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Full text of "Philologus"

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PHILOLOGUS. 





ZEITSCHRIFT 


FÜR 


DAS KLASSISCHE ALTERTHUM. 


HERAUSGEGEBEN 
VON 


ERNST VON LEUTSCH. 


GOETTINGEN, 
VERLAG DER DIETERICHSCHEN BUCHHANDLUNG. 


MDCCCLX X XIV. 























PHILOLOGUS. 





ZEITSCHRIFT 


FÜR 


- DAS KLASSISCHE ALTERTHUM. 


HERAUSGEGEBEN 
VON 


ERNST VON LEUTSCH. 


Zweiundvierzigsier Band. 





GOETTINGEN, 
VERLAG DER DIETERICHSCHEN BUCHHANDLUNG. 


MDCCCLX X XIV. 





IV Inhalt. 


Zu Strabon. (Cozza’s handschrift) Von A. Vogel 


Avoysgalvw, ducyégacpa, ducyfgesa, duçyeons. Von H. von | 


Kleist 
Zu Plotins zweiter abhandlung über die allgegenwart der in- 


telligibeln in der wahrnehmbaren welt. Plotin Enn. VJ, 5. 
Von H. von Kleist 


Zur bandschriftenkunde des Cornutos und Palaephatos. (Co- 
dex Ravii). Von H. Boysen . 


Die fragmente des mathematikers Menaechmos. Von Max C. 
P. Schmidt. 


Die Archimedes-handschrift Georg Vallas. Von J. L. Heilberg . 


Philologische beitrige zu griechischen mathematikern. Von 
Max C. P. Schmidt. 


Beitrige zur geschichte und beurtheilung der Hippokratischen 
schriften. Von H. Kühlewein . 


Ueber den status der ersten rede des Isaeos „über die erb- 


schaft des Kleonymos*. Von J. Lunag e 
Elonvogpvack. (Zu Aeschin. Ctes. 2. 159). Von G. Leue . 


Zu Eusebius Hist. ecclesiastica. Von Fr. Górres . . 134. 


Die liste der delphischen gastfreunde. Von Theodor Bergk . 


Zu Naevius. Von Lucian Müller 

Zu des Ennius Annalen. Von demselben . . . 
Vergil. Aen. Il, 210. Von Ludwig Schmidt. 

Zu Cato de moribus. Von C. Hartung . . . . 
Horat. Carm. IV, 14, 20. Von demselben 

Horat. Epist. 1, 5. Von Th. Fritzsche 

Zu Afranius. Von Lucian Müller . 


Pag. 
543 


594 


54 


285 


72 
421 


82 


119 


275 
608 
615 
228 


407 
544 

22 
378 
81 
769 
437 


Inhalt. 


Jul. Caesar. BCiv. Hi, 112 und BAlex. 8, 2. Von AH. 
Schiller. . . . . . . 


BGallic. VIII, praef. à. 4. Von Ferd. Becher . 


Ze Velleius Paterculus. Von A. Euesner . . . . 593. 


Za Valerius Maximus. Von demselben 

Zu Tacitus Annalen. Von Julius Schneider. . . . . 
Florus IV, 8, 4. Von G. F. Unger. . . . . . 
Eutrop. Ill, 1. Von C. Wagener . 2 8 ew 
Butropius. Jahresbericht. (Fortsetzung folgt). Von dem- 


selben . . . . . . . . . . . . + + . 9879. 


Zar kritik einiger quellenschriftsteller der rómischen kaiser- 


zeit. (Aelius, Spartianus, Vopiscus). Von Fr. Górres. 134. 


Die Fasten von Constantinopel und die Fasten von Ravenna. 
Von G. Kaufmann . 


Zu Julius Valerius. Von €. Boysen . 140. 274. 284, 308. 


[lulii Valerii] Laws Alexandriae. Von demselben . 

Cic. de Divinat. I, 12. Von H. Deiter 

Eine bandschrift von Cic. Q'Tusculanae. Von demselben . 
L. Seneca Dial. VII, 5. Von A. Eussner . 


Die analogisten und anomalisten im rémischen recht. Von 
M. Schanz. 


Handschriftliches zu Cicero's briefen an Atticus. Von H. 
Cicer. Orat. 52. Von A. Eussner . 

Verse im Cicero. Von H. Deilefsen. (Vrgl. p. 413) . 
Quintilianus. Jahresbericht. Von Ferdinand Meister . 


Ueber die benutzung der Vulgata zu sprachlichen untersu- 
chungen. Von Ph. Thielmann 


511 


615 


471 
318 
410 
470 
171 
607 


309 


403 
624 
181 
141 


319 








VI Inhalt, 
Pag. 
Handschriften in Holkbam. Von R. Forster. . . . . . 158 | 


Eine handschrift des Serail. Von demselben. . . . . . 167 
S. Dionysios Periegetes. Strabon. Kornutos. Archimedes. 
Cicero. 


Zu den quellen der sikelischen expedition. Von W. Stern . 438 
S. Thukydides. Diodoros. Plutarchos. 


Hippodamos von Milet und die symmetrische stüdtebaukunst 
der Griechen. Von M. Erdmann . . . . . . . . 193 


Des Avidius Cassius stellung im oriente. Von G. Wolffgramm. 186 — 
S. Eusebios. 


Aesernia und Esernia. Von E. Schweder. . . . . . . 547 


Das leben des H. Stephanus. Von M. Schanz . . . . . 414 


Zum briefwechsel des H. Stephanus. Von demselben . . . 548 
S. Kornutos und Palaipbatos. 


Auszüge aus schriften und berichten der gelehrten gesell- 
schaften, so wie aus zeitschriften . . . 188. 416. 559. 777 


Index rerum. . Von C. Wagener. . . . . . . . . . 780 
Index graecus. Von demselben . . . . . . . . . . 785 
Index locorum. Von demselben . . . . . . . . . . 785 
Verzeichniss der excerpierten zeitschriften. . . . . . . 809 


Druckfehler . . . . 2 . 2 2 « « « « «© « . . 810 


I, ABHANDLUNGEN. 


I. 


Diodor und seine römische quelle. 


Die frage nach der rómischen quelle des Diodor ist durch die 
abhandlung von Klimke (Diodorus Sikulus und die rómische anna- 
listik, Königsbütte 1881) in ein neues stadium getreten. Klimke 
kommt nach einer eingehenden kritik der ausführungen Mommsens 
(Rom. forsch. II, 221—290 und 297 —381) zu dem resultat, dass 
nicht Fabius Pictor, sondern Calpurnius Piso von Diodor 
benutzt sei. Dasselbe hatte sich auch mir bei der behandlung die- 
rer frage vor mehreren jahren ergeben. Die folgenden bemerkun- 
gen richten sich theilweise gegen einige unrichtige behauptungen 
klimke’s, theilweise behandeln sie einige punkte, die von Klimke 
nicht mit genügender ausführlichkeit erörtert sind. 

Der bericht über den sturz der decemvirn (Diod. XII, 24. 25) 
enthült eine ganze reihe von flüchtigkeiten, missverstündnissen und 
entstellungen , die verwirrung ist so gross, dass Niebuhr und 
Schwegler an ihrer aufhellung ganz verzweifelten. Schwegler (R. 
6. Ill, 69) meinte, Diodor habe diesen bericht schwerlich aus ei- 
nem römischen annalisten geschöpft, „da einem solchen eine ver- 
wechslung der valerisch -horazischen gesetze mit den licinischen 
rogationen nicht zuzutrauen ist“. Auch Nitzsch (R. ann. 229. 235) 
sah den ganzen bericht als das eigenthum der quelle Diodors an 
und erklärte diese angebliche verbindung der licinischen rogationen 
mit dem sturz des decemvirats als eine fälschung des verfassers 

Philologus. XLII. bd. 1. 1 





2 Diodoros. 


der von ihm entdeckten ,plebejischen* annalen, die er als die quelle 
Diodors bezeichnete. Mommsen (R. F. Il, 287) macht Diodor al- 
lein für diesen chronologischen fehler verantwortlich, glaubt aber 
ebenfalls, dass Diodor hier von der licinischen rogation spreche !). 
Diese annahme ist keinesfalls richtig: wir können unmöglich glau- 
ben, dass Diodor ein über 80 juhre spüter gegebenes gesetz hierher 
gezogen haben sollte, von dem er hóchst wahrscheinlich, als er den 
bericht über das decemvirat schrieb, noch gar keine kenntnis hatte. 
Auch lassen sich die folgenden angaben Diodors in keiner weise 
damit vereinigen, Das von Diodor an zweiter stelle genannte ge- 
setz ist nicht die licinische rogation, sondern, wie Klimke richtig 
bemerkt, die das consulat betreffende rogation des C. Canuleius 
445/309; dass dieselbe nicht zum geseiz erhoben wurde, bat Dio- 
dor bei seiner flüchtigen art des excerpierens nicht weiter beachtet. 
Soweit stimme ich mit Klimke überein ?). Dagegen halte ich es 
nicht für nóthig anzunehmen, dass schon die quelle Diodors an die 
erwähnung der wiedereinsetzung des consulats den bericht über die 
Canuleiische rogation geknüpft hatte. Gerade Piso scheiut beson- 
dere sorgfalt auf chronologie und streng annalistische erzühlung 
verwendet zu haben (vgl. Peter, Hist. Rom. rell. p. CLXXXXII). 
Die ganze stelle mit allen ihren wunderlichkeiten erklärt sich voll- 
kommen aus der art, wie Diodor arbeitete. Diodor ist kein ge- 


1) Damit bringt Mommsen das fehlen der kriegstribunen von 867/887 
zusammen, welche Diodor absichtlich gestrichen habe, weil er die wich- 
tigste der licinischen rogationen bereits früher gebracht. Wie unsicher 
eine solche annghme ist, leuchtet sofort ein, wenn man bedenkt, dass 
sich bei Diodor in den büchern XI—XX mehr als 180 rómische epo- 
nymencollegien finden, aber nur bei etwa 50 von diesen historische no- 
tizen: wenn also Diodor die erzählung über die ereignisse des jahres 
867/387 überging, so lag für ihn damit nicht zugleich die nothwendig- 
keit vor, auch die eponymen des jahres zu streichen. 

2) Auch das dritte gesetz bei Diodor erklärt Klimke richtig als 
eine verschmelzung der lex Duillia 449/305 (Liv. 8, 55, 14) und der lex 
Trebonia 448/806 (Liv. 8, 65, 4). Die von der livianischen angabe ab- 
weichende strafe der verbrennung hat Diodor in seiner quelle vorge- 
funden (es war wohl die ältere überlieferung: Schwegler If, 711, vgl. 
Mommsen, R. staatsr. II*, 267). Schwierig sind die nun folgenden worte 
Diodors: tür dé oi —2 un Cvuppwrvwos Neds — xUosos elvas 
tov ava péoov xeiuevoy un xwiveoda:s. Auch Klimke’s erklärung, wo- 
nach sie sich auf den antrag des Duillius über eventuelle cooptation der 
volkstribunen (Liv. 8, 64) beziehen, befriedigt nicht. Die stelle ist ohne 
zweifel stark verdorben: —RR sivas ist grammatisch falsch. Madvig 
Adv. crit. I, 491 vermuthet: xvgiov elvas to ava éco» xsiusvov um 
xwlvecdas. 


ee m | | 


Diodoros. 3 


wöhnlicher librarius, der seine quelle wörtlich ausscbreibt (oder, 
wie in unserem falle, übersetzt), sondern wo er bei seinem ge- 
währsmann eine grössere zusammenhängende erzählung fand, da 
las er sie ganz durch, machte sich vielleicht hier und da einige 
patizen und schrieb dann seinen bericht. Hierbei kann es uns von 
einem mit römischen verhältnissen wenig vertrauten mann, wie 
Diodor es ohne zweifel war, nicht wunder nehmen, dass er man- 
ches wichtige auslässt, manches missversteht, manches am unrechten 
orte bringt und oft nicht zusammengehöriges zusammenwirft. Aus 
seiner geringen kenntnis der römischen verfassungszustünde erklärt 
sich seine abneigung gegen die innere geschichte Roms; es findet 
sich bei ihm nur noch eine stelle, wo er in etwas ausführlicherer 
weise innere angelegenheiten bespricht (XX, 36 die censur des 
Appius Claudius). Diesem mangel seines werkes suchte er nun 
dadurch abzuhelfen, dass er bei gelegenbeit der erzäblung von der 
beseitigung des decemvirats einiges von dem notierte, was in seiner 
quelle in den folgenden capiteln über innere angelegenbeiten be- 
richtet war. So hob er denn aus dem reichen material, das seine 
quelle gerade an dieser stelle enthielt, einige tribunicische gesetzes- 
vorschläge der nächsten jahre heraus, verknüpfte sie aber mit seiner 
erzühlung vom ende des decemvirats in der weise, dass dieselben 
als bedingungen des friedens erscheinen, welcher mit der auf den 
Aventin ausgewanderten plebs abgeschlossen wurde. Merkwürdiger 
weise hat er dabei die wichtigsten gesetze, die valerisch - horazi- 
schen, übergangen. 

Von allen Diodorischen nachrichten über rómische geschichte 
ist der bericht über die gallische katastrophe (XIV, 
113—117) der bei weitem werthvollste und derjenige, der von 
entstellungen am meisten frei geblieben ?). Auf ihn haben daher 


3) Die notiz über die herkunft der Etrusker im Pothale (Diod. XIV 
118, 2) stammt wahrscheinlich, wie Mommsen (R. F. II, 265) richtig 
bemerkt, aus Timaeus: vgl. Hellan. b. Dionys. Hal. 1, 28; ebenso der 
synchronismus mit der belagerung Rhegions, den auch Polyb. 1, 6 hat. 
Zwei weitere notizen, bei denen Mommsen (p. 281) schwankt, halte ich 
ebenfalls für einlagen aus griechischer quelle (Timaeus), nämlich die 
notiz über die entstehung des volkes der Campaner (Diod. XII, 31) und 
die nachricht über die einnahme von Cumae durch die Campaner (Diod. 
XII, 76). Denn Diodor erzählt die einnahme von Cumae im jahre des 
archon Aristion (ol. 59, 4: 421/420 v. Chr.) und der consuln T. Quinctius 
und A. Cornelius Cossus (d. i. 428/826), wührend nach rômischer tra- 


1° 





4 Diodoros. 


die anhänger der Niebubr’schen hypothese immer mit vorliebe hin- 
gewiesen, und selbst Schwegler (11, 24. III, 234) hielt es nicht 
für unwahrscheinlich, dass Diodor für diese partie aus Fabius ge- 
schöpft hat. Diodors bericht nimmt in der tradition des gallischen 
krieges und der ereignisse des folgenden jahres eine eigene stel- 
lung ein, er muss ganz für sich allein betrachtet werden. Mommsen 
hat sich vergebens bemüht nachzuweisen, dass Diodor sich in allen 
punkten mit Polybius in übereinstimmung befindet. |n den entge- 
gengesetzten fehler ist Klimke verfallen, indem er von der voraus- 
setzung ausgeht, dass Diodor der gewöhnlichen tradition (Livius- 
Plutarch) näher stehe, als man allgemein bisher angenommen hat. 
Ganz falsch erscheint mir diese auffassung insbesondere iu bezug 
auf Diodors angaben über den letzten akt des grossen dramas. 
Gegen seine auseinandersetzungen über Diodors darstellung des 
krieges selbst habe ich wenig einzuwenden. In der kritik und 
widerlegung der ausfübrungen Mommsens ist Klimke recht glück- 
lich: sind es doch zumeist unbegründete behauptungen, deren wi- 
derlegung nicht schwer fallt, wie z. b. die, dass unter den nach 
Clusium geschickten gesandten *) bei Diodor nicht Fabier zu ver- 
stehen sind. Die von Mommsen (R. F. Il, 310—314) ausführ- 
lich dargelegte, aber mit aller überlieferung in widerspruch ste- 
hende ansicht, dass die schlacht auf dem rechten Tiberufer 
(also gar nicht an der Allia) geschlagen sei, ist sowohl von 


dition (Liv. 4, 44, 12) dies ereignis in das militärtribunat 420/884 fallt. 
Die notiz über die entstehung der Campaner bringt Diodor unter dem 
j. 445/809 (nach Diodors gleichung ol. 85, 8: 488 v. Chr.), Livius er- 
wahnt die Campaner zuerst unter dem j. 424/880 (Liv. 4, 87). 

4) Die gesandten werden nach der gewöhnlichen tradition an die 
Galler geschickt, um diesen zu befehlen, ne socios popult Rom. atque 
amicos oppugnarent (Liv. 5, 85, 5), nach Diodors bericht nach Clusium, 
um die keltische heeresmacht zu recognoscieren. Mommsen (R. F. II, 
804, a. 11) meint, diese angabe Diodors schliesse nicht aus, dass die 
gesandten wirklich boten der róm. gemeinde an die Galler waren: diese 
annahme sei sogar nóthig, weil sonst nach rómischer auffassung von 
verletzung des vôlkerrechts gar nicht die rede sein kónnte. Dem kann 
ich nicht beipflichten: nach Diodor fordern die Galler die ausliefe- 
rung des gesandten nicht wegen verletzung des völkerrechts (pro sure 
gentium violato: Liv. b, 86, 8), wonach gesandte neutral bleiben müs- 
sen, sondern weil der Rómer an dem kampfe gegen die Galler theilge- 
nommen ohne vorhergegangene kriegserklärung seines volkes (éasmj- 
covtag toy nosoßsvinv toy adixov modéiuov npoxataptäueror). &dixoc (in- 
tustum bellum) ist nach rômischer auffassung ein krieg, dem keine for- 
melle kriegserklärung vorangegangen. 


Diodoros. 5 


Thouret (Der gallische brand, jahrb. suppl. XI, 167—173) als 
von Klimke (p. 11—16) widerlegt worden. Die worte Diodors: 
2EeAFovres xai diaffavies tov Tifeour, die allein Mommsen zu sei- 
ner irrigen ansicht veranlasst haben, erklürt Thouret dahin, dass 
Éeldortes prägnant zu fassen sei als auszug aus der stadt unter 
überschreitung des pons sublicius und mit dsafavres der rücküber- 
gang auf das linke ufer gemeint sei. Klimke dagegen vermuthet, 
die quelle Diodors habe einen zweimaligen übergang erwäbnt: die 
Rómer seien zuerst über den Tiber gegangen, nachdem sie aber 
gehórt, dass die Galler sich auf dem linken ufer befünden, seien 
sie wieder über den Tiber (also durch Rom hindurch) gekommen 
und dann am linken ufer entlang gegen die Galler marschiert; 
diesen zweiten übergang (den durchzug durch Rom) habe Diodor 
fortgelassen. Ich glaube, es ist einfacher die worte xai diufavtes 
tow Tifeo für einen selbständigen zusatz Diodors zu halten: er 
mochte sich denken, dass ein kampf mit den von norden kommen- 
den Kelten nur auf dem rechten Tiberufer habe stattfinden kónnen, 
— zumal wenn ibm, wie aus der nichterwühnung zu schliessen, 
der Alliafluss unbekannt war. 

Im unmittelbaren anschluss an die erzählung von der einnahme 
Roms durch die Galler berichtet Diodor (XIV, 117) mehrere nicht 
in dasselbe jahr fallende ereignisse, die aber sachlich zum theil 
mit jener in verbindung stehen. Er erzühlt zuerst die kriege des 
Camillus mit den Volskern, Aequern und Etruskern, die nach Livius 
(6, 2—3) und Plutarch (Cam. 33) in das folgende jahr 389/365 
gehören. Diodor verbindet hier also die begebenheiten des jahres 
389 in derselben weise wie die vorgeschichte des gallischen krie- 
ges (991) mit der erzühlung über den krieg selbst. Dann aber 
folgen drei notizen, die sowohl sachlich als chronologisch einige 
schwierigkeiten bieten: 

1. Die von Rom abgezogeneu Galler wurden, als sie die mit 
Rom verbündete stadt Oveaoxsoy (?) belagerten, vom dictator (Ca- 
millus) angegriffen; er tódtet die meisten von ihnen und bemächtigt 
sich der ganzen beute, unter der sich auch das gold befand, das 
sie (in Rom) empfangen, und beinahe alles, was sie bei der ein- 
nahme der stadt geraubt hatten. 

2. Trotz solcher thaten wurde Camill von den volkstribunen 
verbindert zu triumphieren. Einige aber erzählen, dass er über die 





6 Diodoros. 


Etrusker auf einem viergespann von weissen rossen triumphierte 
und deshalb zwei jahre später vom volke zu einer bedeutenden 
geldstrafe verurtheilt wurde. 

3. Diejenigen Kelten, die nach Apulien gezogen waren, kehrten 
durch das römische gebiet zurück und wurden kurz darauf vmó 
Keolwv (d. i. Kasglwr, Cüriten) in einer nacht überfallen . und 
sämmtlich àv xo Toavofw medim (t) niedergemacht. — Die an- 
gaben über den triumph des Camillus (2.), die wahrscheinlich durch 
confusion und durch ein missverstündnis Diodors entstanden sind 
(vgl. Klimke p. 22), lassen wir auf sich beruhen. Wichtiger sind 
die beiden andern notizen (1. 3.), die noch der erklürung bedürfen. 
Klimke (p. 20 ff.) bat vermuthungen über dieselben ausgesprochen, 
denen ich nicht zustimmen kann. Er glaubt auch hier, dass Dio- 
dors quelle an dieser stelle mehreres berichtet habe, was chro- 
nologisch nicht zusammengehörte, die quelle habe hier eine förm- 
liche laudatio des Camill gegeben. Ich finde von einer solchen in 
Diodors worten nichts, und die letzte angabe hat ja mit Camill 
gar nichts zu schaffen. Die nachricht von Camillus’ sieg über die 
Galler (1.) bezieht Klimke auf den zweiten Gallereinfall 367/387, 
wo nach der gewóhnlichen tradition Camill zum fünften mal dicta- 
tor war. Aber die berichte über diesen zweiten Keltenkrieg (Liv. 
6, 42. Plut. Cam. 40—-41) zeigen nicht die geringste áühnlichkeit 
mit unserer Diodorstelle, in der die Galler klar und unzweideutig 
als diejenigen bezeichnet werden, die kurz vorher mit dem lüsegeld 
von Rom abgezogen sind. Ueberhaupt ist dieser krieg von 367/387 
sehr problematisch: er stand vielleicht noch nicht in den ülteren 
annalen, da bekanntlich Polybius (11, 18, 6) den zweiten einfall 
der Galler in das 30ste jahr nach dem ersten, also in das jahr 
360/394 setzt. Ebenso wenig findet Klimke's annahme, dass Dio- 
dors nachricht von dem überfall einer Keltenschaar durch die Cä- 
riten in das jahr 361/393 oder 360/394 gehöre, ihre hinreichende 
begründung in dem umstande, dass Claudius Quadrigarius (frg. 11 
Peter) und Livius (6, 42. 7, 1) von einem Gallerheer sprechen, 
das sich in den jahren 367—361 in Apulien aufgehalten. Klimke 
musste hier zu unsicheren vermuthungen seiue zuflucht nehmen, 
weil er zu sehr in dem vorurtheil befangen ist, Diodors bericht 
lasse sich im allgemeinen mit der gewöhnlichen tradition von dem 
grossen Gallerkrieg vereinigen. In folge dessen ist er wiederholt 


Diodoros. 3 


genöthigt, wo Diodor und die vulgata durchaus nicht zusammen- 
stimmen wollen, bald bei Diodor bald bei Livius und Plutarch 
lücken anzunehmen. Wir müssen bei der erklürung jener beiden 
angaben von der gewöhnlichen überlieferung der Gallerkriege ganz 
absehen. Die erzühlung von dem siege des Camill über die Galler 
und der wiedergewinnung des lüsegeldes ist bei Diodor eng ver- 
bunden mit der von den kümpfen des dictators mit den Volskern, 
Aequern und Etruskern. Fallen diese in das jahr nach der ein- 
nahme Roms, so werden wir, wenn wir unbefangen sein wollen, 
annehmen müssen, dass die quelle Diodors jenen Keltensieg des 
Camill in dasselbe jahr gesetzt hat. Wührend also nach der vul-. 
gären relation der sage der verbannte Camill als dictator beim 
zuwägen des goldes in Rom erscheint und die Galler vertreibt, 
existierte eine andere version, wonach die Galler zunüchst uube- 
helligt mit dem lösegeld und der beute abzogen und erst im dar- 
auffolgenden jahre von dem wegen des Volskerkrieges zum dictator 
ernannten Camillus geschlagen und das lösegeld und die beute ihnen 
abgenommen wurden (vgl. Schwegler Ill, 262). Dies war die ver- 
sion, welcher Diodors quelle folgte. Und Diodor ist nicht der ein- 
zige, der sie berichtet. Sie findet sich, wie Mommsen (R. F. II, 
335) richtig bemerkt hat, auch bei Servius zur Aeneis 6, 826, 
allerdings corrumpiert und in einer form, die darauf schliessen lässt, 
dass der schreiber auch die gewühnliche überlieferung kannte: Ca- 
millus absens dictator est factus .... et Gallos iam abeuntes 
secutus est, quibus interemptis aurum omne recepit et signa. 
quod cum illic appendisset, civitati nomen dedit ; nam Pisaurum di- 
citur, quod illic aurum pensatum est. Wenn Mommsen die stelle 
des Servius so vollständig mit Diodor combiniert, dass er auch für 
das verdorbene Ovs«oxıov bei Diodor /7,6«vgo» herstellen will, so 
ist das gewiss nicht richtig. Der quelle des Diodor können wir 
unmóglich zutrauen, dass sie eine im lande der Sennonen gelegene 
stadt als eine mit den Rómern verbündete bezeichnet haben sollte. 
Die ersetzung einer nicht weit von Rom (wahrscheinlich in Etru- 
rien)?) gelegenen und mit Rom verbündeten stadt durch eine im 
gebiet der Galler selbst gelegene erweist sich eben als eine unge- 
schickte jüngere fälschung, wie auch die alberne etymologie zeigt. 


5) Statt Ovtéoxvor vermuthete Niebuhr (Li, 619 a.) Ovolgivsor, A. 
Schafer (Philol. XX, 178) richtiger Padioxwy, 





8 Diodoros. 


Dieselbe version der sage von der wiedergewinnung des goldes 
und der beute findet sich übrigens auch als variante bei Eutrop. 1, 
20, mit der livianischen relation plump zusammengekittet: .... a 
Camillo, qui in vicina civitate exulabat , Gallis superventum est 
gravissimeque victi sunt. postea tamen accepto etiam auro, 
ne Capitolium obsiderent, recesserunt, sed secutus eos Ca- 
millus ita cecidit, ut et aurum quod iis datum fue- 
rat ei omnia quae ceperant militaria signa revo- 
caret. Ob dies nun wirklich die ältere überlieferung war oder 
ob Diodors quelle auch die gewöhnliche version der sage bereits 
. kannte, sie aber verwarf (wie auch Klimke p. 21, a. 1 annimmt), 
diese frage lässt sich mit völliger sicherheit nicht entscheiden. Ich 
möchte lieber das erstere annehmen, ebenso wie ich glaube, dass 
die worte des Polybius (ll, 18: &9oavoros xol àcweig tyortes thy 
wpfieav slo rv olxelay exavnAFoy) nicht einen „recht vernehm- 
lichen widerspruch* gegen die gewühnliche sage (Klimke a. a. o. 
vgl. Mommsen R. F. II, 339) enthalten, sondern die älteste über- 
lieferung wiedergeben. 

Die letzte angabe Diodors über die vernichtung der aus Apu- 
lien gekommenen Keltenschaar durch die Cäriten darf nicht als 
eine besondere version der römischen sage von der wiedergewin- 
nung des goldes angesehen und mit der nachricht bei Strab. V, 
220 direct verbunden werden, wie Mommsen (p. 333) und mit ibm 
Klimke (p. 21) tbut. Strabo gibt die tradition der Cäriten 
wieder, die sich das verdienst zuschrieben, den Gallern, die Rom 
eingenommen, die ganze beute abgenommen zu haben. Davon sagt 
Diodor nichts, er gibt wahrscheinlich die römische tradition, die 
nur erzählte, dass der tbeil der Galler, der nach dem abzuge 
aus Rom sich nach Apulien gewendet hatte (of d’ eig rv Janv- 
ylav s» Kedrwy éxedndvdores), auf dem rückwege von den 
Cäriten überfallen und niedergemacht wurde. Davon dass diesen 
Gallern von den Cäriten die römische beute abgenommen wurde, 
was mit dem vorher von Camill berichteten in widerspruch stehen 
würde, findet sich in Diodors worten nichts. Ob diese thatsache 
von Diodors quelle auch noch in das jahr 389/365 oder in ein 
späteres gesetzt wurde, aus dem Diodor sie hierber zog, lässt sich 
nicht bestimmen. Keinesfalls aber gehört sie in die jahre 361— 
860, da nicht anzunehmen ist, dass diese Keltenschaar nach 30. 


Diodoros. 9 


jährigem aufenthalt in Apulien in die heimath hätte zurückkehren 
wollen; auch Diodors ausdruck per’ 0Alyo» spricht dagegen. 

Die Niebuhr -Mommsen’sche hypothese, dass Diodor das ge- 
schichtswerk des Fabius Pictor benutzt habe, ist zwar wiederholt 
nach dem vorgange Schweglers (I, 119. Il, 23) bestritten worden, 
zählt aber auch heute noch mehrere hervorragende gelehrte zu 
ihren anhängern (auch A. Schäfer, Quellenk. der griech.-röm. gesch. 
Il, 13. 85 billigt sie). Sie ist nach allen seiten hin gründlich 
bisber noch nicht widerlegt worden. Auch Klimke hat sich die 
ssche leicht gemacht und ist über diesen wichtigsten punkt schnell 
hinweggegangen. — Die hypothese stützt sich auf ein fragment 
aus dem 7ten buch des Diodor (VII, 3 Dind.), in welchem Fabius 
ausdrücklich citiert wird. In diesem berichtet Diodor, nachdem er 
eine polemische bemerkung über die abstammung des Romulus und 
über die chronologie der gründung Roms vorausgeschickt, über 
Aeneas’ schicksale in Latium und über die gründung Alba Longa’s 
durch Askanius und erklärt, diese stadt habe ihren namen von dem 
flusse Alba bekommen, der später Tiberis hiess (vgl. Schwegler I, 
340, a. 5). Alsdaun fährt er fort: weg dé t76 noooryoglas 
taving (fioc 6 tas Pwuulwv noaEng aruypuwyas &Alws utuv- 
SoÀoyzxev und erzählt nun deu bekannten mythus von der sau, die 
dem Aeneas entlief und 30 ferkel warf, und von dem traum des 
Aeneas; doch weicht seine erzählung von der gewöhnlichen inso- 
fern ab, als nach letzterer das erscheinen der sau und ihre flucht 
auf den burghügel von Lavinium auf Laviniums gründung bezug 
hat, während nach dieser Fabischen relation (der sonst nur Cassius 
Dio, frg. 4, 5 (Dind.) folgt und theilweise Varro de l. 1. V, 144) 
die sau auf den Albanerberg flieht und Aeneas im traum erfährt, 
dass erst nach 30 jahren an dieser stelle eine stadt gebaut wer- 
den solle. Daraus also, dass Diodor hier Fabius nennt, haben Nie- 
bubr und Mommsen geschlossen, dass Diodor nicht nur das werk 
des ältesten römischen aunalisten gekannt, dass er es auch (mit 
ausnahme weniger stellen) ausschliesslich benutzt hat. Es zwingt 
uns hier aber nichts zu der annahme, dass die annalen des Fa- 
bius dem Diodor vorgelegen und dass er selbst dieses citat aus 
ibnen entnommen. Die vermuthung liegt nahe, dass er dasselbe in 
seiner quelle vorgefunden und aus dieser abgeschrieben habe. Gilt 
dies doch allgemein von allen variirenden berichten, die von Diodor 





10 Diodoros. 


nicht selten erwähnt und mit wo dé zuyeg und ähnlichen wendungen 
eingeleitet werden (XI, 53. XII, 64. XIV, 102. 116. 117). Und 
sagt doch Mommsen selbst (R. F. Il, 271): ,unter den doppelbe- 
richten (ist) . . . keiner von der art, dass er auf eine doppelte 
quelle einen sicheren schluss gestattete“. — — Mommsen glaubt aber 
iu demselben fragment noch eine zweite hinweisung auf Fabius 
und damit einen weiteren beweis dafür gefunden zu haben, dass 
Diodor hier bereits Fabius’ annalen vor sich gehabt hat. Diodor 
beginnt nämlich seinen bericht über die vorgeschichte Roms mit 
einer polemik: fvsos uiv oiv nlavndévres vnélafor rovg méQi 10V 
“Pwuvior ix tig Alvelov 9vyargóg yevvndévrac 2xuxtvas ınv “Pw- 
um. 10 de dAndès ovy ovrws Eyes xt. Mommsen (R. Chron.? p. 
152, a. 288. R.G. 1°, 922. R.F. Il, 268 a.) erkennt in diesen 
worten eine beziehung auf Fabius Pictor. Aber Fabius kann un- 
möglich berichtet haben, dass Romulus der enkel des Aeneas ge- 
wesen. Er setzte Alba’s gründung 30 jahre nach der ankunft des 
Aeneas: sollte er die gründung Roms gleichzeitig oder kurz nach- 
her angesetzt haben? Er berechnete Roms gründungsjahr nach 
olympiaden, er hatte also die griechische chronologie studiert: sollte 
er sich trotz dieser bekanntschaft mit der griechischen zeitrechnung 
Troias fall um den anfang der olympiadenrechnung gedacht haben ? 
Dürfen wir dem gebildeten Fabius einen solchen  rechenfehler 
zutrauen? (vgl. auch Rubino, Beitr. z. vorgesch. Ital. p. 149, a. 
202). — Die unmöglichkeit, die worte Diodors auf Fabius zu 
beziehen, ergibt sich auch aus folgender erwügung: Dionys und 
Plutarch erzählen, wie sie selbst angeben (Dion. 1, 79. Plut. 
Rom. 3), die gründungsgeschichte Roms nach Fabius. Bei ihnen 
nun erscheint, wie in der gewóhnlichen sage, Romulus als enkel 
des abgesetzten Albanerkónigs Numitor, und Dionys fügt ausdrück- 
lich hinzu, dass über die geburt und abstammung des Romulus und 
Remus alle (römischen) geschichtschreiber übereinstimmen. Hätte 
Fabius Pictor wirklich Romulus als enkel des Aeneas bezeichnet, 
so würde Dionys, der im ersten buch seiner archäologie mit pein- 
lichster genauigkeit alle ansichten verzeichnet, die jemals über den 
ursprung Roms ausgesprochen wurden, diese wichtige meinungsver- 
schiedenheit des ältesten rómischen historikers gewiss nicht uner- 
wühnt gelassen haben. Demnach kann seine mit Diodor gleich- 
lautende notiz 1, 73 (und die ähnliche bei Plut. Rom. 2) nicht auf 


Diodoros. 11 


Fabius bezogen werden, sondern nur auf schriftsteller, deren namen 
anzuführen für ihn und für seine leser kein interesse hatte, z. b. 
auf Ennius, von dem wir ja wissen, dass er Roms ursprung in 
eine viel frühere zeit hinaufrückte, und auf Naevius (der in der vor- 
geschichte Roms griechischen fabeln folgte: Rubino a. a. o. p. 
143 a), zwei schriftsteller, die von Dionys in bezug auf historische 
glaubwürdigkeit mit den rómischen annalisten gewiss nicht in eine 
reihe gestellt wurden und auch keinen anspruch darauf erheben 
konnten. — Nach Mommsens ansicht müssten wir annehmen, Fa- 
bius habe dem Romulus zwei mütterliche grossväter gegeben, Ae- 
neas und Numitor! Mommsens behauptung (R. F. II, 268 a.), 
„dass in dieser ältesten fassung die ankniipfung der zwillinge an 
Aeneas und die an das albanische königshaus neben einander fest- 
gehalten worden sind, steht ausser allem zweifel“ — entbehrt jeder 
begründung. In welcher weise Ennius die griechische sage (die 
Romulus als enkel des Aeneas bezeichnet) mit der römischen (in 
der er enkel des Numitor ist) in einklang gebracht hat, können 
wir heute auf grund der erhaltenen fragmente nicht mehr bestim- 
men: dies ist das resultat der ausführungen des von Mommsen für 
seine behauptung mit unrecht citierten Schwegler (I, 407). Aber 
selbst wenn Ennius „in irgend einer weise hier das unmügliche 
möglich gemacht hat“, so sind wir doch nicht berechtigt auf blosse 
vermuthung hin einem sorgfältigen historiker wie Fabius Pictor 
denselben unsinn zuzutrauen wie dem „im zauberkreis der märchen- 
welt lebenden dichter Ennius. 

Nachdem wir so der Niebuhr’schen hypothese ihre stütze ent- 
zogen haben, wollen wir nunmehr die punkte in erwägung ziehen, 
welche Mommsen zur begründung derselben angeführt hat. Drei 
dinge sind erforderlich, um den beweis für die benutzung des Fa- 
bius durch Diodor für erbracht zu halten: die übereinstimmung der 
Diodorischen nachrichten mit den fragmenten und soustigen spuren 
der Fabischen annalen, die besondere rücksichtnahme auf das Fa- 
bische geschlecht in den erzählungen des Diodor, die übereinstim- 
mung der tendenz derselben mit dem politischen standpunkt des 
Fabius Pictor, der von dem seines grossen verwandten Fabius 
Maximus gewiss nicht verschieden war. Wir werden sehen, dass 
in allen drei punkten Diodor gerade das gegentheil zeigt. 

1. Was den ersten punkt betrifft, so behauptet zwar Momm- 





12 Diodoros. 


sen (R. F. ll, 277): „was wir sonst als Fabischen ursprungs nach- 
weisen künnen, tritt nirgends in widerspruch mit denjenigen an- 
gaben Diodors, welche wir für Fabius in anspruch nehmen“, aber 
für positive übereinstimmung weiss er nur eine stelle auzuführen, 
Diodors bericht über die gallische katastrophe: dieser und die er- 
zählung des Polybius (Il, 18), die auf Fabius zurückgeführt wer- 
den darf, sollen vóllig in einander passen. Aber den beweis dafür 
hat Mommsen nicht geliefert. Thouret hat in seiner trefflichen 
untersuchung über den gallischen brand (bes. p. 104 ff.) die diffe- 
renzen der Polybianischen und der Diodorischen erzüblung und die 
unmüglichkeit der annahme einer quelle für beide aufs schla- 
gendste nachgewiesen. Wer der ansicht ist, dass Polybius in die- 
sem abschnitte Fabius folgt, der muss m. e. beute zugeben, dass 
die quelle Diodors in dem bericht über die gallische katastrophe 
Fabius Pictor nicht gewesen sein kann. Polybius berichtet klar 
und unzweideutig, dass die Galler in folge eines abkommens mit 
den Römern unbeschädigt und unversehrt mit der beute in ihre 
heimath zurückgekehrt seien, da sie gehört, dass die Veneter in 
ibr land eingefallen. Nach Diodor schicken die Rómer gesandte an 
die Galler und diese lassen sich bewegen gegen empfang von 1000 
pfund gold abzuziehen, sie werden aber im folgenden jahre vom 
diktator Camillus in Etrurien geschlagen und der ganzen beute mit 
dem lösegeld beraubt. — Auch aus andern gründen kann Diodors 
bericht nicht aus Fabius stammen. In der gewöhnlichen überliefe- 
rung vom Gallerkriege stehen die Fabier im vordergrunde der 
handlung. Vom standpuokt der Niebuhr - Mommsen'schen hypothese 
muss es auffallen, dass gerade bei Diodor die Fabier gar nicht 
hervortreten. Zwei sicher auf Fabische überlieferung zurückge- 
hende züge der tradition, die unmóglich bei Fabius Pictor gefeblt 
haben können, finden sich bei Diodor nicht: die sage von dem 
opfertode der greise unter anführung des oberpontifex M. Fabius 
und die legende von dem tapferen (C. oder K.) Fabius Dorsuo, 
der während der belagerung vom capitol zum quirinal schritt mit- 
ten durch die feindlichen posten, um dort ein gentilicisches opfer 
darzubringen. So lückenbaft auch sonst die Diodorischen nach- 
richten sind, die erzühlung von der schlacht an der Allia und der 
belagerung des capitols macht durchaus den eindruck der vollstün- 
digkeit, so dass ich nur annehmen kann, dass jene sagen auch in 


Diodoros. 13 


Diodors quelle gefehlt haben. — Ferner lüsst sich die chrono- 
logie Diodors mit der von Fabius befolgten in keiner weise ver- 
einigen. B. Niese (Hermes XIII, 401 ff.) hat nachgewiesen, dass 
Fabius Pictor, dessen chronik Polybius bei seiner fixierung der gal- 
lischen kriege höchst wahrscheinlich zu grunde gelegt hat, in der- 
selben weise wie die erhaltenen rémischen historiker bei seinen 
chronologischen angaben die sog. fünf anarchiejahre mitgezählt habe 5), 
nicht aber die vier dictatorenjahre. Diodor dagegen weiss nur von 
einem jahre der anarchie. Auch diesen widerspruch hat Mommsen 
umsonst zu lösen versucht. Während Niese aus dem überwiegenden 
sprachgebrauch des Polybius nachwies, dass dieser bei seinen chro- 
nologischen daten das jahr des ereignisses, nach oder vor welchem 
ein anderes stattfand, nicht mitzählte, behauptet Mommsen, dass 
Polybius beide endpunkte mitrechne, und kommt so bei seiner ad- 
dition der Polybianischen daten zu dem schluss, dass Polybius nicht 
eine fünfjährige, sondern wie Diodor eine einjährige anarchie in 
anrechnung gebracht habe; diese einjährige unarchie repräsentiere 
überhaupt ein älteres stadium der römischen chronologie, die fünf- 
jährige sei jüngeren datums. Diese vermutbung wird durch Poly- 
bius selbst am besten widerlegt. Mommsen bemerkt selbst (p. 378), 
dass, da Polybius die einnahme Roms in Ol. 98, 2 und das con- 
sulat des L. Aemilius Papus und des C. Atilius Regulus (225/529) 
in Ol. 138, 3 setzt, die dazwischenliegende epoche für Polybius 
162 jahre umfasst, wührend seine eigene rechnung (mit einjähriger 
anarchie) nur 158 eponymenjahre ergebe: , diesen widerspruch zu 
entfernen ist nicht möglich“. Mommsen sucht ihn daraus zu er- 
klären, dass Polybius in demselben abschnitt zwei verschiedene 
zählmethoden angewendet habe, nämlich ausser der Fabischen die 
der pontificaltufel. Wie gezwungen diese erklärung ist, bedarf 

keines beweises. 
2. Rücksichtnahme auf das Fabische haus resp. spuren, die auf 


6) Damit stimmt die angabe des Gellius (V, 4, 3), dass nach den 
lateinischen annalen des Fabius Pictor die wahl des ersten plebejischen 
consuls im 22. jahr (duo et vicesimo anno) nach der einnahme Roms 
erfolgt sei, wenn wir annehmen, dass Fabius letztere in das jahr ol. 
98, 1: 388/7 (archontat des Pyrgion) setzte d. i. nach seiner rechnung 
das 860. jahr nach gründung Roms (ol. 8, 1: 748/7). Jene lateinischen 
annalen waren wohl nur eine übersetzung oder bearbeitung der griechi- 
schen annalen des Fabius. 





14 Diodoros. 


die Fabische familienchronik oder auf Fabius’ annalen als quelle 
hinweisen, findet Mommsen (p. 282) in Diodors bericht von der 
schlacht am Cremera, in der ausführlichen schilderung der nach 
der einnahme Veiis erfolgten sendung eines weihgeschenks nach 
Delphi, in der nichterwähnung der drei Fabier als gesandte an die 
Galler, endlich in der lobenden darstellung der thaten des Fabius 
Rullianus. Der bericht über die schlacht am Cremera (Diod. 
XI, 53), über den ich anderer meinung bin als Klimke "), spricht 
geradezu gegen die benutzung der annalen des Fabius Pictor. 
Bei Livius und Dionys bildet das treffen am Cremerabache den 
schluss jenes hellenmürchens von dem feldzug der Fabier gegen 
die Etrusker: am Cremera sollen sie von den Veientern in einen 
hinterhalt gelockt und sámmtlich, 306 an der zahl, erschlagen wor- 
den sein bis auf einen knabea, der in Rom zurückgeblieben war 
und der dann das Fabische geschlecht fortpflanzte: Diodor dagegen 
erzählt, dass, als im veientischen kriege eine grosse schlacht am 
Cremera geschlagen wurde, die Römer besiegt und viele von ihnen 
erschlagen wurden und, wie einige schriftsteller be- 
richten, auch die 300 Fabier. Die sage von einem specialfeldzug 
der Fabier und dem untergang fast des ganzen geschlechts ist ohne 
zweifel ein product der Fabischen familienchronik und stand zuerst 
in dem werke des Fabius Pictor (Niebuhr, R. G. ll, 224. Vortr. 
I, 14. 263. Schwegler I, 15. 1, 745. Nitzsch R. A. 78. 226). 
Dieser Fabischen tradition steht nun scharf gegenüber die erzählung 
Diodors, die von einem sonderfeldzug der gens Fabia nichts weiss 
und die die schlacht am Cremera als eine allgemeine niederlage der 
Römer bezeichnet. Von der Fabischen legende nimmt Diodors gewährs- 
mann nur insoweit notiz, als er hinzufügt, unter den gefallenen Rö- 
mern hätten sich nach einigen schriftstellern auch die 306 (Diodor 
gibt die runde zahl 300) Fabier befunden. Diodors erzählung also, 
die sich in polemischer weise gegen die Fabische tradition wendet, kann 
unmöglich aus Fabius Pictor stammen ?). Dagegen sprechen auch die 


7) Klimke (p. 28) hat die bedeutung der stelle verkannt und sie 
falsch aufgefasst. Er will hier wieder ein missverständnis und eine 
flüchtigkeit Diodors annehmen: seine quelle habe die gewöhnliche tra- 
dition wiedergegeben und nur eine skeptisch-polemische bemerkung hin- 
zugefügt über die sage, dass nur ein knabe vom Fabischen geschlecht 
übrig geblieben sei; diese polemik habe Diodor falsch verstanden. 

8) Es kam mir hier nur darauf an, den gegensatz der Diodori- 


Diodoros. 15 


worte: wg paol rives tà Cvyygagéwy, welche eine für Fabius un- 
mögliche berufung auf vorgünger enthalten uud schwerlich auf Diodors 
rechnung zu setzen sind. Merkwiirdig ist die erklärung Mommsens 
(p. 257): „hat Fabius quellen angeführt, so berief er sich, wie 
dies Niebuhr nicht ohne wahrscheinlichkeit vermuthet bat, auf die 
leichenreden seines geschlechts‘. Also Fabius Pictor soll über die- 
sen veientischen krieg anders berichtet haben als die Fabische haus- 
chronik und die zig rw» ovyygagéwvr, die er citierte, sollen Fa- 
bische leichenreden sein! Wie sich Mommsen für diese behauptung 
auf Niebuhr berufen kann, verstehe ich nicht. Niebuhr spricht an 
der angeführten stelle (II, 224) nur die ganz richtige vermuthung 
aus, dass die gewöhnliche tradition von dem Fabischen feldzug ge- 
gen Veii wohl aus den Fabischen hausschriften stamme, und er 
weist dabei auf die erwähnung der von M. Fabius gehaltenen lau- 
datio hiu (Liv. 2, 47). 

Ueber Diodors erzühlung von der sendung des weihgeschenks 
nach Delphi (XIV, 93) hat Klimke (p. 24) das nótbige bemerkt. 
Dass unter den nach Clusium geschickten Römern auch bei Diodor 
Fabier zu verstehen sind, hat Mommsen ohne grund bestritten (s. 
ob. p. 4). Wie wenig endlich Mommsen berechtigt ist, in Diodors 
erzäblungen über den zweiten samoitischen krieg und über die 
kriegsthaten des Fabius Rullianus eine verherrlichung des Fabischen 
geschlechts zu erkennen, hat Klimke ausführlich dargelegt (p. 
25— 29). Schon die eine stelle über Fabius’ niederlage bei Lau- 
tulae (Diod. XIX, 72) muss jedem die überzeugung verschaffen von 
der unmüglichkeit, Diodors berichte auf Fabius Pictor zurückzu- 
führen, Nur der bericht über den feldzug des jahres 313/441 
scheint (aber auch nur scheint) auffallig: Diodor (XIX, 101) 
nennt den dictator Q. Fabius, bei Livius (9, 28) heisst er C. Poe- 
telius. Mommsen (p. 242 ff.) bezeichnet Diodors angabe als die 
echte überlieferung und die dictatur des C. Poetelius als eine fäl- 
schung der jüngeren annalisten. Aber der von ihm versuchte be- 
weis, dass die dictatur des C. Poetelius nur erfunden sei wegen 


schen relation zu der sonstigen unzweifelhaft Fabischen überlieferung 
hervorzuheben. Man wird aber auch leicht erkennen, dass die kurze 
notiz des Diodor, richtig aufgefasst, eine überlieferung enthült, die 
dem thatsächlichen hergang, wie ihn kürzlich O. Richter (Hermes 
XVII, 425 ff.) wahrscheinlich gemacht hat, ungleich näher steht als 
die gewóhnliche tradition. 





16 Diodoros. 


der lex Poetelia (aufbebung der schuldhaft), die von Varro de |. |. 
VII, 105 in das jahr 313/441 gesetzt wird, ist vollständig miss- 
lungen, da ja gerade Livius, der die lex Poetelia u. d. j. 326/428 
erwähnt, doch den dictator vom j. 313/441 C. Poetelius nennt). 
Uebrigens ist die annahme, dass Q. Fabius in diesem jabre dictator 
war, durch folgenden umstand ausgeschlossen: Q. Fabius, der zuerst 
315,439 die dictatur bekleidete, wird in den fasten erst wieder 
301/453 (dictatorenjahr) als dictator genannt und erhält dort vom 
chronographen von 354 die ziffer II, die sich auf ein consulat 
nicht beziehen kann, weil damals Fabius schon dreimal consul ge- 
wesen war. Demnach werden wir bei Diodor entweder ein ver- 
sehen oder eine corruptel anzunehmen haben. Klimke (p. 23 f.) 
macht letztere wahrscheinlich, er vermuthet, dass der name des 
dictators (C. Poetelius) ausgefallen und @aBsoc verdorben sei aus 
®ooAsog (M. Foslius), dem namen des magister equitum: diesen 
pflegt Diodor stets mitanzugeben. — Fabius Rullianus tritt bei 
Diodor an keiner stelle derart hervor, dass man auf Fabius Pictor 
als quelle schliessen kónnte. Vielmehr zeigt eine betrachtung der 
partien des Livius, in denen er von feldzügen des Fabius Rullianus 
erzühlt, und die vergleichung derselben mit den entsprechenden stel- 
len des Diodor, dass den livianischen berichten der fabische 
charakter aufgepragt ist. Die ganze geschichte des zweiten Samni- 
terkrieges bietet das bild einer grossartigen falschung zu gunsten 
jenes gefeiertsten helden des Fabischen geschlechts, eine falschung, 
die nur auf die Fabische hauschronik zurückgeführt werden kann 
und die durch das geschichtswerk des Fabius Pictor in die spä- 
teren annalen gelangt ist (Niebuhr, R. G. II, 9. Vortr. I, 14. 95. 


9) Was Mommsen (p. 248) gegen die dictatur des C. Poetelius ein- 
wendet, dass dieser Poetelius (der nur der sohn des cos. 894. 408. 428 
a. u. c. sein kann) niemals in den consularfasten vorkommt, da doch in 
jener zeit das consulat bereits die vorbedingung der bekleidung der 
dictatur war, ist hier nicht stichhaltig, da es sich m. e. nicht um eine 
dictatur rei ger. c. handelt. Es ist ganz undenkbar, dass dieser ganz 
unbekannte Poetelius als dictator in den krieg gezogen sein sollte zu 
einer zeit, wo so tüchtige feldherrn wie L. Papirius Cursor (zum fünften 
mal) und C. Iunius Bubulcus (zum zweiten mal) consuln waren. C. Poe- 
telius kann nur dict. clavi fig. c. gewesen sein, wie Livius (9, 28) aus 
andern wahrscheinlich älteren quellen erwähnt. (Hier also bietet auch 
Diodor nicht die unverfälschte tradition). Ganz unwabrscheinlich ist 
die erklärung G. F. Ungers (Philol. XXXII, 531 ff.), dass Poetelius als 
dict. rei g. c. den jahresnagel eingeschlagen habe. 


Diodoros. 17 


Schwegler I, 15). Livius selbst verkennt nieht den märchenhaften 
charakter der von ihm erzühlten geschichte und er macht seinem 
unwillen über die zahlreichen fälschungen in jenem bekannten stoss- 
seufzer luft (8, 40). Aber seine vorliebe für glänzende rhetorische 
darstellung verleitet ihn, trotzdem jene gefülschten aber pikanten 
Fabischen berichte den nüchternen wahrheitsgetreueren darstellungen 
anderer annalisten vorzuziehen. So bietet uns Diodor allein für 
einzelne partien des krieges interessante belege für die reaktion, 
die sich bei einigen annalisten gegen die systematische verfülschung 
der älteren römischen geschichte durch die familienchroniken gel- 
tend machte, aber leider nicht durchdrang. 

3. Zum beweis dafür, dass der politische standpunkt des Fa- 
bius Pictor für die nachrichten Diodors zutreffen, führt Mommsen 
(p. 284) drei stellen an: das urtheil über das volkstribunat (Diod. 
XII, 25, 3), die beurtheilung der nichtauslieferung der gesandten 
an die Galler (XIV, 113) und den bericht über die censur des 
Appius Claudius (XX, 36). Aber keine dieser stellen zeigt eiue 
tendenz, die dem politischen charakter des Fabischen geschichts- 
werkes entsprechen würde. Die urtheile verrathen nicht einen 
schriftsteller von streng conservativer gesinnung, als welchen wir 
uns nach dem muster des Fabius Maximus den ältesten annalisten 
Roms vorstellen müssen; sie lassen einen schriftsteller vermuthen, 
der allerdings ein anhünger der senatspartei war, aber kein geg- 
ner des volkes und des volkstribunats; sie lassen einen, man móchte 
beinahe sagen, unparteiischen mann erkennen, der die extreme und 
auswüchse beider parteien in gleicher weise hasste und verur- 
theilte. Auf der einen seite scheut er sich nicht, den hochmuth 
und adelsstolz der patricier hervorzubeben (XII, 25: sovzo d’ 
Ingafay ramıımwonı Ontvdovrg thy tu nutgixlwv vreQoyrv: of 
yuo ürdgss ovros dia te Tv eùytverav xoi TO péyedog tig ix 
Reoydvwy avtoig magaxodovIovons dokn; woel Tives xvQuos tic 
modewg vañoyor) und verherrlicht die institution des volkstribunats 
(ib. zovzoug vnagzew otoved guluxug ng 10v modlitwy edevPeglas, 
eine auffassung vom volkstribunat, wie sie ein Fabier zur zeit des 
hannibalischen krieges schwerlich hatte); andererseits tadelt er das 
volk wegen seiner übergriffe in das gebiet der auswärtigen po- 
litik, iudem es den beschluss des senats auf auslieferung der ge- 
sandten on die Galler umstiess (XIV, 113: o uiv ovv diuos xrd.). 

Philologus. XLII. bd. 1. 2 





18 Diodoros. 


Mit recht bemerkt Thouret (a. a. o. p. 166), dass dieser satz, 
der die omnipotenz des senats verlangt, am besten den ansichten 
derjenigen senatspartei entspricht, die zur zeit der Gracchen be- 
stand, er erinnert an den ganz analogen fall der auslieferung des 
Q. Pompeius (139/615), die vom senat beschlossen und von den 
comitien verhindert wurde. Am allerwenigsten aber passen zu dem 
politischen standpunkt der Fabier die urtheile bei Diodor über den 
censor Appius Claudius. Der bericht hebt allerdings tadelnd ber- 
vor, dass Appius ein grosser neuerer war und ungesetzlichkeiten 
besonders gegen den senat sich erlaubte, zugleich aber wird dem 
censor wegen seiner heilsamen massregeln unverboblen lob gespen- 
det: avrov dé prnptioy adavurov xaréliner, Es xowi)v eUyonomnar 
giAozsundels. Der ganze ton der darstellung lässt erkennen, dass 
der verfasser die heftige patricische opposition gegen Appius’ re- 
formen, an deren spitze ein Fabier stand, keineswegs in 
allen punkten billigt. Unverkennbar ist die feine ironie in den 
worten, mit welchen der unwille der gegner über Appius’ neue- 
rungen bezeichnet wird: ég' ol; Bagéwo Eysgov of xuvyupevos 
vaig sbyevelosc. Ist es denkbar, dass Fabius Pictor so von seinen 
standesgenossen gesprochen? Mit der politik des Fabius Rullianus, 
des entschiedensten gegners der Appischen reform, — und diese 
politik hat Fabius Pictor sicherlich gebilligt — verträgt sich eine 
anerkennung der leistungen des Appius Claudius in dieser form 
in keiner weise, Wie ganz anders nimmt sich die von grimmigem 
hass gegen Appius’ thätigkeit erfüllte livianische schilderung aus, 
die so recht aus dem geiste der opposition gegen die massregeln 
des censors heraus geschrieben ist. Nicht Diodors sondern Livius' 
darstellung entspricht dem charakter der Fabischen annalen. — 
Somit sind alle von Mommsen angeführten gründe, wie ich glaube, 
genügend widerlegt. Vielleicht wird man nun endlich aufhören, 
von Fabius Pictor als quelle Diodors zu sprechen. 

Gegenüber dieser lange zeit allein geltenden ansicht hatte 
schon O. Clason (Heidelb. jahrb. 1872, p. 835 ff.) die vermuthung 
ausgesprochen, dass Diodor die annalen des Calpurnius Piso 
benutzt habe. Seine gründe aber waren nicht ausreichend, um 
anderen die vermuthung plausibel zu machen. Nur Thouret 1°) in 
seiner untersuchung über den gallischen brand fand ebenfalls, dass 
als die passendste quelle für Diodors bericht über dies ereignis 


Diodoros. 19 


Piso bezeichnet werden muss, Klimke hat nun die richtigkeit der 
Clasonschen vermuthung in einer wie mir scheint überzeugenden 
weise dargethan. Auf Piso passt am besten der allgemeine cha- 
rakter und die politische tendenz der Diodorischen nachrichten. 
Mit den anderweitig überlieferten fragmenten des Calpurnius treten 
die berichte Diodors nirgends in widerspruch. Vielmehr weisen 
mehrere stellen positiv darauf hin, dass wir bei Diodor excerpte 
aus Piso’s annalen vor uns haben. Am klarsten beweist dies die 
angabe über die vermebrung der zahl der volkstribunen (Diod, XI, 
68). Von den annalisten berichtete allein Piso, dass es anfangs 
nur zwei tribunen gab und dass erst im j. 471/283 ihre zahl auf 
fünf erhöht wurde; er allein nannte auch die namen der damals 
gewählten fünf tribunen. Dasselbe berichtet nun Diodor und die 
übereinstinmung mit den worten des Piso, die Livius (2, 58) an- 
führt, ist eine vollständige. Hierbei ist dem fehlen des letzten 
tribunen und der zahl :frragec bei Diodor keine bedeutung beizu- 
messen. Wer den verderbten zustand des Diodortextes kennt, wird 
leicht zugestehen, dass der name L. Mecilius wegen der ähnlichkeit 
mit dem unmittelbar voranstehenden Icilius ausgefallen und die ur- 
sprüngliche zahl mévie nachträglich in z£zragec geändert ist (Schweg- 
ler 11, 550, a. 2. Klimke p. 35). Auch Mommsen sah früher in Diodors 
worten nichts als eine gewöhnliche corruptel (R. staatsr. 11?, 263). 
Jetzt hat er, um diesen vollgültigen beweis für Piso als quelle 
Diodors zu beseitigen, die zahl vier als richtig und als echte uud 
ältere überlieferung bezeichnet (R. F. Il, 338 a.), worin ihm wohl 
kaum jemand folgen wird. 

Die benutzung der annalen des Piso wird, wie Klimke ge- 
zeigt hat, ausserdem bewiesen durch die übereinstimmung des Dio- 
dor in seinen berichten über die censur des Appius Claudius und 
die letzten jabre des zweiten Samniterkrieges (XX, 36. 90. 101.) 
mit Livius, der am ende des neunten buches (c. 44— 46) Piso ge- 


10) Thouret ist der meinung, dass Diodors gewührsmann die ge- 
wöhnliche tradition über die gallische katastrophe bereits gekannt 
und sie an der hand eines ülteren und besseren materials von den 
offenbarsten erfindungen zu befreien gesucht habe. Ich habe bereits 
oben der gleichen ansicht Klimke's gegenüber meinen zweifel ausge- 
sprochen. Deshalb erscheint mir auch Thourets vermuthung, dass 
die vulgata &uf den annalisten C. Acilius zurückgehe, mindestens 
sebr zweifelhaft. 


2* 





20 Diodoros. 


folgt ist. Die worte, mit denen Diodor seine schilderung der 
censur des Appius Claudius schliesst (0 d’ "Anmiog to aeyns ano- 
Audeig xa tov ano ig ouyxAfrov g9Ovoy eviufindFeis meocenosnFn 
tupidg elvas xai xar! olxluv Euevev), erklärt Klimke (p. 33. 37) 
als rationalistische auslegung der erzählung von Appius’ blindheit 
im anschluss an die tradition, dass Appius Claudius als consul 
307/447 in Rom geblieben sei (Liv. 9, 42: creatus consul... . 
Romae mansit). Die vermuthung erscheint begründet: die erblin- 
dung des censors, die nach der gewöhnlichen überlieferung als 
göttliche strafe für die neuerung in betreff des opfers der Potitier 
an der ara maxima (Liv. 9, 29, 9) angesehen ward, mochte dem 
rationalistisch !!) angehauchten Piso wenig glaublich erscheinen, da 
Appius auch später noch hervortritt und als consul 296/458, als 
prätor 295/459 selbst in den krieg zieht. Ob aber damit, wie 
Klimke meint, die auslassung der eponymencollegien von 307/447 
und 306/448 (Liv. 9, 44) in verbindung steht, erscheint mir sehr 
zweifelhaft: der ausfall des collegiums von 306/448 ist ja gar 
nicht damit erklärt. Vielleicht bewogen ihn chronologische gründe 
zur streichung der beiden consulate. Indess wichtiger ist hier für 
uns die frage, woher Diodor (XX, 45. 73) die beiden collegien 
genommen, die nach Livius' zeugnis bei Piso fehlten. Denn Diodor 
hat nach allgemeiner annahme seine fasten aus der von ihm be- 
nutzten historischen quelle abgeschrieben. Mommsen (p. 338 a.) 
konnte daher den umstand, dass die von Piso ausgelassenen colle- 
gien bei Diodor nicht fehlen, als argument gegen Clasons annabme 
anführen. Klimke (p. 37) meint nun, ein aufmerksamer leser habe 
die beiden consulate in das werk des Piso eingetragen und ein 
so corrigiertes exemplar habe Diodor in hünden gehabt. Nach 
meiner meinung bedarf es dieser erklürung nicht. Diodor hat 


11) Mit recht führt Klimke (p. 33) als beweis für den rationa- 
lismus der quelle Diodors auch die notiz über die veranlassung des 
einfalles der Sennonen an (XIV, 113). Auch p. 8 bemerkt er, dass 
mit diesen worten ein rationalistischer offenbar gegen die sage (von 
dem Clusiner Lucumo) gerichteter grund ihrer auswanderung ange- 
geben wird. Dann aber fügt er hier hinzu: „dass dann Diodor die 
sage selbst nicht abschrieb, darf bei der anlage seines werkes nicht 
wunder nehmen“. Auch dieser satz ist hervorgegangen aus des ver- 
fassers neigung, Diodors bericht möglichst mit der vulgata zu verei- 
nigen. enbar hatte Piso selbst die sage übergangen, gleichviel ob 
er sie kannte oder nicht. 


Diodoros. 21 


nàmlich seine consularfasten nicht seiner histori- 
schen quelle entnommen, sondern neben dieser hat 
er ein fastenverzeichnis benutzt!?), aus dem er jahr für 
jahr die namen der römischen eponymen notierte, so wie er aus 
einem griechischen eponymenverzeichnis die namen der attischen 
archonten abschrieb, 

Die annahme von der benutzung der Pisonischen annalen durch 
Diodor wird von Klimke auf die ältere republikanische zeit be- 
schränkt: sie kann als sicher gelteu für den zeitraum von 486 
bis 304 v. Chr., der in den vollständig erhaltenen büchern XI—X X 
behandelt ist. Schwieriger ist die frage nach der quelle für die 
geschichte der römischen kónigszeit, aus welcher nur ein- 
zelne fragmente erhalten sind. Piso ist ausgeschlossen wegen Diod. 
X, 1, wo Tarquinius Superbus als sohn des T'arquinius Priscus erscheint, 
wührend ihn Piso zu dessen enkel machte. Die fragmente aus der 
kónigsgeschichte machen überhaupt den eindruck, als ob sie aus 
einer ganz andern quelle stammten als die nachrichten aus der re- 
publikanischen zeit. Bemerkenswerth ist bei einigen fragmenten 
des achten und zehnten buches (nicht des siebenten) die übereinstim- 
mung mit Dionys: man vergleiche z. b. Diod. VIII, 25 mit Dion. 
9, 1 ff, Diod. X, 1 mit Dion. 4, 38, Diod. X, 20 mit Dion. 4, 
64 15), Diod. X, 22 mit Dion. 4, 42. 68. Klimke (p. 39) fol- 
gert aus der ähnlichkeit eines fragments (Diod. VII, 31) mit Po- 
lybius (VI, 2), dass Diodor für die kónigszeit Polybius benutzt 
babe. In der that scheint Polybius (in einer episode des sechsten 
buches) die vorgeschichte Roms und die königszeit mit derjenigen 
ausführlichkeit behandelt zu haben, die unserem Diodor für seine 
zwecke genügen konnte. Das beweisen nicht nur die wenigen 
fragmente, sondern auch die ausfübrungen Ciceros im zweiten buch 
de republica, dessen quelle wohl hauptsüchlich Polybius war. Auch 
würde zu Klimke's annahme vortrefflich der umstand passen, dass 
Diodor in den beiden chronologischen hauptdaten der älteren römi- 
schen geschichte mit Polybius übereinstimmt, in der ansetzung von 
OI. 7, 2 (750) als gründungsjahr Roms und in der fixierung der 


12) Diese ansicht verdanke ich meinem lehrer Carl Neumann. 

13) Sextus Tarquinius erscheint als ältester sohn des königs bei 
Diodor (vgl. die worte x«i yervjoso9as facidsocar) wie bei Dionys 4, 
55. 64. 65 und Cic. de rep. II, 25, 46, wührend er von Livius (1, 53) 
und Ovid. Fast. II, 691 der jüngste genannt wird. 





22 Diodoros. 


einnahme Roms durch die Galler in Ol. 98, 2 (387). Einen 
punkt jedoch hat Klimke iibersehen, der gegen die aunahme von 
der benutzung des Polybius ins feld geführt werden kónnte. Unter 
den fragmenten des Diodor findet sich auch das verzeichnis der 
albanischen könige (VII, 3), und dies steht mit der gründungsge- 
schichte Roms in so enger verbindung, dass es nicht leicht davon 
losgelést werden kann. Wenn nun die vermuthung Niebuhrs (R. 
G. I, 226), welcher Mommsen (R. chron.’ p. 156) beigestimmt und 
Schwegler (1, 345) nicht geradezu widersprochen bat, dass die 
albanische königsliste eine erfindung sehr jungen datums sei und 
vielleicht von Alexander Polyhistor herrühre, begründet ist, so ist 
entweder die annahme von der benutzung des Polybius durch Dio- 
dor hinfällig (man könnte in diesem falle an eine quelle denken, 
die hauptsüchlich auf Polybius fusste) oder es müsste wenigstens 
angenommen werden, dass Diodor für die königszeit neben Poly- 
bius noch eine zweite quelle gehabt hat. Die hypothese, dass das 
albanische kónigsverzeichnis den älteren annalisten unbekannt ge- 
wesen, bedarf nun zwar eiues stürkeren beweises, als ihn die nichts- 
sagende notiz bei Serv. z. Aen. 8, 330 (hic (Livius) Alexandrum 
sequitur) bietet. Jedenfalls aber glaube ich nicht, dass bei Poly- 
bius die albanischen kónige aufgezühlt waren. Ich halte besonders 
wegen der übereinstimmung mit Dionys die quelle Diodors iu der 
kónigsgeschichte für eine jüngere. 
Breslau. Leopold Cohn. 
Virgilius. 
Aen. Il, 210 haben die handschriften : 

Corripit Aeneas extemplo avidusque refringit 

Cunctantem et vatis portat sub tecta Sibyllae. 
Der widerspruch mit v. 145: 

Ergo alte vestiga oculis et rite repertum 

Carpe manu: namque ipse volens facilisque sequetur 
liegt auf der hand. Man hat denselben dadurch zu heben gemeint, 
dass man cunctantem als aus dem sinne des leidenschaftlich er- 
regten Aeneas gesagt auffasste. Peerlkamp dachte an adductam 
oder cedentem, war aber selbst mit dieser änderung nicht zufrieden. 
Näher kommt den handschriften nutantem, wozu stellen zu ver- 
gleichen sind, wie Catull 64, 20: nutantem platanum, Ovid. A. A. 
11, 136: rami pondere nutant. Aen. Il, 629: illa usque minatur 
et tremefacta comam concusso vertice nutat. IX, 678: geminae 
quercus . . . sublimi vertice nutant. Juven. Ill, 256: nutant altae 


(arbores) populoque minantur. 
Greiffenberg. Ludwig Schmidt. 


> 


OUT "nn —— 


Ueber die echtheit der plutarchischen schrift 
de Herodoti malignitate. 


Die noch immer nicht beseitigten, sondern gerade neuerdings 
wieder haufiger auftretenden zweifel an der echtheit der dem Plu- 
tarch zugeschriebenen abhandlung de Herodoti malignitate !) sind 
wohl in erster linie veranlasst worden durch die frage, was den 
sonst wohlwollenden und edel denkenden Plutarch dazu bewogen 
baben mag, gegen Herodot eine so gehüssige polemik zu führen. 


1) Den ersten zweifel an der autorschaft Plutarchs üusserte Creu- 
zer, Herodot und Thukydides, Leipzig 1798, vorerinnerungen p. IV. 
Mit bestimmtheit stellten hierauf dieselbe in abrede Bahr (in der 
ersten auflage seiner Herodotausgabe zu Herod. V, 63, 1 und 66, 4 
und in Paulys Realencyclopädie III, p. 1251) und Roscher (Klio I, 98, 
note 1), ohne jedoch ihre ansicht nüher zu begründen. Zum ersten 
male wurde die frage nach dem verfasser unserer schrift einer gründ- 
lichen erórterung unterzogen in einer von der Góttinger universitát 
gekrónten preisschrift von G. Lahmeyer: De libelli Plutarchei, qui de 
malignitate Herodoti inscribitur , et auctoritate et auctore, Gottingae 
1848, p. 81—102. Lahmeyer gelangte auf grund verschiedener indi- 
cien zu dem resultat, dass die autorschaft Plutarchs nicht dem ge- 
ringsten zweifel unterliege. Ihm schlossen sich an Duncker, Gesch. 
d. alterthums, bd. 4, 2te aufl., p. 665, note 1, Curtius, Griech. gesch., 
bd. 2, 4te aufl., p. 804, note 47, A. Schäfer, Abriss der quellenkunde 
der griech. gesch., 2te aufl, p. 23 und Bauer, Die entstehung des he- 
rodot. geschichtawerkes, Wien 1878, p. 155. Bahr beharrte indessen 
bei seiner früheren behauptung, indem er Lahmeyers argumente zu 
widerlegen und gleichzeitig seine bedenken gegen die echtheit zu be- 

nden suchte (in seiner recension der Lahmeyer'schen abhandlung 
in den Jahrb. f. philol., bd. 54, jahrgang 1848, p. 115—126 und in 
der 2ten auflage seiner Herodotausgabe, bd. 4, p. 480-482). Der an- 
sicht Báhrs trat bei Rawlinson in seiner Herodotausgabe bd. 1, p. 19, 
wübrend Dóhner die schrift wenigstens als sehr verdüchtig bezeich- 
nete (Quaest. Piut. particula III, Misenae 1862, p. 52). Neue gründe 





24 Plutarchos. 


Diese frage ist von Lahmeyer ?) zu wenig berücksichtigt worden ) 
woraus es sich erklart, dass andrerseits die von ibm für die echt- 
heit geltend gemachten argumente bei den gegnern nicht die ge- 
bührende beachtung fanden. Da abgesehen von jenem bedenken 
auch noch andere gründe gegen die autorschaft Plutarchs ange- 
führt worden sind, die eine nühere prüfung erfordern, so dürfte es 
wohl nicht überflüssig sein, die untersuchung von neuem aufzu- 
nehmen. Es wird sich hierbei zunächst ergeben, dass gerade Plu- 
tarch besondere veranlassung hatte, auf Herodot erbittert zu sein. 
Sodann werden wir sehen, dass die gegen die echtheit unserer 
schrift erhobenen einwendungen nicht beweiskrüftig sind, während 
andrerseits die für die autorschaft Plutarchs geltend gemachten 
gründe sich der art verstürken lassen, dass jeder zweifel schwin- 
den muss. 

Nach dem oben gesagten handelt es sich vor allem darum, 
zu ermitteln, wodurch Plutarch zu jenem heftigen augriff gegen 
Herodot veranlasst werden konnte. Einen grund hierfür hat be- 
reits Lahmeyer p. 97 ff. angeführt. Er vermutbet nämlich nach 
Niebuhrs *) vorgang, Plutarch sei zu seiner polemik gegen Herodot 
dadurch bestimmt worden, dass der letztere bei der darstellung der 
Perserkriege die Bóoter in ein ungünstiges licht setze. Aus liebe 
zu seinen landsleuten habe Plutarch es unternommen, dieselben ge- 
gen die von Herodot erhobenen anschuldigungen zu vertheidigen. 
Hiergegen wendet Hübler Quaest. Plut.5) p. 11 ein, dass sich bei 


gegen die echtheit wurden spüter beigebracht von Hübler im ersten 
theile seiner Quaestiones Plutarcheae, Lipsiae 1873. Auch A. Schmidt, 
Das perikleische zeitalter, bd. 2, p. 276 stellt die autorschaft Plu- 
tarchs in abrede, indem er sich eine nühere begründung in seinen 
hoffentlich demnächst erscheinenden plutarchischen studien vorbe- 
hält. — Offen lassen die frage nach der echtheit Volkmann, Leben 
und schriften des Plutarch v. Chüronea, bd. 2, p. 841 ff. und Heinze 


in seiner recension der Häbler'schen abhandlung in Bursians Jahres- ‘ 


bericht I, p. 837. Auch H. Stein, Nitzsch, Wecklein und Busolt 
scheinen, wie man aus ihren gelegentlichen erwühnungen unserer 
schrift folgern móchte, die autorschaft Plutarchs zum mindesten in 
sweifel zu ziehen. 

2) S. note 1. 

9) Dies wird bereits hervorgehoben in dem urtheil der Góttinger 
philosophischen facultät: ne slud quidem satis explicavit, quomodo 
fieri: potuerit, ut historiae pater tot criminationibus locum daret. Vgl. 
ausserdem die recension Bährs a. a. o. p. 126. 

4) Vortrige über alte geschichte I, 388. 

5) Vgl. note 1. 


Plutarchos. 25 


Plutarch nirgends zeichen eines entschiedenen localpatriotismus fin- 
den, nicht einmal im leben des Pelopidas, wo man solche am mei- 
sten erwarten sollte. Diese behauptung ist durchaus unrichtig. 
Wer die biographie des Pelopidas durchliest, wird im gegentheil 
den eindruck empfangen, dass Plutarch für diesen helden eine ganz 
besondere sympathie hatte. Mit welcher liebe Plutarch an seinem 
engeren vaterlande hing, sieht man auch daran, dass er in seinen 
moralisch-philosophischen abhandlungen von niemandem lieber spricht 
als von Epaminondas, Das warme interesse, welches er speciell 
für seine vaterstadt Chäronea hatte, zeigt sich in der hingebung, 
mit der er daselbst verschiedene öffentliche ämter bekleidete 9). 
Man wird es demnach sehr erklürlich finden, wenn Plutarch sich 
durch die den Bóotern ungiinstige darstellung Herodots empfindlich 
berührt fühlte, und zwar um so mehr, wenn man erwügt, dass die 
anschuldigungen Herodots wenigstens zum theil ungegründet sind 7). 

Mit dieser erklürung hat sich indessen Bäbr nicht zufrieden 
gegeben. Er meint (Jahrb. f. phil. 54, p. 126), Plutarch kónne 
nicht von so blinden vorurtheilen geleitet gewesen sein, dass er 
aus liebe zu seiuer heimath sich zu einer solchen schmühschrift 
hatte verleiten lassen. Auch ich bin der ansicht, dass gekrünkter 
patriotismus allein Plutarch schwerlich zu dem angriff auf He- 
rodut bewogen ‚haben würde; wir werden jedoch denselben voll- 
ständig erklärlich finden, wenn wir erwägen, dass beide schrift- 
steller über verschiedene wichtige punkte ganz entgegengesetzte 
ansichten hatten. 

Eine hauptdifferenz zwischen Plutarch und Herodot hat darin 
ibren grund, dass der erstere seine biographien nicht zur histori- 
schen belehrung seiner leser schrieb, sondern zu einem rein ethi- 
schen zwecke. Er wollte seine leser dadurch sittlich heben, dass 
er in ihnen begeisterung erweckte für die grossen helden der ver- 
gangenheit und sie veranlasste, sich dieselben zu vorbildern zu 
nehmen. Er war daher bestrebt, die schôusten charakterzüge und 
thaten der einzelnen helden hervorzuheben, dagegen das schlechte, 


6) Vgl. Volkmann, Leben u. schriften Plutarchs I, 52 und Plu- 
tarchs eigene üusserung in den praecepía rei publicae gerendae c. 15. 

7) Es möge hier genügen, auf die abhandlung von Wecklein über 
die tradition der Perserkriege (in den sitzungsberichten der K. Bair. 
ak. d. wiss. zu München 1876, philos.-philol.-hist. cl. p. 308 ff. zu 
verweisen. 





26 Plutarchos. 


welches ihnen anhaftete, mehr in den hintergrund zu drängen. Er 
ist überhaupt der ansicht, dass man die fehler, die jemand aus lei- 
denschaft oder aus politischer nothweudigkeit begangen habe, nicht 
als böse handlungen ansehen solle, die aus schlechter gesinnung 
hervorgegangen seien, sondern als zeichen einer mangelhaften und 
unvollkommenen tugend. Man solle daher dieselben in der erzüh- 
lung weder übermüssig noch allzu gerne hervorheben, sondern viel- 
mehr mit dem gefühle der scham darüber, dass die menschliche 
natur nichts vollkommen schónes und tadelloses hervorbringe (Ci- 
mon 2). Ganz anders war das verfahren Herodots, der ohne wei- 
tere rücksichten das berichten zu müssen glaubte, was überliefert 
war, auch wenn es ihm nicht glaubwürdig schien *). Man sieht 
hieraus, dass Plutarch ein schlimmes vorurtheil gegen Herodot fas- 
sen musste, sobald er dem irrthum verfiel, dass die principien, die 
er in seinen biographien befolgte, auch für den geschichtschreiber 
geltung haben müssten?) Nun könnte freilich eingewendet wer- 
den, dass hierdurch eine besondere abneigung Plutarchs gegen He- 
rodot noch nicht bedingt sein würde; denn es haben sich doch 
auch andere geschichtschreiber nicht an den von Plutarch aufge- 
stellten grundsatz gehalten. Bei Herodot kamen indessen, abge- 
sehen von seiner den Bóotern ungünstigen darstellung , noch ver- 
schiedene andere umstünde hinzu, die geeignet waren, die abneigung 
Plutarchs zu verstürken. 

Vor allem war es sehr leicht möglich, dass Plntarch an der 
von Herodot gegebenen durstellung der Perserkriege anstoss nahm. 
Da nämlich spätere antoren die erfolge der Griechen bedeutend 
übertrieben 19) und manche ihnen weniger zum rubme gereichende 

8) VII, 152: àyo di ogeilo Adyam ta deydueva, neideadai ys uiv 
où navtanaos ogeilw, xai pos zovıo to Inog byétw ic ndvra doyor. 

9) Hierauf weist auch Volkmann IT, 340 hin: „daher (wegen sei- 
ner optimistischen beurtheilung) war Plutarch von vornherein gegen 
jeden historiker eingenommen, der minder schonend mit den fehlern 
der von ihm geschilderten helden umging, ja das mangelhafte der- 
selben wohl geflissentlich in den vordergrund zu stellen schien. Denn 
dies betrachtete er als den ausfluss einer feindseligen, boshaften ge- 
sinnung und für letztere konnte ihm weder die künstlerische vollen- 
dung der darstellung noch die genauigkeit und vollständigkeit der 
historischen details einen ersatz bieten". Ich fibre diese bemerkung 
um so lieber an, weil Volkmann zu denen gehört, die die echtheit 
der schrift de Herodoti malignitate bezweifeln. Vgl. note 1 


10) Man vergleiche z. b. über die verluste der Perser bei Mara- 
thon Herod. VI, 115 und 117 mit Justin II, 9, 20 and über den 


Plutarchos. 27 


thatsache verschwiegen, so konnte dies leicht den eindruck machen, 
dass Herodot die grossen thaten der Hellenen absichtlich verklei- 
| mert habe. 

Ferner muss in betracht gezogen werden, dass Plutarch, ob- 
wohl er im anschluss an Plato zu einer philosophischen weltan- 
schauung zu gelangen suchte, es doch nicht über sich gewinnen 
konnte, mit den alten religiósen überlieferungen zu brechen, son- 
dern vielmehr bestrebt war, dieselben mit seinen philosophischen 
ansichten in einklang zu bringen !). Wo es nur irgend thunlich 
ist, nimmt er den zízQiog Aoyog gegen die wider ihn gerichteten 
angriffe in schutz !?). Hier befindet er sich wiederum in mancher 
hinsicht in widerspruch mit Herodot. Das zweite buch des Herodot 
enthalt sehr viele stellen, in denen der geschichtschreiber als an- 
hanger der ügyptischeu lehren und als verüchter des griechischen 
glaubens erscheint 1%). Die zeugnisse griechischer dichter werden 

| von Herodot den lehren ügyptischer priester gegenüber mit unver- 
kennbarer geringschützung behandelt !4). Musste der gläubige Plu- 
tarch, der gerade auf jene zeugnisse besonders viel hielt !°), hieran 
nicht den ürgsten anstoss nehmen? 

Nicht weniger mochte es ihn verstimmen, dass die Pythia, die 
er für ein werkzeug des delphischen gottes lielt!9) und deren 

aussprüche ihm für unbedingt wahr gelten mussten, bei Herodot 
nicht allein menschlicher überredung, sondern auch geradezu der 
bestechung zugänglich erscheint 7). Eine herabwiirdigung des del- 


kampf bei den Thermopylen Herod. VII, 223 mit Diod. XI, 10 = 
de Her. mal. 32. Dass mancher den Hellenen überhaupt oder einem 
einzelnen griechischen stamme ungünstige zug der herodoteischen 
darstellung in späteren berichten getilgt ist, werden wir unten sehen. 


11) S. Volkmann II, 249 ff. und Gréard, De la morale de Plu- 

tarque, 2me édition, Paris 1874, p. 308. 

12) Volkmann II, 254 ff. 

13) Vgl. besonders Bauer, Die entstehung des herodotischen ge- 
schichtswerkes p. 45 ff., wo eine grosse anzahl derartiger stellen an- 
geführt wird. 

14) Wie wenig die angaben eines Homer und Hesiod im ver- 
gleich zu der ägyptischen überlieferung für Herodot in betracht kom- 
men konnten, sieht man namentlich aus II, 50—53. 

15) Vgl. Amatorius c. 18: mc d’ ovv negi Sede donc xai navia- 
nacıy nyeudves xai didáoxalos ysyovaciv uw of te nosmrai xai ob 
vouoS9éras xai toitov ol prldcogos. 

16) Vgl. De Pythiae oraculis c. 21. 

17) S. VI, 66 und V, 63 und 90. 





28 Plutarchos. 


pbischen orakels musste Plutarch auch deswegen ganz besonders 
verletzen, weil er an demselben als priester angestellt war 1°). 

Auch die heftigkeit des gegen Herodot gerichteten angriffes 
darf nicht wunder nehmen, wenn man bedenkt, dass Plutarch auch 
sonst manchmal schonungslos mit angesehenen schriftstellern um- 
geht. Zum beweis hierfür mógen dienen die bemerkungen über 
Ktesias (Artaxerxes 13), Philistos (Timol. 15 fin.) und Timäos 
(Nic. 1 und Dio 36). 

Den entschluss, gegen Herodot aufzutreten, konnte Plutarch 
um so eher fassen, als ihm hierin schon ziemlich viele schriftsteller 
voran gegangen waren. Ktesias wagte es, Herodot geradezu als 
lügner hinzustellen 19), wührend Manetho nachzuweisen suchte, dass 
er in der darstellung der ägyptischen geschichte sich häufig aus 
unkenntniss habe irrthümer zu schulden kommen lassen ??). Diyllos 
und der Bóoter Aristophanes werfen ihm sogar geradezu bestech- 
lichkeit vor ?!). Wir müssen aber wohl annehmen, dass auch sonst 
noch viele angriffe gegen Herodot gerichtet wurden; bezeichnet 
ihn doch Josephos (g. Apion I, 3) als einen autor, gegen den alle 
späteren geschichtschreiber polemisirt hätten. Dass unser verfasser 
eine nicht geringe anzahl von schriftstellern kannte, die Herodot 
bekümpften, sieht man aus c. 26 fin.: anuyyellag de mv &v Ma- 
ud uaygny 6 ‘Hoodoros, wo uiv ob wisioros Alyovas, 
zul tw vexowy 10 dosduo xadetde to Egyov **). 

Hiermit wäre zur genüge dargethan, durch welche umstünde 
Plutarch zu einem angriff auf Herodot bewogen werden konnte. 
Fassen wir nun die übrigen gegen die echtheit unserer schrift vor- 
gebrachten bedenken ins auge. Bahr, Jahrb. f. phil. 34, 124 halt 
die schrift für „ein gänzlich verfehltes und verunglücktes, oft in 


18) Volkmann I, 54. Zu den dort angeführten belegen kommt 
noch An seni c. 17, aus welcher stelle hervorgeht, dass Plutarch sein 
delphisches priesterthum eine lange reihe von jahren hindurch be- 
kleidete. 

19) S. Photius bibl. 72. 

20) Vgl. Joseph. g. Ap. I, 14: nolld roy 'Hoódorov làéyye muy 
Aiyunnaxay bn’ ayvoias lyavauévov. Nach Et. Magn. 8. v. Asovroxöuog 
und Eustath. ad Hom. Il. 4, 480 verfasste Manetho eine besondere 
schrift 1ooc *Hoódotov. 

21) de Herod. mal. 26 und 31. 

29) Bühr ist also im irrthum, wenn er jahrb. f. Philol. 54, p. 120 
glaubt, dass die schrift de Herodots malignitate durch die neuheit ihres 
stoffes habe aufsehen erregen sollen. 


Plutarchos. 29 


der that lüppisches machwerk“, welches man einem Plutarch nicht 
beilegenediirfe. Er meint, die abhandlung lasse „keineswegs die 
belege der vielfachen belesenheit und gelehrsamkeit dieses schrift- 
stellers, des reichthums und der fülle von citaten anderer schrift- 
. steller, namentlich auch der dichter, erkennen“. Was zunächst den 
reichthum an citaten betrifft, so ist an solchen in unserer schrift 
durchaus kein mangel Von geschichtschreibero werden genannt: 
Charon von Lampsakos (c. 20 und 24), Hellanikos (36), 'T'huky- 
dides (3, 5 und 39), Philistos (3), Ephoros (5 und 36), Theo- 
pomp (1), Dionysios von Chalkis (22), Diyllos (26), der Böoter 
Aristophanes (31 und 33), Nikander von Kolophon (33), Antenor 
von Kreta (22), ferner der sonst nirgends erwühnte Lysanias von 
Mallos (24) und der ebenfalls unbekannte Laokrates von Sparta 
(35 fin), endlich naxische Horographen (36). Ferner werden citirt 
die philosophen Plato (1) und Aristoxenos (9) und die dichter Ho- 
! mer, Hesiod, Archilochos, Pisander, Stesichoros, Alkman, Pindar 
(14), Simonides (36 und 42), Sophokles (1) und Aristophanes (6). 
Die anzahl der citirten autoren 7°) ist also keineswegs so gering, 
dass man berechtigt wire, an der autorschaft Plutarchs zu zwei- 
feln. Bahr hält freilich p. 122 diese citate nur für ein mittel, um 
den mangel an belesenhenheit und gelehrsamkeit zu ersetzen; dass 
dem verfasser beides abgeht, hütte aber erst von Bahr bewiesen 
werden müssen. Einige historische studien muss er doch wohl ge- 
macht haben; sonst hatte er die zahlreichen zeugnisse und that- 
sachen, die er gegen Herodot ins feld führt, unmüglich alle bei der 
band baben kinnen 24). Wir können natürlich nicht mehr aus- 
machen, in wieweit der verfasser die einzelnen von ibm angeführten 
autoren durch eigene lectüre kannte; soviel ist indessen sicher, 
dass er im Thukydides und im Ephoros wohl zu hause war °°), 


23) Nicht citirt, aber benutzt ist Xenophon. Vgl. c. 26 fin. mit 
Xenoph. Anab. III, 2, 12. 

24) So lüsst z. b. die behauptung, dass die Spartaner sehr hüufig 
zu beginn eines monats einen feldzug unternommen oder eine schlacht 
geliefert hátten (c. 26 in.), auf einige kenntniss der spartanischen ge- 
schichte schliessen. Auch darf nicht ausser acht gelassen werden, 
dass der verfasser selbst in einer besonderen schrift über die vertrei- 
bung der tyrannen aus verschiedenen griechischen staaten gehandelt 
hatte (c. 21). 

25) Dass der verfasser im Thukydides bewandert war, sieht man 
nicht nur aus den namentlichen erwühnungen in c. 3, 5 und 39, son- 
dern auch aus anderen stellen. C. 2 wird bemerkt, es sei boshaft, 





30 Plutarchos. 


was übrigens auch von Plutarch gilt 29). Auch müssen wir wohl 
annehmen, dass er die c. 14 citirten dichter selbst gelesen, bat. 

Ferner macht Babr p. 125 geltend, dass in der schrift de 
Herodoti malignitate der ausdruck „ärmlich, kraftlos und matt“ sei, 
Plutarchs darstellung dagegen „kräftig, körnig, gehaltvoll, bilder- 
reich und oft wahrhaft geistreich*. Dass die ausdrucksweise un- 
seres verfassers matt und ärmlich sei, wird man aber wohl nicht 
behaupten können. Es fehlt ihr allerdings die frische und anmuth, 
die den meisten schriften Plutarchs eigenthiimlich ist; dies dürfte 
sich jedoch aus der beschaffenheit des themas zur genüge erklüren. 
Namentlich muss in erwügung gezogen werden, dass der verfasser 
sehr oft genöthigt war, einen oder mehrere sütze aus Herodot 
würtlich anzuführen, wodurch natürlich die eigenen ausfübrungen 
an frische und lebhaftigkeit verlieren mussten. 

Was den inhalt selbst betrifft, so meint Bahr (Jabrb. f. philol. 
54, 122 und Herodot, bd. IV, 480), die gegen Herodot vorge- 
brachten argumente seien grôsstentheils so biofällig, thóricht und 
albern, dass man unmöglich an die autorschaft Plutarchs denken 
könne. Er leugnet sogar, dass unter jenen gründen sich überhaupt 
our ein einziger finde, der sich als stichbaltig erweise (Jahrb. f. 
phil. 54, 122). Hier ist indessen Bahr entschieden im irrthum; 
denn es muss doch wohl anerkannt werden, dass an vielen stellen 
die polemik gegen Herodot eine erfolgreiche ist?"). Nicht selten 
gelingt es dem verfasser, innere widersprüche der herodoteischen 
darstellung aufzudecken, wie z. b. in bezug auf Krösos (c. 18), 
die motive der korinthischen expedition gegen Samos (c. 22), den 
angeblichen tyrannenhass der Alkmüoniden (c. 27) und den medis- 


Nikias 9«eóbyntog zu nennen, wohl aber könne man ihn bezeichnen 
als 94acug noooxsiueror. Der letztere ausdruck ist augenscheinlich 
entlehnt aus Thuk. VII, 50, 4. Ebenso scheint dem verfasser Thuky- 
dides vorzuschweben, wenn er in dem nümlichen capitel von Kleons 
xoupoloyia spricht. Vgl. Thuk. IV, 28, 5. Ferner stammt aus Thuk. 
(I, 182) die im 42. capitel enthaltene angabe über die delphische 
weiheinschrift. — Ephoros ist ausser den stellen, an denen er citirt 
wird, noch benutzt c. 82 (vgl. Diod. XI, 10), ebenso schwebt dem ver- 
fasser dessen darstellung vor c. 40 (vgl. Diod. XI, 27). 

26) Die beweise für das studium des Thukydides liefert in fille 
Siemon, Quo modo Plutarchus Thucydidem legerit, Berlin 1881. 

27) Auch Lahmeyer zeigt sich in seiner beurtheilung oft zu sehr 
beeinflusst von dem bestreben, Herodot zu vertheidigen, was bereits 
in dem urtheil der facultät hervorgehoben wird. 





— 


= 


* 


. Plutarchos. 31 


mos der Thebaner (c. 31 ff.). Namentlich hinsichtlich des letzteren 
punktes werden schlagende argumente gegen Herodot angeführt. 
Auch in sonstigen ziemlich zahlreichen fallen sind die bemerkungen 
des verfassers durchaus begründet. Er ist entschieden im rechte, 
wenn er den grund, weshalb die Lakedümonier die expedition ge- 
gen Polykrates unternahmen, nicht in den von Herodot angegebenen 
umständen, sondern in ihrem bass gegen die tyrannis überhaupt er- 
blickt (c. 21). Ebenso begründet ist sein widerspruch gegen die 
angabe Herodots, dass die Spartaner die Platüer deswegen zum 
anschluss an Athen veranlasst hätten, um dasselbe hierdurch mit 
dem böotischen staatenbund zu verfeinden (c. 25). Ferner werden 
mit recht beanstandet die bemerkungen Herodots über das verhalten 
der Phoker bei der invasion des Xerxes (35), die erzühlung von 
der unterredung des Themistokles mit Mnesiphelos (37) und der 
des Xerxes mit Artemisia (38), ebenso die angabe (IX, 62), dass 
bei Platää die Perser nur mit leichten waffen versehen gewesen 
seien (43) 7°), Nur hatte der verfasser nicht überall da, wo He- 
rodot eine auf tendenziöser erfindung beruhende nachricht mittheilt, 
den geschichtschreiber ohne weiteres der bosheit anklagen, sondern 
vielmehr erwägen sollen, dass derselbe seinem gruudsatz gemäss 
sich an die ihm vorliegenden überlieferungen hielt ??). Er ist in- 
dessen gegen Herodot, dessen darstellung ilm aus äusseren und 
inneren gründen unglaubwürdig schien, der art eingenommen, dass 
er ibn geradezu böswilliger erfindung beschuldigen zu müssen 
glaubt °°), Bahr (Jahrb. f. phil. 54, 122) wirft dem verfasser so- 
gar vor, er verdrehe die angaben Herodots, um ihn desto besser 
bekämpfen zu können. Dies lässt sich indessen in keinem einzigen 


28) Dass die bei Mardonios zurückgebliebenen Perser schwer be- 
waffnet waren, bezeugt Herodot selbst VIII, 113. 

29) Im wesentlichen richtig urtheilt schon Niebuhr, Vortrüge 
über alte geschichte I, 388: ,,Plutarchs schrift ist lehrreich, enthält 
viele einzelne notizen, reichen stoff zur kritik, und manche anklage, 
die er erhebt, lüsst sich kaum abweisen. Gewiss hat Herodot sich 
erlaubt, von einzelnen vólkern, denen er abhold war, z. b. den Ko- 
rinthiern und Thebanern, zu glauben, was er bei nüherer untersu- 
chung als falsch erkannt haben würde. Plutarchs unwille gegen 
Herodot ist indessen sehr unbillig". Unter den neueren lässt der 
schrift eine unbefangene würdigung zu theil werden Wecklein iu sei- 
ner oben citirten abhandlung über die tradition der Perserkriege (an 
verschiedenen stellen). 

30) Vgl. c. 27 und 40, besonders aber 28. 





32 Plutarchos. 


falle nachweisen; vielmehr ist der verfasser in der regel bemüht, 
den bericht Herodots umständlich wiederzugeben. 

Ebenso unbegründet ist die behauptung Hüblers (a. a. o. p. 
12 ff.), dass der verfasser eine nachlüssigkeit an den tag lege, die 
man einem Plutarch nicht zutrauen kónne. Als beweis hierfür 
werden zwei stellen angeführt. An der ersten stelle (c. 19) lässt 
der verfasser sich allerdings eine arge flüchtigkeit zu schulden 
kommen, wenn er irrthümlicher weise voraussetzt, dass Herodot (I, 
147) die Ephesier und Kolophonier von den echten loniern aus- 
schliesse. Da sich indessen bei Plutarch ganz ühnliche, wenn nicht 
schlimmere versehen finden ?'), so ist auf jene stelle kein gewicht 
zu legen. In dem zweiten von Häbler angeführten falle liegt über- 
haupt keine nachlässigkeit vor. Häbler meint nämlich, der verfas- 
ser habe, wenn er c. 23 als den ärgsten frevel Perianders gegen 
die Korinthier die von demselben beabsichtigte verschneidung 
von 300 kerkyräischen knaben bezeichne, die bemerkung Herodots, 
dass zwischen Korinth und Kerkyra stets feindschaft geherrscht 
(HI, 49), ganz übersehen. Diese annalıme stützt sich indessen le- 
diglich auf die von Wyttenbach vorgeschlagene lesart: Sca Kuwedog 
xai Ileglavdoos xoxà tiv Kogwiiwy móÀw eleyucuvto Tuguv- 
vouvıeg, während die handschriften geben . . . xa rà ri» Kogsv- 
Slwy nodw sigyacavto tugayvovvres. Halten wir an dieser nicht 
zu beanstandenden lesart fest, so bezeichnet der verfasser die ver- 
schneidung der kerkyrüischen knaben nicht als einen frevel gegen 
die Korintbier, sondern als die grausamste massregel, die Periander 
während seiner tyrannis überhaupt beschlossen habe. 

Weitere beweise gegen die autorschaft Plutarchs glaubt man 
darin zu finden, dass einige stellen unserer schrift mit Plutarchs 
ansichten io widerspruch zu stehen scheinen. Bahr meint (Jahrb. 
f. phil. 54, 123), die „alberne“ polemik gegen Herodots angaben 
über entlehnung der namen und culte griechischer gótter aus Ae- 
gypten (c. 13 und 14) könne unmöglich herrühren von dem 
manne, der die durch und durch gediegene schrift über Isis und 
Osiris verfasst habe. Warum Bähr die gegen Herodot vorge- 


81) Z. b. Pericles 35, wo Thukydides in üusserst flüchtiger weise 
benutzt ist. Vgl. meine untersuchungen über die darstellung der gr. 
gesch. von 489—418 v. Chr. bei Ephoros, Theopomp u. a. autoren, 


p. 114 





Plutarchos. 33 


brachten gründe für albern hält, vermag ich nicht einzusehen ; noch 
weniger aber, in wiefern dieselben gegen die autorschaft Plutarchs 
sprechen sollen. Man wird im gegentbeil finden, dass die ausfüh- 
rungen des verfassers mit den religiósen ansicbten Plutarchs durch- 
aus im einklang stehen. Wenn der verfasser die angabe verwirft, 
dass die Griechen die nameu ihrer gôtter und heroen sowie ge- 
wisse culte aus Aegypten entlehnt hätten, so theilt er hier den 
Standpunkt des an dem norgsoç Adyoc festhaltenden Plutarch. 
Ebenso befindet er sich mit demselben io übereinstimmung , wenn 
er sein missfallen darüber üussert, dass nach Herodot der ägypti- 
sche Herakles zur zweiten und Dionysos zur dritten generation der 
gôtter gehóren soll, als ob die gótter nicht von ewigkeit existirten. 
Dass bei den góttern im eigentlichen sinne nicht von einer geburt 
die rede sein kann, ist auch die ansicht Plutarchs, der die götter 
als didsos und ayévyntos von den ye»rgrzoi dalporeg unterscheidet °?) 
und bierdurch einer euemeristischen auffassung vorzubeugen sucht °°), 
Ferner macht Bühr geltend (a. a. o. p. 122), man könne es 
Plutarch unmöglich zutrauen, dass er aus der von Herodot (I, 32) 
mitgetheilten unterredung zwischen Krósos und Solon eine waffe 
gegen den geschichtschreiber entnommen habe, wie es der verfasser 
c. 15 thue. Plutarch habe an der dem Solon in den mund ge- 
. legten üusserung über den neid der gottheit, die der verfasser ge- 
radezu als gotteslüsterung bezeichnet, auf keinen fall anstoss neh- 
men können; denn man müsse bei ihm doch wohl die kenntniss 
voraussetzen, dass unter jenem neide nicht etwa missgunst, sondern 
die den übermuth strafende Nemesis gemeint sei. Gegen Herodot 
zu polemisiren habe ibm um so weniger einfallen können, da er 
selbst an anderen stellen seiner schriften, wie Alcib. 33 und De 
fortun. Alex. Il, 13, von einem neiderfüllten dámon spreche. Hier- 
gegen ist zunächst zu bemerken, dass der neid, welchen Herodot 
den góttern beilegt, keineswegs mit der Nemesis identificirt werden 
darf, sondern vielmehr mit der missgunst und eifersucht der men- 
schen auf gleicher linie stebt. Er kehrt sich nicht nur gegen 
solche menschen, die sich ihres glückes überheben, sondern die gott- 
heit liebt es überhaupt, denjenigen, die durch ihre machtstelluug 


32) Vel, Plut. Pelopidas 16, wo gerade Herakles und Dionysos 
unter die dimonen gerechnet werden. 
33) Vgl. De Iside et Osir. c. 20, 23 und 25. 


Philologus. XLII. bd. 1. 3 





34 Plutarchos. 


hervorragen, den antergang zu bereiten, auch wenn sie ein derar- 
tiges loos nicht verdienen *). Dass Plutarch einen neiderfüllten 
damon kennt, ist wohl richtig; was dagegen die gottheit selbst 
betrifft, so stellt er im einklang mit seiner ganzen sonstigen auf- 
fessung in der schrift: Non posse suaviter vivi sec. Epic. 22 es ent- 
schieden in abrede, dass derselben neid innewohnen könne 9) und 
befindet sich demnach in übereinstimmuug mit dem verfasser un- 
serer schrift. 

Nun meint freilich Bahr, jene polemik gegen Herodot kónne 
schon deswegen nicht von Plutarch herrühren, weil derselbe sich 
im Solon c. 27 gegen diejenigen wende, welche die unterredung zwi- 
schen Krósos und Solon für erdichtet hielten, und so Herodot ge- 
wissermassen in schutz nehme. Dieses argument würde nur dann 
beweiskrüftig sein, wenn der verfasser unserer schrift nicht nur 
jene äusserung Solons über den neid der gottheit, sondern über- 
haupt dessen ganze unterredung mit Krósos als eine erfindung he- 
zeichnete, was nicht der fall ist. Dass Plutarch an der angeführten 
stelle gerade den Herodot in schutz nehme, kann man nicht be- 
haupten, weil jene unterredung, wie Plutarch selbst sagt, von sehr 
vielen gewährsmännern überliefert war. Wenn Babr meint, es ver- 
trage sich nicht mit dem vom verfasser gegen Herodot erhobenen 
vorwurf, dass Plutarch die rede Solons bezeichne als Acyow mo£- 
zovra 19 ZoÀwvog Ne xai 175 Exelvov peyuAopooourns, so hat 
er übersehen, dass die in der schrift de Herodoti malignitate be- 


94) Vgl. Her. VII, 10, E 5 ff. und Stein zu Her. I, 32. Die irr- 
thümliche ansicht Bührs theilt auch Lahmeyer p. 46 ff. 


35) Hübler, der diese stelle übersehen hat, glaubt (p. 16) aus 
einer anderen stelle der nämlichen schrift folgern zu müssen, dass. 
Plutarchs ansicht mit der Herodots übereinstimme. C. 30 bemerkt 
nümlich Plutarch, dass die lehre Epikurs, nach der zugleich mit dem 
tode des kórpers auch die seele vernichtet wird, ein ewiges leid in 
sich schliesse, weil dem menschen der genuss des lebens verbittert 
werde durch die aussicht, mit dem tode jeder glückseligkeit beraubt 
zu werden. Vernünftiger sei Herodot, wenn er bemerke (VII, 46), 
dass die gottheit, indem sie uns die süssigkeit des lebens nur kosten 
lasse, neidisch zu sein scheine: xai coguwregos ‘Hoddoros sindr we 6 
9sóg yluxdy yibcas tov aldva govegos lv adty dv qaiveras. Aus die- 
ser stelle folgt keineswegs, dass Plutarch eben so wie Herodot der 
gottheit neid zuschreiben möchte; er führt dessen bemerkung viel- 
mehr nur an, um zu zeigen, dass auch Herodot das dahinschwinden 
in das nichts nach kurzem lebensglück für ein hartes loos halte und 
insofern eine richtigere auffassung zeige als Epikur. 


Plutarchos. 85 


austandete üusserung Solons sich in dem bericht Plutarchs, der 
allem anschein nach auf eine von Herodot abweichende überliefe- 
rung zurückgeht, nicht wiederfindet. 

Ein weiteres indicium gegen die echtheit unserer schrift er- 
blickt Bahr (Herodotausgabe IV, 2te aufl. p. 481) darin, dass Plu- 
tarch in den biographien des Themistokles und Aristides den He- 
rodot vielfach benutze, ohne ihn irgendwo zu bekämpfen, abgesehen 
von Aristid. 19, wo indessen die polemik lediglich ihren grund 
habe in dem ansehen, welches Herodot bei den Griechen genoss. 
Was zunüchst die benutzung Herodots durch Plutarch betrifft, so 
ist dieselbe, abgesehen von den stellen, an denen er citirt wird, 
noch keineswegs erwiesen?9); auch würde in ihr durchaus kein 
entscheidender grund gegen die echtheit unserer schrift liegen. 
Folgt doch Plutarch allem anschein nach im Agis und Kleomenes 
demselben Phylarch, den er Arat. 38 als einen höchst unglaubwiir- 
digen schriftsteller bezeichnet. — Dass im plutarchischen Themi- 
stokles und Aristides sich nirgends heftige polemik gegen Herodot 
findet, kann nicht im mindesten auffallen. War Plutarch der ver- 
fasser der schrift de Herodoti malignitate, so konnte er sich in 
seinen biographien einer polemik gegen Herodot, die dort ohnebin 
nicht an ihrem platze gewesen würe, um so eler enthalten. 

Es erübrigt nun noch, einige Plutarchstellen zu besprechen, 
aus denen Habler p. 14 ff. folgern zu müssen glaubt, dass die 
schrift de Herodoti malignitate nicht von Plutarch berrübren könne, 

Als charakterzüge Kleons erwühnt Plutarch im leben des Ni- 
kias (c. 2 und 7) frechheit und raserei, während unser verfasser 
c. 2 gerade denjenigen als boshaft bezeichnet, der Kleon J'gdcoq 
und waylu beilege, statt sich mit dem ausdruck xovgoÀoyía zu be- 
gnügen. Viel gewicht ist indessen hierauf nicht zu legen; denn 
Plutarch koonte bei der grossen menge seiner schriften sehr leicht 


36) Hábler sucht eine solche im zweiten theil seiner Quaestiones 
Plutarcheae in ausgedehntem masse nachzuweisen, gibt jedoch nach- 
träglich zu, dass die übereinstimmungen Plutarchs mit Herodot sich 
auch durch die benutzung eines autors erklüren lassen, der seiner- 
seits aus Herodot schópfte (p. 37, n. 19). Für eine directe benutzung 
Herodots im Themistokles ist neuerdings wieder Bauer, Themistokles, 
p. 141 eingetreten, ohne jedoch hierfür beweise beizubringen. Eine 

naue untersuchuug muss zu dem resultat führen, dass Plutarchs 
arstellung zum grossen theil auf einen autor zurückgeht, der den 
herodoteischen bericht in tendenzióser weise überarbeitet hat. 


3* 





36 Plutarchos. 


eine früher von ibm selbst gemachte bemerkung vergessen, wie 
denn auch sonst inconsequenzen bei ihm vorkommen ?*). 

Ein weiterer widerspruch, den Habler zwischen de Her. mal. 
7 und Plut. Aemil. Paul. 12 hat finden wollen, existirt in wirk- 
lichkeit nicht. Wenn der verfasser diejenigen tadelt, welche die er- 
folge Philipps von Makedonien nur der bestechung und nicht seiner 
tüchtigkeit zuschrieben, so ist dies keineswegs unvereinbar mit dem 
von Plutarch dem Aemilius Paulus gespendeten lobe, dass er ebenso 
wie Philipp das geld willig hergegeben habe, um vortheile zu er- 
langen, wührend sein gegner Perseus umgekehrt verfahren sei. 

Ganz unbegreiflich ist es aber, wenn Häbler glaubt, dass Plu- 
tarchs bericht über das verhalten des Themistokles den verrätheri- 
schen umtrieben des Pausanias gegenüber (Themistocl. 23) den in 
der schrift de Herod. mal. c. 5 aufgestellten grundsätzen zuwider- 
laufe. Der verfasser meint, der geschichtschreiber solle, wenn über 
dieselbe thatsache zwei oder mehrere überlieferungen vorlägen, 
nicht der uugünstigsten den vorzug geben, sondern das bessere für 
wabr halten. So verfahre z. b. Ephoros, wenn er über Themi- 
stokles berichte, dass derselbe wohl die absichten des Pausanias ge- 
kannt habe, ohue sich jedoch zur theilnahme un dessen verrath be- 
wegen zu lassen. In welcher weise Plutarch jenem grundsatz 
zuwider handelt, ist nicht ersichtlich; er acceptirt ja gerade den 
bericht des Ephoros. 

Zu ernsten bedenken kónnte dagegen auf den ersten blick 
anlass geben eine stelle in der schrift: Non posse suaviter vivi sec. 
Ep. Plutarch bemerkt nümlich c. 10, dass der mensch sich im 
höchsten grade danach sehne, die wahrheit zu erfahren und dass 
das leben geradezu im erkennen aufgehe. Das erkennen bereite 
uns immer einige lust; selbst wenn uns die erschütterndsten that- 
sachen mitgetheilt würden, verlungten wir die ganze wabrheit zu 
erfahren. In diesem streben zeige sich sogar eine gewisse leiden- 


37) So hat Plutarch, um hier nur eines anzuführen, den Cimon 2 
aufgestellten grundsatz, dass der biograph die seinen helden anhaf- 
tenden schwüchen nicht sehr hervorheben solle, keineswegs immer 
befolgt. Im Nikias z. b. sind licht und schatten ziemlich gleich ver- 
theilt, wäbrend Plutarch im Perikles viele klatschgeschichten repro- 
ducirt, die Perikles' politischen charakter in ungünstigem lichte er- 
scheinen lassen, und nur die allerschlimmsten verleumdungen zu- 
rück weist. 


Plutarchos. 37 


schaft, der die vernunft unterliegen miisse. Wenn nun aber vol- 

lends in einer geschichtlichen darstellung, die nichts trauriges oder 

verderbliches enthalte, grosse und herrliche thaten in beredter und 

anmuthiger weise ‚vorgeführt würden, wie es z. b. in Herodots 

griechischen und in Xenophons persischen geschichten der fall sei, 

| so würde unsere freude nicht allein gross, sondern auch ungetriibt 
sein. Häbler meint, Plutarch könne unmöglich so gesprochen ha- 
ben, wenn er der verfasser der schrift de Herodoti malignitate 
ware. Er scheint anzunehmen, dass Plutarch mit den worten: 
loroglu xai dinynoss undèr Eyouou Aungov n BiaBegov, Herodots 
darstellung als eine solche bezeichne, die den leser überhaupt in 
keiner binsicht betrübe oder verletze, was allerdings mit der an- 
sicht des verfassers der schrift de Herodoti malignitate unvereinbar 
sein würde, Häbler hat indessen nicht beachtet, dass die worte: 
icroglu xai dinynoss unde» Eyovoa Aunngow 7 PAaBegov den ge- 
gensatz bilden zu solchen mittheilungen, die uns in die grösste 
trauer oder bestürzung versetzen. Plutarch will also von dem he- 
rodoteischen geschichtswerk keineswegs behaupten, dass es frei sei 
von allem, was den leser verletzen kónne, sondern er führt es nur 
an als beispiel einer anmuthigen darstellung bedeutender ereignisse, 
die uns deswegen eine reine freude bereiten muss, weil sie keine 
für uns traurige oder verderbliche thatsache enthält °°). 

Hiermit sind die gegen die echtheit unserer schrift vorge- 
hrachten argumente erschépft. Ihnen stehen vielfache zum theil 
sehr charakteristische indicien gegenüber, die die autorschaft Plu- 
tarchs ausser allen zweifel setzen. 

Zunüchst hat Lahmeyer p. 85—94 nachgewiesen, dass der 
verfasser ebenso wie Plutarch sorgfältig bestrebt ist, den hiatus 
zu vermeiden und dass er die namlichen partikeln, ausdrücke und 


38) Die sonstigen nicht sehr zahlreichen stellen, an denen Plu- 
tarch Herodot erwähnt, enthalten weder entschiedenes lob, noch ar- 
gen tadel. Wenn De ezilio 13 Herodot unter münnern von hervorra- 
gender einsicht und verstand (cogatatos xai yoovsuuteros) genannt 
wird, die den aufenthalt in der fremde dem in der heimath vorge- 
zogen hátten, so kann dies noch nicht beweisen, dass Plutarch auch 
das werk des Herodot im allgemeinen günstig beurtheilt haben müsste. 
Das gegentheil scheint eher hervorzugehn aus dem folgenden capitel, 
wo unter den schriftstellern, die im exil die schónsten werke ver- 
fassten, wohl der sonst arg mitgenommene Timiios (vgl. Nic. 1 und 
Dio 36), nicht aber Herodot angeführt wird. 





88 Plutarchos, 


wendungen gebraucht, deren sich Plutarch mit vorliebe bedient. 
Wenn Häbler p. 12 hiergegen geltend macht, dass manche von 
dem verfasser angewandte ausdrücke sich nicht allein bei Plutarch, 
sondern auch bei anderen autoren finden, so thut dies im allgemei- 
nen der richtigkeit des von Lahmeyer gewonnenen resultats keinen 
eintrag. Bahr p. 125 glaubt die angeführte thatsache dadurch er- 
klären zu können, dass der verfasser es wohl verstanden habe, 
plutarcheische phrasen und wendungen in seine darstellung einzu- 
flechten, um auf diesem wege seine arbeit als ein werk Plutarchs 
erscheinen zu lassen. Diese erklärung, die sich übrigens mit Bährs 
eigener ansicht über den zweck unserer schrift gar nicht verei- 
nigen lässt °°), ist aus dem grunde ungenügend, weil die abhand- 
lung de Herodoti malignitate auch noch andere übereinstimmungen 
mit plutarchischen schriften zeigt, die sich durch die annahme einer 
fälschung nicht in befriedigender weise erklären lassen. 

Bereits Labmeyer hat darauf hingewiesen, dass der verfasser 
häufig dieselben nachrichten mittheilt und sich über manche puncte 
in ganz der nümlichen weise äussert wie Plutarch (p. 93—-96). 
Er hat es indessen unterlassen, die hierher gehörigen fälle in ge- 
eigneter weise zusammenzustellen und genauer zu besprechen, son- 
dern sich nur darauf beschrünkt, eine reihe von stellen, an denen 
sich der verfasser mit Plutarch in übereinstimmung befindet, kurz 
anzufübren. Ein grosser theil der betreffenden stellen findet sich 
nicht in dem abschnitt: De reliquorum scriptorum Plutarcheorum cum 
libello de malignitate Herodoti consensu (2. 43), wo alle derartigen 
nachweise hütten gegeben werden müssen, sondern in dem vorher- 
gehenden paragraphen, der laut der überschrift nur handeln soll de 
verbis quibusdam dictisque Plutarcheis, Hierzu kommt noch, dass 
manche bemerkenswerthe stelleu von Lahmeyer übersehen worden 
sind. Hierin mag es wohl seinen grund haben, dass dieser theil 
der Lahmeyer’schen beweisführung von Bahr ganz ignorirt und 
auch von Habler kaum berücksichtigt worden ist. 

In erster linie muss hervorgehoben werden, dass die ausfüh- 
rungen des verfassers über die kümpfe der Griechen mit Dareios 


39) P. 126 behauptet nämlich Bühr, die arbeit habe, indem sie 
den geachtetsten und gefeiertsten geschichtschreiber der hellenischen 
vorwelt angriff, schon durch die neuheit (?) eines solchen stoffes ih- 
rem geistlosen (?) verfasser aufsehen zuwenden sollen. 


Plutarchos. 39 


und Xerxes durchaus übereinstimmen mit der auffassung, die uns 
in den biographien des Themistokles und Aristides entgegentritt. 
Es wird sich herausstellen, dass abgesehen von einigen nur schein- 
baren ausnahmen iiberall da, wo der verfasser gegen Herodot pole- 
misirt, auch Plutarch dessen bericht verwirft und einer anderen 
überlieferung folgt. 

Wir beginnen mit der schlacht bei Marathon. C. 27 pole- 
misirt der verfasser gegen die darstellung Herodots (VI, 115), 
nach welcher die Perser nach der scblacht bei Marathon zunüchst 
nach Eretria fuhren und die dort zurückgelassenen gefangenen an 
bord nahmen, hierauf aber das vorgebirge Sunion umsegelten, in 
der absicht, einen handstreich auf Athen auszuführen. Dass die 
Perser nach einer verlorenen schlacht noch ein solches unternehmen 
geplant hätten, findet der verfasser unglaublich. Er meint, eine 
solche nachricht künne nur dazu dienen, dem siege der Athener 
seine bedeutung zu nehmen. Vergleichen wir nun die darstellung 
Plutarchs im Aristides c. 5, so finden wir, dass dort ein autor be- 
nutzt ist, der die vom verfasser beanstandete angabe Herodots ge- 
schickt abzuündern wusste. Bei Plutarch ist nümlich der hergaug 
so erzählt, als ob die Perser von vornherein beabsichtigt hätten, 
sich in der richtung nach den Kykladen zurückzuziehen, nach der 
vorbeifabrt an Sunion jedoch durch widrige winde gegen Athen 
getrieben worden seien: dnei dé (“A9nvaîos) rospäueros rovg 
Baofi«govrg èveBalov slg rdg vavg xal mÀfovrag ovx ni vyowy 
fugwr, dà ono tov nrevuurog xai tig Fadacons slow neds 
Up» 'diuuxp anofiatoutrvovg. 

Ebenso befindet sich der verfasser in übereinstimmung mit 
Plutarch, wenn er c. 26 im gegensatz zu Herodot die schlacht 
bei Marathon auf den 6. boedromion und nicht erst um die zeit 
des vollmonds legt. Das nämliche datum wie der verfasser gibt 
Plutarch Camillus 19, indem er auf seine eigene schrift: ZZegi nusgwy 
verweist, und De glor. Ath. 7. 

Gehen wir nunmehr zu dem feldzug des Xerxes über. Hier 
muss zunächst constatirt werden, dass die Böoter und Korinthier, 
die der verfasser gegen die anschuldigungen Herodots vertheidigen 
zu müssen glaubt (c. 1), bei Plutarch nirgends in ungünstigem 
lichte erscheinen. 

Nach Herodot traten die Thebaner und die übrigen Böoter 





40 Plutarchos. 


mit ausnahme der Platäer und Thespier gleich zu beginn des feld- 
zugs bereitwillig auf die seite der Perser (vgl. VII, 132 und 233), 
Der verfasser polemisirt hiergegen c. 31, indem er bemerkt, dass 
die Thebaner anfánglich der nationalen sache zugethan gewesen 
seien und sich erst dann den Persern unterworfen hätten, als die- 
selben in Bóotien eingerückt seien. Dieselbe ansicht scheint Plu- 
tarch zu haben, wenn er Themistocl. 7 berichtet, dass nach dem 
abzug der Hellenen aus Tempe Xerxes durch den hierauf erfolgten 
auschluss der Thessaler Griechenland bis nach Bóotien hin für sich 
gewonnen habe (Q@erradwy facti ngogyevouf£vov eundile zu 
pévos Bowilag). Von den Böotern selbst setzt also Plutarch vor- 
aus, dass sie damals noch nicht auf die seite der Perser traten. 
Der verfasser unserer schrift bemerkt ferner c. 31, dass die unter- 
werfung Thebens durch die bemühungen der in der stadt befind- 
lichen oligarchischen partei angebahnt worden sei. In einklang 
hiermit steht die angabe Plutarchs (Aristid. 18 fin.), dass bei Platää 
der thebanische demos nur in folge des von den oligarchen aus- 
geübten zwanges auf seiten der Perser gekümpft hiitte. 

Was sodann die Korinthier betrifft, so sind bei Plutarch die 
denselben ungünstigen nachrichten entweder einfach weggelassen 
oder durch abweichende überlieferungen ersetzt, in denen andere 
die stelle der Korinthier einnehmen. Während nach Herod. VIII, 5 
Adeimantos bei Ártemision miene machte, allein abzusegeln und von 
Themistokles nur durch bestechung zum bleiben bewogen werden 
konnte, wird vou Plutarch 'Themist. 7 dieselbe geschichte mit ei- 
nigen abweichungen von dem Athener Architeles erzählt. In ganz 
analoger weise wird die von Herodot VIII, 59 mitgetheilte bittere 
bemerkung des Adeimantos gegen Themistokles bei Plut. Them. 11 
dem Eurybiades zugeschrieben. An der nümlichen stelle führt Plu- 
tarch noch eine andere von Herodot VIII, 61 ebenfalls dem Adei- 
mantos in den mund gelegte gehässige äusserung an, ohne jedoch 
dessen namen zu nennen. In der schrift de Herod. mal. c. 34 fin. 
wird Herodot getadelt, weil er ausdrücklich bemerke, dass bei dem 
rückzug von Artemision die Korinthier die vordersten gewesen 
seien. Plutarch geht Them. 9 hierüber hinweg, indem er sich mit 
der bemerkung begnügt, dass die Athener den rückzug deckten. 
Schliesslich muss noch bemerkt werden, dass Plutarch ganz in über- 
eiostimmung mit de Herod, mal. c. 42 die von Herodot in abrede 





Plutarchos. 41 


gestellte theilnahme der Korinthier an der schlacht bei Platää als 
unzweifelhaft voraussetzt. Er berichtet nämlich Arist. 20, man 
habe von dem Korinthier Kleokritos, als derselbe sich bei den ver- 
handlungen über die ehrenpreise zum worte meldete, erwartet, dass 
er die erste auszeichnung für seine vaterstadt in anspruch nelımen 
würde. Auf diesen gedanken konnte man nur dann kommen, wenn 
die Korinthier sich in hervorragendem masse an dem kampfe be- 
theiligt hatten 4°). 

Ausser diesem zusammentreffen in den ansichten über die 
Böoter und Korinthier fallen aber noch zahlreiche andere überein- 
stimmungen ins auge. 

Wie Herodot VIII, 18 berichtet, beschlossen die Griechen den 
rüekzug von Artemision wegen der grossen verluste, die sie in der 
schlacht erlitten hatten. Der verfasser anserer schrift polemisirt 
biergegen c. 34, indem er geltend macht, dass nach der überein- 
stimmenden angabe fast aller autoren die Griechen gesiegt hätten 
und nur durch die nachricht von dem unglücklichen ausgang des 
kampfes bei Thermopyla, die nach Herod. VIII, 21 erst nach je- 
nem  beschlusse anlangte, zum rückzug veranlasst worden seien. 
Bei Plut. Them. 9 finden wir ganz die nämliche auffassung *!). 
Die verse des Pindar und Simonides (?), aus denen der verfasser 
einen beweis dafür entnimmt, dass die Hellenen bei Artemision ge- 
siegt hatten, werden auch von Plutarch angeführt. 

Auch in bezug auf die schlacht bei Salamis befindet sich der 
verfasser in einem punkte in übereinstimmung mit Plutarch. Die 
darstellung Herodots (VIII, 57 ff), wonach Themistokles nicht aus 
eigenem antrieb, sondern erst auf den rath des Mnesiphilos hin es 
unternahm, die Griechen zum bleiben bei Salamis zu bewegen, in- 
dem er in einer unterredung mit Eurybiades die von Muesiphilos 
geltend gemachten gründe als seine eigenen gedanken vorbrachte, 
wird in der schrift de Herod. mal. c. 37 als böswillige erfindung 
bezeichnet. Der verfasser bemerkt, es sei allbekannt, dass kein an- 
derer als Themistokles die Hellenen zum kampfe bei Salamis ver- 
anlasst habe, und eben im hinblick auf diesen rettenden gedanken 


40) Auch Mohr, Die quellen des plutarchischen und nepotischen 
Themistokles, Berlin 1879, p. 37 ff. erkennt in der plutarchischen 
darstellung eine den Korinthiern günstige tendenz. 

41) Ebenso Isocr. Paneg. 8. 92 und Diod. XI, 13, 3. 





42 Plutarchos. 


habe Themistokles nach beendigung des krieges der Artemis Ari- 
stobule in Melite einen tempel bauen lassen. Bei Plut. Them. 11 
wird der rathschlag des Mnesiphilos nicht erwühnt, was bei der 
kürze des dort gegebenen berichtes freilich nicht viel beweist, wohl 
aber wird c, 22 berichtet, Themistokles habe der Artemis Aristo- 
bule einen tempel geweiht zum andenken daran, dass seine mass- 
regeln Athen und Griechenland zum heile gereicht hätten 4). 

Herodot erzählt VIII, 123 ff., dass die Hellenen sich nach 
dem rückzug des Xerxes auf dem Isthmos versammelt hätten, um 
denjenigen mann, der im kriege sich die meisten verdienste er- 
worben, durch eine auszeichnung zu ehren. Bei der abstimmung 
babe nuu jeder der feldherrn sich selbst für den würdigsten ge- 
halten, dagegen sei der zweite preis von der mehrzahl dem The- 
mistokles zuerkannt worden. Die Hellenen hatten indessen aus 
missgunst kein entscheidendes urtheil abgeben wollen, sondern es 
sei jeder nach hause gereist. Der verfasser unserer schrift bean- 
standet c. 40 diese darstellung, weil Herodot, statt den ebrgeiz der 
feldherrn für die resultatlose abstimmung verantwortlich zu machen, 
alle Hellenen der missgunst anklage. Die thatsache also, dass je- 
der feldherr sich selbst den ersten und die mehrzahl dem Themi- 
stokles den zweiten preis zuerkannte, wird auch vom verfasser 
nicht bestritten; er scheint nur vorauszusetzen, dass den übrigen 
auf dem Isthmos versammelten Hellenen überhaupt keine entschei- 
dende stimme zustand und dass demnach die verhandlung lediglich 
an dem ebrgeiz der feldherrn scheiterte. Bei Plut. Them. 17 wird 
ganz in übereinstimmung mit der ansicht des verfassers von der 
abreise der Hellenen nichts gesagt, dagegen die missgunst der feld- 
herrn entschieden getadelt. 

Was ferner den feldzug des jahres 479 betrifft, so steht der 
bericht Plutarchs (Aristid. 10 ff.) in mebrfacher hinsicht mit den 
ansichten unseres verfassers in einklang. 

Herodot berichtet (1X, 8), dass nach dem einfall des Mar- 
donios in Attika eine athenische gesandtschaft nach Sparta ge- 


42) Wenn Plutarch an seni 23 berichtet, dass Mnesiphilos den 
Themistokles, als er zu anfang seiner politischen laufbahn bei seinen 
mitbürgern verhasst war und in schlechtem ansehen stand, ermuthigt 
habe (vgl. auch Them. 2), so braucht hieraus noch keineswegs gefol- 
gert zu werden, dass er die von Herodot erzühlte geschichte, die in 
eine viel spätere zeit fällt, für glaubwürdig habe halten müssen. 


Plutarchos. 43 


gangen sei, um auf absendung eines hülfsheeres zu dringen. Die 
Spartaner seien nicht geneigt gewesen, diesem gesuch zu will- 
fahren; denn sie hätten geglaubt, der Athener nunmehr entbehren 
zu kónnen, weil sie sich von der Isthmosmauer, deren bau seinem 
ende entgegen ging, hinreichenden schutz versprochen hätten. Nach- 
dem sie die athenischen gesandten zehn tage lang hingehalten, 
babe schliesslich der Tegeate Chileos, obwohl die mauer nunmehr 
vollendet war, durch seine vorstellungen die absendung des Pausa- 
mias mit einem heere bewirkt. Gegen diese ganze darstellung po- 
lemisirt der verfasser unserer schrift c. 41, indem er namentlich 
in abrede stellt, dass die absendung des heeres erst auf die mah- 
nung des Chileos hin erfolgt sei. Plutarch Aristid. 10, der dem 
Idomeneus folgt, weiss von der wirksamkeit des Chileos nichts, 
sondern berichtet vielmehr, die Spartaner, die damals die hyakin- 
thien gefeiert hütten, seien nach der ankunft der athenischen ge- 
sandten wohl noch bis zum abend unthütig geblieben, hätten jedoch 
gleich in der nüchsten nacht, ohne dass die Athener es merkten, 
ein beer gerüstet und sofort abgesandt. Hier fehlen also gerade 
diejenigen angaben, die in der schrift de Herod. mal. beanstandet 
werden. Es liegt nahe anzunehmen, dass der verfasser Herodots 
angaben auf grund des nümlichen berichtes verwirft, welcher Plu- 
tarch vorlag *?). 


43) Dass Plutarchs bericht trotz der hervorgehobenen differenzen 
und anderer abweichungen anklänge an Herodot zeigt, wird hervor- 
gehoben von Häbler p. 33, der neben Idomeneus auch Herodot als 
quelle Plutarchs vermuthet. Westermann (De Plutarchi vita et scriptis 
commentatio in Bekkers ausgabe der Biographien I, p. XIII) findet es 
geradezu auffallend, dass Plutarch nur den Idomeneus und nicht 
auch Herodot als gewährsmann nennt. Wir müssen wohl annehmen, 
dass Plutarchs bericht vollständig auf Idomeneus zurückgeht. Hätte 
Plutarch etwa, wie Häbler glaubt, den Idomeneus nur für die in He- 
rodot nicht enthaltene angabe, dass Aristides mit der gesandtschaft 
beauftragt wurde, als gewährsmann nennen wollen, so hätte er ihn 
nicht erst am ende des ganzen abschnitts citirt, sondern wohl ge- 
schrieben : "Agsorsidns dé neugdeis elc Aaxsdaiuova, ws où nepè tov ‘Ido- 
puerta léyovoy .... Die übereinstimmung mit Herodot und die an- 
drerseits vorkommenden abweichungen finden unserer ansicht nach 
darin ihre erklärung, dass Idomeneus seinerseits aus Herodot schópfte, 
sich jedoch hierbei verschiedene willkürliche abänderungen erlaubte. 
Wie wenig genau es Idomeneus mit der wahrheit nahm, sieht man 
daraus, dass er den Aristides als gesandten nach Sparta gehen lüsst, 
wührend in dem von Plutarch c. 10 fin. erwühnten psephisma viel- 
mehr Kimon, Xanthippos und Myronides als gesandte genannt waren. 
Vielleicht ist auch an anderen stellen, an denen zwischen Plutarchs 





44 Plutarchos. 


C. 42 wirft der verfasser Herodot vor, dass er die Athener 
abwechselnd hebe und erniedrige. Erst lasse er dieselben mit den 
Tegeaten unter berufung auf ihre früheren verdienste um die füh- 
rung des linken flügels hadern, wührend ihnen später von den 
Spartanern sogar der oberbefehl (vielmehr nur die stellung auf dem 
rechten flügel) überlassen werde. Bei Plutarch Aristid. 12 wird 
das verhalten der Athener den Tegeaten gegenüber, an dem der 
verfasser besonders anstoss zu nehmen scheint, ganz abweichend 
geschildert, Als die Tegeaten unter hinweisung auf die thaten 
ihrer vorfahren die führung des linken flügels beanspruchen, erfüllt 
dieses ansinnen die Athener mit unwillen. Aristides erklärt indes- 
sen im namen seiner mitbürger, dass es jetzt nicht zeit sei, mit 
den Tegeaten über rang und verdienste zu streiten; die Athener 
seien vielmehr bereit, an jedem platze, den ihnen die Spartaner an- 
weisen würden, so zu kampfen, wie es dem ruhme ihrer früberen 
thaten entspräche. Hier verschmühen es also die Athener, sich 
überhaupt mit den Tegeaten in einen streit einzulassen, wahrend 
sie bei Herodot, obwohl sie sich schliesslich mit jedem platze zu- 
frieden erklären, in langer rede nachzuweisen suchen, dass ihnen 
im hinblick auf ihre früheren verdienste die führung des linken 
flügels zukäme, Also auch hier ist der herodoteische bericht in 
einer der ansicht unseres verfassers entsprechenden weise abge- 
ändert 44), 

An dem eigentlichen kampfe bei Platää betheiligten sich nach 
Herodot nur die Spartaner, Athener und Tegeaten. Von den übri- 
gen coutingenten wird berichtet, dass dieselben sich bei dem der 
Schlacht vorhergehenden stellungswechsel nicht nach dem vorge- 
schriebenen orte gewandt hätten, sondern aus furcht vor der per- 


und Herodots bericht ein analoges verhültniss stattfindet, Idomeneus 
als quelle anzunehmen. Schmidt, Perikleisches zeitalter IT, 277 ff. 
hält Idomemeus geradezu für die hauptquelle des plutarchischen 
Aristides. 

44) Die rede des Aristides enthült übrigens wieder anklünge an 
die worte der athenischen gesandten bei Herodot. Vgl. Plutarch: 
Teysdtass uiv avreneiv nigi evyevsiac xai dvdoayadias 6 nagwy xasQüg 
où didwos . . . ixousy yàg ob roi; Ovumayoıs oramsdoovszs, Alla uayou- 
pvo» Toig nolsuíosg mit Herod. IX, 27 in.: énordusÿa pév osvodor 
ve Bayne eivexa ovllsyivas npòs tov BapBapor, all’ od Acyor und 
27 fin.: all’ où yao tv ro tod rakıos slvexa oraaıdlew noénes. Viel- 
reicht, schöpft auch hier Plutarch wieder aus [domeneus. Vgl. 
no . 





Plutarchos. 45 


sischen reiterei, der sie gerne hätten entgehen wollen, nach dem 
Heräon bei Platää geflohen seien. Dort seien sie während der 
ganzen schlacht geblieben; erst auf die kunde des von Pausanias 
erfochtenen sieges bitten sich die Korinthier, Megarer und Phlia- 
sier zur verfolgung des feindes aufgemacht. Die Korinthier seien 
indessen gar nicht mehr mit demselben handgemein geworden, wäh- 
rend die thebanische reiterei die Megarer und Phliasier mit be- 
tráchtlichen verlusten zurückgeworfen habe (IX, 52 und 69). Das 
verhalten der dem kampfe fern gebliebenen coutingente wird von 
Herodot IX, 60 geradezu als ngodoota bezeichnet. Der verfasser 
unserer schrift bekümpft c. 42 diese ganze darstellung mit ent- 
schiedenheit, indem er die auf dem platäischen und delphischen sie- 
gesaltar angebrachten weiheinschriften, sowie andere zeugnisse als 
beweise dafür anführt, dass alle contingente am kampfe theilge- 
nommen hätten. Auch hier trifft Plutarchs darstellung (Aristid. 
17 ff) in den wesentlichsten punkten mit den ansichten des ver- 
fassers zusammen. Was zunächst den stellungswechsel betrifft, so 
berichtet allerdings Plutarch in übereinstimmung mit Herodot, dass 
die meisten contingente sich gegen die anordnungen der feldherrn 
nach Platää gewandt und sich dort in unordnung gelagert hätten. 
Dagegen fehlt die von dem verfasser beanstaudete bemerkung, dass 
der rückzug aus furcht vor der persischen reiterei erfolgt sei; 
vielmehr war nach Plut. Aristid. 16 fin. lediglich wassermangel, 
der übrigens von Herodot IX, 50 ebenfalls als motiv erwähnt 
wird, die ursache des stellungswechsels, Während der schlacht 
fanden sich, wie Plut. c. 17 berichtet, die einzelnen contingente, 
obwohl Pausanias versäumt hatte ein zeichen zu geben, allmählich 
zu dem kampfe ein. Ueber die angabe Herodots, dass an dem 
kampfe nur die Spartaner, Athener und Tegeaten theilgenommen 
hatten, drückt Plut. c. 19 grosses befremden aus, indem er ebenso 
wie der verfasser in der inschrift des platüischen siegesaltars und 
in sonstigen denkmälern zeugnisse für die betheiligung sámmtlicher 
contingente erblickt. 

Hierzu kommt nun noch der weitere umstand, dass eine nach- 
richt, deren sich der verfasser zur widerlegung Herodots bedient, 
uns auch bei Plutarch begegnet. Der verfasser wirft nämlich c. 
42 die frage auf, wie es sich denn mit der darstellung Herodots 
vereinigen lasse, dass die Athener und Lakedimonier, obwohl sie 





46 Plutarchos. 


unmittelbar nach der schlacht wegen der errichtung des sieges- 
zeichens beinahe selbst mit einander handgemein geworden wären, 
doch die übrigen Hellenen nicht von der ehre des sieges ausge- 
schlossen hätten. Die nachricht von jenem streite der Athener und 
Spartauer findet sich sonst nur noch bei Plutarch Aristid. 20, wo 
ebenfalls bemerkt wird, dass beide deswegen beinahe die waffen 
gegen einander gekehrt hätten. 

C. 43 polemisirt der verfasser gegen die angabe Herodots, 
dass bei Platää die Perser, obwohl sie den Helleuen an muth und 
kraft nicht nachgestanden hütten, wegen des mangels an schutz- 
waffen unterlegen seien (IX, 62). Der verfasser meint, dass ein 
solcher sieg den Hellenen nicht zu sonderlichem ruhme gerei- 
chen kónne. |n dem ziemlich ausführlichen schlachtbericht Plu- 
tarchs (Aristid. 17 ff.) finden wir die beanstandete bemerkung nicht; 
vielmehr ergiebt sich aus einer stelle, dass Plutarch sich die Per- 
ser als gepanzert dachte. €. 16 wird nämlich bemerkt, die Athe- 
ner hütten, nachdem sie die stellung auf dem rechten flügel einge- 
nommen, sich gegenseitig ermuthigt durch den hinweis darauf, dass 
die ihnen gegenüber stehenden Perser weder bessere waffen noch 
grösseren muth hätten, als die, mit denen sie bei Marathon ge- 
kämpft: adda tavrà pé» Éxe(vosg 108a, tavia d’ dodMrTog now(A- 
paru xuè yovods inl owpuce pudaxoig xai woyaig dvavdgoss. 
Plutarch nimmt jedenfalls an, dass die Perser alle so gerüstet ge- 
wesen seien, wie der reiterführer Masistios, der nach Herod. 1X, 
22 einen goldenen schuppenpanzer und darüber einen purpurnen 
leibrock trug. 

Wir haben constatirt, dass die darstellung der Perserkriege 
bei Plutarch in einer ganzen reihe von punkten mit den in der 
schrift de Herodoti malignitate hervortretenden anschauungen zu- 
sammentrifit. Diesen übereinstimmungen, die unmöglich alle auf 
zufall beruhen künnen, steht keine einzige discrepanz gegenüber, 
abgesehen von einigen stellen, an denen Plutarch unter berufung 
auf Herodot gerade solche nachrichten mittheilt, die von dem ver- 
fasser unserer schrift verworfen werden. Die angaben, um die es 
sich handelt, sind folgende: 

1) Als die Hellenen nach den ersten unbedeutenden gefechten 
bei Artemision schon im begriff sind, von dort abzusegeln, bewir- 
ken die Euböer, um zeit für die rettung ibrer ungehörigen zu ge- 


Plutarchos. 47 


winnen, einen aufschub, indem sie dem Themistokles 30 talente 
| schicken, der alsdann seinerseits den Eurybiades mit fünf und den 
Adeimantos mit drei talenten besticht (Herod. Vill, 4 ff., mit ge- 
ringen ünderungen wiedergegeben von Plut. Them. 7). De Her. 
mal. 34 wird bemerkt, dass nach dieser darstellung der sieg bei 
| Artemision lediglich durch bestechung, zu der sich noch unterschla- 
gung geselit, möglich geworden sei. 

2) Bei Salamis zeichneten sich auf hellenischer seite am mei- 
sten aus die Aegineten (Her. VIII, 93 und 122. Plut. Them. 17). 
Nach de Her. mal. 40 gebührt dieser ruhm vielmehr den Atbenern. 
Die nämliche auffassung finden wir auch Diod. XI, 27, 2. 

3) Themistokles erpresst von den insulanern geldsummen (Her. 
VIII, 111. Plut. Them. 21. De Her. mal. 40). 

4) Vor dem entscheidungskampfe bei Platää fordert Pausanias 
die bisher auf dem linken flügel befindlichen Athener anf, ihre 
stellung auf dem rechten flügel den Persern gegenüber zu nehmen, 
da ihnen deren kampfweise bereits bekannt sei, wührend den Spar- 
tanern diese erfahrung abgehe (Her. IX, 46. Plut. Arist. 16). 
De Her. mal. 42 wird das von den Spartanern angegebene motiv 
als lücherlich bezeichnet. 

in dem umstand, dass die angegebenen nachrichten in der 
schrift de Herodofi malignitate verworfen, von Plutarch dagegen 
gerade unter berufung auf Herodot mitgetheilt werden, erblickt 
Bahr (Herodot, bd. IV, 481, vgl. die noten zu Her. VIII, 111 und 
IX, 46) einen beweis dafür, dass jene schrift nicht von Herodot 
verfasst sein kónne. Wie indessen Lahmeyer p. 96 sehr richtig 
bemerkt, citirt Plutarch an den erwähnten stellen den Herodot 
nicht etwa deswegen, weil er ihm glauben schenkt, sondern viel- 





mehr weil er selbst die verantwortung für die betreflenden an- 
gaben nicht übernehmen will 4°). 

Zwei von den angeführten fallen verdienen indessen noch eine 
nähere betrachtung. Wenn Plutarch Them. 7 für die bestechung 
des Eurybiades durch Themistokles Herodot als gewülrsmann an- 
führt, so sollte man doch wohl annehmen, dass er in der darstel- 
lung dieses hergangs Herodot folgt und nicht etwa anderen au- 
toren, die über die namliche thathache berichteten. Nun weicht 


49) Sogar Hübler p. 9 ist geneigt, dies zuzugeben. 





