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Full text of "Philologischer Anzeiger. "Als Ergänzung des Philologus." [serial]"

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PHILOLOGISCHER 


ANZEIGER. 

pf 

ALS  EEG-lNZUNG 

DES  ,t 

PHILOLOGUS^ 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

ERNST  von  LEUTSCH. 

FÜNFTER  BAND. 


1873.  | 


GÖTTINGEN, 

VERLAG  DER  DIETERICHSCHEN  BUCHHANDLUNG. 

1873. 


Nr.  1.  Jannar  IS73. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben  als   ergänzung   des  Philolo-gus 


Ernst  von  Leutsch. 


1.  Studien  zur  griechischen  und  lateinischen  grammatik 
herausgegeben  von  Georg  Curtius.  Dritter  band.  8.  Leip- 
zig.    Hirzel.   1870.     401  ss.  —     1  thlr. 

Der  rasche  f ortgang  dieses  im  jähre  1868  begründeten  Un- 
ternehmens beweist,  welch  reger  theilnahme  sich  das  mit  der 
vergleichenden  Sprachforschung  in  Verbindung  gesetzte  gramma- 
tische Studium  der  beiden  classischen  sprachen  bereits  zu  er- 
freuen hat.  Der  dies  auch  durch  seinen  inhalt  bethätigende  dritte 
band  wird  eröffnet  durch  eine  ausführliche  und  sorgfältige  behand- 
lung  der  praeposition  Ttaqa  von  F.  H.  Hau  (de  praepositionis 
nagcc  usu)  p.  1  —  98.  Nachdem  in  kürze  einige  etymologische 
bemerkungen  über  die  praeposition  und  die  ihr  in  den  ver- 
wandten sprachen  entsprechenden  formen,  im  wesentlichen  im 
anschluss  an  Potts  ausführungen  in  bd.  I  aufl.  2  seiner  ety- 
mologischen forschungen  vorausgeschickt  worden ,  behandelt 
der  Verfasser  im  ersten  theile  den  gebrauch  der  praeposition 
mit  dem  genetiv  (p.  11 — 34),  dativ  (p.  34 — 51)  und  accusativ 
(p.  51 — 88),  durchweg  mit  einer  reichen  fülle  von  beispielen  und 
hin  und  wieder  mit  nicht  uninteressanten  vergleichungen  mittel- 
und  neuhochdeutschen  Sprachgebrauchs.  Ein  zweiter  theil  (p.88 — 
98)  behandelt  den  gebrauch  der  praeposition  in  Zusammense- 
tzungen. Wir  bedauern  diesem  zweiten  theile  nicht  eine  eben 
so  sorgfältige  behandlung  und  klare  anordnung  des  materials 
nachrühmen  zu  können  wie  dem  ersten.  Es  berührte  uns  im 
eingange  der  abhandlung  (p.  8)  sehr  wohlthuend,  wieder  ein- 
mal mit  voller  entschiedenheit  den  satz  ausgesprochen  zu  lesen, 
alle  praepositionen  seien  eigentlich  selbständige  adverbia.  Aber 
obwohl  der  Verfasser  selbst  darauf  hinweist,  dass  die  ur- 
Philol.  Anz.  V.  .  1 


2  1.  Griechische  grammatik.  Nr.  1. 

sprünglich  adverbiale  bedeutung  der  präpositionen  noch  in  ih- 
rer Zusammensetzung  mit  verben  deutlich  hervortritt ,  hat  er 
sich  die  Verfolgung  dieses  gedankens  und  den  nackweis  an  den 
einzelnen  zusammengesetzten  verben  fast  ganz  entgehen  lassen, 
was  nach  den  bemerkungen  Jacob  Grimms  in  der  vorrede  zum 
ersten  bände  des  deutschen  Wörterbuchs  p.  XLin,  wo  er  für  den 
praepositionalen  werth  der  präpositionen  in  Zusammensetzungen 
kämpft,  keineswegs  unnöthig  war.  Noch  auffallender  ist  die 
Vernachlässigung,  welche  die  Zusammensetzung  der  präposition 
naga    mit   Substantiven  erfahren  hat. 

Während  die  behandlung  der  wenigen  aus  diesem  bereiche 
angeführten  beispiele  untermischt  unter  die  vetbalzusammense- 
tzungen  eine  anzahl  in  ganz  falschem  lichte  erscheinen  lässt, 
indem  blos  auf  die  begriffliche  bedeutung  der  präposition  rück- 
siebt genommen  ist,  was  sogar  zu  offenbar  verkehrter  auffassung 
verführt  hat,  wie  wenn  p.  97  nagdot]uoq  als  derivatum  von 
naguarjuaivstv  aufgeführt  wird,  hätte  eine  sonderung  der  nomi- 
nalzusammensetzungen  von  den  verbalen  und  sorgfältige  Unter- 
suchung des  Verhältnisses  der  beiden  zusammengesetzten  theile 
in  den  einzelnen  Wörtern  nicht  nur  auch  ihrerseits  neues  licht 
auf  die  adverbielle  kraft  der  praeposition  geworfen,  sondern  auch 
einen  interessanten  beitrag  zur  gruppierung  der  griechischen  no- 
minalzusammensetzungen  nach  ihrer  bedeutung  geliefert,  wozu 
nur  erst  schwache  anfange  vorhanden  sind.  In  einem  theile  der 
mit  praepositionen  zusammengesetzten  nomina  hat  die  prae- 
position wesentlich  praepositionalen  Charakter,  sie  sind  hervor- 
gegangen aus  der  construetion  einer  praeposition  mit  ihrem 
casus  J  solche  sind  nagddo^og  =  nagd  ö6%ia>,  nagdXoyoq  =  nagd 
Xöyov,  ndgaXog  =  nag*  aXi ,  nagdfxovaog  =  naga  fiovaag,  na' 
gävofxog  =  naga  vöfiov,  nagdaeigog  =  naga  aeigav,  nageaziog 
=  nag''  söt(a.  Von  diesen  sind  nach  meiner  meinung  wieder 
diejenigen  zu  trennen,  die  hinten  ein  seeundärsuffix  zeigen,  wie 
naga&aXdaaiog ;  man  darf  dies  nicht  ohne  weiteres  mit  naga 
öaXuaGy  erklären,  sondern  hat  von  dem  wirklich  vorhandenen 
adjeetiv  üaXdaaiog  auszugehen,  dem  zur  näheren  speeificierung 
seines  begriffs  das  adverb  nagd  vorgesetzt  wurde.  Während 
jene  in  das  bereich  der  sogenannten  abhängigkeitscomposita 
(tatpurusas)  fallen ,  ist  das  letztere  eine  determinative  Zusam- 
mensetzung  (karmadhäraja)    und    also    wesentlich    von    gleicher 


Nr.  1.  1.  Griechische  grammatik.  3 

art  wie  nagdyvfivog  an  der  seite  bloss,  naqd&SQixog  sehr  warm, 
■jvaqdXEvxog  mit  weiss  gemischt  eigentlich,  daneben  weiss,  naqd- 
mxgoQ  etwas  bitter,  ndgicog  fast  gleich,  Tzagofioiog  fast  ähnlich. 
Hier  war  auch  der  ort  über  die  von  Pott  Et.  Forsch.  I2  p.  186 
berührte  verkleinernde  Wirkung  der  praeposition  nagd  einige 
worte  zu  sagen  und  sie  mit  ihrer  grundbedeutung  zu  vermit- 
teln;  ich  glaube,  dass  sich  z.  b.  in  ndqioog  nugöfxoiog  das  naqu 
auf  das  richtige  mass  bezieht :  neben  dem  genügenden  masse 
hin,  gegen  dasselbe,  d.  h.  ohne  es  zu  erreichen,  ähnlich.  End- 
lich kann  die  ganze  Zusammensetzung  sogenannten  possessiven 
sinn  haben  (bahuvrihi) ,  wie  in  nagdnvi,og  an  den  Seiten  buchs- 
baumholz  habend,  nugavlog  ndgoixog  daneben  die  wohnung  ha- 
bend, nagdcpqojv  verkehrten  sinnes. 

Nach  einer  kurzen  Zusammenstellung  einiger  lexikalischen 
punkte  des  hyperideischen  Sprachgebrauchs  von  H.  Hager  (de 
graecitate  Jiyperidea  p.  101 — 114)  folgen  ausführungen  „zur  grie- 
chischen etymologie  und  Wortbildung"  von  C.  Angermann. 
Seiner  besprechung  von  uvu%  und  den  zugehörigen  Wörtern  möch- 
ten wir  hinzufügen,  dass  die  herleitung  dieser  Wortsippe  von 
der  im  altbaktrischen  mit  der  bedeutung  schützen  erhaltenen 
wurzel  van  an  Wahrscheinlichkeit  dadurch  ausserordentlich  ge- 
winnt, dass  das  wort  selbst  in  der  form  FANAKTEI  auf  einer 
der  altphrygischen  inschriften,  dem  sogenannten  Midasgrabe  (bei 
Gosche  in  den  Verhandlungen  der  Meissner  philologenversammlung 
1863  nr.  1)  erhalten  ist;  es  ist  freilich  nicht  klar,  ob  es  im 
altphrygischen  als  griechisches  lehnwort  aufzufassen  ist  oder 
vielmehr  ins  griechische  aus  eränischem  sprachkreise  herüber 
gekommen,  was  vielleicht  das  wahrscheinlichste  sein  dürfte.  Was 
die  ansieht  des  Verfassers  über  die  bildung  des  Stammes  dvaxi 
betrifft,  so  scheint  mir  das  ein  sonderbarer  cirkel  zu  sein,  aus 
dvax  erst  das  verbum  dvdkjoo  dvdaoca  entstehen  zu  lassen  und 
dann  aus  dem  darin  enthaltenen  verbalstamm  dvax  vermit- 
telst neuer  suffixbildung  jenes  nomen ;  vielmehr  konnte  sich 
aus  dem  nominalstamm  ravaxo  dvax  von  vornherein  sowohl  ein 
verbum  als  ein  neues  nomen  durch  anfügung  eines  zweiten  Suf- 
fixes bilden ,  eine  keineswegs  seltene  erscheinung ;  dieses  suf- 
fix  war  aber  nach  unserer  meinung  nicht  ti,  worauf  nichts  hin- 
deutet,   sondern    nach    anleitung    von   ytigwväxtrig    ta    oder  to} 

1* 


4  2.  Griechische  grammatik.  Nr.  1. 

von    deren  Verstümmelung  auch   im   griechischen  deutliche  ana- 
logieen  vorliegen. 

Auf  den  reichhaltigen  inhalt  des  übrigen  theiles  des  ban- 
des  näher  einzugehen  würde  den  umfang  dieser  anzeige  unge- 
bührlich anschwellen  und  ist  auch  darum  nicht  gut  thunlich, 
weil  das  meiste  der  behandlung  von  einzelheiten  meist  etymo- 
logischer natur  gewidmet  ist,  wie  die  beitrage  von  Röscher 
(127 — 146),  W.  Clemm  (281—344)  und  vom  herausgeber 
selbst  (185 — 204).  Onomatologischen  inhalts  ist  die  arbeit  von 
F.  Gr.  B  e  n  s  e  1  e  r  de  nominibus  propriis  et  latinis  in  i  o  <pro  ius 
et  graecis  in  ig  iv  pro  tog  iov  terminatis ;  dialektologisch  der  auf- 
satz  von  F.  Allen  de  dialecto  Locrensium  und  die  Zusammen- 
stellungen über  den  tzakonischen  dialekt  des  neugriechischen 
von  Moritz  Schmidt.  Mit  interessanten  ausführungen  über 
einige  schwierige  punkte  aus  der  flexi on  der  griechischen  zu- 
sammengezogenen verbalformen  von  der  hand  von  Georg  Cur- 
tius  selbst  schliesst  der  band. 

Gustav  Meyer. 

2.  Wentzel,  über  die  scheinbar  überflüssige  hinzufügung 
der  negation  ov  in  der  redeweise  (xä.'k'kov  /}  ov.  4.  Programm 
von  Glogau.  1871. 

Die  alten  grammatiker  halten  die  negation  in  dieser  Ver- 
bindung für  überflüssig;  die  neueren  stimmen  entweder  dieser 
erklärung  mit  gewissen  modificationen  zu  oder  sie  führen  den 
gebrauch  darauf  zurück,  dass  das  zweite  glied  einer  vergleichung 
im  Widerspruch  stehe  mit  dem  ersten,  also  einen  negativen  ge- 
danken  enthalte.  Beides  weist  Wentzel  zurück ,  wie  auch  die 
ansichten  der  scholiasten  und  interpreten  und  behauptet,  dass 
Nitzsch  in  seiner  ausgäbe  von  Piatons  Ion  auf  das  richtige  ver- 
Ständniss  der  Verbindung  hingedeutet  habe.  Seine  erklärung 
(p.  74)  lautet:  in  allen  derartigen  stellen  ist  eine  Zurechtwei- 
sung oder  ein  tadel  ausgedrückt,  und  zwar  so,  dass  im  ersten 
theile  der  vergleichung  das  getadelt  wird ,  was  zu  unrecht  ge- 
schieht oder  angenommen  wird,  im  zweiten  aber  das ,  was  zu 
unrecht  vernachlässigt  wird.  Von  dieser  zu  allgemein  gefass- 
ten  regel  von  Nitzsch  ausgehend ,  macht  sich  Wentzel  daran, 
sie  theils  zu  ergänzen ,  theils  zu  modificiren.  Seine  regel  lau- 
tet:   „die   ausdruckslorm    (*ukkßv    ■/}    ov    ist    von    den    Griechen 


Nr.  1.  2.    Griechische  grammatik.  5 

grösstenteils  in  wirklich  gehaltenen  reden,  seltener  in  histori- 
schen mittheilungen  angewendet  worden,  die  sich  selbst  aber 
wieder  auf  einen  in  einer  berathenden  Versammlung  gefassten 
beschluss  oder  auf  eine  in  sonstigen  Verhandlungen  ausgespro- 
chene ansieht  beziehen.  Die  betreffenden  stellen  sind  von 
zweierlei  art.  Der  redende  tritt  in  einer  vergleichenden  darstel- 
lung  entweder  einer  seiner  ansieht  ganz  entgegengesetzten 
meinung  oder  einer  einseitigen  auffassung  von  Verhältnissen 
und  äusserung  über  dieselben  entgegen ;  die  erstere  will  er  gänzlich 
beseitigen  und  nur  das  hinter  r)  ov  ausgesagte  allein  gelten  las- 
sen, dagegen  das  einseitig  ausgesprochene  urtheil  ergänzen  und 
vervollständigen,  so  dass  das  in  beiden  gliedern  der  vergleichung 
dargestellte  in  gleichem  grade  als  wahr  und  geltend  bezeichnet 
wird.  Daher  hat  fiäXXov  in  den  sätzen  der  ersten  art  die  be- 
deutung  von  potius,  in  denen  der  zweiten  art  die  von  magis'\  — 
„Durch  das  ov  hinter  r)  wird  das  subjeetive  urtheil  des  sprechen- 
den ausgedrückt;  begnügt  er  sich  aber  mit  einer  rein  objekti- 
ven darstellung  der  Verhältnisse,  so  steht  hinter  fxäXXov  rj  keine 
negation  "■ 

Stellen  der  ersten  art  sind:  Thuc.  2,  62.  3,  36.  Dion. 
Hai.  Aß.  6,  81  (vrgl.  Dem.  Mid.  §.  537.  Eurip.  Herc.  Für. 
183)  ibid.  7,  10.  11,  34.  —  ibid.  10,  28.  Xenoph.  Hell.  6,  3, 
15.  Demosth.  in  Timoth.  p.  1198.  p.  1200.  p.  1185,  an  welcher 
letzteren  stelle  Wentzel  das  ov  hinter  rj  beibehalten  wissen 
will.  —  Fehlt  in  solchen  vergleichungssätzen  im  zweiten  gliede 
ov,  so  wird  einfach  die  handlungsweise  oder  die  meinung  angege- 
ben, welche  nach  der  ansieht  des  redenden  der  im  ersten  gliede 
angegebenen  vorzuziehen  ist;  sie  wird  aber  nicht  als  eine  sol- 
che bezeichnet,  welche  nicht  befolgt  worden  ist:  z.  B.  Thuc. 
5,  9.  5,  110.  Xen.  Heil.  6,  3,  12. 

Für  die  zweite  art  sind  folgende  stellen  angeführt:  He- 
rod.  4,  118.  5,  94.  7,  16.  Demosth.  ad  Polycl.  p.  1226.  Auch 
in  stellen  dieser  zweiten  art  fehlt  ov  hinter  'r\  ,  wenn  keine 
entgegenstehende  meinung  geäussert  oder  vorausgesetzt  wird, 
wenn  also  der  redende  keine  veranlassung  hat,  eine  einseitige 
ansieht  zu  berichtigen:  s.  Thuc.  5,  9  a.  e.  iyä  is  dtil-co  ov  nagai- 
viaai  olög  zs  cov  fiäXXov  rolg  niXag  r)  xal  abzog  egyq>  iae^eX&eir. 

C.  Härtung. 


6  3.  4.  Lateinische  grammatik.  Nr.  1. 

3.  Lateinische  grammatik  für  gelehrtenschulen.  Der  deutsch- 
lateinisch-griechischen parallelgrammatik  zweiter  theil,  verfasst 
von  J.  C.  Schmitt-Blank.  8.  Mannheim.  Löffler.  1870.  — 
Auch  unter  dem  titel :  Deutsch  -  lateinisch  -  griechische  parallel- 
grammatik für  gelehrtenschulen.  Herausgegeben  von  J.  C. 
Schmitt-Blank.  —     1   thlr.    15  sgr. 

4.  Lateinische  Sprachlehre  zunächst  für  gymnasien.  Von 
Ferd.  Schultz.     7te  aufläge.    8.    Paderborn.    1872. —    20  gr. 

Schmitt  -  Blank  sagt  im  vorwort  p.  vii:  „das  vorliegende 
lehrbuch  zählt  zu  der  bis  jetzt  noch  sehr  geringen  anzahl  von 
lateinischen  grammatiken,  die  auf  grund  der  neueren  Sprach- 
wissenschaft nach  historisch -rationeller  methode  abgefasst  sind; 
es  kann  von  den  wenigen  arbeiten  neueren  Schnittes  eigentlich 
nur  die  lateinische  schulgrammatik  von  Lattmann  -  Müller  •  als 
seinen  Vorgänger  betrachten".  Weiter  unten  in  anm.  2  fügt 
derselbe  vf.  hinzu :  „  dass  für  formenlehre  und  syntax  unsre 
grammatik  im  ganzen  ihren  eignen  weg  gegangen  ist,  wird  man 
billigerweise  nicht  verkennen;  indessen  soll  doch  dem  Lattmann- 
Müller'schen  buche  ein  ganz  besonderes  wort  der  anerkennung 
und  des  dankes  hier  gesprochen  sein".  Das  hier  im  allge- 
meinen angegebene  verhältniss  der  beiden  bücher  zu  einander  nä- 
her zu  entwickeln,  erscheint  als  die  zunächst  wichtigste  aufgäbe 
bei  besprechung  des   Schm.  -  Blankschen  Werkes. 

Im  umfang  der  formenlehre  stimmen  beide  bücher  so 
ziemlich  überein;  in  inhalt  und  anordnung  weichen  sie  viel- 
fach ab.  Mit  recht  ist  die  bezeichnung  der  ersten ,  zweiten 
u.  s.  w.  deklination  aufgegeben ,  der  Lattmann-Müller  noch  fol- 
gen, und  die  hartvokalische  hauptdeklination  der  konsonantischen 
und  weichvokalischen  mit  ihren  unterabtheilungen  gegenüberge- 
stellt; denn  wenn  die  resultate  der  Sprachwissenschaft  für  die 
schule  zu  verwerthen  sind,  so  ist  jedenfalls  mit  den  althergebrach- 
ten benennungen  zuerst  aufzuräumen.  —  In  der  anordnung 
der  sog.  unregelmässigen  verba  folgt  Schm. -Blank  den  einzelnen 
conjugationen  und  zählt  innerhalb  einer  jeden  diejenigen  auf, 
welche  reduplikation,  konjugationswechsel  u.  a.  aufweisen.  Da- 
gegen stellen  Lattmann -Müller  die  stamme  auf  p-laut,  k-laut,  h 
und  v,  t-laut ,  liquida,  s,  u  und  die  mit  konjugationswechsel 
gleich  hinter  einander  zusammen ,  unbekümmert  um  die  conju- 
gation ,    welcher    das     betreffende    verbum   folgt.      Mir   scheint 


Nr.  1.  3.  4.   Lateinische  grammatik.  7 

die  letztere  methode  die  richtigere  zu  sein,  weil  durch  sie  der 
überblick  über  eine  sprachliche  erscheinung  im  Zusammenhang 
ermöglicht  und  also  erleichtert  wird.  —  Die  adverbien,  präpo- 
sitionen  und  conjunctionen  bespricht  Blank  wie  gewöhnlich  hin- 
ter dem  verbum  impersonale,  während  Lattmann-Müller  die  ad- 
verbien im  anschluss  an  die  adjektiva,  die  präpositionen  in  Ver- 
bindung mit  den  von  ihnen  regierten  casibus  (an  welcher  stelle 
Blank  dieselben  freilich  auch  wiederholt),  die  conjunctionen  in 
Verknüpfung  mit  den  satzverhältnissen  richtigerweise  behandeln. 
Das  kapitel  über  die  Wortbildung  konnte  füglich  ganz  wegge- 
lassen werden.  Während  also  Blank  in  adoptirung  des  grund- 
satzes ,  dass  die  resultate  der  Sprachvergleichung  auch  in  die 
schule  einzuführen  seien,  weit  über  seine  Vorgänger  hinausgeht, 
hängt  er  in  der  anordnung  des  stoffes  zu  sehr  an  der  alten 
methode.  Entschieden  zu  weit  geht  derselbe,  wenn  er,  um  die 
schulgrammatik  zu  vergeistigen,  Spracherklärung  und  sprachent- 
wickelungsgeschichte  in  dieselbe  einfügt.  Hierin  überschreitet 
er  einerseits  oft  das  mass,  andrerseits  stellt  er  mit  apodikti- 
scher gewissheit  behauptungen  auf,  die  noch  lange  nicht  so 
ganz  sicher  begründet  sind.  Unter  das  überflüssige  rechne  ich 
z.  b.  die  in  anm.  17  gegebene  andeutung  über  die  allmähliche 
entwickelung  der  casusendungen ,  ferner  die  an  die  flexion  des 
verbum  angeknüpften  ausführlichen  erörterungen  über  die  ent- 
stehung  der  ternporalsuffixe  aus  dem  hülfszeitwort  esse  und 
über  deren  Wandlungen  bis  in  die  klassische  zeit  in  anm.  59 — 
66;  dann  anm.  111 — 20.  Vergleichungen  mit  dem  griechischen, 
gothischen,  alt-  und  mittelhochdeutschen  mögen  in  richtiger  be- 
schränkung  immerhin  gegeben  werden.  In  der  Stufenleiter  der 
vokalübergänge  folgt  Blank  der  von  Corssen  gegebenen  erwei- 
terung  der  vokaltafel  Ritschis ,  der  ein  zurückgehen  von  e  zu 
u,  und  von  i  zu  e  nicht  gelten  lässt ;  warum  ?  gibt  er  nicht 
an.  In  der  Schreibweise  cum  hat  sich  Blank  von  Lattmann- 
Müller  und  Schultz,  die  noch  das  alte  quum  bieten  ,  mit  recht 
entfernt. 

In  der  lehre  vom  Satzgefüge ,  die  ich  beispielshalber  aus 
der  syntax  herausgreife,  weicht  Blank  sehr  von  seinem  vorbild 
ab,  leider  nicht  zum  vortheil  seines  buches.  Denn  indem  er, 
—  der  deutschen  parallelgrammatik  zu  liebe,  die  den  ersten 
theil  des  ganzen  werkes  bildet  —  die   Untersätze   in   Substantiv- 


8  3.  4.  Lateinische  grammatik.  Nr.  1. 

adjektiv-  und  adverbialsätze  theilt  und  dann  wieder  in  die  ent- 
sprechenden Unterarten  (so  die  substantivsätze  in  sechs  klassen), 
sieht  er  sich  veranlasst,  den  grammatischen  stoff  vielfach  aus 
einander  zu  reissen  und  an  verschiedene  platze  zu  vertheilen 
und  schafft  so  das  gegentheil  von  dem  beabsichtigten  —  Un- 
klarheit und  Verwirrung.  So  werden  die  regeln  über  den  acc. 
c.  infinitivo  zersplittert,  indem  die  sätze  mit  sinere  und  pati 
unter  die  ergänz  ungssätze,  die  mit  credere,  dicere  u.  s.  w.  unter 
die  behauptungssätze  fallen.  Im  anschluss  an  letztere  wird  nun 
die  oratio  obliqua  eingeschaltet.  —  Am  schlimmsten  ergeht 
es  den  relativsätzen.  "Während  die  determinativen,  als  letzte 
klasse  der  substantivsätze,  unter  diese  gezogen  werden,  folgen 
dann  als  neue  klasse  die  attributiven  relativsätze,  und  an  diese 
schliessen  sich,  als  erste  klasse  der  adverbialsätze,  die  lokal- 
sätze;  in  einem  anhang  p.  388  ffl.  werden  noch  diejenigen  re- 
lativsätze behandelt,  deren  modus  der  conjunctiv  ist.  Nach 
meiner  ansieht  bieten  jene  drei  ersten  arten  nichts,  was  in  eine 
schulgrammatik  gehört,  und  sind  sammt  den  massenhaften  bei- 
spielen  (s.  p.  340 — 43)  überflüssig;  wenn  sie  aber  einmal  be- 
handelt werden  sollen^  so  müssen  sie  zusammengefasst  werden.  — 
Dieselbe  trennung  erleidet  cum;  das  temporale  wird  in  §.466 — 
70,  das  kausale  in  §.477—79,  das  concessive  in  §.  499 — 502  be- 
handelt. Die  sätze,  welche  von  verben  des  verhinderns  abhän- 
gen, werden  mit  grösserem  rechte  ins  gebiet  der  absichtssätze, 
als  in  dasjenige  der  wirkungssätze  eingefügt.  Unter  den  fünf 
Unterarten  der  modalen  Untersätze  (p.  361)  fehlen  durch  ein 
versehen  "die  concessivsätze.  Ungebräuchliche  namen  wie:  „fak- 
titiv-,  mediativ-,  proportional-,  restriktivsätze"  dienen  durchaus 
nicht  zur  klärung  der  Satzverhältnisse  für  den  schüler.  Der 
abl.  absolutus  wird  nicht  in  anschlnss  an  den  ablativ,  sondern 
ziemlich  am  Schlüsse  der  ganzen  syntax  behandelt.  —  Die 
zu  den  regeln  angeführten  belegsteilen  sind  oft  über  gebühr 
ausgedehnt;  zu  tadeln  ist,  dass  sie  bald  mit  voller  quellenan- 
gabe  versehen  sind,  bald  ohne  angäbe  des  autors  oder  der 
stelle  angeführt  werden.  —  Ein  angehängtes  register  erleich- 
tert das  auffinden,  das  sonst  sehr  erschwert  wird,  indem  der 
vf.  haupt-  und  untertheile  äusserlich  zu  wenig  hervortreten 
lässtj    auch   sucht   man  vergebens    zu  anfang  ein  summarisches 


Nr.  1.  3.  4.  Lateinische  grammatik.  9 

inhaltsregister ,    das   den    inhalt   der  einzelnen  paragraphen  und 
Seiten  angäbe. 

Haben  wir  demnach  bei  Blank  eine  gewaltige  Umwälzung 
und  zerreissung  des  syntaktischen  Stoffes,  namentlich  der  syn- 
taxis  verbi  gefunden ,  so  dass  man  mit  recht  sagen  kann ,  er 
habe  dem  logischen  Zusammenhang  der  satzformen  zu  liebe 
das  princip  aufs  äusserste  getrieben,  so  verhält  sich  dem  gegen- 
über Schultz  ganz  konservativ,  indem  er  der  altbewährten  me- 
thode  folgt  und  die  systematisirung  der  'grammatik  verwirft. 
Das  hauptverdienst  seiner  Sprachlehre  besteht  meines  er- 
achtens  in  der  exakten  einzelforschung  und  in  der  sorgfältigen 
registrirung  des  Sprachgebrauchs  der  klassischen  autoren. 

So  ist  z.  b.  Schultz  genau  (§.  94)  in  der  aufzählung  der 
particc.  perfecti  von  deponentia  mit  passiver  bedeutung;  bei 
Blank  dagegen  fehlen :  comitatus,  dignatus,  fabricatus ,  interpreta- 
tus,  meritus ,  mensus  und  seine  composita  (bis  auf  dimensus)  mo- 
deratus,  p actus ,  populatus.  —  Während  Blank  über  das  genus 
der  Wörter  nur  das  nothdürftigste  bietet,  geht  Schultz  mit  be- 
rücksichtigung  der  fleissigen  Zusammenstellung  bei  Neue  ins 
einzelne  ein,  s.  die  bemerkungen  über  cupido,  penus,  dies  und 
die  städtenamen;  nur  fehlt  unter  den  masculinis  Orchomenus  und 
Croto;  Marathon,  Pessinus,  Selinus  müssten  richtiger  als  schwan- 
kend bezeichnet  werden,  nicht  als  feminina.  —  In  betreff 
der  verba  ponere,  collocare  u.  s.  w.  giebt  Blank  nur  die  hauptre- 
gel,  ohne  die  ausnahmen  irgendwie  zu  beachten;  weit  eingehen- 
der behandelt  Schultz  die  regel.  Denn  indem  er  die  stellen,  an 
denen  der  accusativ  sich  findet,  zum  grossen  theile  citirt  und 
aus  Caesar  und  andern  autoren  belegt,  ergänzt  er  Neue's  For- 
menlehre II,  p.  550,  der  diesen  Sprachgebrauch  ziemlich  ober- 
flächlich behandelt,  zumal  er  keine  einzige  der  Cäsarstellen  an- 
führt. Aber  selbst  in  dieser  fassung  ist  die  regel  noch  unvoll- 
ständig, wie  sich  aus  folgendem  ergibt. 

Deponere  cum  acc.  findet  sich:  Liv.  23,  11,  6:  se  coronam  Ro- 
mae  in  zxam  Apollinis  deposuisse.  Iust.  4  ,  5,  8 :  Demosthenes  et 
Nicias  et  ipsi  victi  exercitum  in  terram  deponunt. 

exponere  in  locum  an  folgenden    stellen :    Caes.  BC.  1,  31 :    neque 
adfectum  valetudine  filiuni  exponere  in  terram  patitur.      Liv.  34,  8: 
ibi   copiae   omnes    praeter  socios   navales   in   terram  expositae.    Liv. 
37,  28:  armatis  in  litora   expositis  terra  marique  simul  hostis  oppri- 
mere.    Suet.  Claud.  25:   cum  quidam  aegra  et  affecta   mancipia    in 


10  3.  4.  Lateinische  grammatik.  Nr.  1. 

insulam  Aesculapii  taedio  medendi  exponerent.  Vell.  Pat.  2,  79,  4: 
legiones  expositae  in  terram.  —  exponere  in  loco:  Liv.  28,  44:  dum 
expono  exercitum  in  Africa.  Suet.  Caes.  4  :  expositis  in  \\iore.  ibid. 
10:  in  quibus  pars  apparatus  exponeretur.  Iust.  18,  1,  3:  exercitum 
in  porfa<  Tarentino  exponit.  ibid.  22,  5,  2  :  exposito  in  Africae  litore 
exercitu.  Plin.  NH.  35,  7,  52:  gladiatoria  munera  in  publico  exponi. 
Cic.  div.  in  Caec.  8,  27  :  vitam  in  ocu^'s  conspect»que  omnium  expo- 
nere. Also  kann  der  ablativ  nicht  als  das  seltenere  angegeben  werden. 
imponere  in  locum  ist  richtig  als  das  überwiegende  angegeben. 
Ausser  den  von  Neue  und  Schultz  angeführten  stellen  (Plaut.  Most. 
2,  2,  4.  Pers.  4,  6,  9.  Ter.  Andr.  1,  1,  102.  Cic.  Tusc.  1,  35,  85;  Caes. 
BC.  3,  14.  BG.  1,  42)  sind  noch  beweisend:  Plaut.  Rud.  2,  3,  27: 
et  quicquid  domi  fuit  in  n&vetn  imposivit.  Caes.  BC  5,  51 :  eo  mu- 
lieres  imposuerunt.  BC.  3,6:  quo  maior  numerus  militum  posset 
imponi.  ibid.  3,  103:  aeris  magno  pondere  ad  militarem  usum  in  na- 
ves  imposito.  Liv.  24,  40 :  militibus  in  onerarias  impositis  altera  die 
Oricum  pervenit.  Liv.  30,  2:  novos  milites  in  naves  imposuit.  37, 
25 :  Masinissam  non  in  patrio  modo  locasse  regno ,  sed  in  Syphacis 
regnwm  imposuisse.  Nep.  Dion.  4,  2:  omnia  in  nav^s  imposuit.  Cic. 
Ep.  ad  Farn.  8,  17,  1:  cuius  amicitia  me  paulatim  in  hanc  perditom 
causam  imposuit. 

proponere  in  loco:  Cic.  Ep.  ad.  Att.  8,  9,  2:  ille  in  publico  pro- 
posuit  epistolam  illam.  Cic.  Quinct.  19,  50:  libelli  in  celeberrimis 
lom  proponuntur.  Plin.  NH.  35,  4,  22:  picturam  proposuit  in  latere 
curiae  Hostiliae.  ibd.  23 :  oppugnationesque  depictas  proponendo  in  foro. 
reponere  in  locum  (in  eigentlicher  bedeutung):  Cic.Ep.  ad  Brut. 
1,  16,  4:  qui  in  eius  locum  reponi  pateretur.  Liv.  29,  19:  duplam- 
que  pecuniam  in  thesauros  reponi.  Verg.  Aen.  1,  253:  sie  nos  in 
seeptra  reponis?  ibid.  Georg.  4,  157:  in  medium  quaesita  reponunt. 
Hör.  Sat.  2,  4,  39:  languidus  in  cubi/wm  iam  se  conviva  reponet. 
Petr.  110:  ego  etiam  repositum  in  pristimm  äecorem  puerum  gaude- 
bam.  Plin.  NH.  17,23,  205  :  totus  mergus  abseiditur  reponiturque  altius 
in  terr«m;  öfter  bei  Celsus  und  Columella.  —  reponere  in  loco:  Cic. 
Nat.  deor.  2,  49,  125:  grues  in  tergo  praevolantium  colla  et  capita 
reponunt,  ibid.  Verr.  IT,  4,  3,  5:  quae  sacra  reposita  in  capiMws  su- 
stinebant.  Liv.  26,  15:  Fulvius  aeeeptas  literas  cum  in  gremio  repo- 
suisset.  ibid.  29,  21:  omnem  sacram  pecuniam  in  thesaurw  reposiie- 
runt.  Ovid.  Met.  10,  269:  moVibus  in  plumtä  tanquam  sensura  repo- 
nit.    Val.  Flacc.  3,  339:  hunc  ....  celsoque  reponit  in  ostro. 

supponere  in  locum:  Cic.  Verr.  II,  5,  30,  78:  cum  vulgo  loque- 
rentur  suppositum  in  eius  locum.  Iust.  7,  3:  in  quaruin  locum  ma- 
tronali  habitu  exornatos  iuvenes  supposuit. 

Iransponere  in  locum  findet  sich  ausser  bei  Iust.  23,  3  und  Gell. 
NA.  12,  6  auch  in  folgenden  stellen:  Tac.  Ann.  2,  8:  erratumque  in 
eo  quod  non  subvexit  aut  transposuit  militem   dextras  in  terra*  (al- 


Nr.  1.  3.  4.  Lateinische  grammatik.  11 

lerdings  eine  korrupte  stelle).  Plin.  Ep.  10,  69,  2:  erit  enim  facile 
advecta  fossa  onera  transponere  in  flumera.  Gell.  NA.  4,  5,  3:  illam 
statuam  suaserunt  in  inferiorem  locum  perperam  transponi. 

ponere  in  locum  findet  sich  auch  bei  Ov.  Met  8,  452:  in  flam- 
mam  triplices  posuere  sorores.  Grell.  NA.  3,  15,  12:  coronis  suis  in 
capwtf  patris  positis.  Sil.  Ital.  11,  445  :  et  in  mwros  posuisse  volentia 
saxa.  Zweifelhaft  bei  Liv.  38,  35:  in  aecfem  Herculis  posita,  wo  auch 
aede  gelesen  wird. 

cottocare  in  locum  gebrauchen  Plautus  und  Terentius  öfter,  ausser 
ihnen  auch  Sali.  lug.  61,  2:  exercitum  in  provinciam  hiemandi  gratia 
collocat.  Cels.  8,  7 :  ubi  ea  in  saam  seäem  collocata  est.  Zweifel- 
haft bei  Caes.  BG-.  2,  30:  tanti  oneris  turrirn  in  muros  sese  collocare 
confiderent. 

considere  in  locum  steht  zweimal  bei  Liv.  30,  2 :  Arpini  terra  cam- 
pestri  agro  in  mgentem  sinum  consedit.  45,  7 :  introdnctum  .... 
in  consilräm  considere  iussit. 

statuere  in  locum  verwendet  Ter.  Ad.  3,  2,  18:  sublimem  medium 
primum  arriperem  et  capite  in  terram  statuerem,  und  Val.  Max.  3, 
1,  2,  24:  ipsum  Marium  illo  loci  statuisses. 

Ob  constituere  in  locum  bei  Cic.  Verr.  II,  1,  30,  77  zu  lesen  sei, 
ist  zweifelhaft. 

Daran  knüpfe  ich  noch  einige  bemerkungen  über  die  be- 
handlung  des  genetivs.  Im  ganzen  stimmen  Lattmann- Müller 
und  Blank  üb  er  ein  ,  indem  sie,  systematisch  zu  werke  gehend, 
die  abhängigkeit  desselben  von  nominibus  (substantivis  und  ad- 
jectivis)  und  verbis  zum  eintheilungsgrunde  machen;  im  einzel- 
nen weichen  sie  von  einander  ab.  Richtig  ist  es ,  wenn  Latt- 
mann-Müller den  prädikativen  gebrauch  des  possessiven  und 
qualitativen  genetivs  im  anhang  zusammenfassen  und  nicht  in 
jedem  paragraphen  die  attributive  und  prädikative  anwendung 
scheiden;  ferner  wenn  sie  den  gen.  pretii  unter  den  von  ver- 
bis regierten  rechnen.  Dagegen  verfährt  Blank  richtig  ,  wenn 
er  piget  u.  s.  w.  sowie  interest  unter  den  genetiv  einreiht  und 
ebendahin  die  regel  über  indigere  verlegt;  freilich  ist  er  im  ein- 
halten des  Systems  zu  peinlich,  wenn  er  die  verba  des  erinnerns 
in  zwei  regeln  sondert  nach  dem  transitiven  und  intransitiven 
gebrauche.  U  eberflüssig  ist  ferner,  dass  er  im  anhang  an  den 
substantivischen  genetiv  alle  die  fälle  mit  solcher  ausführlich- 
keit  erörtert,  in  denen  statt  der  genetive  des  personalpronomens 
das  possessivpronomen  eintritt,  sowie  diejenigen,  in  denen  ein 
attributives  adjektiv  oder  eine  präpositionale  Umschreibung  ge- 
setzt wird. —  Schultz  geht  von  zwei  hauptarten  des  genetivs 


12  5.  Homeros.  Nr.  1. 

aus:  subiectivus  und  objectivus;  bei  den  übrigen  arten  vermisst 
man  nun  eine  bestimmung  darüber,  ob  sie  auch  als  hauptarten 
oder  vielmehr  als  Unterarten  zu  betrachten  seien.  Im  übrigen 
befolgt  er  ziemlich  dieselbe  reihenfolge,  ohne  gerade  das  Sy- 
stem äusserlich  ebenso  hervortreten  zu  lassen  wie  die  oben 
genannten  Verfasser.  Auch  in  behandlung  dieses  casus  zeigt 
sich  Schultz  genauer  als  Blank;  denn,  um  nur  ein  beispiel  her- 
auszuheben, man  vermisst  bei  Blank  unter  den  einen  genetiv 
regierenden  participiis :  intellegens  (Cic.  Fin.  2,  20.  Tac.  Ann.  5, 
8),  metuens  (Cic.  post  red.  in  sen.  2,  4.  p.  dorn.  26,  70.  Liv.  22,  3 
u.s.  w.),  observans  (Cic.  p.  Quinct.  39.  ad  Quint.  fr.  1,  2,  3.  Plin. 
Ep.  7,  30.  10,  11),  tolerans  (Tac.  Ann.  1,  4),  temperans  (Tac.  Ann. 
13,  46.  Plin.  Pan.  52,  2),  cupiens  (Tac.  Aon.  1,  75.  14,  14. 
16,  2).  Zum  Schlüsse  spreche  ich  den  wünsch  aus,  dass  Schultz 
in  einer  neuen  aufläge  endlich  solchen  Schreibweisen  wie  mil- 
lia,  quum  entsagen  möge.  C.  Härtung. 

5.  Scholia  ad  Odysseae  1.  XIII  ex  codicibus  mss.  Veneto 
et  Monacensi  edita  ab  A.  Lud  wich.  4.  Programm.  Königs- 
berg. 1872.     22  s. 

Eine  willkommene  besehreibung  des  Monac.  233  (V.)  und 
des  Venetus  613  (M),  die  genaueste  die  wir  bis  jetzt  haben, 
bildet  die  einleitung.  Ludwich  weicht  von  La  Roche  ab  in  der 
annähme,  welche  theile  des  Monacensis  von  den  vier  verschiede- 
nen händen  geschrieben  sind,  namentlich  in  betreff  von  M2  und 
M3;  er  glaubt  sogar  dass  M3  mehreren  personen  angehört  und 
nimmt  für  die  scholien,  ausser  M1  und  M2  die  auch  am  texte 
geschrieben  haben,  noch  fünf  Schreiber  (M  a — e)  an.  Von  of- 
fenbaren verschreibungen  abgesehen  sind  zu  bemerken :  82 
ipda&Xijg  V,  98  noxi  nznii]vlai  V,  208  sXojq  V,  261  dXcpijzdg 
V,  438  yg.  d'  eatQoqiog  M  für  8s  azgöcpog.  Mehr  gewinn  möchte 
sich  für  den  text  der  scholien  ergeben  ,  wie  denn  Ma  244  nüv 
für  nsQi  bietet,  und  12  yfieig  für  vpsig.  Auf  alte  tradition  geht 
nur  wenig  zurück,  so  185  dnoXvzog  ?)  tjfuv  Ma,  wo  Dindorf  ijfxiv; 
222  die  bekannte  bemerkung  über  zni  in  intßazogi  Ma,  cf.  405 ; 
234  o  ngwTog  (sc.  rf)  o^vvezat,  b  devregog  (i.  e.  //)  negiOTzüzai; 
vielleicht  auch  256  die  andeutung  von  Mb  dass  negi  bei  'lud- 
xijg  zu  ergänzen  sei;  gewiss  aber  152  (patdxcov  nöXtg  ininXa- 
azog ,    o&ev    nal  dcparrt&ijvat,    avzi}v  cpifilv  "Optjgog  gjojisq  xal  er 


Nr.  1.  5.   Homeros.  13 

'!Xid8i  ro  vno  rav  'EXXtjvwv  xaraaxsvaa&ev  rsfyog  Ma,  woraus 
deutlicher  als  aus  seh.  Q.  bei  Dindorf  sich  ergibt,  dass  Aristarch 
die  Phaeaken  als  ein  beispiel  benutzte,  um  die  schiffsmauer  als 
ein  ungeschichtliches  nXd<5\ia  zov  noirjzov  nachzuweisen.  Vs.  190 
wird  fiiv  durch  avrrp  rtjv  yi]v  erklärt,  also  die  geistreiche,  aber 
unrichtige  erklärung  des  Aristophanes  (Ithacam  Ulixi)  anerkannt. 
Ganz  unbekannt  war  bis  jetzt  die  notiz  des  Aristonikos  v  46: 
navtoitjv^  oti  xatd  ib  oimnmfiEvov  ijxovaev  o  OSvaaelg  nsgl 
(nicht:  nagd)täv  KvxXmncov.  Alles  übrige  aber,  was  von  scho- 
lien  nicht  bei  Dindorf  steht,  weist  nicht  eben  auf  alte  gelehrte 
Überlieferung.  Vs.  381  citirt  Ma  den  Aeschylos,  142  Mb  eine 
philosophische  meinung  über  wasser  und  luft,  die  auf  neuplato- 
nischer Überlieferung  ruhen  könnte.  Die  überwiegende  menge 
aber  beschäftigt  sich  mit  erklärungen,  die  zum  guten  theil  den 
bedürfnissen  von  schillern  dienen ,  so  wenn  gegen  vierzigmal 
poetische  formen  durch  andre  erklärt  werden ,  sogar  toi  öfters 
durch  aoC  oder  308  zq>  durch  un,  104  fVfiqjdtav  durch  vvpqiwv, 
268  dygö&sv  durch  ix  zov  dygov ,  oder  die  pronomina  durch 
angäbe  der  substantiva  auf  die  sie  gehen,  z.  b.  112  rj  (xiv\ 
vavg  Ma.  Andre  sind  einfach  Umschreibungen  oder  glossen, 
meistens  aus  dem  bedürfniss  des  augenblicks  entstanden ;  so 
214  IlvXovds]  nöXig  JlsXojTOH'Tjaov  Md,  260  'OgciXo^ov]  tbv 
naida  tov  'idofxEvjjog  M>  V.  Einzelne  verdienen  berücksichti- 
gung,  so  261  dXcptjzdg]  .  . .  %  zovg  dXyCzag  (sie)  zgecpofjtsvovg.  106 
u&aißäoöovait]  ?]  ßofxßovai  xal  rnovaiv  Ma.  Sacherklärungen 
sind  auch  sehr  häufig.  So  wird  182  die  zahl  zwölf  durch  die 
zahl  der  zwölf  winde  gerechtfertigt,  zwar  unrichtig  aber  cha- 
rakteristisch für  diese  erklarer;  377  wird  eine  rechtfertigung 
des  zgiszsg  gegeben  und  397  bei  dyvcoazov  ndvzsaai  das  beden- 
ken wegen  der  erkennung  durch  Eurykleia  gehoben.  Auch 
sonst  wird  vielfach  auf  inhalt  und  gedankenzusammenhang  rück- 
sicht  genommen.  Von  den  paar  versuchen  in  etymologie  ist 
recht  unglücklich  ausgefallen  434  pav]  ix  zov  i  zgizov  ngoaa- 
nov  .  .  .  ngoaXi^xpei  zov  p  xal  |»,  besser  die  vergleichung  von 
113  ätdQaxäg  mit  sxdg  und  ivzvndg.  280  del/zvov  i.  e.  petf 
o  ösi  novilv  weist  wieder  auf  alte  Überlieferung.  Bemerkens» 
werth  ist  die  Schreibart  des  Ma  ot>/,  ferner  81  ifi  nedim  V, 
und  7(6}  Öiazovzo  Mb.      Beispiele   des    iotacismus   sind   144    rt- 


14  6.  Homeros.  Nr.  1. 

asig  für  vtoig,    280  /nvTJartjg    für   fivTJatig,    s.  295.     Ästerisci  fin- 
den sich  in  M.  (Ma?)  bei  430—3. 

Gtiseke. 

6.  Das  elfte  lied  vom  zorne  des  Achilleus  nach  Karl  Lach- 
mann, herausgegeben  von  Dr  phil.  Hans  Karl  Ben  icke  n. 
8.     Barmen.  1872.  —     10  gr. 

jäiaiQOv  OKonüt;  rovg  naaovg  ö"  säv  l&yeiv.  So  lautet  das 
motto  dieser  kleinen  schrift,  welche  im  wesentlichen  als  repro- 
duktion  eines  collegienheftes  anzusehen  ist.  Referent,  der  vor 
nunmehr  achtzehn  jähren  in  einer  Vorlesung  über  die  Uias  die 
kritik  Lachmanns  vortragen  hörte,  glaubt  zu  diesem  urtheile 
berechtigt  zu  sein,  da  er  in  der  schrift  nicht  nur  den  inhalt 
seines  eigenen  collegienheftes  so  ziemlich  wiederfindet,  sondern 
auch  sogar  manche  von  dem  vortragenden  beliebten  worte  und 
Wendungen.  So  wurden  z.  b.  die  grossen  philologen  und  die 
anhänger  Lachmanns  einfach  bei  ihrem  namen  genannt,  die 
gegner  bekamen  den  titel  herr,  und  Bäumlein  erhielt  als  be- 
sondere auszeichnung  noch  den  unbestimmten  artikel  vorge- 
setzt. Dies  hat  der  Verfasser  mit  besonderer  treue  beibehalten; 
wir  finden  sogar  die  beliebte  Wendung  wieder :  „aber  halt,  da 
kommt  ein  herr  Bäumlein  und  meint".  Es  verdient  übrigens 
hier  bemerkt  zu  werden ,  dass  der  Verfasser  Bäumleins  abhand- 
lung  gar  nicht  gelesen  hat  und  auch  nicht  für  lesenswerth  hält, 
aus  dem  einfachen  gründe,  weil  Düntzer  sie  lobt.  „Ich  kenne 
die  absichten  der  regierung  nicht,  aber  ich  missbillige  sie". 
Benicken  bringt  ferner  zweimal  den  gedanken,  dass  es  ehren- 
voller sei,  sich  mit  liebe  nnd  treue  der  fübrung  eines  for- 
schenden gelehrten  hinzugeben,  als  eigene  unerwiesene  fündlein 
vorzubringen.  Auch  uns  wurde  dieselbe  Weisung  in  jenem  col- 
leg  zu  theil ,  und  jungen  Studenten  gegenüber  war  sie  gewiss 
am  platze.  Dass  aber  Benicken  die  kaum  empfangene  Weisung 
sogleich  weiterbefördert,  und  zwar  an  Friedländers  adresse,  dies 
hat  ihm  sein  lehrer  sicher  nicht,  aufgetragen.  Wenn  übrigens 
der  Verfasser  dent  kämpf  gegen  die  anhänger  der  einheit  als  ei- 
nen kämpf  der  wahrheit  gegen  die  lüge  bezeichnet,  wenn  er 
mehrfach  von  den  heutigen  sogenannten  philologen  und  kriti- 
kern  redet ,  auch  wenn  er  Friedländer  gnädig  ein  bedingtes 
lob  spendet,  so  darf  man  diese  unangenehm  berührenden  dinge 


Nr.  1.  7.  Homeros.  15 

nicht  ohne  weiteres  als  Selbstüberhebung  verurtheilen ,  es  ist 
hauptsächlich  nur  ein  unbedachtes  nachsprechen  fremder  worte, 
wofür  die  eigene  partei  ihn  zurechtweisen  mag. 

Um  aber  doch  etwas  eigenes  und  neues  zu  bringen ,  er- 
zählt uns  Benicken  zweimal,  am  anfang  und  am  ende  seiner 
schrift,  dass  er  auf  vergnügen  und  geselligkeit  consequent  ver- 
zieht leiste,  und  führt  dabei  einen  scharfen  seitenhieb  gegen  die 
sogenannten  jünger  der  Wissenschaft,  die  sich  nach  den  amtsgeschäf- 
ten  auch  eine  erholung  gestatten.  Wir  können  dem  Verfasser 
im  beiderseitigen  interesse  nur  den  rath  geben ,  es  auch  so  zu 
machen  wie  die  andern-,  er  selbst  wird  dann  von  hypochondrie 
verschont  bleiben  und  wir  von  der  Verpflichtung,  noch  mehr 
derartige  sachen  von  ihm  zu  lesen. 

Eine  wissenschaftliche  hritik  der  vorliegenden  schritt  konnte 
hier  nicht  gegeben  werden,  einestheils  wegen  mangel  an  räum, 
anderntheils ,  weil  der  wissenschaftliche  inhalt  auf  Lachmann 
zurückführt.  Was  über  dessen  teichomachie  zu  sagen  ist,  wird 
im  Philologus  bd.  XXXIII,  hft.  1  und  2  seine  stelle  finden, 
also  in  nächster  zeit  zu  lesen  sein, 

L.  G. 

7.  De  vestigiis  iuris  gentium  homerici.  Scripsit  Th.  Sor- 
genfrey.    8.     Lipsiae,  H.  Haessel.   1871.  —     15  ngr. 

Bei  dem  grossen  interesse,  welches  allen  homerischen  fra- 
gen, auch  den  scheinbar  untergeordneten,  entgegenkommt,  muss 
eine  arbeit  wie  die  obengenannte,  welche  einen  der  wichtigsten 
punkte  aufs  neue  zu  untersuchen  sich  vorsetzt,  doppelt  will- 
kommen erscheinen.  Die  absieht  des  Verfassers  geht  dahin,  der 
ansieht  Heffters  gegenüber  nachzuweisen,  dass  in  dem  heroen- 
alter ein  demjenigen,  welches  wir  Völkerrecht  nennen,  entspre- 
chendes verhältniss  anzunehmen  sei  ;  der  gang  der  Untersuchung 
aber  ist  so  eingerichtet,  dass  zuerst  in  den  friedlichen ,  dann  in 
den  kriegerischen  vorgäügen  alles ,  was  auf  einen  völkerrecht- 
lichen zustand  hindeutet,  aufgezeigt  wird.  So  ist  denn  zuerst  in 
betracht  gezogen  der  handelsverkehr  als  ohne  völkerrechtlichen 
schütz  undenkbar  (wobei  nur  aus  dem  handel  «,  182  ff.,  v, 
384  nicht  bestimmt  auf  einen  griechischen  handeis  st  and  zu 
schliessen  sein  wird),  ferner  die  gastfreundschaft  gegen  fremde, 
gegen  bettler,     die    beschützung    namentlich    der    sujoplices,    die 


16  7.  Homeros.  Nr.  1. 

auch  vom  feind  zu  ehrende  würde  des  priesters.  Wenn  man 
aber  bis  hierher  dem  verf.  unbedenklich  folgen  wird,  so  ist  dies 
nicht  so  leicht  bei  dem  abschnitt  über  den  seeraub ,  wo  mit 
grosser  entschiedenheit  versucht  wird,  die  ansieht  des  Thuky- 
dides  (I,  5)  zurückzuweisen.  Doch  —  lesen  wir  vorläufig  wei- 
ter —  so  ist  zunächst  auffallend ,  dass  der  Verfasser  sofort  zu 
den  kriegerischen  Verhältnissen  übergehend  sich  der  ansieht  Nä- 
gelsbachs anschliesst:  „die  kriege  der  heroenzeit  waren  nicht 
eroberungskriege  u.  s.  w.  sondern  raub-  und  rachekriege",  wo 
doch  wohl  bei  raubkriegen  nicht  wieder  an  rachekriege,  sondern 
nach  Wortlaut  und  Zusammenhang  an  andre,  also  offensive  Un- 
ternehmungen zu  denken  ist,  so  dass  wir  diese  stelle  nicht  in  ein- 
klang  mit  der  vorigen  bringen  können.  Im  weitern  wird  er- 
innert hinsichtlich  der  führung  der  kriege  an  das  vielfach  scho- 
nende verhalten  des  siegers  gegen  den  besiegten ,  an  die  sitte? 
die  todten  zum  behuf  des  begräbnisses  gegenseitig  auszuliefern, 
an  die  herolde  und  ihre  unverletzlichkeit,  an  die  vertrage  und 
ihre  heilighaltung  (mit  besondrer  rücksicht  auf  die  Zweikämpfe), 
auf  das  bundesgenössische  verhältniss  der  Griechen  zu  einander 
(wo  zu  zeigen  gesucht  wird,  dass  Achilles,  weil  freiwillig  am 
heereszug  theilnehmend,  berechtigt  ist  sich  zurückzuziehen),  end- 
lich an  die  heilighaltung  des  Waffenstillstandes.  Insofern  nun 
die  meisten  dieser  punkte  unbestritten  sind,  kann  die  frage,  ob 
wir  hierin  nur  eine  art  religionsrecht  oder  ein  Völkerrecht  zu 
sehen  haben,  lediglich  formalen  werth  zu  haben  scheinen.  In- 
dessen warum  soll  man  in  diesen  thatsachen  nicht  anzeichen 
eines  völkerrechtlichen  zustandes  erkennen,  wenn  derselbe  auch 
dem  charakter  der  zeit  gemäss  nur  in  religiöser  form  erscheint? 
Stellt  man  die  frage ,  ob  aus  scheu  vor  den  göttern  oder  aus 
billigkeitsgefühl  gegen  den  fremden  diesem  das  gastrecht  bewil- 
ligt, der  Waffenstillstand  heilig  gehalten  wird  u.  s.  w.,  so  wird 
man  sich  freilich  zunächst  für  das  erstere  entscheiden  müssen ; 
aber  warum  glaubt  der  Grieche  den  fremden  unter  göttlichem 
schütze  stehend,  wenn  er  nicht  von  dem  gefühl  des  auch  dem 
fremden  zukommenden  rechts  geleitet  würde?  Im  allgemeinen  also 
darf  man  dem  vf.  wohl  beistimmen,  wenn  er  darauf  besteht,  in 
den  vorgebrachten  thatsachen  die  spuren  eines  völkerrechtlichen 
zustandes  zu  erkennen.  Im  einzelnen  ist  noch  auf  einen  von  ihm 
erwähnten,    bisher  unsres  wissens  nicht  genug  beachteten  punkt 


Nr.  1.  7.  Homeros.  17 

aufmerksam  zu  machen ,  nämlich  auf  die  wenigstens  zuweilen 
vorkommende  sitte,  den  krieg  förmlich  anzukündigen,  welche 
aus  der  sendung  des  Menelaos  und  Odysseus  nach  Troja  .T205 
(wozu  der  verf.  auch  die  des  Tydeus  nach  Theben  bezieht  A 
384,  E  803  f.)  wohl  zu  schliessen  sein  dürfte.  Doch  —  wen- 
den wir  uns  nach  diesem  überblick  zu  dem  wichtigsten  punkt 
zurück,  zu  dem  versuch  des  verf. ,  die  herkömmliche  meinung 
von  der  sittlichen  zulässigkeit  des  seeraubs  im  heroenzeitalter 
zu  bestreiten  —  so  wäre  es  zweckmässiger  gewesen,  die  raub- 
züge  unter  der  kategorie  des  kriegs  zu  besprechen,  womit  wohl 
der  oben  erwähnte  Widerspruch  wäre  vermieden  worden.  Dass 
freilich  die  sache  auch  so  noch  schwierig  genug  bleibt,  beweist 
schon  die  meinungsverschiedenheit  in  diesem  punkt  zwischen 
Thukydides  und  Aristarch  (im  schol.  zu  y  71  coli.  Eust.  p.1453), 
in  neuerer  zeit  zwischen  Schoemann  und  Nägelsbach  -  Auten- 
rieth,  am  meisten  zeigen  es  die  homerischen  stellen  selbst. 
Gehen  wir  aus  von  A  151  ff.,  so  enthält  zwar  diese  stelle 
durch  den  causalsatz :  insl  fiäXa  noXlk  ^isra^v  ]  ovqsu  rs  .... 
rj^rjiaaa  allerdings  die  meinung:  wenn  die  Troer  den  Hellenen 
benachbart  wären,  würde  es  an  solchen  raubzügen  wahrscheinlich 
nicht  gefehlt  haben,  und  spricht  keine  verurtheilung  solcher  züge 
aus;  aber  der  ton  der  ganSen  stelle  zeigt  doch,  dass  Achilles 
wenigstens  für  seine  person,  sofern  er  nicht  um  der  Atriden 
willen  kämpft,  den  Troern  gegenüber  nicht  bloss  keinen  an- 
lass  zum  kriege  zu  haben  glaubt  (ins),  o'v  tt  \ioi  ai'ziot  siaiv) 
sondern  fast  bedenken  trägt  ihnen  ohne  solchen  grund  schaden 
zuzufügen.  Dazu  nehme  man,  dass  wir  von  keinen  streifzü- 
gen  der  Achäer  in  der  gegend  von  Troja  näheres  hören  ausser 
von  dem  nach  Thebe  [A  366  ff.,  Z  415  ff.);  also  gegen  einen 
den  Troern  eng  verbündeten  ort,  und  dass  Achilles,  während 
er  dem  krieg  fern  bleibt,  nicht  etwa,  wie  doch  von  den  söh- 
nen eines  so  raub-  und  rauflustigen  Zeitalters  könnte  erwartet 
werden ,  auf  eigne  faust  mit  seinen  Myrmidonen  streifzüge  in 
die  nähe  oder  ferne  unternimmt,  sondern  unthätig  im  zelte  sitzt. 
Wogegen  man  nicht  wird  einwenden  wollen,  dass  solche  streif- 
züge der  absieht  Achill's  zuwider  den  Troern  nachtheil  ge- 
bracht haben  würden,  —  eine  offenbar  den  homerischen  helden 
fremdartige  berechnung.  Bei  der  andern  hierhergehörigen  stelle 
der  Ilias  A  670  ff.  (Nestor's  erzählung  von  den  kämpfen  der 
PhiloL  Anz.  y.  2 


18  7.  Homeros.  Nr.  1. 

Pylier  und  Epeer)  ist  es  augenscheinlich,  dass  alle  züge  der 
Pylier  defensiv-  und  rachezüge  sind.  Doch  weiter!  Bei  a  398 
und  %p  357  ist  es  schwer  zu  glauben,  dass  wir  (bei  erwähnung 
der  früher  erbeuteten  sklaven  des  Odysseus  und  vollends  bei 
seinem  Vorsatz ,  für  die  ihm  von  den  freiem  zu  grund  gerich- 
teten heerden  sich  viele  andre  zu  erbeuten)  an  blosse  defensiv- 
züge  denken  sollen.  Und  die  Kikonen!  Schoemann's  (von 
Sorgenfrey  für  seinen  zweck  verwendete)  bemerkung,  dass  die- 
selben nach  B  846  verbündete  der  Troer  gewesen,  wird  schon 
nicht  jedermann  beruhigen;  aber  nehmen  wir  sie  auch  an,  oder, 
was  unter  solchen  umständen  ebensowohl  zur  rechtfertigung  die- 
nen kann,  dass  mangel  auf  den  schiffen  des  Odysseus  zur  plünde- 
rung  getrieben ,  so  hilft  doch  beides  nichts ,  da  Alkinoos  und 
seine  gaste  nichts  davon  wissen,  Odysseus  aber  es  für  völlig  über- 
flüssig hält,  irgend  eine  begründung  zu  geben.  Dass  also 
seeraub  und  plünderung  nichts  unerhörtes,  wenigstens  nichts 
durchaus  entehrendes  gewesen,  steht  kaum  in  zweifei.  Aber 
muss  denn  nur  das  eine  oder  andre  der  fall  sein  ?  Wenn  Nestor 
die  angekommenen  fremden  nach  dem  mahle  fragt  (y  71),  wer  sie 
seien,    ob     sie    auf   erwerb    ausziehen    oder    auf    seeraub: 

co  %eivoi,  rCvse  iazi;  no&ev  nXütf   ifga  nsXsv&a ; 

i\  7i  xclto.  tiqTj^iv  i]  fiaxpiSicog  aXüXqo&e  KtX.j 
so  lässt  sich  dies  so  und  so  erklären.  Die  Unbefangenheit,  mit 
welcher  der  alte  fragt,  die  antwort,  welche  nichts  von  dem  ge- 
fühl  erfahrener  kränkung  verrath,  beweisen  für  die  ansieht  des 
Thukydides.  Andrerseits  ist  es  nicht  zu  verkennen ,  dass  in 
den  Worten  [iaxfjiöiüjg ...  xpvxag  nagOi^itvoi^  xaxbv  aXXodanotai  qie- 
QOftst;  immerhin  etwas  tadelndes  liegt,  nur  nicht  so  sehr,  dass  der 
angeredete  sich  dadurch  tödtlich  beleidigt  fühlen  musste.  Wenn 
an  der  andern  stelle,  wo  wir  diese  worte  lesen,  X  253  —  54  (im 
mund  des  Kyklopen)  ihre  echtheit  bestritten  ist,  so  beweist 
doch  die  Wiederholung  selbst,  dass  man  sie  schon  im  alterthum 
auch  im  tadelnden  sinn  verstand.  Und  ist  es  nicht  wohl  denk- 
bar, dass  in  einer  zeit,  wo  das  haus  nur  selten  Zuspruch  von 
unbekannten  erfuhr,  im  gefühl  der  eignen  Sicherheit  auch  sol- 
chen fremden  gerne  aufnähme  gewährt  wurde ,  zu  deren  be- 
schäftigung  man  nicht  das  beste  vertrauen  hatte,  dass  man  aber 
bei  aller  gastlichkeit  ihnen  solche  meinung  auch  offen  zu  verstehen 
gab?     Es    bleibt    noch    die  schwierigste  stelle  zu  betrachten,    £ 


Nr.  1.  7.  Homeros.  19 

199 — 265  (q,  425  ff.)-  Hier  hat  wohl  Sorgenfrey  recht  gegen 
Autenrieth,  welcher  letztere  v.  262  unter  vßgig  den  ungehorsam 
gegen  den  anführer  versteht,  eine  erklärung,  die  im  Zusammen- 
hang nicht  begründet  ist  und  dem  sonstigen  gebrauch  des  Wor- 
tes widerspricht.  Denn  dieses  bedeutet  in  der  Ilias  (z.  b.  von 
Agamemnon  gebraucht  A  203)  wie  in  der  Odyssee  (von  den  freiem 
z.  b.  8,  627)  denjenigen  übermuth,  der  in  gewaltthat  und  zu- 
fügung  von  schaden  sich  äussert.  Allein  Autenrieth  würde 
zu  dieser  erklärung  nicht  gekommen  sein,  wenn  der  Zusam- 
menhang nicht  wäre.  Was  nämlich  den  zweck  dieses  zuges 
mit  neun  schiffen  betrifft,  so  hat  Autenrieth  sicherlich  recht 
und  Sorgenfrei  unrecht.  Die  durch  nichts  begründete  vermu- 
thung ,  dass  an  eine  handelsfabrt  zu  denken  sei,  ist  vollends 
unhaltbar  angesichts  von  v.  230,  wo  den  zuhörer  nichts  ver- 
anlassen konnte,  unter  den  neun  fahrten  des  erzählers  handels- 
oder  raehezüge  zu  verstehen.  Aber  lässt  sich  diese  unsre  auf- 
fassung  mit  dem  ißgsi  e'i'!;avTeg  (262)  vereinigen?  Es  scheint  doch. 
Der  Kreter  (Odysseus)  sucht  abentheuer,  sucht  beute,  geht  aber 
nur  zögernd  in  den  kämpf  und  —  thut  dem  feind  nicht  mehr 
schaden  als  nöthig.  So  geht  er  freilich  auch  hier  auf  raub  aus, 
aber  eine  viehheerde  würde  ihm  genügen,  daher  sendet  er  Wäch- 
ter aus,  einen  kämpf  wo  möglich  zu  vermeiden ;  ein  verwüsten 
aber  der  felder,  raub  von  weibern  und  kindern ,  morden  der 
männer  liegt  nicht  in  seinem  plan.  So  kann  er,  obgleich  selbst 
auf  raub  ausgegangen ,  das  thun  seiner  leute  vßgig  nennen. 
Alles  in  allem  —  ergiebt  sich,  dass  die  Ilias  nichts  enthält  von 
einer  billigung  des  räuberhandwerks,  dass  dagegen  die  Odyssee 
eine  laxere  ansieht  darbietet,  doch  mit  einigem  schwanken,  in- 
sofern aus  raub  und  plünderung  kein  hehl  gemacht  und  kein 
schimpf  damit  verbunden  wird ,  andrerseits  doch  eine  gewisse 
missbilligung,  namentlich  bei  ausschreitungen,  zu  erkennen   ist. 

Aber  noch  an  einem  andern  punkt  war  eine  eingehendere  Un- 
tersuchung möglich,  da  nämlich,  wo  von  den  causae  bellorum  ge- 
handelt wird.  Denn  dass  kriege  geführt  wurden  um  beute  zu 
machen  und  räche  zu  üben  ,  ist  doch  nicht  alles ,  was  hier  zu 
bemerken  war.  Es  ist  hier  die  frage,  welches  gefühl  die  strei- 
tenden haben  von  der  gerechtigkeit  ihrer  sache.  Dass  die 
Griechen  den  raub  Helena's  überall  als  schändlichen  frevel  an- 
sehen und  ihre  sache  als  die  gerechte,    bedarf  keines  beweises. 

2* 


20  7.  8.  Homeros.  Nr.  1. 

Wäre  aber  weiberraub  etwas  gewöhnliches  und  für  niemand 
befremdliches ,  so  würde  wohl  auch  krieg  geführt ,  aber  schwer- 
lich, mit  solchem  unmuth,  solcher  erbitterung  gegen  den  frevler. 
Jedoch  wie  sehen  die  Troer  die  sache  an?  Mit  dem  einwand, 
dass,  wenn  auch  sie  den  raub  verurtheilen  würden,  eine  Ilias 
nicht  mehr  möglich  wäre,  darf  man  solche  fragen  nicht  abthun. 
Freilich  liegt  es  in  der  natur  der  sache,  dass  die  Troer  nicht 
in  gleichem  grad  wie  die  Griechen  die  schuld  sich  beimessen, 
aber  gleichgültig  über  die  that  des  Paris  sind  sie  doch  nicht. 
Wenn  selbst  Priamus  zu  Helena  sagt  JH164:  oiüzC  (xot  alzir}  iooi, 
&soi  vi  ftoi  aizioi  HCtv,  also  durch  die  Verneinung  des  gedankens 
die  möglichkeit  desselben  zugibt ,  was  werden  dann  die  andern 
denken  [Z  521  ff.)!  Und  die  greise  sprechen  zwar,  vom  an- 
blick  des  schönsten  weibes  bezaubert,  ov  vifisaig  — ,  aber  vor- 
her sind  sie,  wie  eben  diese  stelle  zeigt,  andrer  meinung.  Am 
interessantesten  aber  ist  Hektors  urtheil  von  der  sache  durch 
seine  missbilligung  (T  39  ff.),  durch  seine  hinweisung  auf  den 
Unwillen  des  volks  und  die  möglichkeit  einer  ausübung  der 
volksjustiz  [r  57,  vgl.  453 — 54),  aber  allerdings  noch  durch 
ein  drittes.  Sobald  Paris  wieder  etwas  von  ■  heldenmuth  zeigt, 
ist  wunderbarer  weise  Hektor  völlig  versöhnt.  Der  schimpf  des 
bruders  mag  ihn  betrüben,  aber  heldenkühnheit  und  —  kraft 
können  die  schwersten  fehler  vergessen  machen.  Diese  züge 
beweisen  wenigstens ,  dass  im  bewusstsein  der  kriegführenden 
die  gerechtigkeit  der  sache  nicht  ohne  bedeutung  ist,  freilich  nur 
bis  zu  einem  gewissen  grad,  deuten  somit  auch  auf  ein  bewusst- 
sein dessen,  was  wir  Völkerrecht  nennen.  —  Ueber  andres, 
wie  über  die  Vorgänge  bei  den  ogxia}  gestattet  der  zustand  der 
homerischen  gedichte  kein  sicheres  urtheil.  Hinsichtlich  der 
bundesgenössischen  Verhältnisse  auf  troischer  und  griechischer 
seite  genügt  es  auf  die  schärfere  Unterscheidung  in  Nägelsb. 
Autenr.  Hom.  Theol.  p.  307  zu  verweisen. 

A.  Bischoff. 

8.  Der  besitz  und  sein  werth  im  homerischen  Zeitalter. 
Eine  kulturhistorische  skizze  von  Albert  Haake,  adjunkt 
am  königl.  pädagogium  zu  Putbus.  4.  Berlin,  H.  Ebeling  und 
C.  Plahn,  1872. 

Wenn    es    auch    keine  bedeutenden   wissenschaftlichen  pro- 


Nr.  1.  9.  Orpheus.  21 

bleme  sind,  mit  denen  die  vorliegende  abhandlung  sich  beschäf- 
tigt,   so    lässt  sich  doch  die  Schilderung    der  einfachen  und  na- 
turgemässen  zustände  des  homerischen  Zeitalters  ganz  angenehm 
lesen.     Nur  ist  die  bedeutung  des  besitzes  für  die  Stellung  des 
mannes  wohl  etwas  zu  einseitig  hervorgehoben    und   der  aristo- 
kratische  grundzug   im    wesen   der  Hellenen    zu    sehr    ignorirt. 
Dass  die  homerischen  Griechen  über    edle    abstammung    ebenso 
dachten  wie  ihre  nachkommen ,    zeigt    sich  doch  deutlich  genug 
in  der    art,    wie    die    edlen    geschlechter  eine  abstammung  von 
den  göttern  prätendiren,  und  wird   überdies  auch  geradezu  aus- 
gesprochen in  den  worten  des  Menelaos  an  Telemach: 
Ov    yao   aqxpv  ys  yivog  anöXcoXe  toxi'icüv, 
a).V  utdoäv  ysvog  iats  /liorsgeyscov  ßaailtjcav 
ax7]7Z70i%(ov'   inel  ov   xs  xaxol  roiovgds  rexotev. 

Dass  der  handel  zu  Homers  zeit  nur  wenig  entwickelt 
gewesen  sei ,  schliesst  der  Verfasser  aus  der  geringen  achtung, 
mit  welcher  bei  Homer  vom  kaufmannsstande  gesprochen  wird; 
ein  irriger  schluss,  da  auch  z.  b.  Wolfram  von  Eschenbach  nur 
verächtlich  von  dem  stände  der  krämer  redet,  obwohl  gerade 
zu  seiner  zeit  der  handel  einen  lebhaften  aufschwung  genom- 
men hatte.  Es  sind  das  eben  nur  aristokratische  vorurtbeile, 
aus  denen  für  die  sache  selbst  durchaus  nichts  zu  folgern  ist. 

Eine  zu  idyllische  auffassung  ist  es  ferner,  wenn  gesagt 
wird,  die  habsucht  sei  zu  Homers  zeit  zwar  auch  schon  vor- 
handen gewesen,  aber  in  einer  nicht  anstössigen  weise.  Wenn 
die  richter  sehr  gewöhnlich  für  geld  das  recht  verdrehen,  oder 
wenn  Seeräuber,  ohne  dass  es  ihnen  tadel  bringt,  friedliche  men- 
schen überfallen  und  erschlagen  ,  um  ihre  besitzungen  plündern 
zu  können,  so  ist  dies  jedenfalls  noch  weit  weniger  erfreulich 
als  unsere  heutigen  zustände  es  sind ,  denen  der  Verfasser  die 
homerischen  als  glänzendes  gegenbild  glaubt  vorhalten  zu  müssen. 

L.  G. 

9.  De  veteris  Orphicae  Theogoniae  indole  atque  origine 
scr.  P.  R.  Schuster.  Accedit  epimetrum  de  Hellanici  Theo- 
gonia  Orphica.  8.  Lipsiae,  Lorentz.  1869.  (100  s.).  —     1  thlr. 

Vfr.  stellt  sich  die  aufgäbe  nachzuweisen  dass  die  hgol 
Xoyoi  in  24  rhapsodien ,  welche  die  Neuplatoniker  als  or- 
phische  theogonie  benutzten,    verschieden  sei   von   einem   alten 


22  9.  Orpheus.  Nr.  1. 

orphischen  werke,  aus  welchem  z.  b.  Plato  schöpfte.  Diese 
trennung  hat  er  jedenfalls  mit  recht  vorgenommen,  aber  er  geht 
dabei  von  der  Voraussetzung  aus,  letzteres  werk  sei  eine  theo- 
gonie  gewesen,  die  allmälig  zu  einem  grösseren  umfang  erwei- 
tert und  so  in  die  bände  der  Neuplatoniker  gekommen  sei. 
Nun  ist  in  dem  wahrscheinlich  aus  Epigenes  entnommenen  ver- 
zeichniss  der  werke  des  Orpheus  bei  Suidas  eine  theogonie  un- 
ter diesem  titel  zwar  neuerdings  von  Gaisford  aus  cod.  A  und 
nach  ihm  von  Bernhardy  aufgenommen,  aber  in  corrupter  ge- 
stalt  und  wahrscheinlich  in  folge  von  Interpolation.  Onomakritos 
hätte  jedenfalls  zu  seiner  angestrebten  mystischen  reaction  nicht 
seine  rslsiai  unterschieben,  sondern  eine  orphische  theogonie 
benutzen  müssen,  wenn  er  eine  solche  vorgefunden  hätte.  Auch 
Athenagoras ,  der  darauf  ausgeht  eine  allgemein  bekannte  or- 
phische theogonie  zu  nennen ,  nennt  eine  spätere.  Es  findet 
sich  durchaus  kein  citat,  welches  in  alter  zeit  auf  den  titel 
theogonie  mit  nothwendigkeit  führt  und  es  bedurfte  also  vor 
allen  dingen  des  nachweises,  dass  dennoch  ein  solcher  angenom- 
men werden  müsse.  Derselbe  scheint  uns  nicht  geliefert  und 
ist  nicht  einmal  geradezu  in  angriff  genommen.  Um  das  orphi- 
sche 'Qxeavog  ngäzog  ?]q^s  yafioio  (Plat.  Crat.  p.402A)  in  eine 
theogonie  zu  bringen,  erklärt  Lobeck :  zuerst  unter  den  brüdern ; 
noch  gezwungener  Schuster  von  einem  iustum  et  auspicatum  ma- 
trimonium,  eine  Unterscheidung  zwischen  canonischen  und  wil- 
den eben,  die  man  unmöglich  in  alten  theogonien  annehmen 
kann.  Die  worte  passen  besser  in  ein  einzelnes  gedieht,  z.  b. 
eine  Teleir)  des  Onomakritos,  welches  an  einer  beliebigen  stelle 
und  nicht  vom  urbeginn  anfing,  als  in  den  Zusammenhang  einer 
theogonie;  und  schon  der  zusatz  ofiOfxi'jroQa  Tij&vv  zeigt,  dass 
der  dichter  noch  andre  ehen  vor  der  kannte,  mit  welcher  er 
gerade  anfängt.  Da  gerade  Plato  mit  Vorliebe  reXerdg  und 
XQiiancpdiag  erwähnt  (Protag.  316.  Eeip.  p.  364.  Phaedr.  244),  hat 
man  keinen  grund  gerade  auf  benutzung  einer  theogonie  zu 
schliessen,  und  die  vermuthungen  über  den  Inhalt  dieser  plato- 
nischen theogonie,  wie  später  die  Untersuchungen  über  deren 
dichter  (p.  57)  schweben  etwas  in  der  luft.  Leichter  kann  man 
Schuster  zugeben,  dass  Plato's  quelle  die  Nox  als  urquell  der 
dinge  ansah  und  dass  alles  was  Neuplatoniker  vor  dieselbe 
stellen,  späterer  zusatz  sei.     In  dem  theile,    der   nach  der  Nox 


Nr.  1.  9.  Orpheus.  23 

kam,  glaubt  der  verf.  (p.  27,  etwas  anders  p.  36)  dass  Plato 
die  bekannten  verse  Zei/g  agx>1 ,  Zsvg  /xe'aoa  xzX.  aus  einer 
theogonie  schöpfe,  obwohl  er  (p.  88)  und  andere  anerken- 
nen, dass  sie  den  Charakter  eines  hymnus  tragen.  Dass  sie 
in  einer  theogonie  gestanden  haben,  ist  nirgend  überliefert; 
dagegen  sagt  Tzetzes  ausdrücklich  sie  seien  der  anfang  der  or- 
phischen  bymnen  d.  h.  der  alten,  nicht  dessen  was  wir  so  nen- 
nen. Freilich  ist  Tzetzes  oft  albern  genug;  aber  dass  er  den 
anfang  einer  hymnensammlung  von  der  mitte  einer  theogonie 
unterscheiden  konnte ,  kann  man  ihm  doch  zutrauen.  Ueber- 
zeugender  ist  der  nachweis,  dass  die  xatunoaig  des  Phanes  spä- 
teren Ursprungs  sei  und  wahrscheinlich  erst  in  der  theogonie  des 
Hellanikos  und  Hieronymos  vorkomme.  Darauf  führen  einmal 
die  Zeugnisse,  dann  aber  auch,  was  freilich  vf.  leugnet,  der  um- 
stand dass  die  damit  zusammenhängende  theokrasie  und  pan- 
theistische  anschauung  späten  Ursprungs  sind.  Man  kann  einzelne 
anfange  bei  früheren  zugeben;  zu  einem  theogonischen  System 
aber  sind  sie  erst  spät  vereinigt  worden.  Die  zerreissung  des 
Zagreus  aber  hatte  Onomakritos  in  einer  zeXezj]  erzählt  (Clem. 
AI.  protr.  15.  Paus.  VIII,  37,  3)  und  wir  haben  durchaus  kei. 
nen  grund  für  sie  auch  eine  theogonie  desselben  Schriftstellers 
anzunehmen.  Dass  der  alte,  vorhomerische  Orpheus  keine  theo- 
gonie geschrieben  (p.  58),  geben  wir  gern  zu.  In  die  vermu- 
thungen  über  thrakische  religion  können  wir  dem  vf.  nicht  folgen. 
Er  scheint  die  gesammtmasse  der  Thraker  als  ein  gleichartiges 
volk  anzusehen,  obwohl  z.  b.  Paeonen  und  Odrysen  ein  ganz 
andres  geschlecht  sind  als  Pierer  und  Dier.  Zum  schluss  be- 
stimmt vf.  für  die  von  ihm  postulirte  orphische  theogonie  aus 
allgemeinen  betrachtungen  abfassungszeit  und  dichter.  Er  fin- 
det die  erzählung  vom  raube  der  Köre  und  der  ankunft  der 
Demeter  in  Eleusis  im  homerischen  hymnus  jünger  als  die  art, 
wie  er  sich  dieselbe  sache  bei  Orpheus  erzählt  denkt  und  setzt 
demnach  die  orphische  theogonie  um  01.1,  denn  auch  den  Hom. 
hymnus  in  Cererem  setzt  er  früher  als  man  es  gewöhnlich  thut. 
Als  ihren  dichter  denkt  er  sich  einen  der  ältesten  dichter  Attika's, 
kurz  vor  Pamphos.  Das  sind  vermuthungen,  zu  denen  uns  ein 
sicherer  ausgangspunkt  fehlt.  Etwas  mehr  Wahrscheinlichkeit, 
aber  auch  immer  noch  auf  ziemlich  unsicherem  grund,  hat  die  ver- 
muthung  des  anhangs,  dass    ein  in  Phoenikien  geborner  stoiker 


24  10.  Griechische  tragödie.  Nr.  1. 

Hellanikos  nach  150  v.  Chr.  den  stoff  seiner  orphischea  theo- 
gonie  aus  der  schrift  des  aegyptiers  Hieronyinus  über  phoeniki- 
sche  archaeologie  geschöpft  habe.  Giseke. 

10.  Aeschylus  und  Sophokles.  Eine  dramatische  Studie  von 
Andreas  Borschke.    8.    Wien.  Selbstverlag  des  verfs.  1872. 

Diese  abhandlung,  bei  welcher  der  Verfasser  zunächst 
die  schüler  der  obersten  gymnasialklasse  als  leser  im  äuge 
hat,  beginnt  mit  einer  kurzen  literarhistorischen  einleitung, 
worin  der  einfluss  des  griechischen  dramas  auf  die  deutsche 
literatur  besprochen  wird.  Dann  folgt  eine  instructive  verglei- 
chung  der  beiden  grossen  tragiker ,  und  zwar  mit  specieller  be- 
ziehung  auf  die  Choephoren  und  die  Elektra.  Den  schluss  der 
fleissigen  und  sorgfältigen  arbeit  bildet  eine  Untersuchung  über 
die  einrichtung  der  athenischen  biihne ,  wobei  namentlich  die 
typische  bedeutung  der  beiden  Seiten  des  theaters  besprochen 
wird.  Borschke  geht  von  der  ansieht  aus,  dass  diese  bedeutung 
sich  durch  die  Volksversammlungen  gebildet  habe ,  für  welche 
das  theater  noch  häufiger  als  für  dramatische  aufführungen  be- 
nutzt worden  sei.  Da  nun  für  diese  Versammlungen  nur  der 
Zuschauerraum  in  betracht  kommen  könne ,  so  seien  die  aus- 
drücke links  und  rechts  von  hier  aus  zu  verstehen. 

Dagegen  ist  zu  bemerken,  dass  es  gar  nicht  darauf  an- 
kommt, welchen  gebrauch  die  spätere  zeit  von  dem  räume  ge- 
macht hat,  sondern  zu  welchem  zwecke  er  ursprünglich  be- 
stimmt gewesen  sei.  Ja  wir  können  sogar  annehmen ,  dass 
schon  in  dem  alten  hölzernen  theater  die  conventioneile  bedeu- 
tung der  rechten  und  linken  seite  vorhanden  gewesen  sei,  denn 
diese  dinge  bilden  sich  gleichzeitig  mit  dem  drama  selbst.  In 
der  besebreibung  des  Pollux,  wo  vier  ausgangspunkte  für  die 
auf  der  bühne  ankommenden  genannt  werden,  dygo&Ev,  ix  Xi- 
(livosi  iü  neXawg,  dD.a^öOev  7rt£of,  weiss  Borschke,  wie  er  sagt, 
mit  dem  ersten  ausdrucke  nichts  anzufangen,  und  ebenso  macht  ihm 
der  zusatz  ne^ol  bei  otklaxö&sv  bedenken.  Wenn  in  Xuittiog  auf  die 
fremden  bezogen  wird,  die  zur  see  ankommen,  so  kann  im  gegen- 
satze  dazudlla^öüev  ns^oiuuv  auf  andere  reisende  bezogen  werden, 
die  den  landweg  gewählt  haben,  gleichviel,  ob  dieser  weg  zu  fusse, 
zu  pferde  oder  zu  wagen  zurückgelegt  ist.  In  solchem  sinne  fin- 
det sich  ntt,ög  schon  bei  Homer,  z.  b.  Od.  n,   59 :  u  ö'  i&eleig 


Nr.  1.  11.  Aeschylus.  25 

ne&g,  ndga  rot  diipoog  re  x«i  initoi.  Die  erklärung  von  aygö&sp 
ergiebt  sich  wohl  am  einfachsten  durch  anschluss  an  einen  kon- 
kreten fall.  In  der  Elektra  heisst  es  vom  abwesenden  Aegi- 
sthos,  vlv  6°  dygolai  tvyxüvei.  Wenn  er  also  gegen  ende  des 
Stückes  auftritt,  so  kommt  er  ayqo&sv,  vom  felde  ,  aus  der  nä- 
hern Umgebung.  Auffallend  kann  es  aber  scheinen,  dass  Pollux 
für  die  rechte  seite  drei  Ortsbestimmungen  anführt ,  für  die 
linke  dagegen  nur  eine,  und  ich  hatte  dagegen  geglaubt,  durch 
eine  Umstellung  die  Symmetrie  herstellen  zu  müssen.  Vom 
athenischen  theater  aus  sieht  man  ja  rechts  nur  hafen  und  stadt, 
links  die  landschaft,  und  ebenso  bezeichnet  von  den  periakten 
die  eine  auch  nur  hafen  und  Stadt ,  die  andere  die  landschaft,  ia 
£l-(o  aolscog.  Nimmt  man  aber  an,  wie  man  wohl  nicht  bestreiten 
kann,  dass  die  bedeutung  der  linken  und  rechten  seite  schon 
in  den  ländlichen  anfangen  des  dramas  sich  herausgebildet  hat, 
so  bildet  das  dlXa%öüev  allerdings  einen  genügend  starken  ge- 
gensatz  zu  den  drei  bezeichnungen ,  die  sich  sämmtlich  auf  die 
nähere  Umgebung  beziehen.  Was  durch  die  Verschiedenheit 
der  eingänge  nicht  deutlich  genug  bezeichnet  war,  konnte  durch 
das  kostüm  genauer  bezeichnet  werden.  So  ist  z.  b.  der  rei- 
sende auf  vasenbildern  durch  den  hut  kenntlich  gemacht  im 
anschluss  an  die  volkssitte;  dass  es  auch  auf  der  bühne  so 
war,  zeigt  die  stelle  im  Oedipus  auf  Kolonos,  wonach  Ismene 
bei  ihrer  reise  von  Theben  nach  Kolonos  einen  hut  trägt, 
XQati  ö'  T]).ioareor}g  xvvij  nooGama  QeaaaXig  (xiv  d^ni^si..  Für 
die  dygo&ev  kommenden  landleute  könnte  der  ziegenpelz  ein 
solches  kennzeichen  gebildet  haben  nach  Theognis  55 :  all' 
afxqn  itkiVQy/si  dogag  alywv  naTstgißov ,  und  was  dergleichen 
dinge  mehr  sind.  L.  G. 

11.  R.  Merkel,  Aeschyli  cod.  Laurentiani  Oxoniae  typis 
expressi  praefationis  lineamenta.  4.  Quedlinburg.  (Programm). 
1870.     16  s. 

Unermüdlich  und  unverdrossen  bestrebt  die  handschriftli- 
che grundlage  des  Aeschylus  festzustellen,  theilt  Merkel  in  der 
angegebenen  schritt,  welche  sich  an  den  im  j.  1871  erschienenen 
abdruck  des  Mediceus  anschliesst,  beobachtungen  über  die  quelle 
des  Mediceus,  über  das  alter  der  corruptelen,  über  den  werth 
der  übrigen  handschriften  mit.     Nach  einigen  bem  erkungen  über 


26  11.  Aeschylos.  Nr.  1. 

die  bedeutung,  welche  die  genaue  kenntniss  der  kolometrie  des 
Mediceus,  die  auf  guter  Überlieferung  beruhe,  für  die  metrische 
behandlung  der  chorika  habe,  und  über  die  reste  alter  Ortho- 
graphie, deren  erhaltung  vielleicht  nur  der  Sorglosigkeit  des  ab- 
Schreibers  zu  verdanken  sei,  sucht  Merkel  die  ableitung  unserer 
sämmtlichen  handschriften  aus  einem  gemeinsamen  archetypus 
näher  zu  bestimmen.  Denn  dieses  ist  auch  die  ansieht  von 
Merkel  und  diese  ansieht  wird  sich  der  bequemen  meinung  ge- 
genüber, dass  abgesehen  von  den  lücken  des  Agamemnon  ganz 
allein  der  Mediceus  für  die  kritik  des  Aeschylus  in  betracht 
käme,  immer  mehr  geltung  zu  verschaffen  wissen.  Aus  der  be- 
rechnung  der  abstände  von  verschiedenen  bereits  nachgewiese- 
nen lücken  zieht  Merkel  (ähnlich  wie  Keck:  vgl.  Philol.  XXXI, 
p.  738)  die  folgerung,  dass  der  archetypus  in  der  regel  37 
zeilen  auf  der  seite  gehabt  habe ;  weil  am  ende  der  seiten  die 
verse,  vielleicht  durch  wasserflecken ,  unleserlich  geworden  ,  so 
sei  es  gekommen,  dass  sich  in  bestimmten  Zwischenräumen  Un- 
ordnung im  text,  namentlich  ausfall  eines  oder  mehrerer  verse 
oder  zusammenziehung  zweier  verse,  zu  erkennen  gebe  (vgl. 
desselben  Verfassers  schrift:  Aeschylus  in  italienischen  hand- 
schriften 1868,  p.  70).  So  liegen  in  den  Persern  die  von 
Hermann  bei  v.  805  und  893  angenommenen  lücken  nach  der 
versabtheilung  des  Mediceus  um  30  -j-  43  -f-  37  zeilen  aus- 
einander; 37  zeilen  vor  892  findet  sich  im  Mediceus  ein  lee- 
rer räum  von  vier  zeilen,  wenn  auch  mit  beigeschriebenem  ov 
leinst  zweiter  hand;  36  verse  vor  804  steht  der  Täthselhafte 
v.  778,  36  vorher  der  v.  731,  der  nach  den  Varianten  aus 
zweien  verschmolzen  scheinen  könne;  viermal  soviel  zeilen  vor 
731  stehe  das  um  neun  verse  verspätete  egQavzai  (v.  569), 
während  zugleich  sieben  verse  zuvor  eine  lücke  im  Mediceus 
gelassen  sei.  Das  weiterzählen  bestätige  eine  wahrscheinliche 
lücke  bei  v.  465,  die  von  Porson  bei  v.  316,  die  von  Merkel 
bei  v.  168  angenommene.  Diese  beobachtung  wird  an  anderen 
stücken  geprüft  und  scheint  sich  zu  bewähren.  Es  liegt  darin 
ein  mittel  den  Widerwillen  gegen  annähme  von  lücken  zu  über- 
winden. Nichtsdestoweniger  rouss  die  lücke,  welche  Merkel 
Prom.  726  H.  annimmt,  zweifelhaft  bleiben.  Die  dabei  ge- 
machte bemerkung,  dass  v.  791  qbi&qov  yaeigoop  ogoe  auf  den 
Hellespont  zu  beziehen  sei,  ist  unrichtig,  da  sich  die  erzählung 


Nr.  1.  11.  Aeschylos.  27 

an  v.  735  anschliesst.  —  Merkel  erweist  ferner  seine  schon  in 
der  ausgäbe  der  Eumeniden  aufgestellte  behauptung ,  dass  der 
Mediceus  nicht  aus  einer  uncialhandschrift  abgeschrieben  sei 
(vgl.  Weil  praef.  Agam.  p.  xn),  und  glaubt,  dass  zwischen  dem 
gemeinsamen  archetypus  der  vorhandenen  handschriften  und 
dem  Mediceus  noch  etliche  abschritten  dazwischenliegen.  Die- 
ser Zwischenzeit  und  der  nachlässigkeit,  mit  welcher  damals  die 
handschriften  abgeschrieben  wurden,  möchte  Merkel  die  schuld 
der  vielfachen  corruptelen  zuschreiben ,  also  ein  verhältnissmä- 
ssig  junges  alter  derselben  annehmen.  Durch  die  verschiede- 
nen abschriften  habe  sich  allmählig  die  fehlerhafte  Überliefe- 
rung gebildet,  die  aus  verschiedenen  exemplaren  in  den  Medi- 
ceus und  in  die  handschrift ,  welche  die  interpolatoren  des  XII 
Jahrhunderts  benutzten,  übergegangen  sei.  Mit  dieser  vermu- 
thung  scheint  die  Übereinstimmung  der  handschriften  in  allen 
bedeutenden  Verderbnissen  nicht  genügend  begründet  zu  sein.  — 
Merkel  hat  anderswo  (in  der  oben  angeführten  schrift  p.  5  ff.) 
gezeigt ,  dass  der  erste  quaternio  des  Aeschylus  im  Mediceus 
jüngeren  datums  ist  als  die  zehn  übrigen.  In  diesem  quaternio 
und  in  den  lesarten,  welche  die  zweite  haud  im  Mediceus  ein- 
getragen hat,  findet  Merkel  die  spuren  einer  zweiten  recension, 
die  im  zwölften  Jahrhundert  mit  hülfe  einer  handschrift  gemacht 
worden  sei,  welche  nicht  viel  älter  als  der  Mediceus  gewesen.  — 
Sehr  willkommen  ist  die  mittheilung ,  dass  die  pergamenthand- 
schrift  Ven.  616  (Ven.  3  oder  Ven.  B)  nicht  dem  dreizehnten, 
wie  gewöhnlich  behauptet  wird,  sondern  dem  fünfzehnten  Jahr- 
hundert angehört.  Es  bestätigt  sich  also  der  nachweis,  dass  der 
Florentinus  die  priorität  vor  dem  Ven.  B  habe,  und  man  darf  jetzt 
wohl  annehmen ,  dass  der  Ven.  B  eine  abschrift  des  Flor.  ist. 
Wie  der  Schreiber  des  Ven.  Ag.  1514  H.  daxgvaiv  in  daxgvoig 
corrigirt  hat,  so'  hat  er  v.  1628  an  stelle  des  unverständlichen 
äfiaQrijrov  eine  lücke  gelassen.  V.  1632  hat  nach  der  colla- 
tion  von  van  Heusde  der  Flor,  und  Ven.  %ijhtj,  der  Farn.  xV^-Vi 
nicht  aber  der  Flor.  j£oXji,  wie  Franz  angiebt.  Der  Flor,  ist 
demnach  als  quelle  dieser  lesart  zu  betrachten  und  die  folge- 
rung,  welche  Keck  Agam.  p.  201  daran  knüpft,  nicht  stichhal- 
tig. Uebrigens  gilt  trotz  der  handschriftlichen  beglaubigung 
von  dieser  lesart,  was  Hermann  sagt:  videtur  monachi  esse  cui 
imago   diaboli  obversabatur.     —      Die   besserungen,    die   Merkel 


28  12.  Sophokles.  Nr.  1. 

nebenbei  vorbringt,  dürften  meistenteils  höchst  bedenklicher 
natur  sein.  Pers.  922  und  Prom.  49  werden  mit  neugebildeten 
Wörtern  hergestellt :  dort  Xaxonu&ea  (soll  bedeuten  quod  miserias 
clamitai)  tyalitvna  re  ßdgt],  hier  anavx*  incö%&7],  Sept.  25 
schreibt  Merkel  nrjgog  für  nvglg  und  erklärt  5/^a:  non  erit 
utroque  oculo,  sed  praeterea.  Ag.  125  soll  atofiiov  in  der  bedeu- 
tung  ostium,  fauces  auf  den  Euripus  gehen,  ngozvnsv  protractum, 
porrectum  bedeuten  und  argaroa&sv  de  montibus  qui  eum  maris 
tractum  vallabant,  circummuniebant  gesagt  sein;  das  vorausgehende 
(ßtjpiionXri&rj)  fioiga  soll  in  &Tj/xäva  verwandelt  werden.  Beach- 
tenswerth  scheint  hiervon  nur  xpaXlrvna  in  der  stelle  der  Perser 
zu  sein.  Merkel  spricht  sich  (in  der  ausgäbe  der  Perser  Lips. 
1869  p.  63)  nicht  deutlich  über  den  sinn  aus  und  bemerkt: 
ea  igitur  ßagtj  epithetis  fuerunt  denotanda ,  quae  sententiam  effice- 
rent  quam  posset  simillimam  versui  922  H.  Man  müsste  wohl 
Xaona&ia  (=  ntt(jina&sa)  ypaXtrvnd  js  (xpaXig'  7a%£itt  xivqoig, 
\paXizisraf  a^iXXätai  Hesych.)  ßügij  von  den  schweren  schla- 
gen verstehen,  mit  welchen  der  xopttog  "Agsiog  verbunden  war 
(vrgl.  a.TtQiySänXrj'x.za.  noXvnXavqTa  inaGGVTsgoTgißlj  ta.  %tgbg 
bgsyfiaza  Choeph.  420).  Ausserdem  wird  Choeph.  773  Böpov 
Kvgloig  Tsäg  ocpgvog  vsvit1  Ufisvoig  Ideiv,  Suppl.  735  «etcr/xar' 
evvaatrjgta  vermuthet,  was  berücksichtigung  verdient. 

W. 

12.  Sophokles  könig  Oedipus.  Nach  der  ältesten  hand- 
schrift  und  den  Zeugnissen  der  alten  grammatiker  berichtigt, 
übersetzt,  durch  einen  exegetisch  -  kritischen  commentar  erklärt 
von  Franz  Eitter.     8.     Leipzig.  Teubner.  1870. 

Unter  diesem  etwas  preciös  klingenden  und  viel  verspre- 
chenden titel  hat  der  Verfasser  eine  neue  ausgäbe  dieser  in 
neuerer  zeit  mit  vielem  eifer  von  den  philologen  gepflegten 
tragödie  mit  dem  texte  beigedruckter  deutscher  metrischer  Über- 
setzung veranstaltet.  Sehen  wir  zu,  ob  unsere  erwartungen  er- 
füllt werden. 

Die  Übersetzung  hat  nach  vorrede  p.  vi  und  vn  „neben 
möglichster  treue  nach  deutlichkeit  und  Verständlichkeit  gestrebt". 
,,Sie  soll  einerseits  den  commentar  ergänzen,  andrerseits  das 
unvergleichlich  vollendete  drama  auch  denjenigen  zugänglich  ma- 
chen, welche   mit  dem  griechischen    minder   vertraut  oder  des- 


Nr.  1.  12.  Sophokles.  29 

sen  unkundig  sind".  Wir  finden  zunächst  nicht,  dass  der  for- 
derung  der  deutlichkeit  und  Verständlichkeit  überall  genügt  worden 
sei.  V.  12  und  13:  „denn  des  Schmerzgefühles  baar  War'  ich, 
wenn  ohne  beileid  solche  schaar  mich  liess",  weiss  der  leser 
ohne  den  griechischen  text  kaum,  wer  mitleid  empfinden  soll,  ob 
Oedipus  mit  der  schaar,  oder  die  schaar  mit  ihm.  Welcher 
leser,  der  nicht  des  griechischen  kundig  ist  und  sich  im  urtext 
den  commentar  zur  Übersetzung  geben  lassen  kann  —  auch 
für  solche  hat  ja  der  Verfasser  dieselbe  geschrieben  —  wird  vs. 
35  verstehen:  ,,der  du,  sobald  zu  [sie)  Kadmosstadt  du  kamst, 
Den  zoll  losmachtest,  den  erzwang  die  Sängerin"?  Die 
Übersetzung  wimmelt  geradezu  von  geschmacklosen  undeutschen 
Wortstellungen  und  ausdrücken.  Vs.  39  ,,zu  richten  unser  leben 
auf";  80  „möge  glück  er  bringen  her",  105  „selber  könnt  ich 
schauen  nie";  109  ,,'ner  alten  schuld  zu  kommen  auf  die  spur 
ist  schwer":  129  „auszuforschen  ist  dies",  256  „nicht  billig 
war  es  ungesühnt  zu  lassen  sie",  430  „Eicbtweg  zum  strick? 
[ovk  {lg  oXe&gov ;!)  nicht  rascher?  willst  den  rücken  du  Nicht 
diesem  hause  kehren  und  dich  trollen  fort?"  u.  s.  w. :  wenn,  wie 
es  scheint,  wörtliche  treue  das  hauptbestreben  des  Verfassers 
war ,  wie  denn  auch  die  zahl  der  verse  vollkommen  beibehal- 
ten ist ,  so  wäre  es  doch  gewiss  rathsamer  gewesen  eine  pro- 
saische Übersetzung  zu  geben ,  die  von  vornherein  sich  des  an- 
spruches  auf  angenehme  lesbarkeit  begeben  hätte,  während  eine 
metrische  Übersetzung  in  hässlichem  ,  plumpem  stil  eine  contra- 
dictio    in  adiecto  enthält. 

Unter  den  text  hat  Eitter  die  lesarten  des  Laurentianus 
nach  den  angaben  Dübners  bei  Dindorf  in  der  dritten  Ox- 
forder ausgäbe  gesetzt;  gelegentlich,  aber  nicht  immer  auch 
die  nachtrage  Wolffs  berücksichtigt.  Daneben  erscheinen  die 
citate  aus  lexicographen  und  grammatikern,  die  seitdem  (1871) 
vollständiger  in  M.  Schmidts  ausgäbe  zu  finden  sind:  nur  die  anfüh- 
rungen  aus  Suidas  scheinen  bei  Eitter  reichhaltiger  zu  sein.  Einen 
weiteren  bestandtheil  der  unter  dem  texte  befindlichen  Varia  lectio 
bilden  die  anführ ungen  von  conjeeturen  älterer  und  neuerer  ge- 
lehrter. Sie  sind  indessen  ziemlich  spärlich.  An  sich  wäre 
nun  freilich  gegen  eine  auswahl  der  bemerkenswerthesten  Ver- 
besserungsvorschläge —  gegenüber  nahezu  absoluter  Vollständig- 
keit wie  in  W.  Schmidts  ausgäbe  —  nichts  einzuwenden,    aber 


30  12.  Sophokles.  Nr.  1. 

es  will  uns  bedünken,  dass  da,  wo  ein  kritischer  commentar  noch 
hinzutritt,  ein  bestimmtes  klares  verhältniss  zwischen  den  in 
der  Varia  lectio  und  den  im  commentar  erwähnten  conjecturen 
obwalten  sollte,  entweder  so,  dass  an  beiden  orten  die  gleichen 
angeführt  (dort  blos  erwähnt,  hier  besprochen)  würden,  oder 
dass  die  einen  angaben  die  andern  ergänzten.  Nun  finden  wir 
aber  bald  dieselben  conjecturen  in  der  Varia  lectio  und  im  com- 
mentar angeführt  (305,  308,  313,  72),  bald  sind  gewisse  emen- 
dationsversuche  bloss  in  der  Varia  lectio,  oder  bloss  im  com- 
mentar erwähnt.  Es  scheint  also  hier  mehr  der  zufall  als  ein 
bestimmtes  prinzip  obgewaltet  zu  haben:  sollte  aber  auch  re- 
ferent  sich  hierin  täuschen,  soviel  ist  sicher:  wollte  der  Ver- 
fasser einmal  auch  conjecturen  unter  dem  texte  anführen,  so 
hätte  dies  in  viel  ausgiebigerem  masse  geschehen  sollen. 

Die  zweite  half te  ist  vom  exegetisch-kritischen  com- 
mentar ausgefüllt.  Derselbe  entbehrt  schon  deswegen  eines 
einheitlichen  Charakters ,  weil  er ,  wie  der  Verfasser  p.  vii  der 
vorrede  sagt,  theils  für  fachgelehrte,  theils  für  gebildete  weiterer 
kreise  (für  schüler?  studirende?  oder  gar  wie  die  Übersetzung 
für  solche,  „die  mit  dem  griechischen  minder  vertraut  oder  des- 
sen unkundig  sind"?)  bestimmt  ist.  Wir  müssen  auch  hier 
wiederholen  was  wir  schon  bei  der  Varia  lectio  sagten,  der  Ver- 
fasser sucht  zu  viel  zwecken  zu  genügen,  und  es  ist  eine  noth- 
wendige  folge  dieser  verfehlten  anläge  ,  dass  er  keinem  dieser 
zwecke  oder  leserkreise  wirklich  entspricht.  Aus  einem  popu- 
lär gehaltenen  commentar  hätten  alle  grammatisch -kritischen 
excurse  entfernt  oder  wenigstens  in  einen  besondern  anhang 
gebracht  werden  sollen.  Während  ferner  der  Verfasser  mit 
grosser  ausführlichkeit  über  einzelne  grammatische  formen  sich 
verbreitet,  lässt  er  an  verschiedenen  sehr  schwierigen  stellen  nicht 
blos  den  angehenden  Griechen  im  stich,  sondern  auch  den  ge- 
lehrten im  zweifei,  wie  er  die  stelle  gefasst  wissen  will.  So 
Z.  b.  220:  ov  yag  uv  fJtaxQav  |  iptvor  avzn,  ju/}  oiix  e%03v  rt 
avfjßolov,  wird  gar  nichts  bemerkt;  aus  der  Übersetzung  selbst: 
„drum  (heisst  yao  :  „drum"?)  nimmer  weit  folgt  ich  der  spur 
wo  nicht  ein  fingerzeig  mir  wird"  kann  niemand  klug  werden. 
Ebenso  wissen  wir  nicht,  wie  Ritter  261  die  von  ihm  beibehaltene 
handschriftliche  lesart:  xoivüv  is  naiöcav  xcuV  ap  *)  erklärt. 
1)  Lies  xai  vwv  ye  naidtov  mit  F.  G.  Schmidt. 


Nr.  1.  12.  Sophokles.  31 

Vs.  724 :  mv  yäg  av  &eog  |  xgsiav  igswa,  eine  crux  interpretum,  wird 
übergangen  und  wir  sollen  uns  mit  der  beiläufig  gesagt  sinn- 
losen Übersetzung:  „denn  was  ein  gott  als  nützlich  spürt"  zu- 
frieden geben  ? 

Welches  sind  nun  aber  abgesehen  von  der  verfehlten  an- 
läge des  ganzen  und  der  durch  diese  zum  theil  bedingten  lü- 
ckenhaftigkeit  der  erklärung  die  wissenschaftlichen  leistungen 
unseres  buches  ?  Für  das  beste  halten  wir  die  eingestreuten 
grammatischen  und  sprachlichen  bemerkungen.  Wir  heben  her- 
vor die  erklärung  von  &od£eiv  vs.  2,  wo  der  Verfasser  in  Über- 
einstimmung mit  G-.  Hermann  die  willkür  alter  und  neuer  gram- 
matiker,  welche  hier  die  bedeutung  „sitzen"  statuiren  wollen, 
mit  recht  zurückweist;  denn  diese  erklärung  ist  ein  offenbarer 
trugschluss  aus  unserer  stelle;  vs.  58  über  dp>K>za,  wie  der  vf. 
mit  recht  statt  äyvcoza  schreibt;  129  über  eigyeiv,  167  ävvtco 
(welche  Schreibung  auchDindorf  jüngsthin  im  Sophokles  aufgenom- 
men hat),  402  aytjXartjoeiv,  433  rjdr],  1311  i&jlco ,  1462  über 
den  dual,  fem.,  wo  er  sich  mit  Bernhardy,  Cobet  und  Weck- 
lein für  die  consequente  herstellung  der  masculinformen  in  So- 
phokles entscheidet,  695  älvco.  Ritter  neigt  überall  dazu  gleich 
Cobet  auch  gegen  die  handschriften  der  autorität  der  Atticisten, 
insbesondere  derjenigen  in  Bekker.  Anecdd.  Graec.  I,  p.  321 — 
476,  auch  gegen  die  handschriften  zu  folgen.  Diese  bemerkungen 
und  excurse  sind  dankenswerth ,  wenn  man  auch  nicht  überall 
den  consequenzen  des  Verfassers  folgen  wird.  So  soll  vs.  538  und 
539  wegen  der  alexandrinischen  formen  yvcogiaolfti  und  dXs^oi- 
\ki\v  (als  futur)  als  späteres  einschiebsei  beseitigt  werden ;  es  ist 
aber  willkür  dieser  hypothese  zu  lieb  aus  Xen.  Anab.  VII,  7, 
3  die  futurform  dls^otis&a  in  die  gewöhnliche  aXa&j&offe&a 
zu  verwandeln  (p.  176  note).  Mit  beziehung  auf  ovv  oder  %vv 
ist  Ritter  (zu  v.  34)  zu  der  alten  Porsonschen  regel  zurückge- 
kehrt, <;vv  als  die  specifisch  attische  form  überall  zu  setzen  wo 
das  metrum  nicht  einspruch  erhebt.  Wir  aber  halten  uns  an 
den,  der  allein  die  sache  mit  statistischer  gründlichkeit  unter- 
sucht hat  nach  der  Überlieferung  des  Laurentianus,  an  Herwer- 
den praef.  p.  n  sqq.,  auf  dessen  resultate  Ritter  merkwürdiger 
weise  gar  keine  rücksicht  nimmt. 

Im  register  giebt  uns  Ritter  unter  dem  artikel  ausleg ung 
selbst  ein  verzeichniss  der  stellen,    in   deren   erklärung   er   von 


32  12.  Sophokles.  Nr.  1. 

den  andern  abweicht  oder  abzuweichen  glaubt.  Wir  stimmen 
überein  mit  der  erklärung  von  397  (6  (itjösv  slduig),  von  473; 
506  und  an  vielen  andern  stellen  wird  mit  recht  auf  die  soma- 
tische lehre  von  der  coincidenz  der  tugend  und  des  wissens 
aufmerksam  gemacht.  Zu  billigen  ist  ferner  1320  die  Vertei- 
digung von  epoQEtv  und  1382  von  ye'vovg  tov  Aatov  durch  er- 
gänzung  von  ix  aus  dem  vorhergehenden,  womit  nun  auch  G. 
Wolff  übereinstimmt.  Anderes  in  diesem  verzeichuiss  ist  frei- 
lich entweder  nicht  neu  oder  nichts  besonderes,  so  v.  1271  die 
vertheidigung  des  futurum  oxpoivzo  gegen  Hermann  mit  der 
einfachen  bemerkung,  dass  6&ovvexa  hier  „dass"  bedeute:  wir 
lesen  das  längst  bei  Nauck.  Noch  anderes  ist  entschieden  falsch : 
579  soll  yijg  nun  doch  wieder  zu  taov  gehören  im  sinn  von 
„tafelgütern" ;  1001  wird  man  kaum  auskommen  ohne  Strei- 
chung dieses  verses  (wogegen  wir  gegen  Herwerden,  v.  1000  bei- 
behalten würden);  zu  1036  hat  G.  Wolff  jetzt  besseres  beige- 
bracht. Bei  1208:  cf>  fxiyag  Xifttjv  avzog  ijQxeoev  naidl  xal  na- 
tq\  dalaiiqnöXqp  neoeiv,  polemisirt  Ritter  zunächst  gegen  den 
scholiasten ,  der  unter  dem  Xi(irj:v  die  lokaste  selbst  verstanden 
habe;  Xifirjv  sei  vielmehr  ihr  mutterleib  (hat  denn  der  scholiast 
nicht  an  den  leib  der  lokaste  gedacht?);  die  erklärung  von 
fisyctg  bei  Bitter  ist  ein  muster  von  geschmacklosigkeit,  naidl 
und  naiQi  sei  nicht  Oedipus  und  Laios,  wie  gewöhnlich  erklärt 
wird  (xul  nargl  abhängig  von  uvzog,  ,, derselbe  wie  dem  vater"), 
sondern  diese  worte  beziehen  sich  nach  Eitter  auf  denselben 
Oedipus  als  kind  im  mutterleibe  und  zeugenden  vater.  Im 
letzteren  sinne  aber  würden  wir  vielmehr  OTzeiQwv  oder  nöaig 
zu  erwarten  haben;  denn  vernünftiger  weise  müsste  man,  wenn 
einmal  nuig  das  kind  der  lokaste  bedeutet,  wie  Eitter  will,  na- 
7t]Q  ebenfalls  als  vater  der  lokaste  fassen.  Wir  müssen  also 
diese  erklärung  Eitter's  für  verfehlt  halten,  und  nehmen  au- 
sserdem mitNauck  die  Heimsöthsche  conjectur  nmg  yäfiov  Xifirjriäv 
<p  fieyag  Xihtjv  als  wahrscheinlich  an.  Jedenfalls  ist  aber  die  ge- 
wöhnliche erklärung  von  nai8\  und  natgi  (Oedipus  und  Laios) 
festzuhalten.  Vollends  unbegreiflich  ist  vs.  500  behandelt : 
avÖQWv  6"  ozi  fidvtig  |  nXeov  tj  iym  q>?Q6zai,  XQiaig  otx  saziv 
dXTjd^g.  Eitter  übersetzt:  „doch  dass  ein  mann  menschlicher 
schau  mehr  als  ich  gilt,  der  entscheid  ist  nicht  gewiss".  Zu- 
nächst   was    bedeutet:    „ein    mann   menschlicher    schau".'      Soll 


Nr.  1.  12.  Sophokles.  33 

damit  eine  von  der  gewöhnlichen  erklärung  abweichende  bezie- 
hung  von  avögäv  auf  pdvrig  angedeutet  werden  =  sfinsigog 
av&Q(ontvriQ  pavTiiag?  darüber  spricht  sich  der  commentar 
nicht  deutlich  aus,  wohl  aber  gibt  er  eine  erklärung,  welche 
weder  mit  der  Übersetzung  noch  mit  dem  griechischen  texte 
stimmt:  „der  chor  räumt  ein,  dass  ein  sterblicher  seher  mehr 
gelte  als  er,  meint  aber,  dass  daraus  für  den  vorlie- 
genden fall  keine  sichere  entscheidung  folge".  Was  wir  durch 
den  druck  hervorheben,  steht  nicht  in  den  griechischen  Worten, 
ist  also  willkürlich  von  Eitter  eingeschoben;  was  Eitter  will, 
müsste  griechisch  etwa  so  lauten  sl  xal  —  qisgezai,  oficog  aegl 
t ov zov  xoicsiq  xr)..  Die  einwendung  aber  gegen  die  gewöhn- 
liche und,  wenn  man  den  text  nicht  ändert,  allein  mögliche  er- 
klärung, dass  der  chor,  wenn  er  behauptete,  die  seher  wissen 
nicht  mehr  als  andre  leute,  sich  selbst  (v.  284 — 289)  wider- 
sprechen würde,  hätte  erst  dann  bedeutung,  wenn  dieser  Wider- 
spruch im  gleichen  chorgesang  sich  zeigte;  seit  289  sind  aber 
mancherlei  dinge  passirt,  die  auch  die  Stimmung  und  ansichten 
des  chors  verändern  konnten.  So  viel  über  die  im  register 
von  unserm  herausgeber  selbst  als  beispiele  seiner  abweichen- 
den auslegung  angeführten  stellen. 

Aber  wir  finden  auch  sonst  manches  auffällige,  der  schärfe 
ermangelnde  in  seinen  erklärungen.  So  soll  in  der  königsrede 
236 — 245  sich  wieder  auf  den  hehler  beziehen,  während  doch 
manche  gegner  Eibbecks  selbst  wenigstens  diese  beziehung  ha- 
ben fallen  lassen  und  mit  ihm  den  mörder  verstanden  wissen 
wollen.  Angesichts  von  241 :  cog  fiiäanaTog  ht)..  vrgl.  mit  96,  mit 
224  —  232  seien  drei  fälle  als  möglich  angenommen:  ,,1)  je- 
mand kennt  einen  Thebaner  als  mörder,  224 — 226;  2)  den  mör- 
der kennt  niemand  als  der  thäter  selbst,  227 — 229  ;  3)  jemand 
kennt  einen  in  Theben  lebenden  fremden  als  den  zu  suchen- 
den mörder,  230 — 232".  Dagegen  ist  erstlich  zu  bemerken, 
dass  in  224 — 226  gerade  der  hauptbegriff  auf  den  es  ankom- 
men soll,  nämlich  dass  der  mörder  ein  Thebaner  sei,  fehlt; 
wir  müssen  also  jene  verse  nicht  als  unterabtheilung ,  sondern 
als  allgemeine  alle  einzelnen  fälle  beschlagende  fassung  des  ge- 
botes  ansehen.  Zweitens  ist  bei  dieser  dem  dichter  zuge- 
schriebenen eintheilung  höchst  auffällig  und  unlogisch,  dass  fall 
1  und  3  als  gleichartige  nicht  zusammengestellt  sind  j  es  würde 
Philol.  Anz.  V.  3 


34  12.  Sophokles.  STr.  1. 

dann  fall  2  erst  ans  ende  treten.      Sophokles   hat    in    verschie- 
denen seiner  reden  geradezu  muster  logischer  disposition  gege- 
ben.     Die    übrigen    ausleger    alle    suchen  doch  wenigstens  eine 
vernünftige  eintheilung  herzustellen:   Nauck  z.  b.  will    1)  aotög 
xaz'  aaioi,  228;  2)  ftffo»«'  ig  aXXtjg  %&ovög,  230:  Wolff  will  1) 
avrog  xa&   altov,    228;    2)  aXXov  i£  ipljg   %&oveg.     Es  ist  hier 
nicht  der  ort  gegen  diese  auslegungen   unsre  bedenken  zu  ent- 
wickeln: logisch  sind  sie  wenigstens,  was  die  Rittersche  nicht  ist; 
wir  unsrerseits  halten  uns    an  Enger,    Heimsöth,    Ribbeck:    1) 
aviog  xa#'  uvtov,  2)  aXXov,  a)  ;}  e|  uXXrjg  %eQog\  b)  5}  avT6%siQa. 
In  derhandhabung  der  textkritik  zeigt  Ritter  in  der  athe- 
tese  mehrerer  verse  eine  gewisse  kühnheit,  besonders  da  wo  ihm 
sprachlich  auffälliges  zu  sein  scheint.     Er  tilgt  v.  51 :    indessen 
ist  der  wortreichthum  und  die  Wiederholung  im  munde  des  ge- 
ängstigten greises  wohl  zu  begreifen ;    mit  recht  verwirft  Ritter 
nach  dem  Vorgang  von  Burges  vs.  267  und  268;  mit  zweifelhafter 
berechtigung    411,    wo    das    logisch    anstössige    mar1    ov    jetzt 
von  Wolff  in  oi<5'  oog  geändert  wird.      Ritter    wiederholt    seine 
früher  ausgesprochene  ansieht,    dass  1524 — 30  einem  interpola- 
tor  angehören ,    eine  meinung   die    referent    nicht  theilen  kann, 
da  emendationen    die    meisten    anstösse   beseitigt    haben ;    statt 
oSelv  (1528)   schlagen  wir  daselbst    as  delp  vor,    eine  leichtere 
anderung  als  das  deov  oder  xqswv   anderer.  -*     Andere  conjec- 
turen  mit  ausnähme   jener    athetesen    und    einiger  orthographi- 
scher besserungen  finden  wir  bei  Ritter  nicht  viele;  einige  pas- 
sende   zu    den    chorgesängen ;    unnöthig    ist    aber   unter  diesen 
511    in1  für    an*  in  rqj  an    ifiäg  qigsvog,    wo    änb  ebenso   be- 
rechtigt ist  wie  682    dficpoiv   an     avroiv.      Im  übrigen    ist    die 
kritik  des  Verfassers  conservativ,  was  zwar  gegenüber  gewissen 
ausschreitungen    des    scharfsinnigen   Nauck,    vollends    bei   Her- 
werden  und  M.  Schmidt  keineswegs    zu   tadeln  ist.      Aber    hy- 
perconservativ    müssen   wir    es  doch  nennen,    wenn  1423  auch 
nach  Naucks  und  Meineke's  versetzungsvorschlägen,  nach  Her- 
wardens  und  Teuffels  annähme  einer  lücke    gar  kein  gedanken- 
hiatus  scheint  von  Ritter  anerkannt  zu  werden,  wenn  bei  v.  17 
die  ungeheuerliche  tmesis  in'  ijOeeov   XsxtoI  =  ini'XsxTot  und  die 
dreitheilung  gegenüber  Bentleys  Uqsvq  festgehalten    wird,    wäh- 
rend doch  vers  31 :    iyvo    und    oids  naidtg    die    blosse   zweitkei- 
lung  deutlich  ergeben;    wenn    v.  161    es    noch  als  möglich  er- 


Nr.  1.  13.  Sophokles.  35 

achtet  worden  xvxXosvt'  als  grammatisch  zu  ■&q6vov,  logisch  zu 
ayogäg  gehörig  zu  betrachten;  wenn  unser  herausgeber  920 
xattvypaaiv  festhält  gegenüber  dem  Wunderschen  xaTägyiiaaiv, 
welches  doch  nicht  nothwendig  gerade  einen  opferstier  bedeu- 
ten muss;  wenn  endlich  die  ungeheuerliche  erklärung  und  inter- 
punction  des  scholiasten  324 :  iyoo  ö'  ov  \ii[  nozs  J  za(tf  <ag  av 
unoi  [xtj  ta  a  ixqiTjvcQ  xaxd  wieder  aufgenommen  wird,  um  der 
nothwendigkeit  einer  weitern  emendation  als  arsinca  für  av 
Einco  zu  entgehen;  ich  lese  hier:  iym  5'  ov  fir/nois  16 
fivßog  avsCam  y  [xt]  xz\.  Kurz  für  erklärung  und  kritik  gerade 
schwieriger  stellen  finden  wir  in  der  Ritterschen  ausgäbe  wenig 
geleistet,  während  allerdings  verschiedene  beitrage  zur  kennt- 
niss  des  Sprachgebrauches  der  dramatiker  darin   zu  finden  sind. 

A.  H. 

13.  Individuelle  und  generische  erklärung  der  Electra  des 
Sophokles.  Eine  didaktische  skizze  für  freunde  des  gymnasial- 
unterrichts.  Zweiter  theil  (v.  324 — 803).  Einladungsschrift  zu 
den  Schlussfeierlichkeiten  des  Jahres  1871/72  an  der  königl. 
studienanstalt  zu  Nürnberg  von  Dr  Adolf  Weste rmayer 
k.  professoratsverweser.     Nürnberg,   1872. 

Die  arbeit  Westermayers,  von  welcher  das  obige  programm 
nur  einen  kleineren  theil  enthält,  ist  bestimmt,  Schülern  höherer 
gymnasialklassen  eine  anleitung  zu  selbständigem  Studium  des 
Sophokles  und  dramatischer  werke  überhaupt  zu  geben,  und 
daneben  auch  den  nicht  philologisch  gebildeten  freunden  des 
alterthums  die  kenntniss  eines  hervorragenden  werkes  der  grie- 
chischen kunst  zu  vermitteln.  Die  behandlung  ist  daher,  dem 
natürlichen  gange  des  Schulunterrichtes  entsprechend,  eine  von 
scene  zu  scene  fortschreitende,  womit  man  sich  ebensosehr  wird 
einverstanden  erklären  müssen ,  wie  mit  der  vorausschickung 
einer  prosaischen  Übersetzung  für  leser  der  oben  bezeichneten 
art.  Eine  wesentliche  förderung  für  die  Wissenschaft  kann  von 
der  schritt  ihrer  ganzen  anläge  nach  allerdings  kaum  bean- 
sprucht werden,  doch  wird  sie  immerhin  lehrern,  welche  auf 
dem  gymnasium  die  Elektra  zu  erklären  haben,  durch  ihre  kla- 
ren und  ansprechenden  erläuterungen   ein    nicht   unbrauchbares 

hülfsmittel  gewähren. 
L.  G. 

3* 


36  14.  Alte  historiker.  Nr.  1. 

14.  Antiochus  von  Syrakus  und  Coelius  Antipater  von 
Eduard  Wölfflin.  —  Winterthur  bei  J.  Westfehling.  In 
commission  bei  B.  G.  Teubner.  Leipzig.     8.     VIII  u.  99  s. 

Dem  philologischen  publikum  haben  wir  von  einer  Schrift 
zu  berichten,  welche  geeignet  ist,  in  weiten  kreisen  bemerkt  zu 
werden  und  anerkennung  zu  fiuden.  Der  Verfasser  legt  uns  in 
leichter  form  die  resultate  von  forschungen  vor,  die  er  mit  seiner 
philologischen  gesellschaft  angestellt  hat.  Indem  er  auf  empi- 
rischem wege  „lexikalisch"  forschend  vorgeht  und  sich  „ein 
mikroskop "  zur  Untersuchung  der  Schriftsteller  „konstruirt", 
kommt  er  zur  entsckeidung  der  schwierigsten  fragen. 

Antiocbus  von  Syracus  wird  auf  p.  1— - 21,  Caelius  von  p.  22 — 
99  behandelt.  Der  erste  aufsatz  geht  von  Thuc.  6,  2 — 5  aus. 
Die  frage,  ob  Thukydides  die  dort  gegebene  geschichte  der  koloni- 
sation  von  Sicilien  eigenen  forschuugen  oder  einer  vorhandenen 
quelle  verdanke,  wird  auf  dem  wege  „lexikalischer  Sprachfor- 
schung" dahin  beantwortet,  dass  Thukydides  hier  ausschliesslich 
der  2!txeXiaizig  ovyyQayrj  des  Antiochus  folge.  Wölfflin  hebt 
zunächst  p.  4  einige  vom  thucyd ideischen  Sprachgebrauch  ab- 
weichende Wendungen  in  der  stelle  6,  2  —  5  hervor:  2,  1:  nct- 
XawTuToi,  sonst  bei  Thukydides  TtaXaiiaroi ;  3,  1 :  ßapog  ogzig 
=  off,  eine  ionische  wendung ,  die  auf  ionische  quelle  weise, 
4,  2  zovg  '  Tßlaiovg  ttltj&svTag ,  sonst  nur  yaXov^dovg ;  3,  2 
zov  iftOfnivov  tzovg,  wo  i^sa&ai  temporal,  was  sonst  nur  lo- 
kal gebraucht  wird;  und  endlich  weicht  2,  5  'izr\  iyyiig  zgid- 
xovza,  4,  4  und  ebenso  5,  3  iyyvraza  für  fidXiaza^  vom  ge- 
brauch des  Thukydides  ab.  So  findet  Wölfflin  ein  frem- 
des stilistisches  gewebe  auf,  das  von  Thukydides  nur  mangel- 
haft überkleidet  ist.  Die  spracbe  (p.  5  —  6)  deutet  darauf  hin, 
dass  der  gewährsmann  des  Thukydides  ein  Grieche  war;  seine 
Zeitrechnung  bestimmt  in  auffallender  weise  alles  nach  der  grün- 
dung  von  Syrakus,  setzt  aber  das  jähr  derselben  als  bekannt 
voraus;  er  war  also  ein  Syrakusaner,  mit  anderen  Worten  An- 
tiochus (p.  7 — 8).  Der  zufall  hat  uns  den  anfang  seines  7za- 
Xiag  olxiopog  bei  Dion.  Hai.  Aß.  I,  12  erhalten,  und  der  hebt 
gerade  an:  Tijv  yijv  zavtijv,  r\ng  vvv  'haXia  xalehai.  Wir  ha- 
ben also  einen  „kameraden"  zu  dem  ßcopog  Saug;  einen  hin- 
weis  auf  Antiocbus,  wie  ihn  der  philologe  nicht  deutlicher  wün- 
schen kann. 


Nr.  1.  14.  Alte  historiker.  37 

Wir  müssen  uns  begnügen  ,  in  diesen  wenigen  zeilen  die 
methode  des  Verfassers  auzudeuten ,  der  von  sicherer  grundlage 
aus  mit  klarheit  fortschreitet ;  und  wenden  uns  zum  zweiten, 
bei  weitem  umfangreicheren  aufsatze. 

Unter  der  Überschrift  Coelius  Antipater  behandelt  Wölff- 
lin  von  p.  22  an  die  frage  nach  den  quellen  des  XXI.  buches 
des  Livius.  Die  Untersuchung  geht  sprungweise  vor  und  ein- 
seitig, insofern  nur  die  im  allgemeinen  auf  Coelius  zurückzufüh- 
renden capitel  in  acht  gesonderten  nummern  behandelt  werden. 
Kritische,  stilistische  bemerkungen  bilden  überall  die  grundlage 
und  werfen  ihr  licht  auf  die  von  Livius  benutzten  quellen. 
Dem  Verfasser  zerfällt  das  21.  buch  in  zwei  theile;  einen  wört- 
lich aus  Polybius  und  einen  aus  Coelius  stammenden,  welche 
beide  mit  einander  kontaminirt  sind.  Ueberall  wird  Coe- 
lius ,  der  Jurist ,  als  absichtlicher  verdreher  von  thatsachen 
im  interesse  des  vermeintlichen  ruhmes  seiner  nation  blosge- 
stellt:  p.  19—32;  p.  37—40;  p.  50—62;  im  übrigen  ist  sein 
charakter  als  rhetor  bekannt,  6owie_ seine  Sorglosigkeit  in  geo- 
graphischen dingen ,  p.  47  ff.  Im  wesentlichen  geht  auf  ihn 
der  grösste  theil  des  21.  buches  zurück;  dagegen  sind  nament- 
lich gefechtsberichte ,  der  marsch  über  die  Alpen,  aus  Poly- 
bius entlehnt,  jedoch  so,  dass  rhetorisch  gefärbte  stellen  aus 
Coelius  gleich  grellen  Schlaglichtern  darauf  gesetzt  sind ,  p. 
47.  Leider  sind  die  stellen,  welche  auf  Coelius  und  die,  wel- 
che auf  Polybius  zurückgehen  sollen,  nicht  immer  genau  nach 
capitel  und  paragraph  geschieden;  auch  ist  manches  nicht  er- 
klärt; so  z.  b.  die  rückreise  der  letzten  gesandtschaft  von  Kar- 
thago über  Spanien  und  Gallien  nach  Eom,  Liv.  21,  19,  6 — 20, 
die  wir  doch  nicht  unbedingt  auf  Coelius  zurückführen  möchten. 
Einen  beweis,  dass  die  mit  Polybius  übereinstimmenden  stellen 
wirklich  aus  demselben  stammen,  hat  der  Verfasser  nicht  ange- 
treten; und  doch  sollten  wir  meinen,  müsse  es  leicht  sein,  an- 
klänge an  Polybius  darin  zu  finden,  wie  diese  meistens  vorhan- 
den sind,  wenn  Livius  wirklich  den  Polybius  benutzt.  Indes- 
sen lag  dies  wohl  ausser  des  vfs.  absieht;  doch  hat  es  immer 
sein  missliches,  den  einen  theil  der  frage  ohne  den  anderen  zu 
behandeln. 

In  betreff   der  für  die  quellenforschung   gewonnenen  resul- 
tate  wird  man  in  vielen  punkten  dem  verf.  beistimmen  müssen, 


38  14.  Alte  historiker.  Nr.  1. 

und  die  benutzung  des  Coelius  in  dem  grössten  theile  des  bu- 
ches  zugeben.  Dagegen  müssen  wir  wieder  daran  erinnern,  dass 
doch  eine  contamination,  ein  verweben  zweier  traditionen  zu  ei- 
ner, das  corrigiren  des  einen  autors  nacb  dem  anderen,  so  viel 
bis  jetzt  feststellt,  nicht  die  art  war,  in  der  Livius  arbeitete. 
Sollte  Livius  wirklich  geglaubt  haben,  die  schöne  Schilderung  des 
Polybius  vom  Alpenübergange  durch  einige  an  falscher  stelle  aufge- 
setzte Schlaglichter  zu  verschönern,  während  er  dies  sonst  nicht 
thut  ?  Oder  wenn  er  wirklich  die  autorität  des  Polybius  in  geo- 
graphischen dingen  so  hoch  stellt,  warum  erzählt  er  nicht  auch 
den  marsch  bis  an  die  Alpen  nach  ihm  und  entscheidet  den  streit 
über  den  benutzten  pass  mit  seiner  autorität?  Dass  er  dies 
nicht  gedurft  habe,  weil  Polybius  ein  Grieche  sei,  in  einer  für 
das  nationalgefühl  so  indifferenten  sache,  ist  doch  ziemlich 
schwach  (p.  57);  durfte  doch  Coelius  in  seinem  nationalen 
werke  den  Silen,  den  Griechen  im  punischen  lager,  unbedenk- 
lich benutzen.  Vielmehr  wird  nach  Wölfflin  Livius  selbst  jetzt 
zum  falscher;  oder  wie  sollen  wir  es  anders  nennen,  wenn  er 
trotz  besseren  wissens  den  namen  def  Allobroger  weglässt, 
p.  49 ;  wenn  er  p.  72 — 73,  um  eine  doppelrelation  zu  verein- 
baren, die  bei  Polybius  angegebenen  Winterquartiere  „unterdrückt" ! 

Doch  trotz  etwas  abweichenden  Standpunktes  bleibt  des 
trefflichen  genug  anzuerkennen.  Dahin  rechnen  wir  die  lehr- 
reiche art,  in  welcher  p.  23 — 27  gezeigt  wird,  wie  Livius  das 
archaistische  latein  seines  Vorgängers  bearbeitete,  jedoch  nicht 
so,  dass  nicht  noch  einige  spuren  desselben  zu  finden  wären; 
wie  dagegen  Cicero  die  alten  ausdrücke  ohne  weiteres  aufnahm, 
nachdem  er  den  urheber  genannt:  Liv.  21,  22,  5  und  Cic.  de 
Divin.  1 ,  24,  9.  Dahin  rechnen  wir  ferner  den  kritischen  an- 
hang,  p.  84 — 99,  mit  bemerkungen  über  livianischen  styl,  werth 
der  handschriften,  und  über  corruptelen,  welche  den  gediegenen 
kenner  des  Livius  uns  überall  zeigen. 

Jedenfalls  wird  auch  der,  welcher  den  gewonnenen  resulta- 
ten  nicht  in  allen  punkten  beistimmt,  die  schritt  reich  an  beleh- 
rung  und  anregung  finden,  und  zugeben,  dass  die  gut  und 
schlecht  überlieferten  partien  des  21.  buches  des  Livius  noch 
nie  so  deutlich  geschieden  und  der  grund  der  verderbten  Über- 
lieferung mit  so  überzeugender  klarheit  dargelegt  ist. 

F.  F. 


Hr.  1.  15.  Thukydides.  39 

15.  Kleine  beitrage  zur  erklärung  und  kritik  des  Thuky- 
dides (I.  theil),  von  Dr  Hünnekes,  rector  des  progymnasiums 
zu  Prüm.     4.     Cleve  1871. 

16.  Proceedings  of  the  American  Academy  of  tue  arts  and 
sciencgs,  Cambridge,  June  14,  1864.  Professor  Goodwin 
presented  I.  note  on  Thukydides  I,  22. 

17.  Der  abschluss  des  50jährigen  friedens  bei  Thucydides 
Von  Julius  Steup,  Eh.  Mus.  N.  F.  XXV,  p.  273—305. 

18.  Thukydides  reden  und  Urkunden  aus  dem  peloponne- 
sischen  kriege,  übersetzt  mit  dem  wichtigsten  aus  der  kriegsge- 
schichte  von  Carl  Beck,  dekan  in  Reutlingen.  8.  Halle  1871. 

Es  ist  eine  freude ,  auf  eine  so  sinnige ,  eingehende  for- 
schung  aufmerksam  zu  machen,  wie  die  unter  nr.  15  genannte. 
Auch  sie  bezeugt  es  ihrerseits,  wie  wacker  und  erfolgreich  jetzt  im 
Thukydides  gearbeitet  wird.  Der  vf.  nennt  seine  schritt  „kleine 
beitrage",  und  allerdings  sind  sie  einzeln  meist  von  geringem 
umfang,  aber  es  sind  ihrer  im  ganzen  145,  und  wir  dürfen  sa- 
gen, es  ist  kein  kleines,  was  hier  dem  Thukydides  gu  gute 
kommt.  Zwar  befürchtet  der  vf.  in  einer  anmerkung  nicht 
ganz  mit  unrecht,  dass  er  wegen  der  dürftigkeit  seiner  schul- 
bibliothek  inmitten  der  Eifel  auch  wohl  einmal  schon  von  an- 
dern gesagtes  als  neues  vorgebracht  oder  fremdes  nicht  gehö- 
rig berücksichtigt  habe.  Doch  muss  man  sagen,  dass  ihm  bei 
diesem  mangel  an  äussern  mittein  seine  eigne  solide  gelehrsam- 
keit  und  gute  genaue  kenntniss  des  Schriftstellers  trefflich  aus- 
geholfen hat,  wenn  man  auch  dabei  den  wünsch  nicht  unter- 
drücken kann,  dass  entweder  solche  wackre  kraft  selbst  näher 
an  die  grosse  Strasse  des  Verkehrs  verpflanzt  oder  ihr  in  die 
abgelegenen  berge  reichlichere  mittel  zugeführt  werden  möch- 
ten. Wir  können  im  folgenden  nur  die  ersten  etwa  zehn  stel- 
len der  schritt  etwas  eingehender  besprechen  und  dürfen,  wo 
wir  nicht  einverstanden  sind,  deswegen  abseifen  des  vf.  nicht 
sorgen,  weil  sich  bei  ihm  das  reine  interesse,  das  nur  dem 
schriftsteiler  gilt,  auf  jeder  seite  anfühlen  lässt.  Durch  diese 
volle  hingäbe  an  den  Schriftsteller  hat  er  in  diesen  beitragen, 
auch  wo  eins  oder  das  andere  ihm  missrathen  sein  dürfte,  zum 
tieferen  verständniss  desselben  eine  reiche  fülle  von  schätzen 
geliefert,  die  keiner,  der  sich  specieller  mit  Thukydides  be- 
schäftigt,  ohne  schaden  unberücksichtigt   lassen  wird,   und  die 


40  15.  Thukydides.  Nr.  1 

nach    dem    in    aussieht   gestellten  zweiten   theil   und   weiterem 
grosses  verlangen  erwecken. 

Die  erste  stelle ,  die  der  vf.  bespricht,  ist  leider  für  das 
herrliche  werk  kein  nQÖaconov  zqXavyeg  geworden.  Er  will  für  /, 
31, 1 — 3  (Bekk.),  die  vielleicht  schwierigste  stelle,  wie  er  meint,  im 
ganzen  Thukydides,  noch  einen  neuen  versuch  wagen.  Es  ist 
dieser :  xai  vor  tr)v  nqöaooov  verbindet  anoatTJocoaiv  und  yCyvr]rai, 
xai  vor  apa  heisst:  auch,  aviotg  nach  iqoQpÜGiv  geht  auf 
die  Athener  vor  Mytilene,  acpiaiv  auf  die  Lacedämonier,  und 
danavT]  heisst:  (aufzuwendende)  mittel.  So  übersetzt  er  denn: 
„und  damit,  wenn  sie  diese  so  bedeutenden  einkünfte  der  Athe- 
ner wegnähmen,  auch  zugleich,  wenn  sie  dieselben  blokiren 
wollten,  sich  ihnen  die  mittel  dazu  böten".  Bei  dieser  auffas- 
sung  soll  jede  Schwierigkeit  sowohl  in  sprachlicher  wie  in  sach- 
licher beziehung  gehoben  sein.  Doch  ist  diese  erklärung  nach 
beiden  seiten  unmöglich.  Denn  1)  fällt  dann  für  den  Schrift- 
steller aller  grund  weg,  warum  er  die  worte :  ttjv  tiqoqooov  rav- 
TTjv  fisyiatTjv  ovauv  'A&tivalmv  rjv  acpelcöai,  überhaupt  noch  sa- 
gen sollte.  Der  inhalt  dieses  satzes  ist  in  dem  vorhergehenden 
ttjv  'Iiov'av  ajroaTtjocoaiv  schon  vollkommen  eingeschlossen,  ist 
allen  selbstverständlich  mit  ihm  gegeben,  und  durfte  nur  dann 
besonders  hervorgehoben  werden,  wenn  neben  dem  geldverlust, 
den  der  abfall  Ioniens  für  Athen  hatte,  noch  ein  anderer  geldver- 
lust der  Athener  zu  erwähnen  war.  Dann  2)  wäre  der  Vorschlag, 
der  dem  Alkidas  so  gemacht  würde ,  durch  blokade  die  Athe- 
ner zur  Übergabe  Mytilene's  zu  zwingen,  für  die  damaligen  Ver- 
hältnisse etwas  geradezu  ungeheuerliches.  Nur  bei  einer  Über- 
rumpelung hatte  Teutiaplos  an  einen  erfolg  gedacht,  bei  einem 
xaivbv  tov  noXsuov ;  Teutiaplos  selbst  also  hielt  eine  blokade 
für  unmöglich,  und  nun  sollte  sich  jemand  beigehen  lassen, 
dem  Alkidas  einen  Vorschlag  auf  schwierigeres  zu  machen, 
wenn  er  schon  das  geringere  verweigert  hatte?  Und  3)  kann 
xai  äua  dandv?]  cscpiai  ytyvtjzai  niemals  heissen :  „auch  zugleich 
sich  ihnen  die  mittel  dazu  böten".  An  den  zwölf  stellen,  wo 
banävt]  im  singular  im  Thukydides  vorkommt,  auch  an  den 
drei  vom  vf.  angeführten,  heisst  es:  der  aufwand  von  mittein, 
nicht  die  mittel  zum  aufwand,  wie  dies  auch  in  der  wurzel  des 
Wortes  liegt  [San  —  da  —  Öat'w),  und  daher  kann  auch  danäpt] 
ytyv&Tai,  was  im  Thukydid es  nur  hier,  und  ßoviel  ich  sehe,  in  der 


Nr.  1.  15.  Thukydides.  41 

ganzen  gräcität  nicht  wieder  erscheint,  nur  bedeuten,  es  entstehen 
kosten,  und  nicht:  es  werden  einem  die  mittel  zur  bestreitung 
von  kosten.  Ist  aber  die  auffassung  des  vf.  unstatthaft,  so  sind 
doch  im  obigen  die  demente  für  die  richtige  erklärung  der 
Überlieferung  schon  beisammen.  Was  der  vf.  über  die  beiden 
xai  sagt,  ist  richtig,  ?jv  icpooiA<ä<5iv  aviolg  aber  heisst:  wenn  die 
Athener  sie,  d.  h.  die  abgefallenen  Ionier  blokiren,  und  ocftai 
sind  die  Athener,  die  in  lyoQuäoiv  Subjekt  geworden  sind. 
Das  ganze  also  heisst:  ,, damit  sie  Ionien  zum  abfall  brächten 
und,  wenn  sie  den  Athenern  diese  grössten  einkünfte  nähmen, 
ihnen  auch  zugleich  durch  eine  blokade  Ioniens  Unkosten  ent- 
ständen". Das  ist  was  man  dem  sinne  nach  hier  gebraucht 
(man  vgl.  y,  33,  4) ,  und  auch  über  die  spräche  darf  man  be- 
ruhigt sein.  Denn  wenn  auch  sonst  der  gewöhnliche  ausdruck 
xai  ctfxa  xai  ist,  wie  ö',  117,  9;  s,  4,  23;  c,  25,  8 ;  #,  80,  22,  so 
sieht  man  hier  den  grund  der  änderung  leicht.  Dem  apu,  das 
an  ein  moment  ein  zweites  anreiht,  geht  das  erste  allemal 
voran,  so  in  jenem  8f  117:  die  Verhinderung  der  erobernden 
fortschritte  des  Brasidas.  Das  war  hier  in  den  Worten:  oncog 
Typ  'lcovCav  äTzoorTJacoaiv,  noch  nicht  geschehen ;  nothwendig 
musste  also,  wenn  hier  durch  aua  eine  zweite  Schwierigkeit  des 
athenischen  budgets  bezeichnet  werden  sollte,  die  erste  voraus- 
geschickt sein,  also  nach  dem  ersten  anschliessenden  xai  vor 
aua  erst  jenes  erste  moment,  also  der  satz  :  i^v  nqögobov  — 
tjv  acpsXmaiv  folgen;  worauf  kein  grund  mehr  vorlag,  mit  a\ia 
xai  fortzufahren,  weil  die  beiden  xai  schon  durch  den  Zwischen- 
satz auseinander  gebracht  waren.  Dem  daaatq  aqu'ai  yiyvqrai 
geht  aber  wiederum  der  begründende  satz  ebenso  natürlich  voran, 
wie  in  jenem  ö,  117  d  xaXmg  acpiai  £%oi  dem  xai  <-vußrjvai  ra 
aXeico.  Endlich  darf  das  erst  spät  nach  dem  object  eintretende 
ijv  z.  2  keinen  anstoss  geben;  man  vgl.  ß,  13,  12;  &,  58,  23; 
a,  120,  1;  y,  40,  3  zw;  (*,  18,  8  (und  a,  82,  23,  worüber 
unten). 

Was  der  vf.  über  a,  69,  25  und  «,  121,  10  sagt,  ist  voll- 
kommen richtig,  auch  y,  39,  19  ist  der  sinn  in  der  hauptsache 
richtig  wiedergegeben ,  aber  es  ist  zu  viel  behauptet ,  dass 
xat  nicht  in  engster  beziehung  zu  vvv  stehe.  Wegen  des  xai 
vor  näXai  gehört  auch  xai  vvv  zusammen :  wie  ihr  vordem  die 
Mytilenäer  nicht  bevorzugen  solltet,    so    müsst   ihr's   auch  jetzt 


42  15.  Thukydides.  Nr.  1. 

nicht.  Das  ist  dem  ge danken  nach  die  gegenüberstellung ,  nur 
dass  zur  präcisirung  des  einzelnen  andere  worte  gebraucht  sind. 
Hätte  der  vf.  in  seiner  Übersetzung  nicht  das  xaC  vor  näXai 
ausgelassen,  so  würde  er  selbst  mit:  auch  jetzt  haben  fort- 
fahren müssen. 

Im  dann  folgenden  ö,  98,  11  hält  er  Eeiske's  vermuthung: 
xa7eiQyo/.i£v(p  für  durchaus  geboten,  nimmt  77«?  als  subjektsac- 
cusativ  und  übersetzt  ^vyyvosfiöv  zi  yiyvea&ai:  excusationem  aliquant 
habet.  Das  ganze  heisst  ihm :  »  „es  sei  natürlich,  dass  jegliches 
(bei)  einem  durch  krieg  und  überhaupt  irgend  eine  noth  be- 
drängten einige  nachsieht  finde  auch  von  Seiten  des  gottes". 
Doch  möchte  er  für  ngog  zov  &sov  lesen:  nqog  zov  #c/oi>,  weil 
die  bezeichnung  auf  einen  bestimmten  gott  in  dem  allgemein 
ausgesprochenen  satz  seltsam  erscheine.  Classen  hatte  näv  ad- 
verbial genommen  im  sinne  von:  durchaus,  jedenfalls,  und  da- 
für auch  «,  70,  2 :  xal  mg  näv  diacpsgovzag  angeführt.  Nach 
dem  vf.  soll  näv  daselbst  heissen :  in  jeder  beziehung,  aber 
hätte  Classen  sich  nicht  auch  diese  Übersetzung  für  sein:  näv 
ö'  elnog  gefallen  lassen  können?  In  jeder  beziehung,  d.  h. 
durchaus  natürlich  sei  es  u.  s.  w.  Classen  hatte  ferner  ^vyyvtO' 
fiov  zi  als  prädicat  zu  näv  als  Subjekt  befremdlich  gefunden. 
Der  vf.  findet  das  nicht,  bringt  aber  doch  eigentlich  keine  recht- 
fertigung  des  ausdrucks  vor.  Denn  wenn  s^ovze'g  zi  %vyyvoj[tt]g 
in  y,  44,  29  sehr  selbstverständlich  ist,  warum  denn  das  zi 
wie  hier  nicht  auch  bei  ^vyyvmfxov  in  y,  40,  3 :  ^vyyvmnov  8 
iazi  zo  oMovaiov ,  welche  stelle  vor  allen  zur  vergleichung  be- 
achtenswerth  war.  Und  Classens  letztes  bedenken,  dass  bei 
näv  als  subjekt  dann  xazeigyeiv  mit  sachlichem  objekt  stehe, 
übergeht  der  vf.  mit  stillschweigen.  So  will  es  mir  scheinen, 
als  hätte  der  vf.  hier  eigentlich  noch  keinen  beruf  gehabt,  sich 
gegen  Classen  vernehmen  zu  lassen ,  denn  was  er  zu  sagen 
hatte,  konnte  ihm  selbst  noch  keine  Sicherheit  geben.  Ich  denke, 
die  sache  ist  weit  anders.  Unser  vf.  fühlt  6ehr  richtig ,  dass 
nagä  zot  &eov  in  keinen  allgemeinen  satz  gehört.  Aber  nun 
musste  er  auch  besonnener  weise  sogleich  weiter  sagen:  also  ist 
dieser  satz  ,  um  den  es  sich  handelt,  kein  allgemeiner,  sondern 
ein  specieller,  und  zwar  ein  ganz  specieller,  der  es  mit  ei- 
ner officiellen  rechtfertigung  auf  eine  officielle  beschwerde  zu 
thun  hat.     Auf  die  beiden  vorgebrachten  anklagen  der  Böoter, 


Nr.  1.  15.  Thukydides.  43 

sich  de?  heiligthums  und  des  heiligen  brunnens  zu  enthalten, 
hatten  die  Athener  bis  zum  fraglichen  satz  eingehend  geant- 
wortet. Das  dritte  stand  noch  aus,  was  die  Böoter  in  den  Wor- 
ten vorgebracht  hatten,  c.  97,  z.  24:  xal  oaa  äv&Qanoi  iv  ßs- 
ßfacp  dgcaGiv  ,  nävza  yiyvea&ai  avzo&i.  Das  ist  nun  der 
punkt,  auf  den  die  Athener  in  unserm  satze  die  antwort  ge- 
ben: näv  ö'  slxog  £ivai  zq>  Tzolzpcp  xal  Öeivm  Zivi  xazsigyä/xarov 
^vyyvm(i6v  zi  ylyvsa&ai  xal  Ttgog  zov  &sov.  So  ist  überliefert 
und  so  ist  auch  zu  lesen  und  zu  verstehen,  llobg  zov  &eov 
ist  gesagt;  also  um  den  Apoll  handelt  es  sich,  in  dessen  na- 
men  die  Böoter  die  Athener  fortgewiesen  hatten,  c.  97,  29,  und 
um  das  handelt  es  sich,  worauf  die  Athener  in  ihrer  antwort 
den  Böotern  bisher  noch  nicht  gedient  hatten  ,  was  noch  sonst 
ungebührliches  durch  sie  im  heiligthume  vorkommen  sollte.  Sie 
bleiben  auch  hier  die  specielle  antwort  selbst  bis  auf  das  einzelne 
wort  nicht  schuldig.  Die  Böoter  hatten  gesagt:  xal  oaa  äv- 
&Qoonot  iv  ßeßrjXcp  domaiv,  nävza  yCyvea&ai,  avzö&i;  die  Athener 
sagten  darauf:  näv  —  xazuoyofiwov  —  yiyvsa&ai,  ein  jedes, 
was  aufgenöthigt  werde,  geschehe.  Darum  also  ist  näv  noth- 
wendig  Subjekts  -  accusativ ,  und  steht  im  ganzen  satze  voran, 
so  gut  vorher  v8coq  vorangestanden  hatte.  Häv  —  xazeigyo- 
(asvov,  nicht  näv  zo  xazsioyopEvov,  auch  die  Böoter  hatten  all- 
gemein gesprochen,  oaa  —  nävza,  solche  dinge  lassen  sich 
eben  nicht  zählen  und  bestimmen.  Dabei  kommt  xazslgyco  al- 
lerdings im  Thukydides,  bei  dem  es  im  ganzen  nur  fünfmal 
erscheint  (einmal,  d}  47,  33:  xa&ETol-av) ,  nicht  mit  sachlichem 
objekt  vor,  aber  doch  sonst:  Plut.  Pomp.  c.  53  und  Morr.  p. 
445  D.,  und  vergeblich  würde  man  sich  nach  einem  worte  um- 
sehen, das  für  die  Situation  der  Athener  hier  besser  passte. 
Sodann  ist  eben  so  sehr,  wie  näv  —  xazsigyofxsvov  nicht  den 
artikel  zwischen  sich  haben  darf,  zw  nole'ficp  nothwendig,  denn 
gerade  über  das,  was  ihnen  augenblicklich  aufgedrungen  wird, 
haben  die  Athener  sich  zu  rechtfertigen,  und  so  entschuldigen 
sie  sich  tw  nolepcp,  in  welchem  sie  eben  begriffen  sind,  und 
durch  alle  die  nicht  weiter  zu  definirenden  nöthen,  die  er  herbei- 
führt, xac  8siva>  zivL  Wir  gebrauchen  also  zip  noXs'fiop,  um  nur 
stellen  aus  dem  ersten  buch  anzuführen,  wie  «,  22,  6  ;  55,  11; 
81,  18;  115,  9,  und  nicht  noXi^  wie  «,  2,  10;  34,  2;  97,  1; 
103,  33;   120,  16:  140,  14.      Und  nun  endlich  %vyyvu)tu6v    zi 


44  15.   Thukydides.  Nr.  1. 

yiyvsaüai.  Ich  frage  den  vf. ,  wenn  ^vyyvcopov  «  yiyvsrai  hei- 
ssen  soll:  excusationem  aliquam  habet,  warum  hat  der  schriftstei- 
ler dann  hier  nicht  gesagt,  wie  sonst:  <-vyyvc6n?]g  zi  l^fitv,  y, 
44,  29;  ^vyyväfitjv  '£%siv,  y,  39,  29;  oder  ^vyyvco^g  xvyyü.vuv 
wie  rj,  15,  12;  oder  ^vyyva(X7]v  Xrjipsa&cu  wie  y,  40,  1?  Das 
ist  wenigstens  seine  gewohnte  ausdrucks weise,  und  Thukydides 
hat  immer  seinen  grund,  wenn  er  die  verlässt.  ^tyyv(0(i6v  ti 
yiyvsrai  im  sinne,  wie  der  vf.  will,  muss  ich  behaupten,  konnte 
Thukydides  nicht  sagen;  sonst  hat  er  noch  ^vyyvmfxrj  absolut, 
«,  32,  1;  ö,  61,  28;  e,  88,  21;  oder  ^vyyvm^v  slvai  8,  114, 
7  ;  &,  50,  2;  er  kennt  also  nur  sati  oder  slvai.  bei  %vyyt>(6fir], 
wie  es  auch  allein,  wenn  man  sich  es  einmal  klar  vorstellt,  zum 
begriff  von  ^vyyruui]  passt;  und  nun  gar  hier,  wo  die  Athener 
doch  gewiss  nicht  sagen  werden ,  dass  was  man  ihnen  als  ein 
bereits  begangenes  unrecht  vorwirft,  bei  dem  gotte  zu  einem 
verziehenen  erwachsen  werde.  Entweder  es  ist  verziehen  oder 
es  ist  es  nicht ;  so  heisst  es  denn  auch  y,  40,  3,  das  einzige 
mal,  wo  dasselbe  adject.  neutr.  gen.  des  wortes  wiederkehrt :  %vy- 
yvcofiov  ö'  ißri  ro  dxovaiov.  riyvsa&ai  und  ^vyyrcopov  an  un- 
serer stelle  gehören  aber  nicht  eng  zusammen,  sondern  das 
ytyvea&ai  hier  in  der  rechtfertigung  ist  dasselbe  yt'yveo&ai  in 
der  anklage,  und  so  heisst  denn  das  ganze:  „natürlich  aber 
sei  es,  dass  ein  jedes,  was  sich  ihnen  durch  den  krieg  und  ir- 
gend eine  noth  aufdränge,  geschehe  als  etwas  auch  vom  gotte 
verziehenes".  Jetzt  sieht  man,  warum  ii  gesagt  ist,  und  auch 
nur  dieser  sinn,  der  mit  der  Überlieferung  xaTstQyöpevov  gewon- 
nen wird,  trifft  das  richtige  mass  dessen ,  was  die  Athener  be- 
haupten können,  nicht  aber  was  sich  bei  der  änderung  xareiQ- 
yofAsvop  ergiebt,  da  doch  die  Athener  nicht  gemeint  sein  können, 
dass  einem,  der  durch  krieg  und  noth  bedrängt  werde ,  alles 
und  jedes  (auch  das  durch  den  krieg  nicht  veranlasste)  zu  thun 
erlaubt  sei. 

In  der  folgenden  stelle  £,  10,  17  zw.:  ol  de  avzov  avatga- 
cpepjse  bnlltaif  inl  tov  Xoyov,  bringt  vf.  für  avtov  einen  Vor- 
schlag, wie  es  scheint,  um  aus  dem  dilemma  zu  kommen,  ob 
er  es  mit  Poppo  für  das  pronomen  oder  mit  Krüger  für  das 
localadverb  nehmen  soll.  Er  fragt  in  Bekkerscher  kürze  an : 
avzoi?  und  vergleicht  8,  4,  14  und  ?/,  128,  14.  Aber  so  gut 
avjol  gemeint  ist,  wollen 'wirs  doch  lieber  nicht  nehmen,    denn 


Nr.  1.  15.  Thukydides.  45 

es  ist  stillschweigends  auch  ohne  dies  da.  Denn  wenn  es  vor 
her  von  diesem  rechten  flügel  der  Athener  heisst  z.  13:  epave 
fiäXXor,  vom  Kleon  aber  sogleich  sv&vg  cpevycov  gesagt  wird, 
so  versteht  es  sich  von  selbst ,  dass  was  die  hopliten  gethan, 
sie  aus  sich  selbst,  ohne  ihren  befehlshaber  gethan  haben.  Da- 
gegen ist  avzov  nicht  zu  entbehren.  Natürlich  ist  es  adverb, 
nicht  pronomen.  Wo  hat  denn  Thukydides  je  von  den  krie- 
gern  eines  griechischen  feldherrn  oi  avzov  azgaziärai  gesagt? 
Das  geschieht  nie  ohne  eine  präposition:  ß,  80,  25;  y,  102, 
17.  21;  107,  19;  d,  25,  24;  38,  34;  v,  43,  14  zw.;  52,  3; 
81,  26;  82,  18;  83,  29;  0,  71,  31;  90,  32;  92,  11  zw.-,  94, 
6.  Nur  die  krieger  eines  asiatischen  despoten  sind  wie  sein 
eigenthum,  daher  &,  25,  16.  18;  #,  108,  6;  109,  9.  Dage- 
gen hat  Thukydides  das  localadverb  avzov  oft  genug,  im  gan- 
zen 32  mal,  wozu  ich  auch  8,  30,  31  rechne,  wo  kein  grund 
ist,  von  der  Überlieferung  avtov  abzugehen,  weil  es  ohnerachtet 
der  Stellung  sich  an  eläaaoai  anschliesst  und  ein  avzovg,  das 
ohnedies  im  satze  keinen  bezug  hätte,  wegen  d,  16,  10  und 
14  lieber  entbehrt  wird.  Das  avzov  nun  an  unsrer  stelle  ist 
äusserst  significant.  Es  stellt  die  wackern  hopliten  in  scharfen 
gegensatz  zu  dem  sv&vg  (fsvymv  des  Kleon  und  brandmarkt  die- 
sen ebenso  sehr  ein  zweites  mal,  wie  ihn  schon  die  angäbe 
vom  myrkinischen  peltasten  gebrandmarkt  hatte. 

Es  folgt  sodann  eine  schöne  sorgfältige  besprechung  von 
«,  82,  22 — 28.  Ohne  zweifei  ist  die  stelle  nur  mit  der  Va- 
riante nal  za  avzmv  verständlich,  und  ich  freue  mich,  dass  der 
vf.  das  gesehen.  Denn  zu.  rjfit'zeg'  uvzcov  verlangt  einen  gegen- 
satz, der  nur  durch  die  bundesgenossen,  ttai  za  avzäv,  gegeben 
ist.  Aber  ich  hoffe  doch,  der  vf.  wird  zugestehen,  dass  die 
sache  noch  ein  wenig  anders  ist,  als  er  sie  will.  Kai  vor  za 
rjuezso"1  avzäv,  sagt  er,  gehört  zum  ganzen,  und  macht  nun  nach 
i^aozvea&ai  ein  punkt.  Das  erste  ist  nicht  der  fall,  und  das 
andere  darf  nicht  geschehen  ,  und  so  erst  bekommt  das  ganze 
seine  rechte  übersichtliche  lesbare  gestalt.  Denn  was  soll  ich  mir 
dabei  denken:  v.ut  gehört  zum  ganzen  v.a\  za  hytitt^  avzüv  i%ag~ 
tvea&ai?  Soll  das  heissen  :  durch  dieses  «at  wird  das  folgende 
Satzglied  dem  vorhergehenden  gegenübergestellt  ?  Das  kann 
eben  des  zu  ?)^5r«p'  avzäv  wegen  nicht  geschehen,  das  noth- 
wendig  die  bundesgenossen  zum  gegensatz  verlangt  und  deswe-. 


46  15.  Thukydides.  Nr.  1. 

gen  schon  auf  das  folgende  hinweist.  Diesem  xai  vor  tu  tjfii- 
7£q'  avtäv  entspricht  also  das  xai  vor  %a  avxStv  z.  28,  und  so- 
mit ist  also  nach  i^agTvsa&ai  kein  punkt  zu  setzen ,  sondern 
ein  komma,  und  der  Zusammenhang  des  ganzen  ist  also 
dieser:  „und  inzwischen  sowohl  unsere  eignen  mittel  in  Be- 
reitschaft zu  setzen,  als  auch  von  noch  auswärts  zu  su- 
chenden bundesgenossen  die  ihnen  zustehenden  mittel  uns  zu 
wege  zu  bringen".  Ich  sehe  wohl,  dass  der  vf.  sich  durch 
seine  weise  das  sxaoQi^wfis&a  neben  dem  i^agTvsa&ai  hat  mil- 
dern wollen ;  aber  ist  denn  xslsvoo  i^aQzvsa&ai  und  ixaoQi£(6- 
fxe&a  nicht  geradezu  dasselbe,  und  ist  nicht  das  selbständig  auf- 
tretende tnnoQit,(i)fxi&a  hier  eine  viel  leichtere  spräche,  als  wenn 
nach  einem  so  langen  vorbereitenden  Zwischensatz  mit  ixnogi- 
^ea&ai  noch  an  jenes  obige  xeXsvoo  wieder  angeknüpft  wäre  ? 

Mit  der  dann  folgenden  bemerkung  des  vf.  zu  £,  31,  12  : 
ovtog  ds  6  otoXog  <x>g  %Qoviog  ts  iaöfievog  xai  xat  ancpöisga  — 
i^agrv&sig,  weiss  ich  nicht  was  machen.  Das  ts  vor  ioope- 
vog  scheint  ihm  eingefälscht  oder  corrumpirt  aus  ys,  da  es  doch 
unmöglich  mit  dem  xat  vor  xat1  aficpoxega  in  beziehung  stehen 
könne.  Dies  xai  nach  dem  participium  heisse  auch.  Und  für 
dies  letzte  vergleicht  er  a,  20,  2;  121,  5;  2,  35,  2  u.a.  Das  ist 
mir  alles  unverständlich.  Wenn  von  einem  besondern  xai  nach 
einem  particip  die  rede  sein  soll,  so  folgt  ein  tempus  finitum  oder 
ein  infinitiv,  wie  auch  an  den  vom  vf.  beigebrachten  stellen,  aber 
kein  anderes  particip,  wie  es  hier  der  fall  ist.  Auch  ist  klar, 
dass  ein  solches  xai  immer  die  thätigkeit  des  folgenden  verbs 
mit  der  des  vorhergehenden  particips  in  correlation  setzt  und 
behaupten  will,  dass  so  gut  das  eine  sei,  auch  das  andere  ge- 
schehe. Auch  das  ist  hier  ganz  anders,  selbst  wenn  man  sich 
vorher  einmal  das  yi  des  vf.  statt  des  ts  gefallen  lässt;  denn 
deswegen  weil  der  atöloq  iQoviog  war,  ist  noch  nicht  gegeben, 
dass  er  auch  selbstverständlich  xax  a[xq)6tsQa,  xai  tavai  xai  ne£üi 
ausgerüstet  war.  Daher  ist  ein  auch  im  sinne  des  vf.  hier  un- 
gehörig, und  man  hat  sich  zu  freuen,  dass  man  für  dies  xai 
schon  im  vorhergehenden  das  hinweisende  xe  liest.  Denn  wenn 
der  vf.  meint ,  mit  xaC  vor  xax'  äftcpoxega  könne  das  ti  doch 
unmöglich  in  beziehung  stehen,  so  sehe  ich  wahrlich  nicht 
ein,  warum  das  nicht  sein  darf  und  nicht  in  voller  Ordnung 
ist.     Gerade  so  gut  wie  eben  vorher  ini  xs  ßgax^t  nXw  —  xai 


Nr.  1.  15.  Thukydideg.  47 

naQctoxevri  qpavXy  gesagt  ist,  so  haben  wir  hier  wieder  für  die- 
selbe sache  in  ihrem  gegensatze:  a>g  igöviog  ze  iaofisvog  xul 
x«t'  äfxqiötEQa  —  i^agtv&sig  ,  worauf  sodann,  um  den  gegen- 
satz  gegen  das  yavlrj  ins  rechte  licht  zu  setzen ,  natürlich  die 
ganze  herrlichkeit  dieser  see  -  und  landtruppenausrüstung  im 
detail  ausgeführt  wird.  Sollte  der  vf.  nach  alle  dem  von  sei- 
nem ye  noch  nicht  ablassen  mögen,  so  muss  ich  sagen,  dass  ein 
solches  ye  in  steigernder  bedeutung  nach  wg  in  demselben  satz 
im  ganzen  Thukydides  nicht  wieder  gefunden  wird.  Thukydi- 
des  hat  yi  im  ganzen  165mal,  nach  äg  8mal,  ß,  102,  4;  £, 
46,  33;  f,  11,  2;  92,  34;  rj,  15,  7;  40,  7;  67,  9;  &,  2,  17, 
aber,  um  abzusehen  von  andern  differenzen,  stets  nur  mit  der 
Wirkung  einer  restriction,  die  hier  gerade  am  allerwenigsten 
angebracht  wäre. 

Unser  vf.  ist  in  seinem  ersten  theil,  wie  schon  ersichtlich 
geworden,  besonders  auf  das  xat  aufmerksam  gewesen,  und  hat 
nai  öfter  als  auch  anerkennend  manches  glücklich  gesehen. 
Doch  hat  er  dabei  nicht  immer  kaltes  blut  behalten  und  ist 
auf  seiner  jagd  mitunter  zu  weit  gerathen.  So  ist  es  ihm  auch 
bei  der  dann  folgenden  stelle  ergangen,  y,  34,  11:  iv  ovv  rm 
NorCcp  ol  xacayvyovTsg  v.ai  xazoixrjöuvTsg  avro&i  av&ig  ataaid- 
aavzsg  ol  jxiv  xtL  Er  führt  zunächst  Poppo  an,  der  übersetzt : 
qui  eo  confugerant  et  ibi  domicilium  posuerant.  Er  widerlegt  Poppo 
nicht,  fährt  aber  fort:  „lieber  aber  möchte  ich  v.a.1  auch  über- 
setzen und  zu  xazoixrJGavieg  ziehen :  iv  ovv  tw  Nötig?  ol  xura- 
q,vy6visg,  neu  naroi.y.^aavzEg  avtö&i  av&ig  ataGiaaavzEg,  ol  fxiv 
xiX.  Es  soll  also  heissen,  scheint  es:  die  auch  dort  wohnend 
wieder  in  eine  ardaig  gerathen  wären.  Für  solche  anmerkung 
ist  unser  vf.  eigentlich  zu  gut.  Man  soll  nicht  eine  meinung 
gegen  eine  andere  stellen ,  das  führt  zu  keinem  ziel ,  sondern 
erschwert  bloss.  Thukydides,  das  wissen  wir  alle,  hat  gut  ge- 
schrieben, und  so  liegt  es  auch  nur  an  uns,  wenn  wir  in  einem 
besondern  falle  die  eine  allein  mögliche  erklärung  noch  nicht 
erkennen.  So  lange  man  aber  noch  in  solcher  läge  ist,  sollte 
man  nicht  anrühren  und  abwarten.  Im  vorliegenden  falle  ist 
die  eine  mögliche  auffassung  ersichtlich  genug  und  kein  zwei- 
fei, dass  Thukydides  auch  hier  seine  Schuldigkeit  gethan  hat. 
Thukydides  beginnt  seinen  satz :  iv  ovv  zw  Noriai.  Vorher 
hatte  er  angefangen,    von    des  Paches    fahrt    nach    diesem  No« 


48  15.  Thukydides.  Nr.  1. 

tion  zu  erzählen;  wir  müssen  aber,  ehe  die  erzählnng  weiter 
fortgehen  kann,  vorher  erfahren,  wie  es  damals  in  Notion  zu- 
stand, also  ov  xazonxrjvzo  KoXoqimviot  zijg  dvm  nöXecog  iaXaxviag 
xzX.  Das  ovv  ist  also  das  bekannte  ovv  nach  einem  einschieb- 
sei bei  wiederaufnähme  der  angefangenen  erzählung.  Schon 
dadurch  wird  man  darauf  hingewiesen,  dass  man  xal  xazoixrj- 
cavzeg  an  xazaqsvyovzsg  anzuschliessen  hat,  denn  mit  diesem 
xazoixqouvzeg  ist  eben  nur  jenes  ov  xuzq>xt]vzo  wieder  gebracht. 
Das  ist  um  so  mehr  nöthig,  weil  ol  xazacpvyovisg  sich  nicht 
mit  dem  voz'hergehenden  iv  zw  Noricp  verbindet.  Kazayevyeiv 
hat  im  Thukydides  solches  iv  oder  was  dem  gleichkommt,  nie 
bei  sich,  auch  nicht  im  part.  aoristi,  selbst  nicht  im  part.  per- 
fecti;  mit  ig:  r,  72,  22;  «,  89,  7,;  5,  113,  11;  y,  113,  10; 
mit  im:  e,  60,  25:  mit  no6g:  £  102,  28;  #,  106,  8;  d,  46, 
10;  mit  nagd:  d,  114,  34.  In  ö,  14,  6  ist  für  iv  trj  yy  ive- 
ßaXXov  dabei,  in  y,  71,  13  für  ixsi  im  folgenden  TteCoatzsg. 
Es  gehört  also  iv  za)  Nozicp  zum  folgenden  av&ig  ozaaidaavzsg 
ol  (isv  xzX.  Und  das  wiederum  um  so  mehr ,  weil  nicht  ol  ö* 
ovv  iv  reo  Nozicp  xtxzacpvyovzeg,  sondern  iv  ovv  ia>  Nozicp 
ol  xazacpvyovzeg  xzX.  gesagt  ist.  alzö&i  schliesst  an  xa- 
loixtjoavzsg  an,  weil  es  nach  der  regel  nachsteht,  nur  im 
gegensatz  voran,  und  zeigt  auch  seinerseits ,  dass  iv  zdp  Nozicp 
von  ol  xazacpvyovzeg  und  seinem  zubehör  gelöst  ist.  Das  xat  xa- 
rotxqaavzeg  avzo&i  ist  aber  dem  ol  xazacpvyovzeg  hinzugefügt, 
weil  nur  so  jenes  obige  ov  xazmxqvzo  zijg  dvco  nöXecog  iaXco- 
xviag,  wie  es  musste,  vollständig  wiedergegeben  und  zugleich 
die  möglichkeit  der  azdaig  bezeichnet  wird.  Wo  bleibt  da  nun 
noch  räum  für  eine  frage  und  einen  zweifei  ?  Der  Schriftsteller 
also  sagt  so  klar  und  bestimmt,  wie  nur  immer  möglich:  in 
diesem  Notion  also  (von  dem  ich  euch  eben  gesagt ,  dass  die 
Kolophonier  dort  nach  einnähme  der  oberstadt  angesiedelt  wa- 
ren) machten  die,  welche  dahin  geflohen  und  aich  daselbst  an- 
gesiedelt hatten,  wiederum  eine  stasis  u.  s.w.  Es  ist  also  ge- 
nau so  wie  Poppo  erklärt  hatte,  und  Krüger  und  Classen  still- 
schweigend anerkannt  haben,  während  der  vf.  es  übersieht,  dass 
seine  auffassung  das  avzö&i  vor  xazoixijoavzeg  verlangen  würde, 
und  schon  deswegen,  abgesehen  von  allem  andern,  ausgeschlos- 
sen ist.  Offenbar  ist  er  in  seinen  irrthum  gefallen,  weil  er,  wie 
er  angiebt,  durch  xai  das  xaracpvyöt'zeg  mit  ozaatdaatzeg  verbin- 


Nr.  1.  16.  Thukydides.  49 

det  und  xaTOixtjaavTeg  dann  zu  azuaiäaurzeg  subordinirt,  wäh- 
rend xaTacpvyövreg  und  xaTOixr'jauvzeg  durch  xai  wie  zu  einem 
begriffe  verbunden  sind  und  uv&tg  azuaiuaavzeg  zu  diesem  so 
gegebenen  Subjekt  die  folgenden  verba  vorbereitet. 

Doch  ich  bin  hier  bei  der  klarheit  des  Schriftstellers  viel- 
leicht unnütz  weitläufig  geworden  und  muss  leider  abbrechen, 
weil  ich  den  vergönnten  räum  wohl  schon  überschritten  habe. 
Der  vf.  ist  wie  gesagt  denkend  überall,  nicht  selten  glücklich 
das  rechte  treffend ,  wie  sogleich  in  den  beiden  nächsten  be- 
sprechungen  von  y,  53,  27 — 31  und  e,  18,  22,  und  durch  das 
zutrauen,  das  er  sich  alsbald  von  anfang  gewonnen  hat,  auch 
da  anregend,  wo  er  für  seine  person  seinen  zweifei  lieber  noch 
hätte  zurückhalten  sollen,  wie  z.  b.  in  der  dann  folgenden  stelle 
£,  60 ,  33 :  6  de  ö/j/Aog  o  zäv  'Ad-tivaicov  üafxevog  ?.ußccp ,  cög 
opsTO,  zo  aatfe'g,  xal  deivov  noiovfxevoi  tzoozsoov  xzX.  Das  xai 
vor  Seivor,  bemerkt  er,  ist  mir  sehr  verdächtig.  Er  sagt  nicht 
warum,  nur  so  viel,  dass  ihm  wegen  des  Zusatzes  noözeoov  stellen 
wie  a,  1,  3  :  äo^äftetog  —  xai  iXniaag  nicht  vergleichbar  erschei- 
nen. Das  sind  sie  gewiss  nicht ,  aber  soll  denn  das  xul  ganz 
weg,  und  dann  ao^evog  Xußcov  und  deivov  Tzoiovfievoi  für  den 
gedanken  so  gut  wie  auseinander  fallen,  oder  darf  xai  (auch) 
ngozegov  nicht  etwa  einen  begriff  zwischen  sich  nehmen  ?  Das 
thut  es  auch  «,  12,  1;  a,  119,  23;  y,  104,  17;  8,  8,  23;  8, 
54,  35.  Ö,  121,  16:  c,  93,  28;  ??,  18,  10;  #,  48,  6;  &,  83, 
22,  und  wenn  das  auch  an  stellen  wie  y ,  104,  17  sehr  natür- 
lich ist,  so  könnte  doch  eine  stelle  wie  ö,  54,  35,  denke  ich, 
vollkommen  beruhigen.  Das  xui  an  unsrer  stelle  ist  äusserst 
schön ;  mit  ihm  heisst  es  vom  athenischen  demos :  „der  die  Wahr- 
heit, die  er  zu  bekommen  glaubte,  jetzt  ebenso  gern  aufnahm,  wie 
er  vorher  über  seine  kenntniss  der  nachstellung  aufgebracht  war", 
und  Seivöv  noiov^evog  ist  zwischen  xui-ngözegov  getreten,  weil  der 
gegensatz  zu  uafievog  das  erfordert  hat.     Doch  manurn  de  tabula. 

16.  Die  erklärung,  die  G-oodwin  von  der  viel  besprochenen 
stelle  «,  22,  13 — 17  (Bekker)  giebt,  wird  in  Deutschland 
schwerlich  freunde  finden.  Weil  bei  Dionysius  von  Halicarnass 
in  der  Ehetorik  XI,  2,  p.  398  R.  diese  worte  des  Thukydides 
so  citirt  werden,  dass  hinter  wayilifxa  abgebrochen  wird,  so 
kommt  er  auf  den  gedanken ,  hinter  coysl.tna  xgireiv  zu  inter- 
pungiren  und  zäv  fitXlövzcov  aqiehfia  xqtveiv  zusammenzuneh- 
Philol.  Anz.  V.  4 


50  17.  Thukydides.  Nr.  1. 

men,  was  etwa  wie  xgitfiv  coqisXifiov  xgiveiv  twv  fisXXovTmv  gesagt 
sein  soll.  Das  ganze  heisst  ihm  sodann :  „für  alle,  welche  nicht 
bloss  eine  klare  ansieht  vom  vergangenen  haben,  sondern  auch 
daraus  (aus  dem  vergangenen)  nützliche  folgerungen  für  die 
Zukunft  ziehen  wollen,  wird  es  genügend  sein".  Dieser  erklärung 
ist  sprachlich  alles  entgegen;  denn  1)  täv  (leXXovtmv  wqibXtfxa 
hqipsiv  ist  keine  construetion;  xgiveiv  verbindet  sich  bekanntlich 
nur  mit  dem  genetiv  der  strafe,  Qa.v6.tov;  ja  wäre  2)  auch 
co(jpA//u«  xgivttv  so  viel  wie  xgiaiv  dicpsXifxov  xgiieiv,  so  ist  xglaig 
(ücpsliftog  noch  nicht  eine  xgCatg,  dass  etwas  cocpsXtfAog,  sei,  und 
3)  könnte  es  nicht  avza  ägxovvzcog  s'i-ei  heissen,  vielmehr  würde 
aozd  gar  nicht  gesetzt  sein.  Hätte  Goodwin  nach  Krügers  drit- 
ter aufläge,  die  an  den  worten  wie  sie  dastehen,  verzweifelt, 
auch  schon  Classens  ausgäbe  sich  herüberkommen  lassen,  so 
würde  er  gefunden  haben ,  dass  was  er  dem  sinne  nach  richti- 
ges in  der  stelle  sucht,  nach  der  alten  interpunktion  bei  ein- 
facher gesunder  erklärung  auch  wirklich  enthalten  ist. 

17  Ein  einzelnes  wort  oder  einen  satz  in  den  alten  emen- 
diren,  das  können  auch  andere  leute ;  aber  halbe ,  ganze ,  ja 
mehrere  kapitel  hinter  einander  in  dem  gelesensten  und  best- 
überlieferten schriftsteiler  als  unecht  erkennen,  wo  Jahrtausende 
ohne  arg  hinweggelesen,  das  kann  nicht  ein  jeder  und  ist  ein 
triumph  des  philologischen  Scharfsinns  wie  Olympia  unter  den 
kämpfen.  Steup  hat  uns  schon  früher  einmal  mitgetheilt,  dass 
kap.  Yi  17  im  Thukydides  eine  interpolation  ist;  inzwischen 
hat  er  im  geschäft  der  interpolationen  weiter  gemacht ,  und  so 
erfahren  wir  denn  durch  obige  abhandlung,  dass  auch  t,  13, 
26 — 30  die  worte  vopioavzeg  —  fyovzag  interpolirt  sind,  ebenso 
der  grösste  theil  vom  folgenden  c.  14,  das  c.  15  mit  ausschluss 
einer  zeile,  das  ganze  kap.  16  und  von  c.  17,  29  —  2,  wo 
dann  wieder  das  ächte  beginnt  mit  xa<  zöv  zs  ^sifiür «.  Aber 
wodurch  erweisen  sich  denn  dem  vf. ,  um  gleich  das  erste  zu 
nehmen,  in  c.  13  jene  worte  von  vofitoavreg  bis  zu  ende  als 
interpolation?  Weil  er  den  bestgeschriebenen  satz  mit  mög- 
lichst grossem  fleiss  sprachlich  und  sachlich  in  allen  wesentli- 
chen theilen  vollkommen  missversteht.  Kai  äpa  soll  die  zweite 
Ursache  im  vergleich  zur  andern  als  untergeordnet  darstellen; 
wozu  vofiiaavzsg  xrA.,  fragt  er,  weshalb  hinterher  diese  ansieht  der 
anführer,  wenn  aus  dem    vorher    gesagten    schon    die    thatsach- 


Nr.  1.  17.  Thukydides.  51 

liehe  Unmöglichkeit  des  Unternehmens  klar  sei;  wesshalb  werde 
nicht  auch  die  Unmöglichkeit  der  sache  als  Überzeugung  der 
führer  hingestellt;  die  auslassung  von  rrjv  arguTtuv  uyaiv  bei  nai- 
qov  thai  sti  sei  nicht  ohne  härte;  auch  die  zurückbeziehung  des 
ixehog  auf  Brasidas  sei  hart;  das  nai  vor  ixehog  ganz  und  gar 
unpassend;  der  satz  \xakiaza  8s  xil.  befremdlich,  denn  wess- 
halb seien  sie  dann  überhaupt  von  Sparta  ausgezogen.  Also 
könne  das  ganze  nur  des  werk  eines  interpolators  sein.  Aber 
xal  äfxa  hat  es  nicht  in  seiner  art,  ein  untergeordnetes 
zweites  anzugeben;  das  ist  eine  regel,  die  der  vf.  sich  hier  nach 
seinem  bedarf  zugeschnitten  hat;  er  braucht  nur  die  ersten  besten 
beispiele  im  Thukydides  nachzusehen,  um  es  anders  zu  finden;  a, 
2,  23 ;  a,  2,  7;  a,  9,  28  ;  9,  32  ;  a,  14,  24.  Zu  xuiobv  slvui  hi  ist  nicht 
aus  dem  vorhergehenden  xr\v  otqoitiuv  aysiv  zu  ergänzen,  sondern 
es  gehört  dazu  was  folgt:  dgüv  ii  oov  xüxeitog  irrevösi;  ä^io- 
XQtwv  steht  bei  Thukydides  immer  absolut;  so  ist  auch  ixelvog 
nicht  hart ,  sondern  das  allernatürlichste  von  der  weit ;  nai  ver- 
gleicht nicht  ihn  und  sie,  den  Brasidas  mit  den  führern,  son- 
dern gehört  zu  cov,  wie  a,  12,  3  und  unzählige  male;  und  vö- 
HiaavTsg  xrX.  endlich  bringt  genau  die  erwägung ,  die  aus  dem 
angegebenen  thatbestand  für  die  feldherrn  erfolgt..  So  ist  der 
sinn  und  der  inhalt  des  ganzen  kap.  13  also  folgender:  die 
Schlacht  bei  Amphipolis  fällt  ende  sommers;  sogleich  im  folgen- 
den winter  kommen  Kamphias  und  die  seinigen  auf  ihrem 
zuge  zum  Brasidas  durch  Thessalien  bis  nach  Pierion;  da  fin- 
den sie  Schwierigkeiten  beim  durchzuge  abseifen  der  Thossaler 
und  zugleich  geht  ihnen  dort  die  nachricht  vom  tode  des  Bra- 
sidas zu;  so  entschliessen  sie  sich  nun  zur  umkehr,  weil 
sie  sich  sagen,  jetzt  sei  keine  zeit  mehr ,  einen  zug  weiter 
fortzusetzen,  der  auch  zu  den  planen  des  Brasidas  gehörte; 
denn  einmal  war  das  motiv  ihres  heranzuges  (den  Brasi- 
das gegen  die  neu  angekommene  athenische  macht  zu  ver- 
stärken) nicht  mehr  vorhanden,  nachdem  die  Athener  schon 
wieder  abgezogen  waren ,  und  sodann  war  auch  ihre  eigne 
Streitmacht  keine  bedeutende  (es  steht  der  genetiv,  «|to- 
Xqscov  alröop,  nicht  der  nominativ) ,  dass  sie  es  noch  mit  den 
Thessalern  jetzt  unnützer  weise  versuchen  mögen.  Das  thaten 
sie  nun  vollends  und  zumal  nicht,  weil  sie  wussten,  dass  schon 
bei    ihrem    auszuge   in    Sparta    grössere   hinneigurig    zum   frie- 

4* 


52  18.  Thukydides.  Nr.  1. 

den  gewesen  war  nnd  ihren  zug  nur  der  einfluss  und  der  be- 
trieb des  Brasidas  veranlasst  hatte.  —  Das  sollt  ich  doch 
glauben  wäre  echt  thukydideisches  raisonnement  und  nur  dann 
eine  interpolation,  wenn  der  ganze  Thukydides  eine  interpola- 
tion  ist.  Und  mit  den  andern  interpolationen  des  vf.  steht  es 
nicht  anders.  Aber  freilich  wie  sonst  anderwärts  giebt  es  auch 
in  der  philologie  bisweilen  epidemien,  jetzt  die  der  interpola- 
tion ;  es  ist  aber  zu  hoffen,  dass  so  gute  kräfte,  wie  der  verf. 
sie  zu  haben  scheint,  das  fieber  noch  glücklich  überstehen  werden. 

18.  Man  soll  zufrieden  sein  mit  dem,  was  einer  giebt,  wenn 
ers  nur  gut  giebt.  Sonst  möchte  man  wünschen,  der  vf.  hätte 
uns  statt  dieses  auszuges  sogleich  den  ganzen  Thukydides  in 
acht  deutscher  spräche  geschenkt.  Denn  nur  für  den,  der  sich 
in  die  geschichte  des  krieges  selbst  hineinlebt  und  vertieft, 
können  auch  die  reden  erst  den  ganzen  werth  haben,  der  doch 
hier  beabsichtigt  ist.  Für  den  gewöhnlichen  schlag  „moderner 
leser" ,  wenn  solchen  der  vf.  liebenswürdig  freundlich  gern  die- 
nen möchte,  ist  der  Thukydides,  scheint  es,  überhaupt  nicht.  Ge- 
wiss ist  er  „ein  hauptschatz  von  bleibendem  werth",  wie  der  vf. 
übersetzt,  aber  ein  erbe,  das  man  erwerben  muss,  um  es  zu  besitzen. 

Doch  freuen  wir  uns  der  arbeit  des  vf.  aufrichtig  und 
wünschen  ihm  glück  zu  dem  schon  recht  wohl  gelungenen 
„wagniss".  Die  zeit,  wo  Kämpf  und  andere  mit  ihm,  damals 
noch  mit  gutem  fug  und  recht,  den  Thukydides  in  deutscher 
spräche  griechisch  übersetzten ,  ist  gewesen,  und  der  vf.  hat 
recht,  auf  Döderleins  bahnen  weiter  zu  gehen  und  es  mit  dem 
griechischen  wort  in  deutschsr  art  zu  versuchen.  Ein  solcher 
bäum  fällt  freilich  nicht  auf  den  ersten  schlag,  aber  man  wird 
seine  innige  freude  haben,  wenn  man  sich  die  mühe  giebt  zu 
vergleichen,  wie  viel  gesundes  eingehendes  verständniss  und 
tiefes  nachsinnen  in  dieser  arbeit  allerorten  versteckt  ist.  Wir 
wollen  es  dem  vf.  schon  glauben,  dass  das  nonum  prematur  in 
annum  nicht  bloss  von  der  schon  1854  herausgegebenen  leichen- 
rede  gilt.  Wiederholter  treuer  mühe  wird  hernach  das  eine 
und  andere  noch  besser  gelingen.  So  scheint  c.  1.  nach  sei- 
nem beiderseitgem  verlaufe,  keine  glückliche  wähl  für: 
cbg  inoliftyaai'  agb*;  nlh]lovg;  in  ihrer  kr iegs macht  fehlt  tjj 
näarj;  theils  geheim  ist  nicht  die  meinung,  seine  Stellung 
genommen   für  ^vpiaräfievor  zu  schwach;    darin    lag    denn 


Nr,  1.  19.   Ennius.  53 

auch  der  anstoss  fügt  etwas  fremdartiges  ein.  Versehen 
wie  c.  32:  während  dieselbe  politik  für  den  gegenwärti- 
gen krieg  Korinth  von  unsrer  seite  entfernt,  wird 
man  selten  begegnen,  vielmehr  häufig  genug  solchen  stellen, 
wie  nur  die  gunst  des  augenblicks  sie  einzugeben  vermag. 

19.  De  Q.  Ennii  Scipione  scripsit  Theophilus  Eoe- 
per.     Gedani.  1868.     30  s.     4. 

Der  zweck  der  angezeigten  schrift  ist  auf  grund  einge- 
hender und  mit  gewohnter  gelehrsamkeit  geführter  erörterung 
aller  einschlägigen  momente  den  streit  über  die  art  der  von  Gel- 
lius  als  liber  qui  Scipio  inscribitur  bezeichneten  schrift  des  En- 
nius zum  austrage  zu  bringen.  Bekanntlich  hat  man  in  die- 
sem Scipio  ein  in  trochäischen  septenaren  verfasstes  episches  ge- 
dieht, eine  fabula  praetexta,  eine  satura  sehen  wollen.  Letzterer 
ansieht  ist  namentlich  Vahlen  gewesen,  und  zwar  hat  er  ange- 
nommen, dass  der  Scipio  das  dritte  buch  der  saturae  gebildet 
habe,  unter  der  Voraussetzung  der  identität  eines  titellosen,  al- 
lerdings auf  Scipio  bezüglichen  fragmentes  bei  Cicero  und  eines 
citates  aus  dem  dritten  buche  der  saturae  bei  Nonius  (vrgl. 
Poes.  Enn.  reliq.  p.  157,  fr.  X).  Dass  aber  diese  beiden  frag- 
mente  durchaus  nicht  identisch  sind,  beweist  Eoeper  aufs  klarste 
im  verlaufe  der  abhandlung ;  es  müssen  also  für  die  Untersuchung 
ganz  ausser  acht  gelassen  werden  alle  von  Vahlen  mit  dem 
Scipio  verbundenen  fragmente  des  dritten  buches  der  suturae, 
ebenso  wie  die  sonst  noch,  zumeist  wegen  ikrer  beziehung  auf 
Scipio,  dazu  gezogenen  citate.  Von  den  drei  direct  unter  dem 
titel  Scipio  überlieferten  bruchstücken  sind  zwei  allerdings  in 
trochäischen  septenaren  abgefasst;  das  dritte  aber  spottet,  wie 
Eoeper  richtig  bemerkt,  jedes  Versuches,  eine  wahrscheinliche 
form  desselben  metums  aus  den  überlieferteu  worten  herzustellen. 
Spricht  schon  dieser  umstand  entschieden  gegen  die  an  erster 
stelle  angeführte  ansieht,  so  macht  Eoeper  noch  mit  recht  da- 
gegen geltend  ,  dass  die  abfassung  eines  epischen  gedichtes  in 
trochäischen  septenaren  schon  an  sich  wenig  Wahrscheinlichkeit 
für  sich  hat,  und  dann  auf  grund  einer  einleuchtenden  beobach- 
tung  über  die  betitelung  epischer  dichtungen,  dass  der  titel  Sci- 
pio vielmehr  auf  eine  tragödie  oder  eine  satura  hinweist.  Vah- 
len hatte  die  worte  (Sparsis  hastis  longis  campm  splendet  et  hör- 


54  19.  Ennias.  Nr.  1. 

ret)  als  hexameter  gemessen ,  doch  durch  die  form  desselben 
bedenklich  gemacht  in  der  vorrede  saturnische  messung  vorge- 
schlagen. Diesen  Vorschlag  verwirft  Roeper  mit  schlagenden  grün- 
den; weniger  schlagend  sind  die  gründe,  die  er  gegen  die  mes- 
sung als  hexameter  geltend  macht.  Dass  das  vorkommen  ähn- 
licher verse  bei  Ennius  sich  nicht  bezweifeln  lässt,  giebt  er  zu, 
findet  aber  nicht,  dass  die  für  die  anderweitigen  beispiele  gel- 
tend zu  machenden  entschuldigungsgründe  auch  auf  diesen  vers 
anwendung  finden  können;  überdies  seien  die  worte  ja  gar 
nicht  als  hexameter  überliefert,  wie  doch  die  anderen  fragmente, 
folglich  fehle  jede  berechtigung  so  zu  messen.  Seiner  ansieht 
nach  ist  die  einzig  statthafte  messung  die  als  dimeter  anapae- 
sticus  acatalectus  und  desgleichen  monometer: 
sparsis  hastis  longis  campus 
splendet  el  horret. 
Wäre  diese  messung  richtig,  so  wäre  damit  zwischen  den  bei- 
den noch  vorhandenen  möglichkeiten ,  ob  praetexta  oder  sa- 
tura,  zu  Ungunsten  der  letztereu  so  gut  wie  verschieden,  da 
ein  solches  metrum  für  eine  satura  doch  wenig  Wahrscheinlich- 
keit hätte';  so  aber  spricht  die  messung  von  splendet  als  tro- 
chaeus  bei  accentuirung  der  endsilbe  entschieden  dagegen,  da 
sich  eine  solche  messung  für  Ennius  auf  grund  einer  blossen 
vermuthung  nicht  annehmen  lässt.  Was  Roeper's  einwendungen 
gegen  die  messung  als  hexameter  betrifft,  so  ist  damit  noch 
keineswegs  erwiesen ,  was  erwiesen  werden  soll.  Da  Lucilius 
die  wie  ein  hexameterausgang  klingenden  worte  sptendet  et  horret  in 
einem  hexameterschlusse  persiflirt  hat ,  so  ist  es  die  nächstlie- 
gende vermuthung,  dass  der  ganze  vers  ein  hexameter  war, 
und  diese  vermuthung  erhält  einige  Wahrscheinlichkeit  dadurch, 
dass  sich  das  fragment  wirklich  als  hexameter  messen  lässt, 
für  den  sich  ein  defectus  artis  pro  arte  sehr  wohl  in  anspruch 
nehmen  lässt.  Noch  statthaft  wäre  die  messung  als  anapästischer 
septenar  vv  —  vv  sparsis  hdstis  longis  cämpus  splendet  et  horret; 
aber  ebenso  wenig  als  die  messung  als  hexameter  absolut  ge- 
gen eine  tragödie  —  denn  bei  dem  fragmente  IV  aus  der  Me- 
lanippe  des  Ennius  verdient  dieselbe  messung  unbedingt  den 
Vorzug  vor  der  von  Roeper  vorgeschlagenen  anapästischen  — , 
spräche  diese  messung  gegen  eine  satura,  da  auch  das  schon 
oben  berührte  nonianische  fragment  aus    dem   dritten  buche  der 


Nr.  1.  20.  Lateinische  historiker.  55 

eaturae  jedenfalls  mitEoeper  als  anapästischer  septenar  zumessen 
ist.  Von  dieser  seite  her  lässt  sich  also  für  die  entscheidung 
der  frage  nichts  gewinnen.  Auch  dass  der  ton  der  erhaltenen 
bruchstücke  weniger  für  eine  satura  zu  passen  scheint,  ist  für 
sich  kein  durchschlagendes  argument,  wohl  aber  gewinnt  es  be- 
deutung  in  Verbindung  mit  der  von  Eoeper  wieder  in  erinne- 
rung  gebrachten,  augenscheinlich  durch  Vermittlung  von  Diomedes 
auf  Sueton  zurückgehenden  notiz  des  Hrabanus  Maurus,  nach  wel- 
cher Scipio  wirklich  gegenständ  einer  praetexta  gewesen  ist.  Dar- 
nach hat  Eoepers  ansieht,  dass  man  in  dem  Scipio  eine  prae- 
texta  zu  sehen  hat ,  einen  hohen  grad  von  Wahrscheinlichkeit, 
so  dass  man  sich' billig  wundern  muss,  die  sache  in  der  neuen  aus- 
gäbe der  tragikerfragmente  nicht  einmal  einer  erwähnung  ge- 
würdigt zu  sehen.  Ganz  einleuchtend  ist  ferner  die  vermuthung, 
dass  das  stück  bei  gelegenheit  der  triumphalspiele  nach  Scipio's 
rückkehr  aus  Afrika  aufgeführt  worden  ist. 

20.  Historicorum  Eomanorum  relliquiae.  Disposuit  recen- 
suit  praefatus  est  Herrn.  Peter.  8.  Vol.  I.  Lipsiae.  B.  G.  Teubn. 
MDCCCLXX.—  XV*  CCCLXVIII  &  377  pp.  -    5  thlr.  10  ngr. 

Die  verliegende  Sammlung  der  aus  verlorenen  werken  der 
römischen  historiker  erhaltenen  bruchstücke  ist  zwar  bereits  die 
dritte ,  welche  im  laufe  von  nicht  ganz  vierzig  jähren  veran- 
staltet worden  ist ;  danach  besteht  kein  zweifei,  dass  dieselbe 
einem  lebhaft  empfundenen  bedürfniss  entgegen  kam.  Denn 
die  von  A.  Krause  herausgegebenen  Vitae  et  fragmenta  vett.  hi- 
storicorum Romanorum  boten  zwar  ein  reiches  material ,  konn- 
ten aber  wegen  des  fühlbaren  mangels  an  kritik  durchaus 
nicht  befriedigen.  Die  um  zwei  decennien  später  im  an- 
hange zu  Gerlach's  prachtausgabe  des  Sallustius  erschienene 
Sammlung  von  Karl  Ludwig  Eoth  zeichnete  sich  durch  genauere 
sichtung  und  sorgfältigere  revision  der  fragmente  aus,  war  aber 
nur  als  eine  art  von  kritischem  repertorium  angelegt;  litterar- 
historische  ausführungen  Hess  sie  vermissen  und  beschränkte 
sich  auf  die  diplomatisch  treue  aufnähme  der  in  lateinischem 
Wortlaut  erhaltenen  bruchstüche,  während  sie  die  griechischen 
nur  in  lateinischer  bearbeitung  darbot.  Nachdem  eine  neue 
Sammlung  jähre  lang  von  August  Eeifferscheid  erwartet  worden 
war,  gab  Hermann  Peter,  der  söhn  des  Verfassers  der  geschichte 


56  20.  Lateinische  historiker.  Nr.  1. 

Koms  in  der  Schrift  M.  Claudi  Quadrigari  annalium  relliquiae 
(Frankfurt  a.  0.  1868)  zugleich  eine  ankündigung  der  nun 
vorliegenden  arbeit  und  eine  probe,  dass  er  der  schwierigen 
aufgäbe  gewachsen  sei.  Der  stattliche  band,  der  bis  jetzt  erschie- 
nen ist,  deckt  sich  nun  zwar  dem  wesentlichen  inhalte  nach  mit 
den  Sammlungen  von  Krause  und  Roth,  zeigt  aber  eine  durch- 
aus verschiedene  —  wir  setzen  gleich  hiuzu  —  die  anspräche 
des  gegenwärtigen  Standes  der  forschung  befriedigende  ausfüh- 
rung.  Derselbe  enthält  die  fragmente  der  älteren  historiker ; 
der  zweite  band  soll  zum  ersten  male  auch  die  historischen 
fragmente  aus  der  römischen  kaiserzeit  vereinigen. 

Dem  texte  des  vorliegenden  ersten  theils  sind  ausser  der 
widmung  (Carslo.  Petero.  Patri.  Carissimo.  S.)  und  der  vorrede 
(p.  VII* — XV*),  welche  die  methode  und  die  hülfsmittel  des 
herausgebers  bespricht,  Prolegomenon  capita  quattuor  vorausge- 
schickt, welche  mit  den  einzelabhandlungen  de  scriptorum  vitis 
et  scriptis  die  hälfte  des  bandes  (p.  I — CCCLXVIII)  fällen. 
Wir  erhalten  hier  eine  vollständige  geschichte  der  römischen 
historiographie  von  den  ersten  anfangen  bis  zum  ende  der  re^ 
publik  neu  aus  den  quellen  dargestellt  mit  umfassender  be- 
nutzung  der  einschlagenden  literatur.  Dass  sich  ein  herausge- 
ber  der  fragmente  lateinischer  historiker  einer  solchen  weit- 
schichtigen arbeit  nicht  entschlagen  konnte,  versteht  sich  von 
selbst;  aber  es  bleibt  doch  fraglich,  ob  auch  der  gesammte 
apparat  dem  leser  vorzulegen  war,  wodurch  das  buch  bedeu- 
tend vertheuert  und  die  Orientierung  sicher  erschwert  wor- 
den ist.  Cap.  1  der  prolegomena  handelt  de  annalibus  maximig. 
Bezüglich  der  genesis  dieser  officiellen  historiographie  ent- 
scheidet sich  der  herausgeber  gegen  Cicero  mit  Servius  dafür, 
dass  diese  historischen  notizen  nicht  erst  am  Schlüsse  des  jahres 
auf  einer  tafel  in  der  regia  publiciert  werden  seien,  sondern  dass 
wichtige  begebenheiten  sofort  auf  der  in  der  regia  bereit  ste- 
henden tafel  durch  den  pontifex  im  sinne  des  aristokratischen 
priestercollegiums  aufgezeichnet  wurden,  um  auf  diese  weise 
dem  volke  unverweilt  bekannt  zu  werden.  Somit  seien  die 
annales,  deren  bezeichnung  als  maximi  gegenüber  der  deutung 
der  alten  auf  den  umfang  bei  ihrer  herausgäbe  bezogen  wird, 
ursprünglich  für  die  Zeitgenossen  bestimmt  gewesen  und  erst 
in  zweiter  linie   für    die    nach  weit   aufbewahrt  worden.     Erläu- 


Nr.  1.  20.  Lateinische  historiker.  57 

tert  wird  die  Vorstellung  über  die  annales  maximi  durch  die 
vergleichung  mit  den  ostertafeln  des  mittelalters :  wie  diese  so 
vermittelten  auch  jene  den  tibergang  zur  eigentlichen  geschicht- 
schreibung,  so  dass  zwischen  den  tafeln  der  pontifices  und  den 
werken  eines  Fabius  und  Cincius  ein  analoges  verhältniss  be- 
steht wie  zwischen  unseren  ostertafeln  und  etwa  den  quedlin- 
burger oder  hildesheimer  Annalen.  Wie  dann  im  mittelalter 
die  persönliche  fürsorge  eines  Karl  des  Grossen  und  späterer 
kaiser ,  so  hat  in  Rom  der  eifer  der  adeligen  geschlechter  für 
den  ahnenruhm  ihrer  familie  die  geschichtschreibung  gefördert. 
Hiemit  beginnt  cap.  2  de  litterarum  monumentis  privatis.  Dass 
durch  diese  familientraditionen,  wie  sie  namentlich  in  den  lau- 
dationes  formuliert  wurden,  die  geschichte  gefälscht  worden  ist, 
wird  mehrfach  ausdrücklich  bezeugt.  Wie  aber  solche  subjeetive 
erfinduugen  eingang  in  die  officielle  geschichtsüberlieferung  er- 
langen konnten,  ist  schwer  zu  bestimmen.  Peter  vermuthet, 
dass  die  beim  grossen  gallischen  brande  verschont  gebliebenen 
privatarchive  der  auf  dem  capitolium  wohnenden  familien  zur 
restitution  der  annales  maximi  beigezogen  worden  seien.  Dabei 
ist  freilich  die  annähme  so  früher  entstehung  jener  fälschungen 
nicht  unbedenklich.  Der  reichthum  einzelner  familienarchive 
hat  ohne  zweifei  auch  den  entscheidenden  anstoss  zu  historio- 
graphischen  publicationen  einzelner  Verfasser  gegeben,  d.  h.  zur 
begründung  einer  historischen  litteratur.  Die  epochen  dersel- 
ben behandelt  cap.  3  Historiae  Romanae  aetates  primis  lineis 
adumbratae.  An  der  spitze  der  römischen  historiker  steht  Q. 
Fabius  Pictor  und  sein  Zeitgenosse  L.  Cincius  Alimentus  als 
Vertreter  jener  in  griechischer  spräche,  aber  mit  aristokratisch 
römischem  geiste  geschriebenen  Chroniken,  welche  nach  ausführ- 
licher darstellung  der  anfange  Roms  die  folgenden  partieen  im 
einzelnen  ungleich,  im  ganzen  kurz  erzählten  und  erst  bei  der 
selbst  erlebten  oder  doch  aus  mündlichen  mittheilungen  genauer 
bekannten  zeit  ausführlicher  verweilten.  Eine  manier,  die  auch 
den  folgenden  historikern,  welche  umfassende  stoffe  behandel- 
ten, geblieben  ist,  wie  jüngst  Nissen  im  Rhein.  Mus.  XXVI, 
p.  499  gezeigt  hat.  Auch  M.  Porcius  Cato  folgte  derselben,  so 
sehr  er  sonst  mit  ausgesprochener  polemik  sich  zu  jenen  anna- 
listen  in  bewussten  gegensatz  gestellt  hat.  Er  schreibt  in  la- 
teinischer spräche,    also   nicht  ausschliesslich  für  aristokratische 


58  20.  Lateinische  historiker.  Nr.  1. 

leser;  in  volkstümlicher  auffassung,  ja  nicht  ohne  eine  gewisse 
Scheelsucht  gegen  die  hochadligen  männer  in  der  geschichte; 
ohne  die  übliche  beschränkung  auf  die  stadtgeschichte,  sondern 
indem  er  Italien  als  einheit  betrachtet.  Ob  Cato,  wie  Peter 
will,  auch  in  der  auswahl  des  Stoffes  nur  die  hauptpunkte  her- 
vorhebt, statt  an  dem  dünnen  faden  pontificaler  traditionen  die 
erzählung  der  geschichte  fortzuspinnen,  scheint  ungewiss.  Denn 
der  begriff  capitulatim  in  dem  bekannten  Zeugnisse  des  Nepos 
v.  Cat.  3  darf  wohl,  wie  die  Zusammenstellung  hrevissime  atque 
capitulatim  perstringam  bei  Plinius  NH.  II,  55  zeigt,  kaum  an- 
ders gefasst  werden,  als  was  über  Fabius  und  Cincius  bei  Diony- 
sius  AR.  I,  6  berichtet  wird :  HBCpaXaicodäg  ins8ga/j,sv.  Unter  de- 
nen, die  Cato  folgten,  tritt  neben  L.  Cassius  Hemina  besonders 
der  moralisierende  L.  Calpurnius  Piso  hervor.  Epoche  macht 
der  von  Cicero  namentlich  gerühmte,  rhetorisch  gebildete  L. 
Coelius  Antipater,  der  unseres  wissens  zuerst  den  titel  historiae 
für  seine  auf  den  zweiten  punischen  krieg  beschränkte,  zum 
ersten  male  auch  mit  fingierten  reden  ausgestattete  darstellung 
wählte.  Peter  nimmt  hiebei  anlass  sich  über  den  unterschied 
zwischen  annales  und  historiae  zu  äussern  ,  worüber  die  Zeug- 
nisse divergieren,  und  entscheidet  sich  gegenüber  der  besonders 
seit  Niebuhr  geläufigen  ansieht,  welche  unter  annales  die  dar- 
stellung der  früheren  zeiten,  unter  historiae  die  des  eigenen 
Zeitalters  versteht,  für  jene  deutung,  nach  welcher  die  einfache 
chronologische  erzählung  die  annales,  die  pragmatische  behand- 
lung  die  historiae  characterisiert.  Wichtig  erscheint  ferner, 
wohl  nächst  Cato  unter  den  älteren  der  interessanteste,  Sempro- 
nius  Asellio  ,  der  vielleicht  durch  die  pragmatik  des  Polybius 
angeregt  eine  pragmatische  darstellung  mit  bestimmter  morali- 
scher tendenz  versucht  hat.  Die  folgenden  aber  wandelten  nicht 
in  den  bahnen  des  Coelius  und  Sempronius;  Q.  Claudius  Qua- 
drigarius  und  Valerius  Antias  griffen  wieder  zu  der  form  der 
Annalen  zurück,  deren  dürftige  trockenheit  sie,  insbesondere 
Valerius  ,  durch  kecke  erfindung  zu  bereichern  und  pikant  zu 
machen  strebten.  Ihre  darstellungen  erlangten  eine  solche  Po- 
pularität ,  dass  sie  die  früheren  so  ziemlich  verdrängten  und 
selbst  eine  grundlage  für  die  werke  späterer,  Livius  und  Dio- 
nysius,  werden  konnten.  Neben  ihnen  ist  L.  Cornelius  Sisenna 
zu  nennen,  der,    obschon  einen  naheliegenden  stoff  behandelnd, 


Nr.  1.  20.  Lateinische  historiker.  59 

dennoch  wie  einst  Clitarchus  mit  persönlicher  Parteinahme  und 
phantastischem  sinne  zur  Verherrlichung  der  Cornelier,  namentlich 
Sulla's  schrieb.  L.  Voltacilius  Plotus  ,  der  erste  libertine,  der 
es  wagte  wie  ein  vornehmer  geschichte  zu  schreiben,  diente  sei- 
nem patron  mehr  als  der  Wahrheit.  Auch  die  alterthumsfor- 
schung  eines  C.  Licinius  Macer  und  Q.  Aelius  Tubero  suchte 
mehr  das  interessante  als  das  richtige  zu  finden.  Erst  die  me- 
thodisch betriebenen  Studien  der  griechischen  Vorbilder  brachten 
nach  langer  entwickelung  die  historiographie  in  Eom  zu  rascher 
blüthe.  Atticus  und  Varro  veröffentlichten  ihre  chronologischen 
hulfsbücher ;  Cäsar  schrieb  seine  commentarien ,  Sallustius  seine 
historien,  Livius  schloss  mit  seinem  umfassenden  werke  den 
reigen  der  republikanischen  historiker.  —  Wir  sind  dem  her- 
ausgeber  in  seiner  skizzierten  Übersicht  absichtlich  schritt  vor 
schritt  gefolgt,  um  zugleich  eine  annähernde  Vorstellung  von 
seiner  Sicherheit  in  der  Charakteristik  zu  geben.  Dass  übrigens 
das  bild  des  einen  oder  anderen  unter  den  hier  und  im  fol- 
genden von  Peter  charakterisierten  historikern  sich  noch  schär- 
fer und  ausführlicher  darstellen  lässt,  hat  erst  jüngst  Wölfflin 
in  seiner  schrift  über  Coelius  Antipater  gezeigt.  —  Jenem 
überblick  der  formen  und  tendenzen,  in  welchen  sich  die  ältere 
historiographie  bewegte,  folgt  eine  kurze  andeutung  über  die 
methode  der  damaligen  geschichtsforschung ;  hier  hätten  jedoch 
die  grundlegenden  ergebnisse  der  Untersuchungen  von  Nissen 
eine  bestimmtere  und  eingehendere  darstellung  möglich  gemacht. 
Auffallen  kann  es,  dass  bezüglich  der  Quellenstudien  eines  Licinius 
Macer  u.  a.  einfach  auf  Schwegler  verwiesen  wird ;  denn  diese  kürze, 
die,  consequent  durchgeführt,  den  umfang  des  Peter'schen  bu- 
ches  sehr  ermässigt  haben  würde,  wird  nur  ausnahmswsise  an- 
gewendet. —  Cap.  4  der  prolegomena  bespricht  qua  ratione  Jiae 
relliquiae  nobis  traditve  sint.  Der  n achweis,  wie  der  principielle 
unterschied  zwischen  wörtlich  überlieferten  fragmenten  und  sol- 
chen citaten,  die  nur  den  inhalt  des  gewährsmanns  reproducie- 
ren,  durch  die  fehlerhafte  citiermethode  der  alten  historiker 
und  grammatiker  sich  praktisch  ausgleicht,  ist  verhältnissmässig 
kurz  gefasst.  Eine  reichhaltigere  Zusammenstellung  verwandter 
erscheinungen  hätte  hier  wie  in  dem  folgenden  abschnitte  des 
buches  manche  späteren  Wiederholungen  unnöthig  gemacht. 
Doch    hat   der  herausgeber,    wie    es    scheint,    absichtlich    lieber 


60  20.  Lateinische  historiker.  Nr.  1. 

widerholungen  zugelassen,  um  dem  leser  der  fragmente  das 
nothwendige  ohne  allzu  weitläufiges  nachschlagen  iu  jedem  falle 
möglichst  zur  Verfügung  zu  stellen.  Sehr  ausführlich  sind  die 
Untersuchungen  De  scriptorum  vitis  et  scriptis,  in  welchen  alle 
uns  bekannten  historiker  von  Q.  Fabius  Pictor  an  bis  zu  Seribo- 
nius  Libo  herab  und  anhangsweise  Incertae  aetatis  scriptores  mit 
eingehender  Sorgfalt  behandelt  werden,  auch  die  quellen,  aus  denen 
sie  geschöpft,  und  die  späteren  Schriftsteller,  denen  sie  wie- 
der als  quellen  gedient  haben,  angegeben  werden.  Es  wird 
schwer  sein,  dem  herausgeber  erhebliche  auslassungen  oder  ei- 
gentliche Unrichtigkeiten  nachzuweisen.  Eher  könnte  man  über 
zu  grosse  Umständlichkeit  in  der  Untersuchung,  in  die  auch  al- 
lerlei nebendinge  hereingezogen  werden,  und  über  die  bisweilen 
lästige  breite  der  sonst  correcten  darstellung  klagen.  Dass  frei- 
lich die  zahllosen,  von  Peter  nie  umgangenen  controversen  nicht 
immer  so,  wie  es  der  leser  wünschen  möchte,  entschieden  wer- 
den, kann  nicht  wunder  nehmen.  Dass  Fabius  auf  kosten  des 
Polybius  erhoben  wird,  dass  die  ansieht  von  Carl  Peter  über  das 
verhältniss  von  Polybius  und  Livius  festgehalten  ist,  dass  eine 
eigene  Schrift  de  censoribus  dem  Cassius  Ilemina  abgesprochen 
wird,  solche  und  ähnliche  punkte  sind  es ,  in  welchen  der  her- 
ausgeber das  richtige  nicht  getroffen  zu  haben  scheint.  Auch 
wird  sich  gegen  die  beziehung  einzelner  citate  und  gegen  die 
Interpretation  einzelner  Zeugnisse  noch  mancher  einspruch  er- 
heben. Umfassende  arbeiten,  wie  die  von  Peter,  bilden  eben 
marksteine  der  forschung,  die  auf  der  einen  seite  mit  dem  ge- 
wonnenen abschliessen,  während  sie  auf  der  anderen  die  bahn 
für  weitere  Studien  bezeichnen.  Dagegen  soll  in  der  fragmen- 
tensammlung  selbst  etwas  möglichst  festes  und  bleibendes  gege- 
ben werden;  sie  muss  nothwendig  den  charakter  eines  urkun- 
denbuches  tragen.  Der  conjecturalkritik  fällt  bei  so  trümmer- 
haften Überresten  natürlich  eine  ausgedehnte  aufgäbe  zu;  aber 
in  dem  abdruck  der  texte  selbst  ist  sie  vom  herausgeber  mit 
vollem  recht  auf  ein  möglich  enges  gebiet  beschränkt  worden. 
Selbst  probable  vermuthungen  sind  nur  unter  dem  texte  durch 
den  druck  hervorgehoben ,  in  den  text  sind  nur  unzweifelhafte 
Verbesserungen  aufgenommen.  Im  allgemeinen  hat  der  heraus- 
geber mit  ausbeutung  des  in  den  besten  ausgaben  der  einzelnen 
Schriftsteller  gebotenen   kritischen    materiald    einen  diplomatisch 


Nr.  1.  20.  Lateinische  historiker.  61 

möglichst  sicheren  text  hergestellt;  bei  einzelnen  autoren,  zu 
denen  der  kritische  apparat  noch  nicht  gedruckt  vorliegt,  wie 
bei  Gellius ,  Servius ,  Varro ,  Orosius  hat  sich  der  herausgeber 
das  im  besitze  von  Hertz,  Thilo,  A.  Wilmanns,  Zangemeister 
befindliche  handschriftliche  material  zugänglich  gemacht;  drei 
Noniushandschriften  hat  er  selbst  für  seine  zwecke  verglichen. 
Unter  dem  texte  hin  läuft  ein  doppelter  commentar,  nämlich 
parallelstellen  und  kurze  historische  eiiäuterungen  und  eine 
reiche  Sammlung  der  wichtigen  Varianten  und  der  versuchten 
emendationen.  Dass  hiebei  manche,  aber  immerhin  seltene 
lücken  sich  finden,  ist  bereits  von  Hertz  durch  nachtrage  er- 
wiesen worden ;  wie  wenig  aber  hieraus  bei  der  ausserordent- 
lichen fülle  und  der  Zerstreutheit  des  Stoffes  ein  eigentlicher 
Vorwurf  für  den  herausgeber  erwächst,  bedarf  keiner  erörterung. 
Hertz  hat  auch  den  anfang  zu  weiterer  reioigung  der  nunmehr 
gesichteten  und  geordneten  textstellen  gemacht;  hier  ist  nun 
ein  schwer  zu  bearbeitendes ,  aber  gewiss  fruchtbares  feld  für 
vorsichtige  kritische  thätigkeit  eröffnet.  Die  Vollständigkeit 
der  vom  herausgeber  gesammelten  stellen  ist  wohl  nicht  be- 
streitbar ;  denn,  obwohl  inzwischen  schon  vielfach  behandelt,  ist 
die  Sammlung  doch  nur  in  einer  einzigen  stelle  (von  Hertz  in 
seiner  Schrift  de  historicorum  Rom.  reliquiis  quaestt.)  lückenhaft 
befunden  worden.  Allerdings  bekennt  der  herausgeber  selbst, 
dass  ihm  in  diesem  punkte  ziemlich  vorgearbeitet  und  eher  die 
aufgäbe  gestellt  war,  die  zahl  der  bruchstücke  zu  vermindern 
als  zu  vermehren.  Doch  ist  der  herausgeber  hierin  wenigstens 
bezüglich  einer  stelle  noch  zu  schonend  verfahren ,  vgl.  Hertz, 
a.  o.  Die  anordnung  der  stellen  ist  so  getroffen,  dass  die  auf 
bestimmte  thatsachen  zurückzuführenden  fragmente  nach  der 
chronologischen  reihenfolge  dieser  begebenheiten,  die  übrigen 
nach  dem  alter  der  autoren ,  von  denen  sie  überliefert  sind, 
aufgeführt  werden.  Alle  jene  stellen,  welche  in  den  uns  erhal- 
tenen werken  nicht  namentlich  auf  die  alten  gewährsmänner 
zurückgeführt  sind,  sondern  nur  vermuthungsweise  dem  oder  je- 
nem zugetheilt  werden ,  sind  aus  der  eigentlichen  fragmenten- 
sammlung  ausgeschieden  und  in  die  vorausgeschickten  abhandlun* 
gen  über  die  einzelnen  historiker  eingereiht  worden.  Den 
beschluss  des  ganzen  machen  fünf  sorgsam  gearbeitete  indices. 


62  Bibliographie.  Nr.  1. 

Neue  auflagen. 

21.  Homers's  Odyssee.  Erklärt  von  K.  F.  Ameis.  8.  Anhang. 
1.  heft.  2.  aufl.  Leipzig.  Teubner;  9  ngr.  —  22.  Herodot  erklärt 
von  K.  Abicht.  2.  bd.  2.  aufl.  8.  Leipzig.  Teubner;  21  ngr.  — 
23.  Testamentum  novum,  graece.  Ad  antiquos  testes  denuo  recogn. 
C.  Tischendorf.  Ed.  VIII  critica  maior.  8.  Vol.  II  facs.  5.  Lips., 
Gieseke:  1  thlr.  16  ngr.  —  24.  P.  Vergilii  Maronis  opera  ed.  A. 
Forbiger.    P.  1.    Ed.  4.    gr,  8.      Lips.  Hinrichs;    2  thlr.  15  ngr. 

Neue  Schulbücher. 

25  M.  Meyring,  kleine  lateinische  grammatik.  4.  aufl.  8.  Bonn. 
Cohen;  22  ngr.  —  26.  P.  D.  Ch.  Hennings,  elementarbuch  zu  der 
lateinischen  grammatik  von  Ellendt-Seiffert.  3.  abth.  8.  Halle.  Wai- 
senhaus; 12  gr. —  27.  H.  Gull,  die  göttersagen  und  kultusformen  der 
Griechen,  Römer,  Aegypter  u.  s.  w.  2.  abdr.  8.  Leipzig.  Spamer;  1  thlr. 

Bibliographie. 

Erschienen  ist:  Dr.  W.  Müldener ,  Bibliotheca  philologica,  eine 
geordnete  Übersicht  aller  auf  dem  gebiete  der  classischen  alterthums 
Wissenschaft  wie  der  älteren  u.  neueren  Sprachwissenschaft  in  Deutsch- 
land und  dem  ausländ  neu  erschienenen  bücher.  25.  jahrg.  2.  hft.  8. 
Göttingen.   Vandenh.  u.  Ruprecht. 

Im  verlag  von  F.  Dümmler  in  Berlin  ist  erschienen :  auswahl  aus 
den  kleinen  Schriften  von  J.  Grimm,  worin  ausser  der  Selbstbiographie 
auch  die  rede  auf  K.  Lachmann  enthalten.    Preis  1  thlr.  10  ngr. 

Von  der  Verlagsbuchhandlung  von  B.  G.  Teubner  ist  ein  „schul- 
catalog",  ebenso  >Bibliotheca  philologica  Teubneriana«  erschienen. 

Es  ist  ausgegeben :  Ausgewählte  werke  aus  dem  verlage  der  Weid- 
manw'scheu  buchhandlung  in  Berlin. 

Preisermässigung  von  Mauke's  verlag  in  Jena:  darunter  die  aus- 
gaben des  Hesychius  von  M.  Schmidt. 

Cataloge  von  antiquaren :  Antiquarischer  anzeiger  nr.  6  von  O. 
JBonde  in  Altenburg;  St.  Goar  in  Prankfurt  a.  M.  verzeichniss  von 
werken  der  archäologie  und  kunst  des  alterthums  und  mittelalters, 
nr.  31 ;  152.  verzeichniss  des  antiquarischen  lagers  von  H.  Härtung 
in  Leipzig;  nr.  193.  bücher  -  verzeichniss  von  Th.  Kampffmeyer  in 
Berlin ;  antiquarischer  catalog  nr.  III.  von  H.  Killinger  in  Wies- 
baden ;  nr.  237.  K.  F.  Kuhler  's  in  Leipzig  antiquarische  anzeige- 
hefte; Bibliotheca  archaeologica.  98.  catalog  von  31.  Lempertz  in  Bonn, 
sehr  zu  beachten;  catalog  I  ..  von  Mayer  und  Müller  in  Berlin;  Bi- 
bliotheca philologica.  Catalog  XV  von  L.  Rosenthal's  antiquariat  in 
München;  verzeichniss  nr.  4  .  .  von  Schneider  §  Otto  in  Göttingen; 
katalog  48.  Schweizer -antiquariat  in  Zürch  (nur  auctores  graeci  et 
latini);  XIII  antiquariats-catalog  von  Simmel  u.  comp,  in  Leipzig;  94. 
95.  antiquarischer  catalog  von  Ferd.  Steinkopf  in  Stuttgart ;  nr.  24 
antiquarischer  anzeiger  von  E.  Wagner  in  Augsburg;  verz.  XLIII  von 
Alfred   Würzner  in  Leipzig  (besonders  geschichte). 

Von  dem  „Allgemeinen  literarischen  Wochenbericht"  sind  jetzt 
10  nummern  erschienen. 

Kleine  philologische  zeituug. 

Am  2.  novemb.  war  der  erste  rektorats -.Wechsel  in  Strassburg, 
bei  dem  prof.  de  Bary  eine  rede  hielt,  da  der  abgehende  rektor, 
prof.  Bruch  eine  solche  zu  halten  durch  Unwohlsein  verhindert  war: 


Nr.  1.  Kleine  philologische  zeittmg.  63 

näheres  giebt  Allg.  Augsb.  Ztg.  1872,  nr.  310.  Näheres  über  philolo- 
gisches in  Strassburg  wird  unt.  nr.  2  enthalten. 

Von  JE.  Werners  Nilbildern  ist  die  zweite  lieferung  erschienen, 
mit  erläuterungen  von  Dümichen  und  Brehm. 

Der  französische  archäolog  Hauet  beginnt  im  auftrag  Rothschilds 
ausgrabungen  bei  Miletos  vorzunehmen.  Kann  denn  dergleichen  nicht 
auch  von  Deutschland  ausgehen? 

Mittheilungen  aus  der  vom  französischen  uuterrichtsminister  Si- 
mon bei  eröffnung  der  medicinischen  facultät  in  Nancy  gehaltenen 
rede  giebt    der  Staats-Anz.  1872,  u.  282,  beil.  1. 

Der  Staats-Anz.  1872,  nr.  278  giebt  folgenden  bericht  der  sitzung 
der  archäologischen  geselischaft  in  Berlin  am  5.  november.  Prof.  E. 
Curtius  legte  einige  neue  abhandlungen  vor ,  in  denen  Dilthey  über 
Apollo  und  Daphne  (elfenbeinrelief  von  Ravenna)  und  Schubring  über 
Kamarina,  Pervanoglu  über  das  fäniilienmahl  auf  altgriechischen  grab- 
steinen  schreiben.  Hieran  anknüpfend  bespricht  er  eine  besondere 
gruppe  dieser  reliefs,  wo  ein  reiterzug  über  dem  vorhange  sichtbar 
wird,  welcher  den  hintergrund  der  darstellung  bildet,  und  legte  die 
abbildung  zweier  in  Sniyrna  befindlicher  reliefs  dieser  art  vor.  Dann 
besprach  er  die  ersten  bedeutenderen  denkmäler,  welche  durch  des 
Dr.  Schliemann  ausgrabungen  iu  Troja  zum  Vorschein  gekommen  sind, 
und  das  postament  einer  ehrenstatue  des  logisten  Klaudios  Kaikinas 
aus  Kyzikos  und  einen  triglyphenblock  mit  einer  vortrefflich  erhalte- 
nen und  stylistisch  sehr  merkwürdigen  metopentafel,  die  den  Helios 
auf  springendem  Viergespann  darstellt.  Hübner  legte  hierauf  zu- 
nächst die  für  die  geselischaft  eingegangenen  geschenke  vor,  näm- 
lich den  Jahrgang  1870 — 1871  der  publikationen  des  luxemburger  al- 
terthumsvereins ,  die  festschrift  des  göttinger  archäologischen  Semi- 
nars mit  der  abhandlung  von  W.  Gebkard  über  die  gemälde  Po- 
lygnot's  in  der  lesche  zu  Delphi  und  der  oben  erwähnten  abhand- 
lung Pervanoglus.  Unter  den  zahlreich  eingegangenen  Schriften  hob 
er  besonders  zwei  neu  gegründete  Zeitschriften  hervor,  nämlich  den 
neugegründeten  Indicateur  de  i '  archeologie  et  du  collectionneur,  welcher 
seit  dem  September  v.  j.  in  St.  Germain  unter  der  leitung  eines  der 
direktoren  des  bekannten  dortigen  museurns,  des  herrn  Gabriel  de 
Mortillat,  erscheint  und  eine  portugiesische  Zeitschrift,  die  Archaeo- 
logiu  artistica  von  Porto,  redigirt  von  einem  des  deutschen  vollstän- 
dig kundigen  gelehrten  Joaquim  de  Vasconcellos,  welcher  nur  besserer 
fortgang  als  den  bisherigen  ähnlichen  versuchen  in  jenem  lande  zu 
wünschen  ist;  bis  jetzt  liegt  nur  ihr  prospekt  vor.  Von  den  grösse- 
ren werken  und  den  broschüren  wurde  nur  hingewiesen  auf  die  neue, 
dritte  bearbeitung  des  bekannten  handbuchs  der  griechischen  mytho- 
logie  des  verstorbenen  Ludwig  Preller,  durch  den  Dr.  E.  E.  Plew 
hierselbst,  und  auf  die  abhandlungen  von  P.  Foukart  in  Paris  über 
das  in  griechischar  spräche  abgefasste  römische  senatusconsult  von 
Thisbe  in  Böotien  (aus  den  Archives  des  missions)  und  von  H.  Scheuer- 
manns in  Lüttich  über  den  merkwürdigen  fund  von  Eggenbilsen  in 
Belgien  (etruskischer  goldschmuck  und  erzgefässe).  Eine  reihe  ande- 
rer arbeiten  musste  für  spätere  besprechung  zurückgelegt  werden.  — 
Hierauf  legte  B.  Strack  die  ihm  durch  den  londoner  architekten 
Donaldson  zugesendeten  grossen  und  wohlgelungenen  Photographien 
der  jetzt  in  London  angelangten  säulentrommel  aus  dem  grossen  Ar- 
temistempel in  Ephesos  vor.  Hr.  Donaldson  hatte  schon  in  seiner 
im  j.  1859  erschienenen  Architectura  numismatica  nach  den  wenn 
auch  kleinen  und  unvollkommenen  abbildungen  des  tempels  auf  mün- 
zen den  schluss  gezogen,  dass  des  Plinius  vielbesprochene  bezeichnung 
der   säulen    dieses  tempels   als  columnae  caeiatae  nur  von  wirklichen 


64  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  1. 

reliefs  verstanden  werden  könne.  Woods  endlich  von  erfolg  gekrönte 
ausgrabungen  haben  diese  vermutbung  jetzt  durchaus  bestätigt; 
das  nächste  heft  der  archäologischen  zeitung  wird  nach  den  Photo- 
graphien hergestellte  abbildungen  dieses  in  hohem  mass  merkwürdi- 
gen säulenreliefs  bringen.  —  Hr.  Bruns,  jüngst  von  einem  römischen 
aufenthalt  zurückgekehrt,  berichtete  hierauf  eingehend  nach  wiederhol- 
ter und  genauer  besichtigung  über  die  neuesten  ausgrabungen  auf 
dem  römischen  forum  und  insbesondere  über  das  merkwürdige  haupt- 
fundstück  derselben,  die  beiden  reliefplatten,  deren  deutung,  wie  es 
scheint,  in  allem  wesentlichen  gelungen  und  für  die  geschichte  des 
forums  von  hoher  Wichtigkeit  ist.  —  Dr.  Engelmann  konnte  durch 
die  gute  des  hofbildhauers  herrn  Gilli  das  schon  früher  in  der  ge- 
sellschaft  besprochene  (vgl.  Arch.  Zeit.  1868,  s.  89)  Laokoonrelief  des 
maiers  Wittmer  in  Rom  im  original  vorlegen.  Er  suchte  die  ge- 
wöhnlich gegen  das  alterthum  des  fraglichen  reliefs  vorgebrachten 
gründe  zurückzuweisen,  indem  er  nachwies,  dass  einmal  die  ovale 
form  nur  erst  nachträglich  hineingekommen  sei,  da  das  relief  ur- 
sprünglich ein  rechteck  bildete  (die  beschädigung  einer  ecke  scheint 
das  abarbeiten  veranlasst  zu  haben)  und  dass  zweitens  die  Verschie- 
denheit des  styles,  sowie  der  abweichungen  von  der  bekannten  gruppe 
für  eine  Originalschöpfung  und  gegen  eine  fälsch  ung  sprächen.  Letz- 
teres wurde  auch  anerkannt ,  doch  das  werk  mehrfach ,  vorzüglich 
von  seiten  prof.  Adlers  für  eine  moderne  arbeit  erklärt.  Die  diskus- 
sion  brachte  keine  argumente  für  oder  wider  die  ächtheit  zu  tage; 
seit  dem  bekanntwerden  des  reliefs  hat  sich  die  grosse  mehrzahl  der 
archäologen  wie  der  künstler  gegen  dieselbe  ausgesprochen.  Ein  alle 
rweifel  abschneidender  beweis  für  die  ächtheit  wird  sich  vielleicht, 
wie  in  so  manchen  fällen,  auch  hier  nicht  führen  lassen;  die  gründe 
für  die  unächtheit  aber  bedürfen  einer  eingehenden  erörterung,  welche 
sich  nur  mit  heranziehung  alles  einschlägigen  materials,  besonders 
des  in  Madrid  befindlichen  Laokoonreliefs,  anstellen  lässt. 

Auszüge  ans  Zeitschriften. 

Augsburger  allgemeine  zeitung,  1871,  beil.  zu  nr. 329:  G.M.Thomas, 
G.  Hermann  's  hundertjähriger  geburtstag:  schöner  artikel  zur  erinne- 
rung  an  unsern  grossen  meisten  s.  Phil.  anz.  IV,  nr.  12.  —  Beil.  zu 
nr.  331 :  F.  Dahn ,  briete  aus  Thule.  II.  —  Nr.  332 :  der  projectirte 
oberste  schulrath  für  Bayern.  —  Beil.  zu  nr.  333.  334:  F.  Dahn,  briefe 
aus  Thule.  III,  IV:  handelt  vom  Eridanus  u.  dergl.  —  Nr.  336:  als 
man  in  Heidelberg  den  100jährigen  geburtstag  G.  Hermann's  feierte, 
ward  bei  dem  im  museum  veranstalteten  festessen  der  Nestor  der 
Philologie  in  Heidelberg,  der  geheime  hofrath  Joh.  Chr.  Felix  Bahr, 
also  am  28.  nov. ,  vom  schlage  getroffen:  er  konnte  noch  nach  hause 
gefahren  werden,  erlag  aber  bald  darauf  einem  erneuten  anfall.  _ — 
Nr.  337 :  B.  Stark ,  nach  dem  griechischen  Orient.  VI :  äusserst  in- 
teressant, in  dem,  leider  nur  zu  kurz,  Stark  seinen  aufenthalt  in  Troja 
—  Schliemann's  ausgrabungen  werden  auf  Neu-Ilion  bezogen  — ,  dann 
auch  den  in  Lesbos  schildert.  —  Nr.  338 :  die  geographische  gesellschaft 
in  London  und  Dr.  Livingston.  —  Beil.  zu  nr.  338 :  einige  bemerkun- 
gen  zu  den  „erinnerungen  aus  der  Steinzeit" ,  in  nr.  292.  296.  —  Beil. 
zu  nr.  338.  339:  B.  Stark,  nach  dem  griechischen  Orient.  VI:  han- 
delt vortrefflich  über  Smyrna  wie  dessen  Umgebung,  über  den  Melos, 
das  Dianenbad  u.  a.,  kurze  angäbe  der  ausflüge  nach  Magnesia  am 
Sipylos,  nach  Ephesos,  Sardes  und  schliessst  mit  einer  warmen  Schilde- 
rung des  wirkens  der  Diakonissen  von  Kaiserswerth ,  die  dort  allmäh- 
lig  ein  eignes  häuserviertel  sich  erworben  haben  voll  von  deutsch- 
evangelischen schulen  und  anstalten. — 


St.  2.  Februar  1873. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben  als   ergänzung  des  Philologus 


von 

Ernst  von  Leutsch. 


28.  Ausführliche  grammatik  der  griechischen  spräche  von 
Dr  Raphael  Kühner.  2.  aufl.  in  durchaus  neuer  bearbei- 
tung.  8.  Hannover,  Hahnsche  hofbuchhandlung.  2ter  theil. 
1.  abth.  1871.   —     2  thlr.  10  ngr. 

Die  vorliegende  x)  zweite  aufläge  des  trefflichen  buches 
enthält  eine  so  vollständige  neue  bearbeitung  der  ersten ,  dass 
diese  nur  wie  eine  Vorarbeit  zu  diesem  mit  seltenem  fleisse  zusam- 
mengestellten werke  erscheint ,  das  in  keiner  philologischen 
bibliothek  fehlen  darf.  Eine  anzeige  dieser  grammatik,  welche 
eine  glücklich  gelöste  lebensaufgabe  in  sich  schliesst,  kann  nicht 
die  absieht  haben,  sich  auf  einzelnheiten  einzulassen  —  wie 
wäre  es  bei  dem  gewaltigen  und  einer  fortwährenden  emenda- 
tion  unterworfenen  stoffe  möglich,  dass  sich  nicht  einzelne  irr- 
thümer  eingeschlichen  haben  sollten  —  sondern  muss  sich  auf 
eine  allgemeine  charakterisirung  des  geleisteten  beschränken,  in 
der  es  wiederum  nicht  darauf  ankommt,  ob  der  refereet  mit  dem 
verf.  in  den  principiellen  fragen  übereinstimmt,  sondern 
vielmehr,  ob  er  bezeugen  kann,  dass  seines  wissens  der  vom 
verf.  gewählte  systematische  rahmen  alle  einzelnen  ersehe i- 
nungen  der  griechischen  syntax  übersichtlich  umfasst.  Denn 
eine  grammatik  wie  die  vorliegende  ist  überall  nur  für  den 
philologen  bestimmt,  bei  dem  vorausgesetzt  werden  muss,  dass 
er  einen  wissenschaftlichen  Standpunkt  einnimmt;  sie  hat  — 
für  jetzt  wenigstens  —  nicht  sowohl  die  aufgäbe  nachzuweisen, 
dass  das  in  ihr  zur  anwendung  gebrachte  System  das  einzig 
berechtigte  ist  und  dass  alle  einzelnen  grammatischen  data  rich- 
tig behandelt  sind,    als  vielmehr  das  gesammte  sprachma- 


1)  S.  Philol.  Anz.  III,  nr.  7,  p.  337. 
Philol.  Anz.  V. 


66  28.  Griechische  grammatik.  Nr.  2. 

terial  übersichtlich  und  möglichst  vollständig  zu- 
sammenzustellen und  demnächst  in  allen  erscheinungen, 
die  für  die  Wissenschaft  noch  einen  gegenständ  der  Untersu- 
chung bilden,  den  augenblicklichen  Standpunkt  der 
frage  zu  fixiren.  Das  erste  nun,  die  Vollständigkeit  des 
materials  und  die  Übersichtlichkeit  der  gruppirung  desselben, 
steht  allerdings  mit  dem  grammatischen  System  stets  im  eng- 
sten Zusammenhang:  jene  kann  nur  erreicht  werden,  wenn  die 
grenzen  des  Systems  umfassend  genug  sind,  und  zugleich  scharf 
scheiden,  was  der  grammatik  einerseits,  der  Stilistik  und  rheto- 
rik  andrerseits  angehört,  diese,  die  Übersichtlichkeit,  wird  ge- 
radezu bedingt  durch  das  zu  gründe  gelegte  system  ;  eine  ein- 
theilung  der  moduslehre  z.  b.  nach  den  modis  kann  wohl  ne- 
ben dem  Vorzüge  eines  möglichst  vollständigen  materials  be- 
stehen, wie  K.  W.  Krüger  zeigt,  gleichzeitig  aber  wird  durch 
diese  das  zusammengehörige  getrennt  und  vielfache  Wiederho- 
lung nöthig  gemacht.  Das  von  Kühner  befolgte  und  in  der 
unabsehbaren  reihe  der  auflagen  seiner  schulgrammatik  zur  gel- 
tung  gebrachte  theilungsprincip  besteht  auch  hier  die  probe, 
es  bietet  weite  und  übersichtliche  fachwerke  und  lässt  das 
gleichartige  bei  einander.  Besonders  aber  ist  es  die  Vollstän- 
digkeit des  materials,  die  bewunderung  erregt  und  die  das  werk 
als  ein  wahres  repertorium  der  grammatischen  Wissenschaft  er- 
scheinen lässt.  Ueberall  sind  die  fortschritte  der  forschung,  die 
mit  Hermann,  Lobeck  und  Bernhardy  beginnen  und  durch  die 
historische  methode  seitdem  von  so  vielen  seiten,  insbesondere 
aber  nächst  den  trefflichen  arbeiten  von  Aken  durch  Delbrück 
und  Windisch  fortgeführt  worden,  benutzt;  die  häufigen  citate 
aus  Grimm,  Schleicher,  Curtius,  Graff,  Kvicala  u.  a.  stehen 
nicht  zum  blossen  prunke  da,  sondern  zeigen  in  der  alterthüm- 
lichen  gesellschaft  von  Valckenaer,  Wyttenbach,  Porson,  Spitz- 
ner u.  a.  das  redliche  bemühen  einer  innerlichen  Verarbeitung 
der  resultate  der  neueren  sprachvergleichenden  grammatik.  Dieser 
sind  u.  a.  vielfach  belehrende  Zusammenstellungen  entnommen, 
z.  b.  bei  den  partikeln;  besonderen  werth  hat  die  sorgfältige 
durchforschung  der  oft  schwer  zugänglichen  monographien.  Da- 
neben zieht  sich  durch  das  ganze  werk  eine  sorgfältige  sonde- 
rung des  homerischen,  dichterischen  und  prosaischen  Sprachge- 
brauches nebst   genaueren    Scheidungen    nach    stilgattungeu,   wo 


Nr.  2.  29.  Griechische  grammatik.  67 

diese  nöthig  erschien.  So  ist  alles  geschehen,  um  dem,  der  ei- 
ner einzelnen  erscheinung  weiter  nachgehen  will,  gleichzeitig 
material  und  literatur  nachzuweisen  —  möge  es  besonders  auf 
dem  gebiete  der  syntax,  die  nach  der  historischen  Seite  hin  zu 
erforschen  doch  immer  nur  erst  der  anfang  gemacht  ist,  nicht 
an  jungen  kräften  fehlen,  denen  der  eminente  fleiss  Kühners 
zur  anregung  dient.  Th.  Fritzsche. 

29.  Griechische  Sprachlehre  für  gymnasien  bearbeitet  von 
Dr  H.  A.  Schnorbusch  und  Dr  J.  Sc  her  er.  2.  verb.  u. 
verm.  aufl.     8.     Paderborn,  Ferd.  Schöningh.   1871.  —  28  ngr. 

Manche  versehen  der  ersten  aufläge  sind  verbessert,  so 
§.  164  ist  das  nuvroh  verschwunden,  §.  362  hat  das  wate 
fiij  dem  wäre  /xrj  und  mors  ov  platz  gemacht,  wie  das 
schon  Aken  in  der  vorrede  zu  seiner  Gr.  p.  XI  monirte; 
ebendaselbst  ist  das  „(ohne  nachsatz) "  bei  xaitoi  mit  recht 
weggelassen,  es  giebt  aber  auch  in  der  formenlehre,  dem  bes- 
seren theile  des  buches ,  noch  manches  zu  ändern.  So  ge- 
nügen §.  83  die  regeln  der  Silbentrennung  nicht  ganz;  Gn\dy- 
%va  ist  zwar  richtig  getrennt,  man  sieht  aber  nicht,  warum. 
§.  84  waren  yod-ßdtjr,  GvVky]  - ßdqv  als  nich  t  composita  zu  er- 
wähnen. §.  383  durfte  nicht  stehen  y,G7SQtjaofiou  (seltener  ots- 
gtj&tjaofiai),  sondern:  (aber  d  n  oarsoridtjaopiai  neben  dnoaze- 
gtjaouai):  s.  Lys.  12,  70.  Demosth.  I,  22.  Kühner  Ausf.  Gr.  §. 
343  und  §.  377.  4.  Die  syntax  hat  vor  allen  dingen  den 
mangel ,  dass  ihr  jegliches ,  anregende  fehlt :  sie  ist  eine  Samm- 
lung von  regeln,  die  nach  gewissen  allgemeinen  gesichtspunk- 
ten  geordnet,  aber  nicht  von  einem  wissenschaftlichen  princip 
abgeleitet  sind,  das  von  gewissen  festen  punkten  aus  eine 
Übersicht  über  ganze  gebiete  gestattet.  Einer  für  die  schule 
bestimmten  griechischen  syntax  muss  durchaus  ein  in  sich 
abgeschlossenes  system  zu  gründe  liegen.  Man  sage  doch  ja 
nicht,  dass  die  schüler  ein  grammatisches  system  vom  lateini- 
schen her  im  köpfe  hätten !  Das  wäre  eine  arge  Verwechslung 
eines  gewissen  rein  äusserlichen  Schematismus  mit  der  idee,  die 
das  agens  des  Systems  ist  —  ganz  abgesehen  davon ,  dass  die 
lateinische  grammatik  den  schülern,  für  welche  die  grieehische 
syntax  bestimmt  ist,  doch  wohl  fortwährend  von  dem  ge- 
sichtsp  unkte  aus   darzustellen   ist,    wie    das   latein   durch    seine 

b* 


68  29.  Griechische  grammatik.  Nr.  2. 

formen  abschwächung  oft  genöthigt  wird,  durch  eine  form  das 
auszudrücken,  wofür  das  griechische  noch  eine  reihe  von  mo- 
difizirungen  zulässt,  —  mit  andern  worten,  dass,  wie  Bern- 
hardy  es  als  einen  anachronismus  empfunden  zu  haben  be- 
kennt, dass  er  an  die  römische  literaturgeschichte  herantrat, 
bevor  er  die  griechische  bewältigt  hatte,  so  aus  der  griechischen 
syntax  erst  die  lateinische  erwachsen  kann.  Ein  mehr  oder 
minder  übersichtliches  conglomerat  von  regeln  und  beispielen 
ist  noch  keine  grammatik ;  durch  eine  solche  moles  wird  der 
Schüler  stumpf,  anstatt  denken  zu  lernen,  während  ein  wirk- 
liches grammatisches  System  ihn  stets  selbst  finden ,  selbst  mit- 
arbeiten lehrt  und  ihm  die  freudigkeit  gewährt,  die  das  be- 
wusstsein ,  ein  eigenthum  errungen  zu  haben ,  mit  sich  bringt. 
%In  der  casuslehre  z.  b.  ist  über  die  grundbedeutung  derselben 
keine  andeutung  gegeben,  die  ableitung  des  mannigfachen  ge- 
brauchs  aus  einer  quelle  nicht  versucht.  Soll  das  buch  durch 
solche  Schweigsamkeit  etwa  zugleich  den  anhängern  des  localis- 
mus  und  denen  der  theorie  der  casusformen  sich  empfehlen?  Das 
thut  es  mit  nichten.  Ein  verständiger  lehrer  wird  sich  von 
der  einführung  eines  Schulbuches  nicht  abhalten  lassen  dadurch, 
dass  er  nicht  überall  die  in  demselben  befolgten  ansichten  theilt, 
wenn  es  sonst  nur  wissenschaftlich  brauchbar  und  praktisch  ein- 
gerichtet ist.  Und  jede  neue  schulgrammatik  muss  in  solchen 
brennenden  fragen  Stellung  nehmen,  so  gut  wie  das  die  selbst- 
verständliche pflicht  jedes  philologischen  lehrers  ist.  Ueberall 
vermisst  man  so  die  leitenden  fingerzeige ;  bei  der  behandlung 
der  genera  verbi  ist  die  entstehung  des  passivs  aus  dem  me- 
dium nicht  verwerthet,  in  der  tempuslehre  sucht  man  vergeb- 
lich nach  dem  historischen  gesichtspunkt  u.s.w.  Aber  auch 
einzelnheiten  sind  vielfach  mangelhaft.  Z.  b.  §.  463  heisst  es: 
„intensives  medium  (dynamisches).  Das  medium  bezeichnet 
eine  angestrengtere  thätigkeit  des  Subjekts".  Unter  den  beispie- 
len figurirt  nöXsfiov  noith  und  nöle/AOv  noti-ia&at,  richtig  über- 
setzt. Muss  da  der  schüler  nicht  zu  dem  resultate  kommen, 
dass  es  unter  allen  umständen  eine  angestrengtere  thätigkeit  er- 
fordere, einen  krieg  zu  führen,  als  ihn  zu  veranlassen  ? !  §.561: 
„Alle  nebensätze  stehen  im  (obliquen)  optativ,  wenn  ihr  in* 
halt  ausdrücklich  als  fremder  gedanke  hingestellt  wird".  Als 
ob  da  wirklich  immer  der  optativ  stehen  könnte!    §.  602.     2: 


Nr.  2.  30.  Etruskisches.  69 

„Der  indicativ  eines  historischen  tempus  (gewöhnlich  mit  Iva, 
auch  tos  und  otuag)  um  •auszudrücken,  dass  die  absieht  nicht 
erfüllt  oder  erfüllbar  ist".  "Onag  und  tag  sind  so  selten,  dass 
„auch"  nicht  genügt.  Aber  die  hauptsache  fehlt,  nämlich,  dass 
der  hauptsatz  selbst  im  praeteritum  stehen  muss. 

Th.  Fritzsche. 

30.  Etruscan  inscriptions  analysed,  translated  and  com- 
mented  upon,  by  Alex.  Earl  of  Crawford  and  Balcar- 
res,  Lord  Lindsay  etc.     8.     London,  John   Murray,  1872. 

Der  verunglückte  versuch,  das  etruskische  aus  dem  semi- 
tischen herzuleiten ,  welcher  an  monstruositat  kaum  überboten 
werden  zu  können  schien ,  ist  faktisch  durch  das  vorliegende 
werk  überboten.  Der  Verfasser  hält  die  Etrusker  für  einen 
zweig  der  alten  Germanen,  und  erblickt  in  den  etruskischen  in- 
sebriften  dem  Ulfilas  um  Jahrhunderte  vorausgehende  altdeut- 
sche denkmäler,  steht  also  im  wesentlichen  nicht  fern  von  dem 
Standpunkte  Donaldson's.  Die  art  und  weise  des  etymologisi- 
rens  ist  so  völlig  dilettantisch  und  unwissenschaftlich,  dass  wir 
es  für  unter  der  würde  dieser  Zeitschrift  halten,  ausführlich  auf 
diesen  unsinn  einzugehen.  Aus  unzähligen  beispielen ,  die  wir 
als  beleg  für  die  berechtigung  unseres  harten  urtheils  anführen 
könnten,  wählen  wir,  beliebig  aufschlagend,  folgende  aus :  „phanu- 
sathek  soll  gleich  sein  deutschem  „pfand  -  Satzung",  pene-zs  = 
„pfenuig-zins",  thals  -  aphunes  =  „pfund-zoll",  etc.  —  Das 
wort  bulla  wird  von  „  balg  -  an "  oder  „  belg  -  an  "  hergeleitet, 
quinquatria  oder  quinquatrus  von  quinque  und  „afiar{\  arse  uerse 
von  ,,vard,  vairths"  und  })fiur'\,  (dii)  nouensiles  von  „niun"  und 
„sello"  (=  collega),  Voltumna  von  „wald"  und  „anna"  (=  ma- 
ter),  duumuiri  von  „tuom",  „dorn"  (iudicium) ,  consul  von  „ga- 
Sello",  plebs  von  „bi  Laifs"  also  von  „bi  Lailj-an',  (lelneit)  etc. 

31.  Winckler,  über  die  zeiten  des  indicativs  und  den 
gebrauch  des  conjunktivs  in  unabhängigen  und  abhängigen  ne- 
bensätzen.     Illter  theil.     4.     Programm  von  Leobschütz  1871. 

Wenn  von  einer  behandlung  grammatischer  fragen  in  Pro- 
grammen u.  s.  w.  ein  nutzen  entspriessen  soll,  so  ist  zu  verlangen, 
dass  sie  entweder  neues  oder  eine  die  sache  von  grund  aus  for- 
dernde erörterung  biete,  dass  d  er  Sprachgebrauch  mehrerer  aut  oren 


70  31.  Lateinische  grammatik.  Nr.  2. 

oder  eines  einzigen  bis  ins  einzelnste  hinein  festgestellt  werde, 
dass  die  schulgrammatik  ihren  stoff  aus  solchen  einzelfragen  er- 
gänze ,  abrunde  und  vertiefe.  Dies  kann  von  der  obigen  ab- 
handlung  leider  nicht  durchgängig  gesagt  werden. 

In  §.  20 — 23  werden  die  causalsätze,  die  conjunktion  cum, 
die  fragesätze  und  die  indirekte  rede  besprochen.  —  Ueber 
die  causalsätze  ist  blos  das  bekannte  noch  einmal  gesagt.  Dann 
ist  über  quod  folgendes  zu  lesen:  „durch  eine  art  logischen 
fehlers  wird  quod  fast  immer  bei  den  ausdrücken  des  sagens, 
glaubens,  meinens  in  der  erzählung,  wenn  das  erzählte  begrün- 
det wird,  mit  dem  conjunktive  des  imperfects  verbunden".  Weit 
besser  sagen  Lattmann -Müller:  „eine  eigenthümliche  attractio 
modi  findet  statt  bei  Verbis  sentiendi  und  dicendi  in  nebensätzen, 
in  welchen  ein  von  eben  jenen  verben  abhängiger  accusativ 
mit  infinitiv  vorkommt  (namentlich  in  sätzen  mit  guod.)"  Z.  b. 
cum  Hannibalis  permissu  exisset  de  castris,  rediit  paulo  post,  quod  se 
oblitum  nescio  quid  diceret  (=  oblitus  esset  =  weil  er  etwas,  wie 
er  sagte,  vergessen  hätte;  das  diceret  könnte  geradezu  fehlen). 
Dazu  konnte  Winckler,  der  doch  sonst  die  beispiele  häuft, 
noch  anführen  Caes.  BG-.  1,  39.  5,  6.  Cic.  Ep.  ad  fam.  7,  16. 
Verr.  5,  17  (dagegen  der  indicativ  Cic.  Verr.  1,  85.  Plane  73). 
Dagegen  das  beispiel  aus  Caes.  BGr.  1,  23:  Helvetii  seu  quod 
timore  perterritos  Romanos  discedere  a  se  existimarent ,  welches 
Winckler  als  zweites  bietet,  gehört  nicht  hierher,  weil  der  con- 
junetiv  hier  potentialen  sinn  hat;  während  in  den  obigen  beispie- 
len  das  verbum  sentiendi  und  dicendi  ganz  überflüssig  war,  ist  hier 
quod  existimarent  =  weil  sie  wohl  glauben  mochten:  vrgl.  1,  27. 
Cic.  Mil.  29.  Div.  2;  46.  Sen.  85.  Zuweilen  steht,  auch  ohne  ac- 
cusativ mit  infinitiv  und  bei  anderen  verben ,  dieser  potentiale 
conjunetiv  wie  Cic.  Tusc.  4,  44 :  noctu  ambulabat  Themistocles, 
quod  somnum  capere  non  posset  =  weil  er  wohl  nicht  schlafen 
konnte.     Anders  erklärt  Winckler   p.  16  unt.  diese  erscheinung. 

Die  regel  über  cum  entbehrt  der  Übersicht,  sowie  der  Voll- 
ständigkeit. Beim  concessiven  cum  fehlt  die  bemerkung,  dass 
dasselbe  oft  auch  durch  „während"  zu  übersetzen  sei  und  dass 
cum  adversativum  „während  dagegen"  bedeute:  vrgl.  Caes.  BG. 
4,  12.  Liv,  42,  43.  Cic.  Orat.  3,  60.  Inv.  1,  4.  Leg.  1,7.— 
Neu  ist  anm.  2  über  cum  praesertim  und  praesertim  cum;  der 
unterschied  beider  ausdrucksweisen  ist  richtig  definirt.  —     Bei 


Nr.  2.  32.  Eratosthenes.  71 

cum  maxime  fehlt  die  bedeutung  „gerade  jetzt";  auch  hätte  als 
beleg  hinzugefügt  werden  können  Liv.  29,  17.  —  Zu  anm. 
5  über  audivi  cum  mit  dem  conjunctiv  fehlt  die  begründung 
dieses  modus,  der  auf  obliquer  beziehung  beruht:  vrgl.  Cic. 
Brut.  205.  Ausserdem  fehlt  die  bemerkung,  dass  memini  cum 
als  ein  rein  relativischer  ausdruck  =  „ich  erinnere  mich  der 
zeit  wo"  den  indicativ  regiert:  s.  Ep.  ad  Cic.  fam.  7,  28.  Cat. 
3,  19.  Sest.  62. 

Belegstellen  bietet  Winckler  sehr  viele,  so  zu  cum  mit 
dem  indikativ  33,  zu  cum  mit  dem  conjunktiv  22,  zu  cum  — 
tum  7.  Dieselben  sind  selbständig  gesammelt  und  stimmen 
mit  den  gewöhnlich  in  den  grammatiken  aufgeführten  nicht 
üb  er  ein. 

Zu  anm.  1.  (über  die  fragesätze)  num  —  an  vermisse  ich 
die  stelle  aus  Cic.  Sen.  23,  sowie  die  bemerkung,  dass  an  dann 
meist  im  ironischen  sinne  zu  verstehen  ist.  Zu  anm.  2,  b 
a.  e.  Hessen  sich  hinzufügen  Cic.  Brut.  126.  Ep.  ad  fam.  9,  14. 
Ueber  nescio  quis,  aut  in  fragesätzen  u. s.w.  ist  gar  nichts  er- 
wähnt. C.  Härtung. 

32.  Ludwig  Mendelssohn,  Quaestionum  Eratostheni- 
carum  caput  primum.  De  mortis  anno  Sophoclis  et  Euripidis. 
Ex  actis  societ.  philol.  Lipsiens.  ed.  Eitschl.  II,  p.  161 — 196.8. 
Lips.  Teubner.  1873. 

Die  viel  besprochenen  verwickelten  fragen,  welche  der 
titel  anzeigt,  werden  in  dieser,  den  besten  erscheinungen  der 
chronologischen  literatur  ebenbürtigen  abhandlung  in  befriedi- 
gender weise  dahin  gelöst,  dass  unter  beseitigung  der  legenden, 
welche  die  geschichte  beider  dichter  verdunkelt  haben,  und  Ver- 
werfung der  eratosthenischen  datirung  für  den  tod  des  Euripi- 
des  • —  auf  grund  der  in  der  parischen  chronik  gegebenen  data 
der  tod  des  Sophokles  in  die  zweite  hälfte  des  j.  406  v.  Chr. 
(ol.  93,  3  zu  anfang),  der  des  Euripides  in  dessen  erste  hälfte,  je- 
denfalls in  ol.  93,  2  gesetzt  wird.  In  betreff  des  letzteren 
wird  die  Übereinstimmung  der  chronik  mit  Philochoros  nachge- 
wiesen, die  version  des  Eratosthenes  und  Apollodoros  dagegen 
in  überzeugender  wie  scharfsinniger  weise  auf  Timaios  zurück- 
geführt. Ob  letzterer,  wie  vf.  vermuthet.  hiebei  aus  Philistos 
geschöpft  hat,    möchten    wir  bezweifeln,    wenigstens   ist  es  mit 


72  32.  Eratosthenes.  Nr.  2. 

dem  vorhandenen  material  nicht  auszumachen ;  ist  die  nachricht 
des  Hermippos ,  dass  der  ältere  Dionysios  nach  dem  tode  des 
Euripides  stücke  aus  dessen  hinterlassenschaft  um  schweres 
geld  an  sich  gebracht  habe,  gegründet,  so  könnte  sie  vielleicht 
erklären,  wie  man  zu  dem  irrthum  kam ,  den  tod  des  dichters 
zeitlich  mit  dem  regierungsantritt  des  tyrannen  (dec.  406)  zu- 
sammenzubringen. 

Vf.  behandelt  auch  die  verschiedenen  datirungen,  welche 
von  der  geburtszeit  des  einen  wie  des  andern  der  genannten 
tragiker  im  alterthum  aufgestellt  worden  sind.  Hier  indessen, 
wo  wir  mit  den  gründen  dieser  Setzungen  unbekannt  und  le- 
diglich auf  erforschung  und  abwägung  der  autoritäten  angewiesen 
sind,  können  wir  die  entschiedenheit ,  mit  welcher  vf.  je  eines 
der  verschiedenen  data  und  gerade  beidemal  das  einer  so  trü- 
ben quelle,  wie  die  parische  chronik  ist,  bevorzugt,  nicht  am 
platze  finden.  Dass  Euripides  am  tag  der  Schlacht  von  Sala- 
mis geboren  sein  soll,  wie  die  meisten  angeben,  ist  gewiss  eine 
fabel  und  der  vf.  hat  neue  momente  zu  ihrer  erläuterung  beige- 
bracht ;  aber  ihre  entstehung  lässt  sich  doch  nur  dann  vollständig 
begreifen,  wenn  die  Voraussetzung  bestand ,  dass  er  im  jähre 
jener  schlacht  geboren  war ,  und  Philochoros ,  nach  welchem 
der  dichter  über  70  jähre  alt  wurde,  hat,  wie  vf.  selbst  an- 
nimmt, höchst  wahrscheinlich  dieses  jähr  als  geburtsdatum  im 
äuge  gehabt.  Die  parische  chronik  dagegen  steht  mit  ihrem 
datum :  ol.  73,  4.  485/4  ganz  allein ,  wenigstens  hat  uns  der 
versuch  des  vf.,  ihr  gesellschaft  zu  verschaffen,  nicht  überzeugt. 
Wenn  bei  Suidas  s.  v.  Zocpoxltjg,  wo  die  geburt  dieses  dich- 
ters in  ol.  73  und  17  jähre  vor  der  des  Sokrates  gesetzt  wird, 
wirklich ,  wie  vf.  will ,  Sophokles  mit  Euripides  verwechselt 
wäre,  so  würde  das  doch  dem  datum  der  parischen  chronik  wenig 
nützen :  dem  sprachgebrauche ,  welcher  bei  Zurückrechnungen 
herrscht,  gemäss  würden  die  17  jähre  voll  zu  rechnen  sein  und 
von  ol.  77,  4.  469/8,  dem  geburtsjahr  des  Sokrates,  zurück 
auf  ol.  73,  3.  486/5  als  geburtsjahr  des  Euripides  führen, 
nicht  auf  ol.  73,  4.  Die  annähme  einer  solchen  Verwechslung 
ist  jedoch,  abgesehen  davon  dass  der  artikel  des  Suidas  geflis- 
sentlich von  Sophokles  handelt,  schon  deswegen  unwahrschein- 
lich, weil  die  an  sich  befremdliche  vergleichung  der  geburtszeit 
eines    dichters    mit   der    eines    philosophen    nur   bei  Sophokles, 


Nr.  2.  32.  Eratosthenes.  73 

nicht  aber  bei  Euripides,  erklärlich  ist.  Der  erste  sieg  und  zugleich 
das  erste  auftreten  des  Sophokles  mit  einem  drama  fiel  bekannt- 
lich gerade  in  das  geburtsjahr  des  Sokrates.  Allerdings  wird 
durch  diese  stelle  die  zahl  der  sophokleischen  geburtsdata  von 
zwei  (ol.  70,  4  und  71,  1)  auf  drei  erhöht;  das  ist  aber  bei 
den  zahlreichen  Varianten,  welche  besonders  über  die  geburts- 
.zeit  und  lebensdauer  berühmter  männer  aus  begreiflichen  grün- 
den in  den  biographischen  angaben  gefunden  werden ,  keines- 
wegs auffallend.  Wir  finden  sogar ,  dass  auch  andere  der  von 
Suidas  a.  a.  o.  ausgesprochenen  ansieht  gehuldigt  haben :  Plu« 
tarchs  ausdruck  (Cimon.  8)  nQtört]v  didaaxaliav  zov  J£ocpo%\eovg 
sri  vsov  xudevToe  passt  wohl  zu  17,  aber  sehr  wenig  zu  28 
oder  26  lebensjahren ;  ebenso  wird  dann  der  grimm  über  die 
erlittene  niederlage,  welcher  den  Aischylos  zur  auswanderung 
nach  Sicilien  getrieben  haben  soll,  begreiflicher,  als  wenn  der 
sieger  noch  mehr  jähre  zählte  als  Aischylos  selbst  bei  seinem 
ersten  auftreten  (er  war  damals  24  jähre  alt  gewesen)  gezählt 
hatte. 

Warum  vf.  das  eratosthenische  jahrdatum  der  geburt  des 
Sophokles  unbekannt  nennt,  begreife  ich  nicht ;  es  ist  kein  an- 
dres als  das  von  ihm  so  geringschätzig  behandelte,  welches  die 
Vita  überliefert:  ol.  71,  2.  495/4,  und  aus  Diodor  13,  103 
mit  Sicherheit  zu  gewinnen.  Die  90  jähre  lebenszeit ,  welche 
dort  nach  Apollodor  und  Eratosthenes  dem  dichter  beigelegt 
werden,  mit  den  91  in  der  parischen  chronik  ihm  zugeschrie- 
benen dadurch  zu  identificiren,  dass  jene  für  voll,  diese  für 
unvollendet  gehalten  werden,  durften  andre  sich  gestatten:  der 
vf.  jedoch  nicht,  da  er  (nicht  ohne  grund,  aber  ohne  sich,  wie 
doch  nöthig,  darüber  auszusprechen)  die  91  voll   nimmt  und  ol. 

70,  4.  497/6  als  datum  der  chronik  für  die  geburt  des  Sopho- 
kles ansieht.  Hat  Eratosthenes  und  sein  getreuer  anhänger 
Apollodor  die  90  jähre  voll  gerechnet,  so  fiel  beiden,  von  ol. 
93,  3.  406/5    zurückgezählt,    die   geburt   des  Sophokles   in    ol. 

71,  1.  496/5;  haben  sie  dagegen  das  letzte  jähr  unvollendet 
genommen,  so  gaben  sie  ihm  dieselbe  geburtszeit  wie  die  Vita. 
Für  letzteres  entscheidet  der  umstand,  dass  alle  vollständig  er- 
haltenen altersangaben  des  Apollodor  die  pleonastische  Zählung 
anwenden,  bei  welcher  das  letzte,  noch  laufende  lebensjahr  als 
volle  einheit  angerechnet  wird.      Sokrates  lebte  nach  Apollodor 


74  32.  Eratosthenes.  Nr.  2. 

bei  Diog.  Laert.  2,  44  von  ol.  77,  4.  469/8  bis  ol.  95,  1. 
400/399  und  wurde  nach  ebendemselben  a.  a.  o.  70  jähre  alt; 
des  Aristoteles  geburt  setzt  Apollod.  b.  Diog.  5,  9  in  ol.  99, 
1.  384/3,  seinen  tod  in  ol.  114,  3.  322/1  und  lässt  ihn  63 
jähre  erreichen;  endlich  von  Epikur  gibt  derselbe  bei  Diog. 
10,  15  an,  er  sei  ol.  109,  3.  342/1  geboren  und  ol.  127,  2. 
271/0  in  einem  alter  von  72  jähren  gestorben.  Die  90  jähre, 
welche  dem  Sophokles  von  den  Alexandrinern  gegeben  werden, 
sind  demnach  als  volle  89  anzusehen,  woraus  weiter  folgt,  dass 
sie  seine  geburt  um  zwei  jähre  später  als  die  chronik,  auf  ol. 
71,  2.  495/4  angesetzt  haben. 

In  betreff  der  corrupten  stelle,  welche  in  der  vita  Sopho- 
clis  nach  der  angäbe  des  geburtsjahres  folgt:  r;v  ö'  Ala^vlov 
vsätsgoq  sttj  sma  (so  die  meisten,  wo  nicht  alle  codd.;  Brunck 
ohne  sichere  gewähr  8sxas7iTa) ,  Evqmi8ov  8s  naXaiörsgog 
stxooi  ziaaaga ,  stimmen  wir  dem  verf.  insofern  bei ,  als  er 
hier  ein  andres  als  das  so  eben  besprochene  geburtsdatum 
und  zwar  das  der  parischen  chronik  vorausgesetzt  findet;  wei- 
ter aber  können  wir  ihm  nicht  folgen.  Weil  zwischen  dem 
parischen  datum  für  Sophokles  (ol.  70,  4)  und  dem  alexandri- 
nischen  für  Euripides  (ol.  75,  1)  gerade  17  jähre  liegen,  kam 
Musgrave,  welcher  nur  die  schlechte  lesart  öexaenza  kannte, 
auf  den  gedanken ,  die  zahlen  der  vulgata  (24  und  17)  mit 
einander  zu  vertauschen:  ein  in  der  textkritik  selten  zu  em- 
pfehlendes verfahren,  welches  der  vf.  nach  dem  vorgange  an- 
derer billigt,  dessen  gewaltsamkeit  er  aber  noch  erhöht,  indem 
er  als  zahl  des  Aischylos  eixogioxtcj,  als  die  des  Euripides  8s- 
nasmä  aufstellt.  Das  wird  von  ihm  p.  171  lenis  mutatio  ge- 
nannt. Für  die  empfehlenswertheste,  weil  einfachste  behand- 
lung  der  stelle  halten  wir  es,  mit  Böckh  und  Ritter  slxoaisnra 
statt  snra  zu  schreiben,  stxoai  rsaaaga  aber  mit  Kitter  stehen 
zu  lassen.  Die  geburt  des  Aischylos  wird  meist  (auch  vom  vf.) 
in  ol.  63,  4.  525/4  gesetzt,  weil  der  parischen  chronik  zu- 
folge er  zur  zeit  der  schlacht  von  Marathon  35 ,  ol.  81,  1. 
456/5  aber  (bei  seinem  tode)  69  jähre  alt  war.  Nun  hat  diese 
chronik  allerdings  bei  Sophokles  und  Euripides  die  lebensjahre 
voll  gerechnet;  daraus  folgt  aber,  bei  der  bekannten  inconse- 
quenz  derselben  in  behandlung  der  zahlen,  mit  nichten,  dass 
sie  es    auch    bei  Aischylos  gethan  hat.     Wir   nehmen   die   35 


Nr.  2.  33.  Sokrates.  75 

und  69  jähre  als  unvollendete  und  setzen  demgemäss  die  ge- 
bart des  dichters  in  ol.  64,  1.  524/3,  weil  die  zahlen  der  Vita 
Aeschyli  und  der  Synchronismus ,  welchen  die  biographischen 
angaben  über  Pindaros  aufstellen,  auf  ol.  64  führen.  Von  da 
bis  zum  parischen  geburtsdatum  des  Sophokles  (ol.  70,  4)  sind 
27  jähre.  Für  den  altersunterschied  zwischen  Sophokles  und 
Euripides  die  handschriftliche  lesung  beizubehalten ,  empfiehlt 
sich  wegen  der  Unmöglichkeit,  den  von  den  vorhandenen  ge- 
burstdaten  beider  dichter  gelieferten  zahlen  (17,  15,  12,  10,  5, 
1)  eine  gefällige  emendation  derselben  abzugewinnen.  Dadurch 
erhalten  wir  aber  auch  für  Euripides  geburt  ein  drittes  datum : 
24  jähre  nach  ol.  70,  4,  also  ol.  76,  4.  473/2  v.  Chr.  Dass 
dies  wirklich  vorhanden  war,  schliessen  wir  aus  Gell.  NA.  15,  20, 
4,  nach  welchem  derselbe  bei  seinem  ersten  dramatischen  auf- 
treten 18  jähre  alt  war.  Euripides  Hess  aber  sein  erstlings- 
werk,  die  Peliaden,  ol.  81,  1.  456/5  aufführen,  17  volle  jähre 
oder  im  unvollendeten  18.  jähr  nach  ol.  76,  4.  Ohne  zweifei 
wird  sich  diese  dreizahl  der  geburtsdata  beider  dichter  noch  re- 
duciren  lassen,  wozu  schon  in  dem  hier  dargelegten  das  doppelte 
vorkommen  eines  17jährigen  debutanten  und  der  Synchronismus, 
welcher  zwischen  dem  todesjahr  des  Aeschylos  und  dem  ersten 
auftreten  des  Euripides  besteht,  veranlassen  könnte;  die  nächste 
aufgäbe  war  aber,  die  Zeugnisse  der  quellen  aufzuzeigen,  ohne 
diesen  gewalt  anzuthun. 

Dies  unsere  ausstellungen  an  dem  inhalte  der  abhandlung, 
welche  nur  zeigen  sollen,  dass  das  eingangs  ausgesprochene  lob 
kein  blindes  gewesen  ist.  Hoffentlich  bemüht  sich  der  vf.  in 
der  fortsetzung  seiner  eratosthenischen  Untersuchungen ,  deren 
erscheinen  wir  mit  lebhaftem  interesse  entgegensehen,  dunkel- 
heiten  der  darstellung ,  wie  sie  p.  164  z.  22  und  39,  p.  176 
z.  18  und  22,  p.  169  sq.  begegnen,  zur  erleichterung  des  le- 
sers  ferne  zu  halten. 

U. 

33.  Sokratische  Studien.  I)  Ueber  das  verhältniss  zwischen 
den  xenophontischen  und  platonischen  berichten  über  die  per- 
ßönlichkeit  und  die  lehre  des  Sokrates ;  zugleich  eine  darstel- 
lung der  hauptpuncte  der  socratischen  lehre.  II)  Ueber  Socra- 
tes  dämonion.     Von  DrSigurd  ßibbing,  professor  der  phi- 


76  33.  Sokrates.  Nr.  2. 

losopbie  an  der  königlichen  Universität  zu  Upsala.     8.     Upsala, 
Edquist  und  Berglund.   1870.     126  und  41  s.  —     1   thlr. 

Wenn  auch  die  gewisseuhaftigkeit  des  berichterstatters  es 
nicht  verschweigen  darf,  dass  Ribbing,  obwohl  im  ganzen  der 
deutschen  spräche  vollkommen  mächtig,  dennoch  einzelne  undeut- 
sche Wendungen  zu  vermeiden  nicht  im  stände  gewesen  ist,  so 
können  doch  diese  kleinen  mängel  den  dank  dafür  nicht  verringern, 
dass  er  diese  seine  arbeiten  dem  deutschen  leserkreise  zugänglich 
gemacht  hat.  Denn  es  sind  in  Wahrheit  werthvolle  gaben,  die 
er  uns  bietet.  Die  zweite  abhandlung,  um  mit  dieser  zu  begin- 
nen, gelangt  zu  dem  ergebniss,  das  dämonion  des  Sokrates  sei 
ein  plötzlich  eintretendes  sicheres  Vorgefühl  dafür  gewesen,  dass 
gewisse  einzelne  handlungen,  zu  denen  er  bereits  hinneigte  und 
sie  zu  thun  im  begriffe  stand,  seiner  wahren  inneren  eigenthüm- 
lichkeit  widersprechen  und  störend  auf  dieselbe  einwirken  würden, 
so  dass  ihm  in  folge  dessen  eine  unbezwingliche  antipathie  ge- 
gen diese  handlungen  entstand.  Ich  halte  dies  ergebniss  für 
unanfechtbar,  hätte  aber  um  so  mehr  gewünscht,  dass  Ribbing  hie- 
bei  stehen  geblieben  wäre  und  nicht  die  mehr  als  gewagte  be- 
hauptung  hiemit  verbunden  hätte,  dass  nun  eben  damit  das 
dämonion  zugleich  als  das  gewissen  in  seiner  eigenschaft  als 
warnerstimme  vor  der  that  definirt  sei,  woraus  er  denn  ferner  noch 
eine  so  enge  beziehung  desselben  zu  der  lehre  des  Sokrates 
herausspinnt,  dass  wenigstens  Piatons  angäbe,  der  dem  letzte- 
ren schon  als  knaben  dasselbe  zuschreibt,  unverträglich  mit 
ihr  wird.  In  der  ersten  abhandlung  aber  sucht  der  verf.  die 
Unvereinbarkeit  von  Piatons  berichten  über  Sokrates  mit  de- 
nen des  Xenophon  und  die  höhere  glaubwürdigkeit  der  erstem 
in  Alkibiades  rede  im  Symposion ,  ferner  in  der  Apologie,  im 
Kriton  und  überhaupt  in  den  mehr  propädeutischen  dialogen 
darzuthun,  und,  wie  es  scheint,  ist  es  ihm  wirklich  gelungen 
nachzuweisen,  dass  die  erstem  in  höherm  grade,  als  es  Zeller 
und  andere  zugeben  wollen,  nach  den  letztern  nicht  bloss  zu 
ergänzen,  sondern  auch  zu  berichtigen  sind.  Indessen  hätte  er 
bedenken  sollen,  dass  auch  Apologie  und  Kriton  keineswegs  von 
allen  so  ohne  weiteres,  wie  er  anzunehmen  scheint,  als  reine 
historisch -treue  berichte  auch  nur  nach  Piatons  eigner  absieht 
angesehen  werden,  wenn  sie  auch  zu  den  am  meisten  historisch 
gehaltenen  gehören.     Gesetzt   aber,    Piaton   wollte  wirklich    in 


Nr.  2.  33.  Sokrates.  77 

ihnen  völlig  treu  berichten  ,  war  er  denn  vermöge  seiner  gan- 
zen individualität  auch  im  stände  dazu,  oder  zwang  nicht  viel- 
mehr dieselbe  eben  so  sehr  zu  einer  idealisirenden  wie  den  Xeno- 
phon  die  seine  zu  einer  hinter  der  Wirklichkeit  zurückbleibenden 
auffassung  ?  Auch  Paulus  meinte  nur  die  reine  lehre  Jesu  wieder- 
gegeben zu  haben.  Ich  kann  in  der  that  nicht  einräumen,  dass 
die  darstellung  Piatons  in  dem  grade,  in  welchem  Kibbing  es 
annimmt,  massgebend  sei.  Um  mich  hier  auf  die  hauptsache 
zu  beschränken ,  so  weisen  allerdings  selbst  äusserungen  bei 
Xenophon  darauf  unzweideutig  hin,  dass  Sokrates  wenigstens 
die  absieht  und  tendenz  hatte  nach  einem  absolut  guten  zu 
suchen.  So  viel  beweist  schon  die  ausdrückliche  Unterschei- 
dung des  guten  und  angenehmen  Mem.  IV,  3,  8,  am  entschei- 
dendsten aber  ist,  dass  er  in  der  von  Zeller  (Phil.  d.  Gr.  IIa, 
p.  105,  anm.  1)  u.  a.  missverstandnen ,  von  Pubbing  (p.  97, 
anm.  2)  richtig  aufgefassten  stelle  Mem.  IV,  2,  34  ausdrück- 
lich sagt,  die  glückseligkeit  selbst  sei  nur  dann  ein  unbestreit- 
bares gut,  wenn  man  sie  selber  nicht  wieder  aus  bloss  relati- 
ven gütern  (äficpiXoya)  zusammensetze  oder  solche  in  die  Zu- 
sammensetzung mit  aufnehme.  Bedenkt  man  ferner,  dass  er  den 
mangel  an  wissenschaftlich  -  sittlicher  selbsterkenntniss,  die  mit 
wissensdünkel  verbundene  Unwissenheit,  in  welche  er  das  We- 
sen der  Untugend  setzte ,  als  etwas  an  geisteskrankheit  {(xaiäa) 
grenzendes  bezeichnete  (Mem.  III,  9,  6  f.,  vgl.  ßibbing  p.  88. 
111),  so  würde  es  fast  nur  die  kehrseite  hievon  gewesen  sein, 
wenn  er  im  gegentheil  die  fügend  als  die  gesundheit  der  seele 
bezeichnet  haben  sollte,  und  so  ist  es  mir  im  gegensatz  zu 
Zeller  mit  Ribbing  glaublich,  dass  wirklich  schon  ihm  und  nicht 
erst  dem  Piaton  eben  dieser  gedanke  und  der  weiter  gehende 
angehört,  dass  die  fügend  eben  aus  diesem  gründe  das  nütz- 
lichste sei  (Krit.  47  D.  E),  womit  denn  sogar  eine  gewisse  be- 
stimmung  derselben  als  eines  absoluten  guten  wirklich  gewon- 
nen wäre,  indem  dann  der  genuss  des  guten  gewissens,  der  Zu- 
friedenheit mit  sich  selbst,  der  eignen  moralischen  Vervollkomm- 
nung, das  höchste,  wodurch  Sokrates  sonst  die  tugend  empfiehlt, 
kein  zweck  für  sich,  sondern  nur  eine  nothwendig  hinzutretende 
folge  ist.  Allein  wie  wenig  Sokrates  dieses  gedankens  vollkom- 
men herr  und  sich  seiner  tragweite  und  folglich  auch  dieser 
Verbindung    klar    bewusst   war,    erhellt  daraus ,    dass   er    trotz- 


78  33.  Sokratee.  Nr.  2. 

dem  in  jenen  empfehlungen  wenigstens  nach  Xenophons  dar- 
stellung  (Mem.  I,  6,  9.  II,  1, 19.  IV,  8,  6)  genau  ebenso  verfährt 
wie  Prodikos,  dessen  Herakles  er  sich  daher  auch  ohne  jeden  vor- 
behält aneignet.  Genau  so  wie  Prodikos  (Mem.  II,  1,  31.  33) 
verbindet  er  mit  jener  berufung  auf  das  eigne  günstige  urtheil, 
welches  der  tugendhafte  über  sich  selbst,  die  auf  dasjenige,  wel- 
ches andere  über  ihn  fällen ,  also  auf  achtung  }  ehre,  ansehen, 
und  sofort  auch  auf  die  übrigen  äussern  guter,  welche  in  der 
regel  dem  tugendhaften  zuzufallen  pflegen,  ohne  dass  er  im  ge- 
ringsten die  ganz  verschiedne  bedeutung  dieser  verschiedenen 
momente  hervorhöbe.  Und  so  sehe  ich  nicht  ab,  was  uns  hin- 
dern könnte  anzunehmen,  dass  er  sogar  über  ein  gewisses 
schwanken  nicht  hinaus  war  und  zu  verschiedenen  zeiten  sich 
verschieden  äusserte,  so  dass  man  keinen  grund  hat  denjenigen 
berichten  Xenophons  zu  misstrauen,  nach  welchen  er  vielfach 
das  gute  nur  relativ  bestimmte  und  die  tugend  mit  hinweglas- 
sung  alles  anderen  sogar  nur  durch  hervorhebung  ihrer  äussern 
vortheile  empfahl,  oder  andererseits  mit  einem  förmlichen  abfall 
von  seinem  grundprincip  die  moralität  mit  der  blossen  legalität 
zusammenwarf.  Vielmehr  erklärt  es  sich  so  am  leichtesten, 
dass  einerseits  zwar  Piaton  an  jenem  obigen  gedanken  als  acht 
sokratisch  festhalten  und  auf  ihm  fortbauen  und  den  Sokrates 
zum  träger  seiner  eignen  philosophie  machen,  andrerseits  aber  An- 
tisthenes  bei  einer  bloss  negativen  bestimmung  der  tugend  ste- 
hen bleiben,  Aristippos  vollends  Weisheit  und  tugend  zu  blossen 
mittein  des  richtigen  genusses  herabsetzen ,  Eukleides  das  rein 
formale  theoretische  »wissen  als  solches  bereits  für  das  gute, 
für  die  tugend  und  glückseligkeit  erklären  und  ein  so  unphilo- 
sophischer praktiker  wie  Xenophon  seinen  eignen  Standpunkt 
bei  Sokrates  wiederfinden  konnte,  indem  für  sie  alle  in  der 
that  sachliche  anknüpfungspunkte  bei  letzterem  vorhanden  wa- 
ren. Gesteht  doch  Piaton  selber  ausdrücklich  ein,  dass  So- 
krates wohl  bis  zur  seelenschönheit ,  aber  noch  nicht  bis  zur 
Schönheit  im  absoluten  sinne  vorgedrungen  sei  (Sympos.  209  E 
ff.  ),  und  wenn  damit  zunächst  nur  gesagt  ist,  dass  er  die  idee 
des  schönen,  wie  überhaupt  die  ideeulehre,  noch  nicht  hatte,  so 
ist  dies  doch  im  sinne  Piatons  die  einzige  form ,  in  welcher 
das  absolute  überhaupt  erfasst  werden  kann,    und  die  wirkliche 


Nr.  2.  34.  Piaton.  79 

und    eigentliche   erfassung  desselben   wird   also  hiemit   zugleich 
dem  Sokrates  abgesprochen. 

Fr.  Susemihl. 

34.  Platonische  Studien  von  Jos.  Steger,  prof.  am  gym- 
nasium  in  Salzburg.     I.  Innsbruck  1869.     8     79  ss. —   16  ngr. 

Dieser  erste  band  beschäftigt  sich  mit  der  platonischen  dia- 
lektik  gegenüber  der  sophistik  und  zwar  in  dem  ersten  theile 
mit  der  sophistik  und  sophistischen  rhetorik  (p.  3 — 33).  Mit 
möglichster  Vollständigkeit  und  mit  einer  ziemlich  erschöpfen- 
den angäbe  der  in  Plato's  werken  vorhandenen  belegsteilen  er- 
wähnt der  vf.  zunächst  den  bekannten  auf  Heraklit's  System 
basirenden  satz  des  Protagoras  vom  menschen  als  maas  aller 
dinge  und  die  daraus  gezogenen  folgerungen  von  dem  nicht 
Vorhandensein  einer  objektiven  Wahrheit  und  von  der  vergeb- 
lichkeit der  wissenschaftlichen  forschung.  Als  die  bezeichnend- 
sten merkmale  des  Sophisten  werden  angegeben,  dass  er  ein 
avrdoyixög  ist  (Soph.  232  E),  dass  seine  kunst  nur  eine  auf 
gelderwerb  berechnete  eristik  ist  und  dass  bei  ihm  alles  auf  schein- 
wissen und  täuschung  hinauslaufe.  Die  ähnlichkeit  der  aus- 
drücke zwischen  Soph.  232  E  und  Rep.  596  A,  wo  über  den 
werth  der  darstellenden  und  nachbildenden  kunst  gesprochen 
wird,  ist  richtig  hervorgehoben.  Das  gebiet  der  sophistik  ist 
das  [itj  6v  (Soph.  254  A);  deshalb  ist  auch  die  grundlage  ih- 
rer tugendlehre  eine  schwankende,  deshalb  wird  auch  der  sub- 
jective  Standpunkt  als  richtschnur  für  das  handeln  bezeichnet, 
daraus  entspringt  endlich  die  identificirung  von  ijdv  und  aya- 
&6v,  die  rechtsverdrehung  und  die  seltsamen  ansichten  über 
natur  und  entstehung  der  gesetze ,  über  die  gerechtigkeit  und 
die  anderen  tugenden.  Als  eng  verbunden  mit  der  sophistik, 
nur  als  andere  seite  derselben  bezeichnet  Plato  die  rhetorik  sei- 
ner zeit,  die  als  nsiüovg  dqpwvQyog  gilt  und  deren  aufgäbe  nicht 
in  der  belehrung,  sondern  in  der  Überredung  besteht  (p.  24  ff.). 

Der  zweite  theil  behandelt  die  platonische  dialektik  und 
zwar  in  dem  ersten  kapitel  die  Widerlegung  des  sophistischen 
principes  ,  sowie  die  möglichkeit  und  bedingung  des  wissena 
(p.  33 — 51).  Das  richtige  an  dem  princip  des  Protagoras  ist 
nur,  dass  die  unmittelbare  sinnesempfindung,  woraus  die  Wahr- 
nehmungen   und   Vorstellungen    entstehen,    jedesmal    wahr    ist. 


80  34.  Piaton.  Nr.  2. 

Die  seele  nimmt  wahr  theils  durch  Vermittlung  der  sinne  als 
ihrer  Organe,  theils  an  und  für  sich.  Zu  dem,  was  die  seele 
an  und  für  sich  wahrnimmt,  gehört  die  Wahrnehmung  des  seins 
[ovtfi'aj ,  der  ähnlichkeit  und  unähnlichkeit,  der  identität  und 
Verschiedenheit,  der  zahl,  des  schönen  und  hässlichen ,  des  gu- 
ten und  schlechten.  Nur  die  idee,  4er  allgemeine  begriff,  gilt 
Piaton  als  das  wahrhaft  seiende,  für  die  erscheinungsdinge  giebt 
es  nur  ein  vorstellen,  eine  Öo£«.  Wissen  entsteht  durch  beleh- 
rung,  Vorstellung  durch  Überredung.  Erst  durch  dialektische 
begründung  wird  die  richtige  meinung  zu  wissen  und  somit 
auch  bleibend  und  fest.  Die  begriffliche  begründung  ist  iden- 
tisch mit  der  zurückführung  auf  die  idee  und  diese  wiederum 
unmöglich  ohne  die  lehre  von  der  präexistenz.  Das  begriff- 
liche wissen,  das  zusammenfassen  der  einzeldinge  unter  die  ein- 
heit  des  gattungsbegriffes  ist  geradezu  charakteristisch  für  die 
menschliche  natur.  Der  für  die  platonische  dialektik  so  be- 
deutsame Sophistes  liefert  den  nachweis  von  der  existenz  des 
nichtseienden,  erweist  es  als  gegensatz  zu  einem  bestimmten 
seienden.  Und  wie  dieses  nichtseiende  über  alles  seiende  aus- 
gebreitet ist,  so  kann  es  auch  mit  der  rede  und  Vorstellung  in 
Verbindung  treten.  Giebt  es  aber  einen  irrthum  in  der  rede, 
so  giebt  es  auch  einen  irrthum  im  denken  und  vorstellen.  Bei 
solchen  Vorstellungen,  die  nur  im  denken  erfasst  werden,  sucht 
Plato  den  irrthum  zu  erklären  mittelst  Unterscheidung  des  po- 
tentiellen und  aktuellen  wissens,  die  bei  Aristoteles  fundamen- 
tale bedeutung  gewonnen  hat.  Das  zweite  kapitel  bekandelt 
die  dialektik  und  ihre  aufgaben  (p.  51 — 68).  Nur  das  begriff- 
liche wissen  ist  ein  wahres  wissen,  und  jene  beschäftigung  mit 
den  begriffen  ist  die  dialektik  mit  ihren  beiden  Seiten ,  der  be- 
griff s-bildung  und  eintheilung.  Der  niedere  begriff  bleibt  so 
lange  hypothese  als  er  nicht  durch  den  höhern  seine  begrün- 
dung erhält.  Der  höchste  begriff,  das  avvno&sTov,  ist  die  idee 
des  guten,  welche  den  übrigen  ideen  sowohl  das  vermögen  des 
erkanntwerdens  als  auch  sein  und  Wesenheit  verleiht.  Für  Pia- 
ton sind  die  begriffe  nicht  blos  denkobjekte,  sondern  reale,  für 
sich  seiende  Wesenheiten;  in  folge  davon  werden  ihre  logischen 
Verhältnisse  zu  antilogischen.  Bei  erörterung  über  das  werden 
der  dinge  tritt  als  ersatz  des  dialektischen  Verfahrens,  das  dabei 
nach  Piatons  erkenntnisstheorie  unmöglich  ist,  der  mythus  als  die 


Nr.  2.  34.  Platon.j  81 

form  des  wahrscheinlichen  ein  (s.  Phil.  Anz.  IV,  2,  p.  70  f.).  * — 
Die  erfordernisse,  welche  Plato  für  ein  wissenschaftliches  ge- 
spräch  (rn  dtufa'yso&ut)  aufstellt,  sind  doppelter,  sittlicher  und 
methodologischer  art.  Zur  ersten  art  gehört  die  Überzeugung, 
dass  es  eine  Wahrheit  giebt  und  die  liebe  zur  Wahrheit  und 
Schönheit  (als  Eros  im  Symposion  und  Phädros).  Gegen  Un- 
wissenheit und  thörichte  einbildung  ist  dialektik  das  einzige 
heilmittel.  Die  methodologischen  erfordernisse  werden  p.  74  f. 
berührt.  Wird  auf  diese  weise  die  Unterredung  mit  Wahrheits- 
liebe und  sittlichem  ernste  geführt,  so  führt  sie  zugleich  auf 
dem  wege  der  selbstprüfung  und  selbsterkenntniss  zur  sittlichen 
Veredelung  seiner  selbst.  Die  wahre  rhetorik  endlich,  die  zum 
schluss  behandelt  ist,  verfolgt  als  zweck  die  selbstbesserung  und 
sittliche  Veredelung  der  mitbürger  und  erstreckt  sich  auf  alle 
gebiete,  die  eine  xpv^uyojyia  Öta  Xoycov  erfordern. 

Für  die  erkenntniss  des  platonischen  Systems  liefert  die 
arbeit  des  vf's  nichts  neues ,  sondern  hinlänglich  bekanntes, 
aber  in  einer  klaren,  einfachen  und  übersichtlichen  darstellung. 
Dass  die  begriffe  zo  ov  avzo,  to  zavtov  und  io  &uteqov  nach  der 
angäbe  im  Sophistes  mit  allen  in  Verbindung  treten,  hebt  er  mit 
recht  hervor,  aber  erwähnt  nicht  den  epoche  machenden  fort- 
schritt,  den  der  Sophistes  durch  die  theorie  der  ideenbewegung 
macht,  obgleich  durch  diese  bewegung  das  erkanntwerden  so- 
wohl, als  der,  wenn  auch  getrübte,  wiederschein  der  ideen  in 
der  empirischen  weit  ermöglicht  wird.  Und  im  anschluss  an 
die  erörterung  des  Sophistes  (248  B — E)  ist  es  nicht  wunder- 
bar, wenn  im  Parmenides  (133  E)  von  einer  Wirksamkeit  {ßvva- 
juis)  der  ideen  auf  einander  die  rede  ist,  weil  nur  dadurch  die 
starre  einseitigkeit  des  eleatischen  princips  beseitigt  werden 
konnte:  vgl.  die  ansieht  von  K.  Ch.  Planck  in  den  NN.  Jahrbb. 
bd.  105,  heft  8,  p.  541  ff. 

C.  Liebhold. 

35.  Die  lehre  vom  logos  in  der  griechischen  philosophie. 
Von  Dr.  Max  Heinz e.  8.  Oldenburg.  Ferd.  Schmidt.  1872. 
XIV  u.  336  s.  —     1   thlr.    25  gr. 

Der  verf.  behandelt  in  seinem  gründlichen  und  anregenden 
werk  die  bedeutung  des  logos  in  der  griechischen  philosophie 
und  geht  bei  der  lösung  seiner  aufgäbe  von  dem  System  des 
Philol.  Anz.  V.  6 


82  35.  Griechische  philosophie.  Nr.  2. 

Ephesiers  Heraklit  aus;  in  welchem,  wie  er  meint,  der  logos 
fast  identisch  zu  setzen  sei  mit  dem,  regelmässigen  gange  der 
bewegung,  für  welche  das  feuer  oder  richtiger  der  Wärmestoff 
das  physische  Substrat  bildet.  Dieses  feste  gesetz  der  Weltbe- 
wegung, welches  sich  in  dem  streite,  d.  h.  dem  umfassen  der  über- 
all thätigen  gegensätze  manifestirt  (sowohl  bei  Stobaeus  als  auch 
bei  Diog.  Laertius  bisweilen  als  ivavrio^gofxia  gefasst),  lässt  den 
pantheistischen  charakter  dieses  Systems  unverkennbar  hervor- 
treten. Ausserdem  setzt  Heraklit  seinen  logos  mit  der  uner- 
schütterlichkeit des  Verhängnisses  identisch.  (An  der  aus  Stob. 
Ecl.  I,  178  citirten  stelle:  sau  yag  sipagnivr}  näv7iaq)  dürfte 
meiner  ansieht  nach  weder  nävztog  noch  mit  Lassalle  tzcci'tj/, 
sondern  nävzwv  zu  lesen  und  die  nachfolgende  lücke  etwa  mit 
ag%ovaa  auszufüllen  sein.)  In  enge  Verbindung  mit  der  el/tag- 
fAevt]  bringt  Lassalle  die  dixtj,  welche  ihrer  kosmischen  seite  nach 
ganz  gleiche  geltung  mit  dem  allgemeinen  prineip  des  werdens 
hat.  Der  logos  darf  keinesfalls  immateriell  gefasst  werden ; 
im  gegentheii  gehen  hylozoismus  und  pantheismus  bei  Heraklit 
hand  in  hand.  Aus  der  stelle  des  Clem.  Strom.  V,  604  A 
will  der  vf.  nichts  entnommen  wissen,  als  dass  der  logos  oder 
das  feuer  als  herrschendes  prineip  auch  das  allein  weise  ge- 
nannt wird.  In  der  p.  32  aas  Stob.  Flor.  3,  81  citirten  stelle 
dürfte  nicht  zu  lesen  sein :  on  aoepöv  iazi  ndvzmv  xtxcogiofierov, 
sondern  ort*  aoqov  iori  ti  xcöv  ovtoav  us%C0QtG[ist'Ov,  denn  es  soll 
die  meinung  zurückgewiesen  werden,  als  sei  das  aoq-6vt  gleich- 
wie die  späteren  ideen  bei  Plato,  etwas  von  der  weit  (tmv  ov- 
tcoj)  getrenntes,  während  offenbar  die  immanenz  aufrecht  er- 
halten werden  muss.  Die  lehre ,  wonach  der  vovg  ein  losge- 
rissener theil  von  gott  ist ,  gehört  einer  viel  späteren  zeit  an, 
z.  b.  dem  heraklitisierenden  stoiker  Mark  Aurel.  Sodann  be- 
rührt der  vf.  die  stelle  aus  Plutarch.  de  Is.  et  Os.  77,  382  B, 
aus  welcher  man  die  ansieht  Heraklits  von  der  intelligenz  und 
dem  bewusstsein  des  höchsten  prineips  folgern  könnte.  Aber 
bei  dem  schweigen  von  Aristoteles  und  Plato  ist  wohl  mehr 
anzunehmen,  dass  diese  worte  nicht  authentisch,  sondern  dem 
Heraklit  imputirt  seien,  weil  vor  Anaxagoras  der  vovg  oder  die 
denkende  kraft  in  die  philosophie  nicht  eingeführt  ist.  In  der 
ethik,  die  bei  dem  dunkeln  Ephesier  von  der  physik  gar  nicht 
zu  trennen  ist,  muss  besonders  beachtet  werdeu,  dass  die  seelen 


Nr.  2.  35.  Griechische  philosophie.  83 

um  so  feuriger,  d.  h.  reiner  sind,  je  mehr  sie  sich  von  dem 
nassen  entfernen.  Die  Substanz  der  seele  aber  und  ihre  Ver- 
bindung mit  dem  logos  wird  gefördert  und  erhalten  durch  das 
athmen  und  durch  die  vermittelung  der  sinne.  Das  aufgehen 
im  allgemeinen,  im  ewigen  werden,  ist  das  ethische  princip  bei 
Heraklit  und  das  verharrenwollen  im  eigenen  das  unsittliche. 
Die  über  dem  menschen  stehende  Eifiagfxsuj  bestimmt  das  q&og 
von  vorn  herein.  Daher  darf  sich  auch  niemand  wundern, 
wenn  Heraklit  den  weg  verschweigt,  auf  welchem  der  mensch 
der  bosheit  entfremdet  wird.  Wendungen  wie  tioiseiv  xata 
qivaiv  und  vßgiv  %ot]  oßewvsiv  geben  hier  andeutungen.  An 
stelle  der  aufgehobenen  rjöovrj  hat  Heraklit  etwas  ähnliches  wie 
die  svageattjaig  der  Stoiker  gesetzt.  Ausserdem  wird  zwar  eine 
idia  ygovqaig  angenommen,  aber  ihr  Ursprung  nicht  nachgewie- 
sen. Das  feuer  enthält  ein  gewisses  fiirgov,  und  dieses  könnte 
so  viel  als  der  loyog  sein,  nach  dem  alles  geschieht.  Und  da 
dem  xoivbg  Xöyog  die  tdia  qigövtjaig  entgegentritt,  so  muss  mit 
Xoyog  und  ygovtjGtg  gleichartiges  oder  etwas  analoges  bezeichnet 
sein.  Danach  wäre  der  begriff  am  besten  mit  Vernunft  wieder- 
zugeben. Natürlich  darf  man  diese  Vernunft  nur  als  objektive 
fassen.  Der  weltprocess  geht  in  der  weise  von  statten,  dass 
ihn  unsere  Vernunft  approbirt;  denn  dadurch  wird  er  als  ein 
vernünftiger  offenbar.  Die  analogie  mit  den  menschen  ist  in 
erster  linie  berücksichtigt,  aber  vovg  und  qgrjv  mit  fleiss  nicht 
gewählt,  weil  in  ihnen  das  subjektive  erkennen  als  erstes  ent- 
gegentritt. Dieselbe  bedeutung  hat  Xoyog  ungefähr  bei  Parme- 
nides;  auch  bei  ihm  konnte  das  erst  von  Socrates  gelehrte  be- 
griffliche wesen  noch  nicht  darunter  verstanden  sein.  Die  mög- 
lichkeit  einer  anlehnung  Heraklits  an  den  Parsismus  wird  von 
dem  verf.  zurückgewiesen. 

Soweit  das  platonische  System  für  die  vorliegende  forschung 
in  frage  kommt,  berücksichtigt  der  vf.  die  Republik  und  den 
Timaios,  weil  in  ersterer  besonders  die  idee  des  guten  darge- 
stellt, im  Timäos  nachgewiesen  wird,  auf  welche  weise  die  idee 
des  guten  im  weltall  zur  Verwirklichung  kommt.  Dass  der 
demiurg  als  die  idee  des  guten  gefasst  werden  könne,  lässt 
sich  nach  de  Eepb.  VI,  504  wohl  annehmen,  doch  im  Timaios 
gilt  er  mir  nur  als  wiederaufnähme  des  anaxagoreischen  vovg 
in    ethisch    vertiefter    fassung;    dagegen  kann  unbestritten   die 

6* 


84  35.  Griechische  philosophie.  Nr.  2. 

idee  des  guten  als  einheit  der  idee  und  die  weltseele  muss  sogar 
als  das  mittelglied  gedacht  werden,  vermöge  dessen  es  der  Ver- 
nunft möglich  war ,  in  die  materie  einzugehen,  als  die  Verbin- 
dung zwischen  der  idee  und  dem  (jtj  6v.  Gerade  der  ausdruck 
„mittelglied1'  musste  den  vf.  bestimmen,  ^wiardvat  nicht  blos 
in  dem  sinne  von  „entstehen  lassen ,  verfertigen"  zu  verstehen. 
Viel  eher  trifft  der  nachher  gebrauchte  ausdruck  „zugleich  hin- 
einsetzen" das  richtige.  Uebrigens  wird  der  dualismus  Plato's 
gegeuüber  dem  monismus  Heraklits  genügend  betont.  Nicht 
durch  emanation  sind  die  einzelseelen  aus  der  weltseele  hervor- 
gegangen, sondern  gleich  ihr  gebildet  und  durch  mischung  ent- 
standen, aber  mit  ihr  doch  gleiches  Wesens.  Jedenfalls  aber 
ist  die  Vernunft  das  göttliche  in  uns  und  befähigt  uns,  dem 
gesteckten  endziel  nahe  zu  kommen.  Indessen  ist  die  ganze 
lehre  vom  vovg  oder  kosmischen  princip  weder  ausführlich  von 
Plato  behandelt  noch  frei  von  Widersprüchen.  Aber  von  man- 
chen theologen  ward  Plato  als  quelle  des  johanneischen  logos 
angesehen.  Warum  er  den  ausdruck  löyog  selbst  nicht  ge- 
braucht, kann  man  nicht  wissen;  vielleicht  wollte  er  sich  an 
den  vovg  des  Anaxagoras  anschliessen. 

Bei  Aristoteles  ist  der  zweck  zugleich  die  form  und  der 
begriff  des  dinges.  Der  gedauke  oder  die  Überlegung,  welche 
über  der  natur  steht,  wirkt  trotzdem  auf  dieselbe,  damit  sie 
eine  zweckvolle,  vernünftige  bewegung  habe.  Aber  in  der  me- 
taphysik,  wo  die  transcendenz  gottes  meistens  streng  festge- 
halten wird,  ist  nicht  nachgewiesen,  wie  das  bedingungslose  den- 
ken in  die  natur  hineinkommt.  Mehr  platz  für  pantbeistische 
anschauung  findet  sich  bei  Aristoteles  in  der  psychologie.  Al- 
lerdings erkennt  man  keine  spur  von  der  immanenz  des  göttli- 
chen vovg  in  der  seele  des  menschen.  Dagegen  wird  mit  Xöyog 
dasjenige  vermögen  bezeichnet,  welches  durch  discursives  den- 
ken das  handeln  bestimmt.  Für  gott,  der  sich  selbst  stets  un- 
mittelbar denkt,  konnte  diese  bezeichnung  des  abgeleiteten  den- 
kens  nicht  gewählt  werden.  In  der  ethik  endlich  ist  der  Xo- 
yog  nur  die  praktische  Vernunft  und  der  ogOog  loyug,  der  auch 
schon  bei  Plato  vorkommt,  ist  keine  objektive  norm,  sondern 
soviel  als  die  (fijnvrjöig  in  jedem  einzelnen  menschen,  zugleich 
als  quelle  jeglicher  tugend. 

Der  monismus   der   stoiker   (p.  79  ff.)    kann   sich   die    be- 


Nr.  2.  35.  Griechische  philosophie.  85 

rechnete  Ordnung  der  weit  nicht  denken  ohne  einen  sie  durch- 
dringenden logos.  Der  von  menschlichen  kunstprodukten  ent- 
nommene analogieschluss  spielt  bei  ihnen  ebensowenig  als  bei 
Aristoteles  eine  untergeordnete  rolle.  Vornehmlich  sucht  das 
stoische  System  auf  induktivem  wege  nachzuweisen,  dass  dieses 
das  ganze  beherrschende  und  als  wirkendes  dem  leidenden  ge- 
genübergestellte princip  seinen  grund  in  der  weit  selbst  habe. 
Daraus  ergiebt  sich  auch  die  nothwendigkeit,  den  logos  der 
stoiker  materiell  zu  denken.  Zwar  wird  nicht  sowohl  das  stoff- 
liche, als  das  körperliche  von  ihm  ausgesagt,  weil  der  begriff 
cojua  bei  den  stoikern  überhaupt  einen  viel  weiteren  umfang 
hat,  in  dem  z.  b.  auch  die  affekte  und  eigenschaften  der  seele 
mitbegriffen  werden.  Bald  wird  der  logos  bezeichnet  als  nvsvpa, 
als  lufthauch,  bald  als  bewegendes,  lebenerzeugendes  und  er- 
haltendes feuer.  Und  weil  der  äther  beide  qualitäten  in  sich 
zu  vereinigen  scheint,  so  heisst  es  auch,  dass  in  dem  hie  und 
da  mit  der  gottheit  identisch  gesetzten  äther  das  qyefiovixop, 
die  weltleitung  ihren  sitz  habe.  Auch  mit  vovg  wird  der  logos 
vertauscht,  wenn  es  heisst,  dass  der  kosmos  nara  vovv  regiert 
werde ,  und  bezeichnend  für  das  planvolle  denken  der  feineren, 
formgebenden  stofftheilchen  sind  die  benennungen  für  gott  wie 
tzvq  te%H%ovs  oöcö  ßäSt^ov,  Efi.nsQtsiXt]q)6g  anavzag  rovg  cnegiAct.-* 
rixovg  Xöyovg,  xaö-'  ovg  sttaßzct  xa#'  BipiaQuivriv  yiypsrat  (Stob. 
Ecl.  I,  66,  wo  es  auch  heisst:  avatrdrco  de  nüvtcav  vovv  svai- 
&eQiov  ehai  &sov).  Durch  den  begriff  der  yvaig  kommt  in 
gott  oder  den  logos  die  bewegung  als  nothwendiges  moment 
hinein.  Die  stellen  bei  Seneca,  welchen  der  vf.  öfter  citirt, 
sind  nicht  ohne  vorsieht  zu  verwenden  wegen  der  stark  synkre- 
tistischen  färbung  dieses  philosophen:  s.  Erdmann,  Gesch.  d.  Phil. 
1, 181  f.  Trotz  der  innigen  Verbindung  von  activität  und  passivi- 
tat,  die  uns  der  logos  bei  den  stoikern  zeigt,  stellte  sich  bald  das 
bedürfniss  einer  begrifflichen  sonderung  heraus.  Und  so  entstand 
der  Xoyog  als  Xöyog  ansofiariMog.  Sind  aber  die  Xoyoi  ansgfiarixoi 
das  gestaltenbildende  princip ,  so  stehen  sie  in  engster  Verbin- 
dung mit  der  zweiten  kategorie,  mit  dem  nowv  oder  auch  noiog 
(sc.  Xöyog),  so  ist  die  nothwendige  folge  ihrer  Wirksamkeit  der  qua- 
litativ bestimmte  stoff.  Aber  die  unendliche  Vielheit  der  Xöyoi  ansg- 
(taTixol  wird  zusammengehalten  durch  den  einheitlichen  Xöyog  aniq- 
paiixog,  welcher  als  solcher  das  vernünftige  band  des  Weltalls  sein 


86  35.  Griechische  philosophie.  Nr.  2. 

muss  (p.  122  ff.).  Nicht  mit  den  platonischen  ideen,  wie  Stein 
annimmt,  hätten  die  ).6yoi  ansQiictiixoi  gleichheit  oder  ähnlichkeit, 
sondern  viel  eher  mit  den  Xoyoi  evvXoi  des  Aristoteles,  welche  in- 
dess  weit  mehr  der  zweiten  kategorie,  der  reinen  qualität  ohne 
selbständige  kraft  entsprächen.  —  Die  innere  nnd  absolute 
nothwendigkeit ,  die  ei/iaofispi] ,  nach  welcher  der  weltverlauf 
vor  sich  geht,  ist  bei  den  stoikern  der  engen  Verknüpfung 
von  Ursache  und  Wirkung  identisch  [avctym]  ist  nur  ein  stärke- 
rer ausdruck  dafür).  In  der  folgenden  partie  weist  der  vf.  nach, 
welche  versuche  die  stoiker  gemacht  haben,  um  das  übel  in 
der  weit  zu  erklären  (durch  die  annähme  eines  nothwendigen 
gegensatzes  zum  guten  und  durch  den  widerstand  der  materie 
oder  des  Stoffes  gegen  das  wirkende  princip)  und  welche  an- 
laufe sie  genommen,  um  die  kluft  zwischen  nothwendigkeit  und 
freiheit  zu  überspringen.  Das  naturgemässe  im  menschlichen 
leben  muss  zugleich  das  vernunftgemässe  sein.  Deshalb  war 
nöthig  die  annähme  eines  besondern  Xoyog,  eines  Xöyog  irdtci- 
'Oeroe,  der  zum  ngocpogixog  wird,  sobald  das  gedachte  zum  aus- 
druck kommt.  Die  Unterscheidung  dieser  beiden  Seiten  des  Xöyog 
ist  auf  Aristoteles  zurückzuführen.  Der  wivog  Xoyog  ist  nach 
ansieht  des  vf.  nur  von  der  nachstoischen  zeit  einer  solchen 
theilung  unterzogen.  Ganz  stoisch  ist  dagegen  die  bezeichnung 
der  einzelseele  als  unoanaana  oder  fiogiov  diog,  d.  h.  abgelö- 
stes von  dem  materiell  zu  denkenden  feuerhauch.  Alle  seeli- 
schen bewegungen  sind  produkte  des  logos,  und  von  angebornen 
ideen  und  intuitiver  erkenntniss  kann  keine  rede  sein.  Durch 
die  Sinneswahrnehmungen,  eindrücke  und  erzeugten  Vorstellungen 
wird  der  inhalt  für  die  ursprüngliche  anläge  gewonnen.  Ist 
der  logos  im  menschen  recht  beschaffen,  so  hat  er  auch  die 
fähigkeit,  die  Wahrheit  zu  finden.  —  Indessen  kann  eine  stoi- 
sche ethik  nicht  für  möglich  gelten,  sofern  es  die  ethik  zu 
thun  hat  mit  der  freien  that  des  menschen;  denn  die  xoivij 
yvotg,  an  welcher  die  einzelnen  menschen  theil  haben,  ist  einer- 
lei mit  dem  fatum.  Aber  sobald  die  stoiker  das  eigentlich 
ethische  gebiet  betreten,  gilt  die  tugend  als  av&atosTog.  So- 
mit finden  sich  in  der  stoischen  philosophie  die  beiden  entgegen- 
gesetzten lehren  von  der  nothwendigkeit  und  der  freiheit  un- 
mittelbar neben  einander  gestellt.  Doch  wenn  auch  die  stoi- 
ker  die  willen sfroihoit  praktisch   und   dem  ausdrucke  nach  an- 


Nr.  2.  35.  Griechische  philosophie.  87 

Dehmen,  so  haben  sie  dieselbe  bei  der  speculativen  behandlung 
der  frage  nie  beweisen  wollen,  weil  sie  sonst  einen  ihrer  haupt- 
sätze ,  das  iatjösp  avanloig  yiyvsa&ai,  hätten  aufgeben  müssen. 
Und  wenn  die  stoiker  meinen,  dass  zu  dem  endresultat  unbe- 
kannte Ursachen  mitwirken,  so  ist  von  vornherein  die  freiheit 
illusorisch.  Auch  die  angenommene  Verschiedenheit  und  ver- 
schiedene prädisposition  der  charaktere  lässt  unserseits  keiner- 
lei willkür  mehr  Spielraum.  Alles,  was  iq  yph  sein  soll,  wird 
zu  einem  ysvopspov  dt  rm&v  (Numenios).  So  bleibt  zwischen 
physik  und  ethik  der  stoiker  ein  fortwährendes  dilemma.  Mit 
dem  in  ihr  System  aufgenommenen  zwecke  haben  sie  die  nqo- 
rota  aufgenommen,  die  von  Heraklit  gradezu  geleugnet  wird, 
und  im  ganzen  ist  mit  der  glücklichen  Vereinigung  von  ursäch- 
lichkeit und  bewusster  Zweckmässigkeit  ein  bedeutender  fortschritt 
auf  philosophischem  und  religiösem  gebiete  gemacht.  Endlich 
ist  durch  das  intelligente  bewusstsein  und  die  berechnung,  die 
mit  der  nqovoia  nothwendig  verbunden  sind,  Heraklit  gegen- 
über ein  subjektives  moment  anerkannt  worden,  während  der 
begriff  der  persönlichkeit  noch  nicht  aufgenommen  und  die  frei- 
heit nur  als  nothwendiges  postulat  eingeführt  wird. 

Von  den  stoikern  bis  Philo  (p.  173  ff.)  herrschen  meistens 
confuse  ansichten  bei  eklektikern  und  synkretisten.  Den  ver- 
such einer  Vermischung  der  peripatetischen  und  stoischen  lehre 
findet  man  bei  dem  vf.  der  schrift  nsgl  y.öafxov.  Dieses  expe- 
riment  erreicht  seinen  höhepunkt  in  der  trennung  der  göttlichen 
kraft  von  dem  göttlichen  wesen.  Eine  Vermischung  der  beiden 
genannten  Systeme  versucht  auch  Aristobulus,  ein  Vorläufer 
Philo's.  So  gebraucht  er  aws^iv  in  stoischer  weise  von  dem 
zusammenhalten  der  weit  durch  gott.  Die  Weisheit  (oocpia),  die 
auch  bei  ihm  schon  von  grosser  Wichtigkeit  ist,  bekommt  noch 
mehr  bedeutung  in  dem  pseudosalomonischen  buch,  das  nach 
ihr  den  namen  führt  (p.  192  ff.).  Die  bedeutung  „wort"  ge- 
winnt in  dieser  schrift  eine  grössere  herrschaft  und  wird  mit 
der  „Weisheit",  wenn  nicht  synonym ,  so  doch  mindestens  pa- 
rallel gebraucht. 

Ausgehend  von  der  trennung  der  kraft  und  des  wesens 
in  der  schrift  negl  xoafiov  suchte  der  alexandrinische  Jude  Philo 
(p.  204  ff.),  überzeugt  von  der  identität  des  inhalts  der  heili- 
gen schrift  a.  T.  und   der  heidnischen  philosophie,   durch  eine 


88  35.  Griechische  philosophie.  Nr.  2. 

allegorische  Interpretation  der  alttestamentlichen  geschichte  eine 
Vermittlung  zwischen  zwei  so  getrennten  gebieten  anzubahnen. 
Der  unbegreiflichen,  eigenschaftslosen,  absoluten  gottheit  tritt  die 
absolut  nichtseiende  materie  gegenüber.  Aber  als  grund  aller 
Wirklichkeit  muss  gott  trotz  seiner  abgeschiedenheit  auf  irgend 
eine  weise  mit  der  weit  in  beziehung  treten ;  dies  geschieht 
durch  mittelwesen ,  die  in  der  orientalisch  fruchtbaren  phantasie 
Philo's  als  ein  niederschlag  der  platonischen  ideen  einerseits 
und  der  stoischen  löyoi  ansQfxaztMoi  anderseits  anzusehen  sind  und, 
wenn  man  sie  personificirt,  mit  den  heidnischen  dämonen  und 
alttestamentlichen  engein  gleichviel  ähnlichkeit  haben.  Alle  diese 
kräfte  oder  ideen  werden  zusammengehalten  und  finden  ihren 
mittelpunkt  in  dem  einen  Xoyog,  der  sowohl  als  idee  des  guten, 
d.  h.  als  höchste  idee,  als  auch  personificirt  als  gottes  söhn 
oder  als  ein  zweiter  gott  gedeutet  wird.  Auch  in  der  ethik 
lässt  Philo  unzweifelhaft  einen  nach  Vermittlung  strebenden  dua- 
lismus  vorwalten  und  immer  mehr  die  mystische  und  religiöse 
seite  hervortreten.  Es  wird  als  aufgäbe  des  sündhaften  men- 
schen hingestellt,  sich  von  dem  sinnlichen  loszureissen  und  in 
beziehung  zu  gott  zu  setzen ,  dessen  wesen  nur  durch  die  be- 
geisterte erhebung  des  innern  menschen,  durch  eine  art  eksta- 
tischer anschauung  erfasst  werden  kann.  Diese  Verbindung 
zwischen  dem  unendlichen  und  endlichen,  zwischen  sein  und  werden 
war,  wie  der  vf.  richtig  bemerkt,  nothwendig,  um  die  weit  der 
erscheinungen  hervorzubringen,  um  sie  zu  erhalten  und  um  den 
zug  des  menschen  nach  oben  zu  befriedigen.  Die  analogieeu 
welche  das  philonische  system  mit  Plato  bietet,  sind  im  ganzen 
sorgfältig  berührt;  indessen  hätte  bei  der  terminologie  z.  b. 
von  acpQuyig  auf  Theaet.  192  A,  sodann  auf  Legg;  VII,  801  D 
wegen  xvnog  sxfiaysiSv  rs  und  wegen  des  letzteren  wortes  auch 
auf  Tim.  50  C  hingewiesen  werden  können.  Ausserdem  war 
instructiv  Tim.  28  A  f.  wegen  der  ganzen  theorie  der  welter- 
schaffung  und  ib.  51  A. ,  wo  die  grundlage  aller  bestimmten 
körper  genannt  wird  ein  elSog  äfiogqiov ,  navöexts,  (ieraXäfi- 
ßuvov  ds  anoQwxura  ny  tov  vor\tov. 

Die  Neuplatoniker,  namentlich  Plotin,  bringen  manches, 
was  Philo  in  allegorischer  fassung  behandelt,  in  systematischer 
form.  Auch  ihnen  gilt  der  logos  als  bildendes  princip ,  das  als 
erzeugende   form  auf   die  materie   einwirkt.      Ueber   dem    vov$, 


Nr.  2.  36.  Plautus.  89 

der  als  Subjekt  und  objekt  des  erkennens  eine  zweiheit  bildet, 
nimmt  Plotin  noch  das  absolut  eine  als  urquell  aller  Vielheit 
an,  während  die  von  dem  vovg  ausgegangene  weltseele  als  drit- 
tes princip  zu  betrachten  ist.  Die  wähl  des  dämon  in  der  vor- 
zeitlichen existenz  ist,  wie  vieles  andere,  vollständig  platonisch, 
Uebrigens  ist  es  Plotin  ebensowenig  wie  den  früheren  gelungen, 
die  freiheit  mit  dem  logos  zu  vermitteln,  und  das  System  der 
Neuplatoniker  hat  als  abschluss  auch  nur  einen  unklaren  my- 
sticismus  zu  bieten. 

In  dem  schlusswort  (p.  330  ff.)  kann  der  vf.  nicht  umhin 
zu  bemerken,  dass  der  johanneische  logos  mit  der  griechischen 
philosophie  im  Zusammenhang  stehe  und  dass  Philo  als  haupt- 
quelle desselben  zu  betrachten  sei.  Augustin  hat  kein  beden- 
ken, diese  enge  Verwandtschaft  anzuerkennen,  hebt  aber  auch 
den  fundamentalen  unterschied  des  heidnischen  philosophem's 
und  christlichen  dogma's  hervor,  der  darin  bestehe,  dass  der  lo- 
gos fleisch  geworden  sei ,  dass  er  in  sein  eigenthum  gekommen 
sei,  und  die  seinen  ihn  nicht  aufgenommen  hätten  (über  die  worte 
neu  6  loyog  adg^  iyevero  vgl.  Meyer,  Comm.  Ev.  Joh.  p.  68  ff.). 
Ausserdem  ist  der  neutestamentliche  logos  kein  untergeordnetes 
wesen,  sondern  hat  die  wesenseinheit  des  vaters  und  des  Soh- 
nes zur  Voraussetzung  (vgl.  Meyer  a.  a.  o.  p.  55).  Jedenfalls 
hat  es  der  evangelist  meiner  meinung  nach  beabsichtigt  bei 
der  abfassung  seines  vornehmlich  für  leute  griechischer  nation 
geschriebenen  evangeliums  einen  begriff  zu  verwerthen ,  der  in 
folge  seines  häufigen  gebrauchs  und  seiner  bedeutenden  rolle 
inmitten  der  vorhergehenden  philosopheme  dem  gebildeten  be- 
wusstsein  der  griechischen  weit  hinlänglich  bekannt  und  ein- 
geprägt war. 

C.  LiebJwld. 

36.  Plautinische  Studien  von  C.  E.  Geppert.  Zweites 
heft.     8.     Berlin.  Hempel  1871.  —   25  gr.  (I.  II.  1  thlr.  25  gr.). 

Das  vorliegende  zweite,  heft  der  plautinischen  Studien  von 
Geppert  enthält  mittheilungen  aus  dem  Ambrosianus,  d.  h.  be- 
richtigungen  und  ergänzungen  zu  Ritschis  angaben,  wie  sie  sich 
Geppert  1870  bei  erneuter  einsieht  der  handschrift  als  Vervoll- 
ständigung seiner  früheren  aufzeichnungen  ergeben  haben.  Vie- 
les  darin   ist  höchst   dankenswerth    und  trägt  den  Stempel  der 


90  36.  Plautus.  Nr.  2. 

evidenz  an  sich,  so  Stich.  638  in  crastinum  inspiciet  diem  statt 
prospiciet;  MGlor.  66  itane  aibat  statt  aibant;  MGlor.  393  eadem  vi- 
gilanti  expetunt  statt  in  vigilanti;  MGlor.  700  dt  tibi  propitii  sunt, 
nam  hercle  si  istam  semel  amiseris ,  da  der  Ambrosianus  propiti' 
namhercle  hat,  während  im  folgenden  vers  mit  auslassung  von 
rursus  zu  schreiben  sein  möchte:  libertatem,  haut  facile  te  in  eun- 
dem  restitues  locum;  MGlor.  724  suisque  amicis  usui  est  statt  vult 
bene;  MGlor.  865  an  einer  viel  bestrittenen  stelle,  wo  aus  der 
gestalt  des  verses  im  Ambrosianus  emtibihicmihidixit  ....  qui' 
dem  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  geschlossen  wird  auf  em 
tibi:  hie  mihi  dixit  stuc  (wofür  man  allerdings  lieber  hoc  setzen 
würde)  quidem.  PH.  dixti;  Stich.  213  quot  pötiones  mulsi,  quae 
autem  prandia  statt  quot  autem;  Stich.  395  ajebat  ille  statt  a/e* 
bant  illi\  Stich.  699  SA.  immo  enim  mavist  ST.  dulciust  statt 
SA.  immo  enim  hie  magis  est  dulcius ;  Stich.  140  viro  nuptum  datur 
statt  ad  virum;  Pers.  480  deducam  statt  inducam.  Wenn  also  ref. 
an  diesen  und  anderen  stellen  unbedingt  zustimmen  zu  müssen 
glaubt,  so  kann  er  andrerseits  nicht  verhehlen,  dass  vieles  sehr 
zweifelhaft  erscheint,  mehrfach  jedenfalls  die  folgerungen  Gep- 
perts  aus  dem,  was  er  gelesen  haben  will,  sich  als  unmöglich 
erweisen.  So  soll  der  vers  MGlor.  721  lauten:  cinserem  emori: 
cecidissetne  ebrius  an  de  equo  uspiam?,  wo  das  richtige  sein 
wird:  cecidisset  de  equo  si  uspiam  ebrius,  oder  noch  einfacher: 
cecidissetve  ebrius  de  equo  uspiam.  Bacch.  518  wird  uns  gar 
folgendes  Wunderding  von  vers  zugemuthet:  tum  quöm  nihilo 
pluris  mihi  blandiri  refert.  Dass  blandiri  in  der  von  Ritschi 
angegebenen  lücke  stehe,  konnte  man  schon  an  sich  vermuthen; 
wenn  aber  noch  mihi  hinzukommt,  wird  in  Wirklichkeit  der  vers 
doch  kaum  anders  gelautet  haben  als:  tum  quöm  blandiri  nihili 
pluris  referet.  Wenn  Stich.  483  und  484  der  Ambrosianus 
wirklich  hat :  sed  quöniam  nihil  processit ,  at  ego  hac  iero  |  apSr- 
tiorem:  age  vix  ita  plane  loquar,  so  wird  zu  schreiben  sein:  sie 
quöniam  nihil  processit,  alia  ego  adiero  \  apirtiore  magis  via  ac 
plane  loquar.  MGlor.  707  wird  es  trotz  des  Ambrosianus,  der  hi 
apud  me  aderunt,  me  curabunt  haben  soll,  bei  Haupts  conjeetur : 
ei  apud  me  sunt  ei  me  curant,  bleiben  müssen,  da  andere  mit 
dem  leidigen  trost  „  wie  man  auch  darüber  denken  mag"  sich 
über  die  präsentia  des  folgenden  verses  nicht  werden  hinweg- 
setzen wollen.     Auch  die  angebliche  auslassung  des  verses  MGlo  r . 


Nr.  2.  37.  Publilius  Syrus.  91 

1465  wird  uns  sicher  nicht  bewegen  ihn  zu  streichen,  ebenso- 
wenig wie  man  Poen.  I,  3,  24  die  acht  plautinische,  von  Gep- 
pert  als  tautologie  bezeichnete  ausdrucksweise  pergin  pergere 
aufgeben  wird,  vrgl.  Aulul.  II,  2,  4  nunc  domum  properare  pro- 
pero.  Stich.  520  müsste  man  an  aller  plautiniöchen  metrik 
verzweifeln,  wollte  man,  wie  es  verlangt  wird,  betonen :  ut  cui- 
que  homini  res  paratast,  proin  amici  sunt  usui.  Endlich  wird 
Pers.  357  Büchelers  von  Geppert  nicht  erwähnte  vermuthung: 
perennitassitque  adeo  perpetuum  cibum,  es  ohne  zweifei  mit  dem 
neu  geschaffenen  perennitateique  adeo  perpetuo  cibo  aufnehmen 
können. 

Noch  manches  der  art  könnte  angeführt  werden  ;  ref.  denkt, 
dass  das  mitgetheilte  genügt,  um  trotz  des  augenscheinlich  rich- 
tigen das  väqis  ttcu  fi?[ivaoo  amati.lv  beim  gebrauch  von  Gep- 
perts  angaben  in  besonderem  masse  als  räthlich  erscheinen  zu 
lassen.  E.  A.  K. 

37.  Eine  Sammlung  von  Sentenzen  des  Publilius  Syrus. 
Ein  nachtrag  zu  den  ausgaben  des  Publilius  von  Wilh.  Meyer 
aus  Speyer.  München  1872.  24  Seiten.  8.  (Separatabdruck 
aus  den  Sitzungsber.  bd.  II,  heft  4  der  münchner  akad.  d. 
wiss.  philos.  philolog.  cl.). 

Dem  vf.  genannter  schrift  ist  es  durch  einen  glücklichen 
fund  und  scharfe  kritik  gelungen,  den  noch  am  dunkelsten  ge- 
bliebenen punkt  der  Publiliusfrage  der  endlichen  lösung  bedeu- 
tend näher  zu  bringen.  Indem  er  bei  ermittlung  des  eigen- 
thums  des  dichters  die  zuerst  von  dem  ref.  gemachte  Unter- 
scheidung der  zwei  handschriftenklassen  (Freisinger  -  Wiener 
und  Pariser  -  Basler  -  Eheinauer  u.  s.  w.)  anerkennt,  deren  zweite 
nur  eine  Verstümmlung  der  ersten  ist,  und  die  autorität  sämmt- 
licher  älterer  ausgaben  für  die  ächtheitsfrage  auf  null  reducirt, 
richtet  er  sein  augenmerk  auf  die  dritte,  bisher  bloss  durch 
cod.  Turicensis  vertretene  Sammlung  von  109  Sentenzen.  Ueber 
diese  konnte  früher  eingestimmtes  urtheil  nicht  leicht  abgege- 
ben werden,  weil  die  Sprüche  theilweise  in  entsetzlich  verderb- 
ter gestalt  vorliegen,  ein  titel  fehlt,  und  wir  es  jedenfalls  nur 
mit  der  auswahl  eines  anonymus  zu  thun  haben,  von  dem  man 
nicht  wissen  konnte,  ob  er  nicht  neben  Publilius  auch  andere 
quellen  benutzt  habe. 


92  37.  Publilius  Syrus.  Nr.  2. 

Zu  diesen  mit  dem  buchstaben  C  beginnenden  Zürcher- 
sentenzen  giebt  nun  cod.  Monac.  6969  saec.  XI  die  fehlenden 
buchstaben  A.  B.  mit  26  Sentenzen  (freilich  in  gleich  willkür- 
licher Überarbeitung,  wie  wir  sie  bei  der  Zürcher  handschrift 
bedauern),  davor  eine  Überschrift,  die  Sentenzen  von  C.  D.  mit 
cod.  Turic.  übereinstimmend,  und  bricht  dann  im  buchstaben 
E  ab,  so  dass  wir,  da  jene  die  buchstaben  C — V  umfasst,  aus 
beiden  quellen  die  dritte  spruchsammlung  zusammensetzen  und 
mit  hülfe  des  vermehrten  materiales  auch  sicherer  über  den 
werth  und  den  Ursprung  derselben  urtheilen  können.  Meyer 
sucht  nachzuweisen,  dass  diese  ebenso  gut  dem  Publilius  zuge- 
schrieben werden  dürfe,  wie  die  Sammlung  1  und  2,  dass  also 
die  bisher  offen  gelassene  alternative,  jene  sei  vielleicht  aus 
zwei  verschiedenartigen  bestandtheilen  zusammengesetzt,  aufge- 
geben werden  müsse. 

Und  dass  sie  an  Wahrscheinlichkeit  verloren  habe,  ist  je- 
denfalls einzuräumen,  obscbon  wir  die  zürcher-münchner  Publilius- 
tradition  als  unlauterer  und  verdächtiger  bezeichnen  müssen, 
als  die  pariser  und  freisinger.  Denn  einmal  enthält  sie  zwei 
Sprüche,  die  wie  Meyer  selbst  zugiebt,  nicht  nur  in  ihrer  jetzi- 
gen gestalt  christianisiert,  sondern  ursprünglich  christlich  ge- 
dacht sind,  vs.  85.  111,  (=  669.  676  Wfl.);  was  bei  den  spruch- 
versen  der  andern  quellen  sich  nicht  findet:  sodann  findet  sich 
unter  den  3  37  versen  der  dritten  Sammlung  nur  einer  der  von 
Seneca  und  Grellius  unter  Publilius  namen  citierten,  v.  77: 

Improbe  Neptunum  accusat,  qui  iterum  naufragium  facit, 
welcher  vielleicht  absichtlich  wegen  des  heidnischen  gottes  in 
Sammlung  1.  2  weggelassen  ist;  ferner  ist  die  gestalt  der  Sen- 
tenzen der  3.  Sammlung  oft  der  art  zerrüttet,  dass  man  weder 
sinn  noch  metrum  deutlich  erkennt;  endlich  aber  lautet  der  ti- 
tel  der  2.  sammlnng  Sententiae  Senecae  pMlosophi ,  der  neue  der 
münchner  :  sententiae  philosoph o r um.  Weniger  soll  betont  wer- 
den, dass  cod.  Mon.  6369  ein  im  Turic.  fehlendes  eiuschiebsel 
aus  Terenz  Andria  940  enthält,  da  auch  in  Sammlung  1.  2 
ein  vers  aus  demselben  stücke  sich  findet,  v.  37  Wfl.  Ebenso 
wollen  wir  nicht  urgieren,  dass  ein  neuer  spruch: 

Audiendo  virtus  crescit,  socordia  timor, 
mit  Pseudocaecilius  Baibus  p.  21  collidiert, 

Audendo  virtus  crescit,  tardando  timor, 


Nr.  2.  37.   Publilius  Syrus.  93 

während  sonst  die  verse  der  Sammlung  1.  2  sich  mit  diesem 
autor  nicht  berühren.  Dies  sind  einige  puncte ,  welche  das 
bedenken  erregen,  ob  nicht  Meyer  doch  zu  weit  gegangen  sei. 
Gleichwohl  halten  wir  nach  dem  funde  für  ausgemacht,  dass 
die  3.  Sammlung  Publilius  verse  berge,  welche  in  Sammlung  1.  2. 
fehlen,  und  dass  man  eiuige  sentenzen ,  welche  man  als  will- 
kürliche Übertragungen  oder  periphrasen  bekannter  ansehen 
könnte,  besser  als  neue,  selbstständige  betrachtet. 

Um  schliesslich  den  kritischen  gewinn  anzudeuten ,  so  ist 
vielleicht  in  dem  verse: 

Bonarum  rerum  consuetudo  pessima  est, 
trotz   v.   165   Wfl.    die    Variante  desuetudo    in    erwägung  zu  zie- 
hen.    V.  31   =   655   Wfl.    bestätigt    die    handscbrift    die    schon 
von  dem  ref.  in  den  text  gesetzte  conjectur  Fröhlichs  supplicem 
statt  simplicem.     Die  sentenz   des  Turicensis  : 

Frenos  inpone  linguae  saepius  conscientia, 
hat  Meyer  sehr  schön  emendirt  in : 

Frenos  imponit  linguae  conscientia, 
coli.  v.  100  Wfl.  Ueberhaupt  hat  er  zur  kritik  der  Zürcher 
sentenzen  manchen  beachtenswertben  beitrag  geliefert  *)  und  da- 
bei (im  gegensatz  zu  der  von  L.  M.  im  Litt.  Centralblatte  aus- 
gesprochenen ansieht)  den  satz  aufgestellt,  dass  das  alphabeti- 
sche Stichwort  fast  nirgends  geändert  worden  sei.  Von  den 
neuen  versen  geben  wir  als  probe  einige  in  der  von  Meyer 
und   seinem  freunde  A.  Spengel   emendierten  gestalt: 

Avaro  acerba  poena  natura  est  sua.     (Vgl.  14.  337  Wf.) 

Avari  vita  torpet  morte  longior. 

Animo  ventrique  imperare  debet,  qui  frugi  esse  vult. 

Auxilium  ubi  das  profligatis,  contumeliam  ingeras. 

Bonus  est  vir  nemo  nisi  qui  bonus  est  omnibus. 

E.   W. 

1)  Da  durch  Meyers  entdeckung  die  bedeutung  der  Züricher  sen- 
tenzen steigt,  so  wird  es  gestattet  sein  bei  diesem  anlasse  einige  in 
der  ausgäbe  von  1869  theils  absichtlich ,  tbeils  unabsichtlich  über- 
gangene Varianten  nachzutragen,  die  man  übrigens  auch  aus  Oretti, 
Phuedri  fabulae  novae,  1832,  p.  48  ff.  leicht  ergänzen  könnte:  V. 
116  caret  crebro  periculis.  178  furore  fit  atrocior.  215  qüotiens  suis 
iacturam  rerum  patitur.  230  quidquid.  243  inyratescü.  246  aut  felix 
aut  fortis.  284  ingenuitas  non  fert  contumeliam.  309  ferre.  656  si 
eulpam  poenitet  ineurrisse. 


94  38.  Livius.  Nr.  2. 

38.  Beobachtungen  über  den  dativ  der  bestimmung,  be- 
sonders den  dativ  des  gerundivi  bei  Livius,  von  Lorenz.  Pro- 
gramm des  gymnas.  zu  Meldorf.     XX  s.     4.     Meldorf.  1871. 

