz
richtig bemerkt, vollbürger bedurften keinen schütz, schutzbe-
dürftige aber können bloss halbbürger gewesen sein.
Woher hat aber vf. dies sein axiom von der schutzbedürf-
tigkeit des demos und der schützerpfiicht der ephoren? woher
die optimaten? die zwei philosophen, aufweiche er sich allent-
halben beruft, geben weder sonst etwas in diesem sinne noch
an den von ihm citirten stellen : Plat. Legg. 3, 692 a ö 8s tqi-
tog acoTrjQ vfiXv eri anagyäaav xai &v(iovpisvriv tfjv dgx'l" ögmv
olov ipdliov ive'ßalsv avr7] zrjv täv icpögcov dvvctfiiv, und Arist.
Pol. 5, 9, 1 Sta to «| ttQXV'* 7e ***> ^l'° PSQV 8taigsdrjvai jijv
agpjv xai ndXiv Qsonofxnov [xeTgidaarzog roTg ts dlXotg xal rtjv
tmv iqtoQwv MQxfy iTtixaraoTrjöavTog. Der demos in Sparta,
von welchem Aristoteles hie und da spricht, ist die gesammt-
heit der bürgerschaft, vgl. besonders Pol. 2, 6, 15 ol 8s xaXol
xaya&oi Sia tr^v yegovaiav , a&Xov ydg avrij rtjg dgsrtjg iartp' 6
dTjfiog 8iu rtjv iqtoQstav, xa&iaiaTai ydg s£ dnäviosv. Dass end-
lich der ausdruck »aXol xdya&o] nicht den stand der optimaten,
sondern individuell und moralisch die besten und tüchtigsten
bezeichnet, beweist ausser dgszij auch die fortsetzung dieser
stelle und der schluss von Pol. 4, 6. U.
168. Die feldzüge der Eömer in Deutschland unter den
kaisern Augustus und Tiberius. Von Gustav Hertzberg. 8.
Halle. 1872. Waisenhausbuchhandlung XI u. 307 s. — 1 thlr.
Das vorliegende buch bildet das siebente bäudchen der
Nr. 6. 168. Römische geschichte. 311
rühmlichst bekannten „darstellungen aus der römischen geschichte
für die Jugend und für freunde geschichtlicher lectüre", die 0.
Jäger herausgiebt. Es schliesst sich würdig Hertzbergs frühe-
ren populären bearbeitungen von abschnitten der alten geschichte
an und wird sich unter dem ihm bestimmten leserkreise sicher-
lich viele freunde erwerben. Gerade die periode der römi-
schen kaiserzeit , in welche durch die lectüre des Tacitus die
schüler der obersten classen unserer gymnasien näheren ein-
blick zu erhalten pflegen , findet hier ausführliche behandlung.
Der primaner, dessen Standpunkt das Studium der über jene
zeit erschienenen rein wissenschaftlichen Schriften in der regel
noch nicht angemessen ist, empfängt mit diesem buche einen
ebenso angenehmen als zuverlässigen führer durch ein hochin-
teressantes gebiet.
In der einleitung setzt der vf. die neugestaltung der rö-
mischen heeresverfassung durch Augustus, die stärke der dama-
ligen legion, die Stellung ihrer Offiziere, die höhe des soldes
u.s.w. auseinander, schildert dann das verhältniss der legio-
nen zu den übrigen truppengattungen, der besatzung der baupt-
stadt und den auxiliaren und hebt die fehler und Vorzüge die-
ses wehrsystems hervor. Das erste capitel gibt einen überblick
über die auswärtige politik des Augustus, entwickelt die noth-
wendigkeit von dessen krieg gegen die noch unbezwungenen
stamme der Mittel- und Ostalpen und schliesst mit einer an-
schaulichen Schilderung der bezwingung dieser Völker, der Rhä-
tier, Vindeücier und Noriker durch Drusus und Tiberius. Im
zweiten capitel werden die Verhältnisse des kaiserlichen Rom zu
den Germanen bis zu Drusus feldzügen entwickelt, der cultur-
zustand der deutschen stamme und ihre politische läge den
Römern gegenüber erörtert. Der folgende abschnitt enthält die
darstellurjg der feldzüge des Drusus und Tiberius in dem lande
zwischen Rhein , Main und Elbe bis zum tode des Drusus.
Ueberall haben hier, wie in den folgenden capiteln, auch in
den geographischen partien die neuesten forschungen berück-
sichtigung gefunden. Das vierte capitel, „Tiberius und Marbod"
überschrieben, schildert zunächst die einwirkung der römischen
cultur auf die deutschen Völkerschaften, dann die gründung des
grossen Markomannenreichs durch Marbod, die feldzüge des
Domitius Ahenobarbus und Sentius Saturninus, die kluge poli-
312 168. Römische geschickte. Nr. 6.
tik der Römer dem Markomannenkönige gegenüber. Wir er-
klären uns hier im übrigen mit den ausführuDgen des vf. ein-
verstanden, nur seine behauptung auf p. 140, Theo der ich
der Ostgothe sei an seiner unkenntniss römischer staatskunst
zu gründe gegangen, möchten wir für gewagt halten. Im wei-
teren verlaufe des capitels wird Tiberius feldzug bis zur Elbe
und sein grossartig angelegter aber durch den pannonisch - dal-
matischen aufstand nicht zur vollständigen durchführung ge-
langter operationsplan gegen Marbod erzählt. Nachdem der vf.
dann der bewältigung der erwähnten gewaltigen empörung,
„deren jäher ausbruch so bedeutungsvoll für die Unabhängigkeit
der Deutschen geworden ist", so weit es der gegenständ des
buches erlaubt, beachtung geschenkt und die erfolgreiche orga-
nisatorische und diplomatische thätigkeit des Saturninus in Ger-
manien sowie dessen ersetzung durch Quintilius Varus berührt
hat, führt er uns am schluss des capitels bis zum eintritt der
katastrophe im teutoburger walde. Die specielle darstellung
der berühmten schlacht mit ihren veranlassuugen und folgen
nimmt den grössten theil des fünften capitels ein. Hier ver-
dient namentlich die gelungene Charakteristik Armins hervor-
gehoben zu werden. Im gegensatz zu den herkömmlichen Schil-
derungen dieses helden, die seiner glänzenden Verdienste hal-
ber seine schwächen zu übersehen pflegen, betont der vf. mit
recht, dass wir „die krystallklare Siegfriedsnatur, die sich eine
phantastische betrachtung der altdeutschen geschichte so gern
in diesem manne gedacht hat", bei Armin nicht suchen dürfen.
Neben den strahlenden heldentugenden Siegfrieds „zeigt er auch
züge, die an den grimmen Hagen gemahnen. Er erinnert in
dem kämpfe der list auch an mehr als einen jener Germanen
der Völkerwanderung , an den höfen von Constantinopel und
Ravenna, die den Römern so sehr gefährlich wurden, weil sie
auch dann noch, wenn sie täuschen wollten, die methode und
die manieren treuherziger biederkeit mit gefährlicher naturwahr-
heit festzuhalten verstanden". Als kampfplatz des letzten tages
der Varusschlacht nimmt Hertzberg nach v. Wietersheims
Vorgang den Dörenpass an. Mit dem wiedererscheinen des
Tiberius am Rhein , der Schilderung von dessen vorsichtigen
Operationen, seiner rückkehr nach Rom im j. 12 und der Er-
nennung des Germanicus zum oberfeldherrn des rheinheeres
Nr. 6. Theses. — Neue auflagen. 313
schliesst das fünfte capitel. Das sechste und letzte hat die
kämpfe zwischen Germanicus und Arminius zum inhalt. Die
zweite der grossen Weserschlachten verlegt der vf. nach den
ansichten v. Ab en dro th s (Terrainstudien zu dem rückzuge des
Vavus und den feldzügen des Germanicus. Leipzig 1862) und v.
Wietersheims (Abhandlungen d. kön. säcbs. ges. d. wiss.
phil.-hist. classe I, p. 429 ff.) auf das linke flussufer in die
gegend von Minden. Ob indessen in dieser Schlacht die nie-
derlage der Germanen eine so vollständige war, wie der vf.
p. 2S6 annimmt, lässt sich bestreiten. Die unmittelbar hinter
der Schilderung des von den legionen angerichteten blutbades
folgenden worte des Tacitus Ab. exe. div. Aug. H, 21: equites
ambigue certavere, und die militärischen massregeln des Germa-
nicus nach der schlacht sprechen wenigstens nicht für einen
glänzenden sieg. Bewährte forscher, wie C.Peter „Geschichte
Korns" in, 1, 171 haben diesen daher schon längst bezweifelt.
Die römische waffenehre war gerettet, mehr hatte Germanicus
gegen den verzweifelten landsturm der Germanen nicht errei-
chen können. — Der ,,schlussa stellt den ausgang der drei
glänzendsten heldengestalten jenes Zeitraums, des Germanicus,
Armin und Marbod in wirkungsvollem gegensatze einander ge-
genüber.
A. Duncker.
Theses
quas ... in alma literarum universitate Gryphica ... d. III. m. Maii.»
publice defendet Albertus Wodrig Pomeranus : IL C. Valeri Argonau-
ticon libri ab ipso poeta perfecti atque absoluti sunt; III. Hör. Od.
1, 2, 39 scribendum puto: Acer et Maurum peditis cruenti | Voltus
in hostem ; IV. Eurip. Androm. 398 legendum puto : chäg ri ravia dv-
go/uca, in d' Iv noolv \ Ovx ££st«Cw xul koyi£o/xat, xaxü; V. Ibid. v.
1139 legendum puto: ro Tgwixov ntjdtjfxa nrjdqßag nidot | XwgtZ xtL;
VI. Lysiae or. XVIII, 10; inttdi] di xüyiaia tjk&ov tlg ttjv ctxady/utnxv
Anxtda>,fx6vt,oi xul Jlavßaviag xtL et Xenoph. Hell. 11, 4, 30 6 ds
HavGaviuq lerquxontdivauxo ptv lv xw 'Ahnidco xaXovfxivixi ngbg tw
JIuquuI difyov fxay xtQas xxl. inter se pugnant , videturque Lysias
per errorem lapsus esse.
Neue auflagen.
169. C. Peter, Zeittafeln der griechischen geschiente. 4. aufl. 4.
Halle. Waisenhaus; 1 thlr 10 gr. — 170. E. Dühring , kritische ge-
schichte der philosophie von ihren anfangen bis zur gegenwart. 2.
aufl. 8. Berlin. Heimann; 2 thlr 20 gr. — 171. J. C. F. Bahr, ge-
3J4 Bibliographie. Nr. 6.
schichte der römischen literatur. 4. bd. enthaltend die christlich - rö-
mische literatur. I. Die christlichen dichter und geschichtschreiber.
2. aufl. 8. Carlsruhe. Müller; 1 thlr 12 gr.
Neue Schulbücher.
172. G. Weller, lateinisches lesebuch aus Livius. 8. aufl. 8.
Hildburghausen. Kesselring; 15 ngr. — 173. JE. Cauer , geschichts-
tabellen. 18. aufl. gr. 8. Breslau. Trewendt; 6 ngr. — 174. W.
Kopp , römische staatsalterthümer und religionsalterthümer. 2. aufl.
gr. 16. Berlin. Springer; 12 ngr. — 175. W. Kopp, römische pri-
vatalterthümer. 2. aufl. gr. 16. Berlin. Springer; 16 ngr. — 176.
E. Berger, anleitung zum übersetzen aus dem deutschen ins lateini-
sche für untere und mittlere gymnasialklassen. 4. aufl. 8. Claus-
thal. Grosse; 16 ngr. — 177. M. Seyffert, materialien zum überse-
tzen aus dem deutschen ins lateinische. 8. Leipzig. Heine; 2272-
Bibliographie.
Beiträge zur geschichte des deutschen buchhandels finden sich
im Börsenbl. nr. 116.
Definitive beendigung des buchdrucker-strikes in Leipzig am
12 mai : s. Börsenbl. nr. 1 14.
Ueber eine in Florenz erscheinende ausgäbe der Opera di Nic-
colo Machiarelli berichtet die Augsb. Allg. Ztg. Beil. zu nr. 128.
Ueber die cantatemesse der buchhändler berichtet das Börsenbl.
nr. 114, d. h. von dem guten essen und trinken in Leipzig und von
den vielen bei tische vorgekommenen überflüssigen reden. Wichti-
geres berichtet dagegen Augsb. Allg. Ztg. Beil. nr. 133.
Eine bedeutende auction wird die am 14. Juli von List und
Francke in Leipzig abzuhaltende sein von der kostbaren bibliothek
des moskauer bibliophilen Serge Sobolewslci: der katalog hat eine
Albert Cohn unterzeichnete vorrede , welche eine Übersicht des rei-
chen inhalts desselben giebt.
Das bibliographie-institut in Hildburghausen kündigt als vollen-
det in seinem verlage erschienen an: Meyers handlexicon des all-
gemeinen wissens, in einem bände, 4 thlr 15 gr. : »während die con-
versations-lexica darauf ausgingen, das viele so ausführlich als mög-
lich zu bringen, sei hier die aufgäbe »so viel als möglich, aber das
viele so kurz als möglich«.
Der antiquar Edwin Tross in Paris hat vor einigen monaten das
einzige auf pergament gedruckte exemplar der ed. princeps des Ho-
raz entdeckt; jetzt im mai soll er bei einer italienischen familie eine
bisher völlig unbekannte um 1470 auf pergament gedruckte ausgäbe
von Ciceronis epistolae ad Familiäres entdeckt haben, die mit zahlrei-
chen und wichtigen Varianten \ersehen sei : auf dem ersten blatte
finden sich die gemalten wappen der familie Martinengo. Vrgl.
Augsb. Allg. Ztg. nr. 141, p. 2156. D. Reichsanz. nr. 124.
Die dissertationen , programme cett. (4500 stück) aus der biblio-
thek des weiland professor Bahr in Heidelberg hat die buchhandlung
von E. Carlebach eben daselbst an die Library of the Trinity Col-
lege in Cambridge verkauft.
Eine sehr beachtenswei'the erscheinung ist folgende: »Illustrirter
Verlagsbericht, Jubiläums - catalog von Otto Spamer zu Leipzig. Zwei
abtheilungen. Seinen freunden , mitarbeitern und geschäftsgenossen
am Jahrestage des 25jährigen bestehens seiner firma gewidmet von Otto
Spamer. Leipzig. Ausgegeben im dezember 1872«. Versendet ist das
Nr. 6. Bibliographie. 315
ganze im mai 1873; die erste abtheilung 98 s. 8, die zweite 114 a.
8, die zweite mit wirklich schönen Illustrationen versehen. Die erste
abtheilung enthält einen lehrreich und hübsch geschriebenen rückblick
auf den entwicklungsgang der Verlagsbuchhandlung während 25 jäh-
ren , der die entstehung, den Zusammenhang und die fortführung der
bei 0. Spamer erschienenen kinder -Jugend -haus- und volksschriften
so wie der prachtwerke sammt den kaufmännischen und technisch-
chemischen, gewerblichen lehr- hand- hülfs- und Wörterbüchern er-
zählt : es zeigt sich da, welche kenntnisse, aber auch zugleich welche
energie und ausdauer ein mann aufwenden muss, um in unserer so
bewegten und von so verschiedenen und scheinbar sich feindlich ent-
gegenstehenden interessen, die doch zusammenwirken müssen , durch-
furchten zeit ein nur dem nutzen und frommen des Vaterlandes
dienendes ziel wirklich zu erreichen. Die bücher haben es auch
nicht allein fertig gebracht: handel mit persischem insecten - pulver,
kölner wasser, diversen kosmetika, bleistiften, druckerschwärze u.s.w.
mussten das in dem schweren jähre 1848 durch bücher geschaffene
deficit decken : sie deckten es, aber dafür erschwerte der dunkel der
collegen , denen durch insectenpulver ehrlich zu bleiben nicht stan-
desgemäss erschien , das aus innerm triebe von neuem begonnene
buchhändlerische geschält; mit welchem erfolg es von neuem auf-
genommen ward , lehrt die zweite abtheilung, welche den Ver-
lag verzeichnet: I. Kinder- und Jugendschriften; p. 1 — 56; II. all-
gemeine bildungsschriften und festgeschenke , p. 57 — 76; III. fach-
schriften, p. 77 — 96; volksthümliche prachtwerke und encyklopädi-
sche Unternehmungen , p. 97-108: worauf register und ankündigun-
gen noch folgen: freilich darin nicht viel philologisches: doch p. 71
steht Sokrates büste; auch sonst ist das classische alterthum berück-
sichtigt, p. 69, und eben so auch im verzeichniss der künftig erschei-
nenden werke. Deshalb machen wir schliesslich von neuem darauf auf-
merksam, welche masse echt nationalen und daher des edelsten Stof-
fes grade für volksthümliche schritten in der geschichte der classi-
schen philologie und des höheren Schulwesens in Deutschland unbe-
achtet daliegt; grade aus wahrer und liebevoller Schilderung der gross-
artigen, in der stille und ohne anspruch auf lautes lob Jahrhunderte
hindurch zur erziehung deutscher jugend von trefflichen und gelehr-
ten schulmännern aufgewendeten arbeit würde den immer von neuem
und namentlich jetzt — z. b. im Elsass — in unsre entwicklung hem-
mend eingreifenden bureaukratischen gelüsten ein festerer dämm ent-
gegengestellt werden, als durch Streitschriften und ohne nachhaltige
Wirkung vorübergehende artikel politischer Zeitungen.
Versandt wurde: verlagsbericht von L. Heimann's verlag (Erich
Koschny) in Berlin , der über die philosophische wie die historisch-
politische bibliothek berichtet; von Karl Hoffmnnn in Stuttgart lite-
rarischer bericht über die übersetzungs - bibliothek griechischer und
römischer classiker.
Cataloge der antiquare: Bibliotheca philologica: nr. 36. Anti-
quarisches verzeichniss von Ernst Carlebach in Heidelberg, enthaltend
die hinterlassene bibliothek des oberbibliothekar der Universität Hei-
delberg geh. hofrath professor Dr J. J. F. Bahr; Nr. 55. Antiquari-
scher anzeiger von Alfred Coppenrath in Regensburg; Nr. 243. K. F.
Kühler's in Leipzig antiquarische anzeige -hefte. Bibliothek des hm
professor Ladewig in Neubrandenburg; Catalog 116 des antiquarischen
bücherlagers von Friedrich Wagner in Braunschweig; Antiquarisches
verzeichniss 121. 122 von Felix Schneider in Basel, philosophie, päda-
gogik und orientalische und neue sprachen enthaltend; Nr. 102 ver-
zeichniss von antiquarischen büchern der buch- und antiquariata
316 Kleine philologische zeitung. Nr. 6.
handlung W. Weber in Berlin ; 38. antiquarischer anzeiger der WeU
fer'schen buchhandlung (Oscar Roesger) in Bautzen.
Kleine philologische zeitung.
Rom, 16. april. Bei ausgrabungen aut dem esquilinischen hügel
hat man über 2509 jähr alte Überreste des alten agger des Servius
Tullius entdeckt, peperin-quadern, welohe ohne verband von mörtel
auf einander stebeu; das bis jetzt ausgegrabene hildet einen halb-
kreisförmigen thurm mit zwei Seitenflügeln, von denen jener einen
durchmesser von 8 meter hat, diese sind 33 meter lang und 2 meter
hoch. Vrgl. Augsb. Allg. Ztg. nr. 109. D. Reichsanz. nr. 96, beil. 1.
Rom, 19. april. In der festsitzung des archäologischen institutsam
18. april sprach Visconti über eine marmorne, mit reliefs geschmückte
ara mit der Inschrift : [Jöoog 2nßuti(j) düügov, Henzen über die inschrif-
ten zweier iüngst auf dem Esquilin gefundener marmorner trapezo-
phoren, Heibig über einen prachtvollen kessel. S. Augsb. Allg.
Ztg. beil. zu nr. 115.
Notizen über Fr. Ad. Trendelenburg giebt nach Bratuschek's
buch über diesen D. Reichs-Anz. n. 104.
x Buchdruckergedanken über Orthographie « : unter diesem titel
werden im Daheim und im Börsenbl. nr. 104 vorschlage zur Verein-
fachung gemacht.
Die Ri forma berechnet dass in den kloster - bibliotheken Italiens
gegen 7 — 800000 bücher und gegen 308000 raanuscripte aufbewahrt
würden und fragt bei gelegenheit des auf aufhebung der klöster ge-
richteten antrags in dem italienischen Parlamente die regierung,
welche Vorkehrungen sie zur würdigen aufbewahrung dieses Schatzes
zu treffen gedenke. Vrgl. D. Reichsanz. nr. 120.
Unter dem titel: »über den lehrermangel, eine gefahr für das deut-
sche volksieben « ist von Schneider (bei Fricke in Halle erschienen)
ein Vortrag edirt: die gefahr fühlt man auch auf Universitäten, wo
grade unter denen, die sich dem schulfach zu widmen gedenken, die
oberflächlichste art von studiren immer mehr um sich greift.
Wie ungarische zeitungen berichten ist Max Müller von dem
Unterrichts -minister in Ungarn darum angegangen worden, ein urtheil
über den werth des griechischen als gegenständ des gymnasial-unter-
richts abzugeben: man ist eben in Ungarn darüber nicht im klaren:
wie dies schwanken entstanden , zeigt in einem sehr unterrichtenden
artikel die Augsb. Allg. Ztg. beil. zu nr. 122. Max Müller hat nun in
einem gar eigenthümliche redensarten enthaltenden briefe von der
einführung des giüechischen — abgerathen : hoffen wir, » schliesst die
Allg. Ztg. 1. c.« , dass die wenig erfreuliche Parteinahme Müllers ge-
gen das griechische keinen einfluss üben wird auf die künftige ge-
staltung uusrer (d. h. der ungarischen) gymnasien: wir müssten
sonst über diesen unbedachten schritt des verehrten mannes das schärfste
tadelsvotum aussprechen«.
Am 24. april ist zu Berlin auch eine Africanische gesellschaft
nach dem Vorgang von Dresden, München, Halle, Hamburg u. s. w.
gebildet, über die das genauere aus D. Reichsanz. nr. 105 zu ersehen.
London, 28. april. Der vom Daily Telegraph nach Assyrien ge-
sendete George Smith berichtet, dass er mehr als 80 Inschriften ent-
deckt habe ; eine von Merodach Baladan , söhn des Milihu , enkel des
Kurigatzu, königs von Babylon um 1300 a. Chr.; eine noch ältere
handelt von triumphen des königs Vulnirari, und erwähnt auch an-
dere könige; auch tafeln aus der zeit des Nebuchadnezar u. a., die
Nr. 6. Kleine philologische zeitung. 317
alte babylonische legenden, eine sprichwörtersammlung und astrolo-
gisches enthalten. Nach seinen nachgrabungen in Nimrud sei der
süd - pallast von viel grössern dimensionen als man früher angenom-
men und im innern sehr geschmückt. Genaueres s. in Augsb. Allg. Ztg.
beil. zu nr. 129. D. Reichanz. nr. 112. Weiteres bringt aber erst-
genannte zeitung in der ausserord. beil. zu nr. 145, wo es heisst: Der
»Daily Telegraph« bringt heute einige einzelheiten über die gemach-
ten fünde des hrn. George Smith, der auf veranlassung der directum
dieses blattes eine wissenschaftliche reise nach Assyrien unternom-
men hat. Der wichtigste fund ist ein etwa 3' hoher, 1, 1' 9" weiter
und 1, 2" dicker gedenkstein. Die eine seite desselben stellt dar eine
anzahl wunderbarer mythologischer fignren nebst emblemen von göt-
tern und dämonen und dazu das bild eines im bau begriffenen thur-
mes, der an die Birs Nimrud erinnert. Auf der andern seite befin-
den sich drei schriftcolumnen von zusammen 115 zeilen , welche eine
land- Schenkungsurkunde an einen pnester von dem babylonischen
könig enthalten. Der priester verpflichtet sich dafür zur Verrichtung
gewisser ceriinonien , und eine Sammlung von fluchen wird über die
nichterfüllung dieser Verpflichtungen ausgesprochen. Dieser stein ist
darum von grosser Wichtigkeit weil er zwei könige nennt , die bisher
noch gar, nicht bekannt waren. Bis jetzt kannte man nur fünf assy-
rische könige und ihre annähernde regierungszeit, nämlich: Kara-In-
das 1420 v. Chr.; Burna-buriyar IL 1400; Kara-Kardar, söhn des
vorigen, 1380; Nazibugas, ein Usurpator, 1370; Kuri-galzu, söhn des
Burna-buriyar, 1360. Nun kommen noch hinzu: Mili-sihu II, söhn
des Kuri-galzu, 1340; und Merodach Baladan I., 1320 v. Ch. Abgesehen
von seiner historischen bedeutung , ist der stein noch wichtig durch
den autschluss den er uns über die religiösen anschauungen des Vol-
kes gewährt. Das in der Inschrift erwähnte grundstück wird von
dem könig Merdach-Baladau dem Nabu-nadin-ahi geschenkt für ei-
nige lobgesänge zu ehren des königreiches und der es unterstützen-
den götter. Diese hymnen wurden wahrscheinlich , wie andere uns
bekannte, auf tafeln geschrieben und recitirt, oder von den priestern
bei verschiedenen gelegenheiten gesungen. Wir haben hier demnach
eins der ältesten beispiele von der dichtkunst gewährtem königlichen
schütze, und Nabu-nadin-ahi ist demnach der älteste uns bekannte
poeta laureatus. Der zweite von Smith angekaufte monolith ist 20"
lang und 9" breit und enthält 80 zeilen in keilschrift. Neben einer
anzahl höchst ausdrucksvoller fluche enthält die inschrilt einige auf-
schlüsse über die dunkelste periode in der assyrischen geschichte.
George Smith fährt dann fort eine ganze reihe seiner neu gefundenen
schätze aufzuzählen. Eine inschrift enthält gebete des babylonischen
königs Amil-urgal an die götter Babylons Bei oder Merodak und Li-
rat-banit, Babylon und dessen tempel , könig und volk zu segnen.
In einem gebete sagt Amil-urgal : » o Bei , deine sitze sind Babylon
und Borsippa, deine kröne ist der weite himmel«. Ein fragment gibt
eine anzahl kurzer spräche, wie die des hebräischen königs Salomo,
wenn sie auch nicht so viel Weisheit enthalten. Eine anzahl von
steinen aus den zeiten des Arsaces, Darius, Kambyses, viele nament-
lich aus der zeit Nabonidus werden ferner aufgezählt. Weitere nach-
richten werden demnächst in aussieht gestellt.
Ueber die entdeckung von hühnengräbern bei Strassburg und
Braunhain giebt der D. Reichs-Anz. nr. 106 einige auskunft.
Rom, 1. mai. Der »Seismograph« kündigt einen nahen aus-
bruch des Vesuv an. — Als wenn das eine Vorstellung irgend eines
proiessors der natürlichen magie wäre!
Strassburg, 1. mai. Heute feierte die strassburger Universität
318 Anszüge aus Zeitschriften. Nr. 6.
den Jahrestag ihrer Stiftung : einiges nähere theilt der D. Reichsanz.
nr. 108 mit.
Leipzig, 5. mai. Der von professor Ebers in Leipzig nach Deutsch-
land gebrachte ägyptische papyros ist vom könig von Sachsen gekauft
und der Universitätsbibliothek einverleibt worden: s. ob. nr. 5, p.272
und D. Reichsanz. nr. 110.
Mainz. 12. mai. Es sind hier einige römische gräber aufgedeckt.
D. Reichsanz. nr. 116.
Es ist ob. nr. 5, p. 270 der Inschrift von Ferrucci gedacht, wel-
che das bei Detmold zu setzende Hermannsdenkmal zieren soll: jetzt
bringt die Augsb. Allg. Ztg. in der ausserordentl. beil. zu nr. 145
von Bändel selbst die nachricht, dass eine stelle des Tacitus auf das
denkmal gesetzt werden soll : es ist also von Ferrucci selbst oder
seinen freunden eine lüge verbreitet.
Auszüge aus Zeitschriften.
Augsburger Allgemeine Zeitung 1873: Beil. zu nr. 124: Aegyp-
tische reisebriefe, von Dr Lauth. XII: das Fayüm und Saggarah. —
Max Müller und sein studium des griechischen: s. ob. p. 31b. — Beil.
zu nr. 24 : feier des ersten geburtstages der Universität Strassburg.
— Karajan in Wien f. — Zangemeister oberbibliothekar in Heidel-
berg. — Nr. 127: der Jesuitenorden. — Beil. zu nr. 127: der pa-
pyros Ebers ist für die Leipziger Universitätsbibliothek erworben wor-
den. — Beil. zu nr. 130: K. E. v. liaer, zum streit über den Dar-
vinismus. — Nr. 131: die preussischen kirchenpolitischen gesetzent-
würfe und die protestantische Orthodoxie. — Vorlesung der Anti-
gone des Sophokles von Natalie Köhler in Augsburg. — Nr. 133;
Aegyptische reisebriefe, von Lauth. XIII. — Nr. 134: die congrega-
tion der redemptoristen. — Nr. 135: das Sendschreiben des preussi-
schen episcopats vom 2. mai 1873. — Beil. zu nr. 135. 136: zeitbe-
trachtungen. — Beil. zu nr. 136. 137. 143: eine geschichte der re-
ligionen des alterthums. I. II. III: schliesst an das buch von C. F.
Thiele an: Vergelijkende geschiedenis van de Egyptische en Mesopo-
taniische godediensten. Amsterdam. Kampen. 1872. — Die bestat-
tung Karl des Grossen: die gewöhnlich geltenden ansichten seien
falsch. — Beil. zu nr. 137: des Celsus »wahres wort«: besprechung
zugleich der schrift von Th. Keim: Ȋlteste Streitschrift antiker
Weltanschauung gegen das Christenthum v. j. 178 n. Ch. 8. Zürich.
— Beil. zu nr. 138. 139: die spräche der Afghanen. — Beil. zu nr.
140: eine neue Übersetzung von Ovids Metamorphosen ; belobende an-
zeige der in Berlin jüngst erschienenen Übersetzung von TV. v. T.,
d. h. W. von Tippeiskirch, zugleich mit einem blick auf die älteste
von Georg Wickram aus Colmar in Mainz 1545 gedruckte. — Beil.
zu nr. 141. 142. 144: Stülpet, die entwicklung des gelehrten alter-
thums. 1. IL — Nr. 142. Die Lazaristen. — Die Universität Zü-
rich. — Beil. zu nr. 142: Wolfgang Menzel: nekrolog. — Notizen
über Waddington, bei gelegenheit seiner ernennung zum unterriuhts-
minister. — Nr. 144: das bevorstehende ende der dictatur im Reichs-
land. — Beil. zu nr. 144: antwort auf prof. Huber's »ethnographi-
sche berichtigungen«. — Ausserord. beil. zu nr. 145: assyrische ent-
deckungen: s. ob. p. 317. — Hermann -denkmal und seiue inschrift:
s. ob. p. 318.
JEphemeris epigraphica, corporis inscriptionum Latinarum supple-
mentum I, 1873, fasciculus quartus: p. 229 — 240: II. Jordan: de
Nr. 6. Auszüge aus Zeitschriften. 319
sacris quibusdam in hemerologio fratrum Arvalium commemoratis, über
das der Ops Opifera dargebrachte opfer, wonach bei Plin. N. H.
11, 1, 74 die auch der handschriftlichen Überlieferung entsprechende
lesart: Opi Opiferae herzustellen sei; über den tempel des Volca-
nus in circo Fluminio, auf den Cic. in Verr. 2, 61, 151 bezogen wird;
über den Zusammenhang der opfer am 23. august: Quir(ino) in colle
und Voik(ano) [in] comd(io) und über die gründungstage der tempel
überhaupt. — P. 241 — 254: Ditteti ber g er de tctucis Atticis ad res
Unmanus spectantibus n. 6 — 12: in Athen gefundene griechische in-
schritten, die vornehmen Römern dedicirt sind; von besonderem in-
teresse nr. 8, betreffend den aus Juvenal bekannten und für seine
Chronologie wichtigen consul d. j. 127 Aemilius Juncus, der hier als
prätorischer legat erscheint. Zugleich geht daraus hervor dass die
Wiederherstellung des in der inschriit erwähnten rathes der 500 vor
dem j. 126 durch Hadrian erfolgt sein muss. — P. 255—269: R.
Sc ho ene Felicis Feliciuni Veronctisis optuscuium ineditum : eine kleine
abhandlung, die in einer vaticanischen handschrift sich befindet, von
dem bekannten veronenser in.-chriftensammler Felix Felicianus, die
älteste anweisung die buchstaben nach dem muster der alten latei-
nischen inschriften zu formen. Beigefügt ist eine schon publicirte
ganz ähnliche etwas jüngere anweisung von Lucas Paciuolus, der un-
zweifelhaft die schritt des Felicianus gekannt und stark benutzt hat,
wie dann wieder Paciuolus dem A. Dürer nachweislich vorgelegen
hat; auf taf. 2 sind die iormen der buchstaben nach Felicianus, auf
tat". 3 einige nach Paciuolus und Dürer dargestellt. In der schrift
des Felicianus stehen am schluss einige anweisungen über behandlung
des papiers, bereitung von tinte und ähnliches. — P. 270 — 298:
Th. Mommsen obseruatioties epiyraphicue nr 13 — 15, behandelt zuerst
eine im jähr 1863 in Smyrna gefundene und von Bergmann und Gel-
zer veröffentlichte inschriit, die für die geschiente der könige von
Pontus in der frühen kaiserzeit von Wichtigkeit ist; Mommsen weist
nach, dass die in der inschriit genannte Autonia, die frau des Py-
thodorus und mutter der Pythodons , der frau des Polemo, die äl-
teste tochter des triumvir M. Antonius sei. Es schliessen sich
daran einige bemerkungen über Cleopatra tochter des Antonius
und der Cleopatra und frau des Juba und den könig von Cap-
padocien Archelaus. — P. 278 — 2y8 wird ein Senatusconsul-
tnm über die Thisbaeer aus d. j. 584 = 170 commentirt, das in
griechischer spräche abgefasst , vor etwa zehn jähren in Boeotien an
der stelle des alten Thisbae gefunden und von Foucart im vergange-
nen jähre in Paris publicirt ist. Das document ist von höchster
Wichtigkeit für die geschichte jener zeit und insbesondere für die
haltung Boeotiens im kriege gegen Perseus ; aus dem musterhaften
reichhaltigen commentar Mommsen's sei hier nur der nachweis her-
vorgehoben , dass Polyb. 27, 5, 3 statt Grjßas zu lesen sei: flioßug,
obgleich schon Livius (42, 46) bei Polybius die falsche lesart vorge-
funden hat. Ebenso ist Liv. 42, 63: lhebas in Thisbas zu verändern,
wodurch historische Widersprüche in seiner darstellung beseitigt wer-
den. Der text der inschrift ist auf taf. I in majuskeln publicirt.
[Vrgl. Philol. XXXIII, hett 3]. Den schluss des heltes (p. 299—315)
bilden ausführliche indices zu dem ersten bände der Ephemeris.
Gottingische gelehrte unzeigen, 1873, st. 6: Conti popotari veneziani
raccnlti da Dom. G. Bernoni. Veneziu: anzeige von Liebrecht: an-
knüpfungspunkte an das alterthum werden nicht hervorgehoben. —
De JErasmi Roterodami siudäs irenicis. Dtss. . . , defendet PA. Wo-
her. Faderborn. 1872: anzeige von L. Geiger. — Emil Knorr,
entstehung und entwicklung der geistlichen Schauspiele in Deutsch-
320 Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 6,
land und das passionsspiel in Ober -Ammergau. Leipzig 1872: an-
zeige von E. Wilken, mit rechtfertigungen seiner eignen schrift über
diesen gegenständ. — St. 7: D. Franc. Garcia Ayuso, el studio de
la filologia en su relation con el sanskrit. 8. Madrid. 1871: enthält
nach dem ref. Jolly eine art encyclopädie der Sprachwissenschaft:
wird sehr empfohlen. — St. 3 : Dissertation critique sur le poeine La-
tin du Ligurinus, attribue ä Günther, par G. Paris. 8. Paris 1872:
ausführliehe anzeige von Pannenborg : vrgl. Phil. Anz. II, n. 5, p. 266
flcr. — St. 9 : griechische reliefs aus athenischen Sammlungen , her-
ausgegeben von Richard Schöne. Leipzig. 1872: ausführliche anzeige von
Fr. Matz. — St. 10 : Anselm der Peripatetiker nebst andern beitragen
zur literaturgeschichte Italiens im 11. Jahrhundert, herausgegeben
von E. Dümmler. 8. Halle. 1872: eingehende anzeige von Dr Pan-
nenborg. — Des Anicius Manlius Severinus Boetius fünf bücher über
die musik aus der lateinischen in die deutsche spräche übertragen
und mit besonderer berücksichtigung der griechischen harmonik sach-
lich erläutert von Oscar Paul. 8. Lpzg. 1872: beachtenswerthe an-
zeige von E. Krüger, der zunächst zeigt, wie lückenhaft unser wis-
sen von der alten musik sei, dann fehler in der Übersetzung nach-
weist, endlich die erklärung bespricht und auch hier manches be-
richtigt [s. ob. p. 278]. — St. 13: die religiösen, politischen und
socialen ideen der asiatischen culturvölker und der Aegypter in ihrer
entwicklung dargestellt von Carl Twesten. Herausgegeben von prof.
Dr M. Lazarus. 8. Berlin: Dümmler. 1872: anzeige von H. E., der
sehr viel auszusetzen findet und namentlich den einfluss der Aegyp-
ter auf Mose's gesetzgebung verwirft. — L'empire grec au dixieme
siede. Constantin Porphyrogenete par Alfred Ramb aud. 8. Paris.
1870 : anzeige von F. Hirsch , der den guten willen des vfs zwar
anerkennt, die leistung im ganzen aber als eine schwache bezeichnet.
Die pädagogik des Johannes Sturm historisch und kritisch be-
leuchtet von Ernst Laas, bd. I. Berlin. Weidmann ; anerkennende
anzeige von L. Geiger. — St. 14: Lettres assyriologiques ; seconde Se-
rie. Etudes Accadiennes par Fr. L enormant. 2 voll. 8. Paris.
1873: und: Essai sur la propagation de l 'aiphabet phenicien dans fan-
den monde par Fr. L enormant. Developpement d'un memoire cou-
ronnee par Vacademie des Inscriptions et belies lettres. T. I. Livr. 8.
Paris. 1872: anzeige von H. E., der die Untersuchungen des vfs im
erstem werke sehr anerkennt und andeutet, wie auf ihnen weiter zu
bauen sei: das zweite werk ist auf fünf bände berechnet, so dass man
ietzt noch nicht viel von ihm sagen kann. — Sulla ricostiluzione
della scuola di paleograßa ed arte critica diplomatica negli archivi di
stato di Torin o cenni storici e proposto di Gau denzio Claretta. 8.
Firenze. 1872: anzeige von Fl. Tortuul, die zwar wie das buch nicht
eigentlich philologischen inhalts ist, aber vielfache berührungspunkte
bietet und allgemeines interesse in ansprach nimmt. — St. 16: Rap-
port sur une mission archeologique dans le Temen, par M. Joseph Ha-
levy. 8. Paris. 1872: anzzeige von H. E. — St. 17: die einheit
des menschengeschlechts. Anthropologische studien von P. M. Rauch.
8. Augsburg: ausführliche besprechung von H. Ihering. — Des Clau-
dius Rutilius Namatianus heimkehr übersetzt und erläutert von Ita-
sius Lemniacus. 8. Berlin. 1872: anzeige von H. Sauppc, der Al-
fred von Reumont als den Übersetzer und herausgeber belobt.
Nachrichten von der kbn. gesellsch. der wiss. zu Göttingen 1873. nr.
3: J. B. Listing, über unsre jetzige kenntniss der gestalt und grosse
der erde: vrgl.' Philol. XXXI, p. 698 flgg.
ffr. 7. Mi 1873.
Philologischer Anzeiger.
Herausgegeben als ergänzung des Philo-logus
von
Ernst von Leutsch.
178. Die rhetorik der Griechen und Römer in systemati-
scher Übersicht. Von Richard Volkmann. Berlin. 1872,
Ebeling et Plahn. 8. VI und 505 s. — 3 thlr. 18 ngr.
In vorliegendem werke des bekannten forschers über rhe-
torik erhalten wir nicht etwa eine neue aufläge, sondern eine
vollständige Umarbeitung des 1865 von ihm erschienenen : ,,Her-
magoras oder demente der rhetorik", wie auch der titel selbst
ein anderer und das neue buch fast um die halfte stärker ge-
worden ist als das alte. Nach der vorrede beabsichtigte der
vf. ursprünglich diesem systematischen theile eine historische
darstellung der entwicklung der rhetorik beizufügen, fand aber
alsdann, dass dies besser für ein besondres werk aufgespart
bleibe, welches hoffentlich in nicht zu langer zeit erscheinen
wird. Immerhin ist schon jetzt der historischen entwickelung
der einzelnen lehren eine weit grössere aufmerksamkeit gewid-
met als in dem früheren werke. In der anläge im grossen und
ganzen konnte keine änderung eintreten, aber schon die ein-
zelnen paragraphen beider bücher decken sich keineswegs, und
so viel sich auch wörtlich übereinstimmendes findet, so sind
doch auf jeder seite grosse und kleine änderungen, zusätze, Um-
stellungen angebracht, und somit der besitz der „rhetorik" für
jeden der sich mit diesen Studien beschäftigt auch neben dem
„Hermagoras" eine unerlässlicbe nothwendigkeit.
Bei der massenhaftigkeit des materials kann es ja freilich
nicht fehlen, dass auch jetzt noch manches zu bessern, manches
zuzusetzen wäre, und die so ausserordentliche Unzulänglichkeit
unsrer Überlieferung bringt es mit sich, dass über viele punkte eine
andre ansieht als die des vf.'s möglich ist. Zum beleg dafür will
Philol. Anz. V. 21
322 178. Ehetorik. Nr. 7.
ich im folgenden auf einiges derartige hinweisen. — Ueber den
begriff no)uzixog Xöyog (p. 5 vgl. 477) konnte hinzugefügt wer-
den dass derselbe schon bei Isokrates sich findet, so adv. Soph. 9,
20 im gegensatz zu den egideg; vgl. Euag. 10 zäv ovoftdtap
zoTg nnXizwoig gegensatz %fa'oig, xaivoig, fAeraqiOQaig. „Staats-
rede" heisst der ausdruck allerdings Antid. 46, wo die in je-
nen stellen mit eingeschlossenen gerichtsreden den nolm-Aol
xal 'EXXrjvixol löyoi vielmehr entgegenstehen. — Die defini-
tion der rhetorik als nsidovg s n ta z t) ny , die Sextus Empiri-
cus dem Isokrates beilegt (s. p. 6) , kann von diesem nicht
sein; denn er geht im gegensatz zu der angeblichen miaz/tfjijj
der dialektiker nur auf hervorbringung richtiger 861~ai aus und
nimmt auch für sich nicht mehr in anspruch : Antid. 184 tw
l*et> yag sldevai nsQilaßHv avzovg (zovg xaigovg) ov% oiöv t'
iözif in\ yao anävzmv zäv ngay^ccTav diaqisvyovai tag eniffzt]-
fiag. — Nach §. 9 hätte Isokrates so wenig wie Anaximenes
die epideiktische beredsamkeit in den kreis seiner betrachtung
gezogen, was vielmehr erst Aristoteles gethan: wie ist das möglich,
wo er selbst fremde enkomien kritisirte (Busiris uud Helena) und
eigne als muster daneben stellte ? — P. 16 wird dem Dionysios
der ausdruck naqaantvi] zugeschrieben, „wofür die alten evgeatg
sagten". Aber auch Dionysios gebraucht die bezeichnung ev-
Qsaig, z. bsp. Lys. 16. — P. 25 sucht Volkmann die lehre
von den atdasig als vor Isokrates aufgestellt zu erweisen, mei-
ner meinung nach nicht mit erfolg , und er selbst bezeichnet
p. 31 als richtig die bemerkung Spengel's: Aristotelis aetate
ozaostg nondum erant a praeceptoribus compositae et digestae, res
ipsae vero dudum usitatae. Gewiss war alles längst in der pra-
xi9 da — dies und nicht mehr beweist auch das vom vf. p. 32
angezogene beispiel der rede gegen Agoratos — ; aber die aus-
bildung der theorie erforderte erstlich mehr philosophische bil-
dung als sie das Zeitalter vor Isokrates hatte, und zweitens
müssten dann doch bei Aristoteles und Anaximenes sich spuren
davon finden. Volkmann stützt sich darauf, dass die statuslehre
nur auf das genus iudiciale passe , gleichwohl aber allgemein für
alle drei genera aufgestellt würde, was sich nur so erkläre, dass
sie erfunden wurde zu einer zeit wo die techuiker sich auf die
gerichtsrede beschränkten, also vor Isokrates. Mir scheint dies
durchaus nicht zwingend; die gerichtsrede blieb auch nachher
Nr. 7. 178. Rhetorik. 323
die hauptsache für die techniker, und Volkmann sagt selber (p.
26) , es ergäbe sich dass die lehre nur durch Unachtsamkeit oder
verkehrtes streben nach analogie auf die beiden andern genera
übertragen sei. — P. 86 ist die wiedergäbe von Aristoteles
ansichten über die theile der rede nicht richtig. Jener sagt (III,
13, p. 148 Sp.), dass prothesis und beweis die nothwendigen, pro-
oemion, prothesis, beweis, epilog die gewöhnlichen theile seien ;
wenn hier die erzahlung fehlt, so ist das sicher schuld der
Überlieferung. Die rhetoren aber zu Aristoteles zeit stellten
nicht etwa, wie Volkmann sagt, diese vier oder fünf theile auf,
sondern noch andre dazu, die Aristoteles zurückweist: ja ngog
70v atTidiHOv, inävoöog , avTinaqaßolr\. — Die vm-^aiosaig als
redetheil fp. 87) , muss mit ia nobs rbv üvzidtxov identisch
sein ; wenn Fortunatian sie als ein verschweigen definirt, so ge-
hört doch ein solches nie unter die redetheile. — Ein dichter-
citat (p. 290) auch bei Lysias frg. 182. — Beim epilog p.
213 ff. war die erwähnte ävTinagaßoh'] nicht zu übergehen
(Arist. Rh. HI, 13, 19), d. h. die vergleichende gegenüberstellung
der eignen und der gegnerischen rechtsgründe ; beispiel Jsae. 7,
43. — P. 223 widerspricht Volkmann der bemerkung des Quin-
tilian, dass nu&og und rt&og bisweilen nur graduell verschieden
seien, ut amor nü&og, Caritas tjöog; nach Volkmann ist der un-
terschied stets generell. Aber als was soll man denn die Caritas,
oder die 8tä&8Gig nartQwv ngbg rovg Tvaldag nach Anonym. Seg.
(p. 225), anders bezeichnen, denn als ethos? und wiederum ist
es klar dass der ausdruck dieser Caritas nach umständen leicht
pathetisch wird, z. b. bei Isaeus in der zweiten rede und sonst. —
Bei der paronomasie (p. 408) wird nach Quintilian referirt, dass
sie fehlerhaft sei wenn die pointe auf eine Verschiedenheit der
quantität hinauslaufe, z. b. amari iucundum est si curatur ne quid
insit amari. Hier ist aber gleiche quantität, und Quintilian (IX, 3,
69) sagt vielmehr: aliter quoque voces aut eaedem diversa in
significatione ponuntur aut productione tantum vel correptione mu-
tatae, quod etiam in iocis frigidum e. q. s,, und dann das bei-
spiel. — In der stelle des Theophrast über die antithesen (p.
413 f. s. Dionys. Lys. 14) ist alles in richtigkeit , sowie man
tovifov statt bloss auf die antithesen, mit denen das erhaltene
beginnt, auf die gorgianischen figuren im allgemeinen bezieht,
indem von parisa und paromoia (tu ioov xat tu o [aoiov) vorher
21*
324 178. Rhetorik. Nr. 7.
die rede gewesen sein wird. Diese beiden figuren tadelt nun
Tbeophrast, während er die antithese gelobt haben wird, gleich
Aristoteles. Dass im zweiten theile des fragments, nach tov-
703V ds, an antithesen nicht gedacht wird, geht daraus hervor,
dass die angezogenen beispiele keine einzige solche enthalten. —
P. 454 f. sucht Volkmann die lehre von den drei stilarten, wie
sie Theophrast aufgestellt, auf die Isokrateer zurückzuführen,
dem Theophrast aber die aufstellung des begriffs der deivorTjg
als einer angemessenen benutzung von allen dreien beizulegen,
und zwar habe schon dieser den Demosthenes als Vertreter der
dsivoTTjg hingestellt. Davon bin icb keineswegs überzeugt: bei
Aristoteles wird nur deshalb Demosthenes ignorirt, weil er nicht
die eigentliche kunstmässige Xe^ig , die ygacpixi], sondern die
aymviatiy.1] vertritt, und darin mochte allerdings Theophrast
seinem lehrer gefolgt sein. Für die ygacpmi] li£,tg ist auch die
lehre von den drei ^agayzrjgsg ursprünglich allein aufgestellt,
und dafür passte sie zu Theophrast's zeit so gut wie vorher,
da sich hier nach Isokrates nichts neues entwickelte. Uebrigens
hätte Volkmann den unterschied in der auffassung des ptaog
%uQaxTt'jQ, der sich zwischen Dionysios und Cicero zeigt, deut-
licher hervorheben müssen ; jenem ist es eine blosse mischung,
le%ig (xtxrr) xul auvOszog in tö>v Svbip (de Demosth. 3) , diesem
ist das medium genus ein floridum und seine besondre Wirkung
das delectare. Dass übrigens Dionysios' lehre von der dreifa-
chen art der composition zu der von den Stilgattungen nicht passt
ist nicht so wunderbar, wie der vf. p. 460 meint: dem ^«y«x-
7rjQ l<s%v6g des Lysias ist auch das eigentümlich , dass seine
composition scheinbar gar nicht künstlich ist , also unter keine
der drei arten fällt. Vgl. meine Attische bereds. p. 386. —
Noch erwähne ich, dass bei der anführuug meiner ansieht über
die zeit des isokratischen Euagoras (p. 275 anm.) ein druck-
fehler sich eingeschlichen hat: nicht nach der Antidosis, son-
dern vor derselben muss jene rede verfasst sein.
Mit obigen bemerkungen wollte unterzeichneter auch seiner-
seits kleine beitrage zur sache liefern ; mit dem urtheil über
des vf.'s werk haben sie nichts zu thun. Möge letzteres über-
all die verdiente anerkennung und das wünschenswerthe Stu-
dium finden.
F. Bloss.
Nr. 7. 179. Aristophanes. 325
179. De scaena Acharnensium Aristophanis , quae paro-
dum sequitur. Vor dem index lectionum der berliner Univer-
sität im winter - semester 1872/73.
Die bedeutung dieser abhandlung von Moritz Haupt
liegt weniger in den einzelnen , wenngleich immer werthvollen,
so doch nicht immer ganz neuen ermittelungen, als vielmehr in
der allgemeinen grundanschauung vom wesen der attischen
bühne , von welcher die ganze schrift getragen wird , und in
dem wege der Untersuchung, den sie betritt.
Seit dem tode Gr. Hermanns gewinnt auf dem gebiete der
scenischen alterthümer die richtung unter den forschem mehr
und mehr an geltung, welche von modernen Verhältnissen aus-
gehend eine möglichst grosse anwendung macht von äusseren
darstellungsmitteln bei der aufführung griechischer dramen. Der
einzig dastehenden idealität der antiken tragödie und komödie,
die erhaben sind über räum und zeit, wird fast gar keine rech-
nung getragen, sondern alles auf die „illusion" der Zuschauer
und ihre äugen, nichts auf ihre dem dichter willig folgende
phantasie berechnet. Wir erinnern den leser nur an die pro-
legomena von Julius Richter vor seinen ausgaben der Wespen
und des Friedens, in welchen die eben bezeichnete ansieht of-
fen ausgesprochen und vertreten wird. Hoffen wir, dass die-
ser dem hellenischen geist widerstrebenden richtung durch den
vorliegenden aufsatz Haupts ein dämm entgegengesetzt werde.
Es sind aber die beiden wichtigsten grundsätze, welche aus
Haupts erörterungen hervorleuchten, folgende: 1) nihil fere fit in
Graecorum tragoediis comoediisque , quin fieri simul iudicetur ora-
tione, und 2) tarn efficax erat poetarum oratio ac veluti regnabat,
ut plane ei parerent epeetatores crederentque quae dici audiebant,
etiamsi adparatui multa ad veritatis imitationem deessent (p. 5).
Die scene in den Acharnern nach der parodos hat den
gelehrten darum so grosse Schwierigkeiten hinsichtlich der er-
klärung bereitet, weil wir in ihr Dikaeopolis auf dem lande
die Dionysien feiern sehen (wie aus vs. 250 rä xaz1 äygovg
Aiovvaiu. und namentlich aus den Worten des Dikaeopolis 267
ig zov S?inov sl&cov unzweifelhaft hervorgeht), während die ko-
mödie sonst ganz und gar in der Stadt spielt, das proskenion
die städtischen häuser des Dikaeopolis, Euripides und Lama-
chos darstellt, ja Dikaeopolis bei vs. 201 f. mit dem aussprach:
326 179. Aristophanes. Nr. 7.
eyco 8s noXtpov xal xaymv anallaysig
«£oj t« x«r' dygovg eloicov diovvam,
in dieses sein haus eingetreten war , aus welchem er nunmehr
vs. 237 herauskommt und sich plötzlich auf seinem landgut
befindet. Denn dass tlaicov 202 nichts anderes als domum in-
trans bedeuten könne, müssen wir Haupt glauben. Wir bemerken
bei dieser veranlassung, dass hiernach Ernst Droysen in seiner bon-
ner dissertation v. j. 1868 Quaestiones de Aristophanis re scaenica bei
gelegenheit der von ihm veranstalteten und im übrigen recht nütz-
lichen Zusammenstellung des gebrauchs der ausdrücke slatt'rai,
slaiQXEG&ai, E&Qxta&ai, sioäyeiv, slacpsQstv url. bei Aristophanes
keine Ursache hatte an unserer stelle eine abweichung von der
gewöhnlichen bedeutung des wortes slaiivai zu statuiren, und kein
recht dazu p. 10 folgendermassen zu übersetzen: domum (i. e.
rus) ibo ibique Dionysia agam. Auch möchten wir noch warnen
sich von der conjectur J. M. v. Gent's in der Mnemosyne III,
p. 234 iatimv statt tlaiuiv bestechen zu lassen. — Das beregte
scenische problem hat man nun bald durch die annähme, Di-
caeopolis feiere die ländlichen Dionysien ausnahmsweise wegen
des krieges in der Stadt (Schönborn), oder die bühne stelle
stadt und land zugleich vor (Böckh), oder (was Haupt unbe-
rücksichtigt lässt) es finde decorationswechsel statt (Geppert,
E. Droysen) zu lösen gesucht: annahmen, welche alle viel be-
deutendere Unzulänglichkeiten herbeiführen , als die vorgeblich
gelöste ist. Haupt löst das räthsel höchst einfach und natür-
lich, indem er sagt: statuendum est, Aristophanem a spectatoribus
postulasse ut crederent, se quae ruri fierent audire et videre , satis
admoniti Mio quod Dicaeopolis dicit eazq) a hei noooHnov ig
top öijfiov iX&tov äafierog, pariterque ut mox in urbe se esse cre-
derent neque anxie omnia inter se conpararent. Freilich wird da-
mit manchem der knoten nicht entwirrt sondern zerhauen zu
sein scheinen, aber nur demjenigen, welcher niemals unbefan-
genen sinnes die zahlreichen beispiele beim komiker beachtet
hat, in denen die gleiche credulitas } wie Haupt sich ausdrückt,
vom publikum gebieterisch gefordert wird. Haupt erwähnt p.
5. 6. 9 einige derselben. Auf das wort des dichters glauben
die Zuschauer zu anfang der Wolken (und — können wir hin-
zufügen — auch der Wespen, Ekklesiazusen und der Lysi-
strata) dass nacht sei, während die bühne von heller sonne
Nr. 7. 179. Aristophanes. 327
beschienen wird. Bei der an unserer stelle der Ächarner stattfin-
denden phallischen procession wird die tochter vs. 257 f. er-
mahnt auf ihre goldenen Schmucksachen zu achten, damit die-
selben ihr nicht in dem grossen gedränge gestohlen würden:
in Wirklichkeit hat gar kein gedränge statt, und der ganze fest-
zug besteht aus Dikaeopolis , seiner tochter und zwei sklaven.
Wir wollen hier zu den von Haupt beigebrachten fällen einige
hinzufügen, welche gleichfalls darthun, wie viel der einbildungs-
kraft des zubörers zugemuthet wird, und wie gerade die pointe
in vielen stellen des dichters verloren geht, wenn wir ohne
jene rechnen und alles eigentlich und sinnlich verstehen. Wenn
Dikaeopolis im beginn unseres stücks vs. 41 von dem drängen
und stossen der zur ekklesia strömenden bürger spricht:
ovk TjyoQsvov; zoT^' ixsh1 ovyoo 'Xsyov
slg T7jv TTQOsÖQiav nÖig uvtjq oöözi^etai,
so hat man durchaus keine berechtigung an einen so gar grossen
schwärm die bühne überfluthender Statisten zu denken, sondern
auch hier trifft das zu, was Haupt p. 9 mit rücksicht auf die
vorhin besprochene stelle anmerkt: atque omnino Aristophanes ex
ficta pompae magnificentia eorumque quae solemniter fiebant irnita-
tione ridicula captavit. Im Frieden wird dem diener von Try-
gaeos geboten vs. 962 roig dsazatg gims läv xoi&mv. Hier
wird dem witz die spitze abgebrochen , wenn wir anneh-
men, der diener habe wirklich gerste in den zuschaueraum ge-
streut. Vielmehr ist der Vorgang folgender. Auf jenen befehl
des Trygaeos thut der diener nichts oder macht nur die ent-
sprechende handbewegung , ohne in Wahrheit zu werfen , und
sagt gleichwohl: iöov. Ueber sein benehmen verwundert fragt
Trygaeos: eScoxag qdq ; Ja wohl, antwortet der diener und
weist Trygaeos auf den männlichen samen hin, den er obscön
rmv &E03(xh(üv xgt&ij nennt. Denn = aneofia ist xoi&tj, nicht
= aldoiov tööv avdomv, wie der scholiast will. Ebenso ist na-
türlich auch das 971 erwähnte vöcog z o a ov tovi in Wirklich-
keit keines und wird in ironischer weise vom diener also be-
zeichnet. Auch die Schrecknisse, welche Dionysos und Xanthias
beim eintritt in die unterweit in den Fröschen erblicken, der
axotog aal ßogßogog vs. 273 und namentlich die "E^inovaa 293
sind nichts als phantasiegebilde, und gänzlich verkehrt ist hier
Fritzsche's note zu vs. 290: ceterum mihi item ut Beckio placet
328 180. Plutarchos. Nr. 7.
non mentitum esse Xanthiam, sed potius machinae cuiusdam ope
tale quiddam in scena exliibitum, quod in varias formas mutari vi-
deretur. Erscheint etwa, wenn „ der herr der ratten und der
mause, der fliegeu, frösche, wanzen, lause" eine ratte herbeiruft
um das pentagramma anf der schwelle zu Fausts studirzimmer
fortzunagen, auf unseren bei weitem realistischeren bühnen wirk-
lich eine solche? Diese beispiele entsprechen genau den von
Haupt angeführten, und es wäre dankenswerth , wenn jemand
eine zusammenfassende beurtheilung aller hierher gehörigen un-
ternehmen wollte. Vgl. dazu auch Woldemar Ribbeck zu Ar.
Ritter p. 14 anm. 42, p. 239 u. 299, Acharner p. 205.
Die übrigen einzelnen bemerkungen Haupts sind theils
exegetischer theils kritischer natur. Zur ersten klasse ge-
hört die Übersetzung von drädog 245 mit porrige im gegen-
satz zu einer irrthümlichen auffassung Elmsleys, ferner die er-
klärung von xarayiyaQztcsai 275 p. 8: figurate dicitur xatayi-
yaotiaai quod Latinis est conprimere , estque illud verbum ad eam
tov yiyuQzov significationem referendum, qua non acini nucleum de-
notat sed massam expressarum uvarum. Hinsichts der zweiten klasse
trifft Haupt meist mit andern kritikern wenigstens zum theil zu-
sammen; so mit Fr. A. Wolf, wenn er vs. 242 noowco'g z6
ngoa&sv liest anstatt nooid* ig zo nQna&sp bei Bergk und
Meineke; so mit Dobree in der allerdings fast in Vergessenheit
gerathenen Umstellung des verses 203 hinter 200. Auch bei
gelegenheit der Umstellung von vs. 244 — 246 hinter vs. 275,
die Haupt vornimmt, stimmt er theilweise Hamaker zu. Doch
ist der unterschied zwischen Haupt und seinen Vorgängern in
diesem wie im vorigen fall im einzelnen noch immer ein recht
beträchtlicher. R. A.
180. Plutarchi Chaeronensis Moralia ex recensione. R.
Her eher i. Vol. I. 8min. Lips. Teubner. 1872. — 18 ngr.
Hercher verweist in der in wunderlichem latein geschriebenen
Vorrede dieses bandes auf eine grössere ausgäbe der Moralia Plu-
tarchs, in der er die lesarten der handschriften die er seiner re-
cension zu gründe gelegt, genau angeben wird ; vor der band
hat er die lesarten der von ihm bevorzugten Codices, sowie seine
und auch anderer plutarchischen forscher emendationen ohne
angäbe der gründe und quellen in den text aufgenommen. In
Nr. 7. 180. Plutarchos. 329
folge dieses Verfahrens lässt sich jetzt kaum ermitteln, ob diese
ausgäbe einen wirklichen fortschritt in der Plutarchliteratur
bezeichnet oder nicht — denn bei allen ihren Vorzügen bie-
tet sie dem sie mit vergleichung anderer bis jetzt als gut an-
erkannter Plutarchausgaben lesenden des räthselhaften so viel,
dass er sie nicht eher zu gebrauchen den muth haben wird,
als bis er jene grössere ausgäbe mit dem rechenschaftsbericht
kennen gelernt hat , von deren erscheinen wir wünschen, dass
es sich nicht allzu lange verzögere. Um ein vorläufiges ur-
theil zu gewinnen habe ich die scbrift de adulatore et amico,
wie sie Hercher bietet , genau mit andern ausgaben verglichen.
Zur sache selbst übergehend muss ich wohl zunächst die
coosequenz Hercher's hervorheben, mit welcher er eine einmal
von ihm als richtig angenommene Schreibweise mancher Wörter
durchführt. So lesen wir z. b. neunzehnmal formen der verba
yiyvsa&ui und yiyvwGxeir, die sonst bei Plutarch immer in der
form yhsadai und yircoaxeiv erschienen, in ersterer weise ge-
schrieben; allein es scheint doch bedenklich, diese formen so
ohne weiteres zu adoptiren und die bis jetzt gebräuchlichen dem
Zeitalter des Plutarch bei weitem angemesseneren, ohne weitres zu
entfernen; in allen älteren ausgaben vor Hercher's ausgäbe, die
mir zur band waren, im Hütten, in der Didotschen und Tauch-
nitzischen ausgäbe steht yhea&ui ; auch in den meisten ausga-
ben der Vitae, so auch in der neuesten von Blass; wie man
z. b. im Themistocl. II, 1. II, 5. Aristid. I, 2. XXIV, 4 und a.
a. o. mehr sehen kann ; allerdings hat auch Hercher in seiner
textausgabe des Aristides und Cato major yiyvo^ai geschrie-
ben, z. b. p. 22, 8. Dieser, wie gesagt, ganz consequent durch-
geführten änderung in der bis jetzt gebräuchlichen Schreibweise
steht eine andere zur seite, welche die formen des verbum
xaico betrifft ; hier schreibt Hercher auf einmal die altattische form
xat», s. p. 139, 1 und 165, 10; ferner ist bei Hercher stets
die form u^Qi zu finden (118, 24. 159, 7), während bis jetzt
äxQi und a%Qig abwechselten; so steht z. b. bei Sintenis im
Aristid. X, 4 uiqiq und Hercher schreibt an derselben stelle
aXQi in seiner ausgäbe; diese änderungen sowohl, als auch die
nun noch zu besprechenden könnten doch den verdacht rege
machen, dass Hercher unseren Boeoter Plutarch jetzt noch zu
einem attischen schriftsteiler stempeln wolle ; zu dieser an-
330 180. Plutarchos. Nr. 7.
nähme führt z. b. die Schreibweise der worte bmaviov statt 6n-
ravslov (116,8), 'EnafisivmvSag statt der bis jetzt allgemein bei
Plutarch gebräuchlichen 'Enafiivoovdug (120, 26), der accusativ
plural. von ßaailsvg in der form zovg ßaaiXmg statt ßaaiXeig
(p. 134, 4) ; bis jetzt waren beide formen nebeneinander zu fin«
den z. b. im IV. bände der Sintenis'schen textausgabe der
Vitae: rovg ßaaiUlq 7, 32. 109, 5. 113, 2. 116, 30. 117, 20
und 26; ebenso zovg inmlg ibid. 99, 18. 141, 31. 145, 32.
319, 13. 321, 17. 343, 6 u. s. f.: dagegen zoxsccg III, 72,
14, innmg III, 35, 21, daneben achtmal innüg, wie im II b.
zweimal ßaadslg , im Illten viermal; zu dieser kategorie ge-
hören ferner ä&q>ov statt a&aov 153, 9 — ixxadijgai statt des
späteren ixxu&äQat 147, 21 — dann schreibt Hercher stets pa-
Xctxßofiai statt der form [iaX&axi£o[iai, so 141, 16 und fiaXa^v
statt mit & 135, 23; — bei dem wort äßelr^gCa ist die form
äßeXTsgta vorgezogen, 134, 23. 151, 2. 166, 21 — auch für
impeXsia&ai die sniptiXea&ai 163, 16: statt &agasco liebt er
öaggioa, 157, 24 und 26: alle diese änderungen, so äusserlich
t und nebensächlich sie auch erscheinen, machen nur den eindruck
des gesuchten atticismus. — Konnten wir hier also entweder
gar nicht oder doch nur nicht in der consequenz beistimmen,
so müssen wir dagegen als sehr anzuerkennende probe von con-
sequenter befolgung einmal für richtig erkannter Schreibweise
hervorheben, dass Hercher apostrophirt, wo sonst ein, aller-
dings erlaubter, hiat entstehen würde; so bei ovSe vierzehn-
mal, bei 8s 37, bei fitjts 7, bei ovrs 5, bei rovto 2, bei mats,
Iva, javia je einmal. — Die form der krasis wendet er bei
Tavavrla, raXXa, xavtd je einmal an; für idv schreibt er stets
a», warum denn? 127, 25. 139,6. 152, 17. 155, 8. 161,13 —
ovzco schreibt er vor consonanten, obgleich auch da sich oft
ovTcog in älteren ausgaben fand, 113, 16. 137, 7. 140, 1. —
Weniger consequent will es mir erscheinen, wenn Hercher
153, 17 hvtivaovv und gleich darauf 154, 25 rjvtirovv schrieb;
warum nicht auch hier tjvtipaovv oder oben bvtivovv, da diese
form auch gebräuchlich ist. — Als ein nicht geringes verdienst
erkennen wir ferner an, dass Hercher in der bisher besproche-
nen schrift an mehr denn zehn stellen durch richtige inter-
punction den text theils verständlicher gemacht, theils aber
auch geradezu verbessert hat. Wenden wir uns nun zu
Nr. 7. 180. Plutarchos. 331
den anderen änderungen in dieser ausgäbe , so bemerken wir
zuerst einige Verbesserungen an solchen stellen, die Plutarch in
seinen text als fremdes eigenthum aufnahm ; so z. b. p. 113,
15 gestützt auf Bergk Poet. lyr. 1122, 15 (Hercher schreibt 3)
innozQoq(av ov Zuxvi&m für Xuxv&q> — p. 114, 19 nd.g ö' avry
Xäoizeg statt nuou <5' avzft nach Hesiod. — p.116, 1 ov nvg ov
aidugo^ nach einem fragment des Eupolis statt aidrjoog und
dergleichen mehr. Vielfache textesänderungen hat Hercher durch
Umstellungen herbeigeführt: so p. 123, 27 tm xugxttcp /aüXXov
7J zw xoXaxi statt zco xöXuxi tj zw xagxivcp. — 126, 6 zglxpag
ixaietv statt ixmsiv zgi'xpag. — 133 , 10 6 ydg edoug eixmv
statt ö ydg eixeop sdgag. — 135, 20 gonaXov ov azißagov xo-
fit^cov statt gvnaXov xofit^cov ov azißagov. — 137, 9 ua^n/xs-
vot xai tffzogiag statt xai lazoglag fxa^ö/xsvot. — 145, 22 xai
xgavyr/v xai 8ta8gn^/jv statt xai 8ia8gofxt]v xai xgavyrjv. —
ibid. 30 fisydla nu&rj statt nd&rj fttf'dXtt. — 153, 16 zig iariv
ovzog statt zig ovzög iariv. — 160, 27 „ab Ö' ovx o.ueivovu elnev
„lnoii](sag avil statt ab 8s Einer ovx aftetvov dv E7zoirjaag. —
169, 6 oacp fif'ytarov xai xgdziazöv iaztv statt oaq> fx?yiaz6v tan
xai xgdziazöv. — Daran reihen wir Verstärkungen einzelner
verba durch composition mit praepositionen : 132, 27 dnodexö-
UEvog. — 137 10 an ozvunaviQovzog. — 139, 28 ngoas nßa-
Xovzsg und 168, 3 u so tazausrovg. Und umgekehrt, Verein-
fachung von verbis compositis durch weglassung von präpositio-
nen: 129, 18 'lagd^sig statt iy%agd%ug. — 132, 17, xsXsiaag
statt nagaxsXsvaag. — 133, 18 vne^iazdusvoi statt vns^aviazd-
ftsvoi. — 134, 2 nvv&avousvov statt 8ianvpüuvo/xEvov. — 139,
9 slaops'govaa statt inEieqtegovaa. — 140, 26 qpgovovvzi statt aco-
opgovovvzi, (gehört eigentlich nicht hierher). — 148, 25 egyu-
arjzai statt E^sgydar^zai. — 155, 15 avviazdvza statt cvvavi-
azdvza. — 164, 25 nagaßdXco^iEv statt di'ztnagaßdXwusv.
Zahlreicher sind die stellen, an denen Hercher ein oder
zwei Wörter eingeschoben hat, womit wir uns, vorausgesetzt, dass
diese einschiebsei eben auf festem boden stehen, ganz einver-
standen erklären, da in der that der sinn der sätze dadurch
bedeutend verbessert oder der text in richtigerem griechisch her-
gestellt wurde: so p. 112, 18: sl de 8sj üeiov. — 116, 8: ovo'
dXiaxszcu axidr xazafiszgöjv ztjv im zo deinvov. — 122, 22:
ovzcag ixeivog dxgaaiag ytyvszai fiifiTjztjg. — 125, 13: i) ov
332 180. Plutarchos. Nr. 7.
8rjXov. — 138, 14: 6 x6Xa% zäv nXovaicov zivd tov dvsXsv&e-
gmzazov. — ibid. 23: xal navovgyov xal cpvXdzzsG&ai. — 139,
8: ndgsGziv sv&vg fiszd naggqGiag. — 140, 24: Ttagaxivsl
xal xoiXiav iysigsi. — 148, 19: zovg dXq&ivobg ä X sxzgv 6 v ag.
• — 149, 1: 8 i.8kg 7i oj v ozt. — ibid. 7: ngoGxvvovixsvov xal
xazaGzoXi^bfisvov xal dvanXazzöpiEvov. — 154,3: ro etii8e-
%iov xal 70 aGtsiov. — ibid. 9 : iv ipov gv zavza ßiXziov slSrjg
— 163, 25: dvsXsiv zbv naziga xal z a%v fi szay v övz o g. —
165, 1: rö sTt'govg iivaivslv. — ibid. 29: mansg iargog Sgtpv
fi 8 v qidguaxov.
Andrerseits versuchte Hercher durch weglas sun gen ein-
zelner Wörter eine bessere textesbeschaffenheit an folgenden stellen
herzustellen: 112, 14: 6 ydg ... iazi [xal) 8t' svvciav. — 116,2:
oiiSe zag iv Kvjrgq) (ydg). — 117, 16: ^aigsiv (z e) zoTg avzolg.
— 118, 14: 8id&EG xv (z s) xai. — 123, 11: tuninrovzEg (f) dX-
XtjXoiv. — 126, 10: fisyaXvvoov (dsl) xai, — ibid. 17: av ndXiv
EJtiGTQOCprjg Suzai (xai), — 129, 16: xal (paXdgiSog ojfiözqza fxiGO-
novqgiav {xai 8i,xaioGvvqv) ngogayogsvcov. — 130,6; av [aev svna-
QV(f,ov zwog (rj) äygoixov Xdßqzai. — 131, 16: orav 8s ga&i)(i.otg
[xal) GftoXaGzaig. — 133, 23: xal dva%a)g)jGEig (avzäv) s^sXsy^eiv.
— 134, 11: bnov (xal) Qtjzoga xal. noirjTrjv. — 140, 8: nsgl
zo ßaXavslov (ovzoi) xai. — ibid. 21: novrjgdg (zivag) tjSv-
na&eCag. — 147, 2: ovzoog b cpilog (xal z o iov z og) — 152,
17: av 8s (xal) 8rj. — 154, 16: ovzs ydg coqtsXel (z ov z cov)
zb Xvnrigöv. — 156, 10: naggqGtat,0(iiva>v (zmv) cpCXcov. — 157,
24: «jwa 8s &aggslv (eqp') savzq}. — 162, 1: xoXoveiv zov
'j4Xi!-avSgov. — ibid. 12: 8ib Sei (g q>6 8 g a) yvXdzzsGdai. —
166, 7: sixrtvov (nsgl) zb ijnag.
Eichtigere constructionen und dem sinn entsprechendere
lesungen bietet Hercher an folgenden stellen: 112, 12: zbv «£oo-
&ev av o'iszat, schon von Erasraus vorgeschlagen. — 113, 22:
dg av fxdXiGta nsgicpcogog ovGa fitj ßXdnzr] fi?}8s SiaßdXXij
zrjv cpiXiav. — 130, 16: TigoGt'xovzag avzolg. — 132, 12:
nol ydg xaza(piycof*£v; — 135, 24: zavzd. — 143, 10: 8« fitj
y sysvijz ai . — 145, 13: "r\v ydg b sXsyiog. — 146, 21: Xß>
xelvov. — 148, 28: bxeXsvgev. — 150,7: »/) Aia statt i8icc. —
151, 15: inizi&svai zyv xogoovida zq> Gvyygd/tfiazi. — 153, 19:
olg av GWfl. — 156, 25: noislv. — 160, 8: ngoGsxziov avzq>.
— ibid. 13: tytyovxsq. — 162, 13: tovg fit], — 163, 1:
Nr. 7. 180. Plutarchos. 333
ngoaä aa i. — ibid. 8: s'qp' $>■ — 166, 4: ro avve%sg iov cpi-
Xairiov und irsgov 8L — 168, 6: n s g tq-sgeiv. — 169,
10 : 7i s cp v x c.
Aber viele stellen scheinen noch sebr zweifelhaft; wenn
auch die von Hereber aufgenommenen lesarten einen ganz
guten sinn geben, so geschah dasselbe doch auch bei den bisher
festgehaltenen: so p. 113, 21: negl avtijvtf). — 117, 12: t^ßa-
Icöv, statt ifißdkkmv, (ebenso tempuswechsel : 121, 18: uezaßalö-
fistog. — 139,28: ngoatfißalövzsg. — 142,11: öovg.) — 118, 5:
XQWfiaai statt vXrjftaai. — 119, 17: 6 [asv ydg a>tog statt ni&rj-
xog (?!) — 127, 13 xai zo nghg %dgiv s%ovcav dxgatov xzX. —
ibid. v. 27: « v \xr\ vvv \nsv ruvza .... qtaCvtovtai. — 131, 20:
t]dt] 8e xai Qr'jTQQog tCTtv o i xoXaxsia Sisavgav qitlöaoqiov. —
132, 14: £<V uxovaag oxi uv snirj. — 134, 22: svtj&sg toCvvp
.. rö, im singular, statt plural. — ibid. 25 ist Bions ausspruch
aus der dritten person in die zweite versetzt, daher dreimalige
Veränderung der verbalformen. — 137, 26: zoioitovg statt tov-
tovg. — 139, 3: avzwv vnegoTzzoog statt avtoöv vnsgonzixmg. —
141,14: il^st und xsisvaei statt praesens. — 142, 25: öegpozE-
gov toi diovTog statt izoipozsgov zäv ösovtcov. — 143, 17: cvv-
E^ogiiä ri/v im&vftiav statt des dativs. — 144, 19: avvt]S6(Jis-
vov statt avraiadavufAevov. — 145, 28: i ji avzw. — 146, 5:
ij dt] xai statt o. — 147, 4 : a^iol und Ttagairshat statt u^imv und
nagaizricQat. — 148, 24: xvr)aavzog statt xviaavzog. — 155, 1:
avazrjgäg xa) nlrjxzixäg lnnnolt]zn statt avaztjgd xa] noliuxd ne-
aoiijTai. — ibid. 16 : zw Avaicp statt Avotcp. — 159, 10: ngoogio&bi
statt 8ic6giaßo3. — 160, 10: ngoGtindv (Reiske : ngoaqtgsiv.
Haupt Hermes VII, 296: ti Ö' 'inog tintlv'). — 161, 11: cpdö-
vixov statt qiiXoveixov (ebenso 164, 26). — ibid. 28 oi/xai 8s xai
KXslzog ov% ovzco 7iag(6$vje statt KXslzov naoo^vvai — 162, 3:
indzatsv statt itzoiTtjOsv, — 166, 14: eozai statt iaziv. — 167,
15: äqiiGTuprvoig avzov itSiSövat statt d(fiaza}Aivovg avzovg. —
168, 1 : r\ 8e n\r\xzixr) statt ngax.7iY.ri. — Man sieht aus allem
diesen, dass mit dieser ausgäbe, trotz des unverkennbar ihr zu
gründe liegenden Studiums ohne nachweis der quellen noch nicht
viel gewonnen ist. Und so gern wir ihre Verdienste auch an-
erkennen, wie ja oben schon gezeigt ist — wir fügen noch hinzu
dass die quellen, aus denen Plutarch in seine schrift anderer ci-
tate aufnahm, unter dem text sorgfältig angegeben — ; so fin-
334 , 181. Piaton. ,Nr. 7.
det sich doch meist neben dem guten wieder etwas unbeque-
mes; so eine andere capiteleintheilung in der hier besprochenen
schrift (also jetzt drei verschiedene): es sind auch hierfür die
gründe unbekannt geblieben. — Druckfehler finden sich 126,
17 av statt avf 134, 2: avv&avovfisvov statt nvv&avopsvov, 151,
steht cap. 26 statt 27, p. 164, 6 qvx statt ovx. Ein endgül-
tiges urtheil also muss man auf spätere zeit verschieben.
H. Heinze.
181. Das materiale princip der platonischen metaphysik.
Von prof. Dr. Gustav Schneider. Gera. 1872. 21s. 4.
(Programm des Geraer gymnasiums).
Es giebt von der platonischen materie bekanntlich drei
verschiedene auffassungen. Nach der einen, subjectiv- ideali-
stischen, welche von H. Eitter vertreten ward, aber von Zel-
ler bereits zur genüge widerlegt worden ist, wäre dieselbe
als blosses erzeugniss einer verworrenen Vorstellung anzusehen;
nach der zweiten , am meisten verbreiteten erscheint sie dage-
gen wesentlich als dasselbe wie die aristotelische materie der
vier niederen demente, als der allgemeine, abstracte, aller for-
men entbehrende , aber für alle gleich sehr empfängliche stoflf;
die dritte, von Zeller geltend gemachte endlich erblickt in ihr
den blossen räum. Im gegensatz gegen diese dritte annähme
vertheidigt Schneider mit vielem Scharfsinn die zweite. Wenn
er aber jene dritte als eine idealistische bezeichnet, so ist dies
irreführend, weil nur sehr annäherungsweise richtig, denn es
kommt ja ganz darauf an, wie man sich den leeren räum den-
ken will. Oder war es etwa auch eine idealistische auffassung,
wenn die atomiker neben das volle oder den stoff noch das
leere als ein zweites, eben so reales princip stellten, indem sie
behaupteten, obwohl jenes als das seiende zu bezeichnen sei,
sei doch das nichtseiende um nichts minder als das seiende?
Allerdings aber entspricht es einer anschauungsweise wie der
platonischen, welche im gegensatz zum stofflichen und materiel-
len das intelligible für das allein wirkliche erklärt, aufs beste,
wenn selbst die stoffliche seite in den erscheinungsdingen nicht
auf einen wirklichen urstoff zurückgeführt , sondern, um mit
Zeller zu reden, zur blossen form der materialität, zur blossen
räumlichkeit verflüchtigt wird, so dass selbst dies zweite prin-
Nr. 7. 181. Piaton. 335
cip der dinge sich der natur des ersten und eigentlichen, der
intelligiblen Wesenheit oder der ideen, bis zu einem gewissen
grade annähert. Nur in diesem sinne ist daher die bezeich-
nung dieser dritten auffassung als einer idealistischen gerecht-
fertigt, allein gerade in diesem sinne kann Schneider jenen aus-
drucke nicht gemeint haben, da er ja sonst zugeben müsste, dass
eben diese auffassung am meisten mit der innersten eigenthüm-
lichkeit der platonischen Weltanschauung übereinstimmt. Wenn
nun aber Piaton selbst seine materie als fitTuXufxßupop anogw-
iarä nr\ rov vorjrov (Tim. 51 A) bezeichnet, so kann damit zwar
nicht eigentlich, wie Schneider (p. 8) will, ,,ein theilhaben an
der idee" gemeint sein, da die materie ja vielmehr dasjenige
an den dingen in sich begreift , was eben nicht auf die ideen
zurückgeht x) , sondern nur eine gewisse Verwandtschaft zwi-
schen beiden entgegengesetzten factoren , eine „seltsame" ge-
meinschaft der materie mit dem charakter des unsinnlichen und
intelligiblen, welcher der idee eigenthümlich ist2); aber passt
dies wohl besser auf die materie als wirklichen urstoff oder als
blossen räum ? Man sollte denken , die antwort könnte nur
für letzteres ausfallen. Nun nennt aber obendrein Piaton sel-
ber seine materie (Tim. 52 A) ausdrücklich zonog und yßqa.
Trotzdem sollen wir nach der warnung Schneiders (p. 12) uns
hüten mit diesen namen unsere moderne Vorstellung vom räume
zu verbinden, da eine eigentliche Untersuchung des raumes uns
zuerst bei Aristoteles begegne u. s. w. Indessen hatten doch
nicht bloss, wie gesagt, die atomiker, sondern auch schon die
eleaten den räum dem stoff als das nichtseiende und leere dem
seienden und vollen gegensätzlich gegenübergestellt, und da die
platonische ideenweit als das nach Piaton wahrhaft seiende zu
dem eleatischen sein in nächster beziehung steht, indem jene
nach Piatons eignen ausdrücklichen erklärungen im Sophisten
und Parmenides eine auf grund der sokratischen begriffslehre er-
folgte Umbildung von diesem ist, so ist schwer abzusehen, warum
sich nicht Piaton für sein anderes princip sogar geradezu an
1) So dass in folge dessen die dinge zwar wirklich an den ideen
theil haben , aber auch eben nur theil haben.
2) Falls man nämlich nicht lieber eine ganz andere erklärung
billigen will, wie sie Zeller Phil. d. Gr. II a. p. 486 , anm. 2 und ich
selbst Plat. Phil. II, p. 407 (s. jedoch ebendas. p. 408) gegeben ha-
ben. Dann ist aus der obigen stelle für die vorliegende frage über-
haupt nichts zu schliessen.
336 181. Piaton. Nr. 7.
diese eleatische einssetzung des nichtseienden mit dem leeren
angeschlossen haben könnte. Hätte er es aber nicht gethan,
wie will man dann sein wiederholtes dringen im Timäos darauf
begreifen, dass im Weltall niemals leere, unausgefüllte räume
sein dürfen ? Dass er aber seine materie wirklich als das ab-
solut nichtseiende betrachtet hat, lesen wir zwar nicht aus-
drücklich in seinen schritten, jedoch übereinstimmend versichern
es uns seine schüler Aristoteles und Hermodoros , und wenn
wir bei ihm selber die bestimmte erklärung finden, dass die er-
scheinungsdinge oder das werdende dasein ein mittleres zwischen
sein und nichtsein sei, welches durch die in entsprechender
weise zwischen wissen und nichtwissen mitten inne stehende
Wahrnehmung, Vorstellung und meinung aufgefasst wird wie das
sein durch die erkenntniss und das nichtsein durch keins von
beiden, so hat Zeller (Phil. d. Gr. IIa, p. 412 f. 474) mit
recht bemerkt, dass dies der sache nach auf dasselbe hinaus-
kommt. Im Tiinäos ist dieser negativen erklärung über die
unerfassbarkeit der materie auf beiden wegen nur noch die po-
sitiver lautende hinzugefügt, dass wir uns ihrer durch einen
bastardschluss [fö&og loyia/xog) denkend bemeistern , eine be-
stimmung , die sich nach der richtigen bemerkung Schneiders
fjp. 8) mit jener andern, die ihr das unogäzatä ny u?zu).ai.i-
ßdvstv tov voqzov beilegt, vollkommen deckt 3). Wollte man
aber tonng und x^Qa aucü wirklich lieber, wie Schneider (p.
12) empfiehlt, durch „ort", „platz", „stelle" übersetzen, immer
bleibt es doch wahrlich sonderbar, dass Piaton diese namen ge-
wählt haben sollte, wenn ihm doch nicht der räum zugleich
für den stoff, sondern umgekehrt der stoff zugleich für den
räum gegolten hätte , um so mehr da eiae höchst interessante
stelle im Philebos (p. 54 B. C ystiattog ivsxa . . . nuaav vXtjv
naQari&na&ai mäair) deutlich zeigt , dass es ihm sprachlich
nahe genug lag, wenn er wirklich den urstoff im sinne hatte,
für diesen bereits den aristotelischen kunstausdruck vlt] auszu-
prägen. Sprachliche Verlegenheiten können also diese Sonder-
barkeit nicht erklären. Den von mir (Plat. Phil. II, p. 405 ff.
vgl. p. 334 f. 352.) versuchten nachweis, dass auch der ganze
Zusammenhang der betreffenden erörterung im Timäos (p. 47 E —
3) Vorausgesetzt dass die obige deutung der letzteren worte die
richtige ist.
Nr. 7. 181. Piaton. 337
53 C) dafür spreche, in der platonischen materie den blossen
räum zu erkennen, hat Schneider ganz unbeachtet gelassen.
Und doch ist es gewiss zur entscheidung einer so schwierigen
frage dringend erforderlich, nicht bloss die vereinzelten haupt-
stellen, sondern den ganzen Zusammenhang, in welchem sie ste-
hen, genau ins äuge zu fassen. Von ausnehmender Wichtigkeit
für diese entscheidung ist es endlich , ob Piaton wirklich , wie
bisher allgemein und schon von Aristoteles angenommen wurde,
die vier physikalischen demente aus blossen mathematischen
körperchen und weiterhin sogar aus blossen flächen als atomen
zusammensetzt. Von allen bisherigen Vertretern der meinung,
als lehre Piaton ein wirklich stoffliches Substrat, unterscheidet
sich Schneider vortheilhaft, indem er anerkennt, dass beides
sich nicht miteinander verträgt. Er versucht daher (p. 16 f.)
eine andere erklärung: Piaton wolle nur sagen, gott habe die-
sem stofflieben substrat die mathematischen gestalten der ele-
mente angebildet. Allein Piaton lehrt bekanntlich ausdrücklich,
wie dies auch schon Zeller an der von Schneider (p. 13) ange-
zogenen stelle (a. a. o. p. 513) hervorgehoben hat, dass der
Übergang von feuer, wasser und luft in einander nur durch die
auflösung derselben in ihre elementardreiecke und das wieder-
zusammentreten der letzteren bald zu tetraedern, bald zu Ok-
taedern und bald zu ikosaedern, d. i. bald zu feuer-, bald zu
luft- und bald zu wassermolecülen möglich sei, und dass ein
Übergang aus einem dieser drei elemente in erde und umge-
kehrt desshalb nicht stattfinden könne, weil die molecularkör-
perchen der erde, die kuben. andere elementardreiecke haben.
Deutlicher kann es doch kaum gesagt sein, dass alle diese mo-
lecularkörper nicht bloss durch ihre flächen begrenzt, sondern
geradezu auch aus denselben zusammengesetzt sein sollen. Wenn
aber Piaton einmal glaubte, dass feuer und erde mit allen ih-
ren physikalischen eigenschaften aus einer Verbindung blosser
mathematischer figuren entstehen könnten, so ist in der that
nicht zu begreifen, welche Schwierigkeit aus dieser entstehungs-
weise sich ihm dagegen ergeben haben sollte, vom feuer und der
erde die Sichtbarkeit und tastbarkeit der weit herzuleiten, wie
er Tim. 31 B thut, und in wie fern in dieser stelle mit Schneider
(p.ll) eine „zwingende nothwendigkeit" dafür gefunden werden
Philol. Anz. V. 22
ZB8 181. Piaton. Nr. 7.
kann, dass er die materie für ein stoffliches Substrat gehalten
habe.
In der deutung der vier gattungen im Philebos kommt
Schneider mit Zeller überein, indem beide unter am« die idee,
unter jt&quq das mathematische, unter äneiQOv — und zwar mit
recht — die materie, unter dem aus nsgag und untignv ge-
mischten die sinnenweit verstehen. Schneider bringt aber in
dieser hinsieht durchaus nichts neues bei , was mich bewegen
könnte von meinen abweichenden ansichten abzugehen , nach
denen afoia vielmehr die idee des guten, nfgag aber die ideen-
weit ist. Letzteres, sagt er (p. 14), sei unmöglich wegen der
immanenz des nsgag und der transscendenz der ideen. Allein
steht denn etwa die letztere so unbedingt fest? Oder behaupten
nicht vielmehr, um von meiner Wenigkeit zu schweigen, so be-
deutende forscher wie Zeller, Deuschle und Eibbing, dass Pia-
tons eigentliche Weltanschauung vielmehr die inhärenz der dinge
in den ideen sei? Wenn man, wie doch Schneider und Zeller
mit recht thun, festhält, dass Piaton auch im Philebos keine
anderen prineipien kennt als idee und materie, so muss auch
das mathematische, da es doch keins von beiden ist, aus beiden
gemischt sein (und das um so mehr, wenn auch die physikali-
schen körper aus mathematischen figuren bestehen sollen), und
nicht kann es dem einen von beiden, nämlich der materie oder
dem aneigor, als sein gegensatz gegenübergestellt werden. Fer-
ner sind auch hier die historischen ankuüpfungspunkte zu be-
achten. Die bezeichnungen nigug und unstQov sind eine anleh-
nung theils an Anaximandros, namentlich aber an die Pytha-
goreer : auch bei diesen letzteren aber sind beides die letzten
prineipien alles daseins wie form und stoff, idee und materie *).
Die gewissermassen mathematische auffassung der ideen als des
begrenzenden kann aber im Philebos um so weniger auffallen, da
eich hier ja auch die sonst nicht vorkommende bezeichnung
derselben als svädt-g oder ftorüdeg findet, in welcher manche
sogar, freilich wohl mit unrecht, eine spur der späteren, pytha-
gorisirenden form des platonischen Systems haben erblicken
wollen, und in weleher ein gewisser keim und ansatz zu ihr
in der that zu erblicken ist. Daraus folgt aber natürlich
4) Ausserdem s. meine bemerkungen im Philologus Suppl. II, p.
231 f. bes. anm. 31.
Nr. 7. 182. Aristoteles. 339
nichts gegen die ächtheit dieses dialogs , zu deren gunsten
Schneider manches treffende beibringt, wie z. b. dass Aristote-
les die bemerkung Pbys. III, 4. 203 a, 3 f., Piaton habe das
unbegrenzte (ro aneigov) an sich zum princip gemacht, nur ent-
weder aus dieser schrift oder aus Piatons mündlichen lehren
habe entnehmen können (p. 7). S. freilich auch Staatsm. 273 D.
Auch nach meiner erklärung stimmt der lehrgehalt des Philebos
vollständig mit dem des Timäos überein, und nirgends steht, wie
dies schon von verschiedenen seiten gezeigt ist, die verwerfende
kritik Schaarschmidts auf so schwachen füssen wie gerade hier.
Da aber Schaarschmidt selbst anerkennt, dass der Philebos p. 15
JB vrgl. p. 14C auf den Parmenides zurückblickt, so ergiebt sich
schon daraus, dass auch der letztere nur von Piaton selbst
herrühren kann.
Schon vor der weltbildung soll nach der darstellung im
Timäos die primäre materie in die secundäre , ein chaotisches
gemenge aller vier demente , übergegangen sein. Schneider (p.
6) findet hierin mit recht eine unhaltbare Vorstellung, hält dies
aber doch für Piatons wahre meinung, obwohl, wie er einräumt,
„die darstellung im Timäos oft eine poetische ist". Allein
wenn man dies zugiebt, so ist nicht abzusehen, was sich prin-
cipiell gegen den von mir gemachten, von Schneider ausser acht
gelassenen versuch einwenden Iässt, die secundäre materie als
eine in dem eigenthümlichen gange der darstellung dieses dia-
logs wohlbegründete, ja von ihm nothwendig geforderte mythi-
sche fiction begreiflich zu machen. Fr. Susemihl.
182. Die methode der aristotelischen forschung in ihrem
Zusammenhang mit den philosophischen grundprincipien des Ari-
stoteles dargestellt von Dr Rudolf Eucken, ord. prof. d.
phil. zu Basel. 8. Berl. Weidmann, 1872. VI u. 185 s. —
1 thlr. 10 gr.
Der verf. behandelt in dem ersten abschnitt ,,die geschichts-
auffassung des Aristoteles und seine Stellung zur geschichte".
Die wichtigsten grundzüge seiner allgemeinen philosophischen an-
schauung, die leitenden principien in der ethik und politik, der
rhetorik und poetik habe Aristoteles von Plato entlehnt , so
dass er auf diesen gebieten ohne rücksicht auf seinen Vorgän-
ger nicht gewürdigt werden könnte. Indessen habe er Plato
22*
340 182. Aristoteles. Nr. 7.
nicht selten missverstanden, und überhaupt seien seine geschicht-
lichen angaben mit vorsieht zu benutzen, weil sie öfter gefärbt
seien durch das medium der ihm eigenthümlichen Weltanschau-
ung (p. 12). In der politik bestehe die grosse des Aristote-
les darin, dass er das hellenische zum allgemein - menschlichen
zu gestalten und zu vertiefen suchte. Der zweite abschnitt be-
handelt den einfluss der aristotelischen erkenntnisstheorie auf
die wissenschaftliche forschung. In dem ersten kapitel (über
die grundzüge dieser theorie) wird besonders der nachweis ge-
führt, dass Aristoteles zwar die beschränkung der Wissenschaft
auf die form mit Plato theile, aber doch insofern in einen be-
wussten gegensatz zu ihm trete, als er der form durchaus nicht
eine vom stoff getrennte existenz zuerkenne. Deshalb sei die
an die einzelwesen, denen ausschliesslich realität im strengsten
sinn zukomme, geknüpfte sinnliche Wahrnehmung die grundlage
aller erkenntniss und deshalb die induktion, das aufsteigen vom
einzelnen zum allgemeinen, die uns recht eigentlich zukommende
erkenntnissart. Da aber die Wissenschaft bei dem einzelnen
nicht stehen bleiben könne, sondern es mit dem allgemeinen zu
thun habe , so bestehe ihre vornehmste aufgäbe in der erfor-
schung des grundes. Und die erkenntniss des wesens falle mit
der des grundes zusammen (p. 27). Aber das nächstliegende,
nicht das entferntere allgemeine sei als der eigentliche grund
des dinges zu betrachten, Indessen wolle Aristoteles keine jen-
seits der erfahrung liegende quelle der erkenntniss annehmen,
sondern er nehme nur allgemeine prineipien an, die die Ver-
nunft unmittelbar von der Wahrnehmung des einzelnen aus
finde. So zeige sich überhaupt die eigenthüuilichkeit seiner
richtung in dem streben, einzelnes und allgemeines, sinnliche
Wahrnehmung und thätigkeit möglichst gleichmässig zu ihrem
rechte zu verhelfen. Das zweite kapitel beschäftigt sich mit
dem objeetiven charakter der aristotelischen erkenntnisstheorie
und seinem einfluss auf die wissenschaftliche forschung. Der
verf. verkennt in diesem abschnitt nicht, dass die philosophie
des Aristoteles einen vorwiegend synthetischen charakter habe,
dass jedoch eine scharfe analyse, namentlich bei erörterung der
grundbegriffe, öfter vermisst werde. Zu tadeln sei, dass Aristo-
teles bei erörterung der grundpriueipien ihre realität eigentlich
als gegeben voraussetze. Der einheit der weit lasse er eine
Nr. 7. 182. Aristoteles. 341
einheitliche Weltanschauung entsprechen , z. b. in der Schilde-
rung von der entstehung des Staates (Polit. I). Und weil der
gesichtspunkt , ob eine disciplin mehr oder weniger dem prak-
tischen gebrauch diene, ein massstab für ihre werthschätzung
sei, so werde die metaphysik an ihre spitze gestellt, weil sie
durchaus keinen zweck ausser sich habe (Met. 982 b. 24). Die
Übereinstimmung des wissens und seins habe einen bedeuten-
den einfluss auf die gestaltung der aristotelischen philosophie
gehabt. Die Überzeugung habe hemmend auf ein kritisch - ana-
lytisches verfahren gewirkt, aber die Objektivität des Standpunk-
tes die forschung auch mannigfach gefördert (p. 42). Daran
schliesst sich ein drittes kapitel über das allgemeine und besondere
in der aristotelischen forschung. Der verf. weist darin unter
andern nach, dass der philosoph das ungleichartige durch die
einheit der thätigkeit und des Zweckes zu verknüpfen suche.
Die richtung auf das besondere sei die stärkere. So sei es
das charakteristische der aristotelischen forschung (im gegen-
satz zu Plato), dass sie überall die eigenthümlichkeit der dinge
zum ausdruck bringe und auf sie den höchsten werth lege.
Weil es ferner dem Aristoteles darauf ankomme, die resultate
der forschung als nothwendig nachzuweisen, lege er einen grossen
werth auf die definition. Die methode, a priori die arten zu be-
stimmen und sie damit als nothwendig zu erkennen, wiege in dem
grade vor, je mehr eine disciplin einer rein formalen behand-
lung fähig sei, also am häufigsten in der logik. Daher könne
auch seine methode nicht als rein induktive charakterisirt wer-
den. Daran schliesst sich ein excurs über die mathematik als
Vorbild der wissenschaftlichen forschung (p. 57 ff.). Der dritte ab-
schnitt behandelt die zweckidee und ihren einfluss auf die forschung
des Aristoteles und zwar das erste kapitel die allgemeine be-
deutung des Zweckes (p. 67 ff.). Es wird an den versuchen,
die realität des Zweckes nachzuweisen, bemängelt, dass Aristo-
teles den eigenen Standpunkt immer schon als bekannt voraus-
setze. Als den gegensatz zum zweck bezeichne er die noth-
wendig wirkende Ursache, den mechanischen kausalnexus der
frühern forscher , aber sobald er an die beweisführung komme,
setze er an die stelle des nothwendigen das zufällige \ro avfi-
ßeßijxcg]. Als mittel der Verwirklichung des Zweckes diene die
materie, und in dem einzelwesen, welches beide demente schon
342 182. Aristoteles. Nr. 7.
verbunden in sich hat , sieht Aristoteles die wirkende Ursache,
welche bewegung und leben in dem Stoffe hervorruft. Das
verhältniss des Zweckes und der form der materie sei kein
ganz festes ; aber die Stellung der entwickelung zum wesen
werde immer gleichmässig aufgefasst. Das nothwendige und
allgemeine werde dem zwecke untergeordnet. So wolle der
philosoph die erziehung nicht auf das zum leben erforderliche
beschränken, sondern darüber hinaus auf das schöne richten.
Das zweite kapitel bespricht das verhältniss des Zweckes zum
besondern und allgemeinen. Da die form dem individuum ge-
genüber das allgemeine in den dingen bilde, so sei alles rein
individuelle gleichgültig und daher von der zweckbetrachtung
ausgeschlossen. Eine ausnähme mache der philosoph bei der
frage wegen der relativen ähnlichkeit der kinder. Auch die
durchgehenden zwecke würden möglichst in den dingen selbst ge-
sucht. Die theorie, dass der niedere theil um des höhern willen
da sei und dass der zweck des höhern theils mit dem des gan-
zen zusammenfalle , führe zu bedenklichen konsequenzen. So
bringe er es in der physiologie und ethik zu keiner wahren
Vereinigung des intellectuellen und des willens , weil er diesen
jenem unbedingt unterordnen wolle. Im ganzen und grossen
sei die anwendung der zweckbetrachtung bei Aristoteles eine
immanente, und nur an einzelnen stellen sei ihm das entgegen-
gesetzte verfahren vorzuwerfen. Das dritte kapitel handelt
vom zweck als norm in den einzelwesen und als kraft in den-
selben. Aristoteles wolle durch die zweckbetrachtung eine ob-
jective norm der dinge finden, aber das hier zu gründe lie-
gende problem sei nicht vollständig von ihm gelöst. Selbst
der cirkelbeweis sei nicht vermieden , weil die scharfe analyse
der grundbegriffe fehle (p. 92 ff.). Schwierig sei in folge der
zweckbetrachtung auch die frage, wie das hinter dem zweck
zurückbleibende oder das von ihm abweichende in seinem rela-
tiven werthe aufzufassen sei. Ein allgemeines kriterium für die
höhe der stufe sei ferner die summe der lebensthätigkeit. Der
mensch sei der letzte zweck der natur , der ihr eigentlich bei
der bildung aller organischen wesen vorschwebe. Für die nie-
deren stufen bringe dies die gefahr eines fremden massstabes
mit sich. Trotz der von den erscheinungen scheinbar unabhän-
gigen norm sei der zweck doch nicht etwas von den dingen
Nr. 7. 182. Aristoteles. 343
getrenntes, sondern erweise sich als in ihnen wirkende kraft.
Deshalb könne auch der philosoph im gegensatz zu Plato
seine volle aufmerksamkeit der mannigfaltigkeit der erschei-
nungen zuwenden. Das vierte kapitel weist nach, wie Ari-
stoteles den zweck als thätigkeit gefasst habe oder die thä-
tigkeit als den eigentlichen zweck der dinge. Alles, was
die thätigkeit fördere, erscheine als gut , was es hemme,
als übel. Auch das ungleichartige sei verbunden durch die
Verwandtschaft des Zweckes. Bei diesem streben nach erkennt-
niss der thätigkeit seien unrichtige resultate nicht ausgeblieben,
z. b. auf dem gebiete der ethisch- politischen und in der zoolo-
gischen forschung, wo das anatomische und physiologische nicht
scharf von einander geschieden sei. Das fünfte kapitel setzt
auseinander, wie der philosoph den zweck als grenze, mass und
bestimmendes behandelt habe. Die annähme einer unendlichen
grosse werde bekämpft , die von dem beharren der kräfte be-
hindert u. s. w. Selbstverständlich begrenze der zweck auch
die zu seiner realisirung nöthigen mittel ; überall erstrebe er
nicht nur eine bestimmte, sondern auch eine möglichst einfache
zahl. In dem mittleren [ro niaov) als dem der Verwirklichung
des Zweckes am meisten förderlichen sieht Aristoteles überall
das beste. So solle der Staatsmann in der gemässigten Staats-
verfassung (noliTEta im engern sinn) die mitte zwischen den
politischen gegensätzen zu halten suchen. In allem sein er-
scheine das bestimmte und geordnete zugleich als das gute;
aber die Unbestimmtheit des stoffs sei ein grund, weswegen die
zwecke nicht rein durchgeführt werden könnten. Diese Über-
zeugung sei für die metbode der aristotelischen forschung von
grosser bedeutung gewesen (p. 120). In dem vierten ab-
schnitt über „das verfahren des Aristoteles bei der naturerklä-
rung" (welcher in drei kapiteln die grundsätze bei der natur-
erklärung, ferner die vornehmlichsten hemmnisse derselben und
endlich das thatsächliche verfahren des Aristoteles bei der na-
turerklärung behandelt) , hebt der verf. unter andern hervor,
dass der philosoph überall die Widersprüche zu erklären und zu
lösen bemüht sei, die zwischen seiner theorie und den thatsa-
chen obwalten, dass es ihm aber trotz der forderung, dass die
erklärung sich auf eigentliche gründe und nicht auf willkürli-
che annahmen stützen solle, passirt sei, dass er subjektive maxi-
344 182. Aristoteles. Nr. 7.
men bisweilen als objektiv gültige gesetze angesehen habe.
Und ferner sei es auch in der naturbetrachtung weniger schuld
der leitenden principien, wenn der philosoph bisweilen auf eine
falsche bahn geführt werde, als die schuld seiner sonstigen ver-
fehlten grundanschauungen. Ausserdem habe dem Aristoteles
bei der unvollkommenheit der damaligen hülfsmittel das be-
wusstsein gefehlt , dass durch schärfere beobachtung eine ganz
andere anschauung der dinge gewonnen werden könne. Nicht
übersehen ist die ansieht des philosophen von der nachahmung
des überirdischen seins durch das irdische und die dadurch be-
dingte theilnahme am wahren sein. Hier war es vielleicht am
platze, auf den platonischen begriff der xoivtavta mit den ideen
hinzuweisen. Daran schliesst sich der nachweis von der Unmög-
lichkeit einer einheitlichen naturerklärung , von der Unmöglich-
keit einer anwendung der mathematik auf die naturwissenschaf-
ten und die erst dadurch erfolgte erhebung derselben zu einer
exaeten Wissenschaft. Kurzum das streben nach einer syste-
matischen erklärung der dinge habe im verein mit der Über-
zeugung von der Objektivität und zulänglichkeit unserer erfah-
rung den philosophen zu manchen irrthümern geführt. So habe
z. b. auch die aus der teleologischen anschauung gezogene fol«
gerung, dass jede bewegung ein bestimmtes ziel haben müsse,
die einsieht in die beharrlichkeit und gleichmässige wirkung
der naturkräfte gehemmt. Es sei sogar vorgekommen , dass
Aristoteles einzelne beobachtungen, denen zufällig abnorme Ver-
hältnisse zu gründe lagen, zu leicht verallgemeinert und so
sätze aufgestellt habe, die auf diese weise einen zu grossen um-
fang, eine ungebührliche tragweite erhalten hätten. Verfehlt
sei ferner die annähme einer durchgehenden analogie der au-
ssenwelt mit dem menschen und der von der kunstthätigkeit
entlehnte massstab für die thätigkeit der natur. Und weil
endlich Aristoteles sehst in den naturwissenschaftlichen diseipli-
nen die definition oft an die spitze gestellt und erst nachträg-
lich durch die erfahrung begründet habe, so fehle seinem ver-
fahren auch hier der genetische charakter , den er auf andern
gebieten mit solchem eifer bewahre.
In der charakterisirung des speeifisch aristotelischen Stand-
punktes ist mit ausnähme einer flüchtigen bemerkung in der
vorrede nicht eindringlich genug hervorgehoben, dass sich in
Nr. 7. 182. Aristoteles. 345
ihm das speculative denken und ein für seine zeit exacter em-
pirisraus verbindet und gegenseitig durchdringt (vrgl. Zeller,
Phil. d. Griechen II, 2, p. 116 und 632), dass Aristoteles die
allgemeinen Voraussetzungen der socratischen begriffsphilosophie
theilt , dass er die lehre seines Vorgängers von den ideen als
selbständigen existenzen oder Wesenheiten einerseits mit erfolg
widerlegt, anderseits aber doch der form die ursprüngliche Wirk-
lichkeit und dazu noch die produktive kraft beigelegt hat , alle
Wirklichkeit ausser sich zu erzeugen. Daher betrachtet er
auch den stoff nicht als „das nichtsein", sondern als öviafiig,
als „das nochnichtsein", der form. Ausserdem wäre es wün-
schenswerth gewesen , eine erklärung der aristotelischen funda-
mentalbegriffe vorangehen zu lassen und diese begriffe im laufe
der darstellung möglichst viel zu handhaben. Neben der that-
sache endlich, dass es dem Aristoteles gelungen ist , die grund-
züge des platonischen Systems reiner und vollständiger durch-
zuführen, konnten ausser den mehrfachen gegensätzen auch un-
verkennbare anklänge an dieses System erwähnt und wo mög-
lich mit stellen belegt werden. Dahin gehören die partien des
Philebus , wo von der idee als grenze und mass die rede ist,
dahin gehört die konstruktion der weltseele im Timaeus. Denn
abgesehen von dem mythisirenden anflug der letzteren stelle
lässt der philosoph doch unbestritten eine mischung der hete-
rogensten , von ihm sonst mit ängstlicher Sorgfalt auseinander
gehaltenen Substanzen, der äfifQiötog und [asoigt/j oiiaict vor
sich gehen (p. 35 A f.). Dazu kommen noch stellen aus an-
dern dialogen, z. b. Soph. 248 E., aus denen, weil sie ebenfalls
vom Standpunkte der entwickelteren ideenlehre geschrieben sind,
hervorgeht, dass Plato durchaus nicht beabsichtigte , die unbe-
weglichkeit seiner ideen so schlechthin und schroff zu behaup-
ten. Im gegentheil wird den ideen nicht nur insofern eine
art bewegung vindicirt, als sie unter sich in die mannigfachsten
beziehungen treten, sondern auch insofern, als sie die fähig-
keit des erkanntwerdens haben müssen (tijv ovaiav 8i\ xatä rbv
Xoyov jovtov yiyvcoaaofjit'iTjv vnb Tijg yvaaecog , x«#1 ogov yiyvco-
gxetui , xaza zoanvzov xivsTa&at 8tä tÖ näa^stv xr?., wo ich es
vorziehe mit Madvig, Adv. Crit. p. 382 ein 8 ei hinter 8rj ein-
zuschalten). Nicht weit vorher (p. 247 E) wird die idee als
zweckmässige kraft erwähnt (rtfo^a* yäg oqov 6q(^siv tol orra,
346 183. Griechische philosophie. Nr. 7.
toi* sanv ovx a\Xo n nl>]v Svva/itg) wo ich für die ersten
worte die Verbesserung vorschlage: 7i&sfiai yao zov oqov oqi-
^ovta z« ovza, cog iativ xr/L.
Abgesehen davon, bekenne ich gern dass das vorliegende
werk einen werthvollen und anregenden beitrag zur kenntniss
des aristotelischen Systems geliefert hat. C. Liebhold.
183. Entwickelung des gottesbegriffes in der griechischen
philosophie. Göttinger Inauguraldissertation von C. M. ße-
chenberg. 8. Leipzig 1872. 82 s.
So wohlthuend auch die wissenschaftliche und religiöse
wärme berührt, mit welcher Rechenberg seinen gegenständ be-
handelt und so wenig man das eingehende Studium verkennen
kann, welches er demselben zugewendet hat, so fehlt es doch
seiner arbeit noch sehr an klarheit und reife, und es lässt sich
nicht behaupten, dass die fragen, mit denen sich dieselbe be-
schäftigt, eine- wesentliche förderung durch sie erfahren haben.
Ueber seine behandlung der pythagoreischen theologie spricht
sich der Verfasser selbst am Schlüsse derselben zweifelnd aus,
er hätte aber aus Zellers auseinandersetzung lernen sollen, dass
er unzweifelhaft derselben elemente eingemischt hat, die dem
alten pythagoreismus fremd sind. Für die lehre des Xenopha-
nes wird unbedenklich die bekannte pseudo- aristotelische Schrift
mit verwendet. Was Empedokles von Apollon gesagt hat (s.
Zeller Phil, der Gr. 3. a. I, p. 662, anm. 2), bezieht der verf.
fälschlich auf den sphäros. Er bleibt dabei , dem Prodikos
mit Welcker eine ausnahmestellung unter den Sophisten einzu-
räumen, und will es nicht wort haben , dass dessen naturalisti-
sche erklärung des götterglaubens nichts anderes als der baare,
blanke atheismus sei. Obwohl Sokrates grundsätzlich über diese
frage gar nicht speculirt hat, weiss es doch Eechenberger mit
Franz Hoffmann ganz genau , dass gott nach ihm die weit
wirklich geschaffen und nicht aus einer unerschaffenen materie
gebildet habe. Dies führt denn natürlich auch bei Piaton zu
verhängnissvollen consequenzen, die es unserm verf. fast als
ein curiosum erscheinen lassen, dass ich einerseits die Verwandt-
schaft der platonischen weltbildungslehre mit der orthodox-christ-
lichen Vorstellung einer Schöpfung aus nichts hervorgehoben
und doch anderseits dem Platou einen entschiednen, wenn a uch
Nr. 7. 183. Griechische philosophie. 347
etwas verhüllten dualismus zugeschrieben habe. Oder wie kommt
es denn, dass dies nichts der platonischen materie dennoch jene
so gar sehr reale schranke für die Vollkommenheit der erschei-
nungsweit und ihren so gar sehr realen unterschied von den ideen
ausmacht? Die inhärenz der übrigen ideen in der höchsten
oder der gottheit habe auch ich behauptet, aber es ist mir al-
lerdings unbegreiflich , dass jemand die sehr ernsthafte frage,
wie sich mit derselben das fürsichsein jeder idee verträgt, ge-
radezu als eine müssige behandeln kann. Bei Aristoteles ge-
steht Eechenberger selbst den offenbaren dualismus zwischen
gott und der materie zu und räumt ein, dass Aristoteles dem
erstem geradezu jede „willensäusserung zur letzteren und über-
haupt zum endlichen" abspricht, findet aber fraglich, ob die
ansieht des Aristoteles so zu halten ist, und schliesst sich
von hier aus zweifelnd der meinung von Brentano (Psychol. des
Ar. p. 198 f. 234 ff.) an, dass die die planeten bewegenden gei-
ster und überhaupt alle kraftthätigen formen von gott geschaffen
seien, ja er dehnt dies dahin aus, dass wohl die materie selbst
„von ewigkeit her in bestimmter weise von gott stamme".
Wie dies aber von den grundvoraussetzungen des aristotelischen
Systems aus möglich sein und wie diese „bestimmte weise" ir-
gendwie genauer gedacht werden könnte, darüber fehlt jeder
versuch einer erklärung, und ich zweifle auch sehr daran, ob
sich selbst nur der versuch einer solchen anstellen lässt. So
lange aber dieser noch mangelt , fehlt eben damit derartigen
hypothesen auch jeder schatten einer wissenschaftlichen berech-
tigung. Dass die ansieht des Aristoteles über das verhältniss
gottes zur weit unhaltbar ist, wird niemand bestreiten, dass
sich eben desshalb auch wieder Vorstellungen bei ihm finden,
welche derselben widerstreiten, ist sehr natürlich, aber sache der
historischen kritik ist es nur, letzteres aus ersterem begreiflich
zu machen, nicht aber, die grundlehre des Aristoteles dadurch
gewinnen zu wollen , dass man diese ihr widerstrebenden Vor-
stellungen im gefolge von allerlei wirklichen oder vermeintli-
chen consequenzen , sei es nun so zuversichtlich wie Brentano
oder so zweifelnd wie Rechenberger thut, ohne weiteres an ihre
stelle setzt. Wie weit dabei mein hochverehrter verstorbener
lehrer Trendelenburg in einem privatbriefe an Brentano seine
Übereinstimmung mit dessen behauptungen ausgesprochen ha-
348 184. Lysias. Nr. 7.
ben mag oder nicht, das kann für mich an diesem urtheil nichts
ändern, denn amicus Plato, sed magis amica veritas.
Wenn der Verfasser künftig an beschränkteren aufgaben
seine kräfte übt , wird es ihm sicher in der folge gelingen et-
was vollendeteres zu leisten. Fr. Susemihl.
184. Des Lysias rede gegen Evander mit kritischen be-
merkungen herausgegeben von P. ß. Müller (Merseburger
programm 1873). 25 ss. 4.
Der durch frühere werthvolle beitrage zur kritik des Ly-
sias wohl bekannte Verfasser liefert auch in diesem programm
viel dankenswerthes. Es enthält auf neun Seiten den text der
rede XXVI, nach den ansichten des vf. constituirt, und unter
dem text Varianten mit sowohl eigenen als auch vorschlagen
anderer, dann folgen auf acht Seiten rechtfertigende erläuterun-
gen der aufgenommenen lesarten und in einem anhang emen-
dationen zu einigen andern reden. In den meisten fällen wird
man ihm beistimmen müssen. So wenn er 26 §. 1 vor tjyov-
fisvo<; nach seinem frühern Vorschlag, um das überlieferte noii\-
aua&ai nicht ins futurum zu verändern , ovx av einsetzt , und
eben so §. 13 «£>' ovx av , so dass diaxsio&ai und ijyrjaaa&ai
nicht in futura zu verwandeln sind. Ferner schreibt er §. 1
richtig ivtmv avrovg statt sviovg avjöjv, weil nicht so viel dar-
auf ankam, ob einzelne buleuten Evanders vergehungen verges-
sen hätten als darauf, dass sie von diesen schweren vergehun-
gen einige gänzlich vergessen hatten, wie Müller ovo' dvafAvt]-
arrjasadai richtig erläutert. §. 3 änderte zuerst Scheibe oixovo-
[iev in axovco per , Müller aber in axovco fisX\sivy was möglich
ist. Aber richtiger scheint mir \xiv nach vmg zu versetzen,
also axovco vnso (asv tojv — • xaDjyoQovftetcov (so nämlich Mül-
ler nach Baiter statt cov — xaiijyo^oifAsv) , so dass nun lt%£tt>
Si den gegensatz giebt zu 8icr ßoaxecov ano\oyi']oea&ai. §. 6 :
6 XQÖvog in ö xqÖvoq ovx iy^toon mit Müller zu tilgen ist nicht
nöthig , aber richtig will er roö' statt ?«$*. §. 7 schreibt er
recht gut coazs uqxcov ysvsa&ai statt des leereu coazs ytviadai.
Dann wird aber iv tq> inavrcp als archontenjahr durch rw ge-
nug bezeichnet, und avrov oder mit Müller oXcp hineinzusetzen
scheint nicht nöthig. §.10 verdient sein xai tl ps« den Vor-
zug vor der vulgate ei [*bv 8tj. Dass dann fuj /aotop — dXXd xat
Nr. 7. 184. Lysias. 349
zu streichen sei hat er überzeugend dargethan. §.11 hat er
Dryanders conjectur zaizijg de rJjg u<j%i]g ä^i,ov/xevog a^toi mit
recht aufgenommen, aber in tov änavta iqovov mit Müller
sntiTa vor "fcoüvov einzusetzen, scbeint entbehrlich. §. 13 orav
yivcavtai iv ixsi'voig zoig ftgövoig behalt Müller im text. Scheibe's
auch von mir gemachte conjectur Ifiüg za>v avzmv ahiovg tjyrj-
aua&at oaa ysyivrjrai iv ixsi'voig zoig iQtvoig scheint nothwen-
dig. Denn es kann bei dieser Sorglosigkeit in der dokimasie
das nämliche wieder kommen, was damals geschah , und ihr
wäret am nämlichen schuld. §. 16 mg ix tovtcov (nämlich räv
VQxoav nal ovv9/]xdöv) 7iQ(jaXt]ip(')(AEvov avro) (so vermuthe ich statt
olvtov) doxt/uaatug Tovg iv aarei fistiavtag , als ob er für sich
gewinnen werde als solche, die ihn in der dokimasie approbi-
ren, diejenigen jetzigen rathsglieder, die damals in der stadt
geblieben waren. §. 8 dia f/ev zovg roiovtovg ist doch undeutlich,
weil so eben §.17 die schuldlosen bürger bezeichnet waren und
es sich auf die §. 16 erwähnten roiaüza i^afiUQTÖvzceg bezie-
hen muss. Man könnte vermuthen diu fisv zovg zotavza i<;a-
fiäQTOvtag oder wenigstens diu [asv zovg zoiovzovg oiovg sl-
nov. Mit recht hat Müller §.19 des Stephanus nnd Scheibe's
zum theil auf cod. X sich stützendes o aXoyov doxsi aufge-
nommen, §. 21 og avzcn unoloyijazTui. getilgt und §. 24 mit
Kayser fxvüg Xaßeöv geschrieben. — Der anhang enthält meh-
rere schätzbare emendationsvorschläge zu andern reden. Or. 1
§ 21 empfiehlt er statt zcop ngng gjtt' mnoXoyripiivtov Taylors ngog-
(OfivXoyi](x£pwv. 3 §. 4 tilgt er in nig unaaiv i^nodiav i(io\ ysyi-
vrrtai das unpassende unuaiv und setzt dafür nuaiv vor vfilv
ein, cag iy<x> nüaiv vfAiv anodst^oo, welches er als formelhaft mit
vielen beispielen belegt (bei dieser gelegenheit emendirt er auch
trefflich Isä. 2 §. 45 anuiai znig up&QConoig statt unuai, da
das gesetz, wie sich dort weiter ergiebt , nicht allen , sondern
nur den kinderlosen die adoption gestattete). 3 §. 39 corrigirt
er das seltsame im6y.i\\pao&ai eig vfiäg sehr gut in ima-A^xpa-
adui dtiaug vfiäg, aber wenn er dann statt orav igaci aal uno-
oztQteiTut cor iniftvfAOvöi will orav anoTvy^arooöiv äv sgäoi xzi.,
so möchte ich lieber orav igwvzsg unoategärzai xzs. Unnöthig
setzt er 10, §. 7 ov negi zä>v ovofxuTav diaqiigea&ui akXu ztjq
zovTav diuioidg nach opoftuzcov ein uvtmv ein „an und für sich".
Es genügt „nicht um worte, sondern um diebedeutung dieser strei-
350 185. Demosthenes. Nr. 7.
ten". 22 §. 7 will er nach dem constanten und mit vielen
beispielen belegten sprachgebrauche der redner wohl richtig 8td
[AaxQozeQcav tlneiv statt xai (ian.Q(')ttQOv tijielv. 25 §. 33 8ia
zovg ex Utiguicög mv8i>vovg. Das unhaltbare mtSvvnvg ist mehr-
seitig als ein glossem gestrichen worden, aber Müller trifft das
richtige mit Öta rovg in ITsigatäg axtvSvvwg. Auch 27 §. 2,
wo naQüt. zwv adixovvTmv falsch ist, weil die unschuldigen ge-
meint sind , weswegen Frohberger nuQix. rcöv ovx dömovvimv
wollte, emendirt Müller des Lysias sprachgebrauche gemäss
naget, zodi' fit]8tv ddixovvToap. — Noch ist zu bemerken, dass
sich besonders auf den letzten Seiten viele grobe druckfehler
finden.
R. Rauchenstein.
185. De Demosthene Isaei discipulo dissertatio. Scr. P.
Hoffmann. Berolin. 1872. 67 s.
Die absieht vorliegender dissertation ist nachzuweisen, dass
die Überlieferung des alterthums Demosthenes habe den Unter-
richt des Isaeus genossen, falsch sei, und dass jener diesen nur
in seinen Schriften studirt habe. Der vf. verfolgt somit ein
ähnliches ziel wie ungefähr gleichzeitig A. Laudahn in seinem pro-
gramm über den einfluss des Isaeus auf die demosthenischen vor-
mundschaftsreden; s. Phil. Anz. IV, nr. 7, p. 341 : doch hatLaudahn
den gegenständ sowohl tiefer erfasst, als auch sorgfältiger sich vor
einem zuviel in seinen behauptungen gehütet. Denn wenn De-
mosthenes des Isaeus Schriften studirte, wie Hoffmann zugibt
(p. 54 ff.), so ist es doch rein wunderbar, dass er sich nicht
auch um den persönlichen Umgang mit dem manne bemüht und
nöthigenfalls auch geld bereitwillig dafür angewandt hätte. Auch
ist die tradition von der persönlichen Verbindung beider män-
ner eine zu constante, zu entschieden auftretende, als dass sich
mit argumenten wie aus dem stillschweigen des Aeschines et-
was ausrichten Hesse ; es ist gar nicht einmal richtig , was der
vf. behauptet, dass Dionysios im Isaeus sich hierfür aufHermip-
pos beriefe, sondern dieser wird von dem rhetor nur dafür ci-
tirt, dass die lebensverhältnisse des Isaeus unbekannt seien,
während Demosthenes' Schülerschaft bei Isaeus gleich in den ein-
gangsworten der Schrift als anerkannte thatsache hingestellt
wird. Vgl. Laudahn p. 3 f. Ob freilich ein eigentlicher un-
Nr. 7. 186. Demosthenes. 351
terricht anzunehmen ist und nicht vielmehr die annähme eines
solchen Verkehrs, wie Demosthenes selbst ihn später mit Jüng-
lingen wie Aristarchos pflegte, ausreicht , ist eine andre frage ;
denn die nähern berichte des Pseudoplutarch von den 10000
drachmen honorar u. s. w. sind freilich wenig glaubwürdig. In
seinem §. 2 (von p. 32 an) sucht Hoffmann die meinung eini-
ger alten zu widerlegen, dass Isaeus die vormundschaftsreden
für Demosthenes verfasst. Die Verkehrtheit derselben sowie der
andern meinung, dass jener dabei wenigstens als dtoyßojzij^ thä-
tig gewesen, hat Laudahn glänzend dargelegt; Hoffmann's be-
weis trifft in der hauptsache bloss die erstere ansieht, die ei-
gentlich von vornherein unhaltbar ist. Er führt ihn theils aus
dem abweichenden Sprachgebrauch — sorgfältig werden alle
worte und Wendungen der reden aufgezählt die sonst dem Isaeus
fremd sind — , theils aus gewissen fehlem die dem Isaeus nicht
zuzutrauen, wobei indessen des vf's kritik wenig zutreffend ist;
endlich und hauptsächlich daraus , dass der hiatus in den vor-
mundschaftsreden weit mehr vermieden ist als in den gleichzei-
tigen des Isaeus. Dieser beweis ist mit aller ausführlichkeit
dargelegt, wird aber doch den bisher nicht überzeugten schwer-
lich überzeugen, indem es eine eigenthümliche forderung an den
redner ist, in allen seinen werken sorgfältig auf den bestimm-
ten procentsatz von hiateu acht zu geben. — Der vf. zeigt
durchweg fleiss und belesenheit sowie Unabhängigkeit des ur-
theils; den beweisen indess mangelt vielfach die nöthige schärfe,
indem er sie auf unsicherem boden aus ungenügendem material
sicher herzustellen meint, und äusserst lästig ist die breite mit
der bekanntes wie unbekanntes, selbstverständliches wie fragli-
ches gleichmässig auseinandergesetzt wird.
B.
186. De oratione xar« dioivaodägov inscripta, quae inter
demosthenicas est quinquagesima sexta. Scr. G. A. C. Sc hwarze.
Doctordissertation. 4. Göttingen 1870. 22 s.
Die abhandlung stellt sich das ziel, die von Baiter und
Sauppe lediglich ausgesprochene, von A. Schäfer (Demosth. u.
seine zeit bd. III, p. 307 ff.) noch wenig vollständig begründete
athetese der rede gegen Dionysodoros durch allseitigen nach-
weis sicherzustellen. Im ersten abschnitt (p. 14) setzt der vf.
$52 186. Demosthenes. Nr. 7.
die sprachlichen gründe dafür auseinander, mit sorgfältiger be-
obachtung des deraosthenischen Sprachgebrauchs ; im zweiten
sucht er die behandlung der sache als des Demosthenes unwür-
dig zu erweisen. Eigentlich entscheidende argumente werden
nicht vorgebracht*, an manchem nimmt auch der vf. mit unrecht
anstoss, wie an ra ngos rovg aXlovq ntitgcty^ivu „das mit den
andern vereinbarte", vgl. Isae. 6, 27. Im ganzen ist aber der
stil der rede ein demosthenischer, und ebenso die behandlung
im allgemeinen geschickt und weder weitschweifig noch verwor-
ren. Wenn man aber von einer rede des Demosthenes unter
allen umständen Vollendung nach inhalt und form verlangt, so
muss man freilich die vorliegende ebenso wie z. b. die gegen
Phormion und Apaturios ihm absprechen; gewiss gab es da-
mals viele Sachwalter in Athen , die von Demosthenes gelernt
hatten und ihn nicht ungeschickt nachahmten. Benseler's be-
weisführung, die sich auf allzu häufigen hiatus gründet, lässt der
vf. auf sich beruhen; gegen A. Schäfer, der (p. 313) aus der
Chronologie die Unmöglichkeit einer abfassung durch Demosthenes
zu erweisen glaubt, legt er die chronologische möglichkeit über-
zeugend dar. Soweit wird man den ausführungen des vfs wenigstens
nicht widersprechen wollen •, aber er schiesst über sein ziel hin-
aus, wenn er im dritten abschnitt (p. 21 ff.) erweisen will,
dass die rede aus der fälschung eines rhetors herrühre. Reden
über solche bestimmte, obscure fälle haben die rhetoren über-
haupt nie gefälscht, und hier kann weder das fehlen der Zeugnisse
noch der umstand dass nicht der eigentliche contrahent, der
im vertrage genannt war, sondern ein stiller compagnon der
Sprecher ist, das geringste dafür beweisen : gerade von solchen
anomalien würde sich ein falscher fern gehalten haben. Uebri-
gens ist auch beides keineswegs so anstössig: der Sprecher ist
mitbetheiligt und jedenfalls redegewandter als sein genösse,
welcher natürlich die klage mit unterzeichnet hat ; die Zeug-
nisse aber waren theils überflüssig, wie für den beiderseits an-
erkannten contrakt , theils schwer zu beschaffen, wie über das
in Aegypten und Rhodos geschehene. — Natürlich erklärt
Schwarze nur den schluss der rede, in dem Demosthenes als
fürsprecher aufgerufen wird , für eine dem falscher bequeme
fiktion. Mir scheint die art, in welcher der obscure Sprecher
den Demosthenes als einen freund ohne weiteres in anspruch
Nr. 7. 187. Dionysios von Halicarnass. 353
nimmt, auf einen andern naraen den träger desselben namens
zu weisen; jedoch mag, wie der vf. nach Schafer vermuthet,
dies anlass geworden sein die bisher namenlose rede unter De-
mosthenes' werke zu setzen.
B.
187. Dionysii Halicarnassensis scriptorum rbetoricorum
fragmenta collegit, disposuit, praefatus est Car. Theod. Roess-
ler. Doctordissertation. 8. Leipzig. 1873. 43 s.
Die mit grosser Sorgfalt verfasste schrift ist in ihrem ein-
leitenden theile (p. 1 — 13) wesentlich eine recension von des
ref. doctordissertation: de Dionysii Halicarnassensis scriptis rheto-.
ricis (Bonn 1863), von der ihre ergebnisse in folgenden punk-
ten abweichen. P. 3 ff. bestreitet Roessler dass die schrift
über Demosthenes schon frühzeitig mit der negi oviütaeag in
angriff genommen sei, wie ich aus der stelle der letzteren p.
118 R. : vmo top sziowdi poi 8?]\ov7ai Gaytategov, folgern zu
müssen glaube. A. G. Becker und nun auch Roessler verste-
hen dies 8ij%ovzai als „wird gezeigt werden", und letzterer
leugnet entschieden dass es heissen könne „ist gezeigt": aber
das präsens wird doch beim citiren von Schriften überall für das
Präteritum gebraucht: „Cicero sagt", 6 quXoßoyog ygayei (ad
Amm. I, 6), dylot &i).oxoqos (ebend. 9) u. s. w. — P. 7 f.
will Roessler nicht zugeben, dass die schrift über Demosthenes
in unmittelbarem anschluss an die über Lysias Isokrates Isaeus
geschrieben sei : er meint aus denselben Schlussworten der schrift
über Isaeus, aus denen ich dies gefolgert, das gegentheil schlie-
ssen zu müssen. Diese Schlussworte bilden einerseits einen
Übergang, daher meine behauptung; andrerseits setzen sie das
folgende dem vorigen als einen neuen abschnitt des gesammt-
werkes entgegen, daher die meinung des vfs. — P. 9 ff. be-
spricht Roessler die sogenannte Ars rhetorica, deren ersten theil
er als eine reihe von briefen des unbekannten Verfassers an den
Echekrates auffasst, die dann von letzterem insgesammt heraus-
gegeben seien. Diese zum theil schon von Schott aufgestellte
ansieht stützt sich auf das prooemium von c. D ; ich kann ihr
auch jetzt nicht beitreten. Dagegen wenn dann Roessler die
abhandlungen de oratione figurata (fragm. VIJI und IX) als echte
Schriften des Diouysios gegen mich in schütz nimmt, so mag
PhiloL Anz. V. 23
354 188. Plautus. Nr. 7.
er recht haben, indem die gründe für die unechtheit nicht aus-
reichend und die ähnlichkeit im stil nicht zu verkennen ist;
vgl. auch Rieh. Volkmann Ehetorik p. 79 anm. Mit recht be-
merkt ferner Eössler p. 12, dass für die existenz einer zusam-
menhängenden teebne des Dionysios, nicht bloss einzelner tech-
nischer Schriften, die worte Qumtilian's III, 1, 16: multa Dio-
nysius, nicht beweisend seien. — Die fragmentensammlung von
p. 14 an ist sehr schätzbar und verdienstlich; ich bemerke nur;
dass Roessler das fragment bei Tzetzes schob ad Chil. VI, 7:
aytevezai to GTopa t(ä dqfioadhei (p. 17 unter der schrift n.
T. d(jx> ^r.) von der stelle desselben autors Chil. VI, 35 ff.
(p. 20 unter der schrift n. d)ifxoo&.) nicht hätte trennen und
die letztere gar nicht als fragment des Dionysios hätte anführen
dürfen. Jene behauptung des Dionysios, die vielleicht Aeschi-
nes' scheusslichen anschuldigungen entgegengesetzt war, sucht
Tzetzes durch die in Demosthenes' reden vorkommenden obseö-
nitäten zu widerlegen ; diese scheine , sagt er dann ironisch,
Dionysios für wohlgerüche zu halten, ovgnsq 6 diovvaio^ aqä-
fiaza vofii^si. J. Blass.
188. Observationes in locos nonnullos Stichi Plautinae.
Scr. Darnmann. Programm des gymnasiums zu Graudenz.
Graudenz. 1870. 12 s. 4.
Von einem eigentlichen gewinne für Plautus ist bei dieser
arbeit nicht zu reden. Ganz unbrauchbar ist gleich der mit
dem canticum des Stichus vorgenommene restitutionsversuch; wer
dem dichter solche verse zumuthen kann : Fuisse Penelopam, Sed
hie, soror, dsside, Dum multa volo tecum — es sollen nämlich cata-
lectische iambische tripodien sein — , lasse doch lieber seine band
von plautinischer metrik. Die im anschlusse an die Überliefe-
rung von v. 73 gegebenen notizen über auslassung der formen
von esse bei Plautus bieten nach Brix auseinandersetzung im
Hirschberger programm 1854 nichts neues. Völlig werthlos
Bind ferner die vorgeschlagenen emendationen. Jeder der mit
plautinischer art einigermassen bekannt ist, muss sofort sehen,
dass die zu v. 84 vorgetragene vermuthung:
Adsimulabo , quasi quam eulpam ad eise admiscrint. [Ita]
Perplexabiliter cett.,
von anderen gründen abzusehen, schon wegen des versausganges
Nr. 7. 189. Tibullus. 355
auf zwei iambischo wortformen und der Stellung des ita nicht
richtig sein kann. Zu v. 230 wird vermuthet : Vendö: eulaliaa
mdlacas crapuldrias und eulalias — crapularias erklärt als nugas de-
licatas, quales fieri solent in crapulal Vs. 288 soll geschrieben wer-
den: Quid Pinacium lascivibundum tdm lubenter cürrere: ob nun
verf. das im ernste für latein hält? Vs. 393 glaubt verf., der
sich für beibehaltung der form Pamphüippus entscheidet , trotz-
dem es ihm noch nicht gelungen sei , eine ähnliche namensbil-
dung aufzufinden — dass Stratippocles und Theodoromedes ganz
entsprechende bildungen sind, hat er sich also entgehn las-
sen — , die lesarten beider handschriftenklassen in folgender
weise vereinigen zu dürfen: Vidistin virum sororis Pdmphilip-
pumt — Nori. — N6n adest; die choriambische messung von
Pamphüippum begründet er damit , dass Phüippus von Plautus
immer mit verkürzter paenulüma gebraucht werde — bekannt-
lich ist dies nur richtig von der münze, als personenname hat das
wort stets die vorletzte silbe lang — , die verschiedene messung des-
selben namens mit dem nebeneinanderbestehen von formen wie
Philolachem und PhilolacJietem! Zu v. 583 schliesslich schlägt
verf. vor: o sperate Pamphüippe, opes oder opis rnea für Pamphi-
lippe o spes mea, also wieder mit einem fehlerhaften versschlusse.
189. De versuum in duobus Tibulli carminibus ordine im-
mutando. Scr. Schneider. 4. Gleiwitz 1872.
Nach einer längeren einleitung über die anziehungskraft
dichterischer Schöpfungen gelangt der Verfasser auf sein eigent-
liches thema und verheisst, an zwei bis jetzt noch unangetaste-
ten stellen gegen die autorität sämmtlicher handschriften das
richtige herstellen zu wollen. Zwar Lachmann habe die an-
nähme von Umstellungen arg verpönt, aber schon Scaliger habe
dieselben vielfach vorgenommen, und in neuerer zeit hätten
Haase und Kitschi für die neue anordnung einzelner elegien
reiches lob geerntet.
I, 3 ist die erste der von Schneider angefochtenen ele-
gien; v. 83 — 94 sollen hinter v. 52 eingeschoben werden. Dis-
Ben's erklärung, „der dichter habe plötzlich kraft seiner phanta-
sie jeden todesgedanken aufgegeben und denke wieder an die
rückkehr", wird verworfen. So, wie Schneider stellt , gewinnt
er drei wünsche: 1) Juppiter möge ihn schützen; 2) Delia
23*
356 188. Tibullus/ Nr. 7.
solle ihn mit der gewohnten liebe empfangen; 3) wenn er
sterben müsse, so möge sie (Delia, nicht Juppiter) ihm ein
schönes monuraent setzen. — Ich gebe zu, dass dadurch man-
che Schwierigkeit beseitigt wird ; doch wie kann Delia, die v. 9
eben sehr vermisst wird, ihm im fremden land ein denkmal auf
seinen Überresten errichten, sie, die ja nicht weiss, wo er ge-
storben ist? Nach meiner ansieht ist nichts umzustellen, son-
dern der gedankengang folgender: Schone, o Juppiter, mich,
den frommen dichter! Doch wenn einmal mein stündlein ge-
kommen ist und mein grabstein mir gesetzt ist mit folgender
inschrift — , dann möge mich Venus ins Elysium führen. (Um
diesen sinn Zugewinnen, ist fac — stet in et — stat, sed — ducet in
fac — dueat zn verwandeln.) Hinter v. 82 aber ist ein distichon
ausgefallen, das etwa folgenden gedanken enthielt: ,,doch wozu
hege ich diesen gedanken? vielleicht komme ich noch mit dem
leben davon". Daran knüpft sich in logischer folge der schluss-
gedanke: Du, Delia, bleibe mir bis zu meiner rückkehr treu!
Für die sechste elegie des ersten buchs verlangt Schneider
folgende reihenfolge: 1 — 14. 77 — 86.73 — 76.15—42. Auch in
diesem gedichte lässt sich die althergebrachte Stellung verthei-
digen, wenn man folgenden gedankengang annimmt: „Amor ist
schlimm, Delia ist treulos. Freilich ich selbst trage schuld
daran. Doch du, o gatte, hüte sie wenigstens und verzeihe
mir, dass ich sie so angelehrt habe. Weichet, ihr Verführer!
So will es die gottheit , welche der Delia für das gegentheil
strafe androht. Doch diese möge gelind sein, der mutter zu
liebe! Ich werde ewig die Delia lieben und nie dieselbe schla-
gen, wenn sie nur keusch und treu ist. Sei dies um so mehr,
Delia, da du weisst, welche strafe die treulosen frauen trifft".
Daran schliesst sich der in so vielen elegien Tibulls wieder-
kehrende und oft mit at tu eingeleitete schlussgedanke : „doch
wozu hege ich solche unnützen bef urchtungen ? Uns möge dies
fern bleiben und lieber andere treffet! ! Wir beide wollen uns
bis ins greisenalter lieben". — ■ Dieser gerlanke schliesst sehr
treffend das gedieht und darf daher nicht in die mitte des-
selben versetzt werden. Mancher Sprung und mancher lockere
Zusammenhang der gedanken ist eben dadurch zu erklären, dass
leidenschaftliche liebe der grundgedanke des ganzen ist.
Zum schluss noch eine kurze kritische bemerkung. In VI,
Nr. 7. 190. Propertius. 357
16 bietet quoque gar keinen sinn; unstreitig ist duce zu lesen
d. i. der dichter bietet sich zum führer und Wegweiser an, der
den mann der Delia auf deren ranke und schliche aufmerksam
machen will.
C. Härtung.
190. De quarto Propertii libro. Scr. Richard Voigt.
Diss. inauguralis. Helsingfors 1872.
Gegenüber den vielfachen versuchen der letzten jähre, das
fünfte buch der elegien des Properz diesem elegiker abzuspre-
chen, bezw. eine arge Verwirrung der tradition durch interpola-
tionen, transpositionen und lücken nachzuweisen, betont die
vorliegende dissertation nicht nur seine echtheit, sondern ver-
sucht auch alle durch jene mittel angestrebten emendationen
als unnöthig abzuweisen. Wenn nun auch unbedingt zugegeben
werden muss, dass die athetesen Heinrichs und Carutti's — wie dies
schon Luetjohann in seinen Commentationes Propertianae,l£.ie\ 1869
nachgewiesen — sowie viele der vorschlage, die dieser selbst,
Eschenburg, Boot, Peerlkamp und andere gemacht haben, unbe-
rechtigt seien, so wird doch mit einer sich principiell auf den aller-
conservativsten standpunct stellenden kritik die interpretation die-
ses buchs wenig gefördert, das unbedingt zu dem schwierigsten
der ganzen augusteischen literatur gehört. — Dass in unsern
handscbriften interpolationen vorliegen, kann nach so evidenten
fällen wie V, 5. 55. 56 und 9, 42 niemand leugnen, dass trans-
positionen (cf. V, 1, 35. 85) vorzunehmen und lücken (cf. c. I.
IV) zu statuiren seien, gibt selbst Müller zu. Wenn Voigt
durchaus die berechtigung dieser freilich letzten und gewissen-
haftest anzuwendenden mittel bestreitet, so scheint es als ob ihm
die Schwierigkeit des betreffenden dichters noch nicht klar ge-
worden sei. Zu oft lässt er sich bei seinen conservativen be-
mühungen auch unbekümmert um den Zusammenhang des vor-
liegenden gedichtes durch vergleichung von gedichten ähnlichen
inhalts (s. bes. p. 96) bestimmen, ohne zu bedenken, dass gerade in
der darlegung des gedankenganges der dichter nur aus sich selbst
erklärt werden könne. — Was einzelnes anlangt, so wendet sich
der vf. zunächst gegen die schon oft besprochene Lachmann'-
Bche theilung in fünf bücher. Ohne irgendwie neues von be-
lang vorzubringen, zeigt er 6ich hier mit der einschlagenden
S58 190. Propertius. Nr. 7.
neueren Hteratur wohl vertraut, während ihm die ältere — so
z. b. das in gleichem sinn geschriebene programm von Fürste-
nau, Rinteln 1845 — unbekannt scheint. Nimmermehr aber
kann die erneuerung jener abgeschmackten meinung, die schon
Nobbe in seinen Observatt. in Prop. , Lips. 1817 vorgebracht
hat, dass nämlich in der bekannten stelle Sat mea, sat magna est,
si tres sunt pompa libelli, tres eine unbestimmte anzahl bezeichne,
als eine Widerlegung der Lachmannschen ansieht betrachtet wer-
den sowenig als die behauptung Hertzbergs von einer späteren
einfügung des betreffenden gedichtes ; in dem noto libro (III,
18 (24), 1), wird nur zurückgewiesen auf das erste buch [Cyn-
thia monobiblos). Gleich unrichtig aber ist die polemik gegen
die theilung von III, 4 und 5 (13), die nicht nur Gruppe, son-
dern auch Haupt und Müller für nothwendig erachten. Die
übelsten folgen aber hat dies unbedingte festhalten an der tra-
dition in der behandlung der elegien des letzten buches selbst:
denn dass z b. c. I nur bis v. 12 reiche, scheint selbst Krahner
in seiner trefflichen abhandlung Philol. XXVI zuzugeben und
bis hierher ist Luetjohann entschieden beizustimmen. Treffen-
der ist die kritik gegen Eschenburgs Verwerfung von V, 1,
33 — 36; fest zu halten dagegen Müllers Umstellung, die auch
durch die läge der erwähnten orte , worauf noch niemand ge-
achtet, empfohlen wird. Mit der behandlung von n und HI
kann man sich einverstanden erklären, c. IV aber — hier musste
Krahners programm über die sage von der Tarpeja (Neubran-
denburg 1858) berücksichtigt werden — ist mit Müller vor
v. 35 eine lücke anzunehmen, um das Sic dieses verses zu er-
klären. Die schwierige fünfte elegie wird p. 62 — 75 einer ein-
gehenden besprechung unterzogen. Wenn auch hier schon vor
Brouckhusius geäusserte ansichten (p. 65) als neu aufgestellt und
eine schon von Hertzberg gegebene erklärung von v. 29 —
mora ist gewiss wegen v. 30 die einzig richtige lesart; ira passt
nicht wegen v. 31 — als eigene gegeben, auch v. 11 entschie-
den missverstanden wird — denn stantia currenti dauere aqua
kann nur heissen : festes mit fliessendem wasser auflösen, nicht :
festes in flüssiges verwandeln — so ist gewiss hier das unpassende
von Luetjohanns Umstellungen mit geschick erwiesen. Die sechste
elegie aber ist von Voigt sowenig als den übrigen erklärern
richtig aufgefasst, da das compositionsschema, das an einem an-
Nr. 7. 191. Iuvenalis. 359
dem orte nachgewiesen werden soll, nicht erkannt ist : auch
über die zeit — zu v. 55 s. Mommsen Mon. Anc. p. 92 —
ist noch genauer zu handeln. Bei besprechung von 7, 23 war
zugleich auf den gebrauch von at ille hinzuweisen; in el. 8 be-
ziehen sich v. 2 und 19. 20 sicher auf verschiedene Situatio-
nen, so dass eine Umstellung unnöthig, während die von 7, 35.
38 vor v. 73 nicht nur durch v. 71 trefflich motivirt, sondern
auch durch den engen Zusammenhang von v. 34 und 39 ge-
boten ist. Auch in elegie 10 billigen wir die transposition, die
Dilthey mit den vier letzten versen vornimmt, als allein dem
propertianischen gebrauch entsprechend. Die Peerlcampschen
und Bootschen verschlimmbesserungen in elegie XI werden mit
recht übergangen und Luetjohanns versuch beseitigt.
Die schwierigsten fragen aber, die sich an das fünfte buch
knüpfen, werden nicht berührt: dass in ihm die verschiedensten
demente zusammengestellt sind, die sich auch äusserlich — im
metrum — unterscheiden, musste hervorgehoben, die abhängig-
keit von Callimachus — die abhandlung von Rauch über die
fragmente der Aetia, Eastatt 1860, ist übersehen — erörtert
und das verhältniss zu Ovid, wozu p. 23 sich anlass bot —
das material dazu steht bei Zingerle, Ovid heft I, Innsbruck
1869 — näher beleuchtet werden. Ebensowenig wird die frage
nach dem datum und der art der herausgäbe berücksichtigt;
das beste an dem buche sind die erörterungen über den inhalt
der einzelnen gedichte und gelegentliche sprachliche excurse.
R. E.
191. Die dritte satire Juvenals in deutscher Übersetzung
von H. Schmauser; k. gymnasialprofessor an der k. bayeri-
schen Studienanstalt zu Bayreuth; einladung zu den schluss«
feierlichkeiten des Jahres 1870/71. Bayreuth 1871. 4. 26 s.
Der Übersetzer bestimmt seine arbeit „weniger dem ur-
theile der fachgenossen", als er mit derselben „dem deg gebil«
deten publikums ein culturgeschichtliches bild aus der römi-
schen kaiserzeit vor äugen führen will". Wie das bestreben,
weitern kreisen das verständniss des classischen alterthums zu
erschliessen, nur zu billigen ist, so entziehen sich derartige ver-
suche nicht der kritik der fachgenossen; nur berufenen kann
zugestanden werden jene aufgäbe zu übernehmen. Der über-
360 191. Iuvenalis. Nr. 7.
setzer hat die 322 verse des Originals in 349 deutsche hexa-
meter gebracht, — ein beweis, dass er die breite nicht gemie-
den, um so weniger als er drei verse ausgelassen (104 und
135. 136); dagegen die vier verse 172 — 175 in drei verse
zusammengedrängt. Die Übersetzung ist also ziemlich frei,
der ausdruck aber gewandt, die verse im ganzen leicht und ge-
fällig; gelungen z. b. der abschnitt der raufscene auf der Strasse
des nachts, 278 ff.; doch begegnet da der hexameter (296) :
„wo ist deine Station? in welchem winkel dein bethaus?".