48 Plutarchos. 


aber Plutarch in mehrfacher hiusicht von Herodot ab. Wie Plu- 
tarch berichtet, beschlossen die Griechen den riickzug von Artemi- 
sion nicht bloss wegen der grossen iibermacht der vor ihrer front 
liegenden feindlichen flotte, sondern auch weil sie erfahren hatten, 
dass 200 persische schiffe im begriff seien, Eubéa zu umsegeln 
und ihnen den rückzug abzuschneiden. Hiernach war es also auch 
eiu strategischer grund, der die Griechen zum rückzug bestimmte, 
während Herodot, der die absendung jener 200 schiffe erst später 
erfolgen lässt (VIII, 7), lediglich furcht vor der gegenüber befind- 
lichen übermacht als motiv angibt. Der de Herod. mal. 34 gegen 
Herodot erhobene vorwurf, dass er die Hellenen aus feigheit (xa- 
zadesAıacarıac) den rückzug beschliessen lasse, trifft demnach Plu- 
tarchs darstellung nicht. Ferner muss hervorgehoben werden, dass 
nach Herodot Themistokles den grössten theil der bestechungs- 
summe für sich behielt, während Plutarch schlechtweg sagt, er | 
habe das geld dem Eurybiades gegeben “). Hier wird offenbar, 
wie Blass (in der einleilung zu seiner ausgabe von Plut. ‘Themist. 
p. 9) bemerkt, ein dem 'Themistokles nachtheiliger zug absichtlich 
unterdrückt 1*). Dass Plutarch nicht etwa selbst den bericht He- 
rodots abgeändert hat, sondern einer anderen quelle folgte, sehen 
wir daraus, dass der von Plutarch erwähnte eubôische gesandte 
Pelagon von Herodot nicht genannt wird. 

Ebeuso weicht Plutarch in bezug auf den stellungswechsel 
der Athener vor der schlacht bei Platää (Aristid. 16) erheblich 
von Herodot ab. Während bei Plutarch Aristides besonders er- 
wühnt wird, ist bei Herodot IX, 46 nur von den athenischen feld- 
herrn im allgemeinen die rede. Ferner leisteten nach Herodot die 
athenischen feldherrn dem verlangen des Pausanias bereitwillig 
folge; nach Plutarch bedurfte es dagegen erst der vorstellungen 
des Aristides, um die übrigen feldherro von ihrem widerstand ab- 
zubringen. Auch die von Plutarch mitgetheilten worte, durch die 


46) Ueber den grund, weshalb Adeimantos von Plutarch nicht 
erwühnt wird, s. p. 40. 

47) Das nämliche bestreben finden wir auch Plut. Them. 17, wo 
von der reise des Themistokles nach Sparta die rede ist. Herodot 
bemerkt ausdrücklich (VIII, 124), Themistokles habe sich dorthin be- 
geben in der absicht geehrt zu werden. Plutarch sagt dies nicht, 
sondern berichtet vielmehr, dass die Lakedümonier Themistokles zur 
reise nach Sparta veranlasst hütten. 





Platarchos. 49 


die Athener sich gegenseitig zum kampfe gegen die Perser ermu- 
thigen, sind bei Herodot nicht angegeben. 

In beiden fallen ist also Plutarch einem autor gefolgt, der 
einen von Herodot abweichenden bericht gab. Wie erklart es sich 
nun, dass trotzdem Herodot und nicht jene andere quelle citirt 
wird? Schmidt (Perikl. zeitalter 11, 136) meint, an der zuerst 
besprochenen stelle würde Herodot deswegen citirt, weil die von 
Plutarch citirte hauptquelle über die art, wie Themistokles die eu- 
böische bestechungssumme verwandte, keine auskunft gegeben habe. 
Allein gerade in bezug auf diesen punkt zeigt Plutarchs darstel- 
lung, wie wir vorhin sahen, eine bemerkenswerthe abweichung von 
dem bericht: Herodots. Also auch die angabe, für die Herodot 
ausdrücklich als gewahrsmann geuaunt wird, stammt aus einer an- 
deren quelle. Hinsichtlich der zweiten stelle bemerkt Schmidt 1l, 
280 selbst, dass die auführuug Herodots anstoss errege. Die ver- 
muthung Schmidts, dass die fraglichen citate etwa aus einem autor 
entnommen seien, der seinerseits Herodot benutzte, hat wenig 
wahrscheinlichkeit. Wie nämlich Schmidt selbst I, 206 hervorhebt, 
kam es auf historischem gebiet bis zum zweiten jahrhundert vor 
Chr. überhaupt hóchst selten vor, dass man des blossen nachweises 
einer entlehnung halber einen autor citirte; mau kann dies also 
bei den für Plutarchs Themistokles und Aristides in betracht kom- 
menden gewährsmäunern, von denen keiner nach dem zweiten jahr- 
hundert vor Chr. lebte, nicht leicht voraussetzen. Auch bleibt bei 
der annahme, dass an jenen beiden stellen die aufülrung Herodots 
aus einem anderen autor entlehnt ist, ganz die nämliche schwie- 
rigkeit wie im falle einer directen benutzung; auch hier erhebt 
sich die frage, wie ein autor, der einen von Herodot in mehr- 
facher hinsicht abweichenden bericht gibt, dazu kommt, sich gerade 
auf diesen geschichtschreiber zu berufen. Einigermassen begreiflich 
ist jedoch das verfahren Plutarchs, wenn er der verfasser der 
schrift de Herodoti malignitate war. In diesem falle konnte ihm 
daran gelegen sein, gerade Herodot für jene gehässigen erzählun- 
gen, obwohl er deren details aus späteren quellen entnalm, ver- 
antwortlich zu machen. 

Bemerkenswerth ist es übrigens, dass Plutarchs bericht über 
den stellungswechsel der Athener vor der schlacht bei Platää eine 
wendung enthält, die sich nicht bei Herodot, wohl aber an der 

Philologus. XLII. bd. 1. 4 





50 Plutarchos. 


entsprechenden stelle der schrift de Herodoti malignitate findet. 
Plutarch bemerkt nümlich (Aristid. 16), die athenischen feldherrn 
hätten es für rücksichtslos und übermüthig gehalten, dass Pausanias, 
während er die anderen contingente in ihren stellungen belasse, 
die Athener allein wie heloten hin- und herschiebe (157 &AÀg» dwr 
take dv yuQa movous arw xai xurw utragéQtu Opus woneg ef- 
Awrug). In ganz ähnlicher weise wird de Herod. mal. c. 42 von 
Herodot selbst gesagt, dass er die Athener, indem er sie ihre stel- 
lung wechseln lasse, auf erniedrigende weise hin- und herschiebe 
(xaraBuddes thy nolıy ürw xai x&rw peragtowr). Hierzu kommt 
noch eine weitere schwerlich auf zufall beruhende übereinstimmung. 
Die auffassung Plutarchs nämlich, dass die Lakedümonier, indem 
sie den Athenern die führung des rechten fliigels überliessen, diesen 
gleichsam den oberbefehl abgetreten hätten, begegnet uns, ohne 
dass wir bei Herodot eine derartige bemerkung finden, in gleicher 
weise wieder in der schrift de Herod. mal.: öAlyo» dé toregoy av- 
roig Muvourluy xai Iragrıurag ıng fyeuov(ac vyleodaı. 

Die bisherige untersuchung hat gezeigt, dass Plutarch in der 
darstellung der Perserkriege die von dem verfasser unserer schrift 
beanstandeten angaben entweder, was in der überwiegenden mehr- 
zahl der fälle geschieht, ebenfalls verwirft, indem er einer anderen 
relation folgt, oder wenigstens für dieselben keiue verantwortung 
übernimmt. Ferner haben wir gesehen, dass Plutarch und der ver- 
fasser nicht nur dieselben quellen benutzen uud sich manchmal so- 
gar auf die nümlichen zeugnisse berufen, sondern auch mitunter in 
der beurtheilung der thatsachen eine auffullende übereinstimmung 
zeigen. Die annalıme, dass wir es hier mit zwei von einander un- 
abhängigen autoren zu thun haben, ist von vornherein ausgeschlos- 
sen; denn es wäre doch ein seltsamer zufall, wenn beide stets 
dieselben quellen benutzt hätten. Selbst wenn wir diesen fall 
setzen wollten, würde die hier und da hervortretende übereinstim- 
mung iu der auffassung sich nicht leicht erklaren lassen.  Andrer- 
seits ist aber auch das verháliniss zwischen der darstellung Plu- 
tarchs und den ausführungen des verfassers nicht etwa ein derar- 
tiges, dass man eine benutzung des einen durch den anderen ver- 
muthen künnte. Es bleibt also nur die annahme übrig, dass der 
verfasser unserer schrift kein anderer ist, als Plutarch selbst. 

Dieses ergebniss wird noch dadurch bestátigt, dass auch an- 





Plutarchos. 51 


derweitige geschichtliche angaben Plutarchs mit den ansichten des 
verfassers durchaus im einklang stehen. 

€. 16 und 27 polemisirt der verfasser gegen die angabe He- 
rodots, dass Pisistratos nach seiner ersten vertreibung aus Atben 
durch ein bündniss mit dem Alkmaoniden Megakles wieder in den 
besitz der tyrannis gelangt sei. Er halt dies aus dem grunde für 
unwahrscheinlich, weil die Alkmäoniden doch diejenigen gewesen 
seien, die ihre vaterstadt von der tyrannis befreit hätten. Bei 
Plutarch Solon 30 ist nun das verhalten des Megakles ganz so 
geschildert, wie es der verfasser unserer schrift voraussetzen zu 
müssen glaubt. Plutarch berichtet námlich, dass gleich nach der 
eiouabme der Akropolis durch Pisistratos Megakles mit den an- 
deren Alkmäoniden die stadt verlassen habe. Ebenso steht es, wie 
wir bereits oben (p. 36) gesehen haben, in einklang mit den vom 
verfasser aufgestellten grundsätzen, wenn Plutarch Them. 23 nichts 
von einer betheiligung des Themistokles am verrath des Pausanias 
berichtet, sondern die dem Themistokles gunstigere darstellung des 
Ephoros acceptirt. Ferner móge uoch bemerkt werden, dass Plu- 
tarch ebenso wie der verfasser an der von Herodot ll, 45 verwor- 
fenen sage von den menschenopfern des ägyptischen königs Busiris 
festhält. Vgl. De Her. mal. 12 mit Plut. Theseus 11 und De fort. 
Alex. II, 11. ) 

Mitunter finden wir auch, dass Plutarch den charakter oder 
die handlungsweise einer person gerade so beurtheilt, wie es der 
verfasser verlaugt. De Her. mal. 2 wird es für boshaft erklärt, 
wenn jemand den Nikias JeoAnzzog nennen wollte, statt im an- 
schluss an Thukydides den ausdruck Jecaoum noocxelueros zu ge- 
brauchen. Der letzteren bezeichnung "bedient sich auch Plutarch 
Nic. 4. Ferner finden wir die ansicht des verfassers, dass Alexan- 
der nichts ohne mühe und anstrengung erreicht habe (c. 7), aus- 
führlich begründet in Plutarchs schrift de fortuna Alexandri. In 
ganz der nümlichen weise beurtheilen beide die erfolge des Timo- 
theos (De Her. mal. 7. Plut. Timol. 36. Sull. 6). Ebenso theilt 
Plutarch mit dem verfasser die ansicht, dass der jüngere Cato sich 
nicht etwa deshalb das leben genommen habe, um einem schimpf- 
lichen tode von seiten Cäsars zu entgehen, sondern dass ihn viel- 
mehr andere gründe hierzu bestimmt hätten (vgl. De Her. mal. 6 
mit Plut. Cat. Min. 66). Die ermordung Alexanders von Pherä 


4* 





52 Plutarchos. 


endlich durch seine gattin Thebe wird von beiden als eine that 
betrachtet, die ihren grund nicht etwa in eïfersucht, sondern in 
verabscheuung des schlechten (uscomorngta) hatte (vgl. De Her. 
mal, 6 mit Pelop. 28). 

Unter den geschichtlichen angaben des verfassers wiisste ich 
nur zwei anzuführen, die mit bemerkungen Plutarchs im wider- 
spruch stehen. De Her. mal 33 wird nümlich eine zwischen Bóo- 
tern und Thessalern gelieferte schlacht nur kurze zeit vor die 
Perserkriege gesetzt, während dieselbe nach Plut. Camill. 19 mehr 
als 200 jahre vor der schlacht bei Leuktra stattfand. Sodann er- 
wühnt der verfasser c. 1 einen ausspruch des Philippos, der Plut. 
Tit. 10 den Aetolern zugeschrieben wird. Auf solche geringfügige 
abweichungen, die den zahlreichen übereinstimmungen gegenüber 
ganz verschwinden, ist aber um so weniger gewicht zu legen, als 
auch sonst bei Plutarch sich einander widersprechende angaben 
vorkommen 8), 

Ein weiteres indicium für die echtheit unserer schrift liegt 
in der mehrfach hervortretenden übereinstimmung mit den religiósen 
ansichten Plutarchs. Es entspricht, wie wir bereits gesehen haben 
(p. 33), durchaus den anschauungen Plutarchs, wenn der verfas- 
ser von der entlehnung griechischer götternamen und culte aus 
Aegypten und verschiedenen generationen der gótter nichts wissen 
will. Ebenso befindet er sich mit demselben in übereinstimmung, 
wenn er Herodots ansicht von dem neide der götter (s. p. 33) 
und die erzählung von der bestechung der Pythia durch die Alk- 
müoniden (c. 23) zurückweist. 

Auch in sonstiger hinsicht lassen sich noch übereinstimmungen 
nachweisen. Die bemerkuug des verfassers, dass man verwerfliche 
handlungen, die sich jemand habe zu schulden kommen lassen, in 
der erzäblung nicht ohne noth erwähnen solle (c. 3), steht ganz 
im einklang mit den grundsätzen, die Plutarch in seinen biogra- 
phien befolgen zu müssen glaubt (vgl. Cim. 2). Ferner muss be- 
merkt werden, dass Plutarch es ebenso wenig wie der verfasser 


48) So betrug die zahl der am Eurymedon genommenen persi- 
schen trieren nach Cim. 12 200, nach De glor. Ath. 7 dagegen, wo 
eine andere quelle benutzt ist, nur 100. Ferner wird Them. 28 als 
ankläger des Themistokles Leobotes, der sohn des Alkmäon, genannt, 
Aristid. 25 ist dagegen die rede von den angriffen des Kimon und 
Alkmäon auf Themistokles. 


Plutarchos. 53 


für angemessen hält, die weisen Griechenlands als sophisten zu be- 
zeichnen (vgl. De Her. mal. 15 mit De ei ap. Delph. 3). Endlich 
ist noch hervorzuheben, dass de Her. mal. 9 fin. der scheinbare 
freimuth der schmeichler in ganz der nämlichen weise charakteri- 
sirt wird wie von Plutarch in der schrift de adulatore e$ amico 
c. 5. 

Die für die echtheit unserer schrift beigebrachten beweise 
sind, wie ich glaube, entscheidend, zumal ihnen keine gewichtigen 
bedenken entgegenstehen. Wollte jemand trotzdem Plutarch nicht 
els verfasser anerkennen, so bliebe nur die annahme übrig, dass 
wir es mit einem raffinirten betrüger zu thun hätten, der ein sehr 
grosses studium darauf verwandt haben müsste, in jeder hinsicht 
die übereinstimmung mit Plutarch zu wahren. In diesem falle aber 
würden die oben (p. 52) angeführten vereinzelten widersprüche 
viel mehr befremden, als wenn man Plutarch selbst für den ver- 
fasser halten wollte. Auch fragt man vergebens, welchen zweck 
überhaupt ein derartiger betrug hätte haben sollen. Bahr wenig- 
stens hat diese frage nicht beantwortet. War, wie er annimmt 
(Herodot, bd. IV, p. 481), die schrift von einem bóotischen rhetor 
oder sophisten verfasst, der sich bei seinen landsleuten in gunst 
setzen wollte, so konnte derselbe doch kein interesse daran haben, 
seine arbeit einem anderen autor unterzuschieben. Ist aber, was 
Bahr ebenfalls für möglich hält, die abhandlung nur ein rhetori- 
sches: übungsstück, so lag zu einer fälschung wiederum nicht der 
mindeste grund vor. Man kénnte wohl annehmen, dass der ver- 
fasser einer solchen arbeit sich bestrebt hatte, Plutarchs ausdrucks- 
weise nachzuahmen; warum er aber darauf ausgegangen sein sollte, 
seine schrift in jeder beziehung als ein werk Plutarchs erscheinen 
zu lassen, ist nicht einzusehen. Wir müssen also dabei stehen 
bleiben, dass unsere schrift nur von Plutarch selbst verfasst sein 
kann. 


Leipzig. L. Holzapfel. 


Thukydides IV, 83, 2 
ist zu schreiben: Boacldag è6 Aóyovg (statt Aoyoic) ëpn Bov- 
Aeodus newrov LIWy moo zoÀfuov “AgdiBaîov Euunayov Aaxe- 
daspovlwy . . . 7087004. Im anderen falle würde éA9«» anstoss 


erregen. 
Leigzig. L. Holzapfel. 





Hil. 


Zu Plotins zweiter abhandlung über die allgegen- 
wart der intelligibeln in der wahrnehmbaren welt. 
Enn. VI, 5. 


In einer dem Flensburger programm von 1881 beigegebenen 
abhandlung habe ich ausgeführt, dass es sich in Enn. Vl, 4 für 
Plotin um eine doppelte aufgabe handelt: er will die ungetheilte 
allgegenwart der intelligibeln (J.) in der wahrnehmbaren (W.) welt 
nicht nur beweisen, sondern auch begreiflich machen; das erste ge- 
schieht, indem alle denkbaren anderen annahmen über das verhältnis 
des J. zu W. als unmöglich dargethan werden, das zweite durch 
beseitigung aller der zweifel, welche sich gegen die denkbarkeit 
seiner thesis an sich, und aller derer, welche sich gegen ihre ver- 
einbarkeit mit anderen allgemein zugestandenen oder doch gerade 
von Plotin gelehrten sätzen erheben. Die zweifel der ersten art 
waren nun folgende: es fragte sich: 1. wie kann ein unrüumliches 
wesen in einem ráumlichen, 2. wie kann eine substanz in einer 
anderen, 3. wie kann ein ding als ganzes zugleich an vielen orten 
anwesend sein, 4. wie kann ein grüsseloses sich über ein grosses, 
das unermesslich grosse weltall, ausbreiten! Das eigentliche thema 
von Enn. VI, 5, der abhandlung, die uns hier beschüftigen soll, 
und die mit der vorhergehenden, von der sie erst durch Purphy- 
rius gesondert wurde, eng zusammengehört, ist nun, wie sich uu- 
schwer erkennen lässt, nicht die nothwendigkeit der in beiden be- 
handelten thesis, aber auch nicht ihre vereinbarkeit mit anderwei- 
tigen wahrheiten. Wenn vielmehr Enn. Vl, 4 nach einem ziemlich 


Plotinos. 55 


weitläuftig geführten nachweise für diese vereinbarkeit mit den 
worten schliesst: zu dé avalaßorres tov LE doy; Aoyor À6- 
ywpev, so bestätigt sich die nahe liegende vermuthung alsbald, dass 
der 25 dgyg; Aoyog, der wieder aufgenommen werden soll, kein 
anderer ist als der, welcher es mit der inneren widerspruchs- 
losigkeit unserer thesis zu thun hat. Allein auch so würden wir 
das thema der zweiten dieser inhaltlich zusammengehörigen ab- 
handlungen noch nicht mit der nüthigen genauigkeit ausgedrückt 
haben. Die eingangsworte von Enn. VI, 5: 10 & xal ravtdy 
“psp navtayou aua odov evar... stimmen mit der ge- 
meinsamen überschrift, welche diese abhandlungen in der ausgabe 
des Porphyrius erhalten haben !), allerdings fast völlig überein, 
bezeichnen aber, gerade indem sie sich von dieser nur durch die 
weglassung von ov und die hinzufügung des dgiJuug) unterscheiden, 
mit der wünschenswerthesten schärfe die vereinzelte schwierigkeit, 
welche in der that den gegenstand der ganzen zweiten abhandlung 
bildet. Von der unräumlichheit, der grössselosigkeit, ja selbst der 
substantialitat des Intelligibeln wird hier im principe wenigstens 
abgesehen, es soll — so wird uns angekündigt — nur die ganz 
abstrakte frage, wie ein existentiell (“gı3uw) identisches als gan- 
zes und zugleich überall sein künne, also das dritte jener oben 
aufgeführten probleme, noch einmal ausführlicher behandelt werden. 

Allein welcher art soll diese erneute behandlung sein? Ea 
kana doch nur darauf ankommen, jenes dem gewöhnlichen be- 
wusstsein unglaubliche verhalten *) glaublich zu machen, Nun ist 
zu diesem zwecke in der ersten abhandlung zunächst der begriff, 
der hier dem prädikate „gegenwärtig sein, in einem anderen sein“ 
zukommen soll, festgestellt und erläutert 5), es sind sodann zwei 
erfahrungsbeispiele angeführt *), in welchen diese so gefasste ge- 
genwart eines in vielen dingen als wirklich, mithin auch als müg- 
lich anerkannt werden musste, Jetzt soll jedoch die (cong in 
dem unig tov évog xai navrn Ovrog Aoyog?) noch durch andere 


1) Megs 109 10 0v fv xai tavrov 0v» apa navınyov elvas olov. 

2) C. 4, p. 338, v. 17—18: ... medley ab avsgayn 10 &nsotTov- 
Merov... Navtayov 10 avrò Gua Choy elvas. Ich citiere durchweg 
nach seiten und zeilen der ausgabe von H. F. Müller. 

3) Enn. VI, 4, c. 2 

4) Ibid. c. 7. 

9) VI, 5, c. 2, p. 336, v. 18—19; vgl. c. 8, p. 540, v. 20—21 





56 Plotinos. 


mittel errungen werden: es wird in unserer abhandlung von ver- 
schiedenen sätzen, deren wahrheit dem Plotin zweifellos scheint, 
ausgegangen, und dann, soweit dies noch nöthig ist, der nachweis 
geführt, dass die anerkennung jedes dieser sätze unumgänglich die 
anerkennung eines verhaltens fordert, welches die ungetheilte ge- 
genwart eines existentiell identischen in einer vielheit von dingen 
in sich schliesst. 

Die sätze nun, aus deren jedem diese gegenwart sich mit 
nothwendigkeit ergeben soll, sind folgende: 1. Der in einem jeden 
von uns gegenwärtige gott ist einer und derselbe (c. 1, p. 335, 
v. 14—15). 2. Alle wesen streben nach dem guten (v. 23—24). 
3. Das wahrhaft seiende ist ewig, unveränderlich, unräumlich und 
dabei in allen dingen (c. 2, p. 336, v. 23—27 und c. 3, p. 337, 
v. 7—14). 4. Der diesseitige gott ist überall anwesend (c. 4, 
p. 338, v. 6—7). 5. Die jenseitige natur ist unendlich (v. 19). 
6. Wir denken die jenseitigen wesenheiten, ohne bilder oder ab- 
drücke von ihnen zu haben (c. 7, p. 340, v. 5—6). 7. Die ma- 
terie nimmt an den reinen formen theil (c. 8, p. 340, v. 20—21). 
8. Die geformten elemente sind zu einem einbeitlichen kugel- 
förmigen weltganzen zusammengeführt worden (c. 9, p. 342, v. 
3—4). 9. Das rechte denken ist in allen eines und dasselbe (c. 
10, p. 343, v. 30— 31). 10. Wir erfassen mit unseren seelen 
das gute (p. 344, v. 14—15). — Die verhaltungsweisen aber, 
welche mit jenen anpahmen mittelbar oder unmittelbar gesetzt auch 
die an der spitze dieser abhandlung stehende thesis zu einer noth- 
wendigen annahme machen, sollen folgende sein: 1. Ein und der- 
selbe gott ist als ganzer und untheilbarer in uns allen gegenwärtig. 
2. J. ist als ein untheilbares in W. als einer nothwendigen con- 
sequenz seines wesens gegenwärtig. 3. J. ist in W. als ein un- 
theilbares allgegenwärtig. 4. Der diesseitige gott ist als einer 
und ganzer überall zugleich gegenwürtig. 5. J. ist in W. als 
ein untheilbares allgegenwürtig. 6. Wir alle, die wir das Jntel- 
ligible erkennen, sind mit ihm eines. 7. Die idee ist als eine und 
untheilbare überall in der von ihr gestalteten materie gegenwürtig. 
8. Des welterschaffende und weltbelebende princip (die seele) 


olum . . . st nç Ensoxéporro . . . uälloy &v ele nictsy lei 100. le 
youtvov xai uy cy En wo dduvatw ansoreiv. ..; c. 11, p. 345, 
v. 18—19: uiyıorov eic mesdw nv Ixsivn 4 guoss ola isti dıdaydeion. 


Plotinos. 57 


ist absolut eines und als solches in der welt allgegenwirtig. 9. 
Des denken (der nus) kommt als absolut eines und für sich be- 
stehendes uns allen zu. 10. Wir sind mit dem guten wie mit 
den intelligibeln mächten überhaupt zusammen und eines. 

Von diesen zehn beweisen sind, wie man sieht, einige, jeden- 
falls der 2te, 3te und 5te, gerade demjenigen satze gewidmet, von 
dessen wahrheit uns die gesammte erst von Porphyrius in zwei ab- 
handlungen zerlegte schrift überzeugen soll, für dessen nothwen- 
digkeit auch bereits ip der ersten abhandlung ein beweis geführt 
war ©), und für dessen nothwendigkeit hier mehrere beweise in 
der ausdrücklichen absicht geführt werden, demjenigen momente, 
das ihn den meisten unglaublich macht, an welches sich der un- 
glaube am zähesten anklammert, der ungetheilten gegenwart eines 
existentiell identischen in vielen dipgen, nun endlich auch glauben 
zu erkämpfen ^) Einer dieser beweise, der 3te (c. 2 und 3), be- 
folgt nun gar im wesentlichen von denselben voraussetzungen aus- 
gehend dasselbe verfahren wie der ip der ersten abhandlung ent- 
haltene: ansichten, die von der thesis abweichen, werden als der 
natur des Jntelligibeln und anderen wahrbeiten widersprechend zu- 
rückgewiesen. Als solche unstatthaften annahmen werden hier aber 
folgende in betracht gezogen: 1. die gleichzeitige räumliche all- 
gegenwart des J. in W.*), 2. die emanation oder die ausson- 
derung gewisser theile aus dem J., die in W. eintreten ?), 3. die 
erzeugung eines anderen, räumlich in W. sich ausbreitenden durch 
das als unvermindertes ganzes in sich bleibende J.!°). Diese an- 
nahmen widersprechen (1) dem in sich und für sich bleiben des J., 
(2) der unräumlichkeit des J. überhaupt, (3) der anderweitig fest- 
stehenden ungetheilten allgegenwart der  einzelseele in ihrem 


körper !!). 


6) Vgl. Flensburger programm, 1881, p. 24. 

7) Vgl. c. 3, p. 337, v. 25—27: ‘Ayayxn . . . napadiysodas 10 FE 
doyas, 10 8v xai 1adıov dosduw uy weuspsoutvov, alla oor or, 
TO» alloy .. . undsvog anooratiy . . . 

8) Ibid. v. 14—19. 

9) Ibid. v. 27 — 28. Vgl. hiezu Zeller, Phil. d. Gr., III, 2. 3te 
aufl., p. 497 und 506. Wie entschieden Plotin jede emanatistische 
vorstellung verwirft, davon werden wir uns im verlaufe dieser erör- 
terungen noch mehrfach überzeugen. 

i Ibid. v. 28—30. 
11) Durch die in klammern beigefügten ziffern sollen die bemer- 
kenswertheren unter denjenigen bestimmungen ausgezeichnet und ge- 





58 Plotinos. 


Die selbsteigene allgegenwart des untheilbaren J. wird 
nun in dem Sten beweise (c. 4, p. 338, v. 18 — c. 6 incl) aus 
einer anderen seiner wesensbestimmungen, (4) seiner unendlichkeit, 
gefolgert, da das, was nicht allein gegenwärtig sein könne, eben 
nur bis zu einer gewissen grenze reiche, also nicht unendlich sei. 
— Der zweite beweis aber (c. 1, p. 335, v. 22 — z. schl.), der 
eigentlich in zwei beweise zerfállt, geht nicht mehr von einer we- 
sensbestimmung des J., sondern,von dem satze aus, (5) dass alle 
wesen nach dem guten streben, mit dem sich jedoch unmittelbar 
die voraussetzung verbindet, (6) dass das gute für alle wesen ab- 
solut eines ist. Dieses hinstreben aller dinge nach einem soll 
sich nun allein daraus erklären, (7) dass alles ursprünglich eine 
einheit bildet, die daun in gewissem sinne in eine vielheit ausein- 
ander geht, (8) und dass dos gute, das ziel des strebens, für diese 
eine natur in dem sich selber angehören, in dem sie selber, d. h. 
eine sein besteht 1”). Der letzte satz, dass nur das seiende selber 
auch das gute sein kann, geht — so wird mit einem offenbaren 
logischen fehler gefolgert — schon daraus hervor, dass das gute 
nicht ausserhalb des seienden, nicht ein nicht seiendes sein kann. 
(9) Sind aber das gute und das seiende identisch, und ist anderer- 
seits das gute nur in dem seienden, so wird das eine gute, nach 
welchem alle dinge streben, in uns und jedem dinge als in sich 
selber, alles seiende also nur eines sein. 

Eine andere gruppe von beweisen (der erste und sechste) gilt 
— zunächst wenigstens nur — der allgegenwart des untheilbaren 
J. oder der intelligibeln wesenbeiten in uns, den geistigen wesen. 
(10) Es ist — so belehrt uns der eingang unserer abhandlung — 
eine angeborene, also nicht durch iuduction gewonnene, allen men- 
schen eigene, ganz sichere und grundlegende erkenntnis, dass der 
in einem jeden von uns weilende gott einer und derselbe ist. Zu- 


zühlt werden, welche im laufe dieser ausfübrungen als beweismittel 
auftreten. 

12) Wenn Plotin hier (p. 336, v. 4—5) die bemerkung hinzufügt: 
otro dé xai 10 dyadòy opus ay diyosto olxsiov, so ist darin vielleicht 
auch eine erinnerung an eine stelle des platonischen Lysis (221 E) zu 
erkennen, in welcher das oixsiov, das dort allerdings der annahme nach 
mit dem dya9óv» nicht identisch sein soll, auch als ziel des strebens 
bezeichnet wird. Im übrigen würen z. vgl. Charm. 168 D, Gorg. 
506 E, Rep. IX, 506 E u. Symp. 193 D, wo sich auch der hier von 
Plotin gebrauchte ausdruck doyaia qos findet. 





Plotinos. 59 


gestanden muss freilich werden, dass nur jene thatsache selbst, 
nicht die art und weise ihrer verwirklichung den inhalt angebore- 
mer erkenntnis bildet, und wenn wir nun an jener wahrheit, der 
untheilbaren einheit des J. in uns und allen dingen, zweifeln mögen, 
(11) so geschieht dies, weil das überlegende denken selber nicht 
eines, sondern etwas getheiltes ist, und weil wir bei unserer über- 
legung von falschen principien, nämlich von annahmen ausgehen, 
die nur von der natur der körper gelten !). — Der sechste be- 
weis (c. 7) stützt sich auf die nicht ausgesprochene voraussetzung, 
(12) dass wir die gegenstände unserer erkenntnis entweder selber 
sein oder bilder, abdrücke von ihnen besitzen müssen, und nimmt 
weiter den satz zu hülfe, (13) dass die jenseitigen erkenntnisob- 
jecte nicht in uns, sondern wir nur in jenen sein kónnen. Sind 
wir also alle mit dem Jntelligibeln und folglich auch mit einander 
eines, so kommt uns doch diese einheit nicht ohne weiteres zum 
bewusstsein, weil unser blick für gewöhnlich nicht nach innen, 
auf den gemeinsamen ursprung unseres wesens hin, gerichtet ist, 
und (14) es nicht jedem und vielleicht nur unter géttlichem  bei- 
stande gelingen will, die hiezu nöthige umdrehung zu vollziehen. 
(15) Wem diese aber gelingt, der wird zwar nicht auf der stelle, 
zuletzt aber unvermeidlich von der unausführbarkeit einer realen 
scheidung, einer abgrenzung seines ichs gegen die anderen wesen 
überzeugt werden, mit anderen worten von seiner substantiellen 
einheit mit allem seienden eine anschauende erkenntnis ge- 
winnen, 

Als eine dritte gruppe bildend liessen sich diejenigen beweise 
betrachten, bei welchen die gestaltung der äusseren welt durch 
bestimmte mächte der intelligibeln ins auge gefasst wird. Der 
siebente beweis (c. 8) beruft sich auf die bildung der elemente 
durch die einwirkung der ideen auf die materie, der achte (c. 9 
— c. 10, p. 343, v. 30) auf die verbindung der fertigen elemente 
zu einem einheitlichen weltganzen und die erhaltung desselben durch 
die seele. In dem ersteren wird aus der gleichzeitigen, nicht durch 
räumliche berührung bedingten aber unmittelbaren herrschaft der 
idee über die ganze von ihr gestaltete materie !4) die unmöglich- 
keit aller derjenigen ansichten gefolgert, welche das verhältnis der 


13) C. 2, p. 336, v. 12- 18. 
14) P. 341, v. 3—6. 





60 Plotinos. 


idee zur materie in räumlich anschaulicher weise auffassen oder 
sonstwie in ihm die gegenwart eines existentiell identischen in vie- 
len dingen auszuschliessen suchen. Wenn die idee, beispielshalber 
die idee des feuers, nicht für sich bliebe, sondern die von ihr zu 
formende materie, von ort zu ort durchliefe, so würde diese ma- 
terie eben nicht in jedem augenblicke in ihrer ganzheit die „feuer- 
form“ an sich haben !5) Andererseits kann die idee aber auch 
nicht für sich bleiben, ‘um auf die materie nur durch eine ge- 
wisse ausstrahlung (emanation) einzuwirken, so dass in dieser das 
bild jener wie ein spiegelbild im wasser sichtbar würde 16). Die 
idee ist ja weder räumlich von der materie gesondert, noch 
überhaupt im raume, (16) da sie vielmehr den raum erst aus sich 
erzeugt. (17) Die idee ist von dem wahrnehmbaren dinge ferner, 
das an ihr thei] hat, doch unvergleichbar verschieden, die idee des 
feuers kann nicht selbst wieder feurig sein, wie sie es doch als 
ein im raume vorhandenes, ausstrahlendes, also sich stofflich aus- 
breitendes ding sein müsste; eine solche annahme widersprüche 
auch (18) ihrer unzersprenglichen , unzerstreubaren einheit !"). 
Bezeichnen „wir“ die einwirkung der idee auf die materie doch 
zuweilen als ,,einstrahlung*', so ist dieser ausdruck doch nur ein 
bildlicher, der den umstand hervorheben soll, dass die urbildliche 
idee mit ihrem nachbilde in der materie eben so wenig identisch 
ist, wie die ausstrahlende substanz mit der eingestrahlten 18). — 
Unmôglich ist schliesslich die annahme, dass die idee verschiedene 
theile mit verschiedenen theilen ihrer selbst gestaltete, oder dass es 
für jeden der vielen theile des feuerelementes eine besondere ge- 
staltende idee gäbe; so gübe es ja unzühlig viele feuerideeen, 
und es fragte sich, wie die theilung vorgenommen werden soll, 
wenn das feuer nur eine stetige masse bildet. Es kann vielmehr 
nur eine überall mit sich identische idee des feuers geben, welche. 
auch dann ausreichen würde, wenn wir dem feuerelemente etwas 
hinzutbun, es noch grösser machen könnten, als es thatsächlich ist. 

Was von ewigkeit her als ein geschlossenes, wenn auch zu- 
sammengesetztes ganzes besteht, lüsst eine unwillkührliche form der 


15) P. 841, v. 6—11. 
16) Ibid. v. 1—3. 

17) Ibid. v. 14—22. 
18) P. 840, v. 30—84. 


Plotinos. 61 


darstelluug als in der zeit allmühlich entstanden erscheinen, weil 
unser nachdenken selbst die verschiedenen ‚momente dieser verknü- 
pfung, wie eines das andere voraussetzt, nur nach einander zu er- 
fassen vermag. Man darf es also nicht missverstehen, wenn wir 
erst die elemente aus der materie gebildet und dann zu einem 
weltkórper zusammengeführt werden lassen, (19) dessen geschlos- 
sene einheit sich schon durch seine kugelgestalt bekundet. Analog 
dem verfahren des vorigen beweises werden nun zunüchst !?) als 
mit der hervorgehobenen thatsache unvereinbar dargethan: die viel- 
heit der schaffenden wesen, von denen etwa jedes in einem beson- 
deren theile des weltalls wirksam würe, die vertheilung des einen 
schaffenden wesens auf die verschiedenen theile der welt, die ema- 
nation aus demselben in den weltkörper — und ähnlich ist auch 
die formulierung des schlusssatzes *°): die schaffende macht, zugleich 
das bestündig fortwirkende lebensprincip dieses weltganzen, ist ab- 
solut einheitlich; (20) es müssen folglich alle seelen nur eine 
sein, diese eine aber freilich eine unendliche vielheit in sich 
schliessen; es würde ferner diese eine mit sich identisch bleibende 
seele auch dann ausreichen, wenn die welt noch grósser werden 
könnte ?') — Weiter unten ??) wird dann noch hervorgehoben, 
dass auch diese macht von ihrem wirkungsbereiche nicht räumlich 
gesondert, ja überhaupt nicht im raume sein kann, weil sie vor 
allen im raume befindlichen dingen war, und diese vielmehr jener 
macht als einer stütze bedürftig sind, und (21) weil sich ferner 
die annahme verbietet, dass jene macht aus ihrem in sich und für 
sich sein in die räumliche welt hineiugezogen würde; diese würde 
sich so ihres haltes und ihrer stütze berauben und zu grunde ge- 
hen, wäbrend jene wenigstens volle sicherheit des bestandes mit 
grosser unsicherheit vertauschte. Insofern nun die seele für sich 
bleibt, und die äussere welt doch an sie wie an den glücklich ge- 
fundenen gegenstand ihres verlangens gebunden ist, hut diese äus- 


19) C. 9, p. 312, v. 2—12. 

20) Ibid. v. 12—21. 

21) Ich lese v. 16 und 17: dió xai oi uiv &gs9uór Elsyor, oi de 
ab10r abLovra my quo «brc: das wesen der seele, von einigen als 
zahl bestimmt, glaubten andere des zuletzt erwühnten umstandes 
wegen als eine sich selbst vermehrende zahl bezeichnen zu 


müssen. 
22) P. 343, v. 10 — c. 10, p. 343, v. 30. 





62 Plotinos. 


sere welt ihr zutreffendes symbol an dem thürhütenden Eros, der 
immer nur draussen weilt, beständig nach der schönheit verlangt 
und froh ist, auf diese ihm allein mögliche weise derselben theil- 
haft zu werden; ja sie ist insofern den irdischer liebe ergebenen 
überhaupt vergleichbar, weil diese ja auch nicht die schünheit in 
sich aufnehmen, sondern nur àusserlich beiwohnend sich zu eigen 
machen können. Insofern aber die vielen dinge dieser welt alle 
an die seele als ganze geknüpft sind, gleichen sie wieder den vie- 
len liebhabern eines geliebten, die diesen doch alle als ganzen lie- 
ben, weil er nur als solcher schón ist, und so auch in dem obigen 
sinne besitzen, wenn sie, ihn besitzen. 

Wir kommen nunmehr zu zwei beweisen, welche auf unserer, 
der menschen, theilnahme an bestimmten intelligibeln wesen- 
heiten gegründet sind. Wie die äussere welt sich in unmittel- 
barer abhüngigkeit von der seele findet, so steht diese wieder zu 
einem höheren in beziehung, zunächst zu dem denken 25), dann mit 
diesem zu dem guten. Auch für die neunte thesis wird der be- 
weis (p. 343, v. 30 — p. 344, v. 14) durch ausschluss der ab-. 
weichenden annahmen erbracht, nämlich der annahme, dass ver- 
schiedenen individuen verschiedene theile des denkens angehürten, 
und der ferneren, dass zwar jeder das denken als ganzes, aber 
nur wie jede qualität, z. b. die weisse, nicht als existentiell, son- 
dern nur als essentiell ganzes an sich habe. Die erste wider- 
sprüche nicht nur (22) der thatsache, dass das rechte denken in 
allen eines und dasselbe ist ?*), sondern schlósse auch (23) die là- 
cherliche vorstellung ein, dass das denken eines ortes im raume 
bedürfte. In der zweiten lige (24) die unhaltbare voraussetzung, 
dass das denken eine körperliche bestimmung sei?5). Eine dritte 
annahme wird nachträglich °°) kurz abgefertigt, nämlich die, dass 
das denken oder der nus in jedem einzelnen eine zwar essentiell 
identische, aber existentiell verschiedene substanz wäre. (25) 


23) Ich fasse gooveir (c. 10, p. 343, v. 31) nach aristotelischer 
bestimmung (De anima III, 3, 3) als og$ws vost». 

24) Ich lese v. 32 mit den handschriften und Kirchhoff: où 1:6 
piv. wde, rù de dde dv. 

25) P. 844, v. 2—5 sind verdorben. Das, was Plotin sagen will, 
würde folgender satz ausdrücken: sinsg öyrws ueéríyouev rod qooresiv, 
nei iv dei slvas xai 10 avid nav davım ovvoy, ovtasg èxsidey Ey o- 

ey xz. 


26) P. 344, v. 10—11. 


Plotinos. 63 


Da diese substanzen unkörperlich sein müssten, gäbe es ja nichts 
mehr, was sie von einander trennen und auch existentiell nur eine 
zu sein hindern kónnte. — Dass die menschen zur berathung 
zusammenkommen ?"), ist einerseits nur eine sinnbildliche 
handlung, welche die einheit des von vielen zu gewinnenden 
rechten denkens 7°) veranschaulicht, hat aber andererseits inso- 
fern einen reellen zweck, als gewöhnlich nicht der einzelne für 
sich, sondern nur im verein mit vielen das allen gemeinsame rechte 
denken wirklich in sich zu erzeugen, d. h. aufzufinden vermag. — 
‚Dass wir menschen aber unser „zusammen sein“ in ihm nicht mer- 
ken ?°),.jeder vielmehr seinen ganz besonderen nus zu haben glaubt, 
beruht auf einer ähnlichen täuschung, wie wenn wir denselben ge- 
genstand mit mehreren fingern berührend verschiedene zu berühren 
oder im dunkeln eine und dieselbe saite anschlagend verschiedene 
anzuschlagen glauben. 

Dass wir alle mit unseren seelen ein und dasselbe gute er- 
fassen, wird in dem zehnten beweise (c. 10, p. 344, v. 14 — 
c. 12, p. 346, v. 27) wiederum durch ausschluss der entgegen- 
stehenden annahmen erhürtet. Ausdrücklich als solche angeführt 
werden nur die vertheilung und die emanation??); die erstere 
widersprache natürlich der absoluten einheit, die zweite der un- 
raumlichkeit des guten. — Wenn nun im vorhergehenden?!) nur 
stillschweigend angenommen wurde, dass das denken als eine un- 
theilbare substanz nicht nur in uns allen wirke, sondern auch sel- 
ber ein integrierendes moment unseres eigenen wesens ausmache, 
so wird hier der entsprechende gedanke ausdrücklich begründet 82): 
(26) wir empfangen von dem guten nicht als subjecte, die ihm 
völlig fremd wären, sondern die zu ihm innerlich gehören, und zu 
deren wesen es selber wiederum gehört °°), (27) Eine mittheilung 
an ein völlig fremdes, eine eigentlich transcendente *4) einwirkung 


27) Ibid., v. 6—9. 

28) Ich lese v. 7 mit den handschriften und Kirchhoff: ws els &v 
to goovew lovıw». 

29) Vgl. c. 7, p. 340, v. 11—12. 

30) P. 344, v. 15—19. 

31) Ibid. v. 11—12. 

32) Ibid. v. 19—28. 

33) Ich lese v. 19—21 folgendermassen: x«é didwos to didoy 1015 
dauBavovow, iva övıws daufavrwow, ov Toig allorpioss, «Aia roig Faviod. 


34) V. 22: nounsos doo. 





64 Plotinos. 


ist nicht einmal innerhalb der kórperwelt, geschweige denn in dem 
intelligibeln möglich. Auch das an der natur eines kórpers, was 
auf einen anderen körper übergeht 35), ist trotz der räumlichen 
trennung beider kórper eines wesens mit diesem anderen, (28) 
und die gesammte kórperwelt bekundet sich als eine geschlossene 
wesenheit, indem sie nur in sich selber wirkungen ausübt und er- 
. führt und keiner von aussen kommenden einwirkung zugünglich ist. 
Was nun unter kórpern, zu deren natur doch das ausser sich sein, 
das fliehen vor sich selber gehört, unmöglich ist, das wird unter 
ausdehnungslosen wesen erst recht unmöglich sein. Wir sind dem- 
nach mit dem guten nicht nur eines wesens, sondern aucb mit ihm 
sowohl als überhaupt mit den intelligibeln müchten, welche uns 
beherrschen, ,zusammen'* °°), weil ja das, was nur ein wesen aus- 
macht, im intelligibeln nicht mebr räumlich aus einander gezogen 
sein kann. Wäre die intelligible welt nicht noch in diesem wei- 
teren sinne eines, würe sie nur in dem sinne eines wie auch die 
kórperwelt, so hätten wir ja eigentlich nur zwei wahrnehmbare 
und theilbare welten, zwei weltkugeln, die sich wesentlich in nichts 
unterschieden 5”), Während nun die eine dieser welten, in welcher 
jeder theil schon von natur ein ausser sich seiendes ist, schlechter- 
dings nicht anders als ausgedehnt sein kann, würde die andere, 


85) Ich lese v. 24 mit Kirchhoff: eis ro «vro. — Die von einer 
substanz ausgehende wirkung denkt sich zwar Plotin, wie wir auch 
gerade aus dieser abhandlung lernen kónnen, ganz gewiss nicht als 
einen von dieser substanz sich ablósenden theil, aber doch erscheint 
bei ihm die wirkung hypostasiert, als etwas, das an und für sich 
seine eigenschaften hat, die sich erst nach dem eintritt in die lei- 
dende substanz als zutrüglich oder schüdlich erweisen (vgl. nament- 
lich Enn. IV, 4, c. 38), als etwas, das unter umstünden auch gar 
nicht in eine andere substanz einzutreten braucht. „Wirkungen“ 
dieser letzteren art sind nach Plotin (Enn. IV, 5, c. 6, p. 95, v. 32 
— p. 96, v. 4) das licht und das leben. — Die lesart: 5 docs chiov 
1j allov cvyyeris (v. 24—25) kann nun nicht richtig sein, wie mir 
denn überhaupt alles von m°A herrührende des hôchsten misstrauens 
würdig zu sein scheint. Es kommt hier ja nicht auf die verwandt- 
schaft zweier wirkungen mit einander, sondern gerade auf die ver- 
wandtschaft der wirkung (docs) mit der leidenden substanz selbst 
an: es muss also heissen: 7 déc &ÀÀov &ÀÀov ouyysyng. Ueber ovy- 
yerns c. gen. 8. d. lex. 


96) P. 344, v. 28 — p. 345, v. 6. 
37) Ich glaube mit Vitringa ovdé» für wore (p. 345, v. 4) setzen 


zu müssen, würde aber weder hinter usuepsouévos (v. 3) noch hinter 
dioics (v. 4) eine interpunction für angezeigt halten. 


eo —  —997 — 
x — — — . nase u ss 


Plotinos. 69 


bei der keinerlei nóthigung hiezu vorliegt, durch ein solches sich 
ausspreizen, aus sich heraustreten nur lächerlich erscheinen. 

Ein einziger beweis, der vierte (c. 4, p. 338, v. 6 — v. 18), 
ist nun noch rückstündig. Es fragt sich, welches verhältnis wir 
eigentlich zu verstehen haben, wenn an jener stelle von dem überall- 
sein „dieses gottes hier“ die rede ist. Wer ist ,dieser** gott, der 
ausdrücklich und wiederholt 5°) dem jenseitigen entgegengesetzt 
wird? Will man nach dem eben dargelegten wirklich dem Plotin 
den gedanken zutrauen, der freilich mit den grundbestimmungen 
seiner philosophie, wie mir scheint, schwer scheinbar wäre, dass 
die körper nur die modi einer untheilbaren substanz seien 5°), so 
liegt die vermuthung nahe, dass ,,dieser“ gott soviel als der „dies- 
seitige“, nämlich die eine der gesammten wahrnehmbaren welt zu 
grunde liegende substanz sein soll. Der gang jedoch, den die aus- 
fübrung Plotins nimmt, und die art der angewandten gründe ver- 
bietet diese annahme. „Dieser“ gott wird also wohl nur als ein 
beliebiger einzelner der vielen nach dem volksglauben vorhandenen 
persönlichen götter, welche je nach umständen hie und da in den 
weltlauf eingreifen, „jener“ umfassenden göttlichen macht entge- 
gempesetzt sein, von welcher die gesammte wahrnehmbare welt 
als eine nothwendige wirkung von ewigkeit her in jedem 
augenblicke in ihrem sein und wesen abhängig ist. — Der be- 
weis zerfällt nun in zwei abschnitte, in deren erstem (— v. 10) 
die allgegenwart dieses gottes überhaupt, in deren zweitem sein all- 
gegenwärtig sein als ein existentiell überall mit sich identisches ver- 
fochten wird. (29) Es ist ein von allen, die nur eine vorstellung 
von göttern haben, anerkanntes axiom, dass alle götter (nicht 
etwa bloss der jenseitige) überall zugegen sind 4°), eine wahrheit, 
die sich übrigens auch beweisen liesse. Die zweite thesis wird 
durch ausschluss der einzig hier in betracht kommenden entgegen- 


38) P. 338, v. 8—9, v. 19. 

39) Weitere belege für diese annahme, die doch viel zu denken 
geben, liessen sich übrigens aus der umfangreichen ausführung über 

betswirkung, zauberei und astrologie, Enn. IV, 4, c. 30-45 incl, 
eibringen. Vgl. z. b. c. 33, p. 75, v. 26— 33. 

40) Vgl. Xenophon Apomn. I, 4, 18: ywwoss 10 Ssïov . . . . (ua 
narra 0gü» xai navta axovew xai navtayoù napsivaı xai cua nay- 
toy insutlecSae — wo dieser satz aber keineswegs als axiom hinge- 
stellt, sondern von Sokrates ausführlich gegen Aristodemos (vgl. ibid. 
11) bewiesen wird. 


Philologus. XLII. bd. 1. 5 





66 Plotinos. 


stehenden annahme, nämlich der vertheilung, erhärtet. Dieselbe 
widerspräche zunächst der ersten thesis, nach welcher dieser gott 
selbst überall sein muss, ferner der absoluten einheit, ja der 
selbsterhaltung seines wesens in allen seinen beziehungen zu un- 
serer welt, da eine theilung, wenn sie möglich, für ihn gleich der 
vernichtung wäre, und die blosse summe aller theile doch niemals 
wieder das ganze sein könnte, schliesslich auch seiner unkörper- 
lichkeit. Der satz von dem überall sein eines existentiell iden- 
tischen, der so allgemeinem unglauben begegnet, hat sich also hier 
allerdings nur unter einer voraussetzung, nämlich unter der, 
dass man überhaupt an das dasein einzelner persönlicher götter 
glaubt, dann aber als eine durch ein allgemein angenommenes 
axiom vermittelte nothwendige folgerung erwiesen. 

An einer stelle dieser abhandlung indess 4!) deutet Plotin auch 
an, wie jenes verhalten ohne widerspruch zu denken wäre, damit 
wir die möglichkeit desselben, an die wir nun wohl nachgerade 
glauben müssten, auch begreifen. Der widerspruch wird natürlich 
durch die erklärung beseitigt, dass das existentiell identische zu 
den vielen dingen, denen es „gegenwärtig“ sein soll, in gar kei- 
ner äusserlichen beziehung, sondern gauz allein in jener in- 
neren realen beziehung steht, welche als ein ,,theilnehmen dieser 
dinge an jenem einen bezeichnet zu werden pflegt. 

Wir könnten hiemit diese auseinandersetzung abschliessen, 
wenn nicht in unserer abbandlung — zwar nicht 7007yovpévws, 
aber doch xara ovußeßnxog — noch andere unglaublichkeiten in 
betracht gezogen würden. Als ein innerer widerspruch taucht hier 
nur noch auf, dass das, welchem man einen bestimmten umfang 
zuschreibt, durch sich selbst einen grösseren umfang soll gewinnen 
können 47) — genauer ausgedrückt, dass das ganz ausdehnungslose 
über die unermesslich grosse kórperwelt sich soll erstrecken kön- 
nen #). Von äusseren widersprüchen kommen zur verhandlung die 
vielheit innerhalb des J. **) und der umstand, dass nicht alles an 
allem theilnimmt %). In allen diesen fallen wird nicht blosse be- 


41) C. 8, p. 337, v. 19—21. 

42) C. 9, p. 842, v. 21 — p. 343, v. 10. 

43) C. 11 — c. 12, p. 346, v. 27; c. 6, p. 339, v. 27 adf. 

44) C. 4, v. 22 — c. 6, p. 339, v. 27; c. 10, p. 345, v. 6 adf. 
49) C. 11, p. 346, v. 16 adf.; c. 6, p. 389, v. 20—27. 


" gp n mw 


= 


Plotinos. 67 


wirkung des glaubens, sondern eine eigentliche erledigung durch 
richtigere oder genauere fassung der in betracht kommenden be- 
griffe und grundsitze angestrebt. 

Gegen den ersten widerspruch wird zunüchst die absolute 
grösselosigkeit — in dem einen falle der seele 6), in dem an- 
deren der gesammten intelligibeln welt 47) —, sodann die völlige 
unráumlichkeit derselben und im anschlusse hieran auch (30) ihre 
zeitlosigkeit hervorgehoben. Es folgt die positive bemerkung, (31) 
dass die unabünderlich feststehende ewigkeit, welche dem J. zu- 
komme, mehr sei als die über unendlich vieles dahinfliessende zeit 
und dieselbe beherrsche, etwa wie ein unbeweglicher punkt einer 
ins unendliche sich fortsetzenden spirale unaufhórlich ihre richtung 
anweise 19). Wie nun der zeitlichkeit dieser welt J. durch seine 
ewigkeit überlegen ist, so (32) beherrscht es ihre räumliche uner- 
messlichkeit durch eine innere unendlichkeit der kraft‘), Auch 
im dem anderen falle, in welchem allein von der seele die rede 
ist, wird deren unendlichkeit betont und naher als eine absolut 
einheitliche vielheit bestimmt. (33) Absolute einheit und 
vielheit kann die allumfassende seele in sich verbinden, insofern 
das viele in ihr nicht ein äusserlich zusammengestelltes, sondern 
aus ihrem eigenen inneren hervorbrechendes ist und in folge dessen 
auch durch ein in allen diesen modificationen ihres wesens sich 
identisch bleibendes gesetz beherrscht wird °°). Die gegenwart 


46) P. 842, v. 28 — p. 348, v. 1. 

47) P. 345, v. 20-26. 

48) — p. 346, v. 3. 

49) — v. 10. 

50) P. 343, p. 2—10. — In VI, 4 (c. 4, p. 321, v. 14—22) fin- 
det sich noch die ausdrückliche bemerkung, dass die in der umfas- 
senden seele enthaltenen einzelseelen in dieser von ewigkeit her be- 
stehen, also nicht erst mit dem kórper entstehen. Die lehre von 
der praeexistenz der seele, von den christlichen bischöfen Synesius 
und Nemesius bekanntlich noch festgehalten, wurde spüter in der 
orientalischen kirche bekümpft, so in dem nicht uninteressanten dia- 
loge „Theophrast“ des Aeneas von Gaza und in den beiden stümper- 
haften, aber nicht aller originalität ermangelnden byzantinischen 
schriften, welche Creuzer (Plotin Megi ro? xadov. Heidelberg 1814, p. 
395 und Oxforder ausg. t. II, p. 1416) aus einem Wiener und einem 
Vat. cod. veröffentlicht hat, dem Avmdeuxds node Illwrivov, der von 
einem gewissen Nicephorus Chumnus (ende des 13ten, anfang des 
l4ten jahrh.) verfasst ist, und dem dsddoyos nevi wuyns. Es sei an 
diesem orte nur einfach als behauptung hingestellt, wofür ich den 
überzeugenden nachweis zu führen seit lange in der lage bin: Es ist 


5* 





68 Plotinos. 


dieses so bestimmten Jntelligibeln in der wahrnehmbaren welt be- 
steht nun darin, dass diese an jenes geknüpft ist und von ihm 
in der schwebe gehalten wird, d. h. ihr dasein und fortbestehen 
demselben verdankt, ferner darin, dass sie an jenem theilnimmt, 
d. h. dass ihr wesen sich nach jenem höheren wesen bestimmt, und 
dieses in ihr seinen ausdruck findet. J. ist also in W. nicht so 
gegeuwürtig, wie das in die materie eingebildete dreieck vielen 
einzeldingen innewohnt, da dieses doch nur ein essentiell, nicht ein 
existentiell identisches ist, sondern so, wie die selber immaterielle 
dreiecksidee sich in diesen dingen als eine ibnen die dreiecksgestalt 
verleibende macht bethütigt 5'), nicht so, wie das abstractum mensch 
in der materie, sondern so, wie die für sich seiende idee menscb, 
nicht so, wie eine qualität, sondern so, wie die einzelseele als 
ganze in jedem punkte ihres körpers®?). In dieser seiner bezie- 
hung zur diesseitigen welt kann nun J. nicht wegen der grósse 
derselben aufgebraucht oder auch nur angebraucht, angebrochen 
werden, weil seine kraft keine endliche, aber auch keine unend- 
liche grósse, sondern ,im tiefsten grunde“ ihres wesens unend- 
lich (Puocoder &meigoc) ist, so dass wir bei einer durch ab- 
straction vollzogenen theilung, soweit wir dieselbe auch fortsetzen 
mögen, doch immer dieselbe unendliche kraft erhalten 5°). 

Aber das ganze J. ist doch nicht eine einzige, wenn gleich 
eine unendlichkeit von modificationen befassende substanz, es sind 
ja in ibm vielmehr drei müchte von abgestuftem range zu unter- 
scheiden, und wenn nun diese vielheit der existentiellen identität 
des J. an allen orten nicht widersprechen soll, so dürfen zunüchst 
diese drei müchte — was sich für uns nach allem gesagten ohne- 


gar nicht daran zu denken, dass die zusätze, die sich in der von 
Ambrosius von Camaldula herrührenden lat. übersetzung des Theo- 
phrast finden, ursprünglich, wie Wernsdorf (Ausg. des Boissonade p. 
XXV) will, dem dialoge des Aeneas angehórt haben und reste grós- 
serer fehlender abschnitte sind, welche spätere abschreiber aus übel 
angebrachtem eifer ganz fortgelassen hütten, um die rolle des den 
christlichen glauben bekämpfenden Theophrast zu verkleinern. Die 
zusütze sind von dem übersetzer selber in der missglückten absicht 
eingeschoben, den zusammenhang, den das ihm vorliegende durchaus 
zerrüttete textemplar nicht mehr bot, einigermassen wiederherzu- 
stellen. 

51) P. 346, v. 7—20. 

52) P. 339, v. 27 — p. 340, v. 2. 

53) P. 346, v. 21—27. 


Plotinos. 69 


hin von selbst versteht — nicht räumlich getrennt sein, ebenso 
wenig, wie sich etwa die verschiedenen gedanken innerhalb einer 
seele drängen und stossen. An der möglichkeit eines solchen ver- 
baltens ist trotz der substantialität jener müchte nicht zu zweifeln, 
weil sie ja als wahrhafte wesenheiten keine massen sind 5*). Es 
muss ferner in dieser rangfolge das erzeugte immer so an das er- 
zeugende gekettet sein, dass, wo nur immer in dem uns nun be- 
kannten sinne das dritte, da auch das zweite und erste gegen- 
würtig ist 55). Das erste verhalten soll uns durch das bild eines 
pusktes verdeutlicht werden, in welchen mehrere linien zusammen- 
laufen; insofern jede linie ihren eigenen endpunkt haben muss, ist 
hier das dasein einer vielheit von punkten anzuerkennen, die aber 
nicht räumlich auseinanderfallen, sondern mit jenem ersten punkte 
den wir uns als schon vor den linien vorhanden denken, eines 
sind. Jene vielheit von linien aber kann uns hiebei die vielheit 
der wahrnehmbaren dinge versinnbildlichen, und ihr zusammentreffen 
in einem punkte, der zugleich eine vielheit von punkten ist, den 
umstand, dass jedes dieser dinge an alle intelligibeln mächte mit 
einander geknüpft ist 55). 

Indessen die gegenwart des J. in W. sollte doch nicht allein 
darin bestehen, dass dieses an jenes ,geknüpft* ist, sondern auch 
dario, dass dieses an jenem ,theilnimmt*. Nun aber lehrt die 
gewöhnlichste erfahrung, dass keineswegs alle intelligibeln wesen- 
heiten, auf alle punkte dieser welt ihren gestaltenden ein- 
fluss üben, und dieser umstand, der uns ja auch für denknothwen- 
dig gelten muss, widersprüche also der behaupteten gegenwart des 
ganzen J. an allen punkten unserer welt. Es wäre zunächst hier- 
auf zu antworten, dass in der that alle gestaltenden müchte des 
J. jedem dinge unmittelbar gegenwürtig sind, dieses durch keine 
trennenden zwischenriume oder zwischendinge sich dem einflusse 
jeuer darzubieten gehindert werde, dass aber (34) an sich nicht 
jeder stoff an jeder wesenheit „theilzunehmen“ fähig sei, wie denn 
beispielsweise die materia prima nur die elementarformen habe 
aufnehmen können 9") Allein diese auskunft ist doch wenig be- 


55) P. 345, v. 6—12. 
55) P. 338, v. 22—30. 


m C. 5. 
97) P. 846, v. 16—20. 





70 Plotinos. 


friedigend. Denn wenn auch unser abstrahierendes denken die ge- 
staltung von der erschaffung und erhaltung der dinge zu trennen 
vermag, so sind dieses in wirklichkeit doch nur verschiedene seiten 
einer untheilbaren wirkung. An diejenige intelligible macht also, 
an welcher ein wahrnehmbares ding nicht theilnimmt, wird sich 
dasselbe auch nicht geknüpft finden, und somit würen denn viele 
jener mächte in vielen dieser dinge der wirklichkeit nach ganz 
und gar nicht gegenwürtig. Diesem einwurfe gegenüber ist nun 
daran zu erinnern, dass das Jntelligible nicht etwa in einer viel- 
heit gegen einander absolut selbstándiger wesen besteht, die nur 
insofern auch eines genannt werden können, als sie nicht räumlich 
von einander gesondert sind. Dem J. kommt ja vielmehr auch 
eine wesenseinheit zu, es ist eine absolut einheitliche un- 
endlichkeit. So ist jede einzelseele nur eine modification einer 
umfassenden seelensubstanz, aus deren innerem sie mit nothwendig- 
keit hervorbricht, und setzt mithin durch ihr sein und wesen mit 
nothwendigkeit sein und wesen aller anderen seelen voraus. Die 
seelensubstanz selbst aber verdankt ihr sein und ihre natur nicht 
einem einmaligen willkürlichen schópfungsacte des ihr übergeord- 
neten nus, sie selbst ist vielmehr nur als eine nothwendige und 
ewige consequenz seines seins und wesens gesetzt, und der nus 
wieder als die des höchsten. An einer stelle unserer abhandlung 
scheint ja sogar Plotin nicht nur diesen ursächlichen, sondern einen 
substantiellen zusammenhang alles Jntelligibela behaupten zu wol- 
len 58). Wie dem nun auch sei, jedenfalls wird das, was unmit- 
telbar an irgend eine der niedersten intelligibeln mächte geknüpft 
ist und an ihr theilpimmt, damit auch dem ganzen J., das ja io 
jeder seiner consequenzen gegenwärtig sein muss, mittelbar also 
auch jeder anderen einzelmacht desselben angehören. Dies ist of- 
fenbar der gedanke Plotins, wenn er sagt: „das Jntelligible wirkt 
auf das ganze mit dem ganzen und auch auf den theil mit dem 
ganzen; der theil empfängt zuerst in sich gewissermassen nur die 
wirkung eines theiles, es folgt dann aber das ganze“. Diese ge- 
genwart des ganzen in der theilwirkung soll dann noch durch 
einen vergleich plausibler gemacht werden. Die umfassende idee 
mensch, die zu irgend einem einzelmenschen „kommt“, wird in die- 


58) P. 344, v. 19 —98. 


Plotinos. 71 


ser beziehung selbst zu irgend einer specialidee mensch und bleibt 
dabei doch auch im allgemeinen „mensch“ 59), 

Der schluss der ganzen abhandlung 9") beschüftigt sich zu- 
nächst mit der schon einmal ®!) kurz berührten frage: wie gelingt 
es uns von J. eine anschauende erkenntnis zu gewinnen? Mit 
berufung auf die ewigkeit, unendlichkeit, unerschöpflichkeit des J., 
das zugleich ein absolut einheitliches, also ein innerlich von 
leben überschäumendes ist, wird die frage zuerst negativ beant- 
wortet: nicht dadurch können wir zu dieser erkenntnis gelangen, 
dass wir auf diesen oder jenen ort dieser welt unser augenmerk 
richten; wir finden J. nicht dort, das weder als ganzes einen be- 
stimmten raum einnimmt, noch über den ganzen raum so verbreitet 
ist, dass es in kleine und immer kleinere theile zerlegt werden 
könnte, in denen seine kraft sich mehr und mehr bis zu einem 
fast völligen erlöschen verlóre. Um J. zu finden, darf man nicht 
suchen; aber, wie soll man es finden, ohne zu suchen? Die ant- 
wort lautet: nur, indem du dich über alle getheiltheit erhebst und 
unmittelbar das ganze ergreifst, indem du auch selber aus einem 
theilwesen, das sich gewissermassen als ein so grosses gegen an- 
dere abgrenzte, ein ganzes wirst. Freilich ist und bleibt ja jedes 
geistige wesen der substanz nach unter allen umständen das ganze, 
(36) insofern es aber einen zusatz aus dem nicht seienden an- 
nimmt, kann es verkleinert, und insofern es sich von dem seienden, 
seiner substanz, ab- und dem nicht seienden zuwendet, kann es 
von dem ganzen gesondert werden. Eine vergrösserung unseres 
wesens und eine vereinigung desselben mit dem ganzen wird also 
eintreten können, indem wir das andere fahren lassen ©), Obwohl 
uns demnach allen J. gegenwärtig ist, gelingt es doch nicht allen, 
dasselbe zu schauen, wie auch die anderen götter (die dämonen?), 
über deren völlige unvergleichbarkeit mit dem jenseitigen gottes- 
wesen wir uns übrigens nach allem vorhergehenden klar sein 
dürften, von vielen anwesenden häufig nur einem, der eben die 
fähigkeit sie zu sehen besitzt, sichtbar werden. 


59) C. 6, p. 339, v. 20—27. 

60) C. 12, p. 346, v. 27 adf. 

61) C. 7, p. 340, v. 18— 15. 

62) Vgl. c. 7, p. p. 340, v. 15—19. 

Hannover. H. v. Kleist. 





IV. 
Die fragmente des mathematikers Menaechmus. 


Ueber den Menaechmus handeln alle, die iiber die geschichte 
der griechischen mathematik geschrieben haben, da er zu den be- 
deutendsten geometern der Griechen gehört, Seine persönlichkeit 
muss auch ein vielseitiges interesse erregen: bei dem mathematiker, 
da er erfinder der kegelschnitte ist; bei dem historiker, da er 
lehrer Alexanders des Grossen in der mathematik gewesen sein 
soll; bei dem philologen, da er schüler des Eudoxus und des Plato 
war und von letzterem einer kritik gewürdigt wurde. Besonders 
haben Nic. Theod. Reimer (Historia problematis de cubi dupli- 
catione!) etc. Göttingen 1798), C. A. Bretschneider (Die 
geometrie und die geometer vor Euklides ?). Leipzig 1870), end- 
lich Mor. Cantor (Vorlesungen über gesch. d. math. Bd. I. 
Leipzig 1880) den gróssten theil der fragmente des Menaechmus 
theils abgedruckt, theils übersetzt, theils behandelt. Aber noch 
sind die wenigen fragmente nicht im originaltext zusammengestellt, 
Diese zusammenstellung wie ein ganz kurzer überblick über das, 
was wir daraus vom Menaechmus erfahren, bildet den bescheidenen 
inhalt der folgenden blátter. 

I. Exc. Flor. loann. Damasc. bei A. Meineke, ed. Stob. Flor. 
t IV, p. 205, Nro. 115 (wie nro. 114 èx id» Seonvov): Mé- 
vasguor 10v yewuétonv ‘AhéEurdgos nElov Ovviouwg atta naga- 
dovvas tiv yewpergluv 0 dé „w facie", elne, „ara nip tiv 


1) P. 89 ff. 56—71. 148, 157 f. 
2) P. 155—163. 


Menaechmos. 73 


zuleav odof slow idwwrixai xal Bacrdexat, iv dé rj yewperela 
zacív icu» 0d0ç plu“. 

M. Plut. quaestt. conviv. p. 718 F. (= lib. VIII, 2, 1. In 
der ed. Tauchn. tom. IV, p. 392 sq.): Madsora yewpergla xara 
10» Dilwva aey} xal wnreonolss ovca trav GAdwy [scil ua97- 
parur] Euavaysı xoi oreéper vj» diavosrav olov êxxadasgouérnr 
xai àmoÀvouérvmv atgrua tie alofnoswg. Où xoi Miarwy ards 
iuéupato rovg megi Evdokov xai ’Aogurav xai Mévaiyuor etc 
deyavixds xal pnyavizàg zaraoxsvag r0» tov OrtQeoU dindaciacpov 
anayew imyssgouvtag (wonsg negwuérous dialoyou dvo pstoac 
avaloyov pi nagelxos Außeiv), andddvoIas yàg ovıw xai diaydel- 
ceodur TO yewuerolas ayadov avdis éni ta aloInza madivdoo- 
provons xal pn pegouéyng avw, und avnAauflavoutrng tw aidlwy 
xoi adowpatwy elxovwy, ngog oloneg wv 0 Otog asi Feos lori. 

I. Procl. Diad. in I. Euclidis Elementorum librum com- 
ment., ed. Friedlein p. 111: Asasget Ó' ad iz» yoauunv ö Te- 
pivos newrov pi» elg ijv aouvvderor xai Thy GvrOtrov ........ . 
Inwwevonodas dì Tavıag ws tomas tag uèv uno Mevalyuov rag 
zwrixag, 0 xai Egat009£vng iotogwy Afysı. 

„Mn dì Mevusyulovug xwvoroutiv tosaduc* tag dé vmó 
TMsg0&ws, 06 xoi 10 énlygauua Enolnoev dni 1j evpéoes. 

soTosis yoopuac ini névie topaic evowy [Edexwdeeg] 
Ilíootvg 1wvd° Evexıy daluovus Wacaro™. 
al niv dn rosic rouai rdv xwrwv eloiv naguBodn xai uneoßoAn 
xai éAlesysc. — Jenen vers überliefert auch Eutocius im Com- 
ment. in Archimedis libr. II. de sphaer. et cylindr. (Ed. Archim. 
von Heiberg, bd. Ill, p. 112). Er citirt dort des Eratosthenes 
distichon an den könig Ptolemáus II über sein u«coAafov (Pap- 
pus Coll. III, 21; ed. Hultsch, bd. I, p. 54 f), d. h. ein instru- 
ment, um zwischen zwei linien die mittlere proportionale zu finden; 
in demselben sagt Eratosthenes: 
»Mnôè ov y° “Aoyvtew dvouiyava Egya xvAtvdguv 
Mndè Meveyuslovs xwvoioutiv tesa das“. 
Den inhalt des Eratosthenischen distichons (ohne diese beiden verse) 
überliefert auch Pappus IM, 23 (p. 56 —58); brief und distichon 
selbst sind abgedruckt bei Ed. Hiller, Erat. carminum reliquiae 
(Leipzig 1872), p. 130 sqq. 
IV. Procl. I. I. p. 67:°’Auvxdac de 6 “Hoaxiswing, elg zu 





74 Menaechmos. 


Marwvos tralowv, xai Míévoiguog axgoarig wv Eddotov xai 
IMatwvı dì ovyyeyovws xol 6 adedpòs abrov Aewocigaros Ets 
redewrtouv Enxolnoay ıny oÀmv yewperolay. 

V. Procl. 1.1. p. 72: IlaAw 10 crosyetov Afyerat dıyws, we 
gnow o Mevasguos. xai yàg tò xaraoxsvalor dox tov xaracxeva- 
Couévov Growsiov, ws rÓ mowrov mag’ Evxietdn tov devtégov, xai 
TOU néprrrou TO Teragıov. oùrw dé xal GAAnAwy elvas modà Gr0i- 
zeia Ondrnoetar xaracxevateras yag. 8E. addjdwy. delxvuras yag 
xal ix rov rérgacw 0Og9uig elvar tous tds FEw toy edduyodppwv 
ywrlag 16 nAnIog thy dyr0g OgFaic leur xal avanalıy ix rovrov 
Exeivo. xai Fosxev Anuuars 1d tosovro Orowytiov. aAdwe dé Akysıus 
Grosgetor, elg 0 andovorsgov Onugyor Dsasgeitas 10 Ourderor* où- 
two dé ov nav Fr, ÓnOTjoeras mavıög Growtiov, dida ta aQgyon- 
décrepa 1v Ev anoredfopatog Aoyw ısıayulvwr, woneg ta alın- 
pota otosysia twy Fewonuutwy. xaià dé 10ùr0 ToU Grosyelov td 
Onparvouevoy xol rà nag’ EvxAsldn oroiyeiu ovverdydn, ta er 
ths megs ta éntneda yewperolas, t dé ts Orepeouerglas. ovrw 
dé xai Ev roig agetpntexois xoi ev roig Gorgovouixoic Orosyeswoess 
70AÀo0i Ouréyquyar. 

VI. Procl. | l.p. 77 sq.: "Hóg dì rà» nalawy of wär 
ravıa Fewenpara xadeiv n&lwoay, ws oi meoì Trmevosnzor xoi 
"uglvouoy ...... où dà avanalıw navıa mooPinpara Àfyesw 2dı- 
xalour Wo of megi Mévarypor .wadnpatexol, ıny dé ng0ßoAnv elvas 
díir]v: Sie uiv noploacduı 10 [mospevor, Ste dé REQuwQscptvoy 
Aaßovıag Ideiv n iſc tour, 7 moio» m, N th nenovder, 7 tras 
Eyes mods Ghio oykosıs. xoi Aéyovcw piv 60dds dapgougo xai 
yàg of negi Snevounnov xahwc ..... xai où megi roy Mévasypor- 
où yag avev tio elg vAny ngoodov xai ai tv Fewenuatwy eloèr 
svgecesc. 

VII. Procl. 1. 1. p. 253 sq.: Det épeoravesy xal dy. ToVrosg, 
ors noddai avisorgopai ylyvorias weudeis xai oùx eloi xvQíwg 
avnorgopal- olov nag EEdywvos ägıduog telywrds tor, GAA’ oix 
Er, Gaindis, ots mag telywvos EEaywvog tour. alrsov dé dt ro 
pév dor xowvôregor, 10 dè peQexWrEQoy xaì xata mavıög Myeras 
povor Sarégou Futegov. lg! wy dà 16 mewtwe (mdQyov xai 1d 7 
avrò Aaufaveras, En’ Exelvuv xal avtsorgopy magaxodov9e:. xai 
rasta ovd? rovg megì 10 Mévasypov xai “Auplvopor Mindey 
padnuarsove. 


Menaechmos. 75 


VIII. Theo Smyrn. Expos. rerum math. ad leg. Plat. utilium, 
ed. E. Hiller, p. 201 sq.: Æinütas dè [sc. 0 Hiarwy] zwv quAo- 
Goguy 5004 roig cpaleais olov dwvyovg EvWoarıss vovg caorégac 
zal 1015 Tourer xuxloıg molvopasglas elonyovvras, woneg "Agı- 
crortAng boi xa 10» padnpatixwv Mévaryyog xal Kalnmog, 
el zac uiv qegovoac, tug dé dvelstrovens elçnynouvio. 

IX. Procl. in Platonis Timaeum p. 149 in libro Ill. (ed. 
loann. Valder, Basel 1534): Jlüç uiv ov» duo doJucó» tó9udr 
duraròr duo uécas ávaAoyov Aafeïr, jutig dmi 16e 196 moaypa- 
r&(ag sugorteg 1)» “Aoguiesor deikım dvaygawopuey, taviny exieEa- 
pesos püALov, n tiv Mevatyuov, dıon taig xwvixaig êxeirog yentas 
yoappaig, xai rjv toù Egarocdérovs woavrws, dors xavovoc 
genza: naqudéos. 

X. Eutoc. 1. I. (Heiberg bd. HI, p. 106) überliefert jenen 
brief des Eratosthenes an Ptolemaeus Il, und in ihm folgende sätze : 
Té» di gilonovwg imdidoriwr Éauroùs xal Cyrovytwy duo rw 
doIsowv dvo utcag Aaftiv, “Aoguras uiv 0 Tagavrivos Afyeras 
dia rv NusxvAlydqwy evQrxtvas, Evdotos dé diu thy xalouuérwr 
xapRvlwy yeapudy. Ovufffnxe dà nácw a«vioig dnodesxtexwe yt- 
yeagévas, yéigovgyjoas dì xai elg yos(av neoeiv pon duvaodas 
wiry ini Boayd u tov Mevalypov, xa) tavia dvoyegws. 

XI. Eutoc. |. I. (Heiberg bd. HI, p. 92 ff): 


Z 
4 


"Qc Mévexpos. 
"Eorwoar ai dodeicas dvo ev9eias al A, E. dei dij rwv A, E duo 
w£oug Avahoyov evosiv. ytyové£rur xai Eorwoay ul B, T. xai èx- 
xelodw Hoss evdeta 3| AH nenequouérn xarà. 10 4 xai nQog 
te du T Von xelo9w 5 AZ: xai fy9w meds èedas 7 ZO, xai 





76 Menaechmos. 


17 B Yon xelodw 4 ZO. inti ovv reeig evFeias avddoyov al A, 
B, T, 10 uno twv A, T Yoo lou wj and rig B. r0 aga nO 
dodelons ing A xai tig T, rouréors ing AZ, Voov lori no and rig 
B, toviéow 1d and ins ZO. ent magafodîc aga ro O, dia rob 
4 ytyoopuévgc. nyIwoay nagaddnios al OK, AK. xai Enei dodèy 
10 uso B, I° Yoo yo tor 16 Und A, E: dodiv Goa xal 10 
tao KOZ. ini unegfolig apa 10 © d» ücvunruirois roig KA, 
AZ. dodèr aga 10 O, dig 16 xoi 10 Z. — ovvieD otia, di) otrws. 
"Ecw cav ai uiv dodeïous evtetas af A, E. n de ij Sécu n AH 
nentQocuérg xatt 10 A, xai yeypagIw dia tov 4 nagafodn, 
ns &Ewv piv i AH, 6eIta dé roù eldous ndevgd 5 A. oi dé 
xatayomuevas ent tv AH dv óg95 yuvla duracdwoar tè nagd 
thy A nuguxelueva ywola nAcın Eyovra rag anolapßavoufvag 
vm aviv mods to À onuelo. yeygag9w, xai Foro 7 4O* xoi 
009) n AK. xoi y aovunıwWıos taig KA, AZ yeygagtw vneo- 
Body, ag” ns al naga tag KA, AZ aydeicas nosnoovow rd yw- 
glov Tcov td uno A, E* nti di) 15v napußoinv. teuvérw xara 
1d ©, xai xàJtros FyFwoay ai OK, OZ. ini ovv 16 ano ZO 
lcov 19 tnd A, AZ, Lour, ds n A moog ınv ZO, i) ZO noóc 
ZA. nay inii td tno A, E Toor loi 19 no OZA, Fors, dg 
4 A ngog ınv ZO, n Z.f noùç v)» E. aM dg 5 A meds mv 
ZO, n ZO neòs ZA. xoi dg aou N A ngóg i)» ZO, i ZO 
moog ZA, xai n ZA noòs E. xelodw 1ÿ piv OZ Ton i) B, sj dé 
AZ ton i I. Fouv agu, won A nooc mv B, n B ngüg my T, 
xai 1 D ngóg E. oi A, B, I, E aga Eins dvadoydy slow. One 
Eder vri». 








Menaechmos. 77 


"Alu. 

"Estwoav ul dodeïous duo evIsias mods og9aàg aAAgAni; al AB, 
BI: xai yeyovftwoay avi» pfou ai AB, BE: wore elvas, wg 
m TB noös BA, ottwe riv BA neòs BE, xai rv BE noòs 
BA. xal yFwoar nQóc 0QJàg al AZ, EZ. ins ow dom, wg 
n TB sos BA, otws 5 AB neòs BE: 10 aga vno TBE, 
rovitore to uno dodelong xal tig BE, Too dor] 16 ano tic 
BA, wvréor vis EZ. dimi oùr 10 uno dodelons xoi 19 BE 
Tcov dou td and EZ, 16 Z aga antetas wagaBodncs tc meoè 
atova ınv BE. naÀw ènel dou», wo f AB nods BE, n BE ngog 
BA, 1:0 aga tnd ABA, zovifóu 10 vnó dodelone xai 175 BA, 
Tcov loi 19 and EB, touréors ıng AZ. 10 Z aga anretas na- 
gafodîg 175 negi aEova mv BA. nauras dé xoi étéous Jodelons 
tig moi ry BE. doSiv aga 10 Z. xai xaderos ai ZA, ZE. do- 
Jéria aga ta A, E. — ovis oras dé oviws. “Eotwoav al do- 
Feious dio evdeia: ngog 009as aAAniass ai AB, BI: xoi ix- 
BeBljeFwoay En’ anesgov dno tov B. x«i yergaydw negi &Eova 
mv BE nugafoin ws 1e tag xatayoptvas êni ınv BE duvacdui 
[1a] nage rjv BI. nadv yeyodpdw negi abovu tiv AB naga- 
Body. wg te tag xaiayouévag duvaodaı naga ijv AB. tepovow 
dj dàÀjÀag ci nagaßolal. reuvkıwoav xuta 10 Z' xai and toù 
Z xaJtro, $y9wcav ul ZA, ZE. int ovv Ev nagußoin xurnxıas 
n ZE, wvttow i AB, 10 aga vno TBE toov iari 10. aad BA. 
Four aga, wo n TB ngo; BA, i AB ngog BE. nad ind dy 
nagafoA; xatixtas 7 ZA, tovitouv 7 EB, 10 aga vnó ABA 
Toov éori ı@ and EB. tour aoa, ws i AB noùç BE, i BE 
neog BA. al? wc n AB noù BE, oùiws n TB ngo; AB. 
Koi ws aga n TB neds BA, i BA noòs BE, xai 7 EB nooç 
BA. óntQ Ede evgeiv. 

Zu diesen fragmenten glaubt der verfasser diejenigen nicht 
hinzufügen zu dürfen, welche auf den Menaechmus von Alopecon- 
nesus, den verfasser eines commentars zur Platonischen republik 
und angriffspunkt einer Aristotelischen antilogie, zurückgeführt 
werden (Photius, Suidas, Eudocia, und nach Pape's lexicon auch 
Anon. Menag. zu D. L. 2, 1, n. 12). Die identitát beider hat 
Martin (Ed. Theon Sm. p. 59 sq.) vermuthet, Bretschneider aber 
(p. 162) als nicht zu entscheiden fraglich gelassen. Beide aber 
identificiren wieder diesen Alopeconnesier mit jenem Menaechmus, 





78 Menaechmos. 


von dessen bemerkungen iiber die sphaeren des himmels Theo v. 
Smyrna überliefert bat, was er bei Dercyllidas las (d. h. das obige 
fragment VIII). Bretschneider macht daraus sogar ein werk de 
sphaeris coelestibus, während Martin das citat des Theo, respective 
Dercyllidas, sich aus jenem commentar zu Plato's republik (uud 
zwar zu Rep. X, p. 616—617) entnommen denkt.. Von einem 
besonderen werke über sphären aber ist nichts überliefert. Da 
Theo ferner den Menaechmus mit Calippus zusammenstellt und 
beide padnuarsxof nennt, so ist es sicherlich wahrscheinlicher, 
dass jenes fragment dem erfinder der kegelschnitte, als dem Alo- 
pekonnesier angehürt Man wird also wohl dem geometer Me- 
naechmus jene 11 fragmente zuweisen müssen, den Alopekonnesier 
aber und commentator des Plato von ihm ebenso zu trennen haben, 
wie den bildhauer und historiker Menaechmus von Sicyon (z. b. 
bei Plin. N. H. IV, 64 und ófter im ersten buch; bei Suidas, Eu- 
docia), der seinerseits wieder vielleicht mit dem geschichtsschreiber 
der thaten Alexanders (Suidas) identisch ist. 

Giebt es nun einen grund die glaubwürdigkeit der nach- 
richten jener eilf fragmente zu bezweifeln? Bei einigen scheint 
das der fall zu sein. 1) Bretschneider (p. 163) halt es für wahr- 
scheinlich, das die im fragment | vorliegende erzählung „der be- 
kannten anekdote von Euclides und kónig Ptolemaios nachgebildet 
sei“, Uns will es sogar als sicher erscheinen, dass die klare und 
bewusste vorstellung von der geschlossenheit und unverrückbarkeit 
der elementaren sätze der geometrie vor der ausarbeitung und fest- 
stellung des ganges dieser elemente, wie sie Euklid so muster- 
gültig wie anerkannt gegeben hat, weder vorbanden sein noch so 
knapp und sicher sich äussern konnte, wie Serenus es dem Me- 
naechmus in den mund legt. Aber die worte sind nebensächlich. 
Dass Alexander den Menaechmus zum lehrer haben wollte, des ist 
die hauptsache. Und diese überlieferung anzuzweifeln giebt es 
keinen grund. 2) Was ferner die in den fragmenten Il und X 
überlieferte construktion eines instruments betrifft, so kann man 
dem, wie geschehen ist, allerdings eine andere stelle des Plutarch 
(Vita Marcelli ep. 14) gegenüberstellen. Nachdem dieser autor 
nümlich die mechanischen leistungen des Archimedes angedeutet hat, 
fährt er fort: Thy yag ayanwpévny ravinv xal megsBontoy deya- 
many nokavıo pèv xeveiy ob meg) Eudobor xai ’Agguiar, nowA- 





Menaechmos. 79 


levtes 1$ ylaguoÿ yewperglay, xai Aoyızjg xai yqappixîs dmo- 
del£swc ovx evnogourta nooPifuara ds aloInrwy xai deyavixwy 
nagadtiypatwy unegeldovrec, wo 10 megi duo uéoaç ava Aoyov 
zgofAgua xal Growtiov dn) noÂlà Tüv yeagpoueywy avayxaiov 
elg ogyavixds ÉEñyor duporegos xaraoxevag, pecoygagove THES 
axo Kapnviwr yoappiv xoi zunuorwv pePaguolortes dme) dè 
Hare» nyavaxınoe xoi dierelvaro noòs adiovs wo ümolAvvrag 
xal dsaySeloovrag 10 yewmperglag ayasır, and wy docwparwy 
xal rog)» anodsdgacxovons dmi 1a alonra xai moocyowptvng 
avdig av cupaos moAAng xai gqogrixüc faravooveylas deouévois, 
ovrw diexgl9n yewperolas éxnecovoa punyavexn, xol nmeguogwpérn 
xeló» yooroy uno yılocoylas ula TW orgazıwıldar teyvwv dye- 
yovss. Hier wird freilich Menaechmus nicht genannt; doch ist 
eher glaublich, Plutarch habe an einer stelle ein beispiel für die 
von Plato angegriffene art von geometern fortgelassen, als dass er 
an einer anderen stelle aus eigener tasche einen solchen namen 
einfach hinzugesetzt habe. Auch dass des Menaechmus instrument 
sonst ganz verschollen ist, kann bei dem einflusse, den Plato auf 
die griechischen denker hatte, nicht wunder nehmen. Plato wie 
Eratosthenes standen dem Menaechmus wahrhaftig zeitlich nahe ge- 
nug, um verbürgte nachrichten zu überliefern. Plutarch und Eu- 
tocius aber haben sichtlich unabhüngig von einander das wieder 
erzählt, was ihnen über des Menaechmus instrument bekannt war. 
— 3) Den dritten zweifel an der zuverlüssigkeit obiger tradition 
könnte man freilich aus dem eingange des commentars des Eutocius 
zu den xwyxa des Apollonius von Perge (ed. Halley p. 8) her- 
auslesen; wie aber Bretschneider richtig erkannte, widerlegt ihn 
Eutocius selbst. — Was danach über den Menaechmus sicher ist, 
wird etwa folgendes ?) sein. 

Der mathematiker Menaechmus war ein schüler des Eudoxus 
von Knidos und des Plato; er wie sein bruder Deinostratos haben 
sich um die forderung der gesammten geometrie verdient gemacht 
(IV). Daher verlangte ihn Alexander der Grosse zum lehrer in 
der mathematik zu haben (1). Die fachgenossen schätzten ihn hoch; 
denn Plato würdigte ihn einer kritik (Il); und Eratosthenes (lll. 
X), Geminus (HE), Proclus (IV—VII. IX), Serenus (1), Dercyllidas 


3) Die in klammern beigefügten zahlen bezeichnen die nummern 
der betreffenden fragmente. 





80 Menaechmos. 


(VIII), Theo von Smyrna (VIII), endlich Eutocius (HI, X. XI) ci- 
tirten ihn. Von den fortschritten, welche durch ihn die geometrie 
gemacht hat, wird uns folgendes berichtet. Erstens hat er die 
drei kegelschnitte entdeckt (IN), indem er senkrecht auf einer sei- 
tenlinie eines geraden kegels eine schneidende ebene errichtete; je 
nachdem der winkel an der spitze dieses kegels ein spitzer, rechter, 
stumpfer war, entstanden die ellipse, parabel, hyperbel. Diese na- 
men freilich rühren nicht von ihm her (zzv vv» xaAovuérvg» Ma- 
caBoA)v x. r. A. sagt Geminus). Genaueres hierüber sagte Ge- 
minus, ohne freilich den Menaechmus zu uennen.  Eutocius sagt 
(im Comment. in Apoll Perg. Conica, ed. Halley p. 9. Oxf. 
1710 fol): Onto noir o Teuivog àAg9tg tonv ors of nada, 
xwvov ogeldpevor tov tov OeFoywvlov igsywrouv meQugoQgüv pe 
yovons psig Twy mtgi THY GOT» ywrlay nievgàg, elxdtws xal 
rovg xwWvoug mavrag 0gJovg UnsAnußavor yérecdas, xai psay 10- 
piv iv Exdoro, Ev uiv 1 ogg9oywv(g mv vor xadovutrav llaga- 
BoAnv, iv di v apuBivywrlo mv "YntgfloAgy, Ev dì 19 ó£vyo»to 
rjv "EMeper® xai Eorı mag’ uvroïs evpeïr ottwe Ovouubouérac 
tag ıomag. Durch welche eigenschaften er die curven charakte- 
risirte, ist nicht geradezu überliefert, lüsst sich aber aus einem 
fragmente (XI) theilweise schliessen (vgl. Bretschneider p. 157 ff. 
Cantor 1, 138 ff). Zw.eitens hat Menaechmus mit hülfe seiner 
kegelschnitte zwei methoden erfunden, um zwei mittlere proportio- 
nalen zwischen zwei gegebenen geraden linien zu finden (IX. XI). 
Er hat auch ein instrument konstruirt, um diese aufgabe Jederzeit 
praktisch lösen zu können (Il. X). In dieser mechanischen vor- 
kehrung sah Plato eine entwürdigung der reinen geometrie, welche 
er nur mit den augen des geistes geschaut wissen wollte (Il). 
Dem Eratosthenes aber, der, wie schon vorher Eudoxus und Ar- 
chytas, selbst ein solches „mesolabum“ erfand, erschien des Me- 
naechmus organon ushandlich (X). 

Was ferner hat Menaechmus geschrieben? Darüber wissen 
wir nichts. Vermuthlich schrieb er nur ein grüsseres werk; hätte 
es verschiedene schriften von ihm gegeben, so würden wohl die 
spüteren mathematiker einmal einen titel nennen. Sicher ist, dass 
er die kegelschnitte nicht in einem besonderen werke behandelte, 
da Pappus (Coll. VII, 30 f., ed. Hultsch II, 672 f.) ausdrücklich 
sagt, dass vor Apollonius zuerst Aristaeus der ültere (c. 320) eine 


Menaechmos, 81 


besondere schrift über die kegelschnitte herausgab. Menaechmus 
scheint also seine neuen linien in demselben opus behandelt zu ha- 
ben, aus welchem Proclus desselben ansicht von dem doppelten be- 
griffe des wortes oroıyeiov (V), ferner von der nothwendigkeit, den 
begriff nooßinuara, als den allgemeineren, auch auf den der Few- 
ejuara auszudehnen (VI), endlich von den bedingungen, unter denen 
ein satz sich umkehren lasse (VII), entlehnt hat. 


Endlich hat Menaechmus auch der astronomie seine aufmerk- 
samkeit geschenkt. Gleich Aristoteles hat er dem Plato gegen- 
über die melrheit der sphaeren gelehrt (VIII). Es liegt kein anlass 
vor, diesen Menaechmus von jenem geometer zu trennen. Scheiden 
von ihm aber muss man sowohl den Alopeconnesier wie den Si- 
cyonier Menaechmus, Im übrigen hat es nicht viel männer des 
alterthumes gegeben, von deren geistiger arbeit in so wenigen 
citaten ein so bedeutendes stück überliefert werden konnte. 


Berlin. Maz C. P. Schmidt. 


— — 


Zu Horatius. 


IV, 14, 20: indomitas prope qualis undas | exercet Auster. 
In diesen worten wird prope als eine einschränkung des verglei- 
ches aufgefasst, und Nauck gibt dazu folgende erklürung: prope 
widerstrebt der poetischen emphase, wird aber dadurch, 
dass es ruhige schätzung zeigt, wo man sie nicht erwartet, um 
so wirksamer. Das verstehe, wer es kann! Wenn ein wort 
durch seine prosaische fürbung den poetischen schwung unterbricht, 
wenn man es gar nicht an dieser stelle erwartet, dann ist es ent- 
weder fortzuschaffen und durch ein anderes zu ersetzen, oder man 
muss nach einer anderen erklärung suchen. Diese bietet sich hier 
leicht, wenn man prope zu indomitas zieht = „gleichwie auster 
die fast unbändigen wogen peitscht*, Dieses particip wird durch 
den zusatz prope nicht sehr abgeschwücht, wührend derselbe, zu 
qualis gezogen, einem kaiserlichen prinzen gegenüber nicht am 
platze sein würde. 


Sprottau. C. Hartung. 


Philologus. XLII. bd. 1. 6 





V. 


Philologische beitrüge zu griechischen mathe- 
matikern. 


Das studium der geschichte der griechischen und römischen 
mathematik wird von einer grossen zahl klassischer philologen 
nicht für ein vollberechtigtes glied der alterthumskunde angesehen. 
Diese abneigung ist theils persónlicher natur, weil das interesse 
an der mathematik wie die anlage für dieselbe bei vielen zu ge- 
ring ist; theils aber beruht sie auf sachlichen vorstellungen, als 
seien für die kenntniss der eigenart des Griechen- und Rómerthums 
dergleichen dinge von untergeordnetem werthe. Gegen die persün- 
lichen gründe kann nichts eingewendet werden; denn über seine 
neigungen ist allein der einzelne selber herr, seine talente aber 
kann sich niemand aussuchen. Gegen die sachlichen gründe soll 
hier nichts eingewendet werden; denn solche allgemeinen begrüs- 
sungsreden vor den hallen einer wissenschaft schrecken mit recbt 
jeden schon an der schwelle zurück. Ueber einen punkt aber sieht 
sich der verfasser genóthigt eine bemerkung zu machen. Um eine 
vollstándige kenntniss der griechischen sprache zu gewinnen, ist es 
doch unzweifelhaft wünschenswerth, wenigstens die erhaltenen 
schriftdenkmäler vollzählig in derjenigen textgestalt zu besitzen, 
welche der heutige stand uuserer wissenschaft ihnen zu geben uns 
ermöglicht. Um aber weiter diese texte philologisch würdigen und 
philologisch verwerthen zu können, dazu ist in zweiter linie noth- 
wendig, dass wir feststellen, von welcher persönlichkeit, zu wel- 
cher zeit, in welcher reihenfolge, unter welchen umständen sie ge- 


Geminos. 83 


schrieben sind. Herstellung guter texte also und erledigung der 
sie angehenden litterarhistorischen fragen, das sind die beiden auf- 
gaben, welche gerade der philologen arbeit fordern, aber auch auf 
die volle anerkennung der philologen rechnen dürfen. Zu dieser 
arbeit liefert der verfasser in den folgenden abhandlungen einige 
beitrage. 


I. Wann schrieb Geminus? 


Es handelt sich zunüchst um einen griechischen mathematiker 
und astronomen, dessen name gewiss vielen philologen nicht be- 
gegnet ist. Denn ist Geminus auch nicht verschollen, so hat er 
doch seit mehr als sechzig jahren keinen bearbeiter gefunden, der 
ibn um seines eigenen werthes willen studiert hatte. Und dennoch 
‚ist er in jeder beziehung würdig, auch denen bekannt zu sein, die 
ibre kraft anderen geschichtlichen oder sprachlichen aufgaben der 
alterthumskunde weihen, Vermag sonst nichts dem philologischen 
gemüthe die lecture des erhaltenen werkes des Geminus zu em- 
pfehlen, so thut das gewiss der eine umstand, dass dieses werk so 
ziemlich das einzige ist, welches aus den beiden letzten vorchrist- 
lichen jahrhunderten der griechischen litteratur unversehrt auf uns 
gekommen ist. Zur vorläufigen orientierung über alle fragen, 
welche zu entscheiden sind, heben wir die hauptpuncte heraus, 
welche nachher genauer besprochen werden. 

Wann schrieb Geminus? Das ist eine bestrittene frage. Man 
giebt 137 und etwa 77—66 vor Christo an. Auch über das wo 
herrscht zweifel. In Rom oder Rhodus, sicherlich auf dem breiten- 
grade einer dieser städte hat er geschrieben. Ein älterer gelehrter 
aber rieth gar auf die stadt Athen. Mit dieser untersuchung hängt 
die erklürung des namens Geminus zusammen. Die einen halten 
den mann für einen freien Griechen namens Tewivog, die anderen 
für einen römischen sklaven namens Geminus. Was schrieb nun 
dieser gelehrte? Erhalten sind einige titel, gegen zwanzig frag- 
mente und die Eigaywyn elg zu qowoptva. Wie die fragmeute 
unter jene titel zu vertheilen, wie diese titel selbst aufzufassen 
sind, das ist die frage. Was die isagoge betrifft, so ist sie drei- 
mal herausgegeben: von Hilderich 1530 in Altorf, von Pétau 1630 
in Paris, von Halma 1819 in Paris. Einige male ist sie auch 
übersetzt: in's lateinische, in's franzósische, angeblich auch in's 

6° 





84 Geminos. 


arabische. Jene drei drucke sind natürlich sehr schwer zu be- 
kommen. Die zahl der handschriften ist 10; die städte Wien, 
Paris, Oxford (2), Madrid, Venedig, Turin, Mailand (2) und Rom 
sind ihre heimathorte. Dazu kommt ein Florentiner excerpt. Stil 
und inhalt des etwa 120 gewóhnliche oktavdruckseiten umfassen- 
den werkchens ist leicht und klar. Seine lectüre setzt weder 
astronomische kenntnisse voraus, noch bietet sie einem tüchtigen 
abiturienten die geringsten schwierigkeiten. So ist es denn na- 
türlich, dass den Geminus lobt, wer die erhaltenen reste seiner 
schriften gelesen und benutzt hat!) Auch die alten citierten ihn; 
besonders Proclus, demnüchst auch Pappus und Eutocius benutzten 
sein mathematisches werk. Unter des Proclus namen hat sich so- 
gar ein wörtlicher auszug aus der isagoge erhalten, welcher die 
überschrift Spaiga trägt. Umgekehrt erwähnt Geminus die be- 
deutendsten autoren, wie Aristoteles, Eratosthenes, Hipparchus, Po- 
lybius. In der isagoge berücksichtigte er namentlich den Aratus, 
was schon im alterthum den anlass zu der irrigen vorstellung gab, 
die Eisaywyn des Geminus sei ein commentar zu den Dasvousra 
des Aratus. Wie oft nun ist der nicht gerade geistvolle Aratus 
behandelt, ob er gleich seinen weniger sprüden stoff nicht im ent- 
ferntesten mit dem schwunge eines Lucrez besang! Wie selten 
macht sich ein forscher an deu klaren und scharfen Geminus, ob 
er gleich mit jenem dichter in so nahe beziehung gesetzt worden 
ist! Im jabre 1809 nannte der ältere Ideler die isagoge ein 
„schätzbares lehrbuch, dem ein tüchtiger bearbeiter sehr zu wün- 
schen wäre“. Ein jahrzehnt danach fand sich allerdings der fran- 
zose Halma als herausgeber. Aber des Geminus text wurde ge- 

l) Hilderich 1590: probatissimus philosophus ac mathematicus. — 
Scaliger 1598: Geminus priscus et eruditus. autor. — Bainbridge 
1620: Gemini Geometrae et Astronomi nobilissimi, — Pétau 1630: 
scriptor eruditus et antiquus. — Usserius 1648: doctissimus Geminus. 
— Bonjour 1696: über antiquitatis studiosis pernecessarius! — Weid- 
ler 1741: sn isagoge elementa astronomiae pererudite accuratiusque, 
quam ullus ante eum fecerat, exponit. — Ideler 1809: ein lehrbuch 
der kosmographie, welches sich mit einer grossen klarheit über fast 
alle gegenstünde der astronomie und mathematischen geographie aus- 
breitet, die einer populüren darstellung fühig sind. —  Horrmann 
1849: ein schätzbares lehrbuch. — Redlich 1854: ein ziemlich alter 
und, wie seine Æiçaywy im ganzen betrachtet zeigt, sehr zuverlässi- 
er zeuge. — Nicolai 1876: durch Geminus, einen kundigen und 


laren astronomen. — Vor allem lese man Bühr's urtheil in der 
Hallischen encyclopädie. 


Geminos. 85 


druckt: als blosser anhang zum Ptolemaeus, in sehr geringer zahl 
von exemplaren, als schlechter abdruck der ausgabe des Pétau. 
Der verfasser nun hofft, nach Pétau und Halma der erste wirk- 
liche bearbeiter des textes zu werden, und bietet hiermit die probe 
seiner beschäftigung mit des Geminus person und werken. 

Wann also hat Geminus seine isagoge geschrieben? Darüber 
giebt es etwa sieben verschiedene ansichten. Zum grösseren und 
wicbtigeren theile hat sie Brandes?) G. E. 200 ff. zusammenge- 
stellt. Wir vervollstindigen die liste und behandeln im zusammen- 
bange auch das unbedeutende, um eine erschöpfende darstellung zu 
bieten. Die zeitansütze also sind folgende: 


Vor Hipparch. 

137 vor Christo. 

93 vor Christo. 

77 oder 66 vor Christo. 

Ein wenig nach 60 vor Christo. 
Etwa 150 nach Christo. 
Ungefähr 400 nach Christo. 


Von diesen angaben kommen die erste und die letzte über- 
baupt nicht in betracht. Der fromme glaube, Geminus sei älter 
als Hipparch, da er ihn nicht citiere, ist von Halley (1710: 
Geminum Rhodium certe Hipparcho maiorem) und Montucla 
(1758: il ne dit rien de ce célèbre Astronome) genührt, aber von 
Saxe (1775) mit dem hinweis darauf zerstórt worden, dass ja 


MO Or wow m 


2) Heinrich Brandes in Leipzig schrieb dreimal über Geminus 
1) Ueber das zeitalter des astronomen Geminos und des geographen 
Eudoxos (Jahrb. f. phil. u. pid. 1847, p. 199— 230). 2) Recension 
des Morrmann’schen leitfadens z. gesch. d. griech. litt. (Ebenda. 1852, 
p. 259— 261). 3) Ueber d. zeitalter d. geogr. Eudoxos u. d. astr. 
Geminos (IV. jahresber. d. vereins v. freunden d. erdkunde in Leip- 
zig. 1865, p. 23 ff. Nicht wie Ueberweg im Grundriss d. gesch. d. 
hilos. I*, 145 ungenau citiert, in den „Jahrb. des vereins für erd- 
unde. 1866‘). Die berichtigung des citates wie den besitz der letzten 
dieser abhandlungen verdankt verf. der freundlichkeit des prof. Bran- 
des selbst. Alle drei werden im texte kurz mit den oben fettge- 
druckten lettern citiert werden. — Wir müssen überhaupt den leser 
um entschuldigung für die sorgfältigen und darum langen citate bit- 
ten. Die werke sind zum theil sehr selten, meist wenig bekannt, oft 
auch mangelhaft citiert; gleichwohl sind sie werthvoll für uns, da es 
der schriften über griechische astronomen im ganzen nicht viele giebt. 
Genaue angabe der titel in den anmerkungen verkürzen obenein die 
citate im texte selbst. 





86 Geminos. 


die isagoge im zweiten capitel den Hipparch dreimal nenne. Schon 
dem jiingeren Scaliger (1598: longe posterior) schien Geminus 
erheblich jiinger als Hipparch zu sein. — Dass aber Geminus 
gegen 400 nach Christo schrieb, kann nur der meinen, der sich 
durch die hüufigen citate des Geminus beim Proclus zu der will- 
kührlichen annahme verleiten lässt, er sei des Proclus persónlicher 
lehrer gewesen. Das hat Brucaeus (1604) erfunden und Blan- 
canus (1615) nachgesprochen. Letzterer nimmt gar daneben 
einen zweiten Geminus zwischen 350 und 250 vor Christo an. 
Eine solche trennung der überlieferten nachrichten und vertheilung 
derselben auf zwei Gemini ist durch nichts auch nur nahe gelegt, 
von Blancanus aber möglichst wirr ausgeführt worden). 

Ebenso wenig verdienen die dritte, fünfte und sechste angabe 
eine ernste widerlegung. Die dritte ist allein von Pétau (1627) 
ausgesprochen (d. t. Il, 7), aber von ihm selbst wieder aufgegeben 
worden, da er spüter (1630) jener chronologischen rechnung eine 
neue entgegenstellte, die ihn zu dem oben als vierte nummer ge- 


8) In diesem abschnitte sind citiert: Edm. Halley, <Apollonu 
Pergaet conicorum libri octo etc. Oxford 1710, fol. p. HI. — J. F. 
Montucla, Histoire des Mathématiques etc. H tomes. Paris 1758. 
4. Tom. I, pag. 276. (Dieses werk soll wiederholt und fortgesetzt 
sein von la Lande, IV tomes. Paris 1799 f. 4.) — Christoph Saxe, 
Onomasticon literarium etc. IV tomi. Ed. altera. Traiecti ad Rhe- 
num 1775, p. 146 sq. — Jos. Just. Scaliger, De emendatione tem- 
porum. Frankf. 1598. Weder text noch indices nennen den Geminus 
oder den Eudoxus oder die Isien. Auch das oft citierte Cap. de 
Octaëteride Eudozi fehlt hier noch. Die 2te aufl., welche verf. in 
hünden hatte, erschien unter dem titel: Opus de e. t., custigatius et 
mullis partibus auctus, ut novum videri possit, Lugd. Bat. 1598 und 
behandelt mehrfach den Geminus (p. 68b. 68 b. 69a. 75d. 80 b.). Die 
Ste auflage von 1629, also nach Scaliger’s tode veranstaltet, ist oft 
citiert, z. b. von Bóckh (Sonnenkreise 201), und wird von Ideler 
(Chronologie II, 604) die beste genannt. Sie erschien in Genf. — 
Henr. Brucaeus, De motu primo hbri III; dahinter ein catalogus 
astrologorum, wie z. b. Brandes G. E. 200 citiert. Weidler p. 380 
nennt diesen druck von 1604 einen abdruck der originaluusgabe von 
1570. Verfasser konnte nur der editio altera aliquot demonstrationibus 
aucta (Rostock 1678. kl.-8.) habhaft werden, hinter der, wenigstens 
im exemplar der kôn. bibl. zu Berlin, jener catalog nicht stand. — 
Jos. Blancanus, De mathematicarum natura dissertatio una cum cla- 
rorum virorum chronologia. Bononiae 1615. Im index (p. 67) fehlt 
des Geminus name; im text aber ist er (p. 45. 52) behandelt. Auch 
Hilderich's ausgabe ist hier zum ersten male erwühnt. Doch wie? 
Es heisst p. 52: scripsit phaenomena , quae Mediolani in Bibliotheca 
Ambrosiana asservantur , et quidem graecolatina, Edone Süidarso (!) 
interprete. 


Geminos. 87 


zählten zeitansatz führte, — Bei Bossut (1810) ferner, der die 
fünfte angabe machte, heisst Geminus ein contemperain de Cléo- 
made (1, 143), dieser ferner un peu postérieur als Posidonius (I, 
142); der endlich ist versetzt in an. av. J. C. 60 (1, 142). — 
Die sechste ansicht endlich ist unseres wissens gar nicht im druck 
erhalten. Bartholinus berichtet in der vorrede zur optik des He- 
liodor (Paris 1657) von einem italienischen werke des Bernar- 
dinus Baldus, abtes von Guastalla; es führte den titel: Vitae 
Mathenaticorum, hatte zwei bünde, gehörte den erben des abtes 
von Urbino und war nicht gedruckt. Ein freund schrieb daraus 
dem Bartholinus unter anderem folgenden satz aus: Può esser dum- 
que che Heliodoro fosse fra vivi intorno a’ tempi di Gemino di 
Nicomaco e di Tolomeo, cid è da cento cinquant? anni dopo la no- 
stra salute. Wie mag der gelehrte abt wohl die gleichzeitigkeit 
des Geminus mit Ptolemaeus erwiesen haben‘) ? 

So stehen sich denn zwei verschiedene meinungen schroff ge- 
genüber, deren eine die abfassung der isagoge in das jabr 137 v. 
Chr., die andere etwa um das jahr 70 v. Chr. versetzt. Jener an- 
satz ist zuerst von Bonjour (1696) gemacht und durch eine 
chronologische rechnung begründet worden. Ohne angabe der 
griinde hat dann Dilling (1831: anno centesimo quadragesimo 
circ. vixit) das gleiche bebauptet. Anders Brandes. Zuerst 
(1847: G. E.) entdeckte er jenen zeitansatz auf neuem wege noch 
einmal; dann (1852: R. H.) suchte er das resultat seiner combi- 
nationen durch eine neue chronologische rechnung zu begründen, 
ohne noch die rechnung Bonjour's zu kennen, was aus den worten 
„wie aus Montucla . . . . . . zu ersehen ist“ (R. H. 118) erhellt. 
Endlich (1865: E. G.) wiederholte er gegen Bóckh seine gründe 
und hielt im wesentlichen an dem resultate fest, ,,dass Geminos 


4) Citate dieses abschnittes: Dionysius Petavius schrieb zwei be- 
rühmte werke: 1) Opus de doctrina temporum, Il voll. Parisiis 1627. 
Verf. kennt es nur aus citaten. Hier kommt in betracht das cap. 7 
des buches II. 2.) Uranologion. Parisiis 1630 fol. Dieses bekannte 
chronologische werk des gelehrten jesuiten soll 1703 in Amsterdam 
und 1734 in Verona, beide mal nach des verfassers tode und mit 
jenem opus zusammen als dessen dritter band, wieder gedruckt sein. 

entbált p. 1—70 die isagoge, p. 405—415 Ad Gemini Isagogen 
Nota, und unter den Dissertationes des zweiten theiles viele stellen 
über Geminus. — Charles Bossut, Histoire générale des Mathéma- 
tiques etc. 2 bände. Paris 1810. 8. Dies ist die 2te auflage. Die 
erste soll in Paris 1802 als Essai sur l'histoire etc. erschienen sein. 





88 Geminos. 


seine elcaywy) um 140 v. Chr. geschrieben habe“. An Brandes 
schlossen sich weiter Bahr (1853) und Redlich (1854) an. 
Auch Berg er (1880) unterschreibt sein urtheil; doch ist es un- 
recht, dass er sich dabei auch auf Lübbert (1857) beruft, der 
diese ansicht nicht als die eigene, sondern nur als die „jetzt herr- 
schende“ anführt, aber zugleich eins der hauptargumente von Bran- 
des für nicht stichhaltig erklärt. So konnte Müllenhoff (1870), 
der sich der anderen combination anschliesst, weit eher Lübbert 
als zeugen für sich nennen, als Berger dazu berechtigt war °). 
Das detail geben wir unten an, hier aber schicken wir ers auch 
eine geschichte der anderen berechnung voraus. 


Der erste, welcher die abfassung der isagoge in das 1. saec. 
vor Chr. versetzte, war Pétau (1630) in seinem uranologion 
(p. 410 sq.) Das genauere resultat seiner berechnung war: die 
isagoge ist Sullae tempore, nämlich Olymp. CLXXV, 4. = U. C. 
DCLXXVII, d. h. 77 v. Chr. erschienen. Mit mehr oder minder 
genauem anschluss acceptierte das die grósste zahl der spüteren 
gelehrten. Zunächst Voss (1650), der das jahr 66 angab. Dann 
W eidler (1741) p. 144: ciroa annum 70 ante C. N. und Ha m- 
berger (1756) p. 417: a. ante Chr. 77; ungefähr auch Savé- 
rien (1766) p. 77, freilich in seiner art ungenau und unbe- 
stimmt: peu de tems avant la naissance de Jésus- Christ. Der 
schon genannte Saxe (1775) p. 146 f. setzt des Geminus namen 
unter das jahr 66, d. h. in die zeit des Pompejus und Cicero. Es 
folgen Reimer (1798), der p. 176 das saeculum primum, quo 
ineunte floruerit Geminus nennt, und Ideler (1809) St. p. XXXVII: 
um das jahr 70 vor unserer zeitrechnung, und ungenauer St. 175: 
vor Caesar, ob man gleich nicht genau weiss wann. Vorsichtig 
üussert sich Delambre (1817) I, 190: on croit qu'il vivait du 


5) Die citate dieses abschnittes stammen aus: Guil. Bonjour, 
Dissertatio de nomine Patriarchae losephi a Pharaone imposito. Mit 
zwei Appendices, deren erste hier allein in betracht kommt: De tem- 
pore Istorum et aetate Gemini. P. 27—40. Rom 1696. — Carl Aug. 
Alb. Dilling, De Graecis mathematicis. Diss. inaug. Berlin 1831. 
(78 seiten) pag. 62. — Bähr, Artikel Geminus in d. Halle'schen 
Encycl. d. wiss. u. künste v. Ersch u. Gruber. 1858. Bd. LVII, p. 
242-250. — Carl Redlich, Der astronom Meton und sein cyclus. 
Ein beitrag t. griech. chronologie. Hamburg 1854. P. 40 und 53 f. — 
Hugo B erge r, Die geographischen fragmente des Eratosthenes. Leip- 
zig 1880. P. 109, anm. 


Geminos. 89 


tems de Cicéron, environ 70 ans avant J. C.; ähnlich Grüsse 
(1837) 1, 687: um 70 vor Chr. etwas später als der philosoph 
Posidonius. Freier drücken sich wieder die folgenden aus; zu- 
nächst Horrmann (1849) p. 118: c. 60 vor Chr.; dann Oet- 
tinger (1850) p. 53: ungefähr ein halbes jahrhundert vor Christo. 
Der gediegendste vertreter dieser vorstellung ist Boeckh (1863), 
der Pétau's berechnung korrigierend die jahre 73 — 70 v. Chr. 
(p. 205. vgl. p. 9) als die zeit bestimmte, in der Geminus die 
isagoge schrieb. Ihm schliesst sich Müllenhoff (1870) an, der 
sich zugleich auf Lübbert beruft und den Posidonius einen zeit- 
genossen und mitbiirger des Geminus nennt. Ebenso unbestimmt 
drückt sich Bretschneider (1870) p. 176 aus, der die blüthe 
des Perseus ,etwa um 130 v. Chr.* annimmt und fortfáhrt, dass 
Geminus etwa ein halbes jahrhundert nach Perseus lebte (p. 175 f.). 
Wie Oettinger versetzt auch Nicolai (1876) II, 195 den Ge- 
minus um die mitte des ersten jahrhunderts v. Chr. Endlich ist 
Cantor (1880) zu nennen, der Bückh gar nicht erwühnt, aber 
p. 945 mit Pétau behauptet: Geminus kann nur 77, nicht 137 
eine einleitung in die astronomie verfasst haben 9). 


6) Citnte: G. J. Vossius, De IV artibus popularibus, de philol. 
et scientiis math. libri tres, cui operi subiungitur chronologia mathema- 
ticorum. Amstelod. 1650. 4. und 1660. 4. Kennt verf. nur aus cita- 


ten. — Ioann. Frid. Weidler, Historia astronomiae etc. Vitem- 
bergae 1741. — M. G. Chr. Hamberger, Zuverlüssige nachrichten 


v. d. vornehmsten schrifist. v. anf. d. welt bis 1500. I. theil: 596 
seiten. Lemgo 1756. — Savérien, Hist. des progrés de l'esprit hu- 
main dans les sciences exactes etc. Paris 1766. — Nic. Theod. Rei- 
mer, Historia problematis de cuhi duplicatione sive de inveniendis dua- 
bus mediis continue proportionalibus inter duas datas. Göttingen 1798. — 
Von L. Ideler kommen drei schriften in betracht: 1) Historische 
untersuchungen üb. d. astron. Beobachtungen der Alten. Berlin 1806. 
409 seiten. 2) Untersuchungen üb. d. ursprung u. d. bedeutung d. 
Sternnamen. Ein beitrag z. gesch. d. gestirnten himmels. Berlin 1809, 
LXXI u. 452 seiten. 3) Handbuch der math. u. techn. Chronologie. 
2 bde. Berlin 1825 - 26. Diese drei schriften sind im text mit den 
hier fett gedruckten lettern bezeichnet. — M. Delambre, Hist. de 
[ Astron. uncienne. ll tom. Paris 1817. — Joh. G. Th. Grüsse, 
Lehrb. e. allg. literärgesch. etc. Dresden u. Leipzig. 1837. Bd. I. — 
E. Horrmann, Leitfaden z. gesch. d. griech. lit. Magdeburg 1849. — 
Ludw. Oettinger, Die vorstell. d. alt. Gr. u. Rim, üb. d. erde als 
Himmelskürper. Freiburg 1850. 4. — Aug. Bóckh, Ueber d. vier- 
jahr. sonnenkreise d. alten, vorzügl. d. Eudozischen. Berlin 1863. 434 
seiten. - K. Müllenhoff, Deutsche alterthumskunde, bd. I. Berlin 
1870. P. 245, anm. u. p. 246. — W.Lübbert, Zur characteristik 
des Kraies v. Mallos. Rhein. mus. f. phil, n. f., XI. bd., p. 430 anm. 





90 Geminos. 


Nach dieser historischen übersicht treten wir in die unter- 
suchung selbst ein. Der verfasser hält Bonjour’s und Brandes’ an- 
sicht für falsch und schliesst sich Böckh’s resultaten um so unbe- 
denklicher an, als er auf einen grossen theil dessen, was er bei 
Böckh fand, durch eigenes nachdenken bereits gekommen war, ehe 
er die „vierjährigen sonnenkreise der alten“ zur hand nahm. Die 
gauze frage ist von eigenthümlicher schwierigkeit. Die verschie- 
densten gründe sind für die eine wie für die andere meinung vor- 
geführt worden, beruhen aber im grossen und ganzen auf schlüssen, 
die nicht durchaus zwingend, auf voraussetzungen, die nicht vóllig 
sicher sind. Nun will der bóse zufall oder die sonderbare natur 
der vorliegenden untersuchung überhaupt, dass die consequenzen, 
welche aus den von beiden seiten vertretenen praemissen sich er- 
geben, recht hübsch mit dieser oder jener an sich ansprechenden 
combination stimmen. Das hat die entscheidung des streites hinge- 
halten. Dadurch ist die ganze angelegenheit in das gebiet des 
wahrscheinlichen geschoben worden. Was wahr, was begründet ist, 
das muss ja wohl zu erweisen, also auch als wahr zu .begreifen 
sein, Was aber wahrscheinlich sei, oder was mehr wahrscheinlich- 
keit für sich habe als etwas anderes, das ist eine frage, bei deren 
entscheidung das gemüth zu gerichte sitzt. Welche antwort auf 
diese frage gegeben wird, ist sache des geschmackes. Oder warum 
sonst würden solche dinge oft so verschieden beurtheilt? Jeder ist 
eben für seine anschauung zu dem gedanken geneigt, dass dem, 
der dies oder jenes nicht einsehe, nicht zu helfen sei. — Bei 
einer solchen sachlage kann nur ein princip klare wege bahnen. 
Man würfle die gründe und gegengründe nicht in einem sacke 
durcheinander! Man soudere die beweise nach ihrem inneren werthe, 
nach der wucht ihrer beweiskraft! Man halte daran fest, dass 
nur in einer bestimmten folge die verscbiedenen stufen oder arten 
von argumenten vorzufübren sind! Das ist, wie der verfasser 
glaubt, das neue moment, was seine beweisführung in die behand- 
lung der frage bringt. 

L In erster linie kommen die direkten zeugnisse in betracht, 
— C. A. Bretschneider, Die geometrie u. d. geometer vor Euklides. 
Ein hist. versuch. Leipzig 1870. — Rud. Nicolai, Griech. literatur- 
gesch. 2. aufl. 3 bde. Magdeburg 1873—76—78. — Moritz Can- 


tor, Vorlesungen über geschichte der mathematik. Bd. I: Von d. älte- 
sten zeiten bis z. jahre 1200 n. Chr. Leipzig. 1880. 804 seiten. 


Geminos. 91 


welehe in den eigenen werken eines schriftstellers sich finden. 
Diese notizen sind die unmittelbarsten, reden am deutlichsten zu 
uns Während alle autoren, die den Geminus citieren, über seine 
lebenszeit schweigen, scheint er selbst an einer stelle darüber eine 
andeutung zu geben. Es heisst im cap. VI (125. 33 sq. 43.) ?) 
seiner isagoge: ünolaußavovos yag of màetotos rv “EdAnjvwy, 
apa roig looi xav Alyunılous xai xav EvdoËor elvas 
gupeovàs zgondg* Oneg fori navranacı wevdoc. Myvi yàg 019 
mugaulddces ta "Iove ngog rag yessegsvuc toomac. Ediun dé 30 
ápágrgua ano tic ngonQnutrg; alias. neo yàg ex ray 
cuvénece xay AUIAS Tag yeupegsyvag toormag &yeodas 
sa losa. d» trecs dé 18000001 usùs nutous éyévero magdddaypa. 
10010 oùr oùx alodnınv Foye mugudday}»y moog tas xai Frog weas’ 
dv Freos dì p fpei» i eyéveto naguMiaypa* oùd’ oùrws aioIn- 
mv elvas Ovußulves ty maguAduyir. vuvì pévtosye pnveatag yevo- 
pérns magaliayüg iv Qx Ereow, ünepßoinv où diadelztovos dyvolag 
of diadapBavovies, dv zoic "lotoig zur Aiyuntlous xai xav 
* Evd oEov tac yesegevus toonas tlvai. Die erste deutung dieser 
stelle gab Scaliger (1598). Er folgerte (p. 68b.) aus ihr: 
Ergo a tempore Eudoxi ad tempus illud, quo suum librum scribebat 
Geminus, intersunt. anni tantum 120. Proinde ille annus a Na- 
bonassaro fuerit 503. Ita Geminus fuerit longe antiquior Hip- 
parcho. quod non puto. longe enim posterior videtur. Gegen diese 
auffassung richtet sich Pétau (1630) in einer anmerkung (Ur. 
410, anm. zu 33 E.) uud sagt: Non enim Isia in ipsiusmet Eu- 
doxei anni primi roonuç incurrisse vult Geminus ante CXX an- 
nos quam scribere ; verum in illum ipsum diem, in quem 109 ozag 
Eudoxus coniecerat: cuique affixas easdem esse posteritas deinceps 
omnis existimabat, solaris anticipationis ignara. Dieser interpre- 
tation trat Bóckh (1863) p. 8 bei; Brandes (G. E.) aber hatte 
schon vor Bóckh (1857), dann (1865) zum zweiten male auch 
nach Bóckh (E. G.) Scaliger’s auslegung stillschweigend wieder 
aufgenommen und dessen bedenken über die zeit des Geminus durch 
die annahme eines jüngeren Eudoxus, den er mit vielem scharfsinn 
von dem álteren zu trennen unternimmt, beseitigt. — Es ist wohl 


7) Die drei eingeklammerten zahlen bedeuten die seiten der drei 
ausgaben in der chronologischen folge, d. h. Hilderich, Pétau, Halma. 





92 Geminos, 


nicht zu bezweifeln, dass Pétaa recht hat. Geminus sagt nicht, 
dass 120 jahre vor seiner zeit, d. h. zur zeit des Eudoxus 
die isien mit der winterwende zusammen gefallen sein, sondern dass 
nach dem eudoxischen und aegyptischen ansatz der winterwende 
auf diese die isien vor 120 jahren gefallen würen. Die worte 
xoa: Evdo&ov können nicht heissen zur zeit des Eudoxus; 
was sollten sonst die worte xar’ Alyunıloug bedeuten! Geminus 
hat vielmehr sagen wollen: nach der ansicht des Eudoxus 
und nach dem gebrauche der Aegypter. Wann also Eu- 
doxus gelebt hat, ist eine für die frage nach des Geminus zeit 
völlig gleichgültige sache. Damit fehlt, wie Böckh betonte, der 
Brandes’schen ansicht, dass der eine grosse Eudoxus in zwei zu 
zerlegen, Geminus aber 120 jahre nach dem zweiten zu setzen sei, 
soweit unsre stelle in betracht kommt, die grundlage. Ein direktes 
zeugniss für die zeit des Geminus ist so wenig hier wie sonst bei 
den alten zu finden. 

ll. An solche direkten aussagen schliessen sich dem werthe 
und der deutlichkeit nach diejenigen combinationen an, welche durch 
die namen und die zeit der den Geminus citierenden, wie der von 
ihm citierten autoren an die hand gegeben werden. Der älteste 
von jenen und der jüngste von diesen, sie bezeichnen mit ihrer 
lebenszeit die äussersten chronologischen grenzen, zwischen denen 
man sich die zeit seiner schriftstellerei zu denken hat. Citate sind, 
wenn man sie nicht als einschiebsel betrachtet oder als zweideutig 
abweist, thatsachen und geben als solche, wenn auch nicht immer 
ebenso genaue, so doch an sich ebenso unumstössliche resultate, wie 
direkte aussagen. Von den autoren nun, die den Geminus nennen, 
nämlich Proclus Diadochus, Alexander von Aphrodisias, der com- 
mentator Simplicius, die mathematiker Pappus und Eutocius, der 
mechaniker Carpus, endlich ein Pseudo-Eratosthenes sind die beiden 
letzten zeitlich nicht zu bestimmen. Der älteste der anderen aber 
ist der um 200 v. Chr. lebende exeget Alexander. Ueber 200 
hinab kann also das geburtsjahr der isagoge auf keinen fall ge- 
setzt werden; ein persönlicher lehrer des Proclus (410—485) war 
Geminus sicher nicht! Von den schriftstellern auf der anderen 
seite, die vom Geminus citiert wurden, ist Hipparch der jüngste. 
Die alteste astronomische beobachtung nun, die uns als unzweifel- 
haft hipparchisch überliefert wird, fällt in das jahr 161, seine 


MEE" 
. 


Geminos. 93 


jüngste in das jahr 126, wie Hugo Berger (Die geogr. fragm. des 
Hipparch. Leipzig 1869. P. 5 f.) ausführt. Es ist eine für un- 
sere untersuchung gleichgültige frage, ob diese daten mit Ideler 
(St XXX, anm. 3) um ein jahr hinauf — oder mit Seyffarth 
(Berichtigungen etc. p. 61 ff. nach Berger's citat) um zwei jahre 
berabzusetzen sind. Leider ist weder die reihenfolge, in der Hip- 
parch seine schriften herausgab, noch die quelle, aus der Geminus 
seine citate nahm, bekannt. Nun wird aber weiter JJoÀvfiog 6 
torogsoyguqog in der isagoge einmal genannt. Erst nach 146 
schrieb Polybius seine historien. Seine geschichte des numantini- 
schen krieges hat er natürlich noch spüter verfasst. Das früheste 
jahr also, in dem die isagoge geschrieben sein kann, ist 145. 
Dies datum lässt sich aber noch herabrücken. Unter der regierung 
des Ptolemäus Euergetes Physcon, der 146 den thron bestieg, be- 
suchte Polybius Alexandria (Strab. 797 sq.). Was er auf dieser 
reise sah und hórte, berichteten seine historien, Diese sind also 
vor 140—130 dem Geminus schwerlich in die hánde gekommen. 
Dieser behauptung gegenüber hat Brandes (E. G. 31 f.) ausge- 
sprochen, dass Polybius, sei es als biograph des Philopoemen (Histt. 
X, 21, 6), sei es auf deu blossen ruf hin, dass er an den Histo- 
rien arbeite, sei es endlich um vorzeitiger herausgabe eines theiles 
der historien willen, auch schon vor 140 icrogsoygugos heissen 
konnte. Das muss der verfasser bestreiten. Polybius hat in den 
drei bücheru über Philopoemen auch dessen ;rxiduxi»v dywynv be- 
schrieben; hier war er also fioygaqoc, nicht iorogroygagoc. Ging 
weiter von Polybius die sichere kunde, er wolle historien heraus- 
geben, so kann er zunächst wohl iorogexoç, doch nicht torogro- 
yeagos heissen; noch ist er nur geschichtsforscher, nicht geschichts- 
schreiber. Dass Polybius theile des werkes vorlaufig edierte, ist 
weder wahrscheinlich, da alles, was davon bekannt ist, wie aus 
einem gusse erscheint, noch hier von werth, da die ersten bücher, 
in denen er einmal (III, 53, 3 sqq.) auf seine 146 mit Scipio ver- 
anstaltete africanische küstenfahrt hinweist, schwerlich viel vor 140 
veróffentlicht sind. Endlich stammt das, was Geminus aus Polybius 
citierte, weil es von der heissen zone, von Africa, von einem geo- 
graphischen probleme der zeit handelte, sicherlich aus dem 34sten 
buche der historien, das Polybius bekanntlich ganz der geographie 
weihte. Jedenfalls ist also 140—-130 frühestens die isagoge ge- 





94 Geminos. 


schrieben, ein resultat, welches Bonjour's und Brandes’ zahl 137 
nicht widerspricht, ihr aber arg auf den leib rückt. 

III. Was bis jetzt festgestellt ist, beruht nicht auf schlüssen, 
sondern auf thatsachen. So unbestimmt also unser resultat ist, 
man darf es wenigstens unumstösslich nenuen, Geminus kann die 
isagoge nicht vor 140—130 v. Chr. und nicht nach 200 n. Chr. 
geschrieben baben. Welche weitere art von argumenten bietet nun 
die meiste garantie für die sicherheit ihrer beweiskraft? Einen 
verhältnissmässig sicheren schluss gestatten citate, die den autor 
mit anderen münnern oder ereignissen des alterthumes in beziehung 
setzen. Es giebt ein solches citat von Alex. Aphrod., erhalten ‘bei 
Simplicius im Comm. ad Aristot. phys. fol. 64b. Die worte lau- 
ten: 0 dé ÆAAé£ardoog gilonóvug AE uva zov Teulrov maga- 
snow dx 176 Ensroulg ıwv Hocedwrtov Metewpodoysxwy ÈEn- 
ynoewo xti.; und am schluss dieses citates: 0 naga ı@ Teulro 
IHocudwros. Also „Geminus epitomiert den Posidonius“! Wel- 
chen Posidonius denn? Nun welchen anderen wohl, als den philo- 
sophen von Rhodus? Ist ein name durch einen seinen träger ganz 
besonders geadelt und bekaunt gemacht, so kann nur dieser be- 
rübmte mann gemeint sein, wenn ohne jeden zusatz das nomen 
proprium genaunt wird. Dass der erwähnte Posidonius mit dem 
rhodischen stoiker identisch sei, hat auch bis in unser zeitalter nie- 
mand bezweifelt. Bake (1810) p. 60 sqq. setzt jenen passus 
des Simplicius einfach unter die fragmente des rhodischen Posido- 
nius. Saxe (1775) p. 147 môchte, ehe er dem Geminus die be- 
ziehung zu diesem stoiker abspräche, lieber zwei Gemini annehmen, 
ohne überhaupt auf den gedanken an zwei Posidonii zu gerathen. 
Anderer ansicht aber ist Brandes. Er ist der meinung (1847), 
dass jener Posidonius nicht der Rhodier sei, sondern der Alexan- 
‘ driner, der als ein unmittelbarer schüler des Zeno von Diogenes 
Laértius (VII, 38) genannt wird. Doch setzt er hinzu, dies scheine 
ihm viel wahrscheinlicher. Einen sehr vorsichtigen anhänger 
fand Brandes in Bähr (1853), der die kritische, oder freilich un- 
klare bemerkung macht, dass eigentlich dem in Rhodus schreibenden 
(*) Geminus der berühmte Rhodier, der jedenfalls sein älterer oder 
jüngerer zeitgenosse war, näher lag (!) als der wenig bekannte, 
weit früher lebende Alexandriner. Einen ganz unvorsichtigen, arg 
übertreibenden bundesgenossen gewann Brandes’ meinung in Red- 


a 
--. E 


Geminos. 95 


lich (1854), der behauptet, jener Posidonius sei „keinesfalls“ der 
Rbodier; das habe ja Brandes ,überzeugend dargethan*; die ge- 
wöhnliche ansetzung der lebenszeit des Geminus sei also falsch, da 
sie „nur aus der des Posidonius gefolgert sei“. Gegen Brandes 
sprach sich Böckh (1863) mit gründen aus, die der verfasser 
durchaus unterschreiben muss. Die sache liegt im einzelnen so, — 
Diogenes Laert. beruft sich in jener stelle im leben des Zeno auf 
eine reihe von schülern, unter denen auch ein Posidonius von 
Alexandria genannt ist (VII, 38); später aber nennt er die Mere- 
exooAoyixi) (orosyelwoi) des Posidonius (VII, 138. 152); es liegt 
also, schliesst Brandes, der gedanke nahe, dass der biograph Dio- 
genes über des meisters Zeno lehren aus dem werke seines schülers 
Posidonius von Alexandria berichte. Also ist diese Metewgodoysx?, 
Crosye(wosg von dem älteren Alexandriner verfasst worden. Sie 
bat Geminos epitomiert. Danach kann er noch vor dem rhodi- 
schen Posidonius gelebt haben. Gegen diesen gedankengang macht 
Bóckh etwa folgende zwei einwünde. 1) Diogenes berichtet im 
VII. buche nicht nur des Zeno lehren, sondern überhaupt die der 
stoiker; was z. b. aus Posidonius Metewgodoy:xn crovyelwoss an- 
geführt wird, ist augenscheinlich des Posidonius eigene ansicht, 
dient also nicht zur darstellung des zenonischen systems. 2) Von 
den werken, die dem Rhodier unbestritten zugeschrieben werden, 
sind in jenem buche mehrere als werke zov /Zocesdwrlov citiert, 
ohne dass ein weiterer zusatz über die persönlichkeit dieses autors 
aufklärt; dem analog ist wohl auch jene Metewgodoysxn eine schrift 
des Rhodiers. — Wir halten diese gegengründe für schlagend und 
meinen, dass sie sich noch schürfer fassen lassen. Denn: 1) Das 
schülerverzeichniss beginnt VII, 36 mit den worten: padniai de 
Zrvwros noÂloi uiv, EvdoËos dé Megoutog xr. Darauf heisst 
es VII, 38: noav dì Zurwvog uudnrui xai olde, xa9: pnosr 
'"Innofo:og Dsrwrldng xi. Unter diesen steht /looudwmwoc 
*Aretaydosvs. Man sieht, dass Diogenes diesen namen bloss aus 
Hippobotos ausschreibt, den träger desselben zu den unbedeutenden 
schülern des Zeno rechnet, also schwerlich aus dessen schriften des 
Zeno lehren darstellt, Nun heisst es weiter: Koswn dé nepi mav- 
ro» TOv Otwixwy doyuatwr idokfuo. Ev 16) Zijvwvos ebneiv Pie, 
dia 10 tosovtoy xtlorny yevéodas tig aipfosws. Also nicht Zeno's, 
aller stoiker lehren sollen vorgetragen werden! Von jenen unbe- 





96 Geminos. 


deutenderen schülern aber wird im ganzen folgenden VII. buche 
sonst keiner genannt. Nur vor jener stelle ist einmal Athenodoros 
von Soloi (§. 34) und einmal Zeno von Sidon erwühnt; allein der 
eine als bibliothekar von Pergamon, als verstümmeler stoischer achrif- 
ten und endlich auf grund einer notiz des Isidorus von Pergamon; 
der audere dagegen als einer der acht trüger des namens Zeno; 
keiner von beiden aber um seiner lehren willen. Gleich nach je- 
nen griechischen worten ferner zählt Diogenes (è. 39) als seine 
quelle für eine stoische lehre unter anderen auf: Xgvoss70c, Ev- 
doouog, 4ioyévgg 6 BafivAuwiog xai Iloctiduviog. Kann man hier, 
wo männer genannt sind, die nicht des Zeno persönliche schüler 
waren, kann man überhaupt in diesem zusammenhange an den 77o- 
osdwvsog "AAsEavdoeuc denken? Kurz nachher (2. 41) heisst es: 
Iluvatnoc dé xoi llocuówuwg and twv puoxwy aeyovtas, xaS& 
puo Duvlag 6 Ilocudwv(ov yvoiQsuog iv 1p nowsp ıwv Iocu- 
dwvelwr cyodwy. War jener Alexandriner so bedeutend, dass es 
sich verlohnte, über seine oyodué ein werk in mehreren büchern zu 
schreiben? Im folgenden wird Posidonius noch an 33 stellen ge- 
nannt. Nie heisst er anders als kurzweg Hoosdwrsoc. Es ist 
wohl klar, dass Diogenes mit diesem namen einfach den Rhodier 
meint, den Alexandriner aber nur nebenbei einmal als einen der 
unbedeutenderen, von Hippobotos aufgezählten persönlichen schüler 
des Zenon, aus des Hippobotos werke ausschreibend, erwähnt und 
mit dem unterscheidenden zusatz ' AAsLavdpevg citiert. 2) Diogenes 
citiert (2. 138): de gro» llocciduviog iv 17 uertwgoloyixy Grov— 
quulces. Später (9 152): wc Mloosdwriog qnow èv 17 petewoo- 
Aoysx7. An zwei anderen stellen (2. 135 und 144) citiert er an- 
ders: [ocsdwrsog d» 10(1p nepi puerewowr und Hoceduwreoc dy 
1@ EBdouw nepi petewowr. Sind diese beiden werke identisch? 
Diese annahme wird durch die art der citate verboten! Simplicius 
nun weiter sagt wieder anders: AéEsy . . . . . 2x zig émrouñç 
(des Geminos) rw» Hocedwrlov perewoodoyixwy èEnynoews rag 
ágoguag naga ’Agicrorélovg Aaßovcav. Ist das die pereweodo- 
zia orosyelworg? Oder sind die bücher wegi perewowy gemeint? 
Falls man das letztere annimmt, so ist das bediirfniss nach einer 
kiirzung dieses werkes recht erklürlich. Das siebente buch wird 
citiert! (Es ist wohl nur ein versehen, wenn Bake p. 242 von 
einem liber decimus septimus redet). Vielleicht war es noch länger. 


Geminos. 97 


Posidenius v. Rbodus liebte blumenreicben, hreiten stil: ovx amt- 
geras tie cunjdovs Émragelas, alla ouverFavarge tuîc vmeofodaîc, 
sagt Strabo (p. 147) einmal von ihm. Es ist also auch nach die- 
ser überlegung recht plausibel, dass Geminus das compendióse werk 
des rhodischen stoikers xegi petewdoquy in eine êwsroun gebracht 
babe. Die uerewoodoysx) Groigelw 0i; muss ihrer natur nach kürzer 
angelegt gewesen sein, ist also schwerlich mit den perewoodoysxa 
bei Simplicius identisch. 3) Posidonius v. Rhodus gilt als der 
atoiker, welcher in ausgedehntem maasse Aristotelische anschauungen 
in den stoicismus aufnahm uud eine eklektische richtung in diese 
philosophie brachte. Wenn also in dem citate des Simplicius Ari- 
stoteles als urheber der gedanken des Geminus genannt ist (dgog- 
pag maga ’ Agsarortiovs Aaflovcav), so ist das für den fall ver- 
ständlich, dass der Rhodier dasjenige buch verfasst batte, welches 
Geminus epitomierte. Uebrigens hat auch, was aus jener epitome 
über den unterschied von guosodoyfa und acigodoyla gesagt ist, 
eine auffallende ähnlichkeit mit dem gedankengange, den Diogenes 
(VII, 132 sq.) als stoisch angiebt. Obgleich er bier den Posido- 
mius nicht nennt, nennt er ihn doch gleich darauf (8%. 134. 185) 
und hat hier sicherlich den Posidonius, den er in diesem abschnitt 
über Tov quosxdr Aayow (g. 132) besonders oft herbeizieht, insbe- 
sondere benutzt, da nach seinen worten (2. 41) Haraínogc xai lo- 
Gtdwviog and rv Qvcixdv aeyovtas, Panaetius aber weder im 
leben des Zeno weiter genaunt, noch in den folgenden capiteln des 
VII. buches besprochen wird. 