Es  liegt  hier  der  erste  theil  einer  abhandlung  vor,  die, 
wie  die  eingangsworte  sagen,  ihre  entstehung  einer  bemerkung 
Madvigs  zum  vierten  theile  seiner  Liviusausgabe  p.  xh  zu  41, 
17,  5  verdankt  und  in  Verfolgung  des  hier  gegebenen  anstosses 
in  diesem  ersten  theile  untersucht,  wo  bei  Livius  der  finale 
dativ  „als  ergänzung  von  Vorstellungen,  die  aus  einem  Substan- 
tiv und  verbum  zusammengesetzt  sind"  steht,  ebenso  „als  theil 
des  prädicats  in  Verbindung  mit  esse,  satis  esse,  sufficere",  während 
der  gebrauch  des  finalen  dativs  nach  adjectiven  bei  einer  andern 
gelegeuheit  besprochen  werden  soll.  —  Eecht  sehr  ist  dem  re- 
ferenten  ein  allbekannter  mangel  unserer  grammatik  hier  wie- 
der aufgefallen,  nämlich  die  grosse  Unsicherheit,  in  der  wir  uns 
bei  bestimmung  unserer  grammatischen  begriffe  befinden.  So 
wird  hier  p.  ri  als  substrat  der  anzustellenden  Untersuchung 
eine  definition  des  dativs  dahin  gegeben:  „der  dativ  bezeichnet 
im  allgemeinen  den  gegenständ,  welcher  bei  einer  handlung  in 
der  art  b  et  heiligt  ist,  dass  dieselbe  eine  richtung  auf  ihn 
hat.  So  ist  er  der  casus  des  betheiligtseins  oder  des  ent- 
fernteren zieles,  dem  irgend  eine  einwirkung  zu  theil 
wird".  Wenn  das  im  ersten  satze  angegebene  ein  charakteristi- 
sches merkmal  des  dativs  ist,  was  haben  wir  dann  wohl  für 
den  accusativ  in  anspruch  zu  nehmen,  von  dem  es  doch  als 
ausdrückliches  merkmal  gilt,  dass  er  den  gegenständ  bezeichne, 
auf  den  die  richtung  der  handlung  sich  erstreckt?  Oder  sol- 
len etwa  die  ausdrücke  „betheiligt  sein"  und  „eine"  richtung 
hier  besonders  urgirt  werden  müssen?  Aber  dann  wäre  die 
bestimmung  doch  viel  zu  vag.  Und  dann  heisst  es  weiter:  „so 
ist  er"  etc.  Wie  ist  er  es  denn?  und  ,,des  entfernteren  ziels" 
entfernter  als  welches  ?  „dem  irgend  eine  einwirkung  zu  theil 
wird"  irgend  eine?  wer  kann  wohl  mit  dieser  bestimmung  et- 
was machen?  Auf  diese  schwankende  unterläge  wird  sodann 
wieder  ein  „daher"  gebaut.  Es  ist  durchaus  nicht  absieht  den 
Verfasser  allein  für  diese  Unbestimmtheiten  in  anspruch  zu  neh- 
men, wenn  er  sich  auch  selbst  hätte  sagen  müssen,  dass  diese 
definition  auf  zu  schwachen  fiissen  steht,  als  dass  er  sie  so 
gestrost  hätte  vortragen  und  als  grundlage  für  eine  längere  uu- 


Nr.  2.  38.  Livius.  95 

tersuchung  hinstellen  können:  es  scheint  vielmehr  ein  überall 
entgegentretender  und  ziemlich  in  allen  grammatiken  fühlbarer 
mangel  in  der  bestimmung  der  grammatischen  begriffe  von  ca- 
sus, modus,  subject  u. s.w.  zu  sein,  der  sich  vielleicht  in  dem  aus- 
drucke zusammenfassen  lässt,  dass  der  begriff  selbst  nicht  hin- 
länglich bezeichnet  wird ,  sondern  blos  merkmale  angegeben 
werden,  die,  weil  sie  ebenso  zu  einem  andern  Substrate  pas- 
sen, bei  nicht  scharfer  bestimmung  nur  zu  leicht  Verwirrung 
hervorrufen.  Doch  zur  sache  selbst.  —  Die  betrachtung  glei- 
cher und  ähnlicher  stellen,  in  denen  der  dativ  und  in  gewis- 
sen Verbindungen  der  genetiv  sich  findet,  führt  einerseits  zur 
aufstellung  von  regeln,  andrerseits  zur  Unterscheidung  schwan- 
kender fälle,  wobei  freilich  referent  sich  des  eindrucks  nicht 
erwehren  kann,  als  ob  manches  zu  gunsten  einer  vorgefassten 
meinung  entschieden  wäre,  z.  b.  I,  1,  8,  wo  condendaeque  urbi 
locum  quaerere  von  dem  Verfasser  als  das  richtigere  behauptet 
wird.  Da  aber  an  dieser  stelle  die  maassgebenden  handschrif- 
ten  aus  einander  gehen  und  der  genetiv  ebenso  gut  als  der 
dativ  stehen  kann,  so  kann  nur  der  gedankengang  den  aus- 
schlag  geben,  und  da  scheint  doch  Frey,  der  den  genetiv  in 
Schutz  nimmt,  vor  Lorenz  den  Vorzug  zu  haben.  Problematisch 
wird  übrigens  doch  wohl  immer  die  entscheidung  des  wirklich 
von  Livius  geschriebenen  da  bleiben ,  wo  beide  casus  gleich 
möglich  sind,  und,  wie  dann  zu  geschehen  pflegt,  die  hand- 
schriftlichen lesarten  schwanken ,  so  z.  b.  die  p.  x  bespro- 
chene stelle  35,  11,  10:  erat  etiam  maior  orationis  materia, 
quo  ex  altiore  fastigio  rex  quam  tyrannus  detractus  erat.  Die 
stellen,  welche  Weissenborn  zum  schütze  des  genetivs ,  den 
auch  Lorenz  befürwortet,  anführt,  sind  so  angethan ,  dass  in 
den  ersten  drei  stellen  nur  der  genetiv,  in  den  letzten  dreien 
nur  der  dativ  möglich  ist,  sie  enscheiden  also  gar  nichts.  Un- 
ter die  letztern  drei  gehört  auch  die  von  Lorenz  ebenfalls  p.  x 
besprochene  26,  35,  4:  tanta  indignatio  fuit,  ut  magis  dux  quam 
materia  seditioni  deesset.  Hier  geht  die  bemerkung  vorauf:  „auch 
den  substantivbegriff,  welcher  das  ziel  bezeichnet,  für  dessen 
erreichung  etwas  als  Stoff,  mittel,  anlass  geeignet  ist,  lässt  es 
(das  wort  materia)  sowohl  im  genetiv  (und  den  will  hier  der 
vf.)  wie  im  dativ  folgen" ;  der  eiudruck  aber,  den  deesse  macht, 
ist  doch  zu   stark,    als    dass    er   sich  ignoriren  Hesse,    und   so 


96  38.  Livius.  Nr.  2. 

wird  denn  nach  noch  zwei  beispielen,  deren  eines  (3,  11,  10) 
das  verb  suggerere,  das  andere  (1,  23,  10)  praebere  hat,  die  be- 
merkung  hinzugefügt:  „diese  verben  deesse,  praebere,  suggerere  sind 
alle  drei  der  ergänzung  des  satzes  durch  den  dativ  der  bestim- 
mung  günstig".  Das  heisst  doch  wirklich  mit  der  einen  hand  neh- 
men, was  man  mit  der  andern  gegeben  hat.  Ob  nun  diese  Un- 
sicherheit in  der  entscheidung  in  einer  vorgefassten  meinung 
ihren  grund  hat,  wie  ich  auch  in  der  p.  18  bebandelten  stelle 
glaube  annehmen  zu  müssen,    29,  23,  2 :    Carthaginienses   quoque 

haud  parvum  et  ipsi  tuendae  Africae  momentum  adiecerunt 

societatem  Syphacis :  (es  scheint  mir  nämlich  ganz  entschieden 
natürlicher  zu  erklären:  sie  verschafften  in  dem  bündnisse  mit 
Syphax  der  deckung  Afrika's  ein  nicht  geringes  moment,  als 
momentum  tuendae  Africae  zu  verbinden,  mag  auch  Weissenborn 
dieser  ansieht  sein,  zumal  da  die  von  ihm  herbeigerufenen  stel- 
len 29,  24,  2  • —  wo  der  genetiv  bloss  zu  momentum  gehört  — , 
8,  16,  11  —  wo  ich  in  averruncandae  deorum  irae  vietimas  caedere 
nur  den  dativ  finden  kann  — ,  und  28,  27,  10  —  was  hierher 
gar  nicht  passt  —  nullius  momen  tisinä:):  ob  es  also  diese  Vor- 
liebe ist,  oder  wieder  die  oben  erwähnte  Unbestimmtheit  gram- 
matischer begriffe,  will  ich  nicht  entscheiden ;  sicher  aber  ist  es, 
dass  diese  Unbestimmtheit  —  oder  soll  ich  es  mangel  an  gram- 
matischem gefühle  nennen?  —  wieder  ganz  deutlich  p.  18  ge- 
gen ende  hervortritt.  Es  wird  da  in  dem  satze :  Insipientis  est 
in  errore  perseverare ,  der  genetiv  insipientis  als  praedicativer  be- 
zeichnet. Wenn  nun  auch  diese  benennung  nicht  ganz  verwor- 
fen werden  soll,  insofern  zu  perseverare  als  subjeet  insipientis 
est  als  prädicat  gedacht  werden  kann  —  freilich  wird  der  ge- 
netivus  viel  schärfer  als  der  subjeetive  und  zwar  als  possessoris 
bestimmt  — ,  so  ist  doch  die  anwendung,  die  der  vf.  davon  auf 
stellen  macht,  wie  5,  3,  5:  concordia  ordinum  dissolvendae  tribuniciae 
potestatis  est,  entschieden  zu  missbilligen.  Denn  wo  in  aller  weit 
findet  sich  hier  nur  etwas  jenem  infinitiv  perseverare  entspre- 
chendes ?  Zudem  ist  es  ja  fraglich,  ob  überhaupt  dieser  casus 
des  gerundivum  mit  esse  stets  der  genetiv  ist,  wie  denn  p.  19 
der  Verfasser  richtig  traJiendae  rei  in  24,  27,  3  als  dativ  er- 
klärt. 

Dass   die    abhandlung  natürlich    auch    des  richtigen   genug 
bietet,    bedarf   wohl  keiner    erwähnung;    wünschenswerth    aber 


Nr.  2.  39.  Tacitus.  97 

ist  und  bleibt  es ,  dass  der  vf.  bei  der  in  aussiebt  gestellten 
veröffentlicbung  des  zweiten  theiles  auch  diesen  nochmals  mit- 
bearbeite und  dabei  die  ausgangspunkte  fester  hinstelle  —  oder 
etwa  lieber  ganz  weglasse? 

W.  lell. 

39.  Beiträge  zur  kritik  und  erklärung  des  Tacitus.  (Pro- 
gramm des  gymnasiums  zu  Eegensburg  1871/72:  p.  5—17). 
Von  Ferdinand  Schöntag.     4. 

Der  vf.  welcher  vor  drei  jähren  in  den  blättern  f.  d.  bayr. 
gymnasialwesen  V,  p.  193  ff.  kritische  bemerkungen  zu  Tacitus 
veröffentlicht  hat,  unterzieht  in  vorliegender  schulschrift  p.  5 — 
15  zwölf  stellen  desselben  Schriftstellers  einer  genaueren  betrach- 
tung ,  die  ihm  mehrfache  schaden  der  Überlieferung  auch  da 
aufzudecken  schien,  wo  bisher  keine"  bedenken  sich  erhoben 
hatten.  Doch  ist  es  hier  dem  vf.  nicht  gelungen ,  seine  an- 
nähme von  corruptelen  in  jedem  einzelnen  falle  zu  begründen; 
stellen  wie  Ann.  I,  10  wo  Brutorum  exitus  paternis  inimicitiis 
dandos  statt  datos,  oder  II,  60  wo  Bructeros  sua  tuentis  statt 
urentis,  ferner  XVI,  22,  wo  extollitur  ad  promptum  Cossu- 
tiani  animum  Nero  statt  extollit  ira  promptum  gelesen  werden 
soll  —  solche  stellen  wird  man  trotz  der  argumentation  des 
vfs.  dennoch  als  richtig  überliefert  erklären.  Auch  Hist.  IV,  50 : 
gentem  indomitam  et  inter  aecolas  latrociniis  fecund  am  bedarf 
der  änderung  des  letzten  Wortes  in  metuen dam  nicht,  wie  I,  51 
Lugdunensis  .  .  .  colonia  feeunda  rumoribus  und  II,  92  feeunda 
gignendis  inimicitiis  civitas  zeigen.  Ebenso  kann  Ann.  II,  48 
ignotos  et  aliis  infensos  eoejue  prineipem  (sc.  heredem)  nuneupan- 
tes  proeul  arcebat,  nicht  als  corrupt  gelten,  obwohl  die  worte 
bei  Cassius  Dio  LVII,  17,  8  firjds  tag  xXijgovofAi'ag ,  äg  rivsg 
avtep  avyysveig  e%ovtsg  y.aieAinov ,  ngooieiAEiog,  offenbar  an  die 
stelle  des  Tacitus  anklingen.  Denn  wenn  man  mit  dem  vf. 
den  begriff  avyysri-ig  durch  die  änderung  von  aliis  in  necessa- 
riis  dem  Tacitus  aufdrängen  wollte,  so  müsste  man  folgerich- 
tig auch  den  begriff  infensos  in  den  text  des  Dio  hineincorri- 
gieren.  Dagegen  hat  der  vf.  Ann.  XIV,  61  die  worte  deosque 
tan  dem  venerantur  mit  recht  bekämpft,  da  weder  ßoth's  ge- 
zwungene erklärung  noch  Nipperdey's  deutung  das  befremdli- 
che tandem  zu  schützen  vermögen;  der  Vorschlag  des  vfs.  deos- 
Philol.  Anz.  V.  7 


98  39.  Tacitus.  Nr.  2. 

(que)  gratantee  venerantur  zuschreiben,  verdient  jedenfalls  be- 
achtung.  Entschieden  misglückt  aber  ist  ebenda  die  ände- 
rung  der  ohne  zweifei  verderbten  worte  itur  etiam  in  prin- 
cipis  lau  des  re  p eti  tum  venerantium  in  folgende  fassung: 
nuntiatur  etiam  tn  principis  aulam  de  strepitu  venerantium; 
denn  entweder  erscheint  principis  oder  der  begriff  aulam  überflüs- 
sig, auch  befremdet  die  Verbindung  von  strepitus  mit  venerantium, 
endlich  ist  das,  was  der  vf.  von  dem  „wahrscheinlich  damals  all- 
gemein üblichen  ausdrucke  .  .  .  nuntiare  in  aulam  „im  kabinet 
bericht  erstatten"  sagt,  nicht  bewiesen  und  auch  nicht  zu  bewei- 
sen. Hist.  II,  45  sortem  civilium  armorum  misera  laetitia 
detestantes,  werden  durch  die  genaue  Untersuchung  der  bedeutung 
und  des  gebrauchs  von  miser  allerdings  probable  bedenken  ge- 
gen die  Überlieferung  erhoben  (an  dem  doppelten  Oxymoron 
aber  nimmt  der  vf.  mit  unrecht  anstoss).  Gegen  die  vorge- 
schlagene änderung  mixta  laetitia  spricht  jedoch  die  Wortstel- 
lung, die  diesen  durch  das  particip  mixta  mit  detestantes  logisch 
coordinierten  gedanken  gar  nicht  hervortreten  lässt;  man  würde 
vielmehr  die  nachsetzung  von  mixta  laetitia  und  etwa  noch  die 
begleitung  eines  solchen  in  echt  taciteischer  weise  überhängen- 
den ablativus  durch  einen  motivierenden  satz  erwarten.  Eef. 
läse  daher  lieber  mit  leichter  änderung  von  misera  laetitia  den 
satz  so:  sortem  civilium  armorum  sera  maestitia  detestantes,  mit 
bezug  auf  die  folgenden  worte :  spes  et  praemia  in  ambiguo,  certa 
funera  et  luctus,  und  auf  den  gedanken :  nee  guisquam  adeo  mali 
expers,  ut  non  aliquam  mortem  maereret.  Hist.  III,  18  werden  in 
der  sicher  corrupten  stelle  forte  victi  haud  perinde  rebus  pro- 
speris  ducem  desideraverant  atque  in  adversis  deesse  intellegebant, 
die  verzweifelten  erklärungsversuche  von  Roth  und  Müller  (Inns- 
bruck) mit  recht  ignorirt ,  mit  unrecht  aber  die  vermuthuügen 
von  Nipperdey,  welcher  mit  non  ante  victi  dem  gedanken 
zuerst  gerecht  geworden  ist,  und  von  Urlichs,  dessen  conjeetur 
fortes  invicti  auch  den  richtigen  ausdruck  zutreffen  scheint. 
Was  der  vf.  durch  die  nebeneinanderstelluug  forte  victores, 
forte  victi  erzielen  wollte,  das  ist  bei  Nipperdey  und  Urlichs 
durch  die  negation  (non,  in-),  die  in  so  betonter  Stellung  natür- 
lich einen  gegensatz  involviert ,  besser  erreicht.  Hist.  IV,  41 
wird  die  von  Döderlein  aufgestellte,  von  Heraus  angenommene 
erklärung  der  worte  probabant  religionem  patres,  periurium  argue* 


Nr.  2.  40.  Festus.  99 

laut  bekämpft.  Hist.  IV,  14  und  Germ.  19  werden  vorschlage 
zur  interpunctionsänderung  gemacht.  —  P.  15 — 17  wird  der 
bei  Tacitus  bekanntlich  sehr  häufige  fall  besprochen,  dass  zu 
einem  auf  den  hauptsatz  folgenden  untergeordneten  gliede  ein 
zweites  mit  dem  letzteren  in  enger  logischer  beziehung  stehen- 
des glied  in  der  form  des  unabhängigen  satzes  tritt.  Der  vf. 
bezeichnet  eine  reihe  einschlägiger  stellen,  an  welchen  bis  jetzt 
mit  punctum  oder  komma  interpungiert  war,  durch  Setzung  des 
kolon.  Ann.  IV,  3  wird  durch  die  interpunction:  ceterum  plena 
Caeswum  domus,  iuvenis  filius,  nepotes  adulti  moram  cupitis  adfe- 
rebant  et  quia  vi  tot  simid  corripere  intutum:  dolus  intervalla  scele- 
rum  poscebat  —  nichts  gewonnen ;  vielmehr  ist  mit  Nipperdey 
et  vor  quia  zu  streichen  und  der  satz  dolus  .  .  .  poscebat  noch 
von  quia  abhängig  zu  machen.  Schliesslich  wird  vom  vf.  noch 
auf  solche  beispiele  hingewiesen,  in  welchen  logische  Vorder- 
sätze aus  dem  straffen  syntaktischen  verbände  gelöst  sind;  für 
diese  fälle  wird  die  parenthese  empfohlen,  die  übrigens  z.  b. 
Agr.  38  längst  von  Ritter  gesetzt  war. 

40.  De  Eufi  breviario  eiusque  codicibus  dissertatio.  Scr. 
W.  Förster.  Programm  des  k.  k.  Josefstädter  ober-gymna- 
siums.     8.     Wien  1872.     P.  93—111. 

Bis  jetzt  besitzen  wir  von  dem  breviarium  verum  gestarum 
populi  Romani  des  Eufus,  oder  wohl  richtiger  gesagt,  des  Fe- 
stus, wie  ich  unten  zeigen  werde,  noch  keine  kritische  ausgäbe, 
die  auch  nur  im  geringsten  dem  heutigen  stände  der  Wissen- 
schaft entspräche.  Denn  seit  langer  zeit  hat  sich  kein  philolog 
eingehender  mit  diesem  Festus  beschäftigt,  und  noch  immer  ist 
die  ausgäbe  von  H.  Verheyk  vom  jähre  1762  die  beste,  da 
Münnich  (1815)  nichts  neues  bringt,  sondern  alles ,  und  in 
den  kritischen  noten  bisweilen  recht  flüchtig,  aus  Verheyk  ge- 
nommen hat.  Auch  der  ausgäbe  von  Eaphael  Mecenate, 
Eom  1819,  lagen  nicht  die  besten  handschriften  zu  gründe, 
und  dazu  ist  die  ausgäbe  so  selten ,  dass  auch  der  Verfasser 
obiger  arbeit  sie  nirgends  hat  auftreiben  können.  Es  wird  des- 
halb eine  collation  dieser  ausgäbe  in  Philol.  XXXIII,  2  gege- 
ben werden. 

Die  arbeit  Försters  ist  in  Wahrheit  der  erste  anlauf  zu  einer 
kritischen  ausgäbe,  und  nach  der  vom  vf.  angewandten  methode 

7* 


100  40.  Festus.  Nr.  2. 

dürfen  wir  bald  etwas  gutes  erwarten.  Was  Förster  in  seiner 
Schrift  will,  stellt  er  in  folgenden  worten  zusammen:  opera  no- 
stra  versabatur  in  inquirendis  antiquissimis  eisque  optimis  codicibus, 
in  definienda  eorum  cognationis  conditione  ut  denique  adpareat  unde 
textus  restituendi  sat  firma  sint  sumenda  adminicula.  Es  hat  nun 
vf.  ausser  dem  bereits  bekannten  handschriftlichen  material  für 
Festus,  wie  es  uns  in  der  ausgäbe  von  Verheyk  (cod.  L  = 
Leidensis,  N  =  Nonnii  Über,  B1  =  Basiliensis  primus,  H2  =  Basi- 
liensis  secundus,  B  =  Burmanni  codex)  und  in  einer  collation  des 
cod.  Posnaniensis  von  Dr  Beneke  1838  vorliegt,  mehrere  bisher 
nicht  benutzte,  und  was  das  hauptsächlichste  ist,  sehr  werth- 
volle  handschriften  zu  seiner  abhandlung  benutzen  können.  Von 
dem  cod.  Gothanus  (G),  über  den  bereits  Th.  Mommsen  im  Her- 
mes I,  p.  468  berichtet,  wurden  ihm  von  E.  Schulze  in  Gotha 
(n.  101),  von  dem  cod.  Bambergensis,  den  schon  Bernhardy  in 
seiner  römischen  literaturgeschichte  und  0.  Jahn  in  der  ausgäbe 
des  Florus  rühmend  erwähnen,  von  prof.  Günder  collationen 
zugesandt ,  mehrere  wiener  handschriften  verglich  er  selbst. 
Diese  handschriften  des  Festus  zerfallen  nach  vf.  in  zwei  abthei- 
lungen,  zu  der  einen  gehören  G,  der  bamberger  und  ein  wiener 
codex,  vom  vf.  mit  W1  bezeichnet,  die  von  besonderem  werthe 
sind;  der  Posnaniensis,  B2  und  ein  wiener,  W3,  stammen  aus 
späterer  zeit  und  kommen  bei  der  Untersuchung  wenig  in  be- 
tracht.  Zu  der  andern  abtheilung  sind  zwei  gute  wiener,  W 
und  W2,  und  drei  von  geringerem  werthe,  W4  in  Wien,  B1 
und  L  zu  zählen. 

Der  G  ist  in  saec.  IX  geschrieben  und  somit  der  älteste 
dieser  gruppe,  mit  ihm  stimmt  meistens  der  bamberger  (E  III, 
22)  aus  dem  11.  Jahrhundert  überein,  ein  Jahrhundert  jünger 
ist  W1  (Bibl.  palat.  451).  Aus  dem  vom  vf.  angestellten  ver- 
gleiche dieser  drei  Codices  geht  nun  deutlich  hervor,  dass  we- 
der B  noch  W1  aus  G,  noch  W1  aus  B  abgeschrieben  sein  können, 
dass  alle  drei  aus  einer  ähnlichen  quelle  geflossen  sind,  aber 
mit  dem  unterschiede,  dass  den  handschriften  G  und  B  ein  sehr 
ähnlicher  urcodex  zu  gründe  lag,  welchen  Förster  mit  X  be- 
zeichnet, während  höchst  wahrscheinlich  der  archetypus  von 
W1  nach  W  corrigiert  ist,  da  W1  mit  W  öfter  übereinstimmt, 
eed  haec  congruentia  nonnisi  in  singidis  vocabulis  deprehenditur. 
Bei  dieser  Untersuchung  sind  mir  einige  fehler  aufgefallen,  die, 


N.  2.  40.  Festus.  101 

wenn  sie  auch  klein  sind,  berichtigt  werden  müssen.  So  steht 
in  cap.  5  (p.  100  bei  Fürster)  im  Bamberger,  den  ich  gerade 
zum  zweck  einer  collation  vor  mir  habe,  nicht  praesidiales,  son- 
dern presidales,  und  sicherlich  ist  praesidales  die  lesart  des  co- 
dex X,  da  auch  am  ende  des  cap.  4  sowohl  in  cod.  G  als  in 
B  diese  form  geschrieben  ist.  Ferner  steht  (auf  derselben  seite) 
c.  10  im  Bamberger  nicht  primis  infestissumis ,  sondern  primum 
infestissimis.  Auch  vermisse  ich  hierbei  eine  stelle,  aus  der 
deutlich  hervorgeht,  dass  B  nicht  aus  G  stammen  kann.  Am 
ende  des  cap.  10  steht  nämlich  im  Bamberger  :  postea  in  consue- 
tudinem  parendi  romanis  clementer  provocantibus  pervenerunt ;  G 
hat  dagegen  mit  auslassung  der  worte :  in  consuetudinem  pa- 
rendi  Romanis  nur:  postea  clementer  provocantibus.  Die  richtige 
lesart  des  urcodex  X  hat  sich  also  im  Bamberger  erhalten,  da 
auch  W1  postea  in  consuetudinem  parenti  romanis  clementer  provo- 
catis  hat,  Daher  ist  auch  die  zwar  richtige  conjectur  Försters 
p.  109  gar  nicht  nöthig. 

Was  die  andere  klasse  der  handschriften  betrifft,  so  kommen 
hierbei  hauptsächlich  zwei  wiener  in  betracht,  W  (Biblioth.  pa- 
lat.  89)  aus  dem  9.  Jahrhundert  und  W2  (Bibl.  palat.  323)  aus 
dem  12.  Jahrhundert,  die  ohne  allen  zweifei  aus  W  stammt, 
wenn  sie  auch  gerade  nicht  ein  apographon  codicis  W  ist.  Wir 
hätten  somit  den  codex  W  als  einzigen  Vertreter  dieser  klasse 
anzusehen. 

Vergleichen  wir  nun  beide  abtheilungen  mit  einander,  so  er- 
giebt  sich  als  resultat,  dass  weder  die  eine  noch  die  andere  klasse 
zur  ausschliesslichen  grundlage  bei  der  herstellung  des  textes 
dienen  kann,  dass  aber  nach  dem  urcodex  X,  als  dem  ältesten 
und  besten,  mit  genauer  berücksichtigung  des  cod.  W,  da  die- 
ser an  einigen  stellen  allein  die  richtige  lesart  bietet,  der  text 
zu  construiren  ist.  Aber  auch  so  würden  noch  fehler  vorhan- 
den sein,  die  herausgemerzt  werden  können  und  müssen,  wenn 
wir  den  Festus  einestheils  mit  den  Schriftstellern  vergleichen, 
aus  denen  er  geschöpft  hat,  wie  Florus,  Livius  und  Eutrop, 
anderntheils  aber  mit  dem  schriftsteiler,  der  ihn  in  cap.  4 — 18 
benutzt  hat.  Dies  ist  bekanntlieh  Jordanis  in  seinem  werke 
de  regnorum  et  temporum  successione.  Wenn  nun  auch  Jordanis 
nicht  in  dem  masse  für  die  constituirung  des  textes  herbeige- 
zogen werden   kann,  wie  dies  von  0.  Jahn   und  K.  Halm  für 


102  40.  Festus.  Nr.  2. 

Florus  geschehen  ist,  so  hat  doch  Förster  richtig  gezeigt,  dass 
der  text  desselben  hie  und  da  reiner  ist  als  cod.  X  und  dass 
der  codex  des  Festus,  den  Jordanis  benutzt  hat,  älter  und  bes- 
ser gewesen  ist  als  urcodex  X.  Leider  fehlt  uns  noch  immer 
von  diesem  werke  des  Jordanis  eine  kritische  ausgäbe,  über- 
haupt ist  bis  jetzt  über  den  werth  der  einzelnen  handschriften 
noch  kein  festes  princip  aufgestellt  worden.  0.  Jahn  benutzte 
bei  der  herausgäbe  des  Florus  einen  der  älteren  Codices  des 
Jordanis  aus  dem  neunten  Jahrhundert  zu  Heidelberg  und  einen 
Jüngern,  der  aber  auch  sehr  gut  ist,  aus  dem  12.  Jahrhundert 
in  München,  früher  im  kloster  Polling:  s.  0.  Jahn  praef.  ad 
Florum  p.  7.  K.  Halm  Neue  Jahrb.  1854,  p.  173.  Von  die- 
sen beiden  hh.  spricht  aber  Förster  kein  wort,  er  erwähnt  da- 
gegen nur  zwei  wiener,  von  denen  der  beste  aus  dem  12.  Jahr- 
hundert stammt.  Es  lässt  sich  jetzt  unmöglich  die  frage  über 
die  gute  derselben  entscheiden ,  doch  möchte  ich  dem  vf.  ra- 
then,  bevor  er  an  die  Veröffentlichung  des  Festus  ginge,  sich 
auch  die  beiden  von  Jahn  und  Halm  benutzten  handschriften 
naher  anzusehen. 

Was  die  Verbesserungen  Försters  betrifft,  so  kann  ich  hier 
nicht  alle  besprechen,  sondern  will  lieber  solange  damit  warten, 
bis  erst  die  ausgäbe  mit  dem  ganzen  kritischen  apparat  fertig 
vorliegt.  Manche  der  Verbesserungen  halte  ich  für  unbedingt 
richtig,  um  so  mehr,  da  ich  mir  dieselben  auch  in  meiner  aus- 
gäbe schon  früher  verzeichnet  habe.  So  schiebe  ich  auch  in 
cap.  8  (p.  106)  Dardaniam  hinter  Moesiam  ein  und  halte  auch 
cap.  4  (p.  96)  rebellavere  saepe  Sardi  für  ein  glossem.  Auch 
scheint  mir  der  satz  in  cap.  22  :  Hie  Alexander  scriniorum  ma- 
gistrum  habuit  TJlpianum  iuris  consultum ,  nicht  von  Festus  her- 
zurühren, sondern  aus  Eutrop  8,  23  in  den  text  aufgenommen 
zu  sein.  Die  conjeeturen  auf  p.  109  icit  für  fecit  und  Caius 
für  Claudius  finden  sich  bereits  in  der  Bipontina.  Für  falsch 
muss  ich  den  Verbesserungsvorschlag  in  cap.  2  halten,  wo  För- 
ster statt  916  die  zahl  834  schreiben  will.  In  den  texten 
stand  bis  jetzt:  quadraginta  novem  annis  Jtomae  constdes  defue- 
runt,  sub  decemviris  annis  duobus,  sub  tribunis  militum  annis  qua- 
draginta tribus ;  sine  magistratibus  Roma  fuit  annis  quatuor. 
Nach  den  codd.  G  und  B,  also  im  urcodex  X,  heisst  die  stelle: 
novem  enim  annis  Eomae  consulcs  defuerunt,  ita  sub  decemviris  an- 


Nr.  2.  40.  Festns.  103 

ms  duobus,  sub  tribunis  militaribus  annis  tribus,  sine  magistratibus 
(fehlt  in  G)  Roma  fuit  annis  IUI.  Es  fehlt  also  in  cod.  X 
zweimal  quadraginta,  und  hiermit  stimmt  nicht  allein  cod.  W, 
sondern  auch  im  allgemeinen  Jordanis  überein.  Von  sämmtli- 
chen  hh.  hat  nur  B1  nach  der  angäbe  Verbeyks  das  erste  qua- 
draginta [quadraginta  novem  enim  annis,  die  berausgeber  lassen 
enim  fort-  ,  das  zweite  quadraginta  fehlt  aber  auch  in  cod.  B  . 
Ohne  zweifei  hat  der  Schreiber  dieses  codex  aus  versehen  qua- 
draginta hier  eingeschoben,  was  um  so  leichter  möglich  war, 
weil  in  diesem  c.  2  noch  öfter  die  zahl  quadraginta  vorkommt, 
und  wir  dürfen  wirklich  kein  so  grosses  gewicht  auf  B1  legen, 
wie  Förster  es  gethan  hat.  Nehmen  wir  nun  an,  dass  in  neun 
jahren  keine  consuln  zu  Rom  gewählt  waren,  so  bleiben  nach 
der  rechnung  des  Festus  458  jähre  übrig,  in  denen  dann  916 
consuln  waren  praeter  eos,  qui  in  eundem  annum  sorte  aliqua  sunt 
subrogati.  Und  diese  zahl  steht  nicht  allein  im  cod.  G  und  B 
d.  h.  im  urcodex  X,  sondern  auch  im  Jordanis,  ja  stimmt  auch 
im  allgemeinen  mit  cod.  W  überein,  denn  hier  wird  CCCCXVII 
gelesen,  und  jedermann  sieht  leicht  ein,  dass  bei  dieser  zahl 
D  ausgefallen  ist.  Es  hat  demnach  die  klasse  X  und  Jordanis 
916,  die  klasse  W  917.  Welche  von  beiden  zahlen  die  rich- 
tige ist,  ist  leicht  zu  errathen.  Dass  natürlich  :  sub  tribunis  mi- 
litaribus annis  tribus,  falsch  ist,  weiss  jeder,  aber  ohne  zweifei 
ist  Festus  durch  Eutrop  irre  geführt,  der  II,  3  sagt:  Verum 
dignitas  tribunorum  militarium  non  diu  perseveravit.  nam  post  ali- 
quantum  nullos  placuit  fieri,  et  quadriennium  in  urbe  ita  fluxit,  ut 
potestates  ibi  maiores  non  essent.  resumpserunt  tarnen  tribuni  militO' 
res  consulari  potestate  iterum  dignitatem    et  triennio  perseveraverunt. 

Ausser  den  bereits  oben  angeführten  fehlem  will  ich  noch 
folgende  erwähnen.  P.  96  sagt  Förster :  „praepositionem  adversum 
omnibus  locis  tuetur  G",  allein  adversus  steht  nach  meiner  collation 
in  cap.  21. —  P.  103  und  p.  106  sind  vom  vf.  dieselben  stellen 
aus  cap.  XI  angeführt,  auf  p.  103  steht  die  form  petiverunt, 
auf  p.  106  petierunt.  Das  richtige  nach  cod.  G  und  B  ist  pe- 
tiverunt. —  Auf  p.  106  heisst  es,  dass  B  die  zahl  917 
hätte.  B  stimmt  vielmehr  hier  genau  mit  G  überein,  beide  ha- 
ben 916. 

Schliesslich  noch  meine  ansieht  über  den  namen  des  Schrift- 
stellers.    In    den   hh.   und  älteren  ausgaben  steht  bald  Sextm 


104  41.  Cicero.  Nr.  2. 

Rufus  bald  Festus Rufus  bald  Rufus  Festus  (s.  Münmch  p.H)>  För- 
ster nennt  ihn  Rufus.  Spätere  autoreu  haben  uns,  soweit  mir  be- 
kannt ist,  den  namen nicht  überliefert,  und  so  sind  wir  denn  einzig 
und  allein  auf  die  hh.  angewiesen.  Wir  müssen  also  untersuchen, 
welches  die  älteste  und  sicherste  Überlieferung  ist,  und  so  lange 
darnach  schreiben,  bis  erst  bessere  und  zuverlässigere  hülfamit- 
tel  aufgefunden  sind.  Klasse  W,  d.  h.  W  und  W2,  hat  brevia- 
rium Ruft  festi,  cod.  B  breviarium  festig  cod.  G  nur:  de  breviario 
rerum  gestarum  populi  romani,  woran  sich  gleich  der  text  an- 
schliesst.  Allein  es  ist  hier  wohl  zu  beachten,  was  Förster  nicht 
zu  wissen  scheint,  dass  in  Gr  auf  dem  obern  rande  der  Seiten 
2,  3,  8,  12,  14  die  bezeichnung  BREVIR  oder  BREVIAR 
FESTI  steht.  Auf  p.  2  sind  die  buchstaben  nur  halb  sichtbar, 
die  obere  hälfte  desselben  scheint  durch  beschneiden  verloren 
gegangen  zu  sein,  vielleicht  enthielten  alle  blätter  diese  bezeich' 
nung.  Wir  können  daher  ohne  bedenken  annehmen,  dass  in. 
dem  urcodex  X  breviarium  Festi  geschrieben  war.  Da  nun  aber, 
wie  auch  Förster  annimmt,  cod.  X  eine  stufe  weiter  herauf 
geht,  als  klasse  W  und  ihm  unbedingt  ein  grösserer  werth  zu- 
geschrieben werden  muss,  so  können  wir  nicht  anders ,  als  un- 
sern  Schriftsteller  Festus  nennen.  C.   Wagener. 

41.  M.  Tullii  Ciceronis  de  legibus  libri  ex  recognitione 
Ioannis  Vahleni.  8.  Berolini  apud  Franciscum  Vahlen. 
MCCCLXXI.  —     1  thlr. 

Der  bedeutende  fortschritt  in  der  kritik  der  bücher  de  le- 
gibus, den  die  vorliegende  ausgäbe  bezeichnet ,  beruht  zunächst 
auf  der  nochmaligen  sorgfältigen  vergleichung  der  beiden  Vos- 
ßiani,  deren  Überlieferung  mit  der  grössten  bis  in's  einzelnste 
gehenden  genauigkeit  verzeichnet  ist.  Auf  grund  derselben  er- 
halten wir  einen  von  dem  Halm  -  Baiterschen  an  vielen  stellen 
abweichenden,  und  wie  hinzugesetzt  werden  muss,  verbesserten 
text.  Zunächst  sind  bei  Halm  mit  unrecht  eingeklammerte 
worte  wieder  in  ihr  recht  eingesetzt,  so  2,  14  legis;  3,  25  inci- 
tata;  3,  40  in  sententia.  Ebenso  so  ist  mehrfach  die  hand- 
schriftliche lesart  wieder  zurückgeführt,  wie  1,  30;  2,  11;  2, 
46;  3,  14;  3,  18.  Weiter  sind  schlagende  Verbesserungen  frü- 
herer gelehrten,  besonders  des  Turnebus,  in  den  text  aufgenom- 
men, z.  b.  1,  37   urbes;  2,  58  lamina\  2,  59  tunicula ;  auch  das 


Nr.  2.  41.  Cicero.  105 

Bakesche  ad  Urem  1,  14,  die  vermutbuug  von  Salmasius  mor- 
tuis  2,  55,  die  lesart  der  deteriores  dicis  für  diligis  3,  1  gehört 
hierher.  Dazu  kommen  die  zahlreichen  eignen  meist  überzeu- 
genden Verbesserungen  des  herausgebers  selbst.  Zu  solchen 
hat  zunächst  die  auch  schon  den  früheren  editoren  nicht  ver- 
borgene, aber  nicht  weit  genug  angewandte  erkenntniss  der 
vielen  lücken  in  den  handschriften,  worüber  die  vorrede  sich 
ausspricht,  geführt;  beispiele  sind  1,  8  divinum  et  memora- 
bilem;  1,  23  par  et  communis;  1,  42  indemnatum  et  indicta 
causa;  2,  29  in  Ulis;  3,  39  si  non  valuerint  leges  ut  ne  sit 
ambitus,  und  grössere  ergänzungen,  die  zwar  problematisch  blei- 
ben, aber  doch  den  sinn  richtig  treffen,  wie  1,  34;  2,  41. 
Durch  die  genauere  angäbe  der  handschriftlichen  Überlieferung 
(recura)  gewinnen  wir  1,  23,  61  das  richtige  recursura,  während 
bei  Halm  das  unmögliche  recurrunt  steht.  Schlagend  ist  1,  11 
posse  ita  für  honesta,  1,  63  pie  für  ipse,  2,  21  nontii  für  non 
gesetzt.  Die  anmerkungen,  obwohl  sehr  knapp  gehalten ,  bie- 
ten mehrfach  werthvolle,  durch  herbeigezogene  stellen  begrün- 
dete bemerkungen  zum  ciceronischen  Sprachgebrauch,  so  über 
sin  im  f ortschritt  der  beweisführung  1,  48;  über  die  Wieder- 
holung derselben  worte  2,  14 ;  zu  et  eosdem  2,  32 ;  über  quom 
scias  nach  vorhergehender  dritter  person  2,  46  ;  zu  quaeruntur  qui 
astring antur ,  2,  48  sq.  Auch  das  über  descriptio  und  discriptio 
3,  12  gesagte  kann  referent  nur  unterschreiben.  Sehr  glücklich 
ist  auch  2,  53  die  aus  den  ausgaben  des  Turnebus  geführte  nach- 
weisung  von  der  richtigkeit  der  ergänzungen  Lambins. 

Dass  es  bei  so  viel  überzeugenden  nicht  an  einzelnen 
stellen  fehlt ,  wo  man  nicht  mit  dem  herausgeber  überein- 
stimmen kann,  ist  natürlich.  Zu  manchem  von  dem ,  was  im 
folgenden  kurz  mitgetheilt  werden  soll,  hat  er  selbst  erst  die 
anregung  gegeben.  1,  15  ist  Oretae  vor  dem  folgenden  in  cu- 
pressetis  Gnosiorum  nicht  zu  halten,  also  Crete  cum  Clinia,  die 
Stellung  wie  3,  29  his  de  kominibus;  1,  19  ist  in  dem  hand- 
schriftlichen appellar&  B,  appellare  et  Heinsianus  wohl  appeU 
lare  solet  zu  suchen;  1,  23  quibus  autem  haec  sunt  inter  eos 
communia  ist  inter  eos,  offenbar  nur  eine  falsche  Wiederholung 
des  vorhergehenden  inter  eos,  mit  Halm  zu  streichen,  ebenso  1, 
25  nach  recordetur  das  von  Lactantius  ausgelassene  agnoscat; 
1,  27  durfte   das    schöne    von  Heidegger  gefundene  oculi   mimi 


106  41.  Cicero.  Nr.  2. 

arguti  nicht  dem  seltsamen  nimis  arguti  geopfert  werden ;  1,  35 
war  Haupts  emendation  effici  statt  des  matten  und  überflüssi- 
gen Attico  aufzunehmen  ;  1 ,  40  beruht  atque  incauti  potius  statt 
at  auf  festem  ciceronianischen  Sprachgebrauch;  1,49  ist  das  von 
Halm  vorgeschlagene  und  auch  vom  referenten  vermuthete  illa 
(statt  una)  erit  virtus  quae  malitia  rectissime  dicatur  einzig  richtig ;  1, 
52  ist  aliquando  tarnen  (tarn  B'J  des  codex  Leidensis  besser  als  ali- 
quando iam;  1,54  erfordert  wieder  der  Sprachgebrauch  ae  iam,  nicht 
at  iam,  weiterhin  beweist  die  antwort  des  Atticus :  qui  istuc  tandem 
videsl  dass  Bake  mit  hoc  video  statt  hoc  dico  das  richtige  getrof- 
fen hat;  2,  3  sed  nimirum  me  alia  quoque  causa  delectat  quae  te 
non  attingit  ita,  musste  mit  Guilelmus  Tite  für  ita  geschrieben 
werden,  vergl.  2,  34  sane  quaero  Tite,  auch  1,  37;  3,  19.  33; 
2,  3  ist  zu  schreiben  inest  nescio  quid  et  latet  in  animo  ac  sensu 
meo  quo  me  iusto  plus  hie  locus  fortasse  delectet ,  wie  wieder 
die  antwort  des  Atticus  ego  vero  tibi  istam  iustam  causam  puto 
esse  zeigt ;  2,  5  steckt  in  idem  ego  te  aeeipio  dicere  Arpinum 
vielleicht  oppidum  ego  etc.;  2,  6  kann  ut  enim  statt  des 
von  Lambin  gesetzten  etenim  nur  künstlich  vertheidigt  werden; 
2,  22  ist  in  nos  leto  datus  vielleicht  ho  min  es  leto  datos  zu  su- 
chen ;  2,  28  ist  es  vergeblich  bene  vero  quod  Mens,  Pietas,  Virtus, 
Fides  consecratur  manu  erklären  zu  wollen,  für  manu  ist  wohl 
nominatim  zu  lesen,  wie  es  im  folgenden  heisst:  rerumque 
expetendarum  nomina,  Salutis,  Honoris,  Opis,  Victoriae;  2,  37  ist 
aus  dem  handschriftlichen  audaciam  inet  inmitendas  religionibus 
foedas  zu  schliessen  auf  audaciam  et  temeritatem  in  admitten- 
dis  religionibus  foedls,  die  vermuthung  des  herausgebers  audaciam 
ruentem  in  licentias  religionibus  foedas  hat  keine  Wahrscheinlich- 
keit; 2,  38  ist  die  construetion  des  satzes  richtig  erkannt,  aber 
in  cavea  cantu  videat  fidibus  et  tibiis  ist  videat  in  dieser  Verbin- 
dung nicht  zu  vertheidigen ;  das  richtige  ist  gaudeat,  wo- 
durch die  erklärung  dem  gesetze  populärem  laetitiam  in  cantu 
et  fidibus  et  tibiis  moderanto  entspricht ;  2,  63  nam  et  Athenis 
iam  illo  mores  a  Cecrope,  ut  aiunt ,  permansit  hoc  ius  terra  hu- 
mandi  wäre  aus  illo  mores  vielleicht  ab  ultimo  tempore  zu 
machen ;  2,  69  habetis  igitur  explicatum  omnem  . . .  locum  ist  der 
zusatz  von  igitur  ebenso  wenig  zu  dulden,  wie  2,  16,  das  von 
Halm    vorgeschlagene    hie    habes    legis    prohoemium;    3,    38    ta- 


Nr.  2.  42.  Cicero.  107 

men  istam  libertatem  istam  largior  wird  man  sicherlich  anstatt  das 
eine  istam  nur    einzuklammern  lieber  ita  dafür  setzen. 

Indem  referent  hier  diese  bemerkungen  schliesst,  kann  er 
beim  scheiden  von  der  arbeit  nicht  umhin  dieselbe  in  ihrer  knap- 
pen, sauberen  art  als  ein  muster  philologischer  akribie  zu  be- 
zeichnen,  so  dass  ihr  Studium  besonders  jüngeren  philologen, 
die  methode  lernen  wollen,  dringend  zu  empfehlen  ist. 

H.  A.  Koch. 

42.  Cicero's  redner.  Deutsch  von  Julius  Sommer- 
brodt.  Stuttgart,  Hoffmannsche  verlags - handlung.  1870. 
96  s.  kl.  4.  —     15  gr. 

Der  Verfasser  wollte  bei  seinem  ausscheiden  aus  dem  lehr- 
amt  seinen  Schülern  zum  andenken  diese  Übersetzung  von  Ci- 
cero's Orator  hinterlassen,  die  ihren  Ursprung  den  stunden  ver- 
dankt, in  denen  er  mit  seinen  primanern  diese  Schrift  gelesen 
hat.  Und  in  der  that,  das  ist  gerade  ein  unverkennbarer  Vor- 
zug dieser  im  ganzen  wohlgelungenen  Übersetzung,  dass  sie, 
wie  man  auf  jeder  seite  gewahr  wird,  aus  der  wiederholten  be- 
handlung  in  der  schule,  aus  dem  lebendigen  verkehr  mit 
den  Schülern  bei  der  lectüre  des  Schriftstellers  hervorgegangen 
ist.  Eine  gute  Übersetzung  ist  in  der  regel  die  langsam  rei- 
fende frucht  eines  anhaltenden  geistigen  ringens  mit  der  frem- 
den spräche ,  dem  sich  ein  strebsamer  und  begabter  lehrer 
vor  und  bei  dem  Unterricht  immer  wieder  um  so  freudiger  und 
frischer  unterzieht,  je  mehr  er  inne  wird,  dass  er  durch  nichts 
mehr,  als  durch  eben  diese  geistige  gymnastik  seine  schüler  zu 
fördern  vermag. 

Der  Orator  ist  aber  dem  vf.  von  allen  werken  Ciceros  für 
die  schule  darum  immer  das  liebste  gewesen,  „weil  er,  abgese- 
hen von  dem  reichthum  des  inhalts ,  den  Schriftsteller  selbst 
auch  persönlich  der  jugend  anziehender  macht,  als  sonst  dies  der 
fall  zu  sein  pflegt".  Denn  „während  Cicero  in  der  politik  sich 
leicht  gereizt  und  verletzt  zeigte,  wenn  seine  Verdienste  seiner 
meinung  nach  nicht  hinreichend  anerkannt  wurden,  so  finden 
wir  hier  neben  dem  berechtigten  Selbstgefühl,  dass  er  nach  dem 
höchsten  in  der  beredsamkeit  gestrebt,  die  neidloseste  anerken- 
nung   der    ihn  überragenden    grosse   des  Demosthenes   und   die 


108  42.   Cicero.  Nr.  2. 

klarste  einsieht,  was  ihm  selbst  zu  dem  ideale,  nach  dem  er 
gerungen  hat,  fehle". 

Der  Verfasser  schickt  seiner  Übersetzung  eine  kurze  ein- 
leitung  voraus  (p.  xm — xvi);  dann  folgt  die  übersetung 
bis  p.  85,  ferner  am  schluss  als  rückblick  die  disposition 
des  ganzen  p.  86 — -89  und  endlich  von  p.  90 — 96  eine  kurze 
erklärung  der  eigennamen. 

Es  würde  die  grenzen,  die  dieser  anzeige  gesteckt  sind, 
weit  überschreiten,  wenn  ich  dem  Übersetzer  schritt  für  schritt 
auf  seinem  wege  folgen  wollte.  Es  fehlt  da  (wie  dies  bei  ei- 
ner so  schwierigen  und  umfangreichen  arbeit  sehr  erklärlich  ist) 
allerdings  nicht  an  Unebenheiten  und  schiefen  oder  unrichtigen 
auffassungen  und  dgl. ;  aber  ich  muss  mich  hier  darauf  be- 
schränken ,  nur  ain  paar  punkte  hervorzuheben  und  etwas  nä- 
her zu  beleuchten. 

"Wenn  der  vf.  cap.  3  zu  anfang  die  bekannte  stelle :  vi, 
igitur  in  formis  et  figuris  est  aliquid  perfectum  etc.  so  über- 
setzt: ,,wenn  es  also  in  den  formen  und  figuren  (der  bildenden 
künste)  etwas  vollkommenes  und  hervorragendes  giebt,  nach 
dessen  in  der  seele  ruhendem  bilde  der  nachahmende  künstler 
sich  in  dem  richtet,  was  er  leibhaftig  vor  unserem  äuge  dar- 
stellt, so  sehen  wir  mit  unserem  geistigen  äuge  ein  ideal  der 
beredtsamkeit ,  dessen  Verwirklichung  durch  die  rede  wir  mit 
unserm  leiblichen  ohre  zu  hören  wünschen"  —  so  verkennt 
er  mit  allen,  welche  nach  Geels  Vorgang  willkürlicher  weise 
non  vor  cadunt  streichen,  den  eigentlichen  sinn  der  stelle 
gänzlich.  Ich  kann  hier  nur  wiederholen,  was  ich  bei  ei- 
ner anderen  gelegenheit  (in  der  früheren  Zeitschrift  Eos  j.  1, 
p.  401  ff.)  ausführlicher  dargelegt  habe :  es  giebt  in  der  seele 
des  künstlers  für  dessen  kunstschöpfungen  ein  vollkommenes 
urbild,  das  aber  nur  in  der  idee  (als  cogitata  species)  existirt, 
in  der  aussenwelt  nicht;  dies  im  geist  vorhandene  idealbild 
gibt  den  massstab  ab ,  nach  dem  sich  alles  —  köpf,  gesicht, 
arme,  hände  u  s.  w.  —  von  dem  eben  ein  sinnlich  -  sichtbares 
original  nicht  vorliegt  [ea  quae  sub  oculos  ipsa  non  cadunt) 
richten  muss.  Ebenso  haben  wir  ein  idealbild  der  vollkom- 
mensten beredsamkeit  in  der  seele  (eine  cogitata  species), 
schauen  es  im  geiste  (animo  videmus),  das  entsprechende 
abbild  in  der  Wirklichkeit  ist  nicht  da;  einen  oratorem  perfectum 


Nr.  2.  42.  Cicero.  109 

zu  hören  (auribus)  ist  uns  nicht  vergönnt.  Die  worte  :  ea  quae 
sub  oculos  ipsa  cadunt,  können  nimmermehr  übersetzt  werden: 
„was  er  leibhaftig  vor  unserm  äuge  darstellt",  sondern  nur: 
„was  in  den  äugen  d.  h.  in  den  bereich  des  gesichts  oder  der 
sinnlichen  erscheinung  fällt" ;  ipsa  allein  ,  ohne  nonf  giebt  gar 
keinen  vernünftigen  sinn.  —  Ebenso  ist  der  sinn  zum  theil  ver- 
fehlt, wenn  cap.  6  zu  anfang  übersetzt  wird:  „und  eben  in  die- 
ser gattung  zeigten  sich  einige  sachverständig,  aber  ohne  glätte 
und  absichtlich  wie  ohne  kunstbildung  und  erfahrung,  andere 
bei  gleicher  schlichtbeit  mit  mehr  ebenmass,  das  heisst,  ausge- 
arbeitet, selbst  blühend  und  mit  leichtem  schmuck".  Cicero 
unterscheidet  auch  hier  hinsichtlich  des  genus  dicendi  tenue  (ähn- 
lich wie  vorher  beim  genus  grande)  zwei  richtungen,  eine  falsche 
und  eine  berechtigte:  die  einen  haben  wobl  den  allgemeinen  cha- 
rakteristischen zug  dieses  genus  dicendi  subtile,  den  der  nüch- 
ternen Verständigkeit,  aber  sie  verschmähen  jede  höhere  bildung 
und  suchen  etwas  darin,  geradezu  ungebildet  und  ununterrichtet 
zu  scheinen;  die  anderen  dagegen  sind  zwar  auch  im  ganzen 
einfach  und  nüchtern ,  aber  sie  sehen  doch  in  ihren  gedanken 
auf  eine  gewisse  Symmetrie  und  feinheit,  sind  einigermassen 
elegant,  ja  sogar  (dem  grundcharakter  dieses  genus  dicendi  tenue 
eigentlich  entgegen)  nicht  ohne  einen  anflug  blühender  diction 
nnd  oratorischen  schmucks.  Hat  der  vf.  etwa  facti  statt  faceti 
gelesen,  dass  er  „ausgearbeitet"  übersetzt?  Aber  man  kann 
wohl  von  einer  oratio  facta  quodammodo  (Cic.  Brut.  8,  30;  de 
or.  III,  48,  184)  reden,  aber  nicht  diese  Verehrer  der  attischen 
diction  unter  anderen  so  ohne  weiteres  als  facti  charakterisie- 
ren. Dass  hier  faceti  allein  richtig  ist,  ergiebt  sich  auf  das  be- 
stimmteste sowohl  aus  dem  Zusammenhang,  als  auch  aus  den 
parallelstellen  wie  Cic.  Brut.  95,  325  exornato  et  faceto  genere 
verborum,  oder  de  or.  I,  8,  32  sermo  facetus  atque  nulla  in  re  ru- 
dis,  verglichen  mit  Quint.  10.  VI,  3,  20  decoris  hanc  —  et 
excultae  cuiusdarn  elegantiae  appellationem  (nämlich  facetus)  puto. 

In  ähnlicher  weise  hat  gleich  darauf  den  Verfasser  eine 
falsche  lesart  zu  einer  ganz  schiefen  auffassung  und  Übersetzung 
verleitet :  er  übersetzt  nämlich  die  worte :  est  autem  quidam  interie- 
ctus  inter  hos  medius  etc.  so:  „zwischen  diesen  beiden  steht  eine 
art  redner  in  der  mitte,  die  gewissermassen  eine  mischung  von 
beiden  ist,    weder  so  scharf,    wie  die  letzteren,  noch  so  blitz- 


110  42.  Cicero.  Nr.  2. 

artiger  gewalt  wie  die  ersteren",  indem  er  irrthümlich 
fulmine  gelesen  hat  statt  des  hier  allein  statthaften  flumine;  denn 
eben  dieser  volle  redestrom,  oder  genauer  das  überströmen, 
gehört  recht  eigentlich  zu  dem  genus  amplum  oder  Asianum,  das 
Cicero  hier  im  gegensatz  zu  dem  genus  medium  oder  Rhodium 
im  äuge  hat  (Brut.  95 ,  325  quali  est  nunc  Asia  tota  nee  flu- 
mine solum  orationis ,  sed  etiam  exornato  et  faceto  gener e  ver- 
borum\  de  opt.  gen.  or.  3,  9  quorum  vitiosa  abundantia  est, 
quales  Asia  multos  tulit;  Quint.  10.  XII,   10,   16). 

Die  Übersetzung  der  worte  cap.  13  a.  e.  :  pompae  quam 
pugnae  similis  durch  „mehr  für  den  festsaal  als  für  den 
kämpf  geeignet"  ist  wohl  nur  ein  druckfehler  statt  fechtsaal; 
besser  wäre  vielleicht:  „parade"  im  gegensatz  zum  wirkli- 
chen kämpf  (de  or.  II,  22,  34). 

Die  Übersetzung  der  stelle  cap.  16,  50  cum  autem  quid  et  quo 
loco  dicat  invenerit,  illud  est  longe  maximum,  videre  quonam  modo, 
mit:  „hat  der  redner  den  stoff  aufgefunden  und  weiss  er  jedes 
an  seiner  stelle  zu  sagen,  so  ist  bei  weitem  das  wichtigste,  die 
art  und  weise  der  rede  kennen  zu  lernen"  —  könnte  doch 
leicht  missverstanden  werden.  Auf  die  inventio  und  collocatio 
(das  ist  der  sinn  der  stelle)  folgt  die  elocutio  (wie  Part.  or.  9, 
9  Quid  sequitur  igiturf  Cum  inveneris,  collocare  etc.).  Es  war 
also  zu  übersetzen :  hat  aber  der  redner  den  stoff  der  rede  und 
die  anordnung  desselben  gefunden  (die  collocatio  verum),  so 
ist  darnach  bei  weitem  das  wichtigste  für  ihn,  zu  wissen,  wie 
man  reden  soll  (die  elocutio). 

Cap.  20  sind  die  worte :  non  haec  contorta  et  acris  oi'atio, 
irrthümlicher  weise  so  übersetzt:  „nicht  diese  zusammengedrängte 
und  zugespitzte  art  der  rede,  wie  sie  die  Sophisten  haben".  Es 
handelt  sich  ja  an  dieser  stelle  nicht  um  den  unterschied  der 
diction  des  historikers  von  der  redeweise  des  philosophen  (so- 
phisten) ,  sondern  von  der  des  redner  s;  haec  bezieht  sich 
also  auf  die  oratio  forensis,  wie  die  parallelstelle  de  or.  II,  15, 
64  deutlich  beweist:  die  spräche  des  historikers  (zumal  in  den 
reden,  die  in  seinem  werke  vorkommen)  ist  von  der  spräche 
des  redners  auf  dem  forum  verschieden:  von  dem  historiker 
verlangt  man  eine  in  einem  guss  und  zug  gleichmässig  und 
eben  dahin  fliessende  darstellung,    nicht  diese  gedrungene  (den 


Nr.  2.  43.  Cicero.  111 

gegner  angreifende)  und  scharf   eindringende  spräche  des  foren- 
sischen redners.  P. 

43.  H.  Wrampel  meyer,  codex  Helmstadiensis,  n.  304 
primum  ad  complures,  quas  continet,  Ciceronis  orationes  colla- 
tus.  Pars  I.  Programm  des  städtischen  Lyceums  II  in  Han- 
nover. 1872.     pp.  l. 

Der  Verfasser  unternimmt  vornehmlich  an  der  rede  pro  Caelio, 
zu  welcher  die  Varianten  p.  xvn — xxi  mitgetheilt  werden,  den 
nachweis  zu  führen,  dass  der  cod.  Heimst,  n.  304,  jetzt  in 
Wolfenbüttel,  den  schon  Fleckeisen  zu  den  reden  pro  Murena 
und  pro  Roscio  Amerino,  aber  nicht  völlig  genau  (p.  ix)  verglichen 
hatte,  dem  Parisinus  7794  sehr  ähnlich  ,  jedoch  nicht  daraus 
abgeschrieben  sei,  sondern  mit  der  zweiten  hand  desselben  eine 
verschiedene,  auch  in  dem  turiner  und  mailänder  palimpsest  ent- 
haltene recension  repräsentire.  Dieser  nachweis,  bei  welchem 
der  grosse  fleiss  und  das  methodische ,  wenn  auch  etwas  zu 
umständliche  verfahren  alle  anerkennung  verdient,  ist,  wie  ref. 
glaubt,  dem  vf.  im  wesentlichen  gelungen.  Die  handschrift, 
welche  die  meisten  ciceronischen  reden  enthält,  erscheint  dem- 
nach als  eine  nicht  unwichtige  ergänzung  der  sonstigen  hülfs- 
mittel.  Man  ist  in  der  that  überrascht,  wenn  man  die  nicht 
geringe  zahl  von  stellen  überblickt,  in  welchen  sie  in  der  rede 
pro  Caelio  entweder  in  den  palimpsesten  enthaltene  oder  an- 
derweitig gefundene  Verbesserungen  giebt.  So  werden  denn 
auch  manche  lesarten,  die  sie  allein  hat,  mit  dem  vf.  als  zur 
aufnähme  in  den  text  geeignet  anzusehen  sein.  Bedeutend  und 
namentlich  für  schwierige  stellen  entscheidendes  hat  allerdings 
ref.  in  dieser  beziehung  nicht  gefunden ,  bei  einigem  kann  er 
auch  dem  kritischen  urtheil  des  vfs.  nicht  beistimmen.  So  wird 
§.  34  das  vom  vf.  empfohlene :  non  patruum,  non  avum,  non  pro- 
avum,  atavum  non  audieras  consules  fuisse,  sich  kaum  vertheidi- 
gen  lassen.  Auch  §.  12,  wo  durch  studuit  Gatilinae  auf  das 
früher  gesagte  zurückgegangen  wird,  wäre  ac  studuit  sehr  an- 
stössig.  In  §.  8  hat  Halm  den  gedanken  richtig  getrof- 
fen mit  talem  te  velis  homines  existiment,  weil  die  subjective 
thätigkeit  bezeichnet  sein  muss ;  in  der  lesart  des  Helm- 
stadiensis: talem  te  omnes  se  existiment  kann  ebenso  gut 
liegen     talem    te    omnes     \yeli\s    existiment,    wie  talem    te   omnes 


112  44.  45.  Cicero.  Nr.  2. 

esse  existiment.  Wenn  dieselbe  handschrift  §.  52  die  lücke 
von  P1  nach  dixeritne  Clodiae  so  ausfüllt:  quam  ad  rem  aurum 
dbiret  etc.,  ist  in  obiret  wohl  eher  adhiberet  als  mit  dem  vf. 
voluerit  zu  suchen.  In  §-48  wird,  um  den  gegensatz  zu  mu- 
lierem  nullam  nomindbo  hervortreten  zu  lassen ,  entweder  mit 
Halm  und  Kayser  ipsam  rem  oder  mit  dem  referenten  (Conjj. 
Tüll.  p.  15)  tantum  rem  zu  schreiben  sein;  des  vfs.  eam  rem 
genügt  nicht.  Cupidus,  das  §.  16  der  Heimst,  mit  den  übri* 
gen  handschriften  übereinstimmend  bietet,  ist  nicht  in  iudices 
(p.  xxm),  wodurch  eiusmodi  nicht  erklärt  wird,  soudern  in  cu- 
pid[itas  ei\us  zu  verwandeln  (siehe  Conjj.  Tüll.  p.  15). 
Endlich  ist  §.11  für  infamiam  veram ,  wo  der  vf.  früher  dem 
gedanken  nach  richtiger  communem  vermuthet  hatte,  jetzt  aber 
infamiam  atgue  invidiam  schreiben  will,  wohl  ohne  zweifei  infa- 
miam universam  zu  setzen.  Wir  haben  auch  hier  eben  die 
communis  infamia  iuventutis,  von  der  §.   29  die  rede  ist. 

Zum  schluss  den  wünsch,  dass  die  Verhältnisse  (s.  p.  l) 
es  dem  vf.  bald  gestatten  mögen  die  in  aussieht  gestellten 
weitereu  mittheilungen  aus  der  handschrift  folgen  zu  lassen. 

H.  A.  K. 

44.  Ciceros  reden  für  M.  Marcellus,  für  Q.  Ligarius  und 
für  den  könig  Deiotarus.  Für  den  schulgebrauch  herausgege- 
ben von  Fr.  Richter.  Leipzig  bei  Teubner  1870.  79  8. 
8.  —     (6  ngr). 

45.  Ciceros  Divinatio  in  Q.  Caecilium.  Für  den  schulge- 
brauch herausgegeben  von  Fr.  Richter.  Leipzig  bei  Teub- 
ner 1870.     40  s.     8.  —     (472  ngr). 

Für  fast  alle  von  Richter  herausgegebenen  reden  Cicero's  fand 
er  in  den  Halmschen  ausgaben  ein  treffliches  vorbild  vor,  und 
es  ist  daher  nur  zu  loben,  dass  er  sich  an  dieses  im  ganzen  eng 
angeschlossen  hat.  Seine  ausgaben  haben  darum  doch  ihre  beson- 
deren Vorzüge  und  sind  neben  den  Halmschen  als  recht  brauch- 
bare Schulausgaben  zu  bezeichnen.  Auch  fehlt  es  keineswegs 
an  selbständiger  kritischer  und  exegetischer  arbeit,  ja  für 
die  rede  pro  Marcello,  die  Halm  bekanntlich  mit  absieht  von 
seiner  auswahl  ausgeschlossen  hat,  sah  sich  der  herausgeber  genö- 
thigt,  sich  in  dieser  hinsieht  selbst  den  weg  zu  bahnen.  Er 
hält  diese  rede  „für  eine  nothwendige  ergänzung  zu  den  reden 


Nr.  2.  45.  Cicero.  113 

für  Q.  Ligarias  und  für  den  könig  Deiotarus,  aus  deren  Ver- 
einigung uns  das  bild  jener  jähre  des  Übergangs  der  republik 
zur  monarchie,  das  bild  Cäsars,  des  grossmüthigen  siegers  und 
milden  herrn,  nnd  Cicero's,  des  wohlmeinenden  bürgers  und  gro- 
ssen redners,  aber  leicht  erregbaren  und  schwachen  Charakters 
treu  wiederetrahlt".  Wenn  er  aber  zur  weiteren  rechtfertigung 
dafür,  dass  er  die  rede  pro  Marcello  trotz  des  Wolfischen  verdicts 
für  den  schulgebrauch  herausgebe,  sich  zu  der  behauptung  ver- 
steigt „F.  A.Wolf  habe  sein  verdammungsurtheil  der  rede  selbst 
nicht  ernst  gemeint",  so  wird  er  für  dieses  paradoxon  schwerlich 
viel  anhänger  gewinnen.  Aus  den  letzten  worten  der  Wölfischen 
vorrede  zur  Marcelliana  (die  offenbar  nur  den  zweck  haben,  den 
werth  einer  solchen  durchgreifenden  kritik  gegenüber  ihren  Veräch- 
tern in  launiger  weise  hervorzuheben)  allen  ernstes  zu  schliessen : 
„Wolf  habe  zwar  anfangs  vielleicht  an  der  echtheit  dieser  rede 
gezweifelt,  sei  aber  bei  genauerer  prüfung  anderen  sinnes  ge- 
worden —  und  führe  nun  nichtsdestoweniger  den  angriff  durch, 
um  sich  und  seine  kunst  zu  persifliren  und  durch  ein  auffälliges 
beispiel  jüngere  fachgenossen  von  einer  voreiligen  Iiyperkritik 
abzuschrecken",  ist  angesichts  des  ganzen  inhalts  und  tons  der 
vorrede  doch  wohl  noch  niemandem  eingefallen.  Richter  möchte 
„den  manen  des  grossen  philologen  nicht  das  grosse  unrecht  an- 
thun,  dass  er  die  unhaltbaren  angriffe  Wolfs  auf  die  echtheit  der 
Marcelliana  für  ernst  gemeint  halte" :  aber  fühlt  er  denn  nicht, 
dass  er  dieselben  manen  nur  noch  empfindlicher  kränken  muss, 
wenn  er  annimmt,  F.  A.  Wolf  habe  Cicero's  rede  pro  Marcello 
nur  ediert,  um  in  der  langen  vorrede  und  dem  ausführlichen 
commentar,  „sich  selbst  und  seine  kunst  zu  persifliren?"  Und 
wie  stimmte  dazu  die  unzweideutige,  wohlbedachte  erklä- 
rung  Wolfs  :  adeo  mihi  in  oratione  pro  Marcello  singulos  locos  et 
universam  artem  excutienti  c  er  ta  et  perspicua  videbantur  inesse 
indicia  vodtCag  et  mirificus  error  per  tot  saecula  propagatus  pluri- 
mis  argumentis  plane  et  evidenter  convinci  posse  —  wie  stimmt 
dazu  die  durchgängig  ernste  haltung  des  kritischen  Verfahrens 
von  anfang  bis  zum  ende ! 

Eine  neue  selbständige  recension    des    textes  beabsichtigt 

hrgbr  nicht ;  er  gibt  vielmehr  im  ganzen  den  text  von  R.  Klotz 

(nach  der  gesammtausgabe  von  1867)  wieder  ,    zugleich   mit  an- 

schluss  an  Baiter  und  Kayser;    nur    in  einigen  punkten  weicht 

Philol.  Anz.  V.  8 


114  45.  Cicero.  Nr.  2. 

er  von  allen  dreien  ab,  z.  b.  wenn  er  §.  8  Tiaec  gui  faciat 
liest  für  facti  oder  §.12  florescit  für  florescet  und  §.  33  nicht 
bloss  omnium  hinter  communi  sondern  auch  solum  hinter  unius 
streicht.  Zu  §.  10  hätte  wohl  Nägelsbachs  conjectur:  omnium 
Marcellorum  in  memoriam  meum  pectus  se  effudit  angeführt  wer- 
den können.  —  Im  commentar  möchte  die  bemerkung  §.  9 
zu  clamore  militum  „man  denke  hinzu  kanonendonner, 
Schlachtfelder  ,  brennende  städte ,  verwüstete  länder"  in  dieser 
form  wenigstens  der  phantasie  doch  etwas  zuviel  zumuthen-,  §. 
23  soll  dum  taxat  (so  schreibt  herausgeber  das  wort)  eine  an- 
dere bedeutung  als  sonst  z.  b.  pro  Deiot.  §.  1  haben:  „nicht 
über  das  mass,  sondern  höchstens  nur"  5  es  hat  aber  an  beiden 
stellen  dieselbe,  eine  aussage  in  ihrer  gültigkeit  auf  ein  be- 
stimmtes gebiet  beschränkende ,  kraft  (vrgl.  Cic.  Brut.  28, 
108;  82,  285). 

In  der  rede  pro  Ligario  ist  §.11  solent  nach  dem  Vorgang 
anderer  in  klammern  gesetzt,  aber  dann  hinter  dem  vorausge- 
henden mores  ein  Semikolon;  „denn  so  oft  ich  diese  stelle 
lese  (äussert  sich  herausgeber  im  kritischen  anhang)  höre  ich 
drei  glieder,  zwei  parallele:  dies  ist  nicht  römisch,  dies  ist 
ausländische  sitte,  —  und  ein  erläuterndes:  usque  ad  sanguinem 
etc.  — "  Mit  recht  ist  §.12  das  von  Kayser  ohne  ausreichen- 
den grund  beseitigte  omnia  am  schluss  der  periode  beibehalten, 
und  §.22  wohl  richtig  nam  si  crimen  est  ullum  (statt  illum) 
geschrieben. 

In  der  dritten  Caesariana  endlich,  der  pro  Deiotaro  verthei- 
digt  Richter  mit  recht  §.  8  die  von  Madvig ,  Halm,  Kayser 
für  interpoliert  erklärten  worte :  teque  quum  (so  schreibt  der  hrgbr 
stets  statt  cum)  huic  iratum  tum  sibi  amicum  esse  cognoverant. 
Dass  §.  9  si  tum  auxilia  etc.,  nicht  si  tantum  auxilia  etc.  und 
§.  13  ad  fugientem,  non  ad  insequentem,  nicht  ut  ad  fugientem  etc., 
was  Kayser  unbegreiflicher  weise  beibehalten  hat,  zu  lesen  ist, 
unterliegt  keinem  zweifei.  Ebenso  sind  mit  recht  aufgenom- 
men die  lesarten:  tectior  §.  16,  nicht  rectior  (vergl.  auch  Cic. 
Orat.  42,  146  ac  fortasse  ceteri  tectiores  etc.)  und  §.23  aut  non 
Jiabuisse,  nicht  aut  habuisse.  Im  §.  29  entscheidet  sich  der 
hrgbr  für  armorum  non  ponendorum  statt  des  handschriftlichen 
deponendorum,  mit  unrecht,  wie  schon  die  scharfe  antithese  der 
composita   de- ponere   und    ab-iicere   deutlich    beweist.       In 


Nr.  2.  45.  Cicero.  115 

demselben  paragraphen  erklärt  sich  Richter  zwar  gegen  Mad- 
vigs  emendation :  qui  quod  in  eisdem  castris  fuerit,  non  modo  etc. 
und  bezeichnet  die  stelle  als  lückenhaft  überliefert,  ohne  jedoch 
selbst  einen  restitutionsversuch  zu  machen;  §.  34  endlich  kann 
das  nach  der  meinung  des  hrgbrs  zu  tilgende  locus  hinter  nul- 
lus  schon  aus  rhetorischen  gründen  auf  keinen  fall  entbehrt 
werden. 

In  der  Divinatio  in  Caecilium  hat  schon  Halm  §.  4  an : 
qui  praesertim  quaestor  in  sua  provincia  fuisset,  anstoss  genom- 
men; er  erklärt:  „in  sua  provincia  (wenn  die  lesart  richtig  ist)  vom 
Standpunkt  der  Sicilier,  sie  möchten  bedenken,  dass  er  ihnen 
quästor  gewesen  sei".  Richter  behauptet  sogar :  „die  worte  in 
eua  provincia  stehen  handschriftlich  nicht  ganz  fest  und  sind 
wahrscheinlich  fehlerhaft  überliefert;  denn  in  sua  für  vestra  der 
directen  rede  ist  ungewöhnlich"  (soll  wohl  heissen:  unthunlich) 
,;und  darin  hat  Caecilius  vor  Cicero  keinen  Vorzug,  der  ja 
auch  quästor  in  Sicilien  gewesen  war".  Das  letztere  ist  aller- 
dings richtig  und  gilt  Halms  erklärung  gegenüber.  Aber  nichts 
desto  weniger  ist  die  handschriftlich  feststehende  letart  in  sua 
hier  ganz  an  ihrem  orte.  Die  worte  sind  aus  dem  sinn  des 
Cäcilius  geredet ,  der  sein  Vorrecht  zur  anklage  wiederholt  da- 
mit begründet  hatte,  dass  er  landsmann  der  Sicilier,  die 
provinz  Sicilien  seine  heimalh  sei  (domo  Siculus).  Dabei  mochte 
er  wohl  öfters  in  naheliegender  rhetorischer  Steigerung  Sicilien 
als  su  a  provincia  bezeichnet  haben ,  d.  h.  als  eine  solche  ,  der 
er  und  die  ihm  der  geburt  nach  angehöre  (mea  provincia,  mea 
est).  Und  so  wiederholt  hier  Cicero  nicht  ohne  spott  diese 
Wendung  aus  der  seele  des  Cäcilius,  „der  quästor  in  seiner 
provinz  gewesen'1.  Wenn  Richter  §.  46  lesen  will:  poterisne 
eius  orationi  subire,  mit  beseitigung  von  invidiam  und  dazu  be- 
merkt :  „den  dativ  bei  subire  in  der  bedeutung  von  resistere, 
succumberef?)  belegen  alte  grammatiker  mit  diesem  beispiel", 
so  hätte  ihn,  meine  ich,  eben  dieser  mangel  irgend  eines  an- 
deren beleges  doch  sehr  bedenklich  machen  und  ihn  verhin- 
dern sollen ,  auf  eine  so  zweifelhafte  autorität  hin  hier  diesen 
ganz  unerhörten  dativ  zu  acceptieren.  An  unserer  stelle  mag 
schon  früh  invidiam  irrthümlich  mit  dem  folgenden  vide  modo 
verbunden  worden  sein.  War  dies  aber  einmal  geschehen  und 
fand  sich  ausserdem  die  lesart  orationi ,    indem  dieses  wort  vor 

8* 


116  46.  Cicero.  Nr.  2. 

dem  folgenden  e  in  subire  (wie  solches  in  ähnlichen  fällen  un 
zählige  mal  vorgekommen  ist)  sein  ihm  zukommendes  S  einge- 
büsst  hatte,  so  war  glücklich  wenigstens  ein  beispiel  gefunden, 
wo  subire  bei  Cicero  mit  dem  dativ  vorkam  !  Invidiam  gehört 
aber  offenbar  zu  subire  und  kann  in  dieser  stelle  gar  nicht  ent- 
behrt werden.  —  Im  commentar  könnte  §.  20  die  ohnehin 
völlig  überflüssige  bemerkung  zu  aspirare:  ,,es  ist  vielleicht 
vom  schnüffeln  der  thiere  entlehnt",  mit  auführung  von  Colum. 
RRust.  8,  14,  9  ne  vipera  felisve  aut  etiam  rnustela  possit  aspirare, 
doch  leicht  eine  ganz  falsche  und  schiefe  Vorstellung  hervorru- 
fen. Die  vom  herausgeber  selbst  angeführte  erklärung  des 
6choliasten:  in  eam  partem,  qua  quid  quaesitum  est,  vultum  et  ocu- 
los  ac  spiritum  oris  advertere,  gab  ja  das  ganz  richtige.  Zu  §. 
14  quae  cum  iis  civitatibus  C.  Verri  communicata  sunt,  hätte  hin- 
sichtlich des  dativs  der  person  bei  communicare  auf  die  ganz 
ähnliche  stelle  bei  Cic.  Brut.  73,  254,  und  §.  26  für  den  un- 
terschied von  receptam  und  susceptam  auf  de  oratore  II  §.  101 
hingewiesen  werden  können.  n. 

46.  Ciceros  rede  für  den  dichter  Archias  von  Fr.  Rich- 
ter.    8.     Leipzig,  Teubner.  1872.  —    4*/2  gr. 

Die  Schulausgaben  der  reden  Cicero's  von  Richter  haben 
sich  durch  ihre  sachgemässe,  mit  verstand  und  einsieht  auf  das 
bedürfniss  der  schüler  eingehende  und  zwischen  dem  zu  viel 
und  zu  wenig  die  mitte  haltende  erklärungsweise  rasch  die  gunst 
des  publicums  erworben.  Auch  die  vorliegende  hat  diese  eigen- 
schaften.  Was  man  selbst  in  einer  Schulausgabe  ungern  vermisst, 
Bind  reichere  belegstellen  zur  erläuterung  des  Sprachgebrauchs, 
und  ebenso  lässt  die  behandlung  des  textes  manches  zu  wün- 
schen übrig.  So  möchte  es  schwer  werden  §.14  suasissem  mit 
acc.  c.  infinitivo  im  sinne  von  per  suasissem  als  ciceronianisch  zu 
erweisen;  §.11  ist  nicht  pro  cive,  sondern  ita  mit  Lambin  ein- 
zuklammern, und  gleich  nachher  statt  iis  temporibus  quem  ohne 
frage  iis  temporibus  quibus,  etwa  mit  einem  hinzugefügten  eum 
zu  schreiben.  Nur  beistimmen  kann  ich  der  zu  §.32  gemach- 
ten vermuthung  a  forensi  sermone  aliena,  da  ich  sie  selbst  bereits 
in  meinen  Conjj.  Tüll,  (Pförtner  programm  1868)  p.  10  f.  vor- 
getragen habe. 

H.  A.  K. 


Nr.  2.  47.  Kömische  annalistik.  117 

47.  Die  römische  annalistik  von  ihren  ersten  anfangen  bis 
auf  Valerius  Antias,  von  K.  W.  Nitzsch.  8.  Berlin.  1873. 
VIII  und  355  s.  —     2  thlr. 

Der  verf.  unterscheidet  in  der  vorrede  eine  „äussere  kri- 
tik,  welche  durch  einfache,  aber  möglichst  umfassende  verglei- 
chung  Zusammenhang,  Veränderung  und  herkunft  der  verschie- 
denen erzählungen  ermittelt"  und  eine  „innere ,  welche  für  die 
geschichte  des  Staatslebens  das  leben  der  Verfassung  in  den 
einzelnen  Instituten  und  ihrer  Wechselwirkung  als  ein  organi- 
sches und  in  seinen  zwecken  und  mittein  vernünftiges  auch 
für  die  prüfung  der  Überlieferung  verwerthet".  Er  selbst  er- 
klärt weiterhin,  dass  er  sich  möglichst  „auf  die  äussere  ge- 
schichte der  tradition  beschränken"  werde,  nachdem  er  vorher 
die  Überzeugung  ausgesprochen  hat,  dass  der  von  ihm  eingeschla- 
gene weg  „am  nächsten  und  kürzesten  zu  einem  festen  re- 
sultat  führen  könne".  Als  Vertreter  der  anderen,  der  inneren 
kritik  nennt  er  Eubino  und  Mommsen  insofern  als  sie,  „von 
der  Unsicherheit  und  Unmöglichkeit  der  äusseren  kritik  immer 
mehr  überzeugt,  das  ganze  gewicht  auf  die  innere  kritik  ge- 
worfen" :  ein  urtheil,  womit  Mommsen  sich  kaum  im  einklang 
finden  dürfte,  und  dessen  Schiefheit,  wie  uns  scheint,  eben  darin 
ihren  grund  hat,  dass  zweierlei  thätigkeiten  der  kritik  unter- 
schieden werden,  die,  wenn  anders  die  kritik  erfolg  haben  soll, 
schlechterdings  nicht  von  einander  getrennt  werden  können. 
Eben  so  wenig  dürfte  ein  anderes  urtheil  haltbar  sein,  wenig- 
stens nicht  für  die  älteste  zeit,  wenn  er  sagt  (p.  7),  dass  Momm- 
sen „die  eigentlichen  Stützpunkte  seiner  kritischen  arbeiten  in 
den  Urkunden  gesehen"  habe,  da  für  jene  periode  die  Urkunden 
bekanntlich  als  Stützpunkte  nicht  weit  reichen  würden. 

Der  wesentliche  inhalt  des  buches  selbst  ist  nun  in  der  kürze 
folgender.  Die  künde  von  den  ersten  Jahrhunderten  der  republik 
beruht  theils  auf  annalistischen  aufzeichnungen  der  ältesten  zeit 
theils  auf  den  durch  historische  lieder  geschaffenen,  dann  durch 
die  laudationes  fortgepflanzten  und  erweiterten,  zugleich  aber  auch 
vielfach  corrumpierten  sagen.  Das  neue  hierbei  ist ,  dass  der 
verf.  jene  annalistischen  aufzeichnungen  nicht  in  den  Annalea 
maximi  findet ,  welche  nach  ihm  erst  im  j.  249  v.  Chr.  ihren 
anfang  nehmen,  sondern  dass  er  ihren  Ursprung  in  den  Ceres- 
tempel verlegt,  in  welchem  die  ädilen,    „die  Verwalter  des  tem- 


118  47.   Römische  annalistik.  Nr.  2. 

pelfriedens  und  tempelguts,  die  grossen  posten  aus  dem  politisch  - 
religiösen  leben  der  republik  wie  in  einem  hauptbnch  zusam- 
mengestellt" haben  sollen  (p.  214).  Aus  dieser  doppelten  quelle 
also  schöpfte  der  erste  römische  geschichtsschreiber  Fabius  Pic- 
tor  seinen  stoff,  welcher  sein  werk  für  die  hellenische  weit 
schrieb  und  welchem  der  verf.  eine  literarische  bedeutung  ähn- 
lich der  seines  Zeitgenossen ,  des  „genialen"  Eratosthenes  bei- 
misst.  Fabius  suchte  in  seinem  werk  besonders  sein,  das  fabi- 
sche  geschlecht  zu  verherrlichen,  insbesondere  den  Fabius  Cunc- 
tator,  dem  er  das  ganze  verdienst  der  glücklichen  beendigung 
des  hannibalischen  krieges  zuschreibt,  und  da  die  Fabier  von 
jeher  (im  gegensatz  gegen  die  Claudier)  die  Vertreter  und  för- 
derer  der  Plebs  rustica  sind  (dem  verf.  dreht  sich  nämlich  die 
innere  geschichte  Eoms  hauptsächlich  um  den  parteikampf  zwi- 
schen der  plebs  rustica  und  plebs  urbana),  so  sieht  auch  der 
geschichtsschreiber  Fabius  in  den  plebejern  gewissermassen  nur 
die  plebs  rustica;  die  plebejer  sind  ihm  daher  vom  beginn  der 
republik  an  nicht  eine  arme  Volksmasse,  sondern  ein  kräftiger, 
unter  führung  der  tribunen  um  die  gleichstellung  mit  den  pa- 
triciern  kämpfender  politischer  stand ,  und  eben  deshalb  sieht 
er  auch  in  der  lex  Terentilia  nicht  bloss  die  tendenz,  durch  die 
schriftliche  abfassuug  der  gesetze  der  willkür  der  patricischen 
magistrate  vorzubeugen,  sondern  vielmehr  den  im  zweiten  de- 
cemvirat  verwirklichten,  freilich  bald  aufgegebenen  versuch,  durch 
eine  neue  Verfassung  eine  ausgleichung  zwischen  beiden  stän- 
den herzustellen.  So  also  Fabius  Pictor.  Der  nächste  schritt 
in  der  entwickelung  der  annalistik  geschieht  sodann  durch 
Calpurnius  Piso.  Dieser  war  ein  Zeitgenosse  und  ein  gegner 
der  Gracchen ;  durch  und  mit  den  Gracchen  aber  wurde  die 
förderung  der  interessen  der  plebs  rustica,  welche  bisher  in  der 
hand  des  Senats  gelegen  hatte,  sache  der  volkstribunen,  und  so 
kam  es,  dass  die  gesammte  plebs  sich  als  ganzes  in  der  weise 
wie  der  griechische  demos  dem  senat  und  der  nobilität  gegen- 
überstellte. Unter  diesen  umständen  war  es  natürlich ,  dass 
Piso  in  den  plebejern  der  ältesten  zeit  nichts  als  einen  besitz- 
losen volkshaufen  sah  und  dass  sich  auch  die  bedeutung  der 
lex  Terentilia  bei  ihm  in  der  bekannten  weise  abschwächte. 
Eben  so  wie  Piso  beurtheilte  auch  der  gleichzeitige  Polybius 
die  plebs,    bei    dem   ausserdem    auch  eine  Opposition  gegen  die 


Nr.  2.  47.   Römische  annalistik.  119 

beurtheilnng  des  Fabius  Cunctator  durch  den  annalisten  Fabius 
hervorgehoben  wird.  Durch  diese  mittelstufe  gelangt  die  anna- 
listik in  ihrer  entwicklung  zu  Valerius  Antias  und  Licinius 
Macer.  Beide  leiten  den  bis  zu  ihrer  zeit  mächtig  aufgeschwol- 
lenen ström  der  sagen  in  ihre  werke  über ;  Valerius  Antias 
schreibt  im  interesse  seines  geschlechts  und  sucht  namentlich 
seinen  Zeitgenossen  Valerius  Flaccus,  der,  wie  der  verf.  an- 
nimmt, während  der  sullanischen  bewegungen  eine  vermittelnde 
rolle  spielt,  dadurch  zu  glorificieren,  dass  er  die  Valerier  schon 
in  der  ältesten  zeit  überall  als  vermittler  auftreten  lässt,  wes- 
halb er  wahrscheinlich  auch  die  erzählung  von  der  schuldnoth 
der  plebejer  schon  zur  zeit  der  ersten  secession  gefunden  hat; 
Licinius  Macer  dagegen  führt  die  sache  der  Licinier  und  ihm 
gebührt  daher  wahrscheinlich  auch  die  geschichte  von  den 
leges  Liciniae  in  der  form,  wie  sie  uns  überliefert  ist. 

Man  sieht,  dass  das  neue  in  den  resultaten  des  buches  (auf 
eine  menge  von  einzelnheiten,  die  es  enthält ,  können  wir  des 
beschränkten  raumes  wegen  nicht  eingehen)  hauptsächlich  in  der 
Charakterisierung  der  genannten  annalisten  und  in  der  bestimmung 
des  einflusses,  den  dieselben  auf  die  römische  geschichte  geübt,  be- 
steht. Der  beweis  hierfür  wird  einestheils  durch  zahlreiche,  häufig 
zur  anwendung  gebrachte  analogien  geführt,  in  bezug  auf  welche 
wir  nur  bemerken  wollen ,  dass  analogien  historische  thatsachen 
zwar  verdeutlichen,  nimmermehr  aber  beweisen  können,  andern- 
theils  durch  eine  quellenanalyse  von  Liv.  II,  1  —  IV,  8  und  Dio- 
nys.  Hai.  V — XI,  welche,  schon  früher  im  Rheinischen  Museum 
veröffentlicht ,  einen  bedeutenden  bestandtheil  unseres  buches 
bildet  (p.  11  — 153).  Durch  diese  analyse  werden  die  bezeich- 
neten partien  in  stücke  zerlegt  und  diese  dann  theils  dem  Fa- 
bius (so  Liv.  II,  1 — 21),  theils  dem  Valerius  Antias,  theils  dem 
Licinius  Macer  zugewiesen ,  woraus  dann  wieder  merkmale  für 
die  bebandlung  der  weiteren  geschichte  durch  dieselben  autoren 
abgeleitet  werden.  Da  wir  von  allen  jenen  quellenschriftstel- 
lern  sehr  wenig  fragmente  übrig  haben  und  eben  so  wenig  be- 
stimmte Zeugnisse  des  Livius  und  Dionysius  besitzen,  so  leuch- 
tet ein,  dass  es  (etwa  und  vielleicht  Plutarchs  Poplicola  für  Va- 
lerius Antias  ausgenommen)  an  allen  festen  anhaltspunkten 
für  diese  Untersuchung  fehlt  und  dass  dieselbe  6ich  sonach  auf 
sehr  schlüpfrigem  boden  bewegen  muss.     Der    verf.  geht  aber 


120  47.  Römische  annalistik.  Nr.  2. 

überdem  von  einer  Voraussetzung  aus,  die  wir  für  nichts  we- 
niger als  bewiesen  halten  können.  Er  nimmt  nämlich  an,  dass 
Linus  immer  und  überall  der  einmal  gewählten  quelle  ohne 
anderweite  einschiebsei  gefolgt  sei :  ein  satz  ,  den  er  aus  Nis- 
sens  kritischen  Untersuchungen  entlehnt,  welcher  ihn  für  die 
vierte  und  fünfte  dekade  zu  beweisen  gesucht  hat.  Allein 
selbst  Nissen  giebt  zu,  dass  ,, bisweilen,  aber  nicht  häufig 
stücke  aus  andern  quellen  eingeschoben  seien"  (p.  12),  wäh- 
rend der  satz  von  unserem  Verfasser  ohne  einschränkung  für 
seine  beweisführung  benutzt  wird:  wie  kann  dieser  satz 
aber,  der  übrigens  selbst  für  die  vierte  und  fünfte  decade  noch 
weit  entfernt  ist  für  ausgemacht  zu  gelten,  ohne  weiteres  auch 
auf  die  erste  dekade  angewandt  werden?  Ueberdem  ist  es 
bekannt,  dass  Livius  öfter  ausdrücklich  mehrere,  ja  sogar  alle 
quellen  als  von  sich  benutzt  erwähnt;  auch  wird  ein  unbefan- 
gener leser  weder  von  Livius  noch  von  Dionysius  glauben,  dass 
sie  immer  nur  eine  und  dieselbe  quelle,  nur  etwa  mit  unwe- 
sentlichen änderungen  in  der  form,  abgeschrieben,  da  dies  mit 
dem  allgemeinen  Charakter  beider  werke  wenig  übereinstimmt. 
Der  verf.  freilich  nimmt  sogar  an  (p.  24  ff.) ,  dass  Dionysius 
auch  seine  reden  aus  seinen  quellenschriftstellern  entnommen  habe. 

Selbstverständlich  hat  nun  aber  der  verf.  auch  von  ein- 
zelnen stellen  für  seine  beweisführungen  gebrauch  gemacht. 
Eben  hier  aber  findet  sich  nach  unserer  ansieht  das  meiste  un- 
haltbare, indem  er  in  viele  stellen  und  namentlich  in  solche, 
die  dazu  dienen  sollen ,  eine  neue  ansieht  zu  begründen,  einen 
sinn  hineingelegt  hat,  der  nach  Wortlaut  und  Zusammenhang 
unmöglich  darin  liegen  kann.  Wir  müssen  dies  wenigstens  durch 
einige  beispiele  zu  beweisen  suchen. 

Polybius  zählt  III,  2  die  zahlreichen  kriege  auf,  welche 
die  Römer  in  der  von  ihm  behandelten  geschichtsperiode  sieg- 
reich bestanden ,  und  bemerkt  dabei ,  dass  er  weiterhin  auch 
über  die  römische  Verfassung  handeln  werde,  weil  diese  wesent- 
lich zu  den  glücklichen  erfolgen  beigetragen  habe.  Die  bezüg- 
lichen worte  lauten :  piiyiaxa  ovvsßdXeio  avroig  t}  zov  noXiiev- 
fiarog  idiörtjg  ngog  ro  fvj  [tövov  ävaxTijocufdeci  r?}**  'liaXimtäv 
xal  JZixeltootwr  dvvaatsiav ,  'in  8s  xccl  tijp  'IßfjQmv  TZQogXctßsip 
xal  KeXzäiv  ^qx>)>,1  aXXä  aal  xtX.  In  diese  stelle  nun  legt  der 
verf.  den  sinn:  nicht  der  einzelne  mann  (nämlich  Fabius  Cunc- 


Nr.  2.  47.  Römische  annalistik,  121 

tator),  sondern  die  Verfassung  selbst  habe  die  republik  gerettet, 
und  findet  sonach  darin  einen  beweis  für  die  oben  schon  er- 
wähnte ansieht,  dass  Polybius  in  seinem  werke  gegen  Fabius 
und  insbesondere  gegen  dessen  übertriebene  werthschätzung  des 
Fabius  Cunctator  Opposition  mache  (p.  271.  291.  318).  Allein 
abgesehen  davon,  dass  das  wesentliche  „nicht"  keineswegs  in 
der  stelle  steht,  ferner  davon,  dass  Polybius  von  sämmtlichen 
erfolgen  der  damaligen  kriege,  nicht  bloss  von  dem  glücklichen 
ausgange  des  hannibalischen  krieges  spricht :  hat  der  verf.  nicht 
daran  gedacht,  dass  Polybius  dem  Fabius  Cunctator  an  andern 
stellen  das  ausgezeichnetste  lob  spendet,  wie  z.  b.  III,  89,  ja 
dass  er  an  einer  stelle  eben  diesem  Fabius  geradezu  die  ret- 
tung  des  ganzen  Staates  beimisst  ?  Nämlich  III,  105,  wo  es 
heisst:  z«  o\a  diu  ztjv  silüßeiup  zov  (paßiov  aiamarai  xat  ngu 
tov  xat  vlv.  Und  wenn  er  p.  270  den  charakter  der  fabiani- 
schen darstellung  des  Fabius  Cunctator  in  den  bekannten  Wor- 
ten des  Ennius:  unus  Jiomo  etc.,  zusammenfasst  und  die  Opposi- 
tion des  Polybius  gegen  Fabius  durch  die  abhängigkeit  des- 
selben vom  hause  der  Scipionen  erklärt :  ist  ihm  da  nicht  einge- 
fallen, dass  gerade  Ennius  ebenfalls  ein  client  dieses  hauses  war? 
Ein  anderes  beispiel  bietet  Polyb.  I,  59.  Dort  wird  von 
dem  glücklichen  ende  des  ersten  punischen  kriegs  gehandelt 
und  rühmend  hervorgehoben ,  dass  dasselbe  nicht  durch  die 
kräfte  des  Staates,  sondern  durch  die  begeisterung  und  die  Va- 
terlandsliebe der  zur  ausrüstung  einer  neuen  flotte  freiwillig 
beisteuernden  angesehensten  männer  (diu  tr\v  twv  ngosatcözcov 
ävdocöv  eig  tu.  noitd  qnXozi/xiav)  herbeigeführt  worden  sei.  Hierin 
aber  —  wer  sollte  es  glauben  —  findet  der  verf.  p.  288  einen 
beweis,  dass  damals  „die  höchsten  und  bedeutendsten  schichten 
der  römischen  bevölkerung  die  eigentlichen  träger  der  mariti- 
men politik"  gewesen  seien.  Eine  ähnliche  ausdehnung  oder 
umdeutung  des  sinnes  ist  es,  wenn  p.  299  aus  der  stelle  Polyb. 
III,  32,  wo  Polybius  sagt,  dass  es  immer  noch  bequemer  sein 
werde,  seine  vierzig  bücher  zu  lesen  als  die  zahlreichen  spe- 
cialgeschichten,  die  folgerung  gezogen  wird,  dass  das  werk  des 
Fabius  „nicht  zu  umfangreich"  gewesen  sei,  oder  wenn  p.  273 
darin,  dass  Polybius  (II,  40)  sagt ,  er  werde  die  geschichte  des 
Arat  kurz  erzählen,  weil  sie  von  Arat  selbst  wahr  und  deut- 
lich dargestellt  sei,    ein   beweis  gefunden  wird,    dass  Polybius 


122  Thesen.  Nr.  2. 

„in  seiner  darstellung  sich  sehr  eng  an  die  ihm  zusagenden 
quellen  angeschlossen",  oder  wenn  p.  271  der  umstand,  dass 
Fabius  hier  und  da  allein  als  der  älteste  annalist  genannt  wird, 
als  ein  anzeichen  von  der  geringen  bedeutung  des  Cincius  Ali- 
mentus  angesehen  wird,  während  man  im  gegentheil  darin,  dass 
Cincius  anderwärts  mit  Fabius  zusammen  an  die  spitze  der 
annalisten  gestellt  wird ,  eher  einen  beweis  für  das  gegentheil 
finden  könnte.  Auch  wollen  wir  nicht  unerwähnt  lassen,  dass 
p.  277  von  der  beweisführung  ex  silentio  gerade  für  einen  sehr 
wichtigen  satz  ein  äusserst  bedenklicher  gebrauch  gemacht  wird. 
Nach  diesem  allen  glauben  wir  kaum,  trotz  der  ausgebrei- 
teten gelehrsamkeit  und  der  feinheit  der  beobachtung  des  verf., 
dass  das  gebäude ,  welches  er  in  diesem  buche  ausgeführt ,  ein 
haltbares  sein  werde.  Es  ist  darin  viel  zu  viel  mit  unbe- 
kannten grossen  gerechnet  und  viel  zu  viel  aus  unsicheren 
Voraussetzungen  und  unbegründeten  interpretationen  gefolgert. 
Aber  auch  die  hauptresultate  als  richtig  vorausgesetzt,  so  würde 
doch  für  die  kenntniss  der  älteren  römischen  geschichte  damit 
wenig  gewonnen  sein.  Diese  hauptresultate  führen  doch  immer 
nur  bis  auf  den  annalisten  Fabius  und  einige,  verhältnissmässig 
wenige,  zusammenhangslose,  meist  unwesentliches  enthaltende, 
überdem  nicht  einmal  mit  völliger  Sicherheit  zu  erkennende  äl- 
tere annalistische  notizen  zurück ,  können  uns  also  von  den 
thatsachen  der  altern  geschichte  keine  sichere  und  ausreichende 
künde  geben,  und  selbst  die  Charakteristik  der  von  dem  verf. 
fast  ausschliesslich  berücksichtigten  annalisten  Fabius  Pictor, 
Valerius  Antias  und  Licinius  Macer  ist  doch  im  wesentlichen 
insofern  nur  negativer  tiatur,  als  dadurch  bei  ihnen  hauptsäch- 
lich nur  die  einwirkung  falscher  und  unhistorischer  tendenzen 
nachgewiesen  wird. 

Theses 

quas  auctqritate  .  .  .  ordinis  philosophoruin  Marburgensiuin  .  .  d. 
IX  m.  Ianuar.  1873  publice  defendet  Iulius  Ernst,  Fuldensis:  1.  Ro- 
mani  cum  dicerent  » si  volueris  (potueris) ,  ittud  facies «  similia ,  in 
enunciato  subiuncto  minime  futurum  exactum  sed  potius  coniuncti- 
vum  perfecti,  quem  vocamus  modum  potentialem,  intellegebant.  II. 
napcuvstisis  quae  Isocratis  feruntur  ita  videntur  ortae  esse,  ut  prooe- 
mia  et  conclusiones,  quos  locos  commuues  secundum  illius  temporis 
rhetorum  consuetudinem  ipse  Isocrates  conscripserat,  ab  aliis  hominibus 
argumentis  expleta  sint.  III.  Tertius  Isocrates,  quem  Dionysii  Hali- 
carnassei   aequalem    fuisse  Muretus    et  H.  Stephanus   contenderunt, 


Nr.  2.  Bibliographie.  123 

nuniquam  fuit.  IV.  Catulli  c.  LXIV  v.  45  sie  legendus  est:  candet 
ebur  soliis,  collucent  pocula  mensis.  V.  Ibid.  v.  49  hoc  modo  emen- 
dandum  censeo:  tineta  tegit  roseo  conehyli  purpura  sueo.  VI.  In 
emendandis  Sophoclis  Aiacis  vv.  961  sqq.  Seyfferti  coniectura  probata, 
ex  qua  in  vs.  916  pro  l/tol  legendum  est  dt'  oTsr,  omnia  et  resecandi 
et  transponendi  studia  ad  irritum  rediguntur. 

.  .  .  quas  auetoritate  .  .  .  ordinis  philosopborum  Marburgensium 
. .  publice  defendet  L.  Keller .-  I.  Appiani  1.  1, 1—37  Iubam  fuisse  auc- 
torem  pro  certo  habeo.  II.  Liv.  26,  47,  1  codd.  lectionem  »facti« 
in  »infecti«  mutandam  esse  censeo.  IV.  Pugnam  Zamensem  a.  d.  XIV  m. 
Kai.  Nov.  anni  202  a.  Chr.  faetam  esse  pro  certo  habeo.  VI.  Thucyd.  1, 
21  verbis  ovn  we  .  .  .  ixvivr/.rj/.ÖTa  tum  alios  scriptores  cum  Jüerodo- 
tum  significare  contendo.  VII.  Thucyd.  1,  21  verbo  koyoyqdffoi  eos 
significat,  qui  pedestri  sermone  utuntur. 

Neue  auflagen. 

48.  Q.  Horatius  Flaccus  Satiren  und  Episteln.  Erklärt  von  T.  G.  A. 
Krüger.  7.  aufl.  8.  Leipzig.  Teubner;  24  gr.  —  49.  C.  I.  Caesaris 
cominentarii  de  bello  gallico.  Erklärt  von  Fr.  Krahner.  8.  aufl. 
8.  Von  W.  Dittenberger.  8.  Berlin.  Weidmann;  22V2  ngr.  —  50. 
Apuleii  Psyche  et  Cupido.  Rec,  et  emendavit  C.  Jahn.  Ed.  2.  16. 
Leipzig  Breitkopf  et  Haertel;  15  ngr.  —  51.  R.  Nicolai,  griechische 
literatur  -  geschichte  in  neuer  bearbeitung  1.  bd.  1.  hälfte.  8.  Mag- 
deburg. Heinrich;  20  ngr.  —  52.  C.  Schnaase,  geschichte  der  bil- 
denden künste.  5.  bd.  2.  aufl.  8.  Düsseldorf.  Buddeus;  4  thlr. 
10  ngr.  —      53.    G.  H.  Lewes ,   geschichte    der  philosophie.     2.  aufl. 

2.  lief.  8.  Berlin.  Oppenheim;  10  ngr.  —  54.  E.  Guhl  und  W. 
Koner,  das  leben  der  Griechen  und  Römer.  3.  aufl.  11.  12.  lief.  Berl. 
Weidmann;  ä  10  ngr.  —  55.  A.  v.  Remnont,  geschichte  Roms.  Neue 
ausgäbe.  20.  lief.  8.  Berlin.  Decker;  1  thlr.  —  56.  A.  Forcellini 
totius  latinitatis  lexicon.  T.  IL  distr.  13.  p.  4.  Prati,  Leipzig,  Brock- 
haus; 25  ngr. —  57.  Schilleri  de  campana  Carmen.  Latine  redd.  G. 
de  Diepenbroik-  Grueter.  3.  aufl.  8.  Berlin.  Grote;  15  ngr.  —  58. 
E.  v.  Hartmann,  philosophie  des  unbewussten.  5.  aufl.  1.  lief.  8. 
Berlin.  Dunker;  12  ngr. 

Neue  Schulbücher. 

59 — 62.  Freund's  schülerbibliothek.  1.  abth.  Präparationen  zu  den 
griechischen  und  lateinischen  schulklassikern.  Homers  Odyssee.  11.  hft. 

3.  aufl.;  Sophokles.  5.  hft.  2.  aufl.  —  zu  Horaz  werken.  16.  hft.  — 
Livius'  römische  geschichte.  10.  hft.  2.  aufl.  16.  Leipzig.  Violet;  a  5 
ngr.  —  63.  M.  Seyffert,  hauptregeln  der  griechischen  syntax.  7.  aufl. 
8.  Berlin.  Springer;  5  ngr. —  64.  P.  Wesener,  griechisches  elementarbuch, 
zunächst  nach  der  grammatik  von  Curtius  und  Koch  bearbeitet.  1.  thl. 
2. aufl.  8.  Leipzig.  Teubner;  7x/2  ngr«  —  65.  Fr.  Ellendt's  lateinische 
grammatik  bearbeitet  von  M.  Seyffert.  10.  aufl.  8.  Berlin.  Weidmann; 
20  ngr.  —  66.  Ch.  Fr.  Koch,  figuren  und  tropen  und  die  grundzüge 
der  metrik  und  poetik.  Hülfsbüchlein  für  den  deutschen  Unterricht 
2.  aufl.     8.     Jena.  Mauke;    5  ngr.. 

Bibliographie. 

Schriftsteller  und  verleger  vor  hundert  jähren,  aufsatz  im  Börsen- 
blatt 1872,  nr.  266.  273.  277.  283. 


124  Bibliographie.  Nr.  2. 

Ueber  das  arge  und  verderbliche  treiben  der  Verleger  in  hinsieht 
auf  reclame  handelt  Joh.  Scherr  in  Lindau's  gegenwart  1872  novemb.: 
etwas  davon  steht  auch  im  Börsenbl.  nr.  283. 

Blick  auf  das  leben  des  verdienstvollen  buchhändlers  Franz  Köh- 
ler (vater)  im  Börsenbl.  nr.  287. 

Noch  1872  sind  ausgegeben:  Mittheilungen  der  verlagshandlung 
B.  G.  Teicbner  in  Leipzig  nr.  5,  in  deren  ersten  abtheilung  als  künftig 
erscheinend  angekündigt  werden:  Aristophanes  und  die  historische  kri- 
tik.  Polemische  studien  zur  geschichte  von  Athen  im  5jahrh.  vor  Chr. 
Von  Herrn.  Müller- Strübing :  es  werden  besonders  die  bedeutung  der 
vloosämter* ,  dann  auch  die  Strategen  erläutert  und  dem  Thukydides 
seine  historischen  fehler  (!)  nachgewiesen  werden.  —  Die  Chorpartien 
des  Aristophanes  scenisch  erläutert  von  Dr  Richard  Arnold,  wo  in 
fünf  capiteln  das  auftreten  des  chors ,  seine  bewegungen  und  beson- 
ders die  fragen  über  die  ^wt/opt«  besprochen  werden  sollen.  —  Ein- 
heit der  Odyssee  und  ausführliche  Widerlegung  der  ansichten  von 
Lachmann,  Steinthal,  Köchly,  Hennings  und  Kirchhoff  von  Dv  JEd. 
Kammer:  der  vf.  »ist  durchdrungen  von  der  einheit  des  plans  dieser 
gedichte,  wie  er  sich  im  grossen  und  ganzen  in  dem  aufbau  der  hand- 
lung  von  Station  zu  Station  kundgiebt;  dagegen  ist  er  durchaus  nicht 
geneigt,  das  ganze  so  wie  es  uns  überliefert  ist,  einem  dichter  zu- 
zusprechen. Vielmehr  macht  er  eine  reihe  von  interpolationen,  ein- 
lagen,  neuen  motiven  bekannt,  die  beim  weitersingen  der  gedichte 
in  dieselbe  hineinkamen  u.  s.w.  —  Heraklit  von  Ephesos.  Ein  ver- 
such ,  dessen  fragmente  in  ihrer  ursprünglichen  Ordnung  wieder  her- 
zustellen. Von  P.  Schuster:  zerfällt  in  einen  philosophischen,  politi- 
schen und  theologischen  theil:  dazu  excurse  mit  beitragen  von  K. 
Lehrs.  Es  ist  diese  abhandlung  besondrer  abdruck  aus  Ritschi 
Acta  soc.  Graecae  T.  III,  der  ausser  dieser  abhandlung  noch  eine  von 
Ch.  Lütjohann ,  kritische  beitrage  zu  Apuleius  Metamorphosen  und 
Ch.  Oehmicher  de  31.  Varrone  et  Isidoro  C.  Plinii  chorographis 
auetoribus  primariis  enthalten  wird. 

Desgleichen  ist  von  denselben  mittheilungen  erschienen  nr.  6,  in 
deren  erster  abtheilung  angegeben  werden:  Kritische  Untersuchungen 
über  die  interpolationen  in  den  Schriften  Xenophons,  vorzugsweise 
der  Anabasis  und  den  Hellenicis.  Von  Dr  Ernst  Albert  Richter.  (Se- 
paratabdruck a.  d.  suppl.  d.  jahrb.  f.  class.  philologie).  Panegyrici 
Latini  XII.  Recensuit  Aemilius  Baehrens.  Accedit  Appendix: 
nach  neuen  collationen.  —  Dracontii  carmina  plurima  inedita  ex  cod. 
Neapolitano  ed.  Frid.de  Duhn:  der  herausgeber  hat  cod.  Neap. 
selbst  verglichen  und  versichert,  dass  durch  die  neuen  gedichte  das 
wenige  ,  was  wir  von  römischer  literatur  in  Karthago  aus  der  zeit 
des  Verfassers  wissen,  vortheilhaft  ergänzt  werde. 

Neue  philologische  Unternehmungen  aus  den  jähren  1867—1872 
von  Mauke's  verlag  (Hermann  Dufft)  in  Jena:  Westphal's  griechi- 
sche grammatik ,  M.  Schmidt's  ausgäbe  des  Hesychius ,  Soph.  Oed. 
Tyrannus,  Pindar,  Hygin,  lykische  studien,  so  wie  bücher  von  Put- 
sche, Dünnebier  u. s.w.  werden  empfohlen. 

Preis  -  ermässigung  von  K.  F.  Köhler's  Antiquarium :  zu  beachten 
wegen  P.  de  Lagarde  gesammelte  abhandlungen,  2  thlr.  20  gr. ,  R. 
Schneider,  quaestiones  de  Serv.  Sulpicio  Icto  Born.,  10  gr..  Schirren 
de  ratione ,  quae  inter  Iordanem  et  Cassiodorum  intercedit  conini., 
10  gr. 

F.  Ch.  Baur,  Symbolik  und  Mythologie  oder  die  naturrebgion 
des  alterthums,  3.  bd.,  jetzt  zu  3  thlr.  bei  F.  Steinkopf  in  Stuttgart. 

Cataloge  der  antiquare :    Richter  $  Harrassowitz   in  Leipzig  anti- 


Nr.  2.  Kleine  philologische  zeitung.  125 

quarischer  catalog  nr.  3,  enthält  viel  philologisches;  catalog  nr.  39 
des  antiquarischen  bücherlagers  von  Scheitle  in  Stuttgart,  vorzugs- 
weise philosophie  ;  antiquarisches  verzeichniss  117  von  Felix  /Schnei- 
der in  Basel,  griechische  und  lateinische  classiker,  alte  philologie. 

Messrs  Longnians,  Green,  Reader  and  Dyer's  Monthly  list  of  new 
books  published  in  Great  Britain.  Deceinb.  2,  1872:  philologisches 
von  bedeutung  fehlt:  Vergils  Eclogen  und  Georgica  in  prosa  über- 
setzt von  Wilkins,  Lexicon  to  Xenophon  Anabasis  von  Barram,  grie- 
chische grarnatik  für  schulen,  Übersetzungsbücher  u.  dgl. 

Kleine  philologische  zeitung. 

Römische  alterthümer  sind  im  Ahr-  thale  bei  ausgrabungen  zu 
tage  gekommen:  Staats.-Anz.  1872,  nr.  286,  beil.  1. 

Ueber  einen  in  der  Sammlung  von  assyrischen  schreibtafeln  im 
British-Museum  entdeckten  chaldäischen  bericht  über  die  sündfluth 
giebt  nach  einem  vortrage  des  entdeckers,  George  Smith  genauere 
auskunft  der  Staats-Anz.  1872,  nr.  294  beil.  2. 

Am  13.  Dec.  1872  sind  die  Sitzungen  des  deutschen  archäologi- 
schen instituts  zu  Rom  eröffnet  worden. 

In  der  sitzung  der  philosophisch  -  historischen  classe  der  K.  K. 
Acad.  d.  Wiss.  zu  Wien  vom  2.  januar  hielt  Dv  Robert  Zimmermann 
einen  Vortrag  ȟber  den  einfluss  der  tonlehre  auf  Herbart's  philoso- 
phie« und  kommt  dabei  auf  den  einfluss  derselben  bei  den  Griechen 
zu  sprechen.  —  In  der  sitzung  vom  8.  januar  ward  aus  einer  abhand- 
lung  des  prof.  R.  Roesler  in  Graz  referirt,  dass  die  festsetzung  der 
Slaven  in  Mösien  nicht  im  5.  oder  6.,  sondern  erst  im  7.  jahrh.  er- 
folgt sei. 

Ueber  seine  ausgrabungen  in  Troja  (s.  Philol.  Anz.  IV,  nr.  1 1.,  p.  573  : 
vgl.  ob.  p.64)  berichtet  Dr  Schliemann  in  der  Augsb.  Allg.  Ztg.  1873.  Beil. 
zu  nr.  1  wie  folgt:  Unter  vielen  audern  merkwüi-digen  entdeckungen 
habe  ich  bei  meinen  diesjährigen  ausgrabungen  in  Troja  auch  die 
gemacht:  dass  »yXa.vy.wmg«  (das  gewöhnliche  homerische  beiwort  der 
Athene)  nicht,  wie  es  von  den  gelehrten  aller  Jahrhunderte  übersetzt 
worden  ist,  »mit  funkelnden  feurigen  äugen«,  sondern  »mit  dem  eu- 
lengesicht«  bedeutet.  Ich  fand  nämlich  gleich  unter  der  trümmer- 
schichte  der  griechischen  kolonie,  welche  nach  Strabo  (XIII,  1,  24) 
unter  lydischer  herrschaft,  somit  ungefähr  700  jähre  v.  Chr.,  gegrün- 
det sein  muss,  und  zwar  bereits  in  2  metern  tiefe,  becher  von  terra- 
cotta  mit  profilen  von  eulengesichtern  und  einer  art  heim ,  die  auch 
in  allen  folgenden  schuttschichten ,  bis  in  12  meter  unter  der  ober- 
flache,  vorkamen,  und  sich  bis  in  9  meter  tiefe  sehr  häufig  fanden. 
Gleichzeitig  fand  ich,  von  5  metern  tiefe  abwärts  ,  in  allen  trümmer- 
schichten  bis  zu  10  metern  tiefe  vasen  mit  profilen  von  eulenge- 
sichtern, zwei  jungfräulichen  brüsten  und  bauchnabel,  und  in  sechs 
metern  tiefe,  sogar  eine  vase,  auf  welcher  der  bauchnabel  mit  ei- 
nem kreuz  verziert  ist,  und  an  jedem  der  vier  enden  dessel- 
ben sieht  man  einen  nagel  dargestellt.  Auch  fand  ich  in  14  me- 
tern tiefe  den  oberen  theil  eines  glänzend  rothen  gefässes  mit  ei- 
nem eulengesicht  verziert.  Vasen  ohne  profile  des  eulenkopfes, 
aber  mit  zwei  grossen  brüsten  und  bauchnabel,  finden  sich  in  grosser 
menge  in  allen  schuttschichten  zwischen  2  und  10  metern  tiefe.  Es 
kamen  aber  auch  häufig  auf  vasen  und  bechern  eulengesichter  mit 
einem  wirklichen  menschenmund  unter  dem  schnabel  vor;  auch  viel- 
fältig in  7  und  8  meter  tiefe  menschliche  gesiebter  ohne  mund;  die 
vieles  von  der  eule  hatten.  Verhältnissmässig  kamen  nur  sehr  we- 
nige menschengesichter  ohne  die    kennzeichen    der  eule    zum    vor- 


126  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  2. 

schein,  und  ich  fand  unter  denselben  blos  sechs  mit  männlichen 
gesichtszügen  auf  drei  bechern  und  drei  vasen ,  welche  letztere 
aber  zwei  weibliche  brüste  und  einen  bauchnabel  hatten.  —  Au- 
sser dem  fanden  sich  von  2y2  metern  tiefe  abwärts ,  in  allen 
schuttschichten  bis  zu  16  metern  tiefe,  4 — 6  centimeter  lange,  21/» 
bis  4  centimeter  breite,  ganz  platte  idole  von  einem  sehr  harten 
weissen  stein ;  auf  sehr  vielen  derselben  sieht  man  das  eulengesicht 
und  den  frauengürtel  eingravirt,  und  auf  manchen  hat  dieser  gürtel 
eine  Verzierung  von  punkten.  Drei  dieser  idole  aus  8  und  9  metern 
tiefe  haben  einen  punkt,  eines  aus  9  metern  tiefe  hat  einen  zweig 
auf  der  stirn;  ein  idol  aus  8  metern  tiefe  hat  auch  zwei  brüste.  Es 
kamen  aber  auch  fünf  kleine  idole  von  terracotta  in  3,  6,  8,  9  und 
14  metern  tiefe  vor.  Auf  denen  aus  3  und  8  metern  tiefe  sind  eu- 
lengesichler,  halstücher,  zwei  frauenbrüste  und  auf  der  rückseite  lang 
herabhängendes  haupthaar  eingravirt.  Die  arme  des  terracotta- 
idols  aus  3  metern  tiefe  sind  abgebrochen ;  jenem  aus  8  metern  tiefe 
ist  ein  emporgehobener  arm  erhalten,  und  zwei  von  den  schultern 
ausgehende  linien,  die  sich  auf  der  stelle  des  bauchnabels  kreuzen, 
geben  der  figur  ein  kriegerisches  ansehen.  —  Diese  auf  bechern,  va- 
sen und  idolen  so  vielfältig  vorkommenden  eulengesichter  mit  frauen- 
gestalt  können  nur  eine  göttin  darstellen ,  und  diese  göttin  kann 
nur  Minerva,  die  schutzgöttin  von  Troja,  sein,  um  so  mehr  als  sie 
Homer  fortwährend  „9eä  ykuvx<Zni,g  'A^vt]"  —  die  göttin  Athene  mit 
eulengesicht  —  nennt.  —  Die  Schlussfolgerung  ist,  dass  bei  fortschrei- 
tender civilisation  Pallas  Athene  allmählich  ein  menschliches  gesicht 
erhielt,  und  aus  ihrem  eulenkopf  ihr  lieblingsvogel,  die  eule  gemacht 
wurde.  —  Noch  muss  ich  hinzufügen,  dass  wenn  man,  im  gegensatz 
zu  dem  allgemeinen  naturgesetz,  in  Troja  spuren  höherer  civilisation 
findet,  je  tiefer  man  gräbt,  und  man  entschieden  die  merkwürdigsten, 
feinsten  und  schönsten  terracotten  auf  dem  urboden,  in  14 — lb"  me- 
tern tiefe,  entdeckt,  so  macht  jedenfalls  die  bildhauerkunst  eine  aus- 
nähme davon ,  denn  bei  weitem  die  plumpsten  und  kunstlosesten 
idiole  von  hartem  weissen  stein  fand  ich  gerade  auf  dem  urboden.  — 
Sogleich  nach  beendigung  meiner  ausgrabungen  in  Troja,  die  ich 
am  1.  februar,  in  gesellschaft  meiner  frau,  noch  auf  fünf  monate  mit 
150  arbeitern  fortzusetzen  beabsichtige,  um  den  uralten  Minerva-tem- 
pel  auszugraben,  dessen  bausteile  ich  jetzt  bestimmt  gefunden  zu  ha- 
ben glaube ,  und  um  die  von  Iliums  grossem  thurm ,  den  ich  aufge- 
deckt habe,  ausgehenden  riesenmauern ,  soweit  es  möglich  sein  wird, 
ans  licht  zu  bringen,  werde  ich  ein  werk  über  meine  ausgrabungen 
publiciren,  mit  den  Photographien  aller  von  mir  entdeckten  gegen- 
stände, die  nur  irgendwie  interesse  für  die  Wissenschaft  haben  können. 
Florenz.  8.  Januar.  In  der  hiesigen  anihrojiologischen  gesell- 
schaft las  der  präsident  Ilantegazza  eine  arbeit  Niccolucci's  über 
die  anthropologischen  Charaktere  der  Latiner.  In  der  schädelform 
sind  die  heutigen  bewohner  Latiums  von  den  alten  in  nichts  ver- 
schieden und  die  mehrfach  ausgesprochene  meinung ,  dass  der  altrö- 
mische typus  gänzlich  verschwunden  und  dass  die  heutigen  Römer 
ein  bastardirter  stamm  seien,  ist  thatsächlich  unbegründet.  Aus 
den  antiken  bildwerken  geht  hervor,  dass  der  alte  Römer  mittelgross, 
von  starken  gliedern  und  besonders  starken  muskeln,  dass  sein  köpf 
wohl  entwickelt  und  auf  dem  scheitel  etwas  gedrückt  war.  Die  stirn 
war  breit,  aber  nicht  sehr  hoch,  die  äugen  gross  und  weit  geöffnet, 
die  nase  im  profil  keine  adlernase,  die  nasenfiügel  leicht  gewölbt,  der 
mund  mittelgross,  die  wangen  wenig  hervortretend,  das  gesicht 
länglich  und  der  umriss  desselben  ein  leicht  ovaler.  Dieselben  Cha- 
raktere kommen  im  ganzen  den  Römern  noch  heute  zu.  Dagegen  sei, 


Nr.  1.  Auszüge  aus  Zeitschriften.  127 

wie  Niccolucci  ausführt ,  vom  anthropologischen  Standpunkte  die  be- 
nennung  »latinische  Völker,«  wie  sie  gewöhnlich  für  Franzosen,  Spa- 
nier ,  Portugiesen  und  Rurnänier  gebraucht  wird,  zu  verwerfen ;  lati- 
nisch sei  nur  Italien  und  auch  hier  seien  wahre  Latiner  nur  die  ein- 
geborenen von  Latium  gewesen. 

Die  firma  T  e  u  b  n  e  r  versandte  im  februar  folgendes  circular : 
»Nachdem  hier  ein  strike  der  buchdruckergehülfen  ausgebrochen  ist, 
sind  mir  nur  so  viel  arbeitskräfte  geblieben ,  dass  die  tagesblätter 
und  Wochenschriften,  welche  in  meiner  officin  hergestellt  werden,  ge- 
liefert werden  können.  Ich  bin  daher  genöhigt,  den  satz  aller  b  fl- 
ehe r  und  der  in  längeren  Zwischenräumen  erscheinenden  Zeitschrif- 
ten für  eigenen  und  fremden  verlag  vorerst  vollständig  ruhen  zu 
lassen.  Indem  ich  mich  beehre,  Ihnen  hiervon  nachricht  zu  geben, 
beziehe  ich  mich  zugleich  auf  die  "anläge  und  zeichne  u.  s.  w.«  Die 
beilage  »zur  aufklärung  über  die  gegenwärtigen  Zerwürfnisse  in  der 
buchdruckerweit«  betitelt,  4  ss.  4,  enthält  eine  darstellung  der  Sach- 
lage von  Seiten  der  buchdruckerei -besitzer.  Wir  kommen  später 
vielleicht  darauf  zurück. 

Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Augsburger  allgemeine  zeitang,  1871,  nr.  340:  das  gymnasium  in 
Braunsberg.  —  Beil.  zu  nr.  340:  die  assyrischen  keilinschriften  im 
anschluss  an  Schraders  buch :  die  assyrischen  keilinschriften.  Lpzg. 
1872.  —  Freiirau  Emilie  von  Gleichen -Russwurm,  geb.  v.  Schiller: 
kurzer  nekrolog.  —  Beilage  zu  nr.  341.  342.  343:  zur  archäologi- 
schen literatur:  bezieht  sich  auf  Friederichs'  nachgelassene  werke.  — 
Nr.  343:  der  oberste  schulrath  in  Baiern  noch  einmal.  —  Französi- 
sche kriegsliteratur.  —  Beil.  zu  nr.  343  :  J.  H.  Voss  von  W.  Herbst : 
lobende  anzeige,  die  jedoch  in  der  darstellung  der  religiösen  richtung 
vou  Voss  vielerlei  zu  tadeln  findet.  —  Nr.  348 :  Thiers  über  den 
Ursprung  des  kriegs  von  1870.  —  Beil.  zu  nr.  349':  der  religions- 
unterricht  in  Deutschlands  schulen:  mit  bezieh ung  auf  die  schrift 
gleichen  titeis  von  Fr.  Schnitze.  —  Nr.  350:  die  altkatholische  be- 
wegung  in  der  Schweiz. 

Ephemeris  epigraphica,  corporis  inscriptionum  Latinarum  supple- 
mentum  1872.  Fasciculus  tertius ,  p.  153 — 228.  Fast  die  hälfte  des 
heftes  (p.  153 — 186)  wird  von  nachtragen  zu  den  erschienenen  thei- 
len  des  Corpus  eingenommen;  zu  vol.  I  auf  p.  153  theilt  Helbig  die 
Urschriften  einer  eiste  und  eines  spiegeis,  beide  kürzlich  in  Präneste 
gefunden,  mit;  p.  154 — 159  bringt  Henzen  ergänzungen  zu  den  con- 
sularfasten  der  jähre  616—620  und  den  triumphaltafeln  aus  den 
Jahren  454  und  559 — 563,  nebst  einem  interessanten  fragment  der 
triumphe  des  Romulus  über  die  Caeninenses  und  Antcmnates;  sämmt- 
liche  stücke  sind  bei  der  unter  P.  Rosu's  leitung  in  diesem  jähre 
begonnenen  ausgrabung  des  Forum  Romanum  zu  tage  gekommen; 
beigegeben  ist  (p.  155 — 6)  von  Mommsen  das  stemma  der  Fulvii 
Flacci.  —  P.  160 — 176  pompejanische  gefässinschriften  von  Bri- 
zio  mit  bemerkungen  und  nachtragen  von  Schoene;  p.  177 — 181  pom- 
pejanische wandin  Schriften  aus  den  neuesten  ausgrabungen  von  Zan- 
gemeister;  p.  182--186  neugefundene  inschriften  aus  Spanien  von 
Hübner  mitgetheilt ,  unter  denen  n.  291  mit  Wahrscheinlichkeit,  wie 
eine  schon  früher  bekannte  inschrift  (Corp.  I.  L.  II,  35)  auf  den  von 
Plinius  benutzten  schriftsteiler  Cornelius  Bocchus  bezogen  wird.  — 
Den  zweiten  theil  des  heftes  machen  wiederum  epigraphisch -an- 
tiquarische abhandlungen  aus,  von  denen  die  erste  {Henzen,  de 
nundinis  consularibus  aetatis    imperatoriae  p.  187 — 199)  die  schwierige 


128  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  2. 

frage  nach  der  amtsdauer  der  Consules  suffecti  der  lösung  näher  bringt 
und  vorzüglich  aus  den  monumenten  erweist,  dass  keineswegs,  wie 
Brambach  angenommen,  seit  Trajan  stets  zwei  monatliche  consulate 
gewesen,  sondern  viermonatliche  sich  mindestens  noch  unter  Conimo- 
dus  finden,  ausnahmsweise  auch  drei-  und  einmonatliche;  die  zweite 
(Mar quardt  de  provinciarum  Romanarum  conciliis  et  sacerdotibus  p. 
200 — 214)  eine  Übersicht  der  provinzialpriesterthümer  in  den  verschie- 
denen provinzen  giebt  und  mit  recht  gegen  Waddington  die  identi- 
tät  der  ctQxuyilg  rtjs  'Adas,  Bt&vviag  etc.  mit  den  oft  in  Inschriften 
und  bei  Schriftstellern  genannten  '  Agiüqxcu,  Bi&vvidQ/at  behauptet. — 
Den  beschluss  des  reichhaltigen  heftes  machen  Miscellanea  aus:  p. 
215 — 219  :  fünf  lateinische  und  eine  griechische  inschrift ,  mitge- 
theilt  von  Henzen ,  und  p.  220 — 227:  fortsetzung  der  Observationes 
epigraphicae  von  Mommsen  grammatisch -antiquarischen  Inhaltes:  — 
nr.  9:  alphabeta  Etrusca  reperta  Clusii.  Nr.  10:  flamonium.  fia- 
minium.  Nr.  11:  cjgaTtjyhg  vnatog.  Nr.  12:  analecta  de  Pisonibus 
et  Crassis  Frugi),  schliesslich  p.  228  eine  bemerkung  Rudorff's  über 
die  in  einer  kürzlich  publicirten  inschrift  gebrauchte  formel:  per 
auctorem  tutorem. 

Göttingische  gelehrte  anzeigen.  1873  st.  2:  Wolfgang  Ratichius  oder 
Ratke  im  lichte  seiner  und  der  Zeitgenossen  briete  und  als  didakti- 
kus  in  Cöthen  und  Magdeburg.  Originalbeitrag  zur  geschichte  der 
Pädagogik  des  17.  jahrh.  von  G.  Krause.  8.  Leipzig.  Dyk.  1872 : 
anzeige  von  L.  Geiger,  der  nach  dem  eigentlich  nur  eine  Sammlung 
von  Briefen  enthaltenden  buche  selbständig  über  ßatke  spricht.  — 
Inscriptiones  latinae  et  graecae  cum  carmine  graeco  extemporali  Quinti 
Sulpicii  Maximi   cum   notis  per  Aloisium    Ciofi   advoc.    Ed.  altera 

c.  appendice.  8.  Romac.  1871;  ferner:  Lectio  inscriptionum  in  sepulcro 
Q.  Sulpicii  Maximi  ad  portam  Salariam  Herum  vmdicuta  per  Alois. 
Ciofi  adv.  8.  Romae.  1872:  kurze  anzeige  von  H.  Sauppe ,  nach 
dem  in  diesen  schritten  der  vf.  mit  einer  für  einen  italiener  und 
laien  anerkennenswerthen  belesenheit  in  der  griechischen  poesie  seine 
textgestaltung  und  erklärung  gegen  die  abweichenden  ansichten  Vis- 
conti's  und  Henzens  vertheidigt:  es  werden  dafür  ein  paar  stellen 
als  beweis  behandelt:  sonst  s.  Philol.  Anz.  bd.  III,  nr.  6,  p.  322. 
—  St.  3:  La  legende  Athenienne ,  etude  de  mythologie  comparie 
par  E.  Burnouf.  8.  Paris,  1872:  anzeige  von  C.  Gilbert,  die 
eine  häufig  den  resultaten  des  vfs  beistimmende  Übersicht  des  In- 
halts giebt :  es  wird  nämlich  in  dem  buche  der  niythos  von  Athene 
behandelt  und  zwar  auf  recht  französische  weise:  Athene  ist  die 
morgenröthe :    der  name  'A&avS  wird  als  ahand  fem.  des  adj.  ahana, 

d.  h.  morgendlich  erklärt:  da  diese  bezeichnung  häufig  von  der  mor- 
genröthe gebraucht  wird,  so  ist  dem  vf.  die  identität  beider  sicher! 
Cap.  4  wird  Poseidon  behandelt,  dessen  herrschaft  nicht  auf  die  ge- 
wässer  der  erde  beschränkt,  sondern  ursprünglich  der  gott  der  himm- 
lischen gewässer  ist,  womit  ref.  völlig  einverstanden  ist,  aber  doch 
noch  weiter  gehen  möchte.  Das  mag  genügen.  —  St.  4 :  Voyage  en 
Russie,  au  Caucase  et  en  Perse,  dans  la  Mesopotamie,  le  Kurdistan,  la 
Syrie,  la  Palestine  et  le  Turquie ,  execute  pendant  les  annees  1866.  1867 
et  1868  par  T.  M.  chevalier  Ly  cklama  a  Nijeholt.  8.  T.  I. 
Paris  et  Amsterdam.  1872 :  lobende  anzeige  von  J.  G.  Kohl:  das 
buch  bezieht  sich  nur  auf  die  gegenwart,  muss  aber  doch  hier  er- 
wähnt werden.  —  Der  alte  und  der  neue  glaube.  Ein  bekenntniss 
von  David  Friedrich  Slrauss.  8.  Leipzig.  1872:  anzeige  von  H.Ewald, 
die  das  buch  als  aller  gelehrsamkeit  und  Wissenschaft  baar  und  ledig 
schildert,  da  wahre  Wissenschaft  immer  zum  christenthume  führe. 


Kr.  3.  März  1873. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben  als   ergänzung  des  Pliilologus 


von 


Ernst  von  Leutseh. 


67.  Studien  zur  griechischen  und  lateinischen  grammatik» 
Herausgegeben  von  Georg  Curtius.  Vierter  band.  8.  Leip- 
zig. Hirzel.  1871.     491   ss.   —      22/3  thlr. 

Unter  den  grösseren  arbeiten  dieses  bandes  darf  als  die 
werthvollste  bezeichnet  werden  die  auch  durch  ihren  umfang 
am  meisten  hervorragende  arbeit  von  Carl  Brugman  de 
graecae  linguae  jproductione  suppletoria,  p.  58 — 189.  Diese  durch 
die  sorgfältige  Zusammenstellung  des  umfangreichen  materials 
wie  durch  die  besonnene  methode  der  Untersuchung  gleich  aus- 
gezeichnete abhandlung  behandelt  einen  für  etymologie  und 
morphologie  gleich  wichtigen  abschnitt  der  lautlehre,  die  mit 
dem  ausfall  von  consonanten  (nasalen,  liquiden,  Spiranten)  ver- 
bundene sogenannte  ersatzdehnung.  Der  erste  theil,  der  die 
nach  dem  ausfall  von  nasalen  eintretende  ersatzdehnung  be- 
spricht, berührt  sich  mit  einem  theile  des  kürzlich  erschienenen 
buches  von  Johannes  Schmidt,  zur  geschichte  des  indoger- 
manischen vocalismus.  I.  Weimar.  1871,  und  es  ist  gewiss 
ein  gutes  zeichen  für  die  Sicherheit  der  gewonnenen  resultate, 
dass  die  beiden  etwa  gleichzeitig  entstandenen  schritten 
(Schmidt  konnte  indess  die  Brugman'sche  schrift  noch  benutzen) 
in  einigen  cardinalpunkten  grosse  Übereinstimmung  zeigen.  So 
2.  b.  in  der  physiologischen  erklärung  jener  dehnung  durch 
den  mittelweg  der  nasalierung  des  vocals  (p.  79),  was  im  we- 
sentlichen mit  den  freilich  auf  einer  umfassenderen  sprachwissen- 
schaftlichen grundlage  aufgebauten  ausführungen  Schmidts  p. 
40  ff.  zusammentrifft.  Im  Widerspruch  mit  Schmidt  befindet 
sich  die  behauptung  p.  74,  dass  ein  nasal  vor  einem  explosiv- 
laut  nie  mit  ersatzdehnung  ausgestossen  wird.  Schmidt  führt 
(im  anschluss  an  eine  frühere  erklärung  von  Christ)  zum  be- 
Philol.  Anz.  V.  9 


130  67.  Grammatik.  Nr.  3. 

weise  des  gegentheils  die  formen  dfäoftui  Xrjtyopai  Xfäofxai  rjSoficu 
lij&(0  an,  die  nach  ihm  aus  day^ofiai  kafixfjofitxi  lay^oftui  ävdofiai 
latdm  entstanden  sind  (p.  120),  ebenso  wie  er  die  Steigerung  in 
Xtlnot  i£v%(a  nsv&o/Aai  u.  s.  w.  aus  vorhergehender  nasalierung  er- 
klärt. Ich  bekenne,  dass  ich  mich  in  diesem  punkte  lieber  auf 
die  seite  von  Brugman  stelle.  Auch  das  sanskrit,  besonders 
das  vedische,  kennt  bei  den  wurzeln,  die  ihren  praesensstamm 
durch  innere  nasalierung  oder  nasalsuffix  bilden  (beides  auf 
einen     Ursprung     zurück    gehend),     nebenformen     mit     gunie- 

•        v  v— 

rung  des   praesensstammes ,   wie    hsunatti    und    Jcsodati,    bhinatti 

Und  bhedati,  bhunakti  und  bhögate,  rinahti  und  rek'ati,  runaddhi 
tind  rodhati,  junahti  und  jogati,  ksubhnuti  und  hsobhate  u.  s.w.; 
neben  altbaktrisch  hinagti  steht  sk.  k'etati,  neben  miihnditi  me- 
thati.  Auch  hier  erklärt  Schmidt  die  Steigerung  aus  der  nasa- 
lierung; aber  gewiss  konnten,  was  auch  Delbrück  Kuhn  Z.  XXI, 
85  betont  hat,  von  anfang  an  bei  jenen  wurzeln  beide  arten  der 
praesensbildung  vorhanden  gewesen  sein,  und  wenn  wir  auch 
zugeben,  dass  die  lautliche  möglichkeit  der  entstehung  der  gu- 
nierten  formen  aus  den  nasalierten  vorhanden  ist,  so  werden 
wir  doch  die  nothwendigkeit  davon  leugnen  müssen  gegenüber 
der  thatsache ,  dass  neben  den  nasalierten  praesensbildungen 
noch  andre  herlaufen,  mit  denen  jene  einen  lautlichen  Zusam- 
menhang durchaus  nicht  haben  können.  Sehr  häufig  ist  z.  b. 
die  formation  mit  ja  (6.  klasse),  wie  agnäti  agjati  ihnäti  is-jati, 
oder  mit  dem  einfachen  suffix  a,  wie  aJc&nöti  ahkati,  hhindati 
Jchidati;  dasselbe  findet  im  verhältniss  der  verwandten  spra- 
chen zu  einander  statt,  vgl.  altbulg.  zinqii  und  zijati  mit  gr. 
•^alvco ,  ghrnöti  und  ^algm ,  ddpvqfii  und  damjati,  rinahti  und 
Xslnm,  vrnöti  altbulg.  voljq,  got.  valjan  viljan  u.s.w.  Dies  kann 
genügen,  um  den  nachweis  zu  liefern,  dass  bei  einer  grossen 
anzahl  von  wurzeln  von  anfang  an  eine  reihe  verschiedenar- 
tiger praesensbildungen  neben  einander  herliefen,  deren  verhält- 
niss zu  einander  man  sehr  falsch  auffassen  würde ,  wenn 
man  sie  mit  einander  auf  denselben  Ursprung  zurückleiten 
wollte.  Es  liegt  hier  dieselbe  erscheinung  vor  wie  bei  den 
nominalbildenden  Suffixen :  so  wenig  man  das  recht  hat  alle 
nomina,  die  aus  derselben  wurzel  mit  verschiedenen  Suffixen 
gebildet  sind,  für  ursprünglich  identisch  zn  erklären,  sondern 
schon    der    Ursprache    eine   grosse   maunigfaltigkeit  und  beweg- 


Nr.  3.  67.  Grammatik.  131 

lichkeit  in  der  Wortbildung  zuzuschreiben  hat  (Leo  Meyer  und 
Alfred  Ludwig  leugnen  das  freilich),  ebenso  wird  man  auch 
für  das  gebiet  der  verbalbildung  dasselbe  zugeben  müssen. 

Im  einzelnen  sind  uns  begreiflicher  weise  gegen  die  erklä- 
rungen  des  Verfassers  hie  und  da  bedenken  aufgestiegen.  Um 
nur  eins  anzufübren,  erklärt  der  verf.  p.  98  die  formen  rivco 
und  qt&ivco  aus  tivpa  uvia  und  cp&ivpca  cf&ivvca,  allerdings  im 
anschluss  an  Curtius  Erläut.  2  122,  um  die  länge  des  f  zu 
deuten.  Allein  mit  rücksicht  darauf,  dass  im  attischen  das 
i  kurz  ist,  nur  episch  durchweg  lang,  dass  auch  das  von  dem- 
selben stamme  gebildete  iia  bei  Homer  sowohl  kurzes  als  lan- 
ges t  zeigt  (Kühner  Ausf.  gr.  I,  919),  dass  ferner  auch  die 
übrige  tempusbildung  ein  T  zeigt  (riaco  tiloa  iitlxa,  vgl.  dage- 
gen xf'xptxa),  dass  endlich  keins  der  mit  vvco  gebildeten  verben 
wie  ich  sie  neulich  in  Curtius  Studien  V,  p.  338  zusammenge- 
stellt habe,  ihr  v  zu  p  gewandelt  haben,  stehe  ich  nicht  an 
diese  länge  als  eine  stammhafte  Verlängerung  des  wurzelvocals 
zu  erklären,  ähnlich  wie  im  lat.  ob-inunt  neben  sk,  inöti, 
Suva*  dhüna  neben  dhunöti  abulg.  dunqti,  mjna  neben  minüti^ 
livoi>  neben  linäti,  vergleichbar  auch  der  Steigerung  von  ^evyvvfxi 
neben  jug  u.  a. ;  auch  cfQCco  zeigt  in  cpdiqg  Bf  368  cpdtaw  77, 
461  u.s.w.  langes  £,  während  cf&ivm  attisch  t  hat,  s.  Kühner 
a.  o.  I,  927.  Was  iauvco  betrifft,  das  Brugman  geneigt  scheint 
mit  Benfey  und  Leo  Meyer  aus  ixätjoa  zu  erklären,  so  glaube 
ich  mit  rücksicht  darauf,  dass  dtjco  stets  zu  aivm  wird,  es  verhält 
sich  zu  inatö-g  wie  neXciva  zu  fielavo-g^  d.  h.  der  nominal- 
Btamm  mit  suffix  avo  ist  als  praesensstamm  verwendet;  die 
abweichende  Quantität  erklärt  sich  wie  im  skr.  äna  neben  ana% 
gr,  i-avo-s  neben  i-avo-g. 

Unter  dem  titel  Neograeca  gibt  p.  233 — 322  Michael  Deffner 
höchst  werthvolle  beitrage  zur  kenntniss  der  neugriechischen 
lautlehre.  Eine  geschichte  der  griechischen  spräche,  speciell 
eine  griechische  lautgeschichte  ist  nicht  möglich,  ehe  nicht  die 
entwickelung  und  der  heutige  zustand  des  vulgärgriechischen 
allseitig  dargestellt  ist,  und  darum  haben  arbeiten  wie  diese 
als  bausteine  zu  diesem  vorläufig  noch  der  zukunft  aufzusparen- 
den gebäude  einen  hohen  werth.  Es  sei  gestattet  bei  dieser 
gelegenheit  auch  auf  die  interessante  Sammlung  von  denkmälern 
des  vulgärgriechisch  des  15.  bis  17.  Jahrhunderts  von  Legrand 
Collection  ü&  monuments  joour  servir  &  Vetude  de  la  languQ  neo-heh 

9* 


132  68.  Grammatik.  Nr.  3, 

Unique.  Paria  1869 — 72  aufmerksam  zu  machen.  Demselben 
zwecke  dient  auch  die  alte  dialektforschung,  zu  der  die  abhandlung 
von  R.  Meister ,  de  dialecto  Heracliensium  italicorum  p.  357  ff. 
einen  beitrag  liefert,  die  p.  448  auch  eine  ausgäbe  der  von  dem 
Verfasser  ans  ende  des  vierten  Jahrhunderts  gesetzten  herakleen- 
ßischen  tafeln  gibt.  Von  ganz  besonderem  interesse  sind  auch 
diesmal  wieder  die  beitrage  des  herausgebers  selbst,  besonders 
der  brief  an  professor  Hartel  in  Wien  p.  471  ff.  über  die  Ver- 
längerung der  kurzen  endvocale  vor  liquiden  im  homerischen 
vers.  Hartel  hatte  diese  in  seinen  Homerischen  Studien  —  ab- 
gesehen von  den  fällen,  wo  ursprünglich  eine  consonantengruppe 
das  wort  anlautete  —  aus  einer  volleren  articulation  der  liqui- 
den erklärt,  so  dass  diese  dem  werthe  von  consonantengrup- 
pen  nahezu  gleichkommen,  während  Curtius  seine  alte  erklä- 
rung  (epische  licenz  auf  der  basis  der  analogie)  aufrecht  hält. 
Wie  wir  hören,  wird  prof.  Hartel  den  interessanten  streit  in 
einer  zweiten  ausgäbe  seiner  Studien  weiter  fortführen. 

Etymologisches  geben  H.  W.  Röscher  (p.  189  ff.,  z.  b. 
'Od'vöaeig  als  „führer",  von  dvx  lat.  düco  got.  tiuhan)  und  Sop- 
phus  Bugge  (p.  203  ff.  323  ff.);  den  homerischen  accusativ  mit 
dem  imiuitiv  besonders  mit  vtrgleicbung  des  gothischen  und 
althochdeutschen  Sprachgebrauchs  erklärt  Carl  Albrecht  s.  lff. 

Ghistav  Meyer. 

68.  Griechische  grammatik  für  gymnasien.  Auf  grundlage 
der  vergleichenden  Sprachforschung  bearbeitet  von  Heinr, 
Dietr.  Müller,  prof.  am  gymnasium  zu  Göttingen,  und  Ju- 
lius Lattmann,  Dr.,  director  des  gymnasiums  zu  Clausthal. 
1.  theil.  Formenlehre.  2.  verru.  u.  verb.  auf!.  8.  Göttingen, 
Vandenhoeck  und  Ruprechts  verlag.  1871.  —     18  gr. 

Bei  der  günstigen  aufnähme  welche  das  buch  in  der  er- 
sten aufläge  erfahren  hat,  bedarf  es  zur  empfehlung  dieser  neuen 
bearbeitung  nur  des  hiuweises,  dass  die  verf.  die  brauchbar- 
keit  ihrer  formenlehre  durch  zahlreiche  Verbesserungen  und 
durch  das  hinzufügen  einer  methodischen  wortbildungslehre  er- 
höht haben.  Sie  sind  damit  einem  entschiedenen  bedürfnisse 
entgegengekommen.  Möchte  die  auf  gleichen  principien  aufzu- 
bauende syntax  nicht  mehr  lange  auf  sich  warten  lassen,  ohne 
welche  der  einführung  des  ersten  theiles  manche  praktische  be- 


Nr.  3.  69.  Harmonik.  133 

denken  entgegenstehn.  Eigentümlich  klingt  die  klage,  vorr. 
p.  vin,  über  den  mangel  an  vorarbeiten  auf  diesem  gebiete 
sammt  der  berufung  auf  Curtius  Erläuterungen  p,  149,  nach- 
dem bereits  1861  Akens  Grundziige  der  lehre  von  tempus  und 
modus  und  1868  dessen  grammatik  erschienen  waren,  arbeiten, 
in  denen  der  der  Wissenschaft  zu  früh  entrissene  Verfasser  die 
grundlinien  zu  einer  historischen  syntax  mit  einer  seltenen  In- 
tuition und  schärfe  gelegt  hat. 

69.  Kurzer  überblick  über  die  altgriechische  harmonik  von 
Carl  Lang.  8.  Heidelberg.  Gg.  Weiss  1872.  —  47  ss. 
druck  und  30  ss.  abklatsch.  —     16  gr. 

Der  Verfasser  hat  diese  schrift  eigentlich  als  sehulprogramm 
herausgegeben  und  sich  seine  schüler  sowie  deren  angehörige 
als  nächstes  lesepublicum  gedacht.  Er  beabsichtigte  demnach 
eine  populäre  darstellung  der  antiken  harmonik  zu  liefern 
und  hatte  die  glückliche  idee  die  erhaltenen  musikreste  auto» 
graphirt  seiner  schrift  beizugeben.  Wer  den  weg  durch  West- 
phals  dickleibige  metrik  scheut,  soll  also  hier  auf  kürzerem 
wege  in  die  kenntniss  von  der  griechischen  musik  eingeführt 
werden  und  bekommt  für  seine  16  sgr.  noch  die  erhaltenen 
hymnen  und  fragmente  mit  in  kauf. 

Die  idee  des  verf.  wird  sich  gewiss  allseitiger  billigung  er- 
freuen; anders  aber  steht  es  mit  der  art,  in  der  er  dieselbe 
ausgeführt  hat.  Das  büchlein  enthält  in  dem  engen  rahmen  zu 
vielerlei  von.  der  grauen  theorie,  lässt  sich  sogar  in  polemik  ein 
und  unterlässt  es  dagegen  die  vorgetragenen  lehren  mit  der  er- 
forderlichen klarheit  zu  geben.  Mit  dem  unterschiede  der  be- 
nennung  nazu  övrapiv  und  antä  &sfftv,  mit  den  Helmholtzischen 
namen  der  otfavgattungen  konnte  der  laie  verschont  werden, 
ebenso  mit  einer  beschreibung  der  handschriften,  in  denen  dia 
hymnen  stehen,  und  mit  den  wundersamen  drei  gründen  dafür, 
warum  die  mit  a  schliessenden  hymnen  nicht  aus  F  dur  gehen 
können.  Dass  beilage  a,  welche  die  gesammte  antike  noten- 
schrift  enthalten  sollte,  nicht  zur  ausführung  gekommen,  ist  nicht 
schade.  Es  wäre  wohl  überhaupt  gerathener  gewesen,  anstatt 
für  schüler  und  ähnliches  publicum  die  ganze  theorie  der  har- 
monik zu  entwickeln,  sich  mehr  an  die  praxis  zu  halten,  vom 
päan,  vom  nomos,  vom  chorgesang  u.  s.  w.  zu  erzählen  und  die 


134  70.  Griechische  tragödie.  Nr.  3. 

mitgetbeilten  hymuen  nach  jeder  seite  hin  zu  betrachten.  Kam 
man  dabei  auf  dorische  tonart  zu  sprechen,  so  musste  natür- 
lich —  aber  unendlich  viel  deutlicher  als  es  in  der  schlechten 
tabelle  p.  7  und  dem  kurzen  texte  p.  10  der  fall  —  gelehrt 
werden ,  worin  das  wesen  dieser  octavgattung  und  ihr  unter- 
schied von  den  übrigen  bestehe.  Bellermanns  anmerkungen 
zum  Anonymus  können  für  eine  solche  ausführung  zum  muster 
dienen.  Den  laien,  der  von  der  existenz  einer  scala  von  E-e 
ohne  vorzeichnung  noch  keine  ahnung  hat,  wird  man  darauf 
hinweisen ,  dass  er  in  der  choral  -  melodie  „o  haupt  voll  blut 
und  wunden"  bereits  diese  scala  kennt,  wird  aber  freilich  dabei 
hervorheben  müssen,  dass  die  alte  musik  die  terz  als  consonanz 
nicht  kannte,  dass  wir  folglich  unsre  E  dur-  und  A  raoZZ-accorde 
zum  alten  dorisch  nicht  mitbringen  dürfen.  Der  Verfasser  führt 
in  d»em  capitel  über  polyphonie  p.  34  ff.,  das  uns  als  das  beste 
in  dieser  schrift  erscheint,  beherzigenswerthe  worte  von  Ambros 
an,  kann  sich  aber  doch  nicht  so  weit  von  Westphal  losmachen, 
um  nicht  mehrfach  von  dur  und  moll  zu  reden.  Zu  deutlicher 
und  eingehender  behandlung  der  octavgattungen  hätte  dem 
verf.  der  aufsatz  über  die  tonarten  in  Plato's  Eepublik  in  Fleck- 
eisen's  Jahrbb.  1867  manch  beachtenswerthen  fingerzeig  geben 
können.  Die  dort  gegebene  erklärung  des  ausdrucks  ivagfio» 
viog  von  der  siebensaitigen  lyra,  deren  hohe  töne  h  c  e  waren 
und  die  zugleich  die  octave  (agfiovia)  E-e  und  die  alte  ur- 
sprüngliche enharmonik  darstellte,  hätte  ihn  vielleicht  auch 
davor  bewahrt,  ivagfioviog  von  ,,  ivagfiorrtiv  einfügen"  abzulei- 
ten. Eine  besprechung  der  den  hymnen  beigegebenen  accord- 
begleitung  haben  wir  in  Jos.  Müllers  Allgemeiner  musicalischer 
zeitung  1872,  nr.  46,  p.  729  figg.  gegeben. 

J. 

70.  Die  geburt  der  tragödie  aus  dem  geiste  der  musik. 
Von  Friedrich  Nietzsche,  ordentlichem  professor  der  clas- 
sischen  philologie  an  der  Universität  Basel.  8.  Leipzig,  verlag 
von  E.  W.  Fritzsch.  1872.  —    1  thlr. 

Zur  vorläufigen  orientirung  mag  hier  gleich  bemerkt  wer- 
den, dass  obige  schrift,  obwohl  vom  griechischen  alterthume 
ausgehend,  doch  vornehmlich  zur  Verherrlichung  Eichard  Wag- 
ner's  dient.     Nietzsche  sagt  selbst  in  der  vorrede,    dass  er  bei 


Nr.  3.  70.  Griechische  tragödie.  135 

allem,  was  er  sich  dachte,  mit  Wagner  wie  mit  einem  gegen- 
wärtigen verkehrte  und  nur  etwas  dieser  gegenwart  entspre- 
chendes niederschreiben  durfte.  Nun,  es  ist  ihm  geglückt!  Man 
erkennt  Wagner's  Vorbild  in  der  auffassung  der  griechischen 
tragödie,  in  mancherlei  anderen  ästhetischen  urtheilen,  im  ge- 
schraubten styl,  namentlich  aber  auch  in  der  art,  wie  fremdes 
verdienst  gewürdigt  wird.  Von  seiner  eigenen  Wissenschaft,  der 
philologie,  spricht  Nietzsche  mit  grosser  geringschätzung;  es  scheint 
ihm,  als  ob  unsere  so  stolz  sich  gebärdende  klassisch  -  helle- 
nische Wissenschaft  in  der  hauptsache  bis  jetzt  nur  an  Schat- 
tenspielen und  äusserlichkeiten  sich  zu  ernähren  gewusst  habej 
die  philologen  gelten  ihm  für  geistlose  correctorea  von  alten 
texten  oder  naturhistorische  sprachmikroskopiker,  die  ästhetiker 
finden  noch  weniger  gnade  vor  seinen  äugen.  Das  ganze  auf- 
treten des  Verfassers  lässt  vermuthen  s  dass  er  etwas  durchaus 
neues  und  unerhörtes  zu  sagen  hat. 

Die  fortentwicklung  der  kunst  ist  nach  ihm  an  die  du- 
plicität  des  apollinischen  traumes  und  des  dionysischen  rau- 
ßches  gebunden,  welches  erstere  princip  im  homerischen  epoa 
herrscht,  das  andere  in  der  lyrik ,  während  die  tragödie  aus 
einer  Vereinigung  dieser  beiden  hervorgegangen  ist.  Die  neuheit 
besteht  hier  zunächst  in  der  Wunderlichkeit  der  bezeichnungen, 
vornehmlich  aber  in  all  den  mystischen  zuthaten,  mit  welchen 
jene  einfache  Wahrheit  derartig  umhüllt  ist,  dass  es  schwer 
hält,  sie  herauszuschälen.  Wie  unglücklich  gewählt  überdies 
die  vergleichung  mit  träum  und  rausch  ist,  braucht  wohl  kaum 
hervorgehoben  zu  werden.  In  beiden  zuständen  erscheinen  die 
höhern  geisteskräfte  gebunden  und  gelähmt,  während  doch  zur 
conception  eines  kunstwerkes  ein  erhöheter  seelenzustand  nö- 
thig  ist,  bei  welchem  alle  kräfte,  die  sonst  nur  einzeln  wirken 
können,  gemüth,  phantasie  und  verstand,  in  unbegreiflicher 
weise  zu  einem  reinen  accorde  sich  vereinigen.  Traum  und 
rausch  sind  jedoch  bei  Nietzsche  nicht  bloss  gleichnisse,  sie 
ßind  fast  die  sache  selbst.  Wir  wollen  hier  nicht  auf  seine  er- 
klärung  dieser  zustände  eingehen,  damit  mögen  mediziner  sich 
erheitern;  nur  um  zu  zeigen,  wie  ernst  es  dem  Verfasser  mit 
diesen  dingen  ist,  wollen  wir  hier  anführen,  was  er  über  das 
träumen  bei  den  Griechen  zu  berichten  weiss.  „Man  wird  sich 
nicht  entbrechen  können,    auch    für  ihre   träume  eine  logische 


136  70.  Griechische  tragödie.  Nr.  3. 

causalität  der  linien  und  umrisse,  färben  und  gruppen,  eine 
ihren  besten  reliefs  ähnelnde  folge  der  scenen  vorauszusetzen, 
deren  Vollkommenheit  uns,  wenn  eine  vergleichung  möglich 
wäre ,  gewiss  berechtigen  würde,  die  Griechen  als  träumende 
Homere  und  Homer  als  träumenden  Griechen  zu  bezeichnen". 

Zur  speciellen  betrachtung  der  lyrik  gelangt,  erklärt  Nietz- 
sche die  Subjektivität  des  lyrikers  im  sinne  der  neuen  ästheti- 
ker  für  eine  einbildung,  denn  der  subjektive  künstler  ist  der 
schlechte  künstler,  und  ohne  Objektivität  ist  nicht  die  geringste 
wahrhaft  künstlerische  erzeugung  möglich.  Das  letztere  ist  ge- 
wiss richtig,  nur  trifft  der  Vorwurf  gar  nicht  die  neuere  ästhe- 
tik.  Mit  dem  worte  „subjektiv"  soll  ja  nur  der  erste  anstoss 
zu  dem  künstlerischen  processe  bezeichnet  werden,  nicht  dieser 
selbst ,  denn  die  entstehung  des  lyrischen  kunstwerkes  findet, 
wie  jeder  weiss,  immer  erst  statt,  sobald  die  subjektiven  em- 
pfindungen  für  den  lyriker  Objektivität  erlangt  haben.  Auch 
der  dionysische  rausch  schafft  nicht  unmittelbar  das  kunstwerk : 
„der  dionysische  künstler  ruhet  in  der  stillen  meeresruhe  der 
apollinischen  betrachtung,  so  sehr  auch  alles,  was  er  durch  das 
medium  der  musik  anschauet,  um  ihn  herum  in  drängender 
und  treibender  bewegung  ist".  Aus  dem  schwerverständlichen 
hymnenstyl  in  wissenschaftliches  deutsch  übertragen,  besagen 
diese  worte  doch  ebenfalls  nichts  anderes,  als  was  oben  stand, 
und  die  polemik  gegen  die  neuere  ästhetik  scheint  weiter  kei- 
nen zweck  gehabt  zu  haben,  als  die  gleichheit  der  anschauun- 
gen  weniger  hervortreten  zu  lassen. 

Ebensowenig  können  wir  es  als  etwas  besonders  neues  an- 
erkennen, wenn  die  tragödie  aus  dem  dionysischen  chor  herge- 
leitet und  eine  ursprüngliche  Verbindung  zwischen  lyrik  und 
musik  nachgewiesen  wird.  Auch  das  paradoxon,  dass  die  Athe- 
ner den  Sokrates  mit  recht  verurtheilt  hätten,  weil  durch  seine 
Philosophie  das  alte  Hellenenthum  geschädigt  und  gestürzt  wor- 
den sei,  auch  dieses  kann  nicht  auf  neuheit,  noch  weniger  aber 
auf  richtigkeit  anspruch  machen.  Der  vf.  scheint  anzunehmen, 
dass  die  vertheidiger  des  bestehenden  berechtigt  seien,  alle  re- 
formatoren  gewaltsam  zu  vernichten,  womit  dann  auch  die  ke- 
tzerverfolgungen  entschuldigt  wären;  er  scheint  ferner  anzuneh- 
men dass  die  athenischen  richter,  obwohl  sie  von  der  sokräti- 
ßchen  philosophie  wenig  oder  nichts  wussten,  dennoch  die  folgen 


Nr.  3.  70.  Griechische  tragödie.  137 

derselben  bereits  mit  derjenigen  klarheit  erkannt  hätten,  wie  es 
uns  heutzutage  möglich  ist,  und  drittens  muss  er  von  der  stren- 
gen gerechtigkeitsliebe  der  Athener  eine  höchst  vorteilhafte 
meinung  haben ,  trotz  der  rumänischen  zustände,  wie  sie  aus 
Aristophanes  und  andern  Schriftstellern  bekannt  sind.  Ein  drei- 
facher irrthum  also,  und  im  gründe  doch  nur  deshalb,  um  ein 
vor  dreissig  jähren  bereits  aufgestelltes  paradoxon  wieder  ein- 
mal aufwärmen  zu  können ! 

Indessen  soll  durchaus  nicht  behauptet  werden,  dass  das 
buch  nur  allgemein  bekannte  dinge  enthält.  Neu  ist  jedenfalls 
die  anschauung,  dass  die  ursprüngliche  gestalt  der  lyrik  wie 
der  tragödie  auch  zugleich  die  vollkommenste  gestalt  derselben 
sei,  aus  welcher  anschauung  sich  natürlich  die  seltsamsten  ur- 
theile  über  die  höher  entwickelte  kunst  ergeben  müssen.  Die 
moderne  lyrik  wird  mit  einer  statue  ohne  köpf  verglichen,  weil 
ihr  die  musikalische  grundlage  fehlt,  und  ferner  wird  der  ver- 
fall der  tragödie  schon  bei  Sophokles  gefunden,  weil  dieser  die 
handlung  dem  chore  gleichberechtigt  gemacht  habe.  Der  letz- 
tere Vorwurf  trifft  übrigens  nicht  Sophokles,  sondern  Aeschylus, 
so  dass  also  künftig  von  diesem  der  verfall  der  tragödie  wird 
herzudatiren  sein. 

Vom  philologischen  Standpunkte  aus  begreift  man  nicht, 
wie  der  Verfasser  zu  solchen  ansichten  gelangen  konnte  5  die 
erklärung  liegt  darin,  dass  er  die  dinge  durch  die  Wagnersche 
brille  angeschaut  hat.  Wagner  rechnet  es  sich  als  besonderes 
verdienst  an,  dass  er  eine  neue  kunstform  erfunden  hat,  und 
auch  Nietzsche  preist  diese  neuerung  als  die  rettende  that,  wel- 
che den  deutschen  Genius  aus  seiner  langen  entwürdigung  zu 
befreien  bestimmt  ist.  In  der  urform  der  tragödie  glaubte  nun 
Wagner  etwas  seinen  eigenen  bestrebungen  analoges  gefunden 
zu  haben,  nämlich  ein  gleichberechtigtes  zusammenwirken  der 
verschiedenen  künste,  daher  die  Ungunst,  mit  welcher  die  spä- 
tere entwickelung  dieser  urform  betrachtet  wird;  denn  sobald 
die  dramatische  handlung  zur  hauptsache  wird  und  das  musika- 
lische element  zurücktritt,  erscheint  ja  sofort  die  verlangte  gleich- 
berechtigung  der  künste  aufgehoben.  Dies  wird  aber,  trotz 
Wagners  missbilligung,  überall  eintreten,  sobald  die  kunst  einen 
höhepunkt  erreicht  hat;  alsdann  ist  nämlich  eine  Vereinigung 
verschiedener  künste  zu  gleichem  zwecke  nur  denkbar,    indem 


138  70.  Griechische  tragödie;  Nr.  3. 

eine  von  innen  die  herrschaft  führt,  und  die  andern  sich  ihr  die- 
nend unterordnen ;  bei  gleicher  berechtigung  würde  jede  kunst 
die  volle  aufmerksamkeit  für  sich  beanspruchen  und  schliesslich 
keine  einzige  zu  ihrem  vollen  rechte  gelangen.  So  ist  es  na- 
türlich und  nothwendig,  dass  lyrik  wie  tragödie  auf  der  höhe 
ihrer  entwicklung  sich  von  der  musik  emancipiren  und  diese 
entweder  gar  nicht  oder  nur  noch  in  dienender  weise  zur  Verwen- 
dung kommen  lassen;  dass  andrerseits  oper  und  Oratorium  die 
poesie  nur  als  etwas  untergeordnetes  behandeln,  und  so  auch  auf 
allen  andern  gebieten.  Die  gleichberechtigung  ist  eben  nur  da  denk- 
bar, wo  alles  entweder  noch  gleichmässig  unreif  oder  aber  schon 
gleichmässig  verderbt  ist,  also  im  beginn  oder  am  ende  einer  kunst- 
entwicklung.  Unter  diesen  umständen  geräth  nun  Nietzsche  in  die 
üble  läge,  entweder  die  höchsten  leistungen  der  kunst  in  misscredit 
bringen  zu  müssen,  wie  er  es  in  bezug  auf  Sophokles  und  die  mo- 
derne lyrik  wirklich  versucht,  oder  aber,  wenn  dies  durchaus  nicht 
angeht,  jede  abweichung  von  der  urform  zu  leugnen.  Das  letz- 
tere thut  er  ebenfalls  in  bezug  auf  die  tragödie.  Für  ihn  bleibt 
der  chor  stets  Satyrchor,  und  der  held  auf  der  bühne,  mag  er 
nun  Orestes  oder  Oedipus  oder  Antigone  heissen,  ist  ihm  im- 
mer nur  der  verkappte  Dionysos.  Rechtfertigen  lässt  sich  dies 
natürlich  nicht  mehr  durch  wissenschaftliche  beweise,  weshalb 
der  Verfasser  statt  derselben  von  einer  unklaren  mystik  ge- 
brauch macht,  auch  hierin  seinem  vorbilde  getreu. 

Es  ist  nicht  sehr  erfreulich ,  wenn  ein  gelehrter,  dem  es 
an  geist  durchaus  nicht  fehlt,  wie  mancherlei  einzelnheiten 
des  buches  beweisen,  aus  blosser  Vorliebe  für  eine  falsche 
kunstrichtung  sich  zu  solchen  extravaganzen  hinreissen  lässt; 
noch  schlimmer  ist  es  aber,  wenn  er  aus  demselben  gründe  so- 
gar zu  ungerechtfertigten  angriffen  gegen  hochverdiente  gelehrte 
übergeht.  Bekanntlich  hat  Otto  Jahn  die  ganze  nichtigkeit 
und  Verkehrtheit  des  Wagnerschen  treibens  mit  tiefer  sach- 
kenntniss  und  feinem  ästhetischem  gefühle  aufgedeckt,  wie  mit 
gleichem  geschicke  kein  anderer.  Dass  ein  anhänger  Wagners 
hiervon  wenig  erbaut  sein  kann,  lässt  sich  denken.  Aber  diese 
leicht  begreifliche  und  selbst  zu  entschuldigende  Verstimmung 
berechtigt  ihn  noch  nicht,  dem  geschmackvollsten  und  gebildet- 
sten philologen  rohheit  und  empfindungsarme  nüchternheit  vor- 
zuwerfen. 


Nr.  3.  71.  Xenophon.  139 

Das  gesammturtheil  üher  Nietzsches  buch  lässt  sich  kurz 
dahin  zusammenfassen,  dass  der  versuch,  die  grundlage  für  eine 
Zukunftsästhetik  zu  schaffen,  welche  das  nothwendige  correlat 
zu  der  Zukunftsmusik  bilden  würde,  als  gänzlich  gescheitert 
anzusehen  ist.  —  l  — 

71.  Ueber  die  abfassung  von  Xenophons  Hellenica.  Von 
H.  Nitsche.  —  4.  Berlin  1871  (Programm  des  Sophien- 
gvmnasiums). 

Man  darf  in  dem  jetzt  so  lebhaft  geführten  streite  um 
den  werth  und  die  gestalt  der  Hellenica  des  Xenophon  wohl 
auf  eine  baldige  klärung  der  ansichten  hoffen,  nachdem  nun  so 
ziemlich  alle  möglichen  vermuthungen  über  diese  Schrift  aufge- 
stellt sind,  zu  deren  Vervollständigung  uns  neuerdings  noch 
der  nachweis  in  aussieht  gestellt  wird,  dass  die  Hellenica  sy- 
stematisch interpolirt  seien,  vergl.  E.  A.  Richter,  Untersuchun- 
gen über  interpolationen  in  den  Schriften  Xenophon's,  vorzugs- 
weise der  Anabasis  und  den  Hellenicis.  —  Aber  auch  die  von 
Niebuhr  zuerst  angeregte  frage  über  die  abfassung  dieser  schrift 
ist  noch  nicht  durch  eine  endgültige  antwort  aus  der  weit  ge- 
schafft :  während  man  auf  der  einen  seite  noch  immer  die  un- 
terbrochene abfassung  der  Hellenica  bestreitet,  kann  man  sich 
auf  der  anderen  nicht  über  die  stelle  einigen,  an  der  die  commis- 
eur  zu  suchen  sei.  Dem  Verfasser  der  oben  bezeichneten  schrift 
gebührt  das  verdienst,  durch  seine  gediegene,  mit  urtheilsvoller 
gelehrsamkeit  geführte  Untersuchung  zur  lösung  dieser  Schwie- 
rigkeiten wesentlich  beigetragen  zu  haben ,  indem  er  die  frage 
nach  der  einheit  oder  zweitheiligkeit  der  Hellenica  überzeugend 
dahin  beantwortet  hat,  dass  die  fragliche  schrift  aus  zwei  zu 
verschiedenen  Zeiten  verfassten  theilen  bestehe,  und  dass  die 
fuge  zwischen  beiden  abschnitten  nach  dem  ersten  capitel  des 
fünften  bnches  zu  suchen  sei.  Eine  wunderbare  bestätigung  erhält 
die  ansieht  Nitsche's  durch  die  in  diesen  tagen  von  E.  v.  Leutsch 
aufgestellte,  frappante  hypothese  (Philologus  bd.  XXXIII,  p. 
97),  der  zufolge  Kratippus  und  Xenophon  identisch  seien,  in- 
dem dieser  den  ersten  theil  seiner  Hellenica  unter  dem  Pseudo- 
nym „Kratippus"  herausgegeben  habe,  denn  nach  der  inhaltsan- 
gabe  bei  Plutarch  (de  glor.  Athen.  I,  1)  würde  das  ende  der 
sogenannten    fortsetzung    des  Thucydides    durch  Kratippus  mit 


140  71.  Xenophon.  Nr.  3, 

dem  letzten  capitel  des  vierten  buches  der  Hellenica  zusam- 
menfallen. —  Nachdem  Nitsche  im  eingange  seiner  schritt  kurz 
den  stand  der  frage  erörtert  hat,  wird  in  §.  2  durch  feine  be- 
merkungen  über  Zusammenhang  und  Sprachgebrauch  der  nach- 
weis  erbracht,  dass  Hell.  III — V,  1  ein  abgeschlossenes  ganze 
bilden;  wir  sind  überzeugt,  dass  Nitsche,  indem  er  nach  V,  1 
einen  abschnitt  macht ,  durchaus  das  richtige  getroffen  bat  ge- 
genüber Grosser  (Jahrb.  f.  class.  Phil.  95,  p.  737  ff.),  der  die 
beiden  folgenden  capitel  noch  zum  vorhergehenden  zieht,  denn 
es  ist  an  der  von  Nitsche  angenommenen  stelle  offenbar  ein 
ruhepunkt  in  der  handlung  gegeben  durch  den  frieden  des  An- 
talkidas  (vergl.  Freese,  über  den  plan,  welchen  Xenophon  im 
zweiten  theile  seiner  hellenischen  geschichte  verfolgt.  Stral- 
sund. 1865).  Dagegen  ruht  unseres  erachtens  die  chronologi- 
sche bestimmung,  nach  der  die  abfassung  dieses  abschnitts  in 
die  zeit  von  mitte  384  bis  herbst  383  fallen  soll,  auf  unsiche- 
rer grundlage.  Denn  wenn  Nitsche  um  den  terminus  ultra  quem 
non  zu  fixiren  sich  mit  Grosser  auf  die  stelle  Hell.  IV,  3,  16, 
wo  es  von  der  Schlacht  bei  Koroneia  heisst :  iyit'ezo  oft]  ovx 
aXXt}  rmv  y'  icpy  rjfjiwv,  beruft  und  daraus  folgert ,  dass  diese 
Worte  vor  der  Schlacht  bei  Leuctra  geschrieben  sein  müssten, 
so  ist  dagegen  einzuwenden,  dass  in  anbetracht  der  zahl  der 
kämpfenden  die  Schlacht  bei  Leuctra  keineswegs  bedeutender 
zu  nennen  ist  als  die  koroneische  (vergl.  Schambach  ,  Untersu- 
chungen über  Xenophon's  Hellenica.  Jena.  1871,  p.  23  ff.). 
Ebenso  hat  das  was  weiter  über  die  behandlung  von  Phlius 
seitens  der  Lacedaemonier  vorgebracht  wird,  um  die  zeitgren- 
zen, innerhalb  deren  der  abschnitt  verfasst  ist,  einander  näher  zu 
bringen,  keine  gewähr.  Kein  unbefangener  wird  auf  die  worte 
Hell.  IV,  4,  15  ol  AaxiSaipiovioi  —  naoiXaßov  eine  Zeitbestim- 
mung gründen  wollen.  Xenophon  berichtet  einfach  über  das 
verhalten  der  Lacedaemonier  mit  dem  bekannten  wohlwollen, 
und  wir  finden  nicht,  dass  er  gerade  hier  „den  mund  sehr  voll 
genommen" ;  ja  man  könnte  mit  demselben  rechte  sagen,  dass 
hier  geflissentlich  ihr  betragen  hervorgehoben  wird  im  gegensatz  zu 
ihrer  späteren  handlungsweise.  Auch  die  erwähnung  des  todes 
des  Pausanias  (III,  5,  25)  ist  wenig  geeignet  als  anhält  für 
eine  Zeitbestimmung,  da  nichts  natürlicher  ist,  als  dass  Xeno- 
phon  au   seine    freiwillige   Verbannung    nach   Tegea    die    fünf 


Nr.  3,  71.  Xenophon,  141 

Worte  anschliesst :  xa«  izsXsvr^as  (i&vtoi  istsT  voacp.  Die  im  Zu- 
sammenhang damit  aufgestellte  folgerung  für  das  todesjahr 
des  Pausanias  beruht  auf  einem  kreisschluss.  Wir  können  der 
beweisführung  nur  insoweit  beitreten,  als  wir  zugeben,  dass  das 
fragliche  stück  nach  dem  jähre  385  verfasst  sein  müsse.  Die 
behauptung  dass  V,  2 — VII  ein  für  sich  bestehendes  ganze 
bilden  ist  durch  gute  gründe,  die  sich  leicht  vermehren  Hessen, 
gestützt,  aber  eine  in  dem  ganzen  stücke  bestimmt  und  eigen- 
tümlich ausgeprägte  tendenz  scheint  unerweislich ;  damit  ist 
jedoch  nicht  ausgeschlossen,  dass,  wie  Nitsche  klar  darlegt,  der 
ton  in  beiden  abschnitten  ein  verschiedener  ist;  neue  argumente 
dafür  siehe  bei  Schambach  p.  25  ff.  Während  es  auch  für  die 
abfassungszeit  dieses  theiles  an  bestimmten,  direct  beweisenden 
stellen  fehlt  (wenigstens  ist  die  notiz  VI,  4,  37  tmv  tavta  — ■ 
aQ%ijv  i?/f,  die  einen  anhaltspunkt  geben  könnte,  nicht  chrono- 
logisch genau  fixirbar),  wird  durch  sehr  geschickte  combinatio- 
nen  wahrscheinlich  gemacht ,  dass  er  im  jähre  357  oder  356 
abgefasst  ist.  Wenn  wir  nun  auch  oben  die  behauptung,  dass 
der  erste  theil  384/83  abgefasst  sei,  als  unerwiesen  bezeichne- 
ten, so  ist  doch,  selbst  wenn  man  384/83  als  obere  zeitgrenze 
ansetzt,  bis  zum  jähre  357  ein  genügend  grosser  Zeitraum 
vorhanden,  innerhalb  welches  die  ausarbeitung  des  ersten  thei- 
les trotz  des  veränderten  tones  gesetzt  werden  kann.  Im  an- 
schluss  hieran  versucht  nun  Nitsche  das  geburtsjahr  des  Xenophon. 
festzustellen,  ohne  sich  lange  mit  der  Zurückweisung  der  früheren 
conjecturen  zu  beschäftigen,  da  er  eine  ganz  neue  fixirung  aus 
zum  theil  unberücksichtigt  gebliebenen  stellen  für  möglich  hält. 
Durch  eine  geschickt  angelegte  Wahrscheinlichkeitsrechnung  (in- 
nerhalb deren  mit  durchschlagenden  gründen  die  unächtheit 
von  Oecon.  IV,  17 — 25  nachgewiesen  wird)  kommt  der  Verfas- 
ser, indem  er  das  alter  des  Kritobulos  und  Eutkydemos  annä« 
herungsweise  berechnet,  zu  dem  überzeugenden  Schlussresultate, 
dass  Xenophon's  geburtszeit  zwischen  den  jähren  442  und  436 
zu  suchen  sei;  mehr  glauben  wir  hier  nicht  zugeben  zu  dür- 
fen, denn  wenn  weiterhin  als  das  wirkliche  geburtsjahr  440  an- 
gesetzt wird,  so  steht  und  fällt  diese  annähme  mit  der  conjec- 
tur  Cobets  zu  Apomn.  I,  3,  8,  tbv  '<4%i»xov  liöv,  deren  un- 
antastbarkeit zu  erweisen  Nitsche  nicht  gelungen  ist.  Nach  die» 
ßer  excursion  kehrt  Nitsche   zu  seinem   eigentlichen    thema  zu- 


142  71.  Xenophon.  Nr.  3, 

rück  und  erörtert  in  §.  8  "Die  bücher  I.  II  sind  erst  nach 
dem  frieden  des  Antalkidas  geschrieben;  sie  setzen  zwar  den 
Thukydides  fort,  das  material  aber  verdankt  ihm  Xenophon 
nicht.  Die  Hellenica  liegen  uns  nicht  im  auszuge,  sondern  im 
original  vor".  Man  kann  der  scharfsinnigen  ausführung,  in 
der  begründet  wird,  dass  buch  I.  II  erst  nach  dem  frieden  des 
Antalkidas  verfasst  seien,  die  billigung  nicht  versagen ;  nament- 
lich basirt  die  darstellung  auf  einer  probabeln  zurückführung 
des  in  diesen  büchern  enthaltenen  Stoffes  auf  seine  quellen,  in- 
dem die  einzelnen  orte,  die  Xenophon  nachweislich  in  seinem 
späteren  leben  kennen  lernte,  aufgezählt  werden  und  an  ihnen 
mit  rücksicht  auf  die  ausführlichere  beschreibung,  die  ihnen  an- 
dern gegenüber  zu  theil  wird,  gezeigt  wird,  dass  Xenophon  bei 
abfassung  dieser  partien  schon  jene  auf  autopsie  beruhenden 
kenntnisse  in  sich  aufgenommen  haben  musste.  Die  frage, 
ob  dem  Xenophon  tbukydideisches  material  vorgelegen  habe, 
durfte  nach  den  erörterungen  von  Büchsenschütz  (Philol.  XIV, 
p.  516  ff.)  als  abgethan  angesehen  werden;  gleichwohl  verdienen 
die  argumente,  mit  denen  Nitsche  noch  Büchsenschütz's  ansieht 
stützt,  alle  beachtung.  So  entschieden  wir  mit  dem  Verfasser 
die  angeführte  frage  verneinen,  müssen  wir  die  andere,  ob  Xe- 
nophon den  Thukydides  habe  fortsetzen  wollen,  bejahen.  Frei- 
lich darf  das  wort  fortsetzung  nicht  in  dem  sinne  aufgefasst 
Werden,  als  habe  Xenophon  den  plan  des  Thukydides  wieder  auf- 
nehmen und  zu  ende  führen  wollen ;  es  kam  dem  Xenophon 
nur  darauf  an,  eine  Verbindung  zwischen  seinem  werke  und  dem 
des  grossen  meisters,  dem  ohne  zweifei  der  beifall  der  Zeitge- 
nossen eine  längere  dauer  verbürgte,  herzustellen.  Stimmt  man 
dem  oben  angeführten  urtheile  über  die  person  des  Kratippus 
bei  (Nitsche  schliesst  sich  p.  37  in  dieser  hinsieht  dem  urtheile 
von  G.  Müller  und  Schaefer  an,  dem  zufolge  Kratippus  be- 
deutend später  als  Thukydides  gelebt  hat,  ohne  diese  sehr  ge- 
wagte behauptung  neu  zu  begründen),  so  kann  in  zukunft  von 
einem  eigentlichen  fortsetzer  des  Thukydides  nicht  mehr  die 
rede  sein;  denn  dass  Theopomp  diesen  namen  noch  viel  weni- 
ger verdient  als  Xenophon,  lehrt  eine  einfache  erwägung:  seine 
Hellenica  umfassten  in  zwölf  büchern  die  zeit  von  Ol.  92,  2 — 
96,  3,  also  siebenzehn  jähre,  die  sogenannte  fortsetzung  des 
Thukydides  aber  ging  nicht  über  das  erste  buch  hinaus,  somit 
waren  in  diesem  einen  buche  sechs   ereignissvolle  jähre  zusam« 


Nr.  3.  71.  Xenophon.  143 

mengedrängt,  während  jedes  folgende  jähr  durchschnittlich  ein 
buch  füllte;  es  kann  demnach  das  erste  buch  unmöglich  mehr 
als  eine  flüchtige  aufzählung  der  dem  eigentlichen  thema  vor- 
ausliegenden ereignisse  enthalten  haben.  Ist  nun  aber  die  Vor- 
stellung, als  habe  Xenophon  als  fortsetzer  des  Thukydides  auf- 
treten wollen,  eine  irrige,  so  fällt  damit  auch  jeder  grund  weg, 
die  beiden  ersten  bücher  als  ein  für  sich  bestehendes  und  ein- 
zeln herausgegebenes  ganze  anzusehen.  Was  den  anschluss  des 
Xenophon  an  Thukydides  anbetrifft ,  so  sind  wohl  heutzutage 
die  urtheilsfähigen  einig ,  dass  wir  den  anfang  der  Hellenica 
nicht  mehr  besitzen ,  wahrscheinlich  ging  er  dadurch  verlo- 
ren, dass  man  (in  Alexandria?)  um  eine  ununterbrochene  con- 
tinuität  mit  dem  werke  des  Thukydides  herzustellen ,  die  An- 
leitung wegschnitt,  ein  verfahren  für  das  sich  analogien  anfüh- 
ren Hessen.  Mit  wenigen  Worten  deutet  Nitsche  seine  Stellung 
zu  der  frage  an ,  ob  wir  die  Hellenica  im  auszug  oder  original 
vor  uns  haben  und  entscheidet  mit  berufung  auf  einen  inzwischen 
in  den  Jahrbb.  f.  class.  Phil,  erschienenen  aufsatz  von  Büchsenschütz 
für  das  letztere-,  mittlerweile  ist  auch  Breitenbach  in  einem  auf- 
satze  im  Rhein.  Museum  zu  demselben  resultate  gekommen.  Dass 
die  sache  indessen  damit  noch  nicht  völlig  abgethan  ist,  lehrt 
Grosser  (Jahrbb.  f.  class.  Phil.  1873,  hft.  2).  Mit  den  aufstellungen 
Nitsche's  lässt  sieh  nun  auch  die  notiz  über  die  Anabasis  des  The- 
mistogenes  vereinigen,  da  unter  der  Voraussetzung,  dass  Xeno- 
phon den  ersten  theil  der  Hellenica  lange  vor  dem  jähre  357 
geschrieben  habe,  sich  die  hinweisung  III,  1,  1  auf  jene  Schrift 
mit  der  annähme  erklärt,  dass  die  Anabasis  des  Xenophon  noch 
nicht  existirte;  wenn  wir  nun  die  ab fassung dieser  schrift  mit  den 
meisten  gelehrten  in  das  jähr  372  oder  370  setzen,  so  erhal- 
ten wir  damit  zugleich  eine  untere  zeitgrenze  für  die  abfassung 
des  ersten  theiles  der  Hellenica.  (Stimmt  man  dagegen  der 
erwähnten  hypothese  über  Kratippus  bei,  so  ergiebt  sich  auch 
die  Anabasis  des  Themistogenes  als  eine  grosse ,  mit  der  man 
nicht  mehr  zu  reebnen  braucht.)  Nitsche  macht  ferner  im  an- 
schluss an  Morus  darauf  aufmerksam,  dass  Xenophon  in  den 
Hellenica  an  verschiedenen  stellen  offenbar  den  Stoff  für  die 
Anabasis  aufgespart  habe  und  zieht  daraus  den  schluss,  dass 
diese  schrift  wohl  nicht  lange  nach  380  abgefasst  sei,  freilich 
kann  diese  bestimmuug  nur  dann  aufrecht  erhalten  werden, 
wenn  man  die  behauptung,  die  Hellenica  seien  384/83  geschrie- 


144  72.  Valerius  Flaccus.  Kr.  3. 

ben,  für  erwiesen  ansieht.  Eng  damit  zusammen  hängt  auch 
die  folgerung,  dass  die  Persica  des  Ktesias  vor  380  und  zwar 
zwischen  387 — 80  verfasst  sein  müssten,  weil  sie  Xenophon 
in  der  Anabasis  erwähnt.  In  den  bemerkungen  über  die  Ana- 
basis des  Sophainetos  bewährt  Nitsche  den  gewohnten  Scharf- 
sinn, ohne  jedoch  durchgängig  zu  überzeugen.  Sehr  anspre- 
chend sind  noch  die  auf  den  zweiten  theil  der  Hellenica  ge- 
gründeten combinationen  über  Xenophon's  lebensverhältnisse. 
Zum  Schlüsse  seiner  ebenso  anregenden  als  inhaltreichen  schrift 
handelt  Nitsche  noch  über  die  abfassung  folgender  Schriften : 
nvvtjysTtxog ,  nsgi  mnmtjg,  AaxsbaifiOtiwv  nokizeia,  Ofxoro/fixo£a 
'Isgoav ,  lnna.Qiw.6g)  KvQovnaiötta,  sowie  negl  InnixTjg  von  Si- 
mon. Wir  müssen  es  uns  jedoch  versagen  ,  an  dieser  stelle 
den  ausführungen  des  verf.  weiter  nachzugehen. 

Emil  Jungmann. 

72.  C.  Valeri  Flacci  Setini  Balbi  Argonauticon  libri  octo. 
Edidit  Carolus  Schenk  1.  Cum  tabula  geographica.  8.  Be- 
rolini.  Weidmann.  1871.  —     18  gr. 

73.  Studien  zu  den  Argonautica  des  Valerius  Flaccus  von 
Dr  Karl  Schenkl,  wirklichem  mitgliede  der  kaiserl.  akade- 
mie  der  Wissenschaften.  Wien.  1871  in  commission  bei  Karl 
Gerold's  söhn,  114  s.  8.  [Aus  dem  junihefte  des  Jahrganges 
1871  der  Sitzungsberichte  der  phil.-hist. -classe  der  kaiserl. 
akademie  der  Wissenschaften  bd.  LXVIIL,  p.  271  besonders 
abgedruckt]. 

In  nr.  73  stellt  Schenkl  nach  einer  kurzen  Übersicht  über 
die  neueren  leistungen  auf  dem  gebiete  der  kritik  des  Vale- 
rius Flaccus  im  cap.  I  die  wenigen  bekannten  daten  aus  dem 
leben  des  dichters  zusammen  und  geht  dann  zu  einer  längeren 
besprechung  des  werkes  desselben  über.  Hier  handelt  vf.  nach 
einer  kurzen  erörterung  der  arbeitsweise  jener  dichter  des  ge- 
lehrten Studiums,  die  wohl  nicht  zur  begründung  der  allbe- 
kannten thatsachen  aus  der  Überlieferungsgeschichte  des  Vergil 
bedurft  hätte,  hauptsächlich  über  das  fragmentarische  des  Vale- 
rius, woraus  er  mit  recht  wie  Thilo  schliesst,  dass  das  ganze 
gedieht  vom  dichter  nie  vollendet  gewesen  sein  könne.  Wie 
weit  aber  Schenkl  in  seinen  annahmen  im  einzelnen  recht  hat, 
ist   sehr    die   frage.      Sicher   sind    gewiss  lücken  nach  II,  328, 


Nr.  3.  72.  Valerins  Flaccus.  145 

VI,  77  und  VIII,  139,  was  schon  früher  erkannt  war,  ebenso 
nach  II,  331 ;  auch  mag  nach  VIII,  440  gegen  ende  dieses  unferti- 
gen buches  etwas  ausgefallen  sein,  während  vf.  mit  recht  Thilo 
widerspricht,  welcher  nach  II,  317  eine  lücke  annahm,  wenn 
auch  SchenkTs  herstellung:  sed  te,  vaga  Ceto,  Proteaqiie  ambi- 
guum  Phariis  est  rumor  ab  antris,  zweifelhaft  bleiben  muss. 
Ebenso  richtig  verwirft  Schenkl  gegen  Thilo  die  lücke  nach 
II,  565  und  nach  II,  656  und  nach  V,  669,  wo  das  SchenkT- 
sche:  fessaque  nunc  cedam  sie  (tibi  in  der  ausgäbe)  femina?  je- 
denfalls dem  sinne  entspricht;  auch  den  Widerspruch,  den  Thilo 
zwischen  IV,  200  ff.  und  279  ff.  fand,  entfernt  Schenkl  durch 
heranziehung  der  lesart  des  V(aticanus)  taciti.  Dagegen  müs- 
sen wir  bei  der  nach  VI,  95  von  Thilo  angenommenen  lücke 
beharren,  da  die  ergänzung  des  objeets  (equorum  celeritatem) 
aus  habenas  unmöglich  ist.  Das  gleiche  gilt  über  die  lücke 
nach  VI,  571 ;  denn  brevibus  praereptus  (ereptus  schreibt  Schenkl 
mit  V.)  in  annis  und  v.  570  immoritur  primaevus  Helix, 
ist  identisch  und  kann  nicht  auf  eine  person  bezogen  werden. 
Sicher  wäre  nach  I,  662  nur  die  lücke,  wenn  Schenkl  mit 
recht  den  text  uniformirend  II,  103,  453,  467,  I,  490  ceu 
für  cum  schriebe.  Auch  ist  naturlich  mit  Thilo  die  lücke 
vor  VI,  102  festzuhalten.  Was  Schenkl  dagegen  sagt,  beruht 
nur  auf  einem  starken  versehen,  indem  er  gegen  Thilo  polemi- 
sirt,  als  habe  dieser  nach  102  eine  lücke  angenommen,  wäh- 
rend dieser  ausdrücklich  sagt:  ante  102  versum  intereidisse  pro- 
babilius  est  (vgl.  proleg.  p.  XLVli:  post  101  versum  intereidisse 
suspicor).  —  Weniger  glück  hat  Schenkl  mit  seiner  annähme 
von  interpolationen,  besonders  insofern  er  aus  ihnen  Schlüsse 
auf  die  nichtvollendung  der  Argonautica  zu  machen  sucht;  denn 
wenn  auch  V,  566  mit  Bulaeus  zu  entfernen  ist,  so  kann  die- 
ser vers  mit  Wagner  nur  als  eine  in  den  text  eingedrungene 
parallelstelle  betrachtet  werden.  Dasselbe  gilt  von  VII,  572. 
Aber  nicht  nur  in  dieser  beziehung,  sondern  auch  in  bezug 
auf  das  zutreffende  der  angenommenen  interpolationen  selbst 
müssen  wir  bedeutende  zweifei  hegen.  So  ist  die  Streichung  von 
I,  410  wegen  des  asyndeton  ganz  willkührlich,  da  der  vers 
augenscheinlich  zu  dem  sinne  der  ganzen  stelle  passt;  jeden- 
falls fehlt  zwischen  409  und  410  ein  vers,  der  die  Verbindung 
herstellte.  I,  779 — 84  sind  allerdings  nicht  an  ihrem  platze  j 
Philoh  Anz.  V.  IQ 


146  72.  Valerius  Flaccus.  Kr.  3. 

sie  jedoch  mit  Schenkl  einfach  zu  entfernen,  ist  zum  minde- 
sten unmethodisch,  zumal,  was  Schenkl  gar  nicht  erwähnt,  be- 
reits Thilo  nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  781 — 784  hinter  816 
zu  stellen  vorschlug  und  daher  doch  wenigstens  nur  779 — 80 
anstoss  erregen  können.  I,  831 — 32  enthält  durchaus  nicht 
dermassen  dasselbe,  wie  v.  827  ff.;  dass  in  erstem  nur  ein 
anderer  entwurf  der  letzteren  zu  sehen  ist ,  wird  jeder  zuge- 
ben, welcher  die  stelle  unbefangen  liest.  Ueberhaupt  verliert 
Schenkl's  urtheil  dadurch  jeden  halt,  dass  vor  v.  831  eine 
lücke  überliefert  ist.  HI,  273  steht  allerdings  ohne  allen  Zusam- 
menhang, ist  aber  mit  Thilo  nach  310  zu  transponiren,  wo  er, 
wie  Schenkl  selbst  zugiebt ,  einen  passenden  sinn  herstellt. 
Dass  dann  „kein  satz  so  zu  sagen  auf  den  andern 
klappte"  ist  kein  grund  für  seine  Streichung.  Möglich  bleibt 
ja  immerhin ,  dass  Valerius  bei  gehöriger  durcharbeitung  das 
asyndeton  beseitigt  hätte.  V,  308  muss  gegen  Schenkl  gehal- 
ten werden  mit  der  conjectur  des  Columbus  alios  für  altos; 
die  homerische  stelle  (X,  3  ff.)  kann  nichts  zu  gunsten  Schenkl's 
beweisen,  da  Valerius  doch  kein  Übersetzer  des  Homer  ist, 
und  man  noch  dazu  nie  sicher  weiss,  ob  derartige  anklänge 
in  den  spätem  dichtem  direct  auf  Homer  zurückgehen  oder 
durch  andere  dichter  vermittelt  sind  (vgl.  L.  Jeep,  quaest.  crit. 
cett.  p.  23,  2).  Auch  VI,  238  darf  nicht  voreilig  gestrichen  wer- 
den. Der  fehler  liegt  in  relinqui.  Wollte  man  das  wort  er- 
klären ,  so  müsste  man  es  natürlich  mit  Wagner  fassen  als  ut 
et  in  hostis  corpore  fixa  relinqui  gösset.  Eine  solche  erklärung 
stimmt  aber  gar  wenig  mit  dem  brauch  ulanenartiger  reiter,  wie 
die  an  unserer  stelle  geschilderten  sind:  es  gehört  an  die 
stelle  von  relinqui  ein  wort,  welches  die  im  vorübergehen  von 
Burmann  erwähnte  bedeutung  pro  suo  loco  iterum  locatum  ma- 
uere wirklich  haben  kann.  Durchaus  richtig  ist  dagegen  die  trans- 
position  IV,  213  hinter  208,  ebenso  mit  der  editio  Aldina  und 
Bononiensis  die  von  V,  426  hinter  406  und  mit  Meyncke  von 
V,  584 — 586  hinter  601 ,  was  wir  übrigens  nicht  weniger  für 
einen  fehler  eines  librarius  halten ,  als  die  andern  Verstellun- 
gen.—  In  cap.  H  spricht  sich  Schenkl  im  anschluss  an  Thilo 
über  die  handschriftliche  frage  aus.  Ausführlicher  als  dieser 
handelt  er  p.  40  ff.  über  die  Excerpta  Parisina  (L).  Auch  hier 
gelangt  er  zu   demselben   resultate,    wie    jener,    dass    nämlich 


Nr.  3.  72.  Valerius  Flaccus.  147 

diese  Excerpta  auf  V  zurückzuführen  sein,  indem  er  die  ab- 
weichungen  jener  von  V  theils  aus  dem  streben  nach  eigen- 
mächtigen Veränderungen ,  theils,  soweit  sie  den  text  verbes- 
sern, für  glückliche  conjecturen  erklärt.  Doch  dürfte  die  zahl 
ersterer  sehr  gering  anzusetzen  sein;  was  aber  den  andern 
punkt  betrifft,  so  ist  I,  330  raucos  entschieden  keine  con- 
jectur  für  paucos ,  sondern  letzteres  ist  in  V  dadurch  ent- 
standen, dass  der  Schreiber  p  für  das  alte  lange  y  (so)  schrieb. 
Ebenso  ist  im  höchsten  grade  unwahrscheinlich,  dass  I,  331 
polumque  für  cretamque  eine  conjectur  sein  soll,  wie  schon 
Meyncke  richtig  bemerkte,  wenn  ein  solcher  versausgang  auch 
bei  Statius  zweimal  vorkommt.  Dazu  finden  sich  beide  stellen 
des  Valerius  ebenso  im  codex  des  Carrion  (C),  eine  Übereinstim- 
mung, die  Schenkl  in  bezug  auf  raucos  nicht  einmal  erwähnt  hat. 
Wenn  Schenkl  aber  meint ,  dass  die  annähme  Meynckes ,  cre- 
tamque sei  dadurch  entstanden,  dass  jemand  bei  dem  stürmi- 
schen meere  an  Kreta  sich  erinnerte  und  Creta  als  glosse 
beischrieb,  deswegen  unwahrscheinlich  sei,  weil  derartige  glos- 
seme  sich  in  V  nirgends  nachweisen  liessen,  so  beruht  dies 
eben  auf  der  adoptirten  Thiloschen  ansieht  über  das  ver- 
hältniss  von  V  und  L,  deren  unzuverlässigkeit  das  oben  ge- 
sagte bereits  andeutet.  Sehr  ähnlich  ist  die  Claud.  E.  Pr.  II, 
170  in  die  MSS.  eingedrungene  glosse  sicula  für  dura,  über 
die  näheres  in  Ritachl's  Acta  I,  p.  373  ff.  Uebrigens  ist  dem 
excerptenmacher  I,  249  jenes  isdem  für  istem  nach  Thilo's  ap- 
parat  mit  unrecht  von  Sckenkl  beigemessen ;  denn  isdem  schreibt 
Vaticanus  1613  (P)  und  nicht  Parisinus  7647  (Paris.  =  L),  wäh- 
rend 1 ,  579  die  richtige  Überlieferung  des  Parisinus  a  parte 
für  aperte  mit  stillschweigen  übergangen  ist.  I,  593  weisen 
auch  die  Varianten  cohoruis  V  und  coorstum  L  für  cohors  jeden 
unbefangenen  nicht  auf  eine  abstammung  des  letzteren  aus  V, 
sondern  auf  eine  unleserliche  stelle  in  irgend  einer  andern 
handschrift,  aus  der  beide  corruptelen  flössen.  —  Pag.  47  — 
59  behandelt  Schenkl  die  frage  von  dem  werthe  des  codex  C. 
Er  entscheidet  sich  nach  längern  Untersuchungen  gegen  Meyn- 
cke für  die  ansieht  Thilo's ,  dass  derselbe  keinen  werth  für 
die  kritik  habe,  indem  er  (vgl.  p.  59)  auf  einem  „von  einem 
italienischen  gelehrten  des  saec.  XV  bearbeiteten  text"  beruhe. 
Die  Orthographie  jedoch  kann  nach  den  alten  angaben  nicht  als 

10* 


148  72.  Valerius  Flaccus.  Nr.  3. 

fester  anhaltspunkt  angesehen  werden  und  ebensowenig  vermag  die 
häufige  Übereinstimmung  des  C  mit  den  Jüngern  MSS.  einen 
massstab  für  das  alter  der  handschrift  zu  geben.  So  steht  z. 
b.  der  Bruxellensis  5381 ,  welcher  bereits  die  jüngere  recen- 
sion  des  Claudian  enthält,  den  guten  MSS.  an  alter  (saec.  XI) 
ebenbürtig  zur  seite ,  ja  übertrifft  sie  zum  theil  darin.  Die 
emendationen  aber ,  die  Schenkl  p.  51  als  mit  den  conjectu- 
ren  italienischer  gelehrten  übereinstimmend  angiebt,  sind  zu 
einfache  correcturen,  als  dass  man,  vorausgesetzt  dass  man  C 
aus  V  ableiten  müsste,  nicht  glauben  dürfte,  dass  dieselben  von 
verschiedenen  leuten  in  gleicher  weise  gemacht  sein  könnten, 
indem  sie  auf  rectificirung  der  gewöhnlichen  lesefehler  beruhen, 
wie :  longo  V\  longe  C;  vocat]  novat ;  pueris  perfusa]  pueri  spes  lusa 
u.  s.  w.  Der  verdacht  läge,  meine  ich,  viel  näher,  dass  jene  alten 
emendatoren  ihre  Weisheit  irgendwelchen  handschriftlichen  notizen 
verdanken,  als  umgekehrt.  Uebrigens  lautet  auch  die  lesart  des 
Angelus  Politianus  V,  147  rupem  nicht  rupes,  und  die  des  En- 
gentinus  V,  460  torum  nicht  toros ,  wie  Schenkl  ungenau  an- 
führt. Dass  aber  zwischen  den  scholien  des  Carrion  vom  jähre 
1565  und  den  Castigationes  von  1566  grosse  differenzen,  wie 
Schenkl  p.  52  angiebt,  existiren,  kann  bei  der  frühern  art  Ies- 
arten  zu  notiren  nicht  im  mindesten  das  ungünstige  urtheil  über 
Carrion  befestigen.  Ganz  gleiche  erscheinungen  bieten  die 
Claudianausgaben  des  Heinsius  von  1650,  1665  und  der  drit- 
ten bearbeitung  bei  Burmann,  wo  man ,  um  nur  eins  anzufüh- 
ren, vergleichen  möge  Epith.  Pall.  28 — 29.  Ausserdem  hat  sich 
entschieden  mancher  druckfehler  bei  Carrion  eingeschlichen,  was 
Schenkl  um  so  sicherer  behaupten  durfte,  da  ihm  in  seiner  ausgäbe 
IV,  428  derselbe  druckfehler  entschlüpft  ist  (Typhoides)  wie  dem 
Carrion  ebendaselbst.  Ob  dabei  die  zahl  der  Verbesserun- 
gen, die  C  bringt,  grösser  oder  geringer  ist,  als  die  corruptelen 
der  handschrift  darf  wahrhaftig  nicht  in's  gewicht  fallen.  Ei- 
nen schluss  auf  Carrion's  unzuverlässigkeit  wenigstens  kann 
man  daraus  nicht  machen,  welche  Schenkl  schon  p.  48  ff. 
vergebens  (vgl.  Meyncke,  quaest.  Valerian.  p.  3  ff.)  aus  eini- 
gen Übeln  notizen  über  seinen  ruf  herzuleiten  suchte,  zumal 
wir  an  dem  codex  Darmstadieosis  des  Censorinus  einen  prüf- 
etein  seiner  glaubwürdigkeit  im  taxiren  von  MSS.  haben.  Alle 
diese  gründe  Schenkl's   verlieren   um    so  mehr    bedeutung,   als 


Nr.  3.  72.  Valerius  Flaccus.  149 

gerade  an  den  stellen,  an  denen  V  lücken  hat,  wie  1H,  146 — 
185  und  VI,  439 — 476  C  ebenso  das  richtige  bietet  als  an 
andern  stellen.  Endlich  weist  auch  der  umstand  auf  die  Zu- 
verlässigkeit des  Carrion,  dass ,  wie  oben  gesagt,  I,  330  und 
331  eine  Übereinstimmung  mit  L  vorliegt,  der  bekanntlich  schoa 
dem  saec.  XIII  angehört,  mithin  auf  eine  ältere  tradition  hin- 
weist. Somit  können  wir  mit  dem  urtheile  Schenkl's  über  C 
und  L  nicht  übereinstimmen,  müssen  vielmehr  beide  als  selbst- 
ständige  quellen  der  emendation  anerkennen,  wenn  auch  V 
stets  das  grösste  ansehen  bleiben  muss.  Wie  ferner  Vaticanua 
1653,  den  Schenkl  näher  untersucht  hat,  mit  C  in  eine  classe 
in  dem  Stammbaume  p.  67  gebracht  werden  konnte,  ist  uner- 
findlich. Eine  grössere  Verschiedenheit  kann  man  sich  wirklich 
kaum  denken,  wie  folgende  beispiele  zeigen  mögen:  I,  17  we- 
gue  in  Vat.1  enim  in  C ;  38  timens]  tuens ;  49  lacera  assiduis 
namque]  meque  assiduis  lacera;  130  sperata  sedens]  insperato  U. 
8.  w.  —  In  caput  ni  bespricht  Schenkl  eingehend  V,  indem 
er,  wie  Thilo  proleg.  p.  xl  ff.  ,  den  einzelnen  gründen  der 
fehler  dieses  codex  systematisch  nachzugehen  sucht.  Dies  ist 
der  abschnitt,  in  dem  Schenkl  dem  Valerius  durch  emendirung 
einer  menge  von  kleinigkeiten  wesentlich  genützt  hat.  So  setzt 
er  VI,  241  richtig  at  für  et,  H,  284  set  für  et,  VII,  135  ut  für 
et,  VIII,  434  te  für  et,  indem  er  der  vertauschung  gleichlau- 
tender worte  nachgeht;  ebenso  III,  295  talisne  für  talisue^ 
II,  90  dum  für  cum,  VIII,  265  aethere  für  aequore.  Dazu 
kommen  andere  sichere  correcturen,  wie  III,  593  viri  statt 
viris,  VII,  486  natique  für  nataeque,  VII,  20  huc  statt 
hunc;  auch  HI,  469  tendunt  statt  tendit,  VII,  226  repeten- 
tur  statt  repetuntur  u. s.w. ;  alles  emendationen  die  keines  Worts 
der  empfehlung  weiter  bedürfen.  Dagegen  fehlt  es  auch  nicht 
an  weniger  gelungenen  vermuthungen.  So  ist  die  herstellung 
von  I,  19—20  sehr  verfehlt,  wie  schon  Bährens  Fleck.  Jahrb. 
1872,  p.  198  bemerkt  hat,  indem  Schenkl  mit  ganz  gekünstel- 
ter annähme  einer  vertauschung  der  anfangsworte  beider  verse 
(seu  tu  und  et)  v.  19  ac  tu  herstellt,  so  dass  also  et  erst  noch 
in  ac  verwandelt  wird,  während  das  so  nahe  liegende  Grronov- 
sche  si  für  seu,  wie  Baehrens  richtig  hervorhebt,  keinen  an- 
stoss  gibt.  V,  660  ist  cui  falsch  geschrieben  für  das  überlie- 
ferte  qui}   denn  Pallas  identificirt  sich   hier  mit  den  Griechen 


150  73.  Valerius  Flaccus.  Nr.  3. 

und  die  maria,  die  für  diese  nondum  nota  sind,  sind  es  auch 
für  sie.  I,  13  schreibt  Schenkl  Solymoque,  um  das  asyndeton 
au  vermeiden  (Bährens  lieber  ac)  ,  während  das  von  Heinsius 
vorgeschlagene  versa -Idume,  welches  das  asyndeton  in  natür- 
licher weise  entfernt  aufzunehmen  ist.  —  Im  vierten  capitel  be- 
handelt Schenkl  noch  einige  einzelne  stellen ,  von  denen  nur 
die  erste  als  probe  einer  nicht  glücklichen  herstellung  hier  her- 
vorgehoben werden  mag,  während  die  andern  noch  gründlicher 
im  Philologus  besprochen  werden  sollen.  I,  833  nämlich  ist 
in  den  worten  hie  geminae  aeternum  jportae  ohne  frage  aetemum 
sinnlos.  Jedoch  sowohl  das  zuerst  vorgeschlagene  introrsum 
(=  hineinführend),  was  auch  sprachlich  bedenken  hat,  als  auch 
das  dann  vermuthete  antrorum  sind  matt  und  dem  sinne  we- 
nig entsprechend.  Das  gleiche  gilt  von  dem  zu  willkürlichen 
numero,  welches  Bährens  vorschlägt.  Es  ist  wohl  zu  schreiben 
infernum  als  genetivus  von  inferna  (=  die  unterweit).  Den 
schluss  des  capitels  bilden  wohl  zu  beachtende  auseinanderse- 
tzungen  über  richtigere  interpunction  des  Valerius.  In  einem 
anhange  führt  Schenkl  in  grosser  Vollständigkeit  die  nachah- 
mungen  einzelner  stellen  bei  Valerius  an,  dem  zum  schluss  ein 
index  der  behandelten  stellen  folgt. 

Gemäss  dem  wünsche  Schenkl's,  welcher  vor  der  ausgäbe 
des  Valerius  nur  eine  ganz  kurze  praefatio  giebt,  haben  wir  die 
besprechung  von  nr.  73  der  besprechung  seiner  ausgäbe  (nr.  72) 
vorangehen  lassen  (vgl.  praef.  p.  v).  Das  urtheil  über  letztere 
ergiebt  sich  unmittelbar  von  selbst,  denn  die  Studien  zu  Valerius 
Bind  ja  nur  die  begründung  dessen,  was  Schenkl  in  seiner  aus- 
gäbe geliefert  hat.  Lassen  wir  jetzt  auch  die  handschriftliche 
frage  ganz  aus  dem  spiele,  die,  da  L  und  C  nur  excerpte  sind, 
ja  nie  eine  totula  Umgestaltung  des  textes  herbeiführen  könnte, 
ßo  müssen  wir  allerdings  Bährens  a.  a.  o.  p.  204  beistimmen, 
dass  zwar  manches  gute  für  den  Valerius  geleistet  ist,  dass 
aber  trotzdem  „noch  immer  eine  menge  wunder  stellen  ihres 
emendators  harrt",  so  dass  auf  diesem  gebiete  die  arbeit  auch 
noch  nicht  annähernd  erschöpft  ist.  Das  was  wir  noch  hinzuzu- 
fügen haben,  bezieht  sich  mehr  auf  äusserlichkeiten.  Der  appa- 
rat  nämlich  zeigt,  wiewohl  er  zwar  nur  ein  ausgewählter  sein 
soll,  zuweilen  zu  auffallende  lücken.  So  war  I,  513  zu  er- 
wähnen, dass  insedimw  nur  auf  conjectur  von  Zingerlingius  be- 


Nr.  3,  74.  Claudianus.  151 

ruht,  wahrend  V  insedibus  bietet.  I,  579  ist  natürlich  a  parte 
(L)  aufgenommen  für  das  fehlerhafte  aperte  (V)  5  trotzdem  keine 
erwahnung  davon  im  apparate.  I,  781 — 84  war  das  Thilosche: 
post  816  collocandi  videntur ,  um  so  nothwendiger  zu  erwähnen, 
als  Schenkl  hier  selbst  in  anderer  art  bessern  will.  III,  207 
vermisst  man  donat  C  (dagegen  vgl.  Studien  p.  51);  V,  540  fehlt 
die  lesart  von  C  und  L;  VI,  102  wäre  Thilo  zu  erwähnen  ge- 
wesen; es  hätte  dann  auch  den  oben  p.  145  berührten  irrthum 
schwerlich  gegeben.  VI,  288  ersieht  keiner  aus  dem  apparate 
Schenkl's,  dass  er  in  V  hinter  v.  245  steht.  I,  331  ist  die  in 
den  Studien  p.  17  erwiesene  lücke  im  apparat  gleichfalls  nicht 
notirt.  —  Druckfehler  stossen  nicht  selten  auf.  So  gleich  in 
den  corrigenda  muss  es  heissen  in  zeile  4  für  428  :  408 ;  p.  40 
gehört  post  cet.  auf  p.  41;  p.  53  steht  am  rande  345  statt  335, 
p.  102  gehört  ein  häkchen  hinter  v.  592  statt  hinter  v.  604; 
p.  123  muss  es  am  rande  heissen  620  statt  520  u.  s.  w.  Sehr 
schätzenswerth  ist  die  von  Kiepert  beigegebene  karte,  die  be- 
deutend zur  klaren  anschauung  des  ganzen  zuges  beiträgt;  in 
gleicher  weise  ist  der  hinten  angehängte  Index  Nominum  sehr 
dankenswerth.  Ludwig  Jeep. 

74.  Die  politischen  bestrebungen  Stilicho's  während  sei- 
ner Verwaltung  des  weströmischen  reiches  von  Dr  Edmund 
Vogt.  Erster  theil.  Einleitung  und  quellen,  Cöln  1870.  24 
8.     4.     (Programm  des  Apostelgymnasiums). 

Der  Verfasser  gibt  in  dieser  schrift,  deren  zweiter  theil 
leider  ausfallen  musste,  weil  derselbe,  wie  die  schlussnote  lehrt, 
zur  mobilen  armee  einberufen  wurde,  über  die  quellen,  aus  wel- 
chen die  geschichte  des  Stilicho  für  uns  zu  schöpfen  ist,  im 
wesentlichen  dasselbe,  was  er  bereits  in  seiner  lesenswerthen 
doctordissertation :  De  Cl.  Claudiani  carminum  quae  Stilichonem 
praedicant  fide  historica,  Bonnae  1863,  p,  14  ff.  gegeben  hatte. 
Ein  wesentliches  verdienst  Vogts  liegt  in  der  vernünftigen  be- 
urtheilung  dieser  quellen,  indem  er  darauf  hinweist,  dass  weder 
die  schriftsteiler  der  heidnischen  partei,  noch  die  der  christli- 
chen für  den  forscher  massgebend  sein  dürfen:  beide  geben 
nur  ein  Zerrbild  des  Stilicho.  Mit  recht  legt  daher  der  Verfas- 
ser gewicht  auf  Claudianus  und  den  codex  Theodosianus.  Letz- 
terer ist  natürlich  ein  ganz   objectiver  zeuge;    ersterer  verdient 


152  75.  Livius.  Nr.  3. 

aber,  trotzdem  er  der  erklärte  lobredner  des  Stilicho  ist,  die 
grösste  beacktung  wegen  ßeines  engen  persönlichen  Verhältnis- 
ses zu  seinem  beiden  und  dem  hofe,  in  folge  dessen  es  jeden- 
falls ganz  unmöglich  für  ihn  war  thatsacben  zu  „erfinden", 
was  man  ihm  in  frühem  zeiten  so  gern  schuld  gab.  Dass 
dieses  urtheil  begründet  ist,  hat  Ney  in  den  Vindiciae  Claudia- 
neae  1865  in  gründlicher  detailuntersuchung  gezeigt.  So  sehr 
wir  nun  aucb  das  urtheil  Vogt's  über  Claudianus  als  quelle  lo- 
ben müssen,  so  darf  ihm,  dem ,  wie  wir  wenigstens  hoffen,  zu- 
künftigen Schreiber  einer  zusammenhängenden  geschichte  des 
Stilicho,  der  hinweis  nicht  vorenthalten  werden,  eine  wie  grosse 
Schwierigkeit  bei  der  benutzung  des  Claudianus  als  historische 
quelle  noch  darin  meist  verborgen  liegt,  dass  der  text  noch 
mehrj  wie  viele  andere  texte  auch  in  bezug  auf  höhere  kritik 
im  argen  liegt.  Eine  wie  weite  tragweite  dies  auch  für  beur- 
theilung  historischer  Verhältnisse  hat,  kann  man  ersehen  aus  beob- 
achtungen,  die  im  Rhein.  Mus.  1872,  p.  618  ff.  und  auch  schon 
früher  von  Paul  (Glogauer  progr.  1857)  gemacht  worden  sind. 

Ludwig  Jeep. 

75.  De  pugna  ad  Trebiam  flumen  commissa  quaestiones 
criticae.     Scr.  Rob.  Pöble.   8.  Halis  Saxonum,  1872.     27  ss. 

Nachdem  ausser  Mommsen ,  Peter,  Voigt ,  Guillaume,  Nie- 
meyer, Cron,  Binder,  welche  der  vf.  genannter  schrift  benutzt, 
auch  La  Roche,  Herrn.  Müller,  Ihne,  Leop.  Vielhaber  über  die 
Schlacht  an  der  Trebia  geschrieben  haben ,  ist  es  nachgerade 
unmöglich  geworden  neues  vorzubringen;  denn  das  mögliche 
oder  unmögliche  ist  bereits  geleistet,  wenn  zwar  nicht  ein  berg, 
aber  doch  die  stadt  Placentia  von  dem  rechten  Trebiaufer  auf 
das  linke  versetzt  worden  ist. 

Der  vf.,  ein  schüler  Momnisens,  nach  dem  stile  mehr  histo- 
riker  als  philolog,  hat  die  Schlacht  selbst  nur  wenig  berührt, 
dafür  aber  die  lokalfragen  bezüglich  der  Stellungen  der  beiden 
armeen  einer  nachprüfung  unterzogen.  Mit  recht  setzt  er  nach 
dem  gefecht  am  Tessin  beide  lager  anfänglich  auf  das  linke 
Trebiaufer ,  lässt  dann  in  folge  der  desertion  der  Gallier  den 
Scipio  auf  das  rechte  übergehen,  und  die  schlacht  endlich  wie- 
der auf  dem  linken  geschlagen  werden.  Der  entgegengesetzte 
calcül  gründet  sich  meist  darauf,  dass  man  das  ross  am  schwänz 


Nr.  3.  76.  Tacitus.  153 

aufgezäumt  und  aus  einer  von  Livius  angehängten  (caeliani- 
schen)  notiz  über  den  rückzug  der  römischen  lagerbesatzung 
(21,  56,  8.  9)  falsche  rückschlüsse  auf  die  früheren  nach  Po- 
lybius  geschilderten  bewegungen  gezogen  hat.  Der  andere  grund 
des  irrthums  ist  dem  vf.  verborgen  geblieben:  er  liegt  darin, 
dass  Liv.  21,  52,  2  eine  aus  Polybius  geschöpfte  notiz:  quod 
tnter  Trebiam  Padumqiie  agri  est  etc.,  wo  er  von  den  römischen 
consuln  spricht,  eingesetzt  hat,  während  in  seiner  quelle  die 
worte  fxejaiv  iov  IIuSov  xat  toii  Tgeßi'a  xrL  sich  an  Hannibals 
einnähme  von  Clastidium  anreihen  und  sich  daher  auf  das  west- 
liche Trebiaufer  beziehen.  Somit  bleiben  Mommsens  worte  be- 
stehen, dass  die  läge  des  Schlachtfeldes  wohl  bestritten  worden, 
aber  nichts  desto  weniger  unbestreitbar  sei. 

Einen  neuen  und  richtigen  gedanken  haben  wir  p.  13  oben 
gefunden,  dass  die  nach  Polybius  am  Tessin  erfolgte  gefangen- 
nehmung der  600  Eömer  von  Livius  nicht  aus  flüchtigkeit,  wie 
andere  glauben,  an  den  Po  verlegt  worden  sei,  sondern  nach 
Caelius,  den  Livius  21,  47,  3  ff.  mit  Polybius  contaminirte.  Die 
weitere  Verfolgung  der  Verschiedenheit  der  beiden  traditionen,  dass 
sich  nach  Caelius  Scipio  nach  Placentia  zurückzog,  nach  Poly- 
bius nur  in  die  nähe  der  Stadt  (negi),  hätte  die  Verwirrung  bei 
Livius  und  den  neueren  noch  deutlicher  machen  können.  Wel- 
che Stellung  Scipio  einnehmen  musste ,  um  dem  Hannibal  die 
Strasse  nach  Rom  zu  sperren  und  den  Sempronius  abzuwarten, 
sagt  der  gesunde  menschenverstand  ;  Polybius  unterstützt  diese 
auffassung  in  allen  theilen ,  und  die  paar  Widersprüche  des  Li- 
vius lassen  sich  erklären ,  ohne  dass  man  mit  Niebuhr  an- 
nimmt, Sempronius  sei  über  Genua  statt  über  Ariminum  ge- 
kommen. 

Liv.  21,  56,  8  schlägt  Pohle  vor,  die  lücke  mit  sparsorum 
statt  mit  sauciorum  auszufüllen ;  unter  den  druckfehlern  bemer- 
ken wir  p.  9  z.  6  peditibus  statt  equitibus.  E.    W. 

76.  Taciteische  Formenlehre.  Von  Dr  C.  Sirker.  Ber- 
lin. Ebeling  und  Plahn.  1871.     64  s.  —     20  sgr. 

Mit  dieser  Schrift  von  Sirker  wird  der  cyklus  von  „ab- 
handlungen  zur  grammatik,  lexikographie  und  literatur  der  al- 
ten sprachen"  eröffnet,  welche  die  Ebeling -Plahn'sche  Verlags- 
buchhandlung  herauszugeben   beabsichtigt.     Wir   können,    nur 


154  76.  Tacitua.  Nr.  3. 

wünschen,    dass  uns  durch  dieses  unternehmen  recht  bald  mehr 
solche  specielle  arbeiten  über  einzelne  Schriftsteller,    von   denen 
wir  ja  jetzt  für  eine  grosse  anzahl    recht  gute  kritische  ausga- 
ben besitzen,  gebracht  werden,    denn    erst    so    sind   die  lücken, 
welche  die  umfassenderen  werke    von  Schneider ,  Haase  ,    Neue 
u.  s  w.    natürlicherweise   in  sich  bergen,    zu  beseitigen.       Wäh- 
rend die  syntax   einzelner    Schriftsteller    schon   genaue    bearbei- 
tungen  gefunden,  ist  jedoch  die  formenlehre  bis  jetzt  noch  recht 
stiefmütterlich  bedacht.  Sirker  behandelt  nun  die  Taciteische  for» 
menlehre  und  zwar  p.  5 — 22  die  der  substantiva,  darin  in  beson- 
deren paragraphen  das  genus,  sing,  und  plur.  tantum,  defectiva,  abun- 
dantia,  ferner  p.  34  adjectiva,  p.  40  Zahlwörter,  p.42  pronomina,  p. 
46  Zeitwörter,  p.  63  adverbia.      Bei  den  einzelnen  formen  ist  die 
literatur  aus  den  alten  wie  neueren  grammatikern  sehr  reichlich 
gegeben ,    selbst    für    die  allgemeineren    erscheinungen ,    so  dass 
ähnliche  arbeiten  später  nur  auf  Sirker  zu  verweisen  brauchen, 
allerdings  hier  und  da  auch  wohl  ergänzend.      Was  jedoch  die 
citirmethode  von  Sirker    aus  den  ,, alten"  grammatikern  an  vie- 
len stellen  bedeuten  soll,    sieht    gewiss  selbst  derjenige  schwer- 
lich ein,    welcher    nur    die  formenlehre  von  Neue   besitzt,    ge- 
schweige   der,     dem    die    übrigen   neueren    hülfsmittel    zu    ge- 
böte   stehen.       Was    soll    es    z.   b.   bedeuten,    wenn,    um    nur 
bei    den    ersten    zwei    paragraphen    stehen    zu  bleiben,    in    §. 
1     angeführt   wird:    cf.    Varro    L.    L.  VIII,  38,     73;    Prise. 
VI,  1,  6    Keil.,    (p.  679    P.,    222   Kr.);    Char.  I,  p.  107    K. 
(83  P.,    60  L.)    und    in    §.2:    cf.    Prise.  VII,    3,  9  K.  (32  P 
(muss ,  wie  Neue  auch  giebt ,    732  heissen) ,    236  Kr.)  —  stel- 
len ,   die  wir  alle    zusammen   bei    dem  auch  von   Sirker  in  die- 
sen paragraphen  citirten  Neue  mitsammt  dem    texte  vorfinden?! 
Dass  derjenige,  welcher  sich  mit  derartigen  fragen  der  formen- 
lehre beschäftigt,    wenigstens  das  buch  von  Neue  besitzt,    darf 
doch   billigerweise   als    selbstverständlich    vorausgesetzt  werden. 
Was  die  belegsteilen  zu  den  einzelnen  stellen  anbetrifft,  so  sind 
sie  von  Sirker  mit  grosser  Sorgfalt  gesammelt   und    nur  wenige 
ungenauigkeiten  sind  ihm  untergelaufen.      Es    hätte  jedoch  das 
verhältniss  der  weniger  gebräuchlichen  formen  zu  den  gewöhn- 
lichen nicht  nur  hier  nnd  da,  sondern  durchgehends  angegeben 
werden  müssen,   denn  erst  dadurch  gelangen  wir   zu    der  richti- 
gen beurtheilung  der  diction  eines  Schriftstellers.      Sehr   zu  be- 


Nr.  3.  76.  Tacitus.  155 

dauern  und  fast  unbegreiflich  ist  es,  dass  dem  Verfasser  die  in 
der  Tacitusliteratur  epoche  machenden  abhandlungen  von  Wölff- 
lin  „Jahresbericht"  im  XXV.,  XXVI.  und  XXVII.  band  des 
Philologus  unbekannt  geblieben  sind:  es  hätte,  abgesehen  davon, 
dass  Sirker  sehr  vieles  aus  diesen  arbeiten  hätte  schöpfen  kön- 
nen und  häufig  eine  zuweilen  auch  berichtigende  Verweisung 
auf  sie  ausreichend  gewesen  wäre,  die  schrift  von  Sirker  eine 
weitergehende  bedeutung  leicht  erreicht,  indem  sie  nämlich  auf 
die  darlegung  der  allmählichen  entwicklung  im  Taciteischen  stil, 
der  sich  gerade  auch  in  der  formenlehre  sehr  anziehende  seiten 
abgewinnen  lassen,  rücksicht  genommen  hätte:  man  vergleiche 
u.  v.  a.  beispielsweise  den  §.  40  Äbundantia  mit  der  interessan- 
ten darstellung  von  Wölfflin  b.  XXV,  p.  99  ff.  Unbekannt  ist 
Sirker  von  neueren  arbeiten  z.  b.  auch  die  von  Unico  Zernial  über 
den  genetiv.  Göttingen  1864,  der  p.  91  de  formis  genetivi.  al- 
lerdings unvollständig,  handelte:  vgl.  Philolog.  XXV,  p.  133 
und  XXVII,  p.  117  anm.  Nun  noch  einige  einzelheiten.  In 
§.  1  muss  es  statt  Neue  formenlehre  I,  p.  63  heissen  p.  6  und 
daselbst  ist  für  Caesar  und  Livius  statt  „doch  nicht  weniger 
gebräuchlich  auch  in  dieser  Verbindung  (pater  u.s.  w.)  ist  familiae" 
zu  setzen,  dass  diese  Schriftsteller  sich  immer  nur  der  form  fami- 
liae bedienen.  —  In  §.  3  ist  zu  berichtigen,  dass  Nipperdey 
in  seinen  beiden  neuesten  ausgaben  den  contrahirten  ablativ 
auf  is  nicht  mehr  aufgenommen  hat:  ebenso  schreibt  Heraeus, 
auch  in  den  §.  10  citirten  stellen  stets  iis.  —  §.11:  nummo- 
rum  steht  nicht  Ann.  XV,  5 ,  sondern  XI,  5,  6  (die  letzte  zahl 
bedeutet  die  zeile  iu  der  Teubn.  ed.  von  Halm.).  Die  form 
liberorum  noch  Germ.  19,  14.  H.  III,  68,  12.  XIV,  59,  3,  fer- 
ner deorum  (§.  12)  nicht  sechsmal,  sondern  mindestens  vierzehn- 
mal: es  fehlen  Germ.  9,  1.  9,  9.  10,  17.  33,  5.  H.  HI,  82,  5. 
IV,  64,  5.  V,  3,  7.  Ann.  III,  36,6.  Bei  diesen  formen  des  genet. 
plur.  auf  um  statt  orum  wäre  z.  b.  für  die  entwicklung  des 
taciteischen  stils  zu  bemerken  gewesen,  dass  in  den  kleinen 
Schriften  die  bildung  auf  orum  die  allein  zulässige  ist.  Diese 
beobachtung  war  dann  für  Agr.  27  zu  verwerthen,  denn  schon 
aus  diesem  gründe  ist  die  emendation  von  Rhenanus  eine  noth- 
wendigkeit.  —  §.  16 :  turrim  ausser  den  drei  citirten  stellen 
noch  XV,  11,  4,  wie  in  §.  17  penatium  noch  Hist.  I,  51,  19. 
Ann.  XV,  45,  2   wird    nach  den  ed.  von  Nipperdey,   auch   in 


156  77.  Geographie.  Nr.  3. 

der  von  1872,  civitatium  gelesen,  nicht  civüatum,  welche  letztere 
form  Sirkermit  recht  in  den  kleineren  Schriften  (Agr.  27  und  29) 
aufgenommen  wissen  will,  voluptatum  steht  noch  Hist.  II,  62,  8.  67, 
10.  Ann.  II,  73,  7. XIV,  14, 11.  XV,  36, 16. 48, 11.  XVI,  18, 13,  wie 
tempestatum  Agr.  10,  21.  Hist.  II,  8,  9.  Ann.  III,  54,  20.  — 
§.  32 :  den  lokativ  domui  giebt  auch  Nipperdey.  Der  dativ 
steht  nicht  nur  nach  Zernial  p.  92  anm.  6.  Hist.  IV,  68,  9, 
sondern  auch  noch  Ann.  V,  4,  11.  XIV,  7,  13.  —  Bei  ad 
hunc  diem  (§.  35)  fehlen  Hist.  I,  30,  16  und  XH,  42,  12.  — 
Der  ablativ  lauru  (§.  40,  p.  31)  findet  sich  XV,  71,  3.  — 
Mit  recht  behält  Sirker  (§.  41)  das  überlieferte  alacrior  gegen 
Halm,  Nipperdey  u.  a.  bei,  dagegen  ist  die  von  Sirker  (§.  51, 
p.  43)  empfohlene  conjectur  von  Latinus  Latinius  (nicht  von 
Dryander,  wie  angegeben  wird)  quicum  im  Dial.  37  mir  sehr  un- 
wahrscheinlich: vgl.  meine  bemerk,  im  Philol.  XXXII,  p.  723. 
§.54:  expleverint  Hist.  IV,  14,  16:  impleverat  noch  Ann.  IV,  9, 
3  und  complevere  Ann.  III,  2,  13  wie  adolevere  Hist.  V,  7,  5 
und  adolevisse  Hist.  IV,  24,  8.  Gegen  Halm  und  Heraeus  ist 
ohne  zweifei  richtig  (p.  57)  von  excindere  im  part.  perf.  die 
überall  überlieferte  form  mit  einem  s  aufrecht  gehalten,  wie 
auch  Nipperdey  in  den  drei  stellen  aus  den  Annalen  schreibt, 
während  Heraeus  doch  wohl  richtig  von  abscidere  in  den  Hist.  H, 
88,  III,  74.  78  auch  diese  form  giebt.  dbscindere  steht  nicht 
Ann.  XIV,  sondern  XV,  69,  11.  enisus  (p.  61)  noch  XIV, 
28,  10  und  subnixus  nicht  XIH,  7,  sondern  6,  18.  §.  62: 
queat  noch  Ann.  HI,  54,  27.  Ueber  nequibant  nach  Sirkers 
conjectur  XIII,  41  vgl.  Philolog.  XXVII,  p.  147. 

Schliesslich  möchten  wir  den  wünsch  ausdrücken,  dass  der 
Verfasser  im  anschluss  an  seine  eigene  und  an  die  Wölfflin'schen 
abhandlungen  bald  eine  ergänzende  arbeit  in  beziehung  auf  die 
entwicklung  des  taciteischen  Sprachgebrauchs  veröffentlichen  möge. 

Greef. 

77.  Itinerarium  Alexandri  ed.  Didericus  Volkmann, 
Einladungsprogramm  der  landesschule  Pforta  zum  22.  mai  1871, 
4.     Naumburg.   1871. 

Wie  es  sich  noch  immer  gelohnt  hat  die  von  Angelo  Mai 
zuerst  edirten  alten  Schriftwerke  einer  genauen  revision  nach 
den  haudschriftea  zu   unterwerfen,    so  giebt  Volkmann  in  der 


Nr.  3.  77.  Geographie.  157 

ausgäbe  des  obigen  Itinerars  einen  neuen  beweis  für  diese 
thatsache;  denn  auch  dieser  text  ist  von  Mai  gar  nicht  selten 
mit  der  oberflächlichen  leichtfertigkeit  entstellt  worden,  die  sich 
über  geringere  und  grössere  Schwierigkeiten  hinweghilft,  sobald 
nur  eine  scheinbar  mögliche  lesung  gegeben  ist.  Zwar  hat 
nicht  der  herausgeber  selbst  die  ursprünglich  avignoner,  jetzt 
ambrosianische  handschrift,  die  einzige,  welche  das  werk  erhal- 
ten hat,  nachcollationiren  können,  sondern  er  verdankt  diese 
arbeit  den  geübten  äugen  und  der  gute  Studemunds;  was  aber 
aus  einer  solchen  collation  zu  machen  ist ,  hat  er  in  allen  be- 
ziehungen  daraus  zu  machen  gewusst.  Die  ausgäbe  ist  jedes 
lobes  werth.  Der  vielfach  corrumpirte  text  ist  durch  meist 
leichte  und  gefällige  correcturen  fast  überall  lesbar  gemacht, 
die  noten  geben  die  ab  weichungen  der  handschrift,  conjecturen, 
hie  und  da  zur  begründung  der  in  den  text  aufgenommenen 
einzelne  parallelstellen.  Die  prolegomenen  berichten  über  den 
zustand  der  handschrift,  geben  reichliche  Zusammenstellungen 
der  charakteristischen  fehlerclassen  ihres  textes,  aus  denen  das 
maass  abzunehmen  ist ,  wie  viel  etwa  bei  conjecturen  gewagt 
werden  kann.  Dazu  erfahren  wir,  dass  ausser  H.  Haase's  und 
Kluge's  einschlägigen  abhandlungen  noch  A.  Koch,  E.  Peiper, 
L.  Dilthey  und  A.  Kiessling  den  herausgeber  in  freundschaft- 
licher weise  durch  ihre  beihülfe  unterstützt  haben ,  worüber  die 
noten  im  einzelnen  berichten. 

Eine  hauptschwierigkeit  für  die  kritische  arbeit  am  texte 
liegt  in  der  wahrhaft  eisernen  latinität  desselben,  in  die  man 
sich  erst  mit  anstrengung  hineinliest,  und  deren  geschnörkelter 
etil  an  schwierigen  stellen  oftmals  alles  nachsinnens  spottende 
räthsel  aufgiebt.  Nicht  selten  steht  daher  eine  conjectur  der 
andern  mit  ziemlich  gleicher  Wahrscheinlichkeit  gegenüber,  feste 
kriterien  fehlen  da,  welche  die  entscheidung  nach  der  einen 
oder  andern  seite  hin  fördern  könnten,  dem  sinn  der  stelle 
scheint  auf  mehr  als  eine  weise  genügt  zu  werden.  Man  wird 
sich  indess  meist  mit  dem  herausgeber  einverstanden  erklären, 
der  dann  gewöhnlich  diejenige  lesung  vorzieht,  welche  sich 
den  überlieferten  schriftzügen  am  nächsten  anschliesst.  Ueber- 
all  aber  wird  man  den  eindruck  solider  arbeit  und  umsichtiger 
erwägung  aller  in  betracht  kommenden  gesichtspunkte  em- 
pfangen. 


158  77.  Geographie.  Nr.  3. 

Zu  ein  paar  stellen  sei  es  erlaubt  neue  vorschlage  zu  ma- 
chen. Gleich  die  ersten  worte  schreibt  der  herausg.  nach  Haa- 
se's  Vorgang :  Dextrum  admodum  sciens  et  omen  tibi  et  magisterium 
futurum,  domine  Constanti,  si  .  .  .  itinerarium  .  .  ,  Alexandri  .  .  , 
componerem,  während  die  handschrift  ome  mit  einem  strich  über 
dem  m  (also  nicht  über  dem  e)  und  magisterio  futurorum  bietet. 
Das  erstere  wort  kann  danach  wohl  omine  gelesen  und  der 
handschriftliche  text  völlig  beibehalten  werden.  —  Die  Schlacht 
am  Granicus  wird  c.  9  mit  den  worten  eingeleitet:  Ita  res 
belli  audaciane  an  vero  fortuna  plus  valeat  (so  nach  Haase :  die 
handschrift  plus  sua),  haud  pronunties  exemplo  praesentium.  Dann 
wird  der  Übergang  über  den  fluss  beschrieben,  nach  der  vom 
herausg.  und  Dilthey  gegebenen  lesung  in  folgender  weise: 
Vbi  ordo  ....  incertus  ubi  solidum  vadi,  divina  fortuna  vix  ta- 
rnen profundo  sese  vultu  modo  liberi  dexterisgue  emersissent  mutuo 
adminiculabundi,  mox  eis  erat  scutum  levare  etc.  Die  handschrift 
ist  hier  schwer  verdorben,  sie  giebt :  incerta  sub  soli  validi  divinae 
fortuna.  Im  obigen  texte  tritt  der  gegensatz  zwischen  der  for- 
tuna und  audacia  nicht  deutlich  hervor,  auch  missfällt  der  aus- 
druck  divina  fortuna,  endlich  fehlt  das  moment  des  herabstei- 
gen in  den  fluss,  auf  das  doch  zunächst  gewicht  zu  legen  ist. 
Mir  scheinen  diese  Schwierigkeiten  beseitigt,  wenn  man  liest: 
Ubi  ordo  .  .  .  incerta  subdoli  vadi  [vgl.  Tac.  Hist.  5,  14:  loci 
forma,  incertis  vadis  subdola]  divinante  fortuna,  vix  tarnen  pro~ 
fundo  sese  .  .  .  immersissent.  —  In  c.  19  scheint  mir  bei  der 
beschreibung  Gaza's  zu  lesen  :  quod  urbs  .  .  .  harenis  circa  per- 
pinguibusve  (vgl.  die  proleg.  p.  viii)  umectis  satis  subsidiis  vallare- 
tur,  während  der  herausg.  nach  Mai  perpinguibus  et  (die  hand- 
schr.  ut)  schreibt;  mir  scheint  letzteres  beiwort  unmöglich  mit 
harenis  verbunden  werden  zu  können.  —  Bei  der  gründung 
Alexandria's  c.  20  mangelt  es  an  kreide  um  den  strassenplan 
vorzuzeichnen ,  die  architecten  sollen  daher  mehl  dazu  benutzt 
haben :  eximissere  solo  pingendo  paruisne,  wie  es  in  der  handschrift 
heisst.  Das  letzte  wort  ist  offenbar  corrumpirt,  malim  o per am 
navasse,  fügt  der  herausg.  bei,  mir  scheint  pares  fuisse  die 
einfachste  correctur. 

Mag  aber  auch  hie  und  da  im  texte  vielleicht  eine  kleine 
nachbesserung  möglich  sein,  in  allem  wesentlichen  liegt  er  uns 
in   Volkmanus  ausgäbe   gewiss  definitiv  gesichert  vor.       D.  Dt 


Nr.  3.  78.  Cicero.  159 

78.  M.  Tullii  Ciceronis  epistolae.  Eecognovit  D.  Alber- 
tus Sadolinus  Wesenberg,  praeceptor  primarius  scholae  Ca- 
thedralis  Viburgensis.  8.  Vol.  I.  Lipsiae.  Teubner,  1872. —  1  thlr. 

Von  Wesenberg,  dessen  Verdienste  um  die  kritik  der  briefe 
Ciceros  bekannt  sind,  erbalten  wir  bier  eine  neue  recension  dersel- 
ben.    Die  erwartungen,  mit  denen  man  einer  solcben  entgegen- 
sehen musste ,    sind  nicht   unerfüllt  geblieben  ,    wenn  gleich  an- 
drerseits mängel  darin  hervortreten ,    auf  die  man  kaum  gefasst 
sein  konnte.       Zunächst    fällt  die  nicht  geringe  zahl  der  druck- 
fehler  auf,  die  in  einer  solchen  ausgäbe  durchaus  unzulässig  er- 
scheinen.    Es  sind  von  mir  deren  folgende  angemerkt:  1,  2,  2 
unter   dem  text  cubierant  und  cubierunt  statt  cupierant  und  cupie- 
runt;  6,20,  3   tu  statt  tui;   10,   33,  3  hello  statt   bellum;  12,  44, 
4  a  mare  statt  ad  mare;  13,  16,  4  litteras  statt  litteris;  13,   75 
neminisse  statt  meminisse;    14,   4    rum    statt    cum    und    considecetis 
statt  consideretis ;    15,    1,   6   satuti  statt  saluti;    15,   4,  4   augustiis 
statt  angustiis,  ebenso   16,   21,   4  ;   15,   10,   1    eorum  statt  earum; 
16,  15,  10  opertuerat  statt  oportuerat;    16,  21   in  der  jahresan- 
gabe    71   statt  710-,    ad  Quint.  fr.  1,  2,  7    in    der   anmerkung 
magnam  statt  magnum.      Einen  noch  viel  ungünstigeren  eindruck 
macht    die    geflissentliche    nichtachtung    alles    dessen ,    was   in 
Deutschland  für  eine  wissenschaftliche  lateinische    Orthographie 
geschehen  ist.     Es  soll  nicht  davon  die  rede  sein ,    dass    hand- 
schriftliche formen  wie  Laudicea,  Haedui,  Clytemestra  verschmäht 
sind,  aber  dass  neben   abiicere,    quotidie,    intelligere,    epistola  und 
vielem  ähnlichen  auch  das  längst  begrabene  quum  uns  nicht  er- 
spart bleibt,    ist  doch  zuviel.      Wozu    nützen    denn    alle    hülfs* 
büchlein,  alle  Verhandlungen  auf  philologenversammlungen,  wenn 
diese  dinge  in  den  ganz  eigentlich  für  den  gebrauch  der  klasse 
bestimmten  ausgaben  uns  immer  wieder  vorgeführt  werden,  oder 
wie  kann  ein  gewissenhafter  lehrer  seinen   Schülern  bücher  em- 
pfehlen ,     in   denen    seinen    eigenen    Vorschriften    so    geradezu 
entgegengearbeitet  wird  ?     Gern    wende    ich    mich   nach    dieser 
rüge ,    die    nicht  unausgesprochen  bleiben  durfte ,    zu  dem  fort- 
schritt ,    den    die  ausgäbe  auf  dem  gebiet  der  kritik  bezeichnet. 
Dieser  besteht  zunächst  in  der  ausdehnung,    mit    der    das  von 
frühern  herausgebern  geleistete  zu  seinem  rechte  kommt.     Viel- 
fach   ist    auf  Ernesti    zurückgegangen ,    nicht    selten    auch    auf 
Lambin ,    der   wie   keiner   im    ciceronischen    Sprachgebrauch  zu 


160  78.  Cicero.  Nr.  3. 

hause  war,  ebenso  sind  die  lesarten  aus  Cratander  und  den 
älteren  ausgaben  mehrfach  benutzt,  nur  hätten  sie  wohl  noch 
öfter  in  als  unter  dem  text  platz  haben  sollen.  Die  eigenen 
Verbesserungen  des  Verfassers  betreffen  zum  grossen  theil  die 
interpunction.  Wenn  ich  gestehen  muss  öfter  nicht  einzusehn, 
weshalb  ein  kolon  statt  eines  semicolons,  ein  semicolon  anstatt 
eines  punktes  gesetzt  ist  und  dergleichen  mehr  ,  so  kann  ich 
mich  nur  einverstanden  erklären  mit  der  durchgreifenden  an- 
wendung  der  dem  briefstil  durchaus  entsprechenden  parenthese, 
die,  von  den  früheren  herausgebern  vielfach  verkannt ,  jetzt  in 
eine  menge  von  stellen  licht  und  deutlichkeit  bringt.  Weiter  ist 
wiederholt  mit  recht  hi  und  Ms.  in  ei  und  eis  verwandelt  worden, 
wofür  man  freilich  lieber  i  und  is  geschrieben  sähe.  Auch  der 
zusatz  eines  e  in  den  abgekürzten  formein  s.  v.  b.  e  und  s.  v. 
b.  e.  e.  v.  12,  16;  14,  11;  21;  23,  24;  15,  19  kann  nur  gebilligt 
werden.  Zweifelhaft  bleibt  der  zusatz  der  copula  bei  zwei  Sub- 
stantiven, wie  virtutis,  industriae  3,  12,  1;  consilio,  studio  &,  7, 
6;  studiis,  beneficiis,  7,  5;  Studium,  diligentiam  12,  15,  6;  studio 
diligentia  13,  11,  3  ;  luctum,  laborem  ad  Q.  fr.  1,  4,  4,  da  die  stel- 
len sich  gegenseitig  schützen.  Anderweitige,  vornämlich  in  kleinen 
nachbesserungen  des  ausdrucks  bestehende  änderungen,  wie  den 
zusatz  von  et  bei  folgendem  et ;  levissime  für  lenissime  und  umge- 
kehrt, änderungen  der  tempora,  dieanwendung  des  conjunctivs  und 
des  indicativs  in  nebensätzen  abhängiger  rede,  womit  man 
durchweg  einverstanden  sein  kann,  übergehe  ich,  um  in  kur- 
zem die  stellen  zu  besprechen,  in  denen  die  lesart  von  Baiter 
wieder  herzustellen  sein  wird.  1,  9,  19  verräth  die  anordnung 
der  terenzischen  verse :  Phaedriam  intromittamus  commissatum,  tu: 
Pamphilam,  wenig  metrisches  gefühl,  wie  auch  12,  25,  5  in  dem 
Andriaverse:  nunc  hie  dies  aliam  vitam  affert,  alios  mores  postulat, 
wunderlicher  weise  die  handschriftliche  lesart  defert  verschmäht 
ist,  hier  freilich  mit  Baiter;  3,  10,  11  ist  perfecta,  ebenso 
wie  13,  6,  4  jperfectum  beizubehalten,  wie  auch  Bücheier  de  pet. 
cons.  22  richtig  perßciatur  geschrieben  hat;  4,  9,  4  ist  nach  stul- 
tum  verkehrt  est  hinzugesetzt,  da  offenbar  sit  gerade  wie  nach 
duri  zu  ergänzen  ist.  5,  13,  4  wird  in  omnium  desperatione 
durch  Caes.  Bell,  civil.  1,  5,  3  geschützt.  Dass  9,  14,  3 
gratulor  tibi  cum  ebenso  wie  13,  24,  2  maximas  gratias  ago  cum 
anstatt    quod  das  richtige  ist,  zeigt  Plaut.  Truc.  1 ,  6,  35  f.  und 


Nr.  3.  78.  Cicero  161 

an  anderen  stellen.  5,  8,  5  quod  eius  fieri  possit,  durfte  auch 
nicht  unter  dem  text  quoad  vermuthet  werden,  ebenso  wenig  wie 
3,  2,  2  quod  eius  facere  potueris  und  14,  4,  6  cura  ,  quod  potes 
(vrgl.  de  Pet.  cons.  36  quod  eius  fieri  potuerit  bei  Bücheier).  13, 
1,  2  ist  jedenfalls  communia  nach  omnia  nothwendig,  ebenso  13, 
7,  2  ei  nach  commune;  13,  66,  1  calamitosum  nach  talem  unerträg- 
lich. 15,  14,  3  ist  consequeremur  nach  utemur  unverständlich. 
14,  9  kann  an  der  richtigkeit  von  ut  de  Dolabellae  wohl  kein 
zweifei  sein.  Ep.  ad.  Q.  fr.  1,  1,  10  setzt  Wesenberg  certe 
scio  mit  M,  aber  was  will  eine  solche  vereinzelte  stelle  besa- 
gen, wenn  man  4,  13,  6;  5,  2,  7,  wo  Wesenberg  unrichtig  credo 
schreibt;  6,  3,  2;  6,  51;  10,  29;  11,  5,  2;  13,  1,  4;  13,  41; 
14,  19  dagegen  halt.  Ep.  ad  Q.  fr.  2,  5,  2  durfte  die  schöne 
Verbesserung  Mommsens  Exiturus  a.  d.  VIII,  mit  tilgung  des- 
selben wortes  2,  4,  2  nicht  aus  dem  text  entfernt  werden. 
An  diese  stellen  mögen  einige  eigene  vorschlage  sich  rei- 
hen, indem  ich  zunächst  auf  meine  Conjj.  Tüll.  p.  31  ff.  ver- 
weise, die  Wesenberg  nicht  gekannt  bat,  aber  mit  denselben  Ep, 
ad  fam.  1,  9,  20  in  proxumis  superioribus ;  10,  24,  3  in  [faZ/s] ; 
Ep.  ad  Q.  fr.  1,  1,  40  in  avaritia  und  multo  fuit;  de  pet.  cons. 
34  in  utare  frequentia  zusammengetroffen  ist.  Auch  propinquo 
te  die  16,  3,  2,  das  er  J.  Krauss  (fälschlich  von  ihm  Krause 
genannt)  zuschreibt,  findet  sich  schon  N.  Rh.  Mus.  12,  8,  p.  270. 
Weitere  vorschlage  also  sind  folgende:  1,  2,  4  agantur  omnia 
omni  mea\  1,  7,  10  tu  id  ut  tuis  wie  2,  16,  1  te  id  ut  non 
putem;  5,   7,    1   litteris  tuis;   5,  19,    2   alterum    tribuam  timori; 

6,  5,   3  summamque  dicendi  vir  tut  em]   6,  17,  1   in  litteris   tuis; 

7,  1  4  artem  deponerem  statt  desinerem  (?);  10,  12,  2  et  eas  Ut- 
teras ;  10,21,  7  excuso  litteris  ohne  fragezeichen ;  11,  11,  2  con- 
soldbor  ine;  12,  20  quodsi  ut  soles  (statt  es),  cessabis;  13,  71  te 
et  (statt  et  te)  facere  posse  et  libenter  mea  causa  facturum  esse ; 
13,  29,  1  quae  specicm  habent  aliquam  aus  habeant'?);  13,  43, 
1  tarnen  iam  ea  aus  tarnen  mea\  13,  63,  1  paucis  verbis  [sed  ta- 
rnen] ut,  da  sed  tarnen  eben  vorhergegangen  ist.  14,  19,  1  et 
iam  (statt  etiam)  ante  fecissem;  15,  4,  6,  ex  toto  regno  coacto 
iis(f);  ad  Q.  fr.  1,  1,  45  singularem  in  te  amorem  infinita  avidi- 
tas  mit  Ursinus. 

Schliesslich  noch  einige  worte  über  die    schrift  de  Petitione 
consulatus,  von  der  bekanntlich  schon  1869  die  neue  ausgäbe  von 
Philol.  Anz.  V.  H 


162  79.  Griechische  geschichte.  Nr.  $. 

Bücheier  erschienen  ist.  Da  Wesenberg  dieselbe  nicht  benutzt 
hat,  so  können  sich  beide  recensionen  gegenseitig  ergänzen, 
wiewohl  nach  meiner  ansieht  Büchelers  arbeit  bedeutend  höher 
steht.  An  einzelnen  stellen,  wie  7  nam  (anstatt  iarn)...  putet  op or- 
tere;  8  cum  alios,  quos  ad  tabellam  poneret,  non  haberet;  33 
tum  autem,  quod  equester  ordo  tuus  est,  sequuntur  Uli;  34  utare 
frequentia  hat  Wesenberg  das  richtigere;  an  vielen  anderen 
Bücheier,  so  steht  3  commonendo  für  commendando  (so  schon  in  den 
conjj.  Tüll.  p.  34);  4  \ac  numero]  ;  6  qui  volunt;  10  vivo  stanti 
ohne  -4-  (vgl.  Cypr.  de  cath.  eccl.  un.  18  stantes  atque  viventes  rece- 
dentis  soli  hiatus  absorbuit) ;  1 6  laborem.  Petitio  magistratus  divisa  est : 
1 2  qui  nequaquam  sunt  tarn  genere  quam  virtute  nobiles  ;  44  tarnen 
si  ab  amicis  laudatur  (conjj.  Tüll.  p.  34  f.  tarnen  ab  amicis  si 
laudatur).  Noch  füge  ich  hinzu,  dass  23,  wo  Bücheier  studio- 
rum  streicht,  vielleicht  noch  besser  dafür  studiosorum  geschrie- 
ben wird,  und  26  in  dem  handschriftlichen  magne  aestimare  ein 
magni  se  aestimare  zu  liegen  scheint.  H.  A.  Koch. 

79.  De  tempore  quo  templum  Iovis  Olympiae  conditum 
sit  disputatio.  Scr.  Conr.  Bursian.  4.  Index  scholar.  hi- 
bern.  in  Univers.  Ienensi  habend.   1872.     (13   s.). 

In  den  Verhandlungen  der  Halle'schen  Philologenversamm- 
lung, Leipzig.  1868,  p.  70  fgg. ,  sucht  Urlichs  die  durch  0. 
Müller  ausser  curs  gesetzte  ansieht  Heyne's  wieder  zu  ehren 
zu  bringen,  dass  die  Zerstörung  von  Pisa  und  der  bau  des 
Zeustempels  in  Olympia  erst  zur  zeit  des  Pheidias  in  der  mitte 
des  fünften  Jahrhunderts  vor  Chr.  vor  sich  gegangen  sei.  Um 
dieser  ansieht  ihre  hauptstütze  zu  entziehen,  will  vf.  die  worte 
des  Pausanias  5,  10:  inoiijOij  6  taög  xul  76  äyaltua  rtjj 
dn  and  Xacfivocov,  ?;»«x«  Iliaav  vi  Hltlvi  xat  oaov  twv  nsniot- 
xeov  aXXo  aviane.GT)]  Uiaaimg  noltitm  xuOtü.or,  durch  annähme 
einer  ellipse  [inotrjOr]  —  um)  kayiQejv,  tu  ös  Xiicfvaa 
Tavru  iXt'jcpOt],  i/i-ixa  Illaav  01  'Hitint  —  xadtilnr)  so  ge- 
deutet wissen,  dass  nur  die  enichtung  des  tempels  und  die 
Schöpfung  der  Zeusstatue  durch  Pheidias  dem  fünften  Jahrhun- 
dert, der  Untergang  der  stadt  dagegen  einer  weit  früheren  zeit 
(Ol.  52  =  572 — 568  v.  Ch.)  zugewiesen  werden  kann.  Die 
vom  vf.  angezogenen  parallelstellen  kommen  aber  dieser  äusserst 
gewagten   auslegung    nicht   zu  statten:    bei  Paus.  10,  21  xovto 


Nr.  3.  79.  Griechische  geschickte.  163 

insyiyganro  (dies  war  darauf  zu  lesen),  ttq\v  rj  tovg  avv  2vl\a 
zag  acniSag  xa&sleiv,  ist  die  annähme  einer  ellipse  (xcu  avs- 
xsno  avti]  t]  aanlg,  tzqIp  rj)  unnöthig  und  Paus.  5,  17,  ist  nach 
Bursians  eigner  deutung  die  ergänzung  in  ganz  gewöhnlicher 
weise  aus  den  nächststehenden  textesworten  zu  entnehmen ; 
wogegen  die  hereinnähme  eines  satzes  von  besonderem  inhalt, 
für  welchen  weder  die  worte  der  nächsten  Umgebung  noch  (wie 
bei  der  ellipse  von  «?>•«*,  ihat,  noiüv  udgl.)  die  construction  des 
textes  einen  anhält  und  eine  andeutung  gibt,  eine  anomalie  in 
sich  schliesst,  welche  willkürlichen  erklärungen  thür  und  thor 
öffnen  und  aus  allem  alles  zu  machen  gestatten  würde. 

Nicht  glücklicher  ist  Bursian  in  dem  versuch,  ein  andres 
von  Urlichs  vorgebrachtes  argument  zu  widerlegen.  Als  zu 
seiner  zeit  (in  ipso)  von  den  Eleern  zerstört  nennt  Herod.  4, 
148  allerdings  nur  triphylische  städte,  nicht  auch  Pisa:  eben 
weil  er  von  Pisa  zu  reden  dort  keinen  anlass  hat.  Wir  wissen 
aber  ,  dass  von  den  sechs  hier  genannten  triphylischen  Städten 
nur  Lepreon  der  Zerstörung  entging,  und  gerade  die  grösste 
unter  den  fünf  andern,  die  Herodot  an  erster  stelle  nennt,  Ma- 
kistos  war  es,  welche  nach  Pausan.  6,  22  an  dem  aufstand  von 
Pisa  sich  betheiligte  und  mit  ihm  auch  das  Schicksal  der  Zer- 
störung getheilt  hat.  Ist  nun  Makistos  erst  zur  zeit  Herodots 
zerstört  worden,  so  folgt,  dass  auch  die  Stadt  Pisa  bis  in  des- 
sen zeit  bestanden  hat. 

Eine  dritte  stelle  (Strab.  8,  p.  355) ,  welche  gleichfalls 
den  Untergang  von  Pisa  mit  dem  der  meisten  triphylischen  städte 
verknüpft  und  diese  ereignisse  in  die  zeit  des  letzten  messe- 
nischen aufstandes,  also  in  die  mitte  des  fünften  Jahrhunderts 
setzt,  nennt  Bursian  zwar  unter  den  belegen,  welche  für  die 
von  ihm  bekämpfte  ansieht  aufgeführt  worden  sind,  unterlässt 
aber  anzugeben,  was  er  von  diesem  zeugniss  denkt.  Was  au- 
sserdem ich  in  der  abhandlung  über  Pheidons  Zeitverhältnisse 
im  Piniol.  28,  413  unabhängig  von  Urlichs  für  die  Heyne'sche 
ansieht  beigebracht  habe,  scheint  dem  vf.  ganz  unbekannt  ge- 
blieben zu  sein :  im  andern  falle  würden  vielleicht  auch  seine 
aufstellungen  über  die  Olympiaden  und  über  die  periode  der 
Unabhängigkeit  Pisa's  eine  modification  erfahren  haben. 

Von  allen  gegen  Urlichs  erhobenen  einwendungen  trifft 
nur  das  über  Paus.  6,  22,  4  gesagte  zu:  wie  diese  stelle  über- 

11* 


164  80.  Archäologie.  Nr.  3 

liefert  ist,  besagt  sie  allerdings,  dass  der  Untergang  Pisa's  unter 
dem  bruder  und  nachfolger  des  aus  ol.  48  bekannten  Damo- 
phon  eingetreten  ist.  Diese  stelle,  die  einzige  stütze  der 
ansieht  0.  Müllers ,  steht  aber  nicht  bloss  mit  den  besproche- 
nen Zeugnissen  des  Herodot,  Strabo  und  Pausanias,  sondern 
auch  mit  einer  zweiten  des  letzteren  (5,  16:  die  rückkebr  der 
Pisaten  unter  eleische  botmässigkeit  nach  dem  tode  üamophons 
sei  auf  gütlichem  wege  erfolgt)  in  Widerspruch  und  ich  habe 
schon  a.  a.  o.  angedeutet,  dass  sie  durch  eine  lücke  entstellt 
sein  dürfte,  durch  welche  die  ol.  52  geschehene  friedliche  Un- 
terwerfung der  Pisaten  mit  der  über  100  jähre  später  erfolg- 
ten Zerstörung  der  Stadt  confuudirt  worden  ist.  Hierüber  mehr 
bei  einer  andern  gelegenheit. 

Können  wir  hiernach  dem  chronologischen  theil  der  schrift 
nicht  zustimmen,  so  drängt  es  uns  um  so  mehr,  dem  vf.  un- 
sern  dank  auszusprechen  für  die  in  kürze  beigegebenen  ausein- 
andersetzungen  über  die  statuen  und  reliefs,  welche  den  tempel 
zierten,  über  den  kunstcharakter  des  Paionios  und  sein  verhält- 
niss  zu  Pheidias  u.  a. 

U. 

80.  Die  composition  der  gemälde  des  Polygnot  in  der 
lesche  zu  Delphi.  Festschrift  zur  feier  des  fiiufundzwanzig- 
jährigen  Jubiläums  des  königlichen  archäologischen  seminars  der 
Georg- Augusts -Universität  in  Göttingen  von  W.  Gebhardt, 
derzeitigem  senior  de3  archäologischen  seminars.  4.  Göttingen. 
1872. 

Es  ist  ein  oft  behandelter  gegenständ  ,  den  der  Verfasser 
sich  für  seine  fest  schrift  erwählt  hat,  doch  ist  es  ihm  gelungen, 
für  die  Untersuchung  eine  neue  grundlage  zu  gewinnen.  Die 
glückliche  beobachtung,  dass  Pausanias  in  seiuer  beschreibung 
des  gemäldes  von  der  eroberung  Troja's  stets  das  letzte  glied 
einer  gruppe  oder  eines  gruppencornplexes  mit  de  y.ui  anreibet, 
ist  von  ihm  als  mittel  benutzt  worden,  die  composition  zu  zer- 
gliedern; im  engen  anschlusse  an  die  worte  des  Pausanias  hat 
er  sodann  versucht ,  den  einzelnen  gruppen  ihre  stelle  anzuwei- 
sen. Die  ganze  composition  zerfällt  nach  Gebhardt  in  sechs 
hauptabtheilungen,  innerhalb  deren  über  einander  die  einzelnen 
gruppen  vertheilt  sind.      Durch    rechnungen  und  übersichtstabel- 


Nr.  3.  SO.  Archäologie.  165 

Jen  sucht  er  sodann  nachzuweisen,  dass  zwischen  den  einzelnen 
theilen  die  genaueste  Symmetrie  herrscht.  Offenbar  ist  Geb- 
hardt  dem  wahren  auf  der  spur  gewesen,  aber  es  scheint ,  als 
ob  ein  tückischer  zufall  ihn  verhindert  hätte,  aus  seinen  metho- 
dischen Untersuchungen  die  richtigen  resultate  zu  ziehen;  denn 
in  seiner  reconstruction  des  gemäldes  ist  die  Symmetrie  fast 
durchweg  am  falschen  orte  vorhanden.  Symmetrisch  soll- 
ten von  rechtswegen  diejenigen  gruppen  sein,  welche  von  ei- 
nem gemeinsamen  mittelpunkte  gleich  weit  nach  links  oder 
rechts  abstehen  und  überdies  auf  derselben  grundlinie  sich  be- 
finden; aber  mit  ausnähme  der  ersten  und  letzten  abtheilung, 
über  deren  stellang  ohnehin  kein  zweifei  sein  kann,  findet  sich 
die  Übereinstimmung  immer  nur  zwischen  gruppen  von  unglei- 
chen abständen  und  verschiedener  grundlinie,  als  wäre  das  ge- 
mälde  nicht  eine  composition  Polygnots,  sondern  des  prinzen 
Pallagonia. 

Man  könnte  versucht  sein  zu  glauben,  bei  dem  restaura- 
tionsversuche  Gebhardts  habe  eine  Verwechslung  von  rechts 
und  links  und  von  oben  und  unten  stattgefunden.  Dies  ist 
aber  durchaus  nicht  der  fall,  sondern  der  fehler  liegt  zumeist 
in  der  mechanischen  art  der  Zählung.  Erwachsene  und  kinder 
sind  für  ihn  gleich  gewichtvoll,  obwohl  sonst  in  antiken  grup- 
pen die  kleinen  kinder  gar  nicht  mitgezählt  werden,  die  thiere 
hingegen,  die  in  der  composition  oft  mehr  gewicht  als  ein 
mensch  haben,  rechnet  er  gar  nicht  mit.  Und  doch  ist  klar, 
dass  Epeios  sammt  der  Stadtmauer  und  dem  hölzernen  rosse 
mehr  räum  und  bedeutung  in  anspruch  nimmt,  als  etwa  der 
kleine  Astyanax. 

In  derselben  strengen  anlehnung  au  den  text,  wie  Geb- 
hardt,  aber  zugleich  auch  mit  der  nöthigen  berücksichtigung 
der  allgemein  gültigen  künstlerischen  gesetze  kommt  man  zu 
einem  andern  resultate,  das  hier,  wo  eine  vollständige  Zeichnung 
nicht  gegeben  werden  kann ,  wenigstens  durch  mathematische 
figuren  veranschaulicht  werden  mag,  in  denen  zugleich  die  ver* 
echiedenen  formen  des  gruppenbau's  sich  erkennen  lassen.  Die 
erste  und  letzte  abtheilung  des  gemäldes ,  die  abreise  des  Me- 
nelaos  und  die  des  Antenor,  sind  hier  weggelassen,  weil  über 
diese  beiden  stücke  in  der  hauptsache  Übereinstimmung  der 
meinungen    vorhanden    ist.     Die  den   figuren    eingeschriebenen 


166 


80.  Archäologie. 


Nr.  3. 


buchstaben  bezeichnen  den  gang,  den  Pausanias  bei  seiner  be- 
schreibung  genommen  hat ,  die  beigefügten  Ziffern  die  personen- 
zahl. 


Pausanias  beginnt  mit  der  gmppe  der  Briseis,  Diomede  und 
Iphis  (a) ;  da  die  höhere  Stellung  der  Diomede  ausdrücklich  be- 
zeugt ist,  so  kann  an  der  pyramidalen  form  der  gruppe  kein 
zweifei  sein.  Daneben  sind  Helena,  zwei  dienerinnen  und  der 
herold  Eurybates  (b) ;  die  eine  dienerin  kniet  vor  ihr,  die  an- 
dere steht  hinter  ihr,  woraus  sich,  wenn  der  herold  noch  hin- 
zugenommen wird ,  die  in  der  Zeichnung  angedeutete  gruppen- 
form  ergiebt.  lieber  Helena  sind  Helenos,  Meges,  Lykomedes, 
Euryalos  (c);  die  stelle  der  sitzenden  eckfigur  ist  gerade  über 
Helena.  Jetzt  steigt  Pausanias  wieder  zur  untern  reihe  herab. 
Neben  Heleoa  ist  die  gruppe  der  gefangenen  frauen ,  Aethra, 
zu  welcher  Demophon  getreten  ist,  dann  Andromache  mit 
Astyanax,  Medesikaste,  Polyxena  (d).  Nestor  mit  dem  pfeide, 
das  sich  wälzen  will  (e) ,  gehört  ebenfalls  in  diese  reihe ,  aber 
natürlich  nicht  zu  derselben  gruppe,  sondern  er  steht  isolirt. 
Ueber  der  gruppe  der  gefangenen  frauen  sind  Klymene,  Kreusa, 
Aristomache,  Xenodike  (f),  und  über  diesen  wieder  Dei'nome, 
Metioche,  Peisis,  Kleodike  (g).  Daneben  ist  Epeios  mit  dem 
hölzernen  pferde,  dessen  köpf  über  die  Stadtmauer  ragt  (h). 
Dass  Epeios  ebensowenig,  wie  unten  Nestor,  mit  der  gruppe 
der  gefangeuen  frauen  verbunden  werden  darf,  versteht  sich 
wohl  von  selbst.  Hierauf  beschreibt  Pausanias  die  gruppe  (i), 
Polypoites ,  Akamas,  Odysseus,  Kassandra  am  boden  sitzend, 
Aias,  Menelaos,  Agamemnon.  Der  weg,  den  Pausanias  nimmt, 
da  er  nach  dieser  gruppe  erst  wieder  das  pferd  des  Nestor 
nennt,    um   von   hier  aus   die  Stellung   von  (k)    zu   bezeichnen, 


Nr.  3.  80.  Archäologie.  167 

lässt  für  die  grösste  und  wichtigste  gruppe  keinen  andern  platz 
zu,  als  den  naturgemässen  in  der  mitte  der  ganzen  composition. 
Kassandra,  am  altare  niedergesunken,  bildet  unter  diesen  sieben 
figuren  natürlich  den  mittelpunkt,  was  auch  Gebhardt  dagegen 
sagen  mag.  Wir  haben  jetzt,  nachdem  die  rechte  hälfte  und 
die  mitte  der  composition  erledigt  sind,  die  correspondirende 
linke  hälfte  zu  betrachten.  Neben  dem  pferde  des  Nestor  ist 
Neoptolemos,  welcher  den  Elasos  bereits  getödtet  hat  und  den 
Astynoos  so  eben  tödtet,  dabei  ein  kleiner  knabe  am  altar  (k). 
Diese  gruppe  hat  zwar  weniger  menschliche  figuren  als  d,  das 
gleichgewicht  ist  aber  durch  den  altar  und  durch  die  ausschrei- 
tende Stellung  des  Neoptolemos  hergestellt.  Um  zu  bezeichnen, 
dass  k  ebensoviel  räum  einnimmt  als  d,  ist  bei  erster  figur  die 
formel  3  — |—  2  hingeschrieben,  entsprechend  der  5  in  k.  Jen- 
seits des  altars  steht  Laodike,  dann  folgt  Medusa  auf  dem 
erdboden  neben  einem  badegefässe  sitzend,  und  eine  alte  oder 
ein  eunuch  mit  einem  kinde  auf  dem  schoosse  (1).  Hier,  wie 
in  dem  correspondirenden  b,  ist  der  mittlere  theil  der  gruppe 
der  niedrigste.  Hieran  schliesst  sich,  correspondirend  mit  a, 
eine  pyramidale  gruppe  m,  Pelis  auf  dem  rücken  liegend,  über 
ihm  Eioneus  und  Admetos.  Nach  beendigung  der  untern  reihe 
wendet  sich  Pausanias  zur  obern  reihe.  Ueber  dem  badegefässe 
ist  Leokritos  (n),  über  Eioneus  und  Admetos  ist  Koroibos,  und 
höher  als  dieser  Priamos,  Axion  und  Agenor  (o).  In  dieser 
aufzählung  der  getödteten  Trojaner  ist  auffällig,  dass  für  n, 
welches  als  gegenstück  zu  f  vier  figuren  enthalten  sollte,  nur 
eine  einzige  genannt  wird;  dieser  auffallende  umstand  erklärt 
sich  wohl  daraus,  dass  hier  im  bilde  die  namen  nicht  beige- 
schrieben waren.  Zuletzt  erwähnt  Pausanias  noch  Sinon  und 
Anchialos,  welche  den  leichnam  des  Laomedon  wegtragen,  und 
dazu  nennt  er  noch  den  todten  Eresos  (p).  Da  bei  dieser 
gruppe  die  mitte  eingesenkt  ist,  so  ist  für  g  dasselbe  anzuneh- 
men, nämlich  so,  dass  an  die  sitzenden  eckfiguren  die  andern 
sich  anlehnen.  Für  sämmtliche  gruppen  die  gestalt,  welche 
ihnen  in  der  Zeichnung  gegeben  ist,  ausführlich  zu  rechtferti- 
gen, ist  hier  nicht  möglich ,  und  ebensowenig  kann  jetzt  noch 
der  ideenzusammenhang  zwischen  den  correspondirenden  thei- 
len  nachgewiesen  werden.  Nur  darauf  wollte  ich  noch  aufmerk- 
sam machen;  dass  die  gesammtcomposition,  und  zwar  ohne  un« 


168  Bibliographie.  Nr.  3. 

ser  zuthun,  pyramidale  gestalt  erhalten  halt,  ein  beweis,  dass 
Welcker  doch  recht  hatte,  als  er  in  solcher  gestalt  das  bild 
reconstruiren  wollte. 

Es  bleibt  nun  noch  das  andere  gemälde  des  Polygnot 
übrig,  bei  welchem  Gebhardt  nur  durch  eine  sehr  complicirte 
rechnung  zu  einer  art  von  Symmetrie  gelangt  ist,  von  der  je- 
doch in  der  Zeichnung  absolut  nichts  zu  sehen  ist.  Wir  müs- 
sen es  uns  versagen,  auf  dieses  gemälde  ebenfalls  noch  speciell 
einzugehen,  da  der  uns  zugemessene  räum  bereits  ausgefüllt, 
wenn  nicht  gar  schon  überschritten  ist.  L,  G. 

Biene  aiiflageu. 

81.  Aristotelis  rhetorica  et  poetica.  Ab  I.  Bekkero  a.  1859  ter- 
tium  editae  nunc  iteratae.  8.  Berlin.  G.  Reimer;  18  ngr.  —  82. 
P.  Virgilii  Maronis  Opera.  Ed.  A.  ForUger.  Ed.  4.  P.  ITa.  8. 
Lips.  Hinrichs;  2  thlr.  10  gr.  —  83.  A.  Forcellini  totius  latinitatia 
lexicon.  Distr.  67.  Prati  (Brockhaus  in  Leipzig);  25  ngr.  —  84.  F. 
TJeberwpg ,  grnndriss  der  geschickte  der  philosophie.  2.  thl.  4.  aufl. 
8.  Berlin.  Mittler;  1  thlr.  12  ngr.  —  85.  A.  Schioegler ,  geschichte 
der  philosophie  im  nmriss.  8.  aufl.  8.  Stuttgart.  Conradi;  1  thlr. 
24  ngr.  — •  86.  G.  H.  Letoes,  geschichte  der  alten  philosophie.  2. 
aufl.  4.  u.  5.  lief.  8.  Berlin.  Oppenheim;  ä  20  ngr.  —  87.  A. 
Schleicher,  die  Darvinische  theorie  und  die  Sprachwissenschaft.  2. 
aufl.  8.  Weimar.  Höhlau;  8  ngr.  —  88.  A.  F.  Pott,  etymologische 
forschungen  auf  dem  gebiete  der  indo  -  germanischen  sprachen.  2. 
aufl.  4.  bd.     8.     Detmold.  Meyer;  6  thlr. 


Neue  Schulbücher. 

89.  Homers  Iliade  erklärt  von  W.  Koch.  4.  heft.  2.  aufl.  8. 
Hannover.  Hahn;  10  ngr.  —  89.  Präparationen  zu  Homers  Odyssee. 
3.  gesang.  16.  Ccln.  Schwan;  3!/2  ngr.  —  91 — 93.  Freund's  schü- 
lerbibliothek  zu  Sophokles  werken.  13.  hft.  16.  Leipzig.  Violet; 
5  ngr.:  —  zu  Horaz  werken.  5.  heft.  2.  aufl.  16.  ib.;  5  ngr.  — 
zu  Cornelius  Nepos.  1.  hft.  4.  aufl.  ebendas.  5  ngr.  —  94.  JB.  J3üch- 
senschütz,  griechisches  lesebuch.  2.  aufl.  8.  Berlin.  Oehmigke;  15 
ngr.  —  95.  6.  Stier,  griechisches  lesebuch  für  das  zweite  unter- 
richtsjahr.  8.  Wittenbei-g.  Kölling;  20  gr.  —  96.  J.  F.  Haug's 
Übungsbuch  zum  übersetzen  aus  dem  deutschen  ins  lateinische  für 
mittlere  classen.  1.  abth.  2.  aufl.  8.  Heilbronn.  Scheurlen ;  15  ngr. 
—  97.  W.  Kopp,  römische  kriegsalterthümer  für  höhere  lehranstal- 
ten  und  weitere  kreise  bearbeitet.  2.  aufl.  8.  Berlin.  Springer; 
10  ngr. 

Bibliographie. 

Zur  ergänzung  des  Phil.  Anz.  IV,  n.  12 ,  p.  608  über  das  Jubi- 
läum des  sächsischen  königspaars  gesagten  bemerken  wir,  dass  in 
Petzholdt's  N.  Anzeig,  für  bibliogr.  1873  heft  1—3  „die  litteratur 
zum  goldenen  ehejubiläum  des  königs  Johann  von  Sachsen«  angege- 
ben ist. 


Nr.  3.  Bibliographie.  169 

Die  academische  lesehalle  in  Wien  hat  einen  zweiten  Jahresbe- 
richt über  das  jähr  1872  veröffentlicht. 

Die  bisher  von  Dr  Bergmann  herausgegebenen  philosophischen 
monatshefte  erscheinen  vom  band  VIII  an  unter  der  redaction  von  Dr 
Ascherson,  Bergmann  und  Bratuschek. 

Bei  Gyldendul  in  Kopenhagen  erscheint:  Bibliotheca  danica.  Ca- 
talogue  systematique  de  la  litterature  danoise  de  1482  jusqu'ä  1830 
cett.:  genaues  giebt  Börsenbl.  nr.  26. 

Ueber  den  schaden  ,  der  aus  der  Vernichtung  der  stras^burger 
bibliothek  der  bibliographie  erwachsen,  hat  sich  Signouret  Souve- 
nirs du  bombardement  et  de  la  capüulation  de  Strassbourg.  Bayonne 
1872  sehr  stark  ausgesprochen;  daher  suchen  die  sache  auf  die  Wahr- 
heit zurückzuführen  Augsb.  Allg.  Ztg.  1872,  beil.  zu  nr.  352 :  und 
Börsenbl.  1872,  n.  47. 

lieber  die  ob.  nr.  2,  p.  127  erwähnte  arbeitseinstellnng  der  setzer  in 
Leipzig  giebt  genauere  nachricht  das  Börsenbl.  nr.19.  26  :  ferner  stehen 
ebend.nr.29  art.III.  IV,  welche  factisches  enthalten,  wie  auch  V— VIII 
in  nv.  33.  35.  39.  51.  57.  Dagegen  bilden  ein  ganzes  nr.  27.  35:  die 
arbeiterbewegung  und  der  buchhandel,  I:  der  schluss  lautet:  »aber 
so  viel  darf  man  als  ausgemacht  annehmen  ,  diese  folgen  werden 
keine  zusammenstürzenden  paläste  sein,  sondern  höchstens  eine  an- 
zahl   weinender  trauen!«  nr.  35   bringt  II,    beide  von  A.  Schürmann. 

Auch  ia  Hamburg  war  ein  setzer- strike  ausgebrochen:  das  haupt- 
ergebniss  war  rückkehr  der  setzer  in  die  offizinen  und  anstellung  von 
setzerinnen,  namentlich  in  den  grossen  buchdruckereien.  Börsenbl. 
nr.  51:  die  einführung  von  solchen  wird  im  Börsenbl.  nr.  53  von  E. 
A.  S.  lebhaft  empfohlen. 

Die  gruudsätze  des  Berliner  Verleger  -  Vereins  finden  sich  im  Bör- 
senbl. nr.  54. 

Die  verlagshandlung  von  G.  van  Muyden  in  Berlin  veröffentlicht 
einen  prospect  über  eine  von  Dr  Ad.  Laiin  bearbeitete  ausgäbe  von 
Moliere's  werken  mit  deutschen  einleituugen,  commentar  und  excursen. 

Prospecte  sind  uns  zugekommen  von  G.  Henry  Lewes  geschichte 
der  alten  philosophie,  2.  aufl.,  Berlin,  Oppenheim;  von  Dr  K.  R.  Ha- 
genbachs kirchengeschichte,  als  jetzt  vollständig  erschienen  in  7  bdn, 
Leipzig,  Hirzel;  Protestanten-  bibel  neuen  testaments  unter  mitwir- 
kung  von  Dr  Paul  Willi.  Schmidt  und  Dr  Fr.  v.  Holtzendorff ,  Leip- 
zig, Barth ;  auswahl  aus  den  kleineren  schritten  von  Jacob  Grimm, 
Berlin,  Dümmler. 

Verzeichniss  und  auswahl  von  büchern  aus  dem  verlag  der  Die- 
terichschen  Verlagsbuchhandlung  zu  Göttingen,  welche  bis  z.  e.  1873 
zu  bedeutend  ermässigten  preisen  abgegeben  werden. 

Cataloge  von  antiquaren:  antiquarisches  bücherlager  von  Kirch- 
hoff und  Wigand  in  Leipzig  nr.  368,  classische  philologie  und  archä- 
lologie;  verzeichniss  von  werken  aus  dem  gebiete  der  classischen  phi- 
ologie,  der  archäologie,  der  epigraphik  so  wie  der  alten  geschichte 
aus  dem  nachlasse  des  herrn  prof.  E.  Petersen  in  Hamburg,  welche 
zu  den  beigesetzten  preisen  von  List  und  Francke  in  Leipzig  zu  be- 
ziehen sind  ;  verzeichniss  des  antiquarischen  bücherlagers  der  Otto- 
sehen  buchhandlung  in  Erfurt,  Altclassische  philologie  und  alter- 
thnmskunde. 

Leipziger  bücherauetion,  3.  april  1873.  Verzeichniss  der  dou- 
bletten  der  universitäts  -  bibliothek  zu  Leipzig,  welche  nebst  andern 
Sammlungen  .  .  durch  H.  Härtung  in  Leipzig  versteigert  werden 
sollen. 


170  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  3. 

Kleine  philologische  zeitung. 

Eine  sehr  wichtige  sache,  welche  namentlich  auf  den  gymnasien 
auf  unverantwortliche  weise  aus  falscher  vornehmthuerei  vernachlässigt 
wird,  ist  der  schreibunterricht :  es  ist  äusserst  selten,  dass  man  un- 
ter den  studirenden  solche  trifft,  welche  eine  nur  erträglich  gute  band 
schreiben ;  jeder  der  schriftliche  arbeiten  der  studirenden  gelegenheit 
hat  zu  sehen,  wird  das  bezeugen.  Daher  ist  erfreulich ,  dass  jetzt  in 
andern  kreisen  man  anfängt  auf  die  schretbekunst  zu  achten ;  man 
vrgl.  Börsenbl.  1873,  nr.  1.  2.  »das  optische  verhalten  von  fractur 
und  antiqua«,  von  Otto  Müller:  es  lenkt  das  die  aufin  erksarukeit 
auf  diese  sache  auch  wohl  in  andern  kreisen,  als  für  die  grade  die- 
ser aufsatz  geschrieben. 

In  Ahrweiler  sind  bei  Neubauten  thon  -  und  glasgefässe  und  mün- 
zen von  Valerianus  gefunden.     Augsb.  Allg.  Ztg.  1872,  nr.  350,  beilage. 

Die  bnchhandlung  Hachetfe  in  Paris  hat  sich  ein  neues  verdienst 
erworben  durch  ausgäbe  des  buchs:  Histoire  de  la  Ceramique,  etade 
descriptive  et  raisonnee  des  poteries  de  tous  les  temps  et  de  tous  les 
peuples  par  Albert  Jacquemart ,  avec  200  fiyures  sur  Lots  et  12 
planches  ä  Venu  forte ,  par  Jules  Jacquemart.  vol.  I:  es  beginnt 
der  vf.  mit  Egypten:  sehr  wird  das  werk  in  der  Augsb.  Allg.  Ztg. 
1872,  nr.  361  empfohlen. 

Dr  Bischojf,  praktischer  arzt  in  Aleppo,  unternimmt  im  april 
eine  reise  nach  Palmyra:  näheres  s.  in  Augsb.  Allg.  Ztg.  1873,  beil.  nr.  37. 

Gbttingen.    Der  am  5.  nov.  1872  erfolgte    tod   des   auch  als  phil- 
hellenen  bekannten  Dr  Adolph  Ellissen  hat  namentlich   in  Griechen- 
land schmerzlich  überrascht.     Als  beweis  dieser  theilnahme    hat  der 
professor  an  der  Universität  zu  Athen  P.  Joannu  der  familie  des  hin- 
geschiedenen folgende  distichen  übersandt: 
'Enrnj/ußiof 
(lg  Tov  cal/LiytjaToy  'Adökrjov  'Elhaeevioy, 
ffWTayftiv  vnb  tov  xn^rjyt]Tov  'PMrtnou  "iwdyvov. 
Movo~j]  f/urj  y  iXoftgrjixp  odvQOfAivrj  inl  Tu/jßoig 
ovag  vTiia/tg  ngiv  tvfAtvig  fy  ßioTw.  («) 
"H  JV  a    anoiyö^ivov  vvv  uiutii  Gnvüyovca, 
ct\v  no9inva'  ägtTtjv,  tfilrctT'  'EXXiaaivtf. 
OücT  nvTrj  junvvt]  ff'  iJXoy  vgtrat,  ciXXa  xttl  'EXXdg 

av/unao',  5}  ff'  tffTtgl;'  loa  Ttxvoioiv  tolg' 
Jirjv  yt(Q  navgot  marov  vvov,  w?  o~v,  t'frjvav. 
ol  nXsovtg  ö"  oi  tao'  ig  \pöyov  b^vngoi,. 
(«)  Ztifxtiwcig.      Tovto    Xiytrcu    Ttsgl    tov  'Elhöotviov    wg    xgivttyrog   ngo 
nvwv  hwv  iiotr,[imä    Tiva  xal   fniTv/jßicc   tov   xadrjytjTov  tptXinnov   'icoüv- 
vov.     [S.  Götting.  Gel.  Anz.  1865,  st.  51.] 

Ueber  die  reisen  Livingstone's  sind  kurze  nachrichten  im  Staats- 
Anz.  1873,  nr.  20. 

München.  21.  Januar.  Unter  den  ausgrabungen  des  Dr  Schlie~ 
mann  —  s.  ob.  nr.2,  p.  125  —  nimmt  nach  der  beil.  z.  Augsb.  Allg.  Ztg. 
nr.  22  die  auffindung  eines  triglj-phen-blocks  von  panschem  marmor 
2  m.  lang,  86  cm.  hoch  mit  reliefdarstellung  des  Phoebos  Apollo  auf 
einer  quadriga  den  ersten  rang  ein.  Diesen  triglyphen-block  hielt 
Dr  Schliemann  gleich  anfangs  für  ein  meisterwerk  aus  der  zeit  des  Ly- 
simachus  aus  dem  ende  des  vierten  Jahrhunderts  v.Chr.,  während  pro- 
fessor Kumanoudis  in  Athen  und  Newton,  der  director  des  britischen 
museums,  meinen,  es  sei  zwischen  der  zeit  des  Perikles  und  Alexai 
ders  und  somit  etwa  um  375  v.  Chr.  in  Athen  entstanden  und  nacl 
Troja  geschickt  worden.  Ausser  diesem  für  die  kunstgeschichte  wicl 
tigen  fund  glaubt  der  genannte  forscher  auch  »Ilions  grossen  thurm« 
aufgedeckt  zu  haben. 


Nr.  3.  Kleine  philologische  zeitung.  171 

Zürich,  21.  januar.  Das  »Tagblatt  v.  Bünden«.  —  Augsb.  All- 
gem.  Zeitung  nr.  25.  Staats  -  Anz.  nr.  22  meldet  einen  interes- 
santen antiquarischen  fund  aus  dem  Veltlin:  in  Stazzona  wurde 
ein  römischer  grabstein  von  weissem  marmor  von  strassenarbeitern 
drei  meter  tief  in  der  erde  gefunden.  Der  stein  trägt  die  inschrift 
in  lateinischen  majuskeln  :  Pontico  Germanif.  Pecusae  Graici  f.  Cum— 
munnis,  Medussae  Graici  f.  sorori.  —  Hie  siti  sunt.  In  deutscher 
Übersetzung:  dem  Ponticus,  söhn  des  Germanicus,  derPecussa,  tochter 
des  Graicus,  den  Camunern,  der  Schwester  Medussa,  tochter  des  Grai- 
cus.  Hier  liegen  sie.  —  Stazzona  hat  seinen  namen  von  einer  römi- 
schen poststation.  Es  liegt  an  einem  wichtigen  knotenpunkte  des  Ver- 
kehrs in  der  mitte  des  Veltlins,  von  wo  aus  Seitenwege  nördlich  nach 
Puschlav  und  südlich  zu  den  Camunern  im  heutigen  Val  Camonica 
führten.  Die  namen  Pecussa  und  Medussa  haben  einen  provinzialen 
klang  und  scheinen  eher  aus  dem  etruskischen  zu  stammen  als  aus  dem 
lateinischen.  Dieser  fund  bildet  ein  nicht  uninteressantes  seitenstück 
zu  der  im  jähr  1871  in  Trevisio,  ebenfalls  im  Veltlin,  gefundenen 
etruskischen  inschrift.  Diese  fände ,  sowie  der  keltische  gräberfund 
in  Mels  sind  treffende  belege  für  die  aufstellungen  der  neuern  ethno- 
graphischen forschungen,  welchen  zufolge  die  südlichen  Alpenthäler 
Rhätiens  in  vorrömischer  zeit  von  Etruskern,  die  diesseitigen  hinge- 
gen von  Kelten  bewohnt  waren. 

Freiburg  i  B.,  24.  jan.  Gestern  starb  hier  der  geheime  hofrath 
Karl  ZMt  im  80  lebenswahre,  als  geschmackvoller  alterthumsforscher 
bekannt. 

Einen  kurzen  überblick  über  die  geschichte  der  universitäts-bi- 
bliothek  zu  Strassburg  giebt  der  Reichs-Anz.  n.  27  ;  vrgl.  dazu  eben- 
das.  nr.  48. 

Der  Reichs-Anz.  n.  26  enthält  ein  verzeichniss  der  personen,  wel- 
che sich  während  des  kriegs  1870/71  durch  patriotische  handlungen 
ausserhalb  des  kriegsschauplatzes  besonders  ausgezeichnet  haben. 

Im  monat  mai  1873  wird  durch  die  österreichische  regierung  aus- 
gerüstet eine  expedition  abgehen,  um  die  altgriechischen  ruinen  auf 
der  insel  Samothrake  zu  untersuchen ,  und  zwar  unter  leitnng  des 
prof.  AI.  Conze,  den  Alois  Hauser  und  G.  Niemann  begleiten.  Staats- 
Anz.  nr.  28,  beil.  1. 

In  J.  H.  Müllers  Zeitschrift  für  deutsche  kulturgeschichte  jahrg. 
1  heft  11  und  12  finden  sich  referate  über  die  Schriften  von  A.  Ho- 
rawitz  über  Beatus  Rhenanus. 

Es  geht  uns  zu:  Die  hausaufgaben  im  oberen  gymnasium  zu 
Stuttgart.  Ein  circular  und  eine  rede  von  rektor  Dr  K.  A.  Schmid.  8. 
Stuttgart.  Karl  Kirn.  1873,  ss.  20;  ein  treffliches  schriftchen,  welches 
zwar  zunächst  nur  einer  localen  veranlassung  seine  entstehung  ver- 
dankt; der  gegenständ  aber,  auf  den  es  sich  bezieht,  ist  von 
sehr  allgemeinem  pädagogischem  interesse.  Es  handelt  nämlich 
von  der  unentbehrlichkeit  und  nützlichkeit ,  wie  von  dem  umfang 
und  dem  rechten  mass  der  s.  g.  hausaufgaben.  Es  ist  im  höch- 
sten grade  dankenswerth,  dass  der  vf.  beides,  sowohl  das  circular 
und  die  anfrage  an  die  eitern,  als  auch  die  besprechung  der  einge- 
gangenen antworten  für  weitere  kreise  veröffentlicht  hat.  Den  kla- 
gen mancher  eitern,  dass  ihre  kinder  von  seiten  der  schule  mit  zu- 
viel häuslichen  arbeiten  überbürdet  würden,  wird  man  nicht  leicht 
treffender  begegnen  können,  als  es  hier  geschieht.  Wir  freuen  uns 
mit  dem  vf.  über  das  günstige  ergebniss  der  von  ihm  angestellten  en- 
quete,  durch  das  sich  auch  andere  gymnasien  von  neuem  ermuntert 
fühlen  werden,  »an  dem  bestreben  festzuhalten,  dass  die  ihnen  anver- 
traute jugend  auch  durch  zweckmässige  hausaufgaben  zu  der  intellectu- 


172  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  3. 

eilen  und  sittlichen  kraft  und  Selbständigkeit  herangezogen  werde, 
die  zur  erfüllung  der  sie  erwartenden  lebensaufgaben  erforderlich  ist, 

n. 

Seit  october  v.  j.  erscheint  unter  dem  titel :  »Deutsche  Schulge- 
setz -sammluug,  centralorgan  für  das  gesammte  Schulwesen  im  deut- 
schen reiche,  in  Deutsch -Oesterreich  und  in  der  Schweiz«  eine  Wo- 
chenschrift unter  redaction  des  seminarlehrers  a.  d.  Eduard  Keller, 
welche  die  das  Schulwesen  dieser  länder  betreffenden  gesetze,  Verord- 
nungen u.  s.  w.  ohne  sonstige  zutbat  enthält. 

Rom.  26.  januar.  Dieser  tage  ist  in  der  Villa  Casali  an  der  Via 
Appia  ein  altes  grab  von  sehr  schöner  architektur  entdeckt  worden. 
Es  besteht  aus  drei  kammern,  welche  vier  mit  bildhauerarbeiten  ver- 
zierte sarge  aus  weissem  marmor  enthalten.  Diese  Skulpturen  stel- 
len in  erhabener  arbeit:  1)  die  Musen,  2)  Bacchus  und  Ariadne,  3) 
eine  jagd  auf  wilde  thiere  und  4)  die  thür  eines  grabmals  dar.  Man 
nimmt  an,  dass  eine  der  Musen,  deren  haupt  mit  blumen  bekränzt 
ist,  das  bildniss  der  verstorbenen  darstellt ,  deren  Überreste  in  dem 
grabe  ruhen.  Man  liest  auf  demselben  :  Titus  Olius  Nikephoms.  Die 
schritt,  der  styl  der  Skulpturen  und  andere  einzelheiten  verweisen 
die  gräber  in  die  zeit  des  Septimius  Severus.  Eine  der  frauen  trägt 
ihre  haare  nach  art  der  Iulia  Mammäa,  ein  diadem  von  haaren  auf 
hoher  stirn ,   was  sehr  charakteristisch   ist.     Reichs-Anz.  nr.  29. 

Hanau.  28.  januar.  Notizen  über  die  bd.IV,  n.9  p.  474  erwähnten 
ausgrabungen  in  unserer  gegend  gibt  Augsb.  Allg.  Ztg.  1872,  beil. 
zu  nr.  354,  auch  Reichs-Anz.  n.  32:  sie  haben  kein  wissenschaftliches 
interesse ,  sind  auch  sonst  nicht  eben  erfreulich.  Anderes  giebt  A. 
Duncker  in  Augsb.  Allg.  Ztg.  1873  beil.  zu  nr.  2.  Einen  gegenständ 
erläutert  genau  Philol.  XXXIIT,  2,  p.  335  sq. 

Berlin.  4.  februar,  sitzung  der  archäologischen  gesellschaft.  E.  Cur- 
tius  legte  der  gesellschaft  den  schluss  von  prof.  Starks  inhaltreichen 
briefen  über  seine  reise  in  Kleinasien  und  Griechenland  (aus  der 
»Allg.  Ztg«  s.  unt.  p.  175)  vor,  ferner  die  altattischen  künstlerinschriften, 
die  prof.  Rhusopulos  herausgegeben,  dann  prof.  Conze's  Übersicht  über 
die  neueren  erscheinungen  in  der  archäologischen  literatur  (aus  der 
»Oesterreichischen  Zeitschrift  für  gymnasien«)  und  das  verzeichniss 
cyprischer  alterthümer  aus  der  Sammlung  Pierides,  welche  in  Paris 
zur  Versteigerung  ausgestellt  werden,  endlich  das  nunmehr  vollendet 
vorliegende  grosse  werk  von  Perrot ,  Guillaume  und  Delbet  über  die 
denkmäler  von  Galatien,  Phrygien,  Cappadocien  und  Pontus.  Der 
vortragende  erörterte  die  kunstgeschichtliche  bedeutung  dieses  wer- 
tes, welches  die  kleinasiatischen  Untersuchungen  von  H.  Barth  we- 
sentlich vervollständige;  er  wies  darauf  hin,  dass  es  durch  diese  Publi- 
kation, sowie  durch  das  werk  von  Longperier  über  das  Mitsee  Napo- 
leon III.  mehr  und  mehr  gelinge,  gewisse  typische  formen  der  baby- 
lonisch -  assyrischen  kunst  in  ihrer  Verbreitung  nach  westen  auf  dem 
land  -  und  seewege  zu  verfolgen  und  dass  man  dabei  den  stil  der 
weberei  und  den  auf  siegelbilder  zurückgehenden  wappenstil  zu  un- 
terscheiden habe.  —  Adler  legte  den  aufsatz  von  W.  Gurlitt  und  E. 
Ziller  über  das  Theseion  zu  Athen  (in  Lützows  Zeitschr.  für  bildende 
kunst  VIII,  3,  p.  86  ff.)  vor  und  besprach,  anknüpfend  an  seinen 
am  Wiuckelmannsfeste  v.  j.  gehaltenen  Vortrag  über  das  Theseion 
und  dessen  doppelten  sekos  für  Herakles  und  Theseus  den  werth  der 
darin  niedergelegten  Untersuchungen,  bei  denen  er  die  wichtige  frage, 
ob  und  wieweit  eine  plinthe  in  der  postikumthür  vorhanden  ist  oder 
wie  dieselbe  endigt,  leider  unberücksichtigt  fand.  Der  vortragende 
führte  aus,  wie  seiner  meinung  nach  die  neueren  Untersuchungen  sei- 
ner hypothese  über  das  Herakleion-Theseion  nicht  hinderlich  wären, 


Nr.  5.  Kleine  philologische  zeitung.  173 

und  stützte  seine  erklärung  durch  neue  gründe,  nämlich  durch  beto- 
nung  des  umstandes,  dass  der  tempel  seit  dem  mittelalter  als  The- 
seustempel  genannt  und  bekannt  wäre,  ferner  durch  die  hindeutung 
auf  die  kimonische  gründungszeit,  die  noch  unter  dem  eindruck  des 
marathonischen  sieges  sowie  der  dabei  von  Theseus  geleisteten  hülfe 
gestanden  habe,  und  endlich  durch  hinweisung  auf  den  tempel  zu 
Sunion,  der  (in  massen,  proportionen,  anten-  und  deckenbildung)  mit 
dem  Theseion  nahezu  kongruent  sei.  Da  aber  der  tempel  zu  Sunion 
nach  Vitruv  Arch.  IV,  8,  der  ausführlich  erläutert  wurde,  und  den  er- 
haltenen resten  sicher  als  ein  »doppelheiligthum«  zu  erkennen  sei, 
so  wäre  also  auch  das  Theseion  (ebenso  wie  der  grössere  tempel  zu 
Rhainnus)  ein  doppelheiligthum  und  zwar  des  Herakles  und  Theseus. 
Am  scbluss  besprach  er  noch  die  einzelnen  tempel ,  die  in  der  ange- 
führten Vitruvstelle  ausser  dem  tempel  zu  Sunion  erwähnt  werden. 
An  der  debatte,  die  sich  an  den  Vortrag  anscbloss ,  betheiligten  sich 
namentlich  Curtius  und  Hübner.  —  G.  Wolff  wies  einen  bei  Brunn  und 
Overbeck  noch  nicht  verzeichneten  nialer  Timotheus  beiPsellos  (hinter 
de  operatione  daemonum  ed.  JSoissonade  p.  134)  nach;  vgl.  auch  Chori- 
cius  ed.  Boiss.  p.  172.  Dagegen  seien  die  schritten  über  tempel  bei 
Bipponion,  dort  befindliche  erzthüren  des  Dädalos  und  Praxiteles  und 
anderes  aus  Proklos  auszügen  über  die  orakel  bei  Marufioü  chroniche 
ed  antichitä  di  Calubria  (Padua  1601)  lälschungen;  jener  Minoritenpa- 
ter  habe  vielfach  namen  von  schriltstellern  und  werken  für  seine  be- 
lege erdichtet.  —  Hübner  legte  das  soeben  erschienene  8.  heft  der 
archäologischen  zeitung  ,  ferner  die  beiden  ersten  hefte  der  in  Porto 
erscheinenden  portugiesischen  Archeologia  artistica  (von  freilich  sehr 
unarchäologischem  inhalt),  die  beiden  neuesten  hefte  der  Revue  ar- 
che-ilogique,  endlich  den  dritten  theil  von  Bruee's  grossem  werk  über 
die  römischen  alterthümer  in  Nordengland  [lapidunum  septentrionale) 
vor.  Perrot  hat  der  gesellschaft  ein  exemplar  seines  jetzt  fertig  ge- 
wordenen .prachtweikes  über  Galatien  zum  geschenk  gemacht,  wo- 
für ihm  der  schuldige  dank  hiermit  öffentlich  erstattet  wurde.  Der 
vortragende  berührte  dann  noch  kurz  einige  von  A.  Philippi  in  dem 
aufsatz  über  römische  triumphal-reliefs,  der  der  gesellschaft  schon 
einmal  vorgelegen  hatte,  aufgestellte  behauptungen;  zu  einem  nähe- 
ren eingehen  auf  diese  vielfach  anregende,  aber  andererseits  auch 
sehr  unzulängliche  arbeit,  fehlte  es  an  zeit.  Wenn  die  vom  Verfasser 
in  aussieht  gestellte  publikation  der  reliefs  vom  Claudius -bogen, 
welche  in  den  institutsschnften  erfolgen  soll,  vorliegt,  wird  im  zu- 
zammenhang  auf  die  an  dies  bisher  noch  ganz  vernachlässigte  kunst- 
gebiet sich  anschliessenden  tragen  zurückzukommen  sein.  —  Heyde- 
rnann  legte  zuerst  die  durchzeichnung  einer  Lekythos  im  Mnseo  Ci- 
vico  zu  13ologna  (nr.  147"J)  vor,  die  er  der  gütigen  vermittelung  W. 
Gurlitts  und  E.  Scbulze's  verdankte  und  die  von  interesse  ist,  weil 
sie  aus  derselben  fabrik  gefälschter  bemalter  vasen  stammt,  aus  der 
die  moderne  Leesensehe  vasenzeichnung  nr.  Iü7  herrührt  (s.  Phil.  Anz. 
III,  n.  11,  p.  562);  auf  der  vase  zu  Bologna  ist  dieselbe  alte  tanzende 
frau  dargestellt,  die  sich  bei  Leesen  findet.  Dann  besprach  er  eingehend 
den  stattlichen  katalog  der  Sammlung  des  E.  de  Meester  de  Rave- 
stein:  3Iusc'e  de  JRavestein  (Liege  1871.  2  bde.  gr.  8),  der  von  dem 
besitzer  selbst  geschrieben,  eiu  schönes,  bleibendes  denkmal  seiner 
kunstliebe  und  gelehrsainkeit  ist.  Die  Sammlung,  welche  sich  auf 
dem  schloss  Ravestein  bei  Mecheln  befindet,  ist  ungemeiu  reich  an 
kleineren  bronzen,  geschnittenen  steinen,  münzen  und  terrakotten, 
die  meistens  aus  Italien  stammen;  doch  sind  auch  belgisch -römische 
antiken  gut  vertreten.  Aeusserst  interessant  ist  auch  die  sammluno- 
der  verschiedenen  marmorarten,    welche  die  alten  zu  plastik  und  ar- 


174  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  3. 

chitektur  verwandten  und  in  solcher  Vollständigkeit  wohl  nirgends 
zu  finden  sein  möchten.  Ein  atlas,  der  hoffentlich  nicht  zu  lange 
auf  sich  warten  lässt,  wird  den  gelehrten  die  bisher  nur  theilweise 
(namentlich  in  den  Schriften  des  römischen  instituts)  publizirten  an- 
tiken noch  zugänglicher  und  bekannter  machen.  Ferner  legte  der 
vortragende  noch  die  darstellung  des  rasenden  Lykurgos  auf  einer 
neuen  im  September  v.  j.  in  Ruvo  gefundenen  und  ins  museum  Jatta 
gekommenen  vase  vor,  deren  bause  er  der  gute  Giovanni  Jatta's  ver- 
dankt, und  die  schritt  von  Simone  Un  ipogeo  Messapico  (Lerre.1872, 
2  taf.)  worin  über  ein  am  30.  august  v.  j.  bei  Rusce  (in  der  nähe 
von  Lerre)  gefundenes  grabmal  mit  messapischen  inschriften  berichtet, 
sowie  über  die  Urgeschichte  des  alten  Kalabrien  phantasirt  wird.  — 
V.  Sallet  besprach  einen  kupferstich  Dürers  (die  s.  g.  eifersucht), 
welcher  einen  gegenständ  aus  der  giechischen  mythologie  behandelt. 
Die  darstellung  des  blattes  —  ein  im  schooss  eines  satyrs  liegen- 
des weib  wird  von  einem  andern  weibe,  das  einen  knüttel  schwingt, 
bedroht ;  daneben  steht  abwehrend  ein  nackter  mann  mit  einem 
vorgehaltenen  baumstamme ;  rechts  entflieht  ein  knabe  —  wird  bis 
in  die  neueste  zeit  auf  die  mannichfaltigste  und  unverständigste  art 
erklärt,  doch  schon  Vasari  erkannte  darin  eine  mythologische  scene. 
Seit  Hausmann  nachgewiesen,  dass  Dürer  selbst  in  seinem  tagebuch 
das  blatt  den  »Herkulum«  nennt,  und  seit  der  vortragende  auf  den 
Zusammenhang  dieses  »Herkules«  mit  einem  unstreitig  nach  dem  Dü- 
rerschen  bilde  kopirten  blättchen  von  H.  S.  ßeham,  den  satyr  mit 
dem  weib  im  schoosse  allein '  darstellend  und  die  beischriften  DEI 
ANIRA  NESSVS  tragend,  aufmerksam  gemacht  hat  und  wenn  man 
erwägt,  dass  auch  Aldegrever  die  Ceutauren  als  satyre  darstellt,  wird 
die  annähme  fast  zur  gewissheit,  dass  auch  das  Dürersche  blatt  den 
mythus  von  Herkules ,  Nessus  und  Deianira  in  einer  allerdings  noch 
nicht  aufgefundenen  verderbten,  vielleicht  mittelalterlichen  Version 
darstelle.  Herkules  spielt  hier,  wie  schon  bisweilen  im  alterthum, 
eine  komische  und  lächerliche  rolle,  indem  er  sein  untreues  weib 
und  deren  liebhaber  gegen  angriff  schützt.  Von  einer  Zuneigung  der 
Deianira  zu  Nessus  scheint  die  klassische  mythologie  nichts  zu  wissen, 
—  Reichsanz.  nr.  42. 

In  Athen  sind  im  monat  februar  zwei  statuen  aus  der  zeit  Ha- 
drians  gefunden  worden,  die  eine  stellt  den  Asklepios,  die  andre  die 
Hygieia  dar:  Reichs- Anz.  nr.  43. 

Berlin.  15.  februar.  Heute  starb  hier  der  geheime  justizrath  Dr 
A.  Rudorff,  bekannt  namentlich  durch  seine  arbeiten  auf  dem  ge- 
biete der  römischen  rechtsgeschichte. 

Weimar.  18.  februar.  Der  professor  der  aegyptologie  in  Leipzig, 
Dr  Georg  Ebers,  der  seit  vorigem  herbst  in  Aegypten  weilt,  hat 
in  dem  zu  der  nekropolis  von  Theben  gehörenden  Abd-el- Ausuah 
das  grab  eines  gewissen  Amen -em- heb  auflegen  lassen  und  in  ihm 
eine  historische  inschrift  von  grossem  und  allgemeinem  interesse  ent- 
deckt. Es  wird  in  ihr  der  lebenslauf  des  verstorbenen  den  nachge- 
borenen niitgetheilt.  Amen-em-heb  lebte  in  der  XV11I.  ägyptischen 
dynastie,  etwa  im  17.  Jahrhundert  vor  Christus  und  nahm  theil  an 
den  feldzügen  des  Pharao  Tutines  JH.,  mit  dem  er  den  Euphrat  über- 
schritt uud  vou  dem  er  dekorationeu  aller  art  für  seine  heldenthaten 
empfing.  Viele  namen  von  westasiatischen  städten  geben  künde  von 
der  ältesten  form  derselben.  Ihre  folge  giebt  wichtige  geographische 
fingerzeige.  Besonders  werthvoll  für  die  Chronologie  ist  die  angäbe 
der  regierungsdauer  des  grossen  königs  Tutmes  III.  aut  jähr  und 
tag,  monat  und  tag.  Unter  Ameuophis  IL,  dem  nachfolger  des  Tut- 
nies, war  Amen-em-heb  ein  geehrter  hofmann.    Reichs- Anz.  nr.  47. 


Kr.  3.  Auszüge  aus  Zeitschriften.  175 

Berlin.  24.  februar.  In  der  heutigen  sitzung  der  academie  der 
Wissenschaften  las  prof.  Bonitz  über  Platon's  Eutyphron. 

Leipzig.  25.  februar.  Heute  starb  79  jähr  alt  doinherr  und  pro- 
fessor  Dr  Gr.  Lud.  Th.  Marezoll,  besonders  bekannt  durch  seine  arbei- 
ten über  römische  rechtsgeschichte. 

Berlin.  8.  märz.  Heute  hielt  prof.  Zeller  einen  Vortrag  über 
nationalität  und  humanität.     Auszüge  s.  iui  Reichs-Anz.  nr.  61. 

Hildesheim.  8.  märz.  Nachbildungen  des  hiesigen  silberfundes, 
ein  geschenk  des  königs ,  sind  im  städtischen  museuni  heute  aufge- 
stellt. 

Nach  dem  Athenaeum  "will  der  custos  der  manuscripte  im  Bri- 
tish Museum  einen  catalog  der  ältesten  dort  aufbewahrten  manuscripte 
mit  facsimiles  herausgeben. 

Rom.  8.  märz.  Im  gebiete  von  Aricia  bei  Albano  hat  man  eine 
beträchtliche  anzahl  von  vasen ,  geräthschaften  u.  s.  w.  entdeckt  von 
denen  man  meint,  dass  sie  den  alten  einwohnern  Latiums  angehören. 
Reicbs-Anz.  n.  63  beil.  1. 

Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Augsburger  Allgemeine  Zeitung  1872,  nr.  351,  dann  beil.  von  nr. 
352 — 357  :  B.  Stark,  nach  dem  griechischen  Orient.  VII  (schlussar- 
tikel):  aus  dem  hellenischen  königreich  und  von  der  heimkehr:  be- 
schreibt lebendig  die  quarantaine  in  Syra,  kommt  dabei  auf  Ka'iris, 
den  durch  die  iuseln  vermittelten  Zusammenhang  zwischen  Orient  und 
occident,  auf  den  nationalcharacter  der  jetzigen  Griechen;  dann  folgen 
notizen  über  die  reste  des  theater  in  Syra,  mit  inschrift  'Aoafjudwoov, 
welche  auf  einen  ehreu  platz  oder  auf  den  namen  der  ganzen  abtheilung 
bezogen  wird,  darauf  beschreibung  eines  vierwöchentlichen  aufenthalts 
in  Athen:  zuerst  gesellschaftliches,  Schilderung  einer  taufe:  »merk- 
würdig war  dabei  das  sichere  einsetzen  des  Kyrie  eleison  von  dem 
den  priester  als  sänger  begleitenden  knaben.  Sofort  nach  schiuss  des 
actes  jubel  und  begeisterung  vor  allen  über  die  von  kindern  der  fa- 
milie  hereingetragenen  platten  von  confect  aller  art  und  nüssen,  die 
unter  die  festveivainmlung  geworfen  wurden« :  dann  Wanderungen  in 
Athen,  dabei  erwähnung  einer  inschrift,  in  der  die  namen  der  stadfr- 
theile  Mehtu  und  Kode  vorkommen;  es  folgen  topographische  betrach- 
tungen  (nr.  353),  so  über  die  sg.  nyü$,  die  vf.  als  volksversammlungs- 
platz  verwirft,  dagegen  als  uralten  felsaltar  der  Kranaer  (s.  Piniol. 
XXXII1,  p,  99  flgg.)  bezeugt,  er  bezieht  Paus.  1,  28,  8  auf  sie;  dann 
über  den  N  vmphenhügel  ,  den  Areopag ,  in  dessen  nähe  E.  Curtius 
lang-  und  quergräben  ziehen  liess,  die  manches  erläuterten,  aber  zu 
beistimmten  resultaten  nicht  führten:  es  werden  dann  kurz  erwähnt 
die  Attalos-stoa,  die  sg.  Griganten-stoa,  mehrere  statuen,  ausführlicher 
aber  die  gräberstrasse,  und  gelangt  der  vf.  hierauf  zur  Akropolis  (nr. 
356)  mit  ihrem  tbeater,  pvopyläen  u. s.w.,  wo  wir  überall  den  treff- 
lichen arbeiten  der  deutscheu  gelehrten  entgegentreten  und  schliesst 
nach  einem  blick  auf  die  autikensamtnlungen  im  moderuen  Athen, 
die  eben  nicht  gut  wegkommen,  mit  angäbe  der  ausflüge  in  die  wei- 
tern Umgebungen  Athens.  Auf  der  rückreise  wird  nur  Bologna  be- 
sonders hervorgehoben.  —  A ddresse  der  Universität  Strassburg  an 
prorector  prof.  Dr  Bruch.  —  Beil  zu  nr.  352 :  notizen  über  die 
Schenkungen  an  die  strassburger  bibliotbek.  —  Beil.  zu  nr.  353: 
Roget  de  ßelloguet:  nekrolog:  forscher  über  die  älteste  geschichte 
der  Kelten.  —  Nr.  354:  Norris  in  London  f-  —  Nr.  354:  Asso- 
pios  in  Athen  f.  —  Nr.  356:  gedanken  eines  Griechen  über  die 
Laurion- frage.  —     Beil.  zu  nr.  359:   der  chaldäische  fluthbericht.  — 


176  Auszüge  aus  Zeitschriften,  Nr.  3* 

Künstlerische  prachtwerke  II  (n.  I  in  beil.  zu  nr.  345),  von  W.  Lübke. 

—  Das  Winkelmannsfest  in  Rom:  bericht  über  die  am  14.  dec.  1872 
gehaltene  sitzung  des  archäologischen  instituts,  aus  dem  wir  hervor- 
heben den  Vortrag  von  W.  Heibig  über  die  in  CeiTetri  gefundene 
vase  des  Duris,  mit  darstellungen  aus  dem  Unterricht  der  griechi- 
schen jugend;  dann  aus  dem  vom  prof.  Henzen  die  übersiebt  aus  den 
neuesten  ausgrabungen  in  Rom,  in  der  er  besonders  bei  den  beiden 
grossen  marmorreliefs  (s.  Philol.  Anz.  IV,  n.  11,  p.  574)  in  der  nähe 
der  säule  des  Phokas  verweilte:  sie  scheinen  die  balustraden  ei- 
nes engen  Zuganges  zu  irgend  einem  theile  des  forum  gebildet 
zu  haben.  Jedes  derselben  hat  auf  der  rückseite  die  opferthiere 
der  suovetaurilien ,  auf  der  Vorderseite  sehr  figurenreiche,  offen- 
bar historische  darstellungen  und  im  hintergrunde  verschiedene 
tempel  und  andere  gebäude.  Die  rostra,  der  ruminalische  feigen- 
baum  und  die  statue  des  Marsyas,  welche  auf  beiden  reliefs  sich  fin- 
den, zeigen  dass  die  handlung  auf  dem  forum  vor  sich  geht.  Diese 
scenen  sind  nach  vf.  auf  die  zeit  Trajan's  zu  beziehen :  das  eine  giebt 
eine  Verherrlichung  der  erst  von  Trajan  begründeten  alimentenstiftung 

—  daher  die  vor  dem  sitzenden  kaiser  stehende ,  ihm  ein  kind  dar- 
reichende flau,  dann  der  von  lictoren  umgebene  auf  den  rostris  ste- 
hende, zum  volke  redende  kaiser  — ,  das  andre  stellt  die  Verbren- 
nung der  listen  der  von  Trajan  erlassenen  stenerrückstände  dar.  — 
Beil.  zu  nr.  361.  362:  einige  bemerkungen  zu  den  »erinnerungen  aus 
der  Steinzeit.  II:  nr.  I  steht  in  beil.  zu  n.  338.  —  Zur  archäologi- 
schen literatur ,  von  prof.  X.  Kraus ,  bespricht  kurz  werke  von  de 
Rossi  und  Oarucci,  die  sich  auf  die  katakomben  beziehen  und  macht 
dabei  aufsein  eignes  buch  aufmerksam:  über  die  römischen  blut-am- 
pullen.  —  Nr.  362:  inhaltsangabe  von  heft  2  des  werkes  des  berli- 
ner generalstabes  über  den  krieg  von  1870/71.  —  Beil.  zu  nr.  362: 
die  grundlinien  des  hm  von  JVlühler:  anzeige.  —  Nr.  363:  kurz 
wird  aufmerksam  gemacht  auf  das  werk:  La  conquete  de  Constantino- 
ple  par  Geoffroi  de  Villa  Hur  du  in,  publice  pur  Natalie  de  Wailiy. 
Paris.  Didot.  1872,  gleichzeitige  beschreibung  der  eroberung  von 
Constautiuopel  1204.  —  Beil.  zu  nr.  361  —  366:  Th.  Ziegler  kritik 
gegen  kritik.  I.  II.  III:  bezieht  sich  auf  das  buch  von  Slrauss: 
der  alte  und  der  neue  glaube:  s.  ob.  heft  1,  p.  61.  —  Nr.  366: 
ultramontane  Schmähschriften  und  heiligea-erscheinungen  im  Elsass.  — 
Die  ausgrabung  und  Wiederherstellung  der  Krypta  unter  dem  ostchor 
des  rnainzer  doms:  zeigt  unter  andern,  wie  weit  sich  die  alte  römi- 
sche technik  ins  mittelalter  erstreckt.  —  Beil.  zu  nr.  366:  eine  kri- 
sis  des  römischen  Staats  in  alter  zeit:  wendet  die  zustände  im  j.  522 
a.  u.  auf  die  kämpfe  über  die  kreisverfassung  im  herrenhaus  zu  Ber- 
lin an. 

1873.  Nr.  1:  ein  neujahrswunsch,  von  B.  Auerbach:  es  möge  der 
10.  mai  zum  festtag  für  die  Wiedervereinigung  Deutschlands  bestimmt 
werden.  —  Beil.  zu  nr.  1:  Ausgrabungen  in  Troja:  s.  ob.  heft  2,  p. 
125.  —    Nr.  2:  ein  blick  auf  die  innere  politik  des  deutschen  reichs. 

—  Beil.  zu  nr.  2,  nr.  13.  Beil.  zu  nr.  13  Lauth,  ägyptische  reise- 
briefe.  1.11. III.  —  Unterrichtsreform  in  Japan. —  Nr.  3:  die  directo- 
ren  der  höhern  englischen  schulen  wollen  die  ersetzuug  des  lateini- 
schen und  griechischen  Unterrichts  durch  französisch  oder  deutsch  befür- 
worten. —  Beil.  zu  nr.  7.  8.  9.  10:  Fr.  v.  Loher,  vom  sprach-  und 
Völkerstreit  in  Ungarn.  —  Beil.  zu  nr.  9 :  iu  Sachen  des  Strauss'- 
schen  buches,  von  Haber;  gegen  Ziegler,  s.-  ob.  beil.  zu  nr.364.  —  Beil. 
zu  nr.  10:  Louis  Napoleon  f-  —  Kraus,  katakomben  und  christliche 
kunst:  anzeige:  s.  ob.  in  beil.  zu  nr.  361.  —  Erklärung  des  aus- 
drucks  blaustrümpfe. 


Nr.  4.  April  1873. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben  als   ergänzung  des  Philologus 

von 

Ernst  von  Leutsch. 


98.  Studien  zu  Valerius  Flaccus  von  Dr  Adolph  Löh- 
bach.  Jahresbericht  des  progymnasium  zu  Andernach  für 
das  Schuljahr  1871  —  72.     17  s.     4. 

Der  Verfasser,  welcher  schon  in  dem  programme  von  1869 
schätzenswerthe  beitrage  zur  kritik  der  Argonautica  geliefert 
hatte,  bespricht  in  dieser  abhandlung  wieder  eine  ziemliche  an- 
zahl  von  stellen  dieses  gedichtes,  welche  er  theils  zu  erklären, 
theils  zu  verbessern  sucht.  Seine  kritik  ist  fast  durchaus  eine 
objective,  auf  richtigen  anschauungen  von  der  Überlieferung  des 
textes  beruhende,  und  macht  so  einen  sehr  wohlthuenden  ein- 
druck  gegenüber  der  ganz  unverantwortlichen  willkür,  mit  wel- 
cher neulich  in  den  Jahn'schen  Jahrbüchern  (1872,  3,  p.197  ff.) 
die  Argonautica  behandelt  worden  sind.  Auffallend  ist  es,  dass 
Löhbach,  der  doch  sonst  mit  recht  auf  den  codex  des  Carrion 
(C)  kein  gewicht  legt,  VIT,  341  qui  nunc  est  periturus  (qui  nunc 
est  prvnwevus  C,  qui  nunc  est  crudelis  Monac.)  schreiben  will; 
denn  crudelis,  die  echte  lesart,  kann  man  doch  nicht  so  leicht 
preisgeben  und  jenes  periturus  lässt  sich  nur  dann  denken,  wenn 
man  von  jenem  primaevus  ausgeht.  Um  nun  gleich  diejenigen 
bemerkungen,  welche  beachtenswerth  scheinen,  hervorzuheben, 
erwähnen  wir  I,  535  die  richtige  erklärung  von  varios  .  .  . 
reges  (ich  hatte  dafür  mit  Slothouwer  varias  .  .  .  leges  ge- 
schrieben), wornach  darunter  die  in  den  verschiedenen  perioden 
der  geschichte  herrschenden  Völker  (vgl.  543)  zu  verstehen  sind; 
es  ist  belehrend  hiefür  Eutil.  Nam.  I,  83  ff.  zu  vergleichen; 
ferner  die  conjecturen  meriti  I,  797  (obwohl  regis  tectis  sich  als 
ein  begriff  fassen  lässt),  nam  II,  524,  cum  III,  350,  illum  statt  unum 
VII,  240,  invictae  VIII,  224;  der  Vorschlag  die  verse  VI,  572—574 
Philol.  Anz.  V.  12 


178.  98.  Valerius  Flaccus.  TCr,  4. 

hinter  554  zu  stellen,  die  interpunction  proxima,  quaegue  IV, 
440 ,  dann  der  weitere  nacbweis  für  die  in  meinen  Stu- 
dien p.  12  ff.  begründete  ansieht,  dass  Valerius  sein  gedieht 
in  unfertigem  zustande  hinterlassen  habe,  der  aus  III,  181  ge- 
zogen wird;  denn  dieser  vers  ist  an  seinem  platze  allerdings 
befremdlich,  obwohl  ich  ihn  deshalb  noch  nicht  der  Hylasepi- 
sode  zuweisen  möchte.  Der  schroffe  Übergang  VI,  755  wird 
wohl  aus  demselben  gründe  zu  erklären  sein  und  möchte  ich 
deshalb  die  conjeetur  ad  fera  Nyctelii  paulum  ut  per  cett.  nicht 
vertreten.  Ganz  vortrefflich  ist  die  bemerkung  zu  III,  208 
ff.,  dass  hier,  sowie  IV,  507  ff.  und  686  ff.  nur  der  aus- 
bruch  des  Vesuv  im  august  79  gemeint  sein  kann,  da  man 
ja  bis  zu  diesem  jähre,  insoweit  es  eine  historische  Überliefe- 
rung gibt,  den  vulkan  für  erloschen  hielt.  Darnach  war 
Valerius  um  das  jähr  80  erst  in  der  ausarbeitung  des  dritten 
und  vierten  buebes  begriffen,  kann  also  recht  wohl  bis  86  oder 
87  gelebt  haben,  wodurch  das  bekannte  nuper  des  Quintilianus 
eine  leichtere  deutung  erhält.  Wir  sehen  daraus,  dass  er  sehr 
langsam  arbeitete;  denn  71  war  das  buch  vollendet  (vgl.  meine 
Studien  p.  6  ff.)  und  15  oder  16  jähre  nachher  war  der  dich- 
ter nur  bis  in  die  mitte  des  achten  buches  gekommen. 

An  anderen  stellen  kann  ich  mich  mit  dem,  was  der  verf. 
bietet,  nicht  einverstanden  erklären.  Die  conjeeturen  me  Pe- 
lias,  me  fata  trahunt  (I,  200),  paratos  statt  paternos  (243),  et 
meritos  (508),  bruma  rigens  (515),  resoluta  (II,  536,  nicht  wie  irr- 
thümlich  steht,  526;  so  muss  auch  gleich  vier  zeilen  nachher 
562  statt  526  geschrieben  werden),  VII,  119  consedit  in  und  dgl. 
sind  überflüssig,  da  die  überlieferte  lesart  sich  ganz  gut  erklären 
lässt.  Um  nur  eines  oder  das  andere  der  eben  angeführten 
beispiele  näher  zu  beleuchten,  heben  wir  v.  508  heraus,  wozu 
vf.  bemerkt  „an  ist  nicht  haltbar,  weil  es  einen  gegensatz 
voraussetzt ,  welcher  zwischen  der  glücklichen  fahrt  der 
Argo  und  den  klagen  des  Sol  nicht  existirt".  Diese  auffas- 
sung  ist  unrichtig.  Der  Sonnengott,  welcher  den  willen  des 
Juppiter  recht  wohl  kennt,  stellt  sich  so,  als  ob  er  noch  daran 
zweifelte  und  fragt:  „ist  dies  dein  wille,  in  welchem  falle  ich 
mich  bescheiden  müsste,  oder  kann  ich  mich  darüber  ausspre- 
chen". Man  sieht,  dass  an  hier  ganz  passend  ist.  —  Bruma  statt 
nube  (v.  515)  wäre  erträglich,    wenn  es  als  ablativ  gefasst  wer- 


Nr.  4.  98.  Valerius  Flaccus.  179 

den  könnte,  aber  als  nominativ  ist  es  doch  gar  nicht  denkbar, 
weil  offenbar  sona  das  subject  ist;  nur  für  dieses  subject  passt 
nescia  veris,  dagegen  für  bruma  nicht,  und  man  wird  doch  nicht 
nach  rigens  interpungieren  wollen.  Allerdings  hat  der  dichter 
die  stelle  des  Lucanus  Phars.  I,  27  vor  äugen  gehabt,  aber 
dort  steht  bruma  rigens  ac  nescia  vere  rernitti,  was  doch  etwas 
ganz  anderes  ist.  Mit  mibe  wollte  der  dichter  den  nebel  be- 
zeichnen, der  bei  grosser  kälte  die  ferne  einhüllt.  Man  muss 
auch  nur  bedenken,  dass  die  dichter  bei  ihren  nachahmungen 
vieles  veränderten  und  gerade  in  dieser  Umformung  der  stellen 
der  eigenlhümliche  reiz  für  den  leser  lag.  VI,  300  gebe  ich 
das  von  mir  vermutbete  Cyrnum  (Löhbach  schlägt  natura  vor) 
nicht  auf;  denn  gerade  die  nennung  des  namens  scheint  hier 
bedeutend,  wo  der  vater  durch  die  schlachtreihen  irrt  und  den 
namen  seines  lieblings  ruft. 

An  anderen  stellen,  wo  der  verf.  die  Überlieferung  gegen  die 
vorgeschlagenen  Verbesserungen  zu  vertheidigen  sucht ,  möchte 
ich  ihm  gleichfalls  nicht  beistimmen,  wie  z.  b.  I,  63,  wo  er  externis 
als  aus  dem  sinne  des  dichters  gesprochen  fassen  will:  „aus- 
ländische, d.  i.  mit  einem  besonderen  grauen  umgebene  gift- 
kräuter";  I,  524,  wo  er  generös  festhalten  will,  indem  er  hiezu 
aus  dem  vorhergehenden  Graia  stirpe  ein  Graios  ergänzt ;  II 
395,  wo  er  natorum  tempora  zu  rechtfertigen  sucht  mit  der  er- 
klärung  „wann  werden  unsere  kinder  so  weit  herangewach- 
sen sein,  dass  familie  und  staat  wieder  in  Ordnung  kommen": 
aber  es  handelt  sich  hier  ja  darum ,  dass  sie  erst  kinder  be- 
kommen, und  darum  wird  wohl  corpora,  was  ich  vorgeschlagen 
habe,  richtig  sein.  Auch  die  vertheidigung  von  quantisque  I,  242 
wird  schwerlich  dieses  retten.  III,  439  möchte  ich  jetzt  pectora, 
was  als  der  bezeichnende  theil  für  das  ganze  steht,  gegenüber 
der  conjectur  Löhbachs'  corpora,  auf  die  übrigens  auch  ich  ver- 
fallen war,  festhalten;  tergora,  was  Löhbach  jetzt  nach  Bäh- 
rens empfiehlt,  passt  nicht  zu  prosectaque ;  jedenfalls  muss  aber 
440  partim  wegen  des  folgenden  partim  geschrieben    werden  J). 

1)  Ein  versehen  enthält  die  bemerkung  zu  I,  75 ,  indem  nämlich 
superet  mit  duret  verwechselt  ist.  —  In  der  verzweifelten  stelle  V, 
670  dürfte  meine  vermuthung,  dass  in  fas  aliquae:  fessaque  steckt 
(denn  auf  die  übrigen  worte  in  meiner  conjectur  lege  ich  selbst  kein 
gewicht)  doch  von  werth  sein  und  vielleicht  zur  vollständigen  emen- 
dation  führen;  man  vergleiche  nur  III,  664  nomine  fesso. 

12* 


180  99.  Bellum  Africanum.  Nr.  4. 

Auch  manche  der  hier  empfohlenen  Interpunktionen  lassen 
sich  schwerlich  ausreichend  begründen,  z.  b.  I,  529,  wo  tempta- 
taque  wieder  zum  folgenden  gezogen  werden  soll.  Dem  ein- 
würfe, dass  dann  der  satz  qui  .  .  .  videt  keinen  sinn  gebe,  sucht 
Löhbach  durch  die  bemerkung  zu  begegnen.  Mars  sehe  sich 
durch  die  rede  des  Sol  im  besitze  des  goldenen  vliesses  ge- 
sichert. Aber  dies  können  ja  die  worte:  qui  vellera  dono  Belli- 
potens  sibi  fixa  videt,  gar  nicht  bedeuten.  Das  gleiche  gilt  von 
den  interpunctionen  II,  75  ff.  aves.  cum  .  . ,  undas,  certatim,  103 
S(j.  auro ;  sidereos  diffusa  sinus  eadem. 

Sehr  scbätzenswerth  sind  die  zahlreichen  nachweisungen  der 
Vorbilder  einzelner  stellen  aus  Vergilius,  wodurch  die  Sammlung 
in  meinen  Studien  p.  103  ff.  mehrfach  ergänzt  wird,  aus  Ovi- 
dius  und  Lucanus  ,  ebenso  die  der  nachabmungen  von  stellen 
der  Argonautica  bei  Statius. 

K.  S. 

99.  Das  bellum  Africanum,  sprachlich  und  historisch  be- 
handelt, mit  kurzer  einleitung  über  titel  und  Verfasser,  sowie 
die  fortsetzungen  zu  Caesar  überhaupt.  Von  Franz  Fröh- 
lich.    8.     Erugg.   1872.     100  s. 

Wenn  im  allgemeinen  die  vortrefflichen  prolegomena  von 
Nipperdey  zu  Cäsar  die  grundlage  jeder  späteren  Untersuchung 
bilden  müssen,  so  hat  auch  hier  die  grundausicht  über  die 
Verfasser  des  Bellum  Africanum  und  Hispaniense  nur  einige 
modificationen  erlitten,  wonacb  jene  beiden,  Offiziere  niederen  ran- 
ges,  die  schritten  nicht  im  auftrage  des  Hirtius,  sondern  zu  ih- 
rem privatvergnügen  nach  der  beendigung  des  feldzuges  ausge- 
arbeitet und  den  obercommandanten ,  unter  denen  sie  gedient, 
zugeeignet  hätten,  wodurch  dann  weiter  dieselben  in  die  bände 
der  vertrauten  Cäsars  gelangt  und  zur  Vervollständigung  des 
unvollendeten  werkes  verwendet  worden  wären.  In  entschie- 
denem Widerspruch  aber  mit  Nipperdey  und  den  meisten  litte— 
rärbistorikern  stellt  sich  vf.,  indem  er  gelegentlich  das  Bellum 
Alexandrinum  nicbt  dem  vf.  des  achten  buches  des  Bellum  Gallicum 
Hirtius,  sondern  dem  L.  Cornelius  Baibus  zuschreibt,  eine  hypo- 
these ,  welche  wir  zwar  durch  einige  stilistische  beobachtungen 
(8,  28.  33.  78  demonstravimus ,  docuimus,  scripsimus,  bloss  35 
scripsi;    BAlex.  10.  19.  44.   47.  48  docui,  scripsi,    commemoravi, 


Nr.  4.  99.  Bellum  Africanum.  181 

etatui)  unterstützen,  durch  andere  aber  auch  zurückweisen  könn- 
ten und  daher  nicht  für  richtig  halten,  schon  darum  nicht,  weil 
die  Voraussetzung  derselben ,  Baibus  habe  den  stil  des  vf.  des 
achten  buches  nachgeahmt  (warum  nicht  des  Cäsar,  an  den  er 
anscbloss?),  nicht  gerade  glaublich  erscheint. 

Dagegen  hat  vf.  entschieden  recht,  wenn  er  die  titel  der 
fortsetzungen  als  unpassend  (BAlexandrinum)  oder  unsicher 
(BAfricanum,  Africum,  Afiicae)  bezeichnet.  Er  durfte  vielleicht 
noch  einen  schritt  weiter  gehen,  und  den  nur  auf  c.  1 — 33, 
nicht  auf  34 — 78  passenden  titel  BAlexandrinum  als  aus  den 
anfangsworten  (hello  Älexandrino  conflato),  welche  an  BCiv.  3,  112 
(Tiaec  initia  belli  Alexandrini  fuerunt)  anknüpfen,  entstanden  be- 
zeichnen, da  doch  der  vf.  ebenso  gut  ein  viertes  buch  de  hello 
civili  zu  schreiben  die  absieht  hatte,  als  mit  der  fortsetzung  der 
sieben  bücher  des  BGallicum  ein  achtes,  und  jene  Schlussworte 
Cäsars  (3, 112)  so  wenig  auf  eine  bestimmte  buchüberschrift  hin- 
weisen, als  1,  30.  4,  16.  5,  4  die  bezeichnung  BHelvetiorum, 
Germanicum,  Britannicum.  Was  den  von  Fröhlich  vorgezogenen 
titel  bellum,  Africanum  betrifft,  so  ist  derselbe  wohl  sprachlich  cor- 
rect  nach  des  verfs.  subtiler  Unterscheidung;  damit  aber  noch 
nicht  bewiesen,  dass  der  halbgebildete  autor  gerade  diese  form 
gewählt  habe,  da  Cäsar  selbst  BCiv.  2,  31  (was  schon  Nipp, 
p.  92  anführt)  von  einem  bellum  Africum  spricht  1). 

Der  hauptwerth  der  abhandlung  besteht  in  dem  zweiten, 
umfangreichsten  theile,  welcher  die  schrift  nach  der  sprachli- 
chen seite  untersucht,  und  auf  grund  sorgfältiger  beobacb- 
tungen  eine  reihe  schöner  emendationen  und  conjeeturen  vor- 
legt. Man  kann  in  dem  stile  zwei  verschiedene  elemente  un- 
terscheiden, die  dem  vf.  geläufige  ausdrucksweise  (Vulgärlatein), 
und  die  künstlerisch  -  rhetorische ,  zu  der  er  sich  zu  erheben 
mühe  giebt :  unvermittelt,  wie  sie  geblieben  sind,  geben  sie  der 
darstellung  etwas  buntscheckiges  und  unharmonisches.      Der  vf. 


1)  Wenn  es  Cäsar  vergönnt  gewesen  wäre  sein  werk  selbst  zu 
vollenden,  so  ist  sogar  wahrscheinlich,  dass  die  beiden  titel  BGalli- 
cum  und  BCivile  in  einen  haupttitel  rerum  suarum  (Cic.  Brut.  §.  263. 
Suet.  Caes.  56)  oder  rerum  (a  se)  gestarum  (BG-all.  8.  praef.)  auf- 
gegangen wären:  wenigstens  fasste  das  alterthuin  das  werk  als  auto- 
biographie,  nicht  als  historia.  Bei  Appian  Celt.  18  wird  zu  lesen 
sein:  iv  rals  {(frjutQcus  dvayqct^ais  (commentarii)  iwv  Witav  egyiay  (re- 
rum suarum). 


182  99.  Bellum  Africanum.  Nr.  i, 

hat  es  indessen  nicht  dabei  bewenden  lassen,  die  eigenthümlich- 
keit  des  autors  festzustellen,  sondern  oft  den  Sprachgebrauch 
Cäsars  oder  der  bedeutendsten  römischen  historiker  überhaupt 
in  vergleich  gesetzt,  wodurch  einzelne  excurse  eine  weiter  grei- 
fende bedeutung  erhalten  haben.  Man  vgl.  p.  18  über  magis 
mit  dem  comparativ,  29  über  perfecta  auf  erunt  [ere],  44  über 
gebrauch  und  Stellung  von  namque  und  nam ,  54  über  die  mit 
präpositionen  componirten  verba,  welche  bloss  eine  Verstärkung 
des  grün  d  begriff  es  enthalten,  58  über  bildungen  wie  errabundus. 
Von  emendationen  heben  wir  hervor  c.  20  milites  als  glossem  zu 
stipendiarii  zu  streichen;  26  dirui  delerique  statt  deserique  nach 
c.  20;  c.  38  facile  für  facere;  c.  50  adversarii  statt  dbusi,  88 
das  comma  vor  omnes  zu  setzen,  nach  analogie  von  37.  63; 
19  Buthroto  statt  Brundisio;  c.  20  praeter  ea  pauea,  quae  war 
das  pronomen  zu  tilgen,  nach  c.  95. 