In dem vers (278): „da kommt ein trunkener krakeeler: hat
keinen heut' er geschlagen" kommt wohl der fehler auf rech-
nung des setzers, ebenso 8: „alter gebäude und tausend gefah-
ren der unbarmherzigen"; und beider gelegenheit sei auch der
störende druckfehl er erwähnt v. 31: „die contractlich erstehen
der tempel und flüsse und häfen | und der cloaken entleerung".
Welchen text der vf. zu gründe gelegt, sagt er nicht; es zu
wissen, kann auch nicht nöthig scheinen, da er nach der vulgate
seinen text selbständig aufstellt, besonders indem er alle etwas
bedenklichen und derben stellen abschwächt ; so übersetzt er 94 :
„die einfach gekleidete Doris", so dass er wohl pullo dem nullo
cultam palliölo vorzieht; ebenso lässt 112 die Übersetzung kaum
schliessen, ob er aulam oder aviam liest, zumal da 17, 107 und
108, 123 ganz farblos gegeben, 135 und 136 sogar übersprun-
gen sind. Der vf. mag seine gründe gehabt haben, dass er die
derbheiten unterdrückte, zumal wenn er bedachte, dass die ar-
beit auch seine Schüler in die hände bekommen ; aber wenn er
dem gebildeten publikum ein culturbild vorführen will, so ist
doch bedenklich der reproduction feigenblätter aufzusetzen, wo
das original characte ristische nuditäten zeigt. Der Über-
setzung vorauf geht auf p. 7 eine einleitung zur einführung in
das thema der Satire und mit Inhaltsübersicht; sie ist zum theil
wörtlich der v. Siebold'schen ausgäbe entnommen. Zum schluss
folgen auf acht Seiten 46 anmerkungen zu verschiedenen stel-
len, die einer wirklichen erläuterung bedürfen ; an auswahl und
inhalt ist weiter nichts auszusetzen ; mir fällt nur auf, dass, wenn
doch die arbeit für ein weiteres publikum bestimmt ist, eine
reihe von loci classici aus Griechen und Römern in der Urspra-
che gegeben sind. Schief ist endlich die erklärung von libia
venalibus 187 : die kuchen seien in solcher menge gebacken
Nr. 7. 192. Sallustius. 361
worden, dass sie nicht aufgezehrt werden konnten, und werden
nun von den haussclaven gegen ein trinkgeld an die dienten,
die als freunde des hauses anspruch darauf hätten, verschenkt;
vielmehr denke ich ist der kuchen die sportula, die dem bei
solchem anlass die aufwartung machenden dienten mit fug und
recht zukommt; die unsitte will, dass dieser dem das geschenk
verabreichenden sclaven ein trinkgeld giebt , so dass er den
kuchen gewissermassen. kauft ; man denke an die contributionen,
die seitens der dienerschaften bei uns von hausfrauen und ga-
sten bei gesellschaften, taufen und dergleichen erhoben zu wer-
den pflegen. H. Wz.
192. De ratione quae inter Sallustianos Codices Vaticanum
nr. 3864 et Parisinum nr. 500 intercedat commentatio — scri-
psit F. Chr. Th. Dieck. 8. Halis Saxonum. 1872 (Ienenser
Doctordissertation).
Ein schätzbarer beitrag zur handschriftenfrage Sallusts, die
bekanntlich durch Jordans verfahren den Pariser codex 500
auf Unkosten aller andern, besonders des Vaticanus 3864, aus-
schliesslich zu bevorzugen in ein neues Stadium getreten. Der
vf. tritt den beweis an, und hat ihn durchgeführt, dass beide
manuscripte zwar gut, wenn auch vielerorts fehlerhaft seien, V
aber als fehlerfreier und relativ besser den vorzug vor P ver-
diene. In behandlung desselben gegenständes ist zum nämlichen
ergebniss gelangt A. Weinhold in der in diesem Anz. 1872, p. 349
besprochenen abhaodlung; doch ist der weg, den die beweisfüh-
rung geht, bei beiden nicht der gleiche, doch eben so sicher zum
ziele führend in der hauptsache bei Dieck, wie bei Weinhold ; bei
diesem ist sie erschöpfender, bei jenem nicht minder zwingend
als bei diesem •, der letztere besitzt umfassendere kenntniss des
sallustianischen Sprachgebrauchs und der einschlägigen littcratur,
und bat die sache methodischer angegriffen, als der erstere, und
wo im einzelnen die meinungen abweichen, wird man öfter dem
ersteren beistimmen; aber jener hat seinerseits mit so wirksa-
men mittein in den kämpf eingegriffen, dass der sieg zu gun-
sten des Vaticanus nur um so unbestrittener und ausser allen
zweifei gestellt bleibt.
Der gang der Untersuchung ist folgender: ehe auf die ver-
gleichung von V und P eingetreten wird, werden zwei vorfra-
362 192. Sallustius. Nr. 7.
gen berührt, betreffend das verhältniss von V zu dem Berner
excerptencodex , und die correcturen und Varianten in P : die
Verwandtschaft jener handschriften wird nachgewiesen aus den
gemeinschaftlichen lesarten und fehlem beider , aus den abwei-
chungen derselben der Vorzug von V vor B, und der Ursprung
aus einem beiden gemeinsamen archetypus ; die correcturen
in P werden verschiedenen händen zugeschrieben, die auffal-
lende, wenn auch nicht ausnahmslose Übereinstimmung einer an-
zahl Varianten mit lesarten von V constatirt, und benutzung
des archetypus von VB vermuthet ; weit mehr befriedigt hier Wein-
holds behandlung, welcher gezeigt hat, dass man auch die frage,
ob die Varianten schon im archetypus von P gestanden haben,
lösen kann. Genug aber, dass der verf. alle correcturen von
zweiter hand in P nicht in berücksichtigung zieht, indem er P
dem V gegenüberstellt. Die vergleichung wird nun so durch-
geführt, dass zunächst die augenscheinlichen Schreibfehler von
P und V aufgesucht werden — es sind deren 104 in P gegen
35 in V — ; sodann diejenigen stellen besprochen , wo P und
V abweichende lesarten bieten , die von vornherein nicht sinn-
los, doch in dem einen oder andern als verdorben sich heraus-
stellen; auch hier spricht die quantität und qualität der fälle zu
gunsten des V, obwohl der verf. mit unrecht an zwei stellen
diesen sogar hintansetzt (lug. 31, 25 amittatis, Cat. 52, 33
atque hominibus verwirft). Ferner prüft der verf. diejenigen
stellen , welche die willkürlich und absichtlich bessernde hand
eines abschreibers verrathen, und wo die eingeschwärzte lesart
gegen den sinn oder gegen den lateinischen oder den sallustia-
nischen Sprachgebrauch verstösst; er findet deren acht in V,
28 in P. Hier hätte der verf. besser seine Stellung gegen Jor-
dan praecisiren sollen, und betonen, dass er die correcturen in
V nicht der thätigkeit eines revidierenden redactors zuschreibt,
sondern den mehr zufälligen halucinationen eines stellenweise
gedankenlosen abschreibers, dass jenes viel für P gelte ; abgesehen
davon waren einige stellen unter die vorige gruppe zu ordnen.
Meist trifft Diecks auffassung mit derjenigen Weinholds zusam-
men; bisweilen nicht, z. b. lug. 31, 10, wo mit diesem dem V
zu folgen: honores — praedas ; 102, 8. wo mit jenem nach V
bona cepisses, 85, 5 nach P bene facta rcipublicae zu schreiben (vgl.
Schultze de archaismis Sali. p. 72) ; wenn endlich der verf. Cat.
Nr. 7. 192. Sallustius. 363
52, 7 die lesart: conquestus surn dem P zuschreibt, so beruht
dies auf der irrigen angäbe bei Dietsch ; wie Jordans und meine
collation zeigt.
Nunmehr kommt zur spräche die abweichende Wortstellung
an sechsundzwanzig stellen , und auch hier wiederum fällt die
entscheidung zu gunsten des V aus; aber wo Dieck nicht in
Übereinstimmung mit Weinbold sich befindet, mag er für V oder
P sich entcheiden, so ist des letztern begründung die triftigere;
also lesen wir mit diesem nach V Cat. 51, 35: atque Tiaec ego,
52, 2 : longe alia mihi, lug. 85, 23 : neque mala neque bona, nach
P Cat. 33, 1: neque cuiquam nostrum, 51,45: hanc ego, dagegen
lug. 14, 11: in meo regno nach P mit Dieck gegen Weinhold
(s. ob. IV, p. 351); endlich geht Dieck zu weit, wenn er lug. 24,
9 : scripsi des V als einzig richtig hinstellt gegen scribo des
P; mit recht hält Weinhold beides für an sich möglieb, und
wird jenes zu bevorzugen sein von demjenigen herausgeber; wel-
cher V als der relativ bessern quelle folgen wird. Dass sie
dieses sei, sucht der vf. noch besonders an vier stellen nachzu-
weisen, wo in V glosseme noch deutlicher erkennbar sind; näm-
lich lug. 35, 10 fehlt in V ac vor multarum in Übereinstimmung
mit Priscian ; lug. 31, 14 hat V idem cupere, P eadem cupere,
während dies glied in Donatus' citat fehlt; da Cat. 52, 35 urbis
in V fehlt, hält er mit Hertz auch intra moenia atque für ein-
geschwärzt ; endlich wird Cat. 20 , 7 die lesart des V : boni
atque strenui nobiles atque ignobiles gegen Jordans emendations-
versuch nach P geschützt (s. ob. IV, p. 352). Zuletzt stellt der
vf. diejenigen abweichungen in P und V einander gegenüber,
wo die lesarten an sich gleich gut sind; bei diesen untersucht
er, welche leichter als aus der andern entstanden nachgewiesen
werden kann: wo die entsebeidung möglich, setzt er diese nach;
wo sie unmöglich , bevorzugt er die vom Vaticanus gegebene.
So geht er 31 stellen durch, und zwar folgende; Cat. 20, 2. 6,
14; 35, 1. 6; 51, 9. 10; 52, 12. 36; 58, 21. lug. 14, 1. 3.
9. 11. 12. 15. 24; 24, 2. 3. 10; 85, 2. 3. 11. 14. 23. 26.
29. 30. 35. 39; 102, 8. Auch hier trifft Dieck mit Weinhold
meist zusammen ; über einiges, was dieser kurz abgetban , ver-
breitet sich jener einlässlicher, so über lug. 24, 2 : saepe vos ora-
tum mitto mit V ohne ad vor vos; aber wenn auch zugegeben
werden muss , dass Sallust das supinum mit einem objeetsaecu-
364 193. Dictys. Nr. 7.
sativ verbindet, so folgt dieses noch nicht notbwendig für diese
stelle, da die Verbindung mittere ad so geläufig ist, und V der-
gleichen kleine lücken hat; z. b. lug. 85, 3 simul ohne et, 102,
8 prineipio ohne a, wo zwar mit unrecht der vf. gerade V
folgt. Desgleichen sollte er lug. 85, 14 obiciuntur des V nicht
dem obiectantur von PC vorziehen , da dieses sowohl sallustia-
nisch als archaisch ist (vgl. Schultze 1. c. p. 67. 74), noch 14,
24 emori dem mori. Endlich ist es mehr als gewagt Cat. 20,
14 für illa illa ohne en einzustehen als lesart des V, da
diese angäbe Jordan nicht hat ; aber wenn es sogar in V wirk-
lich feblt, so möchte ich eher wie eben und anderswo eine
kleine lücke voraussetzen, als es entbehren.
Endlich wird die frage berührt der gemeinsamen quelle
der beiden handschriften , mit rücksicht auf PV gemeinsame
fehler; es lässt sich aber daraus nichts aufstellen, was den ar-
chetypus einer genauer bestimmbaren zeit zuwiese, als den ersten
Jahrhunderten nach Cbr. Wenn endlich der verf. noch aus
Dietscb' apparat zwei in VP gleichlautende corruptelen anführt,
wo Jordan schweigt, so ist um so weniger daraus etwas zu
folgern, als P zwar lug. 31, 22 wirklich alterna hat (s. m.
abh. de fide cod. Par. 1576 p. 1 n), aber Cat. 52, 36 bloss
Vulturci, so auch V nach Forchhammers collation bei Linker.
Wichtiger ist die folgerung aus der auch von Jordan u. a.
aufgestellten vermuthung , dass die excerpten zu schulzwecken
als musterbeispiele zur Übung in Stilistik und rhetorik angelegt
worden : es sei dies eher eine gewähr für unverfälschtere Über-
lieferung in V, zumal da spuren älterer Orthographie erhal-
ten sind.
H. Wz.
193. Dictys Cretensis ephemeridos belli Troiani libri sex.
Recognovit Ferdinandus Meister. 8. Lipsiae in aedibus
B. G. Teubneri. MDCCCLXXII. XV & 154 pp. — 15 gr.
Seit der umfassenden bearbeitung des Dictys von Dede-
rich, welche vor vollen vierzig jähren erschien, ist nichts nen-
nenswerthes für diesen autor geleistet worden. Eine neue re-
cognition des textes war daher um so erwünschter, da Dede-
rich kein reiches handschriftliches material zur Verfügung hatte.
Aber auch der apparat, den Meister seiner arbeit zu gründe
Nr. 7. 193. Dictys. 365
legte, ist wenn auch zuverlässiger, so doch nicht bedeutend er-
weitert, so dass die frage nahe liegt, ob denn der neue her-
ausgeber sich in Paris, Leyden, in der Vaticana und sonst nach
anderen handschriften umgesehen und nichts gefunden hat,
worüber man gern eine andeutuug in den prolegomenen läse,
oder ob er mit den nächsten besten Codices sich begnügend eine
auf diese sich beschränkende constituierung des textes bei ei-
nem scbriftsteller letzten rauges für hinreichend erachtet hat.
Scharfe bestimmtheit aber ist überhaupt den inhaltvollen mit-
theilungen des editors in seiner einleitung nicht gerade nach-
zurühmen. In kurzen andeutungen weist diese zunächst auf
die haupttheile der ephemeris hin, welche in den ersten fünf
biichern das bellum Troianum erzählt, während das sechste buch
eine compendiöbe erzählung der idrsTOL enthält. Vorausgeschickt
ist dem werke ein prologus und diesem eine im ganzen densel-
ben inhalt darbietende, in einzelheiten aber mehrfach abwei-
chende Epistola L. Septimii ad Q. Aradium Rufum, welche jedoch
gerade in der besten handschrift fehlt. Diese namen könnten
einen anhaltspunkt für die ansetzung des vorliegenden werkes
ins vierte Jahrhundert unserer Zeitrechnung abgeben, wenn nicht
mit Mercier die epistola für ein späteres duplicat des prologus
zu halten wäre. Hiefür entscheidet sich wenigstens der ber-
ausgeber gegen Perizonius. Bedenken bleiben freilich immer-
hin; denn manches im prologus sieht doch eher einer Verbesse-
rung der epistola ähnlich, wie wenn jener ausführt: terrae mo-
tus facti cum multa, tum etiam sepulchrum Dictys ita patefecerunt,
während die epistola einfach von conlapso per vetustatem sepulchro
spricht. Auch steht ein punkt des prologus mit einer angäbe
des ersten buches im Widerspruch, nemlich die erzählung, dass
das werk ursprünglich in punischer spräche verfasst und erst
auf befehl des Nero in Graecum sermonem übersetzt worden sei,
während I, 16 nur von punischer schrift die rede ist, in
welcher der griechische name Agamemnon aufgezeichnet wurde.
Die epistola vermeidet diesen Widerspruch, indem sie zwar ähn-
lich wie der prologus von litteris Punicis spricht, aber nicht von
einer griechischen Übersetzung, sondern nur von einer Umschrei-
bung litteris Atticis redet und ausdrücklich beifügt : nam oratio
Graeca fuerat. Eine entscheidung ist hier schwierig. In der
Würdigung der ephemeris selbst aber hat Meister unzweifel-
366 193. Dictys. Nr. 7.
haft der richtigen ansieht sich angeschlossen, indem er sich für
die annähme entscheidet, dass das vorliegende werk ursprüng-
lich lateiuisch abgefasst war, worauf die mit gesuchten archais-
men und poetischen floskeln ausgestattete spräche, sowie die
nicht auf phraseologie allein beschränkte, sondern auf die ge-
danken selbst ausgedehnte nachahmung des Sallustius deutlich
hinweist. Schon Vossius (de hist. latinis) hat sich dahin ausge-
sprochen und bestimmter noch Mercerius (ed. 1618) mit den
Worten : multa indicia sunt, Latine scripsisse nostrum, non ex Graeco
vertisse, et habere a Graecis ti\v vXijv , a Latinis multas dictiones
expressas, praeeipue a Sallustio. Auch die griechische wieder-
gäbe einzelner partieen aus Dictys bei Joannes Malalas zeigt,
dass den Byzantinern ein lateinischer text vorlag. Der angäbe
des werkes , das sich ausdrücklich für eine Übertragung aus
dem griechischen ausgibt, was noch theilweise in den neuesten
handbüchern der literaturgeschichte gläubig berichtet wird, ist
also nicht mehr glaube beizumessen als der anderen mitthei-
lung, das der Verfasser Dictys als genösse des Idomeneus persön-
lich am trojanischen kriege theil genommen habe.
Von den vier handschriften, deren collationen dem herausge-
ber vorlagen , ist die älteste und beste ein Sangallensis s. XI
(X?) , dessen lesarten (G) alle unter dem texte angegeben wer-
den. Aus dem Bernensis s. XIII (B), der neben vielen verse-
hen auch manche willkürliche lesart bietet, sind ausgewählte
Varianten in der adnotatio mitgetheilt. Dasselbe verfahren ist
auch bei dem Vratislaviensis s. XIII (V), soweit derselbe erhal-
ten ist, und dem Berolinensis s. XIII (P) eingehalten worden.
Einen Argentoratensis und einen sehr jungen Sangallensis kennt
der herausgeber nur aus den ausgaben von Obrecht und Dede-
rich. Natürlich haben auch die alten ausgaben , unter denen
die von Mercerius weitaus die bedeutendste ist, beachtuug ge-
funden. Zu gründe liegt dem texte Meisters codex G, mit
welchem B verwandt erscheint; ebenso findet zwischen P und
V eine nähere Verwandtschaft statt. Diese beiden handschrif-
ten enthalten einen vielfach verbesserten text und sind darum hie
und da mit nutzen, aber nie ohne die erwägung zu gebrauchen,
dass ihre lesarten den werth von conjeeturen haben. Insbesondere
ist in V manche emendation späterer gelehrten vorweggenommen;
im zweiten buche z. b. findet sich bereits in V die besserung
Nr. 7. 193. Dictys. 367
von Vinding exceptam cap. 19, von Wopkens inconsulte 21, von
Orelli iam iamque 26, von Perizonius paratus 31, von Obrecht
mole sua 43 u. s. w. Der herausgeber hat selbstverständlich nur
selten solchen lesarten eine stelle im texte gegönnt und ist
auch sonst mit der aufnähme fremder und eigener vermuthun-
gen sparsam gewesen. Neben etwa einem dutzend conjecturen
des herausgebers zum ersten und zweiten buche, die in der ad-
notatio mitgetheilt werden, sind nur wenige in den text gesetzt:
I, 17 quis , 21 tri, 22 mare mit recht, während die schwere
stelle II, 25 durch die änderungen des herausgebers nicht ge-
heilt ist. Mangelhaft ist an der arbeit des herausgebers be-
sonders die unter dem text fortlaufende adnotatio critica. Bei
einem autor wie Dictys erscheint allerdings eine ausgewählte
Variantenangabe aus den geringeren handschriften genügend,
nicht aber eine lückenhafte und vielfach unklare , wie die der
vorliegenden ausgäbe. Beispiele, aufs geradewohl herausgegrif-
fen, mögen den beweis liefern: zu p. 3 v. 20 lautet die note:
aiax GB, Mercerus : Oeax. Hier fragen wir notbwendig, wie in
P steht. Gibt P Oeax, so musste das als eine stütze der auf-
genommenen conjectur von Mercerus angemerkt werden; hat
aber P Aiax , warum schreibt dann der herausgeber zu dieser
lesart GB und nicht, wie er sonst zu thun pflegt, libri? — P.
8, 17 an timore G2, vulgo poenarum metu. Was bedeutet vulgo?
Ist darunter auch GiBP gemeint , so verlangen wir es zu wis-
sen; sind aber nur die ausgaben zu verstehen, dann vermissen
wir die angäbe der handschriftlichen lesart. — P. 13, 3 qui-
bus et P om. G nos quis. Wie steht in B ? — Solche be-
denken ergeben sich fast auf jeder seite. Und doch konnte
diesen so leicht begegnet werden ; der geringe räum, der hiezu
erforderlich scheint, hätte durch die beschränkung der sonsti-
gen breite in der adnotatio unschwer sich gewinnen lassen. Zu
p. 10, 31 ist angemerkt: Mer cerus non male proposuit et
fera. Natürlich non male, sonst dürfte die conjectur gar nicht
erwähnt werden. — P. 14, 13 Phalidis corr. P num rede,
magnopere quaeritur. Wäre etwa weniger gesagt, wenn es
hiesse: Phalidis Pf — p. 26, 26 ut quisque Vinding ius Jru-
stra locum temptans. Wenn der herausgeber die conjectur
unnütz findet, warum erwähnt er sie ? Die ganze note liess
sich ersparen. Doch genug hierüber.
368 193. Dictys. Nr. 7.
Versuchen wir lieber selbst noch ein scberfleia zur emen-
dation des Dictys beizutragen. Zweites buch cap. 2, 8 quod
ei iam tum a parentibus coeptum cum eo societatis ius perseverabat.
Auf a parentibus coeptum könnte sich iam beziehen; aber tum
weist auf die beziehung zu perseverabat als die richtige hin.
Man lese daher quod ei et iam tum . ., perseverabat. — 6, 7 hi
. . . Aesculapii filios venire ac vulneri mederi iubent , quv inspecta
cura propere apta dolori medicamina inponunt. Die argumente,
wodurch Dederich die sonderbare Verbindung inspecta cura recht-
fertigen will, sind nicht beweisend. Ich schlage vor : qui in-
specto cura propera e. q. s. Zu inspecto ergänzt sich vulneri
aus dem vorausgehenden; die vertauschung von propere und pro-
pera findet sich in G auch cap. 17, 14. — 14, 26 sed Chry-
ses . . . utriusque exercitus offensam metuens , quisque partium ad
eum venerat, cum Ms se adiunctum esse simuldbat. Mag immerhin
quisque bei Dictys für quicunque stehen können, so scheint doch
der satz nicht lateinisch zu sein , wenn wir nicht vor quisque
den ausfall eines relativums annehmen: quarum quisque par-
tium ad eum venerat, cum his e. q. s. — 15, 18 igitur a cunctis
Graecis veluti publicum funus eius crematum igni, aureo vasculo sepul-
tum est. Unmöglich kann funus zugleich „leichenbegängniss",
wie die Verbindung mit publicum fordert, und „leiche" bedeuten,
worauf crematum und sepultum hinweisen. Es ist vielmehr zu
lesen: igitur a cunctis Graecis — veluti publicum funus — cor-
pus eius, crematum igni, aureo vasculo sepultum est: vgl. 2, 9
idque (eius cruentum corpus) igni crematum, quod superfuerat, pa-
trio more sepeliit. 32, 1 corpora suorum cremata igni sepeliunt. —
17, 10 Ceterum Achilles haud contentus eorum, quae gesserat, Cili-
cas aggreditur. Sonst findet sich contentus bei Dictys nicht mit
dem genetiv construiert; sollte nicht auch hier der ablativ
gloria vor Cilicas ausgefallen sein? — 20, 6 his actis fidem
pacti, quod cum Polymestore intercesserat , traditumque Polydorum
refert. In den vorausgehenden Sätzen sind TJlixes et Diomedee
grammatisches und logisches subject; das pactum, auf welches
hier angespielt wird, war in cap. 18. erzählt worden. Da ist
es gewiss nicht einmal einem Dictys zuzutrauen , dass er das
subject zu refert zu setzen unterlassen hätte. Ich setze daher
den namen Aiax ein, wie es 18, 5 heisst; 7k'« actis Aiax. —
24, 17 dein a circumstantibus refectus paulisper erigitur: atque
Nr. 7. 194. Grammatiker. 369
ire in consilium cupiens ab regulis cohibitus est. Es bedarf wohl
nur einer andeutung, dass atqui ire zu lesen ist. — 26 , 23
egregie hercules actum nobis est könnte nur im sinne von n£noay,~
7ia ijuiv, wie Perizonius wollte, verstanden werden. Da dies
aber dem zusammenhange widerspricht, so ist wohl actum de
nobis est zu schreiben. — 33, 27 dein perfecto sacrificio paula-
tim vis mali leniri visa, neque amplius adtemptari corpora et eo-
rum qui antea fatigabantur tamquam sperato divinitus levamine re-
laxari. Muss nicht, wenn divinitus bedeutung gewinnen soll,
tamquam ins p er ato divinitus levamine gelesen werden? Vgl. I,
20, 22 insperabile cunctis remedium. — 46, 27 dein reliqui duces,
ut quisque locum ceperat , caedere singulos et ubi conferti steterant,
bini aut amplius congregati impetu suo dissolvere. Der gegensatz
von ubi conferti steterant und singulos zwingt uns zu der an-
nähme , dass auch bini aut amplius congregati seinen gegensatz
im vorausgehenden gehabt habe. Dictys hat wahrscheinlich
geschrieben: caedere singuli singiäos. — 47, 6 Troiani ex muris
respectantes. Längst ist vermuthet worden: despectantes ; es
scheint aber richtiger rem spectantes zu lesen.
Es übrigt noch die bemerkung, dass Meister seiner ausgäbe
einen Index latinitatis p. 114 — 137 und einen Index nominum et
verum p. 138 — 154 beigefügt hat, wofür ihm in Dederichs ausgäbe
trefflich vorgearbeitet war. Der druck der ausgäbe ist leider
nicht ganz correct ; wir verbessern beispielsweise auf den ersten
Seiten: p. 1, 5 vetustatem ; 2, 3 litterarum; 8, 4 genuisse; 8, 30
aderant. In den noten ist p. 4, 2 in, p. 9, 8 gratia irrthüm-
lich cursiv gedruckt.
194. He'nrici Keilii quaestionum grammaticarum p.
III. De Marii Plotii Sacerdotis libro de metris. Im Index
scholarum in universitate Halensi per hiemem a. 1872/73 ha-
bendarum. 11 s. 4.
Der vf. erörtert zunächst das verhält niss der unter dem na-
men des Marina Plotius Sacerdos überlieferten metrik zu den
zwei büchern M. Claudii Sacerdotis artium grammaticarum, in-
dem er die Zusammengehörigkeit dieser grammatischen Schrif-
ten als durch die neueren Untersuchungen über den gegenständ
festgestellt bezeichnet, diese Untersuchungen aber durch eine ein-
gehende behandlung einer seiner ansieht nach für die frage
Philol. Anz. V. 24
370 194. Grammatiker. Nr. 7.
sebr in betracht kommenden, aber bisber entweder gar nicbt oder
docb nicht binreicbend in dieser beziehung gewürdigten stelle auf
p. 30 der Wiener Analecta grammatica (Claud. Sac. I, §. 101)
ergänzen will. Ref. batte diese stelle in seiner schritt de Probis
grammaticis desshalb nicht berücksichtigt, weil ihm ihre Überlie-
ferung eine zu wenig sichere zu sein schien, als dass man aus
ihr für oder wider die Zusammengehörigkeit der zwei bücher
artium grammaticarum mit der metrik folgernngen ziehen könne.
Denn wie der vf. die ähnlichkeit des an der stelle angeführten
griechischen beispiels övog ovog äns&uve tivi iivi {tavaicp mit
dem lateinischen in der metrik c. 6, 7 p. 283 Gaisf. und die
Übereinstimmung des über die anwendung eines proceleusmaticus
statt eines dactylus gesagten mit p. 300 f. der metrik betont,
so könnte man auf der andern seite hervorheben, dass, was
von der anwendung eines anapaestus in metro proceleusmatico, ubi
omnes breves esse debent, gesagt wird, wenig mit der theorie der
metrik übereinstimmt , wonach das metrum proceleusmaticum nur
eine Spielart des anajoaesticum ist (c. 2, 5 und c. 6), und dem
vf. weiter entgegenhalten , dass der metriker Sacerdos doch
kaum, wie er ihn thun lässt, den nach seiner ansieht ganz le-
gitimen anapaest am ende des verses oiog .... Qavdr^ (c. 6, 7)
in eine linie hat stellen können mit dem von ihm angenomme-
nen asynartetischen gebrauch eines proceleusmaticus im daetylischen
metrum. Hielt aber ref. die stelle schon früher für äusserst
bedenklich, so hat er nunmehr die Überzeugung gewonnen, dass
der grösste tbeil von §. 101, der ganze abschnitt Sed hi versus
.... positis eine interpolation ist. Der grammatiker handelt
in §. 101 von der eetasis, der Verlängerung kurzer silben metri
causa, nachdem er in §. 100 von der entgegengesetzten er-
scheinung, der Systole, gesprochen hat. So wenig nuu in §.
100, wo nur der begriff der Systole bestimmt und ein beispiel
dafür gegeben wird, etwas vermisst wird, ebensowenig waren
§. 101 nach bestimmung des begriffs der eetasis und anführung
zweier beispiele weitere erörterungen nöthig. Und der anfang
der auf die beispiele folgenden auseinaudersetzung gibt sich schon
durch die ihn einleitende partikel sed als von jemand herrührend
zu erkennen, der anderer ansieht war als Sacerdos, wie denn auch
in der that eine ganz verschiedene auffassung folgt, welche die nach
Sacerdos metri causa verlängerten kürzen für einfache kürzen
Nr. 7. 194. Gramm atik er. 371
nimmt und die verse als nicht prosodisch, sondern metrisch eigen-
thümlich, als atit£<paXoi ansieht, wobei übersehen wird, dass sich
die erscheinung, von der die rede ist, durchaus nicht bloss am
anfang eines verses findet. In den weiter folgenden sätzen
werden andere metrische, nicht prosodische erscheinungen her-
angezogen. Ausserdem spricht auch der äusserst verwirrte zu-
stand dieser sätze, den der vf. durch gewiss in allem wesent-
lichen richtige abänderungsvorschläge zu beseitigen sucht , für
die annähme einer interpolation, wie auch der oben nachgewie-
sene mangel vollständiger Übereinstimmung des hier gesagten
mit der metrik sich sehr einfach erkiärt, wenn wir annehmen,
dass wir es hier nicht mit dem grammatiker selbst, sondern
mit vom rande in den text geralhfjnen bemerkungen eines an-
dern, der die metrik kannte, zu thun haben.
P. iv f. handelt der vf. von dem verschieden überlieferten
namen des grammatikers. Er entscheidet sich für die Überlie-
ferung der handschriften der metrik Marius Plotius Sacerdos.
Wenn sich der vf. dabei auf den vers : Non me Musarum comi-
tem Marium non laudo , der in der metrik c. 3, 13, p. 252
als beispiel angeführt wird, stützt, so kann sich ref. von der
beweiskraft dieses verses nicht überzeugen, da er bei einem
grammatiker, der einen seiner namen so häufig anwendet und
berücksichtigt, einen einmaligen gebrauch eines andern unwahr-
scheinlich finden muss. Sollte nicht eine beziehung zu Verg.
Ecl. IX, 35 f. anzunehmen und V avium für Marium zu schrei-
ben sein? Für Musarum comitem ist Verg. Aen. IX, 775 zu
vergleichen.
Von p. v bis p. x beschäftigt sich der vf. mit den zum
theil von dem grammatiker selbst gebildeten griechischen und
lateinischen versen , welche im dritten buch des Sacerdos als
beispiele der einzelnen versarten dienen. Zunächst werden hier
aus zwei leydener handschriften emendationsvorschläge Jos. Sca-
ligers zu den von den abschreibern arg mitgenommeneu grie-
chischen beispielen mitgetheilt. Hieran schliesst sich eine aus-
führliche erörteruug der mannigfachen Verstösse gegen die me-
trischen gesetze, welche sich besonders in den lateinischen bei-
spielen finden. Der vf. hätte hierbei den §. 84 des ersten
buchs, der von der synaloephe handelt, und den abschnitt de
structuris am ende des zweiten bucli3 mit grossem nutzen her-
25*
372 195. Griechische alterthümer. Nr. 1.
anziehen können. Wenn er p. vn f. und x an der stelle c. 3,
7, p. 250 nicht mit L. Müller im Rh. Museum bd. 27, p. 284
f. eine interpolatioo annimmt, sondern dem grammatiker selbst
eine molossische messung der worte fecit et bei folgendem vo-
cal zutrauen zu können glaubt, so wird man den zahlreichen
fällen nicht viel weniger schlimmer art gegenüber schwerlich
umhin können, ihm beizustimmen.
Der vf. schliesst seine abhandlung mit dem nachweis, dass
Sacerdos in seiner metrik öfter in versen redet, als die heraus-
geber bemerkt haben. Ref. glaubt, dass der grammatiker auch
seine letzten sätze über das iambische, ionische und paeouische
metrum als verse hat angesehen wissen wollen.
J. Steup.
195. Die festzeit der attischen Dionysien. Von Otto Gil-
bert. Göttingen, Vandenhoeck und Ruprechts Verlag. 1872.
gr. 8. IV. 176 s. — 1 thlr.
Ausser den grossen städtischen Dionysien , deren festzeit
im elapbebolion feststeht, unterscheidet man gewöhnlich drei
bedeutendere Dionysosfeste in Attika: die ländlichen Dionysien,
abgehalten an verschiedenen tagen des Poseideon in den einzel-
nen demen, ferner die Lenäen im gamelion , endlich vom 11 —
13 anthesterion die Anthesterien , bestehen aus den Pithoigia,
Choes und Chytroi. Dieser von Böckh Abhandl. d. Berl. Akad.
1816 — 17 begründeten auffassung tritt der vf. obengenannter
Schrift entgegen und sucht zu erweisen, dass die Lenäen nur
ein theil oder eine andere benennung der Anthesterien , diese
selbst aber ursprünglich das demosfest des ältesten Athen, und
somit von den ländlichen Dionysien im gründe nicht verschie-
den gewesen seien. Dem entsprechend verlegt er die dramati-
schen darstellungen der Lenäen auf den tag der Chytroi, wel-
cher früher mit dem der Choes (12. anthesterion) zusammen-
gefallen sei; die ländlichen Dionysien werden von ihm in den
gamelion und das erste drittel des anthesterion gesetzt.
An den zahlreichen und bestimmten Zeugnissen , welche
Böckh für seine Unterscheidung und anordnung der genannten
feste beibringt, hat vf. ihr, im vergleich mit Aristophanes und
Thukydides, welche gegen dieselben sprechen sollen, spätes Zeit-
alter auszusetzen; lässt aber unerklärt, wie es kommt, daßs so
Nr. 7. 195. Griechische alterthümer. 373
viele Schriftsteller aus einer zeit, in welcher religion und cul-
tus der Athener noch keine wesentlichen änderungen erlitten hat-
ten, über wichtige und allgemein bekannte feste der berühmtesten
hellenischen stadt übereinstimmend irren. Er beginnt die dar-
legung seiner eignen ansieht mit einer breiten , hie und da in
abenteuerlichen behauptungen sich ergehenden auseinanderse-
tzung über Hesiods lenaion (Op. et D. 502 ff., dort als ein grim-
mig kalter monat geschildert) und kommt schliesslich zu dem
richtigen, wenn auch nicht eben neuen ergebniss, dass derselbe
dem attischen gamelion entspreche. Er gibt daher Böckh zu,
dass die Lenäen eigentlich dem gamelion angehörten, aber nur
für die früheste zeit. Die bekannte vermuthung, dass dieser
monat auch in Attika früher, wie bei den Ioniern fortdauernd,
lenaion geheissen habe, nimmt er, gegen seine gewohnheit,
ohne weitere begründung als festgestellte thatsache und erkennt
in der umnennung, welche den namen gamelion an die stelle
des lenaion gesetzt habe , einen bestimmten beweis dafür, dass
gleichzeitig mit ihr die Lenäen aus diesem monat weg (in den
anthesterion) verlegt worden seien. Wie wenig triftig dieser
beweis ist, lehrt der umstand, dass auch der erste attische mo-
nat seinen namen (aus kronion in hekatombaion) verändert,
das Kronienfest aber trotzdem seinen platz in demselben be-
halten hat. Noch schlimmer für die ansieht des vf. von der
identität der Anthesterien und Lenäen ist, dass in dem ioni-
schen kalender allezeit die monate poseideon, lenaion und an-
thesterion auf einander gefolgt 6ind : worin doch allein schon
die grundverschiedenheit der beiden feste ausgesprochen und
zugleich ein dem thukydideischen an alter mindestens gleich-
stehendes zeugniss enthalten ist. Der vf. schweigt hierüber
ebenso wie über die Verlegenheit, welche der name des monats
anthesterion bei seiner ansieht, dass die mit den Anthesterien
identischen Lenäen ursprünglich dem gamelion- lenaion ange-
hört haben, verursachen muss.
Die schon berührte äusseruug des Thukydides steht 2, 15:
to iv ACpvais Aiqvvgov [isqov), qj t« ag^aiorega /Jiovvata tri
dcodexärri noistrai iv fMjn 'Av9&arriQimvi. Hier bezieht der vf.
das pronomen <w sprach - und sinnwidrig auf legov 6tatt auf
/Jiorvöov und kommt dadurch zu allerlei grundlosen behauptun-
gen. Zuzugeben ist, dass die zweizahl, welche der comparativ
374 195. Griechische alterthümer. Nr. 7.
voraussetzt, sich schön erklären würde , wenn neben den gro-
ssen Dionysien des elaphebolion nur noch ein, bald Anthesteria
bald Lenaia genanntes, städtisches Dionysosfest bestanden hätte;
diese deutung verträgt sich aber mit allem , was wir sonst in
dieser sache wissen, nicht und es ist noch mehr als eine erklä-
rung des agiaiönga neben ihr möglich, z. b. die bisher ange-
nommene, welche jedenfalls mit den thatsachen im besten ein-
klang ist, vgl. Hermann GA. §. 57; 26. Die Anthesterien (ftia-
qu) rj/ifgai (, anoqi(jä8t<;) gelten dem finstern cult des chthonischen
Dionysos, die Lenäen dagegen dem des weingottes. Diesen
seiner doctrin verderblichen unterschied möchte der vf. dadurch
aus dem wege räumen, dass er Arminia von lijpoi sarg ableitet;
aber in der zurückführung der Lenäen und des Dionysos Lenaios
auf Irjvng kelter stimmt das ganze alterthum überein und die Grie-
chen mussten doch wohl selbst am besten wissen, ob sie in
letzterem den chthonischen oder den keltergott verehren.
In den Acharnern des Aristophanes spielt die handlung
zuerst an den ländlichen Dionysien, dann an den zwei monate
späteren Choes, hat also wie von Böckh und allgemein ange-
nommen wird, keine zeitliche eiuheit. Der vf. postulirt örtliche
und zeitliche einheit und sucht die stärksten fälle einer abwei-
chung durch besondere erklärungen von der hier geschehenen zu
unterscheiden; die noch ärgere Störung der illusion , die ab-
weichung von der einheit der person und des aktes in v. 1150,
wo Dikaiopolis sich in den dichter Aristophanes verwandelt,
und 504, wo von der aufführung des Stückes an den Lenäen die
rede ist, beirrt ihn so wenig, dass er hierin sogar einen beweis
von der identität der Anthesterien und Lenäen zu erkennen
im stände ist. Entblödet er sich doch auch nicht, von v. 268
is tov 57jfiov iXdwv die Übersetzung: „auf dem wege nach dem
demos" zu geben, durch welche er den einwand, dass auch die
örtliche einheit nicht festgehalten ist, beseitigt glaubt.
Die gebotene rücksicht auf den räum erlaubt uns nicht,
auf alle vom vf. behandelten stellen einzugehen und die bemü-
hungen, welche er aufbietet, um dieselben seiner hypothese gefügig
zu machen, zu beleuchten ; es mag genügen , einiges hervorzu-
heben, das sich kurz abmachen lässt. Bei den folgerungen,
welche p. 145 ff. durch vergleichung der Inschrift C. I. 145
mit Rang. 842 gewonnen werden, ist ein wichtiger factor , die
Nr. 7. 195. Griechische alterthümer. 375
bedeutung der präpositiou in den Worten nagd (ivarygCcov xal
TtXez&v ganz ausser acht gelassen; p. 143 wird das fehlen der
Anthesterien neben den Lenäen bei Deraosth. Mid. 4 als ein be-
weis der identität beider angesehen, da gerade von den Anthe-
sterien es feststehe, dass an ihnen niemand habe verhaftet wer-
den dürfen, der text (,u/} i^ttvai fA,i'jie ivsyvgdaat fxijzs Xafißdvsiv
sregov hnjov fjijSe röJv vnegtjfAfQCov iv zavzuig zaig i/fAsgaig) spricht
aber gar nicht von Verhaftungen. Dieselbe beobachtung und
dieselbe schlussfolgerurig wird p. 142 auf Pollux VIII, 90 ö ßaai-
Xsvg fivazriQicov ngot'orrjxe (aszu zwv inifitXijräv xul Arjvaicov aai
uycöt'tav vüv inl Xafijtddi, aal rd tisqI zag nazglovg üvatag 8101-
jccf, angewendet, ohne zu berücksichtigen, dass die Anthesterien
in den zuletzt angeführten worten enthalten sein können. Zum
beweis, dass an den Choes dramatische aufführungen stattfan-
den, dient dem vf. auch die angäbe der Vita Sophoclis: KaX-
XmniÖtjv vnoxgtztjv dno igyaaiug i^Onovvzog qxovza naga zovg
Xöag ntfAipixi avrm azayvXrjv, denn Kallippides, ein Schauspieler
von beruf, sei nicht zu seinem vergnügen nach Athen gekom-
men. Was alles der spräche, den texten und der geschichte
in unsrer schrift zugemuthet wird, zeigen beispiele wie p. 112
die annähme eines wortes tvXsxzoi = sgia, p. 85 die deutung
von Liban. Ep. 1133 zgvytjzov yavivzog auf die frühlingszeit, p.
158 die conjectur zyg a'qg (statt yditjß) öuoXoyiag Alciphr. Ep.
II, 3, p. 124 die annähme, dass der redner Lykurg, dessen po-
litische Wirksamkeit in den letzten jähren des k. Philipp be-
gann, kurz vor 368 die dramatischen Vorstellungen der Lenäen
(soll heissen der Chytroi) wieder eingeführt habe.
Doch fehlt es auch nicht an treffenden beobachtungen, vgl.
p. 111 das über die bedeutung von Xomov bei spätem Schrift-
stellern gesagte, p. 39 die Widerlegung der deutung kufe, wel-
che A. Mommsen von Xrjvog gegeben hat, p. 118 und 165 den
nachweis der benennung /tiovvaia für die Anthesterien bei Ari-
ßtophanes und Philostratos (nur dürfen die von letzterem Vit.
Apollon. 4, 21 geschilderten dramatischen aufführungen nicht
für identification der Anthesterien und Lenäen benutzt werden,
es sind abermals die Xvzgwoi dyävtg gemeint), p. 164 die an-
setzung der Peiraia im gamelion, woraus jedoch, da diese iu
einem ordentlichen theater und überhaupt in der weise der stä-
dtischen spiele gegeben wurden, kein schluss auf feier der ländli-
376 196. Virgilius im mittelalter. Nr. 7.
chen Dionysien in jenem monat gezogen werden kann. Diese
und andere ausführ ungen zeigen, dass der vf. auch in der haupt-
sache besseres hätte liefern können : dunkelheiten bietet die
materie noch genug, welche ein eindringendes Studium lohnen;
besonders in betreff der cultuslocale enthält die seit Böckh herr-
schende bebandlung dieses themas sehr anfechtbare sätze, wel-
che festgehalten und, wie das p. 101 ff. geschehen ist, bis in ihre
letzten consequenzen verfolgt, allerdings leicht zum rückfall in
die alte confusion der Dionysosfeste verführen können.
Fg.
196. Virgilio nel Medio Evo per D. Comparetti. 2 voll.
8. Livorno. 1872.
Von diesem bedeutenden werke des bekannten italienischen
gelehrten werden ohne zweitel die deutschen kritiker, die ihre
besondern Studien auf das mittelalter gerichtet haben, gelegent-
lich ausführlicher sprechen. Dennoch sei es erlaubt, auch hier
dem deutschen publicum einen kurzen bericht über den inhalt
desselben zu geben. Es scheint dies um so nützlicher zu sein,
da das buch den schlagendsten beweis liefert, wie ein Italiener
sich alle die resultate der ausländischen, besonders der deut-
schen forschung zu eigen machen kann, ohne deshalb aufzuhö-
ren, ein selbständig denkender köpf zu sein.
Comparetti's werk besteht aus zwei scharf geschiedenen
theilen: im ersten wird die literarische Überlieferung Virgil's
von der zeit des dichters selbst bis zur „göttlichen komödie u
und zum „Dolopathos" sorgfältig auseinandergesetzt; im zwei-
ten wird Virgil als held der volkstümlichen sage ins äuge ge-
fasst, und für das erste mal eine kritisch genügende darstel-
lung der historischen entwickelung der wunderlichsten legen-
den versucht und glücklich ausgeführt. Das hauptverdienst
des Verfassers ist nach meiner ansieht die immer scharfsinnig
durchgeführte Scheidung der literarischen und volksthümlichen
elemente in der Virgilssage, worauf die eintheilung des buches
beruht. Gegen den ersten theil , welcher der geschichte der
berühmtheit Virgils namentlich in den schulen aber auch bei
gebildeten Privatleuten gewidmet ist, wird man wahrscheinlich
etwas einwenden, was vielleicht nicht als ganz unbegründet be-
trachtet werden könnte. Man wird nämlich finden, dass Com-
Nr. 7. 196. Virgilius im mittelalter. 377
paretti zu weit ausholt, wenn er uns eine vollständige ge-
schiente der ideen und urtheile über Yirgils werke, besonders
über die Aeneis, in der besten kaiserzeit, ja sogar von der zeit
des dichters selbst an, vor äugen stellt. Das hat aber der vf.
selber vorhergesehen und mit triftigen gründen begründet (vorr.
p. xi ff.) ; und wenn man auch den werth seiner gründe nicht
anerkennen wollte, so müsste man doch zugeben, dass die
neueren Schriftsteller nur selten auf so verzeihliche weise die
gränzen des vom titel angedeuteten inhaltes überschritten haben.
Man muss sich sogar sehr freuen, dass der vf. durch diesen
umsehweif, wenn man einige dieser werthvollen capitel so nen-
nen darf, veranlasst worden ist, die bedeutung der Aeneis als
dichterische Schöpfung und nationalepos näher zu bestimmen.,
Heutzutage siud die meisten sehr geneigt, ja es ist gewisser-
massen arge modesache, die römischen poetischen produkte
möglichst gering zu schätzen , was eben deswegen berechtigt
erscheint, weil man die gewandtheit hat, griechische muster in
vergleich zu bringen. Freilich ist es keine schwierige aufgäbe,
sonnenklar zu zeigen , wie eine solche methode allen festen
grundes entbehre, indem es aller Vernunft entbehrt, wenn einige
kritiker von den römischen dichtem im allgemeinen und beson-
ders von Virgil eine derartige Originalität verlangen , wie sie
Homer und die homerischen dichtungen besitzen. Auf diese
weise lässt sich das virgilianische epos ohne grossen aufwand
von gelebrsamkeit herabsetzen, ja, wenn man will, als eine fal-
sche dichtungsgattung betrachten. Das hat aber mit dem Ver-
dienste des dichters so gut wie gar nichts zu thun ; sonst
müsste man unsrem Virgil den umstand zurechnen wollen,
nicht in Griechenland zu homerischen zeiten geboren zu sein.
Wenn man dagegen, wie Comparetti richtig thut , vom dichter
nur das verlangt, was er durch das höchst denkbare poetische
talent dem geist seiner zeit und seiner nation gemäss leisten
konnte, dann muss man auch Comparetti's begeisterung für
Virgil billigen und mit ihm erkennen, dieser sei der einzige ge-
wesen, der ein kunstepos zu hinterlassen vermochte, welches als
nationalepos zu gelten verdiente, und als musterhafte dichtung
die bewunderung jedes geistreichen kopfes anzuregen wusste. Ich
versuche den schluss des ersten capitels zu übersetzen, wo eben der
vf. in sehr gedrängter weise darüber sich ausspricht (I, p. 19 ff.):
378 196. Vergilius in mittelalter. Nr. 7.
„Eine affectirt strenge, eigensinnige, paradoxe und einge-
nommene kritik mag über diesen grossen dichter, so gut wie
über viele andre grosse römische schriftsteiler, sagen was sie will.
Wenn sie irrt, desto schlimmer für sie. Schwerlich wird die
Wissenschaft die excesse solcher geistigen reactionen vergeben
können, ob sie gleich dem wissenschaftlichen fortschritt gehol-
fen haben mögen. Das werk Virgils , in seiner art und seinen
historischen gründen nach , wie es gehörig ist, betrachtet , ist
und wird immer ein grosses denkmal bleiben , welches weder
vorher noch nachher seines gleichen hatte; begründet ist die
begeisterung, wozu es alle gebildeten geister, von den niedrig-
sten bis zu den grössten, anregte. Nachahmer ist Virgil nur in
nebensachen, und aueh als solcher ist er gross; nachahmer ist
er, weil er es sein musste, weil keine geniekraft zu seiner zeit
einer solchen bedingung ausweichen konnte. Eine völlige
emancipation von alle dem, was die immer noch sehr lebendi-
gen griechischen Schöpfungen auferlegten, war eine sache , die
niemand wünschte, niemand wollte, und die als eine unförm-
liche und unbegreifl liehe anomalität mit Unwillen aufgenom-
men worden wäre. Nicht in jedem moraente und zustande des
menschlichen geistes können die wege des genies frei sein.
Trotzdem offenbart es sich doch jedermann, welcher sich nicht
die äugen zuhält, um es nicht zu sehen; man darf es nicht
verkennen und nicht , wie es bei Virgil der fall gewesen ist,
mit der verachtenden benennung „Virtuosität" verkleinern. Der
natur, den elementen, dem ganz speciellen zweck seines werkes
gemäss arbeitete Virgil in einem von der homerischen dichtung
so verschiedenen gebiete , dass sein dem zweck angemessenes
epos eine wirkliche „Schöpfung" ist. Eine gewisse dosis
von hellenismus steckte im römischen leben, und folglich auch
im dichter, welcher untreu gewesen wäre , hätte er sie in sei-
nem gedieht nicht repräseutirt : aber der erste und tiefste cha-
racter Virgils besteht darin , dass er , wie Petronius ihn mit
rechter erkenntniss nennt, wesentlich Romanus war".
Natürlich werden die leser, die über Virgil anders urthei-
len, durch diese wenige Schlussworte nicht überzeugt werden:
aber ich würde mich freuen, wenn sie als anregung dienten,
das ganze buch durchzulesen.
Aus dem ersten theile will ich noch zwei capitel beson-
Nr. 7, Neue auflagen. 379
ders hervorheben, und zwar diejenigen, worin die von Vir-
gil in der „göttlichen komödie" gespielte rolle auf streng hi-
storischem wege auseinandergesetzt wird. Gelehrte und dilet-
tanten hatten sich freilich bemüht, diesen oder jenen zug
der grossen persönlichkeit Virgils zu betonen, um die le-
ser von der Wichtigkeit seiner erscheinung bei Dante zu
überzeugen. Niemand hatte aber bisher die rechte saite
getroffen, so dass Virgil allen nur durch seine poetisch • rhe-
torischen mittel zu glänzen schien , die rein sache der äusse-
ren form sind und der eigentlichen wahren poesie fern stehen.
Nach den besten darstellungen erschien der Dante'sche Virgil
als etwas äusseres, von der literarischen oder volkstümlichen
tradition auferlegtes. Comparetti hat zum ersten mal seine
tiefe bedeutung nachgewiesen und zugleich ein belebtes bild
desselben jedem gebildeten leser vor äugen gestellt. Durch
Comparetti's darstellung finden wir endlich diese wähl des Vir-
gil zum „fuhrer" dem grossen dichterischen und poetisch - re-
ligiösen zweck Dante's angemessen; so dass auch in dieser be-
ziehung unsre bewunderung für den göttlichen dichter gerecht-
fertigt wird, den die Vaterlandsliebe, und die erhabene Vorstel-
lung eines römischen reichs zum sänger der Aeneiden zurück-
führten.
Girolarno Vitelli.
Neue auflagen.
197. Herodotos. Für den schulgebrauch erklärt von K. Abicht.
3. bd. 2. aufl. 8. Leipzig. Teubner; 18 ngr. — 198. Xenophons
Anabasis. Für den schulgebrauch erklärt von F. Vollbrecht. 1. bdch.
8. Leipzig. Teubner; 15 ngr. — 199. Horaz sämmtliche werke. Text
nebst metrischer Übersetzung, ausgewählt von Th. Obbarius. 3. aufl.
2. thl. 16. Paderborn. Schöningh; 15 ngr. — 200. Tacitus Annalen.
Schulausgabe von A. Dräger. 1. bd. 2. aufl. 8. Leipzig. Teubner;
24 ngr. — 201. Cicero de oratore. Für den schulgebrauch erklärt
von K. W. Piderit. 4. aufl. 8. Leipzig. Teubner; 1 thlr. 12 ngr.
(wir heben gleich hier aus der vorrede dieser von neuem sorgfältig
durchgesehenen und verbesserten aufläge die äusserung des vfs her-
vor, dass diese schrift Cicero's sich zwar vorzugsweise für die lectüre
in der prima der gymnasien sich eigne, aber auch den realschulen
zu empfehlen sei). — 202. Römische prosaiker in Übersetzungen.
Cornelius Nepos. 5. aufl. gr. 16. Stuttgart. Metzler; 8 ngr. — 203.
Fr. Lilbkers Reallexikon des classischen alterthums. 4. aufl. Herausg.
von F. A. Eckstein. 1. abthl. 8. Leipzig. Teubner; 1 thlr. — 204.
A. Schäfer, abriss der quellenkunde der griechischen geschichte bis
auf Polybios. 2. aufl. 8. Leipzig. Teubner; 20 ngr. — 205. G.
Hannak, lehrbuch der geschichte des alterthums. 2. aufl. 8. Wien.
380 Schulbücher. — Bibliographie. Nr. 7.
Beck; 14 gr. — 206. R. v. Ihering , Geist des römischen rechts auf
den verschiedeneu stufen seiner entwicklung. 1. thl. 3. aufl. 8.
Leipzig. Breitk. u. Härtel; 3 thlr. — 207. W. Hoffmann, der zustand
des weiblichen geschlechts in der heidenweit. 3. aufl. 8. Heidel-
berg. Winter; 16 ngr. — 208. G. Wattenbach, Deutschlands geschichts-
quellen im mittelalter. 1. bd. 3. aufl. 8. Berlin. Besser; 2 thlr.
Neue Schulbücher.
209. J. Zürcher, die sünden der modernen schule und ihre be-
ziehungen zum leben des schülers. 8. Aarau. Christen; 8 ngr. —
210. V. Hintner, griechisches elementarbuch zunächst f. d. dritte und
vierte classe der gymnasien 8. Wien. Beck; 22 ngr. — 211. Freund,
tafeln der römischen literaturgescbichte. gr. fol. Leipzig. Violet;
5 ngr. — 212. V. Hintner, kleines Wörterbuch der lateinischen ety-
mologie. 8. Brixen. Theol. verlagsanstalt ; 1 thlr. 10 ngr. — 213.
H. O. Simon, aufgaben zum übersetzen in das lateinische für sexta
und quinta. 4. aufl. 8. Berlin. Dümmler ; 772 gr- — 214. F.
Schultz, aufgabensammlung zur einübung der lateinischen syntax. 6.
aufl. 8. Paderborn. Schöningh; 25 ngr. — 215. H. Menge, repetitorium
der lateinischen grammatik und stylistik. 2te hälfte. Braunschweig.
Grüneberg; 24 ngr. — 216. Fr. Schultz, kleine lateinische Sprach-
lehre. 18. aufl. 8. Paderborn. Schöningh; 772 ngr. — 217. K. H.
J. Hoffmann , rhetorik für höhere schulen. 1. abth. Die lehre vom
styl. 4te aufl. besorgt von C. F. A. Schuster. 8. Clansthal, Grosse;
772 ngr. — 218. K. Hansen, poetik, metrik, figurenlehre und dich-
tungsarten für die obern classen höherer lebranstalten. 2. aufl. 8.
Hamburg. Elkan; 10 ngr. — 219. F. E. Feiler, Dizionario italiano-
tedesco e tedesco-italiano. 4. aufl. 8. Leipzig. Teubner ; 1 thlr. 20 gr.
Bibliographie.
Mancherlei klagen über Leipziger Verleger und sonstige den
buchhandel oder buchhändler drückende umstände bespricht ein ar-
tikel eines Schwaben im Börsenbl. nr. 119, vom 26. mai, der dann
allerlei entgeguungen hervorgerufen hat in nr. 125. 132. Es wäre
doch wohl zu wünschen, dass mehrere solcher Schwaben in Leipzig
gewesen wären.
Ueber Unternehmungen zur hebung des italienischen buchhan-
dels vrgl. Börsenbl. nr. 126. 132.
Am 1. juli ward zu Herolz, eiueui dorf bei Schlüchtern durch
das landesgericht die bibliothek des Dr Lettich verkauft, die an ita-
lienischer literatur sehr reich sein, an 130 aldiuen, 79 juntinen ent-
halten soll. Vgl. Augsb. allg. ztg. beil. zu nr. 161. Börsenbl. nr. 138.
Im verlage von F. J. Scheuble zu Freiburg im Br. ist erschie-
nen: Zeitschrift der gesellschaft für beförderung der geschichts- al-
terthums- und Volkskunde von Freiburg, dem Breisgau und den an-
grenzenden landschaften. Bd. I. II ä 3 hefte, 1867 — 72, jeder bd. 2
thlr. 2 sgr. : Im bd. I steht: die römische töpferei zu Riegel, von H.
Schreiher, die übrigen aufsätze beziehen sich nicht auf das classische
alterthum.
Verlauf und ergebniss des buchdruckerstrike's I. II , sehr ruhig,
umsichtig und keuntnissreich geschriebene artikel in Börsenbl. nr.
142. 144 von H. Schürmann : er erklärt im anfang, dass die gehülfen
ihren willen durchgesetzt und vollständig oder doch im wesentlichen
Nr. 7. Kleine philologische zeitung. 381
alles erzielt haben, was sie wollten, setzt dann die verschiedenen Sta-
dien des kampfes zwischen den gehülfen und principalen auseinander
und schliesst mit einem blick auf die englischen analogen Verhält-
nisse: da hatten auch die gehülfen ihren willen durchgesetzt, aber
gleich darauf fing an der unternehm ergeist zu fehlen: die druckerei-
besitzer waren genöthigt ihre offizinen zu schliessen. In Amerika
zeigte sich ähnliches : als die löhne im osten zu sehr gesteigert wa-
ren, Hess man im westen drucken, wie jetzt deutsche Verleger an Pa-
ris und an anderes ausländ denken. Wenn das bei uns sich weiter
ausdehnte und verwirklichte? Es ist das nicht unwahrscheinlich, da
höhere Steigerung, wie sie die buchhändler jetzt in aussieht nehmen —
s. Teubner's erklärung im Börsenbl. nr. 142 — - das publicum kaum
zum ankauf von büchern, der schon längst im abnehmen, reizen wird:
was dann? Dann kann das ob. nr. 3, p. 169 mitgetheilte propheti-
sche wort, über das man wohl gelacht hat, doch zur Wahrheit wer-
den. Rücksichtsloses handeln trägt ja nie gute fruchte.
In folge des wiener börsenkraches sind gegen 15 druckereien in
Wien geschlossen und am 1. juli vermuthet man würden noch ein
dutzend diesem beispiele folgen , wenn sich die setzer nicht eine re-
duetion des lohnes wollen gefallen lassen. Die buchhändler lassen
jetzt schon wegen des hohen tarifs ihre arbeit in den provinzen be-
sorgen. Börsenbl. nr. 144. Also s. oben.
Ueber die ostermessausstellung berichtet Börsenbl. nr. 148. 150.
sie soll sehr zur Zufriedenheit ausgefallen sein: hervorgehoben wer-
den namentlich die leistungen Englands in druck und buchbinderei.
Den 13. juli findet in Wien eine Versammlung der buchdrucke-
rei- und schriftgiesserei-eigenthümer Deutschlands, der Schweiz und
Oesterreichs statt: gegenständ der berathung soll ein minimal -tarif
sein und namentlich anbahnung einer innigen Vereinigung des buch-
drucker-principal Vereins. Dies letztere dürfte besonders nöthig sein :
denn wie schlecht es damit steht , hat der letzte strike in Leipzig
nur zu deutlich gezeigt.
Von der Weidmann 'sehen buchhandlung in Berlin ist ein verzeich-
niss ausgewählter werke aus ihrem philologischen verlage versandt,
welche bis zu ende des j. 1873 zu ermässigten preisen zu beziehen
sind. Eben so ist versendet » ausgewählte werke aus dem verlage
der Weidmatiri' sehen buchhandlung in Berlin«.
Von Friedrich Vutveg und söhn in Braunschweig ist ausgegeben :
>unterrichtsbücher, compendien und Wörterbücher« aus dessen verlag.
Cataloye der antiquare: antiquarischer anzeiger n. 220 von Joseph
Baer & Co. in Frankfurt am Main; bericht von den neuen erwerbun-
gen des lagers von S. Calvary & Cie, n. 37 ; antiquarischer anzeiger
von Hmis Flüssen in Leipzig, nr, 1. 2, schöne Literatur enthaltend;
verzeichniss (nr. 66) des antiquarischen bücherlagers von Fr. Kaiser
in Bremen; katalog I und IV eine Sammlung von werken aus dem
gebiete der classischen philologie aus dem lager von Mayer und Mül-
ler in Berlin; antiquarischer anzeiger (nr. 38) der Weiler sehen buch-
handlung (Oscar Rösger) in Bautzen ; antiquarischer anzeiger (nr.
30) von Ernst Wagner in Augsburg; catalog nr. 7 des antiquarischen
bücherlagers von Auyust Westphaleyi in Flensburg und Hadersleben;
verzeichniss XL VII von Alfred Würzner in Leipzig.
Kleine philologische zoilung.
"Berlin. 6. mai. Sitzung der archäologischen gesellschaft, aus der
wir hier hervorheben den Vortrag von Hübner über römische alter-
thümer in Lothringen, den von Schubriny über Benndorf s werk »über
382 Kleine philologische zeitung. Nr. 7.
die metopen von Selinunt: er suchte die von Benndorf aufgestellte
annähme einer nur theilweise stattgehabten befestigung des nördlich
der akropolis gelegenen stadthügels als unzulässig darzulegen. Fer-
ner besprach Bormann ein bei Mors gefundenes irdenes krügeichen
mit der inschrift: Dae Sunxalis ferendas fecit M. Victorinus; eine
göttin Sunuxali oder Sunuscull, wo die endung fehlt, ward noch aus
andern am linken Rheinufer gefundenen inschriften nachgewiesen ;
dann Weil ein paar fälle der Übertragung von münztypen, zunächst
denjenigen des opuntischen Aias; endlich legte Engelmann den pa-
pierabklatsch eines reliefs aus dem neapler museum vor, auf wel-
chem Hephästos an einem schilde schmiedend, Dionysos mit thyrsos
und kantharos und panthern neben ihm, und Herakies mit Kerberos
dargestellt ist und versuchte eine erklärung desselben. Vrgl. D.
Reichsanz. nr. 123.
Regensburg, 9. mai. Da die ausgrab ungen auf dem römischen
leichenfelde — s. ob. bd. IV, nr. 7, p. 382 — wegen beendigung der ni-
vellirungsarbeiten an der staatsbahn nun aufhören werden, so denkt
man jetzt daran einen saal als »römisches museum« einzurichten: mit
recht; denn die zahl der ausgehobenen skelette, aschenurnen u. s. w.
belauft sich auf fast 4000 ; darunter sind besonders die convexen
glasspiegel merkwürdig. Dann die ausgrabung des umfangreichen
fundaments der porta principalis dextra und eines propugnaculum der
hiesigen Römerstadt, auf welcher noch heute der grösste theil der
stadt steht: dabei ist auch der grundstein gefunden, aus dessen in-
schrift sich ergiebt, dass thor und thürme der Antoninischen zeit an-
gehören. Es sind hierdurch die aufstellungen in der schritt des gra-
ten W. von Waldersdorff, 1869, zum guten theil bestätigt. Vrgl. D.
Reichsanz. nr. 120. Augsb. Allg. Ztg. beil. zu nr. 133: diese theilten
auch, letztere in der beil. zu nr. 136, der D. Reichsanz. nr. 123 beil.
1 die oben erwähnte inschrift, deren buchstaben von etwa 6 cm. höhe
sind, mit; aber in sehr fragmentirter gestalt: jetzt am 6. juli, hat
man ein zu dem früher gefundenen gehörendes und dieses fortsetzen-
des stück geiunden, wonach nun nach Augsb. Allg. Ztg. beil. zu nr.
190 und D. Reichsanz. nr. 164 das ganze so lautet:
.... FRATER. DIVI. HADRIANI. NEPOS. DIVI. TRATANI. PR . .
. . . TICVS. PONTIFEX. MAXIMVS. TRIB. POTESTATIS .
XXXVI. 1 . . .
. . . ICVS. GERMANICVS. MAXIMVS. ANTONINI. IMP ....
MP. IL COS. II. VALLVM. CVM. PORTIS. ET. TVRRIBVS .
FECI . . .
M. HELVIO. CEEMENTE. DEXTRIANO. LEC. AV . . .
Danach wäre kaiser Marc Aurel Antoninus , obgleich der erste
theil, der den namen selbst enthalten muss, noch fehlt, erbauer der
umwallung, der thore und thürme des hiesigen Römerkastells, wäh-
rend Marcus Helvius Clemens Dextrianus als legat von Augsburg hier
fungirte. Die gesammtlänge des bereits erhobenen insehriftenstückes
beträgt 3V4 meter. Es fehlt das anfangs- uud endstück, die zusam-
men gleichfalls mindestens zwei meter messen dürften. Nach sorg-
fältiger beobachtung Hesse sich der »Allg. Ztg.« zufolge nunmehr als
sicher konstatiren , dass der erstere schönere Antoninische thorbau
bald zerstört, jedoch von den Römern selbst wieder auf grundlage
des ersten, und weit schlechter als jener, hergestellt worden sei.
Man verwendete auch die besseren konstruktiven theile des früheren
thores als einfache bausteine; das rettete sie uns. Der mörtel des
zweiten baues ist der mit ziegelstücken gemischte kalk, das sicherste
kennzeichen römischen Ursprungs, wie sich zur zeit jeder an ort und
stelle überzeugen kann. Von den konstruktiven theilen fanden sich
Nr. 7. Kleine philologische zeitung. 383
bisher sockeltheile und ein ecksockel für Säulenstellung (in ursprüng-
licher läge und dem ersten bau ungehörig) , zwei stücke säulenschaft
mit kapital, ein 170 centimeter langes, 130 centimeter breites, 44
centimeter dickes gesimsstück. Nehme man die umrahmte inschrift-
fläche hinzu, deren Stellung bei ihrer ausdehnnng kaum zweifelhaft
sein könne, so lasse sich, mit Berücksichtigung der sich vorfindenden
grundmanern und unter zuhültenahme der üblichen hauptform römi-
scher thore, aus diesen elementeu unschwer und annähernd sicher das
ältere Antoninische thor konstruiren , welches sehr wohl gebaut und
reich geziert gewesen sei.
Zürich, 18. mai. In einer Volksabstimmung ist entschieden, dass
an der Universität die aufnähme erfolge ohne unterschied des ge-
schlechts (Zürich hat jetzt 120 Studentinnen), dabei aber gefordert
werde das zurückgelegte 18te lebensjahr, ausweis über genügende Vor-
kenntnisse, insbesondere über hinlängliches verständniss der deutschen
Sprache und zwar entweder durch Zeugnisse in- oder ausländischer
bildungsanstalten (gymnasien, lehrerseminarien, höherer Industrieschu-
len) oder durch prüfung von der hochschul - commission. — Auch
hat der regierungsrath das vom erziehungsrath vorgelegte regulativ
für einrichtung des historischen seminars an der hochschule geneh-
migt; an ihm dociren sechs ordentliche und ausserordentliche Pro-
fessoren neben den philologen und Orientalisten.
In der nähe von Sunt' Andrea della Valle in Rom hat man einen
aus vier seiten eines Sarkophags bestehenden fries entdeckt , der in
hautrelief und basrelief künstlerisch schön gearbeitet ist. Eine die-
ser seiten stellt eine Amazonenschlacht dar, eine andre eine jagd
wilder thiere, eine dritte einige mit blumen bekränzte kinder, welche
löwen aufhalten. D. Reichsanz. nr. 123 beil. 1.
Nach D. Reichs-Anz. nr. 124 giebt Dr Schliemann ein werk her-
aus, welches, aus einem altlas von 170-200 Photographien in 4 und
einem bände 8 mit beschreibendem text bestehend, seine entdeckun-
gen in Troja durch bild und wort zu vollkommner anschauung brin-
gen soll. Vrgl. unt. p. 384.
Seit 1853 befindet sich in der Sammlung der oberlausitzischen
gesellschaft der Wissenschaften eine in Schlesien , angeblich zwischen
Bunzlau und Kohlfurt »tief im sande« am ufer der Queiss gefundene
römische bronzefigur des Jupiter , bis auf den fehlenden linken arm
vortrefflich erhalten und von schöner schwarzgrüner patina bedeckt ;
sie mag aus der mitte des zweiten jahrh. p. Chr. stammen. Eini-
ges berichtet noch über sie D. Reichsanz. nr. 124. Augsb. Allg. Ztg.
beil. zu nr. 154.
Von den »kulturbildern aus altrömischer zeit von Theodor Sie-
mons, mit Illustrationen von Alexander Wagner enthält der D. Reichs-
anz. n. 124 eine empfehlende anzeige.
Strassburg, 29. mai. Vom oberpräsidenten ist die aufstellung ei-
ner Statistik der hunstdenkmlüer des landes in anregung gebracht.
Zur erinnerung an Ludwieg Tiech ist ein aufsatz enthalten in der
besondern beilage des D. Reichsanz. n. 22 vom 31. mai. Tieck ist
am 31 mai 1773 geboren. Ueber die feier des tags in Dresden giebt
die Augsb. Allg. Ztg. nr. 149 einige notizen.
Von der expedition des prof. Conze nach Samothrake giebt aus
der Wiener Abendz. der D. Reichsanz. n. 133 nachrichten, die aber
kein wissenschaftliches interesse haben. Die herren wohnen unter
einem zelte und befinden sich ganz wohl.
384 Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 7.
Auszüge aus Zeitschriften.
Augsburger Allgemeine Zeitung: beil. zu nr. 150: Tischendorfs
neue ausgäbe der vulgata. — Beil. zu nr. 154: die europäische Wis-
senschaft, vor dem richterstuhl der türkischen kritik : bezieht sich
auf medizm zumeist. — Beil. zu nr. 155. 156. M. Hang, zur kosmo-
gonie der Inder. — Beil. zu nr. 156. nr. 160: A. v. Dammreicher,
die Verwaltung der Universitäten seit dem letzten politischen systeni-
wechsel in Oesterreich. I. II. — Prof. Braniss in Bresslau f. — Nr.
157: die XIII. pfingstversammlung mitfcelrkeinischer gymnasiallehrer.
— Beil. zu nr. 157. 184: das Unterrichts- und bildungstach auf der
wiener Weltausstellung I. II. — Nr. 158: das benehmen des Vesuv
in dieser zeit. — Beil. zu nr. 158. 159: Laulh , Aegyptische reise-
briefe. XIX: Schlussartikel. — Beil. zu nr. 163: Düntzer, die neue-
sten homerischen entdeckungen: spott über die Sonderbarkeiten von
Büchner: s. ob. bd. IV, nr. 9, p. 441. — Nr. 164: Kiel. »{Ein plato-
nischer ball). Nach der Fl. N. Z. ist dieser, tage von einem kieler
professor der philosophie der 2302. geburtstag Plato's festlich began-
gen worden. Von den details der classisch modernen feier ist nichts
an die öffentlichkeit gedrungen, als dass ein solenner ball den an-
fang und das ende des gedenkfestes bildete. Es giebt doch noch
harmlose menschen ! « (Ist doch ein alberner ausrut). — Beil. zu nr.
146. 165: Schliemann, ausgrabungen in Troja: bericht über die ent-
deckung des von Lysiuiachos gebauten Minervatempels, dabei über die
von inschriften — eine 74 zeilen lange von dem Satrapen Meleagros
dann über die blosslegung des bodens und der trümmer der al-
ten Ilion selbst, des hauses des Priamos u.s.w., worüber in einem bei
Brockhaus erscheinenden werke das nähere berichtet werden wird.
Am 15. Juni d. j. hat Schliemann seine ausgrabungen eingestellt,
weil er glaubt, seine aufgäbe vollkommen gelöst zu haben: s. ob.
p. 383. Doch ist er über diese seine ausgrabungen noch in besondre
Verwicklungen gerathen: s. unt. beil. zu nr. 194. — Beil. zu nr.
165: Lucas Geizkofler und seine zeit: anzeige des gleichnamigen
buchs von A. Walch, Wien. 1873. — Nr. 166: entwurf zur reorga-
nisirunf des höhern Unterrichts in Holland. — Beil. zu nr. 166: C.
Wachsmuth's rede über die geschichte der hochschule in Athen von
Perikles bis ' auf Justinian. Dazu bemerkungen über die Universität
Göttingen. — Nr. 167: die schritt Tischendorf 's: »haben wir den
echten schrifttext der evangelisten und apostel ? « von J. Schrott. —
Nr. 168: zu den kirchengesetzen. — Beil. zu nr. 168. 169: das Cap
der Circe. — Biographisches über Fr. v. Räumer: aus der Spener-
schen zeitung. — Nr. 171: begräbni^s von Fr. von Raumer. — Beil.
nr. 471: die evangelisch-theologische facnltät in Wien. — Beil. zu
nr. 172: das heutige Athen. — Die philosophischen werke des am
19. februar verstorbenen prof. Czolbe in Königsberg i. Pr. - Nr. 175:
der russische ukas gegen das frauenstudium in Zürich : ein artikel
aus Zürich für Zürich, der aber doch nur beweist, dass jener ukas wohl
begründet ist. — Beil. zu nr. 175: ein tag in Ravenna. — Beil.
zu nr. 177. 178. 179: die metopen von Selinunt: anzeige des wertes
von Otto Benndorf, sehr ausführlich, von Fr. Schlie. — Beil. zu
nr. 183. 184. 190. 191. 193: zur geschichte der römisch -deutschen
frage I. IL III. — Beil. zu nr. 189: erdbeben in Italien: 19. juui. —
Nr. 190: frequenz der berliner Universität: sie nimmt, schreibt man,
in erschreckender weise ab. Nan wird sie durch einzelne berufungen,
selbst auch nicht durch äuderung »des Systems« heben: es muss sich
ja endlich deutlich zeigen, dass in so grosse städte deutsche Universi-
täten, sollen sie gedeihen, nicht gehören ; München, Wien lehren doch
dasselbe.
Nr. 8. Angnst 1873.
Philologischer Anzeiger.
Herausgegeben als ergänzung des Philologus
Ernst von Leutscli.
220. Augusti rerum a se gestarum indicem cum graeca
metaphrasi ed. Theod. ßergk. 8maj. Gott. 1873. XXV u.
136 s. — 1 thlr. 10 gr.
Der erste anfang einer umfassenden berstellung und erklä-
rung des Monumentum Ancyranum (man gestatte uns, der kürze
wegen diese einmal übliche bezeicknung zu gebraueben, obwobl
sie, nachdem die fragmente von Apollonia hinzugekommen, nicht
mehr ganz zutreffend ist) ist bekanntlich mit der Zumpt-Franzschen
ausgäbe gemacht worden, und wenn es bei unvollständigen und
verstümmelten inschriften besonders schwierig ist, das erste licht
in das dunkel zu tragen, so dürfte dieser leistung zumal in be-
tracht der viel unzureichenderen hülfsmittel ein grösseres ver-
dienst beizumessen sein, als von den neuesten herausgebern zu
geschehen scheint. In jüngster zeit hat nun aber, nachdem das
denkmal im j. 1861 durch Perrot und Guillaume aufs neue mit
der grössten Sorgfalt copiert und der griechische text um einen
bedeutenden theil vermehrt worden war, Tb. Mommsen sich der
bearbeitung unterzogen und sie, wie nicht anders zu erwarten (in
bezug auf den griechischen text mit hülfe von Kirchhoff), mit
eben so viel Scharfsinn als gelebrsamkeit ausgeführt, so dass
man gern in das stolze wort einstimmen wird, mit dem er seine
vorrede schliesst: Pleraque certenos oecupavimus et iure nobis gratula-
mur propter egregium monumentum nostra aetate recuperatum communi
opera Angli hominis et Galli , fortasse etiam aliqua mea hominis
Germani. Das ancyranische denkmal gehört nach der Momm-
senschen arbeit in der that zu denjenigen Überresten des
klassischen alterthums, an denen sich die philologischen Studien
durch lesung, erklärung und ergänzung am glänzendsten be-
währt haben. Ist denn nun aber hiermit das werk in bezug
Philol. Anz. V. 25
386 220. Epigraphik. Nr. 8.
auf das ancyranische denk mal für immer und völlig abgetban ?
Gewiss nicbt. Je lückenbafter uns der text überliefert ist, je
grösser die abweicbung unter den verschiedenen lesungen des-
selben, ein um so weiterer Spielraum ist der divination eröffnet,
die mit einem male nicbt zu erschöpfen ist, die vielmehr, wenn
sie tiefer eindringen will, immer wieder zu dem gegen-
stände zurückkehren muss. Und so haben wir uns nur zu
freuen, dass ein mann wie Bergk sich einer revision der Momm-
senschen ausgäbe unterzogen bat. Das nicht wenige neue, was er
bietet, beruht theils darauf, dass er nicht selten den früheren le-
sungen vor denen Perrots den vorzug einräumt, theils darauf,
dass er bei seinen ergänzungen von andern prämissen ausgeht,
mitunter auch mit grösserer kühnheit verfährt als Mommsen.
Seine änderungen sind natürlich nicht immer Verbesserungen,
sehr häufig stehen sie ungefähr auf demselben niveau der Wahr-
scheinlichkeit wie die Mommsenschen annahmen , nicht selten
aber scheinen sie uns wirkliche, obwohl nicht gerade wesentliche
Verbesserungen zu enthalten. Dabei hat der vf. bei jeder ge-
legenheit aus dem reichen schätz seiner gelehrsamkeit lehrrei-
che bemerkungen sachlicher wie sprachlicher art und insbeson-
dere auch zahlreiche, allerdings oft sehr kühne conjecturen über
Inschriften oder stellen der klassischen autoren ausgeschüttet.
Um unseren lesern eine Vorstellung zu geben von dem ver-
hältniss der Bergkschen zu der Mommsenschen ausgäbe, scheint
es uns nothwendig , die abweichungen derselben in der ersten
der sechs lateinischen tafeln und in den entsprechenden griechi-
schen tafeln (I — IV, z. 7) mit weglassung einiger kleinigkei-
ten vollständig anzuführen. Wir stellen diejenigen voran, wel-
che uns entschieden annehmbar scheinen.
In der (nicht von Augustus herrührenden) Überschrift wird
aus äusserlichen , auf den räumlichen Verhältnissen beruhenden
gründen im griechischen text zu Ssßaatoü noch &sov und am
ende aus Dio Cass. LVI, 33 noch Tzgng ygcpqp aviol hinzuge-
fügt. (Sonderbarer weise wird , um dies beiläufig zu bemerken,
wegen der ausdrücke excmplar subiectum und imeyydq'ijoav ange-
nommen (p. ]0), dass diese Überschrift ursprünglich auf der ba-
sis einer bildsäule des Augustus gestanden habe und von dort
entlehnt sei. Allein heisst nicht subiectum (ebenso wie vnsyQoi-
(ptjaar) dasselbe wie das gewöhnliche infra scriptum est d. h.
Nr. 8. 220. Epigraphik. 387
etwa: „ist folgendes eine abscbrift" ? ). — Z. 6 (der lateini-
schen inschrift). Bergk : respublica ne quid detrimenti caperet, me
pro praetor x simul cum consulibus providere iussit ; Mommsen:
respublica ne quid accideret , a senatu mihi pro praetore simul
cum consulibus tradita est tuenda. Es leuchtet ein , dass die
Bergksche herstellung sich vor der Mommsenschen entschieden
durch die klare und herkömmliche ausdrucksweise empfiehlt ;
sie ist dadurch möglich gemacht, dass in dem griechischen text,
auf welchem die herstellung des lateinischen zum tbeil beruht,
durch eine glückliche conjectur ß^-aßy statt des Kirchhoffschen
ovußt] ergänzt worden ist. Die erhaltenen Überreste beider in-
schriften gestatten übrigens die Bergksche restitution vollkom-
men eben so gut wie die Mommsensche. — Z. 13. Bergk : Bella
terra et mari civilia externaque toto in orbe terrarum sedavi ; Momm-
sen : Arma — sustinui, letzteres eine ausdrucksweise, die uns nicht
einfach genug und der art des Augustus wenig entsprechend
scheint. Es dürfte dies in der that einer der fälle sein, wo die
früheren lesungen (Luc. : LIA, Mordtm. : LLA) vor der Perrot-
schen (RMA) den Vorzug verdienen. — Z. 14. Bergk: de'
precantibus civibus peperci; Mommsen: superstitibus — . Ersteres
scheint uns wegen der parallelstelle Vell. Pat. II, 86, 2: victoria
fuit clementissima nee quisquam interemptus est nisi paucissimi et
ii, qui deprecari quidem pro se non sustinerent, das richtigere,
wenn wir auch das Mommsensche superstitibus nicht mit Bergk
an sich für unzulässig halten können. Bergk meint nämlich,
Augustus habe doch nicht sagen können, dass er die am leben
gebliebenen bürger verschont, denn die todten habe er natür-
lich nicht noch einmal tödten können (nam victorem in mortuos
cives saevientem quis tandem aequo animo ferat ? p. 22). Allein
ist es nicht ein ganz passender gedanke, wenn Augustus sagt :
diejenigen bürger, welche der krieg nicht hinweggerafft, habe
auch er verschonen wollen? Auf der anderen sehe können
wir auch Mommsen nicht beistimmen, wenn er behauptet: weil
unmittelbar darauf von den nichtbürgern gesagt werde, dass die-
jenigen von ihnen am leben gelassen worden seien, die er ohne
gefährdung seiner Sicherheit habe verschonen können (quibus
tuto parcere potui, Bergk : quibus tuto ignosci lieuit), so bedürfte
es in betreff der bürger einer plenior asseveratio, d. h. so müss-
ten diese alle gerettet sein. Allein lässt das quibus tuto parcere
25*
388 220. Epigraphik. Nr. 8.
potui im munde des Augustus nicht eine sehr grosse menge von
ausnahmen der nicht geretteten zu? und bleibt also der gegen-
satz der bürger nicht gross genug, wenn von diesen alle ge-
rettet wurden die um Verzeihung baten? — Z. 18. 19. Bergk :
iis omnibus agros adsignavi aut pecuniam pro praemis militiae
dedi; Mommsen : iis omnibus agros a me emptos aut pecuniam pro
praediis a me dedi. Auch hier stützt sich Bergk auf eine ältere
lesung, nämlich auf die des Lucas, welcher vor dedi die buch-
staben AE bietet, während sonst überall ME gelesen worden
ist. Die Mommsensche lesung scheint aber in der that unzuläs-
sig zu sein; denn wenn bekanntlich im j. 5 n. Chr. das aera-
rium militare gegründet wurde, um daraus den ausgedienten
Soldaten ihren bestimmten lohn zu zahlen, und wenn zu dessen
füllung die bekannten steuern eingeführt wurden , so dass Au-
gustus, wie er selbst P. III, z. 36 sagt, nur einen beitrag zur
beihülfe leistete, so kann Augustus an unserer stelle sich un-
möglich rühmen, dass er diesen Soldaten allen aus eignen mit-
tein ländereien oder das geld dafür gegeben habe. — Endlich
scheint uns auch die restitution der stelle z. 33 — 35 und der
entsprechenden stelle der griechischen Inschrift P. III, z. 7 — 9,
auf welcher jene hauptsächlich beruht, vor der Mommsenschen
den Vorzug zu verdienen. Die abweichung besteht hier im we-
sentlichen darin, dass Bergk ovzcog iTzsTi'jdsvoa, wm' statt ol
noiTjödfisvog apeXäg und iXev&sgöJaai statt iXavöeowoa schreibt,
und es scheint uns wenigstens so viel unzweifelhaft, dass die
Bergksche restitution, die sich übrigens auch genauer an die
erhaltenen Überreste anschliesst, sich vor der Mommsenschen
durch klarheit und einfachheit des ausdrucks empfiehlt.
Dagegen ist es uns völlig unverständlich, warum Bergk z. 9 das
Mommsensche creavit mit designavit vertauscht hat. Es handelt
sich hier um das erste consulat des Augustus, welches ihm am 19.
august 711 d. st. durch eine vorzüglich aus seinen Soldaten
bestehende Volksversammlung übertragen wurde, und um seine
ernennung zum triumvir. Kann man hier von einer designi-
rung reden? — Eben so wenig scheint uns z. 19 die Verwer-
fung der vollkommen passenden Mommsenschen ergänzung prac
ter eas gerechtfertigt. Bergk nimmt au der ausdrucksweise ei-
nen völlig ungegründeten anstoss und schlägt dafür fere: eas
vor, indem er am ende nach fuerunt trotz des Zeichens, dass
Nr. 8. 220. Epigraphik. 389
damit das kapitel schliesst, adlevavi hinzufügt, was er durch
tabulato addito sublimare — uns unverständlich — erklärt. —
Auch die schwierige stelle in dem griechischen text P. III, z.
15 fl. (der lateinische text fehlt hier ganz) wird man kaum in
befriedigender weise so hergestellt finden: rjigeütjv inifie'kijT^s
rav ts voftcov aal tööv zpöncov, ttjv ixsyißTTjV naoa^aßmv rüiv
XeiQOTor?]T(X)v UQXtjv ovde poi , da die ergänzung durch flQe&t]P
das mass des disponibeln raums überschreitet und räv %tiQO-
rovrjTGJv (statt isiqozov^&oh' der inschrift) einen unnöthigen und
ungewöhnlich ausgedrückten zusatz bildet. Freilich sind auch
die restitutionen von Kirchhoff und von Zumpt (in einer später
veröffentlichten abhandlung) nicht eben befriedigend.
Die übrigen Veränderungen gehören zu denen, die wir in-
different nennen möchten, d. h. zu denen, für die sich ungefähr
eben so viel sagen lässt wie für diejenigen, an deren stelle sie tre-
ten sollen. So z. 3 : pro quo merito statt propter quae, z. 5 : nequß
ita multo post statt eodemque tempore, z. 8: uterque cos. statt con-
sul uterque, z. 12: in acie statt acie , z. 15: ignosci licuit statt
parcere potui, z. 18: plura statt plus, z. 20: biremesf?) statt tri"
remes, z. 21: curulis statt currulis(t), z. 22: postea für deinde, z.
23: super sedi iis , et tantum statt iis super sedi et tantummodo, z.
24 : a me aut statt aut a me aut, z. 25 : quadragiens statt quinqua-
giens, z. 26 : dies hi für dies, z. 29: et er am tricensimum septimum
tribuniciae potestatis statt annumque trigesimum septimum tribuniciae
potestatis agebam, z. 31: iussu populi et senatus statt a senatu popu-
loque , z. 35: consulatumque mihi tum annuum et perpetuum datum
statt tum consulatum mihi datum et annuum et perpetuum, z. 38 :
senatus populique Romani consensu für senatu populoque Romano con-
sentientibus. Und ähnlich verhält es sich auch mit den meist da-
mit zusammenhängenden änderungen des griechischen textes.
Im allgemeinen wollen wir noch bemerken, dass die neue
ausgäbe dadurch , dass sie die abweichungen der verschiedenen
lesungen unter einander und die Unsicherheit zahlreicher ergän-
zungen und herstellungen recht sichtbar macht, den schon von
Mommsen ausgesprochenen wünsch lebhaft in uns erweckt, dass
das denkmal (mit rücksicht auf die beiden neuen ausgaben) ei-
ner neuen gründlichen Untersuchung an ort und stelle unter-
zogen werde. Sollte nicht namentlich eine photographische auf-
nähme (ein abklatsch ist nach Perrot nicht thunlich) für gewin-
nung einer objeetiven grundlage von nutzen sein ?
390 221. Stobaeus. Nr. 8.
221. 0. Hense lectiones Stobenses. 8. Halis. 1872.
40 s. — 10 ngr.
Der Verfasser behandelt in dieser habilitationssclirift zahl-
reiche bruchstücke der tragiker und komiker , welche bei Sto-
baeus erhalten sind, und verfolgt besonders die spuren der in-
terpolation. Mit genauer kenntniss des Sprachgebrauchs und
gründlicher und scharfsinniger erforschuug des sinnes und Zu-
sammenhangs sind mehrere bruchstücke in wahrscheinlicher, ei-
nige in evidenter weise verbessert. Zu den guten emendatio-
nen rechne ich z. b. Eur. fr. 245 (Stob. Flor. 54, 10) :
bXiyov alxtuov 'Soqv
xqbiggov novtjQoii ftvQi'ov Gtgarsvfiaiog,
für xqhggov atQarijyov (den richtigen gedanken hat bereits
Wagner angegeben: „in GTQat?]yov aperte Vitium latet; deest enim
aliquid ad sententiam explendam velut (ii'uidgov vel simile quid"),
dann die herstelluug des bruchstücks eines unbekannten tragi-
kers bei dem scholion zu Soph. 0. R. 296 6 prj zb sgyov
deöoixwg ouds zbv löyov, worin Hense einen tetrameter erkennt:
[oog) o fit] zovgyov 8e8oixa>g ovds [dt'dis] zbv loyov,
ferner die emendation von Eur. fr. 585 (Flor. 54, 8):
Grgazijläzai zav iavqioi ysvol^•&, u/a<x. (für yEVoifiS&a),
Goqibg 8 uv sig zig rj öv'1 iv fiaxgw XQ^'cP>
endlich die emendation in den versen des Epicharmos (Flor. 38,
21) nag'' ol>8t'v (für ydg ovdstg). Oefters bieten sich bei solchen
abgerissenen sätzen verschiedene möglichkeiten der emendation,
so dass die Sicherheit fehlt. Z, b. betrachtet Hense in dem
bruchstück des Sosiphanes (Flor. 20, 18) :
vvv aoi ngog oxpiv &vftbg tjßäzoi, ysgor,
vvrl 8h bgytjv ipix1 svötznv laßnir,
die worte vwl öei als ergänzung einer lücke: vvv {ßgyor) 6 g-
yi\v. Ebenso gut kann man tmvt 8h als glossem z. b. von vvv
xctighg ansehen. In dem bruchstück des Euripides (Flor. 68, 12) :
vöfioi yvvaixmv ob xaXäg xtlvtai ns'gi'
XQV y,xQ rov £V7Vj[oui'&' an nXeiazag «#«»•,
will Hense durch Umstellung helfen :
zbv svzv%ovvza xqIjv %aQ on nXeianxg ej^hp'
Vielleicht ist der gewöhnliehe gegensatz tig nkeinzog verwischt:
XqIijv yag tov tvtvxovvtf tv ort. n).ei\nag steift*
Die anderung von Eur. fr. 608 (Flor. 49, 7):
Nr. 8. 222. Miscellanea 391
q>CXovg ts noo&siv aal aaiaatavi.lv XQs®vi
jrXsiatog cpößog tiqoosgu firj dgaocooi ti
in folgende fassung:
nöXsig ts TiOQÜslv aal aataatavstv xqswv
cpü.ovg' qiößog ngoassti pij dodacoaC ti,
ist schon wegen des unmöglichen asyndetons unstatthaft. In
dieser beziehung ist jedenfalls Pflugk's vermuthung srtsl qioßog
TTQÖasori vorzuziehen. Schon Nauck hat noXeig ts tzoq&siv aai
qiXovg atavsTv %Qtcav vermuthet und allerdings mag nXslatog
aus noXsig mg oder vielmehr nöXsig tolg zusammengezogen sein,
wonach man schreiben könnte :
nöXsig ts nog&elv aal tptXovg xataxtavsTv
%qtJ, tolg qößog ngöaeati ut) dgäouGt tu
222. Volk mann, observationes miscellae. 4. Jauer.
1872. (Programm).
Der durch seine sorgfältigen arbeiten auf dem gebiete der
alten rhetoriker und des Plutarch insbesondere bekannte und
als kritiker nicht minder bewährte Verfasser bietet in dem oben
genannten programm unter nr. 1 — 34 eine reihe trefflicher con-
jecturen , die sich zur hälfte auf griechische, zur hafte auf la-
teinische autoren beziehen ; ausgenommen sind nr. 1 und 2,
welche von dem älteren und Jüngern Hermagoras handeln.
In nr. 3 vergleicht Volkmann die Quaestiones convivales
Plutarchs mit dem siebenten buch der Saturnalia des Macrobius
und behauptet mit Doehner, dass Plutarch nicht vollständiger
geschrieben habe, als er uns jetzt erhalten ist, so z. b. II,
1, 5. An dieser stelle scheint mir Volkmann zu weit zu ge-
hen; denn die worte : „ösofidg an 6 zfjg i nag% i ag asaöfiiaag
avtc'.g" geben ja völlig den verlangten sinn, dass Quintus kurz
vorher eine provinz verwaltet habe, nuper so zu deuten, als ob
Macrobius von sich aus gerechnet hätte, geht freilich nicht; es
ist überhaupt in beziehung auf die bald folgende erkrankung
und den daran sich knüpfenden witz zu bringen = eben, kurz
vorher, noch nicht lange. — Ebenso entspricht nach Volk-
manns ansieht Plut. Zvfinoa. I, 1, 1 = Macr. VII, 1, 4 und
I, 1, 3 = VII, 1, 12. — Nr. 4) Dass in den 2vfinoa. manches
fehle, lehrt die vergleichung von Gell. III, 6, 3 und Plut. VIII,
4; 5. Denn für die worte jenes: propterea, inquit Plutarchus ,
392 222.- Miscellanea. Nr. 8.
in certaminibus palmam signum esse placuit victoriae , quoniam
ingenium ligni eiusmodi est , ut urgentibus opprimentibusque non
cedat. — Nr. 5) Gell. NA. XVII, 11, 6 enthält richtigeres als
Plut. Svf*n. XII, 1 ; doch darf man letzteren nach ersterem
nicht eher verbessern, als bis sicher und ausgemacht ist , was
eigentlich in den handschriften Plutarchs steht. — Nr. 6) Plut.
Cic. 29 lege: o v % co g 8s nXslovsg edo^uv xzX. — Nr. 7) Ga-
lan, de opt. doctr. I lege: Xsysi 8s r 6 avzo it> reo ngog 'Enlxrtj.
zov, iv io 8)]novOsv snriv Oitjötuog g TJXovzuq^ov SovXog Enix-
ztjrqj 8iaXsy6(xtrog. xai [isvzoi xav tco fxsza zavza ygaqivzi ßi-
ßXicp 'ylXxißiaS tj xai zovg aXXn v g 'Ax.a8)]niaxovg inausi xzX.
Dieser Onesimus ist nach Volkmann derselbe nequam homo et
contumax, von welchem Taurus bei Gell. NA. I, 26, 5 — 9 eine er-
götzliche anekdote erzählt. — Nr. 8) Galen, adhort. ad artes
addiscendas cap. 13 lege: %vXov — 8 t] X cöaag. Wozu? sehe
ich nicht ein. Denn der plural %vXa bedeutet , dass der junge
mann jedes einzelne stück holz so spaltete; nXi]yc6<jag d.
i. füllend, was er an kraft hatte = er nahm seine ganze kraft
zusammen. In demselben kapitel ist zu lesen: Ä«| no8\ —
aax/jtoQsg, sowie iv hinter tjxsiv zu streichen. — Nr. 9) Bei
Plutarch de aud poet. p. 16 C liest Wyttenbach ivtjQpo&r, da-
gegen Volkmann statuirt eine lücke zwischen Aloänov und
zolq snsai. — Nr. 10) Statt des von Madvig Adv. crit. I, p.
23 zu Plut. de commun. notit. c 32, p. 1075 E vorgeschlage-
nen töjp xsxoayuäzav empfiehlt Volkraann die lesart (fovayfxä-
zwv. — 11) Bei Lucian. Ver. Hist. II, 25 liest Volkmann: ovx
aepartig i\v 8eit><äg ayunäaa zhv isatiaxov ' noiXaxig yovv xai
iasvBVOV äXXijXoig iv zw avunoaiq). Vulgata: imvmg — Sts-
vsvor, Dindorf: intfiatuig. Vielleicht ist zu lesen i/iipotcog =
dauernd, fortwährend; dies würde den worten im rzoXin %Qctov
t]8t] entsprechen. — Nr. 12) Luc. negi zqg JlsQtyQivov zeXsv-
rtjg 26: tva xai Svo. ibid. 39: in lo'aav und xazaysX cor. —
Nr. 13) Apoll. Ehod. I, 76 : ozs xXirt]6i qxiXayyag = cum
aciem in fugam vertit. Vielleicht ist besser zu schreiben oze
xXircoat cpiD.ayysg = wenn die reihen fliehen; xXfim wäre dann
intransitiv gebraucht. Das adverb nsznniadev ist aber jeden-
falls mit bezug auf die stelle bei Hom. II. 13, 716 gesagt, wo
die gefährten des kleinen Aias folgendermassen gerühmt werden:
dXX' uqu zö^oiatr xai svatQsqsl olbg äoircp
Nr. 8. 222. Miscellanea. 393
litov slg afx (novzo mnoiftötsg, olaiv eneita
Tugcpea ßäXXoprsg Tqcooov Qriyvvvio qxxXnyyag.
8tj qu 7o'#' oi fisv tiqÖg&e gvv svzeoi duiduXeotöiv
fidgvavro Tgcociv zs aal "Extoqi %alxoxoQV<7zri ,
oi ö"1 ort i&ev ß dWo v z s g iläv&avov.
Nr. 14) Schol. Pind. Ol. V, 42 lege: Jrj/i^TQiog ö 2arj\pi09
vsäv dtuxoGfi oo. — Nr. 15) Aristod. p. 355, 19 ed. Wescher.
ist mit Maehly zu lesen el t e i%1£oito r\ noXig und dg ztjv
&sov. — Nr. 16) Hör. Od. I, 7, 29 lege: ambigua tellure novam
Salamina futurarn = in einem noch unbestimmten lande werde
ein neues Salamis ihre heimath werden. — Nr. 17) Schol. Hör.
ad Epod. XVII, 73 lege: Svgagsazovfisvtj i. e. cui nihil placet, quae
vitam fastidiat tot suppliciis cleditam. aegrimonia. angor. tristitia. —
Nr. 18) Apul. Apol. cap. 4 scribendum: qui primus sese philoso-
phum nuncupavit. — Nr. 19) Nach Verwerfung der von Un-
ger und Haupt vorgeschlagenen emendationen verbessert Volk-
mann die stelle bei Quint. Inst. Or. VIII, 3, 54 so: cum is apud
ipsum dec.'amans u. s. w. — Nr. 20) Senec. Ep. 5, 7 lege: dices:
quid ergof ista tarn diver sa pariter eunt? Ebenso bei Cl.
Mamert. Genethl. 11: ambo pariter eunt quam iunctim ince-
duntt — Nr. 21) Dass Seneca vielfach durch änderung eines
buchstabens geheilt werden könne, haben Haase, Haupt und
Madvig bewiesen. Sen. Ep. 3. lege: hie. 8, 3: miserrime und
h abemur. 8, 5: texerit. — Nr. 22) Fickert und Haase ha-
ben viele treffliche conjekturen nicht berücksichtigt. Nach Volk-
mann sind solche zuzulassen in Ep. 8: quam multi — tragoe-
dias. Interpolirt sind die worte et sunt inter comoedias ac
tragoedias mediae. 14, 8: ille est enim qui Siculum pelagus ex-
asperet et in vertices cogat. 100, 9: scripsit enim bis libros. —
Nr. 23) Sen. Ep. 9, 16 lege: cum — adquieseet. — Nr. 24) Ep.
12 versteht Volkmann die worte non enim citamur ex censu
nicht; sie heissen: wir werden nicht nach der liste, in welche
wir bei der geburt eingetragen werden, abgerufen, sondern ohne
einhaltung der reihenfolge. Vgl. die note Murets : ex aetate. in
libris enim censualibus etiam aetas cuiusque notabatur. Hae sunt
quas naidoyoacpCag Modestinus vocat. Am schluss : lege : qui Sy-
riam usura suam fecit. — Nr. 25) Ep. 18 lege : sed misceri
omnibus. — Nr. 26) Ib. 24, 1 : t e. 27, 1 : adeo. 29, 2: spar-
gendum manu est und aliquantum. 38, 2: capiat. 49, 1:
394 222. Miscellanea. Nr. 8.
ac Pompeiorum tuovum conspectus. 58, 8: docebat. Ebenda
sind die worte ut Aristoteles ait interpolirt. 58, 33: utrumne
faex sit. — Nr. 27) Lact. Inst. div. II, 16: verum aperire. III,
4: ut eam videamus iampridem suis armis esse confectam. —
Nr. 28) ib. III, 6: in medio constitutum pontem qui Mos ad
sapientiam transmitteret. Doch ist es viel einfacher, die lesart
forem beizubehalten und so zu erklären : sie übersehen die in
der mitte befindliche thüre. Denn gerade so gut wie eine
brücke, über die man geht, zur Weisheit zu führen im stände
ist, vermag dies die thüre, durch welche man ins zimmer tritt.
III, 12: sine scientia et virtute. III, 14: unde apparet aut Py-
thagoram eum voluisse laudare. IDI, 28: quomodo. IV, 14:
Artaxerxi, IV, 20: mali. 23: sed ipsi. 27: non vor mi-
scebimus ist ausgelassen. 28: satius. VI, 13: quae Ms. 23:
exagitavit. VII, 3: fatetur. — Nr. 29) Interpolationen sind
vielfach eingeschlichen ; so ib. II, 3 : aliud quidem ille, cum haec
diceret, sentiebat; nihil utique esse colendum, quia dii humana non
curent. II, 14: sie enim latino sermone daemonas interpretantur.
— Nr. 30) Trypho's werk über die tropen (Walz. Rhet. gr. VIII,
p. 728) hat Volkmann nach einer breslauer handschrift von neuem
verglichen, aber nichts neues gefunden. — Nr. 31) Eine neue
collation der breslauer handschrift der rede des Aristides auf
Bacchus (or. IV tom. I, p. 47 ed. Dind.) hat blos zwei neue
lesarten geliefert : p. 47 ist zu lesen t w dtovvacp, p. 49 tm
All. — Nr. 32) Die von Sengebusch Diss. hom. prior p. 108
und 127 aufgestellte behauptung: „die Schriften Homers seien 350
zur zeit des Aeschines schon sehr verderbt gewesen, wie aus
den lesarten der citate hervorgehe", widerlegt Volkmann, wie
mir scheint, sehr richtig dadurch, dass solche citate, die durch die
öffentlichen schreiber vorgelesen wurden, ursprünglich der
rede nicht eingefügt, waren, sondern erst in spä-
teren Jahrhunderten von den grammatikern oder
abschreibern hin ei ng eset z t wurden. — Nr. 33) Hör.
Od. I, 2, 21 ff. verlangt Volkmann die lesart perissent statt peri-
rent. Unnöthig; denn Naucks erklärung schützt die vulgata
vollkommen. — Nr. 34) den vers des Lucilius bei Cic. Tusc.
I, 5, 10 stellt Volkmann, um einen eleganteren versbau zu ge-
winnen, in folgender weise um : saxum nitendo sudans neque pro-
ficit hilum. Lucian. 'AXe^aidQOj (II, 32), cap. 28 steht der vers :
Nr. 8. 223, Miscellanea. 395
Mqxtri dtXqo&ai voiiaoio IvyQij^ inancoy/jV)
in diesem ist nach Volkmann vovaoio in vovaov umzuändern,
weil die erste silbe des folgenden adjektivs lang sei.
C. Härtung.
223. Henrico RudolfoDietschio ... rectoris et pro-
fessoris primi [regiae] scholae [Grimensis] munere amplissimo
. . . rite se abdicanti otium honestissimnm qua par est pietate
et observantia collegarum nomine gratulatur Bernardus Din-
ier. Inest satura grammatica. Lipsiae. typis B. G. Teubneri.
4. 1872. 19 pp.
Ursprünglich hatte der vf. vorliegender gratulationsschrift
für den in ruhestand tretenden rector Dietsch ein anderes ngo-
ncfiTzzi-Aov bestimmt; was aber jetzt der vf. geboten hat, will er
nicht als cupedia philologa , sondern nur als frustula eruditionis
angesehen wissen. Nach einer anspräche an den gefeierten,
welchem die abhandlung gewidmet ist, folgt durch den gewähl-
ten titel satura grammatica veranlasst gleichsam pro gustu p. 5 — 7
eine erörterung über die bedeutung von satura, und dann in drei
theilen kritisch - exegetische beitrage zur rede Caesars bei Sali.
Cat. 51, als uva passa dargeboten, hierauf polentae loco bemer-
kungen über eigenthümlicbkeiten des Sprachgebrauchs bei Cae-
sar; zum Schlüsse nuclei Horatiani.
Bei einer schrift von Dinter interessirt vor allem dasjenige,
was sich auf Caesar bezieht (p. 13 — 16). Nach kurzen notizen
über das vorkommen der Steigerungsgrade von auctus und se-
cundus sowie über den passiven gebrauch von partitus wird im
anschluss an die stelle BGall. II, 20, 1 vexillum proponendum . . .,
signum tuba dandum, . . . Signum dandum der letzte ausdruck
prägnant im sinne von 21, 3 proelii committendi signum dedit
erklärt und dieselbe deutung für eine reihe anderer stellen vor-
geschlagen. Das una\ siQtjfiitov bei Caesar signa tollere BCiv.
II, 20, 4 wird durch proficisci erläutert ; ferner wird die aus-
lassung des demonstrativums eo bei commoti quod BGall. III, 23,
1 und perturbati quod BCiv. I, 73, 1 als eigenthümlich und be-
merkenswerth hervorgehoben. Die stelle BGall. V, 20, 1 Man-
dubracius . . . , cuius pater . . . regnum obtinuerat . . . , ipse
fuga mortem vitaverat, bildet den ausgangspunkt zu einer erörte-
rung über die fortsetzung einer relativen construction durch das
396 223 Miscellanea. Nr. 8.
demonstrativum , wobei das material unserer schulgrammatiken
theils ergänzt theils berichtigt wird , aber gegen eine note von
Jacobs zu Sali. Jug. 14, 16 ganz unnöthiger weise polemisirt
ist. Noch weniger berechtigt erscheint die im folgenden gegen
Jacobs zu Jug. 31, 11 gerichtete bemerkung, da die richtige
lesart in imperio durch Jacobs selbst in der schon vor zwei
Jahren erschienenen fünften aufläge aufnähme und entsprechende
erklärung gefunden hat. Die übrigen stellen aus Caesar, wel-
che der vf. besprochen hat, sind BGall. VI; 35, 7 hello latroci-
niisque natos, wo die von Heller bestrittene tilgung der präposi-
tion in schüchtern vertheidigt wird; VII, 56, 2, wo die Verbin-
dung von impediebat mit ut durch ein beispiel aus Cicero p.
Rose. Am. 52, 151 belegt ist; BCiv. III, 10, 4. 5, wo der Über-
gang aus passiver zu activer structur , und III, 25, 1 hiems
praecipitaverat, wo der intransitive gebrauch des verbums anlass
zu bemerkungen geboten hat.
Aus Horatius finden drei stellen (p. 16 f.) behand-
lung: Sat. 1, 5, 87 ist das oppidulum quod versu dicere non est
zwar nicht gefunden , aber doch gezeigt , dass in dem namen
eine iambische oder trochäische dipodie vorkommen musste,
wodurch allein sofort Equus Tuticus und Ausculum ausser be-
tracht kommen. Ep. I, 1, 58 sed quadringentis sex septem milia
desunt wird die gekünstelte interpretation, wonach sex zu qua-
dringentis und nur septem zu milia zu beziehen wäre, trotz der
cäsur kaum auf beifall rechnen dürfen. Ep. II, 2, 171 wird
vicina refugit iurgia in recusat geändert , was weder graphisch
sehr nahe liegt noch auch dem sinne nach vor Horkels schöner
emendation re/ringit den vorzug verdient.
Wie dem umfange so sind auch dem werthe nach die bei-
trage zu Sali us ti us (p. 7 — 13) der bedeutendste theil der
Schrift. Cat. 50 , 4 Tum D. lunius Silanus primus sententiam
rogatus . . . supplicium sumundum decreverat isquc postea . . .
pedibus in sententiam Ti. Neronis iturum se dixcrat. In diesen
einleitenden worten zu der von Sallust dem Caesar in den
mund gelegten rede hat Röscher, Acta soc. philol. Lips. I, 100
dixerat in dixit zu ändern vorgeschlagen, was der vf. mit recht
unterstützt. Wenn aber der vf. gelegentlich Röscher tadelt,
dass er in dem unmittelbar folgenden sätzchen : quod de ea re
praesidiis additis referundum censuerat, sich mit Jordan bei der
Nr. 8. 223. Miscellanea. 397
am besten beglaubigten lesart quod statt gui beruhigt habe , so
ist er entschieden im irrthum. Denn aus den vom verf. an-
geführten beispielen, in welchen Sallust quod is gesetzt hat, folgt
durchaus nicht, was der vf. daraus folgert, dass nemlich Sallust
auch hier der deutlichkeit wegen das pronomen is hätte hinzu-
fügen müssen. Vielmehr steht jenen beispielen eine gleich
grosse zahl anderer stellen bei Sallust gegenüber, in welchen
einfach quod ohne weiteren zusatz in analogen fällen gesetzt
ist. Diese stellen sind gesammelt von Eussner im Würzbur-
ger Festgruss (1868) p. 168. — Cat. 51, 4 Magna mihi co-
pia est memorandi, patres conscripti, quae reges atque populi . . .
male consuluerint. Sed ea malo dicere , quae maiores nostri . . .
recte atque ordine fecere. Die lesart der besten codd. Paris, wird
bezüglich des coniunctivus consuluerint gegen Weinhold, welcher
nach Vat. 3864 consuluerunt schreibt, geschätzt. Wir setzen
die treffende dai legung des vfs. hierher: postquam in hoc priore
membro sententiae ea usus est forma orationis qua significaretur
quid praeter eundum sibi [Caesari] videretur, altero diserte proponit
presseque complectitur ea quae uberius expositurus est. Auch Cat. 51,
9 Plerique eorum, gui ante me sententias dixerunt, . . . miserati sunt
wird der im Paris. 500 überlieferte pluralis sententias durch eine
schlagende beweisführung gerechtfertigt. Diese nachweise sind
um so bedeutungsvoller , da Weinhold in den Acta soc. philol.
Lips. I, 199. 201. 221 beide beispiele irrthümlicher weise her-
vorgezogen hatte , um dadurch einen vorzug des cod. Vat.
3864 vor dem Paris. 500 zu erweisen , während sie doch in
der that das umgekehrte verhältniss darzuthun geeignet sind. —
Die worte Cat. 51, 11 multi eas [iniurias] gravius aequo habuere,
veranlassen den vf. zu einer Sammlung solcher stellen in das-
sischer prosa, welche hei verben des schätzens u. dgl. den ge-
netiv durch ein adverb ersetzen. — Cat. 51, 12 Qui demissi in
obscuro vitam habent, . . . pauci sciunt, fama atque fortuna eorum
pares sunt. Mit der betrachtung dieser stelle schliesst der vf.
seine beitrage zu Sallustius ab, indem er zeigt , dass man ent-
weder den ganzen satz fama atque fortuna eorum pares sunt,
welcher die concinnität stört , streichen oder gegen Weinholds
einwendungen „Eussnerianum illud variandi Studium" bei Sallu-
stius anerkennen müsse.
Es übrigt noch die bemerkung, dass in vorstehendem kei-
398 224. Alte geschickte. Nr. 8.
neswegs der reiche inhalt der gelehrten und sorgfältigen arbeit
des vfs. erschöpft ist. Aus einer ganzen reihe von autoren wer-
den noch stellen, die p. 18 f. verzeichnet sind, beigebracht,
auf welche , während sie zur beleuchtung anderer stellen die-
nen, auch selbst wieder theilweise ein neues licht fällt.
224. Ueber den etruskischen Tauschhandel nach dem nor-
den. Von Dr Hermann Genthe. Programm des städti-
schen gymnasiums zu Frankfurt a. M. Ostern. 1873. 4. 45 s.
Mit trefflicher klarheit werden in diesem lehrreichen pro-
gramm die wichtigen haudelsbeziehungen der industriereichen
Etrusker bis nach dem entferntesten norden hin besprochen.
Im gegensatz zu den namentlich in England noch zähe fest-
gehaltenen ansichten von einer ausgedehnten altkeltischen In-
dustrie wird überzeugend aus den stilistischen ähnlichkeiten der
gräberfunde in den verschiedensten gegenden auf gleiche (etru-
rische) provenienz der metallarbeiten geschlossen , und äusserst
wahrscheinlich gemacht, wie, in folge immer grösserer einschrän-
kung des einflusses der Etrusker zur see nach osten hin , und
indem das griechische element in Italien selbst von Süden her
immer mehr ausdehnung gewann, die handelspolitik der Etrus-
ker über die schwierigen alpenpässe fort bei den nordischen
Völkerschaften neue absatzquellen für die reiche metallindustrie
schuf. Unter den tauschobjecten, welche die Etrusker von je-
nen Völkerschaften einhandelten , wird namentlich der bernstein
und sein handel ausführlich besprochen. Die abhandlung wird
hoffentlich namentlich die französischen gelehrten anregen , die
reichen aus gräberfunden stammenden Sammlungen von metall-
geräthen, welche in so vielen museen Frankreichs zerstreut
sind, auf die möglichkeit etrurischer provenienz hin mit ver-
gleichung der sicher aus Etrurien stammenden stücke genau
•zu prüfen. Auch das Elsass wird , als an einer der ältesten
hauptverkehrsstrassen gelegen , genauer auf diese frage hin zu
durchforschen sein ; ich erinnere z. b. an den kürzlich in der
umgegend von Colmar gemachten fund. Den schluss der ab-
handlung macht eine nach den lokalen geordnete fleissige Über-
sicht der fuude etruskischer alterthümer.
Nr. 8. 225. Griechische geschichte. 399
225. August Buttmann, Agesilaus , söhn des Archi-
damus. Lebensbild eines spartanischen königs und patrioten.
Nach den quellen mit besonderer berücksichtigung des Xeno-
phon. Halle, bucbhandlung des Waisenhauses. 8. 1872. — 1 thlr.
Eine monographische behandiung des Agesilaos wird so-
wohl wegen des interesses, das die persönlichkeit des tapferen
Spartanerkönigs unbedingt hat, als auch der Wichtigkeit der zeit-
verhältnisse halber, auf die er seinen einfluss geltend machte,
stets erwünscht sein. Aber ist bei jeder historischen forschung,
soweit irgend möglich, nachweis der quellen und eine darlegung
sowohl des Verhältnisses unter einander als des Standpunktes
und der glaubwürdigkeit der gewährsmänner und der abgeleite-
ten berichte , sowie ein klares bewusstsein dieses Verhältnisses
unumgängliches erforderniss und erste pflicht des bearbeiters,
so redet diese um so gebietender da , wo persönlichkeiten und
Verhältnisse dargestellt und beurtheilt werden sollen , in deren
werthschätzung die meinungen alter und neuer zeit sich so
schroff entgegenstehen wie bei der des Agesilaos. Unsere be-
richte über denselben fliessen zwar reichlicher als über viele
andere hervorragende männer des griechischen alterthurns, aber
sie sind getrübt durch die persönliche zu- oder abneigung ihrer
Verfasser. Den durchgehenden unterschied in den quellen nach-
zuweisen, den bericht , der auf Xenophons hellenischer ge-
schichte, dem demselben historiker zugeschriebenen Agesilaos
sowie auf Theopomp — diesem folgt höchst wahrscheinlich
Nepos und Justin — beruht, mit dem auf Ephoros zurückge-
henden Diodor und der Vita Plutarchs zu vergleichen, der eine
schon beide richtungen combinirende quelle ausgeschrieben ha-
ben muss, einen durch den andern zu controliren , nach dem
gewonnenen resultate die übrigen nachrichten zu verwerthen
und so zu einer unparteiischen darstellung zu gelangen , das
wäre der einzig methodische weg gewesen, der freilich hier so
wenig als in der vom Verfasser erwähnten monographie des
Epaminondas von Pomtow eingeschlagen ist.
Vielfache vorarbeiten nach dieser richtung hin waren vor-
handen, so vor allem Cauers treffliche Untersuchungen über Xe-
nophon und Ephorus (quaestionum de fontibus ad Agesilai histo-
riam pertinentibus pars I. Breslau, 1847) und Volquardsens Un-
tersuchungen über Diodor. Für den xenophontischen Agesilaos
400 225. Griechische geschichte. Nr. 8.
freilich waren die meisten Untersuchungen von Beckmann (Pro-
gramm von Rogasen 1871, s. Zeitschr. f. d. gymnasialw. 1872,
p. 225 sqq.) dem vf. noch nicht zugänglich, jedenfalls aber
war die angenommene authentie nachzuweisen und zu begrün-
den; denn nur auf grundlage selbständiger, gründlicher quellen-
untersuchung hätte eine abhandlung entstehen hönnen, die nach
Hertzberg, Grote und Curtius anspruch auf eignen werth hätte
machen können. Ob an die gefundenen resultate paränetische
^Auseinandersetzungen geknüpft werden sollten, hatte mit dieser
principienfrage nichts zu thun , ja ohne jene Untersuchungen
mussten alle moralisirenden raisounements in der luft schweben
und als leere phrasen zu betrachten sein.
Dass der vf. aber sich über diese cardinalfrage gar nicht
klar geworden bzw. klar zu weiden versucht hat , zeigt ausser
dem titel, der Xenophon besonders betont, p. 29 flgg., wo ein-
fach die echtheit des „Agesilaos" behauptet und Xenophon
mit dem ausspruch „nur ein freund kann den charakter ei-
nes menschen beurtheilen" — was freilich immer noch nicht
beweisen würde, dass er für dessen darst eilung die geeignetste
persönlichkeit sei — als hauptquelle gerechtfertigt wird. Die
bedenken, die seit Grote besonders gegen die Hellenika gel-
tend gemacht worden sind , werden einfach ignorirt oder mit
einigen nichtssagenden worten abgefertigt (vergl. bes. p. 253.
257) und doch stehen sie durchaus [s. Nitsche, über die ab-
fassung der Hellenika, Berl. 1871) auf partheiischem Stand-
punkte. Manchmal zwar fühlt der vf. das bedürfniss, sich mit
den quellen auseinanderzusetzen fz. b. p. 264) aber von seiner
Voreingenommenheit für Xenophon briugt ihn nichts zurück,
und nicht zufrieden, ihm unbedingt zu folgen , ja seine fehler
zu erhöhen durch advocatorische motiviruug (vgl. p. 133. 134.
137. 139. 160. 161. 162. 231. 239, dagegen partheiische ur-
theile über Epaminondas besonders p. 183. 234, über Iphikrates
199, über letzteres verhalten s. die treffliche kritik bei Grote
V, p. 497 sqq.) gibt der vf. , wo sich nur irgend gelegenheit
bietet, die worte Xenophons in meistens nicht gerade guter
Übersetzung. Ueberall werden , durch gesperrten druck hervor-
gehoben, moralisirende und politische bemerkungen eingestreut,
häufig auch Seitenblicke auf unsere eigenen Verhältnisse gewor-
fen. Ueberhaupt ist man währeud der ganzen lectüre des bu-
Nr. 8. 225. Griechische geschiente. 401
ches in zweifei , ob es für philologeu und historiker oder für
laien geschrieben, ob es eine wissenschaftliche oder eine popu-
läre schrift sein soll. Prätendirt es das letztere — und zum
voiiheil des vf. wollen wir es annehmen — dann ist unbegreif-
lich, was das gelehrte beiwerk soll und doppelt zu rügen, dass
widerlegte und disputable urtheile von neuem aufgewärmt wer-
den. Der mangel an wissenschaftlichkeit aber zeigt sich nicht
nur — abgesehen von dem iguoriren besonders chronologischer
Schwierigkeiten wie bei den ziigen des Epaminondas, dem regie-
rungsantritt des Agesilaus, s. Clinton F. Hell. p. 229 Kr., und ein-
zelnen durch die alleinberücksichtigung des Xenophon entstande-
nen irrthümern, wie z. b. in der beschreibung des kampfes des
Epaminondas in Sparta, (s. Polyb. IX, 8. Diod. XV, 83. Ju-
stin. VI, 7. Polyaen. VI, 7) — in der darstellung des hauptgegen-
standes sondern auch in der behandlung nebensächlicher puncte.
So wird das längst als später verfasst erkannte geographische
fragment, das unter Dicaearchs namen geht (Mueller Fr. Hist. Gr.
II, p. 254, Wachsmuth in Ärchäol. Zeitg. 1860, p. HO), ruhig
unter dessen namen citirt, so zeigt c. I, dass der vf. mit den
neueren forschungen über altspartanische Verfassung und ge-
schichte durchaus unbekannt ist, und in der betrachtung des
spartanischen Staatslebens noch den Standpunkt 0. Müller's ein-
nimmt, so wird p. 218 der ,, Archidamos " des Isokrates als
vor dem dritten einfall der Thebaner geschrieben bestimmt, da-
gegen p. 258 auch eine abfassung nach 362 zugegeben (dage-
gen s. §. 9. 10. 27. 62. 63 und Clinton F. Hell. p. 125 Kr.),
so was Curtius (Pelop. II, 234) und Bursian (II, p. 127) als
wahrscheinliche läge des Issorion annehmen als definitiv sicher
hingestellt. Am unangenehmsten aber wird man berührt, wenn
unter dem schein selbständiger auseinandersetzung resultate an-
derer mitgetheilt werden, wie dies p. 252 geschieht, s. Schä-
fer, Demosth. HI, 2, p. 10 sqq.
Am stärksten aber tritt, wie natürlich, der einseitige stand-
punct des vf. bei der zusammenhängenden darstellung des cha-
racters des Agesilaus hervor, der ja auch sonst überall da, wo
die Spartaner im nachtheil sind, als unschuldig, wo sie im gluck
sind, bIs einzige Ursache desselben hingestellt wird. Selbst
Grote und Hertzberg geben zwar eine panhellenische gesinnung
des königs bis zum korinthischen kriege zu, der beiläufig gesagt
Philol. Anz. V. 26
402 226. Römische geschickte. Nr. 8.
hier immer noch nicht von dem vorangehenden böotischen ge-
schieden wird, s. p. 61, aber wie weit diese ging, zeigte sich
gleich in vollstem lichte ; Agesilaus war nichts als Spartaner
im besten und schlechtesten sinne des wortes , sein egoismus
in persönlichen und politischen dingen unbegrenzt und schliess-
lich einzige triebfeder des handelns. Doch wir wollen nicht
mit einem manne streiten, der, zufrieden einen anknüpfungs-
punct für seine moralischen und politischen deductionen gefun-
den zu haben, sich um das übrige nicht kümmert; jedenfalls
sind wir durch die gründe, die der vf. in der vorrede für seine
befähigung einen Agesilaos zu schreiben vorbringt, von dieser eben
so wenig überzeugt worden, als durch die lectüre seines buchs.
226. Geschichte des römischen kaiserreichs unter der regie-
rung des Nero, H. Schiller. 8. Berlin, Weidmann, 1872. —
S. X u. 720. — 42/s thlr.
Der vf. legt in der vorrede einen besonderen werth dar-
auf, dass er sich nicht darauf beschränkt habe, wie noch in
heutiger zeit sonst geschehe, nur „die hof- und personalge-
schichte des fürsten, die geschichte der hauptstädtischen aristo-
kratie und einiger grenzkriege nach Tacitus und den übrigen
quellen" zu erzählen, sondern dass er den versuch gemacht
habe, und zwar zum ersten male, das ganze staatliche, sociale und
geistige leben nicht mit der beschränkung auf die Stadt Rom,
„sondern so weit dies möglich ist, mit der ausdehuung auf das
reich mit benutzung nicht bloss der schriftsteiler, sondern der
erhaltenen denkmäler aller art zur darstellung zu bringen".
Das werk besteht aus vier büchern, von denen das erste über
die quellen, das zweite über die geschichte Nero's bis zu sei-
ner thronbesteigung (p. 47 ff.), das dritte über Nero und seine
regierung (p. 91 ff.) das vierte über den zustand des reichs
unter Nero (p. 319 — 730) handelt. Das letzte, mehr als die
hälfte des ganzen werks füllende buch zerfällt (nach einer nicht
sehr logischen eintheilung) in die vier kapitel : die staatlichen
einrichtungen; die socialen zustände; religion und philosophie,
literatur, kunst; die Opposition unter Nero. Das dritte, nächst
diesem längste buch verfolgt die regierungsgeschichte jähr für
jähr nach streng anualistischer Ordnung, so dass z. b. die meh-
rere jähre dauernden kriege, wie der armenische, der jüdische,
Nr. 8. 226. Römische geschickte. 403
nicht im zusammenhange hinter einander, sondern stückweise
jähr für jähr mit Unterbrechung durch die übrigen ereignisse
jedes jahres erzählt werden.
Schon aus dieser inhaltsangabe wird man erkennen , dass
wir nicht eine eigentliche geschichte vor uns haben, bei der es
sich doch hauptsächlich um Zusammenfassung und gestaltung
des Stoffes handelt, sondern dass das werk, abgesehen von den
beiden ersten büchern , welche ungefähr die stelle einer einlei-
tung einnehmen, aus zwei stücken besteht, erstens aus einem
Jahrbuch der regierung Nero's (in welchem auch das gering-
fügigste platz gefunden hat) und zweitens aus einer reihe von
abhandlungen von der art, wie man sie gewöhnlich unter dem
begriff der antiquitäten zusammenzufassen pflegt. Es hat dabei
nicht ausbleiben können, dass diese beiden theile sich öfter be-
rührt haben und daher Wiederholungen nöthig geworden sind;
ein fernerer übelstand ist , dass für die beschreibung von zu-
ständen die regierung Nero's ein viel zu eng begrenzter Zeit-
raum ist, so dass der vf. selbst oft aus dem vor- und nach-
her Schlüsse auf seine zeit ziehen muss. Noch übler aber ist es,
dass in folge der Zerstückelung des Stoffes dem verf. ein we-
sentlicher masstab für die beurtheilung der dinge und menschen
verloren geht , nämlich derjenige, welcher durch die Zusammen-
fassung der einzelnen züge zu einem gesammtbilde gewonnen
wird, wie sich unseres erachtens besonders deutlich an Nero
selbst zeigt. Während nämlich der verf. selbst nicht umhin
kann, trotz seiner im allgemeinen apologetischen tendenz, über
vieles das strengste verdammungsurtheil auszusprechen, so ist
er doch im stände prädikate wie ,, wahrhaft bewunderungswür-
dig", „grossartig" und ,,hochstrebend" auf ihn anzuwenden und
sogar p. 431 von ihm zu sagen: „Nero hat stets für leid und
freud der menge ein nur zu offenes herz". Er sieht eben nur
stücke, gewissermassen nur glieder des Nero, die vereinzelt so
oder so aufgefasst werden können, nicht den ganzen Nero : ein
mangel , der auch durch die kurze abgesonderte betrachtung
seines Charakters (p. 291 — 306) nicht beseitigt werden kann.
Ungeachtet dieser allgemeinen ausstellungen sind wir in-
dess weit entfernt, den werth und die brauchbarkeit des werkes
in abrede zu stellen. Der vf. hat das material mit grossem
fleiss zusammengetragen und die quellenschriftsteller wie na-
26*
404 226. Römische geschickte. Nr. 8.
mentlich auch die münzen und inschriften in grosser ausdeh-
nung benutzt. Nur ist er auch hierbei nicht immer mit der rechten
kritik verfahren, indem er theils zu viel in die stellen hineingelegt
theils aus unzureichenden prämissen falsche Schlüsse gezogen hat.
So findet er z. b. in der stelle Tac. Ann. XV, 50, wo bei
gelegenheit der Verschwörung des Piso erwähnt wird, dass
Nero, während sein haus brannte , unbewacht hin und her ge-
laufen sei (cum ardente domo per noctem huc illuc cursaret incu-
stoditus), ein zeugniss, dass er, um „die löschanstalten zur gro-
ssen thätigkeit zu spornen", ,,zu den am meisten bedrohten
punkten" gelaufen sei (p. 177), und leitet daraus neben dem
wiederholt ausgesprochenen lob des Nero auch einen beweis für
die missgunst des Tacitus ab, weil dieser das verdienst des
Nero nicht beim brande selbst, sondern nur gelegentlich, ge-
wissermassen wider seinen willen erwähnt. Ein anderes bei-
spiel ungegründeter schlussfolgerung findet sich p. 161, anm. 4.
Dort wird eine chronologische bestimmung in betreff des Bur-
rus im Widerspruch gegen Tacitus darauf basiert , dass Cossu-
tianus Capito an der stelle Tac. Ann. XIV, 48 schon zu anfang
des j. 62 als Senator erwähnt wird : da nun — so wird argumen-
tiert — Cossutianus durch den einfluss des Tigellinus Senator
geworden sei, so müsse Tigellinus schon zu anfang des jahres
präfect gewesen und folglich auch Burrus schon zu anfang des
jahres gestorben sein. Allein konnte Tigellinus, der als validior
in animo principis et intimis libidinibus assumptus (Tac. Ann. XIV,
51) von Nero zum präfecten gemacht wird, seinen einfluss
nicht schon ehe er diesen posten erlangte zu gunsten des Cos-
sutianus geltend machen?
Als besonders bedenklich müssen wir noch die beweisfüh-
rung für die behauptung hervorheben , dass der aufstand des
Iulius Vindex nicht zu gunsten des Galba geschehen, sondern
ein versuch gewesen sei, ,,die Selbständigkeit Galliens zu be-
gründen" (p. 261 flg.). Der verf. stützt seine behauptung
hauptsächlich auf solche stellen, wo der aufstaud ein gallischer
genannt wird: allein war er dies nicht unter allen umständen, auch
wenn Vindex ihn veranlasste, um Nero zu stürzen und Galba
an seine stelle zu setzen? Dabei vergisst aber der verf., dass
z. b. Lugdunum und Vienna zwischen Nero und Galba gespal-
ten waren und in folge dieser differenz mit einander krieg
Nr. 8. 226. Kömische geschickte. 405
führten, dass Galba letzteres wie die übrigen Gallier , die für ihn
partei genommen, belohnte und die andern bestrafte, und dass
Plinius (N. H. XX, 160) den Vindex ausdrücklich a Nerone
assertor libertatis nennt, woraus hervorgeht, dass die gewöhnli-
che ansieht über Nero unter den Zeitgenossen die allgemein
verbreitete war. Der verf. führt zwar auch Tacitus zur Un-
terstützung seiner ansieht an, indess nur vermöge einiger miss-
deuteten stellen: denn wenn Tacitus (Hist. I, 51) sagt, die
germanischen legionen hätten die anhänger des Vindex fastidito
Vindice (d. h. weil ihnen Vindex zu gering war) Galbianer
genannt, so liegt doch darin sicherlich nicht „mit gänzlich un-
passendem namen", wie der verf. meint (p. 268) , und eben so
wenig lässt sich daraus , dass die germanischen legionen mur-
ren, weil sie für die besiegung des Vindex keine belohnung be-
kommen, mit dem verf. (p. 265. 272) der schluss ableiten,
dass es sich bei Vindex lediglich um einen aufstand der Gal-
lier gehandelt habe, weil die legionen sonst nicht hätten mur-
ren können : eher könnten wir vielmehr umgekehrt darin, dass
ihnen Galba dafür keine belohnung gewährte, einen beweis fin-
den, dass es eben nicht ein blosser aufstand der Gallier, sondern
eine bewegung zu seinem, des Galba, gunsten gewesen. Auch
die analogie des Civilis, worauf der verf. einen besondern werth
legt, kann die sache nicht unterstützen ; Civilis war ein Bata-
ver, Vindex zwar der abstammung nach Gallier, aber seiner
Stellung nach Römer und römischer Statthalter , und auch dem
Civilis schlössen sich die Gallier nur zögernd und theilweise
an und nur, um sofort, als ein tüchtiges römisches heer er-
schien, wieder von ihm abzufallen.
In ähnlicher weise verhält es sich mit allem, was den
Thrasea Pätus betrifft. Wir wollen das übrige übergehen , ins-
besondere auch die auffassung des Charakters dieses ausgezeich-
neten mannes, die wir eben so unbillig wie unbegründet finden.
Dagegen können wir nicht unerwähnt lassen, wie der verf. mit
der von Thrasea verfassten biographie des Cato verfährt. Diese
wird erst p. 624 als ein beweis angeführt, dass unter Nero in
bezug auf geschichtschreibung und schriftstellerei kein druck
stattgefunden habe, wobei also vorausgesetzt wird dass sie un-
ter Nero und bei lebzeiten des Thrasea und ohne nachtheilige fol-
gen für diesen veröffentlicht worden sei; p. 631 aber wird ge-
406 227. Komische geschichte. Nr. 8.
sagt, dass sie „vielleicht unter Nero verfasst" sei, und end-
lich p. 679 wird eben diese Schrift unter den dingen erwähnt,
welche möglicher weise (denn der verf. sucht jedenfalls den
Nero deshalb zu rechtfertigen) die verurtheilung des Thrasea
herbeigeführt.
Wir müssen des raumes wegen hier abbrechen und wollen
daher nur noch bemerken, dass die missgriffe und fehltritte des
vf., wie uns scheint, zum nicht geringen theile in seiner kritik des
Tacitus ihren grund haben. Der verf. gesteht zwar im ersten
buche dem Tacitus die erste stelle unter den quellenschriftstellern
zu ; gleichwohl aber ist sein urtheil über ihn nicht günstig. Er
beschränkt sich jedoch darauf, seine glaubwürdigkeit überall an-
zuzweifeln und benutzt dabei unter anderem den umstand, dass
Tacitus öfter verschiedene ansichten oder berichte mit einem
sive — sive dem leser gewissermassen zur auswahl darbietet,
indem er wunderlicher weise meint, dass Tacitus auch über bis
zu 70 jahren zurückliegende dinge nothwendig etwas gewisses
hätte erfahren müssen und demnach jene Wendung nur gebraucht
hätte, um gewissermassen unter der band etwas nachtheiliges ein-
zuschwärzen. Nach unserer meinung hätte der verf. bei dieser
ganzen kritik in einer andern positiveren weise verfahren müs-
sen. Er hätte aus dem Charakter und aus der Stimmung des
Tacitus , aus den allgemeinen beschränkungen der antiken hi-
storiographie und aus den besondern der römischen und der
damaligen römischen historiographie bestimmte principien für
die beurtheilung der glaubwürdigkeit ableiten müssen. Als-
dann würde er, unter Voraussetzung der ehrlichkeit des Tacitus,
die doch wohl kaum anzufechten ist, eine bestimmte grenzlinie
zwischen dem glaubwürdigen und unglaubwürdigen gewonnen
haben, während jetzt bei ihm so ziemlich alles schwankend und
unsicher erscheint.
227. Die feldzüge des Drusus und Tiberius in das nord-
westliche Germanien. Von A. Dederich. Köln und Neuss
1869. L. Schwann. VIII u. 142 s. 8. — 18 ngr.
Als eine „neue und umfassende bearbeitung der feld-
züge des Drusus und Tiberius nach dem gegenwärtigen Stand-
punkte der historischen forschuugen " wird vom vf. im Vor-
worte dieses buch mit Zuversicht angekündigt. Sehen wir zu,
Nr. 8. 227. Römische geschichte. 407
ob er wort gehalten hat. — Vorrede und nachwort sowie viele
stellen der anmerkungen sind mit heftiger polemik gegen den
niederrheinischen forscher J. Schneider erfüllt, dem der vf. vor-
wirft in seinen Neuen Beiträgen zur alten geschichte und geo-
graphie der Rheinlande (erste und zweite folge. Düsseldorf.
1860 und 1868) „eine reihe von resultaten aus des vf. „Ge-
'" schichte der Römer und Deutschen am Niederrhein" sich ange-
eignet zu haben, ohne seinen namen auch nur der erwähnung
zu würdigen". So berechtigt nun auch der Unwille Dederichs
sein mag, so glauben wir doch , dass er besser gethan hätte,
seine beschwerden an einer anderen stelle, etwa in einer histo-
rischeu Zeitschrift, vorzubringen , wo sie vielleicht noch mehr
beacktung gefunden hätten. Seine sorge, dass durch das ver-
fahren Schneiders seine vielfachen Verdienste um die aufhellung
der alten und mittelalterlichen niederrheiniscben geschichte in
Vergessenheit gerathen möchten, ist ganz unbegründet. Dede-
richs name wird bei einer aufzählung der auf jenem gebiete
rühmlich bekannten forscher so leicht nicht fehlen.
Viele partien des buches sind früheren abhandlungen des
vf. mit unwesentlichen Veränderungen wörtlich entnommen. So
stammt §. 1 zum grössten theile aus dem programme des gym-
nasiums zu Emmerich von 1844 ,;Drusus in Untergermanien".
Neu hinzugekommen ist hier nur p. 3 f. die mehr als zweifel-
hafte ableitung des namens Vetera vom holländischen Bat oder
Bet, also Castra Vetera „das batavische lager", nach der ab-
handlung in den Bonner Jahrbüchern heft 33 und 34, p. 280.
Im §. 2 giebt der vf. eine übersieht der feldzüge des Drusus
nach Dio Cassius, der sich eine würdiguDg der übrigen quel-
len anschliesst. Dann werden uns die vorbereitenden massre-
geln des römischen feldherrn gegen die Germanen geschildert
und im §. 3 die nachrichten der alten über dessen grossartige
bauwerke, den Drususdamm und Drususkanal, einer
sorgfältigen prüfung unterzogen. Auch hier sind frühere vom
vf. angestellte localforschungen aufgenommen, so über den al-
ten lauf des Rheins von der gegend von Xanten bis zur ba-
tavischen insel , eine frage , die vom vf. schon ausführlich in
seiner geschichte der Römer und Deutschen am Niederrhein u.
s.w. p. 3 ff. erörtert ist, und über die richtung des vom vf.
aufgefundenen dammes, dessen reste im Ryndernschen dei-
408 227. Kömische geschichte. Nr. 8.
che erhalten sind. Letztere wichtige entdeckung hatte Dede-
rich bereits in seinen „Beiträgen zur römisch - deutschen ge-
schichte", programm von Emmerich 1849 p. 1 — 12, bekannt
gemacht. Hier folgt ihre mittheilung in abgekürzter form. §.
4 enthält Untersuchungen über E lt en berg und Mon tferland,
einige wichtige positionen in der nähe des Drususkanals, deren
besetzung durch die Römer zwar nicht durch die Schriftsteller
bezeugt ist, sich aber aus dort gefundenen Überresten unzwei-
felhaft ergiebt. Am schluss des paragraphen ist von den Tac.
ab exe. div. Aug. XIII, 54 genannten agri vacui et militum usui
sepositi die rede, worin der vf. den Rheinuferstrich vom Elten-
berg aufwärts zur Lippemündung hin erkennt. So sehr wir
uns bis dahin mit dem gange der darstellung einverstanden er-
kläi-en, so wenig können wir dies mit dem inhalt des folgenden
paragraphen. Es werden darin die in den Annalen des bist.
Vereins f. d. Niederrhein II , p. 244 ff. niedergelegten specia-
len forschungen des vf. über Ursprung und namen der Stadt
Cleve, die villa Hageberg und den Hertenberg oder
schlossberg zu Cleve weitläufig auseinandergesetzt, dinge, die
für den freund niederrheinischer geschichte wohl ganz interes-
sant sein mögen, aber für die feldzüge des Drusus i\nd Tibe-
rius nicht in betracht kommen. Dafür vermissen wir, nachdem
uns in §. 6 Drusus nordseeexpedition (nach dem vf. die erste
s. u.) geschildert ist (vgl. progr. v. Emmerich 1844 p. 5 ff.),
in §. 7 bei der darstellung des zweiten feldzugs des Verfas-
sers ansichten über die läge des wichtigen Aliso, deren be-
6prechung hier gewiss mehr als irgendwo am platze war. Statt
dessen werden wir vom vf. auf seine „Kritik der quellenberichte
über die Varianische niederlage im teutoburger walde ", Pader-
born, 1868, verwiesen. Noch erheblichere einwände müssen ge-
gen mehrere der ausführungen des §. 8 geltend gemacht wer-
den. Einmal hält dort Dederich seine frühere ansieht fest, der
von Florus IV, 12, 23 erwähnte editus tumulus sei kein anderer
als die Taunushöhe und der schriftsteiler habe nur aus dem
castell des Dio ein tropäum gemacht, obgleich diese conjeetur
mehrfach von competenter seite, wie von Reinking , Kriege der
Römer in Germanien p. 86, begründeten Widerspruch erfahren
hat. Dann aber nimmt er, auf eine stelle der tab. V des Mo*
numentum Ancyramm gestützt, an, Drusus habe im j. 10 eine
Nr. 8. 227. Römische geschickte. 409
zweite nordseeexpedition unternommen, auf der er bis
zu den nordischen säulen des Herkules , bis zu den Cimbern,
Charudern und Semnonen vorgedrungen sei. Die aus Sueton*
Claud. 1. beigebrachte stelle sagt nur, dass Drusus zuerst un-
ter den römischen feldherrn die nordsee befahren habe, bei
Tac. Germ. 34 wird von den neueren herausgebern Döderlein
und Halm mit vollem rechte Druso, Germanico gelesen, Plia. H. N.
VI, 67 berührt alle nordseefahrten, die unter Augustus regierung
stattfanden, nicht speciell die des Drusus. A. W. Zumpt und
Th. Mommsen haben die betreffenden worte des Mon. Ancyranum
mit Vell. Pat. II, 106 in Zusammenhang gebracht und auf den
zug des Tiberius im j. 5 n. Chr. bezogen. Für die richtigkeit
dieser ansieht spricht ausser verschiedenen anderen gründen
vor allem die erwähnung der Semnonen an beiden stellen.
Die zweite nordseefahrt des Drusus wird also zu streichen sein.
— Nach dieser entschiedenen differenz der ansichten freuen wir
uns um so mehr unsere Übereinstimmung mit den resultaten
erkennen geben zu können , zu welchen Dederich in §.
9 gelangt ist. Dort ist von den grossartigen Vorbereitungen
des Drusus zn seinem letzten feldzuge die rede und namentlich
die vielbesprochene stelle des Florus IV, 12, 26 über des
Drusus rheinbrücken von neuem ausführlich behandelt. Der
verf. vertheidigt, unserer meinung nach mit glück, seine erklä-
rung der ausdrücke pontes und classes gegen Ritters einwürfe
und hält gegen I. Becker, der nach dem codex bambergensis
Borraam et Caesoriacum lesen will und diese orte am britischen
kanal entdeckt zu haben glaubt, an der alten lesart Bonnam et
Gesoniacum (oder Gaesoniacum) fest. Wir stehen nicht an des
vf. ausführungen vollständig beizustimmen. Seine im letzten
theile des paragraphen mitgetheilten localforschungen nach der
moles Drusi im Rhein zwischen dem Wicheishofe (castra
Bonnensia) bei Bonn und dem dorfe Geusen lesen sich ebenfalls
mit interesse. Freilich muss er schliesslich zugestehen, dass der
dämm, den er 1846 im Rhein entdeckt zu haben glaubte, sich
bei späterer genauerer Untersuchung seitens sachkundiger als
eine quer durch den ström laufende natürliche felsader erwies.
Dass jedoch die brücke des Drusus sich einst an dieser stelle
befand, hat darum doch alle Wahrscheinlichkeit für sich. §. 10
behandelt den feldzug, in welchem Drusus tod erfolgte (vrgl.
410 227. Kömische geschichte. Nr. 8.
progr. v. Emmerich 1844, p. 18 ff.). Die ansieht von Casau-
bonus , Ledebur und anderen, dass unter dem 2äXag des
Strabo die Yssel zu verstehen sei, findet hier ausführliche
Widerlegung und die betreffende stelle dieses geographen (VII,
1) genaue erklärung. Die beiden folgenden paragraphen be-
sprechen unsere dürftigen nachrichten über die feldzüge des
Tiberius und seiner nachfolger bis zur Varianischen niederlage.
Werthvoll ist in diesen abschnitten die aus dem programm von
Emmerich, 1849, p. 12— -18 dem buche einverleibte Untersuchung
über den namen und Wohnsitz der Attuarier. §.13 schildert
die bedeutungslosen expeditionen des Tiberius nach der Teu-
toburger schlacht und erörtert die läge der von ihm angeleg-
ten limites, die Dederich am Rheinuferstrich vom Eltenberg bis
zur Lippe sucht (vgl. progr. v. 1849, p. 18 — 20). Grosse
Wahrscheinlichkeit hat die conjektur des vf. im schlussparagra-
phen, der über die namen der von Germanicus im j. 16 im
triumph aufgeführten Völker handelt „dass bei Strabo VII, 1
der name Kuovlxoi eine verfälschte widerholung der vorherge-
henden Kauker sei sowie auch der folgende name Kufxxpiavoi
verdorben sei und statt dessen 'Antyiavoi d. h. Ampsivarier ge-
lesen werden müsse. Das nachwort enthält ausser der schon
erwähnten polemik gegen J. Schneider auch bemerkungen zu Tb.
Mommsens verzeichniss der römischen provinzen von 297. Hier
vermisst Dederich in der aufzählung der transrhenanischen Völ-
kerschaften den namen der Chamaver und will statt „Chattuariorum,
Chasuariorum" hier Chamavorum , Chattuariorum gelesen oder an-
genommen haben ,,dass der name der Chamavi in dem verzeichniss
irrthümlicher weise vor den Attuariern ausgefallen und also zu
ergänzen wäre". Auf p. 142 ist uns noch der druckfehler Postu-
mius statt Postumus aufgefallen. Auch wird dort der nachfolger
dieses kaisers Lollianus genannt , während die richtige Schreib-
art des namens Laelianus ist, worauf wir im Philologus XXVII,
p. 349 aufmerksam gemacht haben.
Wenn wir somit in die läge versetzt waren, dem vf. mehr-
fach nicht folgen zu können, so wollen wir doch gern zugeben,
dass sein buch eine menge des interessanten bringt und je-
denfalls eine werthvolle bereicherung unserer historischen lite-
ratur zu nennen ist.
A. Duncker.
Nr. 8. 228. Römische alterthümer. 411
228. De cohortibus Romanorum auxiliariis. Pars prior,
Scr. R. Hassencamp. Gottingae 1869. (Doctordissertation.)
Dieterichsche buchhancllung. 8. 69 s.
229. Dr Härtung. Römische Auxiliartruppen am Rhein.
Erster theil. Würzburg 1870. Thein'sche buchdruckerei. 4,
37 s.
Beide abhandlungen beschäftigen sich mit den römischen
auxiliarcohorten und sind um so dankenswerther , als sie ein
material zusammenstellen und verarbeiten, welches bislang nur
aus sehr vielen verschiedenen werken zu gewinnen war. Die
erstere giebt lexicalisch in alphabetischer reihenfolge ein ver-
zeichniss der aus den Schriftstellern , diplomen und inschriften,
sowie der Notitia dignitatum bekannten cohorten und reicht von
der coh. I Ulpia Afrorum bis zur coli. VII Lusitanorum. Z\x
jedem artikel werden in präciser fassung die quellen angegeben
und der versuch gemacht , aus diesen den Standort der trup-
pentheile in den verschiedenen perioden festzustellen. Nur bei
einigen cohorten finden sich längere auseiuandersetzungen. Diese
sehr sorgfältige Übersicht ist ausserordentlich brauchbar, und
können wir deren baldige fortsetzung nur dringend wünschen,
Leider ist der druck recht nachlässig; ausser einer nicht ge-
ringen anzahl gewöhnlicher druckfehler findet sich auch schlim-
meres, wie z. b. p. 6 das wort equitatas an eine ganz falsche
stelle gekommen ist, ferner p.19 zwischen Antoninus Pius und
Marc Aurel noch ein M. Antoninus eingeschoben wird und p.