Ist es also schon an sich natürlich, die worte des Simplicius 
auf den Rhodier zu beziehen und die citierten stellen des Diogenes 
unter des Rhodiers fragmente zu setzen, so wird das noch durch 
die angeführten umstände bestätigt. Wird Brandes nun noch, wie 
er in seiner dritten schrift (E. G. 27) gethan, den Bóckh'schen ein- 
wünden nur allgemeine wahrscheinlichkeit zusprechen, , der man 
immerhin mit gleichem rechte eine andere wabrscheinlichkeit als 
zulàssig gegenüberstellen kann“? Dazu lag und liegt kein grund 
vor! Es ist ja wohl möglich, „dass im alterthume bei manchem 
citate einem schriftstellernamen eine irrthümliche bezeichnung hinzu- 
gefügt worden sein mag, indem der citirende wohl manchmal einem 
berühmten schriftsteller beilegte, was von einem gleichnamigen un- 
berübmten herrührte*, Weil aber dieser irrtbum möglich ist, darf 

Philologus. XLII. bd. 1. 7 





98 . Geminos. 


man ihn doch nicht als wirklich setzen, ohne zwingende gründe 
anzuführen. Der nachweis, „dass es nicht notbwendig ist, 
den Geminos für den commentator einer schrift des jüngeren Po- 
seidonios zu halten“, genügt weder, noch hat er zweck. Soll die 
kurze art des Simplicius und Diogenes, den unbedeutenden Posido- 
nius v. Alexandria zu citieren, plausibel erscheinen, so muss zu- 
nächst erwiesen werden, dass es rein unmöglich sei, bei den 
worten jener beiden autoren an den berühmten freund des Cicero 
und Pompejus zu denken, Sollte ferner im weiteren verlauf un- 
serer combinationen sich eine unmüglichkeit, ja auch nur eine un- 
wahrscheinlichkeit herausstellen, erst dann waren wir berechtigt 
und verpflichtet, zurückzuschauen und zu suchen, wo wir geirrt, 
wo wir vielleicht eine wahrscheinlichkeit als sicherheit genommen 
hatten, obgleich man ihr ,,mit gleichem rechte eine andere wahr- 
scheinlichkeit als zulüssig gegenüberstellen kann“. Auch dann aber 
würde noch die frage sein, ob unsere zweifel in die zuverlüssigkeit 
der vorgeführten argumente gerade an dieser stelle einsetzen würden. 

Was ist jetzt für ein resultat gewonnen? Geminus epitomierte 
die meteorologie des Posidonius von Rhodus. Wann ist nun diese 
geschrieben? Es lässt sich nur das jahr berechnen, in dem sie 
frühestens herausgegeben sein kann. Das geburtsjahr des Posido- 
nius steht nicht fest. Bake®) nimmt 135 v. Chr. an; Toepelmann 9) 
rückt das datum in’s jabr 130—129 herab; €. Müller aber ver- 
setzt den geburtstag des Rhodiers gar in das jahr 125. Nun war 
Panaetius des Posidonius lehrer und der stoischen schule leiter. 
Gegen 110 muss Panaetius gestorben sein; 109 sah ihn Crassus 
als quaestor in Athen nicht mehr. Wir wollen zu gunsten der 
Brandes’schen ansicht annehmen, Posidonius sei 135 geboren. Dann 
stand er 110 v. Chr. im 25. jahre, also in einem alter, wo der 
tod seines lehrers wie die reife eigener studien ihm den anlass 
wie die fühigkeit zu selbstündiger schriftstellerei bieten konnten. 
Nehmen wir weiter in demselben sinne an, er habe nun sofort die 
meteorologie verfasst, so erschien diese allerfrühestens 109. Vor 
108 also kann Geminus des Posidonius meteorologie nicht in eine 
epitome gebracht haben. Um endlich die bisherigen resultate zu- 


8) P. Toepelmann, De Posidonio Hhodio rerum scriptore. 
Inaug.-Diss. Bonn, 1867. 56 p. — J. Bake, Posidonii Rhodii reli- 
quiae doctrinae. LBat. 1810. 


Geminos. 99 


sammenzufassen, so liegt das geburtsjahr der isagoge nicht vor 
140—130, das der epitome nicht vor 108. Dies ergebuiss ist 
gewonnen aus der vorurtheilslosen auffassung von citaten. 

IV. Jetzt erst sind die direkten oder indirekten zeugnisse er- 
schópft; jetzt erst sind vermuthungen am platze. Da wir nun zu- 
náchst vom Geminus nichts weiter wissen, als dass er ausser der 
uns erhaltenen isagoge noch zwei werke, jene epitome und ein 
grosses mathematisches werk, geschrieben hat, so drüngt sich zu- 
erst die frage auf, ob über die reihenfulge, in der jene werke 
geschrieben sind, gar keine vermuthung aufzustellen sei. Mau meint 
bei dem ersten blick auf jene titel gewiss, dass die epitome, die 
als solche die gedanken eines berühmten mannes nur excerpiert, 
eine jugendarbeit sei; dass ihr der zeit nach die isagoge folge, die 
zwar auch keine neuen, eigenen gedanken des autors bringe, aber 
doch in der wahl des stoffs, der folge, der form durchaus selb- 
stándig sei; dass Geminus endlich in seinem mathematischen werke, 
das oft und mit grosser anerkennung citiert ist, als ein schüpfe- 
rischer, selbstándiger forscher auftrat und als solcher gewürdigt 
wurde. Uns interessiert hier nur die folge der beiden ersten 
werke. Dass sie die eben vermuthete wirklich ist, dafür sprechen 
innere und äussere gründe. 1) Der inhalt der isagoge macht kei- 
neswegs den eindruck einer jugendarbeit. Klar und durchdacht ist 
die auswahl wie die darstellung dessen, was der verfasser zur ein- 
fübrung in die probleme der astronomie für nóthig hielt. Was z. 
b. über die muthmaasslichen wetterberichte (&mionuuolns) der grie- 
chischen kalender (nagazíypuo1a) in cap. XIV gesagt ist, steht 
so hoch über all dem prophetischen kram, den selbst grosse astro- 
nomen gemacht und geglaubt haben, dass hier doch wohl die lei- 
stung eines mannes vorliegt, der viel und ernst studiert uud nach- 
gedacht hat. Es ist einer der besten sätze, die bis Brandes’ und 
Bóckh's arbeiten über Geminus geschrieben sind, wenn Weidler 
(1741) p. 145 sq. sich äussert: Lectu autem in primis digna sunt, 
quae Geminus cap. XIV de significationibus astrorum exponit. Es 
muss also die isagoge um ihres speciellen inhaltes willen jünger 
sein als die epitome. 2) War Posidonius 135 geboren, so stand 
er 109 im alter von 26 jahren. Schrieb ferner Geminus, wie 
Brandes (G. E. 203) für sicher annimmt, die isagoge vor 126, z. 
b. 127, die epitome aber, wie wir erwiesen, nach 109, z. b. 108, 


1 * 





100 Geminos. 


so muss er bei der abfassung der isagoge, d. b. im jahre 127, 
mindestens 20, hei der der epitome aber, d. h. im jahre 108, min- 
destens 39— 40 jahr alt gewesen sein. Ist es glaublich, dass ein 
mann, der als zwanziger ein buch wie die isagoge geschrieben bat, 
als vierziger das erstlingswerk eines jungen, fünfundzwanzigjähri- 
gen anfüngers excerpiert? Die unwahrscheinlichkeit wächst, wenn 
wir die geringste ünderung in unseren voraussetzungen machen, 
die wir ja für unsere eigene ansicht so ungiiustig wie möglich 
gestalteten. Ist Posidonius erst 130—129 geboren, was wir glau- 
ben, oder ist die isagoge schon 137 geschrieben, was Bonjour, 
oder um 135, was Brandes (R. H. 118) berechnet, so wächst die 
schwierigkeit zur unglaublichkeit, ja zur unmôglichkeit. Dasselbe 
tritt ein, wenn man die abfassung der meteorologie, die doch auch 
kaum eine jugendarbeit sein wird, spüter als 108 ansetzt, z. b. 
gegen das jahr 90. Dieser ansatz ist auch glauhlicher als 108, 
da Posidonius damals 45 oder 40 jahre zählte, je nachdem er 135 
oder 130 geboren war. — Durch alle diese überlegungen wird 
bestätigt, was auf den ersten blick jeder vermuthen würde. Die 
isagoge ist später geschrieben, als die epitome, da diese sich als 
jugendarbeit, jene aber als eine reifere, wenigstens in wahl des 
stoffs und ausdrucks selbstündige arbeit cbarakterisiert. Da aber 
die meteorologie des Posidonius nicht vor 108, wahrscheinlich erst 
15—2Q jahre später verfasst sein kann, so liegt das geburtsjahr 
der isagoge sicherlich nicht vor 108, wahrscheinlich aber nicht vor 
etwa 90 vor Christi geburt. 

V. Nunmehr liegt eine andere frage nabe. Wie kam der 
jusge Geminus dazu, gerade des Rhodiers meteorologie zu epito- 
mieren? Schon Böckh hielt (p. 15) die vermuthung für picht allzu 
gewagt, den Geminus ,für einen zuhórer des Rhodischen Posido- 
nius zu halten“, und nannte ihn deshalb etwas jünger als jenen. 
Wir sind der ansicht, dass diese vermuthung so viel für sich bat, 
wie nur möglich. 1) Es wird sich in unserer zweiten abhandlung 
zeigen, dass Geminus in Rhodus lebte, in Rom die isagoge schrieb. 
Posidonius aber schrieb und lehrte in Rhodus, reiste aber einige 
male nach Rom. 2) Zavaíriog xai lloctduw»g ano TW quos- 
xv ügyovros, sagt Diog. Laert. VII, 41. Da wird denn ein schüler 
des Posidonius wohl auch zunächst naturwissenschaftliche studien 
haben treiben müssen. So schrieb Geminus erst die epitome aus 


x 


Geminos. 101 


des Posidonius meteorologie. Später emancipierte er sich von sei- 
nes lehrers einfluss und widmete seine zeit der astronomie und 
mathematik , wozu ihn sicher seine anlage, wahrscheinlich auch 
seine neigung trieb. 3) Streicht man unter den autoren, die in 
der isagoge citiert sind, des Geminus fachgenossen und vorlüufig 
auch die dichter, so bleiben acht autoren. Darunter sind sechs 
philosophen. Unter diesen aber drei stoiker! Nämlich Boéthus, 
Cleanthes, Crates. Von den dichtern ferner ist Aratus am meisten 
citiert. Aratus aber war in der stoischen schule angesehen! Seine 
lehrer waren stoiker; unter seinen commentatoren sind drei als 
stoiker bezeichnet: Boéthus, Heliodorus, Crates. Und wer weiss, 
wie viele der anderen erklürer des Aratus, deren name, z. b. Zeno, 
obne zusatz genannt ist, auch stoiker waren! Diese beziehungen 
der isagoge zu stoikern sind wohl im stande, die ausgesprochene 
ansicht von dem persónlichen verhaltniss des Geminus zum Posido- 
nius zu unterstützen. — Es drängt sich somit in der that die 
vermuthung auf, dass Geminus ein jüngerer zeitgenosse, ein zu- 
hörer des Rhodiers war. Ihm trug vielleicht der lehrer als seiner 
hoffnungsvollsten schüler einem die ehrenvolle aufgabe auf, für 
schulzwecke die meteorologie zu epitomieren. So mag der junge 
Geminus unter des berühmten Posidonius aegide studiert, so seine 
schriftstellerische laufbahn begonnen haben, so auch nach Rom ge- 
kommen sein. 

VI. Nun kommen endlich, nachdem scheinbar alle quellen 
erschópft sind, noch einige chronologische rechnungen unserer un- 
tersuchung zu hülfe, die an die oben citierte stelle des VI. capitels 
der isagoge anknüpfen. Diesen gebührt im range die letzte stelle. 
Jedermann weiss ja, dass der kleinste fehler in einer rechnung sich 
vervielfacht und zu grundfalschen resultaten führt. ^ Jedermauiti 
weiss auch, dass die geschichte der chronologie der klassischen 
vôlker ein feld vieler kümpfe ist, wo bypothesen und vermuthungen 
wider vermuthungen und hypothesen streiten. So sind auch hier 
zwei solche calculationen gemacht worden: die eine von Brandes 
(R. H. (= etwa 135 v. Chr.)), die andere von Pétau (= 77 v. 
Chr. und Böckh (= 73—70 v. Chr). Die älteren rechnungen 
von Bonjour (— 137 v. Chr.) und Pétau (— 93 v. Chr.) kón- 
nen hier übergangen werden, da diese vom erfinder selbst verwor- 
fen ist, jene aber dasselbe berechnet wie Brandes und mit desset 





102 Geminos. 


resultat steht oder fällt. 1) Was zunächst die rechnung von Bran- 
des betrifft, so beruht sie auf hypothesen, die uns nicht wabr- 
scheinlich dünken. Brandes selbst spricht über sie äusserst vor- 
sichtig. Seine ersten sütze lauten: „in der römischen kaiserzeit 
ward in Rom ein fünftügiges Isisfest vom 28. oct. bis 1. nov. ge- 
feiert. Da nun die Rómer hüufig den cultus auswürtiger gottheiten 
adoptirten, so liegt die vermuthung nahe, dass auch dieses 
Isisfest in Rom einem ügyptischen von gleicher dauer entsprochen 
haben mag, welches dann wohl auch an den entsprechenden tagen 
des aegyptischen jahres gefeiert worden ist“. Am schluss seiner 
combination nennt sie Brandes selbst in besonnenem urtheil eine 
den früher für die lebenszeit des Geminus geführten beweis ,,be- 
státigende berechnung, die zwar, allein stehend, der eigeutli- 
chen beweiskraft ermangeln würde, die aber durch ihre 
übereinstimmung mit jenem beweise diese beweiskraft gewinnt*. 
Wir meinen, die vorstellung, dass die Rómer bei der etwaigen 
adoption des ägyptischen Isisfestes sich sklavisch auch an das 
datum dieses festes bei den Aegyptern augeschlossen hütten, liegt 
nicht nahe. Im gegentheil erwarten wir, um dies glaublich zu 
finden, eine erklärung, wo nicht eine bestätigung durch andere 
beispiele oder zeugnisse. — 2) Die Pétau’sche rechnung beruht 
nicht auf so unsicheren grundlagen und ist, was einen fehler be- 
trifft, von einem der besten chronologen corrigiert worden. Böckh 
halt an der ,glünzenden combination“ Pétau's im ganzen fest, ver- 
bessert nur die zahl 77 in 73—70 v. Chr. Widerlegt ist die 
rechnung nicht. Noch nicht einmal einen angriff hat sie erfahren, 
auch von Brandes nicht. Wir haben nirgends einen schwachen 
punkt an ihr entdeckt. Das resultat derselben aber stimmt treff- 
lich mit unseren eigenen resultaten überein. War Geminus im 
jahre 70 ein reiferer mann von etwa vierzig jahren, so war er 
um 110 geboren und batte ungefahr 90 als zwanzigjühriger jüng- 
ling und schüler des Posidonius dessen meteorologie epitomiert. 
Posidonius aber mag 130 geboren sein, war also zwanzig jahre 
älter als Geminus und hatte seinen ruhm bereits begründet, als 
sein schüler die epitome schrieb. 

VII. Der zusammenhang der dinge und personen, wie wir 
ibn zu erweisen suchten, gewinnt noch durch einige andere mo- 
mente an glanbwiirdigkeit. Mit diesen argumenten konnten wir 


Geminos. . 103 


erst jetst kommen, weil sie die am wenigsten zwingenden sind. 
Es ist eine kleine zahl winziger bemerkungen, die erst im zusam- 
menhang mit wichtigerem werth und bedeutung erhalten. 1) Po- 
sMonius batte in seinem werke negi “Queavov, aus dem Strabo 
schöpfte, viel geographisches material zusammengestellt, zum theil 
auch mathematische resultate: Tdwuer de xai [lootudwwov u pnosy 
iv roïç migì wxeavov doxei yaQ iv avıois ta molÀà yewyeayeir, 
zà er olzelws, tà dà wasnwarıxoregov (Strab. 94). Besonders 
war die zonenlehre darin behandelt, so dass sie der erste abschnitt 
ist, den Strabo einer besprechung unterzieht: moi dy o Moce- 
duvsog tig elg mevie (wvag dsusgéosws aexnyòr yevtoJos. Iague- 
stönv xt. Die kugelgestalt der erde war also acceptiert. Doch 
scheint sie in einer weise erwühnt gewesen zu sein, als sei es 
unpüthig, die gründe dafür vorzutragen. Posidonius mag sie, we- 
nigstens in jenem werke als selbstverstandlich vorausgesetzt haben. 
Denn kurz hinter jenen worten: ta dà uaSnuarxwrepor xrÀ. sagt 
Strabo: cu» ovv 1 rm)» ngóg yewyçaglar olxelwv 10 ınv yüv 
GAny vno 9£G Jas Opasposıdj xadaneg xal tev xóGuov, xal ta 
alla nugudtiaotu 1 axodovIa 17 vnmoOÉcu zavım rovrwv Ó' 
for xai 10 mevraluvov aviv sivas. In der schule des Posidonius 
ist also die lehre von der kugelgestalt der erde als so unzweifel- 
haft betrachtet worden, dass man mit ihr in den darauf basierenden 
wissenschaften, wie geographie (und astronomie) ohne weiteres 
operieren durfte. Ganz ebenso geschieht das nun in des Geminus 
isagoge (vgl. Oettinger p. 52). Nur einmal wird die kugelgestalt 
der erde erwähnt. Das XII. cap. (187. 49. 61) beginnt (vgl. 
Pseudo-Procl. Sphaer. XIV, 1) mit dem satze: 7 17g Ovumıong 
ynv érupavesn opasgosdis $nágyovoa deargettas el; Cwvac névre. 
— 2) Posidonius schützte den Polybius hoch. Er benutzte ihn 
fleissig, setzte ihn fort und ahmte ihn nach. So muss er des Po- 
lybius andenken in Rhodus lebendig erhalten haben. Auf die an- 
sicht desselben, dass die übrigens unbewobnte, weil übermässig 
versengte zone der wendekreise in einem schmalen aequatorialstriche 
dennoch bewohnt sei, nahm Posidonius in seinem werke xeoi 
"axsuvov ausdrücklich bezug. Den Polybius benutzte aber auch 
Geminus. Ist es nun schon an sich auffallend, dass Geminus in 
einer astronomie den historiker Polybius citiert, der zwar manches 
von astronomie wusste, aber darin weder auf der hóhe seiner zeit 





104 Geminus. 


stand noch im entferntesten produktiv war, so ist es im besonderen 
eigenthümlich, dass auch Geminus gerade jenen abschnitt citierte: 
IoXvfios è icrogoyoagos rnenvayuatevias BiBiloy 6 imygagiv. 
Eyes neoì rf; megì rüv lonueoviòv olencews xrà., heisst es im XIII. 
capitel (205 f. 54. 67). Am sonderbarsten aber ist, dass Geminus 
diese theorie, die Polybius nur dem Eratosthenes nachsprach, nicht 
als ansicht dieses bedeutenden, schépferischen mannes, der sie er- 
funden, sondern des Polybius citiert. Dass nun jenes Pc S2lor, 
welches Polybius geschrieben baben soll, kein besonderes werk, 
sondern ein theil des 34. buches der historien war, glaubt der verf. 
kürzlich bewiesen zu haben (N. jahrb. f. kl. phil. 1882. P. 113— 
122: Ueber die geographischen werke des Polybios) Nimmt man 
dies alles zusammen, so sieht es so aus, als babe Geminus die be- 
kemntschaft mit der zonenlehre des Polybius dem Posidonius zu 
danken, als habe der theil des 34. buches der historien, der von 
der gestalt, der grüsse, den zonen der erde bandelte, in der rho- 
dischen schule des Posidonius als besonderes excerpt in besonderen 
rollen kursiert, um als populüre oder kurz gefasste darstellung der 
grundlagen der geographie bei vorlesungen zu grunde gelegt zu 
werden. So würde sich alles, auch der ungenaue ausdruck fi- 
Paley, recht gut erklären. — 3) Wir haben oben bemerkt, dass 
wir nicht wissen, aus welcher schrift des Hipparch Geminus tha 
dreimal im zweiten capitel (48. 12. 19. — 45. 13. 19. — 47. 
18. 19) citiere, Was dort vom Hipparch berichtet ist, ist die ein- 
fübrung dreier neuer sternbilder. In der einzigen schrift des Hip- 
parch, die uns erhalten ist, den 2&nynosıs vov Aqurov x«i Eudokov 
yawontvwv, wird nichts von diesen gestirnen gesagt. Nun schrieb 
der grosse astronom nach Suidas ein werk Z7egì 175 tw» dniavwy 
€vvidteog xai tov xaraGteQiOuoU. Es ist wohl anzunehmen, dass 
er in diesem werke die resultate seiner beobachtungen niederlegte, 
dass er dieses werk nach 126, bezüglich 128, aus welcbem jahre 
seine letzte beobachtung, die uns überliefert ist, stammt, jedenfalls 
aber nicht lange vor 126, etwa gar vor 137 schrieb, endlich dass 
die überwiegende mehrzahl der astronomischen citate aus Hipparcbs 
hinterlassenschaft aus jenem werke herrübrt. Also ist die isagoge 
schwerlich 137, vermuthlich vielmehr nach 126 geschrieben. — 
4) Cantor macht (p. 34D f.) noch auf ein argument aufmerksam. 
Rechnet man mit Pétau jene bekannten 120 jahre vor 77 v. Chr, 


Geminos. 105 


so erhült man das jahr 197; rechnet man sie mit Brandes und 
Bosjour zu 137 v. Chr., so ergiebt sich das jabr 257. Nun ver- 
ordnete das edikt von Kanopos im jahre 238 v. Chr. einen neuen 
schalttag alle vier jahre. Ist dies edikt auch noch so kurze zeit 
befolgt gewesen, es würde im letzteren falle jene 120 jahre unter- 
brochen und ,die dreissigtägige verschiebung des isisfestes binnen 
120 jahren zu einer unwabrheit gemacht haben“. Im ersteren 
falle ist dies nicht eingetreten. Da man ohnedies weiss, dass jenes 
edikt in vergessenheit gerieth, so hat man in des Geminus notiz, 
an dessen wahrheit zu zweifeln kein grund vorliegt, eine diessei- 
tige grenze für die mögliche gültigkeit des neuen scbaltverfahrens 
gefunden: es hat dasselbe „von 238 an höchstens durch 40 jahre 
hindurch“ bestanden. 

VIII. Wir baben nunmehr sieben arten von argumenten be- 
sprochen, die für die lebeuszeit des Geminus angeführt werden 
kónnen. Es bleibt die achte, die für den philologen die werth- 
vollste unter allen heweisarten ist. Wie sieht es mit der sprache 
der isagoge aus? Diese untersuchung muss der verfasser auf spä- 
tere zeit verschieben. Er glaubt, das bier thun zu dürfen, weil 
schwerlich der sprachgebrauch einer schrift des jahres 137 von 
dem einer solchen aus den jahren 73—70 sich so wesentlich un- 
terscheidet. Er glaubt aber vor allem, das hier thun zu müssen, 
da ja noch keine korrekte ausgabe der isagoge vorliegt und die 
verliegenden ausgaben, wie verf. konstatiert hat, sogar an aus- 
lassung ganzer sátze leiden. Dazu kommt noch ein anderes mo- 
ment. Wir scheuen für jetzt noch vor der schwierigkeit zurück, 
die eine solche untersuchung gerade bei dieser schrift bietet. Ei n- 
mal hat man es hier mit einer populüren astronomie zu thun. An 
dem stile anderer, nichtastronomischer autoren lásst sich also des 
Geminus sprachgebrauch schwer messen. Die technische form aber, 
z. b. der ausdruck und die folge der postulate, theoreme, beweise 
u. dgl., die sich erst im laufe der zeiten herausgebildet bat und 
unter anderem sehr wobl einen voreuklidischen mathematiker von 
einem nacheuklidischen unterscheiden liesse, ist beim Geminus nicht 
streng. Wir haben ja eine in form und inhalt durchaus populüre 
scbrift vor uns. Dann aber ist gerade die astronomische litteratur 
der Griechen bis jetzt kaum bearbeitet worden. Man kennt den 
sprachgebrauch derselben nicht recht und muss sich aus ausgaben, 





106 Geminos. 


die selten, alt, unzuverlüssig sind, alles, was man braucht, selbst 
zusammensuchen. Lexika kommen dem suchenden dabei ganz und 
gar nicht zu hülfe Endlich aber wird die beurtheilung der 
ausdrucksweise in der isagoge noch durch die spuren des einflusses 
erschwert, den augenscheinlich des verfassers bekanntschaft mit 
Aratus auf seinen stil geübt hat. Formen wie Zyr0ç und Boudıor, 
wörter wie vzorgoya(5)w, yowr(beodus uud xsovaodas sind poë- 
tisch, aber nicht vereinzelt. Auch Theo Smyrn. z. b. (ed. Hiller 
p. 121, v. 4) gebraucht ßoudıov. Beim Geminus mögen seinen 
zahlreichen citaten von dichtern diese poétischen anklünge entstam- 
men und also unwillkührlich sein. Doch ist die frage, wie weit 
das geht. Die technische ausdrucksweise der astronomie, die von 
vornherein auf eine gewisse bildersprache angewiesen ist, bat etwas 
poétisches an sich. Ein doouos 7A(ov, dun xócpov, Too uoTt- 
Qu», u. dgl. ist, so gewöhnlich diese ausdrücke sind, von dichteri- 
scher farbung. — Am unfehlbarsten sind noch die schlüsse, welche 
sich aus den einzelnen termini technici ergeben. Wenn z. b. er- 
wiesen ist, dass Apollonius von Pergä die namen ZAAesyic, naga- 
Bein, unsgßoAn für die noch heute so benannten kegelschnitte auf- 
stellte, so ist jeder autor jünger, der diese ausdrücke in diesem 
sinne gebraucht. Ein solcher nachweis aber ist für astronomische 
vokabeln für jetzt noch recht schwer, wo nicht ausdrücklich, ein 
zeugniss des alterthums uns zu hülfe kommt. Ein beispiel für ein 
solches zeugoiss bietet Simpl. Comm. in Arist. phys. fol. 64b (Ed. 
acad. Berol. IV, 348 b): oi dé veo isQos. disdovies rouvoua my uiv 
Tag :xivjOtc TwY ovoaviwv Enicronovcav «xotpovoultur, xaÀoUG:, 
thy Où negì rà droredovpera dE aviwy doigoAoyla» Idlwg tmovo- 
paCovosy. Leider ist auch hier der ausdruck of vewregos unbe- 
stimmt. Von derartigen technischen termini wäre aus der isagoge 
nur einer anzufübren. der allenfalls für die vorliegende untersuchung 
von werth sein kónnte, nümlich das wort wou. Wann diese vo- 
kabel die bedeutung stunde = !/3 des tages erbielt, ist nicht 
ganz sicher. Der erste, der es so gebraucht, ist Hipparch (Ideler, 
Chr. 238 f). Hat er ibn eingeführt, so muss er doch irgendwo 
ausgesprochen haben, dass wor fortan nicht mehr einen bestimmten 
theil des jahres, sondern des tages heissen solle. Wann und wo 
ist das geschehen? Geminus nun aber hat in der isaguge wee so 
unumwunden für stunde gesetzt, dass man annehmen muss, dieser 





Geminos. 107 


sprachgebrauch sei allgemein üblich, allgemein bekannt gewesen. 
Danach ist die isagoge sicher einige zeit nach Hipparch entstanden 
und eber 73—70, als 137 v. Chr. geschrieben worden. Ganz zu- 
verlassig aber sind die grundlagen dieses argumentes nicht. Hip- 
parch kann auch in einer seiner ersten schriften, z. b. schon um 
160 v. Chr. den neuen sprachgebrauch eingeführt haben. Nicht 
minder fraglich ist es, ob Hipparch, der freilich bis jetzt als ur- 
heber dieser neuerung gilt, auch dann diesen ruhm behalten wird, 
wenn uns alle griechischen werke oder fragmente über astronomie 
in gesicherter textgestult vorliegen werden. Einstweilen mag jenes 
wort als ein beispiel dafür dienen, wie heikel vor der hand noch 
alle solche untersuchungen sind. Wir sind so lange gehindert, sie 
erfolgreich und sicher zu führen, bis die astronomische und cbro- 
nologische litteratur der Griechen vollständig, kritisch revidiert 
und von etwaigen interpolationen befreit vor unseren augen liegt. 
Wir wären zu ende, wenn nicht ein einwand von anderer seite 
erhoben, ein zweites bedenken aber uns selbst aufgestiegen ware. 
Es gilt also zu guter letzt, sich mit diesen abzufinden. 1) Brandes 
(G. E. 203) weist darauf hin, dass des Hipparch neue periode von 
$04 jahren mit 112 schaltmonaten in der isagoge nicht genannt 
sei. obgleich im Vl. cap. alle von Hipparch berechneten schaltpe- 
rioden eine nach der anderen aufgezählt würden. Es scheine da- 
nach, als habe Geminus die des Hipparch noch nicht gekannt, also 
die isagoge noch zu dessen lebzeiten geschrieben. Mit recht aber 
verweist Lübbert p. 430 auf Ideler’s Beob. p. 221 und hebt her- 
vor, dass sich der hipparchische cyklus nicht einbürgerte, dass er 
„weder im bürgerlichen leben noch von geschichtsschreibern oder 
astronomen gebraucht* worden ist. War seit der aufstellung die- 
ses neuen cyklus ein zeitraum von mindestens 50 jahren verflossen, 
so konnte sich die erscheinung, dass man nach ihr nirgends rech- 
nete, deutlich gezeigt haben. Des Geminus schrift ist ja auch für 
laien oder anfänger berechnet: des Hipparch periode aber sollte 
einen fehler korrigieren, der erst nach 300 jahren die grósse eines 
tages erreicht; sollte es denn dem Geminus durchaus nóthig er- 
schienen haben, in einer populären schrift eine so detaillierte be- 
rechnung darzulegen (vgl. Bóckh 10)? Endlich verweist Böckh 
(p. 9) auf einen anderen umstand. Die hipparchische periode be- 
ruht auf der verkürzung der kalippischen jahreslänge. Kalipp 





108 Geminos. 


nämlich berechnete das jahr zu 3651/4, Hipparch nur zu 865!/, — 
l/soo tagen. Nun sagt Geminus cap. I (5. 2. 8): # dì #uéea 
tEe xaì dov ufgog wg EyysGra rov dwavolov yoóvov. Es ist 
wobl kein zweifel, dass die worte wg fyysora auf die subtraktion 
von !/59o hinweisen, Wenn nun Geminus ein andermal in cap. 1 
(9. 3. 9) rundweg 365!/, sagt, so ist das eine abrundung und 
darf nicht zu falschen schlüssen verleiten, da Hipparch selbst seine 
zahl so abgerundet bat (Ptol. Alm. Ill, A). Böckh weist ferner 
darauf hin, dass Hipparch die dauer des monats zu 29 t. 12 st. 
44 min. 8" 20” bestimmte; Ptol. Alm. IV, 2 (ed. Halma bd. I, 
p. 216 f) sagt: Ode euploxes xai 109 pnveciov péoov yçôvor, 
InımegiLoufvov 100 neoxespévov ruv nusgwy nÂndovç, elg rovg 
dott uüvag, quequy Gvvayoueroy xd da’ wv" n” x” Eyysota. 
Geminus aber giebt den monat freilich meist zu 29!/; + !/ss tag 
an, einmal auch wieder mit dem zusatz wo fyysota cap. XV (233. 
61. 76); er kennt aber die hipparchische bestimmung der monats- 
länge als die genaueste berechnung derselben sehr wobl. Denn 
Pétau (Ur. 412) hat cap. VI (135. 36. 46) die fehlerbaften zahlen 
31, 40, 50, 24 der Hilderichschen ausgabe, welche von Halma 
wiederholt sind, aus einem alten codex verbessert und so geschrie- 
ben: Kor; yoQ & pynaioc yodvos áxgsfg AauBavoueros nueowy 
x9, xai mouru» ÉEnxoctüv Za, xal devifowr v, xai rolıw 7 xal 
tetagrwy x. Wir werden endlich unten zu zeigen haben, dass 
Geminus auch sonst mit Hipparchs beobachtungen genau genug 
bescheid weiss. Es ist also keineswegs des Geminus isagoge vor 
der veröffentlichung des hipparchischen schaltcyklus geschrieben 
worden. — 2) Es ist auffallend, dass Geminus seinen lebrer Po- 
sidonius gar nicht nennt. Um das erklürlich zu finden, um darin 
nicht einen widerspruch mit unseren annahmen zu lesen, muss man 
nur beachten, wie Geminus überhaupt citiert. Er schrieb kein 
wissenschaftliches compendium, auch keine historische abbandlung, 
noch weniger eine streit- oder vertheidigungsschrift. Vereinzelt, 
gelegentlich, wie es der zufall oder der einfall des momentes es 
ibm nahe legte, berief er sich auf diesen oder jenen autor. Die 
berühmte erdmessung des Eratosthenes kennt und erwühnt er, den 
namen des urbebers aber nennt er nicht. Die bewobnbarkeit der 
aequatorialzone bespricht er ebenfalls, aber nach den worten des 
Polybius, nicht des Eratosthenes, der sie zuerst ausgesprochen hatte. 





Geminos. 109 


Und so citiert er ohne princip, ohne bestimmten plan, wie um bier 
und da die lekture interessant zu machen. Uebrigens wäre, so- 
weit wir des Posidonius astronomische leistungen überblicken, in 
einer isagoge dieser art nicht viel gelegenbeit gewesen, ibn zu nen- 
nen. Insbesondere ist es aufgefallen, dass Geminus nur des Era- 
tosthenes erdmessung zu 252000 studien für den grössten kugel- 
kreis erwähnt. Berger hat (p. 109 anm.) darin einen neuen 
»beleg gefunden „für die von Brandes . . . . vertretene annahme 
über das alter dieses schriftstellers*. Der schluss ist übereilt. 
Geminus hat diese messung allein für die richtige gebalten. Ge- 
legentlich erwühnt er freilich auch falsches und widerlegt es; aber 
muss er das immer thun? Auf wie unsicheren grundlagen im 
übrigen des Posidonius messung des erdumfangs zu 180000 studien 
beraht, das baben Letronne ?) (p. 121 ff.) und Oettinger (p. 108 ff.) 
kinlänglich erwiesen. Geminus mag es nicht für wiinschenswerth 
gebalteu haben, dem breiteren leserkreise, für den er schrieb, des 
Posidonius falsche und unwissenschaftliche messung vorzutragen. 
So viel weiss der verfasser über die lebeuszeit des Geminus 
zu sagen. Er wird die resultate am schluss der zweiten abhand- 
lung zusammenstellen. Freilich ist manches nicht unbedingt sicher. 
Aber es reiht sich wenigstens natürlich argument an argument, 
obne sprung, ohne zwang und ohne willkühr. Die grundlagen 
seiner beweisführung aber glaubt der verfasser durch eine unge- 
zwungene erklärung der bezüglichen textworte gebildet zu haben. 
Wer zugiebt, dass die einzelnen argumente in der reibenfolge, in 
der wir sie nannten, auch ihrem inneren werthe nach genannt zu 
werden verdienen, dass unsere auffassung der überlieferten zeug- 
nisse über den Geminus näher liegt, als jede andere, dass endlich 
die resultate der angestellten combinationen als plausibel anerkannt 
werden müssen, der darf nunmehr nicht erwidern, dass man auch 
diese oder jene vermuthung über irgend ein aus unserer kette her- 
ausgerissenes glied aufstellen kónne. Wer unsere beweisführung 
angreifen will, hat vielmehr zunächst die aufgabe, die in sich ge- 


9) Letronne, Ueber die erdmessungen der alerandrinischen ma- 
thematiker. Uebersetzt von Dr. S8. F. W. Hoffmann und als anhang 
zu Lelewel, Pytheas und die yeoyraphie seiner zeit ediert. Leipzig 
1838. Diese abhandlung Letronnes ist 1817 gelesen und in den Mé- 
motres de l'Institut royal de France. Tome VI, Paris 1822, p. 261— 
823 gedruckt worden. 





110 Geminos. 


schlussene fulge unserer beweise als die falsche zu vernichten, oder 
aber von hinten anfangend widersprüche, unwahrscheinlichkeiten, 
unmöglichkeiten in den resultaten nachzuweisen oder endlich dar- 
zulegen, dass die nothwendigkeit einer gewissen reihenfolge, in der 
die beweisarten vorgeführt werden müssen, eine unnütze, die com- 
bination hemmende zwangsjacke sei. 

Um noch eiamal auch das hervorzuheben, die kernpunkte aller 
unserer erwägungen entdeckt zu haben, ist das verdienst der gros- 
sen chronologen Pétau und Bóckh. Die scharfsinvige und gründ- 
liche untersuchung vou Brandes ruht auf der falschen interpretation 
einer stelle des Geminus und auf der gezwuugenenen deutung eines 
satzes des Simplicius; doch gebührt ihm das verdienst, die frage 
zugespitzt, das problem verschürft zu haben. Der verfasser end- 
lich hat einige kleinere beiträge zur lösung geliefert, hofft aber 
vor allem, in die ganze untersuchung eine gewisse ordnung ge- 
bracht und die einzelnen argumente dahin gestellt zu haben, wohin 
sie gebóren. 


II. Wo schrieb Geminus? 


Die frage nach dem orte der geburt oder der wirksamkeit 
des Geminus ist, wenn überhaupt, allein aus seiner isagoge zu 
beantworten. Nirgends ist sonst eine andeutung darüber zu finden. 
Auch die isagoge aber lüsst nur unsichere schlüsse zu, so sicher 
man auch anfänglich glauben möchte, dass sie deutlich und unzwei- 
felhaft auf unsere frage bescheid gebe. Was wir bier an resul- 
taten gewinnen, ist also an sich noch unbestimmter uud wird erst 
durch die übereinstimmung mit demjeuigen leidlich zuverlässig, was 
die untersuchungen über des Geminus zeit ergeben baben. Athen, 
Rom, Rhodus sind genannt als des Geminus heimath. Ist auch 
Athen zu streichen, so ist dafür an die stelle der beiden anderen 
städte eigentlich nur ihr parallelkreis zu setzen. Was aber die 
sache noch verwickelter macht, ist der nume des Geminus selbst. 
Mit diesem müssen wir beginnen. 

Genannt ist der name des autors im nominativ oder accusativ 
in den MSS. des Simplicius, des Alexander von Aphrodisias, des 
Eutocius, des Pappus, des Proclus. Immer ist leuiroç überliefert. 
Dieser name kommt in dieser accentuation sonst nicht wieder vor, 
soweit der verfasser bis jetzt hat feststellen können. Bei den übrigen 


Geminos. 111 


griechischen autoren dieses uamens, welche wir hier gleich zusam- 
meastelien wollen, wird nie das jota accentuiert. Ausser dem 
astronomen Geminus werden uns nur noch vier männer desselben 
namens genannt, mit deren keinem sich jener identificiren lässt. 
Was über sie zu sagen ist, ist folgendes. 

1. Geminus der Oneirokritiker. Artemidori Daldiani Oneiro- 
criticon Il, 44 (Fabricius-Harless bd. IV, p. 34 citirt fälschlich H, 
49) erwähnt ihn allein. Die accentuation Zeuwevos bat R. Hercher 
in seiner ausgabe des Artemidor (p. 128, v. 22). Pape betont in 
seinem wörterbuche der griechischen eigennamen T£uevoç. Su sind 
denn richtig alle drei silben dieses namens einmal mit dem accente 
beglückt worden. Jene stelle lautet in Hercher's text: ‘'Ovelgoug 
di -unoßeßnxorag xoà 106 ánoflíicug uvıwv oùx evdéyetas youysır 
d» iÉyvp Övagoxgsuxn xai vnosnxag Fewenuatwy. ovdé wor m- 
Fara idoxt raviu, xufros Tepuvov 100 Tvgtov [coni. Rigaltius; 
cod, Marc. nvoíov] xai Ænuniolov zov Dadegtws xai "Mortumvog 
tov Miàgofov [coni. Reiffius; cod. Marc. pndnolov] tov er èy 
19490. BsBAloig 100 dé dv névie tov dé elxociduo moAAorg Ovelgovg 
Grayquywapéruv xai puliota ovrtayug xal Pegamelug tug tnd 
Zug«mog dodeloug. Die litteratur der traumdeuterei ist ein 
makel auf dem griechenthum, Dass der klare, hesonneue, nichts 
weniger als aberglaubische astronom Geminus drei bücher solchen 
unsinns geschrieben habe, wird niemand vermuthen wollen. "Tyrus 
kann also als vaterstandt unseres Geminus so wenig gelten, als das 

 verderbte /Jugiov etwa in '"Podíov zu ändern ist. 

2. Geminus der physiker. Iriarte sagt im catalog der Ma- 
drider manuscripte bd. I, p. 328: Codex CI X. Charlaceus in quarto, 
foliis tantum constans 84. chartae candore, luevitate, crassitie, lit- 
terarum perspicuitate spectabilis; totus, si folia excipias 59. 60. 
61. 62 Constantini Lascaris manu exaratus Mediolani, anno 
MCCCCLXIV. In diesem codex steht (nach Iriarte p. 428) von 
fol. 79 an: Tewlvov olu«s ngóg 10» xulougu 7 unig 
zoaolvwr. Gemini, ut puto, ad Caesarem, nempe de Prasinis 
(id est, viridi colore praeditis). Initium: Xowuurwy negi 
xal pudews uvıwv xoi yerécewsg noÀÀloi modiuxes 
Copuiute xaicuo Enguypurevouvro. Quisnam sit hic 
Geminus, me plane fugit. Astronomum quidem, non Physicum novi. 
Quisquis demum is est, nulla mihi huius Opusculi mentio in M. 





112 Geminos. 


Storum Bibliothecis, Catalogis, Indicibus occurrit. Quare, ut inedi- 
tum eb maxime rarum, hic apponere operae pretium duxi. Nun 
folgt diese kleine abhandlung von p. 429 bis 431. Iriarte’s worte 
sind von Harless in der zweiten ausg. der Fabricii bibl. Gr. bd. 
IV, p. 34 abgedruckt, also auch gebilligt worden. Und in der 
that, die art, wie der verfasser gleich zu anfang von der xasca- 
Qui; xegadn und von den rov xalcagos ópJaAuot spricht, schliesst 
jeden gedanken an den astronomen Geminus aus. Ist etwa, wie 
der zusatz oluas vermuthen lässt, der name Geminus über diesem 
dürftigen und phrasenhaften schriftstück ein zusatz des C. Lascaris, 
so darf man getrost den ,physiker Geminus zu grabe tragen. So 
verlockend es wäre, diese physische abbandlung etwa als theil der 
epitome aus des Posidonius meteorologie anzusehen und in der an- 
rede zgóg xuloagu eine zeitbestimmung für unseren Geminus zu 
finden, es wäre das ebenso willkührlich wie unwahrscheinlich. 

9. Geminus der grammatiker. Wieder ist es Iriarte, welcher 
I. |. bd. I, p. 387 f. einen Geminus nennt. Es heisst p. 387: 
Codex XCIX. Chartaceus in quarto, foliorum 108. chartà modice 
candida laevique, partim ignoti Calligraphi, partim Canstantini 
Lascaris manu descriptus. Von den fünf schriften des Geminus 
gehért die vierte einem Geminus an. Darüber heisst es p. 388: 
fol. 83 Interiecto unius folii vacantis spatio, l'eu(vov áuaS9 6 
Î wag Eaviò yquppartixog. Geminus indoctus, sive intra 
se Grammaticus. At nulli Geminorum, quos sibi Litteratura Res- 
publica adscivit cives, Libellus hic adscriptus occurrit, aut adscri- 
bendus videtur. Iriarte hat auch dieses schriftchen, welches auf 
kleinem raume eine menge von autoren von Homer bis Plato und 
weiter binab citirt, p. 388—390 mit dem bemerken gedruckt, dass 
es seines wissens sonst nicht wieder überliefert sei. 

4. Geminus der dichter. Obgleich dem dichter zehn epi- 
gramme der griechischen anthologie beigelegt sind (Jacobs, Anthol. 
Gr. p. 279 sq. Cf. tom. IX, p. 309 sqq.), ist sein name dennoch 
lateinisch: Tullius Geminus. Mit ihm kann man also den mathe- 
matiker noch weniger identificiren, als mit einem der anderen 
trüger dieses namens. 

Trotzdem nun die namensform [eyivog nur für unseren ma- 
thematiker und nur in jeuen autoren vorkommt, balten wir doch 
an ibr fest. Es ist glaublicher, dass die spüteren Griechen einen 


Geminos. 113 


griechischen namen JZeuïveç an das lateinische Geminus ange- 
glichen und in-Ieusvog oder l'Éuivog geändert hätten, als das um- 
gekehrte. So wie jetzt die überlieferung liegt und unser wissen 
steht, muss man um so mehr Teuivog betonen, als in den griechi- 
schen inschriften, freilich mit nicht ganz sicherer lesung, zweimal 
die form Teusivog vorkommt, worauf den verf. sein college dr. 
Róhl aufmerksam machte. Um also aus dem Geminus einen rómi- 
schen sklaven zu machen, müssten doch wohl andere griinde vor- 
liegen, als der blosse auklang der namensform. Den roman von 
des Geminus freigelassenschaft hat zuerst Pétau erfunden. Er sagt 
(Ur. Praef. p. Vill): Romae et in Italia vixisse [Geminum], non 
levis est coniectura, ibique commentarium hunc scripsisse. Ac vel 
nomine ipso Gemini satis hoc evincitur, Latinorum usu, et com- 
mercio implicatum esse hominem; ac libertum fortean, aut clientem 
alicuius fuisse familiae, cui peculiare cognomen id erat; nempe 
Serviliorum. Wie leicht solche einfälle die kópfe verrücken, das 
lehrt das beispiel von Voss und Halma. Pétau (1630) setzt doch 
ein fortean zu seiner geschichte hinzu; da er ferner, was freilich 
ohne grund geschieht, den autor der isagoge von dem verfasser 
der anderen werke trennt, jener aber nirgends citiert wird, also 
auch nicht ausdrücklich Teuivog genannt ist, so hat Pétau's art 
zu combinieren sinn und methode. Voss (1650) dagegen identi- 
ficierte (vgl. Heilbronner p. 287) jene beiden autoren, sprach aber 
trotzdem aus, dass er ungeachtet der betonung Zeuiroç bei Proclus 
nicht an dem römischen ursprunge des namens zweifle. Halma 
(1819) endlich hält die accentuation bei Proclus der erwähnung 
gar nicht für werth, sondern spricht kurzweg von dem nom latin 
de Géminus, als gabe es gar keine andere überlieferung noch még- 
lichkeit. Vorläufig wird man also wohl an der betonung Lepivog 
festhalten und den mathematiker für einen Griechen ansehen müs- 
sen. Was nun für die stádte, welche als heimathsorte des Geminus 
genannt worden sind, vorgebracht oder vorzubringen ist, ist fol- 
gendes. 

I. Athen ist als des Geminus heimath oder wirkungsort aus 
keinem einzigen vernünftigen grunde anzuführen. Man hat dafür 
den attischen dialekt der isagoge und die worte oi gods r7» mo- 
Army cywyny 6Aooyeg£oregov Aeufavopevos unriaïos yoôvos (= 
20!/, tag, statt der genaueren zahl 29'/ + !/ss) im VI. cap. 

Philologus. XLII. bd. 1. 8 





114 Geminos. 


(115. 31. 40) geltend gemacht. Der dialekt der isagoge ist aber 
die xoi»; , nicht der attische; den wechsel der sAngssg und xotàos 
pnves (mondmonate) ferner hat freilich Solon in Athen, aber auch 
andere Griechen in anderen stüdten eingeführt (Ideler, Chr. |, 
68 ff); also kann die zodszixi) aywyn (vgl. Schol. zu Arat. v. 740: 
tour dé 10 pnvi éyoürro ngög thy tw molo» diaywynv* 
xai vor En youvias moÀÀol rv ‘EdAgrwy) nicht als Atheniensium 
institutum gedeutet werden. Erfunden ist diese spielerei von dem 
_ juristen Alphonso à Carauza in Spanien, der 1628 gegen Pétau 
schrieb (Ur. Variarum  dissertt. lib. IV, p. 35), aber von diesem 
gebührend zurückgewieseu worden. Es war kaum nöthig, die thö- 
richte combination des Spaniers hier zu erwähuen, und geschah 
nur der vollständigkeit zu liebe. 

Hl. Rom hat die stelle für sich, welche am klarsten nnd 
unzweideutigsten zu reden scheint. Im IV. cap. (59. 16. 23) 
spriclit Geminus von dem verschiedenen verhaltniss, in welchem der 
nördliche wendekreis vom horizont auf verschiedenen parallelkreisen 
geschnitten wird, und sagt: 'EvzavJua dé it£uveras [6 Jegevoc 
zQomxóg xuxdog Und rov OgíLovriog] ovrwg, wore Tov OÀov xvxÀov 
diuigovpévov eis 5j péon névie uiv 1unuata unig yi» anoAaufa- 
veodar, ıgia dé uno yüv. ligóg dé rovio 10 xAlua doxei xui 6 
"Agurog Guvieruyérus Tiv ıwv guirouéruv nouyuurelur. — [egi yag 
tov Hepıvov igomuxoU xvxÀov diadeyoperos noir oviws .... 
[vgl. Arat. Phaen. 497—99] . . . . "Ex dé ravrns ris diusgkocwg 
axoAovdei, rjv peylomv quéour Wowy lonuegurwy yérecdus te, thy 
di vuxru dio» iomueqwüvr 9. "Ev dè 19 xarà ‘Podov ógí([ovri 
zérugtas oUrwg, wste 100 Chou xvxÀov dinonuévou el; ufon un, te 
piv x9 iuüpaia bnig tov oellovia anodaufiiveodui, 1G. de 19 
tno yiv. Ex dé tig diusgéotws tavins üxolovOsi, thy utylorqv 
nutoay iv ‘Pod yivto9uv woewv lonuegirav ıd =", ijv dì véxra 
ogwv loqusqivg» 3 ‘=. — Das wort èvravda, aus welchem 
die sphaere des Proclus die worte xa1&à ijr jyetéguy olxgow ge- 
macht hat, kann nichts anderes heissen, als: Hier, wo ich schreibe. 
Der ort also, wo er wohnt, liegt auf dem breitengrade, dessen 
üngster tag 15 stunden hat. Nun liegt die vermuthung nahe, dass 
Geminus, der eine ühnliche bestimmung für mehrere orte gab, ge- 
wiss einmal seinen standort bei gelegenheit einer solchen angabe 
mit namen nannte. In der that sagt er cap. V (81. 22, 30): 


Geminos. 115 


"Ecrs di d» "Pódg 7 meyloin nuéçu Gewy lonuegirisr +6 " 77808 
dì ‘Pour 5 peylorn fuéca woewy lonpegeviiv ve. Wie bier der 
rhodische parallel demjenigen entgegengestellt ist, dessen längster 
tag 15 stunden hat, so auch in jener stelle. Als ort dieses letz- 
teren breitegrades aber ist Rom genannt. Wenn man nun das 
obige èrrav3« hiermit zusammenhält, scheint in der that kaum 
ein zweifel zu sein, dass Geminus diesen passus in oder um Rom 
schrieb. Die beobachtung selbst, auf die er sich beruft, kannte er 
jedenfalls aus Hipparch. Dieser sagt in seiner exegese zum Aratus, 
lib. I, nachdem er eben jene verse des dichters citirt hat, (Pétau 
Ur. 178 D sq.): Onou dì i peylorn nutga Aoyov Eye ngog mv 
Dayloınv, Ov Eyes ta & mods ta y, èxeî 5 uiv peylorn uta 
cri» dur te 10 Où ÉEagua tov modov poso. pa’ we tyysora, 
dnAov rolvuy Or, où duvarov Ev roig megl tiv “Eldada tov ngou- 
onu£rov elvas Adyov tig peylotns nuéçus nQoc rjv elaylorny, aide 
paddov dv roig neoì tòv ‘EXAgorovrov Tonoıs. Damit sind die 
scholien zu Arat. v. 498 zu vergleichen: 2905 10 xA(ua rov 'EÀ- 
Anonovrou xal Maxedovlag doxst mv tw» qusvoptrwv noayparelay 
GurSeivar. xai tors mdavov exeice OsatelBew E rda xai 100g 20- 
yous Enofyoev. Endlich wird der ausdruck segì Pup; in jener 
Geminus-stelle durch eine hipparchische bestimmung bei Strabo pg. 
134 trefflich illustrirt: "Ev dè zoig megi “AdeEavdgesav pégecs 176 
Towddos, xar "Mdug(nolw xai ’Anollwvlar tjv Ev ’Hnelgp, xai 
tovc ‘Puunç uiv vorswrégouc, Bogevotégous dé Neundiswg, 7 ut- 
r£oın nuéea eoriv wewy lonmegsvuwr dexanévte. Aus diesen stel- 
len zeigt sich wiederum, wie genau Geminus mit den astronomi- 
schen hestimmungen des Hipparch bekannt ist. Für den vorliegen- 
den zweck aber ist aus diesen stellen streng genommen nur zu 
schliessen, dass Geminus auf dem breitengrade Roms schrieb. Denn 
Hipparch, dessen klimentafel Geminus augenscheinlich benutzte, hat 
die für Rom geltende bestimmung ausdrücklich auch für Alexan- 
dreia Troas am Hellespont, für Amphipolis in Macedonien und Apol- 
lonia in Epirus gegeben. Doch wird Rom von allen diesen orten 
mit der grössten wahrscheinlichkeit als sitz des Geminus für die 
zeit angenommen, wo er jenes évruv9u schrieb. Auf grund die- 
ses wortes hat schon Pétau (Ur., Var. Dissertt. lib. IV, p. 151) 
ausgesprochen: non Athenis, sed in alio climate degebat. Geminus; 
8° 





116 Geminos. 


ac Romae fortasse; und ein andermal (Praef, p. VIII): Romae et 
in Italia vixisse, non levis est coniectura , $bique commentarium 
hunc scripsisse. 

Hi. Rhodus endlich gilt allgemein als des Geminus ge- 
burts- oder wenigstens als sein langjähriger aufenthalts-ort. Jenes 
ist unerweislich, dieses ist unzweifelbaft richtig. Die art, wie 
von Rhodus die rede ist, schliesst jeden anderen gedanken aus. 
Abgesehen von den beiden eben citirten stellen des cap. IV (59. 
16. 23.) und des cap. V (81. 22. 30) wird Rhodus gleich am 
eingang der isagoge in cap. | (5 sq. 2 sq. 8.) mit derselben notiz 
genannt: "Ecr, dì 7 peylorn fuéou xazà 10 dv Podo xAlua wewy 
a 
Ti 


xoi 10 dv ‘Podw xilua wewy lonusperav 40 7 Eine genaue 


lonuegwwr sò Und gleich darauf: "Eors dì 7 peylorn vd 


beobachtung des hundsgestirnes (0 Kvwy) in Rhodus wird cap. 
XIV (229. 60. 74.) berichtet: “Ev ‘Pod uiv yo pera À muéças 
ing teonns emstédAse 0 uomo èv addorg dé rómoig peta w futoas 
ing Oegsvzc roonnç olg dé petra v. Noch specieller ist die im 
cap. II (47. 13. 20.) mitgetheilte himmelsbeobachtung: ‘O dé è» 
axe 15 IlndaAle tig “Apyovs xeluevos À«umoog acıng Kavwflog 
óvoua(eras. Oùros uiv dv 'Péóo ductewentes lorw, 5j rmavreddg 
ag BnVv ronwy ogarar Ev "MAcbardgs(a dé tou nuvrelwç 
lugavüg. Syedov ye rérugrov ufgog tov Cwdlov dad rov dpltov- 
105 uerewgiouéros yalveras. Damit vergleiche man die bemer- 
kung, welche Geminus über den höchsten berg auf Rhodus im cap. 
XIV (211. 55. 69.) macht: Moddaxg dé xoi ot els “Araftosov 
ávaflalvorig dic rd» vepüy mosovrtai THY araßacıy xai vnoxaru 
Tg toU Ogovg xoQvgrg Feweodor Try t&v vequy ovotacw. End- 
lich nennt Geminus cap. XIV (217. 57. 71) Rom, Pontus, Rbodus, 
Alexandria als beispiele verschiedener breite, für welche also aucb 
verschiedene witterungsverhültnisse, weun überhaupt, aus den ster- 
nen zu prophezeien sind. Einen zweifel daran, dass Geminus in 
Rhodus lange gelebt, auch wohl selbst beobachtet, zum mindesten 
dort die von ihm benutzten ülteren heobachtungen controllirt hat, 
ist wohl nach lectüre dieser stellen kaum denkbar. Und so heisst 
denn auch fast überall der verfasser der isagoge Geminus Rhodius. 
So bei Blancanus, lonsius, Bonjour, Fabricius, Halley, Heilbronner, 
Hamberger, Montucla, Saverien, Saxe, Bossut, Dilling , Graesse, 


Geminos. 117 


Nesselmann, Miillenhoff, Nicolai. Ob er in Rhodus geboren sei, 
ist freilich zweifelhaft, und Horrmann setzt mit recht ein frage- 
zeichen hinter die bestimmung von Rhodos, Auch geschrieben 
mag er die isagoge in Rom haben, wie Weidler und Delambre 
vorsichtig im anschluss an Pétau sich äussern. Aber er verdient 
gewiss wie Posidonius den beinamen des Rhodiers wegen seines 
aufenthaltes und seiner studien in Rhodus. Dieses resultat wird 
leider durch eiue andere combination nicht bestátigt. Wie Geminus 
nämlich selbst auseinandersetzt, nannten die alten denjenigen kreis 
aextsexdg xuxAog oder polarkreis, welcher den horizont berührte. 
Deshalb war er auf verschiedenen breitegraden verschieden. Der 
stern aber, welcher in seiner tüglichen bahn den polarkreis be- 
schrieb, musste einmal innerhalb 24 stunden im horizonte stehen. 
Seine entfernung vom pol gab also die polhühe des ortes an, von 
dem aus jener polarkreis beobachtet war. Nun sagt Geminus in 
cap. IV (51. 14. 21) vom polarkreise: Ouros dè 6 xvxAog à» rj 
xa9' nds olxovuérn vno rov éungooIlov modog ıng WeydAns 
&gxrov negtygugetat. Der vorderfuss des grossen bären steht also 
im horizonte, sein abstand vom pol ist also die polhöhe des ortes, 
wo Geminus lebte. Es ist aber die polhöhe eines ortes gleich der 
geographischen breite. Geminus denkt sich also unter jener pol- 
höhe, die er angiebt, den parallelkreis des ortes, in welchem er 
gewöhnlich wohnte. Man braucht also nur den damaligen ort des 
vorderfusses des grossen büren zu bestimmen und dessen declination 
von 90? abzuziehen, um die polhóhe zu erhalten. Diese berech- 
nung verdankt der verfasser der freundlichkeit eines jungen astro- 
nomen und giebt hier nur die resultate wieder. Es können zwei 
sterne im vorderfusse des grossen büren gemeint sein: i und k. 
Deren polhöhe ist für das jahr 71, 5 v. Chr. fast 37° (nämlich 
360 59' 37,2") und über 37!/;? (nämlich 37° 41° 55,1"). 

Diese worte stimmen mit Hipparchs ansatz der polhibe von 
Rhodus zu 36° nicht überein, obgleich Geminus gleich ihm den 
längsten tag in Rhodus zu 14!/3 stunden rechnet. Dieser wider- 
spruch fällt indessen für unseren zweck nicht so sehr in’s gewicht. 
Man kann nicht mehr controlliren, wo auf der insel, ob vielleicht 
auf einem berge, wie genau ferner, die beobachtunng des Geminus 
gemacht worden ist, Wir dürfen also in jenem widerspruch kei- 
nen grund sehen, um die annahme zu verwerfen, dass Geminus iu 





118 Geminos. 


Rhodus gelebt und beobachtet und den namen des Rhodiers, der 
ihm allgemein gegeben worden ist, mit recht erhalten hat. 

Uebrigens hat der verfasser sich die berechnung jener pol- 
hóhen auch für das jahr 137 v. Chr. machen lassen und hier 
ebenso wenig passende werthe erhalten, nümlich 36° 58' 3,6” und 
37° 36' 47,2”. 

Wir sind mit allem zu ende, was sich über des Geminus leben 
sagen lüsst. Fast keine der wenigen bemerkungen ist sicher, kaum 
ist einmal etwas überhaupt überliefert; fast alles ist erschlossen, 
combiniert, bestritten. Wir fassen das, was wir für richtig halten, 
noch einmal zusammen, ohne das lästige „scheint“ oder „wohl“ 
immer einzufügen. 

Geminus ist ein Grieche. Sein name wird einstimmig Ie- 
pivos betont, eine form, die auch sonst beglaubigt scheint. Also 
ist kein grund da, den Geminus für einen römischen sklaven, der 
von seinem herrn freigelassen worden ist, zu halten. Studiert hat 
er in Rhodus unter dem bekannten Posidonius. Als erstlingsarbeit 
epitomierte er seines lehrers meteorologie. Doch muss er sich 
spüter anderen studien gewidmet haben. Denn im mannesalter 
schrieb er eine eloaywyn els rà guivoutva, eine art populärer 
einleitung in die astronomie. Es ist kaum zu bezweifeln, dass er 
dieses werkchen zwischen 73 und 71 v. Chr. in Rom verfasste, 
wohin er ebenfalls durch die verbindungen seines lehrers gekom- 
men sein mag. Ebendaher mag auch des Geminus bekanntschaft 
mit des Polybius bistorien stammen, der ja zuerst in grossem mass- 
stabe als geborener Grieche griechisches wesen mit rümischen in- 
teressen zu verbinden gesucht hat. In hóherem alter endlich hat 
Geminus ein grösseres mathematisches werk geschrieben, welches 
besonders oft citiert worden ist, Die lebenszeit unseres mathema- 
tikers wird sich etwa von 110—50 v. Chr. erstreckt haben. 

Berlin. Max C. P. Schmidt. 


Zu Florus IV, 8, 4 (II, 17). 


Hae sunt“, inquit, „carinae meae*; haut incomiter, quod, 
cum in celeberrima parte urbis Carinis pater eius habitasset, ipsius 
domus ei penates in navi penderent. Der begriff der freundlichkeit 
ist diesem bittern witze völlig fremd. Florus schrieb vielleicht in- 
com(p)te. Vgl. Aurel. Victor, Vir. ill. 84 invenuste. 

Würzburg. G, F. Unger. 





VI. 


Beitrüge zur geschichte und beurtheilung der 
hippokratischen schriften. 


I. Zu Hippocrates’ prognosticon. 


Prof. Iwan Müller nennt in der eingehenden besprechung mei- 
ner schrift: De prognostici Hippocratici libris manuscriptis, Lipsiae 
1876 im Philologischen Anzeiger VIII, 4 ausser mehreren anderen 
handschriften, die bei einer herausgabe des prognosticon noch ver- 
glichen werden müssten, eine alte lateinische übersetzung in der 
bibliothek zu Monte Casino, die aus dem zehnten jahrhundert stam- 
men solle. Ich habe deshalb im vorigen jahre an ort und stelle 
den von Müller bezeichneten cod. 97 eingesehen. Es ist eine per- 
gamenthandschrift von 276 blättern, in grósstem format, zwei co- 
lumnen und langobardischen charakteren aus dem ende des neunten 
jahrhunderts. Das ganze ist eine bunte sammlung von übersetzun- 
gen, auszügen und compilationen alter griechischer und lateinischer 
mediziner, untermischt mit commentaren und eigenen zuthaten der 
schreiber, ein product jener litterarischen thütigkeit, die sich in den 
früheren jahrhunderten des mittelalters namentlich in den klöstern 
Unter-Italiens entfaltete (cf. Haeser, Gesch. der medizin I, p. 619 flgd.) 
Gelehrte mönche stellten ad fratrum utilitatem aus mehr oder we- 
niger frei übersetzten partien des Hippokrates, Aristoteles, Diosco- 
rides, Galen u. v. a. compendien zur orientierung über das gauze 
gebiet der heilkunde her. Dabei verfuhr man so, dass man ausser 
der übersetzung einzelner vollstándiger schriften der alten aus an- 
deren kurze partien je nach gutdünken ausriss; ferner wurden da- 





Hippokrates. 


120 


zwischen unter den namen der alten eigene machwerke, namentlich 
in briefform eingeschoben. So enthült der Casinensis 97 ausser 
geringfügigeren folgende stücke: 
Epistola prognosticum 
indicia valetudinum yppogratis 
Epistola Vindiciani ad Pentadium !) 
yppogratis de flebotomia 
Problema Aristotelis philosophi 
De ossa hominibus (sic!) 
Epistola yppogratis 


"PT 
Oo a o ma 


Item alia epistola 


Tv TF 
era e 
95 


ad regem Antigonum ?) 


Noch drei andere bis p. 26 
Item alia epistola de pulsis et urinis p. 26 
Galeni de pulsis et urinis 

— de febrium diversitates libri IV. 

Expositio aforismi libri VII p. 199. 


Selbstverstündlich sind diese titel mit vorsicht aufzunehmen. Von 
einer lateinischen übersetzung des hippokratischeu prognosticon 
findet sich nun leider in der handschrift nichts als ein kleines 
stück von ca. zehn zeilen auf einer der ersten seiten. Es ist eine 
freie übertragung von progn. c. 2. Ich theile es gleich bier mit, 
indem ich den griechischen text gegenüberstelle. Es ist vom hip- 
pokratischen gesicht die rede: 


dic dEeïa, CpPudpot xordoı, x00- 
tapos Supnentwxous, wra wo- 
Xoà xai Euvecialutva, xal oi 
Aofoi abr)» dnsotguuptros, xai 
to dégua 10 ntQi T0 uérwxor 
OxAngoy re xai negsrerauéroy xoi 
xagpadtoy iov: xai 1d yowupu 
zou fupnavtog nooçunou yAw- 
gov 7 uélur ddr xai niv Fj 
porfdides. “Hy piv oiv è 
deri tis vovgov 10 moógwmov 


1) Vergl. Rose, Anecdota II, 
2) Vergl. Rose im Hermes VI 


Inde scias de his qui aegrotant, 
si neque eos vigilie longiores tur- 
baverint neque fames neque re- 
pentina effusio ventris aut nau- 
siorum aut sanguinis et eis fuerit 
concavitas oculorum aut tempo- 
rum aut narium acumen vel buc- 
carum conductio aut si aurium 
ultimae  depensiones — conversae 
fuerint aut pelliculae in fronte 
durae aut ariditas cutis cum ten- 


. 121. 
Tr, p. 31. 


Hippokrates. 121 





zosourov 5j xal mu olov te y sione et livore fuerint: scias eos 
zoicıw GAdosos onuelosos Evvrex- morituros, Unde nunc finem fa- 
palgecIas. enavegéotas yen, un ciam dicendi in hoc libro super 
Zygunvgxe» wrFownog 7 ra sic his, de aliis dicturus causis in 
xosding Z&vypaoufva ety ioyvgws — alio incipiam. 

n AuW@dts 1 Eyes aso». 

Sonst findet sich nichts vom prognosticon im ganzen codex. Für 
die entstehung der annahme, derselbe enthalte eine vollstándige 
übersetzung des prognosticon, gibt es eine dreifache erklärung: 
1) heisst der äussere titel der handschrift: Hippocratis prognostica 
et aphorismi, Alexandri Iatrosophistae medicina, Apulei herbarium, 
2) sind auch bei Montfaucon unter dem inhalte der handschrift 
ausser den aphorismen fälschlich noch Prognostica Hippocratis auf- 
gezählt, 3) enthält die handschrift auf der ersten seite eine epistola 
prognosticum (s. o.). Diese letztere schrift enthält zwar eine reihe 
von prognostischen regelu, hat aber sonst mit dem hippokratischen 
prognosticon nichts gemein, Dieselbe ist in Monte Casino noch in 
einem anderen, dem cod. 97 ühnlichen, jedoch ülteren medicinischen 
miscellancodex nr. 69 aus dem neunten jahrhundert erhalten. In- 
dem ich diese ültere handschrift zu grunde lege, theile ich den 
text hier mit, der zugleich eine probe des fabulierens bieten mag, 
mit dem man solche schriften interessant zu machen suchte. 


cod. 69 = A, cod. 97 = B. 


Incipit epistola haec prognostica yppogratis de signis aegritu- 
dinis id est intellegentia et signa ?) vitae vel mortis. 

Incipit: Peritissimum omnium rerum esse et domestica sa- 
pientia in omnibus corporibus, quae iusserat yppogrates ut in se- 
pulcro suo ponerentur. Sub capite ipsius analogius positus erat, 
ubi eius corpus recondebatur *). Transiens inde Caesar post mul- 
tum 5) tempus vidit monumentum ipsius yppogratis et ®) putavit, ut 
in ipso monumento thesaurus conditus esset et iussit aperiri se- 
creto sepulcrum et invenit analogium sub capite positum, ubi omnia 
secreta artis erant. "Tulit et nulli iussit dari nisi medico Pano- 
dosio ?) et invenerunt omnia qualiter medicus ac omnes infirmitates 
cognoscere debet periculum mortis sive vitae, imprimis ad dolorem 


9) so B, A signis ohne et. 4) tacebat B. 5) multum hat 
bles B. 6) et sol. B. 7) poamodonosio A. ) an 





122 Hippokrates. 


capitis: Si habuerit dolorem vel tumorem in facie sine tusse®) et 
sinistra manus vel pectus seu nares assidue scalpserit, in X XII die 
morietur. Item freneticus si ambo genua rosea?) habuerit solide 
cum inflatione et non digestiones stomachi, in nono die morietur. 
Haec infirmitas incipit habere 19) sudores frigidos, aures frigidas, 
dentes frigidos. "Tria sunt!!) vitia in dentibus, os eius), si in 
labore fuerit, in €ollo venae extensae fuerint et si in somno fuerit 
et quasi surdus et si papulae super ipsas venas igneas habuerit et 
ibi una alba nata fuerit et si in aegritudine lavacra calida vel 
vapores desideraverit, iu L die morietur. Haec passio ei evenit, 
qui semper calida lavacra desiderat. Item qui una !?) in causa 
fuerit, si sub lingua illi papula apparuerit sicut lenticula quasi 
modica sive lavacra aut vaporem desideraverit et intus passionis 
febricitantia fuerint — et si in digitis pedum pollicis tumor niger 
vel modice fuerit, in VII die morietur. Item in febre acuta si in 
stomacho seu in dextro pede pustellam habuerit in planta, non al- 
tam sed aequalem, deterrimum humorem tenentem, et nullum desi- 
derium habuerit 15), in XXII die morietur. Item si peripleumonicus 
fuerit aut sanguis de pollice emanatus !*) fuerit, vel papula san- 
guinea ei exierit et si sternutaverit frequenter aut tardius, in VII 
die morietur. ltem hepar cui doluerit, si in collo eius et in gut- 
ture papule due iuncte nate fuerint albo colore et in pollice pedis 
dextri prurigo grandis nata fuerit et tardius urinam fecerit aut si 
sanguinem !5) emiserit, in VII die morietur. Item colera !9) unius 
diei passio est!"). Si ipsa die uon melioraverit !*), in Ill morietur. 
Item colerici signa haec habent!9): si iuxta umbilicum tres po- 
pulae natae fuerint, dextra levaque in modum ciceris, una alba, 
alia sublivida, tertia rosea ?°), ipsa die morietur. Item quicquid 
natum fuerit in dolore corporis, si in supercilio sicut abellana ap- 
paruerit similis ipsius color et quasi grave supercilium habuerit, in 
IV die morietur. Item si splen doluerit et papulae albae in sinistra 
manu ei natae fuerint inpares, et si per narem sanguis quasi spu- 
mosus cucurrerit, in XII die morietur. 


8) A hat noch et sine ullo dolore 9) russa B 10) fehlt 
in A 11) in ducca B, die stelle ist verdorben 12) cui una 
A. eveniet. B. 13) habentem A. 14) in manu natus A. 

15) sanguineam B. 16) colerum beide handschriften. 17) pas- 
sionis ohne est A. 18) liberaverif B. 19) fehlt in A. 
20) russea B. 


Hippokrates 123 


So geht es noch zwei spalten weiter, dann folgt unter neuer 
überschrift: Incipiunt indicia valetudinum yppogratis. Si tinnitus 
aurium fuerit vel sonitus, inanitas capitis molesta est. Ex qui- 
bus humores vagantur, ut in oculos festinent. Si ante ocn- 
lorum visum musculae veluti 21) nigre inanes (imagines?) vagantes 
videantur , liptisim??) aut leucomata habiturum significat. Si 
palpebra oculorum, prurigo grandis invaserit, syringiones ha- 
bebit 2%), qui . .?*) palpebras incidit. Ex quibus adulteri pili 
palpebrae nascuntur. Si capitis pars dimidia doluerit vel tem- 
pora, sepius emigraneum significat. Si in ore saliva infinita as- 
sidue creverit, vesicae querella ex perfrictione 2°), quum cauculum 
ex perfrictione vesicae nascitur. Si pabor hominis saepius fuerit, 
ex eo pulsus cordis nascitur. Si fauces nimium tumuerint, aut 
strumas aut periculum significant. Si vomitus infinitus manaverit 26), 
ea mali?") coli querella est. Si inflatio stomachi fuerit ut suspi- 
rare vix possit, ex pulmonibus querella est. Si prurigo multa 
fuerit, ita ut scabies exeat, habundantiam sanguinis dicit esse. Si 
flegma fuerit in putredinem versum, ex pulmonis exulceratione con- 
tingit. Si prurigo fuerit gravis, ut scabies non exeat, fellis que- 
rella est. Si colore aureo facies, si rufo fuerit, item fellis que- 
rella est nimia. Si pectine doluerit, vesicae perfrictio est. Si 
urinam cum dolore fecerit, cauculi indicium ostenditur. 


Wenn nun in dem vorstehenden auch hippokratische lehren 
enthalten sind und manches an sätze des Prognosticum, der Apho- 
rismen und der Coacae erinnert, so ist es doch weit entfernt eine 
bedeutung für den hippokratischen text zu haben. Die latinität 
erinnert in manchen ausdrücken an Caelius Aurelianus (z. b. 
passio leiden vgl. Rose, Anecdota II, 204, causa = morbus 
vgl. Rose Il, 202, querella = körperliches leiden vgl. Rose II, 
184, besonders interessant emigraneum migraine!) und dürfte 
dem fünften oder sechsten  jahrhundert angehören. Dagegen 
ist die in derselben handschrift enthaltene übersetzung der Aphoris- 
men von wirklichen belang für den Hippokratestext nnd soll von 
ihr an einer anderen stelle eine probe mitgetheilt werden. Auch 


21) vel A. 22) lyptisim B. 23) habit A, habet B. 
24) vernis A., vermes B. 25) perfricatione B. 26) inana- 
verit B. 27) equak A und B. 





124 


Hippokrates. 


die abhandlung de cibis in dem etwas ülteren codex 69 wird sich 
gewiss als eine übersetzung von ztgi dıufmg B' erweisen. 

Zum schlusse sei noch eine lateinische übersetzung des Prog- 
nosticon in einer handschrift (C, VI, 9) des beginnenden 15. jahr- 
hunderts in der bibliotheca Casanatensis in Rom erwähnt. Sie 
gibt den griechischen text ziemlich frei und oft verkürzt wieder, 
sodass man ihr füglich entrathen kann. Zur bestätigung möge 
eine kleine probe, §. 4 (Littré G. 3) und flgd., wo sie noch am 


treuesten ist, folgen: 


4. Kexliuéroy dè yon xaralau- 
Bdvew tov vocfovra uno ro? in- 
1Q0U êni 1d mhevgor 10 dekiov 7 
TO AQeoregor, xal rdg yeigug xol 
roy rQuynAoy xai rà oxélen oMyov 
Emuexauptva Éyoyra, xai 10 Evp- 
mav Opa byoó» xe(usrov* ovrQ 
yàg xai of mAtiGr04 TOY vysus- 
vóvruv xaraxA(vorros ügioras dé 
elowy ıWv xaruxlıolwv ai ouotu 
1704 TOY vyıaworıwv. "Ynuov dì 
xteoFas xai rdg yeiQag xal Tor 
toayniow xal ra oxélen Èxrera- 
uéva Eyovın, 7000» dyador el 
de xal noonmernc yévosto xoi xa- 
taddéos amo tig xAlong ni rovc 
5odac, desroteoov gor. el dì xoi 
yuuvovs rovg módag sveloxosto 
Eywv, un Fequods xugra Eövrag, 
xal Tag yeigug xai Tu oxélea 
avwpaiws diedbiuptva, xaxov: 
Givopor yao onualver Fuvatwdec 
dì xai 10 xtypóra xudevdes 
ale? xoi rà oxfiea Urr(ov xeuutvov 
Evyxexauuéra elvas itoyvews 7 
diarendsyutvu. “Eni dé yacttou 
dì xéeotar, d un Evrn9és dor 
xal vytalvovrs ov1w xomiodas, 


Bonum est invenire aegrum ia- 
centem in dextro latere vel si- 
nistro, melius tamen in dextro, 
et manus et pedes et cervices 
non ut in spasmo distenta et 
totum corpus in sua positione 
flexibile et minime rigidum, quae 
consuetudo sanis est familiaris 
et amica. etenim iacere in mo- 
dum sanum melius est, quia 
non est signum laudabile aegro 
corpore supino iacere, brachiis 
rigidis et pedibus. Et si re- 
pente se a capite lecti ad pedes 
iactavit, signum malum non du- 
bitabis. Et si pedes nudos et 
tepidos invenis et inordinate cum 
labore cervices atque pedes iac- 
tavit, pessimum est et angustiae 
signum. Aeger si iacuit re- 
iecta cervice et ore aperto, pe- 
dibus contortis, aut si [in] su- 
pinum ventrem praeter consue- 
tudinem iacuerit, malum est. 
etenim alienationem mentis sig- 
nificat sive intestinum dolorem. 
Et si in augmento aegritudinis 
repente steterit, in omni aegri- 


Hippokrates. 


zaQugygoovm wu Onualve 7 
odurnv t)» apgi r)v xouqr 16- 
xov. “Avaxaditey dé fovito9a, 
tov voolorıa, jg vovcov üx- 
pabouonç, movngoy piv id» nào, 
rota ÓkÉOw voonpacs, xux:0107 
de Er 10104 ztQuinvevpovixoicw. 


5. 'Odóvrag dé mele Èv nuge- 
totow 0x000100 un Evrndés dor 
ano maldwr, pavixóv xai Fava- 
twdeg, aida yon moodtyser an 
apeoiy xlvduvov goduevow nv dé 
xal sagageorfwy  rotro rosé, 
àA£9gio» xagra ndn yívezau. 

6. "Elxog dì, Tv 18 xai nooye- 
yovóg tvyn Eywv nv te xai èr 17; 
vyovom ylvnias, xatapuvdcavev 
zen: zv yao pin ancdavota 
wrFewnos, ned roV Javatov ne- 
Asdvov re xai Engòr Fora: 7 wyeor 
rt xai Engor. 

7. Igi dì yapwr Yopns rude 
Xon yırwarsım' óxocoww iv mv- 
geroicw dEtow n è v negenvevpo- 
vinow n iv» qoerlrsce n Ev xe- 
palulyinos 700 100 moogurov 
geçouéras xal Ingevovous dia 
xtvig xai amoxugporoyeovcas xai 
xgoxvdag ano 10» iuai(w» áno- 
tsddovoag xoi and rov Tolyov 
&yvga anoonwoas, nacag elvas 
xaxug xai Favatwdeus. 


8. Iveta de nvxvóv pév èov 
zovor onualves 7 qàtyuov)v dv 
zotciv Unig Tv peErwy Xwglosoı 
peru dì dávamvtoutvov xai dia 
noÂloù ygovor mugugpgocvinr dn- 


125 


tudine acuta malum, in peri- 
pleumonia pessimum. 


Frendere dentibus in febribus 
non solitos a pueritia mortem 
vel maniam significat et si fren- 
dat cum insania, vicina mors 


sequitur. 


Si in aegro corpore fuit antea 
carbunculus sive praecessit sive 
aegritudini evenerit, oportet at- 
Qui si exsiccatus fue- 
rit locus et colorem viridem 


tendere. 


vel lividum pertulerit, mortem 
indicat proximam. 


Manuum mobilitatis signum sit 
pernotabile . in febri acuta et 
in peripleumonia et in frenesi 
non vera et in dolore capitis 
[si] manus tulerit ad faciem 
tanquam quamlibet . . . . vel 
aliquid . .. hac illas quaesierit 
vel de vestibus quasi paleas 
evulserit vel . . . . decerpserit, 


pessimum et mortale. 


Spiritus si frequens sit, dolorem 
et succensionem significat in his, 
quae sunt super diaphragma. 
Qui si magnus et cum iuter- 
missione, alienationem significat 





126 


Aoi. woygow dé dxmveouevov dx 
twr (wvov» xai TOÙ or0paras, 
GALT giov xaQra non ylveras. 
Evnvosay dà yon voulley xupıa 
peyadny duranıy Èyuv dg owin- 
olny Ev ünuos toîcw ofo voon- 
pac, óxóca Ev» mvgeroto(v dor, 
xai dv 1600açuxovra fju£onos xol- 
yerat. 

9. Oi dì idqures agıcroı péy 
elo,» dy mao: roloıw ökfoı voon- 
pucıw, 02000, av Ev muéonol 1e 
xgsolunoe ylvwvras xai Teitlwg 
Tov nvgerov anadddEwow’ ayadoi 
di xal 0x600 dia rmavids Toù 
Gupurog yevoueros anédeskay 109 
avdouwnoy evnetioiegoy  péoorta 
10 voonua* of d' «y pi Tourwy 
11 dEepyuowvra, ov Avosredées’ 
xuxıcıa dé oi yuyçol te xai pov- 
vor ntgl iij» xepudny 1€ xai TO 
nocowmoy yivoperor xai TOY ab— 
géva' oùros yàg Sov uv chet nv- 
ger. Juvuroy meoonualvovos, Evy 
dé ngqvrfQ xoc vovcowv' on- 
patvovos dì xai ob xarà nav 10 
Gdpa ywoutvos wuygot Ópnoia 
10101 negi ımv xtgaÀgv. ob dé 
xeyyoosdées x. Te À. 

10. ‘Ynoyordgsov dé agsotor piv 
drvujdvró» te xui padduxov xci 
oualor, xal imi detiù xai en’ 
aouoregi* gheypaîvov dì fj oduynv 
nugtyor 7 évretauévor jj avwpd- 
Awe diaxelusvov, ta delia mg 
rà dguotegu, ta dè agsotega 
zgüg ta delia, tata RUVIG qu- 
Adoosotuas yor. 


Hippokrates. 


et idem si per os et nares fri- 
gidus exierit, mortale est. 


Spiritus vero bonus ex suo pro- 
posito ordine cognoscitur et 
habet evidentem salutis vim in 
acuta aegritudine, quae cum 
febri est cuique terminus erit 
in XL diebus. 

Sudor bonus et laudabilis in 
omni acuta aegritudine, qui in 
die critica fit et aegrum liberat. 
Est etiam bonus qui fit in toto 
corpore et aeger ex eo suavior 
et fortior efficitur. Qui vero 
nihil horum fecit, is est inu- 
tilis. Frigidus autem est malus, 
peior si in capite solo et cer- 
vice. In acuta quidem aegri- 
tudine mortem significat, cum 
lenta autem prolixitatem aegri- 
tudinis. 


Fehlt bis schluss S. 7 in der 
übersetzung. 

In ypocondriis si sine dolore 
fiunt, si molles, si bene com- 
posite hic et inde, bonum erit, 
si vero ferventes aut dolentes 
vel quodam modo spasmo di- 
stentae et inter se dissimiles, 
in his considerandum est. 





Hippokrates. 127 


Ei di xai oqpuyuòs Evein dv tq Si vero in aliqua parte eorum 

vzoyo»doío, Fooufor onpulves 5 pulsus fuerit, exagitationem seu 

nuçgagpoooüvmr «ida rovg opIud- alienationem significat. Tamen 

pous Enıxarıdeiv twv rorovtwy’ in hac aegritudine oculi sunt 

nv yao al Owueg nvxvà xivícyras, intuendi. Nam si velociter mo- 

pavivas rovıov dns. biles apparuerint, maniam sig- 
nificant, 


Der griechische text, der dem übersetzer vorlag, gehôrt in 
eine klasse zusammen mit den Vindobonenses XVI und XLIV, dem 
Mediceus 75, 3, dem Parisinus 446 u. a., denen der Marcianus 
269, der Vaticanus 276, der Monacensis 71, die Parisini 1246 
und 2142 gegenüber stehen. 


Il. Die hippokratische sammlung und Aristoteles thierkunde 
buch VII. 


| Littré hat in seiner einleitung zu den büchern über frauen- 
krankheiten (oeuvres d'Hippocrate VIII, p. 4 flgd.) auf die über- 
einstimmung hingewiesen, die sich an mehreren stellen mit dem 
siebenten buche der aristotelischen thiergeschichte zeige und erklürt 
geradezu: il me parait incontestable qu'il a consulté (Aristole) 
pour ses compositions d'histoire naturelle notre auteur. Diese an- 
sicht hat, wie es scheint, wenig beifall gefunden. Wenigstens 
Haeser, Gesch. der medizin I, p. 127 meint, Littré habe seinen 
schluss wohl zu rasch gezogen. Allerdings hat es Littré unter- 
lassen, die vier aristotelischen stellen, auf welche er seine ansicht 
gründet, mit hippokratischen parallelen zu belegen. Für zwei ist 
es nicht schwer, die betreffenden, wie unten geschieht, beizubringen, 
den übrigen lassen sich einzelne sätze nicht gegenüberstellen, weil 
sie weiter ausgeführten partien der hippokratischen schriften mehr 
dem sinne nach entsprechen. 


Ivrasxelwv «°c. 13. “Oonos dì, Aristot. Hist. au. lib. VII c. 3 
| Orav Evyytrwria,, adtixa diag- anf. (583, 18) ay uiv ovr deta 
| dle 1a ano rov dvdQóc, Tuvtzos ta yelln fj Tov oTouutoç, où 

10 Oropa r&v vOrtQÉu» noopacis Féle ovddupBavesy — ano- 

. ir niv Ggodga utuvxóg fj, AsoPalves yàg — ovd ay 

S Nv dì To CTO MG nıneiw-  nayta. 

deg n xal nayeıov xt, 





128 


Hippokrates. 


c. 4 we uiv ovy ini 10 modò 
ókov anelidrrovow ab ta aß- 
dera xvovoai xoi alloy per’ 
svyoolas diatedovow, ni dè 100v 
InAsav rovvavifor: Kyoovotegat 
te yap we imi rO modù xoi 
Baguregov dia yovos. 


regt àgóQu» c. 216 (Littré VIII, 
p. 416) Oous d» yaorgi Eyovauı 
Eprâsv ini 100 ngocw nov loyovow, 
Fiv xvovorr, 0004 dì svyQooveas 
diaptrovow, üßder we ÉmromovÀd 
xvououv. 


Ich gebe zu, dass diese übereinstimmung noch nicht genügt, 
um Littrés behauptung sicher zu stellen. Aber es finden sich 
ausser den von Littré angezogenen noch eine ganze reihe von 
stellen im achten buche der thierkunde, welche nicht nur mit de 
morb. mulier., sondern auch mit andern gynäkologischen schriften 
der hippokratischen sammlung wegen ihrer noch auffallenderen an- 


klange in irgend welchem zusammenhange stehn müssen. 


vergleiche : 


yuvex. a c. 6: ywoées dé alua 
olo» and lepelov, xai ray) 
züyrvras, 7» vysalyy À yuvn (= 
ibid. c. 72 und egi quo. nad. 
c. 18, Littré VII, p. 502.) 


wept quo. nud. 12 (Littré VII, 
p. 488): Ty dì yorn Fequasvo- 
Bern xoi quowuuérn náop van» 
FEwdev negtylverus . . . (p. 490) 
olov et rig wov wuo To Fw 
kenugiov megiélos, Ev dè 16) Erdov 
Uuêri :ó Evdov vyoòv diagal- 
vostro . . . Èv dé 10 vuérs Èqpal- 
vovto Ersovoas Îveg x1À. (von ei- 
nem sechstügigen embryo, welchen 
der verfasser gesehn zu haben be- 
hauptet). 

ibid, c. 30, p. 532: A’ doas 07 
EdoËay nisfova ypovov dixa un- 
vw Eyes, non yàg tovro moà- 
Aaxig 7xovoo, xeivas dieBAnFnoay 
tponp ode © Aw tux; 


c 1 §. 3 zoig Indecw 7 v 
Enagoss ylveras  Tüv paotwy 
xai 1à xarauıyıa xalovptva 
xataggryrvias toured Eoıiv 
alua olov veocgpuxtoy. 


c. 7 anf. orav dà AnBntas 10 
ontoua. ing vorégus xai éyygo- 
vcd), vun)» meodorata:. gal- 
verus yàg orav ngiv dsagFeu- 
Fivas®") FEED, olov dió» d» 
$uf», megityoutvor, apasge— 
Févtog rov ocrguxou. o Jd” 
vuns gor peotos. 


27) D. h. von dem vierzigsten 
tage bei knaben. 
c. 4 (584b) To» avrov dé 106- 
zo» doxsi AuvPuvesy xai Soa 
palveras tixtecPas nodvyoovius- 
tegu toy déxa unrav x«l yaQ 
TOVIWY 17, 756 OvAAnpews doy) 


Hippokrates. 


oxor«» al pros nreèua dafwow 
dg egüg avràs amo tig xosdlns 
gvOoav nageyovons xai ugFwo, 
ylretas yüg rovro, doxéovor dn 
ai yuvaixes  ngóc opéug Eyes 
1OTE. 


negi Emiaunvov 9 Littré VII, p. 
446: ab uiv oùr nulom Emon- 
noraral slow dv roios nielorovosy 
al 1e nowras xai ab EBdomas, 
moÂlai uiv megì vovowr, moddai 
dì xai roiow tufovorsiv® Towouol 
re yuo ylrvovr«, xal ob nisioros 
Tavıyoı Tour hufonow' ovouule- 
tas dé 1a tmaixavra exovoses GA 
ov tewopol. 

ibid. p. 450 mAgoves de y(vorras 
dv 17 qui 1600«gaxovt« ds 190- 
cuol n àv roig Gus tovous. 
Tovde 100 ygovov magsASóvrog 
loyvpoıspa lou rà EuBova, xai 
diuxplretas xa^ Exacta twv ut- 
déwv 10 Oo xai Tüv uiv dg- 
cévwr ogodoa diadnia ylvetas 
nidvia ta de Oca, dg 10070y 
TOV YoOvor GaQxeg qaívovra, (no - 
quoras povroy Eyovoar .... xol 
xolveras Piudviegov . . . xaltos 
Ta yt alla 010» qwodwow 176 
untpög ab OuyaréQéc, TOv xovgwy 
9àocov nßwos xai pooréovos xoi 
yneuoxoves... 


Philologus. XLII. bd. 1. 


129 


lavdaves tag yuvaîxag noÀ- 
Adxig y&Q 7wtvparixOv yevo- 
uérwr Eunçooder uv voregWr, 
pera tavia mÀmOwicacas xai 
OvldaBovous Exelrnv olovras thy 
aogìv elvos 17; oudAnwews, di 
7» Éyonouvro roig Onuelos 
opolwe. 

c. 3 (583b): Kadovrras d’ 
&xgvosıs uiv ai u£yQs rw énrà 
nusowy diupIagul, Exrgwopoì 
Ö’ ui ufyQs ruv rertagaxorta’ 
xai misiora diupdeloerar tw 
xunuarwr dv Taurus Taig nue 
asc. 


ibid. 583b auf: imi pév ru» 
aogerwy wo ini 10 modu Ev TO 
dsEai uüllor megì tag terra- 
guxovra ylvetas n xlvnoig . è + 
neol dé rovrov 10v yQovov xal 
oylteras 10. xunua. tov d° ep- 
noootev Uvagdoov ovvecinxe 
x0ewdes ... TO uèv obv Uggey 
orav Été} y 1erragoxootatov, 
... qulietus Ta TE MEAN Ora, 
tu te UMa nuvrru ... 10 dè 


drAv . 


M ^ 
to modwv yalrsım . . . 


. adsagFewroy we dni 
T] 18- 
Àe(w)0iv Tv woglwy Bouduregov 
anolauBaves 10 Flv 108 &g- 
oeroc, xal dexuunra ylveras 
Badiov thy ageérwr orav dé 
yéyntat, Farrov 10 9qÀe«. 10 
aggevwr xal veorgra xol dxpiy 
AauBaves xoi you. 

9 





130 


Ibid. 3, p. 440: gact yao (ai 
yvraixtc) 1006 0ydoovc 16v umnrüv 
xai yudenwiatu Q&Q&» Tag ya- 
erégag. 

Ibid. 4, p. 442: grooves (al yv- 
vuixec) tlxrey xal. énicunra xai 
oxtupnva xal Èvvectunra xol de- 
xupnva, xal TOUTÉWY TA Oxtupnva 
où negtylvecdus. 


lbid. 9, p. 448: To dì mw- 
dlovow Entaprvosciv tovos xal 
alia dinpégortu ylreras bv 10104 
cwpuo xal ol üdorızg gpulrecd as 


aeyortas fy Tovié 16) yoóro. 


Ibid. p. 450: £y 


unvovow dv(ore, evdews ini» yé- 


TE yüQ toig 


vwvTas, yedwriu puireius 14 nu 
Olu xai xhulorru® tyenyogotu 1e 
utidpura ovie yeag ovie xiales 
n0009ev 7 100uguXx0rıu NUEQas 
yeroluro. ovdè yedg wevoptva TE 
xai 2osdılouevau no0oder n avıög 
0 ygórog ovrog yerquas. 


Hippokrates. 


c. 4 (584b) zmovovos d’ ak yv- 
vatxes pudsora TO» piva TOY 
1é1agiov xai 10» 0ydoor. 


lbid. 584 a. e: xoi yoo En- 
Tuumra xal Oxraumra xoi Èv- 
vecunva ylveras xul dexaunva 
10 nAtioıov ... 1a dé Óxra- 
pyra ... &v 10% negl. vw EI- 
dada 
co:tetas, 1ù de moddd anod- 


zonoıs Odiya ndiunav 


Avras. 

c. 10 (587 b) xai ra ui» (&A- 
Za wu) Éyorta yfvtras ddoviac, 
ta dè rusdlu ÉBdouo unri &g- 
yovras OJorropuetr. 


lbid. $. 63: zu dé zeid(a Gray 
yérwrtas, wy TEr10Qx0v10 n- 
eQwy Eypnyoyoru uiv ove ye- 
Ag ovte duxque, vuxiwg d’ 
Erloıs augw’ orde xnbouera 
14 noddù uloFaveras 


Der text der thierkunde bestatigt hier die conjectur van der 


Linden’s ovre ye2& ovre, welche Littré noch verschmühte. 


Dieser 


hat noch das bandschriftliche, aber sicher falsche ev9éwe rela te 
xui. In dem von Littré gleichfalls unberührt gelassenen & ze yàg 
roig unrosciv 2ovow, evItws xri., was Ermerins zwar beanstandet, 
aber noch nicht geheilt hat, ist aus dem »vxrwQ d’ èrlore &uqw 
der thiergeschichte das évfove für @otocv aufzunehmen, 

Wenn es ferner in der schrift über die siebenmonatliche ge- 
burt p. 450 heisst, dass die siebenmonatskinder den schall nicht 
hören könnten, so findet sich in hist. an. VII, 4 (584 b) die er- 


klarende ausführung dazu: rà dé émiaugva yovına y(vezas nuo», 


Hippokrates. 131 


acderi dè ta molla ..., mod dij xal mv méguy Èvlovs lyovra 
aGy(groec, olov wrwy xal puxtiowy. 

Doch kehren wir zu unserer vergleichung zurück, die wir 
auch auf die schrift meg? Oxraunrou ausdehnen. 

7. oxt. anf. (Littré VII, p. 452): 

“Aoyetas dé novéesw 10 nuıdlov ngog hist. an. VII, 8 (586b): Zyss 
Tov rOxov yivouevo» xal xsvdv- d’ dpolws mavia ta (wa rwv 
vevesw axolto9os, Stay dv ijj un- xepadny Gvw ro noWıor. av£a- 
ron O:0Égn1ov queras yug marta vopera dé xol ngog r)v EEodoy 
arw inv xepalyr Exovra’ tlxrsiat  ÓQuuvra xüTO) mequayerai, xal, 
dé nodded êni xeqadny, xoi aoya- 5j yéveols dori ) xura quoi 
Aforegov dnudiucces Tür êni nó-  nácw imi xtgoÀgrv ovyxexau- 
das uxtopérav 14 yàg ovyxap- péra dé xal ent noduc ylveras 
midueva 100 OW uaros (ni xepaliy naga quos. 

ovnw xwivec lovros tov nusdlov 

@hid paddoy, Stav dmi n0daç 

öpuner, rà Ééugotyuura ylveru. 

Diese parallelen mögen genügen um zu beweisen, dass Littré 
doch wohl recht gesehen hatte. Nun ist das siebente buch der 
thierkunde, wie Aubert und Wimmer I, p. 6 u. flgde. nachgewie- 
sen haben, trotz seiner den aristotelischen schriften nahe stehenden 
gräcität, gar nicht von Aristoteles selbst geschrieben, sondern wie 
auch das neunte und zehnte buch, untergeschoben. Der falsarius 
hat also bei der zusammenstellung dieses buches ausser Aristoteles 
selbst (negi yerécewc s. Aubert und Wimmer I, p. 11) eine gruppe 
gynakologischer schriften unserer hippokratischen sammlung direkt 
oder indirekt benutzt. Zu dieser gruppe gehört vor allen weg} 
Exruurrov, in zweiter reihe zegi öxıuuırov, negi qvoioc masdlor, 
megi yuraixe(wy & und nepi dpogwr. Dieser umstand dürfte dazu 
bettragen, das dunkel, welches iiber der herkunft der genanaten 
schriften herrssht, etwas aufzulellem. Ausserordentlich weit gehen 
die meinungen über den verfasser der beiden zusammengehórigen 
schriften neg? émreurnrou und gi 0xr«u rov auseinander. Ermerins 
(vol. HI, p. LXXVH and LXXVIII) schreibt sie einem pythago- 
rüischen, sophisten zu. Haeser a. a. o. hält sie für knidisch. Von 
den älteren zeugen erklärt Plut. Plac. phil. V, c. 18 egi énro- 
penvov, Clemens Alex. strom. lib. VI x. oxrog. für ein werk des 
Polybos. Nur Galen halt Hippokrates selbst für den verfasser. 


32 Hippokrates. 


Dass Aristoteles bei abfassung seiner thierkunde den Polrbos 
wirklich benutzt und stellenweise citiert hat, wissen wir aus sei- 
ner eigenen angabe zu lll, 3, wo er die auch in der schrift de 
natura hominis erhaltene beschreibung des adersystems des Polvbos 
mittheilt und den namen des urlebers nennt. Eben darum ist auch 
die benutzung und nachahmung des Polybos von seiten des falschers 
im hohen grade wahrscheinlich. Aubert und Wimmer erklären p. 
10, dass der verfasser keineswegs invita Minerva gearbeitet habe, 
dass er ein gelehrter gewesen sei, der hinreichendes geschick be- 
sass, alle materialien sorgfaltig zu sammeln, ohne gefabr zu laufen 
auf einer täuschung ertappt zu werden. Es ware demnach wun- 
derbar, wenn er den Polybos, den, wie er wusste, Aristoteles her- 
angezogen hatte, nicht gleichfalls benutzt hätte. Wenn dieser um- 
stand für das zeugnis des Clemens Alex. und bei Plutarch. Plac. 
spricht, so gilt aus der von dem verfasser des siebenten buches der 
thierkunde benutzten gruppe von abhandlungeo auch noch das buch 
megi quoioç moid(ov als ein werk des Polybos (z b. dem Galen, 
vergl. Lilienhain, Hipp. werke, II, 270 und Haeser a. a. o. p. 119). 
Da nun dieses wiederum von demselben verfasser herrührt wie ye— 
vaixe(uv a (vergl. daselbst c. 73 anf), so gewinnt die annahme 
an wahrscheinlichkeit , dass es sümmtlich werke des Polybos sind, 
welche der verfasser des siebenten buches der thierkunde benutzte. 


Ill. Der Asklepiadeneid in christlicher fassung. 


Im cod. Urbinas 64 (pergamenthandschrift des 13ten jahrhun- 
derts) fol. 106 findet sich der ógxoc der hippokratischen sammlung 
in folgender für christliche ärzte bestimmten fassung : 


"Ex 100 xarà 10v "Inzoxguig» ogxov xad’ 600» oló» re Xos- 
onary duoou: — Evloynros 0 Ie0g xal marmo TOU xvglov nudiv 
"Incov Xgicroü, Us wy ebdoyntos elç Tous alwruc, or ov yevdo- 
pas ov podvrò inv rig larQixg padnow, ovdi dwow ıwi alm- 
Jeiçs quguaxov Jarucipor, oùdè tynynoopus Evußovinr rowsde* 
óuolug dé oùdè yurustì dwow poor arwdev n xrdtwHer, 
dÀÀà didatw my réyrqy racryy, nv yonaw xof(wow purPdvey 
ureu pIorov 16. xal Evyygapis, xui diarrguacw . . . én’ wee 
Melny xaurorswv xotd ÓOvvouw xal xgloww uiv xal ayrw> xal 
volws dsatngiow réyvyy Zunv. "Eg olx(ag oxooag ur do(w, dos- 


dj 


ee n 


Hippokrates. 133 


Aevoouas iw wpelsln xauvorıwv, extog dày maons adixino, Exov- è 
ons te xaì axovolng, YIoplns te xai 175 aling Aoswuw- 
Tews xal ággodic(uv Épywvr ehevdigwy te xai doviuv imi d»- 
deslwv te xal yurasrelur owuurwr. “Oou d° av tv Feoaneln 7 
idw 7 axovow 7 aveu Jegunelns (ovy)xaza fov avFownuy, à pi 
ze Fw Aadjoas Osynoowas Uoonta Tyevpevog elvas Ta t0savIa. 
‘Oguov uiv ovv wos tovde èminifu moskovts x«l un Evyyfovte, Bon- 
Dog por yévoito © eds xai Blow xai réyvng dotalouér naga 
ao avFou nor ég 10v asi ygovov EvogxovvE wey pos, imog- 
xovvrs dì ta évavi(a toviéwy. 

Das nach diurmuaciv fehlende yorcouas scheint in dem vor 
zorGwo eingeschlüpften yo7cw zu stecken. — Diese fassung des 
Ogxoc stammt aus den ersten jahrhunderten unserer zeitrechnung, 
aus der zeit, wo in Griechenland und Italien das christenthum sieg- 
reich durchdrang. Formeln aller art wurden aus dem heidnischen 
alterthum herübergenommen und erhielten sich nach abstreifung 
des veralteten fort. Der name gottes und des heilandes trat an 
die stelle der alten götternamen. Im sechsten jahrhunderte werden 
in recepten, in chirurgischen vorschriften u. s. w. schon die heili- 
gen gar nicht selten angerufen. Vergl. Haeser, Gesch. der med. 1, 
p. 433 und 458, dies zur ungefähren bestimmung des alters. Es 
erkláren sich aus dem gesagten zugleich die auslassungen, die wir 
beim vergleich mit dem originale finden. Ausgelassen ist alles, 
was sich auf die vererbung der kunst innerhalb der geschlechtsge- 
nossenschaft und zunft bezieht. Die familienartig geschlossene ärzt- 
liche zunft bestand längst nicht mehr. Ebenso ist der passus über 
die lithotomen weggelassen, weil diese specialität nicht mehr aner- 
kannt war, sondern jeder arzt die betreffende operation nach be- 
lieben ausführte. Für den originaltext ist der vergleich mit vor- 
stehender fassung wenigstens nicht ganz ergebnislos. In letzterer 
fehlt der artikel bei ;£yvzv Zunv. Es entspricht durchaus dem im 
ógxog herrschenden sprachgebrauche, wenn der artikel hier ge- 
strichen und mit cod. C gelesen wird dsutngnow Blow iuàv xai 
téyynvy éunv. Auch verdient die lesart 'Oc a d° dv è v Heganely 
den vorzug vor der gebräuchlichen & d’ ay xz. 


Ilfeld. H. Kühlewein. 





VII. 


Zur kritik einiger quellenschriftsteller der rómi- 
schen kaiserzeit. 


(Zweite folge. S. Philol. XLI, 4. p. 719). 


IIl Zu Eusebius (H. e. V, 21) und Aelius Spartianus (Did. 
Iul. c. 2 und Sept. Sev. c. 4). 


1. Jenes toleranzedict, welches kaiser Marc Aurel im j. 174 
nach seiner befreiung aus schwerer gefahr im Quadenfeldzug zu 
gunsten der christen erlassen haben soll — es wird gewóhnlich 
hinter der ersten apologie Justins abgedruckt (man sehe v. Otto's 
ausgabe des Corpus Apologetarum), vgl. auch Tert. Apol. c. 5, ad 
Scap. c. IV, Eus. h. e. V, 5—, jenes rescript ist schon längst 
von der unbefangenen kritik unter die apokryphen actenstiicke 
verwiesen worden (vgl. z. b. Ruinart, Acta martyr. [Ratisbonae 
1859], praef. gen., p. 28, Q2. 41, Franz Overbeck, Studien 
zur geschichte der alten kirche, heft 1 [1875], aufsatz nr. Il, p. 
93—157) und A. Hilgenfeld, Hist.-krit. einleitung in das N. T. 
[Leipzig 1875], p. 170. Dass aber gleichwohl dem gefülschten 
documente wenigstens ein historischer kern zu grunde liegt, dies 
erhellt aus Eus. h. e. V, 21; dort wird nümlich folgendes erzühlt: 
„unter Antoninus Commodus (reg. 180 bis ende 192) wurde die 
äussere rule der christlichen kirche durch die staatsgewalt nicht 
gestört. Aber trotz dieses christenfreundlichen regimes musste da- 
mals ein hochgebildeter christ namens Apollonius zu Rom bloss 
wegen seines glaubens den tod erleiden. In folge der denunciation 
eines elenden wurde er dem richter, dem pritorialpràfecten und 
damals allmächtigen minister des imperators Perennis, vorgeführt. 


BEEN "md 


Eusebius. 185 


Dieser verurtheilte zunächst den ankläger zu der schimpflichen to- 
desstrafe des crurifragiums (eine art rüdern!), denn nach einem 
kaiserlichen gesetze liatten dergleichen denuncianten das leben ver- 
wirkt. Dann suchte er den angeklagten zur verleugnung seines 
glaubens zu bereden und forderte ihn auf, als Apollonius unent- 
wegt an seiner religiösen überzeugung festhielt, dem versammelten 
senate rechenschaft über seinen glauben abzulegen. Apollonius bielt 
eine glanzende vertheidigungsrede, wurde aber demungeachtet nach 
einem alten gesetze, welches dem einmal dem richter vorgeführten 
christen nur die wahl liess, entweder zu verleugnen oder zu ster- 
ben, zum tode verurtheilt*, Dieser bericht gibt anlass zu einer 
ganzen reihe von kritischen erörterungen. Zunächst ist an der 
authentie der eusebianischen erzühlung , an der interessanten that- 
sache, dass nicht bloss der angeklagte christ, sondern auch sein . 
denunciant die todesstrafe erleiden muss, nicht im mindesten zu 
zweifeln. Der bischof von Cüsarea deutet an, dass er einsicht in 
die bezüglichen original- processacten gehabt bat; ansdrücklich er- 
wähnt er, dass er seinem (leider verloren gegangenen) grösseren 
werke über die märtyreracten einen ausführlichen bericht über 
jenes ereigniss einverleibt hat !). Demgemäss gibt der autor an 
unserer stelle nur eine sehr gedrängte darstellung des vorganges, 
und in dieser laconischen kürze sind zum theil auch die erheblichen 
kritischen schwierigkeiten begründet, die H. e. V, 21 dem forscher 
bietet. Am leichtesten lässt sich noch „AnoAlwriog . . . . . x8 
gahsxy xoduces ... relesodrus, ur d° aÀÀAwg dqeiodui tovg anak 
dg dızacıngıov mugsoviucg xai undauws ıng meoPfoews utzaflaA- 
louérouç apyalou mag atroig vopov xexpurnxorog“ inter- 
pretiren: Apollonius wurde einfach auf grund des bekannten Tra- 


1) „Tovrov uiv oùy tas Ini ToU dixactov quvas . . . . nü&odv ve Tw 
npös 12v GU yxlyrov &noloyiav uw dieyvavas g sov, tx LL TU» ag- 
yaíov pagtvgiwy cuvaydeions nusy àvaypagne slosras’ 
Dieses werk über die märtyreracten wird auch Eus. h. e. IV, 15 

. Div te bg’ annos tok, nag«dóE oic abrov [scil. tov éyiov Iho- 
viov] nleviv ningeorate fc "Qi avrod yeaqie negseyovans, tous, olg 
gilor, ini tabtny avaniupoutry, tosc Tu» doyasov cvvay9dsiciy 
uiv uaoruvoboss Évrerayuérnr) und h. e. V, prooemium (me uèr 
od» negi rovtwy [die märtyrer aus der zeit Marc Aurels 1] évreleora ms 
óqwyXotoc TO Nay ovyyyaumaia, TH TOV» uaorvoiwr Huby xataté- 
taxtas cuvay@y}) erwähnt; vgl. auch Henricus Valesius (ed. 
Euseb. Annot. ad H. e. V, 21, p. 102), der mit recht bemerkt: Hoc 
opus inscriptum erat deyalur uagregéur ovvayayı. 





136 Eusebius. 


jen-rescriptes, das also noch immer reichsgesetz war, verurtheilt ; 
die innere übereinstimmung der betreffenden eusebianischen worte 
mit der entscheidung Trajans (Plinii epist. X, 98: conquirendi won 
sunt, si deferantur et arguuntur, puniendi sunt) ist 
unleugbar ?). Eine wahre crux interpretandi ist aber der ,,Buosde- 
xös Ogoc'*, auf grund dessen der anklager des Apollonius gleichfalls 
den tod erleiden muss, Henricus Valesius und Tillemont 
(a. a. o.) betrachten den kaiser Marc Aurel als den urheber jenes ge- 
setzes und basireu ihre annahme uuf Tert. Ap. c. 5 und Eus. H. e. 
IV, 13 resp. V, 5, aber mit uurecht. Denn was zunüchst die er- 
stere stelle betrifft, so lassen sich die betreffenden worte des car- 
thaginiensischen presbyters 5) nicht historisch verwerthen, da sie die 
authentie des gefälschten toleranzedictes Marc Aurels zur vor- 
aussetzuug haben. Ferner, Eus. H. e. V, 5 darf hier nicht heran- 
gezogen werden, da an dieser stelle auf Tert. Ap. c. 5 in zustim- 
mender weise bezug genommen wird; Eusebius rückt die äusserung 
des apologeten sogar vollständig in griechischer übertragung ein. 
Endlich lässt sich auch H. e. IV, 13 nicht verwerthen; denn auch 
das dort reproducirte toleranzedict ,,ad commune Asiue‘“‘, das 
dem ersten Antoninus zugeschrieben wird, wird von der neue- 
ren forschung aus zutreffenden gründen als untergeschoben ver- 
worfen (vgl. z. b. Overbeck a. a. o. und Hilgenfeld a. a. 
o. p. 169). Und selbst im falle seiner unbestreitbaren echtheit 
liesse sich immerhin mit Ruinart (p. 129, aunot. 2) folgender 
durchaus berechtigter einwand erheben: ,,Sed etsi ea lege delator 
poenas luere debout, delatus tumen absolvitur". Ruinart, der 
die verfellte argumentation des Henricus Valesius mit fug  be- 
kümpft, vermag übrigens selbst keine lésung unserer streitfrage zu 
bieten. 

2. Schon nach dem gesagten muss die auffassung, als hätte 


2) Unter dem „aeyasos vôuos“ verstehen mit fug das Trajan - re- 
script Henricus Valesius (a. a. o. p. 102), Tillemont (Mémoi- 
res pour servir à l'hist. eccl. T. Ill! [Bruxelles 1699], p. 95 f.) und, 
freilich etwas zweifelnd, Ruinart (p. 129, annot. 4). 

3) At nos e contrario edimus protectorem (sic), si litterae 
M. Aureli gravissimi imperatoris requirantur, quibus illam Germanicam 
sitim | Christianorum forte militum precationibus impetrato imbri discus- 
sum contestatur, sic ut non palam ab eiusmodi hominbus poe- 
nam dimovit, ita alio modo palam dispersit, adiecta etiam 
accusatoribus damnatione et quidem tetriore. 





Busebius, 137 


der ,,fucsdsxos ógog' nur die denuncianten von christen mit der 
todesstrafe bedroht, als unzulässig erscheinen. Weiter lautet es 
auch nicht wabrscheinlich, dass gerade Marc Aurel, unter dem, wie 
das schicksal der märtyrer von Lyon und Vienne beweist, das 
Trajan-rescript dahin verschärft wurde, dass die einmal dem richter 
vorgeführten christen auch durch die folter zum „leugnen“ ge- 
zwungen werden konnten (vgl. Eus. H. e. V, 1), die gesetzlich 
zulassige verfolgung durch das eiu für alle mal über die anklager 
von anhüngern lesu gefällte todesurtheil thatsächlich beschränkt 
haben sollte, Allerdings sagt Eusebius nur .... „on un Li» 
éEov nr xarà Bucrdsxov 0gov 1096 rwv 1010vde pyrutré cs", 
aber aus H. e. V, 5 ersieht man, dass des palästinensischen bischofs 
urtheil über den process des Apollonius in folge des von ihm irr- 
thümlich als authentisch vorausgesetzten toleranzedictes des zweiten 
Antoninus getrübt ist. 

Da an der thatsache, dass Apollonius sowohl als sein 
denunciant iu gleicher weise zum  tode verurtheilt wurden, 
nicht zu rütteln ist, so empfiellt sich als ausweg aus unserm 
dilemma die annahme, dass man unter dem ,,8uordsxdg ögog“ nicht 
etwa ein bloss speciell gegen anklager vou christen gerichtetes 
rescript, sondern eiu allgemeines reichsgesetz zu verstehen hat, 
das den zweck verfolgte, überhaupt gegen das delaturenunwesen 
energisch einzuschreiten, und zum mindesten mehrere kategorien 
von anklägern dem heukerbeil überantwortete. Dieses reichsgesetz, 
das allerdings, wie aus unserer stelle und aus zwei weiteren quel- 
lenlagen erbellt, die wir alsbald kennen lernen, unter Antoninus 
Commodus in kraft war, hat zweifelsohne Marc Aurel zum urlıeber. 
Deon erstens war das tyraunische regime des elenden Commodus 
selbst in dessen ersten besseren jahren (180 bei c. 183), als die 
erfabrenen rüthe des vaters noch massgebend waren (vgl. Herodian. 
fed. Irmisch. vol. I], |. I, cap. VI, nr. 1, c. VIII, ur. 1), einer 
solchen, wenn auch etwas bizarren, duch immerhin aus hochher- 
zigen motiven bervorgehenden initiative unfähig, uud dann heisst 
es bezüglich des Marc Aurel (Capitolin. M. Ant. Philos. c. 11): 
»Cuvit (scil. M. Aurelius) et sumptibus publicis et calumniis 
quadruplatorum intercessit adposita falsis dela- 
toribus nota“. Es ist da freilich nur von falschen anklägern 
die rede, wäbrend der denunciant des Apollonius wenigstens wab- 





138 Eusebius. 


res deponirt hatte, allein es mag eine ungenaue ausdrucksweise 
des biographen vorliegen; der kaiserliche philosoph wird, was ja 
dem charakter seines vortrefflichen regimes ganz entspricht, such 
gegen das delatorenunwesen überhaupt gesetzlich vorgegangen sein. 
Zwei weitere bisher in diesem zusammenhang stets übersebene quel- 
lenbelege dürften übrigens beweisen, dass der Buosdsxdg Seog über- 
haupt gegen angeberei gerichtet war. Die erste stelle lautet Spart. 
Did. lul. c. 2 (Scriptt. hist. aug. ed. Herm. Peter vol. I, p. 118): 
„Post hoc (scil. Didius Iulianus) curam alimentorum in Italiam 
meruit. tunc factus est reus per quendam Severum Clarissimum mi- 
litem *) coniurationis cum Salvio contra Commodum, sed a Com- 
modo, quia multos iam senatores occiderat et quidem nobiles ac 
potentes in causis maiestalis, ne tristius gravarelur, Didius liberatus 
est accusatore damnato". Noch bezeichuender ist die zweite 
stelle Spart. Sept. Sev. c. 4: post hoc (Sept. Sev.) Siciliam pro- 
consularem sorte meruit . . . . . in Sicilia quasi de imperio vel 
vates vel Caldaeos consuluisset, reus factus, sed a praefectis pruetor., 
quibus audiendus datus fuerat, iam Commodo in odio veniente, 
absolutus esi calumniatore in crucem acto. Allerdings wer- 
den in beiden fallen die angeklagten freigesprochen, während 
Apollonius des ihm zur last gelegten verbrechens, mitglied einer 
religio illicita zu sein, schuldig befunden wird. Immerhin be- 
weist aber diese gerade unter Commodus erfolgte hinrichtung zweier 
anklager in causa maiestatis, duss damals eine überhaupt gegen an- 
geber gerichtete verfügung gesetzliche kraft hatte °). 


4) ,, Clarissimum iuuenem" coniecit Th. Mommsen (ib. p. 
118, annot. 2). 

5) An der ersten stelle ist das einfache damnato wohl auf ein 
todesurtheilzu deuten; hierfür spricht nicht bloss der hietori- 
sche context, sondern auch folgende erwügung: Didius lulianus war 
eines todeswürdigen verbrechens, der coneuratio in principem, also der 
dotfesa, impietas in principem. der majestätsbeleidigung im engern sinne, 
beschuldigt worden; hierauf standen nach Paullus, Sentent. V, 29, 1 
(bei Le Blant ,,Sur les bases iuridiques des poursuites, dirigées contre 
les martyrs“ in: Comptes rendus de l'Acad. des inscript. t. II (Paris 
1866], p. 360) folgende strafen: Humiltores bestiis objiciuntur vel vivi 
ezuruntur, honestiores capite puniuntur. Nimmt man nun an, dass man 
den anklüger nach einem bekannten rechtsgrundsatz dieselbe todes- 
strafe erleiden liess, die den beschuldigten im falle seiner verurtbei- 
lung getroffen haben würde, so wird der denunciant des Didius Iu- 
lanus, da er zu den honestiores gehörte, wahrscheinlich zur enthaup- 
tung verurtheilt worden sein. — Uebrigens wurde das gesetz gegen 
die delatoren schwerlich wührend der gansen regierung des Commo- 


Eusebius. 139 


8. Tillemont (a. a. o. p. 96. 489) lässt den ankläger 
des Apollonius ohne weiteres als sclaven gelten. Allein dies 
sagt erst Hieronymus (De scriptor. eccl. , in Apollonio: Apollo- 
rius ... a servo proditus . . .); dagegen liegt im eusebianischen 
bericht kein beweis für diese annahme; denn in den worten: ,,oux 
Ev di dea rovro (nämlich die günstige lage der christlichen kirche 
unter Commodus) 16 pisoxud@ duluor flaoxdvo ov thy prow 
oloróv: anedvero youv avdicg nowx(Aag tag xa9' mur unyavág 
Enizeyvwevoc. enti yovv 1g Pwualwr nodews “Anoddwvioy ..... 
sic dixacingiov ayes. Eva yé tiva trav elg ravra énsndelwr a- 
zov (oder: avz@, was denselben sinn gibt) diaxovuv êmi xarnyoglu 
tavdeos éyelgag kann sich das ,,« 0 109 (uür@) dsaxovwy zwar 
grammatisch sowohl auf Apollonius als auf den ,teufel* (o ps- 
coxalos du(uwv) beziehen, nach dem ganzen context der stelle kann 
es aber nur auf letzteren gehen. Indess erhellt aus Eusebius doch 
soviel, dass jener denunciant zu den ,humiliores'* gehörte; dies be- 
weist die barbarische schimpfliche todesstrafe, die er erleidet: er 
büsst mit dem crurifragium (avılza xutuyrutas rà oxéAn), während 
der voroehme Apollonius unzweifellaft zur todesstrafe der ,,hone- 
stiores‘‘ also zur enthauptung, verurtheilt wird (xeq«Asxpj xo- 
Auges... ttÀbOUTOL). 

Auch der ankliger des statthalters Septimius Severus, der 
diesen des consulere de salute imperatoris, also gleichfalls einer ma- 
jestatsbeleidigung, aber zugleich auch einer verbrecherischen magie, 
beschuldigt hatte, muss zu den humiliores gehórt haben; dies be- 
weist gleichfalls die schimpfliche art seiner todesstrafe. Nimmt 
man an, dass dem ankläger dieselbe strafe zudictirt wurde, die 
den beschuldigten getroffen haben würde, wenn es gelungen wire, 


dus strenge durchgeführt; dies beweisen die verwünschungen des 
senats nach dem tode des tyrannen: ...... delatores ad leonem 
o... delatoribus metum, ut securi simus, delatoribus metum , ut 
salvi simus, delatores de senatu, delatoribus fustem etc. (Lampr. Com- 
mod. c. 18). — So weit ich sehe, sind die beiden stellen Spartians 
bisher noch niemals im zusainmenhange mit der erörterung höherer 
gesichtspunkte von allgemeinerem interesse besprochen worden. So 
erblickt z. b. sogar S. Basnag e (Annal. politico-eccles. II, p. 181, 88. 
II; p. 197, 88. X) darin nur eine auf die antecedenzien der impera- 
toren Didius lulianus und Septimius Severus bezügliche quellennotiz, 
und Casaubonus (Notae ad Scriptt. bist. aug. ed. Salmasius, Pa- 
risiis 1620) würdigt beide stellen nicht einmal einer kleinen an- 
merkung. 





140 Kusebius. 


ibn der magie zu überführen, so lässt sich der umstand, dass der 
denunciant gerade zur kreuzigung verurtheilt wurde, sehr leicht 
mit hülfe von Paullus, Sentent. V, 23, 17 (bei Le Blant a. a. o. 
p. 369) erklüren, wo es heisst: Magicae artis conscios 
summo supplicio adfic& placuit , id est bestiis obiici aut cruci 
suffigi. Ipsi autem magi vivi exuruntur. Dass übrigens die 
kreuzigung, ebenso wie der ,,kampf mit den bestien des cir- 
cus uud der scheiterhaufen, im römischen criminalrecht den humi- 
liores als schimpfliche todesstrafe vorbehalten war, erhellt 
auch uus Paull, Sentent, V, 29 (bei Le Blant p. 373), wonach 
die „sacrilegi“ niedern stundes entweder zu den „bestiae“ oder zum 
kreuzestode verurtheilt wurden *). 


6) Da das mss. dieses aufsatzes fast fünf jahre gelagert hat, so 
ist es im sachlichen interesse geboten, auf die inzwiachen erschienene 
bezügliche neuere litteratur wenigstens zu verweisen: Th. Keim, 
Rom und das christenthum, hag. von H. Ziegler, Berlin 1881; Aubé, 
Les chrétiens dans l'empire romain 180 - 249, Paris 1881, zumal p. 1— 
52; Acta martyr. Scillitanor. graece edita ab Herm. Usener in 
Indice scholar. Bonnens. per menses aestivos a. 1881 Bonnae 4. Aubé, 

tude sur un nouveau texte des Actes des martyrs Scillitains, Paris 
1881. Ad. Hilgenfelds anzeige der Usener'schen publikation nebst 
Rud. Hilgenfelds recension der Aubé'schen Etude etc. (Zeitschr. 
f. wiss. theol. XXIV [1881], hft. 3, p. 382 f., XXV [18-2], hft. 3, p. 
969—371 nebst der note 1 von Ad. Hilgenfeld). Rud. Hilgenfeld, 
»Verhültniss des rómischen staates zum christenthum in den beiden 
ersten jahrhunderten (Zeitschr. f. wiss. theol. XXIV [1881] hft. 3, p. 
291—331), W ieseler, Christenverfolgungen der rdm. cüsaren, Güters- 
lohe 1878, endlich meine publikationen, I. artikel ,,Christenverfol- 
gungen“ in der F. X. Kraus'schen realencyklopüdie der christl. al- 
terthümer, Ifg. III, p. 215—288, Freiburg i. Br. 1880, Il u III: „Die 
kritiken von Keim u. Usener — Aubé, Étude (Philol Anzeiger XII 
[1882] nr. 6, p.325 333, nr. 7, p. 424—430. IV: Meine noch in die- 
sem jahrgang [1883] im 2. oder 3. heft, in den „Jahrbüchern für 
protestant. theol.“ zum abdruck gelangende abhandlung „Das 
chrisienthum u. d. rim. staat zur zeit des kaisers Commodus“ und 
zumal B, V. 


(Fortsetzung folgt). 
Düsseldorf. Franz Gorres. 


Zu Julius Valerius I, 31 p. 33> Müller. 


»Locumque (scil. iubet) omnem, unde ad oppidum convenissent, 
suae editioni (uedificationi vermuthete Mai) servire“ Ich 
môchte vorschlagen: suae dicioni. Im Pseudocallisthenes stebt: 
quenpura aùtois yaQscd pevos. 

Góttingen. K. Boyeen. 





I. JAHRESBERICHTE. 


22>, Quintilianus. 


(S. Philol. XXVIII, p. 160.) 


1. Theodor Mommsen. Vitorius Marcellus. Hermes XIII. 
1878, p. 428— 430. 

2. Th. Birt, Ueber die vokalverbindung eu im lateinischen. 
Rhein. museum. XXXIV, 1879, p. 17 ff. 

3. G. Wissowa, Analecta Macrobiana, Hermes XVI, 1881, 
p. 499 ff. 

4. Frid. Boettner, de Quintiliano grammatico part. l. Halis 
Saxonum 1877. 8. 

5. F. L. Lentz. Wissenschaftliche monatsblütter. Jahrg. 5. 
1877, p. 185. 

6. O. Siesbye. Nordisk Tidskrift for Filologi. Kjöbenhavu 
1879 —80, p. 45. M. C. Gertz ebend. p. 58. 

7. H. Klammer, Thesis 6 und 7 in Animadversiones An- 
naeanae. Inauguraldissertation von Bonn 1878. 8. 

8. R. Elucald im Philol. Anzeiger IX, 1878, p. 566. 

9. Ferd. Becher, Quaestiones grammaticae et criticae. Progr. 
von Ilfeld. Berlin 1879. 4. 
10. Derselbe zu X, 1, 91 im Philol. XXXIX, p. 181. 
11. Nolte in der Z. f. oesterr. gymn. XXX, 1879, p. 167. 
12. F. Schoell , Kritische bemerkungen zu Quintilian I. 0. 
‚ce. 1 im Rhein. Museum 1879, p. 81—89. 
13. Derselbe, Nachtrag dazu im Rhein. Museum. XXXV, 
». 639. 
| 14. Chr. Thurot, Revue de philologie. IV. Paris 1880. 
. 24. 
i 15. Edm. Giinther, de coniunctionum causalium apud @uinti- 
lianum. Halis Saxonum 1881. 8. 

16. C. Bohlmann, 1. Thesis in de attractionis usu et pro- 
gressu. Inauguraldissertation von Breslau. 1882. 8. 


I. X 





142 Jahresberichte. 


17. Adolph Bohlmann, 5. Thesis in Antiphontea. Inaugural- 
dissertation von Breslau 1882. 8. 

18. P. Hirt, Quintilian buch X. Z. f. d. gymnasialwesen 
XXXVI. jahrg. Berlin 1882. 

19. M. Fabii Quintiliani, Instit. orat, lib. decimus, Erklärt 
von E. Bonnell, 5. auflage von F. Meister. Berlin 1882. 8. 

20. lli 176 maga Koivwisav@ aasdaywysxng évaloiuoc 
diaresBn Midteadovl. Bourcavov. “Ey AM9rvoi; 1879. 8. 

21. L. Nicolai, Elemente der philosophischen paedagogik in 
Quintilian. Allgemeine schul-zeitung 1880. 

22. G. Lindner, Marcus Fabius Quintilianus,  Rednerische 
unterweisungen. Wien 1881. 8. 

23. K. v. Morawski, Bemerkungen zu den sogenannten quin- 
tilianischen declamationen. Z. f. d. ósterreich. gymnasien 1881, 
. 1 ff. 

i 24. Constantin Ritter, Die quintilianischen declamationen. 
Freiburg i. Br. und Tubingen 1881, XIV, 272 p. 8. 


1. Theodor Mommsen, Vitorius Marcellus. Hermes XIII, 1878, 
p. 428—430. Marcellus heisst der mann, welchem Quintilian sein 
werk: De institutione oratoria gewidmet hat. Sein name wird im an- 
fang des provemiums genannt: an vier andern stellen wird der volle 
name des freundes angegeben, nümlich 1, prooem. 6, IV, prooem. 
1, VI, prooem. 1, XII, 11, 31: an allen steht in den besten hand- 
schriften M. oder Marce, nur 1, prooem. 6 in der münchener rich- 
tig Marcelle, in den ausgaben ist der name richtig wiedergegeben. 
Um so mehr ist es zu verwundern, dass der andere name, trotz- 
dem dass er in den besten handschriften richtig überliefert war, 
beharrlich falsch geschrieben wurde: jetzt weist Mommsen nach, 
dass nicht Victorius zu schreiben ist, sondern Vitorius. Unser Vi- 
torius Marcellus ist identisch mit dem freunde des Statius, dem der 
dichter das vierte buch der Silven gewidmet und an den er das 
vierte gedicht desselben buches gerichtet hat: ja noch mehr, ihm 
ist bei beiden scliriftstellern (Quint. 1 prooem. 6, Statius Silv. IV, 
4, 71) sein sohn Geta von den neuesten herausgebern wieder ge- 
geben worden, wührend man bisher, wenn auch leise bedenken z. b. 
von Pithoeus geäussert wurden, mit grósster zühigkeit bei Quint. 
an dem unpassenden nato festhielt, bei Statius an geres. Dieser 
Geta nun ist es, also der sohu unsres Marcellus, welcher in den 
neu gefundenen urvalacten der jahre 118— 120 ófters genannt wird 
als arvale, C. Vitorius Hosidins Geta. Sein name bietet eine si- 
chere stütze für die richtige schreibuog auch des vaterlichen na- 
mens des Vitorius Marcellus, welcher nicht aus senatorischem ge- 
schlechte abstammte, dessen vater aber dem ritterstande angehörte, 

2. Th. Birt, Ueber die vokalverbindung ew im lateinischen. 
Rhein. Museum XXXIV, 1879, p. 17 ff. Ein beispiel der abusio 





Jahresberichte. 143 


bei den tragikern, das sich bei Quint. VIII, 6, 35 findet, verbes- 
sert Birt zweifelsohne richtig in Aegialeo parentat pater: die abusio 
besteht darin, dass das parentare vom vater ausgesagt wird, wäh- 
rend der usus nur umgekehrt ein Aegialeus parentat patri zugelassen 
batte. indessen ist die emendation nicht neu, sondern von Gerts 
schon vorweggenommen, vgl. meinen jahresb. im Philol. XX XVIII, 
p. 172. Vortrefflich ist die behandlung einer anderen, schwierigeren 
stelle 1, 5, 22 p. 19 ff., welche bisher trotz wiederholter versuche 
nicht geheilt worden ist. Quintilian bespricht nämlich mehrfache 
falsche betonung, welche dem griechischen nachgebildet aber deu- 
noch im rómischen unstatthaft sei und gibt für jede fehlerbafte aus- 
sprache ein beispiel. Wahrend nun die beiden ersten puncte klar 
‘ sind und durch die beispiele jeder zweifel beseitigt wird, so lässt 
sich dies nicht in gleicher weise von dem dritten behaupten. Die 
worte lauten: aut flera pro gravi aut apice, circumducta sequenti, 
quam ex duabus syllabis in unam cogentes et deinde flectentes du- 
pliciter peccant, also als fehlerhaft wird es gerügt, die beiden un- 
betonten endsilben eines wortes zu einer zusammenzuziehn und dann 
zu circumflectiren, d. h, diese endsilbe zu einer langen betonten 
zu machen. Anstössig sind die worte aut apice, wie in einigen 
handschriften steht, woraus Spalding ut Appi conjicirte: in den 
besten handschriften steht nur ut. Birt empfiehlt sehr glücklich 
ut Marcipor, mit hinweisung auf I, 4, 26, wo Marcipores Pu- 
bliporesque citirt wird, Interessant ist die nachweisung, dass das- 
selbe beispiel von Consentius in seiner Ars de nomine et verbo un- 
gewendet wird, ja, dass ganz in derselben weise, wie an unserer 
stelle, dasselbe wort Atreus als beleg für die fehlerhafte aus- 
sprache griechischer namen angegeben wird, das man also in 
früherer zeit Atréus ausgesprochen hat. Weiter macht Birt dar- 
suf aufmerksam, dass Quintilian und Consentius auch in anderen 
dingen mit einander übereinstimmen, wesbalb auch I, 5, 17 énsour- 
aloıpny zu schreiben sei, und macht es sehr wahrscheinlich, dass 
Remmius Palaemon, der lehrer Quintilian's, die gemeinsame quelle 
für beide sei, der unter anderen durch die worte doctissimi senes 
angedeutet werde. 
3. G. Wissowa, Avalecta Macrobiana in Hermes XVI, 1881, 
p. 499 ff. Wissowa weist die eigenthümliche ähnlichkeit einiger stel- 
len Quintilians mit Macrobius Saturnalien nach, so Vl, 3, 59 mit 
II, 4, 3 — VI, 3, 64 mit II, 4, 6 — VI, 3, 87 mit ll, 6, 2 — 
VI, 3, 109 mit Il, 3, 7 — VI, 3, 111 mit II, 3,8. Bei der im- 
merhin noch verbleibenden verschiedenheit ist der gedanke an di- 
recte entlehnung ausgeschlossen; eine eingelende vergleichung von 
VI, 3, 3 fl. mit Macrobius Il, 1, 12 lehrt, dass beiden eine ge- 
peinsame quelle zu grunde liegt, welche ersterer mit grösserer 
selbstandigkeit des urtheils behandelt, nämlich ein buch des Domitius 
Marsus, eines freundes Virgil's und Tibull’s (gestorben vor Ovid's 


4 





144 Jahresberichte. 


verbaunung), de urbanitate, welches Quint. VI, 3, 102 ff. 108 111 
rühmend erwühnt. 

4. Fridericus Boettner, de Quintiliano grammatico part. | 
Quintiliani de accentu et de nominum verborumque declinatione 
praecepta. Dissert. inaug.  Halis Saxonum typis Karrasianis 1877. 
8. 36 p. (J. Claussen in Philol. Anzeiger IX, 1878, p. 166—168). 
Im jahre 1876 hatte die philosophische facultüt der universität 
Halle als thema für die preisaufgabe gestellt . . Quintiliani de arte 
grammatica praecepta. componantur et explicentur. Der verf. oben 
genanuter schrift lóste die aufgabe so, dass ihm von der facultät 
der preis zuerkannt wurde und veröffentlichte behufs erlangung 
der doctorwürde einen theil seiner umfangreichen arbeit und zwar 
denjenigen, welcher von dem accente der Rómer und von der de- 
clination der nomina und verba handelt. Die behandlung der ac- 
centlehre nôthigt ihn auf einige stellen nüher einzugehn, welche zu 
verschiedenen conjecturen veranlassung gegeben haben, so 1, 5, 30 ff. 
wo er sich nicht nur mit Claussen u. a. für streichung der worte 
qui in eadem [lera eb acuta, als einer dittographie entscheidet, 
sondern auch annimmt, dass mehrere sütze è. 30 und 31 von trium 
porro — ne sit aliqua vox sine acuta nicht von Quintilian her- 
rühren, sondern, allerdings schon in früher zeit, von abschreibera 
hinzugefügt seien, welche die allgemein gehaltenen lehren Quinti- 
lians spezieller durchführen wollten. Diese annahme hat ihre 
grossen bedenken und ruft statt die vorhandenen schwierig- 
keiten zu beseitigen, nur wieder neue und womöglich grössere 
hervor. 1, 5, 62 entscheidet sich Boettner gegen conjecturen frü- 
herer gelehrier, ebenso wie gegen Claussen’s vorschlag, den ganzen 
satz zu streichen, er selbst empfiehlt: quia longa sequente pri- 
mam acui noster sermo non patitur: sequens in der bedeutung von 
secundus, wie 2. 23 u.a. Ebenso hat schon J. Müller, Bursian’s Jah- 
resb. IV, 2, p. 271 vorgeschlagen longa sequenti. 1, 5, 24 
entscheidet sich Boettner p. 9 mit recht für den nominativ Atreus, 
Q. 23 gegen Appi, ohne etwas besseres beizubringen. Mittlerweile 
ist das richtige von Birt gefunden, vgl. oben p. 143. Im zweiten 
theile seiner dissertation von p. 13 an spricht B. de declinatione 
nominum et verborum sive de partibus orationis. In bezug auf die 
eintheilung der wortarten schliesst sich Quintilian an seinen lehrer 
Palaemon, dieser wieder an Aristarch an und nimmt acht wort- 
classen an, beschäftigt sich aber eingehend nur mit zweien, näm- 
lich dem nomen und verbum. Die leliren, welche Quintilian in die- 
sem capitel gibt, so knapp er sie für seinen vorliegenden zweck an- 
gibt, stellt B. verstándig zusammen, mit berücksichtigung alles des- 
sen, was. hierher gelürt, Im einzelnen empfiehlt er p. 21 mit G. 
Hermann, Ritschl! u. a. 1, 5, 12 zu schreiben Metioeo Fufetioeo oder 
Mettoeo Fufettoeo; ausführlich wird p. 25 ff. behandelt I, 6, 27 
und Spaldings conjectur cum senatus ,,senati an ,senatus* faciat 





Jahresberichte. 145 


gebilligt. Ansprechend ist die vermuthung IX, 4, 39 im anschluss 
an Ribbecks emendation dice facieque (dicae faciaeque Gertz) 
zu schreiben d. f. m litterae emollita; 1, 5, 15 tritt B. mit 
Spalding für die streichung der worte et pondo ein, welche auch 
Halm eingeklammert hat. Zum schluss bleibt mir nur noch übrig, 
den wunsch auszusprechen, dass dr. Boettner, seit mehreren jahren 
mein verelrter college, uns recht bald mit dem zweiten theil sei- 
ner arbeit erfreuen möge. 

9. F. L. Lentz, Wissenschaftliche monatsblütter, jahrgang 5, 
1877, p. 185. Auf p. 153 behauptete Lentz in einem artikel Pli- 
piana |l, dass reddere mit einem adjectivum iu der bedeutung von 
facere (placidum reddere gleich placare, irritum reddere gleich 
vereiteln) sich ebenso wenig wie bei Plinius, auch bei Quintilian 
I. o., Sallust und Tacitus finde. Diese angabe berichtigt derselbe 
p. 185 und bringt als beleg für diesen gebrauch ein beispiel, wel- 
ches auch Bonnell im Lex. Quint. p. 767 übersehn hat, nämlich 
XII, 11, 13 omnia enim breviora reddet ordo et ratio et mo- 
dus. IX, 3, 40 in qua et primum verbum longo post inter- 
vallo redditum est ultimum. So schrieb Halm aus conjectur, wäh- 
rend die handschriften haben primo verbo; Lentz sucht die überlie- 
ferung zu halten durch vergleichung von vox voci redditur d. i. 
„entspricht“ z. b. beim echo: dass man so sagen kann, lässt sich 
wohl nicht in abrede stellen. X, 1, 54 Apollonius —- non tamen 
contemnendum reddidit opus. Da die handschriften schwanken 
zwischen reddit (G.) reddidit (codex Almen.) und edidit (L. S.), 
so entscheidet sich Lentz für edidit, als das an unserer stelle erfor- 
derliche wort, wührend reddere vom schriftsteller gesagt nur be- 
deute anführen (und besprechen). 

6. O. Siesbye in Nordisk Tidskrift for Filologi Fjerde Bind 
Kobenhavn 1879 —80, p. 45. In der besprechuog von R. J. F. 
Henrichsen, Opgaver til Oversaettelse fra Latin paa Dansk Kjoben- 
havn 1878 vertheidigt Siesbye I, 1, 20 et numquam non fecisse 
se gaudeat gegen die lesart der alten ausgaben scisse durch 
eine anzahl von beispielen, welche bei Freund unter facio Il. C. 
steho. X, 3, 25 bespricht er die -oft behandelten worte Ideoque 
lucubrantes — et lumen unum velut. tectos maxime teneat. und 
entscheidet sich für rectos. |n dem folgenden paragraphen kehrt 
er zu der bandschriftlichen lesart aut deerit zurück. 

M. C. Gertz an derselben stelle p. 58. In Naglo kritiske 
bemaerkninger til Henrichsens Opgaver u. s. w. behandelt Gertz 
X, 3, 29 et itinere deerremus. Handschriftliche überlieferung in 
B ist itane deerremus, itinere haben die alten ausgaben. Gertz 
glaubt, wenn ich seine worte richtig verstanden habe, der überlie- 
ferung am nüchsten zu kommen durch itinere erremus (er- 
remus Mb). 

7. Hermann Klammer, Animadversiones Annseanse gramma- 


Philologue. XLIL bd. 1. 10 





146 Jahresberichte. 


ticae. Dissert. inaug. Bonnae. "Typis Caroli Georgi, Univ. Ty- 
pogr. 1878. 8. 70 p. Am schluss seiner dissertation bietet 
uns Klammer unter deo thesen zwei conjecturen zu Quintilian. 
Thesis 6: IV, 1, 8 in his quoque commendatio tacita, si nos in- 
firmos, imperitos, impares agentium contra ingeniis dixerimus: 
aber imparatos, was Ab haben, ist ohne anstoss, In der sie- 
benten these schlägt er vor ll, 16, 5 et in his, qui philosophorum 
nomine utuntur mit binweglassung von male zu schreiben; mit 
unrecht. Hatte Quintilian sich so allgemein ausdrücken wollen, wie 
vorher bei der erwühnung der ürzte, dann hatte er sich nicht die- 
ser phrase bedient, welche in der von Klammer angenommenen be- 
deutung weder gebräuchlich, noch überhaupt zulässig ist. 

8. R. Ehwald im Philol. Anzeiger IX, 1878, p. 566. An- 
zeige der Emendationes Quintilianeae von Gertz. Elwald vermu- 
thet VII, 6, 3 qui ex hac natus est, quae nunc meretrix est. 
IX, 4, 147 us numeri sponte fluxisse et accessisse — videan- 
tur. — Doch ist arcessisse der handschriften, worin Gertz ac ve- 
nisse, Ehwald et accessisse vermuthet, aus dem folgenden arcessiti 
entstanden und zu streichen, Xl, 1, 83 ne denique legem quandam 
suis quoque ipsius liberis daret wenig ansprechend, 87 repre- 
hensa alia laude conpenses, 92 quod facile credideris consequi mit 
der Müuchener handschrift, wo von Regius passend cum te einge- 
fügt ist, XII, 10, 51 Itaque non illa modo (nämlich oratio scripta), 
non illas modo hat GMS. 