Da  es  dem  vf.  am  wenigsten  gelungen  ist,  das  vulgäre 
in  der  spräche  nachzuweisen,  so  mögen  hier  einige  nachtrage 
folgen,  damit  nicht  aus  dem  stillschweigen  der  schluss  gezogen 
werde,  als  sei  es  der  lexicalischen  forschung  unmöglich  in  die- 
ser richtung  weiter  vorzudringen.  Wie  pulcher  in  der  Umgangs- 
sprache durch  das  in  den  romanischen  sprachen  erhaltene  bcllus 
vertreten  ist,  so  finden  wir  auch  im  BAfricanum  oft  durch  magnus 
das  bei  Cäsar  seltene  grandis  ersetzt  (18.  24.  34.  42.  48. 
76.  79)  und  durch  aliquantus  (21.  aliquantumnumerurn)]  parvus 
durch  minutus  (27.  29.  51.  Hisp.  5:  vgl.  minutatim  31.  78, 
minor,  minimus,  Terent.  Andr.  369  pisciculos  minutos,  Cic.  ad  Att. 
16, 1,  3  navigia  minuta,  Vitr.  7,  5  minutum  theatrum)  und  durch  p  au' 
cus  (67  pauco  numero)  und  zwar  grade  in  Verbindungen  wie 
minuta  proelia,  wofür  Cäsar  2,  30.  5,  50  parvula  proelia  sagt. 
Für  „ausgezeichnet"  schreibt  der  vf.  des  BAfricanum  mirabi- 
lis  10.  13.  22.  31.  37.  69,  welches  bei  Cäsar  und  seinen  fort- 
setzern ganz  fehlt ,  (Hirtius  admirandus) ,  oft  auch  das  bei  Cä- 
sar verhältnissmässig  seltenere  mirificus. 

Zu  den  von  Nipperdey  p.  18  gesammelten  vulgären  deminu- 
tivformen fügt  vf.  uurichtig  sagulum,  insofern  diese  form  (der  liebe 
mantel,  vgl.  lectulus,  sella  =  sedecula)  auch  von  Cäsar,  Livius  u. 
a.  gebraucht  wird;  unbesprochen  aber  blieb  villa  (9.  26.  40.  65. 
67.  91  bis),  welches  wort  bei  Cäsar  und  seinen  fortsetzern  fehlt 
und    sich    der    bedeutung    nach    als   deminutiv   zu   vicus  (vicula) 


Nr.  4.  100.  Grammatik.  183 

präsentiert.  Aus  der  vergleichung  von  c.  26  villas  exuri,  agros 
vastari  mit  Cäsar  3,  29  (vastatis  agris,  vicis  aedificiisque  incensis 
und  ebenso  2,  7.  4,  4)  möchte  man  schliessen,  dass  der  vf. 
unter  villa  nicht  nur  einzelne  häuser,  sondern  ganze,  mit  mauern 
umschlossene  gehörte  (c.  40)  und  complexe  mehrerer  Wohnun- 
gen versteht,  woraus  sich  das  französische  vüle  besser  ableiten 
lässt. 

Unter  den  verben  finden  wir  beispielweise  curro  mit  Sipp- 
schaft für  ire,  venire;  porto  für  fero,  z.  b.  69  sarcinas  compor- 
tare  für  das  cäsarianische  conferre;  einen  ausgedehnten  gebrauch 
von  porrigere  (4.  17.  30.  42.  60.  78)  und  dirigere;  convulne- 
rare  neben  vulnerare,  se  fugae  commendare  34  statt  man- 
dare  (BGall.  1,  12  und  oft),  consuefacere  für  adsuefacere,  die 
archaistische  wendung  sauciis  f actis  c.  70,  wie  bei  Cato  frg.  83 
Peter.,  Sisenna  fr.  36;  unter  den  adverbien  konnten  citatim, 
catervatim,  cumulatim ,  minutatim,  ordinatim  u.  a.  in  bezug  auf 
Vulgarismus  oder  archaismus  näher  untersucht,  hercule,  meher- 
cule  12.  16  als  bei  Cäsar  und  seinen  fortsetzern  fehlend  be- 
zeichnet werden  u.  s.  f. 

Der  dritte  theil  der  dissertation  führt  aus,  dass  das  BAfrica« 
num  von  Plutarch  im  leben  Cäsars  direct  (entgegen  der  an- 
sieht Peters),  von  Dio  Cassius  indirect,  von  Appian  gar  nicht 
als  quelle  benutzt  worden  sei.  Auch  diese  Untersuchung  be- 
stätigt unser  gesammturtheil ,  dass  wir,  einzelne  mängel  und 
versehen  abgerechnet,  eine  ebenso  fleissige  als  wackere  erst- 
lingsarbeit  vor  uns  haben. 

E.    W. 

100.  Studien  zur  griechischen  und  lateinischen  grammatik 
herausgegeben  von  Georg  Curtius.  Fünfter  band.  8.  Leip- 
zig.    Hirzel.  1872.     442  ss.  —     2  thlr.  20  gr. 

Diesen  neuen  band  der  Sammlung  eröffnen  „Beiträge  zur 
stammbildungslehre  des  griechischen  und  lateinischen"  von  Gu- 
stav Meyer  (p.  1  — 116):  der  vf.  geht  aus  von  den  bekannten, 
von  den  verschiedenen  forschem  in  der  abweichendsten  weise 
erklärten  Zusammensetzungen,  bei  denen  das  zweite  glied  in 
abhängigem  verhältniss  zum  ersten  steht,  und  sucht  dem  ersten 
theile  nomina  mit  suffix  as,  a,  ti  und  i  zu  vindicieren.  Den 
Schwerpunkt  seiner  Untersuchung  legt  er  indessen  in  den  nach- 


184  100.  Grammatik.  Nr.  4. 

weis,  dass  in  der  griechischen  wie  in  der  lateinischen  Wortbil- 
dung ein  sehr  ausgedehnter  Übergang  aus  der  consonantischen 
in  die  vocalische  declination  stattgefunden  habe,  indem  sich 
consonantische  stamme  im  auslaut  mit  einem  vocal  erweiterten, 
und  dass  man  das  o  bzw.  i,  das  am  ende  des  ersten  gliedes 
von  Zusammensetzungen  erscheint,  nicht  für  einen  bindevocal 
zu  halten  habe,  der  hier  wie  sonst  keine  berechtigung  hat, 
sondern  entweder  für  den  hier  bewahrten  auslaut  eines  ur- 
sprünglich vocalischen  Stammes  oder  für  eine  solche  vocalische 
Stammerweiterung.  In  einem  „Nachtrag"  p.  335 — 338  wird 
auf  analoge  erscheinungen  im  prakrit  und  in  der  verbalbildung 
hingewiesen. 

Die  zweite  grössere  arbeit  des  bandes  sind  sehr  sorgfältige 
Untersuchungen  über  die  griechische  metathesis  von  Justus  Sie- 
gismund  (de  metathesi  graeca  cajpita  duo,  p.  117 — 217).  Den 
grund  der  metathesis  sieht  der  vf.  in  einem  gewissen  übereilen 
im  aussprechen  besonders  der  liquiden  und  nasale,  wodurch 
diese  vor  dem  vocal  anticipiert  werden ,  dem  sie  eigentlich  fol- 
gen sollten.  Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  erscheinungen 
der  späteren  vulgärsprachen  diese  auffassung  begünstigen,  wie- 
wohl man  für  die  ältere  zeit  gern  an  der  Benfey'schen  ansieht 
fest  hält,  wonach  die  metathesis  ihren  ursprupg  verdankt  einer 
vocalisierung  der  in  den  liquiden  enthaltenen  stimme  (ra  ara 
ar<*  arj.  Nur  liquiden  und  nasale  werden  von  der  metathesis 
betroffen,  und  zwar  letztere  weitaus  seltener;  dabei  werden  die 
liquidae  vor  den  vocal  gesetzt  (eine  besonders  im  slawischen 
häufige  erscheinung),  selten  und  nur  in  späten  beispielen  der 
vocal  vor  die  liquida.  In  §.  4  wird  die  metathesis  des  q,  in 
§.  5  die  des  X  besprochen;  das  etymologische  material  ent- 
nimmt der  verf.  fast  durchweg  Curtins  und  Fick,  ohne  eigene 
combinationen  zu  machen,  eine  mässiguug,  die  da,  wo  es  sich  um 
eine  nach  sicheren  resultaten  ausgehende  lautgeschichtliche  Un- 
tersuchung handelt,  gewiss  nur  zu  billigen  ist.  Eine  beraer- 
kung  möchten  wir  uns  zu  xQutvta  p.  148  erlauben,  das  auch 
von  Maurophrydes  Kuhn  Z.  VII,  353  nicht  genau  aufgefasst  wor- 
den ist;  der  nasal  des  Stammes  xgav  erklärt  sich  aus  dem  ver- 
wachsen des  nasalsuffixes  mit  der  wurzel  kar,  die  ursprünglich 
mit  6uffix  nu  flectiert  wurde  (ved.  krnömi  d.  i.  kar-nü'ini, 
später  karömi).     In  §.  6,  wo  der  vf.  die  nur  in  einzelnen  for- 


Nr.  L  100.  Grammatik,  185 

men  stattfindende  metathesis  behandelt,  kommt  er  auch  zur  be- 
sprechung  der  dative  nargaat  u.  s.  w.,  die  er  meiner  meinung 
nach  richtig  aus  metathesis  (für  narag  -  ai)  erklärt ;  Brugmann  in 
demselben  bände  p.  330  kämpft  für  synkope  und  binde -vocal 
(nwiEQ-a  -oi) ;  aber  wie  g  vor  sich  ein  a  entwickeln  konnte, 
so  konnte  es  auch  ein  stimmhaftes  a  bewahren ,  und  die  an- 
nähme eines  bindevocals  hat  hier  wie  überhaupt  in  der  flexion 
keine  berechtigung.  Die  fälle,  wo  die  Versetzung  der  liquida 
mit  einer  affection  des  vocals  verbunden  ist,  werden  §.  7  be- 
handelt ;  hier  scheint  uns  die  auseinandersetzung  über  xgitoi  p. 
179  an  einer  gewissen  Unklarheit  zu  leiden.  Die  durch  meta- 
thesis entstandene  wurzel  y.gt  liegt  noch  vor  in  xfi-xpT-xct  xgi  - 

ro-g  y.Qi-ai-g;  einstige  nasalflexion  dieser  wz.  wird  erwiesen 
durch  das  lateinische  cer-no,  dessen  identität  mit  xgiva  freilich 
nicht  so  gross  ist,  als  auf  den  ersten  anblick  scheinen  könnte; 
denn  die  länge  des  T  und  das  aeolische  xgiww  weisen  deutlich 
auf  einen  untergegangenen  Spiranten  hin.  Wir  haben  uns  den 
Vorgang  so  zu  denken,  dass  der  nasal  der  praesensbildung  mit 
der  wurzel  verschmolz,  so  dass  man  kqiv  als  neue  wurzel  be- 
trachten und  mit  neuem  praesensstammbildungssuffix ,  wohl  ja, 
flectieren  konnte.  Aus  diesem  nghjco  entstand  durch  assimila- 
tion  XQivvta  und  daraus  durch  schwinden  des  einen  *  und  ersatz- 
dehnung  (d.  h.  nach  Job.  Schmidts  unzweifelhaft  richtiger  auf- 
fassung,  durch  Verschmelzung  von  tv  zum  nasalvocal  und  daraus 
hervorgehende  längung  des  i)  xgivco  ,  nicht,  wie  Curtius  auch 
hier  will,  durch  epenthese.  §.  8  behandelt  die  seltene  nach- 
Stellung  der  liquida  (z.  b.  'jägzaqjsgvqg  aus  'AgTctqgtvtjg  Aeschy- 
los,  altp.  —  frana),  §.  10  die  metathesis  der  nasale,  §.  11 
Wurzelvariation  durch  metathesis;  in  der  erklärung  dieser  er- 
scheinung  p.  206  schwankt  der  verf.  zwischen  synkope  und 
metathesis  umher,  augenscheinlich  verwirrt  durch  die  Voraus- 
setzung graeco  -  italischer  formen,  mit  deren  ansetzung  man  doch 
vorsichtiger  sein  muss ,  besonders  seit  Joh.  Schmidts  letztem 
buche  über  die  Verwandtschaftsverhältnisse  der  indogermanischen 
sprachen.  Metathesis  im  aulaut  und  metathesis  von  liquidae 
und  nasalen  mit  consonanten  schliesst  die  interessante  und 
ergebnissreiche  Untersuchung. 

Von    den  übrigen  beitragen   heben   wir   die   miscellen  des 


186  101.  Grammatik.  Nr.  4. 

Herausgebers  p.  218  und  241  ff.  hervor,  der  uns  auch  durch 
den  Wiederabdruck  seines  kieler  programms  de  aoristi  latini  re- 
liquiis  431  ff.  eine  sehr  willkommene  gäbe  gebracht  hat; 
möchte  es  ihm  gefallen  auch  seine  andern  kleineren  Untersuchun- 
gen durch  eine  Sammlung  allgemeiner  zugänglich  zu  machen.  — 
Einen  beitrag  zu  dem  noch  leider  so  ungenügend  bearbeiteten 
ionischen  dialekt  gibt  die  arbeit  von  Wilhelm  Ermann  de  ti- 
tulorum  ionicorum  dialecto  (251  —  310),  während  sich  Nie.  Chalkio- 
pulos  aus  Lokris  in  seiner  abhandlung :  de  sonorum  affectionibua, 
quae  pereipiuntur  in  dialecto  neo  -locrtca  p.  339  ff.  an  die  grössere 
arbeit  von  Deffner  im  vorigen  bände  Neograeca  anschliesst.  Ety- 
mologisch ist  der  beitrag  von  Brugmann  p.  220,  onomatolo- 
gisch  Angermann  die  römischen  männernamen  auf  a,  sprach- 
physiologisch Brugmann  zur  physiologie  der  r-laute  in  den  in- 
dogermanischen sprachen  p.  311  ff.;  interessant  ist  endlich  auch 
der  aus  dem  englischen  übersetzte  aufsatz :  Ueber  wesen  und 
theorie  der  griechischen  betonung  (p.  407  ff.)  von  dem  leider  im 
november  vorigen  Jahres  zu  New  -  Haven  verstorbenen  profes- 
sor  Hadley,  einem  der  bedeutendsten  Vertreter  der  Sprachwis- 
senschaft jenseits  des  oceans.  Gustav  Meyer. 

101.      Dr    G.  E.  H.   Raspe,  Grammatische  kleinigkeiten 
(programm  der  domschule  zu  Güstrow)  1871.     4.     23  s. 

Es  sind  verschiedene  fragen  aus  dem  gebiet  der  griechi- 
schen und  lateinischen  syntax,  die  hier,  zum  theil  mit  recht 
lebendigem  Sprachgefühl  behandelt  werden:  I)  der  genetiv 
bei  den  verben  des  sagens  im  griechischen.  „Es 
gibt  eine  anzahl  von  stellen  bei  griechischen  dichtem  und  pro- 
saikern,  insbesondre  bei  Sophokles,  in  denen  zu  den  verben 
des  sagens  ein  genetiv  in  der  art  gesetzt  erscheint,  dass  man 
zweifelhaft  sein  kann,  ob  dieser  casus  unmittelbar  von  dem  ver- 
bum  des  sagens  abhängt  oder  von  etwas  andern  —  zum  theil 
auch,  ob  eine  anakoluthische  fügung  anzunehmen  ist  oder  nicht". 
Der  vf.  geht  von  der  bekannten  stelle  bei  Soph.  0.  T.  700 
C(irö  —  KoiovzoQ)  old  ptoi  ßeßovisvxojg  s%ei  aus  und  gelangt 
durch  betrachtung  der  andern  stellen:  Trach.  1122,  Philoct. 
439,  Electr.  317,  Ai.  1236,  Trach.  928  und  0.  Col.  355,  un- 
ter hinzunahme  von  Hom.  Od.  XI,  174.  494.  506.  XV,  347 
zu  dem  resultat,  dass  der  genetiv  hier  überall  zu  dem 


Nr.  4.  101.  Grammatik.  187 

verbum  des  sagens  gehört:  „1.  das  subject  des  neben- 
Satzes  wird  in  den  hauptsatz  gerückt,  dadurch  zu  einem  objec- 
tivum  des  verbums  des  hauptsatzes  umgewandelt,  und  erscheint 
im  genetiv,  um  sich  zunächst  nur  ganz  allgemein  als  den  ge- 
genständ vorzuführen,  von  welchem  die  rede  ihren  stoff  ent- 
nimmt oder  entnehmen  soll ;  der  abhängige  satz  enthält  dann 
die  specielle  angäbe  dessen,  was  über  diesen  gegenständ  ge- 
sagt wird  oder  gesagt  werden  soll";  „2)  der  genetiv  ist  nicht 
aus  wegrückung  aus  dem  nebensatz  in  den  hauptsatz  ent- 
standen ,  da  anstatt  eines  abhängigen  satzes  ein  nominalob- 
ject  (Ai.  1236)  oder  ein  pronominalobject  (Trach.  928)  ge- 
treten ist,  oder  das  object  in  passiver  construction  als  sub- 
ject des  satzes  erscheint  (0.  C.  355),  oder  endlich  das  verb 
des  sagens  absolut  (ohne  accusativ  des  inhalts)  steht,  (Philoct. 
441  noiov  8s  tovzov  nXfjv  y*  '(Idvootag  igsig)11.  Wenn  aber 
der  vf.  dabei  zu  1  behauptet,  es  mache  für  den  gedankenin- 
halt  keinen  unterschied  ob  der  genetiv  oder  der  accusativ  stehe 
und  Sophokles  habe  (abgesehen  vom  hiatus)  0.  T.  700  ebenso 
gut  sagen  können:  eym  —  Kqsovtu,  oid  poi  ßsßovXtvxdäg  «#£«, 
so  verkennt  er  die  wesentliche  differenz  zwischen  der  anwen- 
dung  des  genetivs  und  der  des  accusativs  doch  in  höchst  auf- 
fallender weise.  Er  gesteht  zwar  zu,  dass  „dem  accusativ 
eine  andere  anschauung  zu  gründe  liege,  insofern  dieser  den  ge- 
genständ bezeichne,  über  welchen  hin  sich  die  rede  verbreitet"; 
indem  er  aber  zur  begründung  der  eben  erwähnten  behauptung 
(Sophokles  habe  a.  a.  o.  ebenso  gut  sqoj  Kotovra  sagen  kön- 
nen) stellen  wie  Phil.  573  d).Xu  top  8  s  (xqi  (poüaov  ttg  iaiiv 
und  O.  T.  740  iov  8s  Aä'iov  cpvaiv  x'iv  stys  cpod^s  anführt, 
übersieht  er  gerade  den  gruud ,  aus  dem  in  den  beiden  letzten 
fällen  der  accusativ  steht,  während  0.  T.  700  und  in  ähnlichen 
stellen  der  genetiv  gebraucht  wird.  Wo  die  aussage  die  ganze 
person  an  sich,  ihr  dasein,  umfassen  soll,  da  wird  das  in  den 
hauptsatz  als  object  zu  qiQiiaov ,  ggü^s  gezogene  subject  des 
nebensatzes  in  den  accusativ  gesetzt  (und  verhält  es  sich  in 
dieser  beziehung  mit  röiSs  fxoi  cpodaov  ilg  iativ  schlechthin 
nicht  anders  als  wie  mit  ol8a  zovtov  ibv  uv8qh  Sang  iazlv)] 
soll  aber  etwas  von  der  person ,  eine  thätigkeit ,  läge,  zu- 
stand u.s.w.  gesagt  werden,  so  stellt  der  dichter  das  in  den 
hauptsatz   gezogene   subject    des  nebensatzes  in  den  genetiv: 


188  101.  Grammatik.  Nr.  4« 

sqoo  Kgiovrog,  olä  [tot  ßeßovlsvxcog  s%ei  oder  iT\g  firtTQog  tJxoo  rijg 
sp>ig  (fgdamv  iv  oig  tvv  iaziv  xta.  Schon  daraus  ergiebt  sich 
zugleich,  dass  die  behauptung  des  vf.  zu  2 :  „darnach  kann  man 
also  griechisch  sagen:  1)  igä  Kgiovrog  ola  —  s'^ct,  2)  iom 
Koeovrog  7«5f,  3)  sgä  Kgsovrog  schlechtweg"  —  in  dieser  ab- 
stracten  fassung  unhaltbar  ist.  —  Unter  II  M)j  ov  mit 
dem  particip,  werden  Herod.  II,  110;  VI,  9.  106,  Soph. 
0.  C.  258.  0.  T.  13,  und  ausführlicher  0.  C.  221  besprochen. 
„In  allen  diesen  stellen  hat  sich  mit  der  negation  des  haupt- 
satzes  die  Vorstellung  oder  auch  das  flüchtige  gefühl  eines  hin- 
derns,  abwehrens,  widerstrebens  verbunden;  diese  Vorstellung 
schwebt  auch  noch  im  participialsatz  vor  und  kommt  zu  ihrem 
bloss  andeutenden  ausdruck  in  dem  zur  negation  hinzutretenden 
prohibitiven  /*/;".  —  Nr.  III  handelt  vom  Nominativus  äbsolutus 
und  Infinitivus  historicus.  Sehr  sinnreich  stellt  der  vf.  beide 
neben  einander:  „wie  der  griechische  nominativus  äbsolutus 
(vielleicht  auch  plasticus  zu  nennen,  denn  es  liegt  etwas  pla- 
stisches in  dieser  redeform:  sie  ist  nicht  aussage,  sondern 
darstellung)  die  schranken  der  grammatischen  gesetze  durch- 
bricht, so  thut  es  auch  der  lateinische  infinitivus  historicus,  denn 
in  ihm  erscheint  die  organische  Verbindung  des  prädicats  mit  dem 
subject  formell  aufgehoben,  indem  er  der  temporal- modal  -  und 
personalbeziehungsformen  entkleidet  den  verbalbegriff  absolut 
hinstellt.  Und  wie  der  absolute  nominativ  in  seiner  emancipa- 
tion  von  den  gesetzen  der  satzfügung  darstellen  will,  so 
will  hier  das  prädicat  in  seiner  emancipation  von  der  gewalt 
des  subjects  die  aufmerksamkeit  vorzugsweise  auf  sich 
richten". —  IV  ist  überschrieben:  lam —  cum.  „Es  gibt  ein 
doppeltes  lam  —  cum,  1)  das  rhetorische,  spannende, 
welches  zwei  handlungen  oder  ereignisse  derartig  in  beziehung 
zu  einander  bringt ,  dass  die  mit  cum  eingeführte  überraschend, 
fördernd,  hemmend,  entscheidend  in  einen  moment  der  im  haupt- 
satz  dargestellten  fällt,  oder  in  dem  moment  ihres  abschlus- 
ses,  unmittelbar  nach  ihr,  eintritt,  Liv.  III,  18,  8;  60,9.  II,  10, 
10  etc.;  2)  das  logische,  welches  einfach  angibt,  dass  die 
erste  handlung  (oder  das  erste  ereigniss)  bereits  eingetreten 
oder  vollendet  war,  als  die  zweite  eintrat,  Liv.  XXII  in.  IX» 
23,  13  etc"  —  Unter  V  wird  ausführlich  über  accusativ-ap- 
positionen    in  Sätzen,   wie  Cic.  Or.  16,  52    hoc  mihi  quae* 


Nr.  4,  102.  103.  Lateinische  grammatik.  189 

rere  videbarß,  quod  genus  ipsius  orationis  Optimum  iudicarem:  rem 
difficilem,  dii  immortales  atque  omnium  difficillimam,  gehandelt. 
Zuletzt  bespricht  der  verf.  VI  das  Cum  temporale  und  stellt 
die  regel  auf:  „wird  das  im  nebensatz  dargestellte  ereigniss 
als  ein  völlig  eben  so  selbständiges  gedacht  wie  das  im  baupt- 
satz  dargestellte,  so  bleibt  der  indicativ;  der  conjunctiv  tritt 
ein,  wenn  das  nebenereigniss  auch  als  nebenbestimmung  des 
hauptereignisses  gedacht  wird".  „Wenn  Cicero  sagt  Zeno- 
nem  cum  Athenis  essem  audiebam  frequenter,  so  versteht  es  sich 
—  meint  der  vf.  —  dass  dafür  auch  eram  gesetzt  werden  konnte; 
es  geschah  nicht,  weil  Cicero  seinen  aufenthalt  in  Athen  nicht 
als  etwas  gewichtiges,  auf  das  der  leser  wohl  achten  möchte,  dar- 
stellen wollte  —  das  essem  ist  gleichsam  ein  conjunctiv  der  be- 
scheidenheit".  Sollte  nicht  vielmehr  Cicero  mit  cum  Athenis 
essem  haben  sagen  wollen:  es  verstand  sich  von  selbst,  dass  ich 
bei  meiner  anwesenheit  in  Athen  auch  dort  die  namhaften 
damaligen  philosophen  und  unter  diesen  den  Epikureer  Zeno 
(Fin.  B.  et  M.  I,  5,  16)  hörte. 

Was  übrigens  die  correctheit  des  drucks  betrifft,  so  lässt 
diese  mitunter  viel  zu  wünschen  übrig.  Fehler  wie  p.  1  ^ap» 
&sv  (statt  tjfiuQtsv)  und  ganz  unten  rovto  (statt  toviov) ,  (p.  4 
Od.  11,  106  (statt  5u6),  p.  5  eiaäv  (statt  eintov),  p.  8  der 
parodos  (statt  die  parodos),  p.  10  oifioyh  (statt  oifimyij)  durf- 
ten doch,  zumal  der  verf.  nach  seiner  eigenen  Versicherung  (p. 
20)  bei  diesen  kleinen  abhandlungen  hauptsächlich  seine  Schü- 
ler im  äuge  hat,  auf  keinen  fall  uncorrigirt  bleiben. 

n. 

102.  1)  Lateinische  schulgrammatik  von  Latt mann-Mül- 
ler.  3.  aufl.  Göttingen.  Vandenhoeck  u.  Euprecht.  —  1  thlr.  5  gr. 

103.  2)  Kurzgefasste  lateinische  grammatik  von  Lattmann- 
Müller.  3.  aufl.  Göttingen  Vandenhöck  und  Euprecht.  8. 
1872.  -     24  gr. 

Wenn  *)  die  Verfasser  die  Überzeugung  aussprechen ,  dass 
die  lateinische  grammatik  nicht  blos  als  dienende  magd  für  den 
zweck  des  lateinschreibens  und  der  interpretation  der  schrift- 
steiler in  der  schule  anzusehen  sei,  sondern  auch  als  selbstän- 
diges bildungsmittel  verwerthet    werden    müsse,    und    wenn    sie 

1)  S.  Philol.  Anzeig.  IV,  nr.  11,  p.  539.  —  Die  redaction. 


190  102.  Lateinische  grammatik.  Nr.  4. 

daraus  folgern,  dass  die  syntax  eingebend  auf  unseren  bildungs- 
anstalten  zu  betreiben  sei,  so  wird  ihnen  jeder  lehrer  nur  gern 
beipflichten.  Denn ,  wie  ein  erfahrener  pädagog  mit  vollem 
rechte  sagt,  die  syntax  gerade  einer  fremden  spräche,  in  ihrer 
steten  beziehung  zu  der  muttersprache,  muss  dem  schüler  die 
erforderliche  schärfe  und  geschmeidigkeit  in  der  anwendung  der 
denkgesetze  geben.  Daher  kann  auch  ein  systematischer  Unter- 
richt in  der  grammatik  auf  unseren  höheren  schulen  nicht  ent- 
behrt werden;  es  mag  möglich  sein,  die  schüler  auf  dem  wege 
der  baren  empirie  rascher  zu  einer  bestimmten  beherrschung 
und  verwerthung  des  Sprachschatzes  zu  befähigen,  allein  die 
entwickelung  ihres  Verstandes  wird  bei  einem  solchen  verfah- 
ren ungebührlich  vernachlässigt. 

In  einem  punkte  unterscheiden  sich  die  obigen  gramma- 
tiken  wesentlich  von  den  übrigen  (z.  b.  Zumpt,  Schultz):  sie 
enthalten  vieles,  was  diese  bieten,  nicht.  So  fehlt  die  wortbil- 
dungslehre,  und  mit  vollem  recht,  wie  mir  scheint;  denn  sie 
steht  doch  blos  zum  prunk  in  den  grammatiken  und  wird  äu- 
sserst selten  oder  nie  benutzt.  Auch  die  adverbia,  conjunctio- 
nen  und  präpositionen  sind  nur  kurz  behandelt,  die  interjectio- 
nen  gar  nicht;  wer  näheres  darüber  wissen  will,  wird  auf  das 
lexikon  verwiesen.  Desgleichen  ist  das  ganze  gebiet  der  synta- 
xis  ornata,  als  zur  Stilistik  gehörend,  weggelassen  worden ;  nur 
von  den  negationen  handelt  ein  kurzer  abschnitt.  Auch  die 
prosodie  und  metrik  sind  ausgemerzt,  blos  dem  römischen  ge- 
wicht, geld,  mass  und  kalender  ist  ein  kleines  plätzchen  in  der 
neuen  aufläge  vergönnt  worden.  Allerdings  gehören  bemerkun- 
gen  über  Stilistik  und  metrik  nicht  eigentlich  zur  grammatik, 
auch  könnte  ja  für  jene  in  einem  besonderen  hülfsbüchlein,  für 
diese  in  einem  anhang  zu  Phädrus  oder  Ovid  gesorgt  sein ; 
doch  tritt  dabei  der  übelstand  ein,  dass  zu  viele  bücher  dem 
schüler  in  die  hände  gegeben  werden  müssen,  um  dies  zu  ver- 
hüten, wäre  es  doch  wünschenswerth,  wenn  die  grammatiken 
die  „üblichen  zuthaten" ,  wenigstens  die  syntax  ornata,  in  ihren 
bereich  zögen. 

Durch  weglassung  dieser  zuthaten  haben  natürlich  die  Ver- 
fasser viel  räum  gewonnen,    um  ausführlich,   bis    zu    einem  gc 
wissen    grade    erschöpfend    die    einzelnen    erscheinungen  der  h 
teinischeu  syntax  zu  besprechen  und   eingehend    zu   begründei 


Nr.  4.  102.  Lateinische  grammatik.  191 

so  widmen  sie  z.  b.  der  conjunction  cum  16  Seiten,  Schultz  und 
Zumpt  nur  4 — 5  Seiten. 

Während  am  Schlüsse  der  vorrede  zur  schulgrammatik  gesagt 
ist,  dass  dieselbe  für  gymnasien  dienen  solle,  betont  die  vorrede  zu 
2.,  dass  letztere  da,  wo  man  auf  möglichste  kürze  besonderes  gewicht 
lege,  als  das  einzige  lehrbuch  für  das  ganze  gymnasium  benützt  wer- 
den könne;  zu  diesem  zwecke  hat  auch  2.  in  ihrer  dritten  aufläge 
eine  bedeutende  erweiterung  erfahren.  Für  realschulen  reicht 
sie  in  dieser  fassung  allerdings  völlig  aus;  ob  auch  für  gymnasien, 
darüber  lässt  sich  streiten.  —  Auf  p.  1 — 107,  also  in  der  gan- 
zen formenlehre  und  im  ersten  cursus  der  Satzlehre,  der  eine 
übersichtliche  lehre  vom  einfachen  satze  bietet,  entsprechen  sich 
1  und  2  gänzlich ;  in  den  übrigen  §§  des  zweiten  und  dritten 
cursus  ist  der  text  vom  2.  fast  überall  wörtlich  dem  texte 
von  1  entlehnt.  Die  kürzere  fassung  von  2  (2  =  304, 
1  =  423  seifen)  ist  dadurch  gewonnen,  dass  ausführliche  ent- 
wickelungen,  viele  anmerkungen  so  wie  beispiele  in  derselben 
weggelassen  sind ,  z.  b.  in  §.  58,  welcher  vom  abl.  absolutus 
handelt,  enthält  1  zu  anmerkung  2  die  erweiterung  über  die 
ausnähme  von  der  hauptregel,  nach  welcher  blos  dann  der  abl. 
absolutus  stehen  soll,  wenn  der  nebensatz  ein  subject  hat,  wel- 
ches im  hauptsatz  nicht  vorkommt.  Zu  anm.  3,  die  in  2  einge- 
klammert am  Schlüsse  steht,  fügt  1  noch  zwei  beispiele  hinzu.  — 
§.  149  ist  die  erscheinung ,  dass  hinter  den  verbis  des  fürch- 
tens  ne  =  „dass",  ut  =  ,,dass  nicht'*  steht,  in  1  weitläufiger 
erörtert  als  in  2,  wo  die  stelle  über  die  analogen  verba  „sor- 
gen, besorgen"  fehlt.  Die  am  Schlüsse  eingeklammerten  worte: 
„ut  in  diesen  Sätzen  als  fragewort  zu  betrachten,  ist  schon  we- 
gen seiner  in  fragesätzen  üblichen  bedeutung  nicht  angemessen" 
fehlen  in  2,  doch  auch  für  1  scheint  mir  die  bezugnahme  auf 
eine  andere  erklärungsweise  dieser  construktion  überflüssig,  da 
es  für  den  schüler  doch  blos  darauf  ankommt,  eine  erklärung 
als  überhaupt  gültig  hinzunehmen ,  der  lehrer  aber  das  übrige 
von  selbst  wissen  soll.  Auch  scheint  die  gegebene  begründung 
nicht  ganz  stichhaltig,  da  ja  ut  =  quomodo  ziemlich  häufig, 
auch  bei  Cicero,  sich  findet;  der  haupteinwand,  der  sich  gegen 
jene  erklärung  geltend  machen  lässt,  ist  vielmehr  der,  dass, 
wenn  auch  ut  auf  obige  weise  sich  erklären  liesse,  ne  noch 
lange  nicht    dadurch    erklärt    wäre.      Ferner    stehen    statt    der 


192  102.  Lateinische  grammatik.  Nr.  4f 

neun  beispiele ,  die  1  bietet,  in  2  blos  sechs ;  auch  ist  in  1  die 
Übersetzung  der  beiden  ersten  weggeblieben.  Zu  anm.  2,  1 
enthält  1  ein  beispiel  mehr,  ebenso  zu  2,  drei;  die  in  2,  2 
enthaltene  bemerkung,  dass  Verla  timendi  selten  den  acc.  c.  in- 
finitivo  regieren,  fehlt  in  2  ganz.  Ebenso  fehlen  zu  anm.  3,  2 
die  vier  letzten  beispiele.  Das  darin  vorkommende  wort  „Urbani- 
tät" wird  besser  ins  deutsche  übertragen  und  durch  „form  der 
höflichen  Umgangssprache"  ersetzt.  —  Was  §.  158,  A  über 
die  bedeutung  von  quin,  gesagt  ist,  wird  in  2  ganz  übergangen; 
richtig  ist  die  erklärung ,  dass  quin  nicht  aus  dem  ablativ  qui, 
sondern  aus  dem  flexionslosen  stamme  des  relativs  und  ne  zu- 
sammengesetzt ist.  So  viel  möge  genügen,  um  das  verhält- 
niss  der  beiden  grammatiken  zu  einander  zu  kon- 
statieren. 

Die  zahl  der  belegst  eilen  für  einen  jeden  einzelnen 
fall  ist  eine  grosse  und  dient  dazu,  die  regel  nach  allen  seiten 
zu  beleuchten  und  reichliche  gesichtspunkte  zu  eröffnen ;  nur 
ist  manchmal  des  guten  zu  viel  geschehen.  So  z.  b.  werden 
zu  cum  historicum  13  sätze  angeführt,  in  der  Schulgrammatik 
gar  20,  die  eine  volle  seite  einnehmen.  Von  jenen  13  Sätzen 
könnten  6  und  7  recht  gut  fehlen,  da  sie  dem  fünften  entspre- 
chen. Die  sätze  zeigen  in  der  mannichfaltigsten  weise,  wie  der 
satz  mit  cum  bald  am  anfang,  bald  in  der  mitte,  bald  am 
Schlüsse  der  periode  steht;  wie  imperfekt  und  plusquamperfekt 
sich  verbinden;  wie  im  hauptsatze  meist  das  perfekt,  seltener 
des  präsens  historicum  oder  imperfekt  gesetzt  wird.  Gut  ist 
die  einrichtung,  dass  die  belegsteilen  mit  angäbe  des  ortes,  wo 
sie  verzeichnet  sind,  citirt  werden;  auch  für  die  kurzgefasste 
grammatik  wäre  dies  durchaus  wünschenswerth.  Letztere  bietet 
manchmal  andere  belege  als  die  schulgrammatik.  Dass  einzelne 
stellen,  die  zur  beleuchtung  der  regeln  am  geeignetsten  sind, 
mit  den  in  anderen  grammatiken  angeführten  übereinstimmen, 
ist  nicht  zu  vermeiden ;  dass  die  belegstellen  insgesammt  aber 
nicht  daher  entlehnt,  sondern  vermittelst  sorgfälliger  lectüre 
selbständig  zusammengetragen  sind,  davon  zeugt  jede  seite. 

Die  anordnung  der  syntaktischen  regeln,  die  auf  genauer 
einhaltung  eines  zu  gründe  gelegten  Systems  fusst,  bietet  dem- 
gemäss  in  vielerlei  hinsieht  neues.  So  sind  die  sätze  mit  quin 
ganz  richtig  unter  die  relativsätze  gestellt,    die  mit  quod    unter 


Nr.  4.  102.  Lateinische  grammatik.  193 

die  causalsätze,  die  verba  impediendi  und  timendi  unter  die  final- 
sätze ;  quo,  welches  sonst  eine  allein  stehende  regel  füllte ,  ist 
unter  die  Zwecksätze  eingereiht  worden.  Die  eintheilung  der 
nebensätze,  die  gruppirung  der  casusregeln  ist  in  vielen  punk- 
ten von  der  gewöhnlichen  abweichend.  Sehr  instruktiv  um  das 
wesen  des  abl.  absolutus  erkennen  zu  lassen,  ist,  dass  derselbe  als 
satztheil  mit  adverbialer  bestimmung  nicht  beim  particip,  son- 
dern unter  dem  ablativ  behandelt  ist.  Dagegen  missfällt  mir, 
dass  die  impersonalia:  pudet,  piget,  paenitet,  taedet,  miseret,  decet 
und  dedecet,  interest  und  refert  als  zusatz  zur  casuslehre  ange- 
fügt sind,  während  sie  doch  einfacher  unter  dem  genetiv  bzw. 
accusativ  besprochen  werden  könnten. 

Für  viele  fälle  sind  neue  und  treffende  namen  erfun- 
den, welche  das  wesen  des  zu  erörternden  punktes  scharf  bezeich- 
nen; so  für  die  verba  iudidalia,  für  den  accusativus  verbalis  und 
adverbialis,  den  ablativus  separativus  und  sociativus  sowie  originis, 
für  cum  inversum;  neu  ist  ferner  die  beziehung  der  coincidenz, 
sowie  die  Wahrnehmung,  dass  der  conjunctivus  zunächst  für 
den  gebrauch  im  hauptsatze  geschaffen  ist  und  seine, 
erst  durch  die  weitere  entwickelung  der  spräche  und  des  satz- 
baus  entstandene,  Verwendung  im  nebensätze  also  aus  jenem  ab- 
geleitet werden  muss,  feiner  die  lehre  vom  selbständigen, 
bezogenen  und  abhängigen  gebrauch    der    tempora. 

In  der  vorrede  betonen  LM .,  dass  sie  den  durchgreifen- 
den gebrauch  der  mustergültigen  prosa  wiedergeben  wollen, 
modiöciren  dies  aber  an  einer  anderen  stelle  dahiu  ,  dass  man- 
che bemeikuugen  über  seltenere  ersch>inungen  auch  in  einer 
Schulgrammatik  nicht  fehlen  dürften.  Ueber  das  maass  des  auf- 
zunehmenden können  freilich  die  meinungen  sehr  auseinander 
geben;  ich  habe  im  folgenden  einige  punkte,  wo  änderungen 
oder  erweiterungen  nöthig  scheinen,  zusammengestellt.  —  §.4 
anra.  fehlen  unter  den  verbis,  die  auxiliär  gebraucht  werden  kön- 
nen:  festinare  Cic.  Ep.  ad  Att.  3,  26.  cessare  ibid.  11,  11.  instare 
Liv.  24,  46.  curare  Cic.  Tusc.  5,  31.  parare  Ep.  ad  Att.  14,  21. 
cogitare  p.  Mil.  20.  p.  Sulla  24.  —  §.  26,  anm.  1  vermisse  ich  die 
bemerkung,  dass  der  dativus  ethicus  bei  Cicero  fast  nur  in  Ver- 
bindung mit  ecce  vorkommt:  Cic.  Ep.  ad  Att.  2,  8.  —  §.30  anm. 
1  ist  die  bei  Livius  öfter  (Liv.  1  ,  54,  9.  33,  46.  8.  45,  30, 
2)  vorkommende  redensart  divisui  esse  nicht  erwähnt.  —  §.  33 
Philol.  Anz.  V.  13 


194  103.  Lateinische  grammatik,  Nr.  4. 

könnte  hinzugefügt  werden,  dass  der  genetivus  qualitatis  biswei- 
len in  Cicero's  briefen  eine  freiere  Verwendung  findet:  ad  Fam. 
7,  1.  13,  77.  9,  26.  13,  29.  —  §.  45  anm.  1,  c  steht  die  re- 
densart  interdicere  cui  aqua  et  igni  „verbannen"  unter  dem  all, 
separativus ;  sie  ist  also  von  den  verbis  induere,  donare  u.  s.  w.  (§. 
29,  anm  3),  mit  dem  sie  sonst  zusammengestellt  zu  werden  pflegt, 
getrennt.  —  §.49,  anm.  2  fehlt:  seltenersteht  statt  des  ablativs  der 
Zeitbestimmung  die  präposition  ad,  im  deutschen  durch  „über"  zu 
übersetzen,  um  den  endpunkt  des  Zeitabschnitts  deutlicher  zu 
bezeichnen:  Cic.  Ep.  ad  Att.  12,  46.Tusc.  1,  37. —  §.86  anm.  1 
vermisse  ich  unter  den  redensarten,  die,  weil  sie  den  auxilären 
verbis  entsprechen,  mit  dem  infinitiv  verbunden  werden,  in  animo 
est,  stat,  certum  est,  deliberatum  est,  iudicatum  est  mit  den  beleg- 
stellen:  Cic.  Ep.Fam.  11,  14.  Nep.Att.21.  Cic.  p.  Eosc.  Am.  11. 
Ep.  ad  Att.  15,  5.  Fam.  7,  32. —  Zu  §.86,  anm.  2  fehlt  unter  den 
verbis,  die,  vom  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  abweichend,  den 
infinitiv  regieren:  fugere:  Cic.  Att.  10,  8.  p.  Mur.  5.  de  orat. 
3,  38.  —  Zu  §.  88,  2.  Unter  den  adjectiven  und  verben,  die  den 
dat.  gerundii  zu  sich  nehmen,  ist  nicht  verzeichnet:  destinatus, 
Liv.  1,  55,  7:  itaque  Pometinae  manubiae,  quae  perducendo  ad 
culmen  operi  destinatae  erant,  vix  in  fundamenta  suppeditavere.  — 
In  §.  113,  2  gefällt  mir  die  fassung  der  regel  nicht:  „nicht 
selbsterlebte  ereignisse  stehen  bei  memini  im  inf.  perfecti", 
weil  der  ausdruck  missverstanden  werden  kann.  Denn  (ich  be- 
spreche das  beispiel)  Cicero  hat  doch  zu  der  zeit  gelebt,  als  Marius 
nach  Afrika  floh,  wenn  er  auch  nicht  selbst  zeuge  de9  ereig- 
nisses  gewesen  ist.  Schärfer  und  klarer  ist  die  gestaltung  der 
regel  bei  Schultz  §.  393,  anm.  1.  —  §.126  anm.  vermisse 
ich  die  bemerkung:  dagegen  muss  der  conjunktiv  nothwendig 
stehen,  wenn  die  worte  nicht  aus  dem  sinne  des  erzählers,  son- 
dern der  gerade  handelnden  person  angeführt  sind :  Liv.  1, 
59,  6:  ubi  eo  ventum  est,  quacunque  incedit  armata  raulti- 
tudo,  pavorem  ac  tumultum  facit.  rursus  ubi  anteire  primäres  civi- 
tatis  vident,  quid  quid  sit,  haud  temere  esse  rentur.  —  §.151, 
3  ist  die  erscheiuung ,  dass  hiuter  dignus  u.  s.  w.  der  infinitiv 
gesetzt  wird,  mit  recht  unbeachtet  gebliebeu,  da  derartige  sel- 
tene licenzen  des  poetischen  Sprachgebrauchs  in  eine 
grammatik  nicht  gehören;  diesem  prinzip  gemäss  hätten  auch  die 
anmerkungen  30,  2.  51,  2  wegbleiben  sollen.  —  §.157  anm.  5 


Wr.  4.  103.  Lateinische  grammatik.  195 

sagen LM. zum  Schlüsse:  in  Cicero's  briefen  öfter  quod (eius) Jacere 
poteris  neben  imperativ  oder  f utur  :  so  Cic.  Ep.  Att.  10,  2. 11,  12. 
Farn.  3,  2.  Hier  oder  unter  quoad  muss  die  bemerkung  ange- 
fügt werden,  dass  in  diesem  sinne  auch  quoad  gebraucht  wird : 
Cic.  Ep.  Farn.  3,  2.  5,  8  (an  welchen  beiden  stellen  freilich  auch 
die  Variante  quod  existirt),  de  inv.  2,  6.  Liv.  39,  45.  —  Zu  §. 
163  und  165  wiederholt  sich  die  bemerkung,  dass  donec  (bis) 
mit  dem  ind.  perfecti  verbunden  werde,  mit  dem  unterschiede,  dass 
dort  der  gebrauch  auf  Cicero  beschränkt,  hier  auf  die  Schrift- 
steller vor  Livius  erweitert  wird.  Unter  den  beispielen  zu  163 
konnte,  um  einen  inf.  historicus  im  hauptsatze  zu  bieten,  hinzuge- 
fügt werden:  Liv.  1,  54,  10  :  sensus  malorum  publicorum  adimi, 
donec  orba  consilio  auxilioque  Gabina  res  regi  Romano  sine  ulla 
dimicatione  in  manum  tr aditur. 

Auf  p.  1  der  vorrede  sagen  die  Verfasser:  ,,in  der  syntax 
hat  eine  consequentere  und  durchgreifendere  berücksichtigung 
der  gesichtspunkte,  welche  ein  sichereres  und  tieferes  verständ- 
niss  der  sprachformen  und  der  spracbgeschichte  an  die  band 
geben,  zu  einer  behandlung  geführt,  welche  nicht  nur  auf  eine 
ziemliche  anzahl  einzelner  Spracherscheinungen,  sondern  auf 
ganze  partieen  der  syntax  ein  neues  licht  zu  werfen  geeignet 
sein  möchte".  Ich  betrachte  demgemäss  die  lehre  vom  abla- 
tiv  (p.  136 — 160).  Die  rein  mechanische  aufzahlung  der  ab- 
lativarten ist  völlig  über  den  häufen  geworfen  und  eine  aus 
den  gesetzen  der  logik  und  der  Sprachvergleichung  sich  erge- 
bende statt  jener  aufgestellt.  Richtig  ist  an  diesem  casus  der 
grundsatz  durchgeführt,  dass  die  spräche  anfangs  eine  mehrheit 
von  casus  hatte,  deren  luxus  man  später  abwarf  und  aufs  noth- 
wendigste  zurückführte;  dass  neben  den  sinnlichen  anschauungen 
als  grundbegriffen  des  casus  bald  auch  rein  geistige  mitwirkten ; 
dass  durch  Substitution  eines  casus  für  einen  andern  der  loca- 
tivus  und  instrumentalis  in  den  ablativus  übergingen.  Von  drei 
sinnlichen  grundanschauungen  ausgehend,  gewinnen  die  Verfasser 
den  abl.  localis  (wo  ?  ),  den  abl.  separativus  (woher  ?),  den  abl.  so- 
ciativus  (womit?).  Aus  dem  localis  entwickelt  sich  der  abl.  tem- 
poris ;  aus  dem  separativus  der  abl.  originis  und  mensurae\  aus 
dem  sociativus  der  abl.  modi ,  qualitatis  und  instrumenti.  Ein 
nothbehelf  ist  nun,  dass  als  vierte  hauptart  noch  der  abl.  cau- 
sae  aufgestellt  wird;    dies    kommt  daher,    weil  er  sich  in  seiner 

13* 


196  103.  Lateinische  grämmatik.  Nr.  4. 

geistigen  Übertragung  oft  weit  von  der  sinnlichen  grundanscb.au- 
ung  entfernt,  dass  dieselbe  nicht  mehr  mit  Sicherheit  zu  bestim- 
men ist  und  verschiedene  auffassungen  möglich  sind.  So  ist 
z.  b.  der  satz  amore  pugnandi  in  exercitu  remansit  auf  einen 
abl.  origini 8  zurückzuführen,  amicitiam  non  spe  mercedis  ex- 
petendam  putamus  auf  einen  abl.  mensurae,  crescit  inopia 
omnium  longa  ob sidione  auf  einen  abl.  instrumenta.  Es 
ist  aber  praktisch  nicht  ausführbar,  wenn  man  unter  jeder  die- 
ser Unterarten  den  abl.  causae  verzeichnen  wollte,  daher  die  be- 
trachtung  derselben  als  einer  besonderen  hauptart  nicht  zu  um- 
gehen. —  Aus  gleicher  rücksiebt  haben  LM.  in  der  schluss- 
bemerkung  zu  §.  46  die  construktion  der  verba  privandi  und 
inopiae  sowie  complendi  und  copiae  zusammengeworfen ;  denn  die 
von  ihnen  aufgestellte  erklärung,  die  construktion  der  ersteren 
werde  auf  letztere  übertragen,  ist  unstatthaft.  Mit  grösserem 
rechte  wird  der  ablativ  bei  letzteren  als  sociativus  und  zwar  als 
instrumentalis  aufgefasst;  daher  müsste  die  regel,  wenn  einmal 
die  anordnung  streng  durchgeführt  werden  sollte,  getheilt  wer- 
den. —  Dasselbe  schwanken  ist  beim  ablativus  pretii  der  fall, 
der  sich  als  abl  mensurae  oder  instrumenti  erklären  lässt. — 
Auch  dass  die  regel  §.  59  die  vorher  einzeln  aufgeführten  de- 
pouentia  noch  einmal  zusammenfasst,  ist  eine  conivenz  an  den 
praktischen  schulgebrauch ;  der  ablativ  bei  utor,  fungor,  fruor, 
vescor  wird  als  instrumenti  (bei  fruor ,  vescor  vielleicht  besser  als 
separativus)  erklärt ,  bei  laetor  und  glorior  als  instrumenti  oder 
originis,  bei  dignor  als  mensurae,  bei  patior  uad  nitor  als  loci.  — 
Trefflich  ist  in  §.  56  zu  anfang  die  Unterscheidung  des  mittels, 
des  persönlichen  Urhebers  und  der  mittelsperson ,  sowie  beim 
abl.  causae  die  von  causa,  propter,  ob.  —  Trotz  mancher  Un- 
ebenheiten ist  die  eiutheilung  besser  als  die  bei  »Schultz,  der  blos 
zwei  hauptformen  aufstellt ,  den  instrumentalis  und  den  localis, 
unter  welchen  letzteren  auch  der  separativus  gerechnet  wird. 

„Sowie  das  buch  jetzt  vorliegt",  sagen  die  Verfasser,  ,,hat 
es  seine  definitive  gestalt  erhalten ,  und  Veränderungen  werden 
nicht  weiter  eintreten ,  insofern  nicht  der  fortschritt  der  Wis- 
senschaft solche  unbedingt  fordern  sollte.  Nur  werden  wir  be- 
müht sein,  in  einer  etwaigen  späteren  aufläge  einige  inkonse- 
quenzen  in  der  Orthographie  der  belegstellen  zu  beseitigen". 
Möchten  die  Verfasser  danu  auch  die  herkömmliche  Schreibweise 


Nr.  4.  104.  Mythologie.  197 

quum  über  bord  werfen!  Druckfehler  habe  ich  nur  sehr  wenige 
gefunden  wie  p.  118:  gm.,  p.  136:  der  drei  sinnlicher,  p.  204: 
acco  m  odata. 

Mein  gesammturtheil  über  die  vorliegenden  grarama- 
tiken  fasse  ich  dahin  zusammen:  sie  sind  eine  auf  selbständiger 
forschung  beruhende  arbeit,  welche  in  anordnung  des  Stoffes, 
in  beobachtung  des  Sprachgebrauchs  und  in  mannichfaltigkeit  der 
belegstellen  vieles  neue  und  gute  bietet. 

C.  Härtung. 

104.  Die  religiöse  seite  der  grossen  Pythien.  Ein  beitrag 
zur  delphischen  heortologie  von  Dr  Ludwig  Weniger.  Er- 
ster theil.     Programm.     4.     Breslau.  1870. 

Diese  gelehrt  und  gewandt  geschriebene  abbandlung  bildet  ei- 
nen abschnitt  aus  einer  „erschöpfenden  darstellung  des  delphischen 
festjahrs",  die  der  vf.  demnächst  erscheinen  zu  lassen  beabsichtigt. 
Sie  beschäftigt  sich  mit  der  „mythischen  grundlage"  der  grossen 
Pythien,  um  über  die  denselben  zu  gründe  liegende  religiöse 
anschauung  ins  klare  zu  kommen.  Hauptsächlich  auf  den  ho- 
merischen hymnus  gestützt  kommt  der  vf.  zunächst  zu  dem  re- 
sultate,  dass  der  cult  des  Apollon  Delpbinios  von  Kreta  aus  in 
Krisa  gegründet  sei.  Er  schreibt  diesem  einen  von  der  übli- 
chen auffassung  des  hellenischen  Apollon  völlig  verschiedenen 
character  zu  und  erklärt  ihn  für  eine  uralte  seegottheit,  dem 
sich  orientalische  elemente  aus  dem  culte  des  Melkarth  und 
der  Astarte  beigemischt  hätten.  Allerdings  scheint  es  unzwei- 
felhaft, dass  der  krisäische  cult  in  enger  beziehung  zu  dem 
kretischen  gestanden  hat,  aber  wenn  man  nun  einmal  in  dem 
homerischen  hymnus  die  „älteste  Stiftungsurkunde"  desselben 
sieht,  so  darf  man  auch  nichts  weiter  aus  dieser  entnehmen, 
als  was  sie  ausdrücklich  sagt,  dass  nämlich  der  gott  kretische 
männer  aus  Knosos  zu  dienern  seines  schon  bestehenden  hei- 
ligthums  bestellt  habe.  Nehmen  wir  an,  dass  zu  irgend  einer 
zeit  einmal  eine  Wanderung  den  cult  nicht  von  Kreta  nach 
Krisa,  sondern  umgekehrt  von  Krisa  nach  Kreta  getragen  habe, 
und  wie  es  hellenische  sitte  war ,  die  colonie  sich  längere  zeit 
hindurch  bei  dem  muttercult  durch  theorien  betheiligt ,  auch 
tempeldiener  gestellt  habe,  so  würde  sich  die  entstehung  jener 
tradition  des   hymnus  vollständig    erklären,    ohne  dass  wir  nö- 


198  103.  Mythologie.  Nr.  4. 

thig  hätten  den  Ursprung  des  cultes  ausserhalb  des  griechischen 
festlandes  zu  suchen. 

Weiterhin  behandelt  der  vf.  die  sage  von  der  drachentöd- 
tung,  die  „den  mittelpunkt  und  die  grundlage  einer  menge  von 
heiligen  gebrauchen  bildete,  unter  denen  die  festfeier  der  gro- 
ssen Pythien  den  ersten  rang  einnahm.  Als  „sichere"  ergeb- 
nisse  seiner  Untersuchungen  stellt  der  vf.  p.  26  folgende  sätze  auf: 

I.  in  den  ältesten  zeiten  des  heiligthums  von  Parnassos 
fand  dort  ein  cultus  der  Gaia  statt ,  veranlasst  durch  das  /iar- 
rsiop  xdötiov  des  dampfenden  felsenspalts ; 

II.  Python  der  drache  ist  das  syinbol  dieses  erdorakels ; 

III.  die  legende  von  der  ankunft  des  knosischen  Delphinios 
bezeichnet  das  von  Kreta -Krisa  ausgehende  eindringen  eines 
apollinischen  cultus  mit  ursprünglich  solarisch -mariner  natur, 
doch  stark  vorhandener  beimischung  musisch -man  tisch  er  de- 
mente; 

IV.  wenn  die  sage  berichtet ,  dass  Apollon  den  Python 
tödtet,  so  besagt  das  nichts  anderes  als:  das  uralte  chthoniache 
orakel  wurde  zu  dem  apollinischen  der  spätem  auffassung ,  sei 
es  durch  einfache  Verdrängung  des  erstem  oder  durch  eine 
theokrasie  beider.  Und  zwar  geschah  dies  eben  von  Kreta- 
Krisa  aus  durch  das  überhandnehmen  des  Delphiniosdienstes, 
der  so  viel  verwandtes  mit  dem  der  pythischen  erdprophetie 
besass,  dass  die  letztere  allmählich  sich  verlor  oder  geradezu 
durch  eine  cultusreform  beseitigt  wurde. 

Mir  scheinen  sämmtliche  vier  puncte  nicht  nur  sehr  un- 
sicher, sondern  geradezu  falsch  zu  sein.  Dass  Gaia  vor  Apol- 
lon inhaberin  des  orakels  gewesen  sein  soll,  sagt  allerdings  die 
Überlieferung,  in  der  aber  nichts  weiter  zu  sehen  ist  als  ein 
explicativer  oder  ätiologischer  mythus  jungem  datums,  der  auf 
die  aus  tiefem  erdspalt  emporsteigenden  begeisternden  dämpfe 
hindeutet,  was  schon  Diod.  XVI,  26  richtig  eingesehen  hat. 
Ohnehin  ist  Gaia  selbst  eine  sehr  junge  göttin,  der  erst  die 
theologische  speculation  die  Stellung  zugewiesen  hat,  welche  sie 
in  der  theogonie  einnimmt.  Der  zweite  satz  stützt  sich  auf  die 
unbewiesene  und  durchaus  unstatthafte  annähme,  dass  Ilv&oav 
etymologisch  =  Tvqxav  sei.  Gegen  den  vierten  satz  muss  gel- 
tend gemacht  werden,  dass  cultusveränderungen  als  inbalt  so 
alter    mythen    voraussetzen    nichts    andres  heisst   als  zu  einem 


Nr.  4.  105.  Mythologie.  199 

längst  verlassenen  und  widerlegten  Standpunkte  in  der  mytho- 
logh  zurückkehren.  Die  wahre  bedeutung  des  drachenkampfes 
wird  man  nur  erfassen ,  wenn  man  seine  blicke  auf  den  nah 
verwandten  mythus  von  Kadmos  richtet  und  auch  die  drachen- 
kämpfe, von  denen  die  deutsche  mythologie  weiss,  zur  verglei- 
chung  heranzieht.  Es  wird  sich  daraus,  um  es  kurz  zu  sagen, 
ergeben,  oass  der  drache,  den  Apollon  tödtet,  ein  symbol  sei- 
nes eigenen  unterweltlichen  selbst  ist,  von  dem  er  sich  befreien 
muss,  ehe  er  seine  Wirksamkeit  auf  der  oberweit  beginnen  kann. 
Eben  darum  heisst  auch  der  drache  Ilv&cov ,  um  diesen  seinen 
Zusammenhang  mit  dem  Apollon  Ilü&iog  anzudeuten.  Das  die- 
sen kämpf  feiernde  fest  ist  von  haus  aus  ein  frühlingsfest  ge- 
wesen ,  hat  jedoch  diese  bedeutung  im  bewusstsein  des  volkes 
früh  verloren  und  sich  die  Verlegung  auf  Spätsommer  gefallen 
lassen  müssen,  weil  namentlich  die  grossen  Pythien  später 
zwecken  dienten,  für  welche  diese  Jahreszeit  die  angemessenste  war. 

H.  D.  M. 

105.  Die  poesie  der  Orestessage.  Eine  Studie  zur  geschichte 
der  kultur  und  dramatik  von  Dr  Ferdinand  Hüttemann, 
gymnasiallehrer  in  Braunsberg.  4.  Zwei  theile,  Braunsberg  1871 
und  1872.     Commissionsverlag  bei  A.  Martens  (Ed.  Peter). 

Von  der  ersten  erwähnung  der  sage  bei  Homer  und  ihrer 
weitern  ausbildung  bei  Agias  von  Trözene,  Xanthus,  Stesicho- 
rus  von  Himera,  Pindar  u.  s.  w.  geht  der  Verfasser  über  zu  den 
tragikern,  deren  verschiedene  auffassung  und  behandlung  des 
gegenständes  in  gründlicher  und  geistvoller  weise  besprochen 
wird.  Es  wird  zuvörderst  der  ideale  charakter  der  äschylei- 
schen  dramatik  dargelegt,  mit  dem  sich  naturgemäss  eine  man- 
gelhafte individualisirung  der  handelnden  personen  verbindet. 
Spiel  und  gegenspiel  finden  hier  gewissermassen  noch  innerhalb 
der  götterweit  statt ,  Orestes  ist  nicht  viel  mehr  als  ein  Werk- 
zeug in  den  händen  Apollo's.  Sophokles,  der  auf  psychologi- 
sche motivirung  und  wirkliche  dramatische  bewegung  ausgeht, 
sieht  sich  genöthigt,  weil  bei  Orestes  die  that  von  vorn  herein  be- 
schlossen ist,  Elektra  zur  hauptperson  zu  machen,  wodurch  erst 
eine  dramatische  entwicklung  möglich  wird.  Da  aber  die  aus- 
führung  der  that  schliesslich  doch  allein  dem  Orestes  zufällt,  so 
kommt  hierdurch   ein  ähnlicher   dualismus  in  die  tragödie,    wie 


200  106.  Alte  geschiente.  Nr.  4, 

bei  Aescliylus  durch  die  thätige  theilnahme  Apollo's.  In  cle- 
sem  dualisums  liegt  die  berechtigung  für  Euripides,  eine  reue 
lösung  der  aufgäbe  zu  versuchen.  Der  erwähnte  anstoss  is:  bei 
ibm  glücklich  besaitigt,  die  Charaktere  sind  menschlicher  gewor- 
den und  die  handlung  natürlich  motivirt,  dafür  ist  aber  andrerseits 
bei  ihm  die  dramatische  bewegung  abgeschwächt  und  die  idea- 
lität  der  Charaktere  verloren  gegangen.  Diese  flüchtige  skizzi- 
rung  deutet  ungefähr  den  gang  an,  welchen  der  Verfasser  bei 
seiner  Untersuchung  eingeschlagen  hat.  Vom  griechischen  drarna 
wendet  er  sich  schliesslich  noch  zu  den  deutschen  bearbeitun- 
gen  der  Orestessage,  zu  Göthe's  Iphigenie,  zu  der  Elektra  von 
G.  Konrad  und  der  von  H.  Allmers.  Vielleicht  wäre  es  gut 
gewesen,  bei  beurtheilung  der  griechischen  tragiker  genauer  zu 
unterscheiden  zwischen  den  mangeln,  die  dem  Stoffe  selbst  an- 
haften, und  denen,  für  welche  der  dichter  allein  verantw örtlich  zu 
machen  ist;  indessen  soll  durch  diese  ausstellung  die  gediegene 
arbeit  des  Verfassers  keineswegs  herabgesetzt  werden.        L.  G. 

106.  Der  gebrauch  der  Schrift  unter  den  römischen  köni- 
gen.  Von  Modestow.  8.  Berlin.  Calvary.  1871.  VI  und 
136  ss.  —     1   thlr. 

Der  vf.  ist  professor  in  Kiew  (früher  in  Kasan)  und  hat  die 
vorliegende  schrift  zuerst  in  russischer  spräche  herausgegeben. 
Zu  der  gegenwärtigen  deutschen  bearbeitung  ist  er  durch  den 
wünsch  einiger  befreundeter  deutscher  gelehrten,  insbesondere 
des  prof.  Gerlach  in  Basel,  wie  er  in  der  vorrede  sagt,  ermu- 
thigt  worden.  Den  inhalt  bilden  die  sämmtlichen ,  nach  seiner 
meinung  in  die  zeit  der  römischen  könige  zurück  zu  versetzen- 
den aufzeichnungen,  insbesondere  die  Leges  regiae,  die  commen' 
tarn,  die  foedera  regum,  die  priesterlichen  auf  Zeichnungen  (den 
annales  maximi  ist  ein  besonderes  capitel  gewidmet)  und  die 
lieder  der  Arvalbrüder  und  der  Salier.  Er  stellt  die  nacbrich- 
ten  bei  den  alten  über  diese  aufzeichnuugen  zusammen  und 
sucht  aus  ihnen  zu  beweisen ,  dass  sie  in  ältester  zeit  nieder- 
geschrieben seien,  um  damit  zugleich  den  beweis  zu  liefern, 
dass  die  schrift  bei  den  Römern  in  der  frühesten  königszeit  in 
gebrauch  gewesen.  Ein  besonderes  (das  erste)  kapitel  hat  er 
der  entstehung  des  lateinischen  alphabets  gewidmet,  um  auch 
hieraus  weitere  beweisgründe  für  seine  ansieht  abzuleiten. 


Nr.  4.  107.  Alte  geschichte.  201 

Der  verf.  ist  mit  den  deutschen  gelehrten  arbeiten  von 
Niebuhr,  Schwegler,  Mommsen,  Henzen  u.  a.  wohl  bekannt,  wie 
aus  den  häufigen  anführungen  derselben  hervorgeht.  Er  befin- 
det sieh  aber  in  directer  Opposition  gegen  den  „skepticis- 
mus,  welcher  in  der  Wissenschaft  bei  allen  fragen  über  die  rö- 
mische geschichte  um  sich  gegriffen  hat"  (p.  98).  Die  überlie- 
rungen  über  die  älteste  zeit  sind  ihm  also  geschichte,  und  dem- 
nach kommt  es  ihm  nur  darauf  an,  notizen  über  jene  auf- 
Zeichnungen  bei  den  alten  zu  finden,  die  ihm  sofort  als  Zeug- 
nisse gelten.  So  beweist  er  also  z.  b.  in  bezug  auf  die  annales 
maximi,  dass  diese  bis  in  die  zeit  des  königs  Numa  zurückrei- 
chen (obgleich  er  sich  hierüber  hier  und  da  etwas  zweifelhaft 
äussert).  Wenn  sich  stellen  finden,  wonach  sie  schon  mit  der 
gründung  der  Stadt  und  mit  Eomulus  begonnen  haben  müssten, 
so  begnügt  er  sich,  diese,  aber  auch  nur  eben  diese  als  unhaltbar 
zu  bezeichnen,  da  er  ja  bei  seinem  glauben  an  die  tradition  an- 
nehmen muss,  dass  die  pontifices  erst  von  Numa  eingesetzt 
seien  ;  weitere  folgerungen  werden  daraus  nicht  gezogen.  Eben 
so  wenig  wird  hinsichtlich  der  Leges  regiae  berücksichtigt,  dass 
nach  allgemeiner  tradition  die  aufzeichnung  von  gesetzen  zu- 
erst durch  die  decemvirn  geschehen  ist.  Man  fühlt  sich  bei 
der  lectüre  des  anspruchlosen  buches  wie  aus  dem  gewirr  und 
dickitht  der  kritik  in  ein  stilles,  ruhiges  thal  versetzt,  wo  noch 
glaube  und  Unschuld  wohnen ;  einen  gewinn  für  die  Wissenschaft 
wird  man  kaum  darin  finden. 


107.  Studien  zur  geschichte  der  griechischen  lehre  vom 
staat  von  Dr  Hermann  Henkel.  8.  Leipzig.  Druck  und 
verlag  von  B.  G.  Teubner.   1872.     168  ss. —     1  thlr.  6  gr. 

Der  inhalt  dieser  auf  grund  besonnener  forschung  und  mit 
durchsichtiger  klarheit  verfassten  schrift  zerfällt  in  drei  beson- 
dere abschnitte,  von  denen  der  erste  (p.  1—38)  die  politische 
literatur  der  Griechen  behandelt  und  nicht  nur  ein  verzeichniss 
der  erhaltenen,  sondern  auch  der  verlorenen  politischen  werke 
der  Griechen  und  der  von  griechischer  Wissenschaft  abhängigen 
Römer  bis  auf  das  byzantinische  Zeitalter  herab  enthält  und 
in  chronologischer  reihenfolge  die  auf  dem  gebiete  der  staats- 
theorie  entstandenen  produkte  der  vorsokratischen  schulen,    der 


202  107.  Alte  geschickte.  Nr.  4. 

sokratiker,  cyniker,  megariker,  Piatons,  Aristoteles,  der  akade- 
miker,  peripatetiker,  stoiker,  epikureer,  eklektiker,  neupythagoreer, 
neuplatoniker  und  einiger  keiner  bestimmten  schule  angehörigen 
Philosophen  und  rhetoren  verzeichnet.  Bemerkenswerth  in  die- 
sem abschnitt  erscheint  mir  unter  andern,  dass  der  verf.  mit 
Cobet  den  xenophontischen  Ursprung  der  AttxtSuifjioitoav  no\i- 
rsia  anerkennt,  dagegen  die  autorschaft  der  'd&qvaicov  noh- 
rsi'a  Xenophon  abspricht  und  die  möglichkeit  aufgiebt,  die  per- 
son  des  verf's  mit  Sicherheit  zu  ergründen.  Ausserdem  vertritt 
der  verf.  die  von  Oncken  (in  der  Staatslehre  des  Aristoteles  p. 
194  ff.)  angefochtene  echtheit  der  vier  ersten  bücher  der  platoni- 
schen Ncfxoi  und  einer  partie  des  fünften  buches  und  gründet  seine 
beweisführung  auf  die  einschläglichen  stellen  der  aristotelischen 
politik,  bei  welcher  gelegenheit  sich  eine  Inkonsequenz  von  Sei- 
ten Onckens  herausstellt,  die  der  verf.  unabhängig  von  Suse- 
mihl's  Untersuchung  (in  Jahn's  Jahrbb.  CHI,  p.  131)  entdeckt 
zu  haben  gesteht. 

Der  IL  abschn.  (p.  38 — 120)  behandelt  die  griechische  lehre 
von  den  Staatsformen  und  zwar  in  vier  kapiteln  die  vorplato- 
nische, platonische,  aristotelische  und  nacharistotelische  theorie. 
Den  reigen  der  vorplatoniker  eröffnet  Herodot,  der  bei  gelegen- 
heit der  erzählung  von  der  berathung  der  persischen  grossen  nach 
des  magiers  stürz  seine  ansichten  über  die  drei  schon  frühzei- 
tig in  dem  bewusstsein  der  Griechen  unterschiedenen  staatsfor- 
men  mittheilt.  Das  gebiet  der  ethischen  und  socialen  probleme 
betritt  zuerst  die  sophistik  und  betont  mit  einschneidender 
schärfe  die  berechtigung  des  individuums  dem  Staat  gegenüber 
und  will  den  menschen  auf  grund  seiner  angebornen  freiheit 
über  die  beengenden  formen  des  staatsbürgerthums  erhoben  wis- 
sen. Das  politische  ideal  der  sophistik  ist  die  tyrannis.  Auch 
die  kyniker  und  kyrenaiker  wirken  zersetzend  und  auflösend 
mit  ihrer  speculation ,  indem  die  einen  die  natürliche  und  die 
andern  die  geistesfreiheit  durch  den  gesetzes-  und  rechtsstaat 
nicht  verkümmert  haben  wollen.  Nach  Sokrates  ist  die  herr- 
scherkunst  die  höchste  aller  künste,  der  inbegriff  der  tugend 
und  glückseligkeit,  beruht  aber,  wie  alle  tugend,  auf  dialekti- 
schem wissen,  auf  theoretischer  einsieht.  Auf  der  grenzscheide 
der  philosophie  und  rhetorik  bewegt  sich  Isokrates;  er  hält  die 
traditionelle  Unterscheidung  der  drei  hauptformen  fest,    der  mo- 


Nr.  4.  107.  Alte  geschiebte.  203 

narebie,  Oligarchie  und  demokratie.  Die  monarchie,  obgleich 
die  älteste  und  unter  umständen  vorzüglichste  grundform  ist 
nicht  mehr  verträglich  mit  dem  entwickelten  freiheitssinn  der 
Griechen.  Die  demokratie  bekommt  den  Vorzug  vor  der  Oligar- 
chie, weil  es  Isokrates  für  unnatürlich  halt ,  die  mehrzabl  der 
minderzahl  unterzuordnen  und  diejenigen  zurückzusetzen,  die 
der  zufall  mit  einem  mangel  an  glücksgütern  bedacht.  Das 
resultat  ist,  dass  die  echte  demokratie  nur  den  tüchtigsten  und 
intelligentesten  männern  die  leitung  der  Staatsgeschäfte  überlas- 
sen soll  und  dass  überhaupt  viel  weniger  gewicht  auf  die  form 
der  Verfassung,  als  auf  die  art  der  regierung  zu  legen  sei.  Für 
Piaton  haben  die  im  Politikos  niedergelegten  ansichten  nur 
transitorischen  oder  präliminarischen  werth ;  die  entwickelung 
dieses  dialogs  gipfelt  in  dem  ideal  eines  Staatsmannes.  Dage- 
gen ist  die  aristokratie  der  wissenden,  der  philosophen,  der  kar- 
dinalpunkt  des  in  den  büchern  de  Republica  entworfenen  ideal- 
staates  und  die  gliederung  in  drei  stände  nebst  der  rücksichts- 
losen f orderung  einer  guter-  und  weibergemeinschaft  und  einer 
Öffentlichen  erziehung  der  beiden  ersten  stände  die  grundlage, 
auf  der  sich  das  seltsame  gebäude  platonischer  Staatstheorie  mit 
unverkennbarer  anlehnung  an  dorische ,  insonderheit  spartani- 
sche Staatsformen  erhebt.  Dass  Universum,  Staat  und  mensch  in 
dem  platonischen  System  gleichartige  gliederung  zeigen  und  dass 
die  drei  stände  in  korrespondenz  mit  der  dreitheilung  der 
menschlichen  seele  treten,  hat  der  verf.  mit  recht  hervorgeho- 
ben. Aber  nebenher  würde  vielleicht  der  nachweis  von  der 
entstehung  des  platonischen  idealstaates  als  einer  nothwendigen 
consequenz  seiner  metaphysik,  als  einer  folge  des  schroffen 
dualismus  zwischen  ideen-  und  erscheinungsweit  nicht  uninter- 
essant gewesen  sein.  Der  idealstaat  mit  seinen  forderun- 
gen  schimmert  auch  durch  die  komposition  des  letzten  plato- 
nischen werkes,  der  gesetze,  hindurch ,  obgleich  sich  der  philo- 
soph  in  diesem  werke  bemüht,  den  realen  Verhältnissen  der  hi- 
storisch gegebenen  Wirklichkeit  möglichst  gerecht  zu  werden. 
„Er  betritt  den  boden  der  erfahrungsweit  und  setzt  dem  trans- 
cendententalen  ein  historisches  ideal  zur  seite."  Freilich  wäre 
es  nicht  überflüssig  gewesen ,  wenn  der  verf.  die  änderung  der 
politischen  theorien  erklärt  hätte  durch  den  Umschwung,  wel- 
chen  das   ganze    platonische   System   in   dieser  letzten  periode 


204  107.  Alte  geschiente.  Nr.  4. 

erfahren,  durch  die  reform  der  ideenlehre,  durch  das  hinneigen 
zu  dem  pythagoreismus  und  die  dadurch  bedingte  aufnähme 
des  mathematischen  als  einer  Vermittlung  zwischen  ideen-  und 
Binnenwelt. 

Aristoteles  fand  recht  gut  den  wunden  fleck  der  platoni- 
schen theorie,  das  ignoriren  des  individuums  und  seiner  berech- 
tigten bedürfnisse  (vgl.  Lewes,  Gesch.  d.  alten  phil.  p.  391). 
Und  wenn  auch  das  aristotelische  System  das  wahre  wesen  der 
dinge  in  die  form  verlegt  und  in  die  begriffliche  erkenntniss 
das  wahre  wissen,  so  sieht  es  doch  in  den  eiuzelwesen  das 
wahrhaft  wirkliche  und  bringt  die  schöpferische  Wirksamkeit, 
die  es  der  form  viudicirt,  mit  der  erscheinungsweit  in  die  in- 
nigste Verbindung  (vgl.  Zeller,  Phil.  d.  Griechen  II,  2,  p.  633). 
Die  glückseligkeit  der  Staatsbürger  und  die  freie  bethätigung 
der  tugend ,  das  sind  die  obersten  zwecke  des  aristotelischen 
Staates,  die  durch  erziehung  und  Unterricht,  durch  einsieht  und 
Willensstärke  erreicht  werden  sollen.  Den  fortschritt  der  aristo- 
telischen gegen  die  platonische  theorie  hat  der  verf.  in  klaren 
zügen  gekennzeichnet.  Unter  den  nacharistotelischen  denkern 
werden  Zenon,  die  neupythagoreer  Hippodamos  und  Archytas, 
Dikäarchos ,  Polybios  und  Cicero  und  endlich  die  geringen  mo- 
dificationen  erwähnt,  welche  die  Staatstheorie  durch  Tacitus, 
Philo  und  Plutarchos  erfahren  hat. 

Der  III.  abschnitt  (p.  121 — 168)  behandelt  die  anfange 
der  griechischen  Staatswissenschaft,  und  zwar  im  ersten  kapitel 
die  sophistische  und  die  kynisch-kyrenaische  lehre  vom  Staat, 
das  zweite  Sokrates ,  das  dritte  Xenophon  und  Isokrates  und 
endlich  das  vierte  Hippodamos  und  Phaleas.  Auch  dieser  ab- 
schnitt ist  mit  sorgfältigem  fleisse  gearbeitet  und  führt  mit 
grosser  genauigkeit  aus,  was  der  verf.  zum  scbluss  resumirt, 
dass  nämlich  „die  griechische  staatsdoctrin  sich  in  zwei  haupt- 
richtungen  einer  revolutionären  oder  restauratorischen  bewegt, 
an  welche  Piaton  widerlegend  oder  fortbildend  anzuknüpfen  sich 
berufen  sah". 

Endlich  sei  es  mir  noch  vergönnt,  zu  den  von  dem  verf. 
citirten  stellen  einiges  zu  bemerken,  worauf  ich  vielleicht  später 
ausführlicher  zurückkommen  kann.  In  dem  citat  auf  p.  68, 
Legg.  IX,  p.  857  E  ist  nicht  mit  dem  überlieferten  text  zu  lesen 
nuiötvtt  jovg  noXi'zag,  aXX1  ov  ro^o&nei,    sondern  rzaidsvei  tovs 


Nr.  4.  108.  Griechische  geschichte.  205 

TtoXi'rag,  aXV  ovnco  vov&srti.  Auf  p.  92,  anm.  21  verwirft  der 
verf.  den  überlieferten  text  von  Arist.  Polit.  V,  9,  21  und  liest 
mit  Spengel  nach  beseitigung  von  uXiyag^ia,  xai  so:  naaäv  bXi- 
yoxQOficaTÜTt]  rä>v  noXiTEtööv  tau  tVQctpvig:  den  Superlativ  will 
er  wegen  jruaäv  haben ,  obgleich  an  dem  comparativ  niemand 
anstoss  finden  wird,  der  in  naatüv  den  gen.  comparativus  sieht. 
In  der  auf  p.  123  citirten  stelle  aus  Legg.  X,  889  E  ist  in 
den  Worten:  xut  drj  xut  tu  xuXa.  cpvati  pie*  utXa  slvcu,  vo/jq>  Ss 
8Ttoa,  anstatt  aXXu  meiner  ansieht  nach  aaXä  zu  lesen.  Ausser- 
dem hält  in  der  aus  Legg.  TV,  714  B.  (auf  p.  127  anm.  20) 
citirten  stelle:  o'vxs.  yao  ngog  [/o*]  noXsttov  ovrs  ngbg  ugsrrjv 
oXrtv  ßXinEiv  8hv  q-aai  tovg  iopiovg,  aXX  t]ti^  uv  y.udtßTi]y.vla  rj 
noXizsln,  TuvTrj  Seh  ro  QVfMpsgoVj  onwi  x.  r.  X.}  Madvig  (Adv. 
Crit.  I,  44)  das  zweite  8tlf  mit  recht  für  verderbt.  Doch  kann 
ich  seinem  vorschlage,  £j?«*v  zu  lesen,  nicht  beistimmen,  son- 
dern halte  uiith  für  die  richtige  Schreibung. 

C.  Liebhold. 

108.  Studien  zur  altspartanischen  geschichte.  Von  Gustav 
Gilbert.  8.  Göttingen,  Vandenhoeck  und  Kuprecht's  verlag. 
1872.     gr.  8.     196  s.   —      1   tblr.    2  gr. 

In  Fieckeisens  Jabrbb.  97,  p.  1  — 9  stellt  Gurt  Wachsmuth 
die  vermuthung  auf,  das  spartanische  doppelkönigthum  sei  aus 
einem  comproniiss  hervorgegangen,  mittelst  dessen  zwei  einan- 
der benachbarte,  unter  eigenen  königen  stehende  gemeinden  in 
einen  synoikismos  zusammengetreten  seien,  die  eine,  achäischen 
Stammes,  von  Agiaden  geführt,  habe  die  akropolis,  die  andere, 
Dorier  unter  den  Eurypontiden ,  die  höhen  von  Neusparta  be- 
wohnt. Diese  (nach  uusrer  ansieht  haltlose)  hypothese  zu 
grund  legend,  ausführend  und  erweiternd  gelangt  die  oben  be- 
zeichnete schritt  zu  einem  neuen  und  jedenfalls  originellen  auf- 
bau  der  älteren   geschichte  von   Sparta. 

In  den  ersten  zeiten  der  dorischen  ansiedluug  spielten  auch 
einwanderer  aus  Lemnos  eine  rolle  in  Lakonien,  leute  von  un- 
bekannter abkunft,  welche  bald  als  Pelasger  bald  als  nachkom- 
men von  Argonauten,  also  Minyer,  griechische  nationalitat  be- 
anspruchten. Der  vf.  nimmt  sie  als  Minyer  und  da  mit  ihrem 
auszug  aus  Lakonien  auch  der  Kadmeier  Theras  verknüpft 
wird,  von  welchem  sich  das  Aegidengeschlecht  ableitete,  so  fin- 


206  108.  Griechische  geschichte.  Nr.  4. 

det  er  nicht  nur,  dass  dieser  selbst  ein  Minyer  gewesen  (wie 
die  Minyer  sich  zu  den  Kadmeiern  verhalten  haben,  gibt  er 
Dicht  an,  verwendet  aber  den  Theras  nebenbei  auch  als  Kad- 
meier),  sondern  auch ,  dass  neben  den  bereits  aufgezeigten  ge- 
meinden Agiadai  und  Eurypontidai  noch  eine  dritte,  Aigeidai, 
westlich  von  der  akropolis  gegen  den  Taygetos  hin  existirt 
habe,  bestehend  aus  Minyern,  regiert  von  Theras  und  seinen 
nachkommen-,  aus  dem  synoikismos  dieser  drei  flecken  sei  die 
stadt  Sparta  erwachsen,  welche  so  bis  zum  ende  des  ersten  mes- 
senischen krieges  nicht  zwei ,  sondern  gleichzeitig  drei  könige 
gehabt  habe,  Agiaden,  Eurypontiden  und  Aegiden.  Die  „un- 
verwerflichen spuren  des  Aegidenkönigthums"  werden  „nachge- 
wiesen": insofern  nach  Pausanias  4,  7,  11  in  einer  schlacht 
jenes  krieges  der  Aegide  Euryleon  das  centrum  führte,  während 
die  könige  Polydoros  und  Theopompos  auf  den  flügeln  befeh- 
ligten ;  und  sofern  nach  Paus.  3,  3,  Polemarchos,  der  mörder 
des  Polydoros,  aus  einem  nicht  unrühmlichen  hause  gewesen 
und  ihm  ein  noch  zu  Pausanias  zeit  vorhandenes  mnema  gesetzt 
worden  ist.  In  diesem  Polemarchos  „erkennt"  vf.  einen  Aegi- 
den, und  zwar  „vielleicht  den  letzten  Aegidenkönig". 

Auch  in  den  gentilsacra  der  drei  stamme  weiss  vf.  be- 
scheid.  Achäischer  stammgott  war,  wie  schon  Gerhard  (in  sei- 
ner weise)  gezeigt  hat ,  Zeus ;  dorischer  nicht ,  wie  0.  Müller 
wollte,  Apollon,  sondern  (warum  ?  „diese  ansieht"  wird  „durch 
einige  beispiele  erhärtet"  p.  Qo,  wie  sie  für  jeden  andern  stamm 
auch  zu  geböte  stünden)  abermals  Zeus.  Da  nun  zu  Herodots 
zeit  die  könige  das  priesterthum  des  Zeus  Lakedaimon  und  Zeus 
Uranios  bekleidet  haben ,  und  Lakedaimon  nach  vf.  die  alte 
achäische  herrenburg  war,  so  findet  er,  dass  Zeus  Lakedaimon 
Schutzpatron  von  Agiadai,  und  Zeus  Uranios  stammgott  der 
Dorier  von  Eurypontidai  gewesen  ist.  Bei  den  Minyern  von 
Aigeidai  kommt  vf.  fast  in  Verlegenheit  durch  den  reichthum 
seiner  forschung3tnittel.  Hier  sollte  man  nämlich  Poseidon  als 
Schutzherrn  erwarten:  „denn  Aigeus  ist  nach  0.  Müller  ein  po- 
seidonischer name;  aber  der  schon  mehr  vergeistigte  dienst  der 
Athene  scheint  sich  doch  besser  für  einen  gentilcult  geeignet 
zu  haben".  Aus  dieser  Verlegenheit  hilft  ein  „beweis":  schutz- 
göttin  des  [Minyers  ?]  Kadmos ,  von  welchem  Theras  stammt, 
war  nämlich  Athene  Onga,  was  vf.  daraus  schliesst,  dass  deren 


Nr.  4.  108.  Griechische  geschichte.  207 

altar  und  agalma  in  Theben  für  ein  weihgeschenk  des  Kadmos 
gehalten  wurde.  Die  hauptsache  ist  wohl,  dass  vf.  diese  göttin  zu 
seiner  auffassung  der  lykurgischen  rhetra  braucht,  weiter  unten 
wird  dann  wieder  Poseidon  in  die  Stellung  eines  Minyerschutz- 
gottes  eingesetzt. 

Für  die  gesetzgeberische  thätigkeit  des  Lykurgos  verlieren 
wir  den  darlegungen  unsrer  schritt  zufolge  jeden  geschichtlichen 
anhält  (p.  118);  derselbe  ist  weiter  nichts  als  der  lichtgott 
Apollon  Lykeios,  heroisirt  als  schutzgott  der  von  Terpandros 
eingeführten  Verfassung.  Die  grosse  lykurgische  rhetra  ist 
nach  vf.  jener  vertrag,  durch  welchen  die  drei  gemeinden  sich 
im  synoikisirten  Sparta  vereinten.  Zeus  Syllanios  und  Athena  Syl- 
lania,  die  gottheiten  welchen  die  rhetra  ein  heiligthum  zu  errichten 
vorschreibt,  sind  Zeus  Sellanios  (d.  i.  Hellenios)  und  die  Athena 
Sellania  (Hellenia),  jener  eine  Verschmelzung  des  Zeus  Lakedai- 
mon  mit  Zeus  Uranios  [und  doch  waren  die  könige  in  späterer 
zeit  noch  priester  der  geschiedenen  culte]  ,  diese  die  bisherige 
schutzpatronin  von  Aigeidai.  Die  Verfassung  ferner,  welche 
durch  diese  rhetra  begründet  wurde,  war  eine  demokratie: 
denn  die  gerusia  ist  dazumal  bloss  geschäftsführender  aus- 
schuss  der  Volksversammlung  gewesen,  wenn  wir  dem  vf.  glau- 
ben schenken,  und  bestand  nicht,  wie  man  bisher  glaubte,  aus  2 
königen  und  28  geronten,  sondern  aus  3  königen  und  27  ge- 
ronten.  Der  phylen,  welche  sammt  den  oben  jetzt  eingerichtet 
wurden  (qvläi;  q>vXd%avta  aai  aißng  ojßä^avza  sagt  die  rhetra), 
waren  nach  dem  vf.  neun:  er  gewinnt  sie  durch  zusammenwer- 
fen der  erhaltenen  localen  phylennamen  Pitane,  Limnai,  Me- 
soa,  Kynosura  (diese  bei  Pausanias)  und  Dyme  (bei  Hesycbios) 
mit  den  namen  der  militärischen  lochoi  bei  Schol.  Arist. 
Lysistr.  454:  Edolos,  Sinis,  Arimas,  Ploas  und  Messoages  (schol. 
Thukyd.  4,  8  Messoates).  Dass  der  scholiast  diesen  lochen 
bestimmt  die  füufzahl  beilegt ,  verschlägt  dem  vf.  nichts.  In- 
dem er  aber  voraussetzt,  dass  jede  in  3  oben  getheilt  gewesen 
sein  wird,  so  ergibt  sich  ihm  die  zahl  von  27  oben;  mithin 
war  von  den  angenommenen  27  geronten  jeder  der  Vertreter 
einer  von  den  so  gefundenen  27  oben.  Bestätigung:  im  zweiten 
jahrh.  v.  Chr.  (also  ein  halbes  Jahrtausend  nachdem  das  drei- 
fache königthum  in  ein  zweifaches  und  die  27  geronten  in  28 
verwandelt  worden  waren)  finden  wir  bei  dem  Karneenfest,    ei- 


208  108.  Griechische  geschickte.  Nr.  4. 

nem  abbild  des  lagerlebens,  neun  zelte  errichtet,  in  deren  jedem 
neun  tage  lang  neun  männer  als  Vertreter  von  drei  phratrien  speisten. 
Schon  zur  zeit  des  tripelkönigthums  gab  es  dem  vf.  zu- 
folge innerhalb  der  spartanischen  Vollbürgerschaft  (o/aoioi)  noch 
einen  besonderen  adel.  Da  nämlich  Thukydides  für  seine  zeit 
von  nQmzoi  avÖQsg,  Aristoteles  von  xalul  xayaöo/,  aoioroi  und 
deren  merkmal,  der  agszrj  spricht  und  durch  reichthum  hervor- 
ragende männer  vielfach  im  späteren  Sparta  nachweisbar  sind, 
so  erhellt,  dass  das  adelige,  aristokraten  gewesen  sein  müssen ; 
für  die  frühere  zeit  ersetzt  vf.  den  nachweis  derselben  durch 
Wendungen  wie  „gewiss  auch",  „ich  sehe  nicht  ein ,  wesshalb 
nicht",  „wie  soll  man  sich  sonst  denken,  dass".  Mit  hülfe  die- 
ser aristokraten  wusste  könig  Theopompos  dem  demos  das  ihm 
in  der  grossen  rhetra  gewährleistete  recht  der  letzten  entschei- 
dung  zu  nehmen  und  auf  die  gerusie  als  Vertretung  des  adels 
zu  übertragen.  Dies  der  zweck  seiner  zusatzrhetra.  Ferner 
war,  so  fährt  vf.  fort,  durch  den  synoikisinos  es  möglich  ge- 
worden, Amyklai  und  die  andern  gemeinden  Lakouiens  der  Stadt 
Sparta  unterthan  zu  machen.  Erst  jetzt  also,  nach  dem  er- 
werb  von  so  viel  land,  entstand  die  agrarische  frage;  zu  Ly- 
kurgs zeit  war  diese  einfach  deshalb  nicht  möglich  ,  weil  nach 
der  verbreitetsten  meinung  er  ja  vormund  des  Cbarilaos  genannt 
wird.  (Warum  nicht  eiufaclier ,  weil  er  ein  gott  war?)  Jetzt 
also  nahm  der  demos  durch  assignation  am  gruudbesitz  des 
Staates  theil,  indem  er  unveräusserliche  leben  bekam,  während 
der  adel  freies  eigenthum,  allodialbesitz,  hatte. 

Durch  könig  Theopompos  wurde  aber  nicht  bloss  die  ari- 
stokratische Verfassung ,  sondern  auch  das  ephorat  eingeführt, 
welches  man  „verkehrter  weise"  als  eine  concession  an  den 
demos  aufzufassen  pflegt.  Er  war  es  endlich  auch,  der  im 
Verein  mit  köuig  Polydoros  das  doppelkönigthum  an  die  stelle 
des  dreifachen  setzte.  Die  Chronologie  des  ersten  messenischen 
krieges  behandelt  nämlich  vf.  so,  dass  das  ende  desselben  nahe 
an  die  zeit  der  gründung  von  Tarent  herabrückt.  Die  Parthe- 
nier  aber,  welche  diese  Stadt  von  Sparta  aus  gründeten,  wird 
man,  wie  vf.  meint,  als  Minyer  nehmen  dürfen,  ja  „der  Cha- 
rakter dieser  Stadt  war  viel  mehr  minyeisch  als  dorisch,  denn  Ta- 
ras  war  söhn  des  Poseidon,  des  hauptgottes  [vgl.  oben]  der 
Minyer"  ;    wozu    noch    einige  andere  eben    so    schwer  wiegende 


Nr.  4.  108.  Griechische  geschichte.  209 

argumente  kommen  (p.  190  sq.).  Die  stasis,  welche  Terpan- 
dros  beschwichtigt  haben  soll,  bestand  in  den  parteikämpfen 
zwischen  den  Minyern  und  den  zwei  andern  stammen  um  die 
politische  gleichberechtigung.  Durch  ihn  kommt  ein  neuer 
compromiss  zu  stände :  die  Versöhnung  der  gegensätze  erfolgt 
durch  abschaffung  des  Minyerkönigthums  und  auswanderung 
der  widerstrebenden  Minyer  nach  Tarent ;  die  religiöse  weihe 
gibt  Terpandros  durch  einführung  des  Karneenfestes,  indem  er 
an  stelle  von  Zeus  Sellanios  und  Athena  Sellania  den  vorher 
bloss  minyischen  Apollon  Karneios  zum  obersten  staatsgott 
erhebt. 

Dies  die  leitenden  unter  vielen,  durch  ihren  inhalt  ebenso 
wie  durch  die  art  der  begründung  überraschenden  gedanken 
der  schrift ,  welche  einer  eingehenderen  besprechung  und  beirr« 
theilung  zu  unterziehen  um  so  weniger  nöthig  sein  dürfte ,  als 
vf.  selbst  —  trotz  der  vielen,  so  sicher  auftretenden  Wendun- 
gen wie  „darum  denn  auch",  ,, daher  denn  auch",  ,,deshalb  denn 
auch"  udgl.  —  im  grund  seines  herzens  seinen  entdeckungen 
doch  nicht  recht  zu  trauen  scheint.  Wenigstens  beschliesst  er 
die  darlegung  einer  für  die  ganze  schrift  sehr  massgebenden 
these  (die  ungeschichtlichkeit  des  Lykurgos  betr.)  mit  dem  cha- 
rakteristischen geständniss,  dass  sie  weder  den  anspruch  auf 
gewissheit  noch  auf  Wahrscheinlichkeit  mache  (p.  120).  Neh- 
men wir  zu  dieser ,  auch  sonst  z.  b.  in  wiederholten  ,  inneren 
Widersprüchen  sich  verrathenden  eigenen  Unsicherheit  des  vf. 
die  unbeholfenheit  des  ausdrucks  und  das  saloppe  der  ganzen 
ausdrucksweise,  so  wird  leicht  ersichtlich,  dass  der  vf.  es  ver- 
säumt hat,  seinen  gährenden  ideen  die  zur  reife  nöthige  zeit 
zu  lassen.  An  leistungsfähigkeit  hätte  es  ihm  offenbar  nicht 
gefehlt.  Das  oben  angeführte  lässt  immerhin  eine  gewandte 
combinationsgabe  erkennen  und  ,  wo  jene  grundgedanken 
der  schrift  nicht  einwirken,  finden  sich  ausführungen  genug,  die 
ein  treffendes  urtheil  bekunden.  So  die  polemischen  partien, 
z.  b.  gegen  0.  Müllers  lehre  von  dem  dorischen  Charakter  des 
Apollodienstes,  gegen  Peter  über  Phylarch  als  quelle  des  plu- 
tarchischen  Lykurg,  gegen  Triebers  Verdächtigung  der  grossen 
rhetra,  gegen  Flügel  über  die  benutzung  des  Ephoros  durch 
Herakleides,  gegen  Schäfer  über  die  ephoren.  Viel  gelungenes 
oder  wenigstens  ansprechendes  enthalten  cap.  1  über  die  ein- 
Philol.  Anz.  V.  14 


210  109.  Komische  geschickte.  Nr.  4. 

heimische  tradition  der  Spartaner,  c.  4  die  äussere  geschichte 
bis  auf  könig  Charilaos  und  c.  6  über  die  tradition  des  Ly- 
kurg (besonders  was  die  textkritik  und  erklärung  der  lykurgi- 
schen rhetra  betrifft). 

Fg. 

109.  W.  Ch.  Ihne,  Komische  geschichte,  dritter  band, 
Leipzig.  1872.     VIII  u.  368  s.  —     1  thlr.    15  gr. 

Die  jetzt  erschienene  fortsetzung  dieses  Werkes  enthält  die 
äussere  geschichte  der  zeit  nach  dem  zweiten  punischen  kriege 
bis  zum  fall  von  Numantia,  also  von  200  bis  133  v.  Chr.  5  die 
innere  geschichte  ist  einem  weiteren  bände  vorbehalten.  Der  vf. 
hatte  früher  erklärt,  dass  er  die  ganze  römische  geschichte  in  drei 
bänden  zu  umfassen  gedenke;  diese  absieht  hat  sich  ihm  nunmehr 
als  unausführbar  erwiesen,  worüber  er  sich  in  der  vorrede  — 
wahrscheinlich  auf  veranlssung  eines  ungerechtfertigten  deshal- 
bigen  Vorwurfs  —  entschuldigend  äussert.  Wir  sind  weit  ent- 
fernt, in  diesen  Vorwurf  einzustimmen;  indess  scheint  es  doch 
als  ob  der  vf.,  wenn  er  in  dieser  weise  fortfährt,  eine  grosse 
anzahl  von  bänden  würde  liefern  müssen.  Es  wird  ihm  wahr- 
scheinlich ergehen  wie  nach  der  bekannten  stelle  im  eingang 
des  31.  buches  dem  Livius ,  der,  je  weiter  er  in  seinem  werke 
vorschritt,  sein  ziel  sich  in  immer  weitere    ferne  entrücken  sah. 

Der  vf.  erzählt  die  äusseren  ereignisse  der  bezeichneten 
zeit  hauptsächlich,  wie  sich  von  selbst  versteht,  dem  Polybius 
und  Livius  folgend,  mit  einer  ausführlichkeit,  die  auch  kleinre, 
unerheblichere  dinge  nicht  fallen  lässt  und  die  an  das  in- 
teresse  eines  grösseren  publikums,  für  welches  er  schreibt,  wohl 
allzugrosseansprüche  machen  dürfte.  Seine  darstellung  ist  indess, 
wie  in  den  früheren  bänden,  klar  und  fliessend  und  nicht  selten 
durch  beurtheilende  betrachtungen  oder  hinweisungen  auf  ana- 
logien  aus  anderen  theilen  der  geschichte  (besonders  der  eng- 
lischen) belebt.  Man  wird  mit  diesen  betrachtungen  sich  meist 
in  Übereinstimmung  finden ;  insbesondere  wird  man  ihm  recht  ge- 
ben, wenn  er  im  gegensatz  gegen  Mommsen  die  römische  politik 
dieser  zeit  so  cbarakterisirt,  wie  sie  war,  nämlich  nicht  nur 
rücksichtslos  gegen  alles  fremde,  sondern  auch  lauernd,  hinter- 
listig und  treulos,  wiewohl  er  hierin  hie  und  da  sogar  etwas 
zu  weit  gehen  dürfte.     Weniger  überzeugend  ist  es  z.  b.,  wenn 


Nr.  4.  109.  Kömische  geschichte.  211 

er  den  könig  Perseus  in  Widerspruch  mit  den  quellen  im  gün- 
stigsten lichte  darstellt,  und  noch  weniger,  wenn  er  den  Has- 
drubal,  welcher  bei  der  letzten  katastrophe  von  Karthago  eine 
hervortretende  rolle  spielt,  den  „letzten  Karthager  im  besten 
sinne  des  worts"  und  den  ,,repräsentanten  der  intensiven  kraft, 
Zähigkeit,  Vaterlandsliebe  und  unerschöpflichen  Vielseitigkeit  sei- 
nes volks"  nennen  zu  müssen  glaubt.  Wenn  Polybius  ihn,  wie 
bekannt,  ganz  anders  darstellt,  so  vermuthet  der  verf. ,  dass 
der  grund  hiervon  in  einer  „persönlichen  rancüne"  zu  suchen  sei. 
Es  kann  nicht  unsere  absieht  sein,  über  die  anordnung  des 
Stoffes  etwas  zu  bemerken,  die  sich  in  dieser  partie  der  römischen 
geschichte  von  selbst  ergiebt,  und  eben  so  wenig  würde  es  an  die- 
ser stelle  angemessen  sein,  bei  einzelheiten  zu  verweilen,  die  etwa 
anlass  zu  ausstellungen  geben  möchten.  Dagegen  glauben  wir  zum 
schluss  noch  mit  einem  worte  die  handhabung  der  kritik  von  Seiten 
des  vf.  berühren  zu  sollen.  Wir  finden  sehr  häufig,  dass  er  ge- 
gen Valerius  Antias,  gegen  Appian,  Orosius,  Justin,  aber  auch 
gegen  Livius  und  zuweilen  auch  gegen  Polybius  polemisirt. 
Was  die  erstgenannten  Schriftsteller  anlangt,  so  dürfte  die  po- 
lemik  zum  grossen  theile  unnöthig  sein ,  da  ihre  fehler  und 
mängel  allgemein  bekannt  sind;  dass  er  bei  Livius  wiederholt 
darauf  aufmerksam  macht,  dass  er  aus  Patriotismus  manches 
verschwiegen  oder  verhüllt  habe,  ist  gewiss  eben  so  richtig  als 
anerkennenswerth;  wenn  er  aber  dem  Polybius  dienstbeflissenheit 
gegen  die  Römer  schuld  giebt  und  ihn  deswegen  öfter  bekämpft, 
scheint  uns  ungerechtfertigt.  Beruht  doch  des  verf.  ungünstige 
darstellung  der  römischen  politik  selbst  fast  ausschliesslich  auf 
Polybius  und  dessen  berichten  undurtheilen!  Von  neueren  arbeiten 
werden  fast  nur  Mommsens  römische  geschichte  und  Kissens  „Un- 
tersuchungen" berücksichtigt,  die  erstere,  wie  man  bei  der  oben 
erwähnten  Verschiedenheit  der  grundansicht  nicht  anders  vor- 
aussetzen wird,  lediglich,  um  gegen  sie  zu  polemisieren.  Es 
geschieht  dies  durchweg  in  der  gebührenden  anständigen  und 
rücksichtsvollen  weise,  zuweilen  jedoch  nicht  ohne  eine  gewisse 
scharfe.  Wenn  z.  b.  Mommsen  sagt,  es  könne  „nur  von  der 
verächtlichen  Unredlichkeit  oder  der  schwächlichen  Sentimenta- 
lität verkannt  werden ,  dass  es  mit  der  befreiung  Griechen- 
lands den  Eömern  vollkommen  ernst  war'',  so  bemerkt  Ihne  da- 
gegen treffend,  dass  gerade  Sentimentalität  „sonderbarer  weise" 

14* 


212  110.  Bömische  geschickte.  Nr.  4. 

denen  vorgeworfen  werde,    „die  an   eine  gefühlspolitik  der  Kö- 
rner nicht  glauben  wollen"  (p.  63). 

110.    Pfitzner,    das  geburtsjahr  Jesu  Christi.     4.     Pro- 
gramm des  gymnasiums  in  Parchim.  1873.     20  s. 

Der  verf.  ist  durch  Zumpts  scbrift  über  denselben  gegen- 
ständ (vgl.Phil.  Anz.  II,  6,  p.301)  veranlasst  worden,  sich  ebenfalls 
mit  der  lösung  der  vielbestrittenen  frage  zu  beschäftigen,  und 
zwar  in  apologetischem  interesse  für  Lucas  und  mit  dem  resul- 
tat,  dass  das  j.  749  d.  st.  das  wahre  geburtsjahr  sei.  Jene 
apologetische  tendenz  äussert  sich  in  der  art,  dass  der  verf. 
nicht  sowohl  untersucht ,  ob  Ev.  Luc.  2 ,  2  gegenüber  den 
Schwierigkeiten,  die  namentlich  Josephus  macht,  zu  halten  sei, 
sondern  einfach  sagt:  wesshalb  soll  Lucas  nicht  beanspruchen 
dürfen,  dass  seine  angaben  in  dem  ausgleichungsprocess  mit 
Josephus  a  priori  als  haltbar  angenommen  und  zwischen  ihm 
und  dem  jüdischen  geschichtschreiber  gerade  so  verfahren  werde 
wie  zwischen  zwei  andern  Schriftstellern,  deren  angaben  im  Wi- 
derspruch zu  stehen  scheinen?  (vgl.  p.  13).  Für  die  Würdigung 
dieses  standpuncts  sowie  für  die  art,  wie  der  vf.  mit  dem  stern 
der  magier,  der  flucht  nach  Aegypten  und  andern  momenten  der 
evangelischen  geschichte  operirt,  werden  wir  ihn  an  die  theo« 
logen  verweisen  dürfen.  Von  philologischer  seite  ergibt  sich 
nur  insofern  ein  interesse  an  solchen  ausgleichungsversuchen, 
als  sie  beanspruchen,  eine  einrichtung  der  römischen  Verwaltung 
in  neuer  weise  klar  zu  stellen,  wie  dies  der  fall  war  mit  der  Piniol. 
XXII,  p.  720  erwähnten  abhandluug.  Dies  thut  der  vf,,  indem  er 
(p.  12)  die  reihenfolge  der  Statthalter  Syriens  so  darstellt:  „I. 
C.  Sentius  Saturninus  von  9  v.  Chr. ;  2.  P.  Qninctilius  Varus 
von  6  v.  Chr. ;  3.  Quirinius  von  5  v.  Chr. ;  4.  P.  Quinctilius 
Varus  von  4  v.  Chr."  „Diese  auf  grund  der  positiven  nach- 
richt  des  evangelisten  Lucas  verbürgte  einreihung  des  Quiri- 
nius als  Statthalter  von  Syrien  widerspricht  im  gründe  auch  nicht 
den  angaben  des  Josephus".  Auf  diese  weise  wird  allerdings 
die  Schwierigkeit,  dass  bei  Josephus  Varus  sowohl  i.  j.  748  als 
750  v.  Chr.  Statthalter  von  Syrien  ist,  gehoben,  aber  wie! 
Dem  Varus  hatte  die  Schätzung  nicht  gelingen  wollen,  so  wird 
denn  nach  einem  jähr  Quirinius  als  der  rechte  mann  dafür 
eingeschoben ;  dieser  bringt  im  sommer  des  jahrs  749    das  von 


Nr.  4.  113.  Römische  altertbümer.  213 

Saturnmus  schon  vorbereitete  geschäft  (Tertullian.  adv.  Marc. 
4,  19)  zu  stände  und  überlässt  dann  wieder  i.  j.  750  dem  Varus 
die  Statthalterschaft.     Ganz  schön,  aber  credat  Judaeus  Apella. 

111.  Samuel  Herrlich,  de  aerario  et  fisco  Romanorum 
quaestiones.     Dissertatio  inauguralis.   8.    Berolini  1872.     47  SS. 

Die  fragen,  welche  der  verf.  in  dieser  Th.  Mommsen  ge- 
widmeten abhandlung  zu  beantworten  sucht,  sind  zum  theil 
mehr  juristischer,  als  philologisch -historischer  art.  Es  gilt  dies 
besonders  von  dem  ersten  abschnitt:  de  iure  aerarii  populi  Eo- 
mani  (p.  5 — 18),  in  dem  der  vf.  die  rechtliche  Stellung  des  aera- 
rium  nach  Bruns'  vorgange  als  eine  nur  in  gewisser  hinsieht 
privilegirte  characterisirt.  Es  schliesst  sich  daran  ein  Excur- 
sus  de  actoribus  sive  syndicis  munieipiorum  (p.  18 — 20).  Der 
zweite  theil:  de  fisco  imperatorum  Eomanorum  (p.  21—25)  be- 
handelt in  ziemlich  oberflächlicher  weise  einige  die  Verwaltung 
des  kaiserlichen  fiscus  betreffende  fragen.  Von  höherem  werthe 
ist  der  dritte  abschnitt:  de  advocato  fisci  (p.  25 — 46),  der  mit 
benutzung  des  inschriftlichen  materials  eine  eingehende  Untersu- 
chung über  diese  von  Hadrian  eingesetzte  advocatur  in  ihren 
verschiedenen  entwickelungsstadien  bietet;  mit  den  resultaten 
derselben  wird  man  sich  im  allgemeinen  durchaus  einverstanden 
erklären  können. 

Von  einzelnheiten  wäre  mancherlei  zu  berichtigen;  so  die 
behauptung  (p.  22),  dass  das  aerarium  p.  E.  schon  unter  M. 
Aurel  zu  einer  städtischen  kasse  herabgesunken  sei,  was  kei- 
neswegs vor  Alexander  Severus  geschehen  und  erst  für  die  zeit 
Aurelian's  bezeugt  ist;  ferner  (p.  22),  dass  unter  Tiber  die  ab- 
gaben aus  senatoriseben  provinzen  zum  theil  in  den  fiscus  ge- 
flossen seien,  was  fälschlich  aus  einer  missverstandenen  stelle 
des  Tacitus  (Ann.  2,  47)  gefolgert  wird.  Ebensowenig  kann 
ich  mich  mit  der  vertheidigung  der  vulgat- lesart  in  der  vita 
Getae  c.  2:  ex  formulario  (die  handschriften  haben:  formularia) 
forensi  einverstanden  erklären,  noch  mit  der  datirung  der  bei 
Maffei,  Mus.  Veron.  462  und  Philostrat.  Vitt.  Sophist.  II, 
29  genannten  advocati  fisci  (p.  28),  die  beide  nicht  in  den  an- 
fang  des  dritten,  sondern  unzweifelhaft  noch  in  das  zweite  Jahr- 
hundert zu  setzen  sind.  Auch  von  dem  gebrauche  falscher 
inschriften  hat  sich  der  verf.  nicht  ganz  frei  gehalten:   so  sind 


214  112.   Archäologie.  Nr.  4. 

die  aus  Fabretti  angeführten  (anrn.  89  und  108),  in  denen  pro- 
curatores  caducorum  sich  finden,  sämmtlich  falsch  und  dieser  ti- 
tel,  wie  6chon  Eichhorst  (quaestiones  epigraphicae  p.  19)  nachge- 
wiesen hat,  nirgends  in  echten  inschriften  bezeugt. 

Trotz  dieser  und  ähnlicher  irrthümer  zeugt  die  abhandlung 
von  Sorgfalt  und  verständiger  kritik  und  besonders  die  darstel- 
lung  der  advocati  fisci  kann  als  recht  gelungen  bezeichnet  wer- 
den; leider  ist  die  schrift  durch  eine  grosse  menge  druckfehler 
entstellt.  O  —  d. 

112.  Supplement  zu  den  6tudien  über  den  bilderkreis  von 
Eleusis  von  Carl  Strube.    Herausgeg.  von  H.  B r u n n.  8.  1872. 

Die  Zeichnungen  der  drei  vasenbilder,  welche  in  dem  vorlie- 
genden heftchen  veröffentlicht  werden,  hatte  der  verf.  der  schon 
im  philologischen  Anzeiger  bd.  II,  h.  10,  p.  524  besprochenen 
Studien  von  einer  italienischen  reise  mitgebracht.  Vermuthlich 
waren  sie  bestimmt  die  beigäbe  eines  umfangreicheren  nachtra- 
ges  zu  bilden,  zu  dem  Strube  auch  sonst  weitere  materialien 
gesammelt.  Sein  tod  —  er  fiel  im  kämpfe  vor  Metz  —  ver- 
eitelte diesen  plan  und  so  sind  diese  blätter,  die  Brunn  unter 
benutzung  einiger  in  den  papieren  seines  früheren  Schülers  ge- 
fundenen aufzeichnungen  mit  einem  kurzen  text  begleitet  hat, 
das  gedächtnissmal  eines  jungen  gelehrten  geworden,  dessen  ge- 
diegene erstlingsschrift  das  beste  versprach. 

Bei  weitem  das  wichtigste    der    hier    veröffentlichten  vasen- 
bilder ist  das  dritte  von  dessen  existenz  die  gelehrte  weit  schon 
seit  E.  W.  Visconti  unterrichtet  war,    ohne    dass    es    bis  dahin 
gelungen  wäre  eine  Zeichnung  zu  erhalten.     Es  enthält  die  ein- 
zige   bis    dahin    bekannte    sichere    darstellung    der   anodos    der 
Kora.     Wenn  uns    nun    diese    schöne    composition    einerseits  zu 
dem  geständniss  nöthigt,    dass    einfacher  und  durchsichtiger  der 
Vorgang  überhaupt  nicht  dargestellt  werden  konnte,    so  werden 
wir    andrerseits   jetzt  um  so  mehr  überzeugt  sein,    dass  Strube 
mit  recht  die  Stephanische  beziehung  einer  berühmten  Kertschen 
vase  [Compte  -  Rendu    pour    1859    pl.  1)    auf    diesen    gegenständ 
bestritten  hat.     Kora  ist  auf  dem  jetzt  bekannt  gemachten  bild 
wirklich  ßteigend  dargestellt.      Die    erhobene   band    und  der  ge 
öffnete    mund    drücken    characteristisch    das    staunen    über    di 
überwältigende   Wirkung  des  solange  entbehrten  lichtes  aus. 


Nr.  4.  112.  Archäologie.  215 

Tafel  1  giebt  dann  die  bilder  eines  prachtvollen  stamnos 
der  früheren  Campanaschen  Sammlung  mit  rothen  figuren  im  stren- 
gen stil.  Die  Vorderseite  stellt  den  sehr  häufigen  auszug  des 
Triptolemos  dar,  dem  nach  heroischer  weise  der  abschiedstrunk 
gereicht  wird.  Die  deutung  der  einschenkenden  frauengestalt 
auf  Demeter,  die  der  hinter  dem  wagen  stehenden  als  Kora 
wird  für  unser  gefäss  unzweifelhaft  zu  recht  bestehen  bleiben,  wenn 
auch  durch  eine  seitdem  bei  Capua  gefundene  prachtvolle  vase 
des  Hieron  bewiesen  ist,  dass  Brunn  mit  unrecht  das  entschei- 
dende moment  für  diese  benennung  der  figuren  in  ihrer  Stellung 
zur  hauptfigur  erblicken  wollte.  Hier  heisst  nämlich,  wie  wir  aus 
der  im  Bulletino  delV  Instituto  von  1870  p.  41  gegebenen  beschrei- 
bung  ersehen,  die  einschenkende  Persephone  {<l>EPO<l>ATTÄ), 
während  Demeter  {/1EMETPE)  mit  fackel  und  ähren  hinter  dem 
wagen  erscheint.  Gesichert  ist  ferner  wohl  Hekate  und  auch  gegen 
Keleos  und  Hippothoon,  die  nach  massgabe  eines  vasenbildes 
in  der  Elite  Ceramogr.  III,  62  so  genannt  sind,  wird  kaum 
etwas  eingewandt  werden  können.  Sehr  zweifelhaft  scheint 
es  uns  dagegen  trotz  der  scheinbar  vermittelnden  Stellung  der 
einen  fackelhaltenden  figur ,  ob  die  rückseite  in  so  nahen  Zu- 
sammenhang mit  der  Vorderseite  zu  setzen  ist,  wie  Brunn  an- 
nimmt. Die  Verkündigung  der  hohen  bestimmung,  zu  der  nach 
den  rathschlägen  der  götter  Triptolemos  berufen  ist,  scheint  uns 
in  der  that  ein  zu  untergeordneter  moment,  als  dass  wir  ihn 
überhaupt  dargestellt  erwarteten.  Die  geberde  des  entsetzens 
welche  die  supponirte  Metaneira  macht  scheint  vielmehr  darauf 
hinzuweisen,  dass  die  botschaft  des  Hermes  ihre  person  viel  nä- 
her angeht.  Welchen  mythus  der  maier  im  äuge  hatte,  lässt  sich 
bei  dem  mangel  an  Charakteristik  allerdings  nicht  mehr  feststel- 
len. Was  das  an  zweiter  stelle  publicirte  figurenreiche  bild  ei- 
nes  unteritalischen  krater  des  neapolitanischen  museums  be- 
trifft, so  ist  von  Strube  richtig  erkannt  worden,  dass  jede  be- 
ziehung  auf  die  familie  des  Triptolemos  als  attischen  heros  hier 
wegfällt.  Wenn  er  jedoch  in  der  weiblichen  gestalt ,  die  ihm 
einen  kränz  reicht,  seine  unsterbliche  mutter  Polyhymnia  er- 
kennen will,  so  scheint  uns  das  kaum  mehr  als  ein  blosser  ein- 
fall.  Wenn  dieser  gestützt  werden  sollte,  so  konnte  das  nicht 
durch  die  von  Brunn  eingeschlagene  ausschlussmethode,  sondern 
nur    durch    eine   im    weitesten  umfang   angestellte  Untersuchung 


216  113.  Numismatik.    —    Theses.  Nr.  4. 

geschehen ,  theils  über  die  quellen ,  denen  die  unteritalischen 
vasenmaler  ihre  sujets  entlehnen,  theils  über  die  natur  des  gan- 
zen figurenapparates,  mit  denen  sie  den  kern  der  composition 
zu  umgeben  pflegen.  Ob  man  dabei  auf  die  orphische  poesie 
—  der  Brunn  wohl  mit  recht  jene  tradition  über  die  mutter  des 
Triptolemos  zuweist  —  stossen  würde,  ist  doch  wohl  sehr  zwei- 
felhaft; uns  scheint  vielmehr  wahrscheinlich,  dass  man  für  diese 
figur,  die  in  ihrer  beziehung  zu  Triptolemos  den  abschied 
vom  heimathlichen  boden  ausdrücken  und  durch  den  kränz  den 
gedanken  an  das  glückliche  gelingen  der  fahrt  nahe  legen  soll, 
überhaupt  keinen  bestimmten  namen  suchen  darf. 

113.  Le  crocodile  de  Nimes.  Par  W._Fröhner.  8. 
Paris  1872. 

Das  schriftchen  enthält  eine  sorgfältige  und  gelehrte  Unter- 
suchung über  die  wohl  mehr  dem  numismatiker  von  fach  als 
dem  archäologen  bekannten  münzen  der  römischen  colonie  von 
Nemausus,  deren  revers  das  auf  dem  titel  genannte  thier  neben 
der  kröne  (?)  eines  palmbaumes  zeigen.  Eine  genaue  Unter- 
scheidung aller  in  betracht  kommenden  typen  führt  zu  dem 
resultat,  dass  der  Zeitraum,  in  dem  diese  münzen  geprägt  sind, 
nicht,  wie  man  bisher  annahm,  drei  sondern  achtzehn  jähre 
724 — 742  u.  c.  umfasst.  Dass  der  revers  eine  anspielung  auf  den 
ägyptischen  feldzug  (723)  enthält,  an  dem  die  von  Octavian  in 
Nemausus  angesiedelten  Veteranen  theilnahmen ,  ist  durch  die 
p.  13  gegebenen  nachweise  ausser  allen  zweifei  gesetzt.  Nur 
geht  der  verf.  sicher  zu  weit,  wenn  er,  anstatt  die  erfindung 
der  sehr  verständlichen  Symbolik  demjenigen  zuzuschreiben,  wel- 
cher den  Stempel  schneiden  liess,  anzunehmen  geneigt  ist,  dass 
wir  hier  die  nachbildung  eines  zur  erinnerung  an  die  glück- 
liche expedition  in  Nimes  „  wahrscheinlich  als  weihgeschenk 
aufgestellten  ehernen  palmbaums  und  eines  ausgestopft  mitge- 
brachten crocodils"  vor  uns  haben.  Man  ist  versucht  den  Ver- 
fasser zu  fragen,  ob  er  das  wirklich  alles  ernstes  gemeint  habe? 

Theses 

quas  ...  in  academia  Fridericiana  Halensi  .  .  .  d.  VII  m.  Martii 
publice  defendet  Aemilius  Walter:  I.  Hom.  IL  I,  19.  64.  395  digamma 
retinendum  est.  IL  Aesch.  Agam.  1287  sqq.  legendum  est:  Im  ßgö- 
Ttia  nQccyfxat'.  tvTv^ovvra  fiiv  2xid  ng  av  tq^kuv,  il  dt  dvaiv/tj,  Bokcüg 
iyQüiOffoJV    anüyyog    wXtotv  ygayqv.      III.    Soph.    Antig.    VV.    904 — 91t 


Nr.  4.        114 — 125.  Neue  auflagen  und  Schulbücher.  217 

tamquam  interpolati  removendi  sunt  ex  editionibus.  IV.  Quint.  I.  0. 
X,  1,  104  iure  Halmius  Cremutii  nonien  restituit;  falso  autem  präe- 
cedentia  verba  »  superest  .  .  intelligitur «  ad  eundem  referuntur.  V. 
Tac.  Ann.  II,  33  verba  »erat  . . .  promere«  recte  Nipperdeius  ab  inter- 
prete  interposita  censuit.  VI.  Homoioteleuton  quod  proprie  dioimus 
et  nomine  et  re  Germanorum  est  inventio. 

Neue  auflagen. 

114.  Homer's  Odyssee.  Erklärt  von  J.  U.  Fähsi.  1.  bd.  6.  aufl. 
besorgt  von  W.  C.  Kayser.  8.  Berlin.  Weidmann;  18  gr.  —  115. 
Homer's  Odyssee.  Für  den  schulgebraucb  erklärt  von  K.  E.  Ameis. 
1.  bd.  2.  heft.  5.  aufl.  besorgt  von  C.  Hentze.  8.  Leipzig.  Teubner; 
12  ngr.  —  116.  Sophokles.  Für  den  schulgebraucb  von  G.  Wolff. 
3.  thl.  Antigone.  2.  aufl.  8.  ebendas.;  15  gr.  —  117.  Thukydides. 
Erklärkt  von  J.  Classen.  1.  bd.  2.  aufl.  8.  Berlin.  Weidmann;  25 
gr.  —  118.  Xenophons  Anabasis.  Erklärt  von  C.  Mehdantz.  1.  bd. 
3.  aufl.  8.  Berlin.  Weidmann;  15  gr.  —  119.  T.  M.  Plautus,  aus- 
gewählte komödien.  Für  den  schulgebrauch  erklärt  von  J.  Brix. 
1.  bd.  Trinummus.  2  aufl.  gr.  8.  ebendas;  12  ngr.  —  120.  Cice- 
ro's  rede  für  C.  Plancius.  Für  den  schulgebrauch  erklärt  von  E. 
Kvpke.  2.  aufl.  8.  Leipzig.  Teubner;  12  gr.  —  121.  T.  Livi  ab 
urbe  condita  libri.  Erklärt  von  E.  Weissenborn.  8  bd.  2.  aufl.  Ber- 
lin. Weidmann;  25  ngr.  —  122.  L.  O  Broker,  Untersuchungen  über 
die  glaubwürdigkeit  der  altrömischen  Verfassungsgeschichte.  2.  ausg. 
8.     Hamburg.  Gröning;  1  thlr. 

Neue  Schulbücher. 

123.  124.  Freund,  Schülerbibliothek.  1.  abth.  Präparation  zu 
Sophokles  werken.  14.  heft.  16.  Leipzig.  Violet;  5  ngr.  —  zu  Sal- 
lust's  werken.  4.  heft.  3.  aufl.  ebendas.  —  125.  R.  Kühner,  Übungs- 
buch enthaltend  deutsche  uud  griechische  Übersetzungsstücke  zur  er- 
lernung  der  formenlehre  und  syntax.  2.  aufl.  8.  Hannover,  Hahn; 
15  ngr. 

Bibliographie. 

Weitere  nachrichten  über  die  arbeiteinstellung  der  setzer  in 
Leipzig  finden  sich  im  Börsenbl.  nr.  64;  ferner  nr.  74. 

Eine  biographie  von  Ambmise  Firmin  Didot  von  0.  Mühlbrecht 
steht  im  Börsenbl.  nr.  70 :  sie  stand  zuerst  in  der  Leipziger  illustrir- 
ten  zeitung:  es  ist  sehr  unrecht,  dass  bei  der  herausgäbe  von  IT. 
Stephani  Thesaurus  Dübner  nicht  genannt  ist,  der  auch  bei  andern 
Unternehmungen  Didot's  rechte  hand  gewesen. 

Sehr  beachtenswerth  ist  der  aus  der  » Gegenwart«  im  Börsenbl. 
nr.  76  aufgenommene  artikel  von  H.  W.  Eras:  »der  gewerkverein 
der  buchdruckergehülfen  und  herr  Brentano« :  professor  Brentano  in 
Breslau  vertheidigt  die  massnahmen  der  gehülfen. 

Mauke's  verlag  (Hermann  Dufft)  in  Jena  versendet  einen  pro- 
Bpect  über:  Lexicon  zu  den  reden  des  Cicero  mit  angaben  sämmtlicher 
stellen  von  H.  Merguet,  welches  40  lieferungen  a  5  bogen  zum  preise 
von  20  sgr.  für  jede  lieferung  umfassen  soll :  jedes  jähr  werden  sechs 
lieferungen  erscheinen.  Es  ist  das  gewiss  ein  sehr  zeitgemässes  un- 
ternehmen. Der  prospect  enthält  p.  4  auch  angaben  über  andre  neue 
philologische  Unternehmungen  dieser  firma. 

Im  märz  ist  ausgegeben:   verzeichniss  empfehlenswerther  karten- 


218  Bibliographie.  Nr,  4. 

werke  für  lehr  -  anstalten  aus  dem  verlage  von  Dietrich  Reimer  in 
Berlin;  ferner:  verlags - bericht  von  L.  Heimanns  verlag  (Erich  Ko- 
schny)  in  Berlin,  worin  über  die  daselbst  erseheinende  philosophische 
und  historisch  -politische  bibliothek  das  nähere  angegeben. 

Im  laufe  des  monats  märz  ist  die  probenummer  der  »  Wissen- 
schaftlichen Monatsblatter  «  erschienen,  welche  von  Dr  Karl  Hopf  und 
Dr  Oscar  Schade,  professoren  an  der  Universität  Königsberg,  heraus- 
gegeben werden  sollen,  in  jedem  monat  ein  »ungleich  starkes  heft, 
abonnementspreis  20  sgr.  pro  semesterx  :  es  sollen  diese  blätter  »ob- 
jectiv  gehaltene  besprechungen  hervorragender  und  interessanter  novi- 
täten  bringen«,  und  zwar,  wie  die  probenummer  zeigt,  sehr  kurze 
und  aus  allen  fächern :  als  motiv  für  diese  gründung  giebt  der  pro- 
ßpect  p.  1  an,  dass  sich  in  Königsberg  das  bedürfniss  fühlbar  gemacht 
habe  »die  daselbst  vorhandenen  wissenschaftlichen  kräfte  mehr  zu 
vereinigen,  in  bewegung  zu  setzen  und  mit  auswärtigen  kräften  in 
berührung  zu  bringen  « :  es  lässt  sich  das  sehr  wohl  begreifen,  aber 
es  fragt  sich,  ob  die  herausgeber  den  richtigen  weg  dafür  betreten 
haben.  Mir  erscheint  es  verfehlt,  dass  man  die  ganze  Wissenschaft 
umfassen  will :  denn  da  weder  einer  noch  zwei  jetzt  dies  vermögen, 
dürfte  das  eindringen  der  partei,  auch  das  der  unkenntniss  kaum  zu 
vermeiden  sein :  scheint  doch  das  diese  probenummer  schon  zu  beweisen ; 
denn  die  anzeige  über  Rutilius  Namatianus  p.  9  ist  nicht  gerecht 
gegen  Zumpt,  s.  Phil.  Anz.  III,  p.  122,  die  über  Nitzsch's  annalistik 
doch  wohl  zu  freundlich,  s.  ob.  nr.  2,  p.  117:  am  auffallendsten  ist 
p.  15  bei  der  besprechung  der  metrischen  ansichten  von  Lehrs  das 
schweigen  über  Böckh,  der  doch  erst  Lehrs  zum  zweifeln  an  G.  Her- 
mann's  system  gebracht  hat,  noch  auffallender ,  dass  Rossbach  und 
Westphal  von  Lehrs  abhängen  sollen,  während  sie  doch  selbst  auf 
Böckh  weiter  fortzubauen  offen  und  dankbar  aussprechen:  s.  Ross- 
bach Rhythmik  vorr.  p.  VII.  Dies  ein  bedenken :  ein  andres  ist, 
dass  anzeigen  der  art,  wie  sie  die  probenummer  giebt,  bei  der  jetzt 
üblichen  art  der  Versendung  der  novitäten  durch  die  buchhändler 
selbst  überflüssig  erscheinen;  endlich  dürfte  der  räum  zu  klein  sein: 
jetzt  glauben  das  die  herausgeber  mir  wahrscheinlich  nicht;  aber 
schon  gegen  das  ende  des  ersten  Jahrgangs  werden  sie  mir  recht  ge- 
ben. Es  ist  dies  geschrieben,  um  wo  möglich  die  herausgeber  zu 
nochmaliger  prüfung  ihres  plans  zu  veranlassen  und  sie  somit  vor 
enttäuschung  zu  bewahren:  es  will  mich  auch  bedünken,  als  bedäch- 
ten sie  nicht,  wie  sie  in  unsrer  so  eitlen  zeit  nur  dann  freunde  fin- 
den werden,  wenn  sie  Verfasser  wie  Verleger  der  anzuzeigenden  bü- 
cher  immer  recht  derb  zu  loben  verstehen :  das  scheinen  sie  aber 
doch   nicht  zu  wollen.  —     F.  v.  L, 

Cataloge  von  antiquaren :  Antiquarisches  vezeichniss  117  von  Fe- 
lix Schneider  in  Basel,  nur  griechische  und  lateinische  classiker;  ca- 
talog  116  des  antiquarischen  bücherlagers  von  Fried,  Wagner  in 
Braunschweig,  auch  classische  philologie. 

Kleiue  philologische  zcitung. 

Bei  Muraz  in  "Wallis  sind  keltische  und  römische  gräber  gefun- 
den, in  denen  Statuetten  heidnischer  gottheiten  u.  a.  sich  befanden: 
Augsb.  Allg.  Ztg.  nr.  65. 

Im  Levant  Herald  hat  Frank  Calvcrt,  ein  durch  v.  Hahn  schon 
bekannter  in  der  nähe  der  Dardanellen  ansässiger  Franzose,  einen 
ausführlichen  bericht  unter  25.  Januar  über  die  in  neuerer  zeit  veran- 
stalteten ausgrabungen  in  der  ebene  von  Troja  erstattet,  bei  denen 
er  meist  selbst  betheiligt  war :  es  ist  aber  nichts  neues  darin  enthal- 


Nr.  4.  Kleine  philologische  zeitung.  219 

ten,    wird    aber  vielen  interessant  sein:    die  Augsb.  Allg.  Ztg.   giebt 
den  artikel  in  der  beil.  zu  nr.  66. 

Archäologische  gesellschaft  in  Berlin,  4.  märz.  Brandis  legte  die 
beiden  werke  von  F.  Schröder  » die  assyrisch  -  babylonischen  keilin- 
schriften«  und  »die  keilinschriften  und  das  alte  Testament«  vor  und 
machte  auf  deren  grosse  bedeutung  aufmerksam,  da  in  ihnen  zum 
ersten  mal  in  Deutschland  von  einem  auf  der  höhe  seiner  Wissenschaft 
stehenden  Orientalisten  eine  umfassende  darstellung  der  assyrisch-ba- 
bylonischen schritt  und  spräche ,  sowie  der  gegenwärtigen  ergebnisse 
der  bisher  fast  nur  in  England  und  Frankreich  betriebenen  forschung 
dargeboten  wird.  Insbesondere  wurde  die  behandlung  des  linguisti- 
schen theils  sehr  anerkannt,  bei  der  behandlung  des  schriftsystems 
nur  eine  Untersuchung  über  die  Ursachen  der  polyphonie  vermisst.  — 
Adler  legte  zwei  von  ihm  in  Athen  gefertigte  Zeichnungen  vor :  zu- 
erst ein  relief  -  bruchstück  von  pentelischem  marmor,  von  der  akro- 
polis,  eine  Nike  mit  heiliger  binde  darstellend,  welche  einen  tiefer  ste- 
henden mann  kränzt,  von  dem  nur  noch  der  köpf  erhalten  ist.  Die  Stel- 
lung beider  figuren,  besonders  der  verschiedene  masstab,  weisen  dar- 
auf hin,  dass  die  Nike  auf  der  hand  eines  grösseren,  verloren  gegan- 
genen götterbildes  stand.  Die  anmuth  in  der  bewegung  sowie  die 
vorzügliche  gesammtcomposition  der  Nike  lassen  auf  ein  ausgezeich- 
netes originalwerk  schliessen,  dessen  replik  verstümmelt  uns  vorliegt. 
Mit  rücksicht  darauf,  dass  die  Nike  keinen  kränz,  sondern  eine  binde 
trägt,  würde  die  vermuthung  statthaft  sein,  dass  das  götterbild  ein 
olympischer  Zeus  war  und  vielleicht  eine  replik  der  chryselephanti- 
nen  statue  im  hadrianischen  olympieion  zu  Athen.  Dann  legte  der 
vortragende  die  Zeichnung  (in  natürlicher  grosse)  zweier  auf  der  Akro- 
polis  vorhandener  alterthümlicher  (echt  archaischer)  terracottenbüsten 
vor,  welche,  weil  sie  ohne  rückseite  sind ,  wahrscheinlich  als  stirnzie- 
gel  gedient,  jedenfalls  eine  architektonische  Verwendung  gefunden 
hatten.  —  Heydemann  besprach  die  darstellung  des  sog.  Schildes  des 
Scipio  im  C abinet  des  Medailles  et  Antiques  zu  Paris  (Chabouillet  Ca- 
tal.  (jeneral  et  raisonne  nr.  2875)  und  erkannte  in  ihr  —  mit  A.  (x. 
Lange  (Welcker  Zeitschr.  für  kunst  p.  490  ff.)  im  gegensatz  zu  Win- 
ckelmann  —  nicht  die  rückgabe  der  Briseis  und  Versöhnung  zwischen 
Achill  und  Agamemnon,  sondern  vielmehr  die  wegführung  der  Briseis 
aus  dem  ersten  buch  der  Ilias ;  und  zwar  sei  der  dem  herold  mit 
der  trompete  voranstehende  mann,  falls  Chabouillet  (1.  c.  p.  459) 
wirklich  recht  habe,  dass  er  einen  pilos  trage,  Odysseus  an  stelle  des 
zweiten  von  Homer  erwähnten  heroldes.  Sollte  die  annähme  des  pi- 
los aber  irrig  sein  —  und  Millins  genaue  Zeichnung  (Mo?i.  inedits  I. 
pl.  10)  scheint  dafür  zu  sprechen,  —  so  ist  in  dem  betreffenden 
manne  Agamemnon  selbst  zu  erkennen,  der  sich,  wie  er  gedroht  hatte 
(Ilias  I.,  185),  Briseis  selbst  holt:  eine  Wendung  der  sage,  für  die 
auch  ein  vasenbild  des  Hieron  (Mon.  dell'  Inst.  IV,  19)  als  stützender 
beweis  angeführt  werden  kann.  Dann  theilte  der  vortragende  mit, 
dass  E.  de  Meester  de  Raveslein  der  gesellschaft  ein  exemplar  seines 
in  der  vorigen  sitzung  besprochenen  katalogs  zum  geschenk  gemacht 
hat,  wofür  ihm  öffentlich  der  schuldige  dank  erstattet  ward.  —  Cur- 
tius  legte  der  gesellschaft  vor:  den  von  Egger  verfassfen  Rapport 
fait  au  nom  de  la  commission  de  l'ecole  francaisr  d'Athenes  über  die  ar- 
beiten der  schule  1869  —  72,  und  die  erste  zusammenfassende  arbeit 
über  die  ausgrabungen  auf  dem  Palatin ,  den  guida  del  Palatino  von 
Visconti  und  Lanciani.  Sodann  besprach  er  den  durch  Mahmud- Beg 
aufgenommenen  plan  von  Alexandria  nach  der  von  Kiepert  darüber 
veröffentlichten  abhandlung  »zur  topographie  des  alten  Alexandria« 
und  erörtert  dann  einen  von  C.  Hamann   entworfenen  Stadtplan  von 


220  Kleine  philologische  zeitong.  Nr.  4, 

Philadelphia  mit  einer  skizze  des  anliegenden  Tmolos.  Ferner  gab 
er  aus  briefen  des  Dr  Hirschfeld  mittheilung  über  die  neuesten  ent- 
deckungen  auf  dem  boden  von  Athen  und  die  dort  gefundenen  thon- 
platten,  welche  zur  Wandverkleidung  in  gräbern  gehört  haben.  Er 
legte  die  farbigen  abbildungen  ähnlicher  thongemälde  aus  gräbern 
von  Caere  vor,  welche  dem  Musde  Napoleon  III.  angehören,  und  ein 
gleichfalls  aus  Caere  stammendes  bruchstück  des  hiesigen  antiqua- 
riums,  worauf  in  sehr  altem  stil  mann  und  frau,  einander  die  hand 
reichend,  mit  einem  zwischen  ihnen  schwebenden  vogel  dargestellt 
sind.  Endlich  zeigte  er  eine  ebenfalls  dem  antiquarium  angehörende 
kleine  bronze,  welche  einen  den  kränz  sich  aufsetzenden  Amor  dar- 
stellt. —  Reichs-Anz.  nr.  68. 

Königsberg  i.  Pr.  Am  7.  märz  c.  feierte  hier  professor  Karl 
Lehrs  sein  50jähriges  doctorjubiläum.  Die  philosophische  facultät 
würdigte  in  dem  erneuerten  doctordiplom  den  Jubilar  treffend  in  fol- 
genden schönen  worten:  summo  philologo.  librorum  vere  immortalium 
auctori.  qui  munere  j)rofessoris  qicum  in  schola  Fridericiana  tum  in  hac 
academia  paene  per  L  annos  tanto  studio  tantoque  successu  functus  est : 
ut  inter  praeceptores  de  hac  provincia  optime  meritos  numerandus  sii. 
quem  locum  etiam  tum  deserere  noluit  quum  ante  hos  XXIV  an?tos  in 
Godofredi  Hermann'i  cathedram  vocaretur  :  cui  innumeri  et  ab  ipso  et 
ab  eius  discipulis  instituti  debent  quod  humanitatis  artibus  politi  sint: 
veritatis  libertatis  pulcritudinis  amatori.  cuius  comitatem  et 
modestiam  magnitudo  meritorum  minuere  non  potuit.  Zahlreich  waren 
die  beweise  der  anerkennung,  Verehrung  und  liebe,  die  dem  gelehr- 
ten, dem  lehrer  und  freunde  von  nah  und  fern  zugingen:  der  kron- 
prinz  des  deutschen  reichs,  rector  der  Universität,  sandte  einen  tele- 
graphischen glückwunsch ;  oberpräsident  von  Hörn ,  curator  der  Uni- 
versität, überbrachte  den  rothen  adlerorden  zweiter  classe ;  Vertreter 
ehemaliger  schüler  des  Jubilars  überreichten  die  Urkunde  über  ein 
von  diesen  begründetes  und  ihrem  verehrten  lehrer  zu  freier  Verfügung 
gestelltes  Stipendium  Lehrsianum  (stammcapital  1500  thaler)  »als 
ein  dauerndes  zeichen  der  Verehrung« ;  deputierte  der  Universität, 
der  Studentenschaft  —  ein  festlicher  aufzug  war  abgelehnt  worden  — , 
des  provinzial-schulcollegiums,  des  collegium  Fridericianum ,  dem 
Lehrs  vom  j.  1825  bis  zum  j.  1845  als  lehrer  angehörte  ,  sowie  der 
beiden  anderen  gymnasien  der  stadt  bezeugten  dem  Jubilar  in  war- 
men worten  ihren  herzlichsten  dank  für  seine  langjährige  überaua 
segensreiche  Wirksamkeit.  Dasselbe  geschah  in  schriftlichen  glück- 
wünschen  von  mehreren  Unterrichtsanstalten  der  provinz  und  vielen 
privaten,  auch  von  der  leipziger  philosophischen  facultät;  deren 
schreiben  lautet  folgendermassen : 
Hochgeehrter  herr! 

Der  tag,  an  dem  eine  der  ersten  zierden,  wie  der  ehrwürdigen  Al- 
bertina, so  der  klassischen  philologie  Deutschlands,  vor  einem  halben 
Jahrhundert  den  öffentlichen  eintritt  in  die  gelehrtenwelt  vollzog, 
kann  nicht  verfehlen  die  unterzeichnete  facultät  mit  den  theilneh- 
mendsten  empfindungen  zu  erfüllen. 

Wenn  eine  so  rühm  -  wie  segensreiche  thätigkeit,  mit  hingebender 
treue  geübt  im  dienste  der  streng  wissenschaftlichen  forschung  und  er- 
kenntniss ,  der  wohlthätigen  heranbildung  des  nachwachsenden  ge- 
schlechts,  der  lebendigen  förderung  ächter  humanität,  dankbar  huldi- 
gende anerkennung  von  allen  seiten  hervorrufen  wird ,  so  wollen 
Sie,  verehrter  herr  Jubilar,  auch  unserer  genossenschaft  die  warme  be- 
theiligung  an  einem  so  allgemein  menschlichen  interesse  freundlich 
vergönnen  und  dieselbe  auch  persönlich  eine  gute  statte  bei  Sich  fin- 
den lassen. 


Nr.  4.  Kleine  philologische  zeitung.  221 

Möge  Ihnen  die  "wohlverdiente  gunst  aller  guten  götter  noch 
lange  die  jugendliche  gedanken  -  und  Willenskraft  frisch  erhalten, 
der  wir  bisher  so  hellleuchtende  erfolge  verdankten ,  und  den  glänz 
eines  arbeitsvollen  rnannesalters  mit  einem  so  heitern  wie  erfüllungs- 
reichen lebensabend  krönen. 

Q.  D.  0.  M.  ß.  V.  ET.  F.  F.  F.  Q.  E.  I. 
Leipzig,  zum  7.  märz  1873. 

Die  philosophische  facultät  der  Universität. 
Dazu   fügen  wir  die  in   klassischem   inschriftenstil   geschriebene    von 
Fr.  Ritschi  dem  Jubilar  gewidmete  votivtafel: 

KAROLO  LEHRSIO  |  Regimontano  |  Vniversitatis  Albertinae  de- 
ooriatque  ornamento  singulari  |  eximio  eximii  praeceptoris  et  discipulo 
et  aemulo|Aristarcheaevirtutis  interpreti  atque  vindicivere  Aristarcheo] 
MOPQUüClN  ESHrHClN  KPICIN  cum  graecarum  tum  latinarum  litte- 
rarum  |  veterum  magistrorum  exemplo  |  laetissima  eademque  fructuo- 
sissima  consortione  socianti  |  sfrenueque  iuventutis  institutione  |  ad 
futurae  aetatis  usum  saeculi  vitio  in  dies  periclitantem  |  salutariter 
propaganti  |  tarn  luculenter  sustentatos  honores  quinquagenarios  |  No- 
nis  Martiis  a.  CIOIOCCCLXXIII  |  ex  animo  gratulatur  |  multorumque 
annorum  salutem  prosperitatem  duraturamque  hilaritatem  |  arnicis« 
sime  exoptat  I  FR1DERICVS  R1TSCHELIVS  |  olim  Bonnensis,  nunc 
unus  e  Lipsiensibus  si  fas  est  dicere  yga/aficamolc. 

Beide  Zuschriften  aus  Leipzig  konnten  nicht  gedruckt  überreicht 
werden:  der  jammervolle  setzer-  und  druckerstrike  nöthigte  zu  hand- 
schriftlicher mittheilung.  Ausser  diesen  ehrenbezeugungen  sind  noch 
folgende  festschriften  dem  Jubilar  von  coJlegen  und  schülern  dedicirt 
worden:  Ludwig  Friedländer  Ueber  die  entstehung  und  entwick- 
lung  des  gefühls  für  das  romantische  in  der  natur.  Leipzig,  S.  Hir- 
zel  (45  s.);  H.  Jordan  Incertorum  scriptorum  origo  gentis  Romanae 
et  de  viris  inlicstribus  urbis  Romae  über.  S.  Aureli  Vicioris  et  incerti 
de  Caesaribus  libri  cum  commentariis.  Leipzig,  Breitkopf  und  Härtel 
(unter  der  presse) ;  Dr  Richard  Arnold t  (gjnnnasiallehrer  in  Elbing) 
die  chorpartien  bei  Aristophanes  scenisch  erläutert.  Leipzig,  B.  G. 
Teubner  (196  s.);  Hermann  Raumgart  [gymnasiallehrer  in  Königs- 
berg) Pathos  und  pathema  im  aristotelischen  Sprachgebrauch.  Zur 
erläuterung  von  Aristoteles'  definition  der  tragödie  dargelegt.  Kö- 
nigsberg, W.  Koch  (58  s.);  Dr  Otto  Carnuth  (gymnasiallehrer  in  Ol- 
denburg) De  Etgmologici  magni  fontibus.  Berlin ,  gebr.  Bornträger 
(36  s.);  Dr  Hans  Flach  (gymnasiallehrer  in  Elbing)  die  Hesiodische 
theogonie  mit  prolegomena.  Berlin,  Weidmannsche  buchhandlung 
(105  s.) ;  Dr.  Eduard  Kammer  (gymnasiallehrer  in  Königsberg)  ein- 
heit  der  Odyssee  und  ausführliche  Widerlegung  der  ansichten  von 
Lachmann -Steinthal,  Köchly,  Hennings  und  Kirchhoff.  Leipzig,  B. 
Teubner  (unter  der  presse) ;  Dr  Arthur  Ludwich  (gymnasiallehrer  in 
Königsberg)  beitrage  zur  kritik  des  Nonnos  von  Panopolis.  Königs- 
berg, C.  Th.  Nürnberger  (144  s.  4.  Gratulationsschritt  des  Collegium 
Fridericianum) ;  Dr  H.  Merguet  (realschullehrer  in  Gumbinnen)  lexicon 
zu  den  reden  des  Cicero  mit  angäbe  sämmtlicher  stellen.  Erster  band. 
Jena,  Mauke  (unter  der  presse).  —  Mit  welcher  jugendfrischen  ela- 
sticität,  mit  welcher  heiteren  laune  der  liebenswürdige  greis  die  vie- 
len äusserungen  inniger  liebe  und  Verehrung  entgegennahm  und  zu- 
letzt noch  im  freundeskreise  bis  zu  später  abendstunde  unermüdet 
mit  herzerfreuendem  humor  zu  erwidern  wusste:  das  wird  uns  we- 
nigstens immer  unvergesslich  bleiben,  die  wir  mit  wahrhaftiger  liebe 
unserem  lehrer  anhängen  und  denen  auch  seine  »Zehngebote  für  clas- 
ßische  philologie«  ins  herz  geschrieben  sind.  [^4.2/.]  —  Wir  fügen,  in 
der  meinung,  dass  unsern  lesern  das  nur  angenehm  sein  wird,  noch  ei- 


222  Kleine  philologische  Zeitung.  Nr.  4. 

nige  notizen  aus  des  Jubilars  leben  hinzu,  welche  wir  den  wissen- 
schaftlichen monatsblättern  —  s.  ob.  p.  218  —  nr.  1,  p.  14  figg.  ent- 
nehmen, welche  daselbst  ebenfalls  einen  bericht  über  dieses  Jubi- 
läum gegeben.  Karl  Lehrs  ist  zu  Königsberg  am  14.  januar  1802 
geboren,  bezog  ostern  1812  das  Friedrichs -collegiuni  daselbst,  wo 
Grotthold,  Jacob,  seit  1816  der  aus  dem  felde  zurückgekehrte  K. 
Lachmann  vorzugsweise  einfluss  auf  den  jüngling  übten.  Von  mi- 
chaelis  1818  bis  ostern  1823  studierte  er  unter  Lobeck  und  Lach- 
mann philologie,  hörte  aber  auch  Herbart  und  andere,  ward  am  7. 
märz  1823  auf  grund  einer  dissertation  über  die  declination  im  epi- 
schen dialecte  promovirt:  sie  ist,  obgleich  sie  früher  als  preisauf- 
gabe  gekrönt  war ,  doch  nicht  gedruckt.  Bald  nach  der  promo- 
tion  vertrat  Lehrs  in  Da.nzig  am  gymnasium  ein  halbes  jähr  einen 
nach  Italien  gereisten  lehrer ,  blieb  aber  noch  ein  zweites  halbes 
jähr  Privatunterrichts  halber  daselbst:  hier  ward  mit  Meineke  freund- 
schaft  geschlossen,  die  erst  durch  den  1870  erfolgten  tod  Meineke's 
gelöst  worden.  Es  folgte  ein  jähr  am  gymnasium  in  Marienwerder; 
aber  schon  1825  kam  der  junge  doctor  an  das  Fridericianum  zu  Kö- 
nigsberg, an  welchem  er  dann  in  den  drei  obern  classen  mit  inniger 
lust  und  reichem  segen  ununterbrochen  volle  20  jähre  gelehrt  hat. 
Daneben  hielt  er  seit  15.  october  1831  durch  die  schritt  Quaestionum 
Aristarchearum  specimen  habilitirt ,  an  der  Universität  Vorlesungen, 
ward  unter  dem  16.  december  1835  extraordinarius,  aber  erst  1845 
professor  Ordinarius :  er  soll  eben  kein  liebling  des  damaligen  curator 
gewesen  sein :  er  schrieb  zum  antritt  dieser  professur  ein  programm 
de  Asclepiade  Myrteano.  Nun  aber  gab  er  die  Stellung  an  der  schule 
auf,  um  mit  ganzer  kraft  den  anforderungen  der  uuiversität  zu  ge- 
nügen; wie  theuer  und  werth  ihm  sein  Wirkungskreis  an  dieser  war, 
zeigte  sich  1848,  wo  er  um  Gr.  Hermann  zu  ersetzen  einen  glänzen- 
den ruf  nach  Leipzig  erhielt;  er  schlug  ihn  aus  und  »so  einfach 
waren  damals  noch  die  sitten  unter  den  professoren 
oder  so  uneigennützig  war  dieser,  dass  er  den  glänzen- 
den ruf  nicht  einmal  zur  erhöhung  seines  hiesigen  ma- 
geren gehaltes  benutzte«.  Wie  Lehrs  an  seiner  stelle  als  leh- 
rer wirkte,  davon  zeugt  ja  dieses  sein  doctor -Jubiläum:  was  er  der 
Wissenschaft  gewesen  ist,  weiss  jeder  philolog:  möge  ihm  vergönnt 
sein ,  den  bisherigen  leistungen  noch  weitere  —  eine  quellenunter- 
suchung  über  Pindar  soll  handschriftlich  vollendet  sein  —  glänzende 
in  frische  und  kraft  hinzuzufügen ! 

Das  Börsenblatt  nr.  59  bringt  auszüge  aus  Büchner's  »aus  den 
papieren  der  Weidmannschen  buchhandlung«  bd.  IL 

Pfahlbauten  im  Sternberger  see  werden  nach  Dr  Zittel  genau 
beschrieben  in  Reichs-Anz.  nr.  69. 

Neue  Veröffentlichungen  aus  Göthc's  nachlass  verzeichnen  Reichs- 
Anz.  nr.  70,  Augsb.  Allg.  Ztg.  beil.  zu  nr.  32. 

Ueber  das  neueste  werk  von  Beule,  Fouilles  et  decouvertes,  re- 
sumees  et  discoutees  en  vue  de  Ihistoire  de  l'act  äussern  sich  Augsb. 
Allg.  Ztg.  beil.  zu  nr.  74  und  Reichs-Anz.  nr.  71  folgendermassen: 
das  erste  buch  ist  Griechenland  und  Italien  gewidmet:  Beule  beginnt 
mit  einem  tagebuch  über  die  ausgrabungen  auf  der  Akropolis  von  Athen. 
Er  veröffentlicht  die  zur  zeit  seiner  ausgrabungen  tag  für  tag,  stunde 
für  stunde,  über  die  verschiedenen  wechselfälle  seiner  Unternehmung 
gemachten  aufzeichnungen.  Am  20.  februar  1852  schrieb  er:  »Meine 
tage  vergehen  auf  der  Akropolis,  d.  h.  auf  diesem  mit  tempeln  und 
weihgeschenken  bedeckteu  plateau,  das  die  citadelle  von  Athen  war. ... 
Da  die  läge  der  propyläen,  des  tempels  der  unbeflügelten  Victoria,  des 
parthenon,    der   tenipel   der  Minerva  Polias   und   des  Neptun  sicher 


Nr.  4.  Auszüge  aus  Zeitschriften.  223 

fest  steht,  so  muss  man  die  Strassen,  die  thore,  die  pforten,  die  deko- 
rationsgruppen,  die  votivsäulen,  die  mauern  der  verschiedenen  heilig- 
tbümer,  die  spuren  der  Pelasger,  die  zuerst  den  berg  besetzt  und  ge- 
ebnet batten,  den  tempel  der  brauroniscben  Diana,  den  tempel  der 
Minerva  Ergane ,  den  der  Ceres ,  den  der  Roma  und  des  Augustus, 
den  platz  der  beiden  Minerva -kolosse,  der  eine  von  elfenbein ,  der 
andere  von  bronze,  wiederfinden«.  Von  grosser  bedentung  waren 
namentlich  seine  ausgrabungen  an  den  propyläen ,  erbt  dadurch  ge- 
wann man  klarbeit  über  dieses  gebäude ,  das  früber  durcb  eine  ba- 
stion  Mobammeds  II.  fast  unkenntlich  war.  Der  rest  des  bandes  ent- 
hält abhandlungen  über  den  tempel  der  Juno  in  Argos,  forschun- 
gen  über  Delphi,  die  insel  Thasos,  den  Olymp  und  Akarnanien, 
dann  über  die  in  Italien  von  1846  bis  1866  gemachten  entdeckungen, 
über  Etrurien  und  die  Etrusker,  die  gemälde  von  Orvieto,  die  bau- 
ten der  flavischen  familie.  Im  zweiten  bände  beschäftigt  sich  Beulo 
mit  den  ruinen  von  Cyrene ,  der  vase  der  Berenice ,  dem  Serapeum 
und  den  ausgrabungen  Mariette's,  der  grossen  Sphinx,  mit  Ninive 
und  der  assyrischen  kunst,  mit  den  entdeckungen  Newtons  in 
Kleinasien,  namentlich  mit  dem  grabe  des  Mausolus,  den  denkmä- 
lern  von  Ephesus  und  einem  edikt  Diokletians,  sowie  den  alterthü- 
mern  des  Bosporus.  Von  grossem  interesse  sind  auch  die  im  zwei- 
ten bände  veröffentlichten  briefe  Beule's,  über  die  ausgrabungen  in 
Carthago  1859.  Auf  dem  gebiet  von  Carthago  wurden  zu  verschie- 
denen zeiten  ausgrabungen  veranstaltet ,  theils  durch  die  carthagi- 
sche  gesellschaft,  theils  durch  Nathan  Davis;  dieselben  haben  manche 
interessante  stücke  in  die  museen  des  Louvre,  von  Kopenhagen  und 
von  London  geliefei't,  deren  funde  jedoch  fast  alle  der  römischen 
und  späteren  zeit  angehören  und  keinen  bestimmten  aufschluss 
über  die  phönizische  kunst  und  architektur  geben.  Die  Cartha- 
ger  haben  niemals  die  grosse  kunst  gepflegt,  wohl  aber  waren  sie 
geschickte  goldarbeiter  und  Juweliere,  graveure  in  stein  und  metall, 
ihre  kunstwerke  mussten  sich  daher  besonders  durch  den  reichthum 
der  Ornamentik  auszeichnen.  Von  den  mauern  Carthago's  wissen  wir, 
dass  sie  30'  dick,  45'  hoch  waren  und  drei  etagen  hatten.  Zu  ebener 
erde  waren  300  elephanten  untergebracht,  im  ersten  stock  4000 
pferde,  im  zweiten  24,0ü0  Soldaten.  Der  hafen  konnte  eine  flotte 
von  350  galeren  mit  42,000  kombattanten  und  105,000  matrosen 
aufnehmen.  In  Byrsa,  der  citadelle  Carthagos ,  begann  Beule 
seine  ausgrabungen.  Er  deckte  einige  der  mauern  auf  vom 
gründe  bis  zu  einer  höhe  von  15'.  Diese  mauern  sind  von  kolossalen 
unregelmässigen  blocken,  ähnlich  den  archaistischen  mauern  Grie- 
chenlands und  Etruriens,  ohne  mörtel  aufgebaut.  Auch  über  den 
ganzen  plan  der  mauern,  ihre  fortifikatorische  einrichtung  gewährten 
erst  die  entdeckungen  Beule's  wichtige  aufschlüsse.  Weitere  ausgra- 
bungen machte  er  in  der  nekropole  Carthago's  und  in  dem  hafen  die- 
ser merkwürdigen  handelsstadt. 

Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Archäologische  Zeitung.  Unter  mitwirkung  von  E.  Curtius  her- 
ausgegeben von  E.  Hübuer.  Neuer  folge  bd.  V  heft  1  u.  2.  Berlin. 
E.  Schuhe,  über  die  giebelgrnppe  des  capitolinischen  Jupitertempels 
(biezu  taf.  57),  p.  1.  —  Derselbe,  der  tempel  des  Hercules  an  der 
porta  trigemina  (hiezu  taf.  58),  p.  9.  —  F.  Matz,  Sarkophag  aus 
Patras  (hiezu  taf.  59),  p.  11.  —  G.  Hirschfeld,  nachtrage  zu  den  at- 
tischen künstlerinschriften  (hiezu  taf.  60.  61),  p.  19:  enthalten  theils 
bisher  unbekannte,   theils  ungenügend   bekannte  inschriften;    sehr  zu 


224  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  4. 

beachten.  —  H.  Wittich  zum  ephesischen  Artemision ,  p.  29.  —  C. 
Lüders,  der  westfries  der  cella  des  parthenon  in  seinem  jetzigen  zu- 
stande, p.  31.  —  H.  Heydemann  berichtet  über:  deux  peintures  de 
vases  grecs  de  la  necropole  de  Kameiros,  Paris  1871  fol.,  p.  35,  ein  von 
TV.  Frühner  edirtes  heft,  in  dem  er  zwei  im  britischen  museuni  be- 
findliche vasen  erläutert :  Heydemann  macht  dazu  bemerkungen  und 
nachtrage.  —  H.  Heydemann,  teller  aus  Kameiros,  p.  38:  mit  einem 
holzschnitt:  ist  ein  terracottenteller,  der  bei  den  Salzmann'schen  aus- 
grabungen  in  Kameiros  gefunden.  —  Sitzungsbericht  der  archäologi- 
schen gesellschaft  in  Berlin,  p.  39.  —  Festsitzung  des  archäologi- 
schen Instituts  in  Rom,  p.  44.  —  Miscellen :  E.  Hübner,  zur  madrider 
Sapphoherme ,  p.  47 :  bezieht  sich  auf  taf.  50.  —  E.  Hübner,  zum 
grabstein  des  Antipatros  von  Ascalon  in  Athen ,  p.  47.  —  JE.  Hüb- 
ner, ausgrabungen  in  der  Saalburg,  p.  47,  giebt  nach  dem  in  Wies- 
baden erscheinenden  Rheinischen  Courier  nachricht  über  einen  Saal- 
burg-verein,  der  ausgrabungen  u.  s.  w.  unter  leitung  des  oberst  von 
Cohausen  und  baumeister  Jacobi  veranstalten  will. 

Heft  3.  B.  Graser,  ein  bronze-buchbild  eines  antiken  fahrzeuges 
aus  Actium  (hiezu  taf.  22),  p.  49.  —  E.  Curtius,  die  geburt  des 
Erichthonios  (hiezu  taf.  63),  p.  51.  —  Derselbe,  neue  funde  in  Ilion 
(hierzu  taf.  64),  p.  57 :  bezieht  sich  auf  eine  schon  vielbesprochene 
von  Dr  Schlieniann  gefundene  roetope :  s.  unt.  heft  5.  —  H.  Wit- 
tich, die  pyramidenmaasse  des  Plinius,  p.  60.  —  H.  Heydemann, 
vier  Wandgemälde  aus  Stabiä,  p.63.  —  jÖem>/Je,Adonia  (?)  auf  einer 
vase  aus  Ruvo,  p.  65.  —  Derselbe ,  die  wuth  des  Lykurgos,  p.  66.  — 
Derselbe,  antiken  des  grafen  Wilh.  v.  Pourtales  iu  Berlin,  p.  68.  — 
Fr.  Wiese/er,  das  heerd-  und  feuersymbol  bei  Vulcanus,  p.69,  mit  ei- 
ner entgegnung  von  Friedländer,  p.  71.  —  E.  Curtius,  die  säulenre- 
liefs  von  Ephesos  (hierzu  taf.  65.  66),  p.  72.  —  Sitzungsberichte  der 
archäologischen  gesellschaft  in  Berlin,  p.  75.  —  Miscellen:  K.  War- 
mann,  pompejanische  anmerkungen,  p.  78.  —  ß.  Bergan,  die  soge- 
nannte riesensäule  im  Odenwalde,  p.  80.  —  E.  Hübner,  alterthümer 
aus  der  provinz  Posen ,  p.  81.  —  Derselbe,  römische  inschrift  aus 
Frankfurt  am  Main  (s.  Philol.  XXXIII,  2,  p.  369). 

Augsburger  allgemeine  zeitung  1873:  Nr.  11.  Ludwig  Napoleon  Boua- 
parte:  nekrolog.  —  Beil.  zu  nr.  11 :  zur  frage  Überbestand  und  berechti- 
gung  unserer  humanistischen  schulen:  knüpft  an  die  schrift  von  Sürgel 
an:  s.  Phil.  Anz.  IV,  nr.  12,  p.  597. —  Beil.  zu  nr.  12:  physiologie  des 
menschlichen  denkens,  anzeige  des  buches  gleichen  titeis  von  Jessen. 
—  Beil.  zu  nr.  15.  nr.  16:  die  Falk'schen  gesetzentwürfe.  —  Beil. 
zu  nr.  16,  zu  nr.  18.  19:  zu  nr.  21:  Bamberger,  reminiscenzen  an  Na- 
poleon III.  I.  II.  III.  IV.  —  Kurze  naturwissenschaftliche  bemerkun- 
gen zu  hrn  Hubers  kritik  von  Strauss'  neuestem  buche,  von  K.  Sem- 
per. —  Die  verurtheilung  des  Dr  Sydow  in  Berlin.  —  Beil.  zu  nr.  17: 
das  preussische  Staatsgrundgesetz  und  die  kirche.  —  Beil.  zu  nr.  19. 
20.  21.  Waldemar  Kuden,  ein  ausflug  in  die  Abbruzzen.  —  Nr. 
21:  Gramont,  Beust  und  Andrassy.  —  Beil.  zu  nr.  22:  zu  den 
ausgrabungen  Schlieinanns :  s.  ob.  nr.  2,  p.  125. 


Berichtigungen. 

In  heft  2,  p.  124  sind  z.  24  nach  »u.  s.  w.«  die  worte  aus  z.  27. 
28  zu  setzen :  » dazu  excurse  .  .  .  Lehrs.«  Ebendas.  z.  29  ist  statt 
Graecae  zu  schreiben:  phä,  Lipsiensis. 


Nr.  5.  Mai  1873. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben   als   ergänzung   des  Philologus 


von 

Ernst  von  Leutscli. 


126.  Versuch  einer  erklärung  der  aspiraten  nebst  beleuch- 
tung  gewisser  grundsätze  der  neueren  Sprachforschung.  Von 
F.  W.  Culmann.  48  ss.  8.  Leipzig,  Fleischer.  1871.  —  lOngr. 

127.  Versuch  einer  erklärung  der  Zahlwörter  der  indoger- 
manischen stamme  nebst  beilagen  über  indogermanische  Wort- 
bildung. VonF.  W.  Culmaan.  93  ss.  8.  Leipzig,  Fleischer.  1872. 

128.  Das  geheimniss  des  spiritus  asper.  Eine  mittheilung 
aus  der  schrift :  Versuch  einer  erklärung  der  Zahlwörter.  Von 
F.  W.  Culmann.     23  ss.     8.     Leipzig,  Fleischer.  1872. 

Im  jähre  1790  erschien  von  dem  Holländer  Lennep  ein 
buch,  das  sein  Verfasser  dazu  bestimmt  hatte,  in  das  bisherige 
dunkel  des  etymologisierens  klarheit  zu  bringen,  die  praelectio- 
nes  aeademicae  de  analogia  linguae  graecae.  Diese  analogia,  mit 
der  der  Verfasser  die  ludibria  seiner  Vorgänger  endgültig  zu 
beseitigen  meinte,  geht  aus  von  der  berechnung  der  denkbar 
einfachsten  urverba,  als  die  sich  «co  sco  im  oco  va  ergeben; 
daraus  entstehen  durch  vor-  oder  einsetzung  von  consonanten 
ßdoj  yda>  ußu)  uyoo  u.  s.w.  Als  sechsundzwanzig  jähre  später 
Bopp  sein  conjugationssystem  schrieb  und  im  anschluss  daran 
sich  die  vergleichende  Sprachwissenschaft  entwickelte,  warf  man 
diese  und  ähnliche  träumereien  über  sprachschöpfung  und  sprach- 
entwickelung  ohne  ein  wort  darüber  zu  verlieren  einfach  in  die 
rumpelkammer  der  geschichte  der  grammatik,  in  die  nur  mitun- 
ter ein  gelehrtes  äuge  einen  wenig  erquicklichen  blick  thut. 
Sonderbar  muthete  es  uns  daher  an ,  als  wir  auf  jeder  seite 
der  oben  namhaft  gemachten  brochuren  die  geister  der  urverba 
des  seligen  Lennep  in  unheimlich  neuer  Verkörperung  herum- 
spuken und  auf  den  grabhügeln  der  bisherigen  sprachwissen- 
Philol.  Anz.  V.  15 


226  126—28.  Grammatik.  Nr.  5. 

schaftlichen  resultate  einen  fröhlichen  todtentanz  aufführen  sa- 
hen. Der  Zauberlehrling,  der  die  geister  gerufen,  ist,  irren  wir 
nicht ,  pfarrer  in  Bischweiler  im  Elsass ,  dem  seine  seelsorge- 
rische thätigkeit  noch  so  viel  zeit  übrig  lässt  um  auf  die  Sprach- 
wissenschaft einen  umgestaltenden  einfluss  auszuüben.  Er  hat 
die  traurige  entdeckung  gemacht,  dass  das,  was  „unter  dem  na- 
men  von  wurzeln  auf  dem  markte  der  Sprachforschung  erscheint, 
nichts  anderes  sind  als  etymologische  nothbehelfe,  wie  man  de- 
ren so  manche  in  ermangelung  tieferer  einsieht  in  das  wesen 
der  Wortbildung  erfunden  hat".  Die  nothwendige  „tiefere  ein- 
sieht" steht  nun  aber  glücklicher  weise  Culmann  zu  geböte 
und  setzt  ihn  in  den  stand  ,,den  meistern  und  jungem  der  in- 
dogermanischen Sprachwissenschaft"  die  interessante  mittheilung 
zu  machen,  dass  der  ganze  Wortschatz  der  indogermanischen 
sprachen  (zu  denen,  wie  wir  beiläufig  auf  p.  73  der  zweiten 
schrift  erfahren ,  nicht  nur  das  semitische ,  sondern  auch  das 
finnische,  esthnische,  ungarische,  baskische  gehören)  auf  ein  „ur- 
oder  elementarverbum"  zurück  geht,  das,  „wie  die  analyse  je- 
des indogermanischen  wortes  bezeugt",  kein  andres  als  das  ein- 
fache d  oder  aha  (sk.  ah  got.  ahan  deutsch  ahen  gr.  ativ,  cf. 
Lennep)  gewesen  sein  kann.  Aha!  wir  können  unser  freudiges 
erstaunen  über  diese  endliche  lösung  eines  längst  gesuchten  pro- 
blems  unmöglich  besser  ausdrücken  als  durch  anwendung  dieses 
indogermanischen  urverbs.  Nachdem  wir  in  einer  poetisch  ange- 
hauchten Charakteristik  dieses  urverbs  erfahren  haben,  dass  sein 
„lebenathmender  vocal  gewissermassen  den  seelischen  kern  oder 
keim  aller  Wörter"  bildet,  werden  uns  weitere  einblicke  in  die 
werkstätte  indogermanischer  Sprachbildung  gestattet  und  wir  sehen, 
wie  aus  diesem  verbum  ,,urverben  zweiter  instanz"  hervorgingen 
durch  Vorschlag  der  einfachen  consonanten,  vierzehn  an  zahl,  näm- 
lich vaha  baha  paha  daha  taha  saha  haha  jaha  gaha  haha  laha 
maha  naha  raha.  Durch  gegenseitigen  anschluss  dieser  vierzehn 
seeundären  urverba  an  einander  und  an  das  eigentliche  urver- 
bum ,  das  „organisch  ablautet"  in  aja  aga  aha  und  „redupli- 
ciert"  agga  anga  anha  sammt  agha  acha  acha  absetzt,  entstanden 
sammtliche  andere  verben,  hauptwörter,  adjeetiva,  pronomina, 
praepositiouen  u. s.w.  Auch  in  die  bedeutung  jener  seeundären 
urverben  verräth  Culmann  eine  „tiefere  einsieht";  vaha  haha  paha 
sind  propulsiv  lebensrege,  unbestimmt  voranbewegend,  daha  taha 


Nr.  5.  129.  Lateinische  grammatik.  227 

saha  objectiv,  gleichsam  ziel-  wie  stossweise  dahin  bewegend, 
jaha  und  gaha  impulsiv,  betreibend,  in  gang  setzend;  haha  at- 
tractiv ,  herzubewegend  u.  s.  w.  Man  sieht ,  an  mannigfacher 
nuancierung  eines  begriffs  Hess  die  spräche  unsrer  Urväter  nichts 
zu  wünschen  übrig.  Eine  menge  speciellerer  mittheilungen  aus 
dem  indogermanischen  lexicon  (wie  sahnaivaha  schneien,  sahai- 
väiara  Sondga ,  saharavaha  ygacpsiv  u.  s.  w.)  müssen  wir  leider 
übergehen,  da  wir  einerseits  von  dem  werthe  des  papiers  einen 
höheren  begriff  haben  als  Culmann ,  andrerseits  demjenigen, 
der  seinen  nerven  vielleicht  die  heilsame  erschütterung  eines 
aaßsazog  ysXoog  gönnen  will,  durch  weiteren  auszug  nicht  vor- 
greifen wollen.  Und  so  scheiden  wir  denn  von  dem  Verfas- 
ser mit  dem  wünsche,  dass  er  recht  bald  müsse  finden  möge 
um,  wie  er  (p.  73)  versprochen ,  verschiedene  dunkle  punkte 
der  indogermanischen  Wortbildung  in  „einer  ausführlicheren  be~ 
leuchtung"  zu  zeigen.  Gustav  Meyer. 

129.  Historische  syntax  der  lateinischen  spräche  von  Dr 
A.  Drager.  Zweiter  theil.  Erste  hälfte.  Leipzig,  B.  G.  Teub- 
ner.  1872.  p.  147—322.     gr.  8.  —     24  gr. 

Dem  ersten  bände  des  Dräger'schen  werkes,  über  welchen 
in  diesem  Anzeiger  IV,  544 — 551  berichtet  worden  (vgl.  auch 
die  anzeige  IV,  321  ff.),  ist  überraschend  schnell  die  erste  ab- 
theilung  des  zweiten  bandes  gefolgt,  welche  in  vier  abschnitten 
A.  subject  und  prädicat,  B.  ellipse  des  prädicates, 
C.  tempora  und  modi  und  D.  (unvollständig)  die  form 
der  directen  frage  behandelt.  Auch  hier  empfängt  der  le- 
ser  den  eindruck,  dass  ungewöhnlich  viele  arbeit  und  hinge- 
bung  in  dem  buche  verborgen  ist ;  aber  die  gestellte  aufgäbe 
ist  so  gross,  dass  selbst  jenes  hohe  mass  von  thätigkeit  zu  ih- 
rer lösung  noch  nicht  genügt.  So  waren  von  dem  ersten  theile 
nicht  nur  gar  manche  Vorzüge  zu  rühmen,  sondern  auch  zahlreiche 
mängel  zu  rügen;  beides  gilt  auch  für  die  bis  jetzt  erschienene 
Fortsetzung  des  buches.  Allerdings  stehen  wir  in  diesem  zwei- 
ten theile  wirklich  auf  dem  boden  der  syntax,  aber  das  prädi- 
cat  einer  historischen  darstellung  kann  man  dem  buche  nicht 
ohne  erhebliche  einschränkung  ertheilen.  Zwar  konnte  der 
Weitumschriebene  kreis  der  lectüre  des  vfs. ,  worüber  in  der 
vorrede   zum    ersten   theile    schlicht  und  wahr  rechenscbaft  ge- 

15* 


228  129.  Lateinische  grammatik.  Nr.  5. 

geben  ist,  wenn  auch  nicht  zu  einer  bis  ins  detail  vollständi- 
gen und  abschliessenden  darstellung ,  so  doch  für  eine  die  histo- 
rische entwicklung  der  syntaktischen  erscbeinungen  in  ihren 
grundzügen  nachweisende,  bahnbrechende  arbeit  genügen  — 
vorausgesetzt,  dass  der  vf.  gleich  anfangs  bei  seiner  lectüre  den 
umfang  seiner  aufgäbe  überblickte.  Dies  aber  scheint  mit  nich- 
ten  der  fall  zu  sein;  sonst  wäre  es  kaum  möglich,  dass  bei 
wirklich  wichtigen  partieen  jede  mittheilung  über  den  usus  ein- 
zelner, nicht  unbedeutender  autoren  fehlt,  die  docb,  wie  andere 
capitel  des  buches  zeigen,  vom  vf.  für  manche  punkte  genau 
durchgearbeitet  worden  sind.  Zwar  fehlt  es  auch  im  ersten 
theile  nicht  an  ähulichen  äusserungen  wie  hier  z.  b.  p.  207: 
„ob  spätere  prosaiker  obiges  nachgeahmt  haben,  ist  bisher  nicht 
untersucht  worden",  oder  p.  212:  „indess  fehlt  es  darüber  an 
beobachtungen"  —  äusserungen ,  die  um  so  auffallender  sind, 
als  man  von  dem  herausgeber  der  Annalen  und  des  Agricola 
wenigstens  über  den  gebrauch  bei  Tacitus  aufschlüsse  erwarten 
durfte.  Aber  es  ist  uns  doch  aus  dem  ersten  theile  kein  bei- 
spiel  erinnerlich,  wie  es  hier  §.  126  „tempusfolge  nach  praete- 
ritis,  die  von  praesentibus  abhängen"  vorkommt.  Auf  den  elf 
Seiten  dieses  paragraphen  sind  Quintilian  und  Sallust  einmal, 
Livius  zweimal  genannt  (ausserdem  aus  dem  ciceronischen 
briefwechsel  Caelius  zweimal,  Pollio,  Pompejus  und  Sulpicius 
je  einmal) ;  keine  dieser  erwähnuugen  umfasst  mehr  als  zwei 
bis  drei  zeilen.  Alles  andere  behandelt  den  usus  des  einzigen 
Cicero,  auf  welchen  sich  auch  Keusch  im  Elbinger  Programm 
1861  beschränkt  hatte.  Und  das  nennt  man  ,, historische  Syn- 
tax"! So  etwas  erklärt  sich  nur  daraus,  dass  das  mit  kundi- 
ger band  entworfene  werk  fertig  gemacht  wurde,  bevor  es  voll- 
endet war.  Denn  nicht  nur  die  ungleiche  auswahl ,  sondern 
auch  die  gruppirung  und  fassung  des  Stoffes  macheu  eher  den 
eindruck  einer  excerptensaramlung  als  den  eines  durchgearbei- 
teten ,  für  sicheren  und  leichten  gebrauch  geordneten  buches. 
Bald  sind  die  autorennamen  gesperrt  gedruckt,  was  die  über- 
sieht erleichtert,  bald  ist  es  nicht  geschehen;  wiederum  wechselt 
gesperrte  und  cursivschrift ,  wodurch  das  gleichartige  auf  den 
ersten  blick  als  verschiedenes  sich  darstellt.  Citirt  wird  bald 
nach  paragraphen,  bald  nur  nach  capiteln;  im  Nepos  ist  bald 
die  nummer  der  biographie,    bald    der   name   des  feldherrn  an- 


Nr.  5.  129.  Lateinische  grammatik.  229 

gegeben.  Neue  abschnitte  treten  uns  entgegen,  wo  wir  uns 
darüber  wundern ,  während  sie  anderwärts  fehlen,  wo  man  sie 
erwarten  durfte;  z.  b.  p.  207  steht  Virgil  in  demselben  abschnitt 
mit  Sallust;  gleich  darauf  beginnt  für  Properz  ein  neuer  ab- 
schnitt. Doch  das  sind  die  äusserlichkeiten ,  die  sich  bei  dem 
drucke  der  folgenden  bände  leicht  bessern  lassen;  den  inneren 
mangeln  des  buches  in  den  noch  zu  erwartenden  theilen  abzu- 
helfen, ist  schwerer,  —  jedoch  vielleicht  nicht  unmöglich.  Der 
vf.,  der  ein  schätzbares  material  sich  gesammelt  hat,  muss  auch 
die  lücken  desselben  selbst  am  besten  erkennen.  Möge  er  die 
fortsetzung  seines  buches,  das  doch  bestimmt  ist  eine  wichtige 
stelle  in  der  grammatischen  litteratur  einzunehmen ,  lieber  so 
lange  verzögern,  bis  es  ihm  möglich  sein  wird,  seine  Sammlun- 
gen in  entsprechender  weise  zu  ergänzen. 

Als  beweis  für  das  gesagte  mögen  hier  noch  einige  bemerkun- 
gen  das  capitel  über  die  tempora  und  modi  betreffend  hinzugefügt 
werden.  P.  207  werden  für  den  Wechsel  des  präsens  mit  dem  per- 
fect  zwei  beispiele  aus  Sallust  angeführt;  aber  Jug.  13,  6  schreibt 
Jordan  nach  guten  handschriften  das  präsens,  und  Cat.  41 ,  5  haben 
sich  Linker  und  Jordan  (allerdings  gegen  die  handschriften)  für  das 
präsens  entschieden,  so  dass  beide  stellen  nicht  als  sichere  belege  ei- 
nes perfectum  nach  einem  präsens  angeführt  werden  durften.  Aber 
für  den  Wechsel  beider  tempora  in  umgekehrter  folge  bietet  Sallust 
eine  auswahl  von  beispielen,  vgl.  Badstübner  de  Sali,  dicendi  genere 
comm.  p.  33  sq.  Doch  sind  unter  den  daselbst  citirten  stellen  Jug. 
12,  4  und  26,  3  zu  tilgen.  Denselben  gebrauch  weist  aus  Justinus 
nach  Fischer,  de  elocutione  Justini  p.  46.  —  P.  212  wird  Sali.  Jug. 
46,  4  als  beispiel  dafür  angeführt,  dass  Sallust  »gegen  die  logische 
anordnung  der  sätze«  die  tempora  nach  einem  historischen  präsens 
vertausche;  aber  Sallust  hat  auch  umgekehrt  »nach  Cicero's  gebrauch« 
zwischen  präsens  und  Präteritum  gewechselt,  Cat.  32,  2.  —  P.  215 
ißt  unter  den  für  die  repräsentation  durch  den  conj.  präsentis  in  in- 
directer  rede  aus  Sallust  aufgeführten  belegen  Cat.  41,  5  als  bestrit- 
ten zu  streichen.  —  P.  229  Hessen  sich  aus  Sallust  ausser  der  citir- 
ten stelle  noch  andere  belege  für  das  sogen,  perfectum  consuetudinis 
heranziehen:  Cat.  11,  3.  51,  2.  Jug.  85,  49.  —  P.  230  ist  zu  §.  128 
»über  den  sogenannten  aoristischen  infinitiv  des  perfect«  zu  verglei- 
chen Dietze,  de  sernwne  Caloniano  p.  27  sq.  Wie  unstatthaft  übri- 
gens jene  von  Dräger  adoptirte  bezeichnung  ist,  da  dieselbe  auf  einer 
unrichtigen  parallele  beruht,  ist  längst  von  Gr.  Curtius  ausgesprochen; 
8.  Zeitschr.  f.  d.  gymn.-W.  I  4.  heft,  p.  102.  —  P.  235  sollte  das 
als  beleg  für  den  gebrauch  des  plusquaniperfects  statt  des  perfects 
angeführte  dixerai  Sali.  Cat.  50,  4  entweder  gestrichen,   oder  doch 


230  129.  Lateinische  grammatik.  Nr.  5. 

als  bestritten  bezeichnet  werden,  da  Roschers  conjectur  dixit  höchst 
■wahrscheinlich  das  allein  richtige  getroffen  hat.  —  P.  240  lassen 
die  bei  anführung  der  stelle  von  Nepos  Milt.  5,  2  gebrauchten  worte : 
» so  wird  man  mit  Nipperdey  valeret  schreiben «  —  nicht  erkennen, 
dass  selbst  die  beste  handschriftliche  gewähr  für  das  auch  von  Halm 
aufgenommene  valeret  spricht.  Das  beispiel  war  also  hier  gar  nicht  an- 
zuführen, wo  es  sich  um  belege  für  den  conj.  perfecti  nach  einem  histo- 
rischen tempus  handelt.  Auch  sonst  lässt  sich  bei  der  wähl  von  be- 
legen namentlich  aus  Nepos  die  nöthige  vorsieht  vermissen :  p.  248 
wird  aus  Epam.  2,  2  dimiserit  aufgeführt,  während  Nipperdey  Spioi- 
leg.  crit.  p.  49  dimisit  als  das  ursprüngliche  erwiesen  hat ,  wie  auch 
Halm  schreibt.  Sonach  wäre  dieses  beispiel  gleichfalls  zu  beseitigen. 
Ebenso  ist  p.  253  aus  Epam.  8,  3  fuit  ohne  bedenken  als  beleg  auf- 
genommen, obschon  Madvig,  Fleckeisen  und  Halm  diese  lesart  ver- 
worfen haben.  Auch  p.  273  ist  das  aus  Epam.  4,  6  für  den  conj. 
imperfecti  citierte  beispiel  zu  entfernen,  indem  sowohl  Nipperdey  als 
Halm  nicht  possemiis,  sondern  nach  Fleckeisen  possumus  lesen.  —  P. 
255  werden  partieipia  de  conatu  nur  aus  Cicero  und  Livius  mitge- 
theüt.  Vgl.  auch  Sali.  ep.  Mithr.  6  ei  subvenientem  Antiochum  »den 
Antiochus,  der  jenem  zu  hülfe  kommen  wollte«  (Cless).  —  P.  257 
liess  sich  für  das  futurum  von  volo  im  nebensatze  anführen  Sali, 
ep.  Mithr.  3.  4.  —  P.  267  sagt  der  vf. ,  für  den  infinitiv  des  fut. 
II  im  passiv  mit  fore  fehle  es  sehr  an  belegen.  So  möge  aus 
Sallust  hier  stehen  Jug.  28,  4:  quae  deliquisset  munita  fore  sperabat. 
—  P.  269  fehlt  unter  den  aus  Sallust  zu  entnehmenden  beispielen 
für  habere  mit  partic.  perf.  passivi  die  stelle  Cat.  58,  1  compertum 
ego  habeo.  —  P.  271  wird  mit  recht  angenommen,  dass  das  imper- 
fectum  poteram  bei  vorschwebender  hypothese  nicht  nur  von  der  ge- 
genwart,  sondern  auch  von  der  Vergangenheit  gebraucht  werde.  Mad« 
vig  hat  die  letztere  beziehung  nicht  erwähnt;  dagegen  ist  sie  mit 
beispielen  belegt  bei  Johansen ,  de  usu  modorum  in  verlis  debere 
sqq.  p.  47.  —  P.  274  konnte  das  aus  Cic.  de  Div.  n,  43,  91  ange- 
führte debebant  präciser  erklärt  werden  nach  F.  Schultz,  Gr.  §.  336 
anm.  1.  —  Der  p.  279  besprochene  gebrauch  des  conjunetivus  »zur 
bezeichnung  der  wiederholten  handlung  in  temporal-  und  bedingungs- 
sätzen«  findet  sich  schon  zweimal  bei  Sali.  Jug.  14,  10  hostis  nullus 
erat,  nisi  forte  quem  vos  iussissetis ;  58,  3  sin  Numidae  propius  adees» 
sissent,  ibi  vero  virtutem  ostendere  (inf.  hist.).  An  beiden  stellen  hat 
freilich  Jacobs  eine  andere  Interpretation  versucht.  —  P.  290 — 295 
wird  über  die  attraction  der  tempora  und  modi,  wenn  man  von  drei 
stellen  aus  Seneca's  briefen  und  einer  livianischen  stelle  absieht ,  mit 
ausschliesslicher  beachtung  des  ciceronischen  Sprachgebrauchs  gehandelt. 
Da  ist  doch  die  frage  berechtigt ,  ob  und  wie  weit  jener  gebrauch 
auch  auf  andere  autoren  sich  erstreckt?  —  P.  295  f.  lassen  sich  die 
angeführten  beispiele  eines  imperfects  als  potentialis  der  vergangen- 


Nr.  5.  130.  Rhythmik  und  metrik.  231 

heit  nach  einem  präsens  ergänzen  aus  Hannwacker,  zur  lehre  von 
den  bedingungssätzen  p.  23.  —  P.  297  ist  umsonst  eine  erklärung 
der  lesart  viderem  bei  Cic.  in  Pis.  41,  99  versucht.  Man  lese  videbo 
(oder  viderof).  —  P.  298  wären  beispiele  für  den  in  prosa  seltenen 
gebrauch  des  imperat.  präsentis  im  sinne  eines  imp.  futuri  erwünscht; 
vgl.  Liv.  YI,  12  übt  videris ,  in/er,  dissipa.  —  P.  299  ist  es  auffal- 
lend, dass  für  die  keineswegs  ungewöhnliche  concessive  bedeutung 
des  imp.  futuri  lediglich  auf  ein  wenig  bekanntes  schulprogramm 
verwiesen  wird,  während  der  vf.  in  anderen  fällen  den  wesentlichen 
inhalt  solcher  Specialuntersuchungen  excerpirt  und  in  seine  darstel- 
lung  verarbeitet  hat.  Unter  den  beispielen  für  die  periphrastische 
ausdrucksweise  des  negativen  imperativs  durch  wo^'vermisst  man  sol- 
che für  die  auffällige,  aber  durchaus  nicht  vereinzelte  Verbindung 
noli  velle;  vgl.  Cic.  p.  Mur.  25,  50.  p.  Cael.  32,  79.  Phil.  VII,  8,  25. 
Die  poetischen  Umschreibungen  des  imperativ  durch  fuge,  mitte,  parce 
u.  a.  werden  vom  vf .  gar  nicht  beachtet.  —  P.  304  werden  belege  für  den 
gehäuften  gebrauch  historischer  infinitive  bei  Sallust  beigebracht;  dass 
Sallust  auch  gern  einzelne  historische  infinitive  setzt,  lässt  sich  aus  der 
darstellung  des  vfs  nicht  erkennen.  Eine  vollständige  Sammlung  der 
hierher  gehörigen  beispiele  bietet  Koziol  in  seiner  schrift  über  die  be- 
deutung und  den  gebrauch  des  hist.  infinitivs  bei  Sallust;  aus  derselben 
quelle  Hess  sich  auch  eine  genauere  erklärung  dieser  grammatischen 
eigenthümlichkeit  schöpfen,  als  die  p.  302  gegebene  andeutung  ist.  — 
Schliesslich  sei  hier  noch  auf  die  befremdende  thatsache  hingewiesen, 
dass  der  vf.  p.  313  f.  eine  reihe  von  beispielen  für  nonne  aus  Plautus 
und  Terenz  anführt ,  ohne  der  überzeugenden  abhandlung  von  A. 
Spengel,  die  partikel  nonne  im  altlateinischen  —  mit  einem  worte 
zu  gedenken.  Und  doch  musste  auf  das  ergebniss  dieser  schrift,  dass 
nonne  sowohl  dem  Plautus  als  Terenz  fremd  sei ,  selbst  dann  hinge- 
deutet werden,  wenn  der  vf.  damit  nicht  übereinstimmen  sollte. 

130.  Leitfaden  in  der  rhythmik  und  metrik  der  classischen 
sprachen  für  schulen.  Von  Dr  J.  H.  Heinrich  Schmidt. 
Leipzig,  Vogel.  1869.     gr.  8.     XIX.  206  s.  —     1  thlr. 

Der  alte  streit  um  die  gleichtaktigkeit  in  den  dichtungen 
und  den  sie  begleitenden  künsten  der  alten  wird  noch  immer 
fortgeführt.  Nun  man  erst  die  lehre  von  der  ausgleichung  der 
vierzeitigen  mit  den  dreizeitigen  füssen  hatte  —  weil  nämlich 
jene  nach  Dionys  den  dreizeitigen  takten  sehr  nahe  wären, 
wagte  man  den  sprung  aus  dem  „sehr  nahe"  ein  „durchaus 
gleich"  zu  machen,  —  so  glaubte  man  nicht  locker  lassen  zu 
dürfen  bis  das  genaueste  gleichsetzen  der  kleinen  zusammenge- 
hörigen theile  fertig  wäre.     Waren  frühere   bestrebungen  dieser 


232  130.  Rhythmik  und  metrik.  Nr.  5. 

art  wie  Apels  als  mit  den  nacbrichten  der  alten  nicht  überein- 
stimmend ,  alles  nach  eigenen  und  neuen  grundsätzen  einrich- 
tend zurückgewiesen  ,  so  setzten  Rossbach  und  Westphal  noch 
einmal  an,  indem  sie  mit  hülfe  des  gedankens  von  der  eu- 
rythmischen  entsprechung  der  theile  eines  grösseren  gan- 
zen und  mit  hülfe  der  überall  her  durch  fleiss  und  auch 
durch  kühnes  zusammenbringen  aufgesuchten  reste  alter  leh- 
ren über  taktlehre  rüstig  ausglichen  ohne  die  drei  -  und  mehr- 
zeitigen längen  zu  sparen ,  vor  welchen  Boeckh ,  er  welcher 
auf  diese  reste  zuerst  hinwies,  gewarnt  hatte.  Ihm  stand,  um 
von  den  dionysischen  irrationalen  füssen  ausgehend  die  bahn 
der  ausgleichung  zu  betreten ,  offenbar  besonders  die  thatsache 
entgegen,  dass  die  alten  durch  mischung  des  taktvollen ,  des 
dem  takte  sich  fügenden  mit  takthärten  nicht,  wie  unsere  mu- 
sik  ganz  selten,  fast  nie,  sondern  unzählig  oft  gerade  etwas 
erreichen  wollten  —  unantastbar  durch  aneinanderstossen  gu- 
ter takttheile  in  dochmien,  kretikern,  in  den  als  abwechslung 
des  regelmässigen  ganges  unzählig  vorkommenden  antispasten. 
Trauten  nun  schon  viele  dem  mit  fleiss  aber  oft  kühn  aufge- 
richteten unterbau  alter  Überlieferung  in  Rossbach  und  West- 
phals  fast  durchweg  nach  ausgleichung  strebender  lehre  über  die 
alten  verse  und  Strophen  nicht  recht,  so  konnte  in  der  that  das 
ganze  ausgleichungsstreben  nicht  leicht  einen  grösseren  stoss  er- 
halten als  durch  J.  H.  Heinrich  Schmidts  Compositionslehre 
u.  s.  w.,  indem  er  dasselbe  mit  vielfach  richtiger  ausserachtlas- 
sung  der  oft  durch  künstelei  verbundenen  und  gemachten  alten 
lehren  nach  eigenen  meist  an  sich  nicht  unvernünftigen  grund- 
sätzen auf  die  spitze  treibt. 

Diese  meine  wenigen  beobachtungen  glaube  ich  besser  an  den 
die  grundsätze  des  ganzen  wiedergebenden  leitfaden  als  an  das 
grosse  auf  fleissige  betrachtung  der  texte  zum  theil  etwas  weit 
sich  verbreitende  werk  anzuschliessen.  Ich  weise  weniger  auf 
Unrichtigkeiten  nach  meiner  eben  ausgesprochenen  anschauung 
hin  als  auf  das,  was  in  dem  buche  mit  sich  selbst  nicht  stimmt. 

Im  ersten  „buche"  von  der  lautlehre  wird  mit  recht  der 
werth  guter  ausspräche  betont.  Eine  eigenthümliche  Vorstel- 
lung ist  hier,  weil  unsere  deutschen  dichter  sich  nicht  die  mühe 
gegeben  haben  lang  und  kurz  zu  scheiden,  vielmehr  eins  gele- 
gentlich für  das  andere  setzen,  unsere  deutschen  silben  alle  für 


Nr.  5,  130.  Rhythmik  und  metrik.  233 

lang  zu  erklären.  Alle  für  kurz  zu  erklären  wäre  ebenso  rich- 
tig. Er  hat  eigentümliche  belege  dafür,  wie  dass  man  selbst  in 
„glaube"  die  letzte  silbe  lang  zu  sprechen  „ylaußq"  geneigt  sei. 
Da  kann  man  doch  nur  an  einen  scherz,  in  welchem  es  ,,glau- 
beeV  statt  ,, glauben"  heisst,  sich  erinnern.  P.  5  heisst  es  vom 
griechischen :  ,, geschärfte  silben  sind  durchaus  lang,  wenn  sie 
auf  einen  consonanten  schliessen,  <m'p  -  ysiv ,  aiÖQ-yr}".  Nein, 
ist  zu  sagen,  nur  wenn  auch  die  folgende  silbe  mit  einem  con- 
sonanten anfängt,  wie  z.  b.  mto-i]v  zeigt.  P.  8  „Man  sprach 
me-ni-ri'aeide"  ist  eine  grille,  die  mit  dem  eben  erwähnten 
versehen  zusammenhängt;  es  muss  heissen  me-nin-  u,  s.  w. 
Wie  der  vf.  ganz  von  den  neueren  takten  ausgeht,  ist  es  ihm 
zuwider,  dass  die  alten  den  takt  mit  dem  auftakte  anfangen 
sollten;  diesen  sondert  er  stets  vorne  ganz  ab,  erklärt  nur 
seine  grosse  von  dem  folgenden  takte  bedingt.  Aber  die  fol- 
gen hiervon  sind  bedenklich,  wie  z.  b.  dass  der  iambische  tri- 
meter  zum  Schlüsse  noch  eine  ,,  achtelpause"  [\  haben  muss, 
dass  also  hier  aus  achtzehn  neunzehn  zeiten  werden.  Oder 
soll  ich  diese  ganz  neue  pause,  nicht  aber  die  erste  silbe 
vorne  zählen?  An  des  vfs  stelle  hätte  ich  hier  keine  pause 
gesetzt,  den  takt  unvollständig  als  durch  den  auftakt  zu  ergän- 
zen gelassen ,  gerade  wie  es  in  unserer  notenschrift  zu  gesche- 
hen pflegt.  Doch  auf  p.  32  bei  gelegenheit  der  ioniker  macht 
er  es  gerade  so.  Noch  ein  anderes  wunderliches  kommt  durch 
diese  abgeschnittenen  auftakte  heraus.  P.  29  heisst  es,  die 
daktylen  haben  manchmal  auftakt  wie  im  Agamemnon  szi  yaQ 
u.  s.  w.,  seien  aber  darum  keine  anapaesten.  Wäre  es  möglich, 
wenn  den  anapaesten  ihr  auftakt  doch  auch  abgeschnitten  wird? 
Doch  den  unterschied  erfahren  wir  p.  30,  nämlich  dass  solche 
daktylen  nicht  v  v  — ,  die  auflösung  der  betonten  länge  haben 
könnten.  Wir  müssen  uns  also  nun  schon  noch  merken,  dass 
Tyrtaeos,  welcher  diese  auflösung  (Tanzk.  p.  107)  noch  nicht 
hatte,  in  daktylen,  nicht  in  anapaesten  seine  marschlieder  dich- 
tete. Doch  sind  es  p.  40  echte  anapaesten.  Ueber  die  frage 
wegen  der  rhythmischen  Setzung  der  katalexen  von  versen  mit 
auftakten  habe  ich  ein  andermal  geredet.  Der  vf.  ist  hier  in 
ungleichmässigkeit.  P.  30  hat  er  (wie  ich  glaube,  richtig)  die 
zweizeitige  pause  zum  Schlüsse  von  paroemiakern,  sonst  aber 
(z.  b.  p.  40  auch  paroimiaker)  nach  Westphal  den  schluss  ' — '    — 


234  130.  Rhythmik  und  metrik.  Nr.  5. 

und  i—  — ;  man  vgl.  besonders  p.  114.  115,  wo  auakreooteen 
mit  zwei  kürzen  vorne  als  auftakt  nichts  dreizeitiges  vor  dem 
schlösse  haben,  Söts  fxoi  Xvgtjv  'Ofxt'iQov^  —  —  A,  wohl  aber 
eben  solche  verse  mit  einsilbigem  auftakte,  rj  yt}  piiXaiva  nivsi 
i —  |  —  A  u.  s.  w.  P.  37  spricht  vf.  seine  neigung  für  solche 
dehnungen  aus;  wir  machten  „gern"  in  dieser  weise  aus  drei 
takten  vier,  „es  rieselt  klar  und  wehend"  |  < — >  |  —  A.  Ist  es 
aber  deshalb  bei  den  alten  richtig?  Unentschiedenheit  zeigt 
sich  übrigens  öfter,  wie  wenn  es  p.  33  heisst:  4,  6  iamben 
„am  besten"  in  dichoreen  zu  theilen.  Es  versteht  sich  nach 
meinen  einleitenden  worten,  dass  hier  jedes  aneinanderstossen 
von  iamben  und  trochaeen  durch  eine  dreizeitigkeit  an  der  ent- 
scheidenden stelle  beseitigt  wird.  Auf  die  spitze  getrieben,  wie 
ich  sagte,  erscheint  das  ausgleichungsstreben ,  wenn  nicht  nur 
bei  jeder  gelegenheit  lyrische  verse  mit  jenen  „fallenden" 
Schlüssen  versehen  werden,  sondern  auch  p.  39  der  hinkende 
trimeter  gegen  seinen  namen  um  eine  silbe  zu  lang  wird  v  \  —  v  | — 
v\  —  v  |  —  v  1 1 — ,  |  —  d;  damit  man  es  glaube  ist  das  schema  gleich 
doppelt  gesetzt.  So  wird  auf  der  folgenden  seite  durch  denselben 
kunstgriff  der  hinkende  trochäische  tetrameter  aus  einem  kata- 
lektischen  zu  einem  akatalektischen.  Ueber  die  sog.  dorischen  epi- 
triten,  sowie  über  des  vfs  responsion  und  responsion  der  pausen 
und  über  vollständiges  gleichsetzen  kyklischer  und  dreizeitiger 
füsse  hat  Brambach  vortrefflich  in  den  rhythmischen  Untersuchun- 
gen (8.  Heidelb.  Jahrb.  1872  n.  52.  53)  gesprochen.  Das  kühnste 
stück  von  ausgleichungslehre  scheint  mir  auf  p.  44  zu  sein, 
dass  der  einem  daktylos  gelegentlich  antistrophisch  entsprechende 
tribrachys  (vgl.  m.  de  dactyl.  Eur.  versibus)  der  daktylos  mit  auf- 
gelöster länge  und  zusammengezogenen  kürzen  sei;  damit  dies 
bequemer  auszusprechen  sei,  nicht  als  ein  anapaest  herauskomme, 
sei  die  letzte  der  drei  silben  statt  lang  kurz,  aber  nur  metrisch, 
rhythmisch  sei  sie  doch  lang.  Was  uns  kein  Dionysios  hat  er- 
halten wollen,  das  lernen  wir  also  nun  durch  Schmidt;  jener  sagt: 
die  länge  ist  manchmal  um  ein  unberechenbares  kürzer  als  zwei 
Zeiten  (muss  heissen,  sagen  Schmidt  p.  47  u.  a. ,  ganz  gleich 
einer  kürze) ;  dieser  setzt  hinzu :  und  die  kürze  manchmal  gleich 
einer  länge.     Denn  ebenso    setzt    er   auch  —  i>,  den  trochaeus, 

gleich  zwei  vierteln.     P.  45.  46  v  v  v  =  v  v  v  (so  erklärt  vf. 


Nr.  5.  130.  Rhythmik  und  metrik.  235 

logaoeden)  ist  wohl  ein  druckfehler  statt  =  v  v  v.  Starker 
glaube  gehört  wie  schon  zur  gleichsetzung  der  trochaeischen  di- 
podien  und  kretiker,  so  zur  annähme  solcher  ioniker,  —  v  —  vv 
=  —  —  v  v.  Jener  annähme  kurzer  längen  verwandt  ist 
die  annähme  p.  50  von  daktylen  (Agam.)  als  trochaeen  mit 
halbirten  kürzen  (zwei  sechzehnteln).  Ein  wortstreit,  bei  dem 
der  vf.  noch  dazu  im  unrecht,  ist  es,  wenn  p.  51  steht  „ganz 
verkehrt  ist  es  an  kyklische  proceleusmatici  zu  denken  und 
ein  trimeter  wie  v  —  v  —  vvvvv  —  v  —  v  —  [des  komikers 
Piaton  ovzog  xz/.]  wäre  nicht  zu  theilen :  v  ■  — v\ — v  |  vvv  v\ 
——  v  I  —  v — ,  sondern  v  •  — v\  —  w  J  w  v  |  —  v\  —  v — ".  Denn 
vvvv  wird  doch  in  dem  letzten  richtigen  betont  und  das  nennt 
man  ja  gerade  einen  prokeleusmatiker ,  nicht  aber  vv  vv.  Bei 
der  allgemeinen  ausgleichung  wundern  wir  uns  nicht  hier  auch 
p.  54  v.  —  zu  finden,  wo  i —  nicht  zu  der  übrigen  messung 
passt.  Dass  der  vf.  mit  den  auftakten  es  sich  so  leicht  macht, 
rächt  sich  noch  durch  eine  Oberflächlichkeit  p.  62  ff.  Das  theilen 
der  dipodien  tripodien  u.  s.  w.  der  alten  ,  ganz  ähnlich  wie  bei 
den  zeiten  der  kleinen  versfüsse,  nach  mehr  oder  weniger  schwer 
betonten  abschnitten  ist  ihm  etwas  spitzfindiges  und  werthloses, 
da  gewiss  jeder  nach  seinem  eigenen  gefühl  sich  seinen  ictus 
gesetzt  habe,  unbekümmert  um  solche  regeln  (auch  hier  die  so 
üblen  folgen  der  Vermischung  von  wirklichem  takt  und  dekla- 
mationskünsten).  So  kann  es  ihm  denn  das  gewissen  nicht  be- 
unruhigen zu  sehen,  wie  hier  im  grossen  es  auch  leichter  betonte 
stücke  vor  den  schwerbetonten ,  also  nachbilder  jener  kleinen 
auftakte  giebt :  werden  die  auch  abgesondert,  nicht  mitgerechnet? 
Ich  glaube  die  richtung  und  das  wesentlich  neue  dieser 
rhythmik  gegeben  zu  haben  und  übergehe  der  kürze  halber 
die  anwendungen,  wie  besonders  in  dem  Schlussabschnitte,  wel- 
cher die  lyrischen  „partien"  des  Aias  und  der  Antigone  behan- 
delt, so  wie  schon  anderweitig  besprochenes.  So  viel,  denke 
ich,  wird  klar:  wenn  man  so  Ordnung  schafft,  entsteht  nicht, 
wie  der  vf.  öfters  verheisst,  regel  und  Sicherheit,  sondern  Will- 
kür und  schrankenlosigkeit.  Bei  dieser  dehnbarkeit  der  wer- 
the  müsste  es  noch  vieles  geben ,  was  eben  so  berechtigt 
wie  dieses  hier  wäre.  Dass  dieses  buch  also  nicht,  wie  es 
auf  dem  titel  heisst,  für  schulen  ist,  brauche  ich  nicht  erst  zu 
sagen.     Dass  ich  die  Vorzüge,  wie  hindrängen  auf  ganze  Zeilen, 


236  131.  Metrik.  Nr.  5. 

keine  bruchstücke,  übersähe,  wird  nach  dem  gesagten  keiner 
behaupten.  Noch  will  ich  zwei  Zurechtweisungen  des  Horaz 
hervorheben.  In  seiner  bekannten  sapphischen  strophe  soll 
die  dreimal  wiederholte  elfsilbige  zeile  zwei  fehler  haben;  er- 
stens die  stehende  irrationale  länge  im  ersten  doppeltrochaeen, 
zweitens  den  (fast)  stehenden  einschnitt  hinter  der  länge  des  ky- 
klischen  daktylen,  indem  derselbe  zerrissen  werde.  So  scheint 
der  vf.  die  herrliche  wunderkraft  des  einschnittes  (caesur)  ge- 
rade durch  schneiden  zu  verbinden  nicht  zu  kennen.  Oder 
meint  er  nur,  ein  „kyklischer"  fuss  gerade  sollte  nicht  durch 
caesur  getheilt  und  also  in  der  zeit  verlängert  werden?  Da 
würden  sich  doch  bespiele  dagegen  finden.  Wenn  aber  Horaz 
durch  die  länge  die  erste  trochäische  dipodie  von  der  folgenden  lo- 
gaödischen  tripodie  ein  für  allemal  sonderte,  so  weiss  ich  keinen 
grund  des  tadeis:  dipodie  und  tripodie  passen  ja  zusammen.  Eben 
so  spricht  sich  der  vf.  über  die  irr.  länge  in  der  ersten  alcaei- 
sehen  zeile  etwa  in  der  mitte  und  über  das  stehende  wortende 
an  dieser  stelle  aus.  Er  nennt  es  nach  der  gewöhnlichen  art 
eine  theilung  oder  diaeresis.  Die  terminologie  :  dipodia  trochaica 
gravis  praemissa  anacrusi  und  ordo  logaoedicus  daetylicus  simplex  du- 
pliciter  trochaicus  catalecticus  rührt  von  Boeckh  her-,  es  war  aber 
namentlich  zu  anfang  ein  mehr  bequemer  als  die  sache  erschö- 
pfender ausdruck,  wie  Boeckh  selbst  zugab.  Ich  empfehle  zur 
Überlegung ,  ob  wir  hier  nicht  ebenfalls  eine  caesur  haben ,  also 
eine  iambische  dipodie  und  eine  logaödische  reihe  —  —  v  —  | 
—  ||  —  vv  —  v  — .  H.  Buchholts, 

131.  Griechische  metrik.  Von  Dr  J.H.  Heinrich  Schmidt. 
8.     Leipzig.  1872.     680  ss.  —     4  thlr.  10  gr. 

Vorstehendes  buch  bildet  den  vierten  band  des  grossen 
vierbändigen  werkes,  die  kunstformen  der  griechischen  poesie, 
und  hängt  im  inhalt  eng  mit  dem  vor  einigen  jähren  erschie- 
nenen „Leitfaden  in  der  rhythmik  und  metrik"  zusammen.  Es 
ist  nicht  das  erste  mal,  dass  ich  mich  mit  diesen  arbeiten 
Schmidts  beschäftige;  ich  habe  dieselben  nicht  blos  gelegentlich 
berührt,  sondern  ihnen  auch  bereits  zwei  mal  in  den  blättern 
für  das  bayerische  gymnasialschulwesen,  bd.  VI,  p.  36 — 42  und 
bd.  VIII,  p.  116 — 124,  eingehende  recensionen  gewidmet.  Den 
beifall  Schmidts  habe  ich  mir  dadurch  nicht  erworben,  was  ich 


Nr.  5.  131.  Metrik.  237 

begreiflich  finde  bei  einem  manne ,  der  allein  in  dem  gebiete 
der  rhytbmik  und  metrik  das  scepter  zu  schwingen  beansprucht 
und  daher  ungern  den  nachweis  liest,  dass  er  in  den  Ecclesia- 
zusen  des  Aristophanes  v.  890—2  (s.  bd.  II,  p.  CCCLXVIII) 
die  gewöhnlichsten  jambischen  trimeter  nicht  erkannt  hat.  Er 
bezeichnet  mich  desshalb  in  dem  neuesten  bände  als  einen  re- 
censenten  ohne  inneren  beruf  und  drückt  seine  Verwunderung 
aus,  wie  leute  von  meinem  schlag  noch  über  metrik  zu  schreiben 
wagen.  Ich  bin  nun  keineswegs  gewillt  mich  dem  machtgebot 
von  Husum  zu  fügen,  habe  aber  doch  anfangs  trotz  der  freund- 
lichen einladung  der  redaction  der  bayerischen  gymnasialblätter 
die  besprechung  des  vorliegenden  bandes  abgelehnt.  Denn  mir 
ist  es  bei  recensionen  zunächst  darum  zu  thun,  beitrage  zur 
besprochenen  disciplin  zu  liefern  und  somit  dem  Verfasser  des 
recensirten  buches  selbst  einen  dienst  zu  leisten,  bei  Schmidt 
habe  ich  jede  hoffnung  aufgegeben,  ihn  durch  meine  darle- 
gungen  zu  überzeugen ,  und  wenn  ich  daher  einer  erneuerten 
einladung  hiemit  nachkomme,  so  thue  ich  es  nur,  um  meine 
Stellung  zu  dem  buche  zu  begründen  und  die  geneigten  leser 
über  die  methode  des  Verfassers  aufzuklären. 

Aus  einzelnen  fehlem  und  Schnitzern  lässt  sich  noch  kein 
unbedingtes  urtheil  über  die  bedeutung  eines  werkes  ableiten.  Aber 
bei  einem  buche,  das  so  viele  bestrittene  grundsätze  aufstellt  und 
nur  obenhin  begründet,  wird  der  recensent  nicht  den  Vorwurf 
kleinlicher  nörgelei  verdienen,  wenn  er  zunächst  an  einzelnen 
fällen  die  genauigkeit  und  wissenschaftliche  umsieht  des  Ver- 
fassers prüft.  Sehen  wir  uns  nun  die  parodie  des  Agathon  in 
den  Thesmophoriazusen  v.  101 — 129  an,  der  Schmidt  einen 
eigenen  abschnitt  unter  dem  titel  „verfall  der  classischen 
kunst"  widmet  und  prüfen  die  sonderung  der  verse    des  chors : 

tnofiai   x).r,£ov6ct   ctuvt)v 

yövov  6\fii£ovaa  Aatovg, 

ceßofiat  ylaiä  t"1  uvaaGav 
ttl&agiv  ts  fiaiio'  vpimv 

UQtJSIl    ßoÜ     ÖOXtfACp. 

Es  gehört  wahrlich  nicht  viel  Scharfsinn  dazu,  um  auf  den  er- 
sten blick  zu  erkennen,  dass  wir  es  hier  mit  respondirenden  perio- 
denzu  thun  haben;  schon  der  gleichklingende  eingaDg  macht  den 


238  131.  Metrik.  Nr.  5. 

verständigen  leser  darauf  aufmerksam.  Haben  wir  es  aber  hier 
mit  Strophe  und  antistrophe  zu  thun ,  so  entsprechen  sich  an 
zweiter  stelle  die  versformen 

vv  —  —  —  v  —  —  und  vv  —  v  —  v  —   — 
Dadurch  wird  der  kenner  noch  mehr  in    der   sich  ohnehin  auf- 
dringenden vermuthung  bestärkt,    dass  die  beiden   ersten  verse 
in  strophe  und  antistrophe   gebrochene   ionische    dimeter  vv  — 

v  —  v  — —  sind,  die  vortrefflich  zum  charakter  des  süss- 

lichen  Agathon  und  des  göttlichen  preisgesangs  passen.  Was 
thut  aber  Schmidt?  er  erkennt  nicht  die  responsion,  er  erkennt 
nicht  den  ionischen  rhythmus;  er  hilft  sich  mit  wiederholter 
dreizeitiger  messung.  Ich  selbst  aber  habe  nicht  zuerst  das 
wahre  sachverhältniss  aufgedeckt;  Schmidt  hätte  nur  nicht  so 
vornehm  die  leistungen  anderer  ignoriren,  sondern  die  ausga- 
ben von  Fritzsche  und  Enger  aufschlagen  sollen  und  er  hätte 
sich  vor  so  schmählichen  irrthümern  bewahrt. 

Mehrmals,  p.  124  und  474,   kommt  Schmidt  auf  die  verse 
der  Alcestis  989  =  1000: 

neu  &eö)v  oxouoi  y&ivovtii  nctidsg  iv  &avd.zqp. 
xai  tig  doxfiiav  xilev&ov  ifißctiftav  toS1  igst. 
zu  sprechen,  indem  er  für  dieselben  geradeso,  wie  in  band  III, 
p.  XXII,  das  Schema: 

V   |    V   |  V   |   V,  ||    V   |   — vv    A    ^ 

aufstellt,  und  demnach  in  dem  ersten  fuss  einer  trochäischen 
tetrapodie  einen  spondeus  einem  reinen  trochäus  entsprechen 
lässt  und  anotioi  zweisilbig  zu  lesen  befiehlt.  Dass  einer  ein 
mal  aus  versehen  zu  solch  ungeheuerlichen  annahmen  seine  Zu- 
flucht nimmt,  ist  noch  verzeihlich;  aber  rein  unbegreiflich  ist 
es,  wie  ein  metriker  bei  dreimaliger  behandlung  derselben  stelle 
nicht  merkt,  dass  allen  Schwierigkeiten  durch  die  messung: 

v  —  vv  —  v  —  v|  —  v  —  vv  — 
einfach  aus  dem  wege  gegangen  werden  kann.  Aber  die  eu- 
rhythmie,  höre  ich  Schmidt  rufen ;  nun ,  darauf  erwiedere  ich 
einfach  mit  einem  elementarsatz  der  logik,  dass  eine  hypothese 
erst  aus  sicheren  thatsachen  erwiesen  werden  muss  und  nicht 
zur  grundlage  eines  beweises  dienen  darf.  Ich  selbst  habe  in 
meinen  Prolegomena  zur  Anthologia  graeca  carminum  byzantino- 
rum  p.  civ  sq.  gezeigt,  dass  ich  mich  der  annähme  eines  sym- 
metrischen   baues     der    Strophen    durchaus    nicht    verschliesse, 


Nr.  5.  131.  Metrik.  239 

wenn  sich  derselbe  einfach  und  ungezwungen  gibt;  aber  gewalt- 
same abweichungen  von  der  regelrechten  prosodie  können  durch 
die  hypothese  der  eurythmie  mit  nichten  begründet  oder  nur 
entschuldigt  werden.  Mich  wenigstens ,  und  ich  bin  der  Zu- 
stimmung der  meisten  ,  wenn  nicht  aller  meiner  leser  sicher, 
kann  die  eurythmie  nicht  einmal  dazu  bestimmen ,  den  vers  in 
den  Troad.  1303: 

üofufis  UgtaftS)  av  pav  6).6nevo?  uraqsng  a(pt\.og 
mit  Schmidt  bd.  III,  p.  cdxc  und  bd.  IV,  p.  225  im  durch- 
gängigen Widerspruch  mit  den  accenten  iambisch  statt  tro- 
chäisch zu  messen.  Aber  mit  der  prosodie  nimmt  es  Schmidt 
ohnehin  nicht  so  genau ,  wenn  nur  seine  neuen  grundsätze  zu 
rechte  kommen.  So  lässt  er  p.  361  es  auf  sich  beruhen,  wenn 
M.  Wilms,  de  personarum  mutatione  p.  19,  den  vers  des  Ari- 
stophanes  Ach.  1023: 

AI.  nödtv ;  rE.  ol7jo   0v).?ig  ilaßov  oi  Boicötioi, 
um  die   zerschneidung  der  beiden   kürzen  der  aufgelösten  länge 
zu  vermeiden,  folgeudermassen  umstellt: 

dJ.  nödiv;  rE.   4)v\qg  an"1  ekaßov  oi  BoitOTtot, 
dass  im  trimeter  an  zweiter  stelle  auch    bei  den  komikern  kein 
spondeus    stehen    kann,    ficht  ihn    so  wenig  an,  wie  es  Wilms 
angefochten    zu   haben  scheint,    dessen   schrift   ich  leider  nicht 
einsehen  konnte. 

In  der  weise  mache  ich  mich  anheischig  in  jedem  Paragra- 
phen des  buches  dutzende  von  fehlem  gegen  die  prosodie, 
grammatik,  texteskritik  nachzuweisen ;  hier  ist  natürlich  zu  ei- 
ner solchen  ausführlichkeit  nicht  der  ort,  ich  begnüge  mich 
daher  damit,  noch  einige  allgemeine  gesichtspunkte  zu  be- 
rühren. 

Schmidt  ist  ein  mann  von  vielen  ideen ,  selbständigem  ur- 
theil  und  ausgedehntem  wissen;  seine  spräche  hat  nichts  von 
der  langweile  trockner  gelehrsamkeit  und  besticht  durch  fri- 
sche, geistreiche  darstellung.  Von  diesen  Vorzügen  hat  er  auch 
in  dem  vorliegenden  bände  wieder  schöne  beweise  geliefert. 
Seine  Unterscheidung  des  dentalen  und  gutturalen  q  verdient 
alle  beachtung,  seine  einwendungen  gegen  Westphals  terpandri- 
sche  composition  sind  auch  mir  ganz  aus  der  seele  gesprochen, 
seine  vergleichung  der  griechischen  harmonien  mit  irländischen, 
polnischen,    amerikanischen    singweisen    ist   überaus  belehrend, 


240  131.  Metrik.  Nr.  5. 

über  den  grund  der  unterschiedenen  betonung  von  no8i  und 
jiödu,  von  Xdftßavs  und  laße  erinnere  ich  mich  nicht  etwas  zu- 
treffenderes gelesen  zu  haben;  kurzweg  auch  in  dem  letzten 
bände  seines  Werkes  bringt  der  verf.  so  vortreffliche  gedanken 
vor,  dass  man  sich  nur  ungern  in  Opposition  zu  ihm  setzt. 
Wenn  aber  trotzdem  die  fachgenossen  zum  grossen  theil  in 
ßcharfablehnender  haltung  verbleiben,  so  hat  dieses  wesentlich 
darin  seinen  grund,  dass  Sehmidt  weder  an  sich  eine  strenge 
Selbstkritik  übt  noch  auf  die  einwürfe  seiner  gegner  eingeht. 
Ich  will  dabei  weniger  betonen,  dass  die  redselige,  fast  ge- 
schwätzige breite,  die  Unbestimmtheit  im  citiren,  die  Vernachläs- 
sigung der  handschriftlichen  Überlieferung,  die  alles  überhu- 
delnde eilfertigkeit  im  vierten  bände  dieselbe,  wie  in  den  vor- 
hergehenden geblieben  ist;  denn  diese  eigenschaften  scheinen 
eben  Schmidt  bereits  zur  zweiten  natur  geworden  zu  sein. 
Aber  das  hätte  man  doch  erwarten  sollen,  dass  er  die  ein- 
würfe, welche  Brambach  in  seinen  Metrischen  Studien  zu  So- 
phokles gegen  den  grundpfeiler  seiner  lehre,  gegen  die  euryth- 
mie,  erhoben  hatte,  ernstlich  zu  widerlegen  suchen  würde. 
Brambach  hat  nämlich  besonders  darauf  hingewiesen,  dass  verse, 
die  nur  in  der  anzahl  der  tacte  gleich  sind  ,  im  übrigen  aber 
durch  die  form  der  einzelnen  füsse,  sowie  durch  den  bald  feh- 
lenden, bald  vorausgeschickten  auftact  sich  wesentlich  von  ein- 
ander unterscheiden,  auch  durch  die  responsionsbogen  noch 
keine  eurythmie  zu  schaffen  geeignet  sind.  Statt  nun  auf 
diesen  einwand  einzugehen,  ergiesst  sich  Schmidt  in  masslo- 
sen Schmähungen  gegen  einen  mann,  der  ihm  in  der  ruhigsten 
weise  entgegen  getreten  war.  Um  ferner  mir  ja  nicht  zugeben 
zu  müssen,  dass  ich  mit  recht  die  unbestimmte  fassung  seiner 
regeln  getadelt  habe,  lässt  er  avtch  im  vierten  bände  p.  127 
bei  der  regel  vocalis  ante  vocalem  corripitur  die  Sonderstellung 
des  daktylischen  rhythmus  und  der  tactsenkung  bei  Seite  und 
gibt  der  regel  eine  möglichst  unbestimmte  und  sachwidrige  fas- 
sung. Dafür  erhalten  wir  alle  paar  Seiten  ausfälle  des  Unwil- 
lens über  die  plackereien  gelehrter  mittelmässigkeit  und  aus- 
rufe selbstgefälliger  Zufriedenheit  über  das  gelingen  des  eige- 
nen werkes.  Schmidt  gönne  ich  gern  jenes  hochgefühl,  aber 
peinlich  berührt  mich  in  der  ganzen  sache  die  Stellung  des  re- 
censenten  des  Leipziger  Centralblattes.       Gerade   einem   manne 


Nr.  5.  132.  Metrik.  241 

wie  Schmidt,  gegenüber,  der  die  in  unfruchtbare  gelehrsamkeit 
und  pedantische  kleinmeisterei  sich  verwirrende  philologie  re- 
formiren  will,  hatte  die  kritik  die  aufgäbe  auf  die  nothwendig- 
keit  wissenschaftlicher  genauigkeit  und  sorgfältiger  detailfor- 
schung  zu  dringen.  Statt  dessen  hat  ein  mann  von  der  bedeu- 
tung  von  Lehrs  es  für  gut  befunden  nur  die  lichtseiten  des  Werkes 
hervorzukehren,  und  so  wesentlich  dazu  beigetragen,  dass  sich 
Schmidt  in  seine  fehler  capricirte  und  so  immer  mehr  die  män- 
gel  seiner  methode  hervortreten  Hess. 

W.  Christ. 

132.  Ueber  metrische  und  rhythmische  Schlüsse.  Von  Dr 
A.  Vogel  mann.  8.  Programm  des  gymnasiums  in  Ellwangen 
1872. 

Ausgehend  von  der  modernen  musik ,  in  der  zwar  nicht 
immer,  aber  doch  in  der  regel  die  schlussnote  auf  das  gute 
takttheil  fällt,  betrachtet  der  Verfasser  die  Schlüsse  der  antiken 
compositionen  nach  eben  diesem  gesichtspunkt.  Das  resultat 
der  betrachtung  ist,  dass  auch  im  alterthum  in  der  überwiegen- 
den mehrzahl  von  fällen  der  schluss  auf  einer  ictussilbe  [&egiq) 
erfolgte.  Wo  dasselbe  nicht  auf  den  ersten  blick  der  fall  zu 
sein  scheint,  lässt  sich  doch  meist  ein  umstand  geltend  machen, 
der  zu  gunsten  jener  behauptung  entscheidet.  Dahin  gehört 
vor  allem  die  dehnuug  der  vorletzten  silbe,  jenes  einfache  mit- 
tel, das  auch  bei  unsern  Chorälen  so  oft  angewandt  erscheint. 
Es  wird  für  die  alcäische  Strophe  in  anspruch  genommen,  so 
wie  für  alle  horazischen  Strophen,  die  nicht  von  selbst  auf  eine 
ictusform  schliessen.  Im  ionicus  a  minori,  z.  b.  Soph.  El.  824, 
lässt  der  verf.  mit  Gottfr.  Hermann  die  beiden  längen  als  &e- 
cig  -  silben  betrachten.  Für  eine  anzahl  von  metren ,  wie  na- 
mentlich für  den  heroischen  hexameter ,  in  denen  keines  der 
vorgenannten  mittel  statt  haben  kann,  macht  dagegen  Vogel- 
mann auf  den  nebenton  aufmerksam,  der  allerdings  der  dritten 
more  des  daktylus  im  gegensatz  zur  vierten  ohne  zweifei  zu 
vindiciren  ist.  Die  zahl  der  dann  noch  übrig  bleibenden  ans- 
nahmen  ist  verschwindend  gering.  Das  musikstück  §.  100  des 
Anonymus  braucht  gar  nicht  in  betracht  zu  kommen ;  denn  es 
hat  musikalisch  betrachtet  gar  keinen  schluss  ?  es  enthält  nur 
combinationen,  die  unter  den  vier  tönen  eines  tetrachords  mög 
Philol.  Anz.  V.  16 


242  132.    Metrik.  Nr.  5. 

lieh  sind,  wenn  man  stets  mit  dem  grundton  beginnt.  Der 
lateinische  trochäische  octonarius  bildet  allerdings  eine  aus- 
nähme; aber  mit  recht  weist  der  verf.  darauf  hin,  dass  dieses 
metrum  lediglich  zur  declamation ,  nie  zum  gesang  bestimmt 
war.  Eine  auffällige  ausnähme  bleiben  die  reinen  daetylen  Alc- 
man's  (fr.  45),  für  die  Vogelmann  kyklische  messueg  in  West- 
phal'scher  weise  geltend  machen  möchte,  so  dass  der  vierten 
more  doch  einiges  gewicht  zufiele.  Die  sache  ist  freilich  nicht 
ohne  bedenken. 

An  der  hand  Brambach's  betrachtet  endlich  der  verf.  die 
Schlüsse  sämmtlicher  sophokleischer  Strophen.  Da  23  von  selbst 
auf  der  tonsilbe  schliessen,  für  67  andere  von  Brambach  deh- 
nung  der  paenultima  angenommen  ist,  bleiben  nur  etwa  15 
fälle  übrig,  die  alle  einzeln  besprochen  werden.  Für  viele  von 
diesen  stellen  hat  Brambach  nun  nicht  in  seinen  „Metrischen 
Studien"  dehnung  statuirt ,  thut  es  aber  in  den  „  Sophoklei- 
schen  Gesängen"  und  ein  blick  auf  die  eurythmische  com- 
position  der  Strophen  bestätigt  dann  meist  die  letztere  auffas- 
sung.  Es  kann  also  für  die  altgriechischen  so  gut  wie 
für  die  modernen  compositionen  als  regel  angenommen  wer- 
den ,  dass  jede  strophe  auf  einem  gut  betonten  takttheil 
schliessen  soll.  Von  Strophen  ,  an  denen  die  eurythmie  jenen 
ausweg  mit  dehnung  der  vorletzten  silbe  einzuschlagen  verbietet, 
bleiben  nur  übrig:  Antigone  363.  Philoktet.  863  und  vielleicht 
Aias  914.  Dagegen  schliesst  Antigone  818  nach  Schmidt's  auf- 
fassung  auf  eine  &E<stg.  Nicht  ganz  sicher  ist  Vogelmann ,  ob 
er  hier  dem  adonius  eine  dehnung  der  paenultima  vindiciren  solle. 
Dieser  vers  mit  seinen  scheinbar  zwei  takten  durchbricht  manch- 
mal die  Symmetrie  in  höchst  auffälliger  weise,  z.  b.  Aias  1204, 
Antigone  811.  Wir  möchten  glauben,  dass  er  in  all  seinen  Sil- 
ben gedehnt  wurde.  Wie  Händel  in  vielen  chören  die  Schlusstakte 
adagio  nimmt ,  wie  Graun  am  Schlüsse  seines  chores  „Freuet 
euch  alle,  ihr  frommen"  s/2  misst  statt  3/4,  so  wird  der  versus 
Adonius  an  den  angeführten  stellen  so  wie  Antigone  140  vier 
takte  statt  zwei  beansprucht  haben.  Wenn  er,  wie  im  könig 
Oedipus  896,  einen  anftakt  hat,  so  ändert  das  natürlich  gar 
nichts ,  und  die  Worte  dvgcorvfiog  A'i'ag  in  der  gleichnamigen 
tragödie  914  können  durch  solche  dehnung  nur  gewinnen.  In 
der  sapphischen  strophe  bilden  fünf  takte  einen   vers  ;    da  wird 


Nr.  5.  133.  Homeros.  243 

auch  der   adonius    so  viel  betragen  müssen;  die  vorletzte   silbe 
dauert  zwei  takte. 

J. 

133.  Das  fünfte  lied  vom  zorne  des  Achilleus,  nach  Karl 
Lachmann  und  Moriz  Haupt  aus  A  und  E  der  Ilias 
herausgegeben  von  H.  K.  B  enicken.  8.  Halle.  1873.  (X, 
104).  —     15  ngr. 

Kaum  wird  der  protestantenverein  von  dem  heftigen  angriff 
kenntniss  erhalten,  den  die  vorrede  gegen  ihn  richtet.  Die 
schrift  *)  selbst  steht  durchaus  auf  dem  bekannten  standpunct 
Lachmann's  und  Haupt's.  Die  ausführungen  die  sich  auf  die 
spräche  beziehen  beurtheile  ich  ähnlich,  wie  einst  Hoffmann 
(Piniol.  3,  210)  Geist's  hieher  gehörigen  nachweisungen ,  dass 
nemlich  eine  eigenthümlichkeit  in  bezug  auf  Sprachgebrauch 
anzuerkennen  ist,  aber  dass  sie  nicht  nothwendig  auf  späte  ent- 
stehungszeit,  wie  sie  (p.  6)  der  vf.  annimmt,  führe.  Einiges  ist 
kaum  so  auffallend,  wie  vf.  es  aufstellt,  so  rijXvyhco  im  dual  neben 
dem  sonst  vorkommenden  singular  (p.  13),  die  form  visig  als  vocativ 
(p.  14),  die  von  imxai  als  plural  (p.  10) ;  äXXoriQoaaXXog  ist  ein 
glücklich  gebildetes  wort  für  einen  seltenen  begriff  (p.  11),  ähnlich 
nannaQw  (p.  9),  1%c6q  götterblut  ist,  wenn  gleich  auch  von 
Duentzer  (ges.  Abb.  256)  beanstandet,  ein  singuläres  wort  das 
keinen  masstab  abgeben  kann  für  das  alter  des  dichters,  der 
in  die  läge  kam  es  zu  gebrauchen.  Zu  yortjsig  vergleicht  vf. 
nicht,  wie  G-oebel  (Adi.  auf  ug  p.  5)  es  thut,  avnaQiaa^sig  und  Sev- 
ÖQrjeK;;  bei  dem  dual  ptc.  aXovre,  der  E  487  (nicht  481)  zum 
plural  gesetzt  ist,  nicht  die  ähnlichen  stellen  J407.  7/371.  W 
413  und,  wenigstens  nach  Zenodot's  erkläruug,  A  567  (s. 
Lehrs  inZeitschr.  f.  A.W.  1834,  p.  144.  Geist  ib.  1837,  p.  1254), 
sondern  betrachtet  die  sache  einfach  als  eigenthümlichkeit  des 
fünften  liedes.  In  der  hauptsache  wiederholt  der  vf.  die  gründe 
von  Lachmann  und  Haupt,  sogar  bis  auf  Haupt's  scherze  vom 
stehlen  des  götterwagens  (p.  27),  den  er  mehr  behaglich  als 
geschmackvoll  weiter  ausführt.  In  der  Pylaemenes  -frage  steht 
ref.  zu  seiner  freude  auf  der  seite  derjenigen,  welche  vf.  (p. 
24)  als  die    einsichtigen    bezeichnet,    hält    aber   den   gegensatz 

1)  Vrgl.  ob.  nr.  1,  p.  14  flg.  —    E.  v.  L. 

16* 


244  134.  Homeros.  Nr.  5. 

„übelwollende"  für  einen  logischen  fehler.  Der  ausdruck  die 
„denen  sonst  alles  eins  ist"  stammt  von  Haupt  (Zus.  100),  nicht 
von  Lachmann,  wie  vf.  (p.  26)  annimmt.  Dagegen  hat  zwar 
Lachmann  (Betr.  p.  20)  E  206 — 8  als  bedenklich  bezeichnet, 
Haupt  hat  sie  aber  wenigstens  Zus.  p.  109  noch  beibehalten. 
Hat  er  sie,  wie  vf.  angiebt,  verworfen,  so  ist  das  an  einer  an- 
dern stelle  geschehn  und  dem  ref.  unbekannt  geblieben.  Die 
gründe  Lachmann's  und  Haupt's  werden  weiter  ausgeführt,  doch 
eigentlich  nur  wo  es  polemik  gegen  Köchly  oder  Düntzer  gilt. 
Des  ersteren  abhandlung  erscheint  dem  vf.  (p.  39)  als  eine  an- 
regende und  fördernde,  ihm  selbst  macht  er  aber  (p.  31.  4) 
den  Vorwurf  der  unkritik  und  unwissenschaftlichen  arbeit.  Auch 
von  Düntzer,  von  dem  er  p.  51  mit  lob  und  anerkennung  spricht, 
bezweifelt  er  p.  67  (vgl.  p.  75),  ob  man  überhaupt  bei  ihm  von 
gründen  reden  dürfe.  Im  ganzen  geht  vf.  mit  Haupt  darauf 
aus  zu  beweisen,  dass  sein  fünftes  lied  eine  fortsetzung  von  B 
sei,  unabhängig  von  JT  und  A ;  er  entfernt  also  die  beziehun- 
gen  auf  diese  Zwischenstücke.  Köchly  stellt  einzelne  lieder 
her,  deren  stücke  aus  ihrem  zusammenhange  gerissen  und  hie 
und  da  verstreut  sein.  Düntzer  will  nachweisen,  dass  ein  ein- 
ziges gedieht  von  T  bis  H  sich  erstrecke.  Es  kommt  vor,  dass 
die  eine  partei  eine  lücke  im  Homer  annimmt,  in  welcher  das 
erforderliche  gestanden  habe  und  eine  stelle  athetirt,  in  welcher 
etwas  anderes  steht,  und  dass  die  gegenpartei  diese  annahmen 
nicht  anerkennt,  für  sich  aber  ähnliches  in  anspruch  nimmt. 
Noch  eine  möglichkeit  ist  vorhanden,  von  Grenz  im  Sorauer 
programm  1870  angedeutet,  aber  noch  nicht  ausgeführt,  dass 
Haupts  ansprechendes  fünftes  lied  zwar  im  anschluss  an  B,  aber 
auch  mit  kenntniss  von  T  und  A  gedichtet  sei,  dass  somit  die 
beziehungen  auf  r  und  A  nicht  nothwendig  aus  E  zu  entfernen 
seien  und    doch    E   eine  gewisse  Selbständigkeit   behauptet. 

Giseke. 

134.  Gutsche,  W.  0.,  quaestiones  de  homerico  hymno 
in  Cererem.     8.     Halle.  1872  (41  s.). 

Vf.  nimmt  stillschweigend  an,  dass  die  Orphiker  den  Bak- 
chos  zu  den  eleusinischen  weihen  zugesetzt  hätten,  und  glaubt 
dass  das  gedieht,  weil  es  den  Bakchos  noch  nicht  kenne,  vor 
dieser    erweiterung    abgefasst    sei:    eine    argumentativ  a   eilentio, 


Nr.  5.  134.  Homeros.  245 

welche  im  Widerspruche  steht  mit  der  weitern,  wahrscheinliche- 
ren annähme,  dass  der  hymnus  im  interesse  der  Keleiden  ge- 
dichtet sei.  Wenn  die  Keleiden  mit  der  bakchischen  seite  nichts 
zu  thun  gehabt  haben,  würde  der  dichter  dieselbe  also  aus  die- 
sem gründe  nicht  berührt  haben.  Ueberhaupt  aber  ist  kein 
dichter  verpflichtet  mit  der  erschöpfenden  Vollständigkeit  eines 
gelehrten  einen  stoff  in  seiner  gesammtheit  darzustellen,  viel- 
mehr erwählt  er  sich  mit  künstlerischer  freiheit  einen  ihm  be- 
liebenden theil  und  lässt  bei  seite  was  ihm  nicht  passt:  dieser 
dichter  hatte  den  raub  der  Köre  mit  seinen  folgen  darzustel- 
len, nicht  den  Bakchos.  Im  irrthum  ist  der  vf.,  wenn  er  p.12 
ohne  weiteres  annimmt,  der  raub  sei  auf  Kreta  geschehen. 
Allerdings  erzählt  die  noch  unbekannte  göttin  sie  komme  aus 
Kreta,  aber  das  ist  homerische  weise,  dass  wer  seine  abstam- 
mung  verheimlicht,  sich  einen  Kretenser  nennt.  Vielleicht  hat 
es  schon  in  alter  zeit  eine  anschauung  gegeben ,  welche  sich 
später  in  den  lügen  der  Kretenser  zuspitzte.  Der  hymnus  er- 
wähnt zwei  localitäten,  das  nysische  feld  (v.  17)  und  die  hohle 
der  Hekate  (v.  25).  Letztere  lag  in  Samothrake  und  so  wird 
dieses  Nysa,  so  gut  wie  Z,  133,  in  Thrakien  am  Pangaion  lie- 
gen. Eben  dahin  weist  die  Eumolpossage.  Dort  bewahrte  der 
fluss  Zygaktes  (Appian.  b.  c.  4,  105)  das  andenken  an  den  raub. 
Von  dort  ist  Demeter  nach  Attika  gekommen  und  also  höchst 
wahrscheinlich  schon  in  Verbindung  mit  dem  Bakchosdienst,  der 
von  eben  daher  kommend,  in  Mittel -Griechenland  auf  heftigen 
widerstand  stiess,  ganz  wie  der  Demeterdienst  von  Eleusis 
sich  erst  durch  den  krieg  mit  Athen  festsetzte.  In  der  er- 
wähnung  von  Nysa  liegt  eine  erwähnung  des  Dionysos,  über 
welche  vf.  nicht  so  stillschweigend  hätte  weggehen  dürfen.  —  Bei 
den  stellen,  in  denen  die  alten  kenntniss  der  hymnen  zeigen 
(p.  28),  vermisst  man  Aristoph.  Eq.  1016  wo  Kleons  orakel: 
Ta%Ev  i%  ädvroio  diu  zginödcov  eqitCucop,  eine  deutliche  anspielung 
auf  Hom.  hymn.  Ap.  443  ig  ö'  udvzov  xazedvas  8iä  tginöScov 
$Qizi'[icov  enthält,  was  neben  Thukydides  ein  fernerer  beweis  dafür 
ist,  dass  die  Attiker  wenigstens  den  Apollohymnus  benutzten.  Dass 
auch  der  Demeterhymnus  etwas  attisches  an  sich  trägt  und  von  einem 
Attiker  gedichtet  worden,  ist  wahrscheinlich ;  weiter  können  wir 
aber  nicht  gehen.  Was  zur  charakterisirung  von  versbau  und 
spräche  beigebracht  wird  ist  wenig  und  bekanntes.     Die  verdopp  - 


246  135.  Aeschylos.  Nr.  5. 

lung  in  äyciogoov  (p.  16)  erklärt  sich  aus  (a)ot'a).  Vf.  sagt  causa 
non  in  aperto  est.  äla>  hat  nicht  nur  Cp  388  (p.  17),  sondern 
noch  O  252.  K  532  langes  «.  In  dem  kritischen  anhang  zieht  vf. 
die  dativform  uficpoiv  der  überlieferten  äfiqsco  (v.  15,  cf.  v.  1. 
<P  162)  vor.  Will  er  gegen  die  handschrift  ändern?  Vs.  64 
billigt  er  Peerlkamps  &sdv  &eog. 

Giseke. 

135.  Otto  Hense,  kritische  blätter.  Erstes  heft.  Ae- 
schylus  Choephoren.  Miscellen.  8.  Halle  1872.     86  s.  —  10  gr. 

In  dem  zweiten  theile  der  abhandlung  bietet  der  Verfasser 
einige  sehr  beachtenswerthe  emendationen  zu  griechischen  und 
lateinischen  Schriftstellern.  So  wird  der  schluss  von  Corn.  Nep. 
Chabr.  I  in  folgender  weise  verbessert :  ex  quo  factum  est,  ut 
postea  iis  statibus  in  statuis  ponendis  uterentur  (quibus)  athletae 
ceterique  artifices,  cum  victoriam  essent  adepti.  In  Marius  Victori- 
nus  p.  1 1 1  K. :  hoc  quoque  cognatum  aeolico  generi  metrum  esse  in 
dubium  non  venu,  quod  primo  spondeo  et  dactylis  quattuor  subsistit, 
nisi  quod  huic  interdum  ultimus  creticus  est,  ut 

ad  plenius  venit  Alpibus  aeria  nive 
cui  ad  implendum  hexametrum  spondeus  deest  —  wird  ad  plenius  in 
at  Pleias    emendiert.      Richtig   ist   gewiss    auch    die  herstellung 
von  Eur.  fr.  363  N.  (Stob.  Flor.  121,  15), 
sya   de  lovg  xuXwg  ie&t'i]x6iag 
£ijv  qp«7fu  fiäXXov  iov  ßXsnovtog  ov  (für  ßXinsiv  lovg  /itj)  xuX<äg, 
sehr  beachtenswerth    der   Vorschlag   in  Eur.  fr.  793  (Stob.  Ecl. 

n,  i,  2) 

oang  yccQ  av%u  &£<ap  inlaraa&ai  ks'qi, 

ovdev  ii  [idXXov  oidev  ?]  ttbi&si  Xsycov, 
zu  lesen  «;  neC&siv  Xecov.  Eine  kritische  schrift  muss  man  nach 
dem  beurtheilen ,  was  darin  gutes  geleistet  ist ,  und  wo  so 
treffliche  emendationen  vorliegen,  muss  man  die  arbeit  schätzen 
und  anerkennen,  wenn  man  auch  mit  anderen  und  zahlreichen 
emendationsversuchen  nicht  einverstanden  sein  kann.  Als  eine 
sichere  emendation  kann  man  kaum  eine  einzige  von  den  ver- 
muthungen,  welche  zu  den  Choephoren  vorgebracht  werden,  be- 
zeichnen. Wenn  es  z.  b.  p.  37  zu  v.  131  heisst:  „der  kun- 
dige bedarf  jetzt  nur  der  erinnerung,  dass  der  dichter  schrieb: 
ndieo,  inoixieiQov  r1  eps 


Nr.  5.  135.  Aeschyloa.  247 

cpTjvov  (für  qiilov)  z"1  ' ÖQtazrjv  nag  drä^ofisv  86fioigu, 
so  hat  zwar  auch  Hermann  apd^oftev  dopotg  für  richtig  gehalten; 
aher  weder  ist  der  dativ  döpotg  am  platze  noch  passt  dvct^o- 
fisv:  die  rückführung  kann  Elektra  vom  vater  erflehen  [äval-ov 
ig  86(xovg),  nicht  aber  in  irgend  einer  weise  von  sich  erwarten. 
Ebenso  entschieden  wird  p.  12  eine  conjectur  zu  v.  42  vorge- 
tragen: „man  hat  mit  Sicherheit  herzustellen  ^oölv  8  s  %Üqiv 
a%uQi7ov  xtL",  und  diese  herstellung  wird  als  bestatigung  für 
die  änderung  von  Casaubonus  in  v.  23  %oäv  (für  %oäg)  ttqo- 
nofATzög  betrachtet.  Wir  können  die  änderung  von  zoiävSs  in 
%oüv  8s  nur  für  eine  höchst  unnütze  und  unglückliche  conjektur 
halten.  Unglücklich  ist  auch  die  änderung  von  oiyorzt  v.  71 
in  vooovvti.  Die  ganze  behandlung  der  parodos  erregt  man- 
cherlei bedenken.  V.  35  soll  negl  cpoßcp  glossem  sein:  dieser 
acht  äschyleische  ausdruck  (vgl.  v.  547  dfxcpl  zciQßsi)  sieht  nicht 
wie  die  bemerkung  eines  grammatikers  aus  und  die  emen- 
dation  des  ersten  verses  zooog  yuQ  6q&6&qi%  cpoßog  ist 
nichts  weniger  als  sicher.  In  nsgl  cpoßm  muss  man  nur  die  be- 
statigung dafür  suchen ,  was  man  von  vornherein  vermuthen 
kann,  dass  in  zogog  yug  yoißog  6q&6&qi%  eine  noch  nicht  ge- 
fundene lesart  verborgen  ist.  Für  die  erklärung  von  v.  57  ff. 
schliesst  sich  Hense  der  auffassung  von  Heimsoeth  an,  wel- 
che nur  nicht  im  texte  des  Aeschylus  gesucht  werden  darf. 
Wegen  des  „anonymen"  ug,  welches  an  und  für  sich  auf  Kly- 
tämnestra  hinweisen  soll,  möge  man  Ag.  449  zd8e  oTyd  zig 
ßav^si  nachsehen.  Wie  können  gedanken  zusammenkommen 
wie  „statt  der  unnahbaren  herrscherhoheit  ist  die  furcht  einge- 
zogen", und  „glücklich  sein,  darauf  ist  das  ganze  streben  gerich- 
tet"? Und  das  soll  in  den  Worten:  (poßslzai  8e  zig'  zo  ö'  sv- 
zv%slv  z6b'>  iv  ßgozoig  ösog  ze  xai  ösov  reXsov  liegenl  Dass  der 
versuch  v.  61  ff.  (besonders  im  anschluss  an  die  auffassung 
Heimsoeths  von  zovg  ö'  äxQazog  e%ei.  i>v£)  zu  erklären  als  miss- 
lungen  bezeichnet  werden  darf,  zeigt  allein  der  satz  p.  24: 
„auch  das  frauengemach  giebt  kein  heil  und  alle  ströme  ver- 
möchten die  blutbefleckte  mörderhand  nicht  rein  zu  waschen" 
—  hier  wird  nur  negativ  ausgedrückt,  was  oben  positiv  ange- 
droht war:  zovg  8"  uxQazog  e%ei  vv%tl.  Mit  den  Worten  zovg  ö' 
axQazog  b%ei  vv"8,  soll  „der  endlich  gewaltsam  eintreffende  schlag 
der  Dike"   bezeichnet    werden   und  diesen  Worten,    welche   die 


248  136.  Sophokles.  Nr.  5. 

strafe  angeben,  soll  der  gedanke,  dass  nichts  die  schuld  verber- 
gen kann,  gleichstehen!  Man  sieht,  hier  fehlt  es  noch  an 
gründlicher  Überlegung.  Immerhin  aber  steht  diese  behand- 
lund  der  parodos  zehnmal  höher  als  die  „geistreiche"  misshand- 
lung,  welche  diese  partie  in  den  Symbola  philol.  Bonnensiwm  erfah- 
ren hat.  —  Beachtung  verdient  der  Vorschlag  v.  230  avunBroov- 
[tevov  für  av^/^hgov  reo  ato  (doch  sehr  unsicher)  und  v.  239 
7TQoaav8uv  ö'  '&<sx>  avaynal(6v  o'  ö/x)iäg  narsga  zu  schreiben. 

136.  Sophokles  erklärt  von  F.  W.  S  chneidewin.  Er- 
stes bändchen:  allgemeine  einleitung.  Aias.  6.  aufl.  besorgt 
von  August  Nauck.     8.     Berlin.  1871.     201s.  —    15  ngr. 

Im  jähr  1855  gab  Schneidewin  das  erste  bändchen  seines 
Sophokles  (Aias.  Philoctetes,  bereichert  mit  der  allgemeinen 
einleitung)  in  3.  aufläge  heraus.  Demnächst  sollte  das  vierte 
bändchen,  die  Antigone,  in  dritter  aufläge  erscheinen:  Schnei- 
dewin starb  darüber  hinweg  (ll.jan.  1856)  und  E.  von  Leutsch 
besorgte  die  correctur  der  Antigone  wie  des  Agamemnon.  A. 
Nauck  wurde  nach  dem  wünsche  Schneidewins  von  der  ver- 
lagshandlung  mit  der  fortsetzung  des  Sophokles  betraut  und 
hat  die  sämmtlichen  bändchen  wiederholt  bearbeitet.  Im  jähr 
1869  ist  die  Antigone,  im  jähr  1871  der  Aias  und  Philoctetes, 
welche  jetzt  zweckmässig  auf  zwei  bändchen  vertheilt  sind, 
1872  der  Oed.  Tyrannos  in  6.  aufläge  erschienen;  vonderElectra 
und  dem  Oed.  Coloneus  liegt  die  5.  aufläge  vor  (1869. 1870),  von 
den  Trach.  die  3,  (1864).  Die  grundsätze  seiner  fortsetzung  hat 
Nauck  im  vorwort  zur  5.  aufläge  des  1.  bändchens  näher  erörtert. 
Da  die  zusätze  Naucks  nur  in  dem  kritischen  anhange,  nicht 
im  commentare  von  dem  eigenthume  Schneidewins  gesondert 
sind,  so  besteht  begreiflicher  weise,  wie  man  sich  oft  überzeu- 
gen kann,  eine  ziemliche  Unklarheit  darüber,  in  wie  weit  diese 
ausgaben  des  Sophokles  Schneidewin  oder  Nauck  angehören. 
Es  dürften  darum  einige  notizen  darüber,  die  durch  verglei- 
chung  der  3.  und  6.  aufläge  des  Aias  gewonnen  sind,  den  zahl- 
reichen benutzern  und  Verehrern  dieser  ausgaben  nicht  unwill- 
kommen sein. 

Wer  Naucks  sonstige  arbeiten  kennt,  wird  von  vornherein 
geneigt  sein  die  textkritik,  welche  in  den  noten  oder  im  an- 
hange   gegeben   ist,     als     das     werk  Naucks    zu    betrachten. 


Nr.  5.  136.  Sophokles.  249 

In  der  that  beruht  das  bedeutendste  verdienst ,  welches  sich 
Nauck  um  Sophokles  erworben  hat,  in  der  kritischen  behand- 
lung  des  textes,  und  zwar  ein  wirkliches  und  grosses  verdienst. 
Mag  man  auch  in  der  annähme  von  corruptelen  und  interpo- 
lationen  manchmal  ein  hyperkritisches  und  unberechtigtes  ver- 
fahren erblicken  und  änderungen  wie  Ai.  1813  rov  in  Isxovg 
ysymza  doginovov  voüov  (für  tov  £x  ÖOQog  ysyära  nolsiiiov  vo- 
■&ov)  nur  für  scharfsinnige  lusus  ingenii  halten ,  immerhin  muss 
man  Nauck  zugestehen ,  dass  er  auf  zahlreiche  schaden  der 
Überlieferung  aufmerksam  gemacht  und  eine  ungesunde  inter- 
pretation  corrupter  stellen  beseitigt,  dass  er  an  vielen  stellen 
eine  glückliche  und  treffliche  emendation  gefunden  hat.  Wer 
das  nicht  zugesteht ,  der  möge  z.  b.  auch  die  „conservative" 
ausgäbe  des  Euripides  von  Klotz ,  welche  für  die  kritik  oder 
erklärung  des  Euripides  kaum  etwas  nennenswerthes  geleistet 
hat,  der  mit  kühnen  textänderungen  ausgestatteten  ausgäbe  von 
Nauck,  welche  aber  für  die  kritik  und  damit  auch  für  die  In- 
terpretation des  Euripides  epochemachend  geworden  ist,  vorzie- 
hen. Manche  werden  vielleicht  die  kritik  von  Schulausgaben 
ferngehalten  wünschen  und  namentlich  die  Verdächtigungen  der 
textworte  in  den  anmerkungen  missbilligen  und  da  solche  no- 
ten,  soviel  wir  gesehen,  sämmtlich  Nauck  angehören,  darin 
eine  unvortheilhafte  änderung  der  Schneidewinschen  arbeit  er- 
blicken. Es  kann  sich  bloss  fragen,,  ob  die  bemerkungen  rich- 
tig seien  oder  nicht:  im  übrigen  dürfen  auch  dem  schüler  nicht 
steine  für  brod  geboten  werden. 

Was  den  commentar  betrifft,  so  darf  man  sagen,  der  ei- 
gentliche Charakter  dieser  Sophokles -ausgaben,  die  feinen  ästhe- 
tischen bemerkungen,  die  sinnige  und  geschmackvolle  interpre- 
tation  des  Zusammenhangs  und  der  wähl  des  ausdrucks,  die 
sachlichen  notizen,  alles  das  ist  das  werk  von  Schneidewin.  In- 
sofern ist  der  charakter  der  Schneidewinschen  arbeit  erhalten 
und  die  fortsetzung  Naucks  verhält  sich  dazu  als  nachbesse- 
rung  und  ergänzung,  wie  sie  etwa  Schneidewin  selbst  bei  neuen 
auflagen  vorgenommen  haben  würde.       Nur  in  einer    beziehung 

—  abgesehen  von  den  schon  erwähnten  noten  kritischen  inhalts 

—  hat  Nauck  die  arbeit  Schneidewins  wesentlich  verändert. 
Schneidewin  ging  oft  zu  weit  und  entdeckte  eine  absieht  oder  be- 
ziehung, die  man  bei  unbefangener  betrachtung  nicht  finden  kann. 


250  137.  Plautus.  Nr,  5. 

Solche  noten  hat  Nauck  weggelassen.  Er  hätte  vielleicht  noch 
weiter  gehen  und  manches  andere  der  art  beseitigen  dürfen. 
Dazu  scheinen  uns  die  bemerkungen  zu  Ai.  v.  106,  v.  172  (zu 
TavQonoXa),  v.  200,  408  (anspielung  auf  die  dixQazeTs  'AtqeT- 
dat),  490,  589  u.  a.  zu  gehören.  Eine  änderung  hätte  wohl 
auch  die  anmerkung  über  vvv  v,  151  bedurft,  über  Innovaifiag 
v.  232  (die  hirten  reiten  auf  pferden  wie  so  häufig  in  Italien), 
über  äcpoßoiq  &?]qgI  v.  366  (den  gegensatz  bilden  nicht  cpoßeQoi 
driQtg,  sondern  nur  av8qsg),  über  avrodaTJ  v.  700  (avzodarj  be- 
zieht sich  bloss  auf  die  tanzerregende  innerliche  freude  und  be- 
geisterung),  über  ovttsq  ova  iyoo  v.  1237  (Agamemnon  bestrei- 
tet die  besondere  auszeichnung  und  tapferkeit  des  Aias  und 
behauptet ,  er  habe  an  allen  gefahren  theil  genommen,  die  Aias 
bestanden).  —  Nur  an  wenigen  stellen  dürfte  die  bessere  er- 
klärung  Schneidewins  durch  eine  schlechtere  ersetzt  worden 
sein,  so  v.  206,  576  (Nauck  oo^  für  aXXij),  955,  1136  f., 
1366.  Auch  die  erklärung  von  iv  roiads  toig  xaxolöiv  v.  532 
kann  ich  nicht  für  richtig  halten.  Die  richtige  giebt  v.  546 
veoaqiayTJ  fiov  z6v§&  TzgoaXBvaaav  cpövov  an  die  hand.  Die  be- 
merkung  v.  649  über  6  dewog  ogxog  ist  nur  zum  theil  richtig; 
der  sinn  ist  allgemein  (ovösv  iariv  dnoofiorov).  Durch  änderung 
des  commentars  hat  sich  in  die  anmerkung  zu  v.  986  ein  klei- 
ner widersprach  mit  der  note  zu  v.  1003  eingeschlichen.  — 
Obwohl  der  commentar  wesentlich  das  eigenthum  von  Schnei- 
dewin  ist,  so  darf  man  die  arbeit  Naucks  in  dieser  beziehung 
doch  nicht  gering  anschlagen:  fast  jede  seite  zeigt  nachtrage 
und  berichtigende  oder  ergänzende  zusätze;  die  litteratur  ist 
gewissenhaft  benützt;  überhaupt  ist  alles  gethan  um  diese  aus- 
gäbe des  Sophokles,  welche  sich  so  grosser  anerkennung  und 
Verbreitung  erfreut,  zu  vervollkommnen  und  brauchbarer  zu 
machen.  W. 

137.  Hermanni  Adolfi  Kochii  Emendationes  Plautinae 
(gratulationsschrift  des  collegiums  der  Schulpforte  zu  Gr.  Bern- 
hardy's  fünfzigjährigem  doctorjubiläum) .  Numburgi  1872.  4.  14  s. 

Gleich  die  erste  der  von  Koch  behandelten  stellen  Aul. 
prol.  12  fordert  zu  einer  bemerkung  heraus;  wie  hier  vf.  über- 
sehen hat,  dass  auch  Lorenz  Piniol.  XXX,  p.  586  A  den  vers 
für  unecht  erklärt,    so   hat   er  es  sich  noch  mehrfach  entgehen 


Nr.  5.  137.  Plautus.  251 

lassen,  dass  die  bei  ihm  vorgetragenen  vermuthungen  in  jüng- 
ster zeit  bereits  von  anderer  seite  geäussert  waren:  so  hat 
Most.  1047  (p.  ix)  schon  Müller,  Pros.  p.  574,  qua  maris  qua 
feminas  conjicirt,  Men.  350  (p.  xi)  ders.  in  Fleckeisen's  Jahrb. 
1861,  p.  264  und  Pros.  p.  558,  hos  aliquos  viginti  dies  — -  übri- 
gens wird  wohl  auch  Merc.  542  zu  schreiben  sein  sequere  sis: 
Jiu[ii]e  me  diem  unum  oravit ,  nicht  wie  neulich  vermuthet  wor- 
den: sequere  sit  Jiac  me:  diem  unum  oravit  — ,  Ps.  1191  (p.  xv) 
derselbe  nachtr.  p.  140  vero  serio  hoc,  MGI.  679  (p.xn)  schlug 
schon  Bücheier  Lat.  declin.  p.  30  ad  ollas  artis  vor;  auch  ßud. 
II,  7,  20  ist  das  p.  xvi  vermuthete  ni  längst  von  anderen  ge- 
funden, vgl.  ausser  Kiessling  Fleckeisen's  Jahrb.  1868,  p.  434, 
Müller  Pros.  p.  435  A  besonders  Lorenz  Piniol.  XXVIII,  p. 
185  sqq.  Hätte  Koch  die  vermuthung  der  beiden  letzteren:  in 
mari  quia  [semel]  elavi ,  ni  hie  in  terra  iterum  eluam ,  gekannt, 
so  hätte  er  sich  vielleicht  gehütet  zu  vermuthen:  In  mari  quod 
elavi,  hie  in  terrad  iterum  ni  eluam.  Merc.  308  Decide  Collum 
stanti,  falsum  loquar  schrieb  schon  Bergk  im  Hall,  progr.  zum 
2.  august  1862,  p.  5. 

Der  eifer,  immer  neue  belege  für  altlateinisches  d  im  aus- 
laute ausfindig  zu  machen,  hat  ihn  noch  an  einer  anderen  stelle 
irre  geleitet.  Stich.  478  geben  BCD  Alium  convivam  quaerito 
in  hunc  diem,  das  schon  von  Pylades  mit  richtigem  gefühle  vor 
in  eingeschaltete  tibi  bietet  der  Ambrosianus,  ausserdem  steht  in 
dieser  handschrift  noch  über  dem  letzten  buchstaben  von  quaerito 
TA :  unde  apparet,  sagt  nun  Koch  p.  xvn,  hie  exstare  duarum  recensio- 
num  vestigia,  quarum  altera  habehat  „quaerita  tibiu>  altera  „quaerito" 
id  est  „quaeritod  in  hunc  diem",  quod  novum  exemplum  accedit  im- 
perativis  in  d  exeuntibus  sqq. ,  eine  beweisführung  fürwahr ,  über 
die  weiter  kein  wort  zu  verlieren  ist.  Auch  bei  Terenz  Ph. 
664  wird  a.  a.  o.  ohne  weiteres  petitod  angenommen ,  als  ob 
für  diesen  die  Verwendung  derartiger  formen  sich  schon  von 
selbst  verstände,  wäre  sie  auch  wirklich  für  Plautus  erwiesen, 
was  sie  ja  keineswegs  ist.  Auch  mit  den  übrigen  versuchen 
des  Verfassers,  verschollene  formen  aufzustöbern,  steht  es  nicht 
besser.      Most.   978    hatte    der    archetypus    der  Palatinen    agio 

i 
für  aio,  jedenfalls  entstanden  aus  ago\  nach  Koch  p.  ix  ist  hier 
die    von   Corssen   angenommene   grundform    von   aio   erhalten: 


252  137.  Plautus.  Nr.  5. 

wahrscheinlich  wird  er  in  nächster  zeit  nun  auch  an  den  stel- 
len ,  wo  agis  für  ais  verschrieben  ist ,  ersteres  als  alte  form 
in  schütz  nehmen.  Im  Miles  ist  bekanntlich  der  Vetus  zum 
theil  höchst  liederlich  geschrieben  und  steht  er  an  zahlreichen 
stellen  CD  in  der  wiedergäbe  des  archetypus  erheblich  nach. 
Bei  dieser  Sachlage  sieht,  wer  nicht  auf  antiquitäten  jagt,  in  den 
Ceteris  des  B  MGI.  660  weiter  nichts  als  ein  versehen  für  das 
untadelige  Cedo  tris  der  anderen  handschrifteu ;  Koch  erklärt 
p.  xn  dieses  ceteris  als  cettris  =  cedo  tris,  mit  dem  bemerken: 
eiusmodi  verborum  coagmentationes  apud  Plautum  multo  latius  patere 
quam  vulgo  putatur,  haud  pauca  sunt  quae  probare  videantur.  Men. 
384  haben  die  Palatinen  mit  einem  naheliegenden  Schreibfeh- 
ler obvolvit  für  oboluit  und  MGI.  41  praevolat  für  praeolat\  für 
Koch  sind  diese  formen  in  verein  mit  dem  neapolitanischen 
vuoglio  =  oleum  grund  genug  zu  der  vermuthung  (p.  x),  dass 
es  eine  alte  form  volere  für  olere  gegeben  und  Plautus  diese 
hier  und  anderwärts  gebraucht  habe.  Gleich  in  dem  Miles- 
verse  widerstrebt  die  sonstige  Überlieferung :  Curämque  adhi- 
bere,  ut  praiolat  mihi  quod  tu  velis,  der  form  praevolat;  doch 
ist  dem  leicht  abzuhelfen  durch  Streichung  der  worte  mihi  und 
tu,  welche  mit  einer  vocum  mihi  et  tu  sono  elatarum  molestia  po- 
tius  quam  elegantia  begründet  wird.  Doch  dieses  immerhin  et- 
was bedenklichen  mittels  hätte  es  gar  nicht  bedurft ;  Koch  hätte 
nur  an  sein  ulis  für  velis  denken  und  damit  einen  neuen  beleg 
auch  für  derartige  formen  gewinnen  sollen.  Einen  solchen  beleg 
und  gar  für  ein  olo  statt  volo  ist  Koch   gar  nicht  abgeneigt   in 

v 
der  lesart  des  Vetus  Pers.  332  dis  olentibus  zu  sehen,  trotzdem 
ACD  das  in  B  übergeschriebene  v  an  richtiger  stelle  geben ; 
auch  das  olui  des  D  für  volui  ^d.  II,  8,  1  wird  herangezogen, 
wo  minder  scharfsinnige  freilich  meinen  werden ,  dass  wie  häu- 
fig in  dieser  handschrift  der  erste  buchstabe  der  scene  für  den 
rubricator  weggelasssen  ist,  vgl.  II,  1,  1  elim  für  velim ,  eine 
stelle,  die  sich  eigentlich  Koch  für  seine  zwecke  nicht  hätte 
entgehen  lassen  dürfen.  Dieses  haschen  nach  verschollenen 
formen  ist  wirklich  ebenso  fieberhaft,  als  der  von  einem  be- 
kannten gelehrten  mit  demselben  ausdrucke  bezeichnete  eifer,  bei 
Plautus  für  alle  möglichen  formen  länge  der  endsilbe  zu  erweisen.  JL 
So    conservativ   sich  Koch   hier   der  Überlieferung    gegen- 


Nr.  5.  137.  Plautus.  253 

über  zeigt,  bo  wenig  respect  hat  er  anderwärts  vor  derselben; 
denn  an  einer  anzahl  von  stellen  nimmt  er  änderungen  vor, 
wo  eine  solche  ganz  und  gar  überflüssig  ist.  Wir  wollen  uns 
an  drei  beispielen  genügen  lassen.  P.  xi  wird  Men.  876  Iamne 
tsti  abierunt  quaeso  ex  conspectu  meo  für  quaeso  plane  geschrieben 
mit  dem  bemerken :  quaeso,  quod  Brixius  rede  observavit  esse 
hortantis  (addere  poterat  etiam  indignantis)  ferri  non  potest; 
der  gebrauch  von  quaeso  ist  aber  ganz  und  gar  kein  so  be- 
schränkter, es  ist  an  der  in  rede  stehenden  stelle  ebensowohl 
am  platze  als  z.  b.  Asin.  630.  735.  Men.  910.  Most.  552.  MGI. 
1306.  Ps.  1080.  Eud.  1269.  Stich.  552.—  P.xiv  schreibt  Koch 
Merc.  573  Perverse  facies.  —  Quödne  amemt  —  Tantö  minus, 
für  das  letzte  wort  magis ;  allerdings  ist  man  ja  berechtigt, 
weiss  für  schwarz  und  schwarz  für  weiss  zu  schreiben,  wenn 
der  sinn  es  erheischt:  hier  aber  liegt  gar  keine  nothwendig- 
keit  zu  einer  solchen  änderung  vor ;  man  ergänze  aus  dem  vor- 
hergehenden einfach  facies  zu  minus,  so  ist  alles  in  Ordnung. 
Ebendaselbst  vermuthet  vf.  Pseud.  251 : 

luppiter  te 
Perddt,  quisquis\  —     Te  volo  [ego\.  —     At  vös    ego  [nolo] 

dmbos  ; 
abgesehen  davon  dass  dies  ein  ganz  abscheulicher  bacchi- 
scher  tetrameter  ist ,  zumal  im  vergleiche  mit  der  überliefer- 
ten versform  und  den  übrigen  bacchischen  versen  dieser  par- 
tie,  ist  an  der  Überlieferung:  luppiter  te  Perddt,  quisquis  es.  — 
Te  volo.  —  At  vos  ego  dmbos,  gar  nichts  zu  ändern ,  wenn  man 
sich  nur  die  mühe  giebt ,  sie  zu  verstehen :  das  te  volo  des 
Pseudolus  ist  zweideutig,  da  es  die  ergänzung  luppiter  perdat 
zulässt;  so  fasst  es  der  leno  auf  und  antwortet  daher  At  vos 
ego  ambos  sc.  volo  luppiter  perdat.  —  Auch  wo  wirkliche  Verderb- 
nisse vorliegen,  sind  Koch's  vorschlage  mit  wenigen  ausnahmen 
nicht  sonderlich  einleuchtend.  Selbst  die  vermuthung  Epid.  IT, 
2,  98  (p.  vm)  quod  velis  velle.  —  Et  sapis  et  placet,  wird  wohl  au- 
sser ref.  noch  anderen  nicht  als  certa  emendatio  erscheinen.  Was 
nur  das  p.  xii  Rud.  III,  4,  4  vermuthete  Tua  legirupa  una  hie 
nobiscum  dis  te  facere  postulas  bedeuten  soll?  Ob  wohl  Koch 
zu  der  p.  ix  gebilligten  vermuthung  Men.  236  Mare  superum- 
[que]  omne  Graeciamque  exoticam  einen  einzigen  sicheren  beleg 
für  eine  solche    Stellung    des   que   bei  Plautus  beibringen  kann? 


254  138.  Lucilius.  Nr.  5. 

Recht  gefällig  dagegen    ist    vermuthet  p.  ix  Most.  1165  suppli- 
ci[mi]  habeo  satis,  p.  xv,  Ps.  1241   at  ego  iam  intus. 

138.  C.  Lucili  saturarum  reliquiae.  Emendavit  et  adnota- 
vit  Lucianus  Mueller.  Accedunt  Acci  (praeter  scaenica) 
et  Suei  carminum  reliquiae.  8.  Lipsiae  in  aedibus  B.  G.  Teub- 
neri.  1872.  —     3  thlr. 

Nachdem  lange  zeit  vergeblich  aus  dem  nachlasse  Carl 
Lachmanns  eine  ausgäbe  des  Lucilius  erwartet  worden,  liegt 
eine  mit  wünschenswerther  akribie  gefertigte  Sammlung  dieser 
schwer  verderbten  fragmente  durch  Lucian  Mueller  vor,  welcher 
durch  langjährige  beschäftigung  mit  lateinischen  dichtem  und 
mit  dem  in  erster  linie  für  die  Überlieferung  in  betracht  kom- 
menden grammatiker  Nonius  zur  herausgäbe  vorzüglich  geeignet 
war.  An  die  vorausgeschickten  Quaestiones  Lueüianae,  in  welchen 
über  die  Ordnung  und  metrische  form  der  dreissig  bücher  Luciliani- 
scher  satiren,  über  die  benutzung  des  Satirikers  im  späteren  al- 
terthum,  über  die  leistungen  auf  dem  gebiete  der  Lucilianischen 
kritik  seit  dem  Wiederaufleben  der  Wissenschaften  und  über  die 
zahlreichen  handschriftlichen  hülfsmittel  des  neuen  herausgebers 
sowie  über  die  zu  billigenden  grundsätze  in  der  handhabung 
der  kritik  berichtet  wird  (p.  vn  bis  xlvi),  schliesst  sich  der 
scharfsinnig  berichtigte  abdruck  der  erhaltenen  fragmente  mit 
unter  dem  texte  stehendem  kritischen  apparat.  Es  folgen  Te- 
stimonia  de  Lucilio  und  ein  Commentarius  in  Lucilium,  in  welchem 
der  erklärung  bedürftige  stellen  besprochen  bezw.  besserungen 
gerechtfertigt  werden  und  als  commentar  zu  den  Testimonia  in 
knapper  form  über  das  leben  des  dichters  gehandelt  wird:  die- 
ses gewinnt  eine  von  der  bisherigen  Vorstellung  ganz  abwei- 
chende gestalt  durch  eine  geniale  vermuthung  Moriz  Haupt's 
(p.  289),  wonach  Hieronymus  in  folge  einer  Verwechslung 
ähnlich  lautender  consulnamen  die  geburt  des  Lucilius  in  das 
jähr  607  statt  des  jahres  574  gesetzt  hat.  Beigegeben  sind 
die  auf  dem  titelblatt  genannten  fragmente  des  Accius  und  des 
Sueius.  Angehängt  sind  sorgfältige  indices,  welche  Emil  Baeh- 
rens  und  G.  Götz  angefertigt  haben. 

Da  bisher  die  kritischen  beitrage  neuerer  forscher  zu  Lu- 
cilius in  den  verschiedensten  Zeitschriften  zerstreut  waren  und 
die  vorhandenen  fragmentsammluugen  durchaus  ungenügend  wa- 


Nr.  5.  138.   Lucilius.  255 

ren,  so  wird  es  dem  grösseren  philologischen  publikum  erst 
durch  diese  ausgäbe  möglich,  sich  ein  annähernd  treues  bild 
von  der  litterarischen  bedeutung  und  der  kunst  des  Lucilius 
zu  machen,  wenn  schon  es  nicht  möglich  ist,  den  gedankengang 
einer  Satire  genügend  vollständig  zu  übersehen.  Man  erkennt 
vielfach  namentlich  in  den  im  iambischen  und  trochäischen  nu- 
merus abgefassten  büchern  den  engeren  ansckluss  an  die  älte- 
ren komiker,  speciell  an  Plautus  (vgl.  z.  b.  ausser  allbekanntem 
XXVII,  27  mit  Plaut.  Truc.  II,  6,  53  fg.).  Genaue  kennt- 
niss  der  sprachlichen  eigenthümlichkeiten  der  archaischen  ko- 
miker ist  daher  Voraussetzung  für  die  möglichkeit  einer  glück- 
lichen kritik  im  Lucilius.  Es  ist  selbstverständlich,  dass  die 
Müller'sche  ausgäbe  trotz  manchem  vortrefflichen,  das  sie  bietet, 
nicht  als  abschliessend  gelten  kann;  sie  bildet  aber  eine  tüch- 
tige grundlage  für  weitere  forschungen,  und  den  vereinten  be- 
mühungen  vieler  wird  es  vielleicht  gelingen,  die  zahl  der  schein- 
bar heillos  verderbten  stellen  bedeutend  zu  verringern.  Ich  füge 
einige  winzige  bemerkungen  bei : 

Lib.  I  vs.  8  :  Vettern  cum  primis,  fieri  si  forte  potesset:  hier  ist 
cumprimis  wohl  in  dem  unter  anderen  auch  von  Placidus  p.  448 
(ed.  Mai)  angegebenen  sinne  als  etwa  gleichbedeutend  mit  inprimis 
zu  fassen,  wie  es  nach  der  Überlieferung  der  palatinischen  hand- 
schriften  auch  von  Plaut.  Truc.  III,  1  ,  15  angewandt  ist: 
Eü'adicarest  certum  cumprimis  patrem,  Postid  locorum  matrem. 

III,  18  ist  Dicarchitum  schon  vor  Müller  von  Robert  Un- 
ger  Analect.  Propert.  (Halle  1850)  p.  8  gefunden. 

IX ,  4  konnte  wohl  Jung's  {de  satira  Romana,  programm 
gymn.  Neisse  1862,  p.  14)  Vorschlag  erwähnt  werden:  A  pri- 
mum  brevi'  syllaba  [erat;  qua  re  geminarunt,  Vti  qui\  longa  [vel- 
leni\ ;  nos  [dein]  tarnen  unum  etc. 

Oft,  wo  die  Überlieferung,  wie  das  metrum  zeigt,  lücken- 
haft ist,  lässt  sich  schwer  entscheiden,  ob  das  von  Müller  zu- 
gesetzte einschiebsei  das  rechte  getroffen  hat.  Z.  b.  ist  XIV, 
4  das  von  Müller  ergänzte  iam  in  dem  verse:  Carpathium  mare 
transuectus  cenaM  Rhodi  \iam\,  durch  dessen  hinzufügung  der 
vers  aus  einem  iambischen  senar  zu  einem  dactylischen  hexame- 
ter  umgestaltet  ist,  natürlich  nur  beispielsweise  vorgeschlagen ; 
man  könnte  ebenso  wohl  an  cras  oder  dgl.  denken.  —  XIV, 
17  ist  das  von  Müller  durch   conjectur  hergestellte  nonne  zwei- 


256  138.  Lucilius.  Nr.  $. 

felhaft,  da  das  archaische  latein  diese  partikel  erst  allmählig  auf- 
genommen hat  und  zunächst  nur  dann  angewandt  zu  haben 
scheint,  wenn  der  auslautende  vokal  in  den  anfangsvokal  des 
nächsten  worts  elidirt  wurde  (z.  b.  XXX ,  32 ;  vgl.  auch  A. 
Spengel  im  programm  des  münchener  Ludwigs  -  gymnasiums 
1866/67).  —  Auch  ob  Lucilius,  wie  Müller  aus  conjectur  er- 
gänzt, en  geschrieben  hat,  ist  zweifelhaft  (IX,  68  schreibt  ei- 
ern) ;  vgl.  auch  0.  Ribbeck  beitrage  zur  lehre  von  den  lateini- 
schen partikeln  (Leipzig  1869)  p.  29  fgg.  —  Zu  XXVI,  52 
war  Ribbeck  im  Corollarium  zu  den  Tragic.  fragm.  p.  lxxi  zu 
beachten.  —  XXVI,  85  ist  es  zweifelhaft,  ob  der  wegen  der  Ver- 
bindung eines  cretischen  mit  einem  iambischen  worte  unerträg- 
liche septenarausgang  dextra  conficis  tibi  der  vulgate  mit  Müller 
durch  die  Umstellung  conficis  dextra  tibi  zu  beseitigen  ist  oder 
ob  August  Luchs  das  richtige  getroffen  hat,  als  er  (vgl.  meine 
Studien  auf  dem  gebiete  des  archaischen  lateins  I,  p.  13)  vor- 
schlug dextera  tibi  conficis.  —  XXVI,  96  fg.  sucht  Müller  die 
Überlieferung :  si  miserantur  se  ipsi  uide  ne  illorum  causa  superiore 
loco  conlocauit,  durch  folgende  Umstellungen  in  das  maass  tro- 
chäischer septenare  zu  zwängen: 

—  v  - —  v  —  v  —  si  miserantur  se  ipsi,  vide, 
Causam  illorum  superiore  conlocarit  ne  loco: 
allein  die  dadurch  erreichte  Stellung  der  conjunction    ne  scheint 
unerträglich.      Es  war  wohl,   wenn  man  keine  conjectur  wagen 
wollte,  anzusetzen: 

Si  miserantur  se  ipsi,  vide  ne  —   v  —  causam  loco 
(oder  vide  ne  causam  —  v  —  loco) 

Superiore  conlocarit.  —  v  —  v  —  v  — 
Das  schwierige  fragment  XXVIII,  1  fgg.  ist  von  Müller  nicht 
glücklich  behandelt ;  weiter  gefördert  hat  das  verständniss  Luchs 
(Studien  I,  p.  11  fgg.).  —  XXVIII,  11  Submittas  alios,  siquos 
possis,  censeo,  muss  wohl,  wenn  censeo  statt  des  handschriftlichen 
censeas  richtig  hergestellt  ist,  vor  censeo  Personenwechsel  nach  art 
der  ausdrucksweise  der  Plautinischen  komödie  angesetzt  wer- 
den. —  In  dem  Zwiegespräch  XXVIII,  43  „Piscium  magnam 
atque  altilium  vim  interfecisti".  —  „At  nego",  hat  Müller  gewiss 
unrichtig^  aus  dem  ut  der  Codices  hergestellt;  Lucilius  schrieb 
offenbar  „Haut  nego".  —  XXVIII,  61  hat  Müller  mit  seiner  con- 
jectur :  Tantae  se  emporiis  merces  et  faenera  tollent,  schwerlich  das 


Nr.  5.  139.  Asconius.  257 

richtige  getroffen;  da  die  bandschriften  tanti  se  temporis  mon- 
tes  et  faetera  tollent  überliefern ,  so  mag  etwa  Tanti  se  empo- 
riis  montes  trans  (oder  super)  aethera  tollent  das  ursprüng- 
liche gewesen  sein.  —  XXIX,  66  (Muell.)  Deierat  enim  [se] 
scribse  et  pöst  non  scripturum,  scheint  zu  schreiben :  Deierat  ni- 
mium  scripsisse  et  pöst  non  scripturüm.  Die  auslassung  des  pro- 
nomen  ist  wohl  durch  den  gebrauch  der  älteren  archaischen 
dichter  zu  entschuldigen.  —  XXIX,  73  Ni  rediret  ad  se  atque 
illam  exterminaret  miserulam,  ist  vielleicht  als  Schlusswort  midie- 
rem anzusetzen,  obgleich  die  Müller'sche  verinuthung  dem  hand- 
schriftlichen miseram  etwas  näher  steht.  —  Dass  XXX,  23  die 
von  Müller  gebilligte  conjectur  Lachmanns :  Sed  tarnen  hoc  dicas 
quid  rest,  si  noenu  molcstumst  unmöglich  ist,  weil  in  derartigen 
indirekten  fragesätzen  der  conjunctiv  nothwendig  erfordert  wird, 
mithin  auch  an  quid  id  est  (mit  Schneider)  nicht  zu  denken  ist, 
sondern:  Sed  tarnen  hoc  dicas,  quid  sit ,  si  noenu  molcstumst  (die 
Codices  geben  quid  est,  si)  geschrieben  werden  muss,  hat  Eduard 
Becker  (in  meinen  ,,  Studien"  I,  p.  169)  bewiesen.  —  Zu 
lib.  ine.  108  vgl.  Thesaur.  nov.  latinit.  (Mai.  Class.  auet.  t.  VIII) 
p.  534:  dicitur  squarrosus  quasi  squamis  corrosus  /  unde  Ennius'. 
squarrosa  et  inconpeta  rostra. —  Zu  lib.  ine.  LXXIX  und  LXXX 
vgl.  Osann  gloss.  lat.  spec.  1826  p.  5  n.  14  und  22.  —  P.  64 
z.  7  v.  u.  ist  appellari  statt  quod  verschrieben;  p.  231  z.  6 
ist  zu  lesen  obscurum, 

W.  Studemund. 

139.    Adolf i    Kiessling    de  Asconii    codice  Pistoriensi 
disputatiuneula.    (Vor  dem  Index  Scholarum  in   univ.  litt.  Gry- 
phisw.  per  sem.  aest.  1873  —  habendarum.)  4.  Gryphiswaldiae 
1873.  —     10  ss. 

Diese  abhandlung  eröffnet  die  aussieht  auf  eine  wesentlich 
verbesserte  ausgäbe  der  commentare  des  Q.  Asconius  zu  Cice- 
ro's  reden,  die  A.  Kiessling  und  E.  Scholl  vorbereiten.  Bisher 
schien  als  grundlage  für  die  textgestaltung  nur  die  abschrift 
gelten  zu  können,  welche  Fr.  Poggio  während  seines  aufent- 
halts  bei  dem  constanzer  concil  im  j.  1416  von  einer  im  klo- 
ster  St.  Gallen  gefundenen  sehr  verstümmelten  und  seitdem  ver- 
schwundenen handschrift  genommen  hatte.  Auch  Poggio's  abschrift 
ist  selbst  nicht  mehr  vorhanden,  sondern  nur  die  erste  ausgäbe 
Philol.  Anz.  V.  -17 


258  139.  Ascom'us.  Nr.  5. 

vom  j.  1477  und  mehrere  junge  handschriften ,  die  aus  ihr  ab- 
geschrieben waren.  Aber  Poggio  selbst  sagt,  dass  er  alles  in 
St.  Gallen  gefundene  velociter  abgeschrieben  habe  (Poggii  epi- 
stolae.  Ed.  de  Toneliis  1,  p.  26),  und  die  beschaffenheit  des 
textes  spricht  sehr  dafür,  dass  viele  fehler  desselben  auf  rechnung 
dieser  velocitas  zu  setzen  seien.  Es  galt  daher  womöglich  von 
Poggio  unabhängige  abschriften  der  St.  Galler  handschrift  auf- 
zufinden und  schon  Melius,  (s.  Ambrosii  Traversarn  vita  p.  45), 
dann  wieder  Madvig,  (de  Q.  Asconii  commentariis  p.  25  f.), 
hatten  darauf  hingewiesen,  dass  eine  handschrift  in  der  stadtbi- 
bliothek  von  Pistoia,  geschrieben  von  der  band  des  Sozome- 
nus,  canonicus  in  Pistoia  und  professor  der  literae  humaniores 
in  Florenz,  eines  angesehenen  geschichtschreibers  jener  zeit,  der 
mit  Poggio  in  Constanz  gewesen ,  eine  unmittelbar  von  der  St. 
Galler  genommene  abschrift  sei.  Diese  vermuthung  hat  sich 
vollständig  bestätigt :  nach  der  vergleichung  der  handschrift  in 
Pistoia  durch  R.  Scholl  zeigt  Kiesslings  vorliegende  abhand- 
lung  in  überzeugender  weise,  dass  Sozomenus  die  schwer  leser- 
lichen züge  der  St.  Galler  handschrift  bisweilen  nicht  richtig 
fasste,  aber  immer  mit  der  grössten  Sorgfalt  wiederzugeben  be- 
müht war.  Es  erhellt,  dass  Poggio  zwar  manchmal  richtiger 
las,  aber  häufig  willkürlich  änderte,  wegliess,  zusetzte,  nament- 
lich lücken,  die  in  der  offenbar  zum  theil  zerstörten  handschrift 
vorhanden  waren,  entweder  einfach  nicht  bezeichnete  oder  nach 
gutdünken  füllte.  So  lässt  sich  p.6,  8  Or.  die  lücke  nach  dem, 
was  in  S  (d.  i.  Sozomenus  abschrift)  erhalten  ist,  mit  Scholl  jetzt  so 
ergänzen  :  C.  enim  Mario  [L.  Valerio]  coss.  id  senatum  decre[visse,  qui] 
coss.  ante  consu\la\tum  Ciceronis  [XXXVII  annis  fuerint\.  Sedhie — . 
Nur  ist  wohl  annis  zwischen  coss.  und  ante  zu  setzen ,  da  auch 
nach  diesem  coss.  in  der  handschrift  eine  lücke  angegeben  ist  und  die 
nach  Ciceronis  nicht  so  viel  fasst,  als  Scholl  vermuthet.  —  P.6 
giebt  Kiessling  ein  langes  verzeichniss  von  lücken,  die  S  p.  57 
bis  70  angiebt,  Poggio  nicht  bezeichnet.  So  hat  S  61,  11 
nicht  praefecturas,  sondern  praeferat  und  Kiessling  stellt  deshalb 
richtig  her :  apud  duas  [urnas  gratiam  ei  pe\pererat.  Statt  «r- 
nas  ist  es  wohl  einfacher  partes  zu  lesen.  P.  68,  5  hat  S 
nicht  quae  per  cos  annos  quibus  haec  significabantur  populo  latae 
erant,  sondern  statt  quibus  haec  eine  lücke:  glücklich  vermuthet 
daher  Kiessling  p.   7  :    quae   per  eos    annos  [ab  eis  qui]  gratifica- 


Nr.  5.  140.  Archäologie.  259 

bantur  populo  latae  erant.  Noth wendige  zusätze  in  S  sind  p. 
3,  7  ducenti  (so  Scholl  für  ducendi)  zwischen  equites  und  dedu- 
cendi,  p.  14,  24  L.  vor  autemCrasso,  p.  19,  19  necessitudine  zwischen 
zw  und  Cn.  Pompei.  —  Ferner  bestätigt  S  p.  19,  2  die  vermuthung 
von  Rau:  a.  d.  IUI.  Non.,  und  p.  41,  23  durch  sein  iudicissimus  die 
Verbesserung  desselben  gelehrten  iudicii  summus.  Trefflich  werden 
endlich  p.  77,  16  durch  Porciam  für  ponam,  p.  66,  3  durch 
wZ£m  de/ensa  est  für  altera  defensa  est  (nur  dass  «cm  vor  ultra 
hinzuzufügen  ist)  fehler  des  textes  beseitigt.  P.  48,  11  giebt 
S  de  ei  für  caede  et  und  dies  hat  Kiessling  p.  10  auf  die  her- 
stelluag  de  cuius  diei  periculo  suo  geführt.  P.  81,  5  hat  S 
iectum  für  eiectum,  und  Kiessling  stellt  die  stelle  her,  indem  er 
lectum  schreibt  und  die  worte  von  eontemptissimuni  an  Asconius 
zutheilt.  Diese  beispiele  zeigen  zur  genüge ,  welchen  gewinn 
die  vergleichung  der  handschrift  in  Pistoia  gebracht  hat  und 
mit  wie  grossen  erwartungen  wir  der  neuen  ausgäbe  des  Asco- 
nius   entgegenzusehen  berechtigt  sind. 

H.  S. 

140.  Athena  und  Marsyas.  Zweiunddreissigstes  programm 
zum  Winckelmannsfest  der  archäologischen  gesellschaft  zu  Ber- 
lin. Von  G.  Hirschfeld.  4.  Mit  2  tafeln.  Berlin.  1872. 
In  commission  bei  W.  Hertz  (Bessersche  buchhandlung). 

Auf  einer  in  Attika  gefundenen,  jetzt  zu  Berlin  befindli- 
chen vase  ist  in  rothen  figuren  auf  schwarzem  gründe  die  scene 
dargestellt,  wie  Marsyas  die  von  Athene  weggeworfenen  flöten 
aufzunehmen  sich  anschickt,  also  derselbe  gegenständ,  der  schon 
aus  einer  attischen  münze  (bei  Bröndsted)  und  einem  relief  (bei 
Stuart)  bekannt  ist.  Mit  hülfe  dieser  drei  genannten  stücke 
versucht  es  der  Verfasser,  eine  statue  des  Lateran,  welche  von 
Benndorf  und  Schöne  für  einen  tanzenden  satyr  erklärt  worden  ist, 
von  Stephani  für  einen  trunkenen  satyr,  nach  Brunns  vorgange 
als  Marsyas  nachzuweisen.  Hierin  wird  man  dem  Verfasser 
unbedenklich  beistimmen  können.  Wenn  er  aber  diesen  Mar- 
syas für  den  Überrest  einer  gruppe  erklärt,  diese  sodann  für 
eine  copie  des  von  Pausanias  1 ,  24 ,  1  beschriebenen  werkes, 
und  letzteres  schliesslich  mit  einem  bei  Plinius  erwähnten  werke 
des  Myron  identificirt,  so  scheint  uns  dies  denn  doch  zu  kühn. 
Bei  Pausanias  heisst  es,  dass  Athene  den  Marsyas  schlägt,    wo- 

17* 


260  141.   Archäologie.  Nr.  5. 

von  in  den  von  Hirschfeld  mitgetheilten  bildwerken  nichts  zu 
sehen  ist;  und  wenn  man  auch  die  conjektur  nzootiaa  für  nat- 
ovaa  wollte  gelten  lassen  ,  so  würde  selbst  dadurch  noch  keine 
Übereinstimmung  erreicht  sein,  da  Athene  auf  dem  vasenbilde 
wie  auf  der  münze  und  dem  relief  eine  durchaus  ruhige  hal- 
tung  hat.  Betrachtet  man  ferner  die  worte  des  Plinius  im  zu- 
sammenhange (fecit  et  canem  et  discobolon  et  Persea  et  pristas  et 
Satyrum  admirantem  tibias  et  Minervam\  so  muss  man  sogar  die 
Minerva  für  ein  ganz  selbständiges  werk  halten,  will  man  nicht 
mit  Hirschfeld  den  accusativ  Minervam  von  admirantem  abhän- 
gen lassen.  Doch  auch  in  diesem  fall  muss  zugegeben  werden, 
dass  ein  satyr,  der  die  Minerva  bewundert  und  ein  satyr,  den 
die  Minerva  schlägt  oder  scheucht,  zwei  verschiedene  dinge 
sind.  Lässt  man  hingegen  die  Minerva  hinweg,  für  welche  auch 
neben  der  statue  des  Lateran  kein  rechter  platz  ist ,  so  kann 
man  auf  die  letztere  die  worte  des  Plinius  sehr  wohl  anwen- 
den. Die  zurückweichende  bewegung  des  satyr  erklärt  sich 
nicht,  wie  Hirschfeld  will ,  aus  der  furcht  vor  Minerva ;  viel- 
mehr drückt  sich  das  erstaunen  über  die  beseelte  flöte ,  die 
sprechen  kann,  bei  dem  affenraenschen  in  so  übertriebener  weise 
aus.  Da  überdies  Brunn  in  dieser  statue  etwas  vom  style  des 
Myron  findet,  so  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass  sie  eine 
copie  des  von  Plinius  erwähnten  werkes  ist,  nur  darf  man  die 
auf  der  Akropolis  zu  Athen  befindliche  gruppe  nicht  mit  jener 
einzelstatue  vermengen. 

L.  G. 

141.  Die  feier  des  königlichen  geburtstages  in  Preussen. 
Die  Verdienste  des  preussischen  königspaars  um  die  erforschung 
des  klassischen  bodens.  Reden  zur  feier  des  geburtstages  Sei- 
ner Majestät  des  Königs  auf  der  Universität  zu  Breslau  am 
22.  märz  1869  und  1870  gehalten  von  M.  Hertz.  4.  Bres- 
lau, druck  von  Grass,  Barth  und  comp.  (W.  Friedrich). 

Hertz  spricht  den  grundsatz  aus,  dass  eine  festrede  am 
geburtstage  des  königs  nicht  beliebige  wissenschaftliche  themata 
behandeln  dürfe ,  welche  zur  person  des  gefeierten  in  keinem 
verhältniss  ständen,  sondern  dass  sie  vielmehr  ihrem  gauzen  In- 
halte nach  der  bedeutung  des  tages  entsprechen  müsse.  Dass. 
es  einem  manne  von  geschmack    nicht    behagen  kann,    am   ge~ 


Nr.  5.  141.  Archäologie.  261 

burtstage  des  königs  über  eine  neuentdeckte  käferart  reden  zu 
hören,  ist  begreiflich;  ob  aber  bei  strenger  durchführung  jenes 
grundsatzes  den  festrednern  nicht  zuletzt  die  themata  ausgehen 
werden,  dies  möchte  doch  auch  zu  bedenken  sein.  Jedenfalls 
hat  Hertz  in  den  beiden  vorliegenden  reden  seine  absieht'  mit 
geschick  und  erfolg  durchgeführt,  und  damit  den  vielen,  wel- 
che alljährlich  an  öffentlichen  anstalten  festreden  zu  halten  ha- 
ben, zwei  musterhafte  beispiele  geboten ,  musterhaft  nicht  nur 
nach  inhalt  und  form ,  sondern  auch  in  der  gesinnung.  Inso- 
fern haben  die  beiden  reden  auch  für  manchen  philologen  ein 
näheres  interesse,  und  dies  rechtfertigt  ihre  besprechung  im  phi- 
lologischen Anzeiger,  wozu  wenigstens  die  erste  rede  sonst  kei- 
nen anlass  bieten  würde.  Dieselbe  schildert  nämlich  die  ver- 
schiedenen Stimmungen  und  Verhältnisse,  unter  denen  der  kö- 
nigliche geburtstag  seit  anderthalb  Jahrhunderten,  namentlich 
aber  unter  den  drei  letzten  regierungen  in  Preussen  gefeiert 
wurde,  und  lässt  von  diesem  originellen  Standpunkte  aus  einen 
lehrreichen  blick  auf  die  geschichte  des  preussischen  Staates 
thun.  Die  zweite  rede  berichtet  über  mehrfache  förderungen, 
welche  die  archäologischen  forschungen  auf  griechischem  und 
römischem  boden  durch  den  jetzigen  kaiser  und  seine  gemahlin 
gefunden  haben.  Zwar  waren  die  Unterstützungen  nicht  immer 
sehr  reichlich  zugemessen,  denn  Curtius  musste,  als  er  im  jähre 
1862  in  Athen  war,  schliesslich  zu  eigenen  mittein  seine  Zu- 
flucht nehmen,  indessen  ist  man  in  Deutschland  nicht  verwöhnt 
und  nicht  unbescheiden,  und  weiss  schliesslich  auch  mit  gerin- 
gen mittein  immer  noch  viel  zu  erreichen.  Wenn  übrigens 
Hertz  am  Schlüsse  seiner  rede  den  neuaufgefundenen  senatsbe- 
schluss  erwähnt,  wonach  am  geburtstage  des  kaisers  den  göt- 
tern  Mars ,  Neptun  und  Apollo  opfer  gebracht  werden  sollten, 
als  den  beschützern  der  landmacht,  der  Seemacht  und  der  künste 
des  friedens,  so  können  wir  dabei  den  wünsch  nicht  unterdrü- 
cken ,  dass  im  neuen  kaiserreiche  die  opfer  für  Apollo  künf- 
tig etwas  reichlicher  ausfallen  und  nicht  gar  zu  sehr  hinter 
Mars  und  Neptun  zurückbleiben  mögen.  L.  G. 

142.    C.  L.  Grotefend,    chronologische    anordnung    der 
athenischen  silbermünzen.     8.     Hannover  1872. 

Der  titel  ist  dahin  zu  beschränken,   dass  nur  die  späteren 


262  142.  143.  Numismatik.  Nr.  5. 

münzen,  die  des  sogenannten  neuen  stils,  besprochen  und  clas- 
sificirt  sind.  Die  kleine  23  Seiten  lange  schritt  hat  das  ver- 
dienst, dass  sie  verschiedene  irrthümer  in  dem  grösseren  werk 
von  Beule  les  monnaies  cCAthenes  (Paris  1858)  aufdeckt.  Der 
Verfasser  unterzieht  nämlich  die  darin  aufgestellten  sätze  einer 
genauen  prüfung  und  setzt,  da  sie  sich  unhaltbar  erweisen,  an- 
dere an  die  stelle.  Vortrefflich  ist  namentlich  die  auseinander- 
setzung  über  die  magistratsnamen  und  die  Symbole ;  deutsche 
gründlichkeit  zeigt  sich  dabei ,  wie  auch  sonst ,  dem  französi- 
schen vorurtheil  gegenüber  in  hellem  lichte.  Die  gewonnenen 
richtschnuren  beruhen  auf  triftigen  gründen,  was  sich  von  Beu- 
le's anordnung  nicht  sagen  lässt ;  vieles  ist  aufgeklärt,  manches 
der  aufklärung  wenigstens  näher  gebracht.  Letzteres  gilt  be- 
sonders von  der  anfangszeit  des  neuen  stils,  die  Beule*  hundert 
jähre  zu  früh  ansetzte;  nach  Grotefend  p.  14  sind  die  ersten 
der  betreffenden  münzen  um  220  v.  Chr.  geprägt.  Wann  die 
prägung  aufhörte ,  bleibt  auch  jetzt  noch  unentschieden ;  p.  2 
ist  darüber  nur  bemerkt ,  dass  die  reihe  der  athenischen  mün- 
zen in  die  zeit  der  ßömerherrschaft  in  Griechenland  und  Asien 
nur  eben  hinein  zu  reichen  scheine.  Demnach  empfehlen  wir 
die  schritt  der  aufmerksamkeit  aller  derer,  welche  sich  für  diese 
Studien  interessiren. 

R.  Suchier. 

143.  Catalogue  de  m^dailles  du  Bosphore  Cimmerien.  Pa- 
ris.    8.     1872. 

Kataloge  zu  münzversteigerungen  sind  für  die  numismatik 
besonders  wichtig,  wenn  sie  gewissenhaft  abgefasst  sind  und  von 
allem,  was  nicht  alltäglich  ist,  eine  genaue  beschreibung  geben. 
Es  sind  dann  wahre  fundgruben,  worin  die  Wissenschaft  weiter 
forschen  kann.  So  auch  der  vorliegende  katalog,  der  zur  auf- 
stellung  eiues  noch  wenig  bekannten  gebietes  viel  werthvolles 
material  liefert.  Die  darin  verzeichnete  Sammlung,  im  mai 
1872  bereits  in  Paris  versteigert,  gehörte  Julius  Lemme  zu 
Odessa,  der  fünfzehn  jähre  sein  augenmerk  darauf  richtete,  die 
münzen  des  alten  bosporanischen  reichs  zusammen  zu  bringen, 
was  ihm  auch  bei  ausdauerndem  eifer  und  günstigen  umstän- 
den so  gut  gelang,  dass  keine  einzige  Sammlung,  wie  es  in  der 
vorrede  heisst,    mit  der  seinigen  wetteifern  konnte.     Als  beweis 


Nr.  5.  143.  Numismatik.  263 

ist  angeführt,    dass    allein    von  Panticapäum    etwa   vierzig    un- 
edirte  stücke  vorkommen. 

Die  sämmtlichen  münzen  sind  beschrieben,  nicht  bloss  ober- 
flächlich, was  dem  katalog  bleibenden  werth  verleiht.  Da  zu- 
gleich zwei  tafeln  abbildungen  beigefügt  sind,  gewährt  er  schon 
ein  ganz  anschauliches  bild  von  den  münzverhältnissen  jener 
für  uns  so  entlegenen  gegend;  für  besitzer  des  Hauptwerks  von 
Köhne  le  rnusee  KotcTioubey  ist  er  ein  unentbehrlicher  nachtrag. 

Vorangestellt  sind  die  münzen  von  Panticapäum,  mit  recht, 
weil  die  offenbar  ältesten  münzen  mit  guadratum  incusum  dort- 
hin gehören.  Interessant  ist  die  Wahrnehmung,  dass  die  ein- 
wohner  immer  nur  II ANTIK AD. AITQN  genannt  sind,  während 
doch  diese  namensform,  wie  aus  Pape's  Wörterbuch  der  griechi- 
schen eigennamen  zu  ersehen,  weder  auf  inschriften,  noch  bei 
einem  Schriftsteller  vorkommt.  Es  folgen  sodann  zahlreiche 
münzen  von  Olbia,  darunter  der  einzige  bis  jetzt  bekannte  goldstater 
dieser  stadt.  Nr.  157  ist  eine  bronzemünze  mit  AA  zum  er- 
sten mal  für  eine  von  Alopecia  (mit  beigefügtem  fragezeichen) 
erklärt.  Mehrere  marken  und  münzen  mit  APIX  (nr.  158  — 
161)  sind  nicht  wie  bisher  der  stadt  Olbia,  sondern  dem  bei 
Strabo  Aqqr\'fpi^  bei  Ptolemäus  "Agiyoi  genannten  volk  zugewie- 
sen. Zu  nr.  162,  einer  bronzemünze  mit  IIAT2,  ist  als  Über- 
schrift nur  PAUS gesetzt   und  dabei  bemerkt:    Nous  connais- 

sons  plusieurs  peuples  dont  le  nom  commence  jpar  ces  lettres,  mala 
aucun  d'eux  rCliabitait  le  voisinage  de  la  Pakts  Meotide.  Mehrere 
Völker  sind  das  doch  nicht,  sondern  nur  eins  am  Kaukasus, 
das  bei  Stephanus  von  Byzanz  üavGÜQxai,  bei  Herodot  III,  92 
IJavaixai  heisst.  Bei  nr.  163.,  tessera  mit  QT  (was  bisher  ir- 
rig, wie  behauptet  wird,  OT  gelesen  sei),  wird  an  die  thracische 
hafenstadt  Thynias  gedacht.  Alles  das  sind  vermuthungen, 
ebensowenig  zu  widerlegen  als  zu  beweisen.  Dann  folgen  mün- 
zen von  Phanagoria,  drei  unedirte  vom  volk  der  Sindi  (stadt- 
name  Sinda  vielleicht  vorzuziehen,  s.  Pape's  Wörterbuch  v.  2iv- 
dixog  hftTjp),  zwei  von  Dioskurias,  wohin  auch  zwei  verschie- 
dene bronzemünzen  mit  KA12APESIN  und  mit  ArPinnE&N, 
beide  mit  dem  köpf  der  Livia,  verlegt  sind.  Eine  beigefügte 
anmerkung  giebt  die  gründe  zu  dieser  neuerung  an;  dieselben 
sind  nicht  grade  zu  verachten ,  berechtigen  aber  keineswegs 
dazu,   der  stadt  ohne  weiteres  (wie  bei  der  Überschrift  gesche- 


264  143.  Numismatik.  Nr.  5. 

hen)  den  namen  Agrippias  Caesarea  beizulegen.  Danach  kom- 
men zwei  silbermünzen  ohne  schrift,  Kolchis  zugewiesen,  eine 
von  der  stadt  Istros  und  nr.  185  eine  räthselhafte  sübermünze 
mit  EMINAKO,  auf  tafel  I  abgebildet  (bei  der  beschreibung  ist 
das  „gravie"  vergessen).  Eine  wunderliche  erklärung  ist  dazu 
versucht :  sui  könnte  =  sifiL  und  Naxo  der  anfang  eines  (noch  zu 
findenden)  stadtnamens  sein.  Zwar  ist  vorausgeschickt:  II  ne 
serait  pas  impossible,  nach  unserer  kenntniss  der  numismatik  aber 
müssen  wir  sagen:  es  ist  unmöglich.  Die  antiken  münzen  ge- 
ben sich  mit  keiner  oratio  recta  ab,  höchstens  mit  participien 
wie  Sarmatia  devicta,  signis  receptis  u.  dgl. 

Den  schluss  machen  die  münzen  der  könige,  von  Leukon 
II  c.  240  v.  Chr.  an  his  zur  zeit  Constantins.  Nr.  194  ist 
ein  roi  inconnu  hinzugekommen,  von  dem  aber  nichts  weiter  zu 
sagen ,  als  dass  sein  monogramm  mit  B  beginnt ;  die  münze 
(ohne  köpf)  hat  doppelschlag  und  ist  wahrscheinlich  schlecht, 
sonst  wäre  sie  wohl  abgebildet.  Nr.  201  ist  zu  den  bronze- 
münzen  des  Asander  bemerkt ,  der  köpf  sei  wahrscheinlich  nicht 
der  des  Alexander ,  denn  er  habe  keine  ahnlichkeit  mit  dem 
auf  den  goldmünzen.  Zu  diesem  grund  kommt  noch  ein  an- 
derer, der  wohl  entscheidend  ist;  Asander  heisst-  nämlich  auf 
den  münzen  von  bronze  noch  nicht  ßuatlevg  wie  auf  dem  sta- 
ter  nr.  203,  sondern  nur  uqicov.  Nr.  204 — 207  ist  die  zahl 
IB  u.  a.  vor  das  wort  ETOTC  gesetzt,  während  das  umge- 
gek ehrte  allein  richtig  ist,  wie  ein  blick  auf  die  abbildung  von 
nr.  205  und  vergleichung  der  alexandrinischen  münzen  lehrt. 
Eheskuporis  I  nr.  209 — 211  ist  wohl  nur  durch  ein  versehen, 
der  chronologischen  Ordnung  entgegen  ,  hinter  Polemon  II  ge- 
kommen; ebenso  ist  Eheskuporis  VII  nr.  291,  der  an  den  schluss 
des  ganzen  gehörte ,  an  falsche  stelle  gerathen.  Uebrigens  ist 
das  verzeichniss  der  königsmünzen  sehr  reichhaltig  und  schätzbar. 

Die  abbildungen  sind  in  der  französischen  einfachen  weise, 
nett  und  sauber.  Die  köpfe  der  kaiser  Augustus ,  Tiberius 
und  Claudius  auf  den  goldmünzen  nr.  209  und  219  sind  zwar 
denen  auf  römischen  münzen  sehr  unähnlich ,  wahrscheinlich 
fällt  dies  aber  weniger  dem  Zeichner  in  Paris  zur  last  als  dem 
alten  bosporanischen  graveur,  wie  ja  überhaupt  aus  begreiflichen 
gründen  die  portraitähnlichkeit  in  den  von  Korn  fernen  ländern 
nicht  gross  ist.  R.  Suchier. 


Nr.  5.        144—155.  Neue  auflagen  und  Schulbücher.  265 

Theses 

quas  ...  in  academia  Friderica  Guilelma  Bonnensi  . . .  d.  II.  m.  Maii 
defendet  Joannes  Froilzheim :  I.  C.  Iulius  Caesar  infra  locum,  ubi  ho- 
die  Bonna  sita  est,  bis  Rbenum  transiit.  IL  Ära  Ubiorum  non  Ger- 
manico  cuidam  nuniini,  sed  Caesari  Augusto  dedicata  erat.  III.  Ta- 
citum  Gernianiae  terras  adiisse  non  affirmaveris. 


Neue  auflagen. 

144.  Sophokles.  Deutsch  von  /.  C.  E.  Donner.  7.  aufl.  8.  Leip- 
zig. Winter;  2  thlr.  —  145.  R.  Klotz,  handwörterbuch  der  lateini- 
schen spräche.  5.  abdruck.  1.  lfrg.  8.  Braunschweig.  Westermann; 
4  ngr.  —  146.  G.  F.  Puchta,  Vorlesungen  über  das  heutige  römische 
recht,  herausgeg.  von  A.  T.  Rudorff.    6.  aufl.     8.     Leipzig.  Tauchnitz; 

Neue  Schulbücher. 

147.  W.  Freund  .  .  .  präparation  zu  Sophokles.  15.  heft.  16. 
Leipzig.  Violet ;  5  gr.  —  148.  G.  Curtius  griechische  schulgramma- 
tik.  10.  aufl.  bearbeitet  von  B.  Gerth.  8.  Prag.  Teinpski;  28  ngr. 
—  149.  K.  W.  Krüger,  griechische  Sprachlehre  für  schulen.  1.  thl. 
2  heft.  5.  aufl.  8.  Berlin.  Krüger;  1  thlr.  —  150.  Halm,  elemen- 
tarbuch der  griechischen  syntax.  2.  cursus.  6.  aufl.  8.  München. 
Lindauer;  16  ngr.  —  151.  J.  Saupe,  hauptregeln  der  griechischen 
syntax  für  mittlere  gymnasialklassen.  2.  aufl.  von  E.  Frohwein.  8. 
Gera.  Kanitz ;  7Va  ngr-  —  152.  Ciceronis  epistolae  selectae  tempo- 
rum  ordine  compositae.  Für  den  schulgebrauch  herausgegeben  von 
K.  F.  Süpße.  7.  aufl.  8.  Carlsruhe.  Groos;  1  thlr.  3  ngr.  —  153. 
Freund  .  .  .  präparation  zu  Cicero's  werken.  2.  heft.  3.  aufl.  16. 
Leipzig.  Violet;  5  ngr.  —  154.  TV.  Freund  .  .  .  präparation  zu  Li- 
vius  römischer  geschichte.  3.  aufl.  16.  Leipzig.  Violet;  5  ngr.  — 
155.  W.  Freund,  tafeln  der  griechischen,  römischen  und  deutschen 
literaturgeschichte.  8.  Taf.  1.  griechische  literaturgeschichte.  Leip- 
zig. Violet;  5  ngr. 

Bibliographie. 

Zur  arbeitseinstellung  der  setzer  in  Leipzig.  XIII.  XIV.  XV :  Bör- 
senbl.  nr.  76.  80.  92.  Dazu  auch  ebendas.  nr.  82  zu  vergleichen  und 
nrr.  84.  92.  98. 

Auf  die  anklagen,  'welche  Joh.  Scherr  Hammerschi.  u.  Histor.  1, 
p.  456  gegen  die  deutschen  Verleger  gerichtet  hat,  wird  mit  treffen- 
den gründen  in  Börsenbl.  nr.  80  geantwortet. 

Ein  auszug  aus  dem  aufsatz  von  H.  Uhde  über  Elisabeth  Campe 
geb.  Hoffmann  steht  im  Börsenbl.  nr.  95. 

Ein  verzeichniss  der  in  ihrem  verlag  erschienenen  » unter  rieh  ts- 
bücher,  compendien  und  Wörterbücher «  versenden  Friedrich  Vieweg 
und  söhn  und  erklären  sich  bereit  directoren  von  lehranstalten  bei 
einführung  frei  -  exemplare  zu  gewähren. 

Von  den  » mittheilungen  der  Verlagsbuchhandlung  ~B.  G.  Teub- 
ner  in  Leipzig«  ist  nr.  1  für  1873  erschienen  aus  deren  ersten  ab- 
theilung:  »notizen  über  künftig  erscheinende  bücher  «  wir  hervorhe- 
ben: Dionysii  Halicar nassen sis  Romanarum  antiquitatum  libri  qui  su- 
persunt.     Emendavit  Ad,  Kiessling.   Vol.  I:   es  ist   dies  eine  grö- 


266  Bibliographie.  Nr.  5. 

ssere  mit  vollständigem  kritischen  apparat  versehene  und  auf  vier 
bände  berechnete  ausgäbe,  dabei  prolegomena  und  quaestiones  Diony- 
siacae,  »welche  die  frage  nach  den  quellen  des  Schriftstellers  so  wie 
einzelne  sprachliche  wie  stilistische  eigenheiten  desselben  eingehend 
erörtern  und  die  vorgenommenen  änderungen  rechtfertigen  werden«,  — 
ferner  A.  Schäfer,  abriss  der  quellenkunde  der  griechischen  geschichte 
bis  auf  Polybius,  zweite  ergänzte  und  verbesserte  aufläge;  —  Läb- 
ker  reallexicon  des  classischen  alterthums  für  gymnasien.  Vierte 
aufläge  .  .  besorgt  von  Dr  A.  Eckstein:  es  wäre  doch  wohl  mehr  als 
wünschenswerth,  dass  statt  neuer  aufläge  die  Verlagshandlung  darauf 
bedacht  nähme,  an  die  stelle  dieses  überall  mangelhaften  buches  ein 
neues,  besseres  treten  zu  lassen;  —  Q.  Horatii  Flacci  carmina.  Rec. 
Luc.  Mueller :  elegante  miniatur- ausgäbe.  —  Zu  der  Bibliotheca 
scriptorum  Gr.  et  Rom.  Teubneriana  gehörig:  M.  Iuniani  Iastini  epi- 
tomae  historiarum  Pompei  Trogi  ex  rec.  Franc.  Ruehl.  Accedunt 
prologi  in  Pompeium  TrogumabAlf.  a  Gutschmid  recensiti  et  emen- 
dati:  Rühl  selbst  giebt  das  nähere  dieser  ausgäbe  an  und  bemerkt, 
dass  unmittelbar  nach  der  Vollendung  dieser  ausgäbe  eine  grössere 
derselben  Schriftwerke  in  angriff  genommen  werde,  welche  den  kri- 
tischen apparat  mit  kritischen  noten  enthalten  solle ;  demselben  werke 
wird  beigefügt  sein  eine  neue  Sammlung  der  fragmente  des  Pompejus 
Trogus,  ausführliche  prolegomena  und  indices.  —  Aus  den  Schulausgaben 
mit  deutschen  anmerkungen  ist  angekündigt:  P.  Ovidii  Nasonis  Fa- 
storum  IL  VI.  Für  die  schule  erklärt  von  Hermann  Peter:  der  aus- 
gäbe wird  ein  zweiter  besonders  verkäuflicher  theil  hinzugefügt,  »wel- 
cher ergänzungen  und  ausführungen  des  unter  dem  text  stehenden 
commentars  so  wie  einzelne  kritische  erörterungen  und  die  in  der 
Oxforder  ausgäbe  von  1827  vergrabenen  coniecturen  Bentley's  zu  den 
Fasten  enthalten  wird«.  Wir  begrüssen  diese  neuerung  um  so  leb- 
hafter, als  im  Phil.  Anzeiger  von  anfang  an  (s.  bd.  I,  p.  130)  darauf 
gedrungen,  dass  den  Schulausgaben  auf  selbständiger  arbeit  des  her- 
ausgebers  beruhende  wissenschaftlich  werthvolle  beigaben  nicht  feh- 
len dürften:  hoffen  wir,  dass  diese  ansieht  trotz  vornehmen  ignori- 
rens  und  trotz  der  angriffe  infallibel  sich  dünkender  schulmänner 
(s.  Ph.  Anz.  III,  p.  594)  sich  immer  mehr  zum  besten  unsrer  Wissen- 
schaft bahn  breche. 

Die  Fr.  Lintz'sche  buchhandlung  in  Trier  kündigt  an ,  dass  das 
längst  erwartete  werk:  »Der  dorn  zu  Trier  in  seinen  drei  hauptperio- 
den  ,  der  römischen ,  der  fränkischen ,  der  romanischen ,  beschrieben 
und  durch  XXVI  tafeln  erläutert  von  domkapitular  von  Wilmoicsky«, 
demnächst  erscheinen  werde,  dabei  wird  die  vorrede  und  der  inhalt 
mitgetheilt,  aus  welchem  letztern  wir  folgendes  hervorheben:  Römi- 
sche periode.  Abtheilung  I.  Die  läge  des  baudenkmals  in  der  an- 
tiken stadt.  Die  bodenschichte  worauf  dasselbe  steht.  Das  verschie- 
denartige baumaterial ,  das  für  dasselbe  verwendet  ist.  Der  Charak- 
ter der  bauanlage:  ihres  Vorplatzes,  ihrer  facade,  ihres  innern.  Er- 
gebniss  aus  den  eigenthümlichkeiten  des  monumentes  für  seine  bau- 
zeit,  seinen  gründer  und  seine  bestimmung.  Der  bau,  ein  werk  des 
kaisers  Valentinian  I:  eine  grossartige  halle  für  die  öffentliche  ge- 
richtspflege.  Geschichtliche  begründung  dieser  bestimmung,  bestäti- 
gung  derselben  durch  eine  im  mauerwerk  aufgefundene  münze.  Die 
dauer  des  gebrauchs  der  Valentinianischen  gerichtshalle  und  die  Ursa- 
che ihrer  schnellen  entbehrlichkeit.  Die  gründe  ihrer  Umwandlung 
für  den  christlichen  eult.  Die  Zerstörung  des  iunenbaues  beim  brande 
der  stadt  durch  die  Franken,  und  die  dauer  des  nichtgebrauches  nach 
demselben.  Abtheilung  II.  Nähere  beschreibung  der  bauanlage  und 
ihrer  veränderten  einrichtung  vom  IV.  bis  VI.  Jahrhundert:  ergebniss 


Nr.  5.  Kleine  philologische  zeitung.  267 

der  Untersuchungen  in  den  jähren  1843—1858:  es  wird  das  ausgeführt 
in  zwei  abschnitten :  1)  die  fränkische  periode ,  das  baudenkmal  in 
der  marovingischen  und  karolingiscben  zeit;  2)  romanische  periode, 
das  baudenkmal  im  11.  12.  13.  Jahrhundert.  —  Der  subscriptions- 
preis  ist  auf  25  thlr  berechnet. 

Cataloge  von  antiquaren :  Alfred  Coppenrath  in  Regensburg,  Anti- 
quarischer anzeiger,  nr.  55:  Mayer  und  Müller  in  Berlin,  verzeich- 
niss  einer  Sammlung  von  werken  .  .  .  die  zu  beigesetzten  preisen 
verkauft  werden,  Cat.  2;  Antiquarisches  verzeichniss  121  von  Felix 
Schneider  in  Basel ,  Zeitschriften ,  pädagogik ,  Universitätsgeschichte, 
Philosophie :  dass.  verzeichniss  122  neue  sprachen  und  orientalia  ent- 
haltend. 


Kleine  philologische  zeitung. 

Im  SenJcenherg^schen  museum  in  Frankfurt  a.  M.  ist  die  Dr  Ros- 
selsche  Sammlung  von  artefacten  aus  den  schweizer  pfahlbauten  auf- 
gestellt: näheres  über  sie  giebt  Reichsanz.  73. 

Aarau.  12.  märz.  Nachdem  das  »Neue  schweizerische  museum, 
Zeitschrift  für  die  humanistischen  Studien  und  das  gymnasialwesen  in 
der  Schweiz«  mit  seinem  6.  Jahrgang  im  jähre  1866  eingegangen  war, 
stellte  sich  für  den  verein  schweizerischer  gymnasiallehrer,  welcher 
sich  im  jähre  1861  in  Aarau  constituirt  und  die  herausgäbe  des  mu- 
seum beschlossen  hatte,  bald  das  bedürfniss  heraus,  ein  organ  zu  be- 
sitzen, wodurch  es  der  öffentlichkeit,  den  behörden  und  den  Mitglie- 
dern, der  zunft  der  paedagogen  und  weitern  kreisen,  die  sich  für 
das  gymnasialwesen  interessiren ,  nachrichten  gebe  von  seinen  Ver- 
handlungen und  von  dem  schweizerischen  gymnasialwesen.  So  ent- 
standen folgende  publicationen : 

1)  Zusammenstellung  der  gymnasiallehrpläne  der  deutschen  Schweiz, 
der  bedeutendsten  deutschen  Staaten  und  Frankreichs  nebst  paeda- 
gogischen  thesen  von  prof.  Dr  Uhlig  in  Aarau  und  prof.  Dr  Burch- 
hardt- Brenner  in  Basel,  in  Aarau  1868; 

2)  Verhandlungen  des  Vereins  schweizerischer  gymnasiallehrer 
an  der  (IX.)  lehrerversammlung  zu  St.  Gallen,  Aarau  1869; 

3)  Zweites,  drittes  und  viertes  jahresheft  des  Vereins  schweizeri- 
scher gymnasiallehrer  zu  Bern,  zu  Ölten  und  zu  Frauenfeld  ,  Aarau 
1870,  1871,  1872.  Sämmtlich  in  commission  bei  H.  R.  Sauerländer  in 
Aarau. 

Den  Vorläufer  bildet  die  unter  1)  genannte  schrift.  Sie  enthält 
thesen  von  Vertretern  der  historisch -philologischen  und  der  mathe- 
matisch-naturwissenschaftlichen fächer  aufgestellt,  bestimmt  die  grund- 
lage  zu  bilden  für  berathungen  über  die  wünschbare  einrichtung  des 
lehrplans  der  schweizerischen  gymnasien,  mit  besonderer  berücksich- 
tigung  der  frage  inwiefern  eine  beschränkung  der  fächer  oder  inner- 
halb der  einzelnen  fächer  wünschbar  sei.  Nachdem  in  vier  paragra- 
phen  zweck  und  aufgäbe  des  gymnasialunterrichts  bestimmt  und  als 
statistische  grundlage  für  die  weitern  thesen  eine  Zusammenstellung 
der  lehrpläne  von  17  gymnasien  der  deutschen  Schweiz  —  von  7  ta- 
bellarisch, von  den  übrigen  summarisch  —  ferner,  derjenigen  von 
Preussen  (1856)  Oesterreich  (1854)  ,  Bayern  (1854),  Stuttgart  (1867), 
der  französischen  Lycees  (1865)  und  der  englischen  obern  schule  in 
Eton  (1861)  —  dazu  gehört  die  generaltabelle  am  schluss  —  gege- 
ben ist,  wird  im  folgenden  zunächst  umfang  und  ziel  der  einzelnen 
gymnasialfächer  bestimmt,  und  zwar  von  religion,  philosophischer 
Propädeutik,  deutsch,  latein,  griechisch,  französisch,  geschichte   und 


268  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  5, 

geographie ,  mathematik,  naturgeschichte,  physik,  hebräisch,  englisch, 
italienisch,  zeichnen,  gesang,  turnen  und  militärübungen  mit  festse- 
tzung  des  minimum  der  Stundenzahl,  berechnet  für  ein  gymnasium 
von  sieben  lehrcursen ;  ferner  wird  ein  entwurf  eines  normallehrplans 
mitgetheilt,  und  schliesslich  die  frage  berührt,  inwiefern  es  zulässig 
sei  realschulen  als  vorbildungsanstalten  für  gyrnnasien  zu  verwenden. 

Die  discussion  über  diese  thesen,  welche  der  lehrerversainnilung  des 
Vereins  in  St.  Gallen  zur  berathung  vorlagen,  ist  enthalten  in  der  unter 
2  genannten  schrift.  Den  anfang  derselben  machen  die  auf  die  einzelnen 
aufstellungen  bezüglichen  beleuchtungen  der  beiden  referenten,  Uhlig 
und  Burckhardt,  und  um  die  hierin  berührten  punkte  dreht  sich 
dann  auch  hauptsächlich  die  debatte:  behandlung  und  ausdehnung 
des  naturwissenschaftlichen  Unterrichts ,  zulässigkeit  der  chemie  als 
Unterrichtsfach  am  gymnasium.  Anhangsweise  in  ergänzung  der  Zu- 
sammenstellung der  lehrpläne  (1)  ist  die  tabellarische  Übersicht  der 
lehrpläne  von  sieben  gyrnnasien  der  deutschen  Schweiz  gegeben. 

Die  unter  3  angeführten  publicationen  bringen  nicht  mehr  nur 
das  protocoll  der  Verhandlungen  über  pädagogische  fragen,  sondern  auch 
die  auszüge  oder  den  Wortlaut  von  vortragen  wissenschaftlichen  in- 
halts  und  nachrichten  über  entstehung  und  geschichte  schweizerischer 
gyrnnasien.  Besprechungen  über  fragen  der  gymnasialpaedagogik 
finden  sich  im  zweiten  heft :  auszug  aus  einem  Vortrag  des  Dr  Bäb- 
ler  in  Bern  über  den  deutschen  Unterricht  als  mittelpunkt  des  Unter- 
richts am  gymnasium,  und  die  discussion  über  denselben,  aus  welcher 
wir  hervorheben  die  voten  von  Dr  Uhlig,  jetzt  lyceumdirector  und  a. 
0.  professor  an  der  Universität  in  Heidelberg,  und  von  prof.  Dr  Schwei- 
zer-Sidler  in  Zürich;  im  dritten:  thesen  über  die  disciplin  der  schüler 
ausserhalb  der  schule,  besonders  in  bezug  auf  wirthshausbesuch,  ver- 
einswesen,  convicte ,  aufgestellt  und  begründet  von  rector  Hunziker 
in  Aarau,  und  die  manches  piquante  enthaltende  discussion  über  die- 
selben; ferner  thesen  über  das  maturitätsexamen  aufgestellt  und  ein- 
gehend begründet  von  Dr  Dziatzko ,  damals  in  Luzern ,  jetzt  oberbi- 
bliothecar  in  Breslau ;  im  IV.  die  discussion  des  grössern  theils  der 
von  Dziatzko  aufgestellten  thesen  über  das  maturitätsesameu,  deren 
vertheidigung  durch  H.  Uhlig  geführt  wurde ,  noch  eine  besprechung 
des  lehrplans  der  zürcherischen  gyrnnasien  mit  bezug  auf  den  ent- 
wurf des  neuen  unterricbtsgesetzes.  Von  wissenschaftlichen  vortragen 
enthält  heft  II  nur  kurze  auszüge  :  weil.  Dr  Zündel  in  Bern  über  den 
einbrach  fremder  Völker  in  Aegypten  zur  zeit  des  Pharao  des  Exo- 
dus, und  Dr  Bachmann  in  Bern  über  die  geologischen  entwickelungs- 
phasen  der  gegend  von  Bern ;  III. :  einen  Vortrag  des  prof.  Dr  W. 
Vischer  in  Basel  über  die  antiken  büsten  des  Apollon  und  Herakles 
in  Basel  (s.  Philol.  Anz.  bd.  IV,  nr.  3,  p.  151  flg.)  und  des  H.  Krippen- 
dorf in  Aarau  über  Photographien  auf  collodiano ;  IV. :  einen  Vortrag 
von  Dr  Haag  in  Frauenfcld  über  einige  nutzanwendungen  der  ver- 
gleichenden grammatik  für  die  schule.  —  Die  geschichtlichen  nach- 
richten über  schweizerische  gyrnnasien  betreffen  erste  folge  in  II:  die 
schulen  von  Aarau,  Altdorf,  Bern,  Chur,  Einsiedlen,  Frauenfeld,  St. 
Maurice,  Neuenburg,  Pruntrut,  Schaffhausen,  Winterthur,  Zürich; 
zweite  folge  in  III:  Engelberg,  St.  Gallen,  Samen,  Solothurn,  Zug; 
dritte  folge  in  IV:  Basel,  Luzern,  Schwyz.  Einen  überblick  über  die 
thätigkeit  des  Vereins  von  1861  —  1S70  giebt  die  begrüssungsrede 
des  Vorsitzenden  an  der  Jahresversammlung  in  Ölten,  des  Dr  Uhlig, 
im  III.  heft. 

Die  sämmtlichen  publicationen,  deren  inhalt  hier  kurz  vorgeführt 
ist,  enthalten  mancherlei,  was  die  beachtung  auch  der  gymnasialleh« 
rer  und  schulbehörden  Deutchlands  verdienen  dürfte.  —       H.   Wz. 


Nr.  5.  Kleine  philologische  zeittmg.  269 

München,  16.  märz.  In  den  räumen  des  kunstvereins  hat  die  firma 
»Franz  Steigerwalds  neffe«  zwei  glasvasen,  welche  copien  von  in  gräbern 
zu  Pompeji  gefundenen,  und  für  die  Weltausstellung  in  Wien  bestimmt 
sind,  ausgestellt:  nach  der  Augsb.  Allg.  Ztg.  Beil.  nr.  78,  die  sie  nach 
Zahn's  werk  näher  beschreibt,    sind  sie  der  höchsten  beachtung  würdig. 

In  Pompeji  sind  in  der  mitte  des  märz  in  dem  vestibul  eines 
kleinen  hauses  zwei  skelette  gefunden,  davon  eines,  das  einer  frau, 
ein  schweres  goldnes  armband  von  ungewöbnlicber  form  trug.  Im 
garten  fand  man  die  Statuette  eines  philosophen  von  terracotta:  im 
gartenhäuschen  aber  eines  nebenhauses  die  wohlerhaltene  kolorirte 
marmorstatue  einer  Venus,  von  etwa  einem  meter  höhe,  der  nur  zwei 
finger  der  rechten  hand  abgebrochen  sind.  Die  haare  sind  gelb  ge- 
malt, die  augenbrauen  und  die  ränder  der  augenlieder  schwarz,  das 
gewand,  welches  über  den  linken  arm  herabhängt  und  die  beine  be- 
deckt, ist  aussen  gelb  mit  rothen  bändern,  im  innern  derselben  sind 
spuren  von  blauer  färbe.  Die  linke  hand,  welche  einen  apfel  hält, 
stützt  sich  auf  ein  kleines  figürchen,  dessen  gewandung  gelb,  grün 
und  schwarz  bemalt  ist.  Die  nackten  theile  sind  nicht  bemalt:  Reichs- 
anz.  nr.  74.     Beil.  zur  Augsb.  Allg.  Ztg.  nr.  85. 

Wien.  19.  märz.  In  Wien  soll  eine  »orientalische  academie« 
errichtet  werden,  deren  plan  die  N.  Fr.  Pr.  bringt  und  von  der 
Augsb.  Allg.  Ztg.  nr.  81  reproduzirt  wird.  So  flickt  man  an  den 
Universitäten  herum,  und  legt  auf  das  alte  zeug  oder  an  dasselbe  neue 
und  andersfarbige  läppen  und  sieht  nicht,  dass  dadurch  allerdings 
etwas  sehr  buntes,  aber  durchaus  nichts  haltbares  entsteht. 

München.  21.  märz.  Dieser  tage  fand  die  aufführung  der  Anti- 
gone  des  Sophokles  statt,  bei  vollem  hause:  die  darstellung  war  vor- 
trefflich, aber  der  erfolg  kein  grade  zu  erfreulicher:  es  wurde  wenig 
geklatscht.  Es  bespricht  dies  die  beil.  zur  Augsb.  Allg.  Ztg.  nr.  80 
des  näheren  und  stellt  beachtenswerthe  betrachtungen  über  den  ge- 
genwärtigen zustand  des  drama  bei  uns  an.  Ueberall  kla.gen  über 
das  publicum,  überall  tadel:  wo  steckt  denn  der  grund  davon?  Will 
man  denn  überall  nicht  sehen,  dass  unser  gesammtes  unterrichts- 
wesen  der  durchgreifendsten  reform  bedarf? 

London.  24.  märz.  Nach  der  Levant  Times  ist  kürzlich  in  der 
nähe  des  dorfes  Iris  auf  Kreta  eine  antike  statue  der  Venus  gefun- 
den: sie  soll  in  das  neugegründete  museum  von  Konstantinopel  ge- 
schickt werden. 

Ueber  den  römischen  votivaltar  des  Gellius  in  Seligenstadt,  des- 
sen inschrift  bei  Brambach.  Corp.  Inscr.  Rhen.  n.  1406  zu  lesen,  hat 
A.  Duncker  in  den  nächstens  erscheinenden  Hanauer  Blättern  der  Ver- 
gangenheit und  gegenwart,  nähere  nachweisungen  gegeben,  von  denen 
in  Reichsanz.  nr.  77  ein  kurzer  auszug  steht:  auf  ihm  findet  sich  der 
name  des  Geta,  des  braders  des  Caracalla,  ausgekratzt,  was  Duncker 
aus  Dio  Cass.  LXXVII,  c.  12  des  weitern  erläutert. 

London.  26.  märz.  Die  society  of  Antiquaries  in  London  hatte 
an  den  schatzkanzler  mit  dem  gesuche  sich  gewandt,  auf  Staatskosten 
die  erforschung  der  gräber  um  Troja  vornehmen  zu  lassen.  Der 
schatzkanzler  lehnt  das  in  einem  vom  Reichsanz.  n.  78,  Augsb.  Allg. 
Ztg.  n.  94  und  95  mitgetheilten  sarkastisch  gehaltenen  briete  ab :  se 
lordschaft  meint,  es  würde  dabei  nichts  herauskommen ,  was  für  das 
grosse  publicum  von  interesse  wäre,  ferner  aber,  dass  die  reichen  in 
England  für  dergl.  geld  selbst  haben  würden  und  müssten.  Der  Prä- 
sident der  Society,  lord  Stanhope,  hat  freilich  dagegen  replicirt,  aber 
doch  dem  öffentlichen  spott  nicht  entgehen  können :  die  Times  mei- 
nen, man  Bolle  taucher  nach  den  Dardanellen  schicken,  um  die  goldne 


270  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  5. 

rauchpfanne  und  den  goldnen  becher  und  den  säbel,  die  Xerxes  nach 
Herod.  VII,  54  in  den  Hellespont  geworfen,  heraufschaffen  zu  lassen; 
oder  nach  Eion,  von  dessen  mauern  der  Perser  Boges  sich  mit  fami- 
lie  und  ganzem  vermögen  in  den  Strymon  gestürzt  habe. 

Heidelberg.  25.  märz.  Die  stadt  dehnt  sich  aus  und  so  müssen 
die  kirckhöfe  aufgehoben  und  verlegt  werden  :  so  kommt  denn  auch 
das  grab  von  J.  H.  Voss  in  gefahr  vernichtet  zu  werden.  Es  ist 
durch  einen  rothen  Sandstein  mit  folgender  inschrift  bezeichnet:  »hier 
ruht  seit  dem  1.  april  1826  nächst  dem  am  20.  oct.  1822  vorange- 
gangenen geliebten  söhne  Heinrich  Voss,  das  was  der  erde  angehört 
von  Johann  Heinrich  Voss  geboren  den  20.  februar  1751.  Diesen 
stein  setzte  Ernestine  Voss,  40  jähre  lang  seine  lebensgefährtin.  Hier 
wird  auch  ihr  staub  ruhen.  Sie  ruht  nun  hier,  geboren  am  31.  Ja- 
nuar 1756,  gestorben  am  10.  märz  1834«.  Hoffentlich  wird,  wenn  es 
die  stadt  nicht  von  selbst  thut ,  die  universtät  veranlassen ,  dass  für 
zweckmässige  erhaltung  des  grabes  und  steines  sorge  getragen  werde : 
gerade  die  gegenwart  mahnt  daran:  der  29.  märz  1826  ist  der  todes- 
tag  des  »nie  genug  zu  schätzenden  Voss«.  Vrgl.  Augsb.  Allg.  Ztg. 
Beil.  zu  nr.  86. 

Berlin.  1.  april:  sitzung  der  archäologischen  gesellschaft :  nach 
erwähnung  neuerer  Schriften  ward  von  E.  Curtins  näher  eingegangen 
auf  Doell,  verzeichniss  der  Sammlung  Cesuole  und  das  beim  dorfe 
Atienu  gefundene  heiligthum  näher  beschrieben.  Trendelenburg  be- 
richtet über  einen  in  Pompeji  gefundenen  leider  sehr  zerstörten 
Erotenfries,  Engelmann  von  der  reise  Conze's  —  s.  ob.  n.  3,  p.  171. 
—  nach  Samothrake,  legte  auch  die  Photographie  eines  kopfes  der 
Hygieia  und  abbildung  zweier  in  Centocelle  bei  Rom  gefundenen  mo- 
saike  an.  Auf  anlass  des  buches  von  Dumont,  Inscriptions  ceramo- 
graphiques  de  Qrece  sprach  Brandis  von  den  rhodischen,  thasischen, 
knidischen  und  olbischen  thonhenkel  -  inschriften,  Jordan  von  einem 
im  Bulletino  archeologico  Municipale  lieft  1  (Rom  1872)  publicirten 
grundrisse  von  gebäuden  darstellenden  mosaik,  Adler,  über  die  aus- 
grabungen  Wood's  in  Ephesos  und  erläuterte  den  von  diesem  aufge- 
stellten grundriss  des  Artemision  daselbst.     Vrgl.  D.  Reichsanz.  nr.  91. 

Frankfurt  a.  M.  2.  april.  Das  osterprogramm  unseres  gymna- 
sium  enthält  die  Statuten  der  grossartigen  Kbnigswerter'schen  studien- 
stiftung  von  300000  gülden:  einen  auszug  daraus  theilt  die  Augsb. 
Allg.  Ztg.  nr.  95  mit. 

London.  3.  april.  Nach  der  Times  ist  dem  vice-könig  von  Ae- 
gypten  eine  adresse  überreicht  und  von  ihm  sehr  freundlich  aufge- 
nommen worden,  in  welcher  gebeten  wird,  die  altägyptischen  denk- 
mäler ,  tempel  u.  s.  w.  vor  der  Verewigungssucht  der  reisenden  aus 
dem  westen  in  schütz  zu  nehmen,  eben  so  auch  reparaturen  vorneh- 
men zu  lassen :  die  etwaigen  kosten  könnten  wie  in  Pompeji  u.  s.  w. 
durch  ein  eintrittsgeld  gedeckt  werden:  Augsb.  Allg.  Ztg.  n.  96. 

München.  6.  April.  Der  künig  von  Baiern  hat  das  ehrenprotec- 
torat  für  den  Münchener  alterthumsverein  huldvoll  angenommen. 

München.  15.  april.  Aus  der  von  dem  Hermann -denkmal-co- 
mite  ausgeschriebenen  concurrenz  für  eine  lateinische  inschrift  an 
der  basis  des  denkmals  ist  folgende  von  prof.  Ferrucci  in  Pisa  ver- 
fasste  als  preisgekrönt  hervorgegangen: 

Heic  tibi  romano  rubuerunt  sanguine  valles 

Duxque  datus  trina  cum  legione  neci, 
Hostibus  heic  terror  post  saecula  multa  resurgo 
Vindex  germani  nominis  Arminius. 