42 sich ein rechenfehler findet, da 6 coh. mill. nicht gleich 10,
sondern gleich 12 coli, quingen. sind. Zu p. 18 möge noch
bemerkt werden, dass die zu einem cohortenzeichen gehörige
silberplatte mit der inschrift coh. V (publicirt von Linden-
schmitt d. Alth. uns. heidn. vorzeit I, vn, 5, 2) doch wohl
nicht gut ein laterculus genannt werden kann. Das latein liest
sich leicht, wenn es auch nicht frei von anstössigem ist.
Die zweite abhandlung verdient in höherem grade eine
historische genannt zu werden. Es ist die absieht des Verfas-
sers zu erforschen , welche auxiliaren in der zeit von 26 vor
Chr. bis 270 nach Chr. in den beiden Germanien, am Rhein und
seinen nebenflüssen ihre Standquartiere hatten. Das vorliegende
heft reicht bis zum jähre 117. Vorausgeschickt ist eine im
wesentlichen nach Marquardt gearbeitete allgemeine einleitung,
412 229. Komische alterthümer. Nr. 8.
welche die fragen behandelt, welche truppen zu den auxiliaren
zu zählen sind und in welchem verhältniss dieselben zu den
legionen stehen. Darauf folgt eine übersiebt über die quellen,
von denen der Verfasser in anbetracht seiner entfernung von
jeder grösseren bibliothek eine anerkennenswerthe zahl zusam-
mengebracht hat. Erwünscht ist eine beinahe vollständige über-
sieht über die bekannten militairdiplome. Der erste abschnitt
nun, welcher die zeit von 26 v. Chr. bis 42 n. Chr. behan-
delt , beruht wesentlich auf der angäbe des Tacitus über die
auf dem felde Idisiaviso fechtenden cohorten und sucht daraus
durch scharfsinnige Schlüsse, deren richtigkeit freilich nicht im-
mer mit Sicherheit behauptet werden kann , die einzelnen co-
horten zu bestimmen. Der zweite abschnitt, mehr auf die in-
schriften und diplome fussend, beschäftigt sich mit der zeit von
42 bis 75 und sucht nachzuweisen, welche auxiliaren in folge
der damaligen kriegerischen ereignisse in andre provinzen ab-
gezogen und welche dafür in den piatz gerückt sind. Ebenso
verfährt der Verfasser im dritten abschnitte hinsichtlich der
zeit von 75 bis 117. Am schluss jedes absebnittes giebt
er eine tabellarische übersieht der am ende des betreffenden
Zeitraumes muthmasslich in Germanien stehenden auxiliaren.
Mit recht hat der verf. den trefflichen Untersuchungen von Ur-
lichs in der abhandlung de vita et honoribus Agricolae grossen
einfluss auf seine forschung verstattet. Auch der fortsetzung
dieser abhandlung können wir nur mit vergnügen entgegen-
sehen.
230. Alb. Müller, die ausrüstung und bewaffnung des
römischen heeres in der kaiserzeit , mit vierzehn modellfiguren.
Zu beziehen für 1 thlr. 15 gr. von du Bois, zinnfigurenfa-
brik in Hannover oder durch Vermittlung des Verfassers.
Während *) der text dieses schriftchens nur einer wissen-
schaftlichen besprechung zu unterziehen ist , muss man über
die figuren auch vom Standpunkt der paedagogik urtheilen.
Nehmen wir zunächst den wissenschaftlichen Standpunkt ein.
Es ist anzuerkennen, mit welcher Sorgfalt Müller die resultate
1) S. eine erste anzeige im Philol. Anz. IV, nr. 8, p. 419.
Nr. 8. 230. Römische alterthümer. 413
eigner und fremder forschungen knapp zusammengestellt hat,
um ein deutliches bild zu schaffen von dem aussehn der römi-
schen Soldaten, und welche mühe er sich es hat kosten lassen,
dies bild auch plastisch vorzuführen , da ein geschickter zinn-
giesser nach seinen angaben modelle gefertigt hat. Es ist zu
bedauern, dass nicht ein bild des caesarischen heeres hat ge-
geben werden können, doch fehlen hierzu die nöthigen quellen.
Es sind uns also mit gutem gründe die Soldaten der kaiser-
zeit vorgeführt, von denen es besonders auf den denkmälern
in Rom genug abbildungen giebt. Aber Müller hätte doch auf
den titel setzen sollen „der ersten kaiserzeit", denn thatsäch-
lich gilt sowohl das, was er schreibt, wie auch die modelle
selbst, blos für die erste kaiserzeit.
In der spätem kaiserzeit kann seine auseinandersetzung
über die stärke der legionen p. 6 nicht gelten, ebensowenig
die beschreibuug der panzer, da ja nach Vegetius I, 20 die me-
tallpanzer in der spätem kaiserzeit verschwunden waren. Vier-
zehn figuren sind in wort und bild dargestellt: 1) miles legiona-
rius , 2) centurio leg., 3) aquilifer, 4) buccinator , 8) miles jpraeto-
rianus, 9) centurio der praetorianer , 10) signifer, 11) 'tubicen, 5)
und 12) equites, 6) und 13) vexillarii, 7) und 14) imperatores.
Warum der verf. die figuren in zwei parteien , je sieben mit
rothen und mit schwarzen helmbiischen, getheilt hat, ist mir
dunkel geblieben; ebensowenig begreife ich, warum er so viele
figuren für nöthig hält. Denn 1 und 8 sind sich bis auf den
panzer und die verschiedene färbe der helmbüche , die wissen-
schaftlich keine berechtigung hat, vollständig gleich; 2 und 9
bis auf die Stellung. Wollen wir 4 und 11 auch neben einan-
der gelten lassen, so haben wir wiederum zwischen 5 und 12,
6 und 13, 7 und 14 keinen unterschied finden können, der
eine doppelte darstellung nöthig machte. ■ Fände sich statt de-
ren lieber ein soldat auf dem marsch mit dem asinus Marianus;
die Trajanssäule bietet die schönsten Vorbilder dazu.
Gehen wir auf einzelnes ein. Haben wir auch hie und da
etwas auszusetzen oder zu bemerken, so soll doch dadurch
unsre oben ausgesprochene anerkennung nicht beschränkt werden.
Hätte Müller weitläufiger sein wollen, so könnte vielleicht man-
che bemerkung unsrerseits wegbleiben. P. 9 behauptet er, dass
die römischen Soldaten Stahlhelme (cassides) oder auch bronce-
414 230. Römische alterthümer; Nr. 8.
helme getragen haben, lederhelme erwähnt er gar nicht. Aus
Veget. I, 20 erfahren wir aber, dass die Soldaten der spätem
kaiserzeit nicht mehr galeae getragen haben. Diesem wort
ganz gleichbedeutend ist ibid. z. 11 gebraucht cassides. Ob die
Soldaten der ersten kaiserzeit stahl- oder bronze- oder leder-
helme getragen haben, scheint mir kaum noch zu entscheiden zu
sein, da die worte galea und cassis schon zu Caesars zeit nicht
mehr unterschieden werden. Der unterschied, welchen Döder-
lein unter cassis aufstellt , cassis sei ein eherner heim , galea
ein lederner , trifft also nicht zu und Kraner hätte ihn in sei-
nem kurzen abriss über caesarisches kriegswesen nicht wieder-
holen sollen. Bei Caes. BG. II, 21, BC. II, 62. 63 haben
die legionen galeae, B. Afr. 16 aber cassides. Müller hat die
helme mit büschen geschmückt, sagt aber selbst, der busch
finde sich nicht überall. Ich habe mir, als ich die abgüsse der
Traianssäule im lateranensischen museum zu Rom durchmu-
sterte, besonders notiert, dass sich der busch auf den meisten
helmen nicht findet und mir einige platten, z. b. nr. 107, be-
merkt als solche, auf denen Römer mit federbüschen dargestellt
werden. Wenn sich Müller für die färben roth und schwarz
der büsche auf Polyb. VI, 23 beruft, so musste er auch des-
sen worte tzTEQOtg OQ&oig tqigiv beachten. — Ob die laminae, mit
denen Schulter und taille des gemeinen Soldaten geschützt wer-
den , wirklich bänder aus stahl sind und nicht vielmehr leder-
bänder mit eisenblech beschlagen, steht noch zu erweisen. — Es
ist schade, dass nicht angegeben ist, woher nr. 10, der signifer,
stammt, der sein schwert hoch oben trägt. Sehr praktisch möchte
ich diese art und weise nicht finden, da ja der ärmste so kaum
sein schwert ziehen kann. — Statt p. 12 zu sagen: „das pilum
ist im vierten Jahrhundert n. Chr. noch bekannt", hätte er besser
geschrieben: ,,im vierten jahrh. schon fast ganz unbekannt". Ve-
get. I, 20 sagt ausdrücklich, dass diese geschosse rara seien und
hält es deshalb für nöthig sie wie raritäten au zwei stellen aus-
führlich zu beschreiben. Die übrige auseinandersetzung über
das pilum) bei der Lindenschmitt nach gebühr benutzt ist, ist
mit der nöthigen ausführlichkeit und klarheit gegeben, soweit
eben darüber klarheit herrscht. — Dass der centurio der legiou ohne
pilum dargestellt ist, scheint richtig, da dem Veg. II, 16 durch
Caes. BG. V, 44 nicht widersprochen wird. Auch scheint es
Nr. 8. 230. Römische alterthümer. 415
berechtigt, dass Müller dem centurio eine loriea hamata gegeben
hat, da es unwahrscheinlich ist, dass in der ersten kaiserzeit,
für die ja, wie gesagt, das übrige gilt , Offiziere in loricis linteis
in den kämpf gezogen seien. Zweifelhaft aber scheint es mir,
ob Müller recht gethan hat den centurio, den er darstellt seine
schaar kommandierend , mit dem sagum zu bekleiden. Es ist
richtig, dass auf der Trajaussäule manche Soldaten solche män-
tel in der von Müller angegebnen weise tragen, aber ob es gerade
centurionen sind? Keinesfalls dürften sie in der schlacht solche
mäntel getragen haben. — Ueber die fahnenträger der legionsco-
horten weiche ich von der ansieht des Verfassers ab und habe die
meine begründet in der besprechurjg von Babucke's schriftchen über
die römische heeresorganisation: s. Phil. Anz. IV, n. 11, p. 563, — ■
Ueber die eintheilung der reiterei, über welche Müller nach Bec-
ker, Köm. alterth. III, 2, 371 berichtet, wird an andrer stelle aus-
führlichergesprochen werden. Die ausrüstung der reiter ist im gan-
zen wohl richtig angegeben. Aber ephippia scheinen die Römer
doch wohl gehabt zu haben,, da sonst Caes. BG. IV, 2 es nicht
als etwas besonderes erwähnt hätte , dass die Germanen keine
haben. Freilich darf man unter ephippia nicht sattel im heu-
tigen sinne verstehen. Eine bemerkung, ob die reiterei sporen
gehabt hat, fehlt. Bei Caesar werden sporen nur erwähnt
BG. VIII, 48, aber es ist dort von einem Atrebaten die rede,
bei Livius kommen sie, glaube ich, nur im zweiten buche vor. —
Richtig ist die bemerkung p. 30, dass höhere Offiziere niemals
auf römischen denkmälern mit bedeckten köpf erscheinen ; doch
hat Müller wohl recht anzunehmen , dass sie in der schlacht einen
heim aufzusetzen pflegten. Labienus ist zwar B. Afr. 16. nudo
capite, aber eben diese besondere bemerkung scheint auf etwas
aussergewöhnliches hinzudeuten. — Bei den panzern der kaiser
hätte sich noch erwähnen lassen , dass sie vielfach mit pracht-
voller erhabener arbeit geschmückt sind, wie z. b. die reiter des
Augustus im Vatican, die des Caesar im museum zu Neapel.
Die figuren sind mit grosser Sauberkeit und fast genau
den angaben entsprechend modelliert; doch vermisse ich eine
anweisung, wie man sie in der schule benutzen soll. Gestatte
man einige worte vom pädagogischen Standpunkte an dieser
stelle anzufügen. Ich bin auch der ansieht, dass man durch
anschaulichkeit den Unterricht beleben und fruchtbar machen
41 6 231. Geographie von Griechenland. Nr. 8.
soll und gehe schon längst mit planen um, die denen des verf.
ähnlich sind. Seit jähren habe ich mich auf das erscheinen dieser
schon längst angekündigten modeile gefreut, weiss aber nun
nicht recht, was damit anfangen. Soll man sie den schülern
der obern klassen vorzeigen? Dazu sind sie viel zu klein.
Die fusssoldaten messen nur 5,85 centimeter, die reiter nur
7,15. Man müsste sie fast jedem einzeln zeigen und die kna-
ben würden an den niedlichen figuren mehr spass haben, als
an ihnen lernen. Soll man sie den kleineren, als gewöhnliche
Spielsoldaten kaufen? Da würde den eitern doch der preis zu
hoch erscheinen und die kinder würden für die figuren kein
verständniss haben. Mg.
231. Kurzgefasste geographie von Alt -Griechenland. Ein
leitfaden für den Unterricht in der griechischen geschichte und
die griechische lectüre auf höheren iinterrichtsanstalten von Au-
gust Buttmann, prof. und prorector am gymnasium zu
Prenzlau. 8. Berlin, Nicol. verlag. 1872. VI u. 140 ss. — 18 gr.
Der auf 47 §§ vertheilte Inhalt des buches behandelt nach
einer kurzen einleitung (§. 1 — 6) die dem eigentlichen Griechen-
land nördlich vorliegenden landschaften der Hämus - halbinsel
(§. 7 — 11), Nord- und Mittelgriechenland (§. 12 — 27), den
Peloponnes (§. 28 — 36), die inseln und colonien (§. 37 — 47);
angehängt sind ein verzeichniss der attischen demen nach den
zehn phylen und ein index der im buche vorkommenden na-
men unter beifügung der griechischen form.
Den verf. leitete bei seiner arbeit die sehr berechtigte ab-
sieht, die fruchte der geographischen werke von Curtius,
Bursian und Kiepert für die schule zu verwerthen. Da
demnach hinsichtlich des Stoffes keine eigne wissenschaftliche
arbeit des verf. vorliegt, so wird der werth des geleisteten we-
sentlich vom pädagogischen Standpunkt zu beurtheilen und dern-
gemäss zu fragen sein : hat der verf. den stoff zweckmässig aus-
gewählt und das gewählte richtig und in geeigneter weise dar-
gestellt?
Was zunächst die aus wähl des Stoffes betrifft, so war
für den verf. der zweck des leitfadens massgebend, den er mit
folgenden Worten bezeichnet (vorrede p. 111 f.): ,,es ist dahin
zu wirken, dass auch in die bände der schüler, denen die (oben
Nr. 8. 231. Geographie von Griechenland. 417
genannten) werke selbst nicht zugänglich sind, ein leitfaden ge-
lange, der keineswegs bloss das wesentliche der politischen
geographie Alt - Griechenlands in berichtigter gestalt gäbe, son-
dern zugleich einen dem jugendlichen fassungsvermögen ange-
passten anschaulichen umriss der localitäten selbst, auf denen
die griechische geschichte sich abgespielt und das griechische
leben sich bewegt hat, vor ihre seele führe'1. Wäre der verf.
bei der ausarbeitung seines buches sich dieses Zweckes bewusst
geblieben und hätte die consequenzen desselben überall gezo-
gen, so wäre sein buch ein ganz anderes geworden. Nun aber
hat der verf. sich durchaus nicht von den gesichtspunkten lei-
ten lassen, die für die ausarbeitung eines solchen Schulbuchs
bestimmend sind. Die alte geographie soll in der schule nur
zur folie der geschichte dienen ; darnach ist das material nach
inhalt und umfang zu wählen. Eine solche wähl wird in dem
buche fast überall vermisst. Der verf. verfällt in den gewöhn-
lichen fehler solcher realcompendien ; man geht dem object ein-
seitig nach, verliert sich in die breite, überfüllt die Jugend mit
empirischem stoff, statt sich des für die bildung des geistes und
für die erwärmung des gemüths geeigneten charakteristischen
inhalts zu bemächtigen. Der verf. gibt daher von jenem zu
viel, von diesem zu wenig. Die breite fülle des chorographi-
schen materials, mit der z. b. Makedonien, Epirus , Thessalien,
Akarnanien, Aetolien und Arkadien behandelt sind, geht weit
über das mass und die bedeutung des für die schule erforder-
lichen hinaus. Die landschaft Arkadien ist auf achtzehn seiten
behandelt; Attika sind kaum fünf seiten gewidmet. Ein Schul-
buch hätte für diese beiden landschaften die Seitenzahl tauschen
sollen. Das für das verständniss der hellenischen geschichte
und kultur wichtige und charakteristische ist durchaus nicht ge-
nügend berücksichtigt. Die statten epochemachender ereignisse
sind zu kurz behandelt : die marathonische ebene ist p. 43 mit
drei zeilen abgefunden-, der Schüler erfährt nichts von dem grab-
mal der gefallenen Athener, nichts von dem denkmal des Mil-
tiades, nichts von dem tropaion, von den steinernen krippen
der pferde des Artaphernes. Und doch sind das eben dinge,
die leben in den trockenen stoff bringen und für die das in-
teresse der schüler belebt wird. Der insel Salamis sind vier
zeilen gewidmet; der schüler hört nichts von dem Schauplatz
Philol. Anz. V. 27
418 231. Geographie von Griechenland. Nr. 8.
der ewig denkwürdigen Seeschlacht , nichts von dem denkmal
auf der halbinsel Kynosura, nichts von der insel Psyttalia, wo
Aristeides kerntruppen des Xerxes vernichtete. Ueber den pass
von Thermopylai nur vier Zeilen; Plataiai ist zweimal bloss
genannt. Bei all' diesen historischen örtlichkeiten hätte das
geographische material so ausreichend gegeben werden müssen,
dass der schüler für die geschichtlichen Vorgänge auf denselben
vollständig instruirt worden wäre. Hat der verf. es unterlas-
sen, die geographie in solcher weise für die geschichte dienst-
bar zu machen , so zeigt er überall eine verkehrte Zurückhal-
tung das geographische durch heranziehung historischer anga-
ben zu vervollständigen und zu beleben. Er beschreibt kurz
die mauern zwischen Athen und dem Peiraieus, aber eine ge-
schichte des baues und des Schicksals derselben fehlt. Die
phaleriscbe mauer wird nicht einmal genannt. Nicht minder
karg ist der verf. in der belebung des Stoffes durch archäolo-
gische und kunsthistorische notizen. Bei der topographie Athens
sind der akropolis drei zeilen gewidmet. Nicht selten fehlen
werthvolle statistische angaben. Der schüler erfährt nichts davon,
dass im alten Attika zur blütezeit des Staates 600,000 men-
schen auf vierzig quadratmeilen landes wohnten , während das
heutige Attika etwa den zehnten theil der bevölkerung auf-
weist. Ueber die bewohner wird hier dem schüler nichts wei-
ter gegeben, als eine für ihn in der vorliegenden fassung un-
verständliche Unterscheidung zwischen Athenern und Attikern,
der reiche Stoff der mythologie ist für die Charakteristik von
land und leuten wenig verwerthet. Warum nichts von dem
gewerbe der einwohuer Anthedons, warum nichts aus dem köst-
lichen mythus von dem Schirmherren ihres gewerbes? Kurze
etymologische andeutungen hätten das verständniss mancher
namen beleben können. Wird beim Peiraieus auf riBQtt ver-
wiesen,, Elis als tiefland, Theben als hügelstadt gedeutet, bei
Keraunia und Buthrotum an den Ursprung erinnert, so gewin-
nen todte namen leben. — Warum der verf. bei Unteritalien
eine ausführliche darstellung des Apennin, sogar der passe,
wenn auch in der anmerkung, gibt, ist nicht ersichtlich. Bei
Griechenland wird dagegen manches vermisst. So z. b. Kyllene,
die hafenstadt von Elis ; die kleine historisch wichtige insel
Nr. 8. 231. Geographie von Griechenland. 419
Lade bei Milet ; von colonien u. a. Odessos am Pontos Euxei-
nos, Kroton in Bruttium.
Auch die richtigkeit des gegebenen lässt hie und da
zu wünschen übrig. P. 13 heisst es: die läge von Dodona ist
noch nicht sicher ermittelt. Dies gilt doch nicht von der Stadt,
sondern von dem heiligthume. P. 28 wird angegeben, der
Mornopotamus münde in den äussern korinthischen meerbu-
sen; er fliesst aber östlich von Naupaktos in denselben. Die
Stadt Aigina lag nicht auf der nordöstlichen küste der
insel, sondern auf der nordwestlichen. Das bild , welches p.
39 von der läge Thebens gegeben ist, entspricht nicht genau
den terrainverhaltnissen , wie sie namentlich Forchhammer in
seiner topographie Thebarum heptapylarum mit kundiger band
gezeichnet hat. Theben lag darnach nicht in der ebene, son-
dern oberhalb derselben, sie beherschend. Mit vollem recht
nennt daher Bursian (p. 225) Theben eine rechte hügelstadt.
Was der verf. ferner über den nothwendigen schütz der stadt
durch die mauer und thore sagt, ist nach Forchammer zu
berichtigen. Die Charakteristik der Boioter befriedigt nicht.
Es ist weder von Völlerei noch übermuth zu reden. Die schrift-
steiler , welche der schüler liest , reden von geistiger Schwer-
fälligkeit und vom Stumpfsinn der Thebaner und der Boioter,
und leiten diese eigenschaften von den klimatischen, den bo-
denverhältnissen des landes und der lebensweise der bewohner
ab. Das wäre das richtige gewesen und würde dem schüler
das verständniss seiner lectiire vermittelt haben.
Schliesslich ein wort über die darstellung des gegebenen.
Man wird in stilistischer hinsieht keine besonderen anforderun-
gen an einen geographischen leitfaden stellen ; man wird dem
verf. bei dem berechtigten bestreben nach kürze des aus-
drucks , die manches zusammenziehen und in einander verar-
beiten muss, selbst eine Schwerfälligkeit der darstellung zu gute
halten. Aber eorreetheit und angemessenheit darf man sowohl
von dem einzelnen ausdruck wie von der periode erwarten.
Eef. stellt einiges von dem , was der verf. in dieser hinsieht
sich erlaubt hat, zusammen. P. 3 und 4 heisst es: „die grie-
chische bevölkerung löste sich zuletzt völlig in eine in-
selweit auf, während der Peloponne3 seiner natur nach so
gut wie eine insel ist". P. 4: „die Griechen sind daher
27*
420 232. Geschichte der philosophie. Nr. 8.
wesentlich auf das meer gewiesen und haben daher" etc. P
13: „die ostgrenze von Epirus machte die mächtige Pindus-
kette". P. 107: „entwicklung des sinnlichen wie des geisti-
gen Verkehrs zwischen den Griechen Europa's wie Asiens". P. 3:
„dieser theil der Hämus-halbinsel liegt — — im schönsten
klima". P. 43: „nordwestlich von ihm lag der Areopag, von ihm
südwestlich der sogenannte Pnyxhiigel, südlich von diesem
das museum , anderer nicht zu gedenken. Nordwest-
lich von dem westende der Akropolis" etc. P. 41 : „in sei-
nem nordwestlichen theile westlich an Megaris" etc. An
Wahren Ungeheuern von perioden sind zu verzeichnen auf p. 7 :
,;längs der Macedonien von Illyrien im westen begrenzenden
gebirgskette zieht entsprechend der längs des westfusses sich
hinziehenden einsenkung eine gleiche am ostfusse". P. 27:
„im norden —" — war es ausser von dem aus dem Athamanen-
lande herabkommenden Achelous selbst von drei bedeutenderen,
aus dem Doloper- lande herabfliessenden nebenflüssen desselben,
und in der richtung von nord-osten gegen süd- westen und
von einem von Oeta her nach zusammenströmung mannigfacher
quell- und Zuflüsse zuletzt von Süden her in den östlichen der
drei vorher bezeichneten einmündenden durchflössen".
Ausserdem befinden sich manche druckfehler in dem bu-
che, die den berichtigungen des veif. entgangen sind. Der
schlimmste steht p. 46, wo es heisst: Euboia ist 28 meilen lang,
24 meilen breit, Ref. führt an p. 6, z. 13; das. z. 1 v. u. ;
p. 8, z. 18 u. 20. p. 14, z. 18; das. z. 21. p. 28, 12. p. 43,
z. 27. p. 97, z. 9. p. 116, z. 26. — Im register hat ref.
manche namen vermisst, die im texte vorkommen.
W. Th, Jungclaussen.
232. Geschichte der alten philosophie von George Henry-
Lew es. Deutsch nach der dritten ausgäbe von 1867. Berlin.
Verlag von E. Oppenheim. 1871. 533 s. 8. — 2 thlr. 28 gr.
In der einleitung (p. 1 — 108) unterscheidet der vf. zunächst
drei phasen in der philosophie, nämlich die ontologische, psy-
chologische und die gegenwärtige, d. h. die phase der positiven
philosophie. Sodann giebt er genau den unterschied zwischen
der objektiven und subjektiven methode dahin an, dass die
erstere ihre ansichten nach den realitäten modelt und die an-
Nr. 8. 232. Geschichte der philosophie. 421
dere die realitäten nach ihren ansichten bestimmt. Die schwä-
che der subjektiven methode beruhe ia der Unmöglichkeit, diö
verificirung anzuwenden, und sie überschreite daher fortwäh-
rend die grenzen, welche das materielle von dem formellen
scheiden. Das dritte kapitel der prolegomena handelt von dem
prüfstein der Wahrheit, d. h. von dem prüfstein der Überein-
stimmung zwischen der innern und äussern Ordnung, welcher
im wesentlichen mit dem berühmten princvpium identitatis zu-
sammenfällt. Das vierte kapitel behandelt einige schwächen
des menschlichen gedankens, die in verschiedenen Systemen zu
tage treten. Endlich wird man es bei dem Standpunkt des
vf's nicht wunderbar finden , dass er im fünften kapitel sich
mit entschiedenheit gegen angeborene ideen ausspricht, da er
ganz konsequent empiriker ist. Nur insofern theilt er die an-
sieht von Mansel (Prolegg. logica), als er die existenz von an-
schauungen zugiebt, die wir nach unsrer konstitution und Stel-
lung in der weit mit unumgänglicher nothwendigkeit erfahren.
Die geschichte der alten philosophie selbst wird in neun
epochen eingetheilt. Mit Aristoteles (Metaph. I, 3) leugnet der
vf. auf das bestimmteste, dass die alten physiker einen unter-
schied gemacht hätten zwischen der materie und dem bewegen-
den prineip oder der wirkenden Ursache; aber gegen Aristote-
les nimmt er nicht Anaxagoras, sondern Diogenes von Apol-
lonia als den ersten an, der es zu dem begriff einer bildenden
intelligenz gebracht. Den zweiten platz ertheilt er mit Kitter
dem Anaximenes, nicht Anaximander , weil erstens Anaximenes
lehren die entwickelung der von Thaies sind und zweitens
Anaximander den reigen der mathematiker eröffnet und des-
halb einer ganz andern richtung der speculation augehört. Bei
Pythagoras hat der vf. den wohlbegründeten, auch von Eöth
aufgestellten, unterschied zwischen Pythagorikern und Pythago-
räern übersehen, obgleich durch die letzteren nach Vorgang des
Philolaos die theorie des meisters eine wesentliche redaktion
erfahren hat. Vornehmlich habe sich Pythagoras in dem irr-
thum bewegt, dass zahlen wirklich dinge und nicht blos Sym-
bole wären. Verworfen wird deswegen die ansieht Kitters, dass
die Wendung piftqaiv tlvai tu ovia -zäv ugt&fimv nur symbo-
lisch zu verstehen sei, obgleich man nirgends einen beleg dafür
findet, dass Pythagoras die zahlen für besondere existenzen oder
422 232. Geschichte der philosophie. Nr. 8.
Wesenheiten gehalten, wie Piaton die ideen. In dem fragment
des Pannenides (p. 165 anm.) scheint Brandis mit seiner Über-
setzung [tb nliov = das mächtigere) das richtige annähernd
getroffen zu haben. Doch dürfte meiner ansieht nach nicht
nXsov, sondern rtXog zu lesen sein. Anaxagoras habe durch
die gleichberechtigte annähme der gedankenweit und der Sinn-
lichkeit einen wichtigen schritt zur lösung der frage nach dem
Ursprung der erkenntniss gethan. Aber die erklärung , welche
der vf. von Metaph. I, 3 giebt (von den worten: Idru^ayögus
8s 6 Kla^ofie'viog z$ fxsv qXixia. ngözEQog k>v tovtov, zoTg ö'
EQyoig vazsQog) ist nicht haltbar. Denn wenn vcisQog hier in
der bedeutung „untergeordnet" zu verstehen wäre, dann würde,
wie Schwegler in seinem kommentar richtig hervorhebt , der
logische gegensatz verloren gehen. Vielmehr wird rolg egyoig, wie
Schwegler durch mehrere stellen belegt, von Aristoteles gleichbe-
deutend mit reo sgycp gebraucht, und der sinn der stelle geht so-
mit darauf hinaus, dass Anaxagoras zwar dem alter nach höher
stehe, aber wegen des tiefern und speculativeren inhalts seiner
lehre nach Empedokles rangieren muss. In glänzender diction
kennzeichnet der vf. das wesen der Sophisten und ihr verhält-
niss zu den gleichzeitigen philosophen , aber seine darstellung
ist mehr apologetischer, als verwerfender natur, und das mit
recht, weil die meisten beurtheilungen der sophistik vom ein-
seitig platonischen Standpunkt ausgegangen sind und deshalb
des sichern massstabs entbehren , während sich Lewes bemüht,
mit nüchterner besonnenheit der Objektivität der Verhältnisse
rechnung zu tragen und zu dem resultat kommt, dass nicht
von einem sophistischen System, sondern höchstens von einer
sophistischen kunst die rede sein könne. Der hauptgegensatz
zwischen den Sophisten und Sokrates Avar der gegensatz der
rhetorik zur dialektik. Wegen der verurtheilung des Sokrates
nimmt der vf. die Athener in schütz, weil sie im allgemeinen
die grosse des mannes verkannt hätten und insbesondere ver-
letzt worden wären durch seine apathie gegen Staatsgeschäfte,
durch seine mit der sophistik gemeinsamen Spitzfindigkeiten
und trugschlüsse und endlich durch den stets regsamen geist
und die herbe form des Widerspruchs, womit er den bedeutend-
sten männern entgegentrat. Die beurtheilung des platonischen
stils hebt mit grosser Unparteilichkeit die schwächen nicht we-
Nr. 8. 232. Geschichte der philosophie. 423
niger, als die Vorzüge heraus. Aber ungenau ist, dass Piaton
im jähre 386 nach Athen , und zwar direkt aus Aegypten zu-
rückgekehrt sei. Denn die Zeugnisse der meisten diesen punkt
berührenden Schriftsteller und besonders auch der siebente brief
Platon's selbst lassen die gründung der akademischen schule,
als deren antrittsprogramm der Phädrus zu betrachten ist, spä-
testens in das jähr 387 v. Chr. fallen. Ausserdem weisen die
meisten quellen darauf hin, dass dies unmittelbar nach Platon's
italisch- sicilischer reise geschehen sei, die mit der grössten
Wahrscheinlichkeit erst nach der ägyptischen stattgefunden hat
(vgl. Ueberweg , ächtheit und Zeitfolge platonischer Schriften,
p. 125 ff.). In der beurtheilung der ächtheit schliesst der vf.
sich an Grote an , der mit ziemlicher evidenz die richtigkeit
des nach dem kanon der Alexandriner adoptirten Verzeichnisses
von Thrasyllus nachweist. Die nach dem Vorgang von Sextus
Empiricus angenommene eintheilung der dialoge in dogmatische
und agonistische , d. b. darstellende und polemisirende ist nicht
zu verwerfen. Obgleich dann der dynamische einfluss Platon's
in gebührender weise hervorgehoben wird, beschuldigt der vf.
doch den zweitgrössten philosophen des alterthums der philoso-
phischen Unfähigkeit und lässt sein System nur eine erfindung
der ausleger sein. Enthält nicht unstreitig die platonische phi-
losophie die Quintessenz der früheren Systeme und fügt als
selbständigen neubau die lehre von den ideen hinzu, von den
zu besonderen Wesenheiten erhobenen und hypostasirten sokra-
tischen begriffen? Andrerseits giebt der vf. zu, dass Piaton zu
den induktiven und analogischen beweisen und definitionen des
Sokrates noch die wirksameren processe der analyse und Syn-
these hinzugefügt habe, dass die platonische dialektik den in-
begriff der höchsten eikenntnisse bilde, dass endlich Piaton
von der existenz eines grundes der gewissheit überzeugt gewe-
sen sei und durch sein kriterium der subjectiven methode eine
logische basis gegeben habe. In der für die lehre von der
Wiedererinnerung wichtigen aus Phaedrus (247 B) citirten stelle
folgt der verf. und demgemäss der Übersetzer dem überliefer-
ten text, während ich mir in den Jahrbb. f. philol. 1869 heft
8 die Verbesserung erlaubt habe : av //>} naläg y TS&Qctfi/ievos,
i6v ?jito%ov (letzteres wort abhängig von ßctQvtcov), wonach dann
auch die Übersetzung eine kleine abänderung erfahren müsste.
424 232. Geschichte der philosophie. Nr. 8.
Jedenfalls kann man zugeben, dass Piaton die abhängigkeit
der dinge von den ideen nicht in genügender weise erklärt und
in den frühem dialogen eine theilnahme der dinge an dem we-
gen, im Timäus dagegen nur eine theilnahme derselben an der
form der ideen verfochten habe. Der Widerspruch des Aristo-
teles gegen die theorie der ideen sei ebensowohl ein Wider-
spruch der methode als des resultats. Eine subjeetive existenz
spreche er den ideen nicht ab , aber ihre objeetive existenz
verwerfe er als eine leere und poetische metapher. Allgemein
angesehen scheine die aristotelische methode die der positiven
Wissenschaft zu sein, aber genauer betrachtet sei sie dadurch
in der wurzel verschieden , dass Aristoteles bei jedem indueti-
ven schritt weglasse den grundsatz der strengen verification.
Unterblieben ist ein expose und ein urtheil über die staatstheo-
rie des Aristoteles; nur bei gelegenheit des urtheils über Pla-
ton's politik ist flüchtig der gegensatz beider philosophen auch
auf diesem gebiete berührt. Die achte epoche umfasst nach
des vfs eintheilung die Skeptiker, stoiker, epikuräer und die
neuere akademie. Sie wird charakterisirt als die periode , in
welcher der grundmangel der subjektiven methode durch die
Unmöglichkeit, ihr kriterium anzuwenden, offenbar wird. Die
neunte epoche wird ausgefüllt durch die Alexandriner und den
neuplatonismus , in dem sich die Vernunft mit dem glauben
verbindet, die philosophie ihre Unabhängigkeit aufgiebt und
wieder zum Werkzeug der theologie herabsinkt. Auf eine ein-
gehende besprechung dieser letzten beiden epochen glaube ich um
so eher verzichten zu können, als sie die weniger wichtigen par-
tien der griechischen philosophie bilden. Doch tritt auch bei
ihrer behandlung in genügendem masse die klarheit, schärfe und
Originalität des vfs hervor. Nur wäre es bei den citaten, z. b.
aus Plotin, zu wünschen gewesen , dass ausser dem Wortlaut
auch die stelle selbst immer eine bezeichnung gefunden hätte.
Denn wer soll bei dem lesen der worte : Zeig de nariiq elei]'
aag novovfievag &npa avrwv -ta öeafia. notäv tjsq) d norovriai
didcoGiv aranavlug ii> %Qi'>votg x.t.A. auf den ersten blick wis-
sen, dass dieselben aus Enn. IV, 4, 12 entnommen worden
sind? Uebrigens ist iXet'jaag fälschlich ile'ijffag accentuirt, und
das ist leider nicht der einzige druckfehler, mit dem ich das
konto des anonymen herrn Übersetzers belasten muss. Im ge-
Nr. 8. 233. Neuere poesie. 425
gentheil ist die zahl der druckfehler grösser als ein klassisch
gebildeter leserkreis vertragen kann. Unter andern hebe ich
noch folgende hervor: aöqog anstatt aoqog (p. 132), 6[xoiä'
fiaia statt bfxotmuara (p. 147), azovxHU statt aTot^sia (p. 148),
aoÜQanoiai statt urdQoonoiat (p. 151 a), to yun avro statt ro
yaq avro, ' Q statt ' fig und rwg statt img (p. 165); endlich
in dem citat aus Diog. Laert. VI, 8: nollot ca ina'Aivovai statt
inaiiovcii. Also dürfte der wünsch nach einer grösseren kor-
rektheit der nächsten aufläge wohl ein berechtigter sein.
C. Liebhold.
233. Die ultramontanocommunisten. Eine griechische ko-
mödie von Julius Richter. (Auch unter dem titel: 'Iovliov
Kqitoü XsXiÖoveg). 4. Jena. Fr. Frommann. 1873. — 1 thlr.
Bei der besprechung dieser neuen komödie von Julius
Richter, die seinem „Ungeziefer" nach kaum Jahresfrist gefolgt
ist (s. Philol. Anz. 1871, nr. 11), können wir uns kürzer fas-
sen, weil das zweite stück ganz im stile des ersten gehalten
ist und so vieles von dem, was damals gesagt wurde, auch auf
dieses seine anwendung findet.
Geben wir zunächst einen abriss der fabel. Die beiden
ältesten söhne eines mit kindern reich gesegneten mannes na-
mens Pausias sind sehr verschieden geartet, der eine, Hippias,
huldigt den lehren der socialdemokratie , der andere Pheidias,
geht in egoistischer weise darauf aus, sich möglichst viele schätze
zu sammeln. Damit sie einsehen lernen, wie verkehrt sie den-
ken und handeln, und damit sie sich zu tüchtigen bürgern her-
anbilden , denen das wohl des Vaterlandes über alles geht,
schickt sie der vater zu zwei geriebenen meistern in die lehre
und zwar den älteren söhn mit den communistischen tendenzen
zum ultramontanen Pisias, und den jüngeren mit der ausge-
sprochen antisocialdemokratischen gesinnung zum communisten
Knakias. Was der vater von diesem wunderbaren schritte
hofft, geht in erfüllung-, beide Jünglinge lernen das von ihren
lehrern , dass der politisch- sociale Standpunkt, den sie bisher
einnahmen, nicht der rechte ist, sie lernen aber auch ihre leh-
rer und deren scheinbar so verschiedene , in Wirklichkeit aber
so nahe verwandte doctrinen gründlich verachten und kommen
zu der einsieht, dass nur der den namen eines guten bürgere
426 233. Neuere poesie, Nr. 8.
mit recht führt, der den gesetzen des landes gehorsam leistet
und das gemeinwohl aus allen kräften fördert. Niemand ist
glücklicher über diese veränderte anschauung als der alte Pau-
sias. Während er im beginne des Stückes traurig einherging
und mit sorgen an die zukunft dachte, ist er am ende dessel-
ben so aufgeräumt, dass er die beiden lehrer als sie kommen,
den ausbedungenen lohn zu holen, in der übermüthigsten weise
verhöhnt und schliesslich mit schlagen von dannen jagt. Nun
ist es frühjahr geworden im hause; nun können auch die
schwalben die den chor bilden, und die in der Verspottung der
ultramontanen und socialdemokraten mit dem Pausias und sei-
nen söhnen gewetteifert haben, in dasselbe einziehen, und das
stück endet unter allgemeinem jubel. Wie bei der vorigen ko-
mödie so ist auch bei dieser, wie man sieht, die handlung über-
aus einfach und bietet kein besonderes interesse; der Schwer-
punkt ist auch hier wieder in der tendenz des ganzen und in
der überall ausgesprochenen grundanschauung zu suchen. Und
in bezug hierauf gereicht es uns zu grosser freude sagen zu
können , dass die Xelidoveg einen viel reineren genuss gewäh-
ren als die *Insg. Denn was auch der geehrte Aristophanide
nachträglich sagen mag , um die allzuscharfen stacheln seines
,, Ungeziefers" abzustumpfen , es bleibt doch dabei , sie haben
schwer verletzt und dadurch der wirkung des ganzen entschie-
den eintrag gethan-, die „schwalben" sind dagegen ein harmlo-
ses geschlecht, und mögen sie auch noch so laut und für man-
che obren unerträglich zwitschern (die vneQoqsivoi oder nan-
nonolTzai und die non'oßia>Ttxoi oder xlsnronolirai werden ent-
setzlich mitgenommen) , sie geissein doch immer nur die fehler
gewisser richtungen und stände und enthalten sich fast durch-
weg der persönlichen schmährede.
An formaler Schönheit tritt das neue product dem alten
völlig ebenbürtig zur seite. Correcte diction , gewandter , an-
muthiger ausdruck, fliessende verse, reizende ckorlieder — sol-
che und ähnliche Vorzüge müssen auch diesem stücke nach-
gerühmt werden , und so könuen wir die lectüre desselben al-
len denen, die an aristophaneischeu dichtuugen gefallen finden,
auf das wärmste empfehlen.
Chr. M.
Nr. 8. Neue auflagen und Schulbücher, — Bibliographie. 427
Neue auflagen.
234. Sophokles. Erklärt von F. W. Schneidewin. 6. bdck. Tra-
chinierinnen. 4. aufl. von W. Nauck. 8. Berlin. Weidmann; 12
ngr. — 235. Cicero's ausgewählte reden. Erklärt von K. Halm.
3. bdch. 8. aufl. 8. Berl. Weidmann; 12 ngr.— 236. Cicero's Cato
maior de Senectute. Erklärt von J. Sommerbrodt. 7. aufl. 8. Berl.
Weidmann; 7x/2 ügr. — 237. M. F. Quintiliani institutionis orato-
riae liber X. Erklärt von E. Bonnell. 4. aufl. 8. Berlin. Weid-
mann; 7Va ngr- — 238. Gregorovius, wanderjahre in Italien. 4. bd.
2. aufl. Leipzig. Brockhaus; 1 thlr. 24 ngr. — 239. C. Hirzel,
grundzüge einer geschichte der klassischen philologie. 2. aufl. 8.
Tübingen. Fuess; 12 ngr. — 240. W. Hartel, homerische studien.
2. aufl. 8. Berlin. Vahlen; 1 thlr.
Neue Schulbücher.
241. Freunds Schülerbibliothek. Abth. 1. Präparationen u. s. w.
Präparation zu Cicero's werken. 22. hft. 16. Leipzig. Violet; 5 ngr.
— 242. J. Lattmann, lateinisches lesebuch. 4. aufl. 8. Göttingen.
Vandenh. u. Ruprecht; 24 ngr. — 243. F. Wiedemann , präparatio-
nen für den anschauungs - Unterricht. 2. aufl. 8. Dresden.; Mein-
hold; 25 ngr.
Bibliographie.
In Petzhold's anzeiger für bibliographie und bibliothekwissenschaft
wird auch in dem jahrg. 1873 das verzeichniss der literatur . des
deutsch -französischen krieges fortgesetzt.
Wir machen darauf aufmerksam , dass seit diesem jähre dem
Reichsanzeiger ein postblatt beigegeben , in dem Veränderungen im
postverkehr und sonstiges diesen betreffende verzeichnet wird: am
15. juli ist nr. 7 erschienen.
Deutscher universitäts-kalender f. d. sommer-semester 1873, her-
ausgegeben von Dr F. Ascherson. 16. Berlin. Simion, 15 ngr. ist
erschienen, immer interessant, um die äussern Verhältnisse der Uni-
versitäten kennen zu lernen. Auch das ist diesmal an ihm interes-
sant, dass von bogen 6 an andre lettern sich zeigen: des strikes der
buchdrucker wegen musste der kalender in zwei verschiedenen offi-
zinen gedruckt werden.
14. juli. Fast sämmtliche berliner zeitungen melden, dass die
erneut eingetretene Steigerung der satz - und druckpreise so wie der
herstellungskosten der zeitungen im allgemeinen sie nöthigen, die
insertionsgebühren, resp. das abonnement zu erhöhen.
Einen prospect das conversations-lexikon betreffend, Umtausch
alter aufl. u. s. w. hat F. Brockhaus versandt.
Deutscher Zeitschriften - katalog. Systematisch geordnetes verzeich-
niss der in Deutschland, Oesterreich-Ungarn und der Schweiz erschei-
nenden wissenschaftlichen und unterhaltenden Zeitschriften, Jahrbü-
cher, kalender, abhandlungen und Jahresberichte gelehrter gesellschaf-
ten und wissenschaftlicher vereine, ranglisten , adress - und staats-
handbücher. Mit angäbe ihrer formate und bogenzahl, erscheinungs-
weise und preise. Nebst einem alphabetischen sach- und verleger-
register. Leipzig , bei J. J. Weber. Sind die bis jetzt vorhandenen
kataloge ausschliesslich darauf gerichtet, insertionszwecken zu dienen,
60 sucht im gegensatz dazu das hier vorliegende verzeichniss dem li-
428 Kleine philologische zeitung, Nr. 8.
terarischen, buchhändlerischen und fachwissenschaftlichen interesse zu
dienen, und somit gleichmässig dem gelehrten, dem bücherfreund und
buchhändler ein Wegweiser zu sein, der in gesichteter, wissenschaft-
licher anordnung über dieses reiche literaturfeld anhält und überblick
zugleich bietet.
Mauhe 's verlag (H. Dufft) versendet einen „prospect", in dem
über sonstigen philologischen verlag wie über Merguet's Lexicon zu
den reden Cicero's berichtet wird.
In B. G. Teubner's mittheilungen 1873 nr. 2 werden angekündigt:
G. Curtius grundzüge der griechischen etymologie, 4. aufl.: ausser
berichtigungeu drgl. ist diese aufläge durch vergleichungen aus den
keltischen sprachen von E. Windisch vermehrt; auch sind exemplare
auf Schreibpapier abgezogen worden; — Lexicon Homericum compo-
suerirnt C. Capelle . . . edidit H. Ebeling , nämlich der verlag der
firma H. Ebeling & C. Plahn ist in Teubner's besitz übergegangen:
es sollen die noch fehlenden hefte baldigst erscheinen; — Alexan-
der Magnus. Collectio scriptorum ad fabulosam eiusdem historiam
pertinentium. Rec. et praefatus est Wend. Foerster, also Iulius Va-
lerius, Itinerarium Alexandri, epistola Alexandri M. ad Aristotelem de
situ Indiae, Alexandri ei Dindimi collatio, iter Alexandri ad paradisum,
Leonis historia Alexandri M., — Vergil's gedichte. Für den schul-
gebrauch erläutert von K. Kappes; — Hagiographa chaldaice. Pau-
lus de Lagarde edidit : da diese chaldäisehen Übersetzungen des alten
testaments auch für Sprachforschung sehr wichtig und bis jetzt äu-
sserst schwierig zu erlangen sind, machen wir auf diese erste kriti-
sche ausgäbe auch hier aufmerksam.
Cataloge von antiquaren: verzeichniss nr. 66 des antiquarischen
bücherlagers von Fried. Kaiser in Bremen ; Cohen und söhn in Bonn,
nr. 36, theologie und philosophie ; antiquarisches bücherlager nr. 1
von Otto Wtilkow, buchhandlung und antiquariat in Magdeburg; die
Sammlung enthält die bibliothek des weiland bibliothekar prof. Dr
Schweiger in Göttingen, 1. abth.
Kleine philologische zeitung.
Güstrow, 3. juni. An diesem tage hat hier die zioeite Versamm-
lung des Vereins mecklenburger schuhnä'nner unter dem Vorsitz des
gymnasialdirectors Dr Raspe stattgefunden. Die präsenzliste wies
47 mitglieder auf, unter denen die namen des schulrath Dr Hartwig-
Schwerin, des professor F. V. Fritzsche-Rostock , sowie der meisten
directoren der höhern schulen Mecklenburgs sich befinden. Zur Ver-
handlung kam die von dir. Raspc-Güstrow gestellte theais: »der la-
teinische aufsatz hat aufzuhören obligatorisch zu sein, wogegen
Übertragungen aus reinem vorzugsweise der wissenschaftlichen spräche
angehörendem deutsch ius lateinische mit aller entschiedenheit beizu-
behalten sind«. Nach sehr lebhafter debatte wurde die frage: »Ist
der lateinische aufsatz überhaupt abzuschaffen?« mit einer kleinen
majorität bejaht; die zweite frage : »Ist der lateinische aufsatz facul-
tativ beizubehalten ? « mit allen gegen eine (des antragstellers) stimme
verneint. Demnächst folgte ein Vortrag des Dr Kretschman-Güstrow
»über lehrbücher der geschichte für obere klassen «, doch musste die
sich an denselben anknüpfende discussion wegen vorgeschrittener zeit
abgebrochen werden , ohne dass eine resolution gefasst wurde. Die
Versammlung war sichtlich angeregt und befriedigt. Die nächste
wird in Schwerin stattfinden. [Demnach wäre diese Versammlung
besser unterblieben; denn die gefassten beschlüsse d. h. der erste
Nr. 8. Kleine philologische zeittmg. 429
(facultativer aufsatz ist gar nichts) sind nur zu bedauern, da man in
ihrer ausführung nur einen schritt zum weiteren verfall der philolo-
gie auf dem gymnasium erblicken kann. Dieselbe thesis ist übrigens
auch in der pädagogischen section der Altenburger philologenver-
sammlung zur Verhandlung gekommen. Unerklärlich ist aber Raspe ;
sonst ein den extremen abgeneigter mann , und einer von den weni-
gen der Jetztzeit , die ein gutes glas wein gehörig zu erkennen wis-
sen und somit sinn für das ideale und erhabene haben, wie kommt
der zu solchen extravaganzen?]
Mainz, 6. juni. Die antiquarischen funde beim festungsbau ha-
ben bis jetzt eine sehr geringe ausbeute geliefert.
Bertin, den 13. juni. Heute abends ist hieselbst im 93. jähre Dr
Friedrich Ludwig Georg von Räumer gestorben. Der D. Reichsanz,
n. 140 giebt eine kurze biographische notiz.
Berlin, 14. juni. Heute verstarb hieselbst der oberst z. d. Adolph
Borbstädt; seine letzte schriftstellerische leistung ist die geschichte
des deutsch -französischen kriegs, das beste bis jetzt, was von mili-
tairischem Standpunkt aus von privaten über diesen krieg veröffent-
licht ist.
Greifswald , 21. juni. Heute feierte Dr iur. et phil. Schoemann
sein sechzigjähriges amtsjubiläum.
Hanau, 8. juni. Bei dem dorfe Mittelbuclien , eine stunde von
hier, hat man skelette, waffen u. s. w. ausgegraben, welche dem 8.
jahrh. p. Chr., also Franken- oder Alemannen -grabstätten anzugehö-
ren scheiuen. D. Reichsanz. nr. 162.
Zürich, 15. juli. Die eisenbahnarbeiten bei Lenzburg im Aargau
haben der »N. Z. Z.« zufolge zur entdeckung einer ehemaligen römi-
schen niederlassung geführt. Zahlreiche Überreste von mauern, drei
zugedeckte brunnen , hausgeräthschaften , münzen u. s. w. deuten auf
eine kleine Ortschaft.
Berlin, 18. juli. Der kaiser und könig hat nach seiner rückkehr
aus dem feldzuge von 1870/71 durch den GHR Schneider eine Samm-
lung von schriften, drucksachen, Zeichnungen u. s. w., welche sich auf
den französisch -deutschen krieg beziehen, anlegen lassen und diese
Sammlung jetzt, vorbehaltlich einer weitern Vervollständigung der
königl. bibliothek geschenkweise mit der maassgabe überwiesen, dass
dieselbe als ein untrennbares ganzes dort besonders verwahrt werden
soll. D. Reichsanz. nr. 168.
London, 15. juli. Die Society of Arts in London hat den Schah
von Persien auf dessen ausdrücklichen wünsch zu ihrem ehrenmit-
gliede ernannt.
In Helsinyfors, der hauptstadt Finnlands , ist eine höhere weib-
liche lehranstalt in der Organisation begriffen, die den namen frauen-
akademie führen und am 1. oct. d. j. eröffnet werden soll. Der cur»
sus, der aus sieben wöchentlichen vortragen besteht, wird zweijährig
sein und kirchengeschichte, literaturgeschichte, mathematik, Psycho-
logie, pbysiologie, physik und die grundsätze des finnländischen staats-
und privatrechts umfassen. Die gründung der akademie ist ein pri-
vatunternehmen , an dem sich der grösste theil der Universitätspro-
fessoren betheiligt.
Der französische professor Michel Breal vom College de France,
bekannt durch seine schriftstellerische nnd lehrthätigkeit im fache
der sanskrit- philologie und Sprachvergleichung, hält sich gegenwär-
tig in Berlin auf, um die art des philologischen Unterrichts an dor-
tigen gymnasien genauer kennen zu lernen.
Auf anregung des deutschen general-consuls, herrn von Jasmund,
hat der vice - könig von Aegypten beschlossen, eine expedition in die
430 Kleine philologische zeitung. Nr. 8.
libysche wüste zu entsenden , welche ganz auf kosten des Khedive
ausgerüstet wird. Gerhard Rohlfs, der den ersten gedanken dazu ge-
geben hat und in seinem plane von den ersten geographen Deutsch-
lands, wie Bastian, Petermann, Peschel, Koner, Kiepert u. a., unter-
stützt wurde , wird diese expedition leiten. Ausserdem wird aber
Rolfs von mehreren fachgelehrten begleitet werden , und der vicekö-
nig eine militärische escorte beigeben. Zweck der expedition, wel-
che etwa drei monate dauern und anfang 1874 wird unternommen
werden , ist lediglich die Erforschung der unbekannten theile der li-
byschen wüste, welche westlich Aegypten begrenzen.
Die russische Academiezeitimc/ theilt mit, dass 68 Studentinnen
sich zu den prüfungen der medizinisch -chirurgischen academie ge-
meldet und 60 da^on das examen in durchaus befriedigender weise
bestanden haben. '»Dieses in vergleich mit den resultaten der Prü-
fungen der männlichen studirenden sehr bemerkenswerthe resultat«,
setzt die genannte zeitung hinzu, » konnte nicht verfehlen die auf-
merksamkeit der academie -direction auf sich zu ziehen«.
Im dorfe Retzney, bei Ehrenhausen wird gegenwärtig, wie »Wie-
ner blätter« melden, eine römische villa ausgegraben, welche vor
1600 jahren hier gestanden. In der länge von 50 metern zeigen sich
mauerzüge in gerader und gebogener Knie, grössere und kleinere ge-
macher, Wasserleitungen, steinstufen, bau-, deck- und wärmeleitzie-
gel, bruchstücke von thongefässen und gläsern, mosaikböden , insbe-
sondere eine erhebliche masse von Wandmalereien , welche durch ihr
intensives roth, braun, gelb, blau, grau, mit mancherlei linierun-
gen, bogen, arabesken , lebhaft an die pompejanischen fresco-farb-
wände erinnern. Eine reihe dieser wand- und pilasterstücke, thonge-
räthe (eines mit namen Firmianus), bronzeschlüsseln u. s. w. und eine
münze des kaisers Aurelianus (270 — 275 n. Chr.), welche das alter
dieser ruinen bestimmen hilft, sind im antikenkabinette des Johan-
neums (1. stock, zimmer 1 und 2) zur allgemeinen besichtigung auf-
gestellt. Angeregt von dem interesse dieses seit Jahrzehnten wichtig-
sten antiken baufundes im umkreise der alten römerstadt Flavium
Solvense (Leibnitz), hat graf Meran eine summe für den ausgrabungs-
fonds zur Verfügung gestellt und die kaiserl. königl. centralkommis-
sion in Wien mit zusage eines beitrages den leiter der ausgrabungs-
arbeiten, professor Dr. Pichler, aufgefordert, die theilnahme für die-
ses baugeschichtliche unternehmen im lande zu erwecken.
Berichtigung. Das ob. in nr. 5, p. 272 über Fr. Schlie's aus-
führung mitgetheilte referat musste so gefasst sein : »Schlie bespricht
»eine von Schliemann in Ilium gefundene metope und sucht, haupt-
ssächlich gegen Curtius polemisirend , der sie in die römische zeit
„hinabrücken will, dieselbe in die diadochenzeit zu setzen, ohne aber
»für eine bestimmtere fixirung innerhalb dieser epoche einzutreten,
»während Komanudes und Newton dafür die zeit zwischen Perikles
»und Alexander, Schliemann die des Lysimachus, anzunehmen ge-
»neigt sind«. Dem vernehmen nach, hat E. Curtius seine ansieht
nach genauerer ansieht der metope aufgegeben.
Auszüge aus Zeitschriften.
Archäologische zeiiunfl von Hühner, bd. V, lieft 4 : die antiken»
Sammlung der Marciana zu Venedig, von A. Conxe, p. 83. — Pom-
pejanische Wandgemälde, mit taf. 67. von H. Heydemann, p. 8. 9. —
Beschreibung der vasensammluug des freiherrn von Leesen von E.
Schulze, mit taf. 70, von Heydemann , p. 91: s. Phil. Auz. III, n. 11,
Nr. 8. Auszüge aus Zeitschriften. 431
p. 562, was in diesem aufsatz unbeachtet geblieben. — Berichtigung
von H. Hirschfeld , p. 96. — Bruchstück eines -Wandgemäldes mit
taf. 68, von E. Curtius, p. 96. — Die neueu entdeckungen von Se-
linunt, mit taf. 71, von J. Schubring, p. 97, ein Vortrag, in dem auch
die inschrift des Apollotempels — s. Ph. Anz. III, nr. 11, p. 576. —
besprochen und zu erklären versucht wird. — Der Zeustempel zu
Olympia und sein ausbau, von H. Wittich, p. 103. — Miscellen: aus
dem brittischen museum , von E. Hübner, p. 104. — Sitzungsbe-
richt der archäologischen gesellschaft in Berlin, p. 105. — Chronik
der "Winkelmannsfeste, p. 107: berichte aus Rom. — Nachträge zu
einzelnen abhandlungen, p. 111. — R. Engelmann, allgemeiner Jah-
resbericht, p. 112.
Augsburger Allgemeine Zeitung: beil. zu nr. 190 : Gerhard Rohlfs,
mein erster aufenthalt in Marocco, anzeige : wird empfohlen. — Wolf-
gang Heibig, Untersuchungen über die campanische Wandmalerei:
eingehende und anerkennende anzeige. — Nr. 191: Balde-feier in
München. — Nr. 192: die materielle läge der lehrer an den höhern
schulen in Elsass- Lothringen: sehr zu beachtende klage über den
mangel gesetzlicher bestimmungen. — Beil. zu nr. 192 : die Philoso-
phie bei den Slaven. — Noch einmal »Tischendorfs neue ausgäbe der
vnlgata« : werden die Unrichtigkeiten in dem artikel in nr. 150 dargelegt
und gezeigt, dass Tischendorf so gut wie gar keinen antheil an der aus-
gäbe habe, dass vielmehr Theodor Hei/se alles verdienst zukomme. — Nr.
193: die Baken'sche expedition: in Aegypten und Afrika. — Nr. 194:
evangelische generalsynode in Madrid. — Beil. zu nr. 194: Karl Imma-
nuel Nitzsch: anzeige der biographie von W. Beyschlag. — Es soll
Schliemaun — s. ob. nr. 2, 125. — in Verwicklungen gekommen
sein: er war verpflichtet, die hälfte der gefundenen sachen an das
rnuseum in Konstantinopel abzuliefern , hat aber alles nach Athen
geschickt. — Nr. 196: zur Sydow'schen angelegenheit. — Nr.
197: das Unterrichtsgesetz in England: es ist auch da ein gegen-
ständ des mannigfachsten kampfes. — Beil. zu nr. 197. 198/ 200:
A. Springer Fr. Chr. Dahlmann : anzeige des zweiten bandes dieses
werks : der erste theil war ebenfalls in Allg. Ztg. besprochen, näm-
lich 1870, nr. 164. 165: sehr ausführliche und Dahlmann's wesen und
Verdienste hervorhebende anzeige: so wird bei einem, als Dahlmann
in Bonn war, an ihn ergangenen ruf nach Heidelberg gesagt : »Dahl-
mann Hess von dem rufe nach Heidelberg nichts gegen andre verlau-
ten und noch weniger dachte er daran sich dadurch in Bonn äussere vor-
(heile zu verschaffen. Er hatte sich in diesem falle wie immer, treu,
fest und uneigennützig gezeigt«. [Und dadurch zugleich dem stände
der professoren wahrhaft genützt, indem er ihm achtung auch in fer-
ner stehenden kreisen verschaffte, ein punkt, der jetzt gar zu wenig
beachtet wird: jeder denkt eben nur an sich selbst.] — Ein wald in der
Themse versunken: er ist schon vor 150 jähren entdeckt: jetzt wie-
der bei niedrigem Wasserstande untersucht und nachgewiesen, dass
die mündung der Themse früher an andrer stelle gewesen sein müsse.
— Nr. 199 : zum 18. juli. — Beil. zu nr. 199 : der Jesuitenorden. I. —
Beil. zu nr. 200 : Ed. Zeller, staat und kirche : anzeige. — Beil. zu
nr. 205: das mittelalterliche drama in den Niederlanden: anknü-
pfend an das in Harlem erschienene buch von Hendrik Gablee. —
Zwei erfurter publikationen: anzeige des neuesten bandes der »Jahr-
bücher der k. academie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt«
von Fr. Trautmann, die namentlich einen Aethiopien und den stein-
kult betreffenden aufsatz vom gerichtsrath Keferstein bespricht. —
Beil. zu nr. 206 : zur literatur der kunstgeschichte.
Göttingische gelehrte anzeigen, st. 18 : Quid de Iudaeorum moribus
432 Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 8.
atque institutis scriptoribus Romanis persuasum fuerit. Commentatio, ,.
scripta a L. Geiger. 8. Berol. 1872: Notices of the Jeics and their
country by the classic writers of antiquity : being a collection of State-
ments and opinions from the works of grec and latin heather authors
previous to A. D. 500. By John Gilt. 2 ed. 8. London. 1872:
anzeige von Geiger, der die zweite schrift als eine zwar mangelhafte,
aber fleissige Sammlung bezeichnet. — Heinrich Bellermann, die grosse
der musicalischen intervalle als grundlage der harmonik. 8. Berlin :
eingehende anzeige von Ed. Krüger. — St. 19: H. Schiller, ge-
schichte des römischen kaiserreichs unter der regierung des Nero.
8. Berlin. 1872 : sehr lehrreiche und beachtenswerthe ausstellungen
machende anzeige von O. Hirschfeld: vrgl. ob. p. 402. — St. 22:
des Beatus Rhenanus literarische thätigkeit in den jähren 1508 —
1530 und in den jähren 1530— 1546. Von Adalbert Horawitz. 2. heft.
8. Wien 1872. 73: anerkennende anzeige von L. Geiger. — De
infinitivi linguarum Sa7iscritae Bactricae Persicae Graecae Oscae Um-
bricae Latinae Gothicae forma et usu. Scr. JEus. Wilhelmus. 8.
Eisenach: lobende anzeige von Th. Benfey.
Nachrichten von der königl. gesellschaft der unssenschaften zu Göt-
tingen, nr. 7 : Th. Benfey , indogermanisches particip perfecti passivi
auf tua oder tra. — Derselbe, Dionysos, etymologie des namens: die
grundform ist JtövvGo Aipovvxno und bedeutet söhn des tages und
der nacht oder söhn der helle und der nacht oder söhn des him-
rnels und der nacht oder endlich söhn des gottes des himmels (des
Zeus) und der nacht. Die basis dtpov-vvxi ist ein copulativ - com-
positum , wie t>v%d-rhu&Qo. Welche etymologie die richtige , müsse
durch behandlung des wesens des gottes bestimmt werden. — Nr.
14: beitrage zur Symbolik der Griechen und Römer, von Fr. Wiese-
ler: I. ein eigenthümliches sühnopfer: bespricht Laur. Lyd. de menss.
IV, 45, wo gelesen werden soll: n goßciro v xwdiai icxtTiaöpivov cvv
afrvov rf, 'AtpQo&iTfl; II. über den schmuck am gewande des Phei-
dias's'chen Zeus: in Paus. V, 11, 1 soll y.Qiicoovu statt xoivcc gelesen
werden; III. über den eichenkranz bei Zeus (Juppiter). — Nr. 15:
die suffixe anti , dti und ianti, idti, von Th. Benfey. — ■ Von dem-
selben: ein theil des mongolischen Ardschi Bordscho und stücke
des Pantschatantra im Singhalesischen.
Bekanntmachung.
Die 29. Versarnmlung deutscher Philologen , Schulmänner und
Orientalisten wird in den Tagen vom 23. — 26. Sept. d. J. zu Inns-
bruck stattfinden, wozu die Unterzeichneten hiemit ganz ergebenst
einladen.
Indem sie die geehrten Fachgenossen ersuchen, beabsichtigte
Vorträge sowohl für die allgemeiuen als auch für die Verhandlungen
der Sectionen baldmöglichst (längstens bis 20. August) anmelden zu
wollen , erklären sie sich zugleich bereit, Anfragen und Wünsche,
welche sich auf die Theilnahme an der Versammlung beziehen , ent-
gegenzunehmen und nach Möglichkeit zu erledigen.
Innsbruck, im juni 1873.
Das Präsidium:
B. Jülg. W. Riehl.
Nr. 9. September 1873.
Philologischer Anzeiger.
Herausgegeben als ergänzung des Philologus
von
Ernst von Leutsch.
244. Lateinische elementargrammatik von G. W. Gosa-
rau. Quedlinburg, G. Basse. 1871. — 20 ngr.
G. W. Gossrau hat seiner grösseren lateinischen grammatik
eine elementargrammatik folgen lassen , welche jedoch nicht
als ein blosser auszug aus jener zu betrachten ist. Man über-
zeugt sich davon sofort, wenn man einzelne abschnitte der for-
menlehre in beiden vergleicht; in der elementargrammatik ist
z. b. mit recht die in der anderen gegebene regel über den
genitivus pluralis auf ium} weil sie auf der accentuation be-
ruht und zu viel abstraction voraussetzt, weggelassen und durch
eine mehr der üblichen weise sich annähernde anweisung er-
setzt worden. Aber auch die fassung der Vorschrift in der ele-
mentargrammatik scheint mir, trotz ihrer kürze, zu complicirt
für schüler der unteren und der mittlem klassen. Es heisst
unter andern :
3) alle Wörter, die vor der genitivendung drei conso-
nanten haben wie imbrium, lintrmm; dann auch die, welche
zwei consonanten haben, nur nicht wo muta cum liquida steht, als
fratrum, patrum, matrum, aber wohl , wo liquida cum muta ver-
bunden ist wie parentium , fontium f oder liquida cum liquida
wie carnium.
Für solche dinge wird der lehrer es aus seiner erfahrung
her bewährter finden, die einzelnen wörterklassen dem gedächt-
niss der schüler anzuvertrauen, als ihnen, bei allen so mannich-
faltigen fällen , eine schwer von ihnen zu erwartende Überle-
gung zuzumuthen. Und besonders schwierig scheint dem an-
fänger die sichre entscheidung dadurch gemacht, dass die in
dieser regel überwiegend berücksichtigten parisyllaba in einer
vorhergehenden regel bereits besonders erwähnt sind. Sonst
Philol. Anz. V. 28
434 244. Lateinische grammatik. Nr. 9.
ist die formenlehre grade mit ausnehmender genauigkeit be-
handelt. Die genusregeln sind nicht, wie sonst üblich, in
versen gegeben ; mancher wird diese vermissen ; geschmackbil-
dend wohl sind sie eben nicht. In dem kapitel über die Zahlwörter
wird man vieles finden, was man in einer schulgrammatik sonst
vergebens sucht. Bei der grossen ausführlichkeit an dieser
stelle, wie an manchen andern, die es dem tertianer eines gym-
nasiums , und selbst den Schülern der obersten klassen einer
realschule schwer machen wird, alles zu lernen und zu behal-
ten, vermisst man wiederum an andern stellen einzelnes, was
sonst die kürzeste grammatik mitzutheilen pflegt, wie den genitiv.
pluralis murium von mus, der dem Verfasser, nach seiner grösseren
grammatik zu schliessen, nicht sicher vorgekommen ist; den
genit. pluralis lyncum von lynx, die erwähnung, dass parentum
üblicher ist, als parentium; die comparation frugi, frugalior, fruga-
lissimus ; eine vollständigere aufzählung der adjectiva , welche
der comparation entbehren , die bei Nepos , Caesar und den
dichtem üblichen griechischen declinationsformen, die der real-
schüler, welcher die grammatik auch gebrauchen soll und der
diese schriftsteiler liest, sich anderwärts her nicht wird erklären
können; und trotz der widersprechenden bemerkung des Ver-
fassers in der vorrede wird eine kurze anweisung über metrik
gewiss von allen lehrern auch in einer elementargrammatik für
erforderlich gehalten werden ; es darf natürlich nicht ein wis-
senschaftliches System sein. Im allgemeinen aber und bis auf
die eben erwähnten einzelheiten hat der verf. eher zu viel als
zu wenig gegeben. Ganze capitel sind nicht für das eigentliche
erlernen in der klasse und für die klasse bestimmt, sondern
als eine Vorbereitung für das eigentliche Sprachstudium zu be-
trachten. Dahin gehören die bildung des nominativs aus dem
stamm in der dritten declination und die buchstabenveränderungen.
In der syntax habe ich mich gewundert, dass (trotz der auseinan-
dersetzung Seiffarts in der vorrede zu seiner grammatik von 3 862)
praecedo, anteeo, antecedo u. s. w. nur als den dativ, nicht auch den
accusativ regierend aufgeführt werden, da doch der accusativ für
praecedo bei Cäsar die regelmässige construction ist und sogar mit
praesto (was Seiffart übersehen hat) bei ihm, neben dem allerdings
überwiegenden dativ, der accusativ wenigstens auch vorkommt.
Pur den nominativus cum infinitivo ist der fall unberücksichtigt ge-
Nr. 9. 245. Homeros. 435
lassen, dass verba, die den blossen infinitiv regieren, §.196, wenn
dieser ein prädicat erfordert, es im nominativ zu sich nehmen,
wie cupio clemens esse , ein beispiel , das ganz einzeln und bei-
läufig in §. 199 gegeben wird; bei dem dativus cum infinitivo
fehlen, wie in allen grammatiken, beispiele, wie vdbis immunibus
huius Esse raali dabitur, Ov. Met. VIII, 691. Dass nach dubito und
non dubito auch in der bedeutung „bedenken tragen" quin stehen
muss und der infinitiv ausgeschlossen ist , wenn das verbum
dubito in das gerundivum tritt (man vrgl. Caes. BGall. II, 2
dubitandum non existimavit, quin ad eos proficisceretur) führt keine
grammatik an. Eben so wenig, dass nach praestare „besser sein",
mit dem blossen infinitiv , quam non eben so gut mit einem
conjunctiv folgt, als mit einem infinitiv, man vgl. Caes. BGall.
VII, 17 praestare omnes perferre acerbitates quam non civibus Ro-
manis parentarent und VII, 1 praestare interfici quam non veterem
belli gloriam — reciperare. Durch die hinzufügung solcher ein-
zelheiten, die gerade in den für die mittleren klassen üblichen
Schriftstellern vorkommen, würde der Verfasser bei einer zwei-
ten aufläge dem nutzen der schüler besser dienen , als durch
jene oben erwähnten kapitel , die, weil sie doch nie gelernt
werden, dreist fortgelassen werden könnten. Trotz dem kann
ich dieser elementargrammatik, welche an praktischen bemerkun-
gen für die richtige ausdrucksweise im lateinischen sonst ge-
rade recht reichhaltig ist, aus voller Überzeugung weite Ver-
breitung wünschen.
245. De digammo homerico quaestiones scripsit Ol aus
Vilelmus Knös — Upsala Universitets Ärsskrift 1872. Phi-
losophi , Spräkventenskap och Historiska Ventenskaper V. 8.
Upsaliae 1872. 1873.
Die vielbesprochene frage nach dem homerischen digamma
hat der schwedische gelehrte Knös neuerdings in dieser um-
fangreichen schrift auf 227 seiten mit rühmlichen fleiss behan-
delt. Dieselbe zerfällt in zwei theile , jeder dieser in mehrere
capitel. Der erste theil umfasst die cap. 1 de brevibus syllabis
finalibus, quae contra vulgares producendi leges videntur produci] cap,
2 de longis vocalibus et diphthongis , quae in fine vocum produeun^
tur ante voces a vocalibus literis ineipientes ; cap. 3 de hiatu (p. 1 — ■
48): der II. theil die cap. 1 de voeibus a digammo ante vocales olim
28*
436 245. Homeros. Nr. 9.
incipientibus, c. 2 de vocibus apalatali spirante ante vocales olim in-
pientibus, c. 3 de vocibus a vocalibus literis incipientibus, quarum con-
sona initialis est dubia. Recensentur aliquot vocabula , quae a di-
gammo quondam incepisse falso putarunt docti viri ; c. 4 de vocibus
a coniunctis consonis cp olim incipientibus. Man sieht also hier
jene Untersuchungen in ihrem vollen umfang wieder durchge-
führt, welche die Hoffmannschen Quaestiones Homericae enthalten.
Aber sie sind auch mit rücksicht auf Hoffmann und nach den ge-
sichtspunkten dieses gelehrten unternommen, nur dass das sprach-
liche material durch hereinziehung de.r von Hoffmann nur sub-
sidiarisch verwertheten Odysseestellen eine erweiterung, und die
etymologischen annahmen nach dem gegenwärtigen vorgeschrit-
tenen stand der forschung vielfache berichtigurig erfahren ha-
ben. Und nach diesen beiden richtungen liegt das verdienst
des Werkes. Die Sammlung der stellen ist , so weit ich sie an
meinen Sammlungen kontroliren konnte , eine recht genaue.
Absolute Vollständigkeit wird nur der fordern , welcher sich an
ähnlichen arbeiten noch nicht versucht hat. Auch mit den ein-
schlägigen arbeiten deutscher gelehrten zeigt sich der verf. zum
grossen theil vertraut. Freilich manches wichtige ist ihm ent-
gangen, wie die instructive im VI b. des Philologus veröffent-
lichte abhandlung Ahrens7 de Jiiatus homerici legitimus quibusdam
generibus, um von dem, was mehr entlegen ist, nicht zu spre-
chen. Neue entdeckungen durchschlagender art waren bei der
abhängigkeit des vfs von seinem Vorgänger kaum zu gewinnen.
In der einleitung kommt der vf. unter anderen auf die
frage zu sprechen, ob das digamma in den homerischen text
wieder eingeführt werden soll und entscheidet 3ich, ohne übri-
gens die auf Bekker's anregung im übermass ventilirte Streit-
frage nach allen Seiten studirt zu haben , für die einfüh-
rung ; dann wie unser ziel bei der textesrecension eines
autors darin bestehe, den text wie er aus der band des
autors hervorging, hinzustellen, so müssten wir bei den ho-
merischen gedichten dahin streben, ut segregatis omnibus lo-
cis postea additis mutatisque ad primum integrumque statum
redactis ad ea, quae ex ore poetae poetarumque fluxerunt quam
proxime fieri possit accedere conemur. Als ob nicht bei al-
lem streit über den Ursprung der homerischen gedichte so
viel doch als ausgemacht zu gelten hätte, dass verschiedene
Nr. 9, 245. Homeros. 437
bände und zelten an der uns überlieferten gestalt derselben ibre
sicbtlicben spuren hinterlassen baben, und die nocb allenthalben
erkennbare fortwährende falsche analogie dafür bürgte, dass al-
terthümliche Wendungen, an denen die digamrnatischen erscbei-
nungen haften, dadurch zu mechanischer nachbildung reizten,
dass in ihnen das digamma bereits zur zeit jener dichter seinen
lautwerth eingebüsst hatte. Um nicht unerreichbaren zielen
nachzujagen, hat die besonnene kritik sich eine leichtere auf-
gäbe gestellt, der vollständig zu genügen bei unsern beschränk-
ten mittein kaum je gelingen wird.
Das erste capitel beschäftigt sich mit der Verlängerung kurzer
vocalisch und consonantisch auslautender silben. Die erklärung
dieser erscheiuungen, aus der übrigens für die folgenden Untersu-
chungen keinerlei nutzen erwächst, wird in den casuren erblickt:
constat caesuris maioribus ordines versus finiri: quum vero ordo
quidam versus ad versiculi similitudinem accedat, neque ultima ver-
sus syllaba utrura longa sit an brevis in versu intersit, eadem ordi-
nis illius videtur esse ratio (p. 16), die doch nur dann überzeu-
gen könnte, wenn den so regelwidrig gebrauchten kürzen in
den hebungen der gebrauch von längen statt der kürzen z. b.
vor der trochäischen oder bukolischen cäsur zur seite ginge. Eine
zweite erklärung (tum apparet syllabas , quae sunt in caesuris
masculis non maioribus solum sed etiam minoribus, acutiore vel fir-
miore vocis sono esse proferendas, in quo ipsa firmitas soni syllabae
levitatem compensat) verwechselt in bedenklicher weise ton-
stärk e mit tondauer. Ebenso wenig kann man die längst
von Ahrens widerlegte Mehlhornsche ansieht gelten lassen, dass
die längung kurzer silben vor liquiden in der besondern be-
schaffenheit dieser ihren grund habe, {in singidari earum natura),
qua mirum in modum possunt produci, ut pro duabus consonis va-
lere videantur (p. 17). Wie diese erscheinungen erklärt werden
können, habe ich in meinen Homerischen Studien (2. auf!. Ber-
lin. 1873 bei F. Vahlen) auf grund einer genauen prüfung
der bedingungen, unter denen sie vorkommen , zu zeigen mich
bemüht. In dieser partie kann aber auch die Sammlung der
stellen bei Knös nicht genügen, welche unter ungehörigen und
nichts fördernden gesichtspunkten zerrissen klare Übersichtlich-
keit entbehrt. Hier und durchweg hat sich der vf. von den
subtilen distinetionen Hoffmann's nicht emaneipiren können.
438 245. Homeros. Nr. 9.
Im dritten capitel des ersten buches vermisse ich am mei-
sten eine klare einsieht in das wesen der elision und des hia-
tus, deren physiologische bedingungen für ein fruchtbares vea-
ständniss unerlässlich sind. Der vf. begnügt sich beim hiatus mit
einer rein äusserlichen definition (p. 35) : Hiatum dieimus eum
vocum coneursum, in quo vocem, quae exit in brevem vocalem, quam
elisione summoveri aut consuetudo quaedam aut lex Jiomerica iubet,
excipiat altera vox a vocali litera ineipiens. Nun ist es aller-
dings begreiflich, dass das auslautende i in fällen wie 'OSvaiji
änvveptsi', rincvzi Ininraio nicht gleichgestellt werde einem ixu-
gto&i srvta, denn das /. in 'OSva^i tlnövri war einmal lang und
wird hier ganz wie eine länge behandelt (vgl. Hom. Stud. 2 p.
58). Aber warum Zecpvooio iyevaio H 63 nicht eben so rich-
tiger hiatus sein solle wie i]6o 1/am A 412 vermag ich nicht
zu begreifen. Zwischen diesen beiden o besteht und bestand kein
qualitativer unterschied ; denn aus dem umstände dass das o
in oio die elision scheut, das o der verbalendung sie gestattet,
zu folgern , dass das eine eine bessere quantität hatte als das
andere, ist recht bedenklich: darnach sind die p. 42 aufgestellten
tabellen zu berichtigen, hinsichtlich derer hier nur einige lücken
der Sammlung ausgefüllt werden mögen. Zu den fällen, wo in der
trochäischen cäsur des dritten fusses hiatus beobachtet wird,
kommen hinzu: B 625, A 156, E 854. 896, Z 201 , H 63.
310, 0 479. 157, K 286, A 732, 8 154. 209. 407, 0 71, II
512, P 610, T 73, T 205. 235, 0 112, X 253. 292, W 76.
224. 252. 585. 694, S2 318. 717; a 88, Ö 746, e 477, i] 222,
& 216, i 83. 553, x 258. 425, v, 130, o 251, n 351, q 355,
r 19. 342, v 21. 364. 367, cp 229, i 273. Zu den fällen des
hiatus in der bukolischen cäsur (p. 45) sind hinzuzufügen: J
138, E 221. 538, 0 105, K 93, P 518, ß 508, ß 45. 46, &
394, i 438, n 297, £ 351. 352, o 83. 109, z 380. 403, x 249,
co 401. 524; zu den fällen mit hiatus nach dem ersten fuss:
A 333. 393, B 105. 107, F 379, E 172, Z 123, 0 271, /
247, A 767, N 100, 0 247. 365, * 33, ß 387, 8 543. 654,
£, 224, r] 217. 230, & 251, a 323, r 1. 51. 231, v 1.
Was endlich die Malus illiciti betrifft, die p. 47 aufgezählt
werden, so vermisse ich: A 542, E 465. 603, K 224. 348, A
637. 787, T384, T98, .Q 349, 8 236, & 396. 580, v 133, % 69.
233, co 351. Auch die, dem vf. zweifelhaft erscheinenden fälle
Nr. 9. 246. Homeros. 439
wie hiatus vor iäco tzatgog a&eiQai u. a. hätten hier übersichtlich
zusammengestellt, sowie unter die andern gruppen eingereiht wer-
den sollen. Der vf. wäre dadurch zur Untersuchung bestimmt
worden ob nicht ebenso wie in der natur des anlautes , die er
allein in rechnung zieht, so auch in der natur des auslautes
manche fälle ihre entschuldigung finden und in wie weit wir
es mit bildungen nach falscher analogie zu thun haben.
Zu grossem danke fühlen wir uns dem vf. für den zwei-
ten theil seines werkes verpflichtet. Der hier aufgewandte
fleiss , mit welchem alle stellen , welche für und gegen den
consonantischen anlaut eines wortes sprechen oder nichts ent-
scheiden, zusammengebracht sind, ist ebenso anerkennenswertb
wie die genauigkeit im einzelnen. Nur hätte vielleicht hier
und da eine übersichtlichere form der mittheilung gewählt wer-
den können. Auch das nimmt dem buche etwas von seiner
brauchbarkeit, dass demselben ein index mangelt.
Wilhelm Hartel.
246. Ferdinand Schneider, über den Ursprung der
homerischen gedichte. 4. Programm des gyumasiums zu Witt-
stock, ostern 1873.
Vorliegende *) abhandlung verfolgt hauptsächlich den zweck,
vorgeschritteneren schülern eine einsieht in die homerische frage
zu gewähren, da pädagogische erwägungen es nicht rathsam
erscheinen lassen , im unterrichte selbst auf diesen gegenständ
einzugehen. Nachdem die hervorragendsten theorien von Wolf
bis Bergk besprochen sind, formulirt der Verfasser seine eigene
ansieht dahin, dass die Ilias im ganzen das werk eines dichters
ist, dass derselbe aber ursprünglich einzelne sceneu eines Sagen-
kreises in selbständigen liederu , wie sie dem zwecke des Vor-
trags entsprechen, nach und nach ausgeführt hat, und dass diese
einzellieder desselben dichters später zu einem ganzen verbun-
den wurden. Dass dies erst später geschehen sei , und nicht
bereits vom dichter selbst, ist freilich nicht bewiesen. Uebri-
gens kommt der Verfasser den vertheidigern der einheit, ob-
wohl er gegen sie polemisirt, doch auf halbem wege entgegen;
namentlich ist es von Wichtigkeit, dass von ihm die meinung
k 1) S. unt. Suppl. - heft 1 die anzeige über Bergk's Literatur - Ge-
schichte.
440 247. Euripides. Nr. 9.
widerlegt wird, als gewähre der Widerspruch zwischen ein-
zelnen theilen schon die berechtigung, sie demselben dichter
abzusprechen. Ist man erst so weit gelangt, so wird eine wei-
tere Verständigung unschwer zu erzielen sein.
Von besonderem interesse ist derjenige theil des programms,
welcher über Bergk's analyse der Uias und Odyssee handelt.
Es ist dies vielleicht die erste, jedenfalls eine der ersten aus-
führlicheren kritiken , welche darüber in die Öffentlichkeit ge-
langt ist. Die schwächen und widerspräche in Bergk's System
sind vielfach aufgedeckt , namentlich ist die wunderbare natur
des sogenannten diaskeuasten gut geschildert, der die entgegen-
gesetztesten eigenschaften in sich vereinigt, schwulst und abge-
schmacktheit, feinheit und geschick, nachlässigkeit und sorgsam-
keit, grösste frivolität und tiefen ernst, der bald bestrebt ist,
nichts untergehen zu lassen, was sich irgend an die homerische
poesie anschloss, bald echte theile unterdrückt, um seine eige-
nen unpassenden einfalle an deren stelle zu setzen. Wie un-
günstig diese kritik auch lautet, sie ist nicht ohne berechtigung,
und wenn Bergk selbst die hoffnung ausspricht, dass seine an-
sieht bald zu allgemeiner geltung gelangen werde, so dürfte
sich vielmehr das gegentheil schon jetzt ziemlich herausgestellt
haben.
L. G.
247. Euripidis Electra. In usum scholarum academicarum
ediditC. A.W alber g. 8. Upsaliae 1869. II, 53 s. — 16 gr.
' Obzwar fast vier jähre alt, ist das büchlein doch durchaus
noch nicht veraltet. Es gewährt uns die lang gewünschte ver-
gleichung der handschrift und überhebt die freunde der Elektra
der seither zu übernehmenden ärgerlichen bemühung zur ent-
klaubung der vermuthlichen lesarten des codex. Nauck hätte
in der ed. III diese collation bereits nicht ohne einigen vor-
theil benutzen können. Die vergleichung ist so genau und
sorgfältig als man nur wünschen kann , insbesondere auch an-
erkennenswerth in der Unterscheidung der Schreibungen ver-
schiedener band, die zu kennen gerade hier von grösster Wich-
tigkeit ist. Es sind sehr wenige stellen , an welchen noch
zweifelhaft ist, was die handschrift lese; ich will sie unten zu-
sammen aufführen, nicht ohne zu bemerken dass auch da der
Nr. 9. 247. Euripides. 441
glaube sich zum theil mehr auf Walbergs seite neigen mag. —
Walberg hat die ausgäbe für seine Vorlesungen bestimmt und
unter die collation der handschriften eine möglichst vollständige
und genaue Zusammenstellung der Verbesserungen neuerer ge-
lehrter, darunter auch einige eigene, gesetzt. Diese ist etwas
weniger zuverlässig; sie enthält noch manche fehler, welche frei-
lich meist auch in den critischen anmerkungen anderer vorkamen,
aber doch hätten verbessert werden können , wie eine verglei-
chung von Naucks ed. III mit ed. II klar beweist. Jedes der
so schwer zu meidenden versehen einem herausgeber als fehler
zuzurechnen, möchte wohl niemand den muth haben ; aber eine
genaue berücksichtigung Seidlers, Becks, und doch auch Cam-
pers, der natürlicherweise zwischen den hunderten von schlech-
ten conjecturen auch einige hat, die immer wieder kehren, hätte
sich Walberg nicht erlassen sollen. Das wenige wirklich falsche
und störende in der annotatio critica will ich unten anführen;
falsche autorenangaben wie z. b. 882 aya.Xna.ta Barnes statt
Seidler u. dgl. aufzuführen ist kaum der mühe werth, da das
jeder mit Naucks hülfe selbst besorgen kann. — Was endlich den
text angeht, so ist dieser nach sehr conservativen grundsä-
tzen construirt; der Kirchhoffschen ed. IT am ähnlichsten. Zu
loben ist dass der verf. im ganzen die lesart des codex der
des Stobaeus und anderer vorzieht, verschieden vom gewöhn-
lich beliebten verfahren, nach dem man im collisionsfalle den
testimoniis wenn möglich folgte , bei welchem grundsatze die
editoren doch gezwungen gewesen sind, in viel mehr fällen den
codex als die testimonien zur richtschnur zu nehmen. Von
den unzähligen unechtheitserklärungen hat Walberg sich (von
v. 116. 1201 abgesehen) nur eine, v. 651, angeeignet, und
diese kaum mit recht ; es ist wohl nur 650 dem Orestes statt
dem nQsoßvg zu geben.
Wirklich neue lesarten des codex die von werth wären
habe ich nur zwei gefunden; beide hat Walberg etwas zu vul-
gatagläubig nicht gewürdigt. Nämlich v. 663 öptö, was frei-
lich nicht so ohne weiteres aufgenommen werden kann, aber in
Verbindung mit Campers (nicht Naucks) längst vorgeschlagener
Umstellung sehr gut ist, und v. 1002 anälscs seil. sxewog, ge-
radezu vortrefflich. Dass vs. 238 der codex av/xcpoQag lieset,
erfahren wir auch zuerst hier.
442 247. Euripides. Nr. 9.
Neu ist noch vs. 169: „iuoXe rig, sfiole te, inserto ts ab al.
m" Walberg; seither sollte der codex lesen: sfioXe ng ipoXi rig.
Ol
' — 543 im Walberg ; sonst effl. — 589 sßag. &sog Walberg; sonst
eßaae. — Im text liest Walberg 418 dyysiXai(A,sv, 567 und 837
vvv, 1304 ,«>/?£>!, ohne bemerkung, während es seither hiess dass
der codex schreibe ayysiXai (isv, vvv , fitjr^Qi. Vs. 335 endlich
schreibt Walberg im texte ixsirov für txsi'vov, ohne bemerkung,
entweder eine beabsichtigte conjectur, oder ein versehen; und
903 fehlt OP.
Einige weitere versehen mögen in folgendem berührt wer-
den: vs. 1281 fehlt TjX&ev Seidler (codex hat tjX&s, der text je-
nes); 448 ifj.dazevtv Paley nicht ifAvaazsvtv ; 580 86%ag (muss
heissen öo^acr'j Musgrave; 649 vvv (v(§v\) Nauck ; 672 sV^'fl-'!)
Musgrave ; 770 iavt'i (ravtf \) Portus.
Eigene vermuthungen bringt der verf. nicht viele bei, es
wird genügen sie einfach anzuführen. Drei hat er in den text
genommen ohne beifall erwarten zu dürfen. Vs. 538 ovo' iaziv
(Weil gut oii ö' saziv); 661 e ig tot für eiaico, wo man mit Seid-
ler dam schreibend wenn nöthig (Göttling p. 27) allen ansprü-
chen genügt; 566 -3J ii vel u rt was die sache gar nicht bessert:
man lasse doch tj als dittographie von ti aus. Vs. 436 afiqisihaao-
fisvog (schon Camper apy' slXiOGOf/svog)', 448 naz svaai xoqov iva\
657 avy' ; 719 «V ini Xöyoig vel 8önoig\ 813 xaGcpa^s Xaipov;
910 ö' eineiV) gut; 928 ävygela&ov'} 952 siöaig ag vel ovv ; 984
noaiv xaöeilEv Atyia&og, richtig, wenn nicht nöaiv sondern na-
riga da stünde; 1180 idovl zccSs nXayci xeifieva.
Durch die oben angedeuteten versehen erleidet also die ei-
gentliche bestimmung des büchleins kaum beeinträchtigung (be-
sonders wenn mau rechtzeitig des reichhaltigen druckfehlerver-
zeichnisses gewahr wird). Es erhebt sich der wünsch, der vf.
möge den freunden des dichters seine collation der übrigen in
den haudschriften C und B enthaltenen stücke des Euripides,
wenn sie gleich sorgfältig ist, ebenfalls mittheilen. Eine bitte
um weniger druckfehler, besseres papier und wo möglich billi-
geren preis möge er nicht verargen.
Nr. 9. 248. Aristophanes. 443
248. II Pluto di Aristofane. Greco e italiano, riveduto su1
migliori libri e corredato di note illustrative e critiche per
opera di Carlo Castellani. 8. Firenze 1872. — L. 5.
Wir sind daran gewöhnt, einen nicht geringen theil der
uns aus Italien zukommenden philologischen arbeiten, besonders
solcher, die sich mit texteskritik beschäftigen , als werthlos bei
seite legen zu müssen. Sind die heutigen italienischen philo-
logen darauf angewiesen, die resultate deutscher arbeit allent-
halben zu berücksichtigen und auf ihnen weiterzubauen, so fehlt
e3 doch manchen von ihnen zu sehr an umfassender kenntniss
der einschlagenden deutschen literatur , zuweilen wohl auch an
ausreichender formaler Vorbildung und belesenheit in den clas-
sischen Schriftstellern selbst, als dass die leistungen irgend-
wie befriedigen könnten. Aber auch die heutige italienische
philologie hat wohl kaum ein zweites werk aufzuweisen , wel-
ches bei aller Unselbständigkeit der arbeit noch so tiefe Un-
wissenheit und leichtfertige Oberflächlichkeit zeigt, wie die vor-
liegende Plutus - ausgäbe. Die einleitung behandelt die fragen,
ob wir den ersten oder zweiten Plutus haben, welches die ten-
denz des Stückes sei und ob er der mittleren oder alten ko-
mödie angehöre, und hier ist theilweise in wörtlicher Überse-
tzung einfach das wiedergegeben , was Tbiersch in seiner aus-
gäbe des Plutus p. cdiv — cdlxxx erörtert. Wort für wort
ist dieser ausgäbe auch der index Graecus entlehnt, wobei sich
Castellani nicht einmal die mühe genommen, die Wörter, die in
folge von änderungen der lesart in seinem texte nicht vorkom-
men, aus dem index zu streichen und durch die neu eingeführ-
ten zu ersetzen. Wenn also vs. 50 Tbiersch ßCy, Castellani
aber %Qorcp schreibt, so ist im index auch bei letzterem nur
unter ßiog auf den vers verwiesen! Und so öfter. Für die
constituirung des textes giebt der verf. an, von neueren ausgaben
die des Plutus von Thiersch und die gesammtausgaben der
Aristophanischen komödien von Bergk (1867), C. H. Weise
und Meiueke verglichen zu haben. Mit welcher Oberflächlichkeit
aber dieser schon an sich mangelhafte apparat — fehlen doch
die verschiedenen ausgaben von Dindorf, die von Kappeyne
van de Coppello, die abhandlungen von Velsen, Bamberg u. a. —
von dem herausgeber benutzt worden ist, mag man daraus ent-
nehmen, dass von den vielen trefflichen emendationen Meineke's
444 248. Aristophanes. Nr. 9.
auch nicht eine einzige in den text aufgenommen oder auch
nur in den kritischen anmerkungen erwähnt ist. Im allgemei-
nen hat Castellani seiner ausgäbe den text von Bergk zu gründe
gelegt , und von diesem auch eine nicht geringe anzahl selbst
sehr zweifelhafter emendationen aufgenommen: so, um nur eini-
ges zu erwähnen, vs. 27 aqisloop ys aticparov (s. Bamberg. Exercit.
in Plut. p. 13 f.), v. 408 das metrisch fehlerhafte jovSIv IV tat,
das merkwürdigerweise auch Kappeyne aufgenommen hat, vs.
688 rja&STÖ nov, wo Kappeyne, ohne die anstössige fusscäsur
zu beseitigen, (}aäsTO Sij schreibt. Eigne emendationen hat der
verf. — wir dürfen wohl sagen zum glück — nicht versucht,
und da er einen fortschritt über Bergk hinaus nicht kennt, so
weicht er von dem text des letzteren nur ab um die vulgata
wieder herzustellen. Wo er uns über die gründe aufschluss
giebt, die ihn zur aufnähme dieser oder jener lesart bewogen,
zeigt er wieder bei angäbe der Varianten eine in unserer zeit
kaum erhörte nachlässigkeit. Auch hierfür drei beispiele. Zu
vs. 98, wo ioQaxii nco gelesen wird, heisst es: ormai questo
verso in tutte Vedizz. e, secondo la lez. portata nel n. testo, accolta
jjrima dal Porson sulV unico cod. Rav. Und wie ist nun der Sach-
verhalt? Kav. hat mit einigen andern handschriften sa>oay.ä na}
Porson wollte ov% säga* anb oder ov% iöoaxä nov, von den aus-
gaben, die Castellani benutzt zu haben vorgiebt, hat die von Bergk
im text allerdings, eöoaxü nco , in der vorrede ist aber eooax'
iyw vorgeschlagen, Meineke hat das letztere im text. Vs. 1005
wird von anavza xaiijadisv , vs. 1082 von öiEonsxXcofis'ry be-
hauptet, dass es in allen handschriften stände, während an bei-
den stellen gerade Eav. und Ven. andere lesarten haben. Die
gründe selbst, womit der Verfasser die Überlieferung zu stützen
sucht, sind zum guten theil Thiersch entnommen , und ist dar-
nach ihr werth zu beurtheilen. Zuweilen zeigt sich Selbstän-
digkeit , doch treten dann in der regel nur noch grössere Ver-
kehrtheiten zu tage. Unter anderm verräth der Verfasser hier-
bei, dass er von den grundbegriffen der metrik keine ahnung
hat. Vs. 1078 ist in dieser gestalt aufgenommen : ovx av nox%
ä).ln> *o"Dt' instgenov nomv. Zu vs. 637 ist dem Verfasser
das böse Unglück passiert, dass er folgende bei Thiersch of-
fenbar durch einen druckfehler enstandene form des dochmius
v — — v — in seine anmerkuug mit herübergenommen
Nr. 9. 248. Aristophanes. 445
hat. Zu vs. 566 ist folgende räthselhafte äusserung gemacht:
... il Porson e il Bentley lo (den vers) ricusarono del tutto.
Altri vollero emendarlo: L'Inv, e il Dind. vt] tov di\ ei Sei ).a-
&eiv alzöv, näg ov%i xoguiop ioTt ', ma non ne migliorb il metro,
per mancar tuttavia di cesura. Diesen anapästischen tetrameter
haben also Invernizz und Dindorf durch emendation geschaffen,
und es ist nichts daran auszusetzen als das fehlen der cäsur !
Es wird noch hinzugefügt , dass Bergk den vers ebenfalls
in dieser gestalt aufgenommen hat — die bedeutung einer
klammer im text kennt vermuthlich Castellani nicht. Der
schleier wird etwas gehoben und wir kommen zur Überzeugung
dass Castellani unter cäsur etwas ganz andres verstehen muss
als wir, wenn wir die zu vs. 583 gemachte anmerkung ver-
gleichen. Den vers schrieb Castellani so: tl yao s7z).ovrei1 näg
av noiür tov '0\v/m taitov ttvzog uymva , die anmerkung aber
lautet: olvuma-AÖv per v7^v(.i77i-/.6v1 che ha il nostro testo (Bergk)
e altri pochi libri , con ineno retta derivazione di OXv/.i7ita con di-
fetto della cesura, osservata sempre dal Nostro in questi versi ana-
pestil "Wer Bruncks anmerkung zur stelle liest, ahnt vielleicht
die genesis des unsinns.
Dass es mit den grammatikalen und realen kenntnissen des
herausgebers kaum besser steht als mit seinen metrischen, zeigt
zur genüge der exegetische theil des sehr ausführlichen com-
mentars. Dieser füllt sich vorwiegend durch wiedergäbe der
anmerkungen von Thiersch, dann durch schoben, die in grosser
zahl ausgeschrieben und übersetzt sind, ferner durch einzelne
bemerkungen die dem commentar der Invernizzischen ausgäbe
entlehnt sind , endlich durch einen kleinen bruchtheil eigener
zuthat. Dass die Verkehrtheiten von Thiersch ohne kritik mit
herübergenommen sind, bedarf nach dem bisher gesagten kaum
der erwähnung. Wir führen nur einige grammatische merk-
würdigkeiten an. Zu vs. 937 heisst es: isgov tov JJXovtov.
Sostantiv arnper legoi1 tio TlXovtoy. come in Eurip. Ecnba, 486.
unovg y..7.X. (Thiersch: leyov tov IHovrov, Substantive pro tw
Illovro) ut etc.), vs. 84 wird ix JJaTQoy.liovg verglichen mit Te-
rent. Phorm. V, 1, 5: a fratre quae egressa est meo und Virg.
Aen. H, 311 : proximus ardet TJcalegon. Mehreres dergleichen
scheint halb oder ganz selbständig erfunden. Vs. 69 steht im
scholion ij 7r^ogc//T rjg. Vs. 136 wird öurj ti 6/j ; erklärt durch :
446 249. Cassius Dio. Nr. 9.
ii Srj iativ ort navaofiai tavta; Dies könnte man noch
als druckfehler annehmen; aber weiter: vs. 349 wird die cor-
relation von jroiog-oiog der von nag - onag gleichgestellt. Zu
vs. 640 fitya ßooToiat Cft'yyog, grande splendore ai mortali. Cosl
esso uomo e detto da Omero (jpGo?, luce e Vumana stirpe e detta
da Eschilo 16 qimräiv ytvog etc. Vs. 932: aW oi^eiai qievymv.
11 presente per lo passato } come sopra , v. 619 etc. Vs. 1099:
(1100): co Kaotcor. II norninativo per il vocativo. Cosi le Rane.
264: co £di>0 1 a g. Vs. 171: ixx/.?]Gia — — — pur potreb-
besi eziando tradurre per giudizio o tribunale ; dem entsprechend
bezeichnet ExyArjaiaoTixov nach Castellani auch den richtersold.
Vs. 296: Da che e da quel che viene poi si vede aver Aristo fane
ritratto Vimagine del Ciclope e da Filösseno e da Omero e da
Teocrito (scheint durch missverständniss einer anmerkung von
Thiersch entstanden). Doch genug der blumeniese. Wir hätten
uns kürzer gefasst, wenn Castellani nicht die herausgäbe auch
der übrigen komödien des Aristophanes in aussieht gestellt
hätte.
Bernhardt.
249. Ueber die quellen des Cassius Dio in seiner darstel-
lung des bürgerkrieges zwischen Cäsar und Pompejus, von H.
Böttcher. Rostocker inaugural-dissertation. Gedruckt als
programm des halberstädter gymnasiums 4. 1872.
Der Verfasser (nicht zu verwechseln mit C. Boettcher
„über die quellen des 21 — 22 buches des Livius") behandelt
die bücher XL, 60 — XLII, 6 des dionischen geschichtswerks.
Nachdem er p. 1 — 3 die Schriftsteller, welche denselben Zeitab-
schnitt behandeln , nach ihrem politischen Standpunkte geord-
net hat, theilt er die Untersuchung in fünf capitel. C. I, p. 3 —
5 umfasst die Verhandlungen der parteien bis zum ausbruch
des bürgerkrieges , in deren darstellung Dio im gegensatz zu
Appian und Plutarch sich als entschiedener Pompejaner zeigt.
C. II handelt von der Überschreitung des Rubiko bis zu Cäsars
Übergänge nach Epirus in drei uuterabtheilungen : a, p. 5 — 7:
eroberung Italiens ; auch hier folgt Dio pompejanischen quel-
len, soweit er nicht, wie XLI, c. 13 seine rhetorische fertig-
keit glänzen lässt; b, p. 7 — 11 umfasst die ereignisse in Spa-
nien uud bei Massilia bis zu Cäsars zweiter ankunft iu Rom.
Nr. 9. 249. Cassius Dio. 447
hier zeigt Dio die meiste Übereinstimmung mit Cäsars bel-
lum civile, doch so, dass gerade in einzelnen wesentlichen punk-
ten eine abweichung zu Ungunsten Cäsars statt findet. Der
Verfasser glaubt dies auf benutzung des Livius zurückführen zu
müssen, der zwar dem Cäsar folgte, aber ihn vom entgegenge-
setzten Standpunkt bearbeitete (ob dies sonst die art des Livius
ist, wollen wir hier nicht untersuchen ; manches hat auch wohl
Dio selbst entstellt, der ja in benutzung seiner quellen nicht
allzugewissenhaft verfährt): p. 11 — 12 behandelt Cicero's Un-
tergang. Hier stimmen besonders Caesar, Lucan und Dio
überein; die beiden letzteren benutzten Livius, der seiner-
seits den Caesar zu gründe legte. — Das capitel III, p. 12 —
14 untersucht die erzähluDg bis zur schlacht bei Pharsalus.
Dio und Appian stimmen überein , und zwar grade da, wo
sie von Caesar abweichen. Sie haben also eine gemeinsame
quelle, welche jedoch Livius nicht sein kann, sondern Asinius
Pollio. Cap. IV, p. 14—18, schlacht bei Pharsalus. Dio XLI,
c. 51 folgt dem Asinius, die schlacht selbst ist in einer unge-
schickt rhetorischen weise nach Dio's freier phantasie erzählt
und sollte offenbar ein glanzpunkt des werkes sein. Die pro-
digien stammen mit geringer abweichung aus Livius. Cap. V
untersucht Pompejus flucht und tod. Plutarch und Appian
stimmen wesentlich überein; meistens mit ihnen auch Dio. Auf
p. 19 fehlt es an deutlichkeit des ausdruckes; da Plutarch und
Appian nicht wohl beide gleichzeitig den Asinius Pollio ver-
lassen und gleichzeitig sich zu Livius gewendet haben kön-
nen, sollen sie den Livius indirect benutzt haben. Wie
ist das zu verstehen? Wenn beide gleichzeitig den Asinius
Pollio mit einer Überarbeitung des Livius vertauschen, ist doch
die Schwierigkeit dieselbe. Oder soll etwa Livius den Asinius
benutzt haben? — Der verf. lässt uns nur errathen , was er
meine, indem er erst im schlusswort bemerkt p. 20, der inhalt
des c. V sei von einem nicht näher zu bezeichnenden Pompe-
janer. Dieser soll nun vermuthlich Asinius und den Livius
zusammengearbeitet haben, aber auch das lässt uns der Verfas-
ser nur vermuthen. Jedenfalls hätte er nicht Peter folgend
ohne weiteres annehmen müssen , dass Plutarch und folglich
auch Appian und Dio dem Asinius und demnächst dem Livius
nachgingen. — Der grund, warum dies geschehen, scheint in
250. Platon. Nr. 9,
einer gewissen scheu Böttcher's zu liegen, tiefer greifende fra-
gen eingehend zu erörtern.
F. F.
250. Quid Plato de animae mundanae elementis docuerit.
Scripsit Martinus Wo-hlrab. Programm. 4. Dresden. 1872.
— 21 ss.
Der verf. behandelt eine der schwierigsten und vielversuch-
testen stellen aus Piatons Timaeus , p. 35 A sq. Auszuge-
hen ist auch in diesem dialog von dem begrifflichen gegensatz
zwischen yirsGig und ovata. Ausserdem wird als bekannt vor-
ausgesetzt, dass dem entstandenen die d6$a, dem wirklichseienden
die vörjaig auf dem gebiete der menschlichen geistesthätigkeit
entspricht, woran sich die zweitheilung , einmal der dö^rc in
niozig und eixaoCa, sodann der röqaig in tmarrjuT] und dtdvota
knüpft. Der Timäus beschäftigt sich nicht ausschliesslich mit dem
gewordenen ; auch von den ideen ist die rede , deren abbilder
die dinge der erscheinungsweit sind, auch von dem höchsten
gott, dem schöpfer des alls und den untern göttern, welche
des höchsten gottes befehle vollziehen. Von der Verbindung
dieser heterogenen bestandtheile ist die art und weise der er-
örterung im Timäus abhängig, nämlich die form der nicht - dia-
lektischen behandlung, die form der fortlaufenden erzählung#
Nach einer gewissenhaften und vollständigen aufzählung der
verschiedensten lesarten der manuscripte und der verschieden-
sten konjekturen ist der verf. geneigt für die erklärung der ge-
netive iijg aftsgiarov xal äsl xaiil ralnl i%ovotis ovat'ag xal rijg
av tzsqI tcc acöfxarct yiyrofittqg ^sgiar^g ein ähnliches anakoluth
anzunehmen, wie p. 38 D. E. ijfxsqag yaQ xai vixiag xtX., er-
klärt dieselben aber schliesslich mit Steinhart für partitiv. Die
genetive in den folgenden Worten: rqg ts ravrov yvoeoog av
nsQi xcu ?ijg OattQOV x«? Y.ard tcivtu iuieöTrjGev iv fitöqi tov
•zs auSQOvg aitmv y.ai rov itara tu aoofiaTa itsniöTov lässt Bo-
nitz von t>> n?acp abhängen, indem er mit Boeckh übereinstimmt,
während Zeller ihre abbängigkcit von der vorhergehenden prä-
position b£ befürwortet. Das für die konstituirung des textes
vielfach angeführte zeugniss des Sextus Empiricus, der av
ntQi wcglässt, hat für den verf. im vorliegenden falle wenig
oder gar keine gewähr. Aber mit Bonitz will er durch av ei-
Nr. 9. 250. Piaton. 449
nen fortschritt zu etwas neuem ausgedrückt wissen , so dass
dann mit den worten ztjg zs zavzov xt\. ein neuer satz be-
ginnen und übersetzt werden müsse: deinde quod attinet ad na-
turam eiusdem et alterius , etiam hac ratione mediam inter indivi-
duam ex Ulis et per corpora dividua composuit. Indess sind diese
worte nicht frei von Unebenheit. Denn was soll avzüv, fragt
der verf. mit recht, in der Verbindung zov upsooiig avzävl
Cicero, Ficinus, Böckh und Bonitz haben sich auf diese Schwie-
rigkeit nicht eingelassen. Nach der bekämpfung der ansichten
von Stallbaum und F. W. Wagner zieht es der Verfasser vor,
mit Proclus avzov zu lesen und dasselbe zu beziehen auf das
tqCzov ovaiag elSng und verwirft die ansieht von Steinhart, der
es als genetiv von zu äftsoeg avzo fassen will, weil hier der
ort nicht sei, die idee des untheilbaren oder „das an sich un-
theilbare" zu erwähnen. Daran scbliesst sich die lateinische
Übersetzung der ganzen stelle [p. 10].
Nicht die idee selbst , sondern die Substanz des untheilba-
ren, ttjv (IfAc-niCTov na\ del xazä zavzu 8%ovaav ovcsiar, bezeichnet
Plato als element der weltseele. Denn die ovaiat sind offen-
bar als die urelemente der dinge, als Substanzen zu fassen.
Deshalb sei auch die Substanz der idee von Plato mit recht
als ein gruodbestandtheil der weltseele bezeichnet, während der
andere bestandtheil die Substanz der dinge der erscheinungsweit
sei. Dieser zweite bestandtheil sei von Plato im späteren ver-
lauf des dialoges als ,,raum" [spatiumj bezeichnet. Daher habe
Böckh richtig übersetzt: aus der ,,an den körpern theilbar wer-
denden Substanz" [p. 12]-, denn die körper seien gewisse
theile des rauraes. Nachdem die entstelmng von der Substanz
der weltseele nachgewiesen , geht Plato auf ihre (pvasig über.
Bonitz behauptet, dass zabzöv die idee der identität bezeichue und
der untheilbaren natur zuzuschreiben sei, und VazeQov die idee der
Verschiedenheit , die mit der theilbaren natur verbunden sei.
Ueberweg setzt die dfiigiazog ovaia und zalzözijg als die Sub-
stanz der idee, die a-/.eduazij ovaia und htQÖzjjq als die Sub-
stanz der dinge, die aus ihnen entstandene ovaia als die welt-
seele. Auch Susemihl hält zuvzöv für die idee, öäzegov für
die materie. Diese ansichten werden von Martin, Steinhart und
Zeller als irrthümlich bezeichnet, indem diese gelehrten dem
Plutarch und Proclus folgen und demgemäss behaupten , dass
Piniol. Anz. V. 29
450 250. Piaton. Nr. 0.
&<xzeqov ebensowohl von der untheilbaren Substanz ausgesagt
werden könne als taifo-v von der theilbaren. Indessen lenken
Martin und Zeller insofern ein, als sie sagen , dass die untheil-
bare Substanz mehr dem zavzov verwandt sei, die theilbare dem
Oäzegov. Ueberweg citirt, um die Schwierigkeit zu lösen, mit
recht p. 37 B, woraus hervorgeht, dass ökzfqov verbunden ge-
dacht werden soll mit den sinnlich wahrnehmbaren dingen, zav-
zov dagegen mit den übersinnlichen. Nachdem der verf. die
begriffsdefinition von Bonitz im anschluss an Soph. p. 254 D
adoptirt hat, bekennt er sich auch zu der ansieht , dass zwi-
schen ovaia und yvoig ein unterschied zu machen sei, um zu
erkennen , dass in der ersten mischung die zwei bestandtheile
nicht mehr unterscheidbar sind, während die Wesenheiten von
zavzov und Qäztqov nach vollzogener zweiter mischung unter-
scheidbar bleiben. Eine änderung des überlieferten textes er-
scheint mir an jener stelle nothwendig, nämlich in den Worten:
%vvEGit]G£v sv fisacp zov ze ä/.tEQovg avzcöv xzX, Zunächst ver-
misse ich ein objekt zu ^vrtozqösi', welches in analogie treten
könnte zu dem objekt von tvvextQuaazo [zqizov ovGfag sldog}.
Dieses objekt erhält man nach dem wegfall von er, welches
wahrscheinlich eine müssige Wiederholung der vorhergehenden
verbalendung ist und mit Veränderung von piam in uegov zi.
Ausserdem ist das folgende avzäv nicht mit dem verf. in av-
xov , sondern in zavzov zu verändern. Denn die schon vorher
dagewesenen begriffe erscheinen hier noch einmal in vereinigter
form, was um so weniger auffällig ist , als ihre correspondenz
durch das ganze platonische System hindurch verfolgt werden
kann. In dieser Verbindung steht somit gegenüber zov vc/ae-
govg dem folgenden (xsqigiov und zavzov dem folgenden zov
xazä zä ampaza, wofür das gleichbedeutende öäzsoor hätte ge-
setzt werden können. Die folgenden worte lauten nach der
Schreibung von Bonitz: xa) zoia Xaßcov av zä ovza <zvtEXEod-
aazo elg (Aittv nävza ibtav zijv ücczeqov cpvaiv 8vg[aixtov ovaav
elg zavzov ^waopozzcnv ßia, fiiyvvg 8s ftszä zt;g oiaiag xal in
zQiäv noiijoü^Evog fr. Also aus drei dementen, dem zavzov^
ödzegov und der ovaia hat Plato nach mathematischen und
harmonischen gesetzen die weltseele zusammengesetzt, die ganze
komposition aber in zwei kreise getheilt, den kreis des zavzov,
d. h. den kreis der fixsterne, welcher der äussere, und den kreis
Nr. 9. 250. Piaton. 451
des &drsQOP, d. h. den kreis der planeten, welcher der innere ist
(anstatt des zweiten exterior bat der verf. jedenfalls interior
schreiben wollen). Dass in der spätem stelle (p. 37 A. B.)
tuvinv und üÜteqov logisch zu verstehen seien , während beide
begriffe hier metaphysisch verstanden werden müssen, hat Stall-
baum richtig bemerkt. Die weltseele erscheint als ein lebendes
wesen, als abbild des höchsten gottes. Ein lebendes wesen hat
körper und seele. Die seele hat gott der weit eingepflanzt,
damit sie der Vernunft theilhaftig sein könne, weshalb die seele
eine art mittelstellung [i-itaov n] zwischen Vernunft und körper
einnimmt. Sowohl der körper der weit, als auch die seele be-
stehen aus denselben elementen; sonst könnte der körper nicht
von der seele bewegt werden und die seele könnte nicht die
Vorgänge im und am körper erkennen. Daher richtet sich
auch leben und bewegung in der einzelseele (dem mikrokos-
mos) nach den principien und Ordnungen der weltseele, des
ganzen Universums. Nur deshalb, sagt der vf. ganz richtig,
könne die seele der Vernunft theilhaftig sein, weil sie etwas
von der ideensubstauz in sich enthalte und nur deshalb könne
die seele die bildungen der sinnenweit erkennen, weil ein quan«
tum von der Substanz der erscheinungsweit in ihr sei.
Zum schluss räumt der verf. ein, dass trotz seiner erklä-
rung noch einige Schwierigkeiten übrig bleiben und zwar zu-
nächst die angäbe des philosophen, dass das untheilbare mit sei-
nem gegensatz einen bestandtheil der weltseele bilde, sodann,
dass die Wesenheit des selbigen mit der Wesenheit des andern
eine Verbindung eingehe , obgleich dieselbe nur durch einen
gewaltakt der göttlichen alimacht \$vvaQ[i6Tzoov ßi'a] als möglich
gedacht wird.
Offenbar drängte sich dem philosophen bei der konstruktion
seiner weltseele mehr als je die nothwendigkeit auf, die von
ihm für sein ganzes System angenommene , aber in ihren kon-
sequenzen oft bitter empfundene scharfe Scheidung zwischen
ideen und erscheinungsweit abzuschwächen oder in so weit
auszugleichen, dass sie der genialen lösung seiner kosmischen
probleme nicht hindernd in den weg treten konnte. Und sollte
nicht gerade an diesen punkt des grossen meisters grösserer Schü-
ler, Aristoteles, seine polemik gegen die ideenlehre angeknüpft
haben, obgleich es auch ihm nicht vollständig gelungen ist, den
29*
452 251. Lysias. Nr. 9.
zu tief in sein eigenes philosophisches bewusstsein eingedrun-
genen dualismus Plato's zu überwinden?
C. Liebhold.
251. Ausgewählte reden des Lysias. Für den schulge-
brauch erklärt vonHerm. Frohberger. 3 bändchen. 8. Leip-
zig. Teubner. 1866—1871. — 1 tblr. 18 ngr.
Die drei bändchen dieser ausgäbe sind nach gleicher me-
thode gearbeitet; nur dadurch unterscheidet sieb das dritte, dass
ihm ein dreifacher, sich auf den commentar in dem ganzen werke
beziehender index angehängt ist. Dieser index kann zwar in
bezug auf das gebotene sprachliche und rhetorische material an
reichbaltigkeit nicht mit dem von Rehdantz zu Demosthenes
sich messen , ist aber für gerichtliche und culturgeschichtliche
punkte von grösstem werthe und ein bedeutender anfang zu einer
„lysianischen topik" geworden. — Von der ausgäbe selbst aber
kann ich nur aus voller Überzeugung sagen, dass sie einen weit
grösseren werth in ansprueb nebmen darf, als Schulausgaben
gewöhnlich zu besitzen pflegen. Der schüler liest den text des
Lysias als einen solchen, wie ihn eine besonnene prüfung all
des reichen materials als den rätblichsten erscheinen lässt, wel-
ches in Deutschland, Holland und auch in Schweden Scharfsinn
und gelehrsamkeit für eine eventuelle textveränderung unseres
redners geliefert hat. Der lehrer, der von amtswegen den Ly-
sias tractirt, und der philolog , dessen arbeitsfeld die attische
dekas, findet im buche reichlichen stoff, neues zu lernen , und
anregung zu eingehenderen Untersuchungen. Zum beweis betrach-
ten wir hier allein das dritte bändchen : ist es auch, wie gesagt, nach
denselben grundsätzen wie 1 und 2 gearbeitet, so zeigt sich in ihm
doch eine grössere menge eigener conjeeturen des herausgebers als
in den früheren. An 37 stellen hat er sich meist mit recht, wie ich
glaube, dazu veranlasst gesehen. Ich führe an XVI, 9, wo Frohber-
ger für 7ai>7)]^ mit recht verlangt avrTjg zn lesen ; XXX, 2, wo
für iityoacps zu lesen ist ai?yQacpe\ XXXI, 10, wo für vpocff des
verbums wegen ijftäg vorgeschlagen wird; XIX, 8, wo das a
in ovSsva gestrichen wird : ich wählte diese änderungen , um
die leise art des herausgebers zu zeigen, dem fehlerhaften
texte aufzuhelfen, und die conjeetur nicht blos dem sinne nach
treffend erscheinen zu lassen, sondern auch dem buchstaben
Nr. 9. 251. Lysias. 453
nach wahrscheinlich. Ich fahre mit der anführung der con«
jecturen des hg. 's, mit denen ich mich ohne weiteres einverstan-
den erkläre, nicht fort , zumal Frohberger dieselben auch au-
sserhalb des buches, im Philologus XXIX, p. 621, zur kennt-
niss der gelehrten gebracht hat, sondern wende mich zu denen,
wo ich abweichende ansichten äussern möchte. — Or. XVI,
13 steht in den handschriften elvcu 8tiv voLii£or7u,\ Scheibe's
änderung in Seivov rofii&vTccg scheint mir nicht blos den buch-*
staben nach sehr wahrscheinlich, sondern auch durchaus passend,
Frohberger weist sie mit den worten ab: „das ist kaum pas»
send, da sich doch niemand beschweren konnte über das,
was durch die feindliche heeresverfassung veranlasst war".
Warum nicht? Sie fanden es unbillig, dass das geschick
auf diese weise die lasten des kriegs so ungleich vertheilt
hätte. Weit matter scheint mir, was sonst conjicirt ist, auch
des hg.'s shai ai\ Hätte Mantitheos nicht den Unwillen des
nlij&og bemerkt, möchte er wohl nicht so gehandelt haben, dsitog
ist bekanntlich ein lieblingswort der attischen redner. Zu einer
vollständigen Stellensammlung möchte ich etwas material lie-
fern. Ganz besonders gehäuft finden wir es Or. III : in 48 §§.
lese ich es eilfmal. Besonders gern wird es bekanntlich von
den rednern gebraucht am schluss einer ausführung in der rhe-
torischen frage ovx ovv 8eipoi>, ei [asv xtl, oder aazs Ssivov, so
u. a. (HI, 37. 40. 43. IV, 13. VII, 35. X, 13. XII, 36 u.s.w.). Wir
könnten es in dieser phrase mit den verschiedensten deutschen
adjectiven wiedergeben, widersinnig, unwahrscheinlich, ungerecht,
unnatürlich, gefährlich (XII, 87). Ausser in dieser phrase
findet es sich meistens in der bedeutung von ala^göv, ädc/.or,
aropot (I, 49. III, 7. III, 9. III, 16, 17, 26, 27. IV, 9. X,
22). Im index ist angemerkt dsipog Isysi* und dttvog tzsqC tu
hinzufügen möchte ich noch I, 7 dsivt] olnovofiog, da an dieser
stelle ösivog in guter bedeutung gebraucht wird, was bei den
rednern nicht so sehr häufig ist. Auch VII, 12 hat es keinen
tadelnden nebensinn; es wird dort mit äxotß>jg zusammenge-
stellt. — XXX, 21 hat Frohberger xuü^ abzog mit recht in
den text gesetzt. Schon Jacobs und Eauchenstein schreiben
xaza obiog. Ich möchte dabei nur einen irrthum in Scheibe's
praefatio critica notiren, wo diese conjectur Cobet zugeschrie-
ben wird. — XXXI, 1 schreibt Frohberger ßcvlev<Jit>> für das
454 251, Lysias. Nr. 9.
compositum av(j.ßovXtvasu>. Von der stelle Isoer. VII, 17 ur-
theilt er, sie käme nicht in betraebt, weil Isocfates dort von
sieb spräche. Dasselbe gilt, glaube ich, von Aesch. Tim. §. 29
und §.64, die verglichen zu werden verdienen. — XXXI, 4
erklärt Frohberger nävrcov — nznoayixtvcov für ein glossem,
weil anstgta „unerfahrenkeit", nicht „unbekanntschaft" heisse.
Man vergleiche ausser dem hier bemerkten noch die anmer-
kung zu XII, 3. Er behauptet auch, ans.iQog heisse nicht ne-
scius, sondern non expertus. Dagegen ist wohl Lysias VII, 14:
ansiQog zäv xivdvrav anzuführen. Anch ist der gedanke, dass
der bösen thaten des angeklagten so viele seien, dass die zeit
.nickt ausreichte, oder dass man sie nicht alle hätte kennen
lernen können, ein nicht minder häufiger, wie der vom hg. ge-
wünschte. S. anmerk. zu XIV, 46. Ferner weist der mit
ct<-icü beginnende gedanke mehr auf den ersteren: andere soll-
ten aufstehen und über das nsol av taaat sprechen. Auch ist
mir das einfache ans((jia zu kahl, wenigstens sollte ein ifiavzov
als gegensatz zu asgl avzbv dabei stehen. Bei dem gegensatz
zu unEiQta, £/j.rrsiQia, lässt sich ein unterschied zwischen „erfah-
jung" und „bekanntschaft" nicht nachweisen. — XXXI, 6 hat
der hg. für xal yäo in X geschrieben ol 8e, was mir zu willkürlich
scheint. Die vulgata hat oaoi de. Ich möchte das paläographisch
näher liegende xaitoi ol vorschlagen. Auch in §. 10 derselben
rede liegt derselbe handschriftliche fehler vor. Man hat allgemein
dort nach Bekker für das handschriftliche xal yäo eingesetzt
xai'zot. In demselben § ist ferner vom vf. gadioog zwischen on
und av mit grund eingeschoben. Für gadimg in dieser Verbin-
dung lässt sich vergleichen Aesch. Timarch. §. 29. — XXXI,
13 schliesst sich des hgs. herstellung der sehr schlecht überlie-
ferten worte allerdings ziemlich nahe an die handschriftliche
lesart : er schreibt nämlich: tpvyag xal zavia xal avrog ystofis-
vog statt q>tj 8s xal zavza xal abzog ysrofisvog. Aber er er-
hält dadurch einen s o matten gedanken, dass er sofort wieder
genöthigt ist, denselben als einschiebsei mit klammern zu ver-
sehen. Dem sinne nach erwarten wir, wie ich glaube, 6 vvv xal
uvibg äazbq yetöfievog. Bei dieser herstellung wären die lesar-
ten in X und G [xal zavza, cög qpiffft', xal aazog yevöfierog) mit
einander combinirt. Zu dem gedanken vergl. noch §. 33. —
In dem vorhergehenden §.(12) möchte ich P. Halbertsma's mei-
Nr. 9. 261. Lysiag. 455
nung, die gegenüberstellung zwischen cog vfislg oquts und ag
I/o» anodsl$<a sei „minus felix", noch mit anderen gründen unter-
stützen. Es wird ja vom §. 15 an ebenso sehr bewiesen, dass
ihn damals nicht „schwäche" zurückgehalten haben konnte, als
dass er nicht dnogog XeuovQyeiv gewesen sei. Auch stimmt
das imperfectum rjv schlecht zum präsens oqüts. Die richter
konnten jetzt doch nicht sehen, ob er damals uG&epTJg gewe-
sen war. Und dass Philon eine gänzliche krüppelhaftigkeit
als grund angegeben hatte oder angeben würde, ist nicht glaub-
lich, sondern nur eine zeitweilige aoüsveia, vrgl. des hgs. anm.
zu §.15. Ich glaube daher, dass mg - ögats zu streichen ist. —
XXXI, 27 steht in den handschriften ei ri. Der hg. schreibt
et y\ wofür die Verweisung auf §.29 spricht. Nach Aesch. Ti-
march. §. 51 möchte man schreiben ei 8t) xi. — XXXI, 32
hat der hg. für ßovXea&ai „gewagt" dycorC&G&ai. Aber die
conjectur hat keine Wahrscheinlichkeit. Sodann stört mich ov
Hovov — dXXä na}. In jener zeit, wo die nolueia auf dem
spiele stand, hat man gewiss k e i n e gerichtsverhandlungen tteq)
tov ßovXzvmv gehalten. Das fiovov bei ov stört und ist unpas-
send. Wir befinden uns überhaupt an einer sehr pathetischen
stelle. Das beweist schon das poetische a&Xa. An eine solche
stelle aber passt ein solcher verfehlter witz durchaus nicht.
Von den xirdvroi, den ^syiazoi dyärsg, der auf dem spiele ste-
henden noXitda war ja schon die rede, was braucht's da noch
der er wähnung der iXsv&sgia? So lange also nicht für ßov-
Xea&ai eine wahrscheinliche conjectur vorgeschlagen wird, werde
ich glauben , die worte '/.ai 'i8ei ov \iövov — ßovXea&ai seien
eine verfehlte nachbilduug des hübschen Wortspiels im §. 26, die
nicht von Lysias selbst herrührt. — Die herstellung des Schlusses
in or. XXXI wird wohl wenig anklang finden. Auch hat xaivbg
nicht durchweg tadelnden nebensinn, den es doch dann in die-
sem Zusammenhang haben müsste: vrgl. Aesch. Tim. §. 33.
Warum aber soll man nicht mit Blass xoivct TraQadeiyiActzu „öf-
fentliche beispiele" übersetzen? — Die einleitungen zu den
reden sind in ' bezug auf ihre form in der Rauchensteinschen
und Frohbergerschen ausgäbe sehr verschieden. Bei jenem finden
wir kleine zierliche miniaturbilder aus dem alterthum selbst
wieder in lysianischer einfachheit und anmuth geschrieben. Bei
Frohberger erschöpfen sie aufs gründlichste das ganze bei der
456 251. Lysias. Nr. 9.
rede in betraclit kommende material, sie sind mehr gelehrt als
anmuthig geschrieben und deshalb wohl nicht für die schüler,
sondern allein für die lehrer berechnet. Diese aber bekommen
durch dieselben ein bis ins kleinste detail ausgeführtes klares
bild der gerichtlichen praxis und des athenischen denkens und
lebens. Ich wende mich nun besonders zur rede XXIV. In
bezug auf das äussere leben des krüppels möchte ich die ky-
pothese aufstellen, er habe seine bude in der nähe der uyond
gehabt. Ich schliesse es aus §. 20. Sonst nämlich wäre der
Zusatz: xal nXstaroi iasv utg rovg lyyvxaiita t7jg äyovug xaitoxnva-
cuivovg, vollständig zwecklos. Auch war ihm ausdrücklich vor-
geworfen, dass die ttovijgoi in menge zu ihm kämen, vrgl. §.
19. Zur entlastung von diesem moment würde er sonst nichts
angeführt haben. — Frohberger sagt in der einl. p. 140, „dass
aus dieser rede die tjdonoila des Lysias besonders deutlich her-
vortrete " und proleg. p. xi finden wir unter den gestalten,
,,die sich in plastischer anschaulichkeit aus den für sie ver-
fassten reden abheben", besonders bemerkt den „um seines
täglichen almosens willen angefochtenen krüppel". Das ist ja
die allgemeine ansieht. Sind auch einige über den lysianischen
Ursprung der rede zweifelhaft, die ydonotCa in derselben rüh-
men sie doch alle. Ich gebe gern zu, dass sich die gestalt ei-
nes witzigen, heiteren menschen aus der rede abhebt, aber die
gestalt ist, meiner meinung nach, kein krüppel, kein mensch,
der zu fürchten hat, dass ihm das letzte genommen wird.
Ein solcher müsste vor allem elscg zu erwecken versuchen —
und das würde ihm leicht gelingen. Aber die ovna im munde
eines krüppels, die „ uQvnovvtzg", die deutliche irouisirung ge-
bräuchlicher gerichtlicher maximen würde selbst ein so wenig
philisterhaftes volk wie das der Athener kaum mit erfolg ge-
krönt oder gebilligt haben. Ich leugne nicht die Schönheiten
der rede, finde auch das ij&og eines witzigen menschen gut ge-
zeichnet, aber dass es ein glücklicher gedanke vom redner
gewesen sei, wenn die rede überhaupt mehr als eine blosse
übuugsrede gewesen ist, den krüppel in diesem y&og zu
zeichnen, möchte ich bezweifeln. — Im §.9 dieser rede hat r7jg
ntvtag rJjg ifiJjg prägnante Stellung, nur das beigefügte (it'yeöog
komische färbung. — Im §. 25 billigt der hg. mit recht Do-
bree's Vorschlag als gegensatz zu udiäg zu schreiben ntyl änär-
Nr. 9. 252. Lysias. 457
rcoi'. Ausser den von ihm angeführten gründen möchte ich noch
anführen, dass der gebrauch dieser sehr bekannten formel im munde
des stadtarmen wiederum sehr gut zu dem komischen tone der rede
passt. Denn von anavta, das andere verlieren konnten: „vermö-
gen, die qualification zu den Staatsämtern" (s. I, 50), besass der
krüppel nichts. Der xivdvvog war also für ihn nicht zu gross. —
Die in den anmerkungen gegebenen Übersetzungen geben meist
richtig die vom reduer beabsichtigte Wirkung wieder. Aufge-
fallen ist mir die Übersetzung von tu ßeßiafa'ra XVI, 1, , Lebens-
wandel". Ich glaube, das griechische wort hat einen weiteren
umfang als das deutsche. Nach dem gewöhnlichen Sprachge-
brauch ist „lebenswandel" doch nur die art und weise des le-
bens namentlich in sittlicher beziehung. — An druckfehlern
habe ich nur angemerkt XXX, 34 anh., wo constant von yva~
\ir\v tzeiodöorzeg die rede ist , während es doch xptjqov heissen
muss. Feiner hat sich XXIV, 14 ein hässlicher druckfehler
in den text gedrängt. Es muss heissen : ■zolg z ov z ov loyoig.
— Durch die reichhaltigkeit der artikel: „redner" und „Senten-
zen" im index hat sich der hg. noch besonderen dank er-
worben , wie ja überhaupt sein buch für Studien in der atti-
schen dekas von bleibendem werthe sein wird.
Emil Rosenberg.
252. Georgio Friderico Schoemanno philologorum principi
diem XX. m. Iunii a. MDCCCLXXIII quo abhiuc annos sexa-
ginta magistri publici munus auspicatus est gratulatur philos.
in uuiv. litt. Gryphiswaldensi ordo. Inest commentatio Ru-
dolphi Schoellii quaestiones fiscales iuris attici ex Lysiae ora-
tionibus illustratae. Berolini ap. Weidmannos. 1873. — 20
pp. gr. 8.
Zur feier des, was wahrlich ein seltenes ereigniss ist, sechzig-
järigen lehramtes Schömanns an der Greifswalder Universität
hat Scholl im namen der dortigen philosophischen facultät diese
schrift verfasst. Nachdem er in einer schönen und warmen
anrede an den um die Wissenschaft wie allbekannt hochverdien-
ten ehrwürdigen Jubilar den dank der Universität und deren
glückwünscke dargebracht hat, schreitet er zur behandlung ei-
ner sehr schwierigen und bis dahin noch nicht genügend gelö-
sten frage aus dem gebiete des attischen gerichtswesens, anknü-
458 252. Lysias. Nr. 9.
pfend an die stelle des Lysias or. 18, §.13 f. Diese rede ist
eine deuterologie gehalten von einem söhne des Eukrates , bru-
ders des Nikias, gegen Poliochos, der die aaoygatpq, d. i. den
antrag auf confiscation der guter des verstorbenen Eukrates,
offenbar als eines anhängers der optimatenpartei, gestellt hatte.
Dieser process war vor dem gerichtshofe der ovvSixot, zu füh-
ren nach §. 26 «Iftra 8s (so Scholl nach dem von ihm selbst
eingesehenen cod. Palatinus statt vulg. a^iov de) xai rovrovg tovg
avrSixovg. Diese avrdtxot sind , wie Scholl deutlicher als seine
Vorgänger gezeigt hat, eine nicht gar lange nach Vertreibung
der Dreissig und zwar jeweilen jähr für jähr vom volke ge-
wählte behörcle vermuthlich aus zehn männern bestehend, wel-
che im gericht das präsidium führten in fiscalklagen, anoyqa-
qiaTg, die bei diesen avvSCxotg anzubringen waren. Es war näm-
lich eine ausserordentliche behörde, nöthig geworden durch die
masse der fiscalklagen wegen confiscirten gütern , weil diese
nach Vertreibung der Dreissig in folge der damaligen zustände
in Athen zahlreich aufkamen. Die behörde dauerte aber, wie
Scholl wahrscheinlich macht, wohl nicht ganz zwanzig jähre, so
wie sie denn auch nur in den reden des Lysias erwähnt wird,
und Sauppe auch Oratt. att. IT, p. 183 die von Harpokration er-
wähnte rede xara Asfynnov suo iure, wie Scholl sagt, dem Ly-
sias, nicht wie bei Harpokration steht, dem redner Lykurgos
zuschreibt. Den avvdixoig gewissermassen entsprechend be-
stand aber auch ein vom volke gewähltes collegium der avllo-
ysig, dessen aufgäbe war , wo man dem fiscus gehöriges oder
durch strafurtheil ihm zugefallenes gut in bänden von privaten
vermuthete, darüber Untersuchung zu führen und die betref-
fende klage an die dvidtxot zu bringen. In der rede 18 nun
besteht der eigentümliche fall, zu dessen aufhellung übrigens
nicht genug thatsachen überliefert sind, darin dass zweimal eine
anoyQacpij gegen die hinterlassenschaft des Eukrates angebracht
wurde und dass beidemale der gleiche Poliochos , aber in ent-
gegengesetzter weise, wirksam war, das erstemal so , dass der
nicht genannte kläger abgewiesen und um 1000 drachmen ge-
büsst wurde, offenbar auf autrag und betreiben des Poliochos,
weswegen Scholl §. 14 das überlieferte i^ijfjtiwös gegen Schei-
be's vielseitig gebilligte conjectur i^tn-ticödaTS (ihr richter) fest-
hält; das zweitemal vvv 8s xtlsvojv dtjusüaai rerCxtjxe. Dass
■Nr. 9. 253. Plautus. 459
Poliocbos beidemal in amtlicher Stellung handelte, kann man zu-
geben, ob aber beidemal als ovXloj'svg , wie Scholl behauptet,
•scheint mir zweifelhaft. Das erstemal eher als ciidtxog, da un-
ter diesem collegium das heliastengericht endgültig entschieden
und den kläger abgewiesen und mit busse belegt hatte. Im
zweiten vermuthlich etliche jähre spätem process war er wohl
einer der ovXXoyeig, welches collegium wohl kaum wie die avr-
diy.oi einem heliastengericht vorstand, sondern nur eine com-
mission war zur Voruntersuchung ob die änoynaqr] an das ge-
richt unter den avidr/.oi zur entscheidung zu bringen sei. Nun
heisst es freilich vom zweiten process vwixtjxe. Allein das sagt
nur, des Poliochos antrag drang im collegium der avXXoystg
durch, die klage an die ovr8t/ot zu bringen; und Poliochos selbst
wird sie dort befürwortet haben. Unsere rede aber ist offen-
bar im zweiten noch schwebenden process gehalten, sonst müsste
man einen dritten annehmen, was unmöglich ist; und dass es
nur zwei processe sind, zeigen auch die schon angeführten worte
§. 26 uhä de y.ai rovzovg tovg avrdixovg evpovg rjfiiv elvai,
>,,auch die jetzigen cu'röixo«", wie die frühern im ersten process.
Freilich scheinen auch die worte §. 14 ta.va.vtla ocplaiv avroig
iiptftpiaavTO zu der annähme zu nöthigen, der zweite process sei
bereits zu Ungunsten der söhne des Eukrates entschieden. Al-
lein die stelle ist fehlerhaft und zu schreiben: xcd izsqi tovzcov
8/j uncpcniQOiv '/i&qvaioi} nuouvf'.fAcog (so schon Lipsius und jetzt
auch Scholl) cfEvyovzog tov avtov avdoog (nämlich der verstor-
bene Eukrates, wie Scholl richtig erklärt) tatavxta ü v acfiaiv
uvToTg t\prt(ficano : „sie hätten in diesen beiden fällen gesetz-
widrig im Widerspruch mit sich selber entschieden", würde es
nämlich heissen, wenn man jetzt dem Poliochos folgte. — Aus
der trefflich geschriebenen und vieles lehrreiche bietenden ab-
handlung, die ref. mit grossem dank empfangen hat, mag noch
ein punkt berührt werden. E. 27, §. 2 verwirft Scholl p.
18 mit recht die vulg. naod rov 7<üv aÖDtovvTCor, weil von den
schuldlosen die rede ist und schlägt nagd 7cöi> ädixovfieveM> vor,
allein treffender wohl jüngst P. R. Müller täv urfih ädixovvtcap.
M. Rauchenstein.
253. Ueber die zahl der Schauspieler bei Plautus und Te-
renz und die vertheilung der rollen unter dieselben. Gekrönte
460 253. Plautus. Nr. 9.
preisschrift von Dr. Friedrich Schmidt. Erlangen. Dei-
chert. 58 ss. 8.
254. De actorum in fabulis Tereutianis numero et distribu-
tione scripsit Curtius S tef f e n Dresdensis. Aus: Acta socie-
tatis philologae Lipsiensis ed. Fr id. Ritschelius. Tom.
II fasc. 1. p. 107—158.
Hinsichtlich der an erster stelle angezeigten abhandlung
ist vorweg zu constatiren, dass die kenntniss des verf. von den
betreffenden Schriftstellern, namentlich von Plautus, nur eine
oberflächliche ist. Gleich der mit den nameu getriebene unfug
verräth den dilettanten: z. b. heisst es consequent Alcmena für
Alcumena , Therpontigonus für Therapontigonus , Chaerebulus für
Chaeribulus , Milphippida für Milphidippa , Saturnio für Saturio,
Calliphon für Callipho, Clitoplio für Clitipho u. a. Ferner lässt
es sehr tief blicken, wenn p. 24 in den Captiven Philopolemus
bruder des Philocrates genannt wird, wenn es p. 33 heisst, dass
im Poenulus Collybiscus (sie) von Milphio als Poenulus verkleidet
werde, p. 35 dass der Rud. II, 1 das wort führende piscator
wahrscheinlich derselbe sei, der später Gripus genannt wird, p.
36 dass im Stichus der name Epignomus, wo er genannt werde,
nicht in das metrum passe (in der bemerkung Fleckeisen's vor
dem stücke, offenbar der quelle dieser behauptung, wird ganz
richtig von versus tantum non omnes gesprochen) ; bisher hielt
man nur den schluss der Aulularia für verloren, nach dem Ver-
fasser aber bricht das stück plötzlich in der mitte ab ; dass die
Cistellaria in der mitte äusserst lückenhaft ist, davon hat verf.
keine ahuung, er nimmt ganz unbefangen wie bei einem voll-
ständigen stücke eine rollenvertheilung vor, während er von
dem Truculentus ohne weiteres mit berufung auf Spengel praef.
ad Trin. (sie) behauptet, dass in der mitte mehrere scenen
ausgefallen seien, und daher den versuch einer rollenverthei-
lung gar nicht erst für nöthig hält. Der von einer deutschen
Universität gekrönten preisschrift gereichen derartige flecken
wahrlich nicht zur zierde.
Was den eigentlichen gegenständ der arbeit betrifft, so geht
verf. von einer prüfung der einschläglichen Zeugnisse des alter-
thums aus, ob sich aus denselben ein fester anhält für die frage
nach der zahl der Schauspieler bei Plautus und Terenz ergebe.
Das resultat dieser Untersuchung, die in dem ersten kapitel
Nr. 9. 254. Plautus. 461
der zweiten abhandlung eine eingehende kritik erfahren hat,
ist dieses, dass es an einem directen Zeugnisse ganz fehlt; doch
glaubt verf. aus diesem stillschweigen schliessen zu dürfen, dass
ein vollständiges aufgeben der alten beschränkung in der schau-
spielerzahl in der art, dass nach moderner weise jede rolle ih-
ren besonderen Schauspieler gehabt hätte, nicht anzunehmen sei;
da eine wesentliche neuerung in dieser beziehung bei Plautus
und Terenz kaum unerwähnt hätte bleiben können. Eine be-
stätigung hierfür findet er in der öconomie der plautinischen
und terentianischen stücke , die eine beschränkung der schau-
spielerzahl verstatte durch Übertragung mehrerer rollen auf ei-
nen Schauspieler. Hiergegen wendet Steffen mit recht ein, dass
aus der öconomie der plautinischen und terentianischen comödien
nicht ohne weiteres auf eine derartige beschränkung der schau-
spielerzahl geschlossen werden dürfe, da diese öconomie im wesent-
lichen aus den griechischen originalen mit herübergenommen sei,
Wahrscheinlich ist es immerhin im höchsten grade, dass man
sich die durch die composition der stücke mögliche beschrän-
kung der schauspielerzahl schon der geringeren kosten wegen zu
nutze gemacht haben wird ; aber so weit zu gehen, wie Schmidt
es thut , und es als oberstes princip der rollenvertheilung auf-
zustellen, „dass dieselbe mit berücksichtiguug der einzelnen Ver-
hältnisse unter die möglichst geringe zahl von spielenden kräf-
ten vorgenommen werde", dazu fehlt jeglicher anhält. Es bietet
daher die von dem Verfasser nach diesem principe vorgenom-
mene rollenvertheilung der comödien des Plautus und Terenz
gar keine factische gewähr , sondern erweist nur die möglich-
keit, die rollen an eine erheblich geringere anzahl von schau-
spielern zu vertheilen.
Ein weiteres liess sich allerdings auch nicht mit den zur
zeit der abfassung dieser abhandlung vorhandenen mittein er-
reichen. Ein sicherer fortschritt in dieser frage ist durch das
mittlerweile zugeflossene material ermöglicht worden, und zwar
ist es eins der vielen Verdienste Eitschl's auf diesen gebieten,
zuerst öffentlich den richtigen weg gewiesen zu haben. In der
vorrede zur zweiten ausgäbe des Trinummus knüpft Kitschi p.
lv scp an die erwähnung der constanten bezeichnung der per-
sonen dieses Stückes im Vetus durch griechische buchstaben in
der weise, dass von den acht personen zwei mit demselben buch-
462 254. Plautus. Nr. 9.
ßtaben bezeichnet werden , die vermuthung, dass diese eigen-
tümliche bezeichnung auf eine frühere rollenvertheilung zu-
rückgehe und dass die mit demselben buchstaben bezeichneten
personen zu irgend einer zeit von demselben Schauspieler dar-
gestellt seien; hierzu fügt er dann noch die bemerkung, dass
er schon vor jähren bei gelegenheit der collation des Bembinus
die in dieser handschrift durchgeführte notirung mit griechi-
schen buchstaben mit der vertheilung der rollen in Verbindung
gebracht habe. Die Untersuchung dieser notirung bei Terenz
nach diesem gesichtspunkte auf grund des Umpfenbach'schen
apparates ist der gegenständ der abhandlung von Steffen, ei-
ner sorgfältigen, anerkennenswerthen arbeit.
Zunächst führt verf. gegenüber der im laufe der zeit ein-
getretenen mehr oder minder starken trübung der Überlieferung
auf grund deutlicher spuren den nachweis , dass ursprünglich
jede person das ganze stück hindurch mit demselben griechi-
schen buchstaben bezeichnet gewesen sei. Dass diese bezeich-
nung nur zur Unterscheidung gedient habe, ist deshalb nicht
glaublich, weil sie auch in monologen angewendet wird; nimmt
man dazu noch den umstand, dass für frauenrollen in den ver-
schiedenen stücken meist dieselben buchstaben, für untergeord-
nete rollen gewöhnlich die letzten buchstaben des alphabetes
verwendet werden, so bleibt kaum etwas anderes übrig, als
dass diese notirung ebenso auf scenische zwecke zurückzufüh-
ren ist, wie bekanntlich in den scenenüberschriften plautinischer
handschriften die zeichen C und DV und jedenfalls auch die
bezeichnung der personen nach alter und stand in den Über-
schriften. Da nun mehrfach in ganz sicheren fällen verschie-
dene rollen , die ganz gut von einer person gespielt werden
konnten, gerade wie im Trinummus die rollen des Megaronides
und Philto mit denselben buchstaben bezeichnet werden , so
muss es als durchaus glaublich erscheinen , dass sich diese be-
zeichnung ad numerum actorum in certum quendam modum redi-
gendum et redactum bezieht. Sichere beispiele der eben erwähn-
ten art giebt es nach der notirung des Bembinus fünf, darun-
ter eines, wo sogar drei rollen einer person überwiesen sind.
Man kann daher dem verfahren des Verfassers nicht die berech-
tigung absprechen, wenn er noch sonst ohne Schwierigkeit zu
vereinigende rollen auch auf grund minder sicherer spuren der
Nr. 9. 254. Plautus. 463
Überlieferung oder bloss auf die annähme einer naheliegenden
buchstabenverwechselung hin verbindet. Einmal hat es vf. so-
gar gewagt, allerdings auf grund der Überlieferung des Bembi-
nus, drei rollen, die des Chaerea, des Phaedria und der Py-
thias im Eunuchus, in der weise zu verbinden, dass die beiden er-
sten bis auf die letzte scene demselben Schauspieler überwiesen
werden, in dieser scene aber, wo Chaerea und Phaedria zusam-
men auftreten, der Schauspieler , der bisher die rolle der Py-
thias geführt hatte, die des Phaedria übernimmt. Unmöglich
ist dies allerdings nicht, da ja nach der überzeugenden darle-
gung des Verfassers in dem excurse de personarum (i. e. larva-
rum) in fabulis Terentianis usu in Terenz zeit jedenfalls schon
masken angewendet worden sind ; doch da sich sonst keine
sichere spur einer derartigen rollenverbindung findet , so ist es
sehr die frage , ob zu einer solchen annähme auf die Überliefe-
rung verlass genug ist, deren Zerrüttung in verschiedenen fäl-
len jedem versuche spottet , die ursprüngliche bezeichnung zu
ermitteln. Diese Zerrüttung ist in dem erheblich späteren Victo-
rianus begreiflich noch grösser als im Bembinus; doch lehren
vielfache Übereinstimmungen der beiden handschriften, dass sich
schon in der ihnen gemeinsamen quelle die ursprüngliche noti-
rung in grosser Unordnung befand. Kann unter solchen um-
ständen auch ein mit so viel umsieht und Scharfsinn unternom-
mener versuch , wie der des Verfassers , die ursprüngliche rol-
lenvertheilung zu ermitteln , im einzelnen keine Sicherheit erge-
ben, so ist doch schon immer ein sehr werthvolles resultat der
nachweis, dass bei der aufführung plautinischer und terentiani-
scher comödien mindestens im anfange des siebenten Jahrhun-
derts — denn auf die schauspielerexemplare dieser zeit führt verf.
diese ganze notirung in überzeugender weise zurück — , wahr-
scheinlich aber schon zur zeit der dichter selbst, leicht verein-
bare rollen vielfach wirklich vereinigt worden sind. Dass dies
in allen möglichen fällen geschehen sei, wie Schmidt angenom
men , dafür bietet die Überlieferung des Terenz keinen anhält,
wie sich ja auch aus der Überlieferung im plautinischen Trinum-
mus eine siebenzahl von schauspielern statt der von Schmidt
angenommenen möglichen fünfzahl ergiebt. Zwischen sechs und
sieben schwankt auch die zahl der nach Steffen's rollenverthei-
lung in den terentianischen stücken verwendeten Schauspieler ;
464 255. Horatius. Nr. 0.
wäre diese rollenvertheilung so sicher, wie sie in der that
wahrscheinlich ist, so läge allerdings die von dem Verfasser
aufgestellte vermuthung nahe, dass wenigstens zu der zeit, in
welcher diese rollenvertheilung vorgenommen wurde, die höchste
zahl der verwendeten Schauspieler sieben gewesen sei.