9. Ferdinandus Becher dr. phil. Quaestiones grammaticae et 
criticae ad Quintiliani librum decimum.  Separat-abdruck aus dem 
programm der klosterschule zu llfeld von 1879. Berlin, Weid- 
maun'sche buchhandlung 1879. 8. 26 p. Die fleissige und ge- 
wissenhafte abhandlung zerfälll in vier theile, der erste und zweite 
geben schützenswerthe beitráge zur historischen grammatik, die bei- 
den letzteren zur kritik des schriftstellers. In dem ersten handelt 
der verf. nach einem kurzen literaturbericht, unter mehrfacher be- 
ziehung auf Draeger, Histor, syntax und Naegelsbach, Lat. stili- 
stik, p. 3— 10 von den präpositionen, in dem zweiten p. 11—16 
von dem pronomen. Wir wollen mit dem verf. nicht darüber 
rechten, ob es sich überhaupt empfiehlt, derartige untersuchungen 
auf ein einzelnes buch zu beschrünken, um so weniger, als ja auch 
der verf. selbst einzelne beispiele aus andern büchern wählt, son- 
dern vielmehr den wunsch aussprechen, dass dieser schöne anfang 
erweitert werden und zu einer vollständigen bearbeitung des in 
manchen puncten ebenso schwierigen als interessanten stofles füh- 
ren möge. Behandelt werden nach einander mit vielen guten 
und sachgemässen bemerkungen die prüpositionen in, ad mit einem 
interessanten excurs über den bei Quintilian gar nicht so seltenen 
gebrauch des ablativus, dativus und genitivus des neutrums von ad- 
jectiven und participien, ferner a, ante, circa und citra, ex, 





Jabresberichte. 147 


extra, ultra, supra, intra, inter, per, praeter, pro, 
propter. Im zweiten theile wird der gebrauch von ipse, ali- 
quis, quidam, quidlibet und quisquam besprochen und ge- 
legentlich mehrere stellen, über deren erklärung die ansichten sehr 
auseinandergehn, angemessen erörtert, so X, 2, 17 ideoque qui hor- 
ride atque incomposite quidlibet illud frigidum et inane extule- 
runt, antiquis se pares credunt , woran übrigens nach meiner mei- 
nung nichts zu ändern ist, 1, 60 plurimum sanguinis atque nervo- 
rum, (in Archilocho) adeo ut videatur quibusdam, quod quoquam 
minor est, materiae esse, non ingenii vitium u. a. Die bespre- 
chung derjenigen stellen, bei denen er mit der bisherigen erklürung 
nicht einverstanden ist, beginnt er mit 1, 46 igitur, ut Aratus ab 
love incipiendum putat, ita nos rite coepturi ab Homero vide- 
mur. Den ungewóhulichen ausdruck sucht er durch eine art el- 
lipse zu erklären nos ab Homero coepturi rite coepisse videmur. 
Befriedigender ist die erklarung von Hoppe in dem programm des 
gymnasiums in Gumbinnen 1879, nach welcher das participium des 
futurums ohne esse den infinitiv des futurums ersetzt, ahnlich VI 
prooem. 1 hanc optimam partem relicturus hereditatis videbar 
und V prooem. 5 eius praecepta sic optime divisuri videmur. 
Daran schliesst sich passend die besprechung mehrerer stellen, in 
denen videri in ungewöhnlicher construction vorkommt, besonders 
2, 18 noverum quosdam, qui se pulchre expressisse genus illud cae- 
lestis huius in dicendo viri sibi viderentur, si in clausula po- 
suissent esse videatur. Es ist wohl anzunehmen, dass mihi 
videlur mit folgendem accus. cum infin. keine andere bedeutung 
bat, als mihi placet vgl. Heine zu Cic. Tusc. V, 5. Ansprechend 
ist die vermuthung Becher's zu 1, 77 grandi oratori in ple- 
nior Aeschines et magis fusus et grandiori similis. Auch 1, 83 
nam in Theophrasto tam est loquendi nitor ille divinus, ut 
trifft er nach des ref. ansicht das richtige, indem er tam mit di- 
vinus verbindet. 1, 7, 21 Gai primum Caesaris inscriptione 
tradilur factum empfiehlt Becher nicht ohne bedenken scriptione, 
was schwerlich beifall finden wird, HI, 17, 25 et medicus sani- 
tatem aegri petit: si tamen aut valetudinis vi aut intemperantia 
aegri aliove quo casu summa non contingit dum ipse omnia se- 
cundum rationem fecerit , medicinae fme non ezcidet. Spalding 
nahm an summa so grossen anstoss, dass er es beseitigen wollte: 
Becher schlagt mit geringer wahrscheinlichkeit dafür humano 
vor. X, 1, 48 Age vero, non ulriusque operis sui ingressus in 
paucissimis versibus legem prooemiorum non dico servavit, sed con- 
stituit? Becher versucht durch eine neue erklärung zu helfen uud 
die überlieferte lesart ingressus zu halten, indem er dies für den 
genitiv halt, abhängig von versibus. Wiewohl diese construction 
zulässig wäre, so leidet sie doch an grosser schwerfälligkeit; si- 
cherer scheint es, an der conjectur des Badius ingressu festzu- 


10° 





148 | Jahresberichte. 


halten und mit Halm in hinzuzufügen. Sehr bedenklich ist die 
von Becher vorgeschlagene umstellung X, 3, 10 resistamus ut pro- 
videamus et — coerceamus in provideamus ut resistamus et — coer- 
ceamus. Dagegen hat das vou ihm X, 3, 25 vermuthete recon- 
ditos viel fiir sich, richtig hat er X, 1, 68 die conjectur Hulms 
quem ipsum quoque statt des handschriftlichen quod ipsum quoque 
zurückgewiesen, I. 11, 10 die lesart des A. cum alterum in verti- 
cem tenderet (statt tenderent) vertheidigt, X, 2, 13 die hand- 
schriftliche überlieferung accommodata sit gegen Halm's ver- 
muthung accommodata est und Madvig’s accommodanda sit. Mit 
vollem rechte entscheidet sich Becher X, 1, 16 für nec ambitu 
rerum sed rebus incendit. Gelungen sind die emendationen Il, 13, 
9 nam recti. quidem corporis vel minima gratia est: nempe enim 
adversa est facies und X, 3, 20 at idem ille qui excipit, si tar- 
dior in scribendo aut incertior in intellegendo (statt legendo): 
interessant ist es, dass letzteres fast zu gleicher zeit auch von I. 
Müller und H. J. Müller vorgeschlagen worden ist. 

10. Derselbe zu Quintiliau X, 1, 90 im Philologus XXXIX, 
p. 181. Becher vertheidigt geschickt das überlieferte propius 
gegen Halm's vermuthung promptius durch den hinweis auf Verg. 
Aen. 1, 526: propius adspicere, audire heisst nicht nur aus grós- 
serer nähe ansehn oder anhóren, sondern auch mit grüsserer theil- 
nahme, mit höherem interesse. 

11. Nolte in der zeitschrift für die österreichischen gymna- 
sien XXX, 1879, p. 167. XI, 3, 168 nam neque ille per Ma- 
rathonis et Plataearum et Salaminis propugnatores recto sono iu- 
ravit, nec ille Thebas ser mone deflevit. Nolte nimmt daran an- 
stoss, dass zu sermone, welches dem recto sono gegenübergestellt 
ist, kein adjectivum hinzugefügt ist und empfiehlt ein wort, dem 
es an üusserer wahrscheinlichkeit allerdings nicht gebricht, da es 
zwischen Thebas und sermone sehr leicht ausfallen konnte, námlich 
asso; trotzdem verdient es wegen seiner seltenheit an unsrer stelle 
keine beachtung. Il, 15, 1 ante omnia, quid sit rhetorice: quae etc. 
Während Spalding und Halm den indirecten fragesatz von dem vor- 
angehenden ordiar abhüngig machen und annehmen, dass uns hier 
eine falsche capitel-eintheilung vorliege, nimmt Nolte eine lücke an 
und schlägt vor, dieselbe — äusserlich nicht unwahrscheinlich bei 
pachfolgendem quae — durch quaeritur (ohne quae) auszufüllen. 
Nothwendig ist die ergünzung nicht, aber immerhin beachtenswerth. 
Zu bemerken ist übrigens, dass Nolte diese conjectur bereits im 
Philologus XXI, p. 307 mitgetheilt hat (vgl. unseren Jahresber. 
im Philol. XXXV, p, 686). 

12. Fritz Schoell, Kritische bemerkungen zu Quintilian 1. 
O. l. X, c 1 im Rheinischen Museum 1879, p. 84— 89. Ein 
lehrreicher beitrag zur kritik Quintilians, der auch ohne die ge- 
harnischte einleitung sich die geltung, die er beansprucht, hatte 





Jahresberichte. 149 


verschaffen kónnen. An der ersten stelle 1, 2 verhilft Schoell der 
Vulgata zum recht, indem er verlangt: quo quaeque sint modo 
scribenda; quae quoque modo wie in G steht, hat meines wissens 
zuerst Halm aufgenommen, nach ihm Bonnell (in der ausgabe des 
X. buches) und Krüger, während in den meisten älteren ausguben 
quo sint quaeque modo scribenda sich findet. Im dritten paragra- 
phen hat noch niemand an dem sonderbaren ante omnia est anstoss 
genommen, Schoell vermuthet dafür ante omnia stat, oder, was 
mir wahrscheinlicher ist, ante omnia necesse est Ohne grund 
wird 2. 4 eum qui — verba — conlocandi rationem perceperit, 
instruamus, qua ratione quod didicerit facere quam optime, quam 
facillime possit das wort ratione, welches zuerst in der Cólner 
ausgube 1527 erscheint, statt der handschriftlichen überlieferung in 
oratione, nur der lästigen wiederholung wegen, gestrichen. Ebenso 
grundlos tadelt Schoell 8. 15 die von Regius herrührende conjectur 
hoc für haec, welches letztere sich übrigens auch in älteren aus- 
gaben, so in der Baseler 1555 und der Leydener 1665 findet; 
„haec exempla, die aus der lectio und auditio geschöpften, werden 
in ihrer wirkung den in theoretischen handbüchern und vorlesungen 
gegebenen gegenübergestellt; jene sind wirksamer, weil sie unmit- 
telbar das gemüth berühren, nicht durch absonderung und einfügung 
in die trockne theorie abgeschwächt werden“. Dieser gedanke soll, 
woran man zweifeln darf, in den überlieferten worten etiam ipsis (sc. 
exemplis) quae traduntur artibus enthalten sein, doch da ipsis allzu na- 
türlich mit artibus verbunden werde, andererseits etiam müssig, ja 
störend sei, so sei wohl zu schreiben quam i. q. tr. a. Zu. 16 
erhalt die oben gebilligte ansicht Becher’s, dass ambitu in den 
text aufzunehmen, imagine als glossem zu streichen sei, auch durch 
Schoell ihre bekraftigung. Zu $. 22 (nicht 23) emendirt Schoell 
ansprechend VI, 1, 20 ut Servium Sulpicium Messala contra 
Aufidiam, ne signatorum, ne ipsius discrimen obiciat sibi prae- 
monet: ebenso §. 28 non per omnia poetas esse oratori sequendos 
— poeticam (oder nosnzıxnv) ostentationi compositam (und 
§. 31 poeticae für poesi). Es ist sehr wahrscheinlich, dass das 
griechische wort die veranlassung zur verderbniss gegeben, aber 
etwas zweifelhaft, dass die dholiche stelle VII, 13, 11 directen 
einfluss auf die unsrige geübt habe. §. 39 conjicirt Schoell: qua 
apud Livium in epistula ad filium praescribitur oder qua praecipit 
Livius in ep. ad filium, doch ist diese änderung nicht nothwendig, 
weil von brevitas illa gar wohl ein accus. cum inf. abhängig sein 
kann. §. 56 wird die von Halm angewendete interpunction (komma 
nach Virgilius idem) mit recht gebilligt. §. 72 tadelt Schoell I. 
Müller, weil er cum venia in der hergebrachten weise vertheidigt 
und die Ovidische stelle Trist. IV, 1, 102 cum venia facito, quis- 
quis es, ista legas, die gar nicht hierher passe, wie andere vor ihm, 
verglichen habe. Er selbst schlügt dafür cum iudicio vor, aber so 





150 Jahresberichte. 


fest er auch von der richtigkeit seiner emendation iiberzeugt ist, 
so glaube ich doch, dass I. Müller, Jahresberichte über die fort- 
schritte der classischen alterthumswissenschaft. Siebenter jahrgang 
1879, zweite abtheilung, p. 169 mit seiner erklärung recht behalt, 
welche folgendermasseu lautet: zwar hat Menander alle vertreter 
der neueren komüdie durch seine glänzende beriibmtheit in dunkel 
gehüllt d. h. seine claritas hat bewirkt, dass sie nicht mehr 
gelesen, also auch von dem künftigen redner für seine speziellen 
zwecke nicht durchmustert werden, weil man eben in Menander 
alles findet, in jenen nichts zu finden vermeint ; dennoch bieten auch 
andre komoediendichter ausser ihm (nicht alle dichter der neueren 
komoedie) wenn man das vorurtheil ihrer absoluten werthlosig- 
keit der Menandrischen trefflichkeit gegenüber überwindet und sie 
liest, wobei man freilich manche schwächen in kauf 
nehmen muss, wenn auch nicht vieles, so doch mancles, was 
man aus ihnen für die zwecke rednerischer ausbildung entnehmen 
kann. $. 77 vermuthet Schoell scharfsinnig: plenior Aeschines et 
magis fusus et gladiatori similis. Seine beweisführung hat 
viel bestechendes und ist dennoch nicht überzeugend. An demselben 
worte hat, wie wir oben erwahut haben, auch Becher anstoss 
genommen, vgl. p. 147. 

13. Fritz Schoell, Nachtrag zu band XXXIV, p. 84 ff. über 
Quintilian X, 1 im Rhein. Museum XXXV, p. 639. In dem nach- 
trag, welcher wesentlich gegen J. Müller gerichtet ist, gibt Schoell 
ihm nur in der besprechung über $. 4 recht, dagegen halt er in 
bezug auf $. 15. 39 und 72 an seiner meinung fest. 

14. Chr. Thurot in Revue de philologie de litterature et 
d'histoire anciennes, Nouv. Série continué sous la direction de Chr. 
Thurot, ©. Riemann et Em. Chatelain. Année IV. Paris 1880. 
p. 24. X, 1, 66 tragoedias primus in lucem Aeschylus pro- 
tulit. Mit rücksicht auf das folgende: sed longe clarius inlustra- 
verunt hoc opus Sophocles atque Euripides nimmt Thurot an, dass 
es sich hier nicht um einzelne tragödien, sondern um die gattung 
handle und deshalb zu schreiben sei tragoediam. Referent 
vermag darin keinen zwingenden grund für die änderung zu er- 
kennen. 

15. Edmundus Günther, De conjunctionum causalium apud 
' Quintilianum usu. Dissert. inaugur. Halis Saxonum 1881. Typis 
Kosmaelianis, Krotoschini. 8. 47 p. Die abhandlung entbált einen 
beachtenswerthen beitrag zum gebrauch der conjunctionen in der 
silbernen latinitit, vorzugsweise bei Quintiliun. Mit grosser um- 
sicht und besonnenem urtheil werden die einzelnen conjunctionen 
besprochen und die verschiedenheit in der bedeutung und in der 
construction an sorgfältig ausgewählten und vollständig citirten 
beispielen nachgewiesen. Das grösste interesse nehmen ohne zwei- 
fel quia und quod für sich in auspruch, denen der verf. 34 seiten 


Jahresberichte. 151 


widmet, wührend er die andern, quoniam, quando, quatenus, siquidem, 
quippe, q. qui, q. cum, ut qui auf zusammen 7 seiten abmacht. 
Auch bei behandlung einzelner stellen, bei denen er mit den neue- 
ren herausgebern nicht übereinstimmt, müsseu wir iu der regel eben- 
sowohl seine bedenken als begründet anerkennen, als auch seiner 
entscheidung uns anschliessen, z. b. p. 19 wo er zu VII, 3, 9 an 
dem überlieferten sed quia necesse sit festhült gegen die von Halm 
gebilligte conjectur Spaldings est, p. 14, wo er zu VII, 3, 30 
quia venenum amatorium non sit dem Halmschen est mit recht vor- 
zieht. Auch p. 24 kehrter X,7, 13 gegen Halm zu der früheren schreib- 
weise quem — s. video, cum eo quod zurück, wo ich allerdings (s. 
unten nr. 19) uoch eine andere änderung vorgeschlagen, resp. in 
den text aufgenommen habe. Ebenso nimmt Günther p. 39 an der 
ähnlichen stelle XII, 10, 47 aus guten gründen anstoss an dem 
von Halm gewüuschten sunt und erklart sich p. 16 zu XII, 11, 16 
für die vulgata quia gegen quasi, was Halm in der handschrift- 
lichen lesart qua (mit folgendem sif) vermuthet. p. 17 ist XI, 
1, 61 fecerit nach optime wohl nicht nothwendig , sehr zweifel- 
hafter art ist der p. 34 mitgetheilte vorschlag eines ungenaunten 
freundes zu VIII, 6, 64 quam quo — mazime facere experiretur. 
Dagegen stimme ich Günther bei, wenn er p. 29 zu XII, 2, 31 
vorläufig an dem vorschlage Bonnell’s, dem Halm folgt, tantum 
quod et festhalt, als demjenigen, welcher vou den bisher gemachten 
erklarungsversuchen die meiste wahrscheinlichkeit hat. 

16. Carl Bohlmann, De attractionis usu et progressu etc. 
Dissert. inaug. Vratislaviae 1882. 8. Als erste thesis stellt 
Bohlmaon die vermuthung auf, dass X, 5, 1 nam id factum est 
et iam primo libro — et secundo zu lesen sei. Die handschriften 
haben übereinstimmend est etiam, eine ünderung findet also nicht 
statt. Und doch scheint mir diese verwerthung der überlieferung 
nicht annelımbar wegen der stellung von iam, welches man nach 
id erwartete, Dieselbe vermuthung hat übrigens schon im vorigen 
jebre Fr. Boettner gemacht und mir gelegentlich mitgetheilt. 

17. Adolph Bohlmann, Antiphontea. — Dissert. inaug. Vratis- 
laviae 1882. 8. In der fünften thesis schlagt Bohlmann vor X, 
1, 96 zu lesen: is erit Caesius Bussus, quem nuper amisimus 
(videmus G. vidimus die übrigeu handschriften) und beruft sich auf 
g. 90 multum in Valerio Flacco nuper amisimus. Aber auch hier 
liegt kein grund zu einer änderung vor, weder sprachlich noch 
sachlich ist an der überlieferung anstoss zu nehmen. 

18. P. Hirt, Quintilian. Buch X. Z. f. d. gymnasialwesen 
XXXVI jahrg. Berlin 1882. In seinem jahresbericht des philo- 
logischen vereins zu Berlin erwähnt Hirt p. 69 ohne nähere an- 
gaben einen vorschlag Moeller’s zu X, 3, 25 nümlilch statt des 
vielbesprochenen rectos zu schreiben custos. Derselbe vermuthet 
p. 70 zu X, 1, 4 statt qua ratione, welches allerdings wegen des 





152 Jahresberichte. 


unmittelbar vorangegangenen rationem lästig ist, qua exerci- 
tatione. 

19. M. Fabii Quintiliani lustitutionis oratoriae liber decimus. 
Erklärt von E. Bonnell. Fünfte auflage von dr. F. Meister. Ber- 
lin, Weidmanosche buchhandlung 1882. 8. 90 p. Abgesehn von 
dem gróssten theile der einleitung hat die neue auflage eine durch- 
greifende änderung erfahren, text und aumerkungen sind, soweit es 
nothwendig war, durchweg umgestaltet. Das verzeichnis auf dem 
letzten blatte des buches weist eine ziemlich betrachtliche zahl von 
stellen nach, an denen der text vou der Halm’schen ausgabe ab- 
weicht. Eigene vermuthungen habe ich neun in den text aufge- 
nommen, es sind dies folgende: 1, 23 steht in G causas utrisque 
erit. scire. Die lücke nach erit wurde in der Cülner ausgabe von 
1527 ansprechend durch utile erit ausgefüllt: eine eingehende 
vergleichung ergab jedoch, dass sehr viel gebräuchlicher als utile 
est ist non inutile est oder erit. Deshalb schien mir’s nicht 
nur rathsam, sondern sogar geboten, dem schriftsteller die ihm ge- 
lüufige redensart nicht ohne grund vorzuenthalteu, also zu schrei- 
ben: causas ut quisque egerit non inutile erit scire. Mit einigem 
widerstreben habe ich %. 33 adeo aufgenommen, in der bedeutung 
von itaque: vgl. darüber Bonnell’s Lexic. Quint. p. 20. Die hin- 
zufügung von Stoici Q. 35 mag sich melr durch den sinn und 
den gegensatz, als durch äussere anhaltepuncte rechtfertigen. è. 37 
steht in den handschriften qui sint quae. Die lücke nach sin 
füllte schon die Cölner ausgabe von 1527 durch legendi aus, eine 
zweite lücke nahm Halm nach quae an und schrieb quaeque: ein- 
facher dürfte mein vorschlag, legendi et vor quae einzuschieben, 
sein. % 45 qui sint his simillimi. Der siun verlangt den 
superlatiy nicht, die iiberlieferung in G. similibus (von derselben 
band corrigirt in simillimis) führt leicht auf similes oder si- 
milis, was man erwartet. Der änderung in 2. 69 praecipuus. 
Eum admiratus war der weg schon vorgezeichnet durch die alten 
ausgaben, in denen man gewöhnlich findet: praecipuus. Hunc et 
admiratus. Eine lücke habe ich angenommen @. 117 und nach 
urbanitas et sermo, wie die handschriften habeu, vorgeschlagen 
purus. 2, 8 nulla sit (est Fleckeisen) ars, qualis inventa est 
habe ich geschrieben mansit, was jedenfalls dem inventa est gut 
entspricht. Bei wiederholter betrachtung der worte 7, 1 intrare 
portum, ad quem navis accedere ete, habe ich mich von der noth- 
wendigkeit der conjectur Meiser's instar porius nicht überzeugen 
künnen und deshalb dieselbe aufgegeben. 7, 13 fübrt die lesart 
des Bamb. 2. h. videantur superfluere auf den plural videmus, 
der, wie mir scheint, den vorzug verdient vor video, von dem Halm 
annimmt, dass es aus cum eo entstanden sei, während ich keinen 
grund sehe, die phrase cum eo quod, die sich ausserdem noch Il, 
4, 30 und XII, 10, 47 findet, zu beseitigen. Sehr erfreulich war 





Jahresberichte. 153 


mir eine briefliche mittheilung des ober-bibliotbekar professor dr. 
von Halm aus dem juni d. j., dass er bei einer vor längerer zeit 
vorgenommenen neuen bearbeitung der drei letzten bücher des 
Quintilian in nicht wenig ünderungen ganz mit mir zusammentreffe. 
Zugleich theilte mir derselbe folgende treffliche emendation zu 1, 
103 mit: Bassus Aufidius — genere ipso probabilis, in partibus 
quibusdam suis ipse viribus minor. 

20. lJhgi tig naga Koivivitarò nardaywyixns evalospos 
diaipif Milreadou I. Bourcavon didaxıogos rig pidoco- 
gíag rov ty Auyla narericizulov. ‘Er °A9nvass Èx 100 1vro- 
youqeiov X. N. DidudéAgews. 1879. 8. 93 p. Nach seiner 
eigenen angabe p. 40 haben die palaeographischen übungen an der 
schönen Züricher Quintilianhandschrift unter leitung des professors 
A. Hug den verf. veranlasst, sich eingehend mit Quintilian zu be- 
schäftigen, besonders dem ersten buche, in dem eine ganze reihe 
von fragen besprochen, z. th. auch nur angedeutet werden, welche 
die püdagogen unsrer zeit lebhaft interessiren. Diese dinge nun 
sind es, welche Bgarouvog eingehend erörtert, deren werth und 
bedeutung für die gegenwart er festzustellen sucht. Diese erörte- 
rung, welche von p. 46 bis zum schluss reicht, klar, verständig 
und mit lebhaftem interesse für den gegenstand geschrieben, ge- 
winnt, ohne gerade etwas neues zu bieten, doch dadurch an be- 
deutung, dass die griechischen quellenschrifisteller Quintilians in 
den anmerkungen ausführlich citirt sind. Der erste theil des schrift- 
chens beschäftigt sich mit einer natürlich sehr knappen geschichte 
der römischen beredtsamkeit, ihrem allmahlichen, durch griechischen 
einfluss bedingten emporblühen, ihrem verfall unter den kaisern und 
behandelt ausführlich Quintilian, der dadurch dass er hohe sittliche 
anforderungen an deu redner, überhaupt an jeden, der eine höhere 
bildung sich anzueignen bemüht war, stellte, nicht nur zu seiner 
zeit, sondern auch später einen ausserordentlichen einfluss auf die 
bildung und veredlung gewonnen hat. Das dem büchlein beigegebne 
druckfehlerzeichnis ist sehr unvollständig: es finden sich ausserdem 
viele verselien, besonders in lateinischen und deutschen citateu z. b. 
p. 29, 6 Gracchi que 17 appeles st. appelles p. 30, 5 fuerat 
st. fuerunt 20 an st. ac 22 reperiuntur st. reperientur 28 
formitudinem st. fortitudinem p. 37 amm. querenda st. quaerenda, 
credendum que, solatium fehlt nach adversorum — p. 41 anm. quan- 
tam st. quandam, XVII, 1 st. XIII, 17, 1 p. 42 Mayer st. 
Meyer p. 45 1879 st. 1779  discur se selbts st. discourse selbst, 
shulen st. schulen, nacher st. nachher, sint st. sind p. 58 mus- 
siche unterricht st. musische unterricht, gennant st. genannt p. 60 
kórber st. kórper p. 93, 8 induerunt st. induruerunt. 

21. Dr. L. Nicolai, Elemente der philosophischen pädagogik 
in Quintilian. Allgemeine schul-zeitung, herausg. von dr. K. V. 


Stoy. 57. jahrg. Jena 1880. p. 269 ff. 293 ff. 303 ff. 333 ff. 





154 Jahresberichte. 


Nicolai stellt sich die aufgabe, die einzelnen ideen der philosophi- 
schen paedagogik Quintilians zu beleuchten, ihre spur und die form 
ibrer einkleidung in seinem werke nachzuweisen: zu diesem zwecke 
betrachtet er 1) die hygieine und 2) die gymnastik und, in- 
dem er dann zur eigentlichen erziehungslehre übergeht, A. die ho- 
degetik B. die polizei. Es ist ein übel ding, wenn die auf 
dem boden der praxis erwachsenen ansichten und bemerkungen des 
römischen altmeisters der pädagogik mit dem strengen maasse ei- 
ner modernen philosophischen schule gemessen werden, und doch 
halt Quintilian auch diesem examen tapfer stand. Die ausbeute ist 
zwar nicht sehr lohnend, da Quintilian, wie auch Nicolai richtig 
erkannt hat, seine bemerkungen immer auf einen bestimmten zweck 
zuspitzt und an eine systematische ordnung nicht entfernt gedacht 
hat; trotzdem aber zweifle ich nicht, dass der verf. bei erneuter 
vertiefung in den gegenstand und grösserer vertrautheit mit dem 
stoffe zu positiveren resultaten gelangen wird. 

22. Gustav Lindner, phil. cand. Marcus Fabius Quintilianus. 
Reduerische unterweisungen. (Paedagogische klassiker herausg. von 
dr. Gustav Adolf Lindner) Wien 1881. Verlag von A. Pichler’s 
witwe und sohn. 8. XXXVI. 241 p. Unter dem titel: Quin- 
tilian und seine zeit bespricht der verf. auf 36 seiten in popularer 
weise, in einem tone, der z. th. nicht maassvoll genug ist, alles, 
was dem, der sich näher mit diesem schriftsteller beschüftigen will, 
zu wissen wünschenswerth ist: dabei konnten einzelne abschnitte, 
namentlich der V. viel kürzer gefasst werden; es war durchaus 
nicht nóthig, dass Quintilian's eigene worte mit solcher ausführ- 
lichkeit wiedergegeben wurden. Die angabe der literatur p. XX XVI 
ist unzulánglich. Es folgt p. 1—185 eine übersetzung des 1. 2. 
10. buches und des 2. capitels (was nicht bemerkt ist) des 11. buches, p. 
186—241 ein anhang mit erlauterungen und zusützen zu einzelnen 
stellen des textes. Mit der auswahl des dargebotenen kann man 
sich nicht in allen puncten einverstanden erklaren: einzelne partien 
haben für den leserkreis, für den sie bestimmt sind, gar keinen 
werth, so besonders cap. 4—7 des 1. buches. Weit besser wäre 
es gewesen, allerdings auch viel schwieriger, über die I, 10 be- 
handelten hülfswissenschaften ausführlicher den leser zu belehren. 
Denn wie ich in einem früheren jahresbericht vgl. Philol, XVIII, 
p. 489 ff. gezeigt habe und neuerdings Birt in dem oben ange- 
zeigten aufsatz, setzen die mittheilungen Quintilians vollständige 
bekanntschaft mit dem von ihm behandelten gegenstand voraus und 
kóunen ohne diese genaueste kenntnis zum mindesten nicht voll- 
ständig gewürdigt werden. Es wäre eine überuus dankbare auf- 
gabe, gerade das 10. capitel für weitere kreise zu bearbeiten und 
z. b. die damaligen anforderungen resp. leistungen der schule in 
der mathematik darzulegen. Einen sehr lehrreichen beitrag hierzu 
liefert G. A. Saalfeld: Der griechische einfluss auf erziebung und 


Jahresberichte. 155 


unterricht in Rom, in Fleckeisen’s N. jahrbb. f. phil. und pädag. 
Leipzig 1882. p. 371 ff. 417 ff. Die übersetzung ist gut und 
fliessend: welche ausgabe derselben zu grunde liegt, ist nicht an- 
gegeben; die epoche machende Halm'sche ausgabe ist nirgends er- 
wähnt. 

23. K. von Moruwski, Bemerkungen zu den sogenannten 
quintilianischen declamationen. Z. f. d. österreichischen gymoasien 
1851. P. 1 12. Der verf. bekannt durch seine gelehrten Quae- 
stiones Quintilianeae Posnaniae 1874 beschäftigt sich nur mit den 
19 grösseren declamationen und sucht, ohne vorläufig auf Bur- 
maun's vermuthung einzugehn, dass sie sprachlich von einander ab- 
weichen und deshalb verschiedenen verfassern angehören, im ge- 
gensatz zu Teuffel, Röm. lit p. 743, welcher annimmt, dass sie 
von einem schüler Quintilian's verfasst sein mögen, den nachweis 
zu liefern, dass diese ansicht unhaltbar ist. Zuerst macht er auf 
die abundanz, den hang zu starken und übertriebenen ausdrücken, 
wahrscheinlich eine folge der rhetorischen declamationen, aufmerk- 
sam z. b. tumultus in der bedeutung von aufhäufung, auf den 
häufigen gebrauch starker epitheta wie infinitus, inauditus, zusam- 
mengesetzter verba statt der einfachen, wie immori, instringere, . 
collucere und auf den pleonasmus, welcher iu dem grade zunimmt, 
als die eiuzelnen wörter an werth verlieren. In einem zweiten ab- 
schnitt zeigt v. Morawski die sonderbare steigerung des positivs 
durch adverbia, wie bene, multum, satis, die umschreibung des com- 
parativs durch plus mit einem positiv, die doppelte steigerung durch 
magis mit einem comparativ. Die grósste eigenthümlichkeit und 
verschiedenheit wird in dem gebrauche der präpositionen uachge- 
wiesen, besonders der praposition de, welche bereits ziemlich häu- 
fig statt eines genit part. eingetreten ist. Daran reihen sich 
höchst interessante syntactische bemerkungen zur satzlehre: hierher 
gehórt die hüufige vernachlassigung der oratio obliqua nach verben 
sentiendi et declarandi, die anwenduug von quod nach denselben 
verben, von ut bei einigen ausdrücken, nach denen iu der classi- 
schen latinitat der accusativus cum infinitivo folgte, der gebrauch 
des indicativs in indirecten fragesátzen, die verbindung der verba 
capto, affecto, valeo, sufficio, sustineo, scio, adigor, festino, contemno, 
horreo mit dem infinitiv. Zum schluss stellt v. Morawski einige 
ausdrücke und redensarten zusammen, deren gebrauch uud bedeutung 
von der classicitát sehr stark abweicht, z. b. accidentia unfall, un- 
glück , figuratio einbildung, genus — modus, zahlreiche umschrei- 
bungen eines verbums oder eines adjectivums mit esse durch phra- 
sen mit habere und facere z. b. simulare . . hanc facilitatem habet, 
exilium facere verenden, das leben beschliessen, phrasen wie in ho- 
norem in rücksicht auf, beneficio durch vermittlung, hülfe, geradezu 
formelhaft gebraucht in der bedeutung von propter z. b. beneficio 
caecitatis. Diese sprachlichen beobachtungen bestimmen und berech- 





156 Jahresberichte. 


tigen den verf. auch ohne andere indicien die declamationen in 
eine weit spätere zeit, in die nähe des dritten jahrhunderts hinab- 
zurücken. 

24. Die Quintilianischen declamationen. Untersuchung über 
art und herkunft derselben von Constantin Ritter. Mit zwei fac- 
simile-drucken in holzschnitt und vier tabellen. Freiburg i. Br. 
und Tübingen 1881. Akademische verlagsbuchhandlung von J. C. 
B. Mohr (Paul Siebeck). 8. XIV. 272 p. Wie wir in dem 
vorwort lesen, hat Ritter die erste anregung zur untersuchung der 
im allgemeinen sehr vernachlässigten declamationen durch eine von 
der philosophischen facultat der universitat Tübingeu gestellte preis- 
aufgabe erhalten: nachdem er den preis gewonnen, unterwarf er 
seine arbeit einer wiederholten prüfung und durcharbeitung und 
veróffentlichte sie ein jahr spüter. |n dem uns vorliegenden werke 
haben wir einen genauen einblick in die mit grossem scharfsinn 
und unendlichem fleiss ausgefülrje detailforschung und finden oft 
gelegenheit die unerschópfliche geduld zu bewundern, mit der Ritter 
den spröden stoff nach den verschiedensten richtungen durchmustert. 
Die bei besprechung der vorhergehenden arbeit v. Morawski's an- 
gedeutete vermuthung Burmann’s, dass die grösseren declamatio- 
nen verschiedenen verfassern angehören, wird durch die eingehendste 
untersuchung Ritter's bestátigt und nachgewiesen, dass der werth 
derselben sehr ungleich ist. Das grösste lob wird der III. declam. 
gespendet, ihr am nächsten stehn und bilden mit Ill. eine gemein- 
same gruppe VI, IX, XII, XII; sehr viel tiefer steht gruppe Il, 
IV, V, Vil, VID, XI, XIV— XIX; am tiefsten | und X; ein stück, 
welches (nicht in allen ausgaben) seinen platz nach Ill gefunden 
hat Ib, trägt so sehr den stempel der unechtheit an sich, dass 
es ohne weiteres als ein machwerk des X. jahrh. bezeichnet wer- 
den kann und hier gar nicht weiter in frage kommt. Dieses re- 
sultat gewiunt der verf. zunächst durch verwendung künstlicher 
kriterien, ohne berücksichtigung der Institutio oratoria. In dem 
ersten theile nàmlich wird jede declamatio nach der elocutio d. h. 
in hinsicht auf correctheit, deutlichkeit und redeschmuck untersucht, 
ale aber unter einander verglichen. |n dem zweiten theile wird 
der inhalt der sorgfaltigsten prüfung unterworfen, die haupttheile, 
also prooemium, narratio, refutatio, argumentatio und peroratio wird 
ausführlich von jeder declamatio angegeben, daraus wird dann der 
schluss auf die inventio und dispositio gemacht und wieder eine 
vergleichung der einzelnen stücke vorgenommen, jetzt schon nicht 
mehr in der in den ausgaben üblichen reihenfolge, sondern mit als- 
baldiger verwerthung der gewonnenen resultate und unter zusam- 
menstellung des gleichartigen und zusammengehôrigen. Diese ar- 
beit, welche beinahe 200 seiten einnimmt, und nicht nur von einem 
ganz erstaunlichen fleiss, sondern auch von einem scharfen und ge- 
sunden urtheil zeugt, bildet den eigentlichen kern des buches; sie 


Jahresberichte. 157 


hat einen bleibenden werth und wird, wenn sich auch iiber das 
mehr oder weniger in einzelnen puncten, besonders bei der ver- 
gleichung des ühnlichen, streiten lüsst, ferneren untersuchungen über 
diesen gegenstand zu einer sehr willkommenen grundlage dienen. 
Wurden die declamationen bisher an und für sich als selbständige 
literarische erzeugnisse betrachtet, so wird in dem folgenden ab- 
schnitt die frage nach dem autor, und ganz selbstverstandlich die 
frage nach der autorschaft Quintilians aufgeworfen. Um diese zu 
lósen, werden alle einzeluen stücke nach der ausdrucksweise Quin- 
tilians in der [Institutio oratoria, sowie nach seinen theoretischen 
vorschriften über den ausdruck sorgfaltig geprüft: daraus ergibt 
sich, ganz entsprechend der ersten untersuchung, dass bei gruppe 
JUL ein innerlicher grund gegen die autorschaft Quiatilians nicht 
vorliegt, während man bei allen andern von derselben abstand neh- 
men muss. Nachdem so die künstlichen kriterien volle beachtung 
und gerechte würdigung gefunden haben, wendet sich der verf. zur 
besprechung der unkünstlichen kriterien p. 204 ff. Die 
handschriften uud sonstigen zeugnisse der alten gestatten, die de- 
clamationen bestimmten verfassern zuzuweisen und zwar gruppe lll 
dem Quintilian, gruppe Il dem M. Florus, I und X je einem an- 
dern autor. Der zweite abschnitt ist den kleinern declamationen 
gewidmet: mit derselben scrupulosen gewissenhaftigkeit wie die 
grósseren werden nun auch die kleineren declamationen durch ver- 
wendung künstlicher und unkünstlicher kriterien, geprüft und es 
ergibt sich dem verf. als ziemlich sicheres resultat, für uns aber 
vorlüufig als eine unsichere hypothese, dass die uns erhaltenen 145 
kleineren declamationen auf die von seinen schülern gegen seinen 
willen veröffentlichten libri artis rhetoricae (vgl. Inst. I. prooem. 7) 
zurückweisen. Im dritten und letzten abschnitt kelrt Ritter zur 
untersuchung der grossen declamationen zurück und vergleicht die 
von ihm vorläufig Quintilian zugeschriebene gruppe Ill mit den 
kleineren declamationen in bezug auf elocutio, inventio und dispo- 
sitio und nach besprechung aller möglichkeiten und schwierig- 
keiten gelangt er zu der unerwarteten annahme, dass gruppe lll, 
die wir nach dem bisherigen gange der untersuchung für das ei- 
geuthum Quintilians halten mochten, weil sie nicht zu den libri 
artis rhetoricae gehörte, überhaupt nicht von Quintilian herrührt, 
sondern von einem schüler desselben und in der zeit zwischen die- 
sem und Septimius Severus abgefasst sei, gruppe Il zur zeit Ha- 
drians, ebenso X, | etwas früher. Die correctur ist nicht sorg- 
faltig genug; es finden sich ziemlich viele, störende druckfehler. 
Den zahlreichen citaten aus der Institutio Quintilians ist auffallen. 
der weise nicht die Halm'sche ausgabe zu grunde gelegt. 


Breslau. Ferdinand Meister. 





Hi. MISCELLEN. 


A. Mittheilungen aus handschriften. 


1. Handschriften in Holkham. 


Unter den englischen privatbibliotheken, welche handschriften 
von klassikern enthalten, nimmt nach der des verstorbeneu lord 
Thomas Phillipps zu Cheltenham die des Earl of Leicester zu 
Holkham in der grafschaft Norfolk einen der ersten platze ein. 
Gleichwohl ist der bestand derselben fast so gut wie unbekannt. 
Als 1696 die ,,Catalogi codicum Angliae et Hiberniae gedruckt 
wurden, existirte sie noch nicht. Weder Hänel !) noch Pertz ?) 
haben sie besucht. Ja selbst ihr vorletzter besitzer ahnte jahrzehnte 
lang gar nicht, welchen schatz er an ihr besitze 5). Ich selbst 
habe sie im august des j. 1880 besucht und hoffe nichts unzeit- 
gemässes zu thun, wenn ich in aller kürze die fachgenossen auf 
ibren reichthum an classischen handschriften *) aufmerksam mache, 
um so mehr da es sich hier um schatze handelt, welche nicht ei- 
fersüchtig zurückgehalten, sondern gelelirten, welche um ihre be- 
nutzung nachsuchen, mit grosser liberalität zugänglich gemacht 


1) Catal. Mss. bibl. Europ. p. 909. 

2) Im archiv für ültere deutsche gesch. IX, 508 und 540 gibt er 
aus einer handschrift, welche lord Phillipps aus der bibliothek des 
herzogs v. Sussex erstanden hatte, über handschriften der bibl, wel- 
che sich auf mittelalterliche litteratur beziehen, kurze notizen. — 
Zangemeister, welcher die bibliothek besucht hat, macht in den Si- 
tzungsberichten der wiener akademie 84, 583 nach den angaben des 
bibliothekars kurze mittheilungen über die einrichtung des catulogs. 

3) Passavant, Kunstreise durch England und Belgien p. 199. 

4) Ueber die antiken, unter denen der Thukydides am berühm- 
testen geworden ist, vgl. Michaelis in der Arch. seit. 32, 18. 


Miscellen. 159 


werden. Allerdings habe ich nur einen sehr geringen theil der 
731 handschriften selbst untersuchen können, denn es stand mir, 
obwohl die preiswürdigste zuvorkommenheit des lord und besonders 
des bibliothekars, des reverend Alexander Napier, alle mögliche er- 
leichterung verschaffte, nur ein tag für die besichtigung der hand- 
schriften, handzeichnungen und skulpturen von Holkham zur ver- 
fügung — und meine hauptsáchlichste quelle ist der acht foliobände 
umfassende handschriftliche catalog, die frucht dreizehnjähriger ar- 
beit von William Roscoe und Fr. Madden (1815—27), aber auch 
die mittheilungen aus diesem können manche nützliche fiugerzeige 
geben, um so mehr da auf die drucklegung jenes cataloges keine, 
auf publicirung eines knappen verzeichnisses nur geriuge aussicht 
ist. Weun freilich diese zeilen dem verehrten Alexander Napier 
nicht blos ein ausdruck meines dankes, sondern zugleich ein neuer 
antrieb würden dafür zu wirken, dass ein solches verzeichnis 
sämmtlicher handschriften gedruckt würde, so hätten sie mehr als 
ihren nächsten zweck erfüllt. 

Vorher einige bemerkungen über die entstehung der bibliothek. 
Dieselbe ist von Thomas Coke (T 1759) wahrend eines sechsjäh- 
rigen aufenthaltes ?) in Italien um 1715—1720 zusammengebracht 
worden. Er hatte nicht bloss sammeleifer, sondern auch das bestreben 
seine liebe zum alterthume durch selbständige arbeiten zu bekun- 
den. So gab er, bereits nach England zurückgekehrt, nicht nur 
das von ilm erworbene manuscript seines landsmannes Thomas 
Dempster de Etruria Regali heraus, sondern vermehrte es auch durch 
beigabe von abbildungen etruskischer deukmäler, welche er hatte 
neu zeichnen lassen 5). Desgleichen beabsichtigte er den Livius 
herauszugeben, liess sich 1718 eine collation des Mediceus von 
Salvini machen, und erwarb viele handschriften desselben, wurde 
aber durch seine theilnahme am öffentlichen leben — er wurde 
mitglied des unterhauses und durch Georg Il als lord Lovel in's 
oberhaus versetzt — daran gehindert und schickte seinen apparat, 
bestehend aus 13 handschriften und 4 alten drucken nach Utrecht 
an Drakenborch. Dieser hatte eben mit dem druck seiner ausgabe 
begonnen, konnte aber von den codices Loveliani *) noch einen 


9) Vgl. Drakenborchs dedikation an ihn vor dem I. band des 
Livius: Sezennio inter haec exurto tot tamque. eximiis eruditionis in- 
strumentis instructus domum redeundi impetum cepisti. 

6) Praef. zu vol. If (Londini Id. Febr. 1724): Ut ne quid vero 
operi a Dempstero tam praecíare incepto. dersset, quamquam | testimonia 
a probatis Auctoribus Inscriptionihusque copiose ab ipso collecta. suffi- 
cere posse videantur, curavi tamen ut quidquid undique per omnes Etru- 
riae Reytones Romaeve ant aliis in locis opere anaglypho Etruscae su- 
peresset memoriae, id omne describeretur tabulisque aeneis incideretur 
facto prius per severissimam criticen examine, ne quid spurium suspe- 
clumve operi irreperet. 


7) Vgl. die dedikation und tom. VII, p. 320 und 324 ed. Lugd. 





160 Miscellen. 


reichhaltigen gebrauch machen und widmete ihm die ausgabe.‘ Der- 
selbe bezeugt, dass Thomas Coke auch andre seiner handschriften 
englischen und niederländischen gelchrten zugänglich machte. 

Die provenienz der handschriften betreffend, so ist die mehr- 
zalıl derselben in Italien zur zeit der renaissance geschrieben, wo- 
durch sich zugleich ergibt, dass sie im allgemeinen grössere bedeu- 
tung für die textgeschichte als für verbesserung des textes haben. 
— Andrerseits hat die summlung auch dadurch ein interesse, dass 
in ihr viele verschollene handschriften wieder auftauchen. Wenig- 
stens ein theil derselben stammt aus der sammlung des procurators 
Giulio Giustiniani in Venedig. Moutfaucon sah sie 1698 
noch bei diesem (Diarium Jtalicum p. 69); als er aber 40 jahre 
später in der bibl bibl. manuscr. p. 483 (Paris 1739) das ver- 
zeichnis der handschriften der ,,bibliotheca Procuratoris lustiniani 
Venetiis“ mittheilte, war sie bereits zerstreut. Dahlia gehören nach 
dem catalog der codex zu Holkham CCLXXVIJ chart. 4. saec. 
XV enthaltend Xenophons Anabasis (= Montf. p. 483* E zeile 3 
von unten), Cod. CCXC bomb. 4. s. XIV enthaltend Isaac Argyrus, 
foannes Alexandrinus Philoponus (bei Montfaucon nicht nachzuwei- 
sen) und CCXCIV ,, Alexandri Magni Vita“ chart. s. XV d. i. 
Pseudo-Kallisthenes (= Montfaucon |. |. zeile 2 von unten); und 
hinzuzufügen sind: Cod. CCXCVI Georgii [Hamartoli] et Symeonis 
Magistri Chronica, membr. fol. geschr. a. 6626 d. i. 1118 n. Chr. 
== Montf. p. 483? C: Codex scriptus anno mundi 6626 Christi 
1118. Georgii Oecumenici et Simeonis Magistri historiae ab 
initio mundi, und wahrscheinlich: Cod. CCXCV Georgii Monachi 
Hamartoli Chronicon, chart. 4. s. XVI = Montf. 1. l. D: Codex 
recens, historia Georgii Monachi ab Adamo ad Romanum Diogenem. 

Andre handschriften stammen aus der bibliothek des klosters 
S. Giovanni in Verdara zu Padua, wo sie Tomasinus, als 
er seine „Bibliothecae Patavinae Manuscriptae, Utini 1639* ber- 
ausgab, noch sah, während sie, als Montfaucon 100 jahre später 
dessen verzeichnis im auszug wiederholte (I. l. p. 485), ebenfalls 
bereits nicht mehr an ort und stelle waren. Dahin gehórt der 
Codex CCLXXVI bomb. fol. saec. XV enthaltend vier von Plu- 
tarchs kleinen schriften mit der aufschrift: Ioannes Calphurnius 
Oratoriam Artem grece. latineque Patavii gloriose docens librum 
hunc Canonicis Reg. S. Iohannis in Viridario devotus legavit, ut 
Inde profitiens lector gratus exsistat. MCCCCC 3°. — Tomas. p. 
22!: Plutarchi Tractatus quatuor. Ferner Cod. CCLXIII Homeri 
Batrachomyomachia et llias, membr. fol. s. XV — Tomas. p. 21°: 


Bat. 1746: in bibliotheca instructissima viri Illustrissimi et Honoratis- 
simi Thomae Coke Baronis de Lovel optime, st quis alius, de hac Livi 
editione meriti, qui et hunc et reliquos Livi codices, Lovelianos a me 
appellatos, ut et vetustas editiones, quas subinde memorabimus, insigni 
favore ac benevolentia in usus meos Tratecium transmitti consensit. 





Miscellen. 161 


Homeri Ilias et Batrachomyomachia ; ferner CCCLXIII membr. fol. 
s. XIV/XV lustinus = Tomas. p. 19?: Justinus historicus und ver- 
muthlich auch CCCLXIV: Diktys, Curtius, Appian de bellis Punicis 
in lateinischer übersetzung uud Leonardus Aretinus de primo bello 
Punico eiusque causis und andre geschichtsschreiber. 

Andre, besonders griechische, handschriften stammen aus der 
bibliothek des Chur - Brandenburgischen geheimrathes Andreas 
Erasmus v. Seidel, welche nach seinem tode 1718 in Berlin 
verauktionirt wurde. Dieser hatte namlich seine stellung als ge- 
sandter 1689 und 1690 auch zur erwerbung von handschriften in 
Griechenland benutzt 9). So steht zu anfang des codex Lil (membr. 
4. geschr. 1238, enthaltend S. Athanasii et aliorum opuscula): &» 
porsußuolu i5 y* tov Xen ax “Avdotus "Eguouds 6 Sesdédsog, 
und ist dieser codex vermuthlich identisch mit demjenigen, welcher 
im auktionskatalog der Seidelschen bibliothek °), Manuscripta Seide- 
liana p. 7, nr. 26, allerdings unter den codices in octavo beschrie- 
ben ist: ,,Noch ein buch in alter Griechischer Sprachen mit Pergamenen 
Blättern, dessen Inhalt: Quaestiones Athanasii ad Antiochum. Hic 
Liber putatur esse elegantissimus et magni pretii et insuper septin- 
gentorum fere annorum“, Und cod. CCLXVI (bomb. 4. s. XV ,,Car- 
mina Sıbyllina“) enthalt die bemerkung , dass er 1689 von Seidel 
in einem kloster dioeceseos Thessalonicensis gekauft worden sei, 
ist also identisch mit dem codex des auktionskatalogs in quarto 
n. 86, p. 20: ,,Ein sehr altes Griechisches Buch aus einem Thessaloni- 
schen Kloster, handelnde von denen Oraculis Sybillinis, de Graecis, 
de DEO, de Sanctis, de Iudicio, de Impostore Daemone Anti-Christo 
etc“. So ist ferner cod. CCLX X XIX. (membr. fol. s. XII Lexicon 
S. Cyrilli. fol. 119: loannis Philoponi de variis significationibus pro 
accentuum varietate) identisch mit dem codex des auktionskataloges 
(allerdings in quarto) n. 144, p 27: ,,Ein sehr altes Griechisches Vo- 
lumen, worinnen unter andern vielen Materien enthalten Lexicon 
Cyrilli. item Philoponi Tractatus de Diversis Significationibus 
Vocum, quarum sonus diversus etc. In diesem Volum. sind lauter 
Pergamen Blätter“, und vielleicht auch cod. CCXCVII (bomb. fol, s. 
XV Georgii Cedreni compendium historiarum) mit dem codex des 
auktionskataloges in folio n. 195 p. 77 Georg. Cedreni Synopsis 
Historiar. Est Codex egregius Graecus in charta bombycina non 


8) Vgl. Io. Christ. Wolf Anecd. gr. III Praef. Wolf selbst hatte 
auch zwei codices aus Seidels bibliothek erstanden, deren einer, 
der evangelienkodex (Auktionskatalog p.22, n. 105 ein sehr altes grie- 
chisches Neues Testament auf Pergamen) spüter in die sammlung Har- 
leys und mit dieser ins british museum (— Harl. 5684) überging. 

9) Bibliotheca Insignis et Numerosa Dni Andr. Erasmi de Seidel, 
Berolini MDCCXVHI. Ein »Catalogus Bibliothecae Seidelianae ao 
1712. Frf. editus" (ebendaselbst p. 31, n. 166 erwähnt) ist mir nicht 
zugünglich. 


Philologus. XLII. bd. 1. 11 





162 Miscellen. 


ineleganter conscriptus ante plus quam quingentos, ut videtur, annos", 
desgleichen cod. CCXCI (bomb. 4. s. XV Cleomedis opera) iden- 
tisch mit dem codex des auktionskatalogs in quarto n. 54 p. 17 
Cleomedis, Autoris Graeci, Commentarius de Sphaera ac Syderibus 
eorumque motibus Graece. 

Nun lasse ich, mit kurzen bemerkungen begleitet, folgen, was 
ich notirt babe: 


I. Scriptores graeci. 
Cod. LII membr. 4. scr. a. 1238 S. Athanasii Archiepiscopi Ale- 


xandrini et aliorum opuscula. 

LXIX Patrum homiliae praecipue S. loannis Chrysostomi. 

LXX Chrysostomi et aliorum sermones. 

LX XI Eusebii historia ecclesiastica latine reddita a Georgio 
Trapezuntio. 

» LXX Cyrilli epistolae. 

LXXIMH Cyrilli thesaurus. 

» LXXIV Cyrilli Glaphyra. 

LXXV Theodoreti Pselli et aliorum opuscula. 

LX XVI—LXXVIM Theodoreti commentarii in prophetas mi- 
pores. 

LXXIX loannis Sinaitae Climaci Scala Paradisi. 

CHE bomb. 4. s, XIV Nicephorus monachus, Michael Psellus, 
Nicomachi Geraseni Arithmetica, Porphyrii introductiones, 
Aristotelis categoriae et de interpretatione. 

CXVIII chart. 4. s. XV Michaelis Apostolii opera varia, inter 


» 
quae epistolae. 

» CCLXIH membr. fol. s. XV Homeri Batrachomyomachia et 
lias. 

n CCLXIV chart. 4. s. XIV Homeri lliadis libri XII priores 


et Batrachomyomachia. 

CCLXV bomb. fol. s. XV Homeri Odyssea. 

CCLXVI bomb. 4. s. XV Carmina Sibyllina. 

CCLXVII bomb. 4. s. XV Dionysii Periegesis, Theognidis 
sententiae, Pindari Olympia XIV. 

CCLXVIII bomb. 4. s& XV Pindari carmina cum scholiis mar- 
gioalibus. 

CCLXIX bomb. fol. s. XV Aristophanis Plutus, Nubes, Ranae, 
Equites, Acharnenses, Vespae, Aves, Pax cum scholiis. 

CCLXX chart. 4. s. XV Aristophanis Plutus. Nubes, Ranae. 

CCLXXI chart. 4. s. XV Sophoclis Oedipus Coloneus. 

CCLXXH chart. fol. s. XVI Apollonii Rhodii Argonauticon 
liber ] latine redditus. 

CCLXXIN bomb. fol. s. XV Herodoti Historiarum liber J cum 
glossis latinis interlinearibus, 





Miscellen. 168 


Cod. CCLX XIV membr. fol. s. XV Plutarchi Cimon, Lucullus, 


39 


39 


"Themistocles, Poplicola, Solon, Camillus, Lycurgus, Numa, 
Phocion, Cato Minor, Dio, Brutus, Paulus Aemilius, Timo- 
leon cum parallelo, Sertorius, Eumenes cum parallelo, Ale- 
xander, Caesar (imperfect.). 

CCLXXV bomb. fol. s. XV Plutarchi Lycurgus, Numa, Solon, 
Poplicola, Aristides, Cato Maior, "Themistocles, Camillus, Ci- 
mon, Lucullus (imperf.). 

CCLXXVI bomb. fol. s. XV Plutarchi Quomodo aliquis dis- 
cernet adulatorem ab amico. Consolatorius ad Apollonium. Quo- 
modo aliquis ab inimicis utilitatem accipiet. De garrulitate. 

CCLX XVII chart. 4. s. XV Xenophontis Anabasis, „At the 
beginning are the names of two possessors before it came into 
Iustinians library: To naoòdv BsBilow x1 ua tori 
pov puiyuràov tov Balvxxlov xai 16 pliwy 
and again àx 10» wagxov wooLnvouv“. Ueber letzteren 
vergl. Sathas veosAAnrıxn quAoAoy(« p. 198, n. 2. 

CCLX XVIII bomb. 4. s. XV Aesopi vita et fabulae, 

CCLX XIX membr. 8. s. XV Aristotelis Ethica ad Nicomachum. 

CCLXXX chart. 4, s. XV Georgii Gemisti oratio funebris 
Cleopae. Isocratis Helenae encomium. De Iside (Inc. 77Z;- 
orevouer om tori. Des. disAvdn dv evxodwc). De exe- 


7 
crato Moameth. „At the end is: yewo 0 yenyoponov- 
Aoc éE£yguwev. Thiog. Added at the end of the Vo- 
lume we read: Questo libro fu d' me Marc Musu et meorum 
amicorum est“. Zu Georgios Gregoropulos vgl. Gardthausen, 
Griech. palàogr. p. 322. 

CCLXXXI chart. 12. s. XV (et XVI) fol. 1 GAxsvoov di- 
dacxulixdg TO» mlawwvog doyuuiwvr. fol. 72 puugluov 19) 
tvglov nAurwrixov quàocoqov rwy iv 1) dwun diadéfewv rig 
nowtns émônulas. fol. 99b pwaËëluou zuplov nlurwnxov gu- 
Aocogovutva: ib i£Àog quiocogplag: Xudenov sbgeiv Aoyov 
(= 1, 47 R). des. fol. 118 nxftw, onevdloIw, xnovitétw 
(= 1, 98 R). fol. 118b—120 leer. fol. 121 incipit nova 
manus saeculi XVI: Asfarlov tov coquotov enstugeos dg lov- 
Asarov. Inc. "Ede uiv w nagovtes des. fol. 209b urnodeìs 
dn’ nvoc nadasov fwualwy (= I, 600, 3 R). Auf dem er- 
sten blatt steht unten Qwuac Koxs. 

CCLXXXII bomb. 8. s. XVI Hippocratis opera nonnulla. 

CCLX X XIN chart. fol. s. XVI Aetii Amideni contractae ex 
veteribus medicinae libri VIII. 

CCLXXXIV bomb. fol. s. XV Athenaei Deipuosophist. libri 
X — XV. Ill —IX. 


10) Ich benutze die gelegenheit auf die wichtigkeit des cod. Vatic. 


r. 1390 bomb. s. XII] für die kritik des Maximos Tyrios hinzuweisen. 


11° 


164 


Cod. 





CCLXXXV chart. fol. Index in Athenaeum. 

CCLXXXVI chart. 4. 8, XVI Onosandri Strategicus, 

CCLXXXVII bomb. 4. s. XIV Philostrati Heroicus translatus 
a Maximo Planude. Vgl. darüber Fabricius-Harles bibl. gr. 
XI, 693. 

CCLXXXVIII bomb. fol. scr. a. 1454 Suidae lexicon inci- 
piens a K littera. „At the end êrslssw 9 6 nagwy avt- 
dag dsc yesods èuoù dnuntolov rov EavOonov- 
Aov dv Eres qu Mw Eu Bo xai toù urvoc pevoova- 
esov sd“. Vergl. Gardthausen Pal. p. 319. 

CCLXX XIX membr. fol. s. XII Lexicon S. Cyrilli. Fol. 119 
loannis Philoponi de variis significationibus pro accentuum 
varietate. 

CCXC bomb. 4. s. XIV Syntagma astrologicum, geomanticum 
atque geometricum e variis auctoribus (Isaaco Argyro, loanne 
Alexandrino Philopono) collectum. 

CCXCI bomb. 4. s. XV Cleomedis opera. 

CCXCII chart. 8. s, XV Variorum Astronomica et Philoso- 
phica, item Historica et Miscellanea (Michael Psellus). fol. 73 
Aristoteles de mundo. fol. 95b Isauci Tzetzis versus de ortu 
et occasu astrorum (wohl dieselben, welche im cod. Monac. 
287 stehen. Vergl. Hart J. J. suppl. XII, p. 29). fol. 96b 
Dionysii philosophi periegetae sermo narrati- 
vus comprehendens quae sunt in universo. Ante- 
cedit brevis vita quae incipit: ovrog 6 Aorvosos yéyorer. fol. 120 
Claudii Ptolemaei Capita Artis Astronomicae. fol. 191b Orphei 
de terrae motibus Inc. Doubso dy xai zorde (Brunck Anal lli, 
1. Anthol. gr. tom. Ill, p. 222). fol. 192b Computus Pytha- 
gorae. f. 224b Artemidorus de Nilo (= Stieble Philol. X1 220). 

CCXCIHII chart. 4. s. XV Synesii, Timaei Locri, Georgii Ple- 
thonis aliorumque miscellanea (Platonis epistulae). „At the 
commencement is written: B/ßiloc papoura nv sire 
(Ste?) tuds yedgeras (tad tygugero?) tovrer d 

y 
sivas yewe xountos roo xopuv3(ov, womit zu ver- 
gleichen die aufschriften im cod. Vindob. theol. LXIX bei 
Lambec. comm. bibl. Caes. lib. II p. 134 xaèr0 Mupovura 
jv, bre 140 éygugeto Ure di xoi rad éyoupero, x1ÿua 
Tiweyfov 109 xogww9(ov zv und im cod. theol. p. CCXXV, 
xTnpa pugxov pupovra 100 xpmièc, toruv dè yewyylov x0- 
pntog xoglrFov tov Ex poreuffualtac bei Lamb. |. 1 lib. V, p. 51, 
und ähnliche im cod. philos. gr. XI (Lamb. l.l. lib. VII p. 20), 
philos. gr. XLIX (Lamb. 1. I. lib. VII, p. 93) u. a. Dieser 
Georgios Komes Korinthios war ein neffe des Ar- 
senios von Monembasia !!) und hatte auch Handschriften, 


11) Vgl. den brief des Paulus Manutius an ibn bei Sathas ]. 1. 





Miscellen, 165 


welche diesem gehört hatten, erhalten z. b. den Heidelberger 

codex Pal. gr. 356 mit den aufechriften 10 rugdv fifA(ov 

xijua E£orıw dgotv(ov tov porsufuolaç und ıovur d’ elvas 
Y 9" 

yéwe xountog tov xogev. Ihm gehörte ausser dem codex Nea- 

pol. gr. XI (Il. A. 11) auch cod. Barocc, 4 nach der auf- 


schrift xrjua yewo xöumog 109 xogerdlov. 
Cod. CCXCIV chart. 4. s. XV Alexandri Magni vita d. i. Ps. Cal- 
listhenes. 
» CCXCV chart. 4, s. XVI Georgii Monachi Hamartoli chronicon. 
» CCXCVI membr. fol. scr. 1118 Georgii et Symeonis Magistri 
chronica. 
» CCXCVII bomb. fol. s. XV Georgii Cedreni compendium hi- 
storiarum. 
ll. Scriptores romani. 


» CCXCVIIH chart. fol. s. XV Plauti comoediue XVIII. 

» CCXCIX chart. 8. s. XV Terentii comoediae VI (Andria. Eu- 
nuchus. Heaut. Adelph. Hecyr. Phormio). „Caliopius recensui*. 

» CCC membr. 8. s. XV Terentii comoediae VI. 

5 CCCI chart. fol, s. XIV Expositio in Terentii Afri comoe- 
dias VI. 

» CCCI chart. fol. s; XVII Lucretius. 

» CCCHI membr. fol. s. XIN; XIII Vergilii opera cum Servio. 

» CCCIV membr. fol. s. XV Vergilii Georgica et Aeneis. 

» CCCV membr. fol. s. XIV/XV Vergilius. 

» CCCVI—CCCXI Vergilius. 

„ CCCXIM - CCCXVII Horatius. 

„ CCCXVIII—CCCX XIII Persius. Ovidius 12), 

» CCCXXIV 5. XV Ausonius. 

» CCCXXV Lucanus, 

» CCCXXVI Valerius Flaccus. 

sì CCCXXVII fuvenalis. Persius, 

» CCCXXIX et CCCXXX Statius. 

» CCCXXXI Hyginus de astron. poet. Sammonicus de medicina, 

» CCCXXXII s. XV Claudianus de raptu Proserpinae. 

» CCCXXXIII Propertius. 

» CCCXXXIV Calpurnius Siculus. 

» CCCXXXV—CCCXX XIX Sallustius. 

» CCCXL membr. fol. s. XII Caesar. 

» CCCXLI —CCCXLIII Caesar. 

sì CCCXLIV—CCCLVIII Livius. 


p. 140. Gardthausen, (Paläogr. p. 322) rechnet ibn fülschlich zu den 
schreibern des 15. jahrhunderts. 

12) Für Ibis ist ein cod. s. XIII benutzt von Ellis. Vgl. dessen 
ausgabe p. LV. 


166 


Cod. 





CCCLIX Taciti Annales et Historiae. 

CCCLX — CCCLXI Valerius Maximus. 

CCCL XII] membr. fol. s. XIV/XV lustinus. 

CCCLXIV Dictys. Curtius. Appiani Alexandrini de bellis Pu- 
nicis versio latina. Leonardi Aretini de primo bello Punico 
eiusque causis. 

CCCLXV sq. Curtius, Eutropius, Florus. Plinius de viris il- 
lustribus. 

CCCLXX s. XV Orosius. 

CCCLXXII—CCCLX X X VIH. Cicero. 

CCCLXX XIX membr. fol, s. XV Rhetorica ad Herennium. 

CCCXC€ membr. s. XIV Senecae opera (de clementia etc.). 

CCCXCI Senecae epistolae et opera varia. 

CCCXCII chart. 4. s. XV Asconii super quibusdam orationibus 
Ciceronis. 

CCCXCIH membr. 4. s. XIV/XV Pomponius Mela. 

CCCXCIV membr. fol. s. XV Plinii historia naturalis. 

CCCXCV membr. 4. s. XV Plinius de viris illustribus. Ver- 
gilii Priapea. 

CCCXCVI membr. 4 s. XV Plinii epistolae. 

CCCXCVII membr. fol. s. XV Apuleius de magia. 

CCCXCVIII membr. fol, s. XIV Vegetius de re militari. 

CCCXCIX chart. fol. s. XIV; XV Macrobius in Somnium Sci- 
pionis. 

CCCC membr. fol. s. XIV Cassiodorii variae. 

CCCCI membr. fol. s. XIII Cassiodorii variae. 

CCCCII et CCCCII membr. fol. s. XIV Boethii de consol. 

hilos. 

CCCCIV membr. fol. s. XIV/XV Boethius in Ciceronis Topica. 

CCCCV membr. 4. s. XIV Prisciani de constructione libri M. 

CCCCVI membr. fol. s. XV Priscianus de VIII partibus ora- 
tionis. 

CCCCVII membr. fol. s. XV Nonius de proprietate sermonum. 

CCCCVIII chart. fol. s. XV Nonius de proprietate sermonum. 

CCCCIX chart. fol. s. XV Pauli epitome Festi. 

CCCCX membr, fol. s. XII Isidori chronicon et etymologiae. 

CCCCXI membr. fol. s. XII Rei agrariae et geometriae scri- 
ptores (Frontinus. Boethius) „olim Francisci Nansii, nunc vero 
Petri Scriverii“), vermuthlich identisch mit dem codex Nan- 
sianus der Agrimensoren, (Libri appendiciarii bibliothecae Scri- 
verianae, Amstelod. 1663, n. 138. Vegetius de re mil. ed. 
a P. Scriverio p. 195 sq.), über welchen Blume in den 
schriften der röm. feldmesser Il p. 9 und 57 gehandelt hat. 
Die scheidung zweier Nansianischer pergamentcodices, welche 
letzterer (vergl. p. 39 und 69) vorgenommen bat, wird viel- 
leicht binfallig. 


Miscellen. ' 107 


Cod. CCCCXX XIII chart, 4. s. XV Crivelli Orphei Argonautico- 


rum latina versio. 
» CCCCLVIII membr. fol. s, XIV Aristoteles de secretis secre- 


torum. 


» CCCCLXXV membr. 4. s. XV Christophori Buondelmonti de 
insulis Archipelagi. 


» CCCCLXXXI chart. 4. s. XV Poggii varia opuscula. 
» CCCCLXXXVII chart. 8. s. XV Lapi Castelliunculi Floren- 


tini opuscula varia, darunter übersetzung von Lucian de ca- 
lumnia und de tyrauno, wie sie auch cod. Laur. 89, 13 
enthàlt. 


2. Eine handschrift des Serail. 


Durch die besondre gunst sr. majestüt des Sultans und die 
verwendungen des auswürtigen amts in Berlin und der kaiserlich 
deutschen botschaft in Constantinopel ist mir die benutzung einer 
handschrift der privatbibliothek des Sultans im Eski-Serail, auf 
welche ich durch den verstorbeneu Dethier (in den literarischen be- 
richten aus Ungarn, herausgegeben von Paul Hunfalvy, band Il, 
Budapest 1878, p. 566) aufmerksam geworden war, im vorigen 
jahre ermöglicht worden, und scheint ein kurzer bericht über den 
inhalt derselben um so mehr angezeigt, als sie einige anscheineud 
unbekannte oder seltne sachen enthalt. 

Es ist ein codex chartaceus in duodez (hóhe 13, breite 9 cen- 
tim.) aus dem anfang des 15. jahrhunderts !?). Es ist eine sorgfal- 
tige schrift; die seite enthült 21 zeilen, es ist ein breiter rand ge- 
lassen. Die 327 blâtter sind nicht numerirt, nur am anfange sind 
von ganz moderner hand die seitenzahlen mit bleistift angemerkt. 
Der codex ist nicht gebunden, sondern nur geheftet, und die ein- 
zelnen lagen sind in verwirrung gerathen. Die ursprüngliche ord- 
nung aber wiederherzustellen dazu dienen die von q' bis u' wenig- 
stens zum grossen theil noch ganz oder theilweis am ende der qua- 
ternionen erhaltenen buchstaben, welche wenn nicht vom schreiber, 
so doch von alter hand herrühren. Danach ergibt sich folgendes 
als inhalt des codex: 


13) Wenn, wie zu vermuthen, der codex mit dem des Heron iden- 
tisch ist, welchen Miller in der bibliothek des sultans sah (Archives 
des missions scientifiques 2. ser. tom. 11 (1865 p. 496: les écrits d' Hé- 
ron d'Alezandrie, s. XI vergl. Compte rendu de l'acad. des inscr. et 
belles lettres 1865, N. S, tom. I, p 25 und Mélanges de litt. grecque 
p. V), so beruht die zahl AJ auf einem versehen. In Mordtmanns ver- 
zeichniss (Phil. IX, 583, n. 11) ist nur der anfang des codex berück- 
sichtigt. — Was Dethier als unzweifelhaft hinstellt, dass der codex 
aus der bibliothek der palüologen stamme, kann ich nur als móglich 
zugeben. 





168 Miscellen. 


Fol. 1 descrorflovucg nsoì yevéoswç xai pFogas *) buch 
a’ fol. 1—29, buch ff’ fol, 29—47b Des. évdéyeras un elvas. 
Fol. 48—66' zogoxAov dsadodyou Auxlov, arosyelwors pu- 
Osxn: loc. Zureyn foxy, wy ta néouia Des. anespodurupor 

Smeg des deikun. 

Fol. 67—72 leer. 

Fol. 73 yewuetola roU nowvocg nyovy uE90d06 di Tg 
pstoetzavr n ym anodesxvvovoa rov Te pOdDLOpOY 
xai ra xatu péoos moodeyo weve (= ed. Hultsch p. 41)!5) 
Inc. Zmueïor 2oriv ov. 

Fol. 74b rowroç elouywyh vOv yewperoovptvwv (= ed. 
Hultsch p. 44). Des. fol. 85 podfwy 09 (Hultsch p. 60 wie im 
cod. D). 

Fol. 85 uf£90odoc ini navròs (= Hultsch p. 149) des. à» roig Aos- 
moig nici igiycvosc" xai For» uopuñscrarn (Hultsch p. 152). 

Fol. 87b leerer raum für die überschrift. Inc. ’Entmedog yewus- 
tela ouvéorquer Ex te xlıuarwv xal oxonliwr xai yeauuwy 


y 
(ähnlich wie Hultsch p. 44). Des. fol. 91b x: da 27: 
Fol. 92 negi cputgag. Inc. ° 422° dni 10 ipfladov 10v. ore- 
gewr yworowpev. Des. fol. 95b wy éxuornçs Adyov ngoonxov- 
two xd ij coper. 


Fol 96 uaayyeesC. Inc. Tavra ra orosyeiu _ovvteFéipeva 
mosovos povadas. Des. uno roù & ov mosovos E: 

Fol. 96b rot zudwvn. Inc. 4o9triuv ano uovudog Önocwrou 

euer dépeËis, evgety. Des. xai dar uguiovr 7 10 nAñdoç: 

yag avr] anodekig: — 

Fol. 97 rot «$10. Inc. jog av, ix uedodov ngoyesgorota 
ywwoxos rig axgıßwc. Des. rig moortous ue9ódov: once Ede 
deba: ~ 

Fol. 97b 2:91 cvr9écews 9'9 dv Ion Éxxesmévwr Umee- 
oxn. Inc. Aged psv Sowyv dimore éxxeipévwy. Des. oùrw 
xai 1à d noòs tà f: Darauf nach einem kleinen zwischen- 
raum folgendes recept: uooyor $odocraypu* xguxov xai vdeo- 
az, tavtu &vwoug, didov n(vew dx nowlus, tw xagdıaxnv 
*»000» VOGOUVIK: ~ 

Fol. 98 negi wy onpalvsı tw x00pw 0 àv 151 dvaciow 
ogpalgoa Opes xsvoumsvog. Inc. Tivis twv gslocogwy 
einov slvus avactgov Gyalgar. Des. fol. 98b xai 0 xvwr. 

Fol. 98b wegi repélnc xsovog yuhatns Beoxns omlyins 
nayyns xguoraddov xai deoclag. Inc. 'H vepein 


ü 
n 


14) Das hier mit sperrschrift gedruckte ist sin der handschrift 
rubrirt. 

15) Die handechrift scheint fir Heron keinen kritischen werth zu 
haben. Graux versichtete auf eine kollation. 





Miscellen. 169 


atuos ton xal dvaduulacc. Des. fol. 99 xarà wlunow roy 
éxunvw tecoungwy. 
Fol. 99b leer. 


Fol. 100 Hooyvwarsxd» amo twy dv ti alan reup- 
pov. lac. Tt doller 207 xal xuheir 10 án Ty yeappwy 
pégoc. Des. fol. 105b ebyegus ünuruinsvog UNO yvvoixüv. 


Fol. 106 ruxzıxör, 796065 tov avtToxgutoga dAdgsuvor: 
Inc. Thy naga roig En raxuxav Fewolav and ruv Oungov 
xeorwv. Des. fol. 142b Zriuv Enuyovanı, d. i. Aelians tak- 
tik. Nach den proben, welche ich für Konrad Müller genom- A le 
men labe, „gehört der codex zu den schlechten vertretern der 
Pariser recension“, 

Fol. 142b Inc. Æéyerus atin xa) naga toig moAloig. Des. s0d¢ 
10)tuovrvt ag. 

Fol. 143 figur der zagaratig rerguywros. 

Fol. 143b leer. 

Fol. 144 àx rà» tuxzixwv dfoviog ros Gogo: lnc. Mowry 
xepuAn Ö OrgarmyOg xui per’ avıov où ueguoyas. Des. fol. 
146b zog 100g àv 17 nodes dx raurnç puyorrus : 

Fol. 147 nowvog pidocogpov nreumursxwvr. Inc. Tis nvev- 
puuxig noayuuttlag Onovdnç. Des. fol. 220b ngoocrey3£v106 
udrois Roinglov mista: ~ 

Fol. 230—230 leer. 

Fol. 237 ut9odoc de’ mc dotelwe eVQTOELS onotoy 
aouduòv Eyes 115 Enì vour. lnc. Aged mov 0 moLovouy 
(dazu am rande m': y’g órvnv«obr) rv ano 100 È uéyos rov 
Qc. Des. fol. 238b x«i Exeroorosvernxosiodeviegor Ev: 

Fol. 238b neo! terwy vysesvwv: Inc. Fadnvov wc Nxovoa. 
Des. fol. 239 vdurs L£cac xai wuyguvag, mote. 

Fol. 239 2x noow» woglwy Exacror tv pElwy Cuyxes- 
tus: luc. O dgPudpos Eye ysrwvag d. Des. daxtvdwy d, 
1aig dì, OF: 

Fol. 239b 5 dc ovouuberur Exaorov wElog tov ardpwW- 
mov: Inc. Kepudig 10 uiv mv xviog. Des. fol. 241b 0E4- 
dec, xui axnosoy. 

Fol. 242 «daparilwros coqíorov puosoyrwpovixti: 
Des. fol. 264 ayolwv Cwwv ra nÀsfw: —. (= Physiogn. p. 
416, 2 ed. Franz) Von mir verglichen. 

Fol. 264 suguonueıwoes (sic) rooyrworixai negli 176 
mellovuonç tov áé£Qog xatructacews. lnc. "Hiiog iva- 
t(ÀÀwv, sl 1)v yoour woneg yova(Govcuv xuFugar Eyes, evdlay 
Aaungar onuutves: Des. fol. 265 17 dè éxavesor, geuwra: — 

Fol 265 rlvu 6 maggàvog onmulves: Inc. HagríAiog Boge 





170 Miscellen. 


m»fovrog aay vorou Udwe Onualves: Des, fol. 266 xai uo- 
ov 
Aıdın el pedlavoregu unaeyworr: . 

Fol. 266 «70 rv xar ovparov cuufasvoviwv: ~ Ine. 
Eur lv rw ovgarw YA0OE dvnuutrn quri. Des. fol. 266b ye 
pure mot x«i uveuor cpodydv: ~ 

Fol. 267 TI onualrovoır ai usttovg doreunui rar 
Beorrav: Inc. Oruv coreunai loyvgotegas wow. Des. pu- 
viv Èv 10 sguro, öußgous dmhot : ^ 

Fol. 267 «no ro» xara ag tOrQanaág xal rovg avé- 
povc: Inc. Boggág coiganiwy vdwe eniye. Des. fol. 267b 
h dì re vuxtos, tdwe xai avewor: ~- 

Fol. 267b wmaguonmeswoetc ano tig 10v dhoywy CwwY 
diudécewg: Inc. Alyss Ensıdar nooctiIwos. Des. fol. 268b 
xul xoubortec, avouBylay Onhovoww : 

Fol. 268b wegi tov ànegyou£tvov Erovg: Inc. Kudov dori 
nooysrwoxey, el nywiuor. Des. éguor Ecru 10 Frog: —. 
‘ol. 269 rod Unutov rt» ygidocogwr rov nediucfuov 
elg 10 av agua: Inc. To ekg 1005 aorégug r0vg Entré 
rovc zàárgrac. Des. fol. 270 pets «dins muévuc euBodluov 
dfovtas: ~. Fol, 270b, fol. 271 und 272 geben figuren. Fol. 

271b und 272b sind leer. 

Fol. 273 dupwrlov KOTQOVOMEXOD: ut£3odog i] dei xuru- 
oxevalesy WQ06x0 nor pros doıyokaßor: =. Inc. To 
pir Fw doyeioy o negi£yes 14 vu nara. Des. fol. 282b zi» 
nQoOnxovOuv dvuloyiur Oneg ides deiku: 

Fol. 283 lw«vvov roù qiÀonóvov neoì THS TOU aOTIRO- 
A«Bov yoroews: Inc. Tir dy 10% dowolupw &%umiwor. 
Des. fol. 307 polpi difornxev Enı Sutegu (ed. Hase, Rh. M. 
VI (1838) p. 127 — 156). 

Fol. 307b leer. . 

Fol. 308 neo?! 7 QoBhigews matosugyov: Inc. Svrayorias of 
Emdnuobvtes 19 xwroravilvou agyıegeig. Des. fol. 310b were 
twr emootniuglwr xal bwatlwr: 

Fol. 310b déyuu Paoılızor' youpér' nouyIEr xui 
dodèr, 17 leg& xui ayla xu9dolixi xai anocto- 
Aix !rxinolu zung dbwuns, nag 100 paxaglov 
xwvorurılrov, tov ty ‚Bucıkevos NQWTOY Ypıorıavor: 
Inc. "Ev rd orönanı TA aylag xai adımp£ıov 191400c..— Des, 
fol. 321 evrvywg rovioi; eg xijow eoomern: 

Fol. 321b negi noAsuixzgg ovırufews: Inc. Qiiocoqu di, 
où noâepmréor ut eémotuigoy dé cuws. Des. fol. 323 ry 
tur Ensornun” xol emoinun ensomuwv: Es folgen noch 
4 leere blätter. 


Kiel. Richard Forster. 





Miscellen. 171 


3. Ein Tusculanen-codex der universitätsbibliothek zu Leiden 
aus dem 12. jahrhundert. 


In der universitàtsbibliothek zu Leiden wird eine bandschrift 
des Lipsius nro. 30 aufbewahrt, welche in deutlicher und gleich- 
mässiger minuskelschrift des 12. jahrhunderts auf 52 pergament- 
bláttern Ciceros Tusculanen bis zum 36. paragrapheu des dritten 
buches enthalt, wo sie mit den worten nequiter facere oben auf 
der letzten seite abbricht. Abgesehen von einer grossen lücke, die 
von dem worte tribuam lib. 1, 49 bis opinor lib. [, 87 reicht, fin- 
den sich in ihr einerseits nicht selten fehler gegen orthographie 
und wortstellung, andrerseits sind einzelne oder mehrere worte hier 
und da ausgelussen oder falsch geschrieben. Am zahlreichsten sind 
diese entstellungen des textes kurz vor der erwähnten lücke und 
von cap. 7 des dritten buches an bis zu ende. Es ist daher an- 
zunehmen, dass derselbe schreiber zu zwei verschiedenen zeiten den 
codex geschrieben und hauptsächlich in folge von flüchtigkeit an 
jenen beiden stellen mehrere versehen gemacht hat als sonst. Indess 
mangelt es auch nicht an lesarten, welche eine absichtliche veran- 
derung verrathen. So bietet der codex I, 5 exercitanda für exci- 
tanda. |, 17 interrogavero für rogavero. 1, 24 Si est, ut Ari- 
stoxeno visum est, armonia für Si est Aristoxeni harmonia. 1, 41 
vetera für vegeta. 1, 42 video et plana et superiora capescat ne- 
cesse est für video Panaetio, superiora capessat necesse est. |, 46 
contagione für cogitatione 1, 48 intelligit für cognoverit. 1, 97 
extinguntur für extinguilnr. 1, 107 patiuntur für poeniuntur. |, 
105 a nobis für in nobis. |, 116 qui de für quidem und hostium 
sanguinem eliciat suo für hostiunf eliciatur sno. 11, 28, und 53 
mihi für tibi. |l, 52 obruetur se für obversentur. M, 62 petentes 
sunt für petessunt. Il, 63 predicebam für praecipiebam. Ill, 5 
pacisci für perpeti. Ul, 15 qui fortis est vel sit für qui fortis sit. 
III, 19 qua quoniam caret vel vacat. für qua quoniam vacat. III, 
26 in se disseritur für resedisset. Ill, 28 solere dicunt für cen- 
sent. II, 30 Quibus verbis für Quae vor, magnam für maximam, 
Quapropter für Quam ob rem, evenerit für eveniat. II, 31 Eum 
semper se vidisse eodem exeuntem et redeuntem , in re für provisa. 
Wl, 33 dicit dicit. für dicunt. 1M, 36 quid für cur. Trotz der 
angeführten fehler scheint der Leidensis (L), wie eine genaue ver- 
gleichung der übrigen lesarten zeigt, dem Gudianus 294 (G) und 
Parisinus 6332 (R), welche anerkanntermassen die gruudlage für 
die texteskritik der Tusculanen bilden, naher zu stehen als der 
Bruxellensis 5351 (B). Dies beweisen folgende stellen, welche L 
mit GR abweichend von B überliefert hat: 1, 3 fehlt enim. 1, 41 
est und III, 15 qui magni animi, hingegen lesen wir I, 3 sic qui. 
I, 14 sint. I, 16 mortem mali, ne. 1, 17 hi. 1, 24 tempore. 
I, 36 hisque. I, 37 consensu , aperte (= : apertae) hostio. I, 46 





172 Miscellen. 


qui. I, 108 supplicos. I, 111 tres. II, 5 preferant (= praefe- 
rant). II, 23 mulcebri. Il, 35 efficiat. Il, 39 hoc (= haec) fari. 
Il, 60 tanto opere. II, 62 contempno. Il, 67 omittas und duzi- 
mus. Ill, 2 aut, depravatis, reddit id e. Wl, 11 nulla und sint 
nach adfecti. IM, 12 qui. II, 26 nancf (= nanctus). 111, 33 
hebetem. 

Die annahme aber, dass L eine abschrift von G oder R sei, 
wird hinfallig durch eine anzahl guter stellen, welche nicht nur in 
B, sondern auch in G R fehlerhaft sind: 1, 29 hinc a nobis. |, 
84 lacrimis decoret nec funera fletu faxit. 1, 35 arbitramur. 1, 
37 aliae und falso. 1, 41 non nominata magis quam non intel- 
leta. Il, 1 in philosophia. Il, 20 gigantum. Il, 46 quod a tam 
multis. Es ist daher, da wir diese abweichungen nicht als conjec- 
turen des abschreibers ansehen kónnen, der schluss gestattet, dass 
L mit GR aus derselben quelle stammt und für die kritik der 
Tusculanen nicht ohne werth ist. Von den übrigen lesarten hebe 
ich als wichtige hervor: I, 15 nihil existimo. I, 52 quidquid. 1, 
110 possumus für possum. 1, 119 in omni. II, 20 feminea vi, 
II, 67 te de navi. 

Halt man I, 15 existimo statt estimo, wie wir in GRB lesen, 
für die richtige überlieferung, so entsteht zwar ein keineswegs ele- 
ganter trochüischer tetrameter, aber jede conjectur wird überflüssig 
gemacht, I, 52 ist ohne zweifel quidquid für quicquid zu schrei- 
ben, da auch der von mir verglichene codex G diese form bietet, 
Ebenso scheint L 1, 110 richtig possumus für possum überliefert 
zu haben. Denn der plural entspricht besser dem sinne und passt 
mehr in den zusammenhang, weil wir sowohl vorher als nachher 
den plural finden. Ferner dürfte 1, 119 die richtigkeit der lesart 
von B in omni durch L in dem grade beglaubigt werden, dass wir 
sie vermuthungen vorziehen. Auch halte ich Il, 20 feminea vi fe- 
minea ceti. für die richtige überlieferung , weil die wiederholung 
des adjectivums feminea gegen ende des satzes zweckmissig zur 
hervorhebung dient und die ablative vi und manu zu der vorberge- 
nannten hostilis dextra und Graja vis den gegensatz bilden. End- 
lich ist mit L II, 67 eice te de navi zu schreiben, zumal da die 
prâposition de wegen des pronomens fe in den übrigen handschriften 
leicht ausfallen konnte. Zum schluss stebe hier eine vermuthung 
zu Il, 62, wo sich in GR und L die zwar schon verdorbene, aber 
jedenfalls auf das ursprüngliche wort des archetypus führende les- 
art contempno findet, wahrend B in contemptu und der von Bent- 
ley benutzte codex in contendendo offenbar verbesserungsversuche 
bringen. Da in 2. 58 die contentio animi, wofür wir e. 05 
animi intentio und contentio allein lesen, als ein hauptmittel nicht 
nur gegen den schmerz, sondern gegen alle dinge hingestellt ist, 
so scheint mir nach dem zusammenhange an der fraglichen stelle 


Miscellen. 173 


der ablativ contentione, dessen entstellung in contempno sich leicht 
erklüren lasst, erforderlich zu sein. 
Emden. H. Deiter. 


B. Zur erklürung und kritik der schriftsteller. 


4. Die bürger von Knossos und der hymnus auf den pythi- 
schen Apollo. 


Dass bei Aristarch und seiner schule die sogenannten homeri- 
schen hymoen nicht für werke Homers galten und, wenn sie über- 
baupt bekannt waren, in sehr geringem ansehen standen, wird nach 
dem stillschweigen der alexaudrinischen grammatiker über diese 
poésie wohl allgemein angenommen. Und speciell in dem hymnus 
auf den pythischen Apollo finden sich ein paar stellen (vv. 326. 
350), die als parallelstellen und als belege eigener ansichten für 
Aristarch so werthvoll sein mussten, dass er sie in seinem com- 
mentar zur Ilias gewiss erwahnt haben würde, wenn er den hymnus 
als einen homerischen gekanut hatte. Gegenüber dieser ziemlich 
sicheren argumentation ex silentio, die man u. a. bei Baumeister, 
Prolegomena p. 99, findet, hat nun ein französischer gelehrter, 
ohne dass er das recht derselben anfechten will, nachzuweisen ver- 
sucht, dass wenigstens im ungelehrten publicum schon im 2ten jahr- 
hundert v. Chr. der hymnus auf den pythischen Apollo als ein ho- 
merisches werk verbreitet gewesen sei. Die beweisführung stützt 
sich auf ein inschriftliches zeugniss und scheint demnach ganz sicher 
zu sein. 

Ein volksbeschluss der stadt Knossus auf Kreta, der von Th. 
Homolle im Bulletin de Correspondance Hellénique IV (1880) p. 
352 ff. veröffentlicht ist und der sicher nach 196 v. Chr. !) abge- 
fasst ist, euthält die zuerkennung öffentlicher ehren an Dioskurides 
aus Tarsos. Nach der eingangsformel heisst es: "Eresdn | 4iocxov- 
eldns 4fiocxovoldov xa9' vodeolur dé “AoxAn|miodwoov Tugoeds 
youupatixog dia av eUvosuv uv | Eyes mogrì tav uar now Guv- 
zu&uusrog Èyxw|uior xara 10v mnowptáv unig tw aud Ednoç xt. 
„im anschluss an den dichter“ hat er eine lobschrift für die stadt 
verfasst. „Der dichter“ xuz’ é£oyrr kann nur Homer sein; Ho- 
molle rechtfertigt diese ausdrucksweise durch parallelstellen (Plu- 
tarch. Mor. p. 667b. Athen. Il, p. 40a. Strab. X, p. 489. Phil. 
lud. de Abrahamo ed. Pfeiffer tom V, p. 234) und übersetzt die 


1) Bei Homolle steht wohl durch einen druckfehler 166. Die 
Knossier bitten (z. 46 ff.) die Athener um erlaubniss ihr decret in 
Delos aufzustellen, die herrschaft der Athener über Delos im zweiten 
jabrhundert v. Chr. datiert vom j. 196; Liv. 33, 30, 11. 





174 Miscellen. 


worte xara ró» nouruv mit ,d'aprés Homère“, Nun findet sich 
aber die stadt Knossos in llias und Odyssee nur selten gelegentlich 
erwühnt; zusammengerechnet sind es vielleicht 6 oder 8 verse, die 
von ihr handeln: daraus konnte Dioskurides keine lobschrift zu- 
sammenstellen, Aber im hymnus auf deu pythischen Apollo (v. 
216 ff.) wird eine ausführliche erzühlung gegeben, in der Kreter 
von Knossos eine wichtige rolle spielen. Das war der gegenstand 
für.jenes éyxwusor. Da nun aber gesagt wird, es sei „im an- 
schluss an Homer‘ verfasst gewesen, so muss der hymnus bereits 
in demselbeu jahrhundert, in dem Aristarch lebte, der ihn nicht 
kannte oder nicht anerkannte, in Kreta für ein erstes werk Humers 
gegolten haben. 

Diese auf deu ersten blick sehr ansprechende schlussfolgerung 
ist doch nicht ohne lücken. Ich will darauf kein gewicht legen, 
dass man sich von dem gedichte oder der geschichtlichen darstel- 
lung des Dioskurides keine rechte vorstellung machen kann, wenn 
er nach einer so ausgeführten vorlage arbeitete, wie jene alte er- 
zählung ist. Schwerer ist das bedenken, dus die übersetzung der 
worte xaru 10» xoa» erregt, und das die angeführten beleg- 
stellen nicht fortschaffen. Plutarch (Symposiac. III) sagt: ‘Q; yág 
nor ortwy nomıwv Eva 10v xQu uoror eusger we nomi xu- 
dovuer, obi nollwv ovtwy — Exverlunxer ö iydus povov # 
paura ye Oyor xadsiodus, did 10 modu Wave wy dosi xguietv. 
Bei Philo a. o. heisst es: Kabuneg ydg 0 noue Ouneos, pv- 
olwr Oviwv moi, xut éEoyn» Aéyerus, xoi tO belay, à yea- 
oper, xultos navtog, v fi) Asuxov don Héluvog OYTOG xai «opu 
"ASnrnow 0 enuivupog xai ruv évréu RQLOVTWY UQIOIOS, ug OU 
oi y0oros xutugedmovvias: tòv avıov Tgonov xrA. Ebenso wenig 
beweisen die beiden anderen von Homolle beigebrachten stellen 
mehr, als dass Homer für die Griechen der dichter par excelleuce 
war. Von einem sprachgebrauch, der dem hier behaupteten ähn- 
lich wäre, findet sich nirgends etwas. 

Lesen wir die inschrift, um dereu erklärung es sich handelt, 
noch einmal durch, so machen wir eine beobachtung , welche den 
verdacht gegen die worte xard 10v nosqruvr vollends bekräftigt. 
Wir finden z. 7 uuderur, 51 10v Tugotor duuor, beides so ge- 
schrieben. Ohne zweifel hat auch in z. 5 der schreiber O für Q 
gesetzt und schreiben wollen: xuru twy noımav. Die verbindung 
Enuivog, Éyxwpior xoi& tivos ist nicht selten; z. b. Demosth. in 
Philipp. ll, 9: 0 xoi uéyioror fou xud° vuv iyxwuiov, d ür- 
dess ^d) qraioi. Die lobschrift, welche Dioskurides für das volk 
der Knosier verfasst hatte, bezog sich also auf die einheimischen 
dichter. Und dazu stimmt es vortrefflich, dass die literarische ei- 
telkeit der Kreter und besonders der einwohner von Knossos schon 
aus auderen inschriften bekaunt ist, die übrigens auch der franzüsi- 
sche gelehrte kennt und zum theil citiert. In dem decrete der 





Miscellen. 175 


Koosier zu gunsten der stadt Teos (C. i. gr. 3053 = Le Bas, 
Voy. arch. III, n. 81, in meinem Delectus n. 64) wird von dem ge- 
sandten der Teier gesagt z. 8 ff.: xoi énelde(Eato Merexding pera 
xi9«gag nAsovranıs 10 16 ! Tiuo3£o zus Molvtdw xoi ttv audv 
dgyaluv mosqrizv xià. Und ausführlicher sagen bei der gleichen 
gelegenheit die Priansier (Le Bas, Voy. arch. III, n. 82; Delect. n. 
65) z. 7 ff.: xai èredeltaro Merexing pera xiDdagag 14. te TV - 
podtov xal [lolvtdov x«i tv duwr nadawy nowm1àv xalwe xci 
nosnovıws, elo[j]reyxe dé xvxdor | torognuér[oly vio Konzus M 
1Jwr éy [Konlre yelyororwy Dewy te xoi nowwy [no:]noupero|c 
t]ay | ovraywyav ex 20ÀÀQr mosnrà[v] x«i iorogsoyguipwr. — 
Etwas anderer art war die arbeit des Dioskurides; er hatte sich 
die personen und werke der dichter selbst zum gegenstande ge- 
wühlt. Die literarhistorische darstellung, welche er ausgearheitet 
hatte und durch seinen schüler Myrinos in Knosos überreichen und 
erkláren liess, mag recht pauegyrisch gehalten gewesen sein; aber 
die art, wie die Kreter seine leistung aufnahmen und mit proxenie 
und bürgerrecht und einer ehren-stele auf Delos belohnten, bildet 
immerhin einen beachtenswerthen zug iu dem bilde dieser sonst so 
übel berüchtigten vólkerschaft. Vielleicht vermag er auch den ge- 
lehrten herausgeber der inschrift für das damit verlorene zeugniss 
über das alter des homerischen hymnus zu entschädigen. 


Berlin. Paul Cauer. 


5. Zeit und heimath des periegeten Dionysios. 


Unnüthig wire es, noch einmal alle vermuthungen, die man 
über vaterlaud und zeitalter des periegeten Dionysios vorgebracht, 
zu besprechen, noch einmal die gründe für die verschiedenen an- 
sichten gegen einander abzuwügen: der dichter selbst hat uns die- 
ser mühe überhoben. Dem gelebrten manne war es sehr wohl be- 
kannt, wie lose iu jener zeit der abschreiber die namen der ver- 
fasser mit ihren werken zusammenhingen und er war vorsichtig 
genug, seinen ruhm durch ein mittel zu sichern, das uns als spie- 
lerei erscheinen könnte. Akrostichisch fügte er seinen namen der 
dichtung ein und, als hatte er späteren streit der gelehrten ver- 
hindern wollen, vergass er nicht seine heimath zu neunen und den 
kaiser, unter dem er schrieb: vers 109 heisst es: 


"Ex di how Sixedwv Kornmns drantnraraı oldua 
110 Af uxgor én’ aviodlny Suiuwridog ayes xagnrov, 
"Hv Koirns èrinovow Ewior Zune axgny. 

4 oii d° ÉEelnc rgortow qolaaovo. Puducout, 
I cuugixov nvosjow euvvoueras Bogéuo, 
'O Id: gvoiowrrog, Enel xurevarila xeiviu 





176 Miscellen. 


115 Navraı dà zoutz» Dagny dia xxlrjoxovesr, 

"Y oıarov à nenw@vu retasvoptrgy Kactoso’ 

= sdovlnv d’ Eikonv, 69 relverus dg uvya yalns 

"Locos aygs mröAog, Kıllzwv zwonv nupuuslßwr, 

"1 001x205 &ixouevog Bogénr Ens xoÀnog drelowy 
120 Où uiv moAiov arevPev loodponog ayys yaQ 5707 

"Y oninyys drogeoï Kidlxwr anonaveras aïnç 

T 5uoc êni Cépugov orgenryy emegevyetas Gun. 

'Q c dé dquawr Piocvgwnos ÉMoceras, ayxviog Egnwy, 

N w3i¢, 19 d' vno nàcu Baguretas ovpsos axon 
125 "E oyoué£va* 706 aeivog Edlocetas ely adi xodAnos, 

N ryurog, Era xoi Erda Buguropevog ngoyogow. 

T ov uiv ini agoyoÿ Muppvisos duguvépovras, 

“O ccov énsngopéByxe Aslıdorlwr uvyà snowy 

X iuu d’ Eyes Cepugov Ilurapnld« rqiodev axonv. 
130 @ paleo 0’, Ex xelrov rerguupeévos avdis En’ agxtove, 

A lyulov nóvroi0 nÀarov nogovy, Eva te xvpa 

“Pnoouusvov 7700104 negifoëueiur Sroyudecory’ 

Ov yaQ us xtivo Evallyuia xuuur’ Öpeilsı, 

‘Y vo9. poguvewr, Eregog nôgos auguieling. 
Vers 118 fehlte in den vorlagen des Avienus uud Priscianus. Er 
fand sich erst io den manuscripten, welche dem Eustathios, den 
scholiasten und paraphrasten zu gebote standen. Man streiche ihn: 
dann ergiebt sich aus den versanfüngen: èun Æiorvolou ruv èridg 
@ugov. Also aus Alexandrien stammte der dichter. Dahin ver- 
weisen ihn auch die überschriften einiger codices. Keineswegs ist 
er aber mit dem Alexandriner identisch, für welchen ihn C. Mül- 
ler!) hält. Letzterer geht von einem Suidasartikel aus: Jıorv- 
osoc "MdeEardgevc, 0 TAuvxov vioc, roeupuanxóg, ooug ano Né- 
Quvos Gurÿr xui roig mergs Touiarov xui rw BiBliodnxwy noov- 
om xai Eni Emorolwv x«i ngsoßewv eyévero xal amoxqiputwv. 
"Hy dì xai diducxadoc [lugderlou 100 yeupputxod, pudntng dé 
Xusenmovog tov quocogpov, ov x«i diedetato Ev > AleEurdoela und 
identificiert mit diesem 4sorvosos den Dionysius lonicus, welcher 
nach einer notiz, die ein gewisser Guido im XI. jahrhundert einem 
zwischen 667 und 670 geschriebenen buche entlehnt hat, Romae 
bibliothecarius per annos fuit viginti et orbem metro heroico graeco 
carmine descripsit. Die grüsse des contingents, welches die träger 


1) Geogr. gr. min. II prolegg. XIX 2. col. Derselbe lässt ihn in 
Libyssa geboren sein wegen der hervorhebung des flusses Rhebas und 
weil einige der scholiasten den dichter als Libyer bezeichnen. Letz- 
tere thun er, wie sie selbst sagen, darum, weil der dichter eine au- 
genscheinliche vorliebe für Libyen hege. Und jenen fluss scheint der- 
selbe nur desshalb durch gie anaphora auszuzeichnen, um fiir die 


schilderung der den Pontos ymwohnenden Volker einen volltónenden 
abschluss zu gewinnen. 


Miscellen. 177 


des namens Dionysius im alterthume stellten, verhindert auf die 
einzige übereinstimmung beider artikel — jener und dieser Diony- 
sius ist bibliothekar — viel gewicht zu legen, zumal bei dem Dio- 
nysius lonicus die zeit unbestimmt ist, während Æ4oyussoç nicht in 
Rom, sondern in Alexandria jenes amt verwaltet zu haben scheint. 
Ausserdem sieht der ganze lateinische passus ala ein conglumerat 
noklarer remiiniscenzen aus. So wenigstens das allgemeine lonicus, 
und die zwanzig jahre, welche Dionysius in Rom verlebt haben 
soll, könnten wohl einer dunklen erinnerung an die zweiundzwanzig 
jahre entstammen, welche Dionysios von Halicarnass in Rum zu- 
brachte, für den übrigens auch einige handschriften unseren Dio- 
nysios ausgeben. 

Ferner: Chairemon, des Dionysios lehrer, war legorpauuazeug 
und gsdodogos (stoiker). Er wurde (etwa 50 n. Chr.) nach Rom 
berufen, um die erziehung des spateren kaisers Nero zusammen mit 
Alexander von Aigai ?) zu leiten. In Alexandria folgte dem ispo- 
youpuurevç der yoeuuuzixog Dionysios und zwar nach C. Müller's 
nicht unwahrscheinlicher vermuthung in eben dem jahre, in wel- 
chem sein lehrer nach Rom ging. Ware Dionysios damals — nie- 
drig gegriffen — erst 25 jahre alt gewesen, so würde er doch 
beim regierungsantritte Hadrians das neunzigste lebensjahr bereits 
überschritten haben. Ein ausnahmefall ist es immer, wenn jemand 
in diesem alter noch dichtet, so sorgfaltig dichtet wie der perieget. 
Aber nicht einmal jenen zeitpunkt bat der yoaupurxoç Dionysios 
erreicht, welcher nur roig ufyos Touiavov ovrnv. Unser Dionysios 
dagegen schrieb unter — Hadrian: 


513 Onnrög dé 105 ton Budug nogog Alyaloıo. 
°E vidg Eywv éxurepder unsıgeolwv orlya vijowy, 
515 “O oco» éni arıvwnov vdwe *Adapavitdos "Ex, 
X noròs On xai "ABudog évurrior bguov E9tvro. 
Evgwnng 0’ ul piv dass und vevpari yergog 
‘P wor? éEetns, “Aotng d^ Ent debit neïvrou, 
M fxos in! dextq@oso tétusvdperus Bogéuo. 
520 'H vo à' Evewnns uiv) ‘ABavtids Endero Máxgic, 
Zxugóg 1° jreucecoa xai alnesvì ITendgndos 
"E v9e» xui Anuvog, xeavady ntdov 'Hyalcıoso, 
Il £nia100, wyvyln 18 Odcos, Anuntegog axın, 
"I ußoos, Qonextn re Sépoc, Kogvfldvuov acm 
525 AT d'’Acins nowrny alcur Auyov, apgic eovoas 
Mihov éxuxlwoavio, xal oùrouu Kuxicddes slot 
‘Puasa 0’ “Anodlwrs yogovg Gváyovow «nado, 
"I orapévou yluxegod véov elugoc, sur iv ogecosy 


2) Suidas s. v. 
3) Nach Müller: nur cod. A; die andern scheinen alle falsch Zu- 
ewnys d” ros wer’ 4. zu haben. 


Philologus. XLII. bd. 1. 12 





178 Miscellen. 


"AvSounwy ündvevde xvi lsydqeovos ando. 
580 Nicos d° EEeing Snogades neQsxappavowsdsy, 

Olor 51° dvegtdoso di’ £go; elderus orga, 

“Yyea végn xguenvoio Bincaptrov Bogéuo. 

Also: Es hat Cog ‘Eguîs (seit der zeit des Helleoismus der 
schirmherr ägyptischer wissenschaft) êri "Adgsuvov dieses werk 
entstehen lassen *). 

Von einem scholiasten wird ein 4Aiorvoros "AieEardyevc als 
vater unseres periegeten bezeichnet, Sollte dieser Zfiovvoioc ’AAs- 
Euvdgevg etwa jener oben erwähnte grammatiker und schüler Chai- 
remons sein? Allerdings schwanken die handschriften, indem ei- 
nige Æfwroçs, diuirov geben. Der zeit nach könnte indessen der 
grammatiker sehr wohl der vater und lehrer unseres dichters sein, 
welcher sein werk nicht schreiben konnte, ohoe die sorgfaltigsten 
grammatischen studien betrieben zu hahen. 

Aus der periegese spricht nach Rühls ®) treffeoder bemerkung 
ein frommer sinn. Der dichter erwähnt unter den bauten Alexan- 
driens nur des leuchtthurmes und des Serapistempels. Letzteren preist 
er in ausnehmender weise. Bekanntlich war mit dem letzteren 
eine bibliothek verbunden. Der gelehrte, der fromme maon wird 
zu beiden vielleicht in beziehung gestanden haben, etwa ähnlich 
dem fegevc, welcher vorsteher des Museions war. 


Berlin. G. Leue. 


6. Dionysius Calliph. 31—38. 


“H d° “Has and rig Aufoazias stvas doxet 
padota Ouraync 10 mégag avr]; d Fogeras 
int 10v nosupòv IInvsor, wo Oog yeuge, 
0006 te Muyrıjzwv Opodny xexdnuévor. 
35 Tivic di sz» Mayvıolav 176 Elludoç 
Meyovow ebrus, 10». dè Didléav dyvoziy 
anoyweloarıa, Toùro d’ sivas oupgavés 
toig gilouudeiv pudsora qidorsmoupévore. 
Dionysius geht in seiner «»oygagr 775 EàA«dog von Ambrakia 
aus, beschreibt, stets den windungen der küste folgend, Akarnanien, 


4) Das erste akrostich ist da angebracht, wo zuerst ein name 
vorkommt, welcher von dem der insel Pharos gebildet ist (v. 115 
@Paginy cla); das zweite dürfte an seiner stelle eingefügt sein, weil 
dort der insel Imbros erwühnung geschieht. Eustathios comm. zu v. 
624: éruäro dé adres (auf Imbros) xai Kouns, dv "IuBoauor déyovasy 
ol Kaees 

5) Geog. g. m. prolegg. p. XVI, 2, col. 

6) Rhein. mus. 1874, p. 86. 87. 





Miscellen. 179 


Aetolien, Lokris, Phokis, Boiotien, Megaris, Korinth. Der rest 
seiner darstellung des festlandes ist verloren; aber gewiss hat er 
sich auch bier stets dem gange der küste angeschlossen, zuerst die 
ufergebiete der Peloponnes behandelt uud darauf Attica und die 
landschaften nordwürts bis zum Peneiosflosse und zum Homolenge- 
birge in kurzem abrisse vorgeführt. In den oben citierten versen 
bezeichnet er nach Phileas die grenzen der oureynç “Edddg d. h. des 
gebietes, in welchem die einzelnen griechischen stüdte nicht durch 
umwohnende barbarenstämme von einander getrennt waren. Jener 
periplenschreiber stellte also Ambrakia im westen, den Peneiosfluss, 
das Homolengebirge im osten als grenzpunkte auf. Man braucht 
nur einen flüchtigen blick auf die karte zu werfen, um zu erken- 
nen, dass für den, welcher wie Phileas an der küste entlang geht, 
Magnesia innerhalb dieser grenzen liege, dass also Phileas, wenn 
er diese grenzen festsetet, Magnesia zu Griechenland rechne, es 
nicht davon trenne, „Einige aber“, so fährt der dichter v. 35 
fort, „einige aber belaupten, Magnesia gehöre zu Griechenland, 
Phileas aber wisse es nicht, der es davon trenne*. Der es davon 
treone? jener grenzbestimmung nach trennt er es ja nicht davon! 
Man sieht: so wie der text lautet, treten jene „einige“ in gegen- 
satz zu Phileas und doch behaupten sie ganz dasselbe wie Phileas, 


Dieser widerspruch ist nicht unbemerkt geblieben. C. Müller 
sucht durch eine erklärung um denselben herumzukommen. Aber 
diese erklarung — er brachte sie in den noten vor — geniigte, 
wie er in den prolegomenen offen eiogesteht, ihm später selbst 
nicht mebr. Er machte sich darum an eine emendation: 

Tivig dè 13» Mayynoluv ovy Eladoç 
A£yovow elvai, 107 dà. QuiMay ayvoeiv 
ovx dgoglouvta x. t. À. 


Er schrieb also ovy für rg, musste aber dann auch ein ovx vor 
ámoywgícavra einrücken und an stelle des letzteren ausserdem 
apoglcavia setzen. Schwerlich wird eine änderung befriedigen, 
welche zwei andere nach sich zieht. 


Derselbe gelehrte erinnert?) daran, dass die frage, ob Thes- 
salien zu Griechenland gehöre oder nicht, im alterthume oft be- 
sprochen sei’). Aber hier handelt es sich ja nicht um Thessalieo, 
hier handelt es sich um Magoesia. Müller gesteht das zu und 
sucht diesem einwande mit der behauptung *) zu begegnen, dass 
periplenschreiber nur die küste, nur Magnesia, nicht auch das 
übrige Thessalien zu erwähnen brauchten. Ganz recht, our die 


1) P.L 1. col. 

2) Eben dort. 

3) Z. b. in einem dem Dicäarch zugeschriebenen frgm. III, 1—8; 
geogr. gr. min. I, p. 108— 10. 

4) Geogr. g. m. I p. L col. 2. 


12* 





180 Miscellen. 


küste; aber ist denn die küste Thessaliens mit Magnesia identisch f 
Ist dieses nicht vielmehr nur ein theil von jener? Oder gingen 
die verfasser von küstenbeschreibungen von Attica und Boeotien 
nach Euboia und von da sogleich nach Magnesia hinüber, ohne das 
lokrische, phokische, malische gebiet, ohne deu küstenstrich von 
Lamia bis Jolkos zur darstellung zu bringen? Doch gewiss nicht. 
Sie beschrieben diesen küstenstrich, der übrigeus Magnesia an lünge 
gleichkommt , und erwähnten also einen theil Thessalieos, den sie 
nicht mit Magnesia bezeichnen konnten. 


Noch eifriger als die frage nach der zugehörigkeit der Thes- 
saler zu Griechenland wurde die frage nach der zugehörigkeit Ma- 
kedoniens zu Griechenland erörtert. Die letztere hatte nicht nur 
ein ethnologisches interesse, sie wurde zugleich auf das gebiet der 
politik hinübergeführt. Sie lautete bier®): „Sind die Makedonen 
Hellenen, den kampf gegen die Perser im sinue des hellenischen 
volkes uud der hellenischeu geschichte übernehmen zu können ?“ 
Die anhünger Philipps Il. bejahten, seine gegner verneinten diese 
frage, uud Demosthenes 9) stand nicht an den Mukedonen als bar- 
baren zu bezeichnen. Und eben dieser gegensatz tritt auch an der 
in frage stehenden stelle hervor, sobald man für Muyynolur Mu- 
xedor(av schreibt. 

Bei dieser veründeruog versteht man 2) wie der febler ent- 
standen sei: beide worte beginnen mit der gleichen silbe; der ab- 
schreiber liess sich ausserdem durch das in dem vorhergehenden 
verse stehende Mayynzw» irre führen. 3) Beseitigt diese änderung 
den widerspruch, der zur emendation herausforderte. 4) Entspricht 
sie den geographischen verbültnissen: Peneiosmündung und Homo- 
lengebirge bilden die küstengrenze zwischen Thessalien und Ma- 
kedonien. Phileas geht bis zu diesem grenzpunkte und trennt also 
Makedonien von Griechenland, „einige“ gehen über diesen grenz- 
punkt hinaus und behaupten, Makedonien gehöre zu Griechenland. 
5) Trifit die übereinstimmung, welche der periplus des Pseudo- 
scylax mit der darstellung des Dionysius an vielen stellen zeigt, 
nach unserer änderung auch hier eio. Skylax sagt 2. 65: uéyos 
évraëda (bis Homolion vgl. 2. 33) dor» dno "Mufigax(og ovveyiec 
n Elluç: énesexwe dé xai éxi Jul” (sic) maou “EdAuds ouolwç 
do:. So der codex Par. Die letzten worte sind offenbar cor- 
rupt 7), uber soviel steht fest, dass der satz dnıeıxwc dé u. s. w. im 
gegensatz zu der vorhergehenden grenzbestimmung stehe, und es 
scheint in ihm der gedanke ausdruck gefunden zu haben, dass bil- 
ligerweise auch die auf Thessalien folgende makedonische kiiste 


5) Droysen: Alex. I. Halbb. buch 1 cap. 2 p. 67. 

6) Olyntb. Ill 6. 16 u. 8 24; Phil. IIl §. 31; fale. leg. 827 u. a. 

7) Der abschreiber scheint mit dem zeichen ~ das fehlen meh- 
rerer worte andeuten su wollen. 





Miscellen. 181 


zu Griechenland zu rechnen sei, da auch sie wie griechisches ge- 
biet aussehe (ogolws EXAud:). 6) Passt Muaxedorlav in den vers: 


Tivig di 13» Muxedovlar rng 'EAAadog. 
Berlin. G. Leue, 


— @ 


7. Verse im Cicero. 


Die zahl der im Cicero verspreogt nachgewiesenen verse glaube 
ich noch um einen vermehren zu können. Er findet sich an einer 
recht oft gelesenen stelle, Tusc. 5, 1, 4. Cicero will von der 
macht der tugeod reden und wendet sich mit folgenden worten an 
den M Brutus: Illa enim, si modo est ulla virtus, quam dubita- 
tionem avunculus tuus, Brute, sustulit, omnia, quae cadere in ho- 
minem possunt, subter se habet eaque 

despiciens casus contemnit humanos, 


culpaque omni carens praeter se ipsam nihil censet ad se pertinere. 


Dass die besonders gedruckten worte fast einen vollen hexa- 
meter ausmachen, ist klar. Wenn Cicero orat. 20, 67 verse in 
der prosa für ein orationis vitium erklärt, werden wir hier ge- 
wiss ein bewusstes citat vermuthen dürfen. Darin bestärkt uns 
noch mehr die poetische färbung der vorgehenden worte subter se 
habet. Dräger sagt in der hist. syntax 1, 621: ,,Subter, fast nur 
mit dem accus. verbunden, wird aus vorklassischer zeit nur ein- 
mal erwähnt: Fabius Pictor ap. Gell. 10, 15 subter arborem feli- 
cem. Bei Cicero steht es nur zweimal: Tusc. 1, 10, 20. 5, 1, 4. 
Alle übrigen stellen sind aus klassischen dichtern und spüteren. 
Den ablativ finde ich nur bei Catull und Virgil nachgewiesen“. 
Wir haben danach auch ao unserer stelle eine wahrscheinlichkeit 
für die entlehnung jener worte aus einer dichtung, obgleich ihr 
metrischer zusammenhang mit dem folgenden hexameter nicht klar 
ist. Zur ergänzung des letzteren möchte man aus dem vorherge- 
henden noch das wort omnia entlehnen. 

Der so gewonnene vers 

omoia despiciens casus contemnit humanos 


hat aber vielleicht noch ein litterarisches interesse, Der im beginn 
des satzes erwähnte oheim des Brutus ist Cato Uticensis. Auf ihn, 
der kaum zwei jahre vor abfassuog der Tusculanen sich den tod 
gegeben, weist Cicero hin als auf ein vorbild der tugend. Nichts 
liegt da näher, als die folgenden worte im hinblick auf ihn gesagt 
sein zu lassen. Gewiss bezeichnen sie nach der anschauung Ciceros 
das wesen Catos mit epigrammatischer kürze, so dass sie, wenn 
man etwa das perfekt contempsit eiusetzt, fast wie ein stück aus 
einer grabschrift desselben erscheinen. Liegt da nicht die vermu- 
thung nahe, dass Cicero hier ein citat aus seiner eignen, kurz nach 





182 Miscellen. 


dem tode des Cato verfassten Laus Catonis gegeben und in dieser 
sich zu einem solchen dichterischen versuch aufgeschwungen habe? 
Ist diese vermuthung richtig, so gewinnen die worte, im j. 710 
an den M. Brutus gerichtet, uoch mehr an bedeutung. 

Bei dieser gelegenheit móchte ich noch auf ein citat de fin. 
1, 2, 5 aufmerksam macheo, dessen natur, umfang und herkunft 
ebenfalls durch eine vermuthung vielleicht mehr licht bekommt. 
Cicero bekämpft hier diejenigen, welche die lateinischen schrift- 
steller, zunachst die dramatiker, nicht lesen zu mógen erklürten, 
da ihnen die griechischen originale derselben zu gebote stünden. 
A quibus tantum dissentio, führt er fort, ut, cum Sophocles vel 
oplime scripserit Electram, tamen male conversam Atilii mihi le- 
gendam putem, de quo Licinius, 

ferreum scriptorem, verum, opinor, scriptorem (amen, 
ut legendus sit. 

In älteren ausgaben findet man bereits diese letzten worte als me- 
trisches citat gedruckt. Halm und jetzt auch Holstein lassen nur 
die beiden anfangsworte ferreum scriptorem als citat zu, geben also 
die folgenden dem Cicero. Mir scheint dabei eine doppelte bürte 
fühlbar. Zunächst ist die anführung von nur zwei wörtern aus- 
serhalb der grammatischen construction auffallig, da doch ein ein- 
fügen in dieselbe, etwa in der form quem Licinius ferreum scrip- 
torem dicit, so einfach gewesen wire. Dann aber enthalten die 
worte ut legendus sit im munde des Cicero eine tautologie neben 
den kurz vorhergehenden ut tamen male conversam Atilii mihi le- 
gendam putem. Beide bürten werden gehoben oder doch wenig- 
stens gemildert, wenn das citat bis ut legendus sit ausgedehnt wird. 

Ueber den ursprung desselbeu möchte ich mir nun folgende 
vermuthuug erlsuben. Alle handschriften schreiben es eiuem Licinius 
zu, aber „wer dieser Licinius ist, lässt sich nicht bestimmen“ sagt 
trocken Holstein, und auch ich habe über ibn nichts weiter gefun- 
den. Nun ist es aber duch auffällig, dass Cicero irgend einen sonst 
völlig unbekannten dichter, oder, wenn nicht dichter, so gar kri- 
tiker und recensenten citirt baben sollte an einer stelle, wo doch 
ein uamhafter gewährsmann von nóthen ist. Mit nachdruck spricht 
Cicero in dem auf jene worte folgenden satze seine überzeugung 
dahin aus, wer den anspruch erhebe, zu den gebildeten Römern 
gerechnet zu werden, müsse vor allem mit den römischen dichtern 
vertraut sein: Rudem enim esse omnino in nostris poelis aut iner- 
tissimae segnitiae est aut fastidii delicatissimi. Dass dies gefühl 
berechtigt sei, muss auch aus dem vorhergehenden citat hervorge- 
hen, und dass Cicero in dieser ansicht bewahrte genossen habe, 
muss der name des mannes zeigen, dem er es entlelint. Dazu aber 
genügt ein unbekannter ehrenmann, wie Licinius es sein würde, 
nicht, Ich möchte daher diesen namen in den nahe liegenden Lu- 
cilius ändern. Ihn führt Cicero auch kurz nachher c. 8, 7 an, 


Miscellen. 183 


wenn er auch hier nicht ganz mit ihm dario einverstanden ist, gar 
so wäblerisch zu sein iu der bestimmung des kreises der leser, für 
die er schreibt. Ja, mir scheint, dass das obige citat sich sehr 
gut drei erhaltenen fragmenten aus dem 26. buch der satiren an- 
schliesst, die L. Müller an den anfang desselben stellt, und zu de- 
nen eben auch das citat in c. 3, 7 gehört. Lucilius schreibt da 
im selben versmaass offeubar über das thema, wie er zum publicum 
stehen wolle, und wie überall der dichter zum publicum stehe. 
Dem entsprechend würde das citat aus c. 1, 4 davon handeln, wie 
das publicum sich zum dichter zu stellen habe. 


Gliickstadt, D. Detlefsen. 


- — — € —— — — 


8. Zu Tacitus, Euripides, Sophocles. 


L Tac. Hist. 11, 16 extr. In diesem kapitel wird er- 
zällt, dass Pacarius, procurator von Corsika aus hass gegen Otho, 
diese insel, die der partei des Otho sich angeschlossen hatte, dem 
Otho abwendig zu machen und für Vitellius zu gewinnen sucht. 
Aber durch seine strengen anforderungen an die soldaten erbittert 
er diese gegen sich und wird getüdtet; sein haupt wie die seiner 
mit ihm ermordeten freunde werden dem Otho von den mórdern 
überbracht. Es folgen die worte: neque eos aut Otho praemio ad- 
fecit aut puniit Vitellius, in multa inluvie rerum maioribus flagitiis 
permizios. Die letzten worte erklärt man: da zur zeit noch 
schlimmere verbrechen begangen wurdeo, blieben die mörder unbe- 
merkt. Aber das widerspricht den worten: capita . . . ipsi in- 
terfectores ad Othonem tulere. Zudem müssen nach dem Taciteischen 
gebrauch von permisceri in derartigen verbindungen die worte maio- 
ribus flagitiis permiztos so verstanden werden, dass die mórder selbst 
schlimmere verbrechen begangen. Davon aber wird nichts erwahot, 
wohl aber werden im folgeoden genug flagitia sowobl des Otho 
als des Vitellius angeführt, welche die beiden kaiser auf die er- 
mordung des Pacarius nicht besonderes gewicht legen liessen. Des- 
balb schlage ich vor, statt permixtos zu lesen: permixti. [n 
dieser verbindung entspricht die bedentuog von permisceri zugleich 
völlig dem sonstigen gebrauch des Tacitus. 

II. Tac. Ann. XI, 26. Messalina, die gattin des kaisers Clau- 
dius, geht in ihrem lasciven uud ehebrecherischen treiben so weit, 
dass sie in der hauptstadt selbst eine fórmliche ehe mit ihrem buh- 
len Silius schliesseo will. 'l'acitus bemerkt hierzu: nomen matri- 
monii concupivit ob magnitudinem. infamiae, cuius apud prodigos 
novissima voluptas est. — Prodigos halten die meisten für verderbt; 
Dräger schlägt dafür vor ,profligatos*, Nipperdey ,,perditos“; aber 
beide haben in der richtigen einsicht, dass diese änderungen zu ge- 
waltsam sind, ibre conjekturen in den text nicht aufgenommen, 





184 Miscellen. 


M. Hertz glaubt die überlieferung dadurch vertheidigen zu kón- 
nen, dass er aus infamiae zu prodigos einen genetiv famae er- 
ganzt. Doch kann ich mich dieser ansicht nicht anschliessen, zu- 
mal da in einer scheinbaren parallelstelle die betreffenden worte 
sehr wohl sich anders fassen lassen. Hist. 1, 8 heisst es: Rufus 
vir facundus et pacis artibus, bellis in expertus; der ablativ pacis 
artibus wird besser als ablat. qual. erklärt. Vgl. meine dissert. 
Quaest. de ablativi usu Tac, part. I. Vratisl. 1882, p. 46. Mir 
scheint das richtige sich zu ergeben aus der betrachtung des auf 
prodigos folgenden wortes novissima. Entweder ist dieses wort 
selbst corruptel aus nominis summa, oder zwischen prodigos und 
novissima ist nominis (noris) ausgefallen. Für das óftere vorkom- 
men von wiederholungen desselben wortes in kurzen zwischenräu- 
men hat Nipperdey beispiele gesammelt zu Ann. I, 81 (modo-modo); 
auch der umstand, dass das zweite nomen eine etwas andere be- 
deutung hat als das erste, entbehrt nicht analoger falle. Vgl. Hist. IV. 
65: quando neque subire condiciones melus futuri neque palam 
aspernari condicio praesens sinebat. Ann. Ill, 18: ne nomen 
Pisonis fastis eximeretur .... Pisonem ignominiae 
exemit. 

Ill. Tac. Ann. XIV, 7. Der plan des Nero oder seines frei- 
gelassenen Anicetus, die Agrippina vom schiffe aus ins meer zu ver- 
senken, war misslungen. Als Nero davon vernimmt, ist er ausser 
sich vor furcht, seine mutter künne das heer oder die sklaven ge- 
gen ihn bewaffnen oder auf irgend eine andre art rache üben. Er 
selbst weiss keinen rath: quod contra subsidium sibi? nisi quid 
Burrus et Seneca ezpergens. Letzteres wort ist offenbar ver- 
derbt. Die palüographisch leichteste der bisher vorgeschlagenen 
ünderungen, nàmlich exporgerent (Wurm und Hoffmann), ist deshalb 
zu verwerfen, weil diese furm nur einmal und zwar bei Terenz 
vorkommt. Andere änderungen, wie erpedirent, expromerent und 
vollends die gewaltsame umstellung von Wölfflin weichen zu sehr 
von dem überlieferten ab. Bedenkt man, wie leicht P und R [R] 
verwechselt wurden, so liegt nahe, für expergens zu vermuthen: 
ex re agerent. Die redensart ez re agere scheint grade bier, wo 
von der ratblosigkeit des Nero die rede ist, ganz passend. 

IV. Eurip. Alc. 320— 21. Alkestis im begriff für ih- 
ren gatteu zu sterben, beklagt nicht sowohl ihr eigenes geschick 
als das ihrer kinder, die nun bald der mutter beraubt sein werden. 
Zwar der soln wird am vater eine feste stütze finden, aber nichts 
wird der tochter den verlust der mutter ersetzen können. Lange 
verweilt Alkestis bei diesem gedanken und schliesst dann: weder 
werde ich Dir die hochzeitsfackel anzünden, noch Dir beistehen in 
der stunde der noth, wo am erwünschtesten ist die hülfe der 
mutter: 

dei yàg Faveîv pe. xal 109 oix elg avgsor 





Miscellen. 185 


ovd’ ele rolrnv uos unvog Eoyeras xaxov. 

Der genetiv ugvoc giebt keinen sinn und mit recht wird das wort 
von den herausgebern als verdächtig bezeichnet. Ich vermuthe, 
dass zu lesen ist: ov d” elg rolrnv cos unreoç . . . . Dass Al- 
kestis nicht sagt: „bald kommt mein unbeil“, sondern : „bald kommt 
für Dich das uoglück der mutter“ ist sehr charakteristisch; auch 
hier beklagt sie ihren tod nicht sowohl um ihrer selbst als um 
ihrer kinder willen. 


V. Sophokl..Trach. v. 229. Nach langem unrubvollen 
warten erfährt Deianira endlich, dass die ankunft des Herakles 
bevorstehe. Als Lichas, der diener des Herakles, erscheint, sagt 
sie zu ilm: 

Xalgev dé Tor xjQuxa noovrrénw, yoorw 

noÀÀd gavrrra, yugio» el re xai péoeis: 
worauf Lichas autwortet : 

"AAA ev pèv Iyued’, eb dì ngooqwrvovus9a 

yvras, xar! Egyou xiz0w* urdoa yug xadwc 

Reaccort’ avuyxn yonoru xegda(vew Eng. 
Ich wundre mich, dass es noch niemandem aufgefallen ist, dass die 
antwort des Lichas gar nicht den vorangehenden worten entspricht, 
Diese müsste vielmehr lauten: ich bringe gutes und demgemass 
richte Deinen empfang ein, dem entsprechend heisse mich willkom- 
men. Auch der folgende mit yug eingeführte satz giebt nur dann 
einen sinn, wenn eine aufforderung vorangegangen ist, die begrün- 
det werden soll. Desbalb ist meiner ausicht nach zu schreiben: 
1000pw v w ut3a. 

VI. Ibid. v. 614— 15. Deianira übergiebt dem Lichas 
das ihr einst von Nessos gescheukte purpurgewand. Lichas soll es 
dem Herakles bringen, ein ozua, È xsirog wpua9ic Spgayidos 
Eoxeı 100° En’ Ouuu Fnosras. Die überlieferung lässt sich trotz 
der gekünstelten erklürungsversuche nicht halten. Die Nauck’sche 
änderung 0 xeirog bupu Desig Spo. Egx. 1. dm, ev pudnoerus 
würde berücksichtigung verdienen, wenn eine leichtere änderung 
nicht gefunden wird. Billerbeck schlägt vor für 27’ ouux Iyoerus 
zu lesen éxov uuÿnostu. Mudnoerus ist offenbar richtig, aber 
ino» giebt keinen sinn und ist ganz überflüssig. Ich schlage da- 
für vor: éuov, so dass zu lesen ist: 

xal ıwrd’ unolosıg onu, È xtivoc evuudès 
Spouyidos Eoues tad’ pov pu3roeras. 
Vill. Soph. Philoct. 424—295. Philoctet fragt den 
Neoptolemos nach dem befinden des Nestor und erhält die antwort: 
xéivog ye JQUuGOEL vuv xuxwds, enei Farwy 
’Arıikoyog ubi Ypovdog, oonsg iv yovog. 
Der relativsatz ist ein miissiger zusatz und der sion wird nicht 
verbessert durch die änderungen &¢ mor 7», 0g rag» u.s.w. 





186 Miscellen. 


Nauck nimmt deshalb auch hier eine vertauschung der versenden 
vor, und zwar hier mit recht; er schlagt vor: 

xtirüg yt WQuOOt viv xuxwe, Enel yovos 

"Arvilioyog avi poovdos olyetas Fuvwy. 
Die änderung von Gong 7» in olysıas scheint mir aber zu ge- 
waltsum; mehr nahert man sich dem überlieferten, wenn man dafür 
schreibt 06 y” Egges Iavwr. Namentlich 77 und I° konnten sehr 
leicht verwecliselt werden, Neoptolemus sagt: Nestor ist betrübt, 
weil er seinen sohn nicht mehr bei sich hat [qpovdoc bedeutet ganz 
allgemein lokales fernsein. Vgl. Phil. 567. Ant. 15. 1245. El. 807]. 
Gleichsam aus schonung für den ohnehin schon vom schmerz er- 
schütterten Philoktet halt sich Neoptolemus in dieser allgemeinen 
wendung, und fügt dann erst hinzu: 06 y’ Zoos Javwr. “Egow 
hat sowohl bei den tragikern [z. b. Sophocl. Oed. R. 910. Aesch. 
Pers. 732. Eurip. Iphig. T. 732. al.] wie bei prosaikern oft per- 
fektbedeutung. 

Breslau. Julius Schneider. 


C. Zur rómischen geschichte. 


9. Des Avidius Cassius stellung im oriente. (Vrgl. Ph. Anz. 
| XII, 12, p. 611). 


Napp sagt p. 38: (Itaque) singularem quendam et maiorem 
gradum ille ( Avidius Cassius) obtinuit, quem similem fuisse Mar- 
quardtius contendit. iis, quos annis a. Chr. inde ab a. 23 usque ad 
a. 19 Agrippa, a. p. Chr. 17 Germanicus, a. p. Chr. 54 Corbulo 
obtinebant. Dieser schluss folgt ihm aus Dios notiz „roy uérros 
Kdoowv 6 Mágxog 15g Aolaç unuons enitpomeven exélevoey 
(Dio 71, 3) wo ‚‚Aolu““ ebendasselbe bedeute, wie sonst ,,ori- 
ens“, uod aus dem umstande, dass einerseits Cassius auch in 
Aegypten, Arabien und Armenien krieg geführt habe, andrerseits 
zu gleicher zeit Martius Verus als statthalter von Cappadocien, 
Flavius Calvisius als statthalter von Aegypten genannt seien, Ich 
will den so allgemein ausgesprochenen satz nicht anfechten, obgleich 
sich erweisen lassen môchte, dass hier insbesondre an eine mili- 
tärische oberleitung gedacht sei, wäbrend die statthalter die 
ganze civilverwaltung selbständig geführt hätten. Aber hinsichtlich 
des Corbulo ist Napp im irrthum, was wir noch deutlicher aus der 
anm. 6 (p. 38) folgenden näheren erklärung sehen. Er sagt hier: 
Similiter res se habebat sub Germanico et sub Corbulone: sub hoc 
enim Syria administrabatur ab Ummidio Quadrato, sub illo a Cn. 
Pisone und stiitzt sich mit dieser behauptung auf Tacitus. Nun 
hat aber Ummidius Quadratus weder im jahre 54, noch jemals unter 





Miscellen. 187 


dem Corbulo gestanden, sondern letzterer erhielt die ihm für das 
jahr 54 vindieierte stellung erst im jahre 63, drei jahre nach des 
Quadratus tode, und alles dieses lesen wir bei Tacitus. 
Napp führt unter dem jahre 54 aus Tac, Ann. XIII, 8 folgende 
stelle an: quod Domitium Corbulonem retinendae Armeniae praepo- 
suerat videbaturque locus virtutibus patefactus. Co- 
piae orientis. ita dividuntur, ut pars auxiliarium cum duabus le- 
gionibus apud provinciam Suriam et legatum eius Quadratum 
Ummidium remanere, par civium sociorumque nume- 
rus Corbuloni esset, additis cohortibus alisque, 
quae in Cappadocia hiemabant: aus cap. 9 folgeu noch 
die worte: testante contra Corbulone non prius . . . . quam ipse 
dux bello delectus spes eius ad metum mutaret. Aus dem 
zusammenhange gerissene stellen geben ja oft einen andern sinn, 
als sie in ihrem zusummenhange wirklich haben. Aber hier düchte 
ich, könnte auch der, welcher die capitel 8 und 9 nicht ganz nach- 
liest, nur verstehen, dass Corbulo besonders für den krieg in Ar- 
menien bestimmt gewesen sei und dass ihm zu dem zwecke @ua- 
dratus die hälfte seiner streitkräfte hätte abtreten müssen. Indessen 
war auch @uadratus durchaus nicht von der kriegführung ausge- 
schlossen. Er behielt nicht bloss die hälfte der truppen zurück, 
sondern auch den partiellen oberbefell über die verbündeten könige 
(socii reges, prout bello conduceret, parere iussi). Io dem umstande, 
dass Corbulo die contingente, die schon in Cappadocien standeu, 
mehr erhielt, liegt nicht einmal eine bevorzugung. Wo sollten 
diese anders bleiben als bei dem neuen feldherrn, der von Cappa- 
docien aus den krieg führen sollte? Wenn die Parther nicht durch 
Armenien gegen die römische grenze vorgingen, sondern in Syrien 
einfielen, was sie auch hätten thun können !), so konnte Quadratus 
allein zum schlagen kommen. Die verkürzung des Quadratus lag 
also darin, dass er die halfte seiner streitkrüfte abgeben musste 
und dass er im römischen osten, wo er bis dahin allein befehligt 
hatte, einen nebenbuhler erhielt, der nicht bloss fahiger und tüch- 
tiger war, sondern auch einen bedeutenden ruf hatte, Ob man in 
Rom den Quadratus für wenig kriegstüchtig und energisch hielt 
— das lässt sich annehmen, und der verlotterte zustand der le- 
gionen, den Corbulo vorfand und den Tacitus drastisch genug 
schildert (Ann. 13, 75) macht es wahrscheinlich — oder ob rein 
militárische gesichtspunkte massgebend waren — das zu schützende 
grenzgebiet war von gewaltiger ausdehnung, so dass die vertbei- 
digung eines manns krüfte überstieg — will ich hier nicht ent- 
scheides. So viel aber geht aus Tacitus hervor, dass man in Rom 
alles vermied, was den empfindlichen mann verletzen konnte und 
ibm officiell auch den ersten rang liess, Das folgt 


1) Vologaeses hatte im jahre 61 diese absicht wirklich. 





188 Miscellen. 


aus dem verfahren, welches Nero beobachtete, als sich den Parthern 
gegenüber scheinbare erfolge zeigten, die Quadratus seinen früheren 
diplomatischen verhandlungen, Corbulo der furcht vor einem kriege 
mit ihm zuschrieb. Nero nahm wegen der von beiden ausgeführten 
thaten zu seinen fasces den lorbeer hinzu, und in dem edict stand 
der name des Quadratus voran (ob res a Quadrato et Corbulone 
gestas). 

Im jahre GO starb Quadratus, und nun trat Corbulo an seine 
stelle, was für ihn offenbar eine rangerhöhung be- 
deutete; denn die proprütur Syrien war die vornehmste im reich. 
In des Corbulo stelle in Cappadocien trat dann auf Corbulos eige- 
nen wuusch Caesennius Paetus (Ann. 15, 6), der ebenfalls die 
halfte der truppen und offenbar dieselben befugnisse erhielt, die Cor- 
bulo vorher gehabt hatte. Er stand in ühnlicher weise neben dem 
Corbulo, wie dieser neben dem Quadratus gestandeu hatte. Das 
verhültniss zwischen den beiden mánnern war auch gleich schlecht, 
nur dass in diesem falle Caesennius Paetus ganz unfahig war. Als 
er dann auch, wie zu erwarten war, dem rómischen namen schande 
gebracht hatte, da wurde er abberufen und nun im jalire 63 er- 
hielt Corbulo den militärischen oberbefehl über den 
ganzen osten, während die vollziehende gewalt (executio) in 
Syrien an den C. Cestius überging. Ann. 15, 25 heisst es: (Et) 
Corbulo militum atque hostium tot per annos gnarus gerendae rei 
praeficitur, ne cujus alterius. inscitia. rursum peccarelur, quia Pueti 
piguerat . . . . Syriaeque execulio C. Cestio, copiae militares Cor- 
buloni permissae . . . Scribitur tetrarchis ac regibus praefectisque 
et procuratoribus et qui praetorum finitimas provincias  regebant, 
iussis Corbulonis obsequi in tantum ferme modum aucta potestate, 
quem populus Romanus Cn. Pompeio bellum piraticum gesturo de- 
derat, Eine solche stellung nahm Corbulo im jahre 63 ein, und 
dieser mag die des Avidius Cassius geglichen haben.  Drüngten 
doch alle geführlicheren Partherkriege dazu, auf rómischer seite 
einen mann mit ausserordentlichen vollmachten auszurüsten, der nach 
eigener entschliessung, nur dem kaiser verantwortlich, dem feinde 
entgegen zu treten vermüchte. 


Prenzlau. G. Wolffgramm. 


D. Auszüge aus schriften und berichten der ge- 
lehrten gesellschaften, sowie aus zeitschriften. 


Revue archéologique 1878. Nr. 2. Febr. J. Quicherat: Die 
von Vitruv zu Fanum erbaute Basilica. (Forts. aus dem januarheft) 
mit einer abbilduog. — R. Mowat: Entdeckung einer gallischen 
inschrift zu Paris; etymologie des namens Lutetia; mit facsimile. 
Der verf. liest : 


Miscellen. 189 


BRATRONOS 
NANTON ICN 

E P A DATEXTO 
RIGI-LEVCVLLO 
S VIOR EBE LOCI 
TOI 


Diese inschrift, welche sich im museum Cluny befindet, rührt wahr- 
scheinlich aus trümmerstücken von ausbesserungsarbeiten an der 
Sainte - Chapelle her. Der verf. erklärt die einzelnen wörter bis 
auf die beiden letzten zeilen und halt die inschrift für ein ex voto, 
welches Bratronos, der sohn des Nantonios, einem gott Epadatex- 
torix Leucullus (einer abart des gallischen Mars) gewidmet hat, 
Leucullus, welches er mit einem andern beinamen des gallischen 
Mars Loucetios zusammenstellt, erklärt er durch candidus, albus 
und auf dieselbe weise den alten namen von Paris 7fovxerí« (Aou- 
xotoxla, Aovxotexia etc.) durch „alba“ und glaubt, dass der name 
der stadt von dem weissen kalkstein (marnestein), den man bei den 
bauten noch jetzt dort verwendet, herrührt. — J. Mordtmann 
(sohn): allerlei epigraphisches. J. Inschriften aus Varna. Davon 
dedicationen: 1. Auf dem piedestal des bruchstiicks einer statue 


EP ATQ. 


2. Auf einem fragmentarischen basrelief, welches zwei reiter zeigt 
4i]ocxogoic evyal[gsorngeor. 
Von staatsschriften 


NO ..... iz]ja» ...... 

.0aU + 0.00 VELECIW en... 

qui] ore . . [or]epurour aùròy 

und’  Exuoro[r] ersalu]rov dv roig ‘Eg- 
palo üvaly]rélovros 10$ xnçv- 

x]og* oi véos o1epavor[a] Zleiv]ur- 
d[elor “Anarovelov qiàodot(ag Eve- 

xev silo elo éavrovg* ij» diè é]rsué- 
As[cluv wolenlo[elodas 176 avayoger[clews 
zov] oilepa]rov ſtoſöç x«9' Exuoror d»- o 
uvıolr . 


Den namen =éfrurdgoc, der sich in den wörterbüchern nicht findet, 
hat der verf., der analogie mit ähnlichen folgend, gebildet. 


4. 


Oi ngvrav[eic] écrepurwl[oaur] enspyreevou[rtus] ’Anor- 
Awasov Zluwroç Kullluuyor Duvégov xal yeupupart(a] 
GíccaAov “Agrpidweov..... 





190 Miscellen. 


5. 
[4ya97) voxn 

„22.0. 0906 dggiegtws' xai EÜTOTRQ- 

yov] ... éBdoun. otde eloir Ègpnfow 

> Agri (d ]wpos * Aerepudwoov ‘Hdvs ' Aoyecrucov 

Didckjevog Dilokévov diorvosros Auda 

Aigijiog Hocednov *Aneliag Tiavxiov 

4or]vosog Oepsora "Eile Xuspfov 

ITowr]auyogus Kudisod frou ' Anarovgsog " Anarovglov 

ot aeos *Anollwvioe — Baacov; ’Enuuslvoriog 

Tous. (ov Magxog — fTwAMwvog 

Nach dieser inschrift muss Corp. insc. Graec. 2163 «/noci«oync 
(statt ouunocluoyns) hergestellt werden, wie auch Sherard's und 
Conze's verbesserte copien ergeben. Die form Bucoovg für B«c- 
cos scheint in Odessus, wie die folgende inschrift zeigt, üblich ge- 
wesen zu sein. 


6. 
"Ayudÿ [royg 
Het xoi Mooxiw bnaros neo 
«sob peyaiov Jegleia ro[v 
olde sioir EqnBos dni ouveey| (als 
begéwe Peto Pwuns xai(ngu rou) à &Qyovroc 
T. DA(aBtov) OroglAov: mowrog à égflagyoc [ai 
T. QA(4fiog) Baacovc* OX(«fiog) Deo qudos: vQ(rAsoc) Ao- 
Teu (d wgoc 
T. Di(dBsos) 'dox(A)qmiodorog  Avg(nlsos) Badegs|avog: 


7. 


Rest eines doppelexemplars der von Dethier, Epigraphik von 
Byzantium p. 66 veróffentlichten inschrift, welches der verf. so 
herstellt: 

Avroxgiitogs Kalougs Tip Allin *Ar|wrf[elivm Ze[Bacre 

evcifet eir vyei dQyetQet periojre marge na[ro(dog 

$ mods ràv 'Odgcoitüv zum] 0Axd 10 vd[we elçn- 

yayıy noovoouuévou Tirov Obsrgastofv Huwillwvos 
[resofeviov xoi aruorgariyov] 


Ao grabdenkmälern 


8. Ziuuv Oeorldov jews 
xatQt 
@eorldns vielleicht für Qeodorldng. 
9. Za ... ovç "Eiinvog Fuyame 
yurn dé ° Agsoroxdtovgs rovg 
vs yaige 


Das wort zow&nvs steht fest, ist jedoch unerklürbar. 