Nr.  5.  Auszüge  aus  Zeitschriften.  271 

Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Augsburger  Allgemeine  Zeitung  1873:  Beil.  zu  nr.  23:  ein  ca- 
talanisches  thierepos :  schliesst  an  einen  aufsatz  Hofmanns  in  den 
Abhandl.  der  k.  bayer.  acad.  d.  wiss.  zu  München  1872  an.  —  Nr. 
24:  zur  Sydowschen  angelegenheit.  —  Beil.  zu  nr.  24.  25:  Schel- 
lings  leben  von  Kuno  Fischer.  —  Beil.  zu  nr.  25.  26.  27:  zur  ge- 
schichte  der  geistlichen  spiele  in  Deutschland.  —  Auch  ein  wort  über 
Louis  Napoleon :  bezieht  sich  auf  ob.  nr.  16. —  Beil.  zu  nr.  26:  der  schul- 
zwang in  Ungarn.  —  Nr.  29. 31 :  die  Gramontschen  enthüllungen  und  die 
deutsche  politik.  I.  IL —  Beil.  zu  nr.  29.  30.  32:  die  Laurionfrage.  Von 
B.  v.  Cotta.  I.  IL  III.  IV.  —    Zur  sache  Sydow  und  für  Würtemberg. 

—  Beil.  zu  nr.  30:  pfahlbauten  in  der  nähe  von  Leipzig.  —  Nr. 
34:  zur  pädagogischen  literatur:  gegen  die  schrift  von  Beck  in  Gies- 
sen.  —  Beil.  zu  nr.  37 :  Dr  Bischoffs  reise  nach  Palinyra.  —  Nr. 
38:  protest  des  preussischen  episcopats  gegen  die  Falk'schen  ent- 
würfe. —  Beil.  zu  nr.  38:  George  Sand  über  Napoleon  III.  —  Nr.  41 : 
Conze's  mittheilung  über  die  reise  nach  Samothrake:  s.  ob.  nr.  3,  p.  171 
und  p.270. —  Nr.  42:  Stipendium  für  geschichte  in  München. —  Beil. 
zu  nr.  42.  46.  49  :  zur  Orientierung  über  die  weit :  anzeige  von  J.  J. 
Baumann,  philosophische  orientirung  über  die  weit.  I.  IL  III.  —  Ko- 
stümkunde von  H.  Weiss:  anzeige.  —  Nr.  43.  46.  49.  51.  56:  denk- 
schrift  des  preussischen  episkopats.  1.  IL  III.  IV.  V.  —  Beil.  zu  45 : 
fund  antiker  statuen  in  Athen  :  s.  ob.  n.  3,  p.  174.  —  Beil.  zu  51. 
52:  zur  orientirung  über  die  descendenzlehre.  —  Beil.  zu  nr.  52: 
die  verse  des  h.  Augustinus  über  die  bibel:  sie  stammen  aber  vom 
Basler  Werenfels:  beil.  zu  nr.  81.  —  Beil.  zu  nr.  54.  55.  80.  81.  82. 
86.  88:  ägyptische  reisebriefe  von  Lauth,  IV.  V.  VI.  VII.  VIII.  — 
Nr.  55.  Beil.  zu  nr.  59:  zur  italienischen  nekrologie.  —  Beil.  zu 
nr.  56.  63.  nr.  76.  beil.  zu  nr.  77:  die  schimmelkirchen  zu  Haledau. 
Commentar  zu  Tacitus  Germania.  Von  Dr  Sepp ,  I.  IL  III.  —  Nr. 
58:  Ebert's  entdeckungen  in  Egypten:  s.  ob.  n.  3,  p.  174.  —  Beil. 
zu  nr.  58.  59:  geschichte  der  stadt  Rom  im  mittelalter  von  Gregoro- 
viüs :  anzeige.  —  Nr.  59 :  Marezoll  f  —  Nr.  60 :  religion  und  Wis- 
senschaft :  staat  und  kirche :  anzeige  des  buchs  von  Zeising  eine  gott- 
und  Weltanschauung  u.  s.  w.:  wird  empfohlen.  —  Beil.  zu  nr.  61: 
Heinrich  Kurz,  nekrolog.  —  Beil.  zu  nr.  65:  Reumont's  geschichte 
der  stadt  Rom:  bemerkungen  des  vfs  gegen  anzeigen  in  der  Allge- 
meinen zeitung.  —  Beil.  zu  nr.  66:  die  ausgrabungen  auf  der  ebene  von 
Troja:  s.  ob.  nr.  4,  p.  218.  —  Nr.  77:  Fürst  Bismark  und  hr.  v.  Müh- 
ler. —  Beil.  zu  nr.  77:  briefe  aus  Sicilien :  vrgl.  nr.  46.  —  Nr.  78: 
Max  von  Ring,  als  alterthumsforscher  im  Elsass  bekannt,  f.  —  Beil. 
zu  nr.  78:  pompeianische  vasen:  nachbildung  derselben:  s.  ob.  p.  269. 

—  Beil.  zu  nr.  80 :  Schleich ,  glossen  zum  strikewesen.  —  Beil.  zu 
nr.  80:  Sophokles  in  München:  s.  ob.  p.  269.  —  Nr.  80:  der  deut- 
sche episkopat.  —  Nr.  67:  mädchen-lyceum  in  Graz.  —  Die  uni- 
versitätsbill  für  Irland.  —  Beil.  zu  nr.  67 :  das  k.  bayerische  armee- 
korps  im  kriege  1870/71.  —  Africanisches  forschungswerk:  bespricht 
deutsche  Unternehmungen  nach  Africa. —  Zur  Imitatio  Christi:  wird  auf 
das  autograph  in  Brüssel  aufmerksam  gemacht.  —  Nr.  68 :  Beil.  zu  nr.  68. 
nr.  70.  73:  die  universitätsbill  für  Irland. —  Beil.  zu  nr.  68:  Ulrici's  na- 
turrecht: anzeige. —  Nr.  70:  erste  Versammlung  der  Societe  pour  la  con- 
servation  des  monuments  d' Alsace  nach  dem  kriege. —  Nr.  71:  Baker' s 
expedition  am    obern  Nil.  —     Nr.  43:    weiblicher  doctor    in  Leipzig. 

—  Beil.  zu  nr.  73.  74 :  vulkane  und  erdbeben :  bericht  über  das 
buch  von  Poulett  Scrope  über  vulkane.  —  Beil.  zu  nr.  75 :  die  neuen 
funde  in   Moab.    —      Anzeige    des    buchs    von   Beule,    Fouilles   et 


272  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  5. 

decouvertes  resumees  et  discutees  en  vue  de  Vhistoire  de  l'art,  in  dem  die 
die  ausgrabungen  in  Karthago  betreffenden  stellen  besonders  zu  be- 
achten sind:  s.  ob.  nr.  4,  p.  222.  —  Beil.  zu  nr.-81:  die  lateinischen  ge- 
dieh te  des  professor  Werenfels  in  Basel  nach  dessen  Opuscula,  3  bde. 
Basel  1782.  —  Beil.  zu  nr.  82:  staat  und  kirche  in  theorie  und  pra- 
xis.  —  Beil.  zu  nr.  84.  85 :  H.  Ullmann ,  Fr.  von  Sickingen :  einge- 
hende anzeige.  —  Roma  sotterranea:  anzeige  von  Kraus'  werke.  — 
Beil.  zu  nr.  85:  ein  beitrag  zur  geschichte  des  Gaudeamus  igitur.  — 
Beil.  zu  nr.  86:  kurze  anzeige  von  G.  Volkmar ,  über  die  römische 
pabstmythe:  der  vf.  weist  nach,  dass  Petrus  nur  zwischen  60  —  64  p. 
Chr.  in  Rom  gewesen  sein  könne,  also  in  einer  zeit,  wo  in  Rom  die 
christliche  kirche  längst  bestanden  habe.  —  Nr.  87 :  schulrath  J.  C. 
v.  Held  zu  Baireuth  f  —  Beil.  zu  nr.  87:  Fr.  Schlie,  eine  griechi- 
sche metope :  bespricht  eine  von  Schliemann  in  Ilium  gefundene  me- 
tope  und  sucht  sie  in  die  römische  zeit  zu  setzen,  während  Schlie- 
mann u.  a.  sie  in  die  zeit  der  attischen  kunst  setzen  wollen:  vrgl. 
Archäol.  Ztg.  bd.  V,  heft  3,  p.  57.  —  Nr.  89:  der  historiker  Ama- 
dee  Thierry  zu  Paris  f-  —  Beil.  zu  nr.  89 :  ein  spanisches  werk  über 
Sprachwissenschaft :  ausführliche  anzeige  von  :  El  estudio  de  la  filolo- 
gia  en  so  relacion  con  el  sanskrit  for  D.  Francisco  Garvia  Ayuso. 
8.  Madrid.  1871,  376  s.  -  Nr.  90:  Piloty's  Thusnelda.  —  Beil. 
zu  nr.  92:  der  index  lectionum  der  Universität  Wien:  wird  eben  nicht 
glimpflich  besprochen.  —  Beil.  zu  nr.  93.  91:  neue  beitrage  zu  den 
Streitfragen  der  entwicklungslehre.  I.  —  Beil.  zu  nr.  94:  zeitbetrach- 
tungen.  —  Beil.  zu  nr.  95.  96:  die  Araber  in  Sicilien:  anzeige  des 
buebes  von  31.  Amari,  storia  del  Musulmani  di  Sicilia.  I — III.  Fi- 
renze,  1854—72.  —  Beil.  zu  nr.  96:  zur  Jugendgeschichte  des  feld- 
marschalls  von  Moltke.  —  N.  97:  zur  literatur  der  christlichen 
kunst.  —  Beil.  zu  nr.  101.  102.  nr.  111.  beil.  nr.  112.  nr.  118:  Ae- 
gyptische  briete  von  Lauth,  IX.  X.  XI:  das  königliche  theater:  Aby- 
dos.  —  Beil.  zu  nr.  102:  das  alter  des  menschengeschlechts.  —  Mit- 
theilung von  Benndorf's  erklärung  der  im  berliner  museum  befindli- 
chen bronzestatue  ,  »der  betende  knabe«  genannt:  Benndorf  fasst 
sie  als  einen  vor  dem  kämpfe  in  der  palästra  die  götter  um  den 
sieg  anflehenden  knaben.  —  Beil.  zu  nr.  105.  106:  Tylor ,  anfange 
der  kultur.  I.  II.  —  Beil.  zu  nr.  107:  Hassler  in  Ulrn  f.  —  Nr.  109. 
Beil.  zu  nr.  121:  nachrichten  von  dem  Africa- reisenden  Nachtigal. — 
Archäologischer  fund  in  Rom :  s.  ob.  nr.  3,  p.  1 74  und  unt.  nr.  6.  —  Beil.  zu 
nr.  114:  papyrus  Ebers.  Das  buch  vom  bereiten  der  arzeneien  für  alle 
körpertheile  von  personen  :  giebt  die  geschichte  der  erwerbung  dieses 
hieratischen  papyrus  und  den  inhalt.  —  Die  hohe  frau  von  Milo: 
ausführliche  anzeige  von  WGrW.  des  buches  gleichen  titeis  von  V. 
Valentin.  —  Kurze  anzeige  des  buchs  von  A.  v.  D  umreicher :  die  Ver- 
waltung der  Universitäten  seit  dem  letzten  Systemwechsel  in  Oester- 
reich.  —  Nr.  115:  Wolfgang  Menzel  f-  —  Beil.  zu  nr.  115:  fest- 
sitzung  des  archäologischen  instituts  in  Rom:  s.  unt.  nr.  6.  —  Beil. 
zu  nr.  117:  zur  literatur  über  Tacitns  Germania:  kurze  anzeige  von 
Holtzmami's  von  Holder  herausgegebenen  germanischen  alterthümern. 
—  Das  k.  antiquarium  in  München.  —  Beil.  zu  nr.  119:  Friedrich 
Wilhelms  IV  briefwechsel  mit  Bunsen :  sehr  zu  beachtende  anzeige  von 
L.  v.  Ranke's  buche.  —  Beil.  zu  nr.  120.  121 :  kurze  angäbe  von 
neuerdings  in  der  Pfalz  gefundenen  römischen  alterthümern.  —  Beil. 
zu  nr.  121:  Wuttke's  geschichte  der  schritt  und  des  schriftthums :  an- 
zeige dieses  buches. 


Nr.  6.  Iuni  1873. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben  als   erganzung   des  Philologns 


Ernst  von  Lentsch. 


156.  Jubeo  und  seine  verwandte.  Altbactrisch  yaozhdä  = 
sanskritisch  yaud  oder  yaut ,  beide  beruhend  auf  einer  grund- 
form  *yavas-dhä;  altbactrisch  yaozhdaya  =  lateinisch  *jousbe  — 
in  joubere,  jübere,  beruhend  auf  einer  grundform  *yavas-dhä 
mit  affix  aya.  Von  Theodor  Benfey.  4.  Aus  dem  sechzehn- 
ten bände  der  abhandlungen  der  königlichen  gesellschaft  der  Wis- 
senschaften zu  Göttingen.   1871.    —      20  gr. 

Erwartungsvoll  begrüsst  man  eine  monographie,  wie  die 
vorliegende,  in  welcher  Th.  Benfey,  „im  kleinsten  punkte  die 
höchste  kraft"  zu  sammeln  scheint.  Haben  sich  doch  am 
verbum  iubeo  die  etymologen  seit  Jahrhunderten  immer  und 
immer  wieder  versucht,  und  zwar  namentlich  seit  gründung 
der  Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  mit  erneutem 
eifer,  zahlreicher  anderweitiger  behandlungen  gar  nicht  zu  ge- 
denken. Der  gegenständ  ist  also  einer  Untersuchung  auf  44 
quartseiten  nicht  unwürdig.  Indessen  dem  eigentlichen  ergeb- 
nisse  dieser  weitschichtigen  Specialstudie  wird  man  nicht  bei- 
pflichten können. 

Fassen  wir  zuerst  Benfey's  ansieht  mit  seinen  eignen  Wor- 
ten (p.  44)  kurz  zusammen:  „Jubeo  steht  für  ursprünglicheres 
jousbeo,  zusammengesetzt  aus  jous  und  einer  ableitung  auf  aya 
von  dem  grundsprachlichen  verbum  dhä,  mit  Übergang  des  dh 
in  b.  In  der  grundsprache  würde  die  Zusammensetzung  yavas- 
dhaya  gelautet  haben;  dieses  ist  wiedergespiegelt  im  altbactri- 
schen  yaozhdaya,  welchem  lateinisches  jousbe  für  jousbeje  genau 
entspricht.  Diese  basis  auf  grundsprachliches  aya  ist  im  La- 
tein, wie  in  vielen  andern  fällen,  auf  das  praesens  und  die  da- 
mit zusammenhängenden  formen  beschränkt.  Im  perfectum 
u.  s.  w.  liegt  die  Zusammensetzung  mit  dem  primären  verbum 
Philol.  Aaz.  V.  18 


274  156.  Grammatik.  Nr.    6. 

dJid  zu  gründe,  welche  sich  im  altbactrischen  yaozhdä  erhalten 
hat;  allein  im  latein  ist,  wie  in  den  indogermanischen  sprachen 
vielfach  und  in  diesem  fall  auch  speziell  im  sanskrit ,  das  aus- 
lautende d  eingebüsst,  so  dass  die  basis  jousb  entstand,  entspre- 
chend dem  sanskritischen  yaui  yaut  und  *yot,  dort  wie  hier  für 
ursprünglicheres  yavas-dh.  Das  stumme  s  ward  später  vor 
dem  tönenden  laute,  hier  b,  eingebüsst,  also  joubeo;  dafür  dann 
jubeo.  Doch  wie  s  in  eisdem  für  idem ,  msc. ,  noch  zwischen 
144 — 105  vor  Chr.  erscheint,  so  fand  auch  die  einbusse  in 
jousb  erst  zu  einer  zeit  statt,  wo  perfect,  particip  u.  s.  w.  schon 
gebildet  waren.  Jenes  war,  nach  analogie  von  sorp-si  zu  sor- 
beo,  aus  jousb  durch  si  gebildet  und  lautete  also  ursprünglich 
vielleicht  jousb  -  si ,  dann  durch  theilweise  assimilirung  des  tö- 
nenden b  an  das  stummes,  jousp-si;  das  particip  knüpfte,  nach 
analogie  von  labor  lapsus ,  das  affix  to  mit  Übergang  des  t  in 
s  an,  so  dass  auch  hier  jousp  -  sus  entstand.  Sowohl  in  jouspsi 
als  jouspsus  fiel  das  p  zwischen  den  beiden  s  dann  aus".  So 
Benfey. 

I.  Die  beiden  s  haben  also  nach  Benfey  gemeinschaftlich 
die  ausstossung  des  p,  behufs  erleichterung  der  ausspräche ,  be- 
wirkt. Est  ist  aber  eine  thatsache,  dass  im  perfekt 
bis  gegen  die  Ciceronische  zeit  hin  nur  ein  s  vor- 
handen war;  über  das  particip  lässt  sich  nichts  bestimmtes 
sagen. 

In  den  ersten  80  jähren  nach  einführung  der  consonanten- 
verdoppelung,  von  dem  noch  in  die  Ennianische  zeit  fallenden 
dekret  des  L.  Aemilius  Paullus  an,  das  1867  in  Spanien  aufge- 
funden wurde  (C.  Inscr.  L.  II,  n.  5041),  bis  zum  agrargesetz  643 
d.  st.  (C.  Inscr.  L.  I,  n.  200),  begegnen  wir,  abgesehen  vom  S.  C. 
de  Bacchanalibus ,  welches  überhaupt  noch  keine  consonanten 
verdoppelt,  dem  perfekt  und  den  davon  abgeleiteten  formen, 
iousi,  iusi,  iuserit  U.S.W,  vierzehn  mal,  einmal  im  Repetundenge- 
setz  dem  particip  iusei,  kein  einzigesmal  einer  form  dieses  ver- 
bums mit  ss.  Das  ioussimus  iousierunt  der  plumpen  falscher, 
welche  die  genuesische  tafel  bei  anfertigung  des  schiedsrichter- 
ßpruchs  inter  Asylianos  et  Aenetos  ac  Patavos  benutzten  (C.  Inscr. 
L.  V.  *  121),  kommt  natürlich  eben  so  wenig  in  betracht,  wie 
ihr  dreimaliges  iossuimm. 

Für   die    nächsten   sechzig  jähre   mangeln    uns  freilich  alle 


Nr.  6.  156.    Grammatik.  275 

inschriftlichen  anhalt9punkte  sowohl  für  iusi  als  für  iussi.  Die 
lücke  wird  aber  hinlänglich  ausgefüllt  durch  das  bestimmte 
zeugniss  des  Quintilian  in  der  bekannten  stelle  I,  7,  21,  wo 
er  berichtet,  dass  sowohl  Cicero  als  Virgil,  wie  ihre  noch  er- 
haltenen handschriften  auswiesen ,  caussae  cassus  divissiones  ge- 
schrieben hätten;  atqui  paulum  anteriores,  fährt  er  fort,  etiam 
illud,  quod  nos  gemina  s  dicimus,  iussi ,  una  dixerunt.  Gewöhn- 
lich denkt  man  bei  paulum  superiores  an  die  periode  vor  En- 
nius,  wie  denn  auch  Eitschl  Mon.  epigr.  tr.  p.  3  und  p.  34 
alle  Verdoppelung  schon  für  die  zeit,  wo  man  noch  ou  schrieb, 
anzunehmen  scheint:  IOVSSI.  Aber  jene  auslegung  von  pau- 
lum superiores:  die  Römer,  die  ein  ganzes  Jahrhundert  früher 
lebten,  wäre  doch  wohl  eine  sehr  freie,  und  ausserdem  begreift 
man  nicht,  warum  Quintilian  denn  gerade  das  eine  iusi  aus  der 
uozahl  der  Wörter ,  in  denen  es  sich  überhaupt  um  einfache 
oder  doppelconsonanten  handelt,  herausnähme  und  es  den  obi- 
gen drei  beispielen  einer  wieder  ziemlich  abgekommenen  Schrei- 
bung gegenüberstellte.  Die  einzig  mögliche  interpretation  sei- 
ner worte  ist  vielmehr  diese:  es  ist  auffallend,  dass  man  kurz 
vor  Cicero   das  perfect  von  iubeo  noch  mit  einfachem  s  schrieb. 

Wurde  aber  noch  so  lange  nach  Ennius  iusi  geschrieben, 
so  hat  auch  Ennius  selbst  so  geschrieben,  und  es  ist  nicht  blos 
so  geschrieben,  sondern  auch  so  gesprochen  worden.  Denn  es 
ist  ganz  unglaublich,  dass  man,  nachdem  man  in  so  vielen  an- 
dern Wörtern  sich  der  doppelconsonanten  zu  bedienen  angefan- 
gen, sie  im  perfect  u.  s.  w.  von  iubeo  so  lange  zeit  hindurch 
verschmäht  hätte ,  wenn  man  ein  verschärftes  s  gehört  hätte. 
Anders  ist  es  in  zeiten ,  wo  die  Schreibweisen  schwanken,  wo 
eine  neuere  auftaucht  und  mit  der  altern  um  die  herrschaft 
streitet;  da  ist  gewiss  die  ältere  Schreibweise  die  wahrere  be- 
zeichnung  der  gleichzeitigen  ausspräche.  Das  gilt  in  unserm 
falle  in  betreff  der  lex  Rubria  vom  j.  705  und  der  lex  Iulia  mu- 
nicipalis  vom  j.  710  (C.  Inscr.  L.  I ,  n.  206  und  205,  Ritschi 
XXXIII— XXXIV  und  XXXII).  Die  lex  Rubria  hat  viermal 
iussum,  die  lex  Iulia  in  iuset  iuserit  viermal  ein  einfaches  s. 
Von  da  an  begegnet  man  nur  mehr  der  Schreibung  iussi  ius- 
sum; auf  inschriften  kenne  ich  nur  eine  einzige  ausnähme:  C. 
Inscr.  L.  V,  n.   215  iusit;    iussit  findet  sich  unzählige  male. 

Nun  kann  es  zwar  mit  der  phonetischen  Ursache,    weshalb 

18* 


27  6  156.  Grammatik.  Nr.  6. 

so  lange  nur  ein  s  gesprochen  wurde,  immer  noch  eine  besondere 
bewandtniss  haben,  denn  es  lässt  sich  nachweisen,  dass  die 
Ennianische  und  die  nachklassische  periode  ein  doppeltes  s  nach 
langem  vokal  im  allgemeinen  nicht  vertrugen;  aber  dieser 
umstand  dürfte  der  Benfey'schen  hypothese  kaum  zu  gute  kom- 
men. Denn  dass  die  beiden  s  zuerst  das  zwischenstehende  p 
verdrängten  und  dann  zu  einem  s  verschmolzen  sein  sollten, 
das  wäre  doch  eine  zu  künstliche  annähme,  der  man,  so  lange 
sie  sich  nicht  wenigstens  durch  eine  einzige  analogie  stützen 
lässt,  den  glauben  versagen  müsste.  Einstweilen  sieht  man  nicht 
ein,  weshalb  die  spräche  nicht  einfach  das  erste  s,  das  schon 
in  unvordenklicher  zeit  als  schliessendes  s  einen  schwachen  laut- 
lichen werth  gehabt  haben  müsste,  ausgestossen  und  iupsi  iu- 
jpsum  gebildet  hätte,  wenn  überhaupt  ein  dhd  oder  be  dem  per- 
fectum  zu  gründe  läge-,  ein  umstand,  der  auch  Corssen's  neueste 
ansieht  widerlegt  (Aussprache  II.  aufl.  bd.  II,  p.  1027):  iussi 
sei  gleich  iushipsi  von  iushibeo,  die  beiden  s  hätten  sich  vereinigt. 

IL  Benfey's  hypothese  ist  aber  auch  für  das  präsens  be- 
denklich. Denn  wenn  zur  zeit  der  constituirung  des  italischen 
sprachzweigs,  Vorbildung  des  speeifisch  lateinischen  perfects  und 
partieips ,  ein  jusbeje,  jusbe  bereits  existirt  hätte ,  so  bliebe  es 
unerklärlich,  dass  die  perfectbildung  u.  s.  w.  ohne  jegliche  ein- 
wirkung  jenes  angefügten  verbums,  das  ja  mit  dem  ersten  be- 
standtheile  bereits  zu  einem  ganzen  verwachsen  gewesen  wäre, 
hätte  erfolgen  können. 

III.  Andere  nehmen  kein  praesens  jousbeo  zu  hülfe,  son- 
dern halten  sich  an  die  historischen  formen  ioubeo  iubeo;  dem- 
gemäss  statuiren  sie  auch  keine  ausstossung  des  b,  sondern  des- 
sen assimilation.  Se  schon  Priscian  I,  44  Keil -Hertz:  B 
transit  in  s:  iubeo  iussi.  Von  neuern  sei  hier  nur  Bopp  (Ver- 
gleich, grammatik  II.  ausg.  bd.  I,  p.  172)  erwähnt.  Dieser  an- 
sieht stände  die  Schreibung  iusi  iousi,  wofern  man  nur  dabei 
eine  länge  ausspricht,  an  und  für  sich  nicht  im  wege.  Aber 
eine  assimilation  von  b  zu  «  lässt  sich  im  lateinischen  nicht 
nachweisen;  scribo ,  nubo,  glubo,  labor  verhärten  die  media  vor 
e;  repo,  saepio ,  depo  bewahren  die  tenuis.  Eine  begründung 
jener  grossen  lautlichen  abweichung  versucht  nur  Curtius, 
wenn  er  (Bildung  der  tempora  und  modi  p.  306)  sagt:  die  assi- 
milation von  b  und  s  hat  wenigstens    in    der  sehr  häufigen    des 


Nr.  6.  156.  Grammatik.  277 

verwandten  v  ihr  analogon,  z.  b.  liberassem  für  liberavsem.  Aber 
es  müsste  erst  bewiesen  werden,  dass  die  spräche  das  doppelte 
8  früher  in  den  contrahirten ,  als  in  den  nichtcontrahirten  for- 
men eingeführt,  dass  sie  also  gleichzeitig  liberassem  gebildet  und 
liberavisem  bewahrt  hätte.  Eine  Scipionengrabschrift ,  die  des 
flamen  dialis  (Mommsen  n.  33,  Ritschi  XXXIX  F) ,  die  man 
gewöhnlich  ohne  zwingende  gründe  gegen  ende  des  VI.  jahrh. 
setzt,  deren  buchstabenformen  aber  eher  auf  den  anfang  des 
VII.  hinweisen,  hat  nicht  blos  licuiset ,  sondern  auch  superases, 
und  zwar  neben  terra  und  essent.  Anderes  material  ist  zur  zeit 
noch  nicht  vorhanden. 

IV.  Somit  bliebe  die  annähme  noch  immer  unvermeidlich, 
dass  dem  perfekt  und  particip  ein  veraltetes,  einfacheres  ver- 
bum  iousere  oder  iousere  zu  gründe  liege ;  ausserdem  wäre  noch 
festzuhalten ,  dass  das  jetzige  praesens  erst  auf  lateinischem 
sprachboden  entstanden  und  auf  IOV-S  und  ein  zweites  latei- 
nisches wort,  am  wahrscheinlichsten  habeo  {-hibeo,  wie  praefhij- 
beo,  deßijbeo,  manubiae),  wie  auch  Corssen  in  den  Kritischen  bei- 
tragen p.  241  noch  glaubte,  zurückzuführen  sei.  Allerdings  sind 
auch  diese  analogieen  nicht  vollkommen  zutreffend,  die  Unzu- 
länglichkeit der  bisherigen  andern  erklärungen  wird  aber  durch 
diese  einwendung  nicht  beseitigt. 

Die  Verkürzung  des  u  in  dem  nur  positionslangen  iussi  ius- 
sunt  und  die  Ursache  dieser  nachträglichen  Verdoppelung  des  s 
lassen  sich  nur  im  Zusammenhang  mit  andern  erscheinungen 
aus  dem  gebiete  der  gemination  besprechen,  was  ich  demnächst 
im  Philologus  zu  thun  gedenke. 

V.  Die  bedeutung  unseres  verbums  beschränkt  sich 
in  der  gesetzessprache  bekanntlich  nicht  auf  befehlen ;  schon 
den  alten  hat  sie  Schwierigkeiten  gemacht.  Die  excerpte 
aus  Festus  besagen:  iubere  ponebatur  pro  dicere,  quod  valet 
interdum  pro  decernere ,  ut:  populus  iussit.  Bei  der  wieder« 
gäbe  des  SC.  de  Bacchanalibus,  worin  es  zweimal  (z.  9  und 
18)  mit  zulässig  erklären  zu  übersetzen  ist,  sagt  Livius  dafür 
permittere  (XXXIX,  18).  Die  verschiedenen  formalen  deutungen 
bei  den  neuern  involvirten  ebenso  verschiedene  hypothesen  über 
die  ursprüngliche  bedeutung.  Benfey  übersetzt  das  angeführte 
sanskritische  und  baktrische  wort  p.  23  Verbindung  machen,  ver- 
binden ;  iubere  p.  44 :  recht  setzen,  als  recht  hinstellen  (legem),    ver- 


278  157.  Musik.  Nr.  6. 

fügen,  zu  recht  bestellen,  wählen  (regem,  tribunos),  in  bezug  auf  je- 
mand als  recht  hinstellen,  dann  einerseits  berechtigen  (iussus  possi- 
derej,  andrerseits  verpflichten ,  befehlen.  Auch  gegen  das  erste 
glied  dieser  reihe  liesse  sich  bei  der  „entwickelung  der  arten", 
an  welche  die  Sprachvergleichung  uns  gewöhnt ,  um  so  weniger 
etwas  einwenden,  als  auch  darnach  die  construktion  mit  dem 
acc.  c.  infinitivo  hinlänglich  verständlich  wäre,  aber — dielautge- 
setze  sind  wenigstens  für  das  perfekt  und  particip  —  minder 
dehnbar.  Scaliger's  und  Corssen's  erklärung  ius  habere,  für 
recht  halten,  für  recht  erMären,  ratum  habere  und  Corssen's  frü- 
here auffassung  des  dem  perfekt  zu  gründe  liegenden  verbums 
iousere  rechtsverbindlich  machen  passen  auch.  Zum  austrag  kann 
der    streit  wohl  nur  auf  dem  formalen  gebiete  kommen. 

W.    Weissbrodt. 

157.  Des  Anicius  Manlius  Severinus  Boetius  fünf  bücher 
über  die  musik,  übertragen  und  erklärt  von  Oscar  Paul. 
8.     Leipzig,  Leuckart.  1872.  —     5l/s  thlr. 

Die  lösung  der  vielen  schwierigen  probleme,  welche  die 
uns  überlieferte  musikalische  theorie  der  alten  bietet,  kann  ne- 
ben anwendung  der  philologischen  methode  vielfach  der  tech- 
nisch-musikalischen kenntniss  nicht  entrathen;  diese  betrachtung 
hat  den  herausgeber  obiger  schrift,  der  nicht  philologe  ist,  ver- 
muthlich  geleitet,  als  er  es  unternahm,  teinen  der  alten  quellen- 
schriftsteller  über  musik  in  deutscher  Übertragung  und  mit 
deutschem  commentar  zu  veröffentlichen.  Boetius,  der  im 
sechsten  Jahrhundert  seine  fünf  bücher  de  institutione  musica 
als  einen  theil  seiner  behandlung  der  mathematischen  discipli- 
nen  herausgab,  erschien  ihm  dazu  besonders  geeignet,  weil  er 
das  in  den  griechischen  quellen  vorhandene  material  sorgfältig 
gesammelt  habe,  weil  er  ,;den  musikalischen  ausdruck  seiner 
zeit  repräsentire ",  und  zur  fortpflanzung  der  griechischen  theo- 
rie auf  das  mittelalter  wesentlich  beigetragen  habe.  Da  uns 
die  griechischen  quellen  des  Boetius,  namentlich  Ptolemaeus, 
zum  grossen  theil  noch  selbst  zugänglich  sind,  so  möchte  man- 
cher den  wünsch  gehabt  haben,  zuerst  diese  zum  vollen  Ver- 
ständnisse gebracht  zu  sehen,  aus  denen  doch  die  auschauung 
des  griechischen  Systems  unmittelbar  und  sicherer  zu  gewinnen 
war.     Indessen  werden  wir  bei  dem  regen  eifer  ,    der  sich  jetzt 


Nr.  6.  157.   Musik.  279 

auch  diesen  Studien  zugewandt  bat,  jeden  beitrag,  wenn  er  aus 
eingebenden  Studien  hervorgebt,  gern  empfangen.  Der  Ver- 
fasser hat  sich  wie  es  scheint  mit  Boetius  eifrig  beschäftigt, 
da  er  sich  wie  er  mittbeilt ,  einen  ausgedehnten  handschriftli- 
chen apparat  zu  demselben  verscbafft  bat  und  ihn  auch  latei- 
nisch herausgeben  will.  Wie  bekannt,  hat  Friedlein  vor  eini- 
gen jähren  auf  grund  neuen  materiales  den  text  des  Boetius 
herausgegeben. 

Der  Übersetzung  geht  eine  einleitung  voraus ,  in  welcher 
die  literarischen  nachricbten  über  Boetius  zusammengestellt  wer- 
den, dann  aber  auch  schon  mebreres  technische  (die  tonfolge 
in  den  geschlechtern  u.  a.)  berührt  (wir  dürfen  sagen :  vorweg- 
genommen) wird.  Die  etwas  gezierte  art,  in  welcher  von  an- 
deren forschem  gesprochen  wird,  lässt  den  laien  in  philo- 
logischen dingen  erkennen.  Noch  weniger  erfreulich  ist  die 
polemik ,  die  hier  und  an  vielen  späteren  stellen  des  buches 
gegen  den  verdientesten  und  besonnensten  forscher  auf  diesem 
gebiete,  Friedrich  Bellermann,  geführt  wird;  unerfreu- 
lich besonders  darum ,  weil  sie  sich  vielfach  an  äusserliche  und 
unwesentlicbe  dinge  haftet  und  das  bewusstsein  der  eingreifen- 
den förderung  dieser  Studien  durch  Bellermann,  ohne  welche 
Paul  selbst  seine  arbeiten  kaum  würde  unternehmen  können, 
zu  wenig  erkennen  lässt. 

Die  Übersetzung  liest  sich  fliessend  und  strebt  vf.  sichtlich 
nacb  bequemer  deutscher  darstellung,  nach  Verwischung  des  ein- 
drucks  der  Übertragung.  Fragen  wir  aber  daneben,  wie  es  mit  einer 
genauen  wiedergäbe  der  gedanken  und  angaben  des  Schriftstellers 
steht,  und  ziehen  zu  diesem  bebufe  den  lateinischen  text  zu,  so 
werden  wir  schon  auf  den  ersten  Seiten  sehr  bedenklich;  und  je 
weiter  wir  fortschreiten,  desto  mehr  werden  wir  an  dem  sorgsamen 
Studium  des  Originals,  an  der  genauen  kenntniss  anderer  quellen, 
an  dem  richtigen  verständniss  allgemeiner  gedanken  sowohl  wie 
technischer  mittheilungen,  ja  vielfach  an  der  kenntniss  des  la- 
teinischen irre.  So  spricht  Boetius  I,  1  von  den  arten,  wie 
man  die  Sehkraft  erklären  könne:  adest  enim  cunctis  mortalibus 
Visus,  qui  utrum  venitntibus  ad  visum  figuris,  an  ad  sensibilia  ra* 
diis  emissis  efficiatur ,  inter  doctos  guidem  dubitabile  est:  Paul 
übersetzt  „ob  diese  nun  durch  figuren,  welche  zu  gesicht  kom- 
men, oder  dadurch,  dass  strahlen  auf  die  sinneswerkzeuge 


280  157.  Musik.  Nr.  6. 

gerichtet  sind ,  hervorgebracht  wird".  Er  hat  den  sinn  des 
zweiten  satztheiles  völlig  umgekehrt.  Boetius  will  die  existenz 
einer  weltharmonie  darthun :  (I,  2)  qui  enim  fieri  potest ,  ut  tarn 
velox  caeli  machina  tacito  silentique  cursu  moveatur;  Paul  ,,wie 
könnte  es  denn  sonst  geschehen,  dass  die  ma seh  ine  des  him- 
mels  so  schnell  und  in  so  schweigsamem  laufe  bewegt  wird" ? 
Durch  verkehrte  beziehung  des  velox  ist  wieder  gerade  der  ent- 
gegengetzte  sinn  in  die  stelle  getragen.  In  demselben  capitel 
heisst  es  von  den  bahnen  der  gestirne:  alii  \cursus\  excelsiores 
alii  feruntur,  „man  hält  einige  bahnen  für  niedriger,  andere 
für  höher".  Es  war  leicht  zu  sehen,  dass  feruntur  buchstäblich 
zu  nehmen  ist.  Cap.  3  heisst  es:  velut  si  conum,  quem  turbinem 
vocant,  quis  diligenter  extomet,  , .gleichwie  wenn  jemand  ei- 
nen kegel,  den  man  gewöhnlich  kreisel  nennt,  sorgfältig  aus- 
schmückt". Der  Übersetzer  fand  wohl  extomare  (drechseln) 
nicht  in  seinem  lexicon  und  hielt  es  für  einen  fehler  statt  exor- 
nare.  I,  34  vergleicht  Boetius  die  aufgäbe  des  rechten  musikers, 
d.  i.  des  mit  wissenschaftlicher  kenntniss  ausgerüsteten,  mit  ande- 
ren thätigkeiten  ,  bei  denen  die  geistige  leitung  über  der  tech- 
nischen ausführung  steht:  quod  scilicet  in  aedificiorum  bello- 
rumque  opere  videmus ,  in  contraria  scilicet  nuneupatione  voca- 
buli.  Eorum  namque  nominibus  vel  aedificia  inscribuntur  vel  dueun- 
tur  triumphi  etc.  Paul:  „dies  sehen  wir  sowohl  bei  ausführung 
schöner  kunstwerke,  als  auch  durch  die  Wortbezeichnung"! 
Es  bedarf  keines  weiteren  wortes  über  solche  missverständnisse, 
und  es  fällt  dann  weiter  nicht  auf,  wenn  attonitus  „durch  Zu- 
fall hinzugeführt",  offensus  „geöffnet",  titubare  gar  nicht  über- 
setzt wird.  Schlimmer  noch  sind  solche  fehler  bei  einem,  der 
über  die  musicalische  theorie  „forscht",  wenn  sie  auch  in  tech- 
nischen dingen  vorkommen.  I,  3  Idcirco  definitur  sonus  percus- 
sio  aeris  indissoluta  usque  ad  auditum,  „deswegen  wird  der  klang 
als  unaufgelöster  luftstoss,  welcher  bis  zum  ge- 
hör dringt,  definirt".  Der  Übersetzer  musste  in  jenen  Worten 
die  definition  des  tones  bei  den  Pythagoräern  erkennen  (Ni- 
com.  p.  6  nlijhg  atQog  ä&Qvntog  hi'xqi  äxoiji,')  und  sehen,  dass 
indissolutus,  ungebrochen,  zu  usque  ad  auditum  gehört.  Ueber 
den  einfluss  der  Zahlverhältnisse  auf  die  consonauzen  heisst  es 
I,  5  obtinere  igilur  maiorem  ad  consonantias  potestatem  videtur  mul- 
tiplex, consequentem  autem  superparticularis ,  „in  betreff  der  conso- 


Nr.  6.  157.    Musik.  281 

nanzen  scheint  also  das  vielfache  und  in  der  folge  auch  das 
übertheilige  die  grössere  herrschaft  zu  behaupten".  Es 
heisst  vielmehr  so :  „es  scheint ,  dass  auf  hervorbringung  der 
consonanzen  das  vielfache  grösseren  einfluss  habe,  diesem  zu- 
nächst aber  das  übertheilige''.  Alles  also,  worauf  es  ankommt, 
ist  hier  missverstanden.  Alle  bedeutung  spricht  Boetius  auch 
der  Wahrnehmung  nicht  ab :  I,  9  quasi  admonitionis  vicem  tenet 
auditus:  Paul  ,,den  Wechsel  der  erinnerung  halt  gewissermassen 
das  gehör  fest" !  I,  28 :  Consonantiam  vero  licet  aurium  quoque 
sensus  diiudicet,  tarnen  ratio  perpendit:  Paul  ,,der  gehörsinn  hat 
die  berechtig ung,  die  consonanz  zu  beurtheilen,  doch  steht 
die  berechnung  höher!  I,  21  bei  erklärung  der  tongeschlech- 
ter:  enarmonium  vero  quod  est,  magis  coaptatum  est,  Paul  ,, das  en- 
harmonische  ist  noch  mehr  zusammengesetzt".  Der  forscher  in 
den  antiken  musikern  musste  wissen,  dass  mit  coaptare  das  grie- 
chische ugfio&iv  wiedergegeben  wird.  Wir  brauchen  diese  bei- 
spiele  nicht  zu  vermehren  ;  wir  könnten  eine  menge  ungenauer 
wortübertraguugen ,  mangelhafter  auflösungen  der  sätze  durch 
unkenntniss  der  bedeutung  der  conjunctionen ,  vielfacher  weg- 
lassungen u.  dgl.  anführen;  es  genügen  die  obigen  um  zu  zei- 
gen, dass  der  Übersetzer  weder  des  lateinischen  hinlänglich  kun- 
dig, noch  im  sprachgebrauche  der  musiker  genügend  fest,  noch 
überhaupt  sorgfältig  genug  sich  gezeigt  hat,  um  als  berufener 
Übersetzer  eines  lateinischen  musicalischen  Schriftstellers  betrach- 
tet zu  werden.  Für  die  zu  erwartende  lateinische  ausgäbe  er- 
weckt dies  ein  übles  vorurtheil ,  auch  wenn  nicht  verschiedene 
male  des  vfs  Unsicherheit  in  kritischen  dingen  schon  in  der  Über- 
setzung stark  hervorträte.  So  giebt  er  z.  b.  dem  ganzen  werke 
schon  einen  unrichtigen  titel;  derselbe  war,  wie  Friedlein 
nach  der  guten  Überlieferung  schreibt,  de  institutione  musica, 
von  der  musicalischen  Unterweisung.  Auch  gehört  hierher  die 
frage  nach  den  Überschriften  der  einzelnen  capitel,  welche  er 
sich  wohl  hätte  vorlegen  können.  Nach  unserer  Überzeugung 
rühren  dieselben  nicht  vom  Schriftsteller  her ,  weil  viele  ab- 
schnitte mehr  enthalten  wie  die  Überschrift  sagt,  andere  zu  klein 
an  umfang  sind,  um  ausgedehnte  Überschriften  zu  rechtfertigen, 
und  mehrfach  der  eine  abschnitt  sich  ganz  unmittelbar  an  den 
vorherigen  mit  ausschluss  jeder  Unterbrechung  anschliesst.  Um 
einiges  einzelne  zu  nennen ,    so    übersetzt  Paul  I,  1  (Friedl.  p. 


282  157.  Musik.  Nr.  6 

185)  die  lesart  pacatissime  ,,auf  die  friedlichste  art",  wo  Fried- 
lein nach  der  guten  handschrift  pacatissimae  [mentisj  liest ,  und 
ähnlich  vorher  statt  (Friedl.  p.  180  maximae  permutationes)  die 
schlechtere  lesart  maxime.  Die  handschriftliche  Schreibart  e  für 
ae  scheint  ihm  nicht  bekannt  zu  sein.  C.  3  (Friedl.  p.190)  über- 
setzt er  die  unsinnige  lesart  einiger  handschriften  rarusque,  während 
es  rarosque  [pulsus\  heisst.  C.  6  gibt  er  die  worte:  ea  namque 
probantur  coaptationi  consent anea,  so  wieder:  „das  wird  zur  ver- 
gleichung  für  vernuDftgemäss  erachtet",  und  folgt  also  der 
schlechten  lesart  comparationi.  C.  20,  wo  von  der  allmählichen 
Vermehrung  der  saiten  die  rede  ist,  heisst  es  bei  Boetius:  para- 
mese  quidem  vocata  est  sola,  quae  post  mediam  collocdbatur,  welche 
nach  der  fiiarj ,  der  mittleren,  gesetzt  wurde:  die  schlechteren 
handschriften  bei  Friedlein  lesen  medium,  ohne  sinn ;  danach 
übersetzt  Paul:  „paramese  wurde  nun  eben  bloss  mit  dem  ei- 
nen namen  benannt,  als  sie  hinter  die  mitte  gesetzt  wurde". 
Abgesehen  von  dieser  Unklarheit  in  handhabung  der  kritik,  tritt 
soviel  wir  erkennen,  trotz  seines  rühmens  kenntniss  einer  an- 
deren und  besseren  Überlieferung  nicht  hervor.  Ein  kölner 
codex,  aus  dem  er  p.  26  ein  facsimile  mittheilt,  stimmt  dem- 
nach mit  der  schlechteren  familie  bei  Friedlein,  welche  dieselbe 
tabelle  enthält. 

Der  Übersetzung  ist  ein  ausführlicher  commentar  beigege- 
ben, der  aber  keineswegs  den  zweck  verfolgt,  von  kapitel  zu 
kapitel  die  Schwierigkeiten  des  Boetius  zu  erklären  und  seine 
mittheilungen  im  einzelnen  auf  ihre  quelleu  zurückzuführen, 
sondern  nur ,  neben  kurzer  Zurückweisung  auf  den  inhalt  der 
kapitel,  an  geeignet  scheinenden  stellen  eine  masse  materiales 
zusammenzutragen,  was  bei  jedem  anderen  Schriftsteller  in  glei- 
cher oder  ähnlicher  weise  geschehen  konnte,  am  besten  aber 
überhaupt  nicht  in  commentare,  sondern  in  systematische  hand- 
bücher  gehört.  Dahin  rechnen  wir  die  langen  erörterungen 
über  pythagoräische  zahlenlehre,  die  weitläufige  darstellung  über 
die  instrumente  der  alten,  die  mittheilungen  über  die  Schwin- 
gungsgesetze nach  Helmholtz  und  manches  andere,  wobei  man 
den  Boetius  völlig  aus  den  äugen  verliert ;  wenn  auch  manches 
nicht  ohne  fleiss  zusammengestellt  ist  und  auch  einzelne  paral- 
lelen mit  neuer  theorie  sich  als  interessant  erweisen.  Im  all- 
gemeinen aber  ist  es    bei  ungemeiner  Weitschweifigkeit  (nament- 


Nr.  6.  158.  Homeros.  283 

lieh  durch  die  in  endloser  menge  wiederholten  tabellen)  dem 
Ieser  schwer  gemacht,  den  inhalt  des  commentars  sich  recht 
nutzbar  zu  machen,  und  man  weiss  vielfach  nicht  recht ,  ob  er 
ihn  mehr  für  philologen  oder  musiker  bestimmt  hat ;  erstere 
können  das  meiste  auch  anderweitig  finden.  Wie  wenig  er  sich 
in  den  grenzen  des  commentars  hält,  zeigt  noch  die  beigäbe 
einer  vollständigen  (ebenfalls  nicht  sehr  gelungenen)  Überse- 
tzung der  pseudo  •  euclidischen  Introductio ,  sowie  des  ganzen 
abschnitts  über  die  thetischen  und  dynamischen  tonbenennun- 
gen  bei  Ptolemaeus ,  obgleich  zu  letzteren  Boetius  gar  keine 
nothwendige  veranlassung  bot.  In  der  benutzung  der  letzteren 
ist  er,  von  einzelnen  abweichungen  abgesehen,  gauz  in  den  fes- 
seln der  Westphalschen  theorie,  und  hat  eingehenden  Widerle- 
gungen, wie  der  Zieglerschen,  keine  beachtung  geschenkt.  Da- 
gegen bietet  ihm  dieser  abschnitt  wiederum  gelegenheit  zur  fort- 
setzung  jener  unerquicklichen  polemik  gegen  Bellerraann,  aus 
dessen  familie  er  sich  noch  dazu  persönlich  angegriffen  glaubt. 
Das  unternehmen,  Boetius  zu  übersetzen  und  zu  erklären, 
war  gewiss  ein  verdienstliches ;  wir  können  uns  aber  nicht  zu 
der  anerkennung  entschliessen,  dass  es  hier  in  die  richtige  hand 
gekommen  sei.  Man  wird  die  Paulsche  Übersetzung  nur  mit 
der  grössten  vorsieht  und  nur  mit  beständiger  Zuziehung  des 
Originals  benutzen  dürfen. 

158.  Sammlung  der  parallelstellen  zum  ersten  buche  der 
Odyssee.  Aus  dem  nachgelassenen  manuscript  des  Parallel-Ho- 
mer  von  J.  E.  Ellendt  herausgegeben.     8.     Königsb.  1871. 

Der  Ellendtsche  Parallelhomer  *)  wird  in  seinem  ganzen 
umfang  nicht  erscheinen:  theilweise  Veröffentlichungen  werden 
kaum  allgemein  zugänglich  und  selbst  für  den  glücklichen,  der 
sie  alle  besitzt,  höchst  unbequem  zu  gebrauchen  sein.  Das  beste 
ist  oft  ein  feind  des  guten  und  vielleicht  wäre  eine  gekürzte 
ausgäbe,  wenn  auch  nicht  ganz  so  bequem,  doch  brauchbar. 
Es  werden  erstens  die  wörtlichen  entlehnungen  zu  bezeichnen  sein  ; 
sind  es  ganze  verse,  so  genügt  die  stelle ;  sind  es  stücke,  so  müs- 
sen die  anfangsbuchstaben  der  betreffenden  worte  beigegeben  wer- 
den, ohne  weitere  bezeichnung  wenn  die  versstelle  gleich  ist ;  ist 
sie  verschieden  so  bezeichnet  |  vorder  stelle  den  versanfang;  da- 
1)  S.  Philol.  Anz.  IV,  nr.  8,  p.  385. 


284  159.   Nonnos.  Nr.  6. 

hinter  den  scbluss;  sonst  tritt  ein  stern  hinzu.  Hierauf  zwei- 
tens mit  cf.  die  ähnlichen  stellen  ohne  wörtliche  anführung,  da 
genaueres  forschen  doch  zum  nachschlagen  nöthigt.  Endlich  drit- 
tens die  anaS,  und  anavmq  sigypsvcc,  letztere  durch  das  beigesetzte 
citat  kenntlich  und  wenn  die  wortform  eine  andere  ist,  durch 
cf.  kenntlich  gemacht.  Die  drei  spalten  werden  durch  punctum 
getrennt,  sonst  nur  komma  angewandt.  So  würde  der  anfang 
von  a  im  Königsberger  programm  1871  folgende  gestalt  an- 
nehmen: 

« 

1.  ixoi  's.  Movaa  \  B  761.  nolvigoTiog  x  330. 

2.  i,  jtr.  i  165.  nläyi&ri  A  351.  cf  &  120.  saegasv  (c. 
aug.) 

3.  cf  o  492  i  128. 

4.  ov  x.  &v(ji6v  |  £244  v  90  (cf).  v  59  y  345  N  8  W  769. 
cf  x  458  o  487,  v  263  321  II  55  2  397,  S2  7. 

5.  cf.  xal  vöaiov  x  15.  uQvvfisvog  Z  446  cf.  A  159  £553. 

6.  «.  o.  eo?  ß  23  £  324  379  x  291  #  265  351  587  A 
255  M  432  P  697.  igQvaaro  T  194,  i.  rc£?  x  246  £  142 
cf  i  409. 

7.  acp.  a  o.  d  409,  d.  o.  x  437.  cf.  a  34  x  27  cf.  x  317 
416,  ^  67. 

8.  v.  ol  0  177  0  104.  'Tu.  'H.  cf.  ^  176,  133  346  374. 

XUlÜ    i'jGÜlOV. 

9.  a.  o  Tolatv  |  72  383,  r.  ^ap  a  168  £  253,  a  354,  y 
253  £  220  t  311  0  466  ?  571. 

10.  &ecc  &.  A.  E  815.  cf.  E  348  H  24.  a^ofo»-. 

159.  Henr.  Tiedke,  Quaestionum  Nonnianarum  speci- 
men.     Dissert.  inauguralis.     8.     Berolini.  1873.     58  s. 

Beiläufig  wird  Nonnos  immer  noch  berücksichtigt;  aber 
solche  beiläufige  berücksichtigung  ist  der  richtigen  beurtheilung 
des  dichters  und  zumal  der  herstellung  seines  textes  nur  wenig 
förderlich  gewesen.  Nonnos  will  studiert  sein ;  seine  beiden 
gedichte  sind  Studien,  und  wer  in  seinem  urtheil  über  den  dich- 
ter und  über  einzelne  stellen  in  seinen  gedichten  nicht  irre  ge- 
hen will,  muss  diese  in  allen  ihren  durchaus  eigenthümlichen 
zügen  durchforscht,    sich    mit  ihren  eigenheiteu  in  spräche  und 


Nr.  6.  159.  Nonnos.  285 

technik  genau  bekannt  gemacht  haben.  Dazu  gehört  freilich 
mehr  als  bei  einem  anderen  Schriftsteller  unermüdliche  ausdauer: 
sie  wird  aber  auch  reichlicher  als  irgendwo  durch  sichere  und 
merkwürdige  ergebnisse  belohnt.  Das  beweist  das  vorliegende 
schriftchen,  dessen  verf.  die  zur  behandlung  eines  in  vieler  be- 
ziehung  so  schwierigen  dichters  nothwendigen  eigenschaften  in 
hohem  grade  überall  bekundet.  Was  wir  hier  über  die  cäsu- 
ren  bei  Nonnos  und  seinen  nachahmern  Tryphiodoros,  Musaios 
und  Kolluthos  (andere,  wie  Christodoros ,  Johannes  von  Gaza, 
Paulus  Silentiarius,  sind  nicht  berücksichtigt)  erfahren,  über  die 
diäresen  (der  ausdruck  caesura  semiseptenaria  p.  2  und  ähnli- 
che sind  unstatthaft,  schon  wegen  der  diaer esis  bucolica  p.  2 
u.  ö.),  über  die  positionslänge  und  den  spondeus  an  gewissen 
versstellen,  über  spracheigenthümlichkeiten  und  besondere  kate- 
gorien  von  fehlem  in  den  texten  des  Nonnos,  ist  in  dieser  sorg- 
samen ausführlichkeit  und  erschöpfenden  darlegung  völlig  neu 
und,  wie  zu  erwarten  war,  für  die  textkritik  von  nicht  gerin- 
ger bedeutung.  Denn  das  ist  ja  eben  die  dankbare  seite  an 
diesem  dichter,  dass  eine  jede  derartige  gründliche  Untersuchung 
zu  praktisch  für  die  textkritik  verwerthbaren  resultaten  führt. 
Eine  anzahl  der  von  dem  verf.  gefundenen  emendationen  ist 
evident:  Dionys.  7,  345  og^azog  annslötiQ  nsQidsdoofAsv  [s'vya- 
Itov  oder  E'uiov~\  svvijv  (p.  13).  24,  264  xal  rjjpaia  SäxEP 
avaacrj  statt  auirrj  fXETi'dcoy.Ev  (p.  10).  43,  128  zElsaag  ezeqov 
tvnov  (p.  11).  48,  500  Tzors  novj  7t6ts  &slyszai  Avgr\  (p.  13). 
Metab.  H  19  nowila  Dav/Aaza  dei^ov  ogm^Eva  nägzvQi  (st. 
Oav(xara)  xößfim  (p.  30).  K  129  äyicp  oqtQtjyiaoazo  dsaftw  st. 
6ec![aco  (p.  33).  A  220  xwqijq  ö'  ivtog  ixavev  (p.  30).  M  163 
xatsyQUCpE  ■dsamöi  ßt'ßXca  st.  cpcovi]  (p.  31).  P  71  qvztJqu  st.  Iv- 
TtjOa  (p.  48).  2  32  ftirvr&adiov  %ciqiv  oXßov  st.  egyov  (p.  50). 
(p  37  6%vg  oQoiöag  st.  iyyvg  (p.  7),  u.  a.  Uebersehen  ist,  dass 
0  147  (.lE&inEi  fiE  Xa&lqQOi'og  mog  liAäadhjg  st.  y.sXai6qiQOvog 
(p.  56)  und  T  108  dvuöj  st.  (xv&m  (p.  31)  schon  von  Hermann 
(Ztschr.  f.  d.  AW.  1834.  p.  997  und  1001)  gebessert  war.  B 
102  (p.  36)  und  E  98  (p.  45)  hat  Gottfr.  Kinkel  in  seiner  klei- 
nen schritt  „die  Überlieferung  der  paraphrase  des  evangeliums 
Johannis  von  Nonnos.  I.  heft.  Zürich  1870"  bereits  das  rich- 
tige, und  ebenso  de  Marcellus  in  seiner  ausgäbe  der  Metabole 
(Paris.  1861)  an   folgenden   stellen:  E  130    (Tiedke   p.  34),  TV 


286  159.  Nonnos.  Nr.  6. 

140  (das.),  2  115  (p.  49),  T  101  (p.  31)  und  159  (p.  44). 
Beide  bücber  sind  dem  verf.  unbekannt  gewesen:  was  er  p.  34 
über  die  gleichen  versausgänge  bei  Nonnos  sagt,  würde  wahr- 
scheinlich nicht  mit  J  96  f.  belegt  sein,  wenn  er  gewusst  hätte, 
dass  hier  Marcellus  v.rjfASQTti  dvftco  st.  (iv&cp  offenbar  richtig 
corrigirt  hat.  Wie  selbst  eminente  kenner  des  Nonnos  ,  nicht 
völlig  vertraut  mit  seinen  subtilen  metrischen  gesetzen,  zuwei- 
len nicht  das  rechte  trafen ,  mag  man  ersehen  aus  dem ,  was 
der  verf.  über  25,  532  (p.  8  u.  3  0),  36,  284  (p.  8)  und  48, 
909  (p.  6  u.  10)  bemerkt;  mit  recht  vertheidigt  er  die  Über- 
lieferung 15,  368  (p.  33)  und  31,  193  (p.  26)  und  die  conjec- 
tur  Falkenburg's  42,  416  (p.  13).  Auch  auf  das  missglückte 
Nv^fcii  ' j4^abQvä8sg  ,  isgyg  naga  nv&^tva  ddcpvrjg  17,  311 
ist  aufmerksam  gemacht:  eine  solche  Verlängerung  einer  kur- 
zen silbe  ist  bei  Nonnos  unerhört.  Wenn  Köchly  bemerkt:  po- 
terat  etiam  Quöiv^g,  so  habe  ich  gegen  diesen  letzteren  Vorschlag 
einzuwenden,  dass  das  wort  guditög  dem  Nonnos  unbekannt 
ist.  Von  den  p.  38  angeführten  beweisstellen  wird  2,  473  ovo' 
vyobv  axonia)  vscpog  so%iaai>,  zu  streichen  sein:  s.  meine  beitrage 
zur  kritik  des  Nonnos  p.  8.  Auch  das,  was  p.  46  über  eli- 
sion  gelehrt  ist,  wird  sich  nach  den  Beitr.  p.  16  ff.  modifizie- 
ren und  ergänzen  lassen.  Uebrigens  freue  ich  mich  auf  anderem 
wege  als  der  verf.  über  einige  punkte  zu  übereinstimmenden 
resultaten  gelangt  zu  sein:  so  über  vnodgrjg  imtsv  (1.  vnorgi- 
fccxsv)  Z  186  (Beitr.  p.  125  und  Tiedke  p.  28),  über  d&ya 
vaJixbv  eXvgev  äxayjxt'i'ov  o|h  ösoiAcp  T  201  (Beitr.  p.  115  und 
Tiedke  p.  25),  über  e%si  nQOTe'gijv  naoaxomv  29,  330  (Beitr. 
p.  71  und  Tiedke  p.  24).  Die  letztere  stelle  hatte  mir  veran- 
lassung gegeben  über  die  versausgänge  bei  Nonnos  einiges  zu 
sammeln;  eine  nachher  angestellte  umfassendere  Untersuchung 
führte  wieder  zu  neuen  interessanten  resultaten.  So  hat  sich 
z.  b.  ergeben ,  dass  die  von  mir  Beitr.  p.  79  vorgeschlagene 
Underung  Alaxog  egya  nähig  öeSaqfte'vOQ  tvnahtftoio  37,  555 
ebenso  unzulässig  ist  wie  die  bei  Tiedke  p.  3  ijvxofiog  Maoi'tj, 
Xqiotoio  ds  daii'Vftf'voio  M  13  und  in  der  ausgäbe  Köchly's  tyxvov 
UftaXloyögov  oyxov  elvae  dvyaxgoyövov  xaudzoio  5,  193  äfttjTt)g 
daldijgog  nedioio  26,  244  und  fiitQfiugvytjp  ftgexTetgav  aftaXloiöxov 
nsdioto  38,  249.  Alle  diese  conjecturen  nämlich  widerstreiten 
dem  bis  jetzt  noch  gar  nicht  beachteten  durchaus  feststehenden 


Nr.  6.  160.  Eratosthenes.  287 

gesetz,  dass  Nonnos  nur  solche  genetiv  formen  auf  -oio  in 
die  letzte  versstelle  zuliess,  bei  deneu  wort-  und  versa c- 
cent  zusammenfallen:  urgumzoio  'HoiSavolo  'Ianszoio  Ksls- 
oio,  viqstoio  'OpftOfiEvoto  no7a(Aclo  TivQszoTo'fixsavoto.  Ein  ähnliches 
gesetz  habe  ich  Beitr.  p.  79  für  die  accusativformen  der  dritten  de- 
clination  auf  -a  nachgewiesen :  Nonnos  schliesst  seinen  hexameter 
wohl  mit  dijioTijia  Ai&iomja  ' A).xvo7ju  ßaöilqa  Boyt/a  8uizv[xo- 
t>>ja  ijytfioilja  t]Vio%ija  ijneoonJja  ioiza  &uv6vTct  löiju  xufiöiza  u.  a., 
aber  nie  mit  y.uxtnrjTa  agtja  nöXr^a  (pas&ovra  i&eXovza  xntoarioiTa 
u.  a.  Dasselbe  gesetz  hat  der  dichter  bei  den  übrigen  kurzen 
casusendungen  dieser  declination  beobachtet.  Wie  weit  er  es 
auch  auf  verbalformen  ausgedehnt  hat,  wäre  noch  zu  untersu- 
chen; die  participia  wenigstens  behandelt  er  ganz  wie  die  no- 
mina,  und  auch  das  steht  fest,  dass  Nonnos  nie  einen  vers  mit 
einer  form  wie  'idqatv  (Marcellus  zu  T  153)  oder  äptcpaydaa^eg 
(interpolation  P  85)  geschlossen  hat,  ja  nicht  einmal  mit  silxs, 
welches  Tiedke  p.  47  anm.  A  119   für  slxet  vorschlägt. 

Arthur  Ludwich. 

160.  Eratosthenis  carminum  reliquiae.  Disposuit  et  explica- 
vit  Ed.  Hiller.     8.     Lips.  Teubner.  1872.  —     1  thlr. 

Diese  neue  ausgäbe  der  eratosthenischen  gedichtsfragmente 
bildet  eine  schätzenswerthe  bereicherung  unserer  kenntniss  der 
alexandrinischen  poesie.  Treffliche  kritische  methode  —  über- 
all fast  sind  die  lesarten  der  besten  handschriften  nach  neuen 
collationen  gegeben  —  gründliche  Vertrautheit  mit  der  einschla- 
genden literatur ,  den  sprachlichen  und  metrischen  eigenthüm- 
licbkeiten  jener  zeit,  sowie  sorgsamsten  fleiss  in  der  exegese 
findet  man  hier  verbunden  und  machen  diese  Vorzüge  das  vor- 
liegende werk  jedem  unentbehrlich,  der  sich  mit  grammatischen 
Studien  überhaupt  und  mit  alexandrinischer  poesie  insbesondere 
beschäftigt.  Wir  erhalten  einen  neuen  einblick  in  das  poeti- 
sche schaffen  jener  grammatiker ,  die  wissenschaftliche  Studien 
und  dichterische  thätigkeit  mit  einander  verbanden ,  besonders 
in  der  art  der  mythenbehandlung,  wie  sie  die  verschiedenartig- 
sten demente  vereinigten  und  sich  der  Umbildung  der  mythen 
durchaus  nicht  enthielten. 

Ist  die  zahl  der  fragmente  auch  nicht  vermehrt  —  ein  be- 
weis, wie  sorgfältig  Bernhardy  gesammelt  hatte  —    so  ist  doch 


288  160.  Eratosthenes.  Nr.  6. 

der  fortschritt  gegen  dieses  gelehrten,  säramtlicbe  eratostheni- 
sche  fragmente  umfassende  arbeit  auf  keiner  seite  zu  verken- 
nen; so  gleich  zunächst  in  der  Inhaltsbestimmung  des  eratosthe- 
nischen  Mercurius.  Unbeirrt  durch  irgend  welche  vorgefasste 
meinung  kommt  Hiller  über  dieses  vielbestrittene  gedieht  durch 
induetion  zu  dem  Schlüsse ,  dass  es  enthielt  die  erzählung  von 
der  kindheit  Mercurs,  seine  Jugendstreiche,  den  raub  der  stiere, 
die  erfindung  der  leier,  den  besuch  des  himmels,  den  Mercur 
selbst  erzählte  —  dies  ist  bei  der  betrachtung  der  betreffenden 
fragmente  stets  festzuhalten  (p.  64  sqq.).  In  der  deutung  und 
anordnung  der  meisten  bruchstücke  ist  Hiller  beizustimmen,  zwei- 
felhaft bleibt  natürlich,  wie  bei  jeder  derartigen  Untersuchung 
vieles.  Nicht  zu  billigen  scheint  die  behandlung  von  fragment 
XI  (p.  21).  Dass  die  verse  nicht  local  zusammengehören,  ver- 
steht sich  von  selbst;  wie  man  aber  aus:  agdov'  au)  ydg  (.täl- 
lov  inwdivovoi,  (JidgifAvai,  herauslesen  will,  dass  die  sorgen  zur 
lösung  von  Schwierigkeiten  beitragen,  sieht  man  nicht  ab.  Treff- 
lich dagegen  ist  die  behandlung  der  schwierigen  stelle  aus  der 
armenischen  Philoübersetzung,  bei  der  den  verf.  prof.  Grilde- 
meister  unterstützte  (fragment  XVI),  trefflich  die  erklärung  von 
fr.  XIH,  wo  Hiller  richtig  mit  Sturz  llaQH£t>iaxog  liest,  eben  so 
von  fr.  XVIII,  das  allein  einen  passenden  sinn  gibt,  wenn  man  zu 
hsrfxs,  a^cof,  nicht  'EQfAtjg  als  subjeet  nimmt.  Auch  die  von 
Bernhardy  als  identisch  mit  dem  letzten  theil  des  Mercurius  be- 
haupteten xaTaoisQiönoi  —  als  voller  titel  wird  p.  69  xaiälo- 
yog  xaraaTSQiGiiäv  vermuthet  —  werden  p.  69  als  besondere, 
in  prosa  verfasste  schrift  dem  Eratosthenes  mit  recht  zugesprochen 
(s.  Suidas  s.  v.  ^Egcczoa&h'ijg,  wo  xaiaotsQiGLiovg  gesicherte  con- 
jeetur  ist,  und  Achill.  Tat.  p.  146);  freilich  muss  nach  der 
bei  Achilles  Tatius  erhaltenen  erzählung  ihr  inhalt  von  den 
der  uns  überlieferten,  längst  als  pseudoeratosthenisch  bezeichne- 
ten naraarsQia(io[  verschieden  gewesen  sein. 

Als  zweites  gedieht  des  Eratosthenes  führt  Hillcr  an  die 
'Ai'izQirüg,  welches  gedieht  den  titel  'Hai'oöog  (s.  Göttling,  He- 
Biod.  p.  xv)  getragen  haben  soll:  der  inhalt  stimmt,  indem  das 
betreffende  gedieht  die  ermordung  des  Hesiod  und  die  bestrafung 
seiner  mörder  enthalten  zu  haben  scheint.  Der  emendationsver- 
such  p.  86  beim  Schol.  ad  Nie.  Ther.  472  statt  sl  toi  oace 
zu    lesen    $x    ti   ol    ugöe  ,    ist   gewiss    zu    billigen :     als    grund 


Nr.  6.  160.  Eratosthenes.  289 

aber  dieses  fragment  zur  Anterinys  zu  ziehen,  wird  man  ge- 
wiss nicht  gelten  lassen  ,  dass  es  beim  scholiasten  zu  Nicander 
steht,  der  jenes  gedieht  noch  zweimal  citirt,  sonst  nichts  von 
Eratostbenes.  Frgt  XXIII  aber  gehört  sicherlich  nicht  zum  Hesiod : 
denn  bei  einer  so  wunderbaren  fortschaffung  ist  sicher  nicht 
an  eine  Verwesung  zu  denken,  während  Bernhardy's  meinung, 
das  fragment  auf  Icarius  zu  beziehen,  durchaus  wahrscheinlich 
ist,    wenngleich    sie    der  gewöhnlichen  tradition  (Preller  Gr.  M. 

I,  p.  551)  widerspricht.  Dass  Erigone  dessen  leiche  selbst 
fand,  deuten  stellen  wie  Pollux  V,  42  ''Eöet^s  (rrj  'Hgiyovy  6 
nvcov)  ibv  'Ixaglov  vexgov  an. 

Das  dritte  gedieht,  aus  dem  fragmente  angeführt  werden, 
ist  die  Erigone,  in  elegischem  versmaass  abgefasst.  Fragm. 
27  und  28  sind  sehr  unsicher,  fragm.  30,  das  Meineke  (Anall. 
alex.  p.  277)  zum  'Hguxl.tjs  des  Parthenius  zieht ,  will  Heller 
p.  102  wie  Bernhardy  p.  154,  Bergk  comm.  crit.  II,  5,  Anall. 
alex.  I,  p.  16  dem  Eratosthenes  vindiciren.  Während  aber 
Bernhardy  die  stelle  im  Etym.  Magnum  durch  annähme  einer 
lücke  nach  'Egaroa&tirjg  zu  heilen  meinte,  Bergk  entweder  Um- 
stellung oder  verwandelung  von  avgoaiäöa  in  aigoc%ä8og  a'ivvzo 
empfiehlt,  will  Hiller  so  lesen:  algoa^äg  r\  ayi.ns.lot;'  ii£(i,vqroi.i 
TlaQ&e.viog  iv  'HgcwXei.  ahgoa^üSa  ßötgvv  'IxagicoviTjs  (oder  nach 
Haupts  emendation  'IxagiojvivTjg)  'Egaroadivtjs  ....  de  iv 
im&alttfitq)  ro  y.aru  ßötgvv  xlrjfitt.  Die  conjeetur  ist  gewiss 
sehr  ansprechend,  hat  aber  ausser  der  seltsamen  art  des  citi- 
rens  das  bedenkliche ,  dass  das  so  eratosthenisch  gewordene 
fragment  wie  schon  Bergk  sah,  gar  nicht  die  im  Etym.  Magnum 
gegebene  bedeutung  haben  kann.  Neu  und  scharfsinnig  ist  p. 
106    Hillers    ansieht    über   fragm.    XXXH   (Hygin.    de    astron. 

II,  4) ;  Hiller  nimmt  nämlich  an,  dass  der  vers  von  der  quelle 
Hygins  falsch  verstanden  und  auf  die  askolien  bezogen  wor- 
den sei,  und  zwar  deswegen,  weil  er  an  einer  stelle  gestan- 
den habe,  wo  der  Zusammenhang  seinen  sinn  nicht  erklären 
konnte.  Ich  glaube  man  muss  beistimmen ,  nur  dass  an  der 
lesart  Bursians  'Ixugtoi  festzuhalten  ist,  was  wenn  der  vers 
wirklich  im  proömium  stand,  keinen  anstoss  erregen  kann.  Zu- 
dem ist  die  form  ja  durch  Stephanus  von  Byzanz  verbürgt.  Der 
vers  besagt  also :  dort  brachten  die  Ikarier  zuerst  bockopfer 
dem  Dionysos  dar. 

Philol.  Anz.  V.  19 


290  161.  Sophokles.  Nr.  6. 

In  sprachlicher  beziehung  sind  hervorzuheben  die  bemer- 
kungen  des  vf.  über  den  pluralischen  gebrauch  von  niv  p.  11, 
wo  die  Übereinstimmung  mit  Zenodot  zu  betonen  ist,  über  gx»- 
Qictfiog  p.  10,  das  ein  vortreffliches  beispiel  bietet  für  die  ety- 
mologischen Spielereien  der  Alexandriner,  über  die  sitte  jener 
dichter,  verwandte  Wörter  gleichbedeutend  zu  brauchen  (p.  63), 
über  ßavvog  (p.  99),  über  ygrjpog  (fragm.  XXXIII),  über  äno- 
fiätrsaOai  p.  117,  über  ävQoa%ug  (fragm.  XXX).  Im  rhetori- 
schen und  metrischen  wird  Übereinstimmung  besonders  mit  Cal- 
limachus  gezeigt  (s.  p.  10.  19).  Sachlich  wichtig  sind  die  er- 
örterungen  über  den  i'ovlog  (p.  23  sq.),  über  die  eratostheni- 
sehe  ansieht  vom  kosmos  (p.  40  sqq.  51  sqq.). 

Angefügt  ist  der  pseudo  -  eratosthenische  brief  über  die 
Verdoppelung  des  kubus  wegen  des  entschieden  unächten  epi- 
gramms,  das  unter  des  Eratosthenes  namen  gehend  denselben 
gegenständ  behandelt.  R.  E. 

161.  The  Trachiniae  of  Sophocles  eritieally  revised, 
with  the  aid  of  Mss.  nowly  collated,  and  explained  byFrede- 
rik  H.  M.  Blaydes,  M.  A.  London  and  Edinburgh.  Williams 
and  Norgate  1871.     323  und  XV.     8. 

Diese  prachtvoll  ausgestattete  ausgäbe  der  Trachinierinnen, 
des  fünften  Stückes  von  Sophokles,  welches  der  Verfasser  bearbeitet 
hat,  verdient  vollkommen  das  gleiche  lob  ,  das  Nauck  im  Vor- 
wort zur  sechsten  aufläge  des  Philoktetes  der  ausgäbe  des  Phi- 
loktetes  (London  1870)  gespendet  hat.  Sowohl  gedanken  und 
Sentenzen  als  auch  grammatische  construetioneu  und  sprachli- 
che eigenthümlichkeiten  werden  durch  die  reichhaltigste  Samm- 
lung von  parallelstellen  erläutert.  Man  findet  ferner  die  ver- 
schiedenen ansichten  kritischer  und  exegetischer  art,  welche 
über  einzelne  stellen  vorgebracht  worden  sind ,  sorgfältig  und 
genau  zusammengestellt  und  kann  so  leicht  eine  übersieht  über 
die  bisherigen  leistungen  gewinnen.  Endlich  hat  der  text  die 
gründlichste  und  eingehendste  prüfung  erfahren.  In  der  revi- 
sion  des  textes  liegt  der  hauptwerth  der  ausgäbe,  soll  er  we- 
nigstens nach  der  absieht  des  Verfassers  liegen.  Sehr  anspre- 
chend sind  die  Verbesserungen  zu  v.  381  tqaiv'1  mg  (für  iq-oi- 
vei  vgl.  v.  267),  zu  v.  506  nuyxovn'  ine^qX&o»  (für  nayxövnä  t 
§%tj\dot),  zu  v.  590  otÜTtoi'  fyco  'reo  niartcog  (für  ovzmg  fyei  f  i] 


.Nr.  6.  161.  Sophokles.  291 

niazig  dag),  zu  v.  728  ogyfj  nsneigog  ijg  (für  ogyfj  ns'nsiga  ztjg), 
zu  v.  1014  ov  %£gct  zgetysi  (für  ovx  dnozgsxpsi ;  vielleicht  ov% 
äXa  TQt/ipei  nach  0.  R.  1411  &aXäaaiov  ixglxpaz'',  Aesch.  Prom. 
582  nvgi  fis  qsXQov  tj  %&ov\  xdXvipov  tj  novzioig  ddxeGi  dbg  ßo- 
gdv,  Eur.  Androm.  847  ff.)  Mit  recht  hat  Blaydes  in  v.  400 — 
404  die  Ordnung  der  handschriften  beibehalten.  Der  beweis  da- 
für, dass  diese  Ordnung  allein  richtig  ist,  liegt  in  der  Stel- 
lung von  av  8s  v.  403.  Würde  dieser  vers  nach  v.  400  ste- 
hen, so  wäre  ig  zC  8s  8q  av  die  erforderliche  Stellung.  —  An 
anderen  stellen  werden  bloss  vorschlage  der  emendation,  ge- 
wöhnlich zugleich  mehrere,  die  bald  mehr  bald  weniger  wahr- 
scheinlich sind,  oft  sich  sehr  weit  von  der  Überlieferung  entfer- 
nen, dargeboten.  Hierin  dürfte  bei  allem  glänzenden  Scharfsinn 
und  aller  gewandtheit  in  der  hatidhabung  der  spräche  die  minder 
zweckvolle  seite  des  werkes  gefunden  werden.  Der  verf.  hat  von 
der  handschriftlichen  Überlieferung  eine  sehr  geringschätzige  Vor- 
stellung; bei  jedem  vierten  oder  füüften  verse  bringt  er  besse- 
rungen  und  vorschlage  zu  einer  anderen  lesung;  jede  Unregelmä- 
ssigkeit, oft  die  gewöhnlichste,  bietet  ihm  anstoss  und  anlass  zu 
änderungen  des  textes ;  auf  diplomatische  wahrscbeinlichkeit  der 
änderung  wird  oft  wenig  rücksicht  genommen.  Niemand  wird 
z.  b.  v.  453  oog  iXtvOegco  tytvSei  xaleia&ai  xtjg  ngoGSGziv  ov 
xaXfj  für  verdorben  halten:  Biaydes  bemerkt  dazu:  But  the  ex- 
pression  sounds  a  stränge  one.  Qu.  xXtjÖov1  ov  xaXrjv  e%ei  (or  ovx 
l^et  xaXtp).  Or  —  y'  tat*  ovsiÖog  ov  xaXov.  Or  ßd^tg  iazlv  ov 
xaXr\.  Orthus:  xpsvötl  xkvtiv  ngoanGzi  ßd%tg  ov  xaXtj.  —  V.  548, 
wo  die  Überlieferung  lautet:  u>v  dqiagnd&tv  yiXei  'Oy&aXfidg 
dv&og,  zk>v  81  vjzexzginsi  nö8a,  steht  qiiXsl  nag  QaXsgbv  av&og 
im  texte:  daneben  heisst  es  in  der  note :  I  toould  propose:  äv 
dqiagnd^eiv  qiiXsl  dv&oj  ÖQsnea&ai.  Or  oov  cpiXst  nag  zig  ßgo- 
tmv  (or  qulovaiv  dgGsveg)  äv&og  dginsa&ai.  Or  äc  Ögsneiv 
nag  zig  qiiXei  zo  &dXX6v  (or  zo  ftaXsgbv)  av&og.  Or  av  dcpag 
nag  zig  cpilsi  av&og  dgsnsaOai  u.  s.  f.  (vgl.  unter  addenda  p. 
297  sqq.).  —  Zu  vs.  555  heisst  es  p.  298:  ix  v£ggov  might 
easily  have  joassed  into  äg%ulov.  Der  sinn  gestattet  die  än- 
derung ix  NtGGov  doßev  (für  ag%aiov  nozi)  gar  nicht,  weil 
o  zov  SaGVGzegvov  nagä  Nsggov  qi&lvovzog  ix  (poväv  dvei- 
X6[i7]v  darauf  folgt.  Leichthin  sind  unsichere  vermuthungen 
in    den  text  aufgenommen.      Das  vs.  145   aufgenommene:   %<a- 

19* 


292  161.  Sophokles.  "Nr.  6. 

%cbgotg  iv'  ov  tyvxog  viv  ist  sehr  passend,  kann  aber  unmöglich 
in  der  Überlieferung  %c»goioiv  avzov  xai  viv  enthalten  sein.  Zu 
nozi  v.  380  wird  angemerkt :  hardly  right.  Qu.  tote.  Or  V  «&». 
Or  &afid.  Or  zgoqrj.  Or  anogd.  Or  ngbg  ov.  — Or  nag'  cp.  —  Davon 
steht  anogd  im  text.  V.  517  ist  xBQ^'  unzweifelhaft  richtig: 
Blaydes  hat  Sogbg  ohne  weiteres  in  den  text  gesetzt;  ebenso 
v.  738  '%etQyaa[isvov  für  Gzvyovfisvov,  v.  781  (ieazbv  für  Xsvxop 
u.  a.  Für  neu  zag  anaidag  slg  zb  Xombv  ovaCag  v.  911  denkt 
Blaydes  an  rag  avdvdgovg  —  svygovag  (or  Tjfiegug),  an  tag 
dvoXßovg  —  Tjixf'gag,  an  nal  zotig  andtogag  —  ixyovovg.  Wie 
kann  eine  frau  die  eben  im  sinne  hat  ■  sich  das  leben  zu  neh- 
men idg  avdvdgovg  dg  zb  Xombv  svcpgtvag  beklagen?  Kein 
vorsichtiger  kritiker  wird  wagen  die  Unregelmässigkeit  v.  1238 
dvrjg  oö°  mg  soixsv  ov  vsfieiv  ifiol  qi&ivovzi  fioigav  zu  entfernen; 
Blaydes  zählt  die  nicht  seltenen  fälle  einer  gleichen  Unregel- 
mässigkeit auf,  hält  sich  aber  doch  für  berechtigt  sieben  con- 
jecturen  vorzubringen  und  eine  davon  ov  vsptl  nazgi  in  den 
text  aufzunehmen.  V.  803  erkennt  Blaydes  zoaavz'  iwaxTj- 
xpavzog  (sc.  avzov)  mit  darauf  folgendem  &epzsg  (Tqps  als  richtig 
an,  sieht  sich  aber  doch  veranlasst  hinzuzufügen :  Qu.  sniaxtj- 
xpavza  8tj  'v  (iiam  ozgazqj:  dagegen  vgl.  z.  b.  Eur.  Hei.  58  avv  dt- 
dgi  yvövxog  [zov  dvdgog).  —  Sehr  gern  wendet  Blaydes  das  be- 
denkliche mittel  der  Umstellung  vonworten  an,  z.  b.  v.  815,  wo  iäz' 
dqtfgastv  nicht  den  geringsten  anstoss  bietet,  Blaydes  aber  an- 
merkt :  Qu.  I«  0qp'  dcpigneiv,  ea  viv  tsgjteiv,  or  egneiv  iäze  oq>\  Bei 
den  fünf  änderungen ,  welche  an  der  wahrscheinlich  gesunden 
stelle  v.  1112  w  zXijpov  'EXXdg,  nsv&og  oiov  eiaogäj  |  Qovaav 
vorgenommen  werden,  läuft  auch  eine  unrhythmische  oder  doch 
bedenkliche  änderung  mit  unter:  olov  ergo'  (oder  <j')  tiaoow.  Ebenso 
ist  v.  903  das  überlieferte  iv&a  (i?j  zig  siatdot  richtig,  während 
das  von  Blaydes  vermuthete  iv&a  firj  zig  uv  actf  töoi  gramma- 
tisch unrichtig  ist.  —  Man  darf  an  dieser  kritischen  thätig- 
keit  von  Blaydes  keinen  anstoss  nehmen ,  da  sich  alle  diese 
herstellungsversuche  als  das  darbieten  was  sie  sind,  nicht  als 
unumstössliche  emendationen.  Doch  muss  dagegen  der  Stand- 
punkt festgehalten  werden,  dass  es  uns  nur  auf  ermittelung 
des  ursprünglichen  textes  ankommt  und  dass  da,  wo  eine  solche 
ermittelung  nicht  möglich  scheint ,  alle  wissenschaftliche  thätig- 
keit  ihr  ende  hat.      Alle  blossen  Möglichkeiten,    die  keinen  bo- 


Nr.  6.  161.  Sophokles.  293 

den  mehr  in  der  Überlieferung  haben,  sind  für  die  Wissenschaft 
werthlos.  —  Die  collation  der  pariser  handscbriften,  welche 
Blaydes  eigens  für  seine  ausgäbe  gemacht  hat,  scheint,  wie 
leicht  zu  erwarten,  für  die  herstellung  des  textes  keinen  ge- 
winn gebracht  zu  haben.  —  In  einer  wesentlich  kritischen 
ausgäbe,  wie  die  von  Blaydes  ist,  hätten  wir  eine  gründlichere 
und  aufmerksamere  berücksichtigung  der  schoben  erwartet. 
Wenn  wir  zu  der  sinnlosen  lesart  v.  526  tyca  8s  [tu.'trjQ  fih 
ola  ygägco  das  scholion  haben :  iya,  qp^a/V,  ivdia&etatg  cöaei  ptj- 
7t]Q  Xiyeo.  syw  nagziaa  tu.  noXXa  t«  zs'Xt]  Xs'yco  eav  ngayudzcov, 
so  muss  jeder  sehen,  dass  hier  zwei  ganz  verschiedene  schoben 
verbunden  sind,  welche  einen  ebenso  verschiedenen  text  zur 
vorläge  hatten.  Es  gilt  also  die  einfache  regel,  dass  das  scho- 
lion, welches  der  überlieferten  und  offenbar  verdorbenen  lesart 
folgt  (hier  syco,  (prjaiv,  .  .  i^qirig  Xeym),  das  jüngere  und  werth- 
lose  ist  und  das  andere  von  der  überlieferten  lesart  abweichende 
zum  ausgangspunkt  der  emendation  gemacht  werden  muss.  Zu- 
dem ist  der  gedanke ,  welcher  durch  das  scholion  angedeutet 
ist,  der  gegensatz  der  gewissheit  nach  vollbrachter  that  zu  dem 
bangen  harren  des  mädchens  ((Xeivov  dfifis'vsi  v.  528)  während 
des  kampfes,  womit  der  hörer  ermahnt  wird,  nicht  die  thatsa- 
chen  leicht  anzuhören,  sondern  sich  in  den  zustand  des  ban- 
genden mädchens  zu  versetzen,  so  geeignet  und  so  trefflich, 
dass  man  nicht  begreift,  wie  noch  eine  ungewissheit  über  die 
bedeutung  des  scholions  oder  über  die  ächtheit  der  verse  527 — 
530,  die  zu  dem  gedanken  nothwendig  gehören,  obwalten  könne. 
Demnach  kann  keine  rede  mehr  sein  von  der  an  und  für  sich 
bedeutungslosen  änderung  syco  8s  fiazgog  xXvovca  <p£>«£a>,  welche 
Blaydes  in  den  text  gesetzt  hat.  Das  richtige  hat  allein  Härtung 
gesehen,  welcher  nach  jenem  scholion  iym  8s  iä  zegpaz'  ola 
yga^co  geschrieben  hat.  Ueberlieferung  und  metrum  verlangen 
nur,  dass  ^.äzrjg  (xlv  in  (xdv  zs'gfxazi  verwandelt  werde :  iyco  8s 
puv  isQuai*  ola  cpgd£a.  Der  scholiast  hat  olu  mit  nagslaa.  zä 
noXXä  erklärt ;  dies  ist,  richtig ,  wenn  darunter  die  verschiede- 
nen momente  des  kampfes  verstanden  werden.  —  Ebenso  ist 
z.  b.  in  v.  1262  cog  mijaqxov  zsXitog  atxovaiov  sgyov  das  scho- 
lion: oo g  ini%agzov  afia  xa\  dxovaiov  ngdyy,a  ytaqovaa,  höchst 
beachtenswerth  und  spricht  nicht  sehr  für  die  gewöhnlich  aufge- 
nommene änderung  zsXsova\  wenn  nicht  etwa  das  scholion  selbst 


294  161.  Sophokles.  Nr.  6. 

verdorben  und  für  %cogov6ct  gelesen  werden  muss  £y%eiQovoa. 
Auch  iu  diesem  falle  ist  vielleicht  atiXXovd  für  rsXswg  zu 
schreiben.  —  Da  der  scholiast  zu  der  heillos  verderbten  stelle 
v.  661  tag  nsi&ovg  nay^oiat^  ovyxga&elg  inl  ngoq>äaei  Orjgog 
bemerkt::  leinst  xb  ninXo^ 3  so  ist  es  kaum  statthaft  ninXco  in 
den  text  aufzunehmen.  Vielleicht  kann  aus  dem  scholion  8id 
ro  Tov  Nsoaov  yÜQixaxov  entnommen  werden,  dass  in  dem  un- 
brauchbaren 7vay%QiaT(p  enthalten  ist  näg  /<£,  womit  wir  das 
nöthige  Substantiv  gewinnen.  —  Dagegen  ist  es  bedenklich, 
aus  dem  scholion  zu  v.  243  :  dvoysvsig  (die  correctur  elytvstg 
ist  wohl  richtig)  ydg  doxovoiv  sirat ,  et  (itj  dga  /as  oqxzXXovaiv 
Ott  xax  avzdg  avpirpogni'  zovzsaziv  ,  st  firj  dga  Sid  ztjv  zvyr\v 
vnsdvo-av  zov  ofazor,  zu  schliessen,  der  scholiast  habe  ein  syno- 
nymum  von  svyevsTg  statt  oixTgai  gelesen.  Blaydes  hält  la&Xai 
oder  iQ^axal  für  die  einfachste  und  wahrscheinlichste  änderung  ; 
man  sieht  aber  nicht  ein,  wie  daraus  olxigat  werden  konnte; 
xsdvai  hätte  noch  einen  schein  der  Überlieferung  an  sich.  Al- 
lein der  zusatz  öia  zrjv  tvyriv  vTttdvaav  top  olxzov  zeigt, 
dass  auch  der  scholiast  olxzgai  gelesen  hat,  und  den  ge- 
dankenzusammenhaug,  iu  welchem  oixrgat  steht,  erkennt  man 
aus  v.  298 — 302  [olxzgai  cog  l£  svysvsazdzcov  doiXai  ysvöfxsvai),  — 
Mit  recht  ist  v.  866  $/«t  rtg  övx  uatjftov  dXXd  övgzv^  xmxvzov 
efoco  der  unrichtige  gegensatz  zwischen  darjpiov  und  dvazvp] 
hervorgehoben  und  das  scholion:  ov  uixgbv,  dXXd  fxiya  xui •  £%d- 
xovötov  ,  als  beweis  dafür  angeführt ,  dass  ursprünglich  etwas 
anderes  da  gestanden.  Aber  die  vermuthungen  diuqart],  fidXa 
(or  xa'i)  aayt],  xdfACput'f],  dXX''  dyav  aacptj  erklären  die  Überliefe- 
rung nicht.  Es  ist  wahrscheinlich  Övo&goov  für  dvatv^}]  zu 
schreiben.  —  Manchmal  wünschten  wir  die  textkritik  metho- 
discher gehandhabt.  So  wird  eine  methodische  kritik  durchaus 
verlangen  in  v.  602  sich  mit  der  trefflichen  emendation  von  Wun- 
der zovde  ravavcpTj  zu  befriedigen,  zumal  dieselbe  ihre  be- 
stätigung  im  scholion  ia%vovgyri ,  XsTtzovcptj  zusammengehal- 
ten mit  Hesychius  ,  Photius,  Suidas  findet.  V.  205  ff.  dürfte 
die  rücksicht  auf  poetischen  ausdruck  es  als  gerathen  er- 
scheinen lassen  von  6  fisXX6vvfiq>og  auszugehen  und  dazu  in 
döpotg  das  geeignete  Substantiv  zu  suchen.  Das  kann  aber 
kaum  azöXog  gewesen  sein ,  woran  Blaydes  unter  anderem 
denkt.   Das  von  mehreren  aufgenommene  öopog  6  /AeXXovvficpog  hat 


Nr.  6.  162.  Sophokles.  295 

eben  sowenig  einen  sinn  als  Ööpog  räv  [tEXXovvftqHov.  Wenn 
Aesch.  Ag.  594  yvvaixtioi  vo/xot  bXoXvypibv  .  .  sXuaxov  das  rich- 
tige ist,  dürfte  es  auch  hier  avoloXv^äroo  vöfiog  .  .  6  fA.sXXovv[x- 
cpog  („jungfrauengesang")  geheissen  haben.  —  Unter  den  er- 
klärungen  hebe  ich  die  zu  v.  1071  jtoXXolatv  in  many  respects 
hervor.  Die  erläuterung  zu  tioXXo'igiv  wird  durch  das  folgende 
oang  cüff7«  -ats  gegeben.  Für  unrichtig  halte  ich  die  erklärung 
von  Xsyog  v.  27,  von  iö  y  su  tzqÜggsiv  v.  92  (zu  to  act  rightly 
passt  absolut  intl  rzvüoizo  nicht),  von  dW  uxäßavrog  .  .  ßo- 
gia  v.  112  (der  genetiv  gehört  zu  xvuaza),  von  rtjg  £(x?jg  %£gög 
v.  603  (der  genetiv  gehört  zu  dägtjjxa,  aber  nicht  im  sinne  „das 
meine  hand  gegeben",  sondern  im  sinne  „das  meine  band  ge- 
arbeitet hat").  V.  178  ist  der  genetiv  ovußaivsi  "/gövov  tov  vvv 
nugövzog  ebenso  zu  fassen  als  wenn  es  hiesse  f.az\  oder  rvy%d- 
vei  ouaa  tov  vvv  nagövjo*  "ignvov.  V.  675  gibt  das  vielfach 
behandelte  ugy^za  (Jyomv  dgyTjTu)  einfach  die  Wirkung  zu  s^giov 
an  („ich  salbte  das  kleid  schimmernd  weiss"),  vgl.  v.  764.  Vs. 
810  hat  allein  der  scholiast  die  richtige  erklärung  von  ngo'v- 
ßaXeg:  7t g  6  i  s  g  a  trjv  üt/niv  äneggixpag;  ngb  hat  hier  dieselbe 
bedeutung  wie  Aesch.  Prom.  239  in  ngo&f'fAevog,  —  Dass  die 
auffassung :  all  tvhich  error s  of  the  copyists  (i/ro/t  fta&^aezai  und 
dgl)  had  their  origin  in  the  pronunciation  of  the  modern  Greeh, 
(zu  v.  615)  zu  beschränkt  ist,  zeigen  die  inschriften.  —  Doch 
wir  wollen  unsere  bemerkungen  nicht  fortsetzen.  Das  gegebene 
wird  genügen  zu  zeigen ,  welch  anregende  ,  fleissige  arbeit  wir 
in  diesem  neuen  werke  von  Blaydes  besitzen.  W. 

162.  Die  Antigone  des  Sophokles.  Ein  beitrag  zur  Anti- 
gone-litteratur  August  Boeckh  zum  todtenopfer.  Von  Leopold 
Seligmann.     8.     1869.     172   s.  —     1  thlr. 

„Inmitten  des  hellenischen  culturlebens ,  das  einst  unter 
Griechenlands  azurnem  himmel  der  sinnende  mensch  geschaffen, 
wo  die  phantasie  eine  ganze  götterweit  auf  den  Olympos  zu 
zaubern  im  stände  war,  wo  der  sänger  auf  der  lyra  seelenvoll 
der  thaten  der  alten  beiden  gedachte,  der  dichter  die  höchsten 
irdischen  ziele  verkündigte  und  der  denkende  geist  die  letzten 
fragen  der  menschheit  vor  seine  schranken  bannte,  sehen  wir 
vor  allem  zwei  ideen  bedeutsam  und  gewaltig  gleich  zwei  leit- 
sternen  hervorleuchten;  um  sie  concentrirt  sich  das  reichhaltige 


296  163.  Lysias.  Nr.  6. 

griechische  geistesleben ,  sie  bilden  die  beiden  brennpunkte  in 
dem,  was  der  dichter  schuf,  der  redner  vortrug  und  der  weise 
lehrte,  sie  erscheinen  als  zwei  sittliche  mächte,  deren  jede  für 
sich  ihren  antheil  an  dem  leben  der  Griechen  eifersüchtig  wahr- 
nimmt, und  welche  beide  die  Sorgfalt  für  ihre  interessen  jedem 
individuum  gebieterisch  auferlegen,  das  sind  die  ideen  der  fa- 
milie  und  des  Staates".  Mit  dieser behauptung  beginnt  der 
systematische  theil  des  buches  (p.  110).  Wem  sie  gefällt,  der 
möge  die  schritt  lesen;  wer  darin  nur  Unklarheit  und  schwulst 
des  gedankens  sieht,  der  hat  nach  unserer  meinung  den  Cha- 
rakter des  ganzen  buches  erkannt,  das  allerdings  ein  beitrag 
zur  Antigone-litteratur  ist,  aber  ohne  schaden  für  das  ver- 
ständniss  der  Antigone  ungelesen  bleiben  kann.  Es  enthält  im 
grund  genommen  nichts  weiter  als  eine  verwässerung  der  von 
Boeckh  aufgestellten  ansieht  über  den  grundgedanken  der  An- 
tigone. Im  übrigen  offenbart  der  Verfasser  nur  sinn  für  die 
Hegel'sche  construetion ,  nicht  für  die  historische  entwicklung 
der  tragödie  trotz  des  historischen  theils  der  schrift,  welcher 
„eine  einleitung  zum  griechischen  draraa"  giebt  und  die  ver- 
schiedenen ansichten,  welche  über  die  Antigone  laut  geworden 
sind,  unter  andern  die  von  Gruppe,  Klein,  E.  Wagner  und  Ei- 
nette  Homberg  behandelt  und  kritisiert.  Gelegentlich  wird  in 
diesem  theile  Boeckh  gegen  den  Vorwurf  hartnäckigen  festhal- 
tens  an  angenommenen  meinuugen  vertheidigt.  Neues  dürfte 
darin  nur  die  ableitung  des  Wortes  tragödie  „von  zQiiyog  bock 
lind  oldico  oder  olddco  =  singen"  (p.  13)  enthalten.  Zum  lobe 
des  buches  sei  gesagt,  dass  es  gut  und  geschmackvoll  geschrie- 
ben ist. 

W. 

163.  De  quibusdam  locis  XX  orationis  Lysiacae  scr.  Dr. 
Hoff  meist  er.     4.     Stargard.  (schulprogramm)  1872. 

Dass  diese  rede  nicht  von  Lysias  sei  ist  schon  vielfach 
ausgesprochen  worden ,  und  Hoffmeister  macht  mit  recht  gel- 
tend, dass  dieses  sich  auch  sofort  aus  dem  mangel  an  disposition 
ergebe.  Entscheidend  aber  ist,  denke  ich,  der  umstand,  dass 
die  rede  nur  wenige  jähre  nach  Vertreibung  der  Vierhun- 
hundert,  also  spätestens  ins  jähr  406  fällt,  während  Lysias 
sich  damals  noch  nicht,    sondern    erst   seit  403    als   logograph 


Nr.  6.  163.  Lysias.  297 

bethätigte.  Dass  sie  aber  weder  eine  deuterologie  noch  im  ein- 
gangs verstümmelt  ist,  muss  man  zugeben.  Daraus  folgt  jedoch 
nicht  dass  sie  eine  blosse  fiction  sei,  wie  Hoffineister  mit  dem 
ausdruck  qui  orationem  habuisse  fingitur  andeutet;  im  gegentheil 
führen  die  darin  enthaltenen  thatsachen  zu  der  annähme  ,  dass 
ßie  wirklich  gehalten,  wenigstens  für  den  Vortrag  geschrieben 
wurde,  wie  auch  Herbst  „die  schlacht  bei  den  Arginusen''  p.  76  ff. 
unbedenklich  annimmt,  während  Hoffmeister  den  Verfasser  wieder- 
holt einen  Uro  nennt,  so  dass  man  glauben  könnte,  er  bezeichne 
damit  das  Übungsstück  eines  schülers  der  rhetorik.  Allerdings 
enthält  die  rede  manch  seltsames,  lacken  in  der  beweisführung, 
weniger  geschickte  Verbindung  der  gedanken ,  was  zwar  wohl 
theilweise  aber  keineswegs  überall  auf  spätere  corruption  des 
textes  zurückgeführt  werden  kann. 

Hoffmeister  behandelt  im  programm  nur  die  ersten  sechs 
Paragraphen  und  weist  darin  scharfsinnig  viel  anstössiges  nach, 
ist  hier  aber  bisweilen  auch  zu  weit  gegangen.  Gleich  §.  1: 
„Mich  dünkt  ihr  sollet  nicht  zürnen  dem  manne  der  400", 
alka  Tolg  egyoig  ivicov,  missbilligt  er  spCcov,  dem  wenigstens  noch 
ttizäv  beizufügen  war.  Aber  dieses  uvz&v,  nämlich  der  400, 
versteht  sich  von  selbst,  und  der  Sprecher,  dessen  greiser  vater 
Polystratos  selbst  einer  der  400  gewesen  war,  redet  natürlich 
von  dem  ganzen  collegium  nicht  mit  höchster  erbitterung,  son- 
dern begnügt  sich  mit  ivicov.  Im  folgenden:  oi  /jsv  ytio  imßov- 
Xevactvzeg  ijaar  uvicHv ,  oi  ö'  tva  (atjzs  ttjv  nöliv  (irßsv  xaxov 
igydaaivTO  f*Tj&'  vpäv  ju^SfV«,  äXX  evioi  ovrsg  üarß.&ov  eig  ib 
ßovlevz/jQiov,  ist  zwar  qaav  unmöglich ,  weil  für  beide  subjecte 
eiarjX-dov  prädicat  sein  muss ,  weswegen  ich  vyilv  für  ?jcsav 
schreibe,  aber  im  zweiten  gliede,  wo  man,  wie  Hoffmeister  be- 
merkt, oi  8'  ov%  'Iva  ri  —  tj  erwarten  sollte,  findet  doch  der 
text  einige  entschuldigung,  weil  die  absieht  beider  vorangestellt 
wird:  sie  traten  in  den  rath,  die  einen  mit  schlimmen  absich- 
ten  gegen  euch,  die  andern  um  weder  dem  Staate  noch  einzel- 
nen schlimmes  zuzufügen,  sondern  mit  wohlwollenden  gesinnun- 
gen  (also  um  zum  guten  zu  rathen).  Eine  grosse  Unklarheit 
deckt  Hoffmeister  §.  2  auf.  Im  §.  1  war  von  den  400  die 
rede,  von  denen  einer  Polystratos  war.  Nun  folgt  §.  2  olzog 
yag  i)Qsdt]  (isv  vno  täv  (pvXezüv.  So  sollte  man  glauben,  er 
sei  von  den  genossen  seiner  phyle  unter  die  400  gewählt  wor- 


298  163.  Lysias.  Nr.  6. 

den.  Das  ist  aber  falsch,  da  die  400  von  den  probulen  (Thucyd. 
VIII,  67)  gewählt  wurden,  von  den  phylen  aber,  von  jeder  ei- 
ner oder  zwei  xazaXoysig,  welche  die  5000,  die  den  dijfiog  reprä- 
sentiren  sollten,  zu  wählen  hatten,  wie  man  aus  §.  13  ersieht 
(vgl.  Herrn.  Staatsalt.  §.  157,  11).  Nun  ist  es  aber  dem  Spre- 
cher darum  zu  thun  ,  dass  sein  vater  volksfreundlich  war,  und 
als  schlagenden  beweis  dafür  führt  er  an,  dass  er  von  den  ge- 
nossen seiner  phyle  (als  xaraXoyEv'i)  gewählt  wurde.  Jetzt 
zeigt  sich,  dass  das  störende  yäg  sich  auf  einen  ausgefallenen 
satz  beziehen  muss  etwa  von  folgendem  inhalt:  neu.  ort  toiov- 
rog,  nämlich  sttovg,  fjvf  yvcoasa&s  ixd&sv.  So  ist  der  weitere 
verlauf  klar,  und  an  f*h>  nach  gQs&r]  und  dem  ihm  entspre- 
chenden dV  in  xarrjyoQovat  8s  avzov  nicht  mit  Hoffmeister  an- 
stoss  zu  nehmen.  Allerdings  könnte  man  dann  statt  algsüetg 
wegen  avzov  erwarten  algs&svTog,  allein  hier  bat  Hertlein  durch 
einsetzung  von  6  vor  aigsOsig  trefflich  geholfen ,  indem  so  ein 
contrast  entsteht  etwa  wie:  was?  er  sollte  nicht  volksfreundlich 
sein!  er  der  gewählt  wurde  von  den  genossen  seiner  phyle,  die 
über  sich  selbst,  d.  h.  über  die  mitglieder  ihrer  genossenschaft 
wohl  am  besten  urtheilen  können,  wo  Hoffmeister  auch  an  ksqi 
aquäv  aviäv  unnöthig  anstoss  nimmt.  —  §.3  ist  allerdings  ov- 
rng  8s  unerträglich ,  weil  von  Polystratos  nicht  im  gegensatz 
zu  einem  anderen  die  rede  ist.  Dem  aber  wird  abgeholfen  durch 
ovTog  5?/,  da  auf  das  vorausgehende  nothwendig  bezug  zu  neh- 
men ist:  „dieser  also",  nämlich  der  so  gewählte.  Polystratos  aber 
war  damals  ein  greis  von  wenigstens  siebenzig  jähren.  Ich  sage 
wenigstens,  damals  wird  er  über  achtzig  gewesen  sein.  Denn  wenn 
es  §.  10  heisst ,  in  siebenzig  jähren  habe  er  sich  gegen  das 
volk  in  nichts  verfehlt,  so  kann  man  die  jähre  der  kindheit  doch 
nicht  unter  den  siebenzig-  verstanden  denken.  Jetzt  folgt  pas- 
send die  frage :  weshalb  sollte  er  nach  Oligarchie  gestrebt 
haben?  Etwa  weil  er  das  kräftige  alter  hatte  (womit  ver- 
muthlich  auf  schwäche  seiner  stimme  hingedeutet  wird)  mit  re- 
den etwas  durchzusetzen,  oder  um  im  vertrauen  auf  seine  kör- 
perstärke einem  von  euch  gewalt  anzuthun  ?  An  der  formi- 
rung  der  Satzglieder  können  wir  nicht  so  viel  anstoss  nehmen, 
und  wenn  Hoffmeister  sagt :  fretns  ülorum  (der  400)  potentia  ta- 
lia  committere  putandus  est,  so  ist  was  das  reden  betrifft  schon 
darauf  geantwortet  und  das  körperliche  gewaltüben  ist  gerade  nur 


Nr.  6.  163.  Lysias.  299 

als  absurde  annähme  hinzugefügt.  Eichtig  ist  aber  des  vf.  tadel 
§.  4,  wo  er  sagt  claudicant  verba  rj  zäv  naCÖmv.  Aber  das  clau- 
dicare  hört  auf,  wenn  wir  interpungireu  to  vfiSTsgov.  r\  zmv  naC- 
8av ;  (nämlich  tiexa),  wo  dann  freilich  statt  ö  ph  yug  zu  schrei- 
ben wäre  alV  6  (xh  yug.  §.  5  bringt  Hoffmeister  selber  die 
richtige  Verbesserung  mit  einsetzung  von  xat  vor  oliyag.  Be- 
treffend dann  die  thatsächlichen  Verhältnisse  in  §.  5,  so  wer- 
den dieselben  als  allbekannt  nicht  einzeln  erwähnt,  aber  so  viel 
ist  klar:  der  vater  wurde  für  keine  der  beamtungen,  die  er 
unter  den  400  führte,  wohl  aber  für  anderes  (§.  12  und  13) 
verklagt,  weswegen  der  söhn  sagen  darf,  keiner  könne  nach- 
weisen on  ov  xaläg  tjq£sv,  verurtheilt  aber  wurde  er,  wie  es 
in  bausch  und  bogen  vielen  geschab ,  weil  er  unter  den  400 
gewesen  war,  und  um  eine  beträchtliche  summe  gebüsst  (§.  18). 
Jetzt  ist  er  von  sykophanten ,  die  auf  den  rest  seines  Ver- 
mögens speculiren,  zum  zweitenmale  verklagt  und  wird  zu- 
dem noch  atimie  gegen  ihn  beantragt,  die  auch  wie  der  ver- 
vermögensverlust  seine  drei  söhne  mitbetreffen  würde  (§.  35. 
36).  Bei  diesem  ungeregelten  verfahren  in  stürmischen  zeiten 
begreift  es  sich,  dass  Polystratos  nicht  dazu  kam  als  beste  recht- 
fertigung  sv&vvag  buvvai  über  seine  äg%ai,  und  da  er  den  Verhand- 
lungen der  400  nur  acht  tage  lang  beiwohnte  (§.  10),  dann 
aber  die  agxv  in  Oropos  übernahm,  so  konnte  der  söhn  (§.  6) 
behaupten,  dass  der  vater  weder  die  staatsinteressen  schädigte 
[rjQovdcoxe)  noch  eine  Verfassungsänderung  herbeiführte.  Hoff- 
meister sucht  die  vulgate  ovzs  ngoidaxa  v,  a  )  sztgav  TtoXirsiav 
xaTtOTtjoe  dadurch  aufrecht  zu  erhalten,  dass  er  nv  rs.  trennt, 
damit  sich  rs  auf  v.ai  beziehe.  Das  ist  aber  syntaktisch  un- 
möglich und  eher  mit  Taylor  ovrs  statt  '/,al  zu  schreiben. 

Der  Verfasser  der  rede  ist  allerdings  in  der  anordnung  des 
Stoffes  nicht  geschickt  und  man  muss  mancher  scharfsinnigen  be- 
merkung  Hoffmeisters  recht  geben,  aber  darum  ist  es  doch 
keine  fingirte  schulrede,  in  welcher  ohne  zweifei  die  anordnung 
geschickter  ausgefallen  wäre,  sondern  sie  ist  für  den  wirklichen 
fall  geschrieben.  Da  Hoffmeister  viele  andere  fehler  in  den 
folgenden  §§  ein  andermal  zu  behandeln  in  aussieht  stellt, 
so  füge  ich  als  beisteuer  noch  folgende  eigne  emendationsvor- 
schläge  hinzu.  §.  7  statt  ol  8s  ov%  vtisfisivav  lies  ot  ovi  vniyihi- 
vav  (sondern  Athen  verliessen),    wo  dann  6  ö°  ^yovfxevog  richtig 


300  164.  Lucretius.  Nr.  6. 

folgt.  §.  8  sl  v/xiv  fisv  svvot  rjaav,  ixsivoig  (den  400)  de  ovx 
änrndärovzo  ist  oi  statt  et  zu  lesen,  so  hat  man  nicht  nöthig 
mit  Scheibe  ovx  in  [ttj  zu  verwandeln.  §.  9  dürfte  wohl  zu 
lesen  sein  mors  nmg  ov  Qadi'cog  [teiiort]  vfilv  r\  noXCzsia;  §.  12 
ovo'  slatjveyxsv  avtco  to  aoyvotov :  es  ist  von  einer  geldbusse 
die  rede,  zu  der  Polystratos  dem  Phrynichos  keinen  beitrag 
leistete,  also  zo  zu  streichen.  §.  16  schreibe  ich:  drjXoi  vpiv 
oiog  tjv,  og,  e'i  nsg  n.  §.  19  nach  sl  fiev  fy'vog  zig  sX&cov  scheint 
sv  noi/jöag  oder  Xe'ycov  sv  noirjoai  ausgefallen  und  dann  statt 
öooasze  ijfiäg  avzovg  zu  schreiben  Scoaezs  iftäg  sv  noii\aavzag 
oder  auch  noiqaaGiv.  §.  23  schlage  ich  vor  oacov  sdsi  oidsfiiag, 
worauf  cod.  X  mit  oacov  ov  de  (nag  zu  führen  scheint.  Mit 
recht  schreiben  §.  34  Westermann  und  Scheibe  nach  Hirschig 
rovg  ts  naldctg  öf'  avzöv  statt  vulg.  xai  avzöv.  dann  wird  aber 
auch  consequeut  §.35  geschrieben  werden  müssen  TjfASig  de  zbv 
nazsga  zovzovl  oV  ftfuäg  (statt  neu  fjfiäg)  i^aizovfxs&a ,  weil  sich 
die  söhne  in  kriegszügen  verdient  gemacht  haben.  Kurz  vor- 
her aber  tilgt  Kayser  tjpäg  nach  i^aizovvzai  mit  recht. 

R.  Rauchenstein, 

164.  Lucrez  im  verhältniss  zu  Catull  und  späteren.  Nebst 
beitragen  zur  kritik  und  erklärung  des  Lucrez.  Von  Dr  Ju- 
lius Jessen.  4.  24  s.  Programm  der  Kieler  gelehrtenschule. 
1872. 

Bekanntlich  liegt  über  dem  leben  des  Lucrez,  mit  aus- 
nähme der  beiden  äussersten  punkte  desselben  völliges  dunkel 
und  auch  die  äussere  geschichte  seines  gedichtes  ist,  ebenfalls 
mit  ausnähme  zweier  in  demselben  enthaltenen  fingerzeige  bis- 
her ein  räthsel  geblieben.  Combinationen  irgend  welcher  art, 
wodurch  ein  wenn  auch  nur  schwacher  lichtstrahl  auf  dichter 
oder  gedieht  geworfen  werden  könnte,  sind  deshalb  dankbar  zu 
begrüssen.  Eine  solche  ist  von  Munro  insofern  aufgestellt,  als 
er  nachzuweisen  versucht,  dass  das  gedieht  des  Lucrez  einen 
nachahmer  in  Catull  gefunden  habe.  Liesse  sich  die  behaup- 
tung  fest  begründen,  so  gewännen  wir  damit  einen  zuverlässi- 
gen anhält  für  die  zeit  nicht  nur  der  herausgäbe  des  lucrezi- 
schen  lehrgedichts ,  sondern  auch  der  abfassung  derjenigen  ge- 
dichte  des  Catull,  welche  dem  Lucrez  nachgeahmt  sein  sollen. 
Leider  aber  besteht  die  behauptung  Munro's,  wie  Jessen  gründlich 


Nr.  6.  164.  Lucretius.  301 

und  mit  berücksichtigung  aller  einschlagenden  momente  erweist, 
die  probe  nicht.  Die  scheinbaren  entlehnungen,  welche  Munro 
im  64  gedieht  des  Catull  aufzählt,  erklären  sich  aus  der  gleich- 
heit  der  Sprachmittel  und  des  poetischen  Sprachschatzes  jener 
zeit,  die  einestheils  mit  den  überkommenen  Schöpfungen  früherer 
dichter  bei  ihren  Studien  wirthschaftete,  also  aus  denselben  ge- 
meinsam und  ohne  bewusste  benutzung  des  einen  durch  den 
andern  entlehnte,  anderntheils  bei  dem  lebendigen  austausche 
der  dichtergesellschaften  (mag  nun  Lucrez  denselben  ange- 
hört haben  oder  nicht)  bestimmte  formen  und  ausdrücke  schuf, 
an  die  sich  die  einzelnen  dichter  je  nach  ihrer  grösseren  oder 
geringeren  Selbständigkeit  mehr  oder  weniger  anlehnten.  Den- 
noch müsste  es  allerdings  wunder  nehmen,  wenn  sich  entschie- 
dene ähnlichkeiten  mit  dem  lucrezischen  gedichte  nur  in  jenem 
einen  gedichte  des  Catull  fänden ,  in  den  andern  aber  nicht ; 
allein  Jessen  beweist  mit  vollkommener  klarheit,  dass  sich  de- 
ren auch  in  den  übrigen  liedern  Catull's  eine  leidliche  anzahl 
nachweisen  lassen,  und  er  hätte  in  beziehung  auf  andere  Über- 
einstimmungen beider  dichter  diese  anzahl  mit  benutzung  von 
M.  Haupt's  Observatt.  critt.  pag.  12.  16.  17.  35.  36  noch  ver- 
mehren können.  Wenn  trotzdem  Jessen,  indem  er  das  resultat 
seiner  kritik  der  Munro'schen  behauptung  zieht,  nicht  so  weit 
geht,  jegliche  beziehung  der  beiden  dichter  auf  einander  ent- 
schieden in  abrede  zu  stellen,  sondern  sich  darauf  beschränkt, 
die  nachahmung  des  Lucrez  durch  Catull  nur  für  die  episode 
des  Theseus  und  der  Ariadne  im  Epithalamium  Thetidos,  wie  sie 
Munro  behauptet ,  positiv  abzuweisen ,  im  übrigen  eine  solche 
als  nicht  nachweisbar,  ja  als  höchst  zweifelhaft  zu  bezeichnen, 
so  wird  jeder  besonnene  angesichts  der  höchst  trümmerhaften 
Überlieferung  der  älteren  römischen  litteratur  dem  nur  beistim- 
men können  *). 

Deutlicher  ist,  wie  Jessen  von  p.  15  an  nachweist,  der 
einfluss  des  Lucrez  auf  die  Schriftsteller  der  augusteischen  zeit. 
Für  Horaz  ist    die    parodirende    nachahmung  (Sat.  I,  6,  4)  des 

l)  Auf  p.  12  macht  Jessen  auf  eine  reminiscenz  aus  Vergil  (Aen. 
I,  37)  bei  Petron  (de  bello  civ.  82  und  83  p.  158  Buch.),  die  bisher 
nicht  bemerkt  wurde,  aufmerksam.  Wenn  er  aber  ebendaselbst  mens 
animi  bei  Catull  und  Lucrez  anführt,  so  konnte  der  gedanke  an  eine 
nachahmung  von  Seiten  des  ersteren  schon  mit  Schömann's  bemer- 
kung  (opusc.  acad.  IV,  356)  entschieden  beseitigt  werden. 


302  164.  Lucretius.  Nr.  6. 

Lucrez  (III ,    1039) ,    auf  welche   ten  Brink  (Mnemosyne   IV, 
181)  aufmerksam  machte,  vergessen.     Was  ferner  über  ein  bis- 
her übersehenes  citat   aus  Lucrez    bei  Boetius  (Arithmet.  II,  1) 
bemerkt  wird  (Jessen  will  die  stelle  als  glosse  ausscheiden),  dar- 
über lässt  sich  rechten,  wie  denn  Jessen  selbst  verschiedene  mög- 
lichkeiten  einräumt.      Wenn    von   mehrfachen    erwähnungen  des 
Lucrez  oder  aus  Lucrez  bei  Tertullian  geredet  wird,  so  ist  mir 
nur  die  eine  de  anima  5,  welche  Jessen  anführt,    bekannt,  und 
diese  ist  von  der  art,  dass  der  verdacht  einer  interpolation  schon 
aus  sprachlichen  gründen  nahe  liegt.     Zum  schluss  (p.  17 — 21) 
wendet   sich  Jessen    zu  Arnobius,    bei    welchem   unter  sämmtli- 
chen  uns  erhaltenen  Schriftstellern    die  nachahmung  des  Lucrez 
am  evidentesten   hervortritt.      Er    geht  aus  von  meinem  artikel 
„Arnobius    und  Lucrez"  (Philolog.  XXVI,    362,    nicht  XXVII, 
wie    bei  Jessen  verdruckt   ist)    und    kritisirt    zunächst    die    dort 
ausgesprochene  ansieht,  dass  das  Studium  des  Lucrez  für  Arno- 
bius der  vermittelnde  Übergang  vom   heidenthum    zum  christen- 
thum  geworden  sei.      Bei    dieser    gelegenheit    wird    mit    vollem 
recht  bemerkt,    dass  die  von  mir  angezogene  stelle    des  Hiero- 
nymus   für  den  epikuraismus  des  Arnobius  nichts  beweise.     Al- 
lein selbst  wenn  man    dieses  zeugniss  zunächst   fallen   lässt,    so 
bleibt  doch  nicht    minder   sicher   die   behauptung    stehen ,    dass 
Arnobius    in   der    Zwischenzeit    zwischen    seinem    entschiedenen 
heidenthum    und   seinem    Übergang   zur  christlichen  lehre  ,,auch 
philosophische  Studien  getrieben ,    und    zwar    sich    häuptsächlich 
der    epikuräischen   philosophie  hingegeben  habe" ;     denn  dass  er 
diese  philosophie  nur  aus  Lucrez  kennen  lernte,  das  kann  doch 
bei    seiner    ganz    entschiedenen     nachahmung     desselben    nicht 
ernstlich    bezweifelt   werden.      Ich    sage    „in    der  Zwischenzeit". 
Denn  wenn  Jessen   in   den    worten   des  Hieronymus  eine  plötz- 
liche bekehrung    des  Arnobius  angedeutet   finden  will,    so  weist 
doch  das  compelleretur   auf   ein    entschiedenes  sträuben  des  apo- 
logeten  gegen  das  bekenntniss  des  christenthums  hin,    und  dass 
wiederholte    träume    ihn  endlich  zur  gläubigkeit  brachten  ,    lässt 
sich    doch    schwerlich    eine    plötzliche    bekehrung    nennen ,    wie 
denn  auch  Jessen  selbst  die  träume  als  vermittelung   zum  über- 
gange anerkennt.      Und  wenn    nun  dieses  schwanken  bei  Arno- 
bius herrschte,  so  war  es  doch  so  lange  ein  schwanken  zu  gun- 
sten  des  epikuraismus,    bis    die    träume   den   ausschlag  für  das 


Nr.  6.  164.  Lucretius.  303 

christenthum  gaben.  Ferner  erklärt  Jessen  seine  Übereinstim- 
mung mit  mir  in  dem  punkte  ,  dass ,  wenn  Arnobius  von  sich 
sagt,  er  sei  nuper  noch  beide  gewesen,  damit  nicht  gemeint  sei, 
er  sei  es  noch  ganz  vor  kurzem  gewesen.  Nun  meldete  sich 
aber  Arnobius  sicherlich,  sobald  sein  sträuben  durch  die  träume 
überwunden  war,  alsbald  bei  dem  bischofe  zur  aufnähme  in  die 
gemeinde  und  schrieb,  als  er  von  diesem  abgewiesen  wurde,  si- 
cherlich im  dränge  des  neulings  bald  darauf  seine  bücher  ad- 
versus  nationes  (wie  schon  elucubravit  bei  Hieronymus  andeu- 
tet), und  zwar  gewiss  das  erste  buch ,  in  dem  sich  die  frag- 
liche stelle  findet,  zuerst.  Jessen  würde  also  bei  seiner  ansieht 
nuper  doch  wohl  im  sinne  der  nächsten  Vergangenheit  auffassen 
müssen.  Was  endlich  gegen  meine  combination  der  umstand 
bedeuten  soll,  dass  Arnobius  nicht  den  Epicur,  sondern  Aesculap, 
Baccbus  und  Hercules  mit  Cbristus  vergleicht,  will  mir  nicht  ein- 
leuchten. Einestheils  nämlich  ist,  wie  Jessen  selbst  zugesteht,  die 
lobrede  auf  Christus  bei  Arnobius  der  lobrede  auf  Epicur  bei  Lucrez 
entschieden  entlehnt,  anderntheils  erscheinen  die  genannten  göt- 
ter  bei  Arnobius  und  Lucrez  ganz  in  derselben  weise  :  der  eine  ver- 
gleicht dieselben  mit  Epicur,  der  andere  mit  Christus,  beide  aber 
so,  dass  sie  gegen  die  Verdienste  ihrer  gefeierten  in  den  hinter- 
grund  treten.  Also  abermals  eine  nachahraung  der  lobrede  auf 
Epicur  zum  zweck  einer  lobrede  auf  Christus.  Schreibe  man 
das  immerhin  auf  rechnung  der  masslosigkeit  des  rhetors  Ar- 
nobius. Um  desto  weniger,  sollte  ich  denken,  hätte  man  grund 
zu  der  ansieht,  welche  Jessen  halb  zweifelnd  ausspricht,  dass 
dieser  Arnobius  den  straffen  und  einfachen,  körnigen  und  flos- 
kellosen Lucrez  mehr  als  stilmuster  als  wegen  des  epicuräi- 
sehen  inhalts  studirt,  der  homo  confusus,  wie  ihn*  Hieronymus 
nennt,  den  streng  ordnenden  denker  zum  muster  für  seine  dar- 
stellung  gewählt  habe.  Gern  gebe  ich  zwar  Jessen  zu,  dass  er 
mit  seinen  gegengründen  meine  ansieht  zu  einer  blossen  com- 
bination herabgedrückt  hat.  Allein  wie  man  die  vorliegenden, 
höchst  auffälligen  thatsachen  anders  vereinigen  könne  als  durch 
die  annähme,  dass  Arnobius  vor  seinem  christenthum  anhänger 
der  epicuräischen  philosophie  gewesen,  gestehe  ich  nicht  einzu- 
sehen. Der  christliche  neuling,  vollends  der  durch  träume  trotz 
seinem  widerstreben  zum  christenthum  genöthigte,  konnte  doch 
nur  dann  die  lucrezische  lobrede  auf  Epicur  auf  Christus  über- 


304  165.  Martialis.  Nr.  6. 

tragen,  wenn  er  den  ersteren  als  eine  grossartige,  verehrungs- 
würdige persönlichkeit  ansah ,  und  vollends  in  einem  buche, 
welches  die  abneigung  des  bischofs  gegen  den  neubekehrten 
früheren  Verfolger  der  christlichen  lehre  zu  beseitigen  bestimmt 
war.  Dagegen  will  es  nichts  besagen ,  dass  Arnobius  hie  und 
da  (ich  hatte  bereits  selbst  p.  366  auf  diesen  punkt  ausdrück- 
lich hingewiesen)  seine  abweichung  von  einigen  lehren  Epicurs 
scharf  äussert:  er  war  ja  eben  Christ  geworden  und  hatte  das 
von  seinem  neuen  glaubensbekenntniss ,  so  weit  er  dasselbe 
kannte,  entschieden  abweichende,  wie  die  zufällige  entstehung 
der  weit,  die  Sterblichkeit  der  seele,  abzulehnen.  —  Neue  nach- 
weise von  nachahmungen  des  Lucrez  durch  Arnobius  nebst  ei- 
ner reihe  conjecturen  zu  dem  letztern ,  freilich  meistens  schon 
von  frühern  bearbeitern  gemacht,  schliessen  diesen  abschnitt.  — 
Zu  den  nachahmern  des  Lucrez  hätte ,  wie  nächstens  im  Philo- 
logus  erscheinende  andeutungen  zeigen  werden  ,  auch  Minucius 
Felix  gerechnet  werden  können.  Die  letzten  seiten  nehmen 
verbessungsvorschläge  nebst  einigen  gelungenen  erklärungspro- 
ben  ein.  —  Die  freunde  des  Lucrez  wie  des  Arnobius  werden 
mit  dem  referenten  dem  Verfasser  der  vortrefflichen  gelegenheits- 
schrift  dank  wissen. 

Ernst  Klussmann, 

165.  De  personis  a  Martiale  commemoratis.  Dissertatio 
inauguralis.  Scr.  Paul  Griese.  8.  Gryphiswaldiae.  1872.  37  pp. 

Der  von  Mommsen  verfasste  index  Plinianus,  den  sich  der 
Verfasser  dieser  schrift  zum  muster  genommen ,  hat  in  ausge- 
zeichneter weise  gezeigt,  wie  werthvoll  solche  arbeiten  für  das 
verständniss.  der  Schriftsteller  und  für  die  geschichte  der  zeit, 
welcher  dieselben  angehören,  sein  können.  Aber  allerdings  wird 
die  bedeutung  derselben  eine  sehr  verschiedene  sein ,  je  nach- 
dem die  genannten  personen  ein  grösseres  oder  geringeres  in- 
teresse  verdienen  und  Martial  kann,  wie  der  Verfasser  selbst  be- 
merkt, in  dieser  hinsieht  den  vergleich  mit  Plinius  auch  nicht 
entfernt  aushalten,  da  die  mehrzahl  derselben  den  unteren  schich- 
ten der  römischen  gesellscbaft  angehört  und  nur  verhältniss- 
mässig  wenige  hervorragende  persönlichkeiten  in  seinen  poe- 
sien  uns  entgegentreten.  Es  kommt  hinzu,  dass  Martial  nach 
seinem  eigenen  zeugniss    in    der  regel  fingirte  namen  gebraucht 


Nr.  6.  165.  Martialis.  305 

hat,  um  sich  mit  seinen  bissigen  angriffen  nicht  persönliche 
Unannehmlichkeiten  zuzuziehen,  und  da  es  nur  in  den  seltensten 
fällen  möglich  ist,  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  die  wahren  na- 
men  zu  eruiren,  so  entziehen  sich  dieselben  vollständig  histori- 
scher benutzung.  Schon  aus  diesen  gründen  würde  die  vorlie- 
gende arbeit  keine  grosse  bedeutung  beanspruchen  können ;  es 
wäre  jedenfalls  zweckmässig  gewesen,  wenigstens  noch  den 
gleichzeitigen  Statius  heranzuziehen,  da  vielfach  hochgestellte 
personen  bei  beiden  als  gönner  der  dichter  auftreten,  wie 
dies  Friedländer  (Sittengeschichte  3,  396  ff.:  die  gönner  und 
freunde  des  Martial  und  Statius)  auch  gethan  hat.  Wenn 
sich  der  verf.  trotzdem  veranlasst  sah ,  einen  personalindex 
nur  zu  Martial  zu  liefern,  so  würde  man  mindestens  erwarten, 
neue  aufschlüsse  über  die  schon  von  anderen  besproche- 
nen persönlichkeiten  von  ihm  zu  erhalten :  aber  bis  auf  ver- 
schwindend wenige  eigene  vermuthungen ,  die  theilweise  sogar 
sicher  verfehlt  sind  (wie  z.  b.  die  zurückführung  der  Petiliana 
regna  XII,  57  auf  den  Schreiber  L.  Petil(l)ius,  auf  dessen 
acker  a.  573,  also  fast  300  jähre  bevor  Martial  sein  zwölftes 
buch  verfasste,  die  untergeschobenen  Schriften  des  Numa  gefunden 
wurden),  beschränken  sich  die  gegebenen  notizen  auf  das,  was 
schon  von  Mommsen,  Friedländer  oder  in  der  Pauly'schen  En- 
cyclopädie  zusammengestellt  ist.  Selbst  sehr  naheliegendes  ist 
übersehen ,  wie  die  wichtige  inschrift  des  berühmten  wagenlen- 
kers  Scorpus  (Gruter  337),  in  der  sein  voller  name:  Flavius 
Scorpus  (er  war  ohne  zweifei  von  Domitian  freigelassen  wor- 
den) und  die  ungeheure  zahl  seiner  siege,  2048,  aufgeführt  ist. 
Auch  gegen  die  anordnung  liesse  sich  manches  einwenden;  dass 
die  reges  et  imperatores  von  den  privati  getrennt  sind,  ist  ge- 
wiss zu  billigen ,  wie  es  auch  Mommsen  in  seinem  index  ge- 
than hat ;  aber  es  ist  dann  eigenthümlicb,  unter  den  privati  den 
Iulus  filius  Aeneae  zu  finden.  Ferner  wäre  es  meines  erach- 
tens  durchaus  nothwendig  gewesen,  die  unzweifelhaft  fingirten 
namen  von  den  echten  zu  sondern  und  über  die  verschiedenen 
kategorien  derselben,  die  meistentheils  keineswegs  zufällig  ge- 
wählt sind,   wie  Afer,  Bithynicus,  Ponticus,  Sabellus  oder  Oporinus, 

Chirnerinus  u.  a.  m.   einige    erläuternde    worte  vorauszuschicken. 
Einzelne    versehen     wären    mehrfach    zu    berichtigen,    wie 

beispiels    halber:    Cinna,    Cinnamum   se  appellari  voluit,    die    sa- 
Philol.  Anz.  V.  20 


306  166.  Sallustius.  Nr.  6. 

che  gerade  umdreht,  da  Cinna  der  römische  name  ist,  Cinnamus 
den  freigelassenen  kennzeichnet  (vgl.  VII,  64:  tonsor  Cinnamus 
dominae  munere /actus  eques ,  der  wahrscheinlich  identisch  ist); 
jedoch  ist  es  zeit  abzubrechen  und  das  gesagte  dürfte  genügen, 
um  darzuthun,  dass  eine  solche  arbeit  in  keiner  weise  geeignet 
ist,  den  mangel  eines  onomasti'cum  zu  den  Schriftstellern  der 
kaiserzeit  weniger  fühlbar  zu  machen.  o  —  d. 

166.  De  Sallustio  imitatore  Thucydidis  Demosthenis  alio- 
rumque  scriptorum  Graecorum.  Dissertatio  philologica  quam 
.  .  defendet  auctor  Silvius  Dolega.  8.  Vratislaviae  (1871). 
IX  u.  59  pp. 

Das  verhältniss  des  Sallustius  zu  seinen  griechischen  mu- 
stern verdiente  eine  zusammenfassende  Untersuchung,  nachdem 
bisher  nur  gelegentlich  darüber  gehandelt  worden  war  und  le- 
diglich die  beziehung  zu  Thucydides  eine  eigene  betrachtung 
gefunden  hatte.  Aber  auch  hier  war  noch  manche  arbeit  zu 
thun,  denn  Ebersteins  Schrift  de  Sallustio  Thucydidem  imitante 
(Lund  1811.  18  pp.  4)  ist  ganz  ungenügend;  Poppo  aber  in 
seinen  prolegomena  zur  grösseren  ausgäbe  des  Thukydides  ist 
in  der  annähme  entlehnter  gedanken  und  structuren  entschieden 
zu  weit  gegangen.  Hiegegen  verfährt  der  vf.  vorliegender 
schrift  mit  besonnener  Überlegung;  seine  darstellung  hat  daher, 
obwohl  sie  nicht  durchaus  correct  geschrieben  ist,  sondern  an 
Wiederholungen,  Unklarheiten,  germanismen  und  grammatischen 
irrthümern  leidet,  im  wesentlichen  das  richtige  getroffen.  Sie 
behandelt  ihren  stoft  in  drei  abschnitten:  1.  Quatenus  consilium 
dispositioque  librorum  Sallustii  pendeant  ab  opere  Thucydideo.  Hier 
ist  gezeigt,  wie  das  prooemium  der  Historien  ,  die  einflechtung 
von  reden  und  excursen  in  die  erzählung  auch  der  kleinen 
Schriften  auf  eingehendes  Studium  des  griechischen  meisters 
hinweisen.  Ui  ber  die  tendeuz  der  prooemien  des  Catilina  und 
Jugurtha  ist  keine  aufklärung  gegeben;  vrgl.  hierüber  Philol. 
Anz.  IV,  241.  —  II.  Quas  sententias  locosque  Sallustius  ex  Graecis 
ecriptoribus  transtulerit  quatenusque  in  rhetorico  genere  dicendi  ad 
Thucydidem  ee  applieaverit ,  quaeritur.  Dieser  ausführlichste  ab- 
schnitt gibt  ausser  zahlreichen  das  einzelne  betreffenden  nach- 
weisen die  belege  dafür,  dass  Sallust  in  den  reden  des  Catilina 
an  Thucydides ,    in  jenen  der  Historien   mehr  an  Demosthenes 


Nr.  6.  166.  Sallustius.  307 

sich  anschliesst ,  während  die  rhetorischen  partieen  des  Jugur- 
tha  verhältniss massig  am  originellsten  sind  und  nur  die  erzäh- 
lenden theile  dieser  schritt  öfter  an  Thucydides  erinnern.  Bis- 
weilen sieht  der  vf.  parallelen,  wo  ref.  keine  zu  finden  vermag, 
z.  b.  Cat.  6,  6.  20,  2  u.  s.  w. ;  umgekehrt  vermisst  ref.  nachweise 
von  entlehnungen ,  die  vom  vf.  weder  hier  noch  im  folgenden 
abschnitt  angegeben  werden  z.  b.  Jug.  79,  6.  84,  1  u.  s.  w. 
Ganz  lückenhaft  sind  die  angaben  des  vfs.  über  analoge  stellen 
bei  Isokrates  und  Xeuophon ;  und  des  Polybius  wird  gar  nicht 
gedacht,  obgleich  sich  mehrere  schlagende  parallelen  finden,  von 
denen  eine,  XV,  32,  4,  sogar  zur  emendation  von  Cat.  46,  2 
verwendet  worden  ist-,  vgl.  Wiedemann  Philol.  XIX,  155.  Hie- 
nach  ist  auch  die  Schlussbemerkung  des  vfs.  p.  59  über  den  ge- 
ringen ertrag  der  betrachtung  solcher  analogieen  für  die  textkritik 
des  Sallust  zu  modificieren.  Auf  kritik  einzelner  stellen  ist  der 
vf.  nur  im  III.  abschnitt  eingegangen,  der  betitelt  ist:  Quatenus 
Sallustius  in  structura  verborum  Graecos  scriptores  imitatus  sit, 
quaeritur.  Auch  hier  zeigt  sich  besonnenes  urtheil  sowohl  in 
der  abwägung  einzelner  discrepanzen  als  auch  in  der  bevorzu- 
gung  der  in  P  repräsentirten  handschriftenklasse  gegenüber  der 
in  V  gebotenen  Überlieferung.  Was  aber  die  p.  52  f.  ausge- 
sprochene ansieht  über  cod.  Nazarianus  betrifft,  so  hat  inzwi- 
schen Nipperdey  im  Jenaer  Lectionskatalog  für  das  sommerse- 
mester  1872  p.  16  das  richtige  dargelegt. —  Die  der  abhandlung 
vom  vf.  vorausgeschickte  einleitung  stellt  die  Zeugnisse  der  al- 
ten über  das  slhp'i^tiv  des  Sallust  zusammen.  Die  herbeizie- 
hung von  Sueton.  Gramm,  ill.  10  in  diesen  Zusammenhang  beruht 
jedoch  nachweislich  auf  falscher  interpretation  des  vfs. ;  die  stelle 
(Reiffer scheid  p.  109)  lautet:  Quo  magis  miror  Asinium  credidisse, 
antiqua  eum  (sc.  AteiumJ  verba  et  figuras  solitum  esse  colligere  Sal- 
lustio;  cum  sibi  sciat  nil  aliud  suader e  quam  ut  noto  civilique  et 
proprio  sermone  utatur ,  vitetque  maxime  obscuritatem  Sallusti  et 
audaciam  in  translationibus.  Das  letzte  wort  soll  hier  nach  dem 
vf.  „Übersetzungen"  bedeuten;  aber  dass  vielmehr  fAS7uqoQaC 
gemeint  sind,  lehrt  sowohl  der  Zusammenhang  der  stelle  selbst 
als  auch  der  rhetorische  Sprachgebrauch  überhaupt.  Es  han- 
delt sieb  nicht  um  drei  dinge,  wie  der  vf.  meint,  sondern  um 
zwei,  antiqua  verba  et  figuras:  auf  ersteren  begriff  bezieht  sich 
obscuritas    und    der    gegensatz  hiezu    notus    civilisque  sermo)    auf 

20* 


308  167.  Griechische  geschichte.  Nr.  6. 

figuras  bezieht  sich  der  begriff  translationes  mit  seinem  gegen- 
satze  proprius  sermo.  Was  nun  über  diese  punkte  gemeint  sei, 
erhellt  aus  der  vergleichung  mit  Cic.  de  orat.  III,  38,  152  ff.: 
Tria  sunt  igitur  in  verbo  simplici,  quae  orator  adferat  ad  illustran- 
dam  atque  exornandam  orationem:  aut  inusitatum  verbum  (den  an- 
tiqua  verba  entsprechend)  aut  novatum  (davon  spricht  Sueton 
nicht)  aut  translatum  (vgl.  figuras).  Inusitata  sunt  prisca  fere 
ac  vetustate  ab  usu  cotidiani  sermonis  (notus  civilisque  sermo  sagt 
Sueton)  iam  diu  intermissa  (daher  die  von  Sueton  erwähnte  ob- 
scuritas).  —  Tertius  ille  modus  transferendi  verbi  late  patet,  quem 
necessitas  genuit  inopia  coacta  et  angustiis,  post  autem  iucunditas 
delectatioque  celebravit.  —  Ergo  liae  translationes  quasi  mu- 
tuationes  sunt,  cum  quod  non  habeas  aliunde  sumas.  Illae  paullo 
audacior es,  quae  e.  q.  s.  Es  ist  klar,  dass  auch  an  der 
fraglichen  stelle  bei  Sueton  die  dem  proprius  sermo  entgegenge- 
setzte audacia  in  translationibus  dasselbe  bedeutet,  was  Cicero 
mit  translationes  audaciores  ausdrückt  d.  h.  pi£7acpoQut.  Vgl.  für 
das  epitheton  Quintil.  I.  Or.  VIII,  6,  11  audaci  et  proxime  peri- 
culum  translatione  und  für  den  gegensatz  zu  proprius  Quint.  1.  c.  I, 
5,  51  Propria  sunt  verba,  cum  id  significant,  in  quod  primo  deno- 
minata  sunt  \  translata ,  cum  alium  natura  intellectum ,  atium  loco 
praebent.  Also  nicht  vor  Sallust's  „gewagten  Übersetzungen" 
wurde  Asinius  von  Ateius  gewarnt,  sondern  vor  dessen  „küh- 
nen metaphern". 

167.  De  ephoris  Spartanis.  Dissertatio  inauguralis,  quam 
—  scripsit  Carolus  Fr  ick.     8.     Gottingae.  1872.     32  s. 

Der  verf.  dieser  abhandlung  erwirbt  sich  ein  besonderes 
verdienst  durch  die  treffende  kritik ,  welche  in  derselben  an 
den  verschiedenen  bis  jetzt  über  die  anfange  der  ephorie 
aufgestellten  meiuungen  geübt  wird.  Festhaltend  als  ergebniss 
der  neueren  forschung,  dass  in  Lykurgs  Verfassungswerk  die 
ephoren  noch  keine  oder  nur  eine  untergeordnete  stelle  gefun- 
den und  auch  nach  ihrer  einsetzung  oder  hebung  durch  könig 
Theopompos  noch  lange  der  macht  fülle  entbehrt  haben,  welche 
ihnen  in  späterer  zeit  zukam,  sucht  verf.  die  aufgäbe  und  Stel- 
lung zu  ermitteln,  welche  dieser  köuig  ihnen  zugewiesen  hatte. 
Die  meinungen  dass  die  ephoren  anfangs  marktherren  (0.  Mül- 
ler), Statthalter  der  fünf  landkreise  (A.  Schäfer)   oder  Vorsteher 


Nr.  6.  167.  Griechische  geschiente.  309 

der  stadtquartiere  (Stein)  von  Sparta  gewesen  seien,  werden 
mit  guten  gründen  zurückgewiesen,  die  ächtheit  der  rhetra  des 
Theopompos  und  Polydoros  bei  Plutarch  Lyk.  6  gegen  Trieber 
siegreich  vertheidigt,  die  beantwortung  der  frage  aber  durch 
vergleichung  dieser  rhetra  mit  der  thatsache,  dass  Theopompos 
zugleich  begründer  der  ephorie  gewesen,  und  beider  momente 
mit  den  einschlägigen  angaben  des  Piaton  und  Aristoteles  zu 
gewinnen  gesucht. 

Da  durch  die  erwähnte  rhetra  die  gültigkeit  der  in  der 
Volksversammlung  gefassten  beschlüsse  von  der  billigung  der 
gerusia  abhängig  gemacht,  durch  die  einführung  (oder  erhöhung) 
der  ephoren  dagegen  dem  volk,  aus  dessen  mitte  dieselben  hervor- 
gingen ,  ein  machtzuwachs  verschafft  worden  ist,  so  hat  Arnold 
die  von  K.  F.  Hermann  weitergeführte  ansieht  ausgesprochen 
dass  Theopompos  für  die  einbusse,  welche  das  volk  durch  seine 
und  seines  mitregenten  rhetra  erlitten  hatte ,  demselben  durch 
aufrichtung  der  ephoren  einen  ersatz  geboten  habe.  Hiegegen 
macht  vf.  mit  recht  geltend,  dass  die  ephorie  schon  ol.  5,  4 
(besser  hätte  er  gesagt:  um  ol.  5,  4,  da  alle  bloss  aus  den  randno- 
tizen  des  eusebischen  kanon  bekannten  datirungen  eine  abwei- 
chung  von  mehreren  jähren  zulassen),  also  vor  der  zeit  des  Poly- 
doros, dessen  vater  Alkamenes  zu  anfang  des  ersten  messenischen 
krieges  (ol.  9,  2)  noch  könig  war,  aufgekommen  und  somit  äl- 
ter ist  als  die  rhetra  der  zwei  könige.  Weitere  folgerungen 
aus  dem  wahren  zeitlichen  und  ursächlichen  verhältniss,  wel- 
ches zwischen  beiden  massregeln  besteht,  zu  ziehen  hat  der 
vf.  unbegreiflicher  weise  unterlassen. 

Nach  seiner  eigenen  ansieht  waren  die  von  Theopompos 
in  Sparta  eingesetzten  ephoren  ungefähr  das,  was  in  Rom  die 
volkstribunen:  Vertreter  und  beschützer  des  demos,  d.  i.  einer 
art  plebs,  deren  mitglieder  nur  ein  beschränktes  bürgerrecht 
und  kleinere  ackerloose  besassen,  auch  des  connubiums  mit  den 
vollbürgern  (Spartiaten)  entbehrten.  Ihre  absieht,  gleiche  rechte 
mit  den  höherstehenden  zu  erlangen  hätten  sie  nach  verschiede- 
nen versuchen  endlich  im  zweiten  messenischen  krieg  erreicht, 
ebenso  sei  es  den  ephoren  gelungen,  allmählich  die  leitung  der 
Volksversammlung  an  sich  zu  reissen. 

Von  alle  dem  können  wir  in  den  quellen  nichts  entdecken. 
Die  Minyer,  von  deren  vorübergehendem  auftreten  in  Lakonien 


310  168.  Römische  geschichte.  Nr.  6. 

Herodot  erzählt,  für  die  wissenschaftliche  betrachtung  eine  un~ 
bekannte  grosse,  liefern  dem  vf.  das  material  zu  den  plebeiern, 
deren  seine  volkstribunen  benöthigt  sind.  Herodot  lässt  sie 
nach  der  dorischen  Wanderung  in  Lakonien  ein-  und  bald 
nachher,  lange  vor  Lykurg  und  noch  länger  vor  der  zeit  des 
Theopompos,  wieder  ausziehen-,  aber  nach  dem  vf.  waren  sie 
schon  vor  den  Doriern  im  land  und  verliess  dasselbe  nur  ein 
verhältnissmässig  geringer  theil  von  ihnen.  Herodot  gibt  an, 
dass  sie  nicht  bloss  theil  am  land  und  aufnähme  in  die  phylen, 
sondern  auch  das  connubium  mit  den  ersten  häusern  von 
Sparta  erlangt  haben ;  der  vf.  behauptet  das  gegentheil.  Das 
alles  bloss  desswegen,  weil  ihm  nun  einmal  feststeht ,  dass  die 
aufgäbe  der  neuen  ephorie  darin  bestand,  den  demos  gegen 
die  könige  und  optimaten  zu  schützen.  Denn  wie  er  ganz 
richtig  bemerkt,  vollbürger  bedurften  keinen  schütz,  schutzbe- 
dürftige aber  können  bloss  halbbürger  gewesen  sein. 

Woher  hat  aber  vf.  dies  sein  axiom  von  der  schutzbedürf- 
tigkeit  des  demos  und  der  schützerpfiicht  der  ephoren?  woher 
die  optimaten?  die  zwei  philosophen,  aufweiche  er  sich  allent- 
halben beruft,  geben  weder  sonst  etwas  in  diesem  sinne  noch 
an  den  von  ihm  citirten  stellen :  Plat.  Legg.  3,  692  a  ö  8s  tqi- 
tog  acoTrjQ  vfiXv  eri  anagyäaav  xai  &v(iovpisvriv  tfjv  dgx'l"  ögmv 
olov  ipdliov  ive'ßalsv  avr7]  zrjv  täv  icpögcov  dvvctfiiv,  und  Arist. 
Pol.  5,  9,  1  Sta  to  «|  ttQXV'*  7e  ***>  ^l'°  PSQV  8taigsdrjvai  jijv 
agpjv  xai  ndXiv  Qsonofxnov  [xeTgidaarzog  roTg  ts  dlXotg  xal  rtjv 
tmv  iqtoQwv  MQxfy  iTtixaraoTrjöavTog.  Der  demos  in  Sparta, 
von  welchem  Aristoteles  hie  und  da  spricht,  ist  die  gesammt- 
heit  der  bürgerschaft,  vgl.  besonders  Pol.  2,  6,  15  ol  8s  xaXol 
xaya&oi  Sia  tr^v  yegovaiav ,  a&Xov  ydg  avrij  rtjg  dgsrtjg  iartp'  6 
dTjfiog  8iu  rtjv  iqtoQstav,  xa&iaiaTai  ydg  s£  dnäviosv.  Dass  end- 
lich der  ausdruck  »aXol  xdya&o]  nicht  den  stand  der  optimaten, 
sondern  individuell  und  moralisch  die  besten  und  tüchtigsten 
bezeichnet,  beweist  ausser  dgszij  auch  die  fortsetzung  dieser 
stelle  und  der  schluss  von   Pol.  4,  6.  U. 

168.  Die  feldzüge  der  Eömer  in  Deutschland  unter  den 
kaisern  Augustus  und  Tiberius.  Von  Gustav  Hertzberg.  8. 
Halle.   1872.     Waisenhausbuchhandlung  XI  u.  307  s.  —  1  thlr. 

Das    vorliegende   buch   bildet    das    siebente   bäudchen    der 


Nr.  6.  168.  Römische  geschichte.  311 

rühmlichst  bekannten  „darstellungen  aus  der  römischen  geschichte 
für  die  Jugend  und  für  freunde  geschichtlicher  lectüre",  die  0. 
Jäger  herausgiebt.  Es  schliesst  sich  würdig  Hertzbergs  frühe- 
ren populären  bearbeitungen  von  abschnitten  der  alten  geschichte 
an  und  wird  sich  unter  dem  ihm  bestimmten  leserkreise  sicher- 
lich viele  freunde  erwerben.  Gerade  die  periode  der  römi- 
schen kaiserzeit ,  in  welche  durch  die  lectüre  des  Tacitus  die 
schüler  der  obersten  classen  unserer  gymnasien  näheren  ein- 
blick  zu  erhalten  pflegen ,  findet  hier  ausführliche  behandlung. 
Der  primaner,  dessen  Standpunkt  das  Studium  der  über  jene 
zeit  erschienenen  rein  wissenschaftlichen  Schriften  in  der  regel 
noch  nicht  angemessen  ist,  empfängt  mit  diesem  buche  einen 
ebenso  angenehmen  als  zuverlässigen  führer  durch  ein  hochin- 
teressantes gebiet. 

In  der  einleitung  setzt  der  vf.  die  neugestaltung  der  rö- 
mischen heeresverfassung  durch  Augustus,  die  stärke  der  dama- 
ligen legion,  die  Stellung  ihrer  Offiziere,  die  höhe  des  soldes 
u.s.w.  auseinander,  schildert  dann  das  verhältniss  der  legio- 
nen  zu  den  übrigen  truppengattungen,  der  besatzung  der  baupt- 
stadt  und  den  auxiliaren  und  hebt  die  fehler  und  Vorzüge  die- 
ses wehrsystems  hervor.  Das  erste  capitel  gibt  einen  überblick 
über  die  auswärtige  politik  des  Augustus,  entwickelt  die  noth- 
wendigkeit  von  dessen  krieg  gegen  die  noch  unbezwungenen 
stamme  der  Mittel-  und  Ostalpen  und  schliesst  mit  einer  an- 
schaulichen Schilderung  der  bezwingung  dieser  Völker,  der  Rhä- 
tier,  Vindeücier  und  Noriker  durch  Drusus  und  Tiberius.  Im 
zweiten  capitel  werden  die  Verhältnisse  des  kaiserlichen  Rom  zu 
den  Germanen  bis  zu  Drusus  feldzügen  entwickelt,  der  cultur- 
zustand  der  deutschen  stamme  und  ihre  politische  läge  den 
Römern  gegenüber  erörtert.  Der  folgende  abschnitt  enthält  die 
darstellurjg  der  feldzüge  des  Drusus  und  Tiberius  in  dem  lande 
zwischen  Rhein ,  Main  und  Elbe  bis  zum  tode  des  Drusus. 
Ueberall  haben  hier,  wie  in  den  folgenden  capiteln,  auch  in 
den  geographischen  partien  die  neuesten  forschungen  berück- 
sichtigung  gefunden.  Das  vierte  capitel,  „Tiberius  und  Marbod" 
überschrieben,  schildert  zunächst  die  einwirkung  der  römischen 
cultur  auf  die  deutschen  Völkerschaften,  dann  die  gründung  des 
grossen  Markomannenreichs  durch  Marbod,  die  feldzüge  des 
Domitius  Ahenobarbus  und  Sentius  Saturninus,    die  kluge  poli- 


312  168.  Römische  geschickte.  Nr.  6. 

tik  der  Römer  dem  Markomannenkönige  gegenüber.  Wir  er- 
klären uns  hier  im  übrigen  mit  den  ausführuDgen  des  vf.  ein- 
verstanden,  nur  seine  behauptung  auf  p.  140,  Theo  der  ich 
der  Ostgothe  sei  an  seiner  unkenntniss  römischer  staatskunst 
zu  gründe  gegangen,  möchten  wir  für  gewagt  halten.  Im  wei- 
teren verlaufe  des  capitels  wird  Tiberius  feldzug  bis  zur  Elbe 
und  sein  grossartig  angelegter  aber  durch  den  pannonisch  -  dal- 
matischen aufstand  nicht  zur  vollständigen  durchführung  ge- 
langter operationsplan  gegen  Marbod  erzählt.  Nachdem  der  vf. 
dann  der  bewältigung  der  erwähnten  gewaltigen  empörung, 
„deren  jäher  ausbruch  so  bedeutungsvoll  für  die  Unabhängigkeit 
der  Deutschen  geworden  ist",  so  weit  es  der  gegenständ  des 
buches  erlaubt,  beachtung  geschenkt  und  die  erfolgreiche  orga- 
nisatorische und  diplomatische  thätigkeit  des  Saturninus  in  Ger- 
manien sowie  dessen  ersetzung  durch  Quintilius  Varus  berührt 
hat,  führt  er  uns  am  schluss  des  capitels  bis  zum  eintritt  der 
katastrophe  im  teutoburger  walde.  Die  specielle  darstellung 
der  berühmten  schlacht  mit  ihren  veranlassuugen  und  folgen 
nimmt  den  grössten  theil  des  fünften  capitels  ein.  Hier  ver- 
dient namentlich  die  gelungene  Charakteristik  Armins  hervor- 
gehoben zu  werden.  Im  gegensatz  zu  den  herkömmlichen  Schil- 
derungen dieses  helden,  die  seiner  glänzenden  Verdienste  hal- 
ber seine  schwächen  zu  übersehen  pflegen,  betont  der  vf.  mit 
recht,  dass  wir  „die  krystallklare  Siegfriedsnatur,  die  sich  eine 
phantastische  betrachtung  der  altdeutschen  geschichte  so  gern 
in  diesem  manne  gedacht  hat",  bei  Armin  nicht  suchen  dürfen. 
Neben  den  strahlenden  heldentugenden  Siegfrieds  „zeigt  er  auch 
züge,  die  an  den  grimmen  Hagen  gemahnen.  Er  erinnert  in 
dem  kämpfe  der  list  auch  an  mehr  als  einen  jener  Germanen 
der  Völkerwanderung ,  an  den  höfen  von  Constantinopel  und 
Ravenna,  die  den  Römern  so  sehr  gefährlich  wurden,  weil  sie 
auch  dann  noch,  wenn  sie  täuschen  wollten,  die  methode  und 
die  manieren  treuherziger  biederkeit  mit  gefährlicher  naturwahr- 
heit  festzuhalten  verstanden".  Als  kampfplatz  des  letzten  tages 
der  Varusschlacht  nimmt  Hertzberg  nach  v.  Wietersheims 
Vorgang  den  Dörenpass  an.  Mit  dem  wiedererscheinen  des 
Tiberius  am  Rhein ,  der  Schilderung  von  dessen  vorsichtigen 
Operationen,  seiner  rückkehr  nach  Rom  im  j.  12  und  der  Er- 
nennung des  Germanicus  zum  oberfeldherrn  des  rheinheeres 


Nr.  6.  Theses.  —     Neue  auflagen.  313 

schliesst  das  fünfte  capitel.  Das  sechste  und  letzte  hat  die 
kämpfe  zwischen  Germanicus  und  Arminius  zum  inhalt.  Die 
zweite  der  grossen  Weserschlachten  verlegt  der  vf.  nach  den 
ansichten  v.  Ab  en  dro  th  s  (Terrainstudien  zu  dem  rückzuge  des 
Vavus  und  den  feldzügen  des  Germanicus.  Leipzig  1862)  und  v. 
Wietersheims  (Abhandlungen  d.  kön.  säcbs.  ges.  d.  wiss. 
phil.-hist.  classe  I,  p.  429  ff.)  auf  das  linke  flussufer  in  die 
gegend  von  Minden.  Ob  indessen  in  dieser  Schlacht  die  nie- 
derlage  der  Germanen  eine  so  vollständige  war,  wie  der  vf. 
p.  2S6  annimmt,  lässt  sich  bestreiten.  Die  unmittelbar  hinter 
der  Schilderung  des  von  den  legionen  angerichteten  blutbades 
folgenden  worte  des  Tacitus  Ab.  exe.  div.  Aug.  H,  21:  equites 
ambigue  certavere,  und  die  militärischen  massregeln  des  Germa- 
nicus nach  der  schlacht  sprechen  wenigstens  nicht  für  einen 
glänzenden  sieg.  Bewährte  forscher,  wie  C.Peter  „Geschichte 
Korns"  in,  1,  171  haben  diesen  daher  schon  längst  bezweifelt. 
Die  römische  waffenehre  war  gerettet,  mehr  hatte  Germanicus 
gegen  den  verzweifelten  landsturm  der  Germanen  nicht  errei- 
chen können.  —  Der  ,,schlussa  stellt  den  ausgang  der  drei 
glänzendsten  heldengestalten  jenes  Zeitraums,  des  Germanicus, 
Armin  und  Marbod  in  wirkungsvollem  gegensatze  einander  ge- 
genüber. 

A.  Duncker. 

Theses 

quas  ...  in  alma  literarum  universitate  Gryphica  ...  d.  III.  m.  Maii.» 
publice  defendet  Albertus  Wodrig  Pomeranus :  IL  C.  Valeri  Argonau- 
ticon  libri  ab  ipso  poeta  perfecti  atque  absoluti  sunt;  III.  Hör.  Od. 
1,  2,  39  scribendum  puto:  Acer  et  Maurum  peditis  cruenti  |  Voltus 
in  hostem ;  IV.  Eurip.  Androm.  398  legendum  puto :  chäg  ri  ravia  dv- 
go/uca,  in  d'  Iv  noolv  \  Ovx  ££st«Cw  xul  koyi£o/xat,  xaxü;  V.  Ibid.  v. 
1139  legendum  puto:  ro  Tgwixov  ntjdtjfxa  nrjdqßag  nidot  |  XwgtZ  xtL; 
VI.  Lysiae  or.  XVIII,  10;  inttdi]  di  xüyiaia  tjk&ov  tlg  ttjv  ctxady/utnxv 
Anxtda>,fx6vt,oi  xul  Jlavßaviag  xtL  et  Xenoph.  Hell.  11,  4,  30  6  ds 
HavGaviuq  lerquxontdivauxo  ptv  lv  xw  'Ahnidco  xaXovfxivixi  ngbg  tw 
JIuquuI  difyov  fxay  xtQas  xxl.  inter  se  pugnant ,  videturque  Lysias 
per  errorem  lapsus  esse. 


Neue  auflagen. 

169.  C.  Peter,  Zeittafeln  der  griechischen  geschiente.  4.  aufl.  4. 
Halle.  Waisenhaus;  1  thlr  10  gr.  —  170.  E.  Dühring ,  kritische  ge- 
schichte  der  philosophie  von  ihren  anfangen  bis  zur  gegenwart.  2. 
aufl.     8.    Berlin.  Heimann;   2  thlr  20  gr.  —    171.  J.  C.  F.  Bahr,  ge- 


3J4  Bibliographie.  Nr.  6. 

schichte  der  römischen  literatur.  4.  bd.  enthaltend  die  christlich  -  rö- 
mische literatur.  I.  Die  christlichen  dichter  und  geschichtschreiber. 
2.  aufl.     8.     Carlsruhe.  Müller;  1  thlr  12  gr. 

Neue  Schulbücher. 

172.  G.  Weller,  lateinisches  lesebuch  aus  Livius.  8.  aufl.  8. 
Hildburghausen.  Kesselring;  15  ngr.  —  173.  JE.  Cauer ,  geschichts- 
tabellen.  18.  aufl.  gr.  8.  Breslau.  Trewendt;  6  ngr.  —  174.  W. 
Kopp  ,  römische  staatsalterthümer  und  religionsalterthümer.  2.  aufl. 
gr.  16.  Berlin.  Springer;  12  ngr.  —  175.  W.  Kopp,  römische  pri- 
vatalterthümer.  2.  aufl.  gr.  16.  Berlin.  Springer;  16  ngr.  —  176. 
E.  Berger,  anleitung  zum  übersetzen  aus  dem  deutschen  ins  lateini- 
sche für  untere  und  mittlere  gymnasialklassen.  4.  aufl.  8.  Claus- 
thal. Grosse;  16  ngr.  —  177.  M.  Seyffert,  materialien  zum  überse- 
tzen aus  dem  deutschen  ins  lateinische.     8.     Leipzig.  Heine;  2272- 

Bibliographie. 

Beiträge  zur  geschichte  des  deutschen  buchhandels  finden  sich 
im  Börsenbl.  nr.  116. 

Definitive  beendigung  des  buchdrucker-strikes  in  Leipzig  am 
12  mai  :  s.  Börsenbl.  nr.  1 14. 

Ueber  eine  in  Florenz  erscheinende  ausgäbe  der  Opera  di  Nic- 
colo  Machiarelli  berichtet  die  Augsb.   Allg.  Ztg.     Beil.  zu  nr.  128. 

Ueber  die  cantatemesse  der  buchhändler  berichtet  das  Börsenbl. 
nr.  114,  d.  h.  von  dem  guten  essen  und  trinken  in  Leipzig  und  von 
den  vielen  bei  tische  vorgekommenen  überflüssigen  reden.  Wichti- 
geres berichtet  dagegen  Augsb.  Allg.  Ztg.     Beil.  nr.  133. 

Eine  bedeutende  auction  wird  die  am  14.  Juli  von  List  und 
Francke  in  Leipzig  abzuhaltende  sein  von  der  kostbaren  bibliothek 
des  moskauer  bibliophilen  Serge  Sobolewslci:  der  katalog  hat  eine 
Albert  Cohn  unterzeichnete  vorrede ,  welche  eine  Übersicht  des  rei- 
chen inhalts  desselben  giebt. 

Das  bibliographie-institut  in  Hildburghausen  kündigt  als  vollen- 
det in  seinem  verlage  erschienen  an:  Meyers  handlexicon  des  all- 
gemeinen wissens,  in  einem  bände,  4  thlr  15  gr. :  »während  die  con- 
versations-lexica  darauf  ausgingen,  das  viele  so  ausführlich  als  mög- 
lich zu  bringen,  sei  hier  die  aufgäbe  »so  viel  als  möglich,  aber  das 
viele  so  kurz  als  möglich«. 

Der  antiquar  Edwin  Tross  in  Paris  hat  vor  einigen  monaten  das 
einzige  auf  pergament  gedruckte  exemplar  der  ed.  princeps  des  Ho- 
raz  entdeckt;  jetzt  im  mai  soll  er  bei  einer  italienischen  familie  eine 
bisher  völlig  unbekannte  um  1470  auf  pergament  gedruckte  ausgäbe 
von  Ciceronis  epistolae  ad  Familiäres  entdeckt  haben,  die  mit  zahlrei- 
chen und  wichtigen  Varianten  \ersehen  sei :  auf  dem  ersten  blatte 
finden  sich  die  gemalten  wappen  der  familie  Martinengo.  Vrgl. 
Augsb.  Allg.  Ztg.  nr.  141,  p.  2156.     D.  Reichsanz.  nr.  124. 

Die  dissertationen ,  programme  cett.  (4500  stück)  aus  der  biblio- 
thek des  weiland  professor  Bahr  in  Heidelberg  hat  die  buchhandlung 
von  E.  Carlebach  eben  daselbst  an  die  Library  of  the  Trinity  Col- 
lege in    Cambridge  verkauft. 

Eine  sehr  beachtenswei'the  erscheinung  ist  folgende:  »Illustrirter 
Verlagsbericht,  Jubiläums  -  catalog  von  Otto  Spamer  zu  Leipzig.  Zwei 
abtheilungen.  Seinen  freunden  ,  mitarbeitern  und  geschäftsgenossen 
am  Jahrestage  des  25jährigen  bestehens  seiner  firma  gewidmet  von  Otto 
Spamer.  Leipzig.  Ausgegeben  im  dezember  1872«.     Versendet  ist  das 


Nr.  6.  Bibliographie.  315 

ganze  im  mai  1873;  die  erste  abtheilung  98  s.  8,  die  zweite  114  a. 
8,  die  zweite  mit  wirklich  schönen  Illustrationen  versehen.  Die  erste 
abtheilung  enthält  einen  lehrreich  und  hübsch  geschriebenen  rückblick 
auf  den  entwicklungsgang  der  Verlagsbuchhandlung  während  25  jäh- 
ren ,  der  die  entstehung,  den  Zusammenhang  und  die  fortführung  der 
bei  0.  Spamer  erschienenen  kinder -Jugend -haus-  und  volksschriften 
so  wie  der  prachtwerke  sammt  den  kaufmännischen  und  technisch- 
chemischen, gewerblichen  lehr-  hand-  hülfs-  und  Wörterbüchern  er- 
zählt :  es  zeigt  sich  da,  welche  kenntnisse,  aber  auch  zugleich  welche 
energie  und  ausdauer  ein  mann  aufwenden  muss,  um  in  unserer  so 
bewegten  und  von  so  verschiedenen  und  scheinbar  sich  feindlich  ent- 
gegenstehenden interessen,  die  doch  zusammenwirken  müssen ,  durch- 
furchten zeit  ein  nur  dem  nutzen  und  frommen  des  Vaterlandes 
dienendes  ziel  wirklich  zu  erreichen.  Die  bücher  haben  es  auch 
nicht  allein  fertig  gebracht:  handel  mit  persischem  insecten - pulver, 
kölner  wasser,  diversen  kosmetika,  bleistiften,  druckerschwärze  u.s.w. 
mussten  das  in  dem  schweren  jähre  1848  durch  bücher  geschaffene 
deficit  decken  :  sie  deckten  es,  aber  dafür  erschwerte  der  dunkel  der 
collegen ,  denen  durch  insectenpulver  ehrlich  zu  bleiben  nicht  stan- 
desgemäss  erschien ,  das  aus  innerm  triebe  von  neuem  begonnene 
buchhändlerische  geschält;  mit  welchem  erfolg  es  von  neuem  auf- 
genommen ward ,  lehrt  die  zweite  abtheilung,  welche  den  Ver- 
lag verzeichnet:  I.  Kinder-  und  Jugendschriften;  p.  1 — 56;  II.  all- 
gemeine bildungsschriften  und  festgeschenke ,  p.  57 — 76;  III.  fach- 
schriften,  p.  77 — 96;  volksthümliche  prachtwerke  und  encyklopädi- 
sche  Unternehmungen ,  p.  97-108:  worauf  register  und  ankündigun- 
gen  noch  folgen:  freilich  darin  nicht  viel  philologisches:  doch  p.  71 
steht  Sokrates  büste;  auch  sonst  ist  das  classische  alterthum  berück- 
sichtigt, p.  69,  und  eben  so  auch  im  verzeichniss  der  künftig  erschei- 
nenden werke.  Deshalb  machen  wir  schliesslich  von  neuem  darauf  auf- 
merksam, welche  masse  echt  nationalen  und  daher  des  edelsten  Stof- 
fes grade  für  volksthümliche  schritten  in  der  geschichte  der  classi- 
schen  philologie  und  des  höheren  Schulwesens  in  Deutschland  unbe- 
achtet daliegt;  grade  aus  wahrer  und  liebevoller  Schilderung  der  gross- 
artigen, in  der  stille  und  ohne  anspruch  auf  lautes  lob  Jahrhunderte 
hindurch  zur  erziehung  deutscher  jugend  von  trefflichen  und  gelehr- 
ten schulmännern  aufgewendeten  arbeit  würde  den  immer  von  neuem 
und  namentlich  jetzt  —  z.  b.  im  Elsass  —  in  unsre  entwicklung  hem- 
mend eingreifenden  bureaukratischen  gelüsten  ein  festerer  dämm  ent- 
gegengestellt werden,  als  durch  Streitschriften  und  ohne  nachhaltige 
Wirkung  vorübergehende  artikel  politischer  Zeitungen. 

Versandt  wurde:  verlagsbericht  von  L.  Heimann's  verlag  (Erich 
Koschny)  in  Berlin ,  der  über  die  philosophische  wie  die  historisch- 
politische bibliothek  berichtet;  von  Karl  Hoffmnnn  in  Stuttgart  lite- 
rarischer bericht  über  die  übersetzungs  -  bibliothek  griechischer  und 
römischer  classiker. 

Cataloge  der  antiquare:  Bibliotheca  philologica:  nr.  36.  Anti- 
quarisches verzeichniss  von  Ernst  Carlebach  in  Heidelberg,  enthaltend 
die  hinterlassene  bibliothek  des  oberbibliothekar  der  Universität  Hei- 
delberg geh.  hofrath  professor  Dr  J.  J.  F.  Bahr;  Nr.  55.  Antiquari- 
scher anzeiger  von  Alfred  Coppenrath  in  Regensburg;  Nr.  243.  K.  F. 
Kühler's  in  Leipzig  antiquarische  anzeige -hefte.  Bibliothek  des  hm 
professor  Ladewig  in  Neubrandenburg;  Catalog  116  des  antiquarischen 
bücherlagers  von  Friedrich  Wagner  in  Braunschweig;  Antiquarisches 
verzeichniss  121.  122  von  Felix  Schneider  in  Basel,  philosophie,  päda- 
gogik  und  orientalische  und  neue  sprachen  enthaltend;  Nr.  102  ver- 
zeichniss  von   antiquarischen  büchern  der    buch-  und  antiquariata 


316  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  6. 

handlung  W.   Weber  in  Berlin ;   38.  antiquarischer  anzeiger  der   WeU 
fer'schen  buchhandlung  (Oscar  Roesger)  in  Bautzen. 

Kleine  philologische  zeitung. 

Rom,  16.  april.  Bei  ausgrabungen  aut  dem  esquilinischen  hügel 
hat  man  über  2509  jähr  alte  Überreste  des  alten  agger  des  Servius 
Tullius  entdeckt,  peperin-quadern,  welohe  ohne  verband  von  mörtel 
auf  einander  stebeu;  das  bis  jetzt  ausgegrabene  hildet  einen  halb- 
kreisförmigen thurm  mit  zwei  Seitenflügeln,  von  denen  jener  einen 
durchmesser  von  8  meter  hat,  diese  sind  33  meter  lang  und  2  meter 
hoch.     Vrgl.  Augsb.  Allg.  Ztg.  nr.  109.     D.  Reichsanz.  nr.  96,  beil.  1. 

Rom,  19.  april.  In  der  festsitzung  des  archäologischen  institutsam 
18.  april  sprach  Visconti  über  eine  marmorne,  mit  reliefs  geschmückte 
ara  mit  der  Inschrift :  [Jöoog  2nßuti(j)  düügov,  Henzen  über  die  inschrif- 
ten  zweier  iüngst  auf  dem  Esquilin  gefundener  marmorner  trapezo- 
phoren,  Heibig  über  einen  prachtvollen  kessel.  S.  Augsb.  Allg. 
Ztg.  beil.  zu  nr.  115. 

Notizen  über  Fr.  Ad.  Trendelenburg  giebt  nach  Bratuschek's 
buch  über  diesen  D.  Reichs-Anz.  n.  104. 

x  Buchdruckergedanken  über  Orthographie «  :  unter  diesem  titel 
werden  im  Daheim  und  im  Börsenbl.  nr.  104  vorschlage  zur  Verein- 
fachung gemacht. 

Die  Ri forma  berechnet  dass  in  den  kloster  -  bibliotheken  Italiens 
gegen  7  —  800000  bücher  und  gegen  308000  raanuscripte  aufbewahrt 
würden  und  fragt  bei  gelegenheit  des  auf  aufhebung  der  klöster  ge- 
richteten antrags  in  dem  italienischen  Parlamente  die  regierung, 
welche  Vorkehrungen  sie  zur  würdigen  aufbewahrung  dieses  Schatzes 
zu  treffen  gedenke.     Vrgl.  D.  Reichsanz.  nr.  120. 

Unter  dem  titel:  »über  den  lehrermangel,  eine  gefahr  für  das  deut- 
sche volksieben «  ist  von  Schneider  (bei  Fricke  in  Halle  erschienen) 
ein  Vortrag  edirt:  die  gefahr  fühlt  man  auch  auf  Universitäten,  wo 
grade  unter  denen,  die  sich  dem  schulfach  zu  widmen  gedenken,  die 
oberflächlichste  art  von  studiren  immer  mehr  um  sich  greift. 

Wie  ungarische  zeitungen  berichten  ist  Max  Müller  von  dem 
Unterrichts -minister  in  Ungarn  darum  angegangen  worden,  ein  urtheil 
über  den  werth  des  griechischen  als  gegenständ  des  gymnasial-unter- 
richts  abzugeben:  man  ist  eben  in  Ungarn  darüber  nicht  im  klaren: 
wie  dies  schwanken  entstanden ,  zeigt  in  einem  sehr  unterrichtenden 
artikel  die  Augsb.  Allg.  Ztg.  beil.  zu  nr.  122.  Max  Müller  hat  nun  in 
einem  gar  eigenthümliche  redensarten  enthaltenden  briefe  von  der 
einführung  des  giüechischen  —  abgerathen :  hoffen  wir,  » schliesst  die 
Allg.  Ztg.  1.  c.« ,  dass  die  wenig  erfreuliche  Parteinahme  Müllers  ge- 
gen das  griechische  keinen  einfluss  üben  wird  auf  die  künftige  ge- 
staltung  uusrer  (d.  h.  der  ungarischen)  gymnasien:  wir  müssten 
sonst  über  diesen  unbedachten  schritt  des  verehrten  mannes  das  schärfste 
tadelsvotum  aussprechen«. 

Am  24.  april  ist  zu  Berlin  auch  eine  Africanische  gesellschaft 
nach  dem  Vorgang  von  Dresden,  München,  Halle,  Hamburg  u.  s.  w. 
gebildet,  über  die  das  genauere  aus  D.  Reichsanz.  nr.  105  zu  ersehen. 

London,  28.  april.  Der  vom  Daily  Telegraph  nach  Assyrien  ge- 
sendete George  Smith  berichtet,  dass  er  mehr  als  80  Inschriften  ent- 
deckt habe ;  eine  von  Merodach  Baladan ,  söhn  des  Milihu ,  enkel  des 
Kurigatzu,  königs  von  Babylon  um  1300  a.  Chr.;  eine  noch  ältere 
handelt  von  triumphen  des  königs  Vulnirari,  und  erwähnt  auch  an- 
dere könige;    auch  tafeln  aus  der  zeit  des  Nebuchadnezar  u.  a.,  die 


Nr.  6.  Kleine  philologische  zeitung.  317 

alte  babylonische  legenden,  eine  sprichwörtersammlung  und  astrolo- 
gisches enthalten.  Nach  seinen  nachgrabungen  in  Nimrud  sei  der 
süd  -  pallast  von  viel  grössern  dimensionen  als  man  früher  angenom- 
men und  im  innern  sehr  geschmückt.  Genaueres  s.  in  Augsb.  Allg.  Ztg. 
beil.  zu  nr.  129.  D.  Reichanz.  nr.  112.  Weiteres  bringt  aber  erst- 
genannte zeitung  in  der  ausserord.  beil.  zu  nr.  145,  wo  es  heisst:  Der 
»Daily  Telegraph«  bringt  heute  einige  einzelheiten  über  die  gemach- 
ten fünde  des  hrn.  George  Smith,  der  auf  veranlassung  der  directum 
dieses  blattes  eine  wissenschaftliche  reise  nach  Assyrien  unternom- 
men hat.  Der  wichtigste  fund  ist  ein  etwa  3'  hoher,  1,  1'  9"  weiter 
und  1,  2"  dicker  gedenkstein.  Die  eine  seite  desselben  stellt  dar  eine 
anzahl  wunderbarer  mythologischer  fignren  nebst  emblemen  von  göt- 
tern  und  dämonen  und  dazu  das  bild  eines  im  bau  begriffenen  thur- 
mes,  der  an  die  Birs  Nimrud  erinnert.  Auf  der  andern  seite  befin- 
den sich  drei  schriftcolumnen  von  zusammen  115  zeilen ,  welche  eine 
land- Schenkungsurkunde  an  einen  pnester  von  dem  babylonischen 
könig  enthalten.  Der  priester  verpflichtet  sich  dafür  zur  Verrichtung 
gewisser  ceriinonien  ,  und  eine  Sammlung  von  fluchen  wird  über  die 
nichterfüllung  dieser  Verpflichtungen  ausgesprochen.  Dieser  stein  ist 
darum  von  grosser  Wichtigkeit  weil  er  zwei  könige  nennt ,  die  bisher 
noch  gar,  nicht  bekannt  waren.  Bis  jetzt  kannte  man  nur  fünf  assy- 
rische könige  und  ihre  annähernde  regierungszeit,  nämlich:  Kara-In- 
das  1420  v.  Chr.;  Burna-buriyar  IL  1400;  Kara-Kardar,  söhn  des 
vorigen,  1380;  Nazibugas,  ein  Usurpator,  1370;  Kuri-galzu,  söhn  des 
Burna-buriyar,  1360.  Nun  kommen  noch  hinzu:  Mili-sihu  II,  söhn 
des  Kuri-galzu,  1340;  und  Merodach  Baladan  I.,  1320  v.  Ch.  Abgesehen 
von  seiner  historischen  bedeutung ,  ist  der  stein  noch  wichtig  durch 
den  autschluss  den  er  uns  über  die  religiösen  anschauungen  des  Vol- 
kes gewährt.  Das  in  der  Inschrift  erwähnte  grundstück  wird  von 
dem  könig  Merdach-Baladau  dem  Nabu-nadin-ahi  geschenkt  für  ei- 
nige lobgesänge  zu  ehren  des  königreiches  und  der  es  unterstützen- 
den götter.  Diese  hymnen  wurden  wahrscheinlich ,  wie  andere  uns 
bekannte,  auf  tafeln  geschrieben  und  recitirt,  oder  von  den  priestern 
bei  verschiedenen  gelegenheiten  gesungen.  Wir  haben  hier  demnach 
eins  der  ältesten  beispiele  von  der  dichtkunst  gewährtem  königlichen 
schütze,  und  Nabu-nadin-ahi  ist  demnach  der  älteste  uns  bekannte 
poeta  laureatus.  Der  zweite  von  Smith  angekaufte  monolith  ist  20" 
lang  und  9"  breit  und  enthält  80  zeilen  in  keilschrift.  Neben  einer 
anzahl  höchst  ausdrucksvoller  fluche  enthält  die  inschrilt  einige  auf- 
schlüsse  über  die  dunkelste  periode  in  der  assyrischen  geschichte. 
George  Smith  fährt  dann  fort  eine  ganze  reihe  seiner  neu  gefundenen 
schätze  aufzuzählen.  Eine  inschrift  enthält  gebete  des  babylonischen 
königs  Amil-urgal  an  die  götter  Babylons  Bei  oder  Merodak  und  Li- 
rat-banit,  Babylon  und  dessen  tempel ,  könig  und  volk  zu  segnen. 
In  einem  gebete  sagt  Amil-urgal :  » o  Bei ,  deine  sitze  sind  Babylon 
und  Borsippa,  deine  kröne  ist  der  weite  himmel«.  Ein  fragment  gibt 
eine  anzahl  kurzer  spräche,  wie  die  des  hebräischen  königs  Salomo, 
wenn  sie  auch  nicht  so  viel  Weisheit  enthalten.  Eine  anzahl  von 
steinen  aus  den  zeiten  des  Arsaces,  Darius,  Kambyses,  viele  nament- 
lich aus  der  zeit  Nabonidus  werden  ferner  aufgezählt.  Weitere  nach- 
richten  werden  demnächst  in  aussieht  gestellt. 

Ueber  die  entdeckung  von  hühnengräbern  bei  Strassburg  und 
Braunhain  giebt  der  D.  Reichs-Anz.  nr.  106  einige  auskunft. 

Rom,  1.  mai.  Der  »Seismograph«  kündigt  einen  nahen  aus- 
bruch  des  Vesuv  an.  —  Als  wenn  das  eine  Vorstellung  irgend  eines 
proiessors  der  natürlichen  magie  wäre! 

Strassburg,    1.  mai.     Heute   feierte   die    strassburger    Universität 


318  Anszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  6. 

den  Jahrestag  ihrer  Stiftung :    einiges  nähere  theilt  der  D.  Reichsanz. 
nr.    108  mit. 

Leipzig,  5.  mai.  Der  von  professor  Ebers  in  Leipzig  nach  Deutsch- 
land gebrachte  ägyptische  papyros  ist  vom  könig  von  Sachsen  gekauft 
und  der  Universitätsbibliothek  einverleibt  worden:  s.  ob.  nr.  5,  p.272 
und  D.  Reichsanz.  nr.  110. 

Mainz.  12.  mai.  Es  sind  hier  einige  römische  gräber  aufgedeckt. 
D.  Reichsanz.  nr.  116. 

Es  ist  ob.  nr.  5,  p.  270  der  Inschrift  von  Ferrucci  gedacht,  wel- 
che das  bei  Detmold  zu  setzende  Hermannsdenkmal  zieren  soll:  jetzt 
bringt  die  Augsb.  Allg.  Ztg.  in  der  ausserordentl.  beil.  zu  nr.  145 
von  Bändel  selbst  die  nachricht,  dass  eine  stelle  des  Tacitus  auf  das 
denkmal  gesetzt  werden  soll :  es  ist  also  von  Ferrucci  selbst  oder 
seinen  freunden  eine  lüge  verbreitet. 


Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Augsburger  Allgemeine  Zeitung  1873:  Beil.  zu  nr.  124:  Aegyp- 
tische  reisebriefe,  von  Dr  Lauth.  XII:  das  Fayüm  und  Saggarah.  — 
Max  Müller  und  sein  studium  des  griechischen:  s.  ob.  p.  31b.  —  Beil. 
zu  nr.  24 :  feier   des    ersten    geburtstages    der    Universität  Strassburg. 

—  Karajan  in  Wien  f.  —  Zangemeister  oberbibliothekar  in  Heidel- 
berg. —  Nr.  127:  der  Jesuitenorden.  —  Beil.  zu  nr.  127:  der  pa- 
pyros Ebers  ist  für  die  Leipziger  Universitätsbibliothek  erworben  wor- 
den. —  Beil.  zu  nr.  130:  K.  E.  v.  liaer,  zum  streit  über  den  Dar- 
vinismus.  —  Nr.  131:  die  preussischen  kirchenpolitischen  gesetzent- 
würfe  und  die  protestantische  Orthodoxie.  —  Vorlesung  der  Anti- 
gone  des  Sophokles  von  Natalie  Köhler  in  Augsburg.  —  Nr.  133; 
Aegyptische  reisebriefe,  von  Lauth.  XIII.  —  Nr.  134:  die  congrega- 
tion  der  redemptoristen.  —  Nr.  135:  das  Sendschreiben  des  preussi- 
schen episcopats  vom  2.  mai  1873.  —  Beil.  zu  nr.  135.  136:  zeitbe- 
trachtungen.  —  Beil.  zu  nr.  136.  137.  143:  eine  geschichte  der  re- 
ligionen  des  alterthums.  I.  II.  III:  schliesst  an  das  buch  von  C.  F. 
Thiele  an:  Vergelijkende  geschiedenis  van  de  Egyptische  en  Mesopo- 
taniische  godediensten.  Amsterdam.  Kampen.  1872.  —  Die  bestat- 
tung  Karl  des  Grossen:  die  gewöhnlich  geltenden  ansichten  seien 
falsch.  —  Beil.  zu  nr.  137:  des  Celsus  »wahres  wort«:  besprechung 
zugleich  der  schrift  von  Th.  Keim:  Ȋlteste  Streitschrift  antiker 
Weltanschauung  gegen  das  Christenthum  v.  j.  178  n.  Ch.     8.    Zürich. 

—  Beil.  zu  nr.  138.  139:  die  spräche  der  Afghanen.  —  Beil.  zu  nr. 
140:  eine  neue  Übersetzung  von  Ovids  Metamorphosen ;  belobende  an- 
zeige der  in  Berlin  jüngst  erschienenen  Übersetzung  von  TV.  v.  T., 
d.  h.  W.  von  Tippeiskirch,  zugleich  mit  einem  blick  auf  die  älteste 
von  Georg  Wickram  aus  Colmar  in  Mainz  1545  gedruckte.  —  Beil. 
zu  nr.  141.  142.  144:  Stülpet,  die  entwicklung  des  gelehrten  alter- 
thums. 1.  IL  —  Nr.  142.  Die  Lazaristen.  —  Die  Universität  Zü- 
rich. —  Beil.  zu  nr.  142:  Wolfgang  Menzel:  nekrolog.  —  Notizen 
über  Waddington,  bei  gelegenheit  seiner  ernennung  zum  unterriuhts- 
minister.  —  Nr.  144:  das  bevorstehende  ende  der  dictatur  im  Reichs- 
land. —  Beil.  zu  nr.  144:  antwort  auf  prof.  Huber's  »ethnographi- 
sche berichtigungen«.  —  Ausserord.  beil.  zu  nr.  145:  assyrische  ent- 
deckungen:  s.  ob.  p.  317.  —  Hermann -denkmal  und  seiue  inschrift: 
s.  ob.  p.  318. 

JEphemeris  epigraphica,  corporis  inscriptionum  Latinarum  supple- 
mentum  I,  1873,   fasciculus   quartus:    p.  229 — 240:   II.  Jordan:   de 


Nr.  6.  Auszüge  aus  Zeitschriften.  319 

sacris  quibusdam  in  hemerologio  fratrum  Arvalium  commemoratis,  über 
das  der  Ops  Opifera  dargebrachte  opfer,  wonach  bei  Plin.  N.  H. 
11,  1,  74  die  auch  der  handschriftlichen  Überlieferung  entsprechende 
lesart:  Opi  Opiferae  herzustellen  sei;  über  den  tempel  des  Volca- 
nus  in  circo  Fluminio,  auf  den  Cic.  in  Verr.  2,  61,  151  bezogen  wird; 
über  den  Zusammenhang  der  opfer  am  23.  august:  Quir(ino)  in  colle 
und  Voik(ano)  [in]  comd(io)  und  über  die  gründungstage  der  tempel 
überhaupt.  —  P.  241  —  254:  Ditteti  ber g er  de  tctucis  Atticis  ad  res 
Unmanus  spectantibus  n.  6  — 12:  in  Athen  gefundene  griechische  in- 
schritten,  die  vornehmen  Römern  dedicirt  sind;  von  besonderem  in- 
teresse  nr.  8,  betreffend  den  aus  Juvenal  bekannten  und  für  seine 
Chronologie  wichtigen  consul  d.  j.  127  Aemilius  Juncus,  der  hier  als 
prätorischer  legat  erscheint.  Zugleich  geht  daraus  hervor  dass  die 
Wiederherstellung  des  in  der  inschriit  erwähnten  rathes  der  500  vor 
dem  j.  126  durch  Hadrian  erfolgt  sein  muss.  —  P.  255—269:  R. 
Sc  ho  ene  Felicis  Feliciuni  Veronctisis  optuscuium  ineditum :  eine  kleine 
abhandlung,  die  in  einer  vaticanischen  handschrift  sich  befindet,  von 
dem  bekannten  veronenser  in.-chriftensammler  Felix  Felicianus,  die 
älteste  anweisung  die  buchstaben  nach  dem  muster  der  alten  latei- 
nischen inschriften  zu  formen.  Beigefügt  ist  eine  schon  publicirte 
ganz  ähnliche  etwas  jüngere  anweisung  von  Lucas  Paciuolus,  der  un- 
zweifelhaft die  schritt  des  Felicianus  gekannt  und  stark  benutzt  hat, 
wie  dann  wieder  Paciuolus  dem  A.  Dürer  nachweislich  vorgelegen 
hat;  auf  taf.  2  sind  die  iormen  der  buchstaben  nach  Felicianus,  auf 
tat".  3  einige  nach  Paciuolus  und  Dürer  dargestellt.  In  der  schrift 
des  Felicianus  stehen  am  schluss  einige  anweisungen  über  behandlung 
des  papiers,  bereitung  von  tinte  und  ähnliches.  —  P.  270 — 298: 
Th.  Mommsen  obseruatioties  epiyraphicue  nr  13 — 15,  behandelt  zuerst 
eine  im  jähr  1863  in  Smyrna  gefundene  und  von  Bergmann  und  Gel- 
zer  veröffentlichte  inschriit,  die  für  die  geschiente  der  könige  von 
Pontus  in  der  frühen  kaiserzeit  von  Wichtigkeit  ist;  Mommsen  weist 
nach,  dass  die  in  der  inschriit  genannte  Autonia,  die  frau  des  Py- 
thodorus  und  mutter  der  Pythodons  ,  der  frau  des  Polemo,  die  äl- 
teste tochter  des  triumvir  M.  Antonius  sei.  Es  schliessen  sich 
daran  einige  bemerkungen  über  Cleopatra  tochter  des  Antonius 
und  der  Cleopatra  und  frau  des  Juba  und  den  könig  von  Cap- 
padocien  Archelaus.  —  P.  278  —  2y8  wird  ein  Senatusconsul- 
tnm  über  die  Thisbaeer  aus  d.  j.  584  =  170  commentirt,  das  in 
griechischer  spräche  abgefasst ,  vor  etwa  zehn  jähren  in  Boeotien  an 
der  stelle  des  alten  Thisbae  gefunden  und  von  Foucart  im  vergange- 
nen jähre  in  Paris  publicirt  ist.  Das  document  ist  von  höchster 
Wichtigkeit  für  die  geschichte  jener  zeit  und  insbesondere  für  die 
haltung  Boeotiens  im  kriege  gegen  Perseus ;  aus  dem  musterhaften 
reichhaltigen  commentar  Mommsen's  sei  hier  nur  der  nachweis  her- 
vorgehoben ,  dass  Polyb.  27,  5,  3  statt  Grjßas  zu  lesen  sei:  flioßug, 
obgleich  schon  Livius  (42,  46)  bei  Polybius  die  falsche  lesart  vorge- 
funden hat.  Ebenso  ist  Liv.  42,  63:  lhebas  in  Thisbas  zu  verändern, 
wodurch  historische  Widersprüche  in  seiner  darstellung  beseitigt  wer- 
den. Der  text  der  inschrift  ist  auf  taf.  I  in  majuskeln  publicirt. 
[Vrgl.  Philol.  XXXIII,  hett  3].  Den  schluss  des  heltes  (p.  299—315) 
bilden    ausführliche   indices  zu  dem  ersten  bände  der  Ephemeris. 

Gottingische  gelehrte  unzeigen,  1873,  st.  6:  Conti  popotari  veneziani 
raccnlti  da  Dom.  G.  Bernoni.  Veneziu:  anzeige  von  Liebrecht:  an- 
knüpfungspunkte  an  das  alterthum  werden  nicht  hervorgehoben.  — 
De  JErasmi  Roterodami  siudäs  irenicis.  Dtss.  .  .  ,  defendet  PA.  Wo- 
her. Faderborn.  1872:  anzeige  von  L.  Geiger.  —  Emil  Knorr, 
entstehung   und    entwicklung   der  geistlichen  Schauspiele  in  Deutsch- 


320  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  6, 

land  und  das  passionsspiel  in  Ober -Ammergau.  Leipzig  1872:  an- 
zeige von  E.  Wilken,  mit  rechtfertigungen  seiner  eignen  schrift  über 
diesen  gegenständ.  —  St.  7:  D.  Franc.  Garcia  Ayuso,  el  studio  de 
la  filologia  en  su  relation  con  el  sanskrit.  8.  Madrid.  1871:  enthält 
nach  dem  ref.  Jolly  eine  art  encyclopädie  der  Sprachwissenschaft: 
wird  sehr  empfohlen.  —  St.  3 :  Dissertation  critique  sur  le  poeine  La- 
tin du  Ligurinus,  attribue  ä  Günther,  par  G.  Paris.  8.  Paris  1872: 
ausführliehe  anzeige  von  Pannenborg :  vrgl.  Phil.  Anz.  II,  n.  5,  p.  266 
flcr.  —  St.  9 :  griechische  reliefs  aus  athenischen  Sammlungen ,  her- 
ausgegeben von  Richard  Schöne.  Leipzig.  1872:  ausführliche  anzeige  von 
Fr.  Matz.  —  St.  10 :  Anselm  der  Peripatetiker  nebst  andern  beitragen 
zur  literaturgeschichte  Italiens  im  11.  Jahrhundert,  herausgegeben 
von  E.  Dümmler.  8.  Halle.  1872:  eingehende  anzeige  von  Dr  Pan- 
nenborg. —  Des  Anicius  Manlius  Severinus  Boetius  fünf  bücher  über 
die  musik  aus  der  lateinischen  in  die  deutsche  spräche  übertragen 
und  mit  besonderer  berücksichtigung  der  griechischen  harmonik  sach- 
lich erläutert  von  Oscar  Paul.  8.  Lpzg.  1872:  beachtenswerthe  an- 
zeige von  E.  Krüger,  der  zunächst  zeigt,  wie  lückenhaft  unser  wis- 
sen von  der  alten  musik  sei,  dann  fehler  in  der  Übersetzung  nach- 
weist, endlich  die  erklärung  bespricht  und  auch  hier  manches  be- 
richtigt [s.  ob.  p.  278].  —  St.  13:  die  religiösen,  politischen  und 
socialen  ideen  der  asiatischen  culturvölker  und  der  Aegypter  in  ihrer 
entwicklung  dargestellt  von  Carl  Twesten.  Herausgegeben  von  prof. 
Dr  M.  Lazarus.  8.  Berlin:  Dümmler.  1872:  anzeige  von  H.  E.,  der 
sehr  viel  auszusetzen  findet  und  namentlich  den  einfluss  der  Aegyp- 
ter auf  Mose's  gesetzgebung  verwirft.  —  L'empire  grec  au  dixieme 
siede.  Constantin  Porphyrogenete  par  Alfred  Ramb  aud.  8.  Paris. 
1870 :  anzeige  von  F.  Hirsch ,  der  den  guten  willen  des  vfs  zwar 
anerkennt,  die  leistung  im  ganzen  aber  als  eine  schwache  bezeichnet. 
Die  pädagogik  des  Johannes  Sturm  historisch  und  kritisch  be- 
leuchtet von  Ernst  Laas,  bd.  I.  Berlin.  Weidmann ;  anerkennende 
anzeige  von  L.  Geiger.  —  St.  14:  Lettres  assyriologiques ;  seconde  Se- 
rie. Etudes  Accadiennes  par  Fr.  L  enormant.  2  voll.  8.  Paris. 
1873:  und:  Essai  sur  la  propagation  de  l 'aiphabet  phenicien  dans  fan- 
den monde  par  Fr.  L  enormant.  Developpement  d'un  memoire  cou- 
ronnee  par  Vacademie  des  Inscriptions  et  belies  lettres.  T.  I.  Livr.  8. 
Paris.  1872:  anzeige  von  H.  E.,  der  die  Untersuchungen  des  vfs  im 
erstem  werke  sehr  anerkennt  und  andeutet,  wie  auf  ihnen  weiter  zu 
bauen  sei:  das  zweite  werk  ist  auf  fünf  bände  berechnet,  so  dass  man 
ietzt  noch  nicht  viel  von  ihm  sagen  kann.  —  Sulla  ricostiluzione 
della  scuola  di  paleograßa  ed  arte  critica  diplomatica  negli  archivi  di 
stato  di  Torin  o  cenni  storici  e  proposto  di  Gau  denzio  Claretta.  8. 
Firenze.  1872:  anzeige  von  Fl.  Tortuul,  die  zwar  wie  das  buch  nicht 
eigentlich  philologischen  inhalts  ist,  aber  vielfache  berührungspunkte 
bietet  und  allgemeines  interesse  in  ansprach  nimmt. —  St.  16:  Rap- 
port sur  une  mission  archeologique  dans  le  Temen,  par  M.  Joseph  Ha- 
levy.  8.  Paris.  1872:  anzzeige  von  H.  E.  —  St.  17:  die  einheit 
des  menschengeschlechts.  Anthropologische  studien  von  P.  M.  Rauch. 
8.  Augsburg:  ausführliche  besprechung  von  H.  Ihering.  —  Des  Clau- 
dius Rutilius  Namatianus  heimkehr  übersetzt  und  erläutert  von  Ita- 
sius  Lemniacus.  8.  Berlin.  1872:  anzeige  von  H.  Sauppc,  der  Al- 
fred von  Reumont  als  den  Übersetzer  und  herausgeber  belobt. 

Nachrichten  von  der  kbn.  gesellsch.  der  wiss.  zu  Göttingen  1873.  nr. 
3:  J.  B.  Listing,  über  unsre  jetzige  kenntniss  der  gestalt  und  grosse 
der  erde:  vrgl.'  Philol.  XXXI,  p.  698  flgg. 


ffr.  7.  Mi  1873. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben  als   ergänzung   des  Philo-logus 


von 

Ernst  von  Leutsch. 


178.  Die  rhetorik  der  Griechen  und  Römer  in  systemati- 
scher Übersicht.  Von  Richard  Volkmann.  Berlin.  1872, 
Ebeling  et  Plahn.     8.     VI  und  505  s.    —     3  thlr.    18  ngr. 

In  vorliegendem  werke  des  bekannten  forschers  über  rhe- 
torik erhalten  wir  nicht  etwa  eine  neue  aufläge,  sondern  eine 
vollständige  Umarbeitung  des  1865  von  ihm  erschienenen :  ,,Her- 
magoras  oder  demente  der  rhetorik",  wie  auch  der  titel  selbst 
ein  anderer  und  das  neue  buch  fast  um  die  halfte  stärker  ge- 
worden ist  als  das  alte.  Nach  der  vorrede  beabsichtigte  der 
vf.  ursprünglich  diesem  systematischen  theile  eine  historische 
darstellung  der  entwicklung  der  rhetorik  beizufügen,  fand  aber 
alsdann,  dass  dies  besser  für  ein  besondres  werk  aufgespart 
bleibe,  welches  hoffentlich  in  nicht  zu  langer  zeit  erscheinen 
wird.  Immerhin  ist  schon  jetzt  der  historischen  entwickelung 
der  einzelnen  lehren  eine  weit  grössere  aufmerksamkeit  gewid- 
met als  in  dem  früheren  werke.  In  der  anläge  im  grossen  und 
ganzen  konnte  keine  änderung  eintreten,  aber  schon  die  ein- 
zelnen paragraphen  beider  bücher  decken  sich  keineswegs,  und 
so  viel  sich  auch  wörtlich  übereinstimmendes  findet,  so  sind 
doch  auf  jeder  seite  grosse  und  kleine  änderungen,  zusätze,  Um- 
stellungen angebracht,  und  somit  der  besitz  der  „rhetorik"  für 
jeden  der  sich  mit  diesen  Studien  beschäftigt  auch  neben  dem 
„Hermagoras"  eine  unerlässlicbe  nothwendigkeit. 

Bei  der  massenhaftigkeit  des  materials  kann  es  ja  freilich 
nicht  fehlen,  dass  auch  jetzt  noch  manches  zu  bessern,  manches 
zuzusetzen  wäre,  und  die  so  ausserordentliche  Unzulänglichkeit 
unsrer  Überlieferung  bringt  es  mit  sich,  dass  über  viele  punkte  eine 
andre  ansieht  als  die  des  vf.'s  möglich  ist.  Zum  beleg  dafür  will 
Philol.  Anz.  V.  21 


322  178.  Ehetorik.  Nr.  7. 

ich  im  folgenden  auf  einiges  derartige  hinweisen.  —  Ueber  den 
begriff  no)uzixog  Xöyog  (p.  5  vgl.  477)  konnte  hinzugefügt  wer- 
den dass  derselbe  schon  bei  Isokrates  sich  findet,  so  adv.  Soph.  9, 
20  im  gegensatz  zu  den  egideg;  vgl.  Euag.  10  zäv  ovoftdtap 
zoTg  nnXizwoig  gegensatz  %fa'oig,  xaivoig,  fAeraqiOQaig.  „Staats- 
rede" heisst  der  ausdruck  allerdings  Antid.  46,  wo  die  in  je- 
nen stellen  mit  eingeschlossenen  gerichtsreden  den  nolm-Aol 
xal  'EXXrjvixol  löyoi  vielmehr  entgegenstehen.  —  Die  defini- 
tion  der  rhetorik  als  nsidovg  s  n  ta  z  t)  ny ,  die  Sextus  Empiri- 
cus  dem  Isokrates  beilegt  (s.  p.  6) ,  kann  von  diesem  nicht 
sein;  denn  er  geht  im  gegensatz  zu  der  angeblichen  miaz/tfjijj 
der  dialektiker  nur  auf  hervorbringung  richtiger  861~ai  aus  und 
nimmt  auch  für  sich  nicht  mehr  in  anspruch :  Antid.  184  tw 
l*et>  yag  sldevai  nsQilaßHv  avzovg  (zovg  xaigovg)  ov%  oiöv  t' 
iözif  in\  yao  anävzmv  zäv  ngay^ccTav  diaqisvyovai  tag  eniffzt]- 
fiag.  —  Nach  §.  9  hätte  Isokrates  so  wenig  wie  Anaximenes 
die  epideiktische  beredsamkeit  in  den  kreis  seiner  betrachtung 
gezogen,  was  vielmehr  erst  Aristoteles  gethan:  wie  ist  das  möglich, 
wo  er  selbst  fremde  enkomien  kritisirte  (Busiris  uud  Helena)  und 
eigne  als  muster  daneben  stellte  ?  —  P.  16  wird  dem  Dionysios 
der  ausdruck  naqaantvi]  zugeschrieben,  „wofür  die  alten  evgeatg 
sagten".  Aber  auch  Dionysios  gebraucht  die  bezeichnung  ev- 
Qsaig,  z.  bsp.  Lys.  16.  —  P.  25  sucht  Volkmann  die  lehre 
von  den  atdasig  als  vor  Isokrates  aufgestellt  zu  erweisen,  mei- 
ner meinung  nach  nicht  mit  erfolg ,  und  er  selbst  bezeichnet 
p.  31  als  richtig  die  bemerkung  Spengel's:  Aristotelis  aetate 
ozaostg  nondum  erant  a  praeceptoribus  compositae  et  digestae,  res 
ipsae  vero  dudum  usitatae.  Gewiss  war  alles  längst  in  der  pra- 
xi9  da  —  dies  und  nicht  mehr  beweist  auch  das  vom  vf.  p.  32 
angezogene  beispiel  der  rede  gegen  Agoratos  —  ;  aber  die  aus- 
bildung  der  theorie  erforderte  erstlich  mehr  philosophische  bil- 
dung  als  sie  das  Zeitalter  vor  Isokrates  hatte,  und  zweitens 
müssten  dann  doch  bei  Aristoteles  und  Anaximenes  sich  spuren 
davon  finden.  Volkmann  stützt  sich  darauf,  dass  die  statuslehre 
nur  auf  das  genus  iudiciale  passe ,  gleichwohl  aber  allgemein  für 
alle  drei  genera  aufgestellt  würde,  was  sich  nur  so  erkläre,  dass 
sie  erfunden  wurde  zu  einer  zeit  wo  die  techuiker  sich  auf  die 
gerichtsrede  beschränkten,  also  vor  Isokrates.  Mir  scheint  dies 
durchaus  nicht  zwingend;    die    gerichtsrede   blieb   auch    nachher 


Nr.  7.  178.  Rhetorik.  323 

die  hauptsache  für  die  techniker,  und  Volkmann  sagt  selber  (p. 
26) ,  es  ergäbe  sich  dass  die  lehre  nur  durch  Unachtsamkeit  oder 
verkehrtes  streben  nach  analogie  auf  die  beiden  andern  genera 
übertragen  sei.  —  P.  86  ist  die  wiedergäbe  von  Aristoteles 
ansichten  über  die  theile  der  rede  nicht  richtig.  Jener  sagt  (III, 
13,  p.  148  Sp.),  dass  prothesis  und  beweis  die  nothwendigen,  pro- 
oemion,  prothesis,  beweis,  epilog  die  gewöhnlichen  theile  seien ; 
wenn  hier  die  erzahlung  fehlt,  so  ist  das  sicher  schuld  der 
Überlieferung.  Die  rhetoren  aber  zu  Aristoteles  zeit  stellten 
nicht  etwa,  wie  Volkmann  sagt,  diese  vier  oder  fünf  theile  auf, 
sondern  noch  andre  dazu,  die  Aristoteles  zurückweist:  ja  ngog 
70v  atTidiHOv,  inävoöog ,  avTinaqaßolr\.  —  Die  vm-^aiosaig  als 
redetheil  fp.  87) ,  muss  mit  ia  nobs  rbv  üvzidtxov  identisch 
sein ;  wenn  Fortunatian  sie  als  ein  verschweigen  definirt,  so  ge- 
hört doch  ein  solches  nie  unter  die  redetheile.  —  Ein  dichter- 
citat  (p.  290)  auch  bei  Lysias  frg.  182.  —  Beim  epilog  p. 
213  ff.  war  die  erwähnte  ävTinagaßoh']  nicht  zu  übergehen 
(Arist.  Rh.  HI,  13,  19),  d.  h.  die  vergleichende  gegenüberstellung 
der  eignen  und  der  gegnerischen  rechtsgründe ;  beispiel  Jsae.  7, 
43.  —  P.  223  widerspricht  Volkmann  der  bemerkung  des  Quin- 
tilian,  dass  nu&og  und  rt&og  bisweilen  nur  graduell  verschieden 
seien,  ut  amor  nü&og,  Caritas  tjöog;  nach  Volkmann  ist  der  un- 
terschied stets  generell.  Aber  als  was  soll  man  denn  die  Caritas, 
oder  die  8tä&8Gig  nartQwv  ngbg  rovg  Tvaldag  nach  Anonym.  Seg. 
(p.  225),  anders  bezeichnen,  denn  als  ethos?  und  wiederum  ist 
es  klar  dass  der  ausdruck  dieser  Caritas  nach  umständen  leicht 
pathetisch  wird,  z.  b.  bei  Isaeus  in  der  zweiten  rede  und  sonst.  — 
Bei  der  paronomasie  (p.  408)  wird  nach  Quintilian  referirt,  dass 
sie  fehlerhaft  sei  wenn  die  pointe  auf  eine  Verschiedenheit  der 
quantität  hinauslaufe,  z.  b.  amari  iucundum  est  si  curatur  ne  quid 
insit  amari.  Hier  ist  aber  gleiche  quantität,  und  Quintilian  (IX,  3, 
69)  sagt  vielmehr:  aliter  quoque  voces  aut  eaedem  diversa  in 
significatione  ponuntur  aut  productione  tantum  vel  correptione  mu- 
tatae,  quod  etiam  in  iocis  frigidum  e.  q.  s,,  und  dann  das  bei- 
spiel. —  In  der  stelle  des  Theophrast  über  die  antithesen  (p. 
413  f.  s.  Dionys.  Lys.  14)  ist  alles  in  richtigkeit ,  sowie  man 
tovifov  statt  bloss  auf  die  antithesen,  mit  denen  das  erhaltene 
beginnt,  auf  die  gorgianischen  figuren  im  allgemeinen  bezieht, 
indem  von  parisa  und  paromoia    (tu   ioov  xat   tu   o  [aoiov)  vorher 

21* 


324  178.  Rhetorik.  Nr.  7. 

die  rede  gewesen  sein  wird.  Diese  beiden  figuren  tadelt  nun 
Tbeophrast,  während  er  die  antithese  gelobt  haben  wird,  gleich 
Aristoteles.  Dass  im  zweiten  theile  des  fragments,  nach  tov- 
703V  ds,  an  antithesen  nicht  gedacht  wird,  geht  daraus  hervor, 
dass  die  angezogenen  beispiele  keine  einzige  solche  enthalten.  — 
P.  454  f.  sucht  Volkmann  die  lehre  von  den  drei  stilarten,  wie 
sie  Theophrast  aufgestellt,  auf  die  Isokrateer  zurückzuführen, 
dem  Theophrast  aber  die  aufstellung  des  begriffs  der  deivorTjg 
als  einer  angemessenen  benutzung  von  allen  dreien  beizulegen, 
und  zwar  habe  schon  dieser  den  Demosthenes  als  Vertreter  der 
dsivoTTjg  hingestellt.  Davon  bin  icb  keineswegs  überzeugt:  bei 
Aristoteles  wird  nur  deshalb  Demosthenes  ignorirt,  weil  er  nicht 
die  eigentliche  kunstmässige  Xe^ig ,  die  ygacpixi],  sondern  die 
aymviatiy.1]  vertritt,  und  darin  mochte  allerdings  Theophrast 
seinem  lehrer  gefolgt  sein.  Für  die  ygacpmi]  li£,tg  ist  auch  die 
lehre  von  den  drei  ^agayzrjgsg  ursprünglich  allein  aufgestellt, 
und  dafür  passte  sie  zu  Theophrast's  zeit  so  gut  wie  vorher, 
da  sich  hier  nach  Isokrates  nichts  neues  entwickelte.  Uebrigens 
hätte  Volkmann  den  unterschied  in  der  auffassung  des  ptaog 
%uQaxTt'jQ,  der  sich  zwischen  Dionysios  und  Cicero  zeigt,  deut- 
licher hervorheben  müssen  ;  jenem  ist  es  eine  blosse  mischung, 
le%ig  (xtxrr)  xul  auvOszog  in  tö>v  Svbip  (de  Demosth.  3) ,  diesem 
ist  das  medium  genus  ein  floridum  und  seine  besondre  Wirkung 
das  delectare.  Dass  übrigens  Dionysios'  lehre  von  der  dreifa- 
chen art  der  composition  zu  der  von  den  Stilgattungen  nicht  passt 
ist  nicht  so  wunderbar,  wie  der  vf.  p.  460  meint:  dem  ^«y«x- 
7rjQ  l<s%v6g  des  Lysias  ist  auch  das  eigentümlich ,  dass  seine 
composition  scheinbar  gar  nicht  künstlich  ist ,  also  unter  keine 
der  drei  arten  fällt.  Vgl.  meine  Attische  bereds.  p.  386.  — 
Noch  erwähne  ich,  dass  bei  der  anführuug  meiner  ansieht  über 
die  zeit  des  isokratischen  Euagoras  (p.  275  anm.)  ein  druck- 
fehler  sich  eingeschlichen  hat:  nicht  nach  der  Antidosis,  son- 
dern vor  derselben  muss  jene  rede  verfasst  sein. 

Mit  obigen  bemerkungen  wollte  unterzeichneter  auch  seiner- 
seits kleine  beitrage  zur  sache  liefern ;  mit  dem  urtheil  über 
des  vf.'s  werk  haben  sie  nichts  zu  thun.  Möge  letzteres  über- 
all die  verdiente  anerkennung  und  das  wünschenswerthe  Stu- 
dium finden. 

F.  Bloss. 


Nr.  7.  179.  Aristophanes.  325 

179.  De  scaena  Acharnensium  Aristophanis ,  quae  paro- 
dum  sequitur.  Vor  dem  index  lectionum  der  berliner  Univer- 
sität im  winter  -  semester  1872/73. 

Die  bedeutung  dieser  abhandlung  von  Moritz  Haupt 
liegt  weniger  in  den  einzelnen ,  wenngleich  immer  werthvollen, 
so  doch  nicht  immer  ganz  neuen  ermittelungen,  als  vielmehr  in 
der  allgemeinen  grundanschauung  vom  wesen  der  attischen 
bühne ,  von  welcher  die  ganze  schrift  getragen  wird ,  und  in 
dem  wege  der  Untersuchung,  den  sie  betritt. 

Seit  dem  tode  Gr.  Hermanns  gewinnt  auf  dem  gebiete  der 
scenischen  alterthümer  die  richtung  unter  den  forschem  mehr 
und  mehr  an  geltung,  welche  von  modernen  Verhältnissen  aus- 
gehend eine  möglichst  grosse  anwendung  macht  von  äusseren 
darstellungsmitteln  bei  der  aufführung  griechischer  dramen.  Der 
einzig  dastehenden  idealität  der  antiken  tragödie  und  komödie, 
die  erhaben  sind  über  räum  und  zeit,  wird  fast  gar  keine  rech- 
nung  getragen,  sondern  alles  auf  die  „illusion"  der  Zuschauer 
und  ihre  äugen,  nichts  auf  ihre  dem  dichter  willig  folgende 
phantasie  berechnet.  Wir  erinnern  den  leser  nur  an  die  pro- 
legomena  von  Julius  Richter  vor  seinen  ausgaben  der  Wespen 
und  des  Friedens,  in  welchen  die  eben  bezeichnete  ansieht  of- 
fen ausgesprochen  und  vertreten  wird.  Hoffen  wir,  dass  die- 
ser dem  hellenischen  geist  widerstrebenden  richtung  durch  den 
vorliegenden  aufsatz  Haupts  ein  dämm  entgegengesetzt  werde. 
Es  sind  aber  die  beiden  wichtigsten  grundsätze,  welche  aus 
Haupts  erörterungen  hervorleuchten,  folgende:  1)  nihil  fere  fit  in 
Graecorum  tragoediis  comoediisque ,  quin  fieri  simul  iudicetur  ora- 
tione,  und  2)  tarn  efficax  erat  poetarum  oratio  ac  veluti  regnabat, 
ut  plane  ei  parerent  epeetatores  crederentque  quae  dici  audiebant, 
etiamsi  adparatui  multa  ad  veritatis  imitationem  deessent  (p.  5). 

Die  scene  in  den  Acharnern  nach  der  parodos  hat  den 
gelehrten  darum  so  grosse  Schwierigkeiten  hinsichtlich  der  er- 
klärung  bereitet,  weil  wir  in  ihr  Dikaeopolis  auf  dem  lande 
die  Dionysien  feiern  sehen  (wie  aus  vs.  250  rä  xaz1  äygovg 
Aiovvaiu.  und  namentlich  aus  den  Worten  des  Dikaeopolis  267 
ig  zov  S?inov  sl&cov  unzweifelhaft  hervorgeht),  während  die  ko- 
mödie sonst  ganz  und  gar  in  der  Stadt  spielt,  das  proskenion 
die  städtischen  häuser  des  Dikaeopolis,  Euripides  und  Lama- 
chos  darstellt,  ja  Dikaeopolis   bei  vs.  201  f.  mit  dem  aussprach: 


326  179.  Aristophanes.  Nr.  7. 

eyco   8s  noXtpov   xal   xaymv   anallaysig 

«£oj  t«  x«r'  dygovg  eloicov  diovvam, 
in  dieses  sein  haus  eingetreten  war ,  aus  welchem  er  nunmehr 
vs.  237  herauskommt  und  sich  plötzlich  auf  seinem  landgut 
befindet.  Denn  dass  tlaicov  202  nichts  anderes  als  domum  in- 
trans  bedeuten  könne,  müssen  wir  Haupt  glauben.  Wir  bemerken 
bei  dieser  veranlassung,  dass  hiernach  Ernst  Droysen  in  seiner  bon- 
ner  dissertation  v.  j.  1868  Quaestiones  de  Aristophanis  re  scaenica  bei 
gelegenheit  der  von  ihm  veranstalteten  und  im  übrigen  recht  nütz- 
lichen Zusammenstellung  des  gebrauchs  der  ausdrücke  slatt'rai, 
slaiQXEG&ai,  E&Qxta&ai,  sioäyeiv,  slacpsQstv  url.  bei  Aristophanes 
keine  Ursache  hatte  an  unserer  stelle  eine  abweichung  von  der 
gewöhnlichen  bedeutung  des  wortes  slaiivai  zu  statuiren,  und  kein 
recht  dazu  p.  10  folgendermassen  zu  übersetzen:  domum  (i.  e. 
rus)  ibo  ibique  Dionysia  agam.  Auch  möchten  wir  noch  warnen 
sich  von  der  conjectur  J.  M.  v.  Gent's  in  der  Mnemosyne  III, 
p.  234  iatimv  statt  tlaiuiv  bestechen  zu  lassen.  —  Das  beregte 
scenische  problem  hat  man  nun  bald  durch  die  annähme,  Di- 
caeopolis  feiere  die  ländlichen  Dionysien  ausnahmsweise  wegen 
des  krieges  in  der  Stadt  (Schönborn),  oder  die  bühne  stelle 
stadt  und  land  zugleich  vor  (Böckh),  oder  (was  Haupt  unbe- 
rücksichtigt lässt)  es  finde  decorationswechsel  statt  (Geppert, 
E.  Droysen)  zu  lösen  gesucht:  annahmen,  welche  alle  viel  be- 
deutendere Unzulänglichkeiten  herbeiführen ,  als  die  vorgeblich 
gelöste  ist.  Haupt  löst  das  räthsel  höchst  einfach  und  natür- 
lich, indem  er  sagt:  statuendum  est,  Aristophanem  a  spectatoribus 
postulasse  ut  crederent,  se  quae  ruri  fierent  audire  et  videre ,  satis 
admoniti  Mio  quod  Dicaeopolis  dicit  eazq)  a  hei  noooHnov  ig 
top  öijfiov  iX&tov  äafierog,  pariterque  ut  mox  in  urbe  se  esse  cre- 
derent neque  anxie  omnia  inter  se  conpararent.  Freilich  wird  da- 
mit manchem  der  knoten  nicht  entwirrt  sondern  zerhauen  zu 
sein  scheinen,  aber  nur  demjenigen,  welcher  niemals  unbefan- 
genen sinnes  die  zahlreichen  beispiele  beim  komiker  beachtet 
hat,  in  denen  die  gleiche  credulitas }  wie  Haupt  sich  ausdrückt, 
vom  publikum  gebieterisch  gefordert  wird.  Haupt  erwähnt  p. 
5.  6.  9  einige  derselben.  Auf  das  wort  des  dichters  glauben 
die  Zuschauer  zu  anfang  der  Wolken  (und  —  können  wir  hin- 
zufügen —  auch  der  Wespen,  Ekklesiazusen  und  der  Lysi- 
strata)    dass    nacht    sei,    während    die    bühne    von   heller  sonne 


Nr.  7.  179.  Aristophanes.  327 

beschienen  wird.  Bei  der  an  unserer  stelle  der  Ächarner  stattfin- 
denden phallischen  procession  wird  die  tochter  vs.  257  f.  er- 
mahnt auf  ihre  goldenen  Schmucksachen  zu  achten,  damit  die- 
selben ihr  nicht  in  dem  grossen  gedränge  gestohlen  würden: 
in  Wirklichkeit  hat  gar  kein  gedränge  statt,  und  der  ganze  fest- 
zug  besteht  aus  Dikaeopolis ,  seiner  tochter  und  zwei  sklaven. 
Wir  wollen  hier  zu  den  von  Haupt  beigebrachten  fällen  einige 
hinzufügen,  welche  gleichfalls  darthun,  wie  viel  der  einbildungs- 
kraft  des  zubörers  zugemuthet  wird,  und  wie  gerade  die  pointe 
in  vielen  stellen  des  dichters  verloren  geht,  wenn  wir  ohne 
jene  rechnen  und  alles  eigentlich  und  sinnlich  verstehen.  Wenn 
Dikaeopolis  im  beginn  unseres  stücks  vs.  41  von  dem  drängen 
und  stossen  der  zur  ekklesia  strömenden  bürger  spricht: 

ovk  TjyoQsvov;  zoT^'  ixsh1  ovyoo  'Xsyov 

slg  T7jv  TTQOsÖQiav  nÖig  uvtjq  oöözi^etai, 
so  hat  man  durchaus  keine  berechtigung  an  einen  so  gar  grossen 
schwärm  die  bühne  überfluthender  Statisten  zu  denken,  sondern 
auch  hier  trifft  das  zu,  was  Haupt  p.  9  mit  rücksicht  auf  die 
vorhin  besprochene  stelle  anmerkt:  atque  omnino  Aristophanes  ex 
ficta  pompae  magnificentia  eorumque  quae  solemniter  fiebant  irnita- 
tione  ridicula  captavit.  Im  Frieden  wird  dem  diener  von  Try- 
gaeos  geboten  vs.  962  roig  dsazatg  gims  läv  xoi&mv.  Hier 
wird  dem  witz  die  spitze  abgebrochen ,  wenn  wir  anneh- 
men, der  diener  habe  wirklich  gerste  in  den  zuschaueraum  ge- 
streut. Vielmehr  ist  der  Vorgang  folgender.  Auf  jenen  befehl 
des  Trygaeos  thut  der  diener  nichts  oder  macht  nur  die  ent- 
sprechende handbewegung ,  ohne  in  Wahrheit  zu  werfen ,  und 
sagt  gleichwohl:  iöov.  Ueber  sein  benehmen  verwundert  fragt 
Trygaeos:  eScoxag  qdq ;  Ja  wohl,  antwortet  der  diener  und 
weist  Trygaeos  auf  den  männlichen  samen  hin,  den  er  obscön 
rmv  &E03(xh(üv  xgt&ij  nennt.  Denn  =  aneofia  ist  xoi&tj,  nicht 
=  aldoiov  tööv  avdomv,  wie  der  scholiast  will.  Ebenso  ist  na- 
türlich auch  das  971  erwähnte  vöcog  z o  a ov  tovi  in  Wirklich- 
keit keines  und  wird  in  ironischer  weise  vom  diener  also  be- 
zeichnet. Auch  die  Schrecknisse,  welche  Dionysos  und  Xanthias 
beim  eintritt  in  die  unterweit  in  den  Fröschen  erblicken,  der 
axotog  aal  ßogßogog  vs.  273  und  namentlich  die  "E^inovaa  293 
sind  nichts  als  phantasiegebilde,  und  gänzlich  verkehrt  ist  hier 
Fritzsche's  note  zu  vs.  290:    ceterum  mihi  item  ut  Beckio  placet 


328  180.  Plutarchos.  Nr.  7. 

non  mentitum  esse  Xanthiam,  sed  potius  machinae  cuiusdam  ope 
tale  quiddam  in  scena  exliibitum,  quod  in  varias  formas  mutari  vi- 
deretur.  Erscheint  etwa,  wenn  „  der  herr  der  ratten  und  der 
mause,  der  fliegeu,  frösche,  wanzen,  lause"  eine  ratte  herbeiruft 
um  das  pentagramma  anf  der  schwelle  zu  Fausts  studirzimmer 
fortzunagen,  auf  unseren  bei  weitem  realistischeren  bühnen  wirk- 
lich eine  solche?  Diese  beispiele  entsprechen  genau  den  von 
Haupt  angeführten,  und  es  wäre  dankenswerth ,  wenn  jemand 
eine  zusammenfassende  beurtheilung  aller  hierher  gehörigen  un- 
ternehmen wollte.  Vgl.  dazu  auch  Woldemar  Ribbeck  zu  Ar. 
Ritter  p.  14  anm.  42,  p.  239  u.  299,  Acharner  p.  205. 

Die  übrigen  einzelnen  bemerkungen  Haupts  sind  theils 
exegetischer  theils  kritischer  natur.  Zur  ersten  klasse  ge- 
hört die  Übersetzung  von  drädog  245  mit  porrige  im  gegen- 
satz  zu  einer  irrthümlichen  auffassung  Elmsleys,  ferner  die  er- 
klärung  von  xarayiyaQztcsai  275  p.  8:  figurate  dicitur  xatayi- 
yaotiaai  quod  Latinis  est  conprimere ,  estque  illud  verbum  ad  eam 
tov  yiyuQzov  significationem  referendum,  qua  non  acini  nucleum  de- 
notat  sed  massam  expressarum  uvarum.  Hinsichts  der  zweiten  klasse 
trifft  Haupt  meist  mit  andern  kritikern  wenigstens  zum  theil  zu- 
sammen; so  mit  Fr.  A.  Wolf,  wenn  er  vs.  242  noowco'g  z6 
ngoa&sv  liest  anstatt  nooid*  ig  zo  nQna&sp  bei  Bergk  und 
Meineke;  so  mit  Dobree  in  der  allerdings  fast  in  Vergessenheit 
gerathenen  Umstellung  des  verses  203  hinter  200.  Auch  bei 
gelegenheit  der  Umstellung  von  vs.  244 — 246  hinter  vs.  275, 
die  Haupt  vornimmt,  stimmt  er  theilweise  Hamaker  zu.  Doch 
ist  der  unterschied  zwischen  Haupt  und  seinen  Vorgängern  in 
diesem  wie  im  vorigen  fall  im  einzelnen  noch  immer  ein  recht 
beträchtlicher.  R.  A. 

180.  Plutarchi  Chaeronensis  Moralia  ex  recensione.  R. 
Her  eher  i.     Vol.  I.     8min.     Lips.  Teubner.   1872.  —  18  ngr. 

Hercher  verweist  in  der  in  wunderlichem  latein  geschriebenen 
Vorrede  dieses  bandes  auf  eine  grössere  ausgäbe  der  Moralia  Plu- 
tarchs,  in  der  er  die  lesarten  der  handschriften  die  er  seiner  re- 
cension  zu  gründe  gelegt,  genau  angeben  wird ;  vor  der  band 
hat  er  die  lesarten  der  von  ihm  bevorzugten  Codices,  sowie  seine 
und  auch  anderer  plutarchischen  forscher  emendationen  ohne 
angäbe  der  gründe  und  quellen  in  den  text  aufgenommen.      In 


Nr.  7.  180.  Plutarchos.  329 

folge  dieses  Verfahrens  lässt  sich  jetzt  kaum  ermitteln,  ob  diese 
ausgäbe  einen  wirklichen  fortschritt  in  der  Plutarchliteratur 
bezeichnet  oder  nicht  —  denn  bei  allen  ihren  Vorzügen  bie- 
tet sie  dem  sie  mit  vergleichung  anderer  bis  jetzt  als  gut  an- 
erkannter Plutarchausgaben  lesenden  des  räthselhaften  so  viel, 
dass  er  sie  nicht  eher  zu  gebrauchen  den  muth  haben  wird, 
als  bis  er  jene  grössere  ausgäbe  mit  dem  rechenschaftsbericht 
kennen  gelernt  hat ,  von  deren  erscheinen  wir  wünschen,  dass 
es  sich  nicht  allzu  lange  verzögere.  Um  ein  vorläufiges  ur- 
theil  zu  gewinnen  habe  ich  die  scbrift  de  adulatore  et  amico, 
wie  sie  Hercher  bietet ,  genau  mit  andern  ausgaben  verglichen. 
Zur  sache  selbst  übergehend  muss  ich  wohl  zunächst  die 
coosequenz  Hercher's  hervorheben,  mit  welcher  er  eine  einmal 
von  ihm  als  richtig  angenommene  Schreibweise  mancher  Wörter 
durchführt.  So  lesen  wir  z.  b.  neunzehnmal  formen  der  verba 
yiyvsa&ui  und  yiyvwGxeir,  die  sonst  bei  Plutarch  immer  in  der 
form  yhsadai  und  yircoaxeiv  erschienen,  in  ersterer  weise  ge- 
schrieben; allein  es  scheint  doch  bedenklich,  diese  formen  so 
ohne  weiteres  zu  adoptiren  und  die  bis  jetzt  gebräuchlichen  dem 
Zeitalter  des  Plutarch  bei  weitem  angemesseneren,  ohne  weitres  zu 
entfernen;  in  allen  älteren  ausgaben  vor  Hercher's  ausgäbe,  die 
mir  zur  band  waren,  im  Hütten,  in  der  Didotschen  und  Tauch- 
nitzischen  ausgäbe  steht  yhea&ui ;  auch  in  den  meisten  ausga- 
ben der  Vitae,  so  auch  in  der  neuesten  von  Blass;  wie  man 
z.  b.  im  Themistocl.  II,  1.  II,  5.  Aristid.  I,  2.  XXIV,  4  und  a. 
a.  o.  mehr  sehen  kann  ;  allerdings  hat  auch  Hercher  in  seiner 
textausgabe  des  Aristides  und  Cato  major  yiyvo^ai  geschrie- 
ben, z.  b.  p.  22,  8.  Dieser,  wie  gesagt,  ganz  consequent  durch- 
geführten änderung  in  der  bis  jetzt  gebräuchlichen  Schreibweise 
steht  eine  andere  zur  seite,  welche  die  formen  des  verbum 
xaico  betrifft ;  hier  schreibt  Hercher  auf  einmal  die  altattische  form 
xat»,  s.  p.  139,  1  und  165,  10;  ferner  ist  bei  Hercher  stets 
die  form  u^Qi  zu  finden  (118,  24.  159,  7),  während  bis  jetzt 
äxQi  und  a%Qig  abwechselten;  so  steht  z.  b.  bei  Sintenis  im 
Aristid.  X,  4  uiqiq  und  Hercher  schreibt  an  derselben  stelle 
aXQi  in  seiner  ausgäbe;  diese  änderungen  sowohl,  als  auch  die 
nun  noch  zu  besprechenden  könnten  doch  den  verdacht  rege 
machen,  dass  Hercher  unseren  Boeoter  Plutarch  jetzt  noch  zu 
einem    attischen   schriftsteiler    stempeln    wolle ;     zu    dieser    an- 


330  180.   Plutarchos.  Nr.  7. 

nähme  führt  z.  b.  die  Schreibweise  der  worte  bmaviov  statt  6n- 
ravslov  (116,8),  'EnafisivmvSag  statt  der  bis  jetzt  allgemein  bei 
Plutarch  gebräuchlichen  'Enafiivoovdug  (120,  26),  der  accusativ 
plural.  von  ßaailsvg  in  der  form  zovg  ßaaiXmg  statt  ßaaiXeig 
(p.  134,  4) ;  bis  jetzt  waren  beide  formen  nebeneinander  zu  fin« 
den  z.  b.  im  IV.  bände  der  Sintenis'schen  textausgabe  der 
Vitae:  rovg  ßaaiUlq  7,  32.  109,  5.  113,  2.  116,  30.  117,  20 
und  26;  ebenso  zovg  inmlg  ibid.  99,  18.  141,  31.  145,  32. 
319,  13.  321,  17.  343,  6  u.  s.  f.:  dagegen  zoxsccg  III,  72, 
14,  innmg  III,  35,  21,  daneben  achtmal  innüg,  wie  im  II  b. 
zweimal  ßaadslg ,  im  Illten  viermal;  zu  dieser  kategorie  ge- 
hören ferner  ä&q>ov  statt  a&aov  153,  9  —  ixxadijgai  statt  des 
späteren  ixxu&äQat  147,  21  —  dann  schreibt  Hercher  stets  pa- 
Xctxßofiai  statt  der  form  [iaX&axi£o[iai,  so  141,  16  und  fiaXa^v 
statt  mit  &  135,  23;  —  bei  dem  wort  äßelr^gCa  ist  die  form 
äßeXTsgta  vorgezogen,  134,  23.  151,  2.  166,  21  —  auch  für 
impeXsia&ai  die  sniptiXea&ai  163,  16:  statt  &agasco  liebt  er 
öaggioa,  157,  24  und  26:  alle  diese  änderungen,  so  äusserlich 
t  und  nebensächlich  sie  auch  erscheinen,  machen  nur  den  eindruck 
des  gesuchten  atticismus.  —  Konnten  wir  hier  also  entweder 
gar  nicht  oder  doch  nur  nicht  in  der  consequenz  beistimmen, 
so  müssen  wir  dagegen  als  sehr  anzuerkennende  probe  von  con- 
sequenter  befolgung  einmal  für  richtig  erkannter  Schreibweise 
hervorheben,  dass  Hercher  apostrophirt,  wo  sonst  ein,  aller- 
dings erlaubter,  hiat  entstehen  würde;  so  bei  ovSe  vierzehn- 
mal, bei  8s  37,  bei  fitjts  7,  bei  ovrs  5,  bei  rovto  2,  bei  mats, 
Iva,  javia  je  einmal.  —  Die  form  der  krasis  wendet  er  bei 
Tavavrla,  raXXa,  xavtd  je  einmal  an;  für  idv  schreibt  er  stets 
a»,  warum  denn?  127,  25.  139,6.  152,  17.  155,  8.  161,13  — 
ovzco  schreibt  er  vor  consonanten,  obgleich  auch  da  sich  oft 
ovTcog  in  älteren  ausgaben  fand,  113,  16.  137,  7.  140,  1.  — 
Weniger  consequent  will  es  mir  erscheinen,  wenn  Hercher 
153,  17  hvtivaovv  und  gleich  darauf  154,  25  rjvtirovv  schrieb; 
warum  nicht  auch  hier  tjvtipaovv  oder  oben  bvtivovv,  da  diese 
form  auch  gebräuchlich  ist.  —  Als  ein  nicht  geringes  verdienst 
erkennen  wir  ferner  an,  dass  Hercher  in  der  bisher  besproche- 
nen schrift  an  mehr  denn  zehn  stellen  durch  richtige  inter- 
punction  den  text  theils  verständlicher  gemacht,  theils  aber 
auch    geradezu    verbessert     hat.        Wenden    wir   uns   nun    zu 


Nr.  7.  180.  Plutarchos.  331 

den  anderen  änderungen  in  dieser  ausgäbe ,  so  bemerken  wir 
zuerst  einige  Verbesserungen  an  solchen  stellen,  die  Plutarch  in 
seinen  text  als  fremdes  eigenthum  aufnahm  ;  so  z.  b.  p.  113, 
15  gestützt  auf  Bergk  Poet.  lyr.  1122,  15  (Hercher  schreibt  3) 
innozQoq(av  ov  Zuxvi&m  für  Xuxv&q>  —  p.  114,  19  nd.g  ö'  avry 
Xäoizeg  statt  nuou  <5'  avzft  nach  Hesiod.  —  p.116,  1  ov  nvg  ov 
aidugo^  nach  einem  fragment  des  Eupolis  statt  aidrjoog  und 
dergleichen  mehr.  Vielfache  textesänderungen  hat  Hercher  durch 
Umstellungen  herbeigeführt:  so  p.  123,  27  tm  xugxttcp  /aüXXov 
7J  zw  xoXaxi  statt  zco  xöXuxi  tj  zw  xagxivcp.  —  126,  6  zglxpag 
ixaietv  statt  ixmsiv  zgi'xpag.  —  133 ,  10  6  ydg  edoug  eixmv 
statt  ö  ydg  eixeop  sdgag.  —  135,  20  gonaXov  ov  azißagov  xo- 
fit^cov  statt  gvnaXov  xofit^cov  ov  azißagov.  —  137,  9  ua^n/xs- 
vot  xai  tffzogiag  statt  xai  lazoglag  fxa^ö/xsvot.  —  145,  22  xai 
xgavyr/v  xai  8ta8gn^/jv  statt  xai  8ia8gofxt]v  xai  xgavyrjv.  — 
ibid.  30  fisydla  nu&rj  statt  nd&rj  fttf'dXtt.  —  153,  16  zig  iariv 
ovzog  statt  zig  ovzög  iariv.  —  160,  27  „ab  Ö'  ovx  o.ueivovu  elnev 
„lnoii](sag  avil  statt  ab  8s  Einer  ovx  aftetvov  dv  E7zoirjaag.  — 
169,  6  oacp  fif'ytarov  xai  xgdziazöv  iaztv  statt  oaq>  fx?yiaz6v  tan 
xai  xgdziazöv.  —  Daran  reihen  wir  Verstärkungen  einzelner 
verba  durch  composition  mit  praepositionen :  132,  27  dnodexö- 
UEvog.  —  137  10  an  ozvunaviQovzog.  —  139,  28  ngoas  nßa- 
Xovzsg  und  168,  3  u  so  tazausrovg.  Und  umgekehrt,  Verein- 
fachung von  verbis  compositis  durch  weglassung  von  präpositio- 
nen:  129,  18  'lagd^sig  statt  iy%agd%ug.  —  132,  17,  xsXsiaag 
statt  nagaxsXsvaag.  —  133,  18  vne^iazdusvoi  statt  vns^aviazd- 
ftsvoi.  —  134,  2  nvv&avousvov  statt  8ianvpüuvo/xEvov.  —  139, 
9  slaops'govaa  statt  inEieqtegovaa.  —  140,  26  qpgovovvzi  statt  aco- 
opgovovvzi,  (gehört  eigentlich  nicht  hierher).  —  148,  25  egyu- 
arjzai  statt  E^sgydar^zai.  —  155,  15  avviazdvza  statt  cvvavi- 
azdvza.   —    164,   25     nagaßdXco^iEv  statt  di'ztnagaßdXwusv. 

Zahlreicher  sind  die  stellen,  an  denen  Hercher  ein  oder 
zwei  Wörter  eingeschoben  hat,  womit  wir  uns,  vorausgesetzt,  dass 
diese  einschiebsei  eben  auf  festem  boden  stehen,  ganz  einver- 
standen erklären,  da  in  der  that  der  sinn  der  sätze  dadurch 
bedeutend  verbessert  oder  der  text  in  richtigerem  griechisch  her- 
gestellt wurde:  so  p.  112,  18:  sl  de  8sj  üeiov.  —  116,  8:  ovo' 
dXiaxszcu  axidr  xazafiszgöjv  ztjv  im  zo  deinvov.  —  122,  22: 
ovzcag  ixeivog  dxgaaiag  ytyvszai  fiifiTjztjg.  —   125,   13:    i)    ov 


332  180.  Plutarchos.  Nr.  7. 

8rjXov.  —  138,  14:  6  x6Xa%  zäv  nXovaicov  zivd  tov  dvsXsv&e- 
gmzazov.  —  ibid.  23:  xal  navovgyov  xal  cpvXdzzsG&ai.  —  139, 
8:  ndgsGziv  sv&vg  fiszd  naggqGiag.  —  140,  24:  Ttagaxivsl 
xal  xoiXiav  iysigsi. —  148,  19:  zovg  dXq&ivobg  ä  X  sxzgv  6  v  ag. 
• —  149,  1:  8  i.8kg 7i  oj  v  ozt.  —  ibid.  7:  ngoGxvvovixsvov  xal 
xazaGzoXi^bfisvov  xal  dvanXazzöpiEvov. —  154,3:  ro  etii8e- 
%iov  xal  70   aGtsiov.  —   ibid.  9 :   iv    ipov  gv  zavza    ßiXziov  slSrjg 

—  163,   25:  dvsXsiv  zbv  naziga  xal  z  a%v  fi  szay  v  övz  o  g.  — 

165,  1:  rö  sTt'govg  iivaivslv.  —  ibid.  29:  mansg  iargog  Sgtpv 
fi  8  v  qidguaxov. 

Andrerseits  versuchte  Hercher  durch  weglas sun gen  ein- 
zelner Wörter  eine  bessere  textesbeschaffenheit  an  folgenden  stellen 
herzustellen:  112,  14:  6  ydg  ...  iazi  [xal)  8t'  svvciav. —  116,2: 
oiiSe  zag  iv  Kvjrgq)  (ydg). —   117,   16:  ^aigsiv  (z e)  zoTg  avzolg. 

—  118,  14:  8id&EG xv  (z s)  xai. —  123,  11:  tuninrovzEg  (f)  dX- 
XtjXoiv. —  126,  10:  fisyaXvvoov  (dsl)  xai,  —  ibid.  17:  av  ndXiv 
EJtiGTQOCprjg  Suzai  (xai),  — 129,  16:  xal  (paXdgiSog  ojfiözqza  fxiGO- 
novqgiav  {xai  8i,xaioGvvqv)  ngogayogsvcov. —  130,6;  av  [aev  svna- 
QV(f,ov  zwog  (rj)  äygoixov  Xdßqzai.  —  131,  16:  orav  8s  ga&i)(i.otg 
[xal)  GftoXaGzaig.  —  133,  23:  xal  dva%a)g)jGEig  (avzäv)  s^sXsy^eiv. 

—  134,  11:  bnov  (xal)  Qtjzoga  xal.  noirjTrjv.  —  140,  8:  nsgl 
zo  ßaXavslov  (ovzoi)  xai.  —  ibid.  21:  novrjgdg  (zivag)  tjSv- 
na&eCag.  —  147,  2:  ovzoog  b  cpilog  (xal  z  o  iov  z  og)  —  152, 
17:  av  8s  (xal)  8rj.  —  154,  16:  ovzs  ydg  coqtsXel  (z  ov  z  cov) 
zb  Xvnrigöv.  —  156,  10:  naggqGtat,0(iiva>v  (zmv)  cpCXcov. —  157, 
24:  «jwa  8s  &aggslv  (eqp')  savzq}.  —  162,  1:  xoXoveiv  zov 
'j4Xi!-avSgov.  —     ibid.   12:    8ib  Sei  (g q>6 8  g  a)  yvXdzzsGdai.  — 

166,  7:  sixrtvov  (nsgl)  zb  ijnag. 

Eichtigere  constructionen  und  dem  sinn  entsprechendere 
lesungen  bietet  Hercher  an  folgenden  stellen:  112,  12:  zbv  «£oo- 
&ev  av  o'iszat,  schon  von  Erasraus  vorgeschlagen.  —  113,  22: 
dg  av  fxdXiGta  nsgicpcogog  ovGa  fitj  ßXdnzr]  fi?}8s  SiaßdXXij 
zrjv  cpiXiav.  —  130,  16:  TigoGt'xovzag  avzolg.  —  132,  12: 
nol  ydg  xaza(piycof*£v;  —  135,  24:  zavzd.  —  143,  10:  8«  fitj 
y  sysvijz  ai .  —  145,  13:  "r\v  ydg  b  sXsyiog.  —  146,  21:  Xß> 
xelvov. —  148,  28:  bxeXsvgev. —  150,7:  »/)  Aia  statt  i8icc. — 
151,  15:  inizi&svai  zyv  xogoovida  zq>  Gvyygd/tfiazi.  —  153,  19: 
olg  av  GWfl.  —  156,  25:  noislv.  —   160,  8:  ngoGsxziov  avzq>. 

—  ibid.  13:    tytyovxsq.  —    162,  13:  tovg  fit],   —  163,  1: 


Nr.  7.  180.  Plutarchos.  333 

ngoaä  aa  i.  —  ibid.  8:  s'qp'  $>■  —  166,  4:  ro  avve%sg  iov  cpi- 
Xairiov  und  irsgov  8L  —  168,  6:  n s g  tq-sgeiv.  —  169, 
10 :   7i  s  cp  v  x  c. 

Aber  viele  stellen  scheinen  noch  sebr  zweifelhaft;  wenn 
auch  die  von  Hereber  aufgenommenen  lesarten  einen  ganz 
guten  sinn  geben,  so  geschah  dasselbe  doch  auch  bei  den  bisher 
festgehaltenen:  so  p.  113,  21:  negl  avtijvtf). —  117,  12:  t^ßa- 
Icöv,  statt  ifißdkkmv,  (ebenso  tempuswechsel :  121,  18:  uezaßalö- 
fistog. —  139,28:  ngoatfißalövzsg. —  142,11:  öovg.) —  118,  5: 
XQWfiaai  statt  vXrjftaai.  —  119,  17:  6  [asv  ydg  a>tog  statt  ni&rj- 
xog  (?!)  —  127,  13  xai  zo  nghg  %dgiv  s%ovcav  dxgatov  xzX.  — 
ibid.  v.  27:  «  v  \xr\  vvv  \nsv  ruvza  ....  qtaCvtovtai.  —  131,  20: 
t]dt]  8e  xai  Qr'jTQQog  tCTtv  o  i  xoXaxsia  Sisavgav  qitlöaoqiov.  — 
132,  14:  £<V  uxovaag  oxi  uv  snirj.  —  134,  22:  svtj&sg  toCvvp 
..  rö,  im  singular,  statt  plural.  —  ibid.  25  ist  Bions  ausspruch 
aus  der  dritten  person  in  die  zweite  versetzt,  daher  dreimalige 
Veränderung  der  verbalformen. —  137,  26:  zoioitovg  statt  tov- 
tovg. —  139,  3:  avzwv  vnegoTzzoog  statt  avtoöv  vnsgonzixmg.  — 
141,14:  il^st  und  xsisvaei  statt  praesens.  —  142,  25:  öegpozE- 
gov  toi  diovTog  statt  izoipozsgov  zäv  ösovtcov.  —  143,  17:  cvv- 
E^ogiiä  ri/v  im&vftiav  statt  des  dativs.  —  144,  19:  avvt]S6(Jis- 
vov  statt  avraiadavufAevov.  —  145,  28:  i  ji  avzw.  —  146,  5: 
ij  dt]  xai  statt  o.  —  147,  4 :  a^iol  und  Ttagairshat  statt  u^imv  und 
nagaizricQat. —  148,  24:  xvr)aavzog  statt  xviaavzog. —  155,  1: 
avazrjgäg  xa)  nlrjxzixäg  lnnnolt]zn  statt  avaztjgd  xa]  noliuxd  ne- 
aoiijTai. —  ibid.  16  :  zw  Avaicp  statt  Avotcp.  —  159,  10:  ngoogio&bi 
statt  8ic6giaßo3.  —  160,  10:  ngoGtindv  (Reiske :  ngoaqtgsiv. 
Haupt  Hermes  VII,  296:  ti  Ö'  'inog  tintlv').  —  161,  11:  cpdö- 
vixov  statt  qiiXoveixov  (ebenso  164,  26).  —  ibid.  28  oi/xai  8s  xai 
KXslzog  ov%  ovzco  7iag(6$vje  statt  KXslzov  naoo^vvai  —  162,  3: 
indzatsv  statt  itzoiTtjOsv,  —  166,  14:  eozai  statt  iaziv.  —  167, 
15:  äqiiGTuprvoig  avzov  itSiSövat  statt  d(fiaza}Aivovg  avzovg.  — 
168,  1 :  r\  8e  n\r\xzixr)  statt  ngax.7iY.ri.  —  Man  sieht  aus  allem 
diesen,  dass  mit  dieser  ausgäbe,  trotz  des  unverkennbar  ihr  zu 
gründe  liegenden  Studiums  ohne  nachweis  der  quellen  noch  nicht 
viel  gewonnen  ist.  Und  so  gern  wir  ihre  Verdienste  auch  an- 
erkennen, wie  ja  oben  schon  gezeigt  ist  —  wir  fügen  noch  hinzu 
dass  die  quellen,  aus  denen  Plutarch  in  seine  schrift  anderer  ci- 
tate  aufnahm,   unter  dem  text  sorgfältig  angegeben  — ;    so  fin- 


334  ,     181.  Piaton.  ,Nr.  7. 

det  sich  doch  meist  neben  dem  guten  wieder  etwas  unbeque- 
mes; so  eine  andere  capiteleintheilung  in  der  hier  besprochenen 
schrift  (also  jetzt  drei  verschiedene):  es  sind  auch  hierfür  die 
gründe  unbekannt  geblieben.  —  Druckfehler  finden  sich  126, 
17  av  statt  avf  134,  2:  avv&avovfisvov  statt  nvv&avopsvov,  151, 
steht  cap.  26  statt  27,  p.  164,  6  qvx  statt  ovx.  Ein  endgül- 
tiges urtheil  also  muss  man  auf  spätere  zeit  verschieben. 

H.  Heinze. 

181.  Das  materiale  princip  der  platonischen  metaphysik. 
Von  prof.  Dr.  Gustav  Schneider.  Gera.  1872.  21s.  4. 
(Programm  des  Geraer  gymnasiums). 

Es  giebt  von  der  platonischen  materie  bekanntlich  drei 
verschiedene  auffassungen.  Nach  der  einen,  subjectiv- ideali- 
stischen, welche  von  H.  Eitter  vertreten  ward,  aber  von  Zel- 
ler bereits  zur  genüge  widerlegt  worden  ist,  wäre  dieselbe 
als  blosses  erzeugniss  einer  verworrenen  Vorstellung  anzusehen; 
nach  der  zweiten ,  am  meisten  verbreiteten  erscheint  sie  dage- 
gen wesentlich  als  dasselbe  wie  die  aristotelische  materie  der 
vier  niederen  demente,  als  der  allgemeine,  abstracte,  aller  for- 
men entbehrende ,  aber  für  alle  gleich  sehr  empfängliche  stoflf; 
die  dritte,  von  Zeller  geltend  gemachte  endlich  erblickt  in  ihr 
den  blossen  räum.  Im  gegensatz  gegen  diese  dritte  annähme 
vertheidigt  Schneider  mit  vielem  Scharfsinn  die  zweite.  Wenn 
er  aber  jene  dritte  als  eine  idealistische  bezeichnet,  so  ist  dies 
irreführend,  weil  nur  sehr  annäherungsweise  richtig,  denn  es 
kommt  ja  ganz  darauf  an,  wie  man  sich  den  leeren  räum  den- 
ken will.  Oder  war  es  etwa  auch  eine  idealistische  auffassung, 
wenn  die  atomiker  neben  das  volle  oder  den  stoff  noch  das 
leere  als  ein  zweites,  eben  so  reales  princip  stellten,  indem  sie 
behaupteten,  obwohl  jenes  als  das  seiende  zu  bezeichnen  sei, 
sei  doch  das  nichtseiende  um  nichts  minder  als  das  seiende? 
Allerdings  aber  entspricht  es  einer  anschauungsweise  wie  der 
platonischen,  welche  im  gegensatz  zum  stofflichen  und  materiel- 
len das  intelligible  für  das  allein  wirkliche  erklärt,  aufs  beste, 
wenn  selbst  die  stoffliche  seite  in  den  erscheinungsdingen  nicht 
auf  einen  wirklichen  urstoff  zurückgeführt ,  sondern,  um  mit 
Zeller  zu  reden,  zur  blossen  form  der  materialität,  zur  blossen 
räumlichkeit    verflüchtigt  wird,   so   dass  selbst  dies  zweite  prin- 


Nr.  7.  181.  Piaton.  335 

cip  der  dinge  sich  der  natur  des  ersten  und  eigentlichen,  der 
intelligiblen  Wesenheit  oder  der  ideen,  bis  zu  einem  gewissen 
grade  annähert.  Nur  in  diesem  sinne  ist  daher  die  bezeich- 
nung  dieser  dritten  auffassung  als  einer  idealistischen  gerecht- 
fertigt, allein  gerade  in  diesem  sinne  kann  Schneider  jenen  aus- 
drucke nicht  gemeint  haben,  da  er  ja  sonst  zugeben  müsste,  dass 
eben  diese  auffassung  am  meisten  mit  der  innersten  eigenthüm- 
lichkeit  der  platonischen  Weltanschauung  übereinstimmt.  Wenn 
nun  aber  Piaton  selbst  seine  materie  als  fitTuXufxßupop  anogw- 
iarä  nr\  rov  vorjrov  (Tim.  51  A)  bezeichnet,  so  kann  damit  zwar 
nicht  eigentlich,  wie  Schneider  (p.  8)  will,  ,,ein  theilhaben  an 
der  idee"  gemeint  sein,  da  die  materie  ja  vielmehr  dasjenige 
an  den  dingen  in  sich  begreift ,  was  eben  nicht  auf  die  ideen 
zurückgeht  x) ,  sondern  nur  eine  gewisse  Verwandtschaft  zwi- 
schen beiden  entgegengesetzten  factoren ,  eine  „seltsame"  ge- 
meinschaft  der  materie  mit  dem  charakter  des  unsinnlichen  und 
intelligiblen,  welcher  der  idee  eigenthümlich  ist2);  aber  passt 
dies  wohl  besser  auf  die  materie  als  wirklichen  urstoff  oder  als 
blossen  räum  ?  Man  sollte  denken ,  die  antwort  könnte  nur 
für  letzteres  ausfallen.  Nun  nennt  aber  obendrein  Piaton  sel- 
ber seine  materie  (Tim.  52  A)  ausdrücklich  zonog  und  yßqa. 
Trotzdem  sollen  wir  nach  der  warnung  Schneiders  (p.  12)  uns 
hüten  mit  diesen  namen  unsere  moderne  Vorstellung  vom  räume 
zu  verbinden,  da  eine  eigentliche  Untersuchung  des  raumes  uns 
zuerst  bei  Aristoteles  begegne  u.  s.  w.  Indessen  hatten  doch 
nicht  bloss,  wie  gesagt,  die  atomiker,  sondern  auch  schon  die 
eleaten  den  räum  dem  stoff  als  das  nichtseiende  und  leere  dem 
seienden  und  vollen  gegensätzlich  gegenübergestellt,  und  da  die 
platonische  ideenweit  als  das  nach  Piaton  wahrhaft  seiende  zu 
dem  eleatischen  sein  in  nächster  beziehung  steht,  indem  jene 
nach  Piatons  eignen  ausdrücklichen  erklärungen  im  Sophisten 
und  Parmenides  eine  auf  grund  der  sokratischen  begriffslehre  er- 
folgte Umbildung  von  diesem  ist,  so  ist  schwer  abzusehen,  warum 
sich    nicht  Piaton  für    sein    anderes    princip  sogar  geradezu  an 

1)  So  dass  in  folge  dessen  die  dinge  zwar  wirklich  an  den  ideen 
theil  haben ,    aber  auch  eben  nur  theil  haben. 

2)  Falls  man  nämlich  nicht  lieber  eine  ganz  andere  erklärung 
billigen  will,  wie  sie  Zeller  Phil.  d.  Gr.  II  a.  p.  486 ,  anm.  2  und  ich 
selbst  Plat.  Phil.  II,  p.  407  (s.  jedoch  ebendas.  p.  408)  gegeben  ha- 
ben. Dann  ist  aus  der  obigen  stelle  für  die  vorliegende  frage  über- 
haupt nichts  zu  schliessen. 


336  181.  Piaton.  Nr.  7. 

diese  eleatische  einssetzung  des  nichtseienden  mit  dem  leeren 
angeschlossen  haben  könnte.  Hätte  er  es  aber  nicht  gethan, 
wie  will  man  dann  sein  wiederholtes  dringen  im  Timäos  darauf 
begreifen,  dass  im  Weltall  niemals  leere,  unausgefüllte  räume 
sein  dürfen  ?  Dass  er  aber  seine  materie  wirklich  als  das  ab- 
solut nichtseiende  betrachtet  hat,  lesen  wir  zwar  nicht  aus- 
drücklich in  seinen  schritten,  jedoch  übereinstimmend  versichern 
es  uns  seine  schüler  Aristoteles  und  Hermodoros ,  und  wenn 
wir  bei  ihm  selber  die  bestimmte  erklärung  finden,  dass  die  er- 
scheinungsdinge  oder  das  werdende  dasein  ein  mittleres  zwischen 
sein  und  nichtsein  sei,  welches  durch  die  in  entsprechender 
weise  zwischen  wissen  und  nichtwissen  mitten  inne  stehende 
Wahrnehmung,  Vorstellung  und  meinung  aufgefasst  wird  wie  das 
sein  durch  die  erkenntniss  und  das  nichtsein  durch  keins  von 
beiden,  so  hat  Zeller  (Phil.  d.  Gr.  IIa,  p.  412  f.  474)  mit 
recht  bemerkt,  dass  dies  der  sache  nach  auf  dasselbe  hinaus- 
kommt. Im  Tiinäos  ist  dieser  negativen  erklärung  über  die 
unerfassbarkeit  der  materie  auf  beiden  wegen  nur  noch  die  po- 
sitiver lautende  hinzugefügt,  dass  wir  uns  ihrer  durch  einen 
bastardschluss  [fö&og  loyia/xog)  denkend  bemeistern ,  eine  be- 
stimmung ,  die  sich  nach  der  richtigen  bemerkung  Schneiders 
fjp.  8)  mit  jener  andern,  die  ihr  das  unogäzatä  ny  u?zu).ai.i- 
ßdvstv  tov  voqzov  beilegt,  vollkommen  deckt 3).  Wollte  man 
aber  tonng  und  x^Qa  aucü  wirklich  lieber,  wie  Schneider  (p. 
12)  empfiehlt,  durch  „ort",  „platz",  „stelle"  übersetzen,  immer 
bleibt  es  doch  wahrlich  sonderbar,  dass  Piaton  diese  namen  ge- 
wählt haben  sollte,  wenn  ihm  doch  nicht  der  räum  zugleich 
für  den  stoff,  sondern  umgekehrt  der  stoff  zugleich  für  den 
räum  gegolten  hätte ,  um  so  mehr  da  eiae  höchst  interessante 
stelle  im  Philebos  (p.  54  B.  C  ystiattog  ivsxa  .  .  .  nuaav  vXtjv 
naQari&na&ai  mäair)  deutlich  zeigt ,  dass  es  ihm  sprachlich 
nahe  genug  lag,  wenn  er  wirklich  den  urstoff  im  sinne  hatte, 
für  diesen  bereits  den  aristotelischen  kunstausdruck  vlt]  auszu- 
prägen. Sprachliche  Verlegenheiten  können  also  diese  Sonder- 
barkeit nicht  erklären.  Den  von  mir  (Plat.  Phil.  II,  p.  405  ff. 
vgl.  p.  334  f.  352.)  versuchten  nachweis,  dass  auch  der  ganze 
Zusammenhang  der  betreffenden  erörterung  im  Timäos  (p.  47  E  — 

3)  Vorausgesetzt  dass  die  obige  deutung  der  letzteren  worte  die 
richtige  ist. 


Nr.  7.  181.  Piaton.  337 

53  C)  dafür  spreche,  in  der  platonischen  materie  den  blossen 
räum  zu  erkennen,  hat  Schneider  ganz  unbeachtet  gelassen. 
Und  doch  ist  es  gewiss  zur  entscheidung  einer  so  schwierigen 
frage  dringend  erforderlich,  nicht  bloss  die  vereinzelten  haupt- 
stellen, sondern  den  ganzen  Zusammenhang,  in  welchem  sie  ste- 
hen, genau  ins  äuge  zu  fassen.  Von  ausnehmender  Wichtigkeit 
für  diese  entscheidung  ist  es  endlich ,  ob  Piaton  wirklich ,  wie 
bisher  allgemein  und  schon  von  Aristoteles  angenommen  wurde, 
die  vier  physikalischen  demente  aus  blossen  mathematischen 
körperchen  und  weiterhin  sogar  aus  blossen  flächen  als  atomen 
zusammensetzt.  Von  allen  bisherigen  Vertretern  der  meinung, 
als  lehre  Piaton  ein  wirklich  stoffliches  Substrat,  unterscheidet 
sich  Schneider  vortheilhaft,  indem  er  anerkennt,  dass  beides 
sich  nicht  miteinander  verträgt.  Er  versucht  daher  (p.  16  f.) 
eine  andere  erklärung:  Piaton  wolle  nur  sagen,  gott  habe  die- 
sem stofflieben  substrat  die  mathematischen  gestalten  der  ele- 
mente  angebildet.  Allein  Piaton  lehrt  bekanntlich  ausdrücklich, 
wie  dies  auch  schon  Zeller  an  der  von  Schneider  (p.  13)  ange- 
zogenen stelle  (a.  a.  o.  p.  513)  hervorgehoben  hat,  dass  der 
Übergang  von  feuer,  wasser  und  luft  in  einander  nur  durch  die 
auflösung  derselben  in  ihre  elementardreiecke  und  das  wieder- 
zusammentreten der  letzteren  bald  zu  tetraedern,  bald  zu  Ok- 
taedern und  bald  zu  ikosaedern,  d.  i.  bald  zu  feuer-,  bald  zu 
luft-  und  bald  zu  wassermolecülen  möglich  sei,  und  dass  ein 
Übergang  aus  einem  dieser  drei  elemente  in  erde  und  umge- 
kehrt desshalb  nicht  stattfinden  könne,  weil  die  molecularkör- 
perchen  der  erde,  die  kuben.  andere  elementardreiecke  haben. 
Deutlicher  kann  es  doch  kaum  gesagt  sein,  dass  alle  diese  mo- 
lecularkörper  nicht  bloss  durch  ihre  flächen  begrenzt,  sondern 
geradezu  auch  aus  denselben  zusammengesetzt  sein  sollen.  Wenn 
aber  Piaton  einmal  glaubte,  dass  feuer  und  erde  mit  allen  ih- 
ren physikalischen  eigenschaften  aus  einer  Verbindung  blosser 
mathematischer  figuren  entstehen  könnten,  so  ist  in  der  that 
nicht  zu  begreifen,  welche  Schwierigkeit  aus  dieser  entstehungs- 
weise sich  ihm  dagegen  ergeben  haben  sollte,  vom  feuer  und  der 
erde  die  Sichtbarkeit  und  tastbarkeit  der  weit  herzuleiten,  wie 
er  Tim.  31  B  thut,  und  in  wie  fern  in  dieser  stelle  mit  Schneider 
(p.ll)  eine  „zwingende  nothwendigkeit"  dafür  gefunden  werden 
Philol.  Anz.  V.  22 


ZB8  181.  Piaton.  Nr.  7. 

kann,  dass  er  die  materie  für   ein   stoffliches   Substrat  gehalten 
habe. 

In  der  deutung  der  vier  gattungen  im  Philebos  kommt 
Schneider  mit  Zeller  überein,  indem  beide  unter  am«  die  idee, 
unter  jt&quq  das  mathematische,  unter  äneiQOv  —  und  zwar  mit 
recht  —  die  materie,  unter  dem  aus  nsgag  und  untignv  ge- 
mischten die  sinnenweit  verstehen.  Schneider  bringt  aber  in 
dieser  hinsieht  durchaus  nichts  neues  bei ,  was  mich  bewegen 
könnte  von  meinen  abweichenden  ansichten  abzugehen ,  nach 
denen  afoia  vielmehr  die  idee  des  guten,  nfgag  aber  die  ideen- 
weit ist.  Letzteres,  sagt  er  (p.  14),  sei  unmöglich  wegen  der 
immanenz  des  nsgag  und  der  transscendenz  der  ideen.  Allein 
steht  denn  etwa  die  letztere  so  unbedingt  fest?  Oder  behaupten 
nicht  vielmehr,  um  von  meiner  Wenigkeit  zu  schweigen,  so  be- 
deutende forscher  wie  Zeller,  Deuschle  und  Eibbing,  dass  Pia- 
tons eigentliche  Weltanschauung  vielmehr  die  inhärenz  der  dinge 
in  den  ideen  sei?  Wenn  man,  wie  doch  Schneider  und  Zeller 
mit  recht  thun,  festhält,  dass  Piaton  auch  im  Philebos  keine 
anderen  prineipien  kennt  als  idee  und  materie,  so  muss  auch 
das  mathematische,  da  es  doch  keins  von  beiden  ist,  aus  beiden 
gemischt  sein  (und  das  um  so  mehr,  wenn  auch  die  physikali- 
schen körper  aus  mathematischen  figuren  bestehen  sollen),  und 
nicht  kann  es  dem  einen  von  beiden,  nämlich  der  materie  oder 
dem  aneigor,  als  sein  gegensatz  gegenübergestellt  werden.  Fer- 
ner sind  auch  hier  die  historischen  ankuüpfungspunkte  zu  be- 
achten. Die  bezeichnungen  nigug  und  unstQov  sind  eine  anleh- 
nung  theils  an  Anaximandros,  namentlich  aber  an  die  Pytha- 
goreer :  auch  bei  diesen  letzteren  aber  sind  beides  die  letzten 
prineipien  alles  daseins  wie  form  und  stoff,  idee  und  materie  *). 
Die  gewissermassen  mathematische  auffassung  der  ideen  als  des 
begrenzenden  kann  aber  im  Philebos  um  so  weniger  auffallen,  da 
eich  hier  ja  auch  die  sonst  nicht  vorkommende  bezeichnung 
derselben  als  svädt-g  oder  ftorüdeg  findet,  in  welcher  manche 
sogar,  freilich  wohl  mit  unrecht,  eine  spur  der  späteren,  pytha- 
gorisirenden  form  des  platonischen  Systems  haben  erblicken 
wollen,  und  in  weleher  ein  gewisser  keim  und  ansatz  zu  ihr 
in    der    that    zu    erblicken    ist.       Daraus    folgt    aber     natürlich 

4)  Ausserdem  s.  meine  bemerkungen  im  Philologus  Suppl.  II,  p. 
231  f.  bes.  anm.  31. 


Nr.  7.  182.  Aristoteles.  339 

nichts  gegen  die  ächtheit  dieses  dialogs ,  zu  deren  gunsten 
Schneider  manches  treffende  beibringt,  wie  z.  b.  dass  Aristote- 
les die  bemerkung  Pbys.  III,  4.  203  a,  3  f.,  Piaton  habe  das 
unbegrenzte  (ro  aneigov)  an  sich  zum  princip  gemacht,  nur  ent- 
weder aus  dieser  schrift  oder  aus  Piatons  mündlichen  lehren 
habe  entnehmen  können  (p.  7).  S.  freilich  auch  Staatsm.  273  D. 
Auch  nach  meiner  erklärung  stimmt  der  lehrgehalt  des  Philebos 
vollständig  mit  dem  des  Timäos  überein,  und  nirgends  steht,  wie 
dies  schon  von  verschiedenen  seiten  gezeigt  ist,  die  verwerfende 
kritik  Schaarschmidts  auf  so  schwachen  füssen  wie  gerade  hier. 
Da  aber  Schaarschmidt  selbst  anerkennt,  dass  der  Philebos  p.  15 
JB  vrgl.  p.  14C  auf  den  Parmenides  zurückblickt,  so  ergiebt  sich 
schon  daraus,  dass  auch  der  letztere  nur  von  Piaton  selbst 
herrühren  kann. 

Schon  vor  der  weltbildung  soll  nach  der  darstellung  im 
Timäos  die  primäre  materie  in  die  secundäre ,  ein  chaotisches 
gemenge  aller  vier  demente ,  übergegangen  sein.  Schneider  (p. 
6)  findet  hierin  mit  recht  eine  unhaltbare  Vorstellung,  hält  dies 
aber  doch  für  Piatons  wahre  meinung,  obwohl,  wie  er  einräumt, 
„die  darstellung  im  Timäos  oft  eine  poetische  ist".  Allein 
wenn  man  dies  zugiebt,  so  ist  nicht  abzusehen,  was  sich  prin- 
cipiell  gegen  den  von  mir  gemachten,  von  Schneider  ausser  acht 
gelassenen  versuch  einwenden  Iässt,  die  secundäre  materie  als 
eine  in  dem  eigenthümlichen  gange  der  darstellung  dieses  dia- 
logs wohlbegründete,  ja  von  ihm  nothwendig  geforderte  mythi- 
sche fiction  begreiflich  zu  machen.  Fr.  Susemihl. 

182.  Die  methode  der  aristotelischen  forschung  in  ihrem 
Zusammenhang  mit  den  philosophischen  grundprincipien  des  Ari- 
stoteles dargestellt  von  Dr  Rudolf  Eucken,  ord.  prof.  d. 
phil.  zu  Basel.  8.  Berl.  Weidmann,  1872.  VI  u.  185  s.  — 
1  thlr.  10  gr. 

Der  verf.  behandelt  in  dem  ersten  abschnitt  ,,die  geschichts- 
auffassung  des  Aristoteles  und  seine  Stellung  zur  geschichte". 
Die  wichtigsten  grundzüge  seiner  allgemeinen  philosophischen  an- 
schauung,  die  leitenden  principien  in  der  ethik  und  politik,  der 
rhetorik  und  poetik  habe  Aristoteles  von  Plato  entlehnt ,  so 
dass  er  auf  diesen  gebieten  ohne  rücksicht  auf  seinen  Vorgän- 
ger nicht    gewürdigt  werden    könnte.      Indessen    habe   er  Plato 

22* 


340  182.  Aristoteles.  Nr.  7. 

nicht  selten  missverstanden,  und  überhaupt  seien  seine  geschicht- 
lichen angaben  mit  vorsieht  zu  benutzen,  weil  sie  öfter  gefärbt 
seien  durch  das  medium  der  ihm  eigenthümlichen  Weltanschau- 
ung (p.  12).  In  der  politik  bestehe  die  grosse  des  Aristote- 
les darin,  dass  er  das  hellenische  zum  allgemein  -  menschlichen 
zu  gestalten  und  zu  vertiefen  suchte.  Der  zweite  abschnitt  be- 
handelt den  einfluss  der  aristotelischen  erkenntnisstheorie  auf 
die  wissenschaftliche  forschung.  In  dem  ersten  kapitel  (über 
die  grundzüge  dieser  theorie)  wird  besonders  der  nachweis  ge- 
führt, dass  Aristoteles  zwar  die  beschränkung  der  Wissenschaft 
auf  die  form  mit  Plato  theile,  aber  doch  insofern  in  einen  be- 
wussten  gegensatz  zu  ihm  trete,  als  er  der  form  durchaus  nicht 
eine  vom  stoff  getrennte  existenz  zuerkenne.  Deshalb  sei  die 
an  die  einzelwesen,  denen  ausschliesslich  realität  im  strengsten 
sinn  zukomme,  geknüpfte  sinnliche  Wahrnehmung  die  grundlage 
aller  erkenntniss  und  deshalb  die  induktion,  das  aufsteigen  vom 
einzelnen  zum  allgemeinen,  die  uns  recht  eigentlich  zukommende 
erkenntnissart.  Da  aber  die  Wissenschaft  bei  dem  einzelnen 
nicht  stehen  bleiben  könne,  sondern  es  mit  dem  allgemeinen  zu 
thun  habe ,  so  bestehe  ihre  vornehmste  aufgäbe  in  der  erfor- 
schung  des  grundes.  Und  die  erkenntniss  des  wesens  falle  mit 
der  des  grundes  zusammen  (p.  27).  Aber  das  nächstliegende, 
nicht  das  entferntere  allgemeine  sei  als  der  eigentliche  grund 
des  dinges  zu  betrachten,  Indessen  wolle  Aristoteles  keine  jen- 
seits der  erfahrung  liegende  quelle  der  erkenntniss  annehmen, 
sondern  er  nehme  nur  allgemeine  prineipien  an,  die  die  Ver- 
nunft unmittelbar  von  der  Wahrnehmung  des  einzelnen  aus 
finde.  So  zeige  sich  überhaupt  die  eigenthüuilichkeit  seiner 
richtung  in  dem  streben,  einzelnes  und  allgemeines,  sinnliche 
Wahrnehmung  und  thätigkeit  möglichst  gleichmässig  zu  ihrem 
rechte  zu  verhelfen.  Das  zweite  kapitel  beschäftigt  sich  mit 
dem  objeetiven  charakter  der  aristotelischen  erkenntnisstheorie 
und  seinem  einfluss  auf  die  wissenschaftliche  forschung.  Der 
verf.  verkennt  in  diesem  abschnitt  nicht,  dass  die  philosophie 
des  Aristoteles  einen  vorwiegend  synthetischen  charakter  habe, 
dass  jedoch  eine  scharfe  analyse,  namentlich  bei  erörterung  der 
grundbegriffe,  öfter  vermisst  werde.  Zu  tadeln  sei,  dass  Aristo- 
teles bei  erörterung  der  grundpriueipien  ihre  realität  eigentlich 
als  gegeben  voraussetze.       Der   einheit   der    weit    lasse  er  eine 


Nr.  7.  182.  Aristoteles.  341 

einheitliche  Weltanschauung  entsprechen ,  z.  b.  in  der  Schilde- 
rung von  der  entstehung  des  Staates  (Polit.  I).  Und  weil  der 
gesichtspunkt ,  ob  eine  disciplin  mehr  oder  weniger  dem  prak- 
tischen gebrauch  diene,  ein  massstab  für  ihre  werthschätzung 
sei,  so  werde  die  metaphysik  an  ihre  spitze  gestellt,  weil  sie 
durchaus  keinen  zweck  ausser  sich  habe  (Met.  982  b.  24).  Die 
Übereinstimmung  des  wissens  und  seins  habe  einen  bedeuten- 
den einfluss  auf  die  gestaltung  der  aristotelischen  philosophie 
gehabt.  Die  Überzeugung  habe  hemmend  auf  ein  kritisch  -  ana- 
lytisches verfahren  gewirkt,  aber  die  Objektivität  des  Standpunk- 
tes die  forschung  auch  mannigfach  gefördert  (p.  42).  Daran 
schliesst  sich  ein  drittes  kapitel  über  das  allgemeine  und  besondere 
in  der  aristotelischen  forschung.  Der  verf.  weist  darin  unter 
andern  nach,  dass  der  philosoph  das  ungleichartige  durch  die 
einheit  der  thätigkeit  und  des  Zweckes  zu  verknüpfen  suche. 
Die  richtung  auf  das  besondere  sei  die  stärkere.  So  sei  es 
das  charakteristische  der  aristotelischen  forschung  (im  gegen- 
satz  zu  Plato),  dass  sie  überall  die  eigenthümlichkeit  der  dinge 
zum  ausdruck  bringe  und  auf  sie  den  höchsten  werth  lege. 
Weil  es  ferner  dem  Aristoteles  darauf  ankomme,  die  resultate 
der  forschung  als  nothwendig  nachzuweisen,  lege  er  einen  grossen 
werth  auf  die  definition.  Die  methode,  a  priori  die  arten  zu  be- 
stimmen und  sie  damit  als  nothwendig  zu  erkennen,  wiege  in  dem 
grade  vor,  je  mehr  eine  disciplin  einer  rein  formalen  behand- 
lung  fähig  sei,  also  am  häufigsten  in  der  logik.  Daher  könne 
auch  seine  methode  nicht  als  rein  induktive  charakterisirt  wer- 
den. Daran  schliesst  sich  ein  excurs  über  die  mathematik  als 
Vorbild  der  wissenschaftlichen  forschung  (p.  57  ff.).  Der  dritte  ab- 
schnitt behandelt  die  zweckidee  und  ihren  einfluss  auf  die  forschung 
des  Aristoteles  und  zwar  das  erste  kapitel  die  allgemeine  be- 
deutung  des  Zweckes  (p.  67  ff.).  Es  wird  an  den  versuchen, 
die  realität  des  Zweckes  nachzuweisen,  bemängelt,  dass  Aristo- 
teles den  eigenen  Standpunkt  immer  schon  als  bekannt  voraus- 
setze. Als  den  gegensatz  zum  zweck  bezeichne  er  die  noth- 
wendig wirkende  Ursache,  den  mechanischen  kausalnexus  der 
frühern  forscher ,  aber  sobald  er  an  die  beweisführung  komme, 
setze  er  an  die  stelle  des  nothwendigen  das  zufällige  \ro  avfi- 
ßeßijxcg].  Als  mittel  der  Verwirklichung  des  Zweckes  diene  die 
materie,  und  in  dem  einzelwesen,  welches  beide  demente  schon 


342  182.  Aristoteles.  Nr.  7. 

verbunden  in  sich  hat ,  sieht  Aristoteles  die  wirkende  Ursache, 
welche  bewegung  und  leben  in  dem  Stoffe  hervorruft.  Das 
verhältniss  des  Zweckes  und  der  form  der  materie  sei  kein 
ganz  festes ;  aber  die  Stellung  der  entwickelung  zum  wesen 
werde  immer  gleichmässig  aufgefasst.  Das  nothwendige  und 
allgemeine  werde  dem  zwecke  untergeordnet.  So  wolle  der 
philosoph  die  erziehung  nicht  auf  das  zum  leben  erforderliche 
beschränken,  sondern  darüber  hinaus  auf  das  schöne  richten. 
Das  zweite  kapitel  bespricht  das  verhältniss  des  Zweckes  zum 
besondern  und  allgemeinen.  Da  die  form  dem  individuum  ge- 
genüber das  allgemeine  in  den  dingen  bilde,  so  sei  alles  rein 
individuelle  gleichgültig  und  daher  von  der  zweckbetrachtung 
ausgeschlossen.  Eine  ausnähme  mache  der  philosoph  bei  der 
frage  wegen  der  relativen  ähnlichkeit  der  kinder.  Auch  die 
durchgehenden  zwecke  würden  möglichst  in  den  dingen  selbst  ge- 
sucht. Die  theorie,  dass  der  niedere  theil  um  des  höhern  willen 
da  sei  und  dass  der  zweck  des  höhern  theils  mit  dem  des  gan- 
zen zusammenfalle ,  führe  zu  bedenklichen  konsequenzen.  So 
bringe  er  es  in  der  physiologie  und  ethik  zu  keiner  wahren 
Vereinigung  des  intellectuellen  und  des  willens  ,  weil  er  diesen 
jenem  unbedingt  unterordnen  wolle.  Im  ganzen  und  grossen 
sei  die  anwendung  der  zweckbetrachtung  bei  Aristoteles  eine 
immanente,  und  nur  an  einzelnen  stellen  sei  ihm  das  entgegen- 
gesetzte verfahren  vorzuwerfen.  Das  dritte  kapitel  handelt 
vom  zweck  als  norm  in  den  einzelwesen  und  als  kraft  in  den- 
selben. Aristoteles  wolle  durch  die  zweckbetrachtung  eine  ob- 
jective  norm  der  dinge  finden,  aber  das  hier  zu  gründe  lie- 
gende problem  sei  nicht  vollständig  von  ihm  gelöst.  Selbst 
der  cirkelbeweis  sei  nicht  vermieden ,  weil  die  scharfe  analyse 
der  grundbegriffe  fehle  (p.  92  ff.).  Schwierig  sei  in  folge  der 
zweckbetrachtung  auch  die  frage,  wie  das  hinter  dem  zweck 
zurückbleibende  oder  das  von  ihm  abweichende  in  seinem  rela- 
tiven werthe  aufzufassen  sei.  Ein  allgemeines  kriterium  für  die 
höhe  der  stufe  sei  ferner  die  summe  der  lebensthätigkeit.  Der 
mensch  sei  der  letzte  zweck  der  natur ,  der  ihr  eigentlich  bei 
der  bildung  aller  organischen  wesen  vorschwebe.  Für  die  nie- 
deren stufen  bringe  dies  die  gefahr  eines  fremden  massstabes 
mit  sich.  Trotz  der  von  den  erscheinungen  scheinbar  unabhän- 
gigen   norm    sei    der    zweck    doch  nicht  etwas  von  den  dingen 


Nr.  7.  182.  Aristoteles.  343 

getrenntes,  sondern  erweise  sich  als  in  ihnen  wirkende  kraft. 
Deshalb  könne  auch  der  philosoph  im  gegensatz  zu  Plato 
seine  volle  aufmerksamkeit  der  mannigfaltigkeit  der  erschei- 
nungen  zuwenden.  Das  vierte  kapitel  weist  nach,  wie  Ari- 
stoteles den  zweck  als  thätigkeit  gefasst  habe  oder  die  thä- 
tigkeit  als  den  eigentlichen  zweck  der  dinge.  Alles,  was 
die  thätigkeit  fördere,  erscheine  als  gut ,  was  es  hemme, 
als  übel.  Auch  das  ungleichartige  sei  verbunden  durch  die 
Verwandtschaft  des  Zweckes.  Bei  diesem  streben  nach  erkennt- 
niss  der  thätigkeit  seien  unrichtige  resultate  nicht  ausgeblieben, 
z.  b.  auf  dem  gebiete  der  ethisch- politischen  und  in  der  zoolo- 
gischen forschung,  wo  das  anatomische  und  physiologische  nicht 
scharf  von  einander  geschieden  sei.  Das  fünfte  kapitel  setzt 
auseinander,  wie  der  philosoph  den  zweck  als  grenze,  mass  und 
bestimmendes  behandelt  habe.  Die  annähme  einer  unendlichen 
grosse  werde  bekämpft ,  die  von  dem  beharren  der  kräfte  be- 
hindert u.  s.  w.  Selbstverständlich  begrenze  der  zweck  auch 
die  zu  seiner  realisirung  nöthigen  mittel ;  überall  erstrebe  er 
nicht  nur  eine  bestimmte,  sondern  auch  eine  möglichst  einfache 
zahl.  In  dem  mittleren  [ro  niaov)  als  dem  der  Verwirklichung 
des  Zweckes  am  meisten  förderlichen  sieht  Aristoteles  überall 
das  beste.  So  solle  der  Staatsmann  in  der  gemässigten  Staats- 
verfassung (noliTEta  im  engern  sinn)  die  mitte  zwischen  den 
politischen  gegensätzen  zu  halten  suchen.  In  allem  sein  er- 
scheine das  bestimmte  und  geordnete  zugleich  als  das  gute; 
aber  die  Unbestimmtheit  des  stoffs  sei  ein  grund,  weswegen  die 
zwecke  nicht  rein  durchgeführt  werden  könnten.  Diese  Über- 
zeugung sei  für  die  metbode  der  aristotelischen  forschung  von 
grosser  bedeutung  gewesen  (p.  120).  In  dem  vierten  ab- 
schnitt über  „das  verfahren  des  Aristoteles  bei  der  naturerklä- 
rung"  (welcher  in  drei  kapiteln  die  grundsätze  bei  der  natur- 
erklärung,  ferner  die  vornehmlichsten  hemmnisse  derselben  und 
endlich  das  thatsächliche  verfahren  des  Aristoteles  bei  der  na- 
turerklärung  behandelt) ,  hebt  der  verf.  unter  andern  hervor, 
dass  der  philosoph  überall  die  Widersprüche  zu  erklären  und  zu 
lösen  bemüht  sei,  die  zwischen  seiner  theorie  und  den  thatsa- 
chen  obwalten,  dass  es  ihm  aber  trotz  der  forderung,  dass  die 
erklärung  sich  auf  eigentliche  gründe  und  nicht  auf  willkürli- 
che annahmen  stützen  solle,  passirt  sei,  dass  er  subjektive  maxi- 


344  182.  Aristoteles.  Nr.  7. 

men  bisweilen  als  objektiv  gültige  gesetze  angesehen  habe. 
Und  ferner  sei  es  auch  in  der  naturbetrachtung  weniger  schuld 
der  leitenden  principien,  wenn  der  philosoph  bisweilen  auf  eine 
falsche  bahn  geführt  werde,  als  die  schuld  seiner  sonstigen  ver- 
fehlten grundanschauungen.  Ausserdem  habe  dem  Aristoteles 
bei  der  unvollkommenheit  der  damaligen  hülfsmittel  das  be- 
wusstsein  gefehlt ,  dass  durch  schärfere  beobachtung  eine  ganz 
andere  anschauung  der  dinge  gewonnen  werden  könne.  Nicht 
übersehen  ist  die  ansieht  des  philosophen  von  der  nachahmung 
des  überirdischen  seins  durch  das  irdische  und  die  dadurch  be- 
dingte theilnahme  am  wahren  sein.  Hier  war  es  vielleicht  am 
platze,  auf  den  platonischen  begriff  der  xoivtavta  mit  den  ideen 
hinzuweisen.  Daran  schliesst  sich  der  nachweis  von  der  Unmög- 
lichkeit einer  einheitlichen  naturerklärung ,  von  der  Unmöglich- 
keit einer  anwendung  der  mathematik  auf  die  naturwissenschaf- 
ten  und  die  erst  dadurch  erfolgte  erhebung  derselben  zu  einer 
exaeten  Wissenschaft.  Kurzum  das  streben  nach  einer  syste- 
matischen erklärung  der  dinge  habe  im  verein  mit  der  Über- 
zeugung von  der  Objektivität  und  zulänglichkeit  unserer  erfah- 
rung  den  philosophen  zu  manchen  irrthümern  geführt.  So  habe 
z.  b.  auch  die  aus  der  teleologischen  anschauung  gezogene  fol« 
gerung,  dass  jede  bewegung  ein  bestimmtes  ziel  haben  müsse, 
die  einsieht  in  die  beharrlichkeit  und  gleichmässige  wirkung 
der  naturkräfte  gehemmt.  Es  sei  sogar  vorgekommen ,  dass 
Aristoteles  einzelne  beobachtungen,  denen  zufällig  abnorme  Ver- 
hältnisse zu  gründe  lagen,  zu  leicht  verallgemeinert  und  so 
sätze  aufgestellt  habe,  die  auf  diese  weise  einen  zu  grossen  um- 
fang, eine  ungebührliche  tragweite  erhalten  hätten.  Verfehlt 
sei  ferner  die  annähme  einer  durchgehenden  analogie  der  au- 
ssenwelt  mit  dem  menschen  und  der  von  der  kunstthätigkeit 
entlehnte  massstab  für  die  thätigkeit  der  natur.  Und  weil 
endlich  Aristoteles  sehst  in  den  naturwissenschaftlichen  diseipli- 
nen  die  definition  oft  an  die  spitze  gestellt  und  erst  nachträg- 
lich durch  die  erfahrung  begründet  habe,  so  fehle  seinem  ver- 
fahren auch  hier  der  genetische  charakter ,  den  er  auf  andern 
gebieten  mit  solchem  eifer  bewahre. 

In  der  charakterisirung  des  speeifisch  aristotelischen  Stand- 
punktes ist  mit  ausnähme  einer  flüchtigen  bemerkung  in  der 
vorrede  nicht  eindringlich   genug    hervorgehoben,    dass    sich    in 


Nr.  7.  182.  Aristoteles.  345 

ihm  das  speculative  denken  und  ein  für  seine  zeit  exacter  em- 
pirisraus  verbindet  und  gegenseitig  durchdringt  (vrgl.  Zeller, 
Phil.  d.  Griechen  II,  2,  p.  116  und  632),  dass  Aristoteles  die 
allgemeinen  Voraussetzungen  der  socratischen  begriffsphilosophie 
theilt ,  dass  er  die  lehre  seines  Vorgängers  von  den  ideen  als 
selbständigen  existenzen  oder  Wesenheiten  einerseits  mit  erfolg 
widerlegt,  anderseits  aber  doch  der  form  die  ursprüngliche  Wirk- 
lichkeit und  dazu  noch  die  produktive  kraft  beigelegt  hat ,  alle 
Wirklichkeit  ausser  sich  zu  erzeugen.  Daher  betrachtet  er 
auch  den  stoff  nicht  als  „das  nichtsein",  sondern  als  öviafiig, 
als  „das  nochnichtsein",  der  form.  Ausserdem  wäre  es  wün- 
schenswerth  gewesen ,  eine  erklärung  der  aristotelischen  funda- 
mentalbegriffe vorangehen  zu  lassen  und  diese  begriffe  im  laufe 
der  darstellung  möglichst  viel  zu  handhaben.  Neben  der  that- 
sache  endlich,  dass  es  dem  Aristoteles  gelungen  ist ,  die  grund- 
züge  des  platonischen  Systems  reiner  und  vollständiger  durch- 
zuführen, konnten  ausser  den  mehrfachen  gegensätzen  auch  un- 
verkennbare anklänge  an  dieses  System  erwähnt  und  wo  mög- 
lich mit  stellen  belegt  werden.  Dahin  gehören  die  partien  des 
Philebus ,  wo  von  der  idee  als  grenze  und  mass  die  rede  ist, 
dahin  gehört  die  konstruktion  der  weltseele  im  Timaeus.  Denn 
abgesehen  von  dem  mythisirenden  anflug  der  letzteren  stelle 
lässt  der  philosoph  doch  unbestritten  eine  mischung  der  hete- 
rogensten ,  von  ihm  sonst  mit  ängstlicher  Sorgfalt  auseinander 
gehaltenen  Substanzen,  der  äfifQiötog  und  [asoigt/j  oiiaict  vor 
sich  gehen  (p.  35  A  f.).  Dazu  kommen  noch  stellen  aus  an- 
dern dialogen,  z.  b.  Soph.  248  E.,  aus  denen,  weil  sie  ebenfalls 
vom  Standpunkte  der  entwickelteren  ideenlehre  geschrieben  sind, 
hervorgeht,  dass  Plato  durchaus  nicht  beabsichtigte ,  die  unbe- 
weglichkeit  seiner  ideen  so  schlechthin  und  schroff  zu  behaup- 
ten. Im  gegentheil  wird  den  ideen  nicht  nur  insofern  eine 
art  bewegung  vindicirt,  als  sie  unter  sich  in  die  mannigfachsten 
beziehungen  treten,  sondern  auch  insofern,  als  sie  die  fähig- 
keit  des  erkanntwerdens  haben  müssen  (tijv  ovaiav  8i\  xatä  rbv 
Xoyov  jovtov  yiyvcoaaofjit'iTjv  vnb  Tijg  yvaaecog ,  x«#1  ogov  yiyvco- 
gxetui  ,  xaza  zoanvzov  xivsTa&at  8tä  tÖ  näa^stv  xr?.,  wo  ich  es 
vorziehe  mit  Madvig,  Adv.  Crit.  p.  382  ein  8  ei  hinter  8rj  ein- 
zuschalten). Nicht  weit  vorher  (p.  247  E)  wird  die  idee  als 
zweckmässige  kraft  erwähnt    (rtfo^a*  yäg  oqov  6q(^siv  tol  orra, 


346  183.  Griechische  philosophie.  Nr.  7. 

toi*  sanv  ovx  a\Xo  n  nl>]v  Svva/itg)  wo  ich  für  die  ersten 
worte  die  Verbesserung  vorschlage:  7i&sfiai  yao  zov  oqov  oqi- 
^ovta   z«    ovza,   cog  iativ  xr/L. 

Abgesehen  davon,  bekenne  ich  gern  dass  das  vorliegende 
werk  einen  werthvollen  und  anregenden  beitrag  zur  kenntniss 
des  aristotelischen  Systems  geliefert  hat.  C.  Liebhold. 

183.  Entwickelung  des  gottesbegriffes  in  der  griechischen 
philosophie.  Göttinger  Inauguraldissertation  von  C.  M.  ße- 
chenberg.     8.     Leipzig   1872.     82  s. 

So  wohlthuend  auch  die  wissenschaftliche  und  religiöse 
wärme  berührt,  mit  welcher  Rechenberg  seinen  gegenständ  be- 
handelt und  so  wenig  man  das  eingehende  Studium  verkennen 
kann,  welches  er  demselben  zugewendet  hat,  so  fehlt  es  doch 
seiner  arbeit  noch  sehr  an  klarheit  und  reife,  und  es  lässt  sich 
nicht  behaupten,  dass  die  fragen,  mit  denen  sich  dieselbe  be- 
schäftigt, eine-  wesentliche  förderung  durch  sie  erfahren  haben. 
Ueber  seine  behandlung  der  pythagoreischen  theologie  spricht 
sich  der  Verfasser  selbst  am  Schlüsse  derselben  zweifelnd  aus, 
er  hätte  aber  aus  Zellers  auseinandersetzung  lernen  sollen,  dass 
er  unzweifelhaft  derselben  elemente  eingemischt  hat,  die  dem 
alten  pythagoreismus  fremd  sind.  Für  die  lehre  des  Xenopha- 
nes  wird  unbedenklich  die  bekannte  pseudo- aristotelische  Schrift 
mit  verwendet.  Was  Empedokles  von  Apollon  gesagt  hat  (s. 
Zeller  Phil,  der  Gr.  3.  a.  I,  p.  662,  anm.  2),  bezieht  der  verf. 
fälschlich  auf  den  sphäros.  Er  bleibt  dabei ,  dem  Prodikos 
mit  Welcker  eine  ausnahmestellung  unter  den  Sophisten  einzu- 
räumen, und  will  es  nicht  wort  haben ,  dass  dessen  naturalisti- 
sche erklärung  des  götterglaubens  nichts  anderes  als  der  baare, 
blanke  atheismus  sei.  Obwohl  Sokrates  grundsätzlich  über  diese 
frage  gar  nicht  speculirt  hat,  weiss  es  doch  Eechenberger  mit 
Franz  Hoffmann  ganz  genau ,  dass  gott  nach  ihm  die  weit 
wirklich  geschaffen  und  nicht  aus  einer  unerschaffenen  materie 
gebildet  habe.  Dies  führt  denn  natürlich  auch  bei  Piaton  zu 
verhängnissvollen  consequenzen,  die  es  unserm  verf.  fast  als 
ein  curiosum  erscheinen  lassen,  dass  ich  einerseits  die  Verwandt- 
schaft der  platonischen  weltbildungslehre  mit  der  orthodox-christ- 
lichen Vorstellung  einer  Schöpfung  aus  nichts  hervorgehoben 
und  doch  anderseits  dem  Platou  einen  entschiednen,  wenn  a  uch 


Nr.  7.  183.  Griechische  philosophie.  347 

etwas  verhüllten  dualismus  zugeschrieben  habe.  Oder  wie  kommt 
es  denn,  dass  dies  nichts  der  platonischen  materie  dennoch  jene 
so  gar  sehr  reale  schranke  für  die  Vollkommenheit  der  erschei- 
nungsweit und  ihren  so  gar  sehr  realen  unterschied  von  den  ideen 
ausmacht?  Die  inhärenz  der  übrigen  ideen  in  der  höchsten 
oder  der  gottheit  habe  auch  ich  behauptet,  aber  es  ist  mir  al- 
lerdings unbegreiflich ,  dass  jemand  die  sehr  ernsthafte  frage, 
wie  sich  mit  derselben  das  fürsichsein  jeder  idee  verträgt,  ge- 
radezu als  eine  müssige  behandeln  kann.  Bei  Aristoteles  ge- 
steht Eechenberger  selbst  den  offenbaren  dualismus  zwischen 
gott  und  der  materie  zu  und  räumt  ein,  dass  Aristoteles  dem 
erstem  geradezu  jede  „willensäusserung  zur  letzteren  und  über- 
haupt zum  endlichen"  abspricht,  findet  aber  fraglich,  ob  die 
ansieht  des  Aristoteles  so  zu  halten  ist,  und  schliesst  sich 
von  hier  aus  zweifelnd  der  meinung  von  Brentano  (Psychol.  des 
Ar.  p.  198  f.  234  ff.)  an,  dass  die  die  planeten  bewegenden  gei- 
ster  und  überhaupt  alle  kraftthätigen  formen  von  gott  geschaffen 
seien,  ja  er  dehnt  dies  dahin  aus,  dass  wohl  die  materie  selbst 
„von  ewigkeit  her  in  bestimmter  weise  von  gott  stamme". 
Wie  dies  aber  von  den  grundvoraussetzungen  des  aristotelischen 
Systems  aus  möglich  sein  und  wie  diese  „bestimmte  weise"  ir- 
gendwie genauer  gedacht  werden  könnte,  darüber  fehlt  jeder 
versuch  einer  erklärung,  und  ich  zweifle  auch  sehr  daran,  ob 
sich  selbst  nur  der  versuch  einer  solchen  anstellen  lässt.  So 
lange  aber  dieser  noch  mangelt ,  fehlt  eben  damit  derartigen 
hypothesen  auch  jeder  schatten  einer  wissenschaftlichen  berech- 
tigung.  Dass  die  ansieht  des  Aristoteles  über  das  verhältniss 
gottes  zur  weit  unhaltbar  ist,  wird  niemand  bestreiten,  dass 
sich  eben  desshalb  auch  wieder  Vorstellungen  bei  ihm  finden, 
welche  derselben  widerstreiten,  ist  sehr  natürlich,  aber  sache  der 
historischen  kritik  ist  es  nur,  letzteres  aus  ersterem  begreiflich 
zu  machen,  nicht  aber,  die  grundlehre  des  Aristoteles  dadurch 
gewinnen  zu  wollen ,  dass  man  diese  ihr  widerstrebenden  Vor- 
stellungen im  gefolge  von  allerlei  wirklichen  oder  vermeintli- 
chen consequenzen ,  sei  es  nun  so  zuversichtlich  wie  Brentano 
oder  so  zweifelnd  wie  Rechenberger  thut,  ohne  weiteres  an  ihre 
stelle  setzt.  Wie  weit  dabei  mein  hochverehrter  verstorbener 
lehrer  Trendelenburg  in  einem  privatbriefe  an  Brentano  seine 
Übereinstimmung    mit    dessen    behauptungen    ausgesprochen    ha- 


348  184.  Lysias.  Nr.  7. 

ben  mag  oder  nicht,  das  kann  für  mich  an  diesem  urtheil  nichts 
ändern,  denn  amicus  Plato,  sed  magis  amica  veritas. 

Wenn  der  Verfasser  künftig  an  beschränkteren  aufgaben 
seine  kräfte  übt ,  wird  es  ihm  sicher  in  der  folge  gelingen  et- 
was vollendeteres  zu  leisten.  Fr.  Susemihl. 

184.  Des  Lysias  rede  gegen  Evander  mit  kritischen  be- 
merkungen  herausgegeben  von  P.  ß.  Müller  (Merseburger 
programm  1873).     25  ss.     4. 

Der  durch  frühere  werthvolle  beitrage  zur  kritik  des  Ly- 
sias wohl  bekannte  Verfasser  liefert  auch  in  diesem  programm 
viel  dankenswerthes.  Es  enthält  auf  neun  Seiten  den  text  der 
rede  XXVI,  nach  den  ansichten  des  vf.  constituirt,  und  unter 
dem  text  Varianten  mit  sowohl  eigenen  als  auch  vorschlagen 
anderer,  dann  folgen  auf  acht  Seiten  rechtfertigende  erläuterun- 
gen  der  aufgenommenen  lesarten  und  in  einem  anhang  emen- 
dationen  zu  einigen  andern  reden.  In  den  meisten  fällen  wird 
man  ihm  beistimmen  müssen.  So  wenn  er  26  §.  1  vor  tjyov- 
fisvo<;  nach  seinem  frühern  Vorschlag,  um  das  überlieferte  noii\- 
aua&ai  nicht  ins  futurum  zu  verändern ,  ovx  av  einsetzt ,  und 
eben  so  §.  13  «£>'  ovx  av ,  so  dass  diaxsio&ai  und  ijyrjaaa&ai 
nicht  in  futura  zu  verwandeln  sind.  Ferner  schreibt  er  §.  1 
richtig  ivtmv  avrovg  statt  sviovg  avjöjv,  weil  nicht  so  viel  dar- 
auf ankam,  ob  einzelne  buleuten  Evanders  vergehungen  verges- 
sen hätten  als  darauf,  dass  sie  von  diesen  schweren  vergehun- 
gen einige  gänzlich  vergessen  hatten,  wie  Müller  ovo'  dvafAvt]- 
arrjasadai  richtig  erläutert.  §.  3  änderte  zuerst  Scheibe  oixovo- 
[iev  in  axovco  per ,  Müller  aber  in  axovco  fisX\sivy  was  möglich 
ist.  Aber  richtiger  scheint  mir  \xiv  nach  vmg  zu  versetzen, 
also  axovco  vnso  (asv  tojv  — •  xaDjyoQovftetcov  (so  nämlich  Mül- 
ler nach  Baiter  statt  cov  —  xaiijyo^oifAsv)  ,  so  dass  nun  lt%£tt> 
Si  den  gegensatz  giebt  zu  8icr  ßoaxecov  ano\oyi']oea&ai.  §.  6  : 
6  XQÖvog  in  ö  xqÖvoq  ovx  iy^toon  mit  Müller  zu  tilgen  ist  nicht 
nöthig ,  aber  richtig  will  er  roö'  statt  ?«$*.  §.  7  schreibt  er 
recht  gut  coazs  uqxcov  ysvsa&ai  statt  des  leereu  coazs  ytviadai. 
Dann  wird  aber  iv  tq>  inavrcp  als  archontenjahr  durch  rw  ge- 
nug bezeichnet,  und  avrov  oder  mit  Müller  oXcp  hineinzusetzen 
scheint  nicht  nöthig.  §.10  verdient  sein  xai  tl  ps«  den  Vor- 
zug vor  der  vulgate  ei  [*bv  8tj.     Dass  dann  fuj /aotop  —  dXXd  xat 


Nr.  7.  184.  Lysias.  349 

zu  streichen  sei  hat  er  überzeugend  dargethan.  §.11  hat  er 
Dryanders  conjectur  zaizijg  de  rJjg  u<j%i]g  ä^i,ov/xevog  a^toi  mit 
recht  aufgenommen,  aber  in  tov  änavta  iqovov  mit  Müller 
sntiTa  vor  "fcoüvov  einzusetzen,  scbeint  entbehrlich.  §.  13  orav 
yivcavtai  iv  ixsi'voig  zoig  ftgövoig  behalt  Müller  im  text.  Scheibe's 
auch  von  mir  gemachte  conjectur  Ifiüg  za>v  avzmv  ahiovg  tjyrj- 
aua&at  oaa  ysyivrjrai  iv  ixsi'voig  zoig  iQtvoig  scheint  nothwen- 
dig.  Denn  es  kann  bei  dieser  Sorglosigkeit  in  der  dokimasie 
das  nämliche  wieder  kommen,  was  damals  geschah ,  und  ihr 
wäret  am  nämlichen  schuld.  §.  16  mg  ix  tovtcov  (nämlich  räv 
VQxoav  nal  ovv9/]xdöv)  7iQ(jaXt]ip(')(AEvov  avro)  (so  vermuthe  ich  statt 
olvtov)  doxt/uaatug  Tovg  iv  aarei  fistiavtag ,  als  ob  er  für  sich 
gewinnen  werde  als  solche,  die  ihn  in  der  dokimasie  approbi- 
ren,  diejenigen  jetzigen  rathsglieder,  die  damals  in  der  stadt 
geblieben  waren.  §.  8  dia  f/ev  zovg  roiovtovg  ist  doch  undeutlich, 
weil  so  eben  §.17  die  schuldlosen  bürger  bezeichnet  waren  und 
es  sich  auf  die  §.  16  erwähnten  roiaüza  i^afiUQTÖvzceg  bezie- 
hen muss.  Man  könnte  vermuthen  diu  fisv  zovg  zotavza  i<;a- 
fiäQTOvtag  oder  wenigstens  diu  [asv  zovg  zoiovzovg  oiovg  sl- 
nov.  Mit  recht  hat  Müller  §.19  des  Stephanus  nnd  Scheibe's 
zum  theil  auf  cod.  X  sich  stützendes  o  aXoyov  doxsi  aufge- 
nommen, §.  21  og  avzcn  unoloyijazTui.  getilgt  und  §.  24  mit 
Kayser  fxvüg  Xaßeöv  geschrieben.  —  Der  anhang  enthält  meh- 
rere schätzbare  emendationsvorschläge  zu  andern  reden.  Or.  1 
§  21  empfiehlt  er  statt  zcop  ngng  gjtt'  mnoXoyripiivtov  Taylors  ngog- 
(OfivXoyi](x£pwv.  3  §.  4  tilgt  er  in  nig  unaaiv  i^nodiav  i(io\  ysyi- 
vrrtai  das  unpassende  unuaiv  und  setzt  dafür  nuaiv  vor  vfilv 
ein,  cag  iy<x>  nüaiv  vfAiv  anodst^oo,  welches  er  als  formelhaft  mit 
vielen  beispielen  belegt  (bei  dieser  gelegenheit  emendirt  er  auch 
trefflich  Isä.  2  §.  45  anuiai  znig  up&QConoig  statt  unuai,  da 
das  gesetz,  wie  sich  dort  weiter  ergiebt ,  nicht  allen ,  sondern 
nur  den  kinderlosen  die  adoption  gestattete).  3  §.  39  corrigirt 
er  das  seltsame  im6y.i\\pao&ai  eig  vfiäg  sehr  gut  in  ima-A^xpa- 
adui  dtiaug  vfiäg,  aber  wenn  er  dann  statt  orav  igaci  aal  uno- 
oztQteiTut  cor  iniftvfAOvöi  will  orav  anoTvy^arooöiv  äv  sgäoi  xzi., 
so  möchte  ich  lieber  orav  igwvzsg  unoategärzai  xzs.  Unnöthig 
setzt  er  10,  §.  7  ov  negi  zä>v  ovofxuTav  diaqiigea&ui  akXu  ztjq 
zovTav  diuioidg  nach  opoftuzcov  ein  uvtmv  ein  „an  und  für  sich". 
Es  genügt  „nicht  um  worte,  sondern  um  diebedeutung  dieser  strei- 


350  185.  Demosthenes.  Nr.  7. 

ten".  22  §.  7  will  er  nach  dem  constanten  und  mit  vielen 
beispielen  belegten  sprachgebrauche  der  redner  wohl  richtig  8td 
[AaxQozeQcav  tlneiv  statt  xai  (ian.Q(')ttQOv  tijielv.  25  §.  33  8ia 
zovg  ex  Utiguicög  mv8i>vovg.  Das  unhaltbare  mtSvvnvg  ist  mehr- 
seitig als  ein  glossem  gestrichen  worden,  aber  Müller  trifft  das 
richtige  mit  Öta  rovg  in  ITsigatäg  axtvSvvwg.  Auch  27  §.  2, 
wo  naQüt.  zwv  adixovvTmv  falsch  ist,  weil  die  unschuldigen  ge- 
meint sind ,  weswegen  Frohberger  nuQix.  rcöv  ovx  dömovvimv 
wollte,  emendirt  Müller  des  Lysias  sprachgebrauche  gemäss 
naget,  zodi'  fit]8tv  ddixovvToap.  —  Noch  ist  zu  bemerken,  dass 
sich  besonders  auf  den  letzten  Seiten  viele  grobe  druckfehler 
finden. 

R.  Rauchenstein. 

185.  De  Demosthene  Isaei  discipulo  dissertatio.  Scr.  P. 
Hoffmann.     Berolin.   1872.     67  s. 

Die  absieht  vorliegender  dissertation  ist  nachzuweisen,  dass 
die  Überlieferung  des  alterthums  Demosthenes  habe  den  Unter- 
richt des  Isaeus  genossen,  falsch  sei,  und  dass  jener  diesen  nur 
in  seinen  Schriften  studirt  habe.  Der  vf.  verfolgt  somit  ein 
ähnliches  ziel  wie  ungefähr  gleichzeitig  A.  Laudahn  in  seinem  pro- 
gramm  über  den  einfluss  des  Isaeus  auf  die  demosthenischen  vor- 
mundschaftsreden;  s.  Phil.  Anz.  IV,  nr.  7,  p.  341 :  doch  hatLaudahn 
den  gegenständ  sowohl  tiefer  erfasst,  als  auch  sorgfältiger  sich  vor 
einem  zuviel  in  seinen  behauptungen  gehütet.  Denn  wenn  De- 
mosthenes des  Isaeus  Schriften  studirte,  wie  Hoffmann  zugibt 
(p.  54  ff.),  so  ist  es  doch  rein  wunderbar,  dass  er  sich  nicht 
auch  um  den  persönlichen  Umgang  mit  dem  manne  bemüht  und 
nöthigenfalls  auch  geld  bereitwillig  dafür  angewandt  hätte.  Auch 
ist  die  tradition  von  der  persönlichen  Verbindung  beider  män- 
ner  eine  zu  constante,  zu  entschieden  auftretende,  als  dass  sich 
mit  argumenten  wie  aus  dem  stillschweigen  des  Aeschines  et- 
was ausrichten  Hesse ;  es  ist  gar  nicht  einmal  richtig ,  was  der 
vf.  behauptet,  dass  Dionysios  im  Isaeus  sich  hierfür  aufHermip- 
pos  beriefe,  sondern  dieser  wird  von  dem  rhetor  nur  dafür  ci- 
tirt,  dass  die  lebensverhältnisse  des  Isaeus  unbekannt  seien, 
während  Demosthenes'  Schülerschaft  bei  Isaeus  gleich  in  den  ein- 
gangsworten  der  Schrift  als  anerkannte  thatsache  hingestellt 
wird.     Vgl.  Laudahn  p.  3  f.       Ob  freilich  ein  eigentlicher  un- 


Nr.  7.  186.  Demosthenes.  351 

terricht  anzunehmen  ist  und  nicht  vielmehr  die  annähme  eines 
solchen  Verkehrs,  wie  Demosthenes  selbst  ihn  später  mit  Jüng- 
lingen wie  Aristarchos  pflegte,  ausreicht ,  ist  eine  andre  frage  ; 
denn  die  nähern  berichte  des  Pseudoplutarch  von  den  10000 
drachmen  honorar  u.  s.  w.  sind  freilich  wenig  glaubwürdig.  In 
seinem  §.  2  (von  p.  32  an)  sucht  Hoffmann  die  meinung  eini- 
ger alten  zu  widerlegen,  dass  Isaeus  die  vormundschaftsreden 
für  Demosthenes  verfasst.  Die  Verkehrtheit  derselben  sowie  der 
andern  meinung,  dass  jener  dabei  wenigstens  als  dtoyßojzij^  thä- 
tig  gewesen,  hat  Laudahn  glänzend  dargelegt;  Hoffmann's  be- 
weis trifft  in  der  hauptsache  bloss  die  erstere  ansieht,  die  ei- 
gentlich von  vornherein  unhaltbar  ist.  Er  führt  ihn  theils  aus 
dem  abweichenden  Sprachgebrauch  —  sorgfältig  werden  alle 
worte  und  Wendungen  der  reden  aufgezählt  die  sonst  dem  Isaeus 
fremd  sind  — ,  theils  aus  gewissen  fehlem  die  dem  Isaeus  nicht 
zuzutrauen, wobei  indessen  des  vf's  kritik  wenig  zutreffend  ist; 
endlich  und  hauptsächlich  daraus ,  dass  der  hiatus  in  den  vor- 
mundschaftsreden weit  mehr  vermieden  ist  als  in  den  gleichzei- 
tigen des  Isaeus.  Dieser  beweis  ist  mit  aller  ausführlichkeit 
dargelegt,  wird  aber  doch  den  bisher  nicht  überzeugten  schwer- 
lich überzeugen,  indem  es  eine  eigenthümliche  forderung  an  den 
redner  ist,  in  allen  seinen  werken  sorgfältig  auf  den  bestimm- 
ten procentsatz  von  hiateu  acht  zu  geben.  —  Der  vf.  zeigt 
durchweg  fleiss  und  belesenheit  sowie  Unabhängigkeit  des  ur- 
theils;  den  beweisen  indess  mangelt  vielfach  die  nöthige  schärfe, 
indem  er  sie  auf  unsicherem  boden  aus  ungenügendem  material 
sicher  herzustellen  meint,  und  äusserst  lästig  ist  die  breite  mit 
der  bekanntes  wie  unbekanntes,  selbstverständliches  wie  fragli- 
ches gleichmässig  auseinandergesetzt  wird. 

B. 

186.  De  oratione  xar«  dioivaodägov  inscripta,  quae  inter 
demosthenicas  est  quinquagesima  sexta.  Scr.  G.  A.  C.  Sc  hwarze. 
Doctordissertation.     4.     Göttingen   1870.     22  s. 

Die  abhandlung  stellt  sich  das  ziel,  die  von  Baiter  und 
Sauppe  lediglich  ausgesprochene,  von  A.  Schäfer  (Demosth.  u. 
seine  zeit  bd.  III,  p.  307  ff.)  noch  wenig  vollständig  begründete 
athetese  der  rede  gegen  Dionysodoros  durch  allseitigen  nach- 
weis  sicherzustellen.       Im  ersten  abschnitt  (p.  14)  setzt  der  vf. 


$52  186.  Demosthenes.  Nr.  7. 

die  sprachlichen  gründe  dafür  auseinander,  mit  sorgfältiger  be- 
obachtung  des  deraosthenischen  Sprachgebrauchs ;  im  zweiten 
sucht  er  die  behandlung  der  sache  als  des  Demosthenes  unwür- 
dig zu  erweisen.  Eigentlich  entscheidende  argumente  werden 
nicht  vorgebracht*,  an  manchem  nimmt  auch  der  vf.  mit  unrecht 
anstoss,  wie  an  ra  ngos  rovg  aXlovq  ntitgcty^ivu  „das  mit  den 
andern  vereinbarte",  vgl.  Isae.  6,  27.  Im  ganzen  ist  aber  der 
stil  der  rede  ein  demosthenischer,  und  ebenso  die  behandlung 
im  allgemeinen  geschickt  und  weder  weitschweifig  noch  verwor- 
ren. Wenn  man  aber  von  einer  rede  des  Demosthenes  unter 
allen  umständen  Vollendung  nach  inhalt  und  form  verlangt,  so 
muss  man  freilich  die  vorliegende  ebenso  wie  z.  b.  die  gegen 
Phormion  und  Apaturios  ihm  absprechen;  gewiss  gab  es  da- 
mals viele  Sachwalter  in  Athen ,  die  von  Demosthenes  gelernt 
hatten  und  ihn  nicht  ungeschickt  nachahmten.  Benseler's  be- 
weisführung,  die  sich  auf  allzu  häufigen  hiatus  gründet,  lässt  der 
vf.  auf  sich  beruhen;  gegen  A.  Schäfer,  der  (p.  313)  aus  der 
Chronologie  die  Unmöglichkeit  einer  abfassung  durch  Demosthenes 
zu  erweisen  glaubt,  legt  er  die  chronologische  möglichkeit  über- 
zeugend dar.  Soweit  wird  man  den  ausführungen  des  vfs  wenigstens 
nicht  widersprechen  wollen  •,  aber  er  schiesst  über  sein  ziel  hin- 
aus, wenn  er  im  dritten  abschnitt  (p.  21  ff.)  erweisen  will, 
dass  die  rede  aus  der  fälschung  eines  rhetors  herrühre.  Reden 
über  solche  bestimmte,  obscure  fälle  haben  die  rhetoren  über- 
haupt nie  gefälscht,  und  hier  kann  weder  das  fehlen  der  Zeugnisse 
noch  der  umstand  dass  nicht  der  eigentliche  contrahent,  der 
im  vertrage  genannt  war,  sondern  ein  stiller  compagnon  der 
Sprecher  ist,  das  geringste  dafür  beweisen :  gerade  von  solchen 
anomalien  würde  sich  ein  falscher  fern  gehalten  haben.  Uebri- 
gens  ist  auch  beides  keineswegs  so  anstössig:  der  Sprecher  ist 
mitbetheiligt  und  jedenfalls  redegewandter  als  sein  genösse, 
welcher  natürlich  die  klage  mit  unterzeichnet  hat ;  die  Zeug- 
nisse aber  waren  theils  überflüssig,  wie  für  den  beiderseits  an- 
erkannten contrakt ,  theils  schwer  zu  beschaffen,  wie  über  das 
in  Aegypten  und  Rhodos  geschehene.  —  Natürlich  erklärt 
Schwarze  nur  den  schluss  der  rede,  in  dem  Demosthenes  als 
fürsprecher  aufgerufen  wird ,  für  eine  dem  falscher  bequeme 
fiktion.  Mir  scheint  die  art,  in  welcher  der  obscure  Sprecher 
den  Demosthenes    als   einen    freund    ohne   weiteres  in  anspruch 


Nr.  7.  187.  Dionysios  von  Halicarnass.  353 

nimmt,  auf  einen  andern  naraen  den  träger  desselben  namens 
zu  weisen;  jedoch  mag,  wie  der  vf.  nach  Schafer  vermuthet, 
dies  anlass  geworden  sein  die  bisher  namenlose  rede  unter  De- 
mosthenes'  werke  zu  setzen. 

B. 

187.  Dionysii  Halicarnassensis  scriptorum  rbetoricorum 
fragmenta  collegit,  disposuit,  praefatus  est  Car.  Theod.  Roess- 
ler.     Doctordissertation.     8.      Leipzig.   1873.     43  s. 

Die  mit  grosser  Sorgfalt  verfasste  schrift  ist  in  ihrem  ein- 
leitenden theile  (p.  1 — 13)  wesentlich  eine  recension  von  des 
ref.  doctordissertation:  de  Dionysii  Halicarnassensis  scriptis  rheto-. 
ricis  (Bonn  1863),  von  der  ihre  ergebnisse  in  folgenden  punk- 
ten abweichen.  P.  3  ff.  bestreitet  Roessler  dass  die  schrift 
über  Demosthenes  schon  frühzeitig  mit  der  negi  oviütaeag  in 
angriff  genommen  sei,  wie  ich  aus  der  stelle  der  letzteren  p. 
118  R. :  vmo  top  sziowdi  poi  8?]\ov7ai  Gaytategov,  folgern  zu 
müssen  glaube.  A.  G.  Becker  und  nun  auch  Roessler  verste- 
hen dies  8ij%ovzai  als  „wird  gezeigt  werden",  und  letzterer 
leugnet  entschieden  dass  es  heissen  könne  „ist  gezeigt":  aber 
das  präsens  wird  doch  beim  citiren  von  Schriften  überall  für  das 
Präteritum  gebraucht:  „Cicero  sagt",  6  quXoßoyog  ygayei  (ad 
Amm.  I,  6),  dylot  &i).oxoqos  (ebend.  9)  u.  s.  w.  —  P.  7  f. 
will  Roessler  nicht  zugeben,  dass  die  schrift  über  Demosthenes 
in  unmittelbarem  anschluss  an  die  über  Lysias  Isokrates  Isaeus 
geschrieben  sei :  er  meint  aus  denselben  Schlussworten  der  schrift 
über  Isaeus,  aus  denen  ich  dies  gefolgert,  das  gegentheil  schlie- 
ssen  zu  müssen.  Diese  Schlussworte  bilden  einerseits  einen 
Übergang,  daher  meine  behauptung;  andrerseits  setzen  sie  das 
folgende  dem  vorigen  als  einen  neuen  abschnitt  des  gesammt- 
werkes  entgegen,  daher  die  meinung  des  vfs.  —  P.  9  ff.  be- 
spricht Roessler  die  sogenannte  Ars  rhetorica,  deren  ersten  theil 
er  als  eine  reihe  von  briefen  des  unbekannten  Verfassers  an  den 
Echekrates  auffasst,  die  dann  von  letzterem  insgesammt  heraus- 
gegeben seien.  Diese  zum  theil  schon  von  Schott  aufgestellte 
ansieht  stützt  sich  auf  das  prooemium  von  c.  D  ;  ich  kann  ihr 
auch  jetzt  nicht  beitreten.  Dagegen  wenn  dann  Roessler  die 
abhandlungen  de  oratione  figurata  (fragm.  VIJI  und  IX)  als  echte 
Schriften  des  Diouysios  gegen  mich  in  schütz  nimmt,  so  mag 
PhiloL  Anz.  V.  23 


354  188.  Plautus.  Nr.  7. 

er  recht  haben,  indem  die  gründe  für  die  unechtheit  nicht  aus- 
reichend und  die  ähnlichkeit  im  stil  nicht  zu  verkennen  ist; 
vgl.  auch  Rieh.  Volkmann  Ehetorik  p.  79  anm.  Mit  recht  be- 
merkt ferner  Eössler  p.  12,  dass  für  die  existenz  einer  zusam- 
menhängenden teebne  des  Dionysios,  nicht  bloss  einzelner  tech- 
nischer Schriften,  die  worte  Qumtilian's  III,  1,  16:  multa  Dio- 
nysius,  nicht  beweisend  seien.  —  Die  fragmentensammlung  von 
p.  14  an  ist  sehr  schätzbar  und  verdienstlich;  ich  bemerke  nur; 
dass  Roessler  das  fragment  bei  Tzetzes  schob  ad  Chil.  VI,  7: 
aytevezai  to  GTopa  t(ä  dqfioadhei  (p.  17  unter  der  schrift  n. 
T.  d(jx>  ^r.)  von  der  stelle  desselben  autors  Chil.  VI,  35  ff. 
(p.  20  unter  der  schrift  n.  d)ifxoo&.)  nicht  hätte  trennen  und 
die  letztere  gar  nicht  als  fragment  des  Dionysios  hätte  anführen 
dürfen.  Jene  behauptung  des  Dionysios,  die  vielleicht  Aeschi- 
nes'  scheusslichen  anschuldigungen  entgegengesetzt  war,  sucht 
Tzetzes  durch  die  in  Demosthenes'  reden  vorkommenden  obseö- 
nitäten  zu  widerlegen ;  diese  scheine ,  sagt  er  dann  ironisch, 
Dionysios  für  wohlgerüche  zu  halten,  ovgnsq  6  diovvaio^  aqä- 
fiaza  vofii^si.  J.  Blass. 

188.  Observationes  in  locos  nonnullos  Stichi  Plautinae. 
Scr.  Darnmann.  Programm  des  gymnasiums  zu  Graudenz. 
Graudenz.  1870.     12  s.     4. 

Von  einem  eigentlichen  gewinne  für  Plautus  ist  bei  dieser 
arbeit  nicht  zu  reden.  Ganz  unbrauchbar  ist  gleich  der  mit 
dem  canticum  des  Stichus  vorgenommene  restitutionsversuch;  wer 
dem  dichter  solche  verse  zumuthen  kann :  Fuisse  Penelopam,  Sed 
hie,  soror,  dsside,  Dum  multa  volo  tecum  —  es  sollen  nämlich  cata- 
lectische  iambische  tripodien  sein  — ,  lasse  doch  lieber  seine  band 
von  plautinischer  metrik.  Die  im  anschlusse  an  die  Überliefe- 
rung von  v.  73  gegebenen  notizen  über  auslassung  der  formen 
von  esse  bei  Plautus  bieten  nach  Brix  auseinandersetzung  im 
Hirschberger  programm  1854  nichts  neues.  Völlig  werthlos 
Bind  ferner  die  vorgeschlagenen  emendationen.  Jeder  der  mit 
plautinischer  art  einigermassen  bekannt  ist,  muss  sofort  sehen, 
dass  die  zu  v.  84    vorgetragene  vermuthung: 

Adsimulabo ,  quasi  quam  eulpam  ad    eise   admiscrint.     [Ita] 
Perplexabiliter  cett., 
von  anderen  gründen  abzusehen,  schon  wegen  des  versausganges 


Nr.  7.  189.  Tibullus.  355 

auf  zwei  iambischo  wortformen  und  der  Stellung  des  ita  nicht 
richtig  sein  kann.  Zu  v.  230  wird  vermuthet :  Vendö:  eulaliaa 
mdlacas  crapuldrias  und  eulalias  —  crapularias  erklärt  als  nugas  de- 
licatas,  quales  fieri  solent  in  crapulal  Vs.  288  soll  geschrieben  wer- 
den: Quid  Pinacium  lascivibundum  tdm  lubenter  cürrere:  ob  nun 
verf.  das  im  ernste  für  latein  hält?  Vs.  393  glaubt  verf.,  der 
sich  für  beibehaltung  der  form  Pamphüippus  entscheidet ,  trotz- 
dem es  ihm  noch  nicht  gelungen  sei ,  eine  ähnliche  namensbil- 
dung  aufzufinden  —  dass  Stratippocles  und  Theodoromedes  ganz 
entsprechende  bildungen  sind,  hat  er  sich  also  entgehn  las- 
sen — ,  die  lesarten  beider  handschriftenklassen  in  folgender 
weise  vereinigen  zu  dürfen:  Vidistin  virum  sororis  Pdmphilip- 
pumt  —  Nori.  —  N6n  adest;  die  choriambische  messung  von 
Pamphüippum  begründet  er  damit ,  dass  Phüippus  von  Plautus 
immer  mit  verkürzter  paenulüma  gebraucht  werde  —  bekannt- 
lich ist  dies  nur  richtig  von  der  münze,  als  personenname  hat  das 
wort  stets  die  vorletzte  silbe  lang — ,  die  verschiedene  messung  des- 
selben namens  mit  dem  nebeneinanderbestehen  von  formen  wie 
Philolachem  und  PhilolacJietem!  Zu  v.  583  schliesslich  schlägt 
verf.  vor:  o  sperate  Pamphüippe,  opes  oder  opis  rnea  für  Pamphi- 
lippe  o  spes  mea,  also  wieder  mit  einem  fehlerhaften  versschlusse. 

189.  De  versuum  in  duobus  Tibulli  carminibus  ordine  im- 
mutando.     Scr.   Schneider.     4.     Gleiwitz   1872. 

Nach  einer  längeren  einleitung  über  die  anziehungskraft 
dichterischer  Schöpfungen  gelangt  der  Verfasser  auf  sein  eigent- 
liches thema  und  verheisst,  an  zwei  bis  jetzt  noch  unangetaste- 
ten stellen  gegen  die  autorität  sämmtlicher  handschriften  das 
richtige  herstellen  zu  wollen.  Zwar  Lachmann  habe  die  an- 
nähme von  Umstellungen  arg  verpönt,  aber  schon  Scaliger  habe 
dieselben  vielfach  vorgenommen,  und  in  neuerer  zeit  hätten 
Haase  und  Kitschi  für  die  neue  anordnung  einzelner  elegien 
reiches  lob  geerntet. 

I,  3  ist  die  erste  der  von  Schneider  angefochtenen  ele- 
gien; v.  83 — 94  sollen  hinter  v.  52  eingeschoben  werden.  Dis- 
Ben's  erklärung,  „der  dichter  habe  plötzlich  kraft  seiner  phanta- 
sie  jeden  todesgedanken  aufgegeben  und  denke  wieder  an  die 
rückkehr",  wird  verworfen.  So,  wie  Schneider  stellt ,  gewinnt 
er    drei    wünsche:    1)  Juppiter    möge    ihn   schützen;    2)   Delia 

23* 


356  188.  Tibullus/  Nr.  7. 

solle  ihn  mit  der  gewohnten  liebe  empfangen;  3)  wenn  er 
sterben  müsse,  so  möge  sie  (Delia,  nicht  Juppiter)  ihm  ein 
schönes  monuraent  setzen.  —  Ich  gebe  zu,  dass  dadurch  man- 
che Schwierigkeit  beseitigt  wird ;  doch  wie  kann  Delia,  die  v.  9 
eben  sehr  vermisst  wird,  ihm  im  fremden  land  ein  denkmal  auf 
seinen  Überresten  errichten,  sie,  die  ja  nicht  weiss,  wo  er  ge- 
storben ist?  Nach  meiner  ansieht  ist  nichts  umzustellen,  son- 
dern der  gedankengang  folgender:  Schone,  o  Juppiter,  mich, 
den  frommen  dichter!  Doch  wenn  einmal  mein  stündlein  ge- 
kommen ist  und  mein  grabstein  mir  gesetzt  ist  mit  folgender 
inschrift  — ,  dann  möge  mich  Venus  ins  Elysium  führen.  (Um 
diesen  sinn  Zugewinnen,  ist  fac —  stet  in  et  —  stat,  sed  —  ducet  in 
fac —  dueat  zn  verwandeln.)  Hinter  v.  82  aber  ist  ein  distichon 
ausgefallen,  das  etwa  folgenden  gedanken  enthielt:  ,,doch  wozu 
hege  ich  diesen  gedanken?  vielleicht  komme  ich  noch  mit  dem 
leben  davon".  Daran  knüpft  sich  in  logischer  folge  der  schluss- 
gedanke:  Du,  Delia,  bleibe  mir  bis  zu  meiner  rückkehr  treu! 

Für  die  sechste  elegie  des  ersten  buchs  verlangt  Schneider 
folgende  reihenfolge:  1  —  14.  77  —  86.73  —  76.15—42.  Auch  in 
diesem  gedichte  lässt  sich  die  althergebrachte  Stellung  verthei- 
digen,  wenn  man  folgenden  gedankengang  annimmt:  „Amor  ist 
schlimm,  Delia  ist  treulos.  Freilich  ich  selbst  trage  schuld 
daran.  Doch  du,  o  gatte,  hüte  sie  wenigstens  und  verzeihe 
mir,  dass  ich  sie  so  angelehrt  habe.  Weichet,  ihr  Verführer! 
So  will  es  die  gottheit ,  welche  der  Delia  für  das  gegentheil 
strafe  androht.  Doch  diese  möge  gelind  sein,  der  mutter  zu 
liebe!  Ich  werde  ewig  die  Delia  lieben  und  nie  dieselbe  schla- 
gen, wenn  sie  nur  keusch  und  treu  ist.  Sei  dies  um  so  mehr, 
Delia,  da  du  weisst,  welche  strafe  die  treulosen  frauen  trifft". 
Daran  schliesst  sich  der  in  so  vielen  elegien  Tibulls  wieder- 
kehrende und  oft  mit  at  tu  eingeleitete  schlussgedanke :  „doch 
wozu  hege  ich  solche  unnützen  bef  urchtungen  ?  Uns  möge  dies 
fern  bleiben  und  lieber  andere  treffet! !  Wir  beide  wollen  uns 
bis  ins  greisenalter  lieben".  — ■  Dieser  gerlanke  schliesst  sehr 
treffend  das  gedieht  und  darf  daher  nicht  in  die  mitte  des- 
selben versetzt  werden.  Mancher  Sprung  und  mancher  lockere 
Zusammenhang  der  gedanken  ist  eben  dadurch  zu  erklären,  dass 
leidenschaftliche  liebe  der  grundgedanke  des  ganzen  ist. 

Zum  schluss  noch  eine  kurze  kritische  bemerkung.     In  VI, 


Nr.  7.  190.  Propertius.  357 

16  bietet  quoque  gar  keinen  sinn;  unstreitig  ist  duce  zu  lesen 
d.  i.  der  dichter  bietet  sich  zum  führer  und  Wegweiser  an,  der 
den  mann  der  Delia  auf  deren  ranke  und  schliche  aufmerksam 
machen  will. 

C.  Härtung. 

190.  De  quarto  Propertii  libro.  Scr.  Richard  Voigt. 
Diss.    inauguralis.     Helsingfors   1872. 

Gegenüber  den  vielfachen  versuchen  der  letzten  jähre,  das 
fünfte  buch  der  elegien  des  Properz  diesem  elegiker  abzuspre- 
chen, bezw.  eine  arge  Verwirrung  der  tradition  durch  interpola- 
tionen,  transpositionen  und  lücken  nachzuweisen,  betont  die 
vorliegende  dissertation  nicht  nur  seine  echtheit,  sondern  ver- 
sucht auch  alle  durch  jene  mittel  angestrebten  emendationen 
als  unnöthig  abzuweisen.  Wenn  nun  auch  unbedingt  zugegeben 
werden  muss,  dass  die  athetesen  Heinrichs  und  Carutti's  —  wie  dies 
schon  Luetjohann  in  seinen  Commentationes  Propertianae,l£.ie\  1869 
nachgewiesen  —  sowie  viele  der  vorschlage,  die  dieser  selbst, 
Eschenburg,  Boot,  Peerlkamp  und  andere  gemacht  haben,  unbe- 
rechtigt seien,  so  wird  doch  mit  einer  sich  principiell  auf  den  aller- 
conservativsten  standpunct  stellenden  kritik  die  interpretation  die- 
ses buchs  wenig  gefördert,  das  unbedingt  zu  dem  schwierigsten 
der  ganzen  augusteischen  literatur  gehört.  —  Dass  in  unsern 
handscbriften  interpolationen  vorliegen,  kann  nach  so  evidenten 
fällen  wie  V,  5.  55.  56  und  9,  42  niemand  leugnen,  dass  trans- 
positionen (cf.  V,  1,  35.  85)  vorzunehmen  und  lücken  (cf.  c.  I. 
IV)  zu  statuiren  seien,  gibt  selbst  Müller  zu.  Wenn  Voigt 
durchaus  die  berechtigung  dieser  freilich  letzten  und  gewissen- 
haftest anzuwendenden  mittel  bestreitet,  so  scheint  es  als  ob  ihm 
die  Schwierigkeit  des  betreffenden  dichters  noch  nicht  klar  ge- 
worden sei.  Zu  oft  lässt  er  sich  bei  seinen  conservativen  be- 
mühungen  auch  unbekümmert  um  den  Zusammenhang  des  vor- 
liegenden gedichtes  durch  vergleichung  von  gedichten  ähnlichen 
inhalts  (s.  bes.  p.  96)  bestimmen,  ohne  zu  bedenken,  dass  gerade  in 
der  darlegung  des  gedankenganges  der  dichter  nur  aus  sich  selbst 
erklärt  werden  könne.  —  Was  einzelnes  anlangt,  so  wendet  sich 
der  vf.  zunächst  gegen  die  schon  oft  besprochene  Lachmann'- 
Bche  theilung  in  fünf  bücher.  Ohne  irgendwie  neues  von  be- 
lang vorzubringen,    zeigt   er  6ich  hier  mit  der  einschlagenden 


S58  190.  Propertius.  Nr.  7. 

neueren  Hteratur  wohl  vertraut,  während  ihm  die  ältere  —  so 
z.  b.  das  in  gleichem  sinn  geschriebene  programm  von  Fürste- 
nau,  Rinteln  1845  —  unbekannt  scheint.  Nimmermehr  aber 
kann  die  erneuerung  jener  abgeschmackten  meinung,  die  schon 
Nobbe  in  seinen  Observatt.  in  Prop. ,  Lips.  1817  vorgebracht 
hat,  dass  nämlich  in  der  bekannten  stelle  Sat  mea,  sat  magna  est, 
si  tres  sunt  pompa  libelli,  tres  eine  unbestimmte  anzahl  bezeichne, 
als  eine  Widerlegung  der  Lachmannschen  ansieht  betrachtet  wer- 
den sowenig  als  die  behauptung  Hertzbergs  von  einer  späteren 
einfügung  des  betreffenden  gedichtes ;  in  dem  noto  libro  (III, 
18  (24),  1),  wird  nur  zurückgewiesen  auf  das  erste  buch  [Cyn- 
thia  monobiblos).  Gleich  unrichtig  aber  ist  die  polemik  gegen 
die  theilung  von  III,  4  und  5  (13),  die  nicht  nur  Gruppe,  son- 
dern auch  Haupt  und  Müller  für  nothwendig  erachten.  Die 
übelsten  folgen  aber  hat  dies  unbedingte  festhalten  an  der  tra- 
dition  in  der  behandlung  der  elegien  des  letzten  buches  selbst: 
denn  dass  z  b.  c.  I  nur  bis  v.  12  reiche,  scheint  selbst  Krahner 
in  seiner  trefflichen  abhandlung  Philol.  XXVI  zuzugeben  und 
bis  hierher  ist  Luetjohann  entschieden  beizustimmen.  Treffen- 
der ist  die  kritik  gegen  Eschenburgs  Verwerfung  von  V,  1, 
33 — 36;  fest  zu  halten  dagegen  Müllers  Umstellung,  die  auch 
durch  die  läge  der  erwähnten  orte ,  worauf  noch  niemand  ge- 
achtet, empfohlen  wird.  Mit  der  behandlung  von  n  und  HI 
kann  man  sich  einverstanden  erklären,  c.  IV  aber  —  hier  musste 
Krahners  programm  über  die  sage  von  der  Tarpeja  (Neubran- 
denburg 1858)  berücksichtigt  werden  —  ist  mit  Müller  vor 
v.  35  eine  lücke  anzunehmen,  um  das  Sic  dieses  verses  zu  er- 
klären. Die  schwierige  fünfte  elegie  wird  p.  62 — 75  einer  ein- 
gehenden besprechung  unterzogen.  Wenn  auch  hier  schon  vor 
Brouckhusius  geäusserte  ansichten  (p.  65)  als  neu  aufgestellt  und 
eine  schon  von  Hertzberg  gegebene  erklärung  von  v.  29  — 
mora  ist  gewiss  wegen  v.  30  die  einzig  richtige  lesart;  ira  passt 
nicht  wegen  v.  31  —  als  eigene  gegeben,  auch  v.  11  entschie- 
den missverstanden  wird  —  denn  stantia  currenti  dauere  aqua 
kann  nur  heissen :  festes  mit  fliessendem  wasser  auflösen,  nicht : 
festes  in  flüssiges  verwandeln  —  so  ist  gewiss  hier  das  unpassende 
von  Luetjohanns  Umstellungen  mit  geschick  erwiesen.  Die  sechste 
elegie  aber  ist  von  Voigt  sowenig  als  den  übrigen  erklärern 
richtig  aufgefasst,  da  das  compositionsschema,  das  an  einem  an- 


Nr.  7.  191.  Iuvenalis.  359 

dem  orte  nachgewiesen  werden  soll,  nicht  erkannt  ist :  auch 
über  die  zeit  —  zu  v.  55  s.  Mommsen  Mon.  Anc.  p.  92  — 
ist  noch  genauer  zu  handeln.  Bei  besprechung  von  7,  23  war 
zugleich  auf  den  gebrauch  von  at  ille  hinzuweisen;  in  el.  8  be- 
ziehen sich  v.  2  und  19.  20  sicher  auf  verschiedene  Situatio- 
nen, so  dass  eine  Umstellung  unnöthig,  während  die  von  7,  35. 
38  vor  v.  73  nicht  nur  durch  v.  71  trefflich  motivirt,  sondern 
auch  durch  den  engen  Zusammenhang  von  v.  34  und  39  ge- 
boten ist.  Auch  in  elegie  10  billigen  wir  die  transposition,  die 
Dilthey  mit  den  vier  letzten  versen  vornimmt,  als  allein  dem 
propertianischen  gebrauch  entsprechend.  Die  Peerlcampschen 
und  Bootschen  verschlimmbesserungen  in  elegie  XI  werden  mit 
recht  übergangen  und  Luetjohanns  versuch  beseitigt. 

Die  schwierigsten  fragen  aber,  die  sich  an  das  fünfte  buch 
knüpfen,  werden  nicht  berührt:  dass  in  ihm  die  verschiedensten 
demente  zusammengestellt  sind,  die  sich  auch  äusserlich  —  im 
metrum  —  unterscheiden,  musste  hervorgehoben,  die  abhängig- 
keit  von  Callimachus  —  die  abhandlung  von  Rauch  über  die 
fragmente  der  Aetia,  Eastatt  1860,  ist  übersehen  —  erörtert 
und  das  verhältniss  zu  Ovid,  wozu  p.  23  sich  anlass  bot  — 
das  material  dazu  steht  bei  Zingerle,  Ovid  heft  I,  Innsbruck 
1869  —  näher  beleuchtet  werden.  Ebensowenig  wird  die  frage 
nach  dem  datum  und  der  art  der  herausgäbe  berücksichtigt; 
das  beste  an  dem  buche  sind  die  erörterungen  über  den  inhalt 
der  einzelnen  gedichte  und  gelegentliche  sprachliche  excurse. 

R.  E. 

191.  Die  dritte  satire  Juvenals  in  deutscher  Übersetzung 
von  H.  Schmauser;  k.  gymnasialprofessor  an  der  k.  bayeri- 
schen Studienanstalt  zu  Bayreuth;  einladung  zu  den  schluss« 
feierlichkeiten  des  Jahres  1870/71.     Bayreuth  1871.     4.     26  s. 