255. Emendationes Horatianae. Scripsit Robertus Un-
ger. Halis Sax. 1872. 196 s. 8. — 1 thlr. 6 ngr.
Ob und welche bedeutung diese schrift für die kritik und
erklärung des Horaz hat, lässt sich aus folgenden bemerkungen
erkennen, welche allerdings nicht anspruch darauf machen, den
ganzen inhalt derselben darzulegen.
Die herstellung des textes, urtheilt der vf., gelingt nur
dann, wenn im wesentlichen eine rückkehr zu den princi-
pien Bentley's stattfindet; diese haben theils eine stren-
gere anweadung, theils eine erweiterung zu erfahren. Interpo-
lirte verse giebt es nicht, daselbst die einzige von Bentley aus-
geschiedene stelle dies nicht durchaus erweist, dagegen verderbte
verse eine grössere anzahl als Bentley angenommen. — Die feh-
ler welche den text entstellen, stammen zu einem theil aus den
Zeiten, die vor denen des Priscian und Servius und Porphyrio lie-
gen. Horaz hat z. b. palus mit kurzer endsilbe nicht gebraucht,
hat nicht oderit, nicht Daunus regnavit populorum , nicht sapias
(statt si sapias) geschrieben. Vielleicht sind sie dadurch ent-
standen, dass das zur erklärung von einem grammatiker beige-
schriebene wort an die stelle des erklärten wortes getreten ist.
So steht palus statt Satura, Semeleius , die glosse zu Thyoneus,
statt stimulis levis f so ist inhumato die glosse von male nudo,
rura von regna, myrto von ramo, revictae von refractae; endlich,
um andere beispiele zu übergehen, ist das von Bentley verworfene
und für die sectores Horatii zur hauptstütze für ihr verfahren
benutzte Carthaginis IV, 8, 17 als glosse zu urbis impiae er-
kannt und zugleich der Meineke'sche satz so für das gedieht
zur geltung gebracht, dass der ausfall zweier verse angenom-
men wird, der durch die ähnlichkeit der worte atria und Africa,
impiae und inelytae veranlasst worden ist. — Andere fehler
sind auf die verschiedenen irrthümer zurückgeführt, deren sich
die abschreiber nur zu häufig schuldig gemacht haben: sie ha-
ben z. b. anno statt aluo, lucida statt incita, intcr omnes statt
Nr. 9. 255. Horatiüs. 465
en Diones, durch übersehen der note für die silbe ur experta
male ominatis statt exp ertura, durch vertauschung der zeichen
für den buchstaben m und die silbe us eins atque statt emicet-
que, durch verkennung der elision reparavit statt r apere ivit,
fixit statt fixum it, redegit statt ritum egit, durch falsche
ergänzung oder auslassung des ersten buchstabens eines verses
saeva statt gnara, crede statt trude, num Laertiaden statt
quin Laertiaden , oderit statt non terit, und in folge der
Verwechslung von buchstaben wie an andern stellen, cunque statt
amica, desgleichen acuta für amica, terrae statt transit ge-
schrieben. Die begründung der im schärfsten gegensatz beson-
ders zu Lehrs aufgestellten vermuthungen ist der art , dass die
bedenken, die in prosodischer und metrischer beziehung gegen die
Überlieferung erhoben werden müssen und erhoben worden sind,
zum guten theile beseitigt werden, ebenso auch die gewöhnli-
chen worte, welche neuere kritiker ohne weiteres für das ur-
sprüngliche erklären, die auch das seltene und unerklärliche der
leichtfertigkeit oder der unkenntniss eines nicht näher zu defi-
nirenden librariorum genus zugeschrieben wissen wollen (wie z.
b. Lehrs divo duce et auspice P h o e b o statt Teuer o duce schreibt,
vgl. das verzeichniss p. 187) , abgewiesen werden. Ferner
schützt und erklärt der vf. eine ganze reihe von versen da-
durch, dass er stellen aus alten Schriftstellern beibringt, in de=
nen eine bezugnahme auf Horaz oder eine nachahmuDg dessel-
ben nicht zu verkennen ist (vgl. p, 71 f.). So ist durch citate
aus Seneca , Petronius und Ausonius bellica centieeps und
odi profanum vulgus gegen Lehrs gesichert, evenit (exiet)
und uterque Poenus aus Rutilius, aeternet in aevura aus
Sidonius verbessert und ins er es durch Ausonius bestätigt. Wird
auf der einen seite die zahl der anui, Xtyouou gemindert, so
wird auf der andern die Observation , dass von einsilbigen Wör-
tern nur me und te in den öden elidirt sei , besonders durch
die Vervollkommnung der Bentleyschen emendation quem in-
veniet bruma erweitert, und manches wort, welches den beifall
späterer dichter gefunden hat, auf Horaz zurückgeführt, z. b.
Nymphe, Cypris.
Ausserdem sind reiche beitrage zur erklärung gegeben.
Um das ganz zu übergehen, was für den poetischen Sprachge-
brauch beigebracht ist , so ist gezeigt , dass Maurus pedes der
Philol. Anz. V. 30
46 £ 256. Horatius. Nr. 9.
Tyres ist, welcher durch den Privernaten Laevinus getödtet
wird, I, 12, 23 auf die mitwirkung des Apollo in der Schlacht
bei Actium geht, v. 37 auf die thaten, die den namen Scaurus
auch sonst haben mit dem des Fabricius und Eegulus zusam-
menstellen lassen; I, 15, 12 currus anf die mythe von der
'4&t]vä riyavToyövTtg , I, 4 Cytherea choros dueit auf den früh-
lingstanz der Aphrodite auf Cythere, II, 8, 14 centiplex (nicht
simplices) Nymphe auf die stehende gefolgschaft der Venus, I,
16, 7 auf die Corybanten als furoris auctores; dass I, 31, 5
armenta Calabriae beziehung auf den römischen triumph nimmt,
dass die Schilderung der Europa in den einzelnen zügen durch
die darstellung derselben in der porticus Pompeji bedingt ist
(wobei nachgewiesen wird, dass Antiphilus besonders als thier-
maler ausgezeichnet war); dass IV, 8, 17 sich auf die zierden
des Scipionen-hauses bezieht, I, 3, 19 auf das iberische meer,
Epod. XIII, 13 auf die entstehung des Scamander, das Maeonii
carminis alite auf eine stelle des Homer geht, deren Verwen-
dung erst das verdienst des Agrippa recht hervortreten lässt.
Um es kurz zu sagen: „alltägliche interpreten des dichters
werden aus der schrift die lehre ziehen, dass es eines grösseren
aufwandes gelehrter forschung und einer umfassenderen lectüre
für die auslegung des dichters bedarf". Diese worte Schneide-
win's bei der besprechung der ersten Veröffentlichungen des vfs
über Horaz im j. 1848 auch von seinen Emendationes Horatianae
zu wiederholen, erscheint um so mehr geboten, als der anonymus,
der vor kurzem im Litterarischen Centralblatt sie mit wenigen Zei-
len angezeigt, auch gar nichts beachtenswerthes darin gefunden hat,
durch die einzige bemerkung aber, die er selbst macht, indem
er behauptet, der vf. sei mit sich selbst in Widerspruch gerathen,
wenn er int acta Calabriae armenta oder D aedaleo exsertior
Icaro schreibe, nur zu klar an den tag legt, dass er nicht ein-
mal Bentley's anmerkungen gelesen hat und für seine persou
des nöthigsten metrischen wissens baar und ledig ist.
T. D.
256. Die öden des Qu. Horatius Flaccus im versmass des
Urtextes übersetzt von Adolf Bacmeister. Stuttgart.
1871. — 24 gr.
Nimmt man eine vollständige metrische Übersetzung der
Nr. 9. 256. Horatius. 467
öden des Horaz zur hand, so erwartet man natürlich nicht, in
jedem einzelnen gedieht die leichtigkeit oder den treffenden
ausdruck des Originals wieder zu finden ; man ist mit recht
schon zufrieden, wenn wenigstens die meisten gedichte den
ton und die Stimmung des urtextes wiedergeben und abspie-
geln. Dies glaube ich von der vorliegenden Übersetzung ver-
sichern zu können. So gelungene uud anmuthige Strophen,
wie:
In götterhut, in göttlicher gnade stehn
Mein frommes herz und meine gesänge. Hier
Strömt dir aus segenschwerem fruchthorn
Fülle der ländlichen ehrengaben:
oder:
Für's andre lass nur sorgen die himmlischen;
Schnell schweigt der stürm, der jetzt mit der brandung
ringt ,
Auf ihren machtruf still, und lautlos
Stehn die cypressen und alten eichen ,
sind häufig; und dem grossen publikum werden sicher eine
grosse menge der gedichte des römischen lyrikers in dieser
Verdeutschung eben so sehr gefallen können, wie dem gelehrten
das original; bei vielen andern versagt freilich der gegenständ
den genuss; bei einzelnen stellen wohl auch der ausdruck des
Übersetzers, der nicht deutlich genug ist. Wer die verse liest:
Den entzücken des volks schwärme, des schwankenden,
Das wetteifernd des Staats höhen für ihn erstürmt,
wird sich freilich das rechte dabei denken , wenn er die worte
des dichters selbst im sinne hat; der laie wird sie schwerlich
verstehen; er wird vielmehr glauben, es solle von dem anblick
einer wogenden Volksmenge die rede sein, die zum besten de3
beschauers einen hügel, einen der höchsten des Staats, erklimmt,
in der weise etwa, wie ehrsame bürger für den könig oder für
einen der prinzen seines hauses den besten schuss beim schei-
benschiessen zu thun suchen. Warum nicht lieber :
Den entzückt es, wenn laut eifernd des schwankenden
Volks getümmel ihn hebt, wählend, zu höchster ehr'.
In dem dritten gedieht des ersten buchs ist das eingeschobene
wörtchen „nur" bedenklich, weil es statt im sinne der aufforde-
30*
468 256. Horatius. Nr. 9.
rung auch in der bedeutung der beschränkung gefasst werden
könnte:
der stürme herr
Halt' im zäume sie all' ausser dem einzigen
West. Nur meinen Virgilius,
Dir, o barke, vertraut, führe nach Attika's
Strand mir sicher.
Vielleicht :
So führe Virgilius,
— — , führ' ihn nach Attika's
Strand — —
In den sehr flüssig hingleitenden ionikern des gedichts Neo-
bule stört die betonung Belleröphön. Allerdings ist Belle"ro-
phon in den deutschen versen unanbringbar. Aber warum soll
man an diesem namen kleben bleiben , den Horaz doch auch
nur wegen des versmasses, nicht wegen der ausnehmenden und
weltbekannten reiterkünste dessen, der ihn trug, gewählt hat?
Hat das metrum ihn hineingebracht , so darf das metrum ibn
auch wieder entfernen. Warum also nicht (ich behalte die vers-
theilung des Verfassers bei) :
Wenn die schultern er gesalbt und
In den Tiber sich getaucht hat,
TJeberragt er in der reitkunst die Centauren,
Aber alle in dem faustkampf und im wettlauf,
wenn man nicht noch vorzieht zu setzen: „auch den Castorf
wo denn bei den worten ,,alle in dem faustkampf" noch eine
deutliche anspielung auf Pollux enthalten sein würde. Durch-
aus nicht zu billigen ist der anfang eines alcäischen gedichts:
Dellius, ein herz, das ruhig in rnissgeschick,
um so weniger, da der Verfasser leicht mit seiner Strophe hätte
verbinden können :
Ein herz, das ruhig, Dellius, leiden trägt.
Eben so wenig kann man sich gefallen lassen:
Pollio, du stolz und schirm dem bekümmerten
Klienten, wie vor'm rathe der curie:
könnte es nicht heissen :
Ein fester hört du, Pollio, traurigen
Nr. 9. 257. Alte geschichte. .469
Verklagten, wie dem rathe der curie.
In I, 17 ist in den worten:
Sorglos und pfadlos zieh'n die gemahlinnen
Des duft'gen bocks im friedlichen wald umher,
das beiwort ,, duftig f< in unrichtiger weise gebraucht, selbst
wenn man sich die Schönfärberei gefallen lassen wollte. Ich
hatte etwa gesagt:
Sorglos und pfadlos führt durch den sichern wald
Der bock, der strenge riechende, seine fraun'.
[Bei dieser gelegenheit bringe ich in erinnerung, dass im
Philologus eine reihe trefflicher Übersetzungsproben, auch von
Horaz gedichten, sich finden, als Piniol. XU, p. 208. 382. 592.
XV, p. 362. XVI, p. 736. XXII, p. 347, welche den Übersetzern
hiermit zur beachtung empfohlen sein mögen. — E. v. L.]
257. Stacke, erzählungen aus der alten geschichte. 1.
theil. Griechische geschichte. 10. aufl. 2. theil. Römische
geschichte. 9. aufl. 244 und 238 s. Oldenb. 1873. — ä lOngr.
Die beiden kleinen büchlein haben wie die wiederholten
auflagen beweisen, ihr publikum gefunden und sich als brauch-
bar bewährt. Mag es auch besser sein, der leselust der jugend
eine fruchtbarere nahrung zu bieten als in solchen doch immer
compendienartigen abrissen der geschichte enthalten sein kann,
und sie z. b. Schwab's schönste geschichten aus dem klassi-
schen alterthum oder Beckers erzählungen aus der alten weit
selbst lesen zu lassen statt einzelner auszüge aus demselben: so
ist doch das lesebedürfniss ein sehr mannichfaltiges , und für
seinen zweck kann das werkchen wohl als geeignet empfohlen
werden. Die auswahl ist im ganzen passend, die darstellung
einfach und klar, auch gegen den inhalt lässt sich vom ge-
sichtspunkt des praktischen Zweckes nichts wesentliches einwen-
den. Die neuesten auflagen sind unverändert und nur mit den
(freilich sehr unvollkommenen) charten von Griechenland und
Italien vermehrt worden; einzelne kleinen versehen, wie wenn
754 v. Chr. als gründungsjahr von Rom angegeben wird oder
wenn die ersten decemvirn alle für das zweite decemvirat wie-
der gewählt sein sollen, hätten wohl verbessert werden können.
470 Neue auflagen. — Schulbücher. — Bibliographie. Nr. 9.
258. Die philosophie der griechischen mythologie und die
entdeckung der bedeutung der gottbeiten und mythen. Elber-
feld 1872. Verlag von W. Frühling. — 5 gr. (,, Aufgeschnit-
tene oder spuren des lesens an sich tragende exemplare wer-
den nicht zurückgenommen"!)
Ein jämmerliches , im armseligsten und witzlosesten markt-
schreierton zusammengeschriebenes machwerk, welches selbst
nicht in zwölfter stunde von bierseligen musensöhnen bis zu
ende angehört werden würde.
Neue aullagen.
259. Forcellini Lexicon totius latinitatis . . . studio V. de Vit.
distr. 48. gr. 4. Prati: Brockhaus, Leipzig; 20 ngr. ' — 260. J.
Braun, geschichte der kunst in ihrem entwicklungsgang durch alle
Völker der alten weit hindurch auf dem boden der ortskunde nach-
gewiesen. 2. ausg. 2 bde. 8. Wiesbaden. Kreidel; 4 thlr. — 261.
F. Diüer , geschichte der erziehuug u. d. Unterrichts. 3. aufl. 8.
Leipzig. Klinckhardt; 1 thlr. — 262. E. v. Hart mann, philosophie
des unbewussten. 5. aufl. -8—10 lfrg. Berlin. Duncker; a 12 ngr.
Neue Schulbücher.
263 — 65. Präparationen zu Homer's Odyssee. Von e. schulmann.
4. gesang. 32. Cöln, Schwane; 4 ngr. — 5. gesang, ebendas; 4 ugr. —
Dasselbe, 1-5. gesang. 2. aufl., ebendas.; 20 ngr. — 266—69. Freund's
schülerbiblioth. Praeparationen zu Sophokles werken. 1. heft. 3. aufl.; 5
ngr. zu Vergil's Aeneis 1. heft; 5. aufl. zu Ovid's Metamorphosen. 1.
heft. 5. aufl. ; 5 ngr. ; zu Cicero's werken. 23. heft 16. Leipzig, Vio-
let; 5 gr. — 270. M. Seyffert, Übungsbuch zum übersetzen aus dem
deutschen in das griechische. 4. aufl. 8. Berlin. Springer ; 24 ngr.
— 271. M. Meiring, Übungsbuch zur lateinischen grammatik für die
untern klassen. 2. abth. 8. Bonn. Cohen; 14 ngr. — 272. C. Ca-
pelle , anleitung zum lateinischen aufsatz f. d. gymnasial- gebrauch.
8. Hannover. Hahn: 10 ngr. — 273. K. W. Rammler, kurzgefasste
mythologie der Griechen, Römer und Egypter. 7. aufl. 8. Berlin.
Bernhardi ; 1 thlr. 15 gr.
Bibliographie.
Nach einem bericht der süddeutschen buchhändler - zeitung hat
eine Versammlung von buchhändlern am 25. mal in Stuttgart den
beschluss gefasst, die auslieferungsniederlagen sämmtlicher Stuttgar-
ter Verlagsbuchhandlungen von Leipzig zurückzuziehen und nach
Stuttgart zu verlegen. Das verkehrte dieses entschlusses sucht Bör-
senbl. nr. 166 nachzuweisen, I.
Die von Dr Clason im verlag von Calvary angekündigte fort-
setzung von Schioegler's römischer geschichte hat einen rechtsstreit
zwischen Calvari und der verlagshandlung Laupp in Tübingen her-
vorgerufen, worüber Börsenbl. nr. 168 spricht und den fall von sei-
Nr. 9. Kleine philologische zeitung. 471
ner moralischen Seite betrachtet, eine betrachtung, die für Calvary
und seinen genossen nicht eben günstig auszufallen scheint. _ Doch
entgegnet Calvary im Börsenbl. nr. 180. Das erste heft ist erschienen:
die kritik wird zuzusehen haben, ob in dem fortsetzer ein Schwegler'n
ebenbürtiger forscher zu entdecken.
In der Deutschen Allg. Ztg. vom 18juni und daraus im Börsenbl.
nr. 168 bezeugt Heinrich Brockhaus im namen der firma F. A. Brock-
haus den langen und innigen verkehr der zwischen Fr. v. Räumer
und diesen seinen Verlegern stattgefunden: beide theile werden da-
durch gleich geehrt.
Wieland und sein Mertrue, eine abhandlung in Börsenbl. nr. 184,
welche noch weitere nummern in amspruch nehmen wird.
Die Lottich'sche Bibliothek — s. ob. n. 7, p. 380 — ist vom
buchhändler W. Braun in Marburg erstanden.
Kleine philologische zeitung.
Der D. Reichsanz. nr. 164 enthält einen kurzen bericht von der
sitzung der archäologischen gesellschaft in Berlin am 1. juli, aus dem
hier nur der Vortrag von Sollet erwähnt werden kann, welcher sich
auf die vom königl. museum in Berlin angekaufte , die darstellung
einer schule zeigende schale mit rothen figuren bezieht, vrgl. Archäol.
Ztg. v. j. 1872, p. 107: er meint den als inschrift einer schriftrolle,
welche der lehrer in der hand hält, dort so verzeichneten hexameter:
fiot.au fjiot K(fv czctfiav&Qoy suqcov «p/o(uat «sivd'ev , lesen zu müssen:
Moiacc pol djLKpi 2xdfxav^Qov svqoov (s. Hom. II. H, 329) äo/oficti/
uöup (??). — Engelmann besprach ein in Neapel befindliches und
gewöhnlich la forzu vinta dell amore genanntes mosaik , auf dem
fälschlich eine nyinphe ergänzt sei statt des Herakles mit dem Spinn-
rocken.
Aschaffenburg, 3.juni. Die in Aschaffenburg am 3. juni tagende XIII.
pfingstversammlung mittelrheinischer gymnasiallehrer , zu wel-
cher sich 44 theilnehmer eingefunden hatten, wurde vom aschaffenbur-
ger collegium mit einer philologischen festgabe (über welche besonderer
bericht folgt: s. unt. nr. 10) und von dem rector desselben Behringer mit
einer kurzen anspräche begrüsst. Nachdem hierauf rector Behringer
auf einstimmigen wünsch den Vorsitz übernommen und den prof.
JEnglert aus Aschaffenburg zum Schriftführer bestimmt hatte, hielt di-
rector Piderit aus Hanau einen Vortrag » über die gcgenioärtige form
der maturitatsprufung«., indem er eine reihe von übelständen (z. b. vor-
herige bestimmung der Prüfungsarbeiten durch den provinzialschulrath
und nachträgliche revision derselben durch die wissenschaftliche prü-
fungscommission , unverhältnissmässige ausdehnung des mündlichen
examens in der religionslehre und mathematik u.s.w) hervorhob und
vorschlage zur abhülfe machte. In der daran sich reihenden discus-
sion resümierte prof. Rumpf aus Frankfurt a. M. als grundzug der
vorgetragenen punkte die Forderung, dass der director und das colle-
gium von seite der schulbehörde mehr vertrauen und grössere Selbstän-
digkeit erhalten müsse, und bekämpfte namentlich Piderit's Vorschlag,
die Schulzeit der prima um ein semester zu verlängern. Director Ty-
cho Mommsen aus Frankfurt a. M. will eine ständige controle, wenn
doch einmal eine maturitatsprufung gehalten werden solle, nicht ver-
missen, nur müsse dieselbe lediglich beobachtend sein und nur wirk-
liche misbräuche beseitigen , nicht aber positiv eingreifend die Selb-
ständigkeit des collegiums lähmen. Director Wendt aus Karlsruhe
betont namentlich, dass die lehrer selbst dem maturitätsexanien den
472 Kleine philologische zeitung. Nr. 9.
Charakter einer controle nehmen und dasselbe nur als naturgemässen
abschluss des um seiner selbst willen betriebenen Unterrichts auffas-
sen sollten. Manche der vom vortragenden gerügten missbräuche
Hessen sich übrigens durch eine glückliche praxis leicht beseitigen.
Einverstanden ist Wendt mit Piderit, dass dispensationen vom mündli-
chen examen aufhören sollen; man brauche ja nicht in allen fächern
zu prüfen, sondern könne wechseln und namentlich die prütung aus
der religionslehre ganz abstellen. — Nachdem hierauf Oberlehrer
Spangenberg aus Hanau noch » über die arrestfrage « gesprochen und
dadurch zu einer debatte geführt hatte , musste wegen vorgerückter
zeit die erörterung über weitere angekündigte thesen unterbleiben.
Die theilnehmer der sitzung besichtigten sodann das Pompeianum und
vereinigten sich nachher zu einem mahle im gasthof zum Adler. Ein
gemeinsamer gang in den nahen park Schönbusch beschloss den tag.
[Möchten doch solche so viel wahres enthaltende stimmen von der
leitenden behörde gebührend beachtet werden! Es zeigt sich immer
mehr, dass gar manche alt-preussische einrichtung neuerer zeit als
veraltet und eine gedeihliche entwicklung wissenschaftlichen Unter-
richts hemmend in den neuen provinzen, weil sie besseres hatten, im-
mer lautere und energischere klagen hervorrufen wird, wird nicht
das System geändert und gründlich abhülfe geschaffen.]
Dresden. In einer sitzung des literarischen Vereins hieselbst berührte
der Schriftsteller Badewitz, wie man der Dtsch. Allg. Ztg. schreibt, ein al-
lerdings auffallendes vorkommniss in unserer sächsisch -pädagogischen
literatur. In einem von mehreren dresdener schuldirectoren 1871 her-
ausgegebenen, beziehentlich neu aufgelegten schulbuche, betitelt: »Le-
bensbilder III.« etc., wird noch »Deutschland« aufgeführt mit 12000 qua-
dratmeilen und 46 millionen einwohnern, als »an das ad riatische meer
grenzend«, als getheilt in drei gruppen »Deutsch-Oesterreich, Süddeutsch-
land und den norddeutschen bund« — gleich als ob es gar kein 1866
gegeben hätte. Mit recht rügte herr Badewitz in scharfen worten eine-
derartige pädagogische thätigkeit, welche das urtheil der jugend ver-
wirre und ihre gedanken methodisch ablenke von der so erfreulichen
Umbildung Deutschlands in das einheitliche kraftvolle »neue deutsche
reich«. (Auch in der neuesten, 28. und, wie gedruckt daneben steht,
verbesserten aufläge von 1873 steht in dem genannten lesebuch der
herren Berthelt, Jäkel, Petermann und Thomas auf p. 409 wort für
wort dasselbe wie in der aufläge 1871; nach den geographischen und
geschichtlichen forschungen jener volksschullehrer besteht also Deutsch-
land noch in diesem jähre aus 1. Oesterreich, 2. den süddeutschen und
3. den norddeutschen Staaten ! )
Leipzig. Der minister von Mühler erkannte als eultusminister ein
praktisches bedürfniss , für die Universitäten ein unterrichtsgesetz zu
erlassen, nicht an, »weil« wie es in dem entwurf eines unterrichtsge-
setzes, welches er vor einigen jähren dem landtage vorlegte, hiess,
»wenngleich aufgäbe und ziel der Universität überall dieselben sind,
jede von ihnen sich vermöge des scharf ausgeprägten corporations-
charakters dieser anstalten selbstständig entwickelt hat und für diese
ihr eigenthümlichen Verhältnisse in ihren Privilegien oder Statuten
die rechtlichen normen besitzt«. Derselbe wollte nur im punkte der
beseitigung der akademischen gerichtsbarkeit den forderungen der
neuzeit nachgeben, im übrigen alles beim alten lassen. Nicht so
herr Dr Falk. Wie wir von zuverlässiger seite erfahren, hält dieser
eine revision der universitäts - und facultäts - Studien , ferner norma-
tivbestimmungen, eine gesicherte Stellung der privatdocenten, so dass
eine facultät nicht mehr das recht hat, einen ihr lange zeit angehö-
rigen docenten, wie es wiederholt vorgekommen, ohne weiteres aus-
Nr. 9. Kleine philologische zeitung. 473
zustossen, und viele andere reforinen in unserem Universitätswesen für
nothwendig, und ist derselbe der ansieht, dass mit dem erlass eines
allgemeinen Unterrichtsgesetzes auch eine gesetzliche regelung des
Universitätswesens eintreten müsse. [Es scheint dies ein angriff auf Müh-
ler's Verwaltung zu sein: es ist aber sehr die frage, wer, wenn das eben
aus Zeitungen mitgetheilte wahr ist — und es steht freilich gar viel
falsches in diesen wenigen zeilen — , hier der »liberalere« und
der die bedürfnisse richtiger erkennende ist, Mühler oder Falk:
mit umformenden normativen — das ist allerdings jetzt kunstaus-
druck — wird, so weit man sie wenigstens jetzt kennen gelernt hat,
allerdings viel Unfriede und unruhe in kreisen erzeugt, denen man
vor allen andern ruhe zu schaffen bemüht sein sollte ; ob aber wirk-
lich damit dem Studium und der Wissenschaft geholfen werden wird,
ist eine andere frage].
Berlin. Am 13.oct, d. j. wird der director des Werderschen gymna-
siums, professor Bonneil, sein fünfzigjähriges lehrerjubiläum begehen.
Zur feier desselben wird von den früheren schülern der anstalt, meist
studirenden , ein fest veranstaltet, dasselbe aber , da an gedachtem
tage noch universitätsferien sind, auf das ende des monats verlegt.
Es soll zwei tage in ansprach nehmen, und den abend des ersten
eine aufführung des Goethe'schen Egmont ausfüllen. Archivrath Has-
sel giebt die titelrolle , Dr Bernhardi den Alba. Hieran schliesst
sich noch ein vom lehrer des Werderschen gymnasiums professor
"Wolf verfasstes lastspiel: > Der neue Stadtrichter« und »Berlin im
Kleinen « , ebenfalls von einem "Werderianer bearbeitet. Zwei tage
später wird zu ehren des Jubilars ein festessen stattfinden.
Duisburg, 16. juli. Bei Mühlheim sind bei dem bau der Ruhrthal-
bahn Römergräber aufgefunden ; in der nähe auch viele reste von an-
tidiluvianischen thieren. Deutsch. Reichsanz. nr. 175. Beil. 1.
In Kärnten sind bei Oberdannburg römische steindenkmale ge-
funden, ein meilenstein v. j. 304 p. Gh., Sarkophage aus Teurnia,
auch eine inschrift zu St. Martin , auf der die namen C'apitor und
Atimeria erscheinen. Ausland, D. Reichsanz. nr. 180.
Troja, 17. juli. Dr Schliemann — s. ob. n. 7, p. 383, n. 8, p.431 —
hat unter dem angegebenen datum ein schreiben an die Augsb. Allgem.
zeitung — s. unt. p. 479 — gerichtet, aus dem wir folgendes entnehmen:
Im anfang dieses monats stiess ich in 8V2 metern tiefe auf der
vom skäischen thor in west -nordwestlicher richtung weitergehenden
grossen trojanischen ringmauer, und unmittelbar neben dem hause des
Priamus , auf einen grossen kupfernen gegenständ höchst merkwürdi-
ger form, der um so mehr meine aufmerksamkeit auf sich zog, als
ich hinter demselben gold zu bemerken glaubte. Auf demselben ruhte
eine IV2 — ^-3U meter dicke steinfeste schicht von rother asche und
calcinirten trümmern , auf welcher eine 1 meter 80 centimeter dicke,
6 meter hohe festungsmauer lastete, die aus grossen steinen und erde
bestand und aus der ersten zeit nach der Zerstörung Trojas stammen
muss. — Der zuerst gesehene gegenständ war ein grosses flaches ku-
pfernes geräth (ö'ia/.og ourfakoudijs oder äffnis dptpakoseaa), in form
eines grossen präsentirtellers, in dessen mitte sich ein von einer rinne
{(iv).u%) umgebener nabel befindet; dieses gefäss hat 49 centimeter im
durchmesser, ist ganz flach und von einem 4 centimeter hohen rand
umgeben; der nabel (ouycdos) ist 6 centimeter hoch und hat 11 cen-
timeter im durchmesser; die um denselben befindliche rinne hat 18
centimeter im durchmesser und ist 1 centimeter tief. Höchst wahr-
scheinlich ist es ein schild ; jedenfalls erinnert es lebhaft an die home-
rischen äenidts o/tgtaXoeaaat. — Der zweite gegenständ, den ich her-
auszog, war ein kupferner kessel mit zwei horizontalen henkeln, wel-
474 Kleine philologische zeitung. Nr. 9.
eher uns jedenfalls das bild des homerischen ktßrjg giebt; derselbe
hat 42 centimeter im durchmesser und 14 centimeter höhe; der bo-
den ist flach und hat 20 centimeter im durchmesser. — Der dritte
gegenständ war eine 1 centimeter dicke, 10 centimeter breite, 44 cen-
timeter lange kupierne platte, welche einen 2 millimeter hohen rand
hat; an einem ende sieht man zwei unbewegliche räder mit axe.
Diese platte ist auf zwei stellen stark gebogen, jedoch glaube ich,
dass diese biegungen durch die gluth geschehen sind, welcher der
gegenständ in der feuersbrunst ausgesetzt gewesen ist ; auf demsel-
ben ist eine silberne vase von 12 centimetern höhe und breite fest-
geschmiedet, jedoch vermuthe ich, dass dies ebenfalls nur durch Zu-
fall in der feuersbrunst geschehen. — Der vierte hervorgekommene
gegenständ war eine kupferne vase von 14 centimetern höhe und
11 centimetern im durchmesser. — Darauf kam eine 15 centimeter
hohe, 14 centimeter im durchmesser haltende und 403 gramm wie-
gende kugelrunde flasche von reinstem golde mit einer angefangenen,
aber nicht vollendeten Zickzackverzierung; ein 9 centimeter hoher, 78/4
centimeter breiter, 226 gramm schwerer becher , ebenfalls von rein-
stem golde, sowie ein 9 centimeter hoher, 183/4 centimeter langer,
I8V4 centimeter breiter, genau 600 gramm wiegender becher von rein-
stem golde, in form eines schiffes, mit zwei grossen henkeln; auf
der einen seite ist ein 7 centimeter, auf der andern ein 3 ctm. brei-
ter mund zum trinken und es mag derjenige, welcher den gefüllten
becher hinreichte, aus dem kleinen munde vorgetrunken haben, um
als ehrenbezeugung den gast aus dem grossen munde trinken zu las-
sen. Dieses geläss hat einen nur um 2 millimeter hervorstehenden,
37^ centimeter langen, 2 centimeter breiten fuss, und ist jedenfalls
das homerische denag cc/mfixvnii.Xov. Ich bleibe aber fest bei meiner
behauptung: dass auch alle jene hohen glänzend rothen becher, in
form von Champagnergläsern und mit zwei gewaltigen henkeln denu
äjurftiXvniXka sind, und auch diese form wird von gold dagewesen
sein. Noch muss ich die für die geschichte der kunst sehr wichtige
bemerkung machen, dass vorgesagtes goldenes dinag ä/jqtxvnfi.Xov ge-
gossen ist und die grossen nicht ganz massiven henkel daran ge-
schmiedet sind. Dagegen ist der vorher erwähnte einfache goldene
becher sowie die goldene flasche mit dem hammer getrieben. — Der
schätz enthält ferner einen kleinen 70 gramm wiegenden, 8 centime-
ter hohen, ß1/^ centimeter breiten becher von mit 25 pct. silber ver-
setztem golde, dessen fuss nur 2 centimeter hoch und 1% centimeter
breit, ausserdem nicht ganz gerade ist, so dass der becher nur zum
hinstellen auf den mund bestimmt zu sein scheint. Ich fand dort
ferner sechs mit dem hammer getriebene stücke einer mischung von gold
und silber (y.Qt(/ua) in form von grossen klingen, deren eines ende ab-
gerundet, das andere in gestalt eines halbmondes ausgeschnitten ist.
— Die beiden grössern sind 21V2 ctm. lang und 5 ctm. breit, und
jedes davon wiegt 184 gramm. Die darauffolgenden zwei stücke sind
181/? ctm. lang und 4 ctm. breit, und jedes davon wiegt 173 gramm;
die beiden übrigen stücke sind 17 V* ctm. lang und 3 ctm. breit, and
jedes derselben wiegt 171 gramm. Höchst wahrscheinlich sind dies
die homerischen talanta (rüXavm), welche nur klein sein konnten, da
z. b. Achilles (Ilias XXIII, 269) als ersten kampfpreis eine frau, ala
zweiten ein pferd , als dritten einen kessel und als vierten zwei gol-
dene talente aufstellt. Ich fand dort ierner drei grosse silberne va-
een, wovon die grösste 21 ctm. hoch ist und 20 ctm. im durchmesser
und einen henkel von 14 ctm. länge und 9 ctm. breite hat. Die
zweite vase ist 17x/a c^m- hoch und hat 15 ctm. im durchmesser;
man sieht auf derselben den obern theil einer andern silbernen vase
Nr. 9, Kleine philologische zeitung. 475
festgeschmolzen, von der nur bruchstücke übrig geblieben sind. Die
dritte ist 18 ctm. hoch und hat 157a ctm. im durchmesser; am fusse
dieser vase ist viel kupier festgeschmolzen, welches in der feuers-
brunst von den kupfernen Sachen des Schatzes abgeträufelt sein muss.
Alle drei vasen sind unten kugelrund , und können daher nicht hin-
gestellt werden, ohne angelehnt zu sein. Auch fand ich dort einen
8V2 c^m- hohen silbernen becher, dessen mund 10 ctm. im durch-
messer hat; ferner eine silberne schale {yväXrj) von 14 ctm. im durch-
messer, sowie zwei kleine herrlich gearbeitete silberne vasen; die
grössere derselben hat an jeder seite zwei röhrchen zum aufhängen
mit schnüren, und ist, inclusive ihres hutartigen deckeis, 20 ctm.
hoch und hat 9 ctm. im durchmesser im bauch. Die kleinere, nur
mit einem röhrchen au jeder seite zum aufhängen mit einer schnür
versehene, silberne vase ist, inclusive ihres hutes, 17 ctm. hoch und
8 ctm. breit. Theils auf, theils neben den goldenen und silbernen
Sachen fand ich dreizehn lanzen von kupfer von 177a> 21, 21x/2> 23
und 32 ctm. länge und 4 bis 6 ctm. breite an der breitesten stelle;
in dem untern ende sieht man ein loch, worin bei den meisten noch
der nagel oder stift steckt, mit welchem die lanze in der hölzernen
stange befestigt war. Die trojanischen lanzen waren somit ganz ver-
schieden von den griechischen und römischen, denn bei diesen wurde
der lanzenschaft in die lanze, bei jenen die lanze in den schaff gesteckt.
Ich fand dort ferner 14 jener hier häufig vorkommenden, anderswo
aber noch niemals gefundenen kupfernen waffen , die nach einem
ende zwar beinahe spitz, aber stumpf, nach dem andern ende in eine
breite schneide auslaufen. Ich hielt dieselben früher für eine beson-
dere art von lanzen, bin aber jetzt zur Überzeugung gekommen , dass
sie nur als Streitäxte gebraucht sein können ; dieselben sind 16 bis
31 ctm. lang, 1 x/4 bis 2 ctm. dick und 3 bis 772 ctm. breit, und die
grössten derselben wiegen 1365 gramme. Weiter fand ich dort sie-
ben grosse zweischneidige kupferne dolchmesser, die einen 5 bis 7
ctm. langen und am ende unter rechtem winkel umgebogenen griff
haben, der einst mit holz eingefasst gewesen sein muss; denn wäre
die einfassung von knochen gewesen , so würde sie noch jetzt ganz
oder theilweise vorhanden sein. Der spitze griff wurde in ein stück
holz gesteckt, so dass das ende V/2 ctm. lang hervorragte, und dies
wurde einfach umgebogen. Das grösste dieser messer ist 27 ctm.
lang und an der breitesten stelle 5 72 ctm. breit; von einem zweiten,
welches 4x/2 ctm. breit, ist die spitze abgebrochen ; es ist jetzt noch
227a ctm. lang, scheint aber 28 ctm. lang gewesen zu sein. Ein
dritter dolch ist 22 cmt. lang und misst an der breitesten stelle
37* ctm.; ein vierter dolch ist in der feuersbrunst zwar ganz zusam-
mengerollt, scheint aber 28 ctm. lang gewesen zu sein. Von dem
fünften, sechsten und siebenten dolchmesser sind nur 10 bis 1372 ctm.
lange bruchstücke vorhanden. Ich glaube ausserdem in einem pack
von vier in der feuersbrunst zusammengeschmolzenen lanzen und
Streitäxten noch ein dolchmesser zu bemerken. — Von gewöhnlichen
einschneidigen messern fand ich im schätze nur eins von 1572 ctm.
länge. Auch fand ich dort das 22 ctm. lange, 5 ctm. breite bruch-
stück eines Schwertes , sowie eine in eine schneide auslaufende , 38
ctm. lange viereckige kupferne stange , die jedenfalls auch als waffe
gedient zu haben scheint. — Da ich alle vorgenannten gegenstände
zusammen oder ineinander verpackt auf der ringmauer fand , deren
bau Homer dem Neptun und Apollo zuschreibt, so scheint es gewiss,
dass sie in einer hölzernen kiste (yxogiafiös) lagen, wie solche in der
Ilias (XXIV, 228) im palast des Priamos erwähnt werden; dies scheint
um so gewisser, als ich unmittelbar neben den gegenständen einen
476 Kleine philologische zeitung. Nr. 0,
10V2 ctrn. langen kupfernen Schlüssel fand, dessen 5 ctm. langer und
breiter bart die grösste ähnlichkeit hat mit dem der grossen kassen-
schlüssel in den banken. Merkwürdigerweise hat dieser Schlüssel ei-
nen hölzernen griff gehabt ; das , gleich wie bei den dolchinessern,
unter rechtem winkel umgebogene ende des schlüsselstiels lässt kei-
nen zweifei darüber. — In der grössten silbernen vase fand ich
ganz unten zwei prachtvolle goldene kopfbinden (xQvds/uya), ein Stirn-
band und vier prachtvolle höchst kunstvoll gefertigte Ohrgehänge
von gold vor; darauf lagen 56 goldene ohrringe höchst merkwürdi-
ger form und tausende von sehr kleinen ringen, würfeln, knöpfen u. s.
w. von gold, die offenbar von andern Schmucksachen herrühren; dar-
auf folgten sechs goldene armbänder, und ganz oben lagen die bei-
den kleineren goldenen becher. — Die eine kopfbinde ist 51 ctm.
lang und besteht aus einer goldenen kette , von welcher auf jeder
seite acht 39 ctm. lange, ganz und gar mit kleinen goldenen baum-
blättern belegte ketten zur bedeckung der schlafe herunter gehen,
und am ende einer jeden dieser 16 ketten hängt ein 374 c^m- langes
goldenes idol mit dem eulenkopf der ilischen schutzgöttin. Zwi-
schen dieser schläfenbedeckung sieht man die 74, ebenfalls mit gol-
denen baumblättern belegten, 10 ctm. langen kettchen der stirnbe-
deckung, an deren jedem unten ein doppeltes 2 ctm. langes baum-
blatt hängt. — Die zweite kopfbinde besteht aus einem 55 ctm.
langen, 12 millimeter breiten goldenen Stirnband, von dem, zur be-
deckung der schlafe, an jeder seite sieben mit je eilf viereckigen,
mit einer rille versehenen blättern geschmückte kettchen hängen,
die durch vier querkettchen mit einander verbunden sind, an deren
jedem unten ein 25 millimeter langes goldenes idol der schutzgöttin
Troja's prangt. Die ganze länge einer jeden kette mit dem idol be-
trägt 26 ctm. ; diese idole haben fast Menschengestalt , in welcher
aber der eulenkopf mit den beiden grossen äugen nicht zu verkennen
ist; ihre breite an den füssen ist 21 millimeter. Zwischen diesem
schläfenschmuck hängen 47, mit vier viereckigen blättchen verzierte
kettchen herab, an deren jedem ein 18 millimeter hohes idol der
ilischen schutzgöttin hängt; die länge dieser kettchen mit den ido-
len ist nur 10 ctm. — Das Stirnband ist 46 ctm. lang und 1 ctm.
breit und hat an jedem ende drei durchbohrungen; es ist durch 8 vier-
fache reihen von punkten in 9 fächer getheilt, in deren jedem man
zwei grosse punkte sieht, und eine unterbrochene reihe von punkten
ziert den ganzen rand. Von den vier Ohrgehängen sind nur zwei ein-
ander vollkommen gleich; von dem oberen theil derselben, der fast
in korbform und mit zwei reihen Verzierungen in form von perlen ge-
schmückt ist, hängen 6 mit 3 kleinen viereckigen cylindern versehene
kettchen herunter, an deren enden man kleine idole der schutzgöttin
Troja's sieht. Die länge dieser beiden Ohrgehänge beträgt 9 ctm.
Der obere theil der beiden andern Ohrgehänge ist grösser und dicker,
aber ebenfalls fast in korbform, ;und von demselben hängen 5 ganz
mit kleinen runden blättchen bedeckte kettcheu heruuter, an denen
ebenfalls kleine, aber imposantere idole der ilischen schutzgöttin be-
festigt sind; die länge des einen dieser gehänge ist 9 ctm., die des
anderen 8 ctm. — Von den sechs goldenen armbändem sind zwei ganz
einfach, geschlossen und von 4 millimctern dicke ; ein drittes ist ebenfalls
geschlossen , besteht aber aus einem verzierten bände von 1 millim.
dicke und 7 millim. breite ; die drei übrigen sind doppelt und haben
umgebogene mit einem köpf versehene enden. — Die 56 übrigen gol-
denen ohrringe sind von verschiedener grosse, und es scheinen drei der-
selben von den Prinzessinnen des königlichen hauses auch als finger-
ringo gebraucht worden zu sein. Die form keines dieser ohrringe
Nr. 9, Kleine philologische zeitung. 477
hat irgendwie ähnlichkeit mit den hellenischen, römischen, ägyptischen,
oder assyrischen Ohrringen; 20 derselben laufen in 4, 10 laufen in 3
neben einander liegende und zusammengeschmiedete blätter aus, und
haben daher die grösste ähnlichkeit mit den hier im vorigen jähr
von mir in 9 und 13 metern tiefe gefundenen Ohrringen von gold
oder elektron. 18 andere ohrringe laufen in 6 blätter aus, und man
sieht im anfang derselben 2 knöpfchen, in der mitte zwei reihen von je
5 knöpfchen und am ende 3 knöpfchen. Zwei der grössten ohrringe,
die wegen der dicke des endes keinesfalls als ohr - und nur als fin-
gerringe gebraucht zu sein scheinen, laufen in 4 blätter aus, und
man sieht im anfang derselben 2, in der mitte 3 und am ende wie-
derum 2 knöpfchen. Von den übrigen Ohrringen sind 2 in gestalt von
3, und 4 in gestalt von 2 neben einander liegenden herrlich ge-
schmückten schlangen. — Auf die ohrringe hatte man eine menge
anderer auf fäden gezogener oder an leder befestigter Schmucksachen
in die grosse silberne vase gelegt, denn auf und unter derselben fand
ich, wie bereits erwähnt , tausende von kleinen gegenständen , näm-
lich goldringe von nur 3 millimetern im durchmesser; glatte oder in
form von Sternchen ausgeschnittene , 4 millimeter im durchmesser
haltende, runde oder viereckige goldperlchen ; 21/2 millimeter hohe, 3
millimeter breite , der länge nach mit 8 einschnitten verzierte gol-
dene durchbohrte prismen ; 5 millimeter lange , 4 millimeter breite,
der länge nach mit einer röhre zum aufziehen versehene baumblätt-
chen ; kleine , 9 millimeter lange , auf einer seite mit einem knöpf,
auf der anderen mit einem durchgehenden loch versehene goldstangen;
5 millimeter lange, 2l/s millimeter breite, viereckige oder runde goldene
durchbohrte prismen ; nur 7 millimeter im durchmesser haltende, zu-
sammengeschmiedete, doppelte oder dreifache goldene ringe mit durch-
gehendem loch an zwei seiten zum aufziehen ; 5 millimeter hohe gol-
dene knöpfe, in deren höhlung ein 3 millimeter breiter ring oder
oese zum annähen ist; 77a millimeter lange goldene doppelknöpfe,
ganz in gestalt unserer hemdknöpfe , die aber nicht zusammenge-
schmiedet, sondern zusammengesteckt sind, denn aus der höhlung des
einen knopfes tritt eine 6 millimeter lange röhre («vkioxog) hervor, aus
der des anderen eine ebenso lange stange (t/ußökov) , und man steckt
einfach die stange in die röhre, um den doppelknopf zu bilden. Diese
doppelknöpfe können wohl nur als zierrathen von ledernen sachen,
so z. b. an schwert-, schild- oder messergehängen {iiXa/xuii>(g) ge-
braucht worden sein. Ich fand dort auch zwei goldene durchbohrte
prismen von 3 millimetern dicke und 19 millimetern länge, sowie ein
goldenes stäbchen von 21 millimetern länge und 172 bis 2 millimetern
dicke; es hat an einem ende ein durchgehendes loch zum aufhängen,
an dem anderen 6 herumgehende einschnitte, welche dem gegen-
ständ das ansehen einer schraube geben ; nur mittelst einer loupe
erkennt man , dass es keine wirkliche schraube ist. — Noch fand
ich dort 2 stücke gold, wovon das eine 43/4, das andere 574 ctm.
lang ist; jedes derselben hat 21 durchbohrungen. — Mein geehrter
freund, der Chemiker Landerer in Athen, welcher alle im schätz ent-
haltenen kupfernen gegenstände aufs genaueste untersucht und bruch-
stücke davon analysirt hat, findet, dass alle, ohne jegliche beinii-
schung von zinn oder zink, aus reinem kupfer bestehen, welches, um
es haltbarer zu machen, geschmiedet worden ist {orjvQtj/.aTov). — Da
ich hoffte hier weitere schätze zu finden , auch sehr wünschte die
trojanische göttermauer bis zum skäischen thor ans licht zu bringen,
so habe ich die theilweise auf derselben lastende obere mauer auf
eine strecke von 1772 metern ganz weggebrochen. Die besucher der
Troade erkennen dieselbe aber noch, dem skäischen thor gegenüber
478 Kleine philologische zeitttng. Nr. 9.
in der nordwestlichen erdwand. Auch habe ich noch den ungeheuren
erdklotz weggebrochen, welcher meinen westlichen und nordwestlichen
einschnitt vom grossen thurm trennte, rnusste aber zu diesem zweck
eines meiner häuser wegbrechen, auch zur leichteren fortschaffung
des Schuttes das skäische thor überbrücken. Das resultat dieser neuen
ausgrabung ist für die Wissenschaft sehr lohnend gewesen, denn ich
habe mehrere wände , auch ein 6 meter langes und breites zimmer
des königlichen hauses aufdecken können, auf welchem keine bauten
aus späterer zeit lasten. Unter den dort gefundenen gegenständen
hebe ich nur hervor: eine auf einem viereckigen, oben mit zwei nicht
durchgehenden löchern und einem herumgehenden einschnitt verse-
henen stück rothen Schiefers befindliche, ausgezeichnet gravirte in-
schrift , von der aber weder mein gelehrter freund herr Emile Bur-
nouf noch ich selbst zu sagen vermag, welcher spräche sie angehört;
ferner einige interessante terracotten , worunter ein gefäss ganz in
form eines modernen fasses und mit einer röhre in der mitte zum
eingiessen und ablaufen der fiüssigkeit. Auch fanden sich auf der
trojanischen ringmauer, x/2 meter unterhalb der stelle, wo der schätz
entdeckt ward, 3 silberne schalen ((fuiXcu) , wovon 2 beim abgraben
des Schuttes zerschlagen wurden; dieselben können jedoch wieder zu-
sammengesetzt werden, da ich alle stücke davon habe. Diese scha-
len scheinen jedenfalls zu dem schätze gehört zu haben, und wenn
derselbe sonst ganz von unserem hackeisen unberührt geblieben ist,
so habe ich dies den erwähnten grossen kupfernen geräthen zu ver-
danken, welche hervorstanden, so dass ich alles mit dem messer aus
dem harten schutt herausschneiden konnte. Dr. Heim: Schliemann.
[Es ist sehr zu beklagen, dass Dr Schliemann die ausgrabungen ein-
gestellt hat : sie sind viel wichtiger geworden, als man anfangs glau-
ben wollte.]
Florenz, 22. juli. Auf der Laurentianischen bibliothek befinden
sich seit kurzem fragmente derltala, der ältesten lateinischen
bibelübersetzung, die von Hieronymus bei der redaction der Vulgata
benutzt wurde. Leider sind es spärliche, durch die zeit fast unlesbar
gewordene bruchstücke , aber der codex , dem sie angehört haben,
stammt ohne zweifei aus dem fünften , vielleicht aus dem vierten
jahrh. p. Chr. Die pergamentblätter sind purpurroth gefärbt; sie
enthalten in zwei kolumnen in schriftzügen , welche mit denen des
berühmten hiesigen codex Amiatinus übereinstimmen und nur et-
was mehr gerundet sind, bruchstücke aus dem evangelium des Jo-
hannes, und zwar, was für den forscher von besonderem interesse
ist, aus der geschichte der Samariterin Joh. IV. Was davon zu
zu entziffern war, hat der custos der Ambrosiana in Mailand, Amelli,
veröffentlicht. Der fund ist im dezember v. j. gemacht worden. Die
blätter liegen in einer hölzernen kiste, deren bemalung und aufschrift
auf das dreizehnte Jahrhundert hinweisen. Auf dem deckel ist S. Rufinus
abgebildet, »anzurufen gegen alle lieber und wechselfieber «, woraus
sich die abnutzung der blätter erklärt. Die fragmente sind eigen-
thum der kirche zu Sarezzano, wo sie sich gefunden haben. Man hat
sie nur provisorisch hierher gebracht. — D. Reichsanz. nr. 183.
Schaffhausen, 29 juli. Nach den blättern von Schaffhausen hat
der pfarrer Kellner inSiblingen in der nähe dieser Ortschaft Über-
reste einer nicht unbedeutenden römischen niederlassung entdeckt.
Die sofort unternommenen nachgrabungen zeigten ziemlich ausge-
dehnte fundamentsmauern. Das auf diesen mauern ruhende gebäude
hatte eine länge von 52 fuss und eine breite von 26 fuss. Von die-
sen Überresten wurde ein plan aufgenommen, dieselben jedoch, nach-
dem die angetroffenen fundstücke geborgen waren, wieder zugewor-
Nr. 9. Auszüge aus Zeitschriften. 4? 9
fen. Jetzt sind an derselben stelle Überreste eines weiteren, grösse-
ren gebäudes durch aufgraben offen gelegt. Der flächenraum diese8
zweiten gebäudes beträgt 102 fuss ins geviert. Die mauern sind ausge-
führt von weissem jura-kalk, wie er sich auf dem Randen findet. Sie
zeugen von grosser härte und dauerhaftigkeit. Eine römische heiz-
kammer war noch deutlich zu erkennen , ebenso cementböden ; auch
fand man noch sehr schön erhaltene, einfache, aber grelle Wandma-
lereien. Unter den fundgegenständen beider gebäude befinden sich
ziegeltrümmer wovon einige wenige das legionenzeichen — der elf-
ten und einundzwanzigsten — tragen, stücke von urnen und ge-
fässen aus thon, die eine sachkundige, geschmackvolle Verarbeitung
erkennen lassen, und zierliches ornamentwerk aus dem pflanzen- und
thierreiche tragen; in einigen resten von thongeschirren ist deutlich
der offenbar vor dem brennen eingedrückte name SATURIO zu lesen.
— D. Reichanz. nr. 184.
Odessa, 31. juli. In gräbern in der nähe von Sebastopol sind
skelette entdeckt , welche vorhistorischer zeit anzugehören scheinen.
Nach dem Odessa'schen boten berichtet darüber D. Reichsanz. nr. 187.
Prag, 3. august. Die professoren 0. Benndorf und 0. Hirschfeld
unternehmen im auftrage der regierung eine epigraphisch - archäolo-
gische reise nach Siebenbürgen.
Bonn, 6. august. Vor einigen tagen wurde an der cölner land-
strasse, dicht bei der stadt, beim kellevauswerfen eines neubaues ein
römischer grabstein aufgefunden. Es ist einer der besten und inter-
essantesten von den hier in Bonn zu tage gekommenen. Der stein ist
fast 200 centimeter hoch bei entsprechender breite und dicke. Die
obere hälfte enthält in relief die darstellung eines gewappneten, mit
dem speer bewaffneten reiters auf einem anspringenden rosse. Dar-
unter findet sich eine fünfzeilige, vorzüglich schön erhaltene inschrift,
welche besagt, dass der betreffende grabstein zum andenken an C.
Marius, einen reiter der ersten legion , welcher im alter von 30 jäh-
ren verstorben war, von dessen bruder errichtet worden sei. Unter
den vorderfüssen des rosses befinden sieh neun ehrenzeichen abgebildet,
dieselben sind auch kleiner und undeutlich auf der brüst des reiters
wahrzunehmen. Das denkmal ist aus sogenanntem Jurakalk verfertigt,
einem weichen und leicht zu bearbeitenden , dabei aber äusserst aus-
dauernden stein. Fast alle römischen denksteine, welche man am Rhein
findet, sind aus diesem, der Verwitterung wenig unterworfeneu steine
verfertigt. Der stein wurde für das museum des hiesigen altertbums-
vereins erworben. — D. Reichsanz. n. 191.
aS7. Petersburg, 10. august. Aus Kreisch wird berichtet, dass da-
selbst wieder bedeutende alterthümer gefunden seien : so drei terra-
cotta- Statuetten im besitz eines T. W. Kibaltschitich, aus der besten
zeit der griechischen kunst. — D. Reichsanz. nr. 189.
Rom, 10. august. Der herzog Strozzi hat in dem berge Signoso
nachgrabungen anstellen lassen, und wurden terracotten, kieselstein-
waffen und menschenskelette von riesenhaften dimensionen gefunden,
welche einer vorhistorischen zeit anzugehören scheinen : die Livorner
Zeitungen geben näheres.
Auszüge aus Zeitschriften.
Augsburger Allgemeine Zeitung: Nr. 207: die heilige grotte in
Bethlehem : der vom Sultan vorgeschlagene ausgleich. — Beil. zu nr.
214: die förderung des Studium der kunst an der Universität Prag.—
Beil. zu nr. 217: der schätz des Priarnos: von Dr Hcinr. Schliemann.
bericht über seine neuesten ausgrabungen , aus dem ob. 473 rnitthei-
480 Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 9.
hingen gemacht sind. — Beil. zu nr. 217. 218: Virgil im mittelalter,
ein aufsatz von J. A. Scartazzini , mit berücksichtigung des buches
von Comparetti: s. ob. nr. 7, p. 376. — Nr. 220: zum unterrichts-
wesen in- Frankreich. — Beil. zu nr. 220: die römische annalistik
von ihren ersten anfangen bis auf Valerius Antias : anzeige von K.
W. Nitzsch Untersuchungen zur geschichte der altern republik von
O. Clason, der die vermuthungen von Nitzsch wie feste Überlieferung
behandelt. S. ob. n. 2, p. 117. — Beil. zu nr. 224. 225: der eudä-
monismus und die französische literatur, von Alx. Willstock, — Beil.
zu nr. 227: die töpferkunst am Niederrhein. — Beil. zu nr. 228:
Baker anRawlinson: s. ob. n. 8, p. 431. — Nr. 229: der Mainzer Uni-
versitätsfond. — Beil. zu nr. 231. 232: zur cälisehen geschichtschrei-
bung: geht auch auf die ältesten zeiten ein. — Beil. zu nr. 238:
die presse im alten Rom, von Oct. Clason; einige bemerkungen über
die Zeitungen der alten Römer.
Göttingische gelehrte anzeigen, st. 27 : Gr egorii B arhebraei
chronicon eeclesiastieum qnod e codice Musei Pritannici descriptum con-
iuncta opera ediderunt, latinitate donarunt annotalionibusque theologicis,
historicis, geographicis et archaeologicis illustrarunt J. B. Abbeloos et
Th. J. Lamy. 4. Tom. I. Lovanii. 1872: anzeige von Nöldecke:
dieser erste band enthält nach der Vorgeschichte (die ersten Jahr-
hunderte p. Chr.) die reihe der jacobitischen patriarchen bis gegen
ende des XL jahrh. — St. 29 : Ekkehardi primi Waltharius. Edidit
Rud. Peiper. Berol. : eingehende anzeige von A. Pannenborg. — St.
31 : die rede des Demosthenes nsql naQcmQtßßiiag von Otto Gilbert.
8. Weidmann: selbstanzeige. — St. 32: The Athanas ian creed in
connexion with the Utrecht Psalter being a report to the right hono-
rable lord Romilly, master of the rolls, on a Manuscript in the uni-
versily Utrecht by Sir Thomas Duffus Hardy. fol. London:
anzeige von Pauli, der die Wichtigkeit des werks für paläographie
— es handelt sich um handschriften, die bis ins fünfte jahrh. p. Chr.
hinaufgehen — hervorhebt und erläutert. — St. 33: Piatons sämmt-
liche werke. Uebersetzt von H. Müller, mit einleituugen begleitet
von K. Steinhart. Bd. 9 Platon's leben von K. Steinhart. 8. Leipzig : an-
zeige von Alberii, der bei aller anerkennung des geleisteten zu zeigen
sucht, wie die eigentümlichen ansichten Steinharte über die schritten
Plato's einen nachtheiligen einfluss auf diese biographie ausgeübt haben.
Nachrichten V. d. künigl. gesellschaft der iviss. zu Gbttingen : nr.
18: beitrage zur topographie von Athen. Von H. G. Lolling , mit
einigen bemerkungen von Fr. Wieseler: sie zerfallen in folgende
theile: A. die Pnyx, und zwar I. die läge der Pnyx, wo 1, behandelt
wird Plat. Crit. p. 112: 2. behandelt wird Lucian. bis accus. 9; 3.
Scholl, ad Arist. Av. 907; 4. Plutarch. Themist. c. 19; ;5. die be-
schreibung des Kleidemos von der Amazonenschlaeht; — IL die be-
schaffenheit der Pnyx: 1. der Pnyxberg und der versammluDgsplatz ;
2. das bema. — B. die Apollogrotte der akropolis von Athen. —
C. die läge des Metroon in Athen. — Wieseler's bemerkungen be-
ziehen sich einerseits auf die Interpretation der schriftstellen, in der
er mehrfach vom Verfasser abweicht ; anderseits auf die annahmen
vom ßqpa und dem zuhörerplatz.
Druckfehler aus lieft 7 :
P. 361 soll der letzte satz von 191 heissen : die bei uns seitens
der dienerschaften vornehmer häuser von den gasten bei ge-
sellschaften u.s. w. — p. 361 zeile 6 von unten: ötter diesem bei-
stimmen. — p. 362 zeile 14 von oben: mit in berücksichtigung zieht
— p. 362 zeile 7 von unten : viel eher für P. gelte.
Sr. 10. October 1873.
Philologischer Anzeiger,
Herausgegeben als erganzung des Philologus
von
Ernst von Lentsch.
274. C. Iulii Caesaris commentarii de bello civili von
Friedr. Kraner; 5te aufl. besorgt von Friedr. Hofmann.
Berlin, Weidmann 1872. — 25 ngr.
In der richtigen erwägung , dass die pietät gegen einen
verdienten mann wie Kraner nicht zu weit gehen dürfe , hat
sich Hofmann angelegen sein lassen das bellum civile einer voll-
ständigen Umarbeitung zu unterziehen und besonders sich be-
müht alles überflüssige, was sich noch in der dritten und vier-
ten aufläge fand, zu beseitigen, das breite zu kürzen und schwe-
rer verständliches schärfer zu fassen. Das buch, früher 19 bo-
gen stark, hält nur noch 17 bogen, gewiss ein grosser vortheil,
wenn, wie es hier der fall ist, kaum etwas werthvolles verloren
gegangen ist. — Die einleitung ist von 21 auf 9 Seiten be-
schränkt und enthält von der ursprünglichen Kraner'schen ein-
leitung kaum noch eine spur. In knapper weise erzählt Hof-
mann, der ja mit dieser frage besonders vertraut ist, den be-
ginn und fortgang des Streites zwischen den beiden machtha-
bern bis zu dem augenblick, wo die darstellung des bellum ci-
vile selbst einsetzt: doch hätten vielleicht am ende noch einige
bemerkungen belassen werden können über die glaubwürdigkeit
der kommentare. Den text betreffend, so ist, wie Hofmann selbst
bemerkt, nur an wenigen stellen geändert. Nicht selten ist
die früher verworfne lesart Nipperdey's wieder aufgenommen
worden; so H, 5, 3 ; II, 35, 1; IH, 20, 4; 44, 6; 46, 6; 59,
1; 63, 8; 79, 7; 105, 5.
I, 3, 3 steht jetzt Hug's conjectur : et ipsum comitium im
text. I, 7 , 2 hätte es wohl erwahnung verdient , dass Weber,
Neue Jahrbücher für philologie bd. 103, p. 337 in dem ange-
Philol. Anz. V. 31
482 274. Iulius Caesar. Nr. 10.
fochtenen satz: quae superioribus annis armis esset restituta, blos
armis streicht, das er für dittographie von annis ansieht.
Zu I, 39 ist dem herausgeber ein aufsatz im Philo!. XXX,
bd. 4, p. 738 von Menge entgangen , in dem einiges anders
als gewöhnlich erklärt und zu §. 2 statt des laugst als unhalt-
bar erkannten hinc vorgeschlagen wird : et CCCC. — II, 9, 2
ändert Hofmann noch mit Nipperdey insuper um in super, weil
jenes gegen Caesars Sprachgebrauch verstiesse. Dieser grund
ist nicht mehr triftig, wenn Menge recht hat mit der im pro-
gramm des weimarschen gymnasiums 1873 begründeten be-
hauptuug [de auctoribus commentariorum de hello civili, qui Caesa-
ris nomine feruntur), dass dieser abschnitt des bellum civile gar
nicht von Caesar herrührt. Dasselbe gilt für fastigato c. 10,4.
Die kritischen bemerkungen über DI, 29 werden theilweise
unter den text gebracht. Wir halten dies kapitel gar nicht
für so verderbt, als es meist angesehen wird, können aber an
dieser stelle, des raurnes halber, unsre ansieht nicht näher be-
gründen.
IT, 40, 5 hat Hofmann wieder mit den handschriften equi-
tesque geschrieben für das früher nach Nipperdey aufgenommene
equique. So lange nicht bewiesen ist, dass homo im gegensatz
zu eques = miles oder pedes, glauben wir uns Nipperdey an-
schliessen zu müssen.
III, 8, 4 schreibt Hofmann nach Mommsen: a Sasonis ad
Ourici portum, und nähert sich so der lesart der haudschriften
wieder, von der Nipperdey abgegangen war; leider konnten
auf der karte die namen nicht eingetragen werden. Bei dieser
gelegeuheit möchte ich III, c. 6, §. 2 zur spräche bringen:
postridie terram attigit Germiniorum. Nipperdey behält diese
lesart bei (s. Quaest. p. 159), obgleich die Germinii unbe-
kannt sind, weil Cerauniorum, das man geschrieben hatte , auch
nicht als name eines Volkes erwiesen werden kann. Kiepert
vermuthet (s. Hofmann, anmerkung) , dass Chimaerini einzuse-
stzen sei, ohne aber nachweisen zu könuen, dass ein volk die-
sen namen geführt habe. Sollte nicht etwa Chaoniorum zu
schreiben sein? Nach Bursian , Geographie von Griechenland
I, p. 15 und 16, wohnten an jener stelle die Chaoner, in de-
ren gebiet das kastell Chiraaera lag.
III, 44, 4 hat Hofmann mit recht nach Weber, vgl. Neue
Nr. 10. 271 Iulius Caesar. 483
Jahrb. a. a. o. statt des vielbehandelten videbant geschrieben
addebant, das einen trefflichen sinn giebt. 44, 6 hat er das
von Terpstra herrührende quare aufgegeben und das freilich
anstössige quae wieder eingesetzt-, 63, 8 ist navibus expositi
wieder ausser klammern gesetzt, die richtigkeit von expositi in
der anmerkung aber etwas angezweifelt.
Ungleich wichtiger ist die thätigkeit, die Hofmann in die-
ser aufläge der Umarbeitung der erklärung gewidmet hat. Fast
jede seite trägt mehr oder weniger spuren, wie er sich hat an-
gelegen sein lassen die noten kürzer und schärfer zu fassen.
Die zahlreichen griechischen stellen aus Appian und Plutarch
sind , soweit sie nicht wirklich etwas zur erklärung beitragen,
beseitigt, die angäbe von parallelstellen bei ganz geläufigen
Worten und gewöhnlichen Verbindungen , viele hinweise auf die
grammatiken, sei es von Zumpt oder von Madvig, sind wegge-
fallen. Der so gewonnene räum ist theilweise für nothwendige
zusätze verwendet worden. Nehmen wir die bemerkungen zu
dem zweiten buche genauer durch, so finden wir solche zusätze
z. b. 1, 2; 31, 7; 31, 8; 40, 6 u. a. An mehreren stellen
vermissen wir uns nothwendig erscheinende zusätze. So war
zu 16, 1 bei neque quicquam , qua — zu verweisen auf c. 15,
1 nihil erat reliquum, — unde; 27, 2 war darauf hinzuweisen,
in welchem verhältniss die beiden satzreihen der parenthese zu
dem vorhergehenden stehn : quae volumus, credimus libenter be-
gründet sive auribus Vari serviunt, denn wenn Varus nicht liben-
ter geglaubt hätte , hätten jene nicht seinen auribus servire kön-
nen ; und quae sentimus ipsi etc. begründet die worte sive vere,
quam habuerunt opinionem, ad eum perferunt. Es findet also Chias-
mus statt.
28, 2 zu primam sacramenti — mernoriam konnte auf die
ähnliche Wendung BGall. V, 12 iis nominibus divitatum für no-
minibus earum civitatum hingewiesen werden.
33, 4 superioribus diebus constiterat bedeutet: an einem der
früheren tage, oder in den früheren tagen schon einmal. Denn
bis dahin hatte er sich nur einmal da aufgestellt. Es dürfte
in vergleich gezogen werden BGall. VII, 81, 4 ut superioribus
diebus.
34, 4. Bei Eebilus verdienen ; wenn man den mann näher
31*
484 274. Iulius Caesar. Nr. 10.
lernen soll, auch die stellen des BGallicum erwähnung, an denen
er vorkommt, VII, 83, 3; 90, 6; VIII, 24, 2; 27, 1; 30, 2.
38, 2 konnte bemerkt werden, dass BGall. VI, 35 — 41
das benehmen des legaten Cicero in gleicher weise rücksichts-
voll dargestellt, bezw. verschwiegen wird.
41, 6 konnte auf die ähnliche Schilderung BGall. V, 34
hingewiesen werden.
44, 1 wäre zu patres familiae eine sachliche bemerkung
wünschenswerth.
44, 2 Hess sich zu remisit vergleichen c. 38, 5 captivos-
gue ad eum reducunt.
Nicht wenige anmerkungen sind geändert, theils der sache
nach theils der form nach. Wir erwähnen nur 9, 3 zu surn-
mam, 11, 1 subito, 16, 3 spatio, 20, 2 tribuni cohortium, 32, 10
petiverunt ; besonders glücklich scheint uns die jetzige fassung
der bemerkung zu 31, 8 si quos — potuisset, die früher dem
schüler gar nicht verständlich war.
An manchen stellen freilich hätten wir noch änderungen
gewünscht. 11,2, 4 muss es heissen: warum Caesar die angäbe
der andern dimension unterlassen hat. — 9, 2 zu II tigna trans-
versa etc. muss statt „ nicht weit von den ecken " etwa so ge-
schrieben werden: „die diagonal auf den wänden des thur-
mes lagen und fast bis zu den äussersten ecken reichten". — 9,
3 heisst es: „sollten — die decken gegen die geschosse von
der seite schützen". Die gesperrt gedruckten worte müs-
sen wegfallen , da sie keinen sinn haben. Ebenso ungehörig
sind 10, 4 in der bemerkung zu quadratas regulas die worte
„und ebenso an dem untern rande eines jeden der balken, wel-
che der länge nach über den rnusculus gelegt waren", da der
sinn der textesworte durch den ersten theil der anmerkung schon
vollständig erschöpft ist. — Die anmerkung zu 12, 4 magna
cum misericordia ist noch zu lang. Die erklärung „so dass sie
grosses mitleid und jammern erregten" ist wohl aus sprachli-
chen und sachlichen gründen unzulässig. Das richtige ist im
ende der bemerkung enthalten, misericordia bedeute mitleid er-
regende klagen. Der zusatz ut ab hominibus doctis ist nicht al-
berner als so vieles andre in diesem abschnitt des zweiten bu-
ches des BCiv., s. Menge a. a. o. p. 8 — 12.
14, 6 ut — ita bedeutet hier nicht: zwar — aber, son-
Nr. 10. 274. Iulius Caesar. 485
dem wörtlich: gleichwie — so: „wie sie nachgelassen gehabt
hatten — so hatten sie". Die beiden plusquamperfecta remi-
serant und paraverant beziehen sich auf verschiedene Zeitabschnitte.
15, 2 musste hinter „ querbalken eingezogen'' der deutlichkeit
halber stehn: „die den mauern parallel sind".
21, 5 eadem ratione 'privatim ac publice quibusdam civitatibus
Tiabitis Jionoribus ist wohl unrichtig erklärt : „sowohl den einwoh-
nern der Staaten insgesammt , ihrem ganzen Staate , als einzel-
nen in demselben", und die weiter unten als die gewöhnliche
bedeutung bezeichnete auch hier am platz : „im namen des Staa-
tes und im eignen namen". Dafür spricht erstens die hinzufü-
gung von quibusdam civitatibus, mit denen sich privatim in je-
nem sinne nicht vertragen würde ; zweitens wird durch eadem
ratione auf §. 2 hingewiesen, wo man unter publicis privatisque
praemiis offenbar blos belohnungen im namen des Staates und
im eignen namen verstehen kann.
24, 4 fons quo mare succedit longius : ,,in der Vertiefung
— dringt das meer durch eine dort fliessende quelle
nach, dringt unterirdisch ein etc." Uns scheint die erklä-
rung von Held richtiger zu sein: das meer dringt in dem bette
der quelle weiter ins land hinein. — 25, 6 zu pronuntiare iubet
muss das citat lauten I, 61, 4, nicht 64, 4. — C. 28, 1 steht
geschrieben: „übrigens ist es bei dieser erklärung nicht nöthig
etc.", es geht aber gar keine rechte erklärung vorauf. Zu 31,
2 et opere et natura loci muniiissima hätte vor allen dingen citiert
werden sollen BGall. V, 9. 4 : locum et natura et opere munitum.
Ueber c. 32 wollen wir an andrer stelle im Zusammenhang
sprechen. — 40, 4 hostes fugere arbitratus bildet nicht die erläute-
rung zu praesentis temporis opinione, sondern die worte ad su-
periorem spem addita praesentis temporis opinione enthalten den
grund zu hostes fugere arbitratus.
Der kritische anhang ist von 16 Seiten auf 9 Seiten be-
schränkt worden. Hofmann bespricht fast nur die abweicbun-
gen seines textes vom Nipperdey'schen. Die vermuthungen an-
drer, die nicht in den text aufgenommen sind, sind fast nur er-
wähnt, wo Hofmann die Unsicherheit des textes dadurch an-
deuten will. Auch die Kraner'schen textänderungen, die keinen
beifall gefunden haben, werden nur selten noch erwähnt. Wir
bedauern diese knappheit des kritischen anhange3. Ist Hofmann
486 275. Iulius Caesar. Nr. 10.
laut der Überschrift dieses abschnittes auch nicht verpflichtet
mehr zu geben als er giebt, so würde es doch, da kritische aus-
gaben nur selten erscheinen , für den philologischen leser an-
genehm sein durch diese öfter erscheinenden Schulausgaben er-
fahren zu können, welche emendationsversuche seit der Veröf-
fentlichung der letzten kritischen ausgäbe gemacht worden sind.
Da natürlich Widerlegung aller verfehlt erscheinenden konjektu-
. ren nicht verlangt werden kann, so würden diese angaben nicht
allzuviel räum in anspruch nehmen , für den herausgeber aber,
der doch alles material vorliegen hat , wäre es eine kleine ar-
beit diese zugäbe beizufügen. Mg.
275. Wutke, quaestiones Caesarianae. Programm des
gymnasiums zu Neisse. 1872.
Der Verfasser billigt Mommsens urtheil, dass der autor der
Schrift de hello civili weit unter dem des bellum gallicum stehe,
und möchte am liebsten der behauptuug Heidtmanns (programm
von Essen 1864) beipflichten, dass erstere überhaupt nicht von
Caesar verfasst sei. Um dies zu beweisen, nimmt er mit je-
nem an, dass die Zeugnisse Suetons nicht auf das bellum civile
sich beziehen und dass die epistola Hirtii ad Balbum unecht
sei; ferner sucht er obige ansieht durch beibringung einiger
sachlichen gründe zu stützen.
I, 11 conjicirt Wutke: si peracto conventu non profectus
esset und erklärt peragere conventu?» , obgleich sonst diese Ver-
bindung nicht existirt, = pactum exsolvere, promissum praestare.
Der Verfasser des bellum gallicum würde allerdings ex pacto oder
ex conventu geschrieben haben; diese seltene diction ist also
dem vf. ein sicheres zeichen dafür, dass ein anderer als Caesar
die schrift verfasst hat. Mir erscheint es zunächst durchaus
unzulässig, dass man erst eine neue Wortverbindung in den text
hinein korrigirt und daraus dann Schlüsse auf einen anderwei-
tigen Verfasser zieht ; zudem sehe ich auch nicht ein , wie
mit obigem verbesserungsvorschlage das über der stelle lagernde
dunkel aufgehellt sei.
I, 16 werden die worte reeepto Firmo expulsoque Lentulo
vertheidigt und alle emendationen , obgleich dieselben viele
Wahrscheinlichkeit für sich haben, verworfen. Die logik ist
nun fast ganz dieselbe wie oben. Die kürze des ausdrucks
Nr. 10. 276. Iulius Caesar. 487
nämlich, die bei militärischen redensarten sehr häufig vorkommt,
und die Wahrscheinlichkeit, dass der autor des bellum gallicum hin-
zugefügt hätte ex itinerc, beweisen, dass wir zwei verschiedene
Schriftsteller vor uns haben. Das einfachste ist aber, mit (Deh-
ler statt Firmo zu schreiben Asculo; dann fallen natürlich alle
aus jener ersteren lesart gezogenen folgerungen sofort weg.
III, 69 vertheidigt Wutke mit Ostermann (Philol. XIV, p.
617) die lesart: ut alii dimissis equis eundem cursum confice-
rent, alii ex metu signa dimitterent, und verwirft alle conjekturen,
indem er so erklärt: „die auf dem linken flügel stehenden rei-
fer, deren vorher absichtlich keine erwähnung gethan ist, las-
sen ihre pferde los; die andern, die fussgänger, lassen die fah-
nen los und suchen sich zu retten. Ueber dimittere equos be-
merkt Forcellini: dies habe dann stattgefunden, wenn die reifer
die pferde hätten laufen lassen und zu fusse den kämpf fort-
gesetzt hätten. Dies war aber damals nothwendig, wenn die
reifer nicht von dem zehn fuss hohen agger in den neun fuss
tiefen graben mit den pferden hinabsetzen wollten. Immerhin
ist der ausdruck etwas dunkel und eben deshalb ein zeichen
dafür, „dass entweder ein anderer als Caesar das bellum civile
verfasst hat oder dass irgend ein excerptor über die vorher klare
und weitläufige Schilderung dunkel gegossen hat". Wutke hätte,
um die vulgata zu schützen, noch hinzufügen können, dass ein
sehr schöner parallelismus stattfinde, insofern als dimittere equos
dem dimittere signa gegenübersteht; die reifer geben ihre rosse
auf, das liebste und beste, was sie haben, — die fussgänger
werfen ihre feldzeichen fort , für deren rettung sie alles hätten
wagen sollen. Der obigen erklärung stimme ich bei, nicht
aber dem daraus gezogenen Schlüsse; denn das haben meines
erachtens das bellum civile und bellum gallicum gemein, dass
mancher stelle die wünschenswerthe deutlichkeit und ausführlich-
keit abgeht. C. Härtung.
276. Schulwörterbuch zu den Schriften des Gaius Iulius
Caesar mit besonderer berücksichtigung der phraseologie von
Dr Heinrich Ebeling, Oberlehrer. 8. Berlin H. Ebeling
und 0. Plahn. 1871.
Das buch wird schülern bei der praparation gute dienste
leisten, weil sie sich leichter darin zurechtfinden, als in einem
488 277. Sallustius. Nr. 10.
vollständigen lexicon und weil es andrerseits so eingerichtet
ist, das es ihnen die mühe des nachdenkens, wählens und Über-
setzern nicht erspart. Druckfehler sind selten, wie p. 8 dbjectu
statt objectu unter adversus, theätrum st. the ütrum etc. Citate sind
fast nur unter den eigennamen gegeben, wo sie schwerlich irgend
jemand suchen wird, weil man sie vollständiger bei Nipperdev,
in Kraner's Tauchnitz'scher ausgäbe u. s.w. finden kann. Hätte
dagegen der Verfasser, wozu doch hier gelegenheit war, sie für
grammatische eigenthümlichkeiten , oder für sachliche details
gegeben, so würde das buch zugleich die stelle eines index La-
tinitatis gewonnen haben und für den lehrer wie für den ge-
lehrten annehmbar geworden sein. Dass tacitus „schweigend,
still" heisst, dafür braucht niemand die anführung einer stelle,
die der verf. freilich merkwürdiger weise giebt; dagegen kann
es von Wichtigkeit werden, den abschnitt sofort aufzufinden, wo
Cäsar deperdere im sinne von amittere, wo er praestare, übertref-
fen, ausnahmsweise mit dem accusativ, wo er praestat , es ist
besser, mit doppeltem infinitiv, oder wo er es mit einem infini-
tiv und quam (non) mit dem conjunctiv braucht ; an welchen
stellen apertum latus vorkommt zu überblicken, kann wegen der
auslegung dem gelehrten und lehrer nothwendig werden, eine
Sammlung der fälle, wo duplex acies , triplex acies gesagt wird,
äusserst wünschenswerth sein. Wenigstens hätte dies verfahren
die brauchbarkeit des buchs erhöht und seine ausdehnung nicht
vergrössert und der Verfasser hätte sicherlich die umsieht mit-
gebracht, die erwähnenswerthen nachweisungen herauszufinden.
277. De Catilinae Sallustiani fontibus ac fide. Dissertatio
philologica quam . . scripsit vitam suam praemisit Henricus
Dübi. 8. Bernae. MDCCCLXXII. V & 47 pp.
Die mit umsieht und gelehrsamkeit verfasste Schrift von
Dübi handelt im 1. capitel de fontibus , a quibus Sallustium rivos
suos aut diduxisse sumamus aut deducere potuisse putemus. Wir
haben zu diesem mehr allgemein orientierenden als bestimmt
argumentierenden theile der abhandlung nur zwei bemerkungen
zu geben: erstens dass hier wie in den folgenden abschnitten die
Schrift de petitione consulatus mit unrecht als historische quelle neben
den reden des M. Cicero betrachtet wird , obwohl jene nach
inhalt und form diese reden zur grundlage hat. Zweitens er-
Nr. 10. 278. Sallnstins. 489
scheint es unrichtig, wenn p. 5 wie p. 8 die angäbe Sallust's
Cat. 6, 1 über die gründung Roms durch flüchtige Trojaner
auf Cato's Origines zurückgeführt wird. Denn Cato sagt nach
dem Zeugnisse des Servius : primo Italiam tenuisse quosdam qui
appellabantur Aborigines , Sallust aber urbem Rom am. Auch
die von Sallust unseres Wissens sonst nicht gebrauchte formel
sicuti ego accepi, wofür im Jugurtha mehrere male accepimua
gesetzt wird, weist offenbar auf eine nicht für jedermann, son-
dern gerade für den Schriftsteller zugängliche Überlieferung hin,
die wir gewiss richtiger in dem von Ateius Philologus für Sal-
lust niedergeschriebenen breviarium verum omnium Romanarum
(Suet. gramm. 10) als in den allbekannten Origines finden kön-
nen. Wie diese formel , so hat auch die Verschiedenheit der
einführungsformeln einzelner reden, worauf besonders Kratz
hingewiesen hat, bei Dübi keine genügende beachtung gefunden.
Im 2. capitel: quomodo Ms fontibus ad describendam Catilinae eon-
iurationem usus sit, finden wir die vorliegende litteratur über
diesen stoff, besonders Hagen und Wirz, Dietsch und Momm-
sen sorgfältig und mit freiem urtheile benützt, vermissen da-
gegen die ausbeutung von Ihne's Vortrag auf der Würzburger
philologenversammlung (verhandl. p. 105 — 115). Im einzelnen
aber bietet sich, was ebenso sehr in der natur der sache als
in der behandlungsweise des vfs. begründet ist, so mannichfa-
cher anlass zu Widerspruch, dass wir uns für die hauptsächlich
controversen punkte eine eigene erörterung vorbehalten müs-
sen. Bei aller anerkennung, welche im übrigen der schritt ge-
zollt werden muss, ist doch zu constatieren, dass die Übersicht
sehr erschwert wird, indem die einzelnen ergebnisse nicht unter
umfassende gesichtspunkte gestellt sind. Vielleicht wird uns das
facit der einzelforschung in der vom vf. in aussieht gestellten
abband lung de Plutarcho Appiano Cassio Dione Catilinae coniura-
tionis auetoribus geboten, welche gleichsam als 3. capitel die
frage erörtern soll , quo consilio quibusque auxiliis eam quam vi-
demus libri formam atque ordinem compararit quidque de eius na-
tura virtuteque iudicandum sit.
278. Due manoscritti di C. Sallustio Crispo della Biblio-
theca di Fermo. Notizia per Lucian o Sissa. 8. Fermo. 1872.
Umsonst freute sich ref. in der erwähnten schritt eine be-
490 278. Sallustius. Nr. 10.
reicherung des kritischen apparats zu Sallust zu finden und da-
von den lesern des Anzeigers nachricht zu geben. Freilich
nach dem urtheil des verf. wetteifern die beiden handschriften
an gute mit den besten, deren lesarten in der ausgäbe von
Dietsch enthalten sind ; sie sind aber völlig werthlos, und er-
weist sich jener, obwohl er die leistungen von Dietsch und Jor-
dan kennt und ihre bücher citirt, als nicht competent in die-
ser sache mitzureden. Die eine handschrift von pergament,
FI — die ordnungsnummer der bibliothek wird nicht angege-
ben — gehört der zweiten hälfte des XIV. Jahrhunderts an,
und enthält den Catilina, vom Iugurtha nur wenige perioden
zu anfang ; die andere , F II, 50 pergamentblätter stark , ist
vollständig, mit vielen randbemerkungen versehn, aber noch jün-
ger, aus dem anfang des XV. Jahrhunderts. Es kennzeichnet den
Standpunkt des verf., dass er die Stellung dieser handschrift,
welche mit der erstem nahe verwandt ist, lediglich bemisst nach
dem fehlen der worte lug. 44, 5 negue muniebantur , und 21, 4
de controversiis suis iure potius quam hello disceptare, aber nichts
davon sagt, ob sie die grosse lücke im schluss des lug. c. 103 —
113 hat oder nicht, und dass er den beweis für den werth
beider damit einleitet, dass er vierzehn lesarten bis zum cap.
20. des Catilina mit den in der vorrede der textesausgabe
von Dietsch (1863 — vielmehr 1867) gegebenen bemerkungen
zusammenstellt, ohne wahrzunehmen, dass die einen als mit
der vulgata 1) stimmend nichts beweisen, andere grade auf Ver-
wandtschaft mit jungen und interpolirten handschriften wei-
sen, so 5, 9 ex pulcherrima et optima mit p 5 g 5 y, 14, 5 molles
et aetate fluxi z. T wie P 4 p 3 90?. Diese Verwandtschaft zeigt
nun auch in einer reihe von fällen die vergleichung der lesart
der vom vf. aus F II abgedruckten stücke, nämlich Cat. 1 — 5,
20 und 51, lug. 1 — 4 mit dem apparat bei Dietsch; derselbe
hat sich begnügt, dem texte aus F2 die abweichungen von Diet-
schens text (1868), und theilweise diejenigen von F 1 fol-
gen zu lassen. Eef. setzt nun jene vergleichung her, und fügt
dann ein verzeichniss der Originallesarten der Fermaner bei ;
auf erschöpfende Vollständigkeit hat er es nicht abgesehen:
1) Bei der gelegenbeit sei bemerkt, dass Cat. 2, 2 die beiden
guten pariser handschriften P und PI compertum est haben, und dass
est im text von Jordan aus versehen ausgefallen sein muss.
Nr. 10. 278. Sallustius. 491
Cat. I, 1 animantibus F 2 mit P 3 g 457 y\ 2 omnis nostra vis
Fl mit P4F p56 g6 r cy 902; 3 gloriarn opibus F 2 mit
g 5 ; 4 m'rtas animi F 1 mit s 2, vgl. P3; 5 serf dm £n£er mor-
tales magnum certamen fuit F 1 mit y ; 6 num priusquam F 1 mit
P3 p5 gg 46 ly; II, 1 id nomen imperii Fl mit p5 gl 1902;
2 habuere F2 mit rj'g 5-, 4 mutatur F2 mit gg 7 p 3 ; 6 quem-
que Optimum F 1 mit 902 ; 7 virtuti parent F 1 mit G ; 9 £o-
«ae artis F 1 mit p 5 m 2 y 902 ; aZmd aZz/s F 2, vrgl. g 1
aZ2Md Äer afeYs natura ; III, 1 e£ benedicere F 1 mit g 6 ; 2
arduum michi Fl mit ff; quisque versetzt F 1 mit g6; 4 «'•
mus insolens malarum artium aspernabatur F 1 mit y ; IV, 1
mihi consilium F2 mit g5; 2 studio ambitio F2 mit lg 7 ;
eodemque F 1 mit 902 ; digna memoria F 1 mit 6 p 6 g 2 ; 4 inpri-
mis memorabile F 2 mit lg 6 ; extimo F 2 mit g 5 ; XX, 2 vestra
mild F 1 mit 902; 5 animo ac mente F2 mit g 56 ; 8 volunt Uli
Fl mit M 1 g 1 ; 11 ingenium tolerare Fl mit 1, vgl. g2; 15
cohortentur F 2, vgl. g5 -antur\ LI, 10 accendat F2 mit 1902;
15 meminere postrema mit m 1 g45; 17 crudelis videtur mit p. 5 ; 24
gwd convenit mit r; 29 ea facta mit p 3; 29 ^m dicere mit P4
p 3 g 5 ; 42 parata mit M2 p m2 sl g6; lug. I, 1 de sua
natura mit p 35 gl5. Aus dieser Zusammenstellung ergiebt
sich, dass Fl mit 6 gleichen lesarten dem 902, mit 5 dem y,
mit je 4 dem p 5 und g6, mit 3 dem 1 nahe, F 2 mit 10 dem g5
am nächsten steht, mit 4 mit p 3, mit je 3 mit g 7 und 1 stimmt,
und zweifelsohne zur zweiten handschriftenspruppe gehört; es
kommt dazu dass g 5 nach Dietsch aus Italien stammt. Die Über-
einstimmung von F 2 mit andern handschriften kommt übrigens
in dem ersten bruchstück häufiger vor, in den folgenden über-
wuchern immer mehr eigene lesarten, die noch mehr die Wert-
losigkeit der handschriften zeigen: Cat. I, 5 sed diu certamen
magnum inter mortales fuit ; II, 1 diver si ingenium ; III, 5 cupido
et eadem que; IV 2 videbantur digna perscribere ; XX, 2 res ac-
cidisset ; 3 in multis ; 5 iam omnes ; 6 in libertate ; 7 dictionem / 9
ludibrio fiuistis ; amictere ; 10 per deum; fidem obtestor', 11 et no-
bis familiärem rem; nova dirimunt; 13 denique reliqui; 14 praemia
prebet (in rasur); 15 mea oratio; 16 abierit ; LI quisquam homi-
num; 8 approbo consilium ; 9 capl virgines; parentum conspectu
(in rasur); 10 ubi vos; quem scilicet; promovit ; 12 in iracundia;
16 disseruerunt ; 18 metus iniuria; 20 eum cuncta mala mortalium]
492 279. Livius. Nr. 10.
23 tanti sceleris; 25 et enim; 30 teuere; 32 sceleratos; 33 concu-
piptorum numero esset; 35 in hijs temporibus; in tarn magna; 38
imitari bonos; 42 fuit in Ulis; 43 neu postea quis; lug. I, 1 bre-
ms evi; 3 potensque clarus neque; JI, 3 occidunt über der linie;
III, 1 michi ebenfalls; IV, 1 memoriam; 2 meum extollere] fore
quia ; 3 industria maxima ; plebem in conviviis ; 4 in quibus ; ne-
quiverit; 7 omnium hominum in rasur; soliciti; 8 ac perinde; 9
dura civitatis. Originale lesart von Fl sind Cat. II, 3 »legue
afeW aZio cerneres neque imutari ac misceri ; III , 2 plerique de-
licto; 5 cupido onorisque eadem ceteros. IV, 2 metuque; 5 exploranda;
narranda ; XX , 1 Caf e Zina öwos paulo ante ubi eos convenisse
memoravi videt; apelare. cohortari; 4 nolle-velle; 5 ego ea que;
vos omnes ; 6 in dies magis magisque in dies \ vitaeque cond. ; sit
fut. ; 7 et popidi; ceteri nos ; 9 praestat - emori ; 1 1 familiärem la-
rem nusquam usum esse; 13 igitur non; 14 oculis nostris. End-
lich macht der verf. in einer note zu lug. III, 1 den verun-
glückten versuch, die lesart von F 2 : per fraudem vis fuit, uti-
que aut eo etc. als die ächte nachzuweisen; wie wenn, ihre rich-
tigkeit zugegeben, daraus irgend etwas für die vorzüglichkeit
der handschrift folgte. H. Wz.
279. Diem sacrum ab s. Ludovici nomine nuncupatum
in honorem Serenissimi et potentissimi principis et domini Lu-
dovici III. magni ducis Hassiae et ad Rhenum civibus acade-
miae Ludovicianae omni qua par est observantia et reverentia
celebrandum rector cum senatu indicit. — Insunt Eduardi
Luebberti Observationes criticae de T. Livi Libri quarti
fontibus. 4. Gissae. Typis officinae Bruchtianae academicae (Fr.
Chr. Pietsch). MDCCCLXXn.
Nach einer längeren einleitung, in welcher der Verfasser
von der Übertragung späterer Vorgänge in der römischen ge-
echichte auf ältere zeiten redet und dieselbe nach Nissen Rh.
Mus. 1870, p. 42 ff. an der clades Caudina, nach Mommsen an
dem beispiele des Sp. Cassius (Hermes bd. V, p. 228 — 243),
des M. Manlius Capitolinus (Hermes bd. V, p. 253 ff.), der gens
Minucia und Genucia (Rom. forsch, bd. I, p. 65 ff.) nachweist,
wendet er sich p. 16 zur besprechung von Livius lib. IV, 48,
1 — 51 , 6. Livius erzählt dort von den gesetzesanträgen des
Sp. Maelius und M. Metilius , des L. Decius und M. Sextius,
Nr. 10. 280. Spartianus. 493
die den leges Liciniae vorausgingen. Der verf. findet hier zwei
quellen verschiedener parteistellung vereinigt; eine patricisch
gefärbte beginnt IV, 48 , 1 , wo Livius seine bisher benutzte
quelle verlässt, um ihr zu folgen, und geht bis c. 49, 7 ; von
dort beginnt ein plebejisch gesinnter autor bis c. 51, 6. Den
Verfasser der ersten hälfte nennt uns Luebbert nicht; der der
zweiten soll Licinius Macer sein.
Es lässt sich nicht läugnen, dass zwei verschiedene ge-
währsmänner zu gründe liegen müssen; namentlich c. 48, 1 —
4 und. 51, 5 stehen in ziemlich direktem Widerspruche. Auch
war dies so wie der Charakter der quellen den herausgebern
durchaus nicht entgangen , vgl. Weissenborns anmerk. zu Liv.
IV, 51, 5. Lange, röm. alt. I, 448. (524). Auch die ver-
schiedeneu sachlichen bedenken der Überlieferung waren theils-
von Weissenborn IV, 48, 4 — 5, theils von Mommsen, röm.
Chron. p. 80. 109 hervorgehoben. Ebenso hatte Peter, hist.
rom. reliq. p. CCCXXXXVI1I schon den Licinius Macer
richtig als quelle für c. 51, 5 und viele andere stellen des
IV. buches erkannt. Bei diesen Voraussetzungen lag der
nach art des Livius schlecht verkleidete Übergang von ei-
ner quelle zur anderen c. 49, 7 klar zu tage; ebenso konnte
darüber kein zweifei sein, dass nach c, 51, 7 nicht Licinius,
sondern ein aristokrat rede, wie ja 52, 1 der anfang An-
num modestia tribunorum insignem etc. zeigt. Wenn der vf. da-
gegen behauptet, c. 48, 1 verlasse Livius seine bisherige quelle,
so ist er im irrthum; gründe wenigstens ist er uns schuldig
geblieben; denn der blosse umstand, dass eine reihe magistrats-
namen und eine trockene historische bemerkung folgen, berech-
tigt nicht zu dieser annähme, da der Charakter der vorausge-
henden erzählung von Servilius Priscus und seinem söhne dem
folgenden durchaus entspricht. — Immerhin aber ist zuzu-
geben, dass durch diese abhandlung die herrschenden ansichten
über diese stelle, sowie über das vierte buch überhaupt, bestä-
tigt sind. F. F.
280. Spartiani vita Hadriani commentario illustrata. Di-
sputatio prior. Scripsit Julius Centerwall. 8. Upsaliae
1869. 90 pp.
Der gedanke die scriptores historiae Augustae nach Casau-
494 280. Spartianus. Nr. X0.
bonus und Salmasius mit einem neuen commentar zu versehn,
den wüst der in ihnen uns überlieferten historischen notizen
auf grund des reichen uns in der letzten zeit zugeflossenen
materials kritisch zu würdigen und die spreu von dem weizen
zu sondern, ist gewiss ein zeitgemässer , und so wird der in
der angezeigten schrift gemachte versuch eines jungen schwedi-
schen gelehrten ohne zweifei von allen , welche sich mit der
geschichte der römischen kaiserzeit beschäftigen, freudig be-
grüsst werden. Derselbe war erst ein jähr vor ihrer heraus-
gäbe durch die aufforderung eines freundes ihm bei einer doc-
tordissertation über das leben des Hadrian zu opponieren, auf
dies thema geführt worden, hat aber, offenbar gestützt auf eine
gründliche methode des geschichtlichen Studiums, in dieser zeit
viel historisches material gesammelt und legt nun in dieser
erstlingsarbeit dem gelehrten publikum den text von Spartians
vita Hadriani nebst dem kritischen apparat (p. 3 — 24) und den
commentar zu cap. 1 — 17 (p. 25 — 90) vor. Der letztere be-
schäftigt sich vorwiegend mit den historischen Verhältnissen und
persönlichkeiten und hat das verdienst, die uns jetzt durch Na-
poleon III bequem zugänglich gemachten werke von Borghesi
für die interpretation der ersten hälfte der vita in verständiger
weise ausgebeutet zu haben. Im übrigen ist der commentar
ungleich und wird von cap. 12 an sogar recht dürftig: denn wäh-
rend die besprechung der ersten 11 capitel 52 seiten füllt, wird
die der sieben folgenden auf 10 Seiten abgethan, ohne dass man
sagen könnte, hier wäre weniger zu erklären gewesen. Der
verf. hat sich die aufgäbe eines comnientators nicht klar genug
gemacht und ist vielfach über die grenzen seiner aufgäbe hinaus-
gegangen ; so giebt er zu den Worten Spartians c. 3, 1 : Quaestu-
ram gessit Traiano quater et Articuleio consulibus, eine 3x/2 Seiten
lange abhandlung (p. 36 — 39) über die Stellung der quästur
unter den kaisern ; zu c. 3, 4 tribunus plebis factus est spricht er
zwei seiten lang (p. 42 — 43) über das volkstribunat und zu c.
3, 8 praetor factus est p. 45 — 48 über die prätur in der kai-
serzeit — zu viel für einen commentar, nicht erschöpfend für
eine Specialuntersuchung. Anderes aber ist nicht einmal be-
rührt, z. b. die frage über die persönlichkeit des Apollouius
Syrus Platonicus c. 2, 10, über Pharasmaues c. 13, 9. 17,
12, oder viel zu kurz abgemacht, wie die Untersuchung über
Nr. 10. 280. Spartianus. 495
den für die historische kritik der Scriptores so höchst wichtigen
Marius Maximus, bei welcher dem verf. die früher im Giornale
arcadico veröffentlichte, jetzt in die Oeuvres (V, p. 455 — 481)
aufgenommene abhandlung Borghesi's (Interno alV iscrizione Ar-
deatina di Mario Maximo) entgangen ist, oder über das verzwei-
felte consulpaar c. 3, 8 praetor /actus est (Hadrian) sub Surano bis
et Serviano iterum conss. Es kann hier nur ein zweifei darüber
walten, ob das jähr 106 oder 107 gemeint ist (s. Borghesi Oeu-
vres IV, p. 122 und Renier in d. anm. z. d. st.): aber 106 waren
die coss. ordinarii L. Ceionius Commodus Aurelius Annius Ve-
rus und Tuccius Cerialis, 107 L. Licinius Sura M und Q. So-
sius Senecio II; man könnte nun allerdings annehmen, dass,
was ja auch sonst geschehen ist, die coss. suffccti zur jahresbe-
zeichnung gewählt sind : allein (L. Iulius) Servianus ist schon
im j. 102 (mit L. Fabius Iustus) zum zweitenmal consul gewesen
und war es erst im j. 134 zum dritten mal (Mommsen im Her-
mes III, p. 136 ff.)j auch den andern namen habe ich früher
auf grund der norisianischen und idatianischen fasten und des
chronicon Paschale, die den Suranus im j. 104 mit Marcellus zu-
sammen consul sein lassen, verdächtigt und für sub Surano bis
vorgeschlagen Suburano bis, auf welche vermuthung auch Cen-
terwall gekommen ist. Jetzt sind aber als coss. ordinarii des
j. 104 durch eine ephesische inschrift S. Attius Suburanus II
und M. Asinius Marcellus von Mommsen (Hermes III, p. 132)
authentisch festgestellt und damit der name des Saranus
gesichert und jene conjectur als unrichtig erwiesen worden.
Was nun den zweiten namen anbetrifft, so hat Christ aus ei-
nem kürzlich gefundenen militärdiplom das consulpaar C. Mini-
cius Fundanus und C. Vettenius Severus dem j. 107 zugewie-
sen (s. diesen Anz. 1869, p. 181), und so könnte man mit Strei-
chung des iterum (Dodwell, praelectt. Camden. p. 431) für Ser-
vianus den Severus einsetzen — wenn man nicht einfach die
lesart der handschriften beibehalten und Spartian eines irrthums
zeihen will. Der annähme Nipperdey's (Var. observ. ant. Rom.
cap. I, p, 14 sq. im Ind. lect. Jen. 1871), jene consulbezeich-
nung sei interpoliert und Spartian habe ursprünglich praetor
/actus est isdem consulibus geschrieben, kann ich nicht beitreten.
Um nun noch eine kleine auslese von Zusätzen und cor-
recturen zu dem commentar zu geben, so hätte sich der verf.
496 280. Spartianus. Nr. 10.
über die secunda legio adiutrix (p. 32 sq.) die beste auskunft
holen können bei Aschbach (die römischen legionen prima und
secunda Adiutrix in den Sitzungsber. der k. k. akad. d. wiss.
bd. 20, p. 396); sie stand im j. 94 oder 95, als Hadrian ihr
tribun war, in Britannien (s. Dierauer, zur geschichte Trajans
p. 74 und die dort citierte abhandl. von Grotefend). In be-
treff des Licinius Sura (p. 35) ist die inschrift nr. 5448 bei
Henzen übersehn, welche, wie Borghesi (in den Annal. 1846,
p. 343 = Oeuvr. V, 32) nachgewiesen hat, sich auf ihn bezieht
und zahlreiche daten über sein leben enthält ; die von Tillemont
vermuthete abstammung wird durch andere inschriften bestätigt :
er war aus Tarraco (s. Mommsen im Index zu Keils Plinius
p. 417). Die beiden dacischen kriege sind 101 — 102 (nicht
103) und 105 (nicht 104) — 106 geführt worden (s. Dierauer a. o.
p. 92. 105). Das consulat des Baebius Macer (p. 56) ist kaum
mit Baiter ins j. 101 , sondern in das jähr 103 oder 104 zu
setzen (Mommsen im Hermes III, p. 45. 138), das zweite des
L. Catilius Severus nicht in das j. 123, sondern 120 (Henzen,
act. Arv. p. 70. Mommsen im ind. Plin. p. 406); der c. 15,
7 erwähnte Ummidius (oder Umidius) Quadratus war cos. suf-
fectus im j. 118 (Henzen a. a. o. p. 65) und wird von Momm-
sen (ind. Plin. p. 430) für identisch mit dem freunde des jün-
geren Plinius gehalten.
Bei weitem der schwächste theil der arbeit ist der kriti-
sche: so tüchtig die grundlage ist, auf welcher der verf. seine
historischen Studien aufgebaut hat, so wenig genügt die philo-
logische; vor allen dingen fehlt es ihm an jeder kenntniss der
spräche der Scriptores (ja p. 54 ist es sogar passiert, dass vf. für
adscitum esse ein präsens adscire hinstellt) und auch an der für
eine solche arbeit unumgänglich nothwendigen Sorgfalt; z. b. heisst
es p. 54 (zu c. 5, 1) : „operam intendit" Pal. „impendit" sed ab emen-
datrice manu, ut ait Gruterus, cum quo consentiunt Eyssenhardt et
Jordan, während Jordan in seiner anmeikung sagt: „impendit" ante
corr. P.,also gerade das gegentheil von Gruter; c. 21, 3 bat Bern-
hardy saeve emendirt, nicht severe; c. 6, 7 steht im Bamb. maurata-
nee nicht mauretanee^, wie p. 21 und 60 angegeben wird, und
ähnl. In der Orthographie hat Centerwall gar kein prineip ver-
folgt: c. 11, 5 hat er aus den handschriften richtig inioeundum auf-
genommen, c. 15, 2 die lesart der handschriften ioeundissimum in
Nr. 10. 281. Hieronymus. 497
iucundissimura verändert; c. 16, 27 die richtige form rutundos ver-
schmäht, c. 20, 9 die form numenclator (vgl. numiclatori bei Hen-
zen n. 6547) u. s. w. Die gleiche inconsequenz zeigt sich
auch in der Schreibung der eigennamen.
Der text ist im wesentlichen der durch die beiden neuen
ausgaben gewonnene, in welchem nur sehr wenige Veränderun-
gen vorgenommen sind ; von diesen sind Verbesserungen zu
nennen die einsetzung des namens Platorius Nepos c. 4, 2 und
23, 4 (für Plaetorius) nach Borghesi Oeuvres VI, 216 und III,
122, und c. 5, 3 nach Casaubonus Libya denique ao Palaestina
rebelies animos efferebant für Lycia (vrgl. Euseb. chron. a. 2130
Abr., p. 165 Seh.: Iudaei qui in Libya erant adversus cohabitato-
res suos alienigenas dimicant). Eigene vermuthungen sind vor-
geschlagen z. 3, 8 {Suburano für sub Surano), c. 11, 19 [regi-
mine morum für regio more), c. 17} 4, wo sibi nach iussit einge-
schoben werden soll, c. 20, 11 novit (für novit)] von die-
sen aber erweist sich die erste durch das oben gesagte, die
vierte durch eine bemerkung Haupts (Hermes III, p. 217) als
nicht richtig ; an der zweiten stelle ist an der handschriftlichen
lesart festzuhalten, die dritte conjeetur aber trifft den auch an-
derweitig in dieser stelle gefundenen sinn.
Eine förderung der texteskritik darf man also in dieser
schritt nicht suchen ; die historische seite der erklärung aber
hat durch sie manchen gewinn erfahren, so dass wir dem noch
ausstehenden zweiten theile des commentars der vita Hadriani
und den excursen mit interesse entgegensehn und uns freuen
würden, wenn vielleicht unterdes der verf. seinen plan auf die
6ämmtlichen biographieen dieser Sammlung ausgedehnt hätte,
B. P.
281. Hieronymus quos noverit scriptores et ex quibus hau-
serit, scr. Aemilius Luebeck. 8. Lips. 1872. 228 s. —
20 gr.
Hieronymus ist ein bemerkenswerthes beispiel von klassi-
scher gelehrsamkeit in einer sonst so barbarischen zeit, und es
ist gewiss der mühe werth auch wegen des rückschlusses , der
daraus in mancher hinsieht auf die ganze zeit gezogen werden
kann, genau zu ermitteln, wie weit sich seine gelehrte kennt-
niss auf die griechische und römische literatur erstreckt. Diese
Philol. Anz. V. 32
498 282. Quintus Cicero. Nr. 10.
arbeit hat Luebeck auf sich genommen, und je umfangreicher
und zum grossen theil abstruser die werke des Hieronymus
sind, je mühsamer es also ist, sie durchzustudieren und die
spuren der benutzung anderer schriftsteiler (selbstverständlich
auch da wo dieselben nicht genannt sind) zu verfolgen, um so
grösseren dank ist ihm die gelehrte weit schuldig.
Das hauptresultat seiner Untersuchung giebt der verf. im
eingang selbst dabin an , dass Hieronymus von griechischen
Schriftstellern nur Herodot, Xenophon und besonders Josephus,
von römischen Plautus, Terenz, Vergil, Horaz, Cicero, Sallust,
Varro, Quintilian, die beiden Plinius, Seneca und Sueton selbst
gelesen und benutzt habe. Wenn ausserdem noch schriftstei-
ler genannt und anführungen aus denselben gemacht werden,
so beruht dies nach des verf. ansieht auf entlehnungen aus an-
dern Schriftstellern. Nach jenem eingang geht dann der verf.
die einzelnen Schriftsteller erst der griechischen , dann der rö-
mischen literatur durch, indem er überall zuerst (unter A) die
stellen, wo sie genannt werden , dann (unter B) die aus ihnen
entlehnten worte oder gedanken anführt und dabei untersucht,
ob und in wieweit eine unmittelbare oder mittelbare benutzung
anzunehmen sei. Letzteres freilich muss, wie sich der verf.
selbst nicht verhehlt, in sehr vielen fällen zweifelhaft bleiben,
so dass diese frage sehr häufig nur vermuthungsweise beant-
wortet werden kann. Man wird daher auf manches stossen,
worin man zu einer abweichenden ansieht hinneigt , wie wenn
er z. b. (p. 201) zwei sehr bekannte geschichten auf Livius
zurückführt, während dieselben auch anderwärts mehrfach be-
richtet werden und die Übereinstimmung in der form eine sehr
geringe ist. Indessen thut dies dem werthe des buchs keinen
eintrag, da der verf. überall den stand der sache vollständig
darlegt und in solchen fällen seine ansieht selbst nur als ver-
muthung ausspricht.
282. Almae litterarum paienti Ludovico -Maximilianae Mo-
nacensi quarta solemnia saecularia auspicato celebranda gratula-
tur gymnasium Virceburgense interprete A. Eussnero. Inest
commentariolum petitionis examinatum atque emendatum. 4.
Virceburgi MDCCCLXII. 43 pp.
Wiederholt hatte der verf. zweifei an der ächtheit der un-
Nr. 10. 282. Quintus Cicero. 499
ter Q. Cicero's namen gehenden schrift von der consulbewerbung
laut werden lassen; in der erwähnten abhandlung legt er die be-
gründung derselben dem urtheil der fachgenossen vor. Zunächst
findet er es auffällig, dass die schrift mit ihren räthen und win-
ken an M. Cicero nicht den anfang der bewerbung zum ausgangs-
punkt nimmt, sondern damit mitten in diese hineinfalle, da je-
ner schon zwei mitbewerber aus dem felde geschlagen, nur an
Catilina und Antonius ernstliche, an zwei andern ungefährliche
concurrenten habe; — mit Bücheier (Leipzig 1869) nimmt er
den ersten monat etwa des jahrs 690=64 als die (fingirte) zeit der
abfassung an; dies verrathe den vf., dem es mehr um aufstellung
theoretischer Vorschriften, denn um die angäbe historischer that-
sachen zu thun gewesen ; so sei er der Schilderung der andern
candidaten, abgesehen von Catilina und Antonius, überhoben.
Zweitens wie reime es sich, dass der vier jähre jüngere bruder
Quintus , der es noch nicht einmal zur prätur gebracht , dem
allbekannten und beliebten redner , verdienten quastor , aedilen
und praetor, winke gebe, die zumal nichts besonderes ent-
halten, sondern die übersichtliche Zusammenstellung des die-
sem aus alter praxis her bekannten. Darum könne die schrift
auch nicht als ein brief betrachtet werden, mit rücksicht auf das
wesen des briefs, vgl. ad Quint. fr. I, 1, 13, 37, zumal da nicht
angedeutet, ob der adressat in oder ausser Eom zu denken sei.
Aber auch auf die bezeichnung commentariolum petitionis nach 14,58
könne sie nicht eigentlich anspruch machen, da sie die eine Vor-
bedingung der auszeichnung , die kriegerischen lorbeeren, vgl.
or. p. Mur. 14, 30, ausser acht lasse, ferner nicht von der amtsbe-
werbung überhaupt, sondern von der consulatsbewerbung, aber
auch von dieser nur im engern sinne der damals gesetzlichen
und üblichen ambitio handle.
Ferner nimmt der verf. anstoss an stil und haltung der
schrift, die ihm nicht zu stimmen scheinen mit dem was über
Quintus' literarische leistungen überliefert und was von demsel-
ben erhalten ist; dieselbe weist nur vier, oder vielmehr nur
zwei übertragene ausdrücke auf; dagegen häufung von rhetori-
schen fragen und der figuren der anaphora und adnominatio,
stehende formein in den Übergängen. Um zu zeigen , mit
welch pedantischer genauigkeit der stoff nicht nur eingetheilt,
sondern in aufzählungen zerstückelt sei, unterzieht der vf. die
32*
600 282. Quintus Cicero. Nr. 10.
Schrift einer eingehenden analyse ; die Schablone verrathe der
umstand, dass hie und da für die unterabtbeilungen die gedan-
ken nicht ausreichen und Wiederholungen eintreten; den unge-
wandten Stilisten der mangel an wortvorrath und daher die
Vorliebe für gewisse Wörter und Wendungen. Charakteristisch
ist nun, dass in der nur fragmentarisch durch Asconius erhal-
tenen rede des M. Cicero in toga Candida einige gedanken in
gleichen oder ähnlichen ausdrücken auch in unserer schrift sich
finden: sie sind schon von Bücheier zusammengestellt, und die
Sache ist dahin erklärt, dass Marcus dieselben aus Quintus' schrei-
ben hinübergenommen, nicht dass er sie, der aufforderung die-
ses am Schlüsse nachkommend, da hineingebracht habe. Dass
vielmehr ein späterer des Marcus rede geplündert habe, sucht
der vf. nachzuweisen, indem eine anzahl stellen aus der rede für
Murena und aus dem ersten briefe an Quintus mit stellen aus
dem angeblichen schreiben des Quintus an Marcus zusammen-
gestellt werden ; besonders aus dem briefe an Quintus finden
sich gewisse Wörter und Wendungen hier wieder.
Der vf. bestreitet im fernem, dass aus der scheinbaren
abfassungszeit 690=64 eine Instanz gegen die Urheberschaft ei-
nes spätem abgeleitet werden könne ; es sei in bezug auf das
jähr die fiction durchgeführt wie in der person des adressaten;
wogegen er aus der rolle gefallen, wo er dem candidaten rath
gebe über Verstellung und lüge, c. 9. 11 f., was zu Quintus'
schroffem aber ehrlichem Charakter nicht passe, und wo er
von Marcus' verhältniss zu den parteien und Pompeius rede,
c. 1, 4, 13, weil dergleichen äusseruugen bekannt geworden
ihn compromittiren mussten, wenn sie auch sachlich zutrafen.
Eine sachliche Unmöglichkeit findet vf. in der ansetzung des
processes des Q. Gallius im jähre 688=66, während er nach
Asconius' zeugniss nach der candidatenrede 690=64 falle. Die
latinität bietet nichts anstössiges. Die frage nach dem Urhe-
ber erledigt der vf. dahin, dass die schrift noch in die cicero-
nische zeit gehöre, und in den ciceronischeu nachlass gerieth,
als er herausgegeben wurde. In der besten handschrift findet
sie sich in einer auswahl der briefe des Marcus, wo auch der
unächte an Octaviau überliefert ist. Auch hierin sieht Eussner
ein anzeichen der unächthuit; ebenso darin, dass in Ascon's
commentar zur rede in toga Candida keine erwähnung der
"Nr. 10. 282. Quintus Cicero. 501
schrift geschieht. — Dies ein freilich nur dürftiger und sum-
marischer auszug aus der umsichtigen und gewandten, reichhal-
tigen und lichtvollen beweisführung.
Wenn ref. trotzdem sich von der Stichhaltigkeit derselben
nicht überzeugt erklären kann, so thut er dies aus folgenden
gründen, die er hier nur andeuten kann. Er erhebt nicht die
grossen ausprücbe an die schrift, wie sie der vf. geltend macht,
sowohl in bezug auf form als inhalt. Indem der schriftsteiler
sein erzeugniss commentariolum joetitionis nennt, so bezeichnet er
sie bescheidenerweise als eine skizze, die den gegenständ nicht
erschöpft ; so wird es nicht auffallen dürfen, dass sie nicht die
ganze bewerbung von anfang an in ihren bereich zieht, und die
eine Vorbereitung des bodens durch kriegerische thaten über-
geht. Im gegentheil, würde sie über alles mögliche und noch
einiges andere handeln und auch über das formelle der bewer-
bung theorien aufstellen, dann müsste der verdacht an das ela-
borat einer schulübung sich aufdrängen. So aber bestimmt der
individuelle gesichtspunkt des schreibenden seine darstellung ; daher
die briefform, daher die beschränkung auf die persönliche Seite der
bewerbung, die ambitio. In einer andern beziehung erklärt sich
die briefform auch daher, dass im jähr 689=65 M. Cicero von
Rom abwesend war, wie aus der vergleichung von Ep. ad Att.
1, 1, 2 und Phil. II, 31, 76 hervorgeht; dass zwar das schrei-
ben demselben von dem bruder nach Gallien nachgeschickt sei,
ist nirgends angedeutet; aber vielleicht in dieser zeit entworfen,
ist es nach der rückkehr vollendet und ihm zugestellt worden,
vgl. §. 3 multa proprio, municipia, wo nunmehr mit der bear-
beitung der städtischen Wähler ein neuer act der bewerbung
begann. Erfolgte nun Cicero's rückkehr im januar 64 , wie er
sich vorgenommen, so stimmt dieses datum mit der berechnung
von Bücheier, dass Q. Cicero's schrift etwa im januar 64 abge-
fasst sei. Indess giebt einen anhaltspunkt für die datirung diese
selber, §. 19 hoc biennio quattuor sodalitates hominum ad ambi-
tionem gratiosissimorum tibi obligasti, C. Fundani, Q. Galli, C. Cor'
neli, C. Orcivi. horum in causis ad te deferendis etc. Der letzte
der vier, Cicero's College in der prätur, hat wohl vor gericht
gestanden nach ablauf derselben, also 65, wie Bücheier vermu-
thet; des Cornelius' process fand statt nach Asconius in demsel-
ben jähre ; Vorsitzender war Q. G-alliua als praetor. Die frage
502 282. Quintus Cicero. Nr. 10.
ist, in welchem jähre dieser von Cicero vertheidigt worden.
Dass es in einem process wegen gesetzwidriger bewerbung um
die praetur war, überliefert ebenfalls Asconius, indem er zugleich
ein detail beibringt *) , welches unzweifelhaft richtig ist ; dass
seine einbeziehung in diesen Zusammenhang unrichtig, wird all-
gemein zugegeben, auch von Eussner ; aber wenn er andrerseits
die richtigkeit der zeitlichen angäbe betont, dass die Vertei-
digung des Gallius nach der candidatenrede stattgefunden, d.
h. nach ablauf des durch ambitus erworbenen amtes und tief
im jähre 64, so übersieht er, dass so Asconius' fehler nur um
so unbegreiflicher wird , und dass sich für eine so verspätete
anklage und procedur für jene zeit kein beispiel findet. Blei-
ben wir also bei der schon von Drumann V, 374, 97 gegebe-
nen aufstellung, dass der process schon ins jähr 66 gehört2).
Dasselbe ist wahrscheinlich von dem processe des Fundanius.
Kein Vorwurf darf ferner gegen den Verfasser des Schrei-
bens darum erhoben werden , weil er der erwähnung von ge-
schichtlichen notizen z. b. der mitbewerber aus dem wege gehe,
aus angeblicher Vorliebe für seine theoretischen Vorschriften.
"Würde es im gegentheil nicht gerade ein Verdachtsmoment bil-
den, wenn mit nichtssagenden phrasen und antithesen eine cha-
racteristik der doch bedeutungslosen concurrenten Cicero's gege-
ben würde ? Cap. 2 werden, indem vorher des homo novus Stellung
zur nobilität beleuchtet wird, sachgemäss nur die mitbewerber
aus dieser erwähnt, und wird nur von denjenigen etwas, und
zwar zutreffendes und erschöpfendes, beigebracht, von welchen
etwas zu sagen ist, von Catilina und Antonius; über Galba's
aussiebten sprach sich M. Cicero Ep. ad Att. I, 1, 1 schon 65 noch
vor den wählen für 64 abschätzig aus ; er wird nur noch von
Ascon. Arg. or. in toga Candida erwähnt ; desgleichen Cassius.
Wenn Q. Cicero Licinius und Cornificius gar nicht erwähnt, so
ist das wiederum passend, indem auch über diesen M. Cicero a.
a. o. sich lustig macht, von jenem gar nur Asconius weiss; je-
1) Cic. or. in tog. cand. p. 88 Or : alter induxit eum quem potuit, ut
repente gladiatores populo non debilos polliceretur] Q. Gallium quem
postea reum ambitus defendit , signißcare videtur. hie enim cum esset
praeturae candidatus , quod in aedditate quam ante annum gesserat, be-
stias non habuerat, dedit gladiatorium sub titulo, patri se id dare.
2) Ebenso Brückner leben Cic. p. 174, dessen versuch jedoch
postea bei Asconius zu erklären: posteaqua?n gladiatores populo non de-
bitos pollicitus est, missglückt erscheint.
Nr. 10. 282. Quintus Cicero. 503
doch sind sie inbegriffen unter den novi homines praetorii Q. Cic.
4, 13 3). Wie die so bezeichnenden äusserungen über Cicero's
verhältniss zu den parteien und Pompeius den falscher verra-
then sollen, ist gar nicht abzusehen ; wie sollten sie bekannt
werden, wenn die schrift nicht zur Veröffentlichung, nur für den
bruder bestimmt war? Dass aber dieser in der Zusammenstel-
lung aller für die bewerbung in betracht kommenden momente,
wenn sie von dem Jüngern unbedeutenderen bruder, dem ae-
dilicier, kam, nichts anderes sehen sollte, als ein zeichen der
lebhaften theilnahme an dem gelingen, ist im eingang und
Schlusswort deutlich angegeben, so dass jener sie grade mit der
beruhigung durchlesen mochte, dass er nichts verabsäumt habe.
Dass das thema erschöpft werde , giebt Eussner ausdrücklich
zu. Doch findet er die behandlung desselben des überlieferten
Verfassers unwürdig. Unseres erachtens bilden die vier erhaltenen
briefe des Q Cicero , die zwanzig hexameter aus dem astrono-
mischen gedieht, die nachrichten von seinen tragoedien und an-
nalen und seiner fähigkeit im schreiben kein genügendes krite-
rium, um endgültig die „Studie (essay) über amtsbewerbung" ihm
abzusprechen. Das aber darf füglich behauptet werden, dass
der nüchterne ton, in dem die schrift geschrieben, die schwung-
lose und schablonenhafte bebandlung , die dem gegenstände zu
theil wird, dem spröden stoffe nicht unangemessen ist, und dass,
wenn man als seitenstück den brief des Marcus an Quintus (I,
1) über die provinzialverwaltung beizieht, in dem abstand der
beiden Schriftstücke sich der abstand des talents der beiden
bruder bemessen lässt. Um so mehr befremdet es, dass der vf.
daraus, dass der Schriftsteller durch anwendung von rhetorischen
fragen und der anaphora der rede etwas mehr färbe zu verleihen
sucht, einen Vorwurf gegen ihn ableitet; und wo kommen diese
schmuckmittel vor? wo Catilina und Antonius verarbeitet werden
c. 2 und 3 ; sonst spärlich. Wenigstens mit noch einem bild-
lichen ausdruck scheint vielleicht unsere schrift bereichert wer-
den zu müssen : §. 9 capita demetebant, wie jetzt auch Wesenberg
liest, wenn auch das noch von Bücheler beigezogene demetit
ense caput Ov. Met. 5, 104 in den ausgaben von Merkel und
Kiese dem decutit hat weichen müssen; hinwieder ist demere
3) Vgl. überhaupt des ref. schrift: Catilina's und Cicero's bewer-
bung um den consulat für d. j. 63. Zürich. 1864.
504 282. Quintus Cicero. Nr. 10.
das passende wort für den sarkastischen ausspruch Caligula's
bei Sueton. Calig. 33.
Ebenso geht der vf. zu weit , wenn er in gewissen Wie-
derholungen anzeichen der fälschung sieht; wenn sie auch nicht
elegant sind, so erklären sie sich doch bald durch den beschränkten
ideenkreis der schrift, wodurch das öftere vorkommen von glei-
chen und ähnlichen ausdrücken bedingt wird , bald durch den
lebhaften ton der schrift, die eine fülle von winken und an-
weisungen giebt. Die bis ins kleinste durchgeführte eintheilung,
die oft ermüdenden aufzählungen , die wiederholte anwendung
gewisser Übergangsformeln verrathen freilich mehr schule, als
kunst, aber erweisen noch nicht die fälschung; tautologien aber
finden sich keine, und was hierin vom vf. vorgebracht wird, beruht
auf Übertreibung. Was aber wichtiger, als alles bisher berührte,
der vf. glaubt in der rede für Murena und in dem briefe des Mar-
cus ad Quin. fr. I solche anklänge an unsere schrift gefunden zu
haben, dass dieselbe nicht nur eine fälschung, sondern auch ein
plagiat wäre. Da aber jene bekanntlich einen process de ambitu
betrifft, ist es kein wunder, dass sie mit der schrift, welche Vor-
schriften über die ambitio giebt, vielfache berührungspunkte
hat; keine der angeführten stellen zeugt von einer ausbeutung
jener durch den Verfasser dieser. Noch viel weniger ist dieses
der fall mit dem brief 1,1; die angezogenen stellen zeigen
entweder zufällige ähnlichkeiten oder jedem Schreiber geläufige
redewendungen und formein ; auch ich kann in dem schon
von Bücheier mit comm. §. 39 zusammengestellten satz des
briefes ad Quint. §. 37 nur eine unbeabsichtigte und entfernte
ahnlichkeit sehen. Bewusste anklänge finden sich einzig in der
rede in toga Candida', sie sind schon von Bücheier verzeichnet, aber
mit richtigem tacte diejenigen ausgeschieden, die aus sachlichen
gründen nothwendig sind; es bleiben nur zwei stellen fr. 18a
und 21 (bei Kayser) , wo dieselben gedauken in etwas erwei-
terter form sich ausgedrückt finden, wie in §. 10 und 12 des com-
mentariolum. Also hat sie Marcus der schrift des bruders entlie-
hen ; daran ist aber nichts anstössiges; der gedanke mochte
ihm passend, der ausdruck bezeichnend sein; so finden sich
in gewissen reden Cicero's Wiederholungen gewiss aus dem
nämlichen gründe, nicht weil er von augenblicklicher gedanken-
armuth oder unbeholfenheit im ausdruck befallen gewesen. Nach
Nr. 10. 283. Plinius. 505
alledem können die argumente, Quintu9' character stimme nicht
zu einigen stellen, das stillschweigen des Asconius über die schritt,
ihre Überlieferung in gesellschaft des uuächten briefes an Octa-
vian keine Instanz bilden.
Auf die abhandlung, durch welche dem verf. also nicht
gelungen sein dürfte , die unächtheit der unter Q. Cicero's na-
men überlieferten schritt zu erweisen , folgt der an 44 oder
vielmehr 36 stellen von Büchelers recension abweichende text,
dessen lesungen am rande beigefügt sind; die conjecturen sind
begründet in beigegebenen Scholia critiea; als grundlage des
textes wird der berliner codex anerkannt. Einleuchtend ist
die vertheidigung von aut intelligentia 1,1; die ergänzung
deinde vide ut 13 3 (nach Bährens), gratias vor agere 7, 26 ; fer-
ner ansprechend sind die Schreibungen ojptimorum censorum 2, 8,
loco ac numero dignum 1, 4, parta esse confido 5, 19, idoneos co-
gnoscas 8, 31, cavendus sit , praeter mittendum 10, 39, amiciorum
hominum 12, 46 ; bemerkenswerth die versuche die arg zerrütte-
ten stellen 8, 33 und 11, 43 wenigstens lesbar zu machen.
H. Wz.
283. Ueber syntax und stil des jüngeren Plinius, von prof.
Karl Kraut. 4. Programm des köngl. würtembergischen
seminars Schönthal. 52 s. 1872.
Seitdem der text der briefe des jüngeren Plinius durch
die treffliche ausgäbe von Keil so ziemlich festgestellt ist, lag
die aufgäbe nahe, der spräche dieses studiengenossen und freun-
des des Tacitus eine ähnliche Untersuchung zu widmen, wie
wir sie für den letzteren von Dräger besitzen. Man konnte
voraussehen, dass die syntax des Plinius weniger abweichungen
von der norm der classicität bieten werde als die taciteische,
weil der autor, nicht in dem masse ein original wie Tacitus,
sich mehr auf der stufe der kleinen schritten dieses historikers,
namentlich des Dialogus , als auf der der Annalen hält. An-
drerseits hat er einzelnes , wie deminutiva , aus der Umgangs-
sprache entlehnt , so wenig man auch verkenneu kann , dass
die briefe des Plinius gefeilte stilistische elaborate mit affectier-
ter leichtigkeit des tones , den meist rasch geschriebenen und
der Volkssprache näher verwandten brieten Cicero's durchaus
nicht gleich taxiert werden dürfen.
506 283. Plinius. Nr. 10.
Die verdienstliche und gründliche arbeit, die frucht mehr-
jähriger Studien, giebt uns nun, im ganzen nach dem muster
von Dräger, eine wohlgeordnete Übersicht der plinianischen Syn-
tax, bei der wenig wesentliches übergangen sein dürfte. Um
missverständnissen vorzubeugen, hätten wir nur gewünscht, dass
der leser darüber ins klare gesetzt worden wäre, ob die ange-
führten beispiele die sämmtlichen aus Plinius oder nur ausge-
wählte seien. Denn wenn §. 3 für epistulae = epistula, §. 21
für in praesentia 10, 10 und 2, 5, 10 angeführt werden, ohne ein
verdeutlichendes z. b., so wird man nicht leicht errathen, dass
beide ausdrücke bei Plinius sehr oft vorkommen, 1, 2, 1. 1, 7,
3. 1, 22, 12. 3, 9, 26 etc.
Der vf. ist indessen zum nutzen der sache damit über sein
thema hinausgegangen, dass er nicht nur die meisten und wich-
tigsten älteren prosaiker , sondern selbst römische dichter mit
Plinius in vergleich gesetzt hat, so weit dies durch kurze Ver-
weisungen und citate von belegsteilen geschehen konnte. Dies
war für Tacitus ebenso leicht als nothwendig , da einestheils
Dräger die stilistische Verwandtschaft beider autoren betont,
ja Holstein den Tacitus geradezu als das vorbild des Plinius
hingestellt hat. Vgl. philol. Anz, bd. II, heft 3, p. 160. Wie sich
der vf. dieses verhältniss selbst denkt, hat er nicht bestimmt
ausgesprochen; wir glauben aber, die hauptsache laufe weniger
auf directe nachahmung, als auf benutzung des gleichen Unter-
richtes hinaus. In dieser hinsieht vermissen wir ungern, dass
gerade ein schriftsteiler fast nirgends verglichen worden ist,
zu dem wir ein speciallexicon besitzen, der lehrer des Pli-
nius (2, 14, 10) und sicher auch des Tacitus, Quintilian, des-
sen einfluss auf die spätere prosa hinlänglich bekannt ist. Der
vf. würde manches, was er jetzt als neuerung des Plinius auf-
führt (z. b. §. 7 ex proximo, in praeterüum) schon dort gefunden
und auch hie und da die gelegenheit zu interessanten vergleichen
ergriffen haben, z. b. §. 6 legentem, scribentem (leser, schriftstei-
ler), wofür Quintilian nur die entsprechenden plurale, im Singu-
lar auch lector gebraucht. Manches uueiceronianische und mit Ta-
citus übereinstimmende, wie §. 21 sub nomine, lege, condicione
wäre am einfachsten auf Quint. 7, 2, 24. 7, 4, 38 zurückge-
führt worden , weil Tacitus und Plinius in solchen dingen zu-
nächst von ihrem lehrer abhängen.
Nr. 10. 284. Alte geographie. 507
Dies ist der gesichtspunct, dem der vf. am wenigsten ge-
recht geworden ist; was er aber geleistet hat, das ist und
bleibt ein nützlicher beitrag zur historischen Syntax.
284. Neuer atlas von Hellas und den hellenischen colo-
nien in fünfzehn blättern bearbeitet von Heinrich Kiepert.
Berlin, Nicolaische Verlagsbuchhandlung. 1872. Fol. — 82/3thlr.
Das vorliegende werk „ist eine vollständige erneuerung und
technisch vollendetere herstellung" des allbekannten früheren,
das in erster aufläge 1841, in zweiter 1850 erschien. Was
jener atlas auf 24 blättern gab, ist hier auf 12 blättern über-
sichtlicher und doch in schärferer und genauerer Zeichnung zu-
sammengefasst. Neu hinzugekommen sind eine Übersichtskarte
der höhenverhältnisse der hellenischen länder in Europa, und
zwei karten welche die in den vorhergehenden blättern behan-
delten länder nach der kartographie des Ptolemäus darstellen.
Ein vorbericht giebt rechenschaft über das verwerthete mate-
rial, bespricht die wichtigsten punkte in denen die jetzige dar-
stellung von früheren annahmen oder anderer gelehrten meinung
abweicht, und giebt ausserdem einige nachträgliche Verbesserun-
gen. „Die Ptolemäischen karten sind nach den in der Wilberg'-
schen ausgäbe mitgetheilten besten lesarten neu construirt, dann mit
den handschriftlich erhaltenen karten einzelner besserer handschrif-
ten (der besten pariser oder des sogenannten codex Coislinianus
[lies Fonteblandensis ; der codex Coislinianus enthält keine kar-
ten], des Britisch -Museum und der wiener hofbibliothek) genau
verglichen worden. . . Dem leser wird hiermit eine wichtige
quelle unserer künde der alten topographie in einer bis jetzt
noch nirgend zugänglichen form geboten , welche zugleich für
das verständniss mancher nur aus den herrschenden irrigen
Vorstellungen über gestalt und grosse der länderformen zu er-
klärenden angaben der alten sich nützlich erweisen dürfte".
So richtig dieses ist, so wenig lässt sich beweisen, dass, wie
Kiepert meint, die in den manuscripten überlieferten karten,
wenn auch erst durch zweite oder dritte hand , aus dem alter-
thume selbst stammen, und daher die in ihnen gegebene Zeich-
nung der küsten und flussläufe und bergzüge, so weit sie sich
aus dem texte nicht ergiebt, zur speciellen ausführung des kar-
tenbildes verwendet werden müsse. Zwar werden in allen ma-
508 284. Alte geographie. Nr. 10.
nuscripten die karten auf einen Alexandriner Agathodämon zu-
rückgeführt, aber die Zeichnung der uns erhaltenen ist in je-
nen eben genannten dingen so sehr verschieden, dass sich ein
allen zu gründe liegendes original nicht mehr herausfinden
lässt. Die karten der grossen handschriften in Wien und Venedig
und des Parisinus 1404 und verschiedener lateinischer manu-
scripte sind, abgesehen von geringfügigen abweichungen, copien
des codex der Laurentiana 2380 und repräsentiren kartogra-
phisch nur einen codex. Für den nicht im vierzehnten, son-
dern erst im anfange des sechzehnten Jahrhunderts (nach der
entdeckung von Amerika und Madagaskar) in Florenz angefer-
tigten codex Fonteblandensis , den schönsten von allen , aber
bei weitem nicht den besten , sind die karten von neuem und
theilweise mit benutzung moderner hülfsmittel entworfen. Sie be-
ruhen wesentlich auf den nach einer neuen projectionsweise und
in den details, für die der text nicht massgebend war, nach
eigenem ermessen des Verfassers gezeichneten und daher von
den früheren vielfach abweichenden karten des D. Nicolaus
Germanus (c. 1465). Noch grösser sind die Verschiedenheiten
der Zeichnung in den älteren griechischen manuscripten, die
auch in der kartenabtheilung nicht übereinstimmen.
In der construction dieser karten hat sich Kiepert nicht
überall an den Wilbergschen text gebunden, sondern, wie zu
erwarten war, zuweilen selbständig nachgeprüft. Es genüge in
dieser beziehung einige punkte aus der Zeichnung der kleinasia-
tischen Westküste hervorzuheben. — Wilberg stellt aus ganz
vereinzelt stehenden . angaben einiger mauuscripte einen text
her, nach welchem Byzanz, Chalcedon und Akritas pr. in dem-
selben breitengrade (43° 5'), und Chalcedon einen drittel grad
östlicher als Byzanz liegen würden. Zu dieser sonderbaren an-
nähme verleitete wohl der glaube dass das Akritas pr. , nach
Hammers und anderer angäbe, in der neben Chalcedon liegen-
den landspitze Fener Burun zu suchen sei. Kiepert dagegen den
am besten verbürgten lesarten folgend zeichnet seine karte richtig
so, dass Chalcedon nur fünf minuten östlich von Byzanz, Acri-
tas pr. aber 150 — 160 Stadien südöstlich von Chalcedon zu
stehen kommen. Indessen muss Kiepert dabei einen irrthum
des Ptolemäus vorausgesetzt haben, da auch er, wie schon frü-
her, so auch jetzt in taf. IX, das Acritas pr. für das heutige
Nr. 10. 284. Alte geographie. 509
Fener Burun hält , während es das weit ins meer ragende
Tuzla Burun nach Ptolemäus sein muss und in der that auch
ist. Noch zu Gillius zeit (de Bosporo Thr. in Geogr. Min. II,
p. 101) führte dieses cap , in dessen nähe hart an der küste
die kleine insel des heiligen Andreas (die Acritas I. der Tab. Peu-
ting. ed. Welser.) liegt, den namen Acritas. Dieselbe läge bezeugt
Genusius in ^Qgg. üb. p. 50 ed. Bonn, mit den Worten: negl tjjfv
vr\oov 'Avöotov tov anoaröXov, xa&' r/v 6 \4xolTag iyjetrovojv ifi-
qxxi'i&Tai. Ferner soll der kaiser Mauritius nach Chron. Pasch,
p. 624, 7 getödtet sein aXrjai'ov iov 'jäxyfaov. Nach der entspre-
chenden erzählung bei Theophanes p. 445 und Theophylactus
p. 331 muss aber daselbst ein vteog AvrovofXov gelegen haben,
dessen entfernung von Constantinopel auf 150 Stadien angege-
ben wird, eine entfernung die auf die gegend bei c. Tuzla
vollkommen passt. Aus der so festgestellten läge des Vorge-
birges ergiebt sich zugleich, dass bei Stephanus Byz. u. KaX-
%t]8cöv, wo zwischen Chalcedon und Akritas nur 60 Stadien an-
gegeben werden, statt £' zu lesen q$\ und dass das fragment
Artemidors bei Steph. Byz. s.v. JLaXxitig nicht richtig verbessert
ist. Meineke liest hier: ano 8s 'jixgitov TiaganXsvaavri [ngog']
siiqop OTÜSia ql' äuget nsirai ' Tgtg xaXovfisvi] xtX.; allein nicht
gegen den euros , sondern mit ihm ging die fahrt; will man
also den aecusativ festhalten, so müsste gelesen werden {ngog
K]uvvnv oder [ngog 2Zx]sigtova. Die nordwestliche richtung
der fahrt ergiebt sich übrigens auch aus der folgenden auf Zäh-
lung der Prinzeninseln. Die in Kieperts atlas nicht erwähnte
Eyris acra ist der distanz nach bei Maltepe anzusetzen, gegen-
über der insel Andiri oder Antiri, deren name vielleicht aus
"Av&vQig entstanden ist. Das Leucatas pr., welches nach Kie-
perts karte (taf. IX) das heutige Tuzla Burun wäre , ist viel-
mehr Jedemkaia Burun, bis zu welchem die 37Ya m. p. rei-
chen, diePlinius 5, 148 von Nicomedia bis zum Leucatas rechnet.
Das lesbische Vorgebirge Malea (56° long.) liegt nach den
manuscripten des Ptolemaeus 20 minuten, nach Kieperts karte
aber nur 10 minuten östlicher als Mytilene (55° 40'). Letzte-
res ist geographisch richtiger; aber wollte man im Ptolemaeus
solche correcturen zulassen, so wäre des corrigirens kein ende.
Die einzige Variante giebt der so oft confuse codex Fonteblanden-
sis, in welchem statt 56° steht 56° 50', was allerdings nur entstanden
510 284. Alte geographie. Nr. 10
sein kann aus 55° 50'; da indessen derselbe codex für Myti-
lene die position 56° 30' (statt 55° 30') giebt, so findet sich
auch hier wie in den übrigen handschriften eine distanz von
20 minuten. — Auf der ostseite der insel Chios liegt nach
Ptolemäus 10 minuten südlich von der stadt Chios (38° 35')
das Vorgebirge Posidium (38° 25'). Kiepert macht daraus ei-
genmächtig ein unter 38° 55' als nordspitze der insel an-
gesetztes Vorgebirge , was um so auffallender ist, da Strabo
14, 1, 34 und 35 und Kiepert selbst auf tafel IX in betreff der
läge des Posidium mit Ptolemäus übereinstimmen. — Für die po-
sition von Halicarnass wird die längenbestimmung (57° 50'), wel-
che unsere Codices und die alten karten und auch die Wilberg-
sche ausgäbe haben, bei seite geschoben und die lesart der edi-
tio princeps (57° 10') angenommen. Es Hesse sich das allen-
falls entschuldigen, wenn dadurch eine richtigere kartenzeich-
nung zu stände käme; dies ist aber keineswegs der fall, da
nach beiden lesarten Halicarnass nicht westlich, sondern östlich
von Ceramus (57°) zu stehen kommt; dagegen hat die lesart der
manuscripte wenigstens den vorzug die richtige distanz zwi-
schen diesen beiden orten zu geben. — Cnidus liegt nach al-
len manuscripten und karten und der Wahrheit gemäss auf ei-
ner weit hervorragenden landspitze etwa 300 Stadien westlicher
als Ceramus (56° 15'). Nichtsdestoweniger folgt Kiepert der
in Wilbergs ausgäbe gegebenen längenbestimmung von 56° 45',
so dass Cnidus nur 15 minuten westlich von Ceramus liegt.
Es scheint ihm entgangen zu sein, dass dieser ansatz eine der
nichtsnutzigen conjecturen Grashofs ist, die ihren grund darin
hat, dass im achten buche (8, 17, 14) als Zeitunterschied zwi-
schen Alexandria und Cnidus nur */* stunde angegeben wird,
während nach der längenangabe im fünften buche ein unter-
schied von 17 minuten oder J/4 Vso stunde [8' X' wpa^) statt-
finden würde. Nun ist es aber geradezu thorheit nach den in
der epitome gegebenen Zeitunterschieden die längenaugaben
des textes zu verändern, da die kleineren bruchtheile einer
stunde dort in der regel nicht berücksichtigt werden. So
würde es z. b. niemandem einfallen den lib. 4, 5 für Ale-
xandrien gegebenen längegrad 60° 30' auf 60° zu reduziren,
weil nach lib. 8, 15, 10 diese stadt nicht 4 und 1/3o, sondern
nur 4 stunden vom ersten meridian entfernt ist. Soll einmal
Nr. 10. 285. Römische alterthümer. 511
verbessert werden, so wäre im achten buche an beiden genann-
ten stellen statt Ä zu schreiben Ä A'. — Die insel Rhodus
hat nach dem texte und den alten karten des Ptolemäus die
gestalt eines dreiecks, an dessen nordöstlichem ende nicht
Rhodus, wie man erwartet, sondern Lindus (58° 40' long., 36°
lat.) liegt. Kiepert giebt motu proprio der insel eine ganz an-
dere gestalt, indem er Lindus einen grad südlicher setzt und
die südspitze der insel bilden lässt , so dass die ostseite von
da bis nach Ialysus reicht. Ohne zweifei leidet der text des
Ptolemäus an einem sehr alten fehler, der aber zunächst darin
zu suchen ist, dass Lindus an die stelle der Stadt Rhodus ge-
setzt ist ; denn die hauptstadt der insel konnte nicht unerwähnt
bleiben und die angäbe der epitome im achten buche, nach wel-
cher die stadt Rhodus einen längsten tag von 14x/2 stunden
hat und 1/s stunde westlicher als Alexandria liegt , passt voll-
kommen auf die in den manuscripten jetzt der stadt Lindus ge-
gebene position. Wo Ptolemäus Lindus angesetzt habe, kön-
nen wir natürlich nicht wissen.
Die drei ersten blätter des atlas enthalten historische kar-
ten, welche die ethnischen und politischen Verhältnisse der äl-
testen zeit und während des peloponnesischen krieges und in
der mitte des dritten Jahrhunderts recht übersichtlich darstel-
len , so weit dieses für die beiden letzten perioden bei dem
vielfachen Wechsel der politischen läge geschehen konnte ohne
einen enger begrenzten Zeitraum zu gründe zu legen. — In
den darauf folgenden specialkarten ist ein vielseitiger fortschritt
unverkennbar. So weit sie das eigentliche Griechenland betref-
fen, folgt der Verfasser in den meisten punkten dem verdienst-
vollen werke Bursians. Dass hier überall das richtige getroffen
oder auch nur das wahrscheinlichste gegeben sei, wird Kiepert
selbst am wenigsten behaupten wollen. Ueber einzelne punkte,
die nach einer ersten durchsieht der neuen karten hier bespro-
chen werden sollten, aber bei den engen dieser anzeige ge-
steckten gränzen jetzt bei seite gelassen werden müssen , wird
im Philologus bd. XXXIV, heft 1 die rede sein. C. M.
285. Fasti Censorii. Quos composuit et commentariis instruxit
0. de Boor. 8. Berol. Weidmann 1873. 100 s. — 1 thlr.
Wir sind in der angenehmen läge eine schritt anzeigen zu
512 285. Römische alterthümer. Nr. 10.
können, die nicht nur gelehrt, sondern auch nützlich ist. Der
verf. hat es sich zur aufgäbe gemacht, die in den capitolini-
schen fasten enthaltenen normen und notizen, so weit sie die
censoren betreffen, zusammenzustellen, sie, so weit thunlich zu
ergänzen (wobei er nicht unterlassen hat, die unsicheren er-
gäuzungen durch hinzugefügte fragezeichen zu unterscheiden),
überall die belegstellen aus den Schriftstellern hinzuzufügen und
endlich in einem besonderen commentar (p. 36 — 100) in einer
reihe von Untersuchungen theils die ergänzungen zu recht-
fertigen , theils eigene ansichten vorzutragen. Er selbst er-
klärt zwar in dem vorwort , dass es nur seine absieht sei,
das in den Schriften über römische geschichte (einschliess-
lich der Inschriften') zerstreute zu sammeln, wir werden
indess weiterhin sehen , dass er nicht selten auch neues aufge-
stellt oder, was im wesentlichen auf dasselbe hinausläuft, al-
tes gegen herrschende meinungen der neuzeit wieder in seine
rechte eingesetzt hat; insbesondere hat er dies auch gegen Th.
Mommsen mehrfach gethan, obwohl er demselben nicht nur die
gebührende anerkennung, sondern auch als sein schüler (dies
scheint er nämlich zu sein) überall die wärmste Verehrung und
bewunderung zollt. Wir erhalten demnach durch die schrift
nicht nur das gesammte wohlgeordnete material , sondern auch
ein erwünschtes raisonnirendes repertorium der bisherigen re-
sultate und meinungen. Es ist vollkommen richtig, wie der
vf. in dem vorwort bemerkt , dass diese arbeit bis jetzt noch
nicht gethan ist; denn die arbeiter auf diesem feld haben, wie
er sagt, dieses entweder nicht gekonnt, wie Laurent, Fischer
(in den römischen Zeittafeln), Cardiuale, oder, wie Baiter, Clin-
ton (Fast. Hell. vol. III), Henzen (Corp. Inscr. L. vol. I) nicht
gewollt ; nur hätte gegen Clinton nicht sowohl geltend gemacht
werden sollen, dass er sich zu sehr auf die ermittelung der
zahlen der censierten bürger beschränkt habe, als vielmehr,
dass seine behandlung des gegenständes erst vom j. 491 d. st.
(293 v. Chr.) beginnt und demnach ein grosses gebiet des ge-
genständes völlig unberührt lässt.