Miscellen. 194 
10. > AvFeomore Myvodugov yaige 
11. ‘Ecnaîos ‘Eoualov yaige 
12. diovvasos Iowrayogov 


j yuri dè vyuige avrov no 
zov (1) I1gos«yógov Fvyung 
qalperas (für yulpere) 

Der verf. nimmt an, dass nach der ersten zeile nur das mittlere 
wort yuige geschrieben war und die worte 7 yurn dè uvroù xıl. 
erst nachträglich hinzugefügt worden sind; was hiuter dé folgt, ist 
vielleicht kein v, sondern ein orthographisches zeichen. — P. Fou- 
cart: Decret des raths der Fünfhundert aus dem jahre 394. Der 
verf. hat gefunden, dass zwei fragmente das erste von Kohler, 
Corp. inser. Att. t. II, 25, das zweite von Ussing Inscr. gr. et 
lat. du musée de Copenhague v. 1 schon veróffentlicht) zu einan- 
der gehören, und dass das erste in Athen befindliche stück die 
linke, das zweite in Kopeuhagen die recbte seite derselben inschrift 
bilden. Er liest sie so: 

"Edotev in Bovini, Alynis [öngvsavever, ’ Agsoroxe- 

«uns Éyoauuareus, " Aueyflac Émeordtes . ... . .. 

eine’ Énurécus ZIogur[nv 70» Midov? ou ngoFvpo- 

c tou nosiv 0 u duvatuls dyadIoy toùs ocvupuyovs? xoi 

iv now thy Adnvulwr, [xa94mq d’ avıog deitas, 

êne dy udiou tour of ngoyo[vos meckerol te xoi sù- 

sorkius ing modews 196 Asdn[rulwr, abróv dé xai mo- 

Mrnv &nosjourto “AFnvaios [dvaygapus SFoguyns 

soy yeapparta tig Bovdnc iv ofsjduss AT vai dv 

nodini nai È v Ilv9(ov tà Éynyilouéra nsQl. ngoydvo 

run] dfum, xadécus dà SFoQu[yny Midov? ini dsinvo- 

y dg ulvgsor el; To nqvraveto[». 

> Agı]oroxgaıng Aloylvov Keg[udidev éygappareve 

Eußovildng ’ElA]evorvsog noyle. 
Der verf. bemerkt, dass, da der ratlı keinen neuen titel und kein 
neues vorrecht dem Z3opurnç bewilligte, es nicht nöthig war, das 


decret an die volksversammlung zu bringen. — Unter den oach- 
richten wird die auffinduog eines neuen sarkophags iu gebranntem 
thon zu Chiusi in Etrurien mitgetheilt. -— Anzeigen von Fer- 


gusson, On the temples of Diana at Ephesus and of Apollo at 
Didyme, as illustrating the Hypaethrum of the Greeks. 

The Journal of Philelogy. London, Macmillan. 1882. 10. bd. 
20. heft. Nettleship: Thilo’s Servius. — Malden: Pyrrhus in 
Italy. — Field: Biology and Social Science (über das wort 
Bloc). — Housman: Horatiana (carm. Il, 2, 1— 4. Ill, 5, 31—40. 
HI, 11, 15—20. HI, 26, 1—8. IV, 4, 65—968. IV, 12, 5—8. 
Eped. 1, 7—14, IX). — Towler: On a Passuge in the Rhe- 
torica ad Herennium (IV, 54, 68). — Nettleship: Dissignare. 





192 Miscellen. 


—- Robertson Smith: The Chronology of the Book of the 
Kings. — Goodwin: On the Text and Interpretation of cer- 
tain passages in the Agamemnon of Aeschylus (105 —107, 249— 
254, 931 —943, 1025—1029, 1347, 1599). — H.A.J. Munro: 
On the Fragments of Euripides. — Jackson: Plato's later Theory 
of Ideas. —  Verrall: The Simile of the Treacherous Hound in 
the Agamemnon (ylwoou wsontng xvroc, 1227—1230). — Jack- 
son: Aristotle, Politics IV (VII) 13 2. 5—7. 1332 A 7 seqq. 
11. bd. 21. heft. Thompson: Introductory Remarks on 
the Philebus (einleitung für studiereude). — Ellis: On some Epi- 
grams of the Greek Anthology. — Masson: M. Guyau on the 
Epicurean Doctrine of Free Will and Atomic Declination (in bezug 
auf Guyau, La Morale d'Epicure). — D. B. Monro: Further 
Notes on Homeric Subjects (etymologie von rnyareoç, erklärung des 
infinitivs nach zo(v und z«goc, über wiéeg und yé£gg&). — Ri- 
chards: On the History of the Words rsipaloylu and resdoyla. 
— Onions: Notes on Placidus, ed. Deuerling, on Gellius, ed. 
Hertz, on Nonius, ed. Quicherat (zu dem letzteren hauptsachlich va- 
rianten des codex Harlejanus). — Nettleship: Lexicogruphical 
Notes (ugina, trica, alapa manumissionis, amentum, ancyromagus, 
cilo, dirigo uod derigo, metuere deos, prona maria, rapo, remulcium, 
seco = narro, seco = sequor). — Derselbe: Notes on the Glos- 
ses quoted in Hagen's Gradus ad Criticen. — Cook Wilson: 
Conjectural Emendations in the text of Aristotle and Theophrastus. 


— H. A. J. Munro: Catullus 64. 176. — D. B. Monro: No- 
tes on the Second Book of the Iliad. — H. A. J. Munro: On 
Aeschylus Agamemnon 1227 — 1230 Dind. — H. A. J. Munro: 


Catullus 63. 18. — Ramsay: Inscriptions of Cilicia, Cappa- 
docia and Pontus. 

The Northamerican Review 1880, bd. 131. Juli. Bartlett: 
The Exodus of Israel. Der verf. sucht nach Lepsius, Brngsch, 
Birch und Poole zu zeigen, dass Genesis 39 bis Exodus 15, so 
weit diese kapitel Aegypten betreffen, mit den ügyptischen monu- 
menten und documenten übereinstimmend sind und wegen der ge- 
nauen kenntniss ügyptischer zustände in der geschilderten zeit nicht 
viel spüter als 1300 v. Chr. abgefasst sein kónnen. — December. 
E. Curtius: The Discoveries at Olympia, p. 484—405. 

1881. Bd. 132. Jan. bis Juni enthält nichts der klassischen 
philologie angehürende. 

Schweizer anzeiger für alterthumskunde. 1882. Nr. 1. Ja- 
nuar. Morel-Fatio: Die grabstätten io Chamblandes, den pfabl- 
bauten des darunter liegenden sees angehérig. — Marcel: Hóh- 
lengrüber der steinzeit in Verney (Waadtland). — Quiquerez: 
Menhirs und schlüsselsteine von der westküste des Neuschateller 
sees (forts. aus heft 3 von 1881); aufzühlung der bei den nach- 
grabungen gefundenen celtischen und gallo-rémischen alterthümern, 
besonders waffen, mit abbildungen. 





I. ABHANDLUNGEN. 


VII. 


Hippodamos von Milet und die symmetrische 
stidtebaukunst der Griechen. 


Hippodamos von Milet reformierte, ein neuer Triptolemos, den 
griechischen städtebau. Die akten über diesen merkwürdigen mann 
sind noch nicht geschlossen; eine revision erscheint zeitgemäss. 

Alte quellen versorgen über die wichtigsten dinge mitunter 
aufs dürftigste: also darf man aus der seltenheit der erwähnung 
nicht auf eine sekundüre bedeutung dieses namens schliessen. Glück- 
licherweise weist Aristoteles schon den mann auf den platz, 
den wir ihm vindicieren lo der politik!) unterscheidet er zwei 
arten, städtische privatwobnungen anzuordoen: die in der alten zeit 
übliche biete gréssere sicherheit io kriegsfallen, denn hier sei für 
fremde der ausgang schwer zu finden uud für angreifer die ter- 
rainerforschung erschwert; wenn die anordoung aber systematisch 
(svropog) sei nach der jüngeren und *) hippodamischen art, so sei 
das angenehmer und praktischer für alle anderen geschäfte. An- 
derswo *) sagt derselbe, Hippodamos habe 7%» tq» noAswv dial- 
oscıv erfunden. Mit beiden angaben hat der grosse Stagirite auch 
für die geschichte der griechischen stádtebaukunst das fundament 


gelegt. 


1) IV (VII), 10 (11). 
br Kai schon lange verdüchtigt, zu streichen oder explikativ zu 
ne 


en. 
8) Pol. II, 5 (8). 
Philologus. XLII. bd. 2. 13 





194 Hippodamos. 


Dass Hippodamos die neue bauweise schuf*), müssen wir be- 
tonen; denn Otfried Müller hat hier durch verallgemeineruug 
verwirrt. Fussend auf der thatsache, dass Hippodamos aus Milet 
war, und auf einer stelle des Pausanias ®), wo nur von ionischen 
marktanlagen die rede ist, vermuthete er, dass bei den Ioniern 
frühzeitig eine gradlinige und regelmüssige anlage sitte geworden 
sei, die dano durch Hippodamos sich über das übrige Griechenland 
verbreitet habe 9). ‘Dies wies K. Fr. Hermann?) mit recht 
energisch zurück und erklarte, dass sich vor Hippodamos keine 
stadt mit gradlinigen strassen nachweisen lasse; dann aber wie auf 
ein gegebenes zeichen sei man zur neuen form übergegangen, und 
es sei keine stadt von irgend welcher bedeutung neu gegründet 
oder erneuert worden, welche nicht oach demselben gesetz ent- 
worfen und unter zugrundelegung einer bestimmten figur erbaut 
worden würe. 

Ist Hippodamos als bedeutend legitimiert, so dürfen uns zeit- 
und lebensumstände interessieren. Ueber dieselben bietet 
Aristoteles das wichtigste, die zweite oben genannte stelle ist der 
locus classicus. Aristoteles begiont hier die untersuchung über den 
besten staat mit einem referat über die ansichten derer, welche 
vor ihm etwas darüber gesagt (d. h. geschrieben) hätten. Er nennt 
drei: Sokrates in Platons xodsrefa und vouos, Phaleas von 
Chalkedon und Hippodamos von Milet. Bei dem bericht über 
den letzteren stehen in einem relativsatz interessante details über 
sein leben und seine lebeusweise — so beiläufig, dass man die 
ganze stelle als unmotivierte abschweifung dem Aristoteles abge- 
sprochen und für einen zusatz etwa des Theophrastos erklürt hat 5). 


4) Siehe übrigens anm. 40. 

5) VI, 24, 2. 

6) Dorier II, 250, Handb. der arch. 8. 111. Im selben sinne 
Leake, Topogr. of Athens p. 18. 388. 

7) De Hippodamo Milesio. Marburg 1841, p. 49 f. 

8) So Susemihl nach Congreves vorgang. Der grund erscheint 
nicht recht ausreichend. Wenn wir uns auch nicht der ansicht J. G. 
Schneiders über diesen exkurs anschliessen kónnen: A. gratificari 
voluit Atbeniensibus, quibus memoria Hippodami tam bene de 
civitate sua imprimis de Piraeeo exstructo atque ornato meriti, non 
solum . . . . . évaulos quasi et recens, sed grata etiam esse debebat; 
so kónnte doch die absicht des Aristoteles, den ihn sichtlich interes- 
sierenden mann mit einigen lebendigen strichen zu charakterisieren, 
als genügender beweggrund für die abschweifung gelten. Für die 


Bippodamos. 195 


Wir setzen sie her: ‘Immodauos dì Etgupwrrog MiAiooc,] 0c xai 
thy ıwv nodewy dealgecsy evge xa; 10v MMespasa xarérepev, yevo- 
ptvoc xai megi tov aÀÀov Plor megstroregog dia quÀonulav ovrwe 
Wore doxeiv Èrlosg Cov megeegyoregoy tosywv te Andes xal xoung 
(var. lect. xoà xoouw modutedei), brs dé dc95rog (Ere dé fehlt in 
einigen codd., xai xooum noAvreiei, én’ êo9nroç Bernays, xai xaà- 
Awmoug ic95:0; Bender) evredovg uiv daÀttvzg dé ovx dv id 
gt». porov GAA xai negi 109g Fegsvods yoovovs, Aoyiog dè 
xai megì ınv OÀg» quoi elvus fovioutvog [mewros 1)» un nmoA- 
tevoptvwr Èvigelonot ts negl. noAsıelug elm» 175 agfornc. 

Aristoph. eq. 327 rügt der chor die schamlosigkeit des Kleon 
bei der ausbeutung reicher fremden und fahrt fort: 


o d’ ‘Innodapov AslBeras Dewpevog, tetram. troch. 


mit metrischer schwierigkeit, da man nach analogie von Jnnodupag, 
“Innodupesca und des Troers 'InzodGpog A 335 ein kurzes « er- 
warten solle, Dazu das scholion: 6 d''InmoÓcuov: ovrog (zu 
verstehen Hippodamos) à» JJesgussi xatoxes xai olxlur elyev, fvrreo 
arnxe dnuocluv elvus. xaì ngwroç uvids 10» llugosk xara tà 
Mndıxa ovrnyayer. jv dà "AInvaloig tlusos. mixewso ovv Akyes 
on où pév (Kleon) draksog wy opereglles xui and mariwv xtQ- 
dalvesc, 6 dé evvovotutos wr TH nodes xutadelBeras roig daxovoiw 
avaklw>o Ogur 6e 1% TG noÀtwg xupnoduerov. Âuneiras (yág add. 


©), noir, 6 "Agyentodsmos. ovrog yàg modla WykAnos tir mods 
x«i oi uiv avtor pacs OQovgsov, of dà Supsor, où dì 
Midnocor. Kikwrog dé dy9góg nv. “AMws: ‘Innodupos 
póvog AelBeras xai mrıaras. dseBuddero yùo imi nolugayla o 
"Innodapog* ws ov (xai add. ©) roù KA£wvog Gvros yacresuagyou, 
ragevdoxıpovufrov dé tnd Innodunov, xéyentas 1j cvyxeloe 
zencputate. Ouov yag xoi r0» ‘Innodapov x«l tov Kitwva 
OsaBudde. Der verfasser des letzten werthlosen uèrooyed{uoua 
las also ‘Innodapog und verstand vermuthlich gar nicht den ar- 
chitekten. Das vorhergehende aber ist zu beachten. 

Es folgen kurze lexika-artikel : 

Harpokr. s. v. ‘/nnodapessu Zfguoc9£vg; dy to noo; Ty- 
podeor (d. 22) àyoguv grow alvas èv Heguset xaudovptrov ‘In- 


glaubwürdigkeit der angaben ists ziemlich gleichgültig, ob sie vou 
Aristoteles oder Theophrast stammen. 


13° 





196 Hippodamas. 


nodapsıav and [nmodüpov Midnotou agystéxtovog rov olxodo- 
pnoau£vov 1oig ‘AInvalose ro» Hago. 

Hesych. ‘innodapou vépnosc: ıöv ITespasà ‘Inncdapos, Ev- 
guBoovrog naic, Ó xai pértwQoAoyog, distdev (dijdas codd.) ° A9n- 
vuloss. ovrog dé mr xai È perosxijoas tlg Oovgraxovs (für carv- 
gsxoug Valesius) MiAgoiog wy. | 

Photios: 'Inzodauov vêueois (lies véunoss) dv. Mecgaset ny 
dì Innôdupos Evouxoovrog Miijoios n Qovgsoc perewoodoyos 
ovrog ditresmer "dO nvalos rov Iesqueù. 

‘Innodupesu ayogug tonog xalouueros oviws 3» ITesgaiti, 
óno Imnodáuov tov Midnolov dgyutxiovoc, tov ror Mesgasa xa- 
TAdxevuicaviog xal 1àg ıng nokewç odovg. Letzterer artikel zu 
korrigieren nach 

Bekker Anecd. gr. I, 266: “Innmodapeu dyoga* tomoc dv 
to ilugowi, ano ‘Innoddpou Minolou aeystéxtovog, nosncariog 
* Adnvaloig 10» Tlegusd xoi xatuteporvtog 175 modews tag ódovg. 

Was Suidas s. v. ‘Innodupesa yoga bietet, beruht auf 
Harpokration; ferner giebt er s. v. Ae(Bexas einen auszug aus dem 
genannten Aristophanes-scholion. Die sogenannte Kudokia giebt 
natürlich nichts neues. ' 

Der hippodamische markt wird sonst noch erwähnt Xen. 
Hell. 11, 4, 11, wo man eis :j» ‘Innodouesoy ayoguy liest; 
[Demosth.] 49 ad Timoth. 2. 22, wo die handschriften zwischen 
innodaply und ixnodauelg (ohne dyoga) schwanken; und And oc. 
de myst. 2. 45, wo ‘Innodupelay (mit diesem accent) conjectur 
Lobecks für das handschriftliche ixrodaular ist?). Nehmen wir 
biezu noch die stelle des Strabon (XIV, 2, 9), an der er von 
Rhodos sagt: 7 d& vor nóAw extlodn xaru ta [lshonovrnoiaxa 
Und 100 aviov apyitéxtovosc, wo pacw, vg ov xai ö Ilsıpassvg, 
ferner die fünf fragmente aus angeblichen schriften eines Pythago- 
reers Hippodamos und eines H. aus Thurii bei Stob. 43, 92—94; 
98, 71; 103, 26; eudlich die merkwürdige notiz bei Makarios 


9) Da &oc das gewöhnliche bildungssuffix für adjektiva von per- 
sonennamen ist, so wird die form Innod&usog zu verwerfen sein. Die 
accentuation Innodaussa ist gesichert durch (trim. iamb. 
Aristoph. Eccl. 1029: NEAN: xai tour’ dvayxy uovori; TP" diourdesa ye. 
— ‘Innoduusos und ‘Innodauea &yoga aber müssen beide als korrekt 

elten, da gerade bei derlei adjektiven schwanken zwischen swei und 
drei endungen stattfindet. 


Hippodamos. 197 


(Paroemiogr. gr. ed. v. Leutsch-Schneidewin cent. IV, 79): 'Inmmo- 
dapov víutcic (v£uroi; Leutsch) zgóg toùs ini To ysioov pera 
Badiovrac; so glauben wir die direkt auf Hippodamos bezüglichen 
alten schriftquellen erschópft zu haben. 


Bei den klassischen griechischen historikern würden wir eine 
erwühnuug seiner thütigkeit vergebens suchen. Herodot hat kei- 
uen platz dafür, auch bei der beschreibung der geraden strassen 
Babylons oder der gründung von Elea und Abdera fehlt ein ver- 
gleichender hinweis auf den vewzegog rQónog, den er doch als ein- 
wohner von Thurii kennen musste. Nicht auders Thukydides. 
Ueber die gründung von Thurii schweigt er zwar überhaupt, und 
bis zur erbauung von Rhodos reicht sein geschichtswerk nicht ; 
aber des Hippodamos schüpfung im Peiraieus hütte er wobl gele- 
genheit gehabt zu erwühnen, etwa bei dem bericht über die themi- 
stokleische befestigung (I, 93) oder bei der schilderung der wirren 
des jahres 411 (bes. Vill, 90). Bei Xenophon könnte man 
eine notiz anlässlich der Epameinondas-städte Messene und Megalo- 
polis oder Neu-Mantineia erwarten; doch verschweigt derselbe die 
gründung der ersteren günzlich, bei der letzteren (Hell. VI, 5, 3) 
sagt er nichts über die bauweise, Um so leichter begreift es sich, 
dass spütere griechische und rümische sutoren den namen Hippo- 
damos nicht mehr kennen. Er war verschollen; nur in Athens 
hafenstadt erinnerte der nach ihm genannte markt noch lange, wohl 
bis zur Sullanischen zerstörung, an ihn; und hier blieben auch wohl 
die dürftigen daten bekannt, die dann von atthidographen aufge- 
griffen ihren weg in scholia und lexica fanden. 


Was auf grund der hiemit registrierten quellen über die le- 
bensumstände des Hippodamos früher geschrieben worden ist, ist 
vollkommen in schatten gestellt durch K. Fr. Hermanns monogra- 
phie, io welcher sich der stoff ausgiebig und durchdacht behandelt 
findet. Als fixpunkte für sein leben haben gedient: 


1) Die anlegung der hafenstadt Peiraieus. 
2) Die gründung von Thurii im jabre 443. 
3) Die gründung von Rhodos im jahre 408/7. 


4) Archeptolemos, des Hippodamos sohn, erscheint schon in 
den Rittern des Aristophanes (aufgeführt 424) als ein mann in dem 
alter, dass er selbständig eine gesandtschaft ausführt. 411 nimmt 





198 Hippodamos. 


er an der oligarchischen verschwôrung theil, wird nach dem sturze 
seiner partei angeklagt und hingerichtet. 

Das erste datum lässt sich mit dem dritten nicht in éinem 
lebensalter vereinigen, wenn die anlage des Peiraieus mit der be- 
festigung dorch Themistokles (479) gleichzeitig gewesen ist. 
Trotz des Aristophanes-scholions (xaz& ta Mndıx«) hat man also 
diese schöpfung des Hippodamos von der des Themistukles seit Ot- 
fried Müller getrennt und sie in die zeit des Perikles (circa 450) 
gesetzt. Und auch abgesehen von 3) ist diese ansetzung schon 
aus dem grunde sicher, welchen Hermann mit den worten angiebt: 
(Periclem) quum omnino praeter utilitatem etiam venustati atque 
ornatui operam dedisse constet, ea quoque forma, qua Piraeeum ab 
Hippodamo descriptum esse videbimus, multo magis decet. Themi- 
stokles, dem die interessen der kriegerischen defensive in erster 
linie stehen mussten (cf. Thuc. 1, 93), würde schwerlich eine bau- 
weise haben auwenden lassen, die nach Aristoteles’ zeugnis gerade 
militárisch die ungeeignetere ist. Eine derartige anlage passt da- 
gegen in eine zeit, in welcher der neu eingerichtete hafen schon 
aufgeblübt, durch das unbestrittene seeprincipat Athens ein gefühl 
der sicherheit eingetreten war, und also die praktischen rücksichten 
des geschäftsverkehrs und der bequemlichkeit sich geltend machen 
durften. 

Die weiteren, oben angeführten daten verbindet man nun nach 
dem vorgange K. Fr. Hermanns folgendermassen zu einem lebens- 
bilde 1°), 

Hippodamos, des Euryphon soln, wurde um 475 zu Milet ge- 
boren. Er siedelte nach Athen über und zeugte um 455 einen 
sohu, Archeptolemos. Bald darauf übernahm er im auftrage des 
Perikles die neuanlage des Peiraieus und wurde nach ihrer vollen- 
dung mit dem athenischen biirgerrechte belohnt. Er blieb aber 
nicht lange in Attika, sondern betheiligte sich 443 an der kolo- 
nistenauswanderung nach dem zerstörten Sybaris, indem er die neue 
stadt Thurii selbst anlegte. Seinen sohn liess er entweder in 
Athen, oder schickte iho zu uubestimmter zeit dorthin zurück, da- 
mit er sich dort an der politik betheiligte, blieb jedoch selbst in 
Thurii. Endlich unternahm er, indem er seinen sohn um mehr als 


10) De Hipp. Mil. p. 17 f.; Pauly's Realencyclopüdie; W. 
Smith, Dictionary of biography and mythology. 


Hippodamos. 199 


drei jahre iiberlebte, als greis ums jahr 407 noch die anlage der 
neuen stadt Rhodos. 

Fast sámmtliche vou diesen angaben aber ruhen auf einer sehr 
unsicheren grundlage. Schon der name des vaters schwankt zwi- 
schen Evgvgwy (Aristoteles), Evovxowv (Photios) und Edgufowy 
(Hesychius). Streichen wir auch mit Hermann die letzte form (8 und 
x in minuskel leicht verwechselt), so lüsst sich doch gegen keine 
der beiden andern etwas einwenden, wenn man nur nach Hermanns 
vorgang den genitiv der zweiten in EvQvxoovrog ändert. Jeder 
von beiden namen lässt sich noch einmal nachweisen: Evgupwy 
Phot. cod. 167, Evguxomy Quint. Sm, 13, 210. Es steht also hier 
überlieferung gegen überlieferung, und die sache ist zweifelhaft, 

Dano ist aber die identitat des architekten Hippodamos mit 
dem vater des nach dem sturze der vierhundert hingerichteten oli- 
garchen und freundes des Theramenes ° Aoyent6deuos ‘Innodapov 
’AyovAnder!!) nicht nur unerwiesen, sondern ganz unwahrschein- 
lich !?). Es stützt sich dieselbe nur auf den gleichen namen und 
auf das Aristophanes-scholion. Aber dieses beweist nicht einmal, 
dass der scholiast den Archeptolemos für einen sohn des architekten 
gehalten hat. Allerdings ist das scholion in verwirrung. Dieser 
hat jedoch schon Meier !?) dadurch abgeholfen, dass er den satz xai 
oí uiv uvror . . . Miroir umstellte und auf Hippodamos bezog. 
Eine weitere umstellung, wie sie Ribbeck !*) vornimmt, ist durch- 
aus nicht nóthig. Jetzt geht das erste scholion bis xaQzovgtvos, 
und es gehören noch die worte dazu: xai oí piv uvioy . . . Mi- 
Anosov, welche ihre stelle wohl am besten hinter cvr7yuyev finden. 
Das zweite beginnt mit Auzetzas:, noir, 6 ’ Aoyemiodepos, und 
passend hat Meier davor ein «AAwg eingesetzt. Der erste scholiast 
las überhaupt nicht o d’ ‘Innodupov, sondern 6 d’ 'Innodupozc, 
ebenso wie der verfasser des dritten scholions !5). Diesen Hippo- 
damos erklürte er als den berühmten architekten, Den selisamen 


11) Dieser ist, abgesehen von dem oben behandelten scholion, 
bekannt aus Arist. Eq. 794 mit scholien, Lysias 12, 67 und dem in 
Pseudoplutarchs leben Antiphons erhaltenen verurtheilungsdekret. 

12) Wie sie denn auch weder von Hermann, noch in den lexika 
mit entschiedenheit behauptet wird. 

13) Philolog. blätter, Bresl. 1817. 

14) Ausg. der Ritter, Kommentar. 

15) Auch bei Suidas las man vor Bernhardy in dem citat aus 
Aristophanes s. v. Asifaeze) den nominativ. 





200 Hippodamos. 


anachronismus (Ribbeck). dass Hippodamos in der Perserzeit den 
Peiraieus gebaut haben und noch zeitgenosse des Kleon sein soll, 
kann man einem scholiasten allenfalls zutrauen. — Der zweite 
scholiast las 0 d’ “Innod«pov und erklärt dies von Archeptolemos, 
der ja anerkanntermassen der solın eines Hippodamos war; nur 
Sagt er kein wort darüber, dass es der architekt gewesen. 


Gegen die identitát spricht aber: 


1) Die metrische schwierigkeit bei Ar. eq. 327. 
Gewiss kann unter dem hier genannten sohn des Hippodamos nur 
der damals allbekannte Archeptolemos verstanden werden. Bei 
einem Athener wäre nun ein dorischer name 'Inzod«pog für In- 
nodnuos nicht unerhürt — vergleiche die von "demselben stamm 
gebildeten namen der Athener * Agy(dupos Andoc. 1, 35 und ” 40- 
zédapos Isaeus 7, 13; von andern dorismen in Attikernamen zu 
geschweigen — fiir einen bürger der durchaus ionischen stadt 
Milet hingegen sehr auffallend 39). Nehmen wir also an, der vater 
des zur optimatenpartei gehörigen, mit den Spartanern in verbin- 
dung stehenden?!") Archeptolemos habe den dorisierenden namen 
‘Innodapos geführt, so ist die Aristophanesstelle in ordnung, und 
wir können der zahlreichen besserungsvorschläge entrathen. — 
‘Innôdnuos würde Rossgau heissen (vgl. Siodnuocs, “Egpodnuog, 
Kygsoodnuos, Osusorodupog u. a.) Man verfuhr ja mit der bil- 
dung neuer namen frei und nach laune. ‘Zrxodauos, allerdings 
obne dass die quantität erkennbar wäre, erscheint als Spartaner- 
name bei Plutarch Apophth. Lac. s. v. und bei Athen. X, 452. 


2) Archeptolemos muss, wie seine politische thütigkeit zeigt, 
attischer bürger gewesen sein. Man hat deshalb angenom- 
men, sein vater Hippodamos habe zur belohnung für den durch aus- 
bau des Peiraieus dem staate geleisteten dienst das bürgerrecht 
erhalten. Das wäre an und für sich wohl möglich. Aber merk- 
würdiger weise wird Hippodamos als Milesier, Thurier, auch als 
Samier bezeichnet, aber nirgends als Athener. Sollte erst Archepto- 
lemos in den attischen bürgerstand aufgenommen worden sein, auf 


16) Den 4äuıs aus der Branchideninschrift CIG II, 2859 — doch 
wohl aus spüter Ptolemüerzeit? — darf man mir wohl nicht entge- 
genhalten. 

17) Darauf deutet hin Arist. Eq. 794. 


Hippodamos. 201 


grund eines verdienstes, von dem wir nichts wissen!5)? Auch ent- 
spricht die art seines politischen verhaltens als Spartanerfreund und 
oligarch durchaus nicht der annahme, er oder sein vater seien 
dnponoltntos gewesen. 

3) Der architekt Hippodamos besass nach einer gauz unver- 
düchtigen scholiasten-notiz ein haus im Peiraieus (Phyle '/7- 
moJowvi(c) !?). Archeptolemos aber war aus Agryle (Phyle ’Ege- 
z9nts). — Das haus im Peiraieus bat Hippodamos dem staate 
geschenkt 2°); das erscheint bei lebzeiten eines in Attika ansässigen 
sohnes wunderlich, nach dessen hinrichtung undenkbar ?!), 

Schon Hermann sieht in dem versuche, alle zeugnisse, die sich 
auf Hippodamos beziehen, zu vereinigen, paene nimia artificia und 
ist geneigt, zu gunsten der anlage von Rhodos die identifikation 
mit dem vater des Archeptolemos aufzugeben. Nach der obigen 
ausführung ist letzteres um so nöthiger, als dieselbe ganz unbe- 
zeugt dasteht. 

Bedeutend besser stebt es mit der übersiedelung nach 
Thurii. Allerdings darf man aus der regelmassigkeit der an- 
lage dieser stadt, wie sie Diodor (XII, 10) beschreibt, keinen 
schluss auf die persónliche betheiligung des architekten bei 
der gründung ziehen. Denn nichts ist natürlicher, als dass die 
athenischen gründer, Lampon und Xenokritos, bei der neuunlage 
den bauplan des Peiraieus nachahmten, der wenige jahre vorher 
vor ihren augen erstanden war. Aber zweimal finden wir den 
architekten Hippodamos als Thurier bezeichnet; bei Photios und 
im scholion. Für beide stellen müssten wir eine verwechslung mit 


18) Man müsste denn das nolla wgélncs rj» nods» des scholiasten 
so deuten wollen. 

19) Hiezu war nicht erforderlich, dass er attischer bürger war. 
Cf. Hermann de Hipp. Mil. p. 14 f. 

20) Ob die schenkung so zu verstehen sei, dass Hippodamos bei 
der durchführung seines neuen planes dem staate das ihm früher ge- 
hórige haus zum einreissen überlassen habe — eine annahme, der 
Hermann zuneigt — bleibt zweifelbaft. Ich möchte eher glauben, 
dass ihm nach der reform eines der neuen häuser eingeräumt worden 
sei, mit der erlaubnis, als fremder im Peiraieus zu wohnen; und dass 
er dasselbe bei der übersiedelung nach Thurii dem staate wiederge- 
schenkt habe. 

21) Die chronologische schwierigkeit, dass A. 425 als 
gesandter (Eq. 794; Thuc. IV, 41) schon mindestens 30jährig war, 
sein vater aber 407 noch Rhodos gebaut haben soll, will ich nicht 
betonen, da die letztere annahme überhaupt unsicher íst. 





202 Hippodamos. 


dem (später zu behandelnden) Pythagoreer Hippodamos aus 
Thurii annehmen ??), wenn wir an die auswanderung unseres 
Hippodamos nicht glauben wollen. Da nun aber auch bei Hesych. 
das verderbte ovrog 7v xai 6 neroxnoug elg Gurvgsxoës schlagend 
in @ovysaxovc ?®) verbessert worden ist, so wäre weitere skepsis 
wohl übertrieben. 

Am allerschlechtesten bezeugt ist endlich die gründung der 
stadt Rhodos durch Hippodamos selbst. Strabon ist der ein- 
zige, der das erwähnt, und zwar mit einem vorsichtigen @g ous. 
Als subjekt dazu dürfen wir uns wohl die Rhodier, vielleicht die 
rhodischen lokalschriftsteller “*) denken. Den werth einer solchen 
400 jahre nach der grüudung zuerst auftauchenden stadttradition 
müssen wir einschrünken: sie beweist nur, dass Rhodos nach hip- 
podamischen priocipien angelegt worden ist, nicht aber dass Hippo- 
damos persönlich den bau geleitet hat 25). 

Die fragmente bei Stobäus bringen keinen gewinn. Es 
sind fünf im ganzen, alle im dorischen dialekt geschrieben: vier 
aus einer schrift megi modirelus des Pythagoreers Hippodamos, eines 
aus einer schrift megi eudusuovlag des Thuriers Hippodamos *9). 
Die beiden verfasser zeigen sich aber et placitorum indole et toto 
scribendi genere (Hermann) als dieselbe person. Nun ist bei beur- 
theilung von Pythagoreer-schriften vorsicht sehr von nóthen, da sie 
meist unter falschem namen gehn. Dies ist nachgewiesen von den 
angeblichen schriften des Pythagoras selbst, des Timäus, der Theano 
etc. ?). Auch von diesen fragmenten hat Hermann gezeigt ??), dass 


22) Diese annahme gewönne durch die tbatsache eine gewisse 
basis, dass von dem Pythagoreer Hippodamos eine schrift megs nol; 
zsiag existierte, während der architekt nach Aristoteles’ angabe zepi 
molsreiac Ti doiorye geschrieben hatte. 

23) Die form Qovgsexos für die einwohner ist durch Steph. von 
Byz. bezeugt. 

24) Es gab mehrere: Ergias, Polyzelos, Zenon. 

25) Hippodamos künnte mit den anhüngern Athens 412 (Wachs- 
muth, Hell. alterthumsk. I, 8. 86) aus Thurii vertrieben nach dem 
osten zurückgekehrt sein. 

26) Harless berichtet in Fabric. bibl. gr. I, 849, Arsenius (XV— 
XVI. saec.) habe in seiner iw» fragmente aus Hippodamos. Diesel- 
ben sind jedenfalls aus Stobüus geschöpft. Die einzige yrœur des 
Hippodamos nämlich, die ich bei Arsenius im corpus paroem. gr. (ed. 
v. Leutsch-Schneidewin Il, 419) gefunden babe, stammt aus Stob. 


43, 94 
' 97) Eingehend Zeller, Philos. der Gr. I, 209 f., II, 85 f. 
28] De H. M. p. 38 f. 


1 Ce 
. 


Hippodamos. 208 


sie aus einem gemisch von platonischen und aristotelischen ideen be- 
stehen , und möchte sie ins zeitalter der Ptolemüer setzen. Zeller 
verweist derartige schriften in das letzte jahrh. vor und das erste 
nach Chr. Gewiss also stammen sie nicht von unserm archi- 
tekten ??). 

Auf diese weise erledigt sich einfach ein alter streit, der sich 
einst zwischen Muret und Vettori entspann und bis zur gegen- 
wart fortdauert; nümlich darüber, wie sich die verschiedenheit der 
von Aristoteles (Pol. II, 5 (8)) kritisierten theoreme des archi- 
tekten Hippodamos von den in diesen fragmenten ausgesprochenen 
erkläre 5°). Muret beschuldigte Aristoteles der son satis bona 
fides, wogegen Vettori die verschiedenheit der beiden Hippodami 
behauptete. Noch neuerdings will Barthélémy St. Hilaire in 
seiner ausgabe der politik dem Aristoteles eine inexactitude zu- 
schreiben. Zur erklärung der thatsache, dass die fragmente dorisch 
geschrieben sind, giebt er zu bedenken, dass Milet, die vaterstadt 
des Hippodamos, bien qu'en Jonie, wne colonie crétoise (!) gewe- 
sen sei. 

Wenn aber auch jene fragmente mit dem architekten nichts 
zu thun haben, so bleibt doch die person eines Pythagoreers Hip- 
podamos aus Thurii bestehen. Ausser jenen bruchstücken haben 
wir nämlich noch bei Suidas 5?!) die notiz, dass die Pythagoreerin 
Theano ihre schrift 750; dgcrzc dem Hippodamos aus Thurii 
gewidmet habe. Entweder ist nun dieser Hippodamos aus Thurii 
ein obskurer skribent aus späterer zeit, und die fragmente sind 
unter dem richtigen autornamen überliefert. Oder es ist ein ülterer 
Pythagoreer, dem die abhandlungen wegi modsteluc und megi evdas- 
pov(ag untergeschoben waren. 

Bei dem in diesen späteren Pythagoreer - schriften vorherr- 
schenden streben, sich mit einem alten namen zu decken, möchte 
ich mich, trotzdem der name eines Pythagoreers Hippodamos sonst 
nicht, auch nicht in der liste des Jamblichus, erwähnt wird, für 


29) So auch Susemihl in der ausg. von Arist. Pol. anm. 250. 

30) S. Fabricius a. a. o. 

31) S. v. Qeava: Metanovtivy } Govoia, Nudcayogsia, Fvydrno Atw- 
goovos, yausm de Kapgdorov 7 Koorwvos 7 Bowrivov rov [1v9ayópov, nsi 
apsıns Innodau® Oovpig. Die verschiedenen namen der gatten zei- 
gen, dass hier mehrere frauen namens Theano vermengt sind. Es 
wird sich also aus diesem artikel über die zeit der schriftstellerin 
und damit des Hippodamos nichts ausmachen lassen. 





204 Hippodamos. 


die zweite müglichkeit entscheiden. Ist aber dieser Pythagoreer 
Hippodamos, dem man jene schriften unterschob, mit unserm ar- 
chitekten identisch ? 

Die thatsache, dass der architekt vegi zoAstelug 175 doloms 
geschrieben hatte, kóunte zur bejahung der frage bewegen. Aber 
der falscher konnte doch wohl nur aus Aristoteles wissen, dass 
Hippodamos seg? rodsrelas geschrieben; und dann sollte er seinem 
Pseudohippodamos lehren in den mund gelegt haben, die mit dem 
aristotelischen Hippodamos ganz im widerspruch stehen? 

Umgekehrt muss man die möglichkeit zugeben, dass der ar- 
chitekt, der durch seine geometrischen studien und sein streben, 
Adysog negè ijv OÀg» quo zu sein, wohl eine geistesverwandt- 
schaft mit den pythagoreern zeigt, in Thurii sich ihrer schule an- 
geschlossen habe. Aber auch nur die möglichkeit. Zur endgiltigen 
entscheidung dieser frage fehlt die handhabe. 

Soviel über die lebensumstünde des Hippodamos. Für das fol- 
gende müssen wir daraus vor allem drei thatsachen festhalten: die 
stadt Peiraieus ist unbestritten von ihm selbst an- 
gelegt, Thurii verräth seinen einfluss, Rhodos galt 
als hippodamische anlage. Von diesen drei städten haben 
wir also auszugehen, wenn wir die kunst des Hippodamos aus sei- 
nen schópfungeu kennen lernen wollen. Bevor wir aber an diese 
untersuchung gehn, ist zuerst ein blick auf die stellung des 
Hippodamos in und zu seiner zeit angezeigt, und auf die 
principien seiner kunst, wenn sich so über dieselben etwas 
a priori ergeben sollte. 

Il. 

Hippodamos heisst «Qrysrzí£xzwv und uerew@040yo0g bei 
den lexikographen. Durch den letztern ausdruck wird er als ma- 
thematischer theoretiker bezeichnet: denn wenn auch das 
wort zunächst nur auf astronomie geht, so ist doch die beschäfti- 
gung mit derselben, zumal in jenen anfangen der wissenschaftlichen 
erkenntois, nicht von dem mathematischen studium zu scheiden. 
Als philosophischen theoretiker behandelt ihn nur Aristoteles. 
Auf die nähere beleuchtung seiner philosophischen lehren und seiner 
geistesrichtung °?), die wohl mit recht sophistisch genannt worden 


32) Die aristotelischen mittheilungen über seinen äusseren ha- 
bitus geben hier einen interessanten beitrag. 





Hippodamos. 205 


ist, ists nicht nöthig einzugehen; man darf auf die abhandlung 
Hermanns und den kommentar Susemihls zu der politik verweisen. 
So bleibt uns die würdigung des Hippodamos in jenen beiden ei- 
genschaften. 


Als deystéxiwy steht Hippodamos isoliert da, weil er der erste 
ist, der systematische kunst auf privathäuser anwandte. Des- 
halb verspricht ein vergleich mit den gleichzeitigen meistern grosser 
kunstbauten, wie Iktinos und Muesikles, wenig aufschluss. Um so 
mehr darf man Hippodamos als petewgodcyog mit seinen vorgün- 
gern und zeitgenossen in verbindung setzen. Die geschichte 
der mathematik ist es also, die uns hier die wege bahnen sollte. 
Leider tappt sie selbst bedenklich im dunkeln, und es ist nicht viel, 
was wir aus Montucla 35) und Cantor *) entnehmen können. 


Gerade Hippodamos’ vaterstadt war der sitz der ersten mathe- 
matischen schule der Griechen gewesen. Thales hatte hier unter 
verwerthung der iu Aegypten empfangenen anregung den grund 
zu einer mathematischen wissenschaft gelegt. Von der ionischen 
schule ging die mathematische erkenntnis nach Unteritalien über, 
wo sie grosse förderung erfuhr. Wie Pythagoras sich mit 
volistem eifer der geometrie widmete, ist bekannt. Er lehrte unter 
anderem °°), dass wie die schönste aller körperlichen figuren die 
kugel, so die schönste aller flächenfiguren der kreis sei. Derlei sätze 
werden bald gemeingut geworden sein. 


An mathematischen instrumenten haben wir uns in den 
händen dieser ersten mathematiker zu denken: lineal (xarwy, re- 
gula), zirkel (dsaByznc, circinus) und winkelmass (norma) **), Das 
lineal, naturgemäss das erste werkzeug zum figurenzeichnen, be- 
darf kaum des erfinders, weshalb auch niemand als solcher genannt 
wird. Auch die anwendung des zweiarmigen zirkels ist sehr 
alt, da man ihn dem neffen des Daedalus, Perdix, verdanken wollte 27), 
Das winkelmass aber ist nach Plinius °°) durch Theodoros von 
Samos erfunden, übrigens, wie wir aus der abbildung einer ägypti- 


33) Histoire des mathém. Paris an VII. 

34) Vorlesungen über gesch. der math. Leipzig 1880. 
85) Diogen. Laert. VIII, 1, 19. 

36) Ueber die griechische bezeichnung s. p. 209. 

97) Hygin Fab. 274. 

88) N. H. VII $. 198. 





206 Hippodamos. 


schen schreinerwerkstätte °°) entnehmen, schon lange am Nil be- 
kannt gewesen. Nach Vitruv (IX, 2) zeigte Pythagoras zuerst, 
wie man dasselbe sine artificis fabricationibus einfach dadurch zu- 
sammenstellen könne, dass man drei lineale von den verhältnissen 
8 : 4: 5 zu einem dreieck verbinde. 

Hippodamos' vaterstadt war nicht lange vor seiner geburt durch 
plünderung und wegführung der griechischen einwohner von seiner 
höhe gestürzt, dann aber durch die griechischen freiheitskriege von 
persischem joche erlöst, nach dem beitritt zum attischen bunde wie- 
der zu einer gewissen blüthe gelangt; als politischer und geistiger 
mittelpunkt für das ionische Griechenland aber musste von nun an 
Athen gelten. — lo der emsigen handelsstadt musste die rücksicht 
auf das praktische bedürfnis obenan stehen. 

Das sind einige fragmentarische andeutungen über den bil- 
dungsgang und den ideenkreis unseres architekten. Ausmalen ist 
hier leichter als sicheres geben *°). 

Er scheint sich jetzt die aufgabe gestellt zu haben: für eine 
gegebene anzahl von einem gemeinwesen angehörigen menschen 
wohnplätze zu schaffen, die für alle pruktischen lebensbedürfnisse 
die grösstmöglichen bequemlichkeiten bieten. 

Wollte Hippodamos die lösung auf methodischem wege finden, 
so musste er zunächst auf einen mittelpunkt bedacht sein. Als 
solcher bot sich ihm aufs natürlichste die dyoga. In ihrer dop- 
pelten bedeutung als platz zur volksversammlung und als kauf- 
markt musste sie jedem Griechen als das wichtigste und erste bei 
einer auf die praktischen bedürfnisse des friedens ausgehenden 
städteanlage erscheinen. 

Sollte nun die gesammte einwohnerschaft der stadt zu diesem 
mittelpunkt den möglichst kleinen weg haben, so mussten die pri- 
vathäuser um die «yog« herumgelegt werden, und zwar kreis- 
förmig *!). Das naturgemäss rechtwinklige wohnhaus führte zur 
viertheilung der ganzen kreisfliche. So war die erste 


39) Cantor a. a. o. p. 56. 

40) Deshalb habe ich auch vermieden, von einem einfluss der 
grossen bauten des ostens (wie Babylons) auf Hippodamos zu 
sprechen, den anzunehmen ich sebr geneigt bin. 

41) Der kreis bat von allen figuren mit gleichem umfang den 
grössten inhalt. Vgl. den oben citierten satz des Pythagoras. 





Hippodamos. 207 


grundform gefunden als kreis, der durch zwei sich rechtwinklig 
schneidende durchmesser getheilt wird. 

Sobald aber Hippodamos an eine praktische durchführung die- 
ses prototypons dachte, musste er einsehen, dass das terrain die- 
selbe häufig erschweren, ja ganz unmöglich machen müsse. Als 
vornehmlich zu beachten ergab sich der fall, dass für die anzule- 
gende stadt eine unverrückbare grenzlinie, z. b. ein küstensaum, 
gegeben wäre. 

Um auch dieser aufgabe zu genügen, musste Hippodamos seine 
grundform halbieren, und um die gegebene linie seine stadt halb- 
kreisförmig aufbauen. 

Die erste form möchte ich die kyklische, die zweite die 
hemikyklische nennen. 

Die quellen, auf denen diese ausführungen basieren, lasse ich 
folgen. Unbedenklich habe ich dabei, was von einer neuen oder 
regelmässigen städteanlage gesagt ist, auf Hippodamos bezogen. 
Aristoteles spricht von der jüngeren art; also gab es nur eine. 

Aristoph. Av. 995 f.: Meton will den neuen Vogelstaat 
vermessen: 

995 yewpergioas Bovioucs róv aéga 
vutr, diedeîv 18 xata yvag (aus xar' dyvicg Dawesius) ... 

— ITEIO- siné pos, 

ravi) dé cos 1 fous M* xavoves akoos. 

1000 uvríxa yaQ ane tors r)» Idéur 0406, 
xata nvıyla wulıcıa. mgooteic ovv dyo 
Tov xavor urwdey Tourori TOY xaunvior, 
èr9eis diaßnınv — parures; IT: ov pavdavo. 
M: 609 pueronow xavovi ngocriOctc, Ivo 

1005 © xvxAog yévgrat gos tetguywvos, xáv wlow 
ayoga, pigovoas d’ wow slg adıny odoi 
dedui mQóg avib 10 poor, woneg d’ aortgos 
uvtov xvxdotegous Ortog 69 Jui nartay i 
axtiveg & nolui. 

Die 'angabe der operationen Metons erscheint verworren. Kein 
wuuder also, wenn manche überlaupt darauf verzichtet haben, in 
den worten einen vernünftigen sinn zu finden 42). Dass aber der 


42) Schol.: inimdes adsavonta ; Ch. D. Beck: plane inepta, was ja 
der xavwy xaunéloc und xüxlos s1Qdáywrog zeige. 





208 Bippodamos. 


meister der feinen komik den verdienten und stadtbekannten mann 
dadurch hätte lächerlich machen wollen, dass er ihm puren blödsinn 
in den mund legte, ist von vornherein nicht glaublich. Viel besser 
würde es sich schicken, wenn er auf wirkliche ideen desselben ein- 
gegangen wäre, während nur durch die groteske anwendung der- 
selben eine komische wirkung beabsichtigt würde. In der that glaube 
ich seine geometrische konstruktion als ganz korrekt erklären zu 
können, indem ich das komische — abgesehen von den gewiss un- 
behülflich grossen instrumenten — nur in der beziehung der ganzen 
theorie auf die luftstadt finde. Ich übersetze folgendermassen: 

M.: Ich will euch die luft vermessen und eintheilen in juchert. 
— P.: Sage mir, wozu dient dir aber dies? M.: Das sind luft- 
lineale. Denn luft ist eben ihrer art nach solide, besonders 
in der luftdruckmaschine (d. h. besonders an dem hydrau- 
lischen instrument mrysv; erkennt man, dass luft nicht gleichbe- 
deutend mit leerheit, sondern etwas körperliches ist. Daraus schliesst 
Meton, man könne sie auch messen wie die erde). Von oben lege 
ich nun an (die zu vermessende luft) dieses zweiarmige lineal 
(winkelmuss), setze den zirkel ein (nämlich den einen fuss in den 
innern scheitel des winkelmasses; mit dem andern schlägt er, wüh- 
rend der frage puvFuvec; und der antwort des Pythagoras den 
viertelkreisbogen innerhalb der beiden schenkel, markiert die end- 
punkte und zieht dann nach weguahme des winkelmasses den gan- 
zen kreis). Nun lege ich ein grades lineal an und vermesse 
damit (Meton zieht von den vorhin erwühnten endpunkten aus die 
durchmesser), damit der kreis dir vierwinklig wird (nicht zu 
einem viereck), und in dér mitte der markt, und grade wege 
auf ihn führen genau zur mitie, und wie grade strahlen eines 
sterns, der selbst kreisförmig ist, überall ausstrahlen. 

In der auffassung des xuxAog terguywrog — nicht als qua- 
dratur des zirkels, wie unter andern Montucla *5), bin ich der ge- 
wiss richtigen ansicht Kocks **) gefolgt. Dieser versieht es aber 
darin, dass er, weil der xarw» überall nur zur ziehung von graden 
linien diene, xapnwAog nicht zu xara)», sondern zu dsußyrng ziehen 
will. Der später auftretende Gg9d¢ xavu beweist sicher, dass 


43) Histoire des math. I, 168. 
44) Anm. zu der st. 


Hippodames.. 209 


auch xapxviog xavwy zusammengehört. Gewiss dient der xavojy 
nur, um grade linien zu ziehen. Aber xuuruloc x. heisst auch 
nicht krummes lineal, sondern gebogenes, d. h. zwei rechtwinklig 
zusammengesetzte lineale, winkelmass. Gegen Kock ist diese über- 
setzung des adjektivums natürlich gerechtfertigt, dean ich kann ge- 
wiss ein winkelmass mit demselben rechte xuuruloçs nennen wie 
einen zirkel. Zu der bedeutung des stammes xuun gehört aber 
überhaupt nicht nothwendig die kurve. Wie hatten sonst die Grie- 
chen yore xuumısıy und xau qínov; sagen können ? 

Allerdings heisst xurwy zunächst lineal, und eine andere stelle, 
wo es ganz ausschliesslich nur winkelmass bedeuten könnte, finde 
ich nicht. Dieses heisst vielmehr yrwuwr. Auch ist letzteres wort 
in diesem sinne nicht etwa jung. Denn die anwendung, welche 
die Pythagoreer davon machten — nämlich zur bezeichnung von 
komplementürzahlen, die zu quadratzahlen addiert wieder quadrat- 
zahlen geben *°, — ist schon eine übertragene, von der bedeutung 
winkelmass hergeleitete *). Aber sowohl bei Plato wie bei Xe- 
nophon 7) möchte man einmal der hinzugefügten orx un wegen — 
die ja zu graden linien dient — xarwy lieber als winkelmass fas- 
sen. Für unsere stelle wird meines dafürhaltens die bedeutung 
durch die gegeuüberstellung des 60905 und des xaunvAog xurwr 
sicher gestellt 4°). 

Es bleibt mir die rechtfertigung meiner übersetzung des z»,- 
ytvg übrig. Die scholien geben: .fídvuog' rovro; dng dow rj 
yl ntguxe(utvog, Oposos mye, xudamegei TU 1 negixelpevoc, 
und m»yevc dè 6 xgíflavog (backgeschirr) n 7 xausvoc. Wir 
kommen dadurch zu einem sinne wie nub, 95 f.: 

évruvd” dvoixovc! uvdgeg of 10v ovgavdy 
A£yovieg avant(Jovow wg doiiv aveyevs, 
xüGI meoì Nuns oviog, mutig d ávOgaxe, 


45) So schon in den wahrscheinlich echten fragmenten des Phi- 
lolaos, s. Boeckh Phil. p. 141 £.; vgl. auch Arist. Categ. 11, 4. 

.46) Deber die entwicklung der bedeutung von yyw wy siehe auch 
Cantor, Vorl. p. 136. 

47) Phileb. 56 B; Ages. 10, 2. 

48) Dass der ausdruck yyuuwr für winkelmass nicht so stehend 
war, dass daneben nicht auch andere bezeichnungen gebraucht wer- 
den konnten, zeigt dus vorkommen von ngocaywysioy = winkelmass 
in der lebadeischen bauinschrift. Fabricius, De archst. gr. p. 72. 


Philologus. XLII. bd. 2. 14 





210 Hippodamos. 


wo die scholien wieder zu mriyeës sagen: ovrwç 0 xgfBavog xv- 
olws onov of urdgaxes ovunviyorıoı, und erklären, dass Kratinos 
den philosophen Hippon ebenso verspottet habe, wie hier Aristo- 
phanes den Sokrates. Man fragt aber billig, was der vergleich 
der luft — nicht des himmels — mit einem kohlen- oder 
backgefäss hier (in den Vögeln) solle. Auf die frage des Peithe- 
tairos nach den luftlinealen schickt sich eine erklärung darüber, 
wie eine messung der luft vorgenommen werden könne. Dazu ist 
zuerst nöthig, dass die luft körperlich ist. Den beweis dafür 
liefert meiner ansicht nach Meton hier genau so, wie Heron am 
aufange seiner z»vevuarix&. Letzterer nämlich giebt als probe an *?): 
ein anscheinend leeres gefäss, umgestülpt ins wasser gedrückt, fülle 
sich nicht; also sei die luft ein owuu. Ein solches umgestülptes 
gefäss heisst nämlich z»yevc. Wir finden dasselbe angewandt in 
Herons eben citiertem werke bei drei verschiedenen maschinen, die 
in der pariser ausgabe abgebildet sind °°), Der svrsyevc hat hier 
eine konische oder halbkugelförmige gestalt und dient dazu, an der 
ersten maschine beim untersinken ins wasser die luft durch eine 
trompete zu stossen; bei der zweiten durch ein pfeifchen; bei der 
dritten ist er luftregulator für ein orgelwerk. Die art, wie Heron 
von dem mreyevç spricht, zeigt, dass es ein technischer ausdruck 
der mechaniker war. 

Der zeitraum zwischen Meton und Heron wird uns gewiss 
nicht verbieten anzunehmen, dass schon zu des ersteren zeiten xrs- 
yeus terminus technicus im selben sinne gewesen sei. Vermuthlich 
hatte Meton © ras xggvag aywr °!) sich auch mit solchen instru- 
menten beschàáftigt, vielleicht einen stadtbekannten apparat kon- 
struiert, der auf dem princip des luftdrucks beruhte, an welchen 
dann jeder Athener bei den worten seines alterego in der komödie 
sofort dachte. -— Daraus dass Aristophanes das wort »viyeug 
einmal — in den wolken — wirklich für das koblengefiss ge- 
braucht hat, folgt natürlich nicht, dass er es überall so gebraucht 
haben müsse. Auch noch in einer dritten bedeutung kommt es 
bei ihm vor. nämlich für einen klemmenden pferdezügel 9°). 


49) Veteres Mathem. Paris 1693 p. 146. 
50) Auf p. 171. 220. 227. 

51) Suidas s. v. 

52) Pollux X, 54, cf. Etym. M. s. v. 





Hippodamos. 211 


Das wort 5A oc fasse ich, si lectio sana, als term. techn. 
Metons für das, was später oda hiess, und berufe mich auf die 
stammverwandtschaft mit dem lateinischen solidus. 

Was Meton aber über den plan der luftstadt entwickelt, ist 
nichts anderes als das kyklische princip des Hippodamos, 
der also in Athen schule gemacht hatte. Dass dieser nicht selbst 
dem komiker herhalten musste, erklürt sich wohl am besten daraus, 
dass er sich nicht mehr in Athen befand, vielleicht nicht mehr 
lebte. 


Auch in einer platonischen stelle, Leg. p. 778 B f, er- 
kenne ich ohne bedenken den einfluss hippodamischer ideen. Zu- 
nächst darin, dass die «yog« den mittelpunkt der platonischen 
idealstadt bilden soll; die heiligthümer nämlich und neben ihnen die 
oleosi deyovrwy xal dixuGrnglwr sollen theils um diese herum, 
theils iy xuxäm um die ganze stadt an den umliegenden héheu 
vertheilt werden. Noch klarer uber in der folgenden vorschrift: 
1&g olxodou(ag yon te 10v ldíuv olxfoswr ovrog ?E ueyns. Bud- 
AtGJ us, onwe adv n nüGa y now Er reéiyoc, Spudoints xai Ouo10- 
maw elo zug ódovg nucwr iv olxioewr eyovowy evéoxesur ldeiy 
te ovx andic uság olx(ag Gy p a èyovons atio 55), elg ze any 
176 gwAaux;c buorwrpr 0Àq xai maviù ngóg Owrnglur ylyvost uy 
dsapogos. 

Aristoteles dagegen in der von stadtanlagen handelnden stelle 
der politik 5°) nimmt überhaupt für seine musterstadt das hippoda- 
mische princip der eintheilung der privathüuser ausdrüchlich nicht 
vollstándig an, sondern kombiniert es mit der ältern art. Kein 
wunder also, dass er bezüglich der «yoga nicht das hippodamische 
princip vertritt. 

Zur oben vorgeschlagenen scheidung von kyklisch und hemi- 
kyklisch 55) vergleiche Vitruv 1, 7, 1: et si erunt moenia secundum 
mare, area tbi forum constituatur eligenda proxime portum, 
sin autem mediterranea, in oppido medio. Und über Halikar- 
nass ll, 8, 11: is .. locus est theatri curvaturae sr 


53) Gerade dieser rühmt der rhetor Aristeides von der hippo- 
damisch angelegten stadt Rhodos, 1, 799 Dind. 

54) IV (VII), 10 (11). 

55) Griechisch Seatgossdys Diod. Sic. XIX, 45, 3. XX, 63, 2. 


14^ 





212 Hippodamos. 


milis, itaque in imo secundum portum forum est consti- 
fufum. 

Erwühnt muss noch werden, dass man durch die in den phi- 
losophischen theoremen des Hippodamos gern angewandte drei- 
theilung darauf geführt worden ist, auch in seinen städteanlagen 
eine principielle scheidung in heiliges, staats- und privatgebiet zu 
suchen. Ob dieselbe vorhanden ist, muss der befund der alten mo- 
numente lehren °°); aus Aristoteles folgt sie nicht. xateoxevate 
dé (‘Innodapos) — so heisst es bei ihm!) — rv sow rd 
nÂndes uiv puglavdoor, eis rela dé uton dinonutvgv: enoles yàp 
fv uiv ufgog reyrltac, ‘fv dà yewoyous, teltov dé To ngomolsuovv 
xai ta Onda Eyov. dırgsı d' elg rela u£or [xai] thy ywoav, rz» 
pév ispav 14v dì dnuoclar 12v 0 Idlavı 09tv uiv za vopstoperu 
momgove: nQog roùç Feovs, ieQuv, dg wy d’ ob moonodepovrieg 
Bıwoorıas, xownv, thy dé rv yewoywv Îdlar. Augenscheinlich 
ist hier wodsg = modtias; die dreigetheilte ywoa aber ist acker- 
land, nicht baugrund. 

Suchen wir jetzt einen passenden namen für die neue bau- 
form, so kann sie gewiss rationell und symmetrisch heissen, im 
gegensatz zu der alten, zufälligen und ungleichmässigen weise. 
Auch die bezeichnung Agora-stil hat ihre berechtigung, mit rück- 
sicht darauf, dass in der vorangegangenen periode die akropolis 
bei jeder stüdteanluge das wesentlichste war. Eine interessante 
parallele mit den staatsformen lüsst sich auch aus Aristoteles (a. 
8. 0.) ziehen, wonach der ältere, akropolis-stil oligarchisch und 
monarchisch, das neue princip der ouuloznç demokratisch heissen 
kann. 

Zum schlusse dieses kapitels sammle ich die ausdrück e, 
welche die alten schriftsteller von der thätigkeit und kunst des 
Hippodamos gebrauchen, 

Allgemein und nicht bezeichnend ist soi» (sor I7&goiá) in 
Bekkers Anecd. xaracxevutesy bei Photios, ofxodoucioFas bei Har- 
pokration. 

Auf eine genaue ein- und zertheilung geht dsalgecse bei Ari- 
stot., dıusgeiv bei Hesych., dasselbe wort zweimal in Diodors er- 
zühlung der gründung 'Thuriis (XII, 10). 


56) Siehe für den Peiraieus p. 218. 
57) Polit. 1I, 5 (8). 





Hippodamos. 213 


Aehnlich ist deuvéuw bei Photios, vtun0:5 bei Photios, He- 
sych, Makarios. 

Mehr auf das gradlinige der eintheilung weist vielleicht der 
stamm rtu. xuzarfuvew steht bei Aristoteles und in Bekkers 
Anecd., ersterer nennt auch die ganze bauart evrouog. x«iut£uvaw 
braucht auch Herodot bei der beschreibung Babylons (1, 180). 
Dasselbe wort wendet Pausanias bei der gründung Messenes an: 
Epameinondas habe männer kommen lassen, olg :éyvy Grerwnouç 
xatartureodas (IV, 27, 5). Vgl. auch den ausdruck (vu oropeiy, 
Óóvporouía. 

Das ovvayesy des Aristophanes-scholiasten kann ich nur ver- 
stehen von einer vereinigung bis dabin regellos liegender nieder- 
lassungen zu einem stadtganzen. 


Beginnen wir jetzt mit der untersuchung der drei bippodami- 
schen stüdte, so müssen wir leider eine von ibnen von voroherein 
streichen. Bei T hurii nämlich fehlen die modernen nachforschun- 
gen, sodass wir auch mit der interessauten Diodorstelle über die 
erbauung nichts anfangen können 59). 


1. Peiraieus. 
. fv Idn not rov Mesgasa tov xalov 
Arr. Epict. 

Auf die untersuchung des Peiraieus -gebietes ist seit Leakes 
grundlegenden studien über die topographie Athens viel fleiss und 
scharfsinn, besonders von deutschen gelehrten, verwandt worden. 
Alle diese forschungen haben vor kurzem einen vorläufigen ab- 
schluss gefunden durch das erscheinen der beiden blatter Neu- und 
Alt- Peiraieus in dem vom deutschen archäologischen institut be- 
gründeten kartenwerke °°). Milchhoefer, nach dessen angaben 


08) XII, 10: süportes ovx anode 176 Zußapewg xQivnv ovopazomtvny 
Bovpiay . . . nigiéfalor tiyos, xai xtioavıes nólw ujvóuagey ano mS 
zonvns Bososov. mv dè nodeyv dielóuevois xara putv unxos eig 
TÉ Tragas nlatsias, wr xahovos tjv uiv piav ‘Hgdxleay, mv dé 4gQo- 
dada, mv dé Olvpnsada, rjv dé 4diovvoiada, xaTa dé 10 nàdtog dieilor 
els zgeis nharsias, wy 7 niv uvoudc9n ‘Hoga, n dt Govgia, 5 dé @ov- 
piva. vno dé 100109 Tuv Otevonao» nénigoouévo» taîc oiximig 4 Noles 
iqaivero xalog xatecxvacda:. 

59) Karten von Attika. Auf veranlassung des deutschen arch. 





214 Hippodamos. 


das blatt Alt-Peiraieus entworfen ist, giebt hierin eine vollstündige 
rekonstruktion der alten stadt, theilweise im gegensatz 20 den von 
Hirschfeld 9?) geäusserten ansichten; durch die. im texthefte 
enthaltene eingehende historische und topographische arbeit über 
den Peiraieus wird das einzelne begründet. Dabei sind auch die 
einschlägigen alten schrifiquellen in so ausgiebigem masse herbei- 
gezogen, dass eine aufzühlung derselben hier überflüssig erscheint. 

Diese von Milchhoefer igegebene rekonstruktion ist im we- 
sentlichen richtig und zuverlässig 9!), sodass wir uns auf 
grund derselben ein bild von der thütigkeit des Hippodamos ma- 
chen können. 

Das terrain, welches er vorfand, war folgendermassen be- 
schaffen. Zwei aus kalkstein gebildete berge, Akte (58m) und 
Munychia (87m) sind mittelst eines durch alluvion entstandenen, 
flach gewólbten isthmus verbunden. Auf der östlichen seite des 
letzteren liegt der hafen Zea, auf der westlichen das ungleich 
grössere hafenbecken des Peiraieus. Der abfall der Munychia-höhe 
zum Peiraieus wird durch eine sich langsam senkende fläche ver- 
mittel, Die grenze für den bebauungsplan war durch die themi- 
stokleische ummauerung 5?) gegeben, welche bestehen blieb ®°). In- 
nerhalb dieses mauerkrunzes lag als unantastbarer bezirk sicher 
schon die cultstatte der Artemis Munychia, vielleicht auch noch 
andere heiligthiimer; ausserdem om den hafen für den schiffsver- 


kehr dienende gebaude und regellos angelegte privathauser 64), 


institute und mit unterstützung des preuss. kultusministeriums aufgen. 
durch offiziere und beamte des preuss. gr. generalstubs. Mit erl. text 
herausy. v. E. Curtius und J. A. Kaupert. Heft I Athen und 
Peiraieus. Berlin 1881. 

60) In den berichten der süchs. gesellsch. der w. 1878. 

61) Näheren nachweis denke ich im Philol. Anzeiger zu geben, 
weshalb er hier wegbleibt. 

62) Dass uns von dieser die erhaltenen spuren ein treues bild 
geben, setze ich voraus. Allerdings stammen ja diese mauern aus 
honons zeit. Doch wird dieser beim wiederaufbau den alten funda- 
menten gefolgt sein; vgl. Hirschfeld anm. 13. 

63) Wäre die themistokleische enceinte durch die hippod. anlage 
bedeutend verändert worden. so würde eine erwühnung bei Thuk. (I, 
93) wohl nicht fehlen; vgl. 8. 3: wxodounoay . . 16 n&yoc Tob tsiyovc 
oneo viv Eti diiov torti negi toy Mespasa Dass Appian (Midge. 
80) von den mauern sagen kann: élpyaoro tx didov usyalov ré xai 
1ergayavov, Nevixidesov Eoyov. Ore 101g A95vaioig ini Helonovvnoious 
orwarnyar, xoi niv dÀnida nc vixnc èv 1H Hlegeusi wOëueros, uallor 
avıoy txgativaro - beruht wohl auf unwissenheit. 

64) Vgl. den zustand der stadt zur zeit des Strabon (IX, p. 395). 





Hippodamos. 215 


In älterer zeit hätte man nun zunächst die Munychia- 
höhe 5) als natürliche Akropolis ins auge gefasst und zum stadt- 
centrum gemacht. Nicht so Hippodamos. Für ihn war — abge- 
sehen vom hafen 95) — die richtige anlage der ayoga die haupt- 
sache. Das terrain verbot ihm nun von vornherein die anwendung 
des hemikyklischeo grundrisses, der nachher bei Rhodos so muster- 
haft durchgeführt wurde 5") und sich überhaupt für seestädte so 
gut eignet. Er suchte also das kreisförmige princip zur anwen- 
dung zu bringen. Er wählte den einzigen platz °°) der sich zu 
einer dyoou eignete, zog durch diesen punkt eine parallele zu der 
ilm vou der natur gegebenen küstenlinie und errichtete auf der- 
selben in jenem punkte eine senkrechte. Damit hatte er markt 
und vier hauptstrassen. Von diesen traf die erste, nordöstliche, 
den befestigungsring an der stelle, wo die alte (nördliche) lange 
mauer sich an die Peiraieus-enceinte anschloss. Hier wurde, öst- 
lich von jener, ein thor gebrocheu: dieses bildete jetzt den aus- 
gang für den sichern weg nach Athen zwischen dem alten und dem 
von Perikles erbauten neuen puxgov oxéiocs. Die zweite führte 
entlang dem Isthmus zur Aktehéhe, die dritte gab eine natürliche 
verbindung mit dem heiligthum auf der Munychia. Die vierte, 


Dass des Hippodamos Peiraieus-anlage nicht loco integro stattfand, 
wie die von Thurii und Rhodos, ist aus der naposwia bei Makarios (s. 
p. 197) ersichtlich. Denn ‘Innodauov véumas hätte nicht spôttisch für 
schlimmbesserung gebraucht werden können, wenn sich nicht 
schon vor Hippodamos etwas vorgefunden hätte. 

65) Die vielleicht in vorhistorischer zeit schon befestigt war 
(Milchh. p. 63). 

66) Dass Hippodamos auch bei dem ausbau des hafens thätig 
war, lese ich aus den lexika: nosynoavtoc AFnvaioss tov Iles- 
oasi xai xatateuovtos Tris nolews rtc üdovs und tov To» Hesgasa 
XaTROXsvaCaAYTOS xai Tas Tic nolswg ódovc. Gewiss falsch versteht 
Leake (Topoyraphy p. 13) den ausdrack so, als habe Hippodamos auch 
the streets and communications of Athens ausgelegt. Athen war noch 
zur zeit des Pseudo- Dikaiarch (Müller Fr. hist. II, 254) xaxwe éogu- 
potounuivn. Fasst man Mespecsvg im engern sinne als den hafen, so 
wird die unterscheidung von modes verständlich. 

67) Den Strabon'schen ausdruck (l. 1.): 10 nalaso» éreteiysoro xoi 
cerqxicro ?, Movrvyia napaninoiws wonto N rv ‘Podiwy nodes 
darf man nicht auf eine ganz übereinstimmende anlage deuten. 
9sargosıdys, wie Rhodos heisst (s. p. 211), konnte, soviel man aus den 
Isohypsen der v. Alten'schen karte (Neu- Peiraieus) erkennen kann, 
kaum der Munychiahügel genannt werden, geschweige denn die ganze 
anlage. Amphitheatralisch nun gar (Curt Wachsmuth, Stadt Athen 
p. 319) passt noch weniger. 

68) So Hirschfeld p. 7. 





216 Hippodamos. 


kürzeste, endlich brach ab an der nordostecke des Peiraieus-beckens. 
Alle vier strassen haben wir uns als gleichmässig breit zu den- 
ken 6°); aber breiter als die übrigen °°). Nehmen wir jetzt an, 
dass das hauptthor im norden ausserhalb der langen mauern schon 
vor des Hippodamos zeit bestand — was leicht zu glauben ist; 
denn die ansiedelung innerhalb des mauerkrauzes musste doch eine 
verbindung mit der hauptstadt haben — so war ihm damit auch 
schon das netz der uebenstrassen gegeben. Denn wenn er jetzt 
durch das hauptthor eine parallele zu der bauptlangsstrasse zog, 
so gab die entfernung dieser parallelen die grundlinie für alle 
quadrate, in welche die neue stadt zerlegt wurde. So erhielt die 
grosse leere nuss?!) einen kern. 

Nun sind wir in der glücklichen lage. die breite einer haupt- 
strasse mit annähernder genauigkeit berechnen zu können. Die 
strasse nümlich, welche vom hippod. markt auf die Munychia - hóhe 
führte, ist während der kampfe Thrasybuls gegen die dreissig 
schlachtfeld gewesen. Den bericht Xenophuns über dieses ge- 
fecht hat man mit recht topographisch verwerthet. Derselbe er- 
zählt nämlich (Hell. II, 4, 11): of d^ dx rov aorews eis 15v ‘In- 
nodupesov ayogay èidovres noUrov uiv GuverdEuvio, wore lp- 
nijous rjv oddv, 7 qíQu npos te 10 Llegó» 176 Movrvy(ag * Agré- 
padog xoà 10 Berdidesov* xul ly£vovio. fl 9og osx Barro n ini 
Revinxovta dontdur. ovrw dé Ouvrstayuéros èyugovr avw. ob 
dì ano Dviig advrevéndnoay piv 1)v cdov, Badoc dé ov mto» 7 
el; dixa onÂftaç éyévovro. Nun kämpfte auf seiten der dreissig, 
wie 2. 10 angegeben ist, ihre ganze macht, nämlich die hopliten 
(d. h. die bürgerelite der 3000, die allein ihre waffen behielten, 
II, 3, 19 f.), die reiter und die lakedaimonische garnison, die 
durch Lysander unter dem harmosten Kallibios ihnen zum succurs 
gesandt war (Il, 3, 14). Die stärke der letzteren ist nicht ge- 
nannt; doch haben sie in dem gefechte bei Phyle (II, 4, 4 f.) 
allein mehr als 120 todte, was einen schluss gestattet. Angenom- 


69) Auf der Kaupert'schen karte ist der nach Munychia führen- 
den querstrasse eine grössere breite gegeben als der längsstrasse. 

70) Vgl. das dekret vom jahre 320 (Athen VI, 1877, p. 158), 
wonach die ayopavouos angewiesen werden, die yoga 5 iy Hesgasss 
und die ódoi ai n Ae re$ in stand zu setzen, D à) Noung nogséetas 
"Tp dii Tp Xwrjps xas ty dıovuog 

71) Anthol. Jacobs XIII, p. 708; hier vom spätern sustand. 





Hippodamos. | 217 


men auch, dass die dreitausend nicht mehr vollzahlig gewesen sind 
— einige verwundete werden ausdrücklich erwalot 1l, 4, 2 — 
uod dass ein oambafter soutien in Athen zurückgeblieben ist, so 
erhalten wir ausser den reitern immerhin noch eine schaar von 
3000 angreifern, also 60 manu front. Dies stimmt aucb mit der 
zahl der gegner. Diese standen in einer tiefe von zehn hopliten. 
Es waren 1000 mann, aber darunter viele leichtbewaffnete. Aus- 
drucklich sagt aber Xenophon, dass die angreifer die strasse an- 
füllen: sie standen also geschlossen an einander, mit nur soviel 
abstand, dass sie die waffen uugehiudert gebrauchen konnten. Da 
solche verhaltnisse konstant sind, darf man hier wohl das preussi- 
sche exerzierregiement zitieren. Nach demselben betragt der glie- 
derabstund, den man gleich dem rottenabstand setzen darf, 64 cm. 
Also haben 60 mann eine frontbreite von fast 40 m — für eine 
strasse überaus viel ??). 

Aus derselben stelle móchte man auch über die form des 
marktes etwas schliessen. Aus Pausanias (VI, 24) ist bekannt, 
dass es zwei griechische marktstyle gab: den alteren, uach wel- 
chem die markthallen von den strassen durchschaitten wurden; und 
den ionischen, nach welchem sie sich unmittelbar an einander schlos- 
sen und so einen isolierten raum begränzten °°). Da sich die krie- 
ger auf dem markte sammeln, um von da auf der hauptstrasse 
vorzurücken, so scheint der markt ein freier, nach den strasseu hin 
offener platz, also nach älterer anlage, gewesen zu sein **) Auf 
demselben stand vermuthlich, wie Milchhoefer (p. 30) will, ein mit 
ihm zugleich gegründeter tempel der Hestia. 

Mit diesen grundlinien der hippodamischen anlage wird man 
sich vorläufig begnügen müssen. Verglichen mit andern stüdten 


72) Alexandria bietet hier sichere zahlen. Bei den nachgra- 
bungen Mahmüd Beg's (Heinr. Kiepert, Zur fopoyr. des ulten Alezan- 
dria, aus der Zeitschr. d. ges. f. erdkunde 1872) haben sich, in über- 
einstimmung mit Strabons angaben (XVII, 8, p. 793) zwei sich recht- 
winklig schneidende hauptstrassen gefunden, die eine grôssere breite 
haben wie die übrigen. Der fahrdamm misst in beiden 14 m, in den 
nebenstrassen nur 7 m. Mit den zu beiden seiten anzunehmenden 
fusswegen waren aber die hauptstrassen bedeutend breiter, nach Stra- 
bon über 100 fuss. Mit letzterer ziffer erreichen wir also fast die 
für den Peiraieua berechnete, 


73) Darüber E. Curtius in der Arch. zeit. 1848. 
74) In anderem sinne Curtius a. a. o., der die ionische umge- 





218 Hippodamos. 


ist ja das, was wir über den alten Peiraieus wissen, schon dan- 
kenswerth viel. 

Wir fragen zum schlusse, wie es im Peiraieus mit der drei- 
theilung steht, die man bei hippodamischen gründungen glaubt 
voraussetzen zu müssen (s. oben p. 212). Sowohl Hirschfeld 
(p. 10) als Milchhoefer (p. 29) finden sie gerade im Pei- 
raieus. Ich kann ihnen nicht beipflichten. Hirschfeld sieht die 
strenge sonderung in der aufeinanderfolge von Kantharos- hafen, 
Aphrodision und den cioal, d. h. dnuocsor, legov und Tor. Aber 
die selbstverstäudliche scheidung des kriegs- vom handelshafen ist 
doch kein specificum des Hippodamos; gelórt überdies gar uicht 
zur stadtanlage. Die orou( aber müssen doch als dyuooiu, nicht 
als Te gerechnet werden. Andere ójuocio aber, nämlich ägyeïa, 
hat Milchhoefer (p. 41) mit recht an die «yog« versetzt. Aus- 
drücklich ist dagegen bezeugt, dass es auch privathäuser, also Tdım, 
an der dyog« selbst gab 7°). Die iso befanden sich nun gar an 
den verschiedensten theilen der stadt. Es kann also keine rede 
davon sein, dass das terrain von voruhereio in drei zusammen- 
hangende abschnitte zerlegt wire, eiuer für staats-, der zweite 
für heilige, der dritte für privatbauten bestimmt. Tempel stimmen 
iosgemein nicht zu einem bebauungsplan mit gradlinigen, recht- 
winkligen fluchten und werden als ausnahme und unterbrechung zu 
betrachten sein 79). Dass man aber die dem staate verbleibenden 
grundstiicke, welche mit rücksicht auf das praktische bedürfnis an 
verschiedenen orten gewählt wurden, durch grenzsteine bezeichnete ; 
erscheint so natürlich, dass ich bedenkeu trage, bier ein besouderes 
kennzeichen hippodamischer anlagen zu finden. 

Blicken wir zurück, so liegen die züge der ersten hippo- 
damischen gründung jetzt vor uns aufgedeckt. Es war die- 
selbe keine vollkommene in rein geometrischem siune. Der xvxAec 
tero y uroc konnte der terrainverhalinisse wegen nur unvollkommen 
durchgeführt werden, quer- und längsstrassen konnten nicht gleiche 


staltung der mürkte mit der durch Hippodamos begründeten reform 
des städtebaues in zusammenhang bringen will. So auch die zeich- 
nung bei Hirschfeld. 

75) [Demosth.] 49 ad Timoth. 22. 

76) Die Griechen scheinen die strassen auf die tempel gern in 
schräger richtung geführt zu haben, sodass man von ihnen aus eine 
front und eine seite zugleich erblickte. 





Hippodamos. 219 


länge erhalten 77). Aber die mannigfaltigkeit des terrains mässigte 
wieder die monotonie des etwas langweiligen bauprincips; und so 
konnte der Peiraieus verdientermassen als eine schöne stadi 7) 
gelten. 


2. Rhodos. 


avın nölıs 209 'KAlyvic n Qddoig tony 
svwdiur Eyovoa yeu’ andiav. Anonym. 
... my Laungotdmy narpida thy xalnv '"Podor ... 


Die Lindier in der inschr. ™) 


Auf weniger sicheren boden treten wir, sobald wir uns nach 
Rhodos wenden. Hier haben so eingehende terrainuntersuchungen 
und darauf basierende wissenschaftliche bearbeitungen wie für den 
Peiraieus noch nicht stattgefunden. In ermangelung eines com- 
pendium viae, wie es uns dort Milchhoefer bot, gelen wir einen 
eigenen weg und mustern der reihe nach die alten quellen, 
die neuen berichte, das terrain, den grundplan der 
antiken stadt und ihre namhaften gebäude. 


Ueber das ausselen und die topographie der antiken stadt 
Rhodos giebt uns von den alten Diodor am reichlichsten auskunft, 
nämlich bei der schilderung der grossen überschwemmung des jah- 
res 316 (XIX, 45) und der berühmten bestürmung durch Demetrios 
Poliorketes in den jahren 305. 304 (XX, 82 f). Dano Ap- 
pian bei dem bericht über die vergebliche belagerung durch Mi- 
thridates (Bell. Mithr. 26. 27). Weiteres ist iu späteren prunk- 
reden zu finden, wenig in dem 'Podi«xoc des Dion Chrysosto- 
mos, ausfülrlicheres in der gleichnamigen rede des Aristeides, 
der in glánzenden farben ein bild entwirft von der mit feldern und 
hainen bedeckten Akropolis, von dem gleichmässigen bau der stadt, 
die wie éin haus erscheine, von den durch die ganze stadt laufen- 
den strassen, die nicht orsvwmol genannt werden dürften, und 
dem thurmgezierten mauerkreis, der an die stadt sich eng anschlies- 
send wie ein kranz auf einem haupte sich ausnehme (p. 799 Dind.). 


77) Muster für pedantische konsequenz der regelmüssigkeit ist 
die stadt Nicáa. Strab. XII, p. 566. 

78) Arrian Epict. III, 24. 

79) Ross, Archäol. aufs. I, 608. 





220 Hippodamos. 


Strabon dagegen (XIV, p. 652 f.) lobt nur im allgemeinen hüfen, 
strassen, mauern und die übrige x«zaoxeun und erwähnt die vuv- 
ciaduau xQvnz& xal unogentu roig noÀAoig. Gelegentliche anmer- 
kungen noch sonst: Paus. (IV, 31) rühmt die güte der mauern. 
Straboo vergleicht (IX, p. 395) die Peiraieusstadt mit Rhodos; 
wozu die audere stelle (XII, p. 575): fosxé ze (Kulızog) 1. na- 
ganàigc(p ivno xonusiodu, monio 9 twv ‘Podlwy x«i Mucca- 
Awwrwy xoi Kagyndoviwy rwr nadas. Lucian (Amores 8) nennt 
die stadt oviws . . 'Hàíov ngénov Éyouou 16 Fedi 10 xudroc. 

Die gründung der stadt im jahre 408/7 durch cuvos- 
xiGuog; aus den drei alten rhodischen gemeinden erzählen Diodor 
(XIII, 75), Strabon (XIV, p. 654) und am ausführlichsten wieder 
Aristeides (Rhod. p. 816 f.), der in bezug auf die entsetzliche 
verwüstung durch das erdbeben unter Antoninus Pius den Rhodiern 
zuruft, sie sollten sich zum wiederaufbau ermannen: hätten sies 
ja doch viel leichter als die ersten gründer: of uèv ydo ovd’ p»- 
TvoUr Eyovtes &qoguá» nagd rov 10nov, où Awufrvac, oùx elxovac, 
où xoouovç, où Aldous, wg slnziv, Ev noA Povdj x«i anogla 
xatuciuvies (olua:) nQuiov noi note Ing ywQug olxjoovoir, oviw 
taviny anédutar, xoi r0 uéyiOror unuriwv, noòs ovdèr vxaQyov 
wagudsıyua, ud” sbgories abro; xai ngodérre, newios xaJantQ: 
oc &Àg9üg rmagudesyua moAswg 9?) und später (p. 818): mAfovieg 
Spot xai oreatevoperos wxilor Tv noÀw, WOnsg vis poovesor 
n ciquionedov éxreuylboyres ini Orpatelas. 

Die sehr zahlreichen inschriften aus stadt und insel Rho- 
dos, veröffentlicht nach dem CIG hauptsächlich von Ross und 
Foucart, geben für die topographie nur sehr spürliche ausbeute. 

Von neueren reisenden und gelelrten ist Rhodos zwar schon 
früher mehrfach besucht und beschrieben worden — ich nenne 
ausser Ludw. Ross, Reisen auf den gr. inseln des äg. meeres be- 
sonders die eingehende behandlung von V. Guérin, Voyage dans 
Vile de Rhodes et description de cette île. Paris 1856 — doch 
sind die älteren darstellungen jetzt ganz überholt durch zwei 
neuere publikationen, die eine die reisebeschreibung eines eminenten 


80) Das klingt wunderlich, da ja der Peiraieus bedeutend älter 
war. Aber abgesehen von rhetorischer übertrribung hat ja Diodor 
insoweit recht, als hier zuerst die hemikyklische form angewandt 
wurde. 





Hippodamos. 221 


fachgelehrten, die andere ein glünzend ausgestattetes prachtwerk 
für grüsseres publikum: Newton, Travels and discoveries in the 
Levant, London 1865, im ersten bande, mit einer karte der insel 
Rhodos und einer weiteren vou stadt und hüfen. Alb. Berg, Die 
insel Rhodos, Braunschweig 1862, eingetheilt in einen historischen 
und einen beschreibenden theil, mit zahlreichen radierungen und 
holzschnitten. 

[n diesen werken wird uns das terrain der alten stadt, welche 
wie die neue auf der nordostecke der insel lag, wo diese sich nach der 
kleinasiatischen küste erstreckt, folgendermassen geschildert: ein 
hügel mit unregelmässigem plateau, 90m über dem meere, der 
nach dem westlichen meere schroff abfällt und nahezu parallel der 
seeküste in einer richtung von no nach sw liegt, auf der nordöst- 
lichen und südöstlichen seite in einer reihe von terassen senkt sich. 
Dann führt ein sanfter abhang nach dem östlichen meere, welches 
hier mehrere natürliche einbuchtungen batte. 

Die letzteren ersahen sich die bewohner von Jalysos, Kameiros 
und Lindos, als sie sich den platz für ihre ueyaA« noA “Podog 8!) 
wählten, als gute häfen und verschlossen sie durch zwei gewaltige 
molen #2). Diese beiden häfen, im alterthum péyag und wixpög 
Asury (Diod. XX, 85. 86), jetzt haupthafen und Port Mandraki, 
sind, da die alten molen noch vorhanden sind, sichere fixpunkte 
für die antike stadt. Schwankend aber ist das urtheil über die 
dritte, durch einen steindamm geschützte einbuchtung, welche sich 
südöstlich von dem grossen hafen findet , Archandria-Bay auf dem 
plan bei Newton,  Letzterer ist der ansicht, der molo sei zum 
schutze des hauptdammes (as a break-water) aufgeschüttet. Berg 
dagegen ist geneigt, den Auéva raic ravolv agxourın bier zu er- 
kennen, welchen Demetrios für seine belagerungsflotte anlegte °°), 
Die annahme eines kleinen inneren, jetzt verschütteten hafenbeckens, 
das nach Guérin mittels eines kanales mit den beiden erstgenannten 
in kommunikation stand, ist unerwiesen. Einen anderen hafen am 
westlichen meere fiudet Newton (p. 174 f.) nórdlich von der jetzi- 
gen vorstadt Neomaras #). Dadurch würde eine stelle des Ari- 

81) Inschr. bei Ross, Arch. aufs. II, 615. 
82) Plan des antiken Rhodos (ganz dürftig) bei Berg I, p. 22; 


Plan der stadt Rh. unter den Johannitern daselbst I, p. 137. 
83) Diod. XX, 88. 


84) Hat Newton recht, so wird dieser hafen eine spütere anlage 





222 Hippodamos. 


steides mehr licht erhalten, welcher zu erzählen weiss (p. 797 f.) 
von: Auu£reg 1000106 xal tndixovtos, ngoflAnos Mdosc elo 10 mé- 
Auyos eEaveornxores, ol uiv rotg an’ ’Imrlus, ol dè rouç and Kaplag 
deyousros, oi dé rovs an’ Alyuriov xoi Kungov xai Vosrlanc, 
woreo uo; «Ag node nenosmuévos el; vmodoyir. Sonst fasste 
man dieselbe von den verschiedenen abtheilungen des hafens. 

Der erwähnte hügel, zur zeit der ritter Stephansberg, 
jetzt auch Monte Smith genannt, musste die akropolis tragen. 
Dieselbe stand mit der küste durch eine zusammenhängende ring- 
mauer in verbindung. Von dieser sind noch jetzt spuren vorhanden; 
sie ist zwar nur an einigen stellen verfolgt, doch kann man sich 
ein bild von ihrem laufe machen (siehe die skizze bei Berg I, p. 22). 
Sie hatte danach die form eines halbkreises, das eingeschlossene 
terrain die eines unregelmässigen halbmondes #5). Die jetzige stadt, 
an umfang dieselbe wie die alte ritterstadt, nimmt nur einen theil 
davon, nämlich den unteren um die häfen, ein; das übrige ist jetzt 
bedeckt mit friedhöfen, gürten, landhäusern und feldern °°), 

Weiter gefördert werden wir durch Diodor, Da die stadt thea- 
terförmig (Ieurgosidnc) 8°) ist — so berichtet er über die überschwem- 
mung — und die wasserläufe meistens auf einen platz zusammenführen, 
so füllten sich sogleich die niedrig liegenden theile der stadt. Da sich 
aber das wasser unerwarteterweise sammelt, so wird die ganze gegend 
um das deiywu und das Jıovvosov gefüllt, Erst als das unter 
wasser stehende gebiet schon bis zum asklepieion vorschreitet, ent- 
steht abhilfe, indem die wassermassen eine mauer zerreissen und 
sich so den weg zum meere bahnen. — Die stadt war also auch 
nach dem hafen zu durch eine zusammenhängende mauer abge- 
schlossen. Das ist dieselbe, welche bei der belagerung durch De- 


sein, da bei der belagerung durch Demetrios nur von zweien die 
rede ist. , 

85) 7 di ini nam yapıs woneg Ipiıs terautvn xai my noh woreo 
Àég«» éguorrouévg ciuguwrov avın Te xai toic Ew xoouoic — sagt Ari- 
steides sinnig von Smyrna (I, p. 380), jedenfalls mit beziehung auf 
den grundplan (saiten der Lyra = strassen). 

#6) Doch war auch im alterthum nicht das ganze mauerumschlos- 
sene gebiet mit gebüuden bedeckt. Aristeides sagt zwar (p. 799), dass 
sich die mauer um die stadt (nümlich die untere) anschliesse, ohne 
einen leeren raum dazwischen zu lassen, schildert aber die akropolis 
als nediwy zai dlowy uecrjv Auch vorstädte ausserhalb der ring- 
mauer gab es. Plut. Dem. 24; apophth. Dem. 1. 

87) Der ausdruck zweimal, XIX, 45. XX, 83. 





Hippodamos, 223 


metrios eine rolle spielt. Sie lief entlang dem ufer, wie man 
aus dem dort gebrauchten ausdrucke Diodors ersieht **), umfasste 
aber den molo des grossen hafens nur zum theil. Die spitze des 
letztero war von den befestigungen 5 nA£Iga entfernt, sodass sich 
Demetrios hier verschanzen konnte; die mauer auf dem anderen 
theile des molo (ró ded 100 ywuatog rtlgoc) zerstörte er. Ausser- 
halb der hafenmauer lagen damals viele grosse felsstücke, die deu 
angreifern die arbeit erschwerten. 

Nach dem missglückten hafenangriff sucht Demetrios zu lande 
der stadt beizukommen. Wir erhalten hier eine angabe über das 
theater. Es muss nahe an der umfassungsmauer gelegen haben; 
denn die steine des zegfSodog brauchen die Rhodier, um eine 
zweite parallele mauer an der bedrohten stelle aufzurichten (c. 93), 
und die eindringenden feinde besetzen zovg nepi 10 Féatgoy Tonoug 
(c. 98). 

Eine wichtige linie des alten grundplans lüsst sich ferner mit 
ziemlicher wahrscheinlichkeit gewinnen. Die jetzige aus den rit- 
terzeiten stummende stadt nämlich verwirrt durch eine menge von 
kleinen, unregelmässigen gässchen. Nur eine, zwar enge, aber 
schnurgerade strusse zeichnet sich vortheilhaft aus, die berühmte 
sirada dei cavalieri, die vom hafen zur Meisterburg führt. Der 
gedanke liegt nahe, dass hier eine der alten dyusui 2 apyüs elg 
zíAog dinvexeic benutzt sei 99), zumal da die strasse verlängert nach 
dem Newtonschen plane gerade auf die akropolis hinaufführt. 
Diese alte strasse hat aber, wie es scheint, Newton selbst wieder 
entdeckt. Er sagt nämlich (p. 166): on crossing the Turkish ce- 


88) XX, 85: xeresirgwoxe Tous xetà my nol iynioteva ta nagd 
Tov lspéva teiyn xatacxevabovias; und wieder c. 86: ro nagd toy Asuiva 
Té og. 

89) Wo das terrain eine bestimmte und deshalb auch bestim- 
mende form hat, ist ein solches wiederauftauchen antiker fluchten 
sebr begreiflich. Wir machen die wahrnehmung, dass gerade in 
stádten hippodamischer bauart die hauptstrassen in dieser weise fort- 
leben. Im Peiraieus finden wir die alten hippodamischen haupt- 
strassen in der jetzigen Athena- und Sokrates-strase wieder, mit 
weleh letzterer sieh die antike, sobald wir ihr die gehórige, oben 
berechnete breite geben, noch mehr decken mag, als es nach der 
Milehhoeferschen karte der fall zu sein scheint. Aus der hippod. 
yoga aber ist der jetzige Karaiskakis-platz geworden. In Alexandria 
ist von den antiken west-Ostlichen strassen die breiteste (Kanobische ?) 
zu jeder zeit und bis auf die gegenwart hauptstrasse geblieben. 
Kiepert, a. a. O. p. 7. 





224 Hippodamos. 


metery about half-way between the Amboise gate and the bastion of 
St. George (das ist aber in der verlüngerung der ritterstrasse) we 
come to the commencement of a road which points to the NW, 
leading to the summit of St. Stephen’s hill. For some yards from 
its commencement the rock is hewn on each side, showing the line 
of an ancient way. 

So erhalten wir als grundschema einen halbkreisfürmigen um- 
kreis und eine denselben halbierende radiale hauptstrasse, dus he- 
mikyklische ragudeyuu ). Die &yogs muss alsdann am unteren 
ende dieser hauptstrasse gelegen haben. Das stimmt auch mit der 
diodorischen schilderung, wonach das detyuu gleich bei der tiefsten 
stelle der stadt lag. deïyuu und «yoga gehören aber zusammen. 


Einen breiten hauptweg längs der hafenmauer, also 
senkrecht zu jener strasse, zum dienste des hufenverkehrs, werden 
wir weiter anzunehmen haben. — Bei den andern vertikalen 
strassen entsteht die frage, ob sie nach art der thentertreppen 
auf die «yoga hin konvergierten oder der hauptstrasse parallel 
gezogen waren.  Glücklicherweise lässt sich uach Newtons an- 
gaben (p. 169) die richtung noch einer strasse konstatieren. Etwas 
nórdlich vom Amboise-thor nümlich führt ein weg vom türkischen 
friedhof nach der akropolis. Nearly parallel with this road may 
be traced very distinctly — the line of an ancient way, in- 
dicated sometimes by the bed cut in the rock, and in one place 
by the massive kerbstones on one side. This road is marked in the 
admiralty chart as a wall. Dieses ancient wall läuft aber nach 
ausweis der karte parallel mit der ritterstrasse, sodass dadurch 
obige frage entschieden ist. 

Viel mehr wird es aber nicht sein, was sich nach den jetat 
vorliegenden berichten über den grundplan sagen lásst. Der grosse 
raum ausserhalb der verschanzungen der modernen stadt ladt ein 
zu den lohnendsten und verhältnismässig leichten nachforschungen. 
Wie wiinschenswerth wäre es, wenn hier durch ausgrabungen und 


90) Für diese auf die axporolis führende hauptstrasse möchte ich 
ausser der parallele des Peiraieus (Strabon: Muoychia = Rh.) auch hier 
die von Smyrna erwähnen. Im Zuvpraixos (p. 375) sagt Aristeides: 
dno éonigas uiv nos fw PBadilwr Ex vew Te eic vews ner xai ex xo- 
ÀevoU ngóc xolwvo» dw ivóg ctsvwnoò xadliovos 7 xata tobroua, 
orayıs di ini sje dxgonolsog xtd. 





Hippodamos. 225 


aufnahme eines genauen stadtterrainplanes topographische sicherheit 
geschaffen würde! 

Bis dies geschieht, sind auch die aus den alten schriftquellen 
bekannten óffentlichen und heiligen gebäude isolierte und 
topographisch unfruchtbare namen. Auch bei den jetzt — zumal 
durch Newton —  wiederentdeckten vermissen wir eine genaue 
graphische darstellung des fundortes der reste, ohne welche sich 
wenig festsetzen lüsst, Doch stelle ich hier zum schlusse das mir 
bekannte über die antiken gebäude der stadt Rhodos zusammen. 

9£argovy. In der nähe der umfassungsmauer, s. p. 223; 
der Epirote Alkimos fällt megi ro 9£urgo»v Plut. Dem. 21. Bleibt 
stehen bei dem erdbeben unter kaiser Antonin. Aristid. I, p. 809 
(Dind). Sonst Diod. XX, 84. 100. 

Bovdevtngsor. Bleibt stehen bei demselben erdbeben. Ari- 
stid. 1. 1. 

yvaracsor. Sueton Tib. 11. cra9zuara darin Strab. XIV, 
p. 652. vgl. Aristid. I, 800: xevoi dà doduos xai Huren ür- 
dou, wobei man an die zum yvp». gehörigen ambulationes denken 
kann; 818: 10 nuéregor 10ví ywoelor, tv à nodda di, nodduxes 
ped? suor Nywrıcupedo. 

deîyua. Tief gelegen. Diod. XIX, 45. Ein Kunstwerk 
(ozegurouueror 1dr Zzuov ıwr ‘Podlwy und 100 Ajpou wy Svga- 
xoo/wr) hatte man dort aufgestellt. Polyb. V, 88. 

o1adsoyv. Eutdeckt von Newton, Travels in the Levant 
p. 168: . . . an artificial hollow with a terrace running round, 
which appears to be a stadium. The direction of this stadium is 
from NNE by E to SSW by W. At the southern end it is curved 
the other end being open. 

&farov, tropaeum der Artemisia. Vitr. II, 8. 

vewosu, énmixelueru roig Autos, Arist. 1, 798. rvewoosxos 
ebenda p. 800. 804. 


Kultstätte des Zeùs owrig*'), Ein zum kult dienendes 
&yalua dioc Dio Chrysost. Rhod. 1, 570 R.  Weihinschriften 
CIG 2525. 2526. Kollegium der owrngsucıuf Ross, lnscr. ined. 
Ill, n. 282. 


91) Von der zahlreichen kulten der insel Rhodos gehe ich selbst- 
redend nur auf die zur hauptstadt gehürigen ein. 


Philologus. XLII. bd. 2. 19 





226 Hippodamos. 


’Ataßvolov 4iog tegov auf dem burghügel. Appian 
Bell. Mithr. 26. Die stelle bezeichnet eine eingemauerte inschrift, 
in welcher fsparevoag Asög “Arafvetov. Ross Hell. I, 2 p. 113. 
K. Keil Philol. II. suppl.-bd. Kollegium der Æocarafogsactat in 
jener inschrift und Ross Inscr. ined. Ill, n. 282. 

Kult der '43avà Molsdc und des Zedc Mordseve 
(wie in Lindos), für Rhodos bezeugt durch die inschrift Foucart 
Rev. arch. XIII, p. 354. — Polyb. Excerpt. legat. 110 (ed. Didot. 
31, 16): Zynplourvto dé (of Podio) xai xoAocaor crjous 109 dnuov 
tov 'Puouatuv àv 1 196 Adnvàag Leo resaxovtannyyy. — 
Ein kultbild der Athene Dio Chrys. |. I — Wenn Philostr. Imag. 
Il, 27 nicht auf Lindos geht, so befand sich das íegov auf der 
burghéhe der stadt Rhodos. — Apostol. cent. XV, 25 (v. Leutsch) 
== Suidas s. v. ' Podiuv yenouos: ‘Podio: 17 Asvdla ’AInra 
Ouorreg xa9! Exucımv muéqur evdseréiovy 10 va cówyovpevos 
xi, zweifelhaft ob von dem kult in Lindos oder der hauptstadt, 
wie Otfr. Müller annimmt (Dorier I, p. 402). 

Der tempel des “4Asoc hatte den namen " Alsıov. Eustath. 
zu 6 266. Suid. s. v. Xenoph. Ephes. V, 11. Hier stand wohl 
die quadriga cum Sole des Lysipp (Plin. N. H. 84, 8 2 63. Dio 
Cassius 47, 83). Ein kultbild des Helios Dio Chrysost. 1. |. 
Fest der * Ate (" Adıa, "AAtıa) in inschriften und bei den schrift- 
stellern öfters. Priester des “soc inschr. Rev. archéol. XIII, 
p. 351. 353. “Alm ebenda 358. Kollegium der *ÀfA«dat 
und “Adsacral CIG 2525b. Siehe auch Heffter, Gütterdienste 
auf Rhodos Ill, p. 8 — Den tempel glaubt Newton gefunden 
zu haben (p. 169): a little to the east of the stadium is a great 
platform, where, perhaps, stood a temple of the Sun, as several 
inscriptions mentioning priests of this deity have been found near 
this spot. 

4sorvosor. Tief gelegen; mit dem deiypa zusammenge- 
nannt Diod XIX, 45. in templo Liberi patris in ipsa Rhodo Plin. 
N. H. 33, 12 & 155; dürfte nicht weit vom theater gelegen haben. 
ef. Vitruv. I, 7. Darin oroaf mit gemülden Lucian Amor. 8, &ra- 
Inuuru Strab. XIV, p. 652, refmodes Arist. 1, 841. Fest der 
diovicia Diod. XX, 84 = Baxyiîa CIG 2525b. Kollegium der 
diorvuciaciat Ross Inscr. ined. II, n. 282. CIG 2525 b. Inschrift 


Hippodamos. 227 


einer ara: ur&Inxeldıo|vvow Baxyelo ebenda. Siehe auch Heffter 
IN, p. 34. 

’AoxAnnıeiov. Etwas höher als deiyua und Æ#orvoior 
Diod. XIX, 45; vgl. die ’Aoxdınmudus Aristid. I, 839. 

teoov Josdoç nahe der mauer; hier angriff des Mithridates 
Appian Bell. Mithr. 27. 

Von einem tempel des Apollon Pythios findet Guérin 
einige sáulentrommeln (Voyage dans l'ile de Rhodes ch. 12). Inschr. 
bei Foucart, Rev. archéol. XIII, 355: ' AroAlwrı MF le. 

Ein £doc der "AquorofovAn, d. i. Artemis, bei Porphyr. 
de abstin. II, 54, wo auch Kronos dienst (fest ra Koo») er- 
wübnt wird. 

Hroiewaeior. Diod. XX, 100: réueros arjxur (die Rho- 
dier nach dem abzuge des Demetrios) à» 17 noe rerquywvor, ol- 
xodounourıss nag Exacınv misvedy Grouy Gradia(av, 0 meocnyo- 
osvouv Hr. Vgl. den alten temenos mit quadratischem peribolos, 
den Berg in den garten des Stephansberges gesehen hat (Die insel 
Rhodus.  Beschreibender theil, cap. 7) 

rà Sp(v3sa, platz für die feste des Apollon Susdevs. 
Strabo XIII, p. 605. 

Auf andere Kulte weisen die namen der genossenschaften 
Heuructal CIG 2525b (und vielleicht 2528), Srockesmacral, Tlu- 
vaSavutotal, "Ayudodumovsaorat Ross Inscr. ined. Ill, n. 282, 
wo auch ein Aroddwy Srguraysos (?), Zuuosgaxıuctal Rev. archéol. 
Xl, p. 218, der Sefaororefans Ross Hell. I, p. 104, eine münze 
mit dem bild des Poseidon bei Heffter 111, 58, der auch aus Cedren 
einen dienst der Amphitrite nachweist und überhaupt über die rho- 
dischen kulte am ausgiebigsten gehandelt hat. 

Doch darf man nicht ohne weiteres für jeden kult einen tempel 
annehmen. 

Strassburg i. E. M. Erdmann. 


Zu Theognis. 
Bergk verbindet in ed. IV wie es scheint vss. 5—10 mit 
vss. 1—4: wer das billigt, muss die kunst des motivirens bei den 


alten Griechen nicht kennen. 
Ernst von Leutsch. 


15° 





IX. 
Die liste der delphischen gastfreunde. 


Wescher und Foucart haben in ibrer sammlung der delpbischen 
inschriften (Paris 1868) !) unter n. 18 auf p. 20—30 ein ur- 
kundliches verzeichniss der proxenoi von Delphi veröffentlicht, eine 
umfangreiche inschrift von 314 zeilen (nicht 819, wie W F an- 
geben ?). Die herausgeber begnügen sich einfach den text in ge- 
wöhnlicher druckschrift zu geben ?), auf eine erklärung und bear- 
beitung haben sie sich nicht eingelassen. Die wichtigkeit dieser 
urkunde erkannte alsbald A. Mommsen und benutzte dieselbe zu 
einer cbronologischen anordnung der delphischen archonten *). 
Doch ist auch durch diese bedeutende leistung der reichhaltige stoff 
keineswegs erschüpft, und es ware sehr wünschenswerth, wenn sich 
jemand entschlósse, die zahlreichen, an den verschiedensten orten 
publicirten  delphischen inschriften im zusammenhange zu bear- 
beiten. 

Das verzeichniss der gastfreunde von Delphi beginnt ol. 145, 4, 
offenbar anknüpfend an ein wichtiges historisches ereigniss "); dies 
war die proclamation der unabhüngigkeit der griechischeu staaten 


1) Wichtige nachträge zu dieser publikation enthält die später 
erschienene abhandlung von Wescher: Etude sur le monument bilingue 
de Delphes. Paris 1868. 

. 2) Falls nicht einige zeilen in der copie fehlen. 

3) Die copien griechischer inschriften von Wescher und Foucart 
sind sehr sorgfältig und mit verstündniss gemacht, allein bei einer so 
wichtigen urkunde vermisst man ungern ein genaues facsimile. 

4) Philol. XXIV, p. 1- 48. 

5) Hütte man die pythische festfeier berücksichtigt, dann würde 
die liste mit ol. 145, 8 beginnen.. 





Delphi. 229 


an den isthmien, für die man freilich ol. 146, 1 anzusetzen pflegt. 
Die isthmische trieteris fállt in den sommer, und man verlegt sie 
gewühnlich in den anfang des ersten und dritten olympiadenjahres ; 
aber wo uns genauere data über die festfeier auf dem isthmos 
vorliegen, stimmt dies nicht überall mit jenem ansatze: jedenfalls 
wurden damals die isthmien vor den olympien, also ol. 145, 4 
gegen ende gefeiert, und dies mag sogar die regel gewesen sein €). 
Mit recht beginnt daher eben mit diesem jahre eine neue epoche 
der griechischen geschichte. 


Schwieriger ist es den endpunkt zu bestimmen, da das ver- 
zeichniss immer unvollständiger wird, aber wir dürfen voraussetzen, 
dass, als man den beschluss fasste, diese liste aufzustellen, eben 
wieder ein entscheidendes geschichtliches ereigniss eingetreten war. 
Jene epoche findet ihren natürlichen abschluss ol. 158, 3 durch die 
zerstórung Corinths und die unterwerfung Griechenlands unter das 
römische regiment. Und damit stimmt die liste; denn die letzten 
aufzeichnuugen gehören der zeit an, wo Andronikos und Praxias 
das lebensläugliche priesteramt des Apollo bekleideten, d. bh. in die 
jahre etwa von ol. 156, 3 bis ol. 158, 4. Nach der versicherung 
von Wescher (Monument bilingue p. 188) ist der schriftcharakter 
der liste vollkommen gleich mit den urkunden der amphiktyonen, 
welche er in jener schrift publicirt hat: diese documente setzt er 
freilich entschieden irrig in d. j. 190 v. Chr., sie gehóreu viel- 
mehr der zeit der römischen herrschaft an, können erst nach d. j. 
146, aber auch wohl nicht eben viel später abgefasst sein’); dies 
beweist schon die datirung nach römischem calender, W. p. 56, 


6) Ueber den corinthischen calender haben wir nur unzulängliche 
kunde; wir wissen nur, dass hier der panemos dem attischen boedro- 
mion jedoch mit einer differenz von 20 tagen entsprach. 


7) Manius Acilius, der besieger des Antiochos bei den Thermopylen 
im j. 191, hatte im auftrag des römischen senates die grenzen des 
delphischen gebietes regulirt; als man später (nach d. j. 146) eine 
revision vornahnı, legte man die entscheidungen des Acilius zu grunde; 
daher wird in dem decret der amphiktyonen auf die ältere urkunde 
bezug genommen, z. 37: yog«, (5) xalsitas Narsıa yswpyovusen, 3v 
Mavsos Axilsos 19. Fed (déjdwxs. Unzulässig ist die vermittelnde an- 
sicht von Kuhn (Jahn, Jahrb. 1869, p. 257), welcher mit Wescher 
den ersten theil des decretes dem j. 190 zuweist, den folgenden ab- 
schnitt v 2.45 an in eine spätere zeit verlegt. Beide abschnitte ent- 
halten die beschlüsse der hieromnemonen an derselben pylaea, sind 
gleichzeitig abgefasst. 





230 Delphi. 


z. 45: wo ‘Pwpatos ayovow neo éBdouns eid(ür) GQefigongtwr, 
ws 4tÀgoi áyovos EBdoun (Ex. elxu)do. 

Dies datum beweist, dass die verhandlungen der amphiktyonen 
der êugsrn nvAul« angebüren; denn diese fällt in den delphischen 
monat Bvosos, der dem attischen "AyFeorngswy, dem römischen fe- 
bruar entspricht 8). Die differenz zwischen dem damaligen römi- 
schen und dem delphischen calender betrügt 20 tage (7. februar 
= 27. bysios), vorausgesetzt, dass Weschers ergänzung richtig 
ist: denn man könnte auch éfdóug (ni dexa)dı vermuthen, obwohl 
diese bezeichuung (st. éai déxu) ungewöhnlich ist. Dies würde 
passen zu der datirung des interpolators bei Demosth. de cor. 155, 
der für die beschlüsse der dugıyn nuAulu das datum des attischen 
calenders prog Ardecıngsuvos Exın Ent dé&xu giebt. Wenn ihm 
bekannt war, dass die sitzungen der versammlung im frühjahr den 
16. bysios begannen, so konute er recht gut von der überlieferten 
gleichstellung des bysios mit dem anthesterion ausgehend für deu 
16. bysios geradezu den 16. anthesterion setzen ?). Allein selbst 
vorausgesetzt, dass die pylaea des frühjahrs den 16. bysios erôffnet 
wurde (was anderweitig nicht bezeugt ist), konnten doch öfter die 
verhandlungen sich in die lange ziehen, so dass es gerathen ist, 
den 27. bysios für die urkunde fest zu halten: die differenz von 
20 tagen zwischen dem römischen und dem delpbischen calender 
hat nichts auffallendes. Der delphische calender war gewiss ver- 
bültnissmüssig in guter ordnung; es wird der dortigen priesterschaft 
damals nicht an münnern von der nothwendigen astronomischen bil- 
dung gefehlt haben, und wenn gerade in dieser zeit in Rom M. 
Acilius, Fulvius Nobilior und Sulpicius Gallus sich um die cor- 
rection des rümischen calenders verdient machten, so hatten diese 
männer gelegenheit gehabt, in Griechenland aus eigner anschaunng 
die dort übliche praxis kennen zu lernen !9). 


8) Auf die versammlungen der éegs»y nulæinx sind offenbar auch 
die liickenhaften worte des amphiktyonenbeschlusses von ol. 100, 1 
(Boeckh n. 1688, z. 45 [CIA. Il, 545]): Mode d' dyovtwy tot Bovxatiov 
unvos tod tv Sedqois, 706 di H.......... delg.oi tot Buciov unvog 
zu beziehen, wo Boeckhs ergünzung MvGeatoras unzulässig ist. 

9) Denn man muss sich hüten, daraus auf vollständige con- 
gruenz des attischen mit dem delphischen calender zu schliessen. 


10) Die /er Acilia scheint freilich beantragt worden zu sein, ehe 
Acilius das kommando in Griechenland übernahm. 





Delphi. 281 


Wie abbüngig damals Delphi von der rémischen schutzmacht 
war, wie man in Griechenland den neuen gebietern gegenüber die 
ängstlichste rücksicht beobachtete, zeigt der beschluss der amphi- 
ktyonen aus derselben zeit auf einer attischen inschrift (Wescher, 
Mon. bil. p. 203, 2. 93): elvas de ravra wig dv " MO nvats teyvitusc, 
fav un ts Popatoic vntvavr(or 7. Dagegen das fest zu ehren der 
Roma ist schon vor der zerstórung Corinths gestiftet, wie die in- 
schrift bei Wescher n. 472 beweist: agyor(rog '4f)oywvog rov 
Kadila, Bovisvovtwy Kiswyoc, Nixdoyov,- ' Aylwros. Edwxav dé 
xal nogeveodus dv To nourareior èv tav Fvolur wr ‘Pœopa(l)wr 
xui iv tug Aownag Fvolus, Ev aco a nédeg cv(v)rsdet nucus ae- 
xovıog "A39apuBov rov . . . Denn diese proxenie wird ertheilt im 
jahre des Archon, der in der zeit der priester Amyntas und 
Tarantinos (s. Wescher n. 174. 184), also doch zwischen ol. 
152, 3 — 155, 2, im amte war, der nachtrag, worin der ‘Pw- 
uaïa gedacht wird, gehört in das jahr des " Æ9aufoç (‘ ABgoucyov), 
dieser bekleidet das archontenamt unter den priestern Amyntas und 
Andronikos (s. Wescher 233. 234, ob identisch mit dem Atham- 
bos Mou. bil. p. 137, ist ungewiss) d. h. zwischen ol. 155, 3 
— 156, 2. Damals bestand also bereits die festfeier der‘ Pwyata !!). 

Entschieden irrig ist Mommsens vorstellung , als ob dieses 
verzeichniss nach und nach entstanden sei: man habe die gast- 
freunde, so wie sie ernannt waren, successiv eingetragen, eine aus- 
fertigung der einzelnen beschlüsse habe nicht statt gefunden. All- 
ein gerade das einzeldecret ist die regel; wie überall, so wird 
man auch in Delphi dafür gesorgt haben, eine solche auszeichnung 
zu jedermanns kunde zu bringen. Noch ist uns eine anzahl sol- 
cher proxenie-decrete erhalten, und es ist nur zufall, wenn keiner 
von den namen dieser liste unter jenen decreten sich findet: die 
liste ist eben nicht vollstándig ; die decrete n. 12 und n. 13 ent- 
halten verleihuugen aus den jahren des Menes und Xeneas, beide 
archonten gehüren der epoche an, welche das verzeichniss umfasst, 
werden aber hier gar nicht berücksichtigt !!). Ebenso fehlt die 


11) Ob dieselbe jährlich oder in zwischenräumen gefeiert wurde, 
weiss ich nicht; in Rhodos war diese panegyris eine tosemois. Ala- 
banda in Karien scheint zuerst schon vor ol. 152, */, (Liv. XLIII, 6) 
ein solches fest gestiftet 2u haben. 

12) Eigenthümlich ist, dass meist keine nühere begründung vor- 
ausgeschickt wird, was doch sonst allgemein üblich war (eine aus- 





232 Delphi. 


verleihung der proxenie an Dikaearchos aus Laodikea Boeckh n. 
1693 aus dem jahre des archonten Kleon (so ist statt "Eléwr zu 
lesen), dessen name häufig in der manumissionsurkunden vorkommt. 
Den antrag stellen drei Delphier, welche zweimal als Sewgoi der 
feier der Daphnaea in Antiochien beigewohnt haben '°); unter könig 
Antiuchos ist der vierte dieses namens zu verstehen, und diese fest- 
gesandtschaften fallen in ol. 153, 3 (s. Polyb. XXXI, 3) und 
wohl 153, 4: in demselben jahre wird auch der antrag gestellt 
worden sein, da Antiochos bereits im j. 164 v. Chr. starb. Das 
jahr des Kleon ist also ol. 153, 4. — Dagegen Wescher n. 10 
aus dem jahre des Phaenis gehórt nicht dem gleichnamigen ar- 
chonten dieser liste, wie die verschiedenheit der namen bei den 
rathsmitgliedern beweist. 

Ob die behörde ein fórmliches protokoll führte und alle ein- 
zelnen beschlüsse dieser art sorgfaltig verzeichnete, ist zweifelhaft ; 
jedenfalls war dasselbe nicht mehr vorhanden, als man den beschluss 
fasste, eine liste der gastfreunde von ol. 145, 4 bis 158, 3 auf- 
zustellen, Der mit der abfassung dieses kataloges beauftragte 
beamte benutzte die einzelnen urkunden, soweit sie noch vorhanden 
waren: aber er gab nicht alles, was ihm vorlag, wieder, sondern 
begnügte sich die namhafteren persónlichkeiten auszuwählen: ge- 
gen ende wird das verzeichniss dürftiger und lückenhafter. Die 
redaktion ist nichts weniger als sorgsam: die decrete aus einzelnen 
jahren sind mehrmals an verschiedene stellen vertheilt; die chro- 
nologische folge ist öfter verletzt, aus manchem jahre ist gar kein 
name verzeichnet, obwohl in dieser periode sicherlich jedes jahr die 
proxenie einem oder dem anderen ertheilt wurde '*), 


nahme machen die decrete Wescher n. 14, Boeckh 1693 und 1695), 
sowie dass zuweilen die namen verschiedener personen, die in gar 
keinem näheren verhältniss zu einander stehen, zusammengefasst wer- 
den, wie in dem decret Wescher 10 (vier Syrakusaner, ein Arkadier, 
ein Ephesier, ein Knidier), daher diese sitte auch in der liste beibe- 
halten wird. Teides erklürt sich wohl aus der menge solcher ehren- 
decrete, die ein abgekürztes verfahren empfahl. Das verschweigen der 
motive, d:e bei der ertheilung dieser ehre leiteten, war ausserdem 
nicht unpraktisch. 

13) Dikaearchos erhält unter anderen rechten auch die Iswpodoxie 
TOv Te Mudiwy x«i Zwinpiwv, ganz so wie in einem anderen proxenie- 
decret bei Wesclier n. 452. Boeckh hat die ltickenhafte stelle un- 
richtig ergänzt und bezieht die worte auf die feier der Mv9se und 
Zwrie in Antiochia. 

14) Diese unregelmüssigkeiten lassen sich nicht erklüren, wenn 





Delphi. 238 


Es sind meist decrete für einzelne, aber auch festgesandt- 
schaften kommen vor, wie z. 51 drei bürger aus Lamia, z. 266 
drei Sikyonier, oder z. 10 vier Massalioten, z. 213 eine anzalıl 
Rhodier, ebenso einzelne familien, wie z. 86 M. Valerius Muttines 
mit vier söhnen; dann werden auch mehrere zusammengefasst, die 
offenbar in keinem näheren verhältniss zu einander stehen, sondern 
our gleichzeitig diese auszeichnung eilalten, wie z. 295. Auch 
hier hielt sich der anordner genau an die ihm vorliegenden urkun- 
den; denn noch jetzt sind uns ähnliche decrete erhalten. Dass der 
anordner nur eine auswahl traf, geht auch duraus hervor, dass, 
soviel sich erkennen lässt, keine proxeniedecrete für fahrende vir- 
tuosen (Jsovvoov 1eyriru) oder allezeit fertige gelegenheitsdichter 
u. s. W. vorkommen, die gewiss auch in Delphi sich diese aner- 
kennung zu verschaffen wussten. 

Bemerkenswerth ist, dass die meisteu decrete in die zweite 
jahreshälfte fallen: der besuch des heiligthumes wird eben in der 
zeit von februar bis juni (juli) besonders lebhaft gewesen sein. 
Die grosse festfeier der pythien mag im ersten semester jedes 
vierten jahres mehrfach anlass zu dieser auszeichnung gegeben ha- 
ben: aber auch die jährliche feier dieses tages, wenn schon sie 
sich auf ein solennes opfer beschránken mochte und eines glänzend 
ausgestatteten agons eutbehrte, mag zahlreiche fremde angelockt 
haben !°). Die versammlungen der amphiktyonen im frühjahr und 
herbst kommen weniger in betracht, da sie gleichfulls, wie die in- 
schriften zeigen, die proxenie ertheilten 19), In welche jahreszeit 
man mit Mommsen eine aufzeichnung jedesmal nach ertheilung der 
proxenie annimmt. 

15) In dem beschluss der amphiktyonen bei Boeckh CIG. n. 1688 
CIA. 11, 545] z. 44 heisst es évsauria & ispounvia a Ilv3icg. Man kann 
sie nach der analogie anderer feste die kleinen pythien nennen. 

16) Eine versummlung der amphiktyonen im spätjahr zu Delphi 
ol. 104, 2 setzt das attische psephisma (Monatsb. d. Berl. ac. 1866, p. 198) 
[CI A. I, 54] voraus, welches am 30. tage der zweiten prytanie, also im 
dritten monat des jahres abgefasst ist. Die amphiktyonen hatten 
unter dem vorsitz des Thessnlers Andronikos den Astykrates und ge- 
nossen wegen vergehen gegen die delphische gemeinde verbannt und 
ihr vermógen eingezogen. Die vertriebenen wenden sich nach Athen; 
die volksversammlung erklürt den beschluss der amphiktyonen für 
nichtig, verleiht dem Astykrater das bürgerrecht, seinen genossen die 
isotelie. Entschieden unrichtig betrachtet Kirchhoff die vertriebenen 
als delphische bürger, es sind vielmehr Phokenser, z. 8 ist zu schrei- 


ben '4cxg(«trgc 6 d»wxeb)e. Hier haben wir das vorspiel der wirren, 
welche zu dem phokischen kriege den anlass gaben: die nüchste 





234 Delphi. 


die feier der Zwrrgsa fiel, wissen wir nicht, ebenso wenig ob das 
fest ein jühriges war: da die niederlage der Celten in den winter 
füllt, ist es wahrscheinlich, dass auch dieser musische agou in der- 
selben jahreszeit abgehalten wurde. Man nimmt an, die festfeier 
sei unmittelbar nach dem siege gestiftet worden; Dittenberger !?) 
setzt daher den attischen archon Polyeuktos in ol. 125, 4; dies 
ist jedoch sehr unsicher: denn der in der inschrift erwäbnte aeto- 
lische strateg Charixenos, der mit den Athenern über die stiftung 
der soterien verhandelt, weist auf eine spütere zeit hin, da es of- 
fenbar derselbe Charixenos ist, der um ol. 134, 3 (Droysen, Hellen. 
Il, 387 [H*, 429]) den grossen raubzug gegen Lakonien unter- 
nahm, s. Polyb. IV, 34. 

Dieses verzeichniss, welches die letzte periode der selbstündig- 
keit der Hellenen, einen zeitraum von ungefähr 50 jahren, umfasst, 
ist ein iu vieler hinsicht interessantes denkmal. Zunächst ist eine 
grundlage gewonnen, um wenigstens einen theil der zablreichen 
freilassungsurkunden von Delphi chronologisch zu ordnen: ausser- 
dem aber hat die liste auch einen allgemeinen historischen werth, 
indem sie eiu nahezu vollständiges verzeichniss der strategen des 
aetolischen buudes für die letzte zeit dieser eidgenossenschaft bietet. 
Endlich knüpft sich noch ein besonderes interesse an diese liste, 
indem uns unter den gastfreunden Delphis eine reihe mehr oder 
minder namhafter persünlichkeiten aus der ersten hälfte des zweiten 
jabrhunderts vorgeführt wird; gleichwohl hat man gerade diesen 
gesichtspunkt bisher so gut wie gar nicht gewiirdigt. 

A. Mommsen hat auf grund dieser liste der delphischen gast- 
freunde das verzeichniss der delphischen archonten von ol. 145, 3 
an zu ordnen, zu vervollstündigen uud chronologisch zu fixiren un- 
ternommen; ich habe diese sorgfältige und scharfsinnige arbeit wie- 
derholt geprüft; bei dieser untersuchung, die mit der politischen 
geschichte jener epoche eng verflochten ist, stósst man mehrfach 
auf zweifelhafte und unsichere punkte; ich babe das material an- 
ders zu ordnen versucht, aber jede abweichende construction be- 
gegnet wieder anderen schwierigkeiten und zweifeln. Es ist daher 


folge war, dass wenige monat nachher, als Epameinondas seinen 
letzten zug nach dem Peloponnes unternahm, die Phokenser den 
Boeotern ihre unterstützung versagten, s Xenoph. Hell. VU, 5. 4. 

17) Hermes II, s. 298 È 





Delphi. 235 


gerathen, zunüchst sich an die von Mommsen aufgestellte liste zu 
halten; neue inschriftliche funde werden später vielleicht einzelnes 
modificiren oder berichtigen. 

Des wesentlichste hülfsmittel das amtsjahr der delpbischen 
archonten zu bestimmen bieten die manumissionsurkunden dar, welche 
in dieser epoche häufig in der überschrift zugleich den namen des 
jedesmaligen aetolischen strategen nennen. Allein das delphische 
jahr fallt nicht vollständig mit dem aetolischen zusammen. Das 
delphische jahr beginnt in der mitte des sommers; wir können es 
also dem olympiadenjahre wesentlich gleichstellen: das aetolische 
amtsjahr begiunt mit dem spätjahr, und zwar fand wie Polyb. IV, 
37 bezeugt, die neuwahl der behörden unmittelbar nach der tag- 
und nachtgleiche statt; der erste monat des aetolischen jahres muss 
also unserem october entsprochen haben: dies ist bei der beurthei- 
lung der geschichtlichen vorgänge wohl zu beachten. Man sollte 
also erwarten, dass der erste aetolische munat dem vierten del- 
phischen monat gleich gesetzt würde, allein nach den urkunden 
entspricht er vielmehr dem dritten delphischen monate, dem Boa- 
3005 1). Folglich umfasst jedes delphische jahr immer die zwei 


18) Es fragt sich, wie diese schwierigkeit zu lösen ist. Die del- 
phischen monate werden allerdings den attischen so gegenübergestellt, 
als wenn sie sich vollständig deckten, so Wescher n. 424 der poitro- 
pios dem poseideon, allein diese gleichungen sind wie wohl auch alle 
übrigen nur als ungeführe zu betrachten, so dass für mehr oder we- 
niger erhebliche differenzen raum war. Das delphische jahr kann 
nicht unmittelbar nach der sommersonnenwende begonnen haben, 
der erste monat entsprach wesentlich dem august, der zweite dem 
september. Die festfeier der pythien am 7. bukatios mag jedoch in 
der regel auf einen der letzten tage des august gefallen sein: der 
grund dieser abweichung vom princip (denn die sonnenwende ist 
notbwendig als grenze des jahres zu betrachten) liegt wohl darin, 
dass dieser festcalender des Apollobeiligthums ursprünglich für süd- 
lichere landschaften und günstigere klimatische verhältnisse berech- 
net war: dort konnte man am 7. bysios (im februar) das wiedererwa- 
chen der natur, des frühlings anfang feiern. Indem das orakel in der 
rauheren berglandschaft am Parnass eine stätte fand, traf dies nicht 
mehr zu; statt diesen hoben festtag zu verlegen, zog man es vor den 
monat zu verschieben, so dass der bysios grossentheils dem märz ent- 
sprechen mochte: und dadurch ward die ganze stellung des calen- 
derjahres gleichmässig modificirt. Vergl. auch Schaefer, Demosth. II, 
510. Ebenso muss der anfang des delphischen jahres ursprünglich 
ein anderer gewesen sein: man nimmt gewöhnlich nach Boeckhs vor- 
gange an, der schaltmonat falle im griechischen calender in der regel 
in die mitte des jahres, und beruft sich dafür auch auf den delphi- 
schen calender: allein die einschaltung erfolgte ursprünglich regel- 





236 Delphi. 


letzten monate eines aetolischen strategen und die zehn ersten mo- 
nate seines nacbfolgers!?) Der kürze halber setze ich jedoch das 
aetolische amtsjahr dem delphischen und olympischen jahre gleich. 


müssig am ende des jahres, und wenn spüter der schaltmonat meist 
au anderer stelle erscheint, so beweist dies nur, dass mit dem an- 
fange des jahres eine veránderung vorgenommen ward, wührend ge- 
müss dem conservativen princip, welches überall das calenderwesen 
beherrscht, die einschaltung nach wie vor an der althergebrachten 
stelle erfolgt. Die Delphier schalten nach dem sechsten monat, dem 
poitropios (december), ein, dies beweist, dass das jahr ursprünglich 
mit dem amalios (januar) oder mit der winterlichen sonnenwende be- 
ann; daher heisst auch der mai 'Krdvenosrpóztiog zum unterschied von 
em JJo9ón:oc, der eigentlich die grenze des jahres bildete. Ebenso 
muss das attische jahr, da die einschaltung nach dem poseideon statt- 
findet, ehemals mit dem Taunlıw» (januar) begonnen haben. Aehn- 
lich verhält es sich mit Rom: hier gab es entsprechend dem dualis- 
mus der stadtgemeinde einen doppelten caleuder; das eine jahr be- 
gann mit dem mürz und endete mit dem februar, das andere reichte 
vom januar bia december: indem beide calender neben einander be- 
standen, gewann der eine hauptsächlich im bürgerlichen, der andere 
im religidsen leben geltung; und als das kirchliche jahr zuletzt den 
sieg davon trug, fuhr man nichts desto weniger fort im februar einzu- 
schalten, der ehemals der letzte monat des bürgerlichen jahres ge- 
wesen war. In Delphi ward die veründerung des jahresanfanges viel- 
leicht durch die verbindung des Dionysoscultus mit dem Apollodienste 
herbeigeführt, und dieser vorgang ward dann für andere staaten, wie 
eben Athen massgebend. — Hinsichtlich des attischen jahres bemerke 
ich noch, dass der schaltmonat stets diese stelle behauptet hat, wie 
die inschr. Ephem. Arch. 3239 [CIA. III, 1217] beweist, wo der ‘Adgsarsav 
(so ward unter kaiser Hadrian der schaltmonat ungenannt) zwischen //0- 
edo v und Funky erscheint. Wenn in einer anderen inschrift Ephem. 
886[CIA. II, 433] (aus der zeit des kónigs Eumenes von Pergamos) mit dop- 
peltem datum der anthesterion dem elaphebolion gleichgestellt wird, 
so kann diese differenz nicht, wie Emil Müller, Realenc. I, A, 1054 an- 
zunehmen scheint, darauf zurückgeführt werden, dass in dem einen ca- 
lender die lage des schaltmonates abgeündert war, sondern das betref- 
fende jahr war in dem einen calender ein gemeinjahr, in dem andern 
ein schaltjahr. Die inschrift, von Boeckh Gesch. der mondcyklen p. 
96 nicht richtig ergünst, ist in folgender weise herzustellen [ó y d és c 
nov]ravesas . . . "Avdeomeiwros devripx [xar &oyorra, xara di 
950v 'Ela]gnBoledvoc Trop ust’ elxada[s devrioa ms nevravsias. Im 
gemeinjahre stimmt der tag der prytanie mit dem monatsdatum, in 
einem schaltjahre ist der 2. tag der 8. prytanie (im gemeinjahr der 
2. anthesterion) gleich dem 24. elaphebolion. Sonst weiss ich freilich 
diese eigenthümliche art der zwiefachen datierung nicht aufzuklüren: 
nur so viel ist klar, dass damals der bürgerliche calender (xar’ &g- 
qorre) mit dem kirchlichen (xare 340»), wie ihn die legourzuorsc, deren 
nctionen man mit der stellung der römischen pontifices annähernd 
vergleichen kann, feststellten, hinsichtlich der einschaltung diffe- 
rirte. 
19) Das amtsjahr des achaeischen strategen, dessen antritt vom 
frühjahr auf das spütjahr verlegt, muss um einen monat später 
begonnen haben, da nach Wescher n. 109 der siebente achaeische 





Delphischer archon. Olymp. Jahr v. Chr. 


Orthaeos 145, 3 
Emmenidas 4 
Orthaeos,S.d.Mantias 146, 1 
Diodoros 2 
Peithagoras 3 
Ekephylos 4 
Kleodamos 147, 1 
Phaenis 2 
Kallikrates 3 
XenonS. d. Ateisidas 4 
Kleodamos S. d. Po- 
lykleitos 148, 1 
Persilas 2 
Nikobulos 3 
Eukrates 4 
Kraton 149, 1 
Aristaenetos 2 
Damosthenes S. d. Ar- 
chelaos 3 
Andronikos 4 
Mantias 150, 1 
Euangelos 2 
Praxias 3 
Melinion 4 
Xenochares 


151, 1 


198/7 
197/6 
196/5 
195/4 


194/3 
193/2 


192/1 
191/0 
190/89 
189/8 


188/7 
187/6 
186/5 
185/4 


184/3 
183/2 


182/1 


181/0 


180/79 


179/8 
178/7 
177/6 


176/5 


Delphi. 


237 


Aetolischer strateg. 
Phaeneas 
Alexomenos ??) 
Alexander v. Kalydon II. 
Dikaearchos von Tricho- 
nion ll 
Thoas Il 
Damokritos von Kaly- 
don II 
Phaeneas II ‘ 
Archedamos S. d. Pholas. 
Nikandros v. Trichonion. 


Pantaleon von Pleuron I 
Alexandros von Kaly- 
don INI 
Nikandros Il 


Archedamos S. d. Pho- 
las HI 
Thoasv. Trichonion III, 


Lochagos v. Kallipolis. 
Lykiskos v. Stratos. 
Nikandros v. 'Tricho- 
nion III 
Eupolemos II 


monat dem delphischen 'Kvdvonorrgónmioc entspricht, dies ergiebt für 
den ersten monat der Achaeer die gleichung mit dem vierten delphi- 


schen (‘Hoaios). 


20) 'Alstouervóc heisst dieser strateg überall in den delphischen 
urkunden, nur n. 337 ist '4Àlstaueros geschrieben, wie bei Polybius 
und Livius; die inschrift bei Boeckh n. 1694 nennt einen aetolischen 


hieromnemon ’Alstauevös, jedoch mit der var. ’AléEavdgor. 


'" Alefouevóg 


findet sich auch auf einer thessalischen inschrift, Revue Archéol. 


1844, p. 317. 





238 Delphi. 


Delphischer archon. Olymp. Jahr v. Chr. Aetolischer strateg. 
Archelaos S. d. Da- 


mosthenes 151, 2 175/4 Archedamos S. d. Pho- 
las IV 
Sosinikos 8 174/8 Pantaleon v, PleuronIli 
Aeakidas 4 173/2 T hoas v. Trichonion IV 
Kleophanes 152, 1 172/ (Lykiskos II) 
Menes 2 171/0 
Laiadas 3 170,69  Proandros S. d. Pholas 
Kleodamos S, d. 
Mantias 4 169/8 Agelaos v. Naupaktos 
Pyrrhos 153, 1 168/7 Hybristas 
Xeneas 2 167/6 Panaetolos 


Der aetolische stratege für ol, 152, 1 wird in den freilas- 
sungsurkunden nicht genannt; Mommsen hat die lücke richtig durch 
den namen des Lykiskos ergünzt, der damals zum zweiten male die- 
ses amt bekleidete, Liv. XLII, 38: als römische abgeordnete 
beim begiun des makedouischen krieges im j. 171 (583 a. o. c.) 
nach Griechenland geschickt wurden, suchten sie auch Aetolien auf : 
ac paucos ibi morati dies, dum in praetoris mortui locum alius 
sufficeretur, et Lycisco praetore facto, quem Romanorum rebus fa- 
vere satis compertum erat, transierunt. in "Thessaliam. Der unmit- 
telbare vorgünger des Lykiskos ist nicht Thoas, denn dieser tritt 
ja noch spüter, wie wir aus Polybius sehen, in den parteikampfen 
hervor: er hat seine strategie bis zu ende, d. h. bis zum ablauf 
des zweiten monats ol. 152, 1 geführt: an seine stelle trat ein 
unbekannter strateg, und als dieser in der zweiten hälfte ol. 152, 1 
(im ersten halbjahr d. j. 171) gestorben war, wurde offenbar unter 
mitwirkung der römischen commissare Lykiskos als stellvertreter 
gewühlt, der die noch übrige zeit bis zum zweiten monate ol. 152, 
2 fungirt ®!). Dass auf Lykiskos unmittelbar die durch die frei- 
lassungsurkunden bezeugten strategen Proandros, sohn des Pholas, 
und Agelaos aus Naupaktos folgten, ergiebt sich daraus, dass die 
amtszeit des Agelaos zusammenfällt mit der des achaeischen stra- 
tegen Archon. Polybius schildert XXVIII, 3 ff. die reise der rö- 

21) Die darstellung des Livius ist durchaus correct; was Momm- 


sen p. 47 bemerkt, indem er glaubt, Livius habe seine griechische 
quelle missverstanden, ist unbegründet. 


Delphi. 239 


mischen commissare, welche Aulus Hostilius an die griechischen 
staaten abgeschickt hatte; diese verhandlungen fallen in das spät- 
jahr ol. 152, 3, wie aus Livius sich ergiebt, der XLIII, 17 
(Popillium . .. in hiberna Ambraciam misit) darüber nur sum- 
marisch berichtet und dann den winterfeldzug des Perseus in 
Aetolien erzählt. Polybius schildert ausführlicher die  stürmi- 
schen verhandlungen in der aetolischen bundesversammlung in 
gegenwart der römischen commissare: Proandros und Lykiskos 
führen hauptsächlich das wort, Proandros war offenbar damals 
noch im amte, er hielt es mit der macedonischen partei **), rühmte 
sich aber seiner verdienste um die Römer und suchte sich gegen 
die vorwürfe der gegner zu vertheidigen; der römische commissar 
C. Popillius, obwohl er das ganze durchschaut (xuAug eldws adroy 
&ÀÀO10v09. Orta ‘Pwualwr), stellt sich als schenke er seinen versi- 
cherungen glauben: nach Proandros ergriff sein amtsvorgänger Ly- 
kiskos, der römerfreund , das wort und richtete seine versteckten 
angriffe namentlich gegen Archidamos und Pantaleon. Die römi- 
schen commissare gingen dann nach Akarnanien und kehrten nach 
erledigung ihres auftrages nach Larissa zum proconsul Hostilius 
zurück. Polybius berichtet dann c. 6 und 7 über die berathungen 
der Achaeer, die sich für ein neutrales verhalten während des krie- 
ges zwischen Perseus und Rom entschieden und daher den Archon 
zum strategen 23), den Polybios zum hipparchen wählten (Polyb. 
c. 6): diese traten also ihr amt mit dem vierten monat ol. 152, 3 
an, während der neugewählte aetolische strateg Agelaos von Nau- 
paktos bereits einen monat früher seine functionen begonnen hatte *), 

Die folge der beamten in den beiden letzten jahren ol. 153, 1 
und 2 ist jedoch unsicher, s. nachher. Es fehlen die namen der 


22) Archedamos, der sohn des Pholas, wohl sein bruder, ergreift 
gleich nachher während des einfalles der Makedonier in Aetolien 
offen für Perseus partei, Liv. XLIII, 21. 22. Den zusatz dla bei 
Archedamos und Proandros beziehe ich auf den vater, obwohl man 
nach strengem sprachgebrauch tov «ole erwartet, da der hauptname 
ebenfalls im genitiv steht. 


23) Archon hat schon früher ol. 148, 3 das amt des strategen 
verwaltet (Polyb. XXIII, 10), sein bruder Xenarchos war ol. 151, 2 
strateg, Liv. XLI, 22. 23. 

24) Agelaos, sonst nicht näher bekannt, ist wohl ein nachkomme 
des älteren Agelaos von Naupaktos, den Polyb. IV, 16 und wieder- 
holt im füníten buche erwühnt. 





240 Delphi. 


aetolischen strategen für 6 jahre, ol. 147, 4, 148, 1. 148, 2, 
dann 149, 2, ferner 150, 1, endlich 152, 2, und zwar fehlen, wie 
die liste selbst zeigt, Dikaearchos Il, Archedamos II, 
Pantaleon Il, Eupolemos 1?5), so dass nur zwei namen un- 
bekannt sind. 

Die liste dient übrigens auch dazu, um das verzeichniss der 
aetolischen strategen rückwärts zu ergünzen: vor ol. 145, 3 müs- 
sen die amtsjahre von Alexandros von Kalydon I, Thoas I 
und Damokritos von Kalydon I fallen. Die erste strategie 
des Damokritos wird in ol. 145, 2 zu setzen sein, denn der pra- 
tor Damocritus, den Livius XXXI, 32 bei den verhandlungen 
mit der aetolischen bundesversammlung gegen ende des jahres 199 
erwähnt, ist offenbar der neugewüllte strateg. Vorher in ein nicht 
näher zu bestimmendes jahr fällt die erste strategie des Alexan- 
der; auf diese bezieht sich die urkunde bei Boeckh ClGr. 3046 
(inschrift von Teos) Altwiwy orouruyéorros ’ AleËurdgov Kulu- 
dwrfov Muvatrwiixotg, dann die freilassungsurkunde bei Wescher 
n. 243 ciguiaytorios twv Aliwiwy ?_Alesdvdgou Kaivdwvfov ent- 
sprechend dem delphischen archonten Philokrates °°), In dieselbe 
zeit mag die strategie des Polemarchos fallen, dessen namen 
ich in der inschrift bei Stephani, Reisen in Nordgr. p. 40 herstelle: 
orgutuytovtog tw Aliwiwy (IHoàAsuagyov) ' Agosvoéos: diesen Po- 
lemarchos erwähnt Polyb. XVII, 10 als gesandten der Aetoler ol. 
145, 3 zugleich mit dem Akarnanen Nikomachos, dem in jener in- 
schrift Lamia die proxenie ertheilt **). 


25) Natürlich ist es nicht móglich, diese strategieen mit sicher- 
heit einzureihen. 

26) Ausser dem delphischen magistrat wird auch noch der agono- 
thet der Lokrer und der magistrat von Oeanthea genannt. Was 
Mommsen p. 39 über diese behórden bemerkt, ist nicht massgebend. 
Dieser Philokrates ist wohl zu unterscheiden von dem archon Philo- 
krates, sohn des Xenon, der einer viel jüngeren zeit angehórt (der zeit 
der priester Andronikos und Amyntas). Das jahr war ein schaltjahr, 
wie unvos Mostgoniov .toù newzov beweist, ebenso ol. 151, 1 (s. We- 
scher n. 197), dann aus der periode der priester Amyntas und Ta- 
rantinos die jahre der archonten Emmenidas (Wescher n. 154), (daher 
entspricht in diesem jahre der /Zfosrpormios von Amphissa dem delphi- 
schen 'Erdvanosrpinsos ( Wescher n. 224), im jahre ol. 147, 4 dem 
Gcotérsos (Wescher n. 360)) und Kleon ol. 153, 4 ( Wescher n. 86), 
endlich das jahr des Xenokritos (Wescher n. 425) aus unbestimmter zeit. 
Allein über den schaltkyklus von Delphi sind wir nicht unterrichtet. 