Der  Übersetzer  bestimmt  seine  arbeit  „weniger  dem  ur- 
theile  der  fachgenossen",  als  er  mit  derselben  „dem  deg  gebil« 
deten  publikums  ein  culturgeschichtliches  bild  aus  der  römi- 
schen kaiserzeit  vor  äugen  führen  will".  Wie  das  bestreben, 
weitern  kreisen  das  verständniss  des  classischen  alterthums  zu 
erschliessen,  nur  zu  billigen  ist,  so  entziehen  sich  derartige  ver- 
suche nicht  der  kritik  der  fachgenossen;  nur  berufenen  kann 
zugestanden  werden  jene  aufgäbe  zu   übernehmen.      Der   über- 


360  191.  Iuvenalis.  Nr.  7. 

setzer  hat  die  322  verse  des  Originals  in  349  deutsche  hexa- 
meter  gebracht,  —  ein  beweis,  dass  er  die  breite  nicht  gemie- 
den, um  so  weniger  als  er  drei  verse  ausgelassen  (104  und 
135.  136);  dagegen  die  vier  verse  172  — 175  in  drei  verse 
zusammengedrängt.  Die  Übersetzung  ist  also  ziemlich  frei, 
der  ausdruck  aber  gewandt,  die  verse  im  ganzen  leicht  und  ge- 
fällig; gelungen  z.  b.  der  abschnitt  der  raufscene  auf  der  Strasse 
des  nachts,  278  ff.;  doch  begegnet  da  der  hexameter  (296) : 
„wo  ist  deine  Station?  in  welchem  winkel  dein  bethaus?". 
In  dem  vers  (278):  „da  kommt  ein  trunkener  krakeeler:  hat 
keinen  heut'  er  geschlagen"  kommt  wohl  der  fehler  auf  rech- 
nung  des  setzers,  ebenso  8:  „alter  gebäude  und  tausend  gefah- 
ren der  unbarmherzigen";  und  beider  gelegenheit  sei  auch  der 
störende  druckfehl  er  erwähnt  v.  31:  „die  contractlich  erstehen 
der  tempel  und  flüsse  und  häfen  |  und  der  cloaken  entleerung". 
Welchen  text  der  vf.  zu  gründe  gelegt,  sagt  er  nicht;  es  zu 
wissen,  kann  auch  nicht  nöthig  scheinen,  da  er  nach  der  vulgate 
seinen  text  selbständig  aufstellt,  besonders  indem  er  alle  etwas 
bedenklichen  und  derben  stellen  abschwächt ;  so  übersetzt  er  94 : 
„die  einfach  gekleidete  Doris",  so  dass  er  wohl  pullo  dem  nullo 
cultam  palliölo  vorzieht;  ebenso  lässt  112  die  Übersetzung  kaum 
schliessen,  ob  er  aulam  oder  aviam  liest,  zumal  da  17,  107  und 
108,  123  ganz  farblos  gegeben,  135  und  136  sogar  übersprun- 
gen sind.  Der  vf.  mag  seine  gründe  gehabt  haben,  dass  er  die 
derbheiten  unterdrückte,  zumal  wenn  er  bedachte,  dass  die  ar- 
beit auch  seine  Schüler  in  die  hände  bekommen ;  aber  wenn  er 
dem  gebildeten  publikum  ein  culturbild  vorführen  will,  so  ist 
doch  bedenklich  der  reproduction  feigenblätter  aufzusetzen,  wo 
das  original  characte ristische  nuditäten  zeigt.  Der  Über- 
setzung vorauf  geht  auf  p.  7  eine  einleitung  zur  einführung  in 
das  thema  der  Satire  und  mit  Inhaltsübersicht;  sie  ist  zum  theil 
wörtlich  der  v.  Siebold'schen  ausgäbe  entnommen.  Zum  schluss 
folgen  auf  acht  Seiten  46  anmerkungen  zu  verschiedenen  stel- 
len, die  einer  wirklichen  erläuterung  bedürfen ;  an  auswahl  und 
inhalt  ist  weiter  nichts  auszusetzen ;  mir  fällt  nur  auf,  dass,  wenn 
doch  die  arbeit  für  ein  weiteres  publikum  bestimmt  ist,  eine 
reihe  von  loci  classici  aus  Griechen  und  Römern  in  der  Urspra- 
che gegeben  sind.  Schief  ist  endlich  die  erklärung  von  libia 
venalibus   187 :    die   kuchen   seien   in   solcher   menge   gebacken 


Nr.  7.  192.    Sallustius.  361 

worden,  dass  sie  nicht  aufgezehrt  werden  konnten,  und  werden 
nun  von  den  haussclaven  gegen  ein  trinkgeld  an  die  dienten, 
die  als  freunde  des  hauses  anspruch  darauf  hätten,  verschenkt; 
vielmehr  denke  ich  ist  der  kuchen  die  sportula,  die  dem  bei 
solchem  anlass  die  aufwartung  machenden  dienten  mit  fug  und 
recht  zukommt;  die  unsitte  will,  dass  dieser  dem  das  geschenk 
verabreichenden  sclaven  ein  trinkgeld  giebt ,  so  dass  er  den 
kuchen  gewissermassen.  kauft ;  man  denke  an  die  contributionen, 
die  seitens  der  dienerschaften  bei  uns  von  hausfrauen  und  ga- 
sten bei  gesellschaften,  taufen  und  dergleichen  erhoben  zu  wer- 
den pflegen.  H.   Wz. 

192.  De  ratione  quae  inter  Sallustianos  Codices  Vaticanum 
nr.  3864  et  Parisinum  nr.  500  intercedat  commentatio  —  scri- 
psit  F.  Chr.  Th.  Dieck.  8.  Halis  Saxonum.  1872  (Ienenser 
Doctordissertation). 

Ein  schätzbarer  beitrag  zur  handschriftenfrage  Sallusts,  die 
bekanntlich  durch  Jordans  verfahren  den  Pariser  codex  500 
auf  Unkosten  aller  andern,  besonders  des  Vaticanus  3864,  aus- 
schliesslich zu  bevorzugen  in  ein  neues  Stadium  getreten.  Der 
vf.  tritt  den  beweis  an,  und  hat  ihn  durchgeführt,  dass  beide 
manuscripte  zwar  gut,  wenn  auch  vielerorts  fehlerhaft  seien,  V 
aber  als  fehlerfreier  und  relativ  besser  den  vorzug  vor  P  ver- 
diene. In  behandlung  desselben  gegenständes  ist  zum  nämlichen 
ergebniss  gelangt  A.  Weinhold  in  der  in  diesem  Anz.  1872,  p.  349 
besprochenen  abhaodlung;  doch  ist  der  weg,  den  die  beweisfüh- 
rung  geht,  bei  beiden  nicht  der  gleiche,  doch  eben  so  sicher  zum 
ziele  führend  in  der  hauptsache  bei  Dieck,  wie  bei  Weinhold  ;  bei 
diesem  ist  sie  erschöpfender,  bei  jenem  nicht  minder  zwingend 
als  bei  diesem  •,  der  letztere  besitzt  umfassendere  kenntniss  des 
sallustianischen  Sprachgebrauchs  und  der  einschlägigen  littcratur, 
und  bat  die  sache  methodischer  angegriffen,  als  der  erstere,  und 
wo  im  einzelnen  die  meinungen  abweichen,  wird  man  öfter  dem 
ersteren  beistimmen;  aber  jener  hat  seinerseits  mit  so  wirksa- 
men mittein  in  den  kämpf  eingegriffen,  dass  der  sieg  zu  gun- 
sten  des  Vaticanus  nur  um  so  unbestrittener  und  ausser  allen 
zweifei  gestellt  bleibt. 

Der  gang  der  Untersuchung  ist  folgender:  ehe  auf  die  ver- 
gleichung  von  V  und  P  eingetreten  wird,   werden  zwei    vorfra- 


362  192.   Sallustius.  Nr.  7. 

gen  berührt,  betreffend  das  verhältniss  von  V  zu  dem  Berner 
excerptencodex ,  und  die  correcturen  und  Varianten  in  P :  die 
Verwandtschaft  jener  handschriften  wird  nachgewiesen  aus  den 
gemeinschaftlichen  lesarten  und  fehlem  beider ,  aus  den  abwei- 
chungen  derselben  der  Vorzug  von  V  vor  B,  und  der  Ursprung 
aus  einem  beiden  gemeinsamen  archetypus ;  die  correcturen 
in  P  werden  verschiedenen  händen  zugeschrieben,  die  auffal- 
lende, wenn  auch  nicht  ausnahmslose  Übereinstimmung  einer  an- 
zahl  Varianten  mit  lesarten  von  V  constatirt,  und  benutzung 
des  archetypus  von  VB  vermuthet ;  weit  mehr  befriedigt  hier  Wein- 
holds  behandlung,  welcher  gezeigt  hat,  dass  man  auch  die  frage, 
ob  die  Varianten  schon  im  archetypus  von  P  gestanden  haben, 
lösen  kann.  Genug  aber,  dass  der  verf.  alle  correcturen  von 
zweiter  hand  in  P  nicht  in  berücksichtigung  zieht,  indem  er  P 
dem  V  gegenüberstellt.  Die  vergleichung  wird  nun  so  durch- 
geführt, dass  zunächst  die  augenscheinlichen  Schreibfehler  von 
P  und  V  aufgesucht  werden  —  es  sind  deren  104  in  P  gegen 
35  in  V  — ;    sodann  diejenigen  stellen  besprochen  ,    wo  P  und 

V  abweichende  lesarten  bieten ,  die  von  vornherein  nicht  sinn- 
los, doch  in  dem  einen  oder  andern  als  verdorben  sich  heraus- 
stellen; auch  hier  spricht  die  quantität  und  qualität  der  fälle  zu 
gunsten  des  V,  obwohl  der  verf.  mit  unrecht  an  zwei  stellen 
diesen  sogar  hintansetzt  (lug.  31,  25  amittatis,  Cat.  52,  33 
atque  hominibus  verwirft).  Ferner  prüft  der  verf.  diejenigen 
stellen ,  welche  die  willkürlich  und  absichtlich  bessernde  hand 
eines  abschreibers  verrathen,  und  wo  die  eingeschwärzte  lesart 
gegen  den  sinn  oder  gegen  den  lateinischen  oder  den  sallustia- 
nischen  Sprachgebrauch  verstösst;  er  findet  deren  acht  in  V, 
28  in  P.  Hier  hätte  der  verf.  besser  seine  Stellung  gegen  Jor- 
dan praecisiren  sollen,  und  betonen,  dass  er  die  correcturen  in 

V  nicht  der  thätigkeit  eines  revidierenden  redactors  zuschreibt, 
sondern  den  mehr  zufälligen  halucinationen  eines  stellenweise 
gedankenlosen  abschreibers,  dass  jenes  viel  für  P  gelte  ;  abgesehen 
davon  waren  einige  stellen  unter  die  vorige  gruppe  zu  ordnen. 
Meist  trifft  Diecks  auffassung  mit  derjenigen  Weinholds  zusam- 
men; bisweilen  nicht,  z.  b.  lug.  31,  10,  wo  mit  diesem  dem  V 
zu  folgen:  honores  —  praedas ;  102,  8.  wo  mit  jenem  nach  V 
bona  cepisses,  85,  5  nach  P  bene  facta  rcipublicae  zu  schreiben  (vgl. 
Schultze  de  archaismis  Sali.  p.  72) ;  wenn  endlich  der  verf.  Cat. 


Nr.  7.  192.  Sallustius.  363 

52,  7  die  lesart:  conquestus  surn  dem  P  zuschreibt,  so  beruht 
dies  auf  der  irrigen  angäbe  bei  Dietsch  ;  wie  Jordans  und  meine 
collation  zeigt. 

Nunmehr  kommt  zur  spräche  die  abweichende  Wortstellung 
an  sechsundzwanzig  stellen ,  und  auch  hier  wiederum  fällt  die 
entscheidung  zu  gunsten  des  V  aus;  aber  wo  Dieck  nicht  in 
Übereinstimmung  mit  Weinbold  sich  befindet,  mag  er  für  V  oder 
P  sich  entcheiden,  so  ist  des  letztern  begründung  die  triftigere; 
also  lesen  wir  mit  diesem  nach  V  Cat.  51,  35:  atque  Tiaec  ego, 
52,  2  :  longe  alia  mihi,  lug.  85,  23  :  neque  mala  neque  bona,  nach 
P  Cat.  33,  1:  neque  cuiquam  nostrum,  51,45:  hanc  ego,  dagegen 
lug.  14,  11:  in  meo  regno  nach  P  mit  Dieck  gegen  Weinhold 
(s.  ob.  IV,  p.  351);  endlich  geht  Dieck  zu  weit,  wenn  er  lug.  24, 
9 :  scripsi  des  V  als  einzig  richtig  hinstellt  gegen  scribo  des 
P;  mit  recht  hält  Weinhold  beides  für  an  sich  möglieb,  und 
wird  jenes  zu  bevorzugen  sein  von  demjenigen  herausgeber;  wel- 
cher V  als  der  relativ  bessern  quelle  folgen  wird.  Dass  sie 
dieses  sei,  sucht  der  vf.  noch  besonders  an  vier  stellen  nachzu- 
weisen, wo  in  V  glosseme  noch  deutlicher  erkennbar  sind;  näm- 
lich lug.  35,  10  fehlt  in  V  ac  vor  multarum  in  Übereinstimmung 
mit  Priscian ;  lug.  31,  14  hat  V  idem  cupere,  P  eadem  cupere, 
während  dies  glied  in  Donatus'  citat  fehlt;  da  Cat.  52,  35  urbis 
in  V  fehlt,  hält  er  mit  Hertz  auch  intra  moenia  atque  für  ein- 
geschwärzt ;  endlich  wird  Cat.  20 ,  7  die  lesart  des  V :  boni 
atque  strenui  nobiles  atque  ignobiles  gegen  Jordans  emendations- 
versuch  nach  P  geschützt  (s.  ob.  IV,  p.  352).  Zuletzt  stellt  der 
vf.  diejenigen  abweichungen  in  P  und  V  einander  gegenüber, 
wo  die  lesarten  an  sich  gleich  gut  sind;  bei  diesen  untersucht 
er,  welche  leichter  als  aus  der  andern  entstanden  nachgewiesen 
werden  kann:  wo  die  entsebeidung  möglich,  setzt  er  diese  nach; 
wo  sie  unmöglich ,  bevorzugt  er  die  vom  Vaticanus  gegebene. 
So  geht  er  31  stellen  durch,  und  zwar  folgende;  Cat.  20,  2.  6, 
14;  35,  1.  6;  51,  9.  10;  52,  12.  36;  58,  21.  lug.  14,  1.  3. 
9.  11.  12.  15.  24;  24,  2.  3.  10;  85,  2.  3.  11.  14.  23.  26. 
29.  30.  35.  39;  102,  8.  Auch  hier  trifft  Dieck  mit  Weinhold 
meist  zusammen ;  über  einiges,  was  dieser  kurz  abgetban ,  ver- 
breitet sich  jener  einlässlicher,  so  über  lug.  24,  2 :  saepe  vos  ora- 
tum  mitto  mit  V  ohne  ad  vor  vos;  aber  wenn  auch  zugegeben 
werden  muss ,    dass  Sallust  das  supinum  mit  einem  objeetsaecu- 


364  193.  Dictys.  Nr.  7. 

sativ  verbindet,  so  folgt  dieses  noch  nicht  notbwendig  für  diese 
stelle,  da  die  Verbindung  mittere  ad  so  geläufig  ist,  und  V  der- 
gleichen kleine  lücken  hat;  z.  b.  lug.  85,  3  simul  ohne  et,  102, 
8  prineipio  ohne  a,  wo  zwar  mit  unrecht  der  vf.  gerade  V 
folgt.  Desgleichen  sollte  er  lug.  85,  14  obiciuntur  des  V  nicht 
dem  obiectantur  von  PC  vorziehen  ,  da  dieses  sowohl  sallustia- 
nisch  als  archaisch  ist  (vgl.  Schultze  1.  c.  p.  67.  74),  noch  14, 
24  emori  dem  mori.  Endlich  ist  es  mehr  als  gewagt  Cat.  20, 
14  für  illa  illa  ohne  en  einzustehen  als  lesart  des  V,  da 
diese  angäbe  Jordan  nicht  hat ;  aber  wenn  es  sogar  in  V  wirk- 
lich feblt,  so  möchte  ich  eher  wie  eben  und  anderswo  eine 
kleine  lücke  voraussetzen,  als  es  entbehren. 

Endlich  wird  die  frage  berührt  der  gemeinsamen  quelle 
der  beiden  handschriften ,  mit  rücksicht  auf  PV  gemeinsame 
fehler;  es  lässt  sich  aber  daraus  nichts  aufstellen,  was  den  ar- 
chetypus  einer  genauer  bestimmbaren  zeit  zuwiese,  als  den  ersten 
Jahrhunderten  nach  Cbr.  Wenn  endlich  der  verf.  noch  aus 
Dietscb'  apparat  zwei  in  VP  gleichlautende  corruptelen  anführt, 
wo  Jordan  schweigt,  so  ist  um  so  weniger  daraus  etwas  zu 
folgern,  als  P  zwar  lug.  31,  22  wirklich  alterna  hat  (s.  m. 
abh.  de  fide  cod.  Par.  1576  p.  1  n),  aber  Cat.  52,  36  bloss 
Vulturci,  so  auch  V  nach  Forchhammers  collation  bei  Linker. 
Wichtiger  ist  die  folgerung  aus  der  auch  von  Jordan  u.  a. 
aufgestellten  vermuthung ,  dass  die  excerpten  zu  schulzwecken 
als  musterbeispiele  zur  Übung  in  Stilistik  und  rhetorik  angelegt 
worden :  es  sei  dies  eher  eine  gewähr  für  unverfälschtere  Über- 
lieferung in  V,  zumal  da  spuren  älterer  Orthographie  erhal- 
ten sind. 

H.    Wz. 

193.  Dictys  Cretensis  ephemeridos  belli  Troiani  libri  sex. 
Recognovit  Ferdinandus  Meister.  8.  Lipsiae  in  aedibus 
B.  G.  Teubneri.  MDCCCLXXII.  XV  &  154  pp.  —     15  gr. 

Seit  der  umfassenden  bearbeitung  des  Dictys  von  Dede- 
rich,  welche  vor  vollen  vierzig  jähren  erschien,  ist  nichts  nen- 
nenswerthes  für  diesen  autor  geleistet  worden.  Eine  neue  re- 
cognition  des  textes  war  daher  um  so  erwünschter,  da  Dede- 
rich  kein  reiches  handschriftliches  material  zur  Verfügung  hatte. 
Aber  auch   der   apparat,    den  Meister   seiner   arbeit  zu  gründe 


Nr.  7.  193.  Dictys.  365 

legte,  ist  wenn  auch  zuverlässiger,  so  doch  nicht  bedeutend  er- 
weitert, so  dass  die  frage  nahe  liegt,  ob  denn  der  neue  her- 
ausgeber  sich  in  Paris,  Leyden,  in  der  Vaticana  und  sonst  nach 
anderen  handschriften  umgesehen  und  nichts  gefunden  hat, 
worüber  man  gern  eine  andeutuug  in  den  prolegomenen  läse, 
oder  ob  er  mit  den  nächsten  besten  Codices  sich  begnügend  eine 
auf  diese  sich  beschränkende  constituierung  des  textes  bei  ei- 
nem scbriftsteller  letzten  rauges  für  hinreichend  erachtet  hat. 
Scharfe  bestimmtheit  aber  ist  überhaupt  den  inhaltvollen  mit- 
theilungen  des  editors  in  seiner  einleitung  nicht  gerade  nach- 
zurühmen. In  kurzen  andeutungen  weist  diese  zunächst  auf 
die  haupttheile  der  ephemeris  hin,  welche  in  den  ersten  fünf 
biichern  das  bellum  Troianum  erzählt,  während  das  sechste  buch 
eine  compendiöbe  erzählung  der  idrsTOL  enthält.  Vorausgeschickt 
ist  dem  werke  ein  prologus  und  diesem  eine  im  ganzen  densel- 
ben inhalt  darbietende,  in  einzelheiten  aber  mehrfach  abwei- 
chende Epistola  L.  Septimii  ad  Q.  Aradium  Rufum,  welche  jedoch 
gerade  in  der  besten  handschrift  fehlt.  Diese  namen  könnten 
einen  anhaltspunkt  für  die  ansetzung  des  vorliegenden  werkes 
ins  vierte  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  abgeben,  wenn  nicht 
mit  Mercier  die  epistola  für  ein  späteres  duplicat  des  prologus 
zu  halten  wäre.  Hiefür  entscheidet  sich  wenigstens  der  ber- 
ausgeber  gegen  Perizonius.  Bedenken  bleiben  freilich  immer- 
hin; denn  manches  im  prologus  sieht  doch  eher  einer  Verbesse- 
rung der  epistola  ähnlich,  wie  wenn  jener  ausführt:  terrae  mo- 
tus  facti  cum  multa,  tum  etiam  sepulchrum  Dictys  ita  patefecerunt, 
während  die  epistola  einfach  von  conlapso  per  vetustatem  sepulchro 
spricht.  Auch  steht  ein  punkt  des  prologus  mit  einer  angäbe 
des  ersten  buches  im  Widerspruch,  nemlich  die  erzählung,  dass 
das  werk  ursprünglich  in  punischer  spräche  verfasst  und  erst 
auf  befehl  des  Nero  in  Graecum  sermonem  übersetzt  worden  sei, 
während  I,  16  nur  von  punischer  schrift  die  rede  ist,  in 
welcher  der  griechische  name  Agamemnon  aufgezeichnet  wurde. 
Die  epistola  vermeidet  diesen  Widerspruch,  indem  sie  zwar  ähn- 
lich wie  der  prologus  von  litteris  Punicis  spricht,  aber  nicht  von 
einer  griechischen  Übersetzung,  sondern  nur  von  einer  Umschrei- 
bung litteris  Atticis  redet  und  ausdrücklich  beifügt :  nam  oratio 
Graeca  fuerat.  Eine  entscheidung  ist  hier  schwierig.  In  der 
Würdigung    der    ephemeris    selbst    aber    hat   Meister   unzweifel- 


366  193.  Dictys.  Nr.  7. 

haft  der  richtigen  ansieht  sich  angeschlossen,  indem  er  sich  für 
die  annähme  entscheidet,  dass  das  vorliegende  werk  ursprüng- 
lich lateiuisch  abgefasst  war,  worauf  die  mit  gesuchten  archais- 
men  und  poetischen  floskeln  ausgestattete  spräche,  sowie  die 
nicht  auf  phraseologie  allein  beschränkte,  sondern  auf  die  ge- 
danken  selbst  ausgedehnte  nachahmung  des  Sallustius  deutlich 
hinweist.  Schon  Vossius  (de  hist.  latinis)  hat  sich  dahin  ausge- 
sprochen und  bestimmter  noch  Mercerius  (ed.  1618)  mit  den 
Worten :  multa  indicia  sunt,  Latine  scripsisse  nostrum,  non  ex  Graeco 
vertisse,  et  habere  a  Graecis  ti\v  vXijv ,  a  Latinis  multas  dictiones 
expressas,  praeeipue  a  Sallustio.  Auch  die  griechische  wieder- 
gäbe einzelner  partieen  aus  Dictys  bei  Joannes  Malalas  zeigt, 
dass  den  Byzantinern  ein  lateinischer  text  vorlag.  Der  angäbe 
des  werkes ,  das  sich  ausdrücklich  für  eine  Übertragung  aus 
dem  griechischen  ausgibt,  was  noch  theilweise  in  den  neuesten 
handbüchern  der  literaturgeschichte  gläubig  berichtet  wird,  ist 
also  nicht  mehr  glaube  beizumessen  als  der  anderen  mitthei- 
lung,  das  der  Verfasser  Dictys  als  genösse  des  Idomeneus  persön- 
lich am  trojanischen  kriege  theil  genommen  habe. 

Von  den  vier  handschriften,  deren  collationen  dem  herausge- 
ber  vorlagen ,  ist  die  älteste  und  beste  ein  Sangallensis  s.  XI 
(X?) ,  dessen  lesarten  (G)  alle  unter  dem  texte  angegeben  wer- 
den. Aus  dem  Bernensis  s.  XIII  (B),  der  neben  vielen  verse- 
hen auch  manche  willkürliche  lesart  bietet,  sind  ausgewählte 
Varianten  in  der  adnotatio  mitgetheilt.  Dasselbe  verfahren  ist 
auch  bei  dem  Vratislaviensis  s.  XIII  (V),  soweit  derselbe  erhal- 
ten ist,  und  dem  Berolinensis  s.  XIII  (P)  eingehalten  worden. 
Einen  Argentoratensis  und  einen  sehr  jungen  Sangallensis  kennt 
der  herausgeber  nur  aus  den  ausgaben  von  Obrecht  und  Dede- 
rich.  Natürlich  haben  auch  die  alten  ausgaben ,  unter  denen 
die  von  Mercerius  weitaus  die  bedeutendste  ist,  beachtuug  ge- 
funden. Zu  gründe  liegt  dem  texte  Meisters  codex  G,  mit 
welchem  B  verwandt  erscheint;  ebenso  findet  zwischen  P  und 
V  eine  nähere  Verwandtschaft  statt.  Diese  beiden  handschrif- 
ten enthalten  einen  vielfach  verbesserten  text  und  sind  darum  hie 
und  da  mit  nutzen,  aber  nie  ohne  die  erwägung  zu  gebrauchen, 
dass  ihre  lesarten  den  werth  von  conjeeturen  haben.  Insbesondere 
ist  in  V  manche  emendation  späterer  gelehrten  vorweggenommen; 
im  zweiten    buche  z.   b.  findet   sich  bereits  in  V  die  besserung 


Nr.  7.  193.  Dictys.  367 

von  Vinding  exceptam  cap.  19,  von  Wopkens  inconsulte  21,  von 
Orelli  iam  iamque  26,  von  Perizonius  paratus  31,  von  Obrecht 
mole  sua  43  u.  s.  w.  Der  herausgeber  hat  selbstverständlich  nur 
selten  solchen  lesarten  eine  stelle  im  texte  gegönnt  und  ist 
auch  sonst  mit  der  aufnähme  fremder  und  eigener  vermuthun- 
gen  sparsam  gewesen.  Neben  etwa  einem  dutzend  conjecturen 
des  herausgebers  zum  ersten  und  zweiten  buche,  die  in  der  ad- 
notatio  mitgetheilt  werden,  sind  nur  wenige  in  den  text  gesetzt: 
I,  17  quis ,  21  tri,  22  mare  mit  recht,  während  die  schwere 
stelle  II,  25  durch  die  änderungen  des  herausgebers  nicht  ge- 
heilt ist.  Mangelhaft  ist  an  der  arbeit  des  herausgebers  be- 
sonders die  unter  dem  text  fortlaufende  adnotatio  critica.  Bei 
einem  autor  wie  Dictys  erscheint  allerdings  eine  ausgewählte 
Variantenangabe  aus  den  geringeren  handschriften  genügend, 
nicht  aber  eine  lückenhafte  und  vielfach  unklare ,  wie  die  der 
vorliegenden  ausgäbe.  Beispiele,  aufs  geradewohl  herausgegrif- 
fen, mögen  den  beweis  liefern:  zu  p.  3  v.  20  lautet  die  note: 
aiax  GB,  Mercerus :  Oeax.  Hier  fragen  wir  notbwendig,  wie  in 
P  steht.  Gibt  P  Oeax,  so  musste  das  als  eine  stütze  der  auf- 
genommenen conjectur  von  Mercerus  angemerkt  werden;  hat 
aber  P  Aiax ,  warum  schreibt  dann  der  herausgeber  zu  dieser 
lesart  GB  und  nicht,  wie  er  sonst  zu  thun  pflegt,  libri?  —  P. 
8,  17  an  timore  G2,  vulgo  poenarum  metu.  Was  bedeutet  vulgo? 
Ist  darunter  auch  GiBP  gemeint ,  so  verlangen  wir  es  zu  wis- 
sen; sind  aber  nur  die  ausgaben  zu  verstehen,  dann  vermissen 
wir  die  angäbe  der  handschriftlichen  lesart.  —  P.  13,  3  qui- 
bus  et  P  om.  G  nos  quis.  Wie  steht  in  B  ?  —  Solche  be- 
denken ergeben  sich  fast  auf  jeder  seite.  Und  doch  konnte 
diesen  so  leicht  begegnet  werden ;  der  geringe  räum,  der  hiezu 
erforderlich  scheint,  hätte  durch  die  beschränkung  der  sonsti- 
gen breite  in  der  adnotatio  unschwer  sich  gewinnen  lassen.  Zu 
p.  10,  31  ist  angemerkt:  Mer cerus  non  male  proposuit  et 
fera.  Natürlich  non  male,  sonst  dürfte  die  conjectur  gar  nicht 
erwähnt  werden.  —  P.  14,  13  Phalidis  corr.  P  num  rede, 
magnopere  quaeritur.  Wäre  etwa  weniger  gesagt,  wenn  es 
hiesse:  Phalidis  Pf  —  p.  26,  26  ut  quisque  Vinding  ius  Jru- 
stra  locum  temptans.  Wenn  der  herausgeber  die  conjectur 
unnütz  findet,  warum  erwähnt  er  sie  ?  Die  ganze  note  liess 
sich  ersparen.     Doch  genug  hierüber. 


368  193.  Dictys.  Nr.  7. 

Versuchen   wir   lieber  selbst  noch  ein  scberfleia  zur  emen- 
dation    des  Dictys    beizutragen.      Zweites    buch  cap.  2,  8    quod 

ei  iam  tum  a  parentibus  coeptum  cum  eo  societatis  ius  perseverabat. 
Auf  a  parentibus  coeptum  könnte  sich  iam  beziehen;  aber  tum 
weist  auf  die  beziehung  zu  perseverabat  als  die  richtige  hin. 
Man  lese  daher  quod  ei  et  iam  tum  .  .,  perseverabat.  —  6,  7  hi 
.  .  .  Aesculapii  filios  venire  ac  vulneri  mederi  iubent ,  quv  inspecta 
cura  propere  apta  dolori  medicamina  inponunt.  Die  argumente, 
wodurch  Dederich  die  sonderbare  Verbindung  inspecta  cura  recht- 
fertigen will,  sind  nicht  beweisend.  Ich  schlage  vor :  qui  in- 
specto  cura  propera  e.  q.  s.  Zu  inspecto  ergänzt  sich  vulneri 
aus  dem  vorausgehenden;  die  vertauschung  von  propere  und  pro- 
pera findet  sich  in  G  auch  cap.  17,  14.  —  14,  26  sed  Chry- 
ses  .  .  .  utriusque  exercitus  offensam  metuens ,  quisque  partium  ad 
eum  venerat,  cum  Ms  se  adiunctum  esse  simuldbat.  Mag  immerhin 
quisque  bei  Dictys  für  quicunque  stehen  können,  so  scheint  doch 
der  satz  nicht  lateinisch  zu  sein ,  wenn  wir  nicht  vor  quisque 
den  ausfall  eines  relativums  annehmen:  quarum  quisque  par- 
tium ad  eum  venerat,  cum  his  e.  q.  s.  —  15,  18  igitur  a  cunctis 
Graecis  veluti  publicum  funus  eius  crematum  igni,  aureo  vasculo  sepul- 
tum  est.  Unmöglich  kann  funus  zugleich  „leichenbegängniss", 
wie  die  Verbindung  mit  publicum  fordert,  und  „leiche"  bedeuten, 
worauf  crematum  und  sepultum  hinweisen.  Es  ist  vielmehr  zu 
lesen:  igitur  a  cunctis  Graecis  —  veluti  publicum  funus  —  cor- 
pus eius,  crematum  igni,  aureo  vasculo  sepultum  est:  vgl.  2,  9 
idque  (eius  cruentum  corpus)  igni  crematum,  quod  superfuerat,  pa- 
trio  more  sepeliit.  32,  1  corpora  suorum  cremata  igni  sepeliunt.  — 
17,  10  Ceterum  Achilles  haud  contentus  eorum,  quae  gesserat,  Cili- 
cas  aggreditur.  Sonst  findet  sich  contentus  bei  Dictys  nicht  mit 
dem  genetiv  construiert;  sollte  nicht  auch  hier  der  ablativ 
gloria  vor  Cilicas  ausgefallen  sein?  —  20,  6  his  actis  fidem 
pacti,  quod  cum  Polymestore  intercesserat ,  traditumque  Polydorum 
refert.  In  den  vorausgehenden  Sätzen  sind  TJlixes  et  Diomedee 
grammatisches  und  logisches  subject;  das  pactum,  auf  welches 
hier  angespielt  wird,  war  in  cap.  18.  erzählt  worden.  Da  ist 
es  gewiss  nicht  einmal  einem  Dictys  zuzutrauen ,  dass  er  das 
subject  zu  refert  zu  setzen  unterlassen  hätte.  Ich  setze  daher 
den  namen  Aiax  ein,  wie  es  18,  5  heisst;  7k'«  actis  Aiax.  — 
24,   17    dein    a    circumstantibus    refectus  paulisper    erigitur:    atque 


Nr.  7.  194.  Grammatiker.  369 

ire  in  consilium  cupiens  ab  regulis  cohibitus  est.  Es  bedarf  wohl 
nur  einer  andeutung,  dass  atqui  ire  zu  lesen  ist.  —  26 ,  23 
egregie  hercules  actum  nobis  est  könnte  nur  im  sinne  von  n£noay,~ 
7ia  ijuiv,  wie  Perizonius  wollte,  verstanden  werden.  Da  dies 
aber  dem  zusammenhange  widerspricht,  so  ist  wohl  actum  de 
nobis  est  zu  schreiben.  —  33,  27  dein  perfecto  sacrificio  paula- 
tim  vis  mali  leniri  visa,  neque  amplius  adtemptari  corpora  et  eo- 
rum  qui  antea  fatigabantur  tamquam  sperato  divinitus  levamine  re- 
laxari.  Muss  nicht,  wenn  divinitus  bedeutung  gewinnen  soll, 
tamquam  ins p  er  ato  divinitus  levamine  gelesen  werden?  Vgl.  I, 
20,  22  insperabile  cunctis  remedium. —  46,  27  dein  reliqui  duces, 
ut  quisque  locum  ceperat ,  caedere  singulos  et  ubi  conferti  steterant, 
bini  aut  amplius  congregati  impetu  suo  dissolvere.  Der  gegensatz 
von  ubi  conferti  steterant  und  singulos  zwingt  uns  zu  der  an- 
nähme ,  dass  auch  bini  aut  amplius  congregati  seinen  gegensatz 
im  vorausgehenden  gehabt  habe.  Dictys  hat  wahrscheinlich 
geschrieben:  caedere  singuli  singiäos.  —  47,  6  Troiani  ex  muris 
respectantes.  Längst  ist  vermuthet  worden:  despectantes ;  es 
scheint  aber  richtiger  rem  spectantes  zu  lesen. 

Es  übrigt  noch  die  bemerkung,  dass  Meister  seiner  ausgäbe 
einen  Index  latinitatis  p.  114 — 137  und  einen  Index  nominum  et 
verum  p.  138  — 154  beigefügt  hat,  wofür  ihm  in  Dederichs  ausgäbe 
trefflich  vorgearbeitet  war.  Der  druck  der  ausgäbe  ist  leider 
nicht  ganz  correct ;  wir  verbessern  beispielsweise  auf  den  ersten 
Seiten:  p.  1,  5  vetustatem ;  2,  3  litterarum;  8,  4  genuisse;  8,  30 
aderant.  In  den  noten  ist  p.  4,  2  in,  p.  9,  8  gratia  irrthüm- 
lich  cursiv  gedruckt. 

194.  He'nrici  Keilii  quaestionum  grammaticarum  p. 
III.  De  Marii  Plotii  Sacerdotis  libro  de  metris.  Im  Index 
scholarum  in  universitate  Halensi  per  hiemem  a.  1872/73  ha- 
bendarum.      11    s.      4. 

Der  vf.  erörtert  zunächst  das  verhält niss  der  unter  dem  na- 
men  des  Marina  Plotius  Sacerdos  überlieferten  metrik  zu  den 
zwei  büchern  M.  Claudii  Sacerdotis  artium  grammaticarum,  in- 
dem er  die  Zusammengehörigkeit  dieser  grammatischen  Schrif- 
ten als  durch  die  neueren  Untersuchungen  über  den  gegenständ 
festgestellt  bezeichnet,  diese  Untersuchungen  aber  durch  eine  ein- 
gehende behandlung  einer  seiner  ansieht  nach  für  die  frage 
Philol.  Anz.  V.  24 


370  194.  Grammatiker.  Nr.  7. 

sebr  in  betracht  kommenden,  aber  bisber  entweder  gar  nicbt  oder 
docb  nicht  binreicbend  in  dieser  beziehung  gewürdigten  stelle  auf 
p.  30  der  Wiener  Analecta  grammatica  (Claud.  Sac.  I,  §.  101) 
ergänzen  will.  Ref.  batte  diese  stelle  in  seiner  schritt  de  Probis 
grammaticis  desshalb  nicht  berücksichtigt,  weil  ihm  ihre  Überlie- 
ferung eine  zu  wenig  sichere  zu  sein  schien,  als  dass  man  aus 
ihr  für  oder  wider  die  Zusammengehörigkeit  der  zwei  bücher 
artium  grammaticarum  mit  der  metrik  folgernngen  ziehen  könne. 
Denn  wie  der  vf.  die  ähnlichkeit  des  an  der  stelle  angeführten 
griechischen  beispiels  övog  ovog  äns&uve  tivi  iivi  {tavaicp  mit 
dem  lateinischen  in  der  metrik  c.  6,  7  p.  283  Gaisf.  und  die 
Übereinstimmung  des  über  die  anwendung  eines  proceleusmaticus 
statt  eines  dactylus  gesagten  mit  p.  300  f.  der  metrik  betont, 
so  könnte  man  auf  der  andern  seite  hervorheben,  dass,  was 
von  der  anwendung  eines  anapaestus  in  metro  proceleusmatico,  ubi 
omnes  breves  esse  debent,  gesagt  wird,  wenig  mit  der  theorie  der 
metrik  übereinstimmt ,  wonach  das  metrum  proceleusmaticum  nur 
eine  Spielart  des  anajoaesticum  ist  (c.  2,  5  und  c.  6),  und  dem 
vf.  weiter  entgegenhalten ,  dass  der  metriker  Sacerdos  doch 
kaum,  wie  er  ihn  thun  lässt,  den  nach  seiner  ansieht  ganz  le- 
gitimen anapaest  am  ende  des  verses  oiog  ....  Qavdr^  (c.  6,  7) 
in  eine  linie  hat  stellen  können  mit  dem  von  ihm  angenomme- 
nen asynartetischen  gebrauch  eines  proceleusmaticus  im  daetylischen 
metrum.  Hielt  aber  ref.  die  stelle  schon  früher  für  äusserst 
bedenklich,  so  hat  er  nunmehr  die  Überzeugung  gewonnen,  dass 
der  grösste  tbeil  von  §.  101,  der  ganze  abschnitt  Sed  hi  versus 
....  positis  eine  interpolation  ist.  Der  grammatiker  handelt 
in  §.  101  von  der  eetasis,  der  Verlängerung  kurzer  silben  metri 
causa,  nachdem  er  in  §.  100  von  der  entgegengesetzten  er- 
scheinung,  der  Systole,  gesprochen  hat.  So  wenig  nuu  in  §. 
100,  wo  nur  der  begriff  der  Systole  bestimmt  und  ein  beispiel 
dafür  gegeben  wird,  etwas  vermisst  wird,  ebensowenig  waren 
§.  101  nach  bestimmung  des  begriffs  der  eetasis  und  anführung 
zweier  beispiele  weitere  erörterungen  nöthig.  Und  der  anfang 
der  auf  die  beispiele  folgenden  auseinaudersetzung  gibt  sich  schon 
durch  die  ihn  einleitende  partikel  sed  als  von  jemand  herrührend 
zu  erkennen,  der  anderer  ansieht  war  als  Sacerdos,  wie  denn  auch 
in  der  that  eine  ganz  verschiedene  auffassung  folgt,  welche  die  nach 
Sacerdos  metri   causa   verlängerten  kürzen    für    einfache    kürzen 


Nr.  7.  194.  Gramm atik er.  371 

nimmt  und  die  verse  als  nicht  prosodisch,  sondern  metrisch  eigen- 
thümlich,  als  atit£<paXoi  ansieht,  wobei  übersehen  wird,  dass  sich 
die  erscheinung,  von  der  die  rede  ist,  durchaus  nicht  bloss  am 
anfang  eines  verses  findet.  In  den  weiter  folgenden  sätzen 
werden  andere  metrische,  nicht  prosodische  erscheinungen  her- 
angezogen. Ausserdem  spricht  auch  der  äusserst  verwirrte  zu- 
stand dieser  sätze,  den  der  vf.  durch  gewiss  in  allem  wesent- 
lichen richtige  abänderungsvorschläge  zu  beseitigen  sucht ,  für 
die  annähme  einer  interpolation,  wie  auch  der  oben  nachgewie- 
sene mangel  vollständiger  Übereinstimmung  des  hier  gesagten 
mit  der  metrik  sich  sehr  einfach  erkiärt,  wenn  wir  annehmen, 
dass  wir  es  hier  nicht  mit  dem  grammatiker  selbst,  sondern 
mit  vom  rande  in  den  text  geralhfjnen  bemerkungen  eines  an- 
dern, der  die  metrik  kannte,  zu  thun   haben. 

P.  iv  f.  handelt  der  vf.  von  dem  verschieden  überlieferten 
namen  des  grammatikers.  Er  entscheidet  sich  für  die  Überlie- 
ferung der  handschriften  der  metrik  Marius  Plotius  Sacerdos. 
Wenn  sich  der  vf.  dabei  auf  den  vers :  Non  me  Musarum  comi- 
tem  Marium  non  laudo ,  der  in  der  metrik  c.  3,  13,  p.  252 
als  beispiel  angeführt  wird,  stützt,  so  kann  sich  ref.  von  der 
beweiskraft  dieses  verses  nicht  überzeugen,  da  er  bei  einem 
grammatiker,  der  einen  seiner  namen  so  häufig  anwendet  und 
berücksichtigt,  einen  einmaligen  gebrauch  eines  andern  unwahr- 
scheinlich finden  muss.  Sollte  nicht  eine  beziehung  zu  Verg. 
Ecl.  IX,  35  f.  anzunehmen  und  V avium  für  Marium  zu  schrei- 
ben sein?  Für  Musarum  comitem  ist  Verg.  Aen.  IX,  775  zu 
vergleichen. 

Von  p.  v  bis  p.  x  beschäftigt  sich  der  vf.  mit  den  zum 
theil  von  dem  grammatiker  selbst  gebildeten  griechischen  und 
lateinischen  versen ,  welche  im  dritten  buch  des  Sacerdos  als 
beispiele  der  einzelnen  versarten  dienen.  Zunächst  werden  hier 
aus  zwei  leydener  handschriften  emendationsvorschläge  Jos.  Sca- 
ligers  zu  den  von  den  abschreibern  arg  mitgenommeneu  grie- 
chischen beispielen  mitgetheilt.  Hieran  schliesst  sich  eine  aus- 
führliche erörteruug  der  mannigfachen  Verstösse  gegen  die  me- 
trischen gesetze,  welche  sich  besonders  in  den  lateinischen  bei- 
spielen finden.  Der  vf.  hätte  hierbei  den  §.  84  des  ersten 
buchs,  der  von  der  synaloephe  handelt,  und  den  abschnitt  de 
structuris  am  ende  des    zweiten   bucli3  mit  grossem  nutzen  her- 

25* 


372  195.  Griechische  alterthümer.  Nr.  1. 

anziehen  können.  Wenn  er  p.  vn  f.  und  x  an  der  stelle  c.  3, 
7,  p.  250  nicht  mit  L.  Müller  im  Rh.  Museum  bd.  27,  p.  284 
f.  eine  interpolatioo  annimmt,  sondern  dem  grammatiker  selbst 
eine  molossische  messung  der  worte  fecit  et  bei  folgendem  vo- 
cal  zutrauen  zu  können  glaubt,  so  wird  man  den  zahlreichen 
fällen  nicht  viel  weniger  schlimmer  art  gegenüber  schwerlich 
umhin  können,  ihm   beizustimmen. 

Der  vf.  schliesst  seine  abhandlung  mit  dem  nachweis,  dass 
Sacerdos  in  seiner  metrik  öfter  in  versen  redet,  als  die  heraus- 
geber  bemerkt  haben.  Ref.  glaubt,  dass  der  grammatiker  auch 
seine  letzten  sätze  über  das  iambische,  ionische  und  paeouische 
metrum  als  verse  hat  angesehen  wissen  wollen. 

J.  Steup. 

195.  Die  festzeit  der  attischen  Dionysien.  Von  Otto  Gil- 
bert. Göttingen,  Vandenhoeck  und  Ruprechts  Verlag.  1872. 
gr.  8.     IV.     176  s.  —     1  thlr. 

Ausser  den  grossen  städtischen  Dionysien ,  deren  festzeit 
im  elapbebolion  feststeht,  unterscheidet  man  gewöhnlich  drei 
bedeutendere  Dionysosfeste  in  Attika:  die  ländlichen  Dionysien, 
abgehalten  an  verschiedenen  tagen  des  Poseideon  in  den  einzel- 
nen demen,  ferner  die  Lenäen  im  gamelion ,  endlich  vom  11 — 
13  anthesterion  die  Anthesterien ,  bestehen  aus  den  Pithoigia, 
Choes  und  Chytroi.  Dieser  von  Böckh  Abhandl.  d.  Berl.  Akad. 
1816 — 17  begründeten  auffassung  tritt  der  vf.  obengenannter 
Schrift  entgegen  und  sucht  zu  erweisen,  dass  die  Lenäen  nur 
ein  theil  oder  eine  andere  benennung  der  Anthesterien ,  diese 
selbst  aber  ursprünglich  das  demosfest  des  ältesten  Athen,  und 
somit  von  den  ländlichen  Dionysien  im  gründe  nicht  verschie- 
den gewesen  seien.  Dem  entsprechend  verlegt  er  die  dramati- 
schen darstellungen  der  Lenäen  auf  den  tag  der  Chytroi,  wel- 
cher früher  mit  dem  der  Choes  (12.  anthesterion)  zusammen- 
gefallen sei;  die  ländlichen  Dionysien  werden  von  ihm  in  den 
gamelion  und  das  erste  drittel  des   anthesterion    gesetzt. 

An  den  zahlreichen  und  bestimmten  Zeugnissen ,  welche 
Böckh  für  seine  Unterscheidung  und  anordnung  der  genannten 
feste  beibringt,  hat  vf.  ihr,  im  vergleich  mit  Aristophanes  und 
Thukydides,  welche  gegen  dieselben  sprechen  sollen,  spätes  Zeit- 
alter auszusetzen;  lässt  aber  unerklärt,    wie  es  kommt,  daßs  so 


Nr.  7.  195.   Griechische  alterthümer.  373 

viele  Schriftsteller  aus  einer  zeit,  in  welcher  religion  und  cul- 
tus  der  Athener  noch  keine  wesentlichen  änderungen  erlitten  hat- 
ten, über  wichtige  und  allgemein  bekannte  feste  der  berühmtesten 
hellenischen  stadt  übereinstimmend  irren.  Er  beginnt  die  dar- 
legung  seiner  eignen  ansieht  mit  einer  breiten ,  hie  und  da  in 
abenteuerlichen  behauptungen  sich  ergehenden  auseinanderse- 
tzung  über  Hesiods  lenaion  (Op.  et  D.  502  ff.,  dort  als  ein  grim- 
mig kalter  monat  geschildert)  und  kommt  schliesslich  zu  dem 
richtigen,  wenn  auch  nicht  eben  neuen  ergebniss,  dass  derselbe 
dem  attischen  gamelion  entspreche.  Er  gibt  daher  Böckh  zu, 
dass  die  Lenäen  eigentlich  dem  gamelion  angehörten,  aber  nur 
für  die  früheste  zeit.  Die  bekannte  vermuthung,  dass  dieser 
monat  auch  in  Attika  früher,  wie  bei  den  Ioniern  fortdauernd, 
lenaion  geheissen  habe,  nimmt  er,  gegen  seine  gewohnheit, 
ohne  weitere  begründung  als  festgestellte  thatsache  und  erkennt 
in  der  umnennung,  welche  den  namen  gamelion  an  die  stelle 
des  lenaion  gesetzt  habe ,  einen  bestimmten  beweis  dafür,  dass 
gleichzeitig  mit  ihr  die  Lenäen  aus  diesem  monat  weg  (in  den 
anthesterion)  verlegt  worden  seien.  Wie  wenig  triftig  dieser 
beweis  ist,  lehrt  der  umstand,  dass  auch  der  erste  attische  mo- 
nat seinen  namen  (aus  kronion  in  hekatombaion)  verändert, 
das  Kronienfest  aber  trotzdem  seinen  platz  in  demselben  be- 
halten hat.  Noch  schlimmer  für  die  ansieht  des  vf.  von  der 
identität  der  Anthesterien  und  Lenäen  ist,  dass  in  dem  ioni- 
schen kalender  allezeit  die  monate  poseideon,  lenaion  und  an- 
thesterion auf  einander  gefolgt  6ind :  worin  doch  allein  schon 
die  grundverschiedenheit  der  beiden  feste  ausgesprochen  und 
zugleich  ein  dem  thukydideischen  an  alter  mindestens  gleich- 
stehendes zeugniss  enthalten  ist.  Der  vf.  schweigt  hierüber 
ebenso  wie  über  die  Verlegenheit,  welche  der  name  des  monats 
anthesterion  bei  seiner  ansieht,  dass  die  mit  den  Anthesterien 
identischen  Lenäen  ursprünglich  dem  gamelion-  lenaion  ange- 
hört haben,  verursachen  muss. 

Die  schon  berührte  äusseruug  des  Thukydides  steht  2,  15: 
to  iv  ACpvais  Aiqvvgov  [isqov),  qj  t«  ag^aiorega  /Jiovvata  tri 
dcodexärri  noistrai  iv  fMjn  'Av9&arriQimvi.  Hier  bezieht  der  vf. 
das  pronomen  <w  sprach  -  und  sinnwidrig  auf  legov  6tatt  auf 
/Jiorvöov  und  kommt  dadurch  zu  allerlei  grundlosen  behauptun- 
gen.    Zuzugeben  ist,  dass  die  zweizahl,    welche  der  comparativ 


374  195.  Griechische  alterthümer.  Nr.  7. 

voraussetzt,  sich  schön  erklären  würde ,  wenn  neben  den  gro- 
ssen Dionysien  des  elaphebolion  nur  noch  ein,  bald  Anthesteria 
bald  Lenaia  genanntes,  städtisches  Dionysosfest  bestanden  hätte; 
diese  deutung  verträgt  sich  aber  mit  allem  ,  was  wir  sonst  in 
dieser  sache  wissen,  nicht  und  es  ist  noch  mehr  als  eine  erklä- 
rung  des  agiaiönga  neben  ihr  möglich,  z.  b.  die  bisher  ange- 
nommene, welche  jedenfalls  mit  den  thatsachen  im  besten  ein- 
klang  ist,  vgl.  Hermann  GA.  §.  57;  26.  Die  Anthesterien  (ftia- 
qu)  rj/ifgai (,  anoqi(jä8t<;)  gelten  dem  finstern  cult  des  chthonischen 
Dionysos,  die  Lenäen  dagegen  dem  des  weingottes.  Diesen 
seiner  doctrin  verderblichen  unterschied  möchte  der  vf.  dadurch 
aus  dem  wege  räumen,  dass  er  Arminia  von  lijpoi  sarg  ableitet; 
aber  in  der  zurückführung  der  Lenäen  und  des  Dionysos  Lenaios 
auf  Irjvng  kelter  stimmt  das  ganze  alterthum  überein  und  die  Grie- 
chen mussten  doch  wohl  selbst  am  besten  wissen,  ob  sie  in 
letzterem  den  chthonischen  oder  den  keltergott  verehren. 

In  den  Acharnern  des  Aristophanes  spielt  die  handlung 
zuerst  an  den  ländlichen  Dionysien,  dann  an  den  zwei  monate 
späteren  Choes,  hat  also  wie  von  Böckh  und  allgemein  ange- 
nommen wird,  keine  zeitliche  eiuheit.  Der  vf.  postulirt  örtliche 
und  zeitliche  einheit  und  sucht  die  stärksten  fälle  einer  abwei- 
chung  durch  besondere  erklärungen  von  der  hier  geschehenen  zu 
unterscheiden;  die  noch  ärgere  Störung  der  illusion ,  die  ab- 
weichung  von  der  einheit  der  person  und  des  aktes  in  v.  1150, 
wo  Dikaiopolis  sich  in  den  dichter  Aristophanes  verwandelt, 
und  504,  wo  von  der  aufführung  des  Stückes  an  den  Lenäen  die 
rede  ist,  beirrt  ihn  so  wenig,  dass  er  hierin  sogar  einen  beweis 
von  der  identität  der  Anthesterien  und  Lenäen  zu  erkennen 
im  stände  ist.  Entblödet  er  sich  doch  auch  nicht,  von  v.  268 
is  tov  57jfiov  iXdwv  die  Übersetzung:  „auf  dem  wege  nach  dem 
demos"  zu  geben,  durch  welche  er  den  einwand,  dass  auch  die 
örtliche  einheit  nicht  festgehalten  ist,  beseitigt  glaubt. 

Die  gebotene  rücksicht  auf  den  räum  erlaubt  uns  nicht, 
auf  alle  vom  vf.  behandelten  stellen  einzugehen  und  die  bemü- 
hungen,  welche  er  aufbietet,  um  dieselben  seiner  hypothese  gefügig 
zu  machen,  zu  beleuchten  ;  es  mag  genügen ,  einiges  hervorzu- 
heben, das  sich  kurz  abmachen  lässt.  Bei  den  folgerungen, 
welche  p.  145  ff.  durch  vergleichung  der  Inschrift  C.  I.  145 
mit  Rang.  842  gewonnen  werden,  ist  ein  wichtiger  factor ,    die 


Nr.  7.  195.    Griechische  alterthümer.  375 

bedeutung  der  präpositiou  in  den  Worten  nagd  (ivarygCcov  xal 
TtXez&v  ganz  ausser  acht  gelassen;  p.  143  wird  das  fehlen  der 
Anthesterien  neben  den  Lenäen  bei  Deraosth.  Mid.  4  als  ein  be- 
weis der  identität  beider  angesehen,  da  gerade  von  den  Anthe- 
sterien es  feststehe,  dass  an  ihnen  niemand  habe  verhaftet  wer- 
den dürfen,  der  text  (,u/}  i^ttvai  fA,i'jie  ivsyvgdaat  fxijzs  Xafißdvsiv 
sregov  hnjov  fjijSe  röJv  vnegtjfAfQCov  iv  zavzuig  zaig  i/fAsgaig)  spricht 
aber  gar  nicht  von  Verhaftungen.  Dieselbe  beobachtung  und 
dieselbe  schlussfolgerurig  wird  p.  142  auf  Pollux  VIII,  90  ö  ßaai- 
Xsvg  fivazriQicov  ngot'orrjxe  (aszu  zwv  inifitXijräv  xul  Arjvaicov  aai 
uycöt'tav  vüv  inl  Xafijtddi,  aal  rd  tisqI  zag  nazglovg  üvatag  8101- 
jccf,  angewendet,  ohne  zu  berücksichtigen,  dass  die  Anthesterien 
in  den  zuletzt  angeführten  worten  enthalten  sein  können.  Zum 
beweis,  dass  an  den  Choes  dramatische  aufführungen  stattfan- 
den, dient  dem  vf.  auch  die  angäbe  der  Vita  Sophoclis:  KaX- 
XmniÖtjv  vnoxgtztjv  dno  igyaaiug  i^Onovvzog  qxovza  naga  zovg 
Xöag  ntfAipixi  avrm  azayvXrjv,  denn  Kallippides,  ein  Schauspieler 
von  beruf,  sei  nicht  zu  seinem  vergnügen  nach  Athen  gekom- 
men. Was  alles  der  spräche,  den  texten  und  der  geschichte 
in  unsrer  schrift  zugemuthet  wird,  zeigen  beispiele  wie  p.  112 
die  annähme  eines  wortes  tvXsxzoi  =  sgia,  p.  85  die  deutung 
von  Liban.  Ep.  1133  zgvytjzov  yavivzog  auf  die  frühlingszeit,  p. 
158  die  conjectur  zyg  a'qg  (statt  yditjß)  öuoXoyiag  Alciphr.  Ep. 
II,  3,  p.  124  die  annähme,  dass  der  redner  Lykurg,  dessen  po- 
litische Wirksamkeit  in  den  letzten  jähren  des  k.  Philipp  be- 
gann, kurz  vor  368  die  dramatischen  Vorstellungen  der  Lenäen 
(soll  heissen   der   Chytroi)  wieder  eingeführt  habe. 

Doch  fehlt  es  auch  nicht  an  treffenden  beobachtungen,  vgl. 
p.  111  das  über  die  bedeutung  von  Xomov  bei  spätem  Schrift- 
stellern gesagte,  p.  39  die  Widerlegung  der  deutung  kufe,  wel- 
che A.  Mommsen  von  Xrjvog  gegeben  hat,  p.  118  und  165  den 
nachweis  der  benennung  /tiovvaia  für  die  Anthesterien  bei  Ari- 
ßtophanes  und  Philostratos  (nur  dürfen  die  von  letzterem  Vit. 
Apollon.  4,  21  geschilderten  dramatischen  aufführungen  nicht 
für  identification  der  Anthesterien  und  Lenäen  benutzt  werden, 
es  sind  abermals  die  Xvzgwoi  dyävtg  gemeint),  p.  164  die  an- 
setzung  der  Peiraia  im  gamelion,  woraus  jedoch,  da  diese  iu 
einem  ordentlichen  theater  und  überhaupt  in  der  weise  der  stä- 
dtischen spiele  gegeben  wurden,  kein  schluss  auf  feier  der  ländli- 


376  196.  Virgilius  im  mittelalter.  Nr.  7. 

chen  Dionysien  in  jenem  monat  gezogen  werden  kann.  Diese 
und  andere  ausführ ungen  zeigen,  dass  der  vf.  auch  in  der  haupt- 
sache  besseres  hätte  liefern  können :  dunkelheiten  bietet  die 
materie  noch  genug,  welche  ein  eindringendes  Studium  lohnen; 
besonders  in  betreff  der  cultuslocale  enthält  die  seit  Böckh  herr- 
schende bebandlung  dieses  themas  sehr  anfechtbare  sätze,  wel- 
che festgehalten  und,  wie  das  p.  101  ff.  geschehen  ist,  bis  in  ihre 
letzten  consequenzen  verfolgt,  allerdings  leicht  zum  rückfall  in 
die  alte  confusion  der  Dionysosfeste  verführen  können. 

Fg. 

196.  Virgilio  nel  Medio  Evo  per  D.  Comparetti.  2  voll. 
8.     Livorno.   1872. 

Von  diesem  bedeutenden  werke  des  bekannten  italienischen 
gelehrten  werden  ohne  zweitel  die  deutschen  kritiker,  die  ihre 
besondern  Studien  auf  das  mittelalter  gerichtet  haben,  gelegent- 
lich ausführlicher  sprechen.  Dennoch  sei  es  erlaubt,  auch  hier 
dem  deutschen  publicum  einen  kurzen  bericht  über  den  inhalt 
desselben  zu  geben.  Es  scheint  dies  um  so  nützlicher  zu  sein, 
da  das  buch  den  schlagendsten  beweis  liefert,  wie  ein  Italiener 
sich  alle  die  resultate  der  ausländischen,  besonders  der  deut- 
schen forschung  zu  eigen  machen  kann,  ohne  deshalb  aufzuhö- 
ren, ein  selbständig  denkender  köpf  zu  sein. 

Comparetti's  werk  besteht  aus  zwei  scharf  geschiedenen 
theilen:  im  ersten  wird  die  literarische  Überlieferung  Virgil's 
von  der  zeit  des  dichters  selbst  bis  zur  „göttlichen  komödie u 
und  zum  „Dolopathos"  sorgfältig  auseinandergesetzt;  im  zwei- 
ten wird  Virgil  als  held  der  volkstümlichen  sage  ins  äuge  ge- 
fasst,  und  für  das  erste  mal  eine  kritisch  genügende  darstel- 
lung  der  historischen  entwickelung  der  wunderlichsten  legen- 
den versucht  und  glücklich  ausgeführt.  Das  hauptverdienst 
des  Verfassers  ist  nach  meiner  ansieht  die  immer  scharfsinnig 
durchgeführte  Scheidung  der  literarischen  und  volksthümlichen 
elemente  in  der  Virgilssage,  worauf  die  eintheilung  des  buches 
beruht.  Gegen  den  ersten  theil ,  welcher  der  geschichte  der 
berühmtheit  Virgils  namentlich  in  den  schulen  aber  auch  bei 
gebildeten  Privatleuten  gewidmet  ist,  wird  man  wahrscheinlich 
etwas  einwenden,  was  vielleicht  nicht  als  ganz  unbegründet  be- 
trachtet werden    könnte.     Man  wird  nämlich  finden,  dass  Com- 


Nr.  7.  196.  Virgilius  im  mittelalter.  377 

paretti  zu  weit  ausholt,  wenn  er  uns  eine  vollständige  ge- 
schiente der  ideen  und  urtheile  über  Yirgils  werke,  besonders 
über  die  Aeneis,  in  der  besten  kaiserzeit,  ja  sogar  von  der  zeit 
des  dichters  selbst  an,  vor  äugen  stellt.  Das  hat  aber  der  vf. 
selber  vorhergesehen  und  mit  triftigen  gründen  begründet  (vorr. 
p.  xi  ff.)  ;  und  wenn  man  auch  den  werth  seiner  gründe  nicht 
anerkennen  wollte,  so  müsste  man  doch  zugeben,  dass  die 
neueren  Schriftsteller  nur  selten  auf  so  verzeihliche  weise  die 
gränzen  des  vom  titel  angedeuteten  inhaltes  überschritten  haben. 
Man  muss  sich  sogar  sehr  freuen,  dass  der  vf.  durch  diesen 
umsehweif,  wenn  man  einige  dieser  werthvollen  capitel  so  nen- 
nen darf,  veranlasst  worden  ist,  die  bedeutung  der  Aeneis  als 
dichterische  Schöpfung  und  nationalepos  näher  zu  bestimmen., 
Heutzutage  siud  die  meisten  sehr  geneigt,  ja  es  ist  gewisser- 
massen  arge  modesache,  die  römischen  poetischen  produkte 
möglichst  gering  zu  schätzen ,  was  eben  deswegen  berechtigt 
erscheint,  weil  man  die  gewandtheit  hat,  griechische  muster  in 
vergleich  zu  bringen.  Freilich  ist  es  keine  schwierige  aufgäbe, 
sonnenklar  zu  zeigen  ,  wie  eine  solche  methode  allen  festen 
grundes  entbehre,  indem  es  aller  Vernunft  entbehrt,  wenn  einige 
kritiker  von  den  römischen  dichtem  im  allgemeinen  und  beson- 
ders von  Virgil  eine  derartige  Originalität  verlangen ,  wie  sie 
Homer  und  die  homerischen  dichtungen  besitzen.  Auf  diese 
weise  lässt  sich  das  virgilianische  epos  ohne  grossen  aufwand 
von  gelebrsamkeit  herabsetzen,  ja,  wenn  man  will,  als  eine  fal- 
sche dichtungsgattung  betrachten.  Das  hat  aber  mit  dem  Ver- 
dienste des  dichters  so  gut  wie  gar  nichts  zu  thun  ;  sonst 
müsste  man  unsrem  Virgil  den  umstand  zurechnen  wollen, 
nicht  in  Griechenland  zu  homerischen  zeiten  geboren  zu  sein. 
Wenn  man  dagegen,  wie  Comparetti  richtig  thut ,  vom  dichter 
nur  das  verlangt,  was  er  durch  das  höchst  denkbare  poetische 
talent  dem  geist  seiner  zeit  und  seiner  nation  gemäss  leisten 
konnte,  dann  muss  man  auch  Comparetti's  begeisterung  für 
Virgil  billigen  und  mit  ihm  erkennen,  dieser  sei  der  einzige  ge- 
wesen, der  ein  kunstepos  zu  hinterlassen  vermochte,  welches  als 
nationalepos  zu  gelten  verdiente,  und  als  musterhafte  dichtung 
die  bewunderung  jedes  geistreichen  kopfes  anzuregen  wusste.  Ich 
versuche  den  schluss  des  ersten  capitels  zu  übersetzen,  wo  eben  der 
vf.  in  sehr  gedrängter  weise  darüber  sich  ausspricht  (I,  p.  19  ff.): 


378  196.  Vergilius  in  mittelalter.  Nr.  7. 

„Eine  affectirt  strenge,  eigensinnige,  paradoxe  und  einge- 
nommene kritik  mag  über  diesen  grossen  dichter,  so  gut  wie 
über  viele  andre  grosse  römische  schriftsteiler,  sagen  was  sie  will. 
Wenn  sie  irrt,  desto  schlimmer  für  sie.  Schwerlich  wird  die 
Wissenschaft  die  excesse  solcher  geistigen  reactionen  vergeben 
können,  ob  sie  gleich  dem  wissenschaftlichen  fortschritt  gehol- 
fen haben  mögen.  Das  werk  Virgils ,  in  seiner  art  und  seinen 
historischen  gründen  nach ,  wie  es  gehörig  ist,  betrachtet ,  ist 
und  wird  immer  ein  grosses  denkmal  bleiben ,  welches  weder 
vorher  noch  nachher  seines  gleichen  hatte;  begründet  ist  die 
begeisterung,  wozu  es  alle  gebildeten  geister,  von  den  niedrig- 
sten bis  zu  den  grössten,  anregte.  Nachahmer  ist  Virgil  nur  in 
nebensachen,  und  aueh  als  solcher  ist  er  gross;  nachahmer  ist 
er,  weil  er  es  sein  musste,  weil  keine  geniekraft  zu  seiner  zeit 
einer  solchen  bedingung  ausweichen  konnte.  Eine  völlige 
emancipation  von  alle  dem,  was  die  immer  noch  sehr  lebendi- 
gen griechischen  Schöpfungen  auferlegten,  war  eine  sache ,  die 
niemand  wünschte,  niemand  wollte,  und  die  als  eine  unförm- 
liche und  unbegreifl liehe  anomalität  mit  Unwillen  aufgenom- 
men worden  wäre.  Nicht  in  jedem  moraente  und  zustande  des 
menschlichen  geistes  können  die  wege  des  genies  frei  sein. 
Trotzdem  offenbart  es  sich  doch  jedermann,  welcher  sich  nicht 
die  äugen  zuhält,  um  es  nicht  zu  sehen;  man  darf  es  nicht 
verkennen  und  nicht ,  wie  es  bei  Virgil  der  fall  gewesen  ist, 
mit  der  verachtenden  benennung  „Virtuosität"  verkleinern.  Der 
natur,  den  elementen,  dem  ganz  speciellen  zweck  seines  werkes 
gemäss  arbeitete  Virgil  in  einem  von  der  homerischen  dichtung 
so  verschiedenen  gebiete ,  dass  sein  dem  zweck  angemessenes 
epos  eine  wirkliche  „Schöpfung"  ist.  Eine  gewisse  dosis 
von  hellenismus  steckte  im  römischen  leben,  und  folglich  auch 
im  dichter,  welcher  untreu  gewesen  wäre ,  hätte  er  sie  in  sei- 
nem gedieht  nicht  repräseutirt :  aber  der  erste  und  tiefste  cha- 
racter  Virgils  besteht  darin ,  dass  er ,  wie  Petronius  ihn  mit 
rechter  erkenntniss  nennt,  wesentlich  Romanus  war". 

Natürlich  werden  die  leser,  die  über  Virgil  anders  urthei- 
len,  durch  diese  wenige  Schlussworte  nicht  überzeugt  werden: 
aber  ich  würde  mich  freuen,  wenn  sie  als  anregung  dienten, 
das  ganze  buch  durchzulesen. 

Aus  dem  ersten    theile    will    ich    noch    zwei  capitel  beson- 


Nr.  7,  Neue  auflagen.  379 

ders  hervorheben,  und  zwar  diejenigen,  worin  die  von  Vir- 
gil  in  der  „göttlichen  komödie"  gespielte  rolle  auf  streng  hi- 
storischem wege  auseinandergesetzt  wird.  Gelehrte  und  dilet- 
tanten  hatten  sich  freilich  bemüht,  diesen  oder  jenen  zug 
der  grossen  persönlichkeit  Virgils  zu  betonen,  um  die  le- 
ser  von  der  Wichtigkeit  seiner  erscheinung  bei  Dante  zu 
überzeugen.  Niemand  hatte  aber  bisher  die  rechte  saite 
getroffen,  so  dass  Virgil  allen  nur  durch  seine  poetisch  •  rhe- 
torischen mittel  zu  glänzen  schien ,  die  rein  sache  der  äusse- 
ren form  sind  und  der  eigentlichen  wahren  poesie  fern  stehen. 
Nach  den  besten  darstellungen  erschien  der  Dante'sche  Virgil 
als  etwas  äusseres,  von  der  literarischen  oder  volkstümlichen 
tradition  auferlegtes.  Comparetti  hat  zum  ersten  mal  seine 
tiefe  bedeutung  nachgewiesen  und  zugleich  ein  belebtes  bild 
desselben  jedem  gebildeten  leser  vor  äugen  gestellt.  Durch 
Comparetti's  darstellung  finden  wir  endlich  diese  wähl  des  Vir- 
gil zum  „fuhrer"  dem  grossen  dichterischen  und  poetisch  -  re- 
ligiösen zweck  Dante's  angemessen;  so  dass  auch  in  dieser  be- 
ziehung  unsre  bewunderung  für  den  göttlichen  dichter  gerecht- 
fertigt wird,  den  die  Vaterlandsliebe,  und  die  erhabene  Vorstel- 
lung eines  römischen  reichs  zum  sänger  der  Aeneiden  zurück- 
führten. 

Girolarno    Vitelli. 

Neue  auflagen. 

197.  Herodotos.  Für  den  schulgebrauch  erklärt  von  K.  Abicht. 
3.  bd.  2.  aufl.  8.  Leipzig.  Teubner;  18  ngr.  —  198.  Xenophons 
Anabasis.  Für  den  schulgebrauch  erklärt  von  F.  Vollbrecht.  1.  bdch. 
8.  Leipzig.  Teubner;  15  ngr.  —  199.  Horaz  sämmtliche  werke.  Text 
nebst  metrischer  Übersetzung,  ausgewählt  von  Th.  Obbarius.  3.  aufl. 
2.  thl.  16.  Paderborn.  Schöningh;  15  ngr.  —  200.  Tacitus  Annalen. 
Schulausgabe  von  A.  Dräger.  1.  bd.  2.  aufl.  8.  Leipzig.  Teubner; 
24  ngr.  —  201.  Cicero  de  oratore.  Für  den  schulgebrauch  erklärt 
von  K.  W.  Piderit.  4.  aufl.  8.  Leipzig.  Teubner;  1  thlr.  12  ngr. 
(wir  heben  gleich  hier  aus  der  vorrede  dieser  von  neuem  sorgfältig 
durchgesehenen  und  verbesserten  aufläge  die  äusserung  des  vfs  her- 
vor, dass  diese  schrift  Cicero's  sich  zwar  vorzugsweise  für  die  lectüre 
in  der  prima  der  gymnasien  sich  eigne,  aber  auch  den  realschulen 
zu  empfehlen  sei).  —  202.  Römische  prosaiker  in  Übersetzungen. 
Cornelius  Nepos.  5.  aufl.  gr.  16.  Stuttgart.  Metzler;  8  ngr.  —  203. 
Fr.  Lilbkers  Reallexikon  des  classischen  alterthums.  4.  aufl.  Herausg. 
von  F.  A.  Eckstein.  1.  abthl.  8.  Leipzig.  Teubner;  1  thlr.  —  204. 
A.  Schäfer,  abriss  der  quellenkunde  der  griechischen  geschichte  bis 
auf  Polybios.  2.  aufl.  8.  Leipzig.  Teubner;  20  ngr.  —  205.  G. 
Hannak,  lehrbuch  der  geschichte  des  alterthums.    2.  aufl.     8.     Wien. 


380  Schulbücher.  —   Bibliographie.  Nr.  7. 

Beck;  14  gr.  —  206.  R.  v.  Ihering  ,  Geist  des  römischen  rechts  auf 
den  verschiedeneu  stufen  seiner  entwicklung.  1.  thl.  3.  aufl.  8. 
Leipzig.  Breitk.  u.  Härtel;  3  thlr.  —  207.  W.  Hoffmann,  der  zustand 
des  weiblichen  geschlechts  in  der  heidenweit.  3.  aufl.  8.  Heidel- 
berg. Winter;  16  ngr.  —  208.  G.  Wattenbach,  Deutschlands  geschichts- 
quellen  im  mittelalter.     1.  bd.     3.  aufl.    8.    Berlin.  Besser;  2  thlr. 


Neue  Schulbücher. 

209.  J.  Zürcher,  die  sünden  der  modernen  schule  und  ihre  be- 
ziehungen  zum  leben  des  schülers.  8.  Aarau.  Christen;  8  ngr.  — 
210.  V.  Hintner,  griechisches  elementarbuch  zunächst  f.  d.  dritte  und 
vierte  classe  der  gymnasien  8.  Wien.  Beck;  22  ngr.  —  211.  Freund, 
tafeln  der  römischen  literaturgescbichte.  gr.  fol.  Leipzig.  Violet; 
5  ngr.  —  212.  V.  Hintner,  kleines  Wörterbuch  der  lateinischen  ety- 
mologie.  8.  Brixen.  Theol.  verlagsanstalt ;  1  thlr.  10  ngr.  —  213. 
H.  O.  Simon,  aufgaben  zum  übersetzen  in  das  lateinische  für  sexta 
und  quinta.  4.  aufl.  8.  Berlin.  Dümmler ;  772  gr-  —  214.  F. 
Schultz,  aufgabensammlung  zur  einübung  der  lateinischen  syntax.  6. 
aufl.  8.  Paderborn.  Schöningh;  25  ngr. —  215.  H.  Menge,  repetitorium 
der  lateinischen  grammatik  und  stylistik.  2te  hälfte.  Braunschweig. 
Grüneberg;  24  ngr.  —  216.  Fr.  Schultz,  kleine  lateinische  Sprach- 
lehre. 18.  aufl.  8.  Paderborn.  Schöningh;  772  ngr.  —  217.  K.  H. 
J.  Hoffmann  ,  rhetorik  für  höhere  schulen.  1.  abth.  Die  lehre  vom 
styl.  4te  aufl.  besorgt  von  C.  F.  A.  Schuster.  8.  Clansthal,  Grosse; 
772  ngr.  —  218.  K.  Hansen,  poetik,  metrik,  figurenlehre  und  dich- 
tungsarten  für  die  obern  classen  höherer  lebranstalten.  2.  aufl.  8. 
Hamburg.  Elkan;  10  ngr.  —  219.  F.  E.  Feiler,  Dizionario  italiano- 
tedesco  e  tedesco-italiano.  4.  aufl.  8.  Leipzig.  Teubner ;  1  thlr.  20  gr. 


Bibliographie. 

Mancherlei  klagen  über  Leipziger  Verleger  und  sonstige  den 
buchhandel  oder  buchhändler  drückende  umstände  bespricht  ein  ar- 
tikel  eines  Schwaben  im  Börsenbl.  nr.  119,  vom  26.  mai,  der  dann 
allerlei  entgeguungen  hervorgerufen  hat  in  nr.  125.  132.  Es  wäre 
doch  wohl  zu  wünschen,  dass  mehrere  solcher  Schwaben  in  Leipzig 
gewesen  wären. 

Ueber  Unternehmungen  zur  hebung  des  italienischen  buchhan- 
dels  vrgl.  Börsenbl.  nr.  126.  132. 

Am  1.  juli  ward  zu  Herolz,  eiueui  dorf  bei  Schlüchtern  durch 
das  landesgericht  die  bibliothek  des  Dr  Lettich  verkauft,  die  an  ita- 
lienischer literatur  sehr  reich  sein,  an  130  aldiuen,  79  juntinen  ent- 
halten soll.     Vgl.  Augsb.  allg.  ztg.  beil.  zu  nr.  161.     Börsenbl.  nr.  138. 

Im  verlage  von  F.  J.  Scheuble  zu  Freiburg  im  Br.  ist  erschie- 
nen:  Zeitschrift  der  gesellschaft  für  beförderung  der  geschichts-  al- 
terthums-  und  Volkskunde  von  Freiburg,  dem  Breisgau  und  den  an- 
grenzenden landschaften.  Bd.  I.  II  ä  3  hefte,  1867  —  72,  jeder  bd.  2 
thlr.  2  sgr. :  Im  bd.  I  steht:  die  römische  töpferei  zu  Riegel,  von  H. 
Schreiher,  die  übrigen  aufsätze  beziehen  sich  nicht  auf  das  classische 
alterthum. 

Verlauf  und  ergebniss  des  buchdruckerstrike's  I.  II  ,  sehr  ruhig, 
umsichtig  und  keuntnissreich  geschriebene  artikel  in  Börsenbl.  nr. 
142.  144  von  H.  Schürmann  :  er  erklärt  im  anfang,  dass  die  gehülfen 
ihren  willen  durchgesetzt  und  vollständig  oder  doch   im  wesentlichen 


Nr.  7.  Kleine  philologische  zeitung.  381 

alles  erzielt  haben,  was  sie  wollten,  setzt  dann  die  verschiedenen  Sta- 
dien des  kampfes  zwischen  den  gehülfen  und  principalen  auseinander 
und  schliesst  mit  einem  blick  auf  die  englischen  analogen  Verhält- 
nisse: da  hatten  auch  die  gehülfen  ihren  willen  durchgesetzt,  aber 
gleich  darauf  fing  an  der  unternehm ergeist  zu  fehlen:  die  druckerei- 
besitzer  waren  genöthigt  ihre  offizinen  zu  schliessen.  In  Amerika 
zeigte  sich  ähnliches  :  als  die  löhne  im  osten  zu  sehr  gesteigert  wa- 
ren, Hess  man  im  westen  drucken,  wie  jetzt  deutsche  Verleger  an  Pa- 
ris und  an  anderes  ausländ  denken.  Wenn  das  bei  uns  sich  weiter 
ausdehnte  und  verwirklichte?  Es  ist  das  nicht  unwahrscheinlich,  da 
höhere  Steigerung,  wie  sie  die  buchhändler  jetzt  in  aussieht  nehmen  — 
s.  Teubner's  erklärung  im  Börsenbl.  nr.  142  — -  das  publicum  kaum 
zum  ankauf  von  büchern,  der  schon  längst  im  abnehmen,  reizen  wird: 
was  dann?  Dann  kann  das  ob.  nr.  3,  p.  169  mitgetheilte  propheti- 
sche wort,  über  das  man  wohl  gelacht  hat,  doch  zur  Wahrheit  wer- 
den.    Rücksichtsloses  handeln  trägt  ja  nie  gute  fruchte. 

In  folge  des  wiener  börsenkraches  sind  gegen  15  druckereien  in 
Wien  geschlossen  und  am  1.  juli  vermuthet  man  würden  noch  ein 
dutzend  diesem  beispiele  folgen ,  wenn  sich  die  setzer  nicht  eine  re- 
duetion  des  lohnes  wollen  gefallen  lassen.  Die  buchhändler  lassen 
jetzt  schon  wegen  des  hohen  tarifs  ihre  arbeit  in  den  provinzen  be- 
sorgen.    Börsenbl.  nr.  144.     Also  s.  oben. 

Ueber  die  ostermessausstellung  berichtet  Börsenbl.  nr.  148.  150. 
sie  soll  sehr  zur  Zufriedenheit  ausgefallen  sein:  hervorgehoben  wer- 
den namentlich   die  leistungen  Englands  in  druck  und  buchbinderei. 

Den  13.  juli  findet  in  Wien  eine  Versammlung  der  buchdrucke- 
rei- und  schriftgiesserei-eigenthümer  Deutschlands,  der  Schweiz  und 
Oesterreichs  statt:  gegenständ  der  berathung  soll  ein  minimal -tarif 
sein  und  namentlich  anbahnung  einer  innigen  Vereinigung  des  buch- 
drucker-principal Vereins.  Dies  letztere  dürfte  besonders  nöthig  sein : 
denn  wie  schlecht  es  damit  steht ,  hat  der  letzte  strike  in  Leipzig 
nur  zu  deutlich  gezeigt. 

Von  der  Weidmann 'sehen  buchhandlung  in  Berlin  ist  ein  verzeich- 
niss  ausgewählter  werke  aus  ihrem  philologischen  verlage  versandt, 
welche  bis  zu  ende  des  j.  1873  zu  ermässigten  preisen  zu  beziehen 
sind.  Eben  so  ist  versendet  »  ausgewählte  werke  aus  dem  verlage 
der    Weidmatiri' sehen  buchhandlung  in  Berlin«. 

Von  Friedrich  Vutveg  und  söhn  in  Braunschweig  ist  ausgegeben : 
>unterrichtsbücher,  compendien  und  Wörterbücher«  aus  dessen  verlag. 

Cataloye  der  antiquare:  antiquarischer  anzeiger  n.  220  von  Joseph 
Baer  &  Co.  in  Frankfurt  am  Main;  bericht  von  den  neuen  erwerbun- 
gen  des  lagers  von  S.  Calvary  &  Cie,  n.  37  ;  antiquarischer  anzeiger 
von  Hmis  Flüssen  in  Leipzig,  nr,  1.  2,  schöne  Literatur  enthaltend; 
verzeichniss  (nr.  66)  des  antiquarischen  bücherlagers  von  Fr.  Kaiser 
in  Bremen;  katalog  I  und  IV  eine  Sammlung  von  werken  aus  dem 
gebiete  der  classischen  philologie  aus  dem  lager  von  Mayer  und  Mül- 
ler in  Berlin;  antiquarischer  anzeiger  (nr.  38)  der  Weiler  sehen  buch- 
handlung (Oscar  Rösger)  in  Bautzen  ;  antiquarischer  anzeiger  (nr. 
30)  von  Ernst  Wagner  in  Augsburg;  catalog  nr.  7  des  antiquarischen 
bücherlagers  von  Auyust  Westphaleyi  in  Flensburg  und  Hadersleben; 
verzeichniss  XL VII  von  Alfred    Würzner  in  Leipzig. 

Kleine  philologische  zoilung. 

"Berlin.  6.  mai.  Sitzung  der  archäologischen  gesellschaft,  aus  der 
wir  hier  hervorheben  den  Vortrag  von  Hübner  über  römische  alter- 
thümer  in  Lothringen,  den  von  Schubriny  über  Benndorf  s  werk  »über 


382  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  7. 

die  metopen  von  Selinunt:  er  suchte  die  von  Benndorf  aufgestellte 
annähme  einer  nur  theilweise  stattgehabten  befestigung  des  nördlich 
der  akropolis  gelegenen  stadthügels  als  unzulässig  darzulegen.  Fer- 
ner besprach  Bormann  ein  bei  Mors  gefundenes  irdenes  krügeichen 
mit  der  inschrift:  Dae  Sunxalis  ferendas  fecit  M.  Victorinus;  eine 
göttin  Sunuxali  oder  Sunuscull,  wo  die  endung  fehlt,  ward  noch  aus 
andern  am  linken  Rheinufer  gefundenen  inschriften  nachgewiesen ; 
dann  Weil  ein  paar  fälle  der  Übertragung  von  münztypen,  zunächst 
denjenigen  des  opuntischen  Aias;  endlich  legte  Engelmann  den  pa- 
pierabklatsch  eines  reliefs  aus  dem  neapler  museum  vor,  auf  wel- 
chem Hephästos  an  einem  schilde  schmiedend,  Dionysos  mit  thyrsos 
und  kantharos  und  panthern  neben  ihm,  und  Herakies  mit  Kerberos 
dargestellt  ist  und  versuchte  eine  erklärung  desselben.  Vrgl.  D. 
Reichsanz.  nr.  123. 

Regensburg,  9.  mai.  Da  die  ausgrab ungen  auf  dem  römischen 
leichenfelde  —  s.  ob.  bd.  IV,  nr.  7,  p.  382  —  wegen  beendigung  der  ni- 
vellirungsarbeiten  an  der  staatsbahn  nun  aufhören  werden,  so  denkt 
man  jetzt  daran  einen  saal  als  »römisches  museum«  einzurichten:  mit 
recht;  denn  die  zahl  der  ausgehobenen  skelette,  aschenurnen  u.  s.  w. 
belauft  sich  auf  fast  4000  ;  darunter  sind  besonders  die  convexen 
glasspiegel  merkwürdig.  Dann  die  ausgrabung  des  umfangreichen 
fundaments  der  porta  principalis  dextra  und  eines  propugnaculum  der 
hiesigen  Römerstadt,  auf  welcher  noch  heute  der  grösste  theil  der 
stadt  steht:  dabei  ist  auch  der  grundstein  gefunden,  aus  dessen  in- 
schrift sich  ergiebt,  dass  thor  und  thürme  der  Antoninischen  zeit  an- 
gehören. Es  sind  hierdurch  die  aufstellungen  in  der  schritt  des  gra- 
ten W.  von  Waldersdorff,  1869,  zum  guten  theil  bestätigt.  Vrgl.  D. 
Reichsanz.  nr.  120.  Augsb.  Allg.  Ztg.  beil.  zu  nr.  133:  diese  theilten 
auch,  letztere  in  der  beil.  zu  nr.  136,  der  D.  Reichsanz.  nr.  123  beil. 
1  die  oben  erwähnte  inschrift,  deren  buchstaben  von  etwa  6  cm.  höhe 
sind,  mit;  aber  in  sehr  fragmentirter  gestalt:  jetzt  am  6.  juli,  hat 
man  ein  zu  dem  früher  gefundenen  gehörendes  und  dieses  fortsetzen- 
des stück  geiunden,  wonach  nun  nach  Augsb.  Allg.  Ztg.  beil.  zu  nr. 
190  und  D.  Reichsanz.  nr.  164  das  ganze  so  lautet: 
....  FRATER.  DIVI.  HADRIANI.  NEPOS.  DIVI.  TRATANI.  PR  .  . 

.  .  .  TICVS.  PONTIFEX.  MAXIMVS.  TRIB.  POTESTATIS  . 

XXXVI.  1  .  .  . 

.  .  .  ICVS.  GERMANICVS.  MAXIMVS.  ANTONINI.  IMP  .... 

MP.  IL  COS.  II.  VALLVM.  CVM.  PORTIS.  ET.  TVRRIBVS  . 

FECI  .  .  . 

M.  HELVIO.  CEEMENTE.  DEXTRIANO.  LEC.  AV  .  .  . 

Danach  wäre  kaiser  Marc  Aurel  Antoninus  ,  obgleich  der  erste 
theil,  der  den  namen  selbst  enthalten  muss,  noch  fehlt,  erbauer  der 
umwallung,  der  thore  und  thürme  des  hiesigen  Römerkastells,  wäh- 
rend Marcus  Helvius  Clemens  Dextrianus  als  legat  von  Augsburg  hier 
fungirte.  Die  gesammtlänge  des  bereits  erhobenen  insehriftenstückes 
beträgt  3V4  meter.  Es  fehlt  das  anfangs-  uud  endstück,  die  zusam- 
men gleichfalls  mindestens  zwei  meter  messen  dürften.  Nach  sorg- 
fältiger beobachtung  Hesse  sich  der  »Allg.  Ztg.«  zufolge  nunmehr  als 
sicher  konstatiren ,  dass  der  erstere  schönere  Antoninische  thorbau 
bald  zerstört,  jedoch  von  den  Römern  selbst  wieder  auf  grundlage 
des  ersten,  und  weit  schlechter  als  jener,  hergestellt  worden  sei. 
Man  verwendete  auch  die  besseren  konstruktiven  theile  des  früheren 
thores  als  einfache  bausteine;  das  rettete  sie  uns.  Der  mörtel  des 
zweiten  baues  ist  der  mit  ziegelstücken  gemischte  kalk,  das  sicherste 
kennzeichen  römischen  Ursprungs,  wie  sich  zur  zeit  jeder  an  ort  und 
stelle  überzeugen  kann.     Von    den  konstruktiven  theilen  fanden  sich 


Nr.   7.  Kleine  philologische  zeitung.  383 

bisher  sockeltheile  und  ein  ecksockel  für  Säulenstellung  (in  ursprüng- 
licher läge  und  dem  ersten  bau  ungehörig) ,  zwei  stücke  säulenschaft 
mit  kapital,  ein  170  centimeter  langes,  130  centimeter  breites,  44 
centimeter  dickes  gesimsstück.  Nehme  man  die  umrahmte  inschrift- 
fläche hinzu,  deren  Stellung  bei  ihrer  ausdehnnng  kaum  zweifelhaft 
sein  könne,  so  lasse  sich,  mit  Berücksichtigung  der  sich  vorfindenden 
grundmanern  und  unter  zuhültenahme  der  üblichen  hauptform  römi- 
scher thore,  aus  diesen  elementeu  unschwer  und  annähernd  sicher  das 
ältere  Antoninische  thor  konstruiren  ,  welches  sehr  wohl  gebaut  und 
reich  geziert  gewesen  sei. 

Zürich,  18.  mai.  In  einer  Volksabstimmung  ist  entschieden,  dass 
an  der  Universität  die  aufnähme  erfolge  ohne  unterschied  des  ge- 
schlechts  (Zürich  hat  jetzt  120  Studentinnen),  dabei  aber  gefordert 
werde  das  zurückgelegte  18te  lebensjahr,  ausweis  über  genügende  Vor- 
kenntnisse, insbesondere  über  hinlängliches  verständniss  der  deutschen 
Sprache  und  zwar  entweder  durch  Zeugnisse  in-  oder  ausländischer 
bildungsanstalten  (gymnasien,  lehrerseminarien,  höherer  Industrieschu- 
len) oder  durch  prüfung  von  der  hochschul  -  commission.  —  Auch 
hat  der  regierungsrath  das  vom  erziehungsrath  vorgelegte  regulativ 
für  einrichtung  des  historischen  seminars  an  der  hochschule  geneh- 
migt; an  ihm  dociren  sechs  ordentliche  und  ausserordentliche  Pro- 
fessoren neben  den  philologen  und  Orientalisten. 

In  der  nähe  von  Sunt'  Andrea  della  Valle  in  Rom  hat  man  einen 
aus  vier  seiten  eines  Sarkophags  bestehenden  fries  entdeckt ,  der  in 
hautrelief  und  basrelief  künstlerisch  schön  gearbeitet  ist.  Eine  die- 
ser seiten  stellt  eine  Amazonenschlacht  dar,  eine  andre  eine  jagd 
wilder  thiere,  eine  dritte  einige  mit  blumen  bekränzte  kinder,  welche 
löwen  aufhalten.     D.  Reichsanz.  nr.   123  beil.   1. 

Nach  D.  Reichs-Anz.  nr.  124  giebt  Dr  Schliemann  ein  werk  her- 
aus, welches,  aus  einem  altlas  von  170-200  Photographien  in  4  und 
einem  bände  8  mit  beschreibendem  text  bestehend,  seine  entdeckun- 
gen  in  Troja  durch  bild  und  wort  zu  vollkommner  anschauung  brin- 
gen soll.     Vrgl.  unt.  p.  384. 

Seit  1853  befindet  sich  in  der  Sammlung  der  oberlausitzischen 
gesellschaft  der  Wissenschaften  eine  in  Schlesien ,  angeblich  zwischen 
Bunzlau  und  Kohlfurt  »tief  im  sande«  am  ufer  der  Queiss  gefundene 
römische  bronzefigur  des  Jupiter ,  bis  auf  den  fehlenden  linken  arm 
vortrefflich  erhalten  und  von  schöner  schwarzgrüner  patina  bedeckt ; 
sie  mag  aus  der  mitte  des  zweiten  jahrh.  p.  Chr.  stammen.  Eini- 
ges berichtet  noch  über  sie  D.  Reichsanz.  nr.  124.  Augsb.  Allg.  Ztg. 
beil.  zu  nr.  154. 

Von  den  »kulturbildern  aus  altrömischer  zeit  von  Theodor  Sie- 
mons,  mit  Illustrationen  von  Alexander  Wagner  enthält  der  D.  Reichs- 
anz. n.   124  eine  empfehlende  anzeige. 

Strassburg,  29.  mai.  Vom  oberpräsidenten  ist  die  aufstellung  ei- 
ner Statistik  der  hunstdenkmlüer  des  landes  in  anregung  gebracht. 

Zur  erinnerung  an  Ludwieg  Tiech  ist  ein  aufsatz  enthalten  in  der 
besondern  beilage  des  D.  Reichsanz.  n.  22  vom  31.  mai.  Tieck  ist 
am  31  mai  1773  geboren.  Ueber  die  feier  des  tags  in  Dresden  giebt 
die  Augsb.  Allg.  Ztg.  nr.  149  einige  notizen. 

Von  der  expedition  des  prof.  Conze  nach  Samothrake  giebt  aus 
der  Wiener  Abendz.  der  D.  Reichsanz.  n.  133  nachrichten,  die  aber 
kein  wissenschaftliches  interesse  haben.  Die  herren  wohnen  unter 
einem  zelte  und  befinden  sich  ganz  wohl. 


384  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  7. 

Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Augsburger  Allgemeine  Zeitung:  beil.  zu  nr.  150:  Tischendorfs 
neue  ausgäbe  der  vulgata.  —  Beil.  zu  nr.  154:  die  europäische  Wis- 
senschaft, vor  dem  richterstuhl  der  türkischen  kritik :  bezieht  sich 
auf  medizm  zumeist.  —  Beil.  zu  nr.  155.  156.  M.  Hang,  zur  kosmo- 
gonie  der  Inder.  —  Beil.  zu  nr.  156.  nr.  160:  A.  v.  Dammreicher, 
die  Verwaltung  der  Universitäten  seit  dem  letzten  politischen  systeni- 
wechsel  in  Oesterreich.  I.  II.  —  Prof.  Braniss  in  Bresslau  f.  —  Nr. 
157:  die  XIII.  pfingstversammlung  mitfcelrkeinischer  gymnasiallehrer. 
—  Beil.  zu  nr.  157.  184:  das  Unterrichts-  und  bildungstach  auf  der 
wiener  Weltausstellung  I.  II.  —  Nr.  158:  das  benehmen  des  Vesuv 
in  dieser  zeit.  —  Beil.  zu  nr.  158.  159:  Laulh ,  Aegyptische  reise- 
briefe.  XIX:  Schlussartikel. —  Beil.  zu  nr.  163:  Düntzer,  die  neue- 
sten homerischen  entdeckungen:  spott  über  die  Sonderbarkeiten  von 
Büchner:  s.  ob.  bd.  IV,  nr.  9,  p.  441.  —  Nr.  164:  Kiel.  »{Ein  plato- 
nischer ball).  Nach  der  Fl.  N.  Z.  ist  dieser,  tage  von  einem  kieler 
professor  der  philosophie  der  2302.  geburtstag  Plato's  festlich  began- 
gen worden.  Von  den  details  der  classisch  modernen  feier  ist  nichts 
an  die  öffentlichkeit  gedrungen,  als  dass  ein  solenner  ball  den  an- 
fang  und  das  ende  des  gedenkfestes  bildete.  Es  giebt  doch  noch 
harmlose  menschen ! «  (Ist  doch  ein  alberner  ausrut).  —  Beil.  zu  nr. 
146.  165:  Schliemann,  ausgrabungen  in  Troja:  bericht  über  die  ent- 
deckung  des  von  Lysiuiachos  gebauten  Minervatempels,  dabei  über  die 
von  inschriften  —  eine  74  zeilen  lange  von  dem  Satrapen  Meleagros 
dann  über  die  blosslegung  des  bodens  und  der  trümmer  der  al- 
ten Ilion  selbst,  des  hauses  des  Priamos  u.s.w.,  worüber  in  einem  bei 
Brockhaus  erscheinenden  werke  das  nähere  berichtet  werden  wird. 
Am  15.  Juni  d.  j.  hat  Schliemann  seine  ausgrabungen  eingestellt, 
weil  er  glaubt,  seine  aufgäbe  vollkommen  gelöst  zu  haben:  s.  ob. 
p.  383.  Doch  ist  er  über  diese  seine  ausgrabungen  noch  in  besondre 
Verwicklungen  gerathen:  s.  unt.  beil.  zu  nr.  194.  —  Beil.  zu  nr. 
165:  Lucas  Geizkofler  und  seine  zeit:  anzeige  des  gleichnamigen 
buchs  von  A.  Walch,  Wien.  1873.  —  Nr.  166:  entwurf  zur  reorga- 
nisirunf  des  höhern  Unterrichts  in  Holland.  —  Beil.  zu  nr.  166:  C. 
Wachsmuth's  rede  über  die  geschichte  der  hochschule  in  Athen  von 
Perikles  bis '  auf  Justinian.  Dazu  bemerkungen  über  die  Universität 
Göttingen.  —  Nr.  167:  die  schritt  Tischendorf 's:  »haben  wir  den 
echten  schrifttext  der  evangelisten  und  apostel  ?  «  von  J.  Schrott.  — 
Nr.  168:  zu  den  kirchengesetzen.  —  Beil.  zu  nr.  168.  169:  das  Cap 
der  Circe.  —  Biographisches  über  Fr.  v.  Räumer:  aus  der  Spener- 
schen  zeitung.  —  Nr.  171:  begräbni^s  von  Fr.  von  Raumer. —  Beil. 
nr.  471:  die  evangelisch-theologische  facnltät  in  Wien.  —  Beil.  zu 
nr.  172:  das  heutige  Athen.  —  Die  philosophischen  werke  des  am 
19.  februar  verstorbenen  prof.  Czolbe  in  Königsberg  i.  Pr.  -  Nr.  175: 
der  russische  ukas  gegen  das  frauenstudium  in  Zürich  :  ein  artikel 
aus  Zürich  für  Zürich,  der  aber  doch  nur  beweist,  dass  jener  ukas  wohl 
begründet  ist.  —  Beil.  zu  nr.  175:  ein  tag  in  Ravenna.  —  Beil. 
zu  nr.  177.  178.  179:  die  metopen  von  Selinunt:  anzeige  des  wertes 
von  Otto  Benndorf,  sehr  ausführlich,  von  Fr.  Schlie.  —  Beil.  zu 
nr.  183.  184.  190.  191.  193:  zur  geschichte  der  römisch -deutschen 
frage  I.  IL  III.  —  Beil.  zu  nr.  189:  erdbeben  in  Italien:  19.  juui.  — 
Nr.  190:  frequenz  der  berliner  Universität:  sie  nimmt,  schreibt  man, 
in  erschreckender  weise  ab.  Nan  wird  sie  durch  einzelne  berufungen, 
selbst  auch  nicht  durch  äuderung  »des  Systems«  heben:  es  muss  sich 
ja  endlich  deutlich  zeigen,  dass  in  so  grosse  städte  deutsche  Universi- 
täten, sollen  sie  gedeihen,  nicht  gehören ;  München,  Wien  lehren  doch 
dasselbe. 


Nr.  8.  Angnst  1873. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben   als   ergänzung   des   Philologus 


Ernst  von  Leutscli. 


220.  Augusti  rerum  a  se  gestarum  indicem  cum  graeca 
metaphrasi  ed.  Theod.  ßergk.  8maj.  Gott.  1873.  XXV  u. 
136  s.   —      1    thlr.    10  gr. 

Der  erste  anfang  einer  umfassenden  berstellung  und  erklä- 
rung  des  Monumentum  Ancyranum  (man  gestatte  uns,  der  kürze 
wegen  diese  einmal  übliche  bezeicknung  zu  gebraueben,  obwobl 
sie,  nachdem  die  fragmente  von  Apollonia  hinzugekommen,  nicht 
mehr  ganz  zutreffend  ist)  ist  bekanntlich  mit  der  Zumpt-Franzschen 
ausgäbe  gemacht  worden,  und  wenn  es  bei  unvollständigen  und 
verstümmelten  inschriften  besonders  schwierig  ist,  das  erste  licht 
in  das  dunkel  zu  tragen,  so  dürfte  dieser  leistung  zumal  in  be- 
tracht  der  viel  unzureichenderen  hülfsmittel  ein  grösseres  ver- 
dienst beizumessen  sein,  als  von  den  neuesten  herausgebern  zu 
geschehen  scheint.  In  jüngster  zeit  hat  nun  aber,  nachdem  das 
denkmal  im  j.  1861  durch  Perrot  und  Guillaume  aufs  neue  mit 
der  grössten  Sorgfalt  copiert  und  der  griechische  text  um  einen 
bedeutenden  theil  vermehrt  worden  war,  Tb.  Mommsen  sich  der 
bearbeitung  unterzogen  und  sie,  wie  nicht  anders  zu  erwarten  (in 
bezug  auf  den  griechischen  text  mit  hülfe  von  Kirchhoff),  mit 
eben  so  viel  Scharfsinn  als  gelebrsamkeit  ausgeführt,  so  dass 
man  gern  in  das  stolze  wort  einstimmen  wird,  mit  dem  er  seine 
vorrede  schliesst:  Pleraque  certenos  oecupavimus  et  iure  nobis  gratula- 
mur  propter  egregium  monumentum  nostra  aetate  recuperatum  communi 
opera  Angli  hominis  et  Galli ,  fortasse  etiam  aliqua  mea  hominis 
Germani.  Das  ancyranische  denkmal  gehört  nach  der  Momm- 
senschen  arbeit  in  der  that  zu  denjenigen  Überresten  des 
klassischen  alterthums,  an  denen  sich  die  philologischen  Studien 
durch  lesung,  erklärung  und  ergänzung  am  glänzendsten  be- 
währt haben.  Ist  denn  nun  aber  hiermit  das  werk  in  bezug 
Philol.  Anz.  V.  25 


386  220.  Epigraphik.  Nr.  8. 

auf  das  ancyranische  denk  mal  für  immer  und  völlig  abgetban  ? 
Gewiss  nicbt.  Je  lückenbafter  uns  der  text  überliefert  ist,  je 
grösser  die  abweicbung  unter  den  verschiedenen  lesungen  des- 
selben, ein  um  so  weiterer  Spielraum  ist  der  divination  eröffnet, 
die  mit  einem  male  nicbt  zu  erschöpfen  ist,  die  vielmehr,  wenn 
sie  tiefer  eindringen  will,  immer  wieder  zu  dem  gegen- 
stände zurückkehren  muss.  Und  so  haben  wir  uns  nur  zu 
freuen,  dass  ein  mann  wie  Bergk  sich  einer  revision  der  Momm- 
senschen  ausgäbe  unterzogen  bat.  Das  nicht  wenige  neue,  was  er 
bietet,  beruht  theils  darauf,  dass  er  nicht  selten  den  früheren  le- 
sungen vor  denen  Perrots  den  vorzug  einräumt,  theils  darauf, 
dass  er  bei  seinen  ergänzungen  von  andern  prämissen  ausgeht, 
mitunter  auch  mit  grösserer  kühnheit  verfährt  als  Mommsen. 
Seine  änderungen  sind  natürlich  nicht  immer  Verbesserungen, 
sehr  häufig  stehen  sie  ungefähr  auf  demselben  niveau  der  Wahr- 
scheinlichkeit wie  die  Mommsenschen  annahmen ,  nicht  selten 
aber  scheinen  sie  uns  wirkliche,  obwohl  nicht  gerade  wesentliche 
Verbesserungen  zu  enthalten.  Dabei  hat  der  vf.  bei  jeder  ge- 
legenheit  aus  dem  reichen  schätz  seiner  gelehrsamkeit  lehrrei- 
che bemerkungen  sachlicher  wie  sprachlicher  art  und  insbeson- 
dere auch  zahlreiche,  allerdings  oft  sehr  kühne  conjecturen  über 
Inschriften  oder  stellen  der  klassischen   autoren  ausgeschüttet. 

Um  unseren  lesern  eine  Vorstellung  zu  geben  von  dem  ver- 
hältniss  der  Bergkschen  zu  der  Mommsenschen  ausgäbe,  scheint 
es  uns  nothwendig ,  die  abweichungen  derselben  in  der  ersten 
der  sechs  lateinischen  tafeln  und  in  den  entsprechenden  griechi- 
schen tafeln  (I — IV,  z.  7)  mit  weglassung  einiger  kleinigkei- 
ten  vollständig  anzuführen.  Wir  stellen  diejenigen  voran,  wel- 
che uns  entschieden  annehmbar  scheinen. 

In  der  (nicht  von  Augustus  herrührenden)  Überschrift  wird 
aus  äusserlichen ,  auf  den  räumlichen  Verhältnissen  beruhenden 
gründen  im  griechischen  text  zu  Ssßaatoü  noch  &sov  und  am 
ende  aus  Dio  Cass.  LVI,  33  noch  Tzgng  ygcpqp  aviol  hinzuge- 
fügt. (Sonderbarer  weise  wird ,  um  dies  beiläufig  zu  bemerken, 
wegen  der  ausdrücke  excmplar  subiectum  und  imeyydq'ijoav  ange- 
nommen (p.  ]0),  dass  diese  Überschrift  ursprünglich  auf  der  ba- 
sis  einer  bildsäule  des  Augustus  gestanden  habe  und  von  dort 
entlehnt  sei.  Allein  heisst  nicht  subiectum  (ebenso  wie  vnsyQoi- 
(ptjaar)  dasselbe    wie    das    gewöhnliche    infra    scriptum    est    d.  h. 


Nr.  8.  220.  Epigraphik.  387 

etwa:  „ist  folgendes  eine  abscbrift"  ? ).  —  Z.  6  (der  lateini- 
schen inschrift).  Bergk :  respublica  ne  quid  detrimenti  caperet,  me 
pro  praetor x  simul  cum  consulibus  providere  iussit  ;  Mommsen: 
respublica  ne  quid  accideret ,  a  senatu  mihi  pro  praetore  simul 
cum  consulibus  tradita  est  tuenda.  Es  leuchtet  ein ,  dass  die 
Bergksche  herstellung  sich  vor  der  Mommsenschen  entschieden 
durch  die  klare  und  herkömmliche  ausdrucksweise  empfiehlt ; 
sie  ist  dadurch  möglich  gemacht,  dass  in  dem  griechischen  text, 
auf  welchem  die  herstellung  des  lateinischen  zum  tbeil  beruht, 
durch  eine  glückliche  conjectur  ß^-aßy  statt  des  Kirchhoffschen 
ovußt]  ergänzt  worden  ist.  Die  erhaltenen  Überreste  beider  in- 
schriften  gestatten  übrigens  die  Bergksche  restitution  vollkom- 
men eben  so  gut  wie  die  Mommsensche.  —  Z.  13.  Bergk  :  Bella 
terra  et  mari  civilia  externaque  toto  in  orbe  terrarum  sedavi ;  Momm- 
sen :  Arma  —  sustinui,  letzteres  eine  ausdrucksweise,  die  uns  nicht 
einfach  genug  und  der  art  des  Augustus  wenig  entsprechend 
scheint.  Es  dürfte  dies  in  der  that  einer  der  fälle  sein,  wo  die 
früheren  lesungen  (Luc. :  LIA,  Mordtm. :  LLA)  vor  der  Perrot- 
schen  (RMA)  den  Vorzug  verdienen.  —  Z.  14.  Bergk:  de' 
precantibus  civibus  peperci;  Mommsen:  superstitibus  — .  Ersteres 
scheint  uns  wegen  der  parallelstelle  Vell.  Pat.  II,  86,  2:  victoria 
fuit  clementissima  nee  quisquam  interemptus  est  nisi  paucissimi  et 
ii,  qui  deprecari  quidem  pro  se  non  sustinerent,  das  richtigere, 
wenn  wir  auch  das  Mommsensche  superstitibus  nicht  mit  Bergk 
an  sich  für  unzulässig  halten  können.  Bergk  meint  nämlich, 
Augustus  habe  doch  nicht  sagen  können,  dass  er  die  am  leben 
gebliebenen  bürger  verschont,  denn  die  todten  habe  er  natür- 
lich nicht  noch  einmal  tödten  können  (nam  victorem  in  mortuos 
cives  saevientem  quis  tandem  aequo  animo  ferat  ?  p.  22).  Allein 
ist  es  nicht  ein  ganz  passender  gedanke,  wenn  Augustus  sagt : 
diejenigen  bürger,  welche  der  krieg  nicht  hinweggerafft,  habe 
auch  er  verschonen  wollen?  Auf  der  anderen  sehe  können 
wir  auch  Mommsen  nicht  beistimmen,  wenn  er  behauptet:  weil 
unmittelbar  darauf  von  den  nichtbürgern  gesagt  werde,  dass  die- 
jenigen von  ihnen  am  leben  gelassen  worden  seien,  die  er  ohne 
gefährdung  seiner  Sicherheit  habe  verschonen  können  (quibus 
tuto  parcere  potui,  Bergk :  quibus  tuto  ignosci  lieuit),  so  bedürfte 
es  in  betreff  der  bürger  einer  plenior  asseveratio,  d.  h.  so  müss- 
ten  diese  alle  gerettet  sein.     Allein  lässt  das  quibus  tuto  parcere 

25* 


388  220.  Epigraphik.  Nr.  8. 

potui  im  munde  des  Augustus  nicht  eine  sehr  grosse  menge  von 
ausnahmen  der  nicht  geretteten  zu?  und  bleibt  also  der  gegen- 
satz  der  bürger  nicht  gross  genug,  wenn  von  diesen  alle  ge- 
rettet wurden  die  um  Verzeihung  baten?  —  Z.  18.  19.  Bergk  : 
iis  omnibus  agros  adsignavi  aut  pecuniam  pro  praemis  militiae 
dedi;  Mommsen :  iis  omnibus  agros  a  me  emptos  aut  pecuniam  pro 
praediis  a  me  dedi.  Auch  hier  stützt  sich  Bergk  auf  eine  ältere 
lesung,  nämlich  auf  die  des  Lucas,  welcher  vor  dedi  die  buch- 
staben  AE  bietet,  während  sonst  überall  ME  gelesen  worden 
ist.  Die  Mommsensche  lesung  scheint  aber  in  der  that  unzuläs- 
sig zu  sein;  denn  wenn  bekanntlich  im  j.  5  n.  Chr.  das  aera- 
rium  militare  gegründet  wurde,  um  daraus  den  ausgedienten 
Soldaten  ihren  bestimmten  lohn  zu  zahlen,  und  wenn  zu  dessen 
füllung  die  bekannten  steuern  eingeführt  wurden ,  so  dass  Au- 
gustus, wie  er  selbst  P.  III,  z.  36  sagt,  nur  einen  beitrag  zur 
beihülfe  leistete,  so  kann  Augustus  an  unserer  stelle  sich  un- 
möglich rühmen,  dass  er  diesen  Soldaten  allen  aus  eignen  mit- 
tein ländereien  oder  das  geld  dafür  gegeben  habe.  —  Endlich 
scheint  uns  auch  die  restitution  der  stelle  z.  33 — 35  und  der 
entsprechenden  stelle  der  griechischen  Inschrift  P.  III,  z.  7 — 9, 
auf  welcher  jene  hauptsächlich  beruht,  vor  der  Mommsenschen 
den  Vorzug  zu  verdienen.  Die  abweichung  besteht  hier  im  we- 
sentlichen darin,  dass  Bergk  ovzcog  iTzsTi'jdsvoa,  wm'  statt  ol 
noiTjödfisvog  apeXäg  und  iXev&sgöJaai  statt  iXavöeowoa  schreibt, 
und  es  scheint  uns  wenigstens  so  viel  unzweifelhaft,  dass  die 
Bergksche  restitution,  die  sich  übrigens  auch  genauer  an  die 
erhaltenen  Überreste  anschliesst,  sich  vor  der  Mommsenschen 
durch  klarheit  und  einfachheit  des  ausdrucks  empfiehlt. 

Dagegen  ist  es  uns  völlig  unverständlich,  warum  Bergk  z.  9  das 
Mommsensche  creavit  mit  designavit  vertauscht  hat.  Es  handelt 
sich  hier  um  das  erste  consulat  des  Augustus,  welches  ihm  am  19. 
august  711  d.  st.  durch  eine  vorzüglich  aus  seinen  Soldaten 
bestehende  Volksversammlung  übertragen  wurde,  und  um  seine 
ernennung  zum  triumvir.  Kann  man  hier  von  einer  designi- 
rung  reden?  —  Eben  so  wenig  scheint  uns  z.  19  die  Verwer- 
fung der  vollkommen  passenden  Mommsenschen  ergänzung  prac 
ter  eas  gerechtfertigt.  Bergk  nimmt  au  der  ausdrucksweise  ei- 
nen völlig  ungegründeten  anstoss  und  schlägt  dafür  fere:  eas 
vor,    indem    er  am   ende  nach  fuerunt  trotz   des  Zeichens,   dass 


Nr.  8.  220.  Epigraphik.  389 

damit  das  kapitel  schliesst,  adlevavi  hinzufügt,  was  er  durch 
tabulato  addito  sublimare  —  uns  unverständlich  —  erklärt.  — 
Auch  die  schwierige  stelle  in  dem  griechischen  text  P.  III,  z. 
15  fl.  (der  lateinische  text  fehlt  hier  ganz)  wird  man  kaum  in 
befriedigender  weise  so  hergestellt  finden:  rjigeütjv  inifie'kijT^s 
rav  ts  voftcov  aal  tööv  zpöncov,  ttjv  ixsyißTTjV  naoa^aßmv  rüiv 
XeiQOTor?]T(X)v  UQXtjv  ovde  poi ,  da  die  ergänzung  durch  flQe&t]P 
das  mass  des  disponibeln  raums  überschreitet  und  räv  %tiQO- 
rovrjTGJv  (statt  isiqozov^&oh'  der  inschrift)  einen  unnöthigen  und 
ungewöhnlich  ausgedrückten  zusatz  bildet.  Freilich  sind  auch 
die  restitutionen  von  Kirchhoff  und  von  Zumpt  (in  einer  später 
veröffentlichten  abhandlung)  nicht  eben  befriedigend. 

Die  übrigen  Veränderungen  gehören  zu  denen,  die  wir  in- 
different nennen  möchten,  d.  h.  zu  denen,  für  die  sich  ungefähr 
eben  so  viel  sagen  lässt  wie  für  diejenigen,  an  deren  stelle  sie  tre- 
ten sollen.  So  z.  3 :  pro  quo  merito  statt  propter  quae,  z.  5 :  nequß 
ita  multo  post  statt  eodemque  tempore,  z.  8:  uterque  cos.  statt  con- 
sul  uterque,  z.  12:  in  acie  statt  acie ,  z.  15:  ignosci  licuit  statt 
parcere  potui,  z.  18:  plura  statt  plus,  z.  20:  biremesf?)  statt  tri" 
remes,  z.  21:  curulis  statt  currulis(t),  z.  22:  postea  für  deinde,  z. 
23:  super sedi  iis ,  et  tantum  statt  iis  super sedi  et  tantummodo,  z. 
24  :  a  me  aut  statt  aut  a  me  aut,  z.  25  :  quadragiens  statt  quinqua- 
giens,  z.  26  :  dies  hi  für  dies,  z.  29:  et  er  am  tricensimum  septimum 
tribuniciae  potestatis  statt  annumque  trigesimum  septimum  tribuniciae 
potestatis  agebam,  z.  31:  iussu  populi  et  senatus  statt  a  senatu  popu- 
loque ,  z.  35:  consulatumque  mihi  tum  annuum  et  perpetuum  datum 
statt  tum  consulatum  mihi  datum  et  annuum  et  perpetuum,  z.  38 : 
senatus  populique  Romani  consensu  für  senatu  populoque  Romano  con- 
sentientibus.  Und  ähnlich  verhält  es  sich  auch  mit  den  meist  da- 
mit zusammenhängenden  änderungen  des  griechischen  textes. 

Im  allgemeinen  wollen  wir  noch  bemerken,  dass  die  neue 
ausgäbe  dadurch ,  dass  sie  die  abweichungen  der  verschiedenen 
lesungen  unter  einander  und  die  Unsicherheit  zahlreicher  ergän- 
zungen  und  herstellungen  recht  sichtbar  macht,  den  schon  von 
Mommsen  ausgesprochenen  wünsch  lebhaft  in  uns  erweckt,  dass 
das  denkmal  (mit  rücksicht  auf  die  beiden  neuen  ausgaben)  ei- 
ner neuen  gründlichen  Untersuchung  an  ort  und  stelle  unter- 
zogen werde.  Sollte  nicht  namentlich  eine  photographische  auf- 
nähme (ein  abklatsch  ist  nach  Perrot  nicht  thunlich)  für  gewin- 
nung einer  objeetiven  grundlage  von  nutzen  sein  ? 


390  221.  Stobaeus.  Nr.  8. 

221.     0.  Hense   lectiones  Stobenses.      8.      Halis.    1872. 
40  s.  —      10  ngr. 

Der  Verfasser  behandelt  in  dieser  habilitationssclirift  zahl- 
reiche bruchstücke  der  tragiker  und  komiker ,  welche  bei  Sto- 
baeus erhalten  sind,  und  verfolgt  besonders  die  spuren  der  in- 
terpolation.  Mit  genauer  kenntniss  des  Sprachgebrauchs  und 
gründlicher  und  scharfsinniger  erforschuug  des  sinnes  und  Zu- 
sammenhangs sind  mehrere  bruchstücke  in  wahrscheinlicher,  ei- 
nige in  evidenter  weise  verbessert.  Zu  den  guten  emendatio- 
nen  rechne  ich  z.  b.  Eur.  fr.  245  (Stob.  Flor.  54,  10) : 
bXiyov  alxtuov  'Soqv 

xqbiggov  novtjQoii  ftvQi'ov  Gtgarsvfiaiog, 
für  xqhggov  atQarijyov  (den  richtigen  gedanken  hat  bereits 
Wagner  angegeben:  „in  GTQat?]yov  aperte  Vitium  latet;  deest  enim 
aliquid  ad  sententiam  explendam  velut  (ii'uidgov  vel  simile  quid"), 
dann  die  herstelluug  des  bruchstücks  eines  unbekannten  tragi- 
kers  bei  dem  scholion  zu  Soph.  0.  R.  296  6  prj  zb  sgyov 
deöoixwg  ouds  zbv  löyov,  worin  Hense  einen  tetrameter  erkennt: 

[oog)  o   fit]   zovgyov   8e8oixa>g  ovds   [dt'dis]   zbv   loyov, 
ferner  die  emendation  von  Eur.  fr.  585  (Flor.  54,  8): 

Grgazijläzai  zav  iavqioi   ysvol^•&,  u/a<x.   (für  yEVoifiS&a), 

Goqibg  8  uv  sig  zig  rj  öv'1  iv  fiaxgw  XQ^'cP> 
endlich  die  emendation  in  den  versen  des  Epicharmos  (Flor.  38, 
21)  nag''  ol>8t'v  (für  ydg  ovdstg).  Oefters  bieten  sich  bei  solchen 
abgerissenen  sätzen  verschiedene  möglichkeiten  der  emendation, 
so  dass  die  Sicherheit  fehlt.  Z,  b.  betrachtet  Hense  in  dem 
bruchstück  des  Sosiphanes  (Flor.  20,   18) : 

vvv  aoi   ngog   oxpiv   &vftbg   tjßäzoi,  ysgor, 

vvrl   8h  bgytjv  ipix1   svötznv   laßnir, 
die  worte    vwl    öei  als  ergänzung  einer  lücke:    vvv  {ßgyor)  6  g- 
yi\v.     Ebenso  gut  kann  man  tmvt    8h  als  glossem  z.  b.  von  vvv 
xctighg  ansehen.     In  dem  bruchstück   des  Euripides  (Flor.  68,  12) : 

vöfioi  yvvaixmv  ob   xaXäg   xtlvtai   ns'gi' 

XQV  y,xQ  rov  £V7Vj[oui'&'   an   nXeiazag   «#«»•, 
will  Hense  durch  Umstellung  helfen  : 

zbv  svzv%ovvza   xqIjv  %aQ   on   nXeianxg   ej^hp' 
Vielleicht  ist  der  gewöhnliehe  gegensatz  tig  nkeinzog  verwischt: 

XqIijv  yag  tov  tvtvxovvtf  tv    ort.  n).ei\nag  steift* 
Die  anderung  von  Eur.  fr.  608  (Flor.  49,  7): 


Nr.  8.  222.  Miscellanea  391 

q>CXovg  ts  noo&siv  aal  aaiaatavi.lv  XQs®vi 

jrXsiatog  cpößog  tiqoosgu  firj    dgaocooi  ti 
in  folgende  fassung: 

nöXsig  ts  TiOQÜslv  aal   aataatavstv  xqswv 

cpü.ovg'  qiößog  ngoassti  pij  dodacoaC  ti, 
ist  schon  wegen  des  unmöglichen  asyndetons  unstatthaft.  In 
dieser  beziehung  ist  jedenfalls  Pflugk's  vermuthung  srtsl  qioßog 
TTQÖasori  vorzuziehen.  Schon  Nauck  hat  noXeig  ts  tzoq&siv  aai 
qiXovg  atavsTv  %Qtcav  vermuthet  und  allerdings  mag  nXslatog 
aus  noXsig  mg  oder  vielmehr  nöXsig  tolg  zusammengezogen  sein, 
wonach    man  schreiben  könnte : 

nöXsig  ts  nog&elv  aal  tptXovg  xataxtavsTv 

%qtJ,  tolg  qößog  ngöaeati  ut)   dgäouGt  tu 

222.  Volk  mann,  observationes  miscellae.  4.  Jauer. 
1872.     (Programm). 

Der  durch  seine  sorgfältigen  arbeiten  auf  dem  gebiete  der 
alten  rhetoriker  und  des  Plutarch  insbesondere  bekannte  und 
als  kritiker  nicht  minder  bewährte  Verfasser  bietet  in  dem  oben 
genannten  programm  unter  nr.  1 — 34  eine  reihe  trefflicher  con- 
jecturen  ,  die  sich  zur  hälfte  auf  griechische,  zur  hafte  auf  la- 
teinische autoren  beziehen ;  ausgenommen  sind  nr.  1  und  2, 
welche   von    dem  älteren  und  Jüngern  Hermagoras  handeln. 

In  nr.  3  vergleicht  Volkmann  die  Quaestiones  convivales 
Plutarchs  mit  dem  siebenten  buch  der  Saturnalia  des  Macrobius 
und  behauptet  mit  Doehner,  dass  Plutarch  nicht  vollständiger 
geschrieben  habe,  als  er  uns  jetzt  erhalten  ist,  so  z.  b.  II, 
1,  5.  An  dieser  stelle  scheint  mir  Volkmann  zu  weit  zu  ge- 
hen; denn  die  worte  :  „ösofidg  an  6  zfjg  i nag% i ag  asaöfiiaag 
avtc'.g"  geben  ja  völlig  den  verlangten  sinn,  dass  Quintus  kurz 
vorher  eine  provinz  verwaltet  habe,  nuper  so  zu  deuten,  als  ob 
Macrobius  von  sich  aus  gerechnet  hätte,  geht  freilich  nicht;  es 
ist  überhaupt  in  beziehung  auf  die  bald  folgende  erkrankung 
und  den  daran  sich  knüpfenden  witz  zu  bringen  =  eben,  kurz 
vorher,  noch  nicht  lange.  —  Ebenso  entspricht  nach  Volk- 
manns ansieht  Plut.  Zvfinoa.  I,  1,  1  =  Macr.  VII,  1,  4  und 
I,  1,  3  =  VII,  1,  12.  —  Nr.  4)  Dass  in  den  2vfinoa.  manches 
fehle,  lehrt  die  vergleichung  von  Gell.  III,  6,  3  und  Plut.  VIII, 
4;   5.      Denn  für  die  worte  jenes:    propterea,    inquit  Plutarchus , 


392  222.-  Miscellanea.  Nr.  8. 

in  certaminibus  palmam  signum  esse  placuit  victoriae ,  quoniam 
ingenium  ligni  eiusmodi  est ,  ut  urgentibus  opprimentibusque  non 
cedat.  —  Nr.  5)  Gell.  NA.  XVII,  11,  6  enthält  richtigeres  als 
Plut.  Svf*n.  XII,  1 ;  doch  darf  man  letzteren  nach  ersterem 
nicht  eher  verbessern,  als  bis  sicher  und  ausgemacht  ist ,  was 
eigentlich  in  den  handschriften  Plutarchs  steht.  —  Nr.  6)  Plut. 
Cic.  29  lege:  o  v  %  co  g  8s  nXslovsg  edo^uv  xzX.  —  Nr.  7)  Ga- 
lan, de  opt.  doctr.  I  lege:  Xsysi  8s  r  6  avzo  it>  reo  ngog  'Enlxrtj. 
zov,  iv  io  8)]novOsv  snriv  Oitjötuog  g  TJXovzuq^ov  SovXog  Enix- 
ztjrqj  8iaXsy6(xtrog.  xai  [isvzoi  xav  tco  fxsza  zavza  ygaqivzi  ßi- 
ßXicp  'ylXxißiaS  tj  xai  zovg  aXXn v g  'Ax.a8)]niaxovg  inausi  xzX. 
Dieser  Onesimus  ist  nach  Volkmann  derselbe  nequam  homo  et 
contumax,  von  welchem  Taurus  bei  Gell.  NA.  I,  26,  5 — 9  eine  er- 
götzliche anekdote  erzählt.  —  Nr.  8)  Galen,  adhort.  ad  artes 
addiscendas  cap.  13  lege:  %vXov  —  8  t]  X  cöaag.  Wozu?  sehe 
ich  nicht  ein.  Denn  der  plural  %vXa  bedeutet ,  dass  der  junge 
mann  jedes  einzelne  stück  holz  so  spaltete;  nXi]yc6<jag  d. 
i.  füllend,  was  er  an  kraft  hatte  =  er  nahm  seine  ganze  kraft 
zusammen.  In  demselben  kapitel  ist  zu  lesen:  Ä«|  no8\  — 
aax/jtoQsg,  sowie  iv  hinter  tjxsiv  zu  streichen.  —  Nr.  9)  Bei 
Plutarch  de  aud  poet.  p.  16  C  liest  Wyttenbach  ivtjQpo&r,  da- 
gegen Volkmann  statuirt  eine  lücke  zwischen  Aloänov  und 
zolq  snsai.  —  Nr.  10)  Statt  des  von  Madvig  Adv.  crit.  I,  p. 
23  zu  Plut.  de  commun.  notit.  c  32,  p.  1075  E  vorgeschlage- 
nen töjp  xsxoayuäzav  empfiehlt  Volkraann  die  lesart  (fovayfxä- 
zwv. —  11)  Bei  Lucian.  Ver.  Hist.  II,  25  liest  Volkmann:  ovx 
aepartig  i\v  8eit><äg  ayunäaa  zhv  isatiaxov  '  noiXaxig  yovv  xai 
iasvBVOV  äXXijXoig  iv  zw  avunoaiq).  Vulgata:  imvmg  —  Sts- 
vsvor,  Dindorf:  intfiatuig.  Vielleicht  ist  zu  lesen  i/iipotcog  = 
dauernd,  fortwährend;  dies  würde  den  worten  im  rzoXin  %Qctov 
t]8t]  entsprechen.  —  Nr.  12)  Luc.  negi  zqg  JlsQtyQivov  zeXsv- 
rtjg  26:  tva  xai  Svo.  ibid.  39:  in  lo'aav  und  xazaysX  cor. — 
Nr.  13)  Apoll.  Ehod.  I,  76  :  ozs  xXirt]6i  qxiXayyag  =  cum 
aciem  in  fugam  vertit.  Vielleicht  ist  besser  zu  schreiben  oze 
xXircoat  cpiD.ayysg  =  wenn  die  reihen  fliehen;  xXfim  wäre  dann 
intransitiv  gebraucht.  Das  adverb  nsznniadev  ist  aber  jeden- 
falls mit  bezug  auf  die  stelle  bei  Hom.  II.  13,  716  gesagt,  wo 
die  gefährten  des  kleinen  Aias  folgendermassen  gerühmt  werden: 
dXX'  uqu  zö^oiatr  xai  svatQsqsl  olbg  äoircp 


Nr.  8.  222.  Miscellanea.  393 

litov  slg  afx  (novzo  mnoiftötsg,  olaiv  eneita 
Tugcpea  ßäXXoprsg  Tqcooov  Qriyvvvio  qxxXnyyag. 
8tj  qu  7o'#'  oi  fisv  tiqÖg&e  gvv  svzeoi  duiduXeotöiv 
fidgvavro  Tgcociv  zs  aal  "Extoqi  %alxoxoQV<7zri  , 
oi  ö"1  ort  i&ev  ß  dWo  v  z  s  g  iläv&avov. 
Nr.  14)  Schol.  Pind.  Ol.  V,  42  lege:  Jrj/i^TQiog  ö  2arj\pi09 
vsäv  dtuxoGfi  oo.  —  Nr.  15)  Aristod.  p.  355,  19  ed.  Wescher. 
ist  mit  Maehly  zu  lesen  el  t e  i%1£oito  r\  noXig  und  dg  ztjv 
&sov. —  Nr.  16)  Hör.  Od.  I,  7,  29  lege:  ambigua  tellure  novam 
Salamina  futurarn  =  in  einem  noch  unbestimmten  lande  werde 
ein  neues  Salamis  ihre  heimath  werden.  —  Nr.  17)  Schol.  Hör. 
ad  Epod.  XVII,  73  lege:  Svgagsazovfisvtj  i.  e.  cui  nihil  placet,  quae 
vitam  fastidiat  tot  suppliciis  cleditam.  aegrimonia.  angor.  tristitia.  — 
Nr.  18)  Apul.  Apol.  cap.  4  scribendum:  qui  primus  sese  philoso- 
phum  nuncupavit.  —  Nr.  19)  Nach  Verwerfung  der  von  Un- 
ger  und  Haupt  vorgeschlagenen  emendationen  verbessert  Volk- 
mann die  stelle  bei  Quint.  Inst.  Or.  VIII,  3,  54  so:  cum  is  apud 
ipsum  dec.'amans  u.  s.  w.  —  Nr.  20)  Senec.  Ep.  5,  7  lege:  dices: 
quid  ergof  ista  tarn  diver sa  pariter  eunt?  Ebenso  bei  Cl. 
Mamert.  Genethl.  11:  ambo  pariter  eunt  quam  iunctim  ince- 
duntt  —  Nr.  21)  Dass  Seneca  vielfach  durch  änderung  eines 
buchstabens  geheilt  werden  könne,  haben  Haase,  Haupt  und 
Madvig  bewiesen.  Sen.  Ep.  3.  lege:  hie.  8,  3:  miserrime  und 
h  abemur.  8,  5:  texerit.  —  Nr.  22)  Fickert  und  Haase  ha- 
ben viele  treffliche  conjekturen  nicht  berücksichtigt.  Nach  Volk- 
mann sind  solche  zuzulassen  in  Ep.  8:  quam  multi  —  tragoe- 
dias.  Interpolirt  sind  die  worte  et  sunt  inter  comoedias  ac 
tragoedias  mediae.  14,  8:  ille  est  enim  qui  Siculum  pelagus  ex- 
asperet  et  in  vertices  cogat.  100,  9:  scripsit  enim  bis  libros.  — 
Nr.  23)  Sen.  Ep.  9,  16  lege:  cum —  adquieseet.  —  Nr.  24)  Ep. 
12  versteht  Volkmann  die  worte  non  enim  citamur  ex  censu 
nicht;  sie  heissen:  wir  werden  nicht  nach  der  liste,  in  welche 
wir  bei  der  geburt  eingetragen  werden,  abgerufen,  sondern  ohne 
einhaltung  der  reihenfolge.  Vgl.  die  note  Murets :  ex  aetate.  in 
libris  enim  censualibus  etiam  aetas  cuiusque  notabatur.  Hae  sunt 
quas  naidoyoacpCag  Modestinus  vocat.  Am  schluss  :  lege  :  qui  Sy- 
riam  usura  suam  fecit.  —  Nr.  25)  Ep.  18  lege :  sed  misceri 
omnibus. —  Nr.  26)  Ib.  24,  1  :  t e.  27,  1  :  adeo.  29,  2:  spar- 
gendum    manu    est    und    aliquantum.       38,   2:  capiat.       49,   1: 


394  222.  Miscellanea.  Nr.  8. 

ac  Pompeiorum  tuovum  conspectus.  58,  8:  docebat.  Ebenda 
sind  die  worte  ut  Aristoteles  ait  interpolirt.  58,  33:  utrumne 
faex  sit.  —  Nr.  27)  Lact.  Inst.  div.  II,  16:  verum  aperire.  III, 
4:  ut  eam  videamus  iampridem  suis  armis  esse  confectam.  — 
Nr.  28)  ib.  III,  6:  in  medio  constitutum  pontem  qui  Mos  ad 
sapientiam  transmitteret.  Doch  ist  es  viel  einfacher,  die  lesart 
forem  beizubehalten  und  so  zu  erklären :  sie  übersehen  die  in 
der  mitte  befindliche  thüre.  Denn  gerade  so  gut  wie  eine 
brücke,  über  die  man  geht,  zur  Weisheit  zu  führen  im  stände 
ist,  vermag  dies  die  thüre,  durch  welche  man  ins  zimmer  tritt. 
III,  12:  sine  scientia  et  virtute.  III,  14:  unde  apparet  aut  Py- 
thagoram  eum  voluisse  laudare.  IDI,  28:  quomodo.  IV,  14: 
Artaxerxi,  IV,  20:  mali.  23:  sed  ipsi.  27:  non  vor  mi- 
scebimus  ist  ausgelassen.  28:  satius.  VI,  13:  quae  Ms.  23: 
exagitavit.  VII,  3:  fatetur.  —  Nr.  29)  Interpolationen  sind 
vielfach  eingeschlichen ;  so  ib.  II,  3  :  aliud  quidem  ille,  cum  haec 
diceret,  sentiebat;  nihil  utique  esse  colendum,  quia  dii  humana  non 
curent.  II,  14:  sie  enim  latino  sermone  daemonas  interpretantur. 
—  Nr.  30)  Trypho's  werk  über  die  tropen  (Walz.  Rhet.  gr.  VIII, 
p.  728)  hat  Volkmann  nach  einer  breslauer  handschrift  von  neuem 
verglichen,  aber  nichts  neues  gefunden.  —  Nr.  31)  Eine  neue 
collation  der  breslauer  handschrift  der  rede  des  Aristides  auf 
Bacchus  (or.  IV  tom.  I,  p.  47  ed.  Dind.)  hat  blos  zwei  neue 
lesarten  geliefert :  p.  47  ist  zu  lesen  t  w  dtovvacp,  p.  49  tm 
All.  —  Nr.  32)  Die  von  Sengebusch  Diss.  hom.  prior  p.  108 
und  127  aufgestellte  behauptung:  „die  Schriften  Homers  seien  350 
zur  zeit  des  Aeschines  schon  sehr  verderbt  gewesen,  wie  aus 
den  lesarten  der  citate  hervorgehe",  widerlegt  Volkmann,  wie 
mir  scheint,  sehr  richtig  dadurch,  dass  solche  citate,  die  durch  die 
öffentlichen  schreiber  vorgelesen  wurden,  ursprünglich  der 
rede  nicht  eingefügt,  waren,  sondern  erst  in  spä- 
teren Jahrhunderten  von  den  grammatikern  oder 
abschreibern  hin  ei  ng  eset  z  t  wurden. —  Nr.  33)  Hör. 
Od.  I,  2,  21  ff.  verlangt  Volkmann  die  lesart  perissent  statt  peri- 
rent.  Unnöthig;  denn  Naucks  erklärung  schützt  die  vulgata 
vollkommen.  —  Nr.  34)  den  vers  des  Lucilius  bei  Cic.  Tusc. 
I,  5,  10  stellt  Volkmann,  um  einen  eleganteren  versbau  zu  ge- 
winnen, in  folgender  weise  um  :  saxum  nitendo  sudans  neque  pro- 
ficit  hilum.     Lucian.  'AXe^aidQOj  (II,  32),  cap.  28  steht  der  vers  : 


Nr.  8.  223,  Miscellanea.  395 

Mqxtri  dtXqo&ai  voiiaoio    IvyQij^   inancoy/jV) 
in  diesem    ist  nach  Volkmann  vovaoio  in  vovaov   umzuändern, 
weil  die  erste  silbe  des  folgenden  adjektivs  lang  sei. 

C.  Härtung. 

223.  Henrico  RudolfoDietschio  ...  rectoris  et  pro- 
fessoris  primi  [regiae]  scholae  [Grimensis]  munere  amplissimo 
.  .  .  rite  se  abdicanti  otium  honestissimnm  qua  par  est  pietate 
et  observantia  collegarum  nomine  gratulatur  Bernardus  Din- 
ier. Inest  satura  grammatica.  Lipsiae.  typis  B.  G.  Teubneri. 
4.     1872.     19  pp. 

Ursprünglich  hatte  der  vf.  vorliegender  gratulationsschrift 
für  den  in  ruhestand  tretenden  rector  Dietsch  ein  anderes  ngo- 
ncfiTzzi-Aov  bestimmt;  was  aber  jetzt  der  vf.  geboten  hat,  will  er 
nicht  als  cupedia  philologa ,  sondern  nur  als  frustula  eruditionis 
angesehen  wissen.  Nach  einer  anspräche  an  den  gefeierten, 
welchem  die  abhandlung  gewidmet  ist,  folgt  durch  den  gewähl- 
ten titel  satura  grammatica  veranlasst  gleichsam  pro  gustu  p.  5  —  7 
eine  erörterung  über  die  bedeutung  von  satura,  und  dann  in  drei 
theilen  kritisch  -  exegetische  beitrage  zur  rede  Caesars  bei  Sali. 
Cat.  51,  als  uva  passa  dargeboten,  hierauf  polentae  loco  bemer- 
kungen  über  eigenthümlicbkeiten  des  Sprachgebrauchs  bei  Cae- 
sar;  zum  Schlüsse   nuclei  Horatiani. 

Bei  einer  schrift  von  Dinter  interessirt  vor  allem  dasjenige, 
was  sich  auf  Caesar  bezieht  (p.  13 — 16).  Nach  kurzen  notizen 
über  das  vorkommen  der  Steigerungsgrade  von  auctus  und  se- 
cundus  sowie  über  den  passiven  gebrauch  von  partitus  wird  im 
anschluss  an  die  stelle  BGall.  II,  20,  1  vexillum  proponendum  . .  ., 
signum  tuba  dandum,  .  .  .  Signum  dandum  der  letzte  ausdruck 
prägnant  im  sinne  von  21,  3  proelii  committendi  signum  dedit 
erklärt  und  dieselbe  deutung  für  eine  reihe  anderer  stellen  vor- 
geschlagen. Das  una\  siQtjfiitov  bei  Caesar  signa  tollere  BCiv. 
II,  20,  4  wird  durch  proficisci  erläutert  ;  ferner  wird  die  aus- 
lassung  des  demonstrativums  eo  bei  commoti  quod  BGall.  III,  23, 
1  und  perturbati  quod  BCiv.  I,  73,  1  als  eigenthümlich  und  be- 
merkenswerth  hervorgehoben.  Die  stelle  BGall.  V,  20,  1  Man- 
dubracius  .  .  . ,  cuius  pater  .  .  .  regnum  obtinuerat  .  .  . ,  ipse 
fuga  mortem  vitaverat,  bildet  den  ausgangspunkt  zu  einer  erörte- 
rung über  die  fortsetzung  einer  relativen  construction  durch  das 


396  223    Miscellanea.  Nr.  8. 

demonstrativum ,  wobei  das  material  unserer  schulgrammatiken 
theils  ergänzt  theils  berichtigt  wird ,  aber  gegen  eine  note  von 
Jacobs  zu  Sali.  Jug.  14,  16  ganz  unnöthiger  weise  polemisirt 
ist.  Noch  weniger  berechtigt  erscheint  die  im  folgenden  gegen 
Jacobs  zu  Jug.  31,  11  gerichtete  bemerkung,  da  die  richtige 
lesart  in  imperio  durch  Jacobs  selbst  in  der  schon  vor  zwei 
Jahren  erschienenen  fünften  aufläge  aufnähme  und  entsprechende 
erklärung  gefunden  hat.  Die  übrigen  stellen  aus  Caesar,  wel- 
che der  vf.  besprochen  hat,  sind  BGall.  VI;  35,  7  hello  latroci- 
niisque  natos,  wo  die  von  Heller  bestrittene  tilgung  der  präposi- 
tion  in  schüchtern  vertheidigt  wird;  VII,  56,  2,  wo  die  Verbin- 
dung von  impediebat  mit  ut  durch  ein  beispiel  aus  Cicero  p. 
Rose.  Am.  52,  151  belegt  ist;  BCiv.  III,  10,  4.  5,  wo  der  Über- 
gang aus  passiver  zu  activer  structur ,  und  III,  25,  1  hiems 
praecipitaverat,  wo  der  intransitive  gebrauch  des  verbums  anlass 
zu  bemerkungen  geboten  hat. 

Aus  Horatius  finden  drei  stellen  (p.  16  f.)  behand- 
lung:  Sat.  1,  5,  87  ist  das  oppidulum  quod  versu  dicere  non  est 
zwar  nicht  gefunden ,  aber  doch  gezeigt ,  dass  in  dem  namen 
eine  iambische  oder  trochäische  dipodie  vorkommen  musste, 
wodurch  allein  sofort  Equus  Tuticus  und  Ausculum  ausser  be- 
tracht  kommen.  Ep.  I,  1,  58  sed  quadringentis  sex  septem  milia 
desunt  wird  die  gekünstelte  interpretation,  wonach  sex  zu  qua- 
dringentis und  nur  septem  zu  milia  zu  beziehen  wäre,  trotz  der 
cäsur  kaum  auf  beifall  rechnen  dürfen.  Ep.  II,  2,  171  wird 
vicina  refugit  iurgia  in  recusat  geändert ,  was  weder  graphisch 
sehr  nahe  liegt  noch  auch  dem  sinne  nach  vor  Horkels  schöner 
emendation  re/ringit  den  vorzug  verdient. 

Wie  dem  umfange  so  sind  auch  dem  werthe  nach  die  bei- 
trage zu  Sali  us ti us  (p.  7 — 13)  der  bedeutendste  theil  der 
Schrift.  Cat.  50 ,  4  Tum  D.  lunius  Silanus  primus  sententiam 
rogatus  .  .  .  supplicium  sumundum  decreverat  isquc  postea  .  .  . 
pedibus  in  sententiam  Ti.  Neronis  iturum  se  dixcrat.  In  diesen 
einleitenden  worten  zu  der  von  Sallust  dem  Caesar  in  den 
mund  gelegten  rede  hat  Röscher,  Acta  soc.  philol.  Lips.  I,  100 
dixerat  in  dixit  zu  ändern  vorgeschlagen,  was  der  vf.  mit  recht 
unterstützt.  Wenn  aber  der  vf.  gelegentlich  Röscher  tadelt, 
dass  er  in  dem  unmittelbar  folgenden  sätzchen  :  quod  de  ea  re 
praesidiis    additis    referundum  censuerat,    sich   mit  Jordan  bei   der 


Nr.  8.  223.  Miscellanea.  397 

am  besten  beglaubigten  lesart  quod  statt  gui  beruhigt  habe ,  so 
ist  er  entschieden  im  irrthum.  Denn  aus  den  vom  verf.  an- 
geführten beispielen,  in  welchen  Sallust  quod  is  gesetzt  hat,  folgt 
durchaus  nicht,  was  der  vf.  daraus  folgert,  dass  nemlich  Sallust 
auch  hier  der  deutlichkeit  wegen  das  pronomen  is  hätte  hinzu- 
fügen müssen.  Vielmehr  steht  jenen  beispielen  eine  gleich 
grosse  zahl  anderer  stellen  bei  Sallust  gegenüber,  in  welchen 
einfach  quod  ohne  weiteren  zusatz  in  analogen  fällen  gesetzt 
ist.  Diese  stellen  sind  gesammelt  von  Eussner  im  Würzbur- 
ger Festgruss  (1868)  p.  168.  —  Cat.  51,  4  Magna  mihi  co- 
pia  est  memorandi,  patres  conscripti,  quae  reges  atque  populi  .  .  . 
male  consuluerint.  Sed  ea  malo  dicere ,  quae  maiores  nostri  .  .  . 
recte  atque  ordine  fecere.  Die  lesart  der  besten  codd.  Paris,  wird 
bezüglich  des  coniunctivus  consuluerint  gegen  Weinhold,  welcher 
nach  Vat.  3864  consuluerunt  schreibt,  geschätzt.  Wir  setzen 
die  treffende  dai legung  des  vfs.  hierher:  postquam  in  hoc  priore 
membro  sententiae  ea  usus  est  forma  orationis  qua  significaretur 
quid  praeter eundum  sibi  [Caesari]  videretur,  altero  diserte  proponit 
presseque  complectitur  ea  quae  uberius  expositurus  est.  Auch  Cat.  51, 
9  Plerique  eorum,  gui  ante  me  sententias  dixerunt,  . . .  miserati  sunt 
wird  der  im  Paris.  500  überlieferte  pluralis  sententias  durch  eine 
schlagende  beweisführung  gerechtfertigt.  Diese  nachweise  sind 
um  so  bedeutungsvoller ,  da  Weinhold  in  den  Acta  soc.  philol. 
Lips.  I,  199.  201.  221  beide  beispiele  irrthümlicher  weise  her- 
vorgezogen hatte ,  um  dadurch  einen  vorzug  des  cod.  Vat. 
3864  vor  dem  Paris.  500  zu  erweisen ,  während  sie  doch  in 
der  that  das  umgekehrte  verhältniss  darzuthun  geeignet  sind.  — 
Die  worte  Cat.  51,  11  multi  eas  [iniurias]  gravius  aequo  habuere, 
veranlassen  den  vf.  zu  einer  Sammlung  solcher  stellen  in  das- 
sischer  prosa,  welche  hei  verben  des  schätzens  u.  dgl.  den  ge- 
netiv  durch  ein  adverb  ersetzen.  —  Cat.  51,  12  Qui  demissi  in 
obscuro  vitam  habent,  .  .  .  pauci  sciunt,  fama  atque  fortuna  eorum 
pares  sunt.  Mit  der  betrachtung  dieser  stelle  schliesst  der  vf. 
seine  beitrage  zu  Sallustius  ab,  indem  er  zeigt ,  dass  man  ent- 
weder den  ganzen  satz  fama  atque  fortuna  eorum  pares  sunt, 
welcher  die  concinnität  stört ,  streichen  oder  gegen  Weinholds 
einwendungen  „Eussnerianum  illud  variandi  Studium"  bei  Sallu- 
stius anerkennen  müsse. 

Es  übrigt  noch  die  bemerkung,  dass  in  vorstehendem  kei- 


398  224.  Alte  geschickte.  Nr.  8. 

neswegs  der  reiche  inhalt  der  gelehrten  und  sorgfältigen  arbeit 
des  vfs.  erschöpft  ist.  Aus  einer  ganzen  reihe  von  autoren  wer- 
den noch  stellen,  die  p.  18  f.  verzeichnet  sind,  beigebracht, 
auf  welche ,  während  sie  zur  beleuchtung  anderer  stellen  die- 
nen, auch  selbst  wieder  theilweise  ein  neues  licht  fällt. 

224.  Ueber  den  etruskischen  Tauschhandel  nach  dem  nor- 
den. Von  Dr  Hermann  Genthe.  Programm  des  städti- 
schen gymnasiums  zu  Frankfurt  a.  M.    Ostern.  1873.    4.    45  s. 

Mit  trefflicher  klarheit  werden  in  diesem  lehrreichen  pro- 
gramm  die  wichtigen  haudelsbeziehungen  der  industriereichen 
Etrusker  bis  nach  dem  entferntesten  norden  hin  besprochen. 
Im  gegensatz  zu  den  namentlich  in  England  noch  zähe  fest- 
gehaltenen ansichten  von  einer  ausgedehnten  altkeltischen  In- 
dustrie wird  überzeugend  aus  den  stilistischen  ähnlichkeiten  der 
gräberfunde  in  den  verschiedensten  gegenden  auf  gleiche  (etru- 
rische)  provenienz  der  metallarbeiten  geschlossen ,  und  äusserst 
wahrscheinlich  gemacht,  wie,  in  folge  immer  grösserer  einschrän- 
kung  des  einflusses  der  Etrusker  zur  see  nach  osten  hin ,  und 
indem  das  griechische  element  in  Italien  selbst  von  Süden  her 
immer  mehr  ausdehnung  gewann,  die  handelspolitik  der  Etrus- 
ker über  die  schwierigen  alpenpässe  fort  bei  den  nordischen 
Völkerschaften  neue  absatzquellen  für  die  reiche  metallindustrie 
schuf.  Unter  den  tauschobjecten,  welche  die  Etrusker  von  je- 
nen Völkerschaften  einhandelten ,  wird  namentlich  der  bernstein 
und  sein  handel  ausführlich  besprochen.  Die  abhandlung  wird 
hoffentlich  namentlich  die  französischen  gelehrten  anregen ,  die 
reichen  aus  gräberfunden  stammenden  Sammlungen  von  metall- 
geräthen,  welche  in  so  vielen  museen  Frankreichs  zerstreut 
sind,  auf  die  möglichkeit  etrurischer  provenienz  hin  mit  ver- 
gleichung  der  sicher  aus  Etrurien  stammenden  stücke  genau 
•zu  prüfen.  Auch  das  Elsass  wird ,  als  an  einer  der  ältesten 
hauptverkehrsstrassen  gelegen ,  genauer  auf  diese  frage  hin  zu 
durchforschen  sein ;  ich  erinnere  z.  b.  an  den  kürzlich  in  der 
umgegend  von  Colmar  gemachten  fund.  Den  schluss  der  ab- 
handlung macht  eine  nach  den  lokalen  geordnete  fleissige  Über- 
sicht der  fuude  etruskischer  alterthümer. 


Nr.  8.  225.  Griechische  geschichte.  399 

225.  August  Buttmann,  Agesilaus  ,  söhn  des  Archi- 
damus. Lebensbild  eines  spartanischen  königs  und  patrioten. 
Nach  den  quellen  mit  besonderer  berücksichtigung  des  Xeno- 
phon.    Halle,  bucbhandlung  des  Waisenhauses.   8.    1872. —  1  thlr. 

Eine  monographische  behandiung  des  Agesilaos  wird  so- 
wohl wegen  des  interesses,  das  die  persönlichkeit  des  tapferen 
Spartanerkönigs  unbedingt  hat,  als  auch  der  Wichtigkeit  der  zeit- 
verhältnisse  halber,  auf  die  er  seinen  einfluss  geltend  machte, 
stets  erwünscht  sein.  Aber  ist  bei  jeder  historischen  forschung, 
soweit  irgend  möglich,  nachweis  der  quellen  und  eine  darlegung 
sowohl  des  Verhältnisses  unter  einander  als  des  Standpunktes 
und  der  glaubwürdigkeit  der  gewährsmänner  und  der  abgeleite- 
ten berichte ,  sowie  ein  klares  bewusstsein  dieses  Verhältnisses 
unumgängliches  erforderniss  und  erste  pflicht  des  bearbeiters, 
so  redet  diese  um  so  gebietender  da  ,  wo  persönlichkeiten  und 
Verhältnisse  dargestellt  und  beurtheilt  werden  sollen ,  in  deren 
werthschätzung  die  meinungen  alter  und  neuer  zeit  sich  so 
schroff  entgegenstehen  wie  bei  der  des  Agesilaos.  Unsere  be- 
richte über  denselben  fliessen  zwar  reichlicher  als  über  viele 
andere  hervorragende  männer  des  griechischen  alterthurns,  aber 
sie  sind  getrübt  durch  die  persönliche  zu-  oder  abneigung  ihrer 
Verfasser.  Den  durchgehenden  unterschied  in  den  quellen  nach- 
zuweisen,  den  bericht ,  der  auf  Xenophons  hellenischer  ge- 
schichte, dem  demselben  historiker  zugeschriebenen  Agesilaos 
sowie  auf  Theopomp  —  diesem  folgt  höchst  wahrscheinlich 
Nepos  und  Justin  —  beruht,  mit  dem  auf  Ephoros  zurückge- 
henden Diodor  und  der  Vita  Plutarchs  zu  vergleichen,  der  eine 
schon  beide  richtungen  combinirende  quelle  ausgeschrieben  ha- 
ben muss,  einen  durch  den  andern  zu  controliren ,  nach  dem 
gewonnenen  resultate  die  übrigen  nachrichten  zu  verwerthen 
und  so  zu  einer  unparteiischen  darstellung  zu  gelangen  ,  das 
wäre  der  einzig  methodische  weg  gewesen,  der  freilich  hier  so 
wenig  als  in  der  vom  Verfasser  erwähnten  monographie  des 
Epaminondas  von  Pomtow  eingeschlagen  ist. 

Vielfache  vorarbeiten  nach  dieser  richtung  hin  waren  vor- 
handen, so  vor  allem  Cauers  treffliche  Untersuchungen  über  Xe- 
nophon  und  Ephorus  (quaestionum  de  fontibus  ad  Agesilai  histo- 
riam  pertinentibus  pars  I.  Breslau,  1847)  und  Volquardsens  Un- 
tersuchungen über  Diodor.     Für  den  xenophontischen  Agesilaos 


400  225.  Griechische  geschichte.  Nr.  8. 

freilich  waren  die  meisten  Untersuchungen  von  Beckmann  (Pro- 
gramm von  Rogasen  1871,  s.  Zeitschr.  f.  d.  gymnasialw.  1872, 
p.  225  sqq.)  dem  vf.  noch  nicht  zugänglich,  jedenfalls  aber 
war  die  angenommene  authentie  nachzuweisen  und  zu  begrün- 
den; denn  nur  auf  grundlage  selbständiger,  gründlicher  quellen- 
untersuchung  hätte  eine  abhandlung  entstehen  hönnen,  die  nach 
Hertzberg,  Grote  und  Curtius  anspruch  auf  eignen  werth  hätte 
machen  können.  Ob  an  die  gefundenen  resultate  paränetische 
^Auseinandersetzungen  geknüpft  werden  sollten,  hatte  mit  dieser 
principienfrage  nichts  zu  thun ,  ja  ohne  jene  Untersuchungen 
mussten  alle  moralisirenden  raisounements  in  der  luft  schweben 
und  als  leere  phrasen  zu  betrachten  sein. 

Dass  der  vf.  aber  sich  über  diese  cardinalfrage  gar  nicht 
klar  geworden  bzw.  klar  zu  weiden  versucht  hat ,  zeigt  ausser 
dem  titel,  der  Xenophon  besonders  betont,  p.  29  flgg.,  wo  ein- 
fach die  echtheit  des  „Agesilaos"  behauptet  und  Xenophon 
mit  dem  ausspruch  „nur  ein  freund  kann  den  charakter  ei- 
nes menschen  beurtheilen"  —  was  freilich  immer  noch  nicht 
beweisen  würde,  dass  er  für  dessen  darst  eilung  die  geeignetste 
persönlichkeit  sei  —  als  hauptquelle  gerechtfertigt  wird.  Die 
bedenken,  die  seit  Grote  besonders  gegen  die  Hellenika  gel- 
tend gemacht  worden  sind ,  werden  einfach  ignorirt  oder  mit 
einigen  nichtssagenden  worten  abgefertigt  (vergl.  bes.  p.  253. 
257)  und  doch  stehen  sie  durchaus  [s.  Nitsche,  über  die  ab- 
fassung  der  Hellenika,  Berl.  1871)  auf  partheiischem  Stand- 
punkte. Manchmal  zwar  fühlt  der  vf.  das  bedürfniss,  sich  mit 
den  quellen  auseinanderzusetzen  fz.  b.  p.  264)  aber  von  seiner 
Voreingenommenheit  für  Xenophon  briugt  ihn  nichts  zurück, 
und  nicht  zufrieden,  ihm  unbedingt  zu  folgen ,  ja  seine  fehler 
zu  erhöhen  durch  advocatorische  motiviruug  (vgl.  p.  133.  134. 
137.  139.  160.  161.  162.  231.  239,  dagegen  partheiische  ur- 
theile  über  Epaminondas  besonders  p.  183.  234,  über  Iphikrates 
199,  über  letzteres  verhalten  s.  die  treffliche  kritik  bei  Grote 
V,  p.  497  sqq.)  gibt  der  vf. ,  wo  sich  nur  irgend  gelegenheit 
bietet,  die  worte  Xenophons  in  meistens  nicht  gerade  guter 
Übersetzung.  Ueberall  werden  ,  durch  gesperrten  druck  hervor- 
gehoben, moralisirende  und  politische  bemerkungen  eingestreut, 
häufig  auch  Seitenblicke  auf  unsere  eigenen  Verhältnisse  gewor- 
fen.    Ueberhaupt   ist    man  währeud  der  ganzen  lectüre  des  bu- 


Nr.  8.  225.  Griechische  geschiente.  401 

ches  in  zweifei ,  ob  es  für  philologeu  und  historiker  oder  für 
laien  geschrieben,  ob  es  eine  wissenschaftliche  oder  eine  popu- 
läre schrift  sein  soll.  Prätendirt  es  das  letztere  —  und  zum 
voiiheil  des  vf.  wollen  wir  es  annehmen  —  dann  ist  unbegreif- 
lich, was  das  gelehrte  beiwerk  soll  und  doppelt  zu  rügen,  dass 
widerlegte  und  disputable  urtheile  von  neuem  aufgewärmt  wer- 
den. Der  mangel  an  wissenschaftlichkeit  aber  zeigt  sich  nicht 
nur  —  abgesehen  von  dem  iguoriren  besonders  chronologischer 
Schwierigkeiten  wie  bei  den  ziigen  des  Epaminondas,  dem  regie- 
rungsantritt  des  Agesilaus,  s.  Clinton  F.  Hell.  p.  229  Kr.,  und  ein- 
zelnen durch  die  alleinberücksichtigung  des  Xenophon  entstande- 
nen irrthümern,  wie  z.  b.  in  der  beschreibung  des  kampfes  des 
Epaminondas  in  Sparta,  (s.  Polyb.  IX,  8.  Diod.  XV,  83.  Ju- 
stin. VI,  7.  Polyaen.  VI,  7)  —  in  der  darstellung  des  hauptgegen- 
standes  sondern  auch  in  der  behandlung  nebensächlicher  puncte. 
So  wird  das  längst  als  später  verfasst  erkannte  geographische 
fragment,  das  unter  Dicaearchs  namen  geht  (Mueller  Fr.  Hist.  Gr. 
II,  p.  254,  Wachsmuth  in  Ärchäol.  Zeitg.  1860,  p.  HO),  ruhig 
unter  dessen  namen  citirt,  so  zeigt  c.  I,  dass  der  vf.  mit  den 
neueren  forschungen  über  altspartanische  Verfassung  und  ge- 
schichte durchaus  unbekannt  ist,  und  in  der  betrachtung  des 
spartanischen  Staatslebens  noch  den  Standpunkt  0.  Müller's  ein- 
nimmt,  so  wird  p.  218  der  ,,  Archidamos "  des  Isokrates  als 
vor  dem  dritten  einfall  der  Thebaner  geschrieben  bestimmt,  da- 
gegen p.  258  auch  eine  abfassung  nach  362  zugegeben  (dage- 
gen s.  §.  9.  10.  27.  62.  63  und  Clinton  F.  Hell.  p.  125  Kr.), 
so  was  Curtius  (Pelop.  II,  234)  und  Bursian  (II,  p.  127)  als 
wahrscheinliche  läge  des  Issorion  annehmen  als  definitiv  sicher 
hingestellt.  Am  unangenehmsten  aber  wird  man  berührt,  wenn 
unter  dem  schein  selbständiger  auseinandersetzung  resultate  an- 
derer mitgetheilt  werden,  wie  dies  p.  252  geschieht,  s.  Schä- 
fer, Demosth.  HI,   2,  p.  10  sqq. 

Am  stärksten  aber  tritt,  wie  natürlich,  der  einseitige  stand- 
punct  des  vf.  bei  der  zusammenhängenden  darstellung  des  cha- 
racters  des  Agesilaus  hervor,  der  ja  auch  sonst  überall  da,  wo 
die  Spartaner  im  nachtheil  sind,  als  unschuldig,  wo  sie  im  gluck 
sind,  bIs  einzige  Ursache  desselben  hingestellt  wird.  Selbst 
Grote  und  Hertzberg  geben  zwar  eine  panhellenische  gesinnung 
des  königs  bis  zum  korinthischen  kriege  zu,  der  beiläufig  gesagt 
Philol.  Anz.  V.  26 


402  226.    Römische  geschickte.  Nr.  8. 

hier  immer  noch  nicht  von  dem  vorangehenden  böotischen  ge- 
schieden wird,  s.  p.  61,  aber  wie  weit  diese  ging,  zeigte  sich 
gleich  in  vollstem  lichte ;  Agesilaus  war  nichts  als  Spartaner 
im  besten  und  schlechtesten  sinne  des  wortes ,  sein  egoismus 
in  persönlichen  und  politischen  dingen  unbegrenzt  und  schliess- 
lich einzige  triebfeder  des  handelns.  Doch  wir  wollen  nicht 
mit  einem  manne  streiten,  der,  zufrieden  einen  anknüpfungs- 
punct  für  seine  moralischen  und  politischen  deductionen  gefun- 
den zu  haben,  sich  um  das  übrige  nicht  kümmert;  jedenfalls 
sind  wir  durch  die  gründe,  die  der  vf.  in  der  vorrede  für  seine 
befähigung  einen  Agesilaos  zu  schreiben  vorbringt,  von  dieser  eben 
so    wenig  überzeugt  worden,  als  durch  die  lectüre  seines  buchs. 

226.  Geschichte  des  römischen  kaiserreichs  unter  der  regie- 
rung  des  Nero,  H.  Schiller.  8.  Berlin,  Weidmann,  1872.  — 
S.  X  u.  720.  —     42/s  thlr. 

Der  vf.  legt  in  der  vorrede  einen  besonderen  werth  dar- 
auf, dass  er  sich  nicht  darauf  beschränkt  habe,  wie  noch  in 
heutiger  zeit  sonst  geschehe,  nur  „die  hof-  und  personalge- 
schichte  des  fürsten,  die  geschichte  der  hauptstädtischen  aristo- 
kratie  und  einiger  grenzkriege  nach  Tacitus  und  den  übrigen 
quellen"  zu  erzählen,  sondern  dass  er  den  versuch  gemacht 
habe,  und  zwar  zum  ersten  male,  das  ganze  staatliche,  sociale  und 
geistige  leben  nicht  mit  der  beschränkung  auf  die  Stadt  Rom, 
„sondern  so  weit  dies  möglich  ist,  mit  der  ausdehuung  auf  das 
reich  mit  benutzung  nicht  bloss  der  schriftsteiler,  sondern  der 
erhaltenen  denkmäler  aller  art  zur  darstellung  zu  bringen". 
Das  werk  besteht  aus  vier  büchern,  von  denen  das  erste  über 
die  quellen,  das  zweite  über  die  geschichte  Nero's  bis  zu  sei- 
ner thronbesteigung  (p.  47  ff.),  das  dritte  über  Nero  und  seine 
regierung  (p.  91  ff.)  das  vierte  über  den  zustand  des  reichs 
unter  Nero  (p.  319 — 730)  handelt.  Das  letzte,  mehr  als  die 
hälfte  des  ganzen  werks  füllende  buch  zerfällt  (nach  einer  nicht 
sehr  logischen  eintheilung)  in  die  vier  kapitel :  die  staatlichen 
einrichtungen;  die  socialen  zustände;  religion  und  philosophie, 
literatur,  kunst;  die  Opposition  unter  Nero.  Das  dritte,  nächst 
diesem  längste  buch  verfolgt  die  regierungsgeschichte  jähr  für 
jähr  nach  streng  anualistischer  Ordnung,  so  dass  z.  b.  die  meh- 
rere jähre  dauernden  kriege,  wie  der  armenische,    der  jüdische, 


Nr.  8.  226.  Römische  geschickte.  403 

nicht  im  zusammenhange  hinter  einander,  sondern  stückweise 
jähr  für  jähr  mit  Unterbrechung  durch  die  übrigen  ereignisse 
jedes  jahres  erzählt  werden. 

Schon  aus  dieser  inhaltsangabe  wird  man  erkennen ,  dass 
wir  nicht  eine  eigentliche  geschichte  vor  uns  haben,  bei  der  es 
sich  doch  hauptsächlich  um  Zusammenfassung  und  gestaltung 
des  Stoffes  handelt,  sondern  dass  das  werk,  abgesehen  von  den 
beiden  ersten  büchern ,  welche  ungefähr  die  stelle  einer  einlei- 
tung  einnehmen,  aus  zwei  stücken  besteht,  erstens  aus  einem 
Jahrbuch  der  regierung  Nero's  (in  welchem  auch  das  gering- 
fügigste platz  gefunden  hat)  und  zweitens  aus  einer  reihe  von 
abhandlungen  von  der  art,  wie  man  sie  gewöhnlich  unter  dem 
begriff  der  antiquitäten  zusammenzufassen  pflegt.  Es  hat  dabei 
nicht  ausbleiben  können,  dass  diese  beiden  theile  sich  öfter  be- 
rührt haben  und  daher  Wiederholungen  nöthig  geworden  sind; 
ein  fernerer  übelstand  ist ,  dass  für  die  beschreibung  von  zu- 
ständen die  regierung  Nero's  ein  viel  zu  eng  begrenzter  Zeit- 
raum ist,  so  dass  der  vf.  selbst  oft  aus  dem  vor-  und  nach- 
her Schlüsse  auf  seine  zeit  ziehen  muss.  Noch  übler  aber  ist  es, 
dass  in  folge  der  Zerstückelung  des  Stoffes  dem  verf.  ein  we- 
sentlicher masstab  für  die  beurtheilung  der  dinge  und  menschen 
verloren  geht ,  nämlich  derjenige,  welcher  durch  die  Zusammen- 
fassung der  einzelnen  züge  zu  einem  gesammtbilde  gewonnen 
wird,  wie  sich  unseres  erachtens  besonders  deutlich  an  Nero 
selbst  zeigt.  Während  nämlich  der  verf.  selbst  nicht  umhin 
kann,  trotz  seiner  im  allgemeinen  apologetischen  tendenz,  über 
vieles  das  strengste  verdammungsurtheil  auszusprechen,  so  ist 
er  doch  im  stände  prädikate  wie  ,, wahrhaft  bewunderungswür- 
dig", „grossartig"  und  ,,hochstrebend"  auf  ihn  anzuwenden  und 
sogar  p.  431  von  ihm  zu  sagen:  „Nero  hat  stets  für  leid  und 
freud  der  menge  ein  nur  zu  offenes  herz".  Er  sieht  eben  nur 
stücke,  gewissermassen  nur  glieder  des  Nero,  die  vereinzelt  so 
oder  so  aufgefasst  werden  können,  nicht  den  ganzen  Nero  :  ein 
mangel ,  der  auch  durch  die  kurze  abgesonderte  betrachtung 
seines    Charakters    (p.   291 — 306)  nicht  beseitigt  werden  kann. 

Ungeachtet  dieser  allgemeinen  ausstellungen  sind  wir  in- 
dess  weit  entfernt,  den  werth  und  die  brauchbarkeit  des  werkes 
in  abrede  zu  stellen.  Der  vf.  hat  das  material  mit  grossem 
fleiss    zusammengetragen   und    die    quellenschriftsteller    wie    na- 

26* 


404  226.  Römische  geschickte.  Nr.   8. 

mentlich  auch  die  münzen  und  inschriften  in  grosser  ausdeh- 
nung  benutzt.  Nur  ist  er  auch  hierbei  nicht  immer  mit  der  rechten 
kritik  verfahren,  indem  er  theils  zu  viel  in  die  stellen  hineingelegt 
theils  aus  unzureichenden  prämissen  falsche  Schlüsse  gezogen  hat. 

So  findet  er  z.  b.  in  der  stelle  Tac.  Ann.  XV,  50,  wo  bei 
gelegenheit  der  Verschwörung  des  Piso  erwähnt  wird,  dass 
Nero,  während  sein  haus  brannte ,  unbewacht  hin  und  her  ge- 
laufen sei  (cum  ardente  domo  per  noctem  huc  illuc  cursaret  incu- 
stoditus),  ein  zeugniss,  dass  er,  um  „die  löschanstalten  zur  gro- 
ssen thätigkeit  zu  spornen",  ,,zu  den  am  meisten  bedrohten 
punkten"  gelaufen  sei  (p.  177),  und  leitet  daraus  neben  dem 
wiederholt  ausgesprochenen  lob  des  Nero  auch  einen  beweis  für 
die  missgunst  des  Tacitus  ab,  weil  dieser  das  verdienst  des 
Nero  nicht  beim  brande  selbst,  sondern  nur  gelegentlich,  ge- 
wissermassen  wider  seinen  willen  erwähnt.  Ein  anderes  bei- 
spiel  ungegründeter  schlussfolgerung  findet  sich  p.  161,  anm.  4. 
Dort  wird  eine  chronologische  bestimmung  in  betreff  des  Bur- 
rus  im  Widerspruch  gegen  Tacitus  darauf  basiert ,  dass  Cossu- 
tianus  Capito  an  der  stelle  Tac.  Ann.  XIV,  48  schon  zu  anfang 
des  j.  62  als  Senator  erwähnt  wird :  da  nun  —  so  wird  argumen- 
tiert —  Cossutianus  durch  den  einfluss  des  Tigellinus  Senator 
geworden  sei,  so  müsse  Tigellinus  schon  zu  anfang  des  jahres 
präfect  gewesen  und  folglich  auch  Burrus  schon  zu  anfang  des 
jahres  gestorben  sein.  Allein  konnte  Tigellinus,  der  als  validior 
in  animo  principis  et  intimis  libidinibus  assumptus  (Tac.  Ann.  XIV, 
51)  von  Nero  zum  präfecten  gemacht  wird,  seinen  einfluss 
nicht  schon  ehe  er  diesen  posten  erlangte  zu  gunsten  des  Cos- 
sutianus geltend  machen? 

Als  besonders  bedenklich  müssen  wir  noch  die  beweisfüh- 
rung  für  die  behauptung  hervorheben ,  dass  der  aufstand  des 
Iulius  Vindex  nicht  zu  gunsten  des  Galba  geschehen,  sondern 
ein  versuch  gewesen  sei,  ,,die  Selbständigkeit  Galliens  zu  be- 
gründen" (p.  261  flg.).  Der  verf.  stützt  seine  behauptung 
hauptsächlich  auf  solche  stellen,  wo  der  aufstaud  ein  gallischer 
genannt  wird:  allein  war  er  dies  nicht  unter  allen  umständen,  auch 
wenn  Vindex  ihn  veranlasste,  um  Nero  zu  stürzen  und  Galba 
an  seine  stelle  zu  setzen?  Dabei  vergisst  aber  der  verf.,  dass 
z.  b.  Lugdunum  und  Vienna  zwischen  Nero  und  Galba  gespal- 
ten   waren    und    in    folge    dieser    differenz    mit    einander    krieg 


Nr.  8.  226.  Kömische  geschickte.  405 

führten,  dass  Galba  letzteres  wie  die  übrigen  Gallier ,  die  für  ihn 
partei  genommen,  belohnte  und  die  andern  bestrafte,  und  dass 
Plinius  (N.  H.  XX,  160)  den  Vindex  ausdrücklich  a  Nerone 
assertor  libertatis  nennt,  woraus  hervorgeht,  dass  die  gewöhnli- 
che ansieht  über  Nero  unter  den  Zeitgenossen  die  allgemein 
verbreitete  war.  Der  verf.  führt  zwar  auch  Tacitus  zur  Un- 
terstützung seiner  ansieht  an,  indess  nur  vermöge  einiger  miss- 
deuteten stellen:  denn  wenn  Tacitus  (Hist.  I,  51)  sagt,  die 
germanischen  legionen  hätten  die  anhänger  des  Vindex  fastidito 
Vindice  (d.  h.  weil  ihnen  Vindex  zu  gering  war)  Galbianer 
genannt,  so  liegt  doch  darin  sicherlich  nicht  „mit  gänzlich  un- 
passendem namen",  wie  der  verf.  meint  (p.  268) ,  und  eben  so 
wenig  lässt  sich  daraus ,  dass  die  germanischen  legionen  mur- 
ren, weil  sie  für  die  besiegung  des  Vindex  keine  belohnung  be- 
kommen, mit  dem  verf.  (p.  265.  272)  der  schluss  ableiten, 
dass  es  sich  bei  Vindex  lediglich  um  einen  aufstand  der  Gal- 
lier gehandelt  habe,  weil  die  legionen  sonst  nicht  hätten  mur- 
ren können  :  eher  könnten  wir  vielmehr  umgekehrt  darin,  dass 
ihnen  Galba  dafür  keine  belohnung  gewährte,  einen  beweis  fin- 
den, dass  es  eben  nicht  ein  blosser  aufstand  der  Gallier,  sondern 
eine  bewegung  zu  seinem,  des  Galba,  gunsten  gewesen.  Auch 
die  analogie  des  Civilis,  worauf  der  verf.  einen  besondern  werth 
legt,  kann  die  sache  nicht  unterstützen  ;  Civilis  war  ein  Bata- 
ver, Vindex  zwar  der  abstammung  nach  Gallier,  aber  seiner 
Stellung  nach  Römer  und  römischer  Statthalter ,  und  auch  dem 
Civilis  schlössen  sich  die  Gallier  nur  zögernd  und  theilweise 
an  und  nur,  um  sofort,  als  ein  tüchtiges  römisches  heer  er- 
schien, wieder  von  ihm  abzufallen. 

In  ähnlicher  weise  verhält  es  sich  mit  allem,  was  den 
Thrasea  Pätus  betrifft.  Wir  wollen  das  übrige  übergehen ,  ins- 
besondere auch  die  auffassung  des  Charakters  dieses  ausgezeich- 
neten mannes,  die  wir  eben  so  unbillig  wie  unbegründet  finden. 
Dagegen  können  wir  nicht  unerwähnt  lassen,  wie  der  verf.  mit 
der  von  Thrasea  verfassten  biographie  des  Cato  verfährt.  Diese 
wird  erst  p.  624  als  ein  beweis  angeführt,  dass  unter  Nero  in 
bezug  auf  geschichtschreibung  und  schriftstellerei  kein  druck 
stattgefunden  habe,  wobei  also  vorausgesetzt  wird  dass  sie  un- 
ter Nero  und  bei  lebzeiten  des  Thrasea  und  ohne  nachtheilige  fol- 
gen für  diesen  veröffentlicht  worden  sei;  p.  631  aber  wird  ge- 


406  227.  Komische  geschichte.  Nr.  8. 

sagt,  dass  sie  „vielleicht  unter  Nero  verfasst"  sei,  und  end- 
lich p.  679  wird  eben  diese  Schrift  unter  den  dingen  erwähnt, 
welche  möglicher  weise  (denn  der  verf.  sucht  jedenfalls  den 
Nero  deshalb  zu  rechtfertigen)  die  verurtheilung  des  Thrasea 
herbeigeführt. 

Wir  müssen  des  raumes  wegen  hier  abbrechen  und  wollen 
daher  nur  noch  bemerken,  dass  die  missgriffe  und  fehltritte  des 
vf.,  wie  uns  scheint,  zum  nicht  geringen  theile  in  seiner  kritik  des 
Tacitus  ihren  grund  haben.  Der  verf.  gesteht  zwar  im  ersten 
buche  dem  Tacitus  die  erste  stelle  unter  den  quellenschriftstellern 
zu ;  gleichwohl  aber  ist  sein  urtheil  über  ihn  nicht  günstig.  Er 
beschränkt  sich  jedoch  darauf,  seine  glaubwürdigkeit  überall  an- 
zuzweifeln und  benutzt  dabei  unter  anderem  den  umstand,  dass 
Tacitus  öfter  verschiedene  ansichten  oder  berichte  mit  einem 
sive  —  sive  dem  leser  gewissermassen  zur  auswahl  darbietet, 
indem  er  wunderlicher  weise  meint,  dass  Tacitus  auch  über  bis 
zu  70  jahren  zurückliegende  dinge  nothwendig  etwas  gewisses 
hätte  erfahren  müssen  und  demnach  jene  Wendung  nur  gebraucht 
hätte,  um  gewissermassen  unter  der  band  etwas  nachtheiliges  ein- 
zuschwärzen.  Nach  unserer  meinung  hätte  der  verf.  bei  dieser 
ganzen  kritik  in  einer  andern  positiveren  weise  verfahren  müs- 
sen. Er  hätte  aus  dem  Charakter  und  aus  der  Stimmung  des 
Tacitus ,  aus  den  allgemeinen  beschränkungen  der  antiken  hi- 
storiographie  und  aus  den  besondern  der  römischen  und  der 
damaligen  römischen  historiographie  bestimmte  principien  für 
die  beurtheilung  der  glaubwürdigkeit  ableiten  müssen.  Als- 
dann würde  er,  unter  Voraussetzung  der  ehrlichkeit  des  Tacitus, 
die  doch  wohl  kaum  anzufechten  ist,  eine  bestimmte  grenzlinie 
zwischen  dem  glaubwürdigen  und  unglaubwürdigen  gewonnen 
haben,  während  jetzt  bei  ihm  so  ziemlich  alles  schwankend  und 
unsicher  erscheint. 

227.  Die  feldzüge  des  Drusus  und  Tiberius  in  das  nord- 
westliche Germanien.  Von  A.  Dederich.  Köln  und  Neuss 
1869.  L.  Schwann.     VIII  u.  142  s.     8.  —     18  ngr. 

Als  eine  „neue  und  umfassende  bearbeitung  der  feld- 
züge des  Drusus  und  Tiberius  nach  dem  gegenwärtigen  Stand- 
punkte der  historischen  forschuugen "  wird  vom  vf.  im  Vor- 
worte dieses  buch  mit  Zuversicht    angekündigt.     Sehen    wir  zu, 


Nr.  8.  227.  Römische  geschichte.  407 

ob  er  wort  gehalten  hat.  —  Vorrede  und  nachwort  sowie  viele 
stellen  der  anmerkungen  sind  mit  heftiger  polemik  gegen  den 
niederrheinischen  forscher  J.  Schneider  erfüllt,  dem  der  vf.  vor- 
wirft in  seinen  Neuen  Beiträgen  zur  alten  geschichte  und  geo- 
graphie  der  Rheinlande  (erste  und  zweite  folge.  Düsseldorf. 
1860  und  1868)  „eine  reihe  von  resultaten  aus  des  vf.  „Ge- 
'"  schichte  der  Römer  und  Deutschen  am  Niederrhein"  sich  ange- 
eignet zu  haben,  ohne  seinen  namen  auch  nur  der  erwähnung 
zu  würdigen".  So  berechtigt  nun  auch  der  Unwille  Dederichs 
sein  mag,  so  glauben  wir  doch ,  dass  er  besser  gethan  hätte, 
seine  beschwerden  an  einer  anderen  stelle,  etwa  in  einer  histo- 
rischeu Zeitschrift,  vorzubringen ,  wo  sie  vielleicht  noch  mehr 
beacktung  gefunden  hätten.  Seine  sorge,  dass  durch  das  ver- 
fahren Schneiders  seine  vielfachen  Verdienste  um  die  aufhellung 
der  alten  und  mittelalterlichen  niederrheiniscben  geschichte  in 
Vergessenheit  gerathen  möchten,  ist  ganz  unbegründet.  Dede- 
richs name  wird  bei  einer  aufzählung  der  auf  jenem  gebiete 
rühmlich  bekannten  forscher  so  leicht  nicht  fehlen. 

Viele  partien  des  buches  sind  früheren  abhandlungen  des 
vf.  mit  unwesentlichen  Veränderungen  wörtlich  entnommen.  So 
stammt  §.  1  zum  grössten  theile  aus  dem  programme  des  gym- 
nasiums  zu  Emmerich  von  1844  ,;Drusus  in  Untergermanien". 
Neu  hinzugekommen  ist  hier  nur  p.  3  f.  die  mehr  als  zweifel- 
hafte ableitung  des  namens  Vetera  vom  holländischen  Bat  oder 
Bet,  also  Castra  Vetera  „das  batavische  lager",  nach  der  ab- 
handlung  in  den  Bonner  Jahrbüchern  heft  33  und  34,  p.  280. 
Im  §.  2  giebt  der  vf.  eine  übersieht  der  feldzüge  des  Drusus 
nach  Dio  Cassius,  der  sich  eine  würdiguDg  der  übrigen  quel- 
len anschliesst.  Dann  werden  uns  die  vorbereitenden  massre- 
geln  des  römischen  feldherrn  gegen  die  Germanen  geschildert 
und  im  §.  3  die  nachrichten  der  alten  über  dessen  grossartige 
bauwerke,  den  Drususdamm  und  Drususkanal,  einer 
sorgfältigen  prüfung  unterzogen.  Auch  hier  sind  frühere  vom 
vf.  angestellte  localforschungen  aufgenommen,  so  über  den  al- 
ten lauf  des  Rheins  von  der  gegend  von  Xanten  bis  zur  ba- 
tavischen  insel ,  eine  frage ,  die  vom  vf.  schon  ausführlich  in 
seiner  geschichte  der  Römer  und  Deutschen  am  Niederrhein  u. 
s.w.  p.  3  ff.  erörtert  ist,  und  über  die  richtung  des  vom  vf. 
aufgefundenen  dammes,  dessen  reste  im  Ryndernschen  dei- 


408  227.  Kömische  geschichte.  Nr.  8. 

che  erhalten  sind.  Letztere  wichtige  entdeckung  hatte  Dede- 
rich  bereits  in  seinen  „Beiträgen  zur  römisch  -  deutschen  ge- 
schichte", programm  von  Emmerich  1849  p.  1 — 12,  bekannt 
gemacht.  Hier  folgt  ihre  mittheilung  in  abgekürzter  form.  §. 
4  enthält  Untersuchungen  über  E  lt  en  berg  und  Mon  tferland, 
einige  wichtige  positionen  in  der  nähe  des  Drususkanals,  deren 
besetzung  durch  die  Römer  zwar  nicht  durch  die  Schriftsteller 
bezeugt  ist,  sich  aber  aus  dort  gefundenen  Überresten  unzwei- 
felhaft ergiebt.  Am  schluss  des  paragraphen  ist  von  den  Tac. 
ab  exe.  div.  Aug.  XIII,  54  genannten  agri  vacui  et  militum  usui 
sepositi  die  rede,  worin  der  vf.  den  Rheinuferstrich  vom  Elten- 
berg  aufwärts  zur  Lippemündung  hin  erkennt.  So  sehr  wir 
uns  bis  dahin  mit  dem  gange  der  darstellung  einverstanden  er- 
kläi-en,  so  wenig  können  wir  dies  mit  dem  inhalt  des  folgenden 
paragraphen.  Es  werden  darin  die  in  den  Annalen  des  bist. 
Vereins  f.  d.  Niederrhein  II ,  p.  244  ff.  niedergelegten  specia- 
len forschungen  des  vf.  über  Ursprung  und  namen  der  Stadt 
Cleve,  die  villa  Hageberg  und  den  Hertenberg  oder 
schlossberg  zu  Cleve  weitläufig  auseinandergesetzt,  dinge,  die 
für  den  freund  niederrheinischer  geschichte  wohl  ganz  interes- 
sant sein  mögen,  aber  für  die  feldzüge  des  Drusus  i\nd  Tibe- 
rius  nicht  in  betracht  kommen.  Dafür  vermissen  wir,  nachdem 
uns  in  §.  6  Drusus  nordseeexpedition  (nach  dem  vf.  die  erste 
s.  u.)  geschildert  ist  (vgl.  progr.  v.  Emmerich  1844  p.  5  ff.), 
in  §.  7  bei  der  darstellung  des  zweiten  feldzugs  des  Verfas- 
sers ansichten  über  die  läge  des  wichtigen  Aliso,  deren  be- 
6prechung  hier  gewiss  mehr  als  irgendwo  am  platze  war.  Statt 
dessen  werden  wir  vom  vf.  auf  seine  „Kritik  der  quellenberichte 
über  die  Varianische  niederlage  im  teutoburger  walde ",  Pader- 
born, 1868,  verwiesen.  Noch  erheblichere  einwände  müssen  ge- 
gen mehrere  der  ausführungen  des  §.  8  geltend  gemacht  wer- 
den. Einmal  hält  dort  Dederich  seine  frühere  ansieht  fest,  der 
von  Florus  IV,  12,  23  erwähnte  editus  tumulus  sei  kein  anderer 
als  die  Taunushöhe  und  der  schriftsteiler  habe  nur  aus  dem 
castell  des  Dio  ein  tropäum  gemacht,  obgleich  diese  conjeetur 
mehrfach  von  competenter  seite,  wie  von  Reinking ,  Kriege  der 
Römer  in  Germanien  p.  86,  begründeten  Widerspruch  erfahren 
hat.  Dann  aber  nimmt  er,  auf  eine  stelle  der  tab.  V  des  Mo* 
numentum  Ancyramm  gestützt,    an,  Drusus    habe    im   j.   10  eine 


Nr.  8.  227.  Römische  geschickte.  409 

zweite  nordseeexpedition  unternommen,  auf  der  er  bis 
zu  den  nordischen  säulen  des  Herkules  ,  bis  zu  den  Cimbern, 
Charudern  und  Semnonen  vorgedrungen  sei.  Die  aus  Sueton* 
Claud.  1.  beigebrachte  stelle  sagt  nur,  dass  Drusus  zuerst  un- 
ter den  römischen  feldherrn  die  nordsee  befahren  habe,  bei 
Tac.  Germ.  34  wird  von  den  neueren  herausgebern  Döderlein 
und  Halm  mit  vollem  rechte  Druso,  Germanico  gelesen,  Plia.  H.  N. 
VI,  67  berührt  alle  nordseefahrten,  die  unter  Augustus  regierung 
stattfanden,  nicht  speciell  die  des  Drusus.  A.  W.  Zumpt  und 
Th.  Mommsen  haben  die  betreffenden  worte  des  Mon.  Ancyranum 
mit  Vell.  Pat.  II,  106  in  Zusammenhang  gebracht  und  auf  den 
zug  des  Tiberius  im  j.  5  n.  Chr.  bezogen.  Für  die  richtigkeit 
dieser  ansieht  spricht  ausser  verschiedenen  anderen  gründen 
vor  allem  die  erwähnung  der  Semnonen  an  beiden  stellen. 
Die  zweite  nordseefahrt  des  Drusus  wird  also  zu  streichen  sein. 
—  Nach  dieser  entschiedenen  differenz  der  ansichten  freuen  wir 
uns  um  so  mehr  unsere  Übereinstimmung  mit  den  resultaten 
erkennen  geben  zu  können ,  zu  welchen  Dederich  in  §. 
9  gelangt  ist.  Dort  ist  von  den  grossartigen  Vorbereitungen 
des  Drusus  zn  seinem  letzten  feldzuge  die  rede  und  namentlich 
die  vielbesprochene  stelle  des  Florus  IV,  12,  26  über  des 
Drusus  rheinbrücken  von  neuem  ausführlich  behandelt.  Der 
verf.  vertheidigt,  unserer  meinung  nach  mit  glück,  seine  erklä- 
rung  der  ausdrücke  pontes  und  classes  gegen  Ritters  einwürfe 
und  hält  gegen  I.  Becker,  der  nach  dem  codex  bambergensis 
Borraam  et  Caesoriacum  lesen  will  und  diese  orte  am  britischen 
kanal  entdeckt  zu  haben  glaubt,  an  der  alten  lesart  Bonnam  et 
Gesoniacum  (oder  Gaesoniacum)  fest.  Wir  stehen  nicht  an  des 
vf.  ausführungen  vollständig  beizustimmen.  Seine  im  letzten 
theile  des  paragraphen  mitgetheilten  localforschungen  nach  der 
moles  Drusi  im  Rhein  zwischen  dem  Wicheishofe  (castra 
Bonnensia)  bei  Bonn  und  dem  dorfe  Geusen  lesen  sich  ebenfalls 
mit  interesse.  Freilich  muss  er  schliesslich  zugestehen,  dass  der 
dämm,  den  er  1846  im  Rhein  entdeckt  zu  haben  glaubte,  sich 
bei  späterer  genauerer  Untersuchung  seitens  sachkundiger  als 
eine  quer  durch  den  ström  laufende  natürliche  felsader  erwies. 
Dass  jedoch  die  brücke  des  Drusus  sich  einst  an  dieser  stelle 
befand,  hat  darum  doch  alle  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  §.  10 
behandelt    den    feldzug,    in  welchem  Drusus    tod  erfolgte  (vrgl. 


410  227.    Kömische  geschichte.  Nr.  8. 

progr.  v.  Emmerich  1844,  p.  18  ff.).  Die  ansieht  von  Casau- 
bonus ,  Ledebur  und  anderen,  dass  unter  dem  2äXag  des 
Strabo  die  Yssel  zu  verstehen  sei,  findet  hier  ausführliche 
Widerlegung  und  die  betreffende  stelle  dieses  geographen  (VII, 
1)  genaue  erklärung.  Die  beiden  folgenden  paragraphen  be- 
sprechen unsere  dürftigen  nachrichten  über  die  feldzüge  des 
Tiberius  und  seiner  nachfolger  bis  zur  Varianischen  niederlage. 
Werthvoll  ist  in  diesen  abschnitten  die  aus  dem  programm  von 
Emmerich,  1849,  p.  12— -18  dem  buche  einverleibte  Untersuchung 
über  den  namen  und  Wohnsitz  der  Attuarier.  §.13  schildert 
die  bedeutungslosen  expeditionen  des  Tiberius  nach  der  Teu- 
toburger  schlacht  und  erörtert  die  läge  der  von  ihm  angeleg- 
ten limites,  die  Dederich  am  Rheinuferstrich  vom  Eltenberg  bis 
zur  Lippe  sucht  (vgl.  progr.  v.  1849,  p.  18 — 20).  Grosse 
Wahrscheinlichkeit  hat  die  conjektur  des  vf.  im  schlussparagra- 
phen,  der  über  die  namen  der  von  Germanicus  im  j.  16  im 
triumph  aufgeführten  Völker  handelt  „dass  bei  Strabo  VII,  1 
der  name  Kuovlxoi  eine  verfälschte  widerholung  der  vorherge- 
henden Kauker  sei  sowie  auch  der  folgende  name  Kufxxpiavoi 
verdorben  sei  und  statt  dessen  'Antyiavoi  d.  h.  Ampsivarier  ge- 
lesen werden  müsse.  Das  nachwort  enthält  ausser  der  schon 
erwähnten  polemik  gegen  J.  Schneider  auch  bemerkungen  zu  Tb. 
Mommsens  verzeichniss  der  römischen  provinzen  von  297.  Hier 
vermisst  Dederich  in  der  aufzählung  der  transrhenanischen  Völ- 
kerschaften den  namen  der  Chamaver  und  will  statt  „Chattuariorum, 
Chasuariorum"  hier  Chamavorum ,  Chattuariorum  gelesen  oder  an- 
genommen haben  ,,dass  der  name  der  Chamavi  in  dem  verzeichniss 
irrthümlicher  weise  vor  den  Attuariern  ausgefallen  und  also  zu 
ergänzen  wäre".  Auf  p.  142  ist  uns  noch  der  druckfehler  Postu- 
mius  statt  Postumus  aufgefallen.  Auch  wird  dort  der  nachfolger 
dieses  kaisers  Lollianus  genannt ,  während  die  richtige  Schreib- 
art des  namens  Laelianus  ist,  worauf  wir  im  Philologus  XXVII, 
p.  349  aufmerksam  gemacht  haben. 

Wenn  wir  somit  in  die  läge  versetzt  waren,  dem  vf.  mehr- 
fach nicht  folgen  zu  können,  so  wollen  wir  doch  gern  zugeben, 
dass  sein  buch  eine  menge  des  interessanten  bringt  und  je- 
denfalls   eine  werthvolle    bereicherung  unserer    historischen  lite- 

ratur   zu  nennen  ist. 

A.  Duncker. 


Nr.  8.  228.   Römische  alterthümer.  411 

228.  De  cohortibus  Romanorum  auxiliariis.  Pars  prior, 
Scr.  R.  Hassencamp.  Gottingae  1869.  (Doctordissertation.) 
Dieterichsche  buchhancllung.     8.     69  s. 

229.  Dr  Härtung.  Römische  Auxiliartruppen  am  Rhein. 
Erster  theil.  Würzburg  1870.  Thein'sche  buchdruckerei.  4, 
37  s. 

Beide  abhandlungen  beschäftigen  sich  mit  den  römischen 
auxiliarcohorten  und  sind  um  so  dankenswerther ,  als  sie  ein 
material  zusammenstellen  und  verarbeiten,  welches  bislang  nur 
aus  sehr  vielen  verschiedenen  werken  zu  gewinnen  war.  Die 
erstere  giebt  lexicalisch  in  alphabetischer  reihenfolge  ein  ver- 
zeichniss  der  aus  den  Schriftstellern ,  diplomen  und  inschriften, 
sowie  der  Notitia  dignitatum  bekannten  cohorten  und  reicht  von 
der  coh.  I  Ulpia  Afrorum  bis  zur  coli.  VII  Lusitanorum.  Z\x 
jedem  artikel  werden  in  präciser  fassung  die  quellen  angegeben 
und  der  versuch  gemacht ,  aus  diesen  den  Standort  der  trup- 
pentheile  in  den  verschiedenen  perioden  festzustellen.  Nur  bei 
einigen  cohorten  finden  sich  längere  auseiuandersetzungen.  Diese 
sehr  sorgfältige  Übersicht  ist  ausserordentlich  brauchbar,  und 
können  wir  deren  baldige  fortsetzung  nur  dringend  wünschen, 
Leider  ist  der  druck  recht  nachlässig;  ausser  einer  nicht  ge- 
ringen anzahl  gewöhnlicher  druckfehler  findet  sich  auch  schlim- 
meres, wie  z.  b.  p.  6  das  wort  equitatas  an  eine  ganz  falsche 
stelle  gekommen  ist,  ferner  p.19  zwischen  Antoninus  Pius  und 
Marc  Aurel  noch  ein  M.  Antoninus  eingeschoben  wird  und  p. 
42  sich  ein  rechenfehler  findet,  da  6  coh.  mill.  nicht  gleich  10, 
sondern  gleich  12  coli,  quingen.  sind.  Zu  p.  18  möge  noch 
bemerkt  werden,  dass  die  zu  einem  cohortenzeichen  gehörige 
silberplatte  mit  der  inschrift  coh.  V  (publicirt  von  Linden- 
schmitt d.  Alth.  uns.  heidn.  vorzeit  I,  vn,  5,  2)  doch  wohl 
nicht  gut  ein  laterculus  genannt  werden  kann.  Das  latein  liest 
sich  leicht,  wenn  es  auch  nicht  frei  von  anstössigem  ist. 

Die  zweite  abhandlung  verdient  in  höherem  grade  eine 
historische  genannt  zu  werden.  Es  ist  die  absieht  des  Verfas- 
sers zu  erforschen ,  welche  auxiliaren  in  der  zeit  von  26  vor 
Chr.  bis  270  nach  Chr.  in  den  beiden  Germanien,  am  Rhein  und 
seinen  nebenflüssen  ihre  Standquartiere  hatten.  Das  vorliegende 
heft  reicht  bis  zum  jähre  117.  Vorausgeschickt  ist  eine  im 
wesentlichen  nach  Marquardt  gearbeitete    allgemeine  einleitung, 


412  229.  Komische  alterthümer.  Nr.  8. 

welche  die  fragen  behandelt,  welche  truppen  zu  den  auxiliaren 
zu  zählen  sind  und  in  welchem  verhältniss  dieselben  zu  den 
legionen  stehen.  Darauf  folgt  eine  übersiebt  über  die  quellen, 
von  denen  der  Verfasser  in  anbetracht  seiner  entfernung  von 
jeder  grösseren  bibliothek  eine  anerkennenswerthe  zahl  zusam- 
mengebracht hat.  Erwünscht  ist  eine  beinahe  vollständige  über- 
sieht über  die  bekannten  militairdiplome.  Der  erste  abschnitt 
nun,  welcher  die  zeit  von  26  v.  Chr.  bis  42  n.  Chr.  behan- 
delt ,  beruht  wesentlich  auf  der  angäbe  des  Tacitus  über  die 
auf  dem  felde  Idisiaviso  fechtenden  cohorten  und  sucht  daraus 
durch  scharfsinnige  Schlüsse,  deren  richtigkeit  freilich  nicht  im- 
mer mit  Sicherheit  behauptet  werden  kann ,  die  einzelnen  co- 
horten zu  bestimmen.  Der  zweite  abschnitt,  mehr  auf  die  in- 
schriften  und  diplome  fussend,  beschäftigt  sich  mit  der  zeit  von 
42  bis  75  und  sucht  nachzuweisen,  welche  auxiliaren  in  folge 
der  damaligen  kriegerischen  ereignisse  in  andre  provinzen  ab- 
gezogen und  welche  dafür  in  den  piatz  gerückt  sind.  Ebenso 
verfährt  der  Verfasser  im  dritten  abschnitte  hinsichtlich  der 
zeit  von  75  bis  117.  Am  schluss  jedes  absebnittes  giebt 
er  eine  tabellarische  übersieht  der  am  ende  des  betreffenden 
Zeitraumes  muthmasslich  in  Germanien  stehenden  auxiliaren. 
Mit  recht  hat  der  verf.  den  trefflichen  Untersuchungen  von  Ur- 
lichs in  der  abhandlung  de  vita  et  honoribus  Agricolae  grossen 
einfluss  auf  seine  forschung  verstattet.  Auch  der  fortsetzung 
dieser  abhandlung  können  wir  nur  mit  vergnügen  entgegen- 
sehen. 

230.  Alb.  Müller,  die  ausrüstung  und  bewaffnung  des 
römischen  heeres  in  der  kaiserzeit ,  mit  vierzehn  modellfiguren. 
Zu  beziehen  für  1  thlr.  15  gr.  von  du  Bois,  zinnfigurenfa- 
brik    in  Hannover  oder  durch  Vermittlung  des  Verfassers. 

Während  *)  der  text  dieses  schriftchens  nur  einer  wissen- 
schaftlichen besprechung  zu  unterziehen  ist ,  muss  man  über 
die  figuren  auch  vom  Standpunkt  der  paedagogik  urtheilen. 
Nehmen  wir  zunächst  den  wissenschaftlichen  Standpunkt  ein. 
Es  ist  anzuerkennen,    mit  welcher  Sorgfalt  Müller  die  resultate 

1)  S.   eine  erste  anzeige  im  Philol.  Anz.  IV,  nr.  8,  p.  419. 


Nr.  8.  230.  Römische  alterthümer.  413 

eigner  und  fremder  forschungen  knapp  zusammengestellt  hat, 
um  ein  deutliches  bild  zu  schaffen  von  dem  aussehn  der  römi- 
schen Soldaten,  und  welche  mühe  er  sich  es  hat  kosten  lassen, 
dies  bild  auch  plastisch  vorzuführen  ,  da  ein  geschickter  zinn- 
giesser  nach  seinen  angaben  modelle  gefertigt  hat.  Es  ist  zu 
bedauern,  dass  nicht  ein  bild  des  caesarischen  heeres  hat  ge- 
geben werden  können,  doch  fehlen  hierzu  die  nöthigen  quellen. 
Es  sind  uns  also  mit  gutem  gründe  die  Soldaten  der  kaiser- 
zeit  vorgeführt,  von  denen  es  besonders  auf  den  denkmälern 
in  Rom  genug  abbildungen  giebt.  Aber  Müller  hätte  doch  auf 
den  titel  setzen  sollen  „der  ersten  kaiserzeit",  denn  thatsäch- 
lich  gilt  sowohl  das,  was  er  schreibt,  wie  auch  die  modelle 
selbst,  blos  für  die  erste  kaiserzeit. 

In  der  spätem  kaiserzeit  kann  seine  auseinandersetzung 
über  die  stärke  der  legionen  p.  6  nicht  gelten,  ebensowenig 
die  beschreibuug  der  panzer,  da  ja  nach  Vegetius  I,  20  die  me- 
tallpanzer  in  der  spätem  kaiserzeit  verschwunden  waren.  Vier- 
zehn figuren  sind  in  wort  und  bild  dargestellt:  1)  miles  legiona- 
rius ,  2)  centurio  leg.,  3)  aquilifer,  4)  buccinator ,  8)  miles  jpraeto- 
rianus,  9)  centurio  der  praetorianer ,  10)  signifer,  11) 'tubicen,  5) 
und  12)  equites,  6)  und  13)  vexillarii,  7)  und  14)  imperatores. 
Warum  der  verf.  die  figuren  in  zwei  parteien ,  je  sieben  mit 
rothen  und  mit  schwarzen  helmbiischen,  getheilt  hat,  ist  mir 
dunkel  geblieben;  ebensowenig  begreife  ich,  warum  er  so  viele 
figuren  für  nöthig  hält.  Denn  1  und  8  sind  sich  bis  auf  den 
panzer  und  die  verschiedene  färbe  der  helmbüche ,  die  wissen- 
schaftlich keine  berechtigung  hat,  vollständig  gleich;  2  und  9 
bis  auf  die  Stellung.  Wollen  wir  4  und  11  auch  neben  einan- 
der gelten  lassen,  so  haben  wir  wiederum  zwischen  5  und  12, 
6  und  13,  7  und  14  keinen  unterschied  finden  können,  der 
eine  doppelte  darstellung  nöthig  machte.  ■  Fände  sich  statt  de- 
ren lieber  ein  soldat  auf  dem  marsch  mit  dem  asinus  Marianus; 
die  Trajanssäule  bietet  die  schönsten  Vorbilder  dazu. 

Gehen  wir  auf  einzelnes  ein.  Haben  wir  auch  hie  und  da 
etwas  auszusetzen  oder  zu  bemerken,  so  soll  doch  dadurch 
unsre  oben  ausgesprochene  anerkennung  nicht  beschränkt  werden. 
Hätte  Müller  weitläufiger  sein  wollen,  so  könnte  vielleicht  man- 
che bemerkung  unsrerseits  wegbleiben.  P.  9  behauptet  er,  dass 
die  römischen    Soldaten   Stahlhelme  (cassides)    oder    auch  bronce- 


414  230.  Römische  alterthümer;  Nr.  8. 

helme  getragen  haben,  lederhelme  erwähnt  er  gar  nicht.  Aus 
Veget.  I,  20  erfahren  wir  aber,  dass  die  Soldaten  der  spätem 
kaiserzeit  nicht  mehr  galeae  getragen  haben.  Diesem  wort 
ganz  gleichbedeutend  ist  ibid.  z.  11  gebraucht  cassides.  Ob  die 
Soldaten  der  ersten  kaiserzeit  stahl-  oder  bronze-  oder  leder- 
helme getragen  haben,  scheint  mir  kaum  noch  zu  entscheiden  zu 
sein,  da  die  worte  galea  und  cassis  schon  zu  Caesars  zeit  nicht 
mehr  unterschieden  werden.  Der  unterschied,  welchen  Döder- 
lein  unter  cassis  aufstellt ,  cassis  sei  ein  eherner  heim ,  galea 
ein  lederner ,  trifft  also  nicht  zu  und  Kraner  hätte  ihn  in  sei- 
nem kurzen  abriss  über  caesarisches  kriegswesen  nicht  wieder- 
holen sollen.  Bei  Caes.  BG.  II,  21,  BC.  II,  62.  63  haben 
die  legionen  galeae,  B.  Afr.  16  aber  cassides.  Müller  hat  die 
helme  mit  büschen  geschmückt,  sagt  aber  selbst,  der  busch 
finde  sich  nicht  überall.  Ich  habe  mir,  als  ich  die  abgüsse  der 
Traianssäule  im  lateranensischen  museum  zu  Rom  durchmu- 
sterte, besonders  notiert,  dass  sich  der  busch  auf  den  meisten 
helmen  nicht  findet  und  mir  einige  platten,  z.  b.  nr.  107,  be- 
merkt als  solche,  auf  denen  Römer  mit  federbüschen  dargestellt 
werden.  Wenn  sich  Müller  für  die  färben  roth  und  schwarz 
der  büsche  auf  Polyb.  VI,  23  beruft,  so  musste  er  auch  des- 
sen worte  tzTEQOtg  OQ&oig  tqigiv  beachten. —  Ob  die  laminae,  mit 
denen  Schulter  und  taille  des  gemeinen  Soldaten  geschützt  wer- 
den ,  wirklich  bänder  aus  stahl  sind  und  nicht  vielmehr  leder- 
bänder  mit  eisenblech  beschlagen,  steht  noch  zu  erweisen.  —  Es 
ist  schade,  dass  nicht  angegeben  ist,  woher  nr.  10,  der  signifer, 
stammt,  der  sein  schwert  hoch  oben  trägt.  Sehr  praktisch  möchte 
ich  diese  art  und  weise  nicht  finden,  da  ja  der  ärmste  so  kaum 
sein  schwert  ziehen  kann. —  Statt  p.  12  zu  sagen:  „das  pilum 
ist  im  vierten  Jahrhundert  n.  Chr.  noch  bekannt",  hätte  er  besser 
geschrieben:  ,,im  vierten  jahrh.  schon  fast  ganz  unbekannt".  Ve- 
get. I,  20  sagt  ausdrücklich,  dass  diese  geschosse  rara  seien  und 
hält  es  deshalb  für  nöthig  sie  wie  raritäten  au  zwei  stellen  aus- 
führlich zu  beschreiben.  Die  übrige  auseinandersetzung  über 
das  pilum)  bei  der  Lindenschmitt  nach  gebühr  benutzt  ist,  ist 
mit  der  nöthigen  ausführlichkeit  und  klarheit  gegeben,  soweit 
eben  darüber  klarheit  herrscht.  —  Dass  der  centurio  der  legiou  ohne 
pilum  dargestellt  ist,  scheint  richtig,  da  dem  Veg.  II,  16  durch 
Caes.   BG.  V,  44  nicht  widersprochen    wird.      Auch    scheint    es 


Nr.   8.  230.  Römische  alterthümer.  415 

berechtigt,  dass  Müller  dem  centurio  eine  loriea  hamata  gegeben 
hat,  da  es  unwahrscheinlich  ist,  dass  in  der  ersten  kaiserzeit, 
für  die  ja,  wie  gesagt,  das  übrige  gilt  ,  Offiziere  in  loricis  linteis 
in  den  kämpf  gezogen  seien.  Zweifelhaft  aber  scheint  es  mir, 
ob  Müller  recht  gethan  hat  den  centurio,  den  er  darstellt  seine 
schaar  kommandierend  ,  mit  dem  sagum  zu  bekleiden.  Es  ist 
richtig,  dass  auf  der  Trajaussäule  manche  Soldaten  solche  män- 
tel  in  der  von  Müller  angegebnen  weise  tragen,  aber  ob  es  gerade 
centurionen  sind?  Keinesfalls  dürften  sie  in  der  schlacht  solche 
mäntel  getragen  haben. —  Ueber  die  fahnenträger  der  legionsco- 
horten  weiche  ich  von  der  ansieht  des  Verfassers  ab  und  habe  die 
meine  begründet  in  der  besprechurjg  von  Babucke's  schriftchen  über 
die  römische  heeresorganisation:  s.  Phil.  Anz.  IV,  n.  11,  p.  563, — ■ 
Ueber  die  eintheilung  der  reiterei,  über  welche  Müller  nach  Bec- 
ker, Köm.  alterth.  III,  2,  371  berichtet,  wird  an  andrer  stelle  aus- 
führlichergesprochen werden.  Die  ausrüstung  der  reiter  ist  im  gan- 
zen wohl  richtig  angegeben.  Aber  ephippia  scheinen  die  Römer 
doch  wohl  gehabt  zu  haben,,  da  sonst  Caes.  BG.  IV,  2  es  nicht 
als  etwas  besonderes  erwähnt  hätte ,  dass  die  Germanen  keine 
haben.  Freilich  darf  man  unter  ephippia  nicht  sattel  im  heu- 
tigen sinne  verstehen.  Eine  bemerkung,  ob  die  reiterei  sporen 
gehabt  hat,  fehlt.  Bei  Caesar  werden  sporen  nur  erwähnt 
BG.  VIII,  48,  aber  es  ist  dort  von  einem  Atrebaten  die  rede, 
bei  Livius  kommen  sie,  glaube  ich,  nur  im  zweiten  buche  vor.  — 
Richtig  ist  die  bemerkung  p.  30,  dass  höhere  Offiziere  niemals 
auf  römischen  denkmälern  mit  bedeckten  köpf  erscheinen ;  doch 
hat  Müller  wohl  recht  anzunehmen ,  dass  sie  in  der  schlacht  einen 
heim  aufzusetzen  pflegten.  Labienus  ist  zwar  B.  Afr.  16.  nudo 
capite,  aber  eben  diese  besondere  bemerkung  scheint  auf  etwas 
aussergewöhnliches  hinzudeuten.  —  Bei  den  panzern  der  kaiser 
hätte  sich  noch  erwähnen  lassen  ,  dass  sie  vielfach  mit  pracht- 
voller erhabener  arbeit  geschmückt  sind,  wie  z.  b.  die  reiter  des 
Augustus  im  Vatican,  die   des  Caesar  im  museum  zu  Neapel. 

Die  figuren  sind  mit  grosser  Sauberkeit  und  fast  genau 
den  angaben  entsprechend  modelliert;  doch  vermisse  ich  eine 
anweisung,  wie  man  sie  in  der  schule  benutzen  soll.  Gestatte 
man  einige  worte  vom  pädagogischen  Standpunkte  an  dieser 
stelle  anzufügen.  Ich  bin  auch  der  ansieht,  dass  man  durch 
anschaulichkeit    den   Unterricht    beleben    und    fruchtbar    machen 


41 6  231.  Geographie  von  Griechenland.  Nr.  8. 

soll  und  gehe  schon  längst  mit  planen  um,  die  denen  des  verf. 
ähnlich  sind.  Seit  jähren  habe  ich  mich  auf  das  erscheinen  dieser 
schon  längst  angekündigten  modeile  gefreut,  weiss  aber  nun 
nicht  recht,  was  damit  anfangen.  Soll  man  sie  den  schülern 
der  obern  klassen  vorzeigen?  Dazu  sind  sie  viel  zu  klein. 
Die  fusssoldaten  messen  nur  5,85  centimeter,  die  reiter  nur 
7,15.  Man  müsste  sie  fast  jedem  einzeln  zeigen  und  die  kna- 
ben  würden  an  den  niedlichen  figuren  mehr  spass  haben,  als 
an  ihnen  lernen.  Soll  man  sie  den  kleineren,  als  gewöhnliche 
Spielsoldaten  kaufen?  Da  würde  den  eitern  doch  der  preis  zu 
hoch  erscheinen  und  die  kinder  würden  für  die  figuren  kein 
verständniss  haben.  Mg. 

231.  Kurzgefasste  geographie  von  Alt -Griechenland.  Ein 
leitfaden  für  den  Unterricht  in  der  griechischen  geschichte  und 
die  griechische  lectüre  auf  höheren  iinterrichtsanstalten  von  Au- 
gust Buttmann,  prof.  und  prorector  am  gymnasium  zu 
Prenzlau.  8.  Berlin,  Nicol.  verlag.  1872.  VI  u.  140  ss. —     18  gr. 

Der  auf  47  §§  vertheilte  Inhalt  des  buches  behandelt  nach 
einer  kurzen  einleitung  (§.  1 — 6)  die  dem  eigentlichen  Griechen- 
land nördlich  vorliegenden  landschaften  der  Hämus  -  halbinsel 
(§.  7 — 11),  Nord-  und  Mittelgriechenland  (§.  12  —  27),  den 
Peloponnes  (§.  28 — 36),  die  inseln  und  colonien  (§.  37 — 47); 
angehängt  sind  ein  verzeichniss  der  attischen  demen  nach  den 
zehn  phylen  und  ein  index  der  im  buche  vorkommenden  na- 
men  unter  beifügung   der  griechischen  form. 

Den  verf.  leitete  bei  seiner  arbeit  die  sehr  berechtigte  ab- 
sieht, die  fruchte  der  geographischen  werke  von  Curtius, 
Bursian  und  Kiepert  für  die  schule  zu  verwerthen.  Da 
demnach  hinsichtlich  des  Stoffes  keine  eigne  wissenschaftliche 
arbeit  des  verf.  vorliegt,  so  wird  der  werth  des  geleisteten  we- 
sentlich vom  pädagogischen  Standpunkt  zu  beurtheilen  und  dern- 
gemäss  zu  fragen  sein  :  hat  der  verf.  den  stoff  zweckmässig  aus- 
gewählt und  das  gewählte  richtig  und  in  geeigneter  weise  dar- 
gestellt? 

Was  zunächst  die  aus  wähl  des  Stoffes  betrifft,  so  war 
für  den  verf.  der  zweck  des  leitfadens  massgebend,  den  er  mit 
folgenden  Worten  bezeichnet  (vorrede  p.  111  f.):  ,,es  ist  dahin 
zu  wirken,  dass  auch  in  die  bände  der  schüler,   denen  die  (oben 


Nr.  8.  231.  Geographie  von  Griechenland.  417 

genannten)  werke  selbst  nicht  zugänglich  sind,  ein  leitfaden  ge- 
lange, der  keineswegs  bloss  das  wesentliche  der  politischen 
geographie  Alt  -  Griechenlands  in  berichtigter  gestalt  gäbe,  son- 
dern zugleich  einen  dem  jugendlichen  fassungsvermögen  ange- 
passten  anschaulichen  umriss  der  localitäten  selbst,  auf  denen 
die  griechische  geschichte  sich  abgespielt  und  das  griechische 
leben  sich  bewegt  hat,  vor  ihre  seele  führe'1.  Wäre  der  verf. 
bei  der  ausarbeitung  seines  buches  sich  dieses  Zweckes  bewusst 
geblieben  und  hätte  die  consequenzen  desselben  überall  gezo- 
gen, so  wäre  sein  buch  ein  ganz  anderes  geworden.  Nun  aber 
hat  der  verf.  sich  durchaus  nicht  von  den  gesichtspunkten  lei- 
ten lassen,  die  für  die  ausarbeitung  eines  solchen  Schulbuchs 
bestimmend  sind.  Die  alte  geographie  soll  in  der  schule  nur 
zur  folie  der  geschichte  dienen ;  darnach  ist  das  material  nach 
inhalt  und  umfang  zu  wählen.  Eine  solche  wähl  wird  in  dem 
buche  fast  überall  vermisst.  Der  verf.  verfällt  in  den  gewöhn- 
lichen fehler  solcher  realcompendien ;  man  geht  dem  object  ein- 
seitig nach,  verliert  sich  in  die  breite,  überfüllt  die  Jugend  mit 
empirischem  stoff,  statt  sich  des  für  die  bildung  des  geistes  und 
für  die  erwärmung  des  gemüths  geeigneten  charakteristischen 
inhalts  zu  bemächtigen.  Der  verf.  gibt  daher  von  jenem  zu 
viel,  von  diesem  zu  wenig.  Die  breite  fülle  des  chorographi- 
schen  materials,  mit  der  z.  b.  Makedonien,  Epirus ,  Thessalien, 
Akarnanien,  Aetolien  und  Arkadien  behandelt  sind,  geht  weit 
über  das  mass  und  die  bedeutung  des  für  die  schule  erforder- 
lichen hinaus.  Die  landschaft  Arkadien  ist  auf  achtzehn  seiten 
behandelt;  Attika  sind  kaum  fünf  seiten  gewidmet.  Ein  Schul- 
buch hätte  für  diese  beiden  landschaften  die  Seitenzahl  tauschen 
sollen.  Das  für  das  verständniss  der  hellenischen  geschichte 
und  kultur  wichtige  und  charakteristische  ist  durchaus  nicht  ge- 
nügend berücksichtigt.  Die  statten  epochemachender  ereignisse 
sind  zu  kurz  behandelt :  die  marathonische  ebene  ist  p.  43  mit 
drei  zeilen  abgefunden-,  der  Schüler  erfährt  nichts  von  dem  grab- 
mal  der  gefallenen  Athener,  nichts  von  dem  denkmal  des  Mil- 
tiades,  nichts  von  dem  tropaion,  von  den  steinernen  krippen 
der  pferde  des  Artaphernes.  Und  doch  sind  das  eben  dinge, 
die  leben  in  den  trockenen  stoff  bringen  und  für  die  das  in- 
teresse  der  schüler  belebt  wird.  Der  insel  Salamis  sind  vier 
zeilen  gewidmet;  der  schüler  hört  nichts  von  dem  Schauplatz 
Philol.  Anz.  V.  27 


418  231.  Geographie  von  Griechenland.  Nr.  8. 

der  ewig  denkwürdigen  Seeschlacht ,    nichts    von    dem    denkmal 
auf  der  halbinsel  Kynosura,  nichts  von  der  insel  Psyttalia,    wo 
Aristeides  kerntruppen  des  Xerxes  vernichtete.     Ueber  den  pass 
von  Thermopylai    nur    vier    Zeilen;    Plataiai    ist    zweimal    bloss 
genannt.       Bei    all'    diesen   historischen    örtlichkeiten    hätte    das 
geographische  material  so  ausreichend  gegeben    werden  müssen, 
dass  der  schüler  für  die  geschichtlichen  Vorgänge  auf  denselben 
vollständig  instruirt  worden  wäre.      Hat    der  verf.   es   unterlas- 
sen, die  geographie  in  solcher  weise    für  die  geschichte  dienst- 
bar zu  machen ,    so    zeigt    er    überall  eine  verkehrte  Zurückhal- 
tung   das    geographische    durch    heranziehung  historischer  anga- 
ben zu  vervollständigen  und    zu  beleben.      Er    beschreibt    kurz 
die  mauern  zwischen  Athen  und  dem  Peiraieus,    aber    eine   ge- 
schichte   des    baues    und    des    Schicksals    derselben   fehlt.       Die 
phaleriscbe    mauer   wird    nicht  einmal   genannt.      Nicht   minder 
karg  ist  der  verf.   in    der  belebung    des   Stoffes   durch  archäolo- 
gische und  kunsthistorische  notizen.     Bei  der  topographie  Athens 
sind  der  akropolis    drei  zeilen   gewidmet.      Nicht    selten    fehlen 
werthvolle  statistische  angaben.    Der  schüler  erfährt  nichts  davon, 
dass  im  alten  Attika    zur    blütezeit    des    Staates    600,000    men- 
schen auf  vierzig  quadratmeilen    landes  wohnten ,    während    das 
heutige  Attika    etwa    den    zehnten    theil    der   bevölkerung  auf- 
weist.    Ueber  die  bewohner  wird  hier    dem    schüler  nichts  wei- 
ter gegeben,    als  eine  für  ihn  in    der   vorliegenden  fassung  un- 
verständliche   Unterscheidung  zwischen   Athenern    und  Attikern, 
der  reiche    Stoff    der  mythologie    ist   für    die   Charakteristik  von 
land    und    leuten    wenig  verwerthet.      Warum    nichts    von   dem 
gewerbe  der  einwohuer  Anthedons,  warum  nichts  aus  dem  köst- 
lichen   mythus  von    dem    Schirmherren  ihres  gewerbes?     Kurze 
etymologische    andeutungen    hätten    das    verständniss    mancher 
namen  beleben  können.      Wird    beim  Peiraieus    auf   riBQtt    ver- 
wiesen,,   Elis  als  tiefland,    Theben  als  hügelstadt  gedeutet,    bei 
Keraunia  und  Buthrotum  an  den  Ursprung  erinnert,    so  gewin- 
nen todte  namen    leben.   —     Warum  der  verf.  bei  Unteritalien 
eine    ausführliche    darstellung    des    Apennin,    sogar    der    passe, 
wenn  auch  in  der  anmerkung,    gibt,    ist  nicht  ersichtlich.     Bei 
Griechenland  wird  dagegen  manches  vermisst.     So  z.  b.  Kyllene, 
die    hafenstadt    von  Elis ;    die    kleine    historisch    wichtige   insel 


Nr.  8.  231.  Geographie  von  Griechenland.  419 

Lade  bei  Milet ;  von  colonien  u.  a.  Odessos  am  Pontos  Euxei- 
nos,  Kroton  in  Bruttium. 

Auch  die  richtigkeit  des  gegebenen  lässt  hie  und  da 
zu  wünschen  übrig.  P.  13  heisst  es:  die  läge  von  Dodona  ist 
noch  nicht  sicher  ermittelt.  Dies  gilt  doch  nicht  von  der  Stadt, 
sondern  von  dem  heiligthume.  P.  28  wird  angegeben,  der 
Mornopotamus  münde  in  den  äussern  korinthischen  meerbu- 
sen;  er  fliesst  aber  östlich  von  Naupaktos  in  denselben.  Die 
Stadt  Aigina  lag  nicht  auf  der  nordöstlichen  küste  der 
insel,  sondern  auf  der  nordwestlichen.  Das  bild ,  welches  p. 
39  von  der  läge  Thebens  gegeben  ist,  entspricht  nicht  genau 
den  terrainverhaltnissen ,  wie  sie  namentlich  Forchhammer  in 
seiner  topographie  Thebarum  heptapylarum  mit  kundiger  band 
gezeichnet  hat.  Theben  lag  darnach  nicht  in  der  ebene,  son- 
dern oberhalb  derselben,  sie  beherschend.  Mit  vollem  recht 
nennt  daher  Bursian  (p.  225)  Theben  eine  rechte  hügelstadt. 
Was  der  verf.  ferner  über  den  nothwendigen  schütz  der  stadt 
durch  die  mauer  und  thore  sagt,  ist  nach  Forchammer  zu 
berichtigen.  Die  Charakteristik  der  Boioter  befriedigt  nicht. 
Es  ist  weder  von  Völlerei  noch  übermuth  zu  reden.  Die  schrift- 
steiler ,  welche  der  schüler  liest ,  reden  von  geistiger  Schwer- 
fälligkeit und  vom  Stumpfsinn  der  Thebaner  und  der  Boioter, 
und  leiten  diese  eigenschaften  von  den  klimatischen,  den  bo- 
denverhältnissen  des  landes  und  der  lebensweise  der  bewohner 
ab.  Das  wäre  das  richtige  gewesen  und  würde  dem  schüler 
das  verständniss  seiner  lectiire  vermittelt  haben. 

Schliesslich  ein  wort  über  die  darstellung  des  gegebenen. 
Man  wird  in  stilistischer  hinsieht  keine  besonderen  anforderun- 
gen  an  einen  geographischen  leitfaden  stellen  ;  man  wird  dem 
verf.  bei  dem  berechtigten  bestreben  nach  kürze  des  aus- 
drucks ,  die  manches  zusammenziehen  und  in  einander  verar- 
beiten muss,  selbst  eine  Schwerfälligkeit  der  darstellung  zu  gute 
halten.  Aber  eorreetheit  und  angemessenheit  darf  man  sowohl 
von  dem  einzelnen  ausdruck  wie  von  der  periode  erwarten. 
Eef.  stellt  einiges  von  dem ,  was  der  verf.  in  dieser  hinsieht 
sich  erlaubt  hat,  zusammen.  P.  3  und  4  heisst  es:  „die  grie- 
chische bevölkerung  löste  sich  zuletzt  völlig  in  eine  in- 
selweit auf,  während  der  Peloponne3  seiner  natur  nach  so 
gut  wie  eine  insel  ist".      P.  4:    „die  Griechen    sind  daher 

27* 


420  232.  Geschichte  der  philosophie.  Nr.  8. 

wesentlich  auf  das  meer  gewiesen  und  haben  daher"  etc.  P 
13:  „die  ostgrenze  von  Epirus  machte  die  mächtige  Pindus- 
kette". P.  107:  „entwicklung  des  sinnlichen  wie  des  geisti- 
gen Verkehrs  zwischen  den  Griechen  Europa's  wie  Asiens".  P.  3: 
„dieser  theil  der  Hämus-halbinsel  liegt  —  —  im  schönsten 
klima".  P.  43:  „nordwestlich  von  ihm  lag  der  Areopag,  von  ihm 
südwestlich  der  sogenannte  Pnyxhiigel,  südlich  von  diesem 
das  museum ,  anderer  nicht  zu  gedenken.  Nordwest- 
lich von  dem  westende  der  Akropolis"  etc.  P.  41 :  „in  sei- 
nem nordwestlichen  theile  westlich  an  Megaris"  etc.  An 
Wahren  Ungeheuern  von  perioden  sind  zu  verzeichnen  auf  p.  7  : 
,;längs  der  Macedonien  von  Illyrien  im  westen  begrenzenden 
gebirgskette  zieht  entsprechend  der  längs  des  westfusses  sich 
hinziehenden  einsenkung  eine  gleiche  am  ostfusse".  P.  27: 
„im  norden  —"  —  war  es  ausser  von  dem  aus  dem  Athamanen- 
lande  herabkommenden  Achelous  selbst  von  drei  bedeutenderen, 
aus  dem  Doloper- lande  herabfliessenden  nebenflüssen  desselben, 
und  in  der  richtung  von  nord-osten  gegen  süd- westen  und 
von  einem  von  Oeta  her  nach  zusammenströmung  mannigfacher 
quell-  und  Zuflüsse  zuletzt  von  Süden  her  in  den  östlichen  der 
drei  vorher  bezeichneten  einmündenden  durchflössen". 

Ausserdem  befinden  sich  manche  druckfehler  in  dem  bu- 
che, die  den  berichtigungen  des  veif.  entgangen  sind.  Der 
schlimmste  steht  p.  46,  wo  es  heisst:  Euboia  ist  28  meilen  lang, 
24  meilen  breit,  Ref.  führt  an  p.  6,  z.  13;  das.  z.  1  v.  u. ; 
p.  8,  z.  18  u.  20.  p.  14,  z.  18;  das.  z.  21.  p.  28,  12.  p.  43, 
z.  27.  p.  97,  z.  9.  p.  116,  z.  26.  —  Im  register  hat  ref. 
manche  namen  vermisst,  die  im  texte  vorkommen. 

W.  Th,  Jungclaussen. 

232.  Geschichte  der  alten  philosophie  von  George  Henry- 
Lew  es.  Deutsch  nach  der  dritten  ausgäbe  von  1867.  Berlin. 
Verlag  von  E.   Oppenheim.  1871.     533  s.     8.  —  2  thlr.  28  gr. 

In  der  einleitung  (p.  1 — 108)  unterscheidet  der  vf.  zunächst 
drei  phasen  in  der  philosophie,  nämlich  die  ontologische,  psy- 
chologische und  die  gegenwärtige,  d.  h.  die  phase  der  positiven 
philosophie.  Sodann  giebt  er  genau  den  unterschied  zwischen 
der  objektiven  und  subjektiven  methode  dahin  an,  dass  die 
erstere  ihre    ansichten    nach  den  realitäten  modelt   und  die  an- 


Nr.  8.  232.  Geschichte  der  philosophie.  421 

dere  die  realitäten  nach  ihren  ansichten  bestimmt.  Die  schwä- 
che der  subjektiven  methode  beruhe  ia  der  Unmöglichkeit,  diö 
verificirung  anzuwenden,  und  sie  überschreite  daher  fortwäh- 
rend die  grenzen,  welche  das  materielle  von  dem  formellen 
scheiden.  Das  dritte  kapitel  der  prolegomena  handelt  von  dem 
prüfstein  der  Wahrheit,  d.  h.  von  dem  prüfstein  der  Überein- 
stimmung zwischen  der  innern  und  äussern  Ordnung,  welcher 
im  wesentlichen  mit  dem  berühmten  princvpium  identitatis  zu- 
sammenfällt. Das  vierte  kapitel  behandelt  einige  schwächen 
des  menschlichen  gedankens,  die  in  verschiedenen  Systemen  zu 
tage  treten.  Endlich  wird  man  es  bei  dem  Standpunkt  des 
vf's  nicht  wunderbar  finden ,  dass  er  im  fünften  kapitel  sich 
mit  entschiedenheit  gegen  angeborene  ideen  ausspricht,  da  er 
ganz  konsequent  empiriker  ist.  Nur  insofern  theilt  er  die  an- 
sieht von  Mansel  (Prolegg.  logica),  als  er  die  existenz  von  an- 
schauungen  zugiebt,  die  wir  nach  unsrer  konstitution  und  Stel- 
lung in  der  weit  mit  unumgänglicher  nothwendigkeit  erfahren. 

Die  geschichte  der  alten  philosophie  selbst  wird  in  neun 
epochen  eingetheilt.  Mit  Aristoteles  (Metaph.  I,  3)  leugnet  der 
vf.  auf  das  bestimmteste,  dass  die  alten  physiker  einen  unter- 
schied gemacht  hätten  zwischen  der  materie  und  dem  bewegen- 
den prineip  oder  der  wirkenden  Ursache;  aber  gegen  Aristote- 
les nimmt  er  nicht  Anaxagoras,  sondern  Diogenes  von  Apol- 
lonia  als  den  ersten  an,  der  es  zu  dem  begriff  einer  bildenden 
intelligenz  gebracht.  Den  zweiten  platz  ertheilt  er  mit  Kitter 
dem  Anaximenes,  nicht  Anaximander ,  weil  erstens  Anaximenes 
lehren  die  entwickelung  der  von  Thaies  sind  und  zweitens 
Anaximander  den  reigen  der  mathematiker  eröffnet  und  des- 
halb einer  ganz  andern  richtung  der  speculation  augehört.  Bei 
Pythagoras  hat  der  vf.  den  wohlbegründeten,  auch  von  Eöth 
aufgestellten,  unterschied  zwischen  Pythagorikern  und  Pythago- 
räern  übersehen,  obgleich  durch  die  letzteren  nach  Vorgang  des 
Philolaos  die  theorie  des  meisters  eine  wesentliche  redaktion 
erfahren  hat.  Vornehmlich  habe  sich  Pythagoras  in  dem  irr- 
thum  bewegt,  dass  zahlen  wirklich  dinge  und  nicht  blos  Sym- 
bole wären.  Verworfen  wird  deswegen  die  ansieht  Kitters,  dass 
die  Wendung  piftqaiv  tlvai  tu  ovia  -zäv  ugt&fimv  nur  symbo- 
lisch zu  verstehen  sei,  obgleich  man  nirgends  einen  beleg  dafür 
findet,  dass  Pythagoras  die  zahlen  für  besondere  existenzen  oder 


422  232.  Geschichte  der  philosophie.  Nr.  8. 

Wesenheiten  gehalten,  wie  Piaton  die  ideen.  In  dem  fragment 
des  Pannenides  (p.  165  anm.)  scheint  Brandis  mit  seiner  Über- 
setzung [tb  nliov  =  das  mächtigere)  das  richtige  annähernd 
getroffen  zu  haben.  Doch  dürfte  meiner  ansieht  nach  nicht 
nXsov,  sondern  rtXog  zu  lesen  sein.  Anaxagoras  habe  durch 
die  gleichberechtigte  annähme  der  gedankenweit  und  der  Sinn- 
lichkeit einen  wichtigen  schritt  zur  lösung  der  frage  nach  dem 
Ursprung  der  erkenntniss  gethan.  Aber  die  erklärung ,  welche 
der  vf.  von  Metaph.  I,  3  giebt  (von  den  worten:  Idru^ayögus 
8s  6  Kla^ofie'viog  z$  fxsv  qXixia.  ngözEQog  k>v  tovtov,  zoTg  ö' 
EQyoig  vazsQog)  ist  nicht  haltbar.  Denn  wenn  vcisQog  hier  in 
der  bedeutung  „untergeordnet"  zu  verstehen  wäre,  dann  würde, 
wie  Schwegler  in  seinem  kommentar  richtig  hervorhebt ,  der 
logische  gegensatz  verloren  gehen.  Vielmehr  wird  rolg  egyoig,  wie 
Schwegler  durch  mehrere  stellen  belegt,  von  Aristoteles  gleichbe- 
deutend mit  reo  sgycp  gebraucht,  und  der  sinn  der  stelle  geht  so- 
mit darauf  hinaus,  dass  Anaxagoras  zwar  dem  alter  nach  höher 
stehe,  aber  wegen  des  tiefern  und  speculativeren  inhalts  seiner 
lehre  nach  Empedokles  rangieren  muss.  In  glänzender  diction 
kennzeichnet  der  vf.  das  wesen  der  Sophisten  und  ihr  verhält- 
niss  zu  den  gleichzeitigen  philosophen ,  aber  seine  darstellung 
ist  mehr  apologetischer,  als  verwerfender  natur,  und  das  mit 
recht,  weil  die  meisten  beurtheilungen  der  sophistik  vom  ein- 
seitig platonischen  Standpunkt  ausgegangen  sind  und  deshalb 
des  sichern  massstabs  entbehren ,  während  sich  Lewes  bemüht, 
mit  nüchterner  besonnenheit  der  Objektivität  der  Verhältnisse 
rechnung  zu  tragen  und  zu  dem  resultat  kommt,  dass  nicht 
von  einem  sophistischen  System,  sondern  höchstens  von  einer 
sophistischen  kunst  die  rede  sein  könne.  Der  hauptgegensatz 
zwischen  den  Sophisten  und  Sokrates  Avar  der  gegensatz  der 
rhetorik  zur  dialektik.  Wegen  der  verurtheilung  des  Sokrates 
nimmt  der  vf.  die  Athener  in  schütz,  weil  sie  im  allgemeinen 
die  grosse  des  mannes  verkannt  hätten  und  insbesondere  ver- 
letzt worden  wären  durch  seine  apathie  gegen  Staatsgeschäfte, 
durch  seine  mit  der  sophistik  gemeinsamen  Spitzfindigkeiten 
und  trugschlüsse  und  endlich  durch  den  stets  regsamen  geist 
und  die  herbe  form  des  Widerspruchs,  womit  er  den  bedeutend- 
sten männern  entgegentrat.  Die  beurtheilung  des  platonischen 
stils  hebt  mit  grosser  Unparteilichkeit  die  schwächen    nicht  we- 


Nr.  8.  232.  Geschichte  der  philosophie.  423 

niger,  als  die  Vorzüge  heraus.  Aber  ungenau  ist,  dass  Piaton 
im  jähre  386  nach  Athen  ,  und  zwar  direkt  aus  Aegypten  zu- 
rückgekehrt sei.  Denn  die  Zeugnisse  der  meisten  diesen  punkt 
berührenden  Schriftsteller  und  besonders  auch  der  siebente  brief 
Platon's  selbst  lassen  die  gründung  der  akademischen  schule, 
als  deren  antrittsprogramm  der  Phädrus  zu  betrachten  ist,  spä- 
testens in  das  jähr  387  v.  Chr.  fallen.  Ausserdem  weisen  die 
meisten  quellen  darauf  hin,  dass  dies  unmittelbar  nach  Platon's 
italisch-  sicilischer  reise  geschehen  sei,  die  mit  der  grössten 
Wahrscheinlichkeit  erst  nach  der  ägyptischen  stattgefunden  hat 
(vgl.  Ueberweg ,  ächtheit  und  Zeitfolge  platonischer  Schriften, 
p.  125  ff.).  In  der  beurtheilung  der  ächtheit  schliesst  der  vf. 
sich  an  Grote  an ,  der  mit  ziemlicher  evidenz  die  richtigkeit 
des  nach  dem  kanon  der  Alexandriner  adoptirten  Verzeichnisses 
von  Thrasyllus  nachweist.  Die  nach  dem  Vorgang  von  Sextus 
Empiricus  angenommene  eintheilung  der  dialoge  in  dogmatische 
und  agonistische  ,  d.  b.  darstellende  und  polemisirende  ist  nicht 
zu  verwerfen.  Obgleich  dann  der  dynamische  einfluss  Platon's 
in  gebührender  weise  hervorgehoben  wird,  beschuldigt  der  vf. 
doch  den  zweitgrössten  philosophen  des  alterthums  der  philoso- 
phischen Unfähigkeit  und  lässt  sein  System  nur  eine  erfindung 
der  ausleger  sein.  Enthält  nicht  unstreitig  die  platonische  phi- 
losophie die  Quintessenz  der  früheren  Systeme  und  fügt  als 
selbständigen  neubau  die  lehre  von  den  ideen  hinzu,  von  den 
zu  besonderen  Wesenheiten  erhobenen  und  hypostasirten  sokra- 
tischen  begriffen?  Andrerseits  giebt  der  vf.  zu,  dass  Piaton  zu 
den  induktiven  und  analogischen  beweisen  und  definitionen  des 
Sokrates  noch  die  wirksameren  processe  der  analyse  und  Syn- 
these hinzugefügt  habe,  dass  die  platonische  dialektik  den  in- 
begriff  der  höchsten  eikenntnisse  bilde,  dass  endlich  Piaton 
von  der  existenz  eines  grundes  der  gewissheit  überzeugt  gewe- 
sen sei  und  durch  sein  kriterium  der  subjectiven  methode  eine 
logische  basis  gegeben  habe.  In  der  für  die  lehre  von  der 
Wiedererinnerung  wichtigen  aus  Phaedrus  (247  B)  citirten  stelle 
folgt  der  verf.  und  demgemäss  der  Übersetzer  dem  überliefer- 
ten text,  während  ich  mir  in  den  Jahrbb.  f.  philol.  1869  heft 
8  die  Verbesserung  erlaubt  habe :  av  //>}  naläg  y  TS&Qctfi/ievos, 
i6v  ?jito%ov  (letzteres  wort  abhängig  von  ßctQvtcov),  wonach  dann 
auch  die  Übersetzung    eine   kleine  abänderung  erfahren  müsste. 


424  232.  Geschichte  der  philosophie.  Nr.  8. 

Jedenfalls  kann  man  zugeben,  dass  Piaton  die  abhängigkeit 
der  dinge  von  den  ideen  nicht  in  genügender  weise  erklärt  und 
in  den  frühem  dialogen  eine  theilnahme  der  dinge  an  dem  we- 
gen, im  Timäus  dagegen  nur  eine  theilnahme  derselben  an  der 
form  der  ideen  verfochten  habe.  Der  Widerspruch  des  Aristo- 
teles gegen  die  theorie  der  ideen  sei  ebensowohl  ein  Wider- 
spruch der  methode  als  des  resultats.  Eine  subjeetive  existenz 
spreche  er  den  ideen  nicht  ab ,  aber  ihre  objeetive  existenz 
verwerfe  er  als  eine  leere  und  poetische  metapher.  Allgemein 
angesehen  scheine  die  aristotelische  methode  die  der  positiven 
Wissenschaft  zu  sein,  aber  genauer  betrachtet  sei  sie  dadurch 
in  der  wurzel  verschieden  ,  dass  Aristoteles  bei  jedem  indueti- 
ven  schritt  weglasse  den  grundsatz  der  strengen  verification. 
Unterblieben  ist  ein  expose  und  ein  urtheil  über  die  staatstheo- 
rie  des  Aristoteles;  nur  bei  gelegenheit  des  urtheils  über  Pla- 
ton's  politik  ist  flüchtig  der  gegensatz  beider  philosophen  auch 
auf  diesem  gebiete  berührt.  Die  achte  epoche  umfasst  nach 
des  vfs  eintheilung  die  Skeptiker,  stoiker,  epikuräer  und  die 
neuere  akademie.  Sie  wird  charakterisirt  als  die  periode ,  in 
welcher  der  grundmangel  der  subjektiven  methode  durch  die 
Unmöglichkeit,  ihr  kriterium  anzuwenden,  offenbar  wird.  Die 
neunte  epoche  wird  ausgefüllt  durch  die  Alexandriner  und  den 
neuplatonismus ,  in  dem  sich  die  Vernunft  mit  dem  glauben 
verbindet,  die  philosophie  ihre  Unabhängigkeit  aufgiebt  und 
wieder  zum  Werkzeug  der  theologie  herabsinkt.  Auf  eine  ein- 
gehende besprechung  dieser  letzten  beiden  epochen  glaube  ich  um 
so  eher  verzichten  zu  können,  als  sie  die  weniger  wichtigen  par- 
tien  der  griechischen  philosophie  bilden.  Doch  tritt  auch  bei 
ihrer  behandlung  in  genügendem  masse  die  klarheit,  schärfe  und 
Originalität  des  vfs  hervor.  Nur  wäre  es  bei  den  citaten,  z.  b. 
aus  Plotin,  zu  wünschen  gewesen ,  dass  ausser  dem  Wortlaut 
auch  die  stelle  selbst  immer  eine  bezeichnung  gefunden  hätte. 
Denn  wer  soll  bei  dem  lesen  der  worte :  Zeig  de  nariiq  elei]' 
aag  novovfievag  &npa  avrwv  -ta  öeafia.  notäv  tjsq)  d  norovriai 
didcoGiv  aranavlug  ii>  %Qi'>votg  x.t.A.  auf  den  ersten  blick  wis- 
sen, dass  dieselben  aus  Enn.  IV,  4,  12  entnommen  worden 
sind?  Uebrigens  ist  iXet'jaag  fälschlich  ile'ijffag  accentuirt,  und 
das  ist  leider  nicht  der  einzige  druckfehler,  mit  dem  ich  das 
konto  des  anonymen  herrn  Übersetzers  belasten  muss.      Im  ge- 


Nr.  8.  233.   Neuere  poesie.  425 

gentheil  ist  die  zahl  der  druckfehler  grösser  als  ein  klassisch 
gebildeter  leserkreis  vertragen  kann.  Unter  andern  hebe  ich 
noch  folgende  hervor:  aöqog  anstatt  aoqog  (p.  132),  6[xoiä' 
fiaia  statt  bfxotmuara  (p.  147),  azovxHU  statt  aTot^sia  (p.  148), 
aoÜQanoiai  statt  urdQoonoiat  (p.  151  a),  to  yun  avro  statt  ro 
yaq  avro,  ' Q  statt  '  fig  und  rwg  statt  img  (p.  165);  endlich 
in  dem  citat  aus  Diog.  Laert.  VI,  8:  nollot  ca  ina'Aivovai  statt 
inaiiovcii.  Also  dürfte  der  wünsch  nach  einer  grösseren  kor- 
rektheit  der  nächsten  aufläge  wohl  ein  berechtigter  sein. 

C.   Liebhold. 

233.  Die  ultramontanocommunisten.  Eine  griechische  ko- 
mödie  von  Julius  Richter.  (Auch  unter  dem  titel:  'Iovliov 
Kqitoü  XsXiÖoveg).     4.     Jena.  Fr.  Frommann.   1873.  —   1  thlr. 

Bei  der  besprechung  dieser  neuen  komödie  von  Julius 
Richter,  die  seinem  „Ungeziefer"  nach  kaum  Jahresfrist  gefolgt 
ist  (s.  Philol.  Anz.  1871,  nr.  11),  können  wir  uns  kürzer  fas- 
sen, weil  das  zweite  stück  ganz  im  stile  des  ersten  gehalten 
ist  und  so  vieles  von  dem,  was  damals  gesagt  wurde,  auch  auf 
dieses  seine  anwendung  findet. 

Geben  wir  zunächst  einen  abriss  der  fabel.  Die  beiden 
ältesten  söhne  eines  mit  kindern  reich  gesegneten  mannes  na- 
mens Pausias  sind  sehr  verschieden  geartet,  der  eine,  Hippias, 
huldigt  den  lehren  der  socialdemokratie  ,  der  andere  Pheidias, 
geht  in  egoistischer  weise  darauf  aus,  sich  möglichst  viele  schätze 
zu  sammeln.  Damit  sie  einsehen  lernen,  wie  verkehrt  sie  den- 
ken und  handeln,  und  damit  sie  sich  zu  tüchtigen  bürgern  her- 
anbilden ,  denen  das  wohl  des  Vaterlandes  über  alles  geht, 
schickt  sie  der  vater  zu  zwei  geriebenen  meistern  in  die  lehre 
und  zwar  den  älteren  söhn  mit  den  communistischen  tendenzen 
zum  ultramontanen  Pisias,  und  den  jüngeren  mit  der  ausge- 
sprochen antisocialdemokratischen  gesinnung  zum  communisten 
Knakias.  Was  der  vater  von  diesem  wunderbaren  schritte 
hofft,  geht  in  erfüllung-,  beide  Jünglinge  lernen  das  von  ihren 
lehrern ,  dass  der  politisch- sociale  Standpunkt,  den  sie  bisher 
einnahmen,  nicht  der  rechte  ist,  sie  lernen  aber  auch  ihre  leh- 
rer  und  deren  scheinbar  so  verschiedene  ,  in  Wirklichkeit  aber 
so  nahe  verwandte  doctrinen  gründlich  verachten  und  kommen 
zu  der  einsieht,    dass    nur    der  den  namen  eines  guten  bürgere 


426  233.  Neuere  poesie,  Nr.  8. 

mit  recht  führt,  der  den  gesetzen  des  landes  gehorsam  leistet 
und  das  gemeinwohl  aus  allen  kräften  fördert.  Niemand  ist 
glücklicher  über  diese  veränderte  anschauung  als  der  alte  Pau- 
sias.  Während  er  im  beginne  des  Stückes  traurig  einherging 
und  mit  sorgen  an  die  zukunft  dachte,  ist  er  am  ende  dessel- 
ben so  aufgeräumt,  dass  er  die  beiden  lehrer  als  sie  kommen, 
den  ausbedungenen  lohn  zu  holen,  in  der  übermüthigsten  weise 
verhöhnt  und  schliesslich  mit  schlagen  von  dannen  jagt.  Nun 
ist  es  frühjahr  geworden  im  hause;  nun  können  auch  die 
schwalben  die  den  chor  bilden,  und  die  in  der  Verspottung  der 
ultramontanen  und  socialdemokraten  mit  dem  Pausias  und  sei- 
nen söhnen  gewetteifert  haben,  in  dasselbe  einziehen,  und  das 
stück  endet  unter  allgemeinem  jubel.  Wie  bei  der  vorigen  ko- 
mödie  so  ist  auch  bei  dieser,  wie  man  sieht,  die  handlung  über- 
aus einfach  und  bietet  kein  besonderes  interesse;  der  Schwer- 
punkt ist  auch  hier  wieder  in  der  tendenz  des  ganzen  und  in 
der  überall  ausgesprochenen  grundanschauung  zu  suchen.  Und 
in  bezug  hierauf  gereicht  es  uns  zu  grosser  freude  sagen  zu 
können ,  dass  die  Xelidoveg  einen  viel  reineren  genuss  gewäh- 
ren als  die  *Insg.  Denn  was  auch  der  geehrte  Aristophanide 
nachträglich  sagen  mag ,  um  die  allzuscharfen  stacheln  seines 
,, Ungeziefers"  abzustumpfen ,  es  bleibt  doch  dabei ,  sie  haben 
schwer  verletzt  und  dadurch  der  wirkung  des  ganzen  entschie- 
den eintrag  gethan-,  die  „schwalben"  sind  dagegen  ein  harmlo- 
ses geschlecht,  und  mögen  sie  auch  noch  so  laut  und  für  man- 
che obren  unerträglich  zwitschern  (die  vneQoqsivoi  oder  nan- 
nonolTzai  und  die  non'oßia>Ttxoi  oder  xlsnronolirai  werden  ent- 
setzlich mitgenommen) ,  sie  geissein  doch  immer  nur  die  fehler 
gewisser  richtungen  und  stände  und  enthalten  sich  fast  durch- 
weg der    persönlichen  schmährede. 

An  formaler  Schönheit  tritt  das  neue  product  dem  alten 
völlig  ebenbürtig  zur  seite.  Correcte  diction ,  gewandter ,  an- 
muthiger  ausdruck,  fliessende  verse,  reizende  ckorlieder  —  sol- 
che und  ähnliche  Vorzüge  müssen  auch  diesem  stücke  nach- 
gerühmt werden ,  und  so  könuen  wir  die  lectüre  desselben  al- 
len denen,  die  an  aristophaneischeu  dichtuugen  gefallen  finden, 
auf  das  wärmste  empfehlen. 

Chr.  M. 


Nr.  8.     Neue  auflagen  und  Schulbücher,  —  Bibliographie.     427 

Neue  auflagen. 

234.  Sophokles.  Erklärt  von  F.  W.  Schneidewin.  6.  bdck.  Tra- 
chinierinnen.  4.  aufl.  von  W.  Nauck.  8.  Berlin.  Weidmann;  12 
ngr.  —  235.  Cicero's  ausgewählte  reden.  Erklärt  von  K.  Halm. 
3.  bdch.  8.  aufl.  8.  Berl.  Weidmann;  12  ngr.—  236.  Cicero's  Cato 
maior  de  Senectute.  Erklärt  von  J.  Sommerbrodt.  7.  aufl.  8.  Berl. 
Weidmann;  7x/2  ügr.  —  237.  M.  F.  Quintiliani  institutionis  orato- 
riae  liber  X.  Erklärt  von  E.  Bonnell.  4.  aufl.  8.  Berlin.  Weid- 
mann; 7Va  ngr-  —  238.  Gregorovius,  wanderjahre  in  Italien.  4.  bd. 
2.  aufl.  Leipzig.  Brockhaus;  1  thlr.  24  ngr.  —  239.  C.  Hirzel, 
grundzüge  einer  geschichte  der  klassischen  philologie.  2.  aufl.  8. 
Tübingen.  Fuess;  12  ngr.  —  240.  W.  Hartel,  homerische  studien. 
2.  aufl.     8.     Berlin.  Vahlen;  1  thlr. 

Neue  Schulbücher. 

241.  Freunds  Schülerbibliothek.  Abth.  1.  Präparationen  u.  s.  w. 
Präparation  zu  Cicero's  werken.  22.  hft.  16.  Leipzig.  Violet;  5 ngr. 
—  242.  J.  Lattmann,  lateinisches  lesebuch.  4.  aufl.  8.  Göttingen. 
Vandenh.  u.  Ruprecht;  24  ngr.  —  243.  F.  Wiedemann  ,  präparatio- 
nen  für  den  anschauungs  -  Unterricht.  2.  aufl.  8.  Dresden.;  Mein- 
hold; 25  ngr. 


Bibliographie. 

In  Petzhold's  anzeiger  für  bibliographie  und  bibliothekwissenschaft 
wird  auch  in  dem  jahrg.  1873  das  verzeichniss  der  literatur .  des 
deutsch -französischen  krieges  fortgesetzt. 

Wir  machen  darauf  aufmerksam ,  dass  seit  diesem  jähre  dem 
Reichsanzeiger  ein  postblatt  beigegeben ,  in  dem  Veränderungen  im 
postverkehr  und  sonstiges  diesen  betreffende  verzeichnet  wird:  am 
15.  juli  ist  nr.  7  erschienen. 

Deutscher  universitäts-kalender  f.  d.  sommer-semester  1873,  her- 
ausgegeben von  Dr  F.  Ascherson.  16.  Berlin.  Simion,  15  ngr.  ist 
erschienen,  immer  interessant,  um  die  äussern  Verhältnisse  der  Uni- 
versitäten kennen  zu  lernen.  Auch  das  ist  diesmal  an  ihm  interes- 
sant, dass  von  bogen  6  an  andre  lettern  sich  zeigen:  des  strikes  der 
buchdrucker  wegen  musste  der  kalender  in  zwei  verschiedenen  offi- 
zinen  gedruckt  werden. 

14.  juli.  Fast  sämmtliche  berliner  zeitungen  melden,  dass  die 
erneut  eingetretene  Steigerung  der  satz  -  und  druckpreise  so  wie  der 
herstellungskosten  der  zeitungen  im  allgemeinen  sie  nöthigen,  die 
insertionsgebühren,  resp.  das  abonnement  zu  erhöhen. 

Einen  prospect  das  conversations-lexikon  betreffend,  Umtausch 
alter  aufl.  u.  s.  w.  hat  F.  Brockhaus  versandt. 

Deutscher  Zeitschriften  -  katalog.  Systematisch  geordnetes  verzeich- 
niss der  in  Deutschland,  Oesterreich-Ungarn  und  der  Schweiz  erschei- 
nenden wissenschaftlichen  und  unterhaltenden  Zeitschriften,  Jahrbü- 
cher, kalender,  abhandlungen  und  Jahresberichte  gelehrter  gesellschaf- 
ten  und  wissenschaftlicher  vereine,  ranglisten ,  adress  -  und  staats- 
handbücher.  Mit  angäbe  ihrer  formate  und  bogenzahl,  erscheinungs- 
weise  und  preise.  Nebst  einem  alphabetischen  sach-  und  verleger- 
register.  Leipzig ,  bei  J.  J.  Weber.  Sind  die  bis  jetzt  vorhandenen 
kataloge  ausschliesslich  darauf  gerichtet,  insertionszwecken  zu  dienen, 
60  sucht  im  gegensatz  dazu  das  hier  vorliegende  verzeichniss  dem  li- 


428  Kleine  philologische  zeitung,  Nr.  8. 

terarischen,  buchhändlerischen  und  fachwissenschaftlichen  interesse  zu 
dienen,  und  somit  gleichmässig  dem  gelehrten,  dem  bücherfreund  und 
buchhändler  ein  Wegweiser  zu  sein,  der  in  gesichteter,  wissenschaft- 
licher anordnung  über  dieses  reiche  literaturfeld  anhält  und  überblick 
zugleich  bietet. 

Mauhe 's  verlag  (H.  Dufft)  versendet  einen  „prospect",  in  dem 
über  sonstigen  philologischen  verlag  wie  über  Merguet's  Lexicon  zu 
den  reden  Cicero's  berichtet  wird. 

In  B.  G.  Teubner's  mittheilungen  1873  nr.  2  werden  angekündigt: 
G.  Curtius  grundzüge  der  griechischen  etymologie,  4.  aufl.:  ausser 
berichtigungeu  drgl.  ist  diese  aufläge  durch  vergleichungen  aus  den 
keltischen  sprachen  von  E.  Windisch  vermehrt;  auch  sind  exemplare 
auf  Schreibpapier  abgezogen  worden;  —  Lexicon  Homericum  compo- 
suerirnt  C.  Capelle  .  .  .  edidit  H.  Ebeling ,  nämlich  der  verlag  der 
firma  H.  Ebeling  &  C.  Plahn  ist  in  Teubner's  besitz  übergegangen: 
es  sollen  die  noch  fehlenden  hefte  baldigst  erscheinen;  —  Alexan- 
der Magnus.  Collectio  scriptorum  ad  fabulosam  eiusdem  historiam 
pertinentium.  Rec.  et  praefatus  est  Wend.  Foerster,  also  Iulius  Va- 
lerius,  Itinerarium  Alexandri,  epistola  Alexandri  M.  ad  Aristotelem  de 
situ  Indiae,  Alexandri  ei  Dindimi  collatio,  iter  Alexandri  ad  paradisum, 
Leonis  historia  Alexandri  M.,  —  Vergil's  gedichte.  Für  den  schul- 
gebrauch erläutert  von  K.  Kappes;  —  Hagiographa  chaldaice.  Pau- 
lus de  Lagarde  edidit :  da  diese  chaldäisehen  Übersetzungen  des  alten 
testaments  auch  für  Sprachforschung  sehr  wichtig  und  bis  jetzt  äu- 
sserst schwierig  zu  erlangen  sind,  machen  wir  auf  diese  erste  kriti- 
sche ausgäbe  auch  hier  aufmerksam. 

Cataloge  von  antiquaren:  verzeichniss  nr.  66  des  antiquarischen 
bücherlagers  von  Fried.  Kaiser  in  Bremen ;  Cohen  und  söhn  in  Bonn, 
nr.  36,  theologie  und  philosophie ;  antiquarisches  bücherlager  nr.  1 
von  Otto  Wtilkow,  buchhandlung  und  antiquariat  in  Magdeburg;  die 
Sammlung  enthält  die  bibliothek  des  weiland  bibliothekar  prof.  Dr 
Schweiger  in   Göttingen,  1.  abth. 

Kleine  philologische  zeitung. 

Güstrow,  3.  juni.  An  diesem  tage  hat  hier  die  zioeite  Versamm- 
lung des  Vereins  mecklenburger  schuhnä'nner  unter  dem  Vorsitz  des 
gymnasialdirectors  Dr  Raspe  stattgefunden.  Die  präsenzliste  wies 
47  mitglieder  auf,  unter  denen  die  namen  des  schulrath  Dr  Hartwig- 
Schwerin,  des  professor  F.  V.  Fritzsche-Rostock ,  sowie  der  meisten 
directoren  der  höhern  schulen  Mecklenburgs  sich  befinden.  Zur  Ver- 
handlung kam  die  von  dir.  Raspc-Güstrow  gestellte  theais:  »der  la- 
teinische aufsatz  hat  aufzuhören  obligatorisch  zu  sein,  wogegen 
Übertragungen  aus  reinem  vorzugsweise  der  wissenschaftlichen  spräche 
angehörendem  deutsch  ius  lateinische  mit  aller  entschiedenheit  beizu- 
behalten sind«.  Nach  sehr  lebhafter  debatte  wurde  die  frage:  »Ist 
der  lateinische  aufsatz  überhaupt  abzuschaffen?«  mit  einer  kleinen 
majorität  bejaht;  die  zweite  frage  :  »Ist  der  lateinische  aufsatz  facul- 
tativ  beizubehalten  ?  «  mit  allen  gegen  eine  (des  antragstellers)  stimme 
verneint.  Demnächst  folgte  ein  Vortrag  des  Dr  Kretschman-Güstrow 
»über  lehrbücher  der  geschichte  für  obere  klassen  «,  doch  musste  die 
sich  an  denselben  anknüpfende  discussion  wegen  vorgeschrittener  zeit 
abgebrochen  werden  ,  ohne  dass  eine  resolution  gefasst  wurde.  Die 
Versammlung  war  sichtlich  angeregt  und  befriedigt.  Die  nächste 
wird  in  Schwerin  stattfinden.  [Demnach  wäre  diese  Versammlung 
besser  unterblieben;  denn   die    gefassten  beschlüsse  d.  h.  der    erste 


Nr.  8.  Kleine  philologische  zeittmg.  429 

(facultativer  aufsatz  ist  gar  nichts)  sind  nur  zu  bedauern,  da  man  in 
ihrer  ausführung  nur  einen  schritt  zum  weiteren  verfall  der  philolo- 
gie  auf  dem  gymnasium  erblicken  kann.  Dieselbe  thesis  ist  übrigens 
auch  in  der  pädagogischen  section  der  Altenburger  philologenver- 
sammlung  zur  Verhandlung  gekommen.  Unerklärlich  ist  aber  Raspe ; 
sonst  ein  den  extremen  abgeneigter  mann ,  und  einer  von  den  weni- 
gen der  Jetztzeit ,  die  ein  gutes  glas  wein  gehörig  zu  erkennen  wis- 
sen und  somit  sinn  für  das  ideale  und  erhabene  haben,  wie  kommt 
der  zu  solchen  extravaganzen?] 

Mainz,  6.  juni.  Die  antiquarischen  funde  beim  festungsbau  ha- 
ben bis  jetzt  eine  sehr  geringe  ausbeute  geliefert. 

Bertin,  den  13.  juni.  Heute  abends  ist  hieselbst  im  93.  jähre  Dr 
Friedrich  Ludwig  Georg  von  Räumer  gestorben.  Der  D.  Reichsanz, 
n.  140  giebt  eine  kurze  biographische  notiz. 

Berlin,  14.  juni.  Heute  verstarb  hieselbst  der  oberst  z.  d.  Adolph 
Borbstädt;  seine  letzte  schriftstellerische  leistung  ist  die  geschichte 
des  deutsch -französischen  kriegs,  das  beste  bis  jetzt,  was  von  mili- 
tairischem  Standpunkt  aus  von  privaten  über  diesen  krieg  veröffent- 
licht ist. 

Greifswald ,  21.  juni.  Heute  feierte  Dr  iur.  et  phil.  Schoemann 
sein  sechzigjähriges  amtsjubiläum. 

Hanau,  8.  juni.  Bei  dem  dorfe  Mittelbuclien ,  eine  stunde  von 
hier,  hat  man  skelette,  waffen  u.  s.  w.  ausgegraben,  welche  dem  8. 
jahrh.  p.  Chr.,  also  Franken-  oder  Alemannen -grabstätten  anzugehö- 
ren scheiuen.     D.  Reichsanz.  nr.  162. 

Zürich,  15.  juli.  Die  eisenbahnarbeiten  bei  Lenzburg  im  Aargau 
haben  der  »N.  Z.  Z.«  zufolge  zur  entdeckung  einer  ehemaligen  römi- 
schen niederlassung  geführt.  Zahlreiche  Überreste  von  mauern,  drei 
zugedeckte  brunnen ,  hausgeräthschaften ,  münzen  u.  s.  w.  deuten  auf 
eine  kleine  Ortschaft. 

Berlin,  18.  juli.  Der  kaiser  und  könig  hat  nach  seiner  rückkehr 
aus  dem  feldzuge  von  1870/71  durch  den  GHR  Schneider  eine  Samm- 
lung von  schriften,  drucksachen,  Zeichnungen  u.  s.  w.,  welche  sich  auf 
den  französisch -deutschen  krieg  beziehen,  anlegen  lassen  und  diese 
Sammlung  jetzt,  vorbehaltlich  einer  weitern  Vervollständigung  der 
königl.  bibliothek  geschenkweise  mit  der  maassgabe  überwiesen,  dass 
dieselbe  als  ein  untrennbares  ganzes  dort  besonders  verwahrt  werden 
soll.     D.  Reichsanz.  nr.  168. 

London,  15.  juli.  Die  Society  of  Arts  in  London  hat  den  Schah 
von  Persien  auf  dessen  ausdrücklichen  wünsch  zu  ihrem  ehrenmit- 
gliede  ernannt. 

In  Helsinyfors,  der  hauptstadt  Finnlands ,  ist  eine  höhere  weib- 
liche lehranstalt  in  der  Organisation  begriffen,  die  den  namen  frauen- 
akademie  führen  und  am  1.  oct.  d.  j.  eröffnet  werden  soll.  Der  cur» 
sus,  der  aus  sieben  wöchentlichen  vortragen  besteht,  wird  zweijährig 
sein  und  kirchengeschichte,  literaturgeschichte,  mathematik,  Psycho- 
logie, pbysiologie,  physik  und  die  grundsätze  des  finnländischen  staats- 
und  privatrechts  umfassen.  Die  gründung  der  akademie  ist  ein  pri- 
vatunternehmen ,  an  dem  sich  der  grösste  theil  der  Universitätspro- 
fessoren betheiligt. 

Der  französische  professor  Michel  Breal  vom  College  de  France, 
bekannt  durch  seine  schriftstellerische  nnd  lehrthätigkeit  im  fache 
der  sanskrit- philologie  und  Sprachvergleichung,  hält  sich  gegenwär- 
tig in  Berlin  auf,  um  die  art  des  philologischen  Unterrichts  an  dor- 
tigen gymnasien  genauer  kennen  zu  lernen. 

Auf  anregung  des  deutschen  general-consuls,  herrn  von  Jasmund, 
hat  der  vice  -  könig  von  Aegypten  beschlossen,  eine  expedition  in  die 


430  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  8. 

libysche  wüste  zu  entsenden ,  welche  ganz  auf  kosten  des  Khedive 
ausgerüstet  wird.  Gerhard  Rohlfs,  der  den  ersten  gedanken  dazu  ge- 
geben hat  und  in  seinem  plane  von  den  ersten  geographen  Deutsch- 
lands, wie  Bastian,  Petermann,  Peschel,  Koner,  Kiepert  u.  a.,  unter- 
stützt wurde ,  wird  diese  expedition  leiten.  Ausserdem  wird  aber 
Rolfs  von  mehreren  fachgelehrten  begleitet  werden ,  und  der  vicekö- 
nig  eine  militärische  escorte  beigeben.  Zweck  der  expedition,  wel- 
che etwa  drei  monate  dauern  und  anfang  1874  wird  unternommen 
werden  ,  ist  lediglich  die  Erforschung  der  unbekannten  theile  der  li- 
byschen wüste,  welche  westlich  Aegypten  begrenzen. 

Die  russische  Academiezeitimc/  theilt  mit,  dass  68  Studentinnen 
sich  zu  den  prüfungen  der  medizinisch -chirurgischen  academie  ge- 
meldet und  60  da^on  das  examen  in  durchaus  befriedigender  weise 
bestanden  haben.  '»Dieses  in  vergleich  mit  den  resultaten  der  Prü- 
fungen der  männlichen  studirenden  sehr  bemerkenswerthe  resultat«, 
setzt  die  genannte  zeitung  hinzu,  » konnte  nicht  verfehlen  die  auf- 
merksamkeit  der  academie -direction  auf  sich  zu  ziehen«. 

Im  dorfe  Retzney,  bei  Ehrenhausen  wird  gegenwärtig,  wie  »Wie- 
ner blätter«  melden,  eine  römische  villa  ausgegraben,  welche  vor 
1600  jahren  hier  gestanden.  In  der  länge  von  50  metern  zeigen  sich 
mauerzüge  in  gerader  und  gebogener  Knie,  grössere  und  kleinere  ge- 
macher, Wasserleitungen,  steinstufen,  bau-,  deck-  und  wärmeleitzie- 
gel,  bruchstücke  von  thongefässen  und  gläsern,  mosaikböden ,  insbe- 
sondere eine  erhebliche  masse  von  Wandmalereien  ,  welche  durch  ihr 
intensives  roth,  braun,  gelb,  blau,  grau,  mit  mancherlei  linierun- 
gen, bogen,  arabesken ,  lebhaft  an  die  pompejanischen  fresco-farb- 
wände  erinnern.  Eine  reihe  dieser  wand-  und  pilasterstücke,  thonge- 
räthe  (eines  mit  namen  Firmianus),  bronzeschlüsseln  u.  s.  w.  und  eine 
münze  des  kaisers  Aurelianus  (270  —  275  n.  Chr.),  welche  das  alter 
dieser  ruinen  bestimmen  hilft,  sind  im  antikenkabinette  des  Johan- 
neums  (1.  stock,  zimmer  1  und  2)  zur  allgemeinen  besichtigung  auf- 
gestellt. Angeregt  von  dem  interesse  dieses  seit  Jahrzehnten  wichtig- 
sten antiken  baufundes  im  umkreise  der  alten  römerstadt  Flavium 
Solvense  (Leibnitz),  hat  graf  Meran  eine  summe  für  den  ausgrabungs- 
fonds  zur  Verfügung  gestellt  und  die  kaiserl.  königl.  centralkommis- 
sion  in  Wien  mit  zusage  eines  beitrages  den  leiter  der  ausgrabungs- 
arbeiten,  professor  Dr.  Pichler,  aufgefordert,  die  theilnahme  für  die- 
ses baugeschichtliche  unternehmen  im  lande  zu  erwecken. 

Berichtigung.  Das  ob.  in  nr.  5,  p.  272  über  Fr.  Schlie's  aus- 
führung  mitgetheilte  referat  musste  so  gefasst  sein  :  »Schlie  bespricht 
»eine  von  Schliemann  in  Ilium  gefundene  metope  und  sucht,  haupt- 
ssächlich gegen  Curtius  polemisirend ,  der  sie  in  die  römische  zeit 
„hinabrücken  will,  dieselbe  in  die  diadochenzeit  zu  setzen,  ohne  aber 
»für  eine  bestimmtere  fixirung  innerhalb  dieser  epoche  einzutreten, 
»während  Komanudes  und  Newton  dafür  die  zeit  zwischen  Perikles 
»und  Alexander,  Schliemann  die  des  Lysimachus,  anzunehmen  ge- 
»neigt  sind«.  Dem  vernehmen  nach,  hat  E.  Curtius  seine  ansieht 
nach  genauerer  ansieht  der  metope  aufgegeben. 


Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Archäologische  zeiiunfl  von  Hühner,  bd.  V,  lieft  4 :  die  antiken» 
Sammlung  der  Marciana  zu  Venedig,  von  A.  Conxe,  p.  83.  —  Pom- 
pejanische  Wandgemälde,  mit  taf.  67.  von  H.  Heydemann,  p.  8.  9.  — 
Beschreibung  der  vasensammluug  des  freiherrn  von  Leesen  von  E. 
Schulze,  mit  taf.  70,  von  Heydemann ,  p.  91:  s.  Phil.  Auz.  III,  n.  11, 


Nr.  8.  Auszüge  aus  Zeitschriften.  431 

p.  562,  was  in  diesem  aufsatz  unbeachtet  geblieben.  —  Berichtigung 
von  H.  Hirschfeld ,  p.  96.  —  Bruchstück  eines  -Wandgemäldes  mit 
taf.  68,  von  E.  Curtius,  p.  96.  —  Die  neueu  entdeckungen  von  Se- 
linunt,  mit  taf.  71,  von  J.  Schubring,  p.  97,  ein  Vortrag,  in  dem  auch 
die  inschrift  des  Apollotempels  —  s.  Ph.  Anz.  III,  nr.  11,  p.  576.  — 
besprochen  und  zu  erklären  versucht  wird.  —  Der  Zeustempel  zu 
Olympia  und  sein  ausbau,  von  H.  Wittich,  p.  103.  —  Miscellen:  aus 
dem  brittischen  museum ,  von  E.  Hübner,  p.  104.  —  Sitzungsbe- 
richt der  archäologischen  gesellschaft  in  Berlin,  p.  105.  —  Chronik 
der  "Winkelmannsfeste,  p.  107:  berichte  aus  Rom.  —  Nachträge  zu 
einzelnen  abhandlungen,  p.  111.  —  R.  Engelmann,  allgemeiner  Jah- 
resbericht, p.  112. 

Augsburger  Allgemeine  Zeitung:  beil.  zu  nr.  190  :  Gerhard  Rohlfs, 
mein  erster  aufenthalt  in  Marocco,  anzeige  :  wird  empfohlen.  —  Wolf- 
gang Heibig,  Untersuchungen  über  die  campanische  Wandmalerei: 
eingehende  und  anerkennende  anzeige.  —  Nr.  191:  Balde-feier  in 
München.  —  Nr.  192:  die  materielle  läge  der  lehrer  an  den  höhern 
schulen  in  Elsass- Lothringen:  sehr  zu  beachtende  klage  über  den 
mangel  gesetzlicher  bestimmungen.  —  Beil.  zu  nr.  192 :  die  Philoso- 
phie bei  den  Slaven.  —  Noch  einmal  »Tischendorfs  neue  ausgäbe  der 
vnlgata«  :  werden  die  Unrichtigkeiten  in  dem  artikel  in  nr.  150  dargelegt 
und  gezeigt,  dass  Tischendorf  so  gut  wie  gar  keinen  antheil  an  der  aus- 
gäbe habe,  dass  vielmehr  Theodor  Hei/se  alles  verdienst  zukomme. —  Nr. 
193:  die  Baken'sche  expedition:  in  Aegypten  und  Afrika. —  Nr.  194: 
evangelische  generalsynode  in  Madrid.  —  Beil.  zu  nr.  194:  Karl  Imma- 
nuel Nitzsch:  anzeige  der  biographie  von  W.  Beyschlag.  —  Es  soll 
Schliemaun  —  s.  ob.  nr.  2,  125.  —  in  Verwicklungen  gekommen 
sein:  er  war  verpflichtet,  die  hälfte  der  gefundenen  sachen  an  das 
rnuseum  in  Konstantinopel  abzuliefern ,  hat  aber  alles  nach  Athen 
geschickt.  —  Nr.  196:  zur  Sydow'schen  angelegenheit.  —  Nr. 
197:  das  Unterrichtsgesetz  in  England:  es  ist  auch  da  ein  gegen- 
ständ des  mannigfachsten  kampfes.  —  Beil.  zu  nr.  197.  198/  200: 
A.  Springer  Fr.  Chr.  Dahlmann :  anzeige  des  zweiten  bandes  dieses 
werks :  der  erste  theil  war  ebenfalls  in  Allg.  Ztg.  besprochen,  näm- 
lich 1870,  nr.  164.  165:  sehr  ausführliche  und  Dahlmann's  wesen  und 
Verdienste  hervorhebende  anzeige:  so  wird  bei  einem,  als  Dahlmann 
in  Bonn  war,  an  ihn  ergangenen  ruf  nach  Heidelberg  gesagt :  »Dahl- 
mann Hess  von  dem  rufe  nach  Heidelberg  nichts  gegen  andre  verlau- 
ten und  noch  weniger  dachte  er  daran  sich  dadurch  in  Bonn  äussere  vor- 
(heile  zu  verschaffen.  Er  hatte  sich  in  diesem  falle  wie  immer,  treu, 
fest  und  uneigennützig  gezeigt«.  [Und  dadurch  zugleich  dem  stände 
der  professoren  wahrhaft  genützt,  indem  er  ihm  achtung  auch  in  fer- 
ner stehenden  kreisen  verschaffte,  ein  punkt,  der  jetzt  gar  zu  wenig 
beachtet  wird:  jeder  denkt  eben  nur  an  sich  selbst.]  —  Ein  wald  in  der 
Themse  versunken:  er  ist  schon  vor  150  jähren  entdeckt:  jetzt  wie- 
der bei  niedrigem  Wasserstande  untersucht  und  nachgewiesen,  dass 
die  mündung  der  Themse  früher  an  andrer  stelle  gewesen  sein  müsse. 
—  Nr.  199 :  zum  18.  juli.  —  Beil.  zu  nr.  199  :  der  Jesuitenorden.  I.  — 
Beil.  zu  nr.  200 :  Ed.  Zeller,  staat  und  kirche :  anzeige.  —  Beil.  zu 
nr.  205:  das  mittelalterliche  drama  in  den  Niederlanden:  anknü- 
pfend an  das  in  Harlem  erschienene  buch  von  Hendrik  Gablee.  — 
Zwei  erfurter  publikationen:  anzeige  des  neuesten  bandes  der  »Jahr- 
bücher der  k.  academie  gemeinnütziger  Wissenschaften  zu  Erfurt« 
von  Fr.  Trautmann,  die  namentlich  einen  Aethiopien  und  den  stein- 
kult  betreffenden  aufsatz  vom  gerichtsrath  Keferstein  bespricht.  — 
Beil.  zu  nr.  206 :  zur  literatur  der  kunstgeschichte. 

Göttingische  gelehrte  anzeigen,  st.  18 :    Quid  de  Iudaeorum  moribus 


432  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  8. 

atque  institutis  scriptoribus  Romanis  persuasum  fuerit.  Commentatio,  ,. 
scripta  a  L.  Geiger.  8.  Berol.  1872:  Notices  of  the  Jeics  and  their 
country  by  the  classic  writers  of  antiquity :  being  a  collection  of  State- 
ments and  opinions  from  the  works  of  grec  and  latin  heather  authors 
previous  to  A.  D.  500.  By  John  Gilt.  2  ed.  8.  London.  1872: 
anzeige  von  Geiger,  der  die  zweite  schrift  als  eine  zwar  mangelhafte, 
aber  fleissige  Sammlung  bezeichnet.  —  Heinrich  Bellermann,  die  grosse 
der  musicalischen  intervalle  als  grundlage  der  harmonik.  8.  Berlin : 
eingehende  anzeige  von  Ed.  Krüger.  —  St.  19:  H.  Schiller,  ge- 
schichte  des  römischen  kaiserreichs  unter  der  regierung  des  Nero. 
8.  Berlin.  1872  :  sehr  lehrreiche  und  beachtenswerthe  ausstellungen 
machende  anzeige  von  O.  Hirschfeld:  vrgl.  ob.  p.  402.  —  St.  22: 
des  Beatus  Rhenanus  literarische  thätigkeit  in  den  jähren  1508 — 
1530  und  in  den  jähren  1530— 1546.  Von  Adalbert  Horawitz.  2.  heft. 
8.  Wien  1872.  73:  anerkennende  anzeige  von  L.  Geiger.  —  De 
infinitivi  linguarum  Sa7iscritae  Bactricae  Persicae  Graecae  Oscae  Um- 
bricae  Latinae  Gothicae  forma  et  usu.  Scr.  JEus.  Wilhelmus.  8. 
Eisenach:   lobende  anzeige  von    Th.  Benfey. 

Nachrichten  von  der  königl.  gesellschaft  der  unssenschaften  zu  Göt- 
tingen,  nr.  7 :  Th.  Benfey ,  indogermanisches  particip  perfecti  passivi 
auf  tua  oder  tra.  —  Derselbe,  Dionysos,  etymologie  des  namens:  die 
grundform  ist  JtövvGo  Aipovvxno  und  bedeutet  söhn  des  tages  und 
der  nacht  oder  söhn  der  helle  und  der  nacht  oder  söhn  des  him- 
rnels  und  der  nacht  oder  endlich  söhn  des  gottes  des  himmels  (des 
Zeus)  und  der  nacht.  Die  basis  dtpov-vvxi  ist  ein  copulativ  -  com- 
positum ,  wie  t>v%d-rhu&Qo.  Welche  etymologie  die  richtige ,  müsse 
durch  behandlung  des  wesens  des  gottes  bestimmt  werden.  —  Nr. 
14:  beitrage  zur  Symbolik  der  Griechen  und  Römer,  von  Fr.  Wiese- 
ler: I.  ein  eigenthümliches  sühnopfer:  bespricht  Laur.  Lyd.  de  menss. 
IV,  45,  wo  gelesen  werden  soll:  n goßciro  v  xwdiai  icxtTiaöpivov  cvv 
afrvov  rf,  'AtpQo&iTfl;  II.  über  den  schmuck  am  gewande  des  Phei- 
dias's'chen  Zeus:  in  Paus.  V,  11,  1  soll  y.Qiicoovu  statt  xoivcc  gelesen 
werden;  III.  über  den  eichenkranz  bei  Zeus  (Juppiter).  —  Nr.  15: 
die  suffixe  anti ,  dti  und  ianti,  idti,  von  Th.  Benfey.  — ■  Von  dem- 
selben: ein  theil  des  mongolischen  Ardschi  Bordscho  und  stücke 
des  Pantschatantra  im  Singhalesischen. 


Bekanntmachung. 

Die  29.  Versarnmlung  deutscher  Philologen ,  Schulmänner  und 
Orientalisten  wird  in  den  Tagen  vom  23.  —  26.  Sept.  d.  J.  zu  Inns- 
bruck stattfinden,  wozu  die  Unterzeichneten  hiemit  ganz  ergebenst 
einladen. 

Indem  sie  die  geehrten  Fachgenossen  ersuchen,  beabsichtigte 
Vorträge  sowohl  für  die  allgemeiuen  als  auch  für  die  Verhandlungen 
der  Sectionen  baldmöglichst  (längstens  bis  20.  August)  anmelden  zu 
wollen ,  erklären  sie  sich  zugleich  bereit,  Anfragen  und  Wünsche, 
welche  sich  auf  die  Theilnahme  an  der  Versammlung  beziehen ,  ent- 
gegenzunehmen und  nach  Möglichkeit  zu  erledigen. 

Innsbruck,  im  juni  1873. 

Das  Präsidium: 
B.  Jülg.  W.  Riehl. 


Nr.  9.  September  1873. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben  als  ergänzung  des  Philologus 


von 

Ernst  von  Leutsch. 


244.  Lateinische  elementargrammatik  von  G.  W.  Gosa- 
rau.     Quedlinburg,  G.  Basse.  1871.  —      20  ngr. 

G.  W.  Gossrau  hat  seiner  grösseren  lateinischen  grammatik 
eine  elementargrammatik  folgen  lassen ,  welche  jedoch  nicht 
als  ein  blosser  auszug  aus  jener  zu  betrachten  ist.  Man  über- 
zeugt sich  davon  sofort,  wenn  man  einzelne  abschnitte  der  for- 
menlehre  in  beiden  vergleicht;  in  der  elementargrammatik  ist 
z.  b.  mit  recht  die  in  der  anderen  gegebene  regel  über  den 
genitivus  pluralis  auf  ium}  weil  sie  auf  der  accentuation  be- 
ruht und  zu  viel  abstraction  voraussetzt,  weggelassen  und  durch 
eine  mehr  der  üblichen  weise  sich  annähernde  anweisung  er- 
setzt worden.  Aber  auch  die  fassung  der  Vorschrift  in  der  ele- 
mentargrammatik scheint  mir,  trotz  ihrer  kürze,  zu  complicirt 
für  schüler  der  unteren  und  der  mittlem  klassen.  Es  heisst 
unter  andern : 

3)  alle  Wörter,  die  vor  der  genitivendung  drei  conso- 
nanten  haben  wie  imbrium,  lintrmm;  dann  auch  die,  welche 
zwei  consonanten  haben,  nur  nicht  wo  muta  cum  liquida  steht,  als 
fratrum,  patrum,  matrum,  aber  wohl ,  wo  liquida  cum  muta  ver- 
bunden ist  wie  parentium ,  fontium  f  oder  liquida  cum  liquida 
wie  carnium. 

Für  solche  dinge  wird  der  lehrer  es  aus  seiner  erfahrung 
her  bewährter  finden,  die  einzelnen  wörterklassen  dem  gedächt- 
niss  der  schüler  anzuvertrauen,  als  ihnen,  bei  allen  so  mannich- 
faltigen  fällen ,  eine  schwer  von  ihnen  zu  erwartende  Überle- 
gung zuzumuthen.  Und  besonders  schwierig  scheint  dem  an- 
fänger  die  sichre  entscheidung  dadurch  gemacht,  dass  die  in 
dieser  regel  überwiegend  berücksichtigten  parisyllaba  in  einer 
vorhergehenden  regel  bereits  besonders  erwähnt  sind.  Sonst 
Philol.  Anz.  V.  28 


434  244.  Lateinische  grammatik.  Nr.  9. 

ist  die  formenlehre  grade  mit  ausnehmender  genauigkeit  be- 
handelt. Die  genusregeln  sind  nicht,  wie  sonst  üblich,  in 
versen  gegeben ;  mancher  wird  diese  vermissen ;  geschmackbil- 
dend wohl  sind  sie  eben  nicht.  In  dem  kapitel  über  die  Zahlwörter 
wird  man  vieles  finden,  was  man  in  einer  schulgrammatik  sonst 
vergebens  sucht.  Bei  der  grossen  ausführlichkeit  an  dieser 
stelle,  wie  an  manchen  andern,  die  es  dem  tertianer  eines  gym- 
nasiums ,  und  selbst  den  Schülern  der  obersten  klassen  einer 
realschule  schwer  machen  wird,  alles  zu  lernen  und  zu  behal- 
ten, vermisst  man  wiederum  an  andern  stellen  einzelnes,  was 
sonst  die  kürzeste  grammatik  mitzutheilen  pflegt,  wie  den  genitiv. 
pluralis  murium  von  mus,  der  dem  Verfasser,  nach  seiner  grösseren 
grammatik  zu  schliessen,  nicht  sicher  vorgekommen  ist;  den 
genit.  pluralis  lyncum  von  lynx,  die  erwähnung,  dass  parentum 
üblicher  ist,  als  parentium;  die  comparation  frugi,  frugalior,  fruga- 
lissimus ;  eine  vollständigere  aufzählung  der  adjectiva ,  welche 
der  comparation  entbehren ,  die  bei  Nepos ,  Caesar  und  den 
dichtem  üblichen  griechischen  declinationsformen,  die  der  real- 
schüler,  welcher  die  grammatik  auch  gebrauchen  soll  und  der 
diese  schriftsteiler  liest,  sich  anderwärts  her  nicht  wird  erklären 
können;  und  trotz  der  widersprechenden  bemerkung  des  Ver- 
fassers in  der  vorrede  wird  eine  kurze  anweisung  über  metrik 
gewiss  von  allen  lehrern  auch  in  einer  elementargrammatik  für 
erforderlich  gehalten  werden ;  es  darf  natürlich  nicht  ein  wis- 
senschaftliches System  sein.  Im  allgemeinen  aber  und  bis  auf 
die  eben  erwähnten  einzelheiten  hat  der  verf.  eher  zu  viel  als 
zu  wenig  gegeben.  Ganze  capitel  sind  nicht  für  das  eigentliche 
erlernen  in  der  klasse  und  für  die  klasse  bestimmt,  sondern 
als  eine  Vorbereitung  für  das  eigentliche  Sprachstudium  zu  be- 
trachten. Dahin  gehören  die  bildung  des  nominativs  aus  dem 
stamm  in  der  dritten  declination  und  die  buchstabenveränderungen. 
In  der  syntax  habe  ich  mich  gewundert,  dass  (trotz  der  auseinan- 
dersetzung  Seiffarts  in  der  vorrede  zu  seiner  grammatik  von  3  862) 
praecedo,  anteeo,  antecedo  u.  s.  w.  nur  als  den  dativ,  nicht  auch  den 
accusativ  regierend  aufgeführt  werden,  da  doch  der  accusativ  für 
praecedo  bei  Cäsar  die  regelmässige  construction  ist  und  sogar  mit 
praesto  (was  Seiffart  übersehen  hat)  bei  ihm,  neben  dem  allerdings 
überwiegenden  dativ,  der  accusativ  wenigstens  auch  vorkommt. 
Pur  den  nominativus  cum  infinitivo  ist  der  fall  unberücksichtigt  ge- 


Nr.  9.  245.  Homeros.  435 

lassen,  dass  verba,  die  den  blossen  infinitiv  regieren,  §.196,  wenn 
dieser  ein  prädicat  erfordert,  es  im  nominativ  zu  sich  nehmen, 
wie  cupio  clemens  esse ,  ein  beispiel ,  das  ganz  einzeln  und  bei- 
läufig in  §.  199  gegeben  wird;  bei  dem  dativus  cum  infinitivo 
fehlen,  wie  in  allen  grammatiken,  beispiele,  wie  vdbis  immunibus 
huius  Esse  raali  dabitur,  Ov.  Met.  VIII,  691.  Dass  nach  dubito  und 
non  dubito  auch  in  der  bedeutung  „bedenken  tragen"  quin  stehen 
muss  und  der  infinitiv  ausgeschlossen  ist ,  wenn  das  verbum 
dubito  in  das  gerundivum  tritt  (man  vrgl.  Caes.  BGall.  II,  2 
dubitandum  non  existimavit,  quin  ad  eos  proficisceretur)  führt  keine 
grammatik  an.  Eben  so  wenig,  dass  nach  praestare  „besser  sein", 
mit  dem  blossen  infinitiv ,  quam  non  eben  so  gut  mit  einem 
conjunctiv  folgt,  als  mit  einem  infinitiv,  man  vgl.  Caes.  BGall. 
VII,  17  praestare  omnes  perferre  acerbitates  quam  non  civibus  Ro- 
manis parentarent  und  VII,  1  praestare  interfici  quam  non  veterem 
belli  gloriam  —  reciperare.  Durch  die  hinzufügung  solcher  ein- 
zelheiten,  die  gerade  in  den  für  die  mittleren  klassen  üblichen 
Schriftstellern  vorkommen,  würde  der  Verfasser  bei  einer  zwei- 
ten aufläge  dem  nutzen  der  schüler  besser  dienen ,  als  durch 
jene  oben  erwähnten  kapitel ,  die,  weil  sie  doch  nie  gelernt 
werden,  dreist  fortgelassen  werden  könnten.  Trotz  dem  kann 
ich  dieser  elementargrammatik,  welche  an  praktischen  bemerkun- 
gen  für  die  richtige  ausdrucksweise  im  lateinischen  sonst  ge- 
rade recht  reichhaltig  ist,  aus  voller  Überzeugung  weite  Ver- 
breitung  wünschen. 

245.  De  digammo  homerico  quaestiones  scripsit  Ol  aus 
Vilelmus  Knös  —  Upsala  Universitets  Ärsskrift  1872.  Phi- 
losophi ,  Spräkventenskap  och  Historiska  Ventenskaper  V.  8. 
Upsaliae  1872.  1873. 

Die  vielbesprochene  frage  nach  dem  homerischen  digamma 
hat  der  schwedische  gelehrte  Knös  neuerdings  in  dieser  um- 
fangreichen schrift  auf  227  seiten  mit  rühmlichen  fleiss  behan- 
delt. Dieselbe  zerfällt  in  zwei  theile ,  jeder  dieser  in  mehrere 
capitel.  Der  erste  theil  umfasst  die  cap.  1  de  brevibus  syllabis 
finalibus,  quae  contra  vulgares  producendi  leges  videntur  produci]  cap, 
2  de  longis  vocalibus  et  diphthongis  ,  quae  in  fine  vocum  produeun^ 
tur  ante  voces  a  vocalibus  literis  ineipientes ;  cap.  3  de  hiatu  (p.  1 — ■ 
48):  der  II.  theil  die  cap.  1  de  voeibus  a  digammo  ante  vocales  olim 

28* 


436  245.  Homeros.  Nr.  9. 

incipientibus,  c.  2  de  vocibus  apalatali  spirante  ante  vocales  olim  in- 
pientibus,  c.  3  de  vocibus  a  vocalibus  literis  incipientibus,  quarum  con- 
sona  initialis  est  dubia.  Recensentur  aliquot  vocabula ,  quae  a  di- 
gammo  quondam  incepisse  falso  putarunt  docti  viri ;  c.  4  de  vocibus 
a  coniunctis  consonis  cp  olim  incipientibus.  Man  sieht  also  hier 
jene  Untersuchungen  in  ihrem  vollen  umfang  wieder  durchge- 
führt, welche  die  Hoffmannschen  Quaestiones  Homericae  enthalten. 
Aber  sie  sind  auch  mit  rücksicht  auf  Hoffmann  und  nach  den  ge- 
sichtspunkten  dieses  gelehrten  unternommen,  nur  dass  das  sprach- 
liche material  durch  hereinziehung  de.r  von  Hoffmann  nur  sub- 
sidiarisch verwertheten  Odysseestellen  eine  erweiterung,  und  die 
etymologischen  annahmen  nach  dem  gegenwärtigen  vorgeschrit- 
tenen stand  der  forschung  vielfache  berichtigurig  erfahren  ha- 
ben. Und  nach  diesen  beiden  richtungen  liegt  das  verdienst 
des  Werkes.  Die  Sammlung  der  stellen  ist ,  so  weit  ich  sie  an 
meinen  Sammlungen  kontroliren  konnte ,  eine  recht  genaue. 
Absolute  Vollständigkeit  wird  nur  der  fordern ,  welcher  sich  an 
ähnlichen  arbeiten  noch  nicht  versucht  hat.  Auch  mit  den  ein- 
schlägigen arbeiten  deutscher  gelehrten  zeigt  sich  der  verf.  zum 
grossen  theil  vertraut.  Freilich  manches  wichtige  ist  ihm  ent- 
gangen, wie  die  instructive  im  VI  b.  des  Philologus  veröffent- 
lichte abhandlung  Ahrens7  de  Jiiatus  homerici  legitimus  quibusdam 
generibus,  um  von  dem,  was  mehr  entlegen  ist,  nicht  zu  spre- 
chen. Neue  entdeckungen  durchschlagender  art  waren  bei  der 
abhängigkeit  des  vfs  von  seinem  Vorgänger  kaum  zu  gewinnen. 
In  der  einleitung  kommt  der  vf.  unter  anderen  auf  die 
frage  zu  sprechen,  ob  das  digamma  in  den  homerischen  text 
wieder  eingeführt  werden  soll  und  entscheidet  3ich,  ohne  übri- 
gens die  auf  Bekker's  anregung  im  übermass  ventilirte  Streit- 
frage nach  allen  Seiten  studirt  zu  haben ,  für  die  einfüh- 
rung ;  dann  wie  unser  ziel  bei  der  textesrecension  eines 
autors  darin  bestehe,  den  text  wie  er  aus  der  band  des 
autors  hervorging,  hinzustellen,  so  müssten  wir  bei  den  ho- 
merischen gedichten  dahin  streben,  ut  segregatis  omnibus  lo- 
cis  postea  additis  mutatisque  ad  primum  integrumque  statum 
redactis  ad  ea,  quae  ex  ore  poetae  poetarumque  fluxerunt  quam 
proxime  fieri  possit  accedere  conemur.  Als  ob  nicht  bei  al- 
lem streit  über  den  Ursprung  der  homerischen  gedichte  so 
viel    doch    als  ausgemacht    zu   gelten    hätte,    dass    verschiedene 


Nr.  9,  245.  Homeros.  437 

bände  und  zelten  an  der  uns  überlieferten  gestalt  derselben  ibre 
sicbtlicben  spuren  hinterlassen  baben,  und  die  nocb  allenthalben 
erkennbare  fortwährende  falsche  analogie  dafür  bürgte,  dass  al- 
terthümliche  Wendungen,  an  denen  die  digamrnatischen  erscbei- 
nungen  haften,  dadurch  zu  mechanischer  nachbildung  reizten, 
dass  in  ihnen  das  digamma  bereits  zur  zeit  jener  dichter  seinen 
lautwerth  eingebüsst  hatte.  Um  nicht  unerreichbaren  zielen 
nachzujagen,  hat  die  besonnene  kritik  sich  eine  leichtere  auf- 
gäbe gestellt,  der  vollständig  zu  genügen  bei  unsern  beschränk- 
ten mittein  kaum  je  gelingen  wird. 

Das  erste  capitel  beschäftigt  sich  mit  der  Verlängerung  kurzer 
vocalisch  und  consonantisch  auslautender  silben.  Die  erklärung 
dieser  erscheiuungen,  aus  der  übrigens  für  die  folgenden  Untersu- 
chungen keinerlei  nutzen  erwächst,  wird  in  den  casuren  erblickt: 
constat  caesuris  maioribus  ordines  versus  finiri:  quum  vero  ordo 
quidam  versus  ad  versiculi  similitudinem  accedat,  neque  ultima  ver- 
sus syllaba  utrura  longa  sit  an  brevis  in  versu  intersit,  eadem  ordi- 
nis  illius  videtur  esse  ratio  (p.  16),  die  doch  nur  dann  überzeu- 
gen könnte,  wenn  den  so  regelwidrig  gebrauchten  kürzen  in 
den  hebungen  der  gebrauch  von  längen  statt  der  kürzen  z.  b. 
vor  der  trochäischen  oder  bukolischen  cäsur  zur  seite ginge.  Eine 
zweite  erklärung  (tum  apparet  syllabas ,  quae  sunt  in  caesuris 
masculis  non  maioribus  solum  sed  etiam  minoribus,  acutiore  vel  fir- 
miore  vocis  sono  esse  proferendas,  in  quo  ipsa  firmitas  soni  syllabae 
levitatem  compensat)  verwechselt  in  bedenklicher  weise  ton- 
stärk e  mit  tondauer.  Ebenso  wenig  kann  man  die  längst 
von  Ahrens  widerlegte  Mehlhornsche  ansieht  gelten  lassen,  dass 
die  längung  kurzer  silben  vor  liquiden  in  der  besondern  be- 
schaffenheit  dieser  ihren  grund  habe,  {in  singidari  earum  natura), 
qua  mirum  in  modum  possunt  produci,  ut  pro  duabus  consonis  va- 
lere  videantur  (p.  17).  Wie  diese  erscheinungen  erklärt  werden 
können,  habe  ich  in  meinen  Homerischen  Studien  (2.  auf!.  Ber- 
lin. 1873  bei  F.  Vahlen)  auf  grund  einer  genauen  prüfung 
der  bedingungen,  unter  denen  sie  vorkommen ,  zu  zeigen  mich 
bemüht.  In  dieser  partie  kann  aber  auch  die  Sammlung  der 
stellen  bei  Knös  nicht  genügen,  welche  unter  ungehörigen  und 
nichts  fördernden  gesichtspunkten  zerrissen  klare  Übersichtlich- 
keit entbehrt.  Hier  und  durchweg  hat  sich  der  vf.  von  den 
subtilen  distinetionen  Hoffmann's  nicht  emaneipiren  können. 


438  245.  Homeros.  Nr.  9. 

Im  dritten  capitel  des  ersten  buches  vermisse  ich  am  mei- 
sten eine  klare  einsieht  in  das  wesen  der  elision  und  des  hia- 
tus,  deren  physiologische  bedingungen  für  ein  fruchtbares  vea- 
ständniss  unerlässlich  sind.  Der  vf.  begnügt  sich  beim  hiatus  mit 
einer  rein  äusserlichen  definition  (p.  35)  :  Hiatum  dieimus  eum 
vocum  coneursum,  in  quo  vocem,  quae  exit  in  brevem  vocalem,  quam 
elisione  summoveri  aut  consuetudo  quaedam  aut  lex  Jiomerica  iubet, 
excipiat  altera  vox  a  vocali  litera  ineipiens.  Nun  ist  es  aller- 
dings begreiflich,  dass  das  auslautende  i  in  fällen  wie  'OSvaiji 
änvveptsi',  rincvzi  Ininraio  nicht  gleichgestellt  werde  einem  ixu- 
gto&i  srvta,  denn  das  /.  in  'OSva^i  tlnövri  war  einmal  lang  und 
wird  hier  ganz  wie  eine  länge  behandelt  (vgl.  Hom.  Stud. 2  p. 
58).  Aber  warum  Zecpvooio  iyevaio  H  63  nicht  eben  so  rich- 
tiger hiatus  sein  solle  wie  i]6o  1/am  A  412  vermag  ich  nicht 
zu  begreifen.  Zwischen  diesen  beiden  o  besteht  und  bestand  kein 
qualitativer  unterschied ;  denn  aus  dem  umstände  dass  das  o 
in  oio  die  elision  scheut,  das  o  der  verbalendung  sie  gestattet, 
zu  folgern ,  dass  das  eine  eine  bessere  quantität  hatte  als  das 
andere,  ist  recht  bedenklich:  darnach  sind  die  p.  42  aufgestellten 
tabellen  zu  berichtigen,  hinsichtlich  derer  hier  nur  einige  lücken 
der  Sammlung  ausgefüllt  werden  mögen.  Zu  den  fällen,  wo  in  der 
trochäischen  cäsur  des  dritten  fusses  hiatus  beobachtet  wird, 
kommen  hinzu:  B  625,  A  156,  E  854.  896,  Z  201  ,  H  63. 
310,  0  479.  157,  K  286,  A  732,  8  154.  209.  407,  0  71,  II 
512,  P  610,  T  73,  T  205.  235,  0  112,  X  253.  292,  W  76. 
224.  252.  585.  694,  S2  318.  717;  a  88,  Ö  746,  e  477,  i]  222, 
&  216,  i  83.  553,  x  258.  425,  v,  130,  o  251,  n  351,  q  355, 
r  19.  342,  v  21.  364.  367,  cp  229,  i  273.  Zu  den  fällen  des 
hiatus  in  der  bukolischen  cäsur  (p.  45)  sind  hinzuzufügen:  J 
138,  E  221.  538,  0  105,  K  93,  P  518,  ß  508,  ß  45.  46,  & 
394,  i  438,  n  297,  £  351.  352,  o  83.  109,  z  380.  403,  x  249, 
co  401.  524;  zu  den  fällen  mit  hiatus  nach  dem  ersten  fuss: 
A  333.  393,  B  105.  107,  F  379,  E  172,  Z  123,  0  271,  / 
247,  A  767,  N  100,  0  247.  365,  *  33,  ß  387,  8  543.  654, 
£,  224,  r]  217.  230,  &  251,  a  323,  r  1.  51.  231,  v  1. 

Was  endlich  die  Malus  illiciti  betrifft,  die  p.  47  aufgezählt 
werden,  so  vermisse  ich:  A  542,  E  465.  603,  K  224.  348,  A 
637.  787,  T384,  T98,  .Q  349,  8  236,  &  396.  580,  v  133,  %  69. 
233,  co  351.     Auch  die,  dem  vf.  zweifelhaft  erscheinenden  fälle 


Nr.  9.  246.  Homeros.  439 

wie  hiatus  vor  iäco  tzatgog  a&eiQai  u.  a.  hätten  hier  übersichtlich 
zusammengestellt,  sowie  unter  die  andern  gruppen  eingereiht  wer- 
den sollen.  Der  vf.  wäre  dadurch  zur  Untersuchung  bestimmt 
worden  ob  nicht  ebenso  wie  in  der  natur  des  anlautes  ,  die  er 
allein  in  rechnung  zieht,  so  auch  in  der  natur  des  auslautes 
manche  fälle  ihre  entschuldigung  finden  und  in  wie  weit  wir 
es  mit  bildungen  nach   falscher  analogie  zu  thun  haben. 

Zu  grossem  danke  fühlen  wir  uns  dem  vf.  für  den  zwei- 
ten theil  seines  werkes  verpflichtet.  Der  hier  aufgewandte 
fleiss ,  mit  welchem  alle  stellen ,  welche  für  und  gegen  den 
consonantischen  anlaut  eines  wortes  sprechen  oder  nichts  ent- 
scheiden, zusammengebracht  sind,  ist  ebenso  anerkennenswertb 
wie  die  genauigkeit  im  einzelnen.  Nur  hätte  vielleicht  hier 
und  da  eine  übersichtlichere  form  der  mittheilung  gewählt  wer- 
den können.  Auch  das  nimmt  dem  buche  etwas  von  seiner 
brauchbarkeit,  dass  demselben  ein  index  mangelt. 

Wilhelm  Hartel. 

246.  Ferdinand  Schneider,  über  den  Ursprung  der 
homerischen  gedichte.  4.  Programm  des  gyumasiums  zu  Witt- 
stock, ostern  1873. 

Vorliegende  *)  abhandlung  verfolgt  hauptsächlich  den  zweck, 
vorgeschritteneren  schülern  eine  einsieht  in  die  homerische  frage 
zu  gewähren,  da  pädagogische  erwägungen  es  nicht  rathsam 
erscheinen  lassen  ,  im  unterrichte  selbst  auf  diesen  gegenständ 
einzugehen.  Nachdem  die  hervorragendsten  theorien  von  Wolf 
bis  Bergk  besprochen  sind,  formulirt  der  Verfasser  seine  eigene 
ansieht  dahin,  dass  die  Ilias  im  ganzen  das  werk  eines  dichters 
ist,  dass  derselbe  aber  ursprünglich  einzelne  sceneu  eines  Sagen- 
kreises in  selbständigen  liederu ,  wie  sie  dem  zwecke  des  Vor- 
trags entsprechen,  nach  und  nach  ausgeführt  hat,  und  dass  diese 
einzellieder  desselben  dichters  später  zu  einem  ganzen  verbun- 
den wurden.  Dass  dies  erst  später  geschehen  sei ,  und  nicht 
bereits  vom  dichter  selbst,  ist  freilich  nicht  bewiesen.  Uebri- 
gens  kommt  der  Verfasser  den  vertheidigern  der  einheit,  ob- 
wohl er  gegen  sie  polemisirt,  doch  auf  halbem  wege  entgegen; 
namentlich    ist   es   von  Wichtigkeit,    dass   von  ihm  die  meinung 

k  1)  S.  unt.  Suppl.  -  heft  1  die  anzeige  über  Bergk's  Literatur  -  Ge- 
schichte. 


440  247.  Euripides.  Nr.  9. 

widerlegt  wird,  als  gewähre  der  Widerspruch  zwischen  ein- 
zelnen theilen  schon  die  berechtigung,  sie  demselben  dichter 
abzusprechen.  Ist  man  erst  so  weit  gelangt,  so  wird  eine  wei- 
tere Verständigung  unschwer  zu  erzielen  sein. 

Von  besonderem  interesse  ist  derjenige  theil  des  programms, 
welcher  über  Bergk's  analyse  der  Uias  und  Odyssee  handelt. 
Es  ist  dies  vielleicht  die  erste,  jedenfalls  eine  der  ersten  aus- 
führlicheren kritiken ,  welche  darüber  in  die  Öffentlichkeit  ge- 
langt ist.  Die  schwächen  und  widerspräche  in  Bergk's  System 
sind  vielfach  aufgedeckt ,  namentlich  ist  die  wunderbare  natur 
des  sogenannten  diaskeuasten  gut  geschildert,  der  die  entgegen- 
gesetztesten eigenschaften  in  sich  vereinigt,  schwulst  und  abge- 
schmacktheit,  feinheit  und  geschick,  nachlässigkeit  und  sorgsam- 
keit, grösste  frivolität  und  tiefen  ernst,  der  bald  bestrebt  ist, 
nichts  untergehen  zu  lassen,  was  sich  irgend  an  die  homerische 
poesie  anschloss,  bald  echte  theile  unterdrückt,  um  seine  eige- 
nen unpassenden  einfalle  an  deren  stelle  zu  setzen.  Wie  un- 
günstig diese  kritik  auch  lautet,  sie  ist  nicht  ohne  berechtigung, 
und  wenn  Bergk  selbst  die  hoffnung  ausspricht,  dass  seine  an- 
sieht bald  zu  allgemeiner  geltung  gelangen  werde,  so  dürfte 
sich  vielmehr  das  gegentheil  schon  jetzt  ziemlich  herausgestellt 
haben. 

L.  G. 

247.  Euripidis  Electra.  In  usum  scholarum  academicarum 
ediditC.  A.W  alber  g.  8.  Upsaliae  1869.  II,  53  s.  —  16  gr. 
'  Obzwar  fast  vier  jähre  alt,  ist  das  büchlein  doch  durchaus 
noch  nicht  veraltet.  Es  gewährt  uns  die  lang  gewünschte  ver- 
gleichung  der  handschrift  und  überhebt  die  freunde  der  Elektra 
der  seither  zu  übernehmenden  ärgerlichen  bemühung  zur  ent- 
klaubung  der  vermuthlichen  lesarten  des  codex.  Nauck  hätte 
in  der  ed.  III  diese  collation  bereits  nicht  ohne  einigen  vor- 
theil  benutzen  können.  Die  vergleichung  ist  so  genau  und 
sorgfältig  als  man  nur  wünschen  kann ,  insbesondere  auch  an- 
erkennenswerth  in  der  Unterscheidung  der  Schreibungen  ver- 
schiedener band,  die  zu  kennen  gerade  hier  von  grösster  Wich- 
tigkeit ist.  Es  sind  sehr  wenige  stellen ,  an  welchen  noch 
zweifelhaft  ist,  was  die  handschrift  lese;  ich  will  sie  unten  zu- 
sammen aufführen,  nicht   ohne   zu   bemerken  dass  auch  da  der 


Nr.  9.  247.  Euripides.  441 

glaube  sich  zum  theil  mehr  auf  Walbergs  seite  neigen  mag.  — 
Walberg  hat  die  ausgäbe  für  seine  Vorlesungen  bestimmt  und 
unter  die  collation  der  handschriften  eine  möglichst  vollständige 
und  genaue  Zusammenstellung  der  Verbesserungen  neuerer  ge- 
lehrter, darunter  auch  einige  eigene,  gesetzt.  Diese  ist  etwas 
weniger  zuverlässig;  sie  enthält  noch  manche  fehler,  welche  frei- 
lich meist  auch  in  den  critischen  anmerkungen  anderer  vorkamen, 
aber  doch  hätten  verbessert  werden  können ,  wie  eine  verglei- 
chung  von  Naucks  ed.  III  mit  ed.  II  klar  beweist.  Jedes  der 
so  schwer  zu  meidenden  versehen  einem  herausgeber  als  fehler 
zuzurechnen,  möchte  wohl  niemand  den  muth  haben ;  aber  eine 
genaue  berücksichtigung  Seidlers,  Becks,  und  doch  auch  Cam- 
pers, der  natürlicherweise  zwischen  den  hunderten  von  schlech- 
ten conjecturen  auch  einige  hat,  die  immer  wieder  kehren,  hätte 
sich  Walberg  nicht  erlassen  sollen.  Das  wenige  wirklich  falsche 
und  störende  in  der  annotatio  critica  will  ich  unten  anführen; 
falsche  autorenangaben  wie  z.  b.  882  aya.Xna.ta  Barnes  statt 
Seidler  u.  dgl.  aufzuführen  ist  kaum  der  mühe  werth,  da  das 
jeder  mit  Naucks  hülfe  selbst  besorgen  kann.  —  Was  endlich  den 
text  angeht,  so  ist  dieser  nach  sehr  conservativen  grundsä- 
tzen  construirt;  der  Kirchhoffschen  ed.  IT  am  ähnlichsten.  Zu 
loben  ist  dass  der  verf.  im  ganzen  die  lesart  des  codex  der 
des  Stobaeus  und  anderer  vorzieht,  verschieden  vom  gewöhn- 
lich beliebten  verfahren,  nach  dem  man  im  collisionsfalle  den 
testimoniis  wenn  möglich  folgte ,  bei  welchem  grundsatze  die 
editoren  doch  gezwungen  gewesen  sind,  in  viel  mehr  fällen  den 
codex  als  die  testimonien  zur  richtschnur  zu  nehmen.  Von 
den  unzähligen  unechtheitserklärungen  hat  Walberg  sich  (von 
v.  116.  1201  abgesehen)  nur  eine,  v.  651,  angeeignet,  und 
diese  kaum  mit  recht ;  es  ist  wohl  nur  650  dem  Orestes  statt 
dem  nQsoßvg  zu  geben. 

Wirklich  neue  lesarten  des  codex  die  von  werth  wären 
habe  ich  nur  zwei  gefunden;  beide  hat  Walberg  etwas  zu  vul- 
gatagläubig  nicht  gewürdigt.  Nämlich  v.  663  öptö,  was  frei- 
lich nicht  so  ohne  weiteres  aufgenommen  werden  kann,  aber  in 
Verbindung  mit  Campers  (nicht  Naucks)  längst  vorgeschlagener 
Umstellung  sehr  gut  ist,  und  v.  1002  anälscs  seil.  sxewog,  ge- 
radezu vortrefflich.  Dass  vs.  238  der  codex  av/xcpoQag  lieset, 
erfahren  wir  auch  zuerst  hier. 


442  247.   Euripides.  Nr.  9. 

Neu  ist  noch  vs.  169:  „iuoXe  rig,  sfiole  te,  inserto  ts  ab  al. 
m"  Walberg;  seither  sollte  der  codex  lesen:  sfioXe  ng  ipoXi  rig. 

Ol 

' —  543  im  Walberg  ;  sonst  effl.  —  589  sßag.  &sog  Walberg;  sonst 
eßaae.  —  Im  text  liest  Walberg  418  dyysiXai(A,sv,  567  und  837 
vvv,  1304  ,«>/?£>!,  ohne  bemerkung,  während  es  seither  hiess  dass 
der  codex  schreibe  ayysiXai  (isv,  vvv ,  fitjr^Qi.  Vs.  335  endlich 
schreibt  Walberg  im  texte  ixsirov  für  txsi'vov,  ohne  bemerkung, 
entweder  eine  beabsichtigte  conjectur,  oder  ein  versehen;  und 
903  fehlt  OP. 

Einige  weitere  versehen  mögen  in  folgendem  berührt  wer- 
den: vs.  1281  fehlt  TjX&ev  Seidler  (codex  hat  tjX&s,  der  text  je- 
nes); 448  ifj.dazevtv  Paley  nicht  ifAvaazsvtv  ;  580  86%ag  (muss 
heissen  öo^acr'j  Musgrave;  649  vvv  (v(§v\)  Nauck ;  672  sV^'fl-'!) 
Musgrave  ;  770  iavt'i  (ravtf  \)  Portus. 

Eigene  vermuthungen  bringt  der  verf.  nicht  viele  bei,  es 
wird  genügen  sie  einfach  anzuführen.  Drei  hat  er  in  den  text 
genommen  ohne  beifall  erwarten  zu  dürfen.  Vs.  538  ovo'  iaziv 
(Weil  gut  oii  ö'  saziv);  661  e ig tot  für  eiaico,  wo  man  mit  Seid- 
ler dam  schreibend  wenn  nöthig  (Göttling  p.  27)  allen  ansprü- 
chen  genügt;  566  -3J  ii  vel  u  rt  was  die  sache  gar  nicht  bessert: 
man  lasse  doch  tj  als  dittographie  von  ti  aus.  Vs.  436  afiqisihaao- 
fisvog  (schon  Camper  apy'  slXiOGOf/svog)',  448  naz svaai  xoqov  iva\ 
657  avy' ;  719  «V  ini  Xöyoig  vel  8önoig\  813  xaGcpa^s  Xaipov; 
910  ö'  eineiV)  gut;  928  ävygela&ov'}  952  siöaig  ag  vel  ovv ;  984 
noaiv  xaöeilEv  Atyia&og,  richtig,  wenn  nicht  nöaiv  sondern  na- 
riga  da  stünde;   1180  idovl  zccSs  nXayci  xeifieva. 

Durch  die  oben  angedeuteten  versehen  erleidet  also  die  ei- 
gentliche bestimmung  des  büchleins  kaum  beeinträchtigung  (be- 
sonders wenn  mau  rechtzeitig  des  reichhaltigen  druckfehlerver- 
zeichnisses  gewahr  wird).  Es  erhebt  sich  der  wünsch,  der  vf. 
möge  den  freunden  des  dichters  seine  collation  der  übrigen  in 
den  haudschriften  C  und  B  enthaltenen  stücke  des  Euripides, 
wenn  sie  gleich  sorgfältig  ist,  ebenfalls  mittheilen.  Eine  bitte 
um  weniger  druckfehler,  besseres  papier  und  wo  möglich  billi- 
geren preis  möge  er  nicht  verargen. 


Nr.  9.  248.   Aristophanes.  443 

248.  II  Pluto  di  Aristofane.  Greco  e  italiano,  riveduto  su1 
migliori  libri  e  corredato  di  note  illustrative  e  critiche  per 
opera  di  Carlo  Castellani.     8.     Firenze  1872.  —     L.  5. 

Wir  sind  daran  gewöhnt,  einen  nicht  geringen  theil  der 
uns  aus  Italien  zukommenden  philologischen  arbeiten,  besonders 
solcher,  die  sich  mit  texteskritik  beschäftigen ,  als  werthlos  bei 
seite  legen  zu  müssen.  Sind  die  heutigen  italienischen  philo- 
logen  darauf  angewiesen,  die  resultate  deutscher  arbeit  allent- 
halben zu  berücksichtigen  und  auf  ihnen  weiterzubauen,  so  fehlt 
e3  doch  manchen  von  ihnen  zu  sehr  an  umfassender  kenntniss 
der  einschlagenden  deutschen  literatur ,  zuweilen  wohl  auch  an 
ausreichender  formaler  Vorbildung  und  belesenheit  in  den  clas- 
sischen  Schriftstellern  selbst,  als  dass  die  leistungen  irgend- 
wie befriedigen  könnten.  Aber  auch  die  heutige  italienische 
philologie  hat  wohl  kaum  ein  zweites  werk  aufzuweisen ,  wel- 
ches bei  aller  Unselbständigkeit  der  arbeit  noch  so  tiefe  Un- 
wissenheit und  leichtfertige  Oberflächlichkeit  zeigt,  wie  die  vor- 
liegende Plutus  -  ausgäbe.  Die  einleitung  behandelt  die  fragen, 
ob  wir  den  ersten  oder  zweiten  Plutus  haben,  welches  die  ten- 
denz  des  Stückes  sei  und  ob  er  der  mittleren  oder  alten  ko- 
mödie  angehöre,  und  hier  ist  theilweise  in  wörtlicher  Überse- 
tzung einfach  das  wiedergegeben ,  was  Tbiersch  in  seiner  aus- 
gäbe des  Plutus  p.  cdiv — cdlxxx  erörtert.  Wort  für  wort 
ist  dieser  ausgäbe  auch  der  index  Graecus  entlehnt,  wobei  sich 
Castellani  nicht  einmal  die  mühe  genommen,  die  Wörter,  die  in 
folge  von  änderungen  der  lesart  in  seinem  texte  nicht  vorkom- 
men, aus  dem  index  zu  streichen  und  durch  die  neu  eingeführ- 
ten zu  ersetzen.  Wenn  also  vs.  50  Tbiersch  ßCy,  Castellani 
aber  %Qorcp  schreibt,  so  ist  im  index  auch  bei  letzterem  nur 
unter  ßiog  auf  den  vers  verwiesen!  Und  so  öfter.  Für  die 
constituirung  des  textes  giebt  der  verf.  an,  von  neueren  ausgaben 
die  des  Plutus  von  Thiersch  und  die  gesammtausgaben  der 
Aristophanischen  komödien  von  Bergk  (1867),  C.  H.  Weise 
und  Meiueke  verglichen  zu  haben.  Mit  welcher  Oberflächlichkeit 
aber  dieser  schon  an  sich  mangelhafte  apparat  —  fehlen  doch 
die  verschiedenen  ausgaben  von  Dindorf,  die  von  Kappeyne 
van  de  Coppello,  die  abhandlungen  von  Velsen,  Bamberg  u.  a.  — 
von  dem  herausgeber  benutzt  worden  ist,  mag  man  daraus  ent- 
nehmen, dass  von  den  vielen  trefflichen  emendationen  Meineke's 


444  248.  Aristophanes.  Nr.  9. 

auch  nicht  eine  einzige  in  den  text  aufgenommen  oder  auch 
nur  in  den  kritischen  anmerkungen  erwähnt  ist.  Im  allgemei- 
nen hat  Castellani  seiner  ausgäbe  den  text  von  Bergk  zu  gründe 
gelegt ,  und  von  diesem  auch  eine  nicht  geringe  anzahl  selbst 
sehr  zweifelhafter  emendationen  aufgenommen:  so,  um  nur  eini- 
ges zu  erwähnen,  vs.  27  aqisloop  ys  aticparov  (s.  Bamberg.  Exercit. 
in  Plut.  p.  13  f.),  v.  408  das  metrisch  fehlerhafte jovSIv  IV  tat, 
das  merkwürdigerweise  auch  Kappeyne  aufgenommen  hat,  vs. 
688  rja&STÖ  nov,  wo  Kappeyne,  ohne  die  anstössige  fusscäsur 
zu  beseitigen,  (}aäsTO  Sij  schreibt.  Eigne  emendationen  hat  der 
verf.  —  wir  dürfen  wohl  sagen  zum  glück  —  nicht  versucht, 
und  da  er  einen  fortschritt  über  Bergk  hinaus  nicht  kennt,  so 
weicht  er  von  dem  text  des  letzteren  nur  ab  um  die  vulgata 
wieder  herzustellen.  Wo  er  uns  über  die  gründe  aufschluss 
giebt,  die  ihn  zur  aufnähme  dieser  oder  jener  lesart  bewogen, 
zeigt  er  wieder  bei  angäbe  der  Varianten  eine  in  unserer  zeit 
kaum  erhörte  nachlässigkeit.  Auch  hierfür  drei  beispiele.  Zu 
vs.  98,  wo  ioQaxii  nco  gelesen  wird,  heisst  es:  ormai  questo 
verso  in  tutte  Vedizz.  e,  secondo  la  lez.  portata  nel  n.  testo,  accolta 
jjrima  dal  Porson  sulV  unico  cod.  Rav.  Und  wie  ist  nun  der  Sach- 
verhalt? Kav.  hat  mit  einigen  andern  handschriften  sa>oay.ä  na} 
Porson  wollte  ov%  säga*  anb  oder  ov%  iöoaxä  nov,  von  den  aus- 
gaben, die  Castellani  benutzt  zu  haben  vorgiebt,  hat  die  von  Bergk 
im  text  allerdings,  eöoaxü  nco  ,  in  der  vorrede  ist  aber  eooax' 
iyw  vorgeschlagen,  Meineke  hat  das  letztere  im  text.  Vs.  1005 
wird  von  anavza  xaiijadisv ,  vs.  1082  von  öiEonsxXcofis'ry  be- 
hauptet, dass  es  in  allen  handschriften  stände,  während  an  bei- 
den stellen  gerade  Eav.  und  Ven.  andere  lesarten  haben.  Die 
gründe  selbst,  womit  der  Verfasser  die  Überlieferung  zu  stützen 
sucht,  sind  zum  guten  theil  Thiersch  entnommen ,  und  ist  dar- 
nach ihr  werth  zu  beurtheilen.  Zuweilen  zeigt  sich  Selbstän- 
digkeit ,  doch  treten  dann  in  der  regel  nur  noch  grössere  Ver- 
kehrtheiten zu  tage.  Unter  anderm  verräth  der  Verfasser  hier- 
bei, dass  er  von  den  grundbegriffen  der  metrik  keine  ahnung 
hat.  Vs.  1078  ist  in  dieser  gestalt  aufgenommen  :  ovx  av  nox% 
ä).ln>  *o"Dt'  instgenov  nomv.  Zu  vs.  637  ist  dem  Verfasser 
das  böse  Unglück  passiert,  dass  er  folgende  bei  Thiersch  of- 
fenbar durch  einen  druckfehler  enstandene  form  des  dochmius 
v  —  — v  —    in    seine    anmerkuug  mit    herübergenommen 


Nr.  9.  248.    Aristophanes.  445 

hat.  Zu  vs.  566  ist  folgende  räthselhafte  äusserung  gemacht: 
...  il  Porson  e  il  Bentley  lo  (den  vers)  ricusarono  del  tutto. 
Altri  vollero  emendarlo:  L'Inv,  e  il  Dind.  vt]  tov  di\  ei  Sei  ).a- 
&eiv  alzöv,  näg  ov%i  xoguiop  ioTt  ',  ma  non  ne  migliorb  il  metro, 
per  mancar  tuttavia  di  cesura.  Diesen  anapästischen  tetrameter 
haben  also  Invernizz  und  Dindorf  durch  emendation  geschaffen, 
und  es  ist  nichts  daran  auszusetzen  als  das  fehlen  der  cäsur ! 
Es  wird  noch  hinzugefügt ,  dass  Bergk  den  vers  ebenfalls 
in  dieser  gestalt  aufgenommen  hat  —  die  bedeutung  einer 
klammer  im  text  kennt  vermuthlich  Castellani  nicht.  Der 
schleier  wird  etwas  gehoben  und  wir  kommen  zur  Überzeugung 
dass  Castellani  unter  cäsur  etwas  ganz  andres  verstehen  muss 
als  wir,  wenn  wir  die  zu  vs.  583  gemachte  anmerkung  ver- 
gleichen. Den  vers  schrieb  Castellani  so:  tl  yao  s7z).ovrei1  näg 
av  noiür  tov  '0\v/m  taitov  ttvzog  uymva ,  die  anmerkung  aber 
lautet:  olvuma-AÖv  per  v7^v(.i77i-/.6v1  che  ha  il  nostro  testo  (Bergk) 
e  altri  pochi  libri ,  con  ineno  retta  derivazione  di  OXv/.i7ita  con  di- 
fetto  della  cesura,  osservata  sempre  dal  Nostro  in  questi  versi  ana- 
pestil  "Wer  Bruncks  anmerkung  zur  stelle  liest,  ahnt  vielleicht 
die  genesis  des  unsinns. 

Dass  es  mit  den  grammatikalen  und  realen  kenntnissen  des 
herausgebers  kaum  besser  steht  als  mit  seinen  metrischen,  zeigt 
zur  genüge  der  exegetische  theil  des  sehr  ausführlichen  com- 
mentars.  Dieser  füllt  sich  vorwiegend  durch  wiedergäbe  der 
anmerkungen  von  Thiersch,  dann  durch  schoben,  die  in  grosser 
zahl  ausgeschrieben  und  übersetzt  sind,  ferner  durch  einzelne 
bemerkungen  die  dem  commentar  der  Invernizzischen  ausgäbe 
entlehnt  sind ,  endlich  durch  einen  kleinen  bruchtheil  eigener 
zuthat.  Dass  die  Verkehrtheiten  von  Thiersch  ohne  kritik  mit 
herübergenommen  sind,  bedarf  nach  dem  bisher  gesagten  kaum 
der  erwähnung.  Wir  führen  nur  einige  grammatische  merk- 
würdigkeiten  an.  Zu  vs.  937  heisst  es:  isgov  tov  JJXovtov. 
Sostantiv  arnper  legoi1  tio  TlXovtoy.  come  in  Eurip.  Ecnba,  486. 
unovg  y..7.X.  (Thiersch:  leyov  tov  IHovrov,  Substantive  pro  tw 
Illovro)  ut  etc.),  vs.  84  wird  ix  JJaTQoy.liovg  verglichen  mit  Te- 
rent.  Phorm.  V,  1,  5:  a  fratre  quae  egressa  est  meo  und  Virg. 
Aen.  H,  311  :  proximus  ardet  TJcalegon.  Mehreres  dergleichen 
scheint  halb  oder  ganz  selbständig  erfunden.  Vs.  69  steht  im 
scholion  ij  7r^ogc//T  rjg.     Vs.  136  wird  öurj  ti  6/j ;  erklärt  durch : 


446  249.  Cassius  Dio.  Nr.  9. 

ii  Srj  iativ  ort  navaofiai  tavta;  Dies  könnte  man  noch 
als  druckfehler  annehmen;  aber  weiter:  vs.  349  wird  die  cor- 
relation  von  jroiog-oiog  der  von  nag  - onag  gleichgestellt.  Zu 
vs.  640  fitya  ßooToiat  Cft'yyog,  grande  splendore  ai  mortali.  Cosl 
esso  uomo  e  detto  da  Omero  (jpGo?,  luce  e  Vumana  stirpe  e  detta 
da  Eschilo  16  qimräiv  ytvog  etc.  Vs.  932:  aW  oi^eiai  qievymv. 
11  presente  per  lo  passato }  come  sopra ,  v.  619  etc.  Vs.  1099: 
(1100):  co  Kaotcor.  II  norninativo  per  il  vocativo.  Cosi  le  Rane. 
264:  co  £di>0 1  a  g.  Vs.  171:  ixx/.?]Gia  —  —  —  pur  potreb- 
besi  eziando  tradurre  per  giudizio  o  tribunale ;  dem  entsprechend 
bezeichnet  ExyArjaiaoTixov  nach  Castellani  auch  den  richtersold. 
Vs.  296:  Da  che  e  da  quel  che  viene  poi  si  vede  aver  Aristo fane 
ritratto  Vimagine  del  Ciclope  e  da  Filösseno  e  da  Omero  e  da 
Teocrito  (scheint  durch  missverständniss  einer  anmerkung  von 
Thiersch  entstanden).  Doch  genug  der  blumeniese.  Wir  hätten 
uns  kürzer  gefasst,  wenn  Castellani  nicht  die  herausgäbe  auch 
der  übrigen  komödien  des  Aristophanes  in  aussieht  gestellt 
hätte. 

Bernhardt. 

249.  Ueber  die  quellen  des  Cassius  Dio  in  seiner  darstel- 
lung  des  bürgerkrieges  zwischen  Cäsar  und  Pompejus,  von  H. 
Böttcher.  Rostocker  inaugural-dissertation.  Gedruckt  als 
programm  des  halberstädter  gymnasiums     4.     1872. 

Der  Verfasser  (nicht  zu  verwechseln  mit  C.  Boettcher 
„über  die  quellen  des  21 — 22  buches  des  Livius")  behandelt 
die  bücher  XL,  60  — XLII,  6  des  dionischen  geschichtswerks. 
Nachdem  er  p.  1 — 3  die  Schriftsteller,  welche  denselben  Zeitab- 
schnitt behandeln ,  nach  ihrem  politischen  Standpunkte  geord- 
net hat,  theilt  er  die  Untersuchung  in  fünf  capitel.  C.  I,  p.  3  — 
5  umfasst  die  Verhandlungen  der  parteien  bis  zum  ausbruch 
des  bürgerkrieges ,  in  deren  darstellung  Dio  im  gegensatz  zu 
Appian  und  Plutarch  sich  als  entschiedener  Pompejaner  zeigt. 
C.  II  handelt  von  der  Überschreitung  des  Rubiko  bis  zu  Cäsars 
Übergänge  nach  Epirus  in  drei  uuterabtheilungen  :  a,  p.  5 — 7: 
eroberung  Italiens ;  auch  hier  folgt  Dio  pompejanischen  quel- 
len, soweit  er  nicht,  wie  XLI,  c.  13  seine  rhetorische  fertig- 
keit  glänzen  lässt;  b,  p.  7 — 11  umfasst  die  ereignisse  in  Spa- 
nien   uud    bei  Massilia  bis    zu  Cäsars    zweiter  ankunft   iu  Rom. 


Nr.  9.  249.  Cassius  Dio.  447 

hier  zeigt  Dio  die  meiste  Übereinstimmung  mit  Cäsars  bel- 
lum civile,  doch  so,  dass  gerade  in  einzelnen  wesentlichen  punk- 
ten eine  abweichung  zu  Ungunsten  Cäsars  statt  findet.  Der 
Verfasser  glaubt  dies  auf  benutzung  des  Livius  zurückführen  zu 
müssen,  der  zwar  dem  Cäsar  folgte,  aber  ihn  vom  entgegenge- 
setzten Standpunkt  bearbeitete  (ob  dies  sonst  die  art  des  Livius 
ist,  wollen  wir  hier  nicht  untersuchen ;  manches  hat  auch  wohl 
Dio  selbst  entstellt,  der  ja  in  benutzung  seiner  quellen  nicht 
allzugewissenhaft  verfährt):  p.  11 — 12  behandelt  Cicero's  Un- 
tergang. Hier  stimmen  besonders  Caesar,  Lucan  und  Dio 
überein;  die  beiden  letzteren  benutzten  Livius,  der  seiner- 
seits den  Caesar  zu  gründe  legte.  —  Das  capitel  III,  p.  12 — 
14  untersucht  die  erzähluDg  bis  zur  schlacht  bei  Pharsalus. 
Dio  und  Appian  stimmen  überein ,  und  zwar  grade  da,  wo 
sie  von  Caesar  abweichen.  Sie  haben  also  eine  gemeinsame 
quelle,  welche  jedoch  Livius  nicht  sein  kann,  sondern  Asinius 
Pollio.  Cap.  IV,  p.  14—18,  schlacht  bei  Pharsalus.  Dio  XLI, 
c.  51  folgt  dem  Asinius,  die  schlacht  selbst  ist  in  einer  unge- 
schickt rhetorischen  weise  nach  Dio's  freier  phantasie  erzählt 
und  sollte  offenbar  ein  glanzpunkt  des  werkes  sein.  Die  pro- 
digien  stammen  mit  geringer  abweichung  aus  Livius.  Cap.  V 
untersucht  Pompejus  flucht  und  tod.  Plutarch  und  Appian 
stimmen  wesentlich  überein;  meistens  mit  ihnen  auch  Dio.  Auf 
p.  19  fehlt  es  an  deutlichkeit  des  ausdruckes;  da  Plutarch  und 
Appian  nicht  wohl  beide  gleichzeitig  den  Asinius  Pollio  ver- 
lassen und  gleichzeitig  sich  zu  Livius  gewendet  haben  kön- 
nen, sollen  sie  den  Livius  indirect  benutzt  haben.  Wie 
ist  das  zu  verstehen?  Wenn  beide  gleichzeitig  den  Asinius 
Pollio  mit  einer  Überarbeitung  des  Livius  vertauschen,  ist  doch 
die  Schwierigkeit  dieselbe.  Oder  soll  etwa  Livius  den  Asinius 
benutzt  haben?  —  Der  verf.  lässt  uns  nur  errathen ,  was  er 
meine,  indem  er  erst  im  schlusswort  bemerkt  p.  20,  der  inhalt 
des  c.  V  sei  von  einem  nicht  näher  zu  bezeichnenden  Pompe- 
janer.  Dieser  soll  nun  vermuthlich  Asinius  und  den  Livius 
zusammengearbeitet  haben,  aber  auch  das  lässt  uns  der  Verfas- 
ser nur  vermuthen.  Jedenfalls  hätte  er  nicht  Peter  folgend 
ohne  weiteres  annehmen  müssen ,  dass  Plutarch  und  folglich 
auch  Appian  und  Dio  dem  Asinius  und  demnächst  dem  Livius 
nachgingen.  —     Der  grund,  warum  dies  geschehen,    scheint  in 


250.  Platon.  Nr.  9, 

einer  gewissen  scheu  Böttcher's  zu   liegen,   tiefer  greifende  fra- 
gen eingehend  zu  erörtern. 

F.  F. 

250.  Quid  Plato  de  animae  mundanae  elementis  docuerit. 
Scripsit  Martinus  Wo-hlrab.  Programm.  4.  Dresden.  1872. 
—  21  ss. 

Der  verf.  behandelt  eine  der  schwierigsten  und  vielversuch- 
testen  stellen  aus  Piatons  Timaeus ,  p.  35  A  sq.  Auszuge- 
hen ist  auch  in  diesem  dialog  von  dem  begrifflichen  gegensatz 
zwischen  yirsGig  und  ovata.  Ausserdem  wird  als  bekannt  vor- 
ausgesetzt, dass  dem  entstandenen  die  d6$a,  dem  wirklichseienden 
die  vörjaig  auf  dem  gebiete  der  menschlichen  geistesthätigkeit 
entspricht,  woran  sich  die  zweitheilung ,  einmal  der  dö^rc  in 
niozig  und  eixaoCa,  sodann  der  röqaig  in  tmarrjuT]  und  dtdvota 
knüpft.  Der  Timäus  beschäftigt  sich  nicht  ausschliesslich  mit  dem 
gewordenen ;  auch  von  den  ideen  ist  die  rede  ,  deren  abbilder 
die  dinge  der  erscheinungsweit  sind,  auch  von  dem  höchsten 
gott,  dem  schöpfer  des  alls  und  den  untern  göttern,  welche 
des  höchsten  gottes  befehle  vollziehen.  Von  der  Verbindung 
dieser  heterogenen  bestandtheile  ist  die  art  und  weise  der  er- 
örterung  im  Timäus  abhängig,  nämlich  die  form  der  nicht  -  dia- 
lektischen behandlung,  die  form  der  fortlaufenden  erzählung# 
Nach  einer  gewissenhaften  und  vollständigen  aufzählung  der 
verschiedensten  lesarten  der  manuscripte  und  der  verschieden- 
sten konjekturen  ist  der  verf.  geneigt  für  die  erklärung  der  ge- 
netive  iijg  aftsgiarov  xal  äsl  xaiil  ralnl  i%ovotis  ovat'ag  xal  rijg 
av  tzsqI  tcc  acöfxarct  yiyrofittqg  ^sgiar^g  ein  ähnliches  anakoluth 
anzunehmen,  wie  p.  38  D.  E.  ijfxsqag  yaQ  xai  vixiag  xtX.,  er- 
klärt dieselben  aber  schliesslich  mit  Steinhart  für  partitiv.  Die 
genetive  in  den  folgenden  Worten:  rqg  ts  ravrov  yvoeoog  av 
nsQi  xcu  ?ijg  OattQOV  x«?  Y.ard  tcivtu  iuieöTrjGev  iv  fitöqi  tov 
•zs  auSQOvg  aitmv  y.ai  rov  itara  tu  aoofiaTa  itsniöTov  lässt  Bo- 
nitz  von  t>>  n?acp  abhängen,  indem  er  mit  Boeckh  übereinstimmt, 
während  Zeller  ihre  abbängigkcit  von  der  vorhergehenden  prä- 
position  b£  befürwortet.  Das  für  die  konstituirung  des  textes 
vielfach  angeführte  zeugniss  des  Sextus  Empiricus,  der  av 
ntQi  wcglässt,  hat  für  den  verf.  im  vorliegenden  falle  wenig 
oder  gar  keine  gewähr.      Aber  mit  Bonitz  will  er  durch  av  ei- 


Nr.  9.  250.  Piaton.  449 

nen  fortschritt  zu  etwas  neuem  ausgedrückt  wissen ,  so  dass 
dann  mit  den  worten  ztjg  zs  zavzov  xt\.  ein  neuer  satz  be- 
ginnen und  übersetzt  werden  müsse:  deinde  quod  attinet  ad  na- 
turam  eiusdem  et  alterius ,  etiam  hac  ratione  mediam  inter  indivi- 
duam  ex  Ulis  et  per  corpora  dividua  composuit.  Indess  sind  diese 
worte  nicht  frei  von  Unebenheit.  Denn  was  soll  avzüv,  fragt 
der  verf.  mit  recht,  in  der  Verbindung  zov  upsooiig  avzävl 
Cicero,  Ficinus,  Böckh  und  Bonitz  haben  sich  auf  diese  Schwie- 
rigkeit nicht  eingelassen.  Nach  der  bekämpfung  der  ansichten 
von  Stallbaum  und  F.  W.  Wagner  zieht  es  der  Verfasser  vor, 
mit  Proclus  avzov  zu  lesen  und  dasselbe  zu  beziehen  auf  das 
tqCzov  ovaiag  elSng  und  verwirft  die  ansieht  von  Steinhart,  der 
es  als  genetiv  von  zu  äftsoeg  avzo  fassen  will,  weil  hier  der 
ort  nicht  sei,  die  idee  des  untheilbaren  oder  „das  an  sich  un- 
theilbare"  zu  erwähnen.  Daran  scbliesst  sich  die  lateinische 
Übersetzung  der  ganzen  stelle  [p.  10]. 

Nicht  die  idee  selbst ,  sondern  die  Substanz  des  untheilba- 
ren, ttjv  (IfAc-niCTov  na\  del  xazä  zavzu  8%ovaav  ovcsiar,  bezeichnet 
Plato  als  element  der  weltseele.  Denn  die  ovaiat  sind  offen- 
bar als  die  urelemente  der  dinge,  als  Substanzen  zu  fassen. 
Deshalb  sei  auch  die  Substanz  der  idee  von  Plato  mit  recht 
als  ein  gruodbestandtheil  der  weltseele  bezeichnet,  während  der 
andere  bestandtheil  die  Substanz  der  dinge  der  erscheinungsweit 
sei.  Dieser  zweite  bestandtheil  sei  von  Plato  im  späteren  ver- 
lauf des  dialoges  als  ,,raum"  [spatiumj  bezeichnet.  Daher  habe 
Böckh  richtig  übersetzt:  aus  der  ,,an  den  körpern  theilbar  wer- 
denden Substanz"  [p.  12]-,  denn  die  körper  seien  gewisse 
theile  des  rauraes.  Nachdem  die  entstelmng  von  der  Substanz 
der  weltseele  nachgewiesen ,  geht  Plato  auf  ihre  (pvasig  über. 
Bonitz  behauptet,  dass  zabzöv  die  idee  der  identität  bezeichue  und 
der  untheilbaren  natur  zuzuschreiben  sei,  und  VazeQov  die  idee  der 
Verschiedenheit ,  die  mit  der  theilbaren  natur  verbunden  sei. 
Ueberweg  setzt  die  dfiigiazog  ovaia  und  zalzözijg  als  die  Sub- 
stanz der  idee,  die  a-/.eduazij  ovaia  und  htQÖzjjq  als  die  Sub- 
stanz der  dinge,  die  aus  ihnen  entstandene  ovaia  als  die  welt- 
seele. Auch  Susemihl  hält  zuvzöv  für  die  idee,  öäzegov  für 
die  materie.  Diese  ansichten  werden  von  Martin,  Steinhart  und 
Zeller  als  irrthümlich  bezeichnet,  indem  diese  gelehrten  dem 
Plutarch  und  Proclus  folgen  und  demgemäss  behaupten ,  dass 
Piniol.  Anz.  V.  29 


450  250.  Piaton.  Nr.  0. 