Von besonderem interesse ist das erste capitel des com-
mentars de origine censurae (p. 36 — 45). Er widerlegt darin
die bekannte ansieht Th. Mommsens, dass die censur ihren
anfang nicht gleichzeitig mit der einsetzuug des consulartribu-
Nr. 10. 285. Römische alterthümer. 513
nats im j. 311 d. st. (richtiger 310) , sondern erst mit der lex
Aemilia das j. 320 und zwar sogleich als achtzehnmonatliches
genommen habe, und findet dabei zugleich gelegenheit , eine
andere ebenfalls von Mommsen vertretene , aber auch ander-
weit angenommene und heut zu tage bereits vielfach in Schul-
bücher übergegangene ansieht in ihrer unhaltbarkeit nachzuwei-
sen, dass nämlich die censur von Sulla aufgehoben und erst
von Pompejus in seinem ersten consulat im j. 684 d. st. (70
v. Chr.) wieder hergestellt worden sei : eine ansieht, die, wie
bekannt, lediglich auf der auetorität des unwissenden und leicht-
fertigen Schob Gronov. ad Cic. p. 384 Orell. beruht und die, abge-
sehn von andern von dem verf. beigebrachten gründen, schon
durch ihre Unvereinbarkeit sowohl mit den intentionen des
Sulla als mit denen des Pompejus in seinem ersten consulat
ausgeschlossen wird. Ausserdem sucht der verf. in diesem ca-
pitel nachzuweisen, dass die normalzeit oder doch das mini-
mum der Zeitdauer eines lustrutn drei jähre gewesen seien, und
es ist nicht in abrede zu stellen, dass diese kurze dauer mehr-
fach und zwar ohne durch besondere umstände veranlasst zu
sein, vorkommt, indess sind die Zwischenzeiten zwischen je zwei
lustren so verschieden, dass sich hierüber — ebenso wie über
den amtsantritt der censoren — kaum etwas gewisses wird
ausmachen lassen. Mommsen hat vier jähre als normalzeit nach-
zuweisen gesucht.
In den beiden anderen capiteln (p. 45 — 100) werden dar-
auf die einzelnen cen>uren von der ersten bis zur letzten des
Vespasian und Titus im j. 825 d. st. (72 n. Chr.) unter fortwäh-
render beziehung auf die bekannten arbeiten von Borghesi,
Mommsen, Heuzen je nach besekaffenheit des vorhandenen ma-
terials mehr oder weniger ausführlich erörtert. Die hauptgrund-
lage bilden selbstverständlich die erhaltenen angaben über die
censoren in den Fasti Capitolini, denen vf. eine uufehlbare aue-
torität beimisst: womit es nicht völlig vereinbar zu sein scheint,
wenn er mitunter die von Livius oder Diodor benutzten fasten
als abweichend von jenen, d. h. also doch, wenn jene die aus-
schliesslich richtigen, als falsch bezeichnet, da kein grund
abzusehen ist , warum die einen oder die andern besser oder
schlechter gewesen sein sollten. Ein besonderes gewicht wird
auf die zahlangaben über die lustra gelegt , von welchen das
Philol. Anz. V. 33
514 285. Römische alterthümer. Nr. 10.
der ersten censoren des j. 310 (444), wie bereits von Sigonius
und Clinton (Fast. Hell. III, 439) dargethan, das eilfte gewe-
sen ist. Nun sind diese zahlangaben von dem 25sten des
j. 436 (318) bis zum 58sten des j. 618 (136) fast vollständig
erhalten; hier bewegen wir uns also auf sicherem boden. Da-
gegen sind für die zeit vom j. 310 (444) bis zum j. 436 (318) in
betreff der dazwischen liegenden vierzehn lustra nur zwei zahl-
angaben (lustrum XVI des j. 351 und lustr. XX des j. 391),
für die zeit nach 618 (136) aber ist nur eine einzige zahlan-
gabe, nämlich lustrum LXIII des j. 646 (108), erhalten. In
dieser vor- und nachzeit liegen daher die meisten Schwierig-
keiten, obwohl es auch in der zeit von 436 (318) bis 618
(136) nicht an solchen fehlt.
Es kann nicht unsere absieht sein , von dem an namen,
zahlen und belegstellen unendlich reichen inhalt einen auszug
mitzutheilen ; wir werden uns vielmehr darauf beschränken müs-
sen , einiges herauszuheben was ein besonderes interesse bietet
und dem verf. eigenthümlich ist, womit freilich zugleich gesagt
ist, da dasjenige, was mit einiger Sicherheit festzustellen, schon
durch die gelehrten Untersuchungen von Clinton, Borghesi,
Mommsen, Henzen vorweggenommen ist, dass jenes hauptsächlich
nur in conjeeturen bestehen wird. Einen solchen gegenständ
bildet die erörterung der censur vom j. 361 d. st. (393). Dass
in diesem jähr ein lustrum stattgefunden hat, ist unzweifelhaft
und wird auch von dem verf. nicht bezweifelt. Nun heisst es
aber bei Fe?tus (p. 364 M.): (tributum) quoddam temer arium t ut
post urbein a Gallis captam conlatum est, quia proximis XV annis
census alius (wofür allgemein actus gelesen wird) non erat. Hier-
nach ist also fünfzehn jähre lang entweder vor oder nach der
einnähme Roms durch die Gallier kein census gehalten worden.
Der verf. entscheidet sich für die erstere annähme (gegen Nie-
buhr, Borghesi, Cardinali). Wie beseitigt er nun aber das lu-
strum von 361? Er nimmt an, dass dieses lustrum, weil in
dessen verlauf die unglückliche katastrophe durch die Verbren-
nung Roms gefallen, nicht als gültig angesehen worden sei,
und sucht dies durch die analogie der ceusur vom j. 665 (89)
zu begründen, von welcher ebenfalls mehrfach bezeugt ist, dass
sie mit einem lustrum geschlossen habe, während Cicero (pro
Arch. 5, 11) ausdrücklich sagt, dass in derselben kein census
Nr. 10. 285. Römische altertliümer. 515
stattgefunden habe (nullam populi partem esse censam). Hier
haben wir nämlich bei Festus (p. 289 M.) die bestimmte an-
gäbe , dass dieses lustrum parum felix gewesen sei, und wenn
wir also an dieser stelle den Widerspruch zwischen Cicero und
den übrigen zeugen durch die annähme lösen , dass ein lustrum
parum felix als ungültig angesehen worden sei , so wird sich
dies auch füglich auf das lustrum vom j. 361 übertragen las-
sen. Wir gestehen , dass wir dieses expediens für sehr wahr-
scheinlich halten, und wundern uns nur, dass der verf. das erat
in der stelle des Festus nicht gegen diejenigen geltend ge-
macht hat, welche die fünfzehn jähre , wo kein census gehal-
ten, in die zeit nach dem gallischen brand gesetzt haben. Ebenso
wahrscheinlich finden wir die vermuthung (p. 73 ff.) , dass die
censur der beiden Scipionen, welche nach Vell. Pat. II, 8, 2 als
brüder zusammen dieses amt bekleidet, in das j. 414 (340) zu
setzen sei, und nicht minder interessant, wenn auch minder
wahrscheinlich ist auch die art und weise wie vf. auf grund
einer neuen ergänzung der nur in kleinen bruchstücken er-
haltenen stelle Fest. p. 237 M. zu beweisen sucht, dass der
eine der beiden censoren des j. 474 (280) nicht, wie man ge-
wöhnlich annimmt, Q. Fabius Maximus Gurges, sondern L. Cor-
nelius gewesen sei.
Wir müssen es uns versagen, auf die ausführlichen erör-
terungen des verf. über die stellen Diod. XV, 22 und 50 (nach
den lesarten der handschrift von Patmos) näher einzugehen,
durch welche er über die censuren von 365 und 374 d. st.
zu neuen resultaten zu gelangen sucht (p. 64 ff.), und müssen
uns auch in bezug auf die zeit nach 618 (136) darauf be-
schränken, beispielsweise anzuführen, dass er die beweiskraft
der zwei stellen Val. Max. VIH, 5, 1 und VI, 1, 5 für eine
censur des L. Metellus Calvus und des Q. Fabius Servilianus
im j. 628 zu beseitigen sucht (p. 84 ff.) , dass er für das j.
634 (120) und lustrum LXI die censoren Q. Caecilius Metel-
lus Balearicus und L. Calpurnius Piso Frugi (diesen gegen Momm-
sen) sehr wahrscheinlich macht (p. 87 ff.), dass er dem j. 646
neben C. Licinius Geta den Q. Fabius Maximus Eburnus(?) als
censor zuweist, dass er mit Borghesi die abhaltung des lustrum
durch die bekannten censoren des j. 662 (92) Domitius und
Crassus bestreitet, dagegen aber den von Borghesi aus Fronto
33*
616 285. Römische alterthümer. Nr. 10.
gezogenen bcMuss widerlegt, dass im j. 694 ein Acilius censor
gewesen sei (p. 92 fl.). In bezug auf die vorletzte censur des
kaisers Claudius und des L. Vitellius meint er aus völlig un-
zureichenden gründen , dass das lustrum derselben vor dem
tode der Messalina stattgefunden habe, obgleich Tacitus (Ann.
XI, 25) das lustrum vorher berichtet und ausdrücklich sagt, dass
die katastrophe der Messalina kurze zeit nachher erfolgt sei.
Er glaubt (p. 98) diesen gegengrund damit beseitigen zu kön-
nen, dass Tacitus die partie Ann. XI, 13 — 25 aus einer anderen
quelle entnommen habe, worin die geschichte der censur im Zu-
sammenhang ohne rücksicht auf die gleichzeitigen Vorgänge erzählt
gewesen sei, der also Tacitus ganz gedankenlos gefolgt sein soll.
Der eigenen conjecturen hat sich der verf. , was nur zu
billigen ist, zumal da es sich ja meist um zahlen und namen
handelt, fast völlig enthalten. Wir haben nur eine zu er-
wähnen, aber eine sehr unglückliche, die sich auf eine be-
kannte stelle des Phlegon (Phot. cod. 97) bezieht. Hier wird
eine censur erwähnt , die wegen der anzahl der censierten nur
die des j. 684 sein kann; eben dies jähr wird aber auch von
Phlegon durch ttjg 'Ot.vtiniädog qo£' (= 177, 3) vollkommen
richtig bezeichnet. Wunderbarer weise hat nun Clinton den
recbnungsfehler gemacht, dass er hierin das j. 668 findet, der
verf. macht nun den zweiten rechnungsfehler, indem er meint,
dass dies das j. 689 sei, und emendiert daher oog\ obgleich
Mommsen (Rom. Gesch. bd. 2, p. 220, 2te aufl.) längst das
richtige gesehen hat.
Zum schluss können wir nicht umhin zu bemerken , dass
die schrift durch ziemlich viele druckfehler entstellt ist, darun-
ter auch recht unangenehme in den zahlen (p. 69. 88), und
dass der ausdruck nicht selten recht unlateinisch und uncorrect
ist. So findet sich aliquot temporis ante („einige zeit vor" — ,
p. 99), aliquantum post (p. 70), nimis corruptus unde (,,zu ver-
dorben um daraus" — , p. 77), so ist sin, veluti , quod viel-
fach falsch gebraucht, alter für alius (z. b. p. 80), namentlich
ist memoria vielfach in ganz unlateinischer weise gemissbraucht.
Auch wenn lateinisch geschrieben wird, was übrigens in dem
vorliegenden falle kaum nöthig war, so wird man doch mit
recht beanspruchen dürfen, dass die spräche zwar nicht cicero-
nianisch, aber doch klar und correct sei.
Nr. 10. 286. 287. Römische alterthümer. 517
286. De municipiis et coloniis aetate imperatorum Ro-
manorum ex canabis legionum ortis. Scr. J. P. Joergensen.
Dissert. inaug. Gottingensis. 8. Berolin. 1871. 64 pp.
Dasselbe thema, das diese dissertation behandelt, hat
neuerdings Mommsen (im Hermes VIII, 1873 p. 299 — 326:
die römischen lagerstädte) zum gegenständ einer ausgezeichneten
Untersuchung gemacht. Da die dissertation, wie man auch aus
andeutungen des Verfassers schliessen kann, mit Mommsen's
Unterstützung gefertigt worden ist , so darf man füglich von
einer besprechung derselben hier absehen , da es schwer sein
würde, zu constatiren, in wie weit dieselbe auf selbständiger
Untersuchung basirt.
287. De proconsulatu Ciceronis Ciliciensi. Scr. Casp.
Härtung. 8. Würzb. 1868. 67 p.
Die vorliegende kleine schrift, deren anzeige durch zufall
verspätet ist, handelt in drei abschnitten de Cilicia jprovincia,
quare Cicero in provinciam ire debuerit , quornodo Ciliciam provin~
ciam administraverit. Die beiden ersteren, dem dritten auch an
umfang weit nachstehenden abschnitte enthalten wenig mehr als
was theils (für den ersten abschnitt) in dem Becker-Marquardt-
schen handbuche (bd. HI, abth. 1), theils (für den zweiten ab-
schnitt) in dem bekannten Drumannschen werke zu finden ist.
Die frage über die zeit der gründung der provinz beantwortet
vf. dahin, dass er dieselbe von Sulla im j. 674 (80) eingerichtet,
von Pompejus aber erweitert werden lässt. Im zweiten ab-
schnitt polemisiert er hauptsächlich gegen Zumpt, welcher an-
nimmt, dass dem Cicero die provinz durch einen besonderen
senatsbeschluss zuertheilt, nicht durchs loos zugefallen sei. So
wenig wir aber die ansieht Zumpts für ausgemacht halten, so
finden wir doch den gegenbeweis des verfs nichts weniger als
stringent. Denn wenn er aus dem bekannten briefe des Cae-
lius (Cic. ad Farn. VIII, 8) folgert , dass Cilicien zu den prä-
torischen provinzen gehört habe , so ist dies erstens an sich
ein unsicherer schluss , da vor der kaiserzeit in dieselben pro-
vinzen je nach umständen bald proconsuln bald proprätoren ge-
schickt wurden, s. Becker-Marquardt, Handbuch u. s.w., III, 1,
p. 277, zweitens ist nicht abzusehen, wie damit die Zumptsche
ansieht widerlegt sein soll. Der dritte abschnitt besteht, abge-
518 288. Archaeologie. Nr. 10.
sehen von einigen , nicht ganz hierher gehörigen allgemeinen
erörterungen über das Edictumprovinciale und dergleichen, haupt-
sächlich aus einem panegyrikus auf die Verwaltung Cicero's.
Wenn er dabei Cicero's benehmen hinsichtlich der erpressungen
des Brutus nicht zu rechtfertigen vermag, so hilft er sich mit
folgender sonderbaren Wendung, die den schluss des schriftchens
bildet : Sin vero quis existimet, illum in re Bruti cum Salaminiis
esse vituperandum, eum recordari velim, nobis proponi virorum cla-
rorum et vitia, ut corrigamus nostra, et virtutes, ut eas imitemur.
288. Die vasensammlungen des Museo Nazionale zu Nea-
pel, beschrieben von H. Hey d emann. Mit 22 lithographischen
tafeln. 8. Berlin. G. Reimer. 1872. — 5 thlr. 20 gr.
Bisher gab es von den neapler vasensammlungen nur
kurze, vielfach ungenügende Verzeichnisse, die mit wenigen aus-
nahmen von Italienern angefertigt waren. Statt ihrer besitzen
wir jetzt in dem grossen, über 900 octavseiten enthaltenden
kataloge von H. Heydemann zum ersten mal ein ausreichendes
werk, das, obwohl es selbstverständlich den bestand des fort-
während wachsenden museums nur bis zu einem bestimmten
jähre, dem jähre 1869, hat geben können, trotzdem als ein
sehr echätzenswerther grundstock zu betrachten ist, dessen mit
der zeit sich vernothwendigende erweiterungen später vielleicht
in der form von Supplementen nachgetragen werden können.
In der ganzen anläge des katalogs ist Heydemann dem von
0. Jahn in seiner beschreibung der münchner vasensammlung
gegebenen vorbilde gefolgt: einer mit ausführlicher angäbe des
einschlägigen wissenschaftlichen apparats versehenen gedrängten
beschreibung aller mit figuren bemalten vasen auf 891 Seiten
schliesst sich von p. 892—898 ein alphabetisch geordnetes ver-
zeichniss derjenigen werke an, welche abbildungen von neapo-
litanischen vasen enthalten, und zwar mit angäbe der betreffen-
den nummern des katalogs; darauf folgt zweitens p. 899 —
923 ein sehr reichhaltiges sach- und namenregister , und drit-
tens eine lange reihe von sauber ausgeführten tafeln, zunächst
drei tafeln mit abbildungen aller in der neapler Sammlung vor-
kommenden gefässformen, formen , die zum theil auch für in-
dustrielle von werth sein dürften, sodann 19 tafeln mit facsimile-
nachbildungen einer grossen zahl lesbarer und nicht lesbarer in*
Nr. 10. 288. Archaeologie. 519
Inschriften, buchstaben und zeichen. Weggelassen ist dagegen im
vergleich zu 0. Jahns katalog, und zwar ohne dass der Verfasser
seine gründe dafür angäbe, ein alphabetisch geordnetes griechisches
verzeichniss der in den inschriften vorkommenden namen und
Wörter. Zwar hat der Verfasser dafür im sach - und namenre-
gister einen besondern artikel unter „inschriften" gegeben, der
wenigstens die unleserlichen, verschriebenen, metrischen, mo-
dernen und etruskischen inschriften nach den betreffenden va-
sennummern zusammenfasst , ferner unter xalö g und o 7ioü$
xalög eine sehr grosse zahl von belegstellen angeführt — letzteres
im gegensatz zu Jahn's katalog, wo an dieser stelle auf eine
grössere ausführlicbkeit wegen des allzu häufigen Vorkommens
dieser bezeichnungen mit recht verzichtet ist — , weitere in*
Schriften unter dem artikel ,,panathenäische vasen" citirt, und end-
lich die zugleich inschriftlich bezeugten Wörter und namen des Sach-
registers durch eine mit fetter cursivschrift gedruckte ziffer der be-
treffenden vase angedeutet. Indessen geht auf diese weise jene
leichte Übersichtlichkeit verloren, welche in Otto Jahns kataloge
mit dem besonderen register der inschriften erreicht ist. Auch
der umstand, dass der grösste theil der neapler vaseninschrif-
ten in's Corpus inscriptionum graecarum aufgenommen ist, hätte
nicht davon abhalten sollen, die von Jahn für ein specielles
lexicon der vasensprache gelegte basis mit dem gegebenen ma-
terial auf dieselbe art weiter zu führen und somit den gebrauch
des katalogs zugleich bequemer und leichter zu machen. Wenn
nun aber auch der Verfasser aus irgend welchen gründen hier-
auf verzichtete , so hätte er dafür wenigstens in der verwer-
thung der inschriften für das sach- und namenregister etwas
consequenter sein sollen. So ist z. b. von dem ganzen be-
kannten distichon auf einer gemalten atele der vase 2868 bei
Heydemann
NttTttl [ ] MOAAXHN TE KAI AZ&OJOAON PO-
ATPIXON
KOAUttl A OldlUOdAN A MOTION EX&.
JVarcp (ptv) [ia\d%?]v 78 xal aacpöSslov tioXvqi'Qov
xoXncp 8' Ol8in68av Aalov vlov s%co.
(vgl. Otto Jahn, einleitg in d. vasenk. p. 124) im register
nichts als unter dem artikel „inschriften" die nummer der vase
enthalten. Jedenfalls ist nicht abzusehen, warum nicht dort,
620 288. Archaeologie. Nr. 10.
wenigstens beim namen „Oedipus" auch das patronymicum Oldino-
8a$ oder Oidmodqg (s. Jahn Arch. beitrage p. 113, n. 67)
und bei ,,Laiosu seine inschriftliche bezeugung auf dieser vase
durch deren beizusetzende nummer angedeutet worden. Es ist
ferner kein grund zu finden, warum nicht auch die übrigen in
diesem distichon vorkommenden Wörter einzeln ins verzeichniss
aufgenommen wurden, während doch andrerseits z. b. das ngoga-
yoosvoj der vase 2609 und das väi%i der vase 187 der Rac-
colta Cumana angegeben sind. Man vergleiche dagegen in Otto
Jahns register der inschriften nur die Verwendung der auf ei-
nem gemalten schlauch, Wasserbecken, blatt und schild vorkom-
menden inschriften der vasen 332, 349, 795, 805, 1305 u. a.
mehr. Wie aber hier ein übermass fernzuhalten und modo et
ratione zu verfahren sei , das ist bei Otto Jahn u. a. an dem
artikel xalo$ zu sehen.
Noch einige andere dinge dieser art seien hier erwähnt.
So ist z. b. die inschrift Xuiqb xa) ni'si tl der vase 2476 un-
ter dem buchstaben C angeführt, während von der inschrift
der vase 117 der Eaccolta Cumana ET2QTEP, die von an-
dern als Zev o<x>7?q gelesen wird, in Heydemanns register nichts
zu finden ist, desgleichen nichts, auch nichts unter ,,stele(t,
von der zweimal (nr. 2869 und nr. 657 der Sammlung Sant-
angelo) in Neapel auf einer gemalten stele vorkommenden in-
schrift TEPMON (rt'Qftmv s. Otto Jahn, Münchner vas. zu nr. 294).
Ferner fehlt im index der name des Hegesarchos auf nr. 1212 und
desNearchos, des vaters des bekannten, auch inNeapel viermal auf
n. 2528, 2532, 2627 und auf n. 271 des Museo Santangelo vorkom-
menden oftgenannten vasenmalers Tleson (s. Brunn, Gesch. d.
gr. künstlerll, p.738). Der name des letzteren ist nicht verges-
sen, doch auch der des Nearchos ist wichtig genug, um an dieser
stelle nicht übersehen zu weiden. Benndorf, sicil. und ath. va-
senbilder heft I, p. 23, hält ihn bekanntlich für denselben,
der auf den stylistisch in so hohem grade interessanten frag-
menten der taf. XIII des genannten werkes als maier dersel-
ben genannt wird. Man vergleiche ferner dazu die gleichfalls
in den apparat zu nr. 2528 nachzutragenden bemerkungen G.
Hirschfelds, Tituli stat. sculpt. gr. p. 39, in dem beachtenswer-
then capitel : de patribus quorum graeci artifices in titulis mentio-
nem fecerunt, und die auf diesem gebiet eine weitere kunstge-
Nr. 10. 288. Archaeologie. 521
sehichtliche perspective eröffnende note auf p. 40 bei Brunn,
Probleme z. gesch. d. Vasenmalerei. Endlich sei nocb erwähnt,
dass von der inschrift der vase nr. 2871 E1TTP.ZHOKA1-
ATMA zwar der zweite name , der des Kailymas im index
stebt, der erste aber , der nach den von Heydemann citirten
analogien, wie JiqiiXoag für diqulog, /Jioivsoig für diövvaog,
AXy.i/nu^mg für ' AlaifJia^ng und Kav&aQWg für Kuvdugog als lt-
rag für "Irrog zu nehmen ist, weggelassen worden. Haec
hactenus.
Sieht man aber von diesen einzelnen mangeln letzter ge-
nauigkeit ab, so muss man unbedingt zugeben, dass das aus-
führliche sach - und namenregister , worauf ja bei katalogen
sehr viel ankommt , nicht bloss von dem grossen sammelfleisse
des Verfassers zeugt, sondern auch eine sehr dankenswerthe be-
reicberung der archäologischen litteratur ist.
Den grösseren theil der neapler vasensammlung bildet die
in acht zimmern oder sälen aufgestellte Sammlung des alten
Museo Borbonico mit ungefähr 5000 nummern , bei Heydemann
p. 1 — 620, nr. 1 — 3496. In diesen theil der Sammlung ist
unter andern die nach ihrem früheren besitzer genannte vor-
zügliche Sammlung Vivenzio aufgenommen. Nach einschiebung
zweier der Raccolta porncgrafica angehöriger vasen folgt hierauf
bei Heydemann die erst zu anfang der sechziger jähre erwor-
bene, ehemals dem bourbonenminister Niecola Santangelo gehö-
rende, nach ihm benannte und ungefähr 1500 gefässe umfas-
sende Sammlung Santangelo , die in drei räumen aufgestellt ist,
p. 621—819, nr. 1—709. Den letzten theil bildet die Rac-
colta Cumana, bei Heydemann p. 821 — 886, nr. 1 — 246. Sie
ist durch ausgrabungen zusammengebracht, die in den jähren
1853 und 1856 vom grafen Syrakus auf dem gebiete des al-
ten Oumae veranstaltet und von Giuseppe Fiorelli, dem gegen-
wärtigen director des Museo Nazionale, geleitet wurden.
Wer die grosse vasensammlung des Museo Nazionale zum
ersten male sieht, der empfängt im gegensatz zu andern mu-
seen dieser art sofort den eindruck einer zusammenhängenden,
im alterthum einst an ort und stelle sehr ausgebreiteten localfa-
brikation, die im ganzen mehr flüchtig , mehr auf den schein
und prunk hin , als auf die hervorbringung wirklich feiner und
gediegener leistungen berechnet war. Es ist der eindruck der
522 288. Archaeologie. Nr. 10.
schon den niedergang der alten kunst repräsentirenden unter-
italischen, vorzugsweise apulischen und lukanischen Vasenmale-
rei, die von Otto Jahn in der einleitung zum münchner va-
senkatalog (HI, 5, p. 218 — 233) treffend charakterisirt ist.
Die ausserordentlich grosse menge solcher vasen, deren hilder
recht anschaulich das raffinirte und verweichlichte wesen der
späteren zeiten des alterthums offenbaren, ist ferner die Ursa-
che, warum eine ganze anzahl feinerer vasen, z. b. die nolani-
schen, der Sammlung Vivenzio angehörenden , nicht sogleich in
die äugen springen, und warum die neapler Sammlungen trotz
ihrer imponirenden ausdehnung und grosse bei der ersten über-
schau weniger bedeutend und wichtig erscheinen als sie wirk-
lich sind. Auf eine ausführlichere darstellung aller dieser ei-
genthümlichkeiten unteritalischer vasenfabrikation , wie sie sich
auf grund der schon von Jahn a. o. gegebenen trefflichen be-
merkungen an dem grossen von Heydemann gesammelten ma-
terial noch eingehender geben Hesse — und gewiss nicht ohne
aussieht auf manche neue, die eigenschaften dieser ganzen gat-
tung noch schärfer ins licht stellende resultate — hat Heyde-
mann sich nicht eingelassen. Darüber aber darf angesichts sei-
ner ohnehin schon hinlänglich umfangreichen arbeit, bei wel-
cher er sich zuletzt billiger weise nach einem abschluss sehnen
mochte, durchaus nicht mit ihm gerechtet werden, zumal es
noch fraglich erscheint, ob eine solche zusammenfassende arbeit
nach Jahns vorgange immer aufs neue wieder innerhalb des rah-
mens eines derartigen katalogs gegeben werden müsse. Es sollen
diese bemerkungen deshalb bloss andeuten, von welcher be-
schaffenheit das vorliegende material in der mehrzahl sei, und
nach welchen richtungen hin dasselbe noch in fruchtbringender
weise durcharbeitet werden dürfte. Dabei ist nun freilich zu
bedauern , dass Heydemann , wie er selber in seiner vorrede
beklagt, das angeblich im archiv des neapler museums befind-
liche „iuventar der vasen" nicht einsehen und somit eine grosse
zahl von wichtigen fundnotizen nicht verwerthen konnte. Es
lässt sich annehmen, dass ihn hieran eine von irgendwelcher
eifersucht eingegebene caprice , auf die deutsche gelehrsamkeit
in Italien nicht selten ganz wider erwarten zu stossen pflegt,
gehindert habe.
Auf Heydemanns beschreibungeu selber ausführlicher ein-
Nr. 10. 288. Archaeologie. 523
zugehen verbietet hier der räum ; es sei deshalb erlaubt, nur auf
eine sache, die mir wichtig genug erscheint, aufmerksam zu
machen. Wer bei der durchblätterung des katalogs einige tau-
send male bezeichnungen liest wie folgende: rohe Zeichnung»
roheste z., fast rohe z. , gewöhnliche z. , flüchtige z., flüchtig
leidliche z., sehr flüchtige z., flüchtig feine z., flüchtige archaisti-
sche z., geringe z., werthlose z., grobe z., unfeine sehr realisti-
sche z., leichte z., schlechte z., ganz verdorbene z. ; andererseits:
strenge Zeichnung, leidlich strenge z., strenge grossartige z., feine
z., feinste herrliche z., anmuthige z., leichte anmuthige z., anmu-
thige schöne z., saubere z., schönste bewunderungswürdigste z.
u. dgl. mehr., der wird jedenfalls bald merken, dass dies nicht
das richtige sein könne. Denn wer die vase selber oder eine
genaue abbildung derselben nicht im sinne hat, der gewinnt
auch von solchen ausdrücken keine bestimmte Vorstellung ; wer
aber die vase selber oder irgend eine abbildung derselben sich
vergegenwärtigen kann, für den sind jene bezeichnungen ganz
überflüssig. Nun hat zwar nicht jeder archäologische leser
jede vase in der erinnerung, auch nicht immer gleich eine
zuverlässige abbildung zur hand, wohl aber kennt derselbe eine
grosse zahl von vasen, von denen die eine diese , die andere
jene stylgattung mehr oder minder repräsentirt. Auf eine ver-
gegenwärtigung des styls aber kommt es doch ganz allein nur
an, wenn sich der leser neben dem gegenstände, den die Zeich-
nung darstellt, auch einen begriff von der technischen beschaf-
fenheit der letzteren machen soll. Heydemann scheint dies
selber gelegentlich gefühlt zu haben, wenn er z. b. zu nr. 120
des Museo Santangelo auf Brunns bemerkungen über den styl
der caeretaner vasen, Probl. z. gesch. d. vas. p. 112, §. 13,
hinweist und bei nr. 321 und nr. 366 derselben abtheilung
zu einer vergleichung des styls auffordert (wobei man freilich
im neapler museum selber sein muss, da bis jetzt keine abbil-
dungen von diesen beiden vasen vorhanden sind). Hier ist
der punkt, in dem Heydemann über Otto Jahn, der ebenfalls
vielfach diese allgemeinen bezeichnungen anwendet, hätte hin-
ausgehen sollen. Und zwar Hesse sich der sache durch einen
die bis jezt bekannten stylgattungen repräsentirenden vasenca-
non, bei dessen aufstellung z. b. die Brunnschen probleme zur
gesch. d. Vasenmalerei gute dienste leisten würden, abhelfen.
524 Neue auflagen. — Schulbücher. Nr. 10.
Auf grund eines solchen canons könnte man dann später bei
der cbaracterisirung irgend einer vasenzeicbuung jedesmal auf
eine bestimmte, diesem canon angehörende vase hinweisen.
Feine stylistische Unterscheidungen sind zwar nicht immer je-
dermanns sache — und es passt hier vielleicht der zweite theil
des von Heydemann an den anfang gestellten motto's : „nur in
der fühlenden band regt sich das magische reis" — indessen
hätte sich der in der vasenkunde so bewanderte Verfasser von
der eben angedeuteten aufgäbe nicht zurückhalten lassen sollen.
Auch würde es bei einer Sammlung wie der von Neapel ge-
wiss nicht nöthig gewesen sein , sich bei jeder vase eines der-
artigen hinweises zu bedienen; hier hätten sich ganze gruppen
schrank - oder gar zimmerweise zusammenfassen lassen. So
viel aber ist gewiss, dass unsere vasencataloge nach der sty-
listischen seite hin bis jetzt noch nicht ausgiebig genug sind;
sie dienen vielmehr in einseitigerer weise hauptsächlich dem so-
üuppo di erudizione mitologica, an dem die archäologische literatur,
wie Heibig im Bull. d. Inst. 1871, p. 96 sich ausdrückt, schon
fast überfluss leidet. Auf das stylistische aber weisen in un-
serer gegenwart schon eine ganze reihe archäologischer Studien
hin; dies ist ein gebiet, auf welchem die kunstgeschichte jetzt
mehr als früher gefördert zu werden scheint, und jedenfalls
auch noch zu fördern ist.
Friedrich Schlie.
Neue aufiageu.
289. Freund, präparation zu Homers Ilias. 10. heft 3. aufl. 16.
Leipzig. Violet; 5 ngr. — 290. Dess. präparationen zu Cäsars bür-
gerkriegen. 1. heft. 2. aufl. Leipzig. Violet; 5 ngr. — 291 — 3. Dess.
präparation zu Cicero's werken. 10. heft. 2. aufl. 16. Leipzig.
Violet ; 5 ngr. : 13. heft. 2. aufl. ; 5 ngr ; 7. heft. 3. aufl. ; 5 ngr. —
294. Römische geschichte von B. O. Niebuhr. Neue ausgäbe von
M. Isler. 2. bd. 1. abth. 8. Berlin. Calvary; 15 ngr. — 295.
Carriere aesthetik. Die idee des schönen und ihre Verwirklichung
durch natur, geist und kunst. 2 bde. 2. aufl. 8. Leipzig. Brock-
haus; 6 thlr.
Neue Schulbücher.
296. Homer's Ilias. Erklärende Schulausgabe von H. Diintzer.
1. heft. 1. lfrg. 2. aufl. 8. Paderborn. Schöningh; 12 ngr. — 297.
C. I. Caesaris Commetitarii de bello gallico. Erklärt von J. Quossek. 2.
aufl. 8. Cöln. Schwann ; 15 ngr. — 298. C. Taciti Germania. Er-
Nr. 10. Bibliographie. 525
klart von Tuecking. 2. aufl. 8. Paderborn. Schöningh; 6 ngr. —
299. Freund, 3 tafeln der griechischen, römischen und deutschen lite-
raturgeschichte. Imp.-fol. Leipzig. Violet; ä 5 ngr. — 300. K.
Schenkt, deutsch -griechisches Wörterbuch. 2. aufl. 8. Leipzig. Teub-
ner; 2 thlr. 24 ngr. — 301. J. Ch. Neuhaus, die sagen von den göt-
tern und helden der Griechen und Römer. 2. ausg. 8. Cöln. Schwann;
15 ngr. — 302. C. Ch. C. Völker, kleine lebensbilder aus dem al-
terthum. 2. aufl. 8. Elberfeld. Baedeker; 15 ngr. - 303. H. W.
Stoll, erzählungen aus der geschichte. 5. bdchen. 8. Leipzig. Teub-
ner; 15 ngr. — 304. J. Quossek, Übungsbuch der griechischen sprach-
elemente. 1. thl. Für quarta. 3. aufl. 8. Paderborn. Schöningh;
12 ngr. — 305. J. Beck, griechische geschichte mit besonderer rück-
sicht auf archäologie und literatur. 4. ausg. 8. Hannover. Hahn;
22l/2 ngr. — 306. O. Schulz Tirocinium , d. i. erste Übungen im
übersetzen aus dem lateinischen. 14. aufl. 8. Berlin. Nicolai ; 10
ngr. — 307. A. Vanizen , elementar -grammatik der lateinischen
spräche. 8. Leipzig. Teubner; 20 gr. — 308. R. Kühner, elemen-
targrammatik der lateinischen spräche. 36. aufl. 8. Hannover. Hahn;
1 thlr. — 309. Desselben kurzgefasste schulgrammatik der lateini-
schen spräche. 3. aufl. 8. Hannover. Hahn; 22 72 ngr. — 310.
Desselben lateinische Vorschule. 17. aufl. 8. Hannover. Hahn; 12V2
ngr. — 311. Fr. Ellendts lateinische grammatik. Bearbeitet von
M. Seyffert. 13. aufl. 8. Berlin. Weidmann; 20 gr. — 312. J. F.
Ellendt, materialien zum übersetzen aus dem deutschen ins lateini-
sche. 5. aufl. Berlin. Bornträger; 12 ngr.
Bibliographie.
Am 15. mai hat Dr Wilhelm Engelmann in Leipzig das 50jährige
Jubiläum der von seinem vater begründeten firina gefeiert: das hat zu
einem aufsatz in Petzhold's Neuem Anzeiger nr. 8 veranlassung gege-
ben, der im Börsenbl. nr. 192 wiederholt ist.
Der buchhändler Steiger in New-York ist mit herausgäbe eines
katalogs der amerikanischen Zeitungen so wie der in Amerika er-
schienenen originalwerke bechäftigt. Näheres giebt Börsenbl. nr. 209.
Die königliche bibliothek in Berlin besitzt jetzt c. 708000 ge-
druckte bände und über 15000 manuscripte. In dem mit ihr verbundenen
lesezimmer sind 670 Zeitschriften aller art zur benutzung aufgelegt.
Von dem Moniteur des Dates von Fdouard Marie O etting er
erscheint unter der redaction von Dr Hugo Schramm (-3Iacdonald)
ein Supplement bei B. Hermann in Leipzig; je 3 lieferungen kosten
2 thlr. 20 gr.
Das zauber -dintenfass des hauses Hachette et Co. in Paris wird
näher beschrieben und empfohlen im Börsenbl. n. 209.
Ein verzeichniss der auf der wiener Weltausstellung prämiirten
buchdrucker , buchhändler u. dgl. giebt Börsenbl. nr. 209. 2^7: ein
amtliches verzeichniss aller preise die extra -beil. zum Reichsanz.
n. 213.
Ueber den preisaufschlag der Zeitungen in Berlin giebt nachwei-
sungen Börsenbl. nr. 225.
In B. G. Teubner's mittheilungen für 1873 nr. 3 werden als
künftig erscheinende bücher angekündigt: Ausgewählte reden des
Lysias für den schulgebrauch erklärt von H. Frohberger. Kleinere
ausgäbe : sie soll alle reden der grössern ausgäbe mit ausnähme der
de caede Eratosthenis, wofür die 7. und 22. eingelegt wird, in einem
bände enthalten : der sonstige unterschied von der grössern ausgäbe
526 Kleine philologische zeitung. Nr. 10.
wird so angegeben: die ausgäbe soll nur für die schüler bestimmt sein:
ein sehr bedenklieber, nur aus der materiellen riebtung unsrer zeit er-
klärbarer sebritt, von dem noeb die rede sein wird — : Euripides Me-
dea, sebulausgabe von Dr Wecklein: Sallustius für den schulgebrauch
erklärt von A. Ewsner: C. Valeri Flacci Setini Balbi Argonauticon
11. VIII. Ree. Aem. Baehrens: — Vindiciae Gellianae alterae. Ein
brief an J. N. Madvig in Kopenhagen von 31. Hertz (separatabdruck
aus Suppl.-bd VI der Jahrb. f. class. philologie) : — Cäsar und seine
Zeitgenossen, eine betraebtung der römischen sitten gegen das ende
der republik. Von P. Delorme. Deutsch bearbeitet von Dr E. Döh-
ler : — Deutscher schulkalender für 1874. XXIII Jahrgang. Mit be-
nutzung amtlicher quellen herausgegeben von D. H. Mushacke: dies
buch ist nämlich in Teubner's verlag übergegangen und wird aufge-
fordert, die herausgäbe zu unterstüzen.
Ein schulkatalog der Verlagshandlung B. G. Teubner, bis august
1873 gehend, ist erschienen.
Cataloge von antiquaren : 156. verzeichniss des antiquarischen la-
gers von H. Härtung in Leipzig : namentlich ältere periodische werke
enthaltend ; 328. antiquarisches bücherlager von Kirchhoff und Wi-
gand: vorzugsweise classische philologie; 8. Richter und Harrasso-
witz antiquarischer catalog, linguistisch: nr. 7 ist ausschliesslich phi-
lologisch; VII. bücherverzeichniss von Karl J. Trübner, buchhändler
zu Strassburg im Elsass: literatur und philologie der deutschen und
romanischen sprachen.
Detken et Bocholt , Catalogo delle opere di fondo e delle novita
letterarie publicate in Italia. 1873. nr. 1.
Kleine philologische zeitung.
Frankfurt a. d. Oder, 6. juni. In gleicher weise wie in andern
provinzen haben auch die lehrer höherer lehranstalten der provinz
Brandenburg sich in den pfingstferien d. j. versammelt und zwar hier
am 3. juni. Die anwesenden collegen beschlossen sich als stehender
verein zu constituiren und wählten Dr Zehme, prorector an der real-
schule in Frankfurt, zum Vorsitzenden desselben. Einen hauptpunkt
der Tagesordnung bildete die frage nach der den lehrern gebühren-
den rangstufe. Prof. Hirschfelder referirte über sämmtliche hiebei in
frage kommenden gesetzlichen Verordnungen, die freilich nur das re-
sultat ergaben, dass die gyrnnasiallehrer erst hinter den räthen fünf-
ter klasse rangieren. Der antrag, den eultusminister in einer peti-
tion um gleichstellung der gymnasial -lehrer mit den richtern erster
instanz zu ersuchen, fand daher allgemeine anerkennung. Mit der
im Kladderadatsch und anderwärts viel besprochenen antwort des
ministers an eine berliner deputation kann das organ des Vereins
die sache unmöglich als erledigt ansehen und wird daher zur rech-
ten zeit sich des ihm am 3. juni gewordenen auftrags entledigen.
[Wir verkennen nicht, dass dieser gegenständ beachtet werden muss:
aber jetzt, wo im innern so viel zu neuern, wo so dringend in der Ober-
leitung ein anderes system platz greifen, änderungen im fast nur
mit Juristen besetzten eultusministerium erstrebt werden sollten,
da solche äusserlichkeiten??] — Der berichterstatter über die ascen-
sionsfrage, OL. Dr Hahn aus Berlin wies auf die Ungleichheit des
avancements hin, die meist nicht in verschiedener tüchtigkeit, sondern
in mannigfachen äusseren umständen ihren grund habe. Während
in diesem punkte die Versammlung dem vortragenden zustimmte,
vermochte sie die Zweckmässigkeit und durchfübrbarkeit seines gegen-
Nr. 10. Kleine philologische zeitcmg. 527
Vorschlags — avancement durch die ganze provinz nach der ancien-
nität modificirt durch qualificationsklassen — nicht unbedingt anzu-
erkennen und überwies die weitere Verfolgung der angelegenheit ih-
rem vorstände. Da jedoch dieser sich unmöglich oft und regelmä-
ssig versammeln kann, hat er eine commission in Berlin beauftragt jene
frage aufs neue in erwägung zu ziehen und ihm weitere vorschlage
darüber zu machen. — Auch wegen durchführung des nornialetats
an anstalten nicht königlichen patronats wurde eine petition an das
ministerium beschlossen. Nachdem jedoch der etat nunmehr an den
schulen, deren patrone den f orderungen des ministeriums genügt ha-
ben, bereits eingeführt ist, kann diese petition im sinne der dama-
ligen Sachlage jedenfalls nicht mehr erlassen werden , antrage jedoch
auf andere Petitionen ähnlichen inhalts sind bis jetzt nicht gestellt.
London, 16. august. Von Samuel Baker veröffentlicht die Ti-
mes briefe über dessen expedition in das innere Africa, welche die
von Livingstone gegebenen nachrichten über die seen, denen der Nil
entströmt, wieder bezweifeln und zu berichtigen suchen. Näheres
giebt der D. Reichsanz. nr. 196.
Zürich, 18 und 19. august. An diesen tagen war allgemeine
Versammlung der geschichtsfor sehenden gesellschaft der Schweiz : aus
den Verhandlungen heben wir hier hervor den Vortrag des prof. Dr
Hidder über die geschichte der schritt , die er durch vorlagen von
photographischen Urkunden vom 1. jahrh. p. Ch. an erläutert. Vrgl.
Augsb. Allg. Ztg. beil. zu nr. 239.
Cunstanz, 21. august. Heute hielt »der verein für geschichte des
Bodensees und seine Umgebung« seine fünfte Jahresversammlung, über
welche der D. Reichsanz. nr. 201 ein referat bringt. Wir heben dar-
aus hervor , dass archivar Pupihofer über die grenzen von Helvetien
und Rätien gesprochen und dass am 15. September eine fussparthie
über den Gebhardsberg gemacht und dabei unter andern das römi-
sche basrelief der göttin Epona am westlichen stadtthor und die mit
alten fresken geschmückte Martinskapelle besichtigt werden sollen.
Hannover, 31. aug. Von hier wird der Kölnischen zeitung ge-
schrieben, dass prof. Busopulos aus Athen sich dort über Schliemann's
entdeckungen in Troja ausgesprochen habe. » Der sg. schätz des
Priamos — s. ob. nr. 9, p. 473 — in Athen befindlich, habe mit dem
alten Priamos nichts gemein (das versteht sich von selbst), wo Schlie-
mann ein eulengesicht sehen wolle, existire ein solches nicht, sondern
nur drei punkte (das ist wichtig) , der goldwerth des Schatzes möge
sich auf 20 — 25000 thaler belaufen«. Also bleibt der fund doch ei-
ner der bedeutendsten der neuesten zeit: von unterrichetter seite geht
uns die nachricht zu, dass die geräthe ganz eigenthümlich und mit
nichts aus dem alterthume zu vergleichen seien. Vgl. auch Augsb.
Allg. Ztg. nr. 250.
Konstantinopel, 31. aug. Dr Mordtmann erstattet in der Augsb.
Allg. Ztg. beil. nr. 250 bericht über bd V und bd VI, welche der griechi-
sche Syllogos in Konstantinopel kürzlich edirt hat: wir heben aus
bd V hervor: Papadopulos zwölf unedierte griechische inschriften des
1. und 2. jahrh. p. Chr. aus Pelagonia; Bernardakis Untersuchungen
über münzwesen von den ältesten zeiten an; Abraum, alterthümer
der stadt Amastris ; — aus bd VI: Baranikas, demente der Sprach-
wissenschaft; derselbe über byzantinische musik; Baspatis, ausgrabun-
gen auf der eisenbahn in Konstantinopel; Bernardakis, das papiergeld
der alten; derselbe über Korinth und den Isthmos; Iemingham, my-
thologisches interesse des Bosporos.
London, 18. sept. Der bischof von Lincoln, Chr. Wordsworth,
hat auf die einladung zum alt - katholiken - congress in Constanz dem
528 Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 10.
dem Präsidenten desselben ein gedieht in lateinischen distichen ge-
sandt, welches die Augsb. Allg. Ztg. beil. nr. 260 mittheilt.
London , 22. sept. Im Daily Telegraph berichtet G. Smith über
neue entdeckungen in Assyrien , darunter auch über ein bisher feh-
lendes stück der inschrift — s. ob. n. 6, p. 316 flg. — von der
sintfluth. Vrgl. Augsb. Allg. Ztg. beil. zu nr. 267.
Berlin, 23. sept. Gelehrten-elend. Unter dieser Überschrift bringt
die Vossische zeitung eine auflbrderung zur Unterstützung der wittwe
des weiland professors Pietrafzewski, die in grosser unverdienter ar-
muth lebt. Pietrafzewski war vieljähriger consul am persischen hofe,
wissenschaftliches mitglied der persischen expedition unter Minutoli
und wendete auch als professor seine zeit und geldmittel vor allem
dazu an, eine »verbesserte Übersetzung der bücher des Zoroaster« drucken
zulassen: er ist aber ehe er ans ziel kam nach langer krankheit ge-
storben und hinterliess seine gattin und treue pflegerin in grosser dürf-
tigkeit. Sie hat gegen sie durch arbeit gekämpft, bis jetzt das alter
ihr das nicht mehr gestattet. Die Vossische zeitung sammelt bei-
trage. — Vrgl. Augsb. Allg. Ztg. Beil. nr. 269.
Auszüge ans Zeitschriften.
Augsburger Allgemeine Zeitung: beil. zu nr. 242. 243: deutsche
kriegsliteratur. — Beil. zu nr. 243. 244. 245. 246. 247: Friedrich von
Räumer. — Versuche zur begnadigung Pichler's: s. Phil. Anz. nr. 7, p.
384. 8, 429. — Beil. zu nr. 246: Schill in Pesth weist in Clason's ar-
tikel: »die presse im alten Rom« (s. ob. nr. 9, p. 480) mehrfache
fehler nach. — Beil. zu nr. 250: Dr Mordtmann, der griechische
wissenschaftliche Syllogos in Konstantinopel: s. ob. p. 527. — Nr.
253: der Orientalisten - congress in Paris. — Beil. zu nr. 253. 254.
255: Marquardsen, das recht der trauen: ein Vortrag, der auf das
classische alterthum auch rücksicht nimmt. — Nr. 255. 256: aus
dem werke Lamarmora's. — Nr. 257: die enthüllungen Lamarmo-
ra's. — Nr. 258. Beil. zu nr. 259. 260 : die realschulen und das uni-
versitätsstudium. I. IL III. — Nr. 261: griechische zustände. — Die
deutsche spräche in den polnischen schulen. — Beil. zu nr. 262:
unedirte monumente Muratori's. — Beil. zu nr 264. 265: Konrad
Friedrich Hassler: nekrolog. — Nr. 265. Beil. zu nr. 266. Nietzsche
gegen Strauss. I. II. — Beil. zu nr. 266. 267 : antiquarische funde
als gegenständ des expropriationsrechts. — Beil. zu nr. 269: zeit-
betrachtungen. — Troja und die höhen von Bunarbaschi: brief von
Schliemann, der gegen aufsätze in der kölnischen zeitung gerichtet
ist (s. ob. p. 527). — Beil. zu nr. 270: Hausrath's neutestament-
liche Zeitgeschichte: anzeige. — Nr. 271: zur Universitätsreform in
Oesterreich. — Nr. 271: die katakomben bei Kertsch: die in ihnen
befindlichen maiereien sollen von einem orientalischen volke herrüh-
ren. — Beil. zu nr. 273 : die Stenographie bei den alten : aus einem
vortrage von H. Hagen in Bern, der Manil. Astr. IV, 197. Mart. Ep.
XIV, 202. Auson. Ep. 198. Isidor. Etym. 1, 21 und anderes für seine
thesis benutzt. — Beil. zu nr. 275: Gerster, zur reform des geogra-
phischen Studiums und Unterrichts. II (s. nr. 185). — Nr. 280: ein
conflict über das schulaufsichtsgesetz: betrifft den lehrer Dietz in
Marburg. — Beil. zu nr. 281: das bildungs - und Unterrichtsfach
auf der wiener Weltausstellung. III (s. nr. 184). — Bemerkung über
F. v. Uochste/ler geologische bilder der vorweit und der jeztwelt.
Bratuschek, philosophische monatshefte, Berlin, Henschel: nr. IV
(juli): JE. Herrmann die grammatischen wortclassen. — C. Gotschlick,
Aristoteles von der einheit und Verschiedenheit der zeit. — Recen-
sionen von Bratuscheck und A. Röhl.
Nr. 11. NoTcmber 1873.
Philologischer Anzeiger.
Herausgegeben als ergänzung des Philologus
von
Ernst von Leutsch.
312. Valentin Hintner kleines Wörterbuch der lateini-
schen etymologie mit besonderer berücksicktigung des griechi-
schen und deutseben. 8. Brixen 1873. Vllf u. 26fss. — 1 thlr.
Es ist ein sonderbares bueb, das wir im folgenden mit kurzen
Worten anzeigen wollen, ein buch, von dem man gar nicht reebt
weiss, welchen Standpunkt man dazu einnehmen soll. Hält
man sich an den titel, der ja doch im allgemeinen dazu da ist
den inhalt eines buches anzudeuten, so ist das buch ein recht
kümmerliches machwerk ; denn für ein, wenn auch kleines Wör-
terbuch der lateinischen etymologie (was wohl bedeuten soll
;, etymologisches Wörterbuch"), enthält das buch theils zu wenig,
theils und in noch weit höherem grade viel zu viel. Ueber die
art der entstebung giebt die vorrede aufschiuss, die mit dem
inhaltschweren satze beginnt: „endlich erscheint das vor mehr
als drei jabren in der vorrede zu Viri inlustres versprochene
Wörterbuch. Vielleicht würde es besser sein, wenn es nicht er-
schienen wäre". Indem ich allerdings nicht umhin kann zu
dem letzten satze aus voller seele meine Zustimmung zu erklä-
ren, bemerke ich, dass mir diese Viri inlustres zwar unbekannt
sind, dass man aber nach den in dem wörterbuche enthaltenen
eigennamen wohl vermuthen darf, es sei ein auszug der alten
geschichte in einer für schüler mittlerer gymnasialclassen be-
stimmten fassung. Dass das vorliegende buch als Wörter-
buch zu einem derartigen übersetzungsbuche irgend wie brauch-
bar sei, müssen wir entschieden bestreiten. Der verf. hat zu
den einzelnen in diesen Viri inlustres vorkommenden Wörtern
eine menge material zusammen getragen, das die neuere Sprach-
wissenschaft über die etymologie der betreffenden Wörter auf
Philol. Anz. V. 34
630 312. Lateinische etymologie. Nr. 11.
gehäuft hat; was soll aher ein schüler, wenn er z. b. nach
der bedeutung des Wortes latus sucht, mit den dort in bunter
fülle sich umhertummeluden indischen, griechischen und germa-
nischen Wörtern anfangen, denen sich in andern artikeln noch
altbaktrische und slavo- lettische anreihen? er überschlägt das
alles ganz einfach, nachdem es ihn vorher verwirrt gemacht
hat, da die deutsche bedeutung erst nach einer langen die
ganze sprachvergleichende Weisheit enthaltenden parenthese an-
gegeben wird. Indessen scheint der Verfasser selbst nicht recht
an diesen paedagogischen beruf seines buches geglaubt zu ha-
ben, denn er deutet an, dass er während der arbeit den plan
derselben „in etwas abgeändert habe, ohne dass er jedoch die
ursprüngliche anläge ganz verwischen wollte"; und auch der
titel des buches scheint aus dieser intention hervorgegangen.
Für wissenschaftliche zwecke ist nun aber das buch ziemlich
ganz unbrauchbar. Es liegt uns sehr fern den fleiss verkennen
zu wollen, den der verf. glaubte nicht mehr unter den scheffel
stellen zu dürfen. Er hat gewiss recht fleissige Sammlungen
im gebiete der sprachvergleichenden literatur , aber er durfte
diese Sammlungen nicht ohne weiteres abdrucken lassen, und
das hat er im wesentlichen gethan; die einzelnen artikel sind
collectaneen, die oft viel zu viel, häufig zu weuig enthalten,
die hervorgegangen sind aus einem allzu häufig nur sporadi-
schen Studium der einschlägigen literatur, die abweichenden an-
sichten durch ein „anders" oder „vgl." verbinden und selb-
ständiges so gut wie gar nicht enthalten. Manche enthalten
nichts weiter als die Zusammenstellungen, welche die „Grundzüge"
von Georg Curtius bieten, ohne diesen oder sonst jemanden
zu nennen ; bei andern wird die einschlägige literatur ausführ-
lich , zum theil bis auf die neuesten erscheiuungen angeführt.
Dazu kommt, dass eben, was dem ursprünglichen plane des bu-
ches zur last fällt, viele wörter fehlen und eine menge da ste-
hen, die für ein wissenschaftliches buch der art ein völlig un-
nützer ballast sind. Was soll man mit den vielen historischen
und geographischen eigennamen anfangen, was mit der last der
composita, die dazu nicht einmal unter dem einfachen verb, sou-
dem in alphabetischer reihenfolge aufgeführt sind. Belege dafür
sind allenthalbeu zu finden, man vergleiche z. b. p. 3 ff. das öde
verzeichniss von mit adcomponierteu veiben, die dem vf. keine
Nr. 11. 312. Lateinische etymologie. 531
gelegenheit auch nur zu einer einzigen etymologischen notiz
boten.
Im einzelnen auf den inhalt de3 buches einzugehen , ist
nach dem auseinandergesetzten unnötbig ; es ist eben leicht
lücken nachzuweisen, wie ich z. b. aus ganz sporadischem ge-
brauche des buches einiges hervorheben will, wie es mir zufäl-
lig beim duchblättern aufstösst. P. 21 vermisst man caeruleus,
während bei calamitas auf Pott Wzw. II, 3, 182 hingedeutet
werden konnte; für canis p. 22 konnten die Zusammenstellun-
gen von Zehetrnayr Bi. »f. d. bayr. gymnas. 1871, p. 269 er-
wähnt werden. Careo hat Pott II, 4, 15 behandelt, ceteri der-
selbe II, 3, 139. Bei consul, das mit „für consulus von con-
sulere" abgethan wird, fehlt die hinweisung auf Hainebachs be-
sondre behandiung dieses wortes im programm von Giessenl870.
Coturnix (Corssen Beitr. 17. Zeyss Philol. XXXI, p. 307 ff.)
fehlt ganz, ebenso diutius (TTeihrich Piniol. XXX, p. 625 ff.
Clemm X. jahrb. f. philol. 1870, p. 26 ff. bd. 101. J. Schmidt
K. Z. 19, 381). Famula steht da, famulus fehlt, das in dem
eben erwähnten programm von Hainebach auch behandelt ist.
Auch felis katze fehlt. Zu fustis gehört Bugge Stud. IV", 3-16.
Hinweisungen auf Obermüllers keltomanische combinationen, wie
z. b. p. 77 unter Gades Gaetuli Gallia , konnten billig gespart
bleiben; ebenso wenig durfte unter gener die identificierung der
wurzeln dam gam jam L. Geiger nachgesprochen werden. Gla-
cies (Pott Wzw. II, 2, 708) und gingiva (Bugge Stud. IV, 3-17) feh-
len. Die erörterung Savelsbergs KZ. 19, 1 ff. hat doch nicht
so gauz, wie der verf. p. 89 meint, die bisher übliche Zusam-
menstellung von wga mit deutschem jära widerlegt , an der
noch Fick KZ. XXII, 96 festhält. Inquam hat Pott Wzw. II,
2, 5 ff. erörtert. Benfey's ansieht über jubeo ist p. 105 nur
sehr ungenau augegeben , auch fehlt daselbst Froehde KZ. 14,
452. Für leo konnte die mouographie von Pauli, München
1873, wohl noch nicht benutzt werden. Bei den citaten unter
premo fehlt Pott a. o. II, 4, 199. Unter salio steht consul, aber in
der bedeutung ,, zusammen berathend". Bei sarcio musste auch
Bugge K. Z. XX, 32 erwähnt werden (vgl. auch Curtius Ver-
bum p. 229). Bei secus fehlen Weihrich und Clemm an den
oben bei diutius erwähnten stellen. Tenelrae hat Spiegel Alt-
baktr. gramm. 71. zu zd. tättkra nusteiüiss gestellt. Bei
34*
532 313. Aristophanes. Nr. 11.
voltur fehlen Grassmann K. Z. XVI, 111. Zeyss Philol. XXXI,
p. 308 ff. Dietrich im programm vou Naumburg 1846, p. 45.
Dräger Philol. 2o, 393.
Aus den vorstehenden, wie gesagt, ganz planlos heraus-
gegriffenen einzelheiten kann die mangelhaf'tigkeit des buchcs
auch im einzelnen ersichtlich werden. Ein buch, das dasje-
nige was das vorliegende angestrebt, wirklich erfüllte, würde
einem lebhaft gefühlten bedürfnisse in unserer Wissenschaft ab-
helfen, da ein werk fehlt, das dem entspräche, was Curtius
etymologie für das griechische ist; wie wir hören, hat Vanicek
den plan ein ähnliches heraus zu geben; das vorliegende ist,
wenigstens in seiner jetzigen gestalt, für diese zwecke unbrauch-
bar. Das format ist ein kümmerliches klein octav, das papier
sehr grau und die abwechselung zwischen lateinischen und deut-
schen lettern auch nicht geeignet dem ganzen ein erfreulicheres
aussehen zu geben. Gustav Meyer.
313. Quaestiones Aristophaneae. Dissertatio philologica
quam . . scripsit Ernestus Bonsted t. 8. Fraucofurti ad
Moenum 1872. (Jenenser promotionsschrift). 44 s.
Es ist ref. nicht gelungen den verf. bei irgend einer
quaestio zu betreffen. So klar liegt alles vor den äugen des-
selben, so fern ist er allen scrupeln und zweifeln, dass man
wirklich für einen augenblick wähnen könnte, der von ihm be-
arbeitete gegenständ gäbe zu gar keinen fragen anlass. Bon-
Btedts verfahren ist eben ein rein eklektisches: er trägt in ru-
higstem ton von anfang bis zu ende seine erzählung vor, in-
dem er bei strittigen punkten eine bestimmte ansieht auswählt
und sich um andere nicht weiter den köpf zerbricht.
Nach angäbe der zahl der von Aristophanes verfassten
und der uns erhaltenen komödien bespricht der verf. die drei
ältesten unter fremdem namen aufgeführten stücke, die Daita-
leis, Babylonier und die Acharner. Dies thut er in der weise,
dass er zuvörderst die muthmassliche tendenz in den beiden
ersten verlorenen dramen angiebt. In den Daitaleis nehme
Aristophanes die erziehung der jugend durch ; hierauf sei der
jugendliche dichter deshalb verfallen, weil er selber eben erst
ex scholarum umbraculis herausgetreten sei(?). Nachdem dann
in ähnlicher weise der etwaige inhalt der Babylonier vermuthet
Nr. 11. 314. Aristophanes. 633
ist, wird das argament der Acharner mit grosser breite von
p. 13 — 25 erzählt, worauf Bonstedt bescheiden bemerkt: Haec
fere sunt, quae Aristophanes in Acharnensium comoedia summa
et ubertate ingenii et hilaritate copiosissime tractavit, quorum
propria quidem forma ac species , ut a nobis illa sunt adum-
brata, valde est imminuta. Hieran schliesst sich eine betrach-
tung über plan und zweck der Acharner und die beantwor-
tung der frage , wie der dichter dazu gekommen sei den frie-
den zu empfehlen trotz der augenblicklich für die Athener gün-
stigen läge ihrer kriegsunternehmungen. Nachdem der verf.
weiterhin die auftretenden personen charakterisirt und ihr ver-
hältniss und ihren Zusammenhang mit dem plan des ganzen
darzulegen versucht hat, schliesst er mit einigen scenischen,
im wesentlichen Schönborn folgenden bemerkungen über zeit
und ort des Stücks. Einen wie reichen Untersuchungsstoff ge-
rade diese scenischen fragen darbieten, können Bonstedt das
hier im Anzeiger ob. p. 325 ff. besprochene programm von Haupt
und die kürzlich erschienene schrift von 0. Gilbert über die
festzeit der attischen Dionysien beweisen. Und auch sonst ver-
möchten wir ihm eine ganze reihe von fragen aufzuzählen, über
die er in seiner dissertation hinweggescblüpft ist.
R. A.
314. Quaestiones Aristophaneae. Dissertatio philologica
quam . . defendet scriptor Fridericus Leo. 8. Bonnae
1873. 44 s.
Ein ganz anderes gepräge trägt diese Bücheier und Use«
ner gewidmete promotionsschrift, welche mit der voranstehen-
den nur den titel gemein hat. Hier haben wir ernsthafte und
gelehrte Untersuchung vor uns.
Der zweite umfangreichere theil führt den titel: Quali
lege comoediae licentiam Athenienses coercuerint. Um sich den
boden für seine kritischen bestrebungen zu ebnen , unter-
sucht der verf. zunächst das verhältniss der uns erhaltenen
tractate über die geschichte der attischen komödie unter ein-
ander, namentlich mit riicksicht auf die titelfrage. Er unter-
scheidet in diesem bezuge zwei bestände: einen älteren, unter
dem namen des Platonius auf uns gekommenen, welcher die
geschichte der komödio an der hand der griechischen geschichte
534 314. Aristopbanes. Nr. 11.
überhaupt verfolgt, und einen jüngeren (Proleg. de com. bei
Dübner IV. IX a. IX b. u. a.), welcher durch eigenes nachden-
ken zu seinen annahmen über die allmählich schwindende par-
rhesie der komiker gelangt. Der aufsatz des Platonius zerfällt
dann unter der sicheren band des ve-rf. wiederum in zwei theile,
1 — 58 und 58 — 78 Duebn., zwei von verschiedenen autoren ge-
machte auszüge aus einem und demselben werkchen, und in einen
anbang de personis (78 — z. ende.). Kef. hält diesen theil der
arbeit für den besten ; denn um es zu gesteheu, was auch Leo
selbst nicht leugnet, die nunmehr sich anschliessenden fragen
nach dem Zeitpunkte, in welchem die komödie vom Staate den
chor erhielt, nach der zeit, in welcher sie zum ersten mal und
später wiederholt in ihrer redefreiheit gesetzlich beschränkt
wurde (xf)tjffia/.ta des archon Morychides bei Schol. Ach. 67, des
Antimachus bei Schol. Ach. 1150, des Syracosius Schol. Av. 1297),
ferner die frage nach der eigentlichen bedeutung dieses in ver-
schiedenen zeiten auftauchenden gesetzes ut] xoofjcpddo&ai bvo-
[lacTi Ttra: alle diese fragen können nach den uns zu gebot
stehenden quellen doch nur eine annähernd sichere antwort er-
fahren. Zwei dinge nämlich sind es, welche die entscheidung
ungemein schwierig und die resultate Leo's zweifelhaft machen,
einmal dass wir oft nur auf fragmente angewiesen sind, um an
ihnen die vorhandene oder eingeschränkte freiheit im spotte
über öffentliche personen und einrichtungen zu prüfen, und so-
dann der umstand, dass wir häufig nicht wissen, ob die auch
in vollständig überlieferten stücken verspotteten personen ein
staatliches amt bekleideten oder nicht. Die letzte der genann-
ten fragen beantwortet der verf. durch eine sehr eingehende
behandlnng des processes Cleons gegen Aristopbanes p. 39
folgendermassen : lege illa cautum erat, ne nomen magistratus aperte
et contumeliose nominaretur ■; oeculte, quod ainy(Aata>8öäg vocant, in-
dicare semper licebat quodeumque volucrunt.
Nicht in gleicher weise wie bisher kann ref. das verfahren
Leo's in dem ersten: De pristino Acliarncnsium exordio, überschrie-
benen abschnitt billigen , in welchem der versuch gewagt wor-
den ist, den ausfall der ersten scene in unserem stück nachzu-
weisen. Weil der scholiast zu vs. 1228:
7i]v(lXa ö/y ?', t'i'nsQ xalH<; y\ co ngsaßv, xaXXuixog,
anmerkt: co nQtaßv iuvzop ya.Q vnsti&tTO nQeoßvv, np6$ Tip
Nr. 11. 315. 316. Plutarchos. 535
ywaiv.«. dialsyö/tevog ii> aQXfl iov SodfxaTog , und weil Leo be-
hauptet, die anrede des Dicaeopolis an seine frau im anfange
der Acharner, wie sie uns überliefert sind, vs. 262 könne kein
colloquium genannt werden , weil er ferner behauptet, Dicaeopo-
lis zeige sich in eben jener scene nicht als greis, so folgert er
daraus das einstige Vorhandensein einer scene, in welcher jene
beiden dinge vorkamen. Allein dies kann ihm durchaus nicht
zugestanden werden. Es ist eine gänzlich verwerfliche sache
aus der notiz eines scholiasten und nicht aus dem mangelnden
zusammenhange der dichterworte auf eine lücke, und besonders
in einer griechischen komödie , schliessen zu wollen. Gewiss
wird mancher leser mit dem vf. gern die wette eingehen, ihm auf
diesem wege in jedem aristophaneischen stück mindestens eine
lücke nachzuweisen. Wenn der scholiast sich veranlasst fühlte
die bezeichnung nQtvßvg, welche der Chorführer dem Dicaeo-
polis beilegt, durch eine stelle im stück selbst zu belegen und
dabei für jene processionsscene den unpassenden ausdruck „dia-
log" wählte, so trifft doch nur ihn die Verantwortung dafür.
Er dachte in Wirklichkeit unzweifelhaft an jenen vs. 262 und
daran, dass Dicaeopolis bereits eine heirathsfähige tochter hat.
Für die Zuschauer aber war die benennung 7i(jsoßvg eine un-
zweideutige, da sie Dicaeopolis in seiner maske sahen. Und wenn
Leo es schliesslich unpassend und unerklärlich findet, dass der
chor im anfang der komödie seinen hass ohne weiteres von
Amphitheus, dem ursprünglich bedrohten, auf Dicaeopolis über-
trägt , so bleibt dieselbe Schwierigkeit auch bei der annähme
der von ihm vermutheten scene bestehen, der zufolge Amphi-
theus sich als Dicaeopolis sclave einführen soll. Denn in bei-
den fällen haben wir anzunehmen, und das hat für die attische
komödie nichts anstössiges, dass die choreuten wissen was den
Zuschauern bekannt ist, nämlich dass Amphitheus in Dicaeopo-
lis auftrag gehandelt habe.
R. A.
315. Plutarcheische Untersuchungen von Dr. Hermann
Heinze. Erstes heft. 8. Berlin, S. Calvary und Co. 1872
46 s. — 15 sgr.
316. Sachlicher commentar zu Plutarch „negl ädoXeoxiae1
536 315. Plutarchos. Nr. 11.
vom gymnasiallehrer Dr. Heinz e. Osterprogramm des gym-
nasiums zn Marienburg. 1873.
I. ,,Ein beitrag zur frage über die ecbtheit oder unecbt-
heit der schrift ntgl rot) /jrj dth dartiteoOai" ist das baupt-
tberna der zuerst angeführten schrift., E. Volkmann hatte
die kleine abhandlung dem Plutarch abgesprochen (Leben PI.
I, p. 180), und zwar zunächst, im anschluss an Benseier, we-
gen der Vernachlässigung des hiatus, dann aber auch wegen der
darsfellung , die an frostigem pathos leide und theils durch
unrichtige historische anspielungen theils durch den gebrauch
vieler ann^ tioquwa entstellt werde. II. Heinze untersucht da-
her zuerst die hiate. Dieselben sind, wie gezeigt wird, theils
zu rechtfertigen , theils lassen sie sich durch leichte Umstellun-
gen, wenn auch wohl mehrfach anders als vorgeschlagen wird,
beseitigen. Uebrigens findet sich in der citirten schrift von
Schellens p. 4, n. 8 nichts von einem unterschiede in der
Wirkung des spiritus gravis (sie!) und des spiritus asper. Es
wird sodann der st off des werkchens behandelt und gezeigt,
wie sich ähnliche grundsätze und gedanken an vielen stellen
Plutarchs finden. Demnächst wird die ,, dispositi,on des
inhalts" dargestellt, „entworfen nach der methode von A.
Heinze, dispositionsentwürfe. Leipzig. 1869". Das citirte werk
giebt ausser den dispositionen von 405 schüleraufsätzen in einem
Vorworte von 9a/2 seiten nur die gewöhnlichsten regeln über
partitio und divisio, um schliesslich die dichotomie nach dem lo-
gischen gesetze der oppositio contraria als beste eintheilung zu
empfehlen. Nach diesem nicht grade sehr neuen und bekannt-
lich nicht ganz unbedenklichen principe sucht dann H. Heinze
die disposition der plutarchischen schrift zu geben, doch lässt
sich, fürchten wir, Plutarch nicht nach diesem formular massregeln ;
man müsste z. b. die conclusio schon von c. VII, 5 an rechnen. —
In capitel IV werden ferner die historischen belege,
apophtbegmata, citate, bilder, gleichnisse des bu-
ches untersucht, und eine grosse menge von parallelen aus den
übrigen Schriften Plutarchs mit geschick und glück beigebracht.
In cap. V untersucht der verf. weiter „styl, Wortverbin-
dung und ana% tl q ij fieva" und weist mit grosser belesenheit
namentlich in der anwendung von synonymgruppen und von
bestimmten rhetorischen figuren mancherlei analogien nach. Hier
Nr. 11. 315. Plutarchos. 537
hätte indessen wohl Volkmanns behauptung untersucht werden
müssen, dass der stil in hohem grade an Maximus Tyrius er-
innere. Davon abgesehen ergiebt sich mit hoher Wahrschein-
lichkeit das resultat , dass hier ein werk Plutarchs vorliegt,
doch bleibt seltsam der durch masslose bildeibäufung ent-
standene schwulst und die zahlreichen hinweisungen auf
Rom, die sogar Wörter wie xaßdXXqg und y.uXüi8ui veranlasst
haben. Es scheint das werkchen eben ein in Eom von Plu-
tarch verfasster rbetorischer Vortrag zu sein.
Hieran schliessen sich noch Observationen über die anwen-
dung von n q i \> und 7tq)v rj in sämmtlichen echten schriften
Plutarch's. Es ergiebt sich, dass er in der regel nf))v r\ mit
dem intiuitiv gebraucht, nolv dagegen nur vor einem vokal des
hiats wegen schreibt. IJylv av mit conjunctiv findet sich nur
an drei stellen, die wohl hätten citirt werden können.
Leider ist die so verdienstliche arbeit durch eine unge-
wöhnliche incorrectheit des drucks entstellt. Der Verfasser
sucht dies durch seine weite entfernung vom druckorte zu ent-
schuldigen, indessen zeigen manche flüchtigkeiten namentlich im
citiren (z. b. p. 32 sxxexv/jtKog ohne stelle , p. 38 vnaQyvoico
mit Pompej. XIII), dass die arbeit im allgemeinen etwas zu
hastig druckfertig gemacht ist.
Schliesslich mögen uns noch ein paar kleinigkeiten ge-
stattet sein. Im ersten satze giebt Plutarch ein gesetz Piatons
über das wasserschöpfen an und folgert daraus die nothwen-
digkeit eines ähnlichen gesetzes für das borgen mit der Wen-
dung: «p' ov dt) sdet. So giebt die Didotsche ausgäbe; H.
Heinze, der auch sonst Tauchnitz zu citiren liebt, druckt nach
diesem ab : uoa örj sSst. Zur Vermeidung des hiatus wird ge-
schrieben werden müssen: u q1 nw sSei. im sinne von: nonne
igitur oportebat. Genau so steht «£>' ouv im zweiten satze der
Vita Periclis: uq olr .. . loyov *^«f, und an gleicher stelle de arnore
prol,: uq1 ovv xat Ol q iloönyot. — Cap. 2. Statt lexuvidag
hinter naooxpiSag änyvnäg will Heinze Xtxaräg schreiben, weil
jenes nicht recht nachweisbar sei. Ich erlaube mir aber auf
die in die Lexica nicht aufgenommene stelle bei Aelian N. A.
IV, 30 hinzuweisen. — Im zweiten capitel heisst es ferner :
rtjv de Toane^av ij nali] AuX'ig »/ Tevedog uvrixoGfi/jasi zoig
538 316. Plutarchos. Nr. 11.
xsgafisotg, xadagwzt'goig ovoi zäv dgyvgwv. Freilich wohnten
in Aulis töpfer, sprichwörtlich jedoch war meines wissens nicht
r/ xaXr/ AvXtg sondern q KcoXtdg. Grade wie hier sagt Era-
tosthenes bei Athen. XI, p. 482 B : xQaz7tQa ydg iozaoav toig &soig
ovx ciQyvQQvv oüös Xt&oxöXXqzor, dXXu zqg xwXtddog y?jg. Aehn-
liches bezeugt Suidas s. v. Wahrscheinlich ist ?} KwXidg auch
bei Plut. Symp. 5, 3, 2. 5 zu lesen statt ^wr q aaXdg, wie
dort längst vermutbet ist.
Cap. IV. SovXsvovoi ydg dnaoi zolg dqpaviotaig, pdXXov
ö' [oi»d'] avtoig uXid dovXoig. Das wort dyanozatg kommt
nicht nur sonst bei Plutarch nicht vor , sondern ist auch ganz
unpassend, weil inhaltslos. Der gegensatz zu dovXoig wird
wohl ävd qu 7i od to t aig erfordern wie Symp. 2, 1, 7. 3: dv
dganodtOTtjv . . xal rvgavvov. — Gleich darauf werden die
Wucherer bezeichnet als onsigovzsc, oi>% jjpsgov xagnov . . ., dXX1
öijiXijfidrav qi^ag n oXvnövov g xal noXvzöxovg xal dvaex-
Xeia t ov g ziOt'vzsg. Es ist wohl deutlich, dass geschrieben
werden muss: noXvy 6v ov g (cf. Sympos. 5, 10, 4. 7: noXv-
zsxvovg xal nol.vyovovg) xal . . . ö vo s $aX e in zovg , während
noXvzöxovg des doppelsinnes halber stehen bleiben muss.
Cap. VII werden mit den zinszahlern verglichen die X°^s~
gixoi, ol öegansiav [isv ov ngoobs^orzai, ro äs n g oo zsray [A s-
vov s%£ gtävzsg , slza nlsov av&tg ovXXt'yovzsg dsl diazsXovoiv.
Wenn sie gar keine arznei nehmen, so können sie schwerlich
das verordnete ausspeien. Natürlich heisst es: ro 8s 7zgoo-
io z d (as v ov i£sgö)VTsg , wie unmittelbar darauf: iniggs'ovzog
siidvg sze'gov xal ngoatozatu£i>ov ndXxv ravzimoiv. Aehnlich steht
ngooiozaodai. noch sonst bei Plutarch, wie Sympos. 3, 7, 1. 3,
de garrul. 20.
Cap. VIII. offov (piXd^svog 6 fit7Lonoi.og iv dnoixCa J£i-
xbXix")] . . slnsr. Bekanntlich weilte Philoxenos eine Zeitlang
in Syrakus, es ist aber undenkbar, dass Plutarch hiervon den
ausdruck: iv drzoixla JSixeXixy gebraucht habe, wie schon Volk-
mann gesehn. Die Schwierigkeit hebt sich wohl, wenn wir
iv d 7t od q [iia 2ixsXixjj schreiben.
II. Sehr nützlich ist auch die zweite Schrift von H.
Heinze. Jeder weiss wie wichtig für das verständniss der Mo-
ralien die genauere kenntniss der zahllosen stellen älterer
schriftsteiler ist, auf die Plutarch anspielt oder sich stützt; da
Nr. 11. 316. Plutarchos. 539
es aber noch nicht für die hälfte der Schriften sachliche com-
meutare giebt, so muss bei den übrigen büchern jeder für sich
hierüber die mühseligsten und zeitraubendsten Untersuchungen
anstellen. Deshalb hat H. Heinze es sich zur aufgäbe gemacht,
für die Schrift de garrulitate als grundlage eines sachlichen com-
mentars die quellen, anspielungen, analogien u.s.w. nachzuweisen,
und er hat einem späteren herausgeber dadurch eine grosse
fülle des brauchbarsten malerials geliefert. Damit nicht zufrie-
den sucht er auch die „plaumässige durcharbeitung des Stoffes"
seitens des Schriftstellers dadurch nachzuweisen , dass er eine
strenglogisch durchgeführte disposition des ganzen buches auf-
zustellen unternimmt. Natürlich folgt er hier wieder der stren-
gen dichotomie, und man kann einräumen , dass eine dichoto-
mische anläge im allgemeinen dem Plutarch vorschwebte. Die
einzelnheiten aber sträuben sich gegen das schema.' So gehören
z. b. die bemerkungen p. 3 über die zunge bis zum schluss von
absatz 6 durchaus nicht unter die ,;üblen folgen für andere",
ferner ist die conclusio willkiihrlich abgesondert, denn sie greift
wieder auf II, 1, a zurück, giebt auch nicht — wie sie sollte
— eine recapitulation, sondern nachtrage. Daran ist nun frei-
lich nicht H. Heinze schuld, sondern Plutarch, der nun einmal
an eine so straffe Ordnung sich nicht zu binden liebt. Dage-
gen müssen wir Plutarch gegen H. Heinze vertheidigen, wenn
dieser in einem besondern abschnitte „zwei logische feh-
ler in de garrulitate1-1 nachzuweisen unternimmt. H. Heinze
ist, wie es scheint, durch A. Heinze für die dichotomie so be-
geistert, dass er, wo er sie nicht findet , über mangel an logik
klagt. Wenn also Plutarch sagt : „von den übrigen leiden und
krankheiten sind manche gefährlich, andere widerwärtig, andre
lächerlich, bei der geschwätzigkeit trifft alles zusammen", so
erklärt H. Heinze diese aufzählung „nicht blos für unlogisch
sondern auch für unvollständig"; es gebe z. b. noch leib-
liche und geisteskrankheiten , äussere oder innere , heilbare und
unheilbare u.s.w. Und nun werden eine menge von divisionen
und codivisionen der gattung „krankkeit" aufgezählt, wie man
sie etwa im deutschen Unterricht durch die schüler machen lässt.
Aber hat denn Plutarch zum zwecke eines Systems der pathologie
eine division der gattung „krankkeit" beabsichtigt? Oder sollte
es unlogisch sein, zu sagen : „von den übrigen krankheiten ver-
540 316. Plutarchos. Nr. 11.
anlassen manche schmerzen an den fassen, andere an den
fingern, andere an den obren; bei der krankbeit x trifft alles
zusammen"? Es ist ja gar keine division des gattungsbe-
griffes „krankheit" beabsichtigt, sondern eine partition des
individualbegriffes „geschwätzigkeit", wobei für die einzelnen
merkmale nur analogien anders woher herangezogen sind. Auch
beansprucht die aufzählung keine Vollständigkeit und braucht
sich deshalb auch nicht den strengen regeln der division oder
partition zu unterwerfen. Noch bedenklicher steht es mit dem
zweiten logischen fehler, den H. Heinze bei Plutarch fin-
det. Dieser sagt cap. 21 : "Eon toivvv rgta ysrt] rwv ngbg
Tag igcoTtjaeig anoxQiatmv' to nsv dvayxainv , zo 8s qulav-
■&Qconov, 70 8s ntQiaaöv. H. Heinze übersetzt, es gebe
nothwendige, höfliche und überflüssige antworten,
und fügt hinzu , auch hier sei Plutarchs auffassung weder lo-
gisch richtig noch vollständig; jede nothwendige antwort könne
ja z. b. ebensogut höflich als grob sein u. s. w. Die weitere
ausfübrung bei Plutarch zeigt aber ganz deutlich, dass avay-
xaiov hier so viel ist wie „nichts als nothwendig" d. h. noth-
dürftig (s. vit. Pomp. 80, 2: nvQxa'iuv arayxalav nugaa^slr^
vit. Demetr. 47, 1: in} ßnmasig diayxaiag rgsnontvcov)^ es sind
also die antworten theils nothdürftig, theils höflich, theils weit-
schweifig. Diese begriffe verhalten sich aber zu einander wie
1:2:3 (etwa wie im französischen: non, non monsieur, non
monsieur Dumas), es liegt also eine vollkommen richtige anord«
nung vor, freilich keine (qualitative) division oder partition,
sondern eine (quantitative) progression.
Abgesehn hiervon müssen wir der vorliegenden arbeit un-
sere anerkennung wiederholen. Leider ist freilich auch hier
der druck sehr fehlerhaft.
Zuletzt noch eine kleine zugäbe. Der text des plutarchei-
6chen büchleins scheint sich durch eine besondere reinheit aus-
zuzeichnen. Madvig hat (Advers. I, 643) keine gelegenheit zu
einer emendation gefunden, denn ixetrot p. 513 A geht doch
wohl auf die aus laxcovl^tiv sich ergebenden Lacedaemonier.
Völlig verkehrt steht indessen cap. III: wnnsQ yan o nvobg
slg ayystov xat ax).e i aO e < g rw iie v [.is'toqj nXsCaiv svqi'gxb-
T«f, Tfl 8s XQttct ftoxfttiQOTSQog. Wann gewinnt der weizen in
einem gefässe an umfang? Es ist zu schreib eu : 6 nvgog elf
Nr. 11. 317. Griechische philosophie. 541
UQyiXov xa.7 a (i t %&£ (ij. Es ergiebt dies die auch bei Heinze
Bich findende stelle über die thoneide in Sympos. 5, 3, 1. 8:
eil dt (y aoyiXn^ x«? xuTUfnytv[i.t'nj ngnt; aizuv eniftSTQOv nnisi
duxptlti;, uögvruvau . . ioi> nvuöv. E. Rasmus.
317. Ueber den begriff gewissen in der griechischen philo-
sophie. Von Dr J. Jahnel. Progiamm. Glatz 1872. 18 s.
Der vcrf. polemisirt zunächst gegen die ansieht, welche
Hegel in seinen vurlesuugeu über ästhetik niedergelegt hat.
Die ersten keime für den begriff sind in der mythologie, die
weitere entwickelung in den philosophischen Systemen zu su-
chen. Die plastische pliantasie der Griechen hypostasirte das
strafende bewusstsein und schuf auf diese weise die Vorstellung
von rachegeistern, von Erinyen. Diesen namen führt Pausauias
auf tyipvtiv zurück, was bei den Arkadern so viel als zürnen
bedeutet, weshalb auch die dem Pluto zürnende Demeter zuerst
fgtvvg genannt und später jeder zürnenden gottheit dieses at-
tribut beigelegt wird. Die verschiedenen machtäusserungen der
einen zürnenden gottheit gestalteten sich allmählig zu einer
pluralität von rachegöttinnen, die erst nach erfolgter sühne
den charakter der wohlwollenden Eumeniden annehmen. Dass die
Erinyen die Personifikation der gewissensqualen sind, unterliegt
nach dem übereinstimmenden zeugniss der Alten keinem zwei-
fei. Findet sich aber bisweilen die anschauung, dass die Eri-
nyen den menschen zum verbrechen autreiben, so hängt das
mit dem traditionellen glauben an den neid der götter zusam-
men. Hier konnte der verf. den begriff der Ate mit heranzie-
hen und konnte den unterschied machen zwischen der continuir-
lichen macht , welche als grauses verhänguiss auf ganzen ge-
schlechtern lastet und der eiuzelwirkung derselben, welche mit
der zum verbrechen anreizenden Erinys identisch gesetzt wer-
den kann.
Unter den philosophen, die wir als mitarbeiter an der bil-
dung dieses begnffs betrachten können, nimmt Pythagoras der
zeit nach den ersten platz ein. Seine erörterungen über die
tugend konzentriren sich in der mahnung: inov &ttp. Nur
lässt sich bei dem defektiven und schwankenden charakter der
Überlieferung nicht nachweisen, wie er sich die Verbindung der
menschlichen seele mit gott und die vermittelung des göttlichen
542 317. Griechische philosophie. Nr. 11.
willens gedacht. Dass der delphische spruch yvä&i aavrov auf
den Pythagoras oder seine schule zurückzuführen sei , wagt
der verf. nur aus dem umstand zu folgern, dass Pythagoras
von Aristoxenos (Diog. L. VIII, 21) ein schüler der Pythia
Themistoklea genannt wird. Auch die von Sophokles, Thuky-
dides und andern erwähnten vofiifxa ayQacj.a mit ihrer göttlichen
autorität beweisen den glauben an eine das leben regelnde in-
nere norm. An den vovg des Anaxagoras, an diesen das all
durchdringenden und in dem menschen als seele sich offenbaren-
den weltgeist schliesst sich unmittelbar die sokratische ansieht
an , dass der mensch am göttlichen wesen theil haben müsse.
Es folgt die erwähnung von dem ütlov des Sokrates als dem
einen göttlichen wesen im gegensatz gegen die Vielheit der na-
tionalgötter. Nebenher läuft die bezeichnung 8ai/x6not' , d. h.
das individuell göttliche in ihm , welches unter der einwirkung
des allgemeinen göttlichen steht und die form einer vision , ei-
nes innern Orakelspruchs annimmt. Nach Xen. Mem. IX, 8,
1 haben einige gelehrte das daifit'viov mit unserm gewissen
identificirt. Aber nach Piaton ist die Wirkung und kraft des
daiuöviov nur eine prohibitive , wie sich aus Apol. 31 ergiebt.
Von dem autoritativen urtheil, welches von dem gewissen nach
einer jeden sittlichen handlung gefällt wird, findet der verf. bei
dem Satfjortnp keine spur. In psychologischer hinsieht fällt, wie
Krische im anschluss an Schleiermacher mit recht erkannt, der
unserem gewissen nahestehende begriff des Öatfiörtov dem ge-
biete der ahnungen anheim, während Sokrates die ethische Seite
desselben dem bewusstsein näher gebracht hat. Der delphi-
sche spruch bildete für ihn den leitstein zur Selbstbetrachtung,
die ihn mit nothwendigkeit zur selbsterkenntniss , zum endziel
alles philosophirens führte. Für das selbstbewusstsein gebraucht
er deshalb als adäquaten ausdruck das verbum ovvEtdirai , das
vor Euripides nie in übertragener bedeutung erscheint. Die
selbstbetrachtung des lehrers wird bei Piaton zur erinnerung an die
geschauten ideeu, und das regulative prineip der einzelnen men-
schenseele ist die Vernunft oder die denkkraft, zo loyiGuxor,
auch }&yog und rolg genannt. Dieser zur gottähnlichkeit und
gottesgemeinschaft hinstrebende scelenantheil kann von reue-
schmerz über ein begangenes unrecht erfüllt werden. Der rovj
nyaKiixö,' des Aristoteles umfasst eiu weiteres gebiet als unser
Nr. 11. 317. Griechische philosophie. 543
gewissen, das es durchaus nicht mit dem gesammten umfange
menschlicher handlungen, sondern nur mit dem sittlich religiö-
sen handeln zu thun hat.
Die engere begrenzung des begriffs blieb den stoikern vor-
behalten. Das noniv und nürr/tiv erscheinen bei ihnen zu eiuer
untrennbaren einheit verbunden und werden mit den bezeich-
nungen kraft und stoff, logos und materie , gott und hyle als
grundprinzipien alles seienden hingestellt. Auch für den ein-
zelmenschen ist das geistige princip das 'qytiuntv.öv und wird
nach Piatons Vorgang dämon oder gradezu gott genannt. Der
stoische grundsatz 6fio7.oyovfnsvoag tTj cpvazi tfiv (auch xaiv tijv
cpvaiv oder xata rhv Xoyov C'/O stimmt mit dem pythagorei-
schen Inov üeä auffallend überein. Bei Chrysippus begegnet
uns zum ersten male das wort ßvwifiqaig und zwar ganz mit dem
begriffsinhalt des sokratischen ovreidtvai ; die Septuaginta, Coh.
X, 20 übersetzt ungefähr um dieselbe zeit 2~a mit avrtldqais,
während dies wort sonst mit oviecig, einmal mit q>o6i>?]aig wie-
dergegeben wird. Wenn der geist nach der stoischen lehre
das in handlungen unfehlbar bestimmende princip im menschen
ist, so gilt das mit gottesbewusstsein identische selbstbewusst-
sein zugleich als verpflichtende norm für das sittliche handeln.
Die existenz des ausdrucks ovrtiöqaig im buche der Weisheit
beweist die beeinflussung dieser schuft von Seiten der griechi-
schen philosophie. Daran schliesst sich die erwähnung der recta
conscientia bei Cicero und der ovreoig für den begriff des gewissens
bei Polybius. Unter den jüngeren stoikern ist besonders Se-
neca wegen der analogie seiner auffassung mit der christlichen
bemerkenswertk. Aber alle bisher angeführten momente verei-
nigen sich bei Epiktet, nach welchem das gewissen ein natür-
licher bestandtheil des menschen ist, von gott mit der leitung
desselben beauftragt, wie der pädagog von den eitern mit der
bewachung und schützung des knaben. Gott misfällig und dem
gewissen feindlich werden bedeuten dasselbe. Der neue aus-
druck 70 ovieioög bezeichnet die selbständige Wirksamkeit des
gewissens und entstammt einer platonisirenden anschautrag über
die seelentheile. Den schluss der anregenden und im allge-
meinen ihr thema erschöpfenden arbeit bilden die unter sich dif-
ferirenden ansichten von Philo und Philostratus, die citate aus
einigen autoren der vorchristlichen griechischen literatur und
544 318. Lucretius. Nr. 11.
ein kurzes resume* , welches unter andern die hauptparallelen
zwischen den antiken und christlichen anschauungen zieht.
C. Liebhold.
318. Zur lehre von der Sinneswahrnehmung im vierten bu-
che des Lucrez. Vom gymnasiallebrer Ferdin. Höfer. 4.
Stendal, 1872. 24 s. (Programm des gymnasiums zu See-
hausen).
Wer sich ein klares bild von der disposition und dem ge-
dankengange machen will , die Lucrez bei der darstellung der
epikureischen gesichtstheorie verfolgt (IV, 1 — 521), darf sich
getrost der tüchtigen und sicheren führung Höfers überlassen,
welcher dabei zugleich mit Sorgfalt und umsieht untersucht,
wie weit der Römer sich hierin an das Vorbild der darstellung
seines griechischen meisters, des Epikuros selbst, angeschlossen
hat. Das giebt denn auch gelegenheit, zwei stellen des letzte-
ren bei Diog. Laert. X, 48. 31 ff. näher zu betrachten (p. 15.
23). In die citate der bemerkungen von Brieger und mir über
den betreffenden abschnitt des Lucrez (Philologus XXIX, p.
417 ff.) haben sich ein paar irrthümer eingeschlichen: in an-
merk. 43 muss es nicht „Susemibl und Brieger", sondern
bloss „Susemihl" heissen und in anmerk. 46 ist „Brieger" für
„Susemibl'', in anmerk. 48 aber umgekehrt „Susemihl" für
„Brieger" zu setzen. Unrichtig ist ferner die bebauptung (anra.
43), dass ich 168 — 175 nicht als einen zweiten beweisgrund
für die Schnelligkeit des entstehens der idole, sondern nur als ein
erläuterndes beispiel dafür, wie rasch manche dinge entstehen,
ansehen wolle, und wenn ich auch gern zugebe, dass meine er-
klärung von quorum quantula pars sit imago (174) bedenklich ist,
so ist sie doch die einzige, bei welcher wirklich ein beweis für die
Schnelligkeit des entstehens der idole überhaupt und nicht blos
der idole des gewölks herauskommt. Bei letzterem bleibt auch
Höfer stehen, aber um ersteres handelt es sich ja vielmehr.
Dagegen nehme ich mit dank seine (anm. 39) gegen mich ge-
richtete bemerkung über vs. 127 f. als eine wesentliche Ver-
besserung meiner auffassung um so mehr an, da das haupt-
sächliche der letztem in ihr nur eine um so stärkere
stütze findet. Die jedenfalls beachtenswerthen conjeeturen d(
Verfassers muss ich hier mich beguügen kurz auzuführen: v. T.
Nr. 11. 318. Lucretius.
speciem variam ornatumque dcorum , 85 mutant, 323 sumat (für
servet), 383 ex (für ab) und apta (für orta). Umgekehrt wird
334 das handschriftliche convertit vertbeidigt.
Voraufgeschickt sind einige sinnige bemerkungen über den
dicbter und eine fibersiebt über die lehren der vorsophistischen
philosophen von der sinneswahrnehmung nebst einer verglei-
chung der epikureischen mit der demokritischen und empedo-
kleiscben. Auch hier zeigt der Verfasser ein selbständiges quel-
lenstudium, das ihn bei Diogenes von Apollonia zu einer ein-
gehenderen besprechung namentlich mit exegetisch -kritischer
erörterung von Theophr. de sens. §. 39 veranlasst und in be-
zug auf Empedokles in gegensatz zn Zeller (Phil, der Gr. 2.
A. I, p. 541 f. 3. A. p. 647 f.) bringt. Doch muss ich be-
kennen, dass seine polemik gegen den letzteren mich nicht über-
zeugt hat, wofür meine gründe zu entwickeln hier natürlich
nicht der räum ist. Nur kurz sei daher bemerkt, dass
nach Höfers meinung Empedokles ein austreten von feuer und
Wasser aus dem äuge als Vermittlung des Sehens nicht gelehrt
haben soll: wie Höfer aber die worte bei Theopr. a. o. §. 7:
jovg 8s nöqovg fV«AX«<2j xdaOai rov ie trvQog xal tov vdazo?,
verstanden hat, ist mir aus seiner Übertragung ,,die poren in
der oberfläcbe des auges führen abwechselnd zu feuer und was-
ser" nicht einmal klar geworden.
Möge der Verfasser bald die gelegenheit finden uns mit
der versprochenen foitsetzung seiner arbeit zu erfreuen !
Fr. Susemihl.
318. Eine abhandlung über Lucrez. Vom gymnasiallehrer
Dr Bindseil. Berlin, 1870. 18 s. 4. (Programm des
progymnasiums in Eschwege).
Der durch seine früheren arbeiten über Lucrez bereits vor-
teilhaft bekannte Verfasser unterwirft den von der Unendlich-
keit der atome an zahl und des leeren raums an ausdehnung
handelnden abschnitt I, 951 — 1113 einer gründlichen und um-
sichtigen erörterung. Schon Göbel hatte gesehen, dass die
verse 1002 — 1007 unmittelbar hinter 984—997 gehören, aber
Bindseil weist, wie mir scheint, unwiderleglich nach, dass auch
d.eser gelehrte die richtige Ordnung der gedanken noch viel-
fach verkannt hat, und dass vielmehr 984 — 997. 1002 — 1007
Philol. Anz. V. 35
546 318. Lucretius. Nr. 11.
die mitte der hinter 1013 ausgefallenen längeren auseinander-
setzung darstellen. Auch darin kann ich ilim nur beistimmen,
dass zu dem verfehlten in Göbels auseiuandersetzung auch des-
sen auffassung von v. 969 gehört und dass vieiraehr Creech den
sinn dieses verses richtig erkannt hat , dass aber allerdings zu
dieser richtigen deutung desselben das spatium nicht stimmt,
sondern es statt omne guod est spatium bloss omne quod est
heissen müsste. Wie dies räthsel zu lösen ist, da man nicht
füglich sieht, welches andere wort an der stelle von spatium
gestanden haben könnte, darüber befinde ich mich in derselben
Verlegenheit wie der Verfasser. Weniger unbedingt kann ich
ihm in bezug auf den gedanken der acht hinter 1093 ausgefalle-
nen verse beipflichten. Seine scharfsinnige kritik der ergan-
zungsversuche von Munro und Brieger (Philologus XXLU , p.
639 — 641) trifft zwar grösstentheils meines erachtens das rich-
tige, aber die von Brieger (Philologus XIV, p. 5GG) gegen den
von Göbel gerichtete scheint mir durch seine gegenbemerkun-
gen nicht widerlegt zu sein, und ich glaube daher, dass zwar
der anfang des verlorenen etwa so lautete, wie ihn Göbel und
Bindseil und zum theil auch Brieger sich denken , dass aber ne
forte cett. 1192 ff. nicht von einem caveant igitur stoiei oder
fiet , ut stoieis medium illud nihil amplius prosit nee proliibeat,
sondern, wie Brieger Muuro verbessernd angenommen hat, von
einem quare infinito potius numero corporum matcriai opus est
oder etwas ähnlichem, was den schluss des aufgefallenen bil-
dete, abhängig war. In bezug auf 101*2 f. wird der verf.
meine jetzige, vou der seinen wie von der Polle's abweichende
ansieht inzwischen bereits aus dem Philologus XXIX, p. 429 f.
entnommen haben. Ich schliesse mit dem wui.sche, dass wir
dem wohlberufenen forscher bald wie;ler auf diesem felde be-
gegnen mögen, auf welchem seine mitforscher ihm nun schon so
mancherlei auregung und belehrung verdanken."
Fr. Susemikl.
319. Quaestiones Tibullianae. Dissertatio inauguralis quam
... defendet Hermann us Grroth. 8. Htlis. 1872.
Nach einem kurzen einleitenden capitel wendet sich der
vf. von p. 9 an gegen die Piicn'sche responsionstheorie und
widerlegt dieselbe namentlich mit bezug auf I, 1. I, 10 und
Nr. 11 319. TibuIIus. 547
II, 6. "Was hier gegen Priens künsteleien und willkührlich-
keiten vorgebracht wird , entspricht im allgemeinen der ansieht
des ref., während sich über die interpretation des einzelnen
hier und da streiten lässt. Unrichtig ist sicher die erklärung
des vfs. 1, 1, 7 — 10(p. 11): per chiasmum sibi respondent versus 7.
8 atque 9. 10, ita ut „grandia porna" ad verba „frugum acer-
vos", verba autem ,,teneras vites" ad „pleno pinguia musta lacu"
quadrent. Aber frugum acervi kann nur von feldfrüehten ver-
standen werden, sosvohl wegen des Sprachgebrauchs (vgl. I, 5,
21. 8, 19. II, 1, 1. 3, 68), als weil deren erwähnung durchaus
notb wendig ist. — P. 17 spricht der vf. als regel aus, dass die
Symmetrie nicht der absieht des dichters zugeschrieben werden
dürfe, si desunt externa indicia strophicae aeguabültatis velut ea-
dem aut similia verba in partium exordio aut fine aut versus in-
tercalares aut eiusmodi alia. Dies ist wohl etwas zu strenge
geurtheilt: in einzelnen partien hat der dichter mehrfach, wenn
zwei gedanken einander gegenübergestellt werden, auch ohne
solche äusserliche inrlicien, aber zweifellos mit absieht die ge-
genüberstellung durch gleiche verszahl klarer und wirkungsvol-
ler gemacht-, so enthalt die Schilderung der Schrecknisse des
todes I, 10, 33 ff. eben so viele verse wie die darauf folgende
beschreibung eines friedlichen und glücklichen alters. Uebri-
gens wiid der vf. seinem prineip alsbald untreu. Im folgen-
den abschnitt nämlich (p. 20 ff.) sucht er bei den Sulpicia-ele-
gien IV, 2 — 8 eine durchgehende Symmetrie der theile, in
welche sich die gedichte gliedern, zu erweisen, und hier ist er
ebenso wenig überzeugend wie Prien, wenn auch seine methode
besonnener ist und er sich nicht der annähme von lücken und
interpolationen bedient. So lässt er das exordium von el. 4
aus dem ersten distichon bestehen und mit dem zweiten den
ersten von vier gleichen t heilen beginnen. Aber welcher un-
befangene leser kann in abrede stellen, dass sich das zweite
distichon aufs engste an das erste ansehliesst (Huc ades et tene-
rae morbos expelle puellae, Huc ades, intonsa Phoebe süperbe coma.
Crede mihi, propera; ne te iam, Phoebe, pigebit Formosae medicas
adplieuisse manusj? Ueber el. 6 lesen wir p. 45: singulorum
systematum exordia eo notata sunt, quod dea appellatur v. 1 Na-
talis Iuno ; v. 1 at tu, saneta , fave ; v. 1 3 adnue purpureaque
veni etc. Der vf. verschweigt, dass sich auch v. 5 die anrede
35*
548 320. Ovidius. Nr. 11.
(diva) findet , womit die ganze beweisführ ung hinfällig wird.
Und von derselben art liesse sich manches andere anführen.
Im einzelnen finden sich zahlensymmetrien in den Sulpicia-
elegieeu ebenso wie in den übrigen; die vollständige durch-
fuhrung des princips muss ref. auch hier bestreiten. — Der
letzte theil der dissertation (p. 29 ff.) beschäftigt sich mit I, 4,
einem gedichte, wo die überlieferte folge der gedanken bekannt-
lich in mehreren beziehungen sehr befremdlich ist. Der vf. ent-
scheidet sich, zum theil nach Ritschi, für folgende herstellnng :
1 — 56, 71 — 84, 57 — 70. Ein näheres eingehen auf diese frage
würde hier zu weit führen; nur das eine sei bemerkt, dass der
schluss mit der hässlichen Verwünschung v. 70 nach des ref.
gefühl etwas sehr störendes hat und der gewohnheit Tibulls
widerstreitet.
320. Ovid's Metamorphosen in fünfzehn büchern im vers-
masse der Urschrift verdeutscht und mit einem erklärenden
namen - und Sachregister versehn von W. v. Tippeiskirch. Ber-
lin. 1873. Verlag v. Hermann Peters.
Der obertribunalrath v. T ippelskhch hat sieben jähre der
müsse, welche seine amtsgeschäfte ihm gelassen haben, dazu
verwendet, Ovid's Metamorphosen im masse des Originals zu
übersetzen. Ueber die grundsätze, welche ihn dabei, besonders
in der behandlung des deutschen verses, geleitet haben, spricht
er sich in einer vorrede aus. In der messung der sylben folgt
er den regeln, welche Gotthold in seinem Hephästion ausge-
sprochen hat, und welche in der that , seit Platen , ziem-
lich allgemein befolgt werden. Lob verdient die Sorgfalt,
mit welcher der Übersetzer, diesen regeln folgend, duichweg
vermieden hat, in zusammengesetzten Wörtern die zweite sylbe
(das gruudwort), kurz zu nehmen; ja, er dehnt diese vorsieht
auch auf sylben wie heit, keit u. s. w. aus; und es ist ihm
hauptsächlich dadurch gelungen, dem deutschen hexameter die
Schwerfälligkeit zu benehmen, welche ihm in früheren Überse-
tzungen , stellenweise auch in den sonst übrigens leichten und
gefälligen versen Göthe's, noch angeklebt hat. Er vermeidet
auch gänzlich, was Platens versen häufig eine undeutsche beto-
nung giebt, die zweite sylbe des zusammengesetzten worts in
die arsis zu bringen, wie ,. Jungfrau" und ähnliches. Den tro-
Nr. 11. 320. Ovidius. 549
chäus, der nun einmal in deutschen hexametern schwer abzu-
weisen ist, gestattet er sich selten, und, wofür er auch seine
gründe angiebt, nur im ersten und vierten versfuss; sorgt auch
dafür, — wie es Voss und Uschner noch mehrfach begegnet
ist, — nicht mit einem ganz tonlosen wort den vers zu be-
ginnen. Ganz besondere aufmerksamkeit hat der Verfasser dem
deutschen ausdruck zugewendet; und bei dem aufmerksamsten
lesen wird man schwerlich eine wendung finden, welche an die
mühe des übersetzens erinnert oder einen latinismus beibehält.
Auch im gebrauch des apostroph's ist der Übersetzer sparsam ;
nie wird man, wie das leider oft sogar in Originaldichtungen
vorkommt, durch weglassung einer endung eine beugungsform
in abgeschmackter weise verstümmelt finden. Unrecht ist es
freilich, wenn er die apostrophiruug dem leser überlässt, wie
I, 325:
Darauf nur den einzigen mann , der von tausenden übrig
geblieben,
statt „d'rauf u. s. w.; durch die Unterlassung der ausstossung
des a im druck ist der vers aus einem hexameter scheinbar
ein heptameter geworden. Somit ist die Übersetzung durchweg
geschmackvoll und mehr als jede andere geeignet, eines der
bedeutendsten und gefälligsten werke der römischen poesie dem
grösseren publikum zugänglich und ansprechend zu machen.
Einzelne verse findet der Verfasser vielleicht in einer zweiten
aufläge veranlassung zu bessern. Gleich die anfangsworte ha-
ben mir wenigstens, trotz der vertheidigung derselben in der
vorrede, nicht zusagen wollen. Der Übersetzer schreibt :
Körper zu singen , die neue gestalt annahmen durch
Wandlung
Strebt mein busen.
Aber nicht die körper, sondern ihre Verwandlung will der dich-
ter besingen. Auch vermisst man den artikel. Alle Verwand-
lungen vom anfang der weit bis auf seine zeiten hin zu erzäh-
len, strebt der ehrgeiz des dichters. Vielleicht so:
Jegliche Wandlung der wesen in andre gestalt zu er-
zählen
Treibt mich der geist.
Hier und da schadet dem augenblicklichen verständniss ein über-
550 321. Eutropins. Nr. 11.
mas3 der interpunction ; so hat der Verfasser drucken lassen,
XIII, 455 :
Als sie am grausen altare, der früheren würde gedenkend,
Dasteht und sie sich selbst für die schreckliche feier
gerüstet,
Auch Neoptolemus sieht, der das eisen bereits in der
band hält,
Und in ihr antlitz schaut, sie mit leuchtenden äugen be-
trachtend,
Ruft sie:
Das komma hinter „hält" hätte fortbleiben müssen, wie über-
haupt vor „und", wenn nicht ein neues subject eintritt ; man
würde daon sogleich bemerkt haben, dass „und in ihr antlitz
scbaut" zu dem relativsatz gehört; so wird man im ersten au-
genblick versucht, so sinnlos es auch ist, ,, siebt" und „scbaut"
durch „und" verbunden zu glauben.' Für (I, 311)
die die welle nicht fortriss,
Starben bei dürftiger speise,
lag es nahe zu setzen :
wen die welle nicht fortriss,
Starb bei dürftiger speise.
Eben da (803) hätte ich vires falminis nicht durch „blitzähn-
liche kräfte", sondern geradezu durch „die kräfte des bauers"
übersetzt. — Der Verfasser sollte bei dem geschmack, den er
in der leichten Übertragung der Metamorphosen au den tag
gelegt hat, auch die für das deutsche publikum geniessbaren
elegischen dichtungen der Römer übersetzen, — eine arbeit, zu
welcher er unter wenigen berufen erscheint.
321. Eutropius und Paulus Diaconus. Von Wilhelm
Hartel. Wien 1872, Karl Gerold's söhn. 86 s. gr. 8. (Aus
dem aprilhefte des Jahrganges 1872 der Sitzungsberichte der
phil.-hist. classe der kais. akademie d. wiss. zu Wien. LXXI.
bd.} seite 227 besonders abgedruckt).
Die vom Verfasser dieser schritt in seiner ausgäbe des Eu-
tropius, über welche in diesem Anzeiger IV, p. 250 ff. berichtet
ist, in aussieht gestellte abhandlung über die emendation jenes
Schriftstellers, liegt jetzt vor. Es kann nicht die aufgäbe der
folgenden zeilen sein, die von Hartel mit sicherer methode ge-
Nr. 11. . 321. Eutropins. 551
wonnenen und in lichtvoller klarheit vorgetragenen ergebnisse
vollständig zu verzeichnen ; nur die hauptpunkte des reichen
Inhaltes sollen hier angegeben und einzelne nebendinge mit be-
merkungen begleitet werden.
Zuerst wird für die in der vorrede der ausgäbe aufge-
stellte behauptung der eingehende beweis geführt, nämlich dass
der text des Eutrop in zwei recensionen enthalten ist, von
denen die erste im Gothanus 101 (früher Fuldensis) = P, die
andere im Monacensis 8516 = A und im Bambergensis G. E. III,
4 = B am besten vertreten wird. Der text der handschriften,
welche der zweiten klasse P angehören , ist von Paulus nicht
nur fortgesetzt, sondern auch in seinem ursprünglichen bestände
revidiert i. h. durch grössere zusätze aus Hieronymus und
Orosius, sowie durch kleinere zusätze und durch Umgestaltung
alles ungewöhnlichen verändert worden. Dieses sowie die
daran sich reihende folgerung , dass in F der reinste text des
Eutrop vorliegt, wird durch die von Päanius aus dem vierten
jahrhuudert, durch eine zweite, fragmentarische wahrscheinlich von
Capito aus dem sechsten Jahrhundert herrührende Übersetzung bestä-
tigt. Dass nämlich auch letztere Übersetzung den noch heute vor-
liegenden text, nicht etwa eine ausführlichere fassung desselben
wiedergibt, beweist Hartel gegen Köcher mit evidenz. Mit
rücksiebt auf diese griechischen paraphrasen werden dann zahl-
reiche stellen des Eutrop besprochen und die in der ausgäbe
aufgenommenen lesarten meistens in überzeugender weise ge-
rechtfertigt. "Nur an wenigen stellen kaun man anderer mei-
nung sein: IV, 12 erscheint iunior durch das zeugniss des Päa-
nius als echt geschützt ; VI, 24 ist Gnaeus et Sextus wohl hin-
länglich durch Päanius (und Capito) beurkundet; VII, 19 ist
nach Dietsch auf Capito's zeugniss hin ita tarnen zu lesen, VIII,
8 mit Tzschucke nach Päanius und Capito ita ut . . aequatur
statt aequetur; IX, 27 beruft sich Hartel zwar vorsichtig, aber
auch so mit unrecht für die gewählte lesart et severioribus auf
ein bei Capito stehendes x«*', das sich gar nicht auf den frag-
lichen begriff, sondern auf den namen /ltoy.lt]Tiaim bezieht. In
wenigen fällen hat der vf. seine frühere meinung geändert; so
schlägt derselbe statt des in der ausgäbe I, 11 stehenden Valerius
vor Lucius Valerius, LI, 5 Lucius Mallius statt Manlius nach der
Überlieferung beider recensionen; VI, 23 wird statt der in den
552 321. Eutropius. Nr. 11.
text gesetzten lesart qui ei magister equitum dictatori ante an-
num fuerat und statt der in der note mitgetheihen vermuthung
qui et magister equitum ei dictatori, nunmehr vorgeschlagen : qui
ei magister equitum etiam dictatori ante annum fuerat, was zwar
paläographisch leichter, aber dem sinne nach gezwungener ist;
ebenda werden die in der ausgäbe eingeklammerten worte Syl-
lae dictatoris filius nach Capito (und Päanius) als echt aner-
kannt. Weiterhin mustert der vf. eine reihe von stellen mit
bezug auf jene historiker, welche den text des Eutrop ausge-
schrieben haben; was hier über die nothwendigkeit genauerer
durchforschung der manuscripte des Hieronymus und Orosius,
wodurch vermuthlich manche angaben berichtigt würden , be-
merkt wird, das gilt auch bezüglich des Festus Rufus. Die zu
VI, 9 citierte stelle des Festus 15 lautet im Bambergensis : cum
scptem milibus glibanariis et centum viginti milibus $agittariorumy
im Gothanus : cum septem milibus sagittariorum. Beweist die
letztere lesart nichts, da der abschreiber offenbar von einem
milibus zum andern abirrte, so spricht dagegen die erstere, in-
dem zwar der ablativ glibanariis steht aber quingentis fehlt, eher
gegen F, während Hartel die stelle als bestätigung für F anführt.
Fest. 21 bietet der Gothanus: quadragentis; 14 und 20 fehlt in
beiden handschriften et vor Assyriam, ferner bieten beide 14
Traiani gloriae und 20 revocatis exercitibus , sowie 21 strenue ©*-
cit\ an letzter stelle fehlen im Gothanus die Worte Adiabenos
delevit. Im folgenden handelt der vf. auf grund umfassender
Zusammenstellungen von den eigenthümlichkeiten des arebety-
pus und gewinnt aus der Untersuchung das bestimmte ergebniss,
dass F und P (d. h. A und B) eine hinlänglich feste basis für die con-
ßtituierung des textes darbieten. Der hier folgenden Untersuchung
des textes in F reihen sich mittheiluugen über andere hand-
schriften an, besonders über einen Viudobonensis und einen
Leidensis, die auf eine mit der zweiten band in F verwandte
vorläge zurückgehen. Im anschluss an das über die recension
des Paulus bemerkte wird der brief desselben an die herzo-
gin Adelperga von Benevent nach zwei Vindobonenses , einem
Vaticanus und einem Ottobonianus abgedruckt; es wäre hier
wohl am platze gewesen, auch die modificierte fassung dessel-
ben briefes wenigstens zu erwähnen, wie sie in einem Bamber-
gensis E, III, 14 sich findet. Mit weiteren mittheiluugen über
Nr. 11. 322. Dictys. 553
Paulushandscbriften schliesst der vf., indem er sich eine Unter-
suchung vorbehält über diejenigen interpolationen des Eutro-
piustextes , welche Paulus uicht aus Hieronymus und Orosius,
Bondern aus anderen autoren genommen hat. Anhang I han-
delt über den cod. Lugd. Bat. 1, anhang II bespricht eine
anzahl von conjecturen zu Eutrop, die theils im Philol. Auz.
IV, p. 251 f. theils im Specimen criticum ad scriptores quosdam
latinos von A. Eussner mitgetheilt sind.
322. Dictys Cretensis ephemeridos belli troiani libri sex.
Kecognovit F er d. Meister. 8. Lipsiae. Teubner. 1872. — I5gr.
Dieser ausgäbe liegen die ältesten handschriften die bis-
her bekannt geworden zu gründe: die St. Galler s. IX/X, mit
der eng verwandt ist eine berner des XIII. Jahrhunderts. Beide
enthalten leider an unzähligen stellen auslassungen neben an-
deren Verderbnissen und hier mussten denn jüngere handschrif-
ten herangezogen werden , von denen besonders eine berliner
s. XIII vielmals das richtige trifft. Wenn eine sorgfältige
collation der beiden erstgenannten handschriften in der adnota-
tio vorliegt, so ist dagegen zu bedauern, dass dieselbe ein
klares bild der jüngeren handschriften, die doch nicht zu ent-
behren sind, nicht ermöglicht; ohne zu grosse anschwel lung des
apparats hätte sich doch wohl von der berliner und breslauer
die vollständige abweichung geben lassen. Möglich dass selbst
für die geschichte des werks, die in der vorrede — wir wol-
len dem Verfasser damit durchaus keinen Vorwurf machen —
keine besondere förderung erfahren hat, daraus sich etwas ergeben
hätte. Nur die jüngeren handschriften überliefern nämlich den
brief des Septimius, während doch dessen name in älteren, zu
denen doch wohl der Argentoratensis Obrechts gehören dürfte,
in den explicit (sicher in diesem codex zu ende des dritten
buchs) vorkommt. Leider hat Meister diese subscriptionen, die
doch, wie wohl jetzt allgemein anerkannt wird , bei Dictys wie
bei anderen Schriftstellern auf die Verfasser zurückgehen , nicht
mitgetheilt. Wie in diesem punkte, so ist der herausgeber bei
der beschreibuug der handschriften gar zu knapp verfahren.
Hingegen ist die ausnützung derselben für die constituirung des
textes im ganzen mit dem richtigen blick und mit methode
geschehen; im einzelneu ist, worüber man eben streiten kann,
554 322. Dictys. Nr. 11.
nach ansiebt des referenten noch manches gute in der adnota-
tio stehen geblieben. Einige beispiele der art nebst anderen
bemerkungen mögen uns gestattet sein.
In der epistola des Septimius p. 1, 20 ist mit Dederich
quatuor geschrieben; die handsebriften geben quinque, was eher
wie ein glossem aussieht; ich glaube der Verfasser hat residua
substantivisch gesetzt und keine zahl zugefügt.
7, 19 moribus kann nicht richtig sein; was freilich dastand,
ist schwerer zu sagen, als auf welche weise es entstanden: der
ausdruck war wie p. 41, 12 zeigt, der zeit geläufig. Perizons
clamoribus ist gut, nicht minder die conjeetur murmuribus , vgl.
Ovid. M I, 205 : qui (luppiter) postquam voce manuque
murmur a compressit, tenuere silentia euneti.
Substitit ut clamor, . . Iuppiter .. silentia rupit.
murmura ist dort das aufgeregte geschrei in folge der mitthei-
lungen von Lycaons frevel, vgl. Dracontius Helen. 283 murmur
erit Phrygibus. Orest. 341 mumure sollicito flentes haec dieta lo-
quuntur. Aber auch rumoribus kann man vermuthen, vgl. Appuleius
Met. 3 trepido rumore viciniae conelamantis latrones fagit territus.
11, 11 statt ad deos geben die handsebriften GB adis, d.
h. a dis und was soll daran anstössiges sein?
18, 20, primi fugae zu verbinden. 19 , 15 ipsius, beim
kämpfe selbst thaten sie sich hervor , wie geschildert wird. —
19, 29: sollte es ein wort praeretitus gegeben haben, woraus
das praeteritus von G entstanden?
22, 7 lies insperata cura\ so hiess es oben 15, 22 magnum
atque insperabile eunetis remedium exeogitavit; in der Schilderung
c. X wird das unerwartete dieser heilang anschaulich darge-
stellt. Die entstehung des fehlers ist klar: ec wurde für cc d.
h. a gelesen und der strich durch p übersehen.
25, 20 ist in fug a auch ohne Dederichs atque zu halten, ebenso
30, 24 ea lamentatione immodica, 30, 27 post quae, was der her-
ausgeber 37, 28 ohne bedenken im texte gelassen hat. — 31,
12 hat das active impetrare neben nequitum est in der zeit der
dies werk seine entstehung verdankt, nichts anstössiges. — 31,27:
das non ist doch gar zu schwach, minime müsste wenigstens ste-
hen. — 32, 1 dem clausa wird wohl cassa vorzuziehen sein, diese
Verwechselung ist nicht selten. • — 34, 10 ita vtircs estzu halten; fore
ut in z. 12 überflüssig. — 35,33 sollten nicht Botieum und Cilla,
Nr. 11. 322. Dictys. 555
in Phrygien und Troas als die vom Schriftsteller gemeinten
Städte sich ergeben ?
40, 25 in anieri liegt wohl Antenoris , eine Verwechselung
der beiden führer Ilias IT, 823 und 844, die weiterhin ver-
mieden ist. 51, 25 ponderis aut mensurae inferioribus. — 52, 1
iam für tarnen. 75, 20 metu summae verum desperatio. — 89, 6
hier kann cur am fehlen, rationem gehört zu beiden verbis. — 90,
22 summo fastigio : der dativ bei verben der bewegung kommt
immer mehr in gebrauch. — 102, 5 memoriae dedi. — 103, 28 suas
leges. — 109 Hinter a quam nonnulli materno nomine Hemeram ap-
pellabant. Bei einem auctor, dem unzweifelhaft griechische quel-
leu vorlagen 1), ist eine Unterscheidung dieser nur fürs olir ver-
schiedenen formen (denn tj wurde ja wie i gesprochen) nicht
denkbar; von einer Schwester des Memnon spricht Dictys al-
lein, die mutter wird auch von anderen 'HftBQa genannt. Die-
ser Dame gilt dem Dictys für die Schwester: und es wird der-
selbe statt Himera in den text zu setzen sein ; als maternum
nomen geben die handschriften helcnam , offenbar falsch-, aber
leicht aus einer anderen notiz zu berichtigen, nach der die
mutter Electra hiess.
In betreff der griechischen namen könnte noch mancher
zweifei geäussert werden; sicher ist hier durch die abschreiber
unendlich viel verkehrtes in den text gekommen, theils aus völli-
ger unkenntniss derselben, theils aus erinnerung an ihnen be-
kannte ähnlich klingende2); so wird 29, 7 thentandrum geschrie-
ben, während bald darauf theutranti richtig steht (30, 3): sol-
che vertauschungen einer endung mit einer anderen echt grie-
chischen sind nicht selten und man darf nicht anstehen, das aus
guten quellen überlieferte dafür an die stelle zu setzen. Aber
viele namen sind auch in den stammen bis zur völligen Un-
kenntlichkeit entstellt, und jene quellen reichen nicht aus; sei
es dass Dictys aus solchen noch hat schöpfen können, die für
uns längst verloren sind , oder gar seine phantasie hat walten
lassen. In solchen fällen dürfte es doch gewagt sein, die hand-
1) Vgl. 18, 1 inutropea, wo i anstatt des griechischen ot gesetzt
ist und auch das u beibehalten. 30, 3 tecmissam für Tecmessam. So
findet sich in der tragödie Orestes 635 inides für Oenides , und um-
gekehrt ei und oe für den i-laut. 109 moeceneas. 639 dociras für
JDorylas.
2) Z. b. 11, 15 Eurypylus Mnesthei für Euryalus Mecistei.
556 323. M. Tullius Cicero. Nr. 11.
schriftliche Überlieferung zu verdrängen; so 25, 27 und 26, 6,
wo dieselbe mentorensium gibt und herausgeber mit Perizonius
Neandriensium schreibt.
In der Orthographie hat unser herausgeber die richtige mit-
telstrasse einzuhalten gesucht; er hat weder dem alten Schlen-
drian concessionen gemacht, noch denen, die wo möglich alles
für echt halten , was die handschriften an abweichenden for-
men bieten. Einzelnes war freilich noch zu beachten: so die
richtige form Mothone 13, 22, die auch bei Senec. Troad. 832
der Florentinus bietet. 18, 1 das griechische u in oenutropea,
rennuere mit doppeltem n, wie es 15, 22. 23, 14. 29, 5 G bie~
tet, die interaspiration Euhaemonis in GB, für die trotz Geor-
ges' behauptung in diesem anzeiger IV, 7, p. 365 sich zahl-
reiche belege finden, die Schreibung von oportunus mit einem p
u. s. w., amminiculo 27, 8. Die formen Aulidam 24, 8, Salami-
nam 104, 30 sind so gerechtfertigt wie Briseidam bei Darea
17, 7. In der Verwendung der cursivschrift findet sich manche
inconsequenz, von druckfehlern wollen wir nur p. xiv Septimi-
nianum statt Septimianum notiren.
'P.
323. M. Tullii Ciceronis Tusculanarum Disputationum ad
M. Brutum libri quinque. Für den schulgebrauch erklärt von
Dr Carl Meissner, Oberlehrer zu Bernburg. 8. Leipzig,
Richter und Harrassowitz, 1872. — 20 gr.
Nach genauerer prüfung des commeutars zum ersten buche
kann referent über das viele gute, was er gefunden hat, nur
seine befriedigung aussprechen. Die sachlichen erläuterungen
sind bündig und zuverlässig, die entwicklung des gedanken-
gangs einleuchtend; sprachliche und stilistische bemerkungen,
wie sie entweder für das verständniss der betreffenden stellen
nothwendig sind oder sich im anschluss daran ergeben , sind
in grosser zahl eingestreut. So wird man nur das eine an
der arbeit aussetzen, dass sie für ihren zweck zu viel giebt.
Offenbar ist des Verfassers eigeuer klassenvortrag in dem com-
mentar niedergelegt, wodurch aber sein gebrauch für die schule
grade beeinträchtigt wird. Degegen wird er als ein treffliches hülfs-
mittel für die privatlecture den schülern nur zu empfehlen sein.
In kritischer beziehung ist durchweg ein richtiger weg einge-
Nr. 11. 324. Römische geschichte. 557
halten, meist im anscbluss an Eaiter, aber mit aufnähme auch
anderweitiger Verbesserungen , besonders von Seyffei t. Auch
eigene vermuthungen fehlen nicht. Diese letzteren sind aller-
dings nicht immer überzeugend, sicher falsch I, 78 idcirco non
dent, ut, cum diu permanserit, intereat , da das vorhergehende il-
lud eine erklärung verlangt ; auch I, 48 quoniam haec sine do-
ctrina credituri fuerunt durfte das handschriftliche fuerunt nicht
in fuerint verändert werden, da es doch ein unterschied ist,
ob ein solcher hypothetischer satz von einer conjunction , wie
quin oder cum, die an sich den conjunctiv regiert, oder von
quoniam abhängt. Dagegen ist I, 27 die weglassung von mul-
tis hinter aliis und die ausscheidung der interpolationen IV, 79
und 80 nur zu billigen. Die Verbesserung I, 50 aut — casu-
rus esse in conspectum videatur animus ac non tanta sit eins te-
nuitas, die von dem Verfasser in Fleckeisens Jahrbüchern 1870
mitgetheilt und auch in diesem anzeiger kürzlich hervorgehoben
worden ist, findet sich bereits in den conjj. Tulliana des ref.
(Pförtner progr., mai 1868) p. 37 f.
H. A. K.
324. Cesare ed il suo tempo dell' abate Antonio Mat-
sch eg, professore di storia e geografia. 3 voll. 8. Venezia
tipografia Gaspari 1871.
Schon zweimal hat sich Italien die grössten Verdienste um
die ganze abendländische cultur erworben , zuerst durch Ver-
breitung der antiken bildung im westen und das zweitemal in
der renaissancezeit durch Wiederbelebung und fortpflanzung der
griechisch-römischen cultur. Trotz alledem versuchen die Ita-
liener jetzt bei ihrer zweiten d. h. politischen renaissance ihre
bildung auf eine ganz andere grundlage zu stellen. An die
stelle der antiken klassischen bildung wollen sie jetzt eine
mathematisch- naturwissenschaftliche treten lassen; dieses stre-
ben findet zunächst noch seinen ausdruck iu der unsinnigen
agitation gegen das griechische, dessen abschaffung in Italien
allerdings dadurch erleichtert wird, dass diese spräche schon
seit Jahrhunderten dort sehr wenig getrieben wird. — Mit um
so grösserer Sympathie wird also ein Deutscher ein jedes werk
italienischer gelehrten begrüssen, weiches ihm zeigt, dass auch
in Italien die klassische kultur noch ihre Vertreter findet. Da-
558 324. Römische geschichte. Nr. 11.
hin gehört z. b. das leben und die zeit Cäsars von Antonio
Matscheg. — Die Schwierigkeiten die sich einem derartigen
unternehmen entgegenstellen , darf man nicht unterschätzen.
Matscheg hat sich eine epoche der alten geschichte ausgewählt,
über die wir von allen am besten unterrichtet sind , in folge
dessen wir aber auch an einen modernen historiker, der sie
darzustellen unternimmt, die höchsten anforderungen stellen.
Andrerseits ist gerade die geschichte Cäsars und seiner zeit
neuerdings von den verschiedensten Seiten und gesichtspunkten aus
behandelt, dass es in der that schwer halten muss, einen neuen
und originalen Standpunkt aufzufinden. Wir haben zunächst
die grundlegenden arbeiten von Drumann, ein arsenal das freund
und "feinde hat waffen liefern müssen; wir haben — um von
andern darstellungen römischer geschichte zu schweigen — die
Mommsensche darstellung von Cäsar und seiner zeit; wir ha-
ben die histoire de Jules Cesar von Napoleon IJI und die ganze
fluth von litteratur die sich an dieses werk des kaiserlichen hi-
storikers angeschlossen (vgl. Philologus XIX, 465 — 576. XXII,
99_174. 285—330. XXVI, 652 — 700). Zu diesen Schriften,
die den Cäsar in den mittelpunkt stellen , kommen in zweiter
linie diejenigen, welche sich mit den Zeitgenossen desselben be-
schäftigen, wie z. b. das sehr geschmackvoll geschriebene werk
von Boissier Ciceron et ses amis, in dem auch Cäsar natürlich eine
bedeutende rolle spielt. Es ist das ein echt französisches werk
im besten sinne des Worts, dessen hauptverdienst auf der unge-
mein anziehenden darstellung beruht, in der Boissier nicht nur
deu meisten seiner rivalen, sondern auch speziell unserm abate
weit überlegen ist. — Bei dieser fülle von sehr veischiedenen
und eigenartigen bearheitungcn und darstellungen des leben
Cäsars erhebt sich also die frage , wo war die lücke, die der
vf. durch sein dreibändiges werk Cesare ecl il suo tcmpo ausfül-
len zu müssen glaubte? Denn dass er unter der zahl der
neuein bearbeiter keinen Italiener gefunden, reicht doch natür-
lich nicht hin, um ihm einen rechtstitel zu geben. -Wollte er
nichts weiter als sein volk in kennt niss setzen von den resul-
taten der neuesten Untersuchungen, so mochte er lieber dasje-
nige der vorhandenen werke übersetzen, das ihm am besten ge-
fiel ; er würde sich dadurch ein grösseres verdienst erworben
haben nicht nur um die klassischen Wissenschaften, sondern
Nr. 11. 324. Römische geschickte. 559
auch um seine patria, der er den ersten und um die gioventu ita-
liana, der er den zweiten theil seiner geschichte Cäsars wid-
met. — Statt dessen hat unser abate es vorgezogen selbst
ein mosaik zusammenzusetzen aus dem bekannten material. Je-
desmal giebt er unten auf der seite die stellen an, welche er
benutzt hat, die natürlich fast olme ausnähme aus Drumann
entlehnt sind. Dabei scheint er keine ahnung zu haben von
verschiedenem werthe der einzelnen quellenhistoriker , denn die
eine stelle beweist ihm grade so viel wie die andere. Vollends
einen einleitenden abschnitt über die quellen und das verhalt-
niss des vf. zu denselben wird nach dem gesagten niemand
mehr in diesem werke von Matscheg suchen wollen; davon fin-
det sich in der that keine spur. — Nirgends erfahren wir wie
er sich stellt zu der frage nach der glaub Würdigkeit Sallusts,
ob er z. b. dessen Catilina für eine cäsarianische tendenz-
schrift x) hält, oder nicht, ob er Cicero's correspondenz mit Bru-
tus und Octavian für echt oder unecht hält.
Eben so wenig erfahren wir irgend etwas über die ver-
schiedenen bestandtheile und die quellen der beiden biographien
von Plutarch und Sueton, oder diev glaubwürdigkeit und den
charakter von Cäsars commentarien und die beziehungen zwischen
den betreffenden theilen Appians zu den werken des Livius
und Asinius Pollio; und doch kann niemand leugnen, dass auch
die darsteilung von Cäsars zeit wesentlich alterirt wird je nach
der antwort die ein moderner geschichtsschreiber sich auf diese
fragen gegeben hat, oder doch geben sollte.
Natürlich lässt sich der vf. selten durch geschichtliche, nie
durch chronologische Untersuchungen aufhalten in dem fluss sei-
ner behaglichen erzählung; aus seinem buche sieht mau über-
haupt kaum dass es hier noch controverse trugen giebt. —
Um diese behauptung, die hart scheinen könnte zu begrüuden,
wird es nöthig sein wenigotens auf einen jener drei bände nä-
her einzugehen, von denen der erste die geschichte Cäsars bis zu
den bürgerkriegen umfasst. Der zweite schildert den bürger-
krieg, der dritte die zeit nach den bürgerkriegen.
Wer eiue solche dreibändige biographie Cäsars schreibt,
1) Bei einer gelegentlichen erwähnung (I, p. 51) lässt der vf.
die sache unentschieden: lJ<>sto pure che Cesare avesse futto che Sal-
lustio nel suo Catilina ne scrivesse l'apologia etc.
560 324. Komische geschiente. Nr. 11.
hätte doch wissen sollen , dass gleich der ausgangspunkt, das
geburtsjahr streitig ist. Während früher allgemein angenom-
men wurde, dass Cäsar im jähre 100 v. Chr. geboren sei,
machte Mommsen (Rom. Gesch. III, 15) darauf aufmerksam,
dass er schon im j. 65 die aedilität, 62 die prätur und 5.9 das
consulat bekleidet habe d. h. immer zwei jähre vor der gesetz-
lich erlaubten zeit, wenn er wirklich im jähre 100 geboren.
Da nun keiner der alten historiker von einer derartigen Suspen-
sion der lex villia annalis zu gunsten Cäsars berichte, so sei
wahrscheinlich, dass Cäsar bereits im jähre 102 geboren sei. —
Die art und weise, wie Napoleon III diese Schwierigkeit zu be-
seitigen sucht, ist charakteristisch für den geist in welchem
jene biographie geschrieben wurde; er meint, dass in Rom je-
nes gesetz für grosse männer nicht gegolten habe. Dagegen
kann man aber in der that doch fragen , ob Cäsar wirklich
schon ein grosser mann war, als er sich um die aedilität be-
warb. Auf diese weise war die frage bei seite geschoben, aber
nicht gelöst und Matscheg 2) hätte also die pflicht gehabt die
Mommsensche auffassung anzunehmen, oder zu widerlegen. Erst
Nipperdey (Abh. der sächsischen gesellsch. 1870, p. 1 — 88) ist
es gelungen die überlieferten daten in Übereinstimmung zu brin-
gen mit der alten annähme, dadurch nämlich, dass er die bisherige
auffassung der leges annales rectificirte. Er fasst seine ausfüh-
rung dahin zusammen (a. a. o. p. 62) dass niemand die quä-
stur oder ein höheres amt bekleiden konnte, der nicht 30 jähre
alt war, und 3 jähre in der legion zu pferde oder 6 jähre zu
fuss gedient hatte, und dass derselbe die höheren ämter erst
nach intervallen von 2 jähren bekleiden konnte. — Gauz
ähnlich stellte sich das verhaltniss am ende des ersten baudes,
wo sich der gegensatz zwischen Cäsar und Pompejus so sehr
verschärft hat, dass der bürgerkrieg vor der thür steht. Un-
ser biograph Cäsars nimmt natürlich für den ersteren partei,
indem er die einzelnen facta erzählt (I, p. 142 — 155, aber auf
Würdigung der juristisch- politischen frage geht er nicht ein,
und scheint von der eingehenden Untersuchung Mommsens „die
rechtsfrage zwischen Cäsar und dem Senat" (Abhandl. der hi-
2) Dass Matscheg die alte auffassung vertritt, muss man scbliessen
aus I, p. 12: Quandn Cesare di 22 unni tornö a lloma doli' Asia
(nett' anno 78,) la ltepubblicu aveva etc.
Nr. 11. 324. Römische geschichte. 561
stor.-philos. ges. in Breslau I bei., p. 3 — 55) überhaupt keine
ahnung zu haben. Er spricht sich nur gelegentlich am schluss des
ersten bandes p. 152 darüber aus: Cesare. dopo aver fatto gran
mostra cli longanimita e di giustizia, si accingeva alla lotta, pro-
clamandosi difensore dei diritti del popolo , delV inviolabilith dei
tribuni e delV integrita della Repubblica.
Nur einmal im ersten bände wird eine historische frage
genauer untersucht. Den Vorwurf, mitverschworner des Catilina
gewesen zu sein kann unser abate doch nicht auf seinem beiden
sitzen lassen. Ausführlich schildert er (p. 37 ff.) die erste,
zweite und dritte Verschwörung. Dann suchte er (p. 47) zusam-
men : indizl storici che vengono adotti per dimostrare la complicith.
di Cesare. Es sind nicht weniger als neun (I — IX) belastungs-
zeugen, deren aussagen er sich dann (p. 48) eine nach der an-
dern zu entkräften bemüht mittelst einiger Umschweife und so-
gar nicht ohne Sophismen. Doch gerade in dieser frage ist
alle mühe verschwendet. Die belastenden momente sind so
gravirend und unser verdacht wurde schon im alterthum von
so vielen und so gut unterrichteten Zeitgenossen getheilt, dass
wir füglich nicht zweifeln können an Cäsars betheiligung bei
der catilinarischen Verschwörung, so dass auch Mommsen, den
noch niemand einer zu grossen Parteilichkeit oder strenge gegen
Cäsar beschuldigt hat, die theiluahme Cäsars an dem catilina-
rischen complott, als eine zwar nicht juristisch, aber historisch
ausgemachte sache hinstellt. — Weil Cäsar vorsichtig genug
gewesen war , um sich nicht zu compromittiren , und sein ein-
fiuss auf die demokratische partei zu gross war, wagte Cicero
nicht ihn mit hineinzuziehen in die Untersuchung, obwohl er
von seiner schuld fest überzeugt war.
Wenn übrigens später der vf. die vermuthung ausspricht,
dass Cicero jene fünf Catilinarier nur deshalb habe hinrichten
lassen um dadurch seinen Verdiensten um die republik die
nöthige folie zu geben (II, p. 65'; : quasi temesse potergli sfuggere
quel sangue, reputato da lui necessario per teuer viva Video della
gravitä del pericolo corso dalla repubblica et quella del proprio
merito, so beruht das auf einer argen verkennuug von Cicero's
Charakter. Cicero würde trotz aller eitelkeit diesen schritt, der
ihm später so verderblich wurde, nicht gethan haben, wenn
Philol. Anz. V. 36
562 325. Römische bildwerke. Nr. 11.
er ihn nicht damals für unerlässlich gehalten hätte, um die Ver-
fassung sicher zu stellen.
Doch ich breche ab mit diesen einzelheiten die sich noch
beliebig vermehren liessen, indem ich es wiederhole, dass eine
lücke für dieses werk nicht vorhanden war, und selbst wenn
sie vorhanden gewesen wäre, so würde diese biographie Cäsars
sie sicher nicht ausgefüllt haben.
V. Gardthausen.
325. Römische bildwerke einheimischen fundorts in Oester-
reicb, herausgegeben von Alexander Conze. 1. heft. 8.
("Wien, 1872, in commission bei Carl Gerold's söhn).
Unter diesem titel eröffnet Conze ein mit Unterstützung
des k. k. ministeriums für cultus und Unterricht sowie der phi-
losophisch - historischeu classe der haiserl. akademie der Wissen-
schaften ins werk gesetztes unternehmen, dessen aufgäbe darin be-
stehen soll, diejenigen römischen bildwerke einheimischen fundor-
tes, welche bisher wissenschaftlicher benutzung nicht hinreichend
zugänglich gemacht waren, in einer nach den fund -und auf-
bewahrungsorten sich richtenden anordnung zu sammeln , in
guten Zeichnungen herauszugeben und soviel wie möglich zu
erklären. Dieses unternehmen, das Conze gleich nach seiner
berufung an die wiener Universität ins äuge fässte und wozu
ihm die Sammlung römischer Inschriften Oesterreichs für das unter
Mommsens leitung wohlorganisirte grosse Corpus inscrlptionum lati-
narum den anstoss gegeben zu haben scheint, zeigt sowohl Conze's
richtigeu blick für die nächstliegenden aufgaben, die seine be-
sondere locale Stellung ihm zuwies, als es auch weiteren und
ähnlichen arbeiten dieser art die wege zeigt. Braucht es doch
kaum gesagt zu werden, dass, von der geringen zahl verein-
zelter systematischer ausgrabungen abgesehen, alles übrige suchen,
findeu und pub'.iciren von monuraenten zum weitaus grössten
thtile kein planmässijies, sondern viel mehr ein sporadisches
und zufälliges und dazu im vergleich zu der grossen ausdeh-
nung der alten classischen weit ein nur äusserst dürftiges war
und ist. Ein solches vereinzeltes suchen und tindcn wird nun
zwar immer bleiben; allein wenu auch eine im bewusstsein des
gemeingutes der alten classischen weit unternommene und wis-
senschaftlich gehandhabte gleichmässige betheiligung der euro-
Nr. 11. 325. Römische bildwerke. 563
päischen regierungen an einer systematischen erforschung des
antiken bodens in anbetracht der zahlreichen Schwierigkeiten,
die die wirklichen Verhältnisse dem entgegensetzen , vorläufig
noch ein träum genannt werden mag — obwohl auch hier bis-
her isolirte bemülmngen wie zu hoffen noch einmal zu einem
geordneteren zusammengehen sich verbinden und den Zeitpunkt
herbeiführen werden, wo eine solche Intervention nicht mehr,
wie gegenwärtig noch oft, den neid und die eifersucht der ei-
gentlichen inhaber der terra classica erregen wird — 7 so lässt
sich doch nicht leugnen , dass auch jetzt schon vielfach mit
richtiger heranziehung und vertheiluug der kräfte und mittel
nicht bloss, wie es bereits geschieht und geschehen, ein zusam-
menarbeiten einzelner mouumenteucomplexe, sondern auch nach
art des Corpus inscriptionum latinarum ein systematischeres, etwa
mit Zugrundelegung einer art geographischen netzes betriebenes
gemeinsames suchen und finden alles dessen , das in den be-
reich antiker bildwerke gehört, ins werk gesetzt werden könnte,
so z. b. auch auf dem dahingehörigen deutschen grund und
boden. Von wie mannigfachem nutzen dies sein würde , das
leuchtet ohne weitere auseinandersetzung ein. Allerdings aber
gehört auch eine leitende kraft dazu, die nicht immer und zu
jeder zeit sich findet und bereit ist. Indessen trägt vielleicht das
Conze'sche unternehmen an seinem theile dazu bei, einen schritt
weiter zu dem bezeichneten ziele zu führen ; wenigstens ist es
uns unter diesem gesichtspunkte als ein nicht bloss für Oester-
reich, sondern auch weiterhin viel gutes versprechender anfang
erschienen.
Das erste heft liefert zunächst einen werthvollen beitrag
zu dem der leitung des professor Matz in Halle anvertrauten
Corpus sarcophagorum romanorum. Es enthält nämlich auf taf.
I — IV drei nach Photographien sehr schön gestochene marmor-
sarkophage, von denen jetzt zwei im museum zu Spalato ste-
hen, einer aber in Fiume im Privatbesitz des herrn von Ciotta
sich befindet. Die beiden Sarkophage anf taf. I — III, von de-
nen der erstere eine reliefdarstellung des auch sonst oft genug
auf Sarkophagen und in Wandmalereien behandelten Phaedra-
Hippolytus- mythus zeigt, während der andere, weit grössere,
mit mehreren der christlichen zeit entstammenden bildwerken
versehen ist, standen in einem und demselben grabe. Um die
36*
564 325. Römische bildwerke. Nr. 11.
aufgrabung und bergnng derselben haben sich nicht bloss der
gymnasialprofessor Glaviuie aus Spalato und der festungscorn-
maudaut von Clissa, oberlieutenant Reiter, sondern auch Conze
selber in erster reibe verdient gemacht. Auch der dritte, leider
in stücken geschlagene, allerlei jagrlscenen enthaltende Sarkophag
auf taf. IV stammt höchst wahrscheinlich aus diesem grabe;
und aus einer am schluss des textes noch nachgetragenen be-
merkung Glavinie^s entnimmt man, dass noch ein vierter , vor
einigen jähren bereits ausgegrabener, leider aber bis jetzt nicht
wieder entdeckter Sarkophag mit bildweiken derselben fund-
stätte angehört haben müsse. Ausserdem kamen noch drei kleine
Sarkophage von einheimischem stein ohne bild und schrift eben-
daselbst ans licht.
In dem von Conze dazugegebenen text ist die vergleichung
des Hippolytus- Sarkophags mit einem andern, dieselbe darstel-
lung enthaltenden in den Annali d. Inst. 1867, p. 109 ff.
von Hinck besprochenen Sarkophag aus dem Louvre von be-
sonderem interesse. Letzterer hat schönere, schlankere figuren
— nur dürfte Conze nicht von lysippischen proportionen der-
selben reden, da man bei dieser bezeichuung in der regel eine
reihe bestimmter kunstwerke ersten ranges im sinne hat, an
welche die figuren eines untergeordneten werkes, wie dieser
Sarkophag doch immerhin ist, kaum irgendwie erinnern — , der
salonitaner Sarkophag aber ist viel geschickter coniponirt. Aus
den von Conze sehr feinfühlig hervorgehobenen abweichungen
beider von einander geht nämlich in evidenter weise hervor,
dass der meister des pariser Sarkophags, vielleicht durch die
kürze seines marmorblocks dazu gedrängt, sich auf kosten der
im geiste der besten antiken kunstwerke geordneten responsion
der formen eine kürzung der ursprünglichen composition er-
laubte, während der meister des salonitauer Sarkophags dem
von Conze an einer gut gewählten zeichenreihe verdeutlichten
bildungsgesetze des Originals , das in drei schön geordnete
gruppen zerlegt werden kann , treu blieb. Im übrigen aber
verräth letzterer bereits in hohem grade die abnehmende kunst,
wie denn überhaupt die weiteren sehr trefflichen bemerkungen
Conze's grösstentheils darauf hinführen, dass der salonitaner Hip-
polytus - Sarkophag der constantinischen zeit angehören und in
dieser hinsieht nicht allzuweit von den daneben gefundenen,
Nr. 11. 326. Geographie. 565
noch mehrere der heidnischen formensprache entnommene an-
deutungen auf grab und tod enthaltenden christlichen Sarko-
phage entfernt sein könne. Sehr sauber ausgeführte, den ko-
rinthisch-römischen formen entlehnte architektonische Verzie-
rungen treten an diesem Sarkophage mehr hervor als die bild-
werke, die auf der Vorderseite in einer architektonisch abge-
trennten mittelgruppe den lieblingstypus der christlichen kunst,
den guten hirten , und rechts von dieser mittelgruppe einen
mann, links von derselben eine frau zeigen, beide mit einem
portiätkopf und von einer menge kleinerer figuren verschiede-
nen lebensalters umgeben, deren Stellung theilweise die der
adorirenden ist. Bei diesem ehepaar — beide haben wie zwei
statuen eine basis unter sich — kann Conze den gedanken
nicht unterdrücken, es möge die auch sonst oft genug vorkom-
mende schriftrolle in der hand des mannes auf einen loymtaro;
arig hinweisen, der der inhaber eines y.aTrjyj^tmq StSuanaXeiov
gewesen sein könne, und um dessen Standbild in der Cella me-
moriae sich christlichem brauche entsprechend die schaar sei-
ner katechumenen zum gebete sammle.
" Bei dieser gelegenheit deutet Conze den reichthum Salo-
na's an werken der christlichen epoche an; indem er die hoff-
nung ausspricht , es werde Salona in dem von de Rossi be-
gründeten werke Orbe Christiane» monumentale einen ehrenplatz
einnehmen.
Der dritte Sarkophag im besitz des herrn von Ciotta ist
leider nur in drei bruchstücken vorhanden. Diese zeigen meh-
rere im ganzen recht schön und in fülle gearbeite jagdgrup-
pen. Um ihrer besseren ausführung willen hält Conze mit
recht diesen sarkophag für älter als die beiden vorhergenannten.
Friedrich Schlie.
326. Zur geschichte der erdkunde im letzten drittel dea
mittelalters. Die karten der seefahrenden Völker Südeuropas
bis zum ersten druck der erdbeschreibung des Ptolemäus , von
Heinrich Wuttke. 8. Dresden. 1871.
Nach einer summarischen besprechung der rohen und theil-
weise aus dem frühsten alterthum stammenden erdkarten , wel-
che vom achten bis zum zwölften Jahrhundert im gebrauch
waren , folgt eine ausführlichere auizählung und beurtheilung
566 326. Geographie. Nr. 11.
der uns erhaltenen portulane und corapasskarten der italieni-
schen und spanischen Seefahrer, so wie der gleichzeitigen und
mit benutzung jener portulane construirten erdkarten. Mit der
ältesten uns bekannten hafenkarte vom jähre 1317 beginnend
führt H. Wuttke (p. 1 — 59) in 50 nummern alle diejenigen
denkmäler dieser art auf, welche älter siud als die erste mit
karten ausgestattete ausgäbe der lateinischen Übersetzung des
Ptolemäus (1472); darauf folgt (p. 59 — 66) ein bericht über
14 gegen ende des XV. und während des XVI. Jahrhunderts
von Südeuropäern entworfene karten, welche in Lelevels werke
über mittelaltrige geographie nicht erwähnt werden und für
die geschichte derselben allerdings auch von geringer bedeu-
tung sind. Uebrigens beruht der werth der vorliegenden ar-
beit weniger auf der vervollständigten liste alter kartendenk-
mäler, als auf den beigefügten zehn tafeln, in welchen nach
Neigebaur's zu Florenz und Turin angefertigten durchzeichnun-
gen bisher unedirte karten entweder vollständig oder theil-
weise mitgetheilt werden. Leider sind sie, ohne wissen und
willen des Verfassers , weder chronologisch noch sachlich ge-
orduet, sondern fragmentweise in wildem durcheinander und in
möglichst raumersparender weise auf die einzelnen tafeln ver-
theilt. Wollte man sparen, so hätte man diese aus wenigen
strichen und namen bestehenden karten meistentheils ohne der
deutlichkeit zu schaden auf die hälfte oder ein drittel der ge-
gebenen grosse reduziren können. Noch mehr zu bedauern
ist, dass die lithographien nicht genau corrigirt sind ; denn die
lange liste der errata (p. 4) ist das ergebuiss einer nur fluch,
tigen durchsieht, und Wuttke selbst bemerkt, dass die schwer
lesbare handschrift Neigebaur's manch anderen fehler noch ver-
ursacht haben möge. Ausserdem aber glaube ich zu der frage
berechtigt zu sein, ob Neigebaur Zeichnung und Schrift der ori-
ginale überall treu wiedergegeben habe.