27) Der in einer inschrift bei Wescher, Mon. bil. 139 genannte 
Zámgog Nexoucyou 'Axapvay ix Tuofeiov ist vielleicht sein sohn. 


Delphi. 241 


Für die zeit von ol. 139, 4 — 140, 3 ergiebt sich aus Po- 
lybius folgende liste: 

OI. 139, 4 v. Chr. 221/0 Ariston Polyb. IV, 5. 9. 17. 

» 140, 1 » 220/19 Skopas Polyb. IV, 26. 27. 

» 140, 2 » 219/8 Dorimachos Polyb. IV, 67. 

» 140, 2 » 218/7 Agetas Polyb. V, 91. 96. 
Folglich gehört die inschrift bei Wescher n. 422 aus dem jahre 
des delphischen archonten Soxenos, welche das datum oıgazuy£ov- 
zog Gv Aliwiwy Aoguuyou Toigortos hat **), in ol. 140, 2. 
Nach ol. 140, 3 ist die inschrift Wescher n. 384 zu setzen, wie 
die überschrift ergazay£ovros ’Ayılta to devtegow zeigt: sie ge- 
hört in das jahr des delphischen archonten Euangelos (des älteren) 
unter den priestern Kukleidas und Xenon ??) Derselben zeit wird 
n. 407 angehören Grgarayfovrog Xadérov (als archon fungirt Hy- 
brias °°), als priester Eukles und Xenon), es ist wohl derselbe Cha- 
lepos, den Polybius XXII, 8 bei einem späteren vorfalle (ol. 147, 4) 
erwühnt, und auch an einer anderen stelle X X, 9 ist wohl Xa- 
Aewog statt XxÂnooç zu verbessern. 


Ich wende mich zu der liste der delphischen gastfreunde. Die 
bier verzeichneten namen hat man bisher nicht gebührend beachtet: 
nur Quinctius Flaminius und die zugleich mit ihm genannten Ró- 
mer haben die aufmerksamkeit auf sich gezogen; vergl. ausser 
Mommsen auch Wescher Mon. bil. p. 189 ff., der übrigens Momm- 
sens arbeit gar nicht zu kennen scheint. Wie die ertheilung der 
proxenie an Quinctius unzweifelhaft auf politischer berechnung be- 
rubt, so mag dies motiv auch in anderen fallen mitgewirkt haben. 


28) Die schreibung 4ogiuayos findet sich auch regelmässig in den 
handschriften des Polybius, dagegen 4wesuayos in der inschrift bei 
Ussing Insc. in., ebenso auf einer ülteren zu Athen gefundenen am- 
phiktyonenurkunde bei Bücher, De gente Aetol. p. 11. CIA. II, 551. 

29) In die erste strategie gehórt vielleicht die inschrift bei Ste- 

hani p. 41: ró» Alrwlwy otpatayéovtos IN..... nolita, wo man 
Aynta Kallınolita ergänzen kann. Sein sohn wird Lochagos, der stra- 
leg ol. 150, 2, sein, da unter den zeugen einer urkunde aus ol. 151, 3 
(Wescher n. 191) 4oyayos ‘Ayjte Kallsnolitas genannt wird. Der 
sohn dieses Lochagos ist wohl der ol. 153, 1 in Kallipolis als archon 
fungirende Agetas (Wescher n. 100). 

30) Dieser Hybrias ist nicht zu verwechseln mit dem gleichna- 
migen magistrat Wescher n. 432. 433, der in die epoche der priester 
Archon und Athambos gehórt. 


Philologus. XLII. bd. 2. 16 





242 Delphi. 


Delphi war auch in dieser epoche mittelpunkt politischer intriguen: 
die verschiedensten einflüsse machten sich hier geltend, jede partei 
suchte in der bürgerschaft und im kreise der behörden dieses prie- 
sterstaates anhänger; selbst frauen waren in die öffentlichen handel 
verflochten, wie Praxo, welche dem meuchelmórderischen attentat 
auf das leben des kónigs Eumenes nicht fremd war ?!). 

lm ersten jahre (ol. 145, 4) wurden zwei gastfreunde ver- 
zeichnet, ein bürger von Lilaea und ein Athener, beide mir unbe- 
kannt. Ol. 146, 1 erscheinen im zweiten semester vier Massalioten, 
wohl eine festgesandtschaft, darunter Kgsvag /7v9la, Huv9faq 
Kowa, wahrscheinlich vater und sohn, vielleicht aus dem ge- 
schlechte des bekannten reisenden Pytheas, denn der delphische 
schreiber mag hier wie anderwärts die ihm geläufige form des na- 
mens substituirt haben. Die Massalioten stehen seit alter zeit mit 
Delphi in verbindung und hatten dort ihren eignen thesauros. 
Danu werden nachträglich ebenfalls aus dem zweiten halbjahr noch 
drei proxenen aus Lamia, vielleicht auch eine festgesandtschaft an- 
geführt. Das folgende jahr ol. 146, 2 bietet zahlreiche belege für 
die verleihung der proxenie dar. Zunächst aus dem zweiten se- 
mester sind zwei Italiker verzeichnet 

Biurrog Marovgov Karvoivog 

Kosrros Orogsoç Kotrrov ‘Pwuuïog 8°), 
wahrscheinlich rómische officiere, die bei dem abzuge des rómischen 
heeres nach der besiegung des Nabis Delphi besuchten, doch ist ein 
Q. Voturius io dieser zeit nicht nachzuweisen 8). Dann folgen 


31) Praxo stand mit Perseus von Makedonien in verbindung, Li- 
vius XLII, 15: Jitteras dat ad Praxo hospitam, principem. auctoritate. et 
opibus Delphorum , ihr haus war, wie es c. 17 heisst, receptaculum 
latronum. Auf diese frau bezieht sich vielleicht die freilassungsur- 
kunde Wescher n. 114, wo lato ‘Kupevida ovrevdoxéortos Moakia 
eine sklavin freiläast ol. 153, 4 (unter dem archon Kleon): Praxo 
war wohl eine tochter des Emmenidas, und Pruxias ist offenbar der 
sohn, der mann war bereits gestorben. Verschieden ist die Moatd, 
welche mit ihrem gatten Mgagias nach Wescher n. 423 eine sklavin 
freilässt (unter dem archon Xenokritos, dem priester Archon). 

32) Nach griechischer sitte ist vios ausgelassen, nachher wird es 
bei Rómern hinzugefügt, unterbleibt aber bei Griechen, die rómische 
bürger sind. 

33) Beachtenswerth ist die umwandlung des römischen namens 
Voturius in Otousos, sonst werden römische namen sehr correct 
wiedergegeben; es ist daher auch unzulüssig, wenn man den sklaven- 
namen Kivros in der urkunde Wescher n. 66 als Quintus fasst; es 
wird der celtische name Cintus, der häufig als töpfername vor- 


Delphi. 243 


die verleihungen aus dem ersten semester an Griechen aus dem 
Chersones (ob der thrakische oder pontische gemeint ist, lässt sich 
nicht sagen, denn der name Zxv9nç ist nicht entscheidend, später 
z. 97 lautet die angabe bestimmter Xegoovacizas dx tov Movrov), 
aus Pantikapaeon (*Anarovesog Kixwvog, als ionischer eigenname 
erscheint Kixwy auch bei Hipponax) und aus Corinth. Den be- 
schluss macht wieder aus dem zweiten semester 
Zevopuv EvovAtovros Alyseve, 

die erste namhafte persónlichkeit in der liste der delphischen 
proxenoi. Xenophon, ol. 145, 3 abgeordneter des achaeischen bun- 
des an Quintius Flamininus (Polyb. XVII, 1 u. 10. Liv. XXXII, 
32), geht spüter ol. 102, 3 als gesandter nach Aegypten (Pol. 
XXVIII, 16). Sein vater Euryleon war achaeischer strateg (Pol. 
X, 21). 

Ol. 146, 3 im ersten halbjahr wird die proxenie ausser dem 
Phantagoras von Kos dem Akarnanen Alexander und seinen sóhnen 
ertheilt : 

* AAEavdgoc “Avisogov Axapvav xal roi vioi adrot 

Dilunnos "Avılyovos *Axagvaves. 
Menander, früher mit Philipp von Makedonien befreundet, später in 
dienste des Antiochos, wird im auftrage des kónigs in diplomati- 
schen geschäften damals Griechenland bereist haben; vou dieser sen- 
dung zurückgekehrt, nimmt er am kriegsrathe theil (Liv. XXXV, 
15); bald nachher ol 147, 1 wird er in der schlacht an den 
thermopylen verwundet und erlag seinen wunden (Liv. XXXVI 
20). Der eine seiner sóhne kann der bei Polyb. XXVII, 5 er- 
wähnte ’ Avıfyovog ' Aletavdoov sein, den künig Perseus als ge- 
sandten zu den Boeotern schickt, wohl nicht verschieden von 
dem Antigonus, den Livius XLIV, 26 zu den purpurati des Per- 
seus zählt; auch Philipp mag schon seine dienste benutzt haben, 
vergl. Liv. XL, 57: Cotto nobilis erat Bastarna, ea res Antigonus 
saepe iunius cum ipso Cottone legatus ad concitandos Bastarnas 
missus. Die verderbte stelle zu heilen ist schwierig; Antigonus 


kommt, ebenso Cintugenus und Cintugnatus sein. Dieser Kiy- 
ros ist allerdings ein !vdoyerns, mag aber von celtischen elteru ab- 
stammen; celtische sklaven kommen in den delphischen urkunden 
wiederholt vor, führen aber in der regel griechische namen, nur Mas- 
gatas klingt fremdartig. 

16° 





244 Delphi. 


muss nothwendig, schon um iln von dem vorher erwähnten sobne 
des Echekrates zu unterscheiden, genauer charakterisirt werden, 
vielleicht ist Antigonus e pezetaeris unus oder auch Acarnan Anti- 
gonus e pezetaeris unus zu lesen. Nachher wird mit verletzung der 
chronologischen ordnung eine ernennung aus dem jahre des ar- 
chonten Theoxenos eingeschaltet, der, wie die namen der priester 
("Auvriag, T«gaviivog) beweisen, einer späteren zeit angehört *). 
Aus dem zweiten semester von ol. 146, 3 folgen dann noch zwei 
neu ernannte gastfreunde | 
‘Hynowevak Aoytvous ° Aleburdoevs ix 12; Towadog 
und 
°A3nvayogas * AInvayopa 100 AswotBov Xiog *5), 

Hegesianax, ein vielseitig gebildeter mann, dichter, grammatiker 
und geschichtschreiber (seine TQwixc gab er unter dem namen des 
Kepuidwy oder Kepallwr von Gergis heraus), lebt am hofe des 
Antiochos und wird wiederholt in wichtigen staatsgeschäften ver- 
wendet. Zugleich mit Lysias (Polyb. XVIII, 30) an Flamininus 
abgeordnet, wohnt er an den isthmien der proklamation der helle- 
nischen unabhingigkeit bei und verhandelt dann mit dem rómischen 
feldherrn ol. 146, 1 zu anfang. Ol. 146, 3 steht er wieder an 
der spitze der gesandtschaft, die Antiochos nach Rom schickte: Li- 
vius XXXIV, 57 ff. nennt als seinen collegen den Menippos, Ap- 
pian Syr. 6 fügt (offenbar nach Polybios) auch Lysias hinzu. 
Diodor XXVIII, 16 erwähnt nur Menippos. Menippos wird auch 
als gesandter des Antiochos in dem schreiben des rümischen senats 
an die Teier (CIGr. 3045) erwühnt, indem er zugleich eine spe- 
cialmission für Teos übernommen hatte. Auf dieser reise nach 
Rom wird Hegesianax auch Delphi berührt und die proxenie er- 
halten haben: vielleicht gehörte auch Athenagoras von Chios zu 
dieser gesandtschaft. 

Auf den archou Peithagoros ol. 146, 3 folgt im verzeichniss 


34) Auch die ungescbickte fassung ofds noótevos deutet auf einen 
zusatz von zweiter hand zu dem ursprünglichen entwurf der liste hin. 
Wenn demungeachtet nur einer genannt wird: Kdoavdpoc Mtvta9éog 
Toews ano ' AlsEavdgeias (diesem namen glaube ich schon begegnet zu 
sein, kann ihn aber nicht wieder auffinden), so mag dies der stein- 
metz verschuldet haben. 

35) Wenn vater und sohn den gleichen namen führen, wird gern 
noch der name des grossvaters hinzugefügt. 





Delphi. 245 


der proxenen z. 54—62 der archon Kleodamos. Die freilassungs- 
urkunden dieses archon zeigen, dass der grösste theil seines amts- 
jabres mit der zweiten strategie des Phaeneas zusammenfállt; dies 
führt also, wie Mommsen richtig bemerkt, auf ol. 147, 1; folglich 
ist in der liste ein archon zwischen Peithagoras uud Kleodamos 
übergangen: Mommsen hat die lücke glücklich ausgefüllt, indem 
er den archonten Ekephylos einschaltet, denn dessen amtsjahr trifft 
grösstentheils nach den freilassungsurkunden mit der zweiten stra- 
tegie des Damokritos zusammen, der der nachfolger des T'hoas und 
vorgänger des Phaeneas war?9?) Ekephylos war also ol. 
146, 4 archon von Delphi; die unruhige zeit, welche dem aus- 
bruche des krieges zwischen Rom und Antiochos voranging, er- 
klürt es, dass aus diesem jahre nur drei manumissionen urkundlich 
bezeugt sind; so mochte der verfertiger der liste entweder gar 
keine urkunden über ertheilung der proxenie vorfinden oder die 
paar namen der gastfreunde, welche ihm vorlagen, der aufzeich- 
nung nicht würdigen. Die darstellung der begebenbeiten dieser 
jahre bei Livius ist nichts weniger als übersichtlich, und es wird 
mit unseren unzulünglichen hülfsmitteln kaum gelingen, die einzel- 
nen vorgánge chronologisch genau festzustellen. Ich begnüge mich, 
einen punkt herauszuheben. 

Wenn Mommsen (p. 29) die ankunft des Flamininus, der als 
gesandter wieder nach Griechenland geschickt war, oder doch seine 
verhandlungen mit den Aetolern (Livius XX XV, 33) in den august 
des j. 191 setzt, so ist dieses datum kaum zulüssig; ich sehe we- 
nigstens nicht ab, wie es möglich ist, die fülle von begebenheiten 
in dem zeitraum weniger monate unterzubringen; Flamininus muss 
schon früher in Griechenland erschienen sein; ich vermag aber nur 
eine thatsache etwas genauer zu fixiren. Flamininus begiebt sich, 
nachdem die verhandlungen mit den Aetolern fruchtlos verlaufen 
waren, nach Corinth: die Aetoler bemächtigen sich alsbald der 
stadt Demetrias, und zu gleicher zeit wenden sie sich auch gegen 
Sparta und Chalkis: der versuch gegen Chalkis misslingt. Flami- 
ninus, nachdem er die besatzung von Chalkis durch 500 mann 
pergamenische truppen verstärkt hat, zieht gegen Demetrias, um 


96) Damokritos und Macestas hielten es mit Philipp in Makedo- 
nien, Thoas und sein bruder (Liv. XXXV, 19) Dikaearchos mit An- 
tiochos, s. Polyb. XXII, 14. Liv. XXXVIII, 10. 





246 Delphi. 


die stadt wiederzugewinnen, und wendet sich zugleich an den stra- 
tegen der Thessaler Eunomos um unterstützung; Liv. XX XV, 39: 
Eunomo Thessalorum praetori scripsit, ut armaret iuventutem. Eu- 
nomos, der fünfte strateg der Thessaler, wird kurz vorher sein 
amt angetreten haben: das amtsjahr der Thessaler fallt mit dem 
der Aetoler und (damals auch) der Achaeer wesentlich zusammen, 
der strategenwechsel findet im spätjahr statt, ol. 146, 1 trat der 
erste strateg Pausanias sein amt an, was er nach jahresfrist, im 
dritten oder vierten monat ol. 147, 2, dem Amyntas übergab, auf 
diesen folgten ol. 147, 3 Aeneidas und ol. 147, 4 Epidromos: 
allein dieser war nur acht monate im amte, auf ihn folgt eben 
Eunomos, der also schoo im anfang des sommers 147, 4 strateg 
ward und ausnahmsweise 16 volle monate an der spitze der ge- 
schäfte stand. Auf die wahl gerade des Eunomos haben sicherlich 
die Rómer hingewirkt: Livius berichtet XX XV, 31, dass die ró- 
mischen gesandten noch, bevor sie der aetolischen bundesversamm- 
lung beiwohnten, Athen, Chalkis, Thessalien und Magnesia be- 
suchten: adlocuti concilio frequenti Thessalos Demetriadem iter 
flexere. Niebuhr, Kl. schr. I, 244 vermuthet, die Römer hätten 
den vorgünger des Eunomos als verdüchtig entfernt; ein so ge- 
waltsames eingreifen ist nicht wahrscheinlich; Epidromos wird ge- 
storben sein, und iudem die Thessaler zu einer neuwahl zusam- 
mentraten, wirkte Flamininus darauf hin, dass ein mann seines 
vertrauens gewühlt ward. Die bundesversammlung der Aetoler, 
die Flamininus bald nachher besucht, wird also nicht, wie Mommsen 
annimmt, in den spütsommer ol. 147, 1, sondern noch ol. 146, 4 
gegen ende fallen. | 

Aus ol. 146, 4 enthält also die liste gar keine proxenen, 
aus dem ersten semester von ol. 147, 1 nur drei, und zwar zwei 
aus dem pontischen Chersones, einen aus Demetrias. Ol. 147, 2 
erscheint im ersten halbjahr 

EvßovAldag Evyieov * A9nvaîos. 

Diese ernennung hat mit der politik nichts zu thun; Eubulides, 
sohn des Eucheir?"), ist nur als erzgiesser und bildhauer bekannt, 


37) Die liste substituirt die dorische form des namens, wie auch 
anderwärts in den delphischen urkunden: wird doch sogar 424 We- 
scher der attische archon Xenokles in einen ergatayéwy verwandelt. 
Eöysıg heisst der vater regelmässig auf attischen inschriften, so auch 





Delphi. 247 


der meist mit seinem vater zusammen arbeitete, wie noch mehrere 
aufschriften an basen von kunstwerken bezeugen 38). Er mag auch 
für Delphi gearbeitet oder eines seiner werke dem tempel ge- 
schenkt haben, denn er war ein mann von liberaler gesinnung, s. 
Pausan. !, 2, 5, und dass diese künstler auch ausserhalb Athens 
thätig waren, zeigt Pausan. VIII, 14, 10. Diesen Eubulides versetzt 
[man] gewöhnlich in eine spätere. zeit, in das erste jahrhundert v. 
Chr. 39). Allein Plinius (XXXIV, 51) nennt ihn nicht unter den 
künstlern, welche seit ol. 156 die fast erloschene kunstübung wie- 
der aufnehmen, sondern erwähnt arbeiten des Eucheir und Eubuli- 
des neben werken älterer meister (XX XIV, 91 und 88); diese 
beiden gehüren also wohl zu den wenigen, welche in der unpro- 
ductiven zeit vor ol. 156 die traditionen der echten kunst zu 
wahren suchten. Wahrend die plastik in diesem zeitraume nur 
mühram ihre existenz fristet, herrscht dagegen auf dem gebiete 
der malerei reges leben: dieser epoche gehört das meisterstück hel- 
lenischer kunst, die sog. Alexanderschlacht, an: denn mit diesem 
namen pflegen die archaeologen noch immer die nachbildung auf 
dem pompejanischen mosaik zu bezeichnen, obwohl von Alexander 
keine spur wahrzunehmen und die vermeintlichen Perser unzwei- 


in liste der énsuslmrai Ephem. Arch. 3760: Eufovdidns Kuyspos Kowni- 
dns, aber die form Köyssoos findet sich auch bei dem corinthischen 
künstler dieses namens, s. Pausan. VI. 
38) Bo die inschrift CIGr. 666 (Add.) [Kaibel 852]': 
Hallas Kosy95dàr doyay[ér? od]y xara vaóv 
ade Tos idpv9n dudripa ig[onoloc], 
Bovradiwy triuav IE] afu[aroc], &c yevéroQ uiv 
ta[yoc] yv orpanas nevtdxs Havoiuayoc 
Toi [ng ]6yovos d' avdncav by Alysidascı Avxodeyos 
XO y9ovi nude “ATdids Asoyévns 
av Tg uiv ójtw[o] Adyos &vdavev, ov di ds’ Zoya 
Edvaxey dpyaiav natois ilsvIsviav. 
[köl]yesp xè Evßovlidns Kownidas inoinoav. 
Die namen ulripa und Mavoiuayos habe ich hergestellt, ebenso 
v. 2 igonodog und v. 7 ó5reg. Keil hat irgendwo über diese inschrift 
gesprochen, aber ich weiss augenblicklich nicht wo. 


39) Dafür liessen sich die schriftzüge der inschrift in Athen... 
XEIPOZ KPSINIAHE EIIOIHZEN (Stephani Rh. Mus. IV, 32) anfüh- 
ren , allein dieselbe wird einem jüngeren nachkommen des künstlers 
angehören, und es ist ungewiss, ob Kü]yssgos als nominativ zu fassen 
oder Kußoviidns Eb]yegoc zu ergänzen ist. Die homonymie der atti- 
schen künstlernamen hat öfter getäuscht. Antignotos, den Plinius 
XXXIV, 86 erwähnt, ist älter als der gleichnamige künstler, der auf 
steinschriften aus der zeit des Augustus genannt wird. 





248 Delphi. 


felhaft Kelten sind. Die niederlage der Gallier bei Delphi ol. 
125, 2 ist der vorwurf dieses bildes; der hellenische fiihrer, der den 
keltischen häuptling (vielleicht Brennus) niederstósst, wird der Aetoler 
Philomelos (Paus. X, 23, 2. CIA. II, 323) sein: denn an die schlacht 
bei den Thermopylen ist nicht zu denken, da hier kein reiterkampf 
stattfand (Paus. X, 21, 2); hier führte der Athener Kallippos, ob- 
wohl er. nur mit 1000 hopliten (den elitetruppen, éxflextos, émiyo. 
ürexd. n. 75) und 500 reitern (Pausan. X, 20, 5) ausgezogen 
war, das oberste commando (Paus. nyeuovluy otros xut’ aElwue 
eiyov 10 aeyatov). Diese waffenthat der Athener vergegenwärtigte 
ein gemälde des Olbiades im rathhause zu Athen (Paus. I, 3, 5). 
Wer das urbild des pompeianischen mosaiks geschaffen hat, lässt 
sich nicht ermitteln; vielleicht befand es sich in Ambracia und 
gelangte mit anderer kriegsbeute durch Fulvius nach Italien. In 
schlachtenbildern hat sich die kunst dieser zeit mehrfach versucht: 
der jüngere Timanthes malte den sieg des Aratos über die Aetoler 
bei Pellene (ol. 135, 1. Plut. Arat. 32), Nealkes ein seegefecht 
zwischen Persern und Aegyptern (Plin. XXXV, 138). — Aus 
dem zweiten semester ol. 147, 2 werden ausser einem Herakleoten 
verzeichnet 
Taio TuyvAMog Tay(Aov vios * doyvgynnavóg 4°) 
und 
Tuiog Starwgıos Tatov vióg Bosvreotvoc, 

wahrscheinlich rümische officiere, welche der antiochische krieg 
nach Griechenland führte. Statorius kónnte derselbe sein, der im 
auftrage der Scipionen dem Syphax von Numidien sein heer nach 
römischem muster organisierte, Liv. X XIV, 48; wenn er dort Q 
genannt wird, so kann dies schreibfehler statt C sein; an einer 
zweiten stelle XX X, 25, wo er spöttisch semiliza genannt wird, 
fehlt das praenomen, Zu den eben genannten kommt nachtrüglich 
z. 188 Borgus Tiuodéov ’ AdsSuvdgers. 

Ol. 147, 3 sind im ersten halbjahr Demetrios aus Thera, 
Orthon aus Rhegion, dann ein Rómer mit vier sóhnen 

Muugxos 'OoM(£)osog 'Ouorrovgg xai 
toi vioi avrov ITonAios, Taios, Maagxog, 


40) Ob der name Salsius sonst vorkommt, weiss ich nicht, 
Salisius findet sich, Sallius ist häufig. 


Delphi. 249 


Kói»rog "Pupaio:. 

"OdAegsos schreibt Wescher, der stein O44 . PIOS, wenn nicht 
etwa Oaiagseos geschrieben war, wie in der inschr. ClGr. 3045 
Ovaidgeog sich findet *!). Das fremdartige cognomen dieses Ró- 
mers ist nichts anderes als Muttines, wie der mann bei Livius 
heisst *?). Anführer der karthagischen reiter, in der schule Han- 
nibals gebildet, verräth er, von Hanno gekränkt, Agrigent an die 
Römer, Liv. XXVI, 4, erhält zum lohn für diesen dieust auf an- 
trag des Valerius Messala das bürgerrecht (Liv. XXVII, 5). Die- 
ser Muttines befindet sich im sommer d. j. 188 v. Chr. (ol. 147, 4 
— 148, 1) mit numidischen reitern, unter denen auch einer seiner 
sóhne sich befand, bei der rümischen armee auf dem rückmarsche 
durch Thrakieo. (Liv. XXXVIII, 41). Ausser Muttines wer- 
den in der urkunde aus demselben halbjahre noch Strombichos aus 
Apollonia und Leontis aus Agrigent genannt; da Muttines in jeuer 
stadt längere zeit in quartier gelegen hat, könnte Leontis ein ihm 
befreundeter Agrigentiner sein, der mit ihm in römische dienste trat. 
— Das zweite semester zählt nur zwei delphische gastfreunde, 
einen Leukadier und Onasimos aus Pella, auf. 

OI. 147, 4, im jahre des delphischen archonten Xenon, hahen 
eine reihe namhafter persönlichkeiten die proxenie erhalten; zu- 
nächst im ersten semester 

"ABowv Kaditov ° AFnvaîos, 
offenbar ein angesehener Athener, mit dem hause des redners Ly- 
kurg verwandt, dessen fran Kallisto eine tochter des Habron und 
schwester des Kallias war, der ol. 110, 3 kriegszahlmeister war‘). 


41) Wescher Mon. bil. p. 189 bemerkt seine lesart 'Oadégsoc habe 
er nicht ohne bedenken aufgestellt: aw sujet de luquelle M. Théod. 
Mommsen m'a adressé des obiections, dont je reconnais la valeur. Dies 
bezieht sich wohl auf eine privatmittheilung, ich sehe aber keinen 
grund zu bedenken. 

42) Muttines ist wohl kein echter afrikanischer eigenname, 
sondern ein zuname, den der Numidier von den Sikelioten oder Rö- 
mern, denen die numidische und karthagische sprache unverstündlich 
war, erhalten hatte. Zu grunde liegt die interjection mu oder mut, 
Plautus bei Charisius 240: Quis tu es, qui ducis me? Mu. Perit, hercle 
Afer est. Mu facere führt derselbe grammatiker aus Lucilius (auch 
bei Ennius, s. Varro VII, 101), mutmut non facere audet aus dem Atri- 
kaner Apulejus an. Ob in der delphischen inschrift 6 Moszovns zu 
lesen Pr wage ich nicht zu entscheiden. [S. Dittenberger im Hermes 

, 158. 
43) Plutarch, Leben des redners Lykurg: Zoys dé resis maidas dx 





250 Delphi. 


Von jenem schwager Lykurgs stammt dieser Habron ab, er wird 
sein urenkel sein. Dieser Habron kommt auch auf einer atti- 
schen inschrift als tsgowosdg vor 44) und wird der von Steph. Byz. 
(Barn) erwähnte “ABowy o Kaddlov, eEnyning, megi fogrwy xoi 
Svowy yeypaywg sein; diese schrift legt man nach dem vorgange 
O. Müllers und Boeckhs gewöhnlich dem älteren Habron bei, wäh- 
rend ein zeitgenosse des periegeten Polemo offenbar besseres an- 
recht darauf hat 45). Ob der pankratiast Kallias, der ol. 152, 3 
an der spitze einer attischen festgesandtschaft vrèo rwv Mara9n- 
vefwy am ägyptischen hofe war, (Polyb. XXVIII, 16) der vater 
des Habron war, lasse ich dahingestellt. 
lm zweiten semester wird zuerst 


Mouviog Doklvov Zxorovocatog 4°) 


verzeichnet, ein vornehmer Thessalier, der eben erst das strategen- 
amt in seiner heimath verwaltet hatte ol. 147, 3 bis anfang ol. 
147, 4. In dem verzeichniss der thessalischen strategen, welches 
Eusebius I, c. 39 (p. 180 der Mailänder ausgabe der lat. übersetzung 
des armenischen textes) giebt, heisst er Pravilus (Praviles) Pha- 
riae Scotusaeus. Sein bruder bekleidet ol. 149, 2 dieses amt: 
Nicocrates Phaxini Cotunensis, wo schon Mai das richtige Scotus- 
saeus errieth, wahrend Niebuhr fehlgriff. Eusebius giebt die quelle, 
aus der er den abschnitt Thessalorum reges abschrieb, nicht an. 


Kadlsotoic "Aßpwvos uiv Fvyaroos, Kalliov dé roù “ABowvos Bari9sy 
adelyns, Toù tTausevoavtos cipanwnxdr ini Xarouvdov dopyovrog. 

44) “ABowy Ba(tj9)ev, Ross, Demen n. 12 imi Kaà]...-o» ag- 
yortoc, nicht ol. 107, 4, wie Ross annimmt, schon die schriftzüge füh- 
ren &uf eine spütere zeit, ebenso die abweichende auswahl der be- 
hörde, auffallend ist auch der ausdruck ra '495v«ia statt rà Hava- 
Synvasa. 

45) Bei Apollon. Mirab. hist. c. 8: “Avdgwy» iv m Î tà» noos bi- 
Asınnov 9vow» hat Meineke (Athen. T. IV, p. 220) gewiss richtig den 
namen des “480wr hergesteltt, aber wenn er in dem dilsnnos den 
schwiegervater von Lykophron, dem sohne des Lykurg, findet, kann 
ich nicht beistimmen: der name Philippos ist in Athen nicht unge- 
wôhnlich; vielleicht aber war die schrift dem könige von Makedonien 
gewidmet, dann ist auch der zusatz noos Pilınnov in dem citate 
nicht auffallend. 

46) Dieser name kommt auch sonst vor, einen philosophen Heas- 
dog ano Towaädos, anhänger des Timon, nennt Diog. L. IX, 115 (Co- 
bet schreibt Meaviovs, dies ist sicher falsch, //pavvovs wäre denkbar, 
ist aber als eigenname nicht nachweisbar) Wenn Clemens Al. Str. 
IV, 496 ed. Col. als schreiber des Lakydes Mavdog nennt, so ist wohl 
Ioavios zu lesen. 





Delphi. 251 


Niebuhr, Kl. schr. I, 242 ff. hat die liste der thessalischen strate- 
geu chronologisch zu bestimmen unternommen ; C. Müller, Fr. Hist. 
Gr. HI, 704 kommt zu etwas abweichenden resultaten, aber was 
er gegen Niebuhr vorbringt, ist nicht recht zutreffend. Nach der 
schlacht bei Kynoskephalae im j. 197 v. Chr. geht Thessalien fiir 
Makedonien verloren (nach Eusebius hatte damals Philipp bereits 23 
jahre 9 monate regiert), 196 ward die unabhängigkeit der griechi- 
schen staaten proclamirt, und alsbald (ol. 146, 1 zu anfang) wurden die 
verhältuisse Griechenlands geordnet. Nachdem Thessalieu über ein 
jahr 4") ohne eigentliche regierung gewesen war, wird der erste 
strateg gewällt, seine amtszeit reicht vom spätjahr 196—195, im 
jahre des zweiten strategen kehrt Titus Flamininus zurück, nach- 
dem er noch unmittelbar vorher Thessalien besucht, um die reor- 
ganisation der landschaft zum abschluss zu bringen *9) Es wer- 
den 17 strategen bis zu Philipps tode aufgezählt; da aber Philipp 
noch 19 jahre nach dem verluste 'l'hessaliens regiert hat, so ist 
die liste unvollstándig, es fehlt ein name, wahrscheinlich einer, der 
schon genannt war 4), und ich glaube, die lücke lässt sich aus- 
füllen. Der 15. strateg Hippolochos hat nämlich dieses amt auch 


47) Die republik Thessalien ward im wesentlichen nach dem mu- 
ster des aetoliscben und achaeischen bundes constituirt; an der spitze 
stand ein strateg, und dieser trat sein amt geradeso wie dort im 
spütjahr ein: der letzte monat des thessalischen kalenders ist der 
&vllixos (der auch im calender der Perrhaeber vorkommt), in diesem 
monat wird die wahl der beamten stattgefunden haben, die ibr amt 
mit dem @eusonos antraten. Der d»wALxóc hat mit dem namen der 
stadt #ullos nichts gemein, sondern ist so benannt, weil um diese 
zeit die blütter von den bäumen fallen: vergl. Hesiod W. u. T. 421: 
juoc dn Anyos uévog oËéos relioso xavuatos idaliuov pesronwowòy ou- 
Bercartog Znvos êpsoderéos . . . . Tjuos adyxrotdm néleta: tunStioa as- 
drop bln, gilla d' Fonte yées, nropSoso te Anysı. Darauf bezieht sich 
Pollux I, 221 gvlloyôs uns ... ws ‘Hoiodos, daher heissen die herbst- 
monate überhaupt puddoycos unvss, Plut. Qu. Symp. VIII, 10, 1. Alci- 
phron III, 10. Nach Plinius H. N. 18, 224 verlieren in Italien die 
báume ihr laub im laufe des novembers. 

48) Livius XXXIV, 51 ol. 146. 2, aber man darf nicht von die- 
sem zeitpunkte an die einsetzung der thessalischen strategen be- 
rechnen. 

49) Die neue republik Thessalien ward auf timokratischer grund- 
lage constituirt, Liv. XXXIV, 51: a censu mazime et senatum et iudi- 
ces legit, potentioremque eam pertem civitatium fecit, cut salva et tran- 
quilla esse omnia magis ezpediebat. Die wahl bewegte sich in einem 
engen kreise angesehener geschlechter, wiederwahl kam daher häufg 
vor, wie dies auch bei den strategen des aetolischen und achaeischen 
bundes ganz gewóhnlich war. 





252 Delphi. 


noch ein zweites mal bekleidet, wie eine inschrift von Korkyra 
(Rhein. Mus. XVIII, 540) zeigt: 

Steatayolvvtog Oecoulwy 

"Ixno]ioyov tov ’AleËinnou 

10 devijegor Aapıculov °°) 


Eusebius sagt Hippolochus Alezippi Lasissaeus, die inschrift bezieht 
sich also auf dieselbe persónlichkeit, und da eine wiederwahl gleich 
für das folgende jahr nicht wahrscheinlich ist, weise ich der zwei- 
ten strategie des Hippolochos die vorletzte stelle an 9!). 


So ergiebt sich folgende liste der thessalischen strategen : 


Ol. 146, 1 Pausanias, Echekrates’ s. von Pherae. 
2 Amyntas. 
9 Aenkidas. 
4 Epidromos (8 mon.) Eunomos (4 mon.) 
Ol. 147, 1 Eunomos. 
2 Aeakidas abermals. 
3 Praÿlos. 
4 Eunomos abermals. 
OI. 148, 1 Androsthenes. 
2 Thrasymachos. 
3 Leontomenes Damothoenos’ s. v. Pherae. 
4 Pausanias Damothoeno’s s. 99). 
Ol. 149, 1 Theodoros. 
2 Nikokrates. 
3 Hippolochos. 
4 Kleomachides, 


50) Die stellung der worte 16 devrepoy ist ungewöhnlich, wird 
aber durch analogien gesichert: C. Wachsmuths deutung, der aus die- 
sem zusatze schliesst, auch der grossvater habe Alexippos geheissen, 
ist entschieden abzuweisen. Die stadt Movd«, die in dieser urkunde 
zum ersten male genannt wird, gehört oflenbar zu Thessalien, wäh- 
rend Azoros den Perrhaebern gehört. 

51) Ol. 150, 3 ist Hippolochos unter den hieromnemonen, s. We- 


scher n. 459 (‘In)nolöyw "Adetinnov, Ilolvtévo . . . Aapscaioss. — Ein 
Alexippos fungirt als hieromnemon in der inschrift Wescher mon. 
bil. p. 119. 


52) Eusebius Laontomenes Damothonis Pheraeus, deinde Pausanias 
Damothonis. Die richtige namensform ist Jauc9osvos, wie die inschrift 
bei Wescher 55 & dé Oecoalig argatayéortos AayoSoivou zeigt. Leon- 
tomenes und Pausanias sind offenbar brüder, der strateg Damothoinos 
(Wescher 55) ist der sohn eines oder des anderen, sein amtajahr fällt 


Delphi. 258 


OI. 150, 1 (Hippolochos abermals). 
2 Phyrinos Aristomenes’ s. v. Gomphi °°). 

Wenn Philipp 19 jahre nach der schlacht bei Kynoskephalae 
(ol. 145, 3) stirbt, so fällt sein tod in ol. 150, 2 in den sechsten 
monat, also in den dritten oder vierten monat der 18. thessalischen 
strategie, denn Eusebius sagt ausdrücklich: cuius obitus incidit in 
centesimae et quinquagesimae Olympiadis annum alterum cum quin- 
que mensibus d. h. nachdem fünf monate dieses olympischen jahres 
verflossen waren, also im j. 179 gegen ende. Die darstellung des 
Livius ist damit wohl vereinbar: Livius (XL, 59, vergl. XLV, 
9) verzeichnet den tod Philipps im j. 575 Roms = 179 v. Chr.; 
nach Diodor XXIX, 25 hat Philipp den tod seines sohnes kaum 
zwei jahre überlebt, ovdè dier yoovor Eneßlwos; demnach wäre 
Demetrios im j. 181 gegen ende gestorben: und dass die vergif- 
tung des Demetrios gegen den winter erfolgte, ergiebt sich auch 
aus der darstellung bei Livius: er schildert XL, 6 die solenne 
lustration des makedonischen heeres, die in den winter oder das 
frühjahr zu setzen ist *). Philipps feldzug fallt in den hochsom- 


zusammen mit dem delphischen archonten Andronikos, Phrikidas' sohn, 
dieser fungirt in der periode, wo Amyntas und Tarantinos priester 
des Apollo waren. 

93) Der n&me dieses strategen (nach der Revue Numism. 1852, 
219 heisst er in der armenischen übersetzung Phirrinos) lüsst sich 
nicht mit sicherheit herstellen, vielleicht hiess er ovros. Bei We- 
scher Mon. bil. p. 203 wird ein thessalischer hieromnemon Holiyov 
tov Povvov T... . erwähnt. 

54) Hesych. Zavsıxa' Éoorn Maxsdorwr, Hav9sxoU unvos n ZavFsxov 
Gyoutvn‘ Eon dì xaddgoor rw» otvarsevuctoy, Hier liegt offenbar eine 
abweichende zeitbestimmung vor, nicht eine orthographische variante, 
wie M. Schmidt annimmt, der durch die änderung Zardsxov den 
fehler zu heben glaubt. Hesychius schrieb wohl xoc Zav9exov È 
Heoscotíov ayouérr. Denn die im Livius XLIII, 21. erwähnte lu- 
stration des makedonischen heeres füllt nicht in den Savdıxög (märz), 
sondern mitten in den winter, also wohl eben in den Megéotsos oder 
Iépirnos (januar); denn so hiess sicherlich dieser monat, eben weil 
er ein eühn- und reinigungsmonat war: die herkömmlichen schreib- 
weisen dieses namens sind ohne ausnahme fehlerhaft. Demnach 
scheint es, dass man ein zweifaches sühnfest im /7egiorsos (januar) und 
im Zardixos (oder Havdixóc, wie die Makedonier sprachen, d. h. märz) 
unterscheiden müsse. "Vielleicht hat aber Hesychius einen spüteren 
makedonischen kalender vor augen: in asiatischen stüdten, wie 
Aphrodisias und Seleukeia, entspricht der Far®ixòs dem Mepionog; in- 
dem er die stelle des decembers einnimmt, mochte man dus alther- 
kómmliche sühnfest aus dem Jfsoionos in den Aar9ixog verlegen und 
demgemüss Zar9sxa kennen. Die lustration, welche Curtius X, 29 
n&ch dem tode Alexanders in Babylon schildert, war eine ausser- 





254 | Delphi. 


mer (Liv. XL, 22) nach der rückkebr, nachdem mehrere monate 
verstrichen sind (23: his anzius curis cum aliquot menses egisset) 
wird die intrigue mit den gefälschten briefen des Flamininus ange- 
stiftet, die mit der vergiftung des Demetrios endet: dies führt auf 
den ausgang des jahres, und awar fallen alle diese begebenheiten 
in 181 v. Chr., nicht in 182: die chronologische tabelle bei Nis- 
sen, Krit. unters. 334 ist durchaus nicht massgebend: die weise, 
wie Livius seine verschiedenen quellen verarbeitet, erschwert auch 
hier eine klare einsicht in die zeitfolge der begebenheiten. — Die 
angaben bei Eusebius über die Dauer der regierung des Philipp 
(damit steht die zeit seines regierungsantrittes und die schlacht bei 
Kynoskephalse in unmittelbarster verbindung) kann ich hier nicht 
weiter prüfen: man stüsst hier auf manche schwierigkeit; so um 
nur eins zu erwühnen, wenn wir die schlacht bei Kynoskephalae 
ol. 145, 3 (juni) ansetzen, dann sind bis zu Philipps tode nicht 
19 volle jabre, wie die rechnung bei Eusebius voraussetzt, son- 
dern nur 18!/; verflossen. 


Im zweiten halbjahr folgen auf den thessalischen strategen 

drei Rómer: 

Ttros Kotyxriog Tirov vioc ‘“Pwpaîos 

Aevxsos ""fx(Aiog Kalowvog vióg ' Pupatog 

Máagxog Aluvisog Atnedog Maagxov vidg ‘Pwpaîos. 
Hier haben wir ein deutliches beispiel, dass auch abwesenden die 
proxenie ertheilt ward; denn Flamininus war im j. 189 censor 
und durch seine amtsgeschäfte an Rom gebunden. 

Wo Lepidus, der im jahr 187 das consulat bekleidet (die 
wahl fand im februar statt) sich in der ersten hälfte des j. 188 
befand, wissen wir nicht. L. Acilius ist der vater des consuls M’. 
Acilius (L. f. K. n., s. Fasti Capit.) im j. 604, und wohl nicht 
verschieden von L. Acilius, der im j. 573 (181 v. Chr.) in Spanien 
gegen die Celtiberer ein commando hat (Liv. XL, 30 ff). 

Dass Flamininus gerade damals von der delphischen gemeinde 
diese auszeichnung erhielt, kann befremden: man sollte erwarten, 


ordentliche. — Nach Livius stand Perseus zur zeit dieser lustration 
im 80. lebensjahre, diese angabe wird auf Polybius zurückgehen, ist 
aber bei der differenz der angaben über seine regierungszeit und 
seinen tod für die chronologische feststellung des fraglichen momentes 
nicht zu verwerthen. 


Delphi. 255 


dass der von den Griechen hochgefeierte Römer schon früher in 
Delphi, wo er weihgeschenke gestiftet hatte, ein zeichen dankbarer 
anerkennung empfing. Mommsen nimmt daher an, dem Flamininus 
sei wiederholt die delphische proxenie verliehen worden. Allein 
eine zweifache verleihuug des gastrechtes hat eigentlich keinen 
sinn; mit Olympichos aus Coronea, der z. 204 und dann wieder 
z. 246 jedesmal mit zwei anderen bürgern von Coronea zum proxe- 
nos ernannt wird, hat es eine besondere bewandtniss: dieser war 
offenbar beide mal mitglied einer festgesandtschaft: da die aus- 
zeichnung in diesem falle sámmtlichen theoren zuerkannt ward, 
konnte man den Olympichos das zweite mal nicht ausschliessen, 
obwohl er schon früher die proxenie erhalten hatte. Ebenso un- 
statthaft ist Mommsens behauptung, die ernennung des Flamininus 
und der beiden anderen Rómer sei in eiuem acte erfolgt, es sei 
dies eine zusammengehórende gruppe, und nur deren halber sei die 
überschrift bei jedem einzeln wiederholt: allein eben die wieder- 
holung der überschrift beweist, dass für jeden einzelnen ein beson- 
deres decret ausgefertigt wurde. Dagegen die ertheilung selbst 
mag gleichzeitig erfolgt sein, und dasselbe motiv mag diesen er- 
nennungen zu grunde liegen. Aber auch hier kann ich Mommsen 
nicht zustimmen; er nimmt an, die auszeichnung habe hauptsächlich 
dem Lepidus gegolten, weil er mit grüsstem eifer die abberufung 
des Fulvius aus Griechenland betrieben habe. Diese auffassung 
streitet mit den thatsachen. Die proxenie wird im zweiten seme- 
ster, ol. 147, 4, also im ersten halbjahr d. j. 188 v. Chr. ertheilt, 
Lepidus, der widersacher des Fulvius tritt aber sein consulat erst 
im frühjahr 187 an, gegen ende dieses jahres kehrt Fulvius aus 
Griechenland zurück und halt noch im december seinen triumph, 
während Manlius, der schon im frühjahr 187 zurückgekehrt war, 
erst im märz 186 triumphirt. So berichtet Livius, dessen darstel- 
lung, obwohl nicht frei von widersprüchen, jedenfalls hinsichtlich 
der zeitangabe der triumphe vollen glauben verdient. Mommsen 
nimmt mit Nissen an, Fulvius sei schon ein jahr früher abberufen 
worden, weil von seiner thatigkeit in Griechenland im j. 187 nichts 
berichtet wurde; aber was soll er denn in Rom während dieses 
jahres bis zu seinem triumphe gethan haben? Mommsen sagt, Le- 
pidus werde seine erfolgreichen bestrebungen gegen den bedrünger 
der Griecheu nicht erst als consul, sondern schon im j. 188 be- 





256 | Delphi. 


gonnen hahen; allein wenn nach Nissens auffassung Fulvius bereits 
gegen ende d. j. 188 wieder in Rom ist, so hatte Lepidus seinen 
zweck vollstindig erreicht, noch bevor er das consulat antrat. 
Aber selbst, wenn man dieser auffassung zustimmt, dann können 
diese verhandlungen über die abberufung des Fulvius doch erst in 
das ende des j. 188 fallen, denn im frühjahr 188 war ja, nachdem 
der consul Fulvius persónlich die wahl der neuen consuln geleitet 
hatte, ihm selbst und seinem collegen Manlius das imperium ver- 
langert worden, und eben in diese zeit (die erste hälfte d. j. 188) 
fallen die decrete der Delphier. Jene chronologische anordnung 
der vorgünge in Rom bereitet nur neue schwierigkeiten; und noch 
weniger ist es gerechtfertigt, die Delphier in die rémischen an- 
gelegenheiten zu verflechten, als hütten sie mit ihren decreten die 
intriguen gegen Fulvius unterstützt. Jedenfalls wäre dies mittel in 
Rom unwirksam gewesen, wo man diese ehrenbezeugungen auf ihr 
richtiges maass zurückzuführen verstand. 

Politische motive mögen allerdings jene beschlüsse der Del- 
phier veranlasst haben: die macht der Aetoler war gebrochen 55), 
die rümischen heere standen noch in Griechenland; da war es für 
Delphi gerathen, sich der gunst und des schutzes der Rómer zu 
vergewissern: nichts war natürlicher als dass man dem woblbe- 
kannten und einflussreichen Griechenfreunde Flamininus die proxenie 
zuerkannte; L. Acilius und Aemilius Lepidus, welche derselben ehre 
theilhaftig wurden, mögen zu den politischen freunden des Titus 
gehórt haben; ob man in Delphi von dem feindlichen verhältniss 
zwischen Lepidus und Fulvius, der der bewerbung des Lepidus um 
das consulat für d. j. 188 entgegengetreten war, unterrichtet war, 


55) Ueber den namen des attischen gesandten, der den friedens- 
verhandlungen mit den Aetolern beiwohnt, urtheilt Nissen p. 208 
nicht ganz richtig, indem er die lesart bei Livius XXXVIII, 10 Leon 
Hicesiae filius in schutz nimmt; ich kenne nur die namensform ‘Ixé- 
osog, nicht ‘Ixecias. Es ist Cichesiae zu lesen, wie ich schon vor vielen 
jahren in der Z. f. alterth. mit berufung auf das epigramm des Phae- 
dimos (Anth. Pal. VI) bemerkt habe. Bei Polyb. XXII, 14 hat man 
sehr mit unrecht 4aus Ksynoiwy nach Livius corrigirt, die stelle ist 
durch schuld des epitomators oder nachlüssigkeit der schreiber ver- 
unstaltet; 4&4:c hiess der sprecher der rhodischen, (4éw» 6) Kiynoiov 
der wortführer der athenischen gesandtschaft. Jener gelegenheits- 
dichter Phaedimos scheint auch dem sohne des Apollodoros von Ke- 
phisia, dem gegner des römisch gesinnten Leon (s. Liv. XXXV, 50), 
ein epigramm gewidmet zu haben. S. Anth. Pal. 





Delphi. 257 


steht dahin. Weshalb Flamininus nicht schon früher die delpbische 
proxenie erbalten hatte, wissen wir nicht; auch Manius Acilius 
Glabrio, der sich durch die grenzregulierung des delphischen ge- 
bietes entschiedenen anspruch auf dankbarkeit erworben hatte, 
kommt in der proxenenliste nicht vor, und seinen namen würde 
man nicht übergangen haben, da die erinnerung an dieses verdienst 
&uch spüter sich lebendig erhielt. 
Den beschluss aus ol. 147, 4 macht 

Avxoç Vita Taoaviivos. 
Lykos ist unbekannt, sein vater Phileas, von Livius als ein un- 
ruhiger kopf bezeichnet, hielt sich in Rom als gesandter seiner 
vaterstadt auf, suchte die tarentinischen geiseln zu befreien, aber 
der versuch misslang, und Phileas ward vom tarpejischen felsen 
herabgestürzt, Liv. XXV, 7. Der sohn wird wohl ein treuer 
anbünger der Romer gewesen sein °°), 

Aus dem ersten halbjahr von ol. 148, 1 sind zunächst zwei 
bürger von Velia verzeichnet, ein Eleat fiudet sich ausserdem noch 
ol. 150, 2 (z. 225). Darauf folgt eine zablreiche gesellschaft, 
ausser einem Naupaktier und einem Lykier sämmtlich Alexandriner, 
darunter personen ersten ranges, a. 132: 

Il:oAsuaiog Iizohtuaíov 
tov Xgvotoplov] “Adetardoevs xa? 0 vióg avrov l'aMor[nc]. 
Hiodepaios MaxQuvog xai roi vio) avioù Kiso- 
135 Bovdog, IlioAsuuiog, " Avdgutos 9") ° 4AcEavdQeis, 
* Aguorovixog * Agsorovixov ' Aiskavdgere, 
ITrorsuaiog Irodtpalov ' AdsEavdgevs Srovvasog 
Kopavóg *AieEavdgers Arovvolov 
* Agsoropérng 5°) ' distavdgtug * AleEavdgeus. 
140 Siguuos Zigarlov Navnaxros, 
Our Kaorogog ’ Aiskavdgevs, 
° Ay fj oagyos Tawevs. 
Der vater des zuerst genannten Ptolemaeos, der sohn des Chryser- 
mos, der zu der nächsten umgebung (den g(40:) des kónigs Pto- 
lemaeos IV (Philopator) gehórte, ward im j. 220 von den ge- 
fährten des Spartaners Cleomenes ermordet (Plutarch Cleom. 36. 37). 


56) Name auf münzen. 
57) Statt “4vdovros ist wohl '4rdQvtac zu lesen. 
58) [Im text bei Wescher ’Agaroutrys.] 


Philologus. XLII. bd. 2. 17 





258 Delphi. 


Sein sohn, der die delphische proxenie erhält, bekleidet unter Pte- 
lemaeos V (Epiphanes) im j. 185 das priesteramt der góttlich ver- 
ehrten kónige, (s. Letronne, lnscr. de Rosette p. 10 nach einer 
aegyptischen papyrusurkunde, datirt von november 185)59) Sein 
sohn, der hier genannte l'al£ornç, ist sonst nicht weiter bekannt, 
denn man darf ihn nicht verwechseln mit TuAéorns, dem lieblinge 
des Ptolemaeos VI (Philometor) 9^), denn dieser war ein sohn des 
Athamanenkónigs Amynander, s. Diodor Exc. 23 (Müller, Hist. 
Fr. Il, p. XVIII) und Diodor XXXIII, 26. 

Darauf folgt in der liste l7roÀsuatoc Maxowvos mit drei 
sóhnen, möglicherweise ein sohn des Ptolemaeos, des stadtkom- 
mandanten von Alexandria, der gleichfalls im j. 220 von den ge- 
nossen des Cleomenes niedergestossen wurde (Polyb. V, 39. Plut. 
a. a. o.), denn dieser führte vielleicht den zunamen MaxQw» 9!) 
Aristonikos ist wohl der bei Ptolemaeos V in hohem ansehn ste- 
hende eunuch, dessen charakter Polyb. XXIII, 17 in günstigem 
lichte schildert; Aristomenes kann ein sohn des unter Epiphanes 
eine zeit lang allmüchtigen Akarnanen Aristomenes (Polyb. XV, 31) 
sein. Kouavoç wird derselbe sein, der nachher unter Ptolemaeos 
Physkon eine einflussreiche stellung einnahm. Mit der anwesenheit 
dieser Aegypter in Griechenland hängt es vielleicht zusammen, dass 
Ptolemaeos V bald nachher das bündniss mit den Achaeern er- 
neuert, Polyb XXIII, 1. — Stratios aus Naupaktos ist unbe- 
kannt; denn an den arzt des kónigs Eumenes (Polyb. XXX, 2. 
Liv. XLV, 19) ist schwerlich zu denken. Aus dem zweiten se- 
mester ol. 148, 1 wird nur ein Achaeer Leontichos als proxenos 
verzeichnet. 

Z. 146 ff. wird der zusammenhang unterbrocben, indem aus 


59) Der bruder dieses Ptolemaeos Glaukon wird ol. 148, 4 del- 
phischer proxenos, s. z. 185. 

60) Wie dies Wescher Revue Archéol. 1866, II, 157, begegnet 
ist. Iadéore ist ein makedonischer name, wohl gleich bedeutend mit 
mit yalextogáyog, bei Diodor ist fehlerhaft Talaiorns geschrieben, bei 
Aelian V. H. 1, 30, der von dem lieblinge des königs Ptolemaeos, den 
er in seiner unverständigen manier nicht näher bezeichnet, eine 
anekdote erzählt: P«àérgc (die Pariser handschriften bieten nach We- 
schers mittheilung das richtige Madéoms dar) Auf einer inschrift von 
Halikarnass bei Newton pl. LXXXVIII, 9 wird ein künstler Tadéorye 
"Alo]ı[eus])dwgov genannt, auch hier ist vielleicht Padésme zu lesen. 

61) Im Makkabaeerbuch II, 10, 12 wird ein MHroleuaiog ó xados- 
proc Maxywy als statthalter von Kypern erwähnt. 





Delphi. 259 


dem jabre des archon Mantias ol. 150, 1 die einem Thebaner er- 
theilte proxenie vermerkt ist; dann folgt: 

"Aogovros Evyagida tov Palvios, Povdevoriwr sav devik- 

ga» Eau... 

hier bricht die zeile ab, und es hat offenbar niemals mehr auf 
dem steine gestanden. Doch liegt wohl keine nachlässigkeit des 
steinmetzen vor, der nur die schlecht redigirte vorlage unvollstän- 
dig, wie sie war, wiedergab. Das jahr des Eucharidas gehört 
ganz an den schluss der liste. 

Mit z. 151 wird die chronologische folge wieder aufgenom- 
men. Im ersten semester ol. 148, 2 erhalten zwei Aetoler das 
gastrecht, im zweiten: 

Kitwy Didsotida "Downiog. 
Derselbe wird auf einer freilassungsurkunde aus ol. 152, 2 (We- 
scher n. 217) genannt; daun: 
Ogacvioyos *AdeEavdgov ’ Argays0g 
nebst Aristokles aus Halikarnass. Thrasyluchos ist in diesem jahre 
(ol. 148?/s) thessalischer strateg, s. die liste bei Eusebius, wo 
schon Mai Atracius statt Artacius verbesserte, Sein bruder Theo- 
doros ist strateg ol. 149, 1: in der liste heisst er Argivus, Nie- 
bubrs scharfer blick erkannte den irrthum, und die inschrift bei 
Stephani reise in Griechenland n. 27 
[Zrousayéovios] rdv Oscoulür Otodwgov 
[rov ° MAcEavdgov " Alıgaylov 
dient zur erwünschten bestätigung. — Nachträglich wird z. 176 
aus ol. 148, 2 noch Zérwr Zérwrog Kuccavdesds genannt. 

Ol. 148, 3 im ersten semester enthalten drei bürger von Le- 
badea (.fefadeî) die proxenie, es wird eine festgesundtschaft zur 
feier der pythien gewesen sein, da ausdrücklich unvòs Bovxurlov 
hinzugefügt ist; dann Damarchos von Thisbe und im zweiten se- 
mester Apollonios von Chios. 

Ol. 148, 4 nennt die liste im ersten halbjabr zwei bürger von 
Lebadea, dann fasst sie wieder drei ernennungen zusammen, Am- 
monios aus Alabanda, Zoilos aus Alexandria und 

Tiuvxwv ITrodenulov tov XqvotQuov ' AdsEurdgevc. 
(s. über diese persönlichkeit oben p. 258), aus dem zweiten halb- 
jahr Sxvuros * Anéllov Xiog. Diese namen .. .. [hier bricht 
der text ab, am rande wird auf Mionnet [3, 267] verwiesen]. 


17° 





260 Delphi. 


Für die nächstfolgenden jahre liegt die datirumg nach aeteli- 
schen strategen nicht vollständig ver; man könnte daher zweifeln, 
ob die liste der delpbischen archonten vollstindig oder die rich- 
tige folge durchgehends gesichert sei. Indess spricht für die cor- 
rectheit der überlieferung der umstand, dass dem archonten Praxiss, 
der nach Eukrates (ol. 148, 4) die siebente stelle einnimmt, das 
jahr ol. 150, 3 zufällt: in diesem jahr aber fand nach der inschrift 
n. 459 die feier der pythien statt??), und künig Perseus batte be- 
reits die regierung angetreten. 


OI. 149, 1 erhalten zwei brüder, Diognetos und Demas aus 
Chios, die proxenie, ol. 149, 2 "Oluumodwgos "Ovuníygov ' 497- 
»uiog, vielleicht ein nachkomme des attischen feldherrn, obwohl der 
name in Athen sehr gewöhnlich ist. Ol. 149, 3 im zweiten se- 
mester wird ausser einem Ambrakioten Nikanor offenbar eine fest- 
gesandtschaft aus Koronea verzeichnet, bestehend aus drei personen, 
darunter "Olvuntyog Evprndov, der vier jahre später ol. 150, 4 
wiederum an der spitze einer theorie steht und von neuem die 
proxenie erhült. Polybios X XVII, 1 erwühnt diesen Olympichos, 
ol. 152, 1 wo er als haupt der römischen partei erscheint. — 
OI. 149, 4 nennt die liste nur zwei namen, einen Kalchedonier und 
einen Korinthier, dagegen ol. 150, 1 werden neun Rhodier ver- 
zeichnet, an erster stelle Eÿparfoxos KoMutEtivov xa? vioBeofay 
dì Nixacidapov 9). Auf der rhodischen inschrift bei Ress, Inscr. 
in. II, 275 wird ein Evguvioxog KadisEelvou nad’ vioFeclay dé 
*Ovaccdrdeou als taplas aufgeführt, Der gleiche name des vaters 
scheint für die identität zu sprechen, allein die verschiedenheit hin- 
sichtlich des adoptivvaters ©*) lässt dies nicht eu; ebenso wenig 
gestattet die gleichlieit des namens Edgarfoxocg an ein brüderpaar 
zu denken. Nirgends finden sich so zahlreiche beispiele der adoption 


62) Mommsen ergänzt richtig HuSéioss). Hv9(wvoc) ist schon des- 
halb unsulüssig, weil dann der artikel nicht fehlen duríte; auch war 
Praxias, wie Mommsen richtig bemerkt, wahrscheinlich sohn des Eu- 
dokos: diese namen wechseln in jener familie ab, vergl. n. 477 &ò- 
doxo(») Moatia (vsxiocy)ra Bactlesa (in Lebadea) naide(s). . 

63) Kallifuvoc könnte der Rhodier sein, der eine Periegese von 
Alexandria (negi '4Às£avdpéiac) verfasste. 

64) Ein Onasander als adoptivvater findet sich auch auf der in- 


schrift von Lindos (Ross, Archaeol. aufs. II, 604): Zyvodoros Niogarıov 
100 Zyvodotov, xaD' vio9ssiav dà OvaedrvdQov. 





Delphi. 261 


als auf Rhedos®) und in der nächsten sachberschaft, dann aber 
auch auf anderen dorischen inseln, wie Anaphe. Offenbar hat es 
bier mit der adoption eine besondere bewandtniss: in Rhodos gab 
es viele ehen zwischen bürgern uud fremden frauen: die kinder 
aus einer solchen ehe galten nicht für vollkommen ebenbürtig: sehr 
bezeichnend ist, dass auf einer rhodischen inschrift (Rose, Archaeol. 
aufs. 11, 607) die bürger uatgoóg §évac in einer liste zuletzt auf- 
geführt werden 99). Diese mochten dadurch legitimirt werden, dass 
sie sich von einem vollbürger adoptiren liessen: die adoption wat 
in diesem falle eine blosse form, die hinsichtlich des erbrechtes u. 
s. w. ohne wirkuog war. 


Ol. 150, 2 werden im ersten semester eiu Eleat und Mixv- 
Sio» Mixvilwrog Xalxdeug verzeichnet; dieses war ein ange- 
sehener und einflussreicher mann in seiner heimath, führer der ró- 
mischen partei, wie die vorgünge im Antiochischen kriege ol. 147, 1 
beweisen *"), vergl. Liv. XXXV, 38 u. ff.; später ol. 152, 2 ver- 
weilt er als gesandter in Rom, Liv. XLIII, 9. 10. — Ol. 150, 3 
werden aus dem ersten halbjahr Apollonides Zepugrw1ng (wohl aus 
Kilikien) und Athenion aus Corinth, im zweiten halbjahr eiue fest- 
gesandtschaft von Koronea (s. p. 260) verzeichnet. 


Dass die reihenfolge der nüchsten delphischen archonten Me- 
lission, Archelas, Xenochares nicht richtig ist uud Xenochares un- 
mittelbar auf Melission folgte, weist Mommsen aus den freilas- 
sungsurkunden nach, und ebenso seigt er, dass zwei dieser zeit an- 
gehórende archonten Menes und Sosinikos in der liste gar nicht 
vorkommen, ebenso ist Kleodamos, sohn des Mantias, der nachfolger 
des archonten Laiadas, übergangen. 


Ol. 150, 4 im ersten semester erhält ein Achaeer Dameas und 
ein Phokenser ('EAurebg) Philonikos, im zweiten semester 
ITol&uwv  Migotov "Dig 
die proxenie; unzweifelhaft der bekannte perieget, der durch seine 
gelehrten forschungen über die kunstschütze und alterthümer Del- 
phis sich begründeten anspruch auf diese auszeichnung erworben 


65) Wenn in der liste der delphischen proxenoi neun Rhodier 
verzeichnet sind, so findet sich dreimal der zusatz x«9' via9sciar. 

66) Man nannte eie uarvoteros, 8. Hesych. 

65) Appian Syr. 12 macht mit gewohnter flüchtigkeit aus die- 
sem Mixv9éu» einen feldherrn des königs Antiochos. 





262 Delphi. 


hatte 55), und die zeit stimmt vollkommen, denn seine schriftstelleri- 
sche thütigkeit füllt hauptsüchlich mit der regierung des Ptolemaeos 
Epiphanes v. 204—180 v. Chr. (s. Suidas /JoA£uwv) zusammen, 
Ueber die vaterstadt des Polemo gab es sehr abweichende überlie- 
ferungen, Athen. VI, 234: Jlolégwv» . . . etre Zapsos 7 Sexvw- 
wog tir "AInvuiog Ovoualôuervos ya(gts , we 0 Moweurmç ‘Hoa- 
xAsldng Aéyes, xaragsPpouuevog avrov xal an adlwy nodewy. 
Diese differenzen lassen sich ganz einfach erklüren: in Athen hatte 
Polemo wegen seiner verdienste um die alterthiimer dieser stadt 
das bürgerrecht erhalten (s. Suidas), und ebenso werden ihm aus 
gleichem grunde andere orte, wie Sikyon und Samos das bürger- 
recht oder die proxenie verliehen haben 9?) Seine eigentliche hei- 
math war Ilion °°), vergl. Suidas: JJoA£uwv Eüny£ıov Dasvg, xw uns 
Tivxvfag (Avxlas) ovoua. Der name des vaters Eunyésyc, auf der 
delphischen liste MiAnosog, stimmt allerdings nicht; dies ist aber 
kein grund an der identitát der person zu zweifeln: varianten bin- 
sichtlich des vaternamens bietet die griechische litterarbistorie in 
fille dar, gerade Suidas bietet nicht selten singulüres dar ‘!). 

Ol. 151, 1 im zweiten halbjahr werden drei proxenoi zusam- 
mengefasst, drei Sikyonier (also woll eine theorie), Mnemon aus 
Paphos und Peisilas aus Elatea. Ol. 151, 2 ist nur ein name 
verzeichnet, Kallippos aus Elatea, ol. 151, 3 geht leer aus; ol. 
151, 4 hat wieder nur einen namen Níxavdgog Mevexguteos ‘Pw- 
paiog mit dem zusatze efuey dì avrò yàg xai olx(ag Evernosy. 
Ol. 152, 1 erhalten im zweiten semester zwei bürger aus Antiochia 
ano” Anuuov (eine bezeichnung, die mir unverständlich ist,) die 
proxenie, was hier durch die formel ngoËerla èd097 nagd rag 
móliog xuru tov vouov eingeleitet wird; dann ein Phokenser aus 
Hyanpolis. Ol. 152, 2 wird ganz übergangen; ol. 152, 3 fusst 


68) Polemo schrieb nepè ro» dv Aslpois Snoavowy und xricess TY 
iv dbuxids nolsov. 

69) Polemo schrieb regi 19v i» XZixvdwi nıvaxwr und np rg nos- 
xilns oroas TIC iv Zixvoive. Ueber Samoslwird keine schrift citirt; aber 
sicherlich hat Polemo auch die reichen kunstschütze dieser insel un- 
tersucht und die resultate seiner studien veröffentlicht. 

70) Eine negunynoss "lÀéov in drei büchern bezeugt Suidas. 

71) Möglicherweise liegt auch nur ein irrthum vor: es war viel- 
leicht in der quelle bemerkt, Polemo sei unter der regierung des 
(Ptolemaeos) Euergetes geboren, daraus konnte Holéuwr Konyéra’ wer- 
den; von äbnlichen missgriffen ist auch der betreffende artikel nicht 

ei. 





Delphi. 263 


aus dem ersten semester drei gastfreunde mit der einleitung ofde 
mgotevos zusammen, zwei T'anagraeer (der hier genannte Antiphilos 
ist jedenfalls verschieden von dem strategen der Boeoter bei Livius 
XXX, 1) und einen Herakleoten. 

Ol. 152, 4 geht wieder leer aus: dies erklürt sich aus den 
unruhigen zeitverhältnissen : in die letzten tage dieses jahres fallen 
die kämpfe des Aemilius Paulus bei Pydna gegen Perseus, die 
über das schicksal der makedonischen monarchie entschieden ?*), 


72) Der tag der schlacht bei Pydna war der 22. juni d. j. 168, 
wie die mondfinsterniss, die der schlacht vorausging (in der nacht vom 
21. zum 22. juni), beweist. Die nachrichten der alten historiker lassen 
sich damit freilich nicht recht in einklang bringen: die worte Plutarchs 
Aemil. Paul. 16 9épovc Ar wea q9irorroc sind allgemein gehalten, aber 
Livius’ aussage XLIV, 86: anni post circumacium solstitium erat, hora 
dies tam ad meridiem vergebat, mag man nun (tempus) anni oder mit 
Huschke (dies) anni ergänzen, setzt voraus, dass am 21. juni bereits 
die sonnenwende eingetreten war: aber um die mittagstunde dieses ta- 
ges kann man noch nicht von einem solstitium circumactum reden, son- 
dern frühestens am 22. juni, vergl. Plin. H. N. XVIII. 256: VIII Kal. 
Iulias vero longissimus dies totius anni et noz brevissima solstitium con- 
ficiunt, wobei ich von der fixirung des solstitiums auf den 24. juni ge- 
mass dem Caesarischen calender sowie von dem wirklichen astronomi- 
schen monatsdatum der sonnenwende im j. 168 absehe. Wahrscheinlich 
fiel im griechischen calender im j. 168 die sommersonnenwende zu früh, 
und ich glaube ein bestimmtes monatsdatum in der inschrift n. 40 bei 
Heuzey le mont Olympe nachweisen zu kónnen, die unmittelbar auf dem 
schlachtfelde von Pydna gefunden ist (s. p. 164): es ist die grabschrift 
eines offenbar in dieser schlacht gefallenen Makedoniers. Die drei di- 
stichen lassen sich grossentheils ergänzen: 


(r)évra Neontodéuoso Ma(xndovos dv9adt) . . 
Keioas én’ evtesy(ei). . . . . . 
Arno iv Maxéta(sosv, 01 Alveadars cuvviusoyor) 
‘Howwy n(gorégu» xudos dese jc utvo(c). 
Eödasuor n(egi yao av Java natgidos xe) Zéyoso 
Oynoxsıv (d’ tv nooutyors Iswr yapıs lari dra. 
Unter dem letzten verse finden sich noch zwei zeilen: 
ONHZKEIN ..... . . . . . . + IT44 
A... . . 
M: AYOYT [sic] 
die unzweifelbaft eine nähere angabe über den tod des Makedoniers 
enthalten, etwa '4(néS$ave» iv ı7 udyg noos Pœouaiovs) M Awov {os 
oder retagty). Der makedonische monat loos, dem attischen hekatom- 
baion entsprechend, wird mit der sommersonnenwende, also dem ende 
des juni, begonnen haben; ist der dritte loos der tag der schlacht bei 
Pydoa, so fiel in jenem jahre nach dem griechischen calender das sol- 
stitium auf den 19, oder wenn man sich für die ergänzung tetcery ent. 
scheidet, auf den 18. juni. Livius, der seiner griechischen quelle folgt, 
konnte also recht wohl sagen: anni (tempus) post circumactum solsti- 
tium erat, denn der 21. juni war der zweite oder dritte tag nach der 
sonnenwende. Das olympiadenjahr 152, 4 war zur zeit der schlacht von 





264 Delphi. 


Aus dem jahre des delphischen archon Pyrrhos, welches gree 
sentheils mit dem amtsjahre des aetolischen strateges Hybristas 7?) 
zusammenfallt (Wescher n. 153), werden im ersten halbjahr (wie 
die namen der drei rathsmitglieder beweisen '*) s. Wescher n. 147 
und 219) ein Megalopolit, zwei Argiver, ein Athener, ein Sikyo- 
nier uud ein Thebuner verzeichnet. Damit schliesst eigentlich die 
liste der delphischen gastfreunde, es folgt nur noch ein uaóhtrag 
aus späterer zeit °°). Das jahr des Pyrrhos lässt sich nicht mit 
sicherheit bestimmen, Die manumissionsurkunden aus der zeit der 
priester Tarantinos und Amyntas fügen nur noch bei einem ar- 
chonten Xeneas den namen des aetolischen strategen hinzu: orQa- 
tayfovtog ıwv Atrwiwy [uvasrwiou Wescher n. 64. 118. 189. 
Die aetolischen strategen Hybristas und Panaetolos markiren offen- 
bar das letzte stadium der wirren in Aetolien: wenn auch der 
bund nach der auflósung der makedonischen monarchie noch fort- 
bestand, so war er doch ohne alle politische bedeutung, und Delphi 
seinem einflusse vollständig entzogen. Die jahre dieser beiden stra- 
tegen werden also in ol. 153, 1 und 2 fallen; aber wer von beiden 
der vorgünger des anderen war, lässt sich nicht entscheiden, und 
dasselbe gilt von den delphischen archonten Pyrrhos und Xeneas °°). 
Doch kann auch ein archon dazwischen liegen: denn die urkunde 
n. 424 aus dem jahre des archon Eukles stellt diesen mit dem atti- 


Pydna offenbar noch nicht abgelaufen ; denn der festmonat beginnt mit 
dem ersten neumonde nach der sonnenwende, wührend die festfeier mit 
dem vollmonde zusammenfällt. Auf das datum nach rómischem calen- 
der bei Livius: pridie Nonas Septembres, welches Huschke durch eine 
sehr gewaltsame ünderung zu berichtigen versucht hat, kann ich hier 
nicht eingehen. Ob Gallus die mondfinsterniss nach Livius vorausver- 
kündet oder, wie Cicero berichtet, nachher dem heere erklart, ist für 
die festetellung der chronologie gleichgültig ; im ersten falle sprach er 
am nachmittage des 21. juni, im andern falle am morgen vor der 
Schlacht am 22. juni zu den rdmischen soldaten. 

78) 'YBoicta ' Axgiiéoc, Polybios und Diodor nennen die stadt ' 4yoi- 
vsor. Verschieden von diesem Pyrrhos ist der gleichnamige delphische 
magistrat bei Boeckh n. 1706, der in die epoche des priesters Athambos 
und Archon gehört. 

74) '4oyía ist in '40yéla zu verbessern. 

75) Der abdruck bei Wescher zeigt hier einen strich, ob derselbe 
auf dem steine sich vorfindet, wird nicht bemerkt. 

76) Einen aetolischen strategen nennt auch die inschrift bei Boeckh 
n. 1702 iv dé Airwlig otpatayéortos 10 deutépo(r) . . . . stugov unter 
dem archon Kallikrates, der in die epoche der priester Archon und 
Athambos füllt; n. 1708 ist "Aoywy ("A9apBos) ‘ABoopagov, n. 1704 
© bepeds vov "Anöllavos "49aufoc ‘ABeouayov zu lesen. j 


% 


Delphi. 265 


schen strategen (archonten) Xenokles zusammen: dies ist vielleicht 
derselbe Xenokles, der in der herculanischen Papyrusrolle (Philol, 
suppl. Il, 543) kurz nach der gefangennehmung des Perses er- 
wähnt wird: die stelle ist freilich unklar, aber von der eroberung 
einer stadt durch Perseus kann nicht die rede sein, denn dann 
würde der delphische archon Eukles (der auch in der inschrift We- 
scher mon. bil. p. 136 vorkommt) vor ol. 152, 4 fallen; allein 
aus dieser zeit liegt uns doch wohl die liste der delphischen ar- 
chonten vollständig vor. 

Die liste verzeichnet am schluss noch zwei gesonderte ernen- 
nungen (des Isidoros aus Assos und des Polyaenos aus Alexandria) 
aus dem zweiten semester des Eucharidas, sohns des Phaenis 77) : 
sein amtsjahr fällt in die periode, wo Praxias und Andronikos 
Apollopriester waren, eine epoche, welche ungefähr von ul. 156, 3 
bis ol. 158, 4 reicht. 


77) In den manumissionsurkunden heisst er einfach Avyagidas, s. 
Wescher n. Bi. 84. 85. 86: die beiden letzten urkunden aus dem zwei- 
ten semester nennen dieselben rathsmitglieder, wie die liste, nur be- 
zeichnet diese den dritten (Eukrates) als schreiber. 


Bonn. Theodor Bergk. 


[Das im nachlass vorgefundene manuscript benutzt ein blatt 
von einem universitätsdiplom aus dem april 1875. G. H.] 


— ÁÀÓ——À — — — — 


Zu Theognis v. 15 ff. 


Bergk PLGr. p. 119 ed. IV halt seine frühere ansicht, dass 
diese vier verse ein abgeschlossenes ganze bilden, trotz meiner be- 
merkungen Phil. XXI, p. 144. XXIX, p. 650 fest, referirt 
meine ansicht aber falsch, da ich nicht gesagt habe, dass ein 
distichon fehle, sondern nur, dass die rede unvollständig sei. Es 
künnten ein paar disticha fehlen; denn ich halte die vermuthung 
für sulässig, dass diese verse im anfange der gnomologie stan- 
den, genauer, dass diese verse zum prooemium dieses gedichts 
gebürten, das aus mehreren elegien verschiedenen umfangs beste- 
hen konnte. 

Ernst von Leutsch. 





X. 


Kritische bemerkungen zu Sophokles. 


Soph. Antig. 125: rà» x000ç wg àtevnc 
weigula Blacıa dauacer, xal viv Oufoos raxouévar, 
WS partis avdgwy, 
yey vi oidapa Aena, 
téyyes 0 OR” 0gQUos mayxhauroig 
dugudas‘ à pe 
daluwv oposotaray xarsuvales. 

Mohrstadt hat die frage aufgeworfeu, wie die unaufhérlichen 
regengüsse, die das steinerne bild der Niobe benetzen sollen, sich 
mit der vorstellung von dem weinen der Niobe vereinigen lassen. 
Wurde das steinbild wirklich fortwührend von regen und schnee 
benetzt, oder war dies wenigstens die annalıme des volkes, dann 
konnte sich überbaupt nicht die vorstellung von einer weinenden 
Niobe bilden. Man könnte wohl erwidern: was geht es den dichter 
an, wie ein solcher aberglaube hat entstehen kénnen? Allein So- 
phokles beruft sich ausdrücklich auf den allgemeinen volksglauben. 
Mit welchem rechte? Nach meiner überzeugung ist es ganz un- 
wahrscheinlich, unglaublich, dass damals eine solche vorstellung im 
volke verbreitet gewesen ist. Die ursprüngliche vorstellung ist 
ganz gewiss die gewesen, dass Niobe noch als steinbild den gram 
fühle und weine, kann also nichts von fortwührenden regengüssen 
gewusst haben, Wie und wann soll sich nun diese neuere vor- 
stellung gebildet haben? Veranlassung dazu konnte doch nur das 


Sophokles. 267 


bestreben gegeben baben, die wunderbare erscheinung des weinens 
natürlich zu erklären. Dies aber setzt eine aufklürungssüchtige, 
die alten sagen mit kritischem urtheil betrachtende zeit voraus. —- 
Ich rede natürlich vom volke im allgemeinen, nicht von einzelnen 
aufgeklärten männern. — Eine solche rationalistische denkweise 
aber war dem volke damals, als die Antigone aufgeführt wurde, 
noch fremd, auf keinen fall allgemein, wie ich wohl nicht erst des 
weiteren nachzuweisen brauche. Also eine allgemeine tradition von 
beständigen regengüssen und schneefällen hat damals nicht bestan- 
den, und Sophokles konote sich für seine behauptung nicht auf 
eine solche berufen. Also schon das og «ung ardew» ist bedenklich, 
Welche veranlassung nun mag der dichter gehabt haben, von der 
vorstellung des volkes abzuweichen? Dafür lasst sich nicht der 
geringste grund entdecken. Wohl aber sind die schwerwiegendsten 
gründe für das gegentheil vorhanden. Fassen wir nümlich die fol- 
genden worte ins auge: téyyes 0 in’ dpevos wayxlavıoıg desgadas. 
Für sich betrachtet können sie nur bedeuten: die sich härmende 
(zaxoué£va v. 828) Niobe netzt mit ihren thränen die felsen, so 
dass also auch Sophokles die vorstellung des volkes zu theilen 
scheint. Dass er sie wirklich getheilt hat, beweist Electr. v. 152: 
ate daxguess. Also auch nach der vorstellung unseres dichters 
weint die Niobe noch als steinbild, und was den boden benetzt, 
sind die thrünen der Niobe, nicht eine natürliche von regen uud 
schnee gespeiste quelle. Schon aus diesem grunde ist die erklá- 
rung Wolffs unhaltbar (die wunderbare erscheinung des ewigen 
weinens ist hier sogleich mit ihrer erklürung verbunden) Ferner 
muss man gezen diese auffassung geltend machen: wie, der fromme, 
die gestalten der sage mit glüubigem sinn verehrende Sophokles ist 
hier plótzlich zum skeptiker, zum rationalisteu geworden? Hier 
zeigt er sich als richtigen gesinnungsgenossen des skeptischen Eu- 
ripides, aber eben nur hier? Aber selbst ein Euripides würde an 
dieser stelle seine zweifelsucht unterdrückt haben. Antigone geht 
einem grauenvollen schicksale entgegen, und in ihrer verzweif- 
lungsvollen stimmung lässt sie der dichter aufklärung predigen? 
Sie ist ganz versunken in der betrachtung des traurigen schick- 
sals der Niobe, indem sie eine parallele zu dem ibrigen findet, und 
benutzt diese gelegenheit dazu, an der sage kritik zu üben? Dazu 
kommt, dass diese auffassung sich auch nicht mit dem grundge- 





268 Sophok les. 


danken der ganzen strophe vereinigen lässt. Die schlussworte: a 
pe duluwr oposordray xarevvates beweisen, dass Antigone das 
schicksal der Niobe nicht bloss als ein sehr herbes (Avygoruzay 
v. 823), sondern auch als ein dem ibrigen sehr ähnliches betrachtet. 
Worin besteht nun diese grosse ähnlichkeit? Wie arg bei der 
Wolffschen erklürnng die vergleichung hinkt, erkennt jeder, der 
die stelle im zusammenhang überliest: Felswuchs bündigte sie, und 
die sich härmende benetzt fortwährend regen und schnee, so dass, 
thronen gleich, eine quelle sich ergiesst; ihr ganz ähnlich ist mein 
ende. Dieses „ganz ähnlich“ kaun sich nur noch auf die worte: 
wetoulu Blacru duuucer beziehen, während das folgende etwas 
schildert, wodurch der zustand der Niobe nach der katastrophe sich 
durchaus von dem der Autigone unterscheidet, der ja in ihrem xu- 
tnçepei 1oufim (885) nicht vom regen benetzt werden konnte. 

Es bleibt noch die annahme übrig, dass der beständige regen 
und das weinen des steinbildes nichts mit einander zu thao haben, 
dass beides unabhängig von einander zu gleicher zeit geschieht: 
es würden also die worte: xal vv — dels uichts als eine poeti- 
sche ausmalung der situation sein. Allein auch gegen diese auf- 
fassung spricht mehreres. Denn auch so unterbrechen und stören 
sie den gedankengang. Die ähnlichkeit zwischen den schicksalen 
beider frauen ist sonst vollständig: wie Niobe steinwuchs einhüllte, 
so wird auch Antigone bald vom felsen umschlossen sein. Wie 
jene noch im tode weinte, so wird auch sie noch im grabe weinen. 
Wir sehen, zug für zug stimmt überein. Nur diese regetgüsse 
und schneefülle, auf die ein so besonderer nachdruck gelegt ist, 
passen nicht auf Antigones schicksal. Aber Sophokles hat jeden- 
falls vom ende der Niobe eine vorstellung gehabt, nach welcher er 
gar nicht sagen konnte, dass schnee und regen die Niobe benetze. 
Schon nach den worten: ı«r x10006 we atevig neroala Blac da- 
pacc» konnte er es nicht wohl. Da der fels sie rings umschliesst, 
so trifft der regen diesen, aber nicht Niobe selbst. Die ähnlich- 
keit der schicksale der Niobe und Antigone beruht ja gerade 
darauf, dass beide von felsen umschlossen sind. Dies wird bestätigt 
durch die stelle in der Elektra, wo diese steinhülle um die Niobe 
geradezu zupog metguiog genannt wird. Dachte sich aber So- 
phokles Niobe von einer grabmalähnlicheu steinhülle umgeben, dann 
konnte er sie gar nicht von regen und schnee treffen lemwem. 


s 9 r g E . 


"6 


Sophokles. 269 


Nach dem bis hierher erórterten wird es wohl nicht als eine un- 
berechtigte, gewaltsame änderung erscheinen, wenn ich statt Aefze 
(AEITEI) deve (AEYEI) vorschlage. 

Jetzt, glaube ich, ist alles so einfach und klar, dass jede 
weitere erklürung überflüssig ist. 

Oed. Reg. vv. 1409—1411: die interpunktion sümmtlicher 
ausgaben ist folgende: 

dÀÀ où yae avdar Ec)? a unde dev xadoy, 
onws zayıcıa, mQOg Deir, FEw pué mov 
xaluwyate. 

In den formeln &llx yaQ und aad’ où ydQ bei Sophokles 
baben beide partikeln noch ihre volle bedeutung, wührend schon 
Plato sie gebraucht für ein einfaches: freilich, indessen. Sie wer- 
den von Sophokles gebraucht entweder mit der aposiopese eines 
aus dem vorhergehenden leicht zu ergünzenden gedankens, oder so, 
dass AZ zu dem folgenden hauptgedanken gehört, den es dem 
vorhergehenden entgegensetzt, durch den eingeschobenen nebensatz 
mit yag dann die begründung hinzugefügt wird. Obne aposiopese 
findet sich adda ydQ z. b. Phil. 874—76: 

GA edyeris yap 5 quoss xak evyeviby, 

€ téxvov, ) 07, navia raUr dv» evysget 

EF ov. 
Der logische zusammenhang ist: 0270 ravra raÿra dv euyegeï 
F90v, jj yàg on gioi evyerns dor. 

Auch «22° où ydQ findet sich so gebraucht A. C. 624 f. 

GAA ov yàg avdà» ndù réxlvnr” Ems, 

Fa u’ dv olo,» nokdpmny, 10 cov povov 

motor guiacowr 
gleich: aida Fa pe dr olow jotauny, ov yag dv ráx(vyra Enn 
osda». 

Naeh der recipierten interpunktion würde also der gedanken- 
gang unserer stelle folgender sein: add’ Önws ragiora salvare 
pe ov yao xaduv tory atday, à und: deav. Dass diese be- 
gründung des xadvparé ue reiner unsinn ist, liegt auf der hand, 
Wenn es schimpflich ist, von dem zu sprechen, was zu thun 
schande bringt, so ist es eben pflicht eines jeden, also auch des 
Oedipus, von dergleichen greueln zu schweigen. Die nothwendig- 





270 Sophokles. 


keit des zuivwresr dagegen müsste durch ein: cv zuier dew 
óga», à pndi doar begründet werden. Diesen logischen fehler 
scheint auch Nauck bemerkt zu haben; dena er schlägt, ohne 
seine vermuthung näher zu begründen, und’ dear für pndè dear 
vor. Allein auch so bekommen wir keinen befriedigemden sinn. 
Es müsste vielmehr, wie oben gezeigt ist, geschrieben werden: aa’ 
ov yag 209°’ cgay à prdé dear xalor, 0nw; rayıcıa zul. Al- 
lein jede änderung der überlieferung ist unnöthig. Es braucht 
bloss statt des komma nach xa4o» ein punkt gesetzt zu werden, 
und es ist alles in ordnung. Ich will gleich eine parallelstelle aus 
den Trachinierinnen anziehen, die für meinen vorschlag beweisend 
ist. Deianira hatte ihrem unwillen über die untreue ibres gemahls 
in tadelnden worten luft gemacht Sie bricht v. 552 mit den 
worten ab: adi” ov yung, wong tinov, Ogya(»tw xalor yvraïxu 
vov» lyovcav, wozu ergänzt werden muss: Giynoopas (adda Gwyf- 
couus, où yoQ Ogyalruv xalov), und geht dann zu einem andern 
gegenstande über. Genau denselben gedaukengang haben wir hier: 
Oedipus latte die greuel seiner ehe rückhaltslos geschildert. Er 
bricht jetzt ab und geht zu einem andern gegenstande über. Sein 
abbrechen motiviert er gauz logisch mit den worten: dAÀ' ov ydQ 
uvdav 209°’ « und: doùr xadov, wozu abermals ein vuy osynoopas 
zu ergänzen ist. Das folgende asyndeton onwg zayısıa entspricht 
sehr gut dem pathos der stelle. 

Auf gleiche weise ist auch Oed. Col. 755 zu verbessern, wie 
ich früher nachgewiesen habe. Endlich empfiehlt es sich, auch 
Phil. 1020 dieselbe interpunktionsänderung vorzunehmen und zu 
schreiben : 

0.040° xul oo nolluxig 100. evguunr 

ad’ où yág oùdèr 9tol v(povoi idv pos 

ov uiv yéyndac ete. 
Zu ergünzen ist hier: aber diese flüche sind nicht in erfüllung ge- 
gangen, e» ist vergeblich, dir zu fluchen, da ja die götter mir 
grundsätzlich nichts angenehmes gewähren. 

Im folgenden wird dann eine nähere ausführung des ovdi» 
ndu pos vtuovow gegeben. Gerade bei solchen nachträglichen aus- 
führungen ist die auslassung eines yug stehend, wofür namentlich 
Plato eine grosse anzahl beispiele bietet. 

Hei dieser gelegenheit möchte ich eine interpunktionsänderung 


Sophokles. 271 


empfehlen, die ich schon vor acht jahren selbständig gefunden habe, 
die dann auch Kavallin ohne angabe des namens erwähnt. Phil, 
vv. 501—504 ist nümlich so zu interpungieren. 
où oùcor, ov m’ êlénoov elcoguiv 
Wo mavra dewa x. T. À. 
Bei der hergebrachten interpunktion hat der gedankengang etwas 
breites und einförmiges; denn in dem elcoQu» steckt ein elooga 
yag. Wir haben also eine zweimalige aufforderung , das eine 
mal: «icoga, wg navra deva, das andere mal: yo?) 10» éxtd¢ 10v 
nnudiwy ta deva ögav. Dagegen gewinnt unsere stelle durch die 
vorgeschlagene interpunktion bedeutend an kraft und schürfe des 
ansdrucks und gedankens. “Edénoov ue elcogwy bedeutet jetzt: er- 
barme dich meiner, indem du mich anschaust, gleich: lass dich 
durch meinen jammervollen anblick zum mitleid bewegen. Aehn- 
lich ist ejcogu» gebraucht Oed. Col. 1358: ag viv daxgvsis sico- 
qu»: über welche du jetzt weinst, da du sie siehst und El. 1199: 
w Ovgnoru, ws vowy 0° Erosutelow nadas. Auch Trach. v. 576 
ist ähnlich: wore unn» slosdwy orégkes yuvaixa xtivog avti cov 
zAéov. Der gedankengang der ganzen stelle ist also folgender : 
lass dich durch den anblick meines elends zum mitleid bewegen; 
denn alles ist voller gefahren. Einer aber, der vom unglück ver- 
schont geblieben ist, wie du, darf nicht vor diesen gefahren die 
augen zuschliessen, sondern immer bedenken, dass auch ihn einmal 
ein ähnliches unglück treffen kann. 
Aj. 737—739: Boadeiavy nuas ag’ o tnvde rz» ddov 
nipnwy Eneuwer, n° parny lyo Boeadus. 

Boudeïuy ist jedenfalls verderbt. Wenigstens genügen die aufge- 
stellten erklärungen nicht im geringsten. Die conjecturen Schmidts 
(ayestoy) und Naucks (uara(av) entfernen sich nur zu sehr von 
den überlieferten schriftzügen. Weit leichter ist die änderung fa- 
gsiuv = einen unheilvollen weg. Es ist dabei nur eine verse- 
tzong des g und eine vereinfachung des a (A und 4 sind graphisch 
fast dasselbe zeichen) vorgenommen. Allein es ist auch im fol- 
genden noch eine kleine änderung nóthig, mag man nun foudeïur 
belassen oder sonst wie ündern. Denn die beiden gedanken: einen 
Jangsam vollendeten (vergeblichen, unheilvollen) weg bin ich ge- 
schickt worden, und: ich bin zu langsam gewesen, schliessen sich 
nicht aus. Der erste gedanke müsste so formuliert sein: entweder 





272 Sophok les. 


ist der, welcher mich geschickt hat, selbst zn langsam gewesen 
(= ich bin zu spät abgeschickt worden) Denn würde die eat- 
gegenstellung des folgenden durch 7 richtig sein. Nach umserm 
texte aber ist sie unertrüglich. Im gegentheil, eben deswegen, 
weil er bei diesem wege zu langsam gewesen ist, ist es ein ver- 
geblicher (unheilvoller) weg. Es muss also wohl geschrieben wer- 
den: 7’ purny éyw Boaduç: bei welchem ich zu langsam mich 
gezeigt habe. Wie leicht die wörter 7, 7 und 7, auch si ver- 
wechselt werden konnten, und wie oft sie wirklich verwechselt 
worden sind, ist bekannt. So ist auch Oed. Col. 583 f. zu 
schreiben: 
ra doiodi aitei 100 Blov ra d' dv utoo 
z Amour Yoyes; 5j ds’ ovdevos mousi;, 
wie ich früher nachgewiesen habe. 
Eiue ühnliche ünderung halte ich Phil. 333 für nóthig: 
oluor pouons pos pu néQa, ngiv &» pada 
motor 100°, fj x£Ovay 6 Tindtws yovog 
Im folgenden v muss dann auch das komma hinter z£J»gxe»v weg- 
fallen: r£9vnxev dvdgóg ovdsvog, Feov J” ino 
Auch Oed. Col. 316 ist wohl zu schreiben: 
Go Eouv; ag’ ovx Four; È) yruun ndava 
xa) pui x. T. À. 
Oed. Col. 1074: Egdovasw n péddovaw; wc 
ngopvüra( th pos 
yvopua x1. 
Für Eodovosw 7 uélovuci; vermuthe ich: Egdovew ov péi- 
AovO wo x. t. È. 
Sehneidewin batte interpungiert: Zgdova’, 7 péAlouos ; deutsch: 
sie handeln. Oder zögern sie? Denn es ahnt mein geist u. s. w, 
Diese geküostelte anordoung bat Nauck mit recht aufgegeben. Er 
schreibt einfach: Æodouc” 7 péAdovow; gleich: zorsgov Edovasy 7 
nEikovow; Er sagt dann z. v. 1074: das begründende ws geht 
auf Zgdovor, indem der chor nach der ungeduldigen frage £odovo” 
9 méAlouosw; das erstere als richtig voraussetzt. Allein diese er- 
günzung eines Egdovosy oder ov péddovow ist bier unmöglich, 
Läge in der frage die erwartete antwort selbst angedeutet, dann 
könnte man sich diese ergünzung gefallen lassen. Dies ist aber 
hier durchaus nicht der fall, da in der doppelfrage: handeln oder 


Sophokles. 273 


zaudern sie! Beides als gleich ungewiss hingestellt erscheint. 
Auch nach dem inhalte der vorhergehenden strophe ist die frage 
unpassend. Nachdem der chor kurz zuvor zuversichtlich den ge- 
waltigen kriegsmuth der Athener gepriesen, in feurigen bildern den 
dahinstiirmenden zug der bewaffneten beschrieben hat, kann er un- 
möglich mit einer solchen frage kommen, die auf einmal wieder 
die entschlossenheit der Athener bezweifelt. 

Oed. R. 603. Statt ZAeyyov schlage ich #2syyos (scil. wag- 
&04v) vor, so dass die ganze stelle dann lautet: 

xal werd’ PAyyov rovro uév, llv9ud' luv 

mevdov ta yonoOévr el cagpws jyyesda Gov 

tour al, guy pe 1 tegacxomy Aaßns 

xo] t+ Bovdevcarta, un 4 ana xravpc 

veo x. 1. È. 
Es ist doch eine sonderbare ausdrucksweise: und zum beweise für 
meine unschuld gehe erstens nach Delphi und frage, zweitens tüdte 
mich, wenn du mich überführst, mit dem seher conspiriert zu ha- 
ben, mit meiner einwilligung. Denn das /7v9wd’ iwy mevFov 
muss doch verstanden werden: du kannst gehen. Mit ZAsyyov da- 
gegen verbunden klingt es wie ein ernstgemeinter befehl. Noch 
widersinniger ist: tüdte mich zum beweise dafür, dass ich un- 
schuldig bin, mit meiner einwilligung. Ohne allen anstoss ist die 
stelle, wenn nach meinem vorschlage ZAsyyos geschrieben wird: 
und dafür (dass ich unschuldig bin) giebt es (habe ich) beweise: 
erstens gehe doch nach Delphi und frage nach dem orakelspruche, 
zweitens magst du mich tödten mit meiner vollen beistimmung, 
wenn du beweisen kannst, dass ich irgend wie mit dem seher im 
einverständniss stehe. 

Trach. 881: aí:2» dinlorwos. 

An dem umag elonutrov dsnforwoe nabm schon Schneidewin 
anstoss. Auch von dgar{w kommt ein compositum diaga»(Lw 
nicht vor. |n der that kann ich mir nicht erklären, was das did 
bei einem verbum soll, das ungesehen machen, vom erdbodeu ver- 
tilgen bedeutet. Allein das, was Schneidewin vorschlug: avr vey 
nlorwoe ist unmöglich. Ich glaube, dass am vr nlowwoe zu 
schreiben ist. 

AYTHN AIH Iz TQOZE 
A THNINHIZTQZE 


Philologus. XLII. bd. 2. 18 





274 Sophokles. 


Phil. 160. Für olxoy uiv ógüg ıdrd’  duglO9vgev nerolrnc 
xoírgg ist wohl zu schreiben: msiglyac xofruç. Der genitiv ns- 
rolvns xoírgc ist nicht zu erklären. Sämmtliche parallelstellen, die 
dafür beigebracht sind, beweisen nichts, da xofın nur ein theil des 
hauses ist. Ebenso gut könnte man sagen: das lange bein von 
einem fusse (appositionell gedacht !), wie das zweithorige haus von 
einem felsenbette. Die abschreiber hielten merp(vas xofruç für den 
dorischen gen. sing. und schrieben dafür, wie oft, die attische form. 

Trach. 71. Die überlieferung giebt: 

nav tolvuv, eb xai robs Erg, Kivos ng av 
wührend der sinn verlangt: 

nav tolvuv, td xai roVr Erg, rÀe(m ng av 
das xAvoc ist wohl durch das xàvw des folgenden verses ent- 
standen. 

Trach. 1230. Für das überlieferte: 

tò piv vooourts Fvpovoda: xaxov 
verlangt der sinn: 
TÔ uiv vocouria JupdOa xaxov 
: (Schlimm ist es, einen kranken zu erzürnen). 
Zwickau. K. Walter. 


Zu Julius Valerius. 

Buch 1, cp. 18, p. 13 a, 12 Müller glaube ich nicht ohne einige 
wahrscheinlichkeit folgende stelle so emendiren zu kónnen (die les- 
arten der allein bier vorliegenden Pariser hds. füge ich in klam- 
mern bei): „Enim de Milesio loqui (de milite quia cod.) hic longa 
res est et propositum interturbat, de que eo (ea cod.) si quid in- 
quirere curiosius voles, sat tibi lector habeto Graecum Favorini 
(Faborini cod.) librum qui omnigenae (omni genere cod.) historiae su- 
perscribitur“. Der verf. lehnt einen excurs über Aristoteles ab, 
zu dem er sich eigentlich an dieser stelle, wo zuerst (in den vor- 
hergehenden worten philosophiae autem Aristoteles ille Milesius) 
dieser genannt ist, veranlasst fühlt. C. Müller erwartet statt de 
milite etwa worte wie de disciplina s. institutione regis disserere, 
ein gedanke, der aber durchaus nicht ausserhalb des themas des 
autors liegen würde. Berger de Xivrey (Notices et extraits des 
manuscrits t. Xlll, 2, p. 275) will de genere, unrichtig, wie das 
folgende „Illic etiam generis Alexandri inveneris seriem* erweist. 
Die armenische übersetzung bat allein neben der lateinischen diesen 
ganzen passus und scheint (vgl. Roemheld, Beiträge zur geschichte 
und kritik der Alexandersage. Hersfeld 1873, p. 49 anm. und Za- 
cher, Pseudocallisthenes p. 89 fi.) meine auflassung zu empfehlen. 


Göttingen. K. Boysen. 








XI. 


Ueber den status der ersten rede des Isaeus „über 
die erbschaft des Kleonymos“. 


Der status der ersten rede des Isaeus „über die erbschaft des 
Kleonymos* wird von dem verfasser der hypothesis zu dieser rede 
folgendermassen bestimmt: ögog dinloës xara üpquofinigow. Diese 
bestimmung begründet der verfasser damit, dass die eine partei der 
processirenden auf das von Kleonymos ursprünglich hinterlassene 
testament sich stützt, während die andere darauf sich beruft, was 
von dem letzten später verordnet wurde: er liess nämlich den 
beamten rufeu, um, nach angabe der anderen partei, das testament 
zu cassiren; dann würe die intestaterbfolge eingetreten und die 
streitige erbschaft hatte in folge dessen auf seine ueffen als legi- 
time descendenten übergehen müssen. Die neueren philologen stim- 
men, wenn auch nicht durchgelends mit dieser begriindung, so 
doch wenigstens olne ausnahme mit der bestimmung des status 
überein. Doch wir wollen in folgenden zeilen alles hierher ge- 
hörige einer genaueren prüfung unterziehen und zeigen, dass so- 
wobl die meisten von den vorgebrachten begründungen und erklä- 
rungen der betreffenden rhetorischen termine, als auch die bestim- 
mung des status selbst nicht acceptirt werden könne. 

Wenden wir uns zuerst zu den worten der hypothesis. Nach 
der bestimmung ihres verfassers müsste es sich in dieser rede um 
die definition eines fraglichen begriffes handeln, und da es ein 
öoog dinAoug ist, so müssten hier zwei solche definitionen das 
thema, den eigentlichen streitpunkt der rede bilden, etwa in der 
weise, dass die eine partei das bei dem magistrate deponirte doku- 


18° 





276 Isaios, 


ment als den letzten willen des erblassers definiren würde, wüb- 
rend die andere den befehl, welchen Kleonymos vor seinem tode 
ertheilte, für seine testamentarische verfügung ausgübe. Aber eine 
solche auffassung ist unmöglich : es unterlag wohl keinem zweifel, 
dass nur das deponirte dokument als echtes und wahres testament 
definirt werden konnte, und hätte die andere partei nicht die nahe 
verwandtschaft und die ungetrübte zuneigung des erblassers als 
stütze, so hütte sie nur auf grund einer solchen definition ihre 
ansprüche auf die erbschaft vergebens erhoben. Dem befehl des 
Kleonymos den beamten zu holen, konnte man schon deshalb nicht 
die kraft einer testamentarischen verfügung zuschreiben, weil es 
nicht einmal gewiss war, was Kleonymos eigentlich im sinne hatte, 
ob er das vorhandene testament gänzlich aufheben oder nur theil- 
weise ündern und nachtrüglich berichtigen wollte. 

Von den neueren hat Schömann in seiner ausgabe der reden 
des Isaeus p. 176 die bestimmung der hypothesis zu erklüren ge- 
sucht. Nach seiner meinung ist der status in dieser rede deswegen 
öoog dimiov;, weil die eine partei das von Kleonymos hinterlas- 
sene testament für echt und gültig ansieht, während die andere 
seine gültigkeit bestreitet, da der testator, in wie fern es von ihm 
abhing , dasselbe aufhob. Auch diese erklärung ist mangelhaft; 
weun wir auch zugeben, dass die bestimmung des hauptbegriffes 
(6005) richtig ist, so bleibt doch der zusatz dimAovc unerklärt, 
weil die definition der anderen partei, nämlich was sie für das te- 
stament ansieht, in dieser erklärung vermisst wird. Ganz verfehlt 
ist Schömann’s deutung des zusatzes „xzuru üugsoßnınaıw“ ; dieser 
rhetorische termin bezeichnet keineswegs, wie Schömann wollte, 
den zweifel darüber, ob Kleonymos das testament cassiren oder 
verbessern und bestätigen wollte, sundero, wie wir weiter zeigen 
werden, den streit oder pracess zwischen zwei parteien. 

Auch Volkmann hat, zuerst in seinem Hermagoras p. 218 f., 
diese bestimmung der hypothesis aufgenommen und die rede des 
Isaeus ala beleg eines 0005 dimdoùs xara augyıoßnınaıy angeführt; 
dabei verwarf er Schömann’s erklärung als irrig und gab eine 
andere, die aber auch nicht gebilligt werden kann. Nach Volk- 
mann wurde der status dieser rede deswegen als ogoc bezeichnet, 
weil hier die frage gelöst werden soll, ob „ein testament als gül- 
tig zu betrachten ist, welches der erblasser nachweislich bat än- 





Isaios. 277 


dern wollen, aber formell nicht geündert hat“. Ob eben dieses 
das thema der ganzen rede bildet, werden wir später sehen; un- 
terdessen sprechen wir nur von der erklürung der rhetorischen 
termine. Die rhetorik findet den definitionsstatus in solchen füllen, 
wo eine benennung nicht ganz dem entspricht, was durch sie be- 
zeichnet werden soll; es feblt zur vollständigen deckung der be- 
nennung und des benannten ein merkmal!), welches von der einen 
partei als das wichtigste hervorgehoben, von der anderen aber als 
unbedeutend dargestellt wird. In Volkmanu's begründung der be- 
stimmung der hypothesis tritt dieses so wichtige merkmal nicht 
hervor; die angeblich beabsichtigte anderung des testaments kaon 
es nicht sein, weil sie selbst, wie wir schon bemerkt haben, mit 
dem nebel der ungewissheit umhüllt war. 

Volkmann nennt weiter dieseu definitionsstatus 0005 rar ul- 
now. Nach der lelire der alten rhetoren findet dieser fall dann 
statt, wenn eine person, ohne mitbewerber, auf grund einer deli- 
nition auf etwas ansprüche erhebt; sobald eine andere person oder 
partei als mitbewerber auftritt, so wird ein solcher fall mit dem 
zusatze xar! uupsoßnınow bezeichnet. Da in unserer rede selbst 
nach der weiteren erklürung Volkmann's der zweite fall stattfindet, 
so kann hier zugleich von einem ogog xar' afıncıy nicht die rede 
sein ?). 

Auch die erklärung des zusatzes dixlovç ist nicht genau; 
0gog dindovs bedeutet nicht, dass es sich in dem betreffenden falle 
um eine sache und mehrere personen handelt, sondern, dass da 
zwei definitionen vorkommen müssen?) Zu seiner richtigen er- 


1) Vgl. Hermog. (bei Spengel, Rhett. gr. II, 188, 23): ro uiv né 
neaxsas, 10 dé leines moog avrorélssar 100 ovduatos. 

2) Volkmann folgt offenbar bei dieser auseinandersetzung der au- 
torität des Maximus Planudes, nach welchem der ógog xa aupsopy- 
mo eine unterart des ögos xa: almo bildet, vgl. Walz, Rhett. gr. 
V, 311, 1 f.; doch wir glauben, dass da, wo wir zeugnisse der rhe- 
toren aus dem Sten jahrh. n. Chr. besitzen, ein gewährsmann aus 
dem l4ten jahrh. vor diesen zurücktreten muss. Wir werden zu den 
ausdrücken xar augsoßntmow und xe: altyow noch zurückkehren. 


3) Dass diese erklürung richtig ist, zeigt dieselbe bedentung die- 
ees wortes beim conjecturalstatus, wo man nach den auseinanderser 
tzungen und beispielen der rhetoren unter otoyeouôs dindovs einen 
solchen fall verstand, wo zwei conjecturen vorkamen, vgl. Marcellin 
bei Walz IV, 441, 22 ff., ibid. 431, 5 ff; Maxim. Planud. ibid. V, 
293, 2 ff. Die worte des letzten rhetors (ibid. 512, 24 ff): $v ui» ro 





268 Sophok les. 


danken der ganzen strophe vereinigen lüsst. Die schlussworte: a 
pe dulpwr ‘opoiordrayr xarevyates beweisen, dass Antigone das 
schicksal der Niobe nicht bloss als eio sehr herbes (Avygoruia» 
v. 823), sondern auch als ein dem ihrigen sehr äbaliches betrachtet. 
Worin besteht nun diese grosse ühnlichkeit? Wie arg bei der 
Wolffschen erklürnng die vergleichung hinkt, erkennt jeder, der 
die stelle im zusammenhang überliest: Felswuchs bündigte sie, und 
die sich härmende benetzt fortwührend regen und schnee, so dass, 
thronen gleich, eine quelle sich ergiesst; ihr ganz ähnlich ist mein 
ende. Dieses ,ganz ühnlich* kaun sich nur noch auf die worte: 
merouiu facia duuacer beziehen, während das folgende etwas 
schildert, wodurch der zustand der Niobe nach der katastropbe sich 
durchaus von dem der Autigone unterscheidet, der ja in ihrem xu- 
tneegel ıuußo (885) nicht vom regen benetzt werden konnte. 

Es bleibt noch die annabme übrig, dass der bestündige regeu 
und das weinen des steinbildes nichts mit einander zu than haben, 
dass beides unabhüngig von einander zu gleicher zeit geschieht: 
es würden also die worte: x«( riv — Asie uichts als eine poeti- 
sche ausmalung der situation sein. Allein auch gegen diese auf- 
fessung spricht mehreres. Denn auch so unterbrechen und stören 
sie den gedankengang. Die ähnlichkeit zwischen den schicksalen 
beider frauen ist sonst vollständig: wie Niobe steinwuchs einhüllte, 
so wird auch Antigone bald vom felsen umschlossen sein. Wie 
jene noch im tode weinte, so wird auch sie noch im grabe weinen. 
Wir sehen, zug für zug stimmt überein. Nur diese regetgüsse 
und schneefälle, auf die ein so besonderer nachdruck gelegt ist, 
passen nicht auf Antigones schicksal. Aber Sophokles hat jeden- 
falls vom eude der Niobe eine vorstellung gehabt, nach welcher er 
gar nicht sagen konnte, dass schnee und regen die Niobe benetze. 
Schon nach den worten: 147 x000ç wc dreric netgala fAacia da- 
pactv konnte er es nicht wohl, Da der fels sie rings umschliesst, 
so trifft der regen diesen, aber nicht Niobe selbst. Die ähnlich- 
keit der schicksale der Niobe und Antigone beruht ja gerade 
darauf, dass beide von felsen umschlossen sind. Dies wird bestätigt 
durch die stelle in der Elektra, wo diese steinhülle um die Niobe 
geradezu zupog meigaiog genannt wird. Dachte sich aber So- 
phokles Niobe von einer grabmalühnlichen steinhülle umgeben, dann 
konnte er sie gar nicht von regen und schuee treffen leswem. 





Sophokles. 269 


Nach dem bis hierher erürterten wird es wohl nieht als eine un- 
berechtigte, gewaltsame änderung erscheinen, wenn ich atatt As(z& 
(AEITEI) deve (AEY ET) vorschlage. 

Jetzt, glaube ich, ist alles so einfach uod klar, dass jede 
weitere erklärung überflüssig ist. 

Oed. Reg. vv. 1409—1411: die interpunktion sümmtlicher 
ausgaben ist folgende: 

GAY où yàg avdav Ec)? à unde doûr xao», 
Onwg ayıcıa, mQOG Deir, Fw pué mov 
OAV Wo 1e. 

Io den formeln &22@ yag und aad’ ov ydQ bei Sophokles 
haben beide partikelu noch ihre volle bedeutung, während schon 
Plato sie gebraucht für ein einfaches: freilich, indessen. Sie wer- 
den von Sophokles gebraucht entweder mit der aposiopese eines 
aus dem vorhergehenden leicht zu ergünzenden gedankens, oder so, 
dass aAA« zu dem folgenden hauptgedanken gehört, den es dem 
vorhergehenden entgegensetzt, durch den eingeschobenen nebensatz 
mit y«g dann die begründung hinzugefügt wird. Ohne aposiopese 
findet sich adda y&Q z. b. Phil. 874—706: 

ad edyeris yug 5 quois xak svyever, 

wW téxvov, On, navia raus dv evyeget 

EFov. 
Der logische zusammenhang ist: dàÀa nuvra ravıa èv evdyeget 
E9ov, à yàg on quos eyeric ory. 

Auch «42° où yáQ findet sich so gebraucht A. C. 624 f. 

GAA ov yao avday ndù taxtvnr’ Em, 

Ka u dv olow noËuunvr, 10 Gov povov 

motor gpviagowr 
gleich: dAlà Fa pe i» olow foEaunr, ov yàg Adv rdx(vyra Eng 
avday. 

Nach der recipierten interpunktion wiirde also der gedanken- 
gang unserer stelle folgender sein: add’ Saws idysoru xalvwoit 
pe où rag nudoy dor» avdar, à undi deàv. Dass diese be- 
gründung des xadvwaré ue reiner unsinn ist, liegt auf der hand, 
Wenn es schimpflich ist, von dem zu sprechen, was zu thun 
schande bringt, so ist es eben pflicht eines jeden, also auch des 
Oedipus, von dergleichen greueln zu schweigen, Die nothwendig- 





270 Sophokles, 


keit des xuAumsıy dagegen müsste durch ein: ov xador den» 
Seav, a und: dec» begründet werden. Diesen logischen fehler 
scheint auch Nauck bemerkt zu haben; denn er schlägt, ohne 
seine vermuthung nüber zu begründen, und’ ögav für pnd? deay 
vor. Allein auch so bekommen wir keinen befriedigenden sinn. 
Es müsste vielmehr, wie oben gezeigt ist, geschrieben werden: 414? 
ov yao 809°’ ogay à pndi Jour xador, Onws tayiora xıl. Al- 
lein jede änderung der überlieferung ist unnóthig. Es braucht 
bloss statt des komma nach xadoy ein punkt gesetzt zu werden, 
und es ist alles in ordnung. Ich will gleich eine parallelstelle aus 
den Trachinierinnen anziehen, die für meinen vorschlag beweisend 
ist. Deianira hatte ihrem unwillen über die untreue ihres gemahls 
in tadelnden worten luft gemacht. Sie bricht v. 552 mit den 
worten ab: add’ ov yuQ, woneg einov, Ogyalvaıy xaÀov yvvoixa 
vov» fyovouy, wozu ergänzt werden muss: oynoouas (alÂd oy1- 
Couus, ov yaQ Ogyalrev xaÀóv), und geht dann zu einem andern 
gegenstande über. Genau denselben gedankengang haben wir hier: 
Oedipus hatte die greuel seiuer ehe rückhaltslos geschildert. Er 
bricht jetzt ab und gebt zu einem andern gegenstande über. Sein 
abbrechen motiviert er ganz logisch mit den worten: ddd’ ov ydQ - 
avday to? & unde dgàv xaÀov, wozu abermals ein vo» GiyrGopa: 
zu ergänzen ist. Das folgeude asyndeton onwg rayıcıa entspricht 
sehr gut dem pathos der stelle. 

Auf gleiche weise ist auch Oed. Col. 755 zu verbessern, wie 
ich früher nachgewiesen habe. Endlich empfiehlt es sich, auch 
Phil. 1020 dieselbe interpunktionsänderung vorzunehmen und zu 
schreiben : 

0060 xal 003 modus 100. ebbe uq" 

al ov yàg oùdèr Feoì vtpovos idv pos 

ou niv ylynIac etc. 
Zu ergüuzen ist hier: aber diese flüche sind nicht in erfüllung ge- 
gangen, es ist vergeblich, dir zu fluchen, da ja die gótter mir 
gruudsätzlich uichts angenehmes gewühren. 

Im folgenden wird dann eine nähere ausführung des oùdèr 
70V pos véuovosr gegeben. Gerade bei solchen nachträglichen aus- 
führungen ist die auslassung eines yug stehend, wofür namentlich 
Plato eine grosse anzahl beispiele bietet. 

Bei dieser gejegeuheit möchte ich eine interpunktionsänderung 


Sophokles. 271 


empfehlen, die ich schon vor acht jahren selbstindig gefunden habe, 
die dann auch Kavallin ohne angabe des namens erwühnt. Phil, 
vv. 501—504 ist nümlich so zu interpungieren. 
ov owoov, ov m’ EAdnoov elcoguiv 

Wo Buvta deva x. T. À. 
Bei der hergebrachten interpunktion bat der gedankengang etwas 
breites und einförmiges; denn in dem eloogwr steckt ein eloogu 
zag. Wir haben also eine zweimalige aufforderung , das eine 
mal: :icoga, ws narra deva, das andere mal: yo? 10» éxrdç wy 
anuuıwy 1a deva ögav. Dagegen gewinnt unsere stelle durch die 
vorgeschlagene interpunktion bedeutend an kraft und schärfe des 
ansdrucks und gedankens. "EA£noov ue elcogwv bedeutet jetzt: er- 
barme dich meiner, indem du mich anschaust, gleich: lass dich 
durch meinen jammervollen anblick zum mitleid bewegen. Aehn- 
lich ist eoogwy gebraucht Oed. Col. 1358: ag viv daxguesc elco- 
ewy: über welche du jetzt weinst, da du sie siehst und El. 1199: 
w duçmoru’, wo sew» o érosxrelgw nadas. Auch Trach. v. 576 
ist ähnlich: wore unuv’ slosdwy or€gkes yvvaixa xeïvoc avti ood 
nifov. Der gedankengang der ganzen stelle ist also folgender: 
lass dich durch den anblick meines elends zum mitleid bewegen; 
denn alles ist voller gefahren. Einer aber, der vom unglück ver- 
schont geblieben ist, wie du, darf nicht vor diesen gefahren die 
augen zuschliessen, sondern immer bedenken, dass auch iha einmal 
ein ähnliches unglück treffen kann. 

Aj. 737—739: Boadsiay nuas ag’ 0 ınvda tiv ódov 

méurwv Eneuwyer, n° pavny éyw Boadvs. 
Beudeïar ist jedenfalls verderbt. Wenigstens genügen die aufge- 
stellten erklärungen nicht im geringsten. Die conjecturen Schmidts 
(cyostov) und Naucks (uara(a») entfernen sich nur zu sehr vou 
den überlieferten schriftzügen. Weit leichter ist die änderung fa- 
geiay == einen unheilvollen weg. Es ist dabei nur eine verse- 
tzong des g und eine vereinfachung des a (A und 4 sind graphisch 
fast dasselbe zeichen) vorgenommen. Allein es ist auch im fol- 
genden noch eine kleine änderung nóthig, mag man nun Agadeiay 
belassen oder sonst wie ündern. Denn die beiden gedanken: einen 
langsam vollendeten (vergeblichen, unheilvolleu) weg bin ich ge- 
schickt worden, und: ich bin zu langsam gewesen, schliessen sich 
nicht aus. Der erste gedanke müsste so formuliert sein: entweder 





272 Sophok les. 


ist der, welcher mich geschickt bat, selbst zn langsam gewesen 
(= ich bin zu spät abgeschickt worden) Denn würde die ent- 
gegenstellung des folgenden durch 7 richtig sein. Nach unserm 
texte aber ist sie unertrüglich. Im gegentheil, eben deswegen, 
weil er bei diesem wege zu langsam gewesen ist, ist es ein ver- 
geblicher (unheilvoller) weg. Es muss also wohl geschrieben wer- 
den: 7° gavny dyo Poaduç: bei welchem ich zu langsam mich 
gezeigt habe. Wie leicht die wörter 7, 7 und 7, auch si ver- 
wechselt werden konnten, und wie oft sie wirklich verwechselt 
worden sind, ist bekannt. So ist auch Oed. Col 583 f, zu 
schreiben: 
1a Aoiods’ alrei 100 Plov ta d’ dv uéoo 
7 Anouv Toys; 7 di oudevog moui;, 
wie ich früher nachgewiesen habe. 
Eine ühnliche ünderuog halte ich Phil. 333 für nóthig: 
olpor pouons uo» un méga, ngiv ür pad 
zourov r00, 7 réFviy’ o Trméws yovog' 
Im folgenden v muss dann auch das komma hinter z£O»gxev weg- 
fallen: téFvnxev dvdgóg ovdsvog, Feov d’ ino 
Auch Oed. Col, 316 ist wobl zu schreiben: 
Go Lon»; ag’ osx Four; 4 yvyuipg nAavà 
zus pui x. 1. À 
Oed. Col. 1074: Egdovaw n péddovow; we 
zgou»rüra( tl pos 
yvopa xr. 
Für Egdovosy 5j péllouosw; vermuthe ich: Zodovam où péi- 
Aovow we x. v. È. 
Sehneidewin hatte interpungiert: Egdove’, 7 nfAAovaiy ; deutsch: 
sie handeln. Oder zögern sie? Deon es shot mein geist u. s. w. 
Diese gekünstelte anordoung bat Nauck mit recht aufgegeben. Er 
schreibt einfach: Zodoug’ 7 péAdovow; gleich: zorsgov Edovaw 5 
pédiovow; Er sagt dann z. v. 1074: das begründende ws geht 
auf Zgdover, indem der chor nach der ungeduldigen frage #6dovo” 
9 péidovosy; das erstere als richtig voraussetzt. Allein diese er- 
gänzang eines igdovorw oder ov péddovow ist hier unmöglich, 
Lüge in der frage die erwartete antwort selbst angedeutet, dana 
könnte man sich diese ergünzung gefallen lassen. Dies ist aber 
hier durchaus nicht der fall, da in der doppelfrage: handeln oder 





Sophokles. 278 


zaudern siet Beides als gleich ungewiss bingestellt erscheint. 
Auch nach dem iuhalte der vorhergehenden strophe ist die frage 
unpassend. Nachdem der chor kurz zuvor zuversichtlich den ge- 
waltigen kriegsmuth der Athener gepriesen, in feurigen bildern den 
dahinstürmenden zug der bewaffneten beschrieben hat, kann er un- 
môglich mit einer solchen frage kommen, die auf einmal wieder 
die entschlossenheit der Athener bezweifelt. 

Oed. R. 608. Statt äAeyyov schlage ich Zisyyos (scil. wag- 
&04v) vor, so dass die ganze stelle dann lautet: 

xal zwrd’ PAyyov rovio pív, Mudd’ lw» 

meudou ta yonc9évr el Capo Nyyesda cov 

tout aid’, dav pe tH téEeQacxomyp dafins 

xow] 1+ ßovAevoavıa, un pe andy xravpg 

yigw x. t. È 
Es ist doch eine sonderbare ausdrucksweise: und zum beweise fiir 
meine unschuld gehe ersteus nach Delphi und frage, zweitens tódte 
mich, wenn du mich überführst, mit dem seher conspiriert zu ha- 
ben, mit meiner einwilligung. Denn das /7v3wd' lov sevdov 
muss doch verstanden werden: du kannst gehen. Mit Ëleyyoy da- 
gegen verbunden klingt es wie ein ernstgemeinter befehl. Noch 
widersinniger ist: tödte mich zum beweise dafür, dass ich un- 
schuldig bin, mit meiner einwilligung. Ohne allen anstoss ist die 
stelle, wenn nach meinem vorschlage Zieyyos geschrieben wird: 
und dafür (dass ich unschuldig bin) giebt es (habe ich) beweise: 
erstens gehe doch nach Delphi und frage nach dem orakelspruche, 
zweitens magst du mich tédten mit meiner vollen beistimmung, 
wenn du beweisen kannst, dass ich irgend wie mit dem seher im 
einverstandniss stehe. 

Trach. 881: auıny dinlorwos. 

An dem anaé elonuévov dinlorwos nahm schon Schneidewin 
anstoss. Auch von dgav((w kommt ein compositum diagavilw 
nicht vor. In der that kano ich mir nicht erklären, was das dia 
bei einem verbum soll, das ungesehen machen, vom erdboden ver- 
tilgeu bedeutet. Allein das, was Schneidewin vorschlug: avzy vey 
nloıwos ist unmöglich. Ich glaube, dass am viv n(oiwce zu 
schreiben ist. 

AYTHN AIH IX TOZE 
A THNINHIZTQZE 


Pbilologus. XLII. bd. 2. 18 





274 Sophokles. 


Phil. 160. Für olxov uiv ogag dvd aupldugor erging 
xolzng ist wohl zu schreiben: zezgí(vag xo(rag. Der genitiv ne- 
zelvns xolıng ist nicht zu erklären. Sämmtliche parallelstellen, die 
dafür beigebracht sind, beweisen nichts, da xo/ın nur ein theil des 
hauses ist. Ebenso gut könnte man sagen: das lange bein von 
einem fusse (appositionell gedacht!) wie das zweithorige laus von 
einem felsenbette. Die abschreiber hielten serolvag xofruç für den 
dorischen gen. sing. und schrieben dafür, wie oft, die attische form. 

Trach. 71. Die überlieferung giebt: 

nav tolvuv, el xai rovr Erin, Kivos ng av 
wübrend der sinn verlangt: 

gay tolvuv, el xai tout Eran, v À6(m ng av 
das xÀvo, ist wohl durch das xAuw des folgenden verses ent- 
standen. 

Trach. 1230. Für des überlieferte: 

10 niv vooourts Ivuovodas xaxov: 
verlangt der sinn: 
10 ui» vocobvra Fvuwoa: xaxov 
» (Scblimm ist es, einen kranken zu erzürnen). 
Zwickau. K. Waller. 


Zu Julius Valerius. 

Buch 1, cp. 18, p. 13 a, 12 Müller glaube ich nicht ohne einige 
wahrscheinlichkeit folgende stelle so emendiren zu kónnen (die les- 
arten der allein hier vorliegenden Pariser hds. füge ich in klam- 
mern bei): ,Enim de Milesio loqui (de milite quia cod.) hic longa 
res est et propositum interturbat, de que eo (ea cod.) si quid in- 
quirere curiosius voles, sat tibi lector babeto Graecum Favorini 
(Faborini cod.) librum qui omnigenae (omni genere cod.) historiae su- 
perscribitur*. Der verf. lehnt einen excurs über Aristoteles ab, 
zu dem er sich eigentlich an dieser stelle, wo zuerst (in den vor- 
hergehenden worten philosophiae autem Aristoteles ille Milesius) 
dieser genannt ist, veranlasst fühlt. C. Müller erwartet statt de 
milite etwa worte wie de disciplina s. institutione regis disserere, 
ein gedanke, der aber durchaus nicht ausserhalb des themas des 
autors liegen würde. Berger de Xivrey (Notices et extraits des 
manuscrits t. XII, 2, p. 275) will de genere, unrichtig, wie das 
folgende „lic etiam generis Alexandri inveneris seriem* erweist. 
Die armenische übersetzung bat allein neben der lateinischen diesen 
ganzen passus und scheint (vgl. Roemheld, Beiträge zur geschichte 
und kritik der Alexandersage. Hersfeld 1873, p. 49 anm. und Za- 
cher, Pseudocallisthenes p. 89 ff.) meine auffassung zu empfehlen. 


Góttingen. K. Boysen. 








XI. 


Ueber den status der ersten rede des Isaeus ,,iiber 
die erbschaft des Kleonymos“. 


Der status der ersten rede des Isaeus „über die erbschaft des 
Kleonymos* wird von dem verfasser der hypothesis zu dieser rede 
folgendermassen bestimmt: dgo¢ dimAovg xarà äugioBnenos. Diese 
bestimmung begründet der verfasser damit, dass die eine partei der 
processirenden auf das von Kleonymos ursprünglich binterlassene 
testament sich stützt, während die andere darauf sich beruft, was 
von dem letzten spüter verordnet wurde: er liess nümlich den 
beamten rufen, um, nach angabe der anderen partei, das testament 
zu cassiren; dann würe die intestaterbfolge eingetreten und die 
streitige erbschaft hätte iu folge dessen auf seine neffeu als legi- 
time descendenten übergehen müssen. Die neueren philologen stim- 
men, wenn auch nicht durchgehends mit dieser begründung, so 
doch wenigstens ohne ausnahme mit der bestimmung des status 
überein. Doch wir wollen in folgenden zeilen alles hierher ge- 
hórige einer genaueren prüfung unterziehen und zeigen, dass so- 
wohl die meisten von den vorgebrachten begründungen und erklä- 
rungen der betreffenden rhetorischen termine, als auch die bestim- 
mung des status selbst nicht acceptirt werden könne. 

Wenden wir uus zuerst zu den worten der hypothesis. Nach 
der bestimmung ihres verfassers müsste es sich iu dieser rede um 
die definition eines fraglichen begriffes handeln, und da es ein 
Seog dindovs ist, so müssten bier zwei solche definitionen das 
thema, den eigentlichen streitpunkt der rede bilden, etwa iu der 
weise, dass die eine partei das bei dem magistrate deponirte doku- 


18° 





276 Isaios. 


ment als den letzten willen des erblassers definiren wiirde, wih- 
rend die andere den befehl, welchen Kleonymos vor seinem tode 
ertheilte, für seine testamentarische verfügung ausgübe. Aber eine 
solche auffassung ist unmöglich : es unterlag wobl keinem zweifel, 
dass nur das deponirte dokument als echtes und wabres testament 
definirt werden konnte, und hatte die andere partei nicht die nahe 
verwandtschaft und die ungetrübte zuneigung des erblassers als 
stütze, so hätte sie nur auf grund einer solchen definition ihre 
ansprüche auf die erbschaft vergebens erhoben. Dem befehl des 
Kleonymos den beamten zu holen, konnte mau schon deshalb nicht 
die kraft einer testamentarischen verfügung zuschreiben, weil es 
nicht einmal gewiss war, was Kleonymos eigentlich im sinne hatte, 
ob er das vorhandene testament günzlich aufheben oder nur theil- 
weise ündern und nachtrüglich berichtigen wollte. 

Von den neueren hat Schömann in seiner ausgabe der reden 
des Isaeus p. 176 die bestimmung der hypothesis zu erklären ge- 
sucht. Nach seiner meinung ist der status in dieser rede deswegen 
öpoc dindots, weil die eine partei das von Kleonymos hinterlas- 
sene testament für echt und gültig ansieht, wührend die andere 
seine gültigkeit bestreitet, da der testator, in wie fern es von ihm 
abhing, dasselbe aufhob. Auch diese erklürung ist mangelhaft; 
wean wir auch zugeben, dass die bestimmung des hauptbegriffes 
(0009) richtig ist, so bleibt doch der zusatz dénAovg unerklärt, 
weil die definition der apderen partei, nümlich was sie für das te- 
stament ansieht, in dieser erklürung vermisst wird. Ganz verfehlt 
ist Schémann’s deutuog des zusatzes „xara dugicfyrnow; dieser 
rhetorische termin bezeichnet keineswegs, wie Schómanu wollte, 
den zweifel darüber, ob Kleonymos das testament cassiren oder 
verbessern und bestätigen wollte, sondern, wie wir weiter zeigen 
werden, den streit oder process zwischen zwei parteien. 

Auch Volkmano hat, zuerst in seinem Hermagoras p. 218 f., 
diese bestimmung der hypothesis aufgenommen und die rede des 
Isaeus als beleg eines 0005 dindoùs xaru aygrofytnow angeführt; 
dabei verwarf er Schómann's erklärung als irrig und gab eine 
andere, die aber auch nicht gebilligt werden kann. Nach Volk- 
mann wurde der status dieser rede deswegen als ogoc bezeichnet, 
weil hier die frage gelöst werden soll, ob „ein testament als gül- 
tig au betrachten ist, welches der erblasser nachweislich hat ün- 





Isaios. 277 


dern wollen, aber formell nicht geändert hat“. Ob eben dieses 
das thema der ganzen rede bildet, werden wir spüter sehen; un- 
terdessen sprechen wir nur von der erklürung der rhetorischen 
termine. Die rhetorik findet den definitionsstatus in solchen fallen, 
wo eine benennung nicht ganz dem entspricht, was durch sie be- 
zeichnet werden soll; es fehlt zur vollständigen deckung der be- 
nennung und des benannten ein merkmal!), welches von der einen 
partei als das wichtigste hervorgehoben, von der anderen aber als 
unbedeutend dargestellt wird. In Volkmanu's begründung der be- 
stimmung der hypothesis tritt dieses so wichtige merkmal nicht 
hervor; die angeblich beabsichtigte anderung des testaments kann 
es nicht sein, weil sie selbst, wie wir schon bemerkt haben, mit 
dem nebel der ungewissheit umhüllt war. 

Volkmaun nennt weiter diesen definitionsstatus 6005 xar ul- 
tno. Nach der lehre der alten rhetoren findet dieser fall dann 
statt, wenn eine person, ohne mitbewerber, auf grund einer defi- 
nition auf etwas ansprüche erhebt; sobald eine andere person oder 
partei als mitbewerber auftritt, so wird ein solcher fall mit dem 
zusatze x«t! apquofinigow bezeichnet. Da in unserer rede selbst 
nach der weiteren erklarung Volkmann's der zweite fall stattfindet, 
so kann hier zugleich von einem ogog xar atznos» nicht die rede 
sein ?). 

Auch die erklärung des zusatzes denlodç ist nicht genau; 
öoog dindovs bedeutet nicht, dass es sich in dem betreffenden falle 
um eine sache und mehrere personen handelt, sondern, dass da 
zwei definitionen vorkommen müssen?) Zu seiner richtigen er- 


1) Vgl. Hermog. (bei Spengel, Rhett. gr. II, 188, 23): zo ev né 
neaxses, 10 d? leines ngog avrotélesay 100. ovdpatos. 

2) Volkmann folgt offenbar bei dieser auseinandersetzung der au- 
torität des Maximus Planudes, nach welchem der ögos xaT auquapy- 
nor eine unterart des öpos xav aimo bildet, vgl. Walz, Rhett. gr. 
V, 311, 1 f.; doch wir glauben, dass da, wo wir zeugnisse der rhe- 
toren aus dem sten jahrh. n. Chr. besitzen, ein gewährsmann aus 
dem l4ten jahrh. vor diesen zurücktreten muss. Wir werden zu den 
ausdrücken xev augsoßymow und xa aimow noch zurückkehren. 


3) Dass diese erklürung richtig ist, zeigt dieselbe bedeutung die- 
ees wortes beim conjecturalstatus, wo man nach den auseinanderser 
tzungen und beispielen der rhetoren unter ovoyeaucs dinlous einen 
solchen fall verstand, wo zwei conjecturen vorkamen, vgl. Marcellin 
bei Walz IV, 441, 22 ff., ibid. 431, 5 fi; Maxim. Planud. ibid. V, 
293, 2 ff. Die worte des letzten rhetors (ibid. 512, 24 ff): f» uiv ro 





278 Isaios. 


klärung des zusatzes xar' augsoBnmow fügt Volkmann hinzu, 
dass der commentator diesen fall eben so gut auch ógoc denloës 
sarà nçoçwna hätte henennen können. Diese behauptung ist rich- 
tig; beide technische ausdriicke hezeichnen eine und dieselbe un- 
terart des definitionsstatus; der erste von ihnen wurde von den 
späteren rhetoren, der letzte von Hermogenes gebraucht *). 

Diese fragliche erklirung der betreffenden termine hat noch 
Kayser berührt in seiner recension der soeben angeführten schrift 
Volkmann's (Jahrb. für class. philul. 1866, p. 848). Die bebaup- 
tung Kayser's, dass die benenoung ogog dexdovs xar' aupsoßn- 
znoıw von Hermogenes herrühre, gründet sich nicht auf der wirk- 
lichkeit; unter den fünf unterarten des 3000 dirdovs, die Hermo- 
genes gibt, trügt keine diesen namen, und erst spátere rhetoren 
behaupteu, wie bereits erwähnt, dass diese beiden technischen aus- 
drücke (Sg0¢ dsndovs xard xgoowna und Seog xar' apgiofninosr) 
identisch sind, vgl. Syrian hei Walz 1V, 547, 7; Maxim. Planud. 
l. 1. 311, 14 ff.; 312, 21; Sopater und Marcellin ibid. 571, an- 
merk. 5; Sopater (bei Walz VIII, 98, anmerk. 1°). Angesichts 
dieser citate hatte also Volkmann recht zu behaupten, die hypothesis 
habe die angabe des status auch mit den worten ógoc dınloug 
xata nocowna machen können, (vorausgesetzt nämlich, dass die 
bestimmung der hypothesis richtig ist), und der tadel seines recen- 
senten traf ihn dafür unverdienter weise. Kayser verwirft weiter, 
und zwar mit recht, ‚Volkmann’s erklärung des termins ógog di- 


aqGyua, dio dà 1a augeefytotyre nocowna) könnte man eher als er- 
klärung des begriffes xar' duqeofimow auffassen. 

4) Volkmann nennt die behauptung der ersten partei, n&mlich 
dass der erblasser nach dem beamten schickte, nicht um das testa- 
ment aufzubeben, sondern um dasselbe zu bestätigen, „eine antithese, 
pia To» GvnSenxdr nach der terminologie des Hermogenes". Bei 
dieser bestimmung ist auffallend die ungewissheit, in welcher er den 
leser lässt in bezug darauf, welchen von den vier antithetischen 
status des Hermogenes er meint (drsícacsg, avtiyxinua, pusracrao, 
6vyyvoiun). Wir sind der meinung, dass keine von diesen vier anti- 
thesen hier angewendet werden kann; wir könnten von einer anti- 
these nur in dem sinne sprechen, wie z. b. von den scholiasten jede 
erwiderung der gegenpartei d»wri$ec; genannt wird, vgl. die scholien 
zu Demosth. (Dindorf 15, p. 549, 21; 571, 3 ff. u. 3. 

5) Diese anmerkung ist nach Hermogenes (l. 1. 156, 10) auf fol. 
gende weise zu corrigiren: 2. 1 moócwmov] moócon«; sz. 8 noócena] 
79060070: ; ibid. óndoye] ündeyov. Ausserdem ist nach dinloòg ein 
komma zu setzen und die puncte nach smenoayuévor und dias sind 
zu tilgen. 


{saios. 279 


mous und neigt sich zu der auffassung, die Schömann im an- 
schluss an die hypothesis aufgestellt bat. Er meiut nümlich, dass 
der wortlaut des testaments und das spätere benehmen des Kleo- 
nymos gegen seine neífen so einander widersprechen, wie manch- 
mal in dokumenten der buchstabe und der sinn, und dass beide 
parteien den willen des erblassers in ihrem interesse deuten. Auch 
diese erklärung macht uns nicht klar, was für ein begriff eigent- 
lich bier definirt wird; die deutung des willens des Kleonymos 
kann man doch nicht, wie schon gesagt, definition nennen. — 
In seiner „Rhetorik der Griechen und Römer“ (p. 45 f.) findet 
Volkmann Kayser's einwendungen nicht überzeugend und bleibt bei 
seiner im Hermagoras ausgesprochenen meinung. 

Diese verschiedene versuche, die angewandten rhetorischen 
termine aus der rede des Isaeus zu erklüren, erregen leicht den 
zweifel, ob überhaupt die bestimmung des status der betreffenden 
rede richtig ist. Die neueren philologen sollten vor allem diese 
frage lüsen uud nicht blind glauben der autorität des scholissten, 
Die bestimmung des status einer rede ist, wie die rhetoren selbst 
bekennen 5), manchmal nicht so leicht und die verfasser der hypo- 
theseis schwanken oft zwischen zwei, ja sogar drei bestimmungen ?). 
Bevor wir aber diese frage untersuchen, werden wir vorausscbik- 
ken, wie es sich eigentlich mit dem zusatze x«r' auysoßnınoıv 
verhält. 

Nach der lehre der späteren rbetoren wurden alle themata. 
an welche die statustheorie applicirt wurde, nach ihrem inhalte in 
drei grosse gruppen eingetheilt, je nachdem sie entweder die ver- 
folguug eines verbrechens, oder die forderung einer für eine lei- 
stung bestimmten belohnung , oder den streit zweier personen oder 
parteien um eine belohnung oder erbschaft behandelten. Diese drei 
gruppen wurden bezeichnet durch hinzufügung zum termin des 
status folgender zusätze: xara diwé xai quynr (oder xara 
xolow), xara aligow oder GElwoir und xarà auysoßyınaw. Die 
hauptstelle dafür lesen wir bei Syrian und Sopater (I. I. 212, 
12 f): nav Cnmua 5] xarà dlwkly gorse xal puyny jj xarà al- 
now 7 xaz& Augpsoßninow; vgl. ibid. 228, 1 ff.; 568, 10 ff, 

6) Vgl. Syrian I. ]. 480, 4 ff.; ibid. 569, anmerk. 31. 


7) Siehe z. b. Antiphon's erste rede der zweiten tetralogie und 
Lycurg's rede gegen Leocrates. 





280 Isaios. 


und 195). Demgemiiss sagen Sopater und Marcellin auch vom de- 
finitionsstatus, indem sie diese eintheilung an ihn anwenden: ye- 
vext tara pèr ovv tela edn opww êcrl, 16 te xara xelow xai 
to xura apgucfintgow xoi td xar aklwow (l|. 579, 12 ff.) 
Bei den zwei letzten gruppen wurdeu weiter keine unterarten un- 
terschieden (ro ui» ov» xor dElwow xai 10 xarà apgiofinimoiw 
atpnta dor», ibid. 14 f.); dagegen der Sgo¢ xarà xglow wurde 
eingetheilt wieder in zwei gruppen, «rAovs und dsrdovs, und 
unter die letzte wurden subsummirt die unterarten &rrovouabuwr, 
xara ovddnysy, Zuniatwv und duo Ggos (ibid. 580, 14 ff. 9). Die- 
ses schema wurde vom rhetor Maximus Planudes beibebalten (1. |. 
310, 31 f), aber mit einer üuderung: er betrachtet nämlich den 
Ogos xar apgsofirnasy nicht für eine selbstständige gruppe, son- 
dern für eine unterart des ógoc xar' ulinow; es ist Seog x«r al- 
tyow dimdovg, vgl. ibid. 312, 21: d» rq zur auïsnosr dınıa, 
touréors 1 xazà Augpscoßnınosy, Ev niv tò ngáyua, dvo dé 
Ta cupsofprovria ngoowna. Aus dieser stelle sieht man, dass 
sogar der zusatz dınAoög bei dem rhetorischen termin ogo¢ xar 
augsoßnınoıv ganz überflüssig ist 1°); anders verhält es sich bei 
den zwei anderen bezeichnungen dieser unterart des definitions- 
status, nämlich ogog xarx sgoowna dumAoug (Hermog.) und ogog 
xar alinow dindovs (Maxim. Planud.); bei diesen ist dieser zu- 
satz unumgünglich. 

Was den Hermogenes selbst betrifft, so findet man zwar bei 
ihm beispiele, in denen alle diese drei gruppen vertreten sind, aber 
die rhetorischen termine fehlen noch bei ihm. Er unterscheidet 
(I. 1. 154, 28) nur zwei hauptgruppen des ogog, nämlich dmdoùg 
und dssiovcg; bei der letzten gruppe werden von ihm füuf arten 
aufgezühlt: «rrovouabtwv, xarà ovAAmpr, xarà nQOcuma dirdose, 
luniziwy und dvo ögos. Die commentatoren des Hermogenes ha- 
ben die zwei ersten und letzten termiue beibehalten, und zwar als 


_ 8) Merkwürdiger weise gibt Sopater (ibid. 121, 20 ff) wieder 
eine andere eintheilung: die gruppe xat’ augsoßyma» wird da der 
gruppe xara xoicw unterordnet, und dieser termin wieder von dem 
sonst gleichbedeutenden xata guyn» xai diwk&» unterschieden. 