&<xzeqov  ebensowohl  von  der  untheilbaren  Substanz  ausgesagt 
werden  könne  als  taifo-v  von  der  theilbaren.  Indessen  lenken 
Martin  und  Zeller  insofern  ein,  als  sie  sagen ,  dass  die  untheil- 
bare  Substanz  mehr  dem  zavzov  verwandt  sei,  die  theilbare  dem 
Oäzegov.  Ueberweg  citirt,  um  die  Schwierigkeit  zu  lösen,  mit 
recht  p.  37  B,  woraus  hervorgeht,  dass  ökzfqov  verbunden  ge- 
dacht werden  soll  mit  den  sinnlich  wahrnehmbaren  dingen,  zav- 
zov dagegen  mit  den  übersinnlichen.  Nachdem  der  verf.  die 
begriffsdefinition  von  Bonitz  im  anschluss  an  Soph.  p.  254  D 
adoptirt  hat,  bekennt  er  sich  auch  zu  der  ansieht ,  dass  zwi- 
schen ovaia  und  yvoig  ein  unterschied  zu  machen  sei,  um  zu 
erkennen ,  dass  in  der  ersten  mischung  die  zwei  bestandtheile 
nicht  mehr  unterscheidbar  sind,  während  die  Wesenheiten  von 
zavzov  und  Qäztqov  nach  vollzogener  zweiter  mischung  unter- 
scheidbar bleiben.  Eine  änderung  des  überlieferten  textes  er- 
scheint mir  an  jener  stelle  nothwendig,  nämlich  in  den  Worten: 
%vvEGit]G£v  sv  fisacp  zov  ze  ä/.tEQovg  avzcöv  xzX,  Zunächst  ver- 
misse ich  ein  objekt  zu  ^vrtozqösi',  welches  in  analogie  treten 
könnte  zu  dem  objekt  von  tvvextQuaazo  [zqizov  ovGfag  sldog}. 
Dieses  objekt  erhält  man  nach  dem  wegfall  von  er,  welches 
wahrscheinlich  eine  müssige  Wiederholung  der  vorhergehenden 
verbalendung  ist  und  mit  Veränderung  von  piam  in  uegov  zi. 
Ausserdem  ist  das  folgende  avzäv  nicht  mit  dem  verf.  in  av- 
xov ,  sondern  in  zavzov  zu  verändern.  Denn  die  schon  vorher 
dagewesenen  begriffe  erscheinen  hier  noch  einmal  in  vereinigter 
form,  was  um  so  weniger  auffällig  ist ,  als  ihre  correspondenz 
durch  das  ganze  platonische  System  hindurch  verfolgt  werden 
kann.  In  dieser  Verbindung  steht  somit  gegenüber  zov  vc/ae- 
govg  dem  folgenden  (xsqigiov  und  zavzov  dem  folgenden  zov 
xazä  zä  ampaza,  wofür  das  gleichbedeutende  öäzsoor  hätte  ge- 
setzt werden  können.  Die  folgenden  worte  lauten  nach  der 
Schreibung  von  Bonitz:  xa)  zoia  Xaßcov  av  zä  ovza  <zvtEXEod- 
aazo  elg  (Aittv  nävza  ibtav  zijv  ücczeqov  cpvaiv  8vg[aixtov  ovaav 
elg  zavzov  ^waopozzcnv  ßia,  fiiyvvg  8s  ftszä  zt;g  oiaiag  xal  in 
zQiäv  noiijoü^Evog  fr.  Also  aus  drei  dementen,  dem  zavzov^ 
ödzegov  und  der  ovaia  hat  Plato  nach  mathematischen  und 
harmonischen  gesetzen  die  weltseele  zusammengesetzt,  die  ganze 
komposition  aber  in  zwei  kreise  getheilt,  den  kreis  des  zavzov, 
d.  h.  den  kreis  der  fixsterne,  welcher  der  äussere,  und  den  kreis 


Nr.  9.  250.    Piaton.  451 

des  &drsQOP,  d.  h.  den  kreis  der  planeten,  welcher  der  innere  ist 
(anstatt  des  zweiten  exterior  bat  der  verf.  jedenfalls  interior 
schreiben  wollen).  Dass  in  der  spätem  stelle  (p.  37  A.  B.) 
tuvinv  und  üÜteqov  logisch  zu  verstehen  seien ,  während  beide 
begriffe  hier  metaphysisch  verstanden  werden  müssen,  hat  Stall- 
baum richtig  bemerkt.  Die  weltseele  erscheint  als  ein  lebendes 
wesen,  als  abbild  des  höchsten  gottes.  Ein  lebendes  wesen  hat 
körper  und  seele.  Die  seele  hat  gott  der  weit  eingepflanzt, 
damit  sie  der  Vernunft  theilhaftig  sein  könne,  weshalb  die  seele 
eine  art  mittelstellung  [i-itaov  n]  zwischen  Vernunft  und  körper 
einnimmt.  Sowohl  der  körper  der  weit,  als  auch  die  seele  be- 
stehen aus  denselben  elementen;  sonst  könnte  der  körper  nicht 
von  der  seele  bewegt  werden  und  die  seele  könnte  nicht  die 
Vorgänge  im  und  am  körper  erkennen.  Daher  richtet  sich 
auch  leben  und  bewegung  in  der  einzelseele  (dem  mikrokos- 
mos)  nach  den  principien  und  Ordnungen  der  weltseele,  des 
ganzen  Universums.  Nur  deshalb,  sagt  der  vf.  ganz  richtig, 
könne  die  seele  der  Vernunft  theilhaftig  sein,  weil  sie  etwas 
von  der  ideensubstauz  in  sich  enthalte  und  nur  deshalb  könne 
die  seele  die  bildungen  der  sinnenweit  erkennen,  weil  ein  quan« 
tum  von  der  Substanz  der  erscheinungsweit  in  ihr  sei. 

Zum  schluss  räumt  der  verf.  ein,  dass  trotz  seiner  erklä- 
rung  noch  einige  Schwierigkeiten  übrig  bleiben  und  zwar  zu- 
nächst die  angäbe  des  philosophen,  dass  das  untheilbare  mit  sei- 
nem gegensatz  einen  bestandtheil  der  weltseele  bilde,  sodann, 
dass  die  Wesenheit  des  selbigen  mit  der  Wesenheit  des  andern 
eine  Verbindung  eingehe ,  obgleich  dieselbe  nur  durch  einen 
gewaltakt  der  göttlichen  alimacht  \$vvaQ[i6Tzoov  ßi'a]  als  möglich 
gedacht  wird. 

Offenbar  drängte  sich  dem  philosophen  bei  der  konstruktion 
seiner  weltseele  mehr  als  je  die  nothwendigkeit  auf,  die  von 
ihm  für  sein  ganzes  System  angenommene ,  aber  in  ihren  kon- 
sequenzen  oft  bitter  empfundene  scharfe  Scheidung  zwischen 
ideen  und  erscheinungsweit  abzuschwächen  oder  in  so  weit 
auszugleichen,  dass  sie  der  genialen  lösung  seiner  kosmischen 
probleme  nicht  hindernd  in  den  weg  treten  konnte.  Und  sollte 
nicht  gerade  an  diesen  punkt  des  grossen  meisters  grösserer  Schü- 
ler, Aristoteles,  seine  polemik  gegen  die  ideenlehre  angeknüpft 
haben,  obgleich  es  auch  ihm  nicht  vollständig  gelungen  ist,  den 

29* 


452  251.  Lysias.  Nr.  9. 

zu    tief  in    sein    eigenes  philosophisches  bewusstsein  eingedrun- 
genen dualismus  Plato's  zu  überwinden? 

C.  Liebhold. 

251.  Ausgewählte  reden  des  Lysias.  Für  den  schulge- 
brauch erklärt  vonHerm.  Frohberger.  3  bändchen.  8.  Leip- 
zig. Teubner.  1866—1871.  —    1  tblr.   18  ngr. 

Die  drei  bändchen  dieser  ausgäbe  sind  nach  gleicher  me- 
thode  gearbeitet;  nur  dadurch  unterscheidet  sieb  das  dritte,  dass 
ihm  ein  dreifacher,  sich  auf  den  commentar  in  dem  ganzen  werke 
beziehender  index  angehängt  ist.  Dieser  index  kann  zwar  in 
bezug  auf  das  gebotene  sprachliche  und  rhetorische  material  an 
reichbaltigkeit  nicht  mit  dem  von  Rehdantz  zu  Demosthenes 
sich  messen ,  ist  aber  für  gerichtliche  und  culturgeschichtliche 
punkte  von  grösstem  werthe  und  ein  bedeutender  anfang  zu  einer 
„lysianischen  topik"  geworden.  —  Von  der  ausgäbe  selbst  aber 
kann  ich  nur  aus  voller  Überzeugung  sagen,  dass  sie  einen  weit 
grösseren  werth  in  ansprueb  nebmen  darf,  als  Schulausgaben 
gewöhnlich  zu  besitzen  pflegen.  Der  schüler  liest  den  text  des 
Lysias  als  einen  solchen,  wie  ihn  eine  besonnene  prüfung  all 
des  reichen  materials  als  den  rätblichsten  erscheinen  lässt,  wel- 
ches in  Deutschland,  Holland  und  auch  in  Schweden  Scharfsinn 
und  gelehrsamkeit  für  eine  eventuelle  textveränderung  unseres 
redners  geliefert  hat.  Der  lehrer,  der  von  amtswegen  den  Ly- 
sias tractirt,  und  der  philolog ,  dessen  arbeitsfeld  die  attische 
dekas,  findet  im  buche  reichlichen  stoff,  neues  zu  lernen ,  und 
anregung  zu  eingehenderen  Untersuchungen.  Zum  beweis  betrach- 
ten wir  hier  allein  das  dritte  bändchen  :  ist  es  auch,  wie  gesagt,  nach 
denselben  grundsätzen  wie  1  und  2  gearbeitet,  so  zeigt  sich  in  ihm 
doch  eine  grössere  menge  eigener  conjeeturen  des  herausgebers  als 
in  den  früheren.  An  37  stellen  hat  er  sich  meist  mit  recht,  wie  ich 
glaube,  dazu  veranlasst  gesehen.  Ich  führe  an  XVI,  9,  wo  Frohber- 
ger für  7ai>7)]^  mit  recht  verlangt  avrTjg  zn  lesen  ;  XXX,  2,  wo 
für  iityoacps  zu  lesen  ist  ai?yQacpe\  XXXI,  10,  wo  für  vpocff  des 
verbums  wegen  ijftäg  vorgeschlagen  wird;  XIX,  8,  wo  das  a 
in  ovSsva  gestrichen  wird :  ich  wählte  diese  änderungen ,  um 
die  leise  art  des  herausgebers  zu  zeigen,  dem  fehlerhaften 
texte  aufzuhelfen,  und  die  conjeetur  nicht  blos  dem  sinne  nach 
treffend    erscheinen    zu  lassen,    sondern    auch   dem    buchstaben 


Nr.  9.  251.  Lysias.  453 

nach  wahrscheinlich.  Ich  fahre  mit  der  anführung  der  con« 
jecturen  des  hg. 's,  mit  denen  ich  mich  ohne  weiteres  einverstan- 
den erkläre,  nicht  fort ,  zumal  Frohberger  dieselben  auch  au- 
sserhalb des  buches,  im  Philologus  XXIX,  p.  621,  zur  kennt- 
niss  der  gelehrten  gebracht  hat,  sondern  wende  mich  zu  denen, 
wo  ich  abweichende  ansichten  äussern  möchte.  —  Or.  XVI, 
13  steht  in  den  handschriften  elvcu  8tiv  voLii£or7u,\  Scheibe's 
änderung  in  Seivov  rofii&vTccg  scheint  mir  nicht  blos  den  buch-* 
staben  nach  sehr  wahrscheinlich,  sondern  auch  durchaus  passend, 
Frohberger  weist  sie  mit  den  worten  ab:  „das  ist  kaum  pas» 
send,  da  sich  doch  niemand  beschweren  konnte  über  das, 
was  durch  die  feindliche  heeresverfassung  veranlasst  war". 
Warum  nicht?  Sie  fanden  es  unbillig,  dass  das  geschick 
auf  diese  weise  die  lasten  des  kriegs  so  ungleich  vertheilt 
hätte.  Weit  matter  scheint  mir,  was  sonst  conjicirt  ist,  auch 
des  hg.'s  shai  ai\  Hätte  Mantitheos  nicht  den  Unwillen  des 
nlij&og  bemerkt,  möchte  er  wohl  nicht  so  gehandelt  haben,  dsitog 
ist  bekanntlich  ein  lieblingswort  der  attischen  redner.  Zu  einer 
vollständigen  Stellensammlung  möchte  ich  etwas  material  lie- 
fern. Ganz  besonders  gehäuft  finden  wir  es  Or.  III :  in  48  §§. 
lese  ich  es  eilfmal.  Besonders  gern  wird  es  bekanntlich  von 
den  rednern  gebraucht  am  schluss  einer  ausführung  in  der  rhe- 
torischen frage  ovx  ovv  8eipoi>,  ei  [asv  xtl,  oder  aazs  Ssivov,  so 
u.  a.  (HI,  37.  40.  43.  IV,  13.  VII,  35.  X,  13.  XII,  36  u.s.w.).  Wir 
könnten  es  in  dieser  phrase  mit  den  verschiedensten  deutschen 
adjectiven  wiedergeben,  widersinnig,  unwahrscheinlich,  ungerecht, 
unnatürlich,  gefährlich  (XII,  87).  Ausser  in  dieser  phrase 
findet  es  sich  meistens  in  der  bedeutung  von  ala^göv,  ädc/.or, 
aropot  (I,  49.  III,  7.  III,  9.  III,  16,  17,  26,  27.  IV,  9.  X, 
22).  Im  index  ist  angemerkt  dsipog  Isysi*  und  dttvog  tzsqC  tu 
hinzufügen  möchte  ich  noch  I,  7  dsivt]  olnovofiog,  da  an  dieser 
stelle  ösivog  in  guter  bedeutung  gebraucht  wird,  was  bei  den 
rednern  nicht  so  sehr  häufig  ist.  Auch  VII,  12  hat  es  keinen 
tadelnden  nebensinn;  es  wird  dort  mit  äxotß>jg  zusammenge- 
stellt. —  XXX,  21  hat  Frohberger  xuü^  abzog  mit  recht  in 
den  text  gesetzt.  Schon  Jacobs  und  Eauchenstein  schreiben 
xaza  obiog.  Ich  möchte  dabei  nur  einen  irrthum  in  Scheibe's 
praefatio  critica  notiren,  wo  diese  conjectur  Cobet  zugeschrie- 
ben wird.  —    XXXI,   1  schreibt  Frohberger  ßcvlev<Jit>>  für  das 


454  251,  Lysias.  Nr.  9. 

compositum  av(j.ßovXtvasu>.  Von  der  stelle  Isoer.  VII,  17  ur- 
theilt  er,  sie  käme  nicht  in  betraebt,  weil  Isocfates  dort  von 
sieb  spräche.  Dasselbe  gilt,  glaube  ich,  von  Aesch.  Tim.  §.  29 
und  §.64,  die  verglichen  zu  werden  verdienen.  —  XXXI,  4 
erklärt  Frohberger  nävrcov  —  nznoayixtvcov  für  ein  glossem, 
weil  anstgta  „unerfahrenkeit",  nicht  „unbekanntschaft"  heisse. 
Man  vergleiche  ausser  dem  hier  bemerkten  noch  die  anmer- 
kung  zu  XII,  3.  Er  behauptet  auch,  ans.iQog  heisse  nicht  ne- 
scius,  sondern  non  expertus.  Dagegen  ist  wohl  Lysias  VII,  14: 
ansiQog  zäv  xivdvrav  anzuführen.  Anch  ist  der  gedanke,  dass 
der  bösen  thaten  des  angeklagten  so  viele  seien,  dass  die  zeit 
.nickt  ausreichte,  oder  dass  man  sie  nicht  alle  hätte  kennen 
lernen  können,  ein  nicht  minder  häufiger,  wie  der  vom  hg.  ge- 
wünschte. S.  anmerk.  zu  XIV,  46.  Ferner  weist  der  mit 
ct<-icü  beginnende  gedanke  mehr  auf  den  ersteren:  andere  soll- 
ten aufstehen  und  über  das  nsol  av  taaat  sprechen.  Auch  ist 
mir  das  einfache  ans((jia  zu  kahl,  wenigstens  sollte  ein  ifiavzov 
als  gegensatz  zu  asgl  avzbv  dabei  stehen.  Bei  dem  gegensatz 
zu  unEiQta,  £/j.rrsiQia,  lässt  sich  ein  unterschied  zwischen  „erfah- 
jung"  und  „bekanntschaft"  nicht  nachweisen.  —  XXXI,  6  hat 
der  hg.  für  xal  yäo  in  X  geschrieben  ol  8e,  was  mir  zu  willkürlich 
scheint.  Die  vulgata  hat  oaoi  de.  Ich  möchte  das  paläographisch 
näher  liegende  xaitoi  ol  vorschlagen.  Auch  in  §.  10  derselben 
rede  liegt  derselbe  handschriftliche  fehler  vor.  Man  hat  allgemein 
dort  nach  Bekker  für  das  handschriftliche  xal  yäo  eingesetzt 
xai'zot.  In  demselben  §  ist  ferner  vom  vf.  gadioog  zwischen  on 
und  av  mit  grund  eingeschoben.  Für  gadimg  in  dieser  Verbin- 
dung lässt  sich  vergleichen  Aesch.  Timarch.  §.  29.  —  XXXI, 
13  schliesst  sich  des  hgs.  herstellung  der  sehr  schlecht  überlie- 
ferten worte  allerdings  ziemlich  nahe  an  die  handschriftliche 
lesart :  er  schreibt  nämlich:  tpvyag  xal  zavia  xal  avrog  ystofis- 
vog  statt  q>tj  8s  xal  zavza  xal  abzog  ysrofisvog.  Aber  er  er- 
hält dadurch  einen  s  o  matten  gedanken,  dass  er  sofort  wieder 
genöthigt  ist,  denselben  als  einschiebsei  mit  klammern  zu  ver- 
sehen. Dem  sinne  nach  erwarten  wir,  wie  ich  glaube,  6  vvv  xal 
uvibg  äazbq  yetöfievog.  Bei  dieser  herstellung  wären  die  lesar- 
ten  in  X  und  G  [xal  zavza,  cög  qpiffft',  xal  aazog  yevöfierog)  mit 
einander  combinirt.  Zu  dem  gedanken  vergl.  noch  §.  33.  — 
In  dem  vorhergehenden  §.(12)  möchte  ich  P.  Halbertsma's  mei- 


Nr.  9.  261.  Lysiag.  455 

nung,  die  gegenüberstellung  zwischen  cog  vfislg  oquts  und  ag 
I/o»  anodsl$<a  sei  „minus  felix",  noch  mit  anderen  gründen  unter- 
stützen. Es  wird  ja  vom  §.  15  an  ebenso  sehr  bewiesen,  dass 
ihn  damals  nicht  „schwäche"  zurückgehalten  haben  konnte,  als 
dass  er  nicht  dnogog  XeuovQyeiv  gewesen  sei.  Auch  stimmt 
das  imperfectum  rjv  schlecht  zum  präsens  oqüts.  Die  richter 
konnten  jetzt  doch  nicht  sehen,  ob  er  damals  uG&epTJg  gewe- 
sen war.  Und  dass  Philon  eine  gänzliche  krüppelhaftigkeit 
als  grund  angegeben  hatte  oder  angeben  würde,  ist  nicht  glaub- 
lich, sondern  nur  eine  zeitweilige  aoüsveia,  vrgl.  des  hgs.  anm. 
zu  §.15.  Ich  glaube  daher,  dass  mg  -  ögats  zu  streichen  ist. — 
XXXI,  27  steht  in  den  handschriften  ei  ri.  Der  hg.  schreibt 
et  y\  wofür  die  Verweisung  auf  §.29  spricht.  Nach  Aesch.  Ti- 
march.  §.  51  möchte  man  schreiben  ei  8t)  xi.  —  XXXI,  32 
hat  der  hg.  für  ßovXea&ai  „gewagt"  dycorC&G&ai.  Aber  die 
conjectur  hat  keine  Wahrscheinlichkeit.  Sodann  stört  mich  ov 
Hovov  —  dXXä  na}.  In  jener  zeit,  wo  die  nolueia  auf  dem 
spiele  stand,  hat  man  gewiss  k  e  i  n  e  gerichtsverhandlungen  tteq) 
tov  ßovXzvmv  gehalten.  Das  fiovov  bei  ov  stört  und  ist  unpas- 
send. Wir  befinden  uns  überhaupt  an  einer  sehr  pathetischen 
stelle.  Das  beweist  schon  das  poetische  a&Xa.  An  eine  solche 
stelle  aber  passt  ein  solcher  verfehlter  witz  durchaus  nicht. 
Von  den  xirdvroi,  den  ^syiazoi  dyärsg,  der  auf  dem  spiele  ste- 
henden noXitda  war  ja  schon  die  rede,  was  braucht's  da  noch 
der  er  wähnung  der  iXsv&sgia?  So  lange  also  nicht  für  ßov- 
Xea&ai  eine  wahrscheinliche  conjectur  vorgeschlagen  wird,  werde 
ich  glauben ,  die  worte  '/.ai  'i8ei  ov  \iövov  —  ßovXea&ai  seien 
eine  verfehlte  nachbilduug  des  hübschen  Wortspiels  im  §.  26,  die 
nicht  von  Lysias  selbst  herrührt.  —  Die  herstellung  des  Schlusses 
in  or.  XXXI  wird  wohl  wenig  anklang  finden.  Auch  hat  xaivbg 
nicht  durchweg  tadelnden  nebensinn,  den  es  doch  dann  in  die- 
sem Zusammenhang  haben  müsste:  vrgl.  Aesch.  Tim.  §.  33. 
Warum  aber  soll  man  nicht  mit  Blass  xoivct  TraQadeiyiActzu  „öf- 
fentliche beispiele"  übersetzen?  —  Die  einleitungen  zu  den 
reden  sind  in '  bezug  auf  ihre  form  in  der  Rauchensteinschen 
und  Frohbergerschen  ausgäbe  sehr  verschieden.  Bei  jenem  finden 
wir  kleine  zierliche  miniaturbilder  aus  dem  alterthum  selbst 
wieder  in  lysianischer  einfachheit  und  anmuth  geschrieben.  Bei 
Frohberger  erschöpfen  sie    aufs    gründlichste    das  ganze  bei  der 


456  251.   Lysias.  Nr.  9. 

rede  in  betraclit  kommende  material,  sie  sind  mehr  gelehrt  als 
anmuthig  geschrieben  und  deshalb  wohl  nicht  für  die  schüler, 
sondern  allein  für  die  lehrer  berechnet.  Diese  aber  bekommen 
durch  dieselben  ein  bis  ins  kleinste  detail  ausgeführtes  klares 
bild  der  gerichtlichen  praxis  und  des  athenischen  denkens  und 
lebens.  Ich  wende  mich  nun  besonders  zur  rede  XXIV.  In 
bezug  auf  das  äussere  leben  des  krüppels  möchte  ich  die  ky- 
pothese  aufstellen,  er  habe  seine  bude  in  der  nähe  der  uyond 
gehabt.  Ich  schliesse  es  aus  §.  20.  Sonst  nämlich  wäre  der 
Zusatz:  xal  nXstaroi  iasv  utg  rovg  lyyvxaiita  t7jg  äyovug  xaitoxnva- 
cuivovg,  vollständig  zwecklos.  Auch  war  ihm  ausdrücklich  vor- 
geworfen, dass  die  ttovijgoi  in  menge  zu  ihm  kämen,  vrgl.  §. 
19.  Zur  entlastung  von  diesem  moment  würde  er  sonst  nichts 
angeführt  haben. —  Frohberger  sagt  in  der  einl.  p.  140,  „dass 
aus  dieser  rede  die  tjdonoila  des  Lysias  besonders  deutlich  her- 
vortrete "  und  proleg.  p.  xi  finden  wir  unter  den  gestalten, 
,,die  sich  in  plastischer  anschaulichkeit  aus  den  für  sie  ver- 
fassten  reden  abheben",  besonders  bemerkt  den  „um  seines 
täglichen  almosens  willen  angefochtenen  krüppel".  Das  ist  ja 
die  allgemeine  ansieht.  Sind  auch  einige  über  den  lysianischen 
Ursprung  der  rede  zweifelhaft,  die  ydonotCa  in  derselben  rüh- 
men sie  doch  alle.  Ich  gebe  gern  zu,  dass  sich  die  gestalt  ei- 
nes witzigen,  heiteren  menschen  aus  der  rede  abhebt,  aber  die 
gestalt  ist,  meiner  meinung  nach,  kein  krüppel,  kein  mensch, 
der  zu  fürchten  hat,  dass  ihm  das  letzte  genommen  wird. 
Ein  solcher  müsste  vor  allem  elscg  zu  erwecken  versuchen  — 
und  das  würde  ihm  leicht  gelingen.  Aber  die  ovna  im  munde 
eines  krüppels,  die  „  uQvnovvtzg",  die  deutliche  irouisirung  ge- 
bräuchlicher gerichtlicher  maximen  würde  selbst  ein  so  wenig 
philisterhaftes  volk  wie  das  der  Athener  kaum  mit  erfolg  ge- 
krönt oder  gebilligt  haben.  Ich  leugne  nicht  die  Schönheiten 
der  rede,  finde  auch  das  ij&og  eines  witzigen  menschen  gut  ge- 
zeichnet, aber  dass  es  ein  glücklicher  gedanke  vom  redner 
gewesen  sei,  wenn  die  rede  überhaupt  mehr  als  eine  blosse 
übuugsrede  gewesen  ist,  den  krüppel  in  diesem  y&og  zu 
zeichnen,  möchte  ich  bezweifeln.  —  Im  §.9  dieser  rede  hat  r7jg 
ntvtag  rJjg  ifiJjg  prägnante  Stellung,  nur  das  beigefügte  (it'yeöog 
komische  färbung.  —  Im  §.  25  billigt  der  hg.  mit  recht  Do- 
bree's  Vorschlag  als  gegensatz  zu  udiäg  zu  schreiben  ntyl  änär- 


Nr.  9.  252.  Lysias.  457 

rcoi'.  Ausser  den  von  ihm  angeführten  gründen  möchte  ich  noch 
anführen,  dass  der  gebrauch  dieser  sehr  bekannten  formel  im  munde 
des  stadtarmen  wiederum  sehr  gut  zu  dem  komischen  tone  der  rede 
passt.  Denn  von  anavta,  das  andere  verlieren  konnten:  „vermö- 
gen, die  qualification  zu  den  Staatsämtern"  (s.  I,  50),  besass  der 
krüppel  nichts.  Der  xivdvvog  war  also  für  ihn  nicht  zu  gross.  — 
Die  in  den  anmerkungen  gegebenen  Übersetzungen  geben  meist 
richtig  die  vom  reduer  beabsichtigte  Wirkung  wieder.  Aufge- 
fallen ist  mir  die  Übersetzung  von  tu  ßeßiafa'ra  XVI,  1,  , Lebens- 
wandel". Ich  glaube,  das  griechische  wort  hat  einen  weiteren 
umfang  als  das  deutsche.  Nach  dem  gewöhnlichen  Sprachge- 
brauch ist  „lebenswandel"  doch  nur  die  art  und  weise  des  le- 
bens  namentlich  in  sittlicher  beziehung.  —  An  druckfehlern 
habe  ich  nur  angemerkt  XXX,  34  anh.,  wo  constant  von  yva~ 
\ir\v  tzeiodöorzeg  die  rede  ist ,  während  es  doch  xptjqov  heissen 
muss.  Feiner  hat  sich  XXIV,  14  ein  hässlicher  druckfehler 
in  den  text  gedrängt.  Es  muss  heissen :  ■zolg  z  ov  z  ov  loyoig. 
—  Durch  die  reichhaltigkeit  der  artikel:  „redner"  und  „Senten- 
zen" im  index  hat  sich  der  hg.  noch  besonderen  dank  er- 
worben ,  wie  ja  überhaupt  sein  buch  für  Studien  in  der  atti- 
schen dekas  von  bleibendem  werthe  sein  wird. 

Emil  Rosenberg. 

252.  Georgio  Friderico  Schoemanno  philologorum  principi 
diem  XX.  m.  Iunii  a.  MDCCCLXXIII  quo  abhiuc  annos  sexa- 
ginta  magistri  publici  munus  auspicatus  est  gratulatur  philos. 
in  uuiv.  litt.  Gryphiswaldensi  ordo.  Inest  commentatio  Ru- 
dolphi  Schoellii  quaestiones  fiscales  iuris  attici  ex  Lysiae  ora- 
tionibus  illustratae.  Berolini  ap.  Weidmannos.  1873.  —  20 
pp.    gr.  8. 

Zur  feier  des,  was  wahrlich  ein  seltenes  ereigniss  ist,  sechzig- 
järigen lehramtes  Schömanns  an  der  Greifswalder  Universität 
hat  Scholl  im  namen  der  dortigen  philosophischen  facultät  diese 
schrift  verfasst.  Nachdem  er  in  einer  schönen  und  warmen 
anrede  an  den  um  die  Wissenschaft  wie  allbekannt  hochverdien- 
ten ehrwürdigen  Jubilar  den  dank  der  Universität  und  deren 
glückwünscke  dargebracht  hat,  schreitet  er  zur  behandlung  ei- 
ner sehr  schwierigen  und  bis  dahin  noch  nicht  genügend  gelö- 
sten frage  aus  dem  gebiete  des  attischen  gerichtswesens,  anknü- 


458  252.  Lysias.  Nr.  9. 

pfend  an  die  stelle  des  Lysias  or.  18,  §.13  f.  Diese  rede  ist 
eine  deuterologie  gehalten  von  einem  söhne  des  Eukrates ,  bru- 
ders  des  Nikias,  gegen  Poliochos,  der  die  aaoygatpq,  d.  i.  den 
antrag  auf  confiscation  der  guter  des  verstorbenen  Eukrates, 
offenbar  als  eines  anhängers  der  optimatenpartei,  gestellt  hatte. 
Dieser  process  war  vor  dem  gerichtshofe  der  ovvSixot,  zu  füh- 
ren nach  §.  26  «Iftra  8s  (so  Scholl  nach  dem  von  ihm  selbst 
eingesehenen  cod.  Palatinus  statt  vulg.  a^iov  de)  xai  rovrovg  tovg 
avrSixovg.  Diese  avrdtxot  sind  ,  wie  Scholl  deutlicher  als  seine 
Vorgänger  gezeigt  hat,  eine  nicht  gar  lange  nach  Vertreibung 
der  Dreissig  und  zwar  jeweilen  jähr  für  jähr  vom  volke  ge- 
wählte behörcle  vermuthlich  aus  zehn  männern  bestehend,  wel- 
che im  gericht  das  präsidium  führten  in  fiscalklagen,  anoyqa- 
qiaTg,  die  bei  diesen  avvSCxotg  anzubringen  waren.  Es  war  näm- 
lich eine  ausserordentliche  behörde,  nöthig  geworden  durch  die 
masse  der  fiscalklagen  wegen  confiscirten  gütern ,  weil  diese 
nach  Vertreibung  der  Dreissig  in  folge  der  damaligen  zustände 
in  Athen  zahlreich  aufkamen.  Die  behörde  dauerte  aber,  wie 
Scholl  wahrscheinlich  macht,  wohl  nicht  ganz  zwanzig  jähre,  so 
wie  sie  denn  auch  nur  in  den  reden  des  Lysias  erwähnt  wird, 
und  Sauppe  auch  Oratt.  att.  IT,  p.  183  die  von  Harpokration  er- 
wähnte rede  xara  Asfynnov  suo  iure,  wie  Scholl  sagt,  dem  Ly- 
sias, nicht  wie  bei  Harpokration  steht,  dem  redner  Lykurgos 
zuschreibt.  Den  avvdixoig  gewissermassen  entsprechend  be- 
stand aber  auch  ein  vom  volke  gewähltes  collegium  der  avllo- 
ysig,  dessen  aufgäbe  war ,  wo  man  dem  fiscus  gehöriges  oder 
durch  strafurtheil  ihm  zugefallenes  gut  in  bänden  von  privaten 
vermuthete,  darüber  Untersuchung  zu  führen  und  die  betref- 
fende klage  an  die  dvidtxot  zu  bringen.  In  der  rede  18  nun 
besteht  der  eigentümliche  fall,  zu  dessen  aufhellung  übrigens 
nicht  genug  thatsachen  überliefert  sind,  darin  dass  zweimal  eine 
anoyQacpij  gegen  die  hinterlassenschaft  des  Eukrates  angebracht 
wurde  und  dass  beidemale  der  gleiche  Poliochos ,  aber  in  ent- 
gegengesetzter weise,  wirksam  war,  das  erstemal  so  ,  dass  der 
nicht  genannte  kläger  abgewiesen  und  um  1000  drachmen  ge- 
büsst  wurde,  offenbar  auf  autrag  und  betreiben  des  Poliochos, 
weswegen  Scholl  §.  14  das  überlieferte  i^ijfjtiwös  gegen  Schei- 
be's  vielseitig  gebilligte  conjectur  i^tn-ticödaTS  (ihr  richter)  fest- 
hält;   das    zweitemal    vvv   8s    xtlsvojv  dtjusüaai  rerCxtjxe.      Dass 


■Nr.  9.  253.  Plautus.  459 

Poliocbos  beidemal  in  amtlicher  Stellung  handelte,  kann  man  zu- 
geben, ob  aber  beidemal  als  ovXloj'svg ,  wie  Scholl  behauptet, 
•scheint  mir  zweifelhaft.  Das  erstemal  eher  als  ciidtxog,  da  un- 
ter diesem  collegium  das  heliastengericht  endgültig  entschieden 
und  den  kläger  abgewiesen  und  mit  busse  belegt  hatte.  Im 
zweiten  vermuthlich  etliche  jähre  spätem  process  war  er  wohl 
einer  der  ovXXoyeig,  welches  collegium  wohl  kaum  wie  die  avr- 
diy.oi  einem  heliastengericht  vorstand,  sondern  nur  eine  com- 
mission  war  zur  Voruntersuchung  ob  die  änoynaqr]  an  das  ge- 
richt  unter  den  avidr/.oi  zur  entscheidung  zu  bringen  sei.  Nun 
heisst  es  freilich  vom  zweiten  process  vwixtjxe.  Allein  das  sagt 
nur,  des  Poliochos  antrag  drang  im  collegium  der  avXXoystg 
durch,  die  klage  an  die  ovr8t/ot  zu  bringen;  und  Poliochos  selbst 
wird  sie  dort  befürwortet  haben.  Unsere  rede  aber  ist  offen- 
bar im  zweiten  noch  schwebenden  process  gehalten,  sonst  müsste 
man  einen  dritten  annehmen,  was  unmöglich  ist;  und  dass  es 
nur  zwei  processe  sind,  zeigen  auch  die  schon  angeführten  worte 
§.  26  uhä  de  y.ai  rovzovg  tovg  avrdixovg  evpovg  rjfiiv  elvai, 
>,,auch  die  jetzigen  cu'röixo«",  wie  die  frühern  im  ersten  process. 
Freilich  scheinen  auch  die  worte  §.  14  ta.va.vtla  ocplaiv  avroig 
iiptftpiaavTO  zu  der  annähme  zu  nöthigen,  der  zweite  process  sei 
bereits  zu  Ungunsten  der  söhne  des  Eukrates  entschieden.  Al- 
lein die  stelle  ist  fehlerhaft  und  zu  schreiben:  xcd  izsqi  tovzcov 
8/j  uncpcniQOiv  '/i&qvaioi}  nuouvf'.fAcog  (so  schon  Lipsius  und  jetzt 
auch  Scholl)  cfEvyovzog  tov  avtov  avdoog  (nämlich  der  verstor- 
bene Eukrates,  wie  Scholl  richtig  erklärt)  tatavxta  ü  v  acfiaiv 
uvToTg  t\prt(ficano :  „sie  hätten  in  diesen  beiden  fällen  gesetz- 
widrig im  Widerspruch  mit  sich  selber  entschieden",  würde  es 
nämlich  heissen,  wenn  man  jetzt  dem  Poliochos  folgte.  —  Aus 
der  trefflich  geschriebenen  und  vieles  lehrreiche  bietenden  ab- 
handlung,  die  ref.  mit  grossem  dank  empfangen  hat,  mag  noch 
ein  punkt  berührt  werden.  E.  27,  §.  2  verwirft  Scholl  p. 
18  mit  recht  die  vulg.  naod  rov  7<üv  aÖDtovvTCor,  weil  von  den 
schuldlosen  die  rede  ist  und  schlägt  nagd  7cöi>  ädixovfieveM>  vor, 
allein  treffender  wohl  jüngst  P.  R.  Müller  täv  urfih  ädixovvtcap. 

M.  Rauchenstein. 

253.    Ueber  die  zahl  der  Schauspieler  bei  Plautus  und  Te- 
renz  und  die  vertheilung  der  rollen  unter   dieselben.     Gekrönte 


460  253.  Plautus.  Nr.  9. 

preisschrift  von  Dr.  Friedrich  Schmidt.  Erlangen.  Dei- 
chert.     58  ss.     8. 

254.  De  actorum  in  fabulis  Tereutianis  numero  et  distribu- 
tione  scripsit  Curtius  S  tef  f  e  n  Dresdensis.  Aus:  Acta  socie- 
tatis  philologae  Lipsiensis  ed.  Fr  id.  Ritschelius.  Tom. 
II  fasc.  1.  p.  107—158. 

Hinsichtlich  der  an  erster  stelle  angezeigten  abhandlung 
ist  vorweg  zu  constatiren,  dass  die  kenntniss  des  verf.  von  den 
betreffenden  Schriftstellern,  namentlich  von  Plautus,  nur  eine 
oberflächliche  ist.  Gleich  der  mit  den  nameu  getriebene  unfug 
verräth  den  dilettanten:  z.  b.  heisst  es  consequent  Alcmena  für 
Alcumena ,  Therpontigonus  für  Therapontigonus ,  Chaerebulus  für 
Chaeribulus ,  Milphippida  für  Milphidippa ,  Saturnio  für  Saturio, 
Calliphon  für  Callipho,  Clitoplio  für  Clitipho  u.  a.  Ferner  lässt 
es  sehr  tief  blicken,  wenn  p.  24  in  den  Captiven  Philopolemus 
bruder  des  Philocrates  genannt  wird,  wenn  es  p.  33  heisst,  dass 
im  Poenulus  Collybiscus  (sie)  von  Milphio  als  Poenulus  verkleidet 
werde,  p.  35  dass  der  Rud.  II,  1  das  wort  führende  piscator 
wahrscheinlich  derselbe  sei,  der  später  Gripus  genannt  wird,  p. 
36  dass  im  Stichus  der  name  Epignomus,  wo  er  genannt  werde, 
nicht  in  das  metrum  passe  (in  der  bemerkung  Fleckeisen's  vor 
dem  stücke,  offenbar  der  quelle  dieser  behauptung,  wird  ganz 
richtig  von  versus  tantum  non  omnes  gesprochen) ;  bisher  hielt 
man  nur  den  schluss  der  Aulularia  für  verloren,  nach  dem  Ver- 
fasser aber  bricht  das  stück  plötzlich  in  der  mitte  ab ;  dass  die 
Cistellaria  in  der  mitte  äusserst  lückenhaft  ist,  davon  hat  verf. 
keine  ahuung,  er  nimmt  ganz  unbefangen  wie  bei  einem  voll- 
ständigen stücke  eine  rollenvertheilung  vor,  während  er  von 
dem  Truculentus  ohne  weiteres  mit  berufung  auf  Spengel  praef. 
ad  Trin.  (sie)  behauptet,  dass  in  der  mitte  mehrere  scenen 
ausgefallen  seien,  und  daher  den  versuch  einer  rollenverthei- 
lung gar  nicht  erst  für  nöthig  hält.  Der  von  einer  deutschen 
Universität  gekrönten  preisschrift  gereichen  derartige  flecken 
wahrlich  nicht  zur  zierde. 

Was  den  eigentlichen  gegenständ  der  arbeit  betrifft,  so  geht 
verf.  von  einer  prüfung  der  einschläglichen  Zeugnisse  des  alter- 
thums  aus,  ob  sich  aus  denselben  ein  fester  anhält  für  die  frage 
nach  der  zahl  der  Schauspieler  bei  Plautus  und  Terenz  ergebe. 
Das   resultat  dieser    Untersuchung,    die    in  dem    ersten    kapitel 


Nr.  9.  254.  Plautus.  461 

der  zweiten  abhandlung  eine  eingehende  kritik  erfahren  hat, 
ist  dieses,  dass  es  an  einem  directen  Zeugnisse  ganz  fehlt;  doch 
glaubt  verf.  aus  diesem  stillschweigen  schliessen  zu  dürfen,  dass 
ein  vollständiges  aufgeben  der  alten  beschränkung  in  der  schau- 
spielerzahl in  der  art,  dass  nach  moderner  weise  jede  rolle  ih- 
ren besonderen  Schauspieler  gehabt  hätte,  nicht  anzunehmen  sei; 
da  eine  wesentliche  neuerung  in  dieser  beziehung  bei  Plautus 
und  Terenz  kaum  unerwähnt  hätte  bleiben  können.  Eine  be- 
stätigung  hierfür  findet  er  in  der  öconomie  der  plautinischen 
und  terentianischen  stücke ,  die  eine  beschränkung  der  schau- 
spielerzahl verstatte  durch  Übertragung  mehrerer  rollen  auf  ei- 
nen Schauspieler.  Hiergegen  wendet  Steffen  mit  recht  ein,  dass 
aus  der  öconomie  der  plautinischen  und  terentianischen  comödien 
nicht  ohne  weiteres  auf  eine  derartige  beschränkung  der  schau- 
spielerzahl geschlossen  werden  dürfe,  da  diese  öconomie  im  wesent- 
lichen aus  den  griechischen  originalen  mit  herübergenommen  sei, 
Wahrscheinlich  ist  es  immerhin  im  höchsten  grade,  dass  man 
sich  die  durch  die  composition  der  stücke  mögliche  beschrän- 
kung der  schauspielerzahl  schon  der  geringeren  kosten  wegen  zu 
nutze  gemacht  haben  wird  ;  aber  so  weit  zu  gehen,  wie  Schmidt 
es  thut ,  und  es  als  oberstes  princip  der  rollenvertheilung  auf- 
zustellen, „dass  dieselbe  mit  berücksichtiguug  der  einzelnen  Ver- 
hältnisse unter  die  möglichst  geringe  zahl  von  spielenden  kräf- 
ten  vorgenommen  werde",  dazu  fehlt  jeglicher  anhält.  Es  bietet 
daher  die  von  dem  Verfasser  nach  diesem  principe  vorgenom- 
mene rollenvertheilung  der  comödien  des  Plautus  und  Terenz 
gar  keine  factische  gewähr ,  sondern  erweist  nur  die  möglich- 
keit,  die  rollen  an  eine  erheblich  geringere  anzahl  von  schau- 
spielern zu  vertheilen. 

Ein  weiteres  liess  sich  allerdings  auch  nicht  mit  den  zur 
zeit  der  abfassung  dieser  abhandlung  vorhandenen  mittein  er- 
reichen. Ein  sicherer  fortschritt  in  dieser  frage  ist  durch  das 
mittlerweile  zugeflossene  material  ermöglicht  worden,  und  zwar 
ist  es  eins  der  vielen  Verdienste  Eitschl's  auf  diesen  gebieten, 
zuerst  öffentlich  den  richtigen  weg  gewiesen  zu  haben.  In  der 
vorrede  zur  zweiten  ausgäbe  des  Trinummus  knüpft  Kitschi  p. 
lv  scp  an  die  erwähnung  der  constanten  bezeichnung  der  per- 
sonen  dieses  Stückes  im  Vetus  durch  griechische  buchstaben  in 
der  weise,  dass  von  den  acht  personen  zwei  mit  demselben  buch- 


462  254.  Plautus.  Nr.  9. 

ßtaben  bezeichnet  werden ,  die  vermuthung,  dass  diese  eigen- 
tümliche bezeichnung  auf  eine  frühere  rollenvertheilung  zu- 
rückgehe und  dass  die  mit  demselben  buchstaben  bezeichneten 
personen  zu  irgend  einer  zeit  von  demselben  Schauspieler  dar- 
gestellt seien;  hierzu  fügt  er  dann  noch  die  bemerkung,  dass 
er  schon  vor  jähren  bei  gelegenheit  der  collation  des  Bembinus 
die  in  dieser  handschrift  durchgeführte  notirung  mit  griechi- 
schen buchstaben  mit  der  vertheilung  der  rollen  in  Verbindung 
gebracht  habe.  Die  Untersuchung  dieser  notirung  bei  Terenz 
nach  diesem  gesichtspunkte  auf  grund  des  Umpfenbach'schen 
apparates  ist  der  gegenständ  der  abhandlung  von  Steffen,  ei- 
ner sorgfältigen,  anerkennenswerthen  arbeit. 

Zunächst  führt  verf.  gegenüber  der  im  laufe  der  zeit  ein- 
getretenen mehr  oder  minder  starken  trübung  der  Überlieferung 
auf  grund  deutlicher  spuren  den  nachweis ,  dass  ursprünglich 
jede  person  das  ganze  stück  hindurch  mit  demselben  griechi- 
schen buchstaben  bezeichnet  gewesen  sei.  Dass  diese  bezeich- 
nung nur  zur  Unterscheidung  gedient  habe,  ist  deshalb  nicht 
glaublich,  weil  sie  auch  in  monologen  angewendet  wird;  nimmt 
man  dazu  noch  den  umstand,  dass  für  frauenrollen  in  den  ver- 
schiedenen stücken  meist  dieselben  buchstaben,  für  untergeord- 
nete rollen  gewöhnlich  die  letzten  buchstaben  des  alphabetes 
verwendet  werden,  so  bleibt  kaum  etwas  anderes  übrig,  als 
dass  diese  notirung  ebenso  auf  scenische  zwecke  zurückzufüh- 
ren ist,  wie  bekanntlich  in  den  scenenüberschriften  plautinischer 
handschriften  die  zeichen  C  und  DV  und  jedenfalls  auch  die 
bezeichnung  der  personen  nach  alter  und  stand  in  den  Über- 
schriften. Da  nun  mehrfach  in  ganz  sicheren  fällen  verschie- 
dene rollen ,  die  ganz  gut  von  einer  person  gespielt  werden 
konnten,  gerade  wie  im  Trinummus  die  rollen  des  Megaronides 
und  Philto  mit  denselben  buchstaben  bezeichnet  werden ,  so 
muss  es  als  durchaus  glaublich  erscheinen  ,  dass  sich  diese  be- 
zeichnung ad  numerum  actorum  in  certum  quendam  modum  redi- 
gendum  et  redactum  bezieht.  Sichere  beispiele  der  eben  erwähn- 
ten art  giebt  es  nach  der  notirung  des  Bembinus  fünf,  darun- 
ter eines,  wo  sogar  drei  rollen  einer  person  überwiesen  sind. 
Man  kann  daher  dem  verfahren  des  Verfassers  nicht  die  berech- 
tigung  absprechen,  wenn  er  noch  sonst  ohne  Schwierigkeit  zu 
vereinigende  rollen  auch    auf  grund  minder  sicherer  spuren  der 


Nr.  9.  254.  Plautus.  463 

Überlieferung  oder  bloss  auf  die  annähme  einer  naheliegenden 
buchstabenverwechselung  hin  verbindet.  Einmal  hat  es  vf.  so- 
gar gewagt,  allerdings  auf  grund  der  Überlieferung  des  Bembi- 
nus,  drei  rollen,  die  des  Chaerea,  des  Phaedria  und  der  Py- 
thias  im  Eunuchus,  in  der  weise  zu  verbinden,  dass  die  beiden  er- 
sten bis  auf  die  letzte  scene  demselben  Schauspieler  überwiesen 
werden,  in  dieser  scene  aber,  wo  Chaerea  und  Phaedria  zusam- 
men auftreten,  der  Schauspieler  ,  der  bisher  die  rolle  der  Py- 
thias  geführt  hatte,  die  des  Phaedria  übernimmt.  Unmöglich 
ist  dies  allerdings  nicht,  da  ja  nach  der  überzeugenden  darle- 
gung  des  Verfassers  in  dem  excurse  de  personarum  (i.  e.  larva- 
rum)  in  fabulis  Terentianis  usu  in  Terenz  zeit  jedenfalls  schon 
masken  angewendet  worden  sind ;  doch  da  sich  sonst  keine 
sichere  spur  einer  derartigen  rollenverbindung  findet ,  so  ist  es 
sehr  die  frage ,  ob  zu  einer  solchen  annähme  auf  die  Überliefe- 
rung verlass  genug  ist,  deren  Zerrüttung  in  verschiedenen  fäl- 
len jedem  versuche  spottet ,  die  ursprüngliche  bezeichnung  zu 
ermitteln.  Diese  Zerrüttung  ist  in  dem  erheblich  späteren  Victo- 
rianus  begreiflich  noch  grösser  als  im  Bembinus;  doch  lehren 
vielfache  Übereinstimmungen  der  beiden  handschriften,  dass  sich 
schon  in  der  ihnen  gemeinsamen  quelle  die  ursprüngliche  noti- 
rung  in  grosser  Unordnung  befand.  Kann  unter  solchen  um- 
ständen auch  ein  mit  so  viel  umsieht  und  Scharfsinn  unternom- 
mener versuch ,  wie  der  des  Verfassers  ,  die  ursprüngliche  rol- 
lenvertheilung  zu  ermitteln ,  im  einzelnen  keine  Sicherheit  erge- 
ben, so  ist  doch  schon  immer  ein  sehr  werthvolles  resultat  der 
nachweis,  dass  bei  der  aufführung  plautinischer  und  terentiani- 
scher  comödien  mindestens  im  anfange  des  siebenten  Jahrhun- 
derts —  denn  auf  die  schauspielerexemplare  dieser  zeit  führt  verf. 
diese  ganze  notirung  in  überzeugender  weise  zurück  — ,  wahr- 
scheinlich aber  schon  zur  zeit  der  dichter  selbst,  leicht  verein- 
bare rollen  vielfach  wirklich  vereinigt  worden  sind.  Dass  dies 
in  allen  möglichen  fällen  geschehen  sei,  wie  Schmidt  angenom 
men ,  dafür  bietet  die  Überlieferung  des  Terenz  keinen  anhält, 
wie  sich  ja  auch  aus  der  Überlieferung  im  plautinischen  Trinum- 
mus  eine  siebenzahl  von  schauspielern  statt  der  von  Schmidt 
angenommenen  möglichen  fünfzahl  ergiebt.  Zwischen  sechs  und 
sieben  schwankt  auch  die  zahl  der  nach  Steffen's  rollenverthei- 
lung    in  den  terentianischen  stücken    verwendeten  Schauspieler  ; 


464  255.  Horatius.  Nr.  0. 

wäre  diese  rollenvertheilung  so  sicher,  wie  sie  in  der  that 
wahrscheinlich  ist,  so  läge  allerdings  die  von  dem  Verfasser 
aufgestellte  vermuthung  nahe,  dass  wenigstens  zu  der  zeit,  in 
welcher  diese  rollenvertheilung  vorgenommen  wurde,  die  höchste 
zahl  der  verwendeten  Schauspieler  sieben  gewesen  sei. 

255.  Emendationes  Horatianae.  Scripsit  Robertus  Un- 
ger.     Halis  Sax.   1872.     196  s.     8.  —      1   thlr.    6  ngr. 

Ob  und  welche  bedeutung  diese  schrift  für  die  kritik  und 
erklärung  des  Horaz  hat,  lässt  sich  aus  folgenden  bemerkungen 
erkennen,  welche  allerdings  nicht  anspruch  darauf  machen,  den 
ganzen  inhalt  derselben  darzulegen. 

Die  herstellung  des  textes,  urtheilt  der  vf.,  gelingt  nur 
dann,  wenn  im  wesentlichen  eine  rückkehr  zu  den  princi- 
pien  Bentley's  stattfindet;  diese  haben  theils  eine  stren- 
gere anweadung,  theils  eine  erweiterung  zu  erfahren.  Interpo- 
lirte  verse  giebt  es  nicht,  daselbst  die  einzige  von  Bentley  aus- 
geschiedene stelle  dies  nicht  durchaus  erweist,  dagegen  verderbte 
verse  eine  grössere  anzahl  als  Bentley  angenommen. —  Die  feh- 
ler welche  den  text  entstellen,  stammen  zu  einem  theil  aus  den 
Zeiten,  die  vor  denen  des  Priscian  und  Servius  und  Porphyrio  lie- 
gen. Horaz  hat  z.  b.  palus  mit  kurzer  endsilbe  nicht  gebraucht, 
hat  nicht  oderit,  nicht  Daunus  regnavit  populorum ,  nicht  sapias 
(statt  si  sapias)  geschrieben.  Vielleicht  sind  sie  dadurch  ent- 
standen, dass  das  zur  erklärung  von  einem  grammatiker  beige- 
schriebene  wort  an  die  stelle  des  erklärten  wortes  getreten  ist. 
So  steht  palus  statt  Satura,  Semeleius ,  die  glosse  zu  Thyoneus, 
statt  stimulis  levis f  so  ist  inhumato  die  glosse  von  male  nudo, 
rura  von  regna,  myrto  von  ramo,  revictae  von  refractae;  endlich, 
um  andere  beispiele  zu  übergehen,  ist  das  von  Bentley  verworfene 
und  für  die  sectores  Horatii  zur  hauptstütze  für  ihr  verfahren 
benutzte  Carthaginis  IV,  8,  17  als  glosse  zu  urbis  impiae  er- 
kannt und  zugleich  der  Meineke'sche  satz  so  für  das  gedieht 
zur  geltung  gebracht,  dass  der  ausfall  zweier  verse  angenom- 
men wird,  der  durch  die  ähnlichkeit  der  worte  atria  und  Africa, 
impiae  und  inelytae  veranlasst  worden  ist.  —  Andere  fehler 
sind  auf  die  verschiedenen  irrthümer  zurückgeführt,  deren  sich 
die  abschreiber  nur  zu  häufig  schuldig  gemacht  haben:  sie  ha- 
ben  z.   b.   anno  statt  aluo,  lucida  statt  incita,  intcr  omnes  statt 


Nr.  9.  255.  Horatiüs.  465 

en  Diones,  durch  übersehen  der  note  für  die  silbe  ur  experta 
male  ominatis  statt  exp  ertura,  durch  vertauschung  der  zeichen 
für  den  buchstaben  m  und  die  silbe  us  eins  atque  statt  emicet- 
que,  durch  verkennung  der  elision  reparavit  statt  r apere  ivit, 
fixit  statt  fixum  it,  redegit  statt  ritum  egit,  durch  falsche 
ergänzung  oder  auslassung  des  ersten  buchstabens  eines  verses 
saeva  statt  gnara,  crede  statt  trude,  num  Laertiaden  statt 
quin  Laertiaden ,  oderit  statt  non  terit,  und  in  folge  der 
Verwechslung  von  buchstaben  wie  an  andern  stellen,  cunque  statt 
amica,  desgleichen  acuta  für  amica,  terrae  statt  transit  ge- 
schrieben. Die  begründung  der  im  schärfsten  gegensatz  beson- 
ders zu  Lehrs  aufgestellten  vermuthungen  ist  der  art ,  dass  die 
bedenken,  die  in  prosodischer  und  metrischer  beziehung  gegen  die 
Überlieferung  erhoben  werden  müssen  und  erhoben  worden  sind, 
zum  guten  theile  beseitigt  werden,  ebenso  auch  die  gewöhnli- 
chen worte,  welche  neuere  kritiker  ohne  weiteres  für  das  ur- 
sprüngliche erklären,  die  auch  das  seltene  und  unerklärliche  der 
leichtfertigkeit  oder  der  unkenntniss  eines  nicht  näher  zu  defi- 
nirenden  librariorum  genus  zugeschrieben  wissen  wollen  (wie  z. 
b.  Lehrs  divo  duce  et  auspice  P h  o  e  b  o  statt  Teuer o  duce  schreibt, 
vgl.  das  verzeichniss  p.  187) ,  abgewiesen  werden.  Ferner 
schützt  und  erklärt  der  vf.  eine  ganze  reihe  von  versen  da- 
durch, dass  er  stellen  aus  alten  Schriftstellern  beibringt,  in  de= 
nen  eine  bezugnahme  auf  Horaz  oder  eine  nachahmuDg  dessel- 
ben nicht  zu  verkennen  ist  (vgl.  p,  71  f.).  So  ist  durch  citate 
aus  Seneca ,  Petronius  und  Ausonius  bellica  centieeps  und 
odi  profanum  vulgus  gegen  Lehrs  gesichert,  evenit  (exiet) 
und  uterque  Poenus  aus  Rutilius,  aeternet  in  aevura  aus 
Sidonius  verbessert  und  ins  er  es  durch  Ausonius  bestätigt.  Wird 
auf  der  einen  seite  die  zahl  der  anui,  Xtyouou  gemindert,  so 
wird  auf  der  andern  die  Observation ,  dass  von  einsilbigen  Wör- 
tern nur  me  und  te  in  den  öden  elidirt  sei ,  besonders  durch 
die  Vervollkommnung  der  Bentleyschen  emendation  quem  in- 
veniet  bruma  erweitert,  und  manches  wort,  welches  den  beifall 
späterer  dichter  gefunden  hat,  auf  Horaz  zurückgeführt,  z.  b. 
Nymphe,  Cypris. 

Ausserdem     sind    reiche    beitrage    zur    erklärung    gegeben. 
Um  das  ganz  zu  übergehen,    was    für  den  poetischen  Sprachge- 
brauch beigebracht  ist ,    so    ist  gezeigt ,    dass  Maurus  pedes    der 
Philol.  Anz.  V.  30 


46 £  256.   Horatius.  Nr.  9. 

Tyres  ist,  welcher  durch  den  Privernaten  Laevinus  getödtet 
wird,  I,  12,  23  auf  die  mitwirkung  des  Apollo  in  der  Schlacht 
bei  Actium  geht,  v.  37  auf  die  thaten,  die  den  namen  Scaurus 
auch  sonst  haben  mit  dem  des  Fabricius  und  Eegulus  zusam- 
menstellen lassen;  I,  15,  12  currus  anf  die  mythe  von  der 
'4&t]vä  riyavToyövTtg ,  I,  4  Cytherea  choros  dueit  auf  den  früh- 
lingstanz der  Aphrodite  auf  Cythere,  II,  8,  14  centiplex  (nicht 
simplices)  Nymphe  auf  die  stehende  gefolgschaft  der  Venus,  I, 
16,  7  auf  die  Corybanten  als  furoris  auctores;  dass  I,  31,  5 
armenta  Calabriae  beziehung  auf  den  römischen  triumph  nimmt, 
dass  die  Schilderung  der  Europa  in  den  einzelnen  zügen  durch 
die  darstellung  derselben  in  der  porticus  Pompeji  bedingt  ist 
(wobei  nachgewiesen  wird,  dass  Antiphilus  besonders  als  thier- 
maler  ausgezeichnet  war);  dass  IV,  8,  17  sich  auf  die  zierden 
des  Scipionen-hauses  bezieht,  I,  3,  19  auf  das  iberische  meer, 
Epod.  XIII,  13  auf  die  entstehung  des  Scamander,  das  Maeonii 
carminis  alite  auf  eine  stelle  des  Homer  geht,  deren  Verwen- 
dung erst  das  verdienst  des  Agrippa  recht  hervortreten  lässt. 

Um  es  kurz  zu  sagen:  „alltägliche  interpreten  des  dichters 
werden  aus  der  schrift  die  lehre  ziehen,  dass  es  eines  grösseren 
aufwandes  gelehrter  forschung  und  einer  umfassenderen  lectüre 
für  die  auslegung  des  dichters  bedarf".  Diese  worte  Schneide- 
win's  bei  der  besprechung  der  ersten  Veröffentlichungen  des  vfs 
über  Horaz  im  j.  1848  auch  von  seinen  Emendationes  Horatianae 
zu  wiederholen,  erscheint  um  so  mehr  geboten,  als  der  anonymus, 
der  vor  kurzem  im  Litterarischen  Centralblatt  sie  mit  wenigen  Zei- 
len angezeigt,  auch  gar  nichts  beachtenswerthes  darin  gefunden  hat, 
durch  die  einzige  bemerkung  aber,  die  er  selbst  macht,  indem 
er  behauptet,  der  vf.  sei  mit  sich  selbst  in  Widerspruch  gerathen, 
wenn  er  int  acta  Calabriae  armenta  oder  D  aedaleo  exsertior 
Icaro  schreibe,  nur  zu  klar  an  den  tag  legt,  dass  er  nicht  ein- 
mal Bentley's  anmerkungen  gelesen  hat  und  für  seine  persou 
des  nöthigsten  metrischen  wissens  baar  und  ledig  ist. 

T.  D. 


256.  Die  öden  des  Qu.  Horatius  Flaccus  im  versmass  des 
Urtextes  übersetzt  von  Adolf  Bacmeister.  Stuttgart. 
1871.  —     24  gr. 

Nimmt    man   eine    vollständige    metrische    Übersetzung  der 


Nr.  9.  256.  Horatius.  467 

öden  des  Horaz  zur  hand,  so  erwartet  man  natürlich  nicht,  in 
jedem  einzelnen  gedieht  die  leichtigkeit  oder  den  treffenden 
ausdruck  des  Originals  wieder  zu  finden ;  man  ist  mit  recht 
schon  zufrieden,  wenn  wenigstens  die  meisten  gedichte  den 
ton  und  die  Stimmung  des  urtextes  wiedergeben  und  abspie- 
geln. Dies  glaube  ich  von  der  vorliegenden  Übersetzung  ver- 
sichern zu  können.  So  gelungene  uud  anmuthige  Strophen, 
wie: 

In  götterhut,  in  göttlicher  gnade  stehn 
Mein  frommes  herz  und  meine  gesänge.     Hier 
Strömt  dir  aus  segenschwerem  fruchthorn 
Fülle  der  ländlichen  ehrengaben: 
oder: 

Für's  andre  lass  nur  sorgen  die  himmlischen; 
Schnell  schweigt  der  stürm,  der  jetzt  mit  der  brandung 

ringt , 
Auf  ihren  machtruf  still,  und  lautlos 
Stehn  die  cypressen  und  alten  eichen  , 
sind    häufig;    und    dem   grossen    publikum    werden    sicher    eine 
grosse    menge    der    gedichte    des    römischen    lyrikers    in    dieser 
Verdeutschung  eben  so  sehr  gefallen  können,  wie  dem  gelehrten 
das  original;    bei  vielen  andern  versagt  freilich   der  gegenständ 
den  genuss;    bei   einzelnen  stellen  wohl  auch  der  ausdruck  des 
Übersetzers,  der  nicht  deutlich  genug  ist.     Wer  die  verse  liest: 
Den  entzücken  des  volks  schwärme,    des  schwankenden, 
Das  wetteifernd  des  Staats  höhen  für  ihn  erstürmt, 
wird  sich  freilich  das  rechte  dabei  denken ,    wenn  er  die  worte 
des   dichters    selbst    im    sinne    hat;    der  laie  wird  sie  schwerlich 
verstehen;  er  wird  vielmehr  glauben,  es  solle  von  dem  anblick 
einer  wogenden  Volksmenge  die  rede  sein,    die  zum  besten  de3 
beschauers  einen  hügel,  einen  der  höchsten  des  Staats,  erklimmt, 
in  der  weise  etwa,    wie  ehrsame  bürger  für  den  könig  oder  für 
einen  der  prinzen  seines    hauses    den   besten  schuss  beim  schei- 
benschiessen  zu  thun  suchen.     Warum  nicht  lieber : 

Den  entzückt  es,  wenn  laut  eifernd  des  schwankenden 
Volks  getümmel  ihn  hebt,  wählend,  zu  höchster  ehr'. 
In  dem  dritten  gedieht  des  ersten  buchs  ist    das    eingeschobene 
wörtchen  „nur"   bedenklich,  weil  es  statt  im  sinne  der  aufforde- 

30* 


468  256.  Horatius.  Nr.  9. 

rung  auch  in  der  bedeutung  der  beschränkung  gefasst  werden 
könnte: 

der  stürme  herr 
Halt'  im  zäume  sie  all'  ausser  dem  einzigen 

West.     Nur  meinen  Virgilius, 
Dir,  o  barke,  vertraut,  führe  nach  Attika's 
Strand  mir  sicher. 
Vielleicht : 

So  führe  Virgilius, 

—  — ,  führ'  ihn  nach  Attika's 

Strand  —  — 
In   den    sehr    flüssig   hingleitenden  ionikern    des   gedichts    Neo- 

bule  stört  die  betonung  Belleröphön.  Allerdings  ist  Belle"ro- 
phon  in  den  deutschen  versen  unanbringbar.  Aber  warum  soll 
man  an  diesem  namen  kleben  bleiben ,  den  Horaz  doch  auch 
nur  wegen  des  versmasses,  nicht  wegen  der  ausnehmenden  und 
weltbekannten  reiterkünste  dessen,  der  ihn  trug,  gewählt  hat? 
Hat  das  metrum  ihn  hineingebracht ,  so  darf  das  metrum  ibn 
auch  wieder  entfernen.  Warum  also  nicht  (ich  behalte  die  vers- 
theilung  des  Verfassers  bei)  : 

Wenn  die  schultern  er  gesalbt  und 
In  den  Tiber  sich  getaucht  hat, 
TJeberragt  er  in  der  reitkunst  die  Centauren, 
Aber  alle  in  dem  faustkampf  und  im  wettlauf, 
wenn  man  nicht  noch  vorzieht   zu   setzen:    „auch    den  Castorf 
wo    denn  bei  den  worten    ,,alle  in  dem  faustkampf"  noch  eine 
deutliche  anspielung  auf  Pollux  enthalten  sein  würde.     Durch- 
aus nicht  zu  billigen  ist  der  anfang  eines  alcäischen  gedichts: 

Dellius,  ein  herz,  das  ruhig  in  rnissgeschick, 
um  so  weniger,  da  der  Verfasser  leicht  mit  seiner  Strophe  hätte 
verbinden  können : 

Ein  herz,  das  ruhig,  Dellius,  leiden  trägt. 
Eben  so  wenig  kann  man  sich  gefallen  lassen: 

Pollio,  du  stolz  und  schirm  dem  bekümmerten 
Klienten,  wie  vor'm  rathe  der  curie: 
könnte  es  nicht  heissen : 

Ein  fester  hört  du,  Pollio,  traurigen 


Nr.  9.  257.   Alte  geschichte.  .469 

Verklagten,  wie  dem  rathe  der  curie. 
In  I,  17  ist  in  den  worten: 

Sorglos  und  pfadlos  zieh'n  die  gemahlinnen 
Des  duft'gen  bocks  im  friedlichen  wald  umher, 
das    beiwort    ,,  duftig f<    in   unrichtiger    weise    gebraucht,    selbst 
wenn    man    sich    die  Schönfärberei  gefallen  lassen    wollte.      Ich 
hatte  etwa  gesagt: 

Sorglos  und  pfadlos  führt  durch  den  sichern  wald 
Der  bock,  der  strenge  riechende,  seine  fraun'. 
[Bei  dieser  gelegenheit  bringe  ich  in  erinnerung,  dass  im 
Philologus  eine  reihe  trefflicher  Übersetzungsproben,  auch  von 
Horaz  gedichten,  sich  finden,  als  Piniol.  XU,  p.  208.  382.  592. 
XV,  p.  362.  XVI,  p.  736.  XXII,  p.  347,  welche  den  Übersetzern 
hiermit  zur  beachtung  empfohlen  sein  mögen.  —  E.  v.  L.] 

257.  Stacke,  erzählungen  aus  der  alten  geschichte.  1. 
theil.  Griechische  geschichte.  10.  aufl.  2.  theil.  Römische 
geschichte.  9.  aufl.   244  und  238  s.    Oldenb.  1873.  —  ä  lOngr. 

Die  beiden  kleinen  büchlein  haben  wie  die  wiederholten 
auflagen  beweisen,  ihr  publikum  gefunden  und  sich  als  brauch- 
bar bewährt.  Mag  es  auch  besser  sein,  der  leselust  der  jugend 
eine  fruchtbarere  nahrung  zu  bieten  als  in  solchen  doch  immer 
compendienartigen  abrissen  der  geschichte  enthalten  sein  kann, 
und  sie  z.  b.  Schwab's  schönste  geschichten  aus  dem  klassi- 
schen alterthum  oder  Beckers  erzählungen  aus  der  alten  weit 
selbst  lesen  zu  lassen  statt  einzelner  auszüge  aus  demselben:  so 
ist  doch  das  lesebedürfniss  ein  sehr  mannichfaltiges ,  und  für 
seinen  zweck  kann  das  werkchen  wohl  als  geeignet  empfohlen 
werden.  Die  auswahl  ist  im  ganzen  passend,  die  darstellung 
einfach  und  klar,  auch  gegen  den  inhalt  lässt  sich  vom  ge- 
sichtspunkt  des  praktischen  Zweckes  nichts  wesentliches  einwen- 
den. Die  neuesten  auflagen  sind  unverändert  und  nur  mit  den 
(freilich  sehr  unvollkommenen)  charten  von  Griechenland  und 
Italien  vermehrt  worden;  einzelne  kleinen  versehen,  wie  wenn 
754  v.  Chr.  als  gründungsjahr  von  Rom  angegeben  wird  oder 
wenn  die  ersten  decemvirn  alle  für  das  zweite  decemvirat  wie- 
der gewählt  sein  sollen,  hätten  wohl  verbessert  werden  können. 


470      Neue  auflagen.  —  Schulbücher.  —  Bibliographie.      Nr.  9. 

258.  Die  philosophie  der  griechischen  mythologie  und  die 
entdeckung  der  bedeutung  der  gottbeiten  und  mythen.  Elber- 
feld  1872.  Verlag  von  W.  Frühling.  —  5  gr.  (,, Aufgeschnit- 
tene oder  spuren  des  lesens  an  sich  tragende  exemplare  wer- 
den nicht  zurückgenommen"!) 

Ein  jämmerliches ,  im  armseligsten  und  witzlosesten  markt- 
schreierton zusammengeschriebenes  machwerk,  welches  selbst 
nicht  in  zwölfter  stunde  von  bierseligen  musensöhnen  bis  zu 
ende  angehört  werden  würde. 


Neue  aullagen. 

259.  Forcellini  Lexicon  totius  latinitatis  .  .  .  studio  V.  de  Vit. 
distr.  48.  gr.  4.  Prati:  Brockhaus,  Leipzig;  20  ngr. ' —  260.  J. 
Braun,  geschichte  der  kunst  in  ihrem  entwicklungsgang  durch  alle 
Völker  der  alten  weit  hindurch  auf  dem  boden  der  ortskunde  nach- 
gewiesen. 2.  ausg.  2  bde.  8.  Wiesbaden.  Kreidel;  4  thlr.  —  261. 
F.  Diüer ,  geschichte  der  erziehuug  u.  d.  Unterrichts.  3.  aufl.  8. 
Leipzig.  Klinckhardt;  1  thlr.  —  262.  E.  v.  Hart  mann,  philosophie 
des   unbewussten.     5.  aufl.     -8—10  lfrg.     Berlin.  Duncker;   a  12  ngr. 


Neue  Schulbücher. 

263 — 65.  Präparationen  zu  Homer's  Odyssee.  Von  e.  schulmann. 
4.  gesang.  32.  Cöln,  Schwane;  4  ngr. —  5.  gesang,  ebendas;  4  ugr. — 
Dasselbe,  1-5.  gesang.  2.  aufl.,  ebendas.;  20  ngr.  —  266—69.  Freund's 
schülerbiblioth.  Praeparationen  zu  Sophokles  werken.  1.  heft.  3.  aufl.;  5 
ngr.  zu  Vergil's  Aeneis  1.  heft;  5.  aufl.  zu  Ovid's  Metamorphosen.  1. 
heft.  5.  aufl. ;  5  ngr. ;  zu  Cicero's  werken.  23.  heft  16.  Leipzig,  Vio- 
let;  5  gr.  —  270.  M.  Seyffert,  Übungsbuch  zum  übersetzen  aus  dem 
deutschen  in  das  griechische.  4.  aufl.  8.  Berlin.  Springer ;  24  ngr. 
—  271.  M.  Meiring,  Übungsbuch  zur  lateinischen  grammatik  für  die 
untern  klassen.  2.  abth.  8.  Bonn.  Cohen;  14  ngr.  —  272.  C.  Ca- 
pelle ,  anleitung  zum  lateinischen  aufsatz  f.  d.  gymnasial- gebrauch. 
8.  Hannover.  Hahn:  10  ngr.  —  273.  K.  W.  Rammler,  kurzgefasste 
mythologie  der  Griechen,  Römer  und  Egypter.  7.  aufl.  8.  Berlin. 
Bernhardi ;  1  thlr.  15  gr. 


Bibliographie. 

Nach  einem  bericht  der  süddeutschen  buchhändler  -  zeitung  hat 
eine  Versammlung  von  buchhändlern  am  25.  mal  in  Stuttgart  den 
beschluss  gefasst,  die  auslieferungsniederlagen  sämmtlicher  Stuttgar- 
ter Verlagsbuchhandlungen  von  Leipzig  zurückzuziehen  und  nach 
Stuttgart  zu  verlegen.  Das  verkehrte  dieses  entschlusses  sucht  Bör- 
senbl.   nr.  166  nachzuweisen,  I. 

Die  von  Dr  Clason  im  verlag  von  Calvary  angekündigte  fort- 
setzung  von  Schioegler's  römischer  geschichte  hat  einen  rechtsstreit 
zwischen  Calvari  und  der  verlagshandlung  Laupp  in  Tübingen  her- 
vorgerufen, worüber  Börsenbl.  nr.  168  spricht  und  den  fall   von  sei- 


Nr.  9.  Kleine  philologische  zeitung.  471 

ner  moralischen  Seite  betrachtet,  eine  betrachtung,  die  für  Calvary 
und  seinen  genossen  nicht  eben  günstig  auszufallen  scheint.  _  Doch 
entgegnet  Calvary  im  Börsenbl.  nr.  180.  Das  erste  heft  ist  erschienen: 
die  kritik  wird  zuzusehen  haben,  ob  in  dem  fortsetzer  ein  Schwegler'n 
ebenbürtiger    forscher  zu   entdecken. 

In  der  Deutschen  Allg.  Ztg.  vom  18juni  und  daraus  im  Börsenbl. 
nr.  168  bezeugt  Heinrich  Brockhaus  im  namen  der  firma  F.  A.  Brock- 
haus den  langen  und  innigen  verkehr  der  zwischen  Fr.  v.  Räumer 
und  diesen  seinen  Verlegern  stattgefunden:  beide  theile  werden  da- 
durch gleich  geehrt. 

Wieland  und  sein  Mertrue,  eine  abhandlung  in  Börsenbl.  nr.  184, 
welche  noch  weitere  nummern  in  amspruch  nehmen  wird. 

Die  Lottich'sche  Bibliothek  —  s.  ob.  n.  7,  p.  380  —  ist  vom 
buchhändler  W.  Braun  in  Marburg  erstanden. 


Kleine  philologische  zeitung. 

Der  D.  Reichsanz.  nr.  164  enthält  einen  kurzen  bericht  von  der 
sitzung  der  archäologischen  gesellschaft  in  Berlin  am  1.  juli,  aus  dem 
hier  nur  der  Vortrag  von  Sollet  erwähnt  werden  kann,  welcher  sich 
auf  die  vom  königl.  museum  in  Berlin  angekaufte ,  die  darstellung 
einer  schule  zeigende  schale  mit  rothen  figuren  bezieht,  vrgl.  Archäol. 
Ztg.  v.  j.  1872,  p.  107:  er  meint  den  als  inschrift  einer  schriftrolle, 
welche  der  lehrer  in  der  hand  hält,  dort  so  verzeichneten  hexameter: 
fiot.au  fjiot  K(fv  czctfiav&Qoy  suqcov  «p/o(uat  «sivd'ev ,  lesen  zu  müssen: 
Moiacc  pol  djLKpi  2xdfxav^Qov  svqoov  (s.  Hom.  II.  H,  329)  äo/oficti/ 
uöup  (??).  —  Engelmann  besprach  ein  in  Neapel  befindliches  und 
gewöhnlich  la  forzu  vinta  dell  amore  genanntes  mosaik ,  auf  dem 
fälschlich  eine  nyinphe  ergänzt  sei  statt  des  Herakles  mit  dem  Spinn- 
rocken. 

Aschaffenburg,  3.juni.  Die  in  Aschaffenburg  am  3.  juni  tagende  XIII. 
pfingstversammlung  mittelrheinischer  gymnasiallehrer ,  zu  wel- 
cher sich  44  theilnehmer  eingefunden  hatten,  wurde  vom  aschaffenbur- 
ger  collegium  mit  einer  philologischen  festgabe  (über  welche  besonderer 
bericht  folgt:  s.  unt.  nr.  10)  und  von  dem  rector  desselben  Behringer  mit 
einer  kurzen  anspräche  begrüsst.  Nachdem  hierauf  rector  Behringer 
auf  einstimmigen  wünsch  den  Vorsitz  übernommen  und  den  prof. 
JEnglert  aus  Aschaffenburg  zum  Schriftführer  bestimmt  hatte,  hielt  di- 
rector  Piderit  aus  Hanau  einen  Vortrag  » über  die  gcgenioärtige  form 
der  maturitatsprufung«.,  indem  er  eine  reihe  von  übelständen  (z.  b.  vor- 
herige bestimmung  der  Prüfungsarbeiten  durch  den  provinzialschulrath 
und  nachträgliche  revision  derselben  durch  die  wissenschaftliche  prü- 
fungscommission ,  unverhältnissmässige  ausdehnung  des  mündlichen 
examens  in  der  religionslehre  und  mathematik  u.s.w)  hervorhob  und 
vorschlage  zur  abhülfe  machte.  In  der  daran  sich  reihenden  discus- 
sion  resümierte  prof.  Rumpf  aus  Frankfurt  a.  M.  als  grundzug  der 
vorgetragenen  punkte  die  Forderung,  dass  der  director  und  das  colle- 
gium von  seite  der  schulbehörde  mehr  vertrauen  und  grössere  Selbstän- 
digkeit erhalten  müsse,  und  bekämpfte  namentlich  Piderit's  Vorschlag, 
die  Schulzeit  der  prima  um  ein  semester  zu  verlängern.  Director  Ty- 
cho  Mommsen  aus  Frankfurt  a.  M.  will  eine  ständige  controle,  wenn 
doch  einmal  eine  maturitatsprufung  gehalten  werden  solle,  nicht  ver- 
missen, nur  müsse  dieselbe  lediglich  beobachtend  sein  und  nur  wirk- 
liche misbräuche  beseitigen ,  nicht  aber  positiv  eingreifend  die  Selb- 
ständigkeit des  collegiums  lähmen.  Director  Wendt  aus  Karlsruhe 
betont  namentlich,  dass  die  lehrer  selbst  dem  maturitätsexanien  den 


472  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  9. 

Charakter  einer  controle  nehmen  und  dasselbe  nur  als  naturgemässen 
abschluss  des  um  seiner  selbst  willen  betriebenen  Unterrichts  auffas- 
sen sollten.  Manche  der  vom  vortragenden  gerügten  missbräuche 
Hessen  sich  übrigens  durch  eine  glückliche  praxis  leicht  beseitigen. 
Einverstanden  ist  Wendt  mit  Piderit,  dass  dispensationen  vom  mündli- 
chen examen  aufhören  sollen;  man  brauche  ja  nicht  in  allen  fächern 
zu  prüfen,  sondern  könne  wechseln  und  namentlich  die  prütung  aus 
der  religionslehre  ganz  abstellen.  —  Nachdem  hierauf  Oberlehrer 
Spangenberg  aus  Hanau  noch  » über  die  arrestfrage «  gesprochen  und 
dadurch  zu  einer  debatte  geführt  hatte ,  musste  wegen  vorgerückter 
zeit  die  erörterung  über  weitere  angekündigte  thesen  unterbleiben. 
Die  theilnehmer  der  sitzung  besichtigten  sodann  das  Pompeianum  und 
vereinigten  sich  nachher  zu  einem  mahle  im  gasthof  zum  Adler.  Ein 
gemeinsamer  gang  in  den  nahen  park  Schönbusch  beschloss  den  tag. 
[Möchten  doch  solche  so  viel  wahres  enthaltende  stimmen  von  der 
leitenden  behörde  gebührend  beachtet  werden!  Es  zeigt  sich  immer 
mehr,  dass  gar  manche  alt-preussische  einrichtung  neuerer  zeit  als 
veraltet  und  eine  gedeihliche  entwicklung  wissenschaftlichen  Unter- 
richts hemmend  in  den  neuen  provinzen,  weil  sie  besseres  hatten,  im- 
mer lautere  und  energischere  klagen  hervorrufen  wird,  wird  nicht 
das  System  geändert  und  gründlich  abhülfe  geschaffen.] 

Dresden.  In  einer  sitzung  des  literarischen  Vereins  hieselbst  berührte 
der  Schriftsteller  Badewitz,  wie  man  der  Dtsch.  Allg.  Ztg.  schreibt,  ein  al- 
lerdings auffallendes  vorkommniss  in  unserer  sächsisch -pädagogischen 
literatur.  In  einem  von  mehreren  dresdener  schuldirectoren  1871  her- 
ausgegebenen, beziehentlich  neu  aufgelegten  schulbuche,  betitelt:  »Le- 
bensbilder III.«  etc.,  wird  noch  »Deutschland«  aufgeführt  mit  12000  qua- 
dratmeilen  und  46  millionen  einwohnern,  als  »an  das  ad  riatische  meer 
grenzend«, als  getheilt  in  drei  gruppen  »Deutsch-Oesterreich,  Süddeutsch- 
land und  den  norddeutschen  bund«  —  gleich  als  ob  es  gar  kein  1866 
gegeben  hätte.  Mit  recht  rügte  herr  Badewitz  in  scharfen  worten  eine- 
derartige pädagogische  thätigkeit,  welche  das  urtheil  der  jugend  ver- 
wirre und  ihre  gedanken  methodisch  ablenke  von  der  so  erfreulichen 
Umbildung  Deutschlands  in  das  einheitliche  kraftvolle  »neue  deutsche 
reich«.  (Auch  in  der  neuesten,  28.  und,  wie  gedruckt  daneben  steht, 
verbesserten  aufläge  von  1873  steht  in  dem  genannten  lesebuch  der 
herren  Berthelt,  Jäkel,  Petermann  und  Thomas  auf  p.  409  wort  für 
wort  dasselbe  wie  in  der  aufläge  1871;  nach  den  geographischen  und 
geschichtlichen  forschungen  jener  volksschullehrer  besteht  also  Deutsch- 
land noch  in  diesem  jähre  aus  1.  Oesterreich,  2.  den  süddeutschen  und 
3.  den  norddeutschen  Staaten  ! ) 

Leipzig.  Der  minister  von  Mühler  erkannte  als  eultusminister  ein 
praktisches  bedürfniss ,  für  die  Universitäten  ein  unterrichtsgesetz  zu 
erlassen,  nicht  an,  »weil«  wie  es  in  dem  entwurf  eines  unterrichtsge- 
setzes,  welches  er  vor  einigen  jähren  dem  landtage  vorlegte,  hiess, 
»wenngleich  aufgäbe  und  ziel  der  Universität  überall  dieselben  sind, 
jede  von  ihnen  sich  vermöge  des  scharf  ausgeprägten  corporations- 
charakters  dieser  anstalten  selbstständig  entwickelt  hat  und  für  diese 
ihr  eigenthümlichen  Verhältnisse  in  ihren  Privilegien  oder  Statuten 
die  rechtlichen  normen  besitzt«.  Derselbe  wollte  nur  im  punkte  der 
beseitigung  der  akademischen  gerichtsbarkeit  den  forderungen  der 
neuzeit  nachgeben,  im  übrigen  alles  beim  alten  lassen.  Nicht  so 
herr  Dr  Falk.  Wie  wir  von  zuverlässiger  seite  erfahren,  hält  dieser 
eine  revision  der  universitäts  -  und  facultäts  -  Studien ,  ferner  norma- 
tivbestimmungen,  eine  gesicherte  Stellung  der  privatdocenten,  so  dass 
eine  facultät  nicht  mehr  das  recht  hat,  einen  ihr  lange  zeit  angehö- 
rigen  docenten,  wie  es  wiederholt  vorgekommen,    ohne  weiteres  aus- 


Nr.  9.  Kleine  philologische  zeitung.  473 

zustossen,  und  viele  andere  reforinen  in  unserem  Universitätswesen  für 
nothwendig,  und  ist  derselbe  der  ansieht,  dass  mit  dem  erlass  eines 
allgemeinen  Unterrichtsgesetzes  auch  eine  gesetzliche  regelung  des 
Universitätswesens  eintreten  müsse.  [Es  scheint  dies  ein  angriff  auf  Müh- 
ler's  Verwaltung  zu  sein:  es  ist  aber  sehr  die  frage,  wer,  wenn  das  eben 
aus  Zeitungen  mitgetheilte  wahr  ist  —  und  es  steht  freilich  gar  viel 
falsches  in  diesen  wenigen  zeilen  — ,  hier  der  »liberalere«  und 
der  die  bedürfnisse  richtiger  erkennende  ist,  Mühler  oder  Falk: 
mit  umformenden  normativen  —  das  ist  allerdings  jetzt  kunstaus- 
druck  —  wird,  so  weit  man  sie  wenigstens  jetzt  kennen  gelernt  hat, 
allerdings  viel  Unfriede  und  unruhe  in  kreisen  erzeugt,  denen  man 
vor  allen  andern  ruhe  zu  schaffen  bemüht  sein  sollte ;  ob  aber  wirk- 
lich damit  dem  Studium  und  der  Wissenschaft  geholfen  werden  wird, 
ist  eine  andere  frage]. 

Berlin.  Am  13.oct,  d.  j.  wird  der  director  des  Werderschen  gymna- 
siums,  professor  Bonneil,  sein  fünfzigjähriges  lehrerjubiläum  begehen. 
Zur  feier  desselben  wird  von  den  früheren  schülern  der  anstalt,  meist 
studirenden ,  ein  fest  veranstaltet,  dasselbe  aber ,  da  an  gedachtem 
tage  noch  universitätsferien  sind,  auf  das  ende  des  monats  verlegt. 
Es  soll  zwei  tage  in  ansprach  nehmen,  und  den  abend  des  ersten 
eine  aufführung  des  Goethe'schen  Egmont  ausfüllen.  Archivrath  Has- 
sel giebt  die  titelrolle ,  Dr  Bernhardi  den  Alba.  Hieran  schliesst 
sich  noch  ein  vom  lehrer  des  Werderschen  gymnasiums  professor 
"Wolf  verfasstes  lastspiel:  >  Der  neue  Stadtrichter«  und  »Berlin  im 
Kleinen « ,  ebenfalls  von  einem  "Werderianer  bearbeitet.  Zwei  tage 
später  wird  zu  ehren  des  Jubilars  ein  festessen  stattfinden. 

Duisburg,  16.  juli.  Bei  Mühlheim  sind  bei  dem  bau  der  Ruhrthal- 
bahn Römergräber  aufgefunden ;  in  der  nähe  auch  viele  reste  von  an- 
tidiluvianischen  thieren.     Deutsch.  Reichsanz.  nr.  175.  Beil.  1. 

In  Kärnten  sind  bei  Oberdannburg  römische  steindenkmale  ge- 
funden, ein  meilenstein  v.  j.  304  p.  Gh.,  Sarkophage  aus  Teurnia, 
auch  eine  inschrift  zu  St.  Martin ,  auf  der  die  namen  C'apitor  und 
Atimeria  erscheinen.     Ausland,  D.  Reichsanz.  nr.  180. 

Troja,  17.  juli.  Dr  Schliemann  —  s.  ob.  n.  7,  p.  383,  n.  8,  p.431  — 
hat  unter  dem  angegebenen  datum  ein  schreiben  an  die  Augsb.  Allgem. 
zeitung —  s.  unt.  p.  479  —  gerichtet,  aus  dem  wir  folgendes  entnehmen: 

Im  anfang  dieses  monats  stiess  ich  in  8V2  metern  tiefe  auf  der 
vom  skäischen  thor  in  west -nordwestlicher  richtung  weitergehenden 
grossen  trojanischen  ringmauer,  und  unmittelbar  neben  dem  hause  des 
Priamus ,  auf  einen  grossen  kupfernen  gegenständ  höchst  merkwürdi- 
ger form,  der  um  so  mehr  meine  aufmerksamkeit  auf  sich  zog,  als 
ich  hinter  demselben  gold  zu  bemerken  glaubte.  Auf  demselben  ruhte 
eine  IV2  —  ^-3U  meter  dicke  steinfeste  schicht  von  rother  asche  und 
calcinirten  trümmern ,  auf  welcher  eine  1  meter  80  centimeter  dicke, 
6  meter  hohe  festungsmauer  lastete,  die  aus  grossen  steinen  und  erde 
bestand  und  aus  der  ersten  zeit  nach  der  Zerstörung  Trojas  stammen 
muss.  —  Der  zuerst  gesehene  gegenständ  war  ein  grosses  flaches  ku- 
pfernes geräth  (ö'ia/.og  ourfakoudijs  oder  äffnis  dptpakoseaa),  in  form 
eines  grossen  präsentirtellers,  in  dessen  mitte  sich  ein  von  einer  rinne 
{(iv).u%)  umgebener  nabel  befindet;  dieses  gefäss  hat  49  centimeter  im 
durchmesser,  ist  ganz  flach  und  von  einem  4  centimeter  hohen  rand 
umgeben;  der  nabel  (ouycdos)  ist  6  centimeter  hoch  und  hat  11  cen- 
timeter im  durchmesser;  die  um  denselben  befindliche  rinne  hat  18 
centimeter  im  durchmesser  und  ist  1  centimeter  tief.  Höchst  wahr- 
scheinlich ist  es  ein  schild ;  jedenfalls  erinnert  es  lebhaft  an  die  home- 
rischen äenidts  o/tgtaXoeaaat.  —  Der  zweite  gegenständ,  den  ich  her- 
auszog, war  ein  kupferner  kessel  mit  zwei  horizontalen  henkeln,  wel- 


474  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  9. 

eher  uns  jedenfalls  das  bild  des  homerischen  ktßrjg  giebt;  derselbe 
hat  42  centimeter  im  durchmesser  und  14  centimeter  höhe;  der  bo- 
den  ist  flach  und  hat  20  centimeter  im  durchmesser.  —  Der  dritte 
gegenständ  war  eine  1  centimeter  dicke,  10  centimeter  breite,  44  cen- 
timeter lange  kupierne  platte,  welche  einen  2  millimeter  hohen  rand 
hat;  an  einem  ende  sieht  man  zwei  unbewegliche  räder  mit  axe. 
Diese  platte  ist  auf  zwei  stellen  stark  gebogen,  jedoch  glaube  ich, 
dass  diese  biegungen  durch  die  gluth  geschehen  sind,  welcher  der 
gegenständ  in  der  feuersbrunst  ausgesetzt  gewesen  ist ;  auf  demsel- 
ben ist  eine  silberne  vase  von  12  centimetern  höhe  und  breite  fest- 
geschmiedet, jedoch  vermuthe  ich,  dass  dies  ebenfalls  nur  durch  Zu- 
fall in  der  feuersbrunst  geschehen.  —  Der  vierte  hervorgekommene 
gegenständ  war  eine  kupferne  vase  von  14  centimetern  höhe  und 
11  centimetern  im  durchmesser.  —  Darauf  kam  eine  15  centimeter 
hohe,  14  centimeter  im  durchmesser  haltende  und  403  gramm  wie- 
gende kugelrunde  flasche  von  reinstem  golde  mit  einer  angefangenen, 
aber  nicht  vollendeten  Zickzackverzierung;  ein  9  centimeter  hoher,  78/4 
centimeter  breiter,  226  gramm  schwerer  becher ,  ebenfalls  von  rein- 
stem golde,  sowie  ein  9  centimeter  hoher,  183/4  centimeter  langer, 
I8V4  centimeter  breiter,  genau  600  gramm  wiegender  becher  von  rein- 
stem golde,  in  form  eines  schiffes,  mit  zwei  grossen  henkeln;  auf 
der  einen  seite  ist  ein  7  centimeter,  auf  der  andern  ein  3  ctm.  brei- 
ter mund  zum  trinken  und  es  mag  derjenige,  welcher  den  gefüllten 
becher  hinreichte,  aus  dem  kleinen  munde  vorgetrunken  haben,  um 
als  ehrenbezeugung  den  gast  aus  dem  grossen  munde  trinken  zu  las- 
sen. Dieses  geläss  hat  einen  nur  um  2  millimeter  hervorstehenden, 
37^  centimeter  langen,  2  centimeter  breiten  fuss,  und  ist  jedenfalls 
das  homerische  denag  cc/mfixvnii.Xov.  Ich  bleibe  aber  fest  bei  meiner 
behauptung:  dass  auch  alle  jene  hohen  glänzend  rothen  becher,  in 
form  von  Champagnergläsern  und  mit  zwei  gewaltigen  henkeln  denu 
äjurftiXvniXka  sind,  und  auch  diese  form  wird  von  gold  dagewesen 
sein.  Noch  muss  ich  die  für  die  geschichte  der  kunst  sehr  wichtige 
bemerkung  machen,  dass  vorgesagtes  goldenes  dinag  ä/jqtxvnfi.Xov  ge- 
gossen ist  und  die  grossen  nicht  ganz  massiven  henkel  daran  ge- 
schmiedet sind.  Dagegen  ist  der  vorher  erwähnte  einfache  goldene 
becher  sowie  die  goldene  flasche  mit  dem  hammer  getrieben.  —  Der 
schätz  enthält  ferner  einen  kleinen  70  gramm  wiegenden,  8  centime- 
ter hohen,  ß1/^  centimeter  breiten  becher  von  mit  25  pct.  silber  ver- 
setztem golde,  dessen  fuss  nur  2  centimeter  hoch  und  1%  centimeter 
breit,  ausserdem  nicht  ganz  gerade  ist,  so  dass  der  becher  nur  zum 
hinstellen  auf  den  mund  bestimmt  zu  sein  scheint.  Ich  fand  dort 
ferner  sechs  mit  dem  hammer  getriebene  stücke  einer  mischung  von  gold 
und  silber  (y.Qt(/ua)  in  form  von  grossen  klingen,  deren  eines  ende  ab- 
gerundet, das  andere  in  gestalt  eines  halbmondes  ausgeschnitten  ist. 
—  Die  beiden  grössern  sind  21V2  ctm.  lang  und  5  ctm.  breit,  und 
jedes  davon  wiegt  184  gramm.  Die  darauffolgenden  zwei  stücke  sind 
181/?  ctm.  lang  und  4  ctm.  breit,  und  jedes  davon  wiegt  173  gramm; 
die  beiden  übrigen  stücke  sind  17  V*  ctm.  lang  und  3  ctm.  breit,  and 
jedes  derselben  wiegt  171  gramm.  Höchst  wahrscheinlich  sind  dies 
die  homerischen  talanta  (rüXavm),  welche  nur  klein  sein  konnten,  da 
z.  b.  Achilles  (Ilias  XXIII,  269)  als  ersten  kampfpreis  eine  frau,  ala 
zweiten  ein  pferd ,  als  dritten  einen  kessel  und  als  vierten  zwei  gol- 
dene talente  aufstellt.  Ich  fand  dort  ierner  drei  grosse  silberne  va- 
een,  wovon  die  grösste  21  ctm.  hoch  ist  und  20  ctm.  im  durchmesser 
und  einen  henkel  von  14  ctm.  länge  und  9  ctm.  breite  hat.  Die 
zweite  vase  ist  17x/a  c^m-  hoch  und  hat  15  ctm.  im  durchmesser; 
man  sieht  auf  derselben  den  obern  theil  einer  andern   silbernen  vase 


Nr.  9,  Kleine  philologische  zeitung.  475 

festgeschmolzen,  von  der  nur  bruchstücke  übrig  geblieben  sind.  Die 
dritte  ist  18  ctm.  hoch  und  hat  157a  ctm.  im  durchmesser;  am  fusse 
dieser  vase  ist  viel  kupier  festgeschmolzen,  welches  in  der  feuers- 
brunst  von  den  kupfernen  Sachen  des  Schatzes  abgeträufelt  sein  muss. 
Alle  drei  vasen  sind  unten  kugelrund  ,  und  können  daher  nicht  hin- 
gestellt werden,  ohne  angelehnt  zu  sein.  Auch  fand  ich  dort  einen 
8V2  c^m-  hohen  silbernen  becher,  dessen  mund  10  ctm.  im  durch- 
messer hat;  ferner  eine  silberne  schale  {yväXrj)  von  14  ctm.  im  durch- 
messer, sowie  zwei  kleine  herrlich  gearbeitete  silberne  vasen;  die 
grössere  derselben  hat  an  jeder  seite  zwei  röhrchen  zum  aufhängen 
mit  schnüren,  und  ist,  inclusive  ihres  hutartigen  deckeis,  20  ctm. 
hoch  und  hat  9  ctm.  im  durchmesser  im  bauch.  Die  kleinere,  nur 
mit  einem  röhrchen  au  jeder  seite  zum  aufhängen  mit  einer  schnür 
versehene,  silberne  vase  ist,  inclusive  ihres  hutes,  17  ctm.  hoch  und 
8  ctm.  breit.  Theils  auf,  theils  neben  den  goldenen  und  silbernen 
Sachen  fand  ich  dreizehn  lanzen  von  kupfer  von  177a>  21,  21x/2>  23 
und  32  ctm.  länge  und  4  bis  6  ctm.  breite  an  der  breitesten  stelle; 
in  dem  untern  ende  sieht  man  ein  loch,  worin  bei  den  meisten  noch 
der  nagel  oder  stift  steckt,  mit  welchem  die  lanze  in  der  hölzernen 
stange  befestigt  war.  Die  trojanischen  lanzen  waren  somit  ganz  ver- 
schieden von  den  griechischen  und  römischen,  denn  bei  diesen  wurde 
der  lanzenschaft  in  die  lanze,  bei  jenen  die  lanze  in  den  schaff  gesteckt. 
Ich  fand  dort  ferner  14  jener  hier  häufig  vorkommenden,  anderswo 
aber  noch  niemals  gefundenen  kupfernen  waffen ,  die  nach  einem 
ende  zwar  beinahe  spitz,  aber  stumpf,  nach  dem  andern  ende  in  eine 
breite  schneide  auslaufen.  Ich  hielt  dieselben  früher  für  eine  beson- 
dere art  von  lanzen,  bin  aber  jetzt  zur  Überzeugung  gekommen ,  dass 
sie  nur  als  Streitäxte  gebraucht  sein  können ;  dieselben  sind  16  bis 
31  ctm.  lang,  1  x/4  bis  2  ctm.  dick  und  3  bis  772  ctm.  breit,  und  die 
grössten  derselben  wiegen  1365  gramme.  Weiter  fand  ich  dort  sie- 
ben grosse  zweischneidige  kupferne  dolchmesser,  die  einen  5  bis  7 
ctm.  langen  und  am  ende  unter  rechtem  winkel  umgebogenen  griff 
haben,  der  einst  mit  holz  eingefasst  gewesen  sein  muss;  denn  wäre 
die  einfassung  von  knochen  gewesen ,  so  würde  sie  noch  jetzt  ganz 
oder  theilweise  vorhanden  sein.  Der  spitze  griff  wurde  in  ein  stück 
holz  gesteckt,  so  dass  das  ende  V/2  ctm.  lang  hervorragte,  und  dies 
wurde  einfach  umgebogen.  Das  grösste  dieser  messer  ist  27  ctm. 
lang  und  an  der  breitesten  stelle  5 72  ctm.  breit;  von  einem  zweiten, 
welches  4x/2  ctm.  breit,  ist  die  spitze  abgebrochen ;  es  ist  jetzt  noch 
227a  ctm.  lang,  scheint  aber  28  ctm.  lang  gewesen  zu  sein.  Ein 
dritter  dolch  ist  22  cmt.  lang  und  misst  an  der  breitesten  stelle 
37*  ctm.;  ein  vierter  dolch  ist  in  der  feuersbrunst  zwar  ganz  zusam- 
mengerollt, scheint  aber  28  ctm.  lang  gewesen  zu  sein.  Von  dem 
fünften,  sechsten  und  siebenten  dolchmesser  sind  nur  10  bis  1372  ctm. 
lange  bruchstücke  vorhanden.  Ich  glaube  ausserdem  in  einem  pack 
von  vier  in  der  feuersbrunst  zusammengeschmolzenen  lanzen  und 
Streitäxten  noch  ein  dolchmesser  zu  bemerken.  —  Von  gewöhnlichen 
einschneidigen  messern  fand  ich  im  schätze  nur  eins  von  1572  ctm. 
länge.  Auch  fand  ich  dort  das  22  ctm.  lange,  5  ctm.  breite  bruch- 
stück  eines  Schwertes ,  sowie  eine  in  eine  schneide  auslaufende ,  38 
ctm.  lange  viereckige  kupferne  stange ,  die  jedenfalls  auch  als  waffe 
gedient  zu  haben  scheint.  —  Da  ich  alle  vorgenannten  gegenstände 
zusammen  oder  ineinander  verpackt  auf  der  ringmauer  fand ,  deren 
bau  Homer  dem  Neptun  und  Apollo  zuschreibt,  so  scheint  es  gewiss, 
dass  sie  in  einer  hölzernen  kiste  (yxogiafiös)  lagen,  wie  solche  in  der 
Ilias  (XXIV,  228)  im  palast  des  Priamos  erwähnt  werden;  dies  scheint 
um  so  gewisser,   als  ich  unmittelbar  neben  den  gegenständen  einen 


476  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  0, 

10V2  ctrn.  langen  kupfernen  Schlüssel  fand,  dessen  5  ctm.  langer  und 
breiter  bart  die  grösste  ähnlichkeit  hat  mit  dem  der  grossen  kassen- 
schlüssel  in  den  banken.  Merkwürdigerweise  hat  dieser  Schlüssel  ei- 
nen hölzernen  griff  gehabt ;  das ,  gleich  wie  bei  den  dolchinessern, 
unter  rechtem  winkel  umgebogene  ende  des  schlüsselstiels  lässt  kei- 
nen zweifei  darüber.  —  In  der  grössten  silbernen  vase  fand  ich 
ganz  unten  zwei  prachtvolle  goldene  kopfbinden  (xQvds/uya),  ein  Stirn- 
band und  vier  prachtvolle  höchst  kunstvoll  gefertigte  Ohrgehänge 
von  gold  vor;  darauf  lagen  56  goldene  ohrringe  höchst  merkwürdi- 
ger form  und  tausende  von  sehr  kleinen  ringen,  würfeln,  knöpfen  u.  s. 
w.  von  gold,  die  offenbar  von  andern  Schmucksachen  herrühren;  dar- 
auf folgten  sechs  goldene  armbänder,  und  ganz  oben  lagen  die  bei- 
den kleineren  goldenen  becher.  —  Die  eine  kopfbinde  ist  51  ctm. 
lang  und  besteht  aus  einer  goldenen  kette ,  von  welcher  auf  jeder 
seite  acht  39  ctm.  lange,  ganz  und  gar  mit  kleinen  goldenen  baum- 
blättern belegte  ketten  zur  bedeckung  der  schlafe  herunter  gehen, 
und  am  ende  einer  jeden  dieser  16  ketten  hängt  ein  374  c^m-  langes 
goldenes  idol  mit  dem  eulenkopf  der  ilischen  schutzgöttin.  Zwi- 
schen dieser  schläfenbedeckung  sieht  man  die  74,  ebenfalls  mit  gol- 
denen baumblättern  belegten,  10  ctm.  langen  kettchen  der  stirnbe- 
deckung,  an  deren  jedem  unten  ein  doppeltes  2  ctm.  langes  baum- 
blatt  hängt.  —  Die  zweite  kopfbinde  besteht  aus  einem  55  ctm. 
langen,  12  millimeter  breiten  goldenen  Stirnband,  von  dem,  zur  be- 
deckung der  schlafe,  an  jeder  seite  sieben  mit  je  eilf  viereckigen, 
mit  einer  rille  versehenen  blättern  geschmückte  kettchen  hängen, 
die  durch  vier  querkettchen  mit  einander  verbunden  sind,  an  deren 
jedem  unten  ein  25  millimeter  langes  goldenes  idol  der  schutzgöttin 
Troja's  prangt.  Die  ganze  länge  einer  jeden  kette  mit  dem  idol  be- 
trägt 26  ctm. ;  diese  idole  haben  fast  Menschengestalt ,  in  welcher 
aber  der  eulenkopf  mit  den  beiden  grossen  äugen  nicht  zu  verkennen 
ist;  ihre  breite  an  den  füssen  ist  21  millimeter.  Zwischen  diesem 
schläfenschmuck  hängen  47,  mit  vier  viereckigen  blättchen  verzierte 
kettchen  herab,  an  deren  jedem  ein  18  millimeter  hohes  idol  der 
ilischen  schutzgöttin  hängt;  die  länge  dieser  kettchen  mit  den  ido- 
len  ist  nur  10  ctm.  —  Das  Stirnband  ist  46  ctm.  lang  und  1  ctm. 
breit  und  hat  an  jedem  ende  drei  durchbohrungen;  es  ist  durch  8  vier- 
fache reihen  von  punkten  in  9  fächer  getheilt,  in  deren  jedem  man 
zwei  grosse  punkte  sieht,  und  eine  unterbrochene  reihe  von  punkten 
ziert  den  ganzen  rand.  Von  den  vier  Ohrgehängen  sind  nur  zwei  ein- 
ander vollkommen  gleich;  von  dem  oberen  theil  derselben,  der  fast 
in  korbform  und  mit  zwei  reihen  Verzierungen  in  form  von  perlen  ge- 
schmückt ist,  hängen  6  mit  3  kleinen  viereckigen  cylindern  versehene 
kettchen  herunter,  an  deren  enden  man  kleine  idole  der  schutzgöttin 
Troja's  sieht.  Die  länge  dieser  beiden  Ohrgehänge  beträgt  9  ctm. 
Der  obere  theil  der  beiden  andern  Ohrgehänge  ist  grösser  und  dicker, 
aber  ebenfalls  fast  in  korbform,  ;und  von  demselben  hängen  5  ganz 
mit  kleinen  runden  blättchen  bedeckte  kettcheu  heruuter,  an  denen 
ebenfalls  kleine,  aber  imposantere  idole  der  ilischen  schutzgöttin  be- 
festigt sind;  die  länge  des  einen  dieser  gehänge  ist  9  ctm.,  die  des 
anderen  8  ctm. —  Von  den  sechs  goldenen  armbändem  sind  zwei  ganz 
einfach,  geschlossen  und  von  4  millimctern  dicke ;  ein  drittes  ist  ebenfalls 
geschlossen ,  besteht  aber  aus  einem  verzierten  bände  von  1  millim. 
dicke  und  7  millim.  breite ;  die  drei  übrigen  sind  doppelt  und  haben 
umgebogene  mit  einem  köpf  versehene  enden.  —  Die  56  übrigen  gol- 
denen ohrringe  sind  von  verschiedener  grosse,  und  es  scheinen  drei  der- 
selben von  den  Prinzessinnen  des  königlichen  hauses  auch  als  finger- 
ringo  gebraucht  worden  zu  sein.      Die    form    keines    dieser   ohrringe 


Nr.  9,  Kleine  philologische  zeitung.  477 

hat  irgendwie  ähnlichkeit  mit  den  hellenischen,  römischen,  ägyptischen, 
oder  assyrischen  Ohrringen;  20  derselben  laufen  in  4,  10  laufen  in  3 
neben  einander  liegende  und  zusammengeschmiedete  blätter  aus,  und 
haben  daher  die  grösste  ähnlichkeit  mit  den  hier  im  vorigen  jähr 
von  mir  in  9  und  13  metern  tiefe  gefundenen  Ohrringen  von  gold 
oder  elektron.  18  andere  ohrringe  laufen  in  6  blätter  aus,  und  man 
sieht  im  anfang  derselben  2  knöpfchen,  in  der  mitte  zwei  reihen  von  je 
5  knöpfchen  und  am  ende  3  knöpfchen.  Zwei  der  grössten  ohrringe, 
die  wegen  der  dicke  des  endes  keinesfalls  als  ohr  -  und  nur  als  fin- 
gerringe  gebraucht  zu  sein  scheinen,  laufen  in  4  blätter  aus,  und 
man  sieht  im  anfang  derselben  2,  in  der  mitte  3  und  am  ende  wie- 
derum 2  knöpfchen.  Von  den  übrigen  Ohrringen  sind  2  in  gestalt  von 
3,  und  4  in  gestalt  von  2  neben  einander  liegenden  herrlich  ge- 
schmückten schlangen.  —  Auf  die  ohrringe  hatte  man  eine  menge 
anderer  auf  fäden  gezogener  oder  an  leder  befestigter  Schmucksachen 
in  die  grosse  silberne  vase  gelegt,  denn  auf  und  unter  derselben  fand 
ich,  wie  bereits  erwähnt ,  tausende  von  kleinen  gegenständen ,  näm- 
lich goldringe  von  nur  3  millimetern  im  durchmesser;  glatte  oder  in 
form  von  Sternchen  ausgeschnittene ,  4  millimeter  im  durchmesser 
haltende,  runde  oder  viereckige  goldperlchen ;  21/2  millimeter  hohe,  3 
millimeter  breite ,  der  länge  nach  mit  8  einschnitten  verzierte  gol- 
dene durchbohrte  prismen ;  5  millimeter  lange ,  4  millimeter  breite, 
der  länge  nach  mit  einer  röhre  zum  aufziehen  versehene  baumblätt- 
chen ;  kleine ,  9  millimeter  lange ,  auf  einer  seite  mit  einem  knöpf, 
auf  der  anderen  mit  einem  durchgehenden  loch  versehene  goldstangen; 
5  millimeter  lange,  2l/s  millimeter  breite,  viereckige  oder  runde  goldene 
durchbohrte  prismen ;  nur  7  millimeter  im  durchmesser  haltende,  zu- 
sammengeschmiedete, doppelte  oder  dreifache  goldene  ringe  mit  durch- 
gehendem loch  an  zwei  seiten  zum  aufziehen ;  5  millimeter  hohe  gol- 
dene knöpfe,  in  deren  höhlung  ein  3  millimeter  breiter  ring  oder 
oese  zum  annähen  ist;  77a  millimeter  lange  goldene  doppelknöpfe, 
ganz  in  gestalt  unserer  hemdknöpfe ,  die  aber  nicht  zusammenge- 
schmiedet, sondern  zusammengesteckt  sind,  denn  aus  der  höhlung  des 
einen  knopfes  tritt  eine  6  millimeter  lange  röhre  («vkioxog)  hervor,  aus 
der  des  anderen  eine  ebenso  lange  stange  (t/ußökov) ,  und  man  steckt 
einfach  die  stange  in  die  röhre,  um  den  doppelknopf  zu  bilden.  Diese 
doppelknöpfe  können  wohl  nur  als  zierrathen  von  ledernen  sachen, 
so  z.  b.  an  schwert-,  schild-  oder  messergehängen  {iiXa/xuii>(g)  ge- 
braucht worden  sein.  Ich  fand  dort  auch  zwei  goldene  durchbohrte 
prismen  von  3  millimetern  dicke  und  19  millimetern  länge,  sowie  ein 
goldenes  stäbchen  von  21  millimetern  länge  und  172  bis  2  millimetern 
dicke;  es  hat  an  einem  ende  ein  durchgehendes  loch  zum  aufhängen, 
an  dem  anderen  6  herumgehende  einschnitte,  welche  dem  gegen- 
ständ das  ansehen  einer  schraube  geben ;  nur  mittelst  einer  loupe 
erkennt  man ,  dass  es  keine  wirkliche  schraube  ist.  —  Noch  fand 
ich  dort  2  stücke  gold,  wovon  das  eine  43/4,  das  andere  574  ctm. 
lang  ist;  jedes  derselben  hat  21  durchbohrungen.  —  Mein  geehrter 
freund,  der  Chemiker  Landerer  in  Athen,  welcher  alle  im  schätz  ent- 
haltenen kupfernen  gegenstände  aufs  genaueste  untersucht  und  bruch- 
stücke  davon  analysirt  hat,  findet,  dass  alle,  ohne  jegliche  beinii- 
schung  von  zinn  oder  zink,  aus  reinem  kupfer  bestehen,  welches,  um 
es  haltbarer  zu  machen,  geschmiedet  worden  ist  {orjvQtj/.aTov).  —  Da 
ich  hoffte  hier  weitere  schätze  zu  finden ,  auch  sehr  wünschte  die 
trojanische  göttermauer  bis  zum  skäischen  thor  ans  licht  zu  bringen, 
so  habe  ich  die  theilweise  auf  derselben  lastende  obere  mauer  auf 
eine  strecke  von  1772  metern  ganz  weggebrochen.  Die  besucher  der 
Troade  erkennen  dieselbe  aber  noch,   dem   skäischen  thor  gegenüber 


478  Kleine  philologische  zeitttng.  Nr.  9. 

in  der  nordwestlichen  erdwand.  Auch  habe  ich  noch  den  ungeheuren 
erdklotz  weggebrochen,  welcher  meinen  westlichen  und  nordwestlichen 
einschnitt  vom  grossen  thurm  trennte,  rnusste  aber  zu  diesem  zweck 
eines  meiner  häuser  wegbrechen,  auch  zur  leichteren  fortschaffung 
des  Schuttes  das  skäische  thor  überbrücken.  Das  resultat  dieser  neuen 
ausgrabung  ist  für  die  Wissenschaft  sehr  lohnend  gewesen,  denn  ich 
habe  mehrere  wände ,  auch  ein  6  meter  langes  und  breites  zimmer 
des  königlichen  hauses  aufdecken  können,  auf  welchem  keine  bauten 
aus  späterer  zeit  lasten.  Unter  den  dort  gefundenen  gegenständen 
hebe  ich  nur  hervor:  eine  auf  einem  viereckigen,  oben  mit  zwei  nicht 
durchgehenden  löchern  und  einem  herumgehenden  einschnitt  verse- 
henen stück  rothen  Schiefers  befindliche,  ausgezeichnet  gravirte  in- 
schrift ,  von  der  aber  weder  mein  gelehrter  freund  herr  Emile  Bur- 
nouf  noch  ich  selbst  zu  sagen  vermag,  welcher  spräche  sie  angehört; 
ferner  einige  interessante  terracotten ,  worunter  ein  gefäss  ganz  in 
form  eines  modernen  fasses  und  mit  einer  röhre  in  der  mitte  zum 
eingiessen  und  ablaufen  der  fiüssigkeit.  Auch  fanden  sich  auf  der 
trojanischen  ringmauer,  x/2  meter  unterhalb  der  stelle,  wo  der  schätz 
entdeckt  ward,  3  silberne  schalen  ((fuiXcu)  ,  wovon  2  beim  abgraben 
des  Schuttes  zerschlagen  wurden;  dieselben  können  jedoch  wieder  zu- 
sammengesetzt werden,  da  ich  alle  stücke  davon  habe.  Diese  scha- 
len scheinen  jedenfalls  zu  dem  schätze  gehört  zu  haben,  und  wenn 
derselbe  sonst  ganz  von  unserem  hackeisen  unberührt  geblieben  ist, 
so  habe  ich  dies  den  erwähnten  grossen  kupfernen  geräthen  zu  ver- 
danken, welche  hervorstanden,  so  dass  ich  alles  mit  dem  messer  aus 
dem  harten  schutt  herausschneiden  konnte.  Dr.  Heim:  Schliemann. 
[Es  ist  sehr  zu  beklagen,  dass  Dr  Schliemann  die  ausgrabungen  ein- 
gestellt hat :  sie  sind  viel  wichtiger  geworden,  als  man  anfangs  glau- 
ben wollte.] 

Florenz,  22.  juli.  Auf  der  Laurentianischen  bibliothek  befinden 
sich  seit  kurzem  fragmente  derltala,  der  ältesten  lateinischen 
bibelübersetzung,  die  von  Hieronymus  bei  der  redaction  der  Vulgata 
benutzt  wurde.  Leider  sind  es  spärliche,  durch  die  zeit  fast  unlesbar 
gewordene  bruchstücke ,  aber  der  codex ,  dem  sie  angehört  haben, 
stammt  ohne  zweifei  aus  dem  fünften ,  vielleicht  aus  dem  vierten 
jahrh.  p.  Chr.  Die  pergamentblätter  sind  purpurroth  gefärbt;  sie 
enthalten  in  zwei  kolumnen  in  schriftzügen ,  welche  mit  denen  des 
berühmten  hiesigen  codex  Amiatinus  übereinstimmen  und  nur  et- 
was mehr  gerundet  sind,  bruchstücke  aus  dem  evangelium  des  Jo- 
hannes, und  zwar,  was  für  den  forscher  von  besonderem  interesse 
ist,  aus  der  geschichte  der  Samariterin  Joh.  IV.  Was  davon  zu 
zu  entziffern  war,  hat  der  custos  der  Ambrosiana  in  Mailand,  Amelli, 
veröffentlicht.  Der  fund  ist  im  dezember  v.  j.  gemacht  worden.  Die 
blätter  liegen  in  einer  hölzernen  kiste,  deren  bemalung  und  aufschrift 
auf  das  dreizehnte  Jahrhundert  hinweisen.  Auf  dem  deckel  ist  S.  Rufinus 
abgebildet,  »anzurufen  gegen  alle  lieber  und  wechselfieber «,  woraus 
sich  die  abnutzung  der  blätter  erklärt.  Die  fragmente  sind  eigen- 
thum  der  kirche  zu  Sarezzano,  wo  sie  sich  gefunden  haben.  Man  hat 
sie   nur  provisorisch  hierher  gebracht.  —     D.  Reichsanz.  nr.  183. 

Schaffhausen,  29  juli.  Nach  den  blättern  von  Schaffhausen  hat 
der  pfarrer  Kellner  inSiblingen  in  der  nähe  dieser  Ortschaft  Über- 
reste einer  nicht  unbedeutenden  römischen  niederlassung  entdeckt. 
Die  sofort  unternommenen  nachgrabungen  zeigten  ziemlich  ausge- 
dehnte fundamentsmauern.  Das  auf  diesen  mauern  ruhende  gebäude 
hatte  eine  länge  von  52  fuss  und  eine  breite  von  26  fuss.  Von  die- 
sen Überresten  wurde  ein  plan  aufgenommen,  dieselben  jedoch,  nach- 
dem die  angetroffenen  fundstücke  geborgen  waren,    wieder  zugewor- 


Nr.  9.  Auszüge  aus  Zeitschriften.  4? 9 

fen.  Jetzt  sind  an  derselben  stelle  Überreste  eines  weiteren,  grösse- 
ren gebäudes  durch  aufgraben  offen  gelegt.  Der  flächenraum  diese8 
zweiten  gebäudes  beträgt  102  fuss  ins  geviert.  Die  mauern  sind  ausge- 
führt von  weissem  jura-kalk,  wie  er  sich  auf  dem  Randen  findet.  Sie 
zeugen  von  grosser  härte  und  dauerhaftigkeit.  Eine  römische  heiz- 
kammer  war  noch  deutlich  zu  erkennen ,  ebenso  cementböden ;  auch 
fand  man  noch  sehr  schön  erhaltene,  einfache,  aber  grelle  Wandma- 
lereien. Unter  den  fundgegenständen  beider  gebäude  befinden  sich 
ziegeltrümmer  wovon  einige  wenige  das  legionenzeichen  —  der  elf- 
ten und  einundzwanzigsten  —  tragen,  stücke  von  urnen  und  ge- 
fässen  aus  thon,  die  eine  sachkundige,  geschmackvolle  Verarbeitung 
erkennen  lassen,  und  zierliches  ornamentwerk  aus  dem  pflanzen-  und 
thierreiche  tragen;  in  einigen  resten  von  thongeschirren  ist  deutlich 
der  offenbar  vor  dem  brennen  eingedrückte  name  SATURIO  zu  lesen. 
—  D.  Reichanz.  nr.  184. 

Odessa,  31.  juli.  In  gräbern  in  der  nähe  von  Sebastopol  sind 
skelette  entdeckt ,  welche  vorhistorischer  zeit  anzugehören  scheinen. 
Nach  dem  Odessa'schen  boten  berichtet  darüber  D.  Reichsanz.  nr.  187. 

Prag,  3.  august.  Die  professoren  0.  Benndorf  und  0.  Hirschfeld 
unternehmen  im  auftrage  der  regierung  eine  epigraphisch  -  archäolo- 
gische reise  nach  Siebenbürgen. 

Bonn,  6.  august.  Vor  einigen  tagen  wurde  an  der  cölner  land- 
strasse,  dicht  bei  der  stadt,  beim  kellevauswerfen  eines  neubaues  ein 
römischer  grabstein  aufgefunden.  Es  ist  einer  der  besten  und  inter- 
essantesten von  den  hier  in  Bonn  zu  tage  gekommenen.  Der  stein  ist 
fast  200  centimeter  hoch  bei  entsprechender  breite  und  dicke.  Die 
obere  hälfte  enthält  in  relief  die  darstellung  eines  gewappneten,  mit 
dem  speer  bewaffneten  reiters  auf  einem  anspringenden  rosse.  Dar- 
unter findet  sich  eine  fünfzeilige,  vorzüglich  schön  erhaltene  inschrift, 
welche  besagt,  dass  der  betreffende  grabstein  zum  andenken  an  C. 
Marius,  einen  reiter  der  ersten  legion ,  welcher  im  alter  von  30  jäh- 
ren verstorben  war,  von  dessen  bruder  errichtet  worden  sei.  Unter 
den  vorderfüssen  des  rosses  befinden  sieh  neun  ehrenzeichen  abgebildet, 
dieselben  sind  auch  kleiner  und  undeutlich  auf  der  brüst  des  reiters 
wahrzunehmen.  Das  denkmal  ist  aus  sogenanntem  Jurakalk  verfertigt, 
einem  weichen  und  leicht  zu  bearbeitenden ,  dabei  aber  äusserst  aus- 
dauernden stein.  Fast  alle  römischen  denksteine,  welche  man  am  Rhein 
findet,  sind  aus  diesem,  der  Verwitterung  wenig  unterworfeneu  steine 
verfertigt.  Der  stein  wurde  für  das  museum  des  hiesigen  altertbums- 
vereins  erworben.   —     D.  Reichsanz.  n.  191. 

aS7.  Petersburg,  10.  august.  Aus  Kreisch  wird  berichtet,  dass  da- 
selbst wieder  bedeutende  alterthümer  gefunden  seien :  so  drei  terra- 
cotta- Statuetten  im  besitz  eines  T.  W.  Kibaltschitich,  aus  der  besten 
zeit  der  griechischen  kunst.  —     D.  Reichsanz.  nr.  189. 

Rom,  10.  august.  Der  herzog  Strozzi  hat  in  dem  berge  Signoso 
nachgrabungen  anstellen  lassen,  und  wurden  terracotten,  kieselstein- 
waffen  und  menschenskelette  von  riesenhaften  dimensionen  gefunden, 
welche  einer  vorhistorischen  zeit  anzugehören  scheinen :  die  Livorner 
Zeitungen  geben  näheres. 

Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Augsburger  Allgemeine  Zeitung:  Nr.  207:  die  heilige  grotte  in 
Bethlehem :  der  vom  Sultan  vorgeschlagene  ausgleich.  —  Beil.  zu  nr. 
214:  die  förderung  des  Studium  der  kunst  an  der  Universität  Prag.— 
Beil.  zu  nr.  217:  der  schätz  des  Priarnos:  von  Dr  Hcinr.  Schliemann. 
bericht  über  seine  neuesten  ausgrabungen ,   aus  dem  ob.  473  rnitthei- 


480  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  9. 

hingen  gemacht  sind.  —  Beil.  zu  nr.  217.  218:  Virgil  im  mittelalter, 
ein  aufsatz  von  J.  A.  Scartazzini ,  mit  berücksichtigung  des  buches 
von  Comparetti:  s.  ob.  nr.  7,  p.  376.  —  Nr.  220:  zum  unterrichts- 
wesen  in-  Frankreich.  —  Beil.  zu  nr.  220:  die  römische  annalistik 
von  ihren  ersten  anfangen  bis  auf  Valerius  Antias :  anzeige  von  K. 
W.  Nitzsch  Untersuchungen  zur  geschichte  der  altern  republik  von 
O.  Clason,  der  die  vermuthungen  von  Nitzsch  wie  feste  Überlieferung 
behandelt.  S.  ob.  n.  2,  p.  117.  —  Beil.  zu  nr.  224.  225:  der  eudä- 
monismus  und  die  französische  literatur,  von  Alx.  Willstock,  —  Beil. 
zu  nr.  227:  die  töpferkunst  am  Niederrhein.  —  Beil.  zu  nr.  228: 
Baker  anRawlinson:  s.  ob.  n.  8,  p.  431. —  Nr.  229:  der  Mainzer  Uni- 
versitätsfond. —  Beil.  zu  nr.  231.  232:  zur  cälisehen  geschichtschrei- 
bung:  geht  auch  auf  die  ältesten  zeiten  ein.  —  Beil.  zu  nr.  238: 
die  presse  im  alten  Rom,  von  Oct.  Clason;  einige  bemerkungen  über 
die  Zeitungen  der  alten  Römer. 

Göttingische  gelehrte  anzeigen,  st.  27 :  Gr  egorii  B  arhebraei 
chronicon  eeclesiastieum  qnod  e  codice  Musei  Pritannici  descriptum  con- 
iuncta  opera  ediderunt,  latinitate  donarunt  annotalionibusque  theologicis, 
historicis,  geographicis  et  archaeologicis  illustrarunt  J.  B.  Abbeloos  et 
Th.  J.  Lamy.  4.  Tom.  I.  Lovanii.  1872:  anzeige  von  Nöldecke: 
dieser  erste  band  enthält  nach  der  Vorgeschichte  (die  ersten  Jahr- 
hunderte p.  Chr.)  die  reihe  der  jacobitischen  patriarchen  bis  gegen 
ende  des  XL  jahrh.  —  St.  29 :  Ekkehardi  primi  Waltharius.  Edidit 
Rud.  Peiper.  Berol. :  eingehende  anzeige  von  A.  Pannenborg. —  St. 
31 :  die  rede  des  Demosthenes  nsql  naQcmQtßßiiag  von  Otto  Gilbert. 
8.  Weidmann:  selbstanzeige.  —  St.  32:  The  Athanas ian  creed  in 
connexion  with  the  Utrecht  Psalter  being  a  report  to  the  right  hono- 
rable  lord  Romilly,  master  of  the  rolls,  on  a  Manuscript  in  the  uni- 
versily  Utrecht  by  Sir  Thomas  Duffus  Hardy.  fol.  London: 
anzeige  von  Pauli,   der   die  Wichtigkeit    des   werks    für  paläographie 

—  es  handelt  sich  um  handschriften,  die  bis  ins  fünfte  jahrh.  p.  Chr. 
hinaufgehen  —  hervorhebt  und  erläutert.  —  St.  33:  Piatons  sämmt- 
liche  werke.  Uebersetzt  von  H.  Müller,  mit  einleituugen  begleitet 
von  K.  Steinhart.  Bd.  9  Platon's  leben  von  K.  Steinhart.  8.  Leipzig :  an- 
zeige von  Alberii,  der  bei  aller  anerkennung  des  geleisteten  zu  zeigen 
sucht,  wie  die  eigentümlichen  ansichten  Steinharte  über  die  schritten 
Plato's  einen  nachtheiligen  einfluss  auf  diese  biographie  ausgeübt  haben. 

Nachrichten  V.  d.  künigl.  gesellschaft  der  iviss.  zu  Gbttingen :  nr. 
18:  beitrage  zur  topographie  von  Athen.  Von  H.  G.  Lolling  ,  mit 
einigen  bemerkungen  von  Fr.  Wieseler:  sie  zerfallen  in  folgende 
theile:  A.  die  Pnyx,  und  zwar  I.  die  läge  der  Pnyx,  wo  1,  behandelt 
wird  Plat.  Crit.  p.  112:  2.  behandelt  wird  Lucian.  bis  accus.  9;  3. 
Scholl,  ad  Arist.  Av.  907;  4.  Plutarch.  Themist.  c.  19;  ;5.  die  be- 
schreibung  des  Kleidemos  von  der  Amazonenschlaeht;  —  IL  die  be- 
schaffenheit  der  Pnyx:  1.  der  Pnyxberg  und  der  versammluDgsplatz ; 
2.  das  bema.  —  B.  die  Apollogrotte  der  akropolis  von  Athen.  — 
C.  die  läge  des  Metroon  in  Athen.  —  Wieseler's  bemerkungen  be- 
ziehen sich  einerseits  auf  die  Interpretation  der  schriftstellen,  in  der 
er  mehrfach  vom  Verfasser  abweicht ;  anderseits  auf  die  annahmen 
vom    ßqpa    und  dem   zuhörerplatz. 

Druckfehler  aus  lieft  7 : 
P.  361  soll  der  letzte  satz  von  191  heissen :  die  bei  uns   seitens 
der   dienerschaften    vornehmer    häuser   von   den  gasten    bei  ge- 
sellschaften  u.s.  w.  —    p.  361  zeile  6   von  unten:  ötter   diesem  bei- 
stimmen. —  p.  362  zeile  14  von  oben:  mit  in  berücksichtigung  zieht 

—  p.  362  zeile  7  von  unten :  viel  eher  für  P.  gelte. 


Sr.  10.  October  1873. 

Philologischer  Anzeiger, 

Herausgegeben  als   erganzung   des  Philologus 


von 


Ernst  von  Lentsch. 


274.  C.  Iulii  Caesaris  commentarii  de  bello  civili  von 
Friedr.  Kraner;  5te  aufl.  besorgt  von  Friedr.  Hofmann. 
Berlin,  Weidmann  1872.    —    25  ngr. 

In  der  richtigen  erwägung ,  dass  die  pietät  gegen  einen 
verdienten  mann  wie  Kraner  nicht  zu  weit  gehen  dürfe ,  hat 
sich  Hofmann  angelegen  sein  lassen  das  bellum  civile  einer  voll- 
ständigen Umarbeitung  zu  unterziehen  und  besonders  sich  be- 
müht alles  überflüssige,  was  sich  noch  in  der  dritten  und  vier- 
ten aufläge  fand,  zu  beseitigen,  das  breite  zu  kürzen  und  schwe- 
rer verständliches  schärfer  zu  fassen.  Das  buch,  früher  19  bo- 
gen stark,  hält  nur  noch  17  bogen,  gewiss  ein  grosser  vortheil, 
wenn,  wie  es  hier  der  fall  ist,  kaum  etwas  werthvolles  verloren 
gegangen  ist.  —  Die  einleitung  ist  von  21  auf  9  Seiten  be- 
schränkt und  enthält  von  der  ursprünglichen  Kraner'schen  ein- 
leitung kaum  noch  eine  spur.  In  knapper  weise  erzählt  Hof- 
mann, der  ja  mit  dieser  frage  besonders  vertraut  ist,  den  be- 
ginn und  fortgang  des  Streites  zwischen  den  beiden  machtha- 
bern  bis  zu  dem  augenblick,  wo  die  darstellung  des  bellum  ci- 
vile selbst  einsetzt:  doch  hätten  vielleicht  am  ende  noch  einige 
bemerkungen  belassen  werden  können  über  die  glaubwürdigkeit 
der  kommentare.  Den  text  betreffend,  so  ist,  wie  Hofmann  selbst 
bemerkt,  nur  an  wenigen  stellen  geändert.  Nicht  selten  ist 
die  früher  verworfne  lesart  Nipperdey's  wieder  aufgenommen 
worden;  so  H,  5,  3 ;  II,  35,  1;  IH,  20,  4;  44,  6;  46,  6;  59, 
1;    63,  8;  79,  7;  105,  5. 

I,  3,  3  steht  jetzt  Hug's  conjectur :  et  ipsum  comitium  im 
text.  I,  7 ,  2  hätte  es  wohl  erwahnung  verdient ,  dass  Weber, 
Neue  Jahrbücher  für  philologie  bd.  103,  p.  337  in  dem  ange- 
Philol.  Anz.  V.  31 


482  274.  Iulius  Caesar.  Nr.  10. 

fochtenen  satz:  quae  superioribus  annis  armis  esset  restituta,  blos 
armis  streicht,  das  er  für  dittographie  von  annis  ansieht. 

Zu  I,  39  ist  dem  herausgeber  ein  aufsatz  im  Philo!.  XXX, 
bd.  4,  p.  738  von  Menge  entgangen ,  in  dem  einiges  anders 
als  gewöhnlich  erklärt  und  zu  §.  2  statt  des  laugst  als  unhalt- 
bar erkannten  hinc  vorgeschlagen  wird  :  et  CCCC.  —  II,  9,  2 
ändert  Hofmann  noch  mit  Nipperdey  insuper  um  in  super,  weil 
jenes  gegen  Caesars  Sprachgebrauch  verstiesse.  Dieser  grund 
ist  nicht  mehr  triftig,  wenn  Menge  recht  hat  mit  der  im  pro- 
gramm  des  weimarschen  gymnasiums  1873  begründeten  be- 
hauptuug  [de  auctoribus  commentariorum  de  hello  civili,  qui  Caesa- 
ris  nomine  feruntur),  dass  dieser  abschnitt  des  bellum  civile  gar 
nicht  von  Caesar  herrührt.     Dasselbe  gilt  für  fastigato  c.  10,4. 

Die  kritischen  bemerkungen  über  DI,  29  werden  theilweise 
unter  den  text  gebracht.  Wir  halten  dies  kapitel  gar  nicht 
für  so  verderbt,  als  es  meist  angesehen  wird,  können  aber  an 
dieser  stelle,  des  raurnes  halber,  unsre  ansieht  nicht  näher  be- 
gründen. 

IT,  40,  5  hat  Hofmann  wieder  mit  den  handschriften  equi- 
tesque  geschrieben  für  das  früher  nach  Nipperdey  aufgenommene 
equique.  So  lange  nicht  bewiesen  ist,  dass  homo  im  gegensatz 
zu  eques  =  miles  oder  pedes,  glauben  wir  uns  Nipperdey  an- 
schliessen  zu  müssen. 

III,  8,  4  schreibt  Hofmann  nach  Mommsen:  a  Sasonis  ad 
Ourici  portum,  und  nähert  sich  so  der  lesart  der  haudschriften 
wieder,  von  der  Nipperdey  abgegangen  war;  leider  konnten 
auf  der  karte  die  namen  nicht  eingetragen  werden.  Bei  dieser 
gelegeuheit  möchte  ich  III,  c.  6,  §.  2  zur  spräche  bringen: 
postridie  terram  attigit  Germiniorum.  Nipperdey  behält  diese 
lesart  bei  (s.  Quaest.  p.  159),  obgleich  die  Germinii  unbe- 
kannt sind,  weil  Cerauniorum,  das  man  geschrieben  hatte ,  auch 
nicht  als  name  eines  Volkes  erwiesen  werden  kann.  Kiepert 
vermuthet  (s.  Hofmann,  anmerkung) ,  dass  Chimaerini  einzuse- 
stzen  sei,  ohne  aber  nachweisen  zu  könuen,  dass  ein  volk  die- 
sen namen  geführt  habe.  Sollte  nicht  etwa  Chaoniorum  zu 
schreiben  sein?  Nach  Bursian  ,  Geographie  von  Griechenland 
I,  p.  15  und  16,  wohnten  an  jener  stelle  die  Chaoner,  in  de- 
ren gebiet  das  kastell  Chiraaera  lag. 

III,  44,  4  hat  Hofmann    mit  recht  nach  Weber,  vgl.  Neue 


Nr.  10.  271  Iulius  Caesar.  483 

Jahrb.  a.  a.  o.  statt  des  vielbehandelten  videbant  geschrieben 
addebant,  das  einen  trefflichen  sinn  giebt.  44,  6  hat  er  das 
von  Terpstra  herrührende  quare  aufgegeben  und  das  freilich 
anstössige  quae  wieder  eingesetzt-,  63,  8  ist  navibus  expositi 
wieder  ausser  klammern  gesetzt,  die  richtigkeit  von  expositi  in 
der  anmerkung  aber  etwas  angezweifelt. 

Ungleich  wichtiger  ist  die  thätigkeit,  die  Hofmann  in  die- 
ser aufläge  der  Umarbeitung  der  erklärung  gewidmet  hat.  Fast 
jede  seite  trägt  mehr  oder  weniger  spuren,  wie  er  sich  hat  an- 
gelegen sein  lassen  die  noten  kürzer  und  schärfer  zu  fassen. 
Die  zahlreichen  griechischen  stellen  aus  Appian  und  Plutarch 
sind ,  soweit  sie  nicht  wirklich  etwas  zur  erklärung  beitragen, 
beseitigt,  die  angäbe  von  parallelstellen  bei  ganz  geläufigen 
Worten  und  gewöhnlichen  Verbindungen  ,  viele  hinweise  auf  die 
grammatiken,  sei  es  von  Zumpt  oder  von  Madvig,  sind  wegge- 
fallen. Der  so  gewonnene  räum  ist  theilweise  für  nothwendige 
zusätze  verwendet  worden.  Nehmen  wir  die  bemerkungen  zu 
dem  zweiten  buche  genauer  durch,  so  finden  wir  solche  zusätze 
z.  b.  1,  2;  31,  7;  31,  8;  40,  6  u.  a.  An  mehreren  stellen 
vermissen  wir  uns  nothwendig  erscheinende  zusätze.  So  war 
zu  16,  1  bei  neque  quicquam ,  qua  —  zu  verweisen  auf  c.  15, 
1  nihil  erat  reliquum,  —  unde;  27,  2  war  darauf  hinzuweisen, 
in  welchem  verhältniss  die  beiden  satzreihen  der  parenthese  zu 
dem  vorhergehenden  stehn  :  quae  volumus,  credimus  libenter  be- 
gründet sive  auribus  Vari  serviunt,  denn  wenn  Varus  nicht  liben- 
ter geglaubt  hätte ,  hätten  jene  nicht  seinen  auribus  servire  kön- 
nen ;  und  quae  sentimus  ipsi  etc.  begründet  die  worte  sive  vere, 
quam  habuerunt  opinionem,  ad  eum  perferunt.  Es  findet  also  Chias- 
mus statt. 

28,  2  zu  primam  sacramenti  —  mernoriam  konnte  auf  die 
ähnliche  Wendung  BGall.  V,  12  iis  nominibus  divitatum  für  no- 
minibus  earum  civitatum  hingewiesen  werden. 

33,  4  superioribus  diebus  constiterat  bedeutet:  an  einem  der 
früheren  tage,  oder  in  den  früheren  tagen  schon  einmal.  Denn 
bis  dahin  hatte  er  sich  nur  einmal  da  aufgestellt.  Es  dürfte 
in  vergleich  gezogen  werden  BGall.  VII,  81,  4  ut  superioribus 
diebus. 

34,  4.  Bei  Eebilus  verdienen ;    wenn  man  den  mann   näher 

31* 


484  274.  Iulius  Caesar.  Nr.  10. 

lernen  soll,  auch  die  stellen  des  BGallicum  erwähnung,  an  denen 
er  vorkommt,  VII,  83,  3;  90,  6;  VIII,  24,   2;  27,  1;  30,  2. 

38,  2  konnte  bemerkt  werden,  dass  BGall.  VI,  35 — 41 
das  benehmen  des  legaten  Cicero  in  gleicher  weise  rücksichts- 
voll dargestellt,  bezw.  verschwiegen  wird. 

41,  6  konnte  auf  die  ähnliche  Schilderung  BGall.  V,  34 
hingewiesen  werden. 

44,  1  wäre  zu  patres  familiae  eine  sachliche  bemerkung 
wünschenswerth. 

44,  2  Hess  sich  zu  remisit  vergleichen  c.  38,  5  captivos- 
gue  ad  eum  reducunt. 

Nicht  wenige  anmerkungen  sind  geändert,  theils  der  sache 
nach  theils  der  form  nach.  Wir  erwähnen  nur  9,  3  zu  surn- 
mam,  11,  1  subito,  16,  3  spatio,  20,  2  tribuni  cohortium,  32,  10 
petiverunt ;  besonders  glücklich  scheint  uns  die  jetzige  fassung 
der  bemerkung  zu  31,  8  si  quos  —  potuisset,  die  früher  dem 
schüler  gar  nicht  verständlich  war. 

An  manchen  stellen  freilich  hätten  wir  noch  änderungen 
gewünscht.  11,2,  4  muss  es  heissen:  warum  Caesar  die  angäbe 
der  andern  dimension  unterlassen  hat. —  9,  2  zu  II  tigna  trans- 
versa etc.  muss  statt  „  nicht  weit  von  den  ecken  "  etwa  so  ge- 
schrieben werden:  „die  diagonal  auf  den  wänden  des  thur- 
mes  lagen  und  fast  bis  zu  den  äussersten  ecken  reichten".  —  9, 
3  heisst  es:  „sollten  —  die  decken  gegen  die  geschosse  von 
der  seite  schützen".  Die  gesperrt  gedruckten  worte  müs- 
sen wegfallen ,  da  sie  keinen  sinn  haben.  Ebenso  ungehörig 
sind  10,  4  in  der  bemerkung  zu  quadratas  regulas  die  worte 
„und  ebenso  an  dem  untern  rande  eines  jeden  der  balken,  wel- 
che der  länge  nach  über  den  rnusculus  gelegt  waren",  da  der 
sinn  der  textesworte  durch  den  ersten  theil  der  anmerkung  schon 
vollständig  erschöpft  ist. —  Die  anmerkung  zu  12,  4  magna 
cum  misericordia  ist  noch  zu  lang.  Die  erklärung  „so  dass  sie 
grosses  mitleid  und  jammern  erregten"  ist  wohl  aus  sprachli- 
chen und  sachlichen  gründen  unzulässig.  Das  richtige  ist  im 
ende  der  bemerkung  enthalten,  misericordia  bedeute  mitleid  er- 
regende klagen.  Der  zusatz  ut  ab  hominibus  doctis  ist  nicht  al- 
berner als  so  vieles  andre  in  diesem  abschnitt  des  zweiten  bu- 
ches  des  BCiv.,  s.  Menge  a.  a.  o.  p.  8 — 12. 

14,  6  ut  —  ita  bedeutet    hier  nicht:    zwar  —  aber,    son- 


Nr.  10.  274.  Iulius  Caesar.  485 

dem  wörtlich:  gleichwie —  so:  „wie  sie  nachgelassen  gehabt 
hatten  —  so  hatten  sie".  Die  beiden  plusquamperfecta  remi- 
serant  und  paraverant  beziehen  sich  auf  verschiedene  Zeitabschnitte. 
15,  2  musste  hinter  „  querbalken  eingezogen''  der  deutlichkeit 
halber  stehn:  „die  den  mauern  parallel  sind". 

21,  5  eadem  ratione  'privatim  ac  publice  quibusdam  civitatibus 
Tiabitis  Jionoribus  ist  wohl  unrichtig  erklärt :  „sowohl  den  einwoh- 
nern  der  Staaten  insgesammt ,  ihrem  ganzen  Staate ,  als  einzel- 
nen in  demselben",  und  die  weiter  unten  als  die  gewöhnliche 
bedeutung  bezeichnete  auch  hier  am  platz :  „im  namen  des  Staa- 
tes und  im  eignen  namen".  Dafür  spricht  erstens  die  hinzufü- 
gung von  quibusdam  civitatibus,  mit  denen  sich  privatim  in  je- 
nem sinne  nicht  vertragen  würde ;  zweitens  wird  durch  eadem 
ratione  auf  §.  2  hingewiesen,  wo  man  unter  publicis  privatisque 
praemiis  offenbar  blos  belohnungen  im  namen  des  Staates  und 
im  eignen  namen  verstehen  kann. 

24,  4  fons  quo  mare  succedit  longius :  ,,in  der  Vertiefung 
—  dringt  das  meer  durch  eine  dort  fliessende  quelle 
nach,  dringt  unterirdisch  ein  etc."  Uns  scheint  die  erklä- 
rung  von  Held  richtiger  zu  sein:  das  meer  dringt  in  dem  bette 
der  quelle  weiter  ins  land  hinein.  —  25,  6  zu  pronuntiare  iubet 
muss  das  citat  lauten  I,  61,  4,  nicht  64,  4.  —  C.  28,  1  steht 
geschrieben:  „übrigens  ist  es  bei  dieser  erklärung  nicht  nöthig 
etc.",  es  geht  aber  gar  keine  rechte  erklärung  vorauf.  Zu  31, 
2  et  opere  et  natura  loci  muniiissima  hätte  vor  allen  dingen  citiert 
werden  sollen  BGall.  V,  9.   4 :  locum  et  natura  et  opere  munitum. 

Ueber  c.  32  wollen  wir  an  andrer  stelle  im  Zusammenhang 
sprechen.  —  40,  4  hostes  fugere  arbitratus  bildet  nicht  die  erläute- 
rung  zu  praesentis  temporis  opinione,  sondern  die  worte  ad  su- 
periorem  spem  addita  praesentis  temporis  opinione  enthalten  den 
grund    zu  hostes  fugere  arbitratus. 

Der  kritische  anhang  ist  von  16  Seiten  auf  9  Seiten  be- 
schränkt worden.  Hofmann  bespricht  fast  nur  die  abweicbun- 
gen  seines  textes  vom  Nipperdey'schen.  Die  vermuthungen  an- 
drer, die  nicht  in  den  text  aufgenommen  sind,  sind  fast  nur  er- 
wähnt, wo  Hofmann  die  Unsicherheit  des  textes  dadurch  an- 
deuten will.  Auch  die  Kraner'schen  textänderungen,  die  keinen 
beifall  gefunden  haben,  werden  nur  selten  noch  erwähnt.  Wir 
bedauern  diese  knappheit  des  kritischen  anhange3.    Ist  Hofmann 


486  275.  Iulius  Caesar.  Nr.  10. 

laut  der  Überschrift  dieses  abschnittes  auch  nicht  verpflichtet 
mehr  zu  geben  als  er  giebt,  so  würde  es  doch,  da  kritische  aus- 
gaben nur  selten  erscheinen ,  für  den  philologischen  leser  an- 
genehm sein  durch  diese  öfter  erscheinenden  Schulausgaben  er- 
fahren zu  können,  welche  emendationsversuche  seit  der  Veröf- 
fentlichung der  letzten  kritischen  ausgäbe  gemacht  worden  sind. 
Da  natürlich  Widerlegung  aller  verfehlt  erscheinenden  konjektu- 
.  ren  nicht  verlangt  werden  kann,  so  würden  diese  angaben  nicht 
allzuviel  räum  in  anspruch  nehmen ,  für  den  herausgeber  aber, 
der  doch  alles  material  vorliegen  hat ,  wäre  es  eine  kleine  ar- 
beit diese  zugäbe  beizufügen.  Mg. 

275.  Wutke,  quaestiones  Caesarianae.  Programm  des 
gymnasiums  zu  Neisse.  1872. 

Der  Verfasser  billigt  Mommsens  urtheil,  dass  der  autor  der 
Schrift  de  hello  civili  weit  unter  dem  des  bellum  gallicum  stehe, 
und  möchte  am  liebsten  der  behauptuug  Heidtmanns  (programm 
von  Essen  1864)  beipflichten,  dass  erstere  überhaupt  nicht  von 
Caesar  verfasst  sei.  Um  dies  zu  beweisen,  nimmt  er  mit  je- 
nem an,  dass  die  Zeugnisse  Suetons  nicht  auf  das  bellum  civile 
sich  beziehen  und  dass  die  epistola  Hirtii  ad  Balbum  unecht 
sei;  ferner  sucht  er  obige  ansieht  durch  beibringung  einiger 
sachlichen  gründe  zu  stützen. 

I,  11  conjicirt  Wutke:  si  peracto  conventu  non  profectus 
esset  und  erklärt  peragere  conventu?» ,  obgleich  sonst  diese  Ver- 
bindung nicht  existirt,  =  pactum  exsolvere,  promissum  praestare. 
Der  Verfasser  des  bellum  gallicum  würde  allerdings  ex  pacto  oder 
ex  conventu  geschrieben  haben;  diese  seltene  diction  ist  also 
dem  vf.  ein  sicheres  zeichen  dafür,  dass  ein  anderer  als  Caesar 
die  schrift  verfasst  hat.  Mir  erscheint  es  zunächst  durchaus 
unzulässig,  dass  man  erst  eine  neue  Wortverbindung  in  den  text 
hinein  korrigirt  und  daraus  dann  Schlüsse  auf  einen  anderwei- 
tigen Verfasser  zieht ;  zudem  sehe  ich  auch  nicht  ein ,  wie 
mit  obigem  verbesserungsvorschlage  das  über  der  stelle  lagernde 
dunkel  aufgehellt  sei. 

I,  16  werden  die  worte  reeepto  Firmo  expulsoque  Lentulo 
vertheidigt  und  alle  emendationen ,  obgleich  dieselben  viele 
Wahrscheinlichkeit  für  sich  haben,  verworfen.  Die  logik  ist 
nun  fast   ganz  dieselbe   wie   oben.       Die    kürze    des    ausdrucks 


Nr.  10.  276.  Iulius  Caesar.  487 

nämlich,  die  bei  militärischen  redensarten  sehr  häufig  vorkommt, 
und  die  Wahrscheinlichkeit,  dass  der  autor  des  bellum  gallicum  hin- 
zugefügt hätte  ex  itinerc,  beweisen,  dass  wir  zwei  verschiedene 
Schriftsteller  vor  uns  haben.  Das  einfachste  ist  aber,  mit  (Deh- 
ler statt  Firmo  zu  schreiben  Asculo;  dann  fallen  natürlich  alle 
aus  jener  ersteren  lesart  gezogenen  folgerungen  sofort  weg. 

III,  69  vertheidigt  Wutke  mit  Ostermann  (Philol.  XIV,  p. 
617)  die  lesart:  ut  alii  dimissis  equis  eundem  cursum  confice- 
rent,  alii  ex  metu  signa  dimitterent,  und  verwirft  alle  conjekturen, 
indem  er  so  erklärt:  „die  auf  dem  linken  flügel  stehenden  rei- 
fer, deren  vorher  absichtlich  keine  erwähnung  gethan  ist,  las- 
sen ihre  pferde  los;  die  andern,  die  fussgänger,  lassen  die  fah- 
nen  los  und  suchen  sich  zu  retten.  Ueber  dimittere  equos  be- 
merkt Forcellini:  dies  habe  dann  stattgefunden,  wenn  die  reifer 
die  pferde  hätten  laufen  lassen  und  zu  fusse  den  kämpf  fort- 
gesetzt hätten.  Dies  war  aber  damals  nothwendig,  wenn  die 
reifer  nicht  von  dem  zehn  fuss  hohen  agger  in  den  neun  fuss 
tiefen  graben  mit  den  pferden  hinabsetzen  wollten.  Immerhin 
ist  der  ausdruck  etwas  dunkel  und  eben  deshalb  ein  zeichen 
dafür,  „dass  entweder  ein  anderer  als  Caesar  das  bellum  civile 
verfasst  hat  oder  dass  irgend  ein  excerptor  über  die  vorher  klare 
und  weitläufige  Schilderung  dunkel  gegossen  hat".  Wutke  hätte, 
um  die  vulgata  zu  schützen,  noch  hinzufügen  können,  dass  ein 
sehr  schöner  parallelismus  stattfinde,  insofern  als  dimittere  equos 
dem  dimittere  signa  gegenübersteht;  die  reifer  geben  ihre  rosse 
auf,  das  liebste  und  beste,  was  sie  haben,  —  die  fussgänger 
werfen  ihre  feldzeichen  fort ,  für  deren  rettung  sie  alles  hätten 
wagen  sollen.  Der  obigen  erklärung  stimme  ich  bei,  nicht 
aber  dem  daraus  gezogenen  Schlüsse;  denn  das  haben  meines 
erachtens  das  bellum  civile  und  bellum  gallicum  gemein,  dass 
mancher  stelle  die  wünschenswerthe  deutlichkeit  und  ausführlich- 
keit  abgeht.  C.  Härtung. 

276.  Schulwörterbuch  zu  den  Schriften  des  Gaius  Iulius 
Caesar  mit  besonderer  berücksichtigung  der  phraseologie  von 
Dr  Heinrich  Ebeling,  Oberlehrer.  8.  Berlin  H.  Ebeling 
und  0.  Plahn.   1871. 

Das  buch  wird  schülern  bei  der  praparation  gute  dienste 
leisten,  weil  sie  sich  leichter  darin  zurechtfinden,    als  in  einem 


488  277.  Sallustius.  Nr.  10. 

vollständigen  lexicon  und  weil  es  andrerseits  so  eingerichtet 
ist,  das  es  ihnen  die  mühe  des  nachdenkens,  wählens  und  Über- 
setzern nicht  erspart.  Druckfehler  sind  selten,  wie  p.  8  dbjectu 
statt  objectu  unter  adversus,  theätrum  st.  the  ütrum  etc.  Citate  sind 
fast  nur  unter  den  eigennamen  gegeben,  wo  sie  schwerlich  irgend 
jemand  suchen  wird,  weil  man  sie  vollständiger  bei  Nipperdev, 
in  Kraner's  Tauchnitz'scher  ausgäbe  u.  s.w.  finden  kann.  Hätte 
dagegen  der  Verfasser,  wozu  doch  hier  gelegenheit  war,  sie  für 
grammatische  eigenthümlichkeiten ,  oder  für  sachliche  details 
gegeben,  so  würde  das  buch  zugleich  die  stelle  eines  index  La- 
tinitatis  gewonnen  haben  und  für  den  lehrer  wie  für  den  ge- 
lehrten annehmbar  geworden  sein.  Dass  tacitus  „schweigend, 
still"  heisst,  dafür  braucht  niemand  die  anführung  einer  stelle, 
die  der  verf.  freilich  merkwürdiger  weise  giebt;  dagegen  kann 
es  von  Wichtigkeit  werden,  den  abschnitt  sofort  aufzufinden,  wo 
Cäsar  deperdere  im  sinne  von  amittere,  wo  er  praestare,  übertref- 
fen, ausnahmsweise  mit  dem  accusativ,  wo  er  praestat ,  es  ist 
besser,  mit  doppeltem  infinitiv,  oder  wo  er  es  mit  einem  infini- 
tiv  und  quam  (non)  mit  dem  conjunctiv  braucht ;  an  welchen 
stellen  apertum  latus  vorkommt  zu  überblicken,  kann  wegen  der 
auslegung  dem  gelehrten  und  lehrer  nothwendig  werden,  eine 
Sammlung  der  fälle,  wo  duplex  acies ,  triplex  acies  gesagt  wird, 
äusserst  wünschenswerth  sein.  Wenigstens  hätte  dies  verfahren 
die  brauchbarkeit  des  buchs  erhöht  und  seine  ausdehnung  nicht 
vergrössert  und  der  Verfasser  hätte  sicherlich  die  umsieht  mit- 
gebracht, die  erwähnenswerthen  nachweisungen  herauszufinden. 

277.  De  Catilinae  Sallustiani  fontibus  ac  fide.  Dissertatio 
philologica  quam  .  .  scripsit  vitam  suam  praemisit  Henricus 
Dübi.     8.     Bernae.  MDCCCLXXII.     V  &  47  pp. 

Die  mit  umsieht  und  gelehrsamkeit  verfasste  Schrift  von 
Dübi  handelt  im  1.  capitel  de  fontibus ,  a  quibus  Sallustium  rivos 
suos  aut  diduxisse  sumamus  aut  deducere  potuisse  putemus.  Wir 
haben  zu  diesem  mehr  allgemein  orientierenden  als  bestimmt 
argumentierenden  theile  der  abhandlung  nur  zwei  bemerkungen 
zu  geben:  erstens  dass  hier  wie  in  den  folgenden  abschnitten  die 
Schrift  de  petitione  consulatus  mit  unrecht  als  historische  quelle  neben 
den  reden  des  M.  Cicero  betrachtet  wird ,  obwohl  jene  nach 
inhalt  und  form  diese  reden  zur  grundlage   hat.      Zweitens  er- 


Nr.  10.  278.  Sallnstins.  489 

scheint  es  unrichtig,  wenn  p.  5  wie  p.  8  die  angäbe  Sallust's 
Cat.  6,  1  über  die  gründung  Roms  durch  flüchtige  Trojaner 
auf  Cato's  Origines  zurückgeführt  wird.  Denn  Cato  sagt  nach 
dem  Zeugnisse  des  Servius :  primo  Italiam  tenuisse  quosdam  qui 
appellabantur  Aborigines ,  Sallust  aber  urbem  Rom  am.  Auch 
die  von  Sallust  unseres  Wissens  sonst  nicht  gebrauchte  formel 
sicuti  ego  accepi,  wofür  im  Jugurtha  mehrere  male  accepimua 
gesetzt  wird,  weist  offenbar  auf  eine  nicht  für  jedermann,  son- 
dern gerade  für  den  Schriftsteller  zugängliche  Überlieferung  hin, 
die  wir  gewiss  richtiger  in  dem  von  Ateius  Philologus  für  Sal- 
lust niedergeschriebenen  breviarium  verum  omnium  Romanarum 
(Suet.  gramm.  10)  als  in  den  allbekannten  Origines  finden  kön- 
nen. Wie  diese  formel ,  so  hat  auch  die  Verschiedenheit  der 
einführungsformeln  einzelner  reden,  worauf  besonders  Kratz 
hingewiesen  hat,  bei  Dübi  keine  genügende  beachtung  gefunden. 
Im  2.  capitel:  quomodo  Ms  fontibus  ad  describendam  Catilinae  eon- 
iurationem  usus  sit,  finden  wir  die  vorliegende  litteratur  über 
diesen  stoff,  besonders  Hagen  und  Wirz,  Dietsch  und  Momm- 
sen  sorgfältig  und  mit  freiem  urtheile  benützt,  vermissen  da- 
gegen die  ausbeutung  von  Ihne's  Vortrag  auf  der  Würzburger 
philologenversammlung  (verhandl.  p.  105  — 115).  Im  einzelnen 
aber  bietet  sich,  was  ebenso  sehr  in  der  natur  der  sache  als 
in  der  behandlungsweise  des  vfs.  begründet  ist,  so  mannichfa- 
cher  anlass  zu  Widerspruch,  dass  wir  uns  für  die  hauptsächlich 
controversen  punkte  eine  eigene  erörterung  vorbehalten  müs- 
sen. Bei  aller  anerkennung,  welche  im  übrigen  der  schritt  ge- 
zollt werden  muss,  ist  doch  zu  constatieren,  dass  die  Übersicht 
sehr  erschwert  wird,  indem  die  einzelnen  ergebnisse  nicht  unter 
umfassende  gesichtspunkte  gestellt  sind.  Vielleicht  wird  uns  das 
facit  der  einzelforschung  in  der  vom  vf.  in  aussieht  gestellten 
abband  lung  de  Plutarcho  Appiano  Cassio  Dione  Catilinae  coniura- 
tionis  auetoribus  geboten,  welche  gleichsam  als  3.  capitel  die 
frage  erörtern  soll ,  quo  consilio  quibusque  auxiliis  eam  quam  vi- 
demus  libri  formam  atque  ordinem  compararit  quidque  de  eius  na- 
tura virtuteque  iudicandum  sit. 

278.    Due  manoscritti    di  C.  Sallustio    Crispo    della  Biblio- 

theca  di  Fermo.    Notizia  per  Lucian  o  Sissa.  8.  Fermo.  1872. 

Umsonst  freute  sich  ref.    in  der  erwähnten  schritt  eine  be- 


490  278.  Sallustius.  Nr.  10. 

reicherung  des  kritischen  apparats  zu  Sallust  zu  finden  und  da- 
von den  lesern  des  Anzeigers  nachricht  zu  geben.  Freilich 
nach  dem  urtheil  des  verf.  wetteifern  die  beiden  handschriften 
an  gute  mit  den  besten,  deren  lesarten  in  der  ausgäbe  von 
Dietsch  enthalten  sind ;  sie  sind  aber  völlig  werthlos,  und  er- 
weist sich  jener,  obwohl  er  die  leistungen  von  Dietsch  und  Jor- 
dan kennt  und  ihre  bücher  citirt,  als  nicht  competent  in  die- 
ser sache  mitzureden.  Die  eine  handschrift  von  pergament, 
FI  —  die  ordnungsnummer  der  bibliothek  wird  nicht  angege- 
ben —  gehört  der  zweiten  hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts  an, 
und  enthält  den  Catilina,  vom  Iugurtha  nur  wenige  perioden 
zu  anfang ;  die  andere ,  F  II,  50  pergamentblätter  stark ,  ist 
vollständig,  mit  vielen  randbemerkungen  versehn,  aber  noch  jün- 
ger, aus  dem  anfang  des  XV.  Jahrhunderts.  Es  kennzeichnet  den 
Standpunkt  des  verf.,  dass  er  die  Stellung  dieser  handschrift, 
welche  mit  der  erstem  nahe  verwandt  ist,  lediglich  bemisst  nach 
dem  fehlen  der  worte  lug.  44,  5  negue  muniebantur ,  und  21,  4 
de  controversiis  suis  iure  potius  quam  hello  disceptare,  aber  nichts 
davon  sagt,  ob  sie  die  grosse  lücke  im  schluss  des  lug.  c.  103 — 
113  hat  oder  nicht,  und  dass  er  den  beweis  für  den  werth 
beider  damit  einleitet,  dass  er  vierzehn  lesarten  bis  zum  cap. 
20.  des  Catilina  mit  den  in  der  vorrede  der  textesausgabe 
von  Dietsch  (1863  —  vielmehr  1867)  gegebenen  bemerkungen 
zusammenstellt,  ohne  wahrzunehmen,  dass  die  einen  als  mit 
der  vulgata  1)  stimmend  nichts  beweisen,  andere  grade  auf  Ver- 
wandtschaft mit  jungen  und  interpolirten  handschriften  wei- 
sen, so  5,  9  ex  pulcherrima  et  optima  mit  p  5  g  5  y,  14,  5  molles 
et  aetate  fluxi  z.  T  wie  P  4  p  3  90?.  Diese  Verwandtschaft  zeigt 
nun  auch  in  einer  reihe  von  fällen  die  vergleichung  der  lesart 
der  vom  vf.  aus  F  II  abgedruckten  stücke,  nämlich  Cat.  1 — 5, 
20  und  51,  lug.  1 — 4  mit  dem  apparat  bei  Dietsch;  derselbe 
hat  sich  begnügt,  dem  texte  aus  F2  die  abweichungen  von  Diet- 
schens  text  (1868),  und  theilweise  diejenigen  von  F  1  fol- 
gen zu  lassen.  Eef.  setzt  nun  jene  vergleichung  her,  und  fügt 
dann  ein  verzeichniss  der  Originallesarten  der  Fermaner  bei ; 
auf  erschöpfende    Vollständigkeit    hat    er    es     nicht    abgesehen: 

1)  Bei  der  gelegenbeit  sei  bemerkt,  dass  Cat.  2,  2  die  beiden 
guten  pariser  handschriften  P  und  PI  compertum  est  haben,  und  dass 
est  im  text  von  Jordan  aus  versehen  ausgefallen  sein  muss. 


Nr.  10.  278.    Sallustius.  491 

Cat.  I,  1  animantibus  F  2  mit  P  3  g  457  y\  2  omnis  nostra  vis 
Fl  mit  P4F  p56  g6  r  cy  902;  3  gloriarn  opibus  F  2  mit 
g  5 ;  4  m'rtas  animi  F  1  mit  s  2,  vgl.  P3;  5  serf  dm  £n£er  mor- 
tales  magnum  certamen  fuit  F  1  mit  y ;  6  num  priusquam  F  1  mit 
P3  p5  gg  46  ly;  II,  1  id  nomen  imperii  Fl  mit  p5  gl  1902; 
2  habuere  F2  mit  rj'g  5-,  4  mutatur  F2  mit  gg  7  p  3 ;  6  quem- 
que  Optimum  F  1  mit  902 ;  7  virtuti  parent  F 1  mit  G ;  9  £o- 
«ae  artis  F  1  mit  p  5  m  2  y  902 ;  aZmd  aZz/s  F  2,  vrgl.  g  1 
aZ2Md  Äer  afeYs  natura  ;  III,  1  e£  benedicere  F  1  mit  g  6  ;  2 
arduum  michi  Fl  mit  ff;  quisque  versetzt  F  1  mit  g6;  4  «'• 
mus  insolens  malarum  artium  aspernabatur  F 1  mit  y  ;  IV,  1 
mihi  consilium  F2  mit  g5;  2  studio  ambitio  F2  mit  lg  7 ; 
eodemque  F 1  mit  902 ;  digna  memoria  F  1  mit  6  p  6  g  2  ;  4  inpri- 
mis  memorabile  F  2  mit  lg  6  ;  extimo  F  2  mit  g  5 ;  XX,  2  vestra 
mild  F  1  mit  902;  5  animo  ac  mente  F2  mit  g  56  ;  8  volunt  Uli 
Fl  mit  M  1  g  1  ;  11  ingenium  tolerare  Fl  mit  1,  vgl.  g2;  15 
cohortentur  F  2,    vgl.  g5  -antur\    LI,   10    accendat  F2    mit   1902; 

15  meminere  postrema  mit  m  1  g45;  17  crudelis  videtur  mit  p.  5  ;  24 
gwd  convenit  mit  r;  29  ea  facta  mit  p  3;  29  ^m  dicere  mit  P4 
p  3  g  5 ;  42  parata  mit  M2  p  m2  sl  g6;  lug.  I,  1  de  sua 
natura  mit  p  35  gl5.  Aus  dieser  Zusammenstellung  ergiebt 
sich,  dass  Fl  mit  6  gleichen  lesarten  dem  902,  mit  5  dem  y, 
mit  je  4  dem  p  5  und  g6,  mit  3  dem  1  nahe,  F  2  mit  10  dem  g5 
am  nächsten  steht,  mit  4  mit  p  3,  mit  je  3  mit  g  7  und  1  stimmt, 
und  zweifelsohne  zur  zweiten  handschriftenspruppe  gehört;  es 
kommt  dazu  dass  g  5  nach  Dietsch  aus  Italien  stammt.  Die  Über- 
einstimmung von  F  2  mit  andern  handschriften  kommt  übrigens 
in  dem  ersten  bruchstück  häufiger  vor,  in  den  folgenden  über- 
wuchern immer  mehr  eigene  lesarten,  die  noch  mehr  die  Wert- 
losigkeit der  handschriften  zeigen:  Cat.  I,  5  sed  diu  certamen 
magnum  inter  mortales  fuit ;  II,  1  diver si  ingenium ;  III,  5  cupido 
et  eadem  que;  IV  2  videbantur  digna  perscribere ;  XX,  2  res  ac- 
cidisset ;  3  in  multis ;  5  iam  omnes ;  6  in  libertate  ;  7  dictionem  /  9 
ludibrio  fiuistis ;  amictere  ;  10  per  deum;  fidem  obtestor',  11  et  no- 
bis  familiärem  rem;  nova  dirimunt;  13  denique  reliqui;  14  praemia 
prebet  (in  rasur);  15  mea  oratio;  16  abierit ;  LI  quisquam  homi- 
num;  8  approbo  consilium ;  9  capl  virgines;  parentum  conspectu 
(in  rasur);   10  ubi  vos;  quem  scilicet;   promovit ;    12  in  iracundia; 

16  disseruerunt ;   18  metus  iniuria;  20  eum  cuncta  mala  mortalium] 


492  279.  Livius.  Nr.  10. 

23  tanti  sceleris;  25  et  enim;  30  teuere;  32  sceleratos;  33  concu- 
piptorum  numero  esset;  35  in  hijs  temporibus;  in  tarn  magna;  38 
imitari  bonos;  42  fuit  in  Ulis;  43  neu  postea  quis;  lug.  I,  1  bre- 
ms evi;  3  potensque  clarus  neque;  JI,  3  occidunt  über  der  linie; 
III,  1  michi  ebenfalls;  IV,  1  memoriam;  2  meum  extollere]  fore 
quia ;  3  industria  maxima ;  plebem  in  conviviis ;  4  in  quibus ;  ne- 
quiverit;  7  omnium  hominum  in  rasur;  soliciti;  8  ac  perinde;  9 
dura  civitatis.  Originale  lesart  von  Fl  sind  Cat.  II,  3  »legue 
afeW  aZio  cerneres  neque  imutari  ac  misceri ;  III ,  2  plerique  de- 
licto; 5  cupido  onorisque  eadem ceteros.  IV,  2  metuque;  5  exploranda; 
narranda ;  XX ,  1  Caf  e  Zina  öwos  paulo  ante  ubi  eos  convenisse 
memoravi  videt;  apelare.  cohortari;  4  nolle-velle;  5  ego  ea  que; 
vos  omnes ;  6  in  dies  magis  magisque  in  dies  \  vitaeque  cond. ;  sit 
fut. ;  7  et  popidi;  ceteri  nos ;  9  praestat  -  emori ;  1 1  familiärem  la- 
rem  nusquam  usum  esse;  13  igitur  non;  14  oculis  nostris.  End- 
lich macht  der  verf.  in  einer  note  zu  lug.  III,  1  den  verun- 
glückten versuch,  die  lesart  von  F  2 :  per  fraudem  vis  fuit,  uti- 
que  aut  eo  etc.  als  die  ächte  nachzuweisen;  wie  wenn,  ihre  rich- 
tigkeit  zugegeben,  daraus  irgend  etwas  für  die  vorzüglichkeit 
der  handschrift  folgte.  H.   Wz. 

279.  Diem  sacrum  ab  s.  Ludovici  nomine  nuncupatum 
in  honorem  Serenissimi  et  potentissimi  principis  et  domini  Lu- 
dovici III.  magni  ducis  Hassiae  et  ad  Rhenum  civibus  acade- 
miae  Ludovicianae  omni  qua  par  est  observantia  et  reverentia 
celebrandum  rector  cum  senatu  indicit.  —  Insunt  Eduardi 
Luebberti  Observationes  criticae  de  T.  Livi  Libri  quarti 
fontibus.  4.  Gissae.  Typis  officinae  Bruchtianae  academicae  (Fr. 
Chr.  Pietsch).     MDCCCLXXn. 

Nach  einer  längeren  einleitung,  in  welcher  der  Verfasser 
von  der  Übertragung  späterer  Vorgänge  in  der  römischen  ge- 
echichte  auf  ältere  zeiten  redet  und  dieselbe  nach  Nissen  Rh. 
Mus.  1870,  p.  42  ff.  an  der  clades  Caudina,  nach  Mommsen  an 
dem  beispiele  des  Sp.  Cassius  (Hermes  bd.  V,  p.  228 — 243), 
des  M.  Manlius  Capitolinus  (Hermes  bd.  V,  p.  253  ff.),  der  gens 
Minucia  und  Genucia  (Rom.  forsch,  bd.  I,  p.  65  ff.)  nachweist, 
wendet  er  sich  p.  16  zur  besprechung  von  Livius  lib.  IV,  48, 
1  —  51 ,  6.  Livius  erzählt  dort  von  den  gesetzesanträgen  des 
Sp.  Maelius   und  M.  Metilius ,   des  L.  Decius  und  M.  Sextius, 


Nr.  10.  280.  Spartianus.  493 

die  den  leges  Liciniae  vorausgingen.  Der  verf.  findet  hier  zwei 
quellen  verschiedener  parteistellung  vereinigt;  eine  patricisch 
gefärbte  beginnt  IV,  48 ,  1 ,  wo  Livius  seine  bisher  benutzte 
quelle  verlässt,  um  ihr  zu  folgen,  und  geht  bis  c.  49,  7  ;  von 
dort  beginnt  ein  plebejisch  gesinnter  autor  bis  c.  51,  6.  Den 
Verfasser  der  ersten  hälfte  nennt  uns  Luebbert  nicht;  der  der 
zweiten  soll  Licinius  Macer  sein. 

Es  lässt  sich  nicht  läugnen,  dass  zwei  verschiedene  ge- 
währsmänner  zu  gründe  liegen  müssen;  namentlich  c.  48,  1 — 
4  und.  51,  5  stehen  in  ziemlich  direktem  Widerspruche.  Auch 
war  dies  so  wie  der  Charakter  der  quellen  den  herausgebern 
durchaus  nicht  entgangen ,  vgl.  Weissenborns  anmerk.  zu  Liv. 
IV,  51,  5.  Lange,  röm.  alt.  I,  448.  (524).  Auch  die  ver- 
schiedeneu sachlichen  bedenken  der  Überlieferung  waren  theils- 
von  Weissenborn  IV,  48,  4  —  5,  theils  von  Mommsen,  röm. 
Chron.  p.  80.  109  hervorgehoben.  Ebenso  hatte  Peter,  hist. 
rom.  reliq.  p.  CCCXXXXVI1I  schon  den  Licinius  Macer 
richtig  als  quelle  für  c.  51,  5  und  viele  andere  stellen  des 
IV.  buches  erkannt.  Bei  diesen  Voraussetzungen  lag  der 
nach  art  des  Livius  schlecht  verkleidete  Übergang  von  ei- 
ner quelle  zur  anderen  c.  49,  7  klar  zu  tage;  ebenso  konnte 
darüber  kein  zweifei  sein,  dass  nach  c,  51,  7  nicht  Licinius, 
sondern  ein  aristokrat  rede,  wie  ja  52,  1  der  anfang  An- 
num  modestia  tribunorum  insignem  etc.  zeigt.  Wenn  der  vf.  da- 
gegen behauptet,  c.  48,  1  verlasse  Livius  seine  bisherige  quelle, 
so  ist  er  im  irrthum;  gründe  wenigstens  ist  er  uns  schuldig 
geblieben;  denn  der  blosse  umstand,  dass  eine  reihe  magistrats- 
namen  und  eine  trockene  historische  bemerkung  folgen,  berech- 
tigt nicht  zu  dieser  annähme,  da  der  Charakter  der  vorausge- 
henden erzählung  von  Servilius  Priscus  und  seinem  söhne  dem 
folgenden  durchaus  entspricht.  —  Immerhin  aber  ist  zuzu- 
geben, dass  durch  diese  abhandlung  die  herrschenden  ansichten 
über  diese  stelle,  sowie  über  das  vierte  buch  überhaupt,  bestä- 
tigt sind.  F.  F. 

280.  Spartiani  vita  Hadriani  commentario  illustrata.  Di- 
sputatio  prior.  Scripsit  Julius  Centerwall.  8.  Upsaliae 
1869.     90  pp. 

Der   gedanke   die  scriptores    historiae   Augustae   nach  Casau- 


494  280.  Spartianus.  Nr.  X0. 

bonus  und  Salmasius  mit  einem  neuen  commentar  zu  versehn, 
den  wüst  der  in  ihnen  uns  überlieferten  historischen  notizen 
auf  grund  des  reichen  uns  in  der  letzten  zeit  zugeflossenen 
materials  kritisch  zu  würdigen  und  die  spreu  von  dem  weizen 
zu  sondern,  ist  gewiss  ein  zeitgemässer ,  und  so  wird  der  in 
der  angezeigten  schrift  gemachte  versuch  eines  jungen  schwedi- 
schen gelehrten  ohne  zweifei  von  allen ,  welche  sich  mit  der 
geschichte  der  römischen  kaiserzeit  beschäftigen,  freudig  be- 
grüsst  werden.  Derselbe  war  erst  ein  jähr  vor  ihrer  heraus- 
gäbe durch  die  aufforderung  eines  freundes  ihm  bei  einer  doc- 
tordissertation  über  das  leben  des  Hadrian  zu  opponieren,  auf 
dies  thema  geführt  worden,  hat  aber,  offenbar  gestützt  auf  eine 
gründliche  methode  des  geschichtlichen  Studiums,  in  dieser  zeit 
viel  historisches  material  gesammelt  und  legt  nun  in  dieser 
erstlingsarbeit  dem  gelehrten  publikum  den  text  von  Spartians 
vita  Hadriani  nebst  dem  kritischen  apparat  (p.  3 — 24)  und  den 
commentar  zu  cap.  1 — 17  (p.  25 — 90)  vor.  Der  letztere  be- 
schäftigt sich  vorwiegend  mit  den  historischen  Verhältnissen  und 
persönlichkeiten  und  hat  das  verdienst,  die  uns  jetzt  durch  Na- 
poleon III  bequem  zugänglich  gemachten  werke  von  Borghesi 
für  die  interpretation  der  ersten  hälfte  der  vita  in  verständiger 
weise  ausgebeutet  zu  haben.  Im  übrigen  ist  der  commentar 
ungleich  und  wird  von  cap.  12  an  sogar  recht  dürftig:  denn  wäh- 
rend die  besprechung  der  ersten  11  capitel  52  seiten  füllt,  wird 
die  der  sieben  folgenden  auf  10  Seiten  abgethan,  ohne  dass  man 
sagen  könnte,  hier  wäre  weniger  zu  erklären  gewesen.  Der 
verf.  hat  sich  die  aufgäbe  eines  comnientators  nicht  klar  genug 
gemacht  und  ist  vielfach  über  die  grenzen  seiner  aufgäbe  hinaus- 
gegangen ;  so  giebt  er  zu  den  Worten  Spartians  c.  3,  1  :  Quaestu- 
ram  gessit  Traiano  quater  et  Articuleio  consulibus,  eine  3x/2  Seiten 
lange  abhandlung  (p.  36 — 39)  über  die  Stellung  der  quästur 
unter  den  kaisern ;  zu  c.  3,  4  tribunus  plebis  factus  est  spricht  er 
zwei  seiten  lang  (p.  42 — 43)  über  das  volkstribunat  und  zu  c. 
3,  8  praetor  factus  est  p.  45  —  48  über  die  prätur  in  der  kai- 
serzeit —  zu  viel  für  einen  commentar,  nicht  erschöpfend  für 
eine  Specialuntersuchung.  Anderes  aber  ist  nicht  einmal  be- 
rührt, z.  b.  die  frage  über  die  persönlichkeit  des  Apollouius 
Syrus  Platonicus  c.  2,  10,  über  Pharasmaues  c.  13,  9.  17, 
12,  oder    viel  zu  kurz  abgemacht,   wie    die  Untersuchung  über 


Nr.  10.  280.  Spartianus.  495 

den  für  die  historische  kritik  der  Scriptores  so  höchst  wichtigen 
Marius  Maximus,  bei  welcher  dem  verf.  die  früher  im  Giornale 
arcadico  veröffentlichte,  jetzt  in  die  Oeuvres  (V,  p.  455  —  481) 
aufgenommene  abhandlung  Borghesi's  (Interno  alV  iscrizione  Ar- 
deatina  di  Mario  Maximo)  entgangen  ist,  oder  über  das  verzwei- 
felte consulpaar  c.  3,  8  praetor  /actus  est  (Hadrian)  sub  Surano  bis 
et  Serviano  iterum  conss.  Es  kann  hier  nur  ein  zweifei  darüber 
walten,  ob  das  jähr  106  oder  107  gemeint  ist  (s.  Borghesi  Oeu- 
vres IV,  p.  122  und  Renier  in  d.  anm.  z.  d.  st.):  aber  106  waren 
die  coss.  ordinarii  L.  Ceionius  Commodus  Aurelius  Annius  Ve- 
rus  und  Tuccius  Cerialis,  107  L.  Licinius  Sura  M  und  Q.  So- 
sius  Senecio  II;  man  könnte  nun  allerdings  annehmen,  dass, 
was  ja  auch  sonst  geschehen  ist,  die  coss.  suffccti  zur  jahresbe- 
zeichnung  gewählt  sind :  allein  (L.  Iulius)  Servianus  ist  schon 
im  j.  102  (mit  L.  Fabius  Iustus)  zum  zweitenmal  consul  gewesen 
und  war  es  erst  im  j.  134  zum  dritten  mal  (Mommsen  im  Her- 
mes III,  p.  136  ff.)j  auch  den  andern  namen  habe  ich  früher 
auf  grund  der  norisianischen  und  idatianischen  fasten  und  des 
chronicon  Paschale,  die  den  Suranus  im  j.  104  mit  Marcellus  zu- 
sammen consul  sein  lassen,  verdächtigt  und  für  sub  Surano  bis 
vorgeschlagen  Suburano  bis,  auf  welche  vermuthung  auch  Cen- 
terwall gekommen  ist.  Jetzt  sind  aber  als  coss.  ordinarii  des 
j.  104  durch  eine  ephesische  inschrift  S.  Attius  Suburanus  II 
und  M.  Asinius  Marcellus  von  Mommsen  (Hermes  III,  p.  132) 
authentisch  festgestellt  und  damit  der  name  des  Saranus 
gesichert  und  jene  conjectur  als  unrichtig  erwiesen  worden. 
Was  nun  den  zweiten  namen  anbetrifft,  so  hat  Christ  aus  ei- 
nem kürzlich  gefundenen  militärdiplom  das  consulpaar  C.  Mini- 
cius  Fundanus  und  C.  Vettenius  Severus  dem  j.  107  zugewie- 
sen (s.  diesen  Anz.  1869,  p.  181),  und  so  könnte  man  mit  Strei- 
chung des  iterum  (Dodwell,  praelectt.  Camden.  p.  431)  für  Ser- 
vianus den  Severus  einsetzen  —  wenn  man  nicht  einfach  die 
lesart  der  handschriften  beibehalten  und  Spartian  eines  irrthums 
zeihen  will.  Der  annähme  Nipperdey's  (Var.  observ.  ant.  Rom. 
cap.  I,  p,  14  sq.  im  Ind.  lect.  Jen.  1871),  jene  consulbezeich- 
nung  sei  interpoliert  und  Spartian  habe  ursprünglich  praetor 
/actus  est  isdem  consulibus  geschrieben,  kann  ich  nicht  beitreten. 
Um  nun  noch  eine  kleine  auslese  von  Zusätzen  und  cor- 
recturen  zu  dem  commentar  zu  geben,    so    hätte  sich  der  verf. 


496  280.  Spartianus.  Nr.  10. 

über  die  secunda  legio  adiutrix  (p.  32  sq.)  die  beste  auskunft 
holen  können  bei  Aschbach  (die  römischen  legionen  prima  und 
secunda  Adiutrix  in  den  Sitzungsber.  der  k.  k.  akad.  d.  wiss. 
bd.  20,  p.  396);  sie  stand  im  j.  94  oder  95,  als  Hadrian  ihr 
tribun  war,  in  Britannien  (s.  Dierauer,  zur  geschichte  Trajans 
p.  74  und  die  dort  citierte  abhandl.  von  Grotefend).  In  be- 
treff des  Licinius  Sura  (p.  35)  ist  die  inschrift  nr.  5448  bei 
Henzen  übersehn,  welche,  wie  Borghesi  (in  den  Annal.  1846, 
p.  343  =  Oeuvr.  V,  32)  nachgewiesen  hat,  sich  auf  ihn  bezieht 
und  zahlreiche  daten  über  sein  leben  enthält ;  die  von  Tillemont 
vermuthete  abstammung  wird  durch  andere  inschriften  bestätigt : 
er  war  aus  Tarraco  (s.  Mommsen  im  Index  zu  Keils  Plinius 
p.  417).  Die  beiden  dacischen  kriege  sind  101 — 102  (nicht 
103)  und  105  (nicht  104)  —  106  geführt  worden  (s.  Dierauer  a.  o. 
p.  92.  105).  Das  consulat  des  Baebius  Macer  (p.  56)  ist  kaum 
mit  Baiter  ins  j.  101 ,  sondern  in  das  jähr  103  oder  104  zu 
setzen  (Mommsen  im  Hermes  III,  p.  45.  138),  das  zweite  des 
L.  Catilius  Severus  nicht  in  das  j.  123,  sondern  120  (Henzen, 
act.  Arv.  p.  70.  Mommsen  im  ind.  Plin.  p.  406);  der  c.  15, 
7  erwähnte  Ummidius  (oder  Umidius)  Quadratus  war  cos.  suf- 
fectus  im  j.  118  (Henzen  a.  a.  o.  p.  65)  und  wird  von  Momm- 
sen (ind.  Plin.  p.  430)  für  identisch  mit  dem  freunde  des  jün- 
geren Plinius  gehalten. 

Bei  weitem  der  schwächste  theil  der  arbeit  ist  der  kriti- 
sche: so  tüchtig  die  grundlage  ist,  auf  welcher  der  verf.  seine 
historischen  Studien  aufgebaut  hat,  so  wenig  genügt  die  philo- 
logische; vor  allen  dingen  fehlt  es  ihm  an  jeder  kenntniss  der 
spräche  der  Scriptores  (ja  p.  54  ist  es  sogar  passiert,  dass  vf.  für 
adscitum  esse  ein  präsens  adscire  hinstellt)  und  auch  an  der  für 
eine  solche  arbeit  unumgänglich  nothwendigen  Sorgfalt;  z.  b.  heisst 
es  p.  54  (zu  c.  5,  1)  :  „operam  intendit"  Pal.  „impendit"  sed  ab  emen- 
datrice  manu,  ut  ait  Gruterus,  cum  quo  consentiunt  Eyssenhardt  et 
Jordan,  während  Jordan  in  seiner  anmeikung  sagt:  „impendit"  ante 
corr.  P.,also  gerade  das  gegentheil  von  Gruter;  c.  21,  3  bat  Bern- 
hardy  saeve  emendirt,  nicht  severe;  c.  6,  7  steht  im  Bamb.  maurata- 
nee  nicht  mauretanee^,  wie  p.  21  und  60  angegeben  wird,  und 
ähnl.  In  der  Orthographie  hat  Centerwall  gar  kein  prineip  ver- 
folgt: c.  11,  5  hat  er  aus  den  handschriften  richtig  inioeundum  auf- 
genommen, c.  15,  2  die  lesart  der  handschriften  ioeundissimum  in 


Nr.  10.  281.  Hieronymus.  497 

iucundissimura  verändert;  c.  16,  27  die  richtige  form  rutundos  ver- 
schmäht, c.  20,  9  die  form  numenclator  (vgl.  numiclatori  bei  Hen- 
zen  n.  6547)  u.  s.  w.  Die  gleiche  inconsequenz  zeigt  sich 
auch  in  der  Schreibung  der  eigennamen. 

Der  text  ist  im  wesentlichen  der  durch  die  beiden  neuen 
ausgaben  gewonnene,  in  welchem  nur  sehr  wenige  Veränderun- 
gen vorgenommen  sind ;  von  diesen  sind  Verbesserungen  zu 
nennen  die  einsetzung  des  namens  Platorius  Nepos  c.  4,  2  und 
23,  4  (für  Plaetorius)  nach  Borghesi  Oeuvres  VI,  216  und  III, 
122,  und  c.  5,  3  nach  Casaubonus  Libya  denique  ao  Palaestina 
rebelies  animos  efferebant  für  Lycia  (vrgl.  Euseb.  chron.  a.  2130 
Abr.,  p.  165  Seh.:  Iudaei  qui  in  Libya  erant  adversus  cohabitato- 
res  suos  alienigenas  dimicant).  Eigene  vermuthungen  sind  vor- 
geschlagen z.  3,  8  {Suburano  für  sub  Surano),  c.  11,  19  [regi- 
mine  morum  für  regio  more),  c.  17}  4,  wo  sibi  nach  iussit  einge- 
schoben werden  soll,  c.  20,  11  novit  (für  novit)]  von  die- 
sen aber  erweist  sich  die  erste  durch  das  oben  gesagte,  die 
vierte  durch  eine  bemerkung  Haupts  (Hermes  III,  p.  217)  als 
nicht  richtig ;  an  der  zweiten  stelle  ist  an  der  handschriftlichen 
lesart  festzuhalten,  die  dritte  conjeetur  aber  trifft  den  auch  an- 
derweitig in  dieser  stelle  gefundenen  sinn. 

Eine  förderung  der  texteskritik  darf  man  also  in  dieser 
schritt  nicht  suchen ;  die  historische  seite  der  erklärung  aber 
hat  durch  sie  manchen  gewinn  erfahren,  so  dass  wir  dem  noch 
ausstehenden  zweiten  theile  des  commentars  der  vita  Hadriani 
und  den  excursen  mit  interesse  entgegensehn  und  uns  freuen 
würden,  wenn  vielleicht  unterdes  der  verf.  seinen  plan  auf  die 
6ämmtlichen  biographieen   dieser   Sammlung  ausgedehnt  hätte, 

B.  P. 

281.  Hieronymus  quos  noverit  scriptores  et  ex  quibus  hau- 
serit,  scr.  Aemilius  Luebeck.  8.  Lips.  1872.  228  s.  — 
20  gr. 

Hieronymus  ist  ein  bemerkenswerthes  beispiel  von  klassi- 
scher gelehrsamkeit  in  einer  sonst  so  barbarischen  zeit,  und  es 
ist  gewiss  der  mühe  werth  auch  wegen  des  rückschlusses ,  der 
daraus  in  mancher  hinsieht  auf  die  ganze  zeit  gezogen  werden 
kann,  genau  zu  ermitteln,  wie  weit  sich  seine  gelehrte  kennt- 
niss  auf  die  griechische  und  römische  literatur  erstreckt.  Diese 
Philol.  Anz.  V.  32 


498  282.  Quintus  Cicero.  Nr.  10. 

arbeit  hat  Luebeck  auf  sich  genommen,  und  je  umfangreicher 
und  zum  grossen  theil  abstruser  die  werke  des  Hieronymus 
sind,  je  mühsamer  es  also  ist,  sie  durchzustudieren  und  die 
spuren  der  benutzung  anderer  schriftsteiler  (selbstverständlich 
auch  da  wo  dieselben  nicht  genannt  sind)  zu  verfolgen,  um  so 
grösseren  dank  ist  ihm   die  gelehrte  weit  schuldig. 

Das  hauptresultat  seiner  Untersuchung  giebt  der  verf.  im 
eingang  selbst  dabin  an ,  dass  Hieronymus  von  griechischen 
Schriftstellern  nur  Herodot,  Xenophon  und  besonders  Josephus, 
von  römischen  Plautus,  Terenz,  Vergil,  Horaz,  Cicero,  Sallust, 
Varro,  Quintilian,  die  beiden  Plinius,  Seneca  und  Sueton  selbst 
gelesen  und  benutzt  habe.  Wenn  ausserdem  noch  schriftstei- 
ler genannt  und  anführungen  aus  denselben  gemacht  werden, 
so  beruht  dies  nach  des  verf.  ansieht  auf  entlehnungen  aus  an- 
dern Schriftstellern.  Nach  jenem  eingang  geht  dann  der  verf. 
die  einzelnen  Schriftsteller  erst  der  griechischen ,  dann  der  rö- 
mischen literatur  durch,  indem  er  überall  zuerst  (unter  A)  die 
stellen,  wo  sie  genannt  werden  ,  dann  (unter  B)  die  aus  ihnen 
entlehnten  worte  oder  gedanken  anführt  und  dabei  untersucht, 
ob  und  in  wieweit  eine  unmittelbare  oder  mittelbare  benutzung 
anzunehmen  sei.  Letzteres  freilich  muss,  wie  sich  der  verf. 
selbst  nicht  verhehlt,  in  sehr  vielen  fällen  zweifelhaft  bleiben, 
so  dass  diese  frage  sehr  häufig  nur  vermuthungsweise  beant- 
wortet werden  kann.  Man  wird  daher  auf  manches  stossen, 
worin  man  zu  einer  abweichenden  ansieht  hinneigt ,  wie  wenn 
er  z.  b.  (p.  201)  zwei  sehr  bekannte  geschichten  auf  Livius 
zurückführt,  während  dieselben  auch  anderwärts  mehrfach  be- 
richtet werden  und  die  Übereinstimmung  in  der  form  eine  sehr 
geringe  ist.  Indessen  thut  dies  dem  werthe  des  buchs  keinen 
eintrag,  da  der  verf.  überall  den  stand  der  sache  vollständig 
darlegt  und  in  solchen  fällen  seine  ansieht  selbst  nur  als  ver- 
muthung  ausspricht. 

282.  Almae  litterarum  paienti  Ludovico -Maximilianae  Mo- 
nacensi  quarta  solemnia  saecularia  auspicato  celebranda  gratula- 
tur  gymnasium  Virceburgense  interprete  A.  Eussnero.  Inest 
commentariolum  petitionis  examinatum  atque  emendatum.  4. 
Virceburgi  MDCCCLXII.     43  pp. 

Wiederholt  hatte  der  verf.  zweifei  an  der  ächtheit  der  un- 


Nr.  10.  282.  Quintus  Cicero.  499 

ter  Q.  Cicero's  namen  gehenden  schrift  von  der  consulbewerbung 
laut  werden  lassen;  in  der  erwähnten  abhandlung  legt  er  die  be- 
gründung  derselben  dem  urtheil  der  fachgenossen  vor.  Zunächst 
findet  er  es  auffällig,  dass  die  schrift  mit  ihren  räthen  und  win- 
ken an  M.  Cicero  nicht  den  anfang  der  bewerbung  zum  ausgangs- 
punkt  nimmt,  sondern  damit  mitten  in  diese  hineinfalle,  da  je- 
ner schon  zwei  mitbewerber  aus  dem  felde  geschlagen,  nur  an 
Catilina  und  Antonius  ernstliche,  an  zwei  andern  ungefährliche 
concurrenten  habe;  —  mit  Bücheier  (Leipzig  1869)  nimmt  er 
den  ersten  monat  etwa  des  jahrs  690=64  als  die  (fingirte)  zeit  der 
abfassung  an;  dies  verrathe  den  vf.,  dem  es  mehr  um  aufstellung 
theoretischer  Vorschriften,  denn  um  die  angäbe  historischer  that- 
sachen  zu  thun  gewesen ;  so  sei  er  der  Schilderung  der  andern 
candidaten,  abgesehen  von  Catilina  und  Antonius,  überhoben. 
Zweitens  wie  reime  es  sich,  dass  der  vier  jähre  jüngere  bruder 
Quintus ,  der  es  noch  nicht  einmal  zur  prätur  gebracht ,  dem 
allbekannten  und  beliebten  redner ,  verdienten  quastor  ,  aedilen 
und  praetor,  winke  gebe,  die  zumal  nichts  besonderes  ent- 
halten, sondern  die  übersichtliche  Zusammenstellung  des  die- 
sem aus  alter  praxis  her  bekannten.  Darum  könne  die  schrift 
auch  nicht  als  ein  brief  betrachtet  werden,  mit  rücksicht  auf  das 
wesen  des  briefs,  vgl.  ad  Quint.  fr.  I,  1,  13,  37,  zumal  da  nicht 
angedeutet,  ob  der  adressat  in  oder  ausser  Eom  zu  denken  sei. 
Aber  auch  auf  die  bezeichnung  commentariolum  petitionis  nach  14,58 
könne  sie  nicht  eigentlich  anspruch  machen,  da  sie  die  eine  Vor- 
bedingung der  auszeichnung ,  die  kriegerischen  lorbeeren,  vgl. 
or.  p.  Mur.  14,  30,  ausser  acht  lasse,  ferner  nicht  von  der  amtsbe- 
werbung  überhaupt,  sondern  von  der  consulatsbewerbung,  aber 
auch  von  dieser  nur  im  engern  sinne  der  damals  gesetzlichen 
und  üblichen  ambitio  handle. 

Ferner  nimmt  der  verf.  anstoss  an  stil  und  haltung  der 
schrift,  die  ihm  nicht  zu  stimmen  scheinen  mit  dem  was  über 
Quintus'  literarische  leistungen  überliefert  und  was  von  demsel- 
ben erhalten  ist;  dieselbe  weist  nur  vier,  oder  vielmehr  nur 
zwei  übertragene  ausdrücke  auf;  dagegen  häufung  von  rhetori- 
schen fragen  und  der  figuren  der  anaphora  und  adnominatio, 
stehende  formein  in  den  Übergängen.  Um  zu  zeigen ,  mit 
welch  pedantischer  genauigkeit  der  stoff  nicht  nur  eingetheilt, 
sondern  in  aufzählungen  zerstückelt  sei,    unterzieht  der  vf.  die 

32* 


600  282.  Quintus  Cicero.  Nr.  10. 

Schrift  einer  eingehenden  analyse ;  die  Schablone  verrathe  der 
umstand,  dass  hie  und  da  für  die  unterabtbeilungen  die  gedan- 
ken  nicht  ausreichen  und  Wiederholungen  eintreten;  den  unge- 
wandten Stilisten  der  mangel  an  wortvorrath  und  daher  die 
Vorliebe  für  gewisse  Wörter  und  Wendungen.  Charakteristisch 
ist  nun,  dass  in  der  nur  fragmentarisch  durch  Asconius  erhal- 
tenen rede  des  M.  Cicero  in  toga  Candida  einige  gedanken  in 
gleichen  oder  ähnlichen  ausdrücken  auch  in  unserer  schrift  sich 
finden:  sie  sind  schon  von  Bücheier  zusammengestellt,  und  die 
Sache  ist  dahin  erklärt,  dass  Marcus  dieselben  aus  Quintus'  schrei- 
ben hinübergenommen,  nicht  dass  er  sie,  der  aufforderung  die- 
ses am  Schlüsse  nachkommend,  da  hineingebracht  habe.  Dass 
vielmehr  ein  späterer  des  Marcus  rede  geplündert  habe,  sucht 
der  vf.  nachzuweisen,  indem  eine  anzahl  stellen  aus  der  rede  für 
Murena  und  aus  dem  ersten  briefe  an  Quintus  mit  stellen  aus 
dem  angeblichen  schreiben  des  Quintus  an  Marcus  zusammen- 
gestellt werden ;  besonders  aus  dem  briefe  an  Quintus  finden 
sich  gewisse  Wörter  und  Wendungen  hier  wieder. 

Der  vf.  bestreitet  im  fernem,  dass  aus  der  scheinbaren 
abfassungszeit  690=64  eine  Instanz  gegen  die  Urheberschaft  ei- 
nes spätem  abgeleitet  werden  könne ;  es  sei  in  bezug  auf  das 
jähr  die  fiction  durchgeführt  wie  in  der  person  des  adressaten; 
wogegen  er  aus  der  rolle  gefallen,  wo  er  dem  candidaten  rath 
gebe  über  Verstellung  und  lüge,  c.  9.  11  f.,  was  zu  Quintus' 
schroffem  aber  ehrlichem  Charakter  nicht  passe,  und  wo  er 
von  Marcus'  verhältniss  zu  den  parteien  und  Pompeius  rede, 
c.  1,  4,  13,  weil  dergleichen  äusseruugen  bekannt  geworden 
ihn  compromittiren  mussten,  wenn  sie  auch  sachlich  zutrafen. 
Eine  sachliche  Unmöglichkeit  findet  vf.  in  der  ansetzung  des 
processes  des  Q.  Gallius  im  jähre  688=66,  während  er  nach 
Asconius'  zeugniss  nach  der  candidatenrede  690=64  falle.  Die 
latinität  bietet  nichts  anstössiges.  Die  frage  nach  dem  Urhe- 
ber erledigt  der  vf.  dahin,  dass  die  schrift  noch  in  die  cicero- 
nische  zeit  gehöre,  und  in  den  ciceronischeu  nachlass  gerieth, 
als  er  herausgegeben  wurde.  In  der  besten  handschrift  findet 
sie  sich  in  einer  auswahl  der  briefe  des  Marcus,  wo  auch  der 
unächte  an  Octaviau  überliefert  ist.  Auch  hierin  sieht  Eussner 
ein  anzeichen  der  unächthuit;  ebenso  darin,  dass  in  Ascon's 
commentar    zur     rede    in    toga    Candida    keine    erwähnung    der 


"Nr.  10.  282.  Quintus  Cicero.  501 

schrift  geschieht.  —  Dies  ein  freilich  nur  dürftiger  und  sum- 
marischer auszug  aus  der  umsichtigen  und  gewandten,  reichhal- 
tigen und  lichtvollen  beweisführung. 

Wenn  ref.  trotzdem  sich   von    der  Stichhaltigkeit  derselben 
nicht  überzeugt  erklären  kann,    so    thut    er  dies  aus  folgenden 
gründen,  die  er  hier  nur  andeuten  kann.      Er  erhebt  nicht  die 
grossen  ausprücbe  an  die  schrift,  wie  sie  der  vf.  geltend  macht, 
sowohl  in  bezug  auf  form  als  inhalt.      Indem  der  schriftsteiler 
sein  erzeugniss  commentariolum  joetitionis  nennt,    so  bezeichnet  er 
sie  bescheidenerweise  als  eine  skizze,    die  den  gegenständ  nicht 
erschöpft ;  so  wird  es  nicht  auffallen  dürfen,    dass  sie  nicht  die 
ganze  bewerbung  von  anfang  an  in  ihren  bereich  zieht,  und  die 
eine  Vorbereitung    des   bodens    durch    kriegerische  thaten  über- 
geht.    Im    gegentheil,    würde  sie  über  alles  mögliche  und  noch 
einiges  andere  handeln  und  auch  über   das    formelle  der  bewer- 
bung theorien  aufstellen,  dann  müsste  der  verdacht  an  das  ela- 
borat  einer  schulübung  sich  aufdrängen.     So  aber  bestimmt  der 
individuelle  gesichtspunkt  des  schreibenden  seine  darstellung ;  daher 
die  briefform,  daher  die  beschränkung  auf  die  persönliche  Seite  der 
bewerbung,  die  ambitio.     In  einer  andern  beziehung  erklärt  sich 
die  briefform  auch  daher,  dass  im  jähr  689=65  M.  Cicero  von 
Rom  abwesend  war,  wie  aus  der  vergleichung  von  Ep.  ad  Att. 
1,  1,  2  und  Phil.  II,  31,  76  hervorgeht;  dass  zwar  das  schrei- 
ben demselben  von  dem  bruder  nach  Gallien  nachgeschickt  sei, 
ist  nirgends  angedeutet;  aber  vielleicht  in  dieser  zeit  entworfen, 
ist  es  nach  der  rückkehr  vollendet  und  ihm   zugestellt  worden, 
vgl.  §.  3  multa  proprio,  municipia,    wo    nunmehr    mit    der  bear- 
beitung    der    städtischen    Wähler    ein   neuer  act    der  bewerbung 
begann.     Erfolgte  nun  Cicero's  rückkehr  im  januar  64 ,  wie  er 
sich  vorgenommen,  so  stimmt  dieses  datum  mit  der  berechnung 
von  Bücheier,  dass  Q.  Cicero's  schrift  etwa  im  januar  64  abge- 
fasst  sei.     Indess  giebt  einen  anhaltspunkt  für  die  datirung  diese 
selber,  §.   19   hoc  biennio    quattuor    sodalitates    hominum    ad  ambi- 
tionem  gratiosissimorum  tibi  obligasti,   C.  Fundani,   Q.   Galli,  C.  Cor' 
neli,  C.  Orcivi.  horum  in  causis  ad  te  deferendis   etc.      Der  letzte 
der  vier,  Cicero's  College  in  der  prätur,    hat    wohl   vor    gericht 
gestanden  nach  ablauf  derselben,    also  65,  wie  Bücheier  vermu- 
thet;  des  Cornelius'  process  fand  statt  nach  Asconius  in  demsel- 
ben jähre ;  Vorsitzender  war  Q.  G-alliua  als  praetor.      Die  frage 


502  282.  Quintus  Cicero.  Nr.  10. 

ist,  in  welchem  jähre  dieser  von  Cicero  vertheidigt  worden. 
Dass  es  in  einem  process  wegen  gesetzwidriger  bewerbung  um 
die  praetur  war,  überliefert  ebenfalls  Asconius,  indem  er  zugleich 
ein  detail  beibringt  *) ,  welches  unzweifelhaft  richtig  ist ;  dass 
seine  einbeziehung  in  diesen  Zusammenhang  unrichtig,  wird  all- 
gemein zugegeben,  auch  von  Eussner  ;  aber  wenn  er  andrerseits 
die  richtigkeit  der  zeitlichen  angäbe  betont,  dass  die  Vertei- 
digung des  Gallius  nach  der  candidatenrede  stattgefunden,  d. 
h.  nach  ablauf  des  durch  ambitus  erworbenen  amtes  und  tief 
im  jähre  64,  so  übersieht  er,  dass  so  Asconius'  fehler  nur  um 
so  unbegreiflicher  wird ,  und  dass  sich  für  eine  so  verspätete 
anklage  und  procedur  für  jene  zeit  kein  beispiel  findet.  Blei- 
ben wir  also  bei  der  schon  von  Drumann  V,  374,  97  gegebe- 
nen aufstellung,  dass  der  process  schon  ins  jähr  66  gehört2). 
Dasselbe  ist  wahrscheinlich  von  dem  processe  des  Fundanius. 

Kein  Vorwurf  darf  ferner  gegen  den  Verfasser  des  Schrei- 
bens darum  erhoben  werden ,  weil  er  der  erwähnung  von  ge- 
schichtlichen notizen  z.  b.  der  mitbewerber  aus  dem  wege  gehe, 
aus  angeblicher  Vorliebe  für  seine  theoretischen  Vorschriften. 
"Würde  es  im  gegentheil  nicht  gerade  ein  Verdachtsmoment  bil- 
den, wenn  mit  nichtssagenden  phrasen  und  antithesen  eine  cha- 
racteristik  der  doch  bedeutungslosen  concurrenten  Cicero's  gege- 
ben würde  ?  Cap.  2  werden,  indem  vorher  des  homo  novus  Stellung 
zur  nobilität  beleuchtet  wird,  sachgemäss  nur  die  mitbewerber 
aus  dieser  erwähnt,  und  wird  nur  von  denjenigen  etwas,  und 
zwar  zutreffendes  und  erschöpfendes,  beigebracht,  von  welchen 
etwas  zu  sagen  ist,  von  Catilina  und  Antonius;  über  Galba's 
aussiebten  sprach  sich  M.  Cicero  Ep.  ad  Att.  I,  1,  1  schon  65  noch 
vor  den  wählen  für  64  abschätzig  aus  ;  er  wird  nur  noch  von 
Ascon.  Arg.  or.  in  toga  Candida  erwähnt ;  desgleichen  Cassius. 
Wenn  Q.  Cicero  Licinius  und  Cornificius  gar  nicht  erwähnt,  so 
ist  das  wiederum  passend,  indem  auch  über  diesen  M.  Cicero  a. 
a.  o.  sich  lustig  macht,  von  jenem  gar  nur  Asconius  weiss;  je- 

1)  Cic.  or.  in  tog.  cand.  p.  88  Or :  alter  induxit  eum  quem  potuit,  ut 
repente  gladiatores  populo  non  debilos  polliceretur]  Q.  Gallium  quem 
postea  reum  ambitus  defendit ,  signißcare  videtur.  hie  enim  cum  esset 
praeturae  candidatus ,  quod  in  aedditate  quam  ante  annum  gesserat,  be- 
stias  non  habuerat,  dedit  gladiatorium  sub  titulo,  patri  se  id  dare. 

2)  Ebenso  Brückner  leben  Cic.  p.  174,  dessen  versuch  jedoch 
postea  bei  Asconius  zu  erklären:  posteaqua?n  gladiatores  populo  non  de- 
bitos  pollicitus  est,  missglückt  erscheint. 


Nr.  10.  282.  Quintus  Cicero.  503 

doch  sind  sie  inbegriffen  unter  den  novi  homines  praetorii  Q.  Cic. 
4,  13  3).  Wie  die  so  bezeichnenden  äusserungen  über  Cicero's 
verhältniss  zu  den  parteien  und  Pompeius  den  falscher  verra- 
then  sollen,  ist  gar  nicht  abzusehen ;  wie  sollten  sie  bekannt 
werden,  wenn  die  schrift  nicht  zur  Veröffentlichung,  nur  für  den 
bruder  bestimmt  war?  Dass  aber  dieser  in  der  Zusammenstel- 
lung aller  für  die  bewerbung  in  betracht  kommenden  momente, 
wenn  sie  von  dem  Jüngern  unbedeutenderen  bruder,  dem  ae- 
dilicier,  kam,  nichts  anderes  sehen  sollte,  als  ein  zeichen  der 
lebhaften  theilnahme  an  dem  gelingen,  ist  im  eingang  und 
Schlusswort  deutlich  angegeben,  so  dass  jener  sie  grade  mit  der 
beruhigung  durchlesen  mochte,  dass  er  nichts  verabsäumt  habe. 
Dass  das  thema  erschöpft  werde ,  giebt  Eussner  ausdrücklich 
zu.  Doch  findet  er  die  behandlung  desselben  des  überlieferten 
Verfassers  unwürdig.  Unseres  erachtens  bilden  die  vier  erhaltenen 
briefe  des  Q  Cicero ,  die  zwanzig  hexameter  aus  dem  astrono- 
mischen gedieht,  die  nachrichten  von  seinen  tragoedien  und  an- 
nalen  und  seiner  fähigkeit  im  schreiben  kein  genügendes  krite- 
rium,  um  endgültig  die  „Studie  (essay)  über  amtsbewerbung"  ihm 
abzusprechen.  Das  aber  darf  füglich  behauptet  werden,  dass 
der  nüchterne  ton,  in  dem  die  schrift  geschrieben,  die  schwung- 
lose und  schablonenhafte  bebandlung  ,  die  dem  gegenstände  zu 
theil  wird,  dem  spröden  stoffe  nicht  unangemessen  ist,  und  dass, 
wenn  man  als  seitenstück  den  brief  des  Marcus  an  Quintus  (I, 
1)  über  die  provinzialverwaltung  beizieht,  in  dem  abstand  der 
beiden  Schriftstücke  sich  der  abstand  des  talents  der  beiden 
bruder  bemessen  lässt.  Um  so  mehr  befremdet  es,  dass  der  vf. 
daraus,  dass  der  Schriftsteller  durch  anwendung  von  rhetorischen 
fragen  und  der  anaphora  der  rede  etwas  mehr  färbe  zu  verleihen 
sucht,  einen  Vorwurf  gegen  ihn  ableitet;  und  wo  kommen  diese 
schmuckmittel  vor?  wo  Catilina  und  Antonius  verarbeitet  werden 
c.  2  und  3  ;  sonst  spärlich.  Wenigstens  mit  noch  einem  bild- 
lichen ausdruck  scheint  vielleicht  unsere  schrift  bereichert  wer- 
den zu  müssen :  §.  9  capita  demetebant,  wie  jetzt  auch  Wesenberg 
liest,  wenn  auch  das  noch  von  Bücheler  beigezogene  demetit 
ense  caput  Ov.  Met.  5,  104  in  den  ausgaben  von  Merkel  und 
Kiese  dem   decutit   hat    weichen   müssen;    hinwieder    ist    demere 

3)  Vgl.  überhaupt  des  ref.  schrift:  Catilina's  und  Cicero's  bewer- 
bung um  den  consulat  für  d.  j.  63.    Zürich.  1864. 


504  282.  Quintus  Cicero.  Nr.  10. 

das   passende    wort    für   den   sarkastischen  ausspruch  Caligula's 
bei  Sueton.  Calig.   33. 

Ebenso  geht  der  vf.  zu  weit ,  wenn  er  in  gewissen  Wie- 
derholungen anzeichen  der  fälschung  sieht;  wenn  sie  auch  nicht 
elegant  sind,  so  erklären  sie  sich  doch  bald  durch  den  beschränkten 
ideenkreis  der  schrift,  wodurch  das  öftere  vorkommen  von  glei- 
chen und  ähnlichen  ausdrücken  bedingt  wird ,  bald  durch  den 
lebhaften  ton  der  schrift,  die  eine  fülle  von  winken  und  an- 
weisungen  giebt.  Die  bis  ins  kleinste  durchgeführte  eintheilung, 
die  oft  ermüdenden  aufzählungen ,  die  wiederholte  anwendung 
gewisser  Übergangsformeln  verrathen  freilich  mehr  schule,  als 
kunst,  aber  erweisen  noch  nicht  die  fälschung;  tautologien  aber 
finden  sich  keine,  und  was  hierin  vom  vf.  vorgebracht  wird,  beruht 
auf  Übertreibung.  Was  aber  wichtiger,  als  alles  bisher  berührte, 
der  vf.  glaubt  in  der  rede  für  Murena  und  in  dem  briefe  des  Mar- 
cus ad  Quin.  fr.  I  solche  anklänge  an  unsere  schrift  gefunden  zu 
haben,  dass  dieselbe  nicht  nur  eine  fälschung,  sondern  auch  ein 
plagiat  wäre.  Da  aber  jene  bekanntlich  einen  process  de  ambitu 
betrifft,  ist  es  kein  wunder,  dass  sie  mit  der  schrift,  welche  Vor- 
schriften über  die  ambitio  giebt,  vielfache  berührungspunkte 
hat;  keine  der  angeführten  stellen  zeugt  von  einer  ausbeutung 
jener  durch  den  Verfasser  dieser.  Noch  viel  weniger  ist  dieses 
der  fall  mit  dem  brief  1,1;  die  angezogenen  stellen  zeigen 
entweder  zufällige  ähnlichkeiten  oder  jedem  Schreiber  geläufige 
redewendungen  und  formein ;  auch  ich  kann  in  dem  schon 
von  Bücheier  mit  comm.  §.  39  zusammengestellten  satz  des 
briefes  ad  Quint.  §.  37  nur  eine  unbeabsichtigte  und  entfernte 
ahnlichkeit  sehen.  Bewusste  anklänge  finden  sich  einzig  in  der 
rede  in  toga  Candida',  sie  sind  schon  von  Bücheier  verzeichnet,  aber 
mit  richtigem  tacte  diejenigen  ausgeschieden,  die  aus  sachlichen 
gründen  nothwendig  sind;  es  bleiben  nur  zwei  stellen  fr.  18a 
und  21  (bei  Kayser) ,  wo  dieselben  gedauken  in  etwas  erwei- 
terter form  sich  ausgedrückt  finden,  wie  in  §.  10  und  12  des  com- 
mentariolum.  Also  hat  sie  Marcus  der  schrift  des  bruders  entlie- 
hen ;  daran  ist  aber  nichts  anstössiges;  der  gedanke  mochte 
ihm  passend,  der  ausdruck  bezeichnend  sein;  so  finden  sich 
in  gewissen  reden  Cicero's  Wiederholungen  gewiss  aus  dem 
nämlichen  gründe,  nicht  weil  er  von  augenblicklicher  gedanken- 
armuth  oder  unbeholfenheit  im  ausdruck  befallen  gewesen.     Nach 


Nr.  10.  283.  Plinius.  505 

alledem  können  die  argumente,  Quintu9'  character  stimme  nicht 
zu  einigen  stellen,  das  stillschweigen  des  Asconius  über  die  schritt, 
ihre  Überlieferung  in  gesellschaft  des  uuächten  briefes  an  Octa- 
vian  keine  Instanz  bilden. 

Auf  die  abhandlung,  durch  welche  dem  verf.  also  nicht 
gelungen  sein  dürfte ,  die  unächtheit  der  unter  Q.  Cicero's  na- 
men  überlieferten  schritt  zu  erweisen ,  folgt  der  an  44  oder 
vielmehr  36  stellen  von  Büchelers  recension  abweichende  text, 
dessen  lesungen  am  rande  beigefügt  sind;  die  conjecturen  sind 
begründet  in  beigegebenen  Scholia  critiea;  als  grundlage  des 
textes  wird  der  berliner  codex  anerkannt.  Einleuchtend  ist 
die  vertheidigung  von  aut  intelligentia  1,1;  die  ergänzung 
deinde  vide  ut  13  3  (nach  Bährens),  gratias  vor  agere  7,  26  ;  fer- 
ner ansprechend  sind  die  Schreibungen  ojptimorum  censorum  2,  8, 
loco  ac  numero  dignum  1,  4,  parta  esse  confido  5,  19,  idoneos  co- 
gnoscas  8,  31,  cavendus  sit ,  praeter mittendum  10,  39,  amiciorum 
hominum  12,  46  ;  bemerkenswerth  die  versuche  die  arg  zerrütte- 
ten stellen  8,  33  und  11,  43  wenigstens  lesbar  zu  machen. 

H.   Wz. 

283.  Ueber  syntax  und  stil  des  jüngeren  Plinius,  von  prof. 
Karl  Kraut.  4.  Programm  des  köngl.  würtembergischen 
seminars  Schönthal.     52  s.     1872. 

Seitdem  der  text  der  briefe  des  jüngeren  Plinius  durch 
die  treffliche  ausgäbe  von  Keil  so  ziemlich  festgestellt  ist,  lag 
die  aufgäbe  nahe,  der  spräche  dieses  studiengenossen  und  freun- 
des des  Tacitus  eine  ähnliche  Untersuchung  zu  widmen,  wie 
wir  sie  für  den  letzteren  von  Dräger  besitzen.  Man  konnte 
voraussehen,  dass  die  syntax  des  Plinius  weniger  abweichungen 
von  der  norm  der  classicität  bieten  werde  als  die  taciteische, 
weil  der  autor,  nicht  in  dem  masse  ein  original  wie  Tacitus, 
sich  mehr  auf  der  stufe  der  kleinen  schritten  dieses  historikers, 
namentlich  des  Dialogus ,  als  auf  der  der  Annalen  hält.  An- 
drerseits hat  er  einzelnes ,  wie  deminutiva ,  aus  der  Umgangs- 
sprache entlehnt ,  so  wenig  man  auch  verkenneu  kann ,  dass 
die  briefe  des  Plinius  gefeilte  stilistische  elaborate  mit  affectier- 
ter  leichtigkeit  des  tones ,  den  meist  rasch  geschriebenen  und 
der  Volkssprache  näher  verwandten  brieten  Cicero's  durchaus 
nicht  gleich  taxiert  werden  dürfen. 


506  283.  Plinius.  Nr.  10. 

Die  verdienstliche  und  gründliche  arbeit,  die  frucht  mehr- 
jähriger Studien,  giebt  uns  nun,  im  ganzen  nach  dem  muster 
von  Dräger,  eine  wohlgeordnete  Übersicht  der  plinianischen  Syn- 
tax, bei  der  wenig  wesentliches  übergangen  sein  dürfte.  Um 
missverständnissen  vorzubeugen,  hätten  wir  nur  gewünscht,  dass 
der  leser  darüber  ins  klare  gesetzt  worden  wäre,  ob  die  ange- 
führten beispiele  die  sämmtlichen  aus  Plinius  oder  nur  ausge- 
wählte seien.  Denn  wenn  §.  3  für  epistulae  =  epistula,  §.  21 
für  in  praesentia  10,  10  und  2,  5, 10  angeführt  werden,  ohne  ein 
verdeutlichendes  z.  b.,  so  wird  man  nicht  leicht  errathen,  dass 
beide  ausdrücke  bei  Plinius  sehr  oft  vorkommen,  1,  2,  1.  1,  7, 
3.  1,  22,  12.  3,  9,  26  etc. 

Der  vf.  ist  indessen  zum  nutzen  der  sache  damit  über  sein 
thema  hinausgegangen,  dass  er  nicht  nur  die  meisten  und  wich- 
tigsten älteren  prosaiker  ,  sondern  selbst  römische  dichter  mit 
Plinius  in  vergleich  gesetzt  hat,  so  weit  dies  durch  kurze  Ver- 
weisungen und  citate  von  belegsteilen  geschehen  konnte.  Dies 
war  für  Tacitus  ebenso  leicht  als  nothwendig ,  da  einestheils 
Dräger  die  stilistische  Verwandtschaft  beider  autoren  betont, 
ja  Holstein  den  Tacitus  geradezu  als  das  vorbild  des  Plinius 
hingestellt  hat.  Vgl.  philol.  Anz,  bd.  II,  heft  3,  p.  160.  Wie  sich 
der  vf.  dieses  verhältniss  selbst  denkt,  hat  er  nicht  bestimmt 
ausgesprochen;  wir  glauben  aber,  die  hauptsache  laufe  weniger 
auf  directe  nachahmung,  als  auf  benutzung  des  gleichen  Unter- 
richtes hinaus.  In  dieser  hinsieht  vermissen  wir  ungern,  dass 
gerade  ein  schriftsteiler  fast  nirgends  verglichen  worden  ist, 
zu  dem  wir  ein  speciallexicon  besitzen,  der  lehrer  des  Pli- 
nius (2,  14,  10)  und  sicher  auch  des  Tacitus,  Quintilian,  des- 
sen einfluss  auf  die  spätere  prosa  hinlänglich  bekannt  ist.  Der 
vf.  würde  manches,  was  er  jetzt  als  neuerung  des  Plinius  auf- 
führt (z.  b.  §.  7  ex  proximo,  in  praeterüum)  schon  dort  gefunden 
und  auch  hie  und  da  die  gelegenheit  zu  interessanten  vergleichen 
ergriffen  haben,  z.  b.  §.  6  legentem,  scribentem  (leser,  schriftstei- 
ler), wofür  Quintilian  nur  die  entsprechenden  plurale,  im  Singu- 
lar auch  lector  gebraucht.  Manches  uueiceronianische  und  mit  Ta- 
citus übereinstimmende,  wie  §.  21  sub  nomine,  lege,  condicione 
wäre  am  einfachsten  auf  Quint.  7,  2,  24.  7,  4,  38  zurückge- 
führt worden ,  weil  Tacitus  und  Plinius  in  solchen  dingen  zu- 
nächst von  ihrem  lehrer  abhängen. 


Nr.  10.  284.   Alte  geographie.  507 

Dies  ist  der  gesichtspunct,  dem  der  vf.  am  wenigsten  ge- 
recht geworden  ist;  was  er  aber  geleistet  hat,  das  ist  und 
bleibt  ein  nützlicher  beitrag  zur  historischen  Syntax. 

284.  Neuer  atlas  von  Hellas  und  den  hellenischen  colo- 
nien  in  fünfzehn  blättern  bearbeitet  von  Heinrich  Kiepert. 
Berlin,  Nicolaische  Verlagsbuchhandlung.  1872.  Fol.  —  82/3thlr. 

Das  vorliegende  werk  „ist  eine  vollständige  erneuerung  und 
technisch  vollendetere  herstellung"  des  allbekannten  früheren, 
das  in  erster  aufläge  1841,  in  zweiter  1850  erschien.  Was 
jener  atlas  auf  24  blättern  gab,  ist  hier  auf  12  blättern  über- 
sichtlicher und  doch  in  schärferer  und  genauerer  Zeichnung  zu- 
sammengefasst.  Neu  hinzugekommen  sind  eine  Übersichtskarte 
der  höhenverhältnisse  der  hellenischen  länder  in  Europa,  und 
zwei  karten  welche  die  in  den  vorhergehenden  blättern  behan- 
delten länder  nach  der  kartographie  des  Ptolemäus  darstellen. 
Ein  vorbericht  giebt  rechenschaft  über  das  verwerthete  mate- 
rial,  bespricht  die  wichtigsten  punkte  in  denen  die  jetzige  dar- 
stellung  von  früheren  annahmen  oder  anderer  gelehrten  meinung 
abweicht,  und  giebt  ausserdem  einige  nachträgliche  Verbesserun- 
gen. „Die  Ptolemäischen  karten  sind  nach  den  in  der  Wilberg'- 
schen  ausgäbe  mitgetheilten  besten  lesarten  neu  construirt,  dann  mit 
den  handschriftlich  erhaltenen  karten  einzelner  besserer  handschrif- 
ten  (der  besten  pariser  oder  des  sogenannten  codex  Coislinianus 
[lies  Fonteblandensis ;  der  codex  Coislinianus  enthält  keine  kar- 
ten],  des  Britisch -Museum  und  der  wiener  hofbibliothek)  genau 
verglichen  worden.  .  .  Dem  leser  wird  hiermit  eine  wichtige 
quelle  unserer  künde  der  alten  topographie  in  einer  bis  jetzt 
noch  nirgend  zugänglichen  form  geboten ,  welche  zugleich  für 
das  verständniss  mancher  nur  aus  den  herrschenden  irrigen 
Vorstellungen  über  gestalt  und  grosse  der  länderformen  zu  er- 
klärenden angaben  der  alten  sich  nützlich  erweisen  dürfte". 
So  richtig  dieses  ist,  so  wenig  lässt  sich  beweisen,  dass,  wie 
Kiepert  meint,  die  in  den  manuscripten  überlieferten  karten, 
wenn  auch  erst  durch  zweite  oder  dritte  hand ,  aus  dem  alter- 
thume  selbst  stammen,  und  daher  die  in  ihnen  gegebene  Zeich- 
nung der  küsten  und  flussläufe  und  bergzüge,  so  weit  sie  sich 
aus  dem  texte  nicht  ergiebt,  zur  speciellen  ausführung  des  kar- 
tenbildes  verwendet  werden  müsse.     Zwar  werden  in  allen  ma- 


508  284.  Alte  geographie.  Nr.  10. 

nuscripten  die  karten  auf  einen  Alexandriner  Agathodämon  zu- 
rückgeführt, aber  die  Zeichnung  der  uns  erhaltenen  ist  in  je- 
nen eben  genannten  dingen  so  sehr  verschieden,  dass  sich  ein 
allen  zu  gründe  liegendes  original  nicht  mehr  herausfinden 
lässt.  Die  karten  der  grossen  handschriften  in  Wien  und  Venedig 
und  des  Parisinus  1404  und  verschiedener  lateinischer  manu- 
scripte  sind,  abgesehen  von  geringfügigen  abweichungen,  copien 
des  codex  der  Laurentiana  2380  und  repräsentiren  kartogra- 
phisch nur  einen  codex.  Für  den  nicht  im  vierzehnten,  son- 
dern erst  im  anfange  des  sechzehnten  Jahrhunderts  (nach  der 
entdeckung  von  Amerika  und  Madagaskar)  in  Florenz  angefer- 
tigten codex  Fonteblandensis ,  den  schönsten  von  allen ,  aber 
bei  weitem  nicht  den  besten ,  sind  die  karten  von  neuem  und 
theilweise  mit  benutzung  moderner  hülfsmittel  entworfen.  Sie  be- 
ruhen wesentlich  auf  den  nach  einer  neuen  projectionsweise  und 
in  den  details,  für  die  der  text  nicht  massgebend  war,  nach 
eigenem  ermessen  des  Verfassers  gezeichneten  und  daher  von 
den  früheren  vielfach  abweichenden  karten  des  D.  Nicolaus 
Germanus  (c.  1465).  Noch  grösser  sind  die  Verschiedenheiten 
der  Zeichnung  in  den  älteren  griechischen  manuscripten,  die 
auch  in  der  kartenabtheilung  nicht  übereinstimmen. 

In  der  construction  dieser  karten  hat  sich  Kiepert  nicht 
überall  an  den  Wilbergschen  text  gebunden,  sondern,  wie  zu 
erwarten  war,  zuweilen  selbständig  nachgeprüft.  Es  genüge  in 
dieser  beziehung  einige  punkte  aus  der  Zeichnung  der  kleinasia- 
tischen Westküste  hervorzuheben.  —  Wilberg  stellt  aus  ganz 
vereinzelt  stehenden  .  angaben  einiger  mauuscripte  einen  text 
her,  nach  welchem  Byzanz,  Chalcedon  und  Akritas  pr.  in  dem- 
selben breitengrade  (43°  5'),  und  Chalcedon  einen  drittel  grad 
östlicher  als  Byzanz  liegen  würden.  Zu  dieser  sonderbaren  an- 
nähme verleitete  wohl  der  glaube  dass  das  Akritas  pr. ,  nach 
Hammers  und  anderer  angäbe,  in  der  neben  Chalcedon  liegen- 
den landspitze  Fener  Burun  zu  suchen  sei.  Kiepert  dagegen  den 
am  besten  verbürgten  lesarten  folgend  zeichnet  seine  karte  richtig 
so,  dass  Chalcedon  nur  fünf  minuten  östlich  von  Byzanz,  Acri- 
tas  pr.  aber  150 — 160  Stadien  südöstlich  von  Chalcedon  zu 
stehen  kommen.  Indessen  muss  Kiepert  dabei  einen  irrthum 
des  Ptolemäus  vorausgesetzt  haben,  da  auch  er,  wie  schon  frü- 
her,   so  auch  jetzt  in  taf.  IX,   das   Acritas  pr.   für   das  heutige 


Nr.  10.  284.  Alte  geographie.  509 

Fener  Burun  hält ,  während  es  das  weit  ins  meer  ragende 
Tuzla  Burun  nach  Ptolemäus  sein  muss  und  in  der  that  auch 
ist.  Noch  zu  Gillius  zeit  (de  Bosporo  Thr.  in  Geogr.  Min.  II, 
p.  101)  führte  dieses  cap ,  in  dessen  nähe  hart  an  der  küste 
die  kleine  insel  des  heiligen  Andreas  (die  Acritas  I.  der  Tab.  Peu- 
ting.  ed.  Welser.)  liegt,  den  namen  Acritas.  Dieselbe  läge  bezeugt 
Genusius  in  ^Qgg.  üb.  p.  50  ed.  Bonn,  mit  den  Worten:  negl  tjjfv 
vr\oov  'Avöotov  tov  anoaröXov,  xa&'  r/v  6  \4xolTag  iyjetrovojv  ifi- 
qxxi'i&Tai.  Ferner  soll  der  kaiser  Mauritius  nach  Chron.  Pasch, 
p.  624,  7  getödtet  sein  aXrjai'ov  iov  'jäxyfaov.  Nach  der  entspre- 
chenden erzählung  bei  Theophanes  p.  445  und  Theophylactus 
p.  331  muss  aber  daselbst  ein  vteog  AvrovofXov  gelegen  haben, 
dessen  entfernung  von  Constantinopel  auf  150  Stadien  angege- 
ben wird,  eine  entfernung  die  auf  die  gegend  bei  c.  Tuzla 
vollkommen  passt.  Aus  der  so  festgestellten  läge  des  Vorge- 
birges ergiebt  sich  zugleich,  dass  bei  Stephanus  Byz.  u.  KaX- 
%t]8cöv,  wo  zwischen  Chalcedon  und  Akritas  nur  60  Stadien  an- 
gegeben werden,  statt  £'  zu  lesen  q$\  und  dass  das  fragment 
Artemidors  bei  Steph.  Byz.  s.v.  JLaXxitig  nicht  richtig  verbessert 
ist.  Meineke  liest  hier:  ano  8s  'jixgitov  TiaganXsvaavri  [ngog'] 
siiqop  OTÜSia  ql'  äuget  nsirai  '  Tgtg  xaXovfisvi]  xtX.;  allein  nicht 
gegen  den  euros ,  sondern  mit  ihm  ging  die  fahrt;  will  man 
also  den  aecusativ  festhalten,  so  müsste  gelesen  werden  {ngog 
K]uvvnv  oder  [ngog  2Zx]sigtova.  Die  nordwestliche  richtung 
der  fahrt  ergiebt  sich  übrigens  auch  aus  der  folgenden  auf  Zäh- 
lung der  Prinzeninseln.  Die  in  Kieperts  atlas  nicht  erwähnte 
Eyris  acra  ist  der  distanz  nach  bei  Maltepe  anzusetzen,  gegen- 
über der  insel  Andiri  oder  Antiri,  deren  name  vielleicht  aus 
"Av&vQig  entstanden  ist.  Das  Leucatas  pr.,  welches  nach  Kie- 
perts karte  (taf.  IX)  das  heutige  Tuzla  Burun  wäre ,  ist  viel- 
mehr Jedemkaia  Burun,  bis  zu  welchem  die  37Ya  m.  p.  rei- 
chen, diePlinius  5,  148  von  Nicomedia  bis  zum  Leucatas  rechnet. 
Das  lesbische  Vorgebirge  Malea  (56°  long.)  liegt  nach  den 
manuscripten  des  Ptolemaeus  20  minuten,  nach  Kieperts  karte 
aber  nur  10  minuten  östlicher  als  Mytilene  (55°  40').  Letzte- 
res ist  geographisch  richtiger;  aber  wollte  man  im  Ptolemaeus 
solche  correcturen  zulassen,  so  wäre  des  corrigirens  kein  ende. 
Die  einzige  Variante  giebt  der  so  oft  confuse  codex  Fonteblanden- 
sis,  in  welchem  statt  56°  steht  56°  50',  was  allerdings  nur  entstanden 


510  284.  Alte  geographie.  Nr.  10 

sein  kann  aus  55°  50';  da  indessen  derselbe  codex  für  Myti- 
lene  die  position  56°  30'  (statt  55°  30')  giebt,  so  findet  sich 
auch  hier  wie  in  den  übrigen  handschriften  eine  distanz  von 
20  minuten.  —  Auf  der  ostseite  der  insel  Chios  liegt  nach 
Ptolemäus  10  minuten  südlich  von  der  stadt  Chios  (38°  35') 
das  Vorgebirge  Posidium  (38°  25').  Kiepert  macht  daraus  ei- 
genmächtig ein  unter  38°  55'  als  nordspitze  der  insel  an- 
gesetztes Vorgebirge ,  was  um  so  auffallender  ist,  da  Strabo 
14,  1,  34  und  35  und  Kiepert  selbst  auf  tafel  IX  in  betreff  der 
läge  des  Posidium  mit  Ptolemäus  übereinstimmen.  —  Für  die  po- 
sition von  Halicarnass  wird  die  längenbestimmung  (57°  50'),  wel- 
che unsere  Codices  und  die  alten  karten  und  auch  die  Wilberg- 
sche  ausgäbe  haben,  bei  seite  geschoben  und  die  lesart  der  edi- 
tio  princeps  (57°  10')  angenommen.  Es  Hesse  sich  das  allen- 
falls entschuldigen,  wenn  dadurch  eine  richtigere  kartenzeich- 
nung  zu  stände  käme;  dies  ist  aber  keineswegs  der  fall,  da 
nach  beiden  lesarten  Halicarnass  nicht  westlich,  sondern  östlich 
von  Ceramus  (57°)  zu  stehen  kommt;  dagegen  hat  die  lesart  der 
manuscripte  wenigstens  den  vorzug  die  richtige  distanz  zwi- 
schen diesen  beiden  orten  zu  geben.  —  Cnidus  liegt  nach  al- 
len manuscripten  und  karten  und  der  Wahrheit  gemäss  auf  ei- 
ner weit  hervorragenden  landspitze  etwa  300  Stadien  westlicher 
als  Ceramus  (56°  15').  Nichtsdestoweniger  folgt  Kiepert  der 
in  Wilbergs  ausgäbe  gegebenen  längenbestimmung  von  56°  45', 
so  dass  Cnidus  nur  15  minuten  westlich  von  Ceramus  liegt. 
Es  scheint  ihm  entgangen  zu  sein,  dass  dieser  ansatz  eine  der 
nichtsnutzigen  conjecturen  Grashofs  ist,  die  ihren  grund  darin 
hat,  dass  im  achten  buche  (8,  17,  14)  als  Zeitunterschied  zwi- 
schen Alexandria  und  Cnidus  nur  */*  stunde  angegeben  wird, 
während  nach  der  längenangabe  im  fünften  buche  ein  unter- 
schied von  17  minuten  oder  J/4  Vso  stunde  [8'  X'  wpa^)  statt- 
finden würde.  Nun  ist  es  aber  geradezu  thorheit  nach  den  in 
der  epitome  gegebenen  Zeitunterschieden  die  längenaugaben 
des  textes  zu  verändern,  da  die  kleineren  bruchtheile  einer 
stunde  dort  in  der  regel  nicht  berücksichtigt  werden.  So 
würde  es  z.  b.  niemandem  einfallen  den  lib.  4,  5  für  Ale- 
xandrien  gegebenen  längegrad  60°  30'  auf  60°  zu  reduziren, 
weil  nach  lib.  8,  15,  10  diese  stadt  nicht  4  und  1/3o,  sondern 
nur  4  stunden  vom  ersten  meridian  entfernt    ist.      Soll   einmal 


Nr.  10.  285.   Römische  alterthümer.  511 

verbessert  werden,  so  wäre  im  achten  buche  an  beiden  genann- 
ten stellen  statt  Ä  zu  schreiben  Ä  A'.  —  Die  insel  Rhodus 
hat  nach  dem  texte  und  den  alten  karten  des  Ptolemäus  die 
gestalt  eines  dreiecks,  an  dessen  nordöstlichem  ende  nicht 
Rhodus,  wie  man  erwartet,  sondern  Lindus  (58°  40'  long.,  36° 
lat.)  liegt.  Kiepert  giebt  motu  proprio  der  insel  eine  ganz  an- 
dere gestalt,  indem  er  Lindus  einen  grad  südlicher  setzt  und 
die  südspitze  der  insel  bilden  lässt ,  so  dass  die  ostseite  von 
da  bis  nach  Ialysus  reicht.  Ohne  zweifei  leidet  der  text  des 
Ptolemäus  an  einem  sehr  alten  fehler,  der  aber  zunächst  darin 
zu  suchen  ist,  dass  Lindus  an  die  stelle  der  Stadt  Rhodus  ge- 
setzt ist ;  denn  die  hauptstadt  der  insel  konnte  nicht  unerwähnt 
bleiben  und  die  angäbe  der  epitome  im  achten  buche,  nach  wel- 
cher die  stadt  Rhodus  einen  längsten  tag  von  14x/2  stunden 
hat  und  1/s  stunde  westlicher  als  Alexandria  liegt ,  passt  voll- 
kommen auf  die  in  den  manuscripten  jetzt  der  stadt  Lindus  ge- 
gebene position.  Wo  Ptolemäus  Lindus  angesetzt  habe,  kön- 
nen wir  natürlich  nicht  wissen. 

Die  drei  ersten  blätter  des  atlas  enthalten  historische  kar- 
ten, welche  die  ethnischen  und  politischen  Verhältnisse  der  äl- 
testen zeit  und  während  des  peloponnesischen  krieges  und  in 
der  mitte  des  dritten  Jahrhunderts  recht  übersichtlich  darstel- 
len ,  so  weit  dieses  für  die  beiden  letzten  perioden  bei  dem 
vielfachen  Wechsel  der  politischen  läge  geschehen  konnte  ohne 
einen  enger  begrenzten  Zeitraum  zu  gründe  zu  legen.  —  In 
den  darauf  folgenden  specialkarten  ist  ein  vielseitiger  fortschritt 
unverkennbar.  So  weit  sie  das  eigentliche  Griechenland  betref- 
fen, folgt  der  Verfasser  in  den  meisten  punkten  dem  verdienst- 
vollen werke  Bursians.  Dass  hier  überall  das  richtige  getroffen 
oder  auch  nur  das  wahrscheinlichste  gegeben  sei,  wird  Kiepert 
selbst  am  wenigsten  behaupten  wollen.  Ueber  einzelne  punkte, 
die  nach  einer  ersten  durchsieht  der  neuen  karten  hier  bespro- 
chen werden  sollten,  aber  bei  den  engen  dieser  anzeige  ge- 
steckten gränzen  jetzt  bei  seite  gelassen  werden  müssen ,  wird 
im  Philologus  bd.  XXXIV,  heft  1   die  rede  sein.  C.  M. 

285.  Fasti  Censorii.  Quos  composuit  et  commentariis  instruxit 

0.  de  Boor.     8.     Berol.  Weidmann  1873.     100  s.  —  1  thlr. 

Wir  sind  in  der  angenehmen  läge  eine  schritt  anzeigen  zu 


512  285.   Römische  alterthümer.  Nr.  10. 

können,  die  nicht  nur  gelehrt,  sondern  auch  nützlich  ist.  Der 
verf.  hat  es  sich  zur  aufgäbe  gemacht,  die  in  den  capitolini- 
schen  fasten  enthaltenen  normen  und  notizen,  so  weit  sie  die 
censoren  betreffen,  zusammenzustellen,  sie,  so  weit  thunlich  zu 
ergänzen  (wobei  er  nicht  unterlassen  hat,  die  unsicheren  er- 
gäuzungen  durch  hinzugefügte  fragezeichen  zu  unterscheiden), 
überall  die  belegstellen  aus  den  Schriftstellern  hinzuzufügen  und 
endlich  in  einem  besonderen  commentar  (p.  36 — 100)  in  einer 
reihe  von  Untersuchungen  theils  die  ergänzungen  zu  recht- 
fertigen ,  theils  eigene  ansichten  vorzutragen.  Er  selbst  er- 
klärt zwar  in  dem  vorwort ,  dass  es  nur  seine  absieht  sei, 
das  in  den  Schriften  über  römische  geschichte  (einschliess- 
lich der  Inschriften')  zerstreute  zu  sammeln,  wir  werden 
indess  weiterhin  sehen ,  dass  er  nicht  selten  auch  neues  aufge- 
stellt oder,  was  im  wesentlichen  auf  dasselbe  hinausläuft,  al- 
tes gegen  herrschende  meinungen  der  neuzeit  wieder  in  seine 
rechte  eingesetzt  hat;  insbesondere  hat  er  dies  auch  gegen  Th. 
Mommsen  mehrfach  gethan,  obwohl  er  demselben  nicht  nur  die 
gebührende  anerkennung,  sondern  auch  als  sein  schüler  (dies 
scheint  er  nämlich  zu  sein)  überall  die  wärmste  Verehrung  und 
bewunderung  zollt.  Wir  erhalten  demnach  durch  die  schrift 
nicht  nur  das  gesammte  wohlgeordnete  material ,  sondern  auch 
ein  erwünschtes  raisonnirendes  repertorium  der  bisherigen  re- 
sultate  und  meinungen.  Es  ist  vollkommen  richtig,  wie  der 
vf.  in  dem  vorwort  bemerkt ,  dass  diese  arbeit  bis  jetzt  noch 
nicht  gethan  ist;  denn  die  arbeiter  auf  diesem  feld  haben,  wie 
er  sagt,  dieses  entweder  nicht  gekonnt,  wie  Laurent,  Fischer 
(in  den  römischen  Zeittafeln),  Cardiuale,  oder,  wie  Baiter,  Clin- 
ton (Fast.  Hell.  vol.  III),  Henzen  (Corp.  Inscr.  L.  vol.  I)  nicht 
gewollt ;  nur  hätte  gegen  Clinton  nicht  sowohl  geltend  gemacht 
werden  sollen,  dass  er  sich  zu  sehr  auf  die  ermittelung  der 
zahlen  der  censierten  bürger  beschränkt  habe,  als  vielmehr, 
dass  seine  behandlung  des  gegenständes  erst  vom  j.  491  d.  st. 
(293  v.  Chr.)  beginnt  und  demnach  ein  grosses  gebiet  des  ge- 
genständes völlig  unberührt  lässt. 

Von  besonderem  interesse  ist  das  erste  capitel  des  com- 
mentars  de  origine  censurae  (p.  36  —  45).  Er  widerlegt  darin 
die  bekannte  ansieht  Th.  Mommsens,  dass  die  censur  ihren 
anfang  nicht  gleichzeitig   mit   der  einsetzuug    des  consulartribu- 


Nr.  10.  285.   Römische  alterthümer.  513 

nats  im  j.  311  d.  st.  (richtiger  310) ,  sondern  erst  mit  der  lex 
Aemilia  das  j.  320  und  zwar  sogleich  als  achtzehnmonatliches 
genommen  habe,  und  findet  dabei  zugleich  gelegenheit ,  eine 
andere  ebenfalls  von  Mommsen  vertretene  ,  aber  auch  ander- 
weit angenommene  und  heut  zu  tage  bereits  vielfach  in  Schul- 
bücher übergegangene  ansieht  in  ihrer  unhaltbarkeit  nachzuwei- 
sen, dass  nämlich  die  censur  von  Sulla  aufgehoben  und  erst 
von  Pompejus  in  seinem  ersten  consulat  im  j.  684  d.  st.  (70 
v.  Chr.)  wieder  hergestellt  worden  sei :  eine  ansieht,  die,  wie 
bekannt,  lediglich  auf  der  auetorität  des  unwissenden  und  leicht- 
fertigen Schob  Gronov.  ad  Cic.  p.  384  Orell.  beruht  und  die,  abge- 
sehn  von  andern  von  dem  verf.  beigebrachten  gründen,  schon 
durch  ihre  Unvereinbarkeit  sowohl  mit  den  intentionen  des 
Sulla  als  mit  denen  des  Pompejus  in  seinem  ersten  consulat 
ausgeschlossen  wird.  Ausserdem  sucht  der  verf.  in  diesem  ca- 
pitel  nachzuweisen,  dass  die  normalzeit  oder  doch  das  mini- 
mum  der  Zeitdauer  eines  lustrutn  drei  jähre  gewesen  seien,  und 
es  ist  nicht  in  abrede  zu  stellen,  dass  diese  kurze  dauer  mehr- 
fach und  zwar  ohne  durch  besondere  umstände  veranlasst  zu 
sein,  vorkommt,  indess  sind  die  Zwischenzeiten  zwischen  je  zwei 
lustren  so  verschieden,  dass  sich  hierüber  —  ebenso  wie  über 
den  amtsantritt  der  censoren  —  kaum  etwas  gewisses  wird 
ausmachen  lassen.  Mommsen  hat  vier  jähre  als  normalzeit  nach- 
zuweisen gesucht. 

In  den  beiden  anderen  capiteln  (p.  45 — 100)  werden  dar- 
auf die  einzelnen  cen>uren  von  der  ersten  bis  zur  letzten  des 
Vespasian  und  Titus  im  j.  825  d.  st.  (72  n.  Chr.)  unter  fortwäh- 
render beziehung  auf  die  bekannten  arbeiten  von  Borghesi, 
Mommsen,  Heuzen  je  nach  besekaffenheit  des  vorhandenen  ma- 
terials  mehr  oder  weniger  ausführlich  erörtert.  Die  hauptgrund- 
lage  bilden  selbstverständlich  die  erhaltenen  angaben  über  die 
censoren  in  den  Fasti  Capitolini,  denen  vf.  eine  uufehlbare  aue- 
torität beimisst:  womit  es  nicht  völlig  vereinbar  zu  sein  scheint, 
wenn  er  mitunter  die  von  Livius  oder  Diodor  benutzten  fasten 
als  abweichend  von  jenen,  d.  h.  also  doch,  wenn  jene  die  aus- 
schliesslich richtigen,  als  falsch  bezeichnet,  da  kein  grund 
abzusehen  ist ,  warum  die  einen  oder  die  andern  besser  oder 
schlechter  gewesen  sein  sollten.  Ein  besonderes  gewicht  wird 
auf  die  zahlangaben  über  die  lustra  gelegt ,  von  welchen  das 
Philol.  Anz.  V.  33 


514  285.  Römische  alterthümer.  Nr.  10. 

der  ersten  censoren  des  j.  310  (444),  wie  bereits  von  Sigonius 
und  Clinton  (Fast.  Hell.  III,  439)  dargethan,  das  eilfte  gewe- 
sen ist.  Nun  sind  diese  zahlangaben  von  dem  25sten  des 
j.  436  (318)  bis  zum  58sten  des  j.  618  (136)  fast  vollständig 
erhalten;  hier  bewegen  wir  uns  also  auf  sicherem  boden.  Da- 
gegen sind  für  die  zeit  vom  j.  310  (444)  bis  zum  j.  436  (318)  in 
betreff  der  dazwischen  liegenden  vierzehn  lustra  nur  zwei  zahl- 
angaben (lustrum  XVI  des  j.  351  und  lustr.  XX  des  j.  391), 
für  die  zeit  nach  618  (136)  aber  ist  nur  eine  einzige  zahlan- 
gabe,  nämlich  lustrum  LXIII  des  j.  646  (108),  erhalten.  In 
dieser  vor-  und  nachzeit  liegen  daher  die  meisten  Schwierig- 
keiten, obwohl  es  auch  in  der  zeit  von  436  (318)  bis  618 
(136)  nicht  an  solchen  fehlt. 

Es  kann  nicht  unsere  absieht  sein ,  von  dem  an  namen, 
zahlen  und  belegstellen  unendlich  reichen  inhalt  einen  auszug 
mitzutheilen ;  wir  werden  uns  vielmehr  darauf  beschränken  müs- 
sen ,  einiges  herauszuheben  was  ein  besonderes  interesse  bietet 
und  dem  verf.  eigenthümlich  ist,  womit  freilich  zugleich  gesagt 
ist,  da  dasjenige,  was  mit  einiger  Sicherheit  festzustellen,  schon 
durch  die  gelehrten  Untersuchungen  von  Clinton,  Borghesi, 
Mommsen,  Henzen  vorweggenommen  ist,  dass  jenes  hauptsächlich 
nur  in  conjeeturen  bestehen  wird.  Einen  solchen  gegenständ 
bildet  die  erörterung  der  censur  vom  j.  361  d.  st.  (393).  Dass 
in  diesem  jähr  ein  lustrum  stattgefunden  hat,  ist  unzweifelhaft 
und  wird  auch  von  dem  verf.  nicht  bezweifelt.  Nun  heisst  es 
aber  bei  Fe?tus  (p.  364  M.):  (tributum)  quoddam  temer  arium  t  ut 
post  urbein  a  Gallis  captam  conlatum  est,  quia  proximis  XV  annis 
census  alius  (wofür  allgemein  actus  gelesen  wird)  non  erat.  Hier- 
nach ist  also  fünfzehn  jähre  lang  entweder  vor  oder  nach  der 
einnähme  Roms  durch  die  Gallier  kein  census  gehalten  worden. 
Der  verf.  entscheidet  sich  für  die  erstere  annähme  (gegen  Nie- 
buhr,  Borghesi,  Cardinali).  Wie  beseitigt  er  nun  aber  das  lu- 
strum von  361?  Er  nimmt  an,  dass  dieses  lustrum,  weil  in 
dessen  verlauf  die  unglückliche  katastrophe  durch  die  Verbren- 
nung Roms  gefallen,  nicht  als  gültig  angesehen  worden  sei, 
und  sucht  dies  durch  die  analogie  der  ceusur  vom  j.  665  (89) 
zu  begründen,  von  welcher  ebenfalls  mehrfach  bezeugt  ist,  dass 
sie  mit  einem  lustrum  geschlossen  habe,  während  Cicero  (pro 
Arch.  5,  11)  ausdrücklich  sagt,    dass   in  derselben  kein  census 


Nr.  10.  285.  Römische  altertliümer.  515 

stattgefunden  habe  (nullam  populi  partem  esse  censam).  Hier 
haben  wir  nämlich  bei  Festus  (p.  289  M.)  die  bestimmte  an- 
gäbe ,  dass  dieses  lustrum  parum  felix  gewesen  sei,  und  wenn 
wir  also  an  dieser  stelle  den  Widerspruch  zwischen  Cicero  und 
den  übrigen  zeugen  durch  die  annähme  lösen ,  dass  ein  lustrum 
parum  felix  als  ungültig  angesehen  worden  sei ,  so  wird  sich 
dies  auch  füglich  auf  das  lustrum  vom  j.  361  übertragen  las- 
sen. Wir  gestehen ,  dass  wir  dieses  expediens  für  sehr  wahr- 
scheinlich halten,  und  wundern  uns  nur,  dass  der  verf.  das  erat 
in  der  stelle  des  Festus  nicht  gegen  diejenigen  geltend  ge- 
macht hat,  welche  die  fünfzehn  jähre ,  wo  kein  census  gehal- 
ten, in  die  zeit  nach  dem  gallischen  brand  gesetzt  haben.  Ebenso 
wahrscheinlich  finden  wir  die  vermuthung  (p.  73  ff.)  ,  dass  die 
censur  der  beiden  Scipionen,  welche  nach  Vell.  Pat.  II,  8,  2  als 
brüder  zusammen  dieses  amt  bekleidet,  in  das  j.  414  (340)  zu 
setzen  sei,  und  nicht  minder  interessant,  wenn  auch  minder 
wahrscheinlich  ist  auch  die  art  und  weise  wie  vf.  auf  grund 
einer  neuen  ergänzung  der  nur  in  kleinen  bruchstücken  er- 
haltenen stelle  Fest.  p.  237  M.  zu  beweisen  sucht,  dass  der 
eine  der  beiden  censoren  des  j.  474  (280)  nicht,  wie  man  ge- 
wöhnlich annimmt,  Q.  Fabius  Maximus  Gurges,  sondern  L.  Cor- 
nelius gewesen  sei. 

Wir  müssen  es  uns  versagen,  auf  die  ausführlichen  erör- 
terungen  des  verf.  über  die  stellen  Diod.  XV,  22  und  50  (nach 
den  lesarten  der  handschrift  von  Patmos)  näher  einzugehen, 
durch  welche  er  über  die  censuren  von  365  und  374  d.  st. 
zu  neuen  resultaten  zu  gelangen  sucht  (p.  64  ff.),  und  müssen 
uns  auch  in  bezug  auf  die  zeit  nach  618  (136)  darauf  be- 
schränken, beispielsweise  anzuführen,  dass  er  die  beweiskraft 
der  zwei  stellen  Val.  Max.  VIH,  5,  1  und  VI,  1,  5  für  eine 
censur  des  L.  Metellus  Calvus  und  des  Q.  Fabius  Servilianus 
im  j.  628  zu  beseitigen  sucht  (p.  84  ff.) ,  dass  er  für  das  j. 
634  (120)  und  lustrum  LXI  die  censoren  Q.  Caecilius  Metel- 
lus Balearicus  und  L.  Calpurnius  Piso  Frugi  (diesen  gegen  Momm- 
sen)  sehr  wahrscheinlich  macht  (p.  87  ff.),  dass  er  dem  j.  646 
neben  C.  Licinius  Geta  den  Q.  Fabius  Maximus  Eburnus(?)  als 
censor  zuweist,  dass  er  mit  Borghesi  die  abhaltung  des  lustrum 
durch  die  bekannten  censoren  des  j.  662  (92)  Domitius  und 
Crassus  bestreitet,  dagegen  aber    den   von  Borghesi    aus  Fronto 

33* 


616  285.   Römische  alterthümer.  Nr.  10. 

gezogenen  bcMuss  widerlegt,  dass  im  j.  694  ein  Acilius  censor 
gewesen  sei  (p.  92  fl.).  In  bezug  auf  die  vorletzte  censur  des 
kaisers  Claudius  und  des  L.  Vitellius  meint  er  aus  völlig  un- 
zureichenden gründen ,  dass  das  lustrum  derselben  vor  dem 
tode  der  Messalina  stattgefunden  habe,  obgleich  Tacitus  (Ann. 
XI,  25)  das  lustrum  vorher  berichtet  und  ausdrücklich  sagt,  dass 
die  katastrophe  der  Messalina  kurze  zeit  nachher  erfolgt  sei. 
Er  glaubt  (p.  98)  diesen  gegengrund  damit  beseitigen  zu  kön- 
nen, dass  Tacitus  die  partie  Ann.  XI,  13 — 25  aus  einer  anderen 
quelle  entnommen  habe,  worin  die  geschichte  der  censur  im  Zu- 
sammenhang ohne  rücksicht  auf  die  gleichzeitigen  Vorgänge  erzählt 
gewesen  sei,  der  also  Tacitus  ganz  gedankenlos  gefolgt  sein  soll. 

Der  eigenen  conjecturen  hat  sich  der  verf. ,  was  nur  zu 
billigen  ist,  zumal  da  es  sich  ja  meist  um  zahlen  und  namen 
handelt,  fast  völlig  enthalten.  Wir  haben  nur  eine  zu  er- 
wähnen, aber  eine  sehr  unglückliche,  die  sich  auf  eine  be- 
kannte stelle  des  Phlegon  (Phot.  cod.  97)  bezieht.  Hier  wird 
eine  censur  erwähnt ,  die  wegen  der  anzahl  der  censierten  nur 
die  des  j.  684  sein  kann;  eben  dies  jähr  wird  aber  auch  von 
Phlegon  durch  ttjg  'Ot.vtiniädog  qo£'  (=  177,  3)  vollkommen 
richtig  bezeichnet.  Wunderbarer  weise  hat  nun  Clinton  den 
recbnungsfehler  gemacht,  dass  er  hierin  das  j.  668  findet,  der 
verf.  macht  nun  den  zweiten  rechnungsfehler,  indem  er  meint, 
dass  dies  das  j.  689  sei,  und  emendiert  daher  oog\  obgleich 
Mommsen  (Rom.  Gesch.  bd.  2,  p.  220,  2te  aufl.)  längst  das 
richtige  gesehen  hat. 

Zum  schluss  können  wir  nicht  umhin  zu  bemerken ,  dass 
die  schrift  durch  ziemlich  viele  druckfehler  entstellt  ist,  darun- 
ter auch  recht  unangenehme  in  den  zahlen  (p.  69.  88),  und 
dass  der  ausdruck  nicht  selten  recht  unlateinisch  und  uncorrect 
ist.  So  findet  sich  aliquot  temporis  ante  („einige  zeit  vor"  — , 
p.  99),  aliquantum  post  (p.  70),  nimis  corruptus  unde  (,,zu  ver- 
dorben um  daraus"  — ,  p.  77),  so  ist  sin,  veluti ,  quod  viel- 
fach falsch  gebraucht,  alter  für  alius  (z.  b.  p.  80),  namentlich 
ist  memoria  vielfach  in  ganz  unlateinischer  weise  gemissbraucht. 
Auch  wenn  lateinisch  geschrieben  wird,  was  übrigens  in  dem 
vorliegenden  falle  kaum  nöthig  war,  so  wird  man  doch  mit 
recht  beanspruchen  dürfen,  dass  die  spräche  zwar  nicht  cicero- 
nianisch,  aber  doch  klar  und  correct  sei. 


Nr.  10.  286.  287.  Römische  alterthümer.  517 

286.  De  municipiis  et  coloniis  aetate  imperatorum  Ro- 
manorum ex  canabis  legionum  ortis.  Scr.  J.  P.  Joergensen. 
Dissert.  inaug.  Gottingensis.     8.     Berolin.  1871.     64  pp. 

Dasselbe  thema,  das  diese  dissertation  behandelt,  hat 
neuerdings  Mommsen  (im  Hermes  VIII,  1873  p.  299 — 326: 
die  römischen  lagerstädte)  zum  gegenständ  einer  ausgezeichneten 
Untersuchung  gemacht.  Da  die  dissertation,  wie  man  auch  aus 
andeutungen  des  Verfassers  schliessen  kann,  mit  Mommsen's 
Unterstützung  gefertigt  worden  ist ,  so  darf  man  füglich  von 
einer  besprechung  derselben  hier  absehen ,  da  es  schwer  sein 
würde,  zu  constatiren,  in  wie  weit  dieselbe  auf  selbständiger 
Untersuchung  basirt. 

287.  De  proconsulatu  Ciceronis  Ciliciensi.  Scr.  Casp. 
Härtung.     8.     Würzb.  1868.     67  p. 

Die  vorliegende  kleine  schrift,  deren  anzeige  durch  zufall 
verspätet  ist,  handelt  in  drei  abschnitten  de  Cilicia  jprovincia, 
quare  Cicero  in  provinciam  ire  debuerit ,  quornodo  Ciliciam  provin~ 
ciam  administraverit.  Die  beiden  ersteren,  dem  dritten  auch  an 
umfang  weit  nachstehenden  abschnitte  enthalten  wenig  mehr  als 
was  theils  (für  den  ersten  abschnitt)  in  dem  Becker-Marquardt- 
schen  handbuche  (bd.  HI,  abth.  1),  theils  (für  den  zweiten  ab- 
schnitt) in  dem  bekannten  Drumannschen  werke  zu  finden  ist. 
Die  frage  über  die  zeit  der  gründung  der  provinz  beantwortet 
vf.  dahin,  dass  er  dieselbe  von  Sulla  im  j.  674  (80)  eingerichtet, 
von  Pompejus  aber  erweitert  werden  lässt.  Im  zweiten  ab- 
schnitt polemisiert  er  hauptsächlich  gegen  Zumpt,  welcher  an- 
nimmt, dass  dem  Cicero  die  provinz  durch  einen  besonderen 
senatsbeschluss  zuertheilt,  nicht  durchs  loos  zugefallen  sei.  So 
wenig  wir  aber  die  ansieht  Zumpts  für  ausgemacht  halten,  so 
finden  wir  doch  den  gegenbeweis  des  verfs  nichts  weniger  als 
stringent.  Denn  wenn  er  aus  dem  bekannten  briefe  des  Cae- 
lius  (Cic.  ad  Farn.  VIII,  8)  folgert ,  dass  Cilicien  zu  den  prä- 
torischen  provinzen  gehört  habe ,  so  ist  dies  erstens  an  sich 
ein  unsicherer  schluss ,  da  vor  der  kaiserzeit  in  dieselben  pro- 
vinzen je  nach  umständen  bald  proconsuln  bald  proprätoren  ge- 
schickt wurden,  s.  Becker-Marquardt,  Handbuch  u.  s.w.,  III,  1, 
p.  277,  zweitens  ist  nicht  abzusehen,  wie  damit  die  Zumptsche 
ansieht  widerlegt  sein  soll.     Der  dritte  abschnitt  besteht,    abge- 


518  288.  Archaeologie.  Nr.  10. 

sehen  von  einigen ,  nicht  ganz  hierher  gehörigen  allgemeinen 
erörterungen  über  das  Edictumprovinciale  und  dergleichen,  haupt- 
sächlich aus  einem  panegyrikus  auf  die  Verwaltung  Cicero's. 
Wenn  er  dabei  Cicero's  benehmen  hinsichtlich  der  erpressungen 
des  Brutus  nicht  zu  rechtfertigen  vermag,  so  hilft  er  sich  mit 
folgender  sonderbaren  Wendung,  die  den  schluss  des  schriftchens 
bildet :  Sin  vero  quis  existimet,  illum  in  re  Bruti  cum  Salaminiis 
esse  vituperandum,  eum  recordari  velim,  nobis  proponi  virorum  cla- 
rorum  et  vitia,  ut  corrigamus  nostra,  et  virtutes,  ut  eas  imitemur. 

288.  Die  vasensammlungen  des  Museo  Nazionale  zu  Nea- 
pel, beschrieben  von  H.  Hey  d  emann.  Mit  22  lithographischen 
tafeln.     8.     Berlin.  G.  Reimer.  1872.  —     5  thlr.  20  gr. 

Bisher  gab  es  von  den  neapler  vasensammlungen  nur 
kurze,  vielfach  ungenügende  Verzeichnisse,  die  mit  wenigen  aus- 
nahmen von  Italienern  angefertigt  waren.  Statt  ihrer  besitzen 
wir  jetzt  in  dem  grossen,  über  900  octavseiten  enthaltenden 
kataloge  von  H.  Heydemann  zum  ersten  mal  ein  ausreichendes 
werk,  das,  obwohl  es  selbstverständlich  den  bestand  des  fort- 
während wachsenden  museums  nur  bis  zu  einem  bestimmten 
jähre,  dem  jähre  1869,  hat  geben  können,  trotzdem  als  ein 
sehr  echätzenswerther  grundstock  zu  betrachten  ist,  dessen  mit 
der  zeit  sich  vernothwendigende  erweiterungen  später  vielleicht 
in  der  form  von  Supplementen  nachgetragen  werden  können. 
In  der  ganzen  anläge  des  katalogs  ist  Heydemann  dem  von 
0.  Jahn  in  seiner  beschreibung  der  münchner  vasensammlung 
gegebenen  vorbilde  gefolgt:  einer  mit  ausführlicher  angäbe  des 
einschlägigen  wissenschaftlichen  apparats  versehenen  gedrängten 
beschreibung  aller  mit  figuren  bemalten  vasen  auf  891  Seiten 
schliesst  sich  von  p.  892—898  ein  alphabetisch  geordnetes  ver- 
zeichniss  derjenigen  werke  an,  welche  abbildungen  von  neapo- 
litanischen vasen  enthalten,  und  zwar  mit  angäbe  der  betreffen- 
den nummern  des  katalogs;  darauf  folgt  zweitens  p.  899 — 
923  ein  sehr  reichhaltiges  sach-  und  namenregister ,  und  drit- 
tens eine  lange  reihe  von  sauber  ausgeführten  tafeln,  zunächst 
drei  tafeln  mit  abbildungen  aller  in  der  neapler  Sammlung  vor- 
kommenden gefässformen,  formen ,  die  zum  theil  auch  für  in- 
dustrielle von  werth  sein  dürften,  sodann  19  tafeln  mit  facsimile- 
nachbildungen  einer  grossen  zahl  lesbarer  und  nicht   lesbarer  in* 


Nr.  10.  288.  Archaeologie.  519 

Inschriften,  buchstaben  und  zeichen.  Weggelassen  ist  dagegen  im 
vergleich  zu  0.  Jahns  katalog,  und  zwar  ohne  dass  der  Verfasser 
seine  gründe  dafür  angäbe,  ein  alphabetisch  geordnetes  griechisches 
verzeichniss  der  in  den  inschriften  vorkommenden  namen  und 
Wörter.  Zwar  hat  der  Verfasser  dafür  im  sach  -  und  namenre- 
gister  einen  besondern  artikel  unter  „inschriften"  gegeben,  der 
wenigstens  die  unleserlichen,  verschriebenen,  metrischen,  mo- 
dernen und  etruskischen  inschriften  nach  den  betreffenden  va- 
sennummern  zusammenfasst ,  ferner  unter  xalö g  und  o  7ioü$ 
xalög  eine  sehr  grosse  zahl  von  belegstellen  angeführt  —  letzteres 
im  gegensatz  zu  Jahn's  katalog,  wo  an  dieser  stelle  auf  eine 
grössere  ausführlicbkeit  wegen  des  allzu  häufigen  Vorkommens 
dieser  bezeichnungen  mit  recht  verzichtet  ist  — ,  weitere  in* 
Schriften  unter  dem  artikel  ,,panathenäische  vasen"  citirt,  und  end- 
lich die  zugleich  inschriftlich  bezeugten  Wörter  und  namen  des  Sach- 
registers durch  eine  mit  fetter  cursivschrift  gedruckte  ziffer  der  be- 
treffenden vase  angedeutet.  Indessen  geht  auf  diese  weise  jene 
leichte  Übersichtlichkeit  verloren,  welche  in  Otto  Jahns  kataloge 
mit  dem  besonderen  register  der  inschriften  erreicht  ist.  Auch 
der  umstand,  dass  der  grösste  theil  der  neapler  vaseninschrif- 
ten  in's  Corpus  inscriptionum  graecarum  aufgenommen  ist,  hätte 
nicht  davon  abhalten  sollen,  die  von  Jahn  für  ein  specielles 
lexicon  der  vasensprache  gelegte  basis  mit  dem  gegebenen  ma- 
terial  auf  dieselbe  art  weiter  zu  führen  und  somit  den  gebrauch 
des  katalogs  zugleich  bequemer  und  leichter  zu  machen.  Wenn 
nun  aber  auch  der  Verfasser  aus  irgend  welchen  gründen  hier- 
auf verzichtete ,  so  hätte  er  dafür  wenigstens  in  der  verwer- 
thung  der  inschriften  für  das  sach-  und  namenregister  etwas 
consequenter  sein  sollen.  So  ist  z.  b.  von  dem  ganzen  be- 
kannten distichon  auf  einer  gemalten  atele  der  vase  2868  bei 
Heydemann 

NttTttl  [  ]  MOAAXHN  TE  KAI  AZ&OJOAON  PO- 

ATPIXON 
KOAUttl  A  OldlUOdAN  A MOTION  EX&. 
JVarcp  (ptv)  [ia\d%?]v  78  xal  aacpöSslov  tioXvqi'Qov 
xoXncp  8'   Ol8in68av  Aalov  vlov  s%co. 
(vgl.  Otto  Jahn,    einleitg    in    d.    vasenk.    p.  124)    im    register 
nichts  als  unter  dem  artikel  „inschriften"  die  nummer  der  vase 
enthalten.     Jedenfalls  ist    nicht  abzusehen,   warum  nicht  dort, 


620  288.  Archaeologie.  Nr.  10. 

wenigstens  beim  namen  „Oedipus"  auch  das  patronymicum  Oldino- 
8a$  oder  Oidmodqg  (s.  Jahn  Arch.  beitrage  p.  113,  n.  67) 
und  bei  ,,Laiosu  seine  inschriftliche  bezeugung  auf  dieser  vase 
durch  deren  beizusetzende  nummer  angedeutet  worden.  Es  ist 
ferner  kein  grund  zu  finden,  warum  nicht  auch  die  übrigen  in 
diesem  distichon  vorkommenden  Wörter  einzeln  ins  verzeichniss 
aufgenommen  wurden,  während  doch  andrerseits  z.  b.  das  ngoga- 
yoosvoj  der  vase  2609  und  das  väi%i  der  vase  187  der  Rac- 
colta  Cumana  angegeben  sind.  Man  vergleiche  dagegen  in  Otto 
Jahns  register  der  inschriften  nur  die  Verwendung  der  auf  ei- 
nem gemalten  schlauch,  Wasserbecken,  blatt  und  schild  vorkom- 
menden inschriften  der  vasen  332,  349,  795,  805,  1305  u.  a. 
mehr.  Wie  aber  hier  ein  übermass  fernzuhalten  und  modo  et 
ratione  zu  verfahren  sei ,  das  ist  bei  Otto  Jahn  u.  a.  an  dem 
artikel  xalo$  zu  sehen. 

Noch  einige  andere  dinge  dieser  art  seien  hier  erwähnt. 
So  ist  z.  b.  die  inschrift  Xuiqb  xa)  ni'si  tl  der  vase  2476  un- 
ter dem  buchstaben  C  angeführt,  während  von  der  inschrift 
der  vase  117  der  Eaccolta  Cumana  ET2QTEP,  die  von  an- 
dern als  Zev  o<x>7?q  gelesen  wird,  in  Heydemanns  register  nichts 
zu  finden  ist,  desgleichen  nichts,  auch  nichts  unter  ,,stele(t, 
von  der  zweimal  (nr.  2869  und  nr.  657  der  Sammlung  Sant- 
angelo)  in  Neapel  auf  einer  gemalten  stele  vorkommenden  in- 
schrift TEPMON  (rt'Qftmv  s.  Otto  Jahn,  Münchner  vas.  zu  nr.  294). 
Ferner  fehlt  im  index  der  name  des  Hegesarchos  auf  nr.  1212  und 
desNearchos,  des  vaters  des  bekannten,  auch  inNeapel  viermal  auf 
n.  2528,  2532,  2627  und  auf  n.  271  des  Museo  Santangelo  vorkom- 
menden oftgenannten  vasenmalers  Tleson  (s.  Brunn,  Gesch.  d. 
gr.  künstlerll,  p.738).  Der  name  des  letzteren  ist  nicht  verges- 
sen, doch  auch  der  des  Nearchos  ist  wichtig  genug,  um  an  dieser 
stelle  nicht  übersehen  zu  weiden.  Benndorf,  sicil.  und  ath.  va- 
senbilder  heft  I,  p.  23,  hält  ihn  bekanntlich  für  denselben, 
der  auf  den  stylistisch  in  so  hohem  grade  interessanten  frag- 
menten  der  taf.  XIII  des  genannten  werkes  als  maier  dersel- 
ben genannt  wird.  Man  vergleiche  ferner  dazu  die  gleichfalls 
in  den  apparat  zu  nr.  2528  nachzutragenden  bemerkungen  G. 
Hirschfelds,  Tituli  stat.  sculpt.  gr.  p.  39,  in  dem  beachtenswer- 
then  capitel  :  de  patribus  quorum  graeci  artifices  in  titulis  mentio- 
nem  fecerunt,    und  die  auf  diesem   gebiet   eine  weitere  kunstge- 


Nr.  10.  288.  Archaeologie.  521 

sehichtliche  perspective  eröffnende  note  auf  p.  40  bei  Brunn, 
Probleme  z.  gesch.  d.  Vasenmalerei.  Endlich  sei  nocb  erwähnt, 
dass  von  der  inschrift  der  vase  nr.  2871  E1TTP.ZHOKA1- 
ATMA  zwar  der  zweite  name ,  der  des  Kailymas  im  index 
stebt,  der  erste  aber ,  der  nach  den  von  Heydemann  citirten 
analogien,  wie  JiqiiXoag  für  diqulog,  /Jioivsoig  für  diövvaog, 
AXy.i/nu^mg  für  '  AlaifJia^ng  und  Kav&aQWg  für  Kuvdugog  als  lt- 
rag  für  "Irrog  zu  nehmen  ist,  weggelassen  worden.  Haec 
hactenus. 

Sieht  man  aber  von  diesen  einzelnen  mangeln  letzter  ge- 
nauigkeit  ab,  so  muss  man  unbedingt  zugeben,  dass  das  aus- 
führliche sach  -  und  namenregister ,  worauf  ja  bei  katalogen 
sehr  viel  ankommt ,  nicht  bloss  von  dem  grossen  sammelfleisse 
des  Verfassers  zeugt,  sondern  auch  eine  sehr  dankenswerthe  be- 
reicberung  der  archäologischen  litteratur  ist. 

Den  grösseren  theil  der  neapler  vasensammlung  bildet  die 
in  acht  zimmern  oder  sälen  aufgestellte  Sammlung  des  alten 
Museo  Borbonico  mit  ungefähr  5000  nummern ,  bei  Heydemann 
p.  1 — 620,  nr.  1 — 3496.  In  diesen  theil  der  Sammlung  ist 
unter  andern  die  nach  ihrem  früheren  besitzer  genannte  vor- 
zügliche Sammlung  Vivenzio  aufgenommen.  Nach  einschiebung 
zweier  der  Raccolta  porncgrafica  angehöriger  vasen  folgt  hierauf 
bei  Heydemann  die  erst  zu  anfang  der  sechziger  jähre  erwor- 
bene, ehemals  dem  bourbonenminister  Niecola  Santangelo  gehö- 
rende, nach  ihm  benannte  und  ungefähr  1500  gefässe  umfas- 
sende Sammlung  Santangelo ,  die  in  drei  räumen  aufgestellt  ist, 
p.  621—819,  nr.  1—709.  Den  letzten  theil  bildet  die  Rac- 
colta Cumana,  bei  Heydemann  p.  821 — 886,  nr.  1  —  246.  Sie 
ist  durch  ausgrabungen  zusammengebracht,  die  in  den  jähren 
1853  und  1856  vom  grafen  Syrakus  auf  dem  gebiete  des  al- 
ten Oumae  veranstaltet  und  von  Giuseppe  Fiorelli,  dem  gegen- 
wärtigen  director  des  Museo  Nazionale,  geleitet  wurden. 

Wer  die  grosse  vasensammlung  des  Museo  Nazionale  zum 
ersten  male  sieht,  der  empfängt  im  gegensatz  zu  andern  mu- 
seen  dieser  art  sofort  den  eindruck  einer  zusammenhängenden, 
im  alterthum  einst  an  ort  und  stelle  sehr  ausgebreiteten  localfa- 
brikation,  die  im  ganzen  mehr  flüchtig ,  mehr  auf  den  schein 
und  prunk  hin ,  als  auf  die  hervorbringung  wirklich  feiner  und 
gediegener  leistungen  berechnet  war.       Es  ist  der  eindruck  der 


522  288.  Archaeologie.  Nr.  10. 

schon  den  niedergang  der  alten  kunst  repräsentirenden  unter- 
italischen, vorzugsweise  apulischen  und  lukanischen  Vasenmale- 
rei, die  von  Otto  Jahn  in  der  einleitung  zum  münchner  va- 
senkatalog  (HI,  5,  p.  218  —  233)  treffend  charakterisirt  ist. 
Die  ausserordentlich  grosse  menge  solcher  vasen,  deren  hilder 
recht  anschaulich  das  raffinirte  und  verweichlichte  wesen  der 
späteren  zeiten  des  alterthums  offenbaren,  ist  ferner  die  Ursa- 
che, warum  eine  ganze  anzahl  feinerer  vasen,  z.  b.  die  nolani- 
schen,  der  Sammlung  Vivenzio  angehörenden ,  nicht  sogleich  in 
die  äugen  springen,  und  warum  die  neapler  Sammlungen  trotz 
ihrer  imponirenden  ausdehnung  und  grosse  bei  der  ersten  über- 
schau weniger  bedeutend  und  wichtig  erscheinen  als  sie  wirk- 
lich sind.  Auf  eine  ausführlichere  darstellung  aller  dieser  ei- 
genthümlichkeiten  unteritalischer  vasenfabrikation ,  wie  sie  sich 
auf  grund  der  schon  von  Jahn  a.  o.  gegebenen  trefflichen  be- 
merkungen  an  dem  grossen  von  Heydemann  gesammelten  ma- 
terial  noch  eingehender  geben  Hesse  —  und  gewiss  nicht  ohne 
aussieht  auf  manche  neue,  die  eigenschaften  dieser  ganzen  gat- 
tung  noch  schärfer  ins  licht  stellende  resultate  —  hat  Heyde- 
mann sich  nicht  eingelassen.  Darüber  aber  darf  angesichts  sei- 
ner ohnehin  schon  hinlänglich  umfangreichen  arbeit,  bei  wel- 
cher er  sich  zuletzt  billiger  weise  nach  einem  abschluss  sehnen 
mochte,  durchaus  nicht  mit  ihm  gerechtet  werden,  zumal  es 
noch  fraglich  erscheint,  ob  eine  solche  zusammenfassende  arbeit 
nach  Jahns  vorgange  immer  aufs  neue  wieder  innerhalb  des  rah- 
mens  eines  derartigen  katalogs  gegeben  werden  müsse.  Es  sollen 
diese  bemerkungen  deshalb  bloss  andeuten,  von  welcher  be- 
schaffenheit  das  vorliegende  material  in  der  mehrzahl  sei,  und 
nach  welchen  richtungen  hin  dasselbe  noch  in  fruchtbringender 
weise  durcharbeitet  werden  dürfte.  Dabei  ist  nun  freilich  zu 
bedauern ,  dass  Heydemann ,  wie  er  selber  in  seiner  vorrede 
beklagt,  das  angeblich  im  archiv  des  neapler  museums  befind- 
liche „iuventar  der  vasen"  nicht  einsehen  und  somit  eine  grosse 
zahl  von  wichtigen  fundnotizen  nicht  verwerthen  konnte.  Es 
lässt  sich  annehmen,  dass  ihn  hieran  eine  von  irgendwelcher 
eifersucht  eingegebene  caprice  ,  auf  die  deutsche  gelehrsamkeit 
in  Italien  nicht  selten  ganz  wider  erwarten  zu  stossen  pflegt, 
gehindert  habe. 

Auf  Heydemanns  beschreibungeu   selber  ausführlicher   ein- 


Nr.  10.  288.  Archaeologie.  523 

zugehen  verbietet  hier  der  räum ;  es  sei  deshalb  erlaubt,  nur  auf 
eine  sache,  die  mir  wichtig  genug  erscheint,  aufmerksam  zu 
machen.  Wer  bei  der  durchblätterung  des  katalogs  einige  tau- 
send male  bezeichnungen  liest  wie  folgende:  rohe  Zeichnung» 
roheste  z.,  fast  rohe  z. ,  gewöhnliche  z. ,  flüchtige  z.,  flüchtig 
leidliche  z.,  sehr  flüchtige  z.,  flüchtig  feine  z.,  flüchtige  archaisti- 
sche z.,  geringe  z.,  werthlose  z.,  grobe  z.,  unfeine  sehr  realisti- 
sche z.,  leichte  z.,  schlechte  z.,  ganz  verdorbene  z. ;  andererseits: 
strenge  Zeichnung,  leidlich  strenge  z.,  strenge  grossartige  z.,  feine 
z.,  feinste  herrliche  z.,  anmuthige  z.,  leichte  anmuthige  z.,  anmu- 
thige  schöne  z.,  saubere  z.,  schönste  bewunderungswürdigste  z. 
u.  dgl.  mehr.,  der  wird  jedenfalls  bald  merken,  dass  dies  nicht 
das  richtige  sein  könne.  Denn  wer  die  vase  selber  oder  eine 
genaue  abbildung  derselben  nicht  im  sinne  hat,  der  gewinnt 
auch  von  solchen  ausdrücken  keine  bestimmte  Vorstellung ;  wer 
aber  die  vase  selber  oder  irgend  eine  abbildung  derselben  sich 
vergegenwärtigen  kann,  für  den  sind  jene  bezeichnungen  ganz 
überflüssig.  Nun  hat  zwar  nicht  jeder  archäologische  leser 
jede  vase  in  der  erinnerung,  auch  nicht  immer  gleich  eine 
zuverlässige  abbildung  zur  hand,  wohl  aber  kennt  derselbe  eine 
grosse  zahl  von  vasen,  von  denen  die  eine  diese ,  die  andere 
jene  stylgattung  mehr  oder  minder  repräsentirt.  Auf  eine  ver- 
gegenwärtigung des  styls  aber  kommt  es  doch  ganz  allein  nur 
an,  wenn  sich  der  leser  neben  dem  gegenstände,  den  die  Zeich- 
nung darstellt,  auch  einen  begriff  von  der  technischen  beschaf- 
fenheit  der  letzteren  machen  soll.  Heydemann  scheint  dies 
selber  gelegentlich  gefühlt  zu  haben,  wenn  er  z.  b.  zu  nr.  120 
des  Museo  Santangelo  auf  Brunns  bemerkungen  über  den  styl 
der  caeretaner  vasen,  Probl.  z.  gesch.  d.  vas.  p.  112,  §.  13, 
hinweist  und  bei  nr.  321  und  nr.  366  derselben  abtheilung 
zu  einer  vergleichung  des  styls  auffordert  (wobei  man  freilich 
im  neapler  museum  selber  sein  muss,  da  bis  jetzt  keine  abbil- 
dungen  von  diesen  beiden  vasen  vorhanden  sind).  Hier  ist 
der  punkt,  in  dem  Heydemann  über  Otto  Jahn,  der  ebenfalls 
vielfach  diese  allgemeinen  bezeichnungen  anwendet,  hätte  hin- 
ausgehen sollen.  Und  zwar  Hesse  sich  der  sache  durch  einen 
die  bis  jezt  bekannten  stylgattungen  repräsentirenden  vasenca- 
non,  bei  dessen  aufstellung  z.  b.  die  Brunnschen  probleme  zur 
gesch.   d.  Vasenmalerei  gute    dienste   leisten    würden,    abhelfen. 


524  Neue  auflagen.  —  Schulbücher.  Nr.  10. 

Auf  grund  eines  solchen  canons  könnte  man  dann  später  bei 
der  cbaracterisirung  irgend  einer  vasenzeicbuung  jedesmal  auf 
eine  bestimmte,  diesem  canon  angehörende  vase  hinweisen. 
Feine  stylistische  Unterscheidungen  sind  zwar  nicht  immer  je- 
dermanns sache  —  und  es  passt  hier  vielleicht  der  zweite  theil 
des  von  Heydemann  an  den  anfang  gestellten  motto's  :  „nur  in 
der  fühlenden  band  regt  sich  das  magische  reis"  —  indessen 
hätte  sich  der  in  der  vasenkunde  so  bewanderte  Verfasser  von 
der  eben  angedeuteten  aufgäbe  nicht  zurückhalten  lassen  sollen. 
Auch  würde  es  bei  einer  Sammlung  wie  der  von  Neapel  ge- 
wiss nicht  nöthig  gewesen  sein  ,  sich  bei  jeder  vase  eines  der- 
artigen hinweises  zu  bedienen;  hier  hätten  sich  ganze  gruppen 
schrank  -  oder  gar  zimmerweise  zusammenfassen  lassen.  So 
viel  aber  ist  gewiss,  dass  unsere  vasencataloge  nach  der  sty- 
listischen seite  hin  bis  jetzt  noch  nicht  ausgiebig  genug  sind; 
sie  dienen  vielmehr  in  einseitigerer  weise  hauptsächlich  dem  so- 
üuppo  di  erudizione  mitologica,  an  dem  die  archäologische  literatur, 
wie  Heibig  im  Bull.  d.  Inst.  1871,  p.  96  sich  ausdrückt,  schon 
fast  überfluss  leidet.  Auf  das  stylistische  aber  weisen  in  un- 
serer gegenwart  schon  eine  ganze  reihe  archäologischer  Studien 
hin;  dies  ist  ein  gebiet,  auf  welchem  die  kunstgeschichte  jetzt 
mehr  als  früher  gefördert  zu  werden  scheint,  und  jedenfalls 
auch  noch  zu  fördern  ist. 

Friedrich  Schlie. 

Neue  aufiageu. 

289.  Freund,  präparation  zu  Homers  Ilias.  10.  heft  3.  aufl.  16. 
Leipzig.  Violet;  5  ngr.  —  290.  Dess.  präparationen  zu  Cäsars  bür- 
gerkriegen.  1.  heft.  2.  aufl.  Leipzig.  Violet;  5  ngr. —  291  —  3.  Dess. 
präparation  zu  Cicero's  werken.  10.  heft.  2.  aufl.  16.  Leipzig. 
Violet ;  5  ngr. :  13.  heft.  2.  aufl. ;  5  ngr ;  7.  heft.  3.  aufl. ;  5  ngr.  — 
294.  Römische  geschichte  von  B.  O.  Niebuhr.  Neue  ausgäbe  von 
M.  Isler.  2.  bd.  1.  abth.  8.  Berlin.  Calvary;  15  ngr.  —  295. 
Carriere  aesthetik.  Die  idee  des  schönen  und  ihre  Verwirklichung 
durch  natur,  geist  und  kunst.  2  bde.  2.  aufl.  8.  Leipzig.  Brock- 
haus; 6  thlr. 

Neue  Schulbücher. 

296.  Homer's  Ilias.  Erklärende  Schulausgabe  von  H.  Diintzer. 
1.  heft.  1.  lfrg.  2.  aufl.  8.  Paderborn.  Schöningh;  12  ngr.  —  297. 
C.  I.  Caesaris  Commetitarii  de  bello  gallico.  Erklärt  von  J.  Quossek.  2. 
aufl.    8.    Cöln.  Schwann  ;   15  ngr.  —    298.  C.  Taciti  Germania.    Er- 


Nr.  10.  Bibliographie.  525 

klart  von  Tuecking.  2.  aufl.  8.  Paderborn.  Schöningh;  6  ngr.  — 
299.  Freund,  3  tafeln  der  griechischen,  römischen  und  deutschen  lite- 
raturgeschichte.  Imp.-fol.  Leipzig.  Violet;  ä  5  ngr.  —  300.  K. 
Schenkt,  deutsch -griechisches  Wörterbuch.  2.  aufl.  8.  Leipzig.  Teub- 
ner;  2  thlr.  24  ngr.  —  301.  J.  Ch.  Neuhaus,  die  sagen  von  den  göt- 
tern  und  helden  der  Griechen  und  Römer.  2.  ausg.  8.  Cöln.  Schwann; 
15  ngr.  —  302.  C.  Ch.  C.  Völker,  kleine  lebensbilder  aus  dem  al- 
terthum.  2.  aufl.  8.  Elberfeld.  Baedeker;  15  ngr.  -  303.  H.  W. 
Stoll,  erzählungen  aus  der  geschichte.  5.  bdchen.  8.  Leipzig.  Teub- 
ner;  15  ngr.  —  304.  J.  Quossek,  Übungsbuch  der  griechischen  sprach- 
elemente.  1.  thl.  Für  quarta.  3.  aufl.  8.  Paderborn.  Schöningh; 
12  ngr.  —  305.  J.  Beck,  griechische  geschichte  mit  besonderer  rück- 
sicht  auf  archäologie  und  literatur.  4.  ausg.  8.  Hannover.  Hahn; 
22l/2  ngr.  —  306.  O.  Schulz  Tirocinium ,  d.  i.  erste  Übungen  im 
übersetzen  aus  dem  lateinischen.  14.  aufl.  8.  Berlin.  Nicolai ;  10 
ngr.  —  307.  A.  Vanizen  ,  elementar  -grammatik  der  lateinischen 
spräche.  8.  Leipzig.  Teubner;  20  gr.  —  308.  R.  Kühner,  elemen- 
targrammatik  der  lateinischen  spräche.  36.  aufl.  8.  Hannover.  Hahn; 
1  thlr.  —  309.  Desselben  kurzgefasste  schulgrammatik  der  lateini- 
schen spräche.  3.  aufl.  8.  Hannover.  Hahn;  22 72  ngr.  —  310. 
Desselben  lateinische  Vorschule.  17.  aufl.  8.  Hannover.  Hahn;  12V2 
ngr.  —  311.  Fr.  Ellendts  lateinische  grammatik.  Bearbeitet  von 
M.  Seyffert.  13.  aufl.  8.  Berlin.  Weidmann;  20  gr.  —  312.  J.  F. 
Ellendt,  materialien  zum  übersetzen  aus  dem  deutschen  ins  lateini- 
sche. 5.  aufl.     Berlin.    Bornträger;  12  ngr. 


Bibliographie. 

Am  15.  mai  hat  Dr  Wilhelm  Engelmann  in  Leipzig  das  50jährige 
Jubiläum  der  von  seinem  vater  begründeten  firina  gefeiert:  das  hat  zu 
einem  aufsatz  in  Petzhold's  Neuem  Anzeiger  nr.  8  veranlassung  gege- 
ben, der  im  Börsenbl.  nr.  192  wiederholt  ist. 

Der  buchhändler  Steiger  in  New-York  ist  mit  herausgäbe  eines 
katalogs  der  amerikanischen  Zeitungen  so  wie  der  in  Amerika  er- 
schienenen originalwerke  bechäftigt.     Näheres  giebt  Börsenbl.  nr.  209. 

Die  königliche  bibliothek  in  Berlin  besitzt  jetzt  c.  708000  ge- 
druckte bände  und  über  15000  manuscripte.  In  dem  mit  ihr  verbundenen 
lesezimmer  sind  670  Zeitschriften  aller  art  zur  benutzung  aufgelegt. 

Von  dem  Moniteur  des  Dates  von  Fdouard  Marie  O etting er 
erscheint  unter  der  redaction  von  Dr  Hugo  Schramm  (-3Iacdonald) 
ein  Supplement  bei  B.  Hermann  in  Leipzig;  je  3  lieferungen  kosten 
2  thlr.  20  gr. 

Das  zauber -dintenfass  des  hauses  Hachette  et  Co.  in  Paris  wird 
näher  beschrieben  und  empfohlen  im  Börsenbl.  n.  209. 

Ein  verzeichniss  der  auf  der  wiener  Weltausstellung  prämiirten 
buchdrucker  ,  buchhändler  u.  dgl.  giebt  Börsenbl.  nr.  209.  2^7:  ein 
amtliches  verzeichniss  aller  preise  die  extra -beil.  zum  Reichsanz. 
n.  213. 

Ueber  den  preisaufschlag  der  Zeitungen  in  Berlin  giebt  nachwei- 
sungen  Börsenbl.  nr.  225. 

In  B.  G.  Teubner's  mittheilungen  für  1873  nr.  3  werden  als 
künftig  erscheinende  bücher  angekündigt:  Ausgewählte  reden  des 
Lysias  für  den  schulgebrauch  erklärt  von  H.  Frohberger.  Kleinere 
ausgäbe :  sie  soll  alle  reden  der  grössern  ausgäbe  mit  ausnähme  der 
de  caede  Eratosthenis,  wofür  die  7.  und  22.  eingelegt  wird,  in  einem 
bände  enthalten :    der   sonstige  unterschied   von  der  grössern  ausgäbe 


526  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  10. 

wird  so  angegeben:  die  ausgäbe  soll  nur  für  die  schüler  bestimmt  sein: 
ein  sehr  bedenklieber,  nur  aus  der  materiellen  riebtung  unsrer  zeit  er- 
klärbarer sebritt,  von  dem  noeb  die  rede  sein  wird  —  :  Euripides  Me- 
dea,  sebulausgabe  von  Dr  Wecklein:  Sallustius  für  den  schulgebrauch 
erklärt  von  A.  Ewsner:  C.  Valeri  Flacci  Setini  Balbi  Argonauticon 
11.  VIII.  Ree.  Aem.  Baehrens:  —  Vindiciae  Gellianae  alterae.  Ein 
brief  an  J.  N.  Madvig  in  Kopenhagen  von  31.  Hertz  (separatabdruck 
aus  Suppl.-bd  VI  der  Jahrb.  f.  class.  philologie) :  —  Cäsar  und  seine 
Zeitgenossen,  eine  betraebtung  der  römischen  sitten  gegen  das  ende 
der  republik.  Von  P.  Delorme.  Deutsch  bearbeitet  von  Dr  E.  Döh- 
ler :  —  Deutscher  schulkalender  für  1874.  XXIII  Jahrgang.  Mit  be- 
nutzung  amtlicher  quellen  herausgegeben  von  D.  H.  Mushacke:  dies 
buch  ist  nämlich  in  Teubner's  verlag  übergegangen  und  wird  aufge- 
fordert, die  herausgäbe  zu  unterstüzen. 

Ein  schulkatalog  der  Verlagshandlung  B.  G.  Teubner,  bis  august 
1873  gehend,  ist  erschienen. 

Cataloge  von  antiquaren :  156.  verzeichniss  des  antiquarischen  la- 
gers  von  H.  Härtung  in  Leipzig :  namentlich  ältere  periodische  werke 
enthaltend ;  328.  antiquarisches  bücherlager  von  Kirchhoff  und  Wi- 
gand:  vorzugsweise  classische  philologie;  8.  Richter  und  Harrasso- 
witz  antiquarischer  catalog,  linguistisch:  nr.  7  ist  ausschliesslich  phi- 
lologisch; VII.  bücherverzeichniss  von  Karl  J.  Trübner,  buchhändler 
zu  Strassburg  im  Elsass:  literatur  und  philologie  der  deutschen  und 
romanischen  sprachen. 

Detken  et  Bocholt ,    Catalogo  delle  opere    di  fondo  e    delle    novita 
letterarie  publicate  in  Italia.  1873.  nr.  1. 


Kleine  philologische  zeitung. 

Frankfurt  a.  d.  Oder,  6.  juni.  In  gleicher  weise  wie  in  andern 
provinzen  haben  auch  die  lehrer  höherer  lehranstalten  der  provinz 
Brandenburg  sich  in  den  pfingstferien  d.  j.  versammelt  und  zwar  hier 
am  3.  juni.  Die  anwesenden  collegen  beschlossen  sich  als  stehender 
verein  zu  constituiren  und  wählten  Dr  Zehme,  prorector  an  der  real- 
schule  in  Frankfurt,  zum  Vorsitzenden  desselben.  Einen  hauptpunkt 
der  Tagesordnung  bildete  die  frage  nach  der  den  lehrern  gebühren- 
den rangstufe.  Prof.  Hirschfelder  referirte  über  sämmtliche  hiebei  in 
frage  kommenden  gesetzlichen  Verordnungen,  die  freilich  nur  das  re- 
sultat  ergaben,  dass  die  gyrnnasiallehrer  erst  hinter  den  räthen  fünf- 
ter klasse  rangieren.  Der  antrag,  den  eultusminister  in  einer  peti- 
tion  um  gleichstellung  der  gymnasial -lehrer  mit  den  richtern  erster 
instanz  zu  ersuchen,  fand  daher  allgemeine  anerkennung.  Mit  der 
im  Kladderadatsch  und  anderwärts  viel  besprochenen  antwort  des 
ministers  an  eine  berliner  deputation  kann  das  organ  des  Vereins 
die  sache  unmöglich  als  erledigt  ansehen  und  wird  daher  zur  rech- 
ten zeit  sich  des  ihm  am  3.  juni  gewordenen  auftrags  entledigen. 
[Wir  verkennen  nicht,  dass  dieser  gegenständ  beachtet  werden  muss: 
aber  jetzt,  wo  im  innern  so  viel  zu  neuern,  wo  so  dringend  in  der  Ober- 
leitung ein  anderes  system  platz  greifen,  änderungen  im  fast  nur 
mit  Juristen  besetzten  eultusministerium  erstrebt  werden  sollten, 
da  solche  äusserlichkeiten??]  —  Der  berichterstatter  über  die  ascen- 
sionsfrage,  OL.  Dr  Hahn  aus  Berlin  wies  auf  die  Ungleichheit  des 
avancements  hin,  die  meist  nicht  in  verschiedener  tüchtigkeit,  sondern 
in  mannigfachen  äusseren  umständen  ihren  grund  habe.  Während 
in  diesem  punkte  die  Versammlung  dem  vortragenden  zustimmte, 
vermochte  sie  die  Zweckmässigkeit  und  durchfübrbarkeit  seines  gegen- 


Nr.  10.  Kleine  philologische  zeitcmg.  527 

Vorschlags  —  avancement  durch  die  ganze  provinz  nach  der  ancien- 
nität  modificirt  durch  qualificationsklassen  —  nicht  unbedingt  anzu- 
erkennen und  überwies  die  weitere  Verfolgung  der  angelegenheit  ih- 
rem vorstände.  Da  jedoch  dieser  sich  unmöglich  oft  und  regelmä- 
ssig versammeln  kann,  hat  er  eine  commission  in  Berlin  beauftragt  jene 
frage  aufs  neue  in  erwägung  zu  ziehen  und  ihm  weitere  vorschlage 
darüber  zu  machen.  —  Auch  wegen  durchführung  des  nornialetats 
an  anstalten  nicht  königlichen  patronats  wurde  eine  petition  an  das 
ministerium  beschlossen.  Nachdem  jedoch  der  etat  nunmehr  an  den 
schulen,  deren  patrone  den  f orderungen  des  ministeriums  genügt  ha- 
ben, bereits  eingeführt  ist,  kann  diese  petition  im  sinne  der  dama- 
ligen Sachlage  jedenfalls  nicht  mehr  erlassen  werden  ,  antrage  jedoch 
auf  andere  Petitionen  ähnlichen  inhalts   sind    bis  jetzt  nicht  gestellt. 

London,  16.  august.  Von  Samuel  Baker  veröffentlicht  die  Ti- 
mes briefe  über  dessen  expedition  in  das  innere  Africa,  welche  die 
von  Livingstone  gegebenen  nachrichten  über  die  seen,  denen  der  Nil 
entströmt,  wieder  bezweifeln  und  zu  berichtigen  suchen.  Näheres 
giebt  der  D.  Reichsanz.  nr.  196. 

Zürich,  18  und  19.  august.  An  diesen  tagen  war  allgemeine 
Versammlung  der  geschichtsfor sehenden  gesellschaft  der  Schweiz :  aus 
den  Verhandlungen  heben  wir  hier  hervor  den  Vortrag  des  prof.  Dr 
Hidder  über  die  geschichte  der  schritt ,  die  er  durch  vorlagen  von 
photographischen  Urkunden  vom  1.  jahrh.  p.  Ch.  an  erläutert.  Vrgl. 
Augsb.  Allg.  Ztg.  beil.  zu  nr.  239. 

Cunstanz,  21.  august.  Heute  hielt  »der  verein  für  geschichte  des 
Bodensees  und  seine  Umgebung«  seine  fünfte  Jahresversammlung,  über 
welche  der  D.  Reichsanz.  nr.  201  ein  referat  bringt.  Wir  heben  dar- 
aus hervor ,  dass  archivar  Pupihofer  über  die  grenzen  von  Helvetien 
und  Rätien  gesprochen  und  dass  am  15.  September  eine  fussparthie 
über  den  Gebhardsberg  gemacht  und  dabei  unter  andern  das  römi- 
sche basrelief  der  göttin  Epona  am  westlichen  stadtthor  und  die  mit 
alten  fresken  geschmückte  Martinskapelle  besichtigt  werden  sollen. 

Hannover,  31.  aug.  Von  hier  wird  der  Kölnischen  zeitung  ge- 
schrieben, dass  prof.  Busopulos  aus  Athen  sich  dort  über  Schliemann's 
entdeckungen  in  Troja  ausgesprochen  habe.  » Der  sg.  schätz  des 
Priamos  —  s.  ob.  nr.  9,  p.  473  —  in  Athen  befindlich,  habe  mit  dem 
alten  Priamos  nichts  gemein  (das  versteht  sich  von  selbst),  wo  Schlie- 
mann  ein  eulengesicht  sehen  wolle,  existire  ein  solches  nicht,  sondern 
nur  drei  punkte  (das  ist  wichtig) ,  der  goldwerth  des  Schatzes  möge 
sich  auf  20 — 25000  thaler  belaufen«.  Also  bleibt  der  fund  doch  ei- 
ner der  bedeutendsten  der  neuesten  zeit:  von  unterrichetter  seite  geht 
uns  die  nachricht  zu,  dass  die  geräthe  ganz  eigenthümlich  und  mit 
nichts  aus  dem  alterthume  zu  vergleichen  seien.  Vgl.  auch  Augsb. 
Allg.  Ztg.  nr.  250. 

Konstantinopel,  31.  aug.  Dr  Mordtmann  erstattet  in  der  Augsb. 
Allg.  Ztg.  beil.  nr.  250  bericht  über  bd  V  und  bd  VI,  welche  der  griechi- 
sche Syllogos  in  Konstantinopel  kürzlich  edirt  hat:  wir  heben  aus 
bd  V  hervor:  Papadopulos  zwölf  unedierte  griechische  inschriften  des 
1.  und  2.  jahrh.  p.  Chr.  aus  Pelagonia;  Bernardakis  Untersuchungen 
über  münzwesen  von  den  ältesten  zeiten  an;  Abraum,  alterthümer 
der  stadt  Amastris ;  —  aus  bd  VI:  Baranikas,  demente  der  Sprach- 
wissenschaft; derselbe  über  byzantinische  musik;  Baspatis,  ausgrabun- 
gen  auf  der  eisenbahn  in  Konstantinopel;  Bernardakis,  das  papiergeld 
der  alten;  derselbe  über  Korinth  und  den  Isthmos;  Iemingham,  my- 
thologisches interesse  des  Bosporos. 

London,  18.  sept.  Der  bischof  von  Lincoln,  Chr.  Wordsworth, 
hat  auf  die  einladung  zum  alt  -  katholiken  -  congress  in  Constanz  dem 


528  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  10. 

dem  Präsidenten  desselben  ein  gedieht  in  lateinischen  distichen  ge- 
sandt, welches  die  Augsb.  Allg.  Ztg.  beil.  nr.  260  mittheilt. 

London ,  22.  sept.  Im  Daily  Telegraph  berichtet  G.  Smith  über 
neue  entdeckungen  in  Assyrien  ,  darunter  auch  über  ein  bisher  feh- 
lendes stück  der  inschrift  —  s.  ob.  n.  6,  p.  316  flg.  —  von  der 
sintfluth.     Vrgl.  Augsb.  Allg.  Ztg.  beil.  zu  nr.  267. 

Berlin,  23.  sept.  Gelehrten-elend.  Unter  dieser  Überschrift  bringt 
die  Vossische  zeitung  eine  auflbrderung  zur  Unterstützung  der  wittwe 
des  weiland  professors  Pietrafzewski,  die  in  grosser  unverdienter  ar- 
muth  lebt.  Pietrafzewski  war  vieljähriger  consul  am  persischen  hofe, 
wissenschaftliches  mitglied  der  persischen  expedition  unter  Minutoli 
und  wendete  auch  als  professor  seine  zeit  und  geldmittel  vor  allem 
dazu  an,  eine  »verbesserte  Übersetzung  der  bücher  des  Zoroaster«  drucken 
zulassen:  er  ist  aber  ehe  er  ans  ziel  kam  nach  langer  krankheit  ge- 
storben und  hinterliess  seine  gattin  und  treue  pflegerin  in  grosser  dürf- 
tigkeit.  Sie  hat  gegen  sie  durch  arbeit  gekämpft,  bis  jetzt  das  alter 
ihr  das  nicht  mehr  gestattet.  Die  Vossische  zeitung  sammelt  bei- 
trage. —     Vrgl.  Augsb.  Allg.  Ztg.     Beil.  nr.  269. 

Auszüge  ans  Zeitschriften. 

Augsburger  Allgemeine  Zeitung:  beil.  zu  nr.  242.  243:  deutsche 
kriegsliteratur.  —  Beil.  zu  nr.  243.  244.  245.  246.  247:  Friedrich  von 
Räumer. —  Versuche  zur  begnadigung  Pichler's:  s.  Phil.  Anz.  nr.  7,  p. 
384.  8,  429.  —  Beil.  zu  nr.  246:  Schill  in  Pesth  weist  in  Clason's  ar- 
tikel:  »die  presse  im  alten  Rom«  (s.  ob.  nr.  9,  p.  480)  mehrfache 
fehler  nach.  —  Beil.  zu  nr.  250:  Dr  Mordtmann,  der  griechische 
wissenschaftliche  Syllogos  in  Konstantinopel:  s.  ob.  p.  527.  —  Nr. 
253:  der  Orientalisten  -  congress  in  Paris.  —  Beil.  zu  nr.  253.  254. 
255:  Marquardsen,  das  recht  der  trauen:  ein  Vortrag,  der  auf  das 
classische  alterthum  auch  rücksicht  nimmt.  —  Nr.  255.  256:  aus 
dem  werke  Lamarmora's.  —  Nr.  257:  die  enthüllungen  Lamarmo- 
ra's.  —  Nr.  258.  Beil.  zu  nr.  259.  260 :  die  realschulen  und  das  uni- 
versitätsstudium.  I.  IL  III.  —  Nr.  261:  griechische  zustände.  —  Die 
deutsche  spräche  in  den  polnischen  schulen.  —  Beil.  zu  nr.  262: 
unedirte  monumente  Muratori's.  —  Beil.  zu  nr  264.  265:  Konrad 
Friedrich  Hassler:  nekrolog.  —  Nr.  265.  Beil.  zu  nr.  266.  Nietzsche 
gegen  Strauss.  I.  II.  —  Beil.  zu  nr.  266.  267 :  antiquarische  funde 
als  gegenständ  des  expropriationsrechts.  —  Beil.  zu  nr.  269:  zeit- 
betrachtungen.  —  Troja  und  die  höhen  von  Bunarbaschi:  brief  von 
Schliemann,  der  gegen  aufsätze  in  der  kölnischen  zeitung  gerichtet 
ist  (s.  ob.  p.  527).  —  Beil.  zu  nr.  270:  Hausrath's  neutestament- 
liche  Zeitgeschichte:  anzeige.  —  Nr.  271:  zur  Universitätsreform  in 
Oesterreich.  —  Nr.  271:  die  katakomben  bei  Kertsch:  die  in  ihnen 
befindlichen  maiereien  sollen  von  einem  orientalischen  volke  herrüh- 
ren. —  Beil.  zu  nr.  273 :  die  Stenographie  bei  den  alten :  aus  einem 
vortrage  von  H.  Hagen  in  Bern,  der  Manil.  Astr.  IV,  197.  Mart.  Ep. 
XIV,  202.  Auson.  Ep.  198.  Isidor.  Etym.  1,  21  und  anderes  für  seine 
thesis  benutzt.  —  Beil.  zu  nr.  275:  Gerster,  zur  reform  des  geogra- 
phischen Studiums  und  Unterrichts.  II  (s.  nr.  185).  —  Nr.  280:  ein 
conflict  über  das  schulaufsichtsgesetz:  betrifft  den  lehrer  Dietz  in 
Marburg.  —  Beil.  zu  nr.  281:  das  bildungs  -  und  Unterrichtsfach 
auf  der  wiener  Weltausstellung.  III  (s.  nr.  184).  —  Bemerkung  über 
F.  v.  Uochste/ler    geologische    bilder  der    vorweit    und   der    jeztwelt. 

Bratuschek,  philosophische  monatshefte,  Berlin,  Henschel:  nr.  IV 
(juli):  JE.  Herrmann  die  grammatischen  wortclassen. —  C.  Gotschlick, 
Aristoteles  von  der  einheit  und  Verschiedenheit  der  zeit.  —  Recen- 
sionen  von  Bratuscheck  und  A.  Röhl. 


Nr.  11.  NoTcmber  1873. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben   als   ergänzung   des   Philologus 


von 


Ernst  von  Leutsch. 


312.  Valentin  Hintner  kleines  Wörterbuch  der  lateini- 
schen etymologie  mit  besonderer  berücksicktigung  des  griechi- 
schen und  deutseben.  8.  Brixen   1873.   Vllf  u.  26fss. —    1  thlr. 

Es  ist  ein  sonderbares  bueb,  das  wir  im  folgenden  mit  kurzen 
Worten  anzeigen  wollen,  ein  buch,  von  dem  man  gar  nicht  reebt 
weiss,  welchen  Standpunkt  man  dazu  einnehmen  soll.  Hält 
man  sich  an  den  titel,  der  ja  doch  im  allgemeinen  dazu  da  ist 
den  inhalt  eines  buches  anzudeuten,  so  ist  das  buch  ein  recht 
kümmerliches  machwerk  ;  denn  für  ein,  wenn  auch  kleines  Wör- 
terbuch der  lateinischen  etymologie  (was  wohl  bedeuten  soll 
;, etymologisches  Wörterbuch"),  enthält  das  buch  theils  zu  wenig, 
theils  und  in  noch  weit  höherem  grade  viel  zu  viel.  Ueber  die 
art  der  entstebung  giebt  die  vorrede  aufschiuss,  die  mit  dem 
inhaltschweren  satze  beginnt:  „endlich  erscheint  das  vor  mehr 
als  drei  jabren  in  der  vorrede  zu  Viri  inlustres  versprochene 
Wörterbuch.  Vielleicht  würde  es  besser  sein,  wenn  es  nicht  er- 
schienen wäre".  Indem  ich  allerdings  nicht  umhin  kann  zu 
dem  letzten  satze  aus  voller  seele  meine  Zustimmung  zu  erklä- 
ren, bemerke  ich,  dass  mir  diese  Viri  inlustres  zwar  unbekannt 
sind,  dass  man  aber  nach  den  in  dem  wörterbuche  enthaltenen 
eigennamen  wohl  vermuthen  darf,  es  sei  ein  auszug  der  alten 
geschichte  in  einer  für  schüler  mittlerer  gymnasialclassen  be- 
stimmten fassung.  Dass  das  vorliegende  buch  als  Wörter- 
buch zu  einem  derartigen  übersetzungsbuche  irgend  wie  brauch- 
bar sei,  müssen  wir  entschieden  bestreiten.  Der  verf.  hat  zu 
den  einzelnen  in  diesen  Viri  inlustres  vorkommenden  Wörtern 
eine  menge  material  zusammen  getragen,  das  die  neuere  Sprach- 
wissenschaft über  die  etymologie  der  betreffenden  Wörter  auf 
Philol.  Anz.  V.  34 


630  312.   Lateinische  etymologie.  Nr.  11. 

gehäuft    hat;    was    soll    aher    ein  schüler,    wenn    er   z.  b.  nach 
der  bedeutung  des  Wortes  latus  sucht,    mit  den  dort  in  bunter 
fülle  sich  umhertummeluden  indischen,  griechischen  und  germa- 
nischen Wörtern    anfangen,    denen  sich  in  andern  artikeln  noch 
altbaktrische  und  slavo- lettische    anreihen?    er    überschlägt    das 
alles  ganz   einfach,    nachdem    es  ihn    vorher   verwirrt    gemacht 
hat,    da    die    deutsche  bedeutung  erst    nach    einer    langen    die 
ganze  sprachvergleichende    Weisheit  enthaltenden  parenthese  an- 
gegeben wird.     Indessen  scheint  der  Verfasser  selbst  nicht  recht 
an  diesen  paedagogischen  beruf  seines    buches   geglaubt  zu  ha- 
ben, denn  er  deutet  an,    dass    er  während  der  arbeit  den  plan 
derselben  „in  etwas  abgeändert  habe,    ohne  dass  er  jedoch  die 
ursprüngliche    anläge    ganz   verwischen   wollte";    und  auch  der 
titel    des    buches    scheint  aus    dieser   intention   hervorgegangen. 
Für    wissenschaftliche   zwecke   ist    nun   aber    das    buch  ziemlich 
ganz  unbrauchbar.     Es  liegt  uns  sehr  fern  den  fleiss  verkennen 
zu  wollen,  den  der  verf.  glaubte  nicht  mehr   unter  den  scheffel 
stellen  zu  dürfen.      Er    hat    gewiss    recht    fleissige    Sammlungen 
im  gebiete  der  sprachvergleichenden    literatur ,    aber    er    durfte 
diese  Sammlungen  nicht    ohne    weiteres  abdrucken  lassen,    und 
das  hat  er  im  wesentlichen  gethan;    die    einzelnen    artikel    sind 
collectaneen,    die    oft    viel    zu  viel,  häufig    zu  weuig  enthalten, 
die  hervorgegangen    sind    aus    einem    allzu    häufig    nur  sporadi- 
schen Studium  der  einschlägigen  literatur,  die  abweichenden  an- 
sichten  durch  ein  „anders"    oder   „vgl."    verbinden    und    selb- 
ständiges so    gut    wie   gar    nicht   enthalten.      Manche    enthalten 
nichts  weiter  als  die  Zusammenstellungen,  welche  die  „Grundzüge" 
von  Georg   Curtius    bieten,    ohne    diesen    oder   sonst    jemanden 
zu  nennen ;    bei    andern   wird  die  einschlägige  literatur  ausführ- 
lich ,    zum    theil    bis  auf  die  neuesten  erscheiuungen    angeführt. 
Dazu  kommt,  dass  eben,  was  dem  ursprünglichen  plane  des  bu- 
ches zur  last  fällt,  viele  wörter    fehlen  und  eine  menge  da  ste- 
hen,   die  für  ein  wissenschaftliches  buch   der    art    ein  völlig  un- 
nützer ballast  sind.     Was    soll   man  mit  den  vielen  historischen 
und  geographischen  eigennamen  anfangen,  was  mit  der  last  der 
composita,  die  dazu  nicht  einmal  unter  dem  einfachen  verb,  sou- 
dem  in  alphabetischer  reihenfolge  aufgeführt  sind.     Belege  dafür 
sind  allenthalbeu  zu  finden,  man  vergleiche  z.  b.  p.  3  ff.  das  öde 
verzeichniss  von  mit  adcomponierteu  veiben,  die  dem  vf.  keine 


Nr.  11.  312.    Lateinische  etymologie.  531 

gelegenheit    auch    nur    zu   einer     einzigen   etymologischen    notiz 
boten. 

Im  einzelnen  auf  den  inhalt  de3  buches  einzugehen ,  ist 
nach  dem  auseinandergesetzten  unnötbig ;  es  ist  eben  leicht 
lücken  nachzuweisen,  wie  ich  z.  b.  aus  ganz  sporadischem  ge- 
brauche des  buches  einiges  hervorheben  will,  wie  es  mir  zufäl- 
lig beim  duchblättern  aufstösst.  P.  21  vermisst  man  caeruleus, 
während  bei  calamitas  auf  Pott  Wzw.  II,  3,  182  hingedeutet 
werden  konnte;  für  canis  p.  22  konnten  die  Zusammenstellun- 
gen von  Zehetrnayr  Bi.  »f.  d.  bayr.  gymnas.  1871,  p.  269  er- 
wähnt werden.  Careo  hat  Pott  II,  4,  15  behandelt,  ceteri  der- 
selbe II,  3,  139.  Bei  consul,  das  mit  „für  consulus  von  con- 
sulere"  abgethan  wird,  fehlt  die  hinweisung  auf  Hainebachs  be- 
sondre behandiung  dieses  wortes  im  programm  von  Giessenl870. 
Coturnix  (Corssen  Beitr.  17.  Zeyss  Philol.  XXXI,  p.  307  ff.) 
fehlt  ganz,  ebenso  diutius  (TTeihrich  Piniol.  XXX,  p.  625  ff. 
Clemm  X.  jahrb.  f.  philol.  1870,  p.  26  ff.  bd.  101.  J.  Schmidt 
K.  Z.  19,  381).  Famula  steht  da,  famulus  fehlt,  das  in  dem 
eben  erwähnten  programm  von  Hainebach  auch  behandelt  ist. 
Auch  felis  katze  fehlt.  Zu  fustis  gehört  Bugge  Stud.  IV",  3-16. 
Hinweisungen  auf  Obermüllers  keltomanische  combinationen,  wie 
z.  b.  p.  77  unter  Gades  Gaetuli  Gallia ,  konnten  billig  gespart 
bleiben;  ebenso  wenig  durfte  unter  gener  die  identificierung  der 
wurzeln  dam  gam  jam  L.  Geiger  nachgesprochen  werden.  Gla- 
cies  (Pott  Wzw.  II,  2,  708)  und  gingiva  (Bugge  Stud.  IV,  3-17)  feh- 
len. Die  erörterung  Savelsbergs  KZ.  19,  1  ff.  hat  doch  nicht 
so  gauz,  wie  der  verf.  p.  89  meint,  die  bisher  übliche  Zusam- 
menstellung von  wga  mit  deutschem  jära  widerlegt ,  an  der 
noch  Fick  KZ.  XXII,  96  festhält.  Inquam  hat  Pott  Wzw.  II, 
2,  5  ff.  erörtert.  Benfey's  ansieht  über  jubeo  ist  p.  105  nur 
sehr  ungenau  augegeben ,  auch  fehlt  daselbst  Froehde  KZ.  14, 
452.  Für  leo  konnte  die  mouographie  von  Pauli,  München 
1873,  wohl  noch  nicht  benutzt  werden.  Bei  den  citaten  unter 
premo  fehlt  Pott  a.  o.  II,  4,  199.  Unter  salio  steht  consul,  aber  in 
der  bedeutung  ,, zusammen  berathend".  Bei  sarcio  musste  auch 
Bugge  K.  Z.  XX,  32  erwähnt  werden  (vgl.  auch  Curtius  Ver- 
bum  p.  229).  Bei  secus  fehlen  Weihrich  und  Clemm  an  den 
oben  bei  diutius  erwähnten  stellen.  Tenelrae  hat  Spiegel  Alt- 
baktr.     gramm.    71.    zu    zd.    tättkra    nusteiüiss    gestellt.       Bei 

34* 


532  313.  Aristophanes.  Nr.  11. 

voltur  fehlen  Grassmann  K.  Z.  XVI,  111.  Zeyss  Philol.  XXXI, 
p.  308  ff.  Dietrich  im  programm  vou  Naumburg  1846,  p.  45. 
Dräger  Philol.  2o,  393. 

Aus  den  vorstehenden,  wie  gesagt,  ganz  planlos  heraus- 
gegriffenen einzelheiten  kann  die  mangelhaf'tigkeit  des  buchcs 
auch  im  einzelnen  ersichtlich  werden.  Ein  buch,  das  dasje- 
nige was  das  vorliegende  angestrebt,  wirklich  erfüllte,  würde 
einem  lebhaft  gefühlten  bedürfnisse  in  unserer  Wissenschaft  ab- 
helfen, da  ein  werk  fehlt,  das  dem  entspräche,  was  Curtius 
etymologie  für  das  griechische  ist;  wie  wir  hören,  hat  Vanicek 
den  plan  ein  ähnliches  heraus  zu  geben;  das  vorliegende  ist, 
wenigstens  in  seiner  jetzigen  gestalt,  für  diese  zwecke  unbrauch- 
bar. Das  format  ist  ein  kümmerliches  klein  octav,  das  papier 
sehr  grau  und  die  abwechselung  zwischen  lateinischen  und  deut- 
schen lettern  auch  nicht  geeignet  dem  ganzen  ein  erfreulicheres 
aussehen  zu  geben.  Gustav  Meyer. 

313.  Quaestiones  Aristophaneae.  Dissertatio  philologica 
quam  .  .  scripsit  Ernestus  Bonsted t.  8.  Fraucofurti  ad 
Moenum  1872.     (Jenenser  promotionsschrift).     44  s. 

Es  ist  ref.  nicht  gelungen  den  verf.  bei  irgend  einer 
quaestio  zu  betreffen.  So  klar  liegt  alles  vor  den  äugen  des- 
selben, so  fern  ist  er  allen  scrupeln  und  zweifeln,  dass  man 
wirklich  für  einen  augenblick  wähnen  könnte,  der  von  ihm  be- 
arbeitete gegenständ  gäbe  zu  gar  keinen  fragen  anlass.  Bon- 
Btedts  verfahren  ist  eben  ein  rein  eklektisches:  er  trägt  in  ru- 
higstem ton  von  anfang  bis  zu  ende  seine  erzählung  vor,  in- 
dem er  bei  strittigen  punkten  eine  bestimmte  ansieht  auswählt 
und  sich  um  andere  nicht  weiter  den  köpf  zerbricht. 

Nach  angäbe  der  zahl  der  von  Aristophanes  verfassten 
und  der  uns  erhaltenen  komödien  bespricht  der  verf.  die  drei 
ältesten  unter  fremdem  namen  aufgeführten  stücke,  die  Daita- 
leis,  Babylonier  und  die  Acharner.  Dies  thut  er  in  der  weise, 
dass  er  zuvörderst  die  muthmassliche  tendenz  in  den  beiden 
ersten  verlorenen  dramen  angiebt.  In  den  Daitaleis  nehme 
Aristophanes  die  erziehung  der  jugend  durch ;  hierauf  sei  der 
jugendliche  dichter  deshalb  verfallen,  weil  er  selber  eben  erst 
ex  scholarum  umbraculis  herausgetreten  sei(?).  Nachdem  dann 
in  ähnlicher  weise  der  etwaige  inhalt  der  Babylonier  vermuthet 


Nr.  11.  314.  Aristophanes.  633 

ist,  wird  das  argament  der  Acharner  mit  grosser  breite  von 
p.  13 — 25  erzählt,  worauf  Bonstedt  bescheiden  bemerkt:  Haec 
fere  sunt,  quae  Aristophanes  in  Acharnensium  comoedia  summa 
et  ubertate  ingenii  et  hilaritate  copiosissime  tractavit,  quorum 
propria  quidem  forma  ac  species ,  ut  a  nobis  illa  sunt  adum- 
brata,  valde  est  imminuta.  Hieran  schliesst  sich  eine  betrach- 
tung  über  plan  und  zweck  der  Acharner  und  die  beantwor- 
tung  der  frage ,  wie  der  dichter  dazu  gekommen  sei  den  frie- 
den zu  empfehlen  trotz  der  augenblicklich  für  die  Athener  gün- 
stigen läge  ihrer  kriegsunternehmungen.  Nachdem  der  verf. 
weiterhin  die  auftretenden  personen  charakterisirt  und  ihr  ver- 
hältniss  und  ihren  Zusammenhang  mit  dem  plan  des  ganzen 
darzulegen  versucht  hat,  schliesst  er  mit  einigen  scenischen, 
im  wesentlichen  Schönborn  folgenden  bemerkungen  über  zeit 
und  ort  des  Stücks.  Einen  wie  reichen  Untersuchungsstoff  ge- 
rade diese  scenischen  fragen  darbieten,  können  Bonstedt  das 
hier  im  Anzeiger  ob.  p.  325  ff.  besprochene  programm  von  Haupt 
und  die  kürzlich  erschienene  schrift  von  0.  Gilbert  über  die 
festzeit  der  attischen  Dionysien  beweisen.  Und  auch  sonst  ver- 
möchten wir  ihm  eine  ganze  reihe  von  fragen  aufzuzählen,  über 
die  er  in  seiner  dissertation  hinweggescblüpft  ist. 

R.  A. 

314.  Quaestiones  Aristophaneae.  Dissertatio  philologica 
quam  .  .  defendet  scriptor  Fridericus  Leo.  8.  Bonnae 
1873.     44  s. 

Ein  ganz  anderes  gepräge  trägt  diese  Bücheier  und  Use« 
ner  gewidmete  promotionsschrift,  welche  mit  der  voranstehen- 
den nur  den  titel  gemein  hat.  Hier  haben  wir  ernsthafte  und 
gelehrte  Untersuchung  vor  uns. 

Der  zweite  umfangreichere  theil  führt  den  titel:  Quali 
lege  comoediae  licentiam  Athenienses  coercuerint.  Um  sich  den 
boden  für  seine  kritischen  bestrebungen  zu  ebnen ,  unter- 
sucht der  verf.  zunächst  das  verhältniss  der  uns  erhaltenen 
tractate  über  die  geschichte  der  attischen  komödie  unter  ein- 
ander, namentlich  mit  riicksicht  auf  die  titelfrage.  Er  unter- 
scheidet in  diesem  bezuge  zwei  bestände:  einen  älteren,  unter 
dem  namen  des  Platonius  auf  uns  gekommenen,  welcher  die 
geschichte  der  komödio  an  der  hand  der  griechischen  geschichte 


534  314.  Aristopbanes.  Nr.  11. 

überhaupt  verfolgt,  und  einen  jüngeren  (Proleg.  de  com.  bei 
Dübner  IV.  IX a.  IX  b.  u.  a.),  welcher  durch  eigenes  nachden- 
ken zu  seinen  annahmen  über  die  allmählich  schwindende  par- 
rhesie  der  komiker  gelangt.  Der  aufsatz  des  Platonius  zerfällt 
dann  unter  der  sicheren  band  des  ve-rf.  wiederum  in  zwei  theile, 
1 — 58  und  58 — 78  Duebn.,  zwei  von  verschiedenen  autoren  ge- 
machte auszüge  aus  einem  und  demselben  werkchen,  und  in  einen 
anbang  de  personis  (78  —  z.  ende.).  Kef.  hält  diesen  theil  der 
arbeit  für  den  besten ;  denn  um  es  zu  gesteheu,  was  auch  Leo 
selbst  nicht  leugnet,  die  nunmehr  sich  anschliessenden  fragen 
nach  dem  Zeitpunkte,  in  welchem  die  komödie  vom  Staate  den 
chor  erhielt,  nach  der  zeit,  in  welcher  sie  zum  ersten  mal  und 
später  wiederholt  in  ihrer  redefreiheit  gesetzlich  beschränkt 
wurde  (xf)tjffia/.ta  des  archon  Morychides  bei  Schol.  Ach.  67,  des 
Antimachus  bei  Schol.  Ach.  1150,  des  Syracosius  Schol.  Av.  1297), 
ferner  die  frage  nach  der  eigentlichen  bedeutung  dieses  in  ver- 
schiedenen zeiten  auftauchenden  gesetzes  ut]  xoofjcpddo&ai  bvo- 
[lacTi  Ttra:  alle  diese  fragen  können  nach  den  uns  zu  gebot 
stehenden  quellen  doch  nur  eine  annähernd  sichere  antwort  er- 
fahren. Zwei  dinge  nämlich  sind  es,  welche  die  entscheidung 
ungemein  schwierig  und  die  resultate  Leo's  zweifelhaft  machen, 
einmal  dass  wir  oft  nur  auf  fragmente  angewiesen  sind,  um  an 
ihnen  die  vorhandene  oder  eingeschränkte  freiheit  im  spotte 
über  öffentliche  personen  und  einrichtungen  zu  prüfen,  und  so- 
dann der  umstand,  dass  wir  häufig  nicht  wissen,  ob  die  auch 
in  vollständig  überlieferten  stücken  verspotteten  personen  ein 
staatliches  amt  bekleideten  oder  nicht.  Die  letzte  der  genann- 
ten fragen  beantwortet  der  verf.  durch  eine  sehr  eingehende 
behandlnng  des  processes  Cleons  gegen  Aristopbanes  p.  39 
folgendermassen :  lege  illa  cautum  erat,  ne  nomen  magistratus  aperte 
et  contumeliose  nominaretur ■;  oeculte,  quod  ainy(Aata>8öäg  vocant,  in- 
dicare  semper  licebat  quodeumque  volucrunt. 

Nicht  in  gleicher  weise  wie  bisher  kann  ref.  das  verfahren 
Leo's  in  dem  ersten:  De  pristino  Acliarncnsium  exordio,  überschrie- 
benen  abschnitt  billigen  ,  in  welchem  der  versuch  gewagt  wor- 
den ist,  den  ausfall  der  ersten  scene  in  unserem  stück  nachzu- 
weisen.    Weil  der  scholiast  zu  vs.   1228: 

7i]v(lXa  ö/y ?',   t'i'nsQ   xalH<;  y\   co   ngsaßv,  xaXXuixog, 
anmerkt:    co  nQtaßv    iuvzop  ya.Q    vnsti&tTO    nQeoßvv,    np6$   Tip 


Nr.  11.  315.  316.   Plutarchos.  535 

ywaiv.«.  dialsyö/tevog  ii>  aQXfl  iov  SodfxaTog ,  und  weil  Leo  be- 
hauptet, die  anrede  des  Dicaeopolis  an  seine  frau  im  anfange 
der  Acharner,  wie  sie  uns  überliefert  sind,  vs.  262  könne  kein 
colloquium  genannt  werden ,  weil  er  ferner  behauptet,  Dicaeopo- 
lis zeige  sich  in  eben  jener  scene  nicht  als  greis,  so  folgert  er 
daraus  das  einstige  Vorhandensein  einer  scene,  in  welcher  jene 
beiden  dinge  vorkamen.  Allein  dies  kann  ihm  durchaus  nicht 
zugestanden  werden.  Es  ist  eine  gänzlich  verwerfliche  sache 
aus  der  notiz  eines  scholiasten  und  nicht  aus  dem  mangelnden 
zusammenhange  der  dichterworte  auf  eine  lücke,  und  besonders 
in  einer  griechischen  komödie ,  schliessen  zu  wollen.  Gewiss 
wird  mancher  leser  mit  dem  vf.  gern  die  wette  eingehen,  ihm  auf 
diesem  wege  in  jedem  aristophaneischen  stück  mindestens  eine 
lücke  nachzuweisen.  Wenn  der  scholiast  sich  veranlasst  fühlte 
die  bezeichnung  nQtvßvg,  welche  der  Chorführer  dem  Dicaeo- 
polis beilegt,  durch  eine  stelle  im  stück  selbst  zu  belegen  und 
dabei  für  jene  processionsscene  den  unpassenden  ausdruck  „dia- 
log"  wählte,  so  trifft  doch  nur  ihn  die  Verantwortung  dafür. 
Er  dachte  in  Wirklichkeit  unzweifelhaft  an  jenen  vs.  262  und 
daran,  dass  Dicaeopolis  bereits  eine  heirathsfähige  tochter  hat. 
Für  die  Zuschauer  aber  war  die  benennung  7i(jsoßvg  eine  un- 
zweideutige, da  sie  Dicaeopolis  in  seiner  maske  sahen.  Und  wenn 
Leo  es  schliesslich  unpassend  und  unerklärlich  findet,  dass  der 
chor  im  anfang  der  komödie  seinen  hass  ohne  weiteres  von 
Amphitheus,  dem  ursprünglich  bedrohten,  auf  Dicaeopolis  über- 
trägt ,  so  bleibt  dieselbe  Schwierigkeit  auch  bei  der  annähme 
der  von  ihm  vermutheten  scene  bestehen,  der  zufolge  Amphi- 
theus sich  als  Dicaeopolis  sclave  einführen  soll.  Denn  in  bei- 
den fällen  haben  wir  anzunehmen,  und  das  hat  für  die  attische 
komödie  nichts  anstössiges,  dass  die  choreuten  wissen  was  den 
Zuschauern  bekannt  ist,  nämlich  dass  Amphitheus  in  Dicaeopo- 
lis auftrag  gehandelt  habe. 

R.  A. 

315.  Plutarcheische  Untersuchungen  von  Dr.  Hermann 
Heinze.  Erstes  heft.  8.  Berlin,  S.  Calvary  und  Co.  1872 
46  s.  —     15  sgr. 

316.  Sachlicher  commentar    zu  Plutarch  „negl  ädoXeoxiae1 


536  315.  Plutarchos.  Nr.  11. 

vom    gymnasiallehrer  Dr.  Heinz e.     Osterprogramm  des    gym- 
nasiums  zn  Marienburg.   1873. 

I.  ,,Ein  beitrag  zur  frage  über  die  ecbtheit  oder  unecbt- 
heit  der  schrift  ntgl  rot)  /jrj  dth  dartiteoOai"  ist  das  baupt- 
tberna  der  zuerst  angeführten  schrift.,  E.  Volkmann  hatte 
die  kleine  abhandlung  dem  Plutarch  abgesprochen  (Leben  PI. 
I,  p.  180),  und  zwar  zunächst,  im  anschluss  an  Benseier,  we- 
gen der  Vernachlässigung  des  hiatus,  dann  aber  auch  wegen  der 
darsfellung  ,  die  an  frostigem  pathos  leide  und  theils  durch 
unrichtige  historische  anspielungen  theils  durch  den  gebrauch 
vieler  ann^  tioquwa  entstellt  werde.  II.  Heinze  untersucht  da- 
her zuerst  die  hiate.  Dieselben  sind,  wie  gezeigt  wird,  theils 
zu  rechtfertigen  ,  theils  lassen  sie  sich  durch  leichte  Umstellun- 
gen, wenn  auch  wohl  mehrfach  anders  als  vorgeschlagen  wird, 
beseitigen.  Uebrigens  findet  sich  in  der  citirten  schrift  von 
Schellens  p.  4,  n.  8  nichts  von  einem  unterschiede  in  der 
Wirkung  des  spiritus  gravis  (sie!)  und  des  spiritus  asper.  Es 
wird  sodann  der  st  off  des  werkchens  behandelt  und  gezeigt, 
wie  sich  ähnliche  grundsätze  und  gedanken  an  vielen  stellen 
Plutarchs  finden.  Demnächst  wird  die  ,,  dispositi,on  des 
inhalts"  dargestellt,  „entworfen  nach  der  methode  von  A. 
Heinze,  dispositionsentwürfe.  Leipzig.  1869".  Das  citirte  werk 
giebt  ausser  den  dispositionen  von  405  schüleraufsätzen  in  einem 
Vorworte  von  9a/2  seiten  nur  die  gewöhnlichsten  regeln  über 
partitio  und  divisio,  um  schliesslich  die  dichotomie  nach  dem  lo- 
gischen gesetze  der  oppositio  contraria  als  beste  eintheilung  zu 
empfehlen.  Nach  diesem  nicht  grade  sehr  neuen  und  bekannt- 
lich nicht  ganz  unbedenklichen  principe  sucht  dann  H.  Heinze 
die  disposition  der  plutarchischen  schrift  zu  geben,  doch  lässt 
sich,  fürchten  wir,  Plutarch  nicht  nach  diesem  formular  massregeln ; 
man  müsste  z.  b.  die  conclusio  schon  von  c.  VII,  5  an  rechnen. — 
In  capitel  IV  werden  ferner  die  historischen  belege, 
apophtbegmata,  citate,  bilder,  gleichnisse  des  bu- 
ches  untersucht,  und  eine  grosse  menge  von  parallelen  aus  den 
übrigen  Schriften  Plutarchs  mit  geschick  und  glück  beigebracht. 
In  cap.  V  untersucht  der  verf.  weiter  „styl,  Wortverbin- 
dung und  ana%  tl q  ij fieva"  und  weist  mit  grosser  belesenheit 
namentlich  in  der  anwendung  von  synonymgruppen  und  von 
bestimmten  rhetorischen  figuren  mancherlei  analogien  nach.    Hier 


Nr.  11.  315.    Plutarchos.  537 

hätte  indessen  wohl  Volkmanns  behauptung  untersucht  werden 
müssen,  dass  der  stil  in  hohem  grade  an  Maximus  Tyrius  er- 
innere. Davon  abgesehen  ergiebt  sich  mit  hoher  Wahrschein- 
lichkeit das  resultat ,  dass  hier  ein  werk  Plutarchs  vorliegt, 
doch  bleibt  seltsam  der  durch  masslose  bildeibäufung  ent- 
standene schwulst  und  die  zahlreichen  hinweisungen  auf 
Rom,  die  sogar  Wörter  wie  xaßdXXqg  und  y.uXüi8ui  veranlasst 
haben.  Es  scheint  das  werkchen  eben  ein  in  Eom  von  Plu- 
tarch    verfasster    rbetorischer  Vortrag  zu  sein. 

Hieran  schliessen  sich  noch  Observationen  über  die  anwen- 
dung  von  n  q  i \>  und  7tq)v  rj  in  sämmtlichen  echten  schriften 
Plutarch's.  Es  ergiebt  sich,  dass  er  in  der  regel  nf))v  r\  mit 
dem  intiuitiv  gebraucht,  nolv  dagegen  nur  vor  einem  vokal  des 
hiats  wegen  schreibt.  IJylv  av  mit  conjunctiv  findet  sich  nur 
an  drei  stellen,  die  wohl  hätten  citirt  werden  können. 

Leider  ist  die  so  verdienstliche  arbeit  durch  eine  unge- 
wöhnliche incorrectheit  des  drucks  entstellt.  Der  Verfasser 
sucht  dies  durch  seine  weite  entfernung  vom  druckorte  zu  ent- 
schuldigen, indessen  zeigen  manche  flüchtigkeiten  namentlich  im 
citiren  (z.  b.  p.  32  sxxexv/jtKog  ohne  stelle ,  p.  38  vnaQyvoico 
mit  Pompej.  XIII),  dass  die  arbeit  im  allgemeinen  etwas  zu 
hastig  druckfertig  gemacht  ist. 