Die ältesten und wichtigsten von Wuttke gegebenen kar-
ten sind den acht blättern der Tabulae nauticae entlehnt, die
ein Genuese im j. 1351 gezeichnet hat tmd die jetzt zu
Florenz in der Laurentiana aufbewahrt werden. Einzelne, theile
derselben sind schon früher veröffentlicht; die karte des Schwar-
zen Meeres hat graf Luigi Serristori behandelt in Illustrazione
di una carba del mar Nero delV anno 1351 (Florenz 1856);
Nr. 11. 326. Geographie. 567
die karte Afrika's, welche sich auf dem ersten eine gesammtkarte
der damals bekannten erde enthaltenden blatte des atlas findet, ist
copirt vom graten Baldelli Boni in der ausgäbe des Marco Polo
(1827), und von Richard Henry Major in The life of Prince Henry of
Portugal surnamed the Navigator (London 1868), und aus Boni's
werke wiederholt in Peschels Geschichte der erdkunde p. 177. In
letzterer mir vorliegender copie verräth die manier wie berge,
flüsse, Städtepositionen und die eingerahmten legenden gezeich-
net sind, die treue nachbildung einer alten karte; dagegen ist
Neigebaur's copie von ungeübter hand und in so flüchtiger
weise gemacht, dass man kaum glauben sollte, dieselbe karte
vor sich zu haben. Von den 29 namen oder legenden, wel-
che Boni giebt, fehlen bei Wuttke fünfzehn. Ferner, wo Wuttke
nur ein fragment hat: . . . visus canum habent, lesen wir in
Bonis copie : ebinchibeh visus canum habent et vadunt nudi inter
alenas (arenas) est regio sua et nigi (et nigri sunt?). In der spe-
cialkarte Afrika's , welche Wuttke aus demselben atlas auf ta-
fel IV, nr. 3 giebt, steht an der entsprechenden stelle: in hac
regione habent homines facile cuniculas (statt facies caniculares)
et vadunt nudi. — Civitas Ebmebibi (wohl falsch gelesen statt
Ebinchibi). Der name des volks, der in der karte der gebrü-
der Picigani (vom j. 1367) weniger corrupt ebini chilebih lautet,
ist bekanntlich entstanden aus dem arabischen Beni Kelb (filii
canis). An einer andern stelle, wo bei Wuttke : hi homines sunt
magni XII pedales , hat Boni gewiss richtig pedes statt pedales}
und ebenso Tunexe statt Tune, wie bei Wuttke geschrieben ist.
In Boni's copie münden, wie schon in Edrisi's karte (1154),
zwei flüsse in den atlantischen Ocean ; neben dem nördlichen,
der in seinem oberen laufe eine insel bildet, steht mons Atallas
(Atlas), und darunter: septem montium regio et civitas Cochoz;
neben dem südlichen, dem goldflusse, liest man provincia ga-
nuya. Der erste fluss und die darunter stehenden namen feh-
len bei Wuttke; von dem zweiten ist nur der obere lauf und
zwar so gezeichnet, dass der fluss sich in einen see zu ver-
lieren scheint, an dessen stelle Boni's karte fünf kleine
von dem Lunae mons herabfliessende nebenflüsse (die Nilquellen
bei Ptolemaus) verzeichnet. In der specialkarte Afrika's auf
taf. IV wird von dem nördlichen flüsse nur die mündung und
die von ihm gebildete insel und da neben der name mom AtaU
568 326. Geographie. Nr. 11.
laus (so) gegeben, der mittlere lauf des flusses aber nicht an-
gedeutet. Der unter mons Atlans auf der gesammtkarte bei
Boni angesetzten legende entspricht auf der specialkarte bei
Wuttke folgendes:
hie sunt repla
adene —
amomoer —
Wahrscheinlich stand hier : hie sunt septem montes et Abene regio
et Cochos et Amomoer civitates. Die Septem montes sind die Septem
fratres, 'Erna ddelq'Oi, an der meereuge, Abena die 'Aßtva oder
"A'ptwa des Eustathius ad Dionys. 64, Cochoz die am flusse El Chos
liegende, von den alten Lixus genannte stadt, und Amomoer das
heutige Mamura. Oestlich von den Worten Mons Atallaus steht
eine andere hierher gehörige aber wohl falsch gelesene legende:
ista montanea tota plcqe apllet a xanis cavera et a Saracenis mons
Atlaus (etwa : ista montana tota plerumque appellata cynegetica t?
Eustath. 1. 1. "Aßtvva, gH^r/aäs- ös KvviiyeTixij). Dieselbe karte hat
in der gegend ubi aurum colligitur den sicher verschriebenen namen
anan, der sich auf die provincia ganuya der geueralkarte bezie-
hen muss. Die form ganuia findet sich auch auf der karte der
Venetianer Picigani ; bei Edrisi heisst dieser Negerstaat Ghana,
und in der katalonischen karte des Louvre (1375) Gineua, woraus
das moderne Guinea entstanden ist. Der Goldfluss heisst in
den von Peschel citirten quellen Vedamel (Wed-Damel?) oder
Budomel; in einer karte vom j. 1471, taf. VIE in Wuttkes
werk, findet sich der name Gudomel; in unserer karte von
1351 steht dajuet vie, was in damel rio zu corrigiren sein wird.
— Nach dem allgemeinen glauben jener zeit stand der ins
atlantische meer mündende fluss des Goldlandes in Verbindung
mit dem Nil. In unserer generalkarte aber scheinen sie zwei
verschiedene, durch ein westlich von Meroe angesetztes gebirge
getrennte flüsse zu sein , während dieses in der specialkarte,
falls man der flüchtigen Zeichnung trauen darf, nicht der fall
ist. Jene scheinbare trennung ist indessen auf einen hier sup-
ponirten unterirdischen lauf des Nils zu beziehen , dessen quel-
len nicht fern vom atlantischen meere bei dem mons Lunae in
der gesammtkarte vorauszusetzen sind, in der specialkarte aber
durch die in jener gegend stehenden worte fons NM ausdrück
lieh hierher versetzt werden. — Beiläufig bemerke ich da
Nr. 11. 327. Mittelalter. 569
das südlichste Vorgebirge dieser karte, C. de non (jetzt C. Nun),
von Wuttke als Cap de non [plus ultra] gedeutet wird. Da
indessen Ptolemaeus neben diesem Vorgebirge einen fluss Nuius
kennt, so möchte doch der moderne Ursprung des namens und
das non plus ultra der deutung einigem zweifei unterliegen.
Tafel X enthält die interessante genuesische weitkarte von
j. 1447; die übrigen tafeln geben in etwa 50 nummern die
für geschichte der geographie wichtigsten theile von acht kar-
ten oder kartensammlungen des XIV. XV. und XVI. Jahr-
hunderts.
C. M.
327. Dr. H. Dung er, die sage vom trojanischen kriege
in den bearbeitungen des mittelalters und ihre antiken quellen.
(Programm des Vitzthumschen gymnasiums. Dresden. 1869.
81 s. 8.)
Der hauptvorwurf der schrift ist ein beitrag zur römischen
litteraturgeschichte: der Verfasser will, wie er selbst p. 12 sagt
und am Schlüsse wiederholt „den nachweis versuchen, dass ein grie-
chischer Dares überhaupt nicht existirt hat, dass auf jeden fall
aber nicht eine ausführlichere erzählung , sondern die uns er-
haltene historia die quelle der mittelalterlichen autoren gewesen
ist". Man könnte wohl fragen, ob ein solcher nachweis beim
jetzigen stände der philologie überhaupt noch eine berechti-
gung habe, ob es nicht heisse eulen nach Athen, oder gut
deutsch holz in den busch tragen ; indessen wer sich dadurch
nicht vom lesen abschrecken lässt, wird über die schönen bei-
trage zur geschichte der römischen literatur im mittelalter bald
jenes bedenken vergessen haben. Wenn des Verfassers haupt-
studien nicht auf der klassischen philologie beruhen, so müssen
wir es anerkennend hervorheben, dass mit grösserem fleisse
und verständniss die alten Schriftsteller herangezogen sind und
ihre Überlieferung verfolgt wird, als wir sonst bei Vertretern an-
derer richtungen finden. Jenen beweis nun halten wir für
vollständig gelungen: was sich bei den «mittelalterlichen dich-
tem in lateinischer, französischer und deutscher zunge von Dares
abweichendes findet, davon werden die quellen meistens überzeu-
gend nachgewiesen in anderen von jener zeit eifrig tractirten
570 327. Mittelalter. Nr. 11.
autoren, Ovid, Vergil , Statius u. s. w. oder in der eigenen
phantasie der einzelnen dichter.
Sehr ansprechend ist p. 19 die erklärung der thatsache,
dass das dürre werk des Dares sich einer so viel grösse-
ren Vorliebe im mittelalter erfreut hat als Dictys : letzterer
steht auf seite der Griechen, Dares auf der der Trojaner, für
welche durch Vergil die theilnahme besonders geweckt war.
Eine weitere ausführung dieses gedankens wäre vielleicht wün-
schenswerth gewesen.
Diese und jene kleim'gkeit zu berichtigen hat bereits Meister
in dem Breslauer programm und den vorreden zu Dictys und
Dares unternommen. Es bleibt uns fast nichts als eine rechtfer-
tigung Benoits (p. 39) dass er statt des namens Mölossus ein
patronymicum Achillides setzt , in betreff des schmelzens des
bleies in der luft (p. 55), eine weitere Verweisung auf Vergil.
Aen. V, 525; dass Amenus p. 69 aus Homerus corrumpirt sein
sollte, scheint sehr zweifelhaft, es ist doch wohl eher Auienus
dafür zu setzten. Nutzbringender als solche bemängelungen er-
scheint es, die aufzählung der kleineren poetischen litteratur
des mittelalters vom fall Trojas p. 21 f. zu berichtigen und
durch einen kleinen beitrag zu erweitern.
Es giebt nämlich , abgesehen von der noch nicht edirten
Transformatio metrica in 930 hexametern — ■ mit dem anfange:
Historiam Troiae ßgmenta poetica turbant — im pariser codex
8430, vier gedichte in distichen:
1. Pergama flere uolo etc., schluss : Femina fatalis , femina
digna malis. Textabdrücke bei C. Barth, Goldast, Du Meril
und in den Carmina burana , wo die letzten beiden distichen
fehlen. In meinem besitz ist eine abschrift aus codex Vindo-
bonensis 883 p. xiv. Die älteste handschrift von der wir wis-
sen liegt noch unbenutzt in Kouen (saec. x/xi?), vielleicht ist
sie nicht älter als der Vaticanus bib. Christinae 314 s. xn. Eine
handschrift in Cambrai n. 875 s. xm.
2. Viribus arte minis etc. Schluss: Sic gens romidea surgit
ab hectorea. Genannt wird eine berliner handschrift v. j. 1476
(Latini fol. 49). Im Vindobonensis 883 schliesst sich dies lied
ohne Unterbrechung an nr. 1 an ; es bildet von dem bei Leyser
aus einem leipziger codex p. 398 — 408 unter Hildeberts namen
mitgetheilten liede die verse 153 — 276.
Nr. 11. 327. Mittelalter. 571
3. Das gedieht des Simon Capra aurea, in Hist. litt, de la
Fr. XII, 487 ff., und zum theil im Leyserschen druck nach der
leipziger handschrift v. 1 — 152.
4. Feruet amore Paris etc. Carmina burana p. 63. (Eine
summa Vergüii in zwei distichen mit demselben anfang in Rie-
se's Anthol. lat. II, p. xliii).
5 — 7. Die rhythmen derselben Sammlung p. 56 — 79. Der
Planctus Didonis o decus o Lybiae regnum steht auch in einer
münchener handschrift (n. 4598 saec. xm mbr. f. 61).
Die frage über den Verfasser von 1 und 2 will ich hier
nicht zu lösen versuchen. H. Wattenbach schriftwesen p. 344
kennt die Unterschrift der von mir benutzten wiener hand-
schrift; vgl. M. Haupt Ztsch. XV, 260.
8. Folgendes noch ungedruckte lied folgt in einer bres-
lauer handschrift (Uaiversitätsbibl. IV F 33 mbr. s. xiv f.
41 a) auf den Dares ; es ist ein seitenstück zu dem versifi-
cirten auszug der Historia Apollonii Tyrii in den Carmina bu-
rana n. CXLVHI.
1 Sub uespere troianis menibus
prodit Hector miles egregius.
quem ut uidit turba Myrmidonum,
uersis equis in castra fugiunt
2 Clamant simul: Achilles propera,
arma cape et tuos libera.
at Hector fugat eos et sauciat,
quem turpiter fugit Achaia.
3 Ad hec verba Achilles protinus
arma capit et it ei obuius.
coneurrunt uterque Atrides,
Dyomedes, Aiax et Vlixes.
4 Ait Hector: uiri quo ruitis?
mecum certat filius Thetidis.
iam sendet quid Hector ualeat,
et si possit perfodi lancea.
5 Pugnat Hector, pugnat nee dubitat;
iacit hastam, ensem euaginat;
ferit ense Achillis clipeum,
mox frangit eum prope capulum,
6 Fit certamen, sed fit dispariter,
572 Theses. Nr. 11.
unus obstat multis uiriliter.
7 Leti duces ita desiliunt
et crudeli funere obruunt.
sie cecidit nunc decus Asye.
sie oeeidit luctus Achaie.
1, 4 fugierunt hds. 2, 3 eos fehlt hds. 3, 1 protinus achilhs hds. 3, 3
eine silbe fehlt, tarn ? 6 , 3. 4 in der handschrift fehlt die angäbe
einer lücke. Die eigennamen sind meistens mit minium unterstri-
chen, abschnitte sind durch vorgesetztes § angegeben 2, 1. 3. 3, 3.
4, 1. 5, 1. 7, 1.
Theses
quas ad summos in philosophia honores . . in acad. Fridericia Guilel-
mia Rhenana rite capessendos d. XXXI m. Iulii . . publice defendet
Fr. Leo: 1. Octaviam praetextatam sub Senecae nomine antiquitus
traditam esse docet Vinc. Bellov. Spec. hist. IX, 114 ed. Koberg.; —
2. Pacuv: v. 127 Ribb. (Dulor. fr. 7, 2) non cohaeret c. 125. 126;
scribendum est: 6 ere mi ne plectas fandi mi prolixitudinem; — 3.
Dioclides viginti circulos quinis denis viris constantes , trecenos igi-
tur viros, computasse se simulavit. legenduni enim est Andoc. I, 38:
oqcIv dt uvftQiünovg top /utt> agid-jubu fiähcia r giaxoßiovg, ißrävat
dt xvxXta ava ntvzsx aidtxa ecvdqng , xvxkovg dt tlvat tXxodv. —
4. Quem Ulixem vocant in vase Pisticciano (Bullet. Napolet. I t. XIII:
cf. Mon. dell Instit. IV, t. XIX) Aiax est. interpolarunt enim edito-
tores Tiresiae caput; — 5. Arist. Ach. 920 sq. iocoee imitatur Ae-
schyli Orithyiam. v. libr. de sublim. 3, 1, p. 12 Jahn.; — 6. Ar.
Vesp. 162 sq. interpolatione remota evadunt haec:
«J>. %& ävnßoXto a. txfptg jue /urj diagpccy£.
3. /lux tov IJoGudiü ovdtnoit y' <f>. n'iuoi, dtilaiog
na? ccv g' cmoxrtivnifAi; cf. 368 sq.; — 7. ib. 342 Bde-
lycleo a senibus audit 6 dr) /uoko/oxlt mv. — 8. Explicatur o JJgioyv
Ar. Ach. 36 per fr. com. anon. 156 (TV, p. 643 Mein.), 6 Kngdouiwv
Vesp. 1178 per Nub. 670 sq. 1248 sq. 1444; — 9. Inter libros Terentia-
nos integriora exstant Calliopianae recensionis exemplaria Victorianus
et Decurtatus, retraetata Parisinus Ambrosianua Vaticanus similes
picturis ornati antiquissimo libro oriundis. ordinem fabularum libri
picti ut Bembinus varronianum, Victorianus alphabeticum seeuntnr;
— 10. Non dubitabant veteres de Terentio in Graecia rnortuo. Vol-
catius enim dixit (vit. Terent. 4):
iter hinc in Achaiam fecit.
quaerenti autem plnra quam vulgo feruntur in ista vita obvia erunt
Volcatiana; — 11. Ter. Haut. 90 sq. legendum est:
ubi rem reseivi, cbepi non humanitus
neque ut animum deeuit aegrotum adulescentuli
traetare, sed vi ut via pervolgatast patrutn.
12. Plauti Trucul. IV, 2, 1 sq. legendum est:
lapide eeficiam raenm ego officium: vide intus modo
ut tu tuum item eeficias ; —
13. Soph. Antig. 211 sq. sie corrigitur:
Ool ja via §i£eu', nai Mtyotxitos Kgiov,
Nr. 11. Neue auflagen. — Schulbücher. 573
tov irt3t dvffvovv xal tov (vtutvrj nökti,
v6/u(p dt /orjoftai, navjL nov nciotari aoi.
extreina medelain exspectant (codd. nov x Ivterl üoi) ; — 14. cEmi-
gtlui quas vocabant oligarchoruni propriae erant Athenis, ubi primum
extiterunt Cleone rei publioae gubernatore. nulla enhn est vocis
irnirfjtia apud scriptores qui post bellum peloponnesiacum fuere aucto-
ritas ; — 15. Nemo Aristomcum spurium Eumenis filium citharoedo
Datum esse dixit. nam Plut. Flamin. 21: 'AoicTÖvixog 6 rov xt&auwdov
cJtä n)y Evfiivopq öö^uf i/inkqaas anaaav änoGTuctwv xal noUfxtuy TrjV
\4ciav, corrigendum est: 6 iyg xtftaowdov. cf. lustin. 36, 4, 6; — 16.
Fieri non potest ut atticae comoediae uliius argumentum e frag-
mentis refingatur.
Neue auflagen.
328. Herodotos. Für den schulgebrauch erklärt von K. Äbicht.
2. aufi. 4. bd. 8. Leipzig. Teubner; 18 ngr. — 329. Platon's aus-
gewählte dialoge. Erklärt von //. Sauppe. 2. bdchn. 3. aufl. 8.
Berlin. Weidmann; 12 ngr. — 330. P. Vergilii Maronis Opera. Rec.
C. H. Weise. Nova ed. ster. C. Tauchnitziana. 16. Lipsiae. Holtze;
12 ngr. — 331. P. Ovidii Nasonis Metamorphoses. Auswahl für schu-
len von A. Siebeiis. 2. hälfte 7. aufl. von F. Folie. 8. Leipzig. Teubner;
15 gr. — 332. Q. Horatii Opera rec. C. H. Weise. Nova ed. ster.
C. Tauchnitziana. 16. Lips. Holtze; 7x/2 gr- — 333. C. I. Caesaris
commentarii cum fragmentis et indice. Nova ed. stereot. C. Tauch-
nitiana. 16. Lipsiae. Holtze ; 15 ngr. — 334. C. Sallusti Crispi
opera quae exstant: Ed. C. F. A. Nobbe. Nova ed. ster. Tauchni-
tziana. 16. Lipsiae. Holtze ; 4'/2 ngr- — 335 — 36. Freund, präparation
zu Livius' römische geschichte. 3. heft. 2. aufl. 16. Leipzig. Vio-
let ; 6 ngr. — 6. heft. 3. aufl. ebend.; 5 ngr. — 337. C. Tacitus,
erklärt von H. Nipper dey. 2. bdch. 3. aufl. 8. Berlin. Weidmann;
24 ngr. — 338. L. A. Flori epitome rerurn Romanorum. Nova ed.
stereot. C. Tauchnitziana. 16. Lipsiae. Holtze; 7x/2 gr- — 339. Cice-
ro's ausgewählte reden. Erklärt von K. Halm. 4. bdch. 4. aufl.
8. Berlin. Weidmann; 12 ngr. — 340. Ciceronis Tusculanarum 11.
quinque. Für den schulgebrauch erklärt von O. Heine. 2. aufl. 8.
Leipzig. Teubner; 2272gr. — 341. Cicero's ausgewählte briefe. Für den
schulgebrauch erklärt von J. Frey. 2. aufl. Leipzig. Teubner; 22 V2
gr. — 342. Vollmer , Wörterbuch der mythologie aller Völker. 3.
aufl. 1. lief. 8. Stuttgart. Hoffmann; 10 gr. — 343. F. Fiedler,
geschichte der Römer, ihrer herrschaft und kultur. 2. aufl. 8. Leip-
zig. Baumgärtner; 1 thlr. — 344. R. Klotz, handwörterbuch der
lateinischen spräche. 5. abdr. 2 — 6 lfrg. 8. Braunschweig. Wester-
mann; a 4 ngr. — 345. E. Hoffmann, die construction der latei-
nischen zeitpartikeln. 2. aufl. 8. Wien. Gerold; 1 thlr. 20 gr.
Neue Schulbücher.
346. C. Frankes griechische formenlehre. Bearbeitet von A.
von Bamberg. 8. aufl. 8. Berlin. Springer; 15 ngr. — 347. E.
Küpke , homerische formenlehre. 3. aufl. 8. Berlin. Duncker; 10
gr. — 348. P. Wesener, griechisches elementarbuch zunächst nach
den grammatiken von Curtius und Koch. 2. aufl. 8. Leipzig. Teubner;
12 ngr. — 349. A. Schaubach, griechisches vocabularium f. d. ele-
mentarunterricht. 8. Leipzig. Teubner; 4*/2 *>gr- — 350. K. W.
574 Bibliographie. Nr. II.
Krüger, kleinere griechische Sprachlehre. 9. aufl. 8. Berlin. Krü-
ger; 20 gr. — 351. C. Schenkt, Vocabulario graeco-italiano per
uso dei ginnasj. Tradotto da F. Ambrosoli. Ed. 8. gr. 8. Wien.
Gerold; 3 thlr. 10 gr. — 352. K. W. OsterwaJd, Aeschyloserzählun-
gen für die jugend bearbeitet. 2. bdch. 8. Waisenhaus. Halle; 12
ngr. — 353. W. Scheele , Vorschule zu den lateinischen classikern.
1 thl. 15. aufl. 8. Elbing. Neumann; 12 gr. '— 354. Desselben
2. thl. eben das. ; 15 ngr. — 355. Ch. Ostermann, lateinisches Übungs-
buch. 4. abth. 5. aufl. 8. Leipzig. Teubner; 12 ngr. — 356. A.
S. Schönborn , lateinisches lesebuch für untere classen der gynina-
sien. 1. cursus. 19. aufl; besorgt von R. Kühner. 8. Berlin. Mül-
ler und söhn; 71/» ngr. — 357. Ch. Ostermann, lateinisch -deutsches
und deutsch-lateinisches Wörterbuch zu den lateinischen Übungsbü-
chern für sexta und quinta. 6. aufl. 8. Leipzig. Teubner; 7'/2 gr- — 358.
P. Ch .D. Hennings, elementarbuch zu der lateinischen grammatik von
Ellendt-Seyffert. 3. abth. Waisenhaus. Halle ; 12 ngr. — 359. F. Ranke,
Chrestomathie aus lateinischen dichtem, vorzüglich aus Ovidius. 5.
aufl. Berlin. Weber; 22 % gr. — 360. J. Dreykom, auslese aus la-
teinischen dichtem. 8. Landau. Kaussler; 9 ngr.
Bibliographie.
Die dieses jähr erschienene lllte publication des Literarischen
Vereins in Stuttgart führt den titel: »die ersten deutschen Zeitungen,
herausgegeben mit einer bibliographie (1505 — 1599) von Emil Weiler«..
Die vorrede enthält ebenfalls interessante mittheilungen über diesen
gegenständ.
Erschienen ist: Bibliotheca philologica Teubneriana. Yerzeich-
niss des verlags von B. G. Teubner in Leipzig auf dein gebiete der
philologie und alterthumswissenschaft — bis September 1873.
Bericht der C. F. Winter' sehen Verlagshandlung in Leipzig: na-
mentlich Übersetzungen der werke von Tylor, Buckle u. s. w.
Aufmerksam machen wir wieder auf Otto Spamer's in Leipzig
zur michaelismesse erschienenen verlags-bericht. Ausser einigen al-
tern, das classische alterthum betreffenden werken (p. 14. 28) ist zu
beachten : Helden der christlichen kirche. Lebens - und kulturbilder
für haus und schule. Von August Werner.
Cataloge von antiquaren; bücherverzeichniss nr. 199 von Theodor
Kampffmeyer in Berlin, nur philologie ; verzeichniss nr. 35 von Adal-
bert Rente 's antiquariat in Göttingen; besonder« geschichte, geogra-
phie und reisen; Bibliotheca philologica. Catalog nr. 357 des anti-
quarischen bücherlagers von FL. IV. Schmidt in Halle a. d. Saale;
sehr zu beachten ; Bücherverzeichniss von Karl J. Trübner , buch-
händler zu Strassburg im Elsass. VIII. classische philologie; anti-
quarisches bücherlager nr. 4 von Otto Wulkuio in Magdeburg: clas-
sische philologie , zum theil aus der bibliothek des prof. Dr Schwei-
ger in Göttingen.
Livres anciens en vente chez II. Georg ä Bale: nr. 21 Linguis-
stique, nr. 24 livres rares et curieux; Catalogue de livres anciens et
rares en vente chez Rucardo Marchieri di Gins ä Naples.
Leipziger bücherauetion. 24. november 1873 . . bei H. Härtung:
namentlich auch Aldinen, Juntinen, Elzevirdrucke u. dgl.
Kleine philologische zeitimg.
Rom, 27. sept. Da die griechische regierung die antrage Schlie-
Nr. 11. Kleine philologische zeitung. 575
manns in Mykenä ausgrabungen zu veranstalten, abgewiesen, hat
derselbe seine dienste Italien angeboten, und es scheint, als wolle
man darauf eingehen. Augsb. Allg. Ztg. n. 274.
Stuttgart, 30. sept. W. Duisburg , früher preussischer consul in
Chartum, jetzt kauf mann in Jerusalem hat der hiesigen bibliothek
seine im alten Moabiter -lande ausgegrabenen lunde, meist götzenbil-
der und gefässe mit inschriften, zum geschenk gemacht.
Ueber die Zusammensetzung der expedition , welche der vicekö-
nig von Egypten unter leitung von Gerhard Rohlfs in die libysche
wüste schickt, giebt nachricht der Reichsanz. nr. 224.
Auch die wissenschaftliche Beilage der Leipziger zeitung nr. 78
flg. bringt aufsätze über das Unterrichts- und erziehungswesen auf
der Wiener Weltausstellung.
Berlin, 5. oct. Die vom brittischen general Fox hinterlassene
münzsarninlung, gegen 11000 altgriechische, phönizische und andere
münzen enthaltend, ist für das kön. münzkabinet hieselbst angekauft
worden. Augsb. Allg. Ztg. nr. 247.
Ueber den druck deutscher bücher mit lateinischen lettern wird
jetzt viel verhandelt und er meist getadelt: vrgl. Augsb. Allg. Ztg.
beil. zu nr. 238. 240.
Wien, 6. octob. Heute wurde der regierungsrath professor Dr
Johann Vahlen feierlich als rector magnißcus in der wiener Universität
inaugurirt: er war einstimmig gewählt. Dies die erste frucht des
Universitätsgesetzes vom 27. august a. c.
Ueber die bei Ehrenhausen seit kurzem stattfindenden ausgrabun-
gen römischer bauwerke bringt der Anz. f. künde der deutschen vor-
zeit und darnach Augsb. Allg. Ztg. nr. 283. p. 4296 folgendes: im
dorfe Retzney bei Ehrenhausen wird unter leitung des prof. P'r. Pich-
ler aus Wien eine römische villa aus Aurelian's zeit ausgegraben. In
der länge von 50 metern zeigen sich mauemzüge in gerader und ge-
bogener linie, grössere und kleinere gemacher, Wasserleitungen, stein-
stuten, mosaikboden u. s. w., insbesondere eine erhebliche masse von
wandmaereien ; eine reihe thongeräthe ('eins mit dem namen Firmia-
nus), bronzeschlüsseln u. drgl. sind im antiken cabinet des Joanneums
ausgestellt.
Berlin, 9. oct. Die vom minister Dr Falk berufene schulconfe-
renz ist eröffnet: einen bericht der ersten Sitzungen giebt Augsb. Allg.
Ztg. nr. 287.
London, 12. oct. Fugen Schuyler schreibt dem Athenaeum vom
12. aug. aus Bochara, er habe grund zur annähme, dass die berühmte
bibliothek Timur's immer noch existire : denn im schätze des Emirs
seien viele bücher und unter diesen viele in sprachen , welche den
Mollahs aus Bochara ganz unbekannt seien: diese stammen angeblich
aus den ältesten zeiten.
Rom. Am 20. october soll der XI allgemeine italienische ge-
lehrtencongress eröffnet werden und ungefähr 14 tage dauern. Nä-
heres giebt der Reichsanz. nr. 233. Die eröftnung hat am 20. oc-
tober auch stattgefunden.
Petersburg , 21. oct. Die von Erizow in Eriwan unternommenen
archäologischen naihforschungen haben nach dem Kuwhas bedeu-
tende ausbeute gegeben. Namentlich in der umgegend vou Alxane-
dropol ist ein heidnischer tempel von riesenhaften dimensionen auf-
gefunden und nicht weit davon eine tafel mit keilschrift.
Berlin, 29. oct. Der schwedisch -norwegische consul Fr. Spie-
gelthal in Smyrna hat die von ihm seit mehren jähren aus eignen
mittein zusammengebrachte Sammlung von werken griechischer kunst
dem berliner museum zum geschenk gemacht , darunter eine wohl
576 Kleine philologische zeittmg. Nr. 11.
erhaltene marmorgruppe , Psyche und Amor , reliefs der Kybele , des
Apollo, 500 römische silbermünzen u. s. w. , worüber s. Reichsanz.
nr. 255.
Auf der insel Syra wurde ein 3 meter langes und 6V2 meter
breites sehr schönes mosaik aus vorchristlicher zeit ausgegraben: es
gehörte einem Isistempel an. Reichsanz. nr. 256.
Berlin, 5. novemb. Heute feierte der director des Friedrich-
Wilhelms -Gymnasium hieselbst Dr Bonnell sein 50jähriges dienstju-
biläum. Eine kurze notiz giebt darüber Reichsanz. 261.
Auszüge aus Zeitschriften.
Archäologische zeitung herausgegeben von Ernst Curtius und Ri-
chard Schöne. Neue folge. VI band heft 1. 2: der ganzen folge ein-
unddreissigster Jahrgang: Attischer Schulunterricht auf einer schale
des Duris (hierzu tat. 1), von A. Michaelis , p. 1 : höchst beachtens-
werth: hier die quelle des verses: /uovaü /uot «jjql 2x(</jctvd(jov,tvQ-
qoov eifjxofj.' «iithtv (s. ob. nr. 9, p. 471), über den p. 3 sq. ausführ-
lich gehandelt wird: dann wird gegen ßrunn's ansichten von Duris
und überhaupt gegen dessen System der vasenchronologie gesprochen.
— Die orientirung des capitolinischen Stadtplans (hierzu taf. II),
von A. Trendelenburg, p. 14, gegen Becker's und Jordan's annahmen
gerichtet. — Grossgricchiscke terracottengefässe (hierzu taf. 69 des
Jahrgangs 1872), von A. Heydemann, p. 18. — Antikensammlungen
in England, von Fr. Matz, p. 21: sehr zu beachten: unter anderm
wird die echtheit der auf der basis einer statue eingegrabenen inschrift:
ANCHYRRHOE p. 31 vertheidigt, p. 33 flg. von den handzeichnun-
gen nach antiken — s. Phil. Anz. III, nr. 5, p. 377 — ausführlich ge-
sprochen. — Zur erklärung der Venus von Milo, von Max Frankel,
p. 40. — Phthiotische localsagen, von R. Weil, p. 40 : bezieht sich
auf Philoktet. — Classification of pottery from Cyprus , von A.
Lang, p. 42. — Erotenfries aus Pompeji, von A. Trendelenburg, p.
42 : hierzu taf. III. — Eros im brautgemach (hierzu taf. IV), von
O. Lüders, p. 49. — Eine attische lekythos (hierzu taf. V), von Gu-
stav Hirschfeld, p. 52: das bild soll komisch gefasst und auf die be-
strafung der Seeräuber durch Dionysos bezogen werden. — Votivre-
lief aus Megara (hierzu taf. VI), von Richard Schöne, p. 55. — Mis-
c eilen. Funde auf dem boden von Dekelea, von O. Luders, p.
55: bei nachgrabungen, die vielleicht auf mauern des alten Dekelea
führten, fand man auf der basis einer marmornen graburne die in-
schrift :
<xviy[xk?]Tos | Nixod>'j/Liov | JtxtXutvs
dazu noch fragmente anderer ähnlicher inschriften. — Reisenotizen
aus Griechenland, von H. G. Loiling , p. 57: enthält ein paar in-
schriften. — Herakles auf einem skarabäus , von W. Watkiss Lloyd,
p. 59. — Zum weihgeschenk des Attalos , von A. S. Murray, p. 60.
— Archäologischer Unterricht in Italien, von E. Hübner, p. 60: Be-
sprechung eines aufsatzes von Conestabile in der florenzer Rivista di
Filologia, maiheft. — Sitzungsberichte: aus Rom, p. 63, aus Wien,
p. 64: bericht über Conze's reise nach Samothrake; aus Berlin, p. 66.
Nachrichten von der göttingischen sociitiit der wiss., 1873. St. 19:
Fr. Wieseler , über einige im Orient erworbene bildwerke und alter-
thüiner: beziehen sich auf den köpf einer Veuus(?), fragmente von
Statuetten der Here, eines kriegers, dann auf drei reliefs, zwei terra-
cotten , und ein paar geräthe. — St. 22: II. Ewald, über die einthei-
lung der babylonischen mine in sekel.
Nr. 12. December IS73.
Philologischer Anzeiger.
Herausgegeben als ergänzung des Philologus
von
Ernst von Leutsch.
385. Nie. Madvigii Professoris Havniensis Adversaria cri-
tica ad scriptores graecos et latinos , Vol. I. de arte coniectu-
rali. Emendationes graecae. Havniae MDCCCLXXI. IV. 741.
Vol. II. Emendationes latinae. MDCCCLXXni. IV. 682.
Gewiss waren Deutschlands philologen vor zwei jähren
nicht wenig überrascht, von dem ersten philologen Cicero's und
Livius, in dessen Opuscula academica kaum der eine oder an-
dere griechische satz zu lesen ist, zu den bedeutendsten grie-
chischen autoren vielleicht tausend coniecturen, und zwar nicht
kleinlich sprachliche, sondern tief eingreifende, den gedanken an-
ders stellende änderungen und Verbesserungen mitgetheilt zu erhal-
ten. Dass Madvig auch im griechischen bewandert war, lehrte
mich bereits vor dreissig jähren sein excurs zu Cicero de
Finibus über Antiochus, der eine kenntniss der aristotelischen
Ethik zeigt, wie ich sie bei keinem Zeitgenossen gefunden
hatte.
Die vorrede giebt aufschluss ; vf. war dreizehn jähre pro-
fessor der lateinischen litteratur, erst später lehrte er auch das
griechische l), und bietet nun selbst seine ergebnisse, damit nicht
nach seinem tode ein unberufener ihn vertrete, dem publicum
dar ; er wisse am besten was er hiebei zu thun und zu lassen
habe. Man kann das nur billigen und es werden wohl wenige
sein , die alles in ihren papieren befindliche, einst veröffentlicht
wünschen. Als nach Porson's abieben aus seinem nachlasse
1) Bescheiden ist die zeit, wo ihm als eultusmin ister wenig zeit
blieb coniecturen in den alten zu machen, einfach mit den worten
bezeichnet: interiecti sunt ires anni et paulo plus, quibus ab academia
abfui, negotiis publicis oecupatus.
Philol. Anz. V. 37
578 385. Kritik. Nr. 12.
Adversaria erschienen: sagte Buttmann, „dem geschieht recht,
weil er auch von andern so viel herausgegeben hat". Wir ha-
ben demnach dieses werk Madvig's als ein vermächtniss zu
betrachten, der mit- und nachweit zur erkenntniss gewidmet,
und diese ist dem geber zum grössten danke verpflichtet.
Die sitte Adversaria , Variae lectiones nach alter weise zu
schreiben hat aufgehört, kaum bietet der eine oder andere der
altern philologen heut zu tage noch eine Centuria an, die wenn
sie nicht zu lang ist, doch nicht ungern gesehen wird, indem
sie dem Verfasser gelegenheit giebt, bald den cicerone eines
unverständlich redenden alten dichters zu machen , bald einen
armen heiligen kirchenvater zu curiren; fiszaßolf] navzwv yXvxv
Die richtung der zeit geht auf intension, nicht extension
nicht die politik allein liebt das localisiren, auch die wissen
schaft; die medicin verdankt gerade diesem verfahren ihre bes
seren erfolge. Wer sich jähre lang mit einem autor beschäf-
tigt und in ihn hineingelebt hat, wird gar manches zu sagen
haben und was ein anderer viel geistreicherer durch eine
flüchtige lectüre gefunden zu haben glaubt, gehörig zu würdi-
gen verstehen.
Madvig sagt, er gebe eine grosse anzahl von conjecturen,
und doch sei niemand der das leichtsinnige und oberflächliche
coniiciren mehr verachte als er; die masse ergebe sich aus der
grossen zahl der autoren, die er sorgfältig durchgearbeitet habe.
Das ganze besteht aus neun büchern, 2 — 5 behandeln die
griechischen, 6 — 9 die lateinischen schriftsteiler, das erste buch
bespricht die methode der kritik, wie im abschreiben fehler ent-
standen sind, diese aufgefunden und verbessert werden können;
hiezu sind die beispiele sowohl aus lateinischen wie aus grie-
chischen autoren genommen.
Die theorie enthält begreiflicher weise nichts neues , das
bedeutende sind die beispiele, es sind nicht coniecturae, sondern
emendationes , und wer den werth und die bedeutung Madvig's
als kritiker kennen, wer, wenn er ihn auch schon kennt, noch
mehr achten lernen will, lese dieses buch p. 8 — 155. Hier
werden einige hundert stellen verbessert, wovon alles so natür-
lich und einleuchtend erscheint, dass der leser fortgerissen und
ohne weiter sich zu bedenken und umzusehen , stillschweigend
seine Zustimmung giebt; nur einmal p. 100 — 2, wo ihm noch
Nr. 12. 385. Kritik. 579
nie erhörtes zu glauben und zu verdauen zugemuthet ist, wird
er stutzig, steht unwillig auf, sucht, untersucht und —
findet zu seinem erstaunen nichts besseres. In Piatons Theaet.
p. 175 c enthalten die wenigen worte ßaadsvg ebdufficov hehtj]-
[if'vos t av [nolv] %ovaiov ein thema des Volksglaubens, den
einfachen satz , dass der Perserkönig durch den besitz sei-
nes vielen goldes sb8a.iu.mv sei. Die sprachlich unerklärlichen
und überflüssigen Worte t' av nimmt C. Fr. Hermann als aus
nolv entstanden , aber dieses selbst fehlt in den besten hand-
schriften. Madvig sucht vielmehr darin umgekehrt eine erklä-
rung des corrumpirten r av , findet im lexicon taug , ue'yag,
nolvg und schreibt einfach ohne einen buchstaben zu ändern xexr??-
u.£vog rav yovaiov. Zwar steht dieses seltsame fremde wort nur im
Hesychius, sonst ist keine spur davon im gesammten griechi-
schen Sprachschätze erhalten; wenn es doch im Harpokration
oder einem atticisten stände! das alles hilft nichts, da steht's,
macht es anders, wenn ihr es vermöget! Madvig erinnert hier
zugleich an ein ähnlich verkanntes lateinisches wort magis, die
Schüssel, in Hör. Serm. 2, 2, 29 nihil enim certius est quam Ho-
ratium scripsisse: Carne tarnen, quam vis, distat hac ma-
gis illa, id est ab hoc catino, in quo pavo appositus est, ille in quo
gallina, und fügt zuletzt noch ironisch hinzu (er legt auf beide
stellen einen werth, p. 124): Quot poterant etiam nunc de illo
Piatonis et hoc Horatii loco programmatum paginae impleri? po-
tuisse dixi? poterunt] ne desperaveris. Gewiss! das zav , das
viele gold muss ich annehmen, den praesentirten (leeren) teller
will ich vor der hand noch andern überlassen.
Ein besonderes capitel p. 125 — 55 lehrt, wie häufig eigen-
namen entstellt und verwischt worden ; Madvig weiss eine fülle
von beispielen — ov rä x£,Ql "^' o^9 t(9 &vXdxq> ansCgsi —
nicht weniger als zweiundfunfzig stellen zu verbessern, z. b. p. 145
in Seneca dem rhetor : Latroni festinare Caesarem aus patro
fascina recusarem, in Tac. Agric. 24 Sabrinam p. 148 statt nave
prima, Gellius 17, 21 Fidenat es Äequique für Fidenates itaque,
und so durch und durch; das sind keine gewöhnliche entdeckun-
gen , vielmehr dinge die die grösste beachtung und aufmerksam-
keit fordern ; — manchmal sei auch das gegentheil eingetreten,
bei Non. p. 281 sei in Turpilius versen de lenitate Atticae
entstellt aus de vicinitate aliquae, freilich wie es dann mit
37*
580 385. Kritik. Nr. 12.
dem metrum aussieht, ist nicht gesagt, wird aber II, 652 nach-
geholt, jedoch wenige befriedigen.
Das letzte capitel des ersten buches ist ein grammatischer
excursus : die oft angeregte frage , ob nach den Wörtern iXm-
£oo, ot'oftai etc. der einfache infinitiv aoristi statt des futurum
stehen kann, wie es so oft in den handschriften gefunden wird»
oder ob was Madvig u. a. annehmen, thunlichst immer geändert
werden muss •, dieser artikel ist hier ganz ungelegen und gehört nicht
hierher, sondern in die syntax. Alles übrige enthält Verbesse-
rungen zu den einzelnen autoren-, ich will , da Madvig es un-
terlassen hat, hier eine Übersicht des inhaltes der capitel sämmt-
licher neun bücher zusammenstellen, sie zeigt zugleich den um-
fang, der den verschiedenen autoren eingeräumt ist.
Tom. I.
I. Prooemium 1 — 7. 1. causae et genera mendorum in
veterum scriptorum codicibus monstrantur universe cum exem-
plis, 8 — 95. — 2. mendorum corrigendorum via breviter mon-
stratur et exemplis dtclaratur, 95 — 125. — 3. nomina pro-
pria a librariis obscurata et sublata eruuntur , quaedam falso
posita eiiciuntur, 125 — 55. — 4. probabilitatis criticae in re-
bus grammaticis aestimandae leges explicantur et certo exem-
plorum genere declarantur, 155 — 84. — II. 1. emendantur
Homerus, Piudarus, Aescliylus, Sophocles, 185 — 230. — 2.
emendationes Euripideae, 231 — 74. — 3. Aristopbanes, Apollonius
Ehodius, Callimachus, Theocritus, 274 — 301. — III. 1. Herodo-
tus, Thucydides, 302—35. — 2. Xenophon, 335—64. — 3.
Plato, 365 — 452. — 4. oratores Attici, Aristoteles, 452—79. —
IV. 1. Polybius, Diodorus Siculus, 480—520. — 2. Strabo, 520—
65. — 3. Plutarcbi vitae. 565 — 611. — V. 1. Plutarchi scripta
varia (moralia) 612—77. — 2. Lucianus, 677—703. — 3.
Pausanias , Philostratus, Diogenes Laertius, Ioannes Stobaeen-
sis, Dionysii Halic. antiq. Rom. lib. I, 704 — 26; letztes wort:
i am s atis est.
Tom. II.
VI. 1. Plautus, Terentius, Lucretius , Catullus, 1 — 29. —
2. Vergilius, Horatius, (Propertius), Ovidius, 29 — 109. — 3.
poetae Augusti aetate inferiores, Seneca, Persius, Lucanus, Va-
lerius Flaccus, Statius, (Silius , Iuvenalis, Martialis), 109 — 64.
— VII. 1. M. Varro, 165—80.— 2. Cicero, 181 — 246.— 3.
Nr. 12. 385. Kritik. 581
Caesar, Sallustius, 246—96. — VIII. 1. Velleius Paterculus,
Valerius Maximus, 297 — 335. — 2. L. Annaei Senecae scri-
pta minora (dialogi), 335 — 405. — 3. Senecae libri de bene-
ficiis et de dementia et quaestiones naturales, 406 — 58. — 4.
L. Senecae epistolae, 458 — 517. — 5. Columella, Plinius
maior, Curtius, Quintilianus, 518 — 41. — 6. Tacitus, Sueto-
nius, 541—82. — IX. 1. A. Gellius , M. Fronto, 583—616.
2, Iustinus, scriptores historiae Augustae, 616 — 51. — 3.
fragmenta veterum scriptorum apud Nonium posita. 651 — 69,
mit den Schlussworten : Licet opinor fatigato desinere.
Man sieht , am reichlichsten ist Seneca bedacht mit
182 seiten, dann folgt Plutarch mit 112, Plato mit 87, Ci-
cero mit 65, Ovidius mit 43 u. s. w. Wer mag die sämmtli-
chen conjecturen zählen , welche die beiden bände in ihren
1893 Seiten geben? Jeder philolog, der jahrelang dociert hat,
wird eine ergiebige zahl bieten können , eine solche fülle , ich
darf es sicher aussprechen , keiner ; doch nicht die quantität,
nur die qualität kommt in rechnung. Dabei ist Madvig ob-
schon so zu sagen ein geborner kritiker , doch durchaus nicht
der mann, der darauf ausgeht, alles anders zu machen, um sei-
nen geist zu zeigen, nicht ein conjecturenjäger, dem man zu-
rufen muss
Tt yag i).Xsinei firj naganaieiv
ii X«Ä« fiavimv ;
Ein klar und scharf denkender geist geht er überall nur dar-
auf aus zu suchen, was der autor sagen will, ja nach dem vor-
liegenden sagen muss, hier gilt das rem tene, verba sequentur.
Hat er die res, den richtigen gedanken , der nach inhalt und
Zusammenhang gefordert wird , so zeigt ihm die gediegene
kenntniss der spräche, die ihn schon vorher auf den wunden
fleck, wo der fehler liegt, geführt hat, auch bald das rechte
und geeignete wort und er hat damit das ganze. Man mag
bei Madvig unrichtiges treffen und nachweisen , unvernünftiges
wird man nicht finden. Dieses verfahren giebt ihm auch die
Zuversicht, das was er gefunden, für das einzig richtige zu hal-
ten , und so ist er ein abgesagter feind von allem unsiche-
ren, schwankenden und zweifelhaften; was er längst in seiner
jugend gegeben, hält er auch jetzt noch fest und sieht sich
nur selten zu einem widerrufe genöthigt. Er erklärt sich selbst
582 385. Kritik. Nr. 12.
darüber I, 122 — 4, die stelle ist wichtig, einiges verdient zur
allgemeinen kenntniss gebracht zu werden : addamusque , ut in
quaerendo vero liber animo cursus in omnes partes permittendus
est, sie inter veritatis inventae notas esse, si animus in uno aliquo
ita certus consistat , ut nihil praeterea nee anquirat nee aeeipiai;
nam qui inter plures corrigendi vias incerti haerent, fere a vera
aliquantum dbsunt. Boni autem critici est et via et ratione pro-
gredientis et artem habentis scire, quousque processerit, et cum ad
verum pervenerit, firmiter id teuere abieetaque instabili suspicione
et dubitatione, loco sanato uti et Jrui. ...; eine besondere ars der
kritik sei es a sanis abstinere et aliorum proterviam arcere , vera
menda certa ratione coarguere, bona ingenii inventa probare. Diese
ars habe ß. Porson geübt , alii qui magni critici haberi solent,
aut ex aliqua parte saepe eam violarunt, ut Bentleius in mendis
arguendis et in suspicione continenda, aut prorsus ea caruerunt, ut
G. Hermannus, qui non maximum numerum bonarum emendationum
obruit innumerabili inanium et levium opinionum festinanter iaeta-
rum multitudine, rursus non raro, ubi libido aut obtreetatio abripue-
rat strenuus pravorum defensor.
Dieses aufsuchen eines bestimmten und festhalten an dem
gefundenen ist keine empfehlung für kritiker , welche leicht
hin ändern und dann bemerken , es könnte auch so und so
und dann wieder so und so heissen, wie z. b. Blaydes in sei-
nem Sophokles, und doch ist das noch besser und aufrichtiger
als wenn einer willkürlich ändert und hartnäckig daran hält,
ohne es bewiesen zu haben ; denn in der that ist es nicht über-
all so, wie Madvig annimmt, dass nur das eine richtig sein
kann und muss, alles andere demnach ausgeschlossen und
falsch sei.
Schon diese kurze angäbe lehrt, dass ein solch kritisches
talent mehr geeignet ist, die schaden der prosa zu erkennen
und zu heilen , als die der poesie. Dichter die eine kühne,
nicht immer streng logische spräche führen, lassen sich nicht
in so eine enge jacke zwängen, die bearbeiter der tragiker wer-
den nicht zögern zu antworten, obschon viele sich selbst sehr
bemühen die poetische spräche in gewöhnliche prosa zu ver-
wandeln. Noch weniger werden sich die freunde der lateini-
schen comoedie durch das was der anfaug des zweiten bandes
giebt, erbaut fühlen. Metrik ist überhaupt nicht Madvig's hand-
Nr. 12. 385. Kritik. 583
werk und er hat nur fünf stücke des Plautus, über die er eine
eigne ansieht ausspricht, vor einigen jähren, wie er selbst gesteht,
näher angeschaut, die Menaechmi, Miles, Mostellaria, Trinummus
nach Ritschi, die Captivi nach Brix und Lorenz ; er ist des lo-
bes voll über die Sorgfalt, die dem kritischen apparate und dem
plautinischen sprachgebrauebe zugewendet wird, sed idem fp. 4J
ita iudicare cogehar, dum Ritschelius praescriptam versuum formam
legemque explere studeret omniaque ad sua praeeepta non ubique
certa aut vera exigeret, omnia denique, in quibus adhaesisset, corri-
geret, neque £n{%eii> sciret velletque , sie saepe a vestigiis codi'
cum certissimisque indieiis discessum esse , sie omnia versa , sie
quaedam ficta,non sine /also verborum usu sententiaeque incommodis,
ut temeritatem mirarer simulque artis criticae perturbationem dole-
rem. Nihil est enim in ea damnosius hac consuetudine non ex
certis indieiis firmae et, Cui ipse vere credas, correctionis petendae,
sed dum omnia expedire velis, instabili coniectura et facile in con-
trarium se vertenti tantum ea seetandi , quae versum aut sententiam
ad legem aliquam quomodoeunque expleant; nam praeter singulo»
rum locorum depravationem perit sensim veri sensus et reverentia,
certi ab incerto1 emendationis a lusu distinetio. Das ist zwar nicht
schmeichelhaft, nicht galant gesprochen, aber leider nur zu
wahr, und die folgen davon liegen offen da.
Ein solches werk kann nicht von einem recensirt werden,
doch wird die recension, die richtige Würdigung nicht ausblei-
ben , sie fällt denen anheim , die wenn auch lange nicht so
geistreich und scharfsinnig wie Madvig, mit ihren speciellen
autoren vertrauter, in ihnen heimischer als er sind, die Überlie-
ferung des textes besser kennen , und über die einzelnen von
Madvig mehr oder minder glücklich behandelten stellen ihrer
autoren sichern aufschluss zu geben fähig sind. Ich will selbst
den anfang dazu machen, so weit es die engen grenzen dieser
blätter gestatten.
Madvig hat mir unaufgefordert, von selbst 1859 seine
emendationen zu Varro de LL. zugeschickt, sie stehen um ein
drittheil vermehrt, II, p. 165 — 78. Er hat diese bücher zuerst
in der Bipontina, der schrecklich interpolirten vulgata gelesen,
erst später meine und 0. Müllers ausgäbe zur hand genommen.
Man muss die älteste Überlieferung genau kennen , um nicht
gefälschtes noch mehr zu fälschen; sicherer ist die kritik zu
584 385. Kritik. Nr. 12.
üben, wo die gewissheit besteht dass wie im Aeschylus, Sopho-
cles, Tacitus, Apuleius alle verhandenen handschriften nur abschal-
ten eines noch erhaltenen manuscriptes sind-, diesen glücklichen
fall — haben wir auch in unser varronischen schrift. Hier
nun gilt es die Überlieferung genau zu kennen. Im anfange
des VII. buches p. 283 lesen wir: nee mirum, cum non modo
Epimenides post annos L experrectus a multis non cognoscatur , sed
etiam Teucer Livii post XV annos ab suis qui sit ignoretur: in diesen
Worten ist kein anstoss, aber die alten ausgaben geben ein opus
vor post, was man als aus diesem entstanden einfach gestrichen
u
hat. Dagegen hat F opes, das überschriebene u ist nicht ganz
sicher, Lagomarsini meinte ein m zu erkennen, worauf Lach-
mann, der zu Lucr. p. 390 über diese stelle viel (und mit voll-
stem unrecht gegen Müller) spricht, sagt : ergo nihil certius est
quam scribendum esse Epimenides meus. Diese zuversicht-
lich ausgesprochene conjeetur ist entschieden falsch; Varro kann
hier sein eignes zeugniss nicht anrufen , er muss der allgemei-
nen Überlieferung, die bekannt genug war, folgen-, opes haben
auch die besten apographa und liegt dem wahren ganz nahe;
OPES nämlich ist nichts als CRES, Epimenides der Kretenser.
Obige dreizehn Seiten geben ein halbes hundert änderun-
gen des textes ; sieht man von dem unbedeutenden ab, so tref-
fen fünfzehn entschieden das richtige; ansprechend aber nicht so
zuverlässig sind sieben , unwahrscheinlich eilf , als ganz ver-
fehlt zurückweisen muss man sieben. Madvig der überall
die spräche der gewissheit führt , mag auf diese eigene ein-
theilung und Schätzung seiner entdeckungen etwas mitleidig her-
absehen und darüber lächeln, aber es ist doch nicht anders.
Von jenen fünfzehn sind zehn wichtig, grossentheils nicht ohne
einfluss auf den gedanken ; einige davon sind nicht mehr neu,
was ihm entgangen , zwei davon habe auch ich , der ich diese
bücher so oft durchgearbeitet hatte, erst von ihm gelernt ; dass
p. 220 liinc agitur pecus pastum, quia vix agi potest, nach pastum
ein begriff ausgefallen, worauf sich die folgenden worte bezie-
hen, habe ich erkannt, dass aber dieser kein anderer ist als
hinc angustum, hat mein schwacher verstand nicht gesehen,
verdanke ich Madvig. Auch p. 137 halte ich quod vomit eo
plus terra statt terram für richtig. Von den ansprechenden
Nr. 12. 385. Kritik. 585
geistreichen, aber mir nicht wahrscheinlichen vorschlagen er-
wähne ich p. 25, es ist von der Schätzung die rede: praeco di-
citur locare quod usque id emit, quoad in aliquo consistit pretium.
Madvig schreibt usque demit , und nimmt es in dem sinne wie
Nipperdei sein demittit Spicil. Nep. p. 54 vom herunter stei-
gern; dann aber gilt es nur von ultro tributa, nicht von den
weit wichtigeren, dem hinaufsteige™ des preises, den vectigalia;
wir brauchen ein allgemeines beide umfassendes wort. So habe
ich auch gegen die schöne vermuthung zu p.263 mein bedenken;
dort lässt nach einer Staatsformel der censor durch den praeco
das gesammte volk in die comitia zu sich rufen: voca huc ad me,
heisst es , omnes Quirites , diese werden näher geschieden und
bezeichnet eqites pedites, ferner magistratus privatosque, und end-
lich zuletzt curatores omnium tribuum. Diese sind sonst nir-
gends erwähnt und Madvig sagt : qui neque ulli fuerunt, neque
si fuissent , quid in censu agendo negotii haberent, intelligeretur, er
ändert daher iuratores, die bei Liv. 39, 44. Plaut. Trin. 879
genannt werden ; diese sind allerdings beim census bethätigt,
aber was sollen diese iuratoren hier an unserer stelle? nur
wenn sie so bedeutend sind, dass sie als Vertreter, repraesen-
tanten der tribus auftreten können , wie es sogleich heisst : si
quis pro se sive pro alter o dari rationem volet, wenn sie wirk-
lich das waren, was das wort der vulgata andeutet , curato-
res omnium tribuum, konnten sie hier genannt werden.
Varro hat in seiner spräche viel eigentümliches; die Stel-
lung der worte, wonach das welches den ton hat, vorange-
stellt wird, ist bei ihm, wie bei keinem andern Eömer; er sagt
nie ut . . ita, immer ut . . sie, nicht quia, sondern quod u. drgl.
Madvig beachtet diesen Sprachgebrauch nicht und setzt leicht-
hin dafür etwas anderes, was ihm geeignet scheint, ein. P.
540 wo von den verschiedenen genera animalium gesprochen
wird : item in piseibus dissimilis muraena lupo. is soleae, haec mu-
raenae et mustellae, sie aliis, ändert er ohne bedenken sie und
schreibt eae aliis, und doch ist die ständige formel bei Varro
sie alia, woraus sich von selbst sie alii aliis ergab; er hätte
vielmehr an muraenae et anstoss nehmen sollen , deren Wieder-
holung die concinnität nicht duldet, gleich nachher lesen
wir: separatim in muraenis, separatim in asellis, das ist beziehung
auf obiges und man darf die vermuthung aussprechen, dass
586 385. Kritik. Nr. 12.
die stelle einst so war: . . dissimilis muraena (asello, hie) lupo,
is soleae, haec mustellae, sie alii aliis. P. 506 wird von Wör-
tern gesprochen , die nur im pluralis gebräuchlich sind , und
gegen die gegner der analogie gerechtfertigt: quibus responderi
potest, non esse reprehendendum, quod Scalae et Aquae Caldae ple-
raque quae cum causa multitudinis vocabulis sint appellata} neque
eorum singularia in usum venerint. Madvig vermuthet peraeque
quaeunque causa . . appellatae, ein wort, das Varro gar nicht
gebraucht. Es ist dieses die einzige stelle, wo Madvig nicht
ohne bedenken sich äussert und während sonst immer zu le-
sen ist scribendum est u. drgl., steht hier scribendum videtur.
War es denn so schwer in jenem pleraque quae das einfache
pluraque zu erkennen, da es ausser den beiden genannten noch
andere solche Wörter wie divitiae u. dgl. giebt? P. 532 ist
die änderung nach Müller von sie in si, um dann item sicut il-
luc als nachsatz zu nehmen nicht nothwendig und die dadurch
entstehende form ut illuc sit , si hie item < . . item sicut illuc in
einem satz ganz gegen den varronischen Sprachgebrauch; die
änderung qua illic diximus für quae ist richtig, ergiebt sich von
selbst, doch ist im folgenden ein anderer anstoss; die erste
person das verbum volo kann nicht mit casus rectus bezeichnet
werden.
Dem einwürfe der anomalisten , dass die vertheidiger der
analogie selbst in ihren Schriften mit einander im Widerspruch
stehen, und wo sie übereinstimmen , die gang und gäbe rede,
consuetudo, entgegen sei, wird p. 539 entgegengehalten: sie om~
nis repudiandum erit artis, quod sit in medicina et in musica et in
aliis multis discrepant scriptores, item in quibus conveniunt ut scriptis
si etiam repudiant natura, quod ita ut dicitur, non sit ars, sed ar-
ti/ex reprehendendus. Ganz richtig schreibt Madvig couveniunt
scriptis, si etiam repudiat natura, um so schlimmer aber steht es mit
dem folgenden, wo überhaupt nichts zu ändern und alles klar
und deutlich ist ; er sagt : sie scribendum est geminatis duobm
verbis : quod ita ut dicitur {in scriptis) , non sit (in natura) , non
est ars, sed artifex reprehendendus. Gut, dass die erklärung in
klammern beigefügt ist, weil sonst kein mensch die worte so
verstehen könnte! Weiss Madvig nicht, dass wenn einer sein
handwerk schlecht treibt, der tadel, nicht die ars, sondern der
artifex trage die schuld daran, eben so gewöhnlich wie natür-
Nr. 12. 385. Kritik. 587
lieh ist? Diese bekannte bemerkung spricht Varro mit den
Worten ut dicitur aus.
P. 499 wird von den drei genera gesprochen, warum substan-
tiva nicht wie adjeetiva declinirt werden, Übergänge aus diesen
nicht immer auf gleiche art statt finden ; man sagt femina, nicht
feminus, feminum ; surdus vir, surda mulier, surdum theatrum, nicht
surdum cubiculum, wohl aber caecum, dann wird fortgefahren : mas
et femina habent inter se natura quandam societatem, neutra cum his
quod sunt diversa, inter se quoque de his perpauca sunt, quae ha-
beant quandam communitatem. Dei et servi nomina, quod non item
ut libera nostra transeunt, eadem est causa, quod ad usum [attinet] in-
stitui opus fuit de liberis, de reliquis nihil attinuit. Die stelle ist ver-
dorben und nicht sicher herzustellen, aber was Madvig giebt,
entschieden zurück zu weisen, er hat den gedanken so gründ-
lich, wie sonst nirgend, missverstanden. Er meint mas und fe-
mina hätten auch mit den dei eine gemeinschaft und darum
müsse man statt cum his schreiben . . societatem [et cum dis.
neutra quod. im folgenden aber verbinden . . communitatem Dei.
Et servi nomina und mit tilgung der partikel Serva nomina än-
dern, wie er sagt : ridicule coniunetis deo et servis. Diese läcber-
lichkeit hat niemand als Varro selbst zu verantworten und
Madvig mag es mit ihm ausmachen; der autor bezieht sich
deutlich genug auf die worte die er oben p. 496 gegeben hat:
nullius nostrum filium et filiam non apte discerni marem et femi-
nam, ut Terentium et Terentiam, contra Deorum liberos et servorum
non itidem, ut lovis filium et filiam lovem et Iovam. Dass Mad-
vig diese stelle nicht beachtet hat, ist der grund, dass der
ganze gedanke falsch aufgefasst ist und die worte darnach corri-
girt sind. Ob dort der genetivus singularis der vulgata richtig
ist, oder der nominativus pluralis anzunehmen durch Umstel-
lung: Dei et servi quod non item ut nomina libera nostra (lezte-
res im sinne von liberum nostrum) , mag man zweifeln , die Ver-
bindung von dei und servi bleibt unbestritten. Oben scheint
der gedanke, neutra cum his quod sunt diversa , non habent, zu
fordern.
Nicht viel glücklicher ist die stelle p. 397 behandelt; Varro
hat von verba pluralia gesprochen : man könne sie ja leicht in den
singularis verwandeln und führt als beispiel scopae an, also
scopa, eic alia, dann fährt er fort: causa inquam cur eas ab im-
588 385. Kritik. Nr. 12.
positis nominibus declinarint, quam ostendi. Sequitur in quas vo-
luerint declinari aut noluerint , ut gener atim ac summatim, item in
formis. Da B vor cur eas die Worte einfügt : cur eas voces descen-
dant a recto causa est, glaubte ich diese worte stammten aus ei-
ner vollständigeren handschrift und seien in den andern durch
gleichklang ausgefallen. Madvig gibt folgende bemerkung:
rede iam qui codicem B interpolavit , vidit alteram partem
sententiae excidisse. Sed praeter ea in editionibus divelluntur
quae cohaerent ; haec enim forma fuit orationis : Sic alia
causa, inquam, [est, cur . . . alia] cur cet.
Es ist nichts ausgefallen, Varro sagt am eingange des VIII buches,
dreierlei müsse man bezüglich der beugung der Wörter erklä-
ren, das cur, dann das in quo, endlich das quemadmodum ; er
hat den ersten artikel vollendet und geht nun zum zweiten
über, der fehler liegt in den anfangsworten : causa inquam cur
eam {ed., nicht eas hat die Überlieferung). Ich will der kürze
wegen die stelle berichtigt anführen, möge Madvig sie näher
untersuchen und sein urtheil darüber aussprechen: causam cur
verba ab . . . quoniam ostendi, sequitur in quo voluerint . .
ut , . item informem.
Denke niemand, dass ich, wenn ich noch so viele ein-
würfe vorzubringen habe, gering von Madvig urtheile ; diese
bücher sind sehr verdorben und es ist noch unendlich viel
darin zu leisten, wenn auch im einzelnen manch schönes und
richtiges zum Vorschein gekommen ist. Er hat rasch das
werk gelesen und durch seinen Scharfsinn vieles sogleich rich-
tig erkannt, aber die alten wollen wiederholt mit der grössten
ruhe und besonnenheit nicht gelesen, sondern studirt werden,
und dadurch wird man auf das wahre hingewiesen ; er hätte
vielleicht besser , was er nicht mit der erforderlichen Sorgfalt
durchstudirt zu haben selbst gesteht, wie die lateinischen co-
miker, ganz zurückgehalten. Hat er aber in diesem autor, der
ihm keineswegs besonders am herzen gelegen, doch vieles rich-
tige gefunden, so lässt sich erwarten, was für jene autoren ge-
leistet sein wird, die seine lieblinge gewesen. Man fühlt sich
von ihm angezogen und wünscht sich in seiner arbeit einen
solchen genossen. Könnten wir vereint dieses werk durchge-
hen und über das einzelne uns gegenseitig verständigen , so
würde der autor viel gewinnen, wir beide aber und das philo-
Nr. 12. 385. Kritik. 589
logische publicum noch mehr; eine menge falscher und leerer
conjecturen, welche jetzt wir zwei machen , welche andere nach
uns machen werden, würde das tageslicht nie erblicken ; es ist
dieses ein gedanke der sich mir bei der vergleichung lebendig
aufgedrungen hat und den mancher andere, wenn er das von
Madvig zu seinem autor gegebene genau prüft, selbst wider
willen nicht minder aussprechen wird.
Von den griechischen autoren ist, wie schon bemerkt, Plu-
tarch am reichlichsten bedacht, dann aber folgt sogleich Plato,
die Leges, sagt Madvig, habe er mit besonderer aufmerksamkeit
durchgegangen; um einen begriff was bei einzelnen dialogen
geleistet worden, zu bekommen, wählte ich den Phaedrus I, p.
397 — 402; es finden sich achtzehn anderungen, wovon ich ei-
nige nicht als nothwendig , andere nicht als richtig erachte;
dagegen ist p. 235 B ansprechend u^icov statt a%l<og, 247 B
tjzs statt «7£, 239 A wird pev nicht mit unrecht ausgesto-
ssen, aber auch so ist nicht alles gerechtfertigt , 247 B wird
nogsvovzai gestrichen; dadurch verschwindet die Wiederholung
desselben Wortes und die sätze werden gehörig verbunden,
ebendaselbst C ist die Verbindung richtig hergestellt, doch ist
keine nothwendigkeit xpv-^rj oder ipvpjg zu streichen. Als die
schönste und wichtigste betrachte ich folgende bemerkung:
P. 265 E: zo näXiv v.ax' ti8q dvvac&ai ts/xveiv, x«t' ugögu,
ij TtkCfvxs , hui [Ai/ ini^sigelv xazayvvvai [xe'gog ptjdt'v. non
agitur de dividendo xar' etöjy, sed de ipsis siÖsow , sub quae
zä disanag/xiva slg \iiav ideav collecta sunt, rursus contraria
ratione partiendis. Mendum arguunt etiam haec aavvdsTcog
iuncta v.az* el'dr] , v.az üg&gu, Scrib. : zö ndXiv xal zc
sidq dvvaodai zsfirsiv xar' äg&ga.
Das ist höchst ansprechend wegen des folgenden nett' ag&ga, wo
xa* fehlt , dann dadurch dass eidt] hier ein ysiog voraussetzt,
während oben sie als die höchsten begriffe, wovon die andern
ausgehen, betrachtet sind; es sollte jedoch der singular stehen;
der Zusammenhang ist:
sie ju/«j> t e i&iai> . . äyetv
(xai) näliv zi]v iSiav slg zec noXXa Siaigsiv,
aber xa.z siörj kann immerhin auch stehen , dessen Erklärung
dann xaz' äg&ga ist, beigesetzt weil sofort des koches erwähnung
geschieht, und dass dem wirklich so ist, lehrt Plato selbst, er
690 385. Kritik. Nr. 12
widerholt nämlich unten p. 273 das ganze, woraus man sieht,
dass nichts zu ändern und die vulgata richtig ist: x«< xaz'
siöt] zs diuigsiaßat zd ovza nai /x i ä löe'a. . . xa#' iv txaazov
fiegdafAßäreir und ebenso p. 277 ogiadfisvog zs ndXiv xat"
südy. Solche conjecturen , selbst wenn man sie nicht anneh-
men kann und zurückweisen muss , sind doch sehr belehrend,
wie man auch aus mancher note Bentley's, die falsch ist, oft
mehr lernt, als aus zehn von andern, die richtig sind.
Wie leicht es ist auf diesem gebiete, auch bei dem besten
willen es nicht zu thun, irre zu gehen, und wie nothwendig es
wird, all solche vorschlage überall, um nicht getäuscht zu wer-
den, misstrauisch mit grösster vorsieht aufzunehmen und zu
prüfen, davon nur ein beispiel, p. I, 474 gleich das erste aus
Aristotel. Ehet. I, 2 : cpavt-gov ozi zavzd iazi Xaßsfo zov avX-
Xoylaaa&ai dvva^isvov ua) zov Oecogtjaai nsgl zd ?j&r] xal
zag dgszdg xal zgizov tov fzsgi za 7vdd?j, ti zs sxaozov
iazi zmv na&mv xal nolöv zi. Tollendum tov post zgizov
ortum aut ex praecedenti syllaba aut interpolando construetione
non intellecta. Tria sunt nsgl d &scogslv posse oportet, nsgl
zd rj&t] xal zag agezag xai zgtzov nsgi zd Trd&tj.
Das scheint ganz plausibel und man meint es müsste so sein;
wer aber inhalt und gedanken jenes capitels und des gesamm-
ten werkes kennt, weiss auch , dass Madvig den sinn des phi-
losophen ganz falsch aufgefasst hat. Dem Aristoteles ist der
erste theil das cvlloylaaadai , das dsixvvvai , das enthymem ;
das zweite ist das &sojgyaai negl zd rj&rj xal zag ugszdg, das
dritte die nd&rj. Dass Madvig falsch construirte und verband avX-
Xoytoaa&ai . . nsgl zu tj&r] xal zdg dgszdg, daher aller irrthum; dass
tj&i] und dgszal zusammengehören, lehrt die Ethik. Weit entfernt
also jenes zov nach zgizov zu streichen, müsste man es vielmehr,
wenn es in allen handschriften fehlte, damit man nicht einen so fal-
schen sinn wie Madvig einlegte, ex coniectura nothwendig einsetzen.
Madvig setzt den beitragen zu den einzelnen autoren eine
kurze angäbe der texteskritik voraus, was ihm gelegenheit bietet
sich über die herausgeber wie über die Schriftsteller selbst of-
fen auszusprechen ; manche der erstem werden ihm die ant-
wort nicht schuldig bleiben. So heisst es von Tacitus II, p. 541
egregium scriptorem nee tarnen aut in scribendi genere affeetatae cu~
iusdam duritiae culpa liberandum aut in vero minute exguirendo
Nr. 12. 385. Kritik. 591
severissimae semper diligentiae et in rebus narrandis interdum ali-
quid 8ententiarum acumini et gravitati et omnino scriptionis colori
dantem, dasselbe ist schon I, 97 angedeutet; den Dialogus habe
er nie für taciteisch gehalten und werde es auch nie , II, 570.
Madvig ist conservativ, er ist ein altconservativer , man
weiss, was er z. b. von Wolfs Prolegomenen hält, die heutige
pbilologie hat aber auch ihre fortschrittler ; sie sind über diese
wortkritik grossentheils erhaben, und gehen darauf aus, den
geist des autors zu erfassen. Das ist nur zu loben, wollen
aber auch die andern, und versteht sich von selbst, es ist ja
aufgäbe und zweck des Studium. Sie suchen ihn auf eigene
weise; die einen glauben ihn nur zu finden, wenn sie al-
les unter einanderwerfen, das hinterste zu dem vordersten se-
tzen und umgekehrt, erst dadurch könne der dichter recht
begriffen und verstanden werden. Ein non plus ultra dieser
Verkehrtheit giebt Otto Ribbeck in seiner bearbeitung und aus-
gäbe der briefe des Horatius. Andere wollen von solchen
transpositionen nichts wissen , finden aber eine masse falscher
zusätze und sind eifrigst bemüht diese interpolationen aufzu-
spüren und den dichter davon zu reinigen. Er habe seine pa-
piere ungeordnet hinterlassen, der herausgeber daher zum bes-
sern verständniss nähere erklärungen hinzugefügt, oder ein
schlauer buchhändler habe sich dergleichen machen lassen, um
seiner neuen vermehrten ausgäbe besseren absatz zu sichern
u. dgl. Glauben sie aber es sei statt des zu viel auch zu we-
nig, so wissen sie wunderschön diese lücken zu ergänzen und
ihr eigenes mach werk dem texte des dichters einzureihen.
Fragt man nach den beweisen dieser modernen kritik , so
sieht es damit sehr misslich aus. Die kunst der aesthetik ist
es die hier nachhelfen muss , das eigene innere gefühl muss
sagen, was schön oder nicht schön, acht oder unächt, was bei-
zubehalten , was auszustossen ist; und so ist, indem sie den
geist des autors recht anschaulich machen wollen , es doch
nur der herren eigener geist, den sie durch ihre Weisheit, d. h.
ihren witz leuchten lassen.
Der grund dazu liegt zumeist im mangel des richtigen
Verständnisses , dann aber in der sucht neues und geist-
reiches zu erfinden, welche nicht beiträgt, vielmehr abhält,
jenes verständniss zu erringen; dazu kommt, dass manches uns
592 385. Kritik. Nr. 12.
unverständlich ist und bleibt, weil die historische basis zur er-
klärung fehlt, worin da man doch alles wissen und erklären will,
der geist freies spiel der bewegung findet. Dass dieses treiben
aus den hallen der Universität, deren Vertreter infallibiles ex ca-
thedra in die weit hinausschreien, bereits auch schon in die
schule dringt, kann man aus Teichmüllers Stertinius lernen ;
dort ist die grösste satire des Horatius auf die hälfte verkürzt,
gewiss zur freude gar vieler schüler , deren volle befriedigung
jedoch erst dann eintreten wird, wenn ein baldiger nachfolger
sie auch von der andern hälfte und damit von aller mühe und
plage befreit.
Ich habe diese sucht schon vor jähren als eine epidemi-
sche krankheit erklärt, hielt sie jedoch für bald vorübergehend;
sie steigert sich und nimmt einen drohenden charakter an.
Der humanismus hat vor Jahrhunderten den kämpf mit der
Scholastik geführt und ihn glücklich bestanden; die pbilologie
hat jetzt einen grösseren mit dem realismus zu führen, und es
ist zu fürchten, dass sie ihn nicht so glücklich besteht. Sie
hat lange und herrlich in Italien geblüht, die curie mit dem
neu entstandenen orden der Jesuiten hat sie vertrieben; sie
war eben so fruchtbar in Frankreich, aus ähnlichen Ursachen ist
sie auch von da gewichen, und da sie eine aus ihr entstandene
gediegene einheimische litteratur zurückgelassen hatte, glaubte man
sie um so leichter entbehren zu können. Was ist sie jetzt in
diesen ländern? So kann es auch in Deutschland werden.
Wenn das Studium zu einem blossen lusus ingenii herabgewür-
digt wird, dann hört es auf, ein mittel zur bildung des gei-
stes zu sein; man braucht keine theologen und industriellen,
um der philologie los zu werden , die philologen selbst sor-
gen zumeist dafür dass man mit Unwillen sich von ihr abwendet.
Madvig ist wie nicht anders zu erwarten , ein abgesagter
feind solcher Verkehrtheit und züchtigt diese kritik wie sie
bei den tragikern geübt wird, anschaulich I, p. 92 — 5; seine
Schlussworte sind : ego si ita in scriptorum veterum operibus re-
fingendis et amplificandis interpolatorum Ucentiam grassatam esse
aut grassari potuisse crederem , omnem eorum contextus consti-
tuendi conatum abiiciendum putarcm; nunc hacc somnia lususque
arte nostra parum dignos iudico. Noch deutlicher drückt er
seine Überzeugung bei Horatius II, p. 50 aus über Peerlkamp,
Nr. 12. 386. Pindaros. 593
Lehrs und Ribbeck , dessen ihm sonst gebührendes verdienst
II, 61 nicht verschwiegen ist; er kennt auch Gruppe, s. I, 94,
will aber nichts von ihm wissen. Seine worte verdienen die
vollste beherzigung aller, denen noch am werthe der alten et-
was gelegen ist:
Contra guos si dicere vellem, longa ordienda esset de fide hi-
storica et probabilitate disputatio, cuius Uli leges omnes cavil-
lando calumniandoque et fingendo ita spernunt, ut numquam,
quid fieri accidereque in hoc genere et unde haec formae
testimonüs confirmatae constantia nasci potuerit, serio aut severe
cogitasse videantur ; nunc alia mihi agenda sunt, licetque opi-
nor haec somnia praeterire, quae aut intra paucos an-
nos oblivioni tradita erunt, aut totum hoc antiqua-
rum litterar um Studium, tanquam exhaust a utili-
ter quaer endi materia , inaniter et proterve lu-
dens cum taedio sui senescet et interibit.
Gewiss! das alterthum will nicht bewundert und angestaunt,
es will verstanden und begriffen sein ; wenn aber die Vertre-
ter dieses alterthums , die philologen, in ihrer kurzsichtigkeit
sich abraufen, jeder um den geist des dichters zu prüfen, die-
sen anders zu gestalten , wenn sie sich zu beweisen bemü-
hen, es sei mit diesem geiste überhaupt nicht weit her, ein
Tacitus sei viel zu beschränkten Verstandes gewesen , um das
wahre auch nur sagen zu können, darf man sich da wundern,
wenn das aussen stehende publicum, das diesem treiben nicht
ganz gleichgültig zuschaut, gerade durch die philologen selbst
immer mehr in dem alten glauben bestärkt wird, die jugend
habe heut zu tage etwas besseres zu thun , als die kostbare
zeit mit diesem unnützen latein und griechisch todt zu schlagen?
L. Spengel.
386. Ern. Friese, Pindarica. (progr. des Coli. roy. franc.)
Berlin. 1872. 4. 42 s.
Unlängst hat Comparetti wieder darauf hingewiesen, wie
viel in Pindar, dessen text uns in ziemlich unverderbter gestalt
überliefert wurde und namentlich durch die bemühungen der
neuesten zeit im grossen uud ganzen als gesichert betrachtet
werden darf, noch hinsichtlich der erklärung zu thun ist, da
eine grosse anzahl der ungenügendsten auslegungen noch im-
Philol. Anz. V. 38
594 386. Pindaros. Nr. 12.
mer von commentar zu commentar fortgeschleppt werden. Er
selbst hat mit einem schönen aufsatz über die strafe des Tan-
talus (Philol. 32, 2, p. 226 — 251), dem erfreulicher weise meh-
rere ähnliche folgen sollen, einen guten anfang gemacht, mit
solchen widersinnigen erklärungen aufzuräumen. Auf einem an-
dern wege strebt demselben ziele Friese zu , der schon durch
seine erstlingsschrift de casuum singulari apud Plndarum usu sich
unter den Pindarikern vortheilhaft bekannt gemacht hat. Er
will durch genaue beobachtung des Sprachgebrauchs das ver-
ständniss fördern und durch die aus unbestritten klaren und kri-
tisch gesicherten stellen gewonnenen resultate einen Schlüssel
zum verständniss der dunkeln und verderbten gewinnen. Diese
methode ist gewiss die einzig richtige und verspricht, wenn
ordentlich gehandbabt, eine reiche ausbeute. Wie wir aus dem
schluss der vorliegenden schrift sehen, ist der verf. gesonnen
mit einem ausführlichen werk über den pindarischen Sprachge-
brauch vor die öffentlichkeit zu treten, als dessen Vorläufer und
probe das programm gelten soll. Wir sehen der grösseren
arbeit mit um so gesteigerteren erwartungen entgegen, je gründ-
licher der verf. durch die angezeigte schrift seine volle befähi-
gung für eine derartige aufgäbe documentirt hat.
In dreizehn abschnitten handelt er von den präpositionen
ajwfpt, iv , ovv , vnö , avä , vniq in ihrer anwendung bei Pin-
dar; dann von der Verwendung von präpositionen an stellen,
wo der einfache casus als genügend erscheinen würde; hierauf
von der Vorliebe Pindars für den gebrauch des verbum simplex,
dem die präposition als adverbium selbständig zur seite gestellt
wird ; dann von der tmesis, von der vertauschung der präpositio-
nalausdrücke mit einander und schliesslich von der Wortstellung.
Das gebiet der abhandlung ist, wie man sieht, eng be-
grenzt, und dennoch ist die zahl der stellen, die durch den
verf. richtiger als bisher erklärt werden, eine ziemlich grosse.
Diese anerkeunung soll anch dadurch keinen abbruch erleiden,
dass wir im folgenden offenen Widerspruch erheben, wo wir uns
die erklärung des verf. nicht anzueignen vermögen.
Der präposition äftqpf, für welche Pindar propter plenum
sonum et vagam neque ccrta ratione definitam vim eine besondere
Vorliebe gehabt haben soll, wird mit recht, wenn sie mit dem
dativ oder accusativ verbunden ist, die bedeutung des umge-
Nr. 12. 386. Pindaros. 595
bens zugeschrieben; bisweilen trete diese bedeutung zurück
und d/Aipi werde (= nagd oder int) zur einfachen Ortsangabe
verwendet. Dies ist jedoch nicht der fall P 9, 120, wo Boss-
ler (p. 42) richtiger erklärt. Wenn dann der verf. weiter be-
hauptet, dass an vielen stellen die grundbedeutung ganz verlo-
ren gehe, so können wir ihm wenigstens in bezug auf sämmt-
liche hiefür angeführte stellen nicht beistimmen. So lässt
sich auch bei Zeitbestimmungen wie Ol. 1 , 97. 2 , 30
(Mommsen., 33 Christ., nicht 59) die grundbedeutung unsi-
cherer nachweisen, ebenso wie da, wo es zur limitation
der im verbum liegenden handlung verwendet wird (P 5, 110
hätte Hartungs bj.ioia nicht verworfen werden sollen). Auch
bei denjenigen stellen, wo es reine causale bedeutung zu
haben scheint, muss die grundbedeutung festgehalten werden;
einige Schwierigkeit macht hier nur P 1, 80, wo es übrigens
doch noch nicht so ganz ausgemacht ist, dass d^qi' uQttä
durchaus mit i8i£avto verbunden werden muss. Dagegen wird
allerdings dem verf. zuzugeben sein, dass es wirklich eine anzahl
von stellen giebt in denen sich die grundbedeutung von uftqiC
nicht nachweisen lässt und ein rein causales oder instrumen-
tales verhältniss anzunehmen ist, wie P 8, 34; 1, 12. N. 1,
29, (nicht 34).
Die präposition iv erscheint uns häufig entbehrlich bei
ausdrücken, die das lob des Siegers enthalten und bei der
bezeicbnung der kampfart. Die darstellung gewinnt durch
sie jedoch an anschaulichkeit. Dies wird vom verf. mit recht
hervorgehoben; nur hätte N 8, 40 f. nicht hierher gezogen
werden sollen, wo iv nicht entbehrt werden kann : „inmitten
weiser und gerechter männer"; ebensowenig I 1, 22 f. N, 3,
16. Nicht ohne guten grund entscheidet sich deshalb der verf-
I 1, 25 für die Hermannsche conjectur iv Staxoig gegen Momm-
sen ; fehlgegriffen dürfte er aber haben bei der erklärung von
JV, 8, 24 f., wo iv IvyQü) vtixti unmöglich mit lu&a xuTtjsi
verbunden werden kann; es gehört vielmehr zu qzoQ alaiuov.
So zeigt auch die erklärung von I 4, 48 , welche gefahren es
mit sich bringt, wenn man einzelne gemachte Wahrnehmungen
ohne weiteres generalisirt. P 5, 79 (Mommsen.) glaubt der
verf. iv " Aqei instrumental fassen zu dürfen, wogegen sich auch
nichts triftiges einwenden lässt, obwohl jedenfalls in erster linie
38*
596 386. Pindaros. Nr. 12.
die locale bedeutung des iv festzuhalten ist, wogegen sich eben-
falls nichts triftiges sagen lässt. Was berechtigt aber den verf.
nun auch I 4, 43 iv"Aoet als instrumentalis zu fassen und
durch das scheinet, colophonium mit i avium zu verbinden: in
Marte, id est, virtute bellica nautarum? Vor dieser auffassung hätte
den verf. schon iv nnlvydöya) <wft{>q> bewahren sollen, das doch
offenbar nachdrücklichst das iv " \doti wieder aufnimmt. Auch
I 5, 1 — 7 wird unrichtig erklärt-, keinesfalls kann man vixäv
iv StanÖTK verbinden (= er siegt in gott) was gegen den
satzbau verstösst, der ebenso dem iiv v. 4 entsprechend einen
reinen dativ öianöra verlangt, wie dem ii> Ne^t'cc. gegen-
über ein auch handschriftlich beglaubigtes iv 'Io&t*w erwartet
wird. Auch die berufung auf N 7, 90 ist unberechtigt; dort
erklärt sich das iv daraus, dass das haus des Sogeties zwischen
zwei Heraklestempelu lag; was die beiden andern stellen aus
Sophokles und Herodot beweisen sollen, ist vollends nicht ab-
zusehen. — Auch bei den für die causale bedeutung von
iv (= propter) angeführten stellen haben wir mancherlei be-
denken: so dürfte I 1, 57 vielmehr nach analogie von P 11,
46 oder besser noch nach dem vom verf. gut erklärten Ol. 13,
49 f. auszulegen sein, wie iv auch / 1, 34 und N 3, 32 rein
local zu fassen ist; dies gilt auch von Ol. 1, 93 ff. (Mommsen.),
wo übrigens gut IJiloirog mit xleog verbunden wird. Endlich
wird an einer reihe von stellen nachgewiesen , dass iv auch in
die bedeutung von xatä (= gemäss, seeundum) übergeht. Ab-
gesehen von P 3, 59, wo iv lokale bedeutung hat, kann man
bei den hiefür angeführten stellen (P 2, 43; Ol. 2, 68 — 75, an
welch' letzterer stelle (iovialg iv dy&aig 'Padufiav&vog sehr tref-
fend mit sTEilav Aihg ödöv verbunden wird) die erklärung des
verf. nur billigen.
Der gebrauch von avv bietet weniger abweichungen vom
Sprachgebrauch dar. Abgesehen von den häufigen Wendungen
wie Glv &tw und ähnlichen bezeichnet es die art und weise
und das mittel. Consequenter weise hätte Friese dann aber
auch I 4, 34 so erklären solleu , da seine conjeetur avufiä^atg
in den schoben keinen anhaltspunkt hat (rulg suvzcov avftua-
%luig sollen offenbar nur erklärung von sann^erot 'ffgaxXtji ngo-
itQOv xal avv ' ArgeiSuig sein) und wenig beifall finden dürfte.
Mit unrecht wird P 4, 267 hierher gezogen, wo der verf. sich
Nr. 12. 386. Pindaros. . 597
den eichbaum offenbar in wagerechter läge denkt, was, wie ref.
nachgewiesen zu haben glaubt (Bayerische gymnasialblätter 1867,
p. 84 f.), mit dem Zusammenhang und geiste des ganzen ge-
dichtes absolut unverträglich ist; avv bedeutet auch hier die
Vereinigung zu gemeinsamer thätigkeit. — Dass ferner avv
häufig verwendet wird zum lob des siegers in ausdrücken
wie avv uoidä av^ezai und ähnlichen ist bekannt; eigentüm-
lich dagegen ist es, dass es auch zur Zeitangabe dient; unter
den hiefür beigebrachten stellen ist es jedoch bei P 1, 38 und
P 4, 10 mindestens zweifelhaft, ob öuv temporale bedeutung
hat, auf keinen fall darf sie Ol. 11, 58 (10, 58) statuirt wer-
den, wo sich der verf. mit unrecht auf die scholien beruft,
denn das wesentlichste derselben hat er übergangen; es heisst
xai evdvg tijv n sv t a st h] q i8 a ioQtijv, ijyovv xr^v dia nivTB
izöäv TElov{i€v?]V xattaTTjasv, i'jioi era^f, 7eXeia&ai inoiijöev iv oXvfX-
mä8i 77 q ca Tri tovTeaTiv iv tfj nQcoTrj ioQTrj. Hieraus geht klar
hervor, dass der scholiast den nachdruck auf den gegensatz
zwischen der fünfjährigen Wiederkehr und der er-
sten fei er gelegt wissen will: ,,gleich bei der ersten feier Hess er
weihen das fest als ein fünfjähriges". Ganter hat also dem sinn
nach ganz richtig übersetzt: „wie er die fünfjährige rückkehr
bestimmte mit der ersten olympiadenfeier und den siegen". Dem-
nach haben wir auch hier avv in seiner grundbedeutung zu fassen.
Die präposition vno mit genetiv, später so häufig mit passivis
verbunden, hat ihre bedeutung am meisten verändert. Spuren
dieses späteren gebrauchs finden sich zwar schon bei Pindar
(s. N 2, 20. Ol. 2, 21), gewöhnlich aber hat es bei ihm, wenn
mit dem genetiv verbunden, die bedeutung des unter etwas
wegziehens und mit genetiv oder dativ des sich unter
etwas befindens. Nach Friese käme diese bedeutung auch dann
vor, wenn der accusativ dabei steht. Dies müssen wir jedoch
entschieden bestreiten. Die einzige hiefür angeführte stelle,
P 10, 15, unterliegt bekanntlich noch immer ernsten kritischen
bedenken. Mit der berufung auf sie, muss dann natürlich auch
des verf. auslegung von Ol. 6 , 40 fallen, die übrigens um
so unnöthiger ist, als sowohl Mommsens' X<'maig vno nvarsuig
handschriftlich beglaubigt ist, als auch die vulgata Xr'xpag vnb
xvavsng schon in den scholien als gen. singularis erklärt wird
und in letzterem sinn sich auf P 4, 244 stützen kann. Dage-
598 386. Pindaros. Nr. 12.
gen können wir dem verf. wieder unsern vollen beifall geben
für seine erklärung von N 8, 22 ff., wo er nickt geblendet
durch die schöne, aber unnöthige coujectur Wakefields (7zsXs-
fii^Öflsvoi]) , im Widerspruch mit den meisten auslegern an dem
handschriftlich allein beglaubigten noXefit&fiEvoi festhält und
vn tlXt^tfjßQÖ7q) X6y%cc mit t'Xxea ST^av verbindet. Nur möch-
ten wir 7ioXBftit,6fisiot nicht mit ihm und Friederichs als me-
dium fassen, sondern als reines passivum: ,,wenn sie bekämpft
wurden*' ; vielleicht schwebte dem dichter bei dieser stelle II.
17, 233 — 236 vor. Weniger glücklich ist die erklärung von
Ol. 5, 4 ff . ; ^770 mit dativ bezeichnet hier allerdings die beglei-
tenden umstände, richtig ist auch, dass ai&Xtav nevrctfitootg
ä^(XXaig nur eine epexegetische wideraufnahme von sogralg (xs-
yiazaig ist. Dies berechtigt aber noch keineswegs zu einer so
gewaltsamen verschränkung der structur , dass wir nun av^cov
mit Innoig rjftioi/oig rs fiovafinvxia te verbinden müssten. Dies
ist auch die meinung der scholien nicht, auf die sich der verf.
mit unrecht beruft. Diese sagen vielmehr nur, dass Psaumis
die zwölf götter auf alle mögliche weise verehrt hat : weil es
ihr hohes fest war, ehrte er sie durch stieropfer, und weil es
ein mit fünftägigen kämpfen verbundenes fest war, ehrte er sie
durch betheiligung an den hervorragendsten derselben mit wa-
gen, maulthieren und rennpferd. Wie also ai&Xoov 7i£i7a^egoig
afiiXXaig dem sogtaig &smv ueyiaratg entspricht, so auch tnnoig
tjfiiovoig [AOvafinvxi'a dem vno ßov&vaiatg. Damit fällt aber auch
die frage weg , ob die wagen - und maulthierkämpfe füuf tage
lang gedauert haben.
Die präposition avä mit dem accusativ verbunden findet
sich bei Pindar auch da, wo unserm gefühl nach der dativ ste-
hen müsste und zwar sowohl in localer als temporaler
bedeutung, ebenso wie xarä ; bisweilen nimmt es geradezu die be-
deutung von ngög und im an, wie umgekehrt auch slg für
xcct« eintritt. Deshalb hält der verf. N 9, 35 mit recht av
nach Rauchensteins Vorgang für die präposition und nimmt als
ßubject zu MxQtvag den ganzen satz: ovrsxev — ivrver. Auch
N 7, 46 ff. dürfte seine erklärung vor den bisherigen den vorzug
verdienen: er verbindet evojwftnv mit öeniGy.onov und fasst ig
dixuv = ama dixav : inspector pompis iustissiimis.
Die präposition vnig in metaphorischem sinn mit genetiv
Nr. 12. 386. Pindaros. 599
und accusativ wie das homerische neQi'mit genetiv von Überlegen-
heit und auszeichnung gebraucht , bezeichnet mit dem genetiv
sowohl ,,die richtung über etwas hin", als auch den punkt,
über den etwas hinaus liegt. So erklärt sich dem verf. sehr
einfach der vielbesprochene avtiQ *Ioviag vttsq älog oixt'cov N 7,
64 f. als „der mann , der da weithin über das meer wohnt",
womit die von Aegina durch das ionische meer getrennten co-
lonisten von Italien und Sicilien gemeint sind.
Soviel von den einzelnen präpositionen. Im allgemeinen
lässt sich sagen , dass sie häufiger angewendet werden als wir
erwarten und oft 6tehen , wo der einfache casus ausreichen
würde. Wie sich schon bei Homer ^lyrvpai mit iv verbunden
findet, so gibt es auch bei Pindar zahlreiche hierher gehörige
Verbindungen. Nach ihrer analogie verbindet der verf. treffend
Ol. 9, 80 ff. rzgo^cpOQog mit iv öiygco, so dass wir nun nicht
mehr genöthigt sind utaysia&ai mit Boeckh in einer sonst nicht
nachweisbaren bedeutung zu fassen ; auch N 8, 48 (nQogqogov
£j), Ol. 6, 7 (ßniMVQaag ii), Ol. 11, 82 (uquqozo. iv) finden so ihre
entsprechende erklärung. Hiermit glaubt sich der vf. den weg zu
dem verständniss der schwierigen stelle PH, 55 — 58 gebahnt
zu haben, freilich nicht ohne auch den text selbst zu ändern:
er liest fiilava ö' av ia^aziuv xaXliova ddruzov iv a qi ä y\v~
xvicizci ysvsä . . . ^uqiv nonrnv. und verbindet tzoqojv mit
iv ysven. So wird die stelle wenigstens lesbar, wenn sich auch
nicht behaupten lässt , dass sie geheilt sei. Mit grösserer be°
stimmtheit kann man sagen, dass der verf. I 1, 18 das rich-
tige getroffen hat , wo er ßiyov mit iv at&).otg verbindet : sie
erlangten preise in den meisten kämpfen. Dagegen irrt er
offenbar Ol. 2, 10 f. und 10, 13 (11, 13) und P (nicht Ol.)
1, 36. An der letzteren stelle heisst zuviaig im Gvvzvftv.ii
sicherlich in Tiac congruentia (Boeckh) : denn zwischen avvzv
via und evzv/ja ist eben doch ein grösserer unterschied als
Friese annimmt.
Die bekannte und auch von dem verf. mit einer reihe von
beispielen belegte thatsache, dass Pindar eine Vorliebe für das
verbum simplex hat und deshalb häufig die präposition selbständig
daneben setzt , führt den verf. auf das vielbesprochene capitel
der tmesis, über deren vorkommen bei Pindar Pierson (Rhein. Mus.
XI, p. 379 — 400) und Bossler (de praepos. usu p. 65 — 73)
600 386. Pindaros. Nr. 12.
ausführlich gehandelt haben. Ersterer nimmt sie in 33 fällen
an, letzterer in 42, unser verf. scheint damit noch etwas spar-
samer zu sein. In sehr vielen fällen wird sich aber hier der
natur der sache nach keine entscheidung treffen lassen. Warum
sollen wir Ol. 2, 69 (Mommsen.) und I 7, 46 keine tmesis
annehmen dürfen, da doch die composita dnfysiv und iniveveiv
sonst nicht selten sind und ersteres sogar bei Pindar selbst
wiederholt vorkommt? und weshalb soll Ol. 2, 37 (Mommsen.,
41 Christ) tmesis stattfinden, obwohl hier int durch das dar-
auf folgende ii xat so hervorgehoben wird, dass man eher ver-
sucht ist es als selbständiges adverbium zu fassen ? Auch die
berufung auf den rhytbmus reicht nicht immer aus, denn dieses ist
vielfach nur geschmacksache. So spricht unseres erachtens P
4, 228 gerade der rhythmus, auf den sich Friese beruft, gegen
ihn. So lange wir keine zuverlässigeren kriterien haben , wird
sich hierüber keine volle klarheit erlangen lassen. Wenn wir
darum auch Ol. 13, 72 dem vf. beistimmen können, so hindert
uns nichts N, 10, 48, wo er tmesis annimmt, uns gegen ihn
zu erklären und mit dem scholiasten ßmfjä) zu nug Jios zu er-
gänzen. Kritisch so verdächtige stellen wie N 3, 24 sollten
bei solchen fragen vollends gar nicht beigezogen werden.
Was der verf. über die vertauschung der präpositionen
mit einander [iv c. dat. statt in c. gen. u. s. w.) sagt, können
wir nur zum geringsten theil gutheissen. Es ist richtig , dass
man oft eine andere als die dastehende präposition erwartet;
zur erklärung dieses umstandes haben wir aber nicht darauf zu-
rückzugehen, dass der gebrauch der einzelnen casus zu Pindars
zeit noch nicht so fest wie später fixirt gewesen sei , sondern
es liegt entweder im allgemeinen eine von der unsrigen abwei-
chende griechische vorstellungsweise zu gründe , wie dies z. b.
bekanntlich bei bemessuugen von entfernungen der fall ist, wo
wir von unserm Standorte aus, der Grieche aber vom entgegen-
gesetzten ende aus zu messen pflegt; oder der dichter wollte
durch besondere ausdrucksweise dem gedanken in einem spe-
ciellen falle eine besondere nuancirung geben. Das erstere ist
P 9, 26 — 30 anzunehmen, wo der verf. mit recht unter fiiyaga
die höhle des Chiron versteht , oder / 4 , 34 (Mommsen. 38
Christ.), wo sla ns8n&sv dem homerischen nsdioio iiväi ent-
spricht, wofür auf Nägelsbach (Anm. zur Ilias p. 214 ff.)
Nr. 12. 386. Pindaros. 601
verwiesen werden kann; das andere haben wir P 3, 11, welche
stelle schon den alten viel zu schaffen gemacht hat. Hier ist
iv daluficp weder überflüssig (Schob), noch steht es für ix
öcdafiov (Friese), noch ist es mit 8aust<sa zu verbinden (Momm-
sen) : der dichter will vielmehr zeigen, wie unmöglich es sei
dem gotte zu entrinnen : Coronis lag schon in kindesnöthen iv
&u'ku[A(p, aber ehe das kind zur weit kam [r^iaaui v. 9 =
ixTeXsaaat Schob) verfiel sie dem tode. Dieser gedanke würde
durch ix &aXapov\ ganz wesentlich abgeschwächt. — Mit unrecht
verwirft der verf. P 10, 37 die Dissensche erklärung, die dem
sinn vollkommen entspricht; durch TQonoig im acpuxiQoici ist
vermittelst eines präpositionalausdruckes mutatis mutandis das
gleiche ausgesagt, was P 4, 145 der bedingungssatz u iig
'i^dga niXsi sagt.
In dem letzten capitel, von der Wortstellung, vermis-
sen wir, wie in den beiden vorhergehenden, die Sicherheit der
methode, weil es an einer genügenden basis fehlt. Trotzdem
verdienen auch hier manche erklärungen vollen beifall. Zwar
P 1, 75 — 80 werden wenige geneigt sein nagd idv suvSqov
axtäv 'l/iiga mit dem verf. zu noXepioov dt'Sgmv xafiövTcov zu
ziehen, wodurch nicht nur v. 79 und 80 unnatürlich verzerrt,
sondern auch die Symmetrie der ganzen periode zerstört würde.
Die periode hat zwei glieder von ganz gleichem umfange: 1)
igeo/jai — dyxvXÖTO^ot, 2) nagd 8£ — xafxövtav. Die östli-
chen Griechen, repräsentirt durch die beiden wichstigsten glie-
der, die Athener und Spartaner, werden den söhnen des Deino-
menes entgegengesetzt ; das hauptgeAvicht liegt aber auf dem
orte, wo der siegesruhm erworben wurde. Dieser erhält des-
halb in beiden gliedern die erste stelle : nagd fih ZaXa/nivog
— — nagd 8s juv . . . Ifiiga. Dass man keine dreifache
gliederung (Athener — Spartaner — Deinomeniden) annehmen
darf, beweist einerseits die die verse 76 und 77 zu einem ganzen
eng zusammenschliessende chiastische satzform, welche wieder
recht geeiguet ist den ort des sieges mit nachdruck hervorzuhe-
ben, und andrerseits der beide theile des ersten gliedes zu-
sammenfassende relativsatz : rätai Mt'jSeioi xdfiov dyxvXdio^ot,
dem offenbar noXfjAiav di8gwv xa/xörraiv parallel steht. — Ob
man P 1, 84 aai&v mit dem verf. zu &vp6v oder mit Boeckh
zu dxod zu ziehen hat, mag fraglich sein; dagegen stimmen
602 387. Piaton. Nr. 12.
wir dem Verfasser bei Ol. 9, 53 ff. wieder vollständig zu,
wo er construirt ; vfxezeQOt nqöyovoi saaav xolgoi xogäv Hel-
ixor (luneTtovt'Sog qivtXag) x«J qsnTUTOiv KqoviSuv. — Dass
I 1, 14 70 [asv von ysQag zu trennen und dem nach kvia.
folgenden re entgegenzustellen ist, halten wir trotz Dissen
und andern für ganz selbstverständlich. Schliesslich bemerken
wir dass sich der verf. I 4, 56 ff. seine conjectur omt hätte
ersparen können, da ontv nicht nur handschriftlich vollständig
gesichert ist, sondern auch dem sinn völlig entspricht, wenn
man als subject zu exvtos den ganzen satz fasst: onöaai 8a-
ndvat tlniSmv (slev): „nicht in dunkel gehüllt ist die lange mühe
der männer (d. h. sie liegt klar am tage) und nicht erstickte
ihren eifer (das bewusstsein) , wie vielen aufwand ihre bestre-
bungen verlangten". Fr. Mezger.
387. Universitati literariae Ludovico - Maximilianeae ante
hos CCCC annos conditae sollemnia saecularia Kai. Aug. a.
MDCCCLXXII celebranti rite gratulantur Universitatis Turicen-
sis Uector et Senatus. Inest Arnoldi Hug disputatio de
Graecorum proverbio aizoftaroi ö' dya&ol äya&mv im Salrag
"aaiv. — Turic. 4. 22 s.
<■ Die schrift empfiehlt sich sofort durch die wähl eines vor-
züglich passenden themas und dies um so mehr, als dasselbe
mit der anrede in den ungezwungensten Zusammenhang ge-
bracht ist. Den vera avTOfiaToi 8' äya&ol SsiXäp im Sahctg
"aaiv führen aus Eupolis an Zenobios II, 19 und der scholiast des
Piaton p. 373 Bekk., die sich auch sonst oft gegenseitig ergänzen
und berichtigen. Hier haben mit recht Meineke Fragm. Eupol. p.
542 und E. v. Leutsch Pbilol. Anz. I, p. 109 das excerpt des
Zenobius allein gelten lassen, weil der platonische scholiast sich
geirrt habe, denn dessen excerpt ist ein durchaus lüderliches,
während dasjenige bei Zenobius wohlgeordnet und auch durch
Athenaeos beglaubigt ist. Wenn dagegen der vf. p. 13 schreibt
Zenobii testimonium facile dicas Piatonis sclwliastae verbis refittari, so
erscheint diese behauptung um so unkritischer, als p. 10 dasselbe
platonische scholium mutilum genannt war. Auch kann (p. 14) nicht
zugegeben werden, dass Zenobios mit dem ausdruck : Evnoltg
sTFQcog rpifolv ?x?.tv zijv aanoiuiav, gemeint habe ,, Eupolis habe
seine Veränderung des gewöhnlichen Sprichworts erklärt". Die-
Nr. 12. 387. Piaton. 603
ser sonderbaren grübelei widerspricht ja der scholiast des Piaton
nnd ganz offenbar Athenaeos. Damit fällt auch die p. 14 ge-
machte folgerung in sich zusammen, dass Eupolis aus scherz
bloss eine parodie eines anderen Sprichwortes, keineswegs aber
ein eigenes Sprichwort gebraucht habe. So ist das auf p. 12 —
14 gesagte unhaltbar. Denn nicht erst die erklärer des Piaton.
Sympos. p. 175 B, sondern schon Athenaeos V, p. 188 b haben
ein doppeltes Sprichwort angenommen. Der verf. lässt es p.
12 dabei bewenden, dass diese zwei Sprichwörter sich dem in-
halt und dem gedanken nach widersprechen; er hätte aber fin-
den können, dass der gedanke bei Eupolis untadelhaft ist. Eu-
polis sagt: „die tapfern kommen ungeladen zum gastmahl der
feigen" ; dies ist eine im leben oft wiederkehrende und sich
bestätigende Wahrheit , es ist also ein regelrechtes Sprichwort.
Z. b. ist im kriege der tapfere sieger ein ungeladener gast des
besiegten feigen u. s. w. Dennoch hat aber der vers des Eupolis
eine andere Schwierigkeit grammatischer art, welche nicht hätte
unerörtert bleiben dürfen. Denn während in Sprichwörtern das
praesens zu stehen pflegt, muss man dagegen bei Eupolis i'aaiv
nothwendig ibunt übersetzen, weil diese form im attischen dia-
lect stets die bedeutung des futurums hat. Im ersten augen-
blick könnte man ändern wollen und tevrat, properant, für i'aai
schreiben, da bei Zenobios II, 19 (zu anfang) und bei Dioge-
nian I, 60 wirklich hvrui für taai gelesen wird. Allein im
verse des Eupolis lesen Zenobios selbst , der scholiast des Pia-
ton und Athenaeos alle taaiv und dies ist also unantastbar. Wie
haben wir nun im sprichworte das futurum zu erklären ? Al-
les wäre in Ordnung, wenn Meineke in der Hist. crit. com. Gr.
p. 146 richtig vermuthet hätte, dass in dem verse des Eupolis
ein orakel des sehers Lampon enthalten sei, denn (schreibt
Jleineke) in hac fabula Larnponis partes fuisse clocet Antiattic. p.
96. Allein aus dieser stelle folgt nur , dass Lampon vom Eu-
polis erwähnt wurde, nicht dass er im stück selbst auftrat.
Geradeso erwähnt Aristophanes in den Vögeln denselben Lam-
pon zweimal (v. 521 und 988) und doch ist er dort ebenso-
wenig eine person des Stückes, vgl. Halbertsma Prosopogr.
Aristoph. p. 90. Vielmehr scheint Eupolis zunächst dort von
bevorstehenden gastmäblern gesprochen zu haben. Aus dem-
selben gründe musste Piaton im Symposion p. 174 B das fu-
. 12.
604 387. Piaton. Nr,
turum iaatv setzen und ebenso fortfahren xivSvvsvaoo — ano-
koyi'jaco — 6[Ao\oyrj(SB) — ßovXsvaofis&a oti igoiifisv.
2. Handelt es sich um den sprichwörtlichen hexameter av-
70(iaroi Ö' dya&ol dya&wv inl dahag i'aaiv. Zunächst steht
fest, dass kein griechischer gewährsmann jemand als Verfasser
desselben namentlich anführt und dass also dessen name früh
verloren gegangen sein muss. 0. Müller, Dor. II, p. 481,
war der erste, der den vers auf einen bestimmten Verfasser zu-
rückzuführen versuchte, indem er sich ihn aus dem epischen,
dem Hesiod beigelegten gedichte Ki'fvxog yapioq entlehnt dachte,
darin aber irrte, dass er dem Hesiod den obigen vers des
Eupolis avtö^aroi S' dya&ol dsiicöv inl dahag 'laaiv zu-
erkannte. Denn dem widerspricht Bakchylides gradezu (s. un-
ten). Auch konnte Herakles den ihm so befreundeten trachi-
nischen könig Keyx nicht einen feigling (Ö£tXo^) nennen. Ganz
gut also rectifizirt Goettling (Hesiodi carmina p. lxii ed. sec.)
die vermuthung Müllers : vel jootius Alrö^atoi ö' dya&ol dya-
&äv Em Safoag iaatv. Hesiodus dixisse videtur , euius postea in-
vertit sententiam Eupolis. Vgl. Bernhardy Gr. LG. II , p. 202.
Lachmann praef. Babr. p. xix. Die Müllersche entdeckung
gründet sich auf den lyriker Bakchylides bei Athenaeos V, p.
288 B : Bax%v\i8qg 8s tzeqI 'HoaxXe'ovg (mit Schweighäuser
statt nsgl iov Kqvxog) Isymv mg tjX&sv inl tov rov Krj'ixog ol-
"Eata <V inl Xdl'vov ov86v,
toi de &olvag svrvov , «wo« t 'icpa .
avtöfiaroi ö' dya&cäv
Satzag svöy&ovg insQ^ovrat St'xaiot
CfCüTEQ.
Auch der scholiast zu Piaton p. 373 sagt hierüber folgendes:
invTr\v 8s Xtyovatv eigtja&ai inl Hoaxlet, og ois Etatiävro im
Krj'vxi %?'voi iniaz?], sagt dies aber unmittelbar nach dem verse
des Eupolis und hat also ebenfalls wahres und falsches ver-
mischt. Doch fügt derselbe scholiast noch einige anapästen
aus dem komiker Kratinos hinzu (Fragm. Meineke H, l,p. 111),
wo dieses Sprichwort zwar verändert steht, doch so, dass
weder auf Hom. B, 408 noch auf den vers des Eupolis, son-
dern offenbar auf den hexameter avrdfutTot S1 dya&ol dya-
&äv inl 8airag i'aaiv rücksicht genommen ist. Hierüber sagt
Nr. 12. 387. Piaton. 605
Kratinos dg 6 naXaiog Xoyog^ und richtig bemerkt Meineke p. 112:
recte naluiiv löynv dicit quippe quo priraus usus esse videatur He-
siodus in Nuptiis Ceycis. Weit wichtiger aber als der platoni-
sche scholiast ist Zenobius II, 19: ylviofAuroi 5' dyaOoi dya-
Ocüp snl duhug itnuf oviag HnuxXttTog f^n^aujo 7{j nuQniuia,
(äg 'Hoay.Xtovg iniyoiTqßuvTog im iqv oixiuv Kr/vxog tou T{><t%i-
vinv xat nvTcog einövzog. Statt des verdorbenen und aus dem
folgenden entstandenen namens 'Hoäxlsitog giebt jetzt ein co-
dex bei Miller (Melanges de lit. grecque p. 350) die richtige,
von Leutsch pbilol. Anz. I, p. 109 und darnach von Hug p. 10
gebilligte lesart Ba/.xvlidqg. Schneidewin (bei Bergk de rell.
com. att. ant. p. 440 und zu Zenobius p. 37) wollte 'HaCodog
für 'Hyüxhenog schreiben und diese besserung hielt Meineke
(fragm. com. zu Kratinos p. 112) für ganz sicher. Allein Zenobius
kannte den dichter des vorangestellten hexameters ebensowenig,
als die übrigen alten ihn kennen und nannte darum an dessen
stelle einen andern dichter, der dieses Sprichwort wenigstens
in gleichem sinne gebraucht hatte. Freilich bedient sich Bak-
chylides in der stelle des Zenobios und bei Athen. V, 188, b gar
nicht des hexameters, sondern als lyriker der dorischen rhyth-
men. Im hexameter giebt isvrat mit Zenobios II, 9 auch
Diogeniau I, 60, allein Zenobius selbst II, 46, Athenaeos
V, 188b und die übrigen grammatiker, die Hug p. 11
nennt, citieren laaiv, und dass dies die alte richtige lesart
ist, beweist der obige hexameter des Eupolis. Entweder ist
'Uviui nnr zufällige verderbniss oder absichtliche änderung ei-
nes attischen Schriftstellers, der im Sprichwort das praesens
herstellen wollte. Wenn man nun also auch kein histori-
sches zeugniss mehr dafür hat, dass das Sprichwort auf He-
siod zurückzuführen ist, so sind damit noch nicht die inneren
gründe widerlegt, auf die allein hin 0. Müller den vers
dem Hesiod zusprach, und deshalb ist E. von Leutsch mit seiner
behauptung p. 169 wenigstens insofern zu weit gegangen, als
ja 0. Müller ohne alles äussere zeugniss und blos aus
einem inneren gründe den vers dem Hesiod beilegt. Von
desto grösserer bedeutung aber ist es , dass Leutsch selbst
den vers nicht für hesiodeisch hält — genug, die ächte lesart
iaotv führt mindestens darauf hin, dass wir hier einen epici ali-
cuius versum vor uns haben, wie sich Bergk (Rell. com. att.
606 387. Piaton. Nr. 12.
ant. p. 161) treffend ausdrückt. Den sinn des Sprichwortes
giebt Hug wiederholt so an : ,,gute menschen kommen zum gast-
mahl der guten ungeladen" — dass dies richtig ist, zeigt Bak-
chylides ganz klar, da dieser ja Sixuoi für uyaOol setzt — und
findet den gedanken nicht nur human, sondern auch sonst ganz
vortrefflich. Allein die hellenischen helden spielen doch sonst
nicht den aretalogen und am wenigsten thut dies grade Hera-
kles, auch ist der gedanke in dieser allgemeinkeit nicht einmal
wahr. Dennoch ist das Sprichwort, doch nur in dem von Bak-
cbylides klar bezeichneten zusammenhange und nur in dieser
Situation sehr passend. Denn der stets unersättliche Herakles
wird auch sonst bei dem anblicke und dem geruche einer schö-
nen mahlzeit tiefgerührt, so z. b. bei Aristoph. Av. v. 1574 — 1691.
3. Es fragt sich nunmehr, wie die stelle Piaton. Sympos.
p. 174 B: aXXa ov, tj 8' og , nmg fyeis it^tog zo idelsiv av livai
axXrjzog ini Scinvov 5 xuyw, scpt], ünov ozi Ovzag oncog av av
xsXtvrji. "Enov toivvv, ita nal zt]v naooipiav SiaqiösiQOjftEV us-
raßdXlovzeg, a>g aga na). ayaOätv im Satzag i'aaiv avzöuazoi
uya&oi. "0[Ai]Qog fisv yäg xivSvtevei ov uorov Siaqiüsigai ä/.Xa
aal vßoiaai tlg zavzqv z?jv nagoiutar. noirjoag yv.Q zov 'Ayap.i\k-
vova SiaqiSQCvzcog äya&ov ccvSqu rd noleuixa , zov 8s MeviXsoav
fxal&anov al^utjzi/V , •Ovautv noiov^svov xai iazimzog zov 'Aya-
usfivovog axlijiov inolrjotv iX&övza zov MsviXsmv im zijv &oit)]v,
%sCqco uvza ini zqv zov dusiiovot;, zu erklären ist. Die gewöhn-
liche annähme ist, dass Piaton das Sprichwort des Eupolis «j-«-
öol 8etX<äv im sinne habe und gegen dieses polemisire. So er-
klärten den Piaton schon die Griechen selber. Denn Zenobios H,
19 fährt nach anführung des Sprichwortes bei Eupolis unmittelbar
fort: xal 0 TTlüzmv iv zw 2vnnoaiq> ovrcog avzf] iitjrt$azo} und
auch der scholiast des Piaton p. 373 erklärte ebenso, da er
den vers des Eupolis als lemma voranstellte. Aber auch die
meisten herausgeber des Piaton bis auf Stallbaum haben diese
erklärung gebilligt, desgleichen, was von Wichtigkeit ist, Schnei-
dewin zu Zeuob. p. 37. Andrerseits sind gegen diese erklä-
rung bedenken erhoben. Zunächst schrieb Lachmann praef.
Babr. p. XIX: plerique Socratis Platonici iocum male acceperunt
— interpretes nesclo quomodo ad acerbitatem Eupolulis rcspici pu-
tarunt qua is Ssiläv ini 8aizag dixit. itaque nos hanc acerbita-
tem deprecamur. Allerdings war Eupolis ein sehr bittrer komi-
Nr. 12. 387. Piaton. 607
ker, er war es mehr als Aristophanes. Allein in diesem Sprich-
wort ist, wie ich oben gezeigt habe , nicht die geringste spur
von einer bitterkeit, sondern es enthält nur die reine Wahrheit.
Dieser einwand wäre also hinfällig. Desto wichtiger ist der
zweite einwand, den nach Schleiermacher und Lachmann auch
Hug p. 20 geltend macht. Spielt Plato auf den vers des Eu-
polis an — so wendet man ein — dann muss sich Plato noth-
wendig geirrt und die alte form dieses Sprichworts uya&ol dya-
&cüv gar nicht gekannt haben, ja so wenig gekannt haben, dass
er sie selber braucht und sich dabei einbildet, ein neues Sprich-
wort durch veräuderung geschaffen zu haben. Dieser einwand
ist auf den ersten blick bestechend, und er ist es, durch den E.
v. Leutsch p. 108 bestimmt wurde, als älteste form des Sprich-
wortes dsiXol dtiläv zu statuiren, indem er sich für dieselbe
auf Meineke zu Athen. IV, p. 86 beruft, wo dieser bei
Athen. V, 188 B statt avzouarot uyu&ot SeiXäv in) dalrag i'a-
aiv schreiben will: avTÖpazoi dsiXol dttXwv. Allein der hiatus
ist offenbar so zu corrigiren avionat o i 8' d ya&oi und Mei-
neke würde seine conjectur gar nicht vorgetragen haben, wenn
er sich dessen erinnert hätte, was er selbst zu Eupolis p. 542
richtig gesagt hatte. Ich kann also diese form so wenig an-
erkennen, als Hug p. 18, wo er sagt: illud uvrö^iaToi, 8eiXol
d 8 1 X <x> v nullo omnino exemplo probatum esse nee a Meinekio nee
a Leutschio nee puto urnquarn probari posse. Allerdings bemerkt
Leutsch a. o. p. 109 richtig und scharfsinnig, dass das rhetori-
sche Schema to noXvmmiov sich gern in Sprichwörtern zeige,
wie uxlr/Tl y.oauü'Qovaiv sg cfilcov yiXoi, was Eustath. II. p. 247,
30 aus B 409 ableitet. Allein ein Sprichwort wie avioftazoi
8etXol 8eiXäv kann wohl ebenso wenig existirt haben wie uvzö-
[acctoi %a\o) %6-)) ä)t oder xwyoJ y.coqä>r — weil alles dies der innern
Wahrscheinlichkeit entbehren würde. In der that aber bedarf
es auch der annähme einer form Stü.ol dsü.äv nicht, um dem
obigen einwände zu begegnen — Piaton hat auch die ältere
form des Sprichwortes uyndo\ aya&äp sehr wohl gekannt. Denn
etwas anders ist es, in absoluter unkenntniss von etwas sein
und etwas ganz anderes, ein sehr wohl gekanntes aus not-
wendigen gründen geflissentlich ignoriren. Denn da es bei
Sprichwörtern nicht sowohl auf die einzelnen worte, als vielmehr
auf den hauptgedanken derselben ankommt , so musste Piaton
608 387. PlatoD. Nr. 12.
allerdings das ältere Sprichwort dya&ol dya&wv nach dessen
inhalt gänzlich ignoriren — oder der ganze witz und der ge-
danke dieser stelle wäre ihm verloren gegangen. Denn in dem
epischen verse und bei Bakchylides bedeuten die worte uyudol
dyaOmv ja „die guten der guten", ein begriff, den Piaton hier
ganz und gar nicht brauchen kann. Denn er muss in seinem
veränderten Sprichwort uyudol aya&äv auffassen: „die tapferen
— der tapfern". Folglich musste Piaton hier ausschliesslich
von dem sprichworte des Eupoli3 notiz nehmen, weil hier
dya&ol „die tapferen" bedeutet. Der ganze witz der platoni-
schen stelle besteht darin , dass der tragiker Agathon als das,
was er bekanntlich war, als „feiger Weichling" (ßsiXbg') verspot-
tet wird. Die anspielung bei dya&cöv auf den nainen Ifydücor
ist längst richtig anerkannt. Gleiche Spielerei bei Aristoph.
Ran. 84, wo derselbe '/äyoßav ein dya&bg noiqtijg genannt wird,
eine stelle, die Hug p. 17 recht eigentlich gegen sich selbst
citirt. Also wie gesagt, der witz des Piaton liegt darin , dass
Agathon wirklich Ssilbg war, was Piaton nur scheinbar wider-
legt, weil ja, so scherzt er, der name j4yd&mv an dya&bg ta-
nfer erinnern und davon etymologisch hergeleitet sei. Auch
in der bei Platou sofort folgenden witzigen Widerlegung des
Homer B 408 fasst er dya&bg im sinne von „tapfer" auf und
tadelt den Homer, weil er ja — so scherzt er — folgendes
schlechte Sprichwort fabriziert habe: uuröfiatoi dfilol äya-
& rö v im dafoug "uatv. Denn, sagt Piaton , Menelaos war feig,
eine behauptung, die ihm eine scharfe rüge des Athenaeos V,
p. 188 c zuzog, weil es dem Athenaeos überhaupt äusserst
schwer fiel, einen guten witz richtig aufzufassen. Zu allem obi-
gen tritt hinzu, dass, wenn sich Piaton auf das Sprichwort des
Eupolis bezieht, dann xai richtig gesagt ist in dem sinne [ov
uavov SsiXmv aXla] xai uya&üv. Doch ich komme zur erklärung
Schleiermachers, der die platonische stelle nicht auf Eupolis,
sondern auf das ältere Sprichwort dya&ol dya&cov beziehen
wollte. Dies halte ich für falsch aus folgenden gründen: 1.
würden die Worte Piatons Iva xai ti)v nagoifilav diuqOsiQOJfiep
u*7aßdlloi'7(g durchaus sinnlos sein, weil dann das ältere Sprich-
wort beiiie^a^teu wäre ohne alle und jede Veränderung; 2.
ebenso wäre die Partikel xai vor dya&üv sinnlos , mag man
xal dyaOü,* oder mit Laci^auu *«« *'.Afd9m schreiben. Dies
Nr. 12. 387. Piaton. S09
sah schon v. Leutsch p. 109, Hug widerspricht p. 17, ohne
widerlegen zu können. 3. Auch die worte cog äga xal äyaOäv
inl duhag "affiv uvro/iazoi uya&oi entbehren dann allen witzes
und sogar eines richtigen gedankens. Denn da im älteren
Sprichwort ayaOol ayaOäv die moralisch guten bedeutet,
so müsste man den Piaton ebenso erklären. Nun aber spottet
Piaton über eine allbekannte persönlichkeit, den tragiker Aga-
thon , der wahrlich keine moralische grosse war, sondern
weit eher das gegentheil. Also wäre bei Piaton xal aya&äv
eine leere Spielerei der buchstaben uyuOog und 'AyäOmv ohne
jeden innern gehalt. Endlich 4. widerstreitet der Zusammen-
hang. Mit den worten wg aga xal dyuOmv im duhag i'aaiv
aizoftatoL aya&ol steht der nächstfolgende scherz über B 408
in der innigsten Verbindung. Hier nennt er aber den Aga-
memnon einen äyuüov uvdqa tu nolsftixä und dagegen den
Menelaos einen /auX&uxgv ai^fiijT^v. Folglich muss auch im
vorhergehenden xal ayaOäv — ayaOol beidemale nothwendig
tapfer bedeuten. Also ist es mit dieser erklärung nichts. Die
nachfolger Schleiermachers sahen doch, dass bedeutend nachge-
holfen werden müsste: daher conjicirte Lachmann Babr. praef.
p. xix äg ana xal ' AyäOcov und 0. Jahn nahm diese conjectur
in seine ausgäbe des Symposion p. 5 auf. Allerdings hätten
dann die worte \,t>a xal rijv nagoiftlav öiay&etQConsv ueiaßciX-
Xorttg einen sinn und zwar keinen unpassenden , da die Verän-
derung eben in ' ' Ayädav statt aya&m bestände. Allein die
grammatik widerstreitet dieser änderung. Denn wenn Homer
sagt ßtriaz~}Qag «qr/xfro u. ä., so ist doch dieser Sprachgebrauch
auf die dichter beschränkt , und in griechischer prosa kann
man nicht sagen mit blossem accusativ 'AydOoora uiGiv sie wer-
den zum Agathon gehen. Dies sagte sich vielleicht Hug, machte
aber das übel ärger, indem er p. 17 in der von ihm gebilligten
conjectur Lachmanns ' Ayädav"1 für den dativ erklärte. Aber
schon im nächsten augenblicke erinnerte er sich, dass der da-
tiv nicht elidirt werden dürfe und schrieb daher auf p. 18
nicht xal ^AydOar, sondern xal 'AydOcori ohne elision — alles
dies ohne zu bedenken, dass, wenn der name des Agathon hier
überall zu setzen war, derselbe mindestens im genetiv stehen
müsste. — Sonach wird es meines bedünkens bei der schon
Philol. Anz. V. 39
610 388. Falgentius. Nr. 12.
von Zenobios inaugurirten erklärung sein bewenden behalten
müssen. Th. Fritzsche.
388. Quaestionum Fulgentianarum capita duo. Scripsit
Aemilius Jungmann. Lipsiae 1870. 8. 32 ss. (Auch
abgedruckt in den Acta soc. pbilol. Lips. I, 1, p. 43 ff.).
Nachdem zuerst L. Lersch genauere Untersuchungen über
die lebenszeit und persönlichkeit des Fulgeutius in der ausgäbe
der Expositio antiquorum eermonum (Bonn 1844) angestellt hatte,
wurden diese von M. Zink in seiner verdienstvollen schrift „der
mytholog Fulgentius" (Würzburg 1867) mehrfach ergänzt und
berichtigt. Neues material für diese frage gab A. Reifferscheid
(Rhein. Mus. 23, 133 ff.), indem er das ganz vergessene buch
dieses abenteuerlichen Schriftstellers de aetatibus mundi et homi-
nis absque litteris, das J. Hommey, Poitiers 1694 und Paris 1696,
herausgegeben hatte, wieder ans licht zog x). Mit rücksicht
auf diesen fund und die Verschiedenheit, welche mehrfach zwi-
schen den ansichten von Lersch, Zink, Reifferscheid und L.
Müller (Jahn'sche Jahrb. 95, 791 ff.) hervortritt, unterzieht
nun Jungmann in dem ersten abschnitte der vorliegenden ab-
handlung die sache einer nochmaligen prüfung.
Er weist zuerst aus der Übereinstimmung des Stiles nach,
dass der Verfasser des buches de aetatibus mundi mit jenem der
Mythologiarum libri, der Expositio Virgilianae continentiae und der
Expositio sermonum antiquorum identisch ist, und zeigt, nament-
lich nach stellen im Vorworte der schrift de aet. mundi, dass er
ein Africaner und nicht , wie manche annehmen , ein Spanier
war. Wenn er in der ausgäbe von Hommey und daher auch
wohl in einer oder der anderen handschrift jenes buches die
namen Claudius Gordianus führt, so erklärt sich dies durch
eine Verwechslung mit Fulgentius, dem bischof von Ruspae,
wie denn auch andere Schriften des grammatikers in einigen band-
schriften irrthümlich jenem bischofe zugeschrieben werden. Alle
diese erörterungen sind unzweifelhaft richtig; nur in einem punkte
stimmen wir nicht Jungmann bei, nämlich wenn er die worte
in dem prooemium des über de aet. mundi: dixisti enim legisse
te librorum bis duodenum volumen Xenophontis poetae in singulis
1) Die Universitätsbibliothek zu Göttingen besitzt nicht bloss die
ausgäbe von 1696, sondern auch jene von 1694.
Nr. 12. 388. Fulgentius. 611
libris singulis litteris imminutis , quod quidem opus mirificum cuncti
qui interfuimus iuste praetulimus , für Wahrheit hält , während
Keifferscheid mit recht bemerkte, jener dichter Xenopbon sei
sicher mit den übrigen citaten des Fulgentius auf eine linie
zu stellen. Jungmann meint zwar , hier könne nichts erdichtet
sein, da es doch heisse dixisti legisse te; aber man bedenke doch,
dass diese person, welcher das buch gewidmet ist, gar nicht
genannt , sondern bloss mit virorum excellentior bezeichnet wird.
Es hinderte also den autor nichts auch hier eine seiner belieb-
ten fälschungen zu versuchen und durch einen Vorgänger seine
kindische Spielerei zu rechtfertigen. Er hat sich übrigens mit
jener erdichtung nicht viel abgemüht, da er den inhalt jenes
opus mirificum mit keinem worte andeutet.
Was nun die lebenszeit des Fulgentius anbetrifft , so er-
hellt aus der erwähnung des Martianus Capella in der Exp.
serm. ant. s. v. caelibatus , dass er dieses buch erst nach 427,
um welche zeit die Nuptiae Mercurii et philologiae abgefasst sind,
geschrieben hat. Eine genauere bestimmung ist mit Schwierig-
keiten verbunden , da wir hierfür nur in zwei stellen der Libri
myth. p. 6 (Muncker.) : sopitisque in fauilla silentii raucisonis iur-
giorum classicis, quibus me galagetici quassauerant impetus, und p.
7 : tandem domini regis felicüas adventantis velut solis crepusculum
mundo tenebris dehiscentibus pauores abstersit, anhaltspunkte ha-
ben. Diese worte sind eben so unbestimmt als bei der schwül-
stigen ausdrucksweise des Schriftstellers dunkel. Jungmann be-
zieht nun die galagetici impetus auf den kämpf der Amalafrida,
der wittwe Thrasamunds, und ihrer gefolgschaft, welche dersel-
ben ihr bruder Theoderich bei ihrer Vermählung mitgegeben
hatte, tausend edle und fünftausend knappen, gegen den neuen
könig Hilderich, welche mit der niedermetzlung der Gothen bei
Capsa in Byzacena (523) endete (Procop. de bell. Vand. I, 8).
Allerdings kann, wie schon Locher erkannt hat, mit dem neuen
könig, der mit der aufgehenden sonne verglichen wird, nur Hil-
derich gemeint sein, der sich den Römern und katholiken freund-
lich zeigte, wie denn auch unter den bellici incursus (p. 7) und
dem bellicum interdictum (p. 8) die kämpfe mit den Mauren verstan-
den werden müssen. Aber das, was Jungmann will, können die
worte nicht bedeuten ; einmal bleibt dabei galagetici, welches man
schwerlich, wie M. Hertz annimmt , durch die annähme eines
39*
612 388. Fulgentius. Nr. 12.
Schreibfehlers, einer dittographie, beseitigen kann, unerklärt,
dann deutet iurgia besonders bei dem gegensatze von silentii eher
auf privatstreitigkeiten hin, welche Fulgentius zu bestehen
hatte. Wenn galagetici oder, wie wenige handschriften haben,
galogetici von Salmasius richtig in gallogetici verbessert worden
ist (und dies liegt wohl am nächsten), so können darunter nur
die Westgothen verstanden werden , es ist eine bildung, wio
das bekannte Gallograeci oder Gallohispani (Hieron . in Jes. 18,
66, 19). Nun wissen wir, dass der durch Theoderich vertrie-
bene könig der Westgothen, Gesalech , bei Thrasamund auf-
nähme und Unterstützung gefunden hatte (509 ; vgl. Aschbach
Gesch. der Westgothen p. 177 ff. und Papencordt Gesch. der
Vandalen p. 123). Auch nach seiner rückkehr nach Spanien
und seinem tode (511) konnte sein flüchtiger anhang bei Thra-
samund aufnähme gefunden und dieser ihnen natürlich auf ko-
sten der provincialen ländereien angewiesen haben, wobei denn
begreiflicher weise besitzstreitigkeiten entstanden. Mit dieser
erklärung würde sich der ausdruck iurgia und Gallogetici im-
petus sehr wohl vertragen.
Nach dieser erörterung bestimmt Jungmann die reihenfolge
der Schriften des Fulgentius. Nach Jugendgedichten, deren er
mehrfach gedenkt, schrieb Fulgentius den verlorenen Physiolo-
gus, in welchem er über zahlenmystik handelte, für die er auch
in der vorrede zum liber de aet. mundi besondere Vorliebe zeigt,
das mythologische werk, darauf sogleich die Exp. Virg. continen-
tiae, endlich die Exp. serm. antiquorum. Weiter wird nachgewie-
sen, dass der titel der mystischen erklärung der Aeneis nach
den besten handschriften Expositio Virgilianae continentiae secun-
dum philosophos moralis lautet und nicht, wie Lersch (p. 15) nach
dem schlechten Bruxellensis 10082 annahm, Physica ratio super
Virgilium, ebenso der des grammatischen werkes Expositio ser-
monum antiquorum und nicht nach Bruxellensis 9172 de
abstrusis et inusitatis nominibus , was I. Becker im Rhein. Mus.
5, 33 für die echte aufschrift hält. Nur darin irrt Jungmann,
dass er gegenüber den besten Codices leugnet, es sei dieses
buch dem graminatiker Chalcidius gewidmet gewesen, und die
bezeichuung im Bruxellensis 10083 ad Catum presbtjterum für acht
hält, welchem manne allerdings Fulgentius das mythologische werk
und nach dem Zeugnisse des cod. Gothan. I, 55, womit Leuitarum
Nr. 12. 388. Fulgentius. 613
sanctissime im Vorworte stimmt, auch die ßchrift über Vergils Ae-
neis zugeeignet hat. Woher soll denn die aufschrift in den
guten handschriften stammen? Wenn Klotz (Jahns Jahrb. 43,
p. 73) meint, ein grammatiker wie Chalcidius habe schwerlich über
jene Wörter angefragt, so steht einmal von einer solchen anfrage
nichts im Vorworte, sondern nur von einer aufforderung zu ei-
nem buche de abstrusis et inusitatis sermonibus ; dann kann man
sich von der grammatischen Wissenschaft jener zeit in Africa
unmöglich einen hohen begriff machen, wenn man bedenkt, dass es
Fulgentius wagen konnte, mit einem solchen buche hervorzutre-
ten, das ihm als grammatiker ein glänzendes armuthszeugniss
ausstellt und noch obendrein voll lügen ist. Und wenn Jung-
mann sagt, es sei doch nicht wahrscheinlich, dass ein gramma-
tiker damals gar nicht griechisch verstanden habe , weil Fulg.
s. v. problema sagt: sed ne quid graecum te turbet exemplum, ego
pro hoc tibi latinum feram, so muss man doch billig fragen, wie
viel Fulgentius, der zu seiner zeit gewiss als ein bedeutender
grammatiker galt, von dieser spräche verstand. Zeigt er doch
auch in den anderen Schriften hinreichend durch seine willkür, wo-
mit er das griechische behandelt, und seine erdichtungen auch
auf diesem gebiete, dass er es mit völlig unkundigen lesern zu
thun hat. Mehr gewicht hat die bemerkung, dass es in dem Vor-
worte heisst: de tuorum praeceptorum serie , und weiter: libellum
etiarn . . . absolutum retribui, wornach man allerdings auf den pres-
byter Catus schliessen möchte, welcher nach dem Vorworte zu
den Schriften, die ihm zweifellos zugeeignet sind, den Verfasser
zu jenen arbeiten aufgefordert hat (vgl. p. 3 imperasse , 137
praecepto). Aber wie soll jenes ad Chalcidium grammaticum
entstanden sein? Und konnte sich Fulgentius nicht in der
Widmung an Chalcidius den anschein geben, als ob ihn dieser
auch bei den anderen werken beeinflusst habe? Wenn in dem
Bruxellensis ad Catum prbra steht, so erklärt sich dies einfach
dadurch, dass diese aufschrift von den Mythologiarum libri 'ivxthüm-
lich auf jenes buch übertragen wurde; so wie man umgekehrt in
einem oder anderem codex, wahrscheinlich dem Leidensis (vgl.
das vorwort von Muncker) über der Exp. Virg. continentiae liest
ad Chalcidium grammaticum. Das zeugniss des Siegbert von Grem-
blours de Script, eccles. cap. 28, der die gleiche aufschrift wie
der Bruxellensis überliefert, wiegt nicht schwer, da er sehr
614 388. 389. Fulgentius. Nr. 12.
wohl eben diesen oder doch einen verwandten codex benützt
haben kann.
In dem zweiten capitel de artis criticae praesidiis berichtet
Jungmann über die handschriften der Myth. libri und der Exp.
Virg. continentiae und ordnet dieselben nach familien. Aus dieser
dankenswerthen erörterung ergiebt sich, dass für beide Schriften der
Palatinus 1578 aus dem neunten und der Reginensis 1462 aus
dem eilften Jahrhunderte von besonderem werthe sind. Dage-
gegen zeigt der G-othanus I, 55 aus dem dreizehnten Jahrhun-
dert, dem Fr. Jacobs in seinen beitragen zur älteren literatur
oder merkwürdigkeiten der bibliothek zu Gotha bd. 2, p. 416 ff.
mit unrecht ein grosses gewicht beilegte, vielfach eine willkür-
liche Überarbeitung, wie dies namentlich an vielen griechischen
stellen ersichtlich ist, welche in seinem archetypus fehlten und
dann von einem corrector nach der lateinischen Übersetzung
derselben ergänzt sind. Wenn Jungmann p. 24 von dem Re-
ginensis spricht, so hätte doch bemerkt werden können, dass
damit Reg. 1462 gemeint ist, da ja noch ein anderer Reg.
204 angeführt wird.
Am Schlüsse bespricht der verf. die ansichten Zink's (p.
27) über den eiligen schluss in der Exp. Virg. continentiae und
kommt zu dem resultate, dass die schrift weder unvollständig
noch unvollendet sei. Die befremdende kürze im Schlüsse er-
kläre sich dadurch , dass der Schriftsteller seine arbeit selbst
satt bekommen habe und sich daher beeile sie zu ende zu brin-
gen. Das hat freilich auch schon Zink mit den Worten ange-
deutet: „diese flüchtigkeit mag ihren grund in dem überdrusse
des Verfassers an seinem Stoffe gehabt haben".
Wir knüpfen hieran zugleich eine kurze besprechung der:
389. Coniectanea Fulgentiana von demselben vf., die
einen theil (p. 25 — 54) der festschrift bilden, mit welcher die leip-
ziger Thomasschule die Versammlung der philologen zu Leipzig
1872 begrüsste. Der vf. hat sich hier die aufgäbe gestellt die
griechischen citate in den Schriften des Fulgentius, welche, wie
dies bei allen lateinischen autoren mehr oder minder der fall
ist, sehr verderbt überliefert sind, auf grund der lesearten der
besten handschriften zu berichtigen. Er weist zuerst nach,
dass Fulgentius eine sehr geringe kenntniss der griechischen
spräche besass und dabei nach seiner manier mit den g riechi-
Nr. 12. 389 Fulgentius. 615
sehen Wörtern und formen sehr willkürlich umging; er ver-
wechselte sie nicht bloss häufig mit einander, sondern bildete
auch dergleichen selbst, um seine unsinnigen etyraologien zu er-
möglichen. Freilich ist dabei zu bedenken , dass er vielfach,
wie dies ja auch andere etymologen thaten, solche Wörter oder
formen bloss für das betreffende object der erklärung annahm,
ohne deshalb ihr lebendiges Vorhandensein in der spräche zu
vertreten, z. b. wenn er II, 15 Aviovör\ durch avrjjv ov vor\
statt voovöu deutet. Manches hat auch Jungmann mit unrecht
dem Fulgentius zur last gelegt, wie dies eine vergleichung mit
den Mythographi Vaticani darthut, welche den Fulgentius aus-
beuteten und dabei noch bessere, minder verderbte handschrif-
ten vor sich hatten, als uns jetzt zu geböte stehen. Sie hät-
ten daher eine sorgfältigere berücksichtigung verdient , als ih-
nen in der vorliegenden abhandlung zu theil geworden ist.
So bemerkt Jungmann zu der stelle Myth. III, 5 Ideo et dae-
monas nuncupant secundum Homerum, qui dicit psta daifiovag a\~
Xovgt id est cum deos alios, 8?jUog enim graece populus dicitur e.
q. s. folgendes: Pro cum deos alios videtur scribendum cum
de is aliis, ita ut rursus graeca verba perverse interpretatus Sit
scriptor insuper 8a(fxo3v et drjfiog vocabulis inter se confusis. Es
ist noch sehr fraglich , ob der accusativ in den ablativ zu än-
dern ist; denn Fulgentius kann, trotzdem dass cum den ablativ
verlangte, den accusativ absichtlich beibehalten haben , weil er
im griechischen steht. Allerdings ist die Übersetzung von fisrd
mit cum verfehlt; aber dass Fulgentius daifxaiv und dtjfxog ver-
wechselt hat, ist unrichtig. Man lese nur, was auf die oben
angeführten worte folgt : is dicitur unus, und vergleiche Myth.
Vat. III, 2, 1 (p. 157 Bode) Nam dtjpog populus, sig (die codd.
haben ebenfalls ys oder is) unus inter pretatur, so sieht man, dass
er dutpoveg aus drjuog und eJg herleiten wollte, wie er denn
selbst gleich sagt: et quia populos subdere cupiebant et soli super
populos esse daemones dicti sunt. Eben so wenig ist es
sicher, dass er II, 13 eidag und idtav verwechselt hat, denn
er kann sehr wohl bei der fehlerhaften Schreibweise jener
zeit tldoor für I8cöi> geschrieben haben, weil st und t gleich
lautete, wenn er es überhaupt geschrieben hat; denn der
Myth. Vat. II, 118 (p. 115) giebt, wie Jungmann selbst
anmerkt idcov. — II, 2 bieten zwar die Codices ä&afdTtj nao&evt]
616 389. Fulgentius. Nr. 12.
id est immortalis virgo ; aber nao&tt?] kann doch auch ein fehler
eines Schreibers sein, der wegen des vorhergehenden aöavärtj
TzetQ&ivog in nriQdett] änderte ; denn der Myth. Vat. IT, 39 (p.
88) hat uduvarq naqüetog. In einigem ist dem verf. schon
Zink vorangegangen, z. b. in der bemerkung zu II, 14, dass
Fulgentius i&6vog und (pdovog verwechselt hat (vgl. Myth. Vat.
III, 10, 3, p. 223, wo cp&ovog, was nicht in den handschriften
zu stehen scheint, gestrichen werden muss) ; ebendaselbst hat
statt der vulgate az8Q7]<rtg schon Schottus Obs. I, 7 (p&uQOig
angeblich nach einem alten codex in der vaticanischen biblio-
thek (vgl. die note Muncker's) hergestellt; auch Jacobs hat
nach den spuren im Gothanus yöegoig vermuthet.
Der verf. bespricht nun weiter eine reihe von stellen,
welche in der bisherigen gestalt verderbt und sinnlos sind, und
sucht dieselben auf grundlage der besseren handschriften, welche
ihm zu geböte stehen , zu emendieren. So stellt er Myth. I, 2
unzweifelhaft richtig Aiog noXirein her, ebenso Verg. cont. p.
156 quasi xaiguv (von Fulgentius wahrscheinlich KEPON ge-
schrieben) id est tempus. Dagegen ist III, 5 mit olog ai&og
schwerlich das richtige getroffen ; man wird ganz nach den Co-
dices und nach dem Myth. Vat. III, 2,2 (p. 157), wie schon
Bode erkannte, log xvvüog schreiben müssen. Der verf. scheint
anzunehmen, dass die citate aus Epicharmos I, 14 und III, 5
wirklich echt sind , während doch der schwinde! hier ebenso
klar am tage liegt, wie III, 1, wo eine stelle aus dem bucoli-
cum carmen des Hesiodus angeführt wird. Fulgentius hat nur
das eine oder das andere stück des Menandros gekannt und
aus stellen dieses dichters , welche er willkürlich veränderte,
hat er seine Epicharmea fabricirt. Wenn man daher bei der
herstellung derselben metrik und spracheigenthümlichkeiten des
Epicharmos berücksichtigen will , so ist man entschieden auf
abwegen. Das citat I, 14 will Jungmann also herstellen: [at
ttt r] lftia /jtj Idcop Xiftov zig änozeiit] ; aber abgesehen davon,
dass dies so ziemlich sinnlos ist, so muss doch ein anderes
wort als lr\ia an der spitze gestanden haben, ein wort, das
mit Odleiav zusammenhing, weil es sich um dessen erklärupg
handelt (vgl. Zink p. 77). Mehr für sich hat die vermuthung,
dass das citat III, 1 mnQ7]&<ag azaqivX7j<j)i ev \axTi£optPt]g aU
fiöqgoov [iiQoyv] lautete; nur ist einmal der zusatz ieQoqv be-
Nr. 12. Theses. 617
denklich, da, wie der verf. selbst bemerkt, Fulgentius recht
wohl u'iuooooov mit sanguineum rorem wiedergegeben haben kann,
dann ist es sehr fraglich , ob im text des Fulgentius wirklich
ßTä(pv\jj<pi stand, mag es auch vielleicht in der originalstelle
also gelautet haben; wahrscheinlich schrieb er orayvXijg. Verg.
Cont. 164 hilft es nichts für das sinnlose rnacesex (iity^q £§ zu
setzen; da, wie übrigens Jungmann selbst anerkennt, hier et-
was ausgefallen ist, so möchte ich annehmen, dass ex nach
maces aus dem folgenden exhinc durch dittographie entstanden
ist und zu (iüyjjg ein wort ergänzt werden muss, welches dem
sinne nach dem vorhergehenden reluctant entspricht; darnach
scheint Fulgentius (td^tjg äXeyetpys H. 18, 248 oder etwa nüfflg
(olobg) notog II. 16, 568 geschrieben zu haben. So ist ja
gleich im folgenden die stelle aus dem euripideischen Orestes
bloss deshalb angeführt, um das griechische wort 'inog für sermo
anzubringen. Natürlich ist nach i*('f/.rig aXeysivijg oder {"■vy-ng
növog auch die lateinische erklärung ausgefallen.
Wir wünschen Jungmann's Studien den besten fortgang
und hoffen, dass bald bei Teubner der Fulgentius, dessen man
bei der Seltenheit der ausgaben von Muncker und Staveren
nicht so leicht habhaft werden kann, in einem netten bändchen
erscheinen wird. K. S.
Theses.
Theses quas amplissimi philosophorum Marburgensium ordinis
auetoritate . . . defendet d. XVII m. decemb. Io. Augustus Heil-
matm: I. comparativa grammatica in scholaruni quoque usum, quan-
tum fieri potest, vocanda est, ita tarnen ut materia discendi non au-
geatur, sed nonnullae grammaticae partes illustrentur atque expla-
neütur ; — IL Homerus non fuit. Norninis vero Homeri origo ab Home-
ridis qui vocantur ducenda est, qui cum ad colendam poesin conso-
ciatione coniuneti essent, artis et societatis auetorem finxerunt eum-
que ut Tioaxt Inwvv/nov statuerunt; — V. Herodotus cum 1,60 rationem,
qua Pisistratus reditum effecisset narraret, fabulam eam esse putavit
neque verbis suis historicam fidem vindicare voluit ; — VI. Sopb. An-
tig. 110 legendum est: os i'i • • • ufx'fi^öywv "£l<j [tq a'~ 6 /uiv oZv
off« xhifav xtX. ; — VII. Aesch. Sept. 10 duas tantum aetates poetam
alloqui aeeipiendum est. Verba autem ita legenda sunt : eugay i'/ov^'
Ixaciov w? to avfiTTQiniS, Tiöktt xrl.
Theses quas ... in univ. lit. Gryphiswaldensi ... d. VII m. Nov.
1873 defendet 31. Sander: I. Es Lehrsii editione Horatiana litteras la-
tinas plus detrimenti quam utilitatis cepisse ; IL Senecae rhetoris p.
115, 26 (Burs.) vocabula coneupiscentem nihil delenda esse; III. Senecae
p. 133, 17 sq. textum sie esse restituendum : moriar. habeo et cau-
sam et exemphim : quaedam ardentibus rogis se maritorum miscuerunt.
618 Neue auflagen und Schulbücher. Nr. 12.
Neue auflagen.
390. Homers Odyssee. Für den schulgebrauch erklärt von F.
Ameis. 2. bd. 1. heft. 5. aufl. besorgt von C. Hentze. Leipzig.