9) Ausserdem konstatirten einige rhetoren noch andere unter- 
arten des ogoc xatà xpiosw, wie z. b. napddokos, Zuuscos, vgl. ibid. 
580, 81; 581, 20. 

10) Vgl. noch ibid. 811, 14 ff.: è xar’ dugqsecpymow 6 avrds lon 19 
sata noccwna dinlg. 





Isaios. 281 


unterarten des ogoç dirdovs xarà xelosy, aber den mittleren haben 
sie umgetauft in Ogos xor' umgmsoßnınow, wie wir soeben gesehen 
habeu. Soviel von den alten rhetoren. 

Von den neueren rbetoren folgt Ernesti !') dem schema des 
Hermogenes, wogegen Volkmann bei seiner erórterung der unter- 
arten des defiuitionsstatus der eintheilung des Planudes den vorzug 
gab (Hermagoras p. 217 und Rhetorik p. 42). Dabei hat aber 
Volkmann folgendes sich zu schulden kommen lassen. Erstens 
seine worte (Rhetorik p. 42) kauu man nicht anders verstehen, 
als dass die eintheilung in Cgos xara xg(cw und xaı’ alznocy schon 
von Hermogenes berrührt, was der wirklichkeit nicht entspricht. 
Noch schlimmer ist die verwirrung, zu der Volkmann durch seine 
unglückliche verbesserung des textes des Planudes verleitet wurde. 
In der betreffenden stelle des Planudes (311, 1 ff.) heisst es: rdv 
xai' alzo of uiv ünloi, oí dé xor dupioPnrnos xci rOv xuru 
xolosv opolwo 10 uf» mn áxAoUv, To dé dınlouv. ta uèv ovy 
&AÀa ey’ avıwv Udiulperu mére, 10 dì xar prow dindov» bno- 
diaspsitas tergayy elo 10v artovopulovia, el; 10» xara ovdAnyny, 
sic tov lun(miovra xai «lg 1oùç duo xulouuérous Ogous. In die- 
sem texte ist verderbt die lesart qvciv, statt welcher das einzig 
und allein hier mögliche xg/osv herzustellen ist, welches wort eine 
Pariser handschrift bietet (vgl. ibid. anmerk. 3); den sichersten 
beweis dafür liefert die schon angeführte stelle (Walz IV, 580, 
14 ff.). Volkmann hat indessen eine andere änderung vorgenom- 
men; er schreibt nämlich statt 4AÀ« — ania. Auf diese weise 
kommt heraus, dass die àzAoi dgo:, sowohl xar  alrgow, als xara 
xefow, keine unterarten haben, die dswdot aber, d. h. ogos xav 
augsoßnınow (= x«r alınoıv dirndoî) und xara xglosv dendoi, 
die weiter aufgezäblten unterarten in sich begreifen. Diese er- 
klärung widerspricht dem zeugniss des Sopater und Marcellin, die 
ausdrücklich sagen, dass der ögog xav uugsoBiino keine unter- 
arten hat (579, 14 f.: ro uv ovv xar’ dElwow xal 10 xard ap- 
gropninoy atunta Corn») Daraus folgt, dass Planudes ganz 
richtig sagte: zà uiv ovv üAla, d. h. alle übrigen arten des 
0goc, mit ausnahme des ogo¢ dsmdovg xut& xolow, der gleich da 
genannt wird. Nun weiter, bei der aufzühlung der arten der ogos 


11) Lexicon technol. Gr. rhet. s. v. os. 





282 Isaios. 


denloï verlässt Volkmann das schema des Planudes und kehrt zu 
den fünf arten des Hermogenes zurück. Dabei bleibt es unklar, 
zu welcher von den zwei gruppeu diese fünf arten eigentlich ge- 
hören, ob zu den dindoî xaı” alrnosy oder dindoi xarà xolow 
oder zu beiden. Zu der ersten gruppe aber gehört nur der dgos 
xara mgddwna dirdovc, von Planudes xar! augysoßnınow oder di- 
xAoUg xar ulinosy genannt; dieser 0005 kann aber zugleich nicht 
eine unterart der zweiten gruppe, 0005 xaza xglosv, bilden, wenn 
er zur ersten gruppe gehört. Volkmann sollte entweder das ein- 
fachere schema des Hermogenes wählen oder das weiter entwickelte 
eines von seinen commentatoren; die verbindung von beiden ist 
unmöglich. 

Kehren wir nach diesem rhetorischen excurse zu der rede 
des Isaeus zurück. Wenn wir ihren inhalt näher in erwägung 
ziehen, so zeigt sich, dass der hauptpunkt, um welchen sich die 
ganze rede dreht und über welchen die richter entscheiden sollen 
(das xgswöuevor), in folgendem besteht. Bei der bewerbung um 
die erbschaft des Kleonymos stützt sich die eine partei, nämlich 
die entfernten verwandten, auf das vom erblasser hinterlassene te- 
stament, in welchem sie zu erben eingesetzt waren, während die 
ändere partei, die schwestersöhne des Kleonymos, auf grund ihrer 
nächsten verwandtschaft, der zufolge auf sie als einzige erben das 
binterlassene vermögen ihres vetters nach dem attischen erbge- 
setze 1?) übergehen sollte, auf die erbschaft ansprüche machen. 
Um aber ihr recht noch mehr zu bekraftigen, welches durch das 
vorhandene testament fast annullirt war, suchen sie zu beweisen, 
dass Kleonymos selbst dieses testament aufheben wollte und ge- 
wiss seine absicht durchgeführt hatte, wenn er durch die ranke 
der entfernten verwandten daran nicht gehindert worden wire. 
Nun sollen die richter entscheiden, welches von beiden gültig sein 
soll, ob das angefochtene testament oder die gesetzmüssige beer- 
bung des Kleonymos durch seine schwestersóhue. 

Wenn wir nun dieses in die sprache der rhetorik übersetzen, 
so wird es heissen: in der betreffenden rede handelt es sich um 
zwei önz«; das eine von ihnen ist das testament (dsadijxas), und 
das andere das erbgesetz; zwischen beiden findet ein zusammen- 


12) Vgl. das gesetz bei Demosthenes g. Macart. §. 51. 





{saios. 283 


stoss statt. Ein solcher conflict von zwei schriftstiicken heisst 
nun in der statustheorie d»rvonuía, wie Hermogenes zeugt (I. |. 
141, 7 ff.): Fore yàg avtvoula dvo 7 xai nissovwy bytwy fj x«l 
&vog diaspovpevov un quos èravilwr, xatd neploraciv dì uds. 
Man darf bei dem termin &vrivoula nicht vergessen, dass es sich 
in diesem status, wie in den crue vouexul überhaupt, nicht bloss 
um gesetze, sondern um alle schriftlichen dokumente handelo kann, 
und dass diese benennung nur a potiori gegeben wurde !?). Ein 
ähnliches heispiel der dvrevouía , nur noch mehr complicirt als in 
unserer rede, findet man bei Syrian und Sopater (I. l. 263, 16 ff.). 
Eine erbtochter sollte nach dem gesetze ihren nüchsten verwandten 
heirathen; nun wurde aber ihre hand durch volksbeschluss als be- 
lohnung einem tapferen bürger auf seine bitte versprochen. In 
dem zwischen dem nächsten verwandten und dem «&gsorevs entstau- 
denen streit um diese erbtochter ist schon eine dàvrouía; nun 
kommt aber noch ein dritter bewerber dazu, dem das mädchen 
verlobt war, und beruft sich darauf, dass nach den gesetzen das 
dem freier gegebene wort gehalten werden soll. 

So haben wir also die hauptfrage der rede bestimmt !4); da- 
neben findet sich eine zweite frage, die den zweck hat, den beweis 
zu liefern, dass der erblasser sein testament aufheben wollte und 
dass es sein wille war, sein vermögen nicht den entfernten ver- 
wandten, sondern seinen schwestersóhnen zu hinterlassen. Diese 
frage wird mit hülfe der conjectur (oroyaouoc) gelöst, zu wel- 
chem zwecke besonders eine menge von trefflichen wabrscheinlich- 
keitsgründen vorgebracht ist. 

So verhält sich die sache nach unserer meinung ; es bleibt 
noch übrig die frage zu beantworten, was den verfasser der hy- 
pothesis wohl bewogen habe, eine solche bestimmung zu geben. 
Der redner sagt 2. 24, dass wenn Kleonymos in dem hinterlas- 
senen testamente !5) die entfernten verwandten zu seinen erben ein- 


13) Vgl. Hermog. l. 1. 140, 17 ff. von den crede vousxai: nQotor 
piv napi Oyta dváyxg mv Ujrpow Ivıavda yivecdas, dura dé lëyw olov 
véuove, dia xac, yngiouata, insorolas, xnQvypata doicuéva, navita 
ánÀec ta iv Ömois. 

14) Der redner hebt seinen hauptgedanken immer und immer 
hervor, siehe 88. 8 f., 17 £., 41— 48, 48 f. 

15) Gelegentlich bemerken wir, dass die worte i» vais viv ys- 
yeappivass diaS95xaic nicht bedeuten „in dem jetzt angeklagten 





284 [saios. 


gesetzt batte, man sich wundern muss, was er eigentlich in ihm 
berichtigen wollte, um es noch mehr gültig zu machen; denn 
sonst werden ja die testamentarischen geschenke nach dem testa- 
ment allein bestimmt: roig yag dÀÀoig oùroç 0 gog doi(v, w ür- 
does, rv dweswr. Nun ist es nicht unwahrscheinlich, dass der 
verfasser der hypothesis auf grund dieser stelle in der rede des 
Isaeus einen ögog fand, und da die eine partei nach dem testa- 
mente, die andere aber nach dem spüteren benehmen des Kleonymos 
seinen letzten willen bestimmte, so war es ein ögog dendous !°). 
Es kann wohl vorkommen, dass in einem erbprocess der defiuitions- 
status sich findet, wie z. b. in dem von Hermogenes (I. |. 156, 
10 ff.) erwühnten falle, wo zwei priestersóhne um das erbliche 
priesteramt streiten; aber dort ist wirklich der fragliche punkt, 
wer von beiden eigentlich für einen priestersohn gehalten werden 
soll; auf grund dieser definition wird der streit entschieden wer- 
den müssen. In unserer rede ist von einer solchen fraglichen de- 
finition gar keine spur und deshalb ist auch die von der hypo- 
thesis gegebene bestimmung des status als verfehlt zu betrachten. 
testament, wie Blass will (Die att. bereds., abth. II, p. 494, anmerk. 
7); vielmehr heisst es ,in dem jetzt schriftlich vorhandenen 
testament‘, im gegensatze zu der von den entfernten verwandten 
vorausgesetzten ,,berichtigten fassung‘“ desselben. Zu dieser auffas- 
sung zwingen die unmittelbar folgenden ausdriicke (ypayxz, neos- 
yodyas, inuvogdwons). 

16) Die rhetoren suchten oft irrig technische ausdrücke in den 
reden. So fand schon Quintilian (Inst. or. 111, 6, 3) den ausdruck 
oracıs in der rede des Aeschines gegen Ktesiphon (§. 206), und einige 
rbetoren erklärten die worte in der Midiana des Demosthenes #9" oic 
avtov noovßaloun» (8. 19) „weshalb ich gegen ihn die nmgofody (d. h. 
den ersten punkt der bei der lösung des definitionsstatus zu gebrau- 


chenden xsgdlasc) verwendet habe“, vgl. den anonymus bei W 
VII, 408, 24 ff. 


St. Petersburg. J. Lundk. 
Zu Julius Valerius. 

Cap. 13, p. 13, b. 8 schlägt A. Eberhard (Festgabe für Cre- 
celius p. 23) vor ,cui paullo ante patronus fuerat* statt des sinn- 
losen prius. Mir ist das bei Valerius vielgebrauchte praeses wahr- 
scheinlicher. Ebenso hatte er 1, 19, p. 19b, 4 se dedebat besser 
in sese dabat als in se concedebat corrigirt. 

Die in Philologus XLI, p. 651 zu Ill, 20 gegebene emendation 
ist, wie ich zu spät sehe, auch von G. Landgraf (ZfóG. 1882, 
p. 433) gemacht worden. 

Gottingen. K. Boysen, 





XII. 


Zur handschriftenkunde des Cornutus und Palae- 
phatus (Codex Ravii). 


In der neuesten ausgabe des Cornutus, der Teubnerschen von 
C. Lang, wird unter die handschriften der besten classe ein codex 
Ravii gezählt, über den der herausgeber folgendes bemerkt: 
»Ravii (hominis XVII saeculi) codicem in hoc genere numeramus, 
quia Gale ad initium Cornuti eum inscriptione cum Ox. 8, Flo- 
rentino, Vaticano congruere tradit. — Hunc Cornuti codicem Upsalam 
delatum esse ez eis suspicatus eram, quae A. Westermann docet de 
Pulaephati codice Raviano, sed spes me fefellit: neque in Upsa- 
lensi neque in Stockholmiensi bibliotheca illum adservari bibliothe- 
carius Upsalensis litteris ad me datis testatur*, In Gale’s aus- 
gabe Cantabrigiae 1670 wird die handschrift noch nicht erwähnt, 
dagegeu in der zweiten Gale'schen ausgabe der Opuscula mytholo- 
gica physica et ethica, die von Meibom Amsterdam 1688 besorgt 
wurde, wird zum titel der schrift angemerkt: „Gyraldi cod. et 
Oxon. «a consentiunt cum impressis Ox. 8, Flor., Ravii cod. et 
Vaticanus legunt Kovoroviov énidgou rQv xara rjv “EdAnvexny 
Jewolav nugadıdoufvwv. Ausserdem ist der Codex Ravii zum 
Palaephatus zweimal von Meibom herangezogen p. 8, not. 10 und 
p. 50, not. 1 der ausgabe. Auch Osann kennt our dies citat 
Gale -Meibom's. — Westermann’s kenntniss vom Codex Ravianus 
berubt auf Brunner's ausgabe des Palaephatus, Upsala 1663, der 
is der vorrede sagt: ,,M. Christianus Ravius hoc tempore Regiae 
huius Academiae rector — — codicem msc. antiquum satis, quem 


ye: . 2 
Ù me 


286 Cornutus-Palaephatushandschrift. 


ante hos viginti annos ipse secum Constantinopoli attulerat, eponte 
mihi obtulit commodavitque. 

Die älteren angahen (bei Gale und Brunner) sind so genau, 
wie sie eben bei einem in privatbesitz befindlichen codex sein 
konnten; varianten giebt Gale nicht, weil er wobl selbst nur ein- 
zelne notizen hatte, und Brunner führt zum Palaephatus nur weni- 
ges an. Westermann, Osann, Lange wissen weder über den ver- 
bleib der handschrift etwas, noch, wie es scheint, über die persön- 
lichkeit des Ravius etwas anderes, als was Brunner angegeben 
batte. Und doch hütte eine kenntniss des lebens dieses mannes sie 
leicht auf die handschrift selbst führen kónnen. 

Ich war in folge einer beschüftigung mit Pulch's Eudociaar- 
beit veranlasst, die Baseler Cornutus-Palaephatusausgabe von 1543 
einzusehen und stiess zufällig in dem Göttinger exemplar auf drei 
alte collationen des Cornutus, die hier von einer hand eingezeichnet 
waren. Ueber die bandschriften giebt der collator auf den ründern 
von p. 1 des griechischen textes folgende auskunft: Feb. 3. 1642: 
— Jn Cornutum collatum esse cum ms. codice Dni. 
Rauii, (die folgenden worte scheinen erst etwas später hinzuge- 
fügt zu sein) qui in omnibus fere cum ms. magni avun- 
culi Henrici Scrimgeri convenit. Ferner auf dem unteren 
seitenrande: Vide ms. in fol. numero 40 bibliothecae 
Bodleianae, ubi inscribitur Kovgrovrov énidgour, 
twy xatà r9» EdAAnvexhy FSewoluyv nagadedoptrwv: 
— Vide ibidem ms in Ato numero 60 cuius inscriptio 
est: DQovovov rov negl sig 10» Frwy pvoews. Letztere 
beiden handschriften liessen sich aus den varianten leicht mit den 
beiden von Lang benutzten Bodleiani- Barocciani identificiren, die 
erstere nr. 40 trägt heute die or. 131 und ist von Lang mit X 
bezeichnet, der collator bezeichnet ihn mit V(etus), die andere nr. 
60 ist heute or. 125, bei Lang G, beim collator B(aroccianus). 
Der Ravianus ist von diesem gar nicht bezeichnet. Diese collatiou 
in dem Góttinger bibliotheksexemplar veranlasste mich der person 
des besitzers nachzugehen und hat mich dann schliesslich auf die 
handschrift selbst geführt. Christian Rave's leben ist von Joh. 
Chr. Becmann nach M. Rohde’s leichenprogramma zu ehren Rave's 
in der Notitia «universitatis Francofurtanae, Frankfurt 1707 fol 
geschildert, weit ausführlicher aber unter beibringung aller beleg- 





Cornutus-Palaephatushandschrift. 287 


stellen und rectificirung älterer irriger angaben von Joh. Moller 
in der Cimbria litterata t. Il, p. 680—88 dargestellt. Der lebens- 
gang Rave's ist interessant genug, um ibm hier einige zeilen ein- 
zuräumen. Er ward den 25. januar 1613 zu Berlin als zweiter 
sohn dem pastor an der Nicolaikirche Joh. Rave geboren, studirte 
1630—1636 in Wittenberg, wohl auch in Königsberg, Leipzig 
und Rostock (vgl G. J. Vossius! brief an Franc. Junius d. d. III 
Kal. lun. 1638 stili novi in der ausgabe des Colomesius p. 320) 
theologie, besonders aber orientalische sprachen und gelangte hierin 
früh zu einem namen, 1637 bereiste er Dánemark und Schweden 
— dass er professor an der ritterakademie in Sorü gewesen wäre, 
scheint sich nicht erweiseu zu lassen, und beruht wobl auf ver- 
wechslung mit seinem älteren bruder Joh. Rave, der dort von 1640 
ab wirkte (aus Christ, Rave's brief an Meursius, Kopenhagen d. d. 
XVII Cal. lun. 1637 geht nur hervor, dass er damals im begriff 
stand als hofmeister der beiden grafen Gyldenstern aus Norwegen 
nach Soró zu gehen (vgl. Meursii opera t. XI, p. 611) — und 
schon anfang 1638 ging er nach Holland zu Gerh. Joh. Vossius 
und dem orientalisten Golius und mit ihren empfehlungen mitte 
1638 nach England, um den orientalisten Pocock kennen zu lernen. 
1639 trat er mit einem englischen kaufmanne Stringer die längst 
ersehnte reise in den orient an, nach Smyrna und Constantinopel !). 
Ausser auf die erlernung orientalischer sprachen verwandte er zeit 
und mühe, unterstützt durch den einfluss des holländischen und eng- 
lischen gesandten bei der Pforte und das geld des irischen erzbi- 
schofs Ussher, wesentlich auf das sammeln von handschriften. Nach 
einer für diesen zweck unternommenen reise durch Kleinasien 
kehrte er ende 1641 nach England zurück, im januar 1642 war 
er in London, aber schon im märz desselben jahres finden wir ihn 
in Leyden und hier in Holland ward er offenbar durch Vossius 
einfluss professor der orientalischen sprachen in Utrecht. 1645 
ward er an das gymnasium zu Amsterdam berufen als college von 
Gerh. Joh. Vossius. Aber schon im jahre 1647 folgte er einem 
rufe nach London und hielt im London House, dem palaste des 
bischofs von London bei der St. Paulskirche als professor des he- 


1) Vgl. die Epistola dedicatoria an den erzbischof Usserius in 
Christian Ravis discourse of the oriental tongues. London 1649. 8. 
Dem buche ist auch ein bildniss des 32jührigen verfassers beigegeben. 





288 Corautus-Palaephatushandschrift. 


bräischen vorlesungen, um schon 1648 diese stellung mit der eines 
professors der orientalischen sprachen und bibliothekar's am Mag- 
dulenen-college zu Oxford zu vertauschen. Von dort zog ihn 1650 
die königin Christine zugleich mit Descartes nach Schweden und 
dort blieb er 19 jahre, theils als professor zu Upsala, theils als 
direktor der königlichen bibliothek zu Stockholm. 1669 aber ver- 
liess er oder musste wohl Schweden verlassen — die gründe sind 
nicht bekannt?) — und lebte als professor regius Upsaliensis an 
der universität Kiel, die ihn bald zum professor honorarius er- 
nannte, bis ihn 1672 der grosse kurfürst nach Frankfurt a. d. 
Oder berief, wo er am 21. juni 1677 verstarb. 

Im orient hatte er einen grossen handschriftenschatz erworben, 
der in den gelehrtenbriefen jener zeit eine grosse rolle spielt und 
gewaltiges aufsehen erregte. Rave selbst redet schon in seinem 
briefe an Vossius d. d. 21. januar 1642 Londinii ex collegio 
Gresham von einem cataloge von 400 manuscripten, den er in 
druck geben wolle. Rohde's leichenprogramma spricht von 300 
volumina; aber erst 1669 in Kiel veröffentlichte Christian Rave 
sein ,,Spolium Orientis . . . . siue Catalogus mssorum orientalium 
in omni scibili non sine crebris vitae periculis Constantinopoli et 
alibi per triennium multo aere conquisitorum, quae nunc in Ger- 
maniam devecta Principibus Rebusp: Academiis et Bibliothecis pu- 
blicis . . . venalia offeruntur. (Kiel 1669. 4.). In diesem ca- 
talog sind allerdings 400 schriften verzeichnet, 600 andre kleinere 
stücke, fügt Rave hinzu, besitze er noch ausserdem. Ueber den 
erfolg dieses ausgebuts ist keine nachricht vorhanden, er wird sich 
vielleicht aber aus dem heutigen handschriftenbestande der Ravi- 
schen sammlung in der königlichen bibliothek zu Berlin noch an- 
nähernd bestimmen lassen, Denn in Friedrich Wilken's Geschichte 
der kgl. bibliothek zu Berlin (Berlin 1828) p. 50 ff. finden wir 
die fortsetzung der geschichte dieser sammlung. Rave habe schon 
1642 seinem bruder Joh. Rave, dem professor zu Soró, als pfand 
für eine schuld seine handschriften überlassen — dagegen spricht 
freilich der umstand, dass Christian Rave handschriften, 2. b. 


2) Angeführt werden Abraham Calovius theologischer einfluss, der 
Rave's bibelchronologie als irrlehre bekümpfte, und andererseits der 
unwile der studenten zu Upsala, denen Rave seine manuscripten- 
schätze zu zeigen verweigert haben soll. (Vgl. Joh. Moller a. a. o.). 





Cornutus-Palaephatushandschrift. 289 


an Brunner verleihen konnte und also doch im besitz seiner 
sammlung war — und Joh. Rave babe sie spüter (1659) mit nach 
Berlin genommen. Dieser ward nümlich 1659 als bibliothekar der 
neuzugründenden bibliothek vom grossen kurfürsten nach Berlin 
berufen und starb als solcher 1679. In seinem nachlass befanden 
sich Chr. Rave's handschriften und wurden 1691 der kurfürstlichen 
bibliothek übergeben und auf die von Wilken beschriebene weise 
erworben. Genaueres lüsst sich auch hier vielleicht noch aus dem 
archiv der königlichen bibliothek feststellen. 

In dem 1669 in Kiel publicirten katalog seiner handschriften 
führte nun Rave wirklich auf centuria IV, no. 4—8: 

4. Cornetus vel Phornutus aliquoties editus. 
3. Palaephatus Il. anlorwv, ex quo ms. codice et cl. 
Toldius (Tollius) in Belgio et postea M. Martinus 
Brunnerus collega coniunctissimus editiones quis- 
que suas accurauerunt. 6. Libanius de epistolico 
charactere. 7. Canon seu Lexicon in Catonis sen- 
tentias graecas. 8. Similis Canon in carmen Pytha- 
gorae aureum. 

Die Curnutushandschrift musste also 1669 von Rave verkauft 
sein — wohin, war dann schwer zu errathen — oder sich noch in 
Berlin auf der königlichen bibliothek befinden. Herr Dr. Th. Glei- 
niger hatte die güte das vorhandensein der handschrift dort fest- 
zustellen. Es ist Manuscr. Graec. Quarto nr. 9 der Berliner kö- 
niglichen bibliothek. 

Die handschrift trägt in ihrer jetzigen gestalt einen ziemlich 
neuen einband; bei dessen herstellung sind auch stücke, die nicht 
aus Rave’s sammlung stammen, mit hineingebunden. 

Es ist ein papiermanuscript, das jetzt 90 blatt zählt in klein 
quart, doch bilden fol. 52—65 ein kleinoctavheft, und blatt 88—90 
einen eingeschlagenen foliobogen. Auch blatt 44—51, 82—87 
zeigen durchaus abweichendes papier. Ferner weichen der schrift 
nach blatt 67—73 und 74—81 unter sich und von dem haupt- 
theil der handschrift ab, der aus den blättern 3 -- 43 und 66 be- 
steht. Letztere sind von einer hand geschrieben und haben immer 
ein heft gebildet. Dass auch blatt 66 erst beim zusammenbinden mit 
den übrigen schriften davon abgetrennt ist, scheint daraus hervorzu- 
geben, dass es eben ein einzelnes blatt ist, gleichartige schrift und 


Philologus. XLII. bd. 2. 19 





290 Corautus-Palaephatushaudachrift. 


auf der riickseite noch den alten stempel der Berliner bibliothek 
zeigt, der beweist, dass hier einmal die handschrift aufhórte. 

Der inhalt ist folgender: 

Blatt 1. 2 sind schou vor dem eiubinden verloren gegangen, 
blatt 3 und 4 sind iu folge des einflusses von feuchtigkeit sehr 
zerstört, so dass schon aus der mitte von blatt 3 grosse stücke 
herausgefallen sind. 

I. Blatt 3—14a. — Der aufang der schrift ist mit den 
fehlenden blattern der handschrift verloren, fol. 3 inc.: ünuuoriju. 
auugtwiog: [T]o à mgÓ roù » widovrus. ago Tov È qulovr«t. 
ngo rov [o wejdovras. moo roù x ydovrus nârr 100 [unaç] 4 nÀOG. 
aniw. ngo 100 Q wwAovius mÀZv rov 5 [Uupavg| nuyis xai «vpa, 
&guo; 4QuaÀqg i 1gogi) ugnviu xui done eldo; ävéuov. nyo 
tov © ywi[Zovra:|] Any 100 uou, uvii roù &uva xt. Expl. 14a: 

1641a. slot 14 mug duoU w lie, yeyguputra 

ang xayù utpadmqx« magu 100 diduczalov — 

ruviu 004 soysdlacu Iva xai Goi (l. ov) yvwoloj nc] 

nvevuurwy üvtsGroíyw» te Aoyovg dedindiuc- 

mévous 

dy puxquiaiw Auyw re. xui nebnx ti Ark 

Iva un Gv». Iw hacw Gov). rov rour zulg vuoi. 
So die handschrift mit allen fehlern. Sie enthalt ein lexikon, Ka- 
vores HEQÈ mvevputwy xal œvuoioiywr, in politischen versen (ka- 
talektische iambische tetrameter). Die beiden haupttheile, die regeln 
über die aspiration und die antistoechie der vocale, werden durch 
eine anrede an den schüler verbunden, die in höchst ergótzlicher 
weise den hunger des verfassers beklagt. Das ganze machwerk 
druckte schon Em. Miller 1874 in dem Annuaire de l'association 
pour lencouragement des études grecques en France. 8. Année 
1874, p. 222 ff., mit andern versen desselben verfassers ab aus 
einer kleinen papierhandschrift in 8", die er von einem möuche zu 
Caryes auf dem Athos kaufte *). Sowohl der Miller'schen, wic der 


8) Lies cv»9oàisao. 

4) Miller hat nicht immer den schon stark vulgürgriecbischen text 
richtig verstanden. Ich führe zu dem übergangsstück (Annuaire 1874, 
p. 235 ff.) zwischen den beiden haupttheilen einige correcturen bei, 
die ich theils A. Milchhoefer, theils der Ravianischen hundschritt ver- 
danke: v. 172 lies leyów. v. 186, ist nach vowsgud 7 zu interpungiren. 





Cornutus-Palaephatushandschrift. 291 


Rave'schen handschrift fehlt im anfang ein bis auf wenige zeilen 
gleich grosses stück. Mit den letzten von mir ausgeschriebenen 
worten des anfangs beginnt Miller's publikation. Am schluss hatte 
seine handschrift einige verse mehr. Auch sonst fehlen im Ravianus 
hin und wieder einige verse wie 58. 102. II. 8, 9 u. s. w. Viel- 
leicht ist als verfasser Maximus Mozarus anzunehmen, vgl. Fabricius, 
Bibl. Gr. ed. Harles Vl, p. 345. | 

ll. Blatt 14b — 18a. à oılywv oi sf aydves 100 joa- 
xAfovs. Fol. 18a rog rw» dwdexa aPiwv rov rgaxAtog. Es 
ist das von Westermann in den Mv3oygagos p. 349 -- 354 unter 
dem namen des Joannes Pediasimos publicirte stück. 

Hl. Blatt 18a. 34a Kogvovzov ztQi ovguvov fol. 34a expl. 
xaJ' qv &Quorté ovuuergias didaczoptrwr. Die capitelabtheilung 
(gekennzeichnet durch überschriften am rande oder auf halb frei 
gebliebenen zeilen und rothe initialen) weicht von der unserer heu- 
tigen ausgaben hin und wieder ab. 

IV. Blatt 34a— 43a JJulaiparou negi ıwv daloiwy icroguwr. 
Inc.: rude megi twv antoiwy ovyytygagu. Expl. fol. 43a 25 ov 
wreizus Sou BovAnifov avrQ* ix rovtwy ovv © uv9o;. Mit ca- 
pitelüberschriften in rother schrift, 

V. Blatt 43a—43b Orouaronoulu 175 rov àv9Qumov gv- 
oews. Incip.: 10 anuAov flofyua. Expl.: of dé rov modóg dux- 
Tvhos we xai 176 yelouç (sic). 

VI. Blatt 44—51 nomenclatur der versfüsse mit beispielen. 
Incip.: reg: dicvAA«fwv nodwr. Teoougwr. OlBoayuç 0 xai nuß- 
Olysoc xai nugluuBos xai xzıynolag xai nysuav Myerus, vu, Otóg.: 
onovdeiog 0 xal Ó(uaxgog Myeras, — —. povous. Expl. fol. 51b 
mit versfussschematis. 

VII. Blatt 52—65 in klein 8. fol. 52. 53 und 65b waren 
ursprünglich nicht beschrieben und enthalten jetzt brouillouartige 
auf den inhalt des heftchens bezügliche notizen. Der inhalt beginnt 
fol. 54 "EmiGroAixoi ıunos, inc. wy eémotoliawy rvmwv jya- 
xheldn Eyorıwv tv 9éwgla» xri. Expl. fol. 65b Wuyns yao don 
xaj dpFuiuwy ta yQ«upaiu Eogın x«i mariyugis. — Unter dem 
v. 198 I. ouvecxotalouny; v. 191 1. mÀgogc; v. 192 1. xai roíqSoyyoy 
oU ypüVHc ut. où xexopécess ydo ue; v. 193 |. nàggoqoges cov ‘ro xa- 
dws, yopywva, cs déco; v. 105 |. ef un va 19» youtdaw; v. 206 duyss 


207 ist so zu schreiben ddl’ Îva 169% re nollw, no96, x’ avtóg noviays 
II, 6 dé statt re II, 10 vai statt xai. 


19° 





292 Cornutus-Palaephutushandschrift. 


namen des Demetrius Phalereus zuletzt publicirt von R. Hercher 
in den Epistolographi Graeci. Paris, Didot 1873. 8. p. 1 ff. Die 
schrift scheint bedeutend jünger, wie in den bisher genannten theilen 
der handschrift; dieses heftchen stammt wohl überhaupt nicht aus 
Rave's collection. 

Vill. Blatt 66 enthält in abgekürzter form die von Wester- 
mann Mudoyedgos p. 355—506 abgedruckten °En(9era 919» des 
Niketas. Ueberschrift des guuzen fehlt. Incip. ’Enidera 100 dios 
(mit rother schrift). ixéovoc. êpéosos (sic). Sgxsos. dwdwvaiog. xt. 
Expl. éxiSexa npalorou (mit rother schrift). ywAog. augsyugesc. 
olrtsog. Anprios. — Die epitheta des Ares und Hephaistos sind 
an das ende des stückes gerathen. 

IX. Blatt 66b verzeichniss der ausdrücke für thier- und vo- 
gelstimmen, geräusche des feuers, windes gerade wie das bei Iriarte 
Catal. codd. Matrit. p. 306 zegi ogvewr (vgl. Fabricius B. G. t. 
VI, p. 163) und bei Fabricius Bibl. Graeca ed. Harles 1, p. 724 
publicirte stück. — Incip. “Eni xtxvov adew. ini undovog tege- 
tbe» xi. Expl. ni cduabwy rergeyévas. 

X. Blatt 67—73 Afavlov cogicrov émotolipaios yugax— 
tiges. Inc.: 6 pév émoralrixoç yagaxtng nosxldos tè xui Rodv- 
oysdng vnugyes. Fol. 79b expl: xai rw» xataduplwy éxano- 
Auvwy. Téioc. Von Westermann unter dem titel /IgoxAov 109 
Thurwrsxov negi énsotodsualov yuçguxinoos. Leipzig 1856. 4., 
danach von R. Hercher Epistolographi Graeci p. 6 ff. in anderer 
form herausgegeben (vgl. den Westermannschen apparat) Hinck 
hat dasselbe stück aus vaticanischen handschriften in Fleckeisens 
Jahrbb. 99, 1869, p. 537 ff. publicirt. Unsere handschrift ent- 
spricht der bandschrift K und Vatic. 82 bei Hinck, der textform, 
wie sie in der ausgabe Libanii Sophistae characteres. — Lugduni 
typis lo. lullieron 1614. 16. veröffentlicht ist. 

XI. Blatt 74—81: a) Kavoveg dx 10v uovoor(yov, b) fol. 
75b: dx idv xarwrwy (sic) tov xatwvoc, c) fol. 80a: xavoves zw» 
xovowr Enwv 100 [lvOayógov. 

XII Von weit jüngerer hand und auf modernerem papier 
blatt 82— 85: Z/osntixoì romos cloiv xf’. cAAnyoglu peragogu xi. 
Expl.: xai oviws tedgsovtus. Inhaltlich nur ein excerpt aus Xos- 
gofdcxov négi igonwy (vgl. Rhetures Graeci ed. Spengel Ill, 
p. 244). 





Cornutus-Palaephatushandschrift, 293 


XIII. Späte hand und spätes papier: klosterrechnungen und 
-briefe. Inc. fol. 86 + àgsgé£pas 0 manag cequpiu ano th üylay 
avvu Xovisagsu 85 etc. — Die briefe beginnen önwg r0 vué- 
TEQOY MOVAOTHQSOY 10 xudovuerov Tov Oylov TuvÀov xai elg dvoua 
Tıuwuerov tov aylov Erdotov utyalouaQrugog yeweylou slg noU 
xai unsıgov xutzide yofog róv nugôrra yoôvor. Brief 3 ist ge- 
richtet an den metropoliten von Chalcedon. 

XIV. Den schluss bildet auf einem foliobogen: Annotationes 
in Horapollinis Hieroglyphica (Edit. de Pauw. Ultraj. 4. 1727) 
auctore C. de Missy. 

Ein vergleich mit Rave's aufzeichnung ergiebt einerseits die 
identitát der handschrift, andererseits die thatsache, dass Rave's ca- 
talog nicht ganze bande aufzählt, sondern nur die einzelnen schrif- 
ten, da offenbar nr. | —V unserer handschrift, sowie XI abc im- 
mer nothwendig je einen fascikel gebildet haben. 

Die baudschrift bietet nirgends eine datirung, doch dürfte der 
grössere theil derselben wohl dem 15ten jahrh., vermuthlich seiner 
zweiten hälfte angehören, einiges wie die 2nsoroAsuuios zunos des 
Demetrius, (VII) die nosnzıxod zonos All so wie XIII und XIV 
stammen aus noch späterer zeit. 

Der werth der handschrift ist nicht bedeutend. In betreff des 
Cornutus hatte ich schun aus der Göttinger collation ersehen, dass 
Gale’s titelangabe der schrift Lang zu einem falschen schlusse in 
der classificirung der handschrift verleitet hatte. Gale wusste 
wohl our, dass Kogvovioc, nicht Dovpvovrog in dieser handschrift 
die namensform des schriftstellers war. Der codex gehört nicht 
zur besten handschriftenclasse (a), sondern zur zweiten (b) und 
speciell zur gruppe b’ (vertreten durch einen cod. Laurentianus 
plut. 60, cod. 19 (B) und den schon erwähnten Baroccianus 125 
(G). Der Ravianus ist aber jetzt der beste vertreter der gruppe 
b, weil er in manchen lesarten sich an den Vaticanus 1385 (N) 
anschliesst, und auch hei variiren von B und G meist die bessere 
lesart aufweist. Doch kann er weder aus N abgeschrieben sein, 
da er hin und wieder dort ausgelassene worte hat (z. b. p. 52, 
13 Kai dulyvoFas), noch kann er directe quelle für B und G sein, 
weil diese an einer lücke, die durch überspringen einer zeile im 
Ravianus entstanden ist (p. 53, 4), nicht theil haben. Da er aber 
doch nicht N an güte übertrifft, sondern ibm nur nah kommt, so 





294 Cornutus-Palaephatushandschrift. 


bietet er kein neues hülfsmittel für die emendation und Lang’s 
ausgabe hat durch nichtbenutzung der handschrift keinen schaden 
genommen. Die correcturen des zweiten hand in N (N, bei Lang) 
sind nach einer handschrift der gruppe b' corrigirt und stimmen 
merkwürdig gut mit dem Ravianus. Die varianten, die der letztere 
allein zeigt, sind zum weitaus grössten theile schreibfehler. Ich 
gebe dieselben vollständig — abgesehen von accenten und elision 
— in der weise, dass ich sie nur anführe, wo sie nicht ebenso 
wie O (omnes, alle handschriften), cett. (ceteri, wenn b mit einhe- 
griffen ist), b (zweite handschriftenclasse bei Lang: NBG) oder b' 
(BG) vom Lang'schen text abweichen, also alle varianten, wo der 
Ravianus alleinsteht, oder nur mit N oder N und einem der bei- 
den andern, oder nur einem von diesen codices übereinstimmt; 

P. 2, 2 Lang. 6 fehlt. 2, 6 nvèç ré (aus dè corrigirt.) 
2, 11 das zweite éx fehlt. . 2, 19 ddsanrwrog (mit w über o). 
3, 5 Luca | (wow bei zeilenwechsel. 3, 9 za na&vra (so auch 
NB) 3, 16 wegadtdoras (NG). 3, 17 avrj (NB). 4,8 
thy fehlt. 4, 14 alıe Aoyog. ei” coor” E19” an’ édnoel ev wvo- 
muoras und auf dem rande von erster hand" dco» ano rov médor. 
5, 7 «rwv? navrwy. 9, 14 xuPudow.  xegaururç (schreib- 
fehler für xeguuricis b). 6, 9 àmu9éac0i. 6, 13 waddcora 
(diese schreibung kehrt fast regelmässig wieder). 6, 15 gesElr. 
7, 9 xırloewg. 8, 45) £nlyvosc Énuyvonou  dn fehlt. 
9, 6 dvaxnarecy (G).. 9,9 uAdwe «ndn» (NG) 9, 10 
als dn (NG) 9,11 ro dopàav (GY. 9, 18 avrov rod wr 
(G). 10, 8 2Aunig. 10, 9 xasnorexors (a V. xarnorexon N 
xaingr Gi). olxeior zov 106 dia rovto rélesov avid Pvovuce. 
10, 8 dia. 10. 22 áÀaGr w Qu, 11, 6 das erste xai fehlt 
(G) 11, 11 dé xal r0. 11, 12 peixodes. 11, 15 we av 
(G). 12.2 edusldsxror. 12, 4 tyes (NaG). 12, 18 à» rakes 
di xui Groi(ysíov ur Éyorrog n£gac y svoueru (also wie b ohne 
die varianten von N und G). 13, 2 megey (veoFas. 13, 3 
ary Gywcyy. 13, 8 0" adn. 13, 13 érépuxroc 14, 1 
oY nuwr xodater xolacrngloss &E(osc (N corr). p. 12, 
99) negi doviag. 14, 10 pros 14, 11 megsocovs. 16, 
3 7100 din nrot dia. 16,5 Jallaix 16, 7 uéXdovs. 16, 


» 7, 16 — 14, 14 fehlt in B. 
6) Cp. XII und XIII sind wie in b umgestellt. 





Cornutus-Paluephatushandschrift. 295 


12 ngonsidlovos. 17, 9 alılar alıolav ravım. 17, 11 
anodld oTus. 17, 16 ogvecs. 17, 19 yo 026 18, 147) 
mf iovoe, 18, 15 «xui» dios. 19, 8 psdety fehlt. 19, 
8 nio; 19, 12 «di» nuviws. 19, 16 evAlrwe. 19, 17 
elras duo. 19, 18 duw inud;. 19, 20 revyore 19, 22 
xolus (yooug b). 19, 22 paci. 20, 2 Das letzte rj» fehlt. 
20, 4 megi rov. xur’ udtov. 20, 7 naous fehlt. 20, 10 
moognyogeve ti. 20, 13 16 fehlt. 21, 3 nAnolwr. 21,5 
peya o pere. 21,7 owıno. 21, 8 axa wnror (auf dem rande 
mit rother schrift richtig: axuxnıov, so b). — 21, 12 deyepovenc. 
21, 14 xata avilgpgacey (NG) 21, 19 voi; fehlt. 22,4 
10 Ouen xutuc (N,G). 22, 6 die rode (N$G). 22, 8 
Zuvdevourro (G) ovuflé Aorvısc. 22, 9 yovv fehlt. 22, 
13 17 d uvre (G). varvO wr tag. 22, 14 yag fehlt (G) 
zagogunu. 22. 19 megi fehlt. 22, 21 «rov cvuvdsiotus 
(N2G) xui xurudé}ysodus fehlt (G). 23, 1 curdéorros u v- 
I d C. 23, 4 Fadove. 23, 7 yeyarnoda (N), a&nodn- 
Aovviec. — elvas yérrqua. 23, 10 2E evpoovns. 24, 4 èm- 
6x € B ny. 24, 13 wc yonciuov te xai xowwrixóv 10 nag’ udidy 
éxeorov now viroc. 24, 19 mags ovas IN). — p. 25, 2 dé fehlt. 
25, 14 vos fehlt. 25, 15 ra ngodsdopeva (G).  xlénrer 
(G) 25, 19 vo uoc (N) 26, 2 deovtws. 26, 9 naga 
Qovii xui ndn fehlt (NG). 26, 18 ze 2x zov ul9fgoc fehlt. 
27, 3 péureuru. 27, 5 Cuore. 27, 8 uto] pèv 0vteg 
(uéllovres aus u£AAwuv N uéllorrec B uüllor G). 27, 10 &v- 
dard Fei 27, 12 Bosigewy <rroe thy Jelur dvvaper>. 
27, 16 riv) rè — w.«vei (N) 27, 19 dE érépwr. Im zu- 
satz p. XVII, vers 2 eogvoregos. v. 7 dapvataras iv G17- 
9 cosy voor. p. 23, 8 dax op qoewsc. 23, 16 ro fehlt. 
nooerta 29, 1 77 yevéoss fehlt. 29, 4 onov totpdas 
(NG). 29, 6 «vizi (G) 107 ovouror fehlt (G) 29, 14 Lo- 
quód tig 15 xai «dg» qu; 29, 18 3iànaooc« 29, 20 
aruda or. 30. 3 éfapsd petits. 30, 12 ro] ro 31, 1 
Badéwc] svdéws 31,17 deuBeBnutvu (diafePonutra b) 32, 4 
Enmrndlwg. 32, 11 xurevnvED Fae 32, 14 ruga 15 10010 xai. 
32, 18 duoyenoretus (c) 32, 20 dx den. (vgl. b) 30, 21 


7) P. 18, 13 — 25, 20 fehlt in B. 





296 Cornutus-Palaephatushandschrift. 


èxBiBewoxouevos (N) 33, 1 émuadolas. 33, 3 yevoptvg fehlt. 
33, 13 Cedc Em. 33, 15 wropacuévoy 33, 18 Aaußavovans 
NG. 33, 19 nayeïar (N), 34, 12 deduxévas (NG) 34, 18 
!mınikanıas (G énentxdexras, NsB énundéxovtas) 84, 19 avzoy 
(avróv aus aviov N avrò B avıwr G) 35, 2 Afyerus n0i004 
(6) 35, 5 rl xoi moogevpfoda, mit ovtug über ecPas (xai 
moosevotodus NG, xal noocevgovrag B) 35, 7 curecis xai 1 
avr (B) 35, 14 fyevixo v 35, 18 # fehlt (NB) 36, 7 cdy- 
vatav (B) 36, 8 nag9£vva «avrà tov. 36, 19 zo fehlt. 
37, 6 ravrnr. 37, 7 gularızov. 37, 8 eO ga sag 37, 
12 éyy tv wou 37, 16 dia9ewow (BG älnlich) 37, 20 
eos dawy. 38, 7 ngontgtvyorag. 38, 21 das zweite dia 
fehlt. 39, 1 evroderor. 39, 14 xara <rôy> rosoërov. 39, 19 
woneg. 40, 1 ávgoqu évas 40,8 sic] èv mit übergeschr. eic 
40, 13 où xur Gddo. 40, 16 ügeoç. 41, 5 roov r0 rxya 
ts 41, 14 oloxnos. — á»vemoiQagíéc 41, 22 yıvoyera 
42, 9 eienvias. Falacons 42, 14 ut£AA av sivas Afyere. 
42, 18 wn x vuxóv 43, 2 «v rw déovros (G) 43, 11 re 
xai. 43, 13 Eyes fehlt (N). As, 9 xgvniou£vesv. 44, 12 
dada cour. 44, 14 dlwidac (alwiduc NB). 44, 18 xa à- 
Lovo. 45, 3 apçodlinc 45, 4 n lvayovoo. 45, 6 
vou x (dnç 45, 16 d’ nentas. 46, 10 yulpesv. xa- 
9ugsorv (xaPdgesov b) 46, 15 pfAnıga (B o(Aviga N gv- 
Antea G) 46, 17 nox. 46, 18 ágociovptro 47,1 
in avtoîg 47, 18 jgwr o» (NG) 48, 7 ngeof v 1210€». 
48, 9 4) we. 48, 13 duvapis. 48, 19 éyévnowr. adored 
(G; N uud B nur im accent verschieden ^ a J«uavu (N) 49, 
3 amodevros (GB;) 49, 7 rgax vigo. (NG). ta d» 
avw. 49,9 oyewrov Aonyvóv dé (B!) 49, 11 év<zo> 
Toig. 49. 18 nugduidsy (NB) 50, 5 dsacteiotas 50, 
7 Ei tè. 50, 16 ducidamorus 51, 3 xadagovr xai &pn. 
91, 5 y £v veow x7n08 <nagsotaos>. 51,9 xatwndlorzas 
(Ns) 51, 14 de? re (Ns By) 51, 17 nagéyes (Ng B) 52, 
32 <toiç> un ualax. 52, 8 éowraru (NB) 52, 13 das- 
rec (NG) xai dubyyvoFaus und übergeschrieben von dersel- 
ben hand zgwysodas. dies. 92, 14 a <udhoru> Ent. 

53, 3 inei 14 nuga — ta dv xócuo 53, 4 xai Cuiwy pring, 
olg «ino» rov Sav tò nvgwdés icr, fehlt, weil der schreiber am 





Cornutus-Paluephatushaudschrift. 207 


zeilenende von êorè auf Zozs übersprang, fehlt nach Lang’s apparat 
in keiner andern handschrift. 53, 10 <ovaws> éxAndn. 53, 
21 ny ageorus. 54, 5 üvapgınsicdas 54, 13 y & voueror. 
54, 22 Amos i, gas. 55, 5 my dnuiregos (N). 55, 14 
dures (NG). 56, 2 àvvaritoy 56, 5 pates (NG) 56, 20 
yvouodéitny 56, 21 Jeouwr. 57, 4 mynornga 57,8 
xaJ' twas (B). xaddsizas 57,16 EdoËugç (N) 57, 18 
cnodus. 58, 8 «xai» Auorra. 58, 5 pra (so a, guras 
bc) 58, 14 aùtmns yéveois 58, 15 némavor <rwy> xuv- 
parwr. 59, 16 alors. 59, 20 dik rovrov. 60, 5 ws 
xai dduyngogogov 60,7 vfes 60, 11 yoouérwr 61, 
2 yuluywyıa (G) 61, 3 deu rovro dv rH xouvj 61, 9 
oolpesto. 61, 18 xurudedoyevu 62, 14 èxuonour. 62, 
23 doyoss 63, 18 xexoulodu (B) 64, 9 <xai> ngoçqxer 
(B). 64, 14 doger öupuln 64, 17 où det dé doxety 
(NG) 65, 2 ef cedgrn. 65,5 dia 10010». 65, 11 moogne 
uwvioug 65, 14 nulus, ws 0 mosmrns dug. (NG) 65, 16 
pavin (NsG puviny) 65, 17 10 oor. 65, 19 wrouad ras. 
65, 21 anoAlovıu (G) 66, 4 anoAouvru. 66, 7 ovre- 
oıwg (aG1) 66, 13 «oq» (B; agony NeG) 66, 19 Aap- 
ngog êxei dì olxelwe elg uviwy (mit o über w) 67, 11 
xai fehlt. 67, 19 42015. 68, 14 xudag 0 sc. 68, 16 no0- 
z oéywv (N) 69, 13 oxso wv1at te (B) 69, 17 xadéouvres 
n 1 ovr. 69, 20 axoa eti. 70, 4 unodedosyévas. 70, 5 
10v 10v 16 103w (G) 70, 7 ánoxigow. 70, 9 roo pevos. 
70, 10 ded Eeodas. 70, 11 ava d 70, 13 rvig Fosxer. 
70, 16 xurar{nrwmer (N) 70, 19 roig largexg (Ns) 71, 6 
ofliuc. 71, 8 and rov Bulles <devgo> r. a. 71, 17 
mieu Genus 71, 19 ioo zy». 72, 9 uervoudy 72, 10 
zo, 110» 72, 13 19100 rq; 72, 15 dia rag nutgus (NG) 
72, 19 &ugpal portes. 72, 20 y5»]| evar (G) 73, 8 sirva 
rj G@indvia 73, 15 dowrww 74, 8 dial urroyruç dB. 74, 
9 x4. «di^ 6 ad. 74, 12 ror dvFew rov (mit w über o) 
74, 13 avréc 75, 1 xado vıwv 75, 6 aneyenouro 79, 
7 gooyuviwr. 75, 9 adzov 16 diurım (adıuvım b) 75, 15 
xai mv éguvvev (G (ohne rjv), B) 76, 2 crosyetu (Na) 76, 
7 émreunewc. 76, 13 Ovoidosuoveiy (N). 

Wo keine variante angegeben ist, ist die übereinstimmung mit 





298 Cornutus-Palaephatushandschrift. 


b’ vorauszusetzen. -- Die in der Göttinger ausgabe des Cornutus 
eingeschriebene collation ist in allen positiven angaben durchaus 
treu, so weit eine probeweise vergleichung einzelner abschnitte ur- 
theilen lässt, dagegen sind mehrfach kleinere varianten -— häufig 
wohl mit absicht — nicht notirt. Ebenso sind die variunten aus 
X und G, den beiden Barocciani, meist genau mit den angaben 
Lang’s übereinstimmend. Doch hat der collator auch angaben, die 
Lung’s collation wie es scheint erganzen können. Uud um aus 
den ersten zwölf capiteln das wichtigere anzuführen so z. b. soll 
2, 5 X diuxexocpetcdas 2, 18 oi nulwoi 3, 1 dornges 

3, 17 wın A, 4, 5 xai woneg miDQuvwr«zor bieten, 6, 16 2£o- 
zus] evoroyws 7, 3 Aoyor] 100n0v mit übergeschr. Ao — 7, 15 
où yay GÀÀwug ouvecimtu 1ù Oven el ur wc ini Jeusklw ravine 

8, 13 «i» Onıw 9, 6 riv <xur>uwiyldu 9, 16 xal 190- 
musovyor fehlt 9, 18 dearéraxtus dg 10, 16 n«vrw» fehlt. 
Zu der umstellung notirt der collator: /n codice ms. (sc. Raviano) 
caput regi twr uosuwr praeponitur capiti negi zwr Astwy: atque 
ita in Barocc. utroque: 12, 8 muguvdwaus dé 10 nagidoviug 
wrag voregor xrA. Jedoch sollen im widerspruch zu Lang p. 2, 
13 folgende worte in X fehlen: nvig dé qpuow &nó rov dei Deir 
olrws uvrdr wrouac29o, eine behauptung, die duch wohl nur auf 
einem versehen des collators beruhen kaun. Aus G habe ich bei- 
spielshalber folgende varianten notirt, die bei Lang nicht auge- 
führt sind: 

6, 9 érredéuor 6, 14 Dovyic 7, 14 xudovow 9, 
18 dicurürus pèv 10, 8 muenxuacpérvor xrÀ. 

Sind diese angahen nicht irrthiimer des collator's, so hätte 
Lang doch wohl, wenngleich er schon potiores tantum potiorum 
codicum scripturas erwähnen wollte, einen theil derselben auffüh- 
ren müssen. 

Bemerkenswerth ist die notiz der collation über den Ravianus 
qui in omnibus fere cum ms. magni auunculi Henrici 
Scrimgeri conuenit. Denn sie belehrt uns über die person 
des collators. Es war Patrick Young oder in der üblichen latini- 
sirung Patricius lunius, der gelehrte erste bibliothekar der King’s 
Library in Loudon, über den die briefwechsel und schriften der 
Vossius, Meursius, Holstenius, Casaubonus, Camden, am besten aber 





Cornutus-Palaephatushandschrift. 299 


Thomas Smith’ Vitae quorundam eruditissimorum et illustrium. vi- 
rorum 5). Londini 1707. 4. auskunft geben. 

Weiter ist nach jener notiz ein schluss erlaubt betreffs des 
bisher nur aus excerpten bekannten codex Scrimgeri. Der ge- 
lehrte Schotte Henricus Scrimger (nachrichten giebt Thomas Smith 
in der Vita des Petrus lunius. Vgl. auch Allibone's Critical Dictio- 
nary of english litterature Il, 1981) collationirte und excerpirte 
bei seinem aufenthalte in Italien eine grosse zahl griechischer ma- 
nuscripte. unter andern Ntrabohuudschriften, collationen, die Casau- 
bonus beuutzte (vgl. Thomas Smith, und Lucae Holstenii epistolae 
ad diversos edid. Boissonade. Paris 1817. 8. p. 20. 70). Diese 
collationen kamen in Patrick lunius besitz und so auch eine col- 
lation des Cornutus und Palnephatus, die ebenfalls in dem Holsten- 
schen briefwechsel erwalint, wird p. 12 — 13: Est penes eundem 
Palaephati et Phurnuti exemplar collatum olim ad 
codicem Florentinum a Scrimgero uvo eius, dimidia 
parte atque amplius edito auctius, Si tibi animus est 
hosce quoque auctores in lucem reuocare libentissime 
omnia tecum communicabit. Nihil enim illo viro 
humanius cogitari potest et promptius ad literas iu- 
vandas. Ferner existirt in Paris eine abschrift, wie es scheint, 
der Scrimgerschen excerpte cod, Parisin, 3076, der von Osann be- 
nutzt wurde (als Paris. 2), und Osann schloss nach Holsten's notiz 
mit recht, der codex Scrimgeri sei wohl in Florenz zu suchen. 
Nun sagt uns lunius durch die mehrfach erwähnte notiz seiner col- 
lation, dass die Scrimgerschen lesarten fast durchweg mit dem 
Ravianus stimmen, mithin dass der codex des Schotten zur classe 
b' der Cornutushandschriften gehörte. Endlich stimmen die lesarten 
von Osann’s Parisinus 2 (cod. 3076) mit Langs codex B = Osann’s 
Laurent. 4 und dies führt zu der zwingenden annahme, dass cod. 
B eben der codex Scrimgeri ist, denn gerade in den B eigenthüm- 
lichen lesarten stimmt der Parisinus 3076 überein, wie man sich 
bei Osann leicht überzeugen kann. -— Daraus ist dann weiter zu 
folgern, dass Scrimger den codex B noch unversebrt vor sich hatte, 
und die stiicke p. 7, 16 — 14, 14. 18. 13 — 25, 20 der aus- 


8) Das buch enthült die Vitae des Iacobus Usserius, Ioannes Co- 
sinus, Henricus Briggius, Ioannes Bainbridgius, Ioannes Gravius, Pe- 
trus Iunius, Patricius Iunius, (vater und sohn), Ioannes Dee. 





300 Cornutus-Palaephatushandschrift. 


gabe Langs erst spüter verloren gegangen sind, weil der Parisinus 
3076 varianten zu diesen abschnitten bietet. Dann hängt aber 
auch vielleicht der Ravianus noch enger mit B zusammen, jedoch 
habe ich schlagende beweise einer direkten abhüngigkeit des einen 
vom anderen nicht gefunden. Es ist jedoch nicht nur die namens- 
form Kogrovros in beiden handschriften bewahrt, sondern auch B 
bietet in der gleichen folge wie der Ravianus den tractat des Pe- 
diasimus über die zwölf arbeiten des Hercules, den Cornutus und 
Palaephatus, 

Young hat seine collation datirt —, der 3. februar 1642 soll 
wohl den anfangstag des vergleichens bezeichnen — , die angube 
passt, vorzüglich zu den nachrichten über Ravius, der ende januar 
aus London (ex collegio Gresham) an Vossius meldet, er sei aus 
Constantinopel mit einem reichen schatz orientalischer handschriften 
zurückgekehrt, wührend andererseits Ludovicus de Dieu ebenfalls 
in einem brief an Vossius von ende mürz 1642 die anwesenheit 
Rave's in Leiden bezeugt, (vgl. Gerh. loh. Vossii et clarorum vi- 
rorum ad eundem epistolae coll. P. Colomesio. Londini 1690 fol. 
Rave war natürlich mit den bedeutenderen gelehrten Englands be- 
kannt geworden und so auch mit lunius, mit dem sich auch sonst 
literarische beziehungen Rave's nachweisen lassen (vgl. die vor- 
rede Rave's zu seinem Apollonius Pergaeus, Kiel 1669; die vor- 
rede des Montacutius zu der ausgabe der briefe des Photius und 
einen brief des Cornelius Tollius an Rave, auf den ich noch zu- 
rückkommen werde). 

Soviel über den Cornutus. 

Es ist naturgemäss, hier auch einige bemerkungen über den 
rest der bandschrift anzuknüpfen, und zwar zunächst über das 
wichtigste stück des ganzen bandes, über den Pulaephatus. Es er- 
geben sich hier ühnliche modificationen der in den bisherigen aus- 
gaben geltenden anschauungen über den codex Ravianus, wie beim 
Cornutus, 

Westermann scheidet ganz richtig die handschriften des Pa- 
laephatus in zwei gruppen nach der stark verschiedenen form des 
textes. Er führt dann aber fort: (Mythographi ed. Westermann 
p. XIII) Medium quasi inter utrumque librorum genus locum tenet, 
satis antiquus ut videtur liber, Ravianus (R) a Christ. Ravio c. a. 
1643 Constantinopoli Upsalam allatus ac primum a M, Brunnero 











Cornutus-Palaephatushandschrift, 301 


inspectus. Hic enim tectum repraesentat, cum vulgato multis locis 
discrepantem nee in singulis vocabulis tantum lectionum bonitate 
praestantem, verum etiam vulgatis aliquanto integriorem atque au- 
ctiorem quanquam tantundem eodem nomine ab altera familia di- 
stat, ita tamen, ut an non satis accurate collatus et excussus sit 
iure dubitari posse videatur. Letzteres bedenken ist nur zu ge- 
rechtfertigt: Brunner's ausgabe, auf der die ganze bisherige kennt- 
niss des Ravischen textes beruhte, giebt nur einen bruchtheil der 
lesarten, und auch die übrigen handschriften (speciell der zweiten 
classe) hat Westermann mit einziger ausnahme des Dresdensis nicht 
selbst eingesehen, sondern sich hier mit Tollius und Gale’s ganz 
unvollständigem apparat und den bessern nachrichten Fischers über 
den codex Mosquensis begnügt. 

Schon aus zahl und folge der capitel im Ravianus geht her- 
vor, zu welcher handschriftengattung derselbe gehórt. 

Auf cap. Il der ausgaben folgt cap. VI. VII. VIII, dann wie- 
der cap. lll. IV. — Cap. V moi ‘Qeiwvog fehlt ganz, ebenso cap, 
XXXV. XXXVII und alles von cap. XXXXVII ab. 

Cap. V fehlt überhaupt in allen handschriften, cap. ll — IX 
folgen im M(osquensis) und D(resdensis) genau in derselben reihe 
wie im Ravianus, aber cap. XXXV und XXXVII fehlen in D M 
nicht, wohl aber in den O(xonienses). In betreff der letzteren sind 
aber Gale's angaben entschieden mangelhaft. Es stehen uirgends 
angaben über die folge der capitel, in folge dessen steht auch bei 
Westermann nichts, und man glaubt annehmen zu dürfen, nur DM 
hatten die oben angegebene folge; in betreff des A(rundelianus) 
und T(ollianus) liegt die sache ebenso. Der schluss ex silentio 
dürfte bei den angaben Gale’s und des Tollius nicht erlaubt sein, 
Der anfang des capitels weg: tov “Axialwros (iu den ausgaben cap. 
ill) nach der lesart des Oxoniensis quoi xoi ravra megi *Ax- 
z&(uvog scheint den anschluss an das capitel vom Teumesischen 
fuchs vorauszusetzeu und die obige capitelfolge dürfte auch für O 
anzunehmen sein und also mit dem Ravianus stimmen, jedenfalls 
aber kommen beide im gegensatz zu MD in dem fehlen der capitel 
XXXV und XXXVII überein. — Ferner stimmt aber der: Ra- 
vianus nach dem apparat bei Westermann in sehr vielen lesarten 
zwar mit DM überein, jedoch beweist die gleichheit gerade cha- 
rakterischer varianten zwischen O und R, dass R nicht so sehr 





302 Cornutus-Palaephatushandschrift. 


zur engern gruppe DM, sondern zu O gehört, und es ist vielmehr 
unzuuehmeu, dass uns Gale die varianten von O von seinem texte 
nur da gab, wo sie ibm wichtig zu sein schienen; eine verglei- 
chung der handschrifteu wird ohue zweifel eine weit stärkere über- 
einstimmung zwischen O und R, als zwischen RDM ergeben. Diese 
übereinstimmung zwischen O und R geht freilich nicht so weit, 
dass nicht jede handschrift bisweilen sätzchen und worte hätte, die 
der andern fehlen. Im allgemeinen scheint auch der text des Ra- 
vianus besser zu sein, wie der der Oxonienses und ein zukünftiger 
herausgeber des Palaephatus würde ihn wohl hauptsächlich zu 
grunde legen müssen. Hierzu eine collation des Ravianischen Pa- 
laephatus mitzutheilen , ist deshalb unthunlich, weil das bei der 
zwitterhaften textgestaltung Westermann’s (ein gemisch aus beiden 
handschriftenclasseu) ungefahr einem vollen textabdrucke gleich- 
kommen würde. 

Nur das scheint auch jetzt schon festgestellt werden zu kön- 
nen, dass die übereinstimmung zwischen den handschriften der 
zweiten classe (nach Westermann OabcATDM C(antabrigiensis) 
G(allicus) ?) F(lorentinus)) eine weit grössere ist, als Westermann 
annimmt und dass ein zukünftiger herausgeber den Palaephatus 
wirklich in zwei redactionen, der kürzeren vulgata und der der 
ebengenannten handschriften, wird neben einander geben müssen. 

Auch dürfte sich die zahl der Westermannschen handschriften 
etwas verringern. Denn die handschrift über die er bemerkt: Sed 
quem locis nonnullis fab. 2 adhibuerit suum (B) M. Meibomius 
qui Galli editionem curavit, prorsus obscurum est, ist nichts weiter, 
wie der Cantabrigiensis, den Gale, bis 1672 Regius Professor of 
Greek in Cambridge, mit recht als noster bezeichnen durfte. Ebenso 
dürften die handschriften A(rundelianus) und 'T(ollianus) zu identi- 
ficiren sein. (Westermann: Tollianus (T) ex Londinensi aliquo 
descriptus, quanquam hic num idem sit cum eo quem A appellavi, 


9) In das mehrfach erwühnte Góttinger exemplar des Cornutus 
und Palsephatus hat Patrick Young aus diesen beiden handschriften 
C und G collationen eingetragen, aber weit dürltigere wie die zum 
Cornutus. Zu einigen wenigen stellen hat er auch lesarten aua dem 
Raviunus gegeben, besonders zu cp. 40 u. 41 und zu einer stelle (vor- 
rede éned$uiv) beruft sich Young auch wieder auf Scrimger's codex. 


Auf. p. 78 rand bemerkt er: Paluephutus collatus cum ms Cantabri- 
giensi qui in collegio Trinitatis asservatur et codice regio Galliarum ms. 





Coroutus-Palaephatushandschrift. 303 


quoniam haud paucis locis cum eo discrepat, non liquet.) Gale 
sagt ausdrücklich in der vorrede seiner Opuscula mythologica etc, 
Cambridge 1671: Ad Palaephatum  recensendum libros quinque ad- 
scivi — — und nach aufzählung des Cautabrigiensis und dreier 
Oxonienses fährt er fort: Ex Tollii annotationibus quintum habes; 
is erat descriptus ex Bibliotheca Arundeliana Londini; nobis Arun. 
et Lond. brevitatis gratia appellatur. — Das heisst doch our, 
Gale lat die varianten dieser hundschrift aus der ausgabe des 
Tollius entnommen. Dieser sagt über die handschrift: Animum in- 
primis confirmavit. — Claudius Salmasius qui utriusque | scriptoris 
et Puluephati et Phornuti suppeditavit mihi ex veteri libro Londi- 
nensi unoypugyor. Huius auxilio plurima loca correxi, variantes 
lectiones quae leviores videbantur cuivis capiti subieci, textum au- 
tem relinui vulgarem. Dass dus original des apographum iu der 
Bibliotheca Arundeliana war, sagt Tollius nicht, und Gale's aus- 
sage ist vielleicht our eine auf vermuthuug begründete behauptung. 
— Denn seine angaben aus der handschrift gehen trotz der ge- 
geutheiligen behauptungen Fabricius! und Westermauns keineswegs 
über das von Tollius gegebene hinaus und doch müsste dies fast 
nothwendig der fall sein, hatte er die handschrift selbst in hünden 
gehabt. Westermann ward irre gemacht durch die discrepanz der 
angaben bei Tollius uud Gale. Diese existirt aber nur scheinbar. 
Denn Gale citirt deo Arundelianus meist mit deu Oxonienses zu- 
sammen. Von diesen besass er collationen; da, wo er nun bei 
Tollius codex übereinstimnungeu mit den Oxovienses fand, citirt 
er diesen mit für die ganze stelle, ohne die einzelvarianten zu be- 
rücksichtigen; nirgends giebt Gale mehr oder anderes wie Tollius, 
wo er den Arundelianus allein. citirt, wo er aber mehr giebt, 
fubrt er die lesart der Oxonienses au und setzt den Arundelianus 
hinzu. Jedoch hat er bei weitem nicht alle variauten, die Tollius 
aufülrte, wieder aufgenommen, Auch hat Westermann seinerseits 
mehr angaben über den Arundelianus herausgelesen, als bei Gale 
stehen, denn wo dieser nur allgemein die lesarten der handschriften 
angiebt, ohne eine bestimmte zu uennen, hat Westermann alle hand- 
schriften Gale's, also auch den Arundelianus, angegeben.  Schliess- 
lich hat Westermanu hier und da auch Tollius angaben missver- 
staudeu. Ist so A und T uur für eine haudschrift zu halten, so 





304 Coroutus-Pulnephatusliandschrift. 


bin ich sehr geneigt, unter diesen beiden eben unsern Ravianus zu 
verstehen, so zum verwechseln ähnlich sind beide. 

Es würde dies aus dem Westermann’schen apparat sofort in 
die augen springen, wenn demselben vollständige collationen der 
verschiedenen handschriften und nicht bloss einzelne variae lectiones 
vorgelegen hätten. Am nächsten steht, wie schon oben mitgetheilt 
ist, R zu O, dann zu MD, charakteristisch können mithin nur stel- 
len sein, wo T zu diesen, speciell zu O in gegensatz tritt und 
diese sind bei aller ähnlichkeit der handschriften dieser classe im 
grossen und ganzeu und bei der mangelhaftigkeit der kenntniss 
derselben doch zahlreich genug. P. 270, 21 ed. Westermaun: 
nuéous yàg Ovıwv avrüv xaronıy Ta vura avroig R0QQwŸEr 
ogwos uovov epulvovro tov Innov 1ù Aowrà Any ıng xepadîi, 
ov Où urdewv ra Àounà niv 100v oxıAwr. 272, 1 rePeQaumevecFas 
(R: — evoFas). 275, 20 cvng 19 yévee; 276, 2 pesdsEduevoc. 
277, 3 ov d° av sige diudvoucda: un Ovraueror 1obrov ávgQes 
diadvoapivov. 278, 1 ix rov ngoparws payecda:* ovx (R: ov) 
yao toéges. 279, 6 roù rvufov. 279, 8 Qéyeras ws Avyxevs. 
281, 1 ádvrarov ; 281, 10 èxBAnderros dé; 283, 13 Afysrus Gu 
ovrog; © avdowros fr. 285, 9 dt; noófara. 287, 15 6, re dev 
&Ffin u.s. w. Ueberall stimmt R aufs beste, bis auf ganz gering- 
figige versehen. Auch ist zu bedenken, dass ja Tollius nicht das 
original benutzte sondern nur Salmasius’ abschrift. — Bei We- 
stermann finden sich indessen auch lesarten aus T angeführt, die 
mit unserer handschrift nicht stimmen, aber ein theil erklärt sich 
wohl aus Tollius’ ausgabe selbst, ein anderer aus wirklichen ver- 
sehen Westermanns, der rest dürfte auf irrthümer des abschreibers 
der Londoner handschrift zu setzen sein. Cap. XI aufang setzt 
Tollius (seine ausgabe p. 34, Westermann p. 280, 1) zu Kusveug 
qv Yerıuloc. Zum worte Kasveùs die note avg. Las er nun 
wirklich wie Westermann meinte (Kasvevc om. T. dvjo qv T.) 
"Avyg ny oder wie der Ravianus bietet Kasreog anne rv? — Aehn- 
lich cap. XXI: Atyovos megì Sxvddng xrÀ. anmerkung: éyeras. 
Soll gelesen werden Afyeras negi Sxvddng oder nur Æéyeras ohne 
"tg Sxuddng, wie der Ravianus hat? 

Zu 294, 1 merkt Westermann an: ovoua dè nr DM àvóuan 
T omisso aùr®. Tollius giebt weder unter dem texte (p. 72) 
noch in der Annotatio (p. 227) diese lesart an, hat aber im texte 


Corautus-Palaephatushandschrift. 305 


àvópan, das ist aber der unveränderte vulgatatext und nicht les- 
art seiner handschrift. 295, 17 führt Westermann an «uvvova 
VbeT und vorher raga DM. Tollius selbst (p. 76) giebt genau 
mit dem Ravianus übereinstimmend saga :iàv Gvwra. 297, 2 sol- 
len T und R (nach Brunner natürlich) differiren, aber hier ist die 
angabe für R einfach falsch, der genau wie T bietet: 0 opPadpog 
iv :d ységes. Indess bleiben wirklich discrepanzen wie p. 297, 
3. 4 ownscav R, owigcav T; anmgoiwıo R, éxnoroovrio T 
und besonders 291, 1 wo bei Tollius (p. 222) angemerkt 
wird: Praetereuntur haec verba (Zv dé 5 yxipaloa — péon dè zl- 
pasga) in veteri libro; an recte non pulem, während die worte 
im Ravianus stehen. Aber sind das nicht fehler, die erst aus der 
abschrift des Salmasius stammen könnten? 297, 7 soll T bieten 
ngocanoxtelvery; R bietet thatsüchlich zgoganoxısveiv wie OaA 
(dies A ist nicht als beweis zu betrachten, dass Gale die hand- 
schrift eingeseben hütte) aber so geschrieben, dass man bei flüch- 
tigem ansehen leicht arzoxzsivew lesen kann, denn der eine strich 
des &»-zeichens ist mit dem circumflex zusammengeflossen, der an- 
dere steht frei wie ein jota über dem ¢, so dass eben der Ravia- 
nus selbst den anlass für verlesung gegeben zu haben scheint. 
Auch in cap. XXVII steht T mehrfach einzeln angeführt, und 
überhaupt sind die varianten hier für das ganze verhältniss der 
Palsephatustexte so charakteristisch, dass ich es für nützlich halte, 
im gegeusatz zu der auch von Westermann im wesentlichen fest- 
gehaltenen vulgata den text der zweiten handschriftenclasse in 
ibrem besten vertreter, dem Ravianus, an dem beispiel dieses ca- 
pitels vorzulegen. Als überschrift roth auf dem rande: /7egi TAuv- 
xov 10) Text: xai oviog 6 uv9og mayy£los, Gg di tov yAavxov 
dy 1 péddovu anodavovios. 0 pivwg Ev tH 10uP@ xuruigute 
TOv xugurov modridoy, 06 iv ix tov apyov. ovt0g lduv deuxoria 
tito dgaxorvts revers noa» émmOévta xai avactyncas uvròr, 
xal uvtog avr0 mowjGag' 16 ylavxd avéornoev aUrÓw (corrigirt 
aus wur)" oneg cuir advvatoy dnodurdria ardea avactiva, 7 
Dev, GAd’ oùdè addo Cwow ly£vezo. dé ri (aus 104) tosorde. yiuù- 
xog nowy uti. étaguydn tiv xosdlav. yodng dé mislovog avidi 
mndetons xai AesnoPuujoavtog dgíxovro of te dn uddos lazgof, 
10) Cap. XXVI ist überschrieben neg? 4soundovs, so dass im cod. 
Rav. nur zwei Glaukosartikel stehen. 
Philologus. XLII. bd. 2. 20 





306 Cornutus-Palaephatushandschrift. 


WS Xonpura Ampo uevos, xai wedc Tovrosg molvidog: 70g dè exdel- 
zovrog avroù tldug teed moav Wpsdoùcur fiv tuads maga uro; 
laigov d Ovouu f» decxur xai ravin 17 Poruyn xoncaptvog 
vyid énolnoer tov yhaëxov. Eleyov dé of &v9owros, nodvidos 
yhavxov und pélitog anodurivıa foravn av&oınoev, ny naga ded- 
xoviog Euader ag’ ov of pvPoyeugos ıwr prIov Erlacav. So 
die handschrift sammt ihren accent- und orthographischen fehlero. 

Auch ausser der textübereinstimmung spricht manches für 
meine annahme. Io dem jahre, in welchem Tollius nachweislich seine 
ausgabe arbeitete, 1647, lebte ja Christian Rave in London vgl. 
Joh. Moller, Cimbria litterata Il, p. 682: A. 1647 ab Anglis in- 
vitatus in Episcopi Londinensis aedibus auscultante toto ordine ec- 
clesiastico bis quavis hebdomade docuit sequenti autem 1648 Ox- 
oniae — obtinuit. Seine handschrift musste mithin 1647 als 
Londinensis bezeichnet werden. 

Ferner bemerkt Ravius selbst in seinem Spolium Orientis zu 
unserer handschrift: Pulaephatus n. dnloiwy ez quo codice el 
Cl. Toldius (sic) in Belgio et postea M. Martinus Brunnerus col- 
lega coniunctissimus editiones quisque suas accuraverunt. 

Endlich scheint auch der umstand dafür zu sprechen, dass in 
der bibliotheca Arundeliana heute eine Palaephatushandschrift nicht 
mehr existirt. Nichtsdestoweniger halte ich den schluss nicht für 
ganz sicher und halte bei unserer geringen kenutniss der meisten 
Palaephatusbandschriften auch ein andres verhältoiss nicht für un- 
möglich, da es immer wuuderlich bleibt, dass Gale die handschrift 
des Tollius oder vielmehr deren quelle als Arundelianus bezeichnet 
und dieser selbst mit keinem worte des Ravius und seines manu- 
scripts gedenkt, Ja wir besitzen noch einen brief des Tollius an 
Rave von ende juli 1647, der ebenfalls nicht recht zu der annalime 
passen will, dass Tollius direct den Raviauus benutzt habe. Rave 
hat den brief publicirt in: Christiani Ravii Berlinatis sesquidecuria 
epistolarum adoptivarum ex variis orbis partibus commissarum circa 
orientalium studiorum promouendorum curam Loadini 1648. 8. 
p. 27, wo über Palaephatus folgendes steht: 

Gaudebam ut debui plurimum, cum haec ex tuis intelligerem 
mihi quidem eo carioribus, quod partim de Palaephato meo loque- 
rentur. Illum et me pariter tibi curae esse laetor et gratias habeo 
maximas. Agnoscam etiam ubi accepero publice tuum — beneficium 


Cornutus-Palaephatushandschrift. 307 


ac videbis nihil te contulisse ingrato. Mitto litteras celeberrimo 
viro Patricio Iunio quod et tu monueras atque illum ego facio 
plurimi. Non dubito quin per te consequar varias illas lectiones 
palaephatiorum codicum, quas impetratas multum cupio. [am quippe 
festino editionem illius libri; neque subsidium aliud habeo, nisi 
quod nuper suppeditavi magnus Salmasius MSi Londinensis àúno- 
yeagor. Tibi autem acceptum feram, quidquid ulterius hac in re 
gratificatum mihi fuerit a Cl. Iunio. — Das ubi accepero tuum 
beneficium scheint doch auf eine mittheilung Rave's über seine 
bandschrift hinzudeuten, danu kann Tollius aber nicht gewusst 
haben, dass Salmasius abschrift aus dem Ravianus entnommen war. 
Salmasius collationen und handschriftlichen nachlass kamen in den 
besitz des Philippe de la Mare und aus seinem besitz in den der 
Pariser nationalbibliothek. Hier finden sich nun die codices Graeci 
ur. 3076 und 3078, beide ehemals in dem besitz des de la Mare, 
der letztere von der haud des Salmasius; aber auch für deo er- 
steren wird man seines ehemuligen besitzers wegen schliessen dür- 
fen, dass er aus Salmasius nachlass stammte, 

Vergleicht man die varianten dieser handschriften bei dem 
Cornutus, wo sie allein vorliegen, mit dem Ravianus, so weicht 
cod. 3078 (bei Osann Parisin. 3) von demselben und überhaupt 
von der classe b' ab, hingegen saben wir schon oben, dass cod. 
3076 (bei Osann Paris. 2) von B, dem codex Scrimgeri abhängig 
war und mithin sehr nahe mit dem Ravianus verwandt ist. 
Schliessen wir nun betreffs des Palaephatus, wie es duch höchst 
wahrscheinlich ist, auf dasselbe verhültniss, so würde sich die über- 
einstimmung zwischen Tollianus und Ravianus recht gut erklüreu, 
ohne die identität nothwendig zu machen. Aber auch dieser mög- 
lichkeit stehen schwierigkeiten entgegen. Tollius benutzte offenbar 
ein vollständiges apographum, der codex 3076 soll excerptas tan- 
fum singulas lectiones enthalten. Auch Gale's „Arundelianus“ bleibt 
so rathselhaft wie zuvor, und Scrimger'scher nachlass fiudet sich 
nach dem catalog der bibliotheca Arundeliana heute wenigstens 
nicht in derselben. Ich vermag daher mit meinen mitteln den wi- 
derspruch zwischen deu angaben des Tollius und Ravius nicht zu 
lösen, aber eiue identitit zwischen T und R auzunehmen scheint 
mir nach dem vorliegenden material nicht nur nicht unmöglich zu 


20* 





308 Corautus-Palaephatushandschrift. 


sein, sondern bei der oft wunderberen übereiastimmung des Ra- 
vienus mit den angaben Toll’s das wabrscheinlichere. 

Die wesentliche absicht dieses artikels war auch nur, diese 
basdachrift an das licht zu ziehen, die in den ausgaben des Cor- 
nutus uod Palaephatus als verschollen behandelt wird, aber seit 
200 jahren io der königlichen bibliothek zu Berlin wohl verwahrt 
worden ist. 

Schliesslich, das Göttinger exemplar der Baseler ausgabe von 
1543 war urspränglich im besitz des erzbischofs Thomas von Can- 
terbury und kam später io Patricius Junius hand. Dessen bibliothek 
ward, wie Thomas Smith's vita des Janias berichtet, nach seieem 
tode zerstreut und so mag dann jene ausgabe mehrfach den besi- 
tzer gewechselt habea. Etwa 100 jahre später ward sie von der 
Göttinger bibliothek aus dem antiquarischen lager des Thomas 
Osborne in Grays-Ina Lendoa (Catalogue fer the year 1757, vol. I) 
erworben. 


Göttingen. _ K. Boysen. 


Zu Julius Valerius. 

II, 2 p. 57b, 2 ed. Müller empfiehlt Demades den Athenern, Alexan- 
der die zehn redner nicht auszuliefern. Alexander stelle diese forde- 
rung nur, um Atben führerlos leichter bewältigen zu können. Dann 
folgen die worte: In quo nequidam militibus de orateribus 
direrim, equidem puto vel canes decem solo latratu suo et infestis- 
simis lupis et celeris bestiie terrori esse eliamsi in illos dente nil 
valeant; his vero quiescentibus aut facessentibus, vel ignavissimam 
bestiam totis gregibus perniciosam satis atque infestam esse con- 
suesse. Mit diesem vergleiche will sich Demades gegen den vor- 
wurf der anmaassuag and eitelkeit wabren, nachdem er den werth 
der zehn reduer als führer des staats so stark betont hat. Dieser 
gedanke muss nothwendig io dem satze stecken, mit dem er zu 
dem bilde übergebt und der die sinnlosen worte nequidam militibus 
enthält. Diesem sinne wird aber genüge gethan, wenn wir ohne 
erhebliche palaeographische schwierigkeit ammilitibus in ambitio- 
sius ündern. 

11, 15, p. 72a, 11 ist statt deliqueras zu verbessern dereli- 
querat. 

Göttingen. K. Boysen. 





XIII. 


Die analogisten und anomalisten im rómischen 
recht. 


Pomponius schreibt in seinem Liber singularis enchiridii (vgl. 
Dig. 1, 2, 2, 47) über M. Antistius Labeo und Ateius Capito folgendes: 
Hi duo primum veluti diversas sectas fecerunt; nam Ateius Capito 
in his, quae ei tradita fuerant, perseverabat; Labeo ingenii quali- 
tate ei fiducia doctrinae, qui et ceteris operis sapientiae operam 
dederat, plurima innovare instituit. Labeo und Capito stellen sich 
nach diesen worten als schulhüupter dar; die auf Labeo zurückge- 
hende schule führte den namen schola Proculianorum , die auf Ca- 
pito zurückgehende hiess schola Sabinianorum oder schola Cus- 
siana. Die schulen führten also nicht den namen nach den grün- 
dern, sondern nach späteren vertretern derselben. Characterisirt 
werden die beiden stifter in der vorliegenden stelle nach der art 
und weise ihrer thütigkeit, bei dem einen zeigt sich festes behar- 
ren an dem überlieferten, bei dem andern ein trieb zu neuerungen, 
positives schaffen. Prüfen wir vor allem die glaubwürdigkeit die- 
ser notiz. In den Pandecten ist Capito fast ausser acht gelassen, 
denn er wird nur an sechs stellen erwähnt, über die Pernice, La- 
beo I, 82 handelt; höchstens ein bruchstück zeigt eine halbwegs 
selbständige stellung '). Dagegen hat Labeo in den Pandecten eine 
ausgedehnte berücksichtigung erfahren. „Seine anschauungen wa- 
ren für die folgezeit in umfassendster weise massgebend“. Diese 
zwei thatsachen stehen aber mit der schilderung des Pomponius 


1) Vgl. such Frederking-Mercklin. Philolog. XIX, 653. 





310 Römische rechtsschulen. 


im einklang; es ist daher kaum gestattet, die glaubwürdigkeit 
des obigen berichts zu bezweifelu. Allein derselbe befriedigt uns 
nicht vollkommen; wir wollen über diese äusseren thatsachen hin- 
auskommen und das princip kennen lernen, welches das verschie- 
dene verhalten der genannten zum rechtsstuffe bedingt. Es sind 
darüber verschiedene vermuthungen aufgestellt worden, von denen 
wir einige dem leser mittheilen wollen: Dirksen, der über diese 
streitfrage in seinem aufsatz „Ueber die schulen der römischen ju- 
risten“ in Beitr. zur kritik des rüm. rechts p. 1—158 wohl am 
eingehendsten handelt, formulirt den gegensatz — wir wählen die 
kürzeste fassung — p. 144 also: der eigentliche grund alles 
streites zwischen Proculianern und Sabinianern lag in der art und 
weise die einzelnen sätze des positiven rechts auszubilden und nä- 
her zu bestimmen, indem die zuerst genannten sectirer dabei die 
rücksicht auf beschaffenheit und zweck eines jeden rechtsinstitutes 
zur hauptgrundlage ihrer schlussfolgerungen machten, während die 
andre schule sich mehr an die äussere convenienz und an den 
buchstaben eines generellen positiven princips hielt. (Eine aus- 
fübrlichere fassung p. 46). Dagegen finden wir in einer spâteren 
abhandlung Dirksens (Hinterl. schriften 1, 20) neben der methode 
der ableitung der rechtssätze noch etwas anders betont, nämlich 
die verknüpfung der rechtssütze zum system. Wir wenden uns zu 
einem neueren rechtslehrer. Kuntze, Jnstit. II, 276 entdeckt einen 
culturgeschichtlichen gegensatz zwischen beiden schulen, den ge- 
gensatz des naturalismus und idealismus. ‚Die Proculianer vertraten, 
heisst es p. 279, den idealistischen geist des Rómerthums, die an- 
deren den naturalistischen sion des Peregrinenthums in der wissen- 
schaft und speculation, und da das principat sich vornehmlich auf 
das Peregrinenthum stützte, so war es eben natürlich, dass die Sa- 
binianer am raschesten sich mit der neuen imperatorischen ent- 
wicklung befreundeten. Der Sabinianismus im Rómischen recht ist 
der blick nach dem orient, im osten aber wog der Hellenismus vor; 
so kónnten wir auch sagen, dass mit Capito uud Sabinus die Hel. 
lenistische wendung der Römischen rechtswissenschaft ihren anfang 
nahm, und die bahn eróffnet ward, auf welcher das Rómische recht 
schliesslich über sich selbst hinauskam“. Diese probe dürfte genü- 
gen. Kehren wir von diesem dithyrambiker wieder zu forschern 
zurück, so entdecken wir bei hervorragenden rechtslebrern den zug, 


Rómische rechtsschulen. 311 





einen principiellen gegensatz zwischen beiden schulen entweder ab- 
zuschwüchen oder ganz zu leugnen. So z. b. üussert sich Puchta, 
Inst. 1, 388 „der kern der thätigkeit Labeo's liegt nicht in 
einem speciellen philosophischen princip, das er für 
die rechtswissenschaft io bewegung gesetzt hatte, sondern darin, 
dass er die jurisprudenz dem einfluss der übrigen wissenschaften 
üffuete und ibr — durch die rechte anwendung seiner vielseitigeren, 
historischen und philosophischen bildung ein neues leben einflösste“. 
Bremer, Die rechtslehrer p. 68 hält es „für ungerechtfertigt, die 
beiden schulen ohne weiteres von wissenschaftlichen parteien zu 
verstehen“ und nimmt mit Schrader an, „dass die beiden wissen- 
schaftlichen parteien mit zwei verschiedenen lehranstalten zusam- 
menhängen; „unter den verschiedenen juristischen stationes in Rom 
zeichneten sich zwei, die des Labeo und Capito aus; schüler dieser 
grossen münner traten in denselben stationes au ihre stelle; so 
blühten eine reihe von lehrergeuerationen hindurch diese stationes 
vor anderen“. Es wird sonach von einem priucipiellen wissen- 
schaftlichen gegensatz hier ganz abgesehen und der gegensatz der 
beiden schulen in einer localen trennung derselben gesucht. Eud- 
lich sei uns gestattet noch die ansicht Pernice's anzuführen. Der- 
selbe sagt zwar Labeo I, 90 „allerdings lässt sich selbst nach un- 
serer dürftigen überlieferung ein gewisser gegensatz zwischen 
Labeo und Sabinus nicht verkenuen* aber gleich darauf p. 91: 
„es lässt sich, soweit ich sehe, nirgends ein tiefergehender, eigent- 
lich principieller unterschied zwischen Labeo und Sabinus entde- 
cken“ ?) Diese äusserungen, die sich leicht vermehren lassen, wer- 
den genügen, um den verzweifelten stand der so lange schwebenden 
frage zu kennzeichnen. Angesichts dessen möchte es gewagt er- 
scheinen, nochmals au die lösung der aufgabe heranzutreten. Ein 
solcher versuch erscheint auch nur dann gerechtfertigt, wenn es 


2) In der anmerkung äussert er sich mit berücksichtigung der 
Kuntze'schen phantasien, dass vielleicht doctrinarismus und realis- 
mus den schulgegensata genugsam bezeichne. Hier wollen wir auch 
noch die ansicht Frederking's 8. o. p. 652 beisetzen. Er glaubt, dass, 
da die namen der secten nicht von den häuptern, sondern von deren 
nächsten nachfolgern stammen, der gegensatz zwischen jenen nur ein 

rivater war und dass sie selbst secten zu stiften nicht beabsichtigten. 

ie entetehung dieser secten aber leitet Frederking nicht von einer 
partiellen differenz der beiden häupter, sondern von der ganzen gei- 
stesverschiedenheit derselben ab. 





312 Rómische rechtsschules. 


gelingen sollte, irgend einen neuen gesichtspunkt hervorzukehren, 
der es uns ermöglicht, festeren fuss in der frage zu fassen. Aus- 
ser jener stelle des Pomponius stehen uns noch die von des beiden 
schulen behandelten controversen in den Pandekten zu gebote; al- 
lein diese quelle liefert uns keine entscheidenden resultate; einmal 
stehen diese streitfragen unter sich in keinem zusammenhange 
(Pernice 1, 91), ferner gehen die meisten schulcontroversen nicht 
auf Labeo zurück, von Capito lüsst sich aber nicht der anstoss zu 
einer einzigen nachweisen. (Pernice I, 90). Wir müssen daher 
den indirecten weg beschreiten. Wir untersuchen den nicht- 
juridischen studienkreis eines der beiden männer, in der hoffnung, 
dass es uns vielleicht gelingt, hier eine richtung zu entdecken, 
welche analoge anwendung auf das recht zulüsst. Da wir beson- 
ders genau über den studienkreis Labeo's unterrichtet sind, so knü- 
pfen wir an ihn unsere untersuchung an: Gellius berichtet XIII, 
10: ceterarum quoque bonarum artium non expers fuit et in gram- 
maticam sese alque dialecticam literasque antiquiores altioresque pe- 
netraverat  Latinarumque vocum origines rationesque  percaliuerat, 
eaque praecipue scientia ad enodandos plerosqu: iuris laqueos ute- 
batur. Diese worte besagen auf's deutlichste, dass sich Labeo im 
ausgedebnter weise mit grammatischen studien beschäftigte. Be- 
sonders zu beachten ist aber der ausdruck vocum rationes; der- 
selbe weist offenbar auf die bekannte streitfrage hin, welche das 
alterthum uugemein beschüftigte, auf die frage, ob in der sprache 
regelrechtigkeit (analogie) oder willkür (anomaiie) herrsche. Dass 
im ersteren fall die ratio, im letzten der usus, die consuetudo das 
massgebende ist, bedarf keiner weiteren darlegung. Zur erlüute- 
rung des sprachgebrauchs setze ich folgende stellen bei ; Cic. Brut. 
Q4. 258: quo magis expurgandus est sermo et adhibenda tamquam 
obrussa ratio quae mutari non potest, nec utendum pravissima con- 
suetudinis regula, wozu O. Jahn zu vergleichen. Varro de |. |. VIII, 
79 (p. 194 M.): non esse in eo potius sequendam quam consuetu- 
dinem ralionem. Ueber den zusammenhang von ratio und analogia 
vgl. noch Quint. 1, 6, 1: rationem praestat praecipue analogia non- 
nunquam el etymologia, eine stelle, die bereits Jahn beigebracht. 
Dass ein mann, der in so umfassender weise grammatische studien 
betrieb wie Labeo einer frage, welche die grüssten geister auf- 
regte — ich erinnere nur daran, dass der grosse Cäsar im tran- 





Römische rechtsschulen. 313 


situ Alpium, cum ex citeriore Gallia conventibus peractis ad exer- 
citum rediret, über analogie zwei bücher schrieb. Suet. Caes. 56 — 
ist ja von vorn herein wahrscheinlich. Für uns ist freilich die 
frage eine müssige, für die alten aber, denen die sprache als eine 
ungeordnete masse gegenüberstand, war sie von einschneidender 
wichtigkeit. Obwohl unsere stelle bestütigt , dass Labeo dieser 
frage uicht fremd blieb, ja auch die richtung anzudeuten scheint, 
die Labeo hier eingeschlagen, so wollen wir doch keine weiteren 
schlussfolgerungen aus der stelle ziehen, da uns noch eine, wie es 
scheint, bisher nicht genugsam beacbtete stelle zu gebote steht, 
welche uns über Labeo's stellung zur analogie und anomalie voll- 
ständig aufklürt. Die stelle steht bei Festus s. v. Penatis p. 253 
(Huschke, lurisprud. Anteiust. p. 111, nr. 15) und lautet also: 
Penatis singulariter Labeo Antistius posse dici putat, quia plura- 
liter Penates. dicantur, cum patiatur proportio etiam Penas dici, 
ut optimas, primas, Antias, Es handelt sich um feststellung des 
nom. sing. bei einem worte, das nur im plural vorkommt. An die 
lisuog einer solchen frage konnte nur derjenige herantreten, wel- 
cher an die gesetzmüssigkeit der sprache glaubt d. b. derjenige, 
welcher analogist ist. Diesen nominativ kann er ja nur finden, 
indem er gleiches auf gleiche weise behandelt. Labeo konnte sich 
also sagen: wie sich optimates zu optimas verhült, so muss sich 
penates zu x, d. h. dem gesuchten nominativ verhalten. Das feh- 
lende glied der proportion kann nur penas sein. Labeo hat sich 
aber mit diesem ziemlich auf der oberflüche befindlichen analogie- 
schluss (proportio) ?) nicht begnügt; er geht einen schritt weiter; 
es kamen ja auch formen wie optimatis neben optimas, Arpinatis 
neben Arpinas vor. Labeo konnte daher auch die proportio bil- 
den optimatis : optimas = penatis : penas. Und so verfahren ja 
heute noch unsere gelehrten, z. b. wenn Ritschl, Op. II, 652—58 
den nom, mercis feststellt und Linker noch eine reihe solcher for- 
men durch die analogie gewinnt (Fleckeis. Jahrb. bd. 89, p. 715 
und 720). Allein wie es scheint, drang Labeo hier tiefer ein, 
indem er von der gesetzmüssigen bildung des nom. sing. 
ausging. Aus dem plural ersah Labeo, dass von penates der weg 
nicht zunächst zu penas führt. sondern zu penatis. Aehnlich ver- 


3) Quintilian. Inst. 1,'6, 1: analogia praecipue, quam proxime ex 
Graeco transferentes in Latinum proportionem vocaverunt. 





314 Romische rechtsschulen. 


fahren wir; der genetiv penatium zeigt uns, dass der stamm des. 
wortes penati ist; da nun bei belebten gegenständen das suffix des | 
nom. der regel nach s ist, so ergibt sich als nominativ penatis. 
Ob Labeo auch die brücke von penatis zu penas gefunden, darüber 
gibt uus das fragment keinen aufschluss; doch soviel scheint daraus 
hervorzugehen, dass Labeo die form Penatis in den vordergrund 
gestellt bat. 

Aus der vorliegenden betrachtung ergibt sich als resultat 
der satz: Labeo ist in der behandlung der sprache 
analogist. 

Es fragt sich nun, ob diese von uns für die sprache ermittelte an- 
schaung Labeo's sich nicht auch im rechte geltend gemacht hat. Maa 
wird diese frage bejaheu müssen, wenn man bedeukt, welche enge 
beziehungen zwischen der sprache und dem recht bestehen. Das 
recht ist wie die sprache ein erzeugniss des menschlichen geistes. 
Wie die sprache eine sprachgenossenschaft voraussetzt, so das recht 
eine rechtsgenossenschaft. Durch das recht werden die menschen 
zu einheiten zusammengeschlossen wie durch die sprache. Wenn 
sich ein theil der sprachgenossenschaft ablóst, so nimmt die sprache 
dieses theils eine eigenthümliche entwicklung; denn es fehlt ja die 
controle der gesammten sprachgenossenschaft; ganz so verhält es 
sich mit dem recht. (Puchta, Inst. 1, 22). Wie sich die sprache 
innerhalb der sprachgenossenschaft in dialecten differenzirt, so ge- 
winnt auch das recht bei den verschiedenen stämmen eine verschie- 
dene farbung; auch das recht hat, wie Puchta, Inst. I, 22 bemerkt, 
sogut seine proviuzialismen wie die sprache. Bei solchen berrüh- 
rungspunkten ist es klar, dass auch in der wissenschaftlichen be- 
handlung beider gebiete sich ähnlichkeiten herausstellen. Wie 
sich bei der sprache die forschung darum drehte, ob dieselbe guces 
oder Eus9nxn sei (vgl. den platonischen dialog Cratylus), so auch 
beim recht, vgl. Cic. Top. 21, 82: a naturane ius profectum sit an 
ab aliqua quasi conditione hominum et pactione. Wie wir bei der 
sprache darauf ausgehen, die principien und regeln, welche unbe- 
wusst die sprachgenossenschaft sich erarbeitet, wissenschaftlich 
aufzuschliessen, so wollen wir auch beim recht die principien und 
regeln kennen lernen, die in demselben unausgesprochen liegen 
(Puchta, Inst. 1, 32). 

Es wäre nun weiter zu untersuchen, ob auch im recht wie 





Rómische rechtsschulen. 315 


in der sprache der gegensatz von analogie und anomalie 
vorkommt. Machen wir uns noch einmal den gegensatz in der 
sprache klar. In der sprache will die analogie eine regel für 
alle bezüglichen fälle z. b. ein suffix für den genetiv. Im recht 
will die analogie allgemeine gültigkeit des betreffenden rechtssatzes 
— keine ausnahme. Beide forderungen sind aber kaum zu erfül- 
len. Sowohl in der sprache wie im recht scheitert die unerbitt- 
lichkeit der regel an verschiedenen hemmnissen, die sich ihr ge- 
genüber stellen; es wird daher nur der eine oder der audere fall 
übrig bleiben, bei denen die regel anderen krüften gegenüber wei- 
chen muss. Dies führt in der sprache zur ausnahme, zur anomalie ; 
im recht zum ius singulare gegenüber dem ius com- 
mune. Ueber den gegensatz will ich wieder einen juristen spre- 
chen lassen: „es ergibt sich von selbst ein gegensatz des rechtes, 
welches streng logischer, consequenter ausfluss des rechtsprincips 
ist (sog. strenges recht. ius strictum , ius commune im logischen 
sinne) und eines rechts, welches als ausnahme von der juristischen 
consequenz, besouders aus moralischen, politischen oder humanitats- 
rücksichten gelten will (sog. sonderrecht, ius singulare, aequitas, 
billigkeit u. dgl.)* Zoepfl, Grundriss zu vorles. über rechtsphilos, 
p. 75. Nach dieser darlegung dürfte wohl nicht bezweifelt wer- 
den, dass auch das recht unter dem gesichtspunkt der analogie und 
anomalie aufgefasst werden kano. Wenn nun weiter bekannt ist, 
dass gerade jene streitfrage eine der brennendsten und heftigsten 
im alterthum war, so werden wir es geradezu für unmöglich er- 
achten müssen, dass das recht, das soviele berührungspunkte mit 
der sprache hat, von jenem kampfe unberührt geblieben. Bereits 
Sanio Varroniana 268 bemerkt: ,die doctrinelle auffassung des 
verhältnisses zwischen ius commune und singulare (womit die wis- 
senschaftliche entwickelung der ratio iuris hand in hand ging) 
kann nicht unabhängig von dem einfluss griechischer wissenschaft 
und der grammatischen theorie über analogie und 
anomalie sich festgesetzt haben", 

Wir haben aber noch ein bedeutsames zeugniss, dass der ge- 
gensatz der zwei juristischen schulen wirklich auf einen gegensatz 
zwischen analogie und anomalie hinauslüuft. Das aufhóren 
des kampfes zwischen analogie und anomalie in der 
sprache und die auflösung der beiden juristischen 





316 Römische rechtsschulen. 


schulen fallen zeitlich zusammen. Der letzte Praca- 
liauer ist Neratius Priscus (unter Trajan); die schule der Sabinia- 
ner hielt sich etwas länger, bis auf Gaius; dieser jurist ist der 
letzte, welcher als Sabinianer auftritt. (Puchta, Inst. I, 403). Al- 
lein die letzten Sabinianer können nicht mehr in betracht kommen, 
da die gegenpartei fehlte. Blicken wir auf die geschichte des 
kampfes in der sprache, so finden wir, dass derselbe in dieser zeit 
ebenfalls schwinden musste. Schon bei Quintilian finden wir dea 
gegensatz (vgl. I, 6 und dazu Steinthal, Geschichte der sprachwis- 
senschaft p. 518) fast verwischt. Wenn Quintilian von der analogie 
sagt I, 6, 16: non ratione nititur, sed ezemplo ; nec lex est loquendi, 
sed observatio, ut ipsam analogiam nulla res alia fecerit quam oon- 
suetudo, so ist, wie Steinthal richtig bemerkt, eine solche analogie 
keine analogie mehr, sondern in die anomalie umgeschlagen. „Der 
kampf zwischen den anhüngern der analogie und denen der amo- 
malie (Steinthal p. 700) musste im laufe des ersten jabrh. 
p. Chr. in gleichem masse erlöschen, als es gelang, die xavoves 
immer vollstándiger und damit zugleich sicherer aufzustellen*. Die 
téyvn ist das ergebniss des kampfes. Wie sich der gegeusatz im 
recht löste, darüber kann sich der laie kein urtheil gestatten; es 
muss bier der jurist das entscheidende wort sprechen. Es liegen 
einige äusserungeu aus der letzten zeit der schulen vor, welche 
für die frage entscheidend sein können. Doch kehren wir zu La- 
beo zurück. Durch unsere letzte betrachtung haben wir sehr 
wahrscheinlich gemacht, dass der gegensatz zwischen Proculianern 
und Sabinianern in einem gegensatz zwischen analogie und amo- 
malie in der auffassung des rechtes wurzelt. Ist dies richtig, so 
ergibt sich weiter mit leichtigkeit, welche stellung Labeo in diewer 
frage genommen. Wir haben nur die anschauung, die er in be- 
zug auf die sprache hut, auch auf das recht zu übertragen; denn 
die aunahme, dass Labeo in der sprache analogist, im rechte ano- 
malist gewesen sei, wird wohl niemand vertreten. Sunach dürfte 
sich als hóchst wahrscheinlich der satz hinstellen lassen: Labeo 
ist in der behandlung des rechts analogist. 

Damit ist aber auch die stellung seines gegners gegeben: 
Capito ist iu der behandlung des rechts anomalist. 

Hier hönnten wir unsere betrachtung schliessen; allein wie 
die mathematiker, die eine gleichung gelóst haben, gern durch 





Römische rechtsschelen. 317 


substitution die richtigkeit der lösung erproben, so wollen aueh 
wir eine solche probe vornehmen. Wir wollen zusehen, ob die 
analogie und die anomalie das ergebniss herbeiführen , durch wel- 
ches Pomponius in der am eingang ausgeschriebenen stelle die 
thätigkeit Labeo's einerseits uud die thütigkeit Capito's andrerseits 
characterisirt. Vergegenwärtigen wir uns erst den vorgang in der 
sprache. Der analogist geht von der regelrechtigkeit der sprache 
aus. Nehmen wir nun an, dass derselbe für irgend eine anzahl 
gleichartiger erscheinungen eine regel aufgestellt hat, so wird der 
kampf dadurch entbrennen, dass der anomalist ihm fülle vorführt, 
die ausserhalb der regel stehen, also eine anomalie reprüsentiren. 
Setzen wir z. b. den fall, der analogist hätte als genetivsuffix oc 
aufgestellt, so kann ihm nun von seite der anomalisten entgegen- 
gehalten werden, dass es auch genetive auf ov, auf ng etc. gibt. 
Was wird angesichts dessen der analogist thun? Er wird die ab- 
weichenden fälle in eine regel zu bringen suchen, so dass wir jetzt 
für dieselbe erscheinung zwei statt ein er regel haben. So wird 
sich der process weiter spinnen, bis alle fälle erschöpft sind. In 
diesem kampf aber nimmt, wie man sieht, der analogist die posi- 
tive, schaffende stelle ein, der anomalist die antreibende, reizende 
(vgl. Steinthal p. 522). resultat des kampfes ist die z£yrn, die 
grammatik. 

Aehslich muss es im rechte sein. Der analogist will das 
strenge recht mit allen seinen consequenzen; die einwürfe der ano- 
malisten, welche den rechtssatz durch rücksichtnahme auf die ae- 
quitas, consuetudo einzuschränken suchen, werden ihn zwingen, den 
rechtssatz schärfer zu formuliren; er wird sich veranlasst sehen, 
seine aufmerksamkeit auch auf andere sütze zu lenken; er wird 
zur verknüpfung *) der rechtssitze schreiten; das resultat des 
kampfes wird sein das rechtssystem. Die positive arbeit fallt 


4) Es wird hier von interesse sein, die bereits oben angedeutete 
stelle aus Dirksen, Hinterl. schriften I, 20 beizusetzen: der conflict 
der ansichten über die methode der ableitung und verknüpfung der 
lebrsätze des positiven rechts, welcher in Cicero's schilderung an- 
schaulich hervortritt, machte damals wohl nicht ausschliesslich bei 
den philosophen und rhetoren sich geltend; er beschüftigte auch die 
rechtsgelehrten. Es waren dies die nümlichen elemente, aus denen 
unter August's regierung die divergirenden richtungen der wissen- 
schaftlichen bestrebungen Labeo's und Capito's sich entwickelten, 
die zur bildung der juristischen schulen führten. 





318 Romische rechtsschulen. 


ibm vorwiegend zu, der anomalist wird dagegen vorzugsweise das 
treibende element sein: von jenem werden sich daher neuerungen 
verzeichnen lassen, während bei diesem festhalten an dem gege- 
benen das characteristische sein wird. Auf diese weise wird es 
uns verständlich werden, dass die geschichte des rechts 
zwar von Labeo vieles zu berichten weiss, dagegen 
von Capito schweigt. 

Das würe es, was ich als philologe zur kenntniss der beiden 
rechtsschulen, der Proculianer und der Sabinianer beitragen kann. 
Ob ich das richtige in der schwierigen sache getroffen habe, muss 
dem urtheil der juristen überlassen bleiben. Es musste wenigstens 
einmal ein versuch gemacht werden, für die beurtheilung des gegen- 
satzes, in dem jene beiden schulen stehen, einen festeren boden 
zu gewinnen als dies bisher der fall war. 


Würzburg. M. Schanz. 


Zu Julius Valerius. 


Ill, 20, p. 126, a, 18. M. Quare religiosum est facere dei iussa 
et id moneo suadeoque rectius tibi facturae si veneris, non vero 
multum peccare si omittas. Sinn und grammatische structur ver- 
langen statt peccare: peccaturae. 

HI, 25, p. 136, a, 22. Scito igitur primum colere nos in- 
teramnanum, Amazonico flumine locum omnem quo consistimus a m- 
biente, eo fluenti circiter spatio ul una sit aditicula euque 
vir accolis nota, qua septem flumina vel inrumpi oporteat vel 
emergi. Von sieben flüssen ist im griechischen text und im laufe 
der erzahlung uirgends die rede, das septem flumina scheint daher 
aus saeptum fluminis entstanden zu sein, Die voraufgehenden worte 
schreibt Müller abweichend von Mai, ohne einen lesbaren text ber- 
zustellen. Der Ambrosianus, dessen lesarten wir allein bisher ken- 
nen, giebt: ambientem eo fluente circiter spacio quae ut una sit 
aditicula. Dies scheint mit nothwendigkeit auf folgende lesung zu 
führen: ambiente (das natürlich nur prädicat zu Amazonico flumine 
sein kann), eo fluente circiter spatioque ut una sit aditicula, so 
dass zum zweck der weitern beschreibung der localität lose ein 
zweiter ablativus absolutos an den ersten angeknüpft wäre. Dass 
eo etwa in ef zu veründern halte ich nicht für nóthig. Der 
brauch des que in der vorliegenden weise ist bei Julius Valerius 
überaus häufig. 


Göttingen. K. Boysen. 





X IV. 


Ueber die benutzung der Vulgata zu sprachlichen 
untersuchungen. 


Dass die Vulgata nicht bloss für theologen, sondern auch für 
pbilologen mannigfaches interesse biete, ist in letzter zeit mehr und 
mehr erkannt worden. Seitdem man auch das spätlatein in den 
kreis der historischen betrachtung zu ziehen anfing, musste man 
nothwendiger weise der Vulgata und dem in ihr enthaltenen sprach- 
material beachtung schenken. An einzelnen beispielen ist seither 
bereits nachgewiesen worden, dass die Vulgata zur entscheidung 
solcher sprachlichen thatsachen, die den übergang des lateinischen 
ins romanische betreffen, vorzüglich geeignet ist, uud wenn das 
verständniss hiefiir bis jetzt auch nur wenigen aufgegangen ist, so 
lässt sich doch mit sicherheit annehmen, dass die erkenntniss der 
bedeutung, welche die Vulgata für sprachliche untersuchungen hat, 
eine immer allgemeinere werden wird. Schon ganz äusserlich be- 
trachtet weist das in ihr enthaltene umfangreiche material ihr eine 
bedeutende stellung zu, noch mehr aber die thatsache, dass ihre 
höchst verschiedenartigen bestandtheile, die ihrer entstehung nach 
weit auseinanderliegenden zeiträumen angehören, eine historische 
betrachtungsweise vorzüglich begünstigen. Dazu kommt der bedeu- 
tende einfluss, den die sprache der Vulgata auf einen grossen theil 
der späteren schriftsteller geübt hat; und dass sieh dieser einfluss 
nicht etwa bloss auf kirchliche, sondern auch auf weltliche schriften 
erstreckt hat, glaube ich vor kurzem an einer sprachlichen analyse 
der Historia Apollonii regis Tyri gezeigt zu haben (Ueber sprache 
und kritik des lat. Apolloniusromans, Progr. Speier 1881). Dies 





320 Zu der Vulgata. 


alles berechtigt uns, die Vulgata für untersuchungen über den zu- 
stand der lateinischen sprache am ausgang des vierten und anfang 
des fünften jabrhunderts nach Chr. als mittel- und ausgangspunkt 
zu betrachten. 

Erleichtert werden diesbezügliche forschungeu durch die be- 
nutzung der bibelkonkordanzen, die, wenn auch im eiuzelnen nicht 
immer genau und vollstündig , doch ein für die beobachtung im 
ganzen genügendes material bieten; erschwert aber wird die be- 
nutzung der Vulgata zu philologischen zwecken durch die art und 
weise ibrer zusammensetzung. Ueber letztere herrachen in den 
kreisen von fachgenossen bis jetzt theilweise noch sehr mangelhafte 
vorstellungen, und manche der in letzter zeit zu tag geförderten 
resultate sind, weun auch nicht geradezu falsch, so doch im ein- 
zelnen schief und zum mindesteu in ibrer fassung nicht korrekt; 
dass dies aber gerade bei historischen dingen den werth der 
gewonnenen resultate nicht unerheblich beeinträchtigt, brauche ich 
nicht erst ausdrücklich zu bemerken. Ich glaube darum manchem 
philologen einen dienst zu erweisen, wenn ich hier (im wesent- 
lichen im anschluss an Kaulen, Geschichte der Vulgata, Mainz 1868) 
einen kurzen abriss der entstelung der Vulgata gebe. 

Gegen das ende des vierten jahrh. n. Chr. war in der abend- 
ländischen kirche im texte der bibel grosse verwirrung eingerissen. 
Nicht nur dass die bibelübersetzung der Itala (dies wort in dem 
allgemeinen sinne von „vorbieronymianischer bibelübersetzung“ ge- 
nommen) von vornherein keine einheitliche war, die einzelnen ex- 
emplare waren überdies noch mannigfach geändert worden, indem 
man theils nach dem griechischen grundtext korrigierte, theils den 
vulgären ausdruck der Itala, an dem sich die gebildeten stiessen, 
eleganter gestaltete. Der herrschenden verwirrung suchte der 
papst Damasus I (366—384) zu steuern und bediente sich dazu 
des heiligen Hieronymus (geb. 331 oder 340 zu Stridon auf 
der grenze zwischen Dalmatien und Pannonien), der vermöge sei- 
uer gelebrsamkeit und seiner willenskraft zu solcher arbeit vor- 
züglich geeignet war. Derselbe machte sich nuu zunüchst an eine 
revision der vier evangelien, bei denen das bedürfniss am stürk- 
sten war, und zwar auf grund des vorhandenen Italatextes. Diese 
arbeit übergab er 383 dem papst, und im nämlichen jahre been- 
digte er hóchst wahrscheinlich noch die revision der übrigen theile 


Zu der Vulgata. 321 


des N. T., sicher aber die der psalmen. Letztere rezension, be- 
kannt als psalierium Romanum und heute noch in der Peterskirche 
zu Rom in gebrauch, interessiert uns weiter nicht, da sie nicht in 
die Vulgata aufgenommen ist. Nach dem tode seines günners Da- 
masus (gegen ende 384) zog Hieronymus von Rom, wo er man- 
cherlei anfeindungen und veruuglimpfungen erfahren musste, nach 
dem orient und liess sich zuletzt in Bethlehem bleibend nieder. 
Seine bedeutenden sprachlichen kenntnisse, die er sich schon vorher 
als anachoret in der wüste von Chalcis erworben hatte und die 
er jetzt mit hülfe gelehrter rabbinen in Palästina erweiterte und 
vertiefte, benutzte er zu einer revision des lateinischen textes aucb 
des alten testamentes, wobei er bei zweifelhaften lesarten des grie- 
chischen textes der Septuaginta immer auf das hebräische original 
zurückging. So machte er sich denn zunüchst wieder an eine er- 
neuerte revision des Psalters, da ihu die erste ziemlich eilig auge- 
fertigte kaum befriedigen mochte. Diese zweite, psalterium Galli- 
canum genannte rezension ist für uns wichtig, da sie einen be- 
standtheil der beutigen Vulgata ausmacht. Die übrigen texte, die 
aus dieser revidierenden thätigkeit des kirchenlehrers bervorgiugen, 
kónnen wir füglich übergehen; sie sind verloren bis auf die bear- 
beitung des buches Hiob, und dieser ist die aufnahme unter die das 
corpus unserer heutigen Vulgata bildenden schriften versagt worden. 

Schon wäbrend dieser revisionsarbeit reifte in Hieronymus der 
entschluss, seine kenntnisse im hebrüischen zu einer vülligen neu- 
übersetzuug des A. T., soweit es eben in hebräischer sprache 
vorhanden war, zu verwerthen. Diesen entschluss, der zunüchst nur 
durch das bedürfniss der palüstinensischen christen hervorgerufen 
war, führte Hieronymus in einem zeitraum von fünfzehn jahren 
(390—405) aus. Für den philolugen, der die entwicklung des 
bieronymianischen stiles kennen lernen will, ist die reihenfolge in 
der übersetzung der einzelnen schriften von wichtigkeit. Zuerst 
erschienen die bücher Samuelis und der Könige, dann Hiob, die 
Propheten und der Psalter (die übersetzung des letztern gehört 
nicht zur Vulgata). Es fulgten ende 393 die drei salomonischen 
schriften, Sprichwörter, Prediger und Hohes lied. Von 394 bis 
396 wurden Esdra, die Chronik und die Genesis fertig gestellt, 
weiter bis anfang 404 die übrigen theile des Pentateuchs, exodus, 
leviticus, numeri und deuteronomium. Endlich erhielt das werk 

Philologus. XLII. bd. 2. 21 





322 Zu der Vulgata. 


404—405 seinen abschluss durch das erscheinen der bücher Josua, 
Richter, Ruth, Esther, der deuterokanonischen bestandtheile von 
Daniel und Esther, endlich der bücher Tobias und Judith. Wie 
man sieht, blieben unübersetzt (abgesehen vom N. T.) die deutero- 
kanonischen biicher ausser Tobias und Judith. 

Demnach zerfällt die Vulgata in drei scharf auseinander zu 
haltende theile: 1) von Hieronymus unberührt gelassene Itala: das 
buch der Weisheit, das buch Jesus Sirach (— ecclesiasticus, abgek. 
eccli.), das buch Baruch sammt der epistel Jeremiü und die beiden 
bücher der Maccabüer; 2) von Hieronymus revidierte Itala: das 
ganze neue Testament und der Psalter (in der zweiten, psalterium 
Gullicanum genannten bearbeitung); 3) selbstandige übersetzung 
des Hieronymus aus dem hebraischen urtext: das ganze übrige alte 
testament. 

Diese drei eben genannten abtheilungen bezeichnen wir im 
folgenden mit A, B, C. Selbstverständlich tragen nicht nur diese 
drei grossen gruppen in ihrem gegenseitigen verhaltniss, sondern 
oft auch die einzelnen theile derselben unter sich ein verschiedenes 
sprachliches geprüge. So fällt z. b. bei den beiden theilen von B 
oft eine durchgreifende verschiedenheit auf, die zum theil auf die 
verschiedene seit surückzuführen ist, in der die revision jeweils 
angefertigt wurde. Wir werden darum im folgenden diese beiden 
theile, so oft erforderlich, durch B! (= N. T.) und B? (= Psal- 
ter) scheiden. Aber auch die von Hieronymus übersetzten partien 
weisen oft bedeutende gegenseitige diskrepanzen auf, da sich sein 
stil (ühnlich wie bei Cicero) erst allmahlig im laufe der zeit zu 
vollendeter sicherheit und reife ausbildete. Im verlaufe der ab- 
bandlung werden wir gelegenheit haben, auf derartige unterschiede 
hinzuweisen. Zur beurtheilung der im folgenden gegebenen zahlen 
halte man fest, dass die drei gruppen A, B, C ihrem äussern um- 
fang nach sich zu einander annähernd verhalten wie 1 : 3 : 8. 

Charakteristische unterschiede zwischen den drei abtheilungen 
ergeben sich schon aus einer ganz oberflächlichen lektüre, indem 
jede derselben formen, wörter und konstruktionen aufweist, die ihr 
allein eigen sind. In den theilen, welche die reine Itala reprüsen- 
tieren, dürfen wir von vornherein der vulgürsprache einen ziemlich 
bedeuteuden spielraum zuweisen, und in der that trageu diejenigen 
elemente, die sich ausschliesslich in A finden, zum grossen theil 


Zu der Vulgate. | 323 


den untrüglichen stempel des sermo plebeius. Mehr noch als bei 
den formen, von denen etwa faucem eccli. 31, 12 (in BC nur der 
plural!), spebus 2 Macc. 7, 34, speciebus Bar. 6, 62 anzuführen 
wären, ist dies im wortschatz der fall, und wer bei Loch (Mate- 
rialien zu einer lat. grammatik der Vulgata, progr. Bamberg 1870) 
die kapitel „unklassische substantiva'* p. 9, „bei den klassikern un- 
gebräuchliche eigenschaftswörter“ p. 16 und ,,unklassische zeit- 
wörter“ p. 19 oder die entsprechenden abschnitte in Kaulens „Hand- 
buch zur Vulgata“ durchlesen will, wird finden, dass von der masse 
des daselbst ziemlich bunt durcheinander liegenden materials ein 
ganz erklecklicher theil nach A gehórt. Da mir eine trockene 
aufzühlung von würtern widerstrebt, so will ich nur im anschluss 
an den artikel condecet eccli. 38, 30 (in BC nur decet, was übri- 
gens auch in A erscheint) bemerken, dass hier ein wort, welches 
io der archaischen latinität (Pl. Cas. 3, 5, 24 u. 6. Turpil. com. 
127. Pompon. com. 72) ziemlich hüufig auftrat, dann aber für 
längere zeit aus der literatur verschwand, im spätlatein (Rönsch, 
Itala und Vulgata p. 185) wieder auftaucht, woraus wir, wenig- 
stens im vorliegenden fall, einen sichern schluss auf sein stetiges 
fortleben in der volkssprache ziehen dürfen; denn von bewusstem 
archaisieren kano in der Itala selbstverständlich keine rede sein. 
So treffen wir adsestrix Afran. com. 181 in der Itala sap. 9, 4 
in der form assistrix wieder, und für das echt vulgäre gaudimo- 
nium, das zwar noch nicht die archaische latinität, wohl aber Pe- 
tronius 61 kennt, liefert uns auch Bar. 4, 34 einen beleg. Eigen- 
thiimlich ist das auftreten des poetischen aevum in A (in eccli. 
9mal, in Bar. imal; fehlt in BC). Die ausschliesslich der dichter- 
sprache angehörige formel per aevum (Lucr. Propert. Ovid. Manil. 
Stat. Sil. Claudian. Prudent., s. die belege bei Bentley zu Hor. 
carm. saec. 20) treffen wir auch eccli. 14, 25, wie auch die gleich- 
bedeutende in aevum eccli. 41, 16. Bar. 3, 3 (vgl. Hor. carm. 
4, 14, 3). Zu ab aevo eccli. 1, 4 vergleiche man ex aevo Vi- 
truv. 7 praef. 10; zu ante aevum eccli. 1, 1 weiss ich weiter 
keinen beleg. 

Fassen wir die einzelnen zu A gehörigen bücher näher ins 
auge, so trägt den ausgeprägtesten charakter in stilistischer bezie- 
hung ganz entschieden das buch Jesus Sirach zur schau. Wir fin- 
den hier eine anzahl wörter, die nicht nur in den übrigen theilen 


21° 





324 Zu der Vulgata. 


der Vulgata, sondern in der ganzen latinität (von glossarien abge- 
sehen) ohne weitere belege sind: so concordatio eccli, 22, 27. 27, 
23, placor 4, 18. 39, 23, condulcare 27, 26. 40, 18. 40, 82, 
implanare 15, 12. 34, 11 (eccli. 3, 26 auch bei Augustin. specul., 
s. Rönsch, p. 253), und nicht wenige derselben sind dak Aeyo- 
ueva : obturatio 27, 15, linitio 38, 34, ineruditio 4, 30 (Rönsch 
p. 217), horripilatio 27, 15, coniucundari 37, 4, adincresco 23, 3 
u. 8. w. Obductus us 25, 20 (= énxaywyn), das sich in der be- 
deutung wohl kaum von obductio eccli. 2, 2. 5, 1. 5, 10 unter- 
scheidet, fellt noch in unsern wórterbüchern, trotzdem bereits 
Rónsch p. 90 und Kaulen p. 76 darauf aufmerksam gemacht ba- 
ben. Ebenso vermisst man in denselben noch salutare in der be- 
deutung „retten, schirmen“ eccli. 22, 31 amicum salutare non con- 
fundar, wie es sich auch im citat dieser stelle bei Ambrosius (Rönsch 
p. 380) findet. Damit würen wir in das gebiet der bedeutungsver- 
schiedenheit hinübergekommen, in welchem eccli. ebenfalls manches 
singulüre bietet. Ich erwähne nur exporrigo, sonst ausstrecken, 
ausdehnen, ausbreiten (einmal Pers. 3, 82 = ,,hervorstrecken‘), 
das eccli. 14, 13 secundum vires tuas exporrigens da pauperi of- 
fenbar „darreichen“ bedeutet. 

Eine interessante frage ist die nach dem laude, welchem das 
buch eccli. seine entstehung verdankt. Das nebelbild der africitat, 
das so lange die kópfe der philologen verwirrte, bat endlich in 
letzter zeit etwas greifbarere gestalt angenommen und zwar na- 
mentlich durch die untersuchungen Sittls (Die lokalen verschieden- 
heiten der lat. sprache p. 77 ff). Als beweis für den afrikani- 
schen ursprung unseres buches nennt er p. 150 die wörter exsecra- 
mentum eccli. 15, 13, religiositas 1, 17. 18. 26, prospector 3, 34. 
11, 32, dulcor 11, 3, offuscatio 41, 24, victimare 34, 24, pravi- 
cordius 3, 28 (so im Tolet.; der Amiat. hat parvicordius, der of- 
fizielle text pravus corde), gemmula 32, 7, sowie an anderen stel- 
len seines buches pessimare 11, 26. 36, 11. 38, 22 (p. 104), 
concreare 1, 16 (p. 145) und die pleonastische verbindung plus 
lucidior 23, 28 (p. 101). Ich bin um so mehr geneigt seiner be- 
weisführung beizustimmen, als noch weitere artikel sich in diesem 
sinne verwerthen lassen. So namentlich veteresco, wie 2, 6. 9, 15. 
11, 21. 14, 18 richtig im Amiat. steht (der off. text hat überall 
formen von velerasco), dessen afrikanischen charakter bereits Wölf- 





Zu der Vulgata. 325 


lin, „Ueber die latinitit des afrikaners Cassius Felix‘ p. 416 zur 
genüge bewiesen hat. Ich füge noch bei delatura, das ausser 
eccli. 26, 6. 38, 17 nur noch bei Tertullian (Rónsch p. 41) nach- 
gewiesen ist. 

Dem buch Jesus Sirach reibt sich, was charakteristische dik- 
tion anlangt, zunüchst das buch der Weisheit an, das wie jenes 
seltene wörter in nicht gewöhnlicher zahl aufweist: cognoscibiliter 
sap. 13, 5, electrix 8, 4, immemoratio 14, 26, respectio 3, 19 u. 
s. w. Afrikanischen ursprung nimmt Sittl a. o. auch hier an, ge- 
stützt auf das vorkommen von wörtern wie involumentum sap. 7, 
4, nugacitas 4, 12, ineffugibilis 17, 16, infirmiter 4, 4, comme- 
moratio = recordatio avupuynosg 19, A, welch letzteres übrigens 
auch im N. T. Luc. 22, 19. 1 Cor. 11, 24. 25 vorkommt. Ver- 
mehren lassen sich diese belege noch durch sibilatio: sap. 17, 9. 
Cael. Aur. chron. 2, 14, 198 und (in der nebenform sifilatio) Non. 
p. 531, 5. 

Beide bücher haben unter sich manches ähnliche, wodurch sie 
sich von den andern theilen auch von A unterscheiden. Nur hier in 
der Vulgata tritt die participialform absconsus auf: sap. 7, 21 eccli. 1, 
39. 4, 21. 11, 4. (14, 23 Amiat.) 16, 22 u. ö., vgl. absconse 
sap. 18, 9. So bemerkt Hagen, Sprachliche erörterungen zur Vul- 
gata p. 48 f., dass gerade in diesen beiden büchern die wörter 
honestus honestare honestas die bedeutungen ,,reich, reich machen, 
reicktthum* aufweisen: eccli, 13, 2, sap. 10, 11; eccli. 11, 23. 
sap. 10, 10; eccli. 11, 14. 24, 23. 31, 1. sap. 7, 11. 13. 8, 18 
(nur eccli. 37, 13 ist honestas = „anständigkeit“). — Der zu- 
sammenhang, in dem unsere beiden bücher mit den nicht zur Vul- 
gata gehörigen tbeilen der Itala stehen, wird z. b. durch die that- 
sache bezeugt, dass fumigabundus sap. 10, 7 noch in dem citat 
gen. 15, 17 bei Ambros. de Abrah. 2, 9 2. 67 (und nur hier) 
vorkommt. 

Bieten diese beiden schriften schon im offiziellen texte der 
Vulgata dem forscher eine reiche ausbeute an ungewühnlichen for- 
men und wôrtern, so wird diese ausbeute noch um vieles lohnen- 
der, wenn wir auf die alten handschriften, insbesondere den Amia- 
tinus zurückgehen wollen. Auch diese abschnitte namlich sind in 
vielen ausdrücken geglättet und abgeschwücht worden, ebenso sehr 
zur herstellung einer korrekteren latinität als zur erleichterung des 





326 Zu der Vulgata. 


verständnisses. So treffen wir denn im Amiatinus formen wie 
adiuauerunt eccli. 20, 4, complectebuntur = complectentur eccli. 4, 
13, plaudebit eccli. 12, 19, fremebit eccli. 18, 4 (Róusch p. 291), 
paenitebitur eccli. 19, 6, paeniteberis eccli. 32, 24 (iiber das per- 
sónliche paeniteri vgl. Rónsch p. 303), sponderis — spoponderis eccli. 
8, 16 und sponderunt sap. 18, 13 (vgl. Ott, Die neueren for- 
schungen im gebiete des bibellateins, Jahrb. f. phil. 1874, p. 833), 
periebant sap. 17, 9, transiebant sap. 19, 18, dazu deponentia in 
aktiver form praevaricare eccli. 7, 20 und umgekehrt aktive verba 
in deponentialform delectabitur = delectabit eccli. 26, 16 (Petron. 
45. 64). Von nominativformen sind erwahnenswerth canitia eccli. 
25, 6, colubra sup. 16, 5, vasum eccli. 38, 30 contra similitudinem 
vasi (im text vasis), gelus (acc. gelum) eccli. 43, 21, denen sich die 
adverbialform fortassis sap. 13, 6 anschliessen mag. Auch hier 
bietet wiederum der wortschatz die reichste fundgrube. Gratia 
datus ist eccli. 7, 37 statt gr. dati nach dem zeugniss des Amiat. 
und Augustins (Rónsch p. 89) herzustellen, zumal datus us auch sonst 
im eccli. (18, 18) vorkommt. Ich neune weiter: Vestigator eccli. 
14, 23 (im text investigator), vexator sap. 18, 22 (im text illum 
qui se vexabat), turbor eccli. 11, 36 (im text turbo), de propitiatu 
peccatorum eccli. 5, 5 (im text de propitiato peccato; sonst steht 
dafür propitiatio, z. b. eccli. 7, 36), circumpediles „schuhe“ eccli. 
45, 10 (im text circumpedes), pertusura eccli. 27, 5 (im text per- 
cussura), turbido turbedo eccli. 48, 9. 13. sap. 5, 24 (im text 
turbo), susurrio „ohrenbläser“ eccli. 5, 16. 21, 31. 28, 15 (im 
text susurro). Da an der letzten stelle (28, 15) auch Cyprian 
test. 3, 110 die form susurrio hat, so ist diese wahrscheinlich als 
afrikanisch anzusehen. Statt alligatura eccli. 6, 31 bietet der 
Amiat. netura, woraus jedenfalls nectura herzustellen ist. Die an- 
nahme der bildung eines substantivs auf «ra von einem prüsens- 
stamm hat allerdings ihr bedenkliches, und ich wüsste nur auf fer- 
vura (Rónsch p. 44) als analogon hiuzuweisen. Die entschuldigung, 
die sich bei letzterem wort anführen lässt, dass nämlich ferveo kein 
supin hat, trifft für necto nicht zu; dagegen lässt sich die bildung 
nectura damit rechtfertigen, dass der präsensstamm nect- leicht als 
supinstamm genommen werden konnte, — Ob übrigens alle diese 
besonderbeiten auch gleich in den text aufzunehmen sind, kann erst 
nach beiziehung anderer massgebender handschriften entschieden 


Zu der Vulgata. 827 


werden !). Doch auch abgesehen davon behalten sie ihre wich- 
tigkeit für die geschichte der lateinischen sprache, und von diesem 
gesichtspunkt aus dürfen wohl auch formen wie nequa sing. fem. 
zu nequam eccli. 28, 23. sap. 12, 10 (Ott a, o. 791) oder bil- 
dungen wie amplicare — amplificare eccli. 49, 13. 50, 20 ange- 
geführt werden, welch letzteres ebenso gebildet ist wie amuricure, 
viridicare u. è, 

Stehen gebliebene griechische wörter wie aplestia = unincıla 
eccli. 37, 33 oder (h)eremia égnula sap. 5, 24 (im text eremus, 
das im lateinischen geläufiger war) fallen gewiss nicht mehr auf 
als z. b. aporia eccli. 27, 5, cataclysmus eccli. 39, 28. 40, 10, 
acharis eccli. 20, 21 (Amiatinus dagegen ingratus), eucharis eccli. 
6, 5, agonizari = dywrileo9as eccli. 4, 33, aromatizare eccli. 
24, 20 u. s. w. An der oben angeführten stelle eccli. 37, 33 
bietet übrigens der Amiatinus auditas (= auiditas) et aplestia, 
dem im off. text nur aviditas entspricht. Offenbar ist aviditas 
ursprünglich nur erklarende glosse zu dem aus dem griechischen 
gruudtext herübergenommenen aplestia (Sept. xai 7) amAmgoi(a 2y- 
yısi), die dann zunächst mit diesem wort verbunden wurde, zuletzt 
aber dasselbe vollständig verdrüngte. Ein ganz ähnliches verhält- 
niss treffen wir eccli. 21, 5 obiurgatio et iniuriae, wo der Amia- 
tinus. cataplectatio et iniuriae obiurgatio liest. Das griechische 
xuraninyuög xai vfi; führt uns auf die richtige lesart cata- 
plectatio et iniuriae, die glosse obiurgatio hatte dasselbe schicksal 
wie oben aviditas ?). Cataplectatio hat nothdürftig ein lateinisches 
gewand umgeworfen und verhält sich zu xazazinyuocg ebenso wie 
z. b. acediari eccli. 6, 26. 22, 16 zu uxndeiv oder apostatare eccli. 
10, 14. 19, 2 zu dnoocraréiv u. s. w. Das häufige vorkommen 
griechischer würter stimmt übrigens zu dem afrikanischen urspruug 
der beiden bücher (Sittl 112). 

Die adjektiva liefern weiter beitrige mit ebriacus eccli. 19, 1 
== ital. briaco (im text ebriosus), exclamabilis eccli. 10, 4 (fehlt 

1) Verschiedene der oben angeführten lesarten bestütigt der To- 
letanus; er hat ebenfalls: de propitiatu circumpediles indiscip'inose per- 
tusura, und bietet seinerseits wieder besonderheiten, die im Amiatinus 
fehlen: eccli. 22, 7 testa (plur. von festum), ecoli. 28, 19 sentiaris (als 
deponene) u. 8. w. 

2) Die verbindung eines glossems mit dem ursprünglichen text 


findet sich z. b. auch im Ashburn. Levit. 1, 8 inponent . . . partes 
quas diviserunt divisamenta . . . super ligna. 





828 Zu der Vulgata. 


im text), die adverbia mit indisciplinose eccli. 23, 17 (im text in- 
disciplinatus), die verba mit luminare sap. 17, 19 (im text illu- 
minare), gemesco eccli. 36, 27 (im text ingemisco) und inaltare 
eccli. 15, 4. 21, 23 (im text exaltare). Das vulgüre misi si ist 
zweimal (eccli. 7, 6. sap. 8, 21) in nisi abgeglättet, und statt des 
ede radices (so ist das aede, welches Tischendorf nicht versteht, 
zu verbessern) des Amiatinus eccli. 24, 13 hat der off. text das 
leichtere mitte radices. 

Die beiden bücher der Maccabäer, sowie das buch Baruch 
bieten zwar in stilistischer hinsicht ebenfalls manches interessante, 
stehen aber hierin dem buch Sirach und Weisheit weit nach. Die 
Maccabüer haben anak Asyouera wie deprecatorius 1 Macc. 10, 
24 und contutari 2 Macc. 1, 19 (das simplex tutari tutare eben- 
falls nur in A: sap. 10, 12. Bar. 6, 17; Hieronymus behilft sich 
mit tueri defendere), und nach dem zeugniss des Amiatinus kommen 
ihnen formen zu wie duum = duorum 2 Macc. 12, 16 (Neue II, 
p. 145), conteruisti 1 Macc. 4, 30 (Ott a. o. p. 792), audaciter 
1 Macc, 6, 45 und audenter 2 Macc. 14, 43 (im text beide male 
audacter) ) und wörter wie adpropiare 1 Macc. 13, 23. 2 Macc. 
10, 25 (im text appropinquare), oblitterare 2 Macc. 12, 42 (im 
text oblivioni tradere) u. s. w. Ich bemerke, dass das zweite buch 
der Maccabüer im ganzen einen konstanteren sprachgebrauch auf- 
weist als das erste. So schwankt z. b. das erste buch zwischen 
den beiden formen Jerusalem und Jerosolyma, wahrend das zweite 
nur Jerosolyma kennt; das zweite buch begnügt sich (nach verbes- 
serung von 2 Macc. 10, 25) mit adpropiare, das erste verwendet 
daneben auch appropinquare. — Die spuren der africität sind hier 
nicht sicher. Für die Maccabäer kann Sittl a. o. nur iutamentum 
„schutz“ 1 Macc. 14, 37 anführen, und für Baruch wüsste ich nur 
elingo 6, 19 zu nennen, das in übertragener bedentung noch bei 
Augustin. Conf. 13, 30 erscheint. Allein es ist klar, dass sich 
aus so dürftigem material kein sicherer schluss ziehen lässt, 

Während die oben besprochenen in A allein vorkommenden 


3) Die lesart fundibala 1 Macc. 6, 51 und fundibalarti 4 reg. 3, 
25. Judith 6, 8. 1 Macc. 9, 11 für fundibula - bulari ist entstanden 
durch volksetymologieche anlehnung an 8dllo, dessen ableitung dal 
lista (in ähnlicher bedeutung wie fundibulum) im lateinischen einge- 
bürgert war. Vgl. Georges s. v. fundibalus. 


Zu der Vulgata. 829 


formen und würter hauptsüchlich zur charakteristik der in A ver- 
treteuen volkssprache resp. africität dienen und ihr fehlen in den 
beiden andern gruppen in der regel nicht gerade auffällt, verbalt 
sich die sache wesentlich anders bei einer weitern anzahl nur in 
A erscheinender wörter, die man sonst als gewöhnliche oder öfter 
vorkommende zu betrachten pflegt. Wenn artikel wie belwa dirus 
exitium frugi incohare (aber incohatio in B!: Hebr. 6, 1) strages 
clades u. s. w. in B und C nicht auftreten, so muss man anneh- 
men, dass dieselben entweder zur zeit der abfassung der betref- 
fenden texte von A schon dem nahen verderben geweiht waren 
und kurze zeit darnach gänzlich verschwanden oder dass sie dem 
geschmack der bearbeiter der übrigen theile, zunächst dem des 
Hieronymus, nicht entsprachen Diese frage, die hier our ange- 
deutet wird, soll unten bei der besprechung von C an einer reihe 
von artikeln näher erörtert werden. 

Wir gehen über zur charakteristik der von Hieronymus revi- 
dierten partien. Von vornherein lässt sich annehmen, dass dieselben 
io stilistischer hinsicht einen zwitterhaften charakter zur schau tra- 
gen, indem von dem vulgüren fundament der Itala die nachbes- 
sernde hand des kirchenlehrers sich abhebt. Wenn Hieronymus 
sich mit dem klassischen fax begnügt und das in A vorkommende 
facula verwirft*), in B dagegen beide wörter neben einander er- 
scheinen (fax Joh. 18. 3; facula apocal. 8, 10), so darf der schluss, 
die anwendung von facula in B gehe auf die Itala zurück, wohl 
ein methodischer genannt werden. Uebrigens tritt die arbeit des 
Hieronymus nicht besonders scharf hervor, und seine thatigkeit 
ist offenbar in stilistischer hinsicht keine recht durchgreifende ge- 
wesen,  Deutlicher lüsst sich der vulgüre untergrund erkennen, 
der seinem allgemeinen charakter nach mit dem von A zusammen- 
fallt, nur dass hier für die africitas keine vollgültigen beweise 
vorhanden sind (Sittl 150 f.) So finden wir hier formen wie 
partibor metibor psulm. 59, 8, mit denen sich etwa noch odibunt 
in C prov. 1, 22 vergleichen lässt, vetati sunt act. ap. 16, 6, 
prendidi Job. 21, 3, welch letztere bildung offenbar durch falsche 


4) Zunüchst nur in seiner bibelübersetzung, wie auch im folgen- 
den immer festzuhalten ist, dass sich die bemerkungen über den 
sprachgebrauch des Hieronymus nur auf seine übeıtragung der heili- 
gen schrift, nicht auf seine gesammtwerke beziehen. 





330 Zu der Vulgata. 


anlehnung an die komposita von do entstanden ist. — Eine auf- 
zählung vou wörtern zur charakterisierung des wortschatzes unter- 
lasse ich auch hier; anak Asyouera (z. b. accensibilis Hebr. 12, 
18) sind in B seltener als in A. Durauf aber sei noch hinge- 
wiesen, dass es in B ebenfalls eine anzahl wörter gibt, deren nicht- 
vorkommen in den beiden andern gruppen auffällt: so abunde asper- 
nari (aber aspernatio in A: eccli. 22, 1) distare expirare idoneus, 
bei denen sich übrigens die ersatzmittel leicht ergeben. Am mei- 
sten frappiert wohl die thatsache, dass ingenium our éin mal in 
der ganzen Vulgata erscheint: 2 Cor. 8, 8 vestrae caritatis inge- 
nium bonum = 10 ıng vpertous ayunng yrjouor, um so mehr als 
das wort im ital. ingegno fortlebt. Dasselbe kann demnach nicht 
als ausgestorben betrachtet werden, sondern die auflallende er- 
scheinung ist wahrscheinlich so zu erklaren, dass die in betracht 
kommenden würter des hebraischen und griechischen textes kon- 
stant durch synonyma von ingenium (wie animus anima indoles 
u. 8. W.) wiedergegeben wurden, so dass ingenium selbst ausge- 
schlossen blieb. 

Die beiden unterabtheilungen von B, das neue 'Testament und 
der Psalter, harmonieren im gebrauche einzelner wórter nur selten 
mit einander. Zur bestätigung des ziemlich tief greifenden unter- 
schiedes sei auf die thatsache verwiesen, dass holocaustum die dem 
Psalter gelüufige form ist (psalm. 19, 4. 39, 7. 49, 8. 50, 18. 
21. 65, 13. 15), während B! nur holocautoma oder holocaustoma 
kennt (Marc. 12, 33. Hebr. 10, 6. 8), welch letzteres allerdings 
auf das cloxavrwua des urtextes zurückgeht, Weitere beispiele 
für den unterschied beider partien zu hàufen, wire nicht schwer: 
nur io B! finden sich (wobei ich natürlich von A und C ganz ab- 
sehe) invicem iterum, nur in B? susceptor (Kaulen 25) inops iu- 
cundus dispereo u. s. w. 