Schliesslich  mögen  uns  noch  ein  paar  kleinigkeiten  ge- 
stattet sein.  Im  ersten  satze  giebt  Plutarch  ein  gesetz  Piatons 
über  das  wasserschöpfen  an  und  folgert  daraus  die  nothwen- 
digkeit  eines  ähnlichen  gesetzes  für  das  borgen  mit  der  Wen- 
dung: «p'  ov  dt)  sdet.  So  giebt  die  Didotsche  ausgäbe;  H. 
Heinze,  der  auch  sonst  Tauchnitz  zu  citiren  liebt,  druckt  nach 
diesem  ab :  uoa  örj  sSst.  Zur  Vermeidung  des  hiatus  wird  ge- 
schrieben werden  müssen:  u  q1  nw  sSei.  im  sinne  von:  nonne 
igitur  oportebat.  Genau  so  steht  «£>'  ouv  im  zweiten  satze  der 
Vita  Periclis:  uq  olr  .. .  loyov  *^«f,  und  an  gleicher  stelle  de  arnore 
prol,:  uq1  ovv  xat  Ol  q iloönyot.  —  Cap.  2.  Statt  lexuvidag 
hinter  naooxpiSag  änyvnäg  will  Heinze  Xtxaräg  schreiben,  weil 
jenes  nicht  recht  nachweisbar  sei.  Ich  erlaube  mir  aber  auf 
die  in  die  Lexica  nicht  aufgenommene  stelle  bei  Aelian  N.  A. 
IV,  30  hinzuweisen.  —  Im  zweiten  capitel  heisst  es  ferner : 
rtjv    de    Toane^av    ij    nali]  AuX'ig  »/    Tevedog   uvrixoGfi/jasi  zoig 


538  316.   Plutarchos.  Nr.  11. 

xsgafisotg,  xadagwzt'goig  ovoi  zäv  dgyvgwv.  Freilich  wohnten 
in  Aulis  töpfer,  sprichwörtlich  jedoch  war  meines  wissens  nicht 
r/  xaXr/  AvXtg  sondern  q  KcoXtdg.  Grade  wie  hier  sagt  Era- 
tosthenes  bei  Athen.  XI,  p.  482  B  :  xQaz7tQa  ydg  iozaoav  toig  &soig 
ovx  ciQyvQQvv  oüös  Xt&oxöXXqzor,  dXXu  zqg  xwXtddog  y?jg.  Aehn- 
liches  bezeugt  Suidas  s.  v.  Wahrscheinlich  ist  ?}  KwXidg  auch 
bei  Plut.  Symp.  5,  3,  2.  5  zu  lesen  statt  ^wr  q  aaXdg,  wie 
dort  längst  vermutbet  ist. 

Cap.  IV.  SovXsvovoi  ydg  dnaoi  zolg  dqpaviotaig,  pdXXov 
ö'  [oi»d']  avtoig  uXid  dovXoig.  Das  wort  dyanozatg  kommt 
nicht  nur  sonst  bei  Plutarch  nicht  vor ,  sondern  ist  auch  ganz 
unpassend,  weil  inhaltslos.  Der  gegensatz  zu  dovXoig  wird 
wohl  ävd  qu  7i  od  to  t  aig  erfordern  wie  Symp.  2,  1,  7.  3:  dv 
dganodtOTtjv  .  .  xal  rvgavvov.  —  Gleich  darauf  werden  die 
Wucherer  bezeichnet  als  onsigovzsc,  oi>%  jjpsgov  xagnov  .  . .,  dXX1 
öijiXijfidrav  qi^ag  n  oXvnövov  g  xal  noXvzöxovg  xal  dvaex- 
Xeia t ov g  ziOt'vzsg.  Es  ist  wohl  deutlich,  dass  geschrieben 
werden  muss:  noXvy  6v  ov  g  (cf.  Sympos.  5,  10,  4.  7:  noXv- 
zsxvovg  xal  nol.vyovovg)  xal  .  .  .  ö  vo  s  $aX  e  in  zovg  ,  während 
noXvzöxovg  des  doppelsinnes  halber  stehen  bleiben  muss. 

Cap.  VII  werden  mit  den  zinszahlern  verglichen  die  X°^s~ 
gixoi,  ol  öegansiav  [isv  ov  ngoobs^orzai,  ro  äs  n  g  oo  zsray  [A  s- 
vov  s%£  gtävzsg ,  slza  nlsov  av&tg  ovXXt'yovzsg  dsl  diazsXovoiv. 
Wenn  sie  gar  keine  arznei  nehmen,  so  können  sie  schwerlich 
das  verordnete  ausspeien.  Natürlich  heisst  es:  ro  8s  7zgoo- 
io  z  d  (as  v  ov  i£sgö)VTsg  ,  wie  unmittelbar  darauf:  iniggs'ovzog 
siidvg  sze'gov  xal  ngoatozatu£i>ov  ndXxv  ravzimoiv.  Aehnlich  steht 
ngooiozaodai.  noch  sonst  bei  Plutarch,  wie  Sympos.  3,  7,  1.  3, 
de  garrul.  20. 

Cap.  VIII.  offov  (piXd^svog  6  fit7Lonoi.og  iv  dnoixCa  J£i- 
xbXix")]  .  .  slnsr.  Bekanntlich  weilte  Philoxenos  eine  Zeitlang 
in  Syrakus,  es  ist  aber  undenkbar,  dass  Plutarch  hiervon  den 
ausdruck:  iv  drzoixla  JSixeXixy  gebraucht  habe,  wie  schon  Volk- 
mann gesehn.  Die  Schwierigkeit  hebt  sich  wohl,  wenn  wir 
iv  d  7t od q [iia  2ixsXixjj  schreiben. 

II.  Sehr  nützlich  ist  auch  die  zweite  Schrift  von  H. 
Heinze.  Jeder  weiss  wie  wichtig  für  das  verständniss  der  Mo- 
ralien  die  genauere  kenntniss  der  zahllosen  stellen  älterer 
schriftsteiler  ist,  auf  die  Plutarch  anspielt  oder  sich  stützt;    da 


Nr.  11.  316.  Plutarchos.  539 

es  aber  noch  nicht  für  die  hälfte  der  Schriften  sachliche  com- 
meutare  giebt,  so  muss  bei  den  übrigen  büchern  jeder  für  sich 
hierüber  die  mühseligsten  und  zeitraubendsten  Untersuchungen 
anstellen.  Deshalb  hat  H.  Heinze  es  sich  zur  aufgäbe  gemacht, 
für  die  Schrift  de  garrulitate  als  grundlage  eines  sachlichen  com- 
mentars  die  quellen,  anspielungen,  analogien  u.s.w.  nachzuweisen, 
und  er  hat  einem  späteren  herausgeber  dadurch  eine  grosse 
fülle  des  brauchbarsten  malerials  geliefert.  Damit  nicht  zufrie- 
den sucht  er  auch  die  „plaumässige  durcharbeitung  des  Stoffes" 
seitens  des  Schriftstellers  dadurch  nachzuweisen ,  dass  er  eine 
strenglogisch  durchgeführte  disposition  des  ganzen  buches  auf- 
zustellen unternimmt.  Natürlich  folgt  er  hier  wieder  der  stren- 
gen dichotomie,  und  man  kann  einräumen ,  dass  eine  dichoto- 
mische  anläge  im  allgemeinen  dem  Plutarch  vorschwebte.  Die 
einzelnheiten  aber  sträuben  sich  gegen  das  schema.'  So  gehören 
z.  b.  die  bemerkungen  p.  3  über  die  zunge  bis  zum  schluss  von 
absatz  6  durchaus  nicht  unter  die  ,;üblen  folgen  für  andere", 
ferner  ist  die  conclusio  willkiihrlich  abgesondert,  denn  sie  greift 
wieder  auf  II,  1,  a  zurück,  giebt  auch  nicht  —  wie  sie  sollte 
—  eine  recapitulation,  sondern  nachtrage.  Daran  ist  nun  frei- 
lich nicht  H.  Heinze  schuld,  sondern  Plutarch,  der  nun  einmal 
an  eine  so  straffe  Ordnung  sich  nicht  zu  binden  liebt.  Dage- 
gen müssen  wir  Plutarch  gegen  H.  Heinze  vertheidigen,  wenn 
dieser  in  einem  besondern  abschnitte  „zwei  logische  feh- 
ler in  de  garrulitate1-1  nachzuweisen  unternimmt.  H.  Heinze 
ist,  wie  es  scheint,  durch  A.  Heinze  für  die  dichotomie  so  be- 
geistert, dass  er,  wo  er  sie  nicht  findet ,  über  mangel  an  logik 
klagt.  Wenn  also  Plutarch  sagt :  „von  den  übrigen  leiden  und 
krankheiten  sind  manche  gefährlich,  andere  widerwärtig,  andre 
lächerlich,  bei  der  geschwätzigkeit  trifft  alles  zusammen",  so 
erklärt  H.  Heinze  diese  aufzählung  „nicht  blos  für  unlogisch 
sondern  auch  für  unvollständig";  es  gebe  z.  b.  noch  leib- 
liche und  geisteskrankheiten  ,  äussere  oder  innere ,  heilbare  und 
unheilbare  u.s.w.  Und  nun  werden  eine  menge  von  divisionen 
und  codivisionen  der  gattung  „krankkeit"  aufgezählt,  wie  man 
sie  etwa  im  deutschen  Unterricht  durch  die  schüler  machen  lässt. 
Aber  hat  denn  Plutarch  zum  zwecke  eines  Systems  der  pathologie 
eine  division  der  gattung  „krankkeit"  beabsichtigt?  Oder  sollte 
es  unlogisch  sein,  zu  sagen :  „von  den  übrigen  krankheiten  ver- 


540  316.  Plutarchos.  Nr.  11. 

anlassen  manche  schmerzen  an  den  fassen,  andere  an  den 
fingern,  andere  an  den  obren;  bei  der  krankbeit  x  trifft  alles 
zusammen"?  Es  ist  ja  gar  keine  division  des  gattungsbe- 
griffes  „krankheit"  beabsichtigt,  sondern  eine  partition  des 
individualbegriffes  „geschwätzigkeit",  wobei  für  die  einzelnen 
merkmale  nur  analogien  anders  woher  herangezogen  sind.  Auch 
beansprucht  die  aufzählung  keine  Vollständigkeit  und  braucht 
sich  deshalb  auch  nicht  den  strengen  regeln  der  division  oder 
partition  zu  unterwerfen.  Noch  bedenklicher  steht  es  mit  dem 
zweiten  logischen  fehler,  den  H.  Heinze  bei  Plutarch  fin- 
det. Dieser  sagt  cap.  21 :  "Eon  toivvv  rgta  ysrt]  rwv  ngbg 
Tag  igcoTtjaeig  anoxQiatmv'  to  nsv  dvayxainv ,  zo  8s  qulav- 
■&Qconov,  70  8s  ntQiaaöv.  H.  Heinze  übersetzt,  es  gebe 
nothwendige,  höfliche  und  überflüssige  antworten, 
und  fügt  hinzu  ,  auch  hier  sei  Plutarchs  auffassung  weder  lo- 
gisch richtig  noch  vollständig;  jede  nothwendige  antwort  könne 
ja  z.  b.  ebensogut  höflich  als  grob  sein  u.  s.  w.  Die  weitere 
ausfübrung  bei  Plutarch  zeigt  aber  ganz  deutlich,  dass  avay- 
xaiov  hier  so  viel  ist  wie  „nichts  als  nothwendig"  d.  h.  noth- 
dürftig  (s.  vit.  Pomp.  80,  2:  nvQxa'iuv  arayxalav  nugaa^slr^ 
vit.  Demetr.  47,  1:  in}  ßnmasig  diayxaiag  rgsnontvcov)^  es  sind 
also  die  antworten  theils  nothdürftig,  theils  höflich,  theils  weit- 
schweifig. Diese  begriffe  verhalten  sich  aber  zu  einander  wie 
1:2:3  (etwa  wie  im  französischen:  non,  non  monsieur,  non 
monsieur  Dumas),  es  liegt  also  eine  vollkommen  richtige  anord« 
nung  vor,  freilich  keine  (qualitative)  division  oder  partition, 
sondern  eine  (quantitative)  progression. 

Abgesehn  hiervon  müssen  wir  der  vorliegenden  arbeit  un- 
sere anerkennung  wiederholen.  Leider  ist  freilich  auch  hier 
der  druck  sehr  fehlerhaft. 

Zuletzt  noch  eine  kleine  zugäbe.  Der  text  des  plutarchei- 
6chen  büchleins  scheint  sich  durch  eine  besondere  reinheit  aus- 
zuzeichnen. Madvig  hat  (Advers.  I,  643)  keine  gelegenheit  zu 
einer  emendation  gefunden,  denn  ixetrot  p.  513  A  geht  doch 
wohl  auf  die  aus  laxcovl^tiv  sich  ergebenden  Lacedaemonier. 
Völlig  verkehrt  steht  indessen  cap.  III:  wnnsQ  yan  o  nvobg 
slg  ayystov  xat  ax).e  i  aO  e  <  g  rw  iie  v  [.is'toqj  nXsCaiv  svqi'gxb- 
T«f,  Tfl  8s  XQttct  ftoxfttiQOTSQog.  Wann  gewinnt  der  weizen  in 
einem  gefässe  an   umfang?     Es  ist  zu  schreib  eu :    6  nvgog  elf 


Nr.  11.  317.  Griechische  philosophie.  541 

UQyiXov  xa.7 a (i  t %&£ (ij.  Es  ergiebt  dies  die  auch  bei  Heinze 
Bich  findende  stelle  über  die  thoneide  in  Sympos.  5,  3,  1.  8: 
eil  dt  (y  aoyiXn^  x«?  xuTUfnytv[i.t'nj  ngnt;  aizuv  eniftSTQOv  nnisi 
duxptlti;,  uögvruvau   .  .  ioi>  nvuöv.  E.  Rasmus. 

317.  Ueber  den  begriff  gewissen  in  der  griechischen  philo- 
sophie.     Von  Dr  J.  Jahnel.     Progiamm.    Glatz  1872.     18  s. 

Der  vcrf.  polemisirt  zunächst  gegen  die  ansieht,  welche 
Hegel  in  seinen  vurlesuugeu  über  ästhetik  niedergelegt  hat. 
Die  ersten  keime  für  den  begriff  sind  in  der  mythologie,  die 
weitere  entwickelung  in  den  philosophischen  Systemen  zu  su- 
chen. Die  plastische  pliantasie  der  Griechen  hypostasirte  das 
strafende  bewusstsein  und  schuf  auf  diese  weise  die  Vorstellung 
von  rachegeistern,  von  Erinyen.  Diesen  namen  führt  Pausauias 
auf  tyipvtiv  zurück,  was  bei  den  Arkadern  so  viel  als  zürnen 
bedeutet,  weshalb  auch  die  dem  Pluto  zürnende  Demeter  zuerst 
fgtvvg  genannt  und  später  jeder  zürnenden  gottheit  dieses  at- 
tribut  beigelegt  wird.  Die  verschiedenen  machtäusserungen  der 
einen  zürnenden  gottheit  gestalteten  sich  allmählig  zu  einer 
pluralität  von  rachegöttinnen,  die  erst  nach  erfolgter  sühne 
den  charakter  der  wohlwollenden  Eumeniden  annehmen.  Dass  die 
Erinyen  die  Personifikation  der  gewissensqualen  sind,  unterliegt 
nach  dem  übereinstimmenden  zeugniss  der  Alten  keinem  zwei- 
fei. Findet  sich  aber  bisweilen  die  anschauung,  dass  die  Eri- 
nyen den  menschen  zum  verbrechen  autreiben,  so  hängt  das 
mit  dem  traditionellen  glauben  an  den  neid  der  götter  zusam- 
men. Hier  konnte  der  verf.  den  begriff  der  Ate  mit  heranzie- 
hen und  konnte  den  unterschied  machen  zwischen  der  continuir- 
lichen  macht ,  welche  als  grauses  verhänguiss  auf  ganzen  ge- 
schlechtern  lastet  und  der  eiuzelwirkung  derselben,  welche  mit 
der  zum  verbrechen  anreizenden  Erinys  identisch  gesetzt  wer- 
den kann. 

Unter  den  philosophen,  die  wir  als  mitarbeiter  an  der  bil- 
dung  dieses  begnffs  betrachten  können,  nimmt  Pythagoras  der 
zeit  nach  den  ersten  platz  ein.  Seine  erörterungen  über  die 
tugend  konzentriren  sich  in  der  mahnung:  inov  &ttp.  Nur 
lässt  sich  bei  dem  defektiven  und  schwankenden  charakter  der 
Überlieferung  nicht  nachweisen,  wie  er  sich  die  Verbindung  der 
menschlichen  seele  mit  gott  und  die  vermittelung  des  göttlichen 


542  317.  Griechische  philosophie.  Nr.  11. 

willens  gedacht.  Dass  der  delphische  spruch  yvä&i  aavrov  auf 
den  Pythagoras  oder  seine  schule  zurückzuführen  sei ,  wagt 
der  verf.  nur  aus  dem  umstand  zu  folgern,  dass  Pythagoras 
von  Aristoxenos  (Diog.  L.  VIII,  21)  ein  schüler  der  Pythia 
Themistoklea  genannt  wird.  Auch  die  von  Sophokles,  Thuky- 
dides  und  andern  erwähnten  vofiifxa  ayQacj.a  mit  ihrer  göttlichen 
autorität  beweisen  den  glauben  an  eine  das  leben  regelnde  in- 
nere norm.  An  den  vovg  des  Anaxagoras,  an  diesen  das  all 
durchdringenden  und  in  dem  menschen  als  seele  sich  offenbaren- 
den weltgeist  schliesst  sich  unmittelbar  die  sokratische  ansieht 
an ,  dass  der  mensch  am  göttlichen  wesen  theil  haben  müsse. 
Es  folgt  die  erwähnung  von  dem  ütlov  des  Sokrates  als  dem 
einen  göttlichen  wesen  im  gegensatz  gegen  die  Vielheit  der  na- 
tionalgötter.  Nebenher  läuft  die  bezeichnung  8ai/x6not' ,  d.  h. 
das  individuell  göttliche  in  ihm ,  welches  unter  der  einwirkung 
des  allgemeinen  göttlichen  steht  und  die  form  einer  vision ,  ei- 
nes innern  Orakelspruchs  annimmt.  Nach  Xen.  Mem.  IX,  8, 
1  haben  einige  gelehrte  das  daifit'viov  mit  unserm  gewissen 
identificirt.  Aber  nach  Piaton  ist  die  Wirkung  und  kraft  des 
daiuöviov  nur  eine  prohibitive  ,  wie  sich  aus  Apol.  31  ergiebt. 
Von  dem  autoritativen  urtheil,  welches  von  dem  gewissen  nach 
einer  jeden  sittlichen  handlung  gefällt  wird,  findet  der  verf.  bei 
dem  Satfjortnp  keine  spur.  In  psychologischer  hinsieht  fällt,  wie 
Krische  im  anschluss  an  Schleiermacher  mit  recht  erkannt,  der 
unserem  gewissen  nahestehende  begriff  des  Öatfiörtov  dem  ge- 
biete der  ahnungen  anheim,  während  Sokrates  die  ethische  Seite 
desselben  dem  bewusstsein  näher  gebracht  hat.  Der  delphi- 
sche spruch  bildete  für  ihn  den  leitstein  zur  Selbstbetrachtung, 
die  ihn  mit  nothwendigkeit  zur  selbsterkenntniss ,  zum  endziel 
alles  philosophirens  führte.  Für  das  selbstbewusstsein  gebraucht 
er  deshalb  als  adäquaten  ausdruck  das  verbum  ovvEtdirai ,  das 
vor  Euripides  nie  in  übertragener  bedeutung  erscheint.  Die 
selbstbetrachtung  des  lehrers  wird  bei  Piaton  zur  erinnerung  an  die 
geschauten  ideeu,  und  das  regulative  prineip  der  einzelnen  men- 
schenseele  ist  die  Vernunft  oder  die  denkkraft,  zo  loyiGuxor, 
auch  }&yog  und  rolg  genannt.  Dieser  zur  gottähnlichkeit  und 
gottesgemeinschaft  hinstrebende  scelenantheil  kann  von  reue- 
schmerz über  ein  begangenes  unrecht  erfüllt  werden.  Der  rovj 
nyaKiixö,'  des  Aristoteles  umfasst  eiu  weiteres  gebiet  als  unser 


Nr.  11.  317.  Griechische  philosophie.  543 

gewissen,  das  es  durchaus  nicht  mit  dem  gesammten  umfange 
menschlicher  handlungen,  sondern  nur  mit  dem  sittlich  religiö- 
sen handeln  zu  thun  hat. 

Die  engere  begrenzung  des  begriffs  blieb  den  stoikern  vor- 
behalten. Das  noniv  und  nürr/tiv  erscheinen  bei  ihnen  zu  eiuer 
untrennbaren  einheit  verbunden  und  werden  mit  den  bezeich- 
nungen  kraft  und  stoff,  logos  und  materie ,  gott  und  hyle  als 
grundprinzipien  alles  seienden  hingestellt.  Auch  für  den  ein- 
zelmenschen ist  das  geistige  princip  das  'qytiuntv.öv  und  wird 
nach  Piatons  Vorgang  dämon  oder  gradezu  gott  genannt.  Der 
stoische  grundsatz  6fio7.oyovfnsvoag  tTj  cpvazi  tfiv  (auch  xaiv  tijv 
cpvaiv  oder  xata  rhv  Xoyov  C'/O  stimmt  mit  dem  pythagorei- 
schen Inov  üeä  auffallend  überein.  Bei  Chrysippus  begegnet 
uns  zum  ersten  male  das  wort  ßvwifiqaig  und  zwar  ganz  mit  dem 
begriffsinhalt  des  sokratischen  ovreidtvai  ;  die  Septuaginta,  Coh. 
X,  20  übersetzt  ungefähr  um  dieselbe  zeit  2~a  mit  avrtldqais, 
während  dies  wort  sonst  mit  oviecig,  einmal  mit  q>o6i>?]aig  wie- 
dergegeben wird.  Wenn  der  geist  nach  der  stoischen  lehre 
das  in  handlungen  unfehlbar  bestimmende  princip  im  menschen 
ist,  so  gilt  das  mit  gottesbewusstsein  identische  selbstbewusst- 
sein  zugleich  als  verpflichtende  norm  für  das  sittliche  handeln. 
Die  existenz  des  ausdrucks  ovrtiöqaig  im  buche  der  Weisheit 
beweist  die  beeinflussung  dieser  schuft  von  Seiten  der  griechi- 
schen philosophie.  Daran  schliesst  sich  die  erwähnung  der  recta 
conscientia  bei  Cicero  und  der  ovreoig  für  den  begriff  des  gewissens 
bei  Polybius.  Unter  den  jüngeren  stoikern  ist  besonders  Se- 
neca  wegen  der  analogie  seiner  auffassung  mit  der  christlichen 
bemerkenswertk.  Aber  alle  bisher  angeführten  momente  verei- 
nigen sich  bei  Epiktet,  nach  welchem  das  gewissen  ein  natür- 
licher bestandtheil  des  menschen  ist,  von  gott  mit  der  leitung 
desselben  beauftragt,  wie  der  pädagog  von  den  eitern  mit  der 
bewachung  und  schützung  des  knaben.  Gott  misfällig  und  dem 
gewissen  feindlich  werden  bedeuten  dasselbe.  Der  neue  aus- 
druck  70  ovieioög  bezeichnet  die  selbständige  Wirksamkeit  des 
gewissens  und  entstammt  einer  platonisirenden  anschautrag  über 
die  seelentheile.  Den  schluss  der  anregenden  und  im  allge- 
meinen ihr  thema  erschöpfenden  arbeit  bilden  die  unter  sich  dif- 
ferirenden  ansichten  von  Philo  und  Philostratus,  die  citate  aus 
einigen    autoren    der    vorchristlichen    griechischen    literatur   und 


544  318.  Lucretius.  Nr.  11. 

ein  kurzes  resume* ,    welches    unter    andern    die    hauptparallelen 
zwischen  den  antiken  und  christlichen  anschauungen  zieht. 

C.  Liebhold. 


318.  Zur  lehre  von  der  Sinneswahrnehmung  im  vierten  bu- 
che des  Lucrez.  Vom  gymnasiallebrer  Ferdin.  Höfer.  4. 
Stendal,  1872.  24  s.  (Programm  des  gymnasiums  zu  See- 
hausen). 

Wer  sich  ein  klares  bild  von  der  disposition  und  dem  ge- 
dankengange  machen  will ,  die  Lucrez  bei  der  darstellung  der 
epikureischen  gesichtstheorie  verfolgt  (IV,  1 — 521),  darf  sich 
getrost  der  tüchtigen  und  sicheren  führung  Höfers  überlassen, 
welcher  dabei  zugleich  mit  Sorgfalt  und  umsieht  untersucht, 
wie  weit  der  Römer  sich  hierin  an  das  Vorbild  der  darstellung 
seines  griechischen  meisters,  des  Epikuros  selbst,  angeschlossen 
hat.  Das  giebt  denn  auch  gelegenheit,  zwei  stellen  des  letzte- 
ren bei  Diog.  Laert.  X,  48.  31  ff.  näher  zu  betrachten  (p.  15. 
23).  In  die  citate  der  bemerkungen  von  Brieger  und  mir  über 
den  betreffenden  abschnitt  des  Lucrez  (Philologus  XXIX,  p. 
417  ff.)  haben  sich  ein  paar  irrthümer  eingeschlichen:  in  an- 
merk.  43  muss  es  nicht  „Susemibl  und  Brieger",  sondern 
bloss  „Susemihl"  heissen  und  in  anmerk.  46  ist  „Brieger"  für 
„Susemibl'',  in  anmerk.  48  aber  umgekehrt  „Susemihl"  für 
„Brieger"  zu  setzen.  Unrichtig  ist  ferner  die  bebauptung  (anra. 
43),  dass  ich  168 — 175  nicht  als  einen  zweiten  beweisgrund 
für  die  Schnelligkeit  des  entstehens  der  idole,  sondern  nur  als  ein 
erläuterndes  beispiel  dafür,  wie  rasch  manche  dinge  entstehen, 
ansehen  wolle,  und  wenn  ich  auch  gern  zugebe,  dass  meine  er- 
klärung  von  quorum  quantula  pars  sit  imago  (174)  bedenklich  ist, 
so  ist  sie  doch  die  einzige,  bei  welcher  wirklich  ein  beweis  für  die 
Schnelligkeit  des  entstehens  der  idole  überhaupt  und  nicht  blos 
der  idole  des  gewölks  herauskommt.  Bei  letzterem  bleibt  auch 
Höfer  stehen,  aber  um  ersteres  handelt  es  sich  ja  vielmehr. 
Dagegen  nehme  ich  mit  dank  seine  (anm.  39)  gegen  mich  ge- 
richtete bemerkung  über  vs.  127  f.  als  eine  wesentliche  Ver- 
besserung meiner  auffassung  um  so  mehr  an,  da  das  haupt- 
sächliche der  letztem  in  ihr  nur  eine  um  so  stärkere 
stütze  findet.  Die  jedenfalls  beachtenswerthen  conjeeturen  d( 
Verfassers  muss  ich  hier   mich  beguügen  kurz  auzuführen:  v.  T. 


Nr.  11.  318.    Lucretius. 

speciem  variam  ornatumque  dcorum ,  85  mutant,  323  sumat  (für 
servet),  383  ex  (für  ab)  und  apta  (für  orta).  Umgekehrt  wird 
334   das  handschriftliche  convertit  vertbeidigt. 

Voraufgeschickt  sind  einige  sinnige  bemerkungen  über  den 
dicbter  und  eine  fibersiebt  über  die  lehren  der  vorsophistischen 
philosophen  von  der  sinneswahrnehmung  nebst  einer  verglei- 
chung  der  epikureischen  mit  der  demokritischen  und  empedo- 
kleiscben.  Auch  hier  zeigt  der  Verfasser  ein  selbständiges  quel- 
lenstudium,  das  ihn  bei  Diogenes  von  Apollonia  zu  einer  ein- 
gehenderen besprechung  namentlich  mit  exegetisch -kritischer 
erörterung  von  Theophr.  de  sens.  §.  39  veranlasst  und  in  be- 
zug  auf  Empedokles  in  gegensatz  zn  Zeller  (Phil,  der  Gr.  2. 
A.  I,  p.  541  f.  3.  A.  p.  647  f.)  bringt.  Doch  muss  ich  be- 
kennen, dass  seine  polemik  gegen  den  letzteren  mich  nicht  über- 
zeugt hat,  wofür  meine  gründe  zu  entwickeln  hier  natürlich 
nicht  der  räum  ist.  Nur  kurz  sei  daher  bemerkt,  dass 
nach  Höfers  meinung  Empedokles  ein  austreten  von  feuer  und 
Wasser  aus  dem  äuge  als  Vermittlung  des  Sehens  nicht  gelehrt 
haben  soll:  wie  Höfer  aber  die  worte  bei  Theopr.  a.  o.  §.  7: 
jovg  8s  nöqovg  fV«AX«<2j  xdaOai  rov  ie  trvQog  xal  tov  vdazo?, 
verstanden  hat,  ist  mir  aus  seiner  Übertragung  ,,die  poren  in 
der  oberfläcbe  des  auges  führen  abwechselnd  zu  feuer  und  was- 
ser"  nicht  einmal  klar  geworden. 

Möge  der  Verfasser  bald  die  gelegenheit  finden  uns  mit 
der  versprochenen  foitsetzung  seiner  arbeit  zu  erfreuen ! 

Fr.  Susemihl. 

318.  Eine  abhandlung  über  Lucrez.  Vom  gymnasiallehrer 
Dr  Bindseil.  Berlin,  1870.  18  s.  4.  (Programm  des 
progymnasiums  in  Eschwege). 

Der  durch  seine  früheren  arbeiten  über  Lucrez  bereits  vor- 
teilhaft bekannte  Verfasser  unterwirft  den  von  der  Unendlich- 
keit der  atome  an  zahl  und  des  leeren  raums  an  ausdehnung 
handelnden  abschnitt  I,  951  — 1113  einer  gründlichen  und  um- 
sichtigen erörterung.  Schon  Göbel  hatte  gesehen,  dass  die 
verse  1002 — 1007  unmittelbar  hinter  984—997  gehören,  aber 
Bindseil  weist,  wie  mir  scheint,  unwiderleglich  nach,  dass  auch 
d.eser  gelehrte  die  richtige  Ordnung  der  gedanken  noch  viel- 
fach verkannt  hat,  und  dass  vielmehr  984 — 997.  1002 — 1007 
Philol.  Anz.  V.  35 


546  318.  Lucretius.  Nr.  11. 

die  mitte  der  hinter  1013  ausgefallenen  längeren  auseinander- 
setzung  darstellen.  Auch  darin  kann  ich  ilim  nur  beistimmen, 
dass  zu  dem  verfehlten  in  Göbels  auseiuandersetzung  auch  des- 
sen auffassung  von  v.  969  gehört  und  dass  vieiraehr  Creech  den 
sinn  dieses  verses  richtig  erkannt  hat ,  dass  aber  allerdings  zu 
dieser  richtigen  deutung  desselben  das  spatium  nicht  stimmt, 
sondern  es  statt  omne  guod  est  spatium  bloss  omne  quod  est 
heissen  müsste.  Wie  dies  räthsel  zu  lösen  ist,  da  man  nicht 
füglich  sieht,  welches  andere  wort  an  der  stelle  von  spatium 
gestanden  haben  könnte,  darüber  befinde  ich  mich  in  derselben 
Verlegenheit  wie  der  Verfasser.  Weniger  unbedingt  kann  ich 
ihm  in  bezug  auf  den  gedanken  der  acht  hinter  1093  ausgefalle- 
nen verse  beipflichten.  Seine  scharfsinnige  kritik  der  ergan- 
zungsversuche  von  Munro  und  Brieger  (Philologus  XXLU ,  p. 
639  —  641)  trifft  zwar  grösstentheils  meines  erachtens  das  rich- 
tige, aber  die  von  Brieger  (Philologus  XIV,  p.  5GG)  gegen  den 
von  Göbel  gerichtete  scheint  mir  durch  seine  gegenbemerkun- 
gen  nicht  widerlegt  zu  sein,  und  ich  glaube  daher,  dass  zwar 
der  anfang  des  verlorenen  etwa  so  lautete,  wie  ihn  Göbel  und 
Bindseil  und  zum  theil  auch  Brieger  sich  denken  ,  dass  aber  ne 
forte  cett.  1192  ff.  nicht  von  einem  caveant  igitur  stoiei  oder 
fiet ,  ut  stoieis  medium  illud  nihil  amplius  prosit  nee  proliibeat, 
sondern,  wie  Brieger  Muuro  verbessernd  angenommen  hat,  von 
einem  quare  infinito  potius  numero  corporum  matcriai  opus  est 
oder  etwas  ähnlichem,  was  den  schluss  des  aufgefallenen  bil- 
dete, abhängig  war.  In  bezug  auf  101*2  f.  wird  der  verf. 
meine  jetzige,  vou  der  seinen  wie  von  der  Polle's  abweichende 
ansieht  inzwischen  bereits  aus  dem  Philologus  XXIX,  p.  429  f. 
entnommen  haben.  Ich  schliesse  mit  dem  wui.sche,  dass  wir 
dem  wohlberufenen  forscher  bald  wie;ler  auf  diesem  felde  be- 
gegnen mögen,  auf  welchem  seine  mitforscher  ihm  nun  schon  so 
mancherlei  auregung  und   belehrung  verdanken." 

Fr.  Susemikl. 

319.  Quaestiones  Tibullianae.  Dissertatio  inauguralis  quam 
...  defendet   Hermann  us  Grroth.     8.     Htlis.   1872. 

Nach  einem  kurzen  einleitenden  capitel  wendet  sich  der 
vf.  von  p.  9  an  gegen  die  Piicn'sche  responsionstheorie  und 
widerlegt    dieselbe    namentlich    mit    bezug  auf  I,   1.    I,  10    und 


Nr.  11  319.  TibuIIus.  547 

II,  6.  "Was  hier  gegen  Priens  künsteleien  und  willkührlich- 
keiten  vorgebracht  wird  ,  entspricht  im  allgemeinen  der  ansieht 
des  ref.,  während  sich  über  die  interpretation  des  einzelnen 
hier  und  da  streiten  lässt.  Unrichtig  ist  sicher  die  erklärung 
des  vfs.  1,  1,  7 — 10(p.  11):  per  chiasmum  sibi  respondent  versus  7. 
8  atque  9.  10,  ita  ut  „grandia  porna"  ad  verba  „frugum  acer- 
vos",  verba  autem  ,,teneras  vites"  ad  „pleno  pinguia  musta  lacu" 
quadrent.  Aber  frugum  acervi  kann  nur  von  feldfrüehten  ver- 
standen werden,  sosvohl  wegen  des  Sprachgebrauchs  (vgl.  I,  5, 
21.  8,  19.  II,  1,  1.  3,  68),  als  weil  deren  erwähnung  durchaus 
notb wendig  ist.  —  P.  17  spricht  der  vf.  als  regel  aus,  dass  die 
Symmetrie  nicht  der  absieht  des  dichters  zugeschrieben  werden 
dürfe,  si  desunt  externa  indicia  strophicae  aeguabültatis  velut  ea- 
dem  aut  similia  verba  in  partium  exordio  aut  fine  aut  versus  in- 
tercalares  aut  eiusmodi  alia.  Dies  ist  wohl  etwas  zu  strenge 
geurtheilt:  in  einzelnen  partien  hat  der  dichter  mehrfach,  wenn 
zwei  gedanken  einander  gegenübergestellt  werden,  auch  ohne 
solche  äusserliche  inrlicien,  aber  zweifellos  mit  absieht  die  ge- 
genüberstellung  durch  gleiche  verszahl  klarer  und  wirkungsvol- 
ler gemacht-,  so  enthalt  die  Schilderung  der  Schrecknisse  des 
todes  I,  10,  33  ff.  eben  so  viele  verse  wie  die  darauf  folgende 
beschreibung  eines  friedlichen  und  glücklichen  alters.  Uebri- 
gens  wiid  der  vf.  seinem  prineip  alsbald  untreu.  Im  folgen- 
den abschnitt  nämlich  (p.  20  ff.)  sucht  er  bei  den  Sulpicia-ele- 
gien  IV,  2 — 8  eine  durchgehende  Symmetrie  der  theile,  in 
welche  sich  die  gedichte  gliedern,  zu  erweisen,  und  hier  ist  er 
ebenso  wenig  überzeugend  wie  Prien,  wenn  auch  seine  methode 
besonnener  ist  und  er  sich  nicht  der  annähme  von  lücken  und 
interpolationen  bedient.  So  lässt  er  das  exordium  von  el.  4 
aus  dem  ersten  distichon  bestehen  und  mit  dem  zweiten  den 
ersten  von  vier  gleichen  t heilen  beginnen.  Aber  welcher  un- 
befangene leser  kann  in  abrede  stellen,  dass  sich  das  zweite 
distichon  aufs  engste  an  das  erste  ansehliesst  (Huc  ades  et  tene- 
rae  morbos  expelle  puellae,  Huc  ades,  intonsa  Phoebe  süperbe  coma. 
Crede  mihi,  propera;  ne  te  iam,  Phoebe,  pigebit  Formosae  medicas 
adplieuisse  manusj?  Ueber  el.  6  lesen  wir  p.  45:  singulorum 
systematum  exordia  eo  notata  sunt,  quod  dea  appellatur  v.  1  Na- 
talis  Iuno  ;  v.  1  at  tu,  saneta ,  fave ;  v.  1 3  adnue  purpureaque 
veni  etc.     Der  vf.  verschweigt,    dass  sich  auch  v.   5  die  anrede 

35* 


548  320.  Ovidius.  Nr.  11. 

(diva)  findet ,  womit  die  ganze  beweisführ ung  hinfällig  wird. 
Und  von  derselben  art  liesse  sich  manches  andere  anführen. 
Im  einzelnen  finden  sich  zahlensymmetrien  in  den  Sulpicia- 
elegieeu  ebenso  wie  in  den  übrigen;  die  vollständige  durch- 
fuhrung des  princips  muss  ref.  auch  hier  bestreiten.  —  Der 
letzte  theil  der  dissertation  (p.  29  ff.)  beschäftigt  sich  mit  I,  4, 
einem  gedichte,  wo  die  überlieferte  folge  der  gedanken  bekannt- 
lich in  mehreren  beziehungen  sehr  befremdlich  ist.  Der  vf.  ent- 
scheidet sich,  zum  theil  nach  Ritschi,  für  folgende  herstellnng : 
1 — 56,  71 — 84,  57 — 70.  Ein  näheres  eingehen  auf  diese  frage 
würde  hier  zu  weit  führen;  nur  das  eine  sei  bemerkt,  dass  der 
schluss  mit  der  hässlichen  Verwünschung  v.  70  nach  des  ref. 
gefühl  etwas  sehr  störendes  hat  und  der  gewohnheit  Tibulls 
widerstreitet. 


320.  Ovid's  Metamorphosen  in  fünfzehn  büchern  im  vers- 
masse  der  Urschrift  verdeutscht  und  mit  einem  erklärenden 
namen  -  und  Sachregister  versehn  von  W.  v.  Tippeiskirch.  Ber- 
lin.   1873.      Verlag  v.   Hermann   Peters. 

Der  obertribunalrath  v.  T  ippelskhch  hat  sieben  jähre  der 
müsse,  welche  seine  amtsgeschäfte  ihm  gelassen  haben,  dazu 
verwendet,  Ovid's  Metamorphosen  im  masse  des  Originals  zu 
übersetzen.  Ueber  die  grundsätze,  welche  ihn  dabei,  besonders 
in  der  behandlung  des  deutschen  verses,  geleitet  haben,  spricht 
er  sich  in  einer  vorrede  aus.  In  der  messung  der  sylben  folgt 
er  den  regeln,  welche  Gotthold  in  seinem  Hephästion  ausge- 
sprochen hat,  und  welche  in  der  that ,  seit  Platen ,  ziem- 
lich allgemein  befolgt  werden.  Lob  verdient  die  Sorgfalt, 
mit  welcher  der  Übersetzer,  diesen  regeln  folgend,  duichweg 
vermieden  hat,  in  zusammengesetzten  Wörtern  die  zweite  sylbe 
(das  gruudwort),  kurz  zu  nehmen;  ja,  er  dehnt  diese  vorsieht 
auch  auf  sylben  wie  heit,  keit  u.  s.  w.  aus;  und  es  ist  ihm 
hauptsächlich  dadurch  gelungen,  dem  deutschen  hexameter  die 
Schwerfälligkeit  zu  benehmen,  welche  ihm  in  früheren  Überse- 
tzungen ,  stellenweise  auch  in  den  sonst  übrigens  leichten  und 
gefälligen  versen  Göthe's,  noch  angeklebt  hat.  Er  vermeidet 
auch  gänzlich,  was  Platens  versen  häufig  eine  undeutsche  beto- 
nung  giebt,  die  zweite  sylbe  des  zusammengesetzten  worts  in 
die  arsis  zu  bringen,  wie  ,. Jungfrau"  und    ähnliches.      Den  tro- 


Nr.  11.  320.  Ovidius.  549 

chäus,  der  nun  einmal  in  deutschen  hexametern  schwer  abzu- 
weisen ist,  gestattet  er  sich  selten,  und,  wofür  er  auch  seine 
gründe  angiebt,  nur  im  ersten  und  vierten  versfuss;  sorgt  auch 
dafür,  —  wie  es  Voss  und  Uschner  noch  mehrfach  begegnet 
ist,  —  nicht  mit  einem  ganz  tonlosen  wort  den  vers  zu  be- 
ginnen. Ganz  besondere  aufmerksamkeit  hat  der  Verfasser  dem 
deutschen  ausdruck  zugewendet;  und  bei  dem  aufmerksamsten 
lesen  wird  man  schwerlich  eine  wendung  finden,  welche  an  die 
mühe  des  übersetzens  erinnert  oder  einen  latinismus  beibehält. 
Auch  im  gebrauch  des  apostroph's  ist  der  Übersetzer  sparsam  ; 
nie  wird  man,  wie  das  leider  oft  sogar  in  Originaldichtungen 
vorkommt,  durch  weglassung  einer  endung  eine  beugungsform 
in  abgeschmackter  weise  verstümmelt  finden.  Unrecht  ist  es 
freilich,  wenn  er  die  apostrophiruug  dem  leser  überlässt,  wie 
I,  325: 

Darauf   nur   den  einzigen  mann ,    der  von  tausenden  übrig 

geblieben, 
statt  „d'rauf  u.  s.  w.;  durch  die  Unterlassung  der  ausstossung 
des  a  im  druck  ist  der  vers  aus  einem  hexameter  scheinbar 
ein  heptameter  geworden.  Somit  ist  die  Übersetzung  durchweg 
geschmackvoll  und  mehr  als  jede  andere  geeignet,  eines  der 
bedeutendsten  und  gefälligsten  werke  der  römischen  poesie  dem 
grösseren  publikum  zugänglich  und  ansprechend  zu  machen. 
Einzelne  verse  findet  der  Verfasser  vielleicht  in  einer  zweiten 
aufläge  veranlassung  zu  bessern.  Gleich  die  anfangsworte  ha- 
ben mir  wenigstens,  trotz  der  vertheidigung  derselben  in  der 
vorrede,  nicht  zusagen  wollen.     Der  Übersetzer  schreibt : 

Körper  zu    singen ,    die    neue    gestalt    annahmen    durch 

Wandlung 
Strebt  mein  busen. 
Aber  nicht  die  körper,  sondern  ihre  Verwandlung  will  der  dich- 
ter besingen.     Auch  vermisst  man  den  artikel.      Alle  Verwand- 
lungen vom  anfang  der  weit  bis  auf  seine  zeiten  hin  zu  erzäh- 
len, strebt  der  ehrgeiz  des  dichters.     Vielleicht  so: 

Jegliche    Wandlung    der    wesen   in    andre    gestalt  zu  er- 
zählen 

Treibt  mich  der  geist. 
Hier  und  da  schadet  dem  augenblicklichen  verständniss  ein  über- 


550  321.  Eutropins.  Nr.  11. 

mas3   der   interpunction ;    so    hat   der  Verfasser    drucken  lassen, 
XIII,  455 : 

Als  sie  am  grausen  altare,  der  früheren  würde  gedenkend, 

Dasteht    und    sie    sich    selbst    für    die    schreckliche  feier 

gerüstet, 

Auch  Neoptolemus  sieht,    der    das    eisen    bereits   in   der 

band   hält, 

Und  in   ihr  antlitz  schaut,  sie  mit  leuchtenden  äugen  be- 
trachtend, 

Ruft  sie: 
Das  komma  hinter  „hält"  hätte  fortbleiben  müssen,  wie  über- 
haupt vor  „und",  wenn  nicht  ein  neues  subject  eintritt ;  man 
würde  daon  sogleich  bemerkt  haben,  dass  „und  in  ihr  antlitz 
scbaut"  zu  dem  relativsatz  gehört;  so  wird  man  im  ersten  au- 
genblick  versucht,  so  sinnlos  es  auch  ist,  ,, siebt"  und  „scbaut" 
durch  „und"  verbunden  zu  glauben.'   Für  (I,  311) 

die  die  welle  nicht  fortriss, 

Starben  bei  dürftiger  speise, 
lag  es  nahe  zu  setzen : 

wen  die  welle  nicht  fortriss, 

Starb  bei  dürftiger  speise. 
Eben  da  (803)  hätte  ich  vires  falminis  nicht  durch  „blitzähn- 
liche kräfte",  sondern  geradezu  durch  „die  kräfte  des  bauers" 
übersetzt.  —  Der  Verfasser  sollte  bei  dem  geschmack,  den  er 
in  der  leichten  Übertragung  der  Metamorphosen  au  den  tag 
gelegt  hat,  auch  die  für  das  deutsche  publikum  geniessbaren 
elegischen  dichtungen  der  Römer  übersetzen,  —  eine  arbeit,  zu 
welcher  er  unter  wenigen  berufen  erscheint. 


321.  Eutropius  und  Paulus  Diaconus.  Von  Wilhelm 
Hartel.  Wien  1872,  Karl  Gerold's  söhn.  86  s.  gr.  8.  (Aus 
dem  aprilhefte  des  Jahrganges  1872  der  Sitzungsberichte  der 
phil.-hist.  classe  der  kais.  akademie  d.  wiss.  zu  Wien.  LXXI. 
bd.}  seite  227  besonders  abgedruckt). 

Die  vom  Verfasser  dieser  schritt  in  seiner  ausgäbe  des  Eu- 
tropius, über  welche  in  diesem  Anzeiger IV,  p.  250  ff.  berichtet 
ist,  in  aussieht  gestellte  abhandlung  über  die  emendation  jenes 
Schriftstellers,  liegt  jetzt  vor.  Es  kann  nicht  die  aufgäbe  der 
folgenden  zeilen  sein,  die  von  Hartel  mit  sicherer  methode  ge- 


Nr.  11.  .  321.  Eutropins.  551 

wonnenen  und  in  lichtvoller  klarheit  vorgetragenen  ergebnisse 
vollständig  zu  verzeichnen ;  nur  die  hauptpunkte  des  reichen 
Inhaltes  sollen  hier  angegeben  und  einzelne  nebendinge  mit  be- 
merkungen  begleitet  werden. 

Zuerst  wird  für  die  in  der  vorrede  der  ausgäbe  aufge- 
stellte behauptung  der  eingehende  beweis  geführt,  nämlich  dass 
der  text  des  Eutrop  in  zwei  recensionen  enthalten  ist,  von 
denen  die  erste  im  Gothanus  101  (früher  Fuldensis)  =  P,  die 
andere  im  Monacensis  8516  =  A  und  im  Bambergensis  G.  E.  III, 
4  =  B  am  besten  vertreten  wird.  Der  text  der  handschriften, 
welche  der  zweiten  klasse  P  angehören ,  ist  von  Paulus  nicht 
nur  fortgesetzt,  sondern  auch  in  seinem  ursprünglichen  bestände 
revidiert  i.  h.  durch  grössere  zusätze  aus  Hieronymus  und 
Orosius,  sowie  durch  kleinere  zusätze  und  durch  Umgestaltung 
alles  ungewöhnlichen  verändert  worden.  Dieses  sowie  die 
daran  sich  reihende  folgerung ,  dass  in  F  der  reinste  text  des 
Eutrop  vorliegt,  wird  durch  die  von  Päanius  aus  dem  vierten 
jahrhuudert,  durch  eine  zweite,  fragmentarische  wahrscheinlich  von 
Capito  aus  dem  sechsten  Jahrhundert  herrührende  Übersetzung  bestä- 
tigt. Dass  nämlich  auch  letztere  Übersetzung  den  noch  heute  vor- 
liegenden text,  nicht  etwa  eine  ausführlichere  fassung  desselben 
wiedergibt,  beweist  Hartel  gegen  Köcher  mit  evidenz.  Mit 
rücksiebt  auf  diese  griechischen  paraphrasen  werden  dann  zahl- 
reiche stellen  des  Eutrop  besprochen  und  die  in  der  ausgäbe 
aufgenommenen  lesarten  meistens  in  überzeugender  weise  ge- 
rechtfertigt. "Nur  an  wenigen  stellen  kaun  man  anderer  mei- 
nung  sein:  IV,  12  erscheint  iunior  durch  das  zeugniss  des  Päa- 
nius als  echt  geschützt ;  VI,  24  ist  Gnaeus  et  Sextus  wohl  hin- 
länglich durch  Päanius  (und  Capito)  beurkundet;  VII,  19  ist 
nach  Dietsch  auf  Capito's  zeugniss  hin  ita  tarnen  zu  lesen,  VIII, 
8  mit  Tzschucke  nach  Päanius  und  Capito  ita  ut  .  .  aequatur 
statt  aequetur;  IX,  27  beruft  sich  Hartel  zwar  vorsichtig,  aber 
auch  so  mit  unrecht  für  die  gewählte  lesart  et  severioribus  auf 
ein  bei  Capito  stehendes  x«*',  das  sich  gar  nicht  auf  den  frag- 
lichen begriff,  sondern  auf  den  namen  /ltoy.lt]Tiaim  bezieht.  In 
wenigen  fällen  hat  der  vf.  seine  frühere  meinung  geändert;  so 
schlägt  derselbe  statt  des  in  der  ausgäbe  I,  11  stehenden  Valerius 
vor  Lucius  Valerius,  LI,  5  Lucius  Mallius  statt  Manlius  nach  der 
Überlieferung  beider  recensionen;  VI,  23  wird  statt  der  in    den 


552  321.   Eutropius.  Nr.  11. 

text  gesetzten  lesart  qui  ei  magister  equitum  dictatori  ante  an- 
num  fuerat  und  statt  der  in  der  note  mitgetheihen  vermuthung 
qui  et  magister  equitum  ei  dictatori,  nunmehr  vorgeschlagen  :  qui 
ei  magister  equitum  etiam  dictatori  ante  annum  fuerat,  was  zwar 
paläographisch  leichter,  aber  dem  sinne  nach  gezwungener  ist; 
ebenda  werden  die  in  der  ausgäbe  eingeklammerten  worte  Syl- 
lae  dictatoris  filius  nach  Capito  (und  Päanius)  als  echt  aner- 
kannt. Weiterhin  mustert  der  vf.  eine  reihe  von  stellen  mit 
bezug  auf  jene  historiker,  welche  den  text  des  Eutrop  ausge- 
schrieben haben;  was  hier  über  die  nothwendigkeit  genauerer 
durchforschung  der  manuscripte  des  Hieronymus  und  Orosius, 
wodurch  vermuthlich  manche  angaben  berichtigt  würden ,  be- 
merkt wird,  das  gilt  auch  bezüglich  des  Festus  Rufus.  Die  zu 
VI,  9  citierte  stelle  des  Festus  15  lautet  im  Bambergensis :  cum 
scptem  milibus  glibanariis  et  centum  viginti  milibus  $agittariorumy 
im  Gothanus :  cum  septem  milibus  sagittariorum.  Beweist  die 
letztere  lesart  nichts,  da  der  abschreiber  offenbar  von  einem 
milibus  zum  andern  abirrte,  so  spricht  dagegen  die  erstere,  in- 
dem zwar  der  ablativ  glibanariis  steht  aber  quingentis  fehlt,  eher 
gegen  F,  während  Hartel  die  stelle  als  bestätigung  für  F  anführt. 
Fest.  21  bietet  der  Gothanus:  quadragentis;  14  und  20  fehlt  in 
beiden  handschriften  et  vor  Assyriam,  ferner  bieten  beide  14 
Traiani  gloriae  und  20  revocatis  exercitibus ,  sowie  21  strenue  ©*- 
cit\  an  letzter  stelle  fehlen  im  Gothanus  die  Worte  Adiabenos 
delevit.  Im  folgenden  handelt  der  vf.  auf  grund  umfassender 
Zusammenstellungen  von  den  eigenthümlichkeiten  des  arebety- 
pus  und  gewinnt  aus  der  Untersuchung  das  bestimmte  ergebniss, 
dass  F  und  P  (d.  h.  A  und  B)  eine  hinlänglich  feste  basis  für  die  con- 
ßtituierung  des  textes  darbieten.  Der  hier  folgenden  Untersuchung 
des  textes  in  F  reihen  sich  mittheiluugen  über  andere  hand- 
schriften an,  besonders  über  einen  Viudobonensis  und  einen 
Leidensis,  die  auf  eine  mit  der  zweiten  band  in  F  verwandte 
vorläge  zurückgehen.  Im  anschluss  an  das  über  die  recension 
des  Paulus  bemerkte  wird  der  brief  desselben  an  die  herzo- 
gin  Adelperga  von  Benevent  nach  zwei  Vindobonenses ,  einem 
Vaticanus  und  einem  Ottobonianus  abgedruckt;  es  wäre  hier 
wohl  am  platze  gewesen,  auch  die  modificierte  fassung  dessel- 
ben briefes  wenigstens  zu  erwähnen,  wie  sie  in  einem  Bamber- 
gensis  E,  III,  14  sich  findet.      Mit  weiteren  mittheiluugen  über 


Nr.  11.  322.     Dictys.  553 

Paulushandscbriften  schliesst  der  vf.,  indem  er  sich  eine  Unter- 
suchung vorbehält  über  diejenigen  interpolationen  des  Eutro- 
piustextes ,  welche  Paulus  uicht  aus  Hieronymus  und  Orosius, 
Bondern  aus  anderen  autoren  genommen  hat.  Anhang  I  han- 
delt über  den  cod.  Lugd.  Bat.  1,  anhang  II  bespricht  eine 
anzahl  von  conjecturen  zu  Eutrop,  die  theils  im  Philol.  Auz. 
IV,  p.  251  f.  theils  im  Specimen  criticum  ad  scriptores  quosdam 
latinos  von  A.  Eussner  mitgetheilt  sind. 

322.  Dictys  Cretensis  ephemeridos  belli  troiani  libri  sex. 
Kecognovit  F  er  d.  Meister.  8.  Lipsiae.  Teubner.  1872. —  I5gr. 

Dieser  ausgäbe  liegen  die  ältesten  handschriften  die  bis- 
her bekannt  geworden  zu  gründe:  die  St.  Galler  s.  IX/X,  mit 
der  eng  verwandt  ist  eine  berner  des  XIII.  Jahrhunderts.  Beide 
enthalten  leider  an  unzähligen  stellen  auslassungen  neben  an- 
deren Verderbnissen  und  hier  mussten  denn  jüngere  handschrif- 
ten herangezogen  werden ,  von  denen  besonders  eine  berliner 
s.  XIII  vielmals  das  richtige  trifft.  Wenn  eine  sorgfältige 
collation  der  beiden  erstgenannten  handschriften  in  der  adnota- 
tio  vorliegt,  so  ist  dagegen  zu  bedauern,  dass  dieselbe  ein 
klares  bild  der  jüngeren  handschriften,  die  doch  nicht  zu  ent- 
behren sind,  nicht  ermöglicht;  ohne  zu  grosse  anschwel lung  des 
apparats  hätte  sich  doch  wohl  von  der  berliner  und  breslauer 
die  vollständige  abweichung  geben  lassen.  Möglich  dass  selbst 
für  die  geschichte  des  werks,  die  in  der  vorrede  —  wir  wol- 
len dem  Verfasser  damit  durchaus  keinen  Vorwurf  machen  — 
keine  besondere  förderung  erfahren  hat,  daraus  sich  etwas  ergeben 
hätte.  Nur  die  jüngeren  handschriften  überliefern  nämlich  den 
brief  des  Septimius,  während  doch  dessen  name  in  älteren,  zu 
denen  doch  wohl  der  Argentoratensis  Obrechts  gehören  dürfte, 
in  den  explicit  (sicher  in  diesem  codex  zu  ende  des  dritten 
buchs)  vorkommt.  Leider  hat  Meister  diese  subscriptionen,  die 
doch,  wie  wohl  jetzt  allgemein  anerkannt  wird ,  bei  Dictys  wie 
bei  anderen  Schriftstellern  auf  die  Verfasser  zurückgehen  ,  nicht 
mitgetheilt.  Wie  in  diesem  punkte,  so  ist  der  herausgeber  bei 
der  beschreibuug  der  handschriften  gar  zu  knapp  verfahren. 
Hingegen  ist  die  ausnützung  derselben  für  die  constituirung  des 
textes  im  ganzen  mit  dem  richtigen  blick  und  mit  methode 
geschehen;   im  einzelneu  ist,   worüber  man  eben  streiten  kann, 


554  322.  Dictys.  Nr.  11. 

nach  ansiebt  des  referenten  noch  manches  gute  in  der  adnota- 
tio  stehen  geblieben.  Einige  beispiele  der  art  nebst  anderen 
bemerkungen  mögen  uns  gestattet  sein. 

In  der  epistola  des  Septimius  p.  1,  20  ist  mit  Dederich 
quatuor  geschrieben;  die  handsebriften  geben  quinque,  was  eher 
wie  ein  glossem  aussieht;  ich  glaube  der  Verfasser  hat  residua 
substantivisch  gesetzt  und  keine  zahl  zugefügt. 

7,  19  moribus  kann  nicht  richtig  sein;  was  freilich  dastand, 
ist  schwerer  zu  sagen,  als  auf  welche  weise  es  entstanden:  der 
ausdruck  war  wie  p.  41,  12  zeigt,  der  zeit  geläufig.  Perizons 
clamoribus  ist  gut,  nicht  minder  die  conjeetur  murmuribus ,  vgl. 
Ovid.  M  I,   205 :   qui  (luppiter)  postquam  voce  manuque 

murmur a  compressit,  tenuere  silentia  euneti. 
Substitit  ut  clamor,  . .  Iuppiter  ..  silentia  rupit. 
murmura  ist  dort  das  aufgeregte  geschrei  in  folge  der  mitthei- 
lungen  von  Lycaons  frevel,  vgl.  Dracontius  Helen.  283  murmur 
erit  Phrygibus.  Orest.  341  mumure  sollicito  flentes  haec  dieta  lo- 
quuntur.  Aber  auch  rumoribus  kann  man  vermuthen,  vgl.  Appuleius 
Met.   3  trepido    rumore    viciniae  conelamantis  latrones  fagit  territus. 

11,  11  statt  ad  deos  geben  die  handsebriften  GB  adis,  d. 
h.  a  dis  und  was  soll  daran  anstössiges  sein? 

18,  20,  primi  fugae  zu  verbinden.  19 ,  15  ipsius,  beim 
kämpfe  selbst  thaten  sie  sich  hervor ,  wie  geschildert  wird.  — 
19,  29:  sollte  es  ein  wort  praeretitus  gegeben  haben,  woraus 
das  praeteritus  von  G  entstanden? 

22,  7  lies  insperata  cura\  so  hiess  es  oben  15,  22  magnum 
atque  insperabile  eunetis  remedium  exeogitavit;  in  der  Schilderung 
c.  X  wird  das  unerwartete  dieser  heilang  anschaulich  darge- 
stellt. Die  entstehung  des  fehlers  ist  klar:  ec  wurde  für  cc  d. 
h.  a  gelesen  und   der  strich  durch  p  übersehen. 

25,  20  ist  in  fug a  auch  ohne  Dederichs  atque  zu  halten,  ebenso 
30,  24  ea  lamentatione  immodica,  30,  27  post  quae,  was  der  her- 
ausgeber  37,  28  ohne  bedenken  im  texte  gelassen  hat.  —  31, 
12  hat  das  active  impetrare  neben  nequitum  est  in  der  zeit  der 
dies  werk  seine  entstehung  verdankt,  nichts  anstössiges.  —  31,27: 
das  non  ist  doch  gar  zu  schwach,  minime  müsste  wenigstens  ste- 
hen. —  32,  1  dem  clausa  wird  wohl  cassa  vorzuziehen  sein,  diese 
Verwechselung  ist  nicht  selten.  • —  34, 10 ita  vtircs  estzu  halten;  fore 
ut  in  z.  12  überflüssig. —  35,33  sollten  nicht  Botieum  und  Cilla, 


Nr.  11.  322.  Dictys.  555 

in  Phrygien  und  Troas  als  die  vom  Schriftsteller  gemeinten 
Städte  sich  ergeben  ? 

40,  25  in  anieri  liegt  wohl  Antenoris ,  eine  Verwechselung 
der  beiden  führer  Ilias  IT,  823  und  844,  die  weiterhin  ver- 
mieden ist.  51,  25  ponderis  aut  mensurae  inferioribus. —  52,  1 
iam  für  tarnen.  75,  20  metu  summae  verum  desperatio.  —  89,  6 
hier  kann  cur  am  fehlen,  rationem  gehört  zu  beiden  verbis. —  90, 
22  summo  fastigio  :  der  dativ  bei  verben  der  bewegung  kommt 
immer  mehr  in  gebrauch.  —  102,  5  memoriae  dedi.  —  103,  28  suas 
leges. —  109  Hinter a  quam  nonnulli  materno  nomine  Hemeram  ap- 
pellabant.  Bei  einem  auctor,  dem  unzweifelhaft  griechische  quel- 
leu  vorlagen  1),  ist  eine  Unterscheidung  dieser  nur  fürs  olir  ver- 
schiedenen formen  (denn  tj  wurde  ja  wie  i  gesprochen)  nicht 
denkbar;  von  einer  Schwester  des  Memnon  spricht  Dictys  al- 
lein, die  mutter  wird  auch  von  anderen  'HftBQa  genannt.  Die- 
ser Dame  gilt  dem  Dictys  für  die  Schwester:  und  es  wird  der- 
selbe statt  Himera  in  den  text  zu  setzen  sein ;  als  maternum 
nomen  geben  die  handschriften  helcnam ,  offenbar  falsch-,  aber 
leicht  aus  einer  anderen  notiz  zu  berichtigen,  nach  der  die 
mutter  Electra  hiess. 

In  betreff  der  griechischen  namen  könnte  noch  mancher 
zweifei  geäussert  werden;  sicher  ist  hier  durch  die  abschreiber 
unendlich  viel  verkehrtes  in  den  text  gekommen,  theils  aus  völli- 
ger unkenntniss  derselben,  theils  aus  erinnerung  an  ihnen  be- 
kannte ähnlich  klingende2);  so  wird  29,  7  thentandrum  geschrie- 
ben, während  bald  darauf  theutranti  richtig  steht  (30,  3):  sol- 
che vertauschungen  einer  endung  mit  einer  anderen  echt  grie- 
chischen sind  nicht  selten  und  man  darf  nicht  anstehen,  das  aus 
guten  quellen  überlieferte  dafür  an  die  stelle  zu  setzen.  Aber 
viele  namen  sind  auch  in  den  stammen  bis  zur  völligen  Un- 
kenntlichkeit entstellt,  und  jene  quellen  reichen  nicht  aus;  sei 
es  dass  Dictys  aus  solchen  noch  hat  schöpfen  können,  die  für 
uns  längst  verloren  sind ,  oder  gar  seine  phantasie  hat  walten 
lassen.     In  solchen  fällen  dürfte  es  doch  gewagt  sein,  die  hand- 

1)  Vgl.  18,  1  inutropea,  wo  i  anstatt  des  griechischen  ot  gesetzt 
ist  und  auch  das  u  beibehalten.  30,  3  tecmissam  für  Tecmessam.  So 
findet  sich  in  der  tragödie  Orestes  635  inides  für  Oenides ,  und  um- 
gekehrt ei  und  oe  für  den  i-laut.  109  moeceneas.  639  dociras  für 
JDorylas. 

2)  Z.  b.  11,  15  Eurypylus  Mnesthei  für  Euryalus  Mecistei. 


556  323.  M.  Tullius  Cicero.  Nr.  11. 

schriftliche  Überlieferung  zu  verdrängen;  so  25,  27  und  26,  6, 
wo  dieselbe  mentorensium  gibt  und  herausgeber  mit  Perizonius 
Neandriensium  schreibt. 

In  der  Orthographie  hat  unser  herausgeber  die  richtige  mit- 
telstrasse  einzuhalten  gesucht;  er  hat  weder  dem  alten  Schlen- 
drian concessionen  gemacht,  noch  denen,  die  wo  möglich  alles 
für  echt  halten ,  was  die  handschriften  an  abweichenden  for- 
men bieten.  Einzelnes  war  freilich  noch  zu  beachten:  so  die 
richtige  form  Mothone  13,  22,  die  auch  bei  Senec.  Troad.  832 
der  Florentinus  bietet.  18,  1  das  griechische  u  in  oenutropea, 
rennuere  mit  doppeltem  n,  wie  es  15,  22.  23,  14.  29,  5  G  bie~ 
tet,  die  interaspiration  Euhaemonis  in  GB,  für  die  trotz  Geor- 
ges' behauptung  in  diesem  anzeiger  IV,  7,  p.  365  sich  zahl- 
reiche belege  finden,  die  Schreibung  von  oportunus  mit  einem  p 
u.  s.  w.,  amminiculo  27,  8.  Die  formen  Aulidam  24,  8,  Salami- 
nam  104,  30  sind  so  gerechtfertigt  wie  Briseidam  bei  Darea 
17,  7.  In  der  Verwendung  der  cursivschrift  findet  sich  manche 
inconsequenz,  von  druckfehlern  wollen  wir  nur  p.  xiv  Septimi- 
nianum  statt  Septimianum  notiren. 

'P. 

323.  M.  Tullii  Ciceronis  Tusculanarum  Disputationum  ad 
M.  Brutum  libri  quinque.  Für  den  schulgebrauch  erklärt  von 
Dr  Carl  Meissner,  Oberlehrer  zu  Bernburg.  8.  Leipzig, 
Richter  und  Harrassowitz,  1872.  —     20  gr. 

Nach  genauerer  prüfung  des  commeutars  zum  ersten  buche 
kann  referent  über  das  viele  gute,  was  er  gefunden  hat,  nur 
seine  befriedigung  aussprechen.  Die  sachlichen  erläuterungen 
sind  bündig  und  zuverlässig,  die  entwicklung  des  gedanken- 
gangs  einleuchtend;  sprachliche  und  stilistische  bemerkungen, 
wie  sie  entweder  für  das  verständniss  der  betreffenden  stellen 
nothwendig  sind  oder  sich  im  anschluss  daran  ergeben  ,  sind 
in  grosser  zahl  eingestreut.  So  wird  man  nur  das  eine  an 
der  arbeit  aussetzen,  dass  sie  für  ihren  zweck  zu  viel  giebt. 
Offenbar  ist  des  Verfassers  eigeuer  klassenvortrag  in  dem  com- 
mentar  niedergelegt,  wodurch  aber  sein  gebrauch  für  die  schule 
grade  beeinträchtigt  wird.  Degegen  wird  er  als  ein  treffliches  hülfs- 
mittel  für  die  privatlecture  den  schülern  nur  zu  empfehlen  sein. 
In  kritischer  beziehung  ist  durchweg    ein  richtiger    weg    einge- 


Nr.  11.  324.  Römische  geschichte.  557 

halten,  meist  im  anscbluss  an  Eaiter,  aber  mit  aufnähme  auch 
anderweitiger  Verbesserungen ,  besonders  von  Seyffei  t.  Auch 
eigene  vermuthungen  fehlen  nicht.  Diese  letzteren  sind  aller- 
dings nicht  immer  überzeugend,  sicher  falsch  I,  78  idcirco  non 
dent,  ut,  cum  diu  permanserit,  intereat ,  da  das  vorhergehende  il- 
lud  eine  erklärung  verlangt  ;  auch  I,  48  quoniam  haec  sine  do- 
ctrina  credituri  fuerunt  durfte  das  handschriftliche  fuerunt  nicht 
in  fuerint  verändert  werden,  da  es  doch  ein  unterschied  ist, 
ob  ein  solcher  hypothetischer  satz  von  einer  conjunction  ,  wie 
quin  oder  cum,  die  an  sich  den  conjunctiv  regiert,  oder  von 
quoniam  abhängt.  Dagegen  ist  I,  27  die  weglassung  von  mul- 
tis  hinter  aliis  und  die  ausscheidung  der  interpolationen  IV,  79 
und  80  nur  zu  billigen.  Die  Verbesserung  I,  50  aut  —  casu- 
rus  esse  in  conspectum  videatur  animus  ac  non  tanta  sit  eins  te- 
nuitas,  die  von  dem  Verfasser  in  Fleckeisens  Jahrbüchern  1870 
mitgetheilt  und  auch  in  diesem  anzeiger  kürzlich  hervorgehoben 
worden  ist,  findet  sich  bereits  in  den  conjj.  Tulliana  des  ref. 
(Pförtner  progr.,  mai   1868)  p.  37  f. 

H.  A.  K. 

324.  Cesare  ed  il  suo  tempo  dell'  abate  Antonio  Mat- 
sch eg,  professore  di  storia  e  geografia.  3  voll.  8.  Venezia 
tipografia  Gaspari   1871. 

Schon  zweimal  hat  sich  Italien  die  grössten  Verdienste  um 
die  ganze  abendländische  cultur  erworben  ,  zuerst  durch  Ver- 
breitung der  antiken  bildung  im  westen  und  das  zweitemal  in 
der  renaissancezeit  durch  Wiederbelebung  und  fortpflanzung  der 
griechisch-römischen  cultur.  Trotz  alledem  versuchen  die  Ita- 
liener jetzt  bei  ihrer  zweiten  d.  h.  politischen  renaissance  ihre 
bildung  auf  eine  ganz  andere  grundlage  zu  stellen.  An  die 
stelle  der  antiken  klassischen  bildung  wollen  sie  jetzt  eine 
mathematisch- naturwissenschaftliche  treten  lassen;  dieses  stre- 
ben findet  zunächst  noch  seinen  ausdruck  iu  der  unsinnigen 
agitation  gegen  das  griechische,  dessen  abschaffung  in  Italien 
allerdings  dadurch  erleichtert  wird,  dass  diese  spräche  schon 
seit  Jahrhunderten  dort  sehr  wenig  getrieben  wird.  —  Mit  um 
so  grösserer  Sympathie  wird  also  ein  Deutscher  ein  jedes  werk 
italienischer  gelehrten  begrüssen,  weiches  ihm  zeigt,  dass  auch 
in   Italien  die  klassische  kultur  noch  ihre  Vertreter  findet.     Da- 


558  324.  Römische  geschichte.  Nr.  11. 

hin  gehört  z.  b.  das  leben  und  die  zeit  Cäsars  von  Antonio 
Matscheg.  —  Die  Schwierigkeiten  die  sich  einem  derartigen 
unternehmen  entgegenstellen ,  darf  man  nicht  unterschätzen. 
Matscheg  hat  sich  eine  epoche  der  alten  geschichte  ausgewählt, 
über  die  wir  von  allen  am  besten  unterrichtet  sind ,  in  folge 
dessen  wir  aber  auch  an  einen  modernen  historiker,  der  sie 
darzustellen   unternimmt,  die  höchsten  anforderungen  stellen. 

Andrerseits  ist  gerade  die  geschichte  Cäsars  und  seiner  zeit 
neuerdings  von  den  verschiedensten  Seiten  und  gesichtspunkten  aus 
behandelt,  dass  es  in  der  that  schwer  halten  muss,  einen  neuen 
und  originalen  Standpunkt  aufzufinden.  Wir  haben  zunächst 
die  grundlegenden  arbeiten  von  Drumann,  ein  arsenal  das  freund 
und  "feinde  hat  waffen  liefern  müssen;  wir  haben  —  um  von 
andern  darstellungen  römischer  geschichte  zu  schweigen  —  die 
Mommsensche  darstellung  von  Cäsar  und  seiner  zeit;  wir  ha- 
ben die  histoire  de  Jules  Cesar  von  Napoleon  IJI  und  die  ganze 
fluth  von  litteratur  die  sich  an  dieses  werk  des  kaiserlichen  hi- 
storikers  angeschlossen  (vgl.  Philologus  XIX,  465 — 576.  XXII, 
99_174.  285—330.  XXVI,  652  —  700).  Zu  diesen  Schriften, 
die  den  Cäsar  in  den  mittelpunkt  stellen ,  kommen  in  zweiter 
linie  diejenigen,  welche  sich  mit  den  Zeitgenossen  desselben  be- 
schäftigen, wie  z.  b.  das  sehr  geschmackvoll  geschriebene  werk 
von  Boissier  Ciceron  et  ses  amis,  in  dem  auch  Cäsar  natürlich  eine 
bedeutende  rolle  spielt.  Es  ist  das  ein  echt  französisches  werk 
im  besten  sinne  des  Worts,  dessen  hauptverdienst  auf  der  unge- 
mein anziehenden  darstellung  beruht,  in  der  Boissier  nicht  nur 
deu  meisten  seiner  rivalen,  sondern  auch  speziell  unserm  abate 
weit  überlegen  ist.  —  Bei  dieser  fülle  von  sehr  veischiedenen 
und  eigenartigen  bearheitungcn  und  darstellungen  des  leben 
Cäsars  erhebt  sich  also  die  frage ,  wo  war  die  lücke,  die  der 
vf.  durch  sein  dreibändiges  werk  Cesare  ecl  il  suo  tcmpo  ausfül- 
len zu  müssen  glaubte?  Denn  dass  er  unter  der  zahl  der 
neuein  bearbeiter  keinen  Italiener  gefunden,  reicht  doch  natür- 
lich nicht  hin,  um  ihm  einen  rechtstitel  zu  geben.  -Wollte  er 
nichts  weiter  als  sein  volk  in  kennt niss  setzen  von  den  resul- 
taten  der  neuesten  Untersuchungen,  so  mochte  er  lieber  dasje- 
nige der  vorhandenen  werke  übersetzen,  das  ihm  am  besten  ge- 
fiel ;  er  würde  sich  dadurch  ein  grösseres  verdienst  erworben 
haben    nicht    nur    um    die    klassischen    Wissenschaften,    sondern 


Nr.  11.  324.  Römische  geschickte.  559 

auch  um  seine  patria,  der  er  den  ersten  und  um  die  gioventu  ita- 
liana,  der  er  den  zweiten  theil  seiner  geschichte  Cäsars  wid- 
met. —  Statt  dessen  hat  unser  abate  es  vorgezogen  selbst 
ein  mosaik  zusammenzusetzen  aus  dem  bekannten  material.  Je- 
desmal giebt  er  unten  auf  der  seite  die  stellen  an,  welche  er 
benutzt  hat,  die  natürlich  fast  olme  ausnähme  aus  Drumann 
entlehnt  sind.  Dabei  scheint  er  keine  ahnung  zu  haben  von 
verschiedenem  werthe  der  einzelnen  quellenhistoriker ,  denn  die 
eine  stelle  beweist  ihm  grade  so  viel  wie  die  andere.  Vollends 
einen  einleitenden  abschnitt  über  die  quellen  und  das  verhalt- 
niss  des  vf.  zu  denselben  wird  nach  dem  gesagten  niemand 
mehr  in  diesem  werke  von  Matscheg  suchen  wollen;  davon  fin- 
det sich  in  der  that  keine  spur.  —  Nirgends  erfahren  wir  wie 
er  sich  stellt  zu  der  frage  nach  der  glaub  Würdigkeit  Sallusts, 
ob  er  z.  b.  dessen  Catilina  für  eine  cäsarianische  tendenz- 
schrift  x)  hält,  oder  nicht,  ob  er  Cicero's  correspondenz  mit  Bru- 
tus und   Octavian  für  echt  oder  unecht  hält. 

Eben  so  wenig  erfahren  wir  irgend  etwas  über  die  ver- 
schiedenen bestandtheile  und  die  quellen  der  beiden  biographien 
von  Plutarch  und  Sueton,  oder  diev  glaubwürdigkeit  und  den 
charakter  von  Cäsars  commentarien  und  die  beziehungen  zwischen 
den  betreffenden  theilen  Appians  zu  den  werken  des  Livius 
und  Asinius  Pollio;  und  doch  kann  niemand  leugnen,  dass  auch 
die  darsteilung  von  Cäsars  zeit  wesentlich  alterirt  wird  je  nach 
der  antwort  die  ein  moderner  geschichtsschreiber  sich  auf  diese 
fragen  gegeben   hat,  oder  doch  geben  sollte. 

Natürlich  lässt  sich  der  vf.  selten  durch  geschichtliche,  nie 
durch  chronologische  Untersuchungen  aufhalten  in  dem  fluss  sei- 
ner behaglichen  erzählung;  aus  seinem  buche  sieht  mau  über- 
haupt kaum  dass  es  hier  noch  controverse  trugen  giebt.  — 
Um  diese  behauptung,  die  hart  scheinen  könnte  zu  begrüuden, 
wird  es  nöthig  sein  wenigotens  auf  einen  jener  drei  bände  nä- 
her einzugehen,  von  denen  der  erste  die  geschichte  Cäsars  bis  zu 
den  bürgerkriegen  umfasst.  Der  zweite  schildert  den  bürger- 
krieg,  der  dritte  die  zeit  nach  den   bürgerkriegen. 

Wer    eiue    solche    dreibändige    biographie  Cäsars    schreibt, 

1)  Bei  einer  gelegentlichen  erwähnung  (I,  p.  51)  lässt  der  vf. 
die  sache  unentschieden:  lJ<>sto  pure  che  Cesare  avesse  futto  che  Sal- 
lustio  nel  suo   Catilina  ne  scrivesse  l'apologia  etc. 


560  324.   Komische  geschiente.  Nr.  11. 

hätte  doch  wissen  sollen ,  dass  gleich  der  ausgangspunkt,  das 
geburtsjahr  streitig  ist.  Während  früher  allgemein  angenom- 
men wurde,  dass  Cäsar  im  jähre  100  v.  Chr.  geboren  sei, 
machte  Mommsen  (Rom.  Gesch.  III,  15)  darauf  aufmerksam, 
dass  er  schon  im  j.  65  die  aedilität,  62  die  prätur  und  5.9  das 
consulat  bekleidet  habe  d.  h.  immer  zwei  jähre  vor  der  gesetz- 
lich erlaubten  zeit,  wenn  er  wirklich  im  jähre  100  geboren. 
Da  nun  keiner  der  alten  historiker  von  einer  derartigen  Suspen- 
sion der  lex  villia  annalis  zu  gunsten  Cäsars  berichte,  so  sei 
wahrscheinlich,  dass  Cäsar  bereits  im  jähre  102  geboren  sei.  — 
Die  art  und  weise,  wie  Napoleon  III  diese  Schwierigkeit  zu  be- 
seitigen sucht,  ist  charakteristisch  für  den  geist  in  welchem 
jene  biographie  geschrieben  wurde;  er  meint,  dass  in  Rom  je- 
nes gesetz  für  grosse  männer  nicht  gegolten  habe.  Dagegen 
kann  man  aber  in  der  that  doch  fragen ,  ob  Cäsar  wirklich 
schon  ein  grosser  mann  war,  als  er  sich  um  die  aedilität  be- 
warb. Auf  diese  weise  war  die  frage  bei  seite  geschoben,  aber 
nicht  gelöst  und  Matscheg  2)  hätte  also  die  pflicht  gehabt  die 
Mommsensche  auffassung  anzunehmen,  oder  zu  widerlegen.  Erst 
Nipperdey  (Abh.  der  sächsischen  gesellsch.  1870,  p.  1  —  88)  ist 
es  gelungen  die  überlieferten  daten  in  Übereinstimmung  zu  brin- 
gen mit  der  alten  annähme,  dadurch  nämlich,  dass  er  die  bisherige 
auffassung  der  leges  annales  rectificirte.  Er  fasst  seine  ausfüh- 
rung  dahin  zusammen  (a.  a.  o.  p.  62)  dass  niemand  die  quä- 
stur  oder  ein  höheres  amt  bekleiden  konnte,  der  nicht  30  jähre 
alt  war,  und  3  jähre  in  der  legion  zu  pferde  oder  6  jähre  zu 
fuss  gedient  hatte,  und  dass  derselbe  die  höheren  ämter  erst 
nach  intervallen  von  2  jähren  bekleiden  konnte.  —  Gauz 
ähnlich  stellte  sich  das  verhaltniss  am  ende  des  ersten  baudes, 
wo  sich  der  gegensatz  zwischen  Cäsar  und  Pompejus  so  sehr 
verschärft  hat,  dass  der  bürgerkrieg  vor  der  thür  steht.  Un- 
ser biograph  Cäsars  nimmt  natürlich  für  den  ersteren  partei, 
indem  er  die  einzelnen  facta  erzählt  (I,  p.  142 — 155,  aber  auf 
Würdigung  der  juristisch- politischen  frage  geht  er  nicht  ein, 
und  scheint  von  der  eingehenden  Untersuchung  Mommsens  „die 
rechtsfrage   zwischen  Cäsar    und    dem    Senat"  (Abhandl.  der  hi- 

2)  Dass  Matscheg  die  alte  auffassung  vertritt,  muss  man  scbliessen 
aus  I,  p.  12:  Quandn  Cesare  di  22  unni  tornö  a  lloma  doli'  Asia 
(nett'  anno  78,)  la  ltepubblicu  aveva  etc. 


Nr.  11.  324.  Römische  geschichte.  561 

stor.-philos.  ges.  in  Breslau  I  bei.,  p.  3  —  55)  überhaupt  keine 
ahnung  zu  haben.  Er  spricht  sich  nur  gelegentlich  am  schluss  des 
ersten  bandes  p.  152  darüber  aus:  Cesare.  dopo  aver  fatto  gran 
mostra  cli  longanimita  e  di  giustizia,  si  accingeva  alla  lotta,  pro- 
clamandosi  difensore  dei  diritti  del  popolo ,  delV  inviolabilith  dei 
tribuni  e  delV  integrita  della  Repubblica. 

Nur  einmal  im  ersten  bände  wird  eine  historische  frage 
genauer  untersucht.  Den  Vorwurf,  mitverschworner  des  Catilina 
gewesen  zu  sein  kann  unser  abate  doch  nicht  auf  seinem  beiden 
sitzen  lassen.  Ausführlich  schildert  er  (p.  37  ff.)  die  erste, 
zweite  und  dritte  Verschwörung.  Dann  suchte  er  (p.  47)  zusam- 
men :  indizl  storici  che  vengono  adotti  per  dimostrare  la  complicith. 
di  Cesare.  Es  sind  nicht  weniger  als  neun  (I — IX)  belastungs- 
zeugen,  deren  aussagen  er  sich  dann  (p.  48)  eine  nach  der  an- 
dern zu  entkräften  bemüht  mittelst  einiger  Umschweife  und  so- 
gar nicht  ohne  Sophismen.  Doch  gerade  in  dieser  frage  ist 
alle  mühe  verschwendet.  Die  belastenden  momente  sind  so 
gravirend  und  unser  verdacht  wurde  schon  im  alterthum  von 
so  vielen  und  so  gut  unterrichteten  Zeitgenossen  getheilt,  dass 
wir  füglich  nicht  zweifeln  können  an  Cäsars  betheiligung  bei 
der  catilinarischen  Verschwörung,  so  dass  auch  Mommsen,  den 
noch  niemand  einer  zu  grossen  Parteilichkeit  oder  strenge  gegen 
Cäsar  beschuldigt  hat,  die  theiluahme  Cäsars  an  dem  catilina- 
rischen complott,  als  eine  zwar  nicht  juristisch,  aber  historisch 
ausgemachte  sache  hinstellt.  —  Weil  Cäsar  vorsichtig  genug 
gewesen  war  ,  um  sich  nicht  zu  compromittiren ,  und  sein  ein- 
fiuss  auf  die  demokratische  partei  zu  gross  war,  wagte  Cicero 
nicht  ihn  mit  hineinzuziehen  in  die  Untersuchung,  obwohl  er 
von  seiner  schuld  fest  überzeugt  war. 

Wenn  übrigens  später  der  vf.  die  vermuthung  ausspricht, 
dass  Cicero  jene  fünf  Catilinarier  nur  deshalb  habe  hinrichten 
lassen  um  dadurch  seinen  Verdiensten  um  die  republik  die 
nöthige  folie  zu  geben  (II,  p.  65'; :  quasi  temesse  potergli  sfuggere 
quel  sangue,  reputato  da  lui  necessario  per  teuer  viva  Video  della 
gravitä  del  pericolo  corso  dalla  repubblica  et  quella  del  proprio 
merito,  so  beruht  das  auf  einer  argen  verkennuug  von  Cicero's 
Charakter.  Cicero  würde  trotz  aller  eitelkeit  diesen  schritt,  der 
ihm  später  so  verderblich  wurde,  nicht  gethan  haben,  wenn 
Philol.  Anz.  V.  36 


562  325.  Römische  bildwerke.  Nr.  11. 

er  ihn  nicht  damals  für  unerlässlich  gehalten  hätte,  um  die  Ver- 
fassung sicher  zu  stellen. 

Doch  ich  breche  ab  mit  diesen  einzelheiten  die  sich  noch 
beliebig  vermehren  liessen,  indem  ich  es  wiederhole,  dass  eine 
lücke  für  dieses  werk  nicht  vorhanden  war,  und  selbst  wenn 
sie  vorhanden  gewesen  wäre,  so  würde  diese  biographie  Cäsars 
sie  sicher  nicht  ausgefüllt  haben. 

V.  Gardthausen. 

325.  Römische  bildwerke  einheimischen  fundorts  in  Oester- 
reicb,  herausgegeben  von  Alexander  Conze.  1.  heft.  8. 
("Wien,   1872,  in  commission  bei  Carl  Gerold's   söhn). 

Unter  diesem  titel  eröffnet  Conze  ein  mit  Unterstützung 
des  k.  k.  ministeriums  für  cultus  und  Unterricht  sowie  der  phi- 
losophisch -  historischeu  classe  der  haiserl.  akademie  der  Wissen- 
schaften ins  werk  gesetztes  unternehmen,  dessen  aufgäbe  darin  be- 
stehen soll,  diejenigen  römischen  bildwerke  einheimischen  fundor- 
tes,  welche  bisher  wissenschaftlicher  benutzung  nicht  hinreichend 
zugänglich  gemacht  waren,  in  einer  nach  den  fund  -und  auf- 
bewahrungsorten  sich  richtenden  anordnung  zu  sammeln ,  in 
guten  Zeichnungen  herauszugeben  und  soviel  wie  möglich  zu 
erklären.  Dieses  unternehmen,  das  Conze  gleich  nach  seiner 
berufung  an  die  wiener  Universität  ins  äuge  fässte  und  wozu 
ihm  die  Sammlung  römischer  Inschriften  Oesterreichs  für  das  unter 
Mommsens  leitung  wohlorganisirte  grosse  Corpus  inscrlptionum  lati- 
narum  den  anstoss  gegeben  zu  haben  scheint,  zeigt  sowohl  Conze's 
richtigeu  blick  für  die  nächstliegenden  aufgaben,  die  seine  be- 
sondere locale  Stellung  ihm  zuwies,  als  es  auch  weiteren  und 
ähnlichen  arbeiten  dieser  art  die  wege  zeigt.  Braucht  es  doch 
kaum  gesagt  zu  werden,  dass,  von  der  geringen  zahl  verein- 
zelter systematischer  ausgrabungen  abgesehen,  alles  übrige  suchen, 
findeu  und  pub'.iciren  von  monuraenten  zum  weitaus  grössten 
thtile  kein  planmässijies,  sondern  viel  mehr  ein  sporadisches 
und  zufälliges  und  dazu  im  vergleich  zu  der  grossen  ausdeh- 
nung  der  alten  classischen  weit  ein  nur  äusserst  dürftiges  war 
und  ist.  Ein  solches  vereinzeltes  suchen  und  tindcn  wird  nun 
zwar  immer  bleiben;  allein  wenu  auch  eine  im  bewusstsein  des 
gemeingutes  der  alten  classischen  weit  unternommene  und  wis- 
senschaftlich   gehandhabte    gleichmässige    betheiligung   der  euro- 


Nr.  11.  325.  Römische  bildwerke.  563 

päischen  regierungen  an  einer  systematischen  erforschung  des 
antiken  bodens  in  anbetracht  der  zahlreichen  Schwierigkeiten, 
die  die  wirklichen  Verhältnisse  dem  entgegensetzen ,  vorläufig 
noch  ein  träum  genannt  werden  mag  —  obwohl  auch  hier  bis- 
her isolirte  bemülmngen  wie  zu  hoffen  noch  einmal  zu  einem 
geordneteren  zusammengehen  sich  verbinden  und  den  Zeitpunkt 
herbeiführen  werden,  wo  eine  solche  Intervention  nicht  mehr, 
wie  gegenwärtig  noch  oft,  den  neid  und  die  eifersucht  der  ei- 
gentlichen inhaber  der  terra  classica  erregen  wird  — 7  so  lässt 
sich  doch  nicht  leugnen ,  dass  auch  jetzt  schon  vielfach  mit 
richtiger  heranziehung  und  vertheiluug  der  kräfte  und  mittel 
nicht  bloss,  wie  es  bereits  geschieht  und  geschehen,  ein  zusam- 
menarbeiten einzelner  mouumenteucomplexe,  sondern  auch  nach 
art  des  Corpus  inscriptionum  latinarum  ein  systematischeres,  etwa 
mit  Zugrundelegung  einer  art  geographischen  netzes  betriebenes 
gemeinsames  suchen  und  finden  alles  dessen ,  das  in  den  be- 
reich  antiker  bildwerke  gehört,  ins  werk  gesetzt  werden  könnte, 
so  z.  b.  auch  auf  dem  dahingehörigen  deutschen  grund  und 
boden.  Von  wie  mannigfachem  nutzen  dies  sein  würde ,  das 
leuchtet  ohne  weitere  auseinandersetzung  ein.  Allerdings  aber 
gehört  auch  eine  leitende  kraft  dazu,  die  nicht  immer  und  zu 
jeder  zeit  sich  findet  und  bereit  ist.  Indessen  trägt  vielleicht  das 
Conze'sche  unternehmen  an  seinem  theile  dazu  bei,  einen  schritt 
weiter  zu  dem  bezeichneten  ziele  zu  führen ;  wenigstens  ist  es 
uns  unter  diesem  gesichtspunkte  als  ein  nicht  bloss  für  Oester- 
reich,  sondern  auch  weiterhin  viel  gutes  versprechender  anfang 
erschienen. 

Das  erste  heft  liefert  zunächst  einen  werthvollen  beitrag 
zu  dem  der  leitung  des  professor  Matz  in  Halle  anvertrauten 
Corpus  sarcophagorum  romanorum.  Es  enthält  nämlich  auf  taf. 
I — IV  drei  nach  Photographien  sehr  schön  gestochene  marmor- 
sarkophage,  von  denen  jetzt  zwei  im  museum  zu  Spalato  ste- 
hen, einer  aber  in  Fiume  im  Privatbesitz  des  herrn  von  Ciotta 
sich  befindet.  Die  beiden  Sarkophage  anf  taf.  I  —  III,  von  de- 
nen der  erstere  eine  reliefdarstellung  des  auch  sonst  oft  genug 
auf  Sarkophagen  und  in  Wandmalereien  behandelten  Phaedra- 
Hippolytus- mythus  zeigt,  während  der  andere,  weit  grössere, 
mit  mehreren  der  christlichen  zeit  entstammenden  bildwerken 
versehen    ist,  standen   in  einem  und  demselben   grabe.     Um  die 

36* 


564  325.    Römische  bildwerke.  Nr.  11. 

aufgrabung  und  bergnng  derselben  haben  sich  nicht  bloss  der 
gymnasialprofessor  Glaviuie  aus  Spalato  und  der  festungscorn- 
maudaut  von  Clissa,  oberlieutenant  Reiter,  sondern  auch  Conze 
selber  in  erster  reibe  verdient  gemacht.  Auch  der  dritte,  leider 
in  stücken  geschlagene,  allerlei  jagrlscenen  enthaltende  Sarkophag 
auf  taf.  IV  stammt  höchst  wahrscheinlich  aus  diesem  grabe; 
und  aus  einer  am  schluss  des  textes  noch  nachgetragenen  be- 
merkung  Glavinie^s  entnimmt  man,  dass  noch  ein  vierter  ,  vor 
einigen  jähren  bereits  ausgegrabener,  leider  aber  bis  jetzt  nicht 
wieder  entdeckter  Sarkophag  mit  bildweiken  derselben  fund- 
stätte  angehört  haben  müsse.  Ausserdem  kamen  noch  drei  kleine 
Sarkophage  von  einheimischem  stein  ohne  bild  und  schrift  eben- 
daselbst ans    licht. 

In  dem  von  Conze  dazugegebenen  text  ist  die  vergleichung 
des  Hippolytus- Sarkophags  mit  einem  andern,  dieselbe  darstel- 
lung  enthaltenden  in  den  Annali  d.  Inst.  1867,  p.  109  ff. 
von  Hinck  besprochenen  Sarkophag  aus  dem  Louvre  von  be- 
sonderem interesse.  Letzterer  hat  schönere,  schlankere  figuren 
—  nur  dürfte  Conze  nicht  von  lysippischen  proportionen  der- 
selben reden,  da  man  bei  dieser  bezeichuung  in  der  regel  eine 
reihe  bestimmter  kunstwerke  ersten  ranges  im  sinne  hat,  an 
welche  die  figuren  eines  untergeordneten  werkes,  wie  dieser 
Sarkophag  doch  immerhin  ist,  kaum  irgendwie  erinnern  — ,  der 
salonitaner  Sarkophag  aber  ist  viel  geschickter  coniponirt.  Aus 
den  von  Conze  sehr  feinfühlig  hervorgehobenen  abweichungen 
beider  von  einander  geht  nämlich  in  evidenter  weise  hervor, 
dass  der  meister  des  pariser  Sarkophags,  vielleicht  durch  die 
kürze  seines  marmorblocks  dazu  gedrängt,  sich  auf  kosten  der 
im  geiste  der  besten  antiken  kunstwerke  geordneten  responsion 
der  formen  eine  kürzung  der  ursprünglichen  composition  er- 
laubte, während  der  meister  des  salonitauer  Sarkophags  dem 
von  Conze  an  einer  gut  gewählten  zeichenreihe  verdeutlichten 
bildungsgesetze  des  Originals ,  das  in  drei  schön  geordnete 
gruppen  zerlegt  werden  kann ,  treu  blieb.  Im  übrigen  aber 
verräth  letzterer  bereits  in  hohem  grade  die  abnehmende  kunst, 
wie  denn  überhaupt  die  weiteren  sehr  trefflichen  bemerkungen 
Conze's  grösstentheils  darauf  hinführen,  dass  der  salonitaner  Hip- 
polytus -  Sarkophag  der  constantinischen  zeit  angehören  und  in 
dieser  hinsieht   nicht    allzuweit    von    den    daneben    gefundenen, 


Nr.  11.  326.  Geographie.  565 

noch  mehrere  der  heidnischen  formensprache  entnommene  an- 
deutungen  auf  grab  und  tod  enthaltenden  christlichen  Sarko- 
phage entfernt  sein  könne.  Sehr  sauber  ausgeführte,  den  ko- 
rinthisch-römischen formen  entlehnte  architektonische  Verzie- 
rungen treten  an  diesem  Sarkophage  mehr  hervor  als  die  bild- 
werke,  die  auf  der  Vorderseite  in  einer  architektonisch  abge- 
trennten mittelgruppe  den  lieblingstypus  der  christlichen  kunst, 
den  guten  hirten ,  und  rechts  von  dieser  mittelgruppe  einen 
mann,  links  von  derselben  eine  frau  zeigen,  beide  mit  einem 
portiätkopf  und  von  einer  menge  kleinerer  figuren  verschiede- 
nen lebensalters  umgeben,  deren  Stellung  theilweise  die  der 
adorirenden  ist.  Bei  diesem  ehepaar  —  beide  haben  wie  zwei 
statuen  eine  basis  unter  sich  —  kann  Conze  den  gedanken 
nicht  unterdrücken,  es  möge  die  auch  sonst  oft  genug  vorkom- 
mende schriftrolle  in  der  hand  des  mannes  auf  einen  loymtaro; 
arig  hinweisen,  der  der  inhaber  eines  y.aTrjyj^tmq  StSuanaXeiov 
gewesen  sein  könne,  und  um  dessen  Standbild  in  der  Cella  me- 
moriae  sich  christlichem  brauche  entsprechend  die  schaar  sei- 
ner katechumenen  zum  gebete  sammle. 

"  Bei  dieser  gelegenheit  deutet  Conze  den  reichthum  Salo- 
na's  an  werken  der  christlichen  epoche  an;  indem  er  die  hoff- 
nung  ausspricht ,  es  werde  Salona  in  dem  von  de  Rossi  be- 
gründeten werke  Orbe  Christiane»  monumentale  einen  ehrenplatz 
einnehmen. 

Der  dritte  Sarkophag  im  besitz  des  herrn  von  Ciotta  ist 
leider  nur  in  drei  bruchstücken  vorhanden.  Diese  zeigen  meh- 
rere im  ganzen  recht  schön  und  in  fülle  gearbeite  jagdgrup- 
pen.  Um  ihrer  besseren  ausführung  willen  hält  Conze  mit 
recht  diesen  sarkophag  für  älter  als  die  beiden  vorhergenannten. 

Friedrich  Schlie. 

326.  Zur  geschichte  der  erdkunde  im  letzten  drittel  dea 
mittelalters.  Die  karten  der  seefahrenden  Völker  Südeuropas 
bis  zum  ersten  druck  der  erdbeschreibung  des  Ptolemäus ,  von 
Heinrich  Wuttke.     8.     Dresden.   1871. 

Nach  einer  summarischen  besprechung  der  rohen  und  theil- 
weise aus  dem  frühsten  alterthum  stammenden  erdkarten ,  wel- 
che vom  achten  bis  zum  zwölften  Jahrhundert  im  gebrauch 
waren ,    folgt    eine    ausführlichere    auizählung  und  beurtheilung 


566  326.  Geographie.  Nr.  11. 

der  uns  erhaltenen  portulane  und  corapasskarten  der  italieni- 
schen und  spanischen  Seefahrer,  so  wie  der  gleichzeitigen  und 
mit  benutzung  jener  portulane  construirten  erdkarten.  Mit  der 
ältesten  uns  bekannten  hafenkarte  vom  jähre  1317  beginnend 
führt  H.  Wuttke  (p.  1 — 59)  in  50  nummern  alle  diejenigen 
denkmäler  dieser  art  auf,  welche  älter  siud  als  die  erste  mit 
karten  ausgestattete  ausgäbe  der  lateinischen  Übersetzung  des 
Ptolemäus  (1472);  darauf  folgt  (p.  59 — 66)  ein  bericht  über 
14  gegen  ende  des  XV.  und  während  des  XVI.  Jahrhunderts 
von  Südeuropäern  entworfene  karten,  welche  in  Lelevels  werke 
über  mittelaltrige  geographie  nicht  erwähnt  werden  und  für 
die  geschichte  derselben  allerdings  auch  von  geringer  bedeu- 
tung  sind.  Uebrigens  beruht  der  werth  der  vorliegenden  ar- 
beit weniger  auf  der  vervollständigten  liste  alter  kartendenk- 
mäler,  als  auf  den  beigefügten  zehn  tafeln,  in  welchen  nach 
Neigebaur's  zu  Florenz  und  Turin  angefertigten  durchzeichnun- 
gen  bisher  unedirte  karten  entweder  vollständig  oder  theil- 
weise  mitgetheilt  werden.  Leider  sind  sie,  ohne  wissen  und 
willen  des  Verfassers ,  weder  chronologisch  noch  sachlich  ge- 
orduet,  sondern  fragmentweise  in  wildem  durcheinander  und  in 
möglichst  raumersparender  weise  auf  die  einzelnen  tafeln  ver- 
theilt.  Wollte  man  sparen,  so  hätte  man  diese  aus  wenigen 
strichen  und  namen  bestehenden  karten  meistentheils  ohne  der 
deutlichkeit  zu  schaden  auf  die  hälfte  oder  ein  drittel  der  ge- 
gebenen grosse  reduziren  können.  Noch  mehr  zu  bedauern 
ist,  dass  die  lithographien  nicht  genau  corrigirt  sind  ;  denn  die 
lange  liste  der  errata  (p.  4)  ist  das  ergebuiss  einer  nur  fluch, 
tigen  durchsieht,  und  Wuttke  selbst  bemerkt,  dass  die  schwer 
lesbare  handschrift  Neigebaur's  manch  anderen  fehler  noch  ver- 
ursacht haben  möge.  Ausserdem  aber  glaube  ich  zu  der  frage 
berechtigt  zu  sein,  ob  Neigebaur  Zeichnung  und  Schrift  der  ori- 
ginale überall  treu  wiedergegeben  habe. 

Die  ältesten  und  wichtigsten  von  Wuttke  gegebenen  kar- 
ten sind  den  acht  blättern  der  Tabulae  nauticae  entlehnt,  die 
ein  Genuese  im  j.  1351  gezeichnet  hat  tmd  die  jetzt  zu 
Florenz  in  der  Laurentiana  aufbewahrt  werden.  Einzelne,  theile 
derselben  sind  schon  früher  veröffentlicht;  die  karte  des  Schwar- 
zen Meeres  hat  graf  Luigi  Serristori  behandelt  in  Illustrazione 
di  una  carba   del  mar   Nero    delV    anno   1351    (Florenz    1856); 


Nr.  11.  326.  Geographie.  567 

die  karte  Afrika's,  welche  sich  auf  dem  ersten  eine  gesammtkarte 
der  damals  bekannten  erde  enthaltenden  blatte  des  atlas  findet,  ist 
copirt  vom  graten  Baldelli  Boni  in  der  ausgäbe  des  Marco  Polo 
(1827),  und  von  Richard  Henry  Major  in  The  life  of  Prince  Henry  of 
Portugal  surnamed  the  Navigator  (London  1868),  und  aus  Boni's 
werke  wiederholt  in  Peschels  Geschichte  der  erdkunde  p.  177.  In 
letzterer  mir  vorliegender  copie  verräth  die  manier  wie  berge, 
flüsse,  Städtepositionen  und  die  eingerahmten  legenden  gezeich- 
net sind,  die  treue  nachbildung  einer  alten  karte;  dagegen  ist 
Neigebaur's  copie  von  ungeübter  hand  und  in  so  flüchtiger 
weise  gemacht,  dass  man  kaum  glauben  sollte,  dieselbe  karte 
vor  sich  zu  haben.  Von  den  29  namen  oder  legenden,  wel- 
che Boni  giebt,  fehlen  bei  Wuttke  fünfzehn.  Ferner,  wo  Wuttke 
nur  ein  fragment  hat:  .  .  .  visus  canum  habent,  lesen  wir  in 
Bonis  copie  :  ebinchibeh  visus  canum  habent  et  vadunt  nudi  inter 
alenas  (arenas)  est  regio  sua  et  nigi  (et  nigri  sunt?).  In  der  spe- 
cialkarte Afrika's ,  welche  Wuttke  aus  demselben  atlas  auf  ta- 
fel  IV,  nr.  3  giebt,  steht  an  der  entsprechenden  stelle:  in  hac 
regione  habent  homines  facile  cuniculas  (statt  facies  caniculares) 
et  vadunt  nudi.  —  Civitas  Ebmebibi  (wohl  falsch  gelesen  statt 
Ebinchibi).  Der  name  des  volks,  der  in  der  karte  der  gebrü- 
der  Picigani  (vom  j.  1367)  weniger  corrupt  ebini  chilebih  lautet, 
ist  bekanntlich  entstanden  aus  dem  arabischen  Beni  Kelb  (filii 
canis).  An  einer  andern  stelle,  wo  bei  Wuttke :  hi  homines  sunt 
magni  XII  pedales ,  hat  Boni  gewiss  richtig  pedes  statt  pedales} 
und  ebenso  Tunexe  statt  Tune,  wie  bei  Wuttke  geschrieben  ist. 
In  Boni's  copie  münden,  wie  schon  in  Edrisi's  karte  (1154), 
zwei  flüsse  in  den  atlantischen  Ocean ;  neben  dem  nördlichen, 
der  in  seinem  oberen  laufe  eine  insel  bildet,  steht  mons  Atallas 
(Atlas),  und  darunter:  septem  montium  regio  et  civitas  Cochoz; 
neben  dem  südlichen,  dem  goldflusse,  liest  man  provincia  ga- 
nuya.  Der  erste  fluss  und  die  darunter  stehenden  namen  feh- 
len bei  Wuttke;  von  dem  zweiten  ist  nur  der  obere  lauf  und 
zwar  so  gezeichnet,  dass  der  fluss  sich  in  einen  see  zu  ver- 
lieren scheint,  an  dessen  stelle  Boni's  karte  fünf  kleine 
von  dem  Lunae  mons  herabfliessende  nebenflüsse  (die  Nilquellen 
bei  Ptolemaus)  verzeichnet.  In  der  specialkarte  Afrika's  auf 
taf.  IV  wird  von  dem  nördlichen  flüsse  nur  die  mündung  und 
die  von  ihm  gebildete  insel  und  da  neben  der   name  mom  AtaU 


568  326.  Geographie.  Nr.  11. 

laus  (so)  gegeben,  der  mittlere  lauf  des  flusses  aber  nicht  an- 
gedeutet. Der  unter  mons  Atlans  auf  der  gesammtkarte  bei 
Boni  angesetzten  legende  entspricht  auf  der  specialkarte  bei 
Wuttke  folgendes: 

hie  sunt  repla 
adene  — 

amomoer  — 
Wahrscheinlich  stand  hier :  hie  sunt  septem  montes  et  Abene  regio 
et  Cochos  et  Amomoer  civitates.  Die  Septem  montes  sind  die  Septem 
fratres,  'Erna  ddelq'Oi,  an  der  meereuge,  Abena  die  'Aßtva  oder 
"A'ptwa  des  Eustathius  ad  Dionys.  64,  Cochoz  die  am  flusse  El  Chos 
liegende,  von  den  alten  Lixus  genannte  stadt,  und  Amomoer  das 
heutige  Mamura.  Oestlich  von  den  Worten  Mons  Atallaus  steht 
eine  andere  hierher  gehörige  aber  wohl  falsch  gelesene  legende: 
ista  montanea  tota  plcqe  apllet  a  xanis  cavera  et  a  Saracenis  mons 
Atlaus  (etwa :  ista  montana  tota  plerumque  appellata  cynegetica  t? 
Eustath.  1.  1.  "Aßtvva,  gH^r/aäs-  ös  KvviiyeTixij).  Dieselbe  karte  hat 
in  der  gegend  ubi  aurum  colligitur  den  sicher  verschriebenen  namen 
anan,  der  sich  auf  die  provincia  ganuya  der  geueralkarte  bezie- 
hen muss.  Die  form  ganuia  findet  sich  auch  auf  der  karte  der 
Venetianer  Picigani ;  bei  Edrisi  heisst  dieser  Negerstaat  Ghana, 
und  in  der  katalonischen  karte  des  Louvre  (1375)  Gineua,  woraus 
das  moderne  Guinea  entstanden  ist.  Der  Goldfluss  heisst  in 
den  von  Peschel  citirten  quellen  Vedamel  (Wed-Damel?)  oder 
Budomel;  in  einer  karte  vom  j.  1471,  taf.  VIE  in  Wuttkes 
werk,  findet  sich  der  name  Gudomel;  in  unserer  karte  von 
1351  steht  dajuet  vie,  was  in  damel  rio  zu  corrigiren  sein  wird. 
—  Nach  dem  allgemeinen  glauben  jener  zeit  stand  der  ins 
atlantische  meer  mündende  fluss  des  Goldlandes  in  Verbindung 
mit  dem  Nil.  In  unserer  generalkarte  aber  scheinen  sie  zwei 
verschiedene,  durch  ein  westlich  von  Meroe  angesetztes  gebirge 
getrennte  flüsse  zu  sein ,  während  dieses  in  der  specialkarte, 
falls  man  der  flüchtigen  Zeichnung  trauen  darf,  nicht  der  fall 
ist.  Jene  scheinbare  trennung  ist  indessen  auf  einen  hier  sup- 
ponirten  unterirdischen  lauf  des  Nils  zu  beziehen ,  dessen  quel- 
len nicht  fern  vom  atlantischen  meere  bei  dem  mons  Lunae  in 
der  gesammtkarte  vorauszusetzen  sind,  in  der  specialkarte  aber 
durch  die  in  jener  gegend  stehenden  worte  fons  NM  ausdrück 
lieh    hierher    versetzt    werden.  —     Beiläufig   bemerke  ich     da 


Nr.  11.  327.  Mittelalter.  569 

das  südlichste  Vorgebirge  dieser  karte,  C.  de  non  (jetzt  C.  Nun), 
von  Wuttke  als  Cap  de  non  [plus  ultra]  gedeutet  wird.  Da 
indessen  Ptolemaeus  neben  diesem  Vorgebirge  einen  fluss  Nuius 
kennt,  so  möchte  doch  der  moderne  Ursprung  des  namens  und 
das  non  plus  ultra  der  deutung  einigem  zweifei  unterliegen. 

Tafel  X  enthält  die  interessante  genuesische  weitkarte  von 
j.  1447;  die  übrigen  tafeln  geben  in  etwa  50  nummern  die 
für  geschichte  der  geographie  wichtigsten  theile  von  acht  kar- 
ten oder  kartensammlungen  des  XIV.  XV.  und  XVI.  Jahr- 
hunderts. 

C.  M. 

327.  Dr.  H.  Dung  er,  die  sage  vom  trojanischen  kriege 
in  den  bearbeitungen  des  mittelalters  und  ihre  antiken  quellen. 
(Programm  des  Vitzthumschen  gymnasiums.  Dresden.  1869. 
81  s.     8.) 

Der  hauptvorwurf  der  schrift  ist  ein  beitrag  zur  römischen 
litteraturgeschichte:  der  Verfasser  will,  wie  er  selbst  p.  12  sagt 
und  am  Schlüsse  wiederholt  „den  nachweis  versuchen,  dass  ein  grie- 
chischer Dares  überhaupt  nicht  existirt  hat,  dass  auf  jeden  fall 
aber  nicht  eine  ausführlichere  erzählung ,  sondern  die  uns  er- 
haltene historia  die  quelle  der  mittelalterlichen  autoren  gewesen 
ist".  Man  könnte  wohl  fragen,  ob  ein  solcher  nachweis  beim 
jetzigen  stände  der  philologie  überhaupt  noch  eine  berechti- 
gung  habe,  ob  es  nicht  heisse  eulen  nach  Athen,  oder  gut 
deutsch  holz  in  den  busch  tragen ;  indessen  wer  sich  dadurch 
nicht  vom  lesen  abschrecken  lässt,  wird  über  die  schönen  bei- 
trage zur  geschichte  der  römischen  literatur  im  mittelalter  bald 
jenes  bedenken  vergessen  haben.  Wenn  des  Verfassers  haupt- 
studien  nicht  auf  der  klassischen  philologie  beruhen,  so  müssen 
wir  es  anerkennend  hervorheben,  dass  mit  grösserem  fleisse 
und  verständniss  die  alten  Schriftsteller  herangezogen  sind  und 
ihre  Überlieferung  verfolgt  wird,  als  wir  sonst  bei  Vertretern  an- 
derer richtungen  finden.  Jenen  beweis  nun  halten  wir  für 
vollständig  gelungen:  was  sich  bei  den  «mittelalterlichen  dich- 
tem in  lateinischer,  französischer  und  deutscher  zunge  von  Dares 
abweichendes  findet,  davon  werden  die  quellen  meistens  überzeu- 
gend   nachgewiesen    in  anderen  von  jener    zeit    eifrig  tractirten 


570  327.  Mittelalter.  Nr.  11. 

autoren,    Ovid,    Vergil ,    Statius    u.  s.  w.  oder  in    der  eigenen 
phantasie  der  einzelnen  dichter. 

Sehr  ansprechend  ist  p.  19  die  erklärung  der  thatsache, 
dass  das  dürre  werk  des  Dares  sich  einer  so  viel  grösse- 
ren Vorliebe  im  mittelalter  erfreut  hat  als  Dictys :  letzterer 
steht  auf  seite  der  Griechen,  Dares  auf  der  der  Trojaner,  für 
welche  durch  Vergil  die  theilnahme  besonders  geweckt  war. 
Eine  weitere  ausführung  dieses  gedankens  wäre  vielleicht  wün- 
schenswerth  gewesen. 

Diese  und  jene  kleim'gkeit  zu  berichtigen  hat  bereits  Meister 
in  dem  Breslauer  programm  und  den  vorreden  zu  Dictys  und 
Dares  unternommen.  Es  bleibt  uns  fast  nichts  als  eine  rechtfer- 
tigung  Benoits  (p.  39)  dass  er  statt  des  namens  Mölossus  ein 
patronymicum  Achillides  setzt ,  in  betreff  des  schmelzens  des 
bleies  in  der  luft  (p.  55),  eine  weitere  Verweisung  auf  Vergil. 
Aen.  V,  525;  dass  Amenus  p.  69  aus  Homerus  corrumpirt  sein 
sollte,  scheint  sehr  zweifelhaft,  es  ist  doch  wohl  eher  Auienus 
dafür  zu  setzten.  Nutzbringender  als  solche  bemängelungen  er- 
scheint es,  die  aufzählung  der  kleineren  poetischen  litteratur 
des  mittelalters  vom  fall  Trojas  p.  21  f.  zu  berichtigen  und 
durch  einen  kleinen  beitrag  zu  erweitern. 

Es  giebt  nämlich ,  abgesehen  von  der  noch  nicht  edirten 
Transformatio  metrica  in  930  hexametern  — ■  mit  dem  anfange: 
Historiam  Troiae  ßgmenta  poetica  turbant  —  im  pariser  codex 
8430,  vier  gedichte  in  distichen: 

1.  Pergama  flere  uolo  etc.,  schluss :  Femina  fatalis ,  femina 
digna  malis.  Textabdrücke  bei  C.  Barth,  Goldast,  Du  Meril 
und  in  den  Carmina  burana ,  wo  die  letzten  beiden  distichen 
fehlen.  In  meinem  besitz  ist  eine  abschrift  aus  codex  Vindo- 
bonensis  883  p.  xiv.  Die  älteste  handschrift  von  der  wir  wis- 
sen liegt  noch  unbenutzt  in  Kouen  (saec.  x/xi?),  vielleicht  ist 
sie  nicht  älter  als  der  Vaticanus  bib.  Christinae  314  s.  xn.  Eine 
handschrift  in  Cambrai  n.  875   s.  xm. 

2.  Viribus  arte  minis  etc.  Schluss:  Sic  gens  romidea  surgit 
ab  hectorea.  Genannt  wird  eine  berliner  handschrift  v.  j.  1476 
(Latini  fol.  49).  Im  Vindobonensis  883  schliesst  sich  dies  lied 
ohne  Unterbrechung  an  nr.  1  an  ;  es  bildet  von  dem  bei  Leyser 
aus  einem  leipziger  codex  p.  398 — 408  unter  Hildeberts  namen 
mitgetheilten   liede  die  verse  153 — 276. 


Nr.  11.  327.   Mittelalter.  571 

3.  Das  gedieht  des  Simon  Capra  aurea,  in  Hist.  litt,  de  la 
Fr.  XII,  487  ff.,  und  zum  theil  im  Leyserschen  druck  nach  der 
leipziger  handschrift  v.   1 — 152. 

4.  Feruet  amore  Paris  etc.  Carmina  burana  p.  63.  (Eine 
summa  Vergüii  in  zwei  distichen  mit  demselben  anfang  in  Rie- 
se's  Anthol.  lat.  II,  p.  xliii). 

5 — 7.  Die  rhythmen  derselben  Sammlung  p.  56 — 79.  Der 
Planctus  Didonis  o  decus  o  Lybiae  regnum  steht  auch  in  einer 
münchener  handschrift  (n.  4598  saec.  xm  mbr.   f.  61). 

Die  frage  über  den  Verfasser  von  1  und  2  will  ich  hier 
nicht  zu  lösen  versuchen.  H.  Wattenbach  schriftwesen  p.  344 
kennt  die  Unterschrift  der  von  mir  benutzten  wiener  hand- 
schrift; vgl.  M.  Haupt  Ztsch.  XV,  260. 

8.  Folgendes  noch  ungedruckte  lied  folgt  in  einer  bres- 
lauer handschrift  (Uaiversitätsbibl.  IV  F  33  mbr.  s.  xiv  f. 
41  a)  auf  den  Dares ;  es  ist  ein  seitenstück  zu  dem  versifi- 
cirten  auszug  der  Historia  Apollonii  Tyrii  in  den  Carmina  bu- 
rana n.  CXLVHI. 

1  Sub  uespere  troianis  menibus 

prodit  Hector  miles  egregius. 
quem  ut  uidit  turba  Myrmidonum, 
uersis  equis  in  castra  fugiunt 

2  Clamant  simul:  Achilles  propera, 
arma  cape  et  tuos  libera. 

at  Hector  fugat  eos  et  sauciat, 
quem  turpiter  fugit  Achaia. 

3  Ad  hec  verba  Achilles  protinus 
arma  capit  et  it  ei  obuius. 
coneurrunt  uterque  Atrides, 
Dyomedes,  Aiax  et  Vlixes. 

4  Ait  Hector:  uiri  quo  ruitis? 
mecum  certat  filius  Thetidis. 
iam  sendet  quid  Hector  ualeat, 
et  si  possit  perfodi  lancea. 

5  Pugnat  Hector,  pugnat  nee  dubitat; 
iacit  hastam,  ensem  euaginat; 

ferit  ense  Achillis  clipeum, 

mox  frangit   eum  prope  capulum, 

6  Fit  certamen,  sed  fit  dispariter, 


572  Theses.  Nr.  11. 

unus  obstat  multis  uiriliter. 


7  Leti  duces  ita  desiliunt 

et  crudeli  funere  obruunt. 
sie  cecidit  nunc  decus  Asye. 
sie  oeeidit  luctus  Achaie. 

1,  4  fugierunt  hds.  2,  3  eos  fehlt  hds.  3,  1  protinus  achilhs  hds.  3,  3 
eine  silbe  fehlt,  tarn  ?  6 ,  3.  4  in  der  handschrift  fehlt  die  angäbe 
einer  lücke.  Die  eigennamen  sind  meistens  mit  minium  unterstri- 
chen, abschnitte  sind  durch  vorgesetztes  §  angegeben  2,  1.  3.  3,  3. 
4,  1.  5,  1.  7,  1. 

Theses 

quas  ad  summos  in  philosophia  honores  .  .  in  acad.  Fridericia  Guilel- 
mia  Rhenana  rite  capessendos  d.  XXXI  m.  Iulii  .  .  publice  defendet 
Fr.  Leo:  1.  Octaviam  praetextatam  sub  Senecae  nomine  antiquitus 
traditam  esse  docet  Vinc.  Bellov.  Spec.  hist.  IX,  114  ed.  Koberg.;  — 

2.  Pacuv:  v.  127  Ribb.  (Dulor.  fr.  7,  2)  non  cohaeret  c.  125.  126; 
scribendum  est:  6  ere  mi  ne  plectas  fandi  mi  prolixitudinem;  —  3. 
Dioclides  viginti  circulos  quinis  denis  viris  constantes ,  trecenos  igi- 
tur  viros,  computasse  se  simulavit.  legenduni  enim  est  Andoc.  I,  38: 
oqcIv  dt  uvftQiünovg  top  /utt>  agid-jubu  fiähcia  r giaxoßiovg,  ißrävat 
dt  xvxXta  ava  ntvzsx  aidtxa  ecvdqng ,  xvxkovg  dt  tlvat  tXxodv.  — 
4.  Quem  Ulixem  vocant  in  vase  Pisticciano  (Bullet.  Napolet.  I  t.  XIII: 
cf.  Mon.  dell  Instit.  IV,  t.  XIX)  Aiax  est.  interpolarunt  enim  edito- 
tores  Tiresiae  caput;  —  5.  Arist.  Ach.  920  sq.  iocoee  imitatur  Ae- 
schyli  Orithyiam.  v.  libr.  de  sublim.  3,  1,  p.  12  Jahn.;  —  6.  Ar. 
Vesp.  162  sq.  interpolatione  remota  evadunt  haec: 

«J>.     %&  ävnßoXto  a.  txfptg  jue  /urj  diagpccy£. 

3.     /lux  tov  IJoGudiü  ovdtnoit  y'     <f>.  n'iuoi,  dtilaiog 

na?  ccv  g'  cmoxrtivnifAi;  cf.  368  sq.;  —  7.  ib.  342  Bde- 
lycleo  a  senibus  audit  6  dr) /uoko/oxlt  mv.  —  8.  Explicatur  o  JJgioyv 
Ar.  Ach.  36  per  fr.  com.  anon.  156  (TV,  p.  643  Mein.),  6  Kngdouiwv 
Vesp.  1178  per  Nub.  670  sq.  1248  sq.  1444;  —  9.  Inter  libros  Terentia- 
nos  integriora  exstant  Calliopianae  recensionis  exemplaria  Victorianus 
et  Decurtatus,  retraetata  Parisinus  Ambrosianua  Vaticanus  similes 
picturis  ornati  antiquissimo  libro  oriundis.  ordinem  fabularum  libri 
picti  ut  Bembinus  varronianum,  Victorianus  alphabeticum  seeuntnr; 
—  10.  Non  dubitabant  veteres  de  Terentio  in  Graecia  rnortuo.  Vol- 
catius    enim   dixit  (vit.  Terent.  4): 

iter  hinc  in  Achaiam  fecit. 
quaerenti  autem  plnra  quam  vulgo  feruntur  in  ista  vita  obvia  erunt 
Volcatiana;  —  11.  Ter.  Haut.  90  sq.  legendum  est: 

ubi  rem  reseivi,  cbepi  non  humanitus 

neque  ut  animum  deeuit  aegrotum  adulescentuli 

traetare,  sed  vi  ut  via  pervolgatast  patrutn. 

12.  Plauti  Trucul.  IV,  2,  1  sq.  legendum  est: 

lapide  eeficiam  raenm  ego  officium:  vide  intus  modo 
ut  tu  tuum  item  eeficias ;  — 

13.  Soph.  Antig.  211  sq.  sie  corrigitur: 

Ool  ja  via  §i£eu',  nai  Mtyotxitos  Kgiov, 


Nr.  11.  Neue  auflagen.  —     Schulbücher.  573 

tov  irt3t  dvffvovv  xal  tov  (vtutvrj  nökti, 

v6/u(p  dt  /orjoftai,  navjL  nov  nciotari  aoi. 
extreina  medelain  exspectant  (codd.  nov  x  Ivterl  üoi) ;  —  14.  cEmi- 
gtlui  quas  vocabant  oligarchoruni  propriae  erant  Athenis,  ubi  primum 
extiterunt  Cleone  rei  publioae  gubernatore.  nulla  enhn  est  vocis 
irnirfjtia  apud  scriptores  qui  post  bellum  peloponnesiacum  fuere  aucto- 
ritas ;  —  15.  Nemo  Aristomcum  spurium  Eumenis  filium  citharoedo 
Datum  esse  dixit.  nam  Plut.  Flamin.  21:  'AoicTÖvixog  6  rov  xt&auwdov 
cJtä  n)y  Evfiivopq  öö^uf  i/inkqaas  anaaav  änoGTuctwv  xal  noUfxtuy  TrjV 
\4ciav,  corrigendum  est:  6  iyg  xtftaowdov.  cf.  lustin.  36,  4,  6;  —  16. 
Fieri  non  potest  ut  atticae  comoediae  uliius  argumentum  e  frag- 
mentis  refingatur. 


Neue  auflagen. 

328.  Herodotos.  Für  den  schulgebrauch  erklärt  von  K.  Äbicht. 
2.  aufi.  4.  bd.  8.  Leipzig.  Teubner;  18  ngr.  —  329.  Platon's  aus- 
gewählte dialoge.  Erklärt  von  //.  Sauppe.  2.  bdchn.  3.  aufl.  8. 
Berlin.  Weidmann;  12  ngr.  —  330.  P.  Vergilii  Maronis  Opera.  Rec. 
C.  H.  Weise.  Nova  ed.  ster.  C.  Tauchnitziana.  16.  Lipsiae.  Holtze; 
12  ngr.  —  331.  P.  Ovidii  Nasonis  Metamorphoses.  Auswahl  für  schu- 
len von  A.  Siebeiis.  2.  hälfte  7.  aufl.  von  F.  Folie.  8.  Leipzig.  Teubner; 
15  gr.  —  332.  Q.  Horatii  Opera  rec.  C.  H.  Weise.  Nova  ed.  ster. 
C.  Tauchnitziana.  16.  Lips.  Holtze;  7x/2  gr-  —  333.  C.  I.  Caesaris 
commentarii  cum  fragmentis  et  indice.  Nova  ed.  stereot.  C.  Tauch- 
nitiana.  16.  Lipsiae.  Holtze ;  15  ngr.  —  334.  C.  Sallusti  Crispi 
opera  quae  exstant:  Ed.  C.  F.  A.  Nobbe.  Nova  ed.  ster.  Tauchni- 
tziana. 16.  Lipsiae.  Holtze ;  4'/2  ngr-  —  335  —  36.  Freund,  präparation 
zu  Livius'  römische  geschichte.  3.  heft.  2.  aufl.  16.  Leipzig.  Vio- 
let ;  6  ngr.  —  6.  heft.  3.  aufl.  ebend.;  5  ngr.  —  337.  C.  Tacitus, 
erklärt  von  H.  Nipper dey.  2.  bdch.  3.  aufl.  8.  Berlin.  Weidmann; 
24  ngr.  —  338.  L.  A.  Flori  epitome  rerurn  Romanorum.  Nova  ed. 
stereot.  C.  Tauchnitziana.  16.  Lipsiae.  Holtze;  7x/2  gr-  —  339.  Cice- 
ro's  ausgewählte  reden.  Erklärt  von  K.  Halm.  4.  bdch.  4.  aufl. 
8.  Berlin.  Weidmann;  12  ngr.  —  340.  Ciceronis  Tusculanarum  11. 
quinque.  Für  den  schulgebrauch  erklärt  von  O.  Heine.  2.  aufl.  8. 
Leipzig.  Teubner;  2272gr. —  341. Cicero's  ausgewählte  briefe.  Für  den 
schulgebrauch  erklärt  von  J.  Frey.  2.  aufl.  Leipzig.  Teubner;  22 V2 
gr.  —  342.  Vollmer ,  Wörterbuch  der  mythologie  aller  Völker.  3. 
aufl.  1.  lief.  8.  Stuttgart.  Hoffmann;  10  gr.  —  343.  F.  Fiedler, 
geschichte  der  Römer,  ihrer  herrschaft  und  kultur.  2.  aufl.  8.  Leip- 
zig. Baumgärtner;  1  thlr.  —  344.  R.  Klotz,  handwörterbuch  der 
lateinischen  spräche.  5.  abdr.  2  —  6  lfrg.  8.  Braunschweig.  Wester- 
mann; a  4  ngr.  —  345.  E.  Hoffmann,  die  construction  der  latei- 
nischen zeitpartikeln.     2.  aufl.     8.     Wien.  Gerold;  1  thlr.  20  gr. 


Neue  Schulbücher. 

346.  C.  Frankes  griechische  formenlehre.  Bearbeitet  von  A. 
von  Bamberg.  8.  aufl.  8.  Berlin.  Springer;  15  ngr.  —  347.  E. 
Küpke ,  homerische  formenlehre.  3.  aufl.  8.  Berlin.  Duncker;  10 
gr.  —  348.  P.  Wesener,  griechisches  elementarbuch  zunächst  nach 
den  grammatiken  von  Curtius  und  Koch.  2.  aufl.  8.  Leipzig.  Teubner; 
12  ngr.  —  349.  A.  Schaubach,  griechisches  vocabularium  f.  d.  ele- 
mentarunterricht.      8.      Leipzig.   Teubner;    4*/2  *>gr-  —      350.  K.   W. 


574  Bibliographie.  Nr.  II. 

Krüger,  kleinere  griechische  Sprachlehre.  9.  aufl.  8.  Berlin.  Krü- 
ger;  20  gr.  —  351.  C.  Schenkt,  Vocabulario  graeco-italiano  per 
uso  dei  ginnasj.  Tradotto  da  F.  Ambrosoli.  Ed.  8.  gr.  8.  Wien. 
Gerold;  3  thlr.  10  gr.  —  352.  K.  W.  OsterwaJd,  Aeschyloserzählun- 
gen  für  die  jugend  bearbeitet.  2.  bdch.  8.  Waisenhaus.  Halle;  12 
ngr.  —  353.  W.  Scheele ,  Vorschule  zu  den  lateinischen  classikern. 
1  thl.  15.  aufl.  8.  Elbing.  Neumann;  12  gr.  '—  354.  Desselben 
2.  thl.  eben  das. ;  15  ngr.  —  355.  Ch.  Ostermann,  lateinisches  Übungs- 
buch. 4.  abth.  5.  aufl.  8.  Leipzig.  Teubner;  12  ngr.  —  356.  A. 
S.  Schönborn ,  lateinisches  lesebuch  für  untere  classen  der  gynina- 
sien.  1.  cursus.  19.  aufl;  besorgt  von  R.  Kühner.  8.  Berlin.  Mül- 
ler und  söhn;  71/»  ngr.  —  357.  Ch.  Ostermann,  lateinisch -deutsches 
und  deutsch-lateinisches  Wörterbuch  zu  den  lateinischen  Übungsbü- 
chern für  sexta  und  quinta.  6.  aufl.  8.  Leipzig.  Teubner;  7'/2  gr- —  358. 
P.  Ch  .D.  Hennings,  elementarbuch  zu  der  lateinischen  grammatik  von 
Ellendt-Seyffert.  3.  abth.  Waisenhaus.  Halle  ;  12  ngr.  —  359.  F.  Ranke, 
Chrestomathie  aus  lateinischen  dichtem,  vorzüglich  aus  Ovidius.  5. 
aufl.  Berlin.  Weber;  22 %  gr.  —  360.  J.  Dreykom,  auslese  aus  la- 
teinischen dichtem.     8.     Landau.  Kaussler;    9  ngr. 

Bibliographie. 

Die  dieses  jähr  erschienene  lllte  publication  des  Literarischen 
Vereins  in  Stuttgart  führt  den  titel:  »die  ersten  deutschen  Zeitungen, 
herausgegeben  mit  einer  bibliographie  (1505  —  1599)  von  Emil  Weiler«.. 
Die  vorrede  enthält  ebenfalls  interessante  mittheilungen  über  diesen 
gegenständ. 

Erschienen  ist:  Bibliotheca  philologica  Teubneriana.  Yerzeich- 
niss  des  verlags  von  B.  G.  Teubner  in  Leipzig  auf  dein  gebiete  der 
philologie  und  alterthumswissenschaft  —  bis  September  1873. 

Bericht  der  C.  F.  Winter' sehen  Verlagshandlung  in  Leipzig:  na- 
mentlich Übersetzungen  der  werke  von  Tylor,  Buckle  u.  s.  w. 

Aufmerksam  machen  wir  wieder  auf  Otto  Spamer's  in  Leipzig 
zur  michaelismesse  erschienenen  verlags-bericht.  Ausser  einigen  al- 
tern, das  classische  alterthum  betreffenden  werken  (p.  14.  28)  ist  zu 
beachten :  Helden  der  christlichen  kirche.  Lebens  -  und  kulturbilder 
für  haus  und  schule.     Von  August   Werner. 

Cataloge  von  antiquaren;  bücherverzeichniss  nr.  199  von  Theodor 
Kampffmeyer  in  Berlin,  nur  philologie ;  verzeichniss  nr.  35  von  Adal- 
bert  Rente  's  antiquariat  in  Göttingen;  besonder«  geschichte,  geogra- 
phie  und  reisen;  Bibliotheca  philologica.  Catalog  nr.  357  des  anti- 
quarischen bücherlagers  von  FL.  IV.  Schmidt  in  Halle  a.  d.  Saale; 
sehr  zu  beachten ;  Bücherverzeichniss  von  Karl  J.  Trübner ,  buch- 
händler  zu  Strassburg  im  Elsass.  VIII.  classische  philologie;  anti- 
quarisches bücherlager  nr.  4  von  Otto  Wulkuio  in  Magdeburg:  clas- 
sische philologie  ,  zum  theil  aus  der  bibliothek  des  prof.  Dr  Schwei- 
ger in  Göttingen. 

Livres  anciens  en  vente  chez  II.  Georg  ä  Bale:  nr.  21  Linguis- 
stique,  nr.  24  livres  rares  et  curieux;  Catalogue  de  livres  anciens  et 
rares  en  vente  chez  Rucardo  Marchieri  di  Gins  ä  Naples. 

Leipziger  bücherauetion.  24.  november  1873  .  .  bei  H.  Härtung: 
namentlich  auch  Aldinen,  Juntinen,  Elzevirdrucke  u.  dgl. 

Kleine  philologische  zeitimg. 

Rom,  27.  sept.     Da  die  griechische  regierung  die  antrage  Schlie- 


Nr.  11.  Kleine  philologische  zeitung.  575 

manns  in  Mykenä  ausgrabungen  zu  veranstalten,  abgewiesen,  hat 
derselbe  seine  dienste  Italien  angeboten,  und  es  scheint,  als  wolle 
man  darauf  eingehen.     Augsb.  Allg.  Ztg.  n.  274. 

Stuttgart,  30.  sept.  W.  Duisburg ,  früher  preussischer  consul  in 
Chartum,  jetzt  kauf  mann  in  Jerusalem  hat  der  hiesigen  bibliothek 
seine  im  alten  Moabiter -lande  ausgegrabenen  lunde,  meist  götzenbil- 
der  und  gefässe   mit  inschriften,  zum  geschenk  gemacht. 

Ueber  die  Zusammensetzung  der  expedition ,  welche  der  vicekö- 
nig  von  Egypten  unter  leitung  von  Gerhard  Rohlfs  in  die  libysche 
wüste  schickt,  giebt  nachricht  der  Reichsanz.  nr.  224. 

Auch  die  wissenschaftliche  Beilage  der  Leipziger  zeitung  nr.  78 
flg.  bringt  aufsätze  über  das  Unterrichts-  und  erziehungswesen  auf 
der  Wiener  Weltausstellung. 

Berlin,  5.  oct.  Die  vom  brittischen  general  Fox  hinterlassene 
münzsarninlung,  gegen  11000  altgriechische,  phönizische  und  andere 
münzen  enthaltend,  ist  für  das  kön.  münzkabinet  hieselbst  angekauft 
worden.     Augsb.  Allg.  Ztg.  nr.  247. 

Ueber  den  druck  deutscher  bücher  mit  lateinischen  lettern  wird 
jetzt  viel  verhandelt  und  er  meist  getadelt:  vrgl.  Augsb.  Allg.  Ztg. 
beil.  zu  nr.  238.  240. 

Wien,  6.  octob.  Heute  wurde  der  regierungsrath  professor  Dr 
Johann  Vahlen  feierlich  als  rector  magnißcus  in  der  wiener  Universität 
inaugurirt:  er  war  einstimmig  gewählt.  Dies  die  erste  frucht  des 
Universitätsgesetzes  vom  27.  august  a.  c. 

Ueber  die  bei  Ehrenhausen  seit  kurzem  stattfindenden  ausgrabun- 
gen römischer  bauwerke  bringt  der  Anz.  f.  künde  der  deutschen  vor- 
zeit  und  darnach  Augsb.  Allg.  Ztg.  nr.  283.  p.  4296  folgendes:  im 
dorfe  Retzney  bei  Ehrenhausen  wird  unter  leitung  des  prof.  P'r.  Pich- 
ler  aus  Wien  eine  römische  villa  aus  Aurelian's  zeit  ausgegraben.  In 
der  länge  von  50  metern  zeigen  sich  mauemzüge  in  gerader  und  ge- 
bogener linie,  grössere  und  kleinere  gemacher,  Wasserleitungen,  stein- 
stuten,  mosaikboden  u.  s.  w.,  insbesondere  eine  erhebliche  masse  von 
wandmaereien ;  eine  reihe  thongeräthe  ('eins  mit  dem  namen  Firmia- 
nus),  bronzeschlüsseln  u.  drgl.  sind  im  antiken  cabinet  des  Joanneums 
ausgestellt. 

Berlin,  9.  oct.  Die  vom  minister  Dr  Falk  berufene  schulconfe- 
renz  ist  eröffnet:  einen  bericht  der  ersten  Sitzungen  giebt  Augsb.  Allg. 
Ztg.  nr.  287. 

London,  12.  oct.  Fugen  Schuyler  schreibt  dem  Athenaeum  vom 
12.  aug.  aus  Bochara,  er  habe  grund  zur  annähme,  dass  die  berühmte 
bibliothek  Timur's  immer  noch  existire :  denn  im  schätze  des  Emirs 
seien  viele  bücher  und  unter  diesen  viele  in  sprachen  ,  welche  den 
Mollahs  aus  Bochara  ganz  unbekannt  seien:  diese  stammen  angeblich 
aus  den  ältesten  zeiten. 

Rom.  Am  20.  october  soll  der  XI  allgemeine  italienische  ge- 
lehrtencongress  eröffnet  werden  und  ungefähr  14  tage  dauern.  Nä- 
heres giebt  der  Reichsanz.  nr.  233.  Die  eröftnung  hat  am  20.  oc- 
tober auch  stattgefunden. 

Petersburg ,  21.  oct.  Die  von  Erizow  in  Eriwan  unternommenen 
archäologischen  naihforschungen  haben  nach  dem  Kuwhas  bedeu- 
tende ausbeute  gegeben.  Namentlich  in  der  umgegend  vou  Alxane- 
dropol  ist  ein  heidnischer  tempel  von  riesenhaften  dimensionen  auf- 
gefunden und  nicht  weit  davon  eine  tafel  mit  keilschrift. 

Berlin,  29.  oct.  Der  schwedisch -norwegische  consul  Fr.  Spie- 
gelthal in  Smyrna  hat  die  von  ihm  seit  mehren  jähren  aus  eignen 
mittein  zusammengebrachte  Sammlung  von  werken  griechischer  kunst 
dem  berliner    museum  zum    geschenk  gemacht ,    darunter   eine  wohl 


576  Kleine  philologische  zeittmg.  Nr.  11. 

erhaltene  marmorgruppe ,  Psyche  und  Amor ,  reliefs  der  Kybele ,  des 
Apollo,  500  römische  silbermünzen  u.  s.  w. ,  worüber  s.  Reichsanz. 
nr.  255. 

Auf  der  insel  Syra  wurde  ein  3  meter  langes  und  6V2  meter 
breites  sehr  schönes  mosaik  aus  vorchristlicher  zeit  ausgegraben:  es 
gehörte  einem  Isistempel  an.     Reichsanz.  nr.  256. 

Berlin,  5.  novemb.  Heute  feierte  der  director  des  Friedrich- 
Wilhelms -Gymnasium  hieselbst  Dr  Bonnell  sein  50jähriges  dienstju- 
biläum.     Eine  kurze  notiz  giebt  darüber  Reichsanz.  261. 

Auszüge  aus  Zeitschriften. 

Archäologische  zeitung  herausgegeben  von  Ernst  Curtius  und  Ri- 
chard Schöne.  Neue  folge.  VI  band  heft  1.  2:  der  ganzen  folge  ein- 
unddreissigster  Jahrgang:  Attischer  Schulunterricht  auf  einer  schale 
des  Duris  (hierzu  tat.  1),  von  A.  Michaelis ,  p.  1 :  höchst  beachtens- 
werth:  hier  die  quelle  des  verses:  /uovaü  /uot  «jjql  2x(</jctvd(jov,tvQ- 
qoov  eifjxofj.'  «iithtv  (s.  ob.  nr.  9,  p.  471),  über  den  p.  3  sq.  ausführ- 
lich gehandelt  wird:  dann  wird  gegen  ßrunn's  ansichten  von  Duris 
und  überhaupt  gegen  dessen  System  der  vasenchronologie  gesprochen. 

—  Die  orientirung  des  capitolinischen  Stadtplans  (hierzu  taf.  II), 
von  A.  Trendelenburg,  p.  14,  gegen  Becker's  und  Jordan's  annahmen 
gerichtet.  —  Grossgricchiscke  terracottengefässe  (hierzu  taf.  69  des 
Jahrgangs  1872),  von  A.  Heydemann,  p.  18.  —  Antikensammlungen 
in  England,  von  Fr.  Matz,  p.  21:  sehr  zu  beachten:  unter  anderm 
wird  die  echtheit  der  auf  der  basis  einer  statue  eingegrabenen  inschrift: 
ANCHYRRHOE  p.  31  vertheidigt,  p.  33  flg.  von  den  handzeichnun- 
gen  nach  antiken  —  s.  Phil.  Anz.  III,  nr.  5,  p.  377  —  ausführlich  ge- 
sprochen. —  Zur  erklärung  der  Venus  von  Milo,  von  Max  Frankel, 
p.  40.  —  Phthiotische  localsagen,  von  R.  Weil,  p.  40 :  bezieht  sich 
auf  Philoktet.  —  Classification  of  pottery  from  Cyprus ,  von  A. 
Lang,  p.  42.  —  Erotenfries  aus  Pompeji,  von  A.  Trendelenburg,  p. 
42 :  hierzu  taf.  III.  —  Eros  im  brautgemach  (hierzu  taf.  IV),  von 
O.  Lüders,  p.  49.  —  Eine  attische  lekythos  (hierzu  taf.  V),  von  Gu- 
stav Hirschfeld,  p.  52:  das  bild  soll  komisch  gefasst  und  auf  die  be- 
strafung  der  Seeräuber  durch  Dionysos  bezogen  werden.  —  Votivre- 
lief  aus  Megara  (hierzu  taf.  VI),  von  Richard  Schöne,  p.  55.  —  Mis- 
c  eilen.  Funde  auf  dem  boden  von  Dekelea,  von  O.  Luders,  p. 
55:  bei  nachgrabungen,  die  vielleicht  auf  mauern  des  alten  Dekelea 
führten,  fand  man  auf  der  basis  einer  marmornen  graburne  die  in- 
schrift : 

<xviy[xk?]Tos  |  Nixod>'j/Liov  |  JtxtXutvs 
dazu   noch   fragmente    anderer  ähnlicher  inschriften.  —     Reisenotizen 
aus  Griechenland,  von  H.    G.  Loiling ,    p.  57:    enthält    ein    paar  in- 
schriften. —     Herakles  auf  einem  skarabäus ,   von   W.   Watkiss  Lloyd, 
p.  59.  —    Zum  weihgeschenk  des  Attalos ,    von  A.  S.  Murray,  p.  60. 

—  Archäologischer  Unterricht  in  Italien,  von  E.  Hübner,  p.  60:  Be- 
sprechung eines  aufsatzes  von  Conestabile  in  der  florenzer  Rivista  di 
Filologia,  maiheft.  —  Sitzungsberichte:  aus  Rom,  p.  63,  aus  Wien, 
p.  64:  bericht  über  Conze's  reise  nach  Samothrake;  aus  Berlin,  p.  66. 

Nachrichten  von  der  göttingischen  sociitiit  der  wiss.,  1873.  St.  19: 
Fr.  Wieseler ,  über  einige  im  Orient  erworbene  bildwerke  und  alter- 
thüiner:  beziehen  sich  auf  den  köpf  einer  Veuus(?),  fragmente  von 
Statuetten  der  Here,  eines  kriegers,  dann  auf  drei  reliefs,  zwei  terra- 
cotten ,  und  ein  paar  geräthe. —  St.  22:  II.  Ewald,  über  die  einthei- 
lung  der  babylonischen  mine  in  sekel. 


Nr.  12.  December  IS73. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben   als   ergänzung   des  Philologus 


von 


Ernst  von  Leutsch. 


385.  Nie.  Madvigii  Professoris  Havniensis  Adversaria  cri- 
tica  ad  scriptores  graecos  et  latinos ,  Vol.  I.  de  arte  coniectu- 
rali.  Emendationes  graecae.  Havniae  MDCCCLXXI.  IV.  741. 
Vol.  II.     Emendationes  latinae.  MDCCCLXXni.  IV.  682. 

Gewiss  waren  Deutschlands  philologen  vor  zwei  jähren 
nicht  wenig  überrascht,  von  dem  ersten  philologen  Cicero's  und 
Livius,  in  dessen  Opuscula  academica  kaum  der  eine  oder  an- 
dere griechische  satz  zu  lesen  ist,  zu  den  bedeutendsten  grie- 
chischen autoren  vielleicht  tausend  coniecturen,  und  zwar  nicht 
kleinlich  sprachliche,  sondern  tief  eingreifende,  den  gedanken  an- 
ders stellende  änderungen  und  Verbesserungen  mitgetheilt  zu  erhal- 
ten. Dass  Madvig  auch  im  griechischen  bewandert  war,  lehrte 
mich  bereits  vor  dreissig  jähren  sein  excurs  zu  Cicero  de 
Finibus  über  Antiochus,  der  eine  kenntniss  der  aristotelischen 
Ethik  zeigt,  wie  ich  sie  bei  keinem  Zeitgenossen  gefunden 
hatte. 

Die  vorrede  giebt  aufschluss ;  vf.  war  dreizehn  jähre  pro- 
fessor  der  lateinischen  litteratur,  erst  später  lehrte  er  auch  das 
griechische  l),  und  bietet  nun  selbst  seine  ergebnisse,  damit  nicht 
nach  seinem  tode  ein  unberufener  ihn  vertrete,  dem  publicum 
dar ;  er  wisse  am  besten  was  er  hiebei  zu  thun  und  zu  lassen 
habe.  Man  kann  das  nur  billigen  und  es  werden  wohl  wenige 
sein ,  die  alles  in  ihren  papieren  befindliche,  einst  veröffentlicht 
wünschen.      Als    nach   Porson's    abieben    aus    seinem    nachlasse 

1)  Bescheiden  ist  die  zeit,  wo  ihm  als  eultusmin ister  wenig  zeit 
blieb  coniecturen  in  den  alten  zu  machen,  einfach  mit  den  worten 
bezeichnet:  interiecti  sunt  ires  anni  et  paulo  plus,  quibus  ab  academia 
abfui,  negotiis  publicis  oecupatus. 

Philol.  Anz.  V.  37 


578  385.  Kritik.  Nr.  12. 

Adversaria  erschienen:  sagte  Buttmann,  „dem  geschieht  recht, 
weil  er  auch  von  andern  so  viel  herausgegeben  hat".  Wir  ha- 
ben demnach  dieses  werk  Madvig's  als  ein  vermächtniss  zu 
betrachten,  der  mit-  und  nachweit  zur  erkenntniss  gewidmet, 
und  diese  ist  dem  geber  zum  grössten  danke  verpflichtet. 

Die  sitte  Adversaria ,    Variae    lectiones   nach    alter  weise  zu 
schreiben  hat  aufgehört,    kaum  bietet  der  eine  oder  andere  der 
altern  philologen  heut  zu  tage  noch  eine  Centuria  an,  die  wenn 
sie  nicht  zu  lang  ist,    doch  nicht  ungern  gesehen  wird,    indem 
sie   dem   Verfasser   gelegenheit    giebt,    bald  den  cicerone    eines 
unverständlich  redenden  alten  dichters  zu  machen ,    bald    einen 
armen  heiligen  kirchenvater  zu  curiren;  fiszaßolf]  navzwv  yXvxv 
Die    richtung    der   zeit    geht    auf    intension,     nicht    extension 
nicht   die  politik    allein  liebt    das   localisiren,    auch    die  wissen 
schaft;  die  medicin  verdankt  gerade  diesem  verfahren  ihre  bes 
seren  erfolge.      Wer  sich  jähre  lang    mit   einem  autor  beschäf- 
tigt und   in    ihn  hineingelebt    hat,    wird    gar  manches  zu  sagen 
haben    und     was    ein    anderer    viel     geistreicherer    durch    eine 
flüchtige  lectüre  gefunden  zu  haben   glaubt,    gehörig  zu  würdi- 
gen verstehen. 

Madvig  sagt,  er  gebe  eine  grosse  anzahl  von  conjecturen, 
und  doch  sei  niemand  der  das  leichtsinnige  und  oberflächliche 
coniiciren  mehr  verachte  als  er;  die  masse  ergebe  sich  aus  der 
grossen  zahl  der  autoren,  die  er  sorgfältig  durchgearbeitet  habe. 

Das  ganze  besteht  aus  neun  büchern,  2 — 5  behandeln  die 
griechischen,  6 — 9  die  lateinischen  schriftsteiler,  das  erste  buch 
bespricht  die  methode  der  kritik,  wie  im  abschreiben  fehler  ent- 
standen sind,  diese  aufgefunden  und  verbessert  werden  können; 
hiezu  sind  die  beispiele  sowohl  aus  lateinischen  wie  aus  grie- 
chischen autoren  genommen. 

Die  theorie  enthält  begreiflicher  weise  nichts  neues ,  das 
bedeutende  sind  die  beispiele,  es  sind  nicht  coniecturae,  sondern 
emendationes ,  und  wer  den  werth  und  die  bedeutung  Madvig's 
als  kritiker  kennen,  wer,  wenn  er  ihn  auch  schon  kennt,  noch 
mehr  achten  lernen  will,  lese  dieses  buch  p.  8 — 155.  Hier 
werden  einige  hundert  stellen  verbessert,  wovon  alles  so  natür- 
lich und  einleuchtend  erscheint,  dass  der  leser  fortgerissen  und 
ohne  weiter  sich  zu  bedenken  und  umzusehen ,  stillschweigend 
seine  Zustimmung  giebt;  nur  einmal  p.  100 — 2,    wo    ihm    noch 


Nr.  12.  385.   Kritik.  579 

nie  erhörtes  zu  glauben  und  zu  verdauen  zugemuthet  ist,  wird 
er  stutzig,  steht  unwillig  auf,  sucht,  untersucht  und  — 
findet  zu  seinem  erstaunen  nichts  besseres.  In  Piatons  Theaet. 
p.  175  c  enthalten  die  wenigen  worte  ßaadsvg  ebdufficov  hehtj]- 
[if'vos  t  av  [nolv]  %ovaiov  ein  thema  des  Volksglaubens,  den 
einfachen  satz ,  dass  der  Perserkönig  durch  den  besitz  sei- 
nes vielen  goldes  sb8a.iu.mv  sei.  Die  sprachlich  unerklärlichen 
und  überflüssigen  Worte  t'  av  nimmt  C.  Fr.  Hermann  als  aus 
nolv  entstanden ,  aber  dieses  selbst  fehlt  in  den  besten  hand- 
schriften.  Madvig  sucht  vielmehr  darin  umgekehrt  eine  erklä- 
rung  des  corrumpirten  r  av ,  findet  im  lexicon  taug ,  ue'yag, 
nolvg  und  schreibt  einfach  ohne  einen  buchstaben  zu  ändern  xexr??- 
u.£vog  rav  yovaiov.  Zwar  steht  dieses  seltsame  fremde  wort  nur  im 
Hesychius,  sonst  ist  keine  spur  davon  im  gesammten  griechi- 
schen Sprachschätze  erhalten;  wenn  es  doch  im  Harpokration 
oder  einem  atticisten  stände!  das  alles  hilft  nichts,  da  steht's, 
macht  es  anders,  wenn  ihr  es  vermöget!  Madvig  erinnert  hier 
zugleich  an  ein  ähnlich  verkanntes  lateinisches  wort  magis,  die 
Schüssel,  in  Hör.  Serm.  2,  2,  29  nihil  enim  certius  est  quam  Ho- 
ratium  scripsisse:  Carne  tarnen,  quam  vis,  distat  hac  ma- 
gis illa,  id  est  ab  hoc  catino,  in  quo  pavo  appositus  est,  ille  in  quo 
gallina,  und  fügt  zuletzt  noch  ironisch  hinzu  (er  legt  auf  beide 
stellen  einen  werth,  p.  124):  Quot  poterant  etiam  nunc  de  illo 
Piatonis  et  hoc  Horatii  loco  programmatum  paginae  impleri?  po- 
tuisse  dixi?  poterunt]  ne  desperaveris.  Gewiss!  das  zav ,  das 
viele  gold  muss  ich  annehmen,  den  praesentirten  (leeren)  teller 
will  ich  vor    der  hand  noch  andern  überlassen. 

Ein  besonderes  capitel  p.  125 — 55  lehrt,  wie  häufig  eigen- 
namen  entstellt  und  verwischt  worden ;  Madvig  weiss  eine  fülle 
von  beispielen  —  ov  rä  x£,Ql  "^'  o^9  t(9  &vXdxq>  ansCgsi  — 
nicht  weniger  als  zweiundfunfzig  stellen  zu  verbessern,  z.  b.  p.  145 
in  Seneca  dem  rhetor :  Latroni  festinare  Caesarem  aus  patro 
fascina  recusarem,  in  Tac.  Agric.  24  Sabrinam  p.  148  statt  nave 
prima,  Gellius  17,  21  Fidenat  es  Äequique  für  Fidenates  itaque, 
und  so  durch  und  durch;  das  sind  keine  gewöhnliche  entdeckun- 
gen ,  vielmehr  dinge  die  die  grösste  beachtung  und  aufmerksam- 
keit  fordern  ;  —  manchmal  sei  auch  das  gegentheil  eingetreten, 
bei  Non.  p.  281  sei  in  Turpilius  versen  de  lenitate  Atticae 
entstellt  aus  de  vicinitate    aliquae,  freilich  wie  es  dann  mit 

37* 


580  385.  Kritik.  Nr.  12. 

dem  metrum  aussieht,  ist  nicht  gesagt,  wird  aber  II,  652  nach- 
geholt,   jedoch    wenige    befriedigen. 

Das  letzte  capitel  des  ersten  buches  ist  ein  grammatischer 
excursus :  die  oft  angeregte  frage ,  ob  nach  den  Wörtern  iXm- 
£oo,  ot'oftai  etc.  der  einfache  infinitiv  aoristi  statt  des  futurum 
stehen  kann,  wie  es  so  oft  in  den  handschriften  gefunden  wird» 
oder  ob  was  Madvig  u.  a.  annehmen,  thunlichst  immer  geändert 
werden  muss  •,  dieser  artikel  ist  hier  ganz  ungelegen  und  gehört  nicht 
hierher,  sondern  in  die  syntax.  Alles  übrige  enthält  Verbesse- 
rungen zu  den  einzelnen  autoren-,  ich  will ,  da  Madvig  es  un- 
terlassen hat,  hier  eine  Übersicht  des  inhaltes  der  capitel  sämmt- 
licher  neun  bücher  zusammenstellen,  sie  zeigt  zugleich  den  um- 
fang, der  den  verschiedenen  autoren  eingeräumt  ist. 

Tom.   I. 

I.  Prooemium  1 — 7.  1.  causae  et  genera  mendorum  in 
veterum  scriptorum  codicibus  monstrantur  universe  cum  exem- 
plis,  8 — 95.  —  2.  mendorum  corrigendorum  via  breviter  mon- 
stratur  et  exemplis  dtclaratur,  95 — 125.  —  3.  nomina  pro- 
pria  a  librariis  obscurata  et  sublata  eruuntur ,  quaedam  falso 
posita  eiiciuntur,  125 — 55.  —  4.  probabilitatis  criticae  in  re- 
bus grammaticis  aestimandae  leges  explicantur  et  certo  exem- 
plorum  genere  declarantur,  155 — 84.  —  II.  1.  emendantur 
Homerus,  Piudarus,  Aescliylus,  Sophocles,  185 — 230.  —  2. 
emendationes  Euripideae,  231  —  74.  —  3.  Aristopbanes,  Apollonius 
Ehodius,  Callimachus,  Theocritus,  274 — 301. —  III.  1.  Herodo- 
tus,  Thucydides,  302—35.  —  2.  Xenophon,  335—64.  —  3. 
Plato,  365 — 452.  —  4.  oratores  Attici,  Aristoteles,  452—79.  — 
IV.  1.  Polybius,  Diodorus  Siculus,  480—520.  —  2.  Strabo,  520— 
65. —  3.  Plutarcbi  vitae.  565 — 611. —  V.  1.  Plutarchi  scripta 
varia  (moralia)  612—77.  —  2.  Lucianus,  677—703.  —  3. 
Pausanias  ,  Philostratus,  Diogenes  Laertius,  Ioannes  Stobaeen- 
sis,  Dionysii  Halic.  antiq.  Rom.  lib.  I,  704 — 26;  letztes  wort: 
i am  s  atis  est. 

Tom.  II. 

VI.  1.  Plautus,  Terentius,  Lucretius  ,  Catullus,  1 — 29.  — 
2.  Vergilius,  Horatius,  (Propertius),  Ovidius,  29  — 109.  —  3. 
poetae  Augusti  aetate  inferiores,  Seneca,  Persius,  Lucanus,  Va- 
lerius  Flaccus,  Statius,  (Silius ,  Iuvenalis,  Martialis),  109 — 64. 
—  VII.   1.  M.  Varro,  165—80.—   2.  Cicero,   181  —  246.—    3. 


Nr.  12.  385.  Kritik.  581 

Caesar,  Sallustius,  246—96.  —  VIII.  1.  Velleius  Paterculus, 
Valerius  Maximus,  297 — 335.  —  2.  L.  Annaei  Senecae  scri- 
pta minora  (dialogi),  335 — 405.  —  3.  Senecae  libri  de  bene- 
ficiis  et  de  dementia  et  quaestiones  naturales,  406 — 58.  —  4. 
L.  Senecae  epistolae,  458  —  517.  —  5.  Columella,  Plinius 
maior,  Curtius,  Quintilianus,  518 — 41.  —  6.  Tacitus,  Sueto- 
nius,  541—82.  —  IX.  1.  A.  Gellius ,  M.  Fronto,  583—616. 
2,  Iustinus,  scriptores  historiae  Augustae,  616 — 51.  —  3. 
fragmenta  veterum  scriptorum  apud  Nonium  posita.  651 — 69, 
mit  den  Schlussworten :  Licet  opinor  fatigato  desinere. 

Man  sieht ,  am  reichlichsten  ist  Seneca  bedacht  mit 
182  seiten,  dann  folgt  Plutarch  mit  112,  Plato  mit  87,  Ci- 
cero mit  65,  Ovidius  mit  43  u.  s.  w.  Wer  mag  die  sämmtli- 
chen  conjecturen  zählen ,  welche  die  beiden  bände  in  ihren 
1893  Seiten  geben?  Jeder  philolog,  der  jahrelang  dociert  hat, 
wird  eine  ergiebige  zahl  bieten  können ,  eine  solche  fülle ,  ich 
darf  es  sicher  aussprechen ,  keiner ;  doch  nicht  die  quantität, 
nur  die  qualität  kommt  in  rechnung.  Dabei  ist  Madvig  ob- 
schon  so  zu  sagen  ein  geborner  kritiker ,  doch  durchaus  nicht 
der  mann,  der  darauf  ausgeht,  alles  anders  zu  machen,  um  sei- 
nen geist  zu  zeigen,  nicht  ein  conjecturenjäger,  dem  man  zu- 
rufen muss 

Tt  yag  i).Xsinei  firj  naganaieiv 
ii  X«Ä«  fiavimv ; 
Ein  klar  und  scharf  denkender  geist  geht  er  überall  nur  dar- 
auf aus  zu  suchen,  was  der  autor  sagen  will,  ja  nach  dem  vor- 
liegenden sagen  muss,  hier  gilt  das  rem  tene,  verba  sequentur. 
Hat  er  die  res,  den  richtigen  gedanken ,  der  nach  inhalt  und 
Zusammenhang  gefordert  wird ,  so  zeigt  ihm  die  gediegene 
kenntniss  der  spräche,  die  ihn  schon  vorher  auf  den  wunden 
fleck,  wo  der  fehler  liegt,  geführt  hat,  auch  bald  das  rechte 
und  geeignete  wort  und  er  hat  damit  das  ganze.  Man  mag 
bei  Madvig  unrichtiges  treffen  und  nachweisen ,  unvernünftiges 
wird  man  nicht  finden.  Dieses  verfahren  giebt  ihm  auch  die 
Zuversicht,  das  was  er  gefunden,  für  das  einzig  richtige  zu  hal- 
ten ,  und  so  ist  er  ein  abgesagter  feind  von  allem  unsiche- 
ren, schwankenden  und  zweifelhaften;  was  er  längst  in  seiner 
jugend  gegeben,  hält  er  auch  jetzt  noch  fest  und  sieht  sich 
nur  selten  zu  einem  widerrufe  genöthigt.     Er  erklärt  sich  selbst 


582  385.  Kritik.  Nr.  12. 

darüber  I,  122 — 4,  die  stelle  ist  wichtig,  einiges  verdient  zur 
allgemeinen  kenntniss  gebracht  zu  werden :  addamusque ,  ut  in 
quaerendo  vero  liber  animo  cursus  in  omnes  partes  permittendus 
est,  sie  inter  veritatis  inventae  notas  esse,  si  animus  in  uno  aliquo 
ita  certus  consistat ,  ut  nihil  praeterea  nee  anquirat  nee  aeeipiai; 
nam  qui  inter  plures  corrigendi  vias  incerti  haerent,  fere  a  vera 
aliquantum  dbsunt.  Boni  autem  critici  est  et  via  et  ratione  pro- 
gredientis  et  artem  habentis  scire,  quousque  processerit,  et  cum  ad 
verum  pervenerit,  firmiter  id  teuere  abieetaque  instabili  suspicione 
et  dubitatione,  loco  sanato  uti  et  Jrui.  ...;  eine  besondere  ars  der 
kritik  sei  es  a  sanis  abstinere  et  aliorum  proterviam  arcere ,  vera 
menda  certa  ratione  coarguere,  bona  ingenii  inventa  probare.  Diese 
ars  habe  ß.  Porson  geübt ,  alii  qui  magni  critici  haberi  solent, 
aut  ex  aliqua  parte  saepe  eam  violarunt,  ut  Bentleius  in  mendis 
arguendis  et  in  suspicione  continenda,  aut  prorsus  ea  caruerunt,  ut 
G.  Hermannus,  qui  non  maximum  numerum  bonarum  emendationum 
obruit  innumerabili  inanium  et  levium  opinionum  festinanter  iaeta- 
rum  multitudine,  rursus  non  raro,  ubi  libido  aut  obtreetatio  abripue- 
rat  strenuus  pravorum  defensor. 

Dieses  aufsuchen  eines  bestimmten  und  festhalten  an  dem 
gefundenen  ist  keine  empfehlung  für  kritiker ,  welche  leicht 
hin  ändern  und  dann  bemerken ,  es  könnte  auch  so  und  so 
und  dann  wieder  so  und  so  heissen,  wie  z.  b.  Blaydes  in  sei- 
nem Sophokles,  und  doch  ist  das  noch  besser  und  aufrichtiger 
als  wenn  einer  willkürlich  ändert  und  hartnäckig  daran  hält, 
ohne  es  bewiesen  zu  haben ;  denn  in  der  that  ist  es  nicht  über- 
all so,  wie  Madvig  annimmt,  dass  nur  das  eine  richtig  sein 
kann  und  muss,  alles  andere  demnach  ausgeschlossen  und 
falsch  sei. 

Schon  diese  kurze  angäbe  lehrt,  dass  ein  solch  kritisches 
talent  mehr  geeignet  ist,  die  schaden  der  prosa  zu  erkennen 
und  zu  heilen ,  als  die  der  poesie.  Dichter  die  eine  kühne, 
nicht  immer  streng  logische  spräche  führen,  lassen  sich  nicht 
in  so  eine  enge  jacke  zwängen,  die  bearbeiter  der  tragiker  wer- 
den nicht  zögern  zu  antworten,  obschon  viele  sich  selbst  sehr 
bemühen  die  poetische  spräche  in  gewöhnliche  prosa  zu  ver- 
wandeln. Noch  weniger  werden  sich  die  freunde  der  lateini- 
schen comoedie  durch  das  was  der  anfaug  des  zweiten  bandes 
giebt,  erbaut  fühlen.     Metrik  ist  überhaupt  nicht  Madvig's  hand- 


Nr.  12.  385.  Kritik.  583 

werk  und  er  hat  nur  fünf  stücke  des  Plautus,  über  die  er  eine 
eigne  ansieht  ausspricht,  vor  einigen  jähren,  wie  er  selbst  gesteht, 
näher  angeschaut,  die  Menaechmi,  Miles,  Mostellaria,  Trinummus 
nach  Ritschi,  die  Captivi  nach  Brix  und  Lorenz ;  er  ist  des  lo- 
bes  voll  über  die  Sorgfalt,  die  dem  kritischen  apparate  und  dem 
plautinischen  sprachgebrauebe  zugewendet  wird,  sed  idem  fp.  4J 
ita  iudicare  cogehar,  dum  Ritschelius  praescriptam  versuum  formam 
legemque  explere  studeret  omniaque  ad  sua  praeeepta  non  ubique 
certa  aut  vera  exigeret,  omnia  denique,  in  quibus  adhaesisset,  corri- 
geret,  neque  £n{%eii>  sciret  velletque ,  sie  saepe  a  vestigiis  codi' 
cum  certissimisque  indieiis  discessum  esse ,  sie  omnia  versa ,  sie 
quaedam  ficta,non  sine  /also  verborum  usu  sententiaeque  incommodis, 
ut  temeritatem  mirarer  simulque  artis  criticae  perturbationem  dole- 
rem.  Nihil  est  enim  in  ea  damnosius  hac  consuetudine  non  ex 
certis  indieiis  firmae  et,  Cui  ipse  vere  credas,  correctionis  petendae, 
sed  dum  omnia  expedire  velis,  instabili  coniectura  et  facile  in  con- 
trarium  se  vertenti  tantum  ea  seetandi ,  quae  versum  aut  sententiam 
ad  legem  aliquam  quomodoeunque  expleant;  nam  praeter  singulo» 
rum  locorum  depravationem  perit  sensim  veri  sensus  et  reverentia, 
certi  ab  incerto1  emendationis  a  lusu  distinetio.  Das  ist  zwar  nicht 
schmeichelhaft,  nicht  galant  gesprochen,  aber  leider  nur  zu 
wahr,  und  die  folgen  davon  liegen  offen  da. 

Ein  solches  werk  kann  nicht  von  einem  recensirt  werden, 
doch  wird  die  recension,  die  richtige  Würdigung  nicht  ausblei- 
ben ,  sie  fällt  denen  anheim ,  die  wenn  auch  lange  nicht  so 
geistreich  und  scharfsinnig  wie  Madvig,  mit  ihren  speciellen 
autoren  vertrauter,  in  ihnen  heimischer  als  er  sind,  die  Überlie- 
ferung des  textes  besser  kennen ,  und  über  die  einzelnen  von 
Madvig  mehr  oder  minder  glücklich  behandelten  stellen  ihrer 
autoren  sichern  aufschluss  zu  geben  fähig  sind.  Ich  will  selbst 
den  anfang  dazu  machen,  so  weit  es  die  engen  grenzen  dieser 
blätter  gestatten. 

Madvig  hat  mir  unaufgefordert,  von  selbst  1859  seine 
emendationen  zu  Varro  de  LL.  zugeschickt,  sie  stehen  um  ein 
drittheil  vermehrt,  II,  p.  165  —  78.  Er  hat  diese  bücher  zuerst 
in  der  Bipontina,  der  schrecklich  interpolirten  vulgata  gelesen, 
erst  später  meine  und  0.  Müllers  ausgäbe  zur  hand  genommen. 
Man  muss  die  älteste  Überlieferung  genau  kennen ,  um  nicht 
gefälschtes    noch    mehr  zu  fälschen;    sicherer   ist    die   kritik  zu 


584  385.  Kritik.  Nr.  12. 

üben,  wo  die  gewissheit  besteht  dass  wie  im  Aeschylus,  Sopho- 
cles,  Tacitus,  Apuleius  alle  verhandenen  handschriften  nur  abschal- 
ten eines  noch  erhaltenen  manuscriptes  sind-,  diesen  glücklichen 
fall  —  haben  wir  auch  in  unser  varronischen  schrift.  Hier 
nun  gilt  es  die  Überlieferung  genau  zu  kennen.  Im  anfange 
des  VII.  buches  p.  283  lesen  wir:  nee  mirum,  cum  non  modo 
Epimenides  post  annos  L  experrectus  a  multis  non  cognoscatur ,  sed 
etiam  Teucer  Livii  post  XV annos  ab  suis  qui  sit  ignoretur:  in  diesen 
Worten  ist  kein  anstoss,  aber  die  alten  ausgaben  geben  ein  opus 
vor  post,  was  man  als  aus  diesem  entstanden  einfach  gestrichen 

u 
hat.  Dagegen  hat  F  opes,  das  überschriebene  u  ist  nicht  ganz 
sicher,  Lagomarsini  meinte  ein  m  zu  erkennen,  worauf  Lach- 
mann, der  zu  Lucr.  p.  390  über  diese  stelle  viel  (und  mit  voll- 
stem unrecht  gegen  Müller)  spricht,  sagt :  ergo  nihil  certius  est 
quam  scribendum  esse  Epimenides  meus.  Diese  zuversicht- 
lich ausgesprochene  conjeetur  ist  entschieden  falsch;  Varro  kann 
hier  sein  eignes  zeugniss  nicht  anrufen ,  er  muss  der  allgemei- 
nen Überlieferung,  die  bekannt  genug  war,  folgen-,  opes  haben 
auch  die  besten  apographa  und  liegt  dem  wahren  ganz  nahe; 
OPES  nämlich  ist  nichts  als  CRES,  Epimenides  der  Kretenser. 
Obige  dreizehn  Seiten  geben  ein  halbes  hundert  änderun- 
gen  des  textes ;  sieht  man  von  dem  unbedeutenden  ab,  so  tref- 
fen fünfzehn  entschieden  das  richtige;  ansprechend  aber  nicht  so 
zuverlässig  sind  sieben ,  unwahrscheinlich  eilf ,  als  ganz  ver- 
fehlt zurückweisen  muss  man  sieben.  Madvig  der  überall 
die  spräche  der  gewissheit  führt ,  mag  auf  diese  eigene  ein- 
theilung  und  Schätzung  seiner  entdeckungen  etwas  mitleidig  her- 
absehen und  darüber  lächeln,  aber  es  ist  doch  nicht  anders. 
Von  jenen  fünfzehn  sind  zehn  wichtig,  grossentheils  nicht  ohne 
einfluss  auf  den  gedanken ;  einige  davon  sind  nicht  mehr  neu, 
was  ihm  entgangen ,  zwei  davon  habe  auch  ich ,  der  ich  diese 
bücher  so  oft  durchgearbeitet  hatte,  erst  von  ihm  gelernt ;  dass 
p.  220  liinc  agitur  pecus  pastum,  quia  vix  agi  potest,  nach  pastum 
ein  begriff  ausgefallen,  worauf  sich  die  folgenden  worte  bezie- 
hen, habe  ich  erkannt,  dass  aber  dieser  kein  anderer  ist  als 
hinc  angustum,  hat  mein  schwacher  verstand  nicht  gesehen, 
verdanke  ich  Madvig.  Auch  p.  137  halte  ich  quod  vomit  eo 
plus    terra    statt    terram    für    richtig.      Von    den    ansprechenden 


Nr.  12.  385.  Kritik.  585 

geistreichen,  aber  mir  nicht  wahrscheinlichen  vorschlagen  er- 
wähne ich  p.  25,  es  ist  von  der  Schätzung  die  rede:  praeco  di- 
citur  locare  quod  usque  id  emit,  quoad  in  aliquo  consistit  pretium. 
Madvig  schreibt  usque  demit ,  und  nimmt  es  in  dem  sinne  wie 
Nipperdei  sein  demittit  Spicil.  Nep.  p.  54  vom  herunter  stei- 
gern; dann  aber  gilt  es  nur  von  ultro  tributa,  nicht  von  den 
weit  wichtigeren,  dem  hinaufsteige™  des  preises,  den  vectigalia; 
wir  brauchen  ein  allgemeines  beide  umfassendes  wort.  So  habe 
ich  auch  gegen  die  schöne  vermuthung  zu  p.263  mein  bedenken; 
dort  lässt  nach  einer  Staatsformel  der  censor  durch  den  praeco 
das  gesammte  volk  in  die  comitia  zu  sich  rufen:  voca  huc  ad  me, 
heisst  es ,  omnes  Quirites ,  diese  werden  näher  geschieden  und 
bezeichnet  eqites  pedites,  ferner  magistratus  privatosque,  und  end- 
lich zuletzt  curatores  omnium  tribuum.  Diese  sind  sonst  nir- 
gends erwähnt  und  Madvig  sagt :  qui  neque  ulli  fuerunt,  neque 
si  fuissent ,  quid  in  censu  agendo  negotii  haberent,  intelligeretur,  er 
ändert  daher  iuratores,  die  bei  Liv.  39,  44.  Plaut.  Trin.  879 
genannt  werden ;  diese  sind  allerdings  beim  census  bethätigt, 
aber  was  sollen  diese  iuratoren  hier  an  unserer  stelle?  nur 
wenn  sie  so  bedeutend  sind,  dass  sie  als  Vertreter,  repraesen- 
tanten  der  tribus  auftreten  können ,  wie  es  sogleich  heisst :  si 
quis  pro  se  sive  pro  alter  o  dari  rationem  volet,  wenn  sie  wirk- 
lich das  waren,  was  das  wort  der  vulgata  andeutet ,  curato- 
res omnium  tribuum,  konnten  sie  hier  genannt  werden. 

Varro  hat  in  seiner  spräche  viel  eigentümliches;  die  Stel- 
lung der  worte,  wonach  das  welches  den  ton  hat,  vorange- 
stellt wird,  ist  bei  ihm,  wie  bei  keinem  andern  Eömer;  er  sagt 
nie  ut  .  .  ita,  immer  ut  .  .  sie,  nicht  quia,  sondern  quod  u.  drgl. 
Madvig  beachtet  diesen  Sprachgebrauch  nicht  und  setzt  leicht- 
hin dafür  etwas  anderes,  was  ihm  geeignet  scheint,  ein.  P. 
540  wo  von  den  verschiedenen  genera  animalium  gesprochen 
wird  :  item  in  piseibus  dissimilis  muraena  lupo.  is  soleae,  haec  mu- 
raenae  et  mustellae,  sie  aliis,  ändert  er  ohne  bedenken  sie  und 
schreibt  eae  aliis,  und  doch  ist  die  ständige  formel  bei  Varro 
sie  alia,  woraus  sich  von  selbst  sie  alii  aliis  ergab;  er  hätte 
vielmehr  an  muraenae  et  anstoss  nehmen  sollen ,  deren  Wieder- 
holung die  concinnität  nicht  duldet,  gleich  nachher  lesen 
wir:  separatim  in  muraenis,  separatim  in  asellis,  das  ist  beziehung 
auf  obiges    und    man    darf   die   vermuthung   aussprechen,    dass 


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die  stelle  einst  so  war:  .  .  dissimilis  muraena  (asello,  hie)  lupo, 
is  soleae,  haec  mustellae,  sie  alii  aliis.  P.  506  wird  von  Wör- 
tern gesprochen ,  die  nur  im  pluralis  gebräuchlich  sind ,  und 
gegen  die  gegner  der  analogie  gerechtfertigt:  quibus  responderi 
potest,  non  esse  reprehendendum,  quod  Scalae  et  Aquae  Caldae  ple- 
raque  quae  cum  causa  multitudinis  vocabulis  sint  appellata}  neque 
eorum  singularia  in  usum  venerint.  Madvig  vermuthet  peraeque 
quaeunque  causa  .  .  appellatae,  ein  wort,  das  Varro  gar  nicht 
gebraucht.  Es  ist  dieses  die  einzige  stelle,  wo  Madvig  nicht 
ohne  bedenken  sich  äussert  und  während  sonst  immer  zu  le- 
sen ist  scribendum  est  u.  drgl.,  steht  hier  scribendum  videtur. 
War  es  denn  so  schwer  in  jenem  pleraque  quae  das  einfache 
pluraque  zu  erkennen,  da  es  ausser  den  beiden  genannten  noch 
andere  solche  Wörter  wie  divitiae  u.  dgl.  giebt?  P.  532  ist 
die  änderung  nach  Müller  von  sie  in  si,  um  dann  item  sicut  il- 
luc  als  nachsatz  zu  nehmen  nicht  nothwendig  und  die  dadurch 
entstehende  form  ut  illuc  sit ,  si  hie  item  <  .  .  item  sicut  illuc  in 
einem  satz  ganz  gegen  den  varronischen  Sprachgebrauch;  die 
änderung  qua  illic  diximus  für  quae  ist  richtig,  ergiebt  sich  von 
selbst,  doch  ist  im  folgenden  ein  anderer  anstoss;  die  erste 
person  das  verbum  volo  kann  nicht  mit  casus  rectus  bezeichnet 
werden. 

Dem  einwürfe  der  anomalisten ,  dass  die  vertheidiger  der 
analogie  selbst  in  ihren  Schriften  mit  einander  im  Widerspruch 
stehen,  und  wo  sie  übereinstimmen ,  die  gang  und  gäbe  rede, 
consuetudo,  entgegen  sei,  wird  p.  539  entgegengehalten:  sie  om~ 
nis  repudiandum  erit  artis,  quod  sit  in  medicina  et  in  musica  et  in 
aliis  multis  discrepant  scriptores,  item  in  quibus  conveniunt  ut  scriptis 
si  etiam  repudiant  natura,  quod  ita  ut  dicitur,  non  sit  ars,  sed  ar- 
ti/ex  reprehendendus.  Ganz  richtig  schreibt  Madvig  couveniunt 
scriptis,  si  etiam  repudiat  natura,  um  so  schlimmer  aber  steht  es  mit 
dem  folgenden,  wo  überhaupt  nichts  zu  ändern  und  alles  klar 
und  deutlich  ist ;  er  sagt :  sie  scribendum  est  geminatis  duobm 
verbis :  quod  ita  ut  dicitur  {in  scriptis) ,  non  sit  (in  natura) ,  non 
est  ars,  sed  artifex  reprehendendus.  Gut,  dass  die  erklärung  in 
klammern  beigefügt  ist,  weil  sonst  kein  mensch  die  worte  so 
verstehen  könnte!  Weiss  Madvig  nicht,  dass  wenn  einer  sein 
handwerk  schlecht  treibt,  der  tadel,  nicht  die  ars,  sondern  der 
artifex  trage  die  schuld  daran,    eben   so    gewöhnlich  wie  natür- 


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lieh  ist?  Diese  bekannte  bemerkung  spricht  Varro  mit  den 
Worten  ut  dicitur  aus. 

P.  499  wird  von  den  drei  genera  gesprochen,  warum  substan- 
tiva  nicht  wie  adjeetiva  declinirt  werden,  Übergänge  aus  diesen 
nicht  immer  auf  gleiche  art  statt  finden  ;  man  sagt  femina,  nicht 
feminus,  feminum ;  surdus  vir,  surda  mulier,  surdum  theatrum,  nicht 
surdum  cubiculum,  wohl  aber  caecum,  dann  wird  fortgefahren :  mas 
et  femina  habent  inter  se  natura  quandam  societatem,  neutra  cum  his 
quod  sunt  diversa,  inter  se  quoque  de  his  perpauca  sunt,  quae  ha- 
beant  quandam  communitatem.  Dei  et  servi  nomina,  quod  non  item 
ut  libera  nostra  transeunt,  eadem  est  causa,  quod  ad  usum  [attinet]  in- 
stitui  opus  fuit  de  liberis,  de  reliquis  nihil  attinuit.  Die  stelle  ist  ver- 
dorben und  nicht  sicher  herzustellen,  aber  was  Madvig  giebt, 
entschieden  zurück  zu  weisen,  er  hat  den  gedanken  so  gründ- 
lich, wie  sonst  nirgend,  missverstanden.  Er  meint  mas  und  fe- 
mina hätten  auch  mit  den  dei  eine  gemeinschaft  und  darum 
müsse  man  statt  cum  his  schreiben  .  .  societatem  [et  cum  dis. 
neutra  quod.  im  folgenden  aber  verbinden  .  .  communitatem  Dei. 
Et  servi  nomina  und  mit  tilgung  der  partikel  Serva  nomina  än- 
dern, wie  er  sagt :  ridicule  coniunetis  deo  et  servis.  Diese  läcber- 
lichkeit  hat  niemand  als  Varro  selbst  zu  verantworten  und 
Madvig  mag  es  mit  ihm  ausmachen;  der  autor  bezieht  sich 
deutlich  genug  auf  die  worte  die  er  oben  p.  496  gegeben  hat: 
nullius  nostrum  filium  et  filiam  non  apte  discerni  marem  et  femi- 
nam,  ut  Terentium  et  Terentiam,  contra  Deorum  liberos  et  servorum 
non  itidem,  ut  lovis  filium  et  filiam  lovem  et  Iovam.  Dass  Mad- 
vig diese  stelle  nicht  beachtet  hat,  ist  der  grund,  dass  der 
ganze  gedanke  falsch  aufgefasst  ist  und  die  worte  darnach  corri- 
girt  sind.  Ob  dort  der  genetivus  singularis  der  vulgata  richtig 
ist,  oder  der  nominativus  pluralis  anzunehmen  durch  Umstel- 
lung: Dei  et  servi  quod  non  item  ut  nomina  libera  nostra  (lezte- 
res  im  sinne  von  liberum  nostrum) ,  mag  man  zweifeln ,  die  Ver- 
bindung von  dei  und  servi  bleibt  unbestritten.  Oben  scheint 
der  gedanke,  neutra  cum  his  quod  sunt  diversa ,  non  habent,  zu 
fordern. 

Nicht  viel  glücklicher  ist  die  stelle  p.  397  behandelt;  Varro 
hat  von  verba  pluralia  gesprochen  :  man  könne  sie  ja  leicht  in  den 
singularis  verwandeln  und  führt  als  beispiel  scopae  an,  also 
scopa,  eic  alia,  dann  fährt  er  fort:   causa  inquam  cur  eas  ab  im- 


588  385.  Kritik.  Nr.  12. 

positis  nominibus  declinarint,  quam  ostendi.  Sequitur  in  quas  vo- 
luerint  declinari  aut  noluerint ,  ut  gener atim  ac  summatim,  item  in 
formis.  Da  B  vor  cur  eas  die  Worte  einfügt :  cur  eas  voces  descen- 
dant  a  recto  causa  est,  glaubte  ich  diese  worte  stammten  aus  ei- 
ner vollständigeren  handschrift  und  seien  in  den  andern  durch 
gleichklang  ausgefallen.     Madvig  gibt  folgende  bemerkung: 

rede    iam    qui    codicem  B    interpolavit ,    vidit    alteram   partem 
sententiae    excidisse.      Sed    praeter ea   in  editionibus  divelluntur 
quae    cohaerent ;    haec    enim   forma  fuit    orationis :    Sic   alia 
causa,  inquam,  [est,  cur  .   .  .  alia]  cur  cet. 
Es  ist  nichts  ausgefallen,  Varro  sagt  am  eingange  des  VIII  buches, 
dreierlei  müsse  man  bezüglich   der  beugung    der    Wörter   erklä- 
ren,   das  cur,    dann  das  in  quo,    endlich  das  quemadmodum ;    er 
hat    den    ersten    artikel   vollendet    und   geht    nun    zum  zweiten 
über,  der  fehler   liegt   in  den   anfangsworten :    causa  inquam  cur 
eam  {ed.,    nicht  eas  hat  die  Überlieferung).     Ich  will  der  kürze 
wegen  die    stelle  berichtigt  anführen,    möge  Madvig    sie    näher 
untersuchen  und  sein  urtheil  darüber  aussprechen:  causam  cur 
verba    ab    .   .    .  quoniam  ostendi,    sequitur  in  quo  voluerint  .   . 
ut  ,  .  item  informem. 

Denke  niemand,  dass  ich,  wenn  ich  noch  so  viele  ein- 
würfe vorzubringen  habe,  gering  von  Madvig  urtheile ;  diese 
bücher  sind  sehr  verdorben  und  es  ist  noch  unendlich  viel 
darin  zu  leisten,  wenn  auch  im  einzelnen  manch  schönes  und 
richtiges  zum  Vorschein  gekommen  ist.  Er  hat  rasch  das 
werk  gelesen  und  durch  seinen  Scharfsinn  vieles  sogleich  rich- 
tig erkannt,  aber  die  alten  wollen  wiederholt  mit  der  grössten 
ruhe  und  besonnenheit  nicht  gelesen,  sondern  studirt  werden, 
und  dadurch  wird  man  auf  das  wahre  hingewiesen ;  er  hätte 
vielleicht  besser ,  was  er  nicht  mit  der  erforderlichen  Sorgfalt 
durchstudirt  zu  haben  selbst  gesteht,  wie  die  lateinischen  co- 
miker,  ganz  zurückgehalten.  Hat  er  aber  in  diesem  autor,  der 
ihm  keineswegs  besonders  am  herzen  gelegen,  doch  vieles  rich- 
tige gefunden,  so  lässt  sich  erwarten,  was  für  jene  autoren  ge- 
leistet sein  wird,  die  seine  lieblinge  gewesen.  Man  fühlt  sich 
von  ihm  angezogen  und  wünscht  sich  in  seiner  arbeit  einen 
solchen  genossen.  Könnten  wir  vereint  dieses  werk  durchge- 
hen und  über  das  einzelne  uns  gegenseitig  verständigen ,  so 
würde  der  autor  viel  gewinnen,    wir  beide  aber  und  das  philo- 


Nr.  12.  385.  Kritik.  589 

logische  publicum  noch  mehr;  eine  menge  falscher  und  leerer 
conjecturen,  welche  jetzt  wir  zwei  machen ,  welche  andere  nach 
uns  machen  werden,  würde  das  tageslicht  nie  erblicken ;  es  ist 
dieses  ein  gedanke  der  sich  mir  bei  der  vergleichung  lebendig 
aufgedrungen  hat  und  den  mancher  andere,  wenn  er  das  von 
Madvig  zu  seinem  autor  gegebene  genau  prüft,  selbst  wider 
willen  nicht  minder  aussprechen  wird. 

Von  den  griechischen  autoren  ist,  wie  schon  bemerkt,  Plu- 
tarch  am  reichlichsten  bedacht,  dann  aber  folgt  sogleich  Plato, 
die  Leges,  sagt  Madvig,  habe  er  mit  besonderer  aufmerksamkeit 
durchgegangen;  um  einen  begriff  was  bei  einzelnen  dialogen 
geleistet  worden,  zu  bekommen,  wählte  ich  den  Phaedrus  I,  p. 
397 — 402;  es  finden  sich  achtzehn  anderungen,  wovon  ich  ei- 
nige nicht  als  nothwendig ,  andere  nicht  als  richtig  erachte; 
dagegen  ist  p.  235  B  ansprechend  u^icov  statt  a%l<og,  247  B 
tjzs  statt  «7£,  239  A  wird  pev  nicht  mit  unrecht  ausgesto- 
ssen,  aber  auch  so  ist  nicht  alles  gerechtfertigt ,  247  B  wird 
nogsvovzai  gestrichen;  dadurch  verschwindet  die  Wiederholung 
desselben  Wortes  und  die  sätze  werden  gehörig  verbunden, 
ebendaselbst  C  ist  die  Verbindung  richtig  hergestellt,  doch  ist 
keine  nothwendigkeit  xpv-^rj  oder  ipvpjg  zu  streichen.  Als  die 
schönste  und  wichtigste  betrachte  ich  folgende  bemerkung: 

P.   265  E:   zo    näXiv  v.ax'  ti8q   dvvac&ai  ts/xveiv,   x«t'  ugögu, 

ij   TtkCfvxs ,     hui    [Ai/    ini^sigelv   xazayvvvai    [xe'gog    ptjdt'v.    non 

agitur  de  dividendo  xar'   etöjy,    sed  de  ipsis  siÖsow ,  sub  quae 

zä   disanag/xiva   slg  \iiav  ideav  collecta  sunt,    rursus  contraria 

ratione  partiendis.     Mendum   arguunt    etiam    haec    aavvdsTcog 

iuncta    v.az*  el'dr] ,    v.az    üg&gu,    Scrib.  :    zö    ndXiv  xal    zc 

sidq   dvvaodai   zsfirsiv   xar'    äg&ga. 

Das  ist  höchst  ansprechend  wegen  des  folgenden  nett'  ag&ga,  wo 

xa*  fehlt ,    dann    dadurch    dass    eidt]    hier  ein  ysiog  voraussetzt, 

während  oben  sie  als  die  höchsten  begriffe,  wovon    die    andern 

ausgehen,  betrachtet  sind;  es  sollte  jedoch   der  singular  stehen; 

der  Zusammenhang  ist: 

sie  ju/«j>  t  e  i&iai>  .  .  äyetv 
(xai)  näliv  zi]v  iSiav  slg  zec  noXXa  Siaigsiv, 
aber  xa.z    siörj  kann  immerhin    auch    stehen ,    dessen    Erklärung 
dann  xaz'  äg&ga  ist,  beigesetzt  weil  sofort   des  koches    erwähnung 
geschieht,  und  dass  dem  wirklich  so  ist,  lehrt  Plato   selbst,    er 


690  385.    Kritik.  Nr.  12 

widerholt  nämlich  unten  p.  273  das  ganze,  woraus  man  sieht, 
dass  nichts  zu  ändern  und  die  vulgata  richtig  ist:  x«<  xaz' 
siöt]  zs  diuigsiaßat  zd  ovza  nai  /x  i  ä  löe'a.  .  .  xa#'  iv  txaazov 
fiegdafAßäreir  und  ebenso  p.  277  ogiadfisvog  zs  ndXiv  xat" 
südy.  Solche  conjecturen ,  selbst  wenn  man  sie  nicht  anneh- 
men kann  und  zurückweisen  muss ,  sind  doch  sehr  belehrend, 
wie  man  auch  aus  mancher  note  Bentley's,  die  falsch  ist,  oft 
mehr  lernt,  als  aus  zehn  von  andern,  die  richtig  sind. 

Wie  leicht  es  ist  auf  diesem  gebiete,  auch  bei  dem  besten 
willen  es  nicht  zu  thun,  irre  zu  gehen,  und  wie  nothwendig  es 
wird,  all  solche  vorschlage  überall,  um  nicht  getäuscht  zu  wer- 
den,   misstrauisch   mit   grösster   vorsieht    aufzunehmen    und    zu 
prüfen,  davon  nur  ein  beispiel,  p.  I,  474  gleich    das    erste    aus 
Aristotel.  Ehet.  I,  2  :  cpavt-gov  ozi  zavzd  iazi  Xaßsfo  zov  avX- 
Xoylaaa&ai    dvva^isvov    ua)    zov  Oecogtjaai    nsgl    zd  ?j&r]  xal 
zag    dgszdg     xal    zgizov    tov    fzsgi  za  7vdd?j,    ti  zs  sxaozov 
iazi  zmv  na&mv    xal    nolöv    zi.      Tollendum    tov  post    zgizov 
ortum  aut  ex  praecedenti  syllaba  aut  interpolando  construetione 
non  intellecta.     Tria  sunt  nsgl  d   &scogslv  posse  oportet,    nsgl 
zd  rj&t]  xal  zag  agezag  xai  zgtzov  nsgi   zd  Trd&tj. 
Das  scheint  ganz  plausibel    und  man  meint   es  müsste  so  sein; 
wer  aber  inhalt  und  gedanken  jenes  capitels  und    des  gesamm- 
ten  werkes  kennt,    weiss  auch ,    dass  Madvig  den  sinn  des  phi- 
losophen  ganz    falsch    aufgefasst  hat.      Dem  Aristoteles  ist  der 
erste    theil   das  cvlloylaaadai ,    das  dsixvvvai ,    das    enthymem ; 
das    zweite  ist    das  &sojgyaai  negl  zd  rj&rj  xal  zag  ugszdg,    das 
dritte  die  nd&rj.  Dass  Madvig  falsch  construirte  und  verband  avX- 
Xoytoaa&ai . .  nsgl  zu  tj&r]  xal  zdg  dgszdg,  daher  aller  irrthum;  dass 
tj&i]  und  dgszal  zusammengehören,  lehrt  die  Ethik.     Weit  entfernt 
also  jenes  zov  nach  zgizov  zu  streichen,  müsste  man  es  vielmehr, 
wenn  es  in  allen  handschriften  fehlte,  damit  man  nicht  einen  so  fal- 
schen sinn  wie  Madvig  einlegte,  ex  coniectura  nothwendig  einsetzen. 
Madvig  setzt  den  beitragen    zu    den  einzelnen  autoren  eine 
kurze  angäbe  der  texteskritik  voraus,  was  ihm  gelegenheit  bietet 
sich  über  die  herausgeber   wie    über    die  Schriftsteller  selbst  of- 
fen auszusprechen ;    manche    der    erstem    werden    ihm    die  ant- 
wort  nicht  schuldig  bleiben.     So  heisst  es  von  Tacitus  II,  p.  541 
egregium  scriptorem  nee  tarnen  aut  in  scribendi  genere  affeetatae  cu~ 
iusdam    duritiae   culpa   liberandum    aut   in   vero    minute  exguirendo 


Nr.  12.  385.  Kritik.  591 

severissimae  semper  diligentiae  et  in  rebus  narrandis  interdum  ali- 
quid 8ententiarum  acumini  et  gravitati  et  omnino  scriptionis  colori 
dantem,  dasselbe  ist  schon  I,  97  angedeutet;  den  Dialogus  habe 
er  nie  für  taciteisch  gehalten  und  werde  es  auch  nie  ,  II,  570. 
Madvig  ist  conservativ,  er  ist  ein  altconservativer ,  man 
weiss,  was  er  z.  b.  von  Wolfs  Prolegomenen  hält,  die  heutige 
pbilologie  hat  aber  auch  ihre  fortschrittler  ;  sie  sind  über  diese 
wortkritik  grossentheils  erhaben,  und  gehen  darauf  aus,  den 
geist  des  autors  zu  erfassen.  Das  ist  nur  zu  loben,  wollen 
aber  auch  die  andern,  und  versteht  sich  von  selbst,  es  ist  ja 
aufgäbe  und  zweck  des  Studium.  Sie  suchen  ihn  auf  eigene 
weise;  die  einen  glauben  ihn  nur  zu  finden,  wenn  sie  al- 
les unter  einanderwerfen,  das  hinterste  zu  dem  vordersten  se- 
tzen und  umgekehrt,  erst  dadurch  könne  der  dichter  recht 
begriffen  und  verstanden  werden.  Ein  non  plus  ultra  dieser 
Verkehrtheit  giebt  Otto  Ribbeck  in  seiner  bearbeitung  und  aus- 
gäbe der  briefe  des  Horatius.  Andere  wollen  von  solchen 
transpositionen  nichts  wissen ,  finden  aber  eine  masse  falscher 
zusätze  und  sind  eifrigst  bemüht  diese  interpolationen  aufzu- 
spüren und  den  dichter  davon  zu  reinigen.  Er  habe  seine  pa- 
piere  ungeordnet  hinterlassen,  der  herausgeber  daher  zum  bes- 
sern verständniss  nähere  erklärungen  hinzugefügt,  oder  ein 
schlauer  buchhändler  habe  sich  dergleichen  machen  lassen,  um 
seiner  neuen  vermehrten  ausgäbe  besseren  absatz  zu  sichern 
u.  dgl.  Glauben  sie  aber  es  sei  statt  des  zu  viel  auch  zu  we- 
nig, so  wissen  sie  wunderschön  diese  lücken  zu  ergänzen  und 
ihr  eigenes  mach  werk  dem  texte  des  dichters  einzureihen. 

Fragt  man  nach  den  beweisen  dieser  modernen  kritik ,  so 
sieht  es  damit  sehr  misslich  aus.  Die  kunst  der  aesthetik  ist 
es  die  hier  nachhelfen  muss ,  das  eigene  innere  gefühl  muss 
sagen,  was  schön  oder  nicht  schön,  acht  oder  unächt,  was  bei- 
zubehalten ,  was  auszustossen  ist;  und  so  ist,  indem  sie  den 
geist  des  autors  recht  anschaulich  machen  wollen ,  es  doch 
nur  der  herren  eigener  geist,  den  sie  durch  ihre  Weisheit,  d.  h. 
ihren  witz  leuchten  lassen. 

Der  grund  dazu  liegt  zumeist  im  mangel  des  richtigen 
Verständnisses ,  dann  aber  in  der  sucht  neues  und  geist- 
reiches zu  erfinden,  welche  nicht  beiträgt,  vielmehr  abhält, 
jenes  verständniss  zu  erringen;  dazu  kommt,  dass  manches  uns 


592  385.  Kritik.  Nr.  12. 

unverständlich  ist  und  bleibt,  weil  die  historische  basis  zur  er- 
klärung  fehlt,  worin  da  man  doch  alles  wissen  und  erklären  will, 
der  geist  freies  spiel  der  bewegung  findet.  Dass  dieses  treiben 
aus  den  hallen  der  Universität,  deren  Vertreter  infallibiles  ex  ca- 
thedra in  die  weit  hinausschreien,  bereits  auch  schon  in  die 
schule  dringt,  kann  man  aus  Teichmüllers  Stertinius  lernen ; 
dort  ist  die  grösste  satire  des  Horatius  auf  die  hälfte  verkürzt, 
gewiss  zur  freude  gar  vieler  schüler  ,  deren  volle  befriedigung 
jedoch  erst  dann  eintreten  wird,  wenn  ein  baldiger  nachfolger 
sie  auch  von  der  andern  hälfte  und  damit  von  aller  mühe  und 
plage  befreit. 

Ich  habe  diese  sucht  schon  vor  jähren  als  eine  epidemi- 
sche krankheit  erklärt,  hielt  sie  jedoch  für  bald  vorübergehend; 
sie  steigert  sich  und  nimmt  einen  drohenden  charakter  an. 
Der  humanismus  hat  vor  Jahrhunderten  den  kämpf  mit  der 
Scholastik  geführt  und  ihn  glücklich  bestanden;  die  pbilologie 
hat  jetzt  einen  grösseren  mit  dem  realismus  zu  führen,  und  es 
ist  zu  fürchten,  dass  sie  ihn  nicht  so  glücklich  besteht.  Sie 
hat  lange  und  herrlich  in  Italien  geblüht,  die  curie  mit  dem 
neu  entstandenen  orden  der  Jesuiten  hat  sie  vertrieben;  sie 
war  eben  so  fruchtbar  in  Frankreich,  aus  ähnlichen  Ursachen  ist 
sie  auch  von  da  gewichen,  und  da  sie  eine  aus  ihr  entstandene 
gediegene  einheimische  litteratur  zurückgelassen  hatte,  glaubte  man 
sie  um  so  leichter  entbehren  zu  können.  Was  ist  sie  jetzt  in 
diesen  ländern?  So  kann  es  auch  in  Deutschland  werden. 
Wenn  das  Studium  zu  einem  blossen  lusus  ingenii  herabgewür- 
digt wird,  dann  hört  es  auf,  ein  mittel  zur  bildung  des  gei- 
stes  zu  sein;  man  braucht  keine  theologen  und  industriellen, 
um  der  philologie  los  zu  werden ,  die  philologen  selbst  sor- 
gen zumeist  dafür  dass  man  mit  Unwillen  sich  von  ihr  abwendet. 

Madvig  ist  wie  nicht  anders  zu  erwarten ,  ein  abgesagter 
feind  solcher  Verkehrtheit  und  züchtigt  diese  kritik  wie  sie 
bei  den  tragikern  geübt  wird,  anschaulich  I,  p.  92 — 5;  seine 
Schlussworte  sind :  ego  si  ita  in  scriptorum  veterum  operibus  re- 
fingendis  et  amplificandis  interpolatorum  Ucentiam  grassatam  esse 
aut  grassari  potuisse  crederem ,  omnem  eorum  contextus  consti- 
tuendi  conatum  abiiciendum  putarcm;  nunc  hacc  somnia  lususque 
arte  nostra  parum  dignos  iudico.  Noch  deutlicher  drückt  er 
seine  Überzeugung  bei  Horatius  II,  p.  50   aus  über  Peerlkamp, 


Nr.  12.  386.  Pindaros.  593 

Lehrs  und  Ribbeck ,  dessen  ihm  sonst  gebührendes  verdienst 
II,  61  nicht  verschwiegen  ist;  er  kennt  auch  Gruppe,  s.  I,  94, 
will  aber  nichts  von  ihm  wissen.  Seine  worte  verdienen  die 
vollste  beherzigung  aller,  denen  noch  am  werthe  der  alten  et- 
was gelegen  ist: 

Contra  guos  si  dicere  vellem,    longa  ordienda  esset  de  fide  hi- 
storica  et  probabilitate  disputatio,    cuius    Uli  leges  omnes  cavil- 
lando    calumniandoque    et  fingendo  ita  spernunt,     ut  numquam, 
quid    fieri    accidereque     in    hoc    genere    et    unde    haec  formae 
testimonüs  confirmatae  constantia  nasci  potuerit,  serio  aut  severe 
cogitasse  videantur ;    nunc  alia  mihi  agenda  sunt,    licetque  opi- 
nor  haec  somnia  praeterire,   quae  aut    intra    paucos    an- 
nos  oblivioni  tradita  erunt,  aut  totum  hoc  antiqua- 
rum  litterar  um  Studium,    tanquam    exhaust  a    utili- 
ter     quaer endi   materia ,     inaniter     et   proterve    lu- 
dens    cum    taedio    sui   senescet  et  interibit. 
Gewiss!    das    alterthum    will    nicht    bewundert    und  angestaunt, 
es  will  verstanden  und  begriffen  sein ;     wenn   aber    die    Vertre- 
ter dieses  alterthums  ,     die  philologen,    in  ihrer    kurzsichtigkeit 
sich  abraufen,   jeder  um  den  geist  des  dichters  zu  prüfen,    die- 
sen   anders    zu    gestalten ,    wenn    sie    sich    zu    beweisen    bemü- 
hen,   es    sei   mit   diesem   geiste    überhaupt  nicht  weit  her,    ein 
Tacitus  sei  viel  zu  beschränkten  Verstandes    gewesen ,    um    das 
wahre  auch  nur  sagen  zu  können,   darf  man  sich  da  wundern, 
wenn  das  aussen  stehende  publicum,    das    diesem    treiben  nicht 
ganz  gleichgültig   zuschaut,    gerade  durch    die  philologen  selbst 
immer  mehr  in  dem  alten    glauben   bestärkt    wird,    die   jugend 
habe  heut  zu  tage  etwas  besseres    zu    thun ,    als    die    kostbare 
zeit  mit  diesem  unnützen  latein  und  griechisch  todt  zu  schlagen? 

L.  Spengel. 

386.  Ern.  Friese,  Pindarica.  (progr.  des  Coli.  roy.  franc.) 
Berlin.   1872.     4.     42  s. 

Unlängst  hat  Comparetti  wieder  darauf  hingewiesen,  wie 
viel  in  Pindar,  dessen  text  uns  in  ziemlich  unverderbter  gestalt 
überliefert  wurde  und  namentlich  durch  die  bemühungen  der 
neuesten  zeit  im  grossen  uud  ganzen  als  gesichert  betrachtet 
werden  darf,  noch  hinsichtlich  der  erklärung  zu  thun  ist,  da 
eine  grosse  anzahl  der  ungenügendsten  auslegungen  noch  im- 
Philol.  Anz.  V.  38 


594  386.  Pindaros.  Nr.  12. 

mer  von  commentar  zu  commentar  fortgeschleppt  werden.  Er 
selbst  hat  mit  einem  schönen  aufsatz  über  die  strafe  des  Tan- 
talus  (Philol.  32,  2,  p.  226 — 251),  dem  erfreulicher  weise  meh- 
rere ähnliche  folgen  sollen,  einen  guten  anfang  gemacht,  mit 
solchen  widersinnigen  erklärungen  aufzuräumen.  Auf  einem  an- 
dern wege  strebt  demselben  ziele  Friese  zu  ,  der  schon  durch 
seine  erstlingsschrift  de  casuum  singulari  apud  Plndarum  usu  sich 
unter  den  Pindarikern  vortheilhaft  bekannt  gemacht  hat.  Er 
will  durch  genaue  beobachtung  des  Sprachgebrauchs  das  ver- 
ständniss  fördern  und  durch  die  aus  unbestritten  klaren  und  kri- 
tisch gesicherten  stellen  gewonnenen  resultate  einen  Schlüssel 
zum  verständniss  der  dunkeln  und  verderbten  gewinnen.  Diese 
methode  ist  gewiss  die  einzig  richtige  und  verspricht,  wenn 
ordentlich  gehandbabt,  eine  reiche  ausbeute.  Wie  wir  aus  dem 
schluss  der  vorliegenden  schrift  sehen,  ist  der  verf.  gesonnen 
mit  einem  ausführlichen  werk  über  den  pindarischen  Sprachge- 
brauch vor  die  öffentlichkeit  zu  treten,  als  dessen  Vorläufer  und 
probe  das  programm  gelten  soll.  Wir  sehen  der  grösseren 
arbeit  mit  um  so  gesteigerteren  erwartungen  entgegen,  je  gründ- 
licher der  verf.  durch  die  angezeigte  schrift  seine  volle  befähi- 
gung  für  eine  derartige  aufgäbe  documentirt  hat. 

In  dreizehn  abschnitten  handelt  er  von  den  präpositionen 
ajwfpt,  iv ,  ovv ,  vnö  ,  avä ,  vniq  in  ihrer  anwendung  bei  Pin- 
dar;  dann  von  der  Verwendung  von  präpositionen  an  stellen, 
wo  der  einfache  casus  als  genügend  erscheinen  würde;  hierauf 
von  der  Vorliebe  Pindars  für  den  gebrauch  des  verbum  simplex, 
dem  die  präposition  als  adverbium  selbständig  zur  seite  gestellt 
wird ;  dann  von  der  tmesis,  von  der  vertauschung  der  präpositio- 
nalausdrücke  mit  einander  und  schliesslich  von  der  Wortstellung. 

Das  gebiet  der  abhandlung  ist,  wie  man  sieht,  eng  be- 
grenzt, und  dennoch  ist  die  zahl  der  stellen,  die  durch  den 
verf.  richtiger  als  bisher  erklärt  werden,  eine  ziemlich  grosse. 
Diese  anerkeunung  soll  anch  dadurch  keinen  abbruch  erleiden, 
dass  wir  im  folgenden  offenen  Widerspruch  erheben,  wo  wir  uns 
die  erklärung  des  verf.  nicht  anzueignen   vermögen. 

Der  präposition  äftqpf,  für  welche  Pindar  propter  plenum 
sonum  et  vagam  neque  ccrta  ratione  definitam  vim  eine  besondere 
Vorliebe  gehabt  haben  soll,  wird  mit  recht,  wenn  sie  mit  dem 
dativ  oder  accusativ  verbunden  ist,    die   bedeutung  des  umge- 


Nr.  12.  386.  Pindaros.  595 

bens  zugeschrieben;  bisweilen  trete  diese  bedeutung  zurück 
und  d/Aipi  werde  (=  nagd  oder  int)  zur  einfachen  Ortsangabe 
verwendet.  Dies  ist  jedoch  nicht  der  fall  P  9,  120,  wo  Boss- 
ler (p.  42)  richtiger  erklärt.  Wenn  dann  der  verf.  weiter  be- 
hauptet, dass  an  vielen  stellen  die  grundbedeutung  ganz  verlo- 
ren gehe,  so  können  wir  ihm  wenigstens  in  bezug  auf  sämmt- 
liche  hiefür  angeführte  stellen  nicht  beistimmen.  So  lässt 
sich  auch  bei  Zeitbestimmungen  wie  Ol.  1  ,  97.  2 ,  30 
(Mommsen.,  33  Christ.,  nicht  59)  die  grundbedeutung  unsi- 
cherer nachweisen,  ebenso  wie  da,  wo  es  zur  limitation 
der  im  verbum  liegenden  handlung  verwendet  wird  (P  5,  110 
hätte  Hartungs  bj.ioia  nicht  verworfen  werden  sollen).  Auch 
bei  denjenigen  stellen,  wo  es  reine  causale  bedeutung  zu 
haben  scheint,  muss  die  grundbedeutung  festgehalten  werden; 
einige  Schwierigkeit  macht  hier  nur  P  1,  80,  wo  es  übrigens 
doch  noch  nicht  so  ganz  ausgemacht  ist,  dass  d^qi'  uQttä 
durchaus  mit  i8i£avto  verbunden  werden  muss.  Dagegen  wird 
allerdings  dem  verf.  zuzugeben  sein,  dass  es  wirklich  eine  anzahl 
von  stellen  giebt  in  denen  sich  die  grundbedeutung  von  uftqiC 
nicht  nachweisen  lässt  und  ein  rein  causales  oder  instrumen- 
tales verhältniss  anzunehmen  ist,  wie  P  8,  34;  1,  12.  N.  1, 
29,  (nicht  34). 

Die  präposition  iv  erscheint  uns  häufig  entbehrlich  bei 
ausdrücken,  die  das  lob  des  Siegers  enthalten  und  bei  der 
bezeicbnung  der  kampfart.  Die  darstellung  gewinnt  durch 
sie  jedoch  an  anschaulichkeit.  Dies  wird  vom  verf.  mit  recht 
hervorgehoben;  nur  hätte  N  8,  40  f.  nicht  hierher  gezogen 
werden  sollen,  wo  iv  nicht  entbehrt  werden  kann :  „inmitten 
weiser  und  gerechter  männer";  ebensowenig  I  1,  22  f.  N,  3, 
16.  Nicht  ohne  guten  grund  entscheidet  sich  deshalb  der  verf- 
I  1,  25  für  die  Hermannsche  conjectur  iv  Staxoig  gegen  Momm- 
sen ;  fehlgegriffen  dürfte  er  aber  haben  bei  der  erklärung  von 
JV,  8,  24  f.,  wo  iv  IvyQü)  vtixti  unmöglich  mit  lu&a  xuTtjsi 
verbunden  werden  kann;  es  gehört  vielmehr  zu  qzoQ  alaiuov. 
So  zeigt  auch  die  erklärung  von  I  4,  48 ,  welche  gefahren  es 
mit  sich  bringt,  wenn  man  einzelne  gemachte  Wahrnehmungen 
ohne  weiteres  generalisirt.  P  5,  79  (Mommsen.)  glaubt  der 
verf.  iv  " Aqei  instrumental  fassen  zu  dürfen,  wogegen  sich  auch 
nichts  triftiges  einwenden  lässt,  obwohl  jedenfalls  in  erster  linie 

38* 


596  386.  Pindaros.  Nr.  12. 

die  locale  bedeutung  des  iv  festzuhalten  ist,  wogegen  sich  eben- 
falls nichts  triftiges  sagen  lässt.  Was  berechtigt  aber  den  verf. 
nun  auch  I  4,  43  iv"Aoet  als  instrumentalis  zu  fassen  und 
durch  das  scheinet,  colophonium  mit  i  avium  zu  verbinden:  in 
Marte,  id  est,  virtute  bellica  nautarum?  Vor  dieser  auffassung  hätte 
den  verf.  schon  iv  nnlvydöya)  <wft{>q>  bewahren  sollen,  das  doch 
offenbar  nachdrücklichst  das  iv  " \doti  wieder  aufnimmt.  Auch 
I  5,  1 — 7  wird  unrichtig  erklärt-,  keinesfalls  kann  man  vixäv 
iv  StanÖTK  verbinden  (=  er  siegt  in  gott)  was  gegen  den 
satzbau  verstösst,  der  ebenso  dem  iiv  v.  4  entsprechend  einen 
reinen  dativ  öianöra  verlangt,  wie  dem  ii>  Ne^t'cc.  gegen- 
über ein  auch  handschriftlich  beglaubigtes  iv  'Io&t*w  erwartet 
wird.  Auch  die  berufung  auf  N  7,  90  ist  unberechtigt;  dort 
erklärt  sich  das  iv  daraus,  dass  das  haus  des  Sogeties  zwischen 
zwei  Heraklestempelu  lag;  was  die  beiden  andern  stellen  aus 
Sophokles  und  Herodot  beweisen  sollen,  ist  vollends  nicht  ab- 
zusehen. —  Auch  bei  den  für  die  causale  bedeutung  von 
iv  (=  propter)  angeführten  stellen  haben  wir  mancherlei  be- 
denken: so  dürfte  I  1,  57  vielmehr  nach  analogie  von  P  11, 
46  oder  besser  noch  nach  dem  vom  verf.  gut  erklärten  Ol.  13, 
49  f.  auszulegen  sein,  wie  iv  auch  /  1,  34  und  N  3,  32  rein 
local  zu  fassen  ist;  dies  gilt  auch  von  Ol.  1,  93  ff.  (Mommsen.), 
wo  übrigens  gut  IJiloirog  mit  xleog  verbunden  wird.  Endlich 
wird  an  einer  reihe  von  stellen  nachgewiesen ,  dass  iv  auch  in 
die  bedeutung  von  xatä  (=  gemäss,  seeundum)  übergeht.  Ab- 
gesehen von  P  3,  59,  wo  iv  lokale  bedeutung  hat,  kann  man 
bei  den  hiefür  angeführten  stellen  (P  2,  43;  Ol.  2,  68  —  75,  an 
welch'  letzterer  stelle  (iovialg  iv  dy&aig  'Padufiav&vog  sehr  tref- 
fend mit  sTEilav  Aihg  ödöv  verbunden  wird)  die  erklärung  des 
verf.  nur  billigen. 

Der  gebrauch  von  avv  bietet  weniger  abweichungen  vom 
Sprachgebrauch  dar.  Abgesehen  von  den  häufigen  Wendungen 
wie  Glv  &tw  und  ähnlichen  bezeichnet  es  die  art  und  weise 
und  das  mittel.  Consequenter  weise  hätte  Friese  dann  aber 
auch  I  4,  34  so  erklären  solleu  ,  da  seine  conjeetur  avufiä^atg 
in  den  schoben  keinen  anhaltspunkt  hat  (rulg  suvzcov  avftua- 
%luig  sollen  offenbar  nur  erklärung  von  sann^erot  'ffgaxXtji  ngo- 
itQOv  xal  avv  ' ArgeiSuig  sein)  und  wenig  beifall  finden  dürfte. 
Mit  unrecht  wird  P  4,  267   hierher  gezogen,    wo  der  verf.  sich 


Nr.  12.  386.  Pindaros.    .  597 

den  eichbaum  offenbar  in  wagerechter  läge  denkt,  was,  wie  ref. 
nachgewiesen  zu  haben  glaubt  (Bayerische  gymnasialblätter  1867, 
p.  84  f.),  mit  dem  Zusammenhang  und  geiste  des  ganzen  ge- 
dichtes  absolut  unverträglich  ist;  avv  bedeutet  auch  hier  die 
Vereinigung  zu  gemeinsamer  thätigkeit.  —  Dass  ferner  avv 
häufig  verwendet  wird  zum  lob  des  siegers  in  ausdrücken 
wie  avv  uoidä  av^ezai  und  ähnlichen  ist  bekannt;  eigentüm- 
lich dagegen  ist  es,  dass  es  auch  zur  Zeitangabe  dient;  unter 
den  hiefür  beigebrachten  stellen  ist  es  jedoch  bei  P  1,  38  und 
P  4,  10  mindestens  zweifelhaft,  ob  öuv  temporale  bedeutung 
hat,  auf  keinen  fall  darf  sie  Ol.  11,  58  (10,  58)  statuirt  wer- 
den, wo  sich  der  verf.  mit  unrecht  auf  die  scholien  beruft, 
denn  das  wesentlichste  derselben  hat  er  übergangen;  es  heisst 
xai  evdvg  tijv  n  sv  t  a  st  h]  q  i8  a  ioQtijv,  ijyovv  xr^v  dia  nivTB 
izöäv  TElov{i€v?]V  xattaTTjasv,  i'jioi  era^f,  7eXeia&ai  inoiijöev  iv  oXvfX- 
mä8i  77 q  ca  Tri  tovTeaTiv  iv  tfj  nQcoTrj  ioQTrj.  Hieraus  geht  klar 
hervor,  dass  der  scholiast  den  nachdruck  auf  den  gegensatz 
zwischen  der  fünfjährigen  Wiederkehr  und  der  er- 
sten fei  er  gelegt  wissen  will:  ,,gleich  bei  der  ersten  feier  Hess  er 
weihen  das  fest  als  ein  fünfjähriges".  Ganter  hat  also  dem  sinn 
nach  ganz  richtig  übersetzt:  „wie  er  die  fünfjährige  rückkehr 
bestimmte  mit  der  ersten  olympiadenfeier  und  den  siegen".  Dem- 
nach haben  wir  auch  hier  avv  in  seiner  grundbedeutung  zu  fassen. 
Die  präposition  vno  mit  genetiv,  später  so  häufig  mit  passivis 
verbunden,  hat  ihre  bedeutung  am  meisten  verändert.  Spuren 
dieses  späteren  gebrauchs  finden  sich  zwar  schon  bei  Pindar 
(s.  N  2,  20.  Ol.  2,  21),  gewöhnlich  aber  hat  es  bei  ihm,  wenn 
mit  dem  genetiv  verbunden,  die  bedeutung  des  unter  etwas 
wegziehens  und  mit  genetiv  oder  dativ  des  sich  unter 
etwas  befindens.  Nach  Friese  käme  diese  bedeutung  auch  dann 
vor,  wenn  der  accusativ  dabei  steht.  Dies  müssen  wir  jedoch 
entschieden  bestreiten.  Die  einzige  hiefür  angeführte  stelle, 
P  10,  15,  unterliegt  bekanntlich  noch  immer  ernsten  kritischen 
bedenken.  Mit  der  berufung  auf  sie,  muss  dann  natürlich  auch 
des  verf.  auslegung  von  Ol.  6 ,  40  fallen,  die  übrigens  um 
so  unnöthiger  ist,  als  sowohl  Mommsens'  X<'maig  vno  nvarsuig 
handschriftlich  beglaubigt  ist,  als  auch  die  vulgata  Xr'xpag  vnb 
xvavsng  schon  in  den  scholien  als  gen.  singularis  erklärt  wird 
und  in  letzterem  sinn  sich  auf  P  4,  244  stützen  kann.      Dage- 


598  386.  Pindaros.  Nr.  12. 

gen  können  wir  dem  verf.  wieder  unsern  vollen  beifall  geben 
für  seine  erklärung  von  N  8,  22  ff.,  wo  er  nickt  geblendet 
durch  die  schöne,  aber  unnöthige  coujectur  Wakefields  (7zsXs- 
fii^Öflsvoi])  ,  im  Widerspruch  mit  den  meisten  auslegern  an  dem 
handschriftlich  allein  beglaubigten  noXefit&fiEvoi  festhält  und 
vn  tlXt^tfjßQÖ7q)  X6y%cc  mit  t'Xxea  ST^av  verbindet.  Nur  möch- 
ten wir  7ioXBftit,6fisiot  nicht  mit  ihm  und  Friederichs  als  me- 
dium fassen,  sondern  als  reines  passivum:  ,,wenn  sie  bekämpft 
wurden*' ;  vielleicht  schwebte  dem  dichter  bei  dieser  stelle  II. 
17,  233  —  236  vor.  Weniger  glücklich  ist  die  erklärung  von 
Ol.  5,  4  ff . ;  ^770  mit  dativ  bezeichnet  hier  allerdings  die  beglei- 
tenden umstände,  richtig  ist  auch,  dass  ai&Xtav  nevrctfitootg 
ä^(XXaig  nur  eine  epexegetische  wideraufnahme  von  sogralg  (xs- 
yiazaig  ist.  Dies  berechtigt  aber  noch  keineswegs  zu  einer  so 
gewaltsamen  verschränkung  der  structur ,  dass  wir  nun  av^cov 
mit  Innoig  rjftioi/oig  rs  fiovafinvxia  te  verbinden  müssten.  Dies 
ist  auch  die  meinung  der  scholien  nicht,  auf  die  sich  der  verf. 
mit  unrecht  beruft.  Diese  sagen  vielmehr  nur,  dass  Psaumis 
die  zwölf  götter  auf  alle  mögliche  weise  verehrt  hat :  weil  es 
ihr  hohes  fest  war,  ehrte  er  sie  durch  stieropfer,  und  weil  es 
ein  mit  fünftägigen  kämpfen  verbundenes  fest  war,  ehrte  er  sie 
durch  betheiligung  an  den  hervorragendsten  derselben  mit  wa- 
gen, maulthieren  und  rennpferd.  Wie  also  ai&Xoov  7i£i7a^egoig 
afiiXXaig  dem  sogtaig  &smv  ueyiaratg  entspricht,  so  auch  tnnoig 
tjfiiovoig  [AOvafinvxi'a  dem  vno  ßov&vaiatg.  Damit  fällt  aber  auch 
die  frage  weg ,  ob  die  wagen  -  und  maulthierkämpfe  füuf  tage 
lang  gedauert  haben. 

Die  präposition  avä  mit  dem  accusativ  verbunden  findet 
sich  bei  Pindar  auch  da,  wo  unserm  gefühl  nach  der  dativ  ste- 
hen müsste  und  zwar  sowohl  in  localer  als  temporaler 
bedeutung,  ebenso  wie  xarä ;  bisweilen  nimmt  es  geradezu  die  be- 
deutung  von  ngög  und  im  an,  wie  umgekehrt  auch  slg  für 
xcct«  eintritt.  Deshalb  hält  der  verf.  N  9,  35  mit  recht  av 
nach  Rauchensteins  Vorgang  für  die  präposition  und  nimmt  als 
ßubject  zu  MxQtvag  den  ganzen  satz:  ovrsxev  —  ivrver.  Auch 
N  7,  46  ff.  dürfte  seine  erklärung  vor  den  bisherigen  den  vorzug 
verdienen:  er  verbindet  evojwftnv  mit  öeniGy.onov  und  fasst  ig 
dixuv  =   ama  dixav :  inspector  pompis  iustissiimis. 

Die  präposition  vnig  in  metaphorischem  sinn  mit  genetiv 


Nr.  12.  386.   Pindaros.  599 

und  accusativ  wie  das  homerische  neQi'mit  genetiv  von  Überlegen- 
heit und  auszeichnung  gebraucht ,  bezeichnet  mit  dem  genetiv 
sowohl  ,,die  richtung  über  etwas  hin",  als  auch  den  punkt, 
über  den  etwas  hinaus  liegt.  So  erklärt  sich  dem  verf.  sehr 
einfach  der  vielbesprochene  avtiQ  *Ioviag  vttsq  älog  oixt'cov  N  7, 
64  f.  als  „der  mann ,  der  da  weithin  über  das  meer  wohnt", 
womit  die  von  Aegina  durch  das  ionische  meer  getrennten  co- 
lonisten  von  Italien  und  Sicilien  gemeint  sind. 

Soviel  von  den  einzelnen  präpositionen.  Im  allgemeinen 
lässt  sich  sagen ,  dass  sie  häufiger  angewendet  werden  als  wir 
erwarten  und  oft  6tehen ,  wo  der  einfache  casus  ausreichen 
würde.  Wie  sich  schon  bei  Homer  ^lyrvpai  mit  iv  verbunden 
findet,  so  gibt  es  auch  bei  Pindar  zahlreiche  hierher  gehörige 
Verbindungen.  Nach  ihrer  analogie  verbindet  der  verf.  treffend 
Ol.  9,  80  ff.  rzgo^cpOQog  mit  iv  öiygco,  so  dass  wir  nun  nicht 
mehr  genöthigt  sind  utaysia&ai  mit  Boeckh  in  einer  sonst  nicht 
nachweisbaren  bedeutung  zu  fassen  ;  auch  N  8,  48  (nQogqogov 
£j),  Ol.  6,  7  (ßniMVQaag  ii),  Ol.  11,  82  (uquqozo.  iv)  finden  so  ihre 
entsprechende  erklärung.  Hiermit  glaubt  sich  der  vf.  den  weg  zu 
dem  verständniss  der  schwierigen  stelle  PH,  55 — 58  gebahnt 
zu  haben,  freilich  nicht  ohne  auch  den  text  selbst  zu  ändern: 
er  liest  fiilava  ö'  av  ia^aziuv  xaXliova  ddruzov  iv  a  qi  ä  y\v~ 
xvicizci  ysvsä  .  .  .  ^uqiv  nonrnv.  und  verbindet  tzoqojv  mit 
iv  ysven.  So  wird  die  stelle  wenigstens  lesbar,  wenn  sich  auch 
nicht  behaupten  lässt ,  dass  sie  geheilt  sei.  Mit  grösserer  be° 
stimmtheit  kann  man  sagen,  dass  der  verf.  I  1,  18  das  rich- 
tige getroffen  hat  ,  wo  er  ßiyov  mit  iv  at&).otg  verbindet  :  sie 
erlangten  preise  in  den  meisten  kämpfen.  Dagegen  irrt  er 
offenbar  Ol.  2,  10  f.  und  10,  13  (11,  13)  und  P  (nicht  Ol.) 
1,  36.  An  der  letzteren  stelle  heisst  zuviaig  im  Gvvzvftv.ii 
sicherlich  in  Tiac  congruentia  (Boeckh) :  denn  zwischen  avvzv 
via  und  evzv/ja  ist  eben  doch  ein  grösserer  unterschied  als 
Friese  annimmt. 

Die  bekannte  und  auch  von  dem  verf.  mit  einer  reihe  von 
beispielen  belegte  thatsache,  dass  Pindar  eine  Vorliebe  für  das 
verbum  simplex  hat  und  deshalb  häufig  die  präposition  selbständig 
daneben  setzt ,  führt  den  verf.  auf  das  vielbesprochene  capitel 
der  tmesis,  über  deren  vorkommen  bei  Pindar  Pierson  (Rhein.  Mus. 
XI,  p.  379 — 400)    und    Bossler    (de   praepos.    usu    p.  65  —  73) 


600  386.  Pindaros.  Nr.  12. 

ausführlich  gehandelt  haben.  Ersterer  nimmt  sie  in  33  fällen 
an,  letzterer  in  42,  unser  verf.  scheint  damit  noch  etwas  spar- 
samer zu  sein.  In  sehr  vielen  fällen  wird  sich  aber  hier  der 
natur  der  sache  nach  keine  entscheidung  treffen  lassen.  Warum 
sollen  wir  Ol.  2,  69  (Mommsen.)  und  I  7,  46  keine  tmesis 
annehmen  dürfen,  da  doch  die  composita  dnfysiv  und  iniveveiv 
sonst  nicht  selten  sind  und  ersteres  sogar  bei  Pindar  selbst 
wiederholt  vorkommt?  und  weshalb  soll  Ol.  2,  37  (Mommsen., 
41  Christ)  tmesis  stattfinden,  obwohl  hier  int  durch  das  dar- 
auf folgende  ii  xat  so  hervorgehoben  wird,  dass  man  eher  ver- 
sucht ist  es  als  selbständiges  adverbium  zu  fassen  ?  Auch  die 
berufung  auf  den  rhytbmus  reicht  nicht  immer  aus,  denn  dieses  ist 
vielfach  nur  geschmacksache.  So  spricht  unseres  erachtens  P 
4,  228  gerade  der  rhythmus,  auf  den  sich  Friese  beruft,  gegen 
ihn.  So  lange  wir  keine  zuverlässigeren  kriterien  haben ,  wird 
sich  hierüber  keine  volle  klarheit  erlangen  lassen.  Wenn  wir 
darum  auch  Ol.  13,  72  dem  vf.  beistimmen  können,  so  hindert 
uns  nichts  N,  10,  48,  wo  er  tmesis  annimmt,  uns  gegen  ihn 
zu  erklären  und  mit  dem  scholiasten  ßmfjä)  zu  nug  Jios  zu  er- 
gänzen. Kritisch  so  verdächtige  stellen  wie  N  3,  24  sollten 
bei  solchen  fragen  vollends  gar  nicht  beigezogen  werden. 

Was  der  verf.  über  die  vertauschung  der  präpositionen 
mit  einander  [iv  c.  dat.  statt  in  c.  gen.  u.  s.  w.)  sagt,  können 
wir  nur  zum  geringsten  theil  gutheissen.  Es  ist  richtig ,  dass 
man  oft  eine  andere  als  die  dastehende  präposition  erwartet; 
zur  erklärung  dieses  umstandes  haben  wir  aber  nicht  darauf  zu- 
rückzugehen, dass  der  gebrauch  der  einzelnen  casus  zu  Pindars 
zeit  noch  nicht  so  fest  wie  später  fixirt  gewesen  sei ,  sondern 
es  liegt  entweder  im  allgemeinen  eine  von  der  unsrigen  abwei- 
chende griechische  vorstellungsweise  zu  gründe ,  wie  dies  z.  b. 
bekanntlich  bei  bemessuugen  von  entfernungen  der  fall  ist,  wo 
wir  von  unserm  Standorte  aus,  der  Grieche  aber  vom  entgegen- 
gesetzten ende  aus  zu  messen  pflegt;  oder  der  dichter  wollte 
durch  besondere  ausdrucksweise  dem  gedanken  in  einem  spe- 
ciellen  falle  eine  besondere  nuancirung  geben.  Das  erstere  ist 
P  9,  26 — 30  anzunehmen,  wo  der  verf.  mit  recht  unter  fiiyaga 
die  höhle  des  Chiron  versteht ,  oder  /  4 ,  34  (Mommsen.  38 
Christ.),  wo  sla  ns8n&sv  dem  homerischen  nsdioio  iiväi  ent- 
spricht,    wofür    auf  Nägelsbach   (Anm.    zur    Ilias    p.  214   ff.) 


Nr.  12.  386.  Pindaros.  601 

verwiesen  werden  kann;  das  andere  haben  wir  P  3,  11,  welche 
stelle  schon  den  alten  viel  zu  schaffen  gemacht  hat.  Hier  ist 
iv  daluficp  weder  überflüssig  (Schob),  noch  steht  es  für  ix 
öcdafiov  (Friese),  noch  ist  es  mit  8aust<sa  zu  verbinden  (Momm- 
sen) :  der  dichter  will  vielmehr  zeigen,  wie  unmöglich  es  sei 
dem  gotte  zu  entrinnen  :  Coronis  lag  schon  in  kindesnöthen  iv 
&u'ku[A(p,  aber  ehe  das  kind  zur  weit  kam  [r^iaaui  v.  9  = 
ixTeXsaaat  Schob)  verfiel  sie  dem  tode.  Dieser  gedanke  würde 
durch  ix  &aXapov\  ganz  wesentlich  abgeschwächt.  —  Mit  unrecht 
verwirft  der  verf.  P  10,  37  die  Dissensche  erklärung,  die  dem 
sinn  vollkommen  entspricht;  durch  TQonoig  im  acpuxiQoici  ist 
vermittelst  eines  präpositionalausdruckes  mutatis  mutandis  das 
gleiche  ausgesagt,  was  P  4,  145  der  bedingungssatz  u  iig 
'i^dga  niXsi  sagt. 

In  dem  letzten  capitel,  von  der  Wortstellung,  vermis- 
sen wir,  wie  in  den  beiden  vorhergehenden,  die  Sicherheit  der 
methode,  weil  es  an  einer  genügenden  basis  fehlt.  Trotzdem 
verdienen  auch  hier  manche  erklärungen  vollen  beifall.  Zwar 
P  1,  75 — 80  werden  wenige  geneigt  sein  nagd  idv  suvSqov 
axtäv  'l/iiga  mit  dem  verf.  zu  noXepioov  dt'Sgmv  xafiövTcov  zu 
ziehen,  wodurch  nicht  nur  v.  79  und  80  unnatürlich  verzerrt, 
sondern  auch  die  Symmetrie  der  ganzen  periode  zerstört  würde. 
Die  periode  hat  zwei  glieder  von  ganz  gleichem  umfange:  1) 
igeo/jai  —  dyxvXÖTO^ot,  2)  nagd  8£  —  xafxövtav.  Die  östli- 
chen Griechen,  repräsentirt  durch  die  beiden  wichstigsten  glie- 
der, die  Athener  und  Spartaner,  werden  den  söhnen  des  Deino- 
menes  entgegengesetzt ;  das  hauptgeAvicht  liegt  aber  auf  dem 
orte,  wo  der  siegesruhm  erworben  wurde.  Dieser  erhält  des- 
halb in  beiden  gliedern  die  erste  stelle :  nagd  fih  ZaXa/nivog 
—  —  nagd  8s  juv  .  .  .  Ifiiga.  Dass  man  keine  dreifache 
gliederung  (Athener  —  Spartaner  —  Deinomeniden)  annehmen 
darf,  beweist  einerseits  die  die  verse  76  und  77  zu  einem  ganzen 
eng  zusammenschliessende  chiastische  satzform,  welche  wieder 
recht  geeiguet  ist  den  ort  des  sieges  mit  nachdruck  hervorzuhe- 
ben, und  andrerseits  der  beide  theile  des  ersten  gliedes  zu- 
sammenfassende relativsatz :  rätai  Mt'jSeioi  xdfiov  dyxvXdio^ot, 
dem  offenbar  noXfjAiav  di8gwv  xa/xörraiv  parallel  steht.  —  Ob 
man  P  1,  84  aai&v  mit  dem  verf.  zu  &vp6v  oder  mit  Boeckh 
zu  dxod  zu  ziehen   hat,    mag    fraglich   sein;    dagegen    stimmen 


602  387.  Piaton.  Nr.  12. 

wir  dem  Verfasser  bei  Ol.  9,  53  ff.  wieder  vollständig  zu, 
wo  er  construirt ;  vfxezeQOt  nqöyovoi  saaav  xolgoi  xogäv  Hel- 
ixor (luneTtovt'Sog  qivtXag)  x«J  qsnTUTOiv  KqoviSuv.  —  Dass 
I  1,  14  70  [asv  von  ysQag  zu  trennen  und  dem  nach  kvia. 
folgenden  re  entgegenzustellen  ist,  halten  wir  trotz  Dissen 
und  andern  für  ganz  selbstverständlich.  Schliesslich  bemerken 
wir  dass  sich  der  verf.  I  4,  56  ff.  seine  conjectur  omt  hätte 
ersparen  können,  da  ontv  nicht  nur  handschriftlich  vollständig 
gesichert  ist,  sondern  auch  dem  sinn  völlig  entspricht,  wenn 
man  als  subject  zu  exvtos  den  ganzen  satz  fasst:  onöaai  8a- 
ndvat  tlniSmv  (slev):  „nicht  in  dunkel  gehüllt  ist  die  lange  mühe 
der  männer  (d.  h.  sie  liegt  klar  am  tage)  und  nicht  erstickte 
ihren  eifer  (das  bewusstsein) ,  wie  vielen  aufwand  ihre  bestre- 
bungen  verlangten".  Fr.  Mezger. 

387.  Universitati  literariae  Ludovico  -  Maximilianeae  ante 
hos  CCCC  annos  conditae  sollemnia  saecularia  Kai.  Aug.  a. 
MDCCCLXXII  celebranti  rite  gratulantur  Universitatis  Turicen- 
sis  Uector  et  Senatus.  Inest  Arnoldi  Hug  disputatio  de 
Graecorum  proverbio  aizoftaroi  ö'  dya&ol  äya&mv  im  Salrag 
"aaiv.   —     Turic.  4.     22  s. 

<■  Die  schrift  empfiehlt  sich  sofort  durch  die  wähl  eines  vor- 
züglich passenden  themas  und  dies  um  so  mehr,  als  dasselbe 
mit  der  anrede  in  den  ungezwungensten  Zusammenhang  ge- 
bracht ist.  Den  vera  avTOfiaToi  8'  äya&ol  SsiXäp  im  Sahctg 
"aaiv  führen  aus  Eupolis  an  Zenobios  II,  19  und  der  scholiast  des 
Piaton  p.  373  Bekk.,  die  sich  auch  sonst  oft  gegenseitig  ergänzen 
und  berichtigen.  Hier  haben  mit  recht  Meineke  Fragm.  Eupol.  p. 
542  und  E.  v.  Leutsch  Pbilol.  Anz.  I,  p.  109  das  excerpt  des 
Zenobius  allein  gelten  lassen,  weil  der  platonische  scholiast  sich 
geirrt  habe,  denn  dessen  excerpt  ist  ein  durchaus  lüderliches, 
während  dasjenige  bei  Zenobius  wohlgeordnet  und  auch  durch 
Athenaeos  beglaubigt  ist.  Wenn  dagegen  der  vf.  p.  13  schreibt 
Zenobii  testimonium  facile  dicas  Piatonis  sclwliastae  verbis  refittari,  so 
erscheint  diese  behauptung  um  so  unkritischer,  als  p.  10  dasselbe 
platonische  scholium  mutilum  genannt  war.  Auch  kann  (p.  14)  nicht 
zugegeben  werden,  dass  Zenobios  mit  dem  ausdruck :  Evnoltg 
sTFQcog  rpifolv  ?x?.tv  zijv  aanoiuiav,  gemeint  habe  ,, Eupolis  habe 
seine  Veränderung  des  gewöhnlichen  Sprichworts   erklärt".    Die- 


Nr.  12.  387.  Piaton.  603 

ser  sonderbaren  grübelei  widerspricht  ja  der  scholiast  des  Piaton 
nnd  ganz  offenbar  Athenaeos.  Damit  fällt  auch  die  p.  14  ge- 
machte folgerung  in  sich  zusammen,  dass  Eupolis  aus  scherz 
bloss  eine  parodie  eines  anderen  Sprichwortes,  keineswegs  aber 
ein  eigenes  Sprichwort  gebraucht  habe.  So  ist  das  auf  p.  12  — 
14  gesagte  unhaltbar.  Denn  nicht  erst  die  erklärer  des  Piaton. 
Sympos.  p.  175  B,  sondern  schon  Athenaeos  V,  p.  188  b  haben 
ein  doppeltes  Sprichwort  angenommen.  Der  verf.  lässt  es  p. 
12  dabei  bewenden,  dass  diese  zwei  Sprichwörter  sich  dem  in- 
halt  und  dem  gedanken  nach  widersprechen;  er  hätte  aber  fin- 
den können,  dass  der  gedanke  bei  Eupolis  untadelhaft  ist.  Eu- 
polis sagt:  „die  tapfern  kommen  ungeladen  zum  gastmahl  der 
feigen" ;  dies  ist  eine  im  leben  oft  wiederkehrende  und  sich 
bestätigende  Wahrheit ,  es  ist  also  ein  regelrechtes  Sprichwort. 
Z.  b.  ist  im  kriege  der  tapfere  sieger  ein  ungeladener  gast  des 
besiegten  feigen  u.  s.  w.  Dennoch  hat  aber  der  vers  des  Eupolis 
eine  andere  Schwierigkeit  grammatischer  art,  welche  nicht  hätte 
unerörtert  bleiben  dürfen.  Denn  während  in  Sprichwörtern  das 
praesens  zu  stehen  pflegt,  muss  man  dagegen  bei  Eupolis  i'aaiv 
nothwendig  ibunt  übersetzen,  weil  diese  form  im  attischen  dia- 
lect  stets  die  bedeutung  des  futurums  hat.  Im  ersten  augen- 
blick  könnte  man  ändern  wollen  und  tevrat,  properant,  für  i'aai 
schreiben,  da  bei  Zenobios  II,  19  (zu  anfang)  und  bei  Dioge- 
nian  I,  60  wirklich  hvrui  für  taai  gelesen  wird.  Allein  im 
verse  des  Eupolis  lesen  Zenobios  selbst ,  der  scholiast  des  Pia- 
ton und  Athenaeos  alle  taaiv  und  dies  ist  also  unantastbar.  Wie 
haben  wir  nun  im  sprichworte  das  futurum  zu  erklären  ?  Al- 
les wäre  in  Ordnung,  wenn  Meineke  in  der  Hist.  crit.  com.  Gr. 
p.  146  richtig  vermuthet  hätte,  dass  in  dem  verse  des  Eupolis 
ein  orakel  des  sehers  Lampon  enthalten  sei,  denn  (schreibt 
Jleineke)  in  hac  fabula  Larnponis  partes  fuisse  clocet  Antiattic.  p. 
96.  Allein  aus  dieser  stelle  folgt  nur  ,  dass  Lampon  vom  Eu- 
polis erwähnt  wurde,  nicht  dass  er  im  stück  selbst  auftrat. 
Geradeso  erwähnt  Aristophanes  in  den  Vögeln  denselben  Lam- 
pon zweimal  (v.  521  und  988)  und  doch  ist  er  dort  ebenso- 
wenig eine  person  des  Stückes,  vgl.  Halbertsma  Prosopogr. 
Aristoph.  p.  90.  Vielmehr  scheint  Eupolis  zunächst  dort  von 
bevorstehenden  gastmäblern  gesprochen  zu  haben.  Aus  dem- 
selben  gründe    musste  Piaton    im  Symposion  p.  174  B  das  fu- 


.  12. 


604  387.  Piaton.  Nr, 

turum  iaatv  setzen  und  ebenso  fortfahren  xivSvvsvaoo  —  ano- 
koyi'jaco   —   6[Ao\oyrj(SB)   —  ßovXsvaofis&a   oti   igoiifisv. 

2.  Handelt  es  sich  um  den  sprichwörtlichen  hexameter  av- 
70(iaroi  Ö'  dya&ol  dya&wv  inl  dahag  i'aaiv.  Zunächst  steht 
fest,  dass  kein  griechischer  gewährsmann  jemand  als  Verfasser 
desselben  namentlich  anführt  und  dass  also  dessen  name  früh 
verloren  gegangen  sein  muss.  0.  Müller,  Dor.  II,  p.  481, 
war  der  erste,  der  den  vers  auf  einen  bestimmten  Verfasser  zu- 
rückzuführen versuchte,  indem  er  sich  ihn  aus  dem  epischen, 
dem  Hesiod  beigelegten  gedichte  Ki'fvxog  yapioq  entlehnt  dachte, 
darin  aber  irrte,  dass  er  dem  Hesiod  den  obigen  vers  des 
Eupolis  avtö^aroi  S'  dya&ol  dsiicöv  inl  dahag  'laaiv  zu- 
erkannte. Denn  dem  widerspricht  Bakchylides  gradezu  (s.  un- 
ten). Auch  konnte  Herakles  den  ihm  so  befreundeten  trachi- 
nischen  könig  Keyx  nicht  einen  feigling  (Ö£tXo^)  nennen.  Ganz 
gut  also  rectifizirt  Goettling  (Hesiodi  carmina  p.  lxii  ed.  sec.) 
die  vermuthung  Müllers :  vel  jootius  Alrö^atoi  ö'  dya&ol  dya- 
&äv  Em  Safoag  iaatv.  Hesiodus  dixisse  videtur ,  euius  postea  in- 
vertit  sententiam  Eupolis.  Vgl.  Bernhardy  Gr.  LG.  II ,  p.  202. 
Lachmann  praef.  Babr.  p.  xix.  Die  Müllersche  entdeckung 
gründet  sich  auf  den  lyriker  Bakchylides  bei  Athenaeos  V,  p. 
288  B  :  Bax%v\i8qg  8s  tzeqI  'HoaxXe'ovg  (mit  Schweighäuser 
statt  nsgl  iov  Kqvxog)    Isymv  mg  tjX&sv    inl    tov  rov  Krj'ixog  ol- 

"Eata  <V  inl  Xdl'vov  ov86v, 

toi  de  &olvag  svrvov ,  «wo«  t     'icpa  . 

avtöfiaroi  ö'   dya&cäv 

Satzag  svöy&ovg  insQ^ovrat  St'xaiot 

CfCüTEQ. 

Auch  der  scholiast  zu  Piaton  p.  373  sagt  hierüber  folgendes: 
invTr\v  8s  Xtyovatv  eigtja&ai  inl  Hoaxlet,  og  ois  Etatiävro  im 
Krj'vxi  %?'voi  iniaz?],  sagt  dies  aber  unmittelbar  nach  dem  verse 
des  Eupolis  und  hat  also  ebenfalls  wahres  und  falsches  ver- 
mischt. Doch  fügt  derselbe  scholiast  noch  einige  anapästen 
aus  dem  komiker  Kratinos  hinzu  (Fragm.  Meineke  H,  l,p.  111), 
wo  dieses  Sprichwort  zwar  verändert  steht,  doch  so,  dass 
weder  auf  Hom.  B,  408  noch  auf  den  vers  des  Eupolis,  son- 
dern offenbar  auf  den  hexameter  avrdfutTot  S1  dya&ol  dya- 
&äv  inl    8airag    i'aaiv  rücksicht  genommen  ist.      Hierüber  sagt 


Nr.  12.  387.  Piaton.  605 

Kratinos  dg  6  naXaiog  Xoyog^  und  richtig  bemerkt  Meineke  p.  112: 
recte  naluiiv  löynv  dicit  quippe  quo  priraus  usus  esse  videatur  He- 
siodus  in  Nuptiis  Ceycis.  Weit  wichtiger  aber  als  der  platoni- 
sche scholiast  ist  Zenobius  II,  19:  ylviofAuroi  5'  dyaOoi  dya- 
Ocüp  snl  duhug  itnuf  oviag  HnuxXttTog  f^n^aujo  7{j  nuQniuia, 
(äg  'Hoay.Xtovg  iniyoiTqßuvTog  im  iqv  oixiuv  Kr/vxog  tou  T{><t%i- 
vinv  xat  nvTcog  einövzog.  Statt  des  verdorbenen  und  aus  dem 
folgenden  entstandenen  namens  'Hoäxlsitog  giebt  jetzt  ein  co- 
dex bei  Miller  (Melanges  de  lit.  grecque  p.  350)  die  richtige, 
von  Leutsch  pbilol.  Anz.  I,  p.  109  und  darnach  von  Hug  p.  10 
gebilligte  lesart  Ba/.xvlidqg.  Schneidewin  (bei  Bergk  de  rell. 
com.  att.  ant.  p.  440  und  zu  Zenobius  p.  37)  wollte  'HaCodog 
für  'Hyüxhenog  schreiben  und  diese  besserung  hielt  Meineke 
(fragm.  com.  zu  Kratinos  p.  112)  für  ganz  sicher.  Allein  Zenobius 
kannte  den  dichter  des  vorangestellten  hexameters  ebensowenig, 
als  die  übrigen  alten  ihn  kennen  und  nannte  darum  an  dessen 
stelle  einen  andern  dichter,  der  dieses  Sprichwort  wenigstens 
in  gleichem  sinne  gebraucht  hatte.  Freilich  bedient  sich  Bak- 
chylides  in  der  stelle  des  Zenobios  und  bei  Athen.  V,  188,  b  gar 
nicht  des  hexameters,  sondern  als  lyriker  der  dorischen  rhyth- 
men.  Im  hexameter  giebt  isvrat  mit  Zenobios  II,  9  auch 
Diogeniau  I,  60,  allein  Zenobius  selbst  II,  46,  Athenaeos 
V,  188b  und  die  übrigen  grammatiker,  die  Hug  p.  11 
nennt,  citieren  laaiv,  und  dass  dies  die  alte  richtige  lesart 
ist,  beweist  der  obige  hexameter  des  Eupolis.  Entweder  ist 
'Uviui  nnr  zufällige  verderbniss  oder  absichtliche  änderung  ei- 
nes attischen  Schriftstellers,  der  im  Sprichwort  das  praesens 
herstellen  wollte.  Wenn  man  nun  also  auch  kein  histori- 
sches zeugniss  mehr  dafür  hat,  dass  das  Sprichwort  auf  He- 
siod  zurückzuführen  ist,  so  sind  damit  noch  nicht  die  inneren 
gründe  widerlegt,  auf  die  allein  hin  0.  Müller  den  vers 
dem  Hesiod  zusprach,  und  deshalb  ist  E.  von  Leutsch  mit  seiner 
behauptung  p.  169  wenigstens  insofern  zu  weit  gegangen,  als 
ja  0.  Müller  ohne  alles  äussere  zeugniss  und  blos  aus 
einem  inneren  gründe  den  vers  dem  Hesiod  beilegt.  Von 
desto  grösserer  bedeutung  aber  ist  es ,  dass  Leutsch  selbst 
den  vers  nicht  für  hesiodeisch  hält  —  genug,  die  ächte  lesart 
iaotv  führt  mindestens  darauf  hin,  dass  wir  hier  einen  epici  ali- 
cuius   versum    vor    uns    haben,    wie   sich  Bergk  (Rell.  com.    att. 


606  387.  Piaton.  Nr.  12. 

ant.  p.  161)  treffend  ausdrückt.  Den  sinn  des  Sprichwortes 
giebt  Hug  wiederholt  so  an :  ,,gute  menschen  kommen  zum  gast- 
mahl  der  guten  ungeladen"  —  dass  dies  richtig  ist,  zeigt  Bak- 
chylides  ganz  klar,  da  dieser  ja  Sixuoi  für  uyaOol  setzt  —  und 
findet  den  gedanken  nicht  nur  human,  sondern  auch  sonst  ganz 
vortrefflich.  Allein  die  hellenischen  helden  spielen  doch  sonst 
nicht  den  aretalogen  und  am  wenigsten  thut  dies  grade  Hera- 
kles, auch  ist  der  gedanke  in  dieser  allgemeinkeit  nicht  einmal 
wahr.  Dennoch  ist  das  Sprichwort,  doch  nur  in  dem  von  Bak- 
cbylides  klar  bezeichneten  zusammenhange  und  nur  in  dieser 
Situation  sehr  passend.  Denn  der  stets  unersättliche  Herakles 
wird  auch  sonst  bei  dem  anblicke  und  dem  geruche  einer  schö- 
nen mahlzeit  tiefgerührt,  so  z.  b.  bei  Aristoph.  Av.  v.  1574 — 1691. 
3.  Es  fragt  sich  nunmehr,  wie  die  stelle  Piaton.  Sympos. 
p.  174  B:  aXXa  ov,  tj  8'  og ,  nmg  fyeis  it^tog  zo  idelsiv  av  livai 
axXrjzog  ini  Scinvov  5  xuyw,  scpt],  ünov  ozi  Ovzag  oncog  av  av 
xsXtvrji.  "Enov  toivvv,  ita  nal  zt]v  naooipiav  SiaqiösiQOjftEV  us- 
raßdXlovzeg,  a>g  aga  na).  ayaOätv  im  Satzag  i'aaiv  avzöuazoi 
uya&oi.  "0[Ai]Qog  fisv  yäg  xivSvtevei  ov  uorov  Siaqiüsigai  ä/.Xa 
aal  vßoiaai  tlg  zavzqv  z?jv  nagoiutar.  noirjoag  yv.Q  zov  'Ayap.i\k- 
vova  SiaqiSQCvzcog  äya&ov  ccvSqu  rd  noleuixa  ,  zov  8s  MeviXsoav 
fxal&anov  al^utjzi/V ,  •Ovautv  noiov^svov  xai  iazimzog  zov  'Aya- 
usfivovog  axlijiov  inolrjotv  iX&övza  zov  MsviXsmv  im  zijv  &oit)]v, 
%sCqco  uvza  ini  zqv  zov  dusiiovot;,  zu  erklären  ist.  Die  gewöhn- 
liche annähme  ist,  dass  Piaton  das  Sprichwort  des  Eupolis  «j-«- 
öol  8etX<äv  im  sinne  habe  und  gegen  dieses  polemisire.  So  er- 
klärten den  Piaton  schon  die  Griechen  selber.  Denn  Zenobios  H, 
19  fährt  nach  anführung  des  Sprichwortes  bei  Eupolis  unmittelbar 
fort:  xal  0  TTlüzmv  iv  zw  2vnnoaiq>  ovrcog  avzf]  iitjrt$azo}  und 
auch  der  scholiast  des  Piaton  p.  373  erklärte  ebenso,  da  er 
den  vers  des  Eupolis  als  lemma  voranstellte.  Aber  auch  die 
meisten  herausgeber  des  Piaton  bis  auf  Stallbaum  haben  diese 
erklärung  gebilligt,  desgleichen,  was  von  Wichtigkeit  ist,  Schnei- 
dewin  zu  Zeuob.  p.  37.  Andrerseits  sind  gegen  diese  erklä- 
rung bedenken  erhoben.  Zunächst  schrieb  Lachmann  praef. 
Babr.  p.  XIX:  plerique  Socratis  Platonici  iocum  male  acceperunt 
—  interpretes  nesclo  quomodo  ad  acerbitatem  Eupolulis  rcspici  pu- 
tarunt  qua  is  Ssiläv  ini  8aizag  dixit.  itaque  nos  hanc  acerbita- 
tem deprecamur.     Allerdings  war  Eupolis    ein  sehr  bittrer  komi- 


Nr.  12.  387.  Piaton.  607 

ker,  er  war  es  mehr  als  Aristophanes.  Allein  in  diesem  Sprich- 
wort ist,  wie  ich  oben  gezeigt  habe ,  nicht  die  geringste  spur 
von  einer  bitterkeit,  sondern  es  enthält  nur  die  reine  Wahrheit. 
Dieser  einwand  wäre  also  hinfällig.  Desto  wichtiger  ist  der 
zweite  einwand,  den  nach  Schleiermacher  und  Lachmann  auch 
Hug  p.  20  geltend  macht.  Spielt  Plato  auf  den  vers  des  Eu- 
polis  an  —  so  wendet  man  ein  —  dann  muss  sich  Plato  noth- 
wendig  geirrt  und  die  alte  form  dieses  Sprichworts  uya&ol  dya- 
&cüv  gar  nicht  gekannt  haben,  ja  so  wenig  gekannt  haben,  dass 
er  sie  selber  braucht  und  sich  dabei  einbildet,  ein  neues  Sprich- 
wort durch  veräuderung  geschaffen  zu  haben.  Dieser  einwand 
ist  auf  den  ersten  blick  bestechend,  und  er  ist  es,  durch  den  E. 
v.  Leutsch  p.  108  bestimmt  wurde,  als  älteste  form  des  Sprich- 
wortes dsiXol  dtiläv  zu  statuiren,  indem  er  sich  für  dieselbe 
auf  Meineke  zu  Athen.  IV,  p.  86  beruft,  wo  dieser  bei 
Athen.  V,  188  B  statt  avzouarot  uyu&ot  SeiXäv  in)  dalrag  i'a- 
aiv  schreiben  will:  avTÖpazoi  dsiXol  dttXwv.  Allein  der  hiatus 
ist  offenbar  so  zu  corrigiren  avionat  o  i  8'  d  ya&oi  und  Mei- 
neke würde  seine  conjectur  gar  nicht  vorgetragen  haben,  wenn 
er  sich  dessen  erinnert  hätte,  was  er  selbst  zu  Eupolis  p.  542 
richtig  gesagt  hatte.  Ich  kann  also  diese  form  so  wenig  an- 
erkennen, als  Hug  p.  18,  wo  er  sagt:  illud  uvrö^iaToi,  8eiXol 
d  8 1 X  <x>  v  nullo  omnino  exemplo  probatum  esse  nee  a  Meinekio  nee 
a  Leutschio  nee  puto  urnquarn  probari  posse.  Allerdings  bemerkt 
Leutsch  a.  o.  p.  109  richtig  und  scharfsinnig,  dass  das  rhetori- 
sche Schema  to  noXvmmiov  sich  gern  in  Sprichwörtern  zeige, 
wie  uxlr/Tl  y.oauü'Qovaiv  sg  cfilcov  yiXoi,  was  Eustath.  II.  p.  247, 
30  aus  B  409  ableitet.  Allein  ein  Sprichwort  wie  avioftazoi 
8etXol  8eiXäv  kann  wohl  ebenso  wenig  existirt  haben  wie  uvzö- 
[acctoi  %a\o)  %6-))  ä)t  oder  xwyoJ  y.coqä>r — weil  alles  dies  der  innern 
Wahrscheinlichkeit  entbehren  würde.  In  der  that  aber  bedarf 
es  auch  der  annähme  einer  form  Stü.ol  dsü.äv  nicht,  um  dem 
obigen  einwände  zu  begegnen  —  Piaton  hat  auch  die  ältere 
form  des  Sprichwortes  uyndo\  aya&äp  sehr  wohl  gekannt.  Denn 
etwas  anders  ist  es,  in  absoluter  unkenntniss  von  etwas  sein 
und  etwas  ganz  anderes,  ein  sehr  wohl  gekanntes  aus  not- 
wendigen gründen  geflissentlich  ignoriren.  Denn  da  es  bei 
Sprichwörtern  nicht  sowohl  auf  die  einzelnen  worte,  als  vielmehr 
auf  den  hauptgedanken    derselben  ankommt ,    so    musste  Piaton 


608  387.  PlatoD.  Nr.  12. 

allerdings  das  ältere  Sprichwort  dya&ol  dya&wv  nach  dessen 
inhalt  gänzlich  ignoriren  —  oder  der  ganze  witz  und  der  ge- 
danke  dieser  stelle  wäre  ihm  verloren  gegangen.  Denn  in  dem 
epischen  verse  und  bei  Bakchylides  bedeuten  die  worte  uyudol 
dyaOmv  ja  „die  guten  der  guten",  ein  begriff,  den  Piaton  hier 
ganz  und  gar  nicht  brauchen  kann.  Denn  er  muss  in  seinem 
veränderten  Sprichwort  uyudol  aya&äv  auffassen:  „die  tapferen 
—  der  tapfern".  Folglich  musste  Piaton  hier  ausschliesslich 
von  dem  sprichworte  des  Eupoli3  notiz  nehmen,  weil  hier 
dya&ol  „die  tapferen"  bedeutet.  Der  ganze  witz  der  platoni- 
schen stelle  besteht  darin  ,  dass  der  tragiker  Agathon  als  das, 
was  er  bekanntlich  war,  als  „feiger  Weichling"  (ßsiXbg')  verspot- 
tet wird.  Die  anspielung  bei  dya&cöv  auf  den  nainen  Ifydücor 
ist  längst  richtig  anerkannt.  Gleiche  Spielerei  bei  Aristoph. 
Ran.  84,  wo  derselbe  '/äyoßav  ein  dya&bg  noiqtijg  genannt  wird, 
eine  stelle,  die  Hug  p.  17  recht  eigentlich  gegen  sich  selbst 
citirt.  Also  wie  gesagt,  der  witz  des  Piaton  liegt  darin ,  dass 
Agathon  wirklich  Ssilbg  war,  was  Piaton  nur  scheinbar  wider- 
legt, weil  ja,  so  scherzt  er,  der  name  j4yd&mv  an  dya&bg  ta- 
nfer  erinnern  und  davon  etymologisch  hergeleitet  sei.  Auch 
in  der  bei  Platou  sofort  folgenden  witzigen  Widerlegung  des 
Homer  B  408  fasst  er  dya&bg  im  sinne  von  „tapfer"  auf  und 
tadelt  den  Homer,  weil  er  ja  —  so  scherzt  er  —  folgendes 
schlechte  Sprichwort  fabriziert  habe:  uuröfiatoi  dfilol  äya- 
&  rö  v  im  dafoug  "uatv.  Denn,  sagt  Piaton ,  Menelaos  war  feig, 
eine  behauptung,  die  ihm  eine  scharfe  rüge  des  Athenaeos  V, 
p.  188  c  zuzog,  weil  es  dem  Athenaeos  überhaupt  äusserst 
schwer  fiel,  einen  guten  witz  richtig  aufzufassen.  Zu  allem  obi- 
gen tritt  hinzu,  dass,  wenn  sich  Piaton  auf  das  Sprichwort  des 
Eupolis  bezieht,  dann  xai  richtig  gesagt  ist  in  dem  sinne  [ov 
uavov  SsiXmv  aXla]  xai  uya&üv.  Doch  ich  komme  zur  erklärung 
Schleiermachers,  der  die  platonische  stelle  nicht  auf  Eupolis, 
sondern  auf  das  ältere  Sprichwort  dya&ol  dya&cov  beziehen 
wollte.  Dies  halte  ich  für  falsch  aus  folgenden  gründen:  1. 
würden  die  Worte  Piatons  Iva  xai  ti)v  nagoifilav  diuqOsiQOJfiep 
u*7aßdlloi'7(g  durchaus  sinnlos  sein,  weil  dann  das  ältere  Sprich- 
wort beiiie^a^teu  wäre  ohne  alle  und  jede  Veränderung;  2. 
ebenso  wäre  die  Partikel  xai  vor  dya&üv  sinnlos ,  mag  man 
xal  dyaOü,*  oder  mit  Laci^auu    *««  *'.Afd9m  schreiben.      Dies 


Nr.  12.  387.  Piaton.  S09 

sah    schon   v.  Leutsch  p.  109,    Hug  widerspricht   p.  17,  ohne 
widerlegen  zu  können.     3.  Auch  die  worte  cog  äga  xal  äyaOäv 
inl  duhag  "affiv  uvro/iazoi  uya&oi  entbehren   dann  allen  witzes 
und    sogar    eines    richtigen    gedankens.      Denn    da    im    älteren 
Sprichwort  ayaOol    ayaOäv    die    moralisch    guten    bedeutet, 
so  müsste  man  den  Piaton  ebenso  erklären.     Nun  aber  spottet 
Piaton  über  eine  allbekannte  persönlichkeit,    den  tragiker  Aga- 
thon ,     der    wahrlich    keine    moralische    grosse     war,     sondern 
weit  eher  das   gegentheil.      Also    wäre    bei  Piaton    xal  aya&äv 
eine  leere  Spielerei   der    buchstaben   uyuOog  und  'AyäOmv  ohne 
jeden  innern  gehalt.      Endlich    4.  widerstreitet    der    Zusammen- 
hang.      Mit  den  worten  wg  aga  xal    dyuOmv    im    duhag    i'aaiv 
aizoftatoL  aya&ol  steht    der    nächstfolgende   scherz  über  B  408 
in  der  innigsten    Verbindung.      Hier    nennt    er    aber    den  Aga- 
memnon  einen    äyuüov    uvdqa    tu    nolsftixä    und    dagegen  den 
Menelaos  einen    /auX&uxgv    ai^fiijT^v.      Folglich    muss    auch    im 
vorhergehenden    xal  ayaOäv  —    ayaOol    beidemale   nothwendig 
tapfer  bedeuten.     Also  ist  es  mit  dieser  erklärung  nichts.     Die 
nachfolger  Schleiermachers  sahen  doch,  dass  bedeutend  nachge- 
holfen werden  müsste:    daher   conjicirte  Lachmann  Babr.  praef. 
p.  xix  äg  ana  xal  '  AyäOcov  und  0.  Jahn  nahm  diese  conjectur 
in  seine  ausgäbe  des  Symposion  p.  5    auf.      Allerdings    hätten 
dann    die    worte    \,t>a    xal    rijv    nagoiftlav  öiay&etQConsv  ueiaßciX- 
Xorttg  einen  sinn  und  zwar  keinen  unpassenden ,  da  die  Verän- 
derung   eben    in  ' ' Ayädav    statt    aya&m    bestände.      Allein    die 
grammatik  widerstreitet  dieser    änderung.      Denn    wenn  Homer 
sagt  ßtriaz~}Qag  «qr/xfro  u.  ä.,  so  ist  doch  dieser  Sprachgebrauch 
auf    die    dichter   beschränkt ,    und    in   griechischer   prosa   kann 
man  nicht  sagen  mit  blossem  accusativ  'AydOoora  uiGiv  sie  wer- 
den zum  Agathon  gehen.    Dies  sagte  sich  vielleicht  Hug,  machte 
aber  das  übel  ärger,  indem  er  p.  17  in  der  von  ihm  gebilligten 
conjectur  Lachmanns  ' Ayädav"1    für    den  dativ  erklärte.      Aber 
schon  im  nächsten    augenblicke    erinnerte    er  sich,  dass  der  da- 
tiv   nicht    elidirt    werden    dürfe    und    schrieb    daher    auf  p.  18 
nicht    xal   ^AydOar,  sondern  xal  'AydOcori   ohne  elision  —  alles 
dies  ohne  zu  bedenken,  dass,  wenn  der  name  des  Agathon  hier 
überall  zu  setzen  war,    derselbe    mindestens   im  genetiv  stehen 
müsste.  —     Sonach   wird    es    meines    bedünkens  bei  der  schon 
Philol.  Anz.  V.  39 


610  388.  Falgentius.  Nr.  12. 

von    Zenobios    inaugurirten    erklärung    sein   bewenden   behalten 
müssen.  Th.  Fritzsche. 

388.  Quaestionum  Fulgentianarum  capita  duo.  Scripsit 
Aemilius  Jungmann.  Lipsiae  1870.  8.  32  ss.  (Auch 
abgedruckt  in  den  Acta  soc.  pbilol.  Lips.  I,  1,  p.  43  ff.). 

Nachdem  zuerst  L.  Lersch  genauere  Untersuchungen  über 
die  lebenszeit  und  persönlichkeit  des  Fulgeutius  in  der  ausgäbe 
der  Expositio  antiquorum  eermonum  (Bonn  1844)  angestellt  hatte, 
wurden  diese  von  M.  Zink  in  seiner  verdienstvollen  schrift  „der 
mytholog  Fulgentius"  (Würzburg  1867)  mehrfach  ergänzt  und 
berichtigt.  Neues  material  für  diese  frage  gab  A.  Reifferscheid 
(Rhein.  Mus.  23,  133  ff.),  indem  er  das  ganz  vergessene  buch 
dieses  abenteuerlichen  Schriftstellers  de  aetatibus  mundi  et  homi- 
nis absque  litteris,  das  J.  Hommey,  Poitiers  1694  und  Paris  1696, 
herausgegeben  hatte,  wieder  ans  licht  zog  x).  Mit  rücksicht 
auf  diesen  fund  und  die  Verschiedenheit,  welche  mehrfach  zwi- 
schen den  ansichten  von  Lersch,  Zink,  Reifferscheid  und  L. 
Müller  (Jahn'sche  Jahrb.  95,  791  ff.)  hervortritt,  unterzieht 
nun  Jungmann  in  dem  ersten  abschnitte  der  vorliegenden  ab- 
handlung  die  sache  einer  nochmaligen  prüfung. 

Er  weist  zuerst  aus  der  Übereinstimmung  des  Stiles  nach, 
dass  der  Verfasser  des  buches  de  aetatibus  mundi  mit  jenem  der 
Mythologiarum  libri,  der  Expositio  Virgilianae  continentiae  und  der 
Expositio  sermonum  antiquorum  identisch  ist,  und  zeigt,  nament- 
lich nach  stellen  im  Vorworte  der  schrift  de  aet.  mundi,  dass  er 
ein  Africaner  und  nicht ,  wie  manche  annehmen  ,  ein  Spanier 
war.  Wenn  er  in  der  ausgäbe  von  Hommey  und  daher  auch 
wohl  in  einer  oder  der  anderen  handschrift  jenes  buches  die 
namen  Claudius  Gordianus  führt,  so  erklärt  sich  dies  durch 
eine  Verwechslung  mit  Fulgentius,  dem  bischof  von  Ruspae, 
wie  denn  auch  andere  Schriften  des  grammatikers  in  einigen  band- 
schriften  irrthümlich  jenem  bischofe  zugeschrieben  werden.  Alle 
diese  erörterungen  sind  unzweifelhaft  richtig;  nur  in  einem  punkte 
stimmen  wir  nicht  Jungmann  bei,  nämlich  wenn  er  die  worte 
in  dem  prooemium  des  über  de  aet.  mundi:  dixisti  enim  legisse 
te    librorum    bis   duodenum    volumen  Xenophontis   poetae    in   singulis 

1)  Die  Universitätsbibliothek  zu  Göttingen  besitzt  nicht  bloss  die 
ausgäbe  von  1696,  sondern  auch  jene  von  1694. 


Nr.  12.  388.  Fulgentius.  611 

libris  singulis  litteris  imminutis ,  quod  quidem  opus  mirificum  cuncti 
qui  interfuimus  iuste  praetulimus ,  für  Wahrheit  hält ,  während 
Keifferscheid  mit  recht  bemerkte,  jener  dichter  Xenopbon  sei 
sicher  mit  den  übrigen  citaten  des  Fulgentius  auf  eine  linie 
zu  stellen.  Jungmann  meint  zwar ,  hier  könne  nichts  erdichtet 
sein,  da  es  doch  heisse  dixisti  legisse  te;  aber  man  bedenke  doch, 
dass  diese  person,  welcher  das  buch  gewidmet  ist,  gar  nicht 
genannt ,  sondern  bloss  mit  virorum  excellentior  bezeichnet  wird. 
Es  hinderte  also  den  autor  nichts  auch  hier  eine  seiner  belieb- 
ten fälschungen  zu  versuchen  und  durch  einen  Vorgänger  seine 
kindische  Spielerei  zu  rechtfertigen.  Er  hat  sich  übrigens  mit 
jener  erdichtung  nicht  viel  abgemüht,  da  er  den  inhalt  jenes 
opus  mirificum  mit  keinem  worte  andeutet. 

Was  nun  die  lebenszeit  des  Fulgentius  anbetrifft ,  so  er- 
hellt aus  der  erwähnung  des  Martianus  Capella  in  der  Exp. 
serm.  ant.  s.  v.  caelibatus ,  dass  er  dieses  buch  erst  nach  427, 
um  welche  zeit  die  Nuptiae  Mercurii  et  philologiae  abgefasst  sind, 
geschrieben  hat.  Eine  genauere  bestimmung  ist  mit  Schwierig- 
keiten verbunden ,  da  wir  hierfür  nur  in  zwei  stellen  der  Libri 
myth.  p.  6  (Muncker.) :  sopitisque  in  fauilla  silentii  raucisonis  iur- 
giorum  classicis,  quibus  me  galagetici  quassauerant  impetus,  und  p. 
7  :  tandem  domini  regis  felicüas  adventantis  velut  solis  crepusculum 
mundo  tenebris  dehiscentibus  pauores  abstersit,  anhaltspunkte  ha- 
ben. Diese  worte  sind  eben  so  unbestimmt  als  bei  der  schwül- 
stigen ausdrucksweise  des  Schriftstellers  dunkel.  Jungmann  be- 
zieht nun  die  galagetici  impetus  auf  den  kämpf  der  Amalafrida, 
der  wittwe  Thrasamunds,  und  ihrer  gefolgschaft,  welche  dersel- 
ben ihr  bruder  Theoderich  bei  ihrer  Vermählung  mitgegeben 
hatte,  tausend  edle  und  fünftausend  knappen,  gegen  den  neuen 
könig  Hilderich,  welche  mit  der  niedermetzlung  der  Gothen  bei 
Capsa  in  Byzacena  (523)  endete  (Procop.  de  bell.  Vand.  I,  8). 
Allerdings  kann,  wie  schon  Locher  erkannt  hat,  mit  dem  neuen 
könig,  der  mit  der  aufgehenden  sonne  verglichen  wird,  nur  Hil- 
derich gemeint  sein,  der  sich  den  Römern  und  katholiken  freund- 
lich zeigte,  wie  denn  auch  unter  den  bellici  incursus  (p.  7)  und 
dem  bellicum  interdictum  (p.  8)  die  kämpfe  mit  den  Mauren  verstan- 
den werden  müssen.  Aber  das,  was  Jungmann  will,  können  die 
worte  nicht  bedeuten  ;  einmal  bleibt  dabei  galagetici,  welches  man 
schwerlich,    wie  M.  Hertz   annimmt ,    durch    die   annähme   eines 

39* 


612  388.  Fulgentius.  Nr.  12. 

Schreibfehlers,  einer  dittographie,  beseitigen  kann,  unerklärt, 
dann  deutet  iurgia  besonders  bei  dem  gegensatze  von  silentii  eher 
auf  privatstreitigkeiten  hin,  welche  Fulgentius  zu  bestehen 
hatte.  Wenn  galagetici  oder,  wie  wenige  handschriften  haben, 
galogetici  von  Salmasius  richtig  in  gallogetici  verbessert  worden 
ist  (und  dies  liegt  wohl  am  nächsten),  so  können  darunter  nur 
die  Westgothen  verstanden  werden ,  es  ist  eine  bildung,  wio 
das  bekannte  Gallograeci  oder  Gallohispani  (Hieron .  in  Jes.  18, 
66,  19).  Nun  wissen  wir,  dass  der  durch  Theoderich  vertrie- 
bene könig  der  Westgothen,  Gesalech ,  bei  Thrasamund  auf- 
nähme und  Unterstützung  gefunden  hatte  (509 ;  vgl.  Aschbach 
Gesch.  der  Westgothen  p.  177  ff.  und  Papencordt  Gesch.  der 
Vandalen  p.  123).  Auch  nach  seiner  rückkehr  nach  Spanien 
und  seinem  tode  (511)  konnte  sein  flüchtiger  anhang  bei  Thra- 
samund aufnähme  gefunden  und  dieser  ihnen  natürlich  auf  ko- 
sten der  provincialen  ländereien  angewiesen  haben,  wobei  denn 
begreiflicher  weise  besitzstreitigkeiten  entstanden.  Mit  dieser 
erklärung  würde  sich  der  ausdruck  iurgia  und  Gallogetici  im- 
petus  sehr  wohl  vertragen. 

Nach  dieser  erörterung  bestimmt  Jungmann  die  reihenfolge 
der  Schriften  des  Fulgentius.  Nach  Jugendgedichten,  deren  er 
mehrfach  gedenkt,  schrieb  Fulgentius  den  verlorenen  Physiolo- 
gus,  in  welchem  er  über  zahlenmystik  handelte,  für  die  er  auch 
in  der  vorrede  zum  liber  de  aet.  mundi  besondere  Vorliebe  zeigt, 
das  mythologische  werk,  darauf  sogleich  die  Exp.  Virg.  continen- 
tiae,  endlich  die  Exp.  serm.  antiquorum.  Weiter  wird  nachgewie- 
sen, dass  der  titel  der  mystischen  erklärung  der  Aeneis  nach 
den  besten  handschriften  Expositio  Virgilianae  continentiae  secun- 
dum  philosophos  moralis  lautet  und  nicht,  wie  Lersch  (p.  15)  nach 
dem  schlechten  Bruxellensis  10082  annahm,  Physica  ratio  super 
Virgilium,  ebenso  der  des  grammatischen  werkes  Expositio  ser- 
monum  antiquorum  und  nicht  nach  Bruxellensis  9172  de 
abstrusis  et  inusitatis  nominibus ,  was  I.  Becker  im  Rhein.  Mus. 
5,  33  für  die  echte  aufschrift  hält.  Nur  darin  irrt  Jungmann, 
dass  er  gegenüber  den  besten  Codices  leugnet,  es  sei  dieses 
buch  dem  graminatiker  Chalcidius  gewidmet  gewesen,  und  die 
bezeichuung  im  Bruxellensis  10083  ad  Catum  presbtjterum  für  acht 
hält,  welchem  manne  allerdings  Fulgentius  das  mythologische  werk 
und  nach  dem  Zeugnisse  des  cod.  Gothan.  I,  55,  womit  Leuitarum 


Nr.  12.  388.   Fulgentius.  613 

sanctissime  im  Vorworte  stimmt,  auch  die  ßchrift  über  Vergils  Ae- 
neis  zugeeignet  hat.  Woher  soll  denn  die  aufschrift  in  den 
guten  handschriften  stammen?  Wenn  Klotz  (Jahns  Jahrb.  43, 
p.  73)  meint,  ein  grammatiker  wie  Chalcidius  habe  schwerlich  über 
jene  Wörter  angefragt,  so  steht  einmal  von  einer  solchen  anfrage 
nichts  im  Vorworte,  sondern  nur  von  einer  aufforderung  zu  ei- 
nem buche  de  abstrusis  et  inusitatis  sermonibus  ;  dann  kann  man 
sich  von  der  grammatischen  Wissenschaft  jener  zeit  in  Africa 
unmöglich  einen  hohen  begriff  machen,  wenn  man  bedenkt,  dass  es 
Fulgentius  wagen  konnte,  mit  einem  solchen  buche  hervorzutre- 
ten, das  ihm  als  grammatiker  ein  glänzendes  armuthszeugniss 
ausstellt  und  noch  obendrein  voll  lügen  ist.  Und  wenn  Jung- 
mann sagt,  es  sei  doch  nicht  wahrscheinlich,  dass  ein  gramma- 
tiker damals  gar  nicht  griechisch  verstanden  habe ,  weil  Fulg. 
s.  v.  problema  sagt:  sed  ne  quid  graecum  te  turbet  exemplum,  ego 
pro  hoc  tibi  latinum  feram,  so  muss  man  doch  billig  fragen,  wie 
viel  Fulgentius,  der  zu  seiner  zeit  gewiss  als  ein  bedeutender 
grammatiker  galt,  von  dieser  spräche  verstand.  Zeigt  er  doch 
auch  in  den  anderen  Schriften  hinreichend  durch  seine  willkür,  wo- 
mit er  das  griechische  behandelt,  und  seine  erdichtungen  auch 
auf  diesem  gebiete,  dass  er  es  mit  völlig  unkundigen  lesern  zu 
thun  hat.  Mehr  gewicht  hat  die  bemerkung,  dass  es  in  dem  Vor- 
worte heisst:  de  tuorum  praeceptorum  serie ,  und  weiter:  libellum 
etiarn  . . .  absolutum  retribui,  wornach  man  allerdings  auf  den  pres- 
byter  Catus  schliessen  möchte,  welcher  nach  dem  Vorworte  zu 
den  Schriften,  die  ihm  zweifellos  zugeeignet  sind,  den  Verfasser 
zu  jenen  arbeiten  aufgefordert  hat  (vgl.  p.  3  imperasse ,  137 
praecepto).  Aber  wie  soll  jenes  ad  Chalcidium  grammaticum 
entstanden  sein?  Und  konnte  sich  Fulgentius  nicht  in  der 
Widmung  an  Chalcidius  den  anschein  geben,  als  ob  ihn  dieser 
auch  bei  den  anderen  werken  beeinflusst  habe?  Wenn  in  dem 
Bruxellensis  ad  Catum  prbra  steht,  so  erklärt  sich  dies  einfach 
dadurch,  dass  diese  aufschrift  von  den  Mythologiarum  libri 'ivxthüm- 
lich  auf  jenes  buch  übertragen  wurde;  so  wie  man  umgekehrt  in 
einem  oder  anderem  codex,  wahrscheinlich  dem  Leidensis  (vgl. 
das  vorwort  von  Muncker)  über  der  Exp.  Virg.  continentiae  liest 
ad  Chalcidium  grammaticum.  Das  zeugniss  des  Siegbert  von  Grem- 
blours  de  Script,  eccles.  cap.  28,  der  die  gleiche  aufschrift  wie 
der  Bruxellensis  überliefert,    wiegt    nicht    schwer,    da    er    sehr 


614  388.  389.  Fulgentius.  Nr.  12. 

wohl  eben  diesen  oder  doch  einen  verwandten  codex  benützt 
haben  kann. 

In  dem  zweiten  capitel  de  artis  criticae  praesidiis  berichtet 
Jungmann  über  die  handschriften  der  Myth.  libri  und  der  Exp. 
Virg.  continentiae  und  ordnet  dieselben  nach  familien.  Aus  dieser 
dankenswerthen  erörterung  ergiebt  sich,  dass  für  beide  Schriften  der 
Palatinus  1578  aus  dem  neunten  und  der  Reginensis  1462  aus 
dem  eilften  Jahrhunderte  von  besonderem  werthe  sind.  Dage- 
gegen  zeigt  der  G-othanus  I,  55  aus  dem  dreizehnten  Jahrhun- 
dert, dem  Fr.  Jacobs  in  seinen  beitragen  zur  älteren  literatur 
oder  merkwürdigkeiten  der  bibliothek  zu  Gotha  bd.  2,  p.  416  ff. 
mit  unrecht  ein  grosses  gewicht  beilegte,  vielfach  eine  willkür- 
liche Überarbeitung,  wie  dies  namentlich  an  vielen  griechischen 
stellen  ersichtlich  ist,  welche  in  seinem  archetypus  fehlten  und 
dann  von  einem  corrector  nach  der  lateinischen  Übersetzung 
derselben  ergänzt  sind.  Wenn  Jungmann  p.  24  von  dem  Re- 
ginensis spricht,  so  hätte  doch  bemerkt  werden  können,  dass 
damit  Reg.  1462  gemeint  ist,  da  ja  noch  ein  anderer  Reg. 
204  angeführt  wird. 

Am  Schlüsse  bespricht  der  verf.  die  ansichten  Zink's  (p. 
27)  über  den  eiligen  schluss  in  der  Exp.  Virg.  continentiae  und 
kommt  zu  dem  resultate,  dass  die  schrift  weder  unvollständig 
noch  unvollendet  sei.  Die  befremdende  kürze  im  Schlüsse  er- 
kläre sich  dadurch ,  dass  der  Schriftsteller  seine  arbeit  selbst 
satt  bekommen  habe  und  sich  daher  beeile  sie  zu  ende  zu  brin- 
gen. Das  hat  freilich  auch  schon  Zink  mit  den  Worten  ange- 
deutet: „diese  flüchtigkeit  mag  ihren  grund  in  dem  überdrusse 
des  Verfassers  an  seinem  Stoffe  gehabt  haben". 

Wir  knüpfen  hieran  zugleich  eine  kurze   besprechung  der: 

389.  Coniectanea  Fulgentiana  von  demselben  vf.,  die 
einen  theil  (p.  25  —  54)  der  festschrift  bilden,  mit  welcher  die  leip- 
ziger Thomasschule  die  Versammlung  der  philologen  zu  Leipzig 
1872  begrüsste.  Der  vf.  hat  sich  hier  die  aufgäbe  gestellt  die 
griechischen  citate  in  den  Schriften  des  Fulgentius,  welche,  wie 
dies  bei  allen  lateinischen  autoren  mehr  oder  minder  der  fall 
ist,  sehr  verderbt  überliefert  sind,  auf  grund  der  lesearten  der 
besten  handschriften  zu  berichtigen.  Er  weist  zuerst  nach, 
dass  Fulgentius  eine  sehr  geringe  kenntniss  der  griechischen 
spräche  besass  und   dabei    nach    seiner  manier  mit  den  g  riechi- 


Nr.  12.  389    Fulgentius.  615 

sehen  Wörtern  und  formen  sehr  willkürlich  umging;  er  ver- 
wechselte sie  nicht  bloss  häufig  mit  einander,  sondern  bildete 
auch  dergleichen  selbst,  um  seine  unsinnigen  etyraologien  zu  er- 
möglichen. Freilich  ist  dabei  zu  bedenken ,  dass  er  vielfach, 
wie  dies  ja  auch  andere  etymologen  thaten,  solche  Wörter  oder 
formen  bloss  für  das  betreffende  object  der  erklärung  annahm, 
ohne  deshalb  ihr  lebendiges  Vorhandensein  in  der  spräche  zu 
vertreten,  z.  b.  wenn  er  II,  15  Aviovör\  durch  avrjjv  ov  vor\ 
statt  voovöu  deutet.  Manches  hat  auch  Jungmann  mit  unrecht 
dem  Fulgentius  zur  last  gelegt,  wie  dies  eine  vergleichung  mit 
den  Mythographi  Vaticani  darthut,  welche  den  Fulgentius  aus- 
beuteten und  dabei  noch  bessere,  minder  verderbte  handschrif- 
ten  vor  sich  hatten,  als  uns  jetzt  zu  geböte  stehen.  Sie  hät- 
ten daher  eine  sorgfältigere  berücksichtigung  verdient ,  als  ih- 
nen in  der  vorliegenden  abhandlung  zu  theil  geworden  ist. 
So  bemerkt  Jungmann  zu  der  stelle  Myth.  III,  5  Ideo  et  dae- 
monas  nuncupant  secundum  Homerum,  qui  dicit  psta  daifiovag  a\~ 
Xovgt  id  est  cum  deos  alios,  8?jUog  enim  graece  populus  dicitur  e. 
q.  s.  folgendes:  Pro  cum  deos  alios  videtur  scribendum  cum 
de is  aliis,  ita  ut  rursus  graeca  verba  perverse  interpretatus  Sit 
scriptor  insuper  8a(fxo3v  et  drjfiog  vocabulis  inter  se  confusis.  Es 
ist  noch  sehr  fraglich ,  ob  der  accusativ  in  den  ablativ  zu  än- 
dern ist;  denn  Fulgentius  kann,  trotzdem  dass  cum  den  ablativ 
verlangte,  den  accusativ  absichtlich  beibehalten  haben ,  weil  er 
im  griechischen  steht.  Allerdings  ist  die  Übersetzung  von  fisrd 
mit  cum  verfehlt;  aber  dass  Fulgentius  daifxaiv  und  dtjfxog  ver- 
wechselt hat,  ist  unrichtig.  Man  lese  nur,  was  auf  die  oben 
angeführten  worte  folgt :  is  dicitur  unus,  und  vergleiche  Myth. 
Vat.  III,  2,  1  (p.  157  Bode)  Nam  dtjpog  populus,  sig  (die  codd. 
haben  ebenfalls  ys  oder  is)  unus  inter pretatur,  so  sieht  man,  dass 
er  dutpoveg  aus  drjuog  und  eJg  herleiten  wollte,  wie  er  denn 
selbst  gleich  sagt:  et  quia  populos  subdere  cupiebant  et  soli  super 
populos  esse  daemones  dicti  sunt.  Eben  so  wenig  ist  es 
sicher,  dass  er  II,  13  eidag  und  idtav  verwechselt  hat,  denn 
er  kann  sehr  wohl  bei  der  fehlerhaften  Schreibweise  jener 
zeit  tldoor  für  I8cöi>  geschrieben  haben,  weil  st  und  t  gleich 
lautete,  wenn  er  es  überhaupt  geschrieben  hat;  denn  der 
Myth.  Vat.  II,  118  (p.  115)  giebt,  wie  Jungmann  selbst 
anmerkt  idcov.  —  II,  2  bieten  zwar  die  Codices  ä&afdTtj  nao&evt] 


616  389.  Fulgentius.  Nr.  12. 

id  est  immortalis  virgo ;  aber  nao&tt?]  kann  doch  auch  ein  fehler 
eines  Schreibers  sein,  der  wegen  des  vorhergehenden  aöavärtj 
TzetQ&ivog  in  nriQdett]  änderte ;  denn  der  Myth.  Vat.  IT,  39  (p. 
88)  hat  uduvarq  naqüetog.  In  einigem  ist  dem  verf.  schon 
Zink  vorangegangen,  z.  b.  in  der  bemerkung  zu  II,  14,  dass 
Fulgentius  i&6vog  und  (pdovog  verwechselt  hat  (vgl.  Myth.  Vat. 
III,  10,  3,  p.  223,  wo  cp&ovog,  was  nicht  in  den  handschriften 
zu  stehen  scheint,  gestrichen  werden  muss) ;  ebendaselbst  hat 
statt  der  vulgate  az8Q7]<rtg  schon  Schottus  Obs.  I,  7  (p&uQOig 
angeblich  nach  einem  alten  codex  in  der  vaticanischen  biblio- 
thek  (vgl.  die  note  Muncker's)  hergestellt;  auch  Jacobs  hat 
nach  den  spuren  im  Gothanus  yöegoig  vermuthet. 

Der  verf.  bespricht  nun  weiter  eine  reihe  von  stellen, 
welche  in  der  bisherigen  gestalt  verderbt  und  sinnlos  sind,  und 
sucht  dieselben  auf  grundlage  der  besseren  handschriften,  welche 
ihm  zu  geböte  stehen ,  zu  emendieren.  So  stellt  er  Myth.  I,  2 
unzweifelhaft  richtig  Aiog  noXirein  her,  ebenso  Verg.  cont.  p. 
156  quasi  xaiguv  (von  Fulgentius  wahrscheinlich  KEPON  ge- 
schrieben) id  est  tempus.  Dagegen  ist  III,  5  mit  olog  ai&og 
schwerlich  das  richtige  getroffen ;  man  wird  ganz  nach  den  Co- 
dices und  nach  dem  Myth.  Vat.  III,  2,2  (p.  157),  wie  schon 
Bode  erkannte,  log  xvvüog  schreiben  müssen.  Der  verf.  scheint 
anzunehmen,  dass  die  citate  aus  Epicharmos  I,  14  und  III,  5 
wirklich  echt  sind ,  während  doch  der  schwinde!  hier  ebenso 
klar  am  tage  liegt,  wie  III,  1,  wo  eine  stelle  aus  dem  bucoli- 
cum  carmen  des  Hesiodus  angeführt  wird.  Fulgentius  hat  nur 
das  eine  oder  das  andere  stück  des  Menandros  gekannt  und 
aus  stellen  dieses  dichters ,  welche  er  willkürlich  veränderte, 
hat  er  seine  Epicharmea  fabricirt.  Wenn  man  daher  bei  der 
herstellung  derselben  metrik  und  spracheigenthümlichkeiten  des 
Epicharmos  berücksichtigen  will ,  so  ist  man  entschieden  auf 
abwegen.  Das  citat  I,  14  will  Jungmann  also  herstellen:  [at 
ttt r]  lftia  /jtj  Idcop  Xiftov  zig  änozeiit] ;  aber  abgesehen  davon, 
dass  dies  so  ziemlich  sinnlos  ist,  so  muss  doch  ein  anderes 
wort  als  lr\ia  an  der  spitze  gestanden  haben,  ein  wort,  das 
mit  Odleiav  zusammenhing,  weil  es  sich  um  dessen  erklärupg 
handelt  (vgl.  Zink  p.  77).  Mehr  für  sich  hat  die  vermuthung, 
dass  das  citat  III,  1  mnQ7]&<ag  azaqivX7j<j)i  ev  \axTi£optPt]g  aU 
fiöqgoov  [iiQoyv]  lautete;    nur   ist   einmal  der  zusatz  ieQoqv  be- 


Nr.  12.  Theses.  617 

denklich,  da,  wie  der  verf.  selbst  bemerkt,  Fulgentius  recht 
wohl  u'iuooooov  mit  sanguineum  rorem  wiedergegeben  haben  kann, 
dann  ist  es  sehr  fraglich  ,  ob  im  text  des  Fulgentius  wirklich 
ßTä(pv\jj<pi  stand,  mag  es  auch  vielleicht  in  der  originalstelle 
also  gelautet  haben;  wahrscheinlich  schrieb  er  orayvXijg.  Verg. 
Cont.  164  hilft  es  nichts  für  das  sinnlose  rnacesex  (iity^q  £§  zu 
setzen;  da,  wie  übrigens  Jungmann  selbst  anerkennt,  hier  et- 
was ausgefallen  ist,  so  möchte  ich  annehmen,  dass  ex  nach 
maces  aus  dem  folgenden  exhinc  durch  dittographie  entstanden 
ist  und  zu  (iüyjjg  ein  wort  ergänzt  werden  muss,  welches  dem 
sinne  nach  dem  vorhergehenden  reluctant  entspricht;  darnach 
scheint  Fulgentius  (td^tjg  äXeyetpys  H.  18,  248  oder  etwa  nüfflg 
(olobg)  notog  II.  16,  568  geschrieben  zu  haben.  So  ist  ja 
gleich  im  folgenden  die  stelle  aus  dem  euripideischen  Orestes 
bloss  deshalb  angeführt,  um  das  griechische  wort  'inog  für  sermo 
anzubringen.  Natürlich  ist  nach  i*('f/.rig  aXeysivijg  oder  {"■vy-ng 
növog  auch  die  lateinische  erklärung  ausgefallen. 

Wir  wünschen  Jungmann's  Studien  den  besten  fortgang 
und  hoffen,  dass  bald  bei  Teubner  der  Fulgentius,  dessen  man 
bei  der  Seltenheit  der  ausgaben  von  Muncker  und  Staveren 
nicht  so  leicht  habhaft  werden  kann,  in  einem  netten  bändchen 
erscheinen  wird.  K.  S. 

Theses. 

Theses  quas  amplissimi  philosophorum  Marburgensium  ordinis 
auetoritate  .  .  .  defendet  d.  XVII  m.  decemb.  Io.  Augustus  Heil- 
matm:  I.  comparativa  grammatica  in  scholaruni  quoque  usum,  quan- 
tum  fieri  potest,  vocanda  est,  ita  tarnen  ut  materia  discendi  non  au- 
geatur,  sed  nonnullae  grammaticae  partes  illustrentur  atque  expla- 
neütur  ;  —  IL  Homerus  non  fuit.  Norninis  vero  Homeri  origo  ab  Home- 
ridis  qui  vocantur  ducenda  est,  qui  cum  ad  colendam  poesin  conso- 
ciatione  coniuneti  essent,  artis  et  societatis  auetorem  finxerunt  eum- 
que  ut  Tioaxt  Inwvv/nov  statuerunt; —  V.  Herodotus  cum  1,60  rationem, 
qua  Pisistratus  reditum  effecisset  narraret,  fabulam  eam  esse  putavit 
neque  verbis  suis  historicam  fidem  vindicare  voluit ;  —  VI.  Sopb.  An- 
tig. 110  legendum  est:  os  i'i  •  •  •  ufx'fi^öywv  "£l<j [tq a'~  6  /uiv  oZv 
off«  xhifav  xtX.  ;  —  VII.  Aesch.  Sept.  10  duas  tantum  aetates  poetam 
alloqui  aeeipiendum  est.  Verba  autem  ita  legenda  sunt :  eugay  i'/ov^' 
Ixaciov  w?  to  avfiTTQiniS,  Tiöktt  xrl. 

Theses  quas  ...  in  univ.  lit.  Gryphiswaldensi  ...  d.  VII  m.  Nov. 
1873  defendet  31.  Sander:  I.  Es  Lehrsii  editione  Horatiana  litteras  la- 
tinas  plus  detrimenti  quam  utilitatis  cepisse  ;  IL  Senecae  rhetoris  p. 
115,  26  (Burs.)  vocabula  coneupiscentem  nihil  delenda  esse;  III.  Senecae 
p.  133,  17  sq.  textum  sie  esse  restituendum :  moriar.  habeo  et  cau- 
sam et  exemphim :  quaedam  ardentibus  rogis  se  maritorum  miscuerunt. 


618  Neue  auflagen  und  Schulbücher.  Nr.  12. 

Neue  auflagen. 

390.  Homers  Odyssee.  Für  den  schulgebrauch  erklärt  von  F. 
Ameis.  2.  bd.  1.  heft.  5.  aufl.  besorgt  von  C.  Hentze.  Leipzig. 
Teubner;  13x/2  gr.  —  39t.  P.  Virgili  Maronis  Opera  a  M.  Haupt  ite- 
rum  recoornita.  16.  Leipzig.  Hirzel;  1  thlr.  18  ngr.  —  392.  Feund's 
Schülerbibliothek.  Präparation  zu  Horaz  werken.  1.  heft.  3.  aufl. 
16.  Leipzig.  Violet;  5  ngr.  —  393.  Dess.  Präparation  zu  Cäsars 
gallischem  kriege.  1.  heft.  4.  aufl.  16.  Leipzig.  Violet;  5  ngr.  — 
394.  Cornelius  Nepos  erklärt  von  H  Nipperdey.  Kleine  ausgäbe.  6. 
aufl.  Berlin.  Weidmann ;  12  ngr.  —  395.  Freund's  Schülerbibliothek, 
präparation  zu  Cicero's  werken.  5.  heft.  3.  aufl.  ebendas. ;  5  ngr.  — 
396.  27.  heft.  4.  anfl.  16.  ebendas.  —  397.  Gai  institutionum  iuris 
civilis  commentarii  quatuor.  8.  Rec.  Ph.  E.  Huschke.  8.  Ed.  2. 
Lipsiae.  Teubner;  27  ngr.  —  398.  Chr.  F.  Rost,  deutsch-griechisches 
Wörterbuch.  10.  aufl.  8.  Neu  bearbeitet  von  F.  Berger.  1.  abth. 
Göttingen.  Vandenh.  u.  Ruprecht ;  28  ngr.  —  399.  Forcellini  Lexi- 
con.  P.  II  sive  Onomasticon  totius  latinitatis  opera  et  studio  V.  de 
Vit.  —  T.  Ili  dict,  14.  Prati  (Brockhaus.  Leipzig);  25  ngr.  —  400. 
J.  Facciolati,  Aeg.  Forcellini  et  J.  Furlanetti  lexicon  totius  latinita- 
tis curante  F.  Corradini.  Tom.  III.  fasc.  3.  gr.  4.  Venedig.  Mun- 
ster; 25  gr.  —  401.  A.  Schleicher,  die  Darwinsche  theorie  und 
die  Sprachwissenschaft.  3.  aufl.  8.  Weimar.  Böhlau;  8  ngr.  — 
402.  M.  Duncker,  geschichte  des  alterthums.  4.  aufl.  1.  lief.  8. 
Leipzig ,  Duncker  und  Humblot ;  1  thlr.  —  403.  M.  Hauptmann, 
die  natur  der  harmonik  und  der  metrik.  Zur  theorie  der  mu- 
sik.  2.  aufl.  8.  Leipzig.  Breitkopf  und  Härtel;  2  thlr.  15  ngr.  — 
404.  M.  Liibke,  grundriss  der  kunstgeschichte.  2.  aufl.  8.  Stuttgart. 
Ebener  und  Seubert;  4  thlr.  20  gr.  —  405.  H.  Brunn ,  beschreibung 
der  glyptothek  könig  Ludwig' s  I  zu  München.  3.  aufl.  16.  München. 
Ackermann;  20  gr. 


Neue  Schulbücher. 

406.  Homer's  Odyssea.  Erklärt  von  V.  H.  Koch,  lstes  heft. 
Hannover.  Hahn ;  10  ngr.  —  407.  Cornelius  Nepos  ex  recensione 
Halmii.  Mit  Wörterbuch  herausgegeben  von  H.  Haacke.  3.  aufl.  8. 
Leipzig.  Teubner ;  12  ngr.  —  408.  H.  Haacke ,  Wörterbuch  zu  den 
lebensbeschreibungen  des  Cornelius  Nepos.  4.  aufl.  8.  Leipzig. 
Teubner:  10  ngr.  —  409.  Tacitus  leben  des  Agricola.  Schulausgabe 
von  A.  Dräger.  2.  aufl.  8.  Leipzig.  Teubner;  6  ngr.  —  410.  Cice- 
ro's rede  gegen  L.  Catilina,  herausgegeben  von  F.  Richter.  8.  Leip- 
zig. Teubner;  9  ngr.  —  411.  Cicero's  rede  für  T.  A.  Milo,  herausge- 
geben von  F.  Richter.  2.  aufl.  8.  Leipzig.  Teubner;  10  ngr.  — 
412.  O.  Eichert,  Chrestomathia  latina.  4.  heft.  Auswahl  aus  Sallust. 
8.  Leipzig.  Hahn;  9  ngr.  —  413.  Dess.  6. heft.  Auswahl  aus  Cicero. 
8.  Ebendas.  20  ngr.  —  414.  Wörterverzeichniss  zu  Weller's  la- 
teinischem lesebuch  aus  Herodot.  9.  aufl.  8.  Hildburghausen.  Kes- 
selring ;  20  gr.  —  415.  J.  Hanler  lateinisches  Übungsbuch  für 
die  zwei    untern   classen  der  gymnasien.     4.  aufl.     8.     Wien.  Meyer ; 

26  ngr.  —  416.  L.  Engelmann,  Übungsbuch  zum  übersetzen  aus  dem 
deutschen  ins  lateinische.      3.  thl.     5.  aufl.     8.     Bamberg.  Büchner; 

27  ngr.  —  417.  S  Ch.  Schirlitz,  bildungs-  und  lehrstoff  a.  d.  gebiete 
der  classischen  alterthumswissenschaft ,  der  alten  und  mittlem  ge- 
schichte und  der  philosophischen  Propädeutik.  8.  Halle.  Schwetschke ; 
1  thlr.  —    418.    C.    Capelle ,    anleitung    zum    lateinischen    aufsatz. 


Nr.  12.  Bibliographie.  6l9 

2ter  abdruck.  Hannover.  Hahn;  10  ngr.  —  419.  D.  Müller,  alte 
geschiente  für  die  anfangsstufe  des  historischen  Unterrichts.  8.  Ber- 
lin. Weidmann;  16  ngr.  —  420.  Becker's  erzählungen  aus  der  alten 
weit.  Neue  ausgäbe.  3  thle.  Halle.  Waisenhaus;  1  thlr.  —  421. 
K.  L.  Roth,  gymnasial -pädagogik.  2.  aufl.  8.  Stuttgart.  Stein- 
kopf; 1  thlr.  20  ngr.  —  422.  J.  Ostendorf,  das  höhere  Schulwesen 
unseres  staats.  8.°  Düsseldorf.  De  Hain  in  comm.;  12  ngr.  —  423. 
Dess.  mit  welcher  spräche  beginnt  zweckmässiger  weise  der  fremd- 
sprachliche Unterricht.    Ebendas.;  8  ngr. 


Bibliographie. 

Eine  einladung  zum  »verein  für  deutsche  Kteratur«  unter  dem 
prorectorat  des  grossherzog  von  Sachsen  Karl  Alexander  und  dem 
prinzen  Georg  von  Preussen  ist  versandt :  man  will  dadurch  das  prin- 
cip  der  kunstvereine  auch  auf  die  literatur  übertragen:  jedes  mitglied 
erhält  nämlich  gegen  Zahlung  von  30  mark  im  lauf  des  Jahres  sieben 
bände  zu  20 — 25  bogen:  die  protektoren  wie  die  zahl  und  die  namen 
derer,  welche  sich  zur  abfassung  der  bände  bereit  erklärt  haben,  bürgt 
für  die  ausführung  des  Unternehmens.  Eine  art  kritik  hat  das  unter- 
nehmen in  der  Augsb.  allg.  ztg. ,  beil.  zu  nr.  357  erfahren:  s.  Ph. 
Anz.  VI,  2,  p.  100:  wir  möchten  wünschen  ,  dass  der  biographie  ein 
weites  feld  eingeräumt  würde  und  besonders  den  kämpfern  aus  der 
zeit  der  reformation,  namentlich  auch  der  schulmänner  :  das  würde 
in  den  kämpfen  unsrer  zeit  der  guten  sache,  d.  h.  der  der  deutschen 
freiheit,  klarheit  und  gelehrsamkeit  ganz  besonders  föi'derlich  sein; 
denn  das  angekündigte  allgemeine  werk  von  Bluntschli ,  dem  viel- 
leicht etwas  ähnliches  zu  gründe  liegt,  genügt  bei  weitem  nicht:  es 
muss  das  wirken  und  thun  solcher  männer  unsrer  zeit  bis  ins  ein- 
zelnste vorgeführt  werden.  Wie  buchhändler  übrigens  über  dies  un- 
ternehmen denken  zeigt  Börsenbl.  nr.  262.  273.  285.  295. 

Kleine  philologische  zeitung. 

London.  In  der  hiesigen  philologischen  gesellschaft  theilte  der 
reverent  Isaah  Taylor  mit ,  dass  der  Schlüssel  zu  der  etruskischen 
spräche  gefunden  sei.  Man  hat  nämlich  in  einem  grabmale  zwei 
würfel  gefunden ,  deren  sechs  seiten  mit  Wörtern  statt  mit  äugen 
markirt  waren.  Die  prüfung  dieser  wörter  ergab,  dass  dieselben  mit 
den  ersten  sechs  grundzahlen  des  altai'schen  zweiges  der  turanischen 
familiensprache  identisch  seien.  Dadurch  geleitet  war  nachzuweisen, 
dass  die  grammatik  und  das  vocabularium  der  3000  etruskischen 
inschriften  ebenfalls  altaisch  seien.  Di«  verwandten  wörter,  die  für- 
wörter ,  die  mittelwörter ,  die  declination  correspondiren  genau  mit 
jenen  der  Tartaren  stamme  Sibiriens.  Die  etruskische  mythologie  ist, 
wie  sich  herausstellt,  wesentlich  dieselbe,  wie  die  des  Kalevala,  des 
grossen  finnischen  epos.     Vrgl.  Allg.  Ztg.  beil.  348.  Reichsanz.  297. 

Stuttgart,  10.  dec.  Bei  Heddenheim  ist  eine  römische  begräb- 
nissstätte  gefunden :  bedeutende  funde  scheinen  dabei  nicht  gemacht: 
s.  Allg.  Ztg.     Auss.  beil.  zu  nr.  349. 

Berlin,  14.  dec.  An  diesem  tage  wurde  der  100jährige  geburts- 
tag  von  Thomas  Gossner  begangen:  näheres  s.  Reichsanz.  297. 

Eine  kurze  anzeige  von  Quitzmann ,  die  älteste  geschichte  der 
Bayern,  findet  sich  im  Reichsanz.  nr.  265. 

Das  Irene  -  museum  in  Konstantinopel  wird  der  Academy  zufolge 


620  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  12. 

demnächst  durch  drei  basreliefs,  die  in  Salonice  gefanden,  bereichert 
werden:  vrgl.  Reichsanz.  nr.  270. 

London,  19.  nov.  An  den  ufern  des  flusses  Eye ,  unweit  Ayton 
fand  man  zwei  steinerne  grabmäler,  welche  aus  der  zeit  der  alten 
Britten  stammen,  also  gegen  2000  jähr  alt  sein  sollen.  Vrgl.  Staats- 
anz.  nr.  275. 

London ,  29.  nov.  Zwei  brittische  Offiziere ,  oberst  Baker  und 
lieutenant  Gill  haben  Persien  durchwandert,  die  quellen  des  Attrock 
entdeckt  und  gefunden,  dass  die  jetzigen  karten  Persiens  alle  sehr 
ungenau  seien.     Genaueres  giebt  Times  vom  24.  nov. 

Dr  M.  Töpper  hat  im  Lonnorraner  see  in  Pr.  Preussen  pfahlbau- 
ten  entdeckt,  welche  von  den  in  der  Schweiz  und  sonst  gefundenen 
sehr  verschieden  sind.     Vrgl.  Reichsanz.  n.  295. 

London,  12.  Dec.  Dr  Bake  hat  seine  expedition  nach  dem  berge 
Sinai  angetreten.     Vrgl.  Staats-Anz.  nr.  295. 

Russisches  philologisches  seminar  in  Leipzig.  Bekanntlich  hat  sich 
in  Russland  auf  dem  gebiete  des  höheren  unterrichtswesens  in  neuester 
zeit  ein  Umschwung  vollzogen,  der  auch  für  Deutschland  nicht  ohne 
interesse  ist.  Nach  Jahrzehnte  langen  Schwankungen  und  parteikäm- 
pfen hat  dort  schliesslich  das  princip  obgesiegt  und  ist  durch  kai- 
serliche entscheidung  sanctioniert  worden,  dass  der  gesammte  gym- 
nasialunterricht  wesentlich  auf  das  studium  der  clssischen  sprachen 
(nicht  bloss  des  latein)  basiert  werde.  Wenn  dieser  neuen  Strömung 
schon  das  » historisch  -  philologische  Institut «  in  St.  Petersburg ,  an 
welchem  männer  wie  August  Nauch  und  Lucian  Müller  thätig  sind, 
rechnung  zu  tragen  bestimmt  war ,  so  hat  man  jetzt  noch  weiterrei- 
chende massregeln  ergriffen.  Drei  in  jenem  institut  ausgebildete 
junge  männer,  die  sich  durch  talent  und  kenntnisse  hervorthaten,  sind 
so  eben  nach  Deutschland  entsandt  worden,  um  sich  hier  auf  der 
Universität  Leipzig  für  den  künftigen  beruf  als  russische  Universitäts- 
professoren der  classischen  philologie  noch  vollständiger  vorzuberei- 
ten. Aber  den  eigentlichen  schwerpunct  der  erforderlichen  bestre- 
bungen  hat  man  doch  mit  recht  darin  erkannt,  dass  eine  hinlängliche 
anzahl  gründlich  geschulter  gymnasiaUehrer  für  die  anstalten  des  wei- 
ten russischen  reichs  gewonnen  werde.  Und  für  diesen  zweck  ist 
gleichzeitig  eine  Institution  ins  leben  gerufen  worden ,  für  welche 
ebenfalls  die  Universität  Leipzig  ausersehen  ward.  Hierher  wird  vom 
beginn  des  Wintersemesters  an  eine  anzahl  jüngerer  leute,  die  eben 
erst  das  gymnasium  verlassen  haben  und  durch  gute  Zeugnisse  vor- 
zugsweise empfohlen  sind,  mit  liberal  bemessenen  Stipendien  geschickt, 
um  in  einem  zwei-  bis  dreijährigen  cursus  sich  dem  studium  der 
classischen  philologie  dergestalt  zu  widmen,  dass  sie  nach  ablauf  die- 
ses Zeitraums  als  lehrer  verwendbar  sind:  in  welcher  eigenschaft  ih- 
nen alsdann  sehr  günstige  besoldungs-  und  avancementsverhältnisse 
in  aussieht  gestellt  sind.  Dieselben  brauchen  nicht  eingeborene  Rus- 
sen zu  sein,  können  vielmehr  nicht  nur  allen  slavischen  stammen, 
sondern  auch  der  deutschen  nationalität  angehören,  und  müssen  nur 
die  doppelte  Verpflichtung  eingehen:  1)  für  jedes  auf  kaiserliche  ko- 
sten in  Leipzig  zugebrachte  Studienjahr  mindestens  zwei  jähre  ohne 
kündigung  als  gymnasiaUehrer  in  Russland  zu  fungieren  ;  2)  sich  der 
russischen  spräche ,  als  der  in  den  russischen  lehranstalten  natürlich 
ausschliesslich  gebrauchten,  wofern  sie  ihnen  nicht  schon  muttersprache 
ist,  bis  zu  dem  geläufigen  mündlichen  und  schriftlichen  ausdruck  zu  be- 
mächtigen: für  welchen  letztern  zweck  durch  regelmässigen,  von  den 
eben  genannten  drei  jungen  männern  zu  ertheilenden  Unterricht  sorge  ge- 
tragen ist.  —  Nun  konnte  man  sich  aber  in  St.  Petersburg  der  einsieht 


Nr.  12.  Kleine  philologische  zeitung.  621 

nicht  verschliessen,  dass  zwischen  der  Vorbildung  russischer,  beziehungs- 
weise slavischer,  und  anderseits  deutscher  abiturienten  vorläufig  doch 
ein  grösserer  abstand  stattfinden  möchte,  als  dass  diese  Stipendiaten, 
um  gründlich  gefördert  zu  werden,  ohne  weiteres  auf  unsere  deut- 
schen vorlesungeu  und  seminarien  anzuweisen  wären,  zumal  sie  bei 
dem  grossen  andrang  zu  den  letztern  schwer  ihre  rechnung  finden 
würden.  Darum  musste  sich  alsbald  die  Überzeugung  geltend  ma- 
chen, dass  für  sie  eigne,  auf  ihren  Standpunkt  berechnete  und  ihrem 
individuellen  bediirfniss  angepasste  Vorlesungen  sowohl,  als  vor  allem 
seminaristische  Übungen  angestellt  werden  müssten,  sowie  dass  über- 
haupt ihre  ganze  Studieneinrichtung,  unter  dem  namen  »russisches 
philologisches  senunar«,  in  die  einheitliche  leitung  eines  besondern  di- 
rectors  zu  legen  sei.  Diese  function  hat  auf  den  an  trag  der  k.  russi- 
schen regierung  bis  auf  weiteres  der  geheime  Rath  professor  F.  Ritschi 
übernommen,  unter  assistenz  einer  Jüngern  kraft,  welche  in  der  per- 
son  des  Dr.  W.  Hörschelmann,  gefunden  worden  ist,  eines  in  Dorpat, 
Göttingen  und  Leipzig  ausgebildeten  jungen  philologen,  der  für  den 
vorliegenden  zweck  alle  erforderlichen  eigenschaften  besitzt.  Die 
lehrsprache  des  russischen  seminariums  wird  übrigens  ausschliesslich 
die  lateinische  sein,  da  auf  die  erwerbung  eines  correcten  und  geläu- 
figen lateinischen  ausdrucks  ein  besonderes  gewicht  gelegt  wird. 

Von  diesen  dem  kriege  fern  liegenden  nachrichten  und  gegen- 
ständen ,  wenden  wir  uns  nun  und  zwar  bald  zum  letzten  male  zu 
den  philologen,  welche  1870/71  im  felde  gestanden  haben  und  knü- 
pfen an  Philol.  Anz.  IV,  12,  p.  626  an. 

Im  felde  stehen: 
I.    Philologen  kramt  und  würden; 

506.  Dr  ph.  A.  Arndt,  Ordinarius  von  obertertia  am  gymnasium 
zu  Frankfurt  an  der  Oder,  stand  als  lieutenant  bei  der  landwehr-ar- 
tillerie  und  war  als  solcher  bei  der  belagerung  von  Verdun  und  Die- 
denhofen  betheiligt. 

507.  Dr  ph.  Walter  Berger,  erster  adjunct  an  der  ritter-akade- 
mie  zu  Brandenburg  a.  H. ,  diente  als  vice-feldwebel  im  4.  branden- 
burgischen inf.-regmt  nr.  24. 

508.  Dr  ph.  Wilhelm  Büttner ,  lehrer  am  gymnasium  in  Lieg- 
nitz,  focht  als  reserve  -  officier  im  königs-grenadier-regmt.  nr.  7  bei 
Weissenburg,  Wörth  und  Sedan,  seitdem  vor  Paris. 

5U9.  Dr  ph.  V.  Campe ,  ordentlicher  lehrer  am  gymnasium  zu 
Stolp,  diente  im  5.  pommerschen  inf.-regmt.  nr.  42. 

510.  Dr  ph.  Reinhold  Köpke,  erster  Oberlehrer  am  königlichen 
gymnasium  in  Charlottenburg,  stand  als  lieutenant  im  dritten  combi- 
nirten  brandenburger  landwehr-regmt.  nr.  20/60. 

511.  D.  ph.  Otto  Löwe,  aus  Altensalzwedel,  hülfslehrer  am  gym- 
nasium zu  Neustettin,  reserve-offizier  im  5.  inf.-regmt.,  nahm  an  al- 
len kämpfen  der  dritten  armee  theil. 

512.  Adalbert  Mögelin,  studienlehrer  zu  Rothenburg  ob  der 
Tauber,  ward  beim  ausbruch  des  kriegs  nach  Neuburg  an  der  Donau 
einberufen,  aber  mitte  octobers  1870  seinem  berufe  wiedergegeben. 

513.  Dr  ph.  Rudolph  Neumann ,  aus  Gollin  in  Westpreussen, 
wissenschaftlicher  hüfslehrer  am  gymnasium  in  Neustettin,  nahm  als 
Unteroffizier  im  21.  inf.-regmt.  an  den  belagerungen  von  Metz  und 
Paris,  wie  an  dem  zuge  gegen  Bourbaki  theil. 

514.  Angust  Pein,  aus  Tempelburg,    wissenschaftlicher  hülfsieh- 


622  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  12. 

rer  am  gymnasium  zu  Neustettin,  seconde-lieutenant  im  9.  landwehr- 
regmt,  nahm  an  der  belagerung  von  Longwy  theil. 

515.  Portius,  ordentlicher  lehrer  am  gymnasium  zu  Stolp,  diente 
im  5.  inf.-regmt.  nr.  42. 

516.  August  Scbleusinger,  geboren  1845,  absolvirte  das  gymna- 
sium zu  Nürnberg,  studirte  in  Erlangen,  ward  1869  in  Zweibrücken 
assistent  am  gymnasium,  1870  in  Ansbach  inspector  am  alumneum, 
dann  1870  eingezogen  marschirte  er  als  gemeiner  im  13.  bairischen 
inf.-regmt.  (I.  bairisches  armee-corps)  aus,  erhielt  in  der  Schlacht  von 
Orleans  als  vicecorporal  das  militärver dienstkreuz,  in  der 
Schlacht  von  Beauniont  bei  Beaugency  als  junker  die  silberne  ta- 
pfer keitsmedaille.  In  letzterem  gefecht  leicht  verwundet  rückte 
er  als  lieutenant  wieder  bei  seinem  regiment  vor  Paris  ein ,  trat  aber 
im  mai  in  folge  einer  reklamation  seine  frühere  stelle  als  inspector 
am  alumneum  zu  Ansbach  wieder  an. 

517.  Dr  ph.  Ludwig  Streit,  Oberlehrer  am  pädagogium  zu  Put- 
bus, premierlieutenant  in  der  artillerie,  ritter  des  eisernen  kreu- 
zes  zweiter  classe. 

518.  Dr  ph.  Th.  Vogel ,  ordentlicher  lehrer  am  gymnasium  zu 
Friedland  in  Meklenburg,  diente  als  seconde-lieutenant  im  1.  pom- 
merschen  inf.-regmt.  nr.  2. 

Chronik  des  deutsch  -französischen  leriegs:  Paris.  30.  August. 
Das  Journal  ofßciel  veröffentlicht  den  bericht  des  ministers  Chevreau, 
in  welchem  dieser  die  absetzung  des  maires  von  Epernay  beantragt, 
der  durch  die  Proklamation,  in  welcher  er  der  bevölkerung  empfiehlt 
sich  dem  marsch  der  feinde  nicht  zu  widersetzen,  gegen  seine  pflich- 
ten Verstössen  und  bereits  von  Havre  aus  seine  entlassung  eingereicht 
habe.  Ein  kaiserliches  dekret  vom  29.  d.  m.  veriügt  demgemäss  die 
entlassung.    Staats-anz.  nr.  240. 

1.  septemb.  Paris.  Der  kriegsminister  hat  befohlen,  dass  100000 
mobilgarden  aus  den  departements  nach  Paris  marschiren  sollen,  um 
an  der  vertheidigung  der  stadt  theil  zu  nehmen. 

—  —  Paris.  Marschall  Palikao  hat  den  pariser  blättern  die 
Weisung  zugehen  lassen,  sich  bei  strafe  sofortiger  Unterdrückung  je- 
der auch  der  geringsten  nachricht  über  abgang,  marsch  oder  richtung 
von  truppentheilen  zu  enthalten. 

—  —  Die  demolirung  der  in  dem  rayon  der  haupstädtischen  fe- 
stungswerke  gelegenen  baulichkeiten  ist  nahezu  vollendet. 

Berlin.  2.  sept.  Telegramm  an  Ihre  Majestät  die  königin  Au- 
gusta  in  Berlin.  Auf  dem  schlachtfelde  von  Sedan  —  den  1.  Septem- 
ber _  3!/s  uhr  nachmittags: 

Seit  728  uhr  siegreich  fortschreitende  schlacht  rund  um  Sedan  — 
garde,  IV,  V,  VI,  XII  Corps  und  Bayern  —  feind  fast  ganz  in  die 
Stadt  zurückgeworfen. 

Wihelm. 

St.  Barbe  bei  Metz,  den  1.  September,  9  uhr  45  minuten  abends. 
An  general  von  Borke  in  Königsberg  in  Pr.: 

Seit  gestern  früh  ist  Bazaine  mit  der  ganzen  armee  im  kämpfe 
gegen  das  erste  armee-corps  und  die  ihm  zugetheilte  division  Kum- 
mer bei  ta°-  und  nacht  gewesen ,  und  gestern  in  der  nacht  und 
heute  überall  siegreich  zurückgeschlagen.  Franzosen  haben  mit  gro- 
sser tapferkeit  gefochten ,  mussten  aber  der  ostpreussischen  tapferkeit 
weichen.  Prinz  Friedrich  Carl  hat  gestern  und  heute  dem  ersten 
armee-corps    anerkennung  und  glückwunsch  zu  beiden  siegen  ausge- 


Nr.  12.  Kleine  philologische  zeitung.  623 

Bprochen.  Vierte  landwehr-division  hat  am  heutigen  siege  ruhmrei- 
chen autheil. 

Manteuffel. 

Berlin.  3.  sept.  Malamcourt.  1.  sept.  8  uhr  40  min.  nachm.: 
Seit  gestern  den  31.  august  bis  heute  den  1.  sept.  mittags  sechsund- 
dreissigstündige  siegreiche  schlacht  unter  dem  prinzen  Friedrich  Carl 
bei  ^Noisseville.  Versuch  des  marschall  Bazaine  durchzubrechen  und 
im  freien  felde  zu  operiren.  Durch  das  1.  armeecorps  mit  hülfe  des 
9.  und   der  division  Kummer  zurückgeschlagen. 

1.  sept.  mittags.     Rückzug  des  ieindes  in  die  festung  Metz. 

Malamcourt,  2.  septemb.  11  uhr  20  min.  mittags: 
Vom  morgen  des  31.  august  bis  mittag  den  1.  september  hat  mar- 
schall Bazaine  fast  unausgesetzt  versucht,  mit  mehreren  corps*  aus 
Metz  nach  norden  durchzubrechen.  Unter  Oberbefehl  des  prinzen 
Friedrich  Carl  hat  general  von  Manteuffel  alle  diese  versuche  in 
ruhmvollen  kämpfen,  die  in  dem  namen  schlacht  bei  Noisseville  zu- 
sammenzufassen, zurückgeschlagen.  Der  feind  ist  wiederum  in  die 
festung  zurückgeworfen. 

An  den  gefechten  waren  betheiligt  das  1.  armee-corps,  das  9.  ar- 
mee  -  corps ,  die  division  Kummer  (linie  und  landwehr)  und  die  28. 
Infanterie -brigade.  Die  hauptgefechte  fanden  um  Servigny,  Noisse- 
ville und  Ketonsay  statt.  Nächtliche  überfalle  wurden  mit  ostpreussi- 
scheu  kolben  und  bayonetten  zurückgewiesen.  Unsere  hierfür  verhält- 
nissmässig  nicht  sehr  grossen  Verluste  noch  nicht  zu  übersehen ,  die 
des  fe indes  sehr  bedeutend. 

General  v.  Stiehle. 

Berlin.  3.  sept.  morgens.  Der  königin  Augusta  in  Berlin.  Von 
Sedan,  den  2.  sept.  ^2  uhr  nachmittags: 

Die  kapitulation,  wodurch  die  ganze  armee  in  Sedan  kriegsgefangen, 
ist  soeben  mit  dem  general  Wimpffen  geschlossen,  der  an  stelle  des 
verwundeten  marschaiis  Mac  Mahon  das  kommando  führte.  Der  kai- 
ser  hat  nur  sich  selbst  mir  ergeben,  da  er  das  kommando  nicht  führt 
und  alles  der  regentschaft  in  Paris  überlässt.  Seinen  aufenthaltsort 
werde  ich  bestimmen,  nachdem  ich  ihn  gesprochen  habe,  in  einem 
rendezvous,  das  sofort  stattfindet.  Welch  eine  wendung  durch  got- 
tes  führung. 

Wilhelm. 

Berlin.  3.  sept.  abends.  »Welch  eine  wendung  durch  gottes  füh- 
rung !  « 

Von  unseres  königs  lippen  kommen  diese  worte  in  einem  grossen 
entscheidenden  moment. 

Erbla^st  ist  der  glänz  der  kaiserlichen  adler  vor  unseren  siegrei- 
chen fahnen.  Die  zweite  grosse  armee  Frankreichs  hat  sich  ergeben, 
und  der  kaiser  der  Franzosen  ist  selbst  Sr.  Majestät  des  königs  ge- 
fangener. 

Mit  den  preussischen  fahnen  steht  das  weisse  kreuz  der  preussi- 
schen  landwenien  siegreich  auf  französischem  boden. 

Dem  söhne  und  enkel  könig  Friedrich  Wilhelms  und  Louisens 
sind  auch  die  söhne  und  enkel  der  männer  mit  dem  weissen  kreuze  von 
1813  gefolgt.  Unter  diesem  heiligen  zeichen,  in  wuchtigen  bataillo- 
nen  haben  sie  weib  und  kind  mit  demselben  freudigen  muth  verlas- 
sen, um  endlich  unter  gottes  gnädiger  fügung  das  mit  zu  erkäm- 
pfen, was  ihren  vätern,  trotz  aller  blutigen  opfer,  zu  erstreiten  nicht 
beschieden  war  —  einen  vollen,  gerechten  frieden  für  unser  deutsches 
Vaterland ! 


624  Kleine  philologische  zeitung.  Nr.  12. 

So  gott  will ,  wird  das  grosse  werk  nun  bald  vollbracht  sein! 
Unsere  siegreichen  krieger  werden  heimkehren,  unter  ihnen  die  söhne 
und  enkel  der  ritter  des  eisernen  kreuzes  von  1813,  von  den  greisen 
mit  zitternder  hand  begrüsst!  Viele  der  sieger  selbst  mit  dem  ei- 
sernen kreuze  geschmückt,  in  dem  sich  das  schwarz  und  weiss  der 
vaterländischen  färben  so  schön  vermählt! 

Mit  stolz  werden  auch  unsere  deutschen  stammes-  und  kampfge- 
nossen  aus  nord  und  süd  dieses  kreuz  auf  der  brüst  ihrer  siegreichen 
brüder  und  söhne  sehen.  Und  dies  gemeinsame  ehrenzeichen  wird 
fortan  ein  schönes  inhaltschweres  symbol  sein  für  die  langerstrebte 
einheit  unseres  grossen  deutschen  Vaterlandes!  Das  walte  gott!  — 
(Staatsanz.  nr.  245). 

Der  brief  Napoleon's  an  könig  Wilhelm  bestand  aus  folgenden 
zeilen: 

Monsieur  mon  frere, 

N'ayant  pas  pu  mourir  au  milieu  de  mes  troupes,  il  ne  me  reste 
qu'a  remettre  mon  epee  aux  mains  de  votre  Majeste.  Je  suis  Votre 
Majeste  le  bon  frere  Napoleon. 

Sedan  le  1.  Septembre  1870. 

Dem  könig  übergab  diesen  brief  der  general  graf  Eeille  auf  den 
höhen   von  Douchery    gegen    7  uhr  abends:    daselbst   antwortete    der 
könig  sofort,  indem  ein   adjutant  ihm  statt    schreibpultes  einen  stuhl 
in  die  höhe  hielt,  wie  folgt: 
Monsieur  mon  frere! 

En  regrettant  les  circonstances  dans  lesquelles  nons  nous  rencon- 
trons,  j'accepte  l'epee  de  votre  Majeste  et  je  la  prie  de  bien  vouloir 
nommer  un  de  vos  officiers  munis  de  vos  pleins  pouvoirs,  pour  trai- 
ter  de  la  capitulation  de  l'arrnee,  qui  s'est  si  bravement  battu  sous 
vos  ordres. 

De  mon  cöte  j'ai  designe  le  ge'neral  de  Molkte  ä  cet  effet. 
Je  suis  de  Votre  Majeste 

le  bon  frere 

Guillaume. 
Devant  Sedan  le  1.  Sept.  1870. 

2.  september.  Die  kapitulation  von  Sedan  wird  mit  dem  gene- 
ral von  Wimpfen  mittags  abgeschlossen.  Die  ganze  französische 
armee  in  Sedan  ergiebt  sich  kriegsgefangen. 

—  —  Begegnung  des  königs  von  Preussen  mit  dem  kaiser  Na- 
poleon in  dem  schlösschen  Frenois  bei  Sedan.  Dem  kaiser  wird  Wil- 
helmshöhe  bei  Cassel  zum  aufenthalt  gegeben.  Nachmittags  bereitet 
der  könig  die  armee  um  Sedan,  welche  ihn  mit  unbeschreiblichem 
jubel  empfängt. 

Berlin.  4.  sept.,  4  uhr  18  min.  nachmitt.  Telegramm  an  Ihre 
Majestät  die  königin  Augusta  in  Berlin : 

Varennes,  4.  september,  vormittags  8  uhr.  Welch  ein  ergreifen- 
der augenblick  der  begegnung  mit  Napoleon !  Er  war  gebeugt,  aber 
würdig  in  seiner  haltung  und  ergeben.  Ich  habe  ihm  Jl'ilhelmshohe 
bei  Cassel  zum  aufenthalt  gegeben.  Unsere  begegnung  fand  in  ei- 
nem kleinen  schlösschen  vor  dem  westlichen  gacis  von  Sedan  statt. 
Von  dort  berittich  die  armee  um  Sedan.  Den  empfang  durch  die 
trnppen  kannst  Du  Dir  denken!  Unbeschreiblich!  Beim  einbrechen 
der  Dunkelheit  1/2S  uhr  hatte  ich  den  fünistiindigen  ritt  beendigt, 
kehrte  aber  erst  um  1  uhr  hierher  zurück.     Gott  helfe  weiter. 

Wilhelm. 
(Schluss  folgt  bd.  VI). 


Nr.   12.  Auszüge  aus   Zeitschriften.  623 


Auszüge  aus  zeilschriften. 

Augsburger  allgemeine  zeitung ,  nr.  282:  Sicherheit  in  Thessalien 
und  Epirus.  —  Beil.  zu  nr.  282.  283.  293  das  Unterrichts  -  und  bil- 
dungsfach  auf  der  wiener  Weltausstellung.  IV.  V.  VI.  —  Nr.  284. 
294:  die  entwicklung  der  dinge  in  Asien.  IX.  X.  —  Nr.  285:  brief 
der  königin  Sophie  von  Holland,  einer  glühenden  Franzosenfreundin, 
vom  13  juli  1866  an  Louis  Napoleon,  die  dem  letztern  sein  Schicksal 
voraussagt.  —  Beil.  zu  nr.  285:  zur  geschichte  der  indischen  reli- 
gion :  anzeige  des  buches  von  Paul  Wurm.  —  Nr.  287  :  schulconfe- 
renz  in  Berlin  ;  die  mitglieder  derselben  und  ein  kurzer  bericht  über 
die  ziele  der  conferenz.  —  Beil.  zu  nr.  288:  Julius  Braun,  geschichte 
der  kunst  in  ihrem  entwicklungsgang :  besprechung  des  buchs.  — 
Beil.  zu  nr.  294:  briefwechsel  zwischen  kaiser  Wilhelm  und  dem 
pabst.  —  Beil.  zu  nr.  294:  Carriere's  ästhetik  in  zweiter  aufläge.  — 
Vom  berliner  büchertisch.  I.  IL  —  Beil.  zu  nr.  295:  die  klöster  und 
klosterähnlichen  institute  in  Bayern.  IV.  —  Beil.  zu  nr.  296  :  zur  ge- 
schichte des  vaticanischen  concils.  —  Vom  berliner  büchertisch.  — 
Wiener  briefe.  I.  —  Beil.  zu  nr.  298  :  eine  neue  ausgäbe  von  Nie- 
buhr's  römischer  geschichte:  anzeige  des  beiCalvary  in  Berlinerschei- 
nenden abdrucks.  —  Beil.  zu  nr.  303:  vom  berliner  büchertisch  III. 
—  Nr.  304:  könig  Johann  von  Sachsen:  nekrolog.  —  Nr.  305:  Kos- 
suth  und  Lamarmora.  —  Beil.  zu  nr.  305  :  könig  Johann :  unter 
dieser  aufschrift  folgendes  gedieht : 

Wohl,  mit  dem  könige  soll  zusammengehen  der  dichter, 
Weil  auf  der  menschheit  höhe  könig  und  dichter  gestellt: 

Wohl,  und  es  hat  kurzdauernd  geblüht  ein  augustisches  alter, 
Ludwige  haben  beschützt  und  Mediceer  die  kunst ; 

Aber  die  mächtigen  dachten  zugleich  an  den  eignen  vortheil, 
An  den  bequemen  genuss,  an  der  Verherrlichung  dank. 

Nicht  so  könig  Johann!  —     Er  wollt'  im  verkehr  mit  der  dicht- 

kunst 
Nicht  ein  geniessender  nur,    wollt'  auch  ein  strebender  sein; 

Stunden  der  müsse,  vergönnt  nach  heilig  vollendetem  tagwerk 
Fürstlichen  amtes,  er  hat  sie  der  betrachtung  geweiht 

Dante  Alighieri's;   er  ging  dem  erhabenen  sänger, 
Seher,  prophete  vertraut  als  hypophete  gesellt. 

Dante,  so  lange  dein  lied  voll  unausforschlichen  tiefsinns 
Lebt,  wird  neben  Dir  auch  dein  »Philalethes«  genannt ! 

Wie  er  von  Deutschlands  fürsten  der  besten  und  edelsten  einer, 
Lebt  er  von  allen  gesammt  als  der  gelehrteste  fort.  — 
Nr.  307 :  staat  und  kirche  in  Bayern.  I.  —  W.  Kaden ,  herbsttage  in 
den  latinischen  bergen.  —  Beil.  zu  nr.  308:  Mordtmann,  numismatik 
der  Sassaniden:  anzeige  des  von  Dorn  herausgegebenen  werkes  des 
generals  J.  de  JJartholotnei,  collection  des  monnaies  Sassanides.  Vol. 
I.  Petersb.  1873.  —  Kaden,  herbsttage  in  den  latinischen  bergen: 
für  Vergils  Georgica  zu  beachten.  —  Beilage  zu  nr.  309  :  die  förde- 
rung  uud  pflege  der  kunst  durch  den  staat  in  Bayern.  —  Epilog  zur 
wiener  Weltausstellung.  —  Kaden,  herbsttage  in  den  latinischen  ber- 
gen. —  Nr.  310  :  die  bibliothek  des  commendatore  de  Rossi,  zwei- 
ten gemahls  der  prinzessin  Maria  von  Lucca ,  der  wittwe  Max  von 
Sachsen;  sie  war  in  den  besitz  der  Jesuiten  gekommen,  wird  jetzt  wahr- 
scheinlich an  Oesterreich  ausgeliefert;  sie  ist  reich  an  seltnen  ineu- 
nabeln  und  mannscripten.  —  Beil.  zu  nr.  310:  M.  Schleich,  chri- 
stenthum  und  alacoquismus.  I.  —  Beil.  zu  nr.  307.  311.  320.  333. 
nr.    342 :     staat    und    kirche    in    Bayern.   I.  IL  III.  IV.  V.    —      Beil. 

Philo!.  Anz.  VI.  40 


624  Auszüge  aus  Zeitschriften.  Nr.  12. 

zu  nr.  312:  könig  Johann's  von  Sachsen  hinterlassene  memoiren.  — 
Beil.  zu  nr.  333:  K.  Waagen  f.  —  Nr.  334:  unter  »verschiede- 
nes« allerlei  notizen  über  gelehrte.  —  Beil.  zu  nr.  338.  341 : 
zur  imitatio  Christi.  I.  II:  schliesst  an  das  buch  von  Hirsche 
an.  —  Beil.  zu  nr.  339 :  Meyer's  deutsches  Jahrbuch ;  empfehlende 
anzeige.  —  Nr.  340:  das  deutsche  beamtenthum  im  Reichslande.  — 
Nr.  342.  243:    weihnachtsgaben   der    deutschen  kunst.  I.  IL  — 

Rheinisches  museicm  für  philologie  herausgegeben  von  Fr.  Ritschi 
und  A.  Klette,  XXVII,  2:  über  die  thebanische  tetralogie  von  F.  A. 
Näke ,  herausgegeben  und  dem  andenken  L.  Schopen's  gewidmet  von 
Fr.  Ritschi ,  p.  193.  -  F.  Bährens,  kritische  bemerkungen  zu  den 
lateinischen  panegyristen,  p.  215.  —  K.  W.  Nitzsch ,  über  Herodot's 
quellen  für  geschichte  der  Perserkriege,  p.  266.  —  J.  Jeep,  zu  Clau- 
dianus  de  VI  consulatu  Honorii :  ein  beitrag  zur  römischen  topogra- 
phie,  p.  269.  —  J.  M.  Stahl,  zu  Thukydides,  p.  278.  —  L.  Müller, 
zu  Marius  Plotius  und  Nonius,  p.  284.  —  K.  Dilthey,  kritische  be- 
merkungen zur  griechischen  Anthologie,  p.  290.  —  J.  H.  Mordttnann, 
unedirte  griechische  inschriften,  p.  326.  —  F.  Blass ,  das  simonidei- 
sche  gedieht  im  Protagaras  des  Plato,  p.  326.  —  Miscellen.  Fr. 
Ritschi,  zur  Plautuslitteratur.  III,  p.  333.  —  C.  Wachsmuth,  dry- 
mien  und  drymata,  p.  342.  —  K.  Lehrs,  die  anfange  des  ersten  und 
fünften  buches  der  Odyssee,  p.  346.  —  Zu  Plato,  von  demselben ,  p. 
346.  —  W.  Teuffei,  zu  Horatius,  p.  347.  —  Erotemata  philologica, 
p.  349.  —  FL.  Nissen,  entgegnung  an  Octavius  Clason ,  p.  351.  — 
Antwort,  von  W.  Teuffei,  p.  352.  —  Nachträge  und  berichtigungen, 
p.  352.  darunter  eine  berichtigung  zum  registerheft. 

XXVII,  3:  Holm,  die  entdeckungen  im  grossen  tempel  zu  Seli- 
nus  ,  p.  353.  —  K.  Dilthey,  über  die  von  C.  Miller  herausgegebe- 
nen griechischen  hymnen,  p.  375.  —  L.  Ziegler,  zur  texteskritik  des 
Scholiasta  Bobiensis  zu  Ciceronischen  reden,  p.  420.  —  J.  Gilde- 
meister und  F.  Bücheier,  Themistios  ntQl  aotTtjg,  p.  438  [s.  Phil.  Anz. 
IV,  11,  p.  570].  —  H.  Geizer,  kleinasiatische  inschriften,  p.  463.  — 
Miscellen.  W  Schmitz,  zu  den  tironischen  noten.  —  Fühl,  c o r- 
porare,  p.  471.  —  L.  Müller,  in  sachen  Simonides,  p.  471.  —  Zu 
Tacitus  und  Sueton,  von  demselben  p.  472.  —  Fr.  Buecheler ,  con- 
jeetanea ,  p.  474.  —  G.  Clemm ,  oraculum  Pythium,  p.  478.  —  N. 
Wecldein,  zu  Euripides,  p.  479.  —  M.  Schmidt,  eine  dekade  conjee- 
turen,  p.  481.  —  J.  M.  Stahl,  zu  Thukydides,  p.  484.  —  W.  Teuf- 
fei, zu  Plautus  Trinummus,  p.  485.  —  L.  M.,  zu  dem  gedieht  de 
Sodoma,  p.  486.  —  A.  Riese,  zu  Plato,  p.  488.  —  L.  Baehrens, 
zu  Varro's  Saturae  Menippeae ,  p.  490.  —  G.  Krueger,  zu  Cicero,  p. 
491. —  A.  Eussner ,  conjeeturae  in  Sallustii  Catilinam,  p.  493.  — 
M.  Schmidt,  zu  Hyginus,  p.  495.  —  Erotemata  philologica,  p.  495. — 
Suum  cuique,  p.  496.  —     J.   H.  Mordtmann,  nachschrift,  p.  496. 