Teubner; 13x/2 gr. — 39t. P. Virgili Maronis Opera a M. Haupt ite-
rum recoornita. 16. Leipzig. Hirzel; 1 thlr. 18 ngr. — 392. Feund's
Schülerbibliothek. Präparation zu Horaz werken. 1. heft. 3. aufl.
16. Leipzig. Violet; 5 ngr. — 393. Dess. Präparation zu Cäsars
gallischem kriege. 1. heft. 4. aufl. 16. Leipzig. Violet; 5 ngr. —
394. Cornelius Nepos erklärt von H Nipperdey. Kleine ausgäbe. 6.
aufl. Berlin. Weidmann ; 12 ngr. — 395. Freund's Schülerbibliothek,
präparation zu Cicero's werken. 5. heft. 3. aufl. ebendas. ; 5 ngr. —
396. 27. heft. 4. anfl. 16. ebendas. — 397. Gai institutionum iuris
civilis commentarii quatuor. 8. Rec. Ph. E. Huschke. 8. Ed. 2.
Lipsiae. Teubner; 27 ngr. — 398. Chr. F. Rost, deutsch-griechisches
Wörterbuch. 10. aufl. 8. Neu bearbeitet von F. Berger. 1. abth.
Göttingen. Vandenh. u. Ruprecht ; 28 ngr. — 399. Forcellini Lexi-
con. P. II sive Onomasticon totius latinitatis opera et studio V. de
Vit. — T. Ili dict, 14. Prati (Brockhaus. Leipzig); 25 ngr. — 400.
J. Facciolati, Aeg. Forcellini et J. Furlanetti lexicon totius latinita-
tis curante F. Corradini. Tom. III. fasc. 3. gr. 4. Venedig. Mun-
ster; 25 gr. — 401. A. Schleicher, die Darwinsche theorie und
die Sprachwissenschaft. 3. aufl. 8. Weimar. Böhlau; 8 ngr. —
402. M. Duncker, geschichte des alterthums. 4. aufl. 1. lief. 8.
Leipzig , Duncker und Humblot ; 1 thlr. — 403. M. Hauptmann,
die natur der harmonik und der metrik. Zur theorie der mu-
sik. 2. aufl. 8. Leipzig. Breitkopf und Härtel; 2 thlr. 15 ngr. —
404. M. Liibke, grundriss der kunstgeschichte. 2. aufl. 8. Stuttgart.
Ebener und Seubert; 4 thlr. 20 gr. — 405. H. Brunn , beschreibung
der glyptothek könig Ludwig' s I zu München. 3. aufl. 16. München.
Ackermann; 20 gr.
Neue Schulbücher.
406. Homer's Odyssea. Erklärt von V. H. Koch, lstes heft.
Hannover. Hahn ; 10 ngr. — 407. Cornelius Nepos ex recensione
Halmii. Mit Wörterbuch herausgegeben von H. Haacke. 3. aufl. 8.
Leipzig. Teubner ; 12 ngr. — 408. H. Haacke , Wörterbuch zu den
lebensbeschreibungen des Cornelius Nepos. 4. aufl. 8. Leipzig.
Teubner: 10 ngr. — 409. Tacitus leben des Agricola. Schulausgabe
von A. Dräger. 2. aufl. 8. Leipzig. Teubner; 6 ngr. — 410. Cice-
ro's rede gegen L. Catilina, herausgegeben von F. Richter. 8. Leip-
zig. Teubner; 9 ngr. — 411. Cicero's rede für T. A. Milo, herausge-
geben von F. Richter. 2. aufl. 8. Leipzig. Teubner; 10 ngr. —
412. O. Eichert, Chrestomathia latina. 4. heft. Auswahl aus Sallust.
8. Leipzig. Hahn; 9 ngr. — 413. Dess. 6. heft. Auswahl aus Cicero.
8. Ebendas. 20 ngr. — 414. Wörterverzeichniss zu Weller's la-
teinischem lesebuch aus Herodot. 9. aufl. 8. Hildburghausen. Kes-
selring ; 20 gr. — 415. J. Hanler lateinisches Übungsbuch für
die zwei untern classen der gymnasien. 4. aufl. 8. Wien. Meyer ;
26 ngr. — 416. L. Engelmann, Übungsbuch zum übersetzen aus dem
deutschen ins lateinische. 3. thl. 5. aufl. 8. Bamberg. Büchner;
27 ngr. — 417. S Ch. Schirlitz, bildungs- und lehrstoff a. d. gebiete
der classischen alterthumswissenschaft , der alten und mittlem ge-
schichte und der philosophischen Propädeutik. 8. Halle. Schwetschke ;
1 thlr. — 418. C. Capelle , anleitung zum lateinischen aufsatz.
Nr. 12. Bibliographie. 6l9
2ter abdruck. Hannover. Hahn; 10 ngr. — 419. D. Müller, alte
geschiente für die anfangsstufe des historischen Unterrichts. 8. Ber-
lin. Weidmann; 16 ngr. — 420. Becker's erzählungen aus der alten
weit. Neue ausgäbe. 3 thle. Halle. Waisenhaus; 1 thlr. — 421.
K. L. Roth, gymnasial -pädagogik. 2. aufl. 8. Stuttgart. Stein-
kopf; 1 thlr. 20 ngr. — 422. J. Ostendorf, das höhere Schulwesen
unseres staats. 8.° Düsseldorf. De Hain in comm.; 12 ngr. — 423.
Dess. mit welcher spräche beginnt zweckmässiger weise der fremd-
sprachliche Unterricht. Ebendas.; 8 ngr.
Bibliographie.
Eine einladung zum »verein für deutsche Kteratur« unter dem
prorectorat des grossherzog von Sachsen Karl Alexander und dem
prinzen Georg von Preussen ist versandt : man will dadurch das prin-
cip der kunstvereine auch auf die literatur übertragen: jedes mitglied
erhält nämlich gegen Zahlung von 30 mark im lauf des Jahres sieben
bände zu 20 — 25 bogen: die protektoren wie die zahl und die namen
derer, welche sich zur abfassung der bände bereit erklärt haben, bürgt
für die ausführung des Unternehmens. Eine art kritik hat das unter-
nehmen in der Augsb. allg. ztg. , beil. zu nr. 357 erfahren: s. Ph.
Anz. VI, 2, p. 100: wir möchten wünschen , dass der biographie ein
weites feld eingeräumt würde und besonders den kämpfern aus der
zeit der reformation, namentlich auch der schulmänner : das würde
in den kämpfen unsrer zeit der guten sache, d. h. der der deutschen
freiheit, klarheit und gelehrsamkeit ganz besonders föi'derlich sein;
denn das angekündigte allgemeine werk von Bluntschli , dem viel-
leicht etwas ähnliches zu gründe liegt, genügt bei weitem nicht: es
muss das wirken und thun solcher männer unsrer zeit bis ins ein-
zelnste vorgeführt werden. Wie buchhändler übrigens über dies un-
ternehmen denken zeigt Börsenbl. nr. 262. 273. 285. 295.
Kleine philologische zeitung.
London. In der hiesigen philologischen gesellschaft theilte der
reverent Isaah Taylor mit , dass der Schlüssel zu der etruskischen
spräche gefunden sei. Man hat nämlich in einem grabmale zwei
würfel gefunden , deren sechs seiten mit Wörtern statt mit äugen
markirt waren. Die prüfung dieser wörter ergab, dass dieselben mit
den ersten sechs grundzahlen des altai'schen zweiges der turanischen
familiensprache identisch seien. Dadurch geleitet war nachzuweisen,
dass die grammatik und das vocabularium der 3000 etruskischen
inschriften ebenfalls altaisch seien. Di« verwandten wörter, die für-
wörter , die mittelwörter , die declination correspondiren genau mit
jenen der Tartaren stamme Sibiriens. Die etruskische mythologie ist,
wie sich herausstellt, wesentlich dieselbe, wie die des Kalevala, des
grossen finnischen epos. Vrgl. Allg. Ztg. beil. 348. Reichsanz. 297.
Stuttgart, 10. dec. Bei Heddenheim ist eine römische begräb-
nissstätte gefunden : bedeutende funde scheinen dabei nicht gemacht:
s. Allg. Ztg. Auss. beil. zu nr. 349.
Berlin, 14. dec. An diesem tage wurde der 100jährige geburts-
tag von Thomas Gossner begangen: näheres s. Reichsanz. 297.
Eine kurze anzeige von Quitzmann , die älteste geschichte der
Bayern, findet sich im Reichsanz. nr. 265.
Das Irene - museum in Konstantinopel wird der Academy zufolge
620 Kleine philologische zeitung. Nr. 12.
demnächst durch drei basreliefs, die in Salonice gefanden, bereichert
werden: vrgl. Reichsanz. nr. 270.
London, 19. nov. An den ufern des flusses Eye , unweit Ayton
fand man zwei steinerne grabmäler, welche aus der zeit der alten
Britten stammen, also gegen 2000 jähr alt sein sollen. Vrgl. Staats-
anz. nr. 275.
London , 29. nov. Zwei brittische Offiziere , oberst Baker und
lieutenant Gill haben Persien durchwandert, die quellen des Attrock
entdeckt und gefunden, dass die jetzigen karten Persiens alle sehr
ungenau seien. Genaueres giebt Times vom 24. nov.
Dr M. Töpper hat im Lonnorraner see in Pr. Preussen pfahlbau-
ten entdeckt, welche von den in der Schweiz und sonst gefundenen
sehr verschieden sind. Vrgl. Reichsanz. n. 295.
London, 12. Dec. Dr Bake hat seine expedition nach dem berge
Sinai angetreten. Vrgl. Staats-Anz. nr. 295.
Russisches philologisches seminar in Leipzig. Bekanntlich hat sich
in Russland auf dem gebiete des höheren unterrichtswesens in neuester
zeit ein Umschwung vollzogen, der auch für Deutschland nicht ohne
interesse ist. Nach Jahrzehnte langen Schwankungen und parteikäm-
pfen hat dort schliesslich das princip obgesiegt und ist durch kai-
serliche entscheidung sanctioniert worden, dass der gesammte gym-
nasialunterricht wesentlich auf das studium der clssischen sprachen
(nicht bloss des latein) basiert werde. Wenn dieser neuen Strömung
schon das » historisch - philologische Institut « in St. Petersburg , an
welchem männer wie August Nauch und Lucian Müller thätig sind,
rechnung zu tragen bestimmt war , so hat man jetzt noch weiterrei-
chende massregeln ergriffen. Drei in jenem institut ausgebildete
junge männer, die sich durch talent und kenntnisse hervorthaten, sind
so eben nach Deutschland entsandt worden, um sich hier auf der
Universität Leipzig für den künftigen beruf als russische Universitäts-
professoren der classischen philologie noch vollständiger vorzuberei-
ten. Aber den eigentlichen schwerpunct der erforderlichen bestre-
bungen hat man doch mit recht darin erkannt, dass eine hinlängliche
anzahl gründlich geschulter gymnasiaUehrer für die anstalten des wei-
ten russischen reichs gewonnen werde. Und für diesen zweck ist
gleichzeitig eine Institution ins leben gerufen worden , für welche
ebenfalls die Universität Leipzig ausersehen ward. Hierher wird vom
beginn des Wintersemesters an eine anzahl jüngerer leute, die eben
erst das gymnasium verlassen haben und durch gute Zeugnisse vor-
zugsweise empfohlen sind, mit liberal bemessenen Stipendien geschickt,
um in einem zwei- bis dreijährigen cursus sich dem studium der
classischen philologie dergestalt zu widmen, dass sie nach ablauf die-
ses Zeitraums als lehrer verwendbar sind: in welcher eigenschaft ih-
nen alsdann sehr günstige besoldungs- und avancementsverhältnisse
in aussieht gestellt sind. Dieselben brauchen nicht eingeborene Rus-
sen zu sein, können vielmehr nicht nur allen slavischen stammen,
sondern auch der deutschen nationalität angehören, und müssen nur
die doppelte Verpflichtung eingehen: 1) für jedes auf kaiserliche ko-
sten in Leipzig zugebrachte Studienjahr mindestens zwei jähre ohne
kündigung als gymnasiaUehrer in Russland zu fungieren ; 2) sich der
russischen spräche , als der in den russischen lehranstalten natürlich
ausschliesslich gebrauchten, wofern sie ihnen nicht schon muttersprache
ist, bis zu dem geläufigen mündlichen und schriftlichen ausdruck zu be-
mächtigen: für welchen letztern zweck durch regelmässigen, von den
eben genannten drei jungen männern zu ertheilenden Unterricht sorge ge-
tragen ist. — Nun konnte man sich aber in St. Petersburg der einsieht
Nr. 12. Kleine philologische zeitung. 621
nicht verschliessen, dass zwischen der Vorbildung russischer, beziehungs-
weise slavischer, und anderseits deutscher abiturienten vorläufig doch
ein grösserer abstand stattfinden möchte, als dass diese Stipendiaten,
um gründlich gefördert zu werden, ohne weiteres auf unsere deut-
schen vorlesungeu und seminarien anzuweisen wären, zumal sie bei
dem grossen andrang zu den letztern schwer ihre rechnung finden
würden. Darum musste sich alsbald die Überzeugung geltend ma-
chen, dass für sie eigne, auf ihren Standpunkt berechnete und ihrem
individuellen bediirfniss angepasste Vorlesungen sowohl, als vor allem
seminaristische Übungen angestellt werden müssten, sowie dass über-
haupt ihre ganze Studieneinrichtung, unter dem namen »russisches
philologisches senunar«, in die einheitliche leitung eines besondern di-
rectors zu legen sei. Diese function hat auf den an trag der k. russi-
schen regierung bis auf weiteres der geheime Rath professor F. Ritschi
übernommen, unter assistenz einer Jüngern kraft, welche in der per-
son des Dr. W. Hörschelmann, gefunden worden ist, eines in Dorpat,
Göttingen und Leipzig ausgebildeten jungen philologen, der für den
vorliegenden zweck alle erforderlichen eigenschaften besitzt. Die
lehrsprache des russischen seminariums wird übrigens ausschliesslich
die lateinische sein, da auf die erwerbung eines correcten und geläu-
figen lateinischen ausdrucks ein besonderes gewicht gelegt wird.
Von diesen dem kriege fern liegenden nachrichten und gegen-
ständen , wenden wir uns nun und zwar bald zum letzten male zu
den philologen, welche 1870/71 im felde gestanden haben und knü-
pfen an Philol. Anz. IV, 12, p. 626 an.
Im felde stehen:
I. Philologen kramt und würden;
506. Dr ph. A. Arndt, Ordinarius von obertertia am gymnasium
zu Frankfurt an der Oder, stand als lieutenant bei der landwehr-ar-
tillerie und war als solcher bei der belagerung von Verdun und Die-
denhofen betheiligt.
507. Dr ph. Walter Berger, erster adjunct an der ritter-akade-
mie zu Brandenburg a. H. , diente als vice-feldwebel im 4. branden-
burgischen inf.-regmt nr. 24.
508. Dr ph. Wilhelm Büttner , lehrer am gymnasium in Lieg-
nitz, focht als reserve - officier im königs-grenadier-regmt. nr. 7 bei
Weissenburg, Wörth und Sedan, seitdem vor Paris.
5U9. Dr ph. V. Campe , ordentlicher lehrer am gymnasium zu
Stolp, diente im 5. pommerschen inf.-regmt. nr. 42.
510. Dr ph. Reinhold Köpke, erster Oberlehrer am königlichen
gymnasium in Charlottenburg, stand als lieutenant im dritten combi-
nirten brandenburger landwehr-regmt. nr. 20/60.
511. D. ph. Otto Löwe, aus Altensalzwedel, hülfslehrer am gym-
nasium zu Neustettin, reserve-offizier im 5. inf.-regmt., nahm an al-
len kämpfen der dritten armee theil.
512. Adalbert Mögelin, studienlehrer zu Rothenburg ob der
Tauber, ward beim ausbruch des kriegs nach Neuburg an der Donau
einberufen, aber mitte octobers 1870 seinem berufe wiedergegeben.
513. Dr ph. Rudolph Neumann , aus Gollin in Westpreussen,
wissenschaftlicher hüfslehrer am gymnasium in Neustettin, nahm als
Unteroffizier im 21. inf.-regmt. an den belagerungen von Metz und
Paris, wie an dem zuge gegen Bourbaki theil.
514. Angust Pein, aus Tempelburg, wissenschaftlicher hülfsieh-
622 Kleine philologische zeitung. Nr. 12.
rer am gymnasium zu Neustettin, seconde-lieutenant im 9. landwehr-
regmt, nahm an der belagerung von Longwy theil.
515. Portius, ordentlicher lehrer am gymnasium zu Stolp, diente
im 5. inf.-regmt. nr. 42.
516. August Scbleusinger, geboren 1845, absolvirte das gymna-
sium zu Nürnberg, studirte in Erlangen, ward 1869 in Zweibrücken
assistent am gymnasium, 1870 in Ansbach inspector am alumneum,
dann 1870 eingezogen marschirte er als gemeiner im 13. bairischen
inf.-regmt. (I. bairisches armee-corps) aus, erhielt in der Schlacht von
Orleans als vicecorporal das militärver dienstkreuz, in der
Schlacht von Beauniont bei Beaugency als junker die silberne ta-
pfer keitsmedaille. In letzterem gefecht leicht verwundet rückte
er als lieutenant wieder bei seinem regiment vor Paris ein , trat aber
im mai in folge einer reklamation seine frühere stelle als inspector
am alumneum zu Ansbach wieder an.
517. Dr ph. Ludwig Streit, Oberlehrer am pädagogium zu Put-
bus, premierlieutenant in der artillerie, ritter des eisernen kreu-
zes zweiter classe.
518. Dr ph. Th. Vogel , ordentlicher lehrer am gymnasium zu
Friedland in Meklenburg, diente als seconde-lieutenant im 1. pom-
merschen inf.-regmt. nr. 2.
Chronik des deutsch -französischen leriegs: Paris. 30. August.
Das Journal ofßciel veröffentlicht den bericht des ministers Chevreau,
in welchem dieser die absetzung des maires von Epernay beantragt,
der durch die Proklamation, in welcher er der bevölkerung empfiehlt
sich dem marsch der feinde nicht zu widersetzen, gegen seine pflich-
ten Verstössen und bereits von Havre aus seine entlassung eingereicht
habe. Ein kaiserliches dekret vom 29. d. m. veriügt demgemäss die
entlassung. Staats-anz. nr. 240.
1. septemb. Paris. Der kriegsminister hat befohlen, dass 100000
mobilgarden aus den departements nach Paris marschiren sollen, um
an der vertheidigung der stadt theil zu nehmen.
— — Paris. Marschall Palikao hat den pariser blättern die
Weisung zugehen lassen, sich bei strafe sofortiger Unterdrückung je-
der auch der geringsten nachricht über abgang, marsch oder richtung
von truppentheilen zu enthalten.
— — Die demolirung der in dem rayon der haupstädtischen fe-
stungswerke gelegenen baulichkeiten ist nahezu vollendet.
Berlin. 2. sept. Telegramm an Ihre Majestät die königin Au-
gusta in Berlin. Auf dem schlachtfelde von Sedan — den 1. Septem-
ber _ 3!/s uhr nachmittags:
Seit 728 uhr siegreich fortschreitende schlacht rund um Sedan —
garde, IV, V, VI, XII Corps und Bayern — feind fast ganz in die
Stadt zurückgeworfen.
Wihelm.
St. Barbe bei Metz, den 1. September, 9 uhr 45 minuten abends.
An general von Borke in Königsberg in Pr.:
Seit gestern früh ist Bazaine mit der ganzen armee im kämpfe
gegen das erste armee-corps und die ihm zugetheilte division Kum-
mer bei ta°- und nacht gewesen , und gestern in der nacht und
heute überall siegreich zurückgeschlagen. Franzosen haben mit gro-
sser tapferkeit gefochten , mussten aber der ostpreussischen tapferkeit
weichen. Prinz Friedrich Carl hat gestern und heute dem ersten
armee-corps anerkennung und glückwunsch zu beiden siegen ausge-
Nr. 12. Kleine philologische zeitung. 623
Bprochen. Vierte landwehr-division hat am heutigen siege ruhmrei-
chen autheil.
Manteuffel.
Berlin. 3. sept. Malamcourt. 1. sept. 8 uhr 40 min. nachm.:
Seit gestern den 31. august bis heute den 1. sept. mittags sechsund-
dreissigstündige siegreiche schlacht unter dem prinzen Friedrich Carl
bei ^Noisseville. Versuch des marschall Bazaine durchzubrechen und
im freien felde zu operiren. Durch das 1. armeecorps mit hülfe des
9. und der division Kummer zurückgeschlagen.
1. sept. mittags. Rückzug des ieindes in die festung Metz.
Malamcourt, 2. septemb. 11 uhr 20 min. mittags:
Vom morgen des 31. august bis mittag den 1. september hat mar-
schall Bazaine fast unausgesetzt versucht, mit mehreren corps* aus
Metz nach norden durchzubrechen. Unter Oberbefehl des prinzen
Friedrich Carl hat general von Manteuffel alle diese versuche in
ruhmvollen kämpfen, die in dem namen schlacht bei Noisseville zu-
sammenzufassen, zurückgeschlagen. Der feind ist wiederum in die
festung zurückgeworfen.
An den gefechten waren betheiligt das 1. armee-corps, das 9. ar-
mee - corps , die division Kummer (linie und landwehr) und die 28.
Infanterie -brigade. Die hauptgefechte fanden um Servigny, Noisse-
ville und Ketonsay statt. Nächtliche überfalle wurden mit ostpreussi-
scheu kolben und bayonetten zurückgewiesen. Unsere hierfür verhält-
nissmässig nicht sehr grossen Verluste noch nicht zu übersehen , die
des fe indes sehr bedeutend.
General v. Stiehle.
Berlin. 3. sept. morgens. Der königin Augusta in Berlin. Von
Sedan, den 2. sept. ^2 uhr nachmittags:
Die kapitulation, wodurch die ganze armee in Sedan kriegsgefangen,
ist soeben mit dem general Wimpffen geschlossen, der an stelle des
verwundeten marschaiis Mac Mahon das kommando führte. Der kai-
ser hat nur sich selbst mir ergeben, da er das kommando nicht führt
und alles der regentschaft in Paris überlässt. Seinen aufenthaltsort
werde ich bestimmen, nachdem ich ihn gesprochen habe, in einem
rendezvous, das sofort stattfindet. Welch eine wendung durch got-
tes führung.
Wilhelm.
Berlin. 3. sept. abends. »Welch eine wendung durch gottes füh-
rung ! «
Von unseres königs lippen kommen diese worte in einem grossen
entscheidenden moment.
Erbla^st ist der glänz der kaiserlichen adler vor unseren siegrei-
chen fahnen. Die zweite grosse armee Frankreichs hat sich ergeben,
und der kaiser der Franzosen ist selbst Sr. Majestät des königs ge-
fangener.
Mit den preussischen fahnen steht das weisse kreuz der preussi-
schen landwenien siegreich auf französischem boden.
Dem söhne und enkel könig Friedrich Wilhelms und Louisens
sind auch die söhne und enkel der männer mit dem weissen kreuze von
1813 gefolgt. Unter diesem heiligen zeichen, in wuchtigen bataillo-
nen haben sie weib und kind mit demselben freudigen muth verlas-
sen, um endlich unter gottes gnädiger fügung das mit zu erkäm-
pfen, was ihren vätern, trotz aller blutigen opfer, zu erstreiten nicht
beschieden war — einen vollen, gerechten frieden für unser deutsches
Vaterland !
624 Kleine philologische zeitung. Nr. 12.
So gott will , wird das grosse werk nun bald vollbracht sein!
Unsere siegreichen krieger werden heimkehren, unter ihnen die söhne
und enkel der ritter des eisernen kreuzes von 1813, von den greisen
mit zitternder hand begrüsst! Viele der sieger selbst mit dem ei-
sernen kreuze geschmückt, in dem sich das schwarz und weiss der
vaterländischen färben so schön vermählt!
Mit stolz werden auch unsere deutschen stammes- und kampfge-
nossen aus nord und süd dieses kreuz auf der brüst ihrer siegreichen
brüder und söhne sehen. Und dies gemeinsame ehrenzeichen wird
fortan ein schönes inhaltschweres symbol sein für die langerstrebte
einheit unseres grossen deutschen Vaterlandes! Das walte gott! —
(Staatsanz. nr. 245).
Der brief Napoleon's an könig Wilhelm bestand aus folgenden
zeilen:
Monsieur mon frere,
N'ayant pas pu mourir au milieu de mes troupes, il ne me reste
qu'a remettre mon epee aux mains de votre Majeste. Je suis Votre
Majeste le bon frere Napoleon.
Sedan le 1. Septembre 1870.
Dem könig übergab diesen brief der general graf Eeille auf den
höhen von Douchery gegen 7 uhr abends: daselbst antwortete der
könig sofort, indem ein adjutant ihm statt schreibpultes einen stuhl
in die höhe hielt, wie folgt:
Monsieur mon frere!
En regrettant les circonstances dans lesquelles nons nous rencon-
trons, j'accepte l'epee de votre Majeste et je la prie de bien vouloir
nommer un de vos officiers munis de vos pleins pouvoirs, pour trai-
ter de la capitulation de l'arrnee, qui s'est si bravement battu sous
vos ordres.
De mon cöte j'ai designe le ge'neral de Molkte ä cet effet.
Je suis de Votre Majeste
le bon frere
Guillaume.
Devant Sedan le 1. Sept. 1870.
2. september. Die kapitulation von Sedan wird mit dem gene-
ral von Wimpfen mittags abgeschlossen. Die ganze französische
armee in Sedan ergiebt sich kriegsgefangen.
— — Begegnung des königs von Preussen mit dem kaiser Na-
poleon in dem schlösschen Frenois bei Sedan. Dem kaiser wird Wil-
helmshöhe bei Cassel zum aufenthalt gegeben. Nachmittags bereitet
der könig die armee um Sedan, welche ihn mit unbeschreiblichem
jubel empfängt.
Berlin. 4. sept., 4 uhr 18 min. nachmitt. Telegramm an Ihre
Majestät die königin Augusta in Berlin :
Varennes, 4. september, vormittags 8 uhr. Welch ein ergreifen-
der augenblick der begegnung mit Napoleon ! Er war gebeugt, aber
würdig in seiner haltung und ergeben. Ich habe ihm Jl'ilhelmshohe
bei Cassel zum aufenthalt gegeben. Unsere begegnung fand in ei-
nem kleinen schlösschen vor dem westlichen gacis von Sedan statt.
Von dort berittich die armee um Sedan. Den empfang durch die
trnppen kannst Du Dir denken! Unbeschreiblich! Beim einbrechen
der Dunkelheit 1/2S uhr hatte ich den fünistiindigen ritt beendigt,
kehrte aber erst um 1 uhr hierher zurück. Gott helfe weiter.
Wilhelm.
(Schluss folgt bd. VI).
Nr. 12. Auszüge aus Zeitschriften. 623
Auszüge aus zeilschriften.
Augsburger allgemeine zeitung , nr. 282: Sicherheit in Thessalien
und Epirus. — Beil. zu nr. 282. 283. 293 das Unterrichts - und bil-
dungsfach auf der wiener Weltausstellung. IV. V. VI. — Nr. 284.
294: die entwicklung der dinge in Asien. IX. X. — Nr. 285: brief
der königin Sophie von Holland, einer glühenden Franzosenfreundin,
vom 13 juli 1866 an Louis Napoleon, die dem letztern sein Schicksal
voraussagt. — Beil. zu nr. 285: zur geschichte der indischen reli-
gion : anzeige des buches von Paul Wurm. — Nr. 287 : schulconfe-
renz in Berlin ; die mitglieder derselben und ein kurzer bericht über
die ziele der conferenz. — Beil. zu nr. 288: Julius Braun, geschichte
der kunst in ihrem entwicklungsgang : besprechung des buchs. —
Beil. zu nr. 294: briefwechsel zwischen kaiser Wilhelm und dem
pabst. — Beil. zu nr. 294: Carriere's ästhetik in zweiter aufläge. —
Vom berliner büchertisch. I. IL — Beil. zu nr. 295: die klöster und
klosterähnlichen institute in Bayern. IV. — Beil. zu nr. 296 : zur ge-
schichte des vaticanischen concils. — Vom berliner büchertisch. —
Wiener briefe. I. — Beil. zu nr. 298 : eine neue ausgäbe von Nie-
buhr's römischer geschichte: anzeige des beiCalvary in Berlinerschei-
nenden abdrucks. — Beil. zu nr. 303: vom berliner büchertisch III.
— Nr. 304: könig Johann von Sachsen: nekrolog. — Nr. 305: Kos-
suth und Lamarmora. — Beil. zu nr. 305 : könig Johann : unter
dieser aufschrift folgendes gedieht :
Wohl, mit dem könige soll zusammengehen der dichter,
Weil auf der menschheit höhe könig und dichter gestellt:
Wohl, und es hat kurzdauernd geblüht ein augustisches alter,
Ludwige haben beschützt und Mediceer die kunst ;
Aber die mächtigen dachten zugleich an den eignen vortheil,
An den bequemen genuss, an der Verherrlichung dank.
Nicht so könig Johann! — Er wollt' im verkehr mit der dicht-
kunst
Nicht ein geniessender nur, wollt' auch ein strebender sein;
Stunden der müsse, vergönnt nach heilig vollendetem tagwerk
Fürstlichen amtes, er hat sie der betrachtung geweiht
Dante Alighieri's; er ging dem erhabenen sänger,
Seher, prophete vertraut als hypophete gesellt.
Dante, so lange dein lied voll unausforschlichen tiefsinns
Lebt, wird neben Dir auch dein »Philalethes« genannt !
Wie er von Deutschlands fürsten der besten und edelsten einer,
Lebt er von allen gesammt als der gelehrteste fort. —
Nr. 307 : staat und kirche in Bayern. I. — W. Kaden , herbsttage in
den latinischen bergen. — Beil. zu nr. 308: Mordtmann, numismatik
der Sassaniden: anzeige des von Dorn herausgegebenen werkes des
generals J. de JJartholotnei, collection des monnaies Sassanides. Vol.
I. Petersb. 1873. — Kaden, herbsttage in den latinischen bergen:
für Vergils Georgica zu beachten. — Beilage zu nr. 309 : die förde-
rung uud pflege der kunst durch den staat in Bayern. — Epilog zur
wiener Weltausstellung. — Kaden, herbsttage in den latinischen ber-
gen. — Nr. 310 : die bibliothek des commendatore de Rossi, zwei-
ten gemahls der prinzessin Maria von Lucca , der wittwe Max von
Sachsen; sie war in den besitz der Jesuiten gekommen, wird jetzt wahr-
scheinlich an Oesterreich ausgeliefert; sie ist reich an seltnen ineu-
nabeln und mannscripten. — Beil. zu nr. 310: M. Schleich, chri-
stenthum und alacoquismus. I. — Beil. zu nr. 307. 311. 320. 333.
nr. 342 : staat und kirche in Bayern. I. IL III. IV. V. — Beil.
Philo!. Anz. VI. 40
624 Auszüge aus Zeitschriften. Nr. 12.
zu nr. 312: könig Johann's von Sachsen hinterlassene memoiren. —
Beil. zu nr. 333: K. Waagen f. — Nr. 334: unter »verschiede-
nes« allerlei notizen über gelehrte. — Beil. zu nr. 338. 341 :
zur imitatio Christi. I. II: schliesst an das buch von Hirsche
an. — Beil. zu nr. 339 : Meyer's deutsches Jahrbuch ; empfehlende
anzeige. — Nr. 340: das deutsche beamtenthum im Reichslande. —
Nr. 342. 243: weihnachtsgaben der deutschen kunst. I. IL —
Rheinisches museicm für philologie herausgegeben von Fr. Ritschi
und A. Klette, XXVII, 2: über die thebanische tetralogie von F. A.
Näke , herausgegeben und dem andenken L. Schopen's gewidmet von
Fr. Ritschi , p. 193. - F. Bährens, kritische bemerkungen zu den
lateinischen panegyristen, p. 215. — K. W. Nitzsch , über Herodot's
quellen für geschichte der Perserkriege, p. 266. — J. Jeep, zu Clau-
dianus de VI consulatu Honorii : ein beitrag zur römischen topogra-
phie, p. 269. — J. M. Stahl, zu Thukydides, p. 278. — L. Müller,
zu Marius Plotius und Nonius, p. 284. — K. Dilthey, kritische be-
merkungen zur griechischen Anthologie, p. 290. — J. H. Mordttnann,
unedirte griechische inschriften, p. 326. — F. Blass , das simonidei-
sche gedieht im Protagaras des Plato, p. 326. — Miscellen. Fr.
Ritschi, zur Plautuslitteratur. III, p. 333. — C. Wachsmuth, dry-
mien und drymata, p. 342. — K. Lehrs, die anfange des ersten und
fünften buches der Odyssee, p. 346. — Zu Plato, von demselben , p.
346. — W. Teuffei, zu Horatius, p. 347. — Erotemata philologica,
p. 349. — FL. Nissen, entgegnung an Octavius Clason , p. 351. —
Antwort, von W. Teuffei, p. 352. — Nachträge und berichtigungen,
p. 352. darunter eine berichtigung zum registerheft.
XXVII, 3: Holm, die entdeckungen im grossen tempel zu Seli-
nus , p. 353. — K. Dilthey, über die von C. Miller herausgegebe-
nen griechischen hymnen, p. 375. — L. Ziegler, zur texteskritik des
Scholiasta Bobiensis zu Ciceronischen reden, p. 420. — J. Gilde-
meister und F. Bücheier, Themistios ntQl aotTtjg, p. 438 [s. Phil. Anz.
IV, 11, p. 570]. — H. Geizer, kleinasiatische inschriften, p. 463. —
Miscellen. W Schmitz, zu den tironischen noten. — Fühl, c o r-
porare, p. 471. — L. Müller, in sachen Simonides, p. 471. — Zu
Tacitus und Sueton, von demselben p. 472. — Fr. Buecheler , con-
jeetanea , p. 474. — G. Clemm , oraculum Pythium, p. 478. — N.
Wecldein, zu Euripides, p. 479. — M. Schmidt, eine dekade conjee-
turen, p. 481. — J. M. Stahl, zu Thukydides, p. 484. — W. Teuf-
fei, zu Plautus Trinummus, p. 485. — L. M., zu dem gedieht de
Sodoma, p. 486. — A. Riese, zu Plato, p. 488. — L. Baehrens,
zu Varro's Saturae Menippeae , p. 490. — G. Krueger, zu Cicero, p.
491. — A. Eussner , conjeeturae in Sallustii Catilinam, p. 493. —
M. Schmidt, zu Hyginus, p. 495. — Erotemata philologica, p. 495. —
Suum cuique, p. 496. — J. H. Mordtmann, nachschrift, p. 496.
XXVII, 4: Xenophon's Hellenica, verglichen mitDiodor und Plu-
tarch. Von L. Breitenbach, p. 497. — Pseudo-Plutarch ntoi clax^aio>g.
Von J. Gildemeister und F. Bücheier, p. 520: vgl. Phil. Anz. IV, 11,
p. 570. — Das geschichtswerk des Titus Livius. Von H. Nissen,
p. 539: vrgl. Philol. XXXIII, p. 139. — Die mänade im griechischen
eultus, in der kunst und poesie (schluss). Von A. Rapp, p. 562. —
Miscellen. Lokrische inschriften, von C". Wachsmuth, p. 612. — Zu
den tironischen noten, von IC. Schmitz, p. 616. — Nachträgliches
über die handschriften von Claudians Raptus Preserpinae. Von L.
Jeep, p. 618. — Zur historia Apollonii regis Tyrii. Von A. Riese,
p. 624. — Drymien. Von B. Schmidt. — Noch einmal das angebliche
capitel III, 17 des Thukydides. Von/. Sleup, p. 637.— Nachschrift,
von H. Geizer.
Nr. 12. Auszüge aus Zeitschriften. 625
XXVIII, 1, 1873: Lykurg und die delphische priesterschaft. Von
H. Geher, p. 1. — Ueber muriola, murrata und murrina. Von M.
Voigt, p. 56. — Historisch - geographische Studien über Altsicilien.
(Mit zwei karten). Von J. Schubring , p. 65. — Die umbrische ge-
fässinschrift von Fossato di Vico. Von E. Hasehke , p. 141. — Bio-
bibliographisches zu Camerarius Plautusstudien. Von Fr. Ritschi, p.
151. — Miscellen. Zum Corpus inscriptionum Rbenanarum. Von
A. Duncker , p. 171. — Coniectanea. Scr. C. Badham, p. 173. — Die
fabel vom äffen und fuchs bei Archilochos. Von E. JBuchholtz, p.
176. — Zu den fragmenten der griechischen tragiker. Von N. Weck-
lein, p. 179. — Zu Thukydides. Von J. Steup, p. 179. - Zu Aristo-
teles Poetik. Von J. Vahlen, p. 183. — Zu Horatius. Von J. Krauss,
p. 185. — Zu demselben. Von FL. Dziatzko , p. 187. — Zur lateini-
schen Anthologie. Von Fr. Ritschi, p. 189.
XXVIII, 2: Die Ligurer, von J. G. Cuno, p. 193. — Der Floren-
tinische tractat über Homer und Hesiod , ihr geschlecht und ihren
wettkarupf. (Schluss). Von F. Nietzsche, p. 211. — Emendationum
in Statu silvas particula I. Scr. Aem. Baehrens , p. 250. — Aelius
Promotus. Von E. Rohde, p. 261. — Die älteste textesrecension des
Claudian. Von L.Jeep, p. 291. — Studien zur aristotelischen Poetik.
Von F. Susemihl, p. 305. -- Miscellen: Ueber die Ammianhand-
schrift des Accursius. Von F. Riihl, p. 337. — Zu den tironischen
noten. Von W. Schmitz, p. 339. — Zu Sophokles. Von L. Urlichs,
p. 340. — Zu Thukydides. Von J. Steup, p. 340. — Zu Piatons Sym-
posion. Von W. Teuffei , p. 342. — Zu Plautus Trinummus. Von
demselben, p. 344. — In Dracontium, Iuvenalem, Nigidium. Scr. F.
Buecheler, p. 348. — Erotemata philologica. J. ; p. 350. — Neu ent-
deckte klassische Schriftsteller, p. 352: bezieht sich auf druckfehler
in C. H. Herrmann Bibliotheca scriptorum classicorum. [Ist doch für
das Rheinische Museum zu wohlfeil!]. — Nachträge und berichtigun-
gen, p. 352.
Z arncke , literarisches centralblatt 1872, nr. 30: Watterich, die
Germanen des Rheins, ihr kämpf mit Rom und der bundesgedanke :
8. Leipzig: sei eine gründliche schritt. — A. Eberhard , lectio-
num Tullianarum libellus primus ad Nicolaum Anziani Florentinum. 4.
Bielefeld: inhaltsanzeige. — Nr. 31: H. Keil, Grammatici latini
Vol. VI. Fase. 1. Lips. 1871: anzeige mit einigen bemerkungen zu
dem sg. Caesius Bassus. — F. Wiggert, Vocabula latinae linguae
primitiva. Lipsiae. Teubner : wird empfohlen. — Nr. 32: Historici graeci
minores. Ed. Dindorfius. Vol. II. Lips. Teubner: anzeige mit
einigen bemerkungen zu Agathias. — Eusebii Caesariensis opera.
Rec. Guil. Dindorfius. Vol. IV. Lips. Teubn. 1871: anzeige. —
Nr. 33: atvoij <Zvtos Kvqov ncadtla. Adnotationibus et illustrationibus
auxit Angelus Tummolo presb. Neap. P. 1. et II. Neap. 1871:
ganz unbrauchbar. — G. Fr. Sc ho ernannt Opuscula academica.
Vol. IV. Berlin. 1871 : anzeige von Bu. — Nr. 35 : J. Overbeck.
griechische kunstmythologie. Bd. IL Leipzig. Engelmann: ausführ-
liche anzeige von Bu. — Nr. 36: N. Christ et 31. Paranikas, An-
thologia graeca carminum christianorum. Lips. Teubner: wird als eine
sehr dankenswerthe arbeit charakterisirt. — NioiXkrjvixn 'AvdXsxia
ntoi,oöi/.uig ly.dtdöpsva vno rov ffikokoyixov üaQvaaaov. Athen. 1871, T.
V heft 5: anzeige von Bu. — Nr. 37: H. Henkel, studien zur ge-
schichte der griechischen lehre vom Staate: Leipzig. Teubner: em-
pfehlende anzeige: vrgl. Phil. Anz. V, 4, p. 201. — Fr. Pichler , die
römischen grabinschriften des norisch-pannonischen gebiets. Grätz.
1871: wird als beachtenswert geschildert.
40*
Index rerum.
Aarthal, s. ausgr.
Academie in Bei'lin, 175.
— , Orient, in Wien, 269.
Adler, s. archaeol.
Aeschylus und Sophocles v. A. Bor-
schke 24.
— , Cod. Laur. von R. Merkel 25.
cf. 0. Hense.
Agesilaus, s. gr. gesch.
Ahrweiler, s. ausgr.
Alexandropol, s. ausgr.
Alterthümer , gr. Gilbert, 0., Fest-
zeit der Dionysien 372.
— röm.Boor, O.v., fastiCensor. 511.
Härtung, auxiliartruppen a. Rhein
411. Härtung, C. , de Cic. proc.
Cilic. 517. Hassencamp, R. , de
cohort. aux. 411. Herrlich, S.,
de aerar. et fisc. 213. Jörgen-
sen, J. P. , de munic. et colon.
213. Müller, A., ausrüst. des hee-
res412. Cf. ausserdem archaeol.
u. ausgr.
Angermann, C, s. gr. gramm.
Annalistik, röm., s. r. gesch.
Antigoneaufführ. in München 269.
Antioch. v. Syrac. u. Coel. Antip.
von Ed. Wölfflin 36.
Appian, quellen, 123.
Archaeologie. Archaeol. artistica
(Zeitschr.) 63. Adler, Nike mit
binde 219; terracottabüsten 219.
Benndorf, metopen von Sei. 382.
Beule, feuilles et decouv. 222.
Bursian, C, de temp. quo templ.
Jov. Ol. cond. sit 163. Conze,
A., röm. bildwerke in Oestr. 562 ;
reise nach Samothr. 171. 270.
383. Cuvtius, E., reliefe von
Smyrna 83 ; statue des Klaud.
Kaikinas von Kyzikus 63; thon-
gem. aus Caere 220; Amor in
bronze 220. Dilthey, Ap. und
Daphne 63. Doell, J., Sammlung
Cesuole 270. Donaldson, photogr.
des Diana-tempels zu Eph. 63.
Dumont, inscr. ceram. 270. Eg-
ger, rapport de 1' ec. d' Ath. 219.
Engelmann, laokoonrel. 64 ; Nea-
pler mosaik 47 1 ; Neapler relief
(Dionys., Herakl., Heph.) 382;
Hygieia auf mosaik in Rom 270.
Foucart, P., senatuscons. v. Thisbe
63. Gebhard, W., Polygnots ge-
mälde in Delphi 63. 164. Gurlitt,
W., u. Ziller, E., Theseion 172.
Hertz, M., Verdienste des preuss.
königspaares um die erforsch, des
cl. bodens 260. Heydemann, H.,
rasender Lyk. 174; musee de Ra-
vestein 173. 219; schild des Sci-
pio219; lekythos in Bologna 173.
Hirschfeld, G., Atheua und Mar-
syas 259; entdeck, in Athen 219.
Humann, C, stadtpl. v. Philadel-
phia 219. Jaequemart, A. , hist.
de la ceram. 170. Manitius , C,
de ant. Nept. fig. 704. Perva-
noglu, Familienmahl auf grabstei-
nen 63. Philippi, A., röm. tri-
umphalrel. 173. Prachtwerk über
Kleinasien v. Perrot etc. 172.
Rhosopulos, künstlerinschr. 172.
Sallet, V., Dürerscher kupferstich
mit Herakl. 174. Schrader , F.,
assyr.-babyl. keilinschr. 119. Sol-
let, vase mit darst. e. schule 471.
Stark, B., reisebriefe 172. Struve,
C, zum eleus. bilderkr. 214. Tren-
delenburg, erotenfiies 270. Vas
Pisticcianum 572. Weil. Ajax auf
münzen 382. Wolf, G., künstler-
name bei Psellos; fälschungcn bei
dems. 173. Cf. ausserdem Nu-
Nr. 12.
Index rerum.
627
mism. , inschr. , Seligenstadt und
Siebenbürgen.
Archaeol. gesellsch., 171. 219. 270.
382. 471.
Archaeol. inst., 125. 316.
Aristonicus, fil. Eumenis 573.
Aristophanes. Bonstedt, quaest. A.
532. Brentano, E., A. u. Aristot.
661. Castellani, C., Plutus 443.
Haupt, M., zu den Ach. 325.
Leo, F., quaest. (Ach.) 533.
Aristoteles. Eucken, R , meth. der
ar. Forsch. 339. Hayduck, M.,
bemerk, zu den phys. u. observ.
crit. 680. Hertling , G. v., mat.,
form, und defin. der seele 684.
Kampe, F., erkenntnisslehre 683.
Krohn, A., zur Kritik 676. Vah-
len, J., aufsätze 673.
Arminiusdenkmal (inschr.) 270.318.
Arricia, s. ausgr.
Aschaffenburg, lehrervers. 471.
Asconius. Kiessling, A., decod.Pist.
257.
Assyr. schreibtafel im brit. m. 125.
Athen s. ausgr.
Attrock, quellen 620.
Ausgrabungen und Funde. Aarthal,
röm. alterth. 125. Ahrweiler, thon-
und glasgefässe 170. Alexandro-
pol, tempelruinen 575. Arricia,
vasen 175. Athen, Asclep. u. Hy-
gieia 174. Bonn, röm. gräbst.
479. Eggenbilsen, etr. gold-
schmuck u. erzgefässe 63. Egyp-
ten (Ebers) 174. Am Eye in Engl,
grabmäler 620. Hanau 172. Hed-
denheim, r. gräber 619. Iris auf
Creta, Venus 269. Kertsch 479.
Lenzburg, röm. niederlass. 429.
Mainz, gräber 317. Milet (Ravet)
63. Mittelbuchen, skelette , Waf-
fen 429. Mühlheim, r. gräber.
Oberdannenburg , r. steindenkm.
473. Odessa, skelette 479. Pom-
peji , skelette , statuen 269. Re-
gensburg, 382. Rom, terrae. 479 ;
agg. Serv. 316; grab in der Villa
Casali 172 ; Sarkophag 383 ; for.
r. 64. Schlesien, Jup. v. bronze
333. Stazzona, r. gräbst. 171.
Sternberger See (Zittel), pfahlbau-
ten222. Strassburg, hünengr.317.
Troja (Schliem.), 125. 170. 218.
383. 473. 527. Wood's ausgr. 270.
Bacmeister, A., s. Horaz.
Baiern, s. Quitzmaun.
Bake 620.
Baker 527.
Bauer, W., s. Eurip.
Beatus Rhen. v. A. v. Horawitz 171.
Beck, C, s. Thukyd.
Bell. Afr., behand. v. F. Fröhlich
180.
Benfey, Th., s. 1. gramm.
Benicken, H. K., s. Homer.
Benndorf, O., s. archaeol. u. Sieben-
bürgen.
Bergk, Th., s. litteraturgesch. und
inschr.
Berliner museum, s. Spiegelthal.
Beule, s. archaeol.
Bindseil, s. Lucr.
Blaydes, F., s. Soph.
Boetius übers, v. O. Paul 278.
Boettcher, H., s. Cass. Dio.
Bonn. s. ausgr.
Bonneil, jubil., 473. 576.
Bonstedt, A., s. Aristoph.
Boor, 0. v., s. r. alterth.
Borbstädt, \ A., 429.
Borschke, A., s. Aesch.
Brentano, E., s. Aristoph.
Brit. mus., catal. der mss. 175.
Bursian, C, s. archaeol.
Buttmann, A., s. gr. gesch. u. geogr.
Caesar ed. F. Krahner, bes. v. F.
Hofmann 481. Wutke , quaest.
486. Ebeling, H., schulwörterb.
487. Rheinüberg. 265.
Cassius Dio, quellen, v. H. Böttcher
446.
Castellani, C, s. Aristoph.
Centerwall, J., s. Spartian.
Cicero. M. T., Meissner, C, disput.
Tusc. 556. Osenbrueggen , E. u.
Wirz, H., pro Mil. 702. Richter,
F., pr. Marc, Dej., div. in Caec.
112; pr. Arch. 116. Sommerbrodt,
J., redner übers. 107. Vahlen, J.,
de leg. 104. Wesenberg, A. S.,
epist. 159. Wrampelmeyer , H.,
cod. Helmstadt. 111.
— Q., Comment. pet. em. A. Eus3-
ner 498.
Claudian. Vogt, E. , pol. bestr. Sti-
licho's 151.
Coelius Ant., s. Antioch.
Comoi'dia, nova att., 573.
Comparetti, D., s. Vergib
Constauz, versamml. des Vereins für
gesch. d. bodensees 527.
Conze, A., s. archaeol.
Culmann, F. W., s. gramm.
628
Index rerum.
Nr. 12.
Curtius, E., s. archaeol.
— , G., s. gramm.
Darnmann, s. Plaut.
Dederich, A., s. r. gesch.
Demosthenes, Hoffmann, P., de D.
Isaei disc. 350. Schwarze, G. A.
C, or. Ttam Jiövvßod. 351.
Dictys Cret. ed. F. Meister 364. 553.
Dieck, F., s. Sallust.
Dilthey, s. archaeol.
Dinter, miscellen (grat. f. Dietsch)
395.
Dionys v. H. ed. A. Kiessling 265.
Roessler, C. Th., script. rhet.
fragm. 353.
Dionysien, s. gr. alterth.
Doell, s. archaeol.
Donaldson, s. archaeol.
Präger, A., s. lat. gramm.
Dressler, s. Ephorus.
Drusus, s. r. gesch.
Dübi, H., s. Sallust.
Dumont, s. arch. u. inschr.
Dunger, H., die sage v. troj. Krieg
im mittelalter 569.
Ebeling, H., s. Caesar.
Ebers, s. Egypten.
Eckstein, A., s. Lübker.
Eggenbilsen, s. ausgr.
Egger, s. archaeol.
Egypten, s. ausgr.
Ellendt, J., s. Homer.
Ellison, A., f 170.
Engelmann, s. archaeol.
Ennii Scipio v. Th. Roeper 53.
Ephori fragm. v. Dressler 665.
Eratosthenes. Hiller, E., carm. rel.
287. Mendelssohn, L., quaest. 71.
EwiQiZai, 573.
Etruskische spr., Schlüssel dazu, 619.
Inschr. erkl. v. AI. Earl of Craw-
ford and Balcarres 69.
Eucken, E., s. Aristot.
Euripides. Bauer, W., Iph.T. 656;
krit. beitr. dazu 656. Walberg,
C. A., Electra 440.
Eussner, A., e. Q. Cicero.
Eutrop und Paul. Diac. v. W. Har-
tel 550.
Eye, s. ausgr.
Ferrucci, s. Arminius-denkm.
Festus, s. Rufus.
Foerster, W., s. Rufus.
Foucart, P., s. archaeol.
Fox, münzsamml. 575.
Frankfurt, lehrervers. 526.
Frauenstudium in Zürich 383.
Frick, C, s. gr. gesch.
Friese, E., s. Pindar.
Fröhlich, F., s. bell. Afric
Fröhner, W., s. numism.
Frohberger, H., s. Lysias.
Fulgentius. Jungmann, E., quaest.
610; conject. 614.
Gebhard, W., s. archaeol.
Gelehrten vers. in Ital. 575.
Genthe, H., s. a. gesch.
Geographie. Buttmann, A., geogr.
v. Griech. 416. Kiepert, H., atl.
v. Gr. 507. Volkmann, D., itin.
Alex. 156. Wuttke , gesch. der
geogr. im mittelalter 565.
Geppert, E. C, s. Plaut.
Gerth, B., s. gr. gramm.
Geschichte, alte. Genthe, H., etrusk.
tauschhandel 398. Henkel, H.,
gr. lehre v. staat 201. Stacke,
erzähl, aus d. alt. gesch. 469.
— , gr. Buttmann, A., Agesil. 399.
Gilbert, G., altspart, gesch. 205.
Frick, C, ephoren 308.
— , röm. Dederich, A., feldzüge des
Drusus u. Tib. 406. Hertzberg,
G., feldz. der R. in Deutschi, un-
ter Aug. u. Tib. 310. Ihne, W.,
r. gesch. 211. Matscheg, A., Cae-
sar u. seine zeit 557. Modestow,
gebr. der schrift unter den köni-
gen 201. Nitzsch, K. , annalistik
117. Pfitzner, geburtsj. Chr. 212.
Schiller, H., gesch. des r. kaiserr.
unter Nero 402.
Giese, P., s. Martial.
Gilbert, G., s. gr. gesch.
— , O., s. gr. alterth.
rkavxuims 125.
Goethe's nachlass 222.
Goodwin, s. Thukyd.
Gossner, hundertster geburtst. 619.
Gossrau, W., s. 1. gramm.
Grammatik, allgem. Culmann, W.,
aspirat. 225; Zahlwörter 225 ; spir.
asper 225. Curtius, G., Studien 1.
130. 183. Raspe, G. E., kleinig-
keiten 186. Vergl. gramm. auf
schulen 617.
— , gr. Angermann, E., dissimil. 645.
Curtius, G., u. Gerth, B., gramm.
648. Curtius, G., gr. verb. 641.
Kühner, R., ausf. gramm. 65. Mül-
ler und Lattmann , gramm. 132.
Schnorbusch u. Scherer, gramm.
67. Wentzel, fjialkov tj ov 4.
— , lat. Benfey , Th. , jubeo. 274
Nr. 12.
Index rerum.
629
Dräger, A., bist. synt. 227. Goss-
rau , W. , gramm. 434. Hintner,
V., wörterb. für etym. 529. Mül-
ler und Lattmann, gramm. 189;
kurzgef. gramm. 189. Schmitt-
Blank, J.C., parallelgr.6. Schultz,
F., Sprachlehre 6. Winkler, in-
dic. u. conj. in nebensätzen 69.
Grammatici latini. Keil, H., de M.
Plot. Sac. de metr. 369.
Grotefend, C. L., s. numism.
Groth, H., s. Tibull.
Güstrow, lehrervers. 428.
Haake, A., s. Homer.
Hanau, s. ausgr.
Harmonik, gr., Übersicht v. C. Lang
133.
Hartel, W., s. Eutrop.
Härtung, s. r. alterth.
Hassencamp, R., s. r. alterth.
Haupt. M., s. Aristoph.
Hayduck, M., s. Aristot.
Heddenheim, s. ausgr.
Heinze, M., s. philos.
— , H., s. Plutarch.
Helsingfors, weibl. Lehranst. 429.
Henkel, H., s. a. gesch.
Hense, 0., s. Stobaeus.
— , 0., krit. blätter 246.
Hercher, R., s. Plutarch.
Herrlich, S., s. röm. alterth.
Hertling, G. v., s. Aristot.
Hertz, M., s. archaeol.
Hertzberg, G., s. röm. gesch.
Heydemann, H., s. archaeol.
Hidder, zur gesch. der schrift 527.
Hieronymus quos noverit script. v.
E. Lübeck 497.
Hildesheim, silberfund 175.
Hiller, E., s. Eratosth.
Hintner, V., s. lat. gramm.
Hirschfeld, G., s. archaeol.
Histor. lat. rel. ed. H. Peter 55.
Hoffmann, P., s. Demosth.
Hoffmeister, s. Lysias.
Hofmann, F., s. Caesar.
Homer. Name und existenz 617.
Benicken, H. K. , 11. lied vom
zorne des Ach. 14; 5. lied 243.
Ellendt, J. E., parallelstellen zu
II. I 283. Haake, A., besitz und
werth bei Hom. 20. Knös, Vil.,
digamma435. Ludwich, A., schob
ad Od. XIII. 12. Schneider , F.,
urspr. der h. gedichte 439. Sor-
genfrey, Th. , de vest. jur gent.
hom. 15.
Hom. hymn. in Cer. , quaest. v. 0.
Gutsche 244.
Homoioteleuton 217.
Hopf, K., s. monatsblätter.
Horaz. Ed. princ. 314. Bacmei-
ster, A., öden übers. 466. Ueber
den Hör. von Lehrs 617. Unger,
R., emend. 464.
Hünnekes, s. Thukyd.
Hüttemann, F., s. mythol.
Hug, s. Plato.
Humann, C., s. archaeol.
Ihne, W., s. röm. gesch.
Inschriften, Bergk, Th., mon. An-
cyr. 385. Dumont, inscr. ceram.
270. Rhosopulos, künstlerinschr.
172. Schrader, F., assyr.-babyl.
keiiinsehr. 219. Smith, G., assyr.
inschr. 316. Inschr. beiRegensb.
gef. 382.
Iris in Creta, s. ausgr.
Isaeus, s. Demosth.
Isocrates 122.
Itala, fragmente in der Laur. 478.
Iacquemart, A., s. archaeol.
Iahnel, J., s. gr. philos-
Iessen, J., s. Lucrez.
Iörgensen, J. P., s. röm. alterth.
Iuba s. Appian.
Iungmann, E., s. Fulgent.
lustin. Rühl, F., textquellen 98.
cf. 266.
Iuvenal, 3. sat. übers, v. H. Schmau-
ser 359.
Kampe, F., s. Aristot.
Kaut, K., s. Plin.
Keil, H., s. gramm. lat.
Kertsch, s. ausgr.
Kiepert, H., s. geogr.
Kiessling, A. , s. Ascon. u. Dion. v.
Hai.
Klosterbibliotheken in Ital. 316.
Knös, W., s. Homer.
Koch, H. A., s. Plaut.
Königswerthersche Studienstiftung
270.
Konstantinopel, gr. syllog. 527. Ire-
nemus. 619.
Krahner, F., s. Caesar.
Kritik, s. Hense, Madvig, Volkmann.
Krohn, A., s. Aristot.
Kühner, R., s. gr. gramm.
Lang, C., s. harmonik.
Latiner, anthrop. charakter dersel-
ben von Niccolucci 126.
Lattmann, s. gr. u. lat. gramm.
Lehrs, K., Jubilaeum 220. 221.
630
Index rerum.
Nr. 12.
Lenzburg, s. ausgr.
Leo, F., s. Aristoph.
Lettich, biblioth. desselben 380.
Lewes, Gr. H., s. philos.
Litteraturgesch. gr., v.Th.Bergk 651.
Livingstone 170.
Livius. Lorenz, dativ bei L. 94.
Lübbert, E., quellen d. IV. bu-
ches 492. Pöble, R., pugn. ap.
Treb. 152.
Loch. s. Plaut.
Löhbach, A., s. Valer. Flacc.
Lorenz, s. Liv.
Lucilius ed. L. Müller 254.
Lucretius. Bindseil , abhandl. 545.
Jessen, J. , verbältn. zu Catull u.
spätem 300.
Lübbert, E., s. Liv.
Lübeck, E., s. Hieronymus.
Lübker, reallex. bes. s. Eckstein 266.
Ludwich, A., s. Homer.
Lysias. Frohberger, EL, ausgew. re-
den 452. Müller, P. R., rede ge-
gen Evander 348. Schoell, R.,
quaest. fisc. exLys. or. illust. 457.
Macchiavelli, ausg., 314.
Madvig, N., advers. 578.
Mainz, s. ausgr.
Manitius, C, s. archaeol.
Marezoll, L. Th., f 175.
Marius Plot., s. grammatici lat.
Martial. Giese, P., de pers. mul.304.
Matscheg, A., s. röm. gesch.
Meissner, s. Cic.
Meister, F., s. Dictys.
Mendelssohn, L., s. Eratosth.
Merkel, R., s. Aesch.
Metrik. Schmidt, H., leitfaden 23 1 ;
gr. metr. 236. Vogelmann , A.,
metr. u. rhytm. Schlüsse 241.
Meyer , W. , s. Publ. Syr.
Milet, s. ausgr.
Mittelbuchen, s. ausgr.
Modestow, s. röm. gesch.
Monatsblätter ed. O. Hopf und 0.
Schade 218.
Mühlheim, s. ausgr.
Müller, A., röm. alterth.
— , H. J., s. gr. u. lat. gramm.
— , L., s. Lucilius.
— , M., das griech. auf schulen 316.
— , P. R., s. Lysias.
Museum, neues Schweiz. 267.
Muraz, s. ausgr.
Mythologie v. Preller bes. v.E. Plew.
63. Hüttemann, F., poesie der
Orestes-sage 199. Philos. der gr.
mythol. 470. Weniger, L. , rel.
seite der pythien 197.
Nauck, A., s. Soph.
Nilbilder v. E. Werner 63.
Niccolucci, s. Latiner.
Nietzsche, F., s. tragödie.
Nitsche, H., s. Xenoph.
Nitzsch, K., s. röm. gesch.
Nonnus, Tiedke, H., quaest. 224.
Numismatik. Catalogue de med.
du Bosph. Cimm. 262. Grote-
fend, C. L., chron. anord. d. a.
silbermünzen 261. Fröhner, W.,
le crocod. de Nimes 216. Vergl.
ausserdem Fox.
Oberdannenburg, s. ausgr.
Octavia, praetexta, 572.
Odessa, s. ausgr.
Orestessage, s. mythol.
Orphici. Schuster, P., de vet. Orph.
theogon. 21.
Osenbrüggen, E., s. Cic.
Ovid. Peter, H., fasti266. Tippeis-
kirch, W. v., übers. 548.
Paedagogik. Schmid, K. A., Haus-
aufgaben 171.
Paul, O., s. Boetius.
Perrot, s. archaeol.
Pervanoglu, s. archaeol.
Peter, H. , s. Ovid u. historici lat
Pfahlbauten 620.
Pfitzner, s. r. gesch.
Philosophie. Heinze, M., lehre vom
logos 81. Jahnel, J., begriff des
gewissens in der gr. philos. 541.
Lewes, G. H., gesch. der a. phi-
los.420. Rechenberg, C. M., got-
tesbegriff in der gr. philos. 346.
Pietrafzewsky, Wittwe dess. 528.
Pisistratus 617.
Plato. Hug, A. , aviopcaoi, cT «ya-
&oi etc. 620. Schneider, G., das
mater.princ. der plat.metaph.334.
Steger, J., Studien 79. Wohlrab,
M., quid PI. de animae mund.
elem. doc. 670 ; Eutyphron 668.
Plautus. Darnmann, observ. 354.
Geppert, C. E., Studien 89. Koch,
H.A., emendat. 250. Loch, gebr.
des imperat. 992. Vergl. auch
Terenz.
Plew, E., mythol.
Plinius (d. jung.) Kaut, K. , syntax
u. stil 505.
Plutarch. Heinze, M., untersuch. 535.
— Horcher, R., moral. 328.
Pohle, R., s. Liv.
Nr. 12.
Iudex rerum.
631
Pompeji, s. ausgr.
Pomponia Graecina v. C. Wandin-
ger 702.
Preller, s. mythol.
Properz. Voigt, R., de IV libr. 357.
Publ. Syr. Sentenzsamml. v. W.
Meyer 91.
Pythien, s. mythol.
Quitzmann, älteste gesch.Baierns619.
Raspe, G. E. IL, s. allg. gramm.
Räumer f 429.
Rechenberg, C. M., s. philos.
Regensburg, s. ausgr. u. inschr.
Rhetorik der Gr. u. R. v. R. Volk-
mann 321.
Rhosopulos, s. archaeol. u. inschr.
Ribbing, S., s. Socrates.
Richter, F., s. Cicero.
— , J. , UltramoDtanocommunisten
425.
Ritter, F., s. Soph.
Roeper, Th., s. Ennius.
Roessler, Th., s. Dioriys.
Rohlfs 430. 575.
Rom, s. ausgr.
Rosseische artefaktensamml. 267.
Rudorff, A., t 174.
Rühl, E., s. Justin.
Rufus. Förster, W. , de R. brev.
ejusque cod. 99.
Russ. seminar in Leipzig 620.
Sallet, s. archaeol.
Sallustius. Dieck, Codices 361. 695.
Dolega, de S. imit. Thucyd., De-
mosth. , etc. 306. Dübi, H., de
fontibus 488. Sissa, L., hand-
schr. 489.
Samothrace, s. Conze.
Schade, 0., s. monatsblätter.
Schenkl, C., s. Val. Face.
Scherer, J., s. gr. gramm.
Schiller, IL, s. r. gesch.
Schlesien, s. ausgr.
Schliemann, s. ausgr.
Schmauser, H., s. Juvenal.
Schmid, K. A., s. Paedag.
Schmidt, F., s Terenz.
— , H., s. metrik.
Schmitt-Blank, J.C., s. lat. gramm.
Schneider, s. Tibull.
— . G., s. Plato.
— , F., s. Homer.
Schnorbusch, s. lat. gramm.
Schoell, R., s. Lysias.
Schoemann, jubil. 429.
Schöntag, F., s. Tacit.
Schrader, s. inschr. u. archaeol.
Schubring, s. archaeol.
Schulconferenz in Berlin 575.
Schulgesetzsamml. 172.
Schultz, F., s. lat. gramm.
Schuster, P., s. Orphici.
Schwarze, G. A. C., s. Demosth.
Schweizer gymnasialwesen, publica-
tionen 257.
Seligenstadt, Votivaltar, 269.
Seligmann, S., s. Sophocl.
Setzerstrike 127. 314. 381.
Siebenbürgen. Benndorf,0.,reise479.
Sirker, C, s. Tacit.
Sissa, L., s. Sallust.
Smith, s. inschr.
Socrates, Rilbing, S., studien 75.
Sollet, s. archaeol.
Sommerbrodt, J., s. Cic.
Sophokles. Blaydes, F., Trach. 290.
Nauck, A., Ajax 248. Seligmann,
L., beitr. zur Antig. 295. Ritter,
F., Oedipus 28. Westermayer, A.,
(Electra) 35. Vergl. Aesch.
Sorgenfrey, Th., s. Homer.
Spanier, verlagsbericht 314.
Spartiani vita Hadr. ed. J. Center-
wall 493.
Spiegelthal , geschenk an das Ber-
liner mus. 575.
Stacke, s. alte gesch.
Stark, B., s. archaeol.
Stazzona, s. ausgr.
Steger, J., s. Plato.
Steffen, C., s. Terenz.
Sternberger see, s. ausgr.
Steup, J., s. Thucyd.
Stobaeus. Lect. Stob. v. 0. Hense390.
Strassburg, s. ausgr. Univ. 318 ; rec-
toratswechsel 62; biblioth. 171.
Struve, C., s. archaeol.
Syra, s. ausgr.
Tacitus. Schöntag, F., beitr. 97.
Sirker, C., formenlehre 153. Cf.
auch 265.
Terentius. Schmidt, F., schauspieler-
zahl bei PL u. Ter. 460. Steffen,
C., de actorum num.460. Cf. auch
572.
Thisbe, s. archaeol. (Foucart).
Thukydides. Beck, C, reden u. Ur-
kunden übers. 39. Goodwin, beitr.
39. Hünnekes, beitr. 39. Steup,
«L, abschl. des fünfzigjähr. ;frie-
dens 39.
Tiberius, s. röm. gesch.
Tibullus. Groth, quaest.546. Schnei-
632
Index rerum.
Nr. 12.
der , de vers. ord. mut. in duob.
carm. 355.
Tieck 383.
Tiedke, H., s. Homer.
Timur, biblioth. 575.
Tippeiskirch, W. v., s. Ovid.
Tragoedie, gr., v. F. Nietzsche 134.
Trendelenburg, s. archaeol.
Trier, Dom, s. Wilmowsky.
Troja, erforsch, der gräber, 269.
Vergl. ausgr.
Ubiorum ara 265.
Unger, R., s. Horaz.
Universitätsangelegenheiten 472.
Vahlen, J., s. Cic. u. Aristot.
Valerius Flaccus ed. C. Schenkl 144.
Idem, Studien 144. Löhbach, A.,
studien!78. Abfass.der Argon.313.
Vergil im mittelalter v. D. Com-
paretti 376.
Versammlungen , s. Aschaffenburg,
Constanz, Frankfurt, Güstrow;
ferner gelehrten versamml., schul-
conferenz.
Vogelmann, A., s. metrik.
Vogt, E., s. Claudian.
Voigt, R., s. Properz.
Volkmann, R. , observ. misc. 391;
cf. rhetorik.
— , D., s. geogr.
Voss, grab desselben, 270.
Walberg, C. A., s. Eurip.
Wandinger, C, s. Pompon. Graec.
Weil, s. archaeol.
Weniger, L.. s. mythol.
Wentzel, s. gr. gramm.
Werner, E., s. Nilbilder.
Wesenberg, A. S., s. Cic.
Westermayer, A., s. Soph.
Wilmowsky, d. dorn zu Trier, 266.
Winkler, s. 1. gramm.
Wirz, H., s. Cic.
Woelfflin, E., s. Antioch.
Wohlrab, M., s. Plato.
Wolf, G., s. archaeol.
Wood, s. ausgr.
Wrampelmeyer, H., s. Cic.
Wutke, 8. Caes.
Wuttke, H., s. geogr.
Xenophon. Nitsche.H., abfass. der
hell. 139.
Zell, K., f 171.
Zittel cf. ausgr. (Sternberger see).
Index locorum.
Aesch. Ag. 125. 28
1287 ff. 216
1514. 1628. 1632 27
— Choeph. 23. 35. 42. 57 ff.
61 ff. 247
230. 239 248
773 28
— Pers. 168. 316. 465. 731. 778.
805. 893 26
922 28
— Prom. 726. 791 26
49 28
— Sept. 10 617
25 28
— Suppl. 735 28
Alciphr. II, 3 375
Alcm. fr. 45 242
Anal, gramm. (Wien, ausg.) Claud.
Sac. I § 101 370
Andoc. I, 38 572
Apoll. Rhod. I, 76 392
Appian. I, 1 — 37 123
— Celt. 18 181
Apul. Apol. 4 393
Aristid. (Dind.) or. IV, tom. 1
p. 47 u. 49 394
Aristod. (Wescher) p. 355, 19 393
Aristoph. Ach. 203 328
234 326
242. 245 328
244—46. 275 328
920 f. 572
— — 1023 239
— Eccl. 890—92 237
— Plut. 50 443
69 445
98 444
136 445
404 444
445. 583. 556 445
— — 637 444
737 444
1005. 1078. 1082 445
— Thesm. 101—129 237
— Vesp. 36. 162. 342. 1178 572
Aristot. Anal. post. I, 5, 74a,
Nr. 12.
Index locorum.
633
16 f.; c. 10, 76b, 33; II,
3, 91a, 7; 8; 9; c. 17,
99b, 2; c 31, 181b, 39f., 681
— Phys.III, 5, 204b, 227; 205a,
*25; IV, 8, 215a, 12; c. 9,
217a. 10 ff.; V, 4, 228a,
14; 18; VI, 5, 235b, 24;
6, 237a, 4; 236b, 32;
8,238b, 29: 35; 9, 240a,
16 681
— Pol. V, 9, 21 205
VII, 1 673
— Psych. I, 4, 409a. 24 683
II, 2, 414a, 10 682
8, 420a, 7-9 683
420a, 10 682
10, 421b, 19 682
— III, 4, 429b, 23; 6, 430b,
21; 13, 435b, 6 683
— Rhet. I, 2 590
— Met. IX, 1047a, 25 683
Ascon. (Or.) p. 3, 7 259
p. 6, 8 258
» 14, 24; 19, 2; 41, 23;
48, 11 259
» 61, 11 258
» 66, 3 259
» 68, 5 258
» 77, 16; 81, 5 259
Bell. Afr. 19. 20. 26. 38. 50. 88 182
Boet. de mus. I, 1 279
I, 1, 3, 6, 9, 20, 21 281
I, 2, 3, 5, 34 280
Caes.B. G. VI, 35, 7; VII, 56, 2 396
Catull. 64, 45; 49 123
Cic. or. p.Arch. §§ 11. 14. 32 116
— div in. Q. Caec. § 4. 6 115
§ 14. 20. 26 116
— or. p. Cael. § 8 111
» § 11 112
» § 12 111
» § 16 112
» § 34 111
» §§ 48. 52 112
» Dej. §§ 8. 9. 13. 16.
23. 29 114
» § 34 115
» Lig. §§ 11. 12. 22 114
» Marc. §.8. 9. 10. 12.
23 114
» Mil. §§ 11. 14 703
» § 67 704
— de Leg. I, 8. 11. 14. 15. 19.
23. 25. 27 105
I, 30 104
34 105
35 106
Cic.
de Leg. I, 37
— I, 40
42. 48
49. 52. 54
63
— H, 3
4
5. 6
11
14
16. 22. 28
29. 32
37. 38
46.
48
58. 59
63. 69
— III, 1. 12
14. 18
29
38
39
Orat. 3
— 6
— 13. 16. 20
104
106
105
106
105
106
104
106
104
105
106
105
106
104. 105
105
104
106
105
104
105
106
105
108
109
110
— Tusc.1,27. 48. 50. 78. 79 f. 557
— Epist. (Wesenb.) I, 2, 4; 7,
10; 9, 19; 111,2,2; 10,
11 161
III, 12, 1; IV, 7, 6 160
IV, 9, 4 161
V, 7, 1 161
7, 5 160
13, 4. VI, 5, 3; 17,
1; VII, 1, 4; IX, 14,3;
X, 12,2; 21, 7; XI, 11,
2; XII, 15, 6; 25, 5;
XIII, 1, 2; 6, 4; 7 161
XIII, 11, 12 160
24, 2; 43, 1; 61, 1;
68,1; 71, lff.; XIV, 4,
6; 19, 1; XV, 4, 6; 14,
3; 14; 9; XVI, 3, 2 161
— ad fam. I, 9, 20\ .„,
X, 24, 3/ 161
— ad Q. fr. I, 1 ;10; 40; 45;
II, 4, 2; 5, 2 161
Cic, Qu., de pet. cons. 3. 4. 7.
8. 10. 16. 23. 26. 33 162
34 161
34. 44 162
Demosth. in Timoth. p. 1185 5
Dictys (Meister.) pp. 1, 20; 7,
19; 11, 11; 18, 20; 22,
7; 25, 20 554
pp. 29, 7; 40,25; 51, 1;
634
Index locorum.
Nr. 12.
75, 20; 89, 6; 90,
22
Eurip. Iphig. 1371
660
102, 5; 103, 28
556
1424
657
I cap. 17. 21. 22
367
1461
660
II, 2, 8; 6, 7; 14,
26;
— fr. 245
390
15, 18; 17, 10
368
363
246
— - II, 19
367
585
390
20, 6
368
793
246
21
367
— fr. bei Stob. flor. 68, 12
390
24, 17
368
Eutrop. I, 11; II, 5, IV, 12
25. 26. 31
367
VI, 23; 24; VII, 19; VIII
J
■ 26, 23
368
8; IX, 27
551
31
367
Fulgent. I, 14
616
33, 27
368
II, 2; 13; 15
615
43
367
III, 1; 5
616
—>m 46, 27; 47, 6
368
— Verg. cont. 156
616
Epicharm. ap. Stob. flor. 38, 21
390
164
617
Eratosth. carm. (Miller) fr
11
Galen, adhort. ad art. disc. lc
392
16. 18
288
— de opt. doctr.
392
— fr. 23. 27. 28
289
Gellius 17, 21
579
30
289
290
Hom. 11. I, 19; 64; 395
216
32
289
Homerschol. Od. XIII, 12
12
33
290
XIII, 46. 81
13
Eurip. Ale. 989 (1000)
238
— 82. 98
12
— Androm. 398. 1139
313
104.106.113.142.144 13
— Elect. 169
442
152
12
— — 238
441
182. 190
13
335.418. 436. 448.
538
208
13
543. 566. 567. 589
442
214
14
651
441
222
13
657. 661
442
— 234. 244. 256
12
663
441
260. 261. 268. 250
13
719. 813.637. 910.
923
280
14
952. 984
442
308. 337. 397. 434
13
1002
441
438
12
— — 1180. 1304
442
Hom. Hym. in Cer. 15. 64
246
— Iphig. lff.
656
Horat. od. I, 2, 21 ff.
394
18
659
2, 39
313
31
658
7, 29
393
52. 59 f. 62
659
12, 23; 37
466
97 f.
660
15, 12
466
124
656
II, 8, 14
466
135
659
— Sat. I, 5, 87
396
._ — 227
660
— Ep. II, 2, 29
396
256
659
171
579
273 f.
660
— Schob ad Epod. XVII, 73
393
351. 352 f.
661
Itin. Alex. (Volkmann.) c. 1 init.
362 f. 432
657
c. 9; 19; 20
' 258
452 £f.
661
Juvenal.111,31; 94; 112; 278 ff
361
465 f. 475 f.
659
Lactant. Inst. div. II, 3; 14
514
657
16; III, 6: 12; 14; 28
573
661
IV, 14; 20; 23; 27; 28
939
657
VI, 13; VII, 3
394
1046
659
Liv. 1, 1, 8
96
1059. 1155
660
- 21, 56, 8
153
1181
65!)
— 26, 35, 4
95
1218. 1328
659
47, 1
123
1352
061 ;
— 29, 23, 2
%
Nr. 12.
Index locorum.
636
Liv.
35, 11, 10
95
Nonnus Dionys. 26
244
287
Lucian. Alex. 28
394
—
— 31, 193
286
— Ver. Hist. II, 25
392
—
— 37, 55; 38,
249
287
71.
TrjS TltQfyQ. Tik.
392
—
— 42, 416
286
Lucil
(Müller.) lib. 1,8;
3, 18
•
—
— 43, 1261
— 48, 500/
9, 4; 14, 4; 17
255
—
285
— —
lib. 26, 52; 96 f
; 85
i
—
Metab. B 102
285
28', lf.; 11; 43;
61
256
—
— J 96 f.
286
— —
lib. 29, 66; 73 ; 7
3; 30
i
—
119
287
23; ine. 79; 80;
108
257
—
— E 98; 130
286
Lucil.
bei Cic. Tusc. I,
5, 10
394
—
— Z 186
286
Lucr.
IV, 79
544
—
— II 19
285
85. 323. 334. 383
545
—
— 0 147
285
Lys. or. I § 21
349
—
— K 129
285
— —
III, §§ 4. 39
349
—
— A 220
285
— —
X, 7
349
—
- M 13
286
_ —
XVI, 9
452
—
163
285
— —
— 13
453
—
— P 71
285
— —
XVIII, 10
313
—
— 2 32
285
— 14. 26
458
—
115
286
— —
— 26
459
—
— T 101. 159.
201
286
— —
XXII, 33
349
—
— ^ 37
285
— —
XXVI, 1. 3. 6. 7
348
Pacuv. v 127 Ribb.
(Dulor. fr
— —
— 8
349
7, 2)
572
— —
— 10
348
Pind. I. 1
602
— —
— 11. 13. 16. 19
. 21
349
—
— 1, 18
599
— —
XXVII, 2
349
459
—
25
595
XXIX, 8
452
—
— 4, 34; 43
596
— —
XXX, 2
452
—
56 ff.
602
— —
— 21
453
—
— 5, 1—7
596
— —
XXXI, 1
453
—
N 7, 46 ff.
598
— —
— 4. 6
454
—
— 8, 22 ff.
598
— —
— 10
452
—
— 9, 35
598
— —
— 13
454
—
— 10, 48
600
— —
— 27. 37
455
—
O 1, 97
595
Mar. Victor, p. 111 K.
246
—
— 2, 30
595
Man.
Anc. z. 3. 5
369
—
— 5, 47 ff.
598
— —
z. 6
387
—
— 6, 40
597
— —
» 8
389
—
— 9, 53 ff.
602
— —
» 9
388
—
P 1, 36
599
» 12
389
—
— 1, 75-80
601
— —
» 13. 14
387
—
80
595
— —
» 15
389
—
84
601
— —
» 18
388.
389
—
— 3, 11
601
— —
» 19
389
—
— 5, 79
595
— —
» 20. 21.23. 24. 2
5. 26.
—
— 9, 26-30
600
29. 31
389
—
— 10, 37
601
— —
» 33-35
388
—
— 11, 55 -58
599
— —
» 35. 38
389
Pir
darschol. Ol. V,
42
393
Nepos
Chabr. 1
246
Plat. Crat. 402 A
22
— Ep
am. 2, 2; 4, 6; 8,
3
230
—
Eutyphr. 4 B
668
669
— Milt. 5, 2
230
—
— 5 B. 6 A
669
Nonius p. 281
579
—
— 7 B
668
Nonnn
s Dionys. 5, 193
287
—
— 8 A. 9 B. E
. 11 B. E.
— —
7, 345
285
12 A. 16 A
669
— —
15, 368; 17, 311
286
—
Lach. 186 B
669
24, 345
285
—
Leg. IV, 714 B
205
636
Index locoi
um
Nr.
12.
Plat. Leg. IX, 857 E
204
Plutarch. Cic. 29
392
X, 889 E
205
—
Cim. 8
73
— Phaedr. 235 B. 239 A.
247 B.
—
Flamin. 21
573
265 E
589
—
Symp. I, 1, 1; 3; II, 1, 5
391
277
590
—
—
V, 3, 2; 5
538
397—402
589
—
—
VIII, 4, 5 ; XIII, 1
392
— Soph. 254 D
450
—
Mor. 112, 12; 14; 18
332
— Symp. 174 B
606
—
—
113, 15
331
— Theaet. 175 C
579
—
—
— 22; 23
332
— Tim. 35 A. B.
448
670
—
—
114, 19
332
Plaut. Amph. 439
692
—
—
116, 1
331
— Aul. II, 1, 1 ; II, 8,
1
252
—
—
— 2
332
— Bacch. 518
90
—
—
— 8
331
— Epid. II, 2, 98
253
—
—
117, 12
333
— Men. 236
253
—
—
— 14; 16
332
350
251
—
—
118, 5; 119, 17
333
876
253
—
—
121, 18
333
1039
693
—
—
122, 22
331
— Merc. 308
251
—
—
123, 11
332
542
251
—
—
— 27; 126, 6
331
573
253
—
—
126, 17
332
— Mil. 41
252
—
—
127, 13; 27
333
66. 393
90
—
—
129, 16
332
573
694
—
—
— 18
331
660
252
—
—
130, 6; 16
332
679
251
—
—
131, 16
332
700. 707. 721. 724. 865
90
' —
—
— 20
333
— Most. 978. 1047
251
—
—
132, 12
332
1165
254
—
—
— 14
333
— Pers. 332
252
—
—
— 17; 27
331
357
91
—
—
133, 10; 18
331
480
90
—
—
— 23
332
— Poen. I, 2, 24
91
—
—
134, 2
331
— Pseud. 251
253
—
—
- 11
332
1191
251
—
—
— 22; 25
333
1241
254
—
—
135, 20
332
— Rud. 577 (II, 7, 20)
251
—
—
— 24
332
709 (III, 4, 4)
253
—
—
137, 9; 10
331
— Stich. 84
354
—
—
— 26
333
140
90
—
—
138, 14; 23
332
230. 288
355
—
—
139, 3
333
393
355
—
—
— 8
332
395
90
—
—
— 9
331
478
251
—
—
— 28 331
. 333
480. 483
90
—
—
140, 8; 21; 24
332
520
91
_
—
— 26
331
699
90
—
—
141, 14; 142, 25
333
— Trin. 807
693
—
—
143, 10
332
— Truc. II, 6, 83 f.
255
—
—
— 17; 144, 19
333
III, 1, 15
255
—
—
145, 13
332
IV, 2, 1 f.
572
—
—
— 22
331
Plutarch. Tifni dtfok. 2
537
--
—
— 28
333
— — — 3
540
—
—
146, 5
333
4. 7. 8
538
—
—
- 21
332
— de aud. poet. 16 C
392
—
—
147, 2
332
— — comm. not. 32 p.
1075 E
392
—
—
— 4
333
— — Is. et Os. 77 p.
382 B
82
—
—
148, 19; 28
332
Nr. 12.
Index locorurn.
637
Plutarch. Mor. 148,
24
333
Sallust. Jug. 23
363
698
— —
148, 25
331
— _
102, 8
364
149, 1; 7
332
Senec
. (Rhet. ed. Burs
) H5,
— —
150, 7
332
26; 133, 17 f.
617
— —
151, 15; 152,
17
332
— (Phil
; 5, 7
— —
153, 16
331
9, 16; 12; 14,
8; 18
— —
— 19; 154, 2
; 9;
16
332
24, 1; 27, 1; 29,
2; 38
— —
155, 1; 16
333
2; 49, 1; 100, 9
393
— —
— 15
332
Soph.
Aj. 366. 532. 57
6. 649
— —
156, 10; 25;
157,
10
332
700
250
— _
159, 10
333
— —
916. 961
123
. _ _
160, 8; 13
332
— —
1237
250
— —
— 10
333
— Antig. 110
617
— —
— 27
331
— —
211 f.
572
— —
161, 11; 28
333
— —
904-15
216
— —
162. 3
333
- Oed. R. 2
31
— _
— 1; 12; 13
•
332
— —
12 ff.
29
— —
163, 1; 25
332
_ —
17
34
— —
— 8
-
333
35. 39
29
164, 25
331
— —
51
34
— —
165, 1; 29
332
— —
80. 109. 129
29
166, 4; 14
333
161
34
— —
— 7
332
— —
167
31
— —
167, 15
333
— —
220
30
— —
168, 1 ; 6
333
224—232
33
— —
— 3; 169, 6
331
— —
228. 230
34
Propert. V, 1, 33-36; 4
, 35 ,
236—245
33
5, 29 f.
358
— —
261
30
— —
6, 55; 7, 23
; 35
; 38;
— —
267
34
73; 8, 2; 19;
20
359
— —
324
35
Publ.
Syr. (Woelffl.)
116.
155
411
34
178. 215. 230.
243.
246
— —
430
29
284.
309
— —
500
32
— —
655. 656
93
— —
511
34
Quintil. VIII, 3, 54
393
— —
538
31
— x,
1, 104
217
— —
579
32
Eufi brev. 2. 6. 8. 22
102
— —
682
34
Sallust. Cat. 20, 7
363
— —
724
31
— —
— 14
364
— —
1000. 1001. 1208.
1320.
— —
33, 1
363
1382
32
— —
50, 4
229.
396
— —
1423. 1524-30
34
— —
51, 4; 9; 11;
12
397
— Trach. 112
295
— _
11. 35
363.
697
— —
145
291
— —
— 45
363
— —
178
295
— —
52, 2
363.
697
— —
380
292
— _
— 33
698
— —
381
290
— —
— 35
363
_ —
400-4; 453
291
— Jug. 14, 11
363.
698
506
290
— —
- 24
364
— —
517
292
— —
24, 9
363
— —
548. 555
291
— —
31, 10; 25
698
— —
590
290
— —
— 14
363
— —
603
295
— _
35, 10
393
— —
675
295
— —
85, 3
364
— —
728
291
_ —
— 5
698
_ —
738. 781. 803
292
— —
— 14
364
_ —
810
295
_- _
— 16
698
815. 903. 911
292
638
Index locorum.
Nr. 12.
Soph. Trach. 1014 291
1071 295
1112. 1238 292
Schol. ad Trach. 243 294
526 ff. 293
602. 661. 866 294
Vit. Soph. 74
Stob. Ecl. I, 178 82
— Flor. III. 81 82
20, 18 ; 38, 21 ; 68, 12 390
Suid. V. 2orf>oy.k. 72
Tac. Ann. I, 10 97
II, 33 217
48; 60 97
IV, 3 99
XIII, 3 156
XIV, 61; XVI, 22 97
— Hist. II, 45; III, 18 98
IV, 14 99
41 98
50 97
— Agr. 24 579
— Germ. 19 99
— Dial. 37 156
Ter. Haut, 90 f. 579
— Phorm. 664 251
Thuk. 1, 21 123
— 2, 15 373
6, 2, 1; 5; 3, 1; 2; 4,
2; 4; 5, 3 36
— A (Bekk) 22, 13-17 49
82, 122-28 45
— r 17 50
31, 1-3 40
34, 11 47
39, 19 41
53, 27-31 49
— J 98, 11 42
— E 10, 17 44
13,16-20; 14, 15; 16;
17, 27 50
— Z 31, 12 46
Val. Flacc. I, 13 150
I, 17. 19f. 38. 49 149
63 179
130 149
200. 243 178
242 179
— - — 249 147
330 147. 149
331 151
410. 490 145
508 178
513 150
515 178
524 179
529 180
Val
. Flacc. I, 535
177
— I, 579
147. 151
593
147
662. 779-84
145
781—84
151
797
177
827 ff.
146
833
150
— II, 75 ff.
180
90
149
103
145. 180
284
149
317
145
— — 328
144
331
145
395
179
453. 467
145
524
177
565. 656
145
— III, 146-185
149
207
151
208
178
273
146
295
149
439
179
469. 593
149
— IV, 200 ff.
145
213
146
— — 279 ff.
145
428
148
440
178
— V, 147
148
426
146
— — 460
148
540
151
— — 556
145
584 ff.
146
660
149
669
145
670
179
- VI, 95
145
102
145. 151
238
146
241
149
288
151
300
179
439-76
149
570. 571
1-15
572-74
177
755
178
— VII, 20
149
119
178
— - 135. 226
149
240. 341
177
— — 486
149
572
1 1 5
- VIII, 139
145
Nr. 12.
Index rerum zu den excerpfen.
639
Val. Flacc. VIII, 224
177
Var. de 1. L. p. 397. 496
587
VUI, 265. 434
149
p. 499.
586
440
145
» 506 "
585
Varr. de 1. lat. p. 25
585
• 532. 539
586
p. 137. 220
584
»540
585
> 263
585
Xenoph. Hell. XI, 4, 30
313
> 283
584
Index rerum zu den excerpten.
Abbeloos, J. B., s. Gregor. Barhebr.
Abydos, s. aeg. reiseberichte.
'dywv'OfXTjo.-/.. 'Hg. v. Nietzsche 625.
Aegypt. reiseberichte von W. Lauth
176. 271. 272. 317. 384.
Aelius Promotus, v. Kohde 625.
Aeschylos s. Naeke.
Afghanen, spräche, 318.
Africa, forschungswerk, 271.
Alphabet, etrur., s.inschr. (Momm-
sen).
Alter des menschengeschl. 272.
Alterthümer, s. inschr.
— in der Pfalz 272.
Amari, M., s. Araber.
Ammian. Marceil., v. Rühl 625.
Anselm d. perip. v.E. Dümmler320.
Anthol. gr. , s. Dilthey, lateinische,
s. Ritschl.
Antigone, s. Augsburg.
Antiqu. funde als gegenst. des ex-
propriationsr. 528.
Apollogrotte, s. Athen.
Apollonii r. Tyr. hist. 624.
Araber in Sic. v. M. Amari 272.
Archaeologie. Benndorf, O., bet.
Knabe 272. Bergau, R., riesen-
säule im Odenw. 224. Braun, J.,
gesch. d. kunst 623. Conze , A.,
antiken der Marciana 430; reise
nach Samothr. 576. Curtius, E.,
geb. des Erichthon. 224; bruch-
stück e. wandgem. 431 ; entdeck,
inllion; säulenrel. zuEphes. 224.
Fränkel,M., zurVen. v. Milo 576.
Friedländer, L., s. Wieseler. Gra-
ser, B., bronzebruchst. eines fahr-
zeugs v. Act. 224. Heibig, W.,
campan. Wandmalerei 431 ; Duris-
vase 176. Heydemann , H. , vier
wandgem. v. Stab.; Adonia auf
e. vase; wuth des Lyk.; antiken
v. Pourtal. 224; pomp. wandgem.
430; grossgriech. terracottengef.
Philol. Anz. V.
576; zuFröhner: deux peintures ;
teller aus Kameiros 224. Hirsch-
feld, G., nachtr. zu att. künstler-
inschr. 223; altatt. lekythos 576.
Holm , entdeck, in Selinus 624.
Hübner, E.,madrid. Sapphoherme ;
gräbst, des Antip. von Ascal. ;
ausgr. in der Saalburg; alterth.
von Posen 224; röm. Inschr.
in Frankf. a.M.; arch. Unterricht
inltal. 576. Lang, A., pottery of
Cyprus 576. Lolling, G. H., rei-
senotizen aus Griechenl. 576. Lü-
ders, R., funde bei Decelea 576;
westfries der cella des Parth. 576.
Matz,E., sarkoph. aus Patras223.
Michaelis, A., att. Unterricht auf
einer vase des Duris 571. Mur-
ray, A. S., weihgesch. des Attalus
576. Overbeck , J. , kunstmyth.
624. Schlie, metope v. Ilion272.
Schoene, R. , gr. reliefs 320; vo-
tivrel. aus Megara 576. Schu-
bring, entdeck, in Selinunt 431.
Schulze, E., Leesen'sche vasen-
samml. 430; giebelgr. des Juppi-
tertemp.; des Herculestempels in
der P. Trigem. 223. Trendelen-
burg, G., capit. Stadtplan ; eroten-
fries aus Pomp. 576. Valentin,
V., hohe frau v. Milo 271. Wat-
kies Lloyd, W., Herakl. auf ska-
rab. 576 Weil, phthiot. localsa-
gen 576. Wieseler, F., heerd und
feuersymb. bei Volc. mit Antw.
v. Friedländer 224 ; zum Zeus des
Phid. 431; Venuskopf, Hera, krie-
gerrelief, terrae, geräthe 576.
Wörmann, K., pomp. anmerk. 224.
Vergl. Friedrichs, Benndorf, Athen,
ausgr., Beule, inschr., Kraus.
Archaeol. gesellsch. 224. 431.
— institut 224.
Archilochos, fabel, v. Buchholtz 625.
41
640
Index rerum zu den excerpten.
Nr. 12.
Ardschi Bordscho s. Benfey.
Areopag, 175.
Aristoteles. Gotschlick, C, verschied.
u. einh. der zeit 528. Poetik, v.
Susemihl 625. v. Vahlen 625.
Assopios f 175.
Assyr. entdeck. 318; keilinschr. 127.
Athanas. glaube v. Th. Duffus Hardy
480.
Athen, antike statuen 271 ; gesch.
der hochschule v. C. Wachsmuth
384; antikensamml. 175; zur to-
pogr. v. Lolling u. "Wieseler 480;
pnyx, metroon, Apollogrotte, ßyjfxa
480.
Athena, etymol., 128.
Attalosstoa, 175.
Augsburg, vorles. der Antig. v. N.
Köhler 318.
Augustinus, verse üb. die bibel271.
Auerbach 176.
Ausgrab, in Rom 176. Trojal76.224.
271. 384. 431. 480. 528.
Babyl. mine, v. H. Ewald 576.
Badham, conjectanca 625.
Baer, E. W. v., zum darwinism. 318.
Baehr, J. C. F., 64.
Baehrens, E., s. Panegyr. Statius.
Bair. armee, 271.
Baker 271; brief an Rawlinson 480.
Bamberger, s. Napol.
Baumann, philos. Orient, über die
weit 271.
Beatus Rhenanus v. A. Horawitz432.
Bellermann, H., zur gr. harmonik432.
Belloguet, R. de, f 175.
ßtjpa, s. Athen.
Benfey, Th., stücke des Ardschi
Bordscho im Pantschat. 432. s.
gramm.
Benndorf, O., s.archaeol. u. Selinunt.
Bergau, R., s. archaeol.
Berlin, univers., 384.
Bernoni, cant. pop. venez. 318.
Bethlehem, heil, grotte 479.
Beyschlag, W., s. Nitzsch.
Bischoff, s. Palmyra.
Bismarck u. Mühler 271.
Blass, ged. des Simonid. im Pro-
tag. 624.
Blaustrümpfe 176.
Boetius übers, v. 0. Paul 320.
Braniss f 384.
Braun, s. arcbaeol.
Braunsberg, gymn. 127.
Brizio, s. inschr.
Buchholtz, s. Archilochos.
Bücheier s. Themist., Dracont., Ju-
ven., Nigidius.
Bunsen, s. Fried. Wilh. IV.
Burnouf, E., la legende ath. 128.
Caelische geschichtsschreibung 480.
Camerarius, zu Plaut., 625.
Cariere 623.
Celsus wahres "Wort 318.
Chaldäischer fluthbericht 175.
Christ, N., 625.
Cicero, s. Eberhard, Ziegler.
Ciofi, A., s. inschr.
Circe, Cap der, 384.
Claretta, zur diplomatik 320.
Clason, O., s. Nitzsch u. presse.
Claudian, beitr. v. Jeep 624. 625.
Cleopatra, s. inschr. (Mommsen) 319.
Clemm, oracul. Pyth. 624.
Comparetti s. Vergib
Constant. Porphyrog. v. A. Ram-
baud 320.
Conze, A., s. archaeol.
Corporare 624.
Corpus inscr. Rhen. 625.
Cuno, s. Ligurer.
Curtius, E., s. archaeol.
Czolbe, philos. werke 384.
Dahlmann,Fr.Chr.,v. A.Springer431.
Dahn, F., s. Thule.
Darwinismus, s. Baer u. descendenzl.
Demosth. mql naQunqiGß. v. 0.
Gilbert 480.
Descendenzlehre 271. 272.
Dilthey, zur gr. anthol. u. zu den
hymnen 624.
Dindorf, s. histor. gr. u. Euseb.
Dionysos, etym., 432.
Dracontius 625.
Drymien, 624.
Dümmler, E., s. Anselm.
Düntzer, H., s. Homer.
Dürer, s. inschr. (Schoene).
Dumreicber, univ. in Oestr. 272. 384.
Durisvase, s. arcbaeol. (Michaelis u.
Heibig).
Dziatzko, zu Horaz, 625.
Eberhard, lect. Tüll. 625.
Ebers, papyr. v. Aeg. 272. 318.
Eichenkranz bei Zeus, s. Archaeol.
(Wieseler).
Ekkehardi Waltharius ed. R. Pei-
per 480.
Elsass-Lothr., stell, der lehrer, 431.
England, Unterricht, 126. 431.
Ephem. epigr., s. inschr.
Ephesos, s. Stark.
Episcop., s. Kirchenconfl.
Nr. 12.
Index rerum zu den excerpten.
641*
Erasm. Kotterd. v. Ph.Woker 319.
Erdbeben in Ital. 384.
Eridanus s. Thule.
Erotem. phil. 625.
Eudaemon. und franz. litt. v. A.
Willstock 480.
Europ. wissensch. u.türk. kritik384.
Euseb. Caes. ed. G. Dindorf 625.
Ewald, EL, s. babyl. mine.
Expropriationsr. s. antiq. funde.
Falk, s. kirchenkonfi.
Felix felic, s. inschr. (Schoene).
Fischer, K., s. Sckelling.
Flamonium, flaminium s. inschr.
(Mommsen).
Fränkel, M., s. archaeol.
Franz. litt. s. eudaemonismus.
— kriegslitt. 127.
— unterrichtswesen 480.
Frauenfrage, (Marquardsen) 528.
Friedländer, L., s. archaeol.
Fried. Wilh. IV., briefwechsel mit
Bunsen, hgeg. v. Ranke 272.
Friedrichs nachlass 127.
Gablee, H., s. Niederlande.
Garucci 176.
Gaudeamus 271.
Geiger, L., s. Juden.
Geizkofler, Luc, v. A. Walch 384.
Geizer, kleinas. inschr. 624. s. Ly-
kurg.
Geol. bilder von Hochsteller 528.
Geogr. Unterricht, v. Gerster 528.
Geogr. gesellsch. in Lond. 64.
Gerster, s. geogr. Unterricht.
Gigantenstoa 175.
Gilbert, 0., s. Demosth.
Gildemeister, s. Themist.
Grill, s. Juden.
Gleichen-Russwurm, freifr. v., 127.
Gotschlick, C, s. Aristot.
Gräberstr. in Athen 175.
Grammatik. Benfey, Th. , indog.
partic. perf. pass. 432; anti, äti,
ianti, iäti 432. Herrmann, E.,
gramm. Wortklassen 528. Wil-
helmi, E., infinit, im Indogerm.432.
Grammatici lat. ed. Keil 625.
Gramont 224. 271.
Graser, B., s. archaeol.
Graz, mädchenlyceum 271.
Gregor. Barhebr. chronic, ed. J.B.
Abbeloos et Th. J. Lamy 480.
Gregorovius, gesch. d.stadtRom,271.
Griech. zustände 528.
Gymnasiallehrervers., mittelrhein .
384.
Haber gegen Ziegler (Strauss) 176.
s. Semper.
Haledau, schiramelkirchen 271.
Halevy, J., rapp. sur une miss. arch.
dans le Yemen 320.
Hardy, Th. D., s. Athanas. glaube.
Harmonik, s. Bellermann.
Hassler, K., 272; necrolog 528.
Haug, s. Inder.
Hausrath, neutest. zeitgesch. 528.
Heibig, W. , s. archaeol. u. inschr.
Held, J. C. v., 272.
Henzen 8. inschr.
Herbst, biogr. v. Voss 127.
Hermann, G., rede zum hundertsten
geburtstag 64.
Hermanndenkm. 318.
Herodot, quellen v. Nitzsch 624.
Hesidos, s. dyoiy.
Herrmann, E., s. gramm.
Bibl. philol. 625.
Heydemann, H., s. archaeol.
Heyse, Th., 431.
Hirschfeld, G., s. archaeol.
Histor. gr. min. ed. w. Dind 625.
Hochsteller, s. geolog. bilder.
Holland, Unterricht 384.
Holtzmann u. Holder, germ. alter-
thümer 272.
Holm, s. archaeol.
Homer (Düntzer) 384. Horatius. s.
Lehrs. 'Ayuiy.
Horatius, zu, 625.
Horawitz, A., s. Beat. Rhenanus.
Hubers ethnogr. berichtigung ; antw.
darauf 318.
Hübner, E. , s. archaeol. u. inschr.
Huschke, E., umbrische insch. 625.
Imitatio Chr. 271. 623.
Inder , zur kosmog. ders. von M.
Haug 384. ind. rel. v. Wurm 613.
Inschriften. Brizio und Schoene,
pomp. gefässinschr. 127. umbrische,
v. Huschke 625. Ciofi, inscr. lat.
et gr. ; inscr. sepulcr. 128. Dit-
tenberger, de tit. Att. ad res
rom. spect. 319. Heibig, W.,
spiegelinschr. 127. Henzen, zu
den consularfasten ; Romul. tri-
umph über die Caenin. und An-
temn. 127; de nundin. consul.
aet. imperat. 127; lat. grabinschr.
128. Hübner, E.t inschr. aus Span.
127. Jordan, EL, Opfer der ar-
valbrüder; tempel des Volc. im
Circ. flam. 319. Marquard , J.,
de provinc. Rom. concil. et sa«
642*
Index rerum zu den excerpten.
Nr. 12.
. cerd. 128. Mommsen, Th.,stemraa
der Fulvii Flacci 127; senatus-
cons. v. Thisbe 319. Observat.
. epigr.; etc. alphab.; ßiQcmjybs
vnaros; anal, de Pisonibus et
Crassis frugi 128; weitere observ.
319. Rudorff, per auctor. tutor.
138. Schoene, R., Dürer; Fei.
felic. opusc. med. 319. cf. Brizio
oben. Wachsmuth, Iokrische in-
scb. 624. Zangemeister, pomp.
wandinschr. 625. s. Geizer.
Irland, universitätsbibl., 176.
Japan, unterrichtswesen, 176.
Jaep, s. Claudisn.
Jessen , pbysiol. des menschl. den-
kens 224.
Jobann, König v. Sachsen 623.
Jordan, H.,.s. inschr.
Juden , nachricbten über dieselben
bei den Römern v. L.Geiger 432.
Dasselbe v. Gill 432.
Juncus, Aemilius, 319.
Juba, 319.
Juvenal, v. Bücheier 625.
Karajan f 318.
Karthago, s. Beule.
Keferstein, über Aethiop. u. stein-
cultus 431.
Keil, s. gramm. lat.
Keim, Th., älteste streitschr. geg.
das Christenthum 318.
Kirchenkonfl. Falksche gesetzent-
würfe, 224.271. episcopat, Send-
schreiben, 271. 318. kirchen-
gesetze 384. röm.- deutsche frage
384. staat u. kirche, v. E. Zel-
ler 431. altkathol. in der Schweiz
127. protest. Orthodoxie 318. s.
Jesuiten, Redemptoristen , staats-
grundgesetze. cf. p. 623.
Kleidemus beschr. der Amazonen-
schlacht 480.
Knorr, s. spiele, geistl.
Köhler, N., s. Augsburg.
Koile 175.
Konstantinopel, gr. syllogos 528.
Kostümkunde v. H. Weiss 271.
Krau3, X., röm. blutampullen 176 ;
katakomben u. christl. kunst 176.
cf. Roma sotterr. Zu Horaz 625.
Krause, G., s. Ratichius.
Kriegslit., deutsche, 528.
Kunst, christl., 272.
Kurz, IL, nckrolog 271.
Laas, E., s. Sturm.
Lamarmora 528.
Lamy, Th. J., s. Gregor. Barhebr.
Lang, A., s. archaeol.
Laurionfrage 175. 271.
Lauth, s. Aegypten.
Lazaristen 318.
Lehrs, zu Plato u. z. Odyss. 624.
Leipzig, pfahlbauten 271; weibl.
doctor 271.
Lenormant, Fr., lettres assyriolog.
320.
Lenormant, Fr., essai sur la propa-
gation de 1' alphab. phen. 320.
Lesbos, s. Stark.
Ligurer, K., Cuno 625.
Listing, J. B., unsere kenntn. von
d. grosse u. gestalt d. erde 320.
Livingstone 64.
Livius, sein werk, v. Nissen 624.
Lloyd, W. Watkies, s. archaeol.
Löher, Fr. v., s. Ungarn.
Lolling, H. G., s. archaeol. u. Athen.
London, s. geogr. gesellsch.
Lübke, s. prachtwerk.
Lüders, C., s. archaeol.
Lykurg u. Delphi v. Geizer 625.
Mänade, v. Rapp 624.
Magnesia, s. Stark.
Mainzer universitätsfond 480.
— dorn, wiederherstell. der krypte
176.
Marciana, s. archaeol. (Conze).
Marezoll f 271.
Mar. Plotius, s. L. Müller.
Marquard, s. inschr.
Marquardsen, s. frauenfrage.
Marsyas 176.
Matz, s. archaeol.
Melita 175.
Menzel, W., t 272; nekrol. 318.
Metroon, s. Athen.
Michaelis, A., s. archaeol.
Moab, funde, 271.
Moltke 272.
Mommsen, s. inschr.
Mühler, s. Bismarck, s. 176.
Müller, M., 318.
— , L. , zu Non. u. Mar. Plot; de
Sodoma, Tac, Suet. 624.
München, stipend. für gesch. 271;
antiquarium 272 ; Baldefeier 431.
Muratori, uned. werke 528.
Muriola. cett. v. Voigt 625.
Murray, A. S., s. archaeol.
Nachtigal 272.
Naeke, theb. tetral. 624.
Napoleon , L. , 176 ; nekrol. 224 ;
reminiscenzen v. Bamberger 224.
Nr. 12.
Index rerum zu den excerpten.
643*
271. George Sand über Napo-
leon 271.
Neurologie, ital., 271.
Nero. s. Schiller.
Niebuhr's röm. gesch. 623.
Niederlande, mittelalterl. drama da-
selbst v. H. Gablee 431.
Niederrhein, s. töpferkunst.
Nietzsche gegen Strauss 528. B.äycSv.
Nigidius, v. Bücheier 625.
Nijeholt, Lyklama a, voyage en
Russie etc. 128.
Nissen gegen Clason 624.
Nitzsch, K. W. , unters, zur gesch.
der alten rep. (0. Clason) 480.
— K. J., (Beyschlag) 431.
Nonius, s. L. Müller.
Norris f 175.
Nymphenhügel in Athen 175.
Oestreich; Universitäten, s. Dum-
reicher, universitatsref. 528.
Orientalistencongr. in Paris 528.
Overbeck, J., s. archaeol.
Ovid's Metam. übers, v. Tippeis-
kirch 328 cf. Wickram.
Pabstmythe, s. Volkmar.
Pacivolus, L., s. inschr. (Schoene.
Fei. Felic).
Paedagogisches 271.
Palmyra , reise nach , v. Bischoff,
271.
Panegyrici lat. , beitr. v. Baehrens
624.
Pantschatantra, s. Benfey.
Paranikas 625.
Paris, G., diss. crit. s. le poeme lat.
de Ligurinus 320.
Paris, s. orientalistencongr.
Paul, 0., s. Boetius.
Peiper, R., s. Ekkehard.
Philos. bei den Slaven 431.
Pichler 528. 625.
Piloty's Thusnelda 272.
Pindarica v. E. Friese, 593.
Plato's leben v. K. Steinhart 480.
s. Teuffei.
Platonischer ball 384.
Plautus , zur litt. dess. von Ritschi
624. cf. Camerarius.
Plutarch,, v. Breitenbach, 624.
Pnyx 175. 480.
Polnische schulen, deutsch, unterr.
528.
Pompej. vasen, s. archaeol.
Prachtwcrk, künstlerisches, v. W.
Lübke 176.
Prag, stud. der kunst, 479.
Presse im alten Rom, v. 0. Clason
480. 528.
Priamus, schätz desselben, s- Troja.
Propyläen 175.
Ps. Plutarch, ntQi aßzfjßiws 624.
Ranke, s. Fried. Wilh. IV.
Rambaud, A., s. Constant. Prophyr.
Rapp, s. mänade.
Ratichius, W., v. G. Krause 128.
Rauch , einh. d. menschengeschl.
320.
Raumer 528. 384.
Ravenna 384.
Rawlinson, s. Baker.
Realschulen 528.
Redemploristen 318.
Religionsunterr. in üeutschl. s.
Schultze 127.
Religionen desAlterth., gesch. der-
selben v. C. F. Thiele 318.
Riese, zu Apoll., 624.
Ring, M., f 271.
Ritschi , s. Plaut. , zur lat. anthol.
625.
Rohde, s. Aelius.
Rohlfs 431.
Roma sotterr. v. Kraus 271.
Rom im mittel., s. Gregorovius.
— geschichte der stadt von Reu-
mont 271.
— archaeol. inst. 272; archaeol.
fund 272; cf. ausgr.
Rossi 176.
Rudorff, s. inschr.
Rühl, s. Ammian.
Rutil. Namat. übers, v. Itasius Lem-
niacus 320.
Samothrake, s. Conze.
Sand, George, s. Napol.
Sardes, s. Stark.
Sassaniden, münzen, 623.
Scartazzini, J. A., s. Vergib
Schelling's leben v. K. Fischer 271.
Schiller, H., gesch. Roms unter
Nero 432.
Schlie, s. archaeol.
Schliemann, s. Troja.
Schmitz, tiron. noten 624. 625.
Schoemann, Opusc. 624.
Schoene, R., s. archaeol.
— A., s. inschr.
Schubring, J., s. archaeol. über Si-
cilien 625.
Schulaufsichtsgesetz 528.
Schulconfer. in Berl. 623.
Schulrath in Baiern 64. 127.
Schultze, s. religionsunterr.
644*
Index rerum zu den excerpten.
Nr. 12.
Schulwesen, berecht, d. hum. schu-
len 224.
Schweiz, s. kirchenkonfl.
Selinus, metopen, s. 0. Benndorf
384.
Semper gegen Huber (Strauss) 224.
Sicilien, briefe aus, 271. s. Schu-
bring.
Sickingen, s. Ulimann.
Simonides, s. Blass.
Simonides (falscher) 624.
Smyrna, s. Stark.
Societe pour la conserv. des mon.
d' Alsace 271.
Sophokles, v. Urlichs 625.
Spiele, geistl. in Deutschi. 271; v.
E. Knorr 318.
Sprachwissensch. , ein span. werk
darüber, 272. 320.
Springer, A , s. Dahlmann.
Staatsgrundgesetze u. kirche 224.
Stahl, zu Thukyd. 624.
Stark, B., nach dem gr. Orient 64.
175.
Statius, Silv. v. Bährens 625.
Steup, zu Thuc. 624. 625.
Steinhart, K., s. Plato.
Steinzeit, erinn., 64. 176.
Stenographie bei den alten 528.
Stölpel, entwick. des gelehrten al-
terth. 318.
Strassburg, univ.318. 175 ; biblioth.
175.
STQKTqybs vnaiog, s. inschr. (Momm-
sen).
Strauss, alter u. n. glaube 138; s.
Nietzsche.
Sturm's paedagogik v. E. Laas 320.
Sueton, s. L. Müller.
Susemihl 625.
Sydow 224. 271. 431.
Syra, s. Stark.
Tacitus Germania, zur erklärung 271.
272.
Teuffei, zu Plaut, u. Hör. 624, Plat.
Symp. 625.
Themist. 7J(qI ag. v. Gildemeister
u. Bücheier 624.
Themse, wald in ders., 431.
Thiele, C. F., s. religionswesen.
Thierepos, catal., 271.
Thierry, A., 272.
Thisbe s. inschr. (Mommsen).
Thukydides, s. Stahl. Steup.
Thule, briefe v. F. Dahn 64.
Tippeiskirch, s. Ovid.
Tironische noten, s. Schmitz.
Tischendorf, s. Vulgata ; frage nach
dem schrifttext der apostel 384.
Töpferkunst am Niederrhein 480.
Trautmann, s. Keferstein 431.
Trendelenburg, s. archaeol.
Troja, s. ausgr. u. Stark.
Tummulo, s. Xenophon.
Twesten, C, rel., polit. u. soc ideen
der alten cultur Völker 320.
Tylor, anfange der kultur 272.
Ullmann, Franz v. Sickingen 271.
Ulrici, naturrecht 271.
Ungarn, sprach- und völkerstreit v.
Fr. von Löher 175; schulzwang
271.
Universitätsangelegenheiten , s. Ir-
land, Berlin, Dumreicher, real-
schulen.
Unterricht, s. Holland, Japan, Frank-
reich.
Unterrichts- u. bildungsfach auf der
Wiener ausstell. 384. 528.
Urlichs, s. Sophokles.
Utrechter glaube, s. Athanas. gl.
Vahlen, s. Aristoteles-
Valentin, s. archaeol.
Vergil im mittelalter (Comparetti)
v. J. A. Scartazzini 480.
Vesuv 384.
Villa Harduin, Geoffr. de: la con-
quete de Constant. publ. N. de
Wailly 176.
Voigt, s. muriola.
Volkmar, G., röm. pabstmythe 272.
Voss, s. Herbst.
Vulcane und erdbeben , v. Poulett
Scrope 271. 272.
Vulgata v. Tischendorf 384. 431.
Wachsmutb, C, s. Athen. Drymien
u. drymata 624.
Waddington 318.
Wailly, N. de, s. de Villa Harduin.
Walch, A., s. Geizkofler.
Waltharius, s. Ekkehard.
Watterich, Kampf der Germanen am
Rhein 625.
Weiss, H., s. kostümkünde.
Werenfels lat. ged. 172. s. Au-
gustin.
Wickram, G., übersetz. desOvid318.
Wien, ind. lect. 272; evang.-theol.
facult. 384.
Wieseler, s. archaeol.; zur Symbo-
lik der Gr. u. Köm. 432.
Wiggert, voc. lat. 1. prim. 625.
Wilhelm, s. gramm.
Willstock, s. eudaemonismus.
tfr. 12.
Index locorum zu den excerpten.
645*
Winkelmannfest 176. 431.
Wittig, H., s. archaeol.
WörmaDn, K., s. archaeul.
Woker, Ph., s. Erasmus.
Wurm, s. Inder.
Wuttke, gesch. der Schrift 272.
Xenoph. Cyrop. ed. A.Tummulo625.
— — Hellen, v. Breitenbach 624.
Zangemeister 318.
Zeitbetrachtungen 272. 318.
Zeising, eine gott- u.weltansch. 271.
Zeller, s. kirchenkonfl.
Ziegler , Th. , krit. gegen krit.
(Strauss) 176.
— , zum scholiast. Bob. des Cic. 624.
Zürich, univ. 318; frauenstud. 384.
Index locorum zu den excerpten.
Cic. Verr. 2, 61, 151 319
Corp. I. L. II, 35 127
Laur. Lyd. de menss. IV, 45 432
Liv. 42, 46; 63 319
Pausan. V, 11, 1
Plin. N. H. 11, 1, 74
Polyb. 27, 5, 3
Thuc. III, 17
432
319
319
624
Verzeichniss der excerpirten Zeitschriften.
Archaeol. zeit. 430. 432. 576.
Augsburg. Allgem. 64. 127. 175.
271. 318. 384. 431. 479. 528.
623.
Bratusch., phil. monatshefte 528.
Ephem. epigr. 127. 318.
Gott. gel. anz. 128. 319. 431. 480.
— nachr. 320. 480. 576.
Rhein. Museum 624.
Zarncke's Centralblatt 625.
Aus dem verlag der Dieterichschen buchhandlung.
Aeliani, Gl., sophistae, variae historiae libri XV. Ad optim.
editt. imprimis Gronovianae et Corayanae fid. edd. indiceque
graecogerman. instr. G. H. Lünemann. 8. 811. 10 gr.
Aeschinis oratio in Ctesiphontem. In us. praelect. recensuit
E. C. F. Wunderlich. 8. 810. 10 gr.
Apollodori, Atheniensis, bibliothecae libri tres et fragmenta.
Curis secundis illustr. C. G. Heyne. Tom. I. Textus. Tom.
IL Observationes. gr. 8. 803. 1 aß
Batrachomyomachia Homero vulgo attributa. Teytum ad
fidem codd. rec. variet. lect. adj. prolegomena critica scripsit
A. Baumeister, gr. 8. 852. 6 gr.
B r a s s i i , J. , gradus ad Parnassum graecus , s. lexicon , quo
omnia vocab. graeca, quae ap. praestantiss. poet. inde ab an-
tiquiss. temp. usque ad Ptolem. Philadelpb. aetatem occurrunt,
adject. epithet. et synon. additisq. formulis poet. explic. at-
que omnium syllab. ratio indicatur. In Germ. edd. et. emend.
C. F. G. Siedhoff. 2 voll. gr. 8. 839, 40. 1 mß 15 gr.
Catulli C. Valcrii, carmina, ad optim. libr. fid. recogn. variet.
lect. indicesque adj. C. J. Sillig. gr. 8. 823. 8 gr.
Ciceronis, M. Tullii, oratio de praetura Sicil. s. de judiciie,
quae est oratt. Verr. act. sec. secunda. Mit neu durchgesehenem
und nach den besten Hülfsmitteln berichtigten Texte, Einlei-
646* Bücheranzefge. Nr. 12,
tung und sacherläut. Annierk., Excursen, einem Register und
Kärtchen von Sicilien herausg. v. F. Creuzer und H. G. Mo-
ser, gr. 8. 847. 20 gr.
Ciceronis, M. Tullii , paradoxa. Ad. codd. mss. partim re-
cens. collat. editionumq. vet. fid. recogn. prolegg. excerpta
scholarum. D. Wyttenbackii, annot. veterum et recent. interpr.
select. suamq. excursus et ind. rerum verborumq. adj. G. H.
Moser, gr. 8. 846 20 gr.
— — de re publica librorum fragmenta. Eec. et annot. crit.
instr. F. Osannus. gr. 8. 847. 20 gr.
Cornutus, L. A. , de natura deorum. Ex scbedis J. B. C.
d'Ansse de Villoison rec. commentariisque instr. F. Osannus.
Adj. est. J. de Villoison de theol. pbys. stoicorum comm.
gr. 4. 844. 1 aß
Curtius, E., Abhandlung über die griech. Quell- und Brun-
neninschriften, gr. 4. 859. 5 gr.
Demosthenis oratio pro Corona. In usum praelectionum rec.
E. C. F. Wunderlich. Ed. 4. gr. 8. 838. 10 gr.
— — Ex recens Imm. Bekeri passim mutata. Expl. L. Dis-
senius. gr. 8. 2 mfi 10 gr.
Duentzer, H., de Zenodoti studiis Homericis. gr. 8. 848.
8 gr.
— — die homerischen Beiwörter des Götter- und Menschen-
geschlechts, gr. 8. 859. 6 gr.
Emperii, Adolphi, opuscula philologica et historica. Amico-
rum studio collecta edd. F. G. Schneidewin. gr. 8. 847.
20 gr.
Freidank. Von Wilh. Grimm. 2. Ausg. gr. 8. 860.
1 otfi 15 gr.
Gedichte, lateinische, des X. und XI. Jahrhunderts. Her-
ausgegeben von Jacob Grimm und Andr. Schmeller. gr. 8.
838. 1 up
Glossarium latinum Bibliothecae Parisinae antiquissimum saec.
IX. descripsit primum edd. adnot. illustr. G. F. Hildebrand.
Lex.-8. 15 gr.
Hermann, K. F., über Gesetz, Gesetzgebung und gesetzge-
bende Gewalt im griechischen alterthume. gr. 4. 849. 6 gr.
Hyperidis orationes duae ex papyro Ardeniano editae. Post
Ch. Babingtonem emend. et scholia adj. F. G. Schneidewin.
gr. 8. 853. 10 gr.
Tibulli, Albii, carmina ex rec. Car. Lachmanni passim
mutata explic. L. Dissenius. 2 partes. (P. I. Disquisit.
de vita et poesi Tibulli. Carmina. Acced. lectiones ed. Pi-
nellianae nunc primum collatae. P. IL Commentarium cont.)
gr. 8. 835. 1 vp 15 gr.
SM. 1873. Nr. 1.
Philologischer Anzeiger.
Herausgegeben als erganzung des Philologus
von
Ernst von Leutsch.
Supplementheft I.
361. Das verbum der griechischen spräche seinem bau nach
dargestellt. Von Georg Curtius. Erster band. 8. Leipzig,
Hirzel 1873. X. 392 ss. — 2 thlr. 12 sgr.
Eine neue arbeit von Georg Curtius ist an und für sich
für jeden, der auf dem gebiete der vergleichenden Sprachfor-
schung oder der griechischen grammatik arbeitet, sehr interes-
sant; in weit erhöhtem maße ist es das vorliegende buch, da
es einmal die erste grössere, zusammenhängende erscheinung ist,
die der Verfasser seit seinen bahn brechenden grundzügen der
griechischen etymologie veröffentlicht, und andrerseits ein gebiet
behandelt, das, wie es zu den wichtigsten der grammatischen for-
schung gehört, so in sich einige der bedeutendsten probleme
birgt. Ich kann mir an dieser stelle alle loboserhebungen des
Werkes als völlig überflüssig sparen; das buch des meisters
steht hoch über meiner Würdigung; es legt auf jeder seite von
neuem zeugniss ab von all den glänzenden eigenschaften , die
wir alle längst an Georg Curtius kennen. Ich will mich darauf
beschränken den Inhalt des buches in gedrängter Übersicht vor-
zuführen, mir hie und da eine kurze bemerkung erlaubend.
Die Systematik des griechischen verbum hatte Curtius
schon vor einer reihe von jähren (1846) in der „Bildung der
tempora und modi" sprachvergleichend dargestellt, in einer für
den größeren theil dieser lehre grundlegenden weise, die frei-
lich im einzelnen von den fortschreitenden resultaten der Sprach-
wissenschaft zum theil vielfach überholt ward. Das buch war ver-
griffen; statt einer neuen bearbeitung gab mm der Verfasser
vorliegendes werk. Der erste band umfasst nach der einleitung
die lehre von den personalendungen und dem augment, die prä-
Philol. Anz. V. 41
642 361. Grammatik. Shft. 1.
sens- und starke aoristbildung der verba ohne thematischen vocal
und die präsensbildung der thematischen verba. In der einlei-
tung, die einige principielle fragen dieses gebietes kurz und
bündig erörtert, scheint uns das wichtigste, daß Curtius es hier
mit voller entschiedenheit ausspricht, was er schon in der ab-
handlung zur Chronologie der indogerm. sprachforsch, p. 221 ff.
zu seiner ansieht gemacht hatte, dass der sogenannte thematische
vocal und ebenso die präsensstammbildenden Zusätze na und nu
nicht bedeutungslose lautelemente seien, wie er selbst früher an-
genommen hatte, sondern pronominalstämme, die aus der wurzel
ein nomen bildeten, das dann zur verbalbildung mit den bekann-
ten personalbildenden pronominen Verbindung einging. Es liegt
auf der hand, wie wichtig diese erkenntniß für das verständniß
der gesammten wortbildungslehre ist. Entschiedener als dies
von Curtius (p. 234) geschehen ist, möchte ich noch der silbe
ta (in xvn- ro-fisv) einen ganz analogen Ursprung vindiciren
und sie auf den pronominalstamm ta zurückführen, der in allen
indogermanischen sprachen weit verbreitete nomina agentis bildet,
wie ja auch die partieipia auf io-g bei weitem nicht ausschliess-
lich passive bedeutung haben. Was die silbe ja in der prä-
sensbildung betrifft, so lässt sich allerdings nicht leugnen, dass
gewichtige gründe, wie sie von Curtius p. 292 f. erörtert sind,
dafür sprechen sie mit Bopp auf die verbalwurzel ja = gehen zu-
rück zu führen. Manche von ihnen mögen wol noch zu besei-
tigen sein, wie z. b. das ja im optativ und futur sehr leicht
verschieden von jenem sein kann, und die ganze analogie der
präsensstammbildung spricht in meinen äugen doch zu stark zu
gunsten der von Curtius verworfenen Schleicherschen ansieht, wo-
nach auch ja das bekannte nominalsuffix ist. Auch das möchte
ich Curtius nicht zugeben, dass analogieen zwischen nominal-
und präsensstammbildung sich in weiterem umfange nicht nach-
weisen lassen, ich selbst habe für einen theil der hier in betracht
kommenden bildungen, die mit hilfe von nasalen gebildeten prä-
sensstämme, diesen nachweis in einer demnächst erscheinenden
arbeit zu führen gesucht.
Nachdem Curtius am Schlüsse der einleitung noch die ver-
suche von Westphal und Merguct die Boppsche theorie von der
Zusammensetzung der verbalformen umzustürzen einer gebühren-
den Würdigung unterzogen hat, geht er über zur betrachtung
Shft. 1. 361. Grammatik. 643
der personalendungen. Das fit in der 1. person singularis des
Optativs wird nicht als analogie, sondern als uraltes sprachgut
aufgefpsst, aus der zeit wo der optativ noch primäre endungen
hatte, was durch eine entsprechende erscheinung im päli ge-
stützt wird. Die medialendungen erklärt Curtius jetzt mit
Kuhn und Bopp als durch doppelsetzung des pronomens entstan-
den, nicht durch guna, wie früher. Dass in diesem schwierigen
gebiete noch manche punkte unaufgehellt bleiben, ist selbst-
verständlich und es ist nur zu loben, dass Curtius darin ein-
fach auf diese grenzen unserer erkenntniß hinweist, statt sie durch
hypothesen aus der weit schaffen zu wollen — so der Ursprung
des G in der endung G&a der zweiten person, die schwierigen
dualendungen u. a. ; denn die erklärung, die p. 99 ff. für die
die lautgruppe öd- enthaltenden personalendungen versucht wird,
darf doch wol noch als einigemiassen problematisch gelten.
Im augment sieht Curtius noch immer den pronominalstamm a
mit hinweisung auf das ferner liegende in der Vergangenheit;
die entgegenstehenden ansichten werden einer eingehenden be-
urtheihmg unterzogen (p. 104 ff.). Dem im Veda einigemale
sich findenden langen d entspricht rj als augment bei niD.u),
ßovXofj,oUj dvrufjai, was aber bei Homer noch gar nicht vor-
kommt und erst im attischen häufiger wird; die erklärung die-
ser erscheinung ist schwierig. Auch das temporale augment
war ursprünglich a, das mit dem anfangsvocal des Stammes zu
ä zusammenfloss , und zwar — dieser punkt ist für die aug-
mentlehre ebenso neu als geeignet mit leichtigkeit die Schwierig-
keiten der bisherigen erklärungen zu heben — vor der vocal-
spaltung; das lange a differenzierte sich dann nach den kurzen
vocalen in ä r\ w (rj für ü im ionischen z. b. rjyov ist spätere
neuerung) ; von dehnung des i und v sind etwa nur ein dutzend
fälle bezeugt. Es ist dies also wohl spätere analogie. Die weg-
lassung des syllabischen augments ist poetisch-archaistische licenz,
die des temporalen eine nie ganz überwundene lautliche be-
queralichkeit; man darf daraus aber nicht schliessen, dass das
augment für die indogermanische Ursprache unwesentlich war.
Nach der behandlung der präsens- und aoriststämme der verba
ohne thematischen vocal, auf deren einzelheiten wir hier nicht
eingehen können, geht Curtius über zur thematischen conjuga-
tion, die in den schon aus seiner schulgrammatik bekannten clas-
41*
644 361. Grammatik. Shft. ll.
Ben (unverstärkte, dehnclasse, t-classe, nasal-classe, inchoativ-classe,
i-classe, e-classe) abgehandelt wird. Die anordnung des Stoffes
in den einzelnen classen ist immer die, dass zuerst die allge-
meinen fragen erörtert und hierauf die zugehörigen verba, nach
genetischen principien geordnet, aufgeführt werden, wobei auf
statistische Vollständigkeit im verzeichnen der einzelnen formen
keine rücksicht genommen wird, um so mehr aber auf Verzeich-
nung des etymologischen materials. Zweifelhaft scheint mir die
berechtigung der auffassung des Verhältnisses der präsentia auf
vw zu denen auf vrjfit, und vv(itf wie sie p. 243 f. vorgetragen
wird. Gewiß sind aus präsentien auf vrj-fii solche auf vu) in
der weise hervorgegangen, dass das « des präsensstammauslau-
tenden vu als thematischer vocal behandelt wurde: öufjbvrjfjii
duftvto; aber dass da, wo die verba auf voo neben solchen auf
vvfji stehen, sie auf dem wege vv-fit vv-to (durch stammerweite-
rung) vpu) vo3 entstanden sind, scheint mir wenig glaublich.
Der austausch zwischen den präsensstämmen auf na und nu im
sanskrit und im verhältniß der verwandten sprachen zu einan-
der ist so häufig, dass man hier mit leichtigkeit auf nebenfor-
men mit na (vrjfii) schliessen kann. Dem p. 245 als aus ßöX-
vo-fiai entstandenen ßovXopui ist wohl noch eXXw anzuschliessen
riX-voj (Brugmann Stud. IV, 122). 'EXuvvcu, das für tXuvvut
steht, also Stammerweiterung zeigt, durfte p. 254 nicht aufge-
führt werden, sondern gehört zu den nebenformen auf vvto bei
den verben auf vv-fit, Was die erklärung der präsentia auf
vau) anlangt, so verdient doch wohl die Schleichersche erklärung,
dass an den präsensstamm auf va die präsensbildung auf ja
(va-jo) angetreten sei, den vorzug vor der von Curtius, wonach
nur o angetreten wäre , trotz der analogie der verba auf vvio ;
denn hier ist die Stammerweiterung ganz im einklang mit der
entsprechenden in der nominalbildung, z. b. von ddxgv zu däxov-ov,
während erweiterung von a-stämmen in dieser weise unerhört
ist ; überdies spricht für Schleicher die analogie der übrigen verba
auf «w und derer auf vivo. Die auf p. 2G0 vereinzelt aufge-
führten fjieXdvfi und cpcxayävsTin sind sehr interessante belege
für die ursprünglicbe identität der verbal- und nominalstämme
auf «ro, denen noch &t]yuief o^vvu Hes. zu &r<yavov und ßqu-
Tdvu • Qul'^ti, und roßov neben ßquinvuv ' Toqvry. Hes. (grdf.
vartana sich wendend, von der krankheit sich zum besseren
Shft. 1. 362. Grammatik 645
wendend) zuzufügen sind. BlvGidvoo p. 259 konnte wohl nicht
zu den verben gestellt werden, wo uvw an formen der i-classe
gehängt ist, es müsste dann ßXvlurü) lauten, sondern gehört zu
ufiugrävco und ßlaGidvco. Als, anhang zur i-classe wird die de-
nominative verbalbildung abgehandelt. Die ausstattung des bu-
ches ist eine vorzügliche,
Gustav Meyer.
362. Die erscheinungen der dissimilation im griechischen. Von
C. Angermann. Vor dem Jahresbericht über die fürstenschule
zu Meissen. 4. Meissen 1872 — 73. 44 s.
In dieser schätzenswerthen abhandlung finden sich die er-
scheinungen der dissimilation im griechischen zum ersten male
in ihrer gesammtheit — nur die nicht zahlreichen fälle wie
u(i(pooivq für u(A<pi(pogevg sind übergangen, s. darüber p. 6 —
erörtert und unter einheitliche gesichtspunkte geordnet. Indem
dabei stets die verwandten erscheinungen in anderen sprachen
berücksichtigt werden, treten die Vorgänge im griechischen selbst
in ein um so helleres licht.
Allem mechanischen lautwandel liegt das princip der be-
queinlickkeit zu gründe. Meistens führt dieses zur Schwä-
chung der laute, in einigen fällen auch zur Stärkung. Wo ein
laut an und für sich, ohne den einfluss eines benachbarten
lautes, unbequem wird, tritt stets Schwächung ein; dahin gehört
z. b. die so verbreitete abschwächung der harten explosivlaute,
wie im ital. luogo für locus. Wird dagegen mit einem laute
deshalb eine Veränderung vorgenommen, weil er sich, in dieser
seiner gestalt, mit nachbar lauten schlecht verträgt, so kann
die ausgleichung entweder wiederum, und das ist der gewöhn-
lichste fall, durch abschwächung bewirkt werden, wie z. b. in
ilignus für *üicnus, CÖSül für consul (die lautgruppen cn und
ns behagten nicht der römischen zunge), oder auch durch kräf-
tigung des lautes, wie in lectus für *legtus und in Xxxog für
*'ixpog ( — skr. agvas), in welch letzteren fällen demnach zwar
g und p zu stärkeren, mehr articulationskraft erfordernden lau-
ten erhoben wurden, aber gerade dadurch der ganze lautcom-
plex für den sprechenden eine bequemere gestalt bekam. Sehen
wir nun näber zu, worin denn die Unbequemlichkeit besteht, die
die spräche dazu treibt, einen laut in rücksicht auf einen an-
646 362. Grammatik. Shft. 1.
dem in der nähe stehenden umzugestalten , so lässt sich ein
zwiefaches princip auffinden. Das eine mal sind die laute
einander zu unähnlich, die Sprachwerkzeuge sind zu lässig und
zu bequem um die zwei laute in ihrer Individualität scharf
geschieden hervorzubringen und lenken daher entweder schon
beim ersten laute mehr oder minder vollständig in die Stellung
ein, die sie erst später hätten einnehmen sollen (so beim lat.
collatus für conlatus, soboles für suboles, ahd. bitturu für bittaru
mit völliger, bei ninnG^ui für *n£7rei&fMxi, ahd. geban für goth.
giban mit nur unvollkommener angleichung) , oder sie bleiben
bei der erzeugung des zweiten lautes theilweise oder gänzlich
in der früheren Stellung hängen, wie z. b. in ülkog für *«A/og
mit vollständiger angleichung des j an X und in unserem arg-
ioön für mhd. arcwän mit annäherung des d an den in w ste-
ckenden u-laut (vgl. das dem skr. vidhavä genau entsprechende
altpreuss. widdewü witwe, wo der schlussvocal d sich dem w-
laut noch mehr näherte). Umgekehrt empfindet nun öfters
die spräche gerade den umstand, dass zwei benachbarte laute
einander ähnlich sind, als eine Unbequemlichkeit, der gleichklang,
den sie sonst nicht nur nicht meidet, sondern sogar herbeiführt,
ist ihr in diesen fällen ein misklang, und sie sucht ihm durch
dissimilation auszuweichen, wie z. b. das griechische statt
xscpaXakyCa die form xeyalaQyia, statt fivQfivgio die form /joq-
[iv Qu) eintreten liess. Diesen psychologisch höchst interessanten
dissimilationstrieb, der jedoch im verhältniß zu dem assimilations-
trieb nur selten wirksam ist, nennt der verf. nicht unpassend
einen ästhetischen zug im sprachleben. Doch muss, damit
diese Sprachästhetik im rechten lichte erscheine, besonders her-
vorgehoben werden, dass die spräche, um ihre formen wohllau-
tender zu gestalten, sich nur äusserst selten dazu versteigt, an
die stelle eines schwächeren lautes einen stärkeren, d. h. also
einen, dessen hervorbringung mehr articulationskraft , grössere
anstrengung der Sprachorgane heischt, zu setzen, daß vielmehr
dieser ganze „ästhetische zug" gewöhnlich zu Verstümmelung
und unkenntlichmachung der sprachformen führt, wie bei i{-
TQuxfiov für ztTQadQuxiiov und namentlich oft bei reduplicierten
bildungen, wie z. b. das schon an sich die reduplicationssilbe
nicht mehr in ihrer ursprünglichen Integrität aufweisende ßt~
ßXdöirjxu noch weiter zu ißXuaTijxa verstümmelt oder — vom
Shft. 1. 362. Grammatik. <647
standpunct des dissimilationstriebes angesehen — verschönert
ward. Ueberhaupt also ist Schwächung des einen der zwei laute
oder lautcomplexe die regel, und während z. b. im sanskrit
*pi-päm i zu pi-bami (bibo) , *dha-dhämi zu dadhämi (jC&rjfU/) dis-
similiert werden, kommt z. b. für da-dämi (dtdwfii) etwa ein
datami, tadämi oder dergl. nicht vor. Zu den ausnahmefällen
gehört z. b. das skr. futur vatsjämi für *vas-sjämi (von wurzel
vas), wo an die stelle des ersten Sibilanten der stärkere t-
laut getreten ist. Man wird nun vielleicht die frage aufwerfen:
warum führt die spräche das eine mal gleichklang herbei, wäh-
rend sie ihm das andre mal aus dem wege geht? warum z. b.
bilden die Italiener aus dem lat. Julius durch assimilation die
form luglio, während sie doch flagellare, um der Wiederholung
des l auszuweichen, zu fragellare umgestalten? Die spräche
fand eben das eine mal die form luglio bequemer und mundge-
rechter, das andre mal die form fragellare. Aber inwiefern und
warum? Da lässt sich denn nur antworten: weil sie ein launen-
haftes wesen ist, das zu verschiedenen zeiten oft ganz verschie-
denen trieben folgt.
Schon aus diesen allgemeinen andeutungen wird man, hoffe
ich, schliessen können, wie viel interessantes die abhandlung
bietet. Freilich wird man nach durchmusterung aller einzelnen
fälle von dissimilation , die vorgeführt werden, dem verf. den
Vorwurf nicht ersparen können, dass er in seinem streben mög-
lichst viele dissimilationserscheinungen aufzuspüren mehrfach sich
über die richtige grenze hinaus verirrt hat und sich nicht
immer des hier zur anwendung kommenden methodischen grund-
satzes bewusst war, dass man den dissimilationstrieb nur dann
als motiv irgend einer lautveränderung anzuerkennen hat, wenn
man erwarten darf, dass der laut unter anderen Verhältnissen
dieser Veränderung nicht wäre unterworfen worden; so heisst es
p. 29 : „das lateinische zeigt dissimilation bei c in conquinisco
für conguicnisco von wzl. kvahu: aber es wird ja auch aus
*lacna läna, aus *decni deni, aus *placnus planus u. s. f.! In-
dessen befriedigt die abhandlung in der gesammtaunassung der
in rede stehenden lautvorgänge um so mehr, und dass es ihr
auch im einzelnen nicht an hübschen beobachtungen mangele,
dafür mag beispielsweise sprechen die schlagende erklärung von
l&vg aus *v&vg (wie (fnvc, aus *(pri/g), die das bisher stets
648' 363. Griechische Grammatik. Shft. £
dunkel gebliebene verhältniß von I9vg zu tvdvg vollkommen;
klar stellt und vor allen bisherigen deutungsversuchen , nament-
lich auch vor dem neusten von Joh. Schmidt (vocal. I, p. 181),
entschieden den Vorzug verdient (p. 24 f.).
K. Brugmann.
363. Griechische schulgrammatik von Dr. Georg Curtius.
Zehnte, unter mitwirkung von Dr. Bernhard Gerth erweiterte
und verbesserte aufläge. Prag, 1873. Verlag von F. Tempsky.
Berlin bei Wilhelm Hertz (Besser'sche buchhandlung). gr. 8°.
XII u. 392 seiten. — 28 sgr.
Wenn ein so bekanntes und nicht nur durch sich selbst,
sondern auch durch eine reihe von mehr oder weniger selbstän-
digen nachfolgern so einflußreich gewordenes Schulbuch wie
Curtius' griechische grammatik in zehnter aufläge mit wesent-
lichen erweiterungen erscheint, so ist dies um so bemerkenswer-
ther, als der verf. in der vorrede zur 9. aufläge kein bedenken
trug zu erklären, daß er im großen und ganzen das buch nun-
mehr als abgeschlossen betrachte. Fassen wir daher die Verän-
derungen der neuen aufläge ins äuge um zu ermitteln, ob der
zweck, durch dieselben das buch füi den Unterricht besonders
in den oberen classen brauchbarer zu gestalten, erreicht ist.
Die formenlehre hat (von*, p. D7) „nur hier und da kleine
berichtigungen und zusätze erfahren". Indem wir bemerken,
daß dergleichen abänderungen doch an über hundert stellen vorge-
nommen sind, so daß der umfang der formenlehre sich um zwei
seiten vermehrt hat, führen wir b eis piels weise folgendes an. §. 34
&. ist im verzeichniß der im anlaut digammirten Wörter ixaCrog
hinzugekommen. §. 40 #. heißt es jetzt: „bei Homer werden
viele anfangssylben gedehnt, namentlich in vielsylbigen Wör-
tern, welche nicht anders in den vers passen". §. 144 „ö oder
V ßfä"- §• 221 sind bei sJg noch einige formen von ovdn'g und
pydeCg zugefügt. §. 237 über Unregelmäßigkeiten im augment
vocalisch anlautender verba ist etwas anders gefaßt. Wesent-
lich verändert ist (vorr. p. IV, wo auch die weiteren nachweise
aus Curtius' grammatischen Schriften sich finden) nur §. 243 d:
über die assimilation (früher zerdehnung genannt) in den
verbis auf au; alle fälle dieser erscheinung werden jetzt unter
dem gesetze zusammengefaßt, daß der o-laut der folgenden
Shft. 1. 363. Griechische Grammatik. 649
silbe vorhergehendes « in o oder a>, dagegen der a-laut der
vorhergehenden silbe nachfolgenden e-laut in a verwan-
delt. — Diese änderungen sind, wie man sieht, nicht so bedeu-
tend, daß die formenlehre dadurch einen wesentlich anderen
character erhielte. Ganz unverändert ist, so viel wir sehen,
cap. 13 (wortbildungslehre) geblieben. Dagegen ist die syntax
von B. Gerth unter fortlaufender berathung mit dem verf. durch
bedeutende zusätze erweitert und stellenweise ganz umgearbeitet;
die Seitenzahl hat sich hier um 41 vermehrt. Da uns der räum
eine eingehende vergleichung und besprechung hier nicht ge-
stattet, so können wir nur ungefähr andeuten, welche grund-
sätze' bei der Umarbeitung befolgt sind. Im allgemeinen haben
wir die angaben in Gerth's eigener vorrede bestätigt gefunden und
dabei überall sowohl gründliche sachkenntniß als auch schul-
männischen tact und genaue bekanntschaft mit den bedürfnissen
des Unterrichts beobachtet. In den vorderen abschnitten der
syntax (über Satzglieder, artikel, casus, präpositionen) geht.
Gerth hauptsächlich auf lexicalische Vervollständigung des Stoffes
aus, namentlich dadurch, daß er den bloßen bezeichnungen vom
begriffsclassen die gangbarsten griechischen ausdrücke selbst
hinzufügt, eine specialisirung durch die natürlich die anwendung
der regeln bedeutend erleichtert wird. (Gern hätten wir das-
selbe bei den verben mit genit. des preises §. 421 und bei den
verben nach denen onoog steht §. 553 gesehen). Ebenso sind,
bei angäbe der bedeutung der präpositionen in der Zusammen-
setzung stets einige der gebräuchlichsten composita mit deut-
scher bedeutung zugesetzt. In den folgenden abschnitten greifen
dagegen die Veränderungen viel tiefer ein; besonders in der ei-
gentlichen moduslehre, in der lehre von den negationen und
sonst ist das buch zum theil ein völlig anderes geworden, in-
dem auch in wissenschaftlicher beziehung von den früheren
ganz abweichende grundansichten maßgebend gewesen sind.
Vor allem die in der vorrede citirten, in der that höchst bedeu-
tenden Schriften Akens sind sorgfältig benutzt und mit selbstän-
digem urtheile verarbeitet. Ob freilich die neue darstellung
sich immer auch für die schule als die practischere bewähren
wird, bezweifeln wir, da der schüler, selbst der primaner, doch
durchschnittlich noch zu wenig logisch-grammatische bildung be-
sitzt, um der auffassung so complicirter Verhältnisse in abstracter
föO 363. Griechische grammatik. Shft. 1.
form gewachsen zu sein. — Vielfach sind ganz neue abschnitte
hinzugekommen, wie in §. 552, 4 und 553 b (modi in conse-
cxxtiven sätzen), 558 b (assimilation der modi), 615 (ov beim
infinitiv), 611b (ja und nein), 518 b (übersieht über den modusge-
brauch in einfachen sätzen), auch einzelnes, was früher em-
pfindlich vermißt wurde, ist sorgfältig nachgetragen, wie z. b.
bei nqtv mit construetion der zeitpartikeln die beschränkung
auf regierenden negativen satz (§. 558). — Was die form
betrifft, so ist Gerth überall bemüht, die fassung präciser und
systematischer zu machen, indem er das einzelne möglichst un-
ter allgemeine gesichtspunete bringt und von diesen aus, oft
unter änderung der reihenfolge, schärfer classificirt, kleine in-
consequenzen beseitigt, durch citate auf verwandtes verweist
und dabei erläuternde parallelen aus dem lateinischen und
deutschen aufzufinden weiß. Den beispielen ist bald die feh-
lende Übersetzung beigegeben, bald die vorhandene als unnöthig
genommen. Bei anderen weglassungen sieht man nicht überall
den grund; so ist §. 362, 1 ia&rjg, kleidung, kleider weggeblie-
ben, dagegen afimlog weinberg hinzugefügt! Ebenso ist es
mit den substituirten und den neu hinzugefügten beispielen;
auch wären bei allen die citate erwünscht gewesen. Hier und
da scheint Gerth in berücksichtigung von specialitäten und Sel-
tenheiten etwas zu weit zu gehen, während man zuweilen noth-
wendiges vergebens sucht, so die construetion von ä(paiQt~G&aC
Tivog ti oder von xaxqyoge Tv nva, wenn letzteres auch im index
steht. Auch hätte in beiden theilen des buches noch mancher-
lei einer änderung bedurft-, so ist §. 45 „die präposition ix
(aus, lat. ex) bleibt in allen Zusammensetzungen unverändert"
leicht mißverständlich. §. 66 bei der synizese: „inet ov (als
nicht)" vielmehr da, weil nicht, wenigstens bei Homer. §.
177, 7 ist die Schreibart Ju nach §. 9 nicht zu billigen. §.
241 steht zweimal dvg statt dvg (richtig §. 360 anm.). §. 313 #.
6 ist doouito undeutsch durch „nachtmahl" übersetzt. §. 622, 5
war [tantum non] wohl für die vorhergehende zeile bestimmt.
Dies sind allerdings nur kleinigkeiten , aber in Schulbüchern
kommt es bekanntlich auch auf kleinigkeiten an; auch ließe
sich noch manches ähnliche beibringen. Auch die druckfehler
früherer auflagen sind nicht überall beseitigt; so das zur 9-
schon corrigirte ßovXtvofievovg p. 327, 7 und das schon in der
Shft. 1. 364. Griechische literatur. 651
6. aufl. stehende „6i£ ^ev-ori di" in §. 217. Außerdem sind
uns aufgefallen p. 267, 13 Gnovöui, at; p. 337, 9 xuC uvddvst,
abgesehen von ziemlich häufig fehlenden zeichen und v itpcXxvGuxov.
Für einen entschiedenen übelstand des buches haben wir
stets die überall eingemischten unattischen und poetischen for-
men gehalten. Der schüler hat bekanntlich für formen, die er
nicht gebrauchen soll, wenn sie ihm vor äugen kommen (wie
hier z. b. tJq> r\Caxo, elsiipa, ijiatv^örjg) ein viel festeres gedäckt-
niß als für die üblichen, und der zusatz „poet." hilft gegen
confusion in dieser beziehung nichts. Das einzige sichere mittel
ist vielmehr die beschränkung auf den atticismus. Es wundert
uns , daß diese concession der praxis nicht gemacht worden ist,
da doch Gerth wenigstens auf die schriftlichen arbeiten der
schüler fvorr. p. VI) besondere rücksicht nimmt. Mag immerhin
die beibehaltene art der darstellung vom sprachwissenschaftli-
chen standpuncte aus berechtigt sein, das gymnasium lehrt vor-
läufig noch spräche, nicht Sprachwissenschaft; wir fürch-
ten aber, daß man in dem unstreitig richtigen streben, die re-
sultate der Sprachvergleichung in der schule zu verwerthen,
nicht immer zwischen methode im wissenschaftlichen und
methode im didactischen sinne scharf genug unterscheidet.
L. Hartz.
364. Griechische literaturgeschichte von Theodor Bergk.
Erster band '). Berlin. 8. Weidmann. 1872. — 3 thlr.