XXVII,  4:  Xenophon's  Hellenica,  verglichen  mitDiodor  und  Plu- 
tarch.  Von  L.  Breitenbach,  p.  497.  —  Pseudo-Plutarch  ntoi  clax^aio>g. 
Von  J.  Gildemeister  und  F.  Bücheier,  p.  520:  vgl.  Phil.  Anz.  IV,  11, 
p.  570.  —  Das  geschichtswerk  des  Titus  Livius.  Von  H.  Nissen, 
p.  539:  vrgl.  Philol.  XXXIII,  p.  139.  —  Die  mänade  im  griechischen 
eultus,  in  der  kunst  und  poesie  (schluss).  Von  A.  Rapp,  p.  562.  — 
Miscellen.  Lokrische  inschriften,  von  C".  Wachsmuth,  p.  612. —  Zu 
den  tironischen  noten,  von  IC.  Schmitz,  p.  616.  —  Nachträgliches 
über  die  handschriften  von  Claudians  Raptus  Preserpinae.  Von  L. 
Jeep,  p.  618.  —  Zur  historia  Apollonii  regis  Tyrii.  Von  A.  Riese, 
p.  624.  —  Drymien.  Von  B.  Schmidt.  —  Noch  einmal  das  angebliche 
capitel  III,  17  des  Thukydides.  Von/.  Sleup,  p.  637.—  Nachschrift, 
von  H.  Geizer. 


Nr.  12.  Auszüge  aus  Zeitschriften.  625 

XXVIII,  1,  1873:  Lykurg  und  die  delphische  priesterschaft.  Von 
H.  Geher,  p.  1.  —  Ueber  muriola,  murrata  und  murrina.  Von  M. 
Voigt,  p.  56.  —  Historisch  -  geographische  Studien  über  Altsicilien. 
(Mit  zwei  karten).  Von  J.  Schubring ,  p.  65.  —  Die  umbrische  ge- 
fässinschrift  von  Fossato  di  Vico.  Von  E.  Hasehke ,  p.  141.  —  Bio- 
bibliographisches zu  Camerarius  Plautusstudien.  Von  Fr.  Ritschi,  p. 
151.  —  Miscellen.  Zum  Corpus  inscriptionum  Rbenanarum.  Von 
A.  Duncker ,  p.  171.  —  Coniectanea.  Scr.  C.  Badham,  p.  173. —  Die 
fabel  vom  äffen  und  fuchs  bei  Archilochos.  Von  E.  JBuchholtz,  p. 
176.  —  Zu  den  fragmenten  der  griechischen  tragiker.  Von  N.  Weck- 
lein, p.  179.  —  Zu  Thukydides.  Von  J.  Steup,  p.  179.  -  Zu  Aristo- 
teles Poetik.  Von  J.  Vahlen,  p.  183.  —  Zu  Horatius.  Von  J.  Krauss, 
p.  185.  —  Zu  demselben.  Von  FL.  Dziatzko ,  p.  187.  —  Zur  lateini- 
schen Anthologie.     Von  Fr.  Ritschi,  p.  189. 

XXVIII,  2:  Die  Ligurer,  von  J.  G.  Cuno,  p.  193.  —  Der  Floren- 
tinische  tractat  über  Homer  und  Hesiod ,  ihr  geschlecht  und  ihren 
wettkarupf.  (Schluss).  Von  F.  Nietzsche,  p.  211.  —  Emendationum 
in  Statu  silvas  particula  I.  Scr.  Aem.  Baehrens ,  p.  250.  —  Aelius 
Promotus.  Von  E.  Rohde,  p.  261.  —  Die  älteste  textesrecension  des 
Claudian.  Von  L.Jeep,  p.  291. —  Studien  zur  aristotelischen  Poetik. 
Von  F.  Susemihl,  p.  305.  --  Miscellen:  Ueber  die  Ammianhand- 
schrift  des  Accursius.  Von  F.  Riihl,  p.  337.  —  Zu  den  tironischen 
noten.  Von  W.  Schmitz,  p.  339.  —  Zu  Sophokles.  Von  L.  Urlichs, 
p.  340.  —  Zu  Thukydides.  Von  J.  Steup,  p.  340.  —  Zu  Piatons  Sym- 
posion. Von  W.  Teuffei ,  p.  342.  —  Zu  Plautus  Trinummus.  Von 
demselben,  p.  344.  —  In  Dracontium,  Iuvenalem,  Nigidium.  Scr.  F. 
Buecheler,  p.  348.  —  Erotemata  philologica.  J. ;  p.  350.  —  Neu  ent- 
deckte klassische  Schriftsteller,  p.  352:  bezieht  sich  auf  druckfehler 
in  C.  H.  Herrmann  Bibliotheca  scriptorum  classicorum.  [Ist  doch  für 
das  Rheinische  Museum  zu  wohlfeil!].  —  Nachträge  und  berichtigun- 
gen,  p.  352. 

Z  arncke ,  literarisches  centralblatt  1872,  nr.  30:  Watterich,  die 
Germanen  des  Rheins,  ihr  kämpf  mit  Rom  und  der  bundesgedanke : 
8.  Leipzig:  sei  eine  gründliche  schritt.  —  A.  Eberhard ,  lectio- 
num  Tullianarum  libellus  primus  ad  Nicolaum  Anziani  Florentinum.  4. 
Bielefeld:  inhaltsanzeige.  —  Nr.  31:  H.  Keil,  Grammatici  latini 
Vol.  VI.  Fase.  1.  Lips.  1871:  anzeige  mit  einigen  bemerkungen  zu 
dem  sg.  Caesius  Bassus.  —  F.  Wiggert,  Vocabula  latinae  linguae 
primitiva.  Lipsiae.  Teubner  :  wird  empfohlen. —  Nr.  32:  Historici graeci 
minores.  Ed.  Dindorfius.  Vol.  II.  Lips.  Teubner:  anzeige  mit 
einigen  bemerkungen  zu  Agathias.  —  Eusebii  Caesariensis  opera. 
Rec.  Guil.  Dindorfius.  Vol.  IV.  Lips.  Teubn.  1871:  anzeige.  — 
Nr.  33:  atvoij  <Zvtos  Kvqov  ncadtla.  Adnotationibus  et  illustrationibus 
auxit  Angelus  Tummolo  presb.  Neap.  P.  1.  et  II.  Neap.  1871: 
ganz  unbrauchbar.  —  G.  Fr.  Sc  ho  ernannt  Opuscula  academica. 
Vol.  IV.  Berlin.  1871  :  anzeige  von  Bu.  —  Nr.  35  :  J.  Overbeck. 
griechische  kunstmythologie.  Bd.  IL  Leipzig.  Engelmann:  ausführ- 
liche anzeige  von  Bu.  —  Nr.  36:  N.  Christ  et  31.  Paranikas,  An- 
thologia  graeca  carminum  christianorum.  Lips.  Teubner:  wird  als  eine 
sehr  dankenswerthe  arbeit  charakterisirt.  —  NioiXkrjvixn  'AvdXsxia 
ntoi,oöi/.uig  ly.dtdöpsva  vno  rov  ffikokoyixov  üaQvaaaov.  Athen.  1871,  T. 
V  heft  5:  anzeige  von  Bu.  —  Nr.  37:  H.  Henkel,  studien  zur  ge- 
schichte  der  griechischen  lehre  vom  Staate:  Leipzig.  Teubner:  em- 
pfehlende anzeige:  vrgl.  Phil.  Anz.  V,  4,  p.  201.  —  Fr.  Pichler ,  die 
römischen  grabinschriften  des  norisch-pannonischen  gebiets.  Grätz. 
1871:  wird  als  beachtenswert  geschildert. 

40* 


Index  rerum. 


Aarthal,  s.  ausgr. 

Academie  in  Bei'lin,  175. 

— ,  Orient,  in  Wien,  269. 

Adler,  s.  archaeol. 

Aeschylus  und  Sophocles  v.  A.  Bor- 
schke  24. 

— ,    Cod.  Laur.  von  R.  Merkel  25. 

cf.  0.  Hense. 

Agesilaus,  s.  gr.  gesch. 

Ahrweiler,  s.  ausgr. 

Alexandropol,  s.  ausgr. 

Alterthümer ,  gr.  Gilbert,  0.,  Fest- 
zeit der  Dionysien  372. 

—  röm.Boor,  O.v.,  fastiCensor.  511. 
Härtung,  auxiliartruppen  a.  Rhein 
411.  Härtung,  C. ,  de  Cic.  proc. 
Cilic.  517.  Hassencamp,  R. ,  de 
cohort.  aux.  411.  Herrlich,  S., 
de  aerar.  et  fisc.  213.  Jörgen- 
sen,  J.  P. ,  de  munic.  et  colon. 
213.  Müller,  A.,  ausrüst.  des  hee- 
res412.  Cf.  ausserdem  archaeol. 
u.  ausgr. 

Angermann,  C,  s.  gr.  gramm. 

Annalistik,  röm.,  s.  r.  gesch. 

Antigoneaufführ.  in  München  269. 

Antioch.  v.  Syrac.  u.  Coel.  Antip. 
von  Ed.  Wölfflin  36. 

Appian,  quellen,  123. 

Archaeologie.  Archaeol.  artistica 
(Zeitschr.)  63.  Adler,  Nike  mit 
binde  219;  terracottabüsten  219. 
Benndorf,  metopen  von  Sei.  382. 
Beule,  feuilles  et  decouv.  222. 
Bursian,  C,  de  temp.  quo  templ. 
Jov.  Ol.  cond.  sit  163.  Conze, 
A.,  röm.  bildwerke  in  Oestr.  562 ; 
reise  nach  Samothr.  171.  270. 
383.  Cuvtius,  E.,  reliefe  von 
Smyrna  83 ;  statue  des  Klaud. 
Kaikinas  von  Kyzikus  63;  thon- 
gem.    aus    Caere    220;    Amor    in 


bronze  220.  Dilthey,  Ap.  und 
Daphne  63.  Doell,  J.,  Sammlung 
Cesuole  270.  Donaldson,  photogr. 
des  Diana-tempels  zu  Eph.  63. 
Dumont,  inscr.  ceram.  270.  Eg- 
ger, rapport  de  1'  ec.  d'  Ath.  219. 
Engelmann,  laokoonrel.  64 ;  Nea- 
pler  mosaik  47 1 ;  Neapler  relief 
(Dionys.,  Herakl.,  Heph.)  382; 
Hygieia  auf  mosaik  in  Rom  270. 
Foucart,  P.,  senatuscons.  v.  Thisbe 
63.  Gebhard,  W.,  Polygnots  ge- 
mälde  in  Delphi  63.  164.  Gurlitt, 
W.,  u.  Ziller,  E.,  Theseion  172. 
Hertz,  M.,  Verdienste  des  preuss. 
königspaares  um  die  erforsch,  des 
cl.  bodens  260.  Heydemann,  H., 
rasender  Lyk.  174;  musee  de  Ra- 
vestein  173.  219;  schild  des  Sci- 
pio219;  lekythos  in  Bologna  173. 
Hirschfeld,  G.,  Atheua  und  Mar- 
syas  259;  entdeck,  in  Athen  219. 
Humann,  C,  stadtpl.  v.  Philadel- 
phia 219.  Jaequemart,  A. ,  hist. 
de  la  ceram.  170.  Manitius ,  C, 
de  ant.  Nept.  fig.  704.  Perva- 
noglu,  Familienmahl  auf  grabstei- 
nen  63.  Philippi,  A.,  röm.  tri- 
umphalrel.  173.  Prachtwerk  über 
Kleinasien  v.  Perrot  etc.  172. 
Rhosopulos,  künstlerinschr.  172. 
Sallet,  V.,  Dürerscher  kupferstich 
mit  Herakl.  174.  Schrader ,  F., 
assyr.-babyl.  keilinschr.  119.  Sol- 
let, vase  mit  darst.  e.  schule  471. 
Stark,  B.,  reisebriefe  172.  Struve, 
C,  zum  eleus.  bilderkr.  214.  Tren- 
delenburg, erotenfiies  270.  Vas 
Pisticcianum  572.  Weil.  Ajax  auf 
münzen  382.  Wolf,  G.,  künstler- 
name  bei  Psellos;  fälschungcn  bei 
dems.    173.      Cf.   ausserdem    Nu- 


Nr.  12. 


Index  rerum. 


627 


mism. ,  inschr. ,  Seligenstadt  und 
Siebenbürgen. 

Archaeol.  gesellsch.,  171.  219.  270. 
382.  471. 

Archaeol.  inst.,  125.  316. 

Aristonicus,  fil.  Eumenis  573. 

Aristophanes.  Bonstedt,  quaest.  A. 
532.  Brentano,  E.,  A.  u.  Aristot. 
661.  Castellani,  C.,  Plutus  443. 
Haupt,  M.,  zu  den  Ach.  325. 
Leo,  F.,  quaest.  (Ach.)  533. 

Aristoteles.  Eucken,  R  ,  meth.  der 
ar.  Forsch.  339.  Hayduck,  M., 
bemerk,  zu  den  phys.  u.  observ. 
crit.  680.  Hertling  ,  G.  v.,  mat., 
form,  und  defin.  der  seele  684. 
Kampe,  F.,  erkenntnisslehre  683. 
Krohn,  A.,  zur  Kritik  676.  Vah- 
len,  J.,  aufsätze  673. 

Arminiusdenkmal  (inschr.)  270.318. 

Arricia,  s.  ausgr. 

Aschaffenburg,  lehrervers.  471. 

Asconius.  Kiessling,  A.,  decod.Pist. 
257. 

Assyr.  schreibtafel  im  brit.  m.  125. 

Athen  s.  ausgr. 

Attrock,  quellen  620. 

Ausgrabungen  und  Funde.  Aarthal, 
röm.  alterth.  125.  Ahrweiler,  thon- 
und  glasgefässe  170.  Alexandro- 
pol,  tempelruinen  575.  Arricia, 
vasen  175.  Athen,  Asclep.  u.  Hy- 
gieia  174.  Bonn,  röm.  gräbst. 
479.  Eggenbilsen,  etr.  gold- 
schmuck u.  erzgefässe  63.  Egyp- 
ten  (Ebers)  174.  Am  Eye  in  Engl, 
grabmäler  620.  Hanau  172.  Hed- 
denheim,  r.  gräber  619.  Iris  auf 
Creta,  Venus  269.  Kertsch  479. 
Lenzburg,  röm.  niederlass.  429. 
Mainz,  gräber  317.  Milet  (Ravet) 
63.  Mittelbuchen,  skelette  ,  Waf- 
fen 429.  Mühlheim,  r.  gräber. 
Oberdannenburg ,  r.  steindenkm. 
473.  Odessa,  skelette  479.  Pom- 
peji ,  skelette ,  statuen  269.  Re- 
gensburg, 382.  Rom,  terrae.  479  ; 
agg.  Serv.  316;  grab  in  der  Villa 
Casali  172 ;  Sarkophag  383 ;  for. 
r.  64.  Schlesien,  Jup.  v.  bronze 
333.  Stazzona,  r.  gräbst.  171. 
Sternberger  See  (Zittel),  pfahlbau- 
ten222.  Strassburg,  hünengr.317. 
Troja  (Schliem.),  125.  170.  218. 
383.  473.  527.  Wood's  ausgr.  270. 

Bacmeister,  A.,  s.  Horaz. 

Baiern,  s.  Quitzmaun. 


Bake  620. 

Baker  527. 

Bauer,  W.,  s.  Eurip. 

Beatus  Rhen.  v.  A.  v.  Horawitz  171. 

Beck,  C,  s.  Thukyd. 

Bell.  Afr.,  behand.  v.  F.  Fröhlich 
180. 

Benfey,  Th.,  s.  1.  gramm. 

Benicken,  H.  K.,  s.  Homer. 

Benndorf,  O.,  s.  archaeol.  u.  Sieben- 
bürgen. 

Bergk,  Th.,  s.  litteraturgesch.  und 
inschr. 

Berliner  museum,  s.  Spiegelthal. 

Beule,  s.  archaeol. 

Bindseil,  s.  Lucr. 

Blaydes,  F.,  s.  Soph. 

Boetius  übers,  v.  O.  Paul  278. 

Boettcher,  H.,  s.  Cass.  Dio. 

Bonn.  s.  ausgr. 

Bonneil,  jubil.,  473.  576. 

Bonstedt,  A.,  s.  Aristoph. 

Boor,  0.  v.,  s.  r.  alterth. 

Borbstädt,  \  A.,  429. 

Borschke,  A.,  s.  Aesch. 

Brentano,  E.,  s.  Aristoph. 

Brit.  mus.,  catal.  der  mss.  175. 

Bursian,  C,  s.  archaeol. 

Buttmann,  A.,  s.  gr.  gesch.  u.  geogr. 

Caesar  ed.  F.  Krahner,  bes.  v.  F. 
Hofmann   481.      Wutke ,    quaest. 

486.  Ebeling,  H.,  schulwörterb. 

487.  Rheinüberg.  265. 
Cassius  Dio,  quellen,  v.  H.  Böttcher 

446. 

Castellani,  C,  s.  Aristoph. 

Centerwall,  J.,  s.  Spartian. 

Cicero.  M.  T.,  Meissner,  C,  disput. 
Tusc.  556.  Osenbrueggen ,  E.  u. 
Wirz,  H.,  pro  Mil.  702.  Richter, 
F.,  pr.  Marc,  Dej.,  div.  in  Caec. 
112;  pr.  Arch.  116.  Sommerbrodt, 
J.,  redner  übers.  107.  Vahlen,  J., 
de  leg.  104.  Wesenberg,  A.  S., 
epist.  159.  Wrampelmeyer ,  H., 
cod.  Helmstadt.   111. 

—  Q.,  Comment.  pet.  em.  A.  Eus3- 
ner  498. 

Claudian.  Vogt,  E. ,  pol.  bestr.  Sti- 
licho's  151. 

Coelius  Ant.,  s.  Antioch. 

Comoi'dia,  nova  att.,  573. 

Comparetti,  D.,  s.  Vergib 

Constauz,  versamml.  des  Vereins  für 
gesch.  d.  bodensees  527. 

Conze,  A.,  s.  archaeol. 

Culmann,  F.  W.,  s.  gramm. 


628 


Index  rerum. 


Nr.  12. 


Curtius,  E.,  s.  archaeol. 
—  ,  G.,  s.  gramm. 
Darnmann,  s.  Plaut. 
Dederich,  A.,  s.  r.  gesch. 
Demosthenes,  Hoffmann,  P.,  de  D. 

Isaei  disc.  350.     Schwarze,  G.  A. 

C,  or.  Ttam  Jiövvßod.  351. 
Dictys  Cret.  ed.  F.  Meister  364. 553. 
Dieck,  F.,  s.  Sallust. 
Dilthey,  s.  archaeol. 
Dinter,   miscellen  (grat.  f.  Dietsch) 

395. 
Dionys  v.  H.  ed.  A.  Kiessling  265. 

Roessler,    C.  Th.,    script.    rhet. 

fragm.  353. 
Dionysien,  s.  gr.  alterth. 
Doell,  s.  archaeol. 
Donaldson,  s.  archaeol. 
Präger,  A.,  s.  lat.  gramm. 
Dressler,  s.  Ephorus. 
Drusus,  s.  r.  gesch. 
Dübi,  H.,  s.  Sallust. 
Dumont,  s.  arch.  u.  inschr. 
Dunger,  H.,  die  sage  v.  troj.  Krieg 

im  mittelalter  569. 
Ebeling,  H.,  s.  Caesar. 
Ebers,  s.  Egypten. 
Eckstein,  A.,  s.  Lübker. 
Eggenbilsen,  s.  ausgr. 
Egger,  s.  archaeol. 
Egypten,  s.  ausgr. 
Ellendt,  J.,  s.  Homer. 
Ellison,  A.,  f  170. 
Engelmann,  s.  archaeol. 
Ennii  Scipio  v.  Th.  Roeper  53. 
Ephori  fragm.  v.  Dressler  665. 
Eratosthenes.    Hiller,  E.,  carm.  rel. 

287.    Mendelssohn,  L.,  quaest. 71. 
EwiQiZai,  573. 
Etruskische  spr.,  Schlüssel  dazu,  619. 

Inschr.  erkl.  v.  AI.  Earl  of  Craw- 

ford  and  Balcarres  69. 
Eucken,  E.,  s.  Aristot. 
Euripides.    Bauer,  W.,  Iph.T.  656; 

krit.  beitr.   dazu  656.     Walberg, 

C.  A.,  Electra  440. 
Eussner,  A.,  e.  Q.  Cicero. 
Eutrop  und  Paul.  Diac.  v.  W.  Har- 

tel  550. 
Eye,  s.  ausgr. 

Ferrucci,  s.  Arminius-denkm. 
Festus,  s.  Rufus. 
Foerster,  W.,  s.  Rufus. 
Foucart,  P.,  s.  archaeol. 
Fox,  münzsamml.  575. 
Frankfurt,  lehrervers.  526. 
Frauenstudium  in  Zürich  383. 


Frick,  C,  s.  gr.  gesch. 

Friese,  E.,  s.  Pindar. 

Fröhlich,  F.,  s.  bell.  Afric 

Fröhner,  W.,  s.  numism. 

Frohberger,  H.,  s.  Lysias. 

Fulgentius.  Jungmann,  E.,  quaest. 
610;  conject.  614. 

Gebhard,  W.,  s.  archaeol. 

Gelehrten vers.  in  Ital.  575. 

Genthe,  H.,  s.  a.  gesch. 

Geographie.  Buttmann,  A.,  geogr. 
v.  Griech.  416.  Kiepert,  H.,  atl. 
v.  Gr.  507.  Volkmann,  D.,  itin. 
Alex.  156.  Wuttke ,  gesch.  der 
geogr.  im  mittelalter  565. 

Geppert,  E.  C,  s.  Plaut. 

Gerth,  B.,  s.  gr.  gramm. 

Geschichte,  alte.  Genthe,  H.,  etrusk. 
tauschhandel  398.  Henkel,  H., 
gr.  lehre  v.  staat  201.  Stacke, 
erzähl,  aus  d.  alt.  gesch.  469. 

— ,  gr.  Buttmann,  A.,  Agesil.  399. 
Gilbert,  G.,  altspart,  gesch.  205. 
Frick,  C,  ephoren  308. 

— ,  röm.  Dederich,  A.,  feldzüge  des 
Drusus  u.  Tib.  406.  Hertzberg, 
G.,  feldz.  der  R.  in  Deutschi,  un- 
ter Aug.  u.  Tib.  310.  Ihne,  W., 
r.  gesch.  211.  Matscheg,  A.,  Cae- 
sar u.  seine  zeit  557.  Modestow, 
gebr.  der  schrift  unter  den  köni- 
gen  201.  Nitzsch,  K. ,  annalistik 
117.  Pfitzner,  geburtsj.  Chr.  212. 
Schiller,  H.,  gesch.  des  r.  kaiserr. 
unter  Nero  402. 

Giese,  P.,  s.  Martial. 

Gilbert,  G.,  s.  gr.  gesch. 

— ,  O.,  s.  gr.  alterth. 

rkavxuims  125. 

Goethe's  nachlass  222. 

Goodwin,  s.  Thukyd. 

Gossner,  hundertster  geburtst.  619. 

Gossrau,  W.,  s.  1.  gramm. 

Grammatik,  allgem.  Culmann,  W., 
aspirat.  225;  Zahlwörter  225 ;  spir. 
asper  225.  Curtius,  G.,  Studien  1. 
130.  183.  Raspe,  G.  E.,  kleinig- 
keiten  186.  Vergl.  gramm.  auf 
schulen  617. 

— ,  gr.  Angermann,  E.,  dissimil.  645. 
Curtius,  G.,  u.  Gerth,  B.,  gramm. 
648.  Curtius,  G.,  gr.  verb.  641. 
Kühner,  R.,  ausf.  gramm.  65.  Mül- 
ler und  Lattmann ,  gramm.  132. 
Schnorbusch  u.  Scherer,  gramm. 
67.    Wentzel,  fjialkov  tj  ov  4. 

—  ,  lat.    Benfey  ,  Th. ,  jubeo.  274 


Nr.  12. 


Index  rerum. 


629 


Dräger,  A.,  bist.  synt.  227.  Goss- 
rau ,  W. ,  gramm.  434.  Hintner, 
V.,  wörterb.  für  etym.  529.  Mül- 
ler und  Lattmann,  gramm.  189; 
kurzgef.  gramm.  189.  Schmitt- 
Blank,  J.C.,  parallelgr.6.  Schultz, 
F.,  Sprachlehre  6.  Winkler,  in- 
dic.  u.  conj.  in  nebensätzen  69. 

Grammatici  latini.     Keil,  H.,  de  M. 

Plot.  Sac.  de  metr.  369. 
Grotefend,  C.  L.,  s.  numism. 

Groth,  H.,  s.  Tibull. 

Güstrow,  lehrervers.  428. 

Haake,  A.,  s.  Homer. 

Hanau,  s.  ausgr. 

Harmonik,  gr.,  Übersicht  v.  C.  Lang 
133. 

Hartel,  W.,  s.  Eutrop. 

Härtung,  s.  r.  alterth. 

Hassencamp,  R.,  s.  r.  alterth. 

Haupt.  M.,  s.  Aristoph. 

Hayduck,  M.,  s.  Aristot. 

Heddenheim,  s.  ausgr. 

Heinze,  M.,  s.  philos. 

— ,  H.,  s.  Plutarch. 

Helsingfors,  weibl.  Lehranst.  429. 

Henkel,  H.,  s.  a.  gesch. 

Hense,  0.,  s.  Stobaeus. 

—  ,  0.,  krit.  blätter  246. 

Hercher,  R.,  s.  Plutarch. 

Herrlich,  S.,  s.  röm.  alterth. 

Hertling,  G.  v.,  s.  Aristot. 

Hertz,  M.,  s.  archaeol. 

Hertzberg,  G.,  s.  röm.  gesch. 

Heydemann,  H.,  s.  archaeol. 

Hidder,  zur  gesch.  der  schrift  527. 

Hieronymus  quos  noverit  script.  v. 
E.  Lübeck  497. 

Hildesheim,  silberfund  175. 

Hiller,  E.,  s.  Eratosth. 

Hintner,  V.,  s.  lat.  gramm. 

Hirschfeld,  G.,  s.  archaeol. 

Histor.  lat.  rel.  ed.  H.  Peter  55. 

Hoffmann,  P.,  s.  Demosth. 

Hoffmeister,  s.  Lysias. 

Hofmann,  F.,  s.  Caesar. 

Homer.  Name  und  existenz  617. 
Benicken,  H.  K. ,  11.  lied  vom 
zorne  des  Ach.  14;  5.  lied  243. 
Ellendt,  J.  E.,  parallelstellen  zu 
II.  I  283.  Haake,  A.,  besitz  und 
werth  bei  Hom.  20.  Knös,  Vil., 
digamma435.  Ludwich,  A.,  schob 
ad  Od.  XIII.  12.  Schneider  ,  F., 
urspr.  der  h.  gedichte  439.  Sor- 
genfrey, Th. ,  de  vest.  jur  gent. 
hom.  15. 


Hom.  hymn.  in  Cer. ,  quaest.  v.  0. 
Gutsche  244. 

Homoioteleuton  217. 

Hopf,  K.,  s.  monatsblätter. 
Horaz.     Ed.   princ.    314.     Bacmei- 
ster,  A.,  öden  übers.  466.     Ueber 
den  Hör.  von  Lehrs  617.     Unger, 
R.,  emend.  464. 

Hünnekes,  s.  Thukyd. 

Hüttemann,  F.,  s.  mythol. 

Hug,  s.  Plato. 

Humann,  C.,  s.  archaeol. 

Ihne,  W.,  s.  röm.  gesch. 

Inschriften,  Bergk,  Th.,  mon.  An- 
cyr.  385.  Dumont,  inscr.  ceram. 
270.  Rhosopulos,  künstlerinschr. 
172.  Schrader,  F.,  assyr.-babyl. 
keiiinsehr.  219.  Smith,  G.,  assyr. 
inschr.  316.  Inschr.  beiRegensb. 
gef.  382. 

Iris  in  Creta,  s.  ausgr. 

Isaeus,  s.  Demosth. 

Isocrates  122. 

Itala,  fragmente  in  der  Laur.  478. 

Iacquemart,  A.,  s.  archaeol. 

Iahnel,  J.,  s.  gr.  philos- 

Iessen,  J.,  s.  Lucrez. 

Iörgensen,  J.  P.,  s.  röm.  alterth. 

Iuba  s.  Appian. 

Iungmann,  E.,  s.  Fulgent. 

lustin.  Rühl,  F.,  textquellen  98. 
cf.  266. 

Iuvenal,  3.  sat.  übers,  v.  H.  Schmau- 
ser 359. 

Kampe,  F.,  s.  Aristot. 

Kaut,  K.,  s.  Plin. 

Keil,  H.,  s.  gramm.  lat. 

Kertsch,  s.  ausgr. 

Kiepert,  H.,  s.  geogr. 

Kiessling,  A. ,  s.  Ascon.  u.  Dion.  v. 
Hai. 

Klosterbibliotheken  in  Ital.  316. 

Knös,  W.,  s.  Homer. 

Koch,  H.  A.,  s.  Plaut. 

Königswerthersche  Studienstiftung 
270. 

Konstantinopel,  gr.  syllog.  527.  Ire- 
nemus. 619. 

Krahner,  F.,  s.  Caesar. 

Kritik,  s.  Hense,  Madvig,  Volkmann. 

Krohn,  A.,  s.  Aristot. 

Kühner,  R.,  s.  gr.  gramm. 

Lang,  C.,  s.  harmonik. 

Latiner,  anthrop.  charakter  dersel- 
ben von  Niccolucci  126. 

Lattmann,  s.  gr.  u.  lat.  gramm. 

Lehrs,  K.,  Jubilaeum  220.  221. 


630 


Index  rerum. 


Nr.  12. 


Lenzburg,  s.  ausgr. 

Leo,  F.,  s.  Aristoph. 

Lettich,  biblioth.  desselben  380. 

Lewes,  Gr.  H.,  s.  philos. 

Litteraturgesch.  gr.,  v.Th.Bergk  651. 

Livingstone  170. 

Livius.  Lorenz,  dativ  bei  L.  94. 
Lübbert,  E.,  quellen  d.  IV.  bu- 
ches  492.  Pöble,  R.,  pugn.  ap. 
Treb.  152. 

Loch.  s.  Plaut. 

Löhbach,  A.,  s.  Valer.  Flacc. 

Lorenz,  s.  Liv. 

Lucilius  ed.  L.  Müller  254. 

Lucretius.  Bindseil ,  abhandl.  545. 
Jessen,  J. ,  verbältn.  zu  Catull  u. 
spätem  300. 

Lübbert,  E.,  s.  Liv. 

Lübeck,  E.,  s.  Hieronymus. 

Lübker,  reallex.  bes.  s.  Eckstein  266. 

Ludwich,  A.,  s.  Homer. 

Lysias.  Frohberger,  EL,  ausgew.  re- 
den 452.  Müller,  P.  R.,  rede  ge- 
gen Evander  348.  Schoell,  R., 
quaest.  fisc.  exLys.  or. illust. 457. 

Macchiavelli,  ausg.,  314. 

Madvig,  N.,  advers.  578. 

Mainz,  s.  ausgr. 

Manitius,  C,  s.  archaeol. 

Marezoll,  L.  Th.,  f  175. 

Marius  Plot.,  s.  grammatici  lat. 

Martial.  Giese,  P.,  de  pers.  mul.304. 

Matscheg,  A.,  s.  röm.  gesch. 

Meissner,  s.  Cic. 

Meister,  F.,  s.  Dictys. 

Mendelssohn,  L.,  s.  Eratosth. 

Merkel,  R.,  s.  Aesch. 

Metrik.  Schmidt,  H.,  leitfaden  23 1  ; 
gr.  metr.  236.  Vogelmann ,  A., 
metr.  u.  rhytm.  Schlüsse  241. 

Meyer ,  W. ,  s.  Publ.  Syr. 

Milet,  s.  ausgr. 

Mittelbuchen,  s.  ausgr. 

Modestow,  s.  röm.  gesch. 

Monatsblätter  ed.  O.  Hopf  und  0. 
Schade  218. 

Mühlheim,  s.  ausgr. 

Müller,  A.,  röm.  alterth. 

— ,  H.  J.,  s.  gr.  u.  lat.  gramm. 

— ,  L.,  s.  Lucilius. 

— ,  M.,  das  griech.  auf  schulen  316. 

— ,  P.  R.,  s.  Lysias. 

Museum,  neues  Schweiz.  267. 

Muraz,  s.  ausgr. 

Mythologie  v.  Preller  bes.  v.E.  Plew. 
63.  Hüttemann,  F.,  poesie  der 
Orestes-sage  199.     Philos.  der  gr. 


mythol.  470.     Weniger,    L. ,  rel. 
seite  der  pythien  197. 

Nauck,  A.,  s.  Soph. 

Nilbilder  v.  E.  Werner  63. 

Niccolucci,  s.  Latiner. 

Nietzsche,  F.,  s.  tragödie. 

Nitsche,  H.,  s.  Xenoph. 

Nitzsch,  K.,  s.  röm.  gesch. 

Nonnus,  Tiedke,  H.,  quaest.  224. 

Numismatik.  Catalogue  de  med. 
du  Bosph.  Cimm.  262.  Grote- 
fend,  C.  L.,  chron.  anord.  d.  a. 
silbermünzen  261.  Fröhner,  W., 
le  crocod.  de  Nimes  216.  Vergl. 
ausserdem  Fox. 

Oberdannenburg,  s.  ausgr. 

Octavia,  praetexta,  572. 

Odessa,  s.  ausgr. 

Orestessage,  s.  mythol. 

Orphici.  Schuster,  P.,  de  vet.  Orph. 
theogon.  21. 

Osenbrüggen,  E.,  s.  Cic. 

Ovid.  Peter,  H.,  fasti266.  Tippeis- 
kirch, W.  v.,  übers.  548. 

Paedagogik.  Schmid,  K.  A.,  Haus- 
aufgaben 171. 

Paul,  O.,  s.  Boetius. 

Perrot,  s.  archaeol. 

Pervanoglu,  s.  archaeol. 

Peter,   H. ,    s.  Ovid  u.  historici  lat 

Pfahlbauten  620. 

Pfitzner,  s.  r.  gesch. 

Philosophie.  Heinze,  M.,  lehre  vom 
logos  81.  Jahnel,  J.,  begriff  des 
gewissens  in  der  gr.  philos.  541. 
Lewes,  G.  H.,  gesch.  der  a.  phi- 
los.420.  Rechenberg,  C.  M.,  got- 
tesbegriff  in  der  gr.  philos.  346. 

Pietrafzewsky,  Wittwe  dess.  528. 

Pisistratus  617. 

Plato.  Hug,  A. ,  aviopcaoi,  cT  «ya- 
&oi  etc.  620.  Schneider,  G.,  das 
mater.princ.  der  plat.metaph.334. 
Steger,  J.,  Studien  79.  Wohlrab, 
M.,  quid  PI.  de  animae  mund. 
elem.  doc.  670 ;   Eutyphron  668. 

Plautus.  Darnmann,  observ.  354. 
Geppert,  C.  E.,  Studien  89.  Koch, 
H.A.,  emendat. 250.  Loch,  gebr. 
des  imperat.  992.  Vergl.  auch 
Terenz. 

Plew,  E.,  mythol. 

Plinius  (d.  jung.)  Kaut,  K. ,  syntax 
u.  stil  505. 

Plutarch.  Heinze,  M.,  untersuch.  535. 

—  Horcher,  R.,  moral.  328. 

Pohle,  R.,  s.  Liv. 


Nr.   12. 


Iudex  rerum. 


631 


Pompeji,  s.  ausgr. 

Pomponia  Graecina  v.  C.  Wandin- 
ger  702. 

Preller,  s.  mythol. 

Properz.    Voigt,  R.,  de  IV  libr.  357. 

Publ.  Syr.  Sentenzsamml.  v.  W. 
Meyer  91. 

Pythien,  s.  mythol. 

Quitzmann,  älteste  gesch.Baierns619. 

Raspe,  G.  E.  IL,  s.  allg.  gramm. 

Räumer  f  429. 

Rechenberg,  C.  M.,  s.  philos. 

Regensburg,   s.  ausgr.  u.  inschr. 

Rhetorik  der  Gr.  u.  R.  v.  R.  Volk- 
mann 321. 

Rhosopulos,  s.  archaeol.    u.  inschr. 

Ribbing,  S.,  s.  Socrates. 

Richter,  F.,  s.  Cicero. 

—  ,    J. ,    UltramoDtanocommunisten 
425. 

Ritter,  F.,  s.  Soph. 

Roeper,  Th.,  s.  Ennius. 

Roessler,  Th.,  s.  Dioriys. 

Rohlfs  430.  575. 

Rom,  s.  ausgr. 

Rosseische  artefaktensamml.  267. 

Rudorff,  A.,  t  174. 

Rühl,  E.,  s.  Justin. 

Rufus.  Förster,  W. ,  de  R.  brev. 
ejusque  cod.  99. 

Russ.  seminar  in  Leipzig  620. 

Sallet,  s.  archaeol. 

Sallustius.  Dieck,  Codices  361.  695. 
Dolega,  de  S.  imit.  Thucyd.,  De- 
mosth. ,  etc.  306.  Dübi,  H.,  de 
fontibus  488.  Sissa,  L.,  hand- 
schr.  489. 

Samothrace,  s.  Conze. 

Schade,  0.,  s.  monatsblätter. 

Schenkl,  C.,  s.  Val.  Face. 

Scherer,  J.,  s.  gr.  gramm. 

Schiller,  IL,  s.  r.  gesch. 

Schlesien,  s.  ausgr. 

Schliemann,  s.  ausgr. 

Schmauser,  H.,  s.  Juvenal. 

Schmid,  K.  A.,  s.  Paedag. 

Schmidt,  F.,  s    Terenz. 

— ,  H.,  s.  metrik. 

Schmitt-Blank,  J.C.,  s.  lat.  gramm. 

Schneider,  s.  Tibull. 

—  .  G.,  s.  Plato. 

—  ,  F.,  s.  Homer. 
Schnorbusch,  s.  lat.  gramm. 
Schoell,  R.,  s.  Lysias. 
Schoemann,  jubil.  429. 
Schöntag,  F.,  s.  Tacit. 
Schrader,  s.  inschr.  u.  archaeol. 


Schubring,  s.  archaeol. 

Schulconferenz  in  Berlin  575. 

Schulgesetzsamml.  172. 

Schultz,  F.,  s.  lat.  gramm. 

Schuster,  P.,  s.  Orphici. 

Schwarze,  G.  A.  C.,  s.  Demosth. 

Schweizer  gymnasialwesen,  publica- 
tionen  257. 

Seligenstadt,  Votivaltar,  269. 

Seligmann,  S.,  s.  Sophocl. 

Setzerstrike  127.  314.  381. 

Siebenbürgen.  Benndorf,0.,reise479. 

Sirker,  C,  s.  Tacit. 

Sissa,  L.,  s.  Sallust. 

Smith,  s.  inschr. 

Socrates,  Rilbing,  S.,  studien  75. 

Sollet,  s.  archaeol. 

Sommerbrodt,  J.,  s.  Cic. 

Sophokles.  Blaydes,  F.,  Trach.  290. 
Nauck,  A.,  Ajax  248.  Seligmann, 
L.,  beitr.  zur  Antig.  295.  Ritter, 
F.,  Oedipus  28.  Westermayer,  A., 
(Electra)  35.     Vergl.  Aesch. 

Sorgenfrey,  Th.,  s.  Homer. 

Spanier,  verlagsbericht  314. 

Spartiani  vita  Hadr.  ed.  J.  Center- 
wall  493. 

Spiegelthal ,  geschenk  an  das  Ber- 
liner mus.  575. 

Stacke,  s.  alte  gesch. 

Stark,  B.,  s.  archaeol. 

Stazzona,  s.  ausgr. 

Steger,  J.,  s.  Plato. 

Steffen,  C.,  s.  Terenz. 

Sternberger  see,  s.  ausgr. 

Steup,  J.,  s.  Thucyd. 

Stobaeus.  Lect.  Stob.  v.  0.  Hense390. 

Strassburg,  s.  ausgr.  Univ.  318  ;  rec- 
toratswechsel  62;  biblioth.  171. 

Struve,  C.,  s.  archaeol. 

Syra,  s.  ausgr. 

Tacitus.  Schöntag,  F.,  beitr.  97. 
Sirker,  C.,  formenlehre  153.  Cf. 
auch  265. 

Terentius.  Schmidt,  F.,  schauspieler- 
zahl bei  PL  u.  Ter.  460.  Steffen, 
C.,  de  actorum  num.460.  Cf.  auch 
572. 

Thisbe,  s.  archaeol.  (Foucart). 

Thukydides.  Beck,  C,  reden  u.  Ur- 
kunden übers.  39.  Goodwin,  beitr. 
39.  Hünnekes,  beitr.  39.  Steup, 
«L,  abschl.  des  fünfzigjähr.  ;frie- 
dens  39. 

Tiberius,  s.  röm.  gesch. 

Tibullus.  Groth,  quaest.546.  Schnei- 


632 


Index  rerum. 


Nr.  12. 


der ,  de  vers.  ord.  mut.  in  duob. 

carm.  355. 
Tieck  383. 

Tiedke,  H.,  s.  Homer. 
Timur,  biblioth.  575. 
Tippeiskirch,  W.  v.,  s.  Ovid. 
Tragoedie,  gr.,  v.  F.  Nietzsche  134. 
Trendelenburg,  s.  archaeol. 
Trier,  Dom,  s.  Wilmowsky. 
Troja,   erforsch,    der   gräber,   269. 

Vergl.  ausgr. 
Ubiorum  ara  265. 
Unger,  R.,  s.  Horaz. 
Universitätsangelegenheiten  472. 
Vahlen,  J.,  s.  Cic.  u.  Aristot. 
Valerius  Flaccus  ed.  C.  Schenkl  144. 

Idem,  Studien  144.     Löhbach,  A., 

studien!78.  Abfass.der  Argon.313. 
Vergil   im   mittelalter    v.   D.  Com- 

paretti  376. 
Versammlungen ,    s.   Aschaffenburg, 

Constanz,    Frankfurt,    Güstrow; 

ferner  gelehrten versamml.,  schul- 

conferenz. 
Vogelmann,  A.,  s.  metrik. 
Vogt,  E.,  s.  Claudian. 
Voigt,  R.,  s.  Properz. 


Volkmann,  R. ,   observ.  misc.  391; 

cf.  rhetorik. 
— ,  D.,  s.  geogr. 
Voss,  grab  desselben,  270. 
Walberg,  C.  A.,  s.  Eurip. 
Wandinger,  C,  s.  Pompon.  Graec. 
Weil,  s.  archaeol. 
Weniger,  L..  s.  mythol. 
Wentzel,  s.  gr.  gramm. 
Werner,  E.,  s.  Nilbilder. 
Wesenberg,  A.  S.,  s.  Cic. 
Westermayer,  A.,  s.  Soph. 
Wilmowsky,  d.  dorn  zu  Trier,  266. 
Winkler,  s.  1.  gramm. 
Wirz,  H.,  s.  Cic. 
Woelfflin,  E.,  s.  Antioch. 
Wohlrab,  M.,  s.  Plato. 
Wolf,  G.,  s.  archaeol. 
Wood,  s.  ausgr. 

Wrampelmeyer,  H.,  s.  Cic. 
Wutke,  8.  Caes. 
Wuttke,  H.,  s.  geogr. 
Xenophon.    Nitsche.H.,  abfass.  der 

hell.  139. 
Zell,  K.,  f  171. 
Zittel  cf.  ausgr.  (Sternberger  see). 


Index  locorum. 


Aesch.  Ag.  125.  28 

1287  ff.  216 

1514.  1628.  1632  27 

—  Choeph.  23.  35.  42.  57  ff. 

61  ff.  247 

230.  239  248 

773  28 

—  Pers.  168.  316.  465.  731.  778. 

805.  893  26 
922  28 

—  Prom.  726.  791  26 
49  28 

—  Sept.  10  617 
25  28 

—  Suppl.  735  28 
Alciphr.  II,  3  375 
Alcm.  fr.  45  242 
Anal,  gramm.  (Wien,  ausg.)  Claud. 

Sac.  I  §  101  370 

Andoc.  I,  38  572 

Apoll.  Rhod.  I,  76  392 

Appian.  I,  1  —  37  123 

—  Celt.  18  181 


Apul.  Apol.  4  393 

Aristid.  (Dind.)  or.  IV,  tom.  1 

p.  47  u.  49  394 
Aristod.  (Wescher)  p.  355,  19     393 

Aristoph.  Ach.  203  328 

234  326 

242.  245  328 

244—46.  275  328 

920  f.  572 

—  —  1023  239 

—  Eccl.  890—92  237 

—  Plut.  50  443 

69  445 

98  444 

136  445 

404  444 

445.  583.  556  445 

—  —  637  444 

737  444 

1005.  1078.  1082  445 

—  Thesm.  101—129  237 

—  Vesp.  36.  162.  342.  1178      572 
Aristot.  Anal.  post.  I,  5,  74a, 


Nr.  12. 


Index  locorum. 


633 


16 f.;  c.  10,  76b,  33;  II, 
3,  91a,  7;  8;  9;  c.  17, 
99b,  2;  c  31,  181b,  39f.,  681 

—  Phys.III,  5,  204b,  227;  205a, 
*25;  IV,  8,  215a,  12;  c. 9, 

217a.  10 ff.;  V,  4,  228a, 
14;  18;  VI,  5,  235b,  24; 
6,  237a,  4;  236b,  32; 
8,238b,  29:  35;  9,  240a, 
16  681 

—  Pol.  V,  9,  21  205 
VII,  1              673 

—  Psych.  I,  4,  409a.  24      683 

II,  2,  414a,  10        682 

8,  420a,  7-9        683 

420a,  10  682 

10,  421b,  19         682 

—  III,  4,  429b,  23;  6,  430b, 

21;  13,  435b,  6       683 

—  Rhet.  I,  2  590 

—  Met.  IX,  1047a,  25       683 
Ascon.  (Or.)  p.  3,  7         259 

p.  6,  8  258 

»  14,  24;  19,  2;  41,  23; 

48,  11  259 

»  61,  11  258 

»  66,  3  259 

»  68,  5  258 

»  77,  16;  81,  5       259 

Bell.  Afr.  19.  20.  26.  38.  50.  88  182 
Boet.  de  mus.  I,  1  279 

I,  1,  3,  6,  9,  20,  21    281 

I,  2,  3,  5,  34         280 

Caes.B.  G.  VI,  35,  7;  VII,  56,  2  396 
Catull.  64,  45;  49  123 

Cic.  or.  p.Arch.  §§  11.  14.  32  116 

—  div  in.  Q.  Caec.  §  4.  6    115 
§  14.  20.  26         116 

—  or.  p.  Cael.  §  8         111 

»  §  11  112 

»  §  12  111 

»  §  16  112 

»  §  34  111 

»  §§  48.  52  112 

»  Dej.  §§  8.  9.  13.  16. 

23.  29  114 

»  §  34  115 

»  Lig.  §§  11.  12.  22   114 

»  Marc.  §.8.  9.  10.  12. 

23  114 

»  Mil.  §§  11.  14      703 

»  §  67  704 

—  de  Leg.  I,  8.  11.  14.  15.  19. 

23.  25.  27         105 

I,  30  104 

34  105 

35  106 


Cic. 


de  Leg.  I,  37 

—  I,  40 

42.  48 

49.  52.  54 

63 

—  H,  3 

4 

5.  6 

11 

14 

16.  22.  28 

29.  32 

37.  38 

46. 

48 

58.  59 

63.  69 

—  III,  1.  12 

14.  18 

29 

38 

39 

Orat.  3 

—  6 

—  13.  16.  20 


104 
106 
105 
106 
105 
106 
104 
106 
104 
105 
106 
105 
106 
104.  105 
105 
104 
106 
105 
104 
105 
106 
105 
108 
109 
110 


—  Tusc.1,27.  48.  50.  78.  79  f.  557 

—  Epist.  (Wesenb.)  I,  2,  4;  7, 

10;  9,  19;  111,2,2;  10, 

11  161 

III,  12,  1;  IV,  7,  6    160 

IV,  9,  4  161 

V,  7,  1  161 

7,  5  160 

13,  4.  VI,  5,  3;  17, 

1;  VII,  1,  4;  IX,  14,3; 
X,  12,2;  21,  7;  XI,  11, 
2;  XII,  15,  6;  25,  5; 
XIII,  1,  2;  6,  4;  7     161 

XIII,  11,  12         160 

24,  2;  43,  1;  61,  1; 

68,1;  71,  lff.;  XIV,  4, 
6;  19,  1;  XV,  4,  6;  14, 
3;  14;  9;  XVI,  3,  2    161 

—  ad  fam.  I,  9,  20\  .„, 
X,  24,  3/        161 

—  ad  Q.  fr.  I,  1  ;10;  40;  45; 

II,  4,  2;  5,  2  161 
Cic,  Qu.,  de  pet.  cons.  3.  4.  7. 

8.  10.  16.  23.  26.  33   162 

34  161 

34.  44  162 

Demosth.  in  Timoth.  p.  1185  5 
Dictys  (Meister.)  pp.  1,  20;  7, 

19;  11,  11;  18,  20;  22, 

7;  25,  20  554 
pp.  29,  7;  40,25;  51,  1; 


634 


Index  locorum. 


Nr.   12. 


75,  20;  89,  6;  90, 

22 

Eurip.  Iphig.  1371 

660 

102,  5;  103,  28 

556 

1424 

657 

I  cap.  17.  21.  22 

367 

1461 

660 

II,  2,  8;  6,  7;  14, 

26; 

—  fr.  245 

390 

15,  18;  17,  10 

368 

363 

246 

—  -  II,  19 

367 

585 

390 

20,  6 

368 

793 

246 

21 

367 

—  fr.  bei  Stob.  flor.  68,  12 

390 

24,  17 

368 

Eutrop.  I,  11;    II,  5,  IV,  12 

25.  26.  31 

367 

VI,  23;  24;  VII,  19;  VIII 

J 

■ 26,  23 

368 

8;  IX,  27 

551 

31 

367 

Fulgent.  I,  14 

616 

33,  27 

368 

II,  2;   13;   15 

615 

43 

367 

III,  1;  5 

616 

—>m 46,  27;  47,  6 

368 

—  Verg.  cont.  156 

616 

Epicharm.  ap.  Stob.  flor.  38,  21 

390 

164 

617 

Eratosth.  carm.  (Miller)  fr 

11 

Galen,  adhort.  ad  art.  disc.  lc 

392 

16.  18 

288 

—  de  opt.  doctr. 

392 

—  fr.  23.  27.  28 

289 

Gellius  17,  21 

579 

30 

289 

290 

Hom.  11.  I,  19;  64;  395 

216 

32 

289 

Homerschol.  Od.  XIII,  12 

12 

33 

290 

XIII,  46.  81 

13 

Eurip.  Ale.  989  (1000) 

238 

— 82.  98 

12 

—  Androm.  398.  1139 

313 

104.106.113.142.144  13 

—  Elect.  169 

442 

152 

12 

—  —  238 

441 

182.  190 

13 

335.418.  436.  448. 

538 

208 

13 

543.  566.  567.  589 

442 

214 

14 

651 

441 

222 

13 

657.  661 

442 

—  234.  244.  256 

12 

663 

441 

260.  261.  268.  250 

13 

719.  813.637.  910. 

923 

280 

14 

952.  984 

442 

308.  337.  397.  434 

13 

1002 

441 

438 

12 

—  —  1180. 1304 

442 

Hom.  Hym.  in  Cer.  15.  64 

246 

—  Iphig.  lff. 

656 

Horat.  od.  I,  2,  21  ff. 

394 

18 

659 

2,  39 

313 

31 

658 

7,  29 

393 

52.  59  f.  62 

659 

12,  23;  37 

466 

97  f. 

660 

15,  12 

466 

124 

656 

II,  8,   14 

466 

135 

659 

—  Sat.  I,  5,  87 

396 

._  —  227 

660 

—  Ep.  II,  2,  29 

396 

256 

659 

171 

579 

273  f. 

660 

—  Schob  ad  Epod.  XVII,  73 

393 

351.  352  f. 

661 

Itin.  Alex.  (Volkmann.)  c.  1  init. 

362  f.  432 

657 

c.  9;   19;  20 

'  258 

452  £f. 

661 

Juvenal.111,31;  94;  112;  278  ff 

361 

465  f.  475  f. 

659 

Lactant.    Inst.   div.   II,  3;  14 

514 

657 

16;  III,  6:  12;   14;  28 

573 

661 

IV,  14;  20;  23;  27;  28 

939 

657 

VI,  13;  VII,  3 

394 

1046 

659 

Liv.  1,  1,  8 

96 

1059.   1155 

660 

-  21,  56,  8 

153 

1181 

65!) 

—  26,  35,  4 

95 

1218.  1328 

659 

47,  1 

123 

1352 

061  ; 

—  29,  23,  2 

% 

Nr.   12. 


Index  locorum. 


636 


Liv. 

35,  11,  10 

95 

Nonnus  Dionys.  26 

244 

287 

Lucian.  Alex.  28 

394 

— 

—  31,  193 

286 

—  Ver.  Hist.  II,  25 

392 

— 

—   37,  55;  38, 

249 

287 

71. 

TrjS    TltQfyQ.    Tik. 

392 

— 

—  42,  416 

286 

Lucil 

(Müller.)  lib.  1,8; 

3,  18 

• 

— 

—  43,  1261 

—  48,  500/ 

9,  4;   14,  4;  17 

255 

— 

285 

—   — 

lib.  26,   52;    96  f 

;    85 

i 

— 

Metab.  B   102 

285 

28',  lf.;  11;  43; 

61 

256 

— 

—  J  96  f. 

286 

—  — 

lib.  29,  66;  73 ;  7 

3;  30 

i 

— 

119 

287 

23;  ine.  79;  80; 

108 

257 

— 

—  E  98;   130 

286 

Lucil. 

bei  Cic.  Tusc.  I, 

5,  10 

394 

— 

—  Z  186 

286 

Lucr. 

IV,  79 

544 

— 

—  II  19 

285 



85.  323.  334.  383 

545 

— 

—  0  147 

285 

Lys.  or.  I  §  21 

349 

— 

—  K  129 

285 

—  — 

III,  §§  4.  39 

349 

— 

—   A  220 

285 

—   — 

X,  7 

349 

— 

-   M  13 

286 

_  — 

XVI,  9 

452 

— 

163 

285 

—   — 

—  13 

453 

— 

—  P  71 

285 

—  — 

XVIII,  10 

313 

— 

—  2  32 

285 



—  14.  26 

458 

— 

115 

286 

—  — 

—  26 

459 

— 

—   T  101.  159. 

201 

286 

—  — 

XXII,  33 

349 

— 

—  ^  37 

285 

—  — 

XXVI,  1.  3.  6.  7 

348 

Pacuv.  v  127  Ribb. 

(Dulor.  fr 

—  — 

—  8 

349 

7,  2) 

572 

—  — 

—   10 

348 

Pind.  I.  1 

602 

—  — 

—  11.  13.  16.  19 

.  21 

349 

— 

—  1,  18 

599 

—  — 

XXVII,  2 

349 

459 

— 

25 

595 



XXIX,  8 

452 

— 

—  4,  34;  43 

596 

—  — 

XXX,  2 

452 

— 

56  ff. 

602 

—  — 

—   21 

453 

— 

—  5,  1—7 

596 

—  — 

XXXI,  1 

453 

— 

N  7,  46  ff. 

598 

—  — 

—  4.  6 

454 

— 

—  8,  22  ff. 

598 

—  — 

—   10 

452 

— 

—  9,  35 

598 

—  — 

—  13 

454 

— 

—   10,  48 

600 

—  — 

—  27.  37 

455 

— 

O   1,  97 

595 

Mar.  Victor,  p.  111  K. 

246 

— 

—  2,  30 

595 

Man. 

Anc.  z.  3.  5 

369 

— 

—  5,  47  ff. 

598 

—  — 

z.  6 

387 

— 

—  6,  40 

597 

—  — 

»  8 

389 

— 

—  9,  53  ff. 

602 

—  — 

»  9 

388 

— 

P  1,  36 

599 



»   12 

389 

— 

—   1,  75-80 

601 

—  — 

»  13.  14 

387 

— 

80 

595 

—  — 

»   15 

389 

— 

84 

601 

—  — 

»   18 

388. 

389 

— 

—  3,  11 

601 

—  — 

»  19 

389 

— 

—  5,  79 

595 

—   — 

»  20.  21.23.  24.  2 

5.  26. 

— 

—  9,  26-30 

600 

29.  31 

389 

— 

—   10,  37 

601 

—  — 

»  33-35 

388 

— 

—   11,  55  -58 

599 

—  — 

»  35.  38 

389 

Pir 

darschol.  Ol.  V, 

42 

393 

Nepos 

Chabr.  1 

246 

Plat.  Crat.  402  A 

22 

—  Ep 

am.  2,  2;  4,  6;  8, 

3 

230 

— 

Eutyphr.  4  B 

668 

669 

—  Milt.  5,  2 

230 

— 

—  5  B.  6  A 

669 

Nonius  p.  281 

579 

— 

—  7  B 

668 

Nonnn 

s  Dionys.  5,  193 

287 

— 

—  8  A.    9  B.  E 

.    11  B.  E. 

—   — 

7,  345 

285 

12  A.  16  A 

669 

—    — 

15,  368;  17,  311 

286 

— 

Lach.  186  B 

669 



24,  345 

285 

— 

Leg.  IV,  714  B 

205 

636 

Index  locoi 

um 

Nr. 

12. 

Plat.  Leg.  IX,  857  E 

204 

Plutarch.  Cic.  29 

392 

X,  889  E 

205 

— 

Cim.  8 

73 

—  Phaedr.  235  B.  239  A. 

247  B. 

— 

Flamin.  21 

573 

265  E 

589 

— 

Symp.  I,  1,  1;  3;  II,  1,  5 

391 

277 

590 

— 

— 

V,  3,  2;  5 

538 

397—402 

589 

— 

— 

VIII,  4,  5 ;  XIII,  1 

392 

—  Soph.  254  D 

450 

— 

Mor.  112,  12;  14;  18 

332 

—  Symp.  174  B 

606 

— 

— 

113,  15 

331 

—  Theaet.  175  C 

579 

— 

— 

—  22;  23 

332 

—  Tim.  35  A.  B. 

448 

670 

— 

— 

114,  19 

332 

Plaut.  Amph.  439 

692 

— 

— 

116,  1 

331 

—  Aul.  II,  1,  1  ;  II,  8, 

1 

252 

— 

— 

—  2 

332 

—  Bacch.  518 

90 

— 

— 

—  8 

331 

—  Epid.  II,  2,  98 

253 

— 

— 

117,  12 

333 

—  Men.  236 

253 

— 

— 

—  14;  16 

332 

350 

251 

— 

— 

118,  5;  119,  17 

333 

876 

253 

— 

— 

121,  18 

333 

1039 

693 

— 

— 

122,  22 

331 

—  Merc.  308 

251 

— 

— 

123,  11 

332 

542 

251 

— 

— 

—  27;  126,  6 

331 

573 

253 

— 

— 

126,  17 

332 

—  Mil.  41 

252 

— 

— 

127,  13;  27 

333 

66.  393 

90 

— 

— 

129,  16 

332 

573 

694 

— 

— 

—  18 

331 

660 

252 

— 

— 

130,  6;  16 

332 

679 

251 

— 

— 

131,  16 

332 

700.  707.  721.  724.  865 

90 

' — 

— 

—  20 

333 

—  Most.  978.  1047 

251 

— 

— 

132,  12 

332 

1165 

254 

— 

— 

—  14 

333 

—  Pers.  332 

252 

— 

— 

—  17;  27 

331 

357 

91 

— 

— 

133,  10;  18 

331 

480 

90 

— 

— 

—  23 

332 

—  Poen.  I,  2,  24 

91 

— 

— 

134,  2 

331 

—  Pseud.  251 

253 

— 

— 

-  11 

332 

1191 

251 

— 

— 

—  22;  25 

333 

1241 

254 

— 

— 

135,  20 

332 

—  Rud.  577  (II,  7,  20) 

251 

— 

— 

—  24 

332 

709  (III,  4,  4) 

253 

— 

— 

137,  9;  10 

331 

—  Stich.  84 

354 

— 

— 

—  26 

333 

140 

90 

— 

— 

138,  14;  23 

332 

230.  288 

355 

— 

— 

139,  3 

333 

393 

355 

— 

— 

—  8 

332 

395 

90 

— 

— 

—  9 

331 

478 

251 

— 

— 

—  28          331 

.  333 

480.  483 

90 

— 

— 

140,  8;  21;  24 

332 

520 

91 

_ 

— 

—  26 

331 

699 

90 

— 

— 

141,  14;  142,  25 

333 

—  Trin.  807 

693 

— 

— 

143,  10 

332 

—  Truc.  II,  6,  83  f. 

255 

— 

— 

—  17;  144,  19 

333 

III,  1,  15 

255 

— 

— 

145,  13 

332 

IV,  2,  1  f. 

572 

— 

— 

—  22 

331 

Plutarch.  Tifni  dtfok.   2 

537 

-- 

— 

—  28 

333 

—  —  —  3 

540 

— 

— 

146,  5 

333 

4.  7.  8 

538 

— 

— 

-  21 

332 

—  de  aud.  poet.  16  C 

392 

— 

— 

147,  2 

332 

—  —  comm.  not.  32  p. 

1075  E 

392 

— 

— 

—  4 

333 

—  —  Is.  et  Os.  77  p. 

382  B 

82 

— 

— 

148,  19;  28 

332 

Nr.   12. 


Index  locorurn. 


637 


Plutarch.  Mor.  148, 

24 

333 

Sallust.  Jug.  23 

363 

698 

—  — 

148,  25 

331 

—  _ 

102,  8 

364 



149,  1;  7 

332 

Senec 

.   (Rhet.    ed.  Burs 

)  H5, 

—  — 

150,  7 

332 

26;   133,   17  f. 

617 

—  — 

151,  15;  152, 

17 

332 

—  (Phil 

;  5,  7 

—  — 

153,  16 

331 

9,  16;    12;    14, 

8;  18 

—  — 

—  19;  154,  2 

;  9; 

16 

332 

24,  1;  27,  1;  29, 

2;  38 

—   — 

155,  1;  16 

333 

2;  49,  1;  100,  9 

393 

—  — 

—   15 

332 

Soph. 

Aj.    366.   532.  57 

6.  649 

—    — 

156,  10;  25; 

157, 

10 

332 

700 

250 

—  _ 

159,   10 

333 

—  — 

916.  961 

123 

.  _  _ 

160,  8;  13 

332 

—  — 

1237 

250 

—  — 

—   10 

333 

—  Antig.  110 

617 

—  — 

—   27 

331 

—  — 

211  f. 

572 

—  — 

161,  11;  28 

333 

—  — 

904-15 

216 

—  — 

162.  3 

333 

-  Oed.  R.  2 

31 

—  _ 

—  1;  12;  13 

• 

332 

—  — 

12  ff. 

29 

—  — 

163,  1;  25 

332 

_  — 

17 

34 

—  — 

—   8 

- 

333 



35.  39 

29 



164,  25 

331 

—  — 

51 

34 

—  — 

165,  1;  29 

332 

—  — 

80.  109.  129 

29 



166,  4;   14 

333 



161 

34 

—  — 

—  7 

332 

—  — 

167 

31 

—  — 

167,  15 

333 

—  — 

220 

30 

—  — 

168,  1  ;  6 

333 



224—232 

33 

—  — 

—  3;   169,  6 

331 

—  — 

228.  230 

34 

Propert.  V,  1,  33-36;  4 

,  35 , 



236—245 

33 

5,  29  f. 

358 

—  — 

261 

30 

—  — 

6,   55;   7,  23 

;    35 

;  38; 

—  — 

267 

34 

73;  8,  2;  19; 

20 

359 

—  — 

324 

35 

Publ. 

Syr.  (Woelffl.) 

116. 

155 



411 

34 

178.  215.  230. 

243. 

246 

—  — 

430 

29 

284. 

309 

—  — 

500 

32 

—  — 

655.  656 

93 

—  — 

511 

34 

Quintil.  VIII,  3,  54 

393 

—  — 

538 

31 

—  x, 

1,  104 

217 

—  — 

579 

32 

Eufi  brev.  2.  6.  8.  22 

102 

—  — 

682 

34 

Sallust.  Cat.  20,  7 

363 

—  — 

724 

31 

—  — 

—  14 

364 

—  — 

1000.  1001.  1208. 

1320. 

—  — 

33,  1 

363 

1382 

32 

—  — 

50,  4 

229. 

396 

—  — 

1423.  1524-30 

34 

—  — 

51,  4;  9;  11; 

12 

397 

—  Trach.  112 

295 

—   _ 

11.  35 

363. 

697 

—  — 

145 

291 

—  — 

—  45 

363 

—  — 

178 

295 

—  — 

52,  2 

363. 

697 

—  — 

380 

292 

—   _ 

—  33 

698 

—  — 

381 

290 

—   — 

—  35 

363 

_  — 

400-4;  453 

291 

—  Jug.  14,   11 

363. 

698 



506 

290 

—   — 

-   24 

364 

—  — 

517 

292 

—  — 

24,  9 

363 

—   — 

548.  555 

291 

—  — 

31,  10;  25 

698 

—  — 

590 

290 

—  — 

—   14 

363 

—  — 

603 

295 

—    _ 

35,  10 

393 

—  — 

675 

295 

—  — 

85,  3 

364 

—  — 

728 

291 

_  — 

—  5 

698 

_   — 

738.  781.  803 

292 

—    — 

—   14 

364 

_  — 

810 

295 

_-  _ 

—  16 

698 



815.  903.  911 

292 

638 


Index  locorum. 


Nr.  12. 


Soph.  Trach.  1014  291 

1071  295 

1112.  1238  292 

Schol.  ad  Trach.  243  294 

526  ff.  293 

602.  661.  866  294 

Vit.  Soph.  74 

Stob.  Ecl.  I,  178  82 

—  Flor.  III.  81  82 

20,  18 ;  38,  21 ;  68,  12  390 

Suid.  V.  2orf>oy.k.  72 

Tac.  Ann.  I,  10  97 

II,  33  217 

48;  60  97 

IV,  3  99 

XIII,  3  156 

XIV,  61;  XVI,  22  97 

—  Hist.  II,  45;  III,  18  98 

IV,  14  99 

41  98 

50  97 

—  Agr.  24  579 

—  Germ.  19  99 

—  Dial.  37  156 
Ter.  Haut,  90  f.  579 

—  Phorm.  664  251 
Thuk.  1,  21  123 

—  2,  15  373 
6,  2,  1;  5;  3,  1;  2;  4, 

2;  4;  5,  3  36 

—  A  (Bekk)  22,  13-17  49 
82,  122-28  45 

—  r  17  50 

31,  1-3  40 

34,  11  47 

39,  19  41 

53,  27-31  49 

—  J   98,  11  42 

—  E   10,  17  44 
13,16-20;  14,  15;  16; 

17,  27  50 

—  Z   31,  12  46 
Val.  Flacc.  I,  13  150 

I,  17.  19f.  38.  49  149 

63  179 

130  149 

200.  243  178 

242  179 

—  -  —  249  147 

330  147.  149 

331  151 

410.  490  145 

508  178 

513  150 

515  178 

524  179 

529  180 


Val 


.  Flacc.  I,  535 

177 

—  I,  579 

147.  151 

593 

147 

662.  779-84 

145 

781—84 

151 

797 

177 

827  ff. 

146 

833 

150 

—  II,  75  ff. 

180 

90 

149 

103 

145.  180 

284 

149 

317 

145 

—  —  328 

144 

331 

145 

395 

179 

453.  467 

145 

524 

177 

565.  656 

145 

—  III,  146-185 

149 

207 

151 

208 

178 

273 

146 

295 

149 

439 

179 

469.  593 

149 

—  IV,  200  ff. 

145 

213 

146 

—  —  279  ff. 

145 

428 

148 

440 

178 

—  V,  147 

148 

426 

146 

—  —  460 

148 

540 

151 

—  —  556 

145 

584  ff. 

146 

660 

149 

669 

145 

670 

179 

-  VI,  95 

145 

102 

145.  151 

238 

146 

241 

149 

288 

151 

300 

179 

439-76 

149 

570.  571 

1-15 

572-74 

177 

755 

178 

—  VII,  20 

149 

119 

178 

—  -  135.  226 

149 

240.  341 

177 

—  —  486 

149 

572 

1  1  5 

-  VIII,  139 

145 

Nr.  12. 


Index  rerum  zu  den  excerpfen. 


639 


Val.  Flacc.  VIII,  224 

177 

Var.  de  1.  L.  p.  397.  496 

587 

VUI,  265.  434 

149 

p.  499. 

586 

440 

145 

»   506  " 

585 

Varr.  de  1.  lat.  p.  25 

585 

•  532.  539 

586 

p.  137.  220 

584 

»540 

585 

>  263 

585 

Xenoph.  Hell.  XI,  4,  30 

313 

>  283 

584 

Index  rerum  zu  den  excerpten. 


Abbeloos,  J.  B.,  s.  Gregor.  Barhebr. 

Abydos,  s.  aeg.  reiseberichte. 

'dywv'OfXTjo.-/..  'Hg.  v.  Nietzsche  625. 

Aegypt.  reiseberichte  von  W.  Lauth 
176.  271.  272.  317.  384. 

Aelius  Promotus,  v.  Kohde  625. 

Aeschylos  s.  Naeke. 

Afghanen,  spräche,  318. 

Africa,  forschungswerk,  271. 

Alphabet,  etrur.,  s.inschr.  (Momm- 
sen). 

Alter  des  menschengeschl.  272. 

Alterthümer,  s.  inschr. 

—  in  der  Pfalz  272. 

Amari,  M.,  s.  Araber. 

Ammian.  Marceil.,  v.  Rühl  625. 

Anselm  d.  perip.  v.E.  Dümmler320. 

Anthol.  gr. ,  s.  Dilthey,  lateinische, 
s.  Ritschl. 

Antigone,  s.  Augsburg. 

Antiqu.  funde  als  gegenst.  des  ex- 
propriationsr.  528. 

Apollogrotte,  s.  Athen. 

Apollonii  r.  Tyr.  hist.  624. 

Araber  in  Sic.  v.  M.  Amari  272. 

Archaeologie.  Benndorf,  O.,  bet. 
Knabe  272.  Bergau,  R.,  riesen- 
säule  im  Odenw.  224.  Braun,  J., 
gesch.  d.  kunst  623.  Conze ,  A., 
antiken  der  Marciana  430;  reise 
nach  Samothr.  576.  Curtius,  E., 
geb.  des  Erichthon.  224;  bruch- 
stück  e.  wandgem.  431 ;  entdeck, 
inllion;  säulenrel.  zuEphes.  224. 
Fränkel,M.,  zurVen.  v.  Milo  576. 
Friedländer,  L.,  s.  Wieseler.  Gra- 
ser, B.,  bronzebruchst.  eines  fahr- 
zeugs  v.  Act.  224.  Heibig,  W., 
campan.  Wandmalerei  431 ;  Duris- 
vase  176.  Heydemann ,  H. ,  vier 
wandgem.  v.  Stab.;  Adonia  auf 
e.  vase;  wuth  des  Lyk.;  antiken 
v.  Pourtal.  224;  pomp.  wandgem. 
430;    grossgriech.  terracottengef. 

Philol.  Anz.  V. 


576;  zuFröhner:  deux  peintures ; 
teller  aus  Kameiros  224.  Hirsch- 
feld, G.,  nachtr.  zu  att.  künstler- 
inschr.  223;  altatt.  lekythos  576. 
Holm ,  entdeck,  in  Selinus  624. 
Hübner,  E.,madrid.  Sapphoherme ; 
gräbst,  des  Antip.  von  Ascal. ; 
ausgr.  in  der  Saalburg;  alterth. 
von  Posen  224;  röm.  Inschr. 
in  Frankf.  a.M.;  arch.  Unterricht 
inltal.  576.  Lang,  A.,  pottery  of 
Cyprus  576.  Lolling,  G.  H.,  rei- 
senotizen  aus  Griechenl.  576.  Lü- 
ders, R.,  funde  bei  Decelea  576; 
westfries  der  cella  des  Parth.  576. 
Matz,E.,  sarkoph.  aus  Patras223. 
Michaelis,  A.,  att.  Unterricht  auf 
einer  vase  des  Duris  571.  Mur- 
ray, A.  S.,  weihgesch.  des  Attalus 
576.  Overbeck  ,  J. ,  kunstmyth. 
624.  Schlie,  metope  v.  Ilion272. 
Schoene,  R. ,  gr.  reliefs  320;  vo- 
tivrel.  aus  Megara  576.  Schu- 
bring, entdeck,  in  Selinunt  431. 
Schulze,  E.,  Leesen'sche  vasen- 
samml.  430;  giebelgr.  des  Juppi- 
tertemp.;  des  Herculestempels  in 
der  P.  Trigem.  223.  Trendelen- 
burg, G.,  capit.  Stadtplan ;  eroten- 
fries  aus  Pomp.  576.  Valentin, 
V.,  hohe  frau  v.  Milo  271.  Wat- 
kies Lloyd,  W.,  Herakl.  auf  ska- 
rab.  576  Weil,  phthiot.  localsa- 
gen  576.  Wieseler,  F.,  heerd  und 
feuersymb.  bei  Volc.  mit  Antw. 
v.  Friedländer  224 ;  zum  Zeus  des 
Phid.  431;  Venuskopf,  Hera,  krie- 
gerrelief,  terrae,  geräthe  576. 
Wörmann,  K.,  pomp.  anmerk.  224. 
Vergl.  Friedrichs,  Benndorf,  Athen, 
ausgr.,  Beule,  inschr.,  Kraus. 

Archaeol.  gesellsch.  224.  431. 

—  institut  224. 

Archilochos,  fabel,  v.  Buchholtz  625. 

41 


640 


Index  rerum  zu  den  excerpten. 


Nr.  12. 


Ardschi  Bordscho  s.  Benfey. 

Areopag,  175. 

Aristoteles.  Gotschlick,  C,  verschied. 

u.  einh.  der  zeit  528.     Poetik,  v. 

Susemihl  625.  v.  Vahlen  625. 
Assopios  f  175. 

Assyr.  entdeck.  318;  keilinschr.  127. 
Athanas.  glaube  v.  Th.  Duffus  Hardy 

480. 
Athen,   antike  statuen  271 ;   gesch. 

der  hochschule  v.  C.  Wachsmuth 

384;  antikensamml.  175;  zur  to- 

pogr.  v.  Lolling  u.  "Wieseler  480; 

pnyx,  metroon,  Apollogrotte,  ßyjfxa 

480. 
Athena,  etymol.,  128. 
Attalosstoa,  175. 
Augsburg,  vorles.  der  Antig.  v.  N. 

Köhler  318. 
Augustinus,  verse  üb.  die  bibel271. 
Auerbach  176. 
Ausgrab,  in  Rom  176.  Trojal76.224. 

271.  384.  431.  480.  528. 
Babyl.  mine,  v.  H.  Ewald  576. 
Badham,  conjectanca  625. 
Baer,  E.  W.  v.,  zum  darwinism.  318. 
Baehr,  J.  C.  F.,  64. 
Baehrens,  E.,  s.  Panegyr.  Statius. 
Bair.  armee,  271. 

Baker  271;  brief  an  Rawlinson  480. 
Bamberger,  s.  Napol. 
Baumann,  philos.   Orient,   über  die 

weit  271. 
Beatus  Rhenanus  v.  A.  Horawitz432. 
Bellermann,  H.,  zur  gr.  harmonik432. 
Belloguet,  R.  de,  f  175. 
ßtjpa,  s.  Athen. 
Benfey,    Th.,   stücke   des    Ardschi 

Bordscho    im  Pantschat.  432.    s. 

gramm. 
Benndorf,  O.,  s.archaeol.  u.  Selinunt. 
Bergau,  R.,  s.  archaeol. 
Berlin,  univers.,  384. 
Bernoni,  cant.  pop.  venez.  318. 
Bethlehem,  heil,  grotte  479. 
Beyschlag,  W.,  s.  Nitzsch. 
Bischoff,  s.  Palmyra. 
Bismarck  u.  Mühler  271. 
Blass,     ged.  des   Simonid.  im  Pro- 
tag. 624. 
Blaustrümpfe  176. 
Boetius  übers,  v.  0.  Paul  320. 
Braniss  f  384. 
Braun,  s.  arcbaeol. 
Braunsberg,  gymn.  127. 
Brizio,  s.  inschr. 
Buchholtz,  s.  Archilochos. 


Bücheier  s.  Themist.,  Dracont.,  Ju- 

ven.,  Nigidius. 
Bunsen,  s.  Fried.  Wilh.  IV. 
Burnouf,  E.,  la  legende  ath.  128. 
Caelische   geschichtsschreibung  480. 
Camerarius,  zu  Plaut.,  625. 
Cariere  623. 

Celsus  wahres  "Wort  318. 
Chaldäischer  fluthbericht  175. 
Christ,  N.,  625. 
Cicero,  s.  Eberhard,  Ziegler. 
Ciofi,  A.,  s.  inschr. 
Circe,  Cap  der,  384. 
Claretta,  zur  diplomatik  320. 
Clason,  O.,  s.  Nitzsch  u.  presse. 
Claudian,  beitr.  v.  Jeep  624.  625. 
Cleopatra,  s.  inschr.  (Mommsen)  319. 
Clemm,  oracul.  Pyth.  624. 
Comparetti  s.  Vergib 
Constant.   Porphyrog.    v.  A.  Ram- 

baud  320. 
Conze,  A.,  s.  archaeol. 
Corporare  624. 
Corpus  inscr.  Rhen.  625. 
Cuno,  s.  Ligurer. 
Curtius,  E.,  s.  archaeol. 
Czolbe,  philos.  werke  384. 
Dahlmann,Fr.Chr.,v.  A.Springer431. 
Dahn,  F.,  s.  Thule. 
Darwinismus,  s.  Baer  u.  descendenzl. 
Demosth.    mql    naQunqiGß.    v.    0. 

Gilbert  480. 
Descendenzlehre  271.  272. 
Dilthey,   zur  gr.  anthol.   u.  zu  den 

hymnen  624. 
Dindorf,  s.  histor.  gr.  u.  Euseb. 
Dionysos,  etym.,  432. 
Dracontius  625. 
Drymien,  624. 
Dümmler,  E.,  s.  Anselm. 
Düntzer,  H.,  s.  Homer. 
Dürer,  s.  inschr.  (Schoene). 
Dumreicber,  univ.  in  Oestr.  272. 384. 
Durisvase,  s.  arcbaeol.  (Michaelis  u. 

Heibig). 
Dziatzko,  zu  Horaz,  625. 
Eberhard,  lect.  Tüll.  625. 
Ebers,  papyr.  v.  Aeg.  272.  318. 
Eichenkranz  bei  Zeus,  s.  Archaeol. 

(Wieseler). 
Ekkehardi  Waltharius   ed.  R.  Pei- 

per  480. 
Elsass-Lothr.,  stell,  der  lehrer,  431. 
England,  Unterricht,  126.  431. 
Ephem.  epigr.,  s.  inschr. 
Ephesos,  s.  Stark. 
Episcop.,  s.  Kirchenconfl. 


Nr.  12. 


Index  rerum  zu  den  excerpten. 


641* 


Erasm.  Kotterd.  v.  Ph.Woker  319. 

Erdbeben  in  Ital.  384. 

Eridanus  s.  Thule. 

Erotem.  phil.  625. 

Eudaemon.    und  franz.  litt.    v.   A. 

Willstock  480. 
Europ.  wissensch.  u.türk.  kritik384. 
Euseb.  Caes.  ed.  G.  Dindorf  625. 
Ewald,  EL,  s.  babyl.  mine. 
Expropriationsr.  s.  antiq.  funde. 
Falk,  s.  kirchenkonfi. 
Felix  felic,  s.  inschr.  (Schoene). 
Fischer,  K.,  s.  Sckelling. 
Flamonium,  flaminium  s.  inschr. 

(Mommsen). 
Fränkel,  M.,  s.  archaeol. 
Franz.  litt.  s.  eudaemonismus. 

—  kriegslitt.  127. 

—  unterrichtswesen  480. 
Frauenfrage,  (Marquardsen)  528. 
Friedländer,  L.,  s.  archaeol. 
Fried.  Wilh.  IV.,    briefwechsel  mit 

Bunsen,  hgeg.  v.  Ranke  272. 

Friedrichs  nachlass  127. 

Gablee,  H.,  s.  Niederlande. 

Garucci  176. 

Gaudeamus  271. 

Geiger,  L.,  s.  Juden. 

Geizkofler,  Luc,  v.  A.  Walch  384. 

Geizer,  kleinas.  inschr.  624.  s.  Ly- 
kurg. 

Geol.  bilder  von  Hochsteller  528. 

Geogr.  Unterricht,  v.  Gerster  528. 

Geogr.  gesellsch.  in  Lond.  64. 

Gerster,  s.  geogr.  Unterricht. 

Gigantenstoa  175. 

Gilbert,  0.,  s.  Demosth. 

Gildemeister,  s.  Themist. 

Grill,  s.  Juden. 

Gleichen-Russwurm,  freifr.  v.,  127. 

Gotschlick,  C,  s.  Aristot. 

Gräberstr.  in  Athen  175. 

Grammatik.  Benfey,  Th. ,  indog. 
partic.  perf.  pass.  432;  anti,  äti, 
ianti,  iäti  432.  Herrmann,  E., 
gramm.  Wortklassen  528.  Wil- 
helmi,  E.,  infinit,  im  Indogerm.432. 

Grammatici  lat.  ed.  Keil  625. 

Gramont  224.  271. 

Graser,  B.,  s.  archaeol. 

Graz,  mädchenlyceum  271. 

Gregor.  Barhebr.  chronic,  ed.  J.B. 
Abbeloos  et  Th.  J.  Lamy  480. 

Gregorovius,  gesch.  d.stadtRom,271. 

Griech.  zustände  528. 

Gymnasiallehrervers.,  mittelrhein . 
384. 


Haber  gegen  Ziegler  (Strauss)  176. 
s.  Semper. 

Haledau,  schiramelkirchen  271. 

Halevy,  J.,  rapp.  sur  une  miss.  arch. 
dans  le  Yemen  320. 

Hardy,  Th.  D.,  s.  Athanas.  glaube. 

Harmonik,  s.  Bellermann. 

Hassler,  K.,  272;  necrolog  528. 

Haug,  s.  Inder. 

Hausrath,  neutest.  zeitgesch.  528. 

Heibig,  W. ,  s.  archaeol.  u.  inschr. 

Held,  J.  C.  v.,  272. 

Henzen  8.  inschr. 

Herbst,  biogr.  v.  Voss  127. 

Hermann,  G.,  rede  zum  hundertsten 
geburtstag  64. 

Hermanndenkm.  318. 

Herodot,  quellen  v.  Nitzsch  624. 

Hesidos,  s.  dyoiy. 

Herrmann,  E.,  s.  gramm. 

Bibl.  philol.  625. 

Heydemann,  H.,  s.  archaeol. 

Heyse,  Th.,  431. 

Hirschfeld,  G.,  s.  archaeol. 

Histor.  gr.  min.  ed.  w.  Dind  625. 

Hochsteller,  s.  geolog.  bilder. 

Holland,  Unterricht  384. 

Holtzmann  u.  Holder,  germ.  alter- 
thümer  272. 

Holm,  s.  archaeol. 

Homer  (Düntzer)  384.  Horatius.  s. 
Lehrs.  'Ayuiy. 

Horatius,  zu,  625. 

Horawitz,  A.,  s.  Beat.  Rhenanus. 

Hubers  ethnogr.  berichtigung ;  antw. 
darauf  318. 

Hübner,  E. ,  s.  archaeol.  u.  inschr. 

Huschke,  E.,  umbrische  insch.  625. 

Imitatio  Chr.  271.  623. 

Inder ,  zur  kosmog.  ders.  von  M. 
Haug  384.  ind.  rel.  v.  Wurm  613. 

Inschriften.  Brizio  und  Schoene, 
pomp.  gefässinschr.  127.  umbrische, 
v.  Huschke  625.  Ciofi,  inscr.  lat. 
et  gr. ;  inscr.  sepulcr.  128.  Dit- 
tenberger,  de  tit.  Att.  ad  res 
rom.  spect.  319.  Heibig,  W., 
spiegelinschr.  127.  Henzen,  zu 
den  consularfasten ;  Romul.  tri- 
umph  über  die  Caenin.  und  An- 
temn.  127;  de  nundin.  consul. 
aet.  imperat.  127;  lat.  grabinschr. 
128.  Hübner,  E.t  inschr.  aus  Span. 
127.  Jordan,  EL,  Opfer  der  ar- 
valbrüder;  tempel  des  Volc.  im 
Circ.  flam.  319.  Marquard  ,  J., 
de  provinc.  Rom.  concil.  et  sa« 


642* 


Index  rerum  zu  den  excerpten. 


Nr.  12. 


.  cerd.  128.  Mommsen,  Th.,stemraa 
der  Fulvii  Flacci  127;  senatus- 
cons.    v.  Thisbe  319.      Observat. 

.  epigr.;  etc.  alphab.;  ßiQcmjybs 
vnaros;  anal,  de  Pisonibus  et 
Crassis  frugi  128;  weitere  observ. 
319.  Rudorff,  per  auctor.  tutor. 
138.  Schoene,  R.,  Dürer;  Fei. 
felic.  opusc.  med.  319.  cf.  Brizio 
oben.  Wachsmuth,  Iokrische  in- 
scb.  624.  Zangemeister,  pomp. 
wandinschr.  625.  s.  Geizer. 

Irland,  universitätsbibl.,  176. 

Japan,  unterrichtswesen,  176. 

Jaep,  s.  Claudisn. 

Jessen ,  pbysiol.  des  menschl.  den- 
kens  224. 

Jobann,  König  v.  Sachsen  623. 

Jordan,  H.,.s.  inschr. 

Juden  ,  nachricbten  über  dieselben 
bei  den  Römern  v.  L.Geiger 432. 
Dasselbe  v.  Gill  432. 

Juncus,  Aemilius,  319. 

Juba,  319. 

Juvenal,  v.  Bücheier  625. 

Karajan  f  318. 

Karthago,  s.  Beule. 

Keferstein,  über  Aethiop.  u.  stein- 
cultus  431. 

Keil,  s.  gramm.  lat. 

Keim,  Th.,  älteste  streitschr.  geg. 
das  Christenthum  318. 

Kirchenkonfl.  Falksche  gesetzent- 
würfe,  224.271.  episcopat,  Send- 
schreiben, 271.  318.  kirchen- 
gesetze  384.  röm.- deutsche  frage 
384.  staat  u.  kirche,  v.  E.  Zel- 
ler 431.  altkathol.  in  der  Schweiz 
127.  protest.  Orthodoxie  318.  s. 
Jesuiten,  Redemptoristen ,  staats- 
grundgesetze.  cf.  p.  623. 

Kleidemus  beschr.  der  Amazonen- 
schlacht 480. 

Knorr,  s.  spiele,  geistl. 

Köhler,  N.,  s.  Augsburg. 

Koile  175. 

Konstantinopel,  gr.  syllogos  528. 

Kostümkunde  v.  H.  Weiss  271. 

Krau3,  X.,  röm.  blutampullen  176 ; 
katakomben  u.  christl.  kunst  176. 
cf.  Roma  sotterr.    Zu  Horaz  625. 

Krause,  G.,  s.  Ratichius. 

Kriegslit.,  deutsche,  528. 

Kunst,  christl.,  272. 

Kurz,  IL,  nckrolog  271. 

Laas,  E.,  s.  Sturm. 

Lamarmora  528. 


Lamy,  Th.  J.,  s.  Gregor.  Barhebr. 

Lang,  A.,  s.  archaeol. 

Laurionfrage  175.  271. 

Lauth,  s.  Aegypten. 

Lazaristen  318. 

Lehrs,  zu  Plato  u.  z.  Odyss.  624. 

Leipzig,    pfahlbauten   271;    weibl. 

doctor  271. 
Lenormant,  Fr.,   lettres  assyriolog. 

320. 
Lenormant,  Fr.,  essai  sur  la  propa- 

gation  de  1'  alphab.  phen.  320. 
Lesbos,  s.  Stark. 
Ligurer,  K.,  Cuno  625. 
Listing,  J.  B.,  unsere  kenntn.  von 

d.  grosse  u.  gestalt  d.  erde  320. 
Livingstone  64. 

Livius,  sein  werk,  v.  Nissen  624. 
Lloyd,  W.  Watkies,  s.  archaeol. 
Löher,  Fr.  v.,  s.  Ungarn. 
Lolling,  H.  G.,  s.  archaeol.  u.  Athen. 
London,  s.  geogr.  gesellsch. 
Lübke,  s.  prachtwerk. 
Lüders,  C.,  s.  archaeol. 
Lykurg  u.  Delphi  v.  Geizer  625. 
Mänade,  v.  Rapp  624. 
Magnesia,  s.  Stark. 
Mainzer  universitätsfond  480. 
—  dorn,  wiederherstell.  der  krypte 

176. 
Marciana,  s.  archaeol.  (Conze). 
Marezoll  f  271. 
Mar.  Plotius,  s.  L.  Müller. 
Marquard,  s.  inschr. 
Marquardsen,  s.  frauenfrage. 
Marsyas  176. 
Matz,  s.  archaeol. 
Melita  175. 

Menzel,  W.,  t  272;  nekrol.  318. 
Metroon,  s.  Athen. 
Michaelis,  A.,  s.  archaeol. 
Moab,  funde,  271. 
Moltke  272. 
Mommsen,  s.  inschr. 
Mühler,  s.  Bismarck,  s.  176. 
Müller,  M.,  318. 
— ,  L. ,  zu  Non.  u.  Mar.     Plot;   de 

Sodoma,  Tac,  Suet.  624. 
München,     stipend.  für  gesch.  271; 

antiquarium  272 ;  Baldefeier  431. 
Muratori,  uned.  werke  528. 
Muriola.  cett.  v.  Voigt  625. 
Murray,  A.  S.,  s.  archaeol. 
Nachtigal  272. 
Naeke,  theb.  tetral.  624. 
Napoleon  ,   L. ,    176 ;    nekrol.    224 ; 

reminiscenzen  v.  Bamberger  224. 


Nr.  12. 


Index  rerum  zu  den  excerpten. 


643* 


271.  George  Sand  über  Napo- 
leon 271. 

Neurologie,  ital.,  271. 

Nero.  s.  Schiller. 

Niebuhr's  röm.  gesch.  623. 

Niederlande,  mittelalterl.  drama  da- 
selbst v.  H.  Gablee  431. 

Niederrhein,  s.  töpferkunst. 

Nietzsche  gegen Strauss  528.  B.äycSv. 

Nigidius,  v.  Bücheier  625. 

Nijeholt,  Lyklama  a,  voyage  en 
Russie  etc.  128. 

Nissen  gegen  Clason  624. 

Nitzsch,  K.  W. ,  unters,  zur  gesch. 
der  alten  rep.  (0.  Clason)  480. 

—  K.  J.,  (Beyschlag)  431. 

Nonius,  s.  L.  Müller. 

Norris  f  175. 

Nymphenhügel  in  Athen  175. 

Oestreich;  Universitäten,  s.  Dum- 
reicher,  universitatsref.  528. 

Orientalistencongr.  in  Paris  528. 

Overbeck,  J.,  s.  archaeol. 

Ovid's  Metam.  übers,  v.  Tippeis- 
kirch 328  cf.  Wickram. 

Pabstmythe,  s.  Volkmar. 

Pacivolus,  L.,  s.  inschr.  (Schoene. 
Fei.  Felic). 

Paedagogisches  271. 

Palmyra ,  reise  nach ,  v.  Bischoff, 
271. 

Panegyrici  lat. ,  beitr.  v.  Baehrens 
624. 

Pantschatantra,  s.  Benfey. 

Paranikas  625. 

Paris,  G.,  diss.  crit.  s.  le  poeme  lat. 
de  Ligurinus  320. 

Paris,  s.  orientalistencongr. 

Paul,  0.,  s.  Boetius. 

Peiper,  R.,  s.  Ekkehard. 

Philos.  bei  den  Slaven  431. 

Pichler  528.  625. 

Piloty's  Thusnelda  272. 

Pindarica  v.  E.  Friese,  593. 

Plato's  leben  v.  K.  Steinhart  480. 
s.  Teuffei. 

Platonischer  ball  384. 

Plautus ,  zur  litt.  dess.  von  Ritschi 
624.  cf.  Camerarius. 

Plutarch,,  v.  Breitenbach,  624. 

Pnyx  175.  480. 

Polnische  schulen,  deutsch,  unterr. 
528. 

Pompej.  vasen,  s.  archaeol. 

Prachtwcrk,  künstlerisches,  v.  W. 
Lübke  176. 

Prag,  stud.  der  kunst,  479. 


Presse  im  alten  Rom,  v.  0.  Clason 

480.  528. 

Priamus,  schätz  desselben,  s-  Troja. 

Propyläen  175. 

Ps.  Plutarch,  ntQi  aßzfjßiws  624. 

Ranke,  s.  Fried.  Wilh.  IV. 

Rambaud,  A.,  s.  Constant.  Prophyr. 

Rapp,  s.  mänade. 

Ratichius,  W.,  v.  G.  Krause  128. 

Rauch ,  einh.  d.  menschengeschl. 
320. 

Raumer  528.  384. 

Ravenna  384. 

Rawlinson,  s.  Baker. 

Realschulen  528. 

Redemploristen  318. 

Religionsunterr.  in  üeutschl.  s. 
Schultze  127. 

Religionen  desAlterth.,  gesch.  der- 
selben v.  C.  F.  Thiele  318. 

Riese,  zu  Apoll.,  624. 

Ring,  M.,  f  271. 

Ritschi ,  s.  Plaut. ,  zur  lat.  anthol. 
625. 

Rohde,  s.  Aelius. 

Rohlfs  431. 

Roma  sotterr.  v.  Kraus  271. 

Rom  im  mittel.,  s.  Gregorovius. 

—  geschichte  der  stadt  von  Reu- 
mont  271. 

—  archaeol.  inst.  272;  archaeol. 
fund  272;  cf.  ausgr. 

Rossi  176. 

Rudorff,  s.  inschr. 

Rühl,  s.  Ammian. 

Rutil.  Namat.  übers,  v.  Itasius  Lem- 

niacus  320. 
Samothrake,  s.  Conze. 
Sand,  George,  s.  Napol. 
Sardes,  s.  Stark. 
Sassaniden,  münzen,  623. 
Scartazzini,  J.  A.,  s.  Vergib 
Schelling's  leben  v.  K.  Fischer  271. 
Schiller,    H.,    gesch.    Roms    unter 

Nero  432. 
Schlie,  s.  archaeol. 
Schliemann,  s.  Troja. 
Schmitz,  tiron.  noten  624.  625. 
Schoemann,  Opusc.  624. 
Schoene,  R.,  s.  archaeol. 

—  A.,  s.  inschr. 

Schubring,  J.,  s.  archaeol.  über  Si- 

cilien  625. 
Schulaufsichtsgesetz  528. 
Schulconfer.  in  Berl.  623. 
Schulrath  in  Baiern  64.  127. 
Schultze,  s.  religionsunterr. 


644* 


Index  rerum  zu  den  excerpten. 


Nr.  12. 


Schulwesen,  berecht,  d.  hum.  schu- 

len  224. 
Schweiz,  s.  kirchenkonfl. 
Selinus,   metopen,    s.   0.   Benndorf 

384. 
Semper  gegen  Huber  (Strauss)  224. 
Sicilien,   briefe  aus,   271.    s.  Schu- 
bring. 
Sickingen,  s.  Ulimann. 
Simonides,  s.  Blass. 
Simonides  (falscher)  624. 
Smyrna,  s.  Stark. 
Societe  pour  la  conserv.  des  mon. 

d'  Alsace  271. 
Sophokles,  v.  Urlichs  625. 
Spiele,   geistl.  in  Deutschi.  271;  v. 

E.  Knorr  318. 
Sprachwissensch. ,   ein    span.  werk 

darüber,  272.  320. 
Springer,  A  ,  s.  Dahlmann. 
Staatsgrundgesetze  u.  kirche  224. 
Stahl,  zu  Thukyd.  624. 
Stark,  B.,  nach  dem  gr.  Orient  64. 

175. 
Statius,  Silv.  v.  Bährens  625. 
Steup,  zu  Thuc.  624.  625. 
Steinhart,  K.,  s.  Plato. 
Steinzeit,  erinn.,  64.  176. 
Stenographie  bei  den  alten  528. 
Stölpel,   entwick.  des  gelehrten  al- 

terth.  318. 
Strassburg,  univ.318. 175  ;  biblioth. 

175. 
STQKTqybs  vnaiog,  s.  inschr.  (Momm- 

sen). 
Strauss,   alter  u.  n.  glaube  138;  s. 

Nietzsche. 
Sturm's  paedagogik  v.  E.  Laas  320. 
Sueton,  s.  L.  Müller. 
Susemihl  625. 
Sydow  224.  271.  431. 
Syra,  s.  Stark. 
Tacitus  Germania,  zur erklärung  271. 

272. 
Teuffei,  zu  Plaut,  u.  Hör.  624,  Plat. 

Symp.  625. 
Themist.  7J(qI  ag.  v.   Gildemeister 

u.  Bücheier  624. 
Themse,  wald  in  ders.,  431. 
Thiele,  C.  F.,  s.  religionswesen. 
Thierepos,  catal.,  271. 
Thierry,  A.,  272. 
Thisbe  s.  inschr.  (Mommsen). 
Thukydides,  s.  Stahl.  Steup. 
Thule,  briefe  v.  F.  Dahn  64. 
Tippeiskirch,  s.  Ovid. 
Tironische  noten,  s.  Schmitz. 


Tischendorf,  s.  Vulgata ;  frage  nach 
dem  schrifttext   der  apostel  384. 

Töpferkunst  am  Niederrhein  480. 

Trautmann,  s.  Keferstein  431. 

Trendelenburg,  s.  archaeol. 

Troja,  s.  ausgr.  u.  Stark. 

Tummulo,  s.  Xenophon. 

Twesten,  C,  rel.,  polit.  u.  soc  ideen 
der  alten  cultur Völker  320. 

Tylor,  anfange  der  kultur  272. 

Ullmann,  Franz  v.  Sickingen  271. 

Ulrici,  naturrecht  271. 

Ungarn,  sprach-  und  völkerstreit  v. 
Fr.  von  Löher  175;  schulzwang 
271. 

Universitätsangelegenheiten ,  s.  Ir- 
land, Berlin,  Dumreicher,  real- 
schulen. 

Unterricht,  s.  Holland,  Japan,  Frank- 
reich. 

Unterrichts-  u.  bildungsfach  auf  der 
Wiener  ausstell.  384.  528. 

Urlichs,  s.  Sophokles. 

Utrechter  glaube,  s.  Athanas.  gl. 

Vahlen,  s.  Aristoteles- 
Valentin,  s.  archaeol. 

Vergil  im  mittelalter  (Comparetti) 
v.  J.  A.  Scartazzini  480. 

Vesuv  384. 

Villa  Harduin,  Geoffr.  de:  la  con- 
quete  de  Constant.  publ.  N.  de 
Wailly  176. 

Voigt,  s.  muriola. 

Volkmar,  G.,  röm.  pabstmythe  272. 

Voss,  s.  Herbst. 

Vulcane  und  erdbeben ,  v.  Poulett 
Scrope  271.  272. 

Vulgata  v.  Tischendorf  384.  431. 

Wachsmutb,  C,  s.  Athen.  Drymien 
u.  drymata  624. 

Waddington  318. 

Wailly,  N.  de,  s.  de  Villa  Harduin. 

Walch,  A.,  s.  Geizkofler. 

Waltharius,  s.  Ekkehard. 

Watterich,  Kampf  der  Germanen  am 
Rhein  625. 

Weiss,  H.,  s.  kostümkünde. 

Werenfels  lat.  ged.  172.  s.  Au- 
gustin. 

Wickram, G.,  übersetz.  desOvid318. 

Wien,  ind.  lect.  272;  evang.-theol. 
facult.  384. 

Wieseler,  s.  archaeol.;  zur  Symbo- 
lik der  Gr.  u.  Köm.  432. 

Wiggert,  voc.  lat.  1.  prim.  625. 

Wilhelm,  s.  gramm. 

Willstock,  s.  eudaemonismus. 


tfr.  12. 


Index  locorum  zu  den  excerpten. 


645* 


Winkelmannfest  176.  431. 
Wittig,  H.,  s.  archaeol. 
WörmaDn,  K.,  s.  archaeul. 
Woker,  Ph.,  s.  Erasmus. 
Wurm,  s.  Inder. 
Wuttke,  gesch.  der  Schrift  272. 
Xenoph.  Cyrop.  ed.  A.Tummulo625. 
—  —  Hellen,  v.  Breitenbach  624. 


Zangemeister  318. 
Zeitbetrachtungen  272.  318. 
Zeising,  eine  gott-  u.weltansch.  271. 
Zeller,  s.  kirchenkonfl. 
Ziegler ,    Th. ,     krit.      gegen    krit. 

(Strauss)  176. 
— ,  zum  scholiast.  Bob.  des  Cic.  624. 
Zürich,  univ.  318;  frauenstud.  384. 


Index  locorum  zu  den  excerpten. 


Cic.  Verr.  2,  61,  151  319 

Corp.  I.  L.  II,  35  127 

Laur.  Lyd.  de  menss.  IV,  45  432 

Liv.  42,  46;  63  319 


Pausan.  V,  11,  1 
Plin.  N.  H.  11,  1,  74 
Polyb.  27,  5,  3 
Thuc.  III,  17 


432 
319 
319 
624 


Verzeichniss  der  excerpirten  Zeitschriften. 


Archaeol.  zeit.  430.  432.  576. 
Augsburg.   Allgem.    64.    127.    175. 

271.    318.    384.    431.    479.    528. 

623. 
Bratusch.,  phil.  monatshefte  528. 


Ephem.  epigr.  127.  318. 

Gott.  gel.  anz.   128.  319.  431.  480. 

—  nachr.  320.  480.  576. 

Rhein.  Museum  624. 

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editt.  imprimis  Gronovianae  et  Corayanae  fid.  edd.  indiceque 
graecogerman.  instr.  G.  H.  Lünemann.     8.     811.  10  gr. 

Aeschinis  oratio  in  Ctesiphontem.  In  us.  praelect.  recensuit 
E.  C.  F.  Wunderlich.     8.     810.  10  gr. 

Apollodori,  Atheniensis,  bibliothecae  libri  tres  et  fragmenta. 
Curis  secundis  illustr.  C.  G.  Heyne.  Tom.  I.  Textus.  Tom. 
IL  Observationes.     gr.  8.     803.  1   aß 

Batrachomyomachia  Homero  vulgo  attributa.  Teytum  ad 
fidem  codd.  rec.  variet.  lect.  adj.  prolegomena  critica  scripsit 
A.  Baumeister,     gr.  8.     852.  6  gr. 

B  r  a  s  s  i  i ,  J. ,  gradus  ad  Parnassum  graecus  ,  s.  lexicon ,  quo 
omnia  vocab.  graeca,  quae  ap.  praestantiss.  poet.  inde  ab  an- 
tiquiss.  temp.  usque  ad  Ptolem.  Philadelpb.  aetatem  occurrunt, 
adject.  epithet.  et  synon.  additisq.  formulis  poet.  explic.  at- 
que  omnium  syllab.  ratio  indicatur.  In  Germ.  edd.  et.  emend. 
C.  F.  G.  Siedhoff.     2  voll.     gr.  8.     839,  40.        1  mß  15  gr. 

Catulli  C.  Valcrii,  carmina,  ad  optim.  libr.  fid.  recogn.  variet. 
lect.  indicesque  adj.  C.  J.  Sillig.     gr.  8.     823.  8  gr. 

Ciceronis,  M.  Tullii,  oratio  de  praetura  Sicil.  s.  de  judiciie, 
quae  est  oratt.  Verr.  act.  sec.  secunda.  Mit  neu  durchgesehenem 
und  nach  den  besten  Hülfsmitteln  berichtigten  Texte,  Einlei- 


646*  Bücheranzefge.  Nr.  12, 

tung  und  sacherläut.  Annierk.,  Excursen,  einem  Register  und 
Kärtchen  von  Sicilien  herausg.  v.  F.  Creuzer  und  H.  G.  Mo- 
ser, gr.  8.  847.  20  gr. 
Ciceronis,  M.  Tullii ,  paradoxa.  Ad.  codd.  mss.  partim  re- 
cens.  collat.  editionumq.  vet.  fid.  recogn.  prolegg.  excerpta 
scholarum.  D.  Wyttenbackii,  annot.  veterum  et  recent.  interpr. 
select.  suamq.  excursus  et  ind.  rerum  verborumq.  adj.  G.  H. 
Moser,     gr.     8.     846  20  gr. 

—  —  de  re  publica  librorum  fragmenta.  Eec.  et  annot.  crit. 
instr.  F.  Osannus.     gr.  8.     847.  20  gr. 

Cornutus,  L.  A. ,  de  natura  deorum.  Ex  scbedis  J.  B.  C. 
d'Ansse  de  Villoison  rec.  commentariisque  instr.  F.  Osannus. 
Adj.  est.  J.  de  Villoison  de  theol.  pbys.  stoicorum  comm. 
gr.  4.     844.  1  aß 

Curtius,  E.,  Abhandlung  über  die  griech.  Quell-  und  Brun- 
neninschriften,    gr.  4.     859.  5  gr. 

Demosthenis  oratio  pro  Corona.  In  usum  praelectionum  rec. 
E.  C.  F.  Wunderlich.     Ed.  4.     gr.  8.     838.  10  gr. 

—  —  Ex  recens  Imm.  Bekeri  passim  mutata.  Expl.  L.  Dis- 
senius.     gr.  8.  2  mfi  10  gr. 

Duentzer,  H.,    de  Zenodoti   studiis  Homericis.     gr.  8.     848. 

8  gr. 

—  —  die  homerischen  Beiwörter  des  Götter-  und  Menschen- 
geschlechts,    gr.  8.     859.  6  gr. 

Emperii,  Adolphi,  opuscula  philologica  et  historica.  Amico- 
rum    studio    collecta    edd.   F.   G.   Schneidewin.     gr.  8.     847. 

20  gr. 

Freidank.       Von    Wilh.  Grimm.       2.  Ausg.       gr.  8.       860. 

1  otfi  15  gr. 

Gedichte,  lateinische,  des  X.  und  XI.  Jahrhunderts.  Her- 
ausgegeben von  Jacob  Grimm  und  Andr.  Schmeller.  gr.  8. 
838.  1  up 

Glossarium  latinum  Bibliothecae  Parisinae  antiquissimum  saec. 
IX.  descripsit  primum  edd.  adnot.  illustr.  G.  F.  Hildebrand. 
Lex.-8.  15  gr. 

Hermann,  K.  F.,  über  Gesetz,  Gesetzgebung  und  gesetzge- 
bende Gewalt  im  griechischen  alterthume.    gr.  4.     849.     6  gr. 

Hyperidis  orationes  duae  ex  papyro  Ardeniano  editae.  Post 
Ch.  Babingtonem  emend.  et  scholia  adj.  F.  G.  Schneidewin. 
gr.  8.     853.  10  gr. 

Tibulli,  Albii,  carmina  ex  rec.  Car.  Lachmanni  passim 
mutata  explic.  L.  Dissenius.  2  partes.  (P.  I.  Disquisit. 
de  vita  et  poesi  Tibulli.  Carmina.  Acced.  lectiones  ed.  Pi- 
nellianae  nunc  primum  collatae.  P.  IL  Commentarium  cont.) 
gr.  8.     835.  1   vp  15  gr. 


SM.  1873.  Nr.  1. 

Philologischer  Anzeiger. 

Herausgegeben    als   erganzung  des   Philologus 


von 

Ernst  von  Leutsch. 
Supplementheft  I. 


361.  Das  verbum  der  griechischen  spräche  seinem  bau  nach 
dargestellt.  Von  Georg  Curtius.  Erster  band.  8.  Leipzig, 
Hirzel  1873.     X.     392  ss.  —  2  thlr.   12  sgr. 

Eine  neue  arbeit  von  Georg  Curtius  ist  an  und  für  sich 
für  jeden,  der  auf  dem  gebiete  der  vergleichenden  Sprachfor- 
schung oder  der  griechischen  grammatik  arbeitet,  sehr  interes- 
sant; in  weit  erhöhtem  maße  ist  es  das  vorliegende  buch,  da 
es  einmal  die  erste  grössere,  zusammenhängende  erscheinung  ist, 
die  der  Verfasser  seit  seinen  bahn  brechenden  grundzügen  der 
griechischen  etymologie  veröffentlicht,  und  andrerseits  ein  gebiet 
behandelt,  das,  wie  es  zu  den  wichtigsten  der  grammatischen  for- 
schung  gehört,  so  in  sich  einige  der  bedeutendsten  probleme 
birgt.  Ich  kann  mir  an  dieser  stelle  alle  loboserhebungen  des 
Werkes  als  völlig  überflüssig  sparen;  das  buch  des  meisters 
steht  hoch  über  meiner  Würdigung;  es  legt  auf  jeder  seite  von 
neuem  zeugniss  ab  von  all  den  glänzenden  eigenschaften ,  die 
wir  alle  längst  an  Georg  Curtius  kennen.  Ich  will  mich  darauf 
beschränken  den  Inhalt  des  buches  in  gedrängter  Übersicht  vor- 
zuführen, mir  hie  und  da  eine  kurze  bemerkung  erlaubend. 

Die  Systematik  des  griechischen  verbum  hatte  Curtius 
schon  vor  einer  reihe  von  jähren  (1846)  in  der  „Bildung  der 
tempora  und  modi"  sprachvergleichend  dargestellt,  in  einer  für 
den  größeren  theil  dieser  lehre  grundlegenden  weise,  die  frei- 
lich im  einzelnen  von  den  fortschreitenden  resultaten  der  Sprach- 
wissenschaft zum  theil  vielfach  überholt  ward.  Das  buch  war  ver- 
griffen; statt  einer  neuen  bearbeitung  gab  mm  der  Verfasser 
vorliegendes  werk.  Der  erste  band  umfasst  nach  der  einleitung 
die  lehre  von  den  personalendungen  und  dem  augment,  die  prä- 

Philol.  Anz.  V.  41 


642  361.     Grammatik.  Shft.   1. 

sens-  und  starke  aoristbildung  der  verba  ohne  thematischen  vocal 
und  die  präsensbildung  der  thematischen  verba.  In  der  einlei- 
tung,  die  einige  principielle  fragen  dieses  gebietes  kurz  und 
bündig  erörtert,  scheint  uns  das  wichtigste,  daß  Curtius  es  hier 
mit  voller  entschiedenheit  ausspricht,  was  er  schon  in  der  ab- 
handlung  zur  Chronologie  der  indogerm.  sprachforsch,  p.  221  ff. 
zu  seiner  ansieht  gemacht  hatte,  dass  der  sogenannte  thematische 
vocal  und  ebenso  die  präsensstammbildenden  Zusätze  na  und  nu 
nicht  bedeutungslose  lautelemente  seien,  wie  er  selbst  früher  an- 
genommen hatte,  sondern  pronominalstämme,  die  aus  der  wurzel 
ein  nomen  bildeten,  das  dann  zur  verbalbildung  mit  den  bekann- 
ten personalbildenden  pronominen  Verbindung  einging.  Es  liegt 
auf  der  hand,  wie  wichtig  diese  erkenntniß  für  das  verständniß 
der  gesammten  wortbildungslehre  ist.  Entschiedener  als  dies 
von  Curtius  (p.  234)  geschehen  ist,  möchte  ich  noch  der  silbe 
ta  (in  xvn-  ro-fisv)  einen  ganz  analogen  Ursprung  vindiciren 
und  sie  auf  den  pronominalstamm  ta  zurückführen,  der  in  allen 
indogermanischen  sprachen  weit  verbreitete  nomina  agentis  bildet, 
wie  ja  auch  die  partieipia  auf  io-g  bei  weitem  nicht  ausschliess- 
lich passive  bedeutung  haben.  Was  die  silbe  ja  in  der  prä- 
sensbildung betrifft,  so  lässt  sich  allerdings  nicht  leugnen,  dass 
gewichtige  gründe,  wie  sie  von  Curtius  p.  292  f.  erörtert  sind, 
dafür  sprechen  sie  mit  Bopp  auf  die  verbalwurzel  ja  =  gehen  zu- 
rück zu  führen.  Manche  von  ihnen  mögen  wol  noch  zu  besei- 
tigen sein,  wie  z.  b.  das  ja  im  optativ  und  futur  sehr  leicht 
verschieden  von  jenem  sein  kann,  und  die  ganze  analogie  der 
präsensstammbildung  spricht  in  meinen  äugen  doch  zu  stark  zu 
gunsten  der  von  Curtius  verworfenen  Schleicherschen  ansieht,  wo- 
nach auch  ja  das  bekannte  nominalsuffix  ist.  Auch  das  möchte 
ich  Curtius  nicht  zugeben,  dass  analogieen  zwischen  nominal- 
und  präsensstammbildung  sich  in  weiterem  umfange  nicht  nach- 
weisen lassen,  ich  selbst  habe  für  einen  theil  der  hier  in  betracht 
kommenden  bildungen,  die  mit  hilfe  von  nasalen  gebildeten  prä- 
sensstämme,  diesen  nachweis  in  einer  demnächst  erscheinenden 
arbeit  zu  führen  gesucht. 

Nachdem  Curtius  am  Schlüsse  der  einleitung  noch  die  ver- 
suche von  Westphal  und  Merguct  die  Boppsche  theorie  von  der 
Zusammensetzung  der  verbalformen  umzustürzen  einer  gebühren- 
den  Würdigung   unterzogen   hat,   geht   er   über   zur   betrachtung 


Shft.  1.  361.     Grammatik.  643 

der  personalendungen.  Das  fit  in  der  1.  person  singularis  des 
Optativs  wird  nicht  als  analogie,  sondern  als  uraltes  sprachgut 
aufgefpsst,  aus  der  zeit  wo  der  optativ  noch  primäre  endungen 
hatte,  was  durch  eine  entsprechende  erscheinung  im  päli  ge- 
stützt wird.  Die  medialendungen  erklärt  Curtius  jetzt  mit 
Kuhn  und  Bopp  als  durch  doppelsetzung  des  pronomens  entstan- 
den, nicht  durch  guna,  wie  früher.  Dass  in  diesem  schwierigen 
gebiete  noch  manche  punkte  unaufgehellt  bleiben,  ist  selbst- 
verständlich und  es  ist  nur  zu  loben,  dass  Curtius  darin  ein- 
fach auf  diese  grenzen  unserer  erkenntniß  hinweist,  statt  sie  durch 
hypothesen  aus  der  weit  schaffen  zu  wollen  —  so  der  Ursprung 
des  G  in  der  endung  G&a  der  zweiten  person,  die  schwierigen 
dualendungen  u.  a. ;  denn  die  erklärung,  die  p.  99  ff.  für  die 
die  lautgruppe  öd-  enthaltenden  personalendungen  versucht  wird, 
darf  doch  wol  noch  als  einigemiassen  problematisch  gelten. 
Im  augment  sieht  Curtius  noch  immer  den  pronominalstamm  a 
mit  hinweisung  auf  das  ferner  liegende  in  der  Vergangenheit; 
die  entgegenstehenden  ansichten  werden  einer  eingehenden  be- 
urtheihmg  unterzogen  (p.  104  ff.).  Dem  im  Veda  einigemale 
sich  findenden  langen  d  entspricht  rj  als  augment  bei  niD.u), 
ßovXofj,oUj  dvrufjai,  was  aber  bei  Homer  noch  gar  nicht  vor- 
kommt und  erst  im  attischen  häufiger  wird;  die  erklärung  die- 
ser erscheinung  ist  schwierig.  Auch  das  temporale  augment 
war  ursprünglich  a,  das  mit  dem  anfangsvocal  des  Stammes  zu 
ä  zusammenfloss ,  und  zwar  —  dieser  punkt  ist  für  die  aug- 
mentlehre ebenso  neu  als  geeignet  mit  leichtigkeit  die  Schwierig- 
keiten der  bisherigen  erklärungen  zu  heben  —  vor  der  vocal- 
spaltung;  das  lange  a  differenzierte  sich  dann  nach  den  kurzen 
vocalen  in  ä  r\  w  (rj  für  ü  im  ionischen  z.  b.  rjyov  ist  spätere 
neuerung) ;  von  dehnung  des  i  und  v  sind  etwa  nur  ein  dutzend 
fälle  bezeugt.  Es  ist  dies  also  wohl  spätere  analogie.  Die  weg- 
lassung des  syllabischen  augments  ist  poetisch-archaistische  licenz, 
die  des  temporalen  eine  nie  ganz  überwundene  lautliche  be- 
queralichkeit;  man  darf  daraus  aber  nicht  schliessen,  dass  das 
augment  für  die  indogermanische  Ursprache  unwesentlich  war. 
Nach  der  behandlung  der  präsens-  und  aoriststämme  der  verba 
ohne  thematischen  vocal,  auf  deren  einzelheiten  wir  hier  nicht 
eingehen  können,  geht  Curtius  über  zur  thematischen  conjuga- 
tion,  die  in  den  schon  aus  seiner  schulgrammatik  bekannten  clas- 

41* 


644  361.  Grammatik.  Shft.  ll. 

Ben  (unverstärkte,  dehnclasse,  t-classe,  nasal-classe,  inchoativ-classe, 
i-classe,   e-classe)  abgehandelt  wird.      Die  anordnung  des  Stoffes 
in   den   einzelnen   classen   ist  immer   die,    dass   zuerst  die  allge- 
meinen fragen  erörtert  und  hierauf  die  zugehörigen  verba,  nach 
genetischen   principien   geordnet,    aufgeführt  werden,   wobei   auf 
statistische  Vollständigkeit  im   verzeichnen   der    einzelnen  formen 
keine  rücksicht  genommen  wird,  um  so  mehr  aber  auf  Verzeich- 
nung des  etymologischen  materials.      Zweifelhaft  scheint  mir  die 
berechtigung   der   auffassung   des  Verhältnisses  der  präsentia  auf 
vw   zu   denen  auf  vrjfit,  und  vv(itf   wie  sie  p.   243  f.  vorgetragen 
wird.      Gewiß    sind   aus   präsentien    auf  vrj-fii   solche   auf  vu)  in 
der  weise  hervorgegangen,   dass   das  «    des   präsensstammauslau- 
tenden    vu    als    thematischer    vocal    behandelt    wurde:    öufjbvrjfjii 
duftvto;    aber   dass  da,   wo  die  verba  auf  voo  neben  solchen  auf 
vvfji  stehen,  sie  auf   dem   wege  vv-fit  vv-to  (durch  stammerweite- 
rung)   vpu)   vo3    entstanden   sind,     scheint    mir    wenig    glaublich. 
Der  austausch  zwischen  den  präsensstämmen  auf  na  und  nu  im 
sanskrit   und  im   verhältniß  der  verwandten   sprachen   zu  einan- 
der  ist  so  häufig,   dass   man   hier   mit  leichtigkeit  auf  nebenfor- 
men  mit  na   (vrjfii)   schliessen  kann.     Dem  p.  245    als  aus  ßöX- 
vo-fiai   entstandenen  ßovXopui  ist  wohl  noch   eXXw  anzuschliessen 
riX-voj    (Brugmann    Stud.  IV,   122).      'EXuvvcu,    das   für   tXuvvut 
steht,    also   Stammerweiterung  zeigt,    durfte   p.  254   nicht  aufge- 
führt werden,   sondern   gehört  zu  den  nebenformen  auf  vvto  bei 
den   verben   auf  vv-fit,      Was   die   erklärung   der   präsentia   auf 
vau)  anlangt,  so  verdient  doch  wohl  die  Schleichersche  erklärung, 
dass   an   den   präsensstamm    auf  va   die    präsensbildung    auf   ja 
(va-jo)  angetreten  sei,  den  vorzug  vor  der  von  Curtius,   wonach 
nur  o    angetreten  wäre ,   trotz    der  analogie   der   verba  auf  vvio ; 
denn   hier    ist   die   Stammerweiterung    ganz   im  einklang  mit  der 
entsprechenden  in  der  nominalbildung,  z.  b.  von  ddxgv  zu  däxov-ov, 
während   erweiterung   von   a-stämmen   in   dieser  weise    unerhört 
ist ;  überdies  spricht  für  Schleicher  die  analogie  der  übrigen  verba 
auf  «w   und   derer   auf  vivo.     Die    auf  p.  2G0  vereinzelt   aufge- 
führten  fjieXdvfi    und   cpcxayävsTin    sind   sehr   interessante   belege 
für    die   ursprünglicbe    identität   der   verbal-    und  nominalstämme 
auf  «ro,  denen  noch  &t]yuief  o^vvu  Hes.  zu  &r<yavov  und  ßqu- 
Tdvu  •    Qul'^ti,   und    roßov    neben   ßquinvuv  '    Toqvry.    Hes.    (grdf. 
vartana    sich   wendend,    von    der    krankheit   sich   zum   besseren 


Shft.  1.  362.  Grammatik  645 

wendend)  zuzufügen  sind.  BlvGidvoo  p.  259  konnte  wohl  nicht 
zu  den  verben  gestellt  werden,  wo  uvw  an  formen  der  i-classe 
gehängt  ist,  es  müsste  dann  ßXvlurü)  lauten,  sondern  gehört  zu 
ufiugrävco  und  ßlaGidvco.  Als,  anhang  zur  i-classe  wird  die  de- 
nominative  verbalbildung  abgehandelt.  Die  ausstattung  des  bu- 
ches  ist  eine  vorzügliche, 

Gustav  Meyer. 


362.  Die  erscheinungen  der  dissimilation  im  griechischen.  Von 
C.  Angermann.  Vor  dem  Jahresbericht  über  die  fürstenschule 
zu  Meissen.     4.     Meissen  1872 — 73.     44  s. 

In  dieser  schätzenswerthen  abhandlung  finden  sich  die  er- 
scheinungen der  dissimilation  im  griechischen  zum  ersten  male 
in  ihrer  gesammtheit  —  nur  die  nicht  zahlreichen  fälle  wie 
u(i(pooivq  für  u(A<pi(pogevg  sind  übergangen,  s.  darüber  p.  6  — 
erörtert  und  unter  einheitliche  gesichtspunkte  geordnet.  Indem 
dabei  stets  die  verwandten  erscheinungen  in  anderen  sprachen 
berücksichtigt  werden,  treten  die  Vorgänge  im  griechischen  selbst 
in  ein  um  so  helleres  licht. 

Allem  mechanischen  lautwandel  liegt  das  princip  der  be- 
queinlickkeit  zu  gründe.  Meistens  führt  dieses  zur  Schwä- 
chung der  laute,  in  einigen  fällen  auch  zur  Stärkung.  Wo  ein 
laut  an  und  für  sich,  ohne  den  einfluss  eines  benachbarten 
lautes,  unbequem  wird,  tritt  stets  Schwächung  ein;  dahin  gehört 
z.  b.  die  so  verbreitete  abschwächung  der  harten  explosivlaute, 
wie  im  ital.  luogo  für  locus.  Wird  dagegen  mit  einem  laute 
deshalb  eine  Veränderung  vorgenommen,  weil  er  sich,  in  dieser 
seiner  gestalt,  mit  nachbar lauten  schlecht  verträgt,  so  kann 
die  ausgleichung  entweder  wiederum,  und  das  ist  der  gewöhn- 
lichste fall,  durch  abschwächung  bewirkt  werden,  wie  z.  b.  in 
ilignus  für  *üicnus,  CÖSül  für  consul  (die  lautgruppen  cn  und 
ns  behagten  nicht  der  römischen  zunge),  oder  auch  durch  kräf- 
tigung  des  lautes,  wie  in  lectus  für  *legtus  und  in  Xxxog  für 
*'ixpog  ( —  skr.  agvas),  in  welch  letzteren  fällen  demnach  zwar 
g  und  p  zu  stärkeren,  mehr  articulationskraft  erfordernden  lau- 
ten erhoben  wurden,  aber  gerade  dadurch  der  ganze  lautcom- 
plex  für  den  sprechenden  eine  bequemere  gestalt  bekam.  Sehen 
wir  nun  näber  zu,  worin  denn  die  Unbequemlichkeit  besteht,  die 
die  spräche  dazu  treibt,  einen  laut  in  rücksicht  auf  einen  an- 


646  362.  Grammatik.  Shft.  1. 

dem  in  der  nähe  stehenden  umzugestalten ,  so  lässt  sich  ein 
zwiefaches  princip  auffinden.  Das  eine  mal  sind  die  laute 
einander  zu  unähnlich,  die  Sprachwerkzeuge  sind  zu  lässig  und 
zu  bequem  um  die  zwei  laute  in  ihrer  Individualität  scharf 
geschieden  hervorzubringen  und  lenken  daher  entweder  schon 
beim  ersten  laute  mehr  oder  minder  vollständig  in  die  Stellung 
ein,  die  sie  erst  später  hätten  einnehmen  sollen  (so  beim  lat. 
collatus  für  conlatus,  soboles  für  suboles,  ahd.  bitturu  für  bittaru 
mit  völliger,  bei  ninnG^ui  für  *n£7rei&fMxi,  ahd.  geban  für  goth. 
giban  mit  nur  unvollkommener  angleichung) ,  oder  sie  bleiben 
bei  der  erzeugung  des  zweiten  lautes  theilweise  oder  gänzlich 
in  der  früheren  Stellung  hängen,  wie  z.  b.  in  ülkog  für  *«A/og 
mit  vollständiger  angleichung  des  j  an  X  und  in  unserem  arg- 
ioön  für  mhd.  arcwän  mit  annäherung  des  d  an  den  in  w  ste- 
ckenden u-laut  (vgl.  das  dem  skr.  vidhavä  genau  entsprechende 
altpreuss.  widdewü  witwe,  wo  der  schlussvocal  d  sich  dem  w- 
laut  noch  mehr  näherte).  Umgekehrt  empfindet  nun  öfters 
die  spräche  gerade  den  umstand,  dass  zwei  benachbarte  laute 
einander  ähnlich  sind,  als  eine  Unbequemlichkeit,  der  gleichklang, 
den  sie  sonst  nicht  nur  nicht  meidet,  sondern  sogar  herbeiführt, 
ist  ihr  in  diesen  fällen  ein  misklang,  und  sie  sucht  ihm  durch 
dissimilation  auszuweichen,  wie  z.  b.  das  griechische  statt 
xscpaXakyCa  die  form  xeyalaQyia,  statt  fivQfivgio  die  form  /joq- 
[iv Qu)  eintreten  liess.  Diesen  psychologisch  höchst  interessanten 
dissimilationstrieb,  der  jedoch  im  verhältniß  zu  dem  assimilations- 
trieb  nur  selten  wirksam  ist,  nennt  der  verf.  nicht  unpassend 
einen  ästhetischen  zug  im  sprachleben.  Doch  muss,  damit 
diese  Sprachästhetik  im  rechten  lichte  erscheine,  besonders  her- 
vorgehoben werden,  dass  die  spräche,  um  ihre  formen  wohllau- 
tender zu  gestalten,  sich  nur  äusserst  selten  dazu  versteigt,  an 
die  stelle  eines  schwächeren  lautes  einen  stärkeren,  d.  h.  also 
einen,  dessen  hervorbringung  mehr  articulationskraft ,  grössere 
anstrengung  der  Sprachorgane  heischt,  zu  setzen,  daß  vielmehr 
dieser  ganze  „ästhetische  zug"  gewöhnlich  zu  Verstümmelung 
und  unkenntlichmachung  der  sprachformen  führt,  wie  bei  i{- 
TQuxfiov  für  ztTQadQuxiiov  und  namentlich  oft  bei  reduplicierten 
bildungen,  wie  z.  b.  das  schon  an  sich  die  reduplicationssilbe 
nicht  mehr  in  ihrer  ursprünglichen  Integrität  aufweisende  ßt~ 
ßXdöirjxu  noch  weiter  zu  ißXuaTijxa   verstümmelt  oder  —   vom 


Shft.  1.  362.  Grammatik.  <647 

standpunct  des  dissimilationstriebes  angesehen  —  verschönert 
ward.  Ueberhaupt  also  ist  Schwächung  des  einen  der  zwei  laute 
oder  lautcomplexe  die  regel,  und  während  z.  b.  im  sanskrit 
*pi-päm  i  zu  pi-bami  (bibo) ,  *dha-dhämi  zu  dadhämi  (jC&rjfU/)  dis- 
similiert werden,  kommt  z.  b.  für  da-dämi  (dtdwfii)  etwa  ein 
datami,  tadämi  oder  dergl.  nicht  vor.  Zu  den  ausnahmefällen 
gehört  z.  b.  das  skr.  futur  vatsjämi  für  *vas-sjämi  (von  wurzel 
vas),  wo  an  die  stelle  des  ersten  Sibilanten  der  stärkere  t- 
laut  getreten  ist.  Man  wird  nun  vielleicht  die  frage  aufwerfen: 
warum  führt  die  spräche  das  eine  mal  gleichklang  herbei,  wäh- 
rend sie  ihm  das  andre  mal  aus  dem  wege  geht?  warum  z.  b. 
bilden  die  Italiener  aus  dem  lat.  Julius  durch  assimilation  die 
form  luglio,  während  sie  doch  flagellare,  um  der  Wiederholung 
des  l  auszuweichen,  zu  fragellare  umgestalten?  Die  spräche 
fand  eben  das  eine  mal  die  form  luglio  bequemer  und  mundge- 
rechter, das  andre  mal  die  form  fragellare.  Aber  inwiefern  und 
warum?  Da  lässt  sich  denn  nur  antworten:  weil  sie  ein  launen- 
haftes wesen  ist,  das  zu  verschiedenen  zeiten  oft  ganz  verschie- 
denen trieben  folgt. 

Schon  aus  diesen  allgemeinen  andeutungen  wird  man,  hoffe 
ich,  schliessen  können,  wie  viel  interessantes  die  abhandlung 
bietet.  Freilich  wird  man  nach  durchmusterung  aller  einzelnen 
fälle  von  dissimilation ,  die  vorgeführt  werden,  dem  verf.  den 
Vorwurf  nicht  ersparen  können,  dass  er  in  seinem  streben  mög- 
lichst viele  dissimilationserscheinungen  aufzuspüren  mehrfach  sich 
über  die  richtige  grenze  hinaus  verirrt  hat  und  sich  nicht 
immer  des  hier  zur  anwendung  kommenden  methodischen  grund- 
satzes  bewusst  war,  dass  man  den  dissimilationstrieb  nur  dann 
als  motiv  irgend  einer  lautveränderung  anzuerkennen  hat,  wenn 
man  erwarten  darf,  dass  der  laut  unter  anderen  Verhältnissen 
dieser  Veränderung  nicht  wäre  unterworfen  worden;  so  heisst  es 
p.  29 :  „das  lateinische  zeigt  dissimilation  bei  c  in  conquinisco 
für  conguicnisco  von  wzl.  kvahu:  aber  es  wird  ja  auch  aus 
*lacna  läna,  aus  *decni  deni,  aus  *placnus  planus  u.  s.  f.!  In- 
dessen befriedigt  die  abhandlung  in  der  gesammtaunassung  der 
in  rede  stehenden  lautvorgänge  um  so  mehr,  und  dass  es  ihr 
auch  im  einzelnen  nicht  an  hübschen  beobachtungen  mangele, 
dafür  mag  beispielsweise  sprechen  die  schlagende  erklärung  von 
l&vg  aus  *v&vg  (wie   (fnvc,   aus  *(pri/g),    die   das    bisher  stets 


648'  363.     Griechische  Grammatik.  Shft.   £ 

dunkel  gebliebene  verhältniß  von  I9vg  zu  tvdvg  vollkommen; 
klar  stellt  und  vor  allen  bisherigen  deutungsversuchen ,  nament- 
lich auch  vor  dem  neusten  von  Joh.  Schmidt  (vocal.  I,  p.  181), 
entschieden  den  Vorzug  verdient  (p.  24  f.). 

K.  Brugmann. 

363.  Griechische  schulgrammatik  von  Dr.  Georg  Curtius. 
Zehnte,  unter  mitwirkung  von  Dr.  Bernhard  Gerth  erweiterte 
und  verbesserte  aufläge.  Prag,  1873.  Verlag  von  F.  Tempsky. 
Berlin  bei  Wilhelm  Hertz  (Besser'sche  buchhandlung).  gr.  8°. 
XII  u.  392  seiten.  —  28  sgr. 

Wenn  ein  so  bekanntes  und  nicht  nur  durch  sich  selbst, 
sondern  auch  durch  eine  reihe  von  mehr  oder  weniger  selbstän- 
digen nachfolgern  so  einflußreich  gewordenes  Schulbuch  wie 
Curtius'  griechische  grammatik  in  zehnter  aufläge  mit  wesent- 
lichen erweiterungen  erscheint,  so  ist  dies  um  so  bemerkenswer- 
ther,  als  der  verf.  in  der  vorrede  zur  9.  aufläge  kein  bedenken 
trug  zu  erklären,  daß  er  im  großen  und  ganzen  das  buch  nun- 
mehr als  abgeschlossen  betrachte.  Fassen  wir  daher  die  Verän- 
derungen der  neuen  aufläge  ins  äuge  um  zu  ermitteln,  ob  der 
zweck,  durch  dieselben  das  buch  füi  den  Unterricht  besonders 
in  den  oberen  classen  brauchbarer  zu  gestalten,  erreicht  ist. 

Die  formenlehre  hat  (von*,  p.  D7)  „nur  hier  und  da  kleine 
berichtigungen  und  zusätze  erfahren".  Indem  wir  bemerken, 
daß  dergleichen  abänderungen  doch  an  über  hundert  stellen  vorge- 
nommen sind,  so  daß  der  umfang  der  formenlehre  sich  um  zwei 
seiten  vermehrt  hat,  führen  wir  b eis piels weise  folgendes  an.  §.  34 
&.  ist  im  verzeichniß  der  im  anlaut  digammirten  Wörter  ixaCrog 
hinzugekommen.  §.  40  #.  heißt  es  jetzt:  „bei  Homer  werden 
viele  anfangssylben  gedehnt,  namentlich  in  vielsylbigen  Wör- 
tern, welche  nicht  anders  in  den  vers  passen".  §.  144  „ö  oder 
V  ßfä"-  §•  221  sind  bei  sJg  noch  einige  formen  von  ovdn'g  und 
pydeCg  zugefügt.  §.  237  über  Unregelmäßigkeiten  im  augment 
vocalisch  anlautender  verba  ist  etwas  anders  gefaßt.  Wesent- 
lich verändert  ist  (vorr.  p.  IV,  wo  auch  die  weiteren  nachweise 
aus  Curtius'  grammatischen  Schriften  sich  finden)  nur  §.  243  d: 
über  die  assimilation  (früher  zerdehnung  genannt)  in  den 
verbis  auf  au;  alle  fälle  dieser  erscheinung  werden  jetzt  unter 
dem  gesetze  zusammengefaßt,   daß   der  o-laut  der  folgenden 


Shft.  1.  363.  Griechische  Grammatik.  649 

silbe  vorhergehendes  «  in  o  oder  a>,  dagegen  der  a-laut  der 
vorhergehenden  silbe  nachfolgenden  e-laut  in  a  verwan- 
delt. —  Diese  änderungen  sind,  wie  man  sieht,  nicht  so  bedeu- 
tend, daß  die  formenlehre  dadurch  einen  wesentlich  anderen 
character  erhielte.  Ganz  unverändert  ist,  so  viel  wir  sehen, 
cap.  13  (wortbildungslehre)  geblieben.  Dagegen  ist  die  syntax 
von  B.  Gerth  unter  fortlaufender  berathung  mit  dem  verf.  durch 
bedeutende  zusätze  erweitert  und  stellenweise  ganz  umgearbeitet; 
die  Seitenzahl  hat  sich  hier  um  41  vermehrt.  Da  uns  der  räum 
eine  eingehende  vergleichung  und  besprechung  hier  nicht  ge- 
stattet, so  können  wir  nur  ungefähr  andeuten,  welche  grund- 
sätze'  bei  der  Umarbeitung  befolgt  sind.  Im  allgemeinen  haben 
wir  die  angaben  in  Gerth's  eigener  vorrede  bestätigt  gefunden  und 
dabei  überall  sowohl  gründliche  sachkenntniß  als  auch  schul- 
männischen tact  und  genaue  bekanntschaft  mit  den  bedürfnissen 
des  Unterrichts  beobachtet.  In  den  vorderen  abschnitten  der 
syntax  (über  Satzglieder,  artikel,  casus,  präpositionen)  geht. 
Gerth  hauptsächlich  auf  lexicalische  Vervollständigung  des  Stoffes 
aus,  namentlich  dadurch,  daß  er  den  bloßen  bezeichnungen  vom 
begriffsclassen  die  gangbarsten  griechischen  ausdrücke  selbst 
hinzufügt,  eine  specialisirung  durch  die  natürlich  die  anwendung 
der  regeln  bedeutend  erleichtert  wird.  (Gern  hätten  wir  das- 
selbe bei  den  verben  mit  genit.  des  preises  §.  421  und  bei  den 
verben  nach  denen  onoog  steht  §.  553  gesehen).  Ebenso  sind, 
bei  angäbe  der  bedeutung  der  präpositionen  in  der  Zusammen- 
setzung stets  einige  der  gebräuchlichsten  composita  mit  deut- 
scher bedeutung  zugesetzt.  In  den  folgenden  abschnitten  greifen 
dagegen  die  Veränderungen  viel  tiefer  ein;  besonders  in  der  ei- 
gentlichen moduslehre,  in  der  lehre  von  den  negationen  und 
sonst  ist  das  buch  zum  theil  ein  völlig  anderes  geworden,  in- 
dem auch  in  wissenschaftlicher  beziehung  von  den  früheren 
ganz  abweichende  grundansichten  maßgebend  gewesen  sind. 
Vor  allem  die  in  der  vorrede  citirten,  in  der  that  höchst  bedeu- 
tenden Schriften  Akens  sind  sorgfältig  benutzt  und  mit  selbstän- 
digem urtheile  verarbeitet.  Ob  freilich  die  neue  darstellung 
sich  immer  auch  für  die  schule  als  die  practischere  bewähren 
wird,  bezweifeln  wir,  da  der  schüler,  selbst  der  primaner,  doch 
durchschnittlich  noch  zu  wenig  logisch-grammatische  bildung  be- 
sitzt, um  der  auffassung  so  complicirter  Verhältnisse  in  abstracter 


föO  363.  Griechische  grammatik.  Shft.  1. 

form  gewachsen  zu  sein.  —  Vielfach  sind  ganz  neue  abschnitte 
hinzugekommen,  wie  in  §.  552,  4  und  553  b  (modi  in  conse- 
cxxtiven  sätzen),  558  b  (assimilation  der  modi),  615  (ov  beim 
infinitiv),  611b  (ja  und  nein),  518  b  (übersieht  über  den  modusge- 
brauch in  einfachen  sätzen),  auch  einzelnes,  was  früher  em- 
pfindlich vermißt  wurde,  ist  sorgfältig  nachgetragen,  wie  z.  b. 
bei  nqtv  mit  construetion  der  zeitpartikeln  die  beschränkung 
auf  regierenden  negativen  satz  (§.  558).  —  Was  die  form 
betrifft,  so  ist  Gerth  überall  bemüht,  die  fassung  präciser  und 
systematischer  zu  machen,  indem  er  das  einzelne  möglichst  un- 
ter allgemeine  gesichtspunete  bringt  und  von  diesen  aus,  oft 
unter  änderung  der  reihenfolge,  schärfer  classificirt,  kleine  in- 
consequenzen  beseitigt,  durch  citate  auf  verwandtes  verweist 
und  dabei  erläuternde  parallelen  aus  dem  lateinischen  und 
deutschen  aufzufinden  weiß.  Den  beispielen  ist  bald  die  feh- 
lende Übersetzung  beigegeben,  bald  die  vorhandene  als  unnöthig 
genommen.  Bei  anderen  weglassungen  sieht  man  nicht  überall 
den  grund;  so  ist  §.  362,  1  ia&rjg,  kleidung,  kleider  weggeblie- 
ben, dagegen  afimlog  weinberg  hinzugefügt!  Ebenso  ist  es 
mit  den  substituirten  und  den  neu  hinzugefügten  beispielen; 
auch  wären  bei  allen  die  citate  erwünscht  gewesen.  Hier  und 
da  scheint  Gerth  in  berücksichtigung  von  specialitäten  und  Sel- 
tenheiten etwas  zu  weit  zu  gehen,  während  man  zuweilen  noth- 
wendiges  vergebens  sucht,  so  die  construetion  von  ä(paiQt~G&aC 
Tivog  ti  oder  von  xaxqyoge Tv  nva,  wenn  letzteres  auch  im  index 
steht.  Auch  hätte  in  beiden  theilen  des  buches  noch  mancher- 
lei einer  änderung  bedurft-,  so  ist  §.  45  „die  präposition  ix 
(aus,  lat.  ex)  bleibt  in  allen  Zusammensetzungen  unverändert" 
leicht  mißverständlich.  §.  66  bei  der  synizese:  „inet  ov  (als 
nicht)"  vielmehr  da,  weil  nicht,  wenigstens  bei  Homer.  §. 
177,  7  ist  die  Schreibart  Ju  nach  §.  9  nicht  zu  billigen.  §. 
241  steht  zweimal  dvg  statt  dvg  (richtig  §.  360  anm.).  §.  313  #. 
6  ist  doouito  undeutsch  durch  „nachtmahl"  übersetzt.  §.  622,  5 
war  [tantum  non]  wohl  für  die  vorhergehende  zeile  bestimmt. 
Dies  sind  allerdings  nur  kleinigkeiten ,  aber  in  Schulbüchern 
kommt  es  bekanntlich  auch  auf  kleinigkeiten  an;  auch  ließe 
sich  noch  manches  ähnliche  beibringen.  Auch  die  druckfehler 
früherer  auflagen  sind  nicht  überall  beseitigt;  so  das  zur  9- 
schon  corrigirte  ßovXtvofievovg  p.  327,    7   und   das  schon  in  der 


Shft.  1.  364.  Griechische  literatur.  651 

6.  aufl.  stehende  „6i£  ^ev-ori  di"  in  §.  217.  Außerdem  sind 
uns  aufgefallen  p.  267,  13  Gnovöui,  at;  p.  337,  9  xuC  uvddvst, 
abgesehen  von  ziemlich  häufig  fehlenden  zeichen  und  v  itpcXxvGuxov. 
Für  einen  entschiedenen  übelstand  des  buches  haben  wir 
stets  die  überall  eingemischten  unattischen  und  poetischen  for- 
men gehalten.  Der  schüler  hat  bekanntlich  für  formen,  die  er 
nicht  gebrauchen  soll,  wenn  sie  ihm  vor  äugen  kommen  (wie 
hier  z.  b.  tJq>  r\Caxo,  elsiipa,  ijiatv^örjg)  ein  viel  festeres  gedäckt- 
niß  als  für  die  üblichen,  und  der  zusatz  „poet."  hilft  gegen 
confusion  in  dieser  beziehung  nichts.  Das  einzige  sichere  mittel 
ist  vielmehr  die  beschränkung  auf  den  atticismus.  Es  wundert 
uns ,  daß  diese  concession  der  praxis  nicht  gemacht  worden  ist, 
da  doch  Gerth  wenigstens  auf  die  schriftlichen  arbeiten  der 
schüler  fvorr.  p.  VI)  besondere  rücksicht  nimmt.  Mag  immerhin 
die  beibehaltene  art  der  darstellung  vom  sprachwissenschaftli- 
chen standpuncte  aus  berechtigt  sein,  das  gymnasium  lehrt  vor- 
läufig noch  spräche,  nicht  Sprachwissenschaft;  wir  fürch- 
ten aber,  daß  man  in  dem  unstreitig  richtigen  streben,  die  re- 
sultate  der  Sprachvergleichung  in  der  schule  zu  verwerthen, 
nicht  immer  zwischen  methode  im  wissenschaftlichen  und 
methode  im  didactischen  sinne  scharf  genug  unterscheidet. 

L.  Hartz. 

364.  Griechische  literaturgeschichte  von  Theodor  Bergk. 
Erster  band  ').     Berlin.     8.     Weidmann.   1872.  —  3  thlr. 

Trotz  des  bedeutenden  raumes,  der  in  vorliegendem  bände 
auf  das  homerische  epos  verwendet  worden  ist,  wird  man  im- 
merhin noch  einiges  von  dem  vermissen,  was  sonst  die  ausführ- 
licheren literaturgeschichten  zu  bieten  pflegen.  "Wer  das  buch 
in  die  hand  nimmt,  um  sich  über  die  leistungen  der  neuern  Ho- 
merkritik zu  orientiren,  wird  sehr  enttäuscht  sein:  außer  Wolf, 
Hennann,  Lachmann,  Kirchhoff,  Nitzsch  und  Grote  sind  keine 
namen  weiter  genannt,  wie  denn  überhaupt  das  ignoriren  frem- 
der ansichten  selten  so  weit  getrieben  worden  ist,  als  hier.  Es 
ist  dies  um  so  mehr  zu  bedauern,  weil  dadurch  der  praktische 
nutzen  des  buches  erheblich  vermindert  wird. 

Wir  lernen  also,  abgesehen  von  einigen  bemerkungen  über 

1)  Referat  über  den  zweiten,  Homer  behandelnden  theil. —  Vrgl. 
auch  ob.  nr.  9,  p.  439. 


652  364.  Griechische  Iiteratur.  Shft.    1, 

die  oben  angeführten  forscher,  nur  des  Verfassers  eigene  ansich- 
ten  kennen.  Welcher  richtung  Bergk  angehört,  ist  schwer  zu 
definiren.  Er  ist  conservativer  als  die  conservativen ,  und  radi- 
kaler als  die  radikalen:  conservativer,  denn  er  läßt  Homer  die 
Ilias  schriftlich  abfassen;  radikaler,  denn  er  verwirft  zwei  drittel 
der  Ilias  als  unecht.  Daß  solche  Vereinigung  der  divergirend- 
sten  richtungen  zu  einer  befriedigenden  lösung  der  homerischen 
frage  führen  könne,  ja  auch  nur  zu  einer  so  consequenten  durch- 
bildung  des  Systems,  wie  wir  sie  bei  Lachmann  finden,  dies  hat 
wenig  Wahrscheinlichkeit,  zumal  wenn  man  Bergks  analyse  der 
Ilias  zusammenhält  mit  der  von  ihm  selbst  aufgestellten  Chrono- 
logie. Danach  ist  die  Urilias,  welche  übrigens  mit  der  G-rote- 
sehen  nichts  gemein  hat,  von  Homer  im  jähre  943  geschrieben 
worden,  und  zwar  auf  pergament,  oder  sagen  wir  lieber  auf 
thierhäute,  wenn  jenes  wort  zu  modern  klingt.  Der  einfache 
plan  des  ursprünglichen  gedichtes  gestattete  leicht  erweiterungen, 
welchen  umstand  die  schüler  und  nachahmer  Homers  benutzten, 
um  ihre  eigenen  dichterischen  produkte  dem  gefeierten  epos  ein- 
zuverleiben. Hernach  überarbeitete  ein  diaskeuast  das  ganze, 
indem  er  große  stücke  echter  poesie  tilgte  und  sie  durch  eige- 
nes machwerk  ersetzte.  Erst  nach  diesem  vorläufigen  abschlusse 
wurden  W  und  £2  hinzugedichtet  und  dann  der  schiffskatalog 
eingefügt,  den  Bergk  übrigens  sehr  ansprechend  aus  einem  äl- 
teren, die  abfahrt  von  Aulis  behandelnden  gedachte  entlehnt 
sein  läßt.  Die  somit  im  wesentlichen  auf  ihren  jetzigen  bestand 
gebrachte  Ilias  erhielt  zuletzt  noch  mancherlei  kürzere  interpo- 
lationen.  Alle  diese  gewaltigen  Veränderungen,  welche  bei  ei- 
ner mündlichen  fortpflanzung  des  gedichtes  vielleicht  Jahrhun- 
derte in  anspruch  genommen  hätten,  sollen  nun  trotz  der  schrift- 
lichen abfassung  des  Werkes  in  40  resp.  25  jähren  zum  abschluß 
gekommen  sein.  Eine  Interpolation  des  schiffskatalogs  nämlich, 
in  welcher  Bergk  eine  anspielung  auf  die  blüthe  der  rhodischen 
Seemacht  findet,  setzt  er  in  das  jähr  900;  ebenso  gut  könnte 
man  auch  schon  920  annehmen,  weil  jene  seeherrschaft  in  die 
jähre  928 — 905  fällt,  und  zu  der  anspielung  mehr  anlaß  wäh- 
rend als  nach  der  blüthezeit  vorhanden  war.  Indessen  sind  wir 
so  wie  so  zu  der  annähme  genöthigt,  daß  alle  oder  doch  die 
meisten  Veränderungen  und  Verderbnisse  der  Hias  sich  noch 
unter     den    äugen     Homers     vollzogen     haben,    wenn    anders 


Shft.  1.  364.  Griechische  literatür.  653 

diesem    dichter    auch    nur     ein    mittleres    lebensalter    beschie- 
den war. 

Nun  ist  es  zwar  sehr  glaublich,  daß  zu  den  ersten  erwei- 
terungen  Homer  selbst  seine  Zustimmung  gegeben  hat,  denn 
eine  schülerarbeit,  wie  Hektors  abschied  von  Andromache,  mußte 
ihm  für  eine  wirkliche  bereicherung  seiner  Ilias  gelten:  weit 
weniger  glaublich  ist  es,  daß  gerade  dieser  berühmte  abschied 
von  einem  schüler  oder  nachahmer  herrühren  soll.  Was  Bergk 
für  seine  annähme  geltend  macht,  es  sei  unpassend,  daß  Hektor 
in  einem  kritischen  momente  die  Schlacht  verlasse,  während 
doch  jeder  andere  die  bestellung  an  Hekuba  hätte  besorgen 
können,  dies  möchte  wohl  den  wenigsten  gewichtig  genug  er- 
scheinen, um  eine  solche  auffallende  athetese  zu  rechtfertigen; 
ja  man  dürfte  vielleicht  finden,  daß  der  angeführte  grund  nicht 
bloß  zu  wenig  gewichtig,  sondern  daß  er  überhaupt  kein  grund 
ist.  Angenommen,  es  sei  eine  Unschicklichkeit,  Hektor  aus  dem 
kämpfe  sich  entfernen  zu  lassen,  was  giebt  uns  das  recht,  diese 
Unschicklichkeit,  weil  sie  Homers  unwürdig  ist,  dem  dichter  der 
abschiedsscene  aufzubürden?  Zeigt  dieser  etwa  ein  geringeres 
gefühl  für  das  schickliche  als  irgend  ein  anderer  dichter,  Homer 
selbst  nicht  ausgenommen?  Der  einzige  ausweg  aus  der  Verle- 
genheit, nämlich  anzunehmen,  daß  erst  ein  späterer  Ordner  die 
scene  in  den  Zusammenhang  eingefügt  habe,  dieser  ausweg,  den 
die  liedertheorie  bietet,  ist  hier  nicht  zulässig,  weil  nach  Bergk 
das  betreffende  stück  von  vorn  herein  für  den  Zusammenhang 
der  Ilias  gedichtet  ist.  Dadurch  sind  wir  zu  der  entgegenge- 
setzten Schlußfolgerung  gezwungen:  weil  der  dichter,  dem  wir 
Hektors  abschied  verdanken,  offenbar  den  feinsten  sinn  für  das 
poetisch  angemessene  und  schickliche  beweist,  so  wird  sich  die 
von  ihm  beliebte  motivirung  der  scene  auch  wohl  poetisch  recht- 
fertigen lassen.  Und  in  der  that  kann  man  sich  leicht  davon 
überzeugen,  daß  der  besprochene  abschnitt,  wie  er  für  die  Ilias 
unentbehrlich  ist,  auch  an  keiner  andern  stelle  sich  schicklicher 
hätte  anbringen  lassen  als  gerade  da,  wo  Hektors  glänzende 
aber  kurze  heldenlaufbahn  beginnt. 

Unwahrscheinlicher  noch  als  die  vorausgesetzte  weitreichende 
thätigkeit  der  nachdichter  ist  das  zerstörungswerk  des  diaskeua- 
sten.  Die  beseitigung  ausgedehnter  stücke  echter  homerischer 
poesie   verträgt   sich   nicht  mit   der   hohen   achtung,   in  welcher 


654  364.  Griechische  literatur.  Shft.  1. 

diese  poesie  anerkannter  maßen  bei  mit-  und  naclrwelt  stand. 
Ilias  und  Odyssee  galten,  wie  Bergk  selbst  auseinandersetzt,  als 
ein  geheiligter  boden,  den  andere  dichter  gar  nicht  zu  betreten 
wagten.  Niemals  wählten  die  nachfolger  gegenstände  zur  bear- 
beitung,  die  bereits  Homer  selbst  behandelt  hatte,  —  und  doch 
hätten  sie  es  sich  erlaubt,  jene  gefeierten  dichterwerke  zu  ver- 
stümmeln und  zu  verunstalten?  Und  wenn  wirklich  bei  einem 
einzelnen  die  nöthige  rücksichtslosigkeit  sich  vorfand,  wie  war 
es  möglich,  daß  er  mit  seinem  verfahren  bei  der  nation  beifall 
fand  und  das  schriftlich  vorhandene  originalwerk  Homers  sogar 
völlig  verdrängte? 

Mit  der  Voraussetzung,  daß  die  homerischen  gedichte  gleich 
von  vorn  herein  schriftlich  abgefaßt  oder  wenigstens  doch  sehr 
frühzeitig  aufgeschrieben  worden  sind,  verträgt  sich  schlechter- 
dings nicht  die  annähme  einer  tiefgreifenden  Umgestaltung  die- 
ser gedichte,  wie  auch  ohne  specielleren  nachweis  klar  sein 
wird:  wohl  aber  bietet  jene  hypothese  ein  erwünschtes  auskunfts- 
mittel,  um  eine  ziemliche  anzahl  von  geringeren  Avie  von  bedeu- 
tenderen Unebenheiten  hinwegzuräumen.  Die  rücksicht  auf 
raumersparniß  mußte  frühzeitig  darauf  führen,  wörtlich  oder 
fast  wörtlich  wiederholte  stellen  beim  zweiten  vorkommen  nicht 
auszuschreiben,  sondern  ihr  Vorhandensein  bloß  durch  ein  zeichen 
anzudeuten,  was  in  der  folge  zu  mancherlei  irrthümern  anlaß 
geben  mochte.  Man  glaubte  ergänzen  zu  müssen,  wo  nichts  zu 
ergänzen  war,  wie  denn  z.  b.  die  stehenden  beschreibungen  der 
mahlzeiten  und  opfer  jedenfalls  zu  reichlich  angebracht  sind. 
Auch  die  bekannte  weise  der  interpolatoren ,  ihre  zusätze  aus 
Homer  selbst  zu  entnehmen,  ist  wohl  weniger  der  geistigen  Im- 
potenz dieser  leute  zuzuschreiben,  denn  einige  leidliche  verse 
in  der  muttersprache  zu  verfertigen  ist  nicht  schwer,  sondern 
vielmehr  aus  dem  bei  den  abkürzungen  beobachteten  usus  her- 
zuleiten. Man  sieht  dies  z.  b.  recht  deutlich  bei  der  ßovXr;  ye- 
qovtmv,  die,  wie  Bergk  annimmt,  an  die  stelle  einer  längeren 
und  besseren  Schilderung  des  kriegsrathes  getreten  ist.  „Der 
fürstenratli" ,  sagt  er,  „ist  durch  rücksicht  auf  die  dichterische 
composition  geboten.  Die  fürsten,  wenn  sie  nicht  vorher  von 
der  absieht  des  Agamemnon  unterrichtet  waren,  hätten  nicht 
vermocht  den  eigentlichen  sinn  seiner  rede  vor  dem  volke  zu 
verstehen".      Nun   ist   es   aber   gerade  der  hauptgrund,   der   für 


Shft.  1.  364.  Griechische  Literatur.  655 

die  Verwerfung  der  ßovXrj  ytQovTM  geltend  gemacht  werden 
kann,  daß  das  benehmen  der  fürsten  eine  vollständige  unkennt- 
niß  der  wahren  absieht  Agamemnons  verräth,  ein  grund,  der 
gegen  das  von  Bergk  supponirte  stück  in  gleicher  weise  geltung 
hat.  Offenbar  hat  schon  im  alterthume  ein  rhapsode  den  für- 
stenrath  für  nöthig  gehalten  und  die  vermeintliche  lücke  in  der 
ihm  passend  scheinenden  weise  ausgefüllt,  nämlich  durch  wört- 
liche Wiederholung  eines  kurz  vorhergehenden  Stückes,  dem  er 
nothgedrungen  noch  wenige  verse  eigener  fabrik  hinzufügte. 

Ebenso  aber,  wie  man  sich  veranlaßt  sah,  lücken  anzuneh- 
men, wo  keine  waren,  entnahm  man  gelegentlich  auch  wohl  die 
ergänzung  wirklich  vorhandener  lücken  von  der  unrechten  stelle. 
Hierfür  bietet  gleich  das  erste  buch  der  Odyssee  ein  beispiel. 
Kirchhoff,  an  den  sich  Bergk  hier  anschließt,  hat  klar  bewiesen, 
daß  Athene's  aufforderung  an  Telemach  («,  272 — 305)  unge- 
schickt aus  dem  zweiten  buche  entlehnt  ist.  So  wenig  sich  auch 
gegen  die  richtigkeit  seines  beweises  irgend  etwas  einwenden 
läßt,  so  ist  damit  doch  die  Verwerfung  des  ganzen  ersten  buches 
noch  nicht  motivirt.  Höchst  wahrscheinlich  hat  an  stelle  der 
anstößigen  verse  ursprünglich  weiter  nichts  gestanden,  als  was 
Athene  in  v.  90 — 95  als  ihren  auftrag  an  Telemach  bezeichnet, 
nur  daß  durch  den  Wechsel  der  person  eine  kleine  Veränderung 
des  Wortlautes  bedingt  ist.  Die  zweite  falsche  ergänzung  in 
demselben  buche  findet  sich  v.  374 — 380.  Auch  hier  sind  Kirch- 
hoffs  ausstellungen  vollkommen  begründet,  doch  können  die  be- 
anstandeten verse  ausfallen,  ohne  daß  deshalb  die  nachfolgende 
rede  des  Antinous  unmotivirt  erscheint.  Daß  Telemach,  der 
bisher  fast  noch  wie  ein  kind  behandelt  wurde,  überhaupt  nur 
die  absieht  ausspricht,  eine  Volksversammlung  berufen  zu  wollen, 
dies  genügt  schon,  tun  den  spott  des   Antinous  herauszufordern. 

Wenn  Bergks  versuch,  die  homerische  frage  ihrer  definiti- 
ven lösung  entgegenzuführen,  nicht  besser  geglückt  ist,  als  die 
versuche  seiner  Vorgänger,  so  scheint  der  grund  darin  zu  lie- 
gen, daß  der  begriff  der  einheit  auch  hier  weit  strenger  genom- 
men wird,  als  es  für  jene  älteste  poesie  zulässig  ist.  Diesem 
irrthume  sind  naturgemäß  gerade  die  größten  kenner  des  dich- 
ters  am  nächsten  ausgesetzt;  denn  je  inniger  man  durch  einge- 
hendes Studium  sich  von  der  unvergleichlichen  Vollendung  die- 
ser poesie  überzeugt  hat,  desto  eher  wird  man  geneigt  sein,  die 


656  365.  Q6.  Euripides.  Shft.  1. 

gleiche  Vollendung  schließlich  auch  in  der  composition  voraus- 
zusetzen. Wenn  dies  zu  theorien  geführt  hat,  denen  man  schon 
deshalb  nicht  beistimmen  kann,  weil  sie  gegenseitig  sich  aufhe- 
ben, so  ist  trotzdem  das  tiefere  verständniß  der  homerischen 
poesie  wenigstens  durch  die  leistungen  der  hervorragendsten 
kritiker  mächtig  gefördert  worden.  Von  diesem  gesichtspunkte 
aus  will  auch  Bergks  arbeit  beurtheilt  werden.  Man  erkennt 
m  dem  buche  die  frucht  einer  langjährigen,  liebevollen,  durch 
die  umfassendste  gelehrsamkeit  gehobenen  beschäftigung  mit  dem 
dichter,  wie  namentlich  in  den  abschnitten  über  die  griechische 
spräche,  die  epische  poesie,  in  der  Charakteristik  Homers,  doch 
auch  in  der  analyse  der  Ilias  und  Odyssee  glänzend  hervortritt, 
so  daß  die  bemerkten  schwächen  des  werkes  durch  seine  eminen- 
ten Vorzüge  mehr  als  ausgeglichen  werden. 

L.  G. 

365.  Des  Euripides  Iphigenie  auf  Taurien  zum  schulge- 
brauche mit  erklärenden  anmerkungen  versehen  von  Wolf  gang 
Bauer.     8.     München,  Lindauer  1873.     90  ss.  —  10  gr. 

366.  Zu  Euripides  Iphigenie  auf  Taurien.  Kritisches  und  exe- 
getisches. Festschrift  zur  vierhundertjährigen  Jubiläumsfeier  der 
Münchner  Universität,  von  W.  Bauer.  4.  München  1872.  — 
21  ss. 

Der  plan  und  anordnung  dieser  ausgäbe  sind  ganz  diesel- 
ben, wie  bei  den  vorher  erschienenen  der  Medea,  Herakliden, 
Alkestis,  welche  im  vierten  bände  des  anzeigers  p.  481  ff.  be- 
sprochen worden  sind.  Auch  verdient  der  commentar  die  gleiche 
anerkennung,  wie  sie  den  früheren  bändchen  gezollt  wurde; 
die  noten  sind  wol  etwas  knapp,  aber  klar  und  verständig  ab- 
gefaßt. Einiges  gibt  allerdings  zu  gegenbemerkungen  anlaß, 
wie  z.  b.  v.  1  ff.  „so  daß  der  könig  (Oinomaos)  im  schnellen 
laufe  umwarf  und  ums  leben  kam";  Euripides  denkt  sich  die 
sache  vielmehr  so,  daß  der  Verabredung  gemäß  derjenige,  wel- 
cher früher  an  das  ziel  gelangte,  den  anderen  tödten  konnte; 
so  hatte  es  Oinomaos  den  früheren  freiem  gethan  und  so  ge- 
schah ihm  von  dem  siegenden  Peleus;  nur  so  läßt  sich  diese 
stelle  mit  vs.  823  ff.  vereinigen.  V.  124  f.  heißt  es  von  den  xva- 
vku  Tihgat,  „welche  der  sage  nach  ursprünglich,  wenn  ein 
schiff  durchfahren   wollte,   zusammenschlugen";    Euripides   schil- 


Shft  1.  365.  Euripides.  657 

dert  dieselben  in  unserem  drama  als  hart  an  einander  gelegene, 
in  kreisender  bewegung  begriffene  felsen,  welche  nur  mit  gro- 
ßer gefahr  durchschifft  werden  können,  vgl.  241  f.,  355,  392, 
1388  f.  V.  362  f.  „die  genitive  ytvttov  und  yovuiujv  gehören 
ebensowohl  zu  l^-qnöviLda  als  zu  i^aorwfiii  rfl ;  vielmehr  steht 
i'SaQiüjftivr,  „mich  anhängend"  absolut,  wiewohl  man  leicht  iov 
nxuvTog  ergänzen  kann.  V.  419  f.  „der  sinn  (das  streben)  nach 
reichthum  ist  (bei)  den  einen  maßlos,  (bei)  den  andern  hält  er 
die  mitte".  Wie  stimmt  dies  zu  dem  vorhergehenden  und  wie 
kann  dies  in  den  Worten  des  textes  liegen?  Richtig  ist  nur 
die  übrigens  vom  verf.  selbst  angedeutete  erklärung :  doch  nicht 
alle  finden  das  ersehnte  glück;  einige  erringen  es  nicht  trotz 
alles  trachtens,  manchen  kommt  es  über  nacht.  Freilich  bleibt 
uxcugog  dann  bedenklich  und  man  wird  an  b.uoigoc  (Hense) 
oder  vielleicht  uGToyog  denken  müssen.  V.  432  svvatwv  Tpq&a- 
XCüiv  „das  ruhig  im  wasser  liegende  Steuer";  richtiger  wohl  activ 
„das  halt  gebende".  V.  514  liest  der  herausgeber  wq  iv  mxg- 
igyoo  rqg  i^Tjg  SvOKoa^iag;  mit  der  erklärung  „so  nebenbei 
(als  zugäbe)  zu  meinem  Unglücke  noch  hinzu?"  Diese  erklärung 
Seidler's  (nur  mit  dem  unterschiede,  daß  in  unserer  ausgäbe 
dieser  satz  zu  einer  frage  gemacht  wird)  beruht  auf  einer  fal- 
schen auffassung  von  mj.osqyov ,  welches  immer  nur  eine  neben- 
sache  im  gegensatze  zur  hauptsache  bezeichnet.  Man  wird  da- 
her die  stelle  so  erklären  müssen,  daß  Orestes  verbittert,  wie 
er  ist,  wohl  eine  antwort  zusagt,  aber  auch  zugleich  erklärt, 
diese  könne  nur  ein  nägigyov  gegenüber  seiner  dvGngutya,  also 
sehr  kurz  sein.  Freilich  müssen  auch  die  verse  515  f.  mitBad- 
hani  vor  513  gestellt  werden.  V.  939  wird  ug/ul  d'  uldt  ;ioi 
7io"/lüJv  növuiv  also  gedeutet:  „der  anfang  meiner  vielen  leiden 
(durch  die  Verfolgung  der  Erinyen)  war  folgender".  Dazu 
stimmt  aber  das  folgende  nicht,  man  wird  daher  aide  auf  das 
vorhergehende  beziehen  und  durch  z«  <bofßov  SiGcpuru  erklären 
müssen;  Orestos  versteht  aber  darunter  nicht  etwa  bloß  jenen 
spruch,  der  ihm  befahl  nach  Tauris  zu  segeln,  sondern  sämmt- 
liche  Orakel  und  zunächst  jenes,  das  ihm  gebot  den  mord  des  vaters 
an  der  mutter  zu  rächen.  V.  1424  ixßo'/.ug  reuig  „der  auswurf 
des  schiffes,  d.  h.  das,  was  beim  stranden  des  schiffes  ans  land  ge- 
worfen wird,  hier  zunächst  die  leute,  welche  daraufwaren" ;  vielmehr 
„das  ausgeworfene  schiff",  vgl.  Aesch.  Eum.  748  ixßoXug  yjijywv 
Philol.  Anz.  V.  42 


658  365.  Euripides.  Shft.  I. 

Nicht  zu  billigen  ist  es,  daß  in  einem  solchen  commentare 
von  einer  und  derselben  stelle  verschiedene  erklärungen  ange- 
führt werden,  und  zwar  ohne  anzugeben,  welche  den  vorzug 
verdient,  z.  b.  839  hoyov  ixoöau)  „entweder  über  (jede)  Schilde- 
rung hinaus  (vgl.  900),  unaussprechlich  =  dem  obigen  xqtTcGov 
rj  Xoyoiötv;  oder  über  (jede)  berechnung  hinaus  =  dem  folgen- 
den uiottov",  übrigens  ist  hier  nur  die  erste  deutung  zulässig. 
V.  1  n&oai6tv  Innoig  verbinden  die  einen  mit  fiolwv,  die  andern 
als  dat.  instrumenti  (durch  seinen  sieg  mit  den  schnellen  rossen) 
mit  ya/xel")  erstere  erklärung  verdient  den  vorzug,  weil  Pelops 
eben  nicht  durch  die  Schnelligkeit  der  rosse  den  sieg  gewann, 
man  müßte  denn  annehmen,  daß  Euripides  die  sage  ganz  umge- 
staltet und  den  Oinomaos  ohne  jede  einwirkung  des  Myrtilos 
im  wettfahren  von  Pelops  überholt  werden  ließ.  V.  15  „der 
genitiv  duvrjg  unXoiag  ist  von  zvy%dvuv  regiert  und  gleich  durch 
m>ev(MtTU)v  <T  ov  rvy^dvcov  erklärt.  Andere  fassen  ihn  causal 
oder  absolut".  Die  erste  deutung  ist  geradezu  unmöglich,  die 
zweite  sehr  bedenklich,  weshalb  man  den  vers  mit  recht  als 
verderbt  bezeichnet  hat.  Da  die  bisherigen  emendationsver- 
suche  nicht  befriedigen,  so  mag  hier  ein  neuer  stehen:  dei- 
vrjg  dnloiag  itvtvfiuiwv  rv%u)v  ßndrsi;  wenn  das  letzte  wort  des 
verses,  wie  dies  in  dem  vorliegenden  drama  öfters  der  fall  ge- 
wesen ist,  undeutlich  geworden  oder  ausgefallen  war,  so  konnte 
man  leicht,  um  den  vers  zu  ergänzen,  aus  zv%(ov  e in  o$  ivy^drwv 
machen.  V.  31  „y~qg  verbindet  man  entweder  mit  ov  (wo  zu 
lande)  nach  der  analogie  von  nov  yrjg,  oder  mit  uvaGGit,,  wo 
landesherr  ist  Thoas,  ein  barbar  über  (unter)  barbaren";  die 
zweite  erklärung  ist  nicht  einmal  grammatisch  denkbar,  aber 
auch  ov  yrig  erregt  bedenken,  da  dieser  ausdruck  durch  Wen- 
dungen, wie  nov  yfjg  xvgst  und  dgl. ,  nicht  gerechtfertigt  wird; 
yijg  ist,  wie  es  scheint,  eine  glosse  zu  ov  und  dafür  vielleicht 
vvv.  zu  schreiben. 

Auch  damit  kann  man  sich  nicht  einverstanden  erklären, 
daß  in  dem  commentare  zu  den  chorischen  partien  an  so  vielen 
stellen,  z.  b.  bei  dem  ersten  stasimon  wörtliche  Übersetzungen 
gegeben  werden. 

Den  text  hat  der  verf.  unter  sorgfältiger  benutzung  der 
einschlägigen  literatur  selbständig  constituirt  und  bei  vielen  stel- 
len die  von  ihm  angenommene  fassung,  namentlich  seine  eigenen 


Shft.  1.  366.  Euripides.  659 

conjecturen  in  dem  angeführten  programme  gerechtfertigt.  Er 
zeigt  sich  hier,  wie  in  den  früheren  ausgaben,  als  einen  ent- 
schiedenen anhänger  der  conservativen  richtung  und  hat  daher 
offenbar  nicht  zum  vortheil  seiner  ausgäbe,  viele  emendationen 
unberücksichtigt  gelassen,  welche  unzweifelhaft  aufgenommen  zu 
werden  verdienten,  so,  um  nur  einige  beispiele  anzuführen,  18 
urpoQfitarjg  (Kirchhoff),  59  f.  von  Nauck  für  unecht  erklärt,  62 
änovß'  (Badkam),  135  Evowtuv  (Markland),  238  ^/iya^iifivovog 
TS  xui  (Eeiske),  256  nov  (Musgrave)  u.  s.  w.  Um  nun 
solche  lesarten,  welche  von  den  bedeutendsten  kritikern  als 
verderbt  bezeichnet  werden,  festzuhalten,  versucht  sich  der  verf. 
in  gekünstelten  erklärungen,  durch  welche  aber  solchen  stellen 
nicht  aufgeholfen  wird.  So  soll  z.  b.  475  f.  rüg  iv%aq,  xtg  oM 
ot(o  roCuiö'  eüovTUt,  welches  nur  heißen  könnte :  „wer  weiß,  wem 
ein  solches  Schicksal  bevorsteht",  jedenfalls  ein  unpassender  ge- 
danke,  also  construiert  werden:  itg  oiw  (==  ovdüg  orw)  roiufSs 
Tv%ai  h'dovrat  oids  (juviug)  „wer,  dem  ein  gleiches  Schicksal  be- 
stimmt ist,  d.  h.  niemand,  weiß  das".  Warum  muß  man  aber 
an  dieser  lesart  des  Florentinus  festhalten,  während  der  jeden- 
falls bessere  Palatinus  n'g  ofcT  oxC  bietet,  was  den  ganz  richti- 
gen sinn  gibt:  „wer  kennt  sein  Schicksal  im  voraus"?  V.  1046 
wird  das  unmögliche  yorov,  wofür  Winckelmann  sehr  wahr- 
scheinlich x°Q°v  geschrieben  hat,  also  vertheidigt:  „welche  Stel- 
lung wird  dem  Pylades  in  der  mordgeschichte  angewiesen  wer- 
den, d.  h.  welche  rolle  wird  er  spielen  in  der  erzählung  von 
dem  muttermord  und  der  damit  zusammenhängenden  Verun- 
reinigung". 

Unter  den  ziemlich  zahlreichen  eigenen  conjecturen  des 
verf.  ist  einiges,  was  wenigstens  beachtung  verdient.  So  be- 
merkt er  zu  465  f.,  daß  Weil  mit  recht  "EKXrjfft,  als  ein  glossem 
zu  rtfj,7v  erkannt  hat,  mit  welchem  aber  auch  das  ohnehin  anstö- 
ßige dtdovg  fallen  muß ;  darnach  schreibt  er  ug  b  naQ  q[iiv  I 
vofiog  ov%  ociug  uvncpaCvsi.  V.  1218  wird  jurj  nalafxvaiov  ßXino) 
vorgeschlagen,  v.  1328  wird  für  unecht  erklärt.  Sichtig-  ver- 
bindet er  v.    1181   (fiOBvtov  mit  dileuq,  nicht  mit  xad-ti6av. 

Die  mehrzahl  der  vermuthungen  ist  dagegen  ohne  zweifei 
verfehlt.  So  soll  v.  52  Gxnpu  °&eT  ^tqyfia  (ßli/ii[ja)  statt 
(pdfyf.ia  geschrieben  werden,  weil  es  sich  einmal  hier  zunächst 
um   die    äußere   gestalt   handle,    sodann,    wenn   cp&eyfia    richtig 

42* 


660  365.  Euripidea.  Shft.  1. 

wäre,  der  dichter  doch  wol  gesagt  hätte,  wodurch  eich  diese 
stimme  vernehmen  ließ,  etwa  durch  ein  geschrei.  Man  ver- 
gleiche nur  227  olxiqäv  t  aluL,övxujv  avduv  und  man  wird  ge- 
wiß an  cp&£y[j,a  weiterhin  keinen  anstoß  nehmen.  Die  verse 
1 1 6  f. ,  welche  sich  an  ihrem  platze  nicht  halten  lassen  und 
auch  sonst  nicht  untergebracht  werden  können,  sollen  mit  der 
änderung  von  ovno  in  i\toi>  an  der  stelle,  wo  sie  überliefert  sind, 
beibehalten  werden,  was  wohl  keiner  Widerlegung  bedarf.  Von 
gleichem  werthe  sind  die  conjecturen  120  zo  jov  &sov  yug 
aXuov  yer/jßeTut  oder  xui  yuQ  to  iov  &toü  y'  uXnov  y.,  1059 
ffvyyäfiov  statt  ovyyovov  unter  berufung  auf  Phoen.  428  und 
der  bedenklichen  bemerkung  „gleichviel  ob  dieser  vers  als  sol- 
cher echt  ist  oder  interpoliert",  1155  dw^u  'kä^-inrai,  1371 
wGt    ei   '£,viumotj   1461    oßtag  exuit  &£ag  &'   oJtojg  Ti/j,ag  £%ß. 

Zum  Schlüsse  einige  vorschlage  zur  herstellung  des  in  die- 
sem stücke  so  arg  verderbten  textes.  Die  worte  9  7  f.  nöx squ 
xh^uxwv  jiQoGu/jßdöttg  ixßr](>6(i£()9~u  können  nur  auf  eine  er- 
steigung  des  tempels  mittelst  leitern  gehen  (vgl.  Phoen.  744); 
freilich  hat  dann  der  ausdruck  manches  auffällige,  namentlich 
ist  ixßrj6o[i£6&a  sowol  an  sich,  als  auch  in  Verbindung  mit  tioog- 
ufjßuaitg  bedenklich.  Sollte  man  daher  nicht  annehmen,  daß 
ixßrja6fis6&u  nur  eine  glosse  ist,  und  das  ursprüngliche  wort 
etwa  dfj,siif)6fn6&u  lautete?  vgl.  Phoen.  1179,  489,  1173.  — 
V.  273  f.  vermag  ich  mir  nicht  zu  erklären;  einmal  kann  uyäX- 
fiara  schwerlich  ohne  weiteres  für  noüdeg  stehen,  sodann  ist  nir- 
gends von  söhnen  des  Nereus  die  rede,  endlich  müßte  so  der 
hirte,  nachdem  er  allgemein  ein  gebet  au  den  Palaimon  gerich- 
tet hat,  die  vermuthung  aussprechen,  die  Jünglinge  könnten  die 
Dioskuren  oder  die  söhne  des  Nereus  sein.  Was  der  verf.  bei- 
bringt, der  hirt  habe,  weil  er  sich  aus  bigotterie  l)  nicht  hin- 
zusehen traute,  oder  wegen  der  weiten  entfernung  das  geschlecht 
nicht  unterschieden,  ist  ein  verzweifeltes  auskunftsmittel.  Ich 
halte  daher  die  beiden  verse  für  unecht;  sie  rühren  von  einem 
leser.  her,  welcher  tii  ovv  (272),  das  hier  wie  öfters  ohne  ein 
vorhergehendes  sXn  our  und  mit  einem  leichten  anakoluthe 
steht,   nicht   verstand   und  deshalb   ein  zweites  glied  hinzufügen 

1)  Der  herausgeber  übersetzt  in  der  note  zu  v.  268  frtooißfjs  mit 
„bigott",  was  wegen  des  gegensatzes  von  /uc'aaios  avoftia  fh^aevs  (275) 
nicht  zulässig  ist. 


Shft.  1.  367.  Aristophanes.  661 

zu  müssen  glaubte.  —  Dem  verse  351,  der  nicht  in  den  Zusam- 
menhang passen  will,  läßt  sich  helfen,  wenn  man  ihn  nach  349 
setzt,  wornach  Iphigenia  damit  ihren  festen  glauben  an  die 
Wahrheit  des  traunies  betheuern  würde. —  Die  verse  352  f.,  aus 
welchen  man  trotz  aller  emendationsversuche  nicht  im  stände 
war  etwas  zu  machen,  sind  das  elende  machwerk  eines  interpo- 
lators.  —  V.  452  ff.  dürften  ursprünglich  also  gelautet  haben: 
xal  yuQ  oveCQOifft  Gvvstijv  |  do/noig  nöXti  rs  naxqcou,  |  tsqtivüjv  vn- 
vcüv  ajvoXavfiv  xsivuv  %uqiv  o'kßov.  Der  chor  wünscht  sich  im 
träume  in  die  heimat  versetzen  zu  können;  wie  süß  wäre  ein 
solcher  Schlummer,  wenn  auch  das  glück  des  traumes  ein  eitles 
ist;  Gvriirjv  statt  Gv^ißn(r]v  hat  Kirchhoff,  vnrwv  statt  vfivuyv 
Hermann  verbessert;  xonuv,  was  die  handschriften  bieten,  ist 
der  gleiche  fehler,  wie  418,  wo  im  Palatinus  auch  xoivul  statt 
xHra  steht.  —  V.  573  ist  vielleicht  zu  schreiben  h>  de  Ivitii  iot 
ixe/u,  782  Texx  ovv  neQalvov6>  (dem  ivigaws  im  vorhergehenden 
verse  entsprechend)  ilg  umGi  utpt^oficuj  907  f.  GoyuJv  yuq  uv- 
dguiv  iön  fiy  "'xßdviug  zv/rjg  xuiqov  lußoviaq  av&ig  rjdovug  ka- 
ßsiV)  1118  ff.  Iv  ya.Q  avdyxaig  og  (so  mit  Fritzsche)  xd[ivsi>  cvv- 
TQO(pog  u>v,  ßuürd'Qai  dvodaifioviav;  nach  1349  ist  wol  eine  lücke 
anzunehmen,  und  v.  1352  mit  Köchly  nach  1349  zu  setzen, 
wornach  die  stelle  folgende  gestalt  erhielte: 

t%£vd~eQOvg  Ttqv fivrjdsv  tGicüiug  rewg 

...........        ■) 

ömvdovztg  rjyov  dm  x*Qwv  ngvfM'tJGta 

xovioig  tb  TtqwQuv  sf/oPj  ol  (T  inioTidcov 

uyxvquv  E^avfjirzov,   ol  Je  xXtpaxug 

itovjoa  didoi'zeg  toIv  %eroiv  xa&lecav. 

Karl  Schenkl. 

367.  Aristophanes  und  Aristoteles  oder  über  ein  an- 
gebliches Privilegium  der  alten  attischen  komödie  von  E.  B  r  e  n- 
tano,  Dr.  phil.     4.     Berlin,  Weidmann.   1873.  —  20  gr.. 

In  der  einleitung  zu  dieser  schrift,  die  durch  meine  be- 
sprechung  der  „Untersuchungen  über  das  griechische  drama  von 
Dr.  Brentano"   (Philol.  anz.  IV,  n.   1.    1872)  hervorgerufen  und 

2)  Der  gedanke  in  den  ausgefallenen  worten  scheint  gewesen  zu 
sein:  die  seeleute  sich  zur  abfahrt  fertig  machend;  daran  schließt 
eich  ol  di,  als  ob  ein  ol  piv  vorausgegangen  wäre. 


662  367.  Aristophanes.  Shft.  1. 

zum  großen  theil  dagegen  gerichtet  ist,  führt  der  verf.  aus,  wie 
dringend  nothwendig  es  sei,  die  griechischen  dichtungen  mit 
dem  maßstabe  der  alten  kunstlehre  zu  messen-,  wenn  dies  ge- 
schähe, wenn  eine  von  maßvollen  gesichtspunkten  der  sogenannten 
höheren  kritik  geleitete  prüfuug  einträte,  dann  würde  die  er- 
kenntnis  gewonnen,  daß  zwischen  den  fundamentalsätzen  der 
antiken  kunstlehre  und  den  in  vieler  hinsieht  mangelhaften  an- 
tiken produetionen  ein  unbegreifliches  mißverhältnis  obwalte,  daß 
die  uns  überlieferten  stücke,  die  der  tragiker  nicht  ausgenom- 
men, in  ihrer  gesammtanlage  fast  durchweg  mangelhaft  seien, 
und  daß  insbesondere  Aristophanes  für  keinen  wirk- 
lichen dramatiker  gehalten  werden  könne. 

Gegen  das  vorhaben  des  verf.'s  die  alten  über  sich  selbst 
urtheilen  zu  lassen  und  mit  dieser  vergleichenden  betrachtung 
auf  eine  immer  genauere  Würdigung  ihrer  geistesproduete  hin- 
zuarbeiten, ist  selbstverständlich  nichts  einzuwenden;  wohl  aber 
habe  ich  an  seiner  beweisführung  auch  diesmal  wieder  manches 
auszusetzen,  und  ich  thue  dies  auf  die  gefahr  hin  von  neuem 
dem  großen  häufen  der  urtheilslosen  zugerechnet  zu  werden. 

Im  ersten  theile  der  eigentlichen  abhandlung  gibt  Brentano 
eine  anschauliche  und  im  ganzen  unanfechtbare  Übersicht  über 
die  hauptsätze  der  antiken  kunstlehre,  nur  beweist  er  nicht,  wo- 
rauf es  doch  einzig  und  allein  ankam,  daß  für  die  alte  attische 
komödie  dieselben  bestimmungen  gegolten  haben,  wie  für  die 
tragödie.  Ich  fasse  daher  nur  den  zweiten  theil  der  schrift  ins 
äuge,  worin  speciell  von  der  komödie  die  rede  ist,  bemerke  aber 
gleich  im  voraus,  um  falschen  beurtheilungen  vorzubeugen,  daß 
ich  hier  nur  einige  hauptpunkte  berühren  kann. 

Aus  der  bekannten  stelle  Arist.  Poet.  c.  5  nqiowq  tjq&v 
xtX.  kann  wohl  geschlossen  werden,  daß  Krates  an  einheit- 
licher durchführung  eines  planes  seine  Vorgänger  übertraf,  die 
Worte  besagen  aber  nicht,  daß  er  stücke  von  jener  regelrechtig- 
keit  und  dramatischen  Vollendung  baute,  wie  sie  Brentano  von 
einem"  wahren  künstler  verlangen  zu  müssen  glaubt.  Vollends 
hinfällig  aber  wird  der  auf  Krates  gestützte  beweis,  sobald  man 
erwägt,  daß  die  von  demselben  eingeschlagene  richtung  von  sei- 
nen nachfolgern  wieder  verlassen  wurde,  und  zwar  aus  dem 
einfachen  gründe,  weil  ein  verschiedener  inhalt  auch  eine  ver- 
schiedene darstellung   bedingte.      Krates  behandelte  keine  politi- 


Shft.  1.  367.  Aristophanes.  663 

sehen  stoffe,  um  damit  persönlichen  spott  und  eine  kritik  der 
Öffentlichen  angelegenheiten  zu  verknüpfen,  sondern  er  wählte 
motive  von  allgemeinerem  charakter  und  bewegte  sich  mit  sei- 
ner darstellung  auf  einem,  den  tagesinteressen  abgewandten  ge- 
biete. In  dieser  hinsieht  gleicht  ihm  von  den  späteren  nur  noch 
Pherekrates;  auch  dieser  behandelte  Sittenbilder  und  zustände 
des  lebens,  und  so  sah  er  gleichfalls  mehr  als  die  anderen  auf 
erfindung  und  Ökonomie  (s.  Prolegom.  de  com.  EU,  9  Bergk.). 
Ganz  anders  verfuhr  dagegen  Kratinus.  Er,  welcher  der  al- 
ten komödie  den  ihr  eigenthümlichen  politischen  charakter  gab 
und  sie  ihrer  höchsten  blute  entgegenführte,  wußte  zwar  seineu 
jedesmaligen  plan  mit  einsieht  und  ge schicklichkeit  zu  entwickeln, 
sah  aber  doch  auf  strenge  consequenz  bei  durchführung  der 
grundidee  so  wenig,  daß  oft  der  ausgang  der  handlung  zu  ih- 
rem anfange  und  ihrer  fortentwickelung  in  keinem  rechten  Ver- 
hältnisse stand.  Platonios  p.  XXIII  B.  und  der  anonymes  III.  it. 
xiotuo)6tug  bezeugen  das  ausdrücklich,  und  an  diesem  resultat  ändert 
der  umstand  nichts,  daß  Kratinus  gegen  ende  seiner  dichterlaufbahn 
in  der  üviivr]  einmal  regelrechter  oder  sinniger  als  sonst  auf- 
baute. Wenn  aber  Kratinus  ohne  straffen  plan  und  ohne 
streng  durchgeführte  composition  ein  großer  und  angesehener 
dichter  sein  konnte,  so  berechtigt  der  hohe  rühm,  dessen  sich 
Aristophanes  erfreute,  noch  nicht  zu  der  annähme,  daß  er 
die  forderungen  vollendeter  technik  erfüllt  haben  müsse.  Zwar 
heißt  es  in  dem  fünften  anonymus:  6  ixivxoi  ye  ^AoiGioydivris 
(u.a&oÖ£v6ug  Ttpr/.cüTeQov  u.  s.  w. ,  aber  mit  diesen  worten  wird 
doch  nur  ein  relativer  unterschied  zwischen  den  beiden  dich- 
tem statuiert;  Aristophanes  -war  sorgfältiger,  grub  tiefer  und 
dachte  idealer  als  sein  großer  nebenbuhler,  lauter  Vorzüge,  die 
uns  auch  jetzt  noch  auf  schritt  und  tritt  entgegentreten  und  deren 
sich  der  dichter  selber  rühmt;  er  betont  seinen  fleiß,  seine  Sorgfalt, 
den  hohen  sittlichen  werth  und  die  bleibenden  Verdienste  seiner 
dichtungen,  dessen  aber  rühmt  er  sich  nirgend,  daß  er  ein 
seinem  bau  nach  untadeliges  drama  geschaffen  habe. 
Der  ansieht  von  der  künstlerischen  Vollendung  der  Aristo- 
phaneischen  komödie  könnten  wir  auch  um  der  par abäse  wil- 
len nicht  huldigen,  da  dieselbe  auf  alle  fälle  den  verlauf  der 
handlung  unterbricht.  Die  echtheit  der  parabase  aber  hat  noch 
niemand  in  zweifei  gezogen. 


664  367.  Aristophanes.  Shft.  1. 

Wenn  aber  Aristophanes  beim  bau  seiner  stücke  nicht  mit 
derselben  kunst  verfuhr,  wie  die  tragiker,  durfte  ihn  dann  Ari- 
Btoteles  zu  den  großen  dichtem  zählen?  (Poet,  c.  3).  Gewiß. 
Aristophanes  besaß  eben  alle  jene  Vorzüge,  die  einen  dichter 
groß,  einflußreich  und  unsterblich  machen.  Brentano  kennt 
diese  Vorzüge,  er  zählt  sie  p.  8  seiner  Schrift  auf;  hätte  er  nur 
gewicht  darauf  legen  wollen!  Aber  weiter.  Aristoteles  spricht 
eigentlich  nirgend  von  einer  bündigen,  harmonischen  gliederung 
der  komödie.  Es  ist  reine  willkür  zu  behaupten,  der  philosoph 
müsse  in  den  verloren  gegangenen  partien  seiner  schrift  von 
der  komödie  dieselbe  strenge  compositum  ausgesagt  haben,  wie 
in  den  noch  vorhandenen  von  der  tragödie.  Im  gegentheil; 
wenn  jetzt  alle  forderungen  rücksichtlich  einer  einheitlichen,  lo- 
gisch entwickelten  fabel  als  nur  für  die  tragödie  geltend  be- 
zeichnet werden,  so  liegt  der  Schluß  nahe,  es  könne  die  komö- 
die mit  der  tragödie  unmöglich  auf  gleiche  stufe  gestellt  worden 
sein.  Besondere  beachtung  verdient  in  dieser  hinsieht  nament- 
lich der  Schluß  der  Poetik,  da  hier  mit  übergehung  der  komö- 
die allein  der  tragödie  wegen  ihrer  größeren  einheit  und  concen- 
tration  der  Vorrang  vor  dem  Epos  zuerkannt  wird. 

Auf  Arist.  Poet.  c.  9,  5  im  fiev  ovv  rJJg  xiopaSfag  xtX.  darf 
man  sich  nicht  berufen,  um  das  gegentheil  zu  beweisen.  Zuerst 
ist  es  das  wahrscheinlichste,  daß  hier,  wie  Bernays  meint,  die 
mittlere,  vielleicht  auch  schon  die  neuere  komödie  den  iambo- 
graphen  gegenüber  gestellt  wird.  (Xenoph.  de  republ.  Athen.  II, 
18.  Excerpt.  I  bei  Bergk).  Gesetzt  aber  auch,  Aristoteles  habe 
die  alte  komödie  gemeint,  so  ist  daraus  nicht  der  Schluß  zu 
ziehen,  das  alterthum  habe  einen  andern  Aristophanes  gehabt 
als  wir.  Lessing  hat  das  „in  einer  eben  so  klaren  wie  zutreffen- 
den deduetion"  auseinandergesetzt,  wie  Brentano  sehr  richtig 
aber  sehr  zu  seinem  schaden  bemerkt;  denn  erklärt  nicht  Les- 
sing unseren  Aristophanes  für  einen  dichter,  dem  auch  die  Poe- 
tik nichts  anzuhaben  vermag,  da  er  schreibt,  „das  xu&olov  noi- 
uv  Xoyovg  rj  [iv&ovg  werde  Aristoteles  dem  Aristophanes  gewiß 
nicht  abgesprochen  haben,  ob  er  schon  wußte,  wie  sehr  er  nicht 
allein  den  Kleon  und  Hyperbolus,  sondern  auch  den  Perikles  und 
Sokratos  namentlich  mitgenommen".    (Hamb.  Dram.  st.  91  anm.). 

Bei  Unterscheidung  der  verschiedenen  komödiengattungen 
fällt  das  zeugniß  des  Antiphanes  bei  Athen.  VT,  222  gleich- 


Shft.  1.  368.  Ephoros.  665 

falls  in  die  wagscliale.  Brentano  bemerkt  zwar  ganz  richtig, 
daß  es  sich  dort  um  den  gegensatz  zwischen  tragödie  und  ko- 
mödie,  nicht  um  den  zwischen  alter  und  neuer  komödie  handle. 
Allein  was  dort  gesagt  wird,  gilt  doch  selbstverständlich  nur 
von  der  komödie  des  Antiphanes,  und  das  war  die  jüngere. 
Von  dieser  also  erfahren  wir,  daß  sie  außer  auf  andere  dinge 
auch  auf  die  xaruffTgocpi]  und  die  tfcßolrj  genau  hat  achten 
müssen.     Von  der  alten  komödie  berichtet  das  niemand. 

Übrigens  ist  es  noch  etwas  anderes,  ob  ich  sage,  die  alte 
attische  komödie  habe  das  Privilegium  besessen,  sich  über  die 
regeln  strenger  dramatik  hinwegsetzen  zu  dürfen,  oder  ob  Bren- 
tano das  eine  mal  sagt,  sie  habe  das  Privilegium  der  harmlosig- 
keit  besessen  und  das  andere  mal,  die  aller  regeln  spottende 
compositionsweise  des  Aristophanes  sei  ein  ganz  grober  rückfall 
in  die  älteste  kunstlose  komödienpraxis.  Die  alte  komödie  und 
speciell  die  des  Aristophanes  erfüllt  nicht  alle  künstlerischen  an- 
forderungen,  das  ist  wahr;  sie  hat  im  durchschnitt  keine  regel- 
recht fortschreitende,  in  conflicten  sich  weiterbewegende,  einem 
bestimmten  endpunkte  unaufhaltsam  zutreibende  handlang,  aber 
ein  grundgedanke  ist  doch  immer  da,  der  die  einzelnen,  oft 
nur  locker  verbundenen  scenen  eng  mit  einander  verkettet  oder 
wie  Teuffei  sagt,  sie  mit  einem  bände  zusammenfaßt,  das  der 
genialsten  freikeit  der  bewegung  keinen  eintrag  thut.  Nach 
dem  allen  muß  es  als  der  grundfehler  der  sonst  mit  großer 
umsieht,  gelehrsamkeit  und  schärfe,  aber  auch  wieder  mit  vielem 
Selbstbewußtsein  geschriebenen  Brentano'schen  abhandlung  be- 
zeichnet werden,  daß  ihr  Verfasser  eine  poesie  nicht  als  groß 
und  bedeutend  anerkennen  will,  deren  Organismus  bald  mehr 
bald  weniger  gelockert  ist  und  in  welcher  die  gesetze  der  ab- 
stracten  logik  nicht  durchweg  befolgt  sind. 

Christian  Muff. 

368.  Ueber  die  fr agmente  des  Ephoros.  Von  Dress- 
ler.    4.     Programm  des  gymnasiums  zu  Bautzen.      1873. 

Der  Verfasser  dieser  kleinen  schrift  hat  das  cap.  I  derselben 
mit  dem  titel  „die  reste  des  Ejhoreischen  geschichtswerkes" 
bezeichnet,  und  wir  sind  deshalb  berechtigt,  in  demselben  eine 
Zusammenstellung  derjenigen  Schriftsteller  zu  erwarten,  denen 
Ephoros   als   quelle   zu   gründe    liegt.      Dieser    erwartung    wird 


66$  368.  Ephoros.  Shft.  1. 

aber  von   dem   verf.   nur   sehr  ungenügend   entsprochen.      Denn 
außer  den  direct  überlieferten  fragmenten  des  Ephoros  wird  nur 
Diodor   nach  den  Untersuchungen  von  Cauer  und  Volquardsen  als 
ein   solcher   angeführt,    in    dem   reste  der  ephoreischen  historien 
enthalten  sind.     Diejenigen  Untersuchungen,  welche  für  Plutarch 
und   Trogus   Pompejus    die    benutzung    des  Ephoros    als    quelle 
nachgewiesen   haben,    sind   dem   verf.    offenbar   ganz    unbekannt 
geblieben.     Welche  erhebliche  reste  des  ephoreischen  geschichts- 
werkes  damit  unberücksichtigt  gelassen   sind,   mag   die   folgende 
Zusammenstellung    beweisen.       Ephoros    ist    nämlich    als    quelle 
nachgewiesen   worden   von   Sauppe   für  Plutarchs   Perikles,   von 
Fricke   für  vit.   Alcib.  c.   13  ff.,  für  vit.    Lysand.  c.  3—16   und 
für   einzelne   partien   des   Nikias,    von  Stedefeldt   gleichfalls   für 
vit.  Lysand.  und  die  des  Agesilaos,   von   Flügel   für  Lykurgos, 
von  Wolffgarten  (de  EpTiori  et  Dinonis  liist.  a  Trogo  Pompejo  ex- 
pressis)   für   die   darstellung   der   griechischen   geschichte   bis  auf 
die   Schlacht   bei   Mantineia   in   der   epitome   des   Iustinus.      Die 
kenntniß   der   Untersuchungen   Fricke's    konnte    den    verf.    auch 
für  Diodor   von   dem  fehler  frei  halten,   die  resultate  Volquard- 
sens   für   das  11 — 15.  buch  Diodors   als   wissenschaftlich  festste- 
hende zu   bezeichnen,    da  Fricke  unters,  üb.  d.  quell.  Plutarchs 
im  Nik.  u.  Alcib.  p.   10  ff.,   66  ff.   mit  ziemlicher  Wahrscheinlich- 
keit   für    Diod.  Xni,   45— XIV,    10    gegen  Volquardsen  Theo- 
pompos  als  quelle  nachgewiesen  hat. 

Das  c.  DI  enthält  „versuche  zur  bestimmung  des  inhaltes  der 
einzelnen  bücher  und  zur  anordnung  der  fragmente  und  der  bei 
Diodor  erhaltenen  theile  derselben".  Der  verf.  bemerkt  dazu  p.  6, 
daß  er  das  verfahren  Cauers  dabei  zu  dem  seinigen  machen  und 
den  beweisgang  desselben  seiner  auseinandersetzung  zu  gründe 
legen  werde,  wenn  er  auch  im  einzelnen  vielfach  von  ihm  ab- 
weichen müsse.  Diese  abweichungen  bestehen  in  der  berück- 
sichtigung  der  nach  Cauer  erschienenen  literatur,  in  der  ge- 
nauem angäbe  der  partien  des  Diodor  für  die  einzelnen  bücher 
des  Ephoros  und  in  einer  etwas  anders  als  bei  Cauer  geordneten 
reihcnfolge  der  uns  erhaltenen  fragmente.  Im  übrigen  ist,  um 
mit  dem  verf.  zu  reden,  der  beweisgang  Cauers  der  auseinan- 
dersetzung des  verf.  zu  gründe  gelegt  worden,  d.  h.  wer  §.  5, 
p.  63  ff.  in  dem  vortrefflichen  schriftchen  von  Cauer  (quaestionum 
de  fontib.  ad   Agcsilai  hist.  pertinentib.  p.  prior  1847)   mit   c.  2, 


Shft.  1.  368.  Ephorog.  667 

p.  4 — 29  unsers  programms  vergleicht,  wird  finden,  daß  das- 
selbe, die  soeben  näber  bestimmten  abweichungen  abgerechnet, 
eine  bald  wörtliche,  bald  etwas  freiere  Übertragung  der  be- 
treffenden ausführung  Carters  ins  deutsche  ist.  Zu  welchem 
zweck  deshalb  der  verf.  dieses  capitel  abgefaßt  hat,  ist  nicht 
wohl  einzusehen.  Das  lange  nicht  genug  gewürdigte  verdienst 
Cauers  um  das  richtige  verständniß  der  historien  des  Ephoros 
ist  die  bald  mehr,  bald  minder  wahrscheinlich  gemachte  bestim- 
mung  des  inhaltes  der  einzelnen  bücher  des  ephoreischen  ge- 
schieh tswerkes.  Daß  die  an  diese  genauere  besthnmung  sich 
anschließende  neue  anordnung  der  fragmente  des  Ephoros  sich 
von  der  von  Meier  Marx  eingeführten,  von  Müller  in  seiner  aus- 
gäbe der  Iragm.  hist.  graec.  adoptirten  anordnung  wesentlich 
zu  ihrem  vortheil  unterscheidet,  ist  nicht  zu  leugnen.  Man  kann 
allerdings  bei  annähme  der  Cauerschen  Inhaltsbestimmungen  der 
einzelnen  bücher  des  Ephoros  mit  ziemlicher  Sicherheit  die  frag- 
mente auf  die  einzelnen  bücher  vertheilen,  aber  die  bestimmte 
folge  der  fragmente  unter  einander  wird  trotzdem  immer  von 
zweifelhafter  gewißheit  sein.  Deshalb  kann  auch  die  p.  27  ff. 
von  dem  verf.  gegebene  neue  anordnung  der  fragmente,  die 
sich  übrigens  von  der  Cauerschen  nicht  so  wesentlich  unter- 
scheidet, die  vollständige  reproduetion  der  ausführung  Cauers 
nicht  entschuldigen.  Zu  einer  materiellen  abweichung  von  den 
Cauerschen  annahmen  in  der  bestimmung  der  einzelnen  bücher 
kommt  der  verf.  nur  in  zwei  fällen.  Er  nimmt  als  inhalt  für 
das  27.  buch  die  makedonische  geschichte  bis  auf  Philipp,  für 
das  29.  die  griechische  geschichte  von  der  Schlacht  bei  Mantineia 
bis  zum  heiligen  kriege  an,  während  sich  bei  Cauer  die  umge- 
kehrte ansetzung  findet,  wo  aber  beide  ansetzungen  nur  auf 
kypothesen  beruhen.  Die  zweite  abweichung  besteht  darin,  daß 
der  verf.  die  anfange  des  athenischen  Staates  mit  denen  der 
übrigen  griechischen  Staaten  in  das  6.,  Cauer  als  einleitung  zum 
ersten  Perserkriege  in  das  10.  buch  verweist.  Der  umstand, 
daß  Iustinus,  für  den,  wie  oben  bemerkt,  Ephoros  von  Wolff- 
garten  als  quelle  nachgewiesen  ist,  die  anfange  Athens  mit  dem 
ersten  Perserkriege  verbindet  (2.  6  ff.)  und  sie  von  der  pelopon- 
nesischen  geschichte,  die  erst  3.  2  ff .  behandelt  wird,  trennt, 
scheint  hier  für  die  annähme  Cauers  zu  sprechen. 

Nachdem  der  verf.  im  dritten  capitel  nochmals    eine   kurze 


668  369.  Piaton.  Shft.  1, 

Übersicht  des  im  vorigen  capitel  bestimmten  ganges  des  ephorei- 
schen  geschichtswerkes  gegeben  hat,  schließt  er  sich  richtig  der 
ausführung  Ulrici's  (Charakterist.  d.  ant.  historiogr.  p.  170  ff.) 
an,  daß  die  bezeichnung  der  historien  des  Ephoros  als  einer 
Universalgeschichte  nur  im  antiken  sinne  des  Wortes  zu  verstehen 
sei,  d.  h.  daß  derartige  werke  die  geschichte  der  barbarischen 
Völker  nur  insofern  enthielten,  als  diese  in  näherer  oder  fernerer 
beziehung  je  nach  dem  ausgangspuncte  des  werkes  zu  den  Grie- 
chen oder  Kömern  gestanden  haben.  Gustav  Gilbert. 

369.  Piatons  Euthyphron.  Für  den  schulgebrauch  erklärt 
von  Martin  Wohlrab.  8.  Leipzig,  B.  G.  Teubner  1873. 
VI  u.  42  s.  —  5  gr. 

Die  neue  von  Wohlrabs  kundiger  hand  gebotene  Schulaus- 
gabe des  Platonischen  Euthyphron  werden  nicht  nur  diejenigen 
willkommen  heißen,  welche  mit  Brüggemann  diesen  dialog  als 
besonders  geeignet  zur  erklärung  in  der  schule  empfehlen,  son- 
dern auch  solche,  welche  ihn  mit  Bonitz  nur  als  zulässig  und 
lesbar  bezeichnen  und  daher  nach  Schraders  Vorschlag  lieber 
der  privatlectüre  überlassen.  Die  einleitung  bespricht  in  vier 
abschnitten  (p.  1 — 10)  personen,  ort  und  zeit,  dann  den  gang 
und  die  gliederung,  hierauf  den  zweck  des  dialoges  und  schließ- 
lich die  zeit  der  abfassung  auf  eine  durchaus  entsprechende 
weise;  nur  hätte  neben  der  dialektischen  auch  die  ethische  be- 
deutung  der  schritt  mehr  betont  und  bestimmteres  über  den  be- 
griff des  oßiov  im  platonischen  sinne  mitgetheilt  werden  sollen. 
Der  text  ist  nicht  allein  correct  gedruckt  —  doch  steht  p.  35 
Evd-ov(fqov  und  ist  ebenda  die  Seitenzahl  des  Stephamis  13  aus- 
gefallen — ,  sondern  auch  mit  Sorgfalt  revidiert  und  seine  Ver- 
schiedenheit vom  Hermann'schen  texte  in  einem  kritischen  anhang 
verzeichnet.  Die  am  Schlüsse  der  vorrede  verheißene  rechtferti- 
gung  der  hauptsächlichsten  abweichnngen  ist  inzwischen  in  den 
Jahrbb.  f.  philol.  1873,  p.  33  f.  erschienen,  beschränkt  sich  aber 
auf  vier  lesarten,  von  denen  die  erste  gar  nicht  in  den  text  der 
ausgäbe  gesetzt  ist-,  und  doch  durfte  man  noch  über  manches 
genauere  oder  andere  aufklärung  erwarten.  So  gibt  Wohlrab 
an,  4  B  Man  dt  dt]  twv  „mit  Bekker"  geschrieben  zu  haben; 
wichtiger  ist  doch:  nach  Clarkianus  und  Tubingcnsis.  P.  7  B 
wird  einfach  constatiert,   daß  die  von  Hermann  bei  «fyjjrcu  ydq 


Shft.  1.  369.  Piaton.  669 

angewendeten  klammern  „wieder  beseitigt"  worden  sind-,  aber 
inzwischen  hatte  Schanz  im  Piniol.  XXVIII,  724  unter  anderen 
auch  jene  stelle  noch  in  weiterem  umfange  verdächtigt  und 
zwar  mit  gründen,  die  wohl  einer  Widerlegung  werth  waren. 
Auch  die  beitrage  von  Schanz  im  Specimen  criticum  p.  37  (Göt- 
tingen 1867)  zu  11  B  und  in  der  Zeitschr.  f.  d.  österr.  gymn. 
1869,  p.  83  zu  16  A  und  p.  86  zu  8  A  verdienten  mehr  be- 
achtung.  Die  Nov.  cornmentatt.  Plat.  desselben  Verfassers  sind 
vom  herausgeber  benützt  worden;  um  so  auffallender  erscheint 
es,  daß  die  daselbst  mitgetheilten  lesarten  der  besten  handschrift 
9  E  jrdvng  d~eoi  und  12  A  hkurwn  rj  o6co  weder  aufnähme  in 
den  text  noch  eine  ablehnende  besprechung  erfahren  haben. 
Unter  den  von  Madvig  in  den  Advers.  crit.  I,  p.  367  mitge- 
theilten vorschlagen  hat  der  durch  jüngere  handschriften  unterstützte 
zu  5  B  aufnähme,  der  zu  6  A  Widerlegung,  der  zu  1 1  E  keine 
verwerthung  gefunden.  "Weniger  '  als  gegen  den  mit  fast  über- 
triebener Zurückhaltung  hergestellten  text  wird  sich  gegen  die 
ihrem  zwecke  durchaus  entsprechenden  anmerkungen  einwenden 
lassen-,  doch  konnte  auch  hier  noch  manches  gewonnen  werden 
z.  b.  aus  der  abhandlung  von  Schanz  über  die  bifurcation  der 
platonischen  perioden  in  den  Jahrbb.  f.  philol.  1870,  p.  228  ff. 
und  aus  der  mittheilung  von  Usener  ebendas.  1872,  743  f.  über 
dtiv  4  D  als  absolutes  particip.  Auch  durfte  die  vergleichung 
analoger  stellen  weiter  ausgedehnt  werden;  z.  b.  4  B  die  ab- 
weichend von  Hermann  aufgenommene  lesart  eßrt  6s  dq  vgl. 
mit  3  E;  den  concessiven  gebrauch  von  ijiti  9  B  vgl.  mit  Prot. 
317  A  u.a.  stellen;  die  anläge  der  periode  3  DE  etwa  mit  Lach. 
179  D.  Bei  dieser  gelegenheit  sei  es  gestattet,  eine  Verbesse- 
rung zu  Lach.  186  B  vorzuschlagen:  xui  tjfxug  uqu  dtl  .  .  tl 
fiiv  (pufiev  £%tiv ,  tnidiV$ut  uviolg  xai  diduoxukovg  ohivtg  r\^i(jjv 
ytyövuöiv  .  .  '  rj  u  zig  rjfxwv  uvtlüv  euviw  diddcxuXov  fiiv  ov  (prjGt, 
ytyovtrai ,  aXk  ovv  hgyu  uvidg  uaov  £%et  el/ieTv  xal  imdt^ui, 
xivtg  .  .  St'  ixelvov  ö/JoXoyovfxirwg  uyu&oi  yeyoruGir.  Nach  die- 
ser interpunction  hängt  eljTsTv  xui  iiudel^ai  gleichmäßig  von  t%ii, 
ab,  gehört  also  zur  protasis  des  zweiten  theiles  der  periode,  so 
weit  diese  hier  in  betracht  kommt,  während  bei  der  auf  einen 
bestimmten  parallelismus  hinzielenden  anläge  dieses  durch  xal 
mit  elneh'  verbundene  inidel^ui  entsprechend  dem  im  ersten 
theile    der   periode   nach   ei  fitv  (pufitv  i%uv   stehenden   imdel'§ui, 


67Ö  370.  Piaton.  Shft.  1. 

abhängig  von  dem  an  die  spitze  des  ganzen  gestellten  de7  die 
apodosis  einleiten  sollte.  Diese  richtige  beziehung  ist  auch  hie 
und  da  erkannt  und  durch  interpunction  vor  xal  bezeichnet  wor- 
den ;  aber  darin  liegt  doch  etwas  sehr  gezwungenes,  da  die  Ver- 
bindung der  beiden  verba  zu  einem  begriff  durch  beispiele  wie 
Euthyd.  294  C  u.  a.  zu  nahe  liegt.  Es  ist  daher  wohl  ange- 
zeigt, xul  zu  streichen,  wodurch  die  protaseis  und  apodoseis  der 
beiden  hier  entgegengesetzten  periodentheile  ohne  Störung  der 
z.  b.  in  cpufiev  e^etv  und  e%ei  elueTv  liegenden  Variation  in  con- 
cinnität  gebracht  werden.  "Wie  leicht  aber  xul  zwischen  beide 
auch  sonst  bisweilen  verbundene  infinitive  eingeschoben  werden 
konnte,  bedarf  keines  nachweises.  Anders  ist  die  stelle  in  den 
Jahrbb.  f.  philol.  1870,  p.  238  gedeutet,  wonach  auch  elnsTv  un- 
mittelbar von  6s7  abhängig  zu  denken  und  so  eine  anakoluthe 
ragung  anzunehmen  wäre.  Doch  genug;  es  mag  mit  dem 
Wunsche  geschlossen  werden,  daß  der  erprobte  herausgeber  des 
Theaetet,  dessen  eben  besprochene  neueste  arbeit  als  zweites 
neft  des  dritten  theiles  der  Sammlung  von  Cron  und  Deuschle 
eingefügt  ist,  in  ähnlicher  weise  den  auch  für  schüler  so  loh- 
nenden Phaedon,  von  welchem  wir  keine  ähnliche  ausgäbe  be- 
sitzen, bearbeiten  möge. 

370.  Quid  Plato  de  animae  mundanae  elementis  docuerii. 
Scripsit  Martinus  Wohlrab.  Dresden  1872,  21  p.  4.  (Pro- 
gramm des  gymnasiums  zum  heiligen  kreuz). 

Wohlrab  unterzieht  die  viel  behandelte  stelle  Timäos  35 
A.  B.  Trjg  upegCßiov  xal  uel  xaiä  ruviu  i/ovff^g  ovai'ug  xul  rrjg 
av  neql  zu  Gwfiaza  yiyvofiirrjg  fiegiGiljg  xgdov  f§  äficpoTv  er  (uißat 
^vvexegaGuto  ovüiag  eldoq,  Trtg  is  lavrov  (pvGewg  av  negt  xal  rijg 
Saxegov,  xul  xaiu  iuvtu  '^vreGir^ev  er  (jico)  xou  re  äfiegovg  av- 
TÜiv  (Wohlrab  nach  Proklos  uvtov)  xal  rov  xara  tu.  Glojuutcc 
ueoiGiov'  xal  rgla  Xußior  aviu  bvra  övrexegaGaro  dg  fxCuv 
ndvxulSiuv  ti]V  S-utiqov  <pvßtv  SvGfjixTor  ovGur  elg  Tumor  ^vrug/jor- 
ta)v  ßfu.  fxfyrvg  de  fieru  xl]g  ovdCug  xul  ix  tqiujv  noir;6a/xevog  er 
Ttuhr  uXor  jovto  [M)tgug  oüug  ngoa^xe  dierei/nsr,  ixdGrrfv  de  ex  ts 
xuvtov  xul  d-aiiQOV  xul  i^g  ovöfag  (Js({*tyftt'vr]v  einer  erneuten 
gründlichen  besprcchung.  So  vollständig  er  aber  dabei  im 
übrigen  die  vorbandeno  literatur  beimtzt  bat,  so  ist  doch  meine 
abhandlung,  „über  die  bildung  der  weltseele  im  platonischen  Ti- 


Shft.  1.  370,  Piaton.  671 

mäos"  Philologus  suppleni.  II,  p.  217  ff.,  in  -welcher  ich  zugleich 
eine  umfassende  kritische  Übersicht  aller  früheren  erklärungen 
gegeben  habe,  seiner  aufmerksamkeit  entgangen,  und  ich  glaube 
nicht,  daß  mich  der  Vorwurf  trifft,  welchen  er  (p.  6)  seinen  Vor- 
gängern macht:  verba  ipsa  nirnis  neglexerunt.  Auch  habe  ich 
dort  eine  frage  zu  lösen  versucht,  welche  er  nicht  einmal  auf- 
wirft, nämlich  was  die  zweite  mechanische  mischung  (xal  rgia 
kaßuv  alzu  x.  r.  X.)  gegenüber  der  ersten  chemischen  bedeutet. 
Uebrigens  stimmt  in  den  wesentlichsten  punkten  seine  erklärung 
mit  der  meinen  überein,  doch  habe  ich  aus  seiner  arbeit  gelernt, 
daß  ich  mit  der  meinen  noch  keineswegs  alles  völlig  ins  reine 
gebracht  habe.  Die  genetive  rr\g  ufiegfoiov ...  fjbsQi&rijg  faßt  er  mit 
Steinhart  partitiv  unter  berufung  auf  33  D  %eiQ(.uv  .  . .  ovx  wsio 
delv  avrcp  TtooGunisiv  ovds  nodwv  und  65  D  unorijxeiv  uviijg  rTjg 
(pvGnxjq,  allein  der  wesentliche  unterschied  ist,  daß  in  diesen  bei- 
den stellen  das  verbum  nicht  ein  eignes  object  wie  hier  iqfoov 
ovßtug  ddog  hat,  sondern  das  object  (zt)  in  den  partitiven  gene- 
tiven  selber  liegt.  Daher  halte  ich  auch  jetzt  noch  an  Ueberwegs 
construction  fest,  welcher  ix  zu  diesen  genetiven  aus  dem  fol- 
genden i%  uficpoh'  ergänzt.  Denn  daß  diese  construction  sonst 
nur  bei  dichtem  vorzukommen  scheint,  findet  doch  vielleicht 
seine  genügende  entschuldigung  darin,  daß  überhaupt  die  spräche 
des  Timäos  in  Übereinstimmung  mit  der  darstellungsweise  viel- 
fach ans  dichterische  streift.  Wohlrab  erklärt  nun  die  ganze 
stelle  grammatisch,  wenn  man  hiervon  absieht  und  nichts  ändern 
will,  gewiß  richtig  so:  „aus  einem  theile  der  untheilbaren  und 
immer  sich  gleich  bleibenden  Wesenheit  und  wiederum  einem 
derjenigen,  welche  an  den  körpem  theiibar  wird,  aus  beiden 
mischte  der  weltbildner  eine  dritte  art  von  Wesenheit  so  zusam- 
men, daß  sie  die  mitte  zwischen  ihnen  hielt;  wenn  man  wie- 
derum die  natur  des  selbigen  (sichgleichbleibenden)  und  des  an- 
dern in  betracht  zieht,  so  setzte  er  sie  auch  in  dieser  hinsieht 
so  zusammen,  daß  sie  die  mitte  hielt  zwischen  dem  untheilbaren 
an  ihr  (uvtov  =  tqCtov  ovGCug  tXöovg)  und  dem  an  den  körpern 
getheilten.  Und  nachdem  er  sie  alle  drei  genommen,  mengte 
er  sie  alle  zu  einer  einzigen  gestaltung  zusammen,  indem  er  die 
der  mischung  widerstrebende  natur  des  anderen  mit  gewalt  in 
das  selbige  (sichgleichbleibende)  einfügte.  Und  nachdem  er 
beide  mit  der  (dritten)  Wesenheit  vermischt  und  aus  den  dreien 


672  370.  Piaton.  Shft.  1. 

eins   gemacht  hatte,   theilte   er  wiederum   dies   ganze  in  so  viel 
theile,  als  es  sich  gehörte,  so  aber,  daß  ein  jeder  aus  dem  sel- 
bigen (sichgleichbleibenden),  dem  andern  und  der  Wesenheit  ge- 
mischt war".      Allein   was   soll   es  denn  heißen,    daß    gott  wie- 
derum auch  in  bezug  auf  die  natur  des  selbigen  und  des  ande- 
ren  der   dritten   Substanz   eine   mittlere    beschaffenheit    zwischen 
dem  zu  ihr  verwendeten  theile  der  untheilbaren  und  dem  gleich- 
falls zu  ihr   verwendeten   der   theilbaren   gab?      Um   dies   „wie- 
derum"   und   „auch"   verstehen   zu   können,   müßte   doch   vorher 
nicht   im   allgemeinen   gesagt  sein,   daß  er  ihr  eine  solche  mitt- 
lere  beschaffenheit   verlieh,    sondern   eine  bestimmte  andere  hin- 
sieht  angegeben   sein,   in  welcher   er   es  that.      Wohlrab  macht 
mit  Steinhart  einen  unterschied  zwischen  ovGta   und  yvGig,  aber 
worin  dieser  unterschied  nach  seiner  meinung  bestehen   soll,   ist 
wenigstens    mir    aus     seiner    darstellung    nicht    klar    geworden. 
Das  erste  mal  könnte  freilich  yvGig   die   natur   eines   gegenstän- 
des  im   sinne   des   inbegriffs   seiner   wesentlichen   Qualitäten    be- 
zeichnen,  aber   das   zweite   mal  drückt  t^v  duiioov  yvGiv  einen 
bestandtheil  der  zweiten  mischung  selber,  mithin  nothwendig  et- 
was  substantielles   aus,   und  der  genetiv  ist   exegetisch,   so   daß 
rj  -d-arioov  cptGig   nur  eine    Umschreibung   für   &utsqov   ist.      Das 
wahrscheinlichste   ist  mir   unter   diesen   umständen   noch   immer, 
daß  das  zweite  uv  niqv  als  dittographie  zu  streichen  ist,  so  daß 
tvig  re  tuvtov  cpvßewg  xal  i^g  daitqov   von   dem  ersten  iv  (jbiaqt 
abhängt.      Statt   des   folgenden   uvtiov   oder   avrov    möchte   uvto 
zu  lesen   sein.      Aber  wenn   ich   das   zweite  iv  [liffw  früher  mit 
Ueberweg  anders   als   das   erste,  nämlich  local   gefaßt   habe,    so 
scheint  mir  dies  jetzt  noch  viel  bedenklicher1),  als  wenn  man  die 
lesart  xaxa  ravru  aufnehmen  wollte,  was  nach  tilgung  des  zwei- 
ten   av  Tiiot,   allerdings    dazu    zwingen   würde    yvaig   wirklich    in 
der   obigen   weise   das   erste   mal   anders  als  das  zweite  zu  neh- 
men, und  so  fürchte  ich  fast,  daß  die  Avorte  xal  xara  tuvtu    — 
[AfQiöiov   einen   tieferen   schaden   genommen   haben,    als   er   sich 
mit  den  heute  unserer  kritik  zu  geböte  stehenden  mittein  heben 
läßt.      Uebereinstimmend    mit  mir   versteht   Wohlrab   unter   der 
ovofa  ntgl  tu   Gio/xaia  yiyro/uevr]  }i(QiGT>j  die  platonische  matcrie 
als  den  räum,  welcher,  an  sich  untheilbar,  an  den  körpern  thcil- 
1)  Denn  %wicTr)Gtv  kann,  wie  ich  jetzt  einsehe,  schwerlich  heißen: 
„stellte  er  sie  mit  den  beiden  andern  Substanzen  in  einer  reihe  vor 
sich  hin". 


Shft.  1.  371.  Aristoteles.  673 

bar  wird,  dagegen  abweichend  von  mir  unter  der  afitgiGrog  xul 
uti  xuru  tuvtu  t/ovGu  nicht  die  ideenweit,  sondern  deren  Sub- 
stanz ,  allein  dann  müßte  es  vielmehr  ovofa  xov  upsgiOTov  xul 
uti  xurd  zaviu  hgoviog  heißen.  Daß  die  ideenweit  hier  gleich 
der  materie  wie  eine  körperliche  Substanz  bebandelt  wird,  liegt 
in  der  ganzen  versinnlichenden  einkleidung,  nach  welcher  beide 
bestandtheile  gleichwie  zwei  Stoffe  in  einem  mischkruge  ge- 
mischt werden  (ßjti  iov  ngortgov  xgcarjgu,  ii>  q>  tijv  tov  jiuvrcg 
ipvx>]f  xsgavvvg  e'fitG/f,  p.  41  D)-  Daran  aber,  daß  nach  platoni- 
scher lehre  die  seelen-  und  eben  so  die  körperdinge  in  der  that 
eine  Verbindung  der  ideen  mit  der  räumlichkeit  sind,  scheint  ja 
auch  Wohirab  (p.  12.  19)  festzuhalten,  und  so  verstehe  ich 
nicht,  wie  er  (p.  20)  behaupten  kann:  iure  mireris,  cur  Plato  ib 
ututgzg  partem  esse  dixerit  animae  mundanae  una  cum  eo,  guod  ei 
est  oppositum.     [S.  ob.  hft  9,  p.  448.  —  E.  v.  L.] 

Fr.  Susemihl. 

371.  Aristotelische  aufsätze.  I.  II.  VonJ.  Vahlen.  8.  Wien, 
Gerold.  1872.  18  und  52  ss.  (Abdruck  aus  den  phil.-hist.  be- 
richten der  Wiener  akademie  LXXI,    p.  419  ff.  LXXII,  p.   5  ff.). 

Es  ist  erfreulich,  daß  Vahlen  fortfährt  einen  theil  seiner 
wissenschaftlichen  thätigkeit  der  erklärung  des  Aristoteles  zuzu- 
wenden, für  welche  er  vor  vielen  berufen  ist.  Der  erste  der 
beiden  jetzt  dargebotnen  aufsätze  behandelt  Psych.  III,  6,  p.  430  a, 
26 — b,  6,  eine  von  denjenigen  stellen,  in  welchen  Torstrik  eine 
doppelte  recension  annimmt,  im  gegensatz  zu  Torstrik  in  einer 
weise,  die  nichts  weiter  zu  wünschen  übrig  läßt,  als  daß  der 
verf.  sich  entschließen  möchte  ähnlich  auch  die  übrigen  wirk- 
lichen oder  vermeintlichen  „loci  gern iniu  in  diesem  dritten  buch  der 
Psychologie  zu  erörtern  und  dabei  auch  die  bisher  noch  von 
niemandem  aufgeworfene  frage  nicht  außer  acht  zu  lassen,  ob 
wirklich  c.  3,  427  b,  14—27  (oder  —  29?)  neben  428  a,l— 429  a,  9 
innerhalb  derselben  recension  bestehen  können.  Der  zweite  auf- 
satz  aber  richtet  sich  gegen  die  behandlung  des  1.  capitels  im 
7.  buche  (alter  Ordnung)  der  Politik  bei  Bernays  Dialoge  des 
Aristoteles  p.  69  ff.  156  ff.  Für  mich  hat  die  von  letzterem  dargelegte 
auffassung  dieses  capitels  nie  etwas  überzeugendes  gehabt,  und 
um  so  mehr  kann  es  mir  im  allgemeinen  nur  recht  sein,  wenn 
Vahlen,   welcher   früher  seine  behandlung  desselben  als  meister- 

Philol.  Anz.  V.  43 


674  371.  Aristoteles.  Shft.  1. 

haft  bezeichnet  hat,,  sie  jetzt  einer  so  vernichtenden  kritik  un- 
terwirft, daß  geradezu  kein  einziger  stein  übrig  bleibt-,  indessen 
scheint  mir  in  einzelnen  nebenfragen  die  Widerlegung  keine 
ganz  schlagende  zu  sein.  Gerade  in  der  hauptsache  aber  gehe 
ich  noch  einen  schritt  weiter.  Vahlen  bleibt  dabei  stehen,  in 
den  i%(jüT£Qixol  Xoyov  schriftliche  erörterungen  sei  es  nun 
des  Aristoteles  selbst  oder  anderer  zu  erblicken;  mit  welchem 
recht  er  dies  seinen  eignen  auseinandersetzungen  gegenüber  für 
so  sicher  halten  kann,  vermag  ich  aber  nicht  abzusehen.  Den 
conträren  gegensatz  nun  ferner  gegen  die  i^wreQixol  Xöyot  bil- 
den wenigstens  in  der  Eud.  Eth.  I,  8.  1217  b,  22  ff.  die  x«r« 
quXoßocpiav  loyoi}  diesen  xuia  (fiXooocpiuv  ?i.oyot  stellt  aber  Ari- 
stoteles wieder  das,  was  „alle",  auch  die  nichtphilosophen  sagen 
oder  zugestehen,  also  die  nuvrwv  \6yoi  gegenüber,  so  direct  Pol. 
III,  12,  p.  1282  b,  18  f.,  und  indirect  auch  an  der  in  rede  stehen- 
den stelle  1323  a,  23 — 35,  daher  ich  auch  das  uloneg  nuvreg 
(z.  34)  mir  zwar  gleich  Vahlen  von  Bernays  nicht  habe  nehmen 
lassen,  aber  Vahlens  vertheidigung  des  nackten  Xeyopsvi»  statt 
Xsyo/xtva  <C«wAu5c>  nicht  sonderlich  überzeugend  finde.  Mich 
dünkt,  der  Schluß  ist  hiernach  fast  unabweislich ,  daß  die  i£w- 
tsqixoI  Xöyot  und  die  Xoyoi  ndviiuv  einerlei  sind.  Hat  ferner 
Aristoteles  so  gefolgert:  „auch  schon  die  gewöhnlichen  an- 
sichten,  die  man  allgemein  auch  außerhalb  der  philosophischen 
kreise  aussprechen  hört,  bieten  für  die  richtige  bestimmung  des 
besten  lebens  manche  genügende  anknüpfungspunkte  dar,  und 
daher  will  ich  von  diesen  auch  wirklich  ausgehen-,  denn  nie- 
mand ist,  der  nicht  wenigstens  so  viel  zugäbe  u.  s.  w.",  (z.  19  ff.) 
und:  „welches  die  verschiedenen  arten  sind  über  menschen  zu 
herrschen  ist  leicht  zu  bestimmen,  denn  auch  schon  im  täglichen 
leben  sind  die  bestimmungen  hierüber  unter  uns  gäug  und  gebe" 
(III,  6.  1278  b,  39  ff.),  so  ist  das  klar  und  logisch  gesprocheu. 
Hat  er  aber,  wie  Bernays  und  seine  anhänger,  zu  denen  leider 
auch  Bonitz  gehört,  wollen,  gesagt:  „da  ich  glaube,  daß  auch 
schon  von  dem  in  meinen  populären  Schriften  über  das  beste 
leben  vorgebrachten  manches  in  genügender  weise  vorgebracht 
wird,  so  will  ich  von  dem  letzteren  auch  jetzt  gebrauch  machen; 
alle  weit  nämlich  giebt  so  viel  zu  u.  s.  w."  und:  „die  verschie- 
denen modalitäten  der  herrschaft  über  menschen  sind  leicht  zu 
bestimmen,    denn   auch   in   meinen  populären  Schriften  treffe  ich 


Shft.  1.  371.  Aristoteles.  675 

wiederholt  die  bestimmungen  über  sie",  so  fürchte  ich,  daß  bei 
solchen  Schlußfolgerungen  die  logik  wenigstens  keinen  ihrer  al- 
lerglänzendsten  triumphe  feiert.  Und  sehr  viel  besser  wird  die 
sache  nicht,  wenn  man  mit  Vahlen  neben  den  populären  Schrif- 
ten des  Aristoteles  selbst  oder  statt  ihrer  die  anderer  hinein- 
bringt. Dies  schließt  aber  natürlich  nicht  eine  so  weite  fassung 
des  begriffs  der  tZwiigixol  löyoi  aus,  daß  sie  an  irgend  einer 
anderen  stelle  in  der  that  schriftliche  äußerungen,  nicht  streng 
philosophische  oder  wissenschaftliche,  sondern  populäre  oder  dia- 
lektische erörterungen  in  Schriften  des  Aristoteles  selber  bezeich- 
nen können.  Alles  kommt  hier  vielmehr  ganz  auf  den  Zusam- 
menhang an,  und  natürlich  ist  mit  diesen  wenigen  bemerkungen 
die  ganze  schwierige  frage  nicht  abgethan. 

In  bezug  auf  die  kritik  einzelner  stellen  des  capitels  hat 
bereits  Vahlen  selbst  ein  wesentliches  zusammentreffen  mit  mir 
bei  den  worten  näv  dt  io  xQ*i(nli0V  *<>ih',  1323  b,  8  angemerkt, 
nur  aber  glaubt  er  (und  vielleicht  mit  recht)  mit  der  sehr  leich- 
ten änderung  l'g  rt,  (besser  wohl  tXc,  n?)  für  iaiCv  ausreichen  zu 
können,  und  6s  hält  er  merkwürdigerweise  sogar  für  besser  als 
yug.  Indessen  geht  das  zusammentreffen  noch  weiter,  denn  auch 
übera,  30  f.  37.  b,  33  und  im  gründe  auch  über  b,  34.  36. 
(vgl.  meine  Quaestt.  crit.  de  Pol.  Ar.  p.  IV.  p.  4  f.  anm.  4),  wo 
Vahlen  überall  mit  eben  so  viel  geschick  wie  gelehrsamkeit  die 
handschriftliche  lesart  vertheidigt,  habe  ich  nie  anders  gedacht, 
und  ganz  dieselben  erwägungen,  welche  er  zu  b,  15  vorbringt, 
waren  es,  die  mich  in  meiner  ausgäbe  zur  billigung  der  tilgung 
von  SiuCtuGiv  nur  unter  der  clausel  ,,s£  omnino  rnutatione  opus  estu 
bewogen.  Gern  aber  bekenne  ich  über  die  möglichkeit  der  aus- 
drucksweise wv  uvtwv  xoTg  tyovciv,  b,  9 — 11,  eines  bessern  be- 
lehrt worden  zu  sein;  ob  man  aber  so  zu  schreiben  hat,  hängt 
davon  ab,  welche  auctorität  den  alten  Übersetzungen  und  den 
handschriften  Ms  P1  beizulegen  ist,  und  daß  es  nicht  statt  uvtwv 
in  dieser  Schreibung  eben  so  gut  uvTrjg  hätte  heißen  oder  bei  der 
weglassung  von  uviwv  eben  so  gut  uvilqg  wie  uvtwv  würde  ergänzt 
werden  können,  davon  haben  mich  Vahlens  ziemlich  spitzfindige  aus- 
einandersetzungen  eben  so  wenig  überzeugt  wie  davon,  daß  b,  28 
t7j<;  ipvx^  unentbehrlich  sei.  Dennoch  halte  ich  letzteres  jetzt 
für  richtig,  weil  der  ausdruck  zu  ixiög  uyu&u  ohne  diesen  Zu- 
satz  nicht   nothwendig   die    guter  des  leibes  mit  in  sich  schließt 

43* 


676  372.  Aristoteles.  Slift.  1. 

(a,  25  f.),  obwohl  Aristoteles  ihn  vorher  in  diesem  umfassenderen 
sinne  gebraucht  hat  (a,  41.  b,  3.  7)  und  dieser  Wechsel  der  be- 
zeichnung  mithin  leicht  den  schein  erregen  kann,  als  ob  auch 
ein  theil  der  seelenguter  noch  mit  zu  den  äußeren  gutem  ge- 
höre. Nur  diese  letztere  erwägung  aber  hat  mir  ehemals  den 
zusatz  verdächtig  gemacht,  an  der  Wortstellung  dagegen  iwr  psv 
yuo  ixibq  uyadu>v  r7jg  i}wx"rjg  habe  ich  meinerseits  nie  den  ge- 
ringsten anstoß  genommen.  Wiederum  aber  b,  11  halte  ich  an 
der  tilgung  von  shai  vor  tl  öel  fest,  denn  die  logische  erörte- 
rung  Vahlens  ist  mir  hier  wieder  viel  zu  spitz,  und  die 
grammatischen  beispiele,  von  denen  übrigens  b,  36  ff.  wohl  gar 
nicht  hieher  gehört  (vgl.  die  interpunction  meiner  ausg.),  sind 
zwar  ähnlich,  aber  alle  von  dem  frei,  was  gerade  das  anstö- 
ßigste an  dieser  stelle  ist,  nämlich  der  schielenden  art,  wie  der 
satz  twv  de  x.  r.  X.  (z.  10  ff.),  welcher  logisch  das  gegenbild  zu 
dem  voraufgehenden  hauptsatz  ist,  grammatisch  zu  dessen  neben- 
satz  halb  gezogen  und  halb  auch  wieder  nicht  gezogen  wird. 
Zweifelhaft  bin  ich  b,  31  f.  geworden  und  könnte  mich  wohl 
entschließen  Vahlens  vertheidigung  des  überlieferten  recht  zu 
geben,  wenn  es  wirklich  ganz  wahr  wäre,  daß  diese  worte  noch 
ein  neues  argument  für  das  evduipotsTv  und  dessen  bedingungen 
enthielten  (auch  so  freilich  würde  ich  wenigstens  uÖvvutov  76 
ßtatt  udvvatov  Ss  erwarten),  allein  in  Wirklichkeit  fügen  sie 
vielmehr  dem  bisherigen  argument,  in  welchem  als  allgemein 
zugestanden  vorausgesetzt  wurde,  daß  das  uqiötu  noüuew  (a,  13) 
nicht  ohne  tugend  möglich  sei,  eine  neue  nüance  ein,  durch 
welche  die  richtigkeit  dieses  allgemeinen  Zugeständnisses  noch 
ausdrücklich  bewiesen  wird,  in  einer  art  freilich,  die  für  uns 
neuere  nichts  beweisen  kann. 

Fr.  Suscmihl. 

372.  Zur  kritik  aristotelischer  Schriften.  I.  Von  A.  Kr  oh  n. 
Brandenburg  1872.      52  p.     4.     (Programm  der  ritterakaclemie). 

Daß  sich  auch  in  acht  aristotelischen  Schriften  doch  län- 
gere partien  finden,  welche  vielmehr  älteren  peripatetikern  an- 
gehören, ist  in  bezug  auf  das  biTeh  «  der  Methaphysik  uns  so- 
gar noch  ausdrücklich  bezeugt,  in  bezug  auf  den  zweiten  theil 
von  K  desselben  werks  und  das  10.  buch  der  Thiergeschichte 
wird  es  wohl  von  niemandem  mehr  bezweifelt,  nicht  viel  anders 


Shft.  1.  372.  Aristoteles.  677 

steht  es  mit  dem  12.  capitel  der  Poetik,  und  wenn  auch  über  die 
nikomackische  Ethik  die  Untersuchung  noch  lange  nicht  abge- 
schlossen ist,  so  handelt  es  sich  doch  auch  bei  ihr  mehr  um  die 
grenzen  als  um  die  thatsache  selbst.  In  so  fern  enthält  es  im 
princip  nichts  neues,  wenn  ich  auch  von  manchen  einzelnen  ab- 
schnitten der  Politik  zum  theil  nach  dem  vorgange  anderer  ein 
gleiches  nachzuweisen  gesucht  habe.  "Wenn  daher  neulich  der 
treffliche  französische  aristoteliker  Thurot  {Revue  critigue  1873. 
p.  18)  die  ansieht  ausgesprochen  hat,  daß  im  wesen  der  sache 
kaum  ein  unterschied  zwischen  meinem  verfahren  und  dem  von 
Krohn  enthalten  sein  möchte,  so  hat  dies  seinen  grund  darin, 
daß  er  Krohns  arbeit  begreifllicherweise  nur  aus  den  mittheilun- 
gen  in  meiner  ausgäbe  kennt.  Hätte  er  sie  selbst  gelesen,  so 
würde  er  anders  urtheilen,  und  Krohn  selber  ist  durchaus  nicht 
der  gleichen  meinung,  will  vielmehr  geradezu  eine  revolution  in 
der  höheren  kritik  der  aristotelischen  Schriften  hervorrufen.  Bei 
allen  von  mir  angenommenen  interpolationen  habe  ich  zu  zeigen 
gesucht,  daß  sie  nicht  bloß  sich  glatt  herausschneiden  lassen, 
sondern  auch  geradezu  den  Zusammenhang  stören.  Nach  Krohn 
dagegen  ist  der  Zusammenhang  des  ganzen  corpus  selbst  nur 
ein  scheinbarer  und  künstlicher,  das  werk  einer  das  fremdar- 
tigste zusammenleimenden  redaction.  So  gern  ich  übrigens  sei- 
nem Scharfsinn  und  seiner  sachkenntniß  volle  gerechtigkeit  wi- 
derfahren lasse,  so  kann  doch  die  kritik  sich  mit  seinen  ansich- 
ten,  wie  ihm  dies  auch  selber  allem  anscheine  nach  klar  ist, 
erst  dann  näher  beschäftigen,  wenn  er  die  vielen  von  ihm  ver- 
sprochenen genaueren  ausführungen  gegeben  haben  wird.  In 
den  jetzt  vorliegenden,  auf  die  Poetik  und  Politik  bezüglichen 
proben  wird  nicht  allein  weit  mehr  behauptet  als  bewiesen, 
sondern  vielfach  tritt  wenigstens  für  mich  nicht  einmal  klar 
hervor,  was  er  im  großen  und  ganzen  behaupten  will,  wie  denn 
auch  aus  der  beilage  über  die  katharsis  (p.  21 — 29),  in  welcher 
recht  gute  bemerkungen  über  b  roiomoq  gegen  Bernays  ge- 
macht werden,  mir  seine  eigne  ansieht  über  das  wesen  der  letz- 
teren nicht  begreiflich  geworden  ist.  Verstehe  ich  seine  ge- 
sammtanschauung  recht,  so  meint  er,  daß  die  meisten  Schriften 
des  Aristo*  eles  und  Theophrastos  wirklich  erst  aus  dem  keller 
in  Skepsis  über  zwei  Jahrhunderte  nach  dem  tode  ihrer  Verfasser 
ans  licht  traten  und  die  erstem  (die  also  wohl  stärker  vom  mo- 


678  372.  Aristoteles.  Shft.  1. 

der  gelitten  hatten?)  von  Andronikos  und  seinen  nächsten  Vor- 
gängern aus  den  letztern  ergänzt  und  verfälscht  wurden,  ja  daß 
man  dabei  nicht  stehen  blieb.  Vielmehr  in  der  Politik,  um 
hier  nur  von  dieser  zu  reden,  glaubt  Krohn  deutlich  den  viel- 
stimmigen und  stark  dissonirenden  chor  der  theophrastischen 
schule  zu  hören,  so  daß  also  jene  späteren  peripatetischen  her- 
ausgeber  in  dem  thörichten  glauben  von  der  völligen  einigkeit 
ihrer  secte  kein  bedenken  geti-agen  haben  sollen  auch  die  ar- 
beiten von  Theophrasteern  zu  diesem  flickwerk  mit  zu  verwen- 
den. Das  erste  buch  schreibt  er,  wie  es  scheint,  ganz  dem 
Aristoteles  selber  zu,  obwohl  man  meinen  sollte,  daß  die  späte- 
ren oder  wenigstens  die  mittleren  capitel  desselben  vom  8.  ab 
einem  so  rücksichtslosen  beurtheiler  wohl  mancherlei  anstoß  bie- 
ten könnten,  aber  er  betrachtet  es  (wie  vor  ihm  u.  a.  Oncken) 
als  eine  selbständige  schrift,  und  leugnen  läßt  sich  nicht,  was 
er  nicht  einmal  geltend  macht,  daß  der  Übergang  zwischen  dem 
ersten  und  zweiten  buche  höchstens  dann  ein  leidlicher  ist, 
wenn  man  de  1260  b,  27  in  ydo  verwandelt.  Allein  dies  di 
fehlt  in  der  einen,  durch  .TM3  P1  vertretnen  textesrecension 
ganz,  und  eben  so  wird  im  anfang  des  dritten  buchs  das  an- 
knüpfende, dem  fAtv  ovv  1274  b,  26  entsprechende  de  sogar  in 
allen  quellen  der  textüb erliefe rung  vermißt,  um  davon  gar  nicht 
zu  reden,  daß  sich  am  anfange  des  siebenten  Si  nur  in  P2  und 
corr.  P5  findet.  Mich  wundert,  daß  noch  niemand  diese  auffal- 
lenden thatsachen  hervorgehoben  hat.  Im  zweiten  buche  findet 
dagegen  der  Verfasser  nur  kümmerliche  Überbleibsel  des  aristo- 
telischen Staatsideals:  1260b,  36ff,  1262b,  37  ff,  1269  a,  34— 
36  werden  als  solche  „einzelne  stehen  gebliebne  pfeiler"  bezeich- 
net, welche  die  redaction,  wenn  sie  mit  verstand  gemacht  wäre, 
hätte  beseitigen  müssen,  dennoch  wird,  wie  es  scheint,  ein  großer 
theil  der  an  die  beiden  ersten  stellen  sich  anschließenden  kritik 
der  platonischen  Republik  als  aristotelisch  anerkannt,  denn  es 
heißt  vom  5.  capitel,  es  sei  „dcfect  und  stark  interpolirt",  das 
6.,  die  kritik  der  platonischen  Gesetze,  dagegen  ist  „elend"  und 
„spätesten  Ursprungs",  der  größere  theil  des  buchs  theophrasti- 
sches  eigenthum.  Im  siebten  buch  wird  das  erste  capitel  als 
stück  einer  Vorlesung  des  Theophrastos  in  anspruch  genommen, 
von  der  hauptmasse  des  buchs  erfahren  wir  für  jetzt  nur,  daß 
es  „fragmentarische  entwürfe"  seien.    Das  achte  wird,  man  sieht 


Shft.   1.  372.  Aristoteles.  679 

nicht  klar,  ob  ganz  oder  seiner  größeren  zweiten  hälfte  nach 
wiederum  auf  Theophrastos  (oder  seine  schule?)  zurückgeführt 
(p.  27.  Anm.  3).  Vom  dritten  verbleibt,  wenn  ich  recht  ver- 
stehe, dem  Aristoteles  gar  nichts:  der  Urheber  der  „parekbasen- 
theorie"  (c.  G  ff.)  sei,  sagt  Krohn,  ein  anderer,  es  sei  aber  auch 
nicht  Theophrastos,  denn  letzterm  gehöre  das  14.  capitel  als 
auszug  aus  seiner  schrift  nsol  ßufftXeCag  und  der  voraufgehende 
abschnitt  über  den  ostrakismos  an,  in  denen  sich  1285  a,  27  ff.  b, 
2  ff.  der  Widerspruch  gegen  jene  auch  in  sie  eingeschmuggelte 
theorie  verrathe.  Gleichfalls  im  entschiednen  Widerspruch  mit 
ihr,  den  ich,  wie  Krohn  meint,  durch  meine  conjectur  nicht  be- 
seitigen durfte,  rede  ein  vierter  (oder  soll  es  auch  Theophrastos 
sein?)  im  3.  capitel  1273  a,  13  ff.  In  Wahrheit  handelt  es 
sich  jedoch  dabei  gar  nicht  um  meine  conjectur,  sondern 
bloß  um  richtige  Setzung  des  komma ,  denn  ob  man  es 
vor  oder  hinter  xutc\  wv  tqohov  toviov  (z.  14)  stellt,  die 
von  Hayduck  erkannte  nothwendigkeit  der  hinzufügung  von 
ov  im  nachsatz  ist  die  gleiche.  Die  parekbasentheorie  nun 
greift  tief  in  das  vierte  buch  ein,  aber  das  15.  capitel  und 
das  schlußcapitel  des  sechsten  sollen  auszug  eines  theophra- 
stischen  werkes  sein,  das  von  den  magistraten  handelte,  das 
fünfte  buch  seinem  größeren  theile  nach  unächt  und  wahr- 
scheinlich auszüge  und  Umarbeitungen  aus  der  theophrastischen 
schrift  mol  xulolüv.  Für  ganz  aristotelisch  erklärt  Krohn  das 
11.  cap.  des  vierten;  nur  der  satz  1296  a,  18 — 21  mißfällt  ihm 
höchlich,  weil  er  aus  dieser  unschuldigen  bemerkung,  daß  die 
meisten  tüchtigen  gesetzgeber  aus  dem  mittelstande  waren,  selt- 
samerweise herausliest ,  sie  hätten  mittlere  Verfassungen  gegrün- 
det, was  denn  freilich  mit  dem  folgenden  (wo  z.  38  unter  dem 
il »•  uvtJo  vielleicht  mit  recht  Solon  verstanden  wird)  unverträglich 
sein  würde.  Die  Umstellung  des  7.  und  8.  buchs  vor  das  4. 
wird  als  „geistlos"  bezeichnet:  „wollte  man  das  verwandte  zu- 
sammentragen, so  müßten  sie  mit  dem  2.  verbunden  werden,  der 
inhalt  des  3.  ist  auf  sie  ohne  jeden  einfluß".  Allein  letzteres 
ist  lediglich  eine  kühne  behauptung,  und  sollten  neben  der  be- 
sten Verfassung  auch  alle  andern  behandelt  werden,  so  war  die 
gemeinsame  grundlage ,  die  III,  1 — 13  gelegt  wird,  nothwendig 
vor  der  ganzen  Specialbehandlung  von  jener  wie  von  diesen  zu 
geben. 


680  374.  75.  Aristoteles.  Shft.  1. 

Manche  vorwürfe ,  die  der  Verfasser  gegen  einzelne  stellen 
der  Poetik  und  Politik  erhebt,  wird  auch  derjenige  nicht  in  den 
wind  schlagen  dürfen,  welcher,  minder  ideal  von  Aristoteles  den- 
kend, in  ihnen,  wenn  sie  auf  ihr  richtiges  maß  zurückgeführt 
werden,  nur  einen  gerechten  tadel  des  letzteren  seihst  und 
nicht  seiner  vermeintlichen  interpolatoren  anerkennen  wird  und 
bedenken  trägt,  alles,  was  ihm  an  jenem  mißfällt,  auf  diese  ab- 
zuwälzen. Jedenfalls  erweckt  es  eben  kein  günstiges  vorurtheil 
für  die  ergebnisse  einer  so  unduldsamen  und  überall  Wider- 
sprüche, welche  der  kritiker  dem  Aristoteles  nicht  zutrauen  mag, 
aufstöbernden  kritik,  wenn  er  selbst  sich  nicht  vor  dem  Wider- 
spruche gehütet  hat,  einmal  (p.  9,  anm.  2)  Pol.  1329  b,  25  f. 
als  beispiel  für  die  „großherzige  auffassung  des  Stagiriten"  an- 
zuführen und  sodann  (p.  50  f.)  in  dem  ganzen  betreffenden  ab- 
schnitt keine  spur  von  aristotelischem  geiste  (und  zwar  meines 
erachtens  mit  vollem  recht),  sondern  theophrasteische  art  und 
weise  zu  erblicken.  Krohn  spricht  (p.  7.  anm.)  von  „dem  wunder- 
gläubigen register  des  Laertius",  aber  Heitz  und  Nietzsche  ha- 
ben uns  bewiesen,  daß  dies  register  vielmehr  das  der  alexandrini- 
schen  bibliothek  zur  zeit  des  Hermippos  war.  In  ihr  bereits  befand 
sich  also  schon  damals  atich  eine  Politik  und  zwar  genau  bereits 
in  acht  büchern,  streitig  zwischen  Aristoteles  ixnd  Theophrastos,  und 
mithin  ist  sie  nicht  erst  eine  Sammlung  aus  so  später  zeit,  wie 
Krohn  uns  glauben  machen  will.  Gewiß  sind  es  nur  entwürfe 
aus  dem  nachlaß  des  Aristoteles,  aufzeichnungen,  die  er  sich  an 
der  hand  seiner  vortrage  gemacht  hatte,  und  gewiß  sind  auch 
zuhörernachschriften  mit  bei  der  redaction  benutzt  worden,  und 
die  ersten  herausgeber  haben  von  ihrem  eignen  geistigen  eigen- 
thum  hinzugethan,  aber  der  leitende  faden,  der  diese  bruchstücke 
durchzog  und  zu  organischen  theilen  eines  ganzen  ordnete, 
rührt,  davon  bin  ich  trotz  Krohns  bisheriger  gegenreden  über- 
zeugt, bereits  von  dem  meister  selber  her. 

Fr.  Susemihl. 

374.  Bemerkungen  zur  physik  des  Aristoteles.  Von  M. 
Hayduck.  Greifswald  1871,  14  p.  4.  (Programm  des 
Greifswalder  gymnasiums). 

375.  Observationes  criticae  in  aliquot  locos  Aristotelis.  Vom 
gymnasiallehrer  M.  H  a  y  d  u  c  k.  Greifswald  1873.   16  p.  4.  (Desgl.). 


Shft.  1.  374.  Aristoteles.  681 

Hayduck  ist  bisher  der  einzige  meiner  schüler,  welcher 
dem  Aristoteles  ein  dauerndes  Studium  zuwendet.  Daß  es  mir 
sonach  zur  besonderen  freu.de  gereicht  die  ersten  fruchte  dessel- 
ben zur  anzeige  zu  bringen ,  wird  man  begreiflich  finden,  ande- 
rerseits aber  würde  es  meines  erachtens  dem  verhältniß  zu  mei- 
nem freunde  wenig  entsprechen,  wenn  ich  mich  berufen  glaubte 
dieselben  mit  meinen  lobsprüchen  zu  verherrlichen.  Ich  gebe 
daher  ohne  jede  weitere  bemerkung  eine  kurze  Übersicht  seiner 
ergebnisse ,  indem  ich  es  seinen  leistungen  überlasse  und  auch 
getrost  überlassen  kann  sich  selber  das  wort  zu  reden.  Anal, 
post.  I,  5.  74  a,  16  f.  wird  xul  —  vtc6.q%hv  als  fremder  zusatz 
verdächtigt,  c.  10.  76b,  33  rj  ausgeworfen,  II,  3.  91a,  8  ovxs 
für  wöts  vermuthet,  zugleich  aber  7.  cpuvegov  —  9.  sytiv  als 
einschiebsei  bezeichnet,  daneben  gegen  den  beweis  90  b,  38  ff. 
eingewandt ,  daß  in  ihm  das  zubeweisende  bereits  vorausgesetzt 
werde,  c.  17.  99  b,  2  xov  A  (nämlich  afatov)  oder  xo  B  ver- 
muthet, Soph.  El.  10.  170b,  24  rj  in  xul  verwandelt,  c.  31. 
181b,  39  f.  die  lesart  Grjfiaivsiv  gebilligt,  das  wort  aber  vor  xb 
fiev  umgestellt,  akXä  in  ullo  geändert  und  das  komma  hinter 
crjfjah'etv  hinabgerückt,  Phys.  HI,  5.  204b,  27  f.  vyodg  —  xpv- 
Xgov  für  \pvygoc  —  vyoor  (s.  d.  2.  abh.  p.  6  f.  anm.  3)  und 
205  a,  25  mit  anschluß  an  die  paraphrase  des  Themistios  der 
ausfall  eines  satzes  gemuthmaßt,  IV,  8.  215  a,  12  tu  mit  dem 
besten  codex  E  weggelassen  und  cuffr'  l'öiat  mit  beseitigung  des 
punkts  vor  diesen  worten  in  wßneo  tu  verwandelt,  c.  9.  217  a 
wird  gezeigt,  daß  der  nachsatz  zu  10  ff.  Iml  de  x.  r.  1.  nicht 
schon  z.  15.  uvuyxrj  x.  r.  1.  mit  Prantl  und  Bonitz,  sondern  erst 
z.  20.  ot  [jbh>  dq  x.  x.  1.  zu  suchen  ist,  mithin  14.  Srjlov  —  20. 
tvd-v  eine  parenthese  bildet,  V,  4.  228a,  14  wird  vyisia  für 
Ivioyiia  und  z.  18  avi>]  für  rj  cxvttJ  geschrieben,  VI,  5.  235b, 
24  xb  für  t«  gesetzt  (mit  ergänzung  von  xov  r  zu  iyoiusvoi') 
und  zweifelnd  de  für  yag ,  c.  6.  237  a,  4  die  auslassung  des 
zweiten  rj  in  den  besten  handschriften  gerechtfertigt,  auch  236  b, 
32  die  lesart  von  E  xtvsiff&at  als  die  vielleicht  bessere  bezeich- 
net, c.  8.  238  b,  29  die  aufnähme  von  6s  (statt  (T  tl)  aus  E 
empfohlen  und  dagegen  die  von  Prantl  gebilligte  weglassung 
von  Ss  z.  3 1  in  derselben  handschrift  zurückgewiesen ,  nicht 
minder  z.  35  das  von  EF  dargebotne  irsgov  als  das  richtige 
erhärtet,     c.   9.   240a,    16    das    früher    von    Prantl    vermuthete, 


682  375.  Aristoteles.  Shft  1. 

aber  später  wieder   aufgegebene    F  statt  B  gebilligt,    aber   die 
'  stelle    anders    erklärt,    c.   10.  241  a   wird    nicht   bloß    die  schon 
von  Prantl    geschehene    aufnähme  von  rj  aus  E  vor  lv  w  z.  20, 
sondern   auch  z.   17    als   nothwendig  erwiesen   und  nicht  minder 
VIII,  1.   252  a,  2  die  lesart  von  E  rp&aQJj  als  die  allein  richtige 
dargethan,    c.  4.  255  a,  34  ff.    wird   in    der    ersten    abh.    el    für 
ä&l  und  b,   5   dr)  für  6s  vorgeschlagen,    so  daß  b,   1    olov  —    5. 
äyvofu    eine    parenthese    bilden    soll,    dies    aber   in    der   zweiten 
zurückgenommen  und  vielmehr  a,   35   h'yyiov  iov  Ivsoystv  vermu- 
thet,    c.   10.  267  a,  7  tlXlo    aus  HK    empfohlen   und    die  ganze 
stelle    richtiger,   als   Prantl   gethan   hat,    erklärt,    de  coel.    I,  7. 
274a,   10  ff.  werden  die    Schwierigkeiten    gleichfalls    durch  eine 
richtigere    erklärung    gehoben,    c.   11.   280b,    33  f.    die  worte  rj 
xal  —  ifvut,   nachdem   in   ihnen  ov   mit  E  und  ds  mit  FHLM 
weggelassen    ist,    nach    theilweisem    Vorgang   von  erklärern  aus 
dem    alterthum    als  eine  Variante  zu  28.  tj  —  31.  änTSß&ai,  er- 
kannt,   daneben    aber    auch    noch    die    andere   möglichkeit  ihrer 
Umstellung    vor    24.  xul  l'n    übrig    gelassen,    die    aber   zu  einer 
entsprechenden  änderung  von  21.    rj  fir]  lanv  rj  IvSiytrai,  fir)  it- 
vui  nöthigen   würde,    welche  Hayduck  mit  recht  bedenklich  fin- 
det ,    obwohl    er  nachweist ,    daß  die  auseinandersetzung  z.  20  ff. 
in    der   form   manches    auffällige    hat,    endlich    c.  12.  283  a,   17 
wird  die  richtigkeit  der  auch  durch  Simplicius  bezeugten    lesart 
a  dvvaiai,,  eben  so  de  gen.  et  corr.  I,   5.   322  a,   1   die  der  lesart 
von  E  ivnvriov   und  II,  5.  332  a,  22    die    der   lesart   von  EPH 
^gezeigt,  I,  7.  323  b,   17  ff.  aber  durch  herstellung  der  richtigen 
interpunction ,    indem  20.  xt  —  24.  nuv    als  parenthese  erkannt 
wird,    zum  ersten  male  ein  vernünftiger  sinn  gewonnen.      Auch 
sonst  wird  beiläufig  die  Übersetzung   von  Prantl   noch   mehrfach 
durch  den  nachweis  der  wirklichen  construction  berichtigt,  Phys. 
VI,  7.  237  b,  24.  c.  9.  240  a,  3.  c.   10.  241a,   17.  20.    VII,  5. 
249  b,  30.  VIII,  5.  256  a,  4—8.    „Unsicher",  heißt  es,  „ist  VIII, 
3.  253b,   17,    doch   wird    Prantl    zugeben,    daß    der   zusatz    lv 
rjfiCüst  XQ°vl'?  ^as  subject  entbehrlich  macht".     Ferner  Psych.  II, 
2.  414  a,   10    wird  mit  recht  die  behandlung,    welche  die  ganze 
Stelle  bei  Bonitz  gefunden  bat,  gebilligt,    zugleich  aber  die  auf- 
nähme von  vytaawv  aus  X  befürwortet,  zAveifelnder    auch  z.   14 
de  für  yuQ  vorgeschlagen,    c.   8.   420a,   10  u/j,iTaxfrr]iog    vermu- 
thet,  c.   10.  421  b,  19  nach  herstellung  der  richtigen   interpunc- 


Shft.  1.  376.  77.  Aristoteles.  683 

tion  in  z.  16 — 19  redrt  (xul  —  ntigw/nivoig)'  üJöTe  das  sinnlose 
uv&QuJnwv  in  offtpQuvrwi'  verbessert,  III,  4.  429  b,  23  das  in 
der  paraphrase  des  Themistios  fehlende  xal  äica&tg  gestrichen, 
c.  6.  430  b,  21.  xai  —  23.  ^liXuv  für  ein  einschiebsei  erklärt, 
c.  13.  435  b,  6.  fyeiv  hinter  (at;  versetzt  und  t,wov  ov  ausge- 
worfen, de  somn.  1.  454a,  2  yug  in  <T  geändert  oder,  was  je- 
doch dem  Verfasser  weniger  gefällt,  eine  lücke  hinter  4.  xivq- 
Gsitiv  angenommen,  de  insomn.  2,  459b,  18  al  getilgt  und  22 
<Uj.XIwv^>  öpoCiog  für  g[a,o(u>v  vermuthet,  während  es  dahingestellt 
bleibt,  ob  nicht  auch  20.  yuq  und  das  punctum  hinter  xivov- 
fisva  zu  beseitigen  seien,  c.  3.  461b,  26  wird  wg  für  ov  (d> 
ELMY),  jmnkt  statt  des  kommas  hinter  rovto ,  27.  de  für  f^rt 
und  28.  tilgung  des  kommas  hinter  tovto  vorgeschlagen,  de 
div.  i).  somn.  2.  464  b,  15  wird  nach  aufnähme  der  lesart  von 
EY  yag  r\  in  z.  16  das  kolon  vor  diesen  Worten  getilgt  und 
vielmehr  i[  —  ivvnvCov'  jovtov  hergestellt,  endlich  (in  der  1. 
abh.  p.  1  f.  anm.  1)  Met.  IX,  4.  1047  a,  25  A  für  das  zweite 
AB  geschrieben. 

Flüchtig  berührt  der  Verfasser  noch  zwei  stellen  der  Psy- 
chologie ,  über  die  ich  mir  bereits  und  zwar  noch  bestimmter 
das  gleiche  urtheil  gebildet  hatte :  aus  den  nämlichen  gründen, 
aus  denen  er  (2.  abh.,  p.  4,  anm.  2)  I,  4.  409a,  24  erklärt, 
daß  Trendelenburgs  rechtfertigung  des  yug  verfehlt  sei,  habe 
ich  dort  Ss  vermuthet,  und  wenn  er  II,  8.  420  a  einsieht,  daß 
die  worte  7.  uvto  —  9.  tyocpog  vielmehr  zu  419  b,  19  ff.  gehö- 
ren, so  habe  ich  mir  gedacht,  daß  sie  vielleicht  mit  änderung 
von  6rj  (z.  7)  in  yuQ  vor  419  b,  25.  ^w  unterzubringen  sein 
möchten. 

Der  vorstehende  kurze  bericht  wird  ausreichen,  um  auch 
denen ,  in  deren  hände  diese  beiden  abhandlungen  nicht  gelan- 
gen, wenigstens  einen  annähernden  begriff  von  ihrer  reichhal- 
tigkeit  und  Wichtigkeit  zu  geben. 

Fr.  Susemihl. 

376.  Die  erkenntnißtheorie  des  Aristoteles.  Von  Dr.  F  r  i  e  d  r. 
Ferdinand  Kampe.  Leipzig,  Fues  (Eeisland).  1870.  X 
und  334  p.     8.-2  thlr.   15  gr. 

377.  Materie  und  form  und  die  definition  der  seele  bei 
Aristoteles.      Ein   kritischer   beitrag    zur  geschichte  der  philoso- 


684  376.  Aristoteles.  Shft.  1. 

phie    von    Georg   F  r  e  i  h.    von    He  rtlin  g.       Bonn ,    Weber. 
1871.     VII  und   178  p.      8.   —   1   tlilr.   5   gr. 

Ich  habe  das  buch  von  Kampe  schon  bei  einer  andern  ge- 
legenheit  (Jahns  jahrb.  CHI.  1871.  p.  120.  vgl.  121)  als  ein 
bedeutendes  bezeichnet,  und  auch  die  gänzlich  abfällige  kritik 
von  Brentano  (Fichte  zeitschr.  f.  philos.  LIX.  p.  219  ff.  LX. 
p.  81  ff),  so  sehr  ich  ihr  in  manchen  stücken  beistimme,  hat 
mich  dennoch  im  ganzen  in  diesem  urtheil  nicht  irre  gemacht. 
Schon  damals  bemerkte  ich ,  daß  dem  Aristoteles  auch  nach 
den  ergebnissen  von  Kampe  eine  gewisse  vermittelnde  Stellung 
zwischen  rationalismus  und  empirismus  verbleibe,  aber  ich  kann 
allerdings  einen  erheblichen  theil  dieser  ergebnisse  nicht  für 
richtig  halten.  Ich  muß  mich  vielmehr  namentlich  nicht  bloß 
gegen  die  von  Brentano  ausführlich  bekämpfte  ansieht ,  daß 
Aristoteles  auch  der  denkseele  ein  körperliches  und  zwar  äthe- 
risches Substrat  beigelegt  habe  (p.  12  ff),  auch  meinerseits  er- 
klären, sondern  glaube  auch ,  daß  in  der  hauptsache  selbst  die- 
ser philosoph  von  seinem  ausleger  dem  empirismus  näher  ge- 
rückt ist,  als  es  sich  mit  dem  wirklichen  thatbestande  verträgt, 
indem  er  meines  erachtens  keineswegs  die  sinnliche  Wahrnehmung 
als  die  alleinige  quelle  unserer  erkenntniß  angesehen  hat,  vielmehr 
den  berühmten  satz  von  Leibniz  nihil  est  in  intellectu }  guod  non 
fuerat  in  sensu,  praeter  ipsum  intellectum  wohl  auch  seinerseits 
unterschrieben  hätte.  Der  räum  gebietet  mir,  meine  polemik 
hier  auf  diesen  einzigen  punkt  zu  beschränken ,  bei  welchem  es 
mir  ohnehin  zu  statten  kommt,  daß  die  annähme  von  Kampe, 
unter  der  leeren  tafel  (Psych,  in,  4i  429  b,  31  ff.)  sei  genauer 
nicht  der  vovg,  welcher  alles  wird  (ebend.  c.  5),  sondern  der 
vovq  jroirjnxdg  zu  verstehen ,  bereits  eine  im  ganzen  treffende 
Widerlegung  bei  Brentano  und  Ueberweg  (gesch.  d.  philos.  4. 
a.  I.     p.   285)  gefunden  hat. 

Mit  einer  kurzen  besprechung  dieses  punktes  lässt  sich  un- 
gezwungen eine  anzeige  der  schrift  von  Hertling  verbinden. 
Ihr  Verfasser  hat  sich  nämlich  durch  diese  seine  erste  größere 
arbeit  sofort  einen  ehrenvollen  platz  in  der  aristotelischen  for- 
schung  gesichert ,  wenn  ich  auch  zweifle,  ob  das  selbstlob ,  wel- 
ches er  sich  in  der  vorrede  ertheilt ,  nahezu  eine  ganz  neue 
methode  der  betrachtuug  auf  diesem  gebiete  eröffnet  zu  haben, 
ein  genügend  gerechtfertigtes  ist.      Immerhin  wird  man  der  fei- 


Shft.   1.  377.  Aristoteles.  685 

neu  und  sinnigen  genetisch-kritischen  erörterung  über  materie  und 
form  bei  Aristoteles,  welche  den  ersten  abschnitt  seines  buches 
bildet,  die  lebhafteste  anerkennung  nicht  versagen  können,  und  auch 
der  speciellste  Sachkenner  wird  reiche  belehrung  aus  ihr  schöpfen, 
die  noch  dazu  durch  eine  klare  und  gefällige  form  der  darstellung  in 
hohem  grade  erleichtert  wird.  Aber  in  dem  zweiten,  angewand- 
ten theil  über  die  dennition  der  seele  hat  sich  der  Verfasser 
das  zwar  scharfsinnige  und  vielfach  verdienstliche ,  aber  zum 
mindesten  eben  so  viel  verkehrtes  wie  treffendes  enthaltende 
und  jedenfalls  in  seinem  letzten  ergebniß  noch  weit  mehr  als 
das  Kampes  vom  richtigen  wege  abirrende  buch  von  Brentano 
die  Psychologie  des  Aristoteles  (Mainz  1867j  zu  seinem  führer 
gewählt.  Gewiß  nun  bedarf  es  zur  erklärung  eines  philosophi- 
schen Schriftstellers  auch  philosophischer  bildung ,  nicht 
minder  aber  und  vielleicht  noch  mehr  ist  zu  ihr  wie  überhaupt 
zur  erklärung  j edes  Schriftstellers  strenge  philologische 
zucht  und  schule  vonnöthen ,  und  es  würde  sehr  zu  beklagen 
sein ,  wenn  Hertling  auch  in  zukunft ,  statt  den  anforderungen 
einer  solchen ,  wie  sie  in  den  anspruchslosen ,  aber  durchaus 
richtigen  einwendungen  von  Eberhard  (die  aristotelische  defini- 
tion der  seele,  Berlin  1868.  p.  59  ff.)  gegen  Brentano  aus- 
druck  gefunden  haben ,  gehör  zu  geben ,  fortfahren  sollte  die 
halsbrechenden  exegetischen  seiltänzerkünste  des  letzteren  zu 
vertheidigen.  Daß  diese  bezeichnung  nicht  zu  hart  ist,  davon 
mag  das  folgende  eine  probe  geben ,  die  sich  leicht  um  viele 
andere  vermehren  läßt.  Daß  allerdings  Kampe  bei  der  bestrei- 
tung  von  Brentano's  ansichten  diese  mehrfach  imrichtig  wieder- 
giebt,  hat  inzwischen  Brentano  selbst  (Fichtes  zeitschr.  LX.  p. 
103  ff.)  gezeigt,  wenn  letzterer  sich  aber  dabei  so  weit  vergißt, 
die  bona  fides  des  ersteren  zu  verdächtigen ,  so  hat  Zeller  kei- 
nen geringeren  grund  sich  wider  ihn  selber  zu  beklagen  über 
die  wundersame  und  bis  zur  völligen  Unkenntlichkeit  gehende 
entstellung,  mit  welcher  er  (Psych,  des  A.  p.  35  f.)  über  Zellers 
auffassung  des  zwiefachen  i'ovg  bei  Aristoteles  berichtet.  Nach 
Brentano  und  Hertling  ist  ferner  bloß  derjenige  rovg ,  welcher 
alles  wird,  oder  der  potenzielle  rovg  eine  denkende,  der  roinj 
■jioirpi/.og  lediglich  eine  das  denken  bewirkende  kraft,  indem  er 
das  in  den  cpm  luff/iata  enthaltene  intelligible  (vorder)  von  seiner 
sinnlichen    behnischung    reinigt ,    und  wenn  nun  beide  hervorhe- 


686  377.  Aristoteles.  Shft.  1. 

ben,  daß  so  nach,  allen  gesetzen  der  weltordnung,  wie  Aristote- 
les sie  auffaßt,  die  entstehung  unserer  gedanken  eine  bloß  zu- 
fällige sein  würde ,  falls  hier  nicht  ein  unmittelbares  eingreifen 
gottes  stattfände,  so  ist  es  auch  für  mein  verständniß  und  auch 
nach  den  letzten  erörterungen  von  Brentano  zu  subtil,  daß  hier- 
in etwas  anderes  als  ein  die  gesammte  weltordnung,  von  wel- 
cher doch  der  aristotelische  gott  nur  die  höchste  spitze  ist, 
durchbrechendes  wunder  erblickt  werden  könnte.  Ob  es  aber 
wirklich,  wie  Hertling  (p.  170)  meint,  ein  bloßes,  durch  Bren- 
tano (a.  o.  p.  234  ff.)  völlig  beseitigtes  „vorurtheil"  ist  „demzu- 
folge man  im  sinne  des  Aristoteles  der  gottheit  überhaupt  jeg- 
liches wirken  absprechen  zu  sollen  glaubt" ,  darüber  will  ich 
hier  nicht  urtheilen,  zweifle  jedoch  sehr,  daß  hierüber  die  acten 
bereits  geschlossen  sind:  nach  außen  gerichtete  thätigkeiten 
(i%(jüiioiy.al  ngugtig)  wenigstens  spricht  Aristoteles  selbst  (Pol. 
VII,  3.  1325  b,  28  ff.)  gott  ausdrücklich  ab,  und  ist  denn  nicht 
alles  noisTv  und  nguiTtiv,  welches  irgendwie  diesem  aristoteli- 
schen gott  beigelegt  werden  könnte,  nothwendig  „nach  außen 
gerichtet"  ?  Und  noch  deutlicher  reden  andere  stellen ,  wie 
Nik.  Eth.  X,  8.  Hierin  nun  mit  Kampe  einverstanden,  muß 
ich  es  jedoch  für  nicht  minder  verfehlt  erachten,  wenn  auch 
letzterer  dem  actuellen  oder  wirkenden  vovg  wenigstens  für  sich 
allein  jedes  denken  aberkennt  (p.  28  ff.  anm.  2.  p.  281  f.)  und 
dem  ausdrücklichen  Wortlaut  bei  Aristoteles  zuwider  den  ande- 
ren, potenziellen  vovg  (nach  Trendelenburgs  Vorgang)  nicht  zur 
denkenden,  sondern  zur  empfindenden  seele  als  deren  höchste 
reale  einheit  zieht  (p.  283  ff.). 

Betrachten  wir  nämlich  die  beiden  vorwiegend  in  frage 
kommenden  capitel  des  3.  buchs  der  aristotelischen  Psychologie, 
das  4.  und  zumal  das  5.,  in  möglichster  kürze  etwas  näher! 
Nachdem  Aristoteles  von  der  ernährenden  (II,  4)  und  dann  von 
der  empfindenden  seele  (II,  5 — III,  3)  und  zwar  zuletzt  von 
den  (pavTi'tCfjaTu  und  der  yavTuata  (III,  3)  gehandelt  hat,  wen- 
det er  sich  jetzt  zur  denkseele  oder  dem  vovg.  Im  4.  capitel 
spricht  er  vom  vovg,  ohne  unterschiede  zu  machen,  erst  im  5. 
unterscheidet  er  zwischen  dem  thätigen  oder  actuellen  und  dem 
leidenden  oder  potenziellen  vuvg.  Eine  gesunde  philologische 
exegesc  muß  es  hiernach  schlechterdings  für  eine  Unmöglichkeit 
erklären ,    daß    trotzdem    dio    im    4.    getroffenen    bestimmungen 


Stfti  1.  377.  Aristoteles.  687 

sämmtlich  nur  vou  einem  dieser  beiden  gelten  sollten,  nämlich, 
wie  Brentano  und  Hertling  wollen ,  nur  vom  potenziellen  voig, 
womit  denn  bereits  ihre  ganze  auffassung  fällt ,  indem  dann  c. 
5.  430  a,  17  xui  nicht  „auch"  bedeuten  kann.  Vielmehr  müs- 
sen sich  hiernach  diese  bestimmungen  auf  den  vovg  überhaupt 
beziehen,  und  erst  nach  maßgabe  des  5.  capitels  kann  hinterher 
zurückblickend  entschieden  werden ,  welche  von  ihnen  etwa  nur 
auf  den  thätigen ,  und  welche  auf  den  leidenden  vovg  speciell 
anwendbar  sind.  Diese  bestimmungen  nun  sind  folgende.  Der 
vovg  ist  unvermischt  (u/jiytjg),  er  verhält  sich  zu  dem  intelligi- 
blen  wie  das  Wahrnehmungsvermögen  zu  dem  sensiblen,  er  ist 
daher  actuell  nichts,  aber  potenziell  alles  von  dem  ersteren,  er 
ist  leidenlos  (a»a#jfc),  verhält  sich  aber  trotzdem  in  derselben 
weise  leidend  zu  dem  intelligiblen  wie  das  Wahrnehmungsvermö- 
gen zum  sensiblen ,  jedoch  mit  einem  erheblichen  unterschiede, 
weil  der  vovg  trennbar  (yuioioiog)  ist  (429  a,  13 — b,  5);  wenn 
er  actuell  zu  allem  denkbaren  geworden  und  damit  zur  actuel- 
len  erkenntniß  gelangt  ist ,  hat  er  damit  die  potenzialität  zwar 
nicht  ganz,  aber  doch  möglichst  abgestreift,  und  dann  erst  ver- 
mag er  auch  sich  selbst  zu  denken  (b,  5 — 9).  Bei  allen  den- 
jenigen objeeten ,  bei  welchen  ihr  begriffliches  wesen  von  ihrer 
thatsächlichen  existenz  verschieden  ist ,  erfaßt  man  die  letztere 
mit  dem  sinnlichen  Wahrnehmungsvermögen ,  von  dem  ersteren 
wäre  ein  gleiches  nur  denkbar,  wenn  dies  vermögen  mindestens 
als  ein  anders  sich  verhaltendes  dabei  aufträte,  b,  10 — 21. 
"Weßhalb  dieser  klare,  bisher  keinem  andern  anstößige  wortsinn 
mit  Brentano  durch  die  änderung  von  ula9r\TixM  (z.  15)  in 
aia&tjjM  in  einen  ganz  anderen  umgewandelt  werden  müßte,  in- 
dem der  hergebrachte  text  besage ,  daß  der  verstand ,  welcher 
die  begriffe  erfaßt,  eins  mit  dem  sinne  sei,  vermag  ich  gleich 
Kampe  (p.  5  f.)  nicht  einzusehen,  allerdings  aber  fehlt  der  nach- 
weis ,  weßhalb  für  das  begriffliche  wesen  vielmehr  ein  anderes 
vermögen  angenommen  werden  muß  (also  das  ukkcg  und  nicht 
das  alXutg  i/orjt  das  richtige  istj,  und  die  folgenden  worte  xui 
olcug  üou  —  vovv  (z.  21  f.)  bleiben  so  wenigstens  mir  unver- 
ständlich. Sie  werden  mir  aber  durch  Brentanos  conjeetur  um 
nichts  verständlicher.  Mit  ihnen,  sagt  Brentano  (psych,  d.  A. 
p.  136.  anm.  64)  beginne  erst  die  antwort,  ob  man  sich  für 
u)lo)  oder,  was  nach  seiner  ansieht  im  gegensatz  zu  der  meinen, 


688  377.  Aristoteles.  Shft.  1. 

wie  aus  dem  nachfolgenden  (?)  hervorgehe,  die  meinung  des 
Aristoteles  sein  soll  (vgl.  Fichte  zeitschr.  LX.  p.  96.  anm.  5) 
für  dXXuig  e/ovTt  zu  entscheiden  habe.  Aber  womit  fährt  sie 
denn  fort?  Denn  der  rest  des  capitels  enthält  vielmehr  die 
beiden  aporien  und  deren  lösung ,  wie  bei  der  einfachheit  des 
geistes  und  seiner  nichtgemeinschaft  mit  allem  nichtgeistigen 
(xal  unu&eg  b,  23  ist  vielleicht  mit  Hayduck  zu  streichen,  s.  p. 
683)  jenes  leiden,  in  welchem  das  auf  die  objecte  gerichtete 
denken  besteht,  und  wie  das  sichselbstdenken  des  geistes  mög- 
lich sei.     Das  capitel  5  nun  lautet:  430a, 

Enal  <T  iZojkq  iv  unÜGrj  tß   (pvoei  eGxC  xi  xb  fiev  vkr\  10 

ixuGiw  yavst  (xovxo  de  u   jtdvxu  dvvdfiei  ixeiva),  exegov  de 
xb   u'tziov   xul  noir\xixöv,  xm   noielv  nuvxu ,   oiov  r\  xe/vrj 
ngog  tijv  vkrjv   nenovSev,   utuyxq  xul  er  rfi   iftv/jj   vndgyeiv 
xuvxug  rüg  diucpogug'  x>d  eGnv  b  fiev  xoioviog  vovg  iw  ndvxa 
yfveGdui,   6   de  xto   xedvra   noieh ,    aig  e<;ig  ng,    oiov   xb  (pwg.  15 
xgdnov  ydg   xivu  xul  io   qwg  noiel    zu    dvvdjxei    ovxu    %QW- 
fiuxu   evegyeiu  %ou>ßaxu.   xul   ovrog  b   vovg  ywgiGxbg  xul 
unu&qg  xul  dpiytjc,  ijj   ovafa   ujv  evegyeiu  (oder  evegyeiu)'  uel 
yug  ji^tüüTsgov  xb   noiovv  xov   nuGyovxog    xul  rj   ug%q  xfjg  v.  20 
Xrjg.   xb   d'   uvio  eGxiv  r\   xux'  evegyeiuv  iniaxq[irt  xco  ngüy^axi' 
r\  de  xuxu  dvvuftiv  ygorco   ngoiegu  iv  iw   evi ,    bkwg  de  ovde 
XQOvuf  aW  [pv%]  bie  fiev  voei  bie  d'  ov  voel.  yiogiG&flg  J'  eGil 
[xovov  TöV\P   brteg   eGil,   xul  xovio  fiovov  uddvuxov  xul  uidiov. 
ov  fiprjfiovevofxtr  de,  on  xovio  fiev  unudeg,  b  de  nu&rjiixug  25 
vovg  (pdugjog,  xul  uvtv  xovxov  ov&ev  voti. 
Diese    worte  werden  von  Brentano  und  Hertling  in  folgen- 
der weise  behandelt.     *Enel  bleibt  unübersetzt,    weil  kein  nach- 
satz    folge;    allein    irre    ich    nicht,    so    hängt    der  Vordersatz  bis 
ninovSev    gerade    von    enel    ab ,    und    ujGrteg    gehört    nur    zu    ev 
Üjiugi]  (vgl.  ujGneg  ndvieg  Rhet.  I,   6.   1363a,   11.  Pol.  VII,   1. 
1323  a,  34.     Vahlen  beitr.    z.  poet,  I.  p.   53).      Hierauf  werden 
im  zweiten  satz  trotz  der  auflallenden  Wortstellung   von  xoioviog 
mit    recht    b  fiev  vovg    und  b  de  (»o^c)    als    die    beiden    subjecte 
aufgefaßt ,    dann   aber ,    während    doch    in    diesem    falle    einfach 
und  natürlich  nur  xoioviog    das    gemeinsame  prädicat  sein  kann, 
welches  das  eine  mal  durch  rw  ndviu  ytveGfrut    und  das  andere 
mal  durch  xu>   ndvxa   noieiv  näher  bestimmt  wird,    soll  vielmehr 
das  eine  mal  xoioviog  (im  ndviu  ylvtO&ui)  und  das  andere  mal 


Shft.  1.  377.  Aristoteles.  689 

(t<5  navia  itomv)  wg  s%ig  ng  prädicat  sein.  Selbst  wenn  dies 
denkbar  wäre,  durften  aber  diese  gelehrten  doch  nicht  behaup- 
ten ,  der  wirkende  vovq  werde  eine  $%tg  genannt ,  denn  es  steht 
u>  g  e$ig  da.  Der  vergleich  mit  dem  licht  wird  sodann  von  ih- 
nen richtig  erklärt:  wie  das  licht  gewissermaßen  die  potenziel- 
len färben  zu  actuellen  macht,  so  der  thätige  verstand  (nicht 
gewissermaßen ,  sondern)  schlechthin  das  in  allem ,  was  materie 
hat,  nur  potenziell  vorhandene  (c.  4.  430  a,  6  ff.)  und  daher 
auch  in  den  bildlichen  Vorstellungen  (<pavTU6[u,ara.)  immer  noch 
nicht  actuell  dargebotene  intelligible  oder  denkbare  zum  actuell 
intelligiblen.  Das  folgende  xal  aber  soll  nach  diesen  auslegern, 
wie  schon  gesagt,  „auch"  bedeuten,  d.  h.  „eben  so  wie  der  po- 
tenzielle verstand" ,  während  doch  schlechterdings  vielmehr  im 
gegensatz  gegen  diesen  von  dem  wirkenden  gesagt  wird ,  daß 
er  „seinem  wesen  nach" ,  also  schlechthin  „actuell"  oder  „actua- 
lität"  sei,  und  während  doch  ferner  der  begründende  satz  „denn 
das  wirkende  steht  höher  als  das  leidende",  ausdrücklich  besagt, 
daß  eben  deßhalb  nicht  der  potenzielle  verstand,  der  hiemit  zu- 
gleich nicht  minder  ausdrücklich  als  der  „leidende"  bezeichnet 
wird,  sondern  nur  der  wirkende  trennbar,  leidenlos  und  unver- 
mischt  ist.  Man  müßte  denn  zu  der  geschraubten  erklärung 
greifen :  „wenn  also  schon  der  potenzielle  verstand  diese  eigen- 
schaften  hat,  so  müssen  sie  dem  actuellen  erst  recht  zukommen". 
Wie  die  folgenden  worte  dem  gedanken  der  voraufgehenden 
sich  anschließen,  über  diese  von  Trendelenburg  in  vollem  maße 
gewürdigte  Schwierigkeit  habe  ich  bei  Brentano  nichts,  was  mir 
klar  wäre,  gefunden.  Kampe  (p.  282)  verzweifelt,  indem  er 
den  gedanken,  daß  in  der  absolut  actuellen  erkenntniß  sich  er- 
kennen und  erkanntes  deckt ,  die  potenzielle  dagegen  zwar  im 
einzelmenschen,  aber  nicht  absolut  genommen  der  zeit  nach  frü- 
her sei  (ro  6'  avrö  —  oiids  xooi'w),  ganz  herausstreicht1);  al- 
lein dadurch  wird  der  Zusammenhang  nicht  besser.  Brentano 
und  Hertling  beziehen  das  ökwg ,  wie  vor  ihnen  freilich  unter 
andern  auch  Zeller,  auf  gott,  indem  sie  dann  natürlich  das  fol- 
gende ov%  beibehalten,  ohne  zu  erklären,  wie  dabei  von  einem 
uXkd ,    einem    aber ,    also  einem  gegensatz  die  rede  sein  könnte, 

1)  Darauf  verfiel  auch  schon  Zeller  a.  o.  IIb.  p.  440.  anm.  1, 
der  jedoch,  wie  es  scheint,  auch  noch  da9  folgende  dW  —  ov  voti 
mit  verdächtigt. 

Philol.  Anz.  V,  44 


690  377.  Aristoteles.  Shft.  1. 

denn  wenn  diejenige  actuelle  erkenntniß,  welche  schlechthin 
zeitlich  früher  ist,  die  göttliche  sein  soll,  so  steht  es  damit  nicht 
in  gegensatz,  sondern  in  harmonie,  daß  sie  ununterbrochen  denkt. 
Oder  wozu  soll  das  uXXu  x.  t.  X.  sonst  den  gegensatz  bilden? 
Und  ferner ,  meines  wissens  ist  das ,  was  denkt ,  der  geist ,  die 
Vernunft  oder  der  verstand  (roüg),  von  einer  erkenntniß  aber, 
die  da  denkt,  habe  ich  sonst  nie  etwas  gehört  oder  gelesen. 
Um  von  der  zumuthung  gar  nicht  zu  reden,  daß  man  aus  oXwg 
öi  oiids  XqÖvoj  zum  folgenden  das  subject  „die  allem  potenziel- 
len erkennen  auch  zeitlich  vorangehende  erkenntniß"  heraus- 
pressen soll.  Natürlich  hindert  das  dergleichen  kühne  erklärer 
nicht  daran,  im  nächsten  sätzchen  wiederum  ohne  weiteres  ein 
anderes  subject,  den  gesammten  menschlichen  geist,  anzuneh- 
men, während  in  Wahrheit  nur  der  wirkende  auch  hier  das  sub- 
ject ist.  Damit  gerathen  sie  nun  freilich  gleich  in  dem  folgen- 
den, letzten  satz,  in  welchem  die  griechische  spräche  es  sich  ge- 
fallen lassen  soll ,  daß  ov  (xvr^ioveoofmv  durch  ,,im  alter  verlie- 
ren wir  das  gedächtniß"  übersetzt  wird ,  in  Verlegenheit ,  indem 
hier  im  gegensatz  gegen  das  subject  des  vorigen  satzes  (tovto 
uh)  der  leidende  vovg  für  sterblich  erklärt  wird;  allein  die- 
sen dolmetschern  ist  nichts  zu  schwierig.  Glaube  nur  nicht  je- 
mand, daß  es  ein  Widersinn  sei:  „die  ganze  denkseele  ist  lei- 
denlos ,  die  leidende  aber  vergänglich" !  Denn  Brentano  und 
Hertling  sagen  ihm,  daß  die  leidende  etwas  ganz  anderes  als 
die  potenzielle  sei  (obwohl  doch  zum  Überfluß  letztere  der  thä- 
tigen  gegenüber  ausdrücklich,  wie  bemerkt,  als  das  leidende 
bezeichnet  ward),  und  daß  sie  gar  keine  eigentliche  denkseele, 
sondern  vielmehr  die  (pui'TaaCa  sei. 

Doch  genug!  Ich  glaube,  Torstrik  hat  aus  zureichenden 
äußern  und  innern  gründen,  zumal  da  wahrscheinlich  schon 
Theophrastos  diese  negation  nicht  las ,  das  obige  ov%  (z.  23) 
gestrichen,  aber  ich  glaube  auch,  daß  hinter  den  worten  äXX' 
bit  pßv  i'OfT,  bie  <T  ov  von  (nämlich  o  vovg  b  noirjTixog)  etwas 
fehlt,  und  zwar  die  schon  zuvor  (z.  5.  tou  de  firj  uei  voslv  rb 
uXitov  iniaxemiov)  versprochene  begründung.  Das  ov  fjprj/jo- 
vavofjsv  x.  t.  X.  mit  Kampe  (p.  28  ff.  anm.  2.  p.  282  mit  anm.) 
so  zu  deuten:  „wir  erinnern  uns  in  jedem  spätem  erdenleben 
keines  früheren,  weil  der  leidende  vovg  vergänglich  ist  und  der 
thätige   ohne   diesen    nichts    denkt" ,    also  im  körperlosen  dasein 


Shft.  1.  377.  Aristoteled.  691 

überhaupt  nichts ,  scheint  mir  gezwungen  und  widerspricht  dem 
oXtog  de  ovde  xqovco,  so  bald  man  letzteres  eben  nicht  auf  gott, 
sondern ,  was  ich  nach  dem  obigen  für  das  allein  mögliche  er- 
klären muß ,  auf  den  vovg  jioirjTtxog  bezieht.  Mir  scheinen  die 
worte  ungesucht  nur  so,  wie  Trendelenburg  thut,  gefaßt  werden 
zu  können :  „wir  erinnern  uns  unserer  Unsterblichkeit  (präexi- 
stenz)  nicht",  aber  hiezu  will,  wie  mir  däucht,  das  xul  utsv 
tovtov  ovfrkv  von  nicht  passen,  mag  man  nun  den  thätigen  oder 
den  leidenden  verstand  zum  subject  von  von  machen,  so  daß 
tovtov  im  erstem  falle  auf  den  letztern  und  im  letztern  auf 
den  erstem  geht.  Ich  würde  alles  verstehen ,  wenn ,  damit  der 
thätige  verstand  dies  subject  sein  kann,  hinter  xul  noch  vvv  ixeTvog 
oder  wenigstens  vvv  stände  (,  jetzt" ,  d.  h.  im  erdenleben) ,  und 
vielleicht  ist  die  •  vermuthung  nicht  zu  gewagt ,  daß  wirklich 
dies  wörtlein  hier  oder  hinter  tovtov  ausgefallen  sei.  Anders  frei- 
lich sucht  sich  Biehl  (über  den  begriff  vovg  bei  Arist. ,  Linz 
1864.  p.  12  f.),  der  ganz  wie  ich  erklärt  und  construirt,  zu 
helfen,  aber  ich  zweifle,  daß  „voa  fast  gleichbedeutend  mit 
(xvt}fjionvHu  gebraucht  werden  könnte. 

Welche  von  den  bestimmungen  des  4.  capitels  genauer  nur 
dem  thätigen ,  welche  dem  leidenden  verstände  zukommen  ,  sagt 
zum  theil  sonach  jetzt  Aristoteles  selbst,  zum  theil  läßt  es  sich 
nunmehr  wenigstens  wohl  unterscheiden.  Hier  nur  ein  paar 
andeutungen!  Nur  der  wirkende  verstand  ist  unvermischt,  lei- 
denlos ,  trennbar ,  unsterblich  und  erst  wirklich  getrennt  ist  er 
vollständig  das,  was  er  ist  (z.  22  f.),  d.  h.  vollkommene,  reine 
actualität,  denken  des  denkens.  Im  erdenleben  beleuchtet  er 
mit  dem  lichte  des  Selbstbewußtseins  die  tpaPTuOftutu  und  er- 
hebt damit  das  potenziell  in  ihnen  vorhandene  intelligible  zum 
rein  und  wirklich  intelligiblen,  mit  welchem  er  die  zur  aufnähme 
desselben  empfängliche  leere  tafel  des  leidenden  Verstandes  be- 
schreibt. Aber  das  alles  bleibt  noch  immer  bloßes  wissen  des 
wissens  bestimmter  objecte,  erst  wenn  er  so  allen  denk- 
stoff  außer  ihm  sich  angeeignet  und  den  leidenden  verstand 
mit  demselben  identificirt  hat,  wird  er  selbst  aus  einer  bloßen 
ttoluti]  tvxi'kixHa  wiederum  möglichst  zur  vollkommnen  actualität, 
die  sein  eigentliches  wesen  ausmacht,  indem  er  wieder  zum 
höchsten  und  ihm  ausschließlich  eigentümlichen  denken  und 
wissen,    dem,  mit  welchem  sein  gegenständ  schlechthin  zu- 

44* 


692  377.  78.  Aristoteles.  Shft.  1. 

sammenfällt ,  jenem  reinen  sichselbstdenken  gelangt ,  dessen  u  n- 
unterbrochne  Seligkeit  beständig  nur  Gott  selber ,  diesen 
thätigen  denkseelen  aber  in  ihren  körperlosen  zwischenzustän- 
den  zukommt,  während  diejenigen  geister,  welche  die  Sphären 
der  planeten  bewegen,  sie  zwar  nie  vollkommen  besitzen  kön- 
nen, aber  auch  nie  so  weit  vou  ihr  abstehen,  wie  die  denksee- 
len im  erdendasein.  Im  übrigen  hat  Kampe  (p.  29.  anm.)  recht: 
Aristoteles  lehrt  die  Seelenwanderung  dieser  letzteren  wirkenden 
geister,  deren  jeder  mit  jedem  menschlichen  individuum  gleich 
sehr  verträglich  ist,  das  individuelle  ich  aber  schwindet  nach 
ihm  mit  dem  tode,  wie  es  mit  der  empfängniß  und  geburt  ent- 
standen ist.  Die  entgegenstehenden  erörterungen  von  Brentano 
und  Hertling,  durch  welche  sie  den  gedanken  der  anfangslosen 
präexistenz  und  überhaupt  einer  eigentlichen  präexistenz  der 
denkseelen  von  Aristoteles  abzuwehren  suchen ,  die  Behauptung 
namentlich,  daß  dieselbe  von  ihm  met.  ^/,  3.  1070  a,  21  ff.  aus- 
drücklich geleugnet  sei  (Fichtes  zeitsch.  LX.  p.  83  f.),  einer 
prüfung  zu  unterziehen  ist  nicht  hier  der  ort. 

Fr.  Susemihl. 

378.  Zum  gebrauch  des  imperativus  bei  Plautus.  Von 
Loch.  Programm  des  gymnasiums  zu  Memel.  Memel  1871. 
24  s.     4. 

Die  angezeigte  abhandlung  verdient  das  lob  einer  fleißigen 
arbeit  und  ist  als  ein  schätzbarer  beitrag  zur  kenntniß  des  plau- 
tinischen  Sprachgebrauches  zu  bezeichnen.  Das  material  ist  mit 
großer  Sorgfalt  und  in  einer  Vollständigkeit,  die  wenig  vermissen 
läßt,  zusammengetragen ;  hin  und  wieder  hätten  wohl  die  gesam- 
melten belege  durch  größere  Übersichtlichkeit  noch  nutzbarer 
gemacht  werden  können. 

Im  ersten  capitel  wird  der  imper.  futuri  besprochen  und  als 
fester  Sprachgebrauch  bei  Plautus  und  Terenz  erwiesen,  daß  imper. 
futuri  im  hauptsatze  fut.  I  oder  II  im  nebensatze  erfordert.  Ob 
darum  jedoch  der  Anrph.  439  überlieferte  conjunetiv  nolim,  der  sich 
allem  anscheine  nach  sehr  wohl  rechtfertigen  läßt,  so  nothwen- 
dig  durch  das  futur  nolem  zu  ersetzen  ist,  muß  zweifelhaft  er- 
scheinen. Selten  findet  sich  beim  futur  im  nebensatze  imper. 
praesenüs  im  hauptsatze  (hinzuzufügen  ist  den  beispielen  Cas. 
IV.  4,  11),  umgekehrt  verbindet  sich  mit  imper.  futuri  im  haupt- 


Ähft.  1.  378.  Plautus.  693 

satze  praesens  im  nebensatze  nur,  wenn  dieser  ein  hypothetischer 
satz  ist  und  die  beiden  Handlungen  nicht  als  zusammengehörig 
dargestellt  werden;  über  Men.  1093  Über  esto,  si  invenis,  durfte 
nicht  so  leicht  hinweggegangen  werden,  da  hier  das  zweite  merk- 
mal  nicht  zutrifft,  vielmehr  eine  wirkliche,  durch  metrische  gründe 
veranlaßte  ausnähme  vorzuliegen  scheint.  Daß  metrische  rück- 
sichten  bisweilen  auch  zur  wähl  des  imper.  futuri  mitgewirkt  ha- 
ben, muß  verf.  selbst  einräumen,  so  sehr  er  auch,  und  zwar  mit  er- 
folg, bemüht  ist,  die  fälle  möglichst  zu  beschränken,  wo  imper. 
futuri  ohne  wesentlichen  unterschied  vom  imper.  praesentis  steht. 
Für  eine  reihe  von  fällen,  wo  man  dies  ohne  weiteres  angenommen 
hat,  erweist  verf.,  daß  der  imper.  futuri  wirklich  in  seiner  eigent- 
lichen bedeutung  steht.  So  werden  häufig  befehle  und  auftrage 
an  abgehende  boten  oder  an  im  hause  zurückbleibende  personen 
im  imp.  futuri  gegeben,  weil  die  ausführung  des  befehles  erst  nach 
ablauf  einer  gewissen  zeit  möglich  ist,  namentlich  in  dem  falle,  wo 
ein  imper.  praesentis  vorausgeht,  so  daß  durch  den  imper.  futuri 
gleichsam  der  schlußbefehl  hervorgehoben  wird.  Ueberhaupt  wer- 
den mit  wenigen  ausnahmen,  die  verf.  vergeblich  zu  verdächtigen 
sucht,  imper.  praesentis  und  futuri  nur  verbunden,  um  die  tem« 
pora  genau  zu  unterscheiden.  Zeitpartikeln  der  gegenwart  tre- 
ten zu  imper.  futuri  nur,  wenn  ein  futurischer  nebensatz  davon 
abhängig  ist-,  Trin.  807  aber  braucht  das  überlieferte  continuo 
operito  aus  diesem  gründe  allein  nicht  falsch  zu  sein,  da  sich  ein 
solcher  nebensatz  sehr  leicht  aus  dem  zusammenhange  ergänzen 
läßt.  Daß  andrerseits  zeitpartikeln  der  zukunft  nicht  mit  imper. 
praesentis  verbunden  werden,  ist  selbstverständlich.  Doch  giebt  es 
wie  gesagt  fälle,  wo  z.  th.  nur  aus  metrischen  rücksichten  imper. 
futuri  ohne  unterschied  vom  imper.  praesentis  gebraucht  wird ;  so 
erscheint  salveto  neben  salve  (nicht  bei  Terenz ,  valeto  weder  bei 
Plautus  noch  Terenz),  facito  neben  fac,  curato  neben  cura,  ambu- 
lato  und  cogitato  neben  amlula  und  cogita.  Unter  den  ander- 
weitigen beispielen  für  diesen  gebrauch,  die  verf.  beibringt,  ge- 
hört wohl  Ps.  301  vielmehr  zu  den  fällen,  wo  der  imp.  futuri  in 
lebensregeln ,  Vorschriften,  Instructionen  u.  s.  w.  steht.  Schließ- 
lich wird  noch  der  gebrauch  des  imper.  futuri  im  concessiven 
sinne  erwiesen. 

Das  zweite  capitel  handelt  von  den  Zusätzen  zum  imperativ 
oder  imperativischen  conjunctiv  amabo,  amabo  te  (übersehen  sind 


694  378.  Plautus.  Shft.  1. 

Cas.  II,  2,  38.  V,  1,  15),  obseero,  obseero  te  (stets  mit  object,  wenn 
es  absolut  steht  und  wenn  es  seine  volle  bedeutung  hat  oder  ei- 
nen satz  regiert),  quaeso  (quaeso  te  mit  imperativ  sicher  nur  an  ei- 
ner stelle,  stets  mit  object,  wenn  es  einen  satz  regiert),  oro  (soll 
bei  Plautus  nur  Capt.  1021  vorkommen;  aber  vgl.  Merc.  995  Eu- 
tyche ,  te  oro,  —  sodalis  eius  es  — ,  serva  et  subveni,  Aul.  IV,  9, 
3  obseero  vos  ego ,  mi  auxilio ,  oro  obtestor  suis ;  zu  obtestor ,  das 
in  bittformeln  gar  nicht  vorkommen  soll,  wie  von  precor  richtig 
bemerkt  ist,  vgl.  Aul.  IV,  1,  61  nunc  te  obtestor,  Euclio,  ut  cett.), 
sis,  sultis  (nicht  bei  Terenz,  bei  Plautus  noch  Frivol,  bei  Fest, 
p.  301,  Vidul.  bei  Prise.  VI.  32),  sodes,  age ,  agite,  agedum,  age- 
sis,  modo,  dum  (nie  mit  dem  imperativischen  conjunetiv,  wie  Ritschi 
Stich.  7  vermeinte) ,  proin,  proinde  (das  mit  recht  gegen  Fuhr- 
mann aufrecht  erhalten  wird),  quin  (es  fehlen,  um  von  Most.  469 
abzusehen,  Most.  584,  Poen.  III,  1,  8,  Trin.  584),  sane.  Ver- 
hältnißmäßig  selten  treten  solche  zusätze  zum  imper.  futuri.  Im 
dritten  capitel  wird  der  noch  immer  nicht  überflüssige  nachweis 
geführt,  daß  der  conj.  praesentis  ohne  jeden  bedeutungsunterschied 
vom  imper.  praesentis  und  futuri  gebraucht  wird;  conj.  perfecti 
ohne  negation  statt  des  imperativs  ist  nicht  gebräuchlich,  eine 
berechtigte  ausnähme  bilden  memineris  Mgl.  807  (wenn  dieses 
nicht  vielmehr  mit  dem  vorausgehenden  hoc  facito  zu  verbinden  ist) 
und  noveris  Truc.  1,  2,  62.  Als  imperativisch  sind  auch  mit 
amabo,  obseero,  quaeso  verbundene  conjunetive  zu  fassen.  Im  ab- 
schnitt IV  sind  die  beläge  für  imper.  praesentis,  conj.  perfecti  und 
insbesondere  conj.  praesentis  mit  ne  zusammengestellt.  Als  selbstän- 
dig und  imperativisch  wird  conj.  praesentis  mit  ne  auch  nachgewie- 
sen in  Verbindungen  wie  novi,  ne  doceas  durch  vergleichung  von 
Stellen  wie  iam  non  sum  trunculentus ,  noli  metuere.  Als  einziges 
plautinisches  beispiel  von  non  mit  conj.  praesentis  in  prohibitivem 
sinne  führt  verf.  irrthümlich  Trin.  671  an;  hinsichtlich  der  Verbin- 
dung von  neque  mit  conj.  perfecti  und  praesentis  in  gleichem  sinne 
war  zu  bemerken,  daß  dann  neque  nie  einen  positiven  imperativ 
oder  conj.  praesentis  oder  ein  vorangegangenes  ne  fortsetzt:  liegt 
Capt.  437  wirklich  ein  prohibitiver  conjunetiv  vor,  so  ist  neque 
durch  das  vorhergehende  que  entschuldigt;  Mil.  glor.  573,  wo 
Lorenz  falsch  ne  seiveris  nee  videris  schreibt ,  liegt  überhaupt 
kein  conjunetiv  vor,  sondern  neseiveris  und  videris  sind  iinpera- 
tivische  futura  wie  das  vorhergehende  linguam  comprimes. 


Stft.   t,  379.  Plautus.  695 

Capitel  V  handelt  von  den  Umschreibungen  des  imperativus 
fac,  facito,  viele,  videto  (curato  Pers.  608,  Cure.  30  gehörte  nicht 
hierher),  noli,  nolito,  cave,  caveto,  parce ,  comperce,  omitte,  mitte: 
cap.  VI.  vom  futurum  als  Vertreter  des  imperativs  (übersehen  Cas. 
IV,  2,  1 ;  4,  15,  vgl.  Bacch.  1002.  1027  f.),  c.  VH  von  den  impera- 
tivischen  fragesätzen  mit  quin,  etiam  (Men.  710  gehört  nicht  hier- 
her, Bacch.  670  ist  durchaus  zweifelhaft),  non  (daß  Merc.  164  das 
einfache  taces  ?  dasselbe  bedeuten  könne  wie  sonst  non  taeea 
hätte  verf.  Eitschl  nicht  glauben  dürfen),  ne.  Im  letzten  capitel 
wird  der  nachweis  gegeben,  daß  die  Verbindung  zweier  impera- 
tive durch  et  durchaus  nicht  so  ungewöhnlich  ist ,  wie  jüngst 
behauptet  worden ,  daß  bei  vorausgehendem  i  meist  asyndetische 
Verbindung  stattfindet,  aber  nicht  ausschließlich,  indem  es  nicht 
an  beispielen  mit  atque  und  et  fehlt;  mehrere  imperative  stehen 
meist  asyndetisch  neben  einander,  doch  werden  sie  auch  durch 
atque  —  et,  et  —  et,  et  —  atque  verbunden,  bisweilen  wird  das 
letzte  glied  durch  et  oder  atque  angereiht. 

379.  De  ratione,  quae  inter  Sallustianos  Codices  Vaticanum 
no.  3864  et  Parisinum  no.  500  intercedat,  commentatio.  Disser- 
tatio  quam  scripsit  ...Fridericus  Chr.  Th.  Dieck  Halensis. 
Halis  Saxonum.  1872.     55  pp.     8. 

Diese  erstlingsschrift  des  verf. ,  eine  Jenaer  doctordisserta- 
tion ,  behandelt  in  klarer  und  übersichtlicher ,  wenn  auch  von 
incorreetheiten  und  druckfehlern  nicht  freier  darstellung  die 
wichtigste  frage  für  die  texteskritik  des  Sallustius,  so  zwar,  daß 
durch  das  ergebniß  der  Untersuchung  die  controverse  allerdings 
nicht  richtig  entschieden ,  wohl  aber  durch  manche  dankens- 
werthe  Zusammenstellung  und  durch  überzeugende  behandlung 
einzelner  stellen  gefördert  worden  ist.  Unrichtig  ist  zunächst  p. 
5  die  behauptung ,  daß  der  vorrang  des  Par.  500  unter  den 
handschriften  der  besten  klasse  der  bella  unbestritten  sei;  denn 
"Wirz  in  einem  Aarauer  programm  1867  und  ein  recensent  in 
diesem  anzeiger  I,  p.  236  haben  Par.  1576,  Gerlach  in  den  Hei- 
delberger jahrbb.  1868,  nr.  56  und  in  seiner  ausgäbe  1870  den 
Basileensis  I  gleichgestellt,  beziehungsweise  bevorzugt.  Die  gleich- 
falls unrichtige  angäbe  p.  5  über  den  allgemein  anerkannten 
vorzug  des  Vat.  3864  (V)  vor  Par.  500  (P)  wird  vom  verf. 
selbst  p.  10  stillschweigend  corrigiert.     Dem  richtigen  nachweise, 


696  379.  Sallustiua.  Shft.  1. 

daß  der  mit  V  verwandte  Bemensis  357  keine  abschrift  aus  V 
sei,  folgt  die  genaue  vergleichung  des  V,  welcher  aus  Catilina  und 
Jugurtha  nur  die  reden  und  briefe  enthält,  mit  den  betreffenden 
partieen  in  P.  Und  zwar  wird  erstens  durch  eine  Zusammenstel- 
lung der  beiderseitigen  schreibversehen  die  bisher  schon  herr- 
schende ansieht  bestätigt,  daß  P  nachlässiger  geschrieben  ist  als 
V.  Auch  über  den  dritten  punkt  der  Untersuchung,  die  Ver- 
wandtschaft von  P  und  V  betreffend,  wird  die  bisherige  an- 
nähme eines  gemeinsamen  archetypus  für  die  handschriften  der 
bella  und  der  reden  nur  bestätigt  und  präcisiert.  Dagegen  ist 
das  resultat  des  zweiten  und  weitaus  wichtigsten  theiles  der  ab- 
handlung  nicht  ohne  mancherlei  irrthümer  im  einzelnen  gewon- 
nen worden  und  erscheint  daher  im  ganzen  problematisch.  Es 
ist  hier  natürlich  nicht  möglich,  alle  stellen,  welche  der  verf. 
unrichtig  behandelt  zu  haben  scheint,  anzuführen;  doch  mögen 
wenigstens  einige  gegenbemerkungen  gestattet  sein.  Unter  den 
loci,  qui  corrigendi  cupiditate  in  Po  corrupti  videntur ,  hat  der 
verf.  sowohl  solche  aufgezählt,  welche  sicher  in  P  ganz  richtig 
überliefert  sind,  wie  Cat.  51,  4  qui  .  .  .  consuluerint ;  51,  21  in 
sententiam  non  addidisti;  Jug.  14,  9  cum  liberis  tuis;  14,  15 
propinquos  ceteros  meos\  24,  3  patris  mei;  102,8  bona  accepisses\ 
als  auch  insbesondere  solche  stellen,  welche  lediglich  aus  einem 
versehen  des  librarius  zu  erklären  sind  z.  b.  Cat.  20,  6  nosmet 
ipsos,  wo  die  assimilation  gewiß  unabsichtlich  in  die  feder  ge- 
kommen ist,  wie  etwa  Jug.  31,  19  ohne  Überlegung  und  gegen 
den  sinn  contemnit  statt  contemnet  wegen  des  vorhergehenden 
präsens  est  geschrieben  wurde;  20,  13  habeamus,  wo  der  conjunc- 
tiv  dem  sinne  gar  nicht  entspricht,  also  augenscheinlich  nur  auf 
einem  Schreibfehler  beruht;  ebenso  20,  15  hortentur,  während 
20,  16  die  frage,  ob  utimini  wirklich  als  fehler  zu  betrachten 
Bei,  erst  noch  der  entscheidung  bedarf.  Jug.  24,  8  ist  a  vor 
qua  offenbar  dittographie ,  da  in  P  vestra  vorhergeht ;  ebenso  ist 
85,  24  patior  statt  fateor  unwillkürlich  aus  der  feder  geflossen, 
weil  das  in  derselben  zeile  stehende  patitur  vorschwebte;  85,  34 
erscheint  bis  ergo  statt  bis  ego  als  lesefehler  des  abschreibers ; 
85,  33  ist  die  Variante  praesidia  agitare  aus  praesidiä  agitare 
nur  dadurch  entstanden,  daß  das  im  archetypus,  wie  der  verf. 
selbst  an  dieser  stelle,  dann  p.  23  und  52  anerkennt,  angewen- 
dete  offene   a  irrthümlich   mit  ü   verwechselt   wurde.      Für    die 


Shft.  1.  379.  Sallustius,  697 

corruptel  Jug.  85,  30  parum  id  facio  statt  paroi  hat  der  verf. 
schließlich  selbst  eine  andere  erklärung  nach  Madwig  vorgezogen ; 
Cat.  51,  22  hat  er  allein  die  lesart  condemnatis  für  fehlerhaft 
erklärt,  worin  ihm  kein  heransgeber  beistimmt;  endlich  Jug.  14, 
1  hat  der  verf.  über  in  adfinium  locum  ducerem  statt  adfinium 
loco  selbst  bemerkt :  Latini  „in  locum  alicuius  ducereu  ornnino  non 
dicunt,  womit  doch  ohne  zweifei  die  annähme  einer  willkürlichen 
änderung  sehr  unwahrscheinlich  ist.  Sonach  bleibt  von  allen  stellen, 
aus  denen  der  verf.  seinen  Vorwurf  der  corrigendi  cupiditas  ge- 
gen P  ableitet,  keine  einzige  übrig;  die  ganze  beweisführung 
fällt  zusammen.  Unglücklich  ist  der  verf.  bisweilen  auch  mit 
paläographischen  erörterungen  gewesen,  z.  b.  zu  Jug.  85,  14  wo 
P  obiectantur ,  V  obiciuntur  bietet,  heißt  es  p.  52  wörtlich:  Si 
genuina  lectio  est  „obiciuntur" ,  facile  oculorum  errore  fieri  potuit, 
ut  librarius  „uu  litteram,  quae  in  Pi  archetypo  erat,  „au  littera 
cornmutaret  et  „ia  litteram  „tu  littera,  quae  nonnusquam  „iu  litterae 
simillima  est:  tum  scriptum  est:  „obictantur"  et  facile  ,,e"  inseri 
potuit:  „obiectantur".  Alles  möglich !  Leider  aber  ist  dabei  vom 
verf.  die  Wirklichkeit  der  thatsache  übersehen  worden,  daß  Sal- 
lust  in  dem  hier  geforderten  sinne  nicht  „obicereu  sondern  „obiec- 
tareu  gebraucht.  Erwägt  man  nun  noch,  daß  der  verf.  unglück- 
licher weise  von  Dietsch  einige  falsche  angaben  über  die  hand- 
schriftliche lesart  aufgenommen  hat,  z.  b.  Cat.  52,  7;  Jug.  31,  17, 
und  darauf  hin  stellen  erklärt,  so  wird  man  sich  nicht  entschlie- 
ßen können ,  dem  ergebniß  beizupflichten ,  das  der  verf.  in  den 
Worten  zusammenfaßt :  Vo  paucioribus  in  locis  audaciorem  interpo- 
latorem  operam  dedisse ,  Po  pluribus  in  locis  interpolatorem ,  ut  ita 
dicam,  timidiorem  (p.  42).  Bedenklich,  nach  unserem  urtheile 
sogar  verwerflich  erscheint  daher  auch  die  regel  (p.  49):  de  eis 
locis,  quibus  Tii  Codices  (P  et  V)  inter  se  discrepant  et  quae  in 
utroque  sunt  a  Sallustio  dicta  esse  possunt ,  semper  quaeremus ,  utra 
lectio  ex  altera  orta  facilius  eicplicari  possit\  quae  potest ,  ea  reyici- 
enda  erit.  Si  vero  etiam  Tiac  de  re  Judicium  non  certum  est,  tum 
mihi  Vus  utique  praeferendus  videtur.  Und  von  dem  Schlußworte 
(p.  55)  können  wir  nur  die  eine  hälfte  billigen:  id  constat ,  ex 
codicibus  Sallustianis  Vum  et  Pum  opt/imos  esse.  Es  übrigt  noch 
die  bemerknng ,  daß  nnter  den  vom  verf.  mit  glück  behandelten 
stellen  namentlich  die  begründung  für  folgende  lesarten  zu  be- 
achten   ist:    Cat.  51,  35    atque    ego   Jiaec.  52,  2    longe   mihi  alia. 


380.  Justinus.  Shft.  1. 

52,  33  dis  aut  hominibus.  Jug.  14,  11  .  .  in  meo  regno.  31,  10 
lionori  non praedae.  31,  25  dbmittatis.  85,  5  bene  facta  rei  publicae. 
85,  23  neque  bona  neque  mala.  Besonders  bemerkenswerth  aber 
ist  der  nachweis  (p.  2  7  f.  42),  nullum  Pi  locum  tarn  male  corrup- 
tum  inventum  esse  quam  in   Vo  Jug.    85,    16. 

380.  Die  textesquellen  des  Justinus  von  Franz  Rühl. 
(Besonderer  abdruck  aus  dem  sechsten  supplementbande  der 
Jahrbücher  für  classische  philologie).  Leipzig,  druck  und  verl. 
v.  B.  G.  Teubner  1872. 

Die  durchgreifende  revision,  welcher  die  deutsche  philologie 
sämmtliche  texte  des  klassischen  alterthumes  unterworfen  hat, 
beruht  auf  dem  prinzip,  zunächst  den  werth  der  einzelnen  hand- 
6chriften  festzustellen,  um  dann  consequent  den  ältesten  und  bei 
sten  zu  folgen,  ohne  den  unwichtigen  irgendeinen  einfluß  zu  ge- 
statten. Bei  dieser  revision  sind  daher  nur  noch  diejenigen  Schrift- 
steller im  rückstande,  für  die  wir  entweder  zu  wenig  oder  zu  viele 
handschriften  haben.  Für  die  ersteren  —  ich  erinnere  z.  b.  an 
Vellejus  Paterculus  —  ist  wenig  zu  hoffen;  hier  bleibt  den  con- 
jecturen  der  herausgeber  ein  großer  Spielraum.  Zu  der  zweiten 
classe  gehören  hauptsächlich  diejenigen  autoren,  die  im  mittelal- 
ter  oder  der  renaissancezeit  am  fleißigsten  gelesen  wurden:  Ho- 
raz,  Statius,  Sallust,  Eutrop,  von  denen  wir  zwar  einzelne  gute 
handschriften  kennen,  aber  keineswegs  das  verwandtschaftsver- 
hältniß  sämmtlicher  Codices.  —  Dies  wird  uns  dadurch  erschwert 
und  vielleicht  unmöglich  gemacht,  daß  sich  hier  ganz  verschie- 
denartige einflüsse  kreuzen.  Wie  in  der  familie  die  Verwandt- 
schaftsgrade durch  zwischenheirathen  so  sehr  getrübt  werden 
können,  daß  jemand  sein  eigener  großvater  sein  kann,  so  ist  es 
oft  unmöglich ,  das  verhältniß  einzelner  handschriften  zu  bestim- 
men, weil  dieselben  oft  aus  der  einen  klasse  abgeschrieben,  aber 
auch  aus  der  andern  ergänzt  und  verbessert  sind.  ■ —  Zu  den  Histo- 
rikern, über  deren  handschriften  wir  sehr  ungenügend  xinterrichtet 
waren,  gehörte  bis  jetzt  auch  Justin.  —  Erst  seit  Eühl  seine 
textesquellen  des  Justinus  veröffentlicht  hat,  können  wir  die 
fülle  des  handschriftlichen  materials  überblicken,  das  fast  über 
ganz  Europa  verstreut  ist;  wer  daher  dieses  material  sammeln 
wollte,  dürfte  weite  reisen  nicht  scheuen  durch  Deutschland,  Dä- 
nemark, England,  Frankreich  und  Italien.    Da  Rühl  diese  reisen 


Shft.  I.  380.  Justinus.  699 

gemacht  hat,  wie  sich  aus  seinem  buche  ergiebt,  so  ist  es  ihm 
gelungen  den  text  des  Justin  auf  eine  neue  grundlage  zu  stel- 
len; und  gerade  die  codd.,  welche  seine  Vorgänger  als  deteriores 
bezeichnet  hatten,  wieder  zu  ehren  zu  bringen.  —  Während  die 
frühem  herausgeber  ohne  das  gesammte  handschriftliche  material 
zu  beherrschen  oder  auch  nur  zu  überblicken ,  in  mehr  oder 
minder  eclectischer  weise  dieser  oder  jener  handschrift  folgten, 
hat  Rühl  zum  ersten  mal  eine  Untersuchung  angestellt  über 
werth  und  Verwandtschaft  sämmtlicher  handschriften.  —  Er 
theilt  zunächst  alle  handschriften  in  zwei  classen;  auf  der  einen 
seite  stehen  2  codd.,  auf  der  andern  nicht  viel  weniger  als  200.  — 
Zu  der  ersten  classe  gehört  der  cod.  Laur.  plut.  66,  cod.  21, 
der  wie  so  viele  andere  codd.  longobardischer  schrift  auf  das 
berühmte  kloster  Monte  Casino  zurückzuführen  ist,  und  außer- 
dem nur  noch  der  Vaticanus  1860,  und  selbst  dieser  ist,  wie  Rühl 
vernrathet,  wahrscheinlich  aus  dem  erstgenannten  Laurentianus 
abgeschrieben.  Die  zweite  classe  zerfällt  wieder  in  mehrere  na- 
tionale gruppen,-  die  nicht  nur  für  die  geschichte  der  Überliefe- 
rung von  Wichtigkeit  sind ,  sondern  fast  eben  so  sehr  für  die 
culturgeschichte  des  mittelalters ,  weil  wir  mit  hülfe  des  Justin- 
textes wenigstens  einige  der  fäden  bloßlegen  und  verfolgen  kön- 
nen, welche  die  centren  mittelalterlicher  cultur  mit  einander  ver- 
binden. Doch  dieses  ziel  liegt  außerhalb  der  grenzen ,  die  der 
verf.  sich  hier  gesteckt  hat ;  das  sind  fragen ,  die  in  eigener 
schrift  desselben  verf.  (die  Verbreitung  des  Justinus  im  mittelal- 
ter,  Leipzig  1871)  behandelt  wurden.  Die  beiden  großen  grup- 
pen ,  in  welche  die  zweite  classe  zerfällt ,  sind  die  italische  und 
die  transalpine.  Darnach  würde  sich  ungefähr  folgender  Stamm- 
baum ergeben : 

Archetyp. 

Medic.  n.  —  jp 

Itali  Transalpini 


Medic.  I.  Leid.  V.  Sessorian.  Euseb.     C  D 


Putean.  St.  Gall.  Monac.   Gissens.  Leid.  IV.  Franeq.   Bern. 

Nachdem  der  verf.  dann  p.  51   und  53  den  archetypus  der 

italischen   und   transalpinen    classe    reconstruirt  —    was  sich  bei 

der   massenhaftigkeit   des   materials   mit   einiger    Sicherheit   thun 


700  380.  Justine  Shft.  1. 

läßt  —  tritt  er  der  frage  näher,  welche  handschriftenclassen 
und  =  familien  bei  der  constituirung  des  textes  die  eigentlich 
maßgebenden  seien.  Wollte  man  nm  dies  zu  entscheiden  die 
einzelnen  lesarten  gegen  einander  abwägen,  so  könnte  man  für 
das  resultat  doch  nur  eine  subjective  gültigkeit  beanspruchen; 
denn  gerade  bei  einem  so  viel  gelesenen  historiker  wie  Justin 
giebt  es  viele  sehr  bestechende  conjecturea,  die  sich  dennoch  mit 
hülfe  nüchterner  kritik  der  handschriften  als  solche  erkennen 
lassen.  Es  bleibt  uns  jedoch  noch  ein  zweites  mittel,  das  der 
verf.  mit  umsieht  und  erfolg  in  anwendung  gebracht  hat:  er 
vergleicht  die  lesarten  Justins  mit  denen  späterer  historiker,  die 
von  demselben  abhängig  sind.  Entschiedenen  einsprach  erhebt 
der  verf.  (p.  27)  dagegen,  auch  den  Ammianus  Marcellinus  un- 
ter die  zahl  derselben  zu  zählen  und  da  wir  sachlich  mit  ihm 
einverstanden  sind,  so  wollen  wir  nicht  mit  ihm  rechten  über  einen 
einzelnen  ausdruck.  Wenn  er  nemlich  sagt  „daß  Ammianus  Mar- 
cellinus den  Justin  oder  Trogus  benutzt  habe,  ist  eine  zwar  viel- 
fach verbreitete  aber  völlig  unbeweisbare  ansieht",  so  sieht  man 
nicht  recht  ein,  gegen  welche  bücher  oder  personen  diese  pole- 
mik  eigentlich  gerichtet  ist.  —  Ebenso  wenig  hat  Jordanis  aus 
Justin  geschöpft;  sondern  die  quelle  dieses  (=  Cassiodor)  ist 
abhängig  von  der  quelle  jenes  (=  Trogus);  aber  trotz  alledem 
würde  es  möglich  sein,  die  lesarten  des  einen  durch  die  des  an- 
dern zu  controliren,  wenn  wir  nur  überhaupt  eine  ausgäbe  des 
Jordanis  besäßen ,  die  derartigen  ansprächen  genügen  könnte. 
Hoffen  wir,  daß  jetzt  endlich  die  gründe  beseitigt  sind,  die 
schon  seit  so  langen  jähren  die  kritische  ausgäbe  des  Jordanis 
verhindert  haben! 

Eine  vergleichung  Justins  mit  Isidor,  Aethicus,  Frontin  und 
Ampelius  ergibt  wenig  oder  gar  nichts;  „es  bleibt  also  einzig 
Orosius  zu  vergleichen  und  dieser  ist  nun  in  der  that  ein  vor- 
trefflicher zeuge",  dessen  ungemeine  Wichtigkeit  eben  so  sehr  auf 
seiner  nahen  Verwandtschaft  mit  Justin  beruht,  als  auf  seiner 
ausgezeichneten  handschriftlichen  Überlieferang,  die  dem  verf. 
theils  in  eigenen,  besonders  aber  in  Zangemeisters  collationen 
zur  Verfügung  stand.  Man  sieht  sofort  aus  einer  ganzen  reihe 
von  beispielen  (p.  31 — 35),  daß  die  handschrift,  welche  Orosius 
benutzt,  mit  der  italischen  classe  meistens  übereinstimmte,  ohne 
jedoch    selbst   zu   derselben   zu   gehören    (beispiel:    p.  36 — 37). 


Shft.  1.  380.  Justinus.  701 

Dadurch  gewinnt  die  italische  classe ,  die  von  den  letzten  her- 
ausgebern  grundsätzlich  vernachlässigt  worden,  eine  ganz  an- 
dere Stellung ;  sie  ist  allerdings  nicht  die  einzig  maßgebende, 
aber  doch  die  relativ  beste.  Es  folgt  dann  noch  ein  langes 
verzeichniß  der  andern  handschriften  die  für  die  herstellung 
des  textes  werfhlos  sind;  ob  dabei  absolute  Vollständigkeit  er- 
reicht ist ,  dürfte  schwer  zu  sagen  sein ,  weil  Justin  fast  in 
keiner  mittelalterlichen  bibliothek  fehlen  durfte.  —  Jedenfalls  ver- 
misse ich,  der  ich  früher  in  Florenz  und  Rom  (Vaticana,  Corsi- 
niana  und  Sessoriana;  einige  handschriften  des  Justin  untersuchte, 
keinen  der  mir  bekannten;  nur  einige  kleinigkeiten  ließen  sich 
noch  nachtragen.  Der  Vaticanus  1860,  der  mit  Laur.  66,21 
sämmtlichen  anderen  handschriften  gegenüber  gestellt  wurde, 
ist  von  Rühl  mit  sicherm  paläographischen  tact  dem  14.  Jahr- 
hundert zugewiesen;  wir  wissen  sogar  mit  Sicherheit,  daß  er 
im  jähr  1313  geschrieben  wurde,  man  liest  nemlich  fol.  79n: 
Flauii  Vegetii  Renati  uiri  illustris  Epythoma  cV  institutis  rei  milltaris 
expl.  liber  quarlus  anno  dni  1313  inclict.  12  (arabische  zahlen). — 
Auch  in  betreff  des  florentiner  Marcianus  nr.  350  vermisse  ich 
nähere  angaben,  namentlich  über  die  verschiedenen  hände.  Man 
bemerkt  dort  z.  b.  randglossen  von  der  hand  des  berühmten 
humanisten  Xiccolo  Niccoli ,  dessen  feine ,  charactervolle  hand- 
schrift  wir  in  vielen  handschriften  der  Laurentiana  wiederer- 
kennen; gleich  auf  der  ersten  seite  suchte  z.  b.  Niccoli  die 
worte  arclui  laboris  zu  erklären  durch  ein  beigeschriebenes  her- 
culea.  —  Ferner  liest  man  dort :  conuentus  Sancti  Marci  de  Flo- 
rentia  ordinis  praedicatorurn  A  cosma  de  Medicis.  Ex  hereditate 
peritissimi  uiri  Nicolai  de  Nicolis,  von  der  hand  seines  neffen  Giu- 
liano,  der  sämmtliche  handschriften,  die  nach  dem  tode  NiccoH's 
in  die  medicäischen  bibliotheken  von  S.  Marco  und  S.  Lo- 
renzo  übergingen,  auf  diese  oder  ähnliche  weise  bezeichnete. 

Ueberhaupt  ist  zu  bemerken ,  daß  es  dem  leser  ziemlich 
schwer  gemacht  wird,  die  notizen  über  eine  bestimmte  hand- 
schrift  zu  finden,  wenn  er  nicht  weiß  zu  welcher  handschriften- 
classe  sie  gehört.  Grade  bei  dieser  erdrückenden  masse  des 
detail  wäre  es  angezeigt  gewesen,  diejenigen,  die  solchen  Unter- 
suchungen ferner  stehen ,  zu  unterstützen  durch  scharfe  ein- 
schnitte, Überschriften  und  register.  Auch  ein  Stammbaum 
der    handschriften,    wie    wir    ihn    oben    nach    Rühl    zusammen- 


702  381.  82.  Tacitus.  —  Cicero.  Shft.  I. 

gestellt   haben,     würde    die     Brauchbarkeit    des    buches    erhöht 
haben. 

Doch  alle  diese  kleinigkeiten  thun  vielleicht  der  bequein- 
lichkeit  des  lesers,  aber  nicht  dem  wissenschaftlichen  werth  des 
Werkes  abbruch.  —  Hoffentlich  wird  Eühl  das  versprechen,  das 
er  der  gelehrten  weit  durch  Veröffentlichung  dieser  Vorarbeit 
gegeben,  recht  bald  einlösen  und  auf  die  textes quellen  auch 
den  text  des  Justinus  folgen  lassen  mit  vollständigem  kritischen 
apparat. 

V.  Gardthausen. 

381.  Pomponia  Graecina.  Tac.  Ann.  XIII,  32.  Von  C. 
W  an  ding  er.  (Programm  der  k.  Studienanstalten  zu Freising.) 
1872/73.     67  s.     8. 

Der  verf.  beabsichtigte,  zur  evidenz  darzuthun,  daß  die  nur 
aus  wenigen  Worten  des  Tacitus  bekannte  Pomponia  Graecina, 
super  stitionis  externae  rea,  christin  gewesen  sei;  ferner  wahr- 
scheinlich zu  machen,  daß  dieselbe  mit  der  heil.  Lucina  iden- 
tisch sei.  Trotz  aller  Weitläufigkeit  der  argumentation  und  po- 
lemik  vermochte  jedoch  der  verf.  nichts  zu  bieten  als  eine  un- 
freiwillige bestätigung  des  von  ihm  bekämpften  Friedländer' 
sehen  satzes  (Königsb.  univ. -progr.  1868):  Omnia  dilabnntur, 
quibus  persuasio  de  fide  christiana  Pomponiae  nititur.  Quam  chri- 
stianam  esse  potuisse  libenter  concedo  ■,  ne  ei  quidem  contradicam, 
qui  huic  coniecturae  verisimilitudinem  quandam  messe  dicat:  rem 
certam  et  exploratam  esse  praecise  negandum  est. 


382.  M.  Tullius  Ciceros  rede  für  T.  Annius  Milo.  Mit 
einleitung  und  commentar  von  Dr.  Eduard  Osenbru eggen. 
Neu  bearbeitet  von  Dr.  Hans  Wirz.  8.  Hamburg,  Wilhelm 
Mauke.     1872.  —  227a  gr. 

Referent  erinnert  sich  noch  recht  wohl,  welche  anregung 
er  als  primaner  von  der  unlängst  erschienenen  miloniana  von 
Osenbrüggen  erhielt,  wie  ihn  besonders  die  sachlichen  erörte- 
rungen  gleichsam  in  eine  neue  weit  einführten.  Der  neue  her- 
aüsgeber  sagt  mit  recht,  daß  das  damals  von  Osenbrüggen  ge- 
gebene den  folgenden  ausgaben  zu  gute  gekommen  sei,  aber 
doch  war  es  sicher  gerechtfertigt,  eine  neue  bearbeitung  des 
Oscnbrüggischen    werkes    selbst   zu   veranstalten,    zumal   durch 


Shft.  1.  382.  Cicero.  703 

eine  offenbar  so  kundige  und  der  sache  in  jeder  beziehung  ge- 
wachsene band ,  wie  die  des  neuen  berausgebers.  Mit  großem 
vergnügen  liest  man  die  auf  das  gründlichste  und  mit  benu- 
tzung  aller  hülfsmittel  über  die  einschlagenden  sachlichen  fra- 
gen sich  verbreitenden  anmerkungen.  Vielleicht  ist  in  bezie- 
hung auf  citate  hie  und  da  des  guten  zu  viel  geschehn,  Potts 
etymologische  forschungen,  Friederichs  bausteine  zur  geschichte 
der  römischen  plastik  und  ähnliche  bücher  gehen  wenigstens 
über  den  gesichtskreis  der  schüler  entschieden  hinaus.  Eine 
beschränkung  wäre  wohl  auch  in  der  historischen  einleitung  am 
platz  gewesen ,  da  historische  hülfsbücher  doch  in  aller  händen 
sind.  Sehr  erfreulich  ist  die  auf  die  rhetorischen  figuren,  auf 
Übergänge  und  beweisführung  verwandte  Sorgfalt.  Grade  diese 
pnncte  sind  es,  deren  genauere  beachtung  erfahrungsmäßig  das 
interesse  des  schülers  weckt  und  ihm  die  lecture  des  Cicero 
erst  fruchtbar  macht.  Auch  in  orthographischer  und  kritischer 
beziehung,  wo  sich  der  herausgeber  an  Halms  text,  Berlin 
1868,  anschließt,  steht  die  arbeit  auf  der  höhe  der  heutigen 
Wissenschaft,  so  daß  sie  ihren  zweck  strebsame  schüler  zu  wei- 
terem und  eindringlicherem  Studium  anzuregen  sicherlich  erfül- 
len wird.  Ein  paar  einzelne  bemerkungen  sind  folgende.  In 
der  einleitung  fallen  ausdrücke,  wie  p.  26  „die  einvernähme 
der  zeugen"  oder  p.  32  „gerichtsverbandschaften"  auf,  die  wohl 
aus  dem  schweizerischen  idiom  zu  erklären  sind.  In  der  erklä- 
rung  war  §.  11,  wo  der  sinn  richtig  gefaßt  ist,  darauf  hinzu- 
weisen, daß  in  den  Worten  ut  cum  causa,  non  telum  quaereretur, 
qui  sui  defendendi  causa  telo  esset  usus,  non  hominis  occidendi 
causa  habuisse  telum  judicarttur ,  in  sofern  eine  Unklarheit  liegt, 
als  für  die  worte  non  ..  .judicaretur  vielmehr  der  gedanke  erforder- 
lich wäre :  cum  hominis  occidendi  causa  telum  non  habuisset,  culpa 
Über  esse  judicaretur.  §.  14  ist  in  den  Worten  nisi  vero  aut  ille 
dies  quo  Tiberius  Gracchus  est  caesus,  aut  ille  quo  Gaius ,  aut 
quo  arma  Saturnini,  etiamsi  e  re  publica  oppressa  sunt,  rem  publi~ 
cam  tarnen  non  vulnerarunt,  das  quo  vor  arma,  das  wunderbarer 
weise  auch  Halm  1868  gegen  seine  frühere  ansieht  wieder  auf- 
genommen hat,  durchaus  mit  Madvig  zu  streichen.  Daß  aus  dem 
folgenden  oppressa  sunt  zu  ergänzen  sei,  läßt  sich  leicht  sagen, 
ist  aber  nach  dem  vorgehenden  caesus  völlig  unmöglich,  wenn 
man    nicht   dem    Cicero    eine   ganz    stammelnde    ausdrucksweise 


704  383.  Böckh.  Shft   1. 

aufbürden  will.  Der  einzige  weg  es  zu  halten  wäre  ein  komma 
nach  etiamsi  e  republica,  so  daß  diese  worte  für  sich  zu  nehmen 
und  oppressa  sunt  gleich  zu  arma  zu  beziehen  wären.  Dann 
würde  man  aber  immer  noch  ein  ille  vor  quo  erwarten.  §.  42 
ist  die  Zusammenstellung  rumor  em,  fabulam  fictam  falsam,  levem, 
so  daß  rumor em  gar  kein  epitheton,  fabulam  deren  drei  erhält, 
unerträglich,  und  durch  die  interpunction ,  die  fictam  falsam 
wie  einen  begriff  hinstellt,  wird  daran  nichts  gebessert.  Daß 
wenigstens  mit  früheren  herausgebern  falsam  auszuscheiden  ist, 
scheint  sicher.  Weiter  aber  läßt  sich  kaum  einsehen,  warum 
Cicero  verschmäht  haben  sollte  zu  schreiben  rumor  em  levem,  fa- 
bulam fictam.  §.  67  wird  doch  wohl  mit  Ludw.  Jan  zu  schrei- 
ben sein :  cum  tarnen  sie  metuitur  etiam  nunc  Milo ,  da  erst  so 
das  handschriftliche  si  vor  metuitur  zu  seinem  rechte  kommt. 
§.  62  hätte  bei  animo  irato  ac  percito  auf  die  gewöhnlichere 
Verbindung  ira  percitus  hingewiesen  werden  können;  ebenso 
wäre  §.  69  fortissimi  viri  magnitudinem  animi  ein  wort  über  die 
Stellung  doppelter  genetive  bei  einem  substantivum  am  platz 
gewesen,  so  wie  §.85  bei  serae  sed  justae  tarnen  et  debitae  poenae 
über  die  eigenthümliche  und  durch  das  ganze  alterthum  ihre 
Wichtigkeit  behauptende  bedeutung  der  sera  numinis  vindieta. 

H.  A.  Koch. 

383.  De  antiquissima  Neptuni  figura.  Diss.  inaug.  quam 
scripsit  Carolus  Manitius  Dresdensis.  Lipsiae,  typis  Breit  - 
kopfii  et  Haertelii.  MDCCCLXXII. 

Im  Phil.  Anz.  II,  3,  p.  167  wurde  bereits  eine  schritt  ver- 
wandten Charakters,  den  Hephästos  behandelnd,  besprochen,  die 
ebenso  wie  die  vorliegende  von  einem  schüler  Overbecks  her- 
rührte. Derartige  Schriften  haben  ihren  unverkennbaren  werth 
als  vorarbeiten  für  die  kunstmytkologie,  wenngleich  die  eigent- 
lichen resultate  der  mühevollen  arbeit  erst  in  Overbecks  großem 
werke  vollständig  zu  tage  treten  werden.  Jedenfalls  aber  ist 
die  gewissenhafte  Sorgfalt  anzuerkennen,  mit  der  in  vorliegender 
schrift  das  umfangreiche  material  zusammengetragen ,  geordnet 
und  classificirt  worden  ist.  Ob  auch  die  wünschenswerthe  Voll- 
ständigkeit erreicht  wurde ,  darüber  erlaubt  sich  referent ,  weil 
ihm  keine  große  bibliothek  zur  Verfügung  steht,  auch  kein  urtheil. 

L.  G. 


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