Trotz des bedeutenden raumes, der in vorliegendem bände
auf das homerische epos verwendet worden ist, wird man im-
merhin noch einiges von dem vermissen, was sonst die ausführ-
licheren literaturgeschichten zu bieten pflegen. "Wer das buch
in die hand nimmt, um sich über die leistungen der neuern Ho-
merkritik zu orientiren, wird sehr enttäuscht sein: außer Wolf,
Hennann, Lachmann, Kirchhoff, Nitzsch und Grote sind keine
namen weiter genannt, wie denn überhaupt das ignoriren frem-
der ansichten selten so weit getrieben worden ist, als hier. Es
ist dies um so mehr zu bedauern, weil dadurch der praktische
nutzen des buches erheblich vermindert wird.
Wir lernen also, abgesehen von einigen bemerkungen über
1) Referat über den zweiten, Homer behandelnden theil. — Vrgl.
auch ob. nr. 9, p. 439.
652 364. Griechische Iiteratur. Shft. 1,
die oben angeführten forscher, nur des Verfassers eigene ansich-
ten kennen. Welcher richtung Bergk angehört, ist schwer zu
definiren. Er ist conservativer als die conservativen , und radi-
kaler als die radikalen: conservativer, denn er läßt Homer die
Ilias schriftlich abfassen; radikaler, denn er verwirft zwei drittel
der Ilias als unecht. Daß solche Vereinigung der divergirend-
sten richtungen zu einer befriedigenden lösung der homerischen
frage führen könne, ja auch nur zu einer so consequenten durch-
bildung des Systems, wie wir sie bei Lachmann finden, dies hat
wenig Wahrscheinlichkeit, zumal wenn man Bergks analyse der
Ilias zusammenhält mit der von ihm selbst aufgestellten Chrono-
logie. Danach ist die Urilias, welche übrigens mit der G-rote-
sehen nichts gemein hat, von Homer im jähre 943 geschrieben
worden, und zwar auf pergament, oder sagen wir lieber auf
thierhäute, wenn jenes wort zu modern klingt. Der einfache
plan des ursprünglichen gedichtes gestattete leicht erweiterungen,
welchen umstand die schüler und nachahmer Homers benutzten,
um ihre eigenen dichterischen produkte dem gefeierten epos ein-
zuverleiben. Hernach überarbeitete ein diaskeuast das ganze,
indem er große stücke echter poesie tilgte und sie durch eige-
nes machwerk ersetzte. Erst nach diesem vorläufigen abschlusse
wurden W und £2 hinzugedichtet und dann der schiffskatalog
eingefügt, den Bergk übrigens sehr ansprechend aus einem äl-
teren, die abfahrt von Aulis behandelnden gedachte entlehnt
sein läßt. Die somit im wesentlichen auf ihren jetzigen bestand
gebrachte Ilias erhielt zuletzt noch mancherlei kürzere interpo-
lationen. Alle diese gewaltigen Veränderungen, welche bei ei-
ner mündlichen fortpflanzung des gedichtes vielleicht Jahrhun-
derte in anspruch genommen hätten, sollen nun trotz der schrift-
lichen abfassung des Werkes in 40 resp. 25 jähren zum abschluß
gekommen sein. Eine Interpolation des schiffskatalogs nämlich,
in welcher Bergk eine anspielung auf die blüthe der rhodischen
Seemacht findet, setzt er in das jähr 900; ebenso gut könnte
man auch schon 920 annehmen, weil jene seeherrschaft in die
jähre 928 — 905 fällt, und zu der anspielung mehr anlaß wäh-
rend als nach der blüthezeit vorhanden war. Indessen sind wir
so wie so zu der annähme genöthigt, daß alle oder doch die
meisten Veränderungen und Verderbnisse der Hias sich noch
unter den äugen Homers vollzogen haben, wenn anders
Shft. 1. 364. Griechische literatür. 653
diesem dichter auch nur ein mittleres lebensalter beschie-
den war.
Nun ist es zwar sehr glaublich, daß zu den ersten erwei-
terungen Homer selbst seine Zustimmung gegeben hat, denn
eine schülerarbeit, wie Hektors abschied von Andromache, mußte
ihm für eine wirkliche bereicherung seiner Ilias gelten: weit
weniger glaublich ist es, daß gerade dieser berühmte abschied
von einem schüler oder nachahmer herrühren soll. Was Bergk
für seine annähme geltend macht, es sei unpassend, daß Hektor
in einem kritischen momente die Schlacht verlasse, während
doch jeder andere die bestellung an Hekuba hätte besorgen
können, dies möchte wohl den wenigsten gewichtig genug er-
scheinen, um eine solche auffallende athetese zu rechtfertigen;
ja man dürfte vielleicht finden, daß der angeführte grund nicht
bloß zu wenig gewichtig, sondern daß er überhaupt kein grund
ist. Angenommen, es sei eine Unschicklichkeit, Hektor aus dem
kämpfe sich entfernen zu lassen, was giebt uns das recht, diese
Unschicklichkeit, weil sie Homers unwürdig ist, dem dichter der
abschiedsscene aufzubürden? Zeigt dieser etwa ein geringeres
gefühl für das schickliche als irgend ein anderer dichter, Homer
selbst nicht ausgenommen? Der einzige ausweg aus der Verle-
genheit, nämlich anzunehmen, daß erst ein späterer Ordner die
scene in den Zusammenhang eingefügt habe, dieser ausweg, den
die liedertheorie bietet, ist hier nicht zulässig, weil nach Bergk
das betreffende stück von vorn herein für den Zusammenhang
der Ilias gedichtet ist. Dadurch sind wir zu der entgegenge-
setzten Schlußfolgerung gezwungen: weil der dichter, dem wir
Hektors abschied verdanken, offenbar den feinsten sinn für das
poetisch angemessene und schickliche beweist, so wird sich die
von ihm beliebte motivirung der scene auch wohl poetisch recht-
fertigen lassen. Und in der that kann man sich leicht davon
überzeugen, daß der besprochene abschnitt, wie er für die Ilias
unentbehrlich ist, auch an keiner andern stelle sich schicklicher
hätte anbringen lassen als gerade da, wo Hektors glänzende
aber kurze heldenlaufbahn beginnt.
Unwahrscheinlicher noch als die vorausgesetzte weitreichende
thätigkeit der nachdichter ist das zerstörungswerk des diaskeua-
sten. Die beseitigung ausgedehnter stücke echter homerischer
poesie verträgt sich nicht mit der hohen achtung, in welcher
654 364. Griechische literatur. Shft. 1.
diese poesie anerkannter maßen bei mit- und naclrwelt stand.
Ilias und Odyssee galten, wie Bergk selbst auseinandersetzt, als
ein geheiligter boden, den andere dichter gar nicht zu betreten
wagten. Niemals wählten die nachfolger gegenstände zur bear-
beitung, die bereits Homer selbst behandelt hatte, — und doch
hätten sie es sich erlaubt, jene gefeierten dichterwerke zu ver-
stümmeln und zu verunstalten? Und wenn wirklich bei einem
einzelnen die nöthige rücksichtslosigkeit sich vorfand, wie war
es möglich, daß er mit seinem verfahren bei der nation beifall
fand und das schriftlich vorhandene originalwerk Homers sogar
völlig verdrängte?
Mit der Voraussetzung, daß die homerischen gedichte gleich
von vorn herein schriftlich abgefaßt oder wenigstens doch sehr
frühzeitig aufgeschrieben worden sind, verträgt sich schlechter-
dings nicht die annähme einer tiefgreifenden Umgestaltung die-
ser gedichte, wie auch ohne specielleren nachweis klar sein
wird: wohl aber bietet jene hypothese ein erwünschtes auskunfts-
mittel, um eine ziemliche anzahl von geringeren Avie von bedeu-
tenderen Unebenheiten hinwegzuräumen. Die rücksicht auf
raumersparniß mußte frühzeitig darauf führen, wörtlich oder
fast wörtlich wiederholte stellen beim zweiten vorkommen nicht
auszuschreiben, sondern ihr Vorhandensein bloß durch ein zeichen
anzudeuten, was in der folge zu mancherlei irrthümern anlaß
geben mochte. Man glaubte ergänzen zu müssen, wo nichts zu
ergänzen war, wie denn z. b. die stehenden beschreibungen der
mahlzeiten und opfer jedenfalls zu reichlich angebracht sind.
Auch die bekannte weise der interpolatoren , ihre zusätze aus
Homer selbst zu entnehmen, ist wohl weniger der geistigen Im-
potenz dieser leute zuzuschreiben, denn einige leidliche verse
in der muttersprache zu verfertigen ist nicht schwer, sondern
vielmehr aus dem bei den abkürzungen beobachteten usus her-
zuleiten. Man sieht dies z. b. recht deutlich bei der ßovXr; ye-
qovtmv, die, wie Bergk annimmt, an die stelle einer längeren
und besseren Schilderung des kriegsrathes getreten ist. „Der
fürstenratli" , sagt er, „ist durch rücksicht auf die dichterische
composition geboten. Die fürsten, wenn sie nicht vorher von
der absieht des Agamemnon unterrichtet waren, hätten nicht
vermocht den eigentlichen sinn seiner rede vor dem volke zu
verstehen". Nun ist es aber gerade der hauptgrund, der für
Shft. 1. 364. Griechische Literatur. 655
die Verwerfung der ßovXrj ytQovTM geltend gemacht werden
kann, daß das benehmen der fürsten eine vollständige unkennt-
niß der wahren absieht Agamemnons verräth, ein grund, der
gegen das von Bergk supponirte stück in gleicher weise geltung
hat. Offenbar hat schon im alterthume ein rhapsode den für-
stenrath für nöthig gehalten und die vermeintliche lücke in der
ihm passend scheinenden weise ausgefüllt, nämlich durch wört-
liche Wiederholung eines kurz vorhergehenden Stückes, dem er
nothgedrungen noch wenige verse eigener fabrik hinzufügte.
Ebenso aber, wie man sich veranlaßt sah, lücken anzuneh-
men, wo keine waren, entnahm man gelegentlich auch wohl die
ergänzung wirklich vorhandener lücken von der unrechten stelle.
Hierfür bietet gleich das erste buch der Odyssee ein beispiel.
Kirchhoff, an den sich Bergk hier anschließt, hat klar bewiesen,
daß Athene's aufforderung an Telemach («, 272 — 305) unge-
schickt aus dem zweiten buche entlehnt ist. So wenig sich auch
gegen die richtigkeit seines beweises irgend etwas einwenden
läßt, so ist damit doch die Verwerfung des ganzen ersten buches
noch nicht motivirt. Höchst wahrscheinlich hat an stelle der
anstößigen verse ursprünglich weiter nichts gestanden, als was
Athene in v. 90 — 95 als ihren auftrag an Telemach bezeichnet,
nur daß durch den Wechsel der person eine kleine Veränderung
des Wortlautes bedingt ist. Die zweite falsche ergänzung in
demselben buche findet sich v. 374 — 380. Auch hier sind Kirch-
hoffs ausstellungen vollkommen begründet, doch können die be-
anstandeten verse ausfallen, ohne daß deshalb die nachfolgende
rede des Antinous unmotivirt erscheint. Daß Telemach, der
bisher fast noch wie ein kind behandelt wurde, überhaupt nur
die absieht ausspricht, eine Volksversammlung berufen zu wollen,
dies genügt schon, tun den spott des Antinous herauszufordern.
Wenn Bergks versuch, die homerische frage ihrer definiti-
ven lösung entgegenzuführen, nicht besser geglückt ist, als die
versuche seiner Vorgänger, so scheint der grund darin zu lie-
gen, daß der begriff der einheit auch hier weit strenger genom-
men wird, als es für jene älteste poesie zulässig ist. Diesem
irrthume sind naturgemäß gerade die größten kenner des dich-
ters am nächsten ausgesetzt; denn je inniger man durch einge-
hendes Studium sich von der unvergleichlichen Vollendung die-
ser poesie überzeugt hat, desto eher wird man geneigt sein, die
656 365. Q6. Euripides. Shft. 1.
gleiche Vollendung schließlich auch in der composition voraus-
zusetzen. Wenn dies zu theorien geführt hat, denen man schon
deshalb nicht beistimmen kann, weil sie gegenseitig sich aufhe-
ben, so ist trotzdem das tiefere verständniß der homerischen
poesie wenigstens durch die leistungen der hervorragendsten
kritiker mächtig gefördert worden. Von diesem gesichtspunkte
aus will auch Bergks arbeit beurtheilt werden. Man erkennt
m dem buche die frucht einer langjährigen, liebevollen, durch
die umfassendste gelehrsamkeit gehobenen beschäftigung mit dem
dichter, wie namentlich in den abschnitten über die griechische
spräche, die epische poesie, in der Charakteristik Homers, doch
auch in der analyse der Ilias und Odyssee glänzend hervortritt,
so daß die bemerkten schwächen des werkes durch seine eminen-
ten Vorzüge mehr als ausgeglichen werden.
L. G.
365. Des Euripides Iphigenie auf Taurien zum schulge-
brauche mit erklärenden anmerkungen versehen von Wolf gang
Bauer. 8. München, Lindauer 1873. 90 ss. — 10 gr.
366. Zu Euripides Iphigenie auf Taurien. Kritisches und exe-
getisches. Festschrift zur vierhundertjährigen Jubiläumsfeier der
Münchner Universität, von W. Bauer. 4. München 1872. —
21 ss.
Der plan und anordnung dieser ausgäbe sind ganz diesel-
ben, wie bei den vorher erschienenen der Medea, Herakliden,
Alkestis, welche im vierten bände des anzeigers p. 481 ff. be-
sprochen worden sind. Auch verdient der commentar die gleiche
anerkennung, wie sie den früheren bändchen gezollt wurde;
die noten sind wol etwas knapp, aber klar und verständig ab-
gefaßt. Einiges gibt allerdings zu gegenbemerkungen anlaß,
wie z. b. v. 1 ff. „so daß der könig (Oinomaos) im schnellen
laufe umwarf und ums leben kam"; Euripides denkt sich die
sache vielmehr so, daß der Verabredung gemäß derjenige, wel-
cher früher an das ziel gelangte, den anderen tödten konnte;
so hatte es Oinomaos den früheren freiem gethan und so ge-
schah ihm von dem siegenden Peleus; nur so läßt sich diese
stelle mit vs. 823 ff. vereinigen. V. 124 f. heißt es von den xva-
vku Tihgat, „welche der sage nach ursprünglich, wenn ein
schiff durchfahren wollte, zusammenschlugen"; Euripides schil-
Shft 1. 365. Euripides. 657
dert dieselben in unserem drama als hart an einander gelegene,
in kreisender bewegung begriffene felsen, welche nur mit gro-
ßer gefahr durchschifft werden können, vgl. 241 f., 355, 392,
1388 f. V. 362 f. „die genitive ytvttov und yovuiujv gehören
ebensowohl zu l^-qnöviLda als zu i^aorwfiii rfl ; vielmehr steht
i'SaQiüjftivr, „mich anhängend" absolut, wiewohl man leicht iov
nxuvTog ergänzen kann. V. 419 f. „der sinn (das streben) nach
reichthum ist (bei) den einen maßlos, (bei) den andern hält er
die mitte". Wie stimmt dies zu dem vorhergehenden und wie
kann dies in den Worten des textes liegen? Richtig ist nur
die übrigens vom verf. selbst angedeutete erklärung : doch nicht
alle finden das ersehnte glück; einige erringen es nicht trotz
alles trachtens, manchen kommt es über nacht. Freilich bleibt
uxcugog dann bedenklich und man wird an b.uoigoc (Hense)
oder vielleicht uGToyog denken müssen. V. 432 svvatwv Tpq&a-
XCüiv „das ruhig im wasser liegende Steuer"; richtiger wohl activ
„das halt gebende". V. 514 liest der herausgeber wq iv mxg-
igyoo rqg i^Tjg SvOKoa^iag; mit der erklärung „so nebenbei
(als zugäbe) zu meinem Unglücke noch hinzu?" Diese erklärung
Seidler's (nur mit dem unterschiede, daß in unserer ausgäbe
dieser satz zu einer frage gemacht wird) beruht auf einer fal-
schen auffassung von mj.osqyov , welches immer nur eine neben-
sache im gegensatze zur hauptsache bezeichnet. Man wird da-
her die stelle so erklären müssen, daß Orestes verbittert, wie
er ist, wohl eine antwort zusagt, aber auch zugleich erklärt,
diese könne nur ein nägigyov gegenüber seiner dvGngutya, also
sehr kurz sein. Freilich müssen auch die verse 515 f. mitBad-
hani vor 513 gestellt werden. V. 939 wird ug/ul d' uldt ;ioi
7io"/lüJv növuiv also gedeutet: „der anfang meiner vielen leiden
(durch die Verfolgung der Erinyen) war folgender". Dazu
stimmt aber das folgende nicht, man wird daher aide auf das
vorhergehende beziehen und durch z« <bofßov SiGcpuru erklären
müssen; Orestos versteht aber darunter nicht etwa bloß jenen
spruch, der ihm befahl nach Tauris zu segeln, sondern sämmt-
liche Orakel und zunächst jenes, das ihm gebot den mord des vaters
an der mutter zu rächen. V. 1424 ixßo'/.ug reuig „der auswurf
des schiffes, d. h. das, was beim stranden des schiffes ans land ge-
worfen wird, hier zunächst die leute, welche daraufwaren" ; vielmehr
„das ausgeworfene schiff", vgl. Aesch. Eum. 748 ixßoXug yjijywv
Philol. Anz. V. 42
658 365. Euripides. Shft. I.
Nicht zu billigen ist es, daß in einem solchen commentare
von einer und derselben stelle verschiedene erklärungen ange-
führt werden, und zwar ohne anzugeben, welche den vorzug
verdient, z. b. 839 hoyov ixoöau) „entweder über (jede) Schilde-
rung hinaus (vgl. 900), unaussprechlich = dem obigen xqtTcGov
rj Xoyoiötv; oder über (jede) berechnung hinaus = dem folgen-
den uiottov", übrigens ist hier nur die erste deutung zulässig.
V. 1 n&oai6tv Innoig verbinden die einen mit fiolwv, die andern
als dat. instrumenti (durch seinen sieg mit den schnellen rossen)
mit ya/xel") erstere erklärung verdient den vorzug, weil Pelops
eben nicht durch die Schnelligkeit der rosse den sieg gewann,
man müßte denn annehmen, daß Euripides die sage ganz umge-
staltet und den Oinomaos ohne jede einwirkung des Myrtilos
im wettfahren von Pelops überholt werden ließ. V. 15 „der
genitiv duvrjg unXoiag ist von zvy%dvuv regiert und gleich durch
m>ev(MtTU)v <T ov rvy^dvcov erklärt. Andere fassen ihn causal
oder absolut". Die erste deutung ist geradezu unmöglich, die
zweite sehr bedenklich, weshalb man den vers mit recht als
verderbt bezeichnet hat. Da die bisherigen emendationsver-
suche nicht befriedigen, so mag hier ein neuer stehen: dei-
vrjg dnloiag itvtvfiuiwv rv%u)v ßndrsi; wenn das letzte wort des
verses, wie dies in dem vorliegenden drama öfters der fall ge-
wesen ist, undeutlich geworden oder ausgefallen war, so konnte
man leicht, um den vers zu ergänzen, aus zv%(ov e in o$ ivy^drwv
machen. V. 31 „y~qg verbindet man entweder mit ov (wo zu
lande) nach der analogie von nov yrjg, oder mit uvaGGit,, wo
landesherr ist Thoas, ein barbar über (unter) barbaren"; die
zweite erklärung ist nicht einmal grammatisch denkbar, aber
auch ov yrig erregt bedenken, da dieser ausdruck durch Wen-
dungen, wie nov yfjg xvgst und dgl. , nicht gerechtfertigt wird;
yijg ist, wie es scheint, eine glosse zu ov und dafür vielleicht
vvv. zu schreiben.
Auch damit kann man sich nicht einverstanden erklären,
daß in dem commentare zu den chorischen partien an so vielen
stellen, z. b. bei dem ersten stasimon wörtliche Übersetzungen
gegeben werden.
Den text hat der verf. unter sorgfältiger benutzung der
einschlägigen literatur selbständig constituirt und bei vielen stel-
len die von ihm angenommene fassung, namentlich seine eigenen
Shft. 1. 366. Euripides. 659
conjecturen in dem angeführten programme gerechtfertigt. Er
zeigt sich hier, wie in den früheren ausgaben, als einen ent-
schiedenen anhänger der conservativen richtung und hat daher
offenbar nicht zum vortheil seiner ausgäbe, viele emendationen
unberücksichtigt gelassen, welche unzweifelhaft aufgenommen zu
werden verdienten, so, um nur einige beispiele anzuführen, 18
urpoQfitarjg (Kirchhoff), 59 f. von Nauck für unecht erklärt, 62
änovß' (Badkam), 135 Evowtuv (Markland), 238 ^/iya^iifivovog
TS xui (Eeiske), 256 nov (Musgrave) u. s. w. Um nun
solche lesarten, welche von den bedeutendsten kritikern als
verderbt bezeichnet werden, festzuhalten, versucht sich der verf.
in gekünstelten erklärungen, durch welche aber solchen stellen
nicht aufgeholfen wird. So soll z. b. 475 f. rüg iv%aq, xtg oM
ot(o roCuiö' eüovTUt, welches nur heißen könnte : „wer weiß, wem
ein solches Schicksal bevorsteht", jedenfalls ein unpassender ge-
danke, also construiert werden: itg oiw (== ovdüg orw) roiufSs
Tv%ai h'dovrat oids (juviug) „wer, dem ein gleiches Schicksal be-
stimmt ist, d. h. niemand, weiß das". Warum muß man aber
an dieser lesart des Florentinus festhalten, während der jeden-
falls bessere Palatinus n'g ofcT oxC bietet, was den ganz richti-
gen sinn gibt: „wer kennt sein Schicksal im voraus"? V. 1046
wird das unmögliche yorov, wofür Winckelmann sehr wahr-
scheinlich x°Q°v geschrieben hat, also vertheidigt: „welche Stel-
lung wird dem Pylades in der mordgeschichte angewiesen wer-
den, d. h. welche rolle wird er spielen in der erzählung von
dem muttermord und der damit zusammenhängenden Verun-
reinigung".
Unter den ziemlich zahlreichen eigenen conjecturen des
verf. ist einiges, was wenigstens beachtung verdient. So be-
merkt er zu 465 f., daß Weil mit recht "EKXrjfft, als ein glossem
zu rtfj,7v erkannt hat, mit welchem aber auch das ohnehin anstö-
ßige dtdovg fallen muß ; darnach schreibt er ug b naQ q[iiv I
vofiog ov% ociug uvncpaCvsi. V. 1218 wird jurj nalafxvaiov ßXino)
vorgeschlagen, v. 1328 wird für unecht erklärt. Sichtig- ver-
bindet er v. 1181 (fiOBvtov mit dileuq, nicht mit xad-ti6av.
Die mehrzahl der vermuthungen ist dagegen ohne zweifei
verfehlt. So soll v. 52 Gxnpu °&eT ^tqyfia (ßli/ii[ja) statt
(pdfyf.ia geschrieben werden, weil es sich einmal hier zunächst
um die äußere gestalt handle, sodann, wenn cp&eyfia richtig
42*
660 365. Euripidea. Shft. 1.
wäre, der dichter doch wol gesagt hätte, wodurch eich diese
stimme vernehmen ließ, etwa durch ein geschrei. Man ver-
gleiche nur 227 olxiqäv t aluL,övxujv avduv und man wird ge-
wiß an cp&£y[j,a weiterhin keinen anstoß nehmen. Die verse
1 1 6 f. , welche sich an ihrem platze nicht halten lassen und
auch sonst nicht untergebracht werden können, sollen mit der
änderung von ovno in i\toi> an der stelle, wo sie überliefert sind,
beibehalten werden, was wohl keiner Widerlegung bedarf. Von
gleichem werthe sind die conjecturen 120 zo jov &sov yug
aXuov yer/jßeTut oder xui yuQ to iov &toü y' uXnov y., 1059
ffvyyäfiov statt ovyyovov unter berufung auf Phoen. 428 und
der bedenklichen bemerkung „gleichviel ob dieser vers als sol-
cher echt ist oder interpoliert", 1155 dw^u 'kä^-inrai, 1371
wGt ei '£,viumotj 1461 oßtag exuit &£ag &' oJtojg Ti/j,ag £%ß.
Zum Schlüsse einige vorschlage zur herstellung des in die-
sem stücke so arg verderbten textes. Die worte 9 7 f. nöx squ
xh^uxwv jiQoGu/jßdöttg ixßr](>6(i£()9~u können nur auf eine er-
steigung des tempels mittelst leitern gehen (vgl. Phoen. 744);
freilich hat dann der ausdruck manches auffällige, namentlich
ist ixßrj6o[i£6&a sowol an sich, als auch in Verbindung mit tioog-
ufjßuaitg bedenklich. Sollte man daher nicht annehmen, daß
ixßrja6fis6&u nur eine glosse ist, und das ursprüngliche wort
etwa dfj,siif)6fn6&u lautete? vgl. Phoen. 1179, 489, 1173. —
V. 273 f. vermag ich mir nicht zu erklären; einmal kann uyäX-
fiara schwerlich ohne weiteres für noüdeg stehen, sodann ist nir-
gends von söhnen des Nereus die rede, endlich müßte so der
hirte, nachdem er allgemein ein gebet au den Palaimon gerich-
tet hat, die vermuthung aussprechen, die Jünglinge könnten die
Dioskuren oder die söhne des Nereus sein. Was der verf. bei-
bringt, der hirt habe, weil er sich aus bigotterie l) nicht hin-
zusehen traute, oder wegen der weiten entfernung das geschlecht
nicht unterschieden, ist ein verzweifeltes auskunftsmittel. Ich
halte daher die beiden verse für unecht; sie rühren von einem
leser. her, welcher tii ovv (272), das hier wie öfters ohne ein
vorhergehendes sXn our und mit einem leichten anakoluthe
steht, nicht verstand und deshalb ein zweites glied hinzufügen
1) Der herausgeber übersetzt in der note zu v. 268 frtooißfjs mit
„bigott", was wegen des gegensatzes von /uc'aaios avoftia fh^aevs (275)
nicht zulässig ist.
Shft. 1. 367. Aristophanes. 661
zu müssen glaubte. — Dem verse 351, der nicht in den Zusam-
menhang passen will, läßt sich helfen, wenn man ihn nach 349
setzt, wornach Iphigenia damit ihren festen glauben an die
Wahrheit des traunies betheuern würde. — Die verse 352 f., aus
welchen man trotz aller emendationsversuche nicht im stände
war etwas zu machen, sind das elende machwerk eines interpo-
lators. — V. 452 ff. dürften ursprünglich also gelautet haben:
xal yuQ oveCQOifft Gvvstijv | do/noig nöXti rs naxqcou, | tsqtivüjv vn-
vcüv ajvoXavfiv xsivuv %uqiv o'kßov. Der chor wünscht sich im
träume in die heimat versetzen zu können; wie süß wäre ein
solcher Schlummer, wenn auch das glück des traumes ein eitles
ist; Gvriirjv statt Gv^ißn(r]v hat Kirchhoff, vnrwv statt vfivuyv
Hermann verbessert; xonuv, was die handschriften bieten, ist
der gleiche fehler, wie 418, wo im Palatinus auch xoivul statt
xHra steht. — V. 573 ist vielleicht zu schreiben h> de Ivitii iot
ixe/u, 782 Texx ovv neQalvov6> (dem ivigaws im vorhergehenden
verse entsprechend) ilg umGi utpt^oficuj 907 f. GoyuJv yuq uv-
dguiv iön fiy "'xßdviug zv/rjg xuiqov lußoviaq av&ig rjdovug ka-
ßsiV) 1118 ff. Iv ya.Q avdyxaig og (so mit Fritzsche) xd[ivsi> cvv-
TQO(pog u>v, ßuürd'Qai dvodaifioviav; nach 1349 ist wol eine lücke
anzunehmen, und v. 1352 mit Köchly nach 1349 zu setzen,
wornach die stelle folgende gestalt erhielte:
t%£vd~eQOvg Ttqv fivrjdsv tGicüiug rewg
........... ■)
ömvdovztg rjyov dm x*Qwv ngvfM'tJGta
xovioig tb TtqwQuv sf/oPj ol (T inioTidcov
uyxvquv E^avfjirzov, ol Je xXtpaxug
itovjoa didoi'zeg toIv %eroiv xa&lecav.
Karl Schenkl.
367. Aristophanes und Aristoteles oder über ein an-
gebliches Privilegium der alten attischen komödie von E. B r e n-
tano, Dr. phil. 4. Berlin, Weidmann. 1873. — 20 gr..
In der einleitung zu dieser schrift, die durch meine be-
sprechung der „Untersuchungen über das griechische drama von
Dr. Brentano" (Philol. anz. IV, n. 1. 1872) hervorgerufen und
2) Der gedanke in den ausgefallenen worten scheint gewesen zu
sein: die seeleute sich zur abfahrt fertig machend; daran schließt
eich ol di, als ob ein ol piv vorausgegangen wäre.
662 367. Aristophanes. Shft. 1.
zum großen theil dagegen gerichtet ist, führt der verf. aus, wie
dringend nothwendig es sei, die griechischen dichtungen mit
dem maßstabe der alten kunstlehre zu messen-, wenn dies ge-
schähe, wenn eine von maßvollen gesichtspunkten der sogenannten
höheren kritik geleitete prüfuug einträte, dann würde die er-
kenntnis gewonnen, daß zwischen den fundamentalsätzen der
antiken kunstlehre und den in vieler hinsieht mangelhaften an-
tiken produetionen ein unbegreifliches mißverhältnis obwalte, daß
die uns überlieferten stücke, die der tragiker nicht ausgenom-
men, in ihrer gesammtanlage fast durchweg mangelhaft seien,
und daß insbesondere Aristophanes für keinen wirk-
lichen dramatiker gehalten werden könne.
Gegen das vorhaben des verf.'s die alten über sich selbst
urtheilen zu lassen und mit dieser vergleichenden betrachtung
auf eine immer genauere Würdigung ihrer geistesproduete hin-
zuarbeiten, ist selbstverständlich nichts einzuwenden; wohl aber
habe ich an seiner beweisführung auch diesmal wieder manches
auszusetzen, und ich thue dies auf die gefahr hin von neuem
dem großen häufen der urtheilslosen zugerechnet zu werden.
Im ersten theile der eigentlichen abhandlung gibt Brentano
eine anschauliche und im ganzen unanfechtbare Übersicht über
die hauptsätze der antiken kunstlehre, nur beweist er nicht, wo-
rauf es doch einzig und allein ankam, daß für die alte attische
komödie dieselben bestimmungen gegolten haben, wie für die
tragödie. Ich fasse daher nur den zweiten theil der schrift ins
äuge, worin speciell von der komödie die rede ist, bemerke aber
gleich im voraus, um falschen beurtheilungen vorzubeugen, daß
ich hier nur einige hauptpunkte berühren kann.
Aus der bekannten stelle Arist. Poet. c. 5 nqiowq tjq&v
xtX. kann wohl geschlossen werden, daß Krates an einheit-
licher durchführung eines planes seine Vorgänger übertraf, die
Worte besagen aber nicht, daß er stücke von jener regelrechtig-
keit und dramatischen Vollendung baute, wie sie Brentano von
einem" wahren künstler verlangen zu müssen glaubt. Vollends
hinfällig aber wird der auf Krates gestützte beweis, sobald man
erwägt, daß die von demselben eingeschlagene richtung von sei-
nen nachfolgern wieder verlassen wurde, und zwar aus dem
einfachen gründe, weil ein verschiedener inhalt auch eine ver-
schiedene darstellung bedingte. Krates behandelte keine politi-
Shft. 1. 367. Aristophanes. 663
sehen stoffe, um damit persönlichen spott und eine kritik der
Öffentlichen angelegenheiten zu verknüpfen, sondern er wählte
motive von allgemeinerem charakter und bewegte sich mit sei-
ner darstellung auf einem, den tagesinteressen abgewandten ge-
biete. In dieser hinsieht gleicht ihm von den späteren nur noch
Pherekrates; auch dieser behandelte Sittenbilder und zustände
des lebens, und so sah er gleichfalls mehr als die anderen auf
erfindung und Ökonomie (s. Prolegom. de com. EU, 9 Bergk.).
Ganz anders verfuhr dagegen Kratinus. Er, welcher der al-
ten komödie den ihr eigenthümlichen politischen charakter gab
und sie ihrer höchsten blute entgegenführte, wußte zwar seineu
jedesmaligen plan mit einsieht und ge schicklichkeit zu entwickeln,
sah aber doch auf strenge consequenz bei durchführung der
grundidee so wenig, daß oft der ausgang der handlung zu ih-
rem anfange und ihrer fortentwickelung in keinem rechten Ver-
hältnisse stand. Platonios p. XXIII B. und der anonymes III. it.
xiotuo)6tug bezeugen das ausdrücklich, und an diesem resultat ändert
der umstand nichts, daß Kratinus gegen ende seiner dichterlaufbahn
in der üviivr] einmal regelrechter oder sinniger als sonst auf-
baute. Wenn aber Kratinus ohne straffen plan und ohne
streng durchgeführte composition ein großer und angesehener
dichter sein konnte, so berechtigt der hohe rühm, dessen sich
Aristophanes erfreute, noch nicht zu der annähme, daß er
die forderungen vollendeter technik erfüllt haben müsse. Zwar
heißt es in dem fünften anonymus: 6 ixivxoi ye ^AoiGioydivris
(u.a&oÖ£v6ug Ttpr/.cüTeQov u. s. w. , aber mit diesen worten wird
doch nur ein relativer unterschied zwischen den beiden dich-
tem statuiert; Aristophanes -war sorgfältiger, grub tiefer und
dachte idealer als sein großer nebenbuhler, lauter Vorzüge, die
uns auch jetzt noch auf schritt und tritt entgegentreten und deren
sich der dichter selber rühmt; er betont seinen fleiß, seine Sorgfalt,
den hohen sittlichen werth und die bleibenden Verdienste seiner
dichtungen, dessen aber rühmt er sich nirgend, daß er ein
seinem bau nach untadeliges drama geschaffen habe.
Der ansieht von der künstlerischen Vollendung der Aristo-
phaneischen komödie könnten wir auch um der par abäse wil-
len nicht huldigen, da dieselbe auf alle fälle den verlauf der
handlung unterbricht. Die echtheit der parabase aber hat noch
niemand in zweifei gezogen.
664 367. Aristophanes. Shft. 1.
Wenn aber Aristophanes beim bau seiner stücke nicht mit
derselben kunst verfuhr, wie die tragiker, durfte ihn dann Ari-
Btoteles zu den großen dichtem zählen? (Poet, c. 3). Gewiß.
Aristophanes besaß eben alle jene Vorzüge, die einen dichter
groß, einflußreich und unsterblich machen. Brentano kennt
diese Vorzüge, er zählt sie p. 8 seiner Schrift auf; hätte er nur
gewicht darauf legen wollen! Aber weiter. Aristoteles spricht
eigentlich nirgend von einer bündigen, harmonischen gliederung
der komödie. Es ist reine willkür zu behaupten, der philosoph
müsse in den verloren gegangenen partien seiner schrift von
der komödie dieselbe strenge compositum ausgesagt haben, wie
in den noch vorhandenen von der tragödie. Im gegentheil;
wenn jetzt alle forderungen rücksichtlich einer einheitlichen, lo-
gisch entwickelten fabel als nur für die tragödie geltend be-
zeichnet werden, so liegt der Schluß nahe, es könne die komö-
die mit der tragödie unmöglich auf gleiche stufe gestellt worden
sein. Besondere beachtung verdient in dieser hinsieht nament-
lich der Schluß der Poetik, da hier mit übergehung der komö-
die allein der tragödie wegen ihrer größeren einheit und concen-
tration der Vorrang vor dem Epos zuerkannt wird.
Auf Arist. Poet. c. 9, 5 im fiev ovv rJJg xiopaSfag xtX. darf
man sich nicht berufen, um das gegentheil zu beweisen. Zuerst
ist es das wahrscheinlichste, daß hier, wie Bernays meint, die
mittlere, vielleicht auch schon die neuere komödie den iambo-
graphen gegenüber gestellt wird. (Xenoph. de republ. Athen. II,
18. Excerpt. I bei Bergk). Gesetzt aber auch, Aristoteles habe
die alte komödie gemeint, so ist daraus nicht der Schluß zu
ziehen, das alterthum habe einen andern Aristophanes gehabt
als wir. Lessing hat das „in einer eben so klaren wie zutreffen-
den deduetion" auseinandergesetzt, wie Brentano sehr richtig
aber sehr zu seinem schaden bemerkt; denn erklärt nicht Les-
sing unseren Aristophanes für einen dichter, dem auch die Poe-
tik nichts anzuhaben vermag, da er schreibt, „das xu&olov noi-
uv Xoyovg rj [iv&ovg werde Aristoteles dem Aristophanes gewiß
nicht abgesprochen haben, ob er schon wußte, wie sehr er nicht
allein den Kleon und Hyperbolus, sondern auch den Perikles und
Sokratos namentlich mitgenommen". (Hamb. Dram. st. 91 anm.).
Bei Unterscheidung der verschiedenen komödiengattungen
fällt das zeugniß des Antiphanes bei Athen. VT, 222 gleich-
Shft. 1. 368. Ephoros. 665
falls in die wagscliale. Brentano bemerkt zwar ganz richtig,
daß es sich dort um den gegensatz zwischen tragödie und ko-
mödie, nicht um den zwischen alter und neuer komödie handle.
Allein was dort gesagt wird, gilt doch selbstverständlich nur
von der komödie des Antiphanes, und das war die jüngere.
Von dieser also erfahren wir, daß sie außer auf andere dinge
auch auf die xaruffTgocpi] und die tfcßolrj genau hat achten
müssen. Von der alten komödie berichtet das niemand.
Übrigens ist es noch etwas anderes, ob ich sage, die alte
attische komödie habe das Privilegium besessen, sich über die
regeln strenger dramatik hinwegsetzen zu dürfen, oder ob Bren-
tano das eine mal sagt, sie habe das Privilegium der harmlosig-
keit besessen und das andere mal, die aller regeln spottende
compositionsweise des Aristophanes sei ein ganz grober rückfall
in die älteste kunstlose komödienpraxis. Die alte komödie und
speciell die des Aristophanes erfüllt nicht alle künstlerischen an-
forderungen, das ist wahr; sie hat im durchschnitt keine regel-
recht fortschreitende, in conflicten sich weiterbewegende, einem
bestimmten endpunkte unaufhaltsam zutreibende handlang, aber
ein grundgedanke ist doch immer da, der die einzelnen, oft
nur locker verbundenen scenen eng mit einander verkettet oder
wie Teuffei sagt, sie mit einem bände zusammenfaßt, das der
genialsten freikeit der bewegung keinen eintrag thut. Nach
dem allen muß es als der grundfehler der sonst mit großer
umsieht, gelehrsamkeit und schärfe, aber auch wieder mit vielem
Selbstbewußtsein geschriebenen Brentano'schen abhandlung be-
zeichnet werden, daß ihr Verfasser eine poesie nicht als groß
und bedeutend anerkennen will, deren Organismus bald mehr
bald weniger gelockert ist und in welcher die gesetze der ab-
stracten logik nicht durchweg befolgt sind.
Christian Muff.
368. Ueber die fr agmente des Ephoros. Von Dress-
ler. 4. Programm des gymnasiums zu Bautzen. 1873.
Der Verfasser dieser kleinen schrift hat das cap. I derselben
mit dem titel „die reste des Ejhoreischen geschichtswerkes"
bezeichnet, und wir sind deshalb berechtigt, in demselben eine
Zusammenstellung derjenigen Schriftsteller zu erwarten, denen
Ephoros als quelle zu gründe liegt. Dieser erwartung wird
66$ 368. Ephoros. Shft. 1.
aber von dem verf. nur sehr ungenügend entsprochen. Denn
außer den direct überlieferten fragmenten des Ephoros wird nur
Diodor nach den Untersuchungen von Cauer und Volquardsen als
ein solcher angeführt, in dem reste der ephoreischen historien
enthalten sind. Diejenigen Untersuchungen, welche für Plutarch
und Trogus Pompejus die benutzung des Ephoros als quelle
nachgewiesen haben, sind dem verf. offenbar ganz unbekannt
geblieben. Welche erhebliche reste des ephoreischen geschichts-
werkes damit unberücksichtigt gelassen sind, mag die folgende
Zusammenstellung beweisen. Ephoros ist nämlich als quelle
nachgewiesen worden von Sauppe für Plutarchs Perikles, von
Fricke für vit. Alcib. c. 13 ff., für vit. Lysand. c. 3—16 und
für einzelne partien des Nikias, von Stedefeldt gleichfalls für
vit. Lysand. und die des Agesilaos, von Flügel für Lykurgos,
von Wolffgarten (de EpTiori et Dinonis liist. a Trogo Pompejo ex-
pressis) für die darstellung der griechischen geschichte bis auf
die Schlacht bei Mantineia in der epitome des Iustinus. Die
kenntniß der Untersuchungen Fricke's konnte den verf. auch
für Diodor von dem fehler frei halten, die resultate Volquard-
sens für das 11 — 15. buch Diodors als wissenschaftlich festste-
hende zu bezeichnen, da Fricke unters, üb. d. quell. Plutarchs
im Nik. u. Alcib. p. 10 ff., 66 ff. mit ziemlicher Wahrscheinlich-
keit für Diod. Xni, 45— XIV, 10 gegen Volquardsen Theo-
pompos als quelle nachgewiesen hat.
Das c. DI enthält „versuche zur bestimmung des inhaltes der
einzelnen bücher und zur anordnung der fragmente und der bei
Diodor erhaltenen theile derselben". Der verf. bemerkt dazu p. 6,
daß er das verfahren Cauers dabei zu dem seinigen machen und
den beweisgang desselben seiner auseinandersetzung zu gründe
legen werde, wenn er auch im einzelnen vielfach von ihm ab-
weichen müsse. Diese abweichungen bestehen in der berück-
sichtigung der nach Cauer erschienenen literatur, in der ge-
nauem angäbe der partien des Diodor für die einzelnen bücher
des Ephoros und in einer etwas anders als bei Cauer geordneten
reihcnfolge der uns erhaltenen fragmente. Im übrigen ist, um
mit dem verf. zu reden, der beweisgang Cauers der auseinan-
dersetzung des verf. zu gründe gelegt worden, d. h. wer §. 5,
p. 63 ff. in dem vortrefflichen schriftchen von Cauer (quaestionum
de fontib. ad Agcsilai hist. pertinentib. p. prior 1847) mit c. 2,
Shft. 1. 368. Ephorog. 667
p. 4 — 29 unsers programms vergleicht, wird finden, daß das-
selbe, die soeben näber bestimmten abweichungen abgerechnet,
eine bald wörtliche, bald etwas freiere Übertragung der be-
treffenden ausführung Carters ins deutsche ist. Zu welchem
zweck deshalb der verf. dieses capitel abgefaßt hat, ist nicht
wohl einzusehen. Das lange nicht genug gewürdigte verdienst
Cauers um das richtige verständniß der historien des Ephoros
ist die bald mehr, bald minder wahrscheinlich gemachte bestim-
mung des inhaltes der einzelnen bücher des ephoreischen ge-
schieh tswerkes. Daß die an diese genauere besthnmung sich
anschließende neue anordnung der fragmente des Ephoros sich
von der von Meier Marx eingeführten, von Müller in seiner aus-
gäbe der Iragm. hist. graec. adoptirten anordnung wesentlich
zu ihrem vortheil unterscheidet, ist nicht zu leugnen. Man kann
allerdings bei annähme der Cauerschen Inhaltsbestimmungen der
einzelnen bücher des Ephoros mit ziemlicher Sicherheit die frag-
mente auf die einzelnen bücher vertheilen, aber die bestimmte
folge der fragmente unter einander wird trotzdem immer von
zweifelhafter gewißheit sein. Deshalb kann auch die p. 27 ff.
von dem verf. gegebene neue anordnung der fragmente, die
sich übrigens von der Cauerschen nicht so wesentlich unter-
scheidet, die vollständige reproduetion der ausführung Cauers
nicht entschuldigen. Zu einer materiellen abweichung von den
Cauerschen annahmen in der bestimmung der einzelnen bücher
kommt der verf. nur in zwei fällen. Er nimmt als inhalt für
das 27. buch die makedonische geschichte bis auf Philipp, für
das 29. die griechische geschichte von der Schlacht bei Mantineia
bis zum heiligen kriege an, während sich bei Cauer die umge-
kehrte ansetzung findet, wo aber beide ansetzungen nur auf
kypothesen beruhen. Die zweite abweichung besteht darin, daß
der verf. die anfange des athenischen Staates mit denen der
übrigen griechischen Staaten in das 6., Cauer als einleitung zum
ersten Perserkriege in das 10. buch verweist. Der umstand,
daß Iustinus, für den, wie oben bemerkt, Ephoros von Wolff-
garten als quelle nachgewiesen ist, die anfange Athens mit dem
ersten Perserkriege verbindet (2. 6 ff.) und sie von der pelopon-
nesischen geschichte, die erst 3. 2 ff . behandelt wird, trennt,
scheint hier für die annähme Cauers zu sprechen.
Nachdem der verf. im dritten capitel nochmals eine kurze
668 369. Piaton. Shft. 1,
Übersicht des im vorigen capitel bestimmten ganges des ephorei-
schen geschichtswerkes gegeben hat, schließt er sich richtig der
ausführung Ulrici's (Charakterist. d. ant. historiogr. p. 170 ff.)
an, daß die bezeichnung der historien des Ephoros als einer
Universalgeschichte nur im antiken sinne des Wortes zu verstehen
sei, d. h. daß derartige werke die geschichte der barbarischen
Völker nur insofern enthielten, als diese in näherer oder fernerer
beziehung je nach dem ausgangspuncte des werkes zu den Grie-
chen oder Kömern gestanden haben. Gustav Gilbert.
369. Piatons Euthyphron. Für den schulgebrauch erklärt
von Martin Wohlrab. 8. Leipzig, B. G. Teubner 1873.
VI u. 42 s. — 5 gr.
Die neue von Wohlrabs kundiger hand gebotene Schulaus-
gabe des Platonischen Euthyphron werden nicht nur diejenigen
willkommen heißen, welche mit Brüggemann diesen dialog als
besonders geeignet zur erklärung in der schule empfehlen, son-
dern auch solche, welche ihn mit Bonitz nur als zulässig und
lesbar bezeichnen und daher nach Schraders Vorschlag lieber
der privatlectüre überlassen. Die einleitung bespricht in vier
abschnitten (p. 1 — 10) personen, ort und zeit, dann den gang
und die gliederung, hierauf den zweck des dialoges und schließ-
lich die zeit der abfassung auf eine durchaus entsprechende
weise; nur hätte neben der dialektischen auch die ethische be-
deutung der schritt mehr betont und bestimmteres über den be-
griff des oßiov im platonischen sinne mitgetheilt werden sollen.
Der text ist nicht allein correct gedruckt — doch steht p. 35
Evd-ov(fqov und ist ebenda die Seitenzahl des Stephamis 13 aus-
gefallen — , sondern auch mit Sorgfalt revidiert und seine Ver-
schiedenheit vom Hermann'schen texte in einem kritischen anhang
verzeichnet. Die am Schlüsse der vorrede verheißene rechtferti-
gung der hauptsächlichsten abweichnngen ist inzwischen in den
Jahrbb. f. philol. 1873, p. 33 f. erschienen, beschränkt sich aber
auf vier lesarten, von denen die erste gar nicht in den text der
ausgäbe gesetzt ist-, und doch durfte man noch über manches
genauere oder andere aufklärung erwarten. So gibt Wohlrab
an, 4 B Man dt dt] twv „mit Bekker" geschrieben zu haben;
wichtiger ist doch: nach Clarkianus und Tubingcnsis. P. 7 B
wird einfach constatiert, daß die von Hermann bei «fyjjrcu ydq
Shft. 1. 369. Piaton. 669
angewendeten klammern „wieder beseitigt" worden sind-, aber
inzwischen hatte Schanz im Piniol. XXVIII, 724 unter anderen
auch jene stelle noch in weiterem umfange verdächtigt und
zwar mit gründen, die wohl einer Widerlegung werth waren.
Auch die beitrage von Schanz im Specimen criticum p. 37 (Göt-
tingen 1867) zu 11 B und in der Zeitschr. f. d. österr. gymn.
1869, p. 83 zu 16 A und p. 86 zu 8 A verdienten mehr be-
achtung. Die Nov. cornmentatt. Plat. desselben Verfassers sind
vom herausgeber benützt worden; um so auffallender erscheint
es, daß die daselbst mitgetheilten lesarten der besten handschrift
9 E jrdvng d~eoi und 12 A hkurwn rj o6co weder aufnähme in
den text noch eine ablehnende besprechung erfahren haben.
Unter den von Madvig in den Advers. crit. I, p. 367 mitge-
theilten vorschlagen hat der durch jüngere handschriften unterstützte
zu 5 B aufnähme, der zu 6 A Widerlegung, der zu 1 1 E keine
verwerthung gefunden. "Weniger ' als gegen den mit fast über-
triebener Zurückhaltung hergestellten text wird sich gegen die
ihrem zwecke durchaus entsprechenden anmerkungen einwenden
lassen-, doch konnte auch hier noch manches gewonnen werden
z. b. aus der abhandlung von Schanz über die bifurcation der
platonischen perioden in den Jahrbb. f. philol. 1870, p. 228 ff.
und aus der mittheilung von Usener ebendas. 1872, 743 f. über
dtiv 4 D als absolutes particip. Auch durfte die vergleichung
analoger stellen weiter ausgedehnt werden; z. b. 4 B die ab-
weichend von Hermann aufgenommene lesart eßrt 6s dq vgl.
mit 3 E; den concessiven gebrauch von ijiti 9 B vgl. mit Prot.
317 A u.a. stellen; die anläge der periode 3 DE etwa mit Lach.
179 D. Bei dieser gelegenheit sei es gestattet, eine Verbesse-
rung zu Lach. 186 B vorzuschlagen: xui tjfxug uqu dtl . . tl
fiiv (pufiev £%tiv , tnidiV$ut uviolg xai diduoxukovg ohivtg r\^i(jjv
ytyövuöiv . . ' rj u zig rjfxwv uvtlüv euviw diddcxuXov fiiv ov (prjGt,
ytyovtrai , aXk ovv hgyu uvidg uaov £%et el/ieTv xal imdt^ui,
xivtg . . St' ixelvov ö/JoXoyovfxirwg uyu&oi yeyoruGir. Nach die-
ser interpunction hängt eljTsTv xui iiudel^ai gleichmäßig von t%ii,
ab, gehört also zur protasis des zweiten theiles der periode, so
weit diese hier in betracht kommt, während bei der auf einen
bestimmten parallelismus hinzielenden anläge dieses durch xal
mit elneh' verbundene inidel^ui entsprechend dem im ersten
theile der periode nach ei fitv (pufitv i%uv stehenden imdel'§ui,
67Ö 370. Piaton. Shft. 1.
abhängig von dem an die spitze des ganzen gestellten de7 die
apodosis einleiten sollte. Diese richtige beziehung ist auch hie
und da erkannt und durch interpunction vor xal bezeichnet wor-
den ; aber darin liegt doch etwas sehr gezwungenes, da die Ver-
bindung der beiden verba zu einem begriff durch beispiele wie
Euthyd. 294 C u. a. zu nahe liegt. Es ist daher wohl ange-
zeigt, xul zu streichen, wodurch die protaseis und apodoseis der
beiden hier entgegengesetzten periodentheile ohne Störung der
z. b. in cpufiev e^etv und e%ei elueTv liegenden Variation in con-
cinnität gebracht werden. "Wie leicht aber xul zwischen beide
auch sonst bisweilen verbundene infinitive eingeschoben werden
konnte, bedarf keines nachweises. Anders ist die stelle in den
Jahrbb. f. philol. 1870, p. 238 gedeutet, wonach auch elnsTv un-
mittelbar von 6s7 abhängig zu denken und so eine anakoluthe
ragung anzunehmen wäre. Doch genug; es mag mit dem
Wunsche geschlossen werden, daß der erprobte herausgeber des
Theaetet, dessen eben besprochene neueste arbeit als zweites
neft des dritten theiles der Sammlung von Cron und Deuschle
eingefügt ist, in ähnlicher weise den auch für schüler so loh-
nenden Phaedon, von welchem wir keine ähnliche ausgäbe be-
sitzen, bearbeiten möge.
370. Quid Plato de animae mundanae elementis docuerii.
Scripsit Martinus Wohlrab. Dresden 1872, 21 p. 4. (Pro-
gramm des gymnasiums zum heiligen kreuz).
Wohlrab unterzieht die viel behandelte stelle Timäos 35
A. B. Trjg upegCßiov xal uel xaiä ruviu i/ovff^g ovai'ug xul rrjg
av neql zu Gwfiaza yiyvofiirrjg fiegiGiljg xgdov f§ äficpoTv er (uißat
^vvexegaGuto ovüiag eldoq, Trtg is lavrov (pvGewg av negt xal rijg
Saxegov, xul xaiu iuvtu '^vreGir^ev er (jico) xou re äfiegovg av-
TÜiv (Wohlrab nach Proklos uvtov) xal rov xara tu. Glojuutcc
ueoiGiov' xal rgla Xußior aviu bvra övrexegaGaro dg fxCuv
ndvxulSiuv ti]V S-utiqov <pvßtv SvGfjixTor ovGur elg Tumor ^vrug/jor-
ta)v ßfu. fxfyrvg de fieru xl]g ovdCug xul ix tqiujv noir;6a/xevog er
Ttuhr uXor jovto [M)tgug oüug ngoa^xe dierei/nsr, ixdGrrfv de ex ts
xuvtov xul d-aiiQOV xul i^g ovöfag (Js({*tyftt'vr]v einer erneuten
gründlichen besprcchung. So vollständig er aber dabei im
übrigen die vorbandeno literatur beimtzt bat, so ist doch meine
abhandlung, „über die bildung der weltseele im platonischen Ti-
Shft. 1. 370, Piaton. 671
mäos" Philologus suppleni. II, p. 217 ff., in -welcher ich zugleich
eine umfassende kritische Übersicht aller früheren erklärungen
gegeben habe, seiner aufmerksamkeit entgangen, und ich glaube
nicht, daß mich der Vorwurf trifft, welchen er (p. 6) seinen Vor-
gängern macht: verba ipsa nirnis neglexerunt. Auch habe ich
dort eine frage zu lösen versucht, welche er nicht einmal auf-
wirft, nämlich was die zweite mechanische mischung (xal rgia
kaßuv alzu x. r. X.) gegenüber der ersten chemischen bedeutet.
Uebrigens stimmt in den wesentlichsten punkten seine erklärung
mit der meinen überein, doch habe ich aus seiner arbeit gelernt,
daß ich mit der meinen noch keineswegs alles völlig ins reine
gebracht habe. Die genetive rr\g ufiegfoiov ... fjbsQi&rijg faßt er mit
Steinhart partitiv unter berufung auf 33 D %eiQ(.uv . . . ovx wsio
delv avrcp TtooGunisiv ovds nodwv und 65 D unorijxeiv uviijg rTjg
(pvGnxjq, allein der wesentliche unterschied ist, daß in diesen bei-
den stellen das verbum nicht ein eignes object wie hier iqfoov
ovßtug ddog hat, sondern das object (zt) in den partitiven gene-
tiven selber liegt. Daher halte ich auch jetzt noch an Ueberwegs
construction fest, welcher ix zu diesen genetiven aus dem fol-
genden i% uficpoh' ergänzt. Denn daß diese construction sonst
nur bei dichtem vorzukommen scheint, findet doch vielleicht
seine genügende entschuldigung darin, daß überhaupt die spräche
des Timäos in Übereinstimmung mit der darstellungsweise viel-
fach ans dichterische streift. Wohlrab erklärt nun die ganze
stelle grammatisch, wenn man hiervon absieht und nichts ändern
will, gewiß richtig so: „aus einem theile der untheilbaren und
immer sich gleich bleibenden Wesenheit und wiederum einem
derjenigen, welche an den körpem theiibar wird, aus beiden
mischte der weltbildner eine dritte art von Wesenheit so zusam-
men, daß sie die mitte zwischen ihnen hielt; wenn man wie-
derum die natur des selbigen (sichgleichbleibenden) und des an-
dern in betracht zieht, so setzte er sie auch in dieser hinsieht
so zusammen, daß sie die mitte hielt zwischen dem untheilbaren
an ihr (uvtov = tqCtov ovGCug tXöovg) und dem an den körpern
getheilten. Und nachdem er sie alle drei genommen, mengte
er sie alle zu einer einzigen gestaltung zusammen, indem er die
der mischung widerstrebende natur des anderen mit gewalt in
das selbige (sichgleichbleibende) einfügte. Und nachdem er
beide mit der (dritten) Wesenheit vermischt und aus den dreien
672 370. Piaton. Shft. 1.
eins gemacht hatte, theilte er wiederum dies ganze in so viel
theile, als es sich gehörte, so aber, daß ein jeder aus dem sel-
bigen (sichgleichbleibenden), dem andern und der Wesenheit ge-
mischt war". Allein was soll es denn heißen, daß gott wie-
derum auch in bezug auf die natur des selbigen und des ande-
ren der dritten Substanz eine mittlere beschaffenheit zwischen
dem zu ihr verwendeten theile der untheilbaren und dem gleich-
falls zu ihr verwendeten der theilbaren gab? Um dies „wie-
derum" und „auch" verstehen zu können, müßte doch vorher
nicht im allgemeinen gesagt sein, daß er ihr eine solche mitt-
lere beschaffenheit verlieh, sondern eine bestimmte andere hin-
sieht angegeben sein, in welcher er es that. Wohlrab macht
mit Steinhart einen unterschied zwischen ovGta und yvGig, aber
worin dieser unterschied nach seiner meinung bestehen soll, ist
wenigstens mir aus seiner darstellung nicht klar geworden.
Das erste mal könnte freilich yvGig die natur eines gegenstän-
des im sinne des inbegriffs seiner wesentlichen Qualitäten be-
zeichnen, aber das zweite mal drückt t^v duiioov yvGiv einen
bestandtheil der zweiten mischung selber, mithin nothwendig et-
was substantielles aus, und der genetiv ist exegetisch, so daß
rj -d-arioov cptGig nur eine Umschreibung für &utsqov ist. Das
wahrscheinlichste ist mir unter diesen umständen noch immer,
daß das zweite uv niqv als dittographie zu streichen ist, so daß
tvig re tuvtov cpvßewg xal i^g daitqov von dem ersten iv (jbiaqt
abhängt. Statt des folgenden uvtiov oder avrov möchte uvto
zu lesen sein. Aber wenn ich das zweite iv [liffw früher mit
Ueberweg anders als das erste, nämlich local gefaßt habe, so
scheint mir dies jetzt noch viel bedenklicher1), als wenn man die
lesart xaxa ravru aufnehmen wollte, was nach tilgung des zwei-
ten av Tiiot, allerdings dazu zwingen würde yvaig wirklich in
der obigen weise das erste mal anders als das zweite zu neh-
men, und so fürchte ich fast, daß die Avorte xal xara tuvtu —
[AfQiöiov einen tieferen schaden genommen haben, als er sich
mit den heute unserer kritik zu geböte stehenden mittein heben
läßt. Uebereinstimmend mit mir versteht Wohlrab unter der
ovofa ntgl tu Gio/xaia yiyro/uevr] }i(QiGT>j die platonische matcrie
als den räum, welcher, an sich untheilbar, an den körpern thcil-
1) Denn %wicTr)Gtv kann, wie ich jetzt einsehe, schwerlich heißen:
„stellte er sie mit den beiden andern Substanzen in einer reihe vor
sich hin".
Shft. 1. 371. Aristoteles. 673
bar wird, dagegen abweichend von mir unter der afitgiGrog xul
uti xuru tuvtu t/ovGu nicht die ideenweit, sondern deren Sub-
stanz , allein dann müßte es vielmehr ovofa xov upsgiOTov xul
uti xurd zaviu hgoviog heißen. Daß die ideenweit hier gleich
der materie wie eine körperliche Substanz bebandelt wird, liegt
in der ganzen versinnlichenden einkleidung, nach welcher beide
bestandtheile gleichwie zwei Stoffe in einem mischkruge ge-
mischt werden (ßjti iov ngortgov xgcarjgu, ii> q> tijv tov jiuvrcg
ipvx>]f xsgavvvg e'fitG/f, p. 41 D)- Daran aber, daß nach platoni-
scher lehre die seelen- und eben so die körperdinge in der that
eine Verbindung der ideen mit der räumlichkeit sind, scheint ja
auch Wohirab (p. 12. 19) festzuhalten, und so verstehe ich
nicht, wie er (p. 20) behaupten kann: iure mireris, cur Plato ib
ututgzg partem esse dixerit animae mundanae una cum eo, guod ei
est oppositum. [S. ob. hft 9, p. 448. — E. v. L.]
Fr. Susemihl.
371. Aristotelische aufsätze. I. II. VonJ. Vahlen. 8. Wien,
Gerold. 1872. 18 und 52 ss. (Abdruck aus den phil.-hist. be-
richten der Wiener akademie LXXI, p. 419 ff. LXXII, p. 5 ff.).
Es ist erfreulich, daß Vahlen fortfährt einen theil seiner
wissenschaftlichen thätigkeit der erklärung des Aristoteles zuzu-
wenden, für welche er vor vielen berufen ist. Der erste der
beiden jetzt dargebotnen aufsätze behandelt Psych. III, 6, p. 430 a,
26 — b, 6, eine von denjenigen stellen, in welchen Torstrik eine
doppelte recension annimmt, im gegensatz zu Torstrik in einer
weise, die nichts weiter zu wünschen übrig läßt, als daß der
verf. sich entschließen möchte ähnlich auch die übrigen wirk-
lichen oder vermeintlichen „loci gern iniu in diesem dritten buch der
Psychologie zu erörtern und dabei auch die bisher noch von
niemandem aufgeworfene frage nicht außer acht zu lassen, ob
wirklich c. 3, 427 b, 14—27 (oder — 29?) neben 428 a,l— 429 a, 9
innerhalb derselben recension bestehen können. Der zweite auf-
satz aber richtet sich gegen die behandlung des 1. capitels im
7. buche (alter Ordnung) der Politik bei Bernays Dialoge des
Aristoteles p. 69 ff. 156 ff. Für mich hat die von letzterem dargelegte
auffassung dieses capitels nie etwas überzeugendes gehabt, und
um so mehr kann es mir im allgemeinen nur recht sein, wenn
Vahlen, welcher früher seine behandlung desselben als meister-
Philol. Anz. V. 43
674 371. Aristoteles. Shft. 1.
haft bezeichnet hat,, sie jetzt einer so vernichtenden kritik un-
terwirft, daß geradezu kein einziger stein übrig bleibt-, indessen
scheint mir in einzelnen nebenfragen die Widerlegung keine
ganz schlagende zu sein. Gerade in der hauptsache aber gehe
ich noch einen schritt weiter. Vahlen bleibt dabei stehen, in
den i%(jüT£Qixol Xoyov schriftliche erörterungen sei es nun
des Aristoteles selbst oder anderer zu erblicken; mit welchem
recht er dies seinen eignen auseinandersetzungen gegenüber für
so sicher halten kann, vermag ich aber nicht abzusehen. Den
conträren gegensatz nun ferner gegen die i^wreQixol Xöyot bil-
den wenigstens in der Eud. Eth. I, 8. 1217 b, 22 ff. die x«r«
quXoßocpiav loyoi} diesen xuia (fiXooocpiuv ?i.oyot stellt aber Ari-
stoteles wieder das, was „alle", auch die nichtphilosophen sagen
oder zugestehen, also die nuvrwv \6yoi gegenüber, so direct Pol.
III, 12, p. 1282 b, 18 f., und indirect auch an der in rede stehen-
den stelle 1323 a, 23 — 35, daher ich auch das uloneg nuvreg
(z. 34) mir zwar gleich Vahlen von Bernays nicht habe nehmen
lassen, aber Vahlens vertheidigung des nackten Xeyopsvi» statt
Xsyo/xtva <C«wAu5c> nicht sonderlich überzeugend finde. Mich
dünkt, der Schluß ist hiernach fast unabweislich , daß die i£w-
tsqixoI Xöyot und die Xoyoi ndviiuv einerlei sind. Hat ferner
Aristoteles so gefolgert: „auch schon die gewöhnlichen an-
sichten, die man allgemein auch außerhalb der philosophischen
kreise aussprechen hört, bieten für die richtige bestimmung des
besten lebens manche genügende anknüpfungspunkte dar, und
daher will ich von diesen auch wirklich ausgehen-, denn nie-
mand ist, der nicht wenigstens so viel zugäbe u. s. w.", (z. 19 ff.)
und: „welches die verschiedenen arten sind über menschen zu
herrschen ist leicht zu bestimmen, denn auch schon im täglichen
leben sind die bestimmungen hierüber unter uns gäug und gebe"
(III, 6. 1278 b, 39 ff.), so ist das klar und logisch gesprocheu.
Hat er aber, wie Bernays und seine anhänger, zu denen leider
auch Bonitz gehört, wollen, gesagt: „da ich glaube, daß auch
schon von dem in meinen populären Schriften über das beste
leben vorgebrachten manches in genügender weise vorgebracht
wird, so will ich von dem letzteren auch jetzt gebrauch machen;
alle weit nämlich giebt so viel zu u. s. w." und: „die verschie-
denen modalitäten der herrschaft über menschen sind leicht zu
bestimmen, denn auch in meinen populären Schriften treffe ich
Shft. 1. 371. Aristoteles. 675
wiederholt die bestimmungen über sie", so fürchte ich, daß bei
solchen Schlußfolgerungen die logik wenigstens keinen ihrer al-
lerglänzendsten triumphe feiert. Und sehr viel besser wird die
sache nicht, wenn man mit Vahlen neben den populären Schrif-
ten des Aristoteles selbst oder statt ihrer die anderer hinein-
bringt. Dies schließt aber natürlich nicht eine so weite fassung
des begriffs der tZwiigixol löyoi aus, daß sie an irgend einer
anderen stelle in der that schriftliche äußerungen, nicht streng
philosophische oder wissenschaftliche, sondern populäre oder dia-
lektische erörterungen in Schriften des Aristoteles selber bezeich-
nen können. Alles kommt hier vielmehr ganz auf den Zusam-
menhang an, und natürlich ist mit diesen wenigen bemerkungen
die ganze schwierige frage nicht abgethan.
In bezug auf die kritik einzelner stellen des capitels hat
bereits Vahlen selbst ein wesentliches zusammentreffen mit mir
bei den worten näv dt io xQ*i(nli0V *<>ih', 1323 b, 8 angemerkt,
nur aber glaubt er (und vielleicht mit recht) mit der sehr leich-
ten änderung l'g rt, (besser wohl tXc, n?) für iaiCv ausreichen zu
können, und 6s hält er merkwürdigerweise sogar für besser als
yug. Indessen geht das zusammentreffen noch weiter, denn auch
übera, 30 f. 37. b, 33 und im gründe auch über b, 34. 36.
(vgl. meine Quaestt. crit. de Pol. Ar. p. IV. p. 4 f. anm. 4), wo
Vahlen überall mit eben so viel geschick wie gelehrsamkeit die
handschriftliche lesart vertheidigt, habe ich nie anders gedacht,
und ganz dieselben erwägungen, welche er zu b, 15 vorbringt,
waren es, die mich in meiner ausgäbe zur billigung der tilgung
von SiuCtuGiv nur unter der clausel ,,s£ omnino rnutatione opus estu
bewogen. Gern aber bekenne ich über die möglichkeit der aus-
drucksweise wv uvtwv xoTg tyovciv, b, 9 — 11, eines bessern be-
lehrt worden zu sein; ob man aber so zu schreiben hat, hängt
davon ab, welche auctorität den alten Übersetzungen und den
handschriften Ms P1 beizulegen ist, und daß es nicht statt uvtwv
in dieser Schreibung eben so gut uvTrjg hätte heißen oder bei der
weglassung von uviwv eben so gut uvilqg wie uvtwv würde ergänzt
werden können, davon haben mich Vahlens ziemlich spitzfindige aus-
einandersetzungen eben so wenig überzeugt wie davon, daß b, 28
t7j<; ipvx^ unentbehrlich sei. Dennoch halte ich letzteres jetzt
für richtig, weil der ausdruck zu ixiög uyu&u ohne diesen Zu-
satz nicht nothwendig die guter des leibes mit in sich schließt
43*
676 372. Aristoteles. Slift. 1.
(a, 25 f.), obwohl Aristoteles ihn vorher in diesem umfassenderen
sinne gebraucht hat (a, 41. b, 3. 7) und dieser Wechsel der be-
zeichnung mithin leicht den schein erregen kann, als ob auch
ein theil der seelenguter noch mit zu den äußeren gutem ge-
höre. Nur diese letztere erwägung aber hat mir ehemals den
zusatz verdächtig gemacht, an der Wortstellung dagegen iwr psv
yuo ixibq uyadu>v r7jg i}wx"rjg habe ich meinerseits nie den ge-
ringsten anstoß genommen. Wiederum aber b, 11 halte ich an
der tilgung von shai vor tl öel fest, denn die logische erörte-
rung Vahlens ist mir hier wieder viel zu spitz, und die
grammatischen beispiele, von denen übrigens b, 36 ff. wohl gar
nicht hieher gehört (vgl. die interpunction meiner ausg.), sind
zwar ähnlich, aber alle von dem frei, was gerade das anstö-
ßigste an dieser stelle ist, nämlich der schielenden art, wie der
satz twv de x. r. X. (z. 10 ff.), welcher logisch das gegenbild zu
dem voraufgehenden hauptsatz ist, grammatisch zu dessen neben-
satz halb gezogen und halb auch wieder nicht gezogen wird.
Zweifelhaft bin ich b, 31 f. geworden und könnte mich wohl
entschließen Vahlens vertheidigung des überlieferten recht zu
geben, wenn es wirklich ganz wahr wäre, daß diese worte noch
ein neues argument für das evduipotsTv und dessen bedingungen
enthielten (auch so freilich würde ich wenigstens uÖvvutov 76
ßtatt udvvatov Ss erwarten), allein in Wirklichkeit fügen sie
vielmehr dem bisherigen argument, in welchem als allgemein
zugestanden vorausgesetzt wurde, daß das uqiötu noüuew (a, 13)
nicht ohne tugend möglich sei, eine neue nüance ein, durch
welche die richtigkeit dieses allgemeinen Zugeständnisses noch
ausdrücklich bewiesen wird, in einer art freilich, die für uns
neuere nichts beweisen kann.
Fr. Suscmihl.
372. Zur kritik aristotelischer Schriften. I. Von A. Kr oh n.
Brandenburg 1872. 52 p. 4. (Programm der ritterakaclemie).
Daß sich auch in acht aristotelischen Schriften doch län-
gere partien finden, welche vielmehr älteren peripatetikern an-
gehören, ist in bezug auf das biTeh « der Methaphysik uns so-
gar noch ausdrücklich bezeugt, in bezug auf den zweiten theil
von K desselben werks und das 10. buch der Thiergeschichte
wird es wohl von niemandem mehr bezweifelt, nicht viel anders
Shft. 1. 372. Aristoteles. 677
steht es mit dem 12. capitel der Poetik, und wenn auch über die
nikomackische Ethik die Untersuchung noch lange nicht abge-
schlossen ist, so handelt es sich doch auch bei ihr mehr um die
grenzen als um die thatsache selbst. In so fern enthält es im
princip nichts neues, wenn ich auch von manchen einzelnen ab-
schnitten der Politik zum theil nach dem vorgange anderer ein
gleiches nachzuweisen gesucht habe. "Wenn daher neulich der
treffliche französische aristoteliker Thurot {Revue critigue 1873.
p. 18) die ansieht ausgesprochen hat, daß im wesen der sache
kaum ein unterschied zwischen meinem verfahren und dem von
Krohn enthalten sein möchte, so hat dies seinen grund darin,
daß er Krohns arbeit begreifllicherweise nur aus den mittheilun-
gen in meiner ausgäbe kennt. Hätte er sie selbst gelesen, so
würde er anders urtheilen, und Krohn selber ist durchaus nicht
der gleichen meinung, will vielmehr geradezu eine revolution in
der höheren kritik der aristotelischen Schriften hervorrufen. Bei
allen von mir angenommenen interpolationen habe ich zu zeigen
gesucht, daß sie nicht bloß sich glatt herausschneiden lassen,
sondern auch geradezu den Zusammenhang stören. Nach Krohn
dagegen ist der Zusammenhang des ganzen corpus selbst nur
ein scheinbarer und künstlicher, das werk einer das fremdar-
tigste zusammenleimenden redaction. So gern ich übrigens sei-
nem Scharfsinn und seiner sachkenntniß volle gerechtigkeit wi-
derfahren lasse, so kann doch die kritik sich mit seinen ansich-
ten, wie ihm dies auch selber allem anscheine nach klar ist,
erst dann näher beschäftigen, wenn er die vielen von ihm ver-
sprochenen genaueren ausführungen gegeben haben wird. In
den jetzt vorliegenden, auf die Poetik und Politik bezüglichen
proben wird nicht allein weit mehr behauptet als bewiesen,
sondern vielfach tritt wenigstens für mich nicht einmal klar
hervor, was er im großen und ganzen behaupten will, wie denn
auch aus der beilage über die katharsis (p. 21 — 29), in welcher
recht gute bemerkungen über b roiomoq gegen Bernays ge-
macht werden, mir seine eigne ansieht über das wesen der letz-
teren nicht begreiflich geworden ist. Verstehe ich seine ge-
sammtanschauung recht, so meint er, daß die meisten Schriften
des Aristo* eles und Theophrastos wirklich erst aus dem keller
in Skepsis über zwei Jahrhunderte nach dem tode ihrer Verfasser
ans licht traten und die erstem (die also wohl stärker vom mo-
678 372. Aristoteles. Shft. 1.
der gelitten hatten?) von Andronikos und seinen nächsten Vor-
gängern aus den letztern ergänzt und verfälscht wurden, ja daß
man dabei nicht stehen blieb. Vielmehr in der Politik, um
hier nur von dieser zu reden, glaubt Krohn deutlich den viel-
stimmigen und stark dissonirenden chor der theophrastischen
schule zu hören, so daß also jene späteren peripatetischen her-
ausgeber in dem thörichten glauben von der völligen einigkeit
ihrer secte kein bedenken geti-agen haben sollen auch die ar-
beiten von Theophrasteern zu diesem flickwerk mit zu verwen-
den. Das erste buch schreibt er, wie es scheint, ganz dem
Aristoteles selber zu, obwohl man meinen sollte, daß die späte-
ren oder wenigstens die mittleren capitel desselben vom 8. ab
einem so rücksichtslosen beurtheiler wohl mancherlei anstoß bie-
ten könnten, aber er betrachtet es (wie vor ihm u. a. Oncken)
als eine selbständige schrift, und leugnen läßt sich nicht, was
er nicht einmal geltend macht, daß der Übergang zwischen dem
ersten und zweiten buche höchstens dann ein leidlicher ist,
wenn man de 1260 b, 27 in ydo verwandelt. Allein dies di
fehlt in der einen, durch .TM3 P1 vertretnen textesrecension
ganz, und eben so wird im anfang des dritten buchs das an-
knüpfende, dem fAtv ovv 1274 b, 26 entsprechende de sogar in
allen quellen der textüb erliefe rung vermißt, um davon gar nicht
zu reden, daß sich am anfange des siebenten Si nur in P2 und
corr. P5 findet. Mich wundert, daß noch niemand diese auffal-
lenden thatsachen hervorgehoben hat. Im zweiten buche findet
dagegen der Verfasser nur kümmerliche Überbleibsel des aristo-
telischen Staatsideals: 1260b, 36ff, 1262b, 37 ff, 1269 a, 34—
36 werden als solche „einzelne stehen gebliebne pfeiler" bezeich-
net, welche die redaction, wenn sie mit verstand gemacht wäre,
hätte beseitigen müssen, dennoch wird, wie es scheint, ein großer
theil der an die beiden ersten stellen sich anschließenden kritik
der platonischen Republik als aristotelisch anerkannt, denn es
heißt vom 5. capitel, es sei „dcfect und stark interpolirt", das
6., die kritik der platonischen Gesetze, dagegen ist „elend" und
„spätesten Ursprungs", der größere theil des buchs theophrasti-
sches eigenthum. Im siebten buch wird das erste capitel als
stück einer Vorlesung des Theophrastos in anspruch genommen,
von der hauptmasse des buchs erfahren wir für jetzt nur, daß
es „fragmentarische entwürfe" seien. Das achte wird, man sieht
Shft. 1. 372. Aristoteles. 679
nicht klar, ob ganz oder seiner größeren zweiten hälfte nach
wiederum auf Theophrastos (oder seine schule?) zurückgeführt
(p. 27. Anm. 3). Vom dritten verbleibt, wenn ich recht ver-
stehe, dem Aristoteles gar nichts: der Urheber der „parekbasen-
theorie" (c. G ff.) sei, sagt Krohn, ein anderer, es sei aber auch
nicht Theophrastos, denn letzterm gehöre das 14. capitel als
auszug aus seiner schrift nsol ßufftXeCag und der voraufgehende
abschnitt über den ostrakismos an, in denen sich 1285 a, 27 ff. b,
2 ff. der Widerspruch gegen jene auch in sie eingeschmuggelte
theorie verrathe. Gleichfalls im entschiednen Widerspruch mit
ihr, den ich, wie Krohn meint, durch meine conjectur nicht be-
seitigen durfte, rede ein vierter (oder soll es auch Theophrastos
sein?) im 3. capitel 1273 a, 13 ff. In Wahrheit handelt es
sich jedoch dabei gar nicht um meine conjectur, sondern
bloß um richtige Setzung des komma , denn ob man es
vor oder hinter xutc\ wv tqohov toviov (z. 14) stellt, die
von Hayduck erkannte nothwendigkeit der hinzufügung von
ov im nachsatz ist die gleiche. Die parekbasentheorie nun
greift tief in das vierte buch ein, aber das 15. capitel und
das schlußcapitel des sechsten sollen auszug eines theophra-
stischen werkes sein, das von den magistraten handelte, das
fünfte buch seinem größeren theile nach unächt und wahr-
scheinlich auszüge und Umarbeitungen aus der theophrastischen
schrift mol xulolüv. Für ganz aristotelisch erklärt Krohn das
11. cap. des vierten; nur der satz 1296 a, 18 — 21 mißfällt ihm
höchlich, weil er aus dieser unschuldigen bemerkung, daß die
meisten tüchtigen gesetzgeber aus dem mittelstande waren, selt-
samerweise herausliest , sie hätten mittlere Verfassungen gegrün-
det, was denn freilich mit dem folgenden (wo z. 38 unter dem
il »• uvtJo vielleicht mit recht Solon verstanden wird) unverträglich
sein würde. Die Umstellung des 7. und 8. buchs vor das 4.
wird als „geistlos" bezeichnet: „wollte man das verwandte zu-
sammentragen, so müßten sie mit dem 2. verbunden werden, der
inhalt des 3. ist auf sie ohne jeden einfluß". Allein letzteres
ist lediglich eine kühne behauptung, und sollten neben der be-
sten Verfassung auch alle andern behandelt werden, so war die
gemeinsame grundlage , die III, 1 — 13 gelegt wird, nothwendig
vor der ganzen Specialbehandlung von jener wie von diesen zu
geben.
680 374. 75. Aristoteles. Shft. 1.
Manche vorwürfe , die der Verfasser gegen einzelne stellen
der Poetik und Politik erhebt, wird auch derjenige nicht in den
wind schlagen dürfen, welcher, minder ideal von Aristoteles den-
kend, in ihnen, wenn sie auf ihr richtiges maß zurückgeführt
werden, nur einen gerechten tadel des letzteren seihst und
nicht seiner vermeintlichen interpolatoren anerkennen wird und
bedenken trägt, alles, was ihm an jenem mißfällt, auf diese ab-
zuwälzen. Jedenfalls erweckt es eben kein günstiges vorurtheil
für die ergebnisse einer so unduldsamen und überall Wider-
sprüche, welche der kritiker dem Aristoteles nicht zutrauen mag,
aufstöbernden kritik, wenn er selbst sich nicht vor dem Wider-
spruche gehütet hat, einmal (p. 9, anm. 2) Pol. 1329 b, 25 f.
als beispiel für die „großherzige auffassung des Stagiriten" an-
zuführen und sodann (p. 50 f.) in dem ganzen betreffenden ab-
schnitt keine spur von aristotelischem geiste (und zwar meines
erachtens mit vollem recht), sondern theophrasteische art und
weise zu erblicken. Krohn spricht (p. 7. anm.) von „dem wunder-
gläubigen register des Laertius", aber Heitz und Nietzsche ha-
ben uns bewiesen, daß dies register vielmehr das der alexandrini-
schen bibliothek zur zeit des Hermippos war. In ihr bereits befand
sich also schon damals atich eine Politik und zwar genau bereits
in acht büchern, streitig zwischen Aristoteles ixnd Theophrastos, und
mithin ist sie nicht erst eine Sammlung aus so später zeit, wie
Krohn uns glauben machen will. Gewiß sind es nur entwürfe
aus dem nachlaß des Aristoteles, aufzeichnungen, die er sich an
der hand seiner vortrage gemacht hatte, und gewiß sind auch
zuhörernachschriften mit bei der redaction benutzt worden, und
die ersten herausgeber haben von ihrem eignen geistigen eigen-
thum hinzugethan, aber der leitende faden, der diese bruchstücke
durchzog und zu organischen theilen eines ganzen ordnete,
rührt, davon bin ich trotz Krohns bisheriger gegenreden über-
zeugt, bereits von dem meister selber her.
Fr. Susemihl.
374. Bemerkungen zur physik des Aristoteles. Von M.
Hayduck. Greifswald 1871, 14 p. 4. (Programm des
Greifswalder gymnasiums).
375. Observationes criticae in aliquot locos Aristotelis. Vom
gymnasiallehrer M. H a y d u c k. Greifswald 1873. 16 p. 4. (Desgl.).
Shft. 1. 374. Aristoteles. 681
Hayduck ist bisher der einzige meiner schüler, welcher
dem Aristoteles ein dauerndes Studium zuwendet. Daß es mir
sonach zur besonderen freu.de gereicht die ersten fruchte dessel-
ben zur anzeige zu bringen , wird man begreiflich finden, ande-
rerseits aber würde es meines erachtens dem verhältniß zu mei-
nem freunde wenig entsprechen, wenn ich mich berufen glaubte
dieselben mit meinen lobsprüchen zu verherrlichen. Ich gebe
daher ohne jede weitere bemerkung eine kurze Übersicht seiner
ergebnisse , indem ich es seinen leistungen überlasse und auch
getrost überlassen kann sich selber das wort zu reden. Anal,
post. I, 5. 74 a, 16 f. wird xul — vtc6.q%hv als fremder zusatz
verdächtigt, c. 10. 76b, 33 rj ausgeworfen, II, 3. 91a, 8 ovxs
für wöts vermuthet, zugleich aber 7. cpuvegov — 9. sytiv als
einschiebsei bezeichnet, daneben gegen den beweis 90 b, 38 ff.
eingewandt , daß in ihm das zubeweisende bereits vorausgesetzt
werde, c. 17. 99 b, 2 xov A (nämlich afatov) oder xo B ver-
muthet, Soph. El. 10. 170b, 24 rj in xul verwandelt, c. 31.
181b, 39 f. die lesart Grjfiaivsiv gebilligt, das wort aber vor xb
fiev umgestellt, akXä in ullo geändert und das komma hinter
crjfjah'etv hinabgerückt, Phys. HI, 5. 204b, 27 f. vyodg — xpv-
Xgov für \pvygoc — vyoor (s. d. 2. abh. p. 6 f. anm. 3) und
205 a, 25 mit anschluß an die paraphrase des Themistios der
ausfall eines satzes gemuthmaßt, IV, 8. 215 a, 12 tu mit dem
besten codex E weggelassen und cuffr' l'öiat mit beseitigung des
punkts vor diesen worten in wßneo tu verwandelt, c. 9. 217 a
wird gezeigt, daß der nachsatz zu 10 ff. Iml de x. r. 1. nicht
schon z. 15. uvuyxrj x. r. 1. mit Prantl und Bonitz, sondern erst
z. 20. ot [jbh> dq x. x. 1. zu suchen ist, mithin 14. Srjlov — 20.
tvd-v eine parenthese bildet, V, 4. 228a, 14 wird vyisia für
Ivioyiia und z. 18 avi>] für rj cxvttJ geschrieben, VI, 5. 235b,
24 xb für t« gesetzt (mit ergänzung von xov r zu iyoiusvoi')
und zweifelnd de für yag , c. 6. 237 a, 4 die auslassung des
zweiten rj in den besten handschriften gerechtfertigt, auch 236 b,
32 die lesart von E xtvsiff&at als die vielleicht bessere bezeich-
net, c. 8. 238 b, 29 die aufnähme von 6s (statt (T tl) aus E
empfohlen und dagegen die von Prantl gebilligte weglassung
von Ss z. 3 1 in derselben handschrift zurückgewiesen , nicht
minder z. 35 das von EF dargebotne irsgov als das richtige
erhärtet, c. 9. 240a, 16 das früher von Prantl vermuthete,
682 375. Aristoteles. Shft 1.
aber später wieder aufgegebene F statt B gebilligt, aber die
' stelle anders erklärt, c. 10. 241 a wird nicht bloß die schon
von Prantl geschehene aufnähme von rj aus E vor lv w z. 20,
sondern auch z. 17 als nothwendig erwiesen und nicht minder
VIII, 1. 252 a, 2 die lesart von E rp&aQJj als die allein richtige
dargethan, c. 4. 255 a, 34 ff. wird in der ersten abh. el für
ä&l und b, 5 dr) für 6s vorgeschlagen, so daß b, 1 olov — 5.
äyvofu eine parenthese bilden soll, dies aber in der zweiten
zurückgenommen und vielmehr a, 35 h'yyiov iov Ivsoystv vermu-
thet, c. 10. 267 a, 7 tlXlo aus HK empfohlen und die ganze
stelle richtiger, als Prantl gethan hat, erklärt, de coel. I, 7.
274a, 10 ff. werden die Schwierigkeiten gleichfalls durch eine
richtigere erklärung gehoben, c. 11. 280b, 33 f. die worte rj
xal — ifvut, nachdem in ihnen ov mit E und ds mit FHLM
weggelassen ist, nach theilweisem Vorgang von erklärern aus
dem alterthum als eine Variante zu 28. tj — 31. änTSß&ai, er-
kannt, daneben aber auch noch die andere möglichkeit ihrer
Umstellung vor 24. xul l'n übrig gelassen, die aber zu einer
entsprechenden änderung von 21. rj fir] lanv rj IvSiytrai, fir) it-
vui nöthigen würde, welche Hayduck mit recht bedenklich fin-
det , obwohl er nachweist , daß die auseinandersetzung z. 20 ff.
in der form manches auffällige hat, endlich c. 12. 283 a, 17
wird die richtigkeit der auch durch Simplicius bezeugten lesart
a dvvaiai,, eben so de gen. et corr. I, 5. 322 a, 1 die der lesart
von E ivnvriov und II, 5. 332 a, 22 die der lesart von EPH
^gezeigt, I, 7. 323 b, 17 ff. aber durch herstellung der richtigen
interpunction , indem 20. xt — 24. nuv als parenthese erkannt
wird, zum ersten male ein vernünftiger sinn gewonnen. Auch
sonst wird beiläufig die Übersetzung von Prantl noch mehrfach
durch den nachweis der wirklichen construction berichtigt, Phys.
VI, 7. 237 b, 24. c. 9. 240 a, 3. c. 10. 241a, 17. 20. VII, 5.
249 b, 30. VIII, 5. 256 a, 4—8. „Unsicher", heißt es, „ist VIII,
3. 253b, 17, doch wird Prantl zugeben, daß der zusatz lv
rjfiCüst XQ°vl'? ^as subject entbehrlich macht". Ferner Psych. II,
2. 414 a, 10 wird mit recht die behandlung, welche die ganze
Stelle bei Bonitz gefunden bat, gebilligt, zugleich aber die auf-
nähme von vytaawv aus X befürwortet, zAveifelnder auch z. 14
de für yuQ vorgeschlagen, c. 8. 420a, 10 u/j,iTaxfrr]iog vermu-
thet, c. 10. 421 b, 19 nach herstellung der richtigen interpunc-
Shft. 1. 376. 77. Aristoteles. 683
tion in z. 16 — 19 redrt (xul — ntigw/nivoig)' üJöTe das sinnlose
uv&QuJnwv in offtpQuvrwi' verbessert, III, 4. 429 b, 23 das in
der paraphrase des Themistios fehlende xal äica&tg gestrichen,
c. 6. 430 b, 21. xai — 23. ^liXuv für ein einschiebsei erklärt,
c. 13. 435 b, 6. fyeiv hinter (at; versetzt und t,wov ov ausge-
worfen, de somn. 1. 454a, 2 yug in <T geändert oder, was je-
doch dem Verfasser weniger gefällt, eine lücke hinter 4. xivq-
Gsitiv angenommen, de insomn. 2, 459b, 18 al getilgt und 22
<Uj.XIwv^> öpoCiog für g[a,o(u>v vermuthet, während es dahingestellt
bleibt, ob nicht auch 20. yuq und das punctum hinter xivov-
fisva zu beseitigen seien, c. 3. 461b, 26 wird wg für ov (d>
ELMY), jmnkt statt des kommas hinter rovto , 27. de für f^rt
und 28. tilgung des kommas hinter tovto vorgeschlagen, de
div. i). somn. 2. 464 b, 15 wird nach aufnähme der lesart von
EY yag r\ in z. 16 das kolon vor diesen Worten getilgt und
vielmehr i[ — ivvnvCov' jovtov hergestellt, endlich (in der 1.
abh. p. 1 f. anm. 1) Met. IX, 4. 1047 a, 25 A für das zweite
AB geschrieben.
Flüchtig berührt der Verfasser noch zwei stellen der Psy-
chologie , über die ich mir bereits und zwar noch bestimmter
das gleiche urtheil gebildet hatte : aus den nämlichen gründen,
aus denen er (2. abh., p. 4, anm. 2) I, 4. 409a, 24 erklärt,
daß Trendelenburgs rechtfertigung des yug verfehlt sei, habe
ich dort Ss vermuthet, und wenn er II, 8. 420 a einsieht, daß
die worte 7. uvto — 9. tyocpog vielmehr zu 419 b, 19 ff. gehö-
ren, so habe ich mir gedacht, daß sie vielleicht mit änderung
von 6rj (z. 7) in yuQ vor 419 b, 25. ^w unterzubringen sein
möchten.
Der vorstehende kurze bericht wird ausreichen, um auch
denen , in deren hände diese beiden abhandlungen nicht gelan-
gen, wenigstens einen annähernden begriff von ihrer reichhal-
tigkeit und Wichtigkeit zu geben.
Fr. Susemihl.
376. Die erkenntnißtheorie des Aristoteles. Von Dr. F r i e d r.
Ferdinand Kampe. Leipzig, Fues (Eeisland). 1870. X
und 334 p. 8.-2 thlr. 15 gr.
377. Materie und form und die definition der seele bei
Aristoteles. Ein kritischer beitrag zur geschichte der philoso-
684 376. Aristoteles. Shft. 1.
phie von Georg F r e i h. von He rtlin g. Bonn , Weber.
1871. VII und 178 p. 8. — 1 tlilr. 5 gr.
Ich habe das buch von Kampe schon bei einer andern ge-
legenheit (Jahns jahrb. CHI. 1871. p. 120. vgl. 121) als ein
bedeutendes bezeichnet, und auch die gänzlich abfällige kritik
von Brentano (Fichte zeitschr. f. philos. LIX. p. 219 ff. LX.
p. 81 ff), so sehr ich ihr in manchen stücken beistimme, hat
mich dennoch im ganzen in diesem urtheil nicht irre gemacht.
Schon damals bemerkte ich , daß dem Aristoteles auch nach
den ergebnissen von Kampe eine gewisse vermittelnde Stellung
zwischen rationalismus und empirismus verbleibe, aber ich kann
allerdings einen erheblichen theil dieser ergebnisse nicht für
richtig halten. Ich muß mich vielmehr namentlich nicht bloß
gegen die von Brentano ausführlich bekämpfte ansieht , daß
Aristoteles auch der denkseele ein körperliches und zwar äthe-
risches Substrat beigelegt habe (p. 12 ff), auch meinerseits er-
klären, sondern glaube auch , daß in der hauptsache selbst die-
ser philosoph von seinem ausleger dem empirismus näher ge-
rückt ist, als es sich mit dem wirklichen thatbestande verträgt,
indem er meines erachtens keineswegs die sinnliche Wahrnehmung
als die alleinige quelle unserer erkenntniß angesehen hat, vielmehr
den berühmten satz von Leibniz nihil est in intellectu } guod non
fuerat in sensu, praeter ipsum intellectum wohl auch seinerseits
unterschrieben hätte. Der räum gebietet mir, meine polemik
hier auf diesen einzigen punkt zu beschränken , bei welchem es
mir ohnehin zu statten kommt, daß die annähme von Kampe,
unter der leeren tafel (Psych, in, 4i 429 b, 31 ff.) sei genauer
nicht der vovg, welcher alles wird (ebend. c. 5), sondern der
vovq jroirjnxdg zu verstehen , bereits eine im ganzen treffende
Widerlegung bei Brentano und Ueberweg (gesch. d. philos. 4.
a. I. p. 285) gefunden hat.
Mit einer kurzen besprechung dieses punktes lässt sich un-
gezwungen eine anzeige der schrift von Hertling verbinden.
Ihr Verfasser hat sich nämlich durch diese seine erste größere
arbeit sofort einen ehrenvollen platz in der aristotelischen for-
schung gesichert , wenn ich auch zweifle, ob das selbstlob , wel-
ches er sich in der vorrede ertheilt , nahezu eine ganz neue
methode der betrachtuug auf diesem gebiete eröffnet zu haben,
ein genügend gerechtfertigtes ist. Immerhin wird man der fei-
Shft. 1. 377. Aristoteles. 685
neu und sinnigen genetisch-kritischen erörterung über materie und
form bei Aristoteles, welche den ersten abschnitt seines buches
bildet, die lebhafteste anerkennung nicht versagen können, und auch
der speciellste Sachkenner wird reiche belehrung aus ihr schöpfen,
die noch dazu durch eine klare und gefällige form der darstellung in
hohem grade erleichtert wird. Aber in dem zweiten, angewand-
ten theil über die dennition der seele hat sich der Verfasser
das zwar scharfsinnige und vielfach verdienstliche , aber zum
mindesten eben so viel verkehrtes wie treffendes enthaltende
und jedenfalls in seinem letzten ergebniß noch weit mehr als
das Kampes vom richtigen wege abirrende buch von Brentano
die Psychologie des Aristoteles (Mainz 1867j zu seinem führer
gewählt. Gewiß nun bedarf es zur erklärung eines philosophi-
schen Schriftstellers auch philosophischer bildung , nicht
minder aber und vielleicht noch mehr ist zu ihr wie überhaupt
zur erklärung j edes Schriftstellers strenge philologische
zucht und schule vonnöthen , und es würde sehr zu beklagen
sein , wenn Hertling auch in zukunft , statt den anforderungen
einer solchen , wie sie in den anspruchslosen , aber durchaus
richtigen einwendungen von Eberhard (die aristotelische defini-
tion der seele, Berlin 1868. p. 59 ff.) gegen Brentano aus-
druck gefunden haben , gehör zu geben , fortfahren sollte die
halsbrechenden exegetischen seiltänzerkünste des letzteren zu
vertheidigen. Daß diese bezeichnung nicht zu hart ist, davon
mag das folgende eine probe geben , die sich leicht um viele
andere vermehren läßt. Daß allerdings Kampe bei der bestrei-
tung von Brentano's ansichten diese mehrfach imrichtig wieder-
giebt, hat inzwischen Brentano selbst (Fichtes zeitschr. LX. p.
103 ff.) gezeigt, wenn letzterer sich aber dabei so weit vergißt,
die bona fides des ersteren zu verdächtigen , so hat Zeller kei-
nen geringeren grund sich wider ihn selber zu beklagen über
die wundersame und bis zur völligen Unkenntlichkeit gehende
entstellung, mit welcher er (Psych, des A. p. 35 f.) über Zellers
auffassung des zwiefachen i'ovg bei Aristoteles berichtet. Nach
Brentano und Hertling ist ferner bloß derjenige rovg , welcher
alles wird, oder der potenzielle rovg eine denkende, der roinj
■jioirpi/.og lediglich eine das denken bewirkende kraft, indem er
das in den cpm luff/iata enthaltene intelligible (vorder) von seiner
sinnlichen behnischung reinigt , und wenn nun beide hervorhe-
686 377. Aristoteles. Shft. 1.
ben, daß so nach, allen gesetzen der weltordnung, wie Aristote-
les sie auffaßt, die entstehung unserer gedanken eine bloß zu-
fällige sein würde , falls hier nicht ein unmittelbares eingreifen
gottes stattfände, so ist es auch für mein verständniß und auch
nach den letzten erörterungen von Brentano zu subtil, daß hier-
in etwas anderes als ein die gesammte weltordnung, von wel-
cher doch der aristotelische gott nur die höchste spitze ist,
durchbrechendes wunder erblickt werden könnte. Ob es aber
wirklich, wie Hertling (p. 170) meint, ein bloßes, durch Bren-
tano (a. o. p. 234 ff.) völlig beseitigtes „vorurtheil" ist „demzu-
folge man im sinne des Aristoteles der gottheit überhaupt jeg-
liches wirken absprechen zu sollen glaubt" , darüber will ich
hier nicht urtheilen, zweifle jedoch sehr, daß hierüber die acten
bereits geschlossen sind: nach außen gerichtete thätigkeiten
(i%(jüiioiy.al ngugtig) wenigstens spricht Aristoteles selbst (Pol.
VII, 3. 1325 b, 28 ff.) gott ausdrücklich ab, und ist denn nicht
alles noisTv und nguiTtiv, welches irgendwie diesem aristoteli-
schen gott beigelegt werden könnte, nothwendig „nach außen
gerichtet" ? Und noch deutlicher reden andere stellen , wie
Nik. Eth. X, 8. Hierin nun mit Kampe einverstanden, muß
ich es jedoch für nicht minder verfehlt erachten, wenn auch
letzterer dem actuellen oder wirkenden vovg wenigstens für sich
allein jedes denken aberkennt (p. 28 ff. anm. 2. p. 281 f.) und
dem ausdrücklichen Wortlaut bei Aristoteles zuwider den ande-
ren, potenziellen vovg (nach Trendelenburgs Vorgang) nicht zur
denkenden, sondern zur empfindenden seele als deren höchste
reale einheit zieht (p. 283 ff.).
Betrachten wir nämlich die beiden vorwiegend in frage
kommenden capitel des 3. buchs der aristotelischen Psychologie,
das 4. und zumal das 5., in möglichster kürze etwas näher!
Nachdem Aristoteles von der ernährenden (II, 4) und dann von
der empfindenden seele (II, 5 — III, 3) und zwar zuletzt von
den (pavTi'tCfjaTu und der yavTuata (III, 3) gehandelt hat, wen-
det er sich jetzt zur denkseele oder dem vovg. Im 4. capitel
spricht er vom vovg, ohne unterschiede zu machen, erst im 5.
unterscheidet er zwischen dem thätigen oder actuellen und dem
leidenden oder potenziellen vuvg. Eine gesunde philologische
exegesc muß es hiernach schlechterdings für eine Unmöglichkeit
erklären , daß trotzdem dio im 4. getroffenen bestimmungen
Stfti 1. 377. Aristoteles. 687
sämmtlich nur vou einem dieser beiden gelten sollten, nämlich,
wie Brentano und Hertling wollen , nur vom potenziellen voig,
womit denn bereits ihre ganze auffassung fällt , indem dann c.
5. 430 a, 17 xui nicht „auch" bedeuten kann. Vielmehr müs-
sen sich hiernach diese bestimmungen auf den vovg überhaupt
beziehen, und erst nach maßgabe des 5. capitels kann hinterher
zurückblickend entschieden werden , welche von ihnen etwa nur
auf den thätigen , und welche auf den leidenden vovg speciell
anwendbar sind. Diese bestimmungen nun sind folgende. Der
vovg ist unvermischt (u/jiytjg), er verhält sich zu dem intelligi-
blen wie das Wahrnehmungsvermögen zu dem sensiblen, er ist
daher actuell nichts, aber potenziell alles von dem ersteren, er
ist leidenlos (a»a#jfc), verhält sich aber trotzdem in derselben
weise leidend zu dem intelligiblen wie das Wahrnehmungsvermö-
gen zum sensiblen , jedoch mit einem erheblichen unterschiede,
weil der vovg trennbar (yuioioiog) ist (429 a, 13 — b, 5); wenn
er actuell zu allem denkbaren geworden und damit zur actuel-
len erkenntniß gelangt ist , hat er damit die potenzialität zwar
nicht ganz, aber doch möglichst abgestreift, und dann erst ver-
mag er auch sich selbst zu denken (b, 5 — 9). Bei allen den-
jenigen objeeten , bei welchen ihr begriffliches wesen von ihrer
thatsächlichen existenz verschieden ist , erfaßt man die letztere
mit dem sinnlichen Wahrnehmungsvermögen , von dem ersteren
wäre ein gleiches nur denkbar, wenn dies vermögen mindestens
als ein anders sich verhaltendes dabei aufträte, b, 10 — 21.
"Weßhalb dieser klare, bisher keinem andern anstößige wortsinn
mit Brentano durch die änderung von ula9r\TixM (z. 15) in
aia&tjjM in einen ganz anderen umgewandelt werden müßte, in-
dem der hergebrachte text besage , daß der verstand , welcher
die begriffe erfaßt, eins mit dem sinne sei, vermag ich gleich
Kampe (p. 5 f.) nicht einzusehen, allerdings aber fehlt der nach-
weis , weßhalb für das begriffliche wesen vielmehr ein anderes
vermögen angenommen werden muß (also das ukkcg und nicht
das alXutg i/orjt das richtige istj, und die folgenden worte xui
olcug üou — vovv (z. 21 f.) bleiben so wenigstens mir unver-
ständlich. Sie werden mir aber durch Brentanos conjeetur um
nichts verständlicher. Mit ihnen, sagt Brentano (psych, d. A.
p. 136. anm. 64) beginne erst die antwort, ob man sich für
u)lo) oder, was nach seiner ansieht im gegensatz zu der meinen,
688 377. Aristoteles. Shft. 1.
wie aus dem nachfolgenden (?) hervorgehe, die meinung des
Aristoteles sein soll (vgl. Fichte zeitschr. LX. p. 96. anm. 5)
für dXXuig e/ovTt zu entscheiden habe. Aber womit fährt sie
denn fort? Denn der rest des capitels enthält vielmehr die
beiden aporien und deren lösung , wie bei der einfachheit des
geistes und seiner nichtgemeinschaft mit allem nichtgeistigen
(xal unu&eg b, 23 ist vielleicht mit Hayduck zu streichen, s. p.
683) jenes leiden, in welchem das auf die objecte gerichtete
denken besteht, und wie das sichselbstdenken des geistes mög-
lich sei. Das capitel 5 nun lautet: 430a,
Enal <T iZojkq iv unÜGrj tß (pvoei eGxC xi xb fiev vkr\ 10
ixuGiw yavst (xovxo de u jtdvxu dvvdfiei ixeiva), exegov de
xb u'tziov xul noir\xixöv, xm noielv nuvxu , oiov r\ xe/vrj
ngog tijv vkrjv nenovSev, utuyxq xul er rfi iftv/jj vndgyeiv
xuvxug rüg diucpogug' x>d eGnv b fiev xoioviog vovg iw ndvxa
yfveGdui, 6 de xto xedvra noieh , aig e<;ig ng, oiov xb (pwg. 15
xgdnov ydg xivu xul io qwg noiel zu dvvdjxei ovxu %QW-
fiuxu evegyeiu %ou>ßaxu. xul ovrog b vovg ywgiGxbg xul
unu&qg xul dpiytjc, ijj ovafa ujv evegyeiu (oder evegyeiu)' uel
yug ji^tüüTsgov xb noiovv xov nuGyovxog xul rj ug%q xfjg v. 20
Xrjg. xb d' uvio eGxiv r\ xux' evegyeiuv iniaxq[irt xco ngüy^axi'
r\ de xuxu dvvuftiv ygorco ngoiegu iv iw evi , bkwg de ovde
XQOvuf aW [pv%] bie fiev voei bie d' ov voel. yiogiG&flg J' eGil
[xovov TöV\P brteg eGil, xul xovio fiovov uddvuxov xul uidiov.
ov fiprjfiovevofxtr de, on xovio fiev unudeg, b de nu&rjiixug 25
vovg (pdugjog, xul uvtv xovxov ov&ev voti.
Diese worte werden von Brentano und Hertling in folgen-
der weise behandelt. *Enel bleibt unübersetzt, weil kein nach-
satz folge; allein irre ich nicht, so hängt der Vordersatz bis
ninovSev gerade von enel ab , und ujGrteg gehört nur zu ev
Üjiugi] (vgl. ujGneg ndvieg Rhet. I, 6. 1363a, 11. Pol. VII, 1.
1323 a, 34. Vahlen beitr. z. poet, I. p. 53). Hierauf werden
im zweiten satz trotz der auflallenden Wortstellung von xoioviog
mit recht b fiev vovg und b de (»o^c) als die beiden subjecte
aufgefaßt , dann aber , während doch in diesem falle einfach
und natürlich nur xoioviog das gemeinsame prädicat sein kann,
welches das eine mal durch rw ndviu ytveGfrut und das andere
mal durch xu> ndvxa noieiv näher bestimmt wird, soll vielmehr
das eine mal xoioviog (im ndviu ylvtO&ui) und das andere mal
Shft. 1. 377. Aristoteles. 689
(t<5 navia itomv) wg s%ig ng prädicat sein. Selbst wenn dies
denkbar wäre, durften aber diese gelehrten doch nicht behaup-
ten , der wirkende vovq werde eine $%tg genannt , denn es steht
u> g e$ig da. Der vergleich mit dem licht wird sodann von ih-
nen richtig erklärt: wie das licht gewissermaßen die potenziel-
len färben zu actuellen macht, so der thätige verstand (nicht
gewissermaßen , sondern) schlechthin das in allem , was materie
hat, nur potenziell vorhandene (c. 4. 430 a, 6 ff.) und daher
auch in den bildlichen Vorstellungen (<pavTU6[u,ara.) immer noch
nicht actuell dargebotene intelligible oder denkbare zum actuell
intelligiblen. Das folgende xal aber soll nach diesen auslegern,
wie schon gesagt, „auch" bedeuten, d. h. „eben so wie der po-
tenzielle verstand" , während doch schlechterdings vielmehr im
gegensatz gegen diesen von dem wirkenden gesagt wird , daß
er „seinem wesen nach" , also schlechthin „actuell" oder „actua-
lität" sei, und während doch ferner der begründende satz „denn
das wirkende steht höher als das leidende", ausdrücklich besagt,
daß eben deßhalb nicht der potenzielle verstand, der hiemit zu-
gleich nicht minder ausdrücklich als der „leidende" bezeichnet
wird, sondern nur der wirkende trennbar, leidenlos und unver-
mischt ist. Man müßte denn zu der geschraubten erklärung
greifen : „wenn also schon der potenzielle verstand diese eigen-
schaften hat, so müssen sie dem actuellen erst recht zukommen".
Wie die folgenden worte dem gedanken der voraufgehenden
sich anschließen, über diese von Trendelenburg in vollem maße
gewürdigte Schwierigkeit habe ich bei Brentano nichts, was mir
klar wäre, gefunden. Kampe (p. 282) verzweifelt, indem er
den gedanken, daß in der absolut actuellen erkenntniß sich er-
kennen und erkanntes deckt , die potenzielle dagegen zwar im
einzelmenschen, aber nicht absolut genommen der zeit nach frü-
her sei (ro 6' avrö — oiids xooi'w), ganz herausstreicht1); al-
lein dadurch wird der Zusammenhang nicht besser. Brentano
und Hertling beziehen das ökwg , wie vor ihnen freilich unter
andern auch Zeller, auf gott, indem sie dann natürlich das fol-
gende ov% beibehalten, ohne zu erklären, wie dabei von einem
uXkd , einem aber , also einem gegensatz die rede sein könnte,
1) Darauf verfiel auch schon Zeller a. o. IIb. p. 440. anm. 1,
der jedoch, wie es scheint, auch noch da9 folgende dW — ov voti
mit verdächtigt.
Philol. Anz. V, 44
690 377. Aristoteles. Shft. 1.
denn wenn diejenige actuelle erkenntniß, welche schlechthin
zeitlich früher ist, die göttliche sein soll, so steht es damit nicht
in gegensatz, sondern in harmonie, daß sie ununterbrochen denkt.
Oder wozu soll das uXXu x. t. X. sonst den gegensatz bilden?
Und ferner , meines wissens ist das , was denkt , der geist , die
Vernunft oder der verstand (roüg), von einer erkenntniß aber,
die da denkt, habe ich sonst nie etwas gehört oder gelesen.
Um von der zumuthung gar nicht zu reden, daß man aus oXwg
öi oiids XqÖvoj zum folgenden das subject „die allem potenziel-
len erkennen auch zeitlich vorangehende erkenntniß" heraus-
pressen soll. Natürlich hindert das dergleichen kühne erklärer
nicht daran, im nächsten sätzchen wiederum ohne weiteres ein
anderes subject, den gesammten menschlichen geist, anzuneh-
men, während in Wahrheit nur der wirkende auch hier das sub-
ject ist. Damit gerathen sie nun freilich gleich in dem folgen-
den, letzten satz, in welchem die griechische spräche es sich ge-
fallen lassen soll , daß ov (xvr^ioveoofmv durch ,,im alter verlie-
ren wir das gedächtniß" übersetzt wird , in Verlegenheit , indem
hier im gegensatz gegen das subject des vorigen satzes (tovto
uh) der leidende vovg für sterblich erklärt wird; allein die-
sen dolmetschern ist nichts zu schwierig. Glaube nur nicht je-
mand, daß es ein Widersinn sei: „die ganze denkseele ist lei-
denlos , die leidende aber vergänglich" ! Denn Brentano und
Hertling sagen ihm, daß die leidende etwas ganz anderes als
die potenzielle sei (obwohl doch zum Überfluß letztere der thä-
tigen gegenüber ausdrücklich, wie bemerkt, als das leidende
bezeichnet ward), und daß sie gar keine eigentliche denkseele,
sondern vielmehr die (pui'TaaCa sei.
Doch genug! Ich glaube, Torstrik hat aus zureichenden
äußern und innern gründen, zumal da wahrscheinlich schon
Theophrastos diese negation nicht las , das obige ov% (z. 23)
gestrichen, aber ich glaube auch, daß hinter den worten äXX'
bit pßv i'OfT, bie <T ov von (nämlich o vovg b noirjTixog) etwas
fehlt, und zwar die schon zuvor (z. 5. tou de firj uei voslv rb
uXitov iniaxemiov) versprochene begründung. Das ov fjprj/jo-
vavofjsv x. t. X. mit Kampe (p. 28 ff. anm. 2. p. 282 mit anm.)
so zu deuten: „wir erinnern uns in jedem spätem erdenleben
keines früheren, weil der leidende vovg vergänglich ist und der
thätige ohne diesen nichts denkt" , also im körperlosen dasein
Shft. 1. 377. Aristoteled. 691
überhaupt nichts , scheint mir gezwungen und widerspricht dem
oXtog de ovde xqovco, so bald man letzteres eben nicht auf gott,
sondern , was ich nach dem obigen für das allein mögliche er-
klären muß , auf den vovg jioirjTtxog bezieht. Mir scheinen die
worte ungesucht nur so, wie Trendelenburg thut, gefaßt werden
zu können : „wir erinnern uns unserer Unsterblichkeit (präexi-
stenz) nicht", aber hiezu will, wie mir däucht, das xul utsv
tovtov ovfrkv von nicht passen, mag man nun den thätigen oder
den leidenden verstand zum subject von von machen, so daß
tovtov im erstem falle auf den letztern und im letztern auf
den erstem geht. Ich würde alles verstehen , wenn , damit der
thätige verstand dies subject sein kann, hinter xul noch vvv ixeTvog
oder wenigstens vvv stände (, jetzt" , d. h. im erdenleben) , und
vielleicht ist die • vermuthung nicht zu gewagt , daß wirklich
dies wörtlein hier oder hinter tovtov ausgefallen sei. Anders frei-
lich sucht sich Biehl (über den begriff vovg bei Arist. , Linz
1864. p. 12 f.), der ganz wie ich erklärt und construirt, zu
helfen, aber ich zweifle, daß „voa fast gleichbedeutend mit
(xvt}fjionvHu gebraucht werden könnte.
Welche von den bestimmungen des 4. capitels genauer nur
dem thätigen , welche dem leidenden verstände zukommen , sagt
zum theil sonach jetzt Aristoteles selbst, zum theil läßt es sich
nunmehr wenigstens wohl unterscheiden. Hier nur ein paar
andeutungen! Nur der wirkende verstand ist unvermischt, lei-
denlos , trennbar , unsterblich und erst wirklich getrennt ist er
vollständig das, was er ist (z. 22 f.), d. h. vollkommene, reine
actualität, denken des denkens. Im erdenleben beleuchtet er
mit dem lichte des Selbstbewußtseins die tpaPTuOftutu und er-
hebt damit das potenziell in ihnen vorhandene intelligible zum
rein und wirklich intelligiblen, mit welchem er die zur aufnähme
desselben empfängliche leere tafel des leidenden Verstandes be-
schreibt. Aber das alles bleibt noch immer bloßes wissen des
wissens bestimmter objecte, erst wenn er so allen denk-
stoff außer ihm sich angeeignet und den leidenden verstand
mit demselben identificirt hat, wird er selbst aus einer bloßen
ttoluti] tvxi'kixHa wiederum möglichst zur vollkommnen actualität,
die sein eigentliches wesen ausmacht, indem er wieder zum
höchsten und ihm ausschließlich eigentümlichen denken und
wissen, dem, mit welchem sein gegenständ schlechthin zu-
44*
692 377. 78. Aristoteles. Shft. 1.
sammenfällt , jenem reinen sichselbstdenken gelangt , dessen u n-
unterbrochne Seligkeit beständig nur Gott selber , diesen
thätigen denkseelen aber in ihren körperlosen zwischenzustän-
den zukommt, während diejenigen geister, welche die Sphären
der planeten bewegen, sie zwar nie vollkommen besitzen kön-
nen, aber auch nie so weit vou ihr abstehen, wie die denksee-
len im erdendasein. Im übrigen hat Kampe (p. 29. anm.) recht:
Aristoteles lehrt die Seelenwanderung dieser letzteren wirkenden
geister, deren jeder mit jedem menschlichen individuum gleich
sehr verträglich ist, das individuelle ich aber schwindet nach
ihm mit dem tode, wie es mit der empfängniß und geburt ent-
standen ist. Die entgegenstehenden erörterungen von Brentano
und Hertling, durch welche sie den gedanken der anfangslosen
präexistenz und überhaupt einer eigentlichen präexistenz der
denkseelen von Aristoteles abzuwehren suchen , die Behauptung
namentlich, daß dieselbe von ihm met. ^/, 3. 1070 a, 21 ff. aus-
drücklich geleugnet sei (Fichtes zeitsch. LX. p. 83 f.), einer
prüfung zu unterziehen ist nicht hier der ort.
Fr. Susemihl.
378. Zum gebrauch des imperativus bei Plautus. Von
Loch. Programm des gymnasiums zu Memel. Memel 1871.
24 s. 4.
Die angezeigte abhandlung verdient das lob einer fleißigen
arbeit und ist als ein schätzbarer beitrag zur kenntniß des plau-
tinischen Sprachgebrauches zu bezeichnen. Das material ist mit
großer Sorgfalt und in einer Vollständigkeit, die wenig vermissen
läßt, zusammengetragen ; hin und wieder hätten wohl die gesam-
melten belege durch größere Übersichtlichkeit noch nutzbarer
gemacht werden können.
Im ersten capitel wird der imper. futuri besprochen und als
fester Sprachgebrauch bei Plautus und Terenz erwiesen, daß imper.
futuri im hauptsatze fut. I oder II im nebensatze erfordert. Ob
darum jedoch der Anrph. 439 überlieferte conjunetiv nolim, der sich
allem anscheine nach sehr wohl rechtfertigen läßt, so nothwen-
dig durch das futur nolem zu ersetzen ist, muß zweifelhaft er-
scheinen. Selten findet sich beim futur im nebensatze imper.
praesenüs im hauptsatze (hinzuzufügen ist den beispielen Cas.
IV. 4, 11), umgekehrt verbindet sich mit imper. futuri im haupt-
Ähft. 1. 378. Plautus. 693
satze praesens im nebensatze nur, wenn dieser ein hypothetischer
satz ist und die beiden Handlungen nicht als zusammengehörig
dargestellt werden; über Men. 1093 Über esto, si invenis, durfte
nicht so leicht hinweggegangen werden, da hier das zweite merk-
mal nicht zutrifft, vielmehr eine wirkliche, durch metrische gründe
veranlaßte ausnähme vorzuliegen scheint. Daß metrische rück-
sichten bisweilen auch zur wähl des imper. futuri mitgewirkt ha-
ben, muß verf. selbst einräumen, so sehr er auch, und zwar mit er-
folg, bemüht ist, die fälle möglichst zu beschränken, wo imper.
futuri ohne wesentlichen unterschied vom imper. praesentis steht.
Für eine reihe von fällen, wo man dies ohne weiteres angenommen
hat, erweist verf., daß der imper. futuri wirklich in seiner eigent-
lichen bedeutung steht. So werden häufig befehle und auftrage
an abgehende boten oder an im hause zurückbleibende personen
im imp. futuri gegeben, weil die ausführung des befehles erst nach
ablauf einer gewissen zeit möglich ist, namentlich in dem falle, wo
ein imper. praesentis vorausgeht, so daß durch den imper. futuri
gleichsam der schlußbefehl hervorgehoben wird. Ueberhaupt wer-
den mit wenigen ausnahmen, die verf. vergeblich zu verdächtigen
sucht, imper. praesentis und futuri nur verbunden, um die tem«
pora genau zu unterscheiden. Zeitpartikeln der gegenwart tre-
ten zu imper. futuri nur, wenn ein futurischer nebensatz davon
abhängig ist-, Trin. 807 aber braucht das überlieferte continuo
operito aus diesem gründe allein nicht falsch zu sein, da sich ein
solcher nebensatz sehr leicht aus dem zusammenhange ergänzen
läßt. Daß andrerseits zeitpartikeln der zukunft nicht mit imper.
praesentis verbunden werden, ist selbstverständlich. Doch giebt es
wie gesagt fälle, wo z. th. nur aus metrischen rücksichten imper.
futuri ohne unterschied vom imper. praesentis gebraucht wird ; so
erscheint salveto neben salve (nicht bei Terenz , valeto weder bei
Plautus noch Terenz), facito neben fac, curato neben cura, ambu-
lato und cogitato neben amlula und cogita. Unter den ander-
weitigen beispielen für diesen gebrauch, die verf. beibringt, ge-
hört wohl Ps. 301 vielmehr zu den fällen, wo der imp. futuri in
lebensregeln , Vorschriften, Instructionen u. s. w. steht. Schließ-
lich wird noch der gebrauch des imper. futuri im concessiven
sinne erwiesen.
Das zweite capitel handelt von den Zusätzen zum imperativ
oder imperativischen conjunctiv amabo, amabo te (übersehen sind
694 378. Plautus. Shft. 1.
Cas. II, 2, 38. V, 1, 15), obseero, obseero te (stets mit object, wenn
es absolut steht und wenn es seine volle bedeutung hat oder ei-
nen satz regiert), quaeso (quaeso te mit imperativ sicher nur an ei-
ner stelle, stets mit object, wenn es einen satz regiert), oro (soll
bei Plautus nur Capt. 1021 vorkommen; aber vgl. Merc. 995 Eu-
tyche , te oro, — sodalis eius es — , serva et subveni, Aul. IV, 9,
3 obseero vos ego , mi auxilio , oro obtestor suis ; zu obtestor , das
in bittformeln gar nicht vorkommen soll, wie von precor richtig
bemerkt ist, vgl. Aul. IV, 1, 61 nunc te obtestor, Euclio, ut cett.),
sis, sultis (nicht bei Terenz, bei Plautus noch Frivol, bei Fest,
p. 301, Vidul. bei Prise. VI. 32), sodes, age , agite, agedum, age-
sis, modo, dum (nie mit dem imperativischen conjunetiv, wie Ritschi
Stich. 7 vermeinte) , proin, proinde (das mit recht gegen Fuhr-
mann aufrecht erhalten wird), quin (es fehlen, um von Most. 469
abzusehen, Most. 584, Poen. III, 1, 8, Trin. 584), sane. Ver-
hältnißmäßig selten treten solche zusätze zum imper. futuri. Im
dritten capitel wird der noch immer nicht überflüssige nachweis
geführt, daß der conj. praesentis ohne jeden bedeutungsunterschied
vom imper. praesentis und futuri gebraucht wird; conj. perfecti
ohne negation statt des imperativs ist nicht gebräuchlich, eine
berechtigte ausnähme bilden memineris Mgl. 807 (wenn dieses
nicht vielmehr mit dem vorausgehenden hoc facito zu verbinden ist)
und noveris Truc. 1, 2, 62. Als imperativisch sind auch mit
amabo, obseero, quaeso verbundene conjunetive zu fassen. Im ab-
schnitt IV sind die beläge für imper. praesentis, conj. perfecti und
insbesondere conj. praesentis mit ne zusammengestellt. Als selbstän-
dig und imperativisch wird conj. praesentis mit ne auch nachgewie-
sen in Verbindungen wie novi, ne doceas durch vergleichung von
Stellen wie iam non sum trunculentus , noli metuere. Als einziges
plautinisches beispiel von non mit conj. praesentis in prohibitivem
sinne führt verf. irrthümlich Trin. 671 an; hinsichtlich der Verbin-
dung von neque mit conj. perfecti und praesentis in gleichem sinne
war zu bemerken, daß dann neque nie einen positiven imperativ
oder conj. praesentis oder ein vorangegangenes ne fortsetzt: liegt
Capt. 437 wirklich ein prohibitiver conjunetiv vor, so ist neque
durch das vorhergehende que entschuldigt; Mil. glor. 573, wo
Lorenz falsch ne seiveris nee videris schreibt , liegt überhaupt
kein conjunetiv vor, sondern neseiveris und videris sind iinpera-
tivische futura wie das vorhergehende linguam comprimes.
Stft. t, 379. Plautus. 695
Capitel V handelt von den Umschreibungen des imperativus
fac, facito, viele, videto (curato Pers. 608, Cure. 30 gehörte nicht
hierher), noli, nolito, cave, caveto, parce , comperce, omitte, mitte:
cap. VI. vom futurum als Vertreter des imperativs (übersehen Cas.
IV, 2, 1 ; 4, 15, vgl. Bacch. 1002. 1027 f.), c. VH von den impera-
tivischen fragesätzen mit quin, etiam (Men. 710 gehört nicht hier-
her, Bacch. 670 ist durchaus zweifelhaft), non (daß Merc. 164 das
einfache taces ? dasselbe bedeuten könne wie sonst non taeea
hätte verf. Eitschl nicht glauben dürfen), ne. Im letzten capitel
wird der nachweis gegeben, daß die Verbindung zweier impera-
tive durch et durchaus nicht so ungewöhnlich ist , wie jüngst
behauptet worden , daß bei vorausgehendem i meist asyndetische
Verbindung stattfindet, aber nicht ausschließlich, indem es nicht
an beispielen mit atque und et fehlt; mehrere imperative stehen
meist asyndetisch neben einander, doch werden sie auch durch
atque — et, et — et, et — atque verbunden, bisweilen wird das
letzte glied durch et oder atque angereiht.
379. De ratione, quae inter Sallustianos Codices Vaticanum
no. 3864 et Parisinum no. 500 intercedat, commentatio. Disser-
tatio quam scripsit ...Fridericus Chr. Th. Dieck Halensis.
Halis Saxonum. 1872. 55 pp. 8.
Diese erstlingsschrift des verf. , eine Jenaer doctordisserta-
tion , behandelt in klarer und übersichtlicher , wenn auch von
incorreetheiten und druckfehlern nicht freier darstellung die
wichtigste frage für die texteskritik des Sallustius, so zwar, daß
durch das ergebniß der Untersuchung die controverse allerdings
nicht richtig entschieden , wohl aber durch manche dankens-
werthe Zusammenstellung und durch überzeugende behandlung
einzelner stellen gefördert worden ist. Unrichtig ist zunächst p.
5 die behauptung , daß der vorrang des Par. 500 unter den
handschriften der besten klasse der bella unbestritten sei; denn
"Wirz in einem Aarauer programm 1867 und ein recensent in
diesem anzeiger I, p. 236 haben Par. 1576, Gerlach in den Hei-
delberger jahrbb. 1868, nr. 56 und in seiner ausgäbe 1870 den
Basileensis I gleichgestellt, beziehungsweise bevorzugt. Die gleich-
falls unrichtige angäbe p. 5 über den allgemein anerkannten
vorzug des Vat. 3864 (V) vor Par. 500 (P) wird vom verf.
selbst p. 10 stillschweigend corrigiert. Dem richtigen nachweise,
696 379. Sallustiua. Shft. 1.
daß der mit V verwandte Bemensis 357 keine abschrift aus V
sei, folgt die genaue vergleichung des V, welcher aus Catilina und
Jugurtha nur die reden und briefe enthält, mit den betreffenden
partieen in P. Und zwar wird erstens durch eine Zusammenstel-
lung der beiderseitigen schreibversehen die bisher schon herr-
schende ansieht bestätigt, daß P nachlässiger geschrieben ist als
V. Auch über den dritten punkt der Untersuchung, die Ver-
wandtschaft von P und V betreffend, wird die bisherige an-
nähme eines gemeinsamen archetypus für die handschriften der
bella und der reden nur bestätigt und präcisiert. Dagegen ist
das resultat des zweiten und weitaus wichtigsten theiles der ab-
handlung nicht ohne mancherlei irrthümer im einzelnen gewon-
nen worden und erscheint daher im ganzen problematisch. Es
ist hier natürlich nicht möglich, alle stellen, welche der verf.
unrichtig behandelt zu haben scheint, anzuführen; doch mögen
wenigstens einige gegenbemerkungen gestattet sein. Unter den
loci, qui corrigendi cupiditate in Po corrupti videntur , hat der
verf. sowohl solche aufgezählt, welche sicher in P ganz richtig
überliefert sind, wie Cat. 51, 4 qui . . . consuluerint ; 51, 21 in
sententiam non addidisti; Jug. 14, 9 cum liberis tuis; 14, 15
propinquos ceteros meos\ 24, 3 patris mei; 102,8 bona accepisses\
als auch insbesondere solche stellen, welche lediglich aus einem
versehen des librarius zu erklären sind z. b. Cat. 20, 6 nosmet
ipsos, wo die assimilation gewiß unabsichtlich in die feder ge-
kommen ist, wie etwa Jug. 31, 19 ohne Überlegung und gegen
den sinn contemnit statt contemnet wegen des vorhergehenden
präsens est geschrieben wurde; 20, 13 habeamus, wo der conjunc-
tiv dem sinne gar nicht entspricht, also augenscheinlich nur auf
einem Schreibfehler beruht; ebenso 20, 15 hortentur, während
20, 16 die frage, ob utimini wirklich als fehler zu betrachten
Bei, erst noch der entscheidung bedarf. Jug. 24, 8 ist a vor
qua offenbar dittographie , da in P vestra vorhergeht ; ebenso ist
85, 24 patior statt fateor unwillkürlich aus der feder geflossen,
weil das in derselben zeile stehende patitur vorschwebte; 85, 34
erscheint bis ergo statt bis ego als lesefehler des abschreibers ;
85, 33 ist die Variante praesidia agitare aus praesidiä agitare
nur dadurch entstanden, daß das im archetypus, wie der verf.
selbst an dieser stelle, dann p. 23 und 52 anerkennt, angewen-
dete offene a irrthümlich mit ü verwechselt wurde. Für die
Shft. 1. 379. Sallustius, 697
corruptel Jug. 85, 30 parum id facio statt paroi hat der verf.
schließlich selbst eine andere erklärung nach Madwig vorgezogen ;
Cat. 51, 22 hat er allein die lesart condemnatis für fehlerhaft
erklärt, worin ihm kein heransgeber beistimmt; endlich Jug. 14,
1 hat der verf. über in adfinium locum ducerem statt adfinium
loco selbst bemerkt : Latini „in locum alicuius ducereu ornnino non
dicunt, womit doch ohne zweifei die annähme einer willkürlichen
änderung sehr unwahrscheinlich ist. Sonach bleibt von allen stellen,
aus denen der verf. seinen Vorwurf der corrigendi cupiditas ge-
gen P ableitet, keine einzige übrig; die ganze beweisführung
fällt zusammen. Unglücklich ist der verf. bisweilen auch mit
paläographischen erörterungen gewesen, z. b. zu Jug. 85, 14 wo
P obiectantur , V obiciuntur bietet, heißt es p. 52 wörtlich: Si
genuina lectio est „obiciuntur" , facile oculorum errore fieri potuit,
ut librarius „uu litteram, quae in Pi archetypo erat, „au littera
cornmutaret et „ia litteram „tu littera, quae nonnusquam „iu litterae
simillima est: tum scriptum est: „obictantur" et facile ,,e" inseri
potuit: „obiectantur". Alles möglich ! Leider aber ist dabei vom
verf. die Wirklichkeit der thatsache übersehen worden, daß Sal-
lust in dem hier geforderten sinne nicht „obicereu sondern „obiec-
tareu gebraucht. Erwägt man nun noch, daß der verf. unglück-
licher weise von Dietsch einige falsche angaben über die hand-
schriftliche lesart aufgenommen hat, z. b. Cat. 52, 7; Jug. 31, 17,
und darauf hin stellen erklärt, so wird man sich nicht entschlie-
ßen können , dem ergebniß beizupflichten , das der verf. in den
Worten zusammenfaßt : Vo paucioribus in locis audaciorem interpo-
latorem operam dedisse , Po pluribus in locis interpolatorem , ut ita
dicam, timidiorem (p. 42). Bedenklich, nach unserem urtheile
sogar verwerflich erscheint daher auch die regel (p. 49): de eis
locis, quibus Tii Codices (P et V) inter se discrepant et quae in
utroque sunt a Sallustio dicta esse possunt , semper quaeremus , utra
lectio ex altera orta facilius eicplicari possit\ quae potest , ea reyici-
enda erit. Si vero etiam Tiac de re Judicium non certum est, tum
mihi Vus utique praeferendus videtur. Und von dem Schlußworte
(p. 55) können wir nur die eine hälfte billigen: id constat , ex
codicibus Sallustianis Vum et Pum opt/imos esse. Es übrigt noch
die bemerknng , daß nnter den vom verf. mit glück behandelten
stellen namentlich die begründung für folgende lesarten zu be-
achten ist: Cat. 51, 35 atque ego Jiaec. 52, 2 longe mihi alia.
380. Justinus. Shft. 1.
52, 33 dis aut hominibus. Jug. 14, 11 . . in meo regno. 31, 10
lionori non praedae. 31, 25 dbmittatis. 85, 5 bene facta rei publicae.
85, 23 neque bona neque mala. Besonders bemerkenswerth aber
ist der nachweis (p. 2 7 f. 42), nullum Pi locum tarn male corrup-
tum inventum esse quam in Vo Jug. 85, 16.
380. Die textesquellen des Justinus von Franz Rühl.
(Besonderer abdruck aus dem sechsten supplementbande der
Jahrbücher für classische philologie). Leipzig, druck und verl.
v. B. G. Teubner 1872.
Die durchgreifende revision, welcher die deutsche philologie
sämmtliche texte des klassischen alterthumes unterworfen hat,
beruht auf dem prinzip, zunächst den werth der einzelnen hand-
6chriften festzustellen, um dann consequent den ältesten und bei
sten zu folgen, ohne den unwichtigen irgendeinen einfluß zu ge-
statten. Bei dieser revision sind daher nur noch diejenigen Schrift-
steller im rückstande, für die wir entweder zu wenig oder zu viele
handschriften haben. Für die ersteren — ich erinnere z. b. an
Vellejus Paterculus — ist wenig zu hoffen; hier bleibt den con-
jecturen der herausgeber ein großer Spielraum. Zu der zweiten
classe gehören hauptsächlich diejenigen autoren, die im mittelal-
ter oder der renaissancezeit am fleißigsten gelesen wurden: Ho-
raz, Statius, Sallust, Eutrop, von denen wir zwar einzelne gute
handschriften kennen, aber keineswegs das verwandtschaftsver-
hältniß sämmtlicher Codices. — Dies wird uns dadurch erschwert
und vielleicht unmöglich gemacht, daß sich hier ganz verschie-
denartige einflüsse kreuzen. Wie in der familie die Verwandt-
schaftsgrade durch zwischenheirathen so sehr getrübt werden
können, daß jemand sein eigener großvater sein kann, so ist es
oft unmöglich , das verhältniß einzelner handschriften zu bestim-
men, weil dieselben oft aus der einen klasse abgeschrieben, aber
auch aus der andern ergänzt und verbessert sind. ■ — Zu den Histo-
rikern, über deren handschriften wir sehr ungenügend xinterrichtet
waren, gehörte bis jetzt auch Justin. — Erst seit Eühl seine
textesquellen des Justinus veröffentlicht hat, können wir die
fülle des handschriftlichen materials überblicken, das fast über
ganz Europa verstreut ist; wer daher dieses material sammeln
wollte, dürfte weite reisen nicht scheuen durch Deutschland, Dä-
nemark, England, Frankreich und Italien. Da Rühl diese reisen
Shft. I. 380. Justinus. 699
gemacht hat, wie sich aus seinem buche ergiebt, so ist es ihm
gelungen den text des Justin auf eine neue grundlage zu stel-
len; und gerade die codd., welche seine Vorgänger als deteriores
bezeichnet hatten, wieder zu ehren zu bringen. — Während die
frühem herausgeber ohne das gesammte handschriftliche material
zu beherrschen oder auch nur zu überblicken , in mehr oder
minder eclectischer weise dieser oder jener handschrift folgten,
hat Rühl zum ersten mal eine Untersuchung angestellt über
werth und Verwandtschaft sämmtlicher handschriften. — Er
theilt zunächst alle handschriften in zwei classen; auf der einen
seite stehen 2 codd., auf der andern nicht viel weniger als 200. —
Zu der ersten classe gehört der cod. Laur. plut. 66, cod. 21,
der wie so viele andere codd. longobardischer schrift auf das
berühmte kloster Monte Casino zurückzuführen ist, und außer-
dem nur noch der Vaticanus 1860, und selbst dieser ist, wie Rühl
vernrathet, wahrscheinlich aus dem erstgenannten Laurentianus
abgeschrieben. Die zweite classe zerfällt wieder in mehrere na-
tionale gruppen,- die nicht nur für die geschichte der Überliefe-
rung von Wichtigkeit sind , sondern fast eben so sehr für die
culturgeschichte des mittelalters , weil wir mit hülfe des Justin-
textes wenigstens einige der fäden bloßlegen und verfolgen kön-
nen, welche die centren mittelalterlicher cultur mit einander ver-
binden. Doch dieses ziel liegt außerhalb der grenzen , die der
verf. sich hier gesteckt hat ; das sind fragen , die in eigener
schrift desselben verf. (die Verbreitung des Justinus im mittelal-
ter, Leipzig 1871) behandelt wurden. Die beiden großen grup-
pen , in welche die zweite classe zerfällt , sind die italische und
die transalpine. Darnach würde sich ungefähr folgender Stamm-
baum ergeben :
Archetyp.
Medic. n. — jp
Itali Transalpini
Medic. I. Leid. V. Sessorian. Euseb. C D
Putean. St. Gall. Monac. Gissens. Leid. IV. Franeq. Bern.
Nachdem der verf. dann p. 51 und 53 den archetypus der
italischen und transalpinen classe reconstruirt — was sich bei
der massenhaftigkeit des materials mit einiger Sicherheit thun
700 380. Justine Shft. 1.
läßt — tritt er der frage näher, welche handschriftenclassen
und = familien bei der constituirung des textes die eigentlich
maßgebenden seien. Wollte man nm dies zu entscheiden die
einzelnen lesarten gegen einander abwägen, so könnte man für
das resultat doch nur eine subjective gültigkeit beanspruchen;
denn gerade bei einem so viel gelesenen historiker wie Justin
giebt es viele sehr bestechende conjecturea, die sich dennoch mit
hülfe nüchterner kritik der handschriften als solche erkennen
lassen. Es bleibt uns jedoch noch ein zweites mittel, das der
verf. mit umsieht und erfolg in anwendung gebracht hat: er
vergleicht die lesarten Justins mit denen späterer historiker, die
von demselben abhängig sind. Entschiedenen einsprach erhebt
der verf. (p. 27) dagegen, auch den Ammianus Marcellinus un-
ter die zahl derselben zu zählen und da wir sachlich mit ihm
einverstanden sind, so wollen wir nicht mit ihm rechten über einen
einzelnen ausdruck. Wenn er nemlich sagt „daß Ammianus Mar-
cellinus den Justin oder Trogus benutzt habe, ist eine zwar viel-
fach verbreitete aber völlig unbeweisbare ansieht", so sieht man
nicht recht ein, gegen welche bücher oder personen diese pole-
mik eigentlich gerichtet ist. — Ebenso wenig hat Jordanis aus
Justin geschöpft; sondern die quelle dieses (= Cassiodor) ist
abhängig von der quelle jenes (= Trogus); aber trotz alledem
würde es möglich sein, die lesarten des einen durch die des an-
dern zu controliren, wenn wir nur überhaupt eine ausgäbe des
Jordanis besäßen , die derartigen ansprächen genügen könnte.
Hoffen wir, daß jetzt endlich die gründe beseitigt sind, die
schon seit so langen jähren die kritische ausgäbe des Jordanis
verhindert haben!
Eine vergleichung Justins mit Isidor, Aethicus, Frontin und
Ampelius ergibt wenig oder gar nichts; „es bleibt also einzig
Orosius zu vergleichen und dieser ist nun in der that ein vor-
trefflicher zeuge", dessen ungemeine Wichtigkeit eben so sehr auf
seiner nahen Verwandtschaft mit Justin beruht, als auf seiner
ausgezeichneten handschriftlichen Überlieferang, die dem verf.
theils in eigenen, besonders aber in Zangemeisters collationen
zur Verfügung stand. Man sieht sofort aus einer ganzen reihe
von beispielen (p. 31 — 35), daß die handschrift, welche Orosius
benutzt, mit der italischen classe meistens übereinstimmte, ohne
jedoch selbst zu derselben zu gehören (beispiel: p. 36 — 37).
Shft. 1. 380. Justinus. 701
Dadurch gewinnt die italische classe , die von den letzten her-
ausgebern grundsätzlich vernachlässigt worden, eine ganz an-
dere Stellung ; sie ist allerdings nicht die einzig maßgebende,
aber doch die relativ beste. Es folgt dann noch ein langes
verzeichniß der andern handschriften die für die herstellung
des textes werfhlos sind; ob dabei absolute Vollständigkeit er-
reicht ist , dürfte schwer zu sagen sein , weil Justin fast in
keiner mittelalterlichen bibliothek fehlen durfte. — Jedenfalls ver-
misse ich, der ich früher in Florenz und Rom (Vaticana, Corsi-
niana und Sessoriana; einige handschriften des Justin untersuchte,
keinen der mir bekannten; nur einige kleinigkeiten ließen sich
noch nachtragen. Der Vaticanus 1860, der mit Laur. 66,21
sämmtlichen anderen handschriften gegenüber gestellt wurde,
ist von Rühl mit sicherm paläographischen tact dem 14. Jahr-
hundert zugewiesen; wir wissen sogar mit Sicherheit, daß er
im jähr 1313 geschrieben wurde, man liest nemlich fol. 79n:
Flauii Vegetii Renati uiri illustris Epythoma cV institutis rei milltaris
expl. liber quarlus anno dni 1313 inclict. 12 (arabische zahlen). —
Auch in betreff des florentiner Marcianus nr. 350 vermisse ich
nähere angaben, namentlich über die verschiedenen hände. Man
bemerkt dort z. b. randglossen von der hand des berühmten
humanisten Xiccolo Niccoli , dessen feine , charactervolle hand-
schrift wir in vielen handschriften der Laurentiana wiederer-
kennen; gleich auf der ersten seite suchte z. b. Niccoli die
worte arclui laboris zu erklären durch ein beigeschriebenes her-
culea. — Ferner liest man dort : conuentus Sancti Marci de Flo-
rentia ordinis praedicatorurn A cosma de Medicis. Ex hereditate
peritissimi uiri Nicolai de Nicolis, von der hand seines neffen Giu-
liano, der sämmtliche handschriften, die nach dem tode NiccoH's
in die medicäischen bibliotheken von S. Marco und S. Lo-
renzo übergingen, auf diese oder ähnliche weise bezeichnete.
Ueberhaupt ist zu bemerken , daß es dem leser ziemlich
schwer gemacht wird, die notizen über eine bestimmte hand-
schrift zu finden, wenn er nicht weiß zu welcher handschriften-
classe sie gehört. Grade bei dieser erdrückenden masse des
detail wäre es angezeigt gewesen, diejenigen, die solchen Unter-
suchungen ferner stehen , zu unterstützen durch scharfe ein-
schnitte, Überschriften und register. Auch ein Stammbaum
der handschriften, wie wir ihn oben nach Rühl zusammen-
702 381. 82. Tacitus. — Cicero. Shft. I.
gestellt haben, würde die Brauchbarkeit des buches erhöht
haben.
Doch alle diese kleinigkeiten thun vielleicht der bequein-
lichkeit des lesers, aber nicht dem wissenschaftlichen werth des
Werkes abbruch. — Hoffentlich wird Eühl das versprechen, das
er der gelehrten weit durch Veröffentlichung dieser Vorarbeit
gegeben, recht bald einlösen und auf die textes quellen auch
den text des Justinus folgen lassen mit vollständigem kritischen
apparat.
V. Gardthausen.
381. Pomponia Graecina. Tac. Ann. XIII, 32. Von C.
W an ding er. (Programm der k. Studienanstalten zu Freising.)
1872/73. 67 s. 8.
Der verf. beabsichtigte, zur evidenz darzuthun, daß die nur
aus wenigen Worten des Tacitus bekannte Pomponia Graecina,
super stitionis externae rea, christin gewesen sei; ferner wahr-
scheinlich zu machen, daß dieselbe mit der heil. Lucina iden-
tisch sei. Trotz aller Weitläufigkeit der argumentation und po-
lemik vermochte jedoch der verf. nichts zu bieten als eine un-
freiwillige bestätigung des von ihm bekämpften Friedländer'
sehen satzes (Königsb. univ. -progr. 1868): Omnia dilabnntur,
quibus persuasio de fide christiana Pomponiae nititur. Quam chri-
stianam esse potuisse libenter concedo ■, ne ei quidem contradicam,
qui huic coniecturae verisimilitudinem quandam messe dicat: rem
certam et exploratam esse praecise negandum est.
382. M. Tullius Ciceros rede für T. Annius Milo. Mit
einleitung und commentar von Dr. Eduard Osenbru eggen.
Neu bearbeitet von Dr. Hans Wirz. 8. Hamburg, Wilhelm
Mauke. 1872. — 227a gr.
Referent erinnert sich noch recht wohl, welche anregung
er als primaner von der unlängst erschienenen miloniana von
Osenbrüggen erhielt, wie ihn besonders die sachlichen erörte-
rungen gleichsam in eine neue weit einführten. Der neue her-
aüsgeber sagt mit recht, daß das damals von Osenbrüggen ge-
gebene den folgenden ausgaben zu gute gekommen sei, aber
doch war es sicher gerechtfertigt, eine neue bearbeitung des
Oscnbrüggischen werkes selbst zu veranstalten, zumal durch
Shft. 1. 382. Cicero. 703
eine offenbar so kundige und der sache in jeder beziehung ge-
wachsene band , wie die des neuen berausgebers. Mit großem
vergnügen liest man die auf das gründlichste und mit benu-
tzung aller hülfsmittel über die einschlagenden sachlichen fra-
gen sich verbreitenden anmerkungen. Vielleicht ist in bezie-
hung auf citate hie und da des guten zu viel geschehn, Potts
etymologische forschungen, Friederichs bausteine zur geschichte
der römischen plastik und ähnliche bücher gehen wenigstens
über den gesichtskreis der schüler entschieden hinaus. Eine
beschränkung wäre wohl auch in der historischen einleitung am
platz gewesen , da historische hülfsbücher doch in aller händen
sind. Sehr erfreulich ist die auf die rhetorischen figuren, auf
Übergänge und beweisführung verwandte Sorgfalt. Grade diese
pnncte sind es, deren genauere beachtung erfahrungsmäßig das
interesse des schülers weckt und ihm die lecture des Cicero
erst fruchtbar macht. Auch in orthographischer und kritischer
beziehung, wo sich der herausgeber an Halms text, Berlin
1868, anschließt, steht die arbeit auf der höhe der heutigen
Wissenschaft, so daß sie ihren zweck strebsame schüler zu wei-
terem und eindringlicherem Studium anzuregen sicherlich erfül-
len wird. Ein paar einzelne bemerkungen sind folgende. In
der einleitung fallen ausdrücke, wie p. 26 „die einvernähme
der zeugen" oder p. 32 „gerichtsverbandschaften" auf, die wohl
aus dem schweizerischen idiom zu erklären sind. In der erklä-
rung war §. 11, wo der sinn richtig gefaßt ist, darauf hinzu-
weisen, daß in den Worten ut cum causa, non telum quaereretur,
qui sui defendendi causa telo esset usus, non hominis occidendi
causa habuisse telum judicarttur , in sofern eine Unklarheit liegt,
als für die worte non .. .judicaretur vielmehr der gedanke erforder-
lich wäre : cum hominis occidendi causa telum non habuisset, culpa
Über esse judicaretur. §. 14 ist in den Worten nisi vero aut ille
dies quo Tiberius Gracchus est caesus, aut ille quo Gaius , aut
quo arma Saturnini, etiamsi e re publica oppressa sunt, rem publi~
cam tarnen non vulnerarunt, das quo vor arma, das wunderbarer
weise auch Halm 1868 gegen seine frühere ansieht wieder auf-
genommen hat, durchaus mit Madvig zu streichen. Daß aus dem
folgenden oppressa sunt zu ergänzen sei, läßt sich leicht sagen,
ist aber nach dem vorgehenden caesus völlig unmöglich, wenn
man nicht dem Cicero eine ganz stammelnde ausdrucksweise
704 383. Böckh. Shft 1.
aufbürden will. Der einzige weg es zu halten wäre ein komma
nach etiamsi e republica, so daß diese worte für sich zu nehmen
und oppressa sunt gleich zu arma zu beziehen wären. Dann
würde man aber immer noch ein ille vor quo erwarten. §. 42
ist die Zusammenstellung rumor em, fabulam fictam falsam, levem,
so daß rumor em gar kein epitheton, fabulam deren drei erhält,
unerträglich, und durch die interpunction , die fictam falsam
wie einen begriff hinstellt, wird daran nichts gebessert. Daß
wenigstens mit früheren herausgebern falsam auszuscheiden ist,
scheint sicher. Weiter aber läßt sich kaum einsehen, warum
Cicero verschmäht haben sollte zu schreiben rumor em levem, fa-
bulam fictam. §. 67 wird doch wohl mit Ludw. Jan zu schrei-
ben sein : cum tarnen sie metuitur etiam nunc Milo , da erst so
das handschriftliche si vor metuitur zu seinem rechte kommt.
§. 62 hätte bei animo irato ac percito auf die gewöhnlichere
Verbindung ira percitus hingewiesen werden können; ebenso
wäre §. 69 fortissimi viri magnitudinem animi ein wort über die
Stellung doppelter genetive bei einem substantivum am platz
gewesen, so wie §.85 bei serae sed justae tarnen et debitae poenae
über die eigenthümliche und durch das ganze alterthum ihre
Wichtigkeit behauptende bedeutung der sera numinis vindieta.
H. A. Koch.
383. De antiquissima Neptuni figura. Diss. inaug. quam
scripsit Carolus Manitius Dresdensis. Lipsiae, typis Breit -
kopfii et Haertelii. MDCCCLXXII.
Im Phil. Anz. II, 3, p. 167 wurde bereits eine schritt ver-
wandten Charakters, den Hephästos behandelnd, besprochen, die
ebenso wie die vorliegende von einem schüler Overbecks her-
rührte. Derartige Schriften haben ihren unverkennbaren werth
als vorarbeiten für die kunstmytkologie, wenngleich die eigent-
lichen resultate der mühevollen arbeit erst in Overbecks großem
werke vollständig zu tage treten werden. Jedenfalls aber ist
die gewissenhafte Sorgfalt anzuerkennen, mit der in vorliegender
schrift das umfangreiche material zusammengetragen , geordnet
und classificirt worden ist. Ob auch die wünschenswerthe Voll-
ständigkeit erreicht wurde , darüber erlaubt sich referent , weil
ihm keine große bibliothek zur Verfügung steht, auch kein urtheil.
L. G.
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UNIVERSITY OF N.C. AT CHAPEL HILL
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