Da, wie oben bemerkt, die änderungen, die Hieronymus im 
N. T. und im Psalter vorgenommen hat, nicht besonders durch- 
greifend gewesen sind, so erklärt sich die thatsache, dass gar oft 
A und B gemeinschaftlich wórter aufweisen, die Hieronymus ver- 
worfen hat. Nur in A und B finden wir adaperio collaudo coae- 
qualis defraudo demoror (aber demorationes iu C: prov. 12, 11; 
doch fehlt die ganze stelle im Amiatinus). Hieronymus keunt bier 
überall nur die simplicia bezw. andere komposita (commorari), wie 


Zu der Vulgata. 331 


er x. b. auch renovare in A und B durch novare ersetzt. Das 
mehr volksthümliche intensivum haesito bevorzugen A und B in. 
einer weise, dass das primitivum hier ganz fehlt, walrend Hiero- 
nymus sich in C mit haereo begnügt. Auf A und B beschränkt und 
somit der ursprünglichen Itala angehörig sind verba wie minorare 
oder adjektiva wie corruptibilis insensatus (franz. insensé) u. s. w. 
Dass Hieronymus eructare eccli. 11, 32. psalm. 18, 3. 44, 2 u.s. w. 
in € nicht hat, kommt wohl daher, weil ihm das wort nach seiner 
ursprünglichen bedeutung doch zu plebejisch dünkte (vgl. 
griech. éoevyoua:). Eructare hat jedoch (ausser eccli. 11, 32) 
in der bibel nirgends seinen eigentlichen begriff, sondern heisst ohne 
üble nebenbedeutung „hervorströmen lassen“, meist von der rede z. 
b. psalm. 44, 2 eructavit cor meum verbum bonum; die entwick- 
lung dieser verwendung knüpft an klassische beispiele an wie Cic. 
Catil. 2, 5, 10 eructant sermonibus suis caedem bonorum „sie las- 
sen rülpsend verlauten“, wo aber die ursprüngliche bedeutung noch 
sehr wohl zu erkennen ist. 

Verstehen wir das fehlen der eben genannten wörter bei Hie- 
ronymus leicht, so muss es andererseits als auffällig bezeichnet 
werden, wenn auf A und B wörter beschränkt sind wie hospes (in 
C das gewähltere advena, das übrigens auch iu A und B erscheint), 
benignitas (dagegen benignus Joel 2, 13, benigne 4 reg. 25, 28), 
malignitus (= malitia in C, aber auch in AB), sobrius sobrie so- 
brietas deterior adipiscor (in C consequor impetro, letzteres nur von 
Hieronymus gebraucht), lucrari (lucrifacere nur in B!) vitupero (in 
C reprehendo Job 27, 6. 42, 6), novissime usquequaque (in C ubi- 
que S reg. 8, 42) u. s. w. Erwähnt mag noch werden, dass 
posteaquam, das schon in klassischer latinität bedeutend hinter post- 
quam zurückstand, nur in AB sich erhalten hat: Bar. 1, 9. Luc. 14, 
29. act. ap. 27, 27; Hieronymus begnügt sich in C mit postquam, 
das selbstverstandlich auch in den beiden andern gruppen vorkommt. 

Wenn wir uns nunmehr zur analyse des dritten und umfang- 
reichsten theiles der Vulgata, der von Hieronymus selbständig über- 
setzten schriften, wenden, so haben wir dabei auszugehen von der 
person des grossen kirchenlehrers. Dass derselbe zu den gelehrte- 
sten männern seiner zeit gehörte, bedurf keines besonderen nach- 
weises, Aus der ungeheuern fille seiner schriften, in denen er 
abwechselnd das alte und neue testament erklärt, die gegner des 





332 Zu der Vulgata. 


christenthums in bitzigen streitschriften anfehdet oder rathsuchende 
brieflich belehrt, geht zur genüge hervor, dass er, wenn er auch 
in der griechischen literatur nicht sonderlich bewandert war, dafür 
die römischen schriftsteller um so sorgfältiger und eingehender 
studiert hatte. Das bezeugen die zahlreichen citate, die sich in 
seinen schriften finden, die allenthalben zerstreuten reminiscenzen 
aus klassischen autoren, und wie umfangreich seine studien waren, 
zeigt uns Lübeck „Hieronymus quos noverit scriptores et ex qui- 
bus hauserit“, der eine stattliche reihe von schriftstellern aufzählt. 
Wie sehr ihm aber die klassischen studien in fleisch und blut über- 
gegangen waren, beweist woll am besten der umstand, dass sogar 
iu seiner übersetzung des alten testaments sich anklange an alte 
auturen finden, wo doch die natur des gegenstandes eine bewusste 
verwendung erschwerte. Was wir Esther 9, 4 lesen (fama) per 
cunctorum ora volitabat, ist offenbar eine reminiscenz an Ennius 
epigr. 4 volito vivos per ora virum. Da Hieronymus, wenn wir 
Lübeck p. 8 glauben schenken dürfen, den Ennius nicht selber ge- 
lesen hat, so stammt die reminiscenz jedenfalls aus der anführung 
bei Cic. Tusc. 1, 15, 84. An Cicero (vgl. z. b. Phil. 10, 6) 
klingt an die phrase vicem alicuius dolere 1 reg. ?2, 8. 28, 21, 
an Sallust wendungen wie vitam silentio transigentes Esth. 13, 2; vgl. 
Sall. Cat. 1, 1 ne vitam silentio transeant (Var. transigant). 
Wenn wir nun durch Hieronymus selbst über seine eingehen- 
den grammatischen studien belelrt werden, wénn wir aus seinem 
eigenen munde erfahren, wie hoch er Cicero und dessen schriften 
schätzte, so lüsst sich leicht denken, dass derartige studien wesent- 
lichen einfluss haben mussten auf die ausbildung seines stils. Der- 
selbe unterscheidet sich denn auch in vielen und wichtigen punkten 
von dem oft primitiven volkslatein, wie es in der alten Itala 
berrscht. Zwar würde man irren, wollte mau annehmen, Hiero- 
nymus habe sich dem einfluss des volksidioms ganz und gar zu 
entziehen gewusst. Nicht nur die schon ziemlich gesunkene sprache 
des vierten jahrhunderts, deren einfluss alle schriftsteller jener zeit 
mehr oder weniger unterlagen, insbesondere auch die dem kirchen- 
lehrer so gelüufige sprache der ltala bewirkten, dass sich in den 
von ihm übertragenen theilen der Vulgata eine reihe von sprach- 
lichen erscheinungen vorfinden, die unbedingt in das gebiet des 
sermo vulgaris zu verweisen sind. Und diese verwendung vulgárer 





Zu der Vulgata. 388 


elemente geschieht nicht etwa unabsichtlich : áusserungen wie Quaest. 
in gen. 40, 1 (servus) quem nos possumus more vulgi vocare 
pincernam (zu diesem wort vgl. gen. 40, 1. 2. 9. 20. 23. 41, 9 
u. s. w.), zeigen uns klar, dass Hieronymus den charakter der von 
ihm verwandten sprachlichen elemente sehr wohl kannte. 

Vulgären charakter haben zunächst eine anzahl formen: Vul- 
gum pauperem Job 24, 9; pavos®) — pavones 3 reg. 10, 22. 2 
paral. 9, 21; laci geo. von lacus (Heiss p. 9); generationi alterae 
Joel 1, 3; lateri uno exod. 27, 14 und arieli uno num. 29, 14 
(s. Tischendorf zur letzten stelle); clangueris num. 10, 4; super- 
bierit deut. 17, 12; orditus est Jes. 25, 7; linire = linere, kon- 
stant im prüsens- und perfektstamm in B und C (in A fehlt das 
wort), supin litum levit. 2, 4 u. s. w. (aber in A linitio eccli. 
38, 34); taeduit eccle. (= ecclesiastes, Pred. Sal.) 2, 17. Insbe- 
sondere bei der bildung der futura von kompositis von ire hat 
Hieronymus der volkssprache öfter konzessionen gemacht, und neben 
den regelmässigen formen treffen wir bildungeu wie exeam = exiho 
Judith 8, 32, exiet Jes. 51, 4, transiet Judith 6, 4. Job 20, 8, 
pertransiet Dan. 11, 40, disperiet Judith 6, 3, circuielur Amos 3, 
11. — Bei andern auffallenden formen kann man schwanken, ob 
man statt eines vulgarismus nicht vielmehr einen bewussten ar- 
chaismus anzunehmen hat; so besonders bei dem neutralen ablativ 
sanguine exod. 30, 10 in sanguine quod oblatum est pro peccato, 
der auf den nominativ sanguen führt. Uebrigens hat der Amiatinus 
diese form auch deut. 12, 16 sanguinis quod (im text quem) super 
terram . . . effundes. 

Andere singularitüten freilich kommen nicht auf rechnung des 
Hieronymus, sondern der falschen texteskonstitution. So ist com- 
pedem meum thren. 3, 7, wo ohnehin schon der singular auffällig 
genug ist, entschieden mit dem Amiatious in compedem meam zu 
ündern; so steht gen. A5, 20 (de supellectili vestra) im Amiatinus 
das verderbte desuper lectile, woraus de supellectile herzustellen ist, 
wie auch Judith 15, 14 (beglaubigt ist die form auf i levit. 8, 
10. 1 Esdr. 1, 6); ebenso spricht Tischendorf zu 1 reg. 26, 20 


5) Die nominativform pavüs ist aus pavo durch anhüngung eines 
in der susspracbe unhörbaren s entstanden. Dieser prozess bildet das 
seitenstiick zur verwandlung von herodius in herodio u. &., Ott a. o. 


p. 790 





334 Zu der Vulgata. 


wegen die richtigkeit der lesart persequitur „wird verfolgt“ ge- 
gründete zweifel aus. Vollends unbegreiflich aber ist, dass man 
dem Hieronymus eine leistung zutraut wie num. 18, 31 Caleb com- 
pescens murmur populi qui oriebatur contra Moysen, wo murmur 
zuerst als neutrum, dann als masculinum gebraucht sein soll (vgl. 
Tischend. z. d. st. und Heiss 8). Entweder ist quod zu schreiben 
oder qui auf populi zu beziehen (— ,,des volkes, das sich erhob, 
aufstand gegen Moyses“). 

Weiter treffen wir im wortschatz eine reihe vulgärer elemente, 
so komposita an stelle der simplicia: addecimo advivo adiuramen- 
tum adinstar (auch instar nur in C), coaduno (auch aduno nur in 
C) commaculo commereo computresco confoveo , deambulo deosculor 
u. s. w., ableitungen wie cognomentum (neben cognomen), die ad- 
-verbien altrinsecus commiztim impraesentiarum. Man sehe noch: 
baiulus 2 reg. 18, 22 (dagegen fehlt in C baiulare, das in B vor- 
kommt), scruta 3 reg. 10, 15. 2 Esdr. 3, 30 (beide male scrwta 
vendere wie bei Lucil. inc. 77 p. 142 M), grossus (franz. gros) 8 
reg. 12, 10. 2 paral. 10, 10. Ezech. 41, 25, immer im kompa- 
rativ grossior, und grossitudo 3 reg. 7, 26. Jer. 52, 21, minare 
(fr. mener) exod. 3, 1. 1 reg. 30, 20 u. à. Echt vulgür ist die 
verbindung von prüpositionen mit adverbien, wie e contra exod. 
84, 8, a deorsum exod. 26, 24. 36, 29, de foris gen. 7, 16, und 
die verbindung zweier prüpositionen, wie de post tergum Sophon. 
1, 6 9), fügungen, zu denen übrigens in den meisten fallen das 
hebraische original den anlass gab (mehr beispiele s. b. Loch p. 
23). Aus der syntax führe ich an die eröffnung der fragesätze 
durch putasne = dou z. b. gen. 17, 17 putasne centenario nascetur 
flius? (Hagen 56. Kaulen 200), wie wir sie schon bei Horez 
sat. 2, 5, 76 finden: putasne || perduci. poterit tam frugi tamque 
pudica ...?  Volksthümlich ist wohl auch iussisti servo tuo 2 reg. 
9, 11; dagegen ist die struktur nocere aliquem num. 5, 19 u. è. 
eher grücisierend nach analogie von #daatey nva (Hagen 33). 
Endlich weise ich noch auf die auch io C häufig auftretende bil- 
dung der infinitivsätze durch quod quia quoniam hin, z. b. gen. 1, 
12 vidit Deus quod esset bonum (Hagen 58 ff.) u. s. w. Weitere 
belege für volksthümliche würter und wendungen gibt Kaulen, 


6) Dass hingegen de sub deut. 9, 14. 4 reg. 14, 27 nur auf fal- 
scher lesart beruht, bemerkt Tischendorf zur ersten stelle. 


Zu der Vulgata. 335 


Gesch. d. V. p. 181 f., dessen material aber im einzelnen nachzu- 
prüfen ist. Unrichtig ist die behauptung p. 182, dass die stel. 
lung des subjekts zwischen die verschiedenen theile des abl. abs. 
(gen. 13, 10 elevatis itaque Lot oculis vidil) vulgar sei. Da die- 
ser gebrauch ausser in C (vgl. noch gen. 2, 19. 34, 25. exod. 
12, 31. levit. 10, 1. 4. 1 reg. 10, 2 u.s. w.) sich nur noch in B! 
findet (act. ap. 20, 1), so dürfte er wohl als eigenthum des Hie- 
ronymus anzusehen sein, dem klassische beispiele wie Cüsars hac 
re Caesar cognita vorschwebten. Dass übrigens auch in syntakti- 
scher beziehung dem Hieronymus manche singularitat unverschuldet 
aufyebiirdet wird, zeigt Tischendorf zu deut. 26, 10 et adorato 
Domino Deo tuo, wo adorare den dativ regieren soll, 

Ich bemerke noch, dass manche der oben als vulgär bezeich- 
neten wörter und strukturen auch in A und B anzutreffen sind, 
zum deutlichen beweis, dass ihr gebrauch bei Hieronymus auf den 
einfluss der Itala zurückzuführen ist. 

Obgleich sich das beigebrachte material nicht unbedeutend ver- 
mehren liesse, so wäre es duch ein grosser irrthum, wollte jemand 
glauben, in den von Hieronymus übertragenen theilen der Vulgata 
bilde der sermo plebeius den grundcharakter der sprache. Die 
vorkommenden vulgarismen, mag ihre anzahl immerhin eine recht 
stattliche sein, sind nur als konzessionen an die sprache des vierten 
und fünften jahrhunderts und ao die überlieferte ausdrucksweise 
der Itala zu betrachten, wie sie auch bei Sulpicius Severus oder 
Laktanz, schriftstellern von noch puristischerem charakter als Hie- 
ronymus, zu finden sind. Das bestreben des übersetzers musste 
vielmehr darauf hinausgehen, die äussere form der heiligen schriften, 
die sich bisher zum grossen theil an das niedere volk gewandt und 
daher auch in dessen sprache geredet hatten, zu glätten, jene rauhe, 
bauerische form, die das ohr der gebildeten verletzte und sie für 
den werth der heiligen schriften minder empfänglich machte. Die 
zeiten hatten sich gar sehr verändert: so lange nur den armen das 
evangelium verkündet wurde (Matth. 11, 5 xrwyoi evayysACovras), 
den armen an gut und geist, solange genügte der schlichte, volks- 
thiimliche ton der Itala oder vielmehr er war der einzig mögliche; 
nunmehr aber, nachdem sich eine grosse anzahl gebildeter der neuen 
religion zugeWandt, musste auch ihren anschauungen und wünschen 
hinsichtlich der form der heiligen schriften rechnung getragen wer- 





336 Zu der Vulgata. 


den. Daria liegt (wenigstens zum theil) die bedeutung der thi- 
tigkeit des Hieronymus, und seine persönlichkeit bürgt dafür, dass 
er sein ziel klar ins auge fasste und mit den richtigen mitteln zu 
erreicben suchte. So lässt sich also diese seine thätigkeit kurz als 
sprachliche reaktion bezeichnen, eine reaktion, die an stelle 
der gesprochenen volkssprache der Itala die römische schriftsprache, 
die sprache längst vergangener jahrhunderte, die sprache eines Ci- 
cero und Sallust zu setzen bestrebt war. Der stil der hierony- 
mianischeo übersetzung gibt so in seinen beiden wichtigsten ele- 
menten, dem antik-klassischen und dem volksmässig-christlichen, ein 
getreues abbild von der persönlichkeit des grossen kirchenlehrers, 
der sein ganzes langes leben hindurch bemüht war, die antik-heid- 
nische bilduag mit dem christenthum und der gegenwart zu verei- 
nigen und zu versöhnen. Indem er so wie ein Janus vorwärts und 
rückwärts schaut, theilt sich diese doppelstellung auch seinem stile 
mit: neben dem klassischen calx „die ferse* 1 reg, 2, 29, das wegen 
kollision mit calx „kalk“ untergehen musste, steht bei ihm das vul- 
gäre calcaneum gen. 3, 15 (ital. calcagno). 

Das bestreben des Hieronymus, seine diktion der altklassischen 
möglichst zu nühern, erkennen wir zunächst daraus, dass er vul- 
gäre formen, wörter und strukturen, die sich in A und B finden, 
vermeidet. Für diese negative seite der beweisführung gibt es 
massenhaftes material. Da bereits im vorhergehenden solches bei- 
gebracht worden ist, wie insbesondere die p. 330 f. genannten, nur in 
A und B vorkommenden artikel hierher gehören, so beschrüoke ich 
mich auf wenige bemerkungen. Den unklassischen gen. vicis Luc. 
1, 8 wird man bei Hieronymus vergeblich suchen, der sich auf die 
such von den klassikern gebrauchten formen vicem vice vices vi- 
cibus beschräukt; auch precem psalm. 87, 3. 101, 1. 18 und prece 
eccli. 50, 21 vermeidet er in C und verwendet nur preces precibus nnd 
(2mal) precum. Er verwirft est mit folgendem infinitiv (sap. 5, 10 
cuius non est vestigium invenire, 2 Macc. 6, 9), eine struktur, die 
übrigens kaum, wie Kaulen 153 meint, auf griechischem einfluss 
beruht, sondern eher als vulgar anzusehen ist: Petron. 67 „est te“ 
inquit. „videre‘? In seinem eifer für ausscheidung unklassischer 
elemente geht Hieronymus oft so weit, dass er wörter, die im laufe 
der zeit eine von der klassischen abweichende bedeutung angenom- 
men hatten, gänzlich aus seinem wörtervorrath verbannt und sie 








Zu der Vulgata. 337 


auch in ihrer klassischen bedeutung nicht wieder reaktiviert. Nur 
so erkläre ich mir das günzliche fehlen von wörtern wie honestus 
honestas bei Hieronymus in C (über deren spätlateinische bedeutung 
s. oben p. 325), zu deren verwendung im sinne von „ehrbar anstän- 
dig“ doch gelegenheit genug gewesen wäre. So meidet er in C gra- 
tulari (nachklassisch „sich freuen“), communicure (im bibellatein „mit 
jemand umgehen“ und „verunreinigen“; Kaulen 151), commemoratio 
(„erinnerung“), commemorari („sich erinneru*), wogegen er memo- 
rari allerdings in dieser bedeutung hat (Kaulen 165). 

Gehen wir zum positiven theil unserer beweisführung über, so 
lässt sich zunächst an einer reihe von beispielen das augenfällige 
bestreben des Hieronymus nachweisen, gegenüber den bereits ein- 
gebürgerten formen und wörtern der sinkenden latinitüt auf die 
klassische ausdrucksweise zurückzugehen. Besonders klar scheint 
mir dies bestreben hervorzugehen aus einer vergleichung von Luc. 
2, 23 omne masculinum adaperiens vulvam mit exod. 34, 19 omne 
quod aperit vulvam generis masculini, wo Hieronymus absichtlich 
an stelle des vulgüren kompositums adaperio das von den klas- 
sikern allein gebilligte simplex setzt. Betrachten wir zunächst 
wieder die formen, so sehen wir, wie allein die vominativform 
scorpio gnade vor Hieronymus augen in C findet (num. 34, 4, 
deut. 8, 15 u. à.), wührend A und B daneben auch scorpius ver- 
wenden (eccli. 39, 36. 1 Macc. 6, 51. apocal. 9, 5). Von den 
beiden formen praesepe und praesepium kommt zwar keine bei Ci- 
cero vor, allein da erstere durch die autorität des Horaz, Ovid u. a. 
(Neue I, 553) geschützt ist, so verwendet sie Hieronymus in € 
allein (Job 6, 5. 39, 9 u. à.) uud überlässt praesepium der Itala 
(Luc. 2, 7. 12. 16. 18, 15). Der klassischen regel folgt der 
durchgángige gebrauch des plurals inimicitiae in C: gen. 3, 15. 
26, 21 u. à. In A dagegen scheidet sich der gebrauch nach den 
einzelnen schriften: wäbrend in eccli, (an vier stellen) allein der 
singular vorkommt, erscheint in den Maccabäern (an 7 stellen) bei- 
nahe ebenso konstant der plural (nur 1 Macc. 13, 17 inimicitiam 
magnam). Allerdings darf hier nicht verschwiegen werden, dass 
Hieronymus in dem gebrauch des sing. angustia (neben angustiae) 
scopa (in B scopae) altare sertum virgultum konzessionen an die 
sprache seiner zeit macht. Dagegen rettet er seine ehre wieder 
durch die ausschliessliche verwendung der formen obedio (in A auch 

Philologus. XLII. bd. 2. 22 





338 Zu der Vulgata. 


obaudio eccli. 33, 30 u. ö.), aestuare (in A einmal aestuari: eceli. 
51, 6), odorari ,riechen* gen. 8, 21 u. à. (in A und B odorare: 
eccli. 30, 19. psalm. 113, 6). Ja Hieronymus überbietet in C dea 
Cicero und dessen zeitgenossen noch in dem ausschliesslichen ge- 
brauch vou a te, da Cicero wenigstens in seinen jugendschriften 
auch abs te hüufig verwandte (vgl. meine dissertation über Corai- 
ficius p. 78); in A und B steht auch abs te: eccli. 7, 2. Bar. 5, 
6. Matth. 5, 29. 30 u. 6. 

Auch in der auswahl zwischen gleichbedeutenden würtern nimmt 
Hieronymus die klassischen autoren zu mustern. Er verschmäht 
sanctitudo psalm. 92, 5 und sanctimonia psalm. 95, 6. Hebr. 12, 
14 und begnügt sich mit sanctitas exod. 15, 11 u. è. (vgl. meine 
dissertation über Cornif. p. 94); er verwirft das mehr nachklassi- 
sche munimen 1 Macc. 10, 23 und adoptiert das durch Cüsars 
vorgang (b. gall. 2, 17) mit dem stempel der klassicität versehene 
munimentum: prov. 12, 12 u. 6. Laesio 1 Esdr. 4, 14. Dan. 6, 
23, das durch Ciceros autorität de or. 3, 205 geschützt war, zog 
er der gleichbedeutenden bildung laesura (sap. 11, 20. 18, 3) vor, 
die so wenig gnade vor seinen augen fand als aeramentem eceli. 
12, 10. Marc. 7, 4. apocal. 18, 12, das er durch aes ersetzt. 
Inaccessus Job 39, 28, das, wenn auch nicht Cicero selber, se 
doch Vergil, Plinius und Tacitus verwandten, dünkte ilim korrekter 
als inaccessibilis 1 Tim. 6, 16, das er allerdings in seinen übri- 
gen schriften häufig genug gebraucht. Der von Cicero anerkannten 
form hiemalis tusc. 5, 77. divin. 2, 33. fam. 6, 20, 1 schliesst 
sich auch Hieronymus an: Jer. 36, 22. Amos 3, 15, während die 
Itala das an. dey. hibernalis sap. 16, 29 (aber Amiat. auch hier 
hiemalis!) aufweist, das erst gebildet werden konnte, als hibernum 
(fr. hiver, ital, inverno) an die stelle von hiems getreten war. 
Dem unklassischen odibilis sap. 12, 4. Tit. 3, 3 u. è. zog er 
odiosus, dem zum ersten mal bei Columella auftretenden subitaneus 
sap. 17, 6. 14. 19, 16 das klassische subitus 1 reg. 4, 19. Job 
22, 10 vor, und wie sehr er sich in C gegen impossibilis strüubte, 
zeigt die thatsache, dass er dies in die romanischen sprachen über- 
gegaugene wort (fr. impossible, it. impossibile), das in A Smal, in 
B 12mal erscheint, nur einmal bringt: Dan. 4, 6 et omne sacra- 
mentum non est impossibile tibi, und zwar in der passiven, nicht 
in der aktiven bedeutung ,,ohnmüchtig" sap. 11, 18. Possibile 


Zu der Vulgata. 339 


(in A 1, in B! 7) vermeidet er ganz, verwendet aber einmal pos- 
sibilitas: 2 Esdr. 5, 8 secundum possibilitatem nostram. Garrulus 
prov. 7, 10 keant zwar Cicero nicht, der nur das in der Vulgata 
fehlende loquax billigt, ersteres ist aber immerhin besser (vgl. z. b. 
Cornif. 2, 16) als linguosus psalm. 139, 12. eccli. 9, 25 oder lin- 
guatus eccli. 8, 4. 25, 27, womit A und B ihren bedarf decken. 
Das simplex rigare, das bei Cicero nur einmal und zwar im vers 
div. 1, 20 sich findet, bat auch Hieronymus nur einmal Job 24, 8 
(A 1, B 7mal), da er soust im anschluss an Cicero das kompo- 
situm irrigare (12 st. in C, fehlt in A und B) vorzieht. 

Ganz ähulich verfährt Hieronymus, wenn ein wort mehrere 
bedeutungen aufweist. Incredibilis heisst in C nur „unglaublich“: 
iudic. 20, 5 incredibili furore libidinis, Esther 2, 15; für die 
aktive bedeutung „nicht glaubend, unglüubig*, welche das wort in 
A und B aufweist (eccli. 2, 18 non erunt incredibiles verbo, Bar. 
1, 19. Tit. 1, 16 u. ö.), setzt Hieronymus lieber incredulus. 

Das streben des Hieronymus nach reiner diktion üussert sich 
auch io der weise, dass er eine anzahl griechischer wörter, die 
sich io A uod B finden, durch lateinische ersetzt. Für cataclysmus 
eccli. 39, 28. 40, 10 kennt er nur inundatio und diluvium; basi- 
liscus psalm. 90, 13 gibt er durch die wörtliche übertragung re- 
gulus prov. 23, 32. Jes. 11, 8 u. 6. Moechus (nur levit. 20, 10) 
und moechari lüsst er zwar zu, vermeidet aber moechia sap. 14, 
26, für das er adulterium und stuprum vorzieht. Thronus bat er 
zwar, wie A uud B, oft genug (48mal in C), gibt aber solium (74 
st) den vorzug, das A und B nicht kennen. — Damit ist übri- 
gens keineswegs ausgeschlossen, dass auch bei Hieronymus sich 
eine ziemlich stattliche anzahl griechischer wörter, namentlich tech- 
nischer ausdrücke und benennungen von thieren findet (Loch p. 7). 

Als heispiel für die verbindung einzelner wörter diene necesse, 
das Hieronymus fast durchgängig mit esse verbindet: gen. 25, 22. 
33, 15 u. ö.; nec. habere findet sich in C nur einmal 1 reg. 18, 
25 non habet necesse rex sponsalia (so ist die richtige wortstellung 
nach den handschriften), jedoch, wie man sieht, in negativer form, 
wodurch die vorschrift des ciceronianischen stiles gewahrt ist: 
Quinct. 13. de opt. gen. or. 14. Att. 10, 1, 4. 12, 39, 1. 16, 
2, 5 und Landgraf, De Ciceronis elocutione etc. p. 43 f. Zu bei- 
spielen, wie sie in B auftreten: Luc. 14, 18 villam emi et nec. 

22° 





340 .. Zu der Vulgata. 


habeo exire (Luc. 23, 17 u. ö.), hat sich Hieronymus in C nicht 
herbeigelassen. 

Noch in vielen andern punkten lasst sich bei Hieronymus ein 
anlehnen an klassische muster erkennen, so in dem gebrauch von 
inquam, das in A und B nicht einmal der form nach vorkommt, 
zur hervorhebung eines begriffes: Ezecb. 24, 3 pone ollam: pone, 
inquam u. 6. Unklassische bildungen gibt Hieronymus lieber durch 
zusammengesetzte ausdrücke, wie dem cervicatus der Itala eccli. 
16, 11 bei ihm ein durae cervicis exod. 32, 9. deut. 9, 13 u. 6. 
entspricht. Bemerkt sei noch, dass der superlativ scientiesimus 
ausser bei Cicero inv. 1, 58. de or. 1, 49, 214 nur noch bei 
Hieronymus 2 paral. 2, 13 nachgewiesen ist. 

Nach dem im vorhergehenden ausgeführten dürfen wir wohl 
schon jetzt darauf hinweisen, wie verkehrt es ist, alle sprachlichen 
erscheinungen, die in der Vulgata vorkommen, obne weiteres als 
vulgär zu bezeichnen, ein fehler, in den man bislang häufig ver- 
fallen ist. Nicht nur dass die drei gruppen immer sorgfältig zu 
scheiden sind, bei den von Hieronymus übersetzten partien bat man 
sich überdies noch die frage vorzulegen, ob wir nicht eine be- 
wusste nachahmung der klassischen diktion vor uns haben. 

Einen entscheidenden schritt zu dem, was wir oben ,sprach- 
liche reaktion“ nannten, that Hieronymus dadurch , dass er wörter, 
die in der damals gesprochenen spracbe lüngst ausgestorben waren, 
wieder in ihre alten rechte einzusetzen versuchte; diese so reakti- 
vierten wórter sind demnach als reine archaismen zu betrachten. 
Wenn Landgraf in der besprechung meiner abhandlung über den 
Apolloniusroman (Philo). rundschau 1, p. 504 anm.) mittheilt, dass 
das wort oppidum im N. T. ganz fehle, wührend es sich im A. T. 
ziemlich häufig finde, so war diese bemerkung genauer dahin zu 
fassen, dass oppidum nur in den von Hieronymus selbständig über- 
setzten theilen der Vulgata auftrete (gen. 13, 12. 24, 11 u, ö, 
im ganzen 44mal); es ist beigezogen zur abwechslung mit dem 
überaus hüufigen civitas. Der gebrauch von oppidum aber ist rei- 
ner archaismus; nicht nur dass das wort in A uud B gänzlich fehlt, 
wo doch gelegenleit genug zu seiner verwendung gewesen wire, 
auch die romanischen sprachen weisen keine spur mehr davon auf. 
So restauriert Hieronymus das lüngst verschollene simplex fari 
Jes. 59, 3 et lingua vestra iniquitatem fatur. — Offenbar bestimmte 


Zu der Vulgata. 341 


den übersetzer zur wahl des alterthümlichen wortes dessen feier- 
liches ethos, das dem ton der heiligen schriften, speziell dem eines 
prophetischen abschnittes, hóchst angemessen schien, wozu an un- 
serer stelle auch noch die mehr dichterische konstruktion binzu- 
kommt. Auch die noch vorkommenden komposita von fari dürfen 
alle auf Hieronymus zurückgeführt werden: Dan. 6, 20 et affatus 
est eum; Dao. 5, 13 praefatus rex (in dieser stelle sehe ich das 
vorbild zu der im mittelalter so häufigen passivischen verwendung 
von praefatus, z. b. lib. de Constantino p. 2, 10 in urbe praefata, 
p. 2, 11. 3, 3 u. 6); wenn effari ausser prov. 18, 23 auch noch 
psalm. 93, 4 effabuntur et loquentur iniquitatem vorkommt, so darf 
auch letztere stelle um so eher dem Hieronymus zugeschrieben 
werden, als sie eine merkwürdige übnlichkeit mit der oben citierten 
Jes. 59, 3 zeigt. 
| Das alterthümlich-feierliche ethos war es auch, was den über- 
setzer zur aufnahme des veralteten quaeso (quaesumus nur Dan. 3, 
34. Jon. 1, 14) bestimmte, das nach Heerdegen, „Orare“ p. 69 
schon beim jüngern Seneca günzlich verschwunden ist. Und zwar 
steht quaeso nicht etwa bloss zur verstürkung einer bitte oder 
eines befehls (gen. 13, 8 ne quaeso sit iurgium inter me et te u. 
ö.), sondern auch als selbständiges verbum mit folgendem ut: gen. 
23, 13 quaeso ut audias me u. ö., eine konstruktion, die schon zu 
Ciceros zeit so veraltet war, dass in den briefen an Atticus unter 
61 beispielen der verwendung von quaeso nur noch viermal der fall 
einer verbindung mit ut oder dem blossen konjuuktiv vorkommt. 
Ja als transitives verbum in verbindung mit einem objekt steht 
quaeso bei Hieronymus: iudic. 19, 6 quaeso te ut hodie hic maneas, 
2 paral. 18, 12. Judith 9, 3, ein fall, der bei Cicero überhaupt 
nur noch einmal vorkommt: Rosc. Am. 11 te —, M. Fanni, quaeso. 
Dass sich aber Hieronymus auf den acc. te beschrünkt hat (zur 
verwendung der andern stehenden formel deos quaeso war für ihn 
keine gelegenheit), zeugt vou seinem feineu gefühl für sprachliche 
dinge und seinem eingehenden studium der alten klassiker (vgl. 
meine diss. üb. Cornif. p. 59). — Betreffs der übrigen verba des 
bittens bemerke ich gelegentlich, dass supplicare, das schon bei Li- 
vius nur noch in technischem sinu auftritt, in der Vulgata ausge- 
storben ist und durch suppliciter deprecari deut. 9, 25 ersetzt wird. 
Auch ea tempestate im sinne von eo tempore 1 paral. 21, 29, 





342 Zu der Vulgata. 


2 paral. 28, 9 halte ich für bewusste nachahmung etwa des Sal- 
lust, bei dem diese wendung bäufig ist: Cat. 7, 1. 17, 7. 22. 1 
u. 6. Wenn auch Viktor von Vita 3, Q. 55 ea tempestate schreibt, 
so mag dies auf die lektüre der übersetzung des Hieronymas zu- 
rückzufübren sein. — Noxa, das seit Tacitus und Sueton pur 
noch in der sprache der juristen als technischer ausdruck fortlebte, 
wird von Hieronymus gelegentlich wieder hervorgesucht: exod. 21, 
16 convictus noxae morte moriatur (an einer, wie auch die etym. 
figur beweist, höchst feierlichen stelle), exod. 32, 31. num. 35, 
27. 1 Esdr. 4, 13.  Denselben feierlichen charakter trägt auch 
patrare gen. 2, 2 et requievit ... ab universo opere quod patrarat 
(vgl. Cic. leg. 2, 8, 19 operibus patratis im text der gesetze); s. 
noch deut. 4, 25 (patrantes malum wie facinus patrare bei Sall. 
und Livius) und gen. 34, 30. Nicht genau lässt sich entscheiden, 
ob pendere mit einem gen. pretii (konstant parvi pendere in C: 
gen. 25, 34. levit. 20, 4. 2 paral. 36, 16. Esther 1, 18), das 
namentlich bei den komikern, aber auch bei Horaz sat. 2, 4, 93 
auftritt, als archaismus oder, da es noch bei Augustin (pluris mi- 
noris pendere) erscheint, als ein aus der lebendigen volkssprache 
geschüpfter vulgarismus anzusehen ist. Dagegen dürfen wir bei 
mas maris gen. 17, 23. 31, 10 u. à. (im ganzen 11 mal) be- 
stimmt künstliche reaktivierung annehmen. Das wort war ver- 
schwunden, weil es in den meisten kasus mit mare kollidierte, wes- 
balb soger Hieronymus (ausser maribus: gen. 34, 24. 2 paral. 31, 
16) our die beiden nicht zusammenfallenden formen marem levit. 
3, 1 und (8mal) mares verwendet. Seine stelle in A und B ver- 
sehen masculus und masoulinus. 

Das bestreben, statt der gewöhnlichen, schon verbrauchten 
wörter gewähltere, seltnere zu verwenden, um so dem ganzen stil 
das gepräge der vornehmheit zu geben, lässt sich oun noch weiter 
an eiuer reihe von beispielen nachweisen, wobei übrigens nicht be- 
hauptet werden soll, dass die sämmtlichen im folgenden aufge- 
zäblten wörter zur zeit des Hieronymus schon aus der lebenden 
sprache verschwunden gewesen wären. Cunctus bringt Hieronymua 
nicht weniger als 542mal, und die drei beispiele in B! (act. ap. 
8, 40. Rom. 16, 4. Phil. 1, 4) sind möglicherweise auch auf 
ihn zurückzuführen, so dass nur zwei belege aus A übrig bleiben: 
Bar. 1, 9. 2 Macc. 9, 20. Da quispiam, gewählter als aliquis, 


Zu der Vulgata. 343 


in C 54mal, in B dagegen nur imal (Marc. 15, 21) erscheint, so 
liegt auch hier wieder die vermutbung nahe, dass letzterer beleg 
dem Hieronymus zu verdanken ist. Sein streben nach klassizitat 
des ausdruckes geht soweit, dass er sogar begriffe aus der heidni- 
schen mythologie in das A. T. bringt; wir lesen sirenes Jes. 13, 
22, fauni Jer. 50, 39, Adonis Ezech. 8, 14 (Adonem Am., was 
aufzunehmen wire) u. 8. w.; und so wundern wir uns deon gar 
nicht, weno uns in C das spezifisch römische wort optimates be- 
geguet (3 reg. 21, 8. 11 u. ö.), dessen begriff in A und B eio- 
fach durch mobiles gegehen wird. 

Ich führe nun noch eine anzahl solcher gewählter würter an, 
die, wofern nicht anders bemerkt ist, selbstverstándlich nur in € 
vorkommen: Adoleo ,,anziinden“ (= incendo in ABC) steht 55mal 
als technischer ausdruck der opfersprache; zu bemerken ist das 
seltene perfekt adolevi levit. 8, 16. 20. 28. 9, 10. 2 paral. 28, 
3. 29, 7; animadverto (= sentio in ABC); artus (membra in 
ABC); caesaries (capillus in ABC, crinis und coma in BC); cassis 
(galea in ABC); cruor (sanguis in ABC); famula (ancilla iu ABC; 
auch serva 2mal nur in C); ferio bedeutet nicht bloss „schlagen 
verwunden“, sondern steht auch in den verbindungen foedus pactum 
ferire deut. 29, 14. Job 40, 23 u. ö.; inclitus; lucus nemus nebst 
nemorosus ; luo ,,büssen‘ Job 20, 18 luet quae fecit omnia; ensis 
und mucro; pauperies prov. 6, 11 ist offenbar das gewühltere wort 
gegenüber paupertas, ebenso plectere „strafen“ deut. 21, 22 gegen- 
über punire. Ein rares kabinetstück ist das der sprache der 
censoren entnommene asyodeton sarta fecta (Preuss, De bimembris 
dissoluti . . . usu sollemni p. 107), das Hieronymus wieder her- 
vorgesucht hat: 4 reg. 12, 5. 6. 7. 8. 12. 22, 5. 2 paral. 24, 5. 

Hatten schon einzelne der eben angeführten artikel (wie cae- 
saries) einen poetischen charakter, so lassen sich derartige ele- 
mente noch in weit grösserer anzahl aufführen. Ich rechne hierher: 
fluentum (immer im plur. fluenta uum. 13, 30. Jos. 5, 1. 13, 8 
u. 6.), das auch sonst bei Hieronymus vorkommt (vgl. ep. 97, 3), 
fragor germen innumerus iugales „doppelgespann“ libamen (auch li- 
bamentum libum our in C), praesagus mit folgendem genetiv (gen. 
41, 11 vidimus somnium praesagum futurorum) u. s. w. 

Manche andere wörter gewählten charakters sind zwar nicht 
auf C beschrünkt, dürfen aber doch wegen der überwültigenden 





344 Zu der Vulgata. 


menge der belege als eigenthümlichkeiten des Hieronymus be- 
trachtet werden. : Beispielsweise nenne ich: Urbs in A 2mal in 
der formel ab urbe Roma, in B! 3mal, in C 366mal; gradior, 
das Hieronymus 50 mal verwendet, erscheint sonst nur eceli. 1, 
16. psalm. 31, 8; pango steht 29mal in C und zwar fast kon- 
stant in verbindung mit den beiden objekten foedus und pactum 
(aber vergl. 1 paral. 16, 16 sermonis . . . quem pepigit cum 
Abraham), wührend die beiden stellen in À und B (1 Macc. 15, 
27. Luc. 22, 5) eine freiere verwendung aufweisen. 

Bei einzelnen der oben angeführten wérter gewählten cha- 
rakters, wie adoleo animadverto artus u. s. w., haben wir zugleich 
die dieses charakters entbehrenden syuonyma (incendo sentio mem- 
bra) angegeben, welche in A und B zur verwendung kommen. 
Wir beobachten aber dabei, dass diese synonyma fast regelmissig 
auch in C sich zeigen, so dass also da, wo A uud B für einen be- 
griff auch nur ein wort kennen, Hieronymus dafür zwei (oder 
mehrere) hat. Dies ergibt für die beurtheilung der diktion des 
Hieronymus einen neuen, überaus fruchtbaren gesichtspunkt, den 
der (gesuchten) abwechselung. Ich meine hier natürlich nicht 
jene art von (gezwungener) abwechslung, bei der der übersetzer, 
wenn er verbundene synonyma des urtextes wiedergeben soll, noth- 
gedrungen zu einem worte greift, das er sonst vermeidet. In 
diese nothlage ist Hieronymus einige male versetzt worden: Amos 
3, 12 in Samaria in plaga lectuli et in Damasci grabato 
(letzteres wort sonst nur noch in B!); 2 paral. 2, 12 filium sa- 
pientem et eruditum. et sensatum atque prudentem (sensatus sonst 
nur noch in eccli.) Ich denke vielmebr an die gesuchte und beab- 
sichtigte abwechslung, bei der der übersetzer da, wo sich der wort- 
arme hebrüische urtext mit einem ausdruck begnügt, im interesse 
seines stiles und seiner leser deren mehrere verwendet. Als bei- 
spiel mögen die ausdrücke für den begriff „philister“ dienen, B 
hat dafür einmal das griech. allophyli psalm. 55, 1, das sonst in 
der Vulgata nicht wieder vorkommt, wührend es im übrigen kir- 
chenlatein, z. b. in den chronica des Sulpicius Severus häufig er- 
scheint. A kennt our die hebräische indeklinable form Philistiim, 
Hieronymus aber ausser dieser auch noch Philistaeus und Phili- 
stini. Während aber die hebrüische form für alle kasus gleich- 
massig verwendet wird, haben die beiden andern speziell hierony. 





Zu der Vulgata. 845 


mianischen würter ihre funktionen so getheilt, dass das letztere 
nur io der form Philistinorum (59mal) auftritt, während die übri- 
gen kasus des plur. und der sing. von Philistaeus genommen wird, 
das seinerseits den gen. plur. nicht bildet. Ein anderes beispiel: 
B behilft sich mit pestilentia: psalm. 1, 1. Matth. 24, 7. Luc. 
21, 11, Hieronymus aber kennt ausser diesem auch noch pestis 
(22mal), das in AB fehlt. Dass aber beide wörter die völlig 
gleiche bedeutung haben, erkennt man aus der vergleichung von 
stellen wie Jer. 24, 10 gladium ef famem et pestem und Ezech. 
12, 16 a gladio et fame et pestilentia. 

Um wun einen begriff zu geben von dem reichen wortschatz, 
über den Hieronymus verfügt, gebe ich im folgenden ein verzeichnis 
solcher (meist gewählter, seltner vulgürer) wörter, die bestimmt 
sind mit andern, io C (aber grossentheils auch in A und B) vor- 
kommenden synonymen abzuwechseln. Diese synonyma führe ich 
der kürze halber nur ausnahmsweise an, sie ergeben sich auch in 
der regel von selber. Die angeführten artikel kommen, wofern 
nicht das gegentlieil ausdrücklich bemerkt ist, nur in C vor: Ac- 
cresco adamo armentum casirumelari clivus coaevus cohibeo condico 
coniugium cubo culmen cupido delibero depopulor nebst depopulatio 
und depopulator, discrimen discooperio edulium e regione, esus (esca 
cibus in ABC) expiare fabre nebst fabrefio favilla grandaevus gra- 
tuitus ictus (part.) imprecor nebst imprecatio incolo indigena indu- 
siria nebst industrius infantulus iugis nebst iugiter iugulare, iu- 
gum = bergrücken, iurgium nebst iurgor, lacero nebst dilacero 
laevus lassus latito latrunculus legifer lustro nebst lustratio manu- 
biae medeor messio mico moenia monstro mutuo und vicissim (in- 
vicem in ABC) nasus nequeo nebst queo, nozius nehst innoxius uud 
insons obfirmo (Hieronymus hat eine entschiedene vorliebe für kom- 
posita mit ob; nur in C finden sich weiter noch obrigeo obruo ob- 
iurgo obtego obsurdesco obtenebro obtero obtestor obtingit) occubitus 
der untergang (von gestirnen; so auch occumbo bei Hieronymus), 
opitulor opulentus omnimodus orbari ordior palari pando papilio 
nebst tentorium (tabernaculum in ABC) patibulum (= crux in BC) 
pavidus peculium nebst peculiaris perfruor perquiro perterreo piacu- 
lum, pigredo an. Asy., placitum als subst. plaga = pars mundi, 
plaustrum poenitudo potiri praeficio nebst praefectus praecipio prae- 
stolor proceres procul (in C 57, in A 1) promineo pronus. protelor 





346 Zu der Vulgata. 


quatio (1 paral. 16, 42 quatientes oymbala wie Verg. georg. 4, 
64 quate oymbala) querimonia (= querela in ABC) quondam (ia 
ABC olim) racemus rebellio recenseo refocilo (= refrigero in ABC) 
reperio (in C 77, in Al) respergo rite rizor nebst rixosus robore 
(= corroboro conforto in ABC) robustus (in C 82, in A 1) sagum 
saltus (in C 42, in A 2) sciens nebst gnarus scortum soboles so- 
por sopior sortito sospes nebst sospitas specus (= spelunca in ABC) 
spiramentum sponte stilla (== gutta in ABC) stipare strenuus 
sirues stuprum subiugo subter succresco summitas suppulo nebst 
supputatio superficies tabes temulentus (= ebrius in BC, ebriosus in 
AB, ebriacus in A) tenellus (in BC tener) torpeo turma vagus valoae 
vastus nebst vastitas vecors nebst vecordia vepris vergo (immer von 
der himmelsgegend) vetustus victima in C 112, in B! 2 (darunter 
act. ap. 7, 42 victimas et hostias; sonst hostia in ABC) virecta 
vireo nebst vigeo vocabulum voro (== devoro in ABC). 

Das hier zusammengebrachte material lässt sich nach verschie- 
denen seiten hin verwerthen, was wir leider hier unterlassen miis- 
sen, da es uns zu weit führen würde. Ich weise nur noch darauf 
hin, dass besonders das gebiet der partikeln (adverbia und kon- 
junktionen, weniger prapos, und interjekt.) reichen stoff liefert. 
Idcirco finde ich in C 146mal, und so mag die einzige stelle, an 
der es in B steht (Hebr. 7, 23), wieder auf Hieronymus zurück- 
zuführen sein; die beiden andern gruppen decken ihren bedarf mit 
ideo und eo (immer eo quod und dies fast regelmüssig mit dem 
konjunktiv; vgl. Tischend. zu exod. 13, 16), die aber beide auch 
von Hieronymus verwandt werden. Dus gewallte en (41mal in 
C) ist wohl küastlich restauriert, da nur ecce (ital. ecco == eccum) 
in die romanischen sprachen übergegangen ist. Auch interim (nur 
gen. 43, 1. Jos. 22, 18. Job 34, 37) mag zur zeit des Hie- 
ronymus schon bedroht gewesen sein; seine stelle versieht noch 
interea, dem aber bereits bedenkliche konkurrenz gemacht wird 
durch das immer mehr um sich greifende inter haec z. b. levit. 10, 
16. num. 13, 31, wie auch postea durch post haec beeintrüchtigt 
wird, z. b. exod. 2, 1. 3 reg. 21, 19. Tob. 2, 1. — Reiches 
material bietet insbesondere auch das kapitel von den fragesätzen, 
über welches Hagen p. 49 ff. haudelt. Ich bemerke zu p. 50, 8, 
dass num als fragepartikel sich lediglich in C findet (46mal), wüh- 
rend das viel büufigere numquid in den drei gruppen siemlich 


Zu der Vulgata. 347 


gleichmässig vertreten ist. Num war zur zeit des Hieronymus of- 
fenbar schon untergegangen: der verlust des schliessenden m uud 
die dumpfe aussprache des u zogen ihm kullision mit non zu, auch 
hatte das wort zu wenig kórper und gewicht, und dies wurde ilim 
gegeben durch anhäugung von quid. Fast will mir scheinen, als 
ob die durch anfügung von ne gebildete einfache direkte frage, 
eine ausdrucksweise, die in der Vulgata nicht häufig ist, überwie- 
gend auf C beschränkt sei (gen. 29, 6. 43, 27 u. 6). Sicher ist, 
dass an bessere zeiten der lat. sprache erinnernde verbindungen wie 
ergone 1 reg. 14, 45. 2 reg. 19, 22 u. ö., hicine haecine (se 
steht im Amiat. deut, 32, 6. 1 reg. 21, 15. 3 reg. 9, 13, dage- 
gen haeccine 4 reg. 9, 37. thren. 2, 15) oder sicine 1 reg. 15, 
32 (so im Amiat.) nur in € gefunden werden. 

Die anzahl der lediglich in C vorkommenden (nicht von ad- 
Jektiven gebildeten) ad verbien und konjunktionen ist keine kleine. 
Manche derselben hat Hieronymus gewiss wieder zur abwechsluog 
mit gleichbedeutenden verwandt, wie wir deren mehrere im vorher- 
gehenden aufgezählt haben. Dazu kommt aber gerade bei diesen 
wortklassen ein neuer, wohl zu berücksichtigeuder gesichtspunkt. 
Jedermann kennt die ungelenkheit der hebräischen sprache in sya- 
taktischer hiosicht, ihre armuth ao partikeln, die sich ganz beson- 
ders bei einer vergleichung mit den altklassischen sprachen fühlbar 
macht, ihre geringe beweglichkeit, wenn es gilt, gedanken zu ein- 
ander in die logisch-richtige beziehung zu setzen. Welche fülle 
von verbültnissen muss z. b. allein das kopulative 1 oder ^w be- 
zeichnen! Diese oft dem unbehülflichen stammeln des kindes ver- 
gleichbare ausdrucksweise wurde in der alten Itala beibehalten und 
war hier um so angemessener, als ja die volkssprache, wie zu al- 
len zeiten und bei allen vólkern, so auch damals bei den Rómern 
nur eben diese primitive satzfügung kannte und verstand, wie sie 
das hebráische original von vornhereiu darbot. Anders lag die 
sache für Hieronymus. Er, der für die gebildeten seiner zeit die 
bibel bearbeitete, der wiederholt den satz aufstellt, dass man bei 
der übersetzung nicht die wortform, sondern den inbalt wiederzu- 
geben bemüht sein müsse, und sich zur rechtfertigung seiner me- 
thode nicht bloss auf Cicero und Horaz, sondern aucb auf Christus 
und die apostel bei deren citaten aus dem A. T. beruft, er, der 
lieber vom genauen wortlaut des hebräischen textes abweichen, als 





348 Zu der Vulgata. 


unklar und unverstindlich werden will, er musste an stelle der 
kindlichen ausdrucksweise des hebräischen originals die gereifte, 
männliche der lateinischen sprache setzen. Er musste dem einzel- 
nen wort das gehörige kolorit im satze geben, die sätze und ge- 
danken aber zu einander in die entsprechende beziehung bringen, 
und dies geschah eben durch anwendung fein- nüancierender parti- 
keln. Zu bedauern ist nur, dass die konkordanzen gerade in die- 
sem punkt oft kein erschépfendes material bieten; so entzieht sich 
gewiss eine reihe interessanter thatsachen vorerst noch ger beob- 
achtung. 

Wir finden demnach allein in C: attamen (15mal), nempe Job 
19, 4 nempe, etsi ignoravi, mecum erit ignorantia men; nec non 
steht beinahe konstant in der verbindung nec non et (auch 3 reg. 
20, 21 nach dem zeugnis der meisten codd.), seltner fehlt ef, wie 
1 paral. 3, 8. 18, 8. 2 paral. 29, 14. 35, 9. Dumtaxat er- 
scheint ausser levit. 25, 50 und deut. 12, 16 konstant in den ver- 
bindungen ita dumt. ut (11mal) und ita d. si (imal). Penitus 
steht meist (18mal) in verbindung mit einer negation oder einem 
negativen begriff, z. b. levit. 5, 8 ita ut... non p. abrumpatur, 
1 reg. 20, 39 quid ageretur, p. ignorabat, ausserdem 3mal in un- 
mittelbarer zusammenstellung mit donec: deut. 7, 23. 2 paral. 31, 
1. Jer. 44, 27, so dass als ausnahme nur bleibt: Jes. 2, 18 idola 
p. conterentur. — Praesertim findet sich nur in der redensart pr. 
cum (7mal) ibidem entweder mit morari gen. 26, 8. Jos. 11, 11 
oder mit reperire 4 reg. 7, 5. 10. 1 paral. 4, 41; aber Ezech. 
48, 35, wo ibidem das letzte wort des wanzen buches bildet, wurde 
es statt des einfachen ibi offenbar gewühlt, um einen kräftigeren 
abschluss zu gewinnen. Auch equidem hat Hieronymus allein, je- 
doch nur éinmal dem klassischen gebrauche entsprechend: Jer. 38, 
26 equ... . proiciam ; sonst ist es einfache versicherungspartikel, 
sowohl in verbindung mit verben (3 reg. 2, 26 equ. vir mortis es) 
als für sich allein stehend: 1 reg. 21, 5. Jes. 49, 25. Die re- 
geln der besten zeit wahrt Hieronymus, wenn er oppido mit einem 
adjektiv schlimmen sinnes wie lassus gen. 25, 30 verbindet (vgl. 
Wölfflin, Komparation p. 21), womit man 2 paral. 35, 23 o. vul- 
neratus vergleichen mag; mit einer reinen verbalform steht das 
adverb gen. 19, 3 compulit illos oppido. Zu den übrigen nur in 
C vorkommenden partikeln habe ich nichts zu bemerken; es sind: 


Zu der Vulgata. 349 


denique dudum huousque magnopere nimirum (imal Job 12, 7) pa- 
rum parumper passim paulisper plane prorsus quandocunque scilicet 
videlicet. — Andere hierher gehörige elemente sind zwar nicht 
auf C beschränkt, überwiegen aber hier so stark, dass man ihren 
gebrauch wohl als eigenthümlichkeit des Hieronymus ansehen darf. 
Ich nenne: namque (in C 8, in B! 3), welches ausser 2 paral. 20, 
23 immer an zweiter stelle steht, nequaquam (in C 62, in A 1, 
in B! 5), nihilo minus (in C 9, in B! 1), porro (in € 268, in 
B! 4), quippe (in C 62, in A 2, in B! 6), saltem (in C 15, in 
B' 1) u. s. w. 

Die folgenden artikel sollen den unterschied zwischen C einer- 
seits und AB andrerseits im einzelnen noch näher beleuchten. Von 
den beiden wörtern für „ohne“, absque und sine, bevorzugt Hiero- 
nymus das erstere ganz entschieden. Es steht bei ihm 186mal, 
wogegen A nur 2, B! nur 3 beispiele aufzuweisen hat. Umge- 
kehrt finde ich sine in C nur 40mal, während A 60, B! 115 und 
B? 9 beispiele hat. Auffallig mag es scheinen, dass sich Hiero- 
nymus nicht an das von Cicero gebilligte, sondern an das aus- 
schliesslich vulgäre wort angeschlossen hat. Vielleicht dünkte ihm 
die kraftigere, voller klingende form absque dem tone der heiligen 
schriften entsprechender. Als konzession an die vulgürsprache ist 
auch die nominativform margaritum prov. 25, 12 zu betrachten 
(in B überall margarita, soweit sich der nominativ deutlich erken- 
nen lässt: Matth. 7, 6. 13, 45 u. 6.). Für die auswahl zwischen 
doppelformen wie praecoquus (so C: num. 13, 21. Micb. 7, 1) 
und praecox (so A: eccli. 51, 19), pusillanimus (so C: Jes. 35, 
4) und pusillanimis (so AB: eccli. 7, 9. 1 Thess. 5, 14), femi- 
nalia (so C: exod. 28, 42 u. ö., auch sonst bei Hieronymus: ep. 
64, 14) und femoralia (so A: eccli. 45, 10) hatte Hieronymus 
keine richtschnur aus der eigentlich klassischen zeit. Umgekehrt 
stand ihm für die beiden adjektive natalis und natalicius die au- 
toritat des Cicero zur seite (natalis dies z. b. div. 2, 87; sidera 
natalicia div. 2, 91), bei dem sich übrigeus die beiden ihrer be- 
deutung nach nicht völlig decken; Hieronymus entschied sich in C fiir 
natalicius gen. 40, 20 dies tertius natalicius Pharaonis erat, wüh- 
rend AB natale als substantiv haben: 2 Macc. 6, 7 in die natalis 
regis, Matth. 14, 6. Marc. 6, 21. Dagegen hat weder pulmentum 
(so €: gen. 25, 29. 27, 4. 17 u. 6.) noch pulmentarium (so B: 





350 Zu der Vulgate. 


Joh. 21, 5) dem Cicero beliebt, der an der einzigen stelle, an der 
das wort bei ihm vorkommt (Tusc. 5, 90), die form pulpamentum 
gewühlt hat. Neben epulae, das die drei gruppen kennen, hat C 
noch als nebenform epulum num. 10, 10, A epulatio = roupr sap. 
19, 11. eccli, 37, 32. Das eigentliche wort für „schaden“ ist 
bei Hieronymus damnum (C 13, B! 1, fehlt in A), in B hingegen 
deirimentum (B! 8, A 1, fehlt in C). Von vendo kennt B nur die 
aktiven formen, A ausser diesen auch noch das particip venditus 
sap. 10, 13, am weitesten greift Hieronymus, der auch noch die 
passiven formen des prüsensstammes bildet: gen. 42, 1 venderentur, 
ib. 42, 6 vendebantur u. 6. Da veneo (wohl wegen kollision mit 
venio) auf sehr schwachen füssen steht (in B! 4, in C 2), so greift 
B für das passiv öfter zu venumdare, von dem es formen des prä- 
sens- wie des perfektstammes bildet, wührend A sich mit den letz- 
tern begnügt. Auch hier ist die gróssere mannigfaltigkeit des ge- 
brauches auf seite des Hieronymus, der nicht nur die passiven for- 
men des prüsens- und des perfektstammes, sondern auch, wena 
gleich seltener, die aktiven formen bildet: venumdabant 3 reg. 10, 
29, venumdabunt Ezech. 48, 14 u. 6. 

Wie schon oben io der einleitung p. 322 angedeutet worden 
ist, zeigen sich bervorstechende unterschiede aicht bloss unter den 
drei grossen gruppen in ihrem gegenseitigen verhältnis, sondern 
auch unter den einzelnen bestandtheilen dieser gruppen. Dass ge- 
wisse wörter auf gewisse schriften beschränkt sind, hatten wir 
schon oben zu bemerken gelegenheit. Natürlich zeigen sich 
derartige stilistische unterschiede am deutlichsten in C, in den von 
Hieronymus selbständig übersetzten stücken, der in der langen zeit, 
während der er übersetzte, seinen stil erst ausbildete und vervoll- 
kommnete. Da sich gemelli nur im hohen lied findet (4, 2. A, 5. 
6, 5. 7, 3), wie auch genitrix (3, 4. 6, 8. 8, 5), so schliessen 
wir daraus, dass diese beiden gewählten wörter dem gehobenen 
tone des liedes zu lieb herangezogen wurden. Die umgekehrte er- 
scheinung hinsichtlich der auswahl der wörter treffen wir in des 
büchern Tobias und Judith. Diese beiden schriften hat Hierony- 
mus in kürzester zeit übersetzt, das buch Tobias z. b. in éinem tage, 
weil ihm nicht länger der jüdische rabbi zu gebot stand, der ihm 
das chaldäische original mündlich ins hebräische übertrug. Dass 
eine solche eilfertigkeit die stilistische durchfeilung stark beein- 





Zu der Vulgata. 351 


trächtigte, wenn nicht gänzlich verhinderte, und dass sich Hiero- 
nymus bei der übertragung vielfach an den ihm geläufigen ausdruck 
der Itala halten musste, lässt sich leicht denken, und wir finden bei 
näherer prüfung das urtheil Kaulens, Gesch. d. V. p. 180, „am 
tiefsten stehen unter allen seinen übertragungen die der deutero- 
kanonischen bücher Judith und Tobias“ vollkommen bestätigt. Nur ° 
in diesen büchern finden wie wörter wie exterminium Judith 4, 10 
oder das echt vulgüre improperium Tob. 3, 4 (hier hat der Amia- 
tinus allerdings obprobrium !) 3, 7. 11. 15. Judith 8, 24, das 
zwar, wie auch das verbum improperare, in AB und sonst im kir- 
chenlatein oft genug erscheint, von Hieronymus aber in seinen 
sorgfültiger gearbeiteten schriften durch opprobrium ersetzt wird. 
Honorifico (A 6, B! 14, B? 4) ist aus der Itala stehen geblieben 
Judith 12, 12, wie auch die ganze phrase uf autem sero factum 
est Judith 18, 1 — Joh. 6, 16 (vgl. Matth. 20, 8. 27, 57. Marc. 
4, 35. 15, 42), da sero sonst nicht bei Hieronymus io C vorkommt, 
Nur in diesen büchern finden sich formen wie sinceriter Tob. 3, 5, 
wofür sogar in B (Philipp. 1, 17) sincere gesagt wird, nur hier 
wörter wie abscedo Tob. 14, 14. Judith 6, 5. 9, 1 (s. unten p. 
355), remeo Tob. 10, 7 (sonst redeo revertor) und immanis Tob. 
6, 2, letzteres offenbar an stelle des in der spätern latinität häufig 
zur bedeutung von magnus herabgesunkenen ingens. Mox, das in 
A ganz fehlt, in B nur psalm. 36, 20. Phil. 2, 23 in der ver- 
bindung mox ut auftritt und somit offenbar dem verderben geweiht 
ist, hat Hieronymus, der sonst den begriff „bald“ durch brevi, in 
brevi ausdrückt, nur Tob. 3, 8. Judith 14, 7. 16, 22 (dreimal 
in der verbindung moz ut) und Tob. 11, 8. Quemadmodum, das 
AB oft genug haben, hat Hieronymus absichtlich gemieden und 
durch quomodo ersetzt, er ist aber in unsern beiden büchern aus 
eilfertigkeit mehrmals aus der rolle gefallen: Tob. 8, 17. 11, 2. 
Judith 6, 13. Wie ist nach dem zeugnis der konkordanzen in 
sämmtlichen drei gruppen vertreten: A 22, B! 15, B* 13, € 8; 
die auffallend wenigen beispiele in C stehen zudem noch zum 
grössten theil im buche Judith: 4, 6. 5, 9. 15. 6, 11. 8, 3. 10, 
9. 12, 1. Au der noch übrigen stelle Jer. 43, 2 ne ingrediamini 
Aegyptum ut habitetis illic liest zwar Amiatinus illuc, ich würde 
aber nicht wagen, dasselbe in den text zu setzen, obwohl eine ver- 
wechslung der termini in quo uud in quem auch bei Hieronymus 





352 Zu der Vulgata. 


nicht gerade zu den seltenheiten gehört. Die verbindung benus et 
optimus hat Hieronymus nur in diesen beiden büchern: Tob. 7, 7. 
Judith 12, 14 (vgl. Wolfflin „Gemination“ p. 476). Da dieselbe 
ausserdem noch Luc. 8, 15 vorkommt als übersetzung des griech. 
xaÀog xai ayaddg ebenso wie Tob. 7, 7, so haben wir auch in 
dieser wendung bei Hieronymus ein überbleibsel der Itala zu sehen. 
Weiter weisen die mannigfachen berührungspunkte zwischen 'T'obias 
und Judith einerseits und B! andrerseits (vgl. oben sero, mos wi) 
auf die verwandtschaft der vorhieronymianischen bibelversionen in 
sprachlichen dingen hin, über deren gründe s. Ziegler, Bibeliiber- 
setzungen vor Hieronymus p. 123 ff. 

Wichtige resultate liefert die untersuchung über die verba 
des essens. Manducare (wovon ital. mangiare, fr. manger) er- 
scheint in A 10mal, in B! 138mal, in B? 9mal; C weist die be- 
sonders gegenüber B! geringe zahl von 14 stellen auf, wovon 
nicht weniger als 9 belege auf die bücher Tobias und Judith kom- 
men: Tob. 2, 5. 3, 10. 4, 18. 7, 10. 12, 19. Judith 12, 2 bis. 
12, 12. 19. Somit steht manducare in den übrigen von Hierony- 
mus übersetzten schriften nur 5mal: 1 reg. 14, 24 (wo comederii 
vorausgeht), 2 Esdr. 7, 65. Jes. 7, 22 (wo comedet vorausgeht), 
Jes. 28, 18 und exod. 32, 6; au letzterer stelle hat zwar der 
Amiatinus manducare , andere massgebende codd. dagegen bieten 
comedere, was möglicherweise herzustellen ist. Comedere ist nüm- 
lich das dem Hieronymus am meisten gelüufige wort für „essen“, 
das er nicht weniger als 512mal verwendet (in Tobias nur 4, 17, 
fehlt in Judith), wogegen es in den übrigen partien der Vulgata - 
eine ziemlich bescheidene rolle spielt: A 5, B! 15, B* 9. Auch 
vesci verwendet Hieronymus (abgesehen von 2 Macc. 5, 27. 6, 21) 
allein an 77 stellen, woraus wir wobl deu schluss ziehen dürfen, 
dass das wort zu seiner zeit bereits aus der lebendigen sprache 
verschwunden war. Das in der klassischen latinität am häufigsten 
gebrauchte simplex edo kommt zwar noch in den drei theilen der 
Vulgata vor (A 6, B! 18, B* 4, C 17), die geringe anzahl der 
belege deutet aber auf das baldige günzliche verschwinden des ver- 
bums, das wegen kollision mit edere „herausgeben“ eintreten musste. 
Ob auch mandere zur abwechslung von Hieronymus beigezogen 
wird, wie es gen. 6, 21 ex omnibus escis quae mandi possunt 
scheint, muss bezweifelt werden; denn der Amiatinus hat bier 


Zu der Vulgata. 353 


manducari, und an der einzigen noch übrigen stelle Job 30, 4 et 
mandebant herbas et arborum cortices steht das wort in seiner ei- 
gentlichen bedeutung. — Nach dem eben gesagten sind meine be- 
merkungen über die genannten verba „Apolloniusroman p. 33“ zu 
berichtigen, bezw. genauer zu fassen. 

Auch auf dem gebiete der syntax haben die beiden bücher 
manches absonderliche. Strukturen wie suade Hebraeam illam Ju- 
dith 12, 10 (Sept.: zeicov di 19» yvvaixa tr)» "EfQaíav) kommen 
nicht auf rechnung des Hieronymus, sondern der Itala (Rónsch p. 441). 
Bemerkenswerth ist jedenfalls auch die persönliche verwendung 
von paenitere (Judith 5, 19 paenituerunt , ib. 8, 14 paeniteamus, 
aber Amiatinus paenñifeamur, was ich für richtig halte; Rónsch 
303), die sich sonst in C nicht findet, wührend sie in AB ganz 
gewöhnlich ist (Heiss p. 19). Am merkwürdigsten aber ist; die 
konstruktion von benedico. Sehen wir vorerst von den beiden in 
rede stehenden biichern ab, so hat das aktive verbum benedico 
(passive formen wie benedictus benedicendus benedicentur finden sich 
allenthalben) bei Hieronymus regelmüssig den klassischen dativ. 
An ausnahmen bietet der offizielle text nur: gen. 28, 1 ei bene- 
dixit eum praccepitque ei, 3 reg. 21, 10 benedixit deum et regem, 
und ähnlich ebend. v. 13, Jer. 4, 2 eum, Dan. 2, 19 und 13, 60 
deum. Die hier erscheinenden accusative sind aber 3 reg. 21, 13. 
Dan. 2, 19. 13, 60 nach dem zeugnis des Amiatinus und anderer 
massgebender handschriften einfach in die entsprechenden dative zu 
verwandeln, gen. 28, 1 aber ist auf grund desselben Amiatinus 
eum zu tilgen. So bleiben als wirkliche ausnahmen nur 3 reg. 
21, 10 und Jer. 4, 2, und man bedenke, dass die bücher der Kö- 
nige und der Propheten zuerst von Hieronymus übertragen wor- 
den sind. Ist also hier der klassische dativ die norm, so be- 
hauptet der vulgare accusativ in den büchern Tobias und Judith 
allein das feld (an 23 stellen): Tob. 8, 12. 4, 20 u. à. Judith 
7, 16 u. ö., der deutlichste beweis für die geringe sorgfalt, die 
Hieronymus auf diese schriften verwandte, 

Mancherlei besonderheiten finden wir ferner, wenn wir auch 
hier auf die handschriften, namentlich den Amiatinus zurückgehen. 
Ich erwühne nor meus — mi Judith 5, 5. 24 (Heiss p. 7), in 
obviam Judith 3, 9. 5, 4 (Rónsch p. 233). Die erscheinung, die 
wir bei der konstruktion von benedico beobachten, dass näm- 

Philologus. XLII. bd. 2. 23 





854 Zu der Vulgata. 


lich Hieronymus in den beiden zuletzt von ihm bearbeiteten schriftea 
wieder elemente aufgreift, die er früher nur zu einer zeit ver- 
wandte, wo sein stil noch nicht völlig geklärt war, — diese er- 
scheinung treffen wir auch sonst bei ihm. ÆExsurgo (sonst surgo 
consurgo in C), ein namentlich im Psalter (26 st.) sehr beliebtes 
wort (A 4, B! 18), hat Hieronymus ausser Toh. 8, 4. 12, 22. 
Judith 7, 23 nur noch einmal, 1 reg. 24, 8, und hier zudem zur 
abwechselung mit dem vorausgehenden consurgerent. Das decom- 
positum adimpleo greift er nach den büchern der Kónige und Pro- 
pheten (3 reg. 11, 6. Jer. 31, 14. Osea 13, 6. Habac. 2, 5) 
erst im buch Judith 13, 18 wieder auf, und ähnlich verhält es sich 
mit praeeo 3 reg. 14, 28. Judith 2, 8 (sonst praecedo), iucundus 
»fróhlich* 1 reg. 25, 36. Judith 12, 20. 16, 24, pusillus 1 reg. 
25, 36. Judith 13, 11 und der prap. secus: Job 29, 19 (auch 
das buch Hiob gehórt unter die zuerst übertragenen schriften) 
Ezech. 1, 3. "Tob. 11, 5. — In diesem punkte zeigt Hierony- 
mus eine merkwürdige ühnlichkeit mit dem autor, dem er sich is 
stilistischen fragen so gerne anschliesst, mit Cicero. Auch bei die- 
sem kehrt bekanntlich in den philippischen reden manches wieder, 
was er sonst nur in seinen erstlingswerken, den büchern de in- 
ventione und den reden pro Quinctio und pro Sex. Roscio, hat. 
Auch der grund dieser erscheinung ist woll bei beiden autoren 
der gleiche: eilfertigkeit hinderte hier wie dort die atilistische 
durchfeilung, bei beiden vermisst man die letzte hand. 

Nachdem wir so die einzelnen bestandtheile der Vulgata für 
sich, wie auch in ihrem gegenseitigen verhältnis betrachtet haben, 
fassen wir nun noch eine reihe von erscheinungen ins auge, die 
in allen drei theilen der Vulgata gleichmüssig vertreten sind oder 
doch die entwickelung der gesammtsprache betreffen. 

Wenig bietet die formenlehre. Zu merus, das keinen 
komparativ und superlativ bildet, gehört meracissimus deut. 32, 14 
sanguinem «uvae .. . meracissimum, wie schon bei Cicero (meracius 
sc. vinum nat. d. 3, 78), zu vetus, das doch im positiv 48mal in 
ABC vorkommt, fehlt veterrimus, das durch vetustissimus ersetzt 
wird, wie namentlich die etymologische figur vetustissima veterum 
levit. 26, 10 (Sept. zaiusa nuluwyr) zeigt. Wir gehen darum 
gleich zum wortschatz über. Bereits in meinem programm 
über den Apolloniusroman p. 93 habe ich darauf hingewiesen, dass 





Zu der Vulgata. 355 


die untersuchungen über spätlatein ein hauptaugenmerk auf die 
verba des gehens und ihr gegenseitiges verhültnis zu richten haben, 
da sich hieraus in der regel interessante schlüsse auf das romanische 
ziehen lassen. Die resultate für die Vulgata, die ich a. a. o. nie- 
dergelegt, mögen ihrer wichtigkeit wegen mit einigen erweiterun- 
gen hier wiederholt werden. Das verbum ire ist nicht mehr vóllig 
intake; es fehlt der ind. pris. ausser eo und imus, die jedoch 
beide üusserst selten vorkommen (eo nur Matth. 21, 30. Luc. 14, 
19, imus nur Matth. 13, 28, also nur in B!), ferner der imper. 
sing. i und der nom. part. praes. iens; andere formen, namentlich 
vom perfektstamm, mögen mehr zufällig nicht vorkommen. Für 
die fehlenden formen tritt zunächst ein das verbum vado, das aber 
seinerseits nur die zweisilbigen formen des prüsens- 
stammes bilden kann: vado is it unt; vadam as at ant; vadam 
es ek ent; vade und vadens; nur einmal steht vadimus iudic. 19, 
18, das, weil bei Hieronymus vorkommend, wohl nicht aus der le- 
bendigen sprache geschöpft ist und überdies noch oftenbar der ab- 
wechslung halber gesetzt ist; denn vorausgeht: profecti sumus ... 
pergimus . . . ieramus. Diese thatsachen stimmen zum gebrauch 
der romanischen sprachen, nur dass hier nach dem günzlichen aus- 
sterben von ire dafür die formen von ambulare eingetreten sind: 
ind. prüs. franz. je vais tu vas il va [nous allons vous allez] ils 
vont; ital. vado oder vo vai va [andiamo andate] vanno; konj. 
präs. ital. ch'io vada vada oder vadi vada [andiamo andiate| va- 
dano (im franzüsischen sind in diesem modus durchaus formen von 
aller eingetreten: que j'aille — ambulem u. s. w.); imper. franz. 
va [allez], ital. va [andate]. Das romanische particip (allant an- 
dante) musste, da vadentem als dreisilbige form nicht vorhanden 
war, von ambulantem, das romanische futur nach verlust der ein- 
fachen form vadam durch zusammensetzung mit dem infin. gebildet 
werden: j'érai = ire habeo, andrò = ambulare habeo. — Es sei 
hier noch auf die unverhältnismässige ausdehnung vou pergo, das 
mitunter ebenfalls als ersatz für eo verwandt wird, bei Hieronymus 
hingewiesen, der es an 166 stellen hat, wührend A sich mit 3, 
B mit 2 belegen genügen lassen. 

Interessant ist es auch, die schicksale der komposita von ire 
zu betrachten. Während einzelne derselben, wie circumeo pereo 
praetereo redeo, noch in voller blüthe stehen und durch synonyma 


28° 





856 Zu der Vulgate. 


wie praetergredior revertor u. s. w. wenig oder gar nicht beein- 
trichtigt werden, zeigt sich bei andern in klassischer prosa ganz 
gewöhnlichen kompositis die auffallende erscheinung, dass sie durch 
die entsprechenden komposita von cedo starke einbusse erlitten ha- 
ben. So fehlt z. b. adeo (A 7, B 5) bei Hieronymus in C ganz und 
gar, und das eigentliche wort für „hinzugehen“ ist in den drei 
gruppen accedere. Auch prodeo (A 2, B 4) hat Hieronymus ge- 
flissentlich vermieden und procedo den vorzug gegeben; praeeo ist 
mit 10 stellen (A 5, B! 3, C 2) ganz entschieden im nachtheil 
gegen praecedo mit 66 stellen. Etwas günstiger steht es mit abeo; 
von seinen rivalen, die später seinen platz einnehmen, erscheint 
abscedo nur 3mal, und zwar in den büchern Tobias und Judith 
(vgl. p. 351), gefahrlicher schon zeigt sich discedo, weniger in C, 
wo es nur 4mal erscheint, als in A (17 st.) und in B (41 st.). 
Dafür tritt in C, allerdings in mannigfach nüancierter bedeutung, 
recedo 195mal auf, das z. b. im Konstantinroman das eigentliche 
wort für „weggehen“ ist, Weiter beobachten wir die thatsache, 
dass einzelne komposita die frühere mannigfaltigkeit ihres ge- 
brauchs eingebüsst und sich auf eine einzelne bestimmte bedeutung 
beschränkt haben. So steht obire in den drei gruppen konstant 
im sinne von „sterben“: eccli. 37, 34. 2 Macc. 7, 40; Mare. 15, 
44; gen. 25, 18. 36, 38 u. à, in C, Coco hat nur noch in A 
(2 Macc. 6, 11; vgl. 1 Mace. 6, 20 Amiat.) den sina von con- 
venire, an den übrigen (12) stellen, sämmtlich in C, steht das ver- 
bum in der speziellen bedeutung coire cum muliere: gen. 26, 10. 
38, 16. 39, 14 u. ö. Ineo, das in A gänzlich fehlt und io B 
nur 3mal in der stereotypen wendung consilium inire vorkommt, 
tritt in C zwar noch 66mal auf; allein ein bedenkliches krank- 
heitssymptom entdecken wir in dem umstand, dess die ursprüng- 
liche lokale bedeutung des wortes „hineingehen“ gänzlich fehlt und 
durch eine anzahl synonyma wie intrare ingredi introire introgredi 
ersetzt wird. Inire steht demnach nur noch in übertragenem sinn 
mit einer anzalıl bestimmt abgegränzter objekte: amicitias bellum 
certamen cogitationes consilium convivium foedus (oft!) fugam pactum 
proelium. Nach den verschiedenen gruppen scheidet sich depereo 
in seinen bedeutungen, indem dasselbe in AB (sap. 10, 3; eccli. 
31, 7; Jacob. 1, 11) einfach als vulgare verstürkung von pereo 





Zu der Vulgata. 357 


steht, während Hieronymus das wort iu dem gewüllteren sinne von 
„verliebtsein‘‘ verwendet (2 reg. 13, 2). 

Erkundigen wir uns weiter nach dem schicksal der komposita 
von dare, von denen bekanntlich nur sehr wenige unversehrt zu den 
romanischen sprachen gelangt sind (z. b. fr. rendre == reddere), so 
treffen wir ganz ühnliche erscheinungen, wie bei den zusammen- 
setzungen mit ire. Wörter wie indo obdo kommen in der Vulgata 
nicht mehr vor, wobei wir uns aber erinnern müssen, dass diesel- 
ben schon in klassischer zeit nur mit grosser vorsicht verwandt 
wurden, wie denn indo bei Cicero nur einmal und zwar in seiner 
jugendschrift de inv. 2, 149, obdo aber gar nicht vorkommt. An- 
dere komposita treten nur noch in bestimmten formen auf, so abdo 
nur im part. abditus und dies hinwiederum nur in der phrase in 
abditis: 1 Macc. 1, 56; psalm. 16, 12; 1 reg. 13, 6, wie man 
sieht, in den drei gruppen. Das eigentliche wort für „verbergen“ 
in der Vulgata ist abscondo, welches, von Cäsar uud Livius gänz- 
lich vermieden und von Cicero (ausser Rosc. Am. 121 absconditur) 
nur in der form des part. perf. pass. und dessen adverb gebraucht, 
in der Vulgata alle formen bildet. — Bis auf das part. perf. 
pass. ist weiter verschwunden dedo (deditus 2 Macc. 4, 14. act, 
ap. 17, 16. 1 Tim. 3, 8. 2 paral. 26, 10). Von subdo hat Hiero- 
nymus in C ebenfalls nur das part., andere formen finden sich verein- 
zelt in AB?: subdi 2 Macc. 13, 11; subdis psalm. 17, 48; subdit 
psalm. 143, 2. Dass edo dem untergang geweiht ist, schon we- 
gen kollision mit edo „esse“, bezeugt die geringe anzahl der be- 
lege: eccli. 24, 13 Amiat. psalm. 104, 30. gen. 30, 10. 

Als dritte gruppe fassen wir die komposita von sum ins auge. 
Insum subsum u. a, finden sich noch, aber obsum ist durch nocere er- 
setzt, wührend prosum noch in voller blüthe steht. Aehnlich ist 
das verhültnis der korrespondierenden begriffe adsum und absum. 
Während ersteres noch völlig intakt ist, erscheinen von absum in 
BC nur die beiden formen absens und absit, und zwar letztere nur 
als optativ in hauptsätzen. Wie man sich hier hilft, zeigt z. b. 
Col. 2, 5 absens sum — absum. Nur in A treten noch formen 
wie abest aberat abesto u. s. w. auf. 

Nicht minder wichtig für das romanische als die betrachtung 
der verba des gehens, ist die untersuchung der wörter, welche 
„gross“ und „klein“ bedeuten. Was ersteren begriff anlangt, so 





358 Zu der Vulgata. 


decken AB ibren bedarf fast vollstindig mit magnus; denn die be- 
lege für grandis (A 1, B 3) und ingens (A 2, fehlt in B) sind 
nur sehr unbedeutend. Dagegen bekundet Hieronymus, bei dem 
selbstverständlich auch magnus einen breiten raum einnimmt, eine 
auffallende neigung für das doch mehr volksthümliche grandis (104 
8t.); streben nach abwechslung mag auch hier der grund sein. 
Auch das rhetorische ingens, das ihm namentlich aus seiner lektüre 
des Vergil gelüufig sein musste, verwendet er 16mal. Bemerkens- 
werth ist übrigens, dass Hieronymus im verlauf der zeit immer 
sparsamer wird im gebrauch von grandis: wührend ich in den zu- 
erst bearbeiteten 4 büchern der könige 26 stellen zähle, finde ich 
in den 404—405 übersetzten schriften nur 5 belege : iudic. 20, 6. 
21, 5. Esth. 1, 3. 8, 17. Judith 14, 7. — Etwas verwickelter 
stellt sich die untersuchung über die wörter für „klein“, Parvus 
kann, da es in A our 3mal, in B gar our imal erscheint, für 
diese theile der Vulgata nicht mehr als der eigentliche vertreter 
des begriffes ,klein* angesehen werden, und in der that hat ihm 
auch bereits nicht nur modicus (als adj. in A 8, in B 25; mo- 
dicum als subst. in A 8, in B 14; modice adv. in A 1) den rang 
abgelaufen, sondern auch, wenigstens für A, exiguus (10mal; in 
B imal) und für B das sowohl adjektivisch als substantivisch ge- 
brauchte pusillus (25mal; in A 3mal) Dass sich modicus und 
pusillus im gebrauch völlig decken, beweisen neben einander vor- 
kommende redensarten wie modicae fidei Matth. 8, 26 u. à. und 
pusillae fidei Luc. 12, 28; beide stehen im gegensatz zu magnus 
und grandis: 1 reg. 22, 15 vel modicum vel grande, sap. 6, 8 
pusillum ef magnum. — Bei Hieronymus hingegen ist parvus 
(34 st.) immer noch das eigentliche wort für ,klein*; nur gerin- 
gen raum gestattet er den ersatzwürtern eriguus (3 st., wovon 2 
auf das buch Tobias kommen, dessen sonderstellung bekannt ist) 
und pusillus (2 st., s. oben p. 354). Mehr konzessionen musste 
er an das in der volkssprache schon eingebürgerte modicus machen, 
das er als adj. 13mal, als subst. 9mal verwendet; aber selbst dies 
wort findet sich nicht mehr in den 404—405 von Hieronymus 
übertragenen schriften, — Was die übrigeu hier noch in betracht 
kommenden wórter anlangt, so bemerke ich, dass das ziemlich oft 
auftretende parvulus nur von lebenden wesen, nicht von sachen 
gebraucht wird. Paulum fehlt, nur der abl. paulo kommt noch 





Zu der Vulgata. 359 


vor in verbindung mit ante und minus. An stelle von paulum steht 
paululum in den drei gruppen, wogegen das bald substantivisch 
bald adverbial gebrauchte pauxillum nur von Hieronymus der ab- 
wechslung halber verwandt wird, 

Die erscheinung, die wir oben bei einzelnen kompositis von 
eo, do und sum beobachteten, dass nämlich ein wort im laufe der 
zeit auf einzelne bestimmte formen und verwendungen beschränkt 
wird, lässt sich noch weiter verfolgen. So kommt arduus nur noch 
als neutr. plur. suhstantivisch gebraucht vor (Job 39, 27. Jer. 4, 
29), internecio nur in der schon im silbernen latein überwiegenden 
verbindung ad internecionem und zwar nur bei Hieronymus, das 
adjektiv adversus beschränkt sich beinahe durchgehends auf die for- 
mel ex adverso (39 st. in ABC), nur gen. 42, 38 si quid adversi, 
iudice. 8, 11 und 2 Macc. 6, 12 zeigen eine freiere verwendung des 
wortes. In bestimmten verbindungen treten weiter auf actio, im- 
mer gratiarum actio (17mal in ABC), anceps, immer gladius anceps 
(iudice, 3, 16. psalm. 149, 6, Hebr. 4, 12; vgl. gladius biceps 
prov. 5, 4). Das adverb viriliter kennen BC nur in verbindung 
mit agere (9 st.) oder facere (1mal; Judith 15, 11); noch merk- 
würdiger ist, dass diese beiden phrasen viriliter agere uud viriliter 
facere konstant mit dem verbum confortari zusammengestellt sind: 
deut. 31, 6 viriliter agite et confortamini (Sept. d»dol(ov xoi 
Foyve), Jos. 1, 18. psalm. 26, 14. 1 Cor. 16, 13 u. 6. Die 
gleiche zusammenstellung finden wir auch in A: 1 Mace. 2, 64; 
doch wird das adverb hier auch freier gebraucht: 1 Macc. 6, 31 
pugnaverunt v., 2 Macc. 10, 35. 14, 49. — Manare ist bei Hie- 
ronymus (ausser Ezech. 31, 4) auf die formel lacte et melle ma- 
nare beschränkt (9 st.) Als vorbild diente ihm die stelle der Itala 
eccli. 46, 10 in terram, quae manat lac et mel, die einzige, an der 
das wort sonst noch in der Vulgata vorkommt. Man sieht aber, 
wie Hieronymus eine doppelte ünderung für gut befunden hat: 
einmal behagte ihm die unklassische konstruktion des verbums mit 
dem acc. nicht (die auch sonst in vorhieronymianischen übersetzun- 
gen sich findet; vgl. die von Kaulen p. 160 citierte stelle prov. 
3, 20 nubes manaverunt ros), sodann ünderte er die stellung, viel- 
leicht um durch nebeneinanderstellung von mel und manare eine 
allitteration zu erzielen. Fas haben BC konstant in der phrase 
fas est (aber in A contra fas 2 Macc. 7, 1), wogegen nefas freier 





360 Zu der Vulgata. 


gebraucht wird. Forte erscheint nur in den formeln ne forte, si 
f. (si quid forte 1 reg. 20, 10) und nisi f.; die einzige ausnahme 
ist 1 reg. 20, 26 quod forte. 

Infolge des schwindens einzelner formen erklärt sich desn 
auch die erscheinung, dass sich zwei wórter in ihren formen ge- 
genseitig ergünzen. So verwendet Hieronymus in C von egressio nur 
den gen. sing. (7mal) und ersetzt das fehlende durch die formen 
von egressus, das aber seinerseits den gen. sing. nicht bildet. Aehn- 
lich gebraucht er von iussum „der befehl“ nur die form iussa und 
zieht zur ergünzung iussio heran, vou dem also wiederum die form 
iussiones bei ihm nicht vorkommt. Animantia bildet nur den plur. 
und wird im sing. durch animal ersetzt; das wort ist dem Hiero- 
nymus eigenthümlich, der es aber merkwürdiger weise nur im Pen- 
tateuch uud einmal im buch Josua verwendet. Sonst hat er durch- 
güugig animalia, das die beiden andern gruppen allein kennen. 

Andere würter haben sich auf eine einzelne bestimmte bedeu- 
tung beschränkt. Coniunz heisst nur noch „die gattin* (ia BC; 
in A mag das wort durch zufall fehlen); als masc. tritt vir und 
(fast ausschliesslich bei Hieronymus) das gewühltere maritus (A 1, 
€ 31) ein. Repudium (konstant in der formel liber oder libellus 
repudii) bedeutet nur noch „scheidung“ und dem entsprechend 
repudiare (immer in der form repudiata) nur noch „scheiden“. 
Serenus steht konstant vom himmel und vom wetter: exod. 24, 10 
quasi caelum , cum serenum est; eccli. 3, 17; Matth. 16, 2, wie 
man sieht, in den drei gruppen. 

Weiter beobachten wir das allmähliche absterben einzelner 
würter, wobei wir zugleich nach dem ersatz zu fragen haben, der 
sich dafür einstellt. Opinor, das in der ganzen Vulgata nicht mehr 
vorkommt, ist wahrscheinlich aus der lebendigen sprache verschwun- 
den (opinatissima „sehr berühmt* Judith 2, 13; opinio = fama 
8mal ia B') Von den übrigen wörtern, die ‚glauben meinen“ 
bedeuten, stehen nur noch putare und credere in voller blüthe, da- 
gegen hat arbitror (in A [Macc.] 9mal, in B 19mal) nur in sehr 
beschrünktem mass die billigung des Hieronymus erfahren, da er 
es nur Smal verwendet, noch weniger existimo (A 7, B 37); lets- 
teres bringt er gar nur an drei stellen, wovon zwei auf die bücher 
Tobias und Judith kommen (Tob. 9, 1. Judith 6, 5), während 
an der dritten stelle Jes. 10, 7 der Amiatinus aestimabit liest. 


Zu der Vulgata. 361 


(Ueber aestimare ,,denken meinen“ in der Vulgata vgl. Kaulen 150). 
— Aeger ist auf drei belege in B! beschrünkt (Marc. 6, 13. 16, 
18. act. ap. 5, 16, konstant iu der form aegros), aegrotus gar 
auf zwei stellen in C: 2 Esdr. 2, 2 (aegrum Amiatinus), Ezech. 
34, A. Nicht besser sieht es mit deo zugehürigen verben und sub- 
stantiven aus. Aegrotare ist zwar nicht so gar selten (23 st.), 
aber ein spezifisch hieronymianisches, wahrscheiulich künstlich re- 
aktiviertes wort; aegrotatio ist sehr selten (Jer. 16, 4. Matth. 8, 
17), aegritudo und aegrimonia fehlen ganz, und sieht man sich nach 
dem früher gewöhnlichen wort für „krankheit“ um, so ist man 
vollends enttüuscht: für morbus weist die ganze Vulgata keinen 
beleg auf. Welche wörter, so fragen wir nun, sind an die stelle 
ihrer einst so blühenden vorgänger gerückt? In erster linie sind 
zu nennen die überaus häufigen infirmus und infirmitas, sodann 
languor languidus und languere (vgl. z. b. Dan. 8, 27 et ego Da- 
niel langui et aegrotavi per dies). 

Hier mag mir verstattet sein, über die schicksale des adjektivs 
largus zu reden. Dasselbe erscheint in A 1 Macc. 3, 30 larga 
manu (eine stehende verbindung, wie sonst plena manu) und in € 
uum. 20, 11 egressae sunt aquae largissimae; so ist wohl auch 
iudic. 15, 19 mit dem Amiatinus zu lesen: ef egressae sunt ex eo 
aquae largissimae, wo der offizielle text das adj. weglasst. . Auch 
das zugehörige subst. und adv. sind auf eine sehr müssige zahl von 
belegstellen beschränkt: deut. 30, 9 in rerum omnium largitate 
(voraus geht in ubertate terrae tuae); deut. 33, 22 fluet largiter 
und 1 reg. 1, 10 flens largiter (wie sonst flere ubertim). Man 
würde aber irren, wollte man das seltene vorkommen für ein an- 
zeichen des nahen unterganges ansehen; es war hier ein anderer 
grund, der die übersetzer und namentlich Hieronymus von dem óf- 
teren gebrauch des wortes abhalten mochte. Es trat nämlich all- 
mäblich eine konfusion in der bedeutung der beiden adjektiva latus 
und largus ein: vgl. hist. Apollon. 35, p. 42, 8 R ut cotidie mihi 
latiores (so A; ampliores By) pecunias adferas, wo man largiores 
erwartet. Nach eingetretener konfusion trat latus melr uud mehr 
zurück, auch wegen kollision mit latus „die seite“, das sich im 
ital. i lato erhalten hat, und an seine stelle rückte largus. Wäh- 
rend aber letzteres wort im ital. die beiden bedeutungen „breit“ 
(una tavola molto larga) und „reichlich“ in sich vereinigt, weist 





362 Zu der Vulgata. 


large im franz. nur die bedeutung ,,breit weit'* auf (ebenso largeur 
„breite‘‘; dagegen largement „reichlich“, largesse ,,freigebigkeit*), 
so dass hier „reichlich freigebig** durch andere wörter wie suff- 
sant libéral u. à. gegeben werden muss. 

Ein bekannter, oft besprochener prozess ist es, wenn iterativa 
wie ampleror A 1, C 10 und visito A 2, B' 10, B* 8, C 86 
sich ausdehnen auf kosten ihres grundwortes amplector (nur Tit. 
1, 9) und viso (fehlt in der Vulgata), oder wenn das lüngere se- 
mino (A 2, B' 47, B? 2, € 24) boden gewinat gegenüber dem kür- 
zeren, der kollision mit sero „reihe füge‘ ausgesetzten sero ,,sáe* 
(B! 1, C 21); der unterschied tritt hier besonders im N. T. recht 
auffallend hervor, wührend Hieronymus dem klassischen sero mehr 
zutritt gestattete. 

Wenn ango (nur 1 reg. 1, 6) und sollicito zurücktreten, so 
geschieht dies zum vorthell des spezifisch kirchenlateinischen afftigo, 
uud derartige fülle, dass bibellateinische wôrter sich auf kosten der 
sonst gebräuchlichen breit machen, sind zahlreich. Iniquus ini- 
quitas greifen so stark um sich, dass selbst impius und improbus 
dagegen zurücktreten, ja letzteres (nur eccli. 13, 13. Bar. 4, 15) 
wird nebst improbitas (nur Luc. 11, 8) von Hieronymus in C geradezu 
vermieden; so hat revelo „enthülle“ (in C zur abwechslung auch 
discooperio) das klassische detego ganz verdrängt, und operari (A 
25, B! 76, B® 23, C 106) macht sogar dem vielgebrauchten fa- 
cere konkurrenz. 

Ein zurücktreten einzelner wörter lässt sich aber noch in 
vielen andern fällen konstatieren, von denen uns einzelne vorwärts 
auf die romanischen sprachen weisen. Imber tritt namentlich in 
C (25 st.) zurück gegen das hier mit 48 st. beinahe doppelt so 
starke pluvia (it. pioggia, fr. pluie). So dehnt apprehendere sein 
gebiet aus zunächst auf kosten von capere, timeo (it. temo) über- 
wiegt stark über das im Ital. und Franz. verschwundene metwo, 
wie petra (it. pietra, fr. pierre) über saxum, wenn auch lapis noch 
in voller blüthe steht, und capillus (it. capelli, fr. cheveu) hat in 
C mehr belegstellen (24) als crinis (8), coma (10) und caesaries 
(4) zusammengenommen. Pernicies (nur eccli. 48, 6. 2 Petr. 2, 
12) schien überflüssig neben perditio (it. perdizione; vgl. perdita, 
fr. perte), interitus und interitio, ebenso war erta (nur Ezech. 21, 
21 in dem technischen ausdruck erta consuluit) entbehrlich neben 





Zu der Vulgata. 363 


viscera (it. viscere) und intestina (fr. intestins). Dass rus bis auf 
rura Jer. 23, 3 aus der Vulgata verschwunden ist, bemerkt bereits 
Landgraf, Philol. rundschau I, 503, der als ersatz villa angibt; 
wie ich vermuthe, war kollision mit ros die ursache. Ver, über 
dessen untergang und ersatz Wölfflin, Cassius Felix p. 397 f. 
spricht, steht in der Vulgata nur noch einmal: psalm. 73, 17 ae- 
statem et ver. Sogar Hieronymus umschreibt es konstant durch 
vernum tempus: gen. 35, 16. 48, 7. exod. 34, 18. deut. 16, 1, 
das buch Jesus Sirach aber durch in diebus vernis 50, 8 (aber 
Amiatinus veris!). Bemerkenswerth ist weiter, dass nimium mit 
4 st. seinem übermächtigen gegner nimis (140 st.) demnächst 
gänzlich zu unterliegen droht. 

Sehe ich recht, so ist auch mora dem untergang geweiht !\, 
Denn abgesehen von der redensart moram facere exod. 12, 39. 
32, 1. Matth. 24, 48. 25, 5 u. ö. finde ich das wort nur noch 
zweimal, und zwar in C: 1 paral. 29, 15 nulla est mora und in 
der formelhaften wendung absque mora 1 Esdr. 7, 21. Das sy- 
nonymum dilatio ist es, das dem eben besprochenen zwar in der 
Vulgata noch keine starke konkurrenz macht (gen. 43, 10; vgl. 
bes. absque dilatione 2 reg. 17, 16 und sine ulla dil. act. ap. 25, 
17), spüter aber, namentlich in der formel sine dilatione, dasselbe 
stark überflügelt. Uebrigens dienen die phrasen absque mora und 
sine dilatione auch zur abwechslung für eine anzahl adverbien, von 
denen (abgesehen von dem überall vertretenen statim) oonfestim 
(A 4, B 28) und continuo (A 4, B 27) bei Hieronymus nicht 
sonderlich beliebt sind, da er ersteres nur Smal, continuo gar nicht 
bringt; dafür bat er allein an 3 st. (num. 30, 13. prov. 6, 15. 
eccle. 9, 12) das archaistische extemplo. 

Eine starke einschrünkung seines gebrauches zeigt das wort 
modus bei Hieronymus, der das wort fast durchgehends nur in ad- 
verbialen formeln verwendet: hoc modo, eodem m., quo m., si quo 
m., nullo m., simili m., in hunc modum, in eundem m., in modum 
mit folgendem genetiv (z. b. in nucis modum exod. 25, 33), 
quemadmodum, iuzta m. und ultra m. Nur zwei stellen sind aus- 
genommen: prov. 23, 4 prudentiae tuae pone modum, wo wir eine 


1) Mora im heutigen Italienisch ist , voce latina‘ und steht nur 
ale technischer auedruck der gesetzessprache: cadere in mora, purgar 
la m. u. &. 





364 Zu der Vulgata. 07 


stehende formel vor uns haben, und deut. 25, 2 pro mensure pes- 
cati erit et plagarum modus, wo modus offenbar zur abwechslung 
mit dem vorausgehenden mensura eintritt, Demnach beschräukt 
Hieronymus das in rede stehende wort fast ganz auf die bedeutung 
„art und weise“, die bedeutung „mass“ ersetzt er lieber durch men- 
sura (94mal), das dem fr. mesure und dem it. misura entspricht. 
Modo lebt zwar noch fort im ital, sieht sich aber, wie modus bei 
Hieronymus, im ganzen auf eine reihe adverbialer ausdrücke und 
steliender phrasen zurückgedrüngt. Uebrigens hat Hieronymus auch 
das abgeleitete mensurare = metiri Jer. 31, 37. Ezech. 45, 3. 
48, 30, jedoch ohue den gebrauch des klassischen metiri wesentlich 
zu beschrünken. — In AB ist der gebrauch von modus zwar 
etwas freier als bei Hieronymus (eccli. 44, 5 modos musicos, 47, 
11 dulces modos), doch überwiegen auch hier die adverbialen 
formeln. 

Betrachten wir das kompositum annuntiare (it. annunsiare, 
fr. annoncer) im verhültnis zu seinem simplex nuntiare, welch 
letzteres im französischen verschwunden ist, so finden wir, dass in 
den psalmen annuntiare mit 32 gegen 2 st. über sein simplex 
überwiegt, ebenso, jedoch weniger entschieden, in B! (44 gegen 
31 st.) In eccli. finden sich beide verba neben einander, während 
Macc. nur das simplex kennt (11 st.). Will man das zahlenver- 
haltnis in C verstehen, so hat man auf die p. 321 f. gegebene auf- 
einanderfolge in der herausgabe der einzelnen schriften zurückzu- 
gelen. In den ersten von ihm bearbeiteten büchern (kónige, Hiob) 
bevorzugt Hieronymus das simplex (74 st. gegen ann. mit 14 at.), 
um in den prophetischen büchern plótzlich seine gunst in ganz auf- 
fallender weise dem kompositum zuzuwenden (ann. 71, n. 10). 
Von da aber erobert das klassische simplex schrittweise dea ver- 
lorenen boden wieder zurück: in den von 393 bis anfang 404 
herausgegebenen büchern (salom. schriften, Esra, Chronik, Penta- 
teuch) erscheint es mit 29 st., während anm. suf 9 belege herab- 
gesunken ist. Ja in den zuletzt erschienenen übertragungen (Josua, 
Richter, Ruth, Esther, Tobias, Judith) beherrscht nuntio mit 28 
st. allein das feld, nachdem das kompositum vollständig ausgemerat 
ist; denn Judith 10, 16, wo es der off. text uoch bietet, ist es 
nach dem Amiatinus durch das simplex zu ersetzen. — Die ent- 
wickelung des stiles des Hieronymus, wie wir sie hier beobachtet 





Zu der Vulgata. 385 


haben, lässt sich noch in vielen einzelnen punkten verfolgen. Ich 
erwähne hier nur, dass er das vulgüre subtus (= ital. sotto) nur 
in den büchern der kónige (3mal) und der Propheten (9mal) zur 
abwechsiung mit sub und subter herangezogen, von da an aber ab- 
sichtlich vermieden hat. 

Sehr auffällig ist, dass das adjektiv celer nur an zwei stellen 
in der ganzen Vulgata auftritt, von denen die eine auf B! (? Petr. 
2, 1 celerem perditionem), die andere auf C (Esther 8, 14 vere- 
darii celeres) kommt; A hat nur das subst. celeritas Bar. 4, 24, 
das sonst nirgends in der Vulgata erscheint. Für das seltene 
celeriter (8 st.) tritt zunüchst cito (auch komparativ citius), dann 
velociter ein; als ersatz des adjektivs dient ausser velox einige 
male auch citatus (eccli. 4, 34 noli citatus esse in lingua u. ü.), 
sowie, da das simplex citus fehlt, das vulgüre concitus (2mal bei 
Hieronymus 2 reg. 17, 18 concito gradu und Jer. 46, 5 fugerunt 
conciti). 

Das schon öfter besprochene absterben des adverbs diu beob- 
achten wir auch in der Vulguta (A 3, B 2, C 1); den ersatz 
zeigt z. b. prol. eccli. cum multum temporis ibi fuissem oder deut. 
2, 1 et circuivimus montem Seir longo tempore (so oft in C). In 
famdiu, das Hieronymus noch 4mal bringt, war das wort durch 
vorsetzung von tam noch für eine zeit lang geschützt. Noch 
schlimmer als mit dem positiv steht es mit komparativ und super- 
lativ: letzterer fehlt ganz, und diutius ist, da es Hieronymus ver- 
meidet, auf wenige belege in A (2) und B (1) beschrünkt. — 
Wahrend saepius (= crebrius C 2, frequentius A 1) saepissime in 
der ganzen Vulgata nicht zu finden sind, hat saepe in B! mit 10 
st. (B® 2, A 2) sich behauptet; befremden aber erregt die thatsache, 
dass Hieronymus in C das wort our einmal hat gen. 43, 5, noch 
dazu in der formelhaften wendung wt saepe diximus. Sehen wir 
uns nach den ersatzwörtern um, so können wir nicht befriedigt 
sein: denn subinde fehlt überall, frequenter (A 3, B 9) steht bei 
Hieronymus nur Smal, crebro (B! 2) gar nur imal. Ich finde den 
grund dieser auffalleuden erscheinung im engen anschluss an den 
hebräischen text: die hebräische sprache drückt den begriff ,oft* 
selten durch eigene wôrter, in der regel vielmehr am verbum selber 
durch die konjugation piel aus, und für den übersetzer lag es nahe, 
diese konjugation im lateinischen möglichst durch eigene verba 





366 Zu der Vulgate. 


zu geben. Dazu stimmt indirekt, dass die obige formel «t saepe 
diximus gen. 43, 5 im originaltexte nicht begründet ist, sondern 
auf einem erlüuternden einschub des Hieronymus berubt. 

Kurz bemerke ich noch, dass sin zwar oft genug erscheint, 
aber immer nur in den verbindungen sin autem (71mal in ABC) 
und sin aliter (1mal in C: num. 11, 15), und wende mich zu dea 
schicksalen der partikel quin. Diese ist in A und B vóllig ver- 
schwunden; denn Luc, 11, 28, wo der off. text quin immo liest, 
bietet der Amiatinus das merkwürdige quippini (Pl. Baceh. 4, 7, 
41. Men. 5, 9, 50. Apul. met. 9, 26). Dagegen steht quin immo 
bei Hieronymus 1 reg. 20, 3. Jer. 8, 12, und er benutzt daneben 
als varintiouen auch noch die ausdrücke quin etiam 2 reg. 11, 24, 
quin potius levit. 7, 18. num. 21, 23 u. 6. und quin et gen. 24, 
14. 19. Ezech. 21, 17. Quin als subordinierende partikel hat 
nur Hieronymus: nach nulli dubium est num. 32, 23 und haud 
dubium Esther 15, 1, nach nullus prohibere poterit gen. 23, 6 und 
nec prohibui eccle. 2, 10, nach nec distulit gen. 34, 19 uud noluit 
omittere 2 reg. 2, 21, wie man sieht, überall nach negierten ne- 
gativen verbeu und ausdrücken, in korrektester, an die besten 
zeiten der latinität erinnernder verwendung. Was die beiden aa- 
dern gruppen statt des subordinierenden quin haben, ersieht man 
z. b. aus Matth. 19, 14 nolite eos prohibere ad me venire; 1 Tim. 
6, 7 haud dubium quia nec auferre quid possumus. Den infinitiv 
nach prohibere und omittere hat Hieronymus nur nach nicht ne- 
gierten formen dieser verba (num. 22, 13. Job 32, 1); dagegen 
zeigt seine verwendung von quod nach non dubito und ähnlichen 
ausdrücken, wie auch klassisch gebildete schriftsteller der verderb- 
lichen einwirkung der sprache ihrer zeit unterliegen: exod. 10, 10. 
Tob. 7, 13. 7, 14. 

Wie die konjunktion quin, so weist auch die prüposition cir- 
cum deutliche krankheitssymptome auf. Zwar in der komposition 
ist sie noch vóllig intakt, aber als selbstándiges wort stebt sie in 
der Vulgata nur noch an 5 st. (3 reg. 18, 35. 4 reg. 11, 11. 
Ezech. 6, 5; 2 Macc. 12, 20; Matth. 8, 18), von denen überdies 
die erste abzuziehen ist, da dort nach dem zeugnis des Amiatinus 
und anderer massgebender hundschriften circa zu lesen ist. Letz- 
teres wort, vielgebraucht im spätlatein (Kaulen 202 f.), tritt zu- 
nächst als ersatz für circum ein, sowohl als prüp. wie als adverb 





Zu der Vulgata. 367 


(z. b. gen. 13, 10 omnem circa regionem), und findet sich so noch 
bei Dante parad. 12 volgensi circa noi, le duo ghirlande. Daneben 
aber finden sich für die (lokale) prüp. wie für das adverb eine 
anzahl umschreibungen (per circuitum in circuitu, per gyrum in 
gyro), die schon jetzt hinsichtlich der frequenz ibres auftretens dem 
einfachen wort entschieden den rang abgelaufen haben: gen. 35, 5 
omnes per circuitum civitates , vgl. Jus. 23, 1 subiectis in gyro 
nationibus ; exod. 16, 13 per circuitum castrorum = iudic. 7, 20 
per gyrum castrorum; 3 reg. 4, 24 ex omni parte in circuitu u. 6. 
Derartige umschreibungen weisen uns vorwärts auf ähnliche, wie 
sie die roman. sprachen für den begriff „um ringsum“ verwenden: 
it. attorno intorno (= in turno, wie in gyro), fr. autour de u.s. w. 
(vgl. noch Kaulen 209 f., wo auch umschreibungen für andere 
prapp. angegeben sind). 

Fielen uns die bisher besprochenen artikel durch ihr seltenes 
erscheinen auf, so haben wir jetzt mehrere uns aus der klassischen 
zeit geläufige wörter anzuführen, die wir in der ganzen Vulgata 
vergeblich suchen. Für das adverb adeo bot sich ersatz in dem 
zusammengesetzten in tantum (A 1, C 16; ausser Job 34, 17 im- 
mer in der verbindung in tantum wt), für atrox (atrociter einmal: 
2 paral. 28, 9) in dirus ferox (beide nur in A) crudelis u. à., für 
macer in macilentus (z. b. Ezech. 34, 20 pecus pingue et maci- 
lentum, gen. 41, 19. Dan. 1, 10 macilentiores; als substantiv 
steht macies 3mal in C) und für favere in propitium esse protegere 
u. 8. w. Dass man aber aus dem fehlen eines wortes bei einem 
spätlateinischen autor nicht gleich einen schluss auf dessen unter- 
gang machen darf, lehren uns italienische wórter wie atroce, magro 
(fr. maigre) neben macilento. Wir müssen uns hier also be- 
scheiden, das fehlen obiger wôrter speziell in der Vulgata zu 
konstatieren, wie wir uns damit auch zufrieden geben müssen bei 
dem adj. acer (it. agro acro, fr. aigre), von dem die Vulgata nur 
das adverb acriter iudic. 11, 5. eccli. 18, 18 hat; den ersatz bil- 
den acutus und ühnliche synonyme würter. — Als nahezu ausge- 
storben darf aber wohl das fehlende adverb item betrachtet werden; 
bei undeutlicher aussprache des m war es der verwechslung mit 
ita ausgesetzt, bei dem hinwiederum das schliessende a in der aus- 
sprache nicht zu seinem vollen recht gelangte. Dem widerspricht 
keineswegs, dass itemque noch Smal im 2. buch der Maccabäer er- 





368 Zu der Vulgate. 


scheint: eben nur durch den zusatz von que konnte sich das wort 
noch eine zeit lang halten, indem es so mehr körper und fille be- 
kam. Der rettungsprozess ist derselbe wie bei num, das durch 
anhängung von quid, und wie bei diu, das durch vorsetzung von 
tam noch für einige zeit über wasser gebalten wurde, 

Schliesslich konstatiere ich noch das ineinanderfliessen der bei- 
den subst. decus und decor. Diese würter, deren begriff schon in 
klassischer zeit oft nur schwer zu trennen ist, haben in der Vul. 
gata die letzte nüance von bedeutungsunterschied verloren und 
treten wechselseitig für einander ein: Zach. 11, 7 ef assumpsi 
mihi duas virgas, unam vocavi Decorem, aber v. 10 et fuli virgam 
meam, quae vocabatur Decus. 

Bevor wir zum letzten abschnitt unserer abhandlung übergehen, 
wird es zweckmüssig sein, auch hier wiederum einen kurzen blick 
auf die geschichte der Vulgata zu werfen. Tausend jabre nach 
ihrer entstehung war die bibelübersetzung des Hieronymus da an- 
gekommen, wo im vierten jahrhundert die Itala gewesen war. 
»Dieselbe mannigfaltigkeit in den textesrezensionen, dieselbe ab- 
weichung von der ursprünglichen gestalt, dieselbe unzuverlässigkeit 
im ausdruck jeder einzelnen stelle, welche damals der ültern über- 
setzung zum vorwurf gemacht wurde, war jetzt in die jüngere ein- 
gedrungen. Selbst was der heilige Hieronymus über die andere 
übersetzung geüussert, war bereits von seiner eigenen gesagt wor- 
den: ,,quot codices, tot exemplaria‘ (Kaulen, Gesch. d. Vulgata 279, 
dessen darstellung ich auch hier mich wieder anschliesse). Die 
erfindung der buchdruckerkunst, weit entfernt das übel zu besei- 
tigen und zur herstellung eines einheitlichen textes beizutragen, 
steigerte die verwirrung nur noch mehr, zumal im zeitalter der 
reformation eine anzahl gelehrter männer (Benediktus, Stephanus) 
eine verbesserung der Vulgata nach handschriften versuchte. Da 
sie aber nur über unzulüngliches material verfügten, so konaten 
diese versuche immer nur unvollkommen ausfallen. Der heillosen 
verwirrung suchten nun zwei dekrete des Tridentiner konzils zu 
steuern, und auf grund derselben ernannte papst Paul IV (wahr- 
scheinlich 1560) eine kommission von gelehrten zur revision des 
Vulgatatextes, die sich sofort ans werk machte. Unter den fol- 
genden päpsten, Pius V (1565— 72) und Gregor XIII (1572— 85), 
traten zwar andere unternehmungen io den vordergrund, doch war- 


Zu der Vulgata. 869 


den auch die arbeiten zur revision der Vulgata mit grossem eifer 
fortgesetzt. Mehr und mehr zeigten sich aber auch die ungeheuern 
schwierigkeiten einer solchen arbeit, und 1578 erkannte man es 
als zweckmüssig, als hülfsmittel zu einer gesicherten revisiou der 
Vulgata erst eine kritische ausgabe der Septuagiuta zu veranstalten. 
Nach beendigung derselben (1587) drüngte der nunmehrige papst 
Sixtus V die kommission (Sixtini) zur beschleunigung ihrer thütig- 
keit. Er benutzte seine machtvollkommenheit dazu, die handschrift- 
lichen schätze aus dem ganzen abendlande herbeischaffen zu lassen. 
So kamen denn namentlich aus Italien und Spanien eine anzahl 
werthvoller codices nach Rom, darunter auch der berühmte, uralte 
Amiatinus aus dem Cisterzienserkloster zu Mont’ Amiato, der zwar 
bald die grundlage der ganzen revision bildete, aber trotzdem durch- 
aus nicht vollständig ausgeniitzt wurde. Der energische papst 
stellte selbst die einzuhaltenden gesichtspunkte fest. Er bezeichnete 
als zu erstrebendes ziel, dem texte, qualis primo ab ipsius inter- 
pretis manu stiloque prodierat, möglichst nahe zu kommen. Diese 
bestimmung, mit den der kommission zu gebote stehenden mitteln 
durchgeführt, hatte einen text der Vulgata geliefert, wie wir ihn 
noch heute als pium desiderium bezeichnen müssen. Aber der papst 
hatte auch die jeden rechtschaffenen philologen verdriessende klausel 
binzugefügt, ,die durch den kirchlichen gebrauch eingeführte ge- 
stalt solle geschont und keine gar zu auffallende ünderung getrof- 
fen werden“. Bei der feststellung der lesarten sei in erster linie 
das alter und die trefflichkeit der handschriften massgebend, in 
zweiter linie die citate der vater und alten interpreten. Erst da, 
wo beide mittel nicht zum ziele führten, dürfe auf den hebrüischen 
und griechischen originaltext zurückgegangen werden. Den text, 
der anfang 1589 dem papst übergeben wurde, revidierte derselbe 
hóchst gründlich, wobei er (nach welchen prinzipien, ist nicht si- 
cher) eine anzahl von der kommission schon festgestellter lesarten 
zum grossen verdruss der mitglieder eigenmächtig ünderte. Kaum 
war die so vom papst endgültig festgestellte arbeit fertig im druck 
hergestellt, so starb Sixtus V. am 27. aug. 1590, und nun bean- 
tragten die gekrünkten kommissiousmitglieder 1591 bei seinem 
zweiten nachfolger Gregor XIV eine revision der neuen bibelaus- 
gabe. Derselbe setzte auch sofort eine aus den bedeutendsten ge- 
lehrten bestehende kongregation nieder, der er möglichste beschleu- 


Philologus. XLII. bd. 2. 24 





370 Zu der Vulgata. 


nigung ihrer arbeit zur pflicht machte. Als die mitglieder aber im 
october 1591 nach angestrengtester thütigkeit sich ihrer aufgabe 
entledigt hatten, drohte sich durch den tod Gregors am 15. okt. 
der abschluas der langwierigen arbeit abermals zu verzögern. Erst 
Clemens VIII, war es beschieden, die riesenarbeit der revision des 
Vulgatatextes zu ende zu führen. Da man mit kommissionen keine 
guten erfahrungen gemacht hatte, so übertrug er 1592 den ab- 
schluss der gesammtarbeit zwei kardinälen und dem gelehrten je- 
suiten Toletus, welch letzterer die seele des ganzen unternehmens 
war. So erschienen denn endlich gegen ende 1592 die „biblia sa- 
cra vulgatae editionis Sixti V. Pontificis Max. iussu recognita et 
edita“, gedruckt von Aldus Manutius, Da aber diese ausgabe durch 
eine ziemliche anzalıl druckfehler entstellt war, so kann erst durch 
die 1598 erschienene dritte ausgabe, welche offizielle indices cor- 
rectorii enthält, der text der Vulgata als kirchlicherseits abge- 
schlossen betrachtet werden. Ueber die grundsátze, nach denen der 
klementinische text festgestellt wurde, belehrt uns die praefatio ad 
lectorem: es sind im wesentlichen dieselben, wie sie schon von 
Sixtus V angegeben wurden, der ja auch auf dem titel als ur- 
heber der ganzen arbeit bezeichnet wird, und so geht denn auch 
der text Clemens VIII. im ganzen wieder auf die von den Sixtini 
festgestellten lesarten zurück. 

Nach dem oben gesagten haben wir also immer festzuhalten, 
dass der uns vorliegende text der Vulgata nicht etwa den urspriing- 
lichen wortlaut bietet, sondern eben nur die resultate der thätig- 
keit der sixtinisch-klementinischen gelehrten. Die von Sixtus auf- 
gestellte klausel, dass die änderungen nicht allzu einschneidend sein 
sollten, hatte von vornherein eine anzalıl verbesserungen unmöglich 
gemacht. Auch darf man von den kommissionsmitgliedern, selbst 
angenommen dass sie mit den regeln der kritik und ihrer handha- 
bung völlig vertraut gewesen wären, nicht voraussetzen, dass sie 
im einzelnen eine so eingehende kenntnis des sprachgebrauchs der 
verschiedenen schriften besessen hatten, wie sie zur kritischen re- 
konstruktion derselben unbedingt erforderlich ist; dies war vielmehr 
ein gesichtspunkt, den man damals nur ganz nebenher berücksich- 
tigte. Daraus erklart sich denn die thatsache, dass die sixtinisch- 
klementinische Vulgata eine reihe von lesarten aufweist, die wir bei 
vergleichung der massgebenden hundschriften (insbesundere des Amia- 


Zu der Vulgate. 871 


tinus) und bei berücksichtigung der im vorhergehenden gewonnenen 
sprachlichen gesichtspunkte sofort als unrichtig erkennen. Wie nun 
Heyse-Tischendorf eine ausgabe des alten testaments in der weise 
veranstaltet haben, dass sie dem klementinischen texte die les- 
arten des Amiatinus als varianten beifügeu (Biblia sacra latina 
veteris testamenti interprete Hieronymo, Leipzig 1873), so würe 
für uns philologen eine ausgabe dringend wünschenswerth, wie sie 
derselbe Tischendorf in seinem Novum testamentum latine (Leipzig 
1864) für das N. T. zu geben versucht hat, eine solche nämlich, 
die den fortlaufenden text des Hieronymus nach den besten quellen 
böte und die lesarten der heutigen Vulgata nur für den kritischen 
apparat verwerthete 3). Zur feststellung des textes bietet uns das 
leider nicht vollendete werk vou C. Vercellone, Variae lectiones 
vulgatae latinae bibliorum editionis (2 bde, Rom 1860, 62), eine 
bedeutende bandhabe. Ein weiteres nicht zu unterschätzendes bülfs- 
mittel aber besitzen wir in der genauen kenntnis des sprachge- 
brauchs, wie er sich in den drei theilen der Vulgata zeigt, und im 
folgenden soll nun der versuch gemacht werden, mit hülfe dieser 
kenntnis an der hand der lesarten besonders deg Amiatinus einzelne 
stellen der Vulgata auf ihre ursprüngliche gestalt zurückzuführen. 
Das verfahren, das wir hier einschlagen, ist nicht neu; schon Ti- 
schendorf hat dasselbe in den noten zu seiner oben erwahnten aus- 
gabe des A. T. häufig angewandt: vgl. z. b. seine bemerkungen 
zu exod. 6, 7 über den modus bei dem den acc. c. inf. vertre- 
tenden quod oder zu exod. 13, 16 über den modus nach eo quod. 
Die Vulgata kennt durchweg nur die form elephantus: 3 reg. 
10, 22. 1 Macc. 1, 18. 3, 34. 6, 30. 34. 35. 2 Macc. 11, 4. 
13, 2. 15. 14, 12; denn 1 Macc. 6, 46 sub pedes elephantis ist 
nach dem zeugnis des Amiatinus elephanti zu lesen, ebenso 1 Macc. 
8, 6 elephantos, wie bereits bei Tischendorf im text steht, wüh- 
rend die konkordanz elephantes bietet ?). Die beiden formen 
magnates und magnatus-i scheiden sich so, dass die erstere von 
Hieronymus (Judith 5, 26), die letztere dugegen von der ltala ver- 


8) Die ausgaben von Martianay und Vallarsi kónnen nur als 
versuche betracbtet werden. 

9) Mehrmals finde ich den fall, dass die mir vorliegende konkor- 
dans, nicht ganz mit dem texte bei Tischeudorf übereinstimmt. So 
gibt z. b. die konk. zu Dan. 13, 27 Aususmods, der text bei Tischen- 
dorf richtig huiuscemndi. 


24° 





972 Zu der Vulgata. 


wandt wird: eccli. 4, 7. 8, 10, 11, 1. 20, 29. 30. 23, 18. 28, 
17. 32, 13. 88, 3. 39, 4. Scheinbar widerspricht dieser regel 
eccli. 33, 19 audite me magnates; da aber Amiatinus magnati bat, 
so ist alles in ordnung. —- Ebenso vertheilen sich die beiden for- 
men imbecillis und imbecillus in der weise, dass die form auf is 
von AB (eccli. 30, 14. 1 Cor. 11, 30. Hebr. 5, 11), imbecillus 
aber von Hieronymus gebraucht wird: 2 paral. 28, 15; denn auch 
2 Esdr. 4, 2 bietet der Amiatinus imbecilli nom. pl. (statt imbe- 
cilles) und Job 26, 2 imbecilli gen. sg. (statt imbecillis), — So ist 
weiter Jer. 9, 9 sicher nach dem Amiatinus huiuscemodi statt huius- 
modi zu schreiben; denn Hieronymus kennt in C nur die form mit 
dem deiktischen ce (55 st.), wie B! (19mal) nur huiusmodi hat. 
Hieronymus schliesst sich bier dem gebrauche von A an, wo eben- 
falls nur huiuscemodi erscheint; denn auch 2 Macc. 2, 3 ist diese 
form nach dem zeugnis des Amiatinus herzustellen. — Neben ap- 
plicui z. b. gen. 48, 13. Jos. 7, 16. 1 reg. 10, 20 u. ö. (so 
aucb konstant in Macc. und B!) soll Hieronymus nach dem off. 
text auch das perfekt applicavi gebraucht haben: 1 reg. 30, 7 (Os. 
7, 6 die konk. applicaverunt, der text bei Tischendorf richtig 
applicuerunt]. Allein die lesart des Amiatinus an dieser stelle (ad- 
plicuit) belehrt uns, dass die form applicavi in der Vulgata nur 
dem buch Sirach zukomme: eccli. 33, 12. 

Innitor beschrünkt sich auf die von Hieronymus übersetzten 
partien: gen. 28, 13. iudic. 16, 29. 4 reg. 5, 18 u. ö.; an der 
einzigen widerstrebenden stelle 2 Macc. 11, 13 dei auxilio inni- 
tentes, an der das verbum auch in A vorkommen soll, ist mit dem 
Amiatinus nitentes herzustellen (vgl. 2 Macc. 14, 5 quibus rebus 
et consiliis Iudaei niterentur). 

Während sich in den bisher besprochenen beispielen die drei 
grossen theile der Vulgata nach einzelnen wortformen und wôrtern 
schieden, dienen die folgenden artikel dazu, die konstanz des 
sprachgebrauchs innerhalb der einzelnen theile nachzuweisen. Da 
coram bei Hieronymus, so oft der kasus deutlich erkennbar ist, 
konstant den abl. bei sich hat, so wird man wohl auch 2 paral. 
29, 19 nach dem Amiatinus coram altari zu schreiben haben, wie 
jetzt auch 2 paral, 32, 12 richtig im off. text steht, wahrend die 
erste klementinische ausgabe falsch coram altare las. Letzteres 
steht auch jetzt noch 2 paral. 29, 24: et asperserunt sangwinem 





Zu der Vulgata. 373 


eorum coram altare; da aber der Amiatinus coram weglüsst, so 
wird man die vermuthung Tischendorfs wahrscheinlich finden, der 
statt sanguinem vielmehr sanguine zu lesen vorschligt. — Die 
phrase per industriam exod. 21, 14 ist nach den handschriften 
durch de industria zu ersetzen und das folgende per insidias als 
ursache der verderbnis zu betrachten. Ein per ind. finde ich we- 
der in C noch überhaupt in der Vulgata, wührend de ind. dem 
Hieronymus ganz gelaufig ist: Ruth 2, 16. 1 reg. 9, 24. Job 
34, 27. Jer. 38, 4. — Tamquam ist kein bei Hieronymus be- 
liebtes wort: während AB ausgedelintesten gebrauch davon machen, 
zieht er quasi vor und hat tamquam ein einziges mal Job 11, 12; 
an den beiden andern stellen, an denen es der off. text noch hat, 
Job 3, 24. 41, 15, ersetzt es der Amiatinus durch quasi. 

Nach herstellung der richtigen lesart verschwinden eine an- 
zahl unklassischer elemente, die sich jetzt noch in den von Hiero- 
nymus übertragenen partien finden. So soll er 2 reg. 4, 10 (cui 
oportebat mercedem dare pro nuntio) oporlet bei bestimmtem sub- 
jekt mit dem blossen infin. konstruiert haben; allein wir zweifeln 
keinen augenblick, dass die lesart der handschriften me dare mer- 
cedem uns den echten text des Hieronymus bietet. Ao dieser stelle 
sei auf das auffallend seltene vorkommen von oportet in C hinge- 
wiesen; ich finde es hier nur 4mal, wührend A 11, B sogar 107 
belege hat. 

Bei diesem verfahren nun werden einzelne wôrter, die sich in 
deu konkordanzen finden, aus dem wortschatz der Vulgata gauz 
und gar getilgt werden müssen. So hat für illo (adv.), welches 
die bibellexika mit der einzigen stelle Matth. 2, 22 belegen, der 
Amiatinus illuc, das, da es sonst büufig vorkommt, unbedenklich 
aufzunehmen ist, das vereiuzelte nil prov. 10, 2 nil proderunt the- 
sauri impietatis ist vielmehr nach dem Amiatinus durch non zu 
ersetzen. Auch implorare ist zu tilgen; denn 1 Esdr. 10, 1 sic 
ergo orante Esdra et implorante eo et flente hat der Amiatinus 
richtiger plorante; der irrthum ist dadurch entstanden, dass das 
zweite particip mit dem ersten (orante) zusammengenommen wurde 
statt mit dem dritten (flente). Uebrigens erinnert die zusammen- 
stellung von flere und plorare einigermassen an Ennius bei Cornif. 
4, 12, 18: flentes plorantes lacrimantes obtestantes. Weiter ist 
elucescere aus dem wortschatz der Vulgata auszuscheiden, und zwar 





874 Zu der Vulgata. 


nicht bloss in seiner persónlichen verwenduog 2 Petr. 1, 19 donec 
dies elucescat (lucescat Amiat. Fuld.), sondern noch vielmehr in 
seiner unpersönlichen, in der es sonst ohne alle belege ist: 1 reg. 
9, 26 cumque mane surrexissent et iam eluceseeret (dilucisceret 
Am.) und Tob. 8, 20 priusquam elucesceret (lucesceret Am.) Die 
lesarten des Amiatinus stimmen hier zum sonstigen gebrauche der 
Vulgata: Matth. 28, 1 vespere autem sabbati, quae lucescit in 
prima sabbati, 2 reg. 17. 22 donec dilucesceret. 

Das wichtigste ist aber der umstand, dass ein wort, welches 
lediglich auf grund falscher lesarten bisher in die lat. wörterbücher 
aufgenommen worden ist, nach dem zeugnis des Amiatinus über- 
haupt nicht existiert. Ich meine das verbum praescindo. Nach 
Georges und den konkordanzen soll das wort an 3 st. vorkom- 
men: 1 reg. 24, 12 cum praescinderem summitatem chlumydis 
tuae, 2 reg. 10, 4 et praescidit vestes eorum medias usque ad 
nates et dimisit eos, 2 Macc. 7, 4 (iussil) summas quoque manus 
et pedes ei praescindi. Dass hier überall die entsprechenden for- 
men von praecido herzustellen sind, wie man dies bei Vitruv 5, 7, 
5, p. 118, 7 R bereits gethan hat, zeigen nicht nur die lesarten 
des Amiatinus, dem für die beiden ersten der oben erwühnten stel- 
len auch noch die melrzahl der übrigen in betracht kommenden 
handschriften zur seite steht, sondern auch den oben angeführten 
vóllig entsprechende beispiele mit praecido aus der Vulgata: 1 reg. 
24, 5 praecidit oram chlamydis Saul silenter, 1 paral. 19, 4 et 
praecidit tunicas eorum a natibus usque ad pedes et dimisit eos, 
2 reg. 4, 12 praecidentesque manus et pedes eorum. 

Wie so einerseits eine anzahl wörter dem sprachschatze der 
Vulgata abzusprechen sind, so müssen andere nach den massgeben- 
den handschriften erst eingeführt werden. So ist 1 paral. 22, 14 
in paupertate mea nach. dem Am. und Tolet. paupertatula auf- 
zunehmen, da Hieronymus dieses wort auch sonst (z. b. ep. 127, 
14; vgl. Rönsch p. 96: gebraucht. Auch gegen die richtigkeit der 
lesart sirenae Jes. 13, 22 im Amiatinus (i. t. sirenes) wird kaum 
etwas einzuwenden sein, da gerade diese form, wie man aus Ge- 
orges s. v. Sirena ersieht, die bei Hieronymus übliche ist. 

Für andere wörter verstärkt sich wenigstens die anzahl der 
belege. Das vulgüre advivo, das wir Jos. 4, 14 in der formel 
dum adviveret auch im off. text lesen, ist nach den handschriften 





Zu der Vulgata. 375 


such 3 reg. 12, 6 und 2 paral. 10, 6 in derselben formel einzu- 
führen, wo die heutige Vulgata das abgeglättete cum (bzw. dum) 
adhuc viveret hat. Poenitudo verwendet Hieronymus mehrmals zur 
abwechslung mit paenitentia: deut. 30, 1. 1 reg. 15, 29. Os. 11, 
8; vgl. ep. 84: es ist daher auch iudic. 21, 15 nach dem über- 
einstimmenden zeugnis des Amiatinus und Tolet. herzustellen, Für 
necdum = nondum, das bekanntlich im bibellatein häufig auftritt 
(Kaulen 197), sind nach dem Amiatinus noch in anspruch zu neh- 
men die stellen 2 paral. 30, 3. 1 Esdr. 3, 6. prov, 8, 24, an 
denen bis jetzt nondum gelesen wird; für letzteres wort bleibt dem- 
nach in den von Hieronymus bearbeiteten theilen ein einziger beleg: 
Agg. 1, 2 populus iste dicit: Nondum venit tempus, wo das wort 
zu anfang einer rede steht. — Die alterthümlich - feierliche form 
periuro hat Amiatinus levit. 6, 3. sap. 14, 28, wo jetzt formen 
von peiero stehen; umgekehrt ist levit. 19, 12. prov. 30, 9. 
Matth. 5, 33 nach dem Amiatinus peierare (nicht periurare) zu 
lesen. 

Wie praecido durch ein ersonnenes praescindo, so ist auch 
abscido durch abscindo beeinträchtigt worden, und zwar in noch 
höherem grade, da die beiden verba parallel neben einander liefen 
und in ihrer bedeutung sich sehr nahe stehen. Die verwechselung 
ging offenbar aus von den perfektformen absczdi und abscidi, die, 
da sie sich lediglich durch die quantität unterscheiden, von unwis- 
senden abschreibern leicht vermengt werden konnten ; auch die par- 
tizipialfurmen abscisus und abscissus waren dieser gefahr in hohem 
grade ausgesetzt. Der vortheil bei dieser vermengung ist fast 
durchaus auf seite von abscindo, das sich haufig in die stelle von 
abscido eingedrüngt hat. Vergleichen wir z. b. die konkordanzen, 
so trellen wir (ausser abscides deut. 25, 12, und abscide Matth. 5, 
30. 18, 8, wo sich also zwei formen des am wenigsten der ver- 
weclselung ausgesetzten prüsensstammes erhalten haben) durchgän- 
gig formen, die von abscindo kommen oder kommen kónnen; an- 
ders aber verhält sich die sache, wenn wir auf die bandschriften 
zurückgehen. Wir lesen dort abscisus (nicht abscissus, wie im 
texte steht) deut. 23, 1 amputatis testiculis et absciso ve- 
retro, 2 reg. 20, 22 abscisum caput; vgl. noch die lesart des 
Amiatinus zu 1 reg. 5, 4. 2 Macc. 15, 30. So ist weiter im 
prüsenestamm abecido statt abecindo hersustellen: Jes. 18, 5 et 





876 Zu der Vulgata. 


praecidentur ramusculi eius falcibus: et quae derelicta fuerint, 
abscidentur. Sonach haben wir das perfekt absc;di zu erken- 
nen: num. 13, 24 absciderunt palmitem cum uva sua (Luther: „und 
schnitten daselbst eine rebe ab“), 1 reg. 24, 6 eo quod abscidisset 
oram chlamydis Saul (vgl. 1 reg. 24, 5 et praecidit oram chla- 
mydis Saul silenter), Judith 13, 10 et abscidit caput eius, Joh. 18, 
10. 18, 26. act. ap. 27, 32. 

Die besprechung dieses artikels gibt mir veranlassung zu dem 
hinweis, dass auch für orthographische fragen der Amiatinus von 
grósster wichtigkeit ist. Um derlei dinge kümmerten sich selbst- 
verständlich die redaktoren der Vulgata so gut wie gar nicht, 
was auch die konstanten schreibungen ihres textes wie moeror pene 
praelium sepire hyems conditio nuncius emptitius u. a. bestätigen. 
Im Amiatinus hingegen finden wir jetzt allgemein anerkannte 
schreibungen wie anulus z. b. Luc. 15, 22. Jacob. 2, 2 (auch im 
Fuld.), bucina (konstant, z. b. levit. 25, 9, im ganzen 38mal), 
dammula prov. 6, 5. Jes. 13, 14, gluttire Job 7, 19. eccli. 23, 
22. Matth. 23, 24 und degluttire num. 16, 30. 34 u. à. (kon- 
stant), muttire exod. 11, 7. Jos. 10, 21, pellicius gen. 3, 21. 
levit. 13, 59. 1 reg. 5, 9. Matth. 3, 4. Marc. 1, 6 (zu 4 reg. 
1, 8 gibt Tischendorf keine bemerkung), percontari Judith 6, 10, 
Ptolomaeus Ptolomais Ptolomenses z. b. 1 Macc. 10, 51. ib. 5, 
15. 2 Macc. 13, 25 u. G., sarire Jes. 7, 25. 28, 24, singillatim 
Marc. 14, 19, vatillum num. 4, 14, weiter lucusta (konstant, z. b. 
exod. 10, 4), des doch zum mindesten ebenso gut beglaubigt ist 
wie locusta. Aufmerksam will ich noch machen auf die im Amia- 
tinus. vorkommenden schreibungen corcodillus levit. 11, 29. deut. 
14, 7, die (wenigstens in der form corcodilus) sicher gestellt ist 
bei Phaedr. 1, 27, 4. 6. Mart. 3, 93, 7. Macr. sat. 2, 2, 7, 
frutectum Jes. 7, 19 (wie virecta gen. 41, 18), denumerare num. 
23, 10. 2 paral. 2, 17 u. à. und denumeratio 2 paral. 2, 17. 

Erst wenn wir im besitze einer allen ansprüchen der philo- 
logie genügenden ausgabe der Vulgata sind, erst dann dürfen wir 
unser augenmerk auf ein für die wissenschaft nicht minder noth- 
wendiges und nützliches unternehmen richten, auf die bearbeitung 
einer „grammatik der Vulgata“. Wir besitzen zwar eine anzahl 
schriften, die sich mit der Vulgata auch nach der grammatischen 
seite hin befassen. Allein Kaulens handbuch ist zunächst für das 


Zu der Vulgata. 377 


bedürfnis katholischer priester berechnet und kann vom wissen- 
schaftlichen standpunkte aus nicht genügen, Rönsch in seiner „Itala 
und Vulgata“ betrachtet ein zu ausgedehntes gebiet, als dass er 
sich mit der Vulgata eingehender befassen kónnte, Heiss in seiner 
formenlehre, Hagen in seinen ,,erürterungen * und Loch in seinen 
„materialien“ besprechen bloss einzelne punkte und partien. Alle 
diese arbeiten sind in der that nur „materialien“ zur künftigen 
grammatik, die nach den besonders in den letzten jahren zu tage 
geforderten, die historische entwicklung der lat. sprache betref- 
fenden gesichtspunkten gearbeitet sein müsste. Dabei würe selbst- 
verständlich auf den gebrauch des Hieronymus, wie er sich in 
dessen übrigen schriften zeigt, sowie auf das kirchenlatein im all- 
gemeinen mehr rücksicht zu nehmen, als wir es hier bei be- 
schranktem raume thun konnten. Der nutzen einer solchen gram- 
matik springt in die augen. Abgesehen davon, dass das richtige 
grammatische verstündnis auch die exegese nicht unwesentlich für- 
dern würde: wir hätten in einem solchen buche nicht bloss für 
die Vulgata selber eine unterlage des verstündnisses, sondern auch 
für die gesammte nachhieronymianische kirchenliteratur, ja für 
einen grossen theil der profanliteratur, soweit sie eben vom bibel- 
latein beeinflusst ist. Aber diese ,,grammatik der Vulgata“ liegt 
noch in weiter zukunft: vorerst gilt es, wie oben angedeutet, an- 
deren zielen zuzustreben. 

Vorliegender aufsatz müge als ein erster versuch betrachtet 
werden, das in der Vulgata enthaltene sprachmaterial zu orduen 
und zu verwerthen. Vielleicht vermisst man bei einzelnen artikeln 
einen hinweis auf den sprachgebrauch des Hieronymus in seinen 
übrigen schriften. Kinen solchen zu geben, war anfangs von mir 
beabsichtigt; allein bald drángte sich mir die überzeugung auf, dass 
bei den ungenügenden vorarbeiten über die sprache des Hieronymus 
eine beiziehung ungesichteten materials eher verwirrend als fürderud 
wirken werde. Denn der sprachliche charakter der einzelnen werke 
des grossen kircheulebrers ist ein sehr ungleicher: neben arbeiten 
von der höchsten stilistischen vollendung finden sich andere, denen 
der stempel der eilfertigkeit und flüchtigkeit aufgeprägt ist. In 
letzterer beziehung sind namentlich seine kommentare zu einzelnen 
biblischen schriften zu nennen, die man nicht mit uurecht als eil- 
fertige kompilationen bezeichnet hat; eine reihe von wörtern und 





378 Zu der Vulgata. 


wendungen, die Hieronymus sonst vermeidet, hat er hier einfach 
aus seiner quelle herübergenommen. Sorgfältiger stilisiert sind 
seine briefe; allein es sind eben briefe, und bekanntlich gestattet 
der briefton mancherlei freiheiten und neigt gar haufig zum sermo 
cotidianus, So dürfen wir uns demnach nicht wundern, wenn wir 
in diesen werken formen, würter und konstruktionen finden, denen 
Hieronymus in der bibelübersetzung den zutritt verweigert hat: 
so z. b. eructare !?), inaccessibilis, die nominativform scorpius u. s. 
(über manche artikel findet man auskunft bei Paucker, De latinitate 
B. Hieronymi, Berlin 1850). Andrerseits ist kein zweifel, dass 
Hieronymus in seiner bibelübersetzung (abgesehen von den oben 
angegebenen ausuahmen) auch in stilistischer hinsicht ein meister- 
werk geben wollte, dessen sprache also sehr wohl für sich, ohne 


beiziehung der übrigen hieronymianischen schriften, betrachtet wer- 
den darf. 


10) Dae wort, das im psalterium Gallicanum noch 5mal vorkommt 
(psalm. 18, 3. 44, 2. 118, 171. 143, 13. 144, 7), verwendet Hieronymus 
in seiner übersetzung des Psalters (im psalterium iuxta Hebraeos) 
nur noch an den beiden ersten stellen, offenbar in reminiscenz an die 
alte version, von deren einfluss er sich jedoch im fortgang seiner ar- 
beit günzlich befreit hat; denn an den drei letzten stellen ist eructare 
ersetzt durch die gewühlteren wörter fundere supereffundere und toqui. 


Speier. Philipp Thielmann. 


Zu Cato de moribus. 


II, 26 lautet in Hauthal’s ausgabe: 


rem, tibi quam nosces aptam, dimittere noli, 
fronte capillata est; post est Occasio calva. 


Wie man bei solcher interpunction den satz erklüren will, ver- 
stehe ich nicht; die „behaarte stirue‘ kann doch nur der personi- 
ficirten Occasin zugeschrieben werden, deren natur in dem zweiten 
verse beschrieben wird; vgl. Phaedr. V, 8, wo dieselbe mit lan- 
geren worten gemalt wird. Demnach ist vielmehr hinter soli ein 


semicolon oder besser colon, dagegen hinter est ein comma zu 
setzen. 


Sprottau. C. Hartung. 





ll. JAURESBERICHTE, 


- --— _ — =. —— — — —- 


50. Eutropius. 


1) Eutropi breviarium ab urbe condita Guil. Hartel re- 
cognovit. Berolini apud Weidmannos 1872. — Rec.: Gôtt. gel. 
Anz. 1874, I p. 143—155 O. Keller. — — Philol. Anz. IV 1872 
p. 250 -252 A. B. E. — Heidelberger Jahrbb. 1872 p. 518— 
519. — Lit. centralblatt 1872 p. 1368 W. --- Wiener allgem. 
lit.-ztg. 1872 p. 117 Weishaupt. —  Fleckeisens Jahrbb. 107 p. 
259 —264 V. Gardthausen. 

2) Eutropi breviarium ab u. c. rec. H. Droysen. Berolini 
apud Weidmannos 1878. —  Rec.: Lit. centralbl, 1879 p. 1555 
A. E. — Phil. Anz. X 48-51 C. Wagner. — Zeitschr. für 
österr. gymnasialw. 1880 p. 838—842 R. Bitschofsky. 

3) Eutropi breviarium ab u. c. cum versionibus graecis et 
Pauli Landolfique additamentis. Rec. et adnot. H. Droysen. Be- 
rolini apud Weidmannos 1879. [Monum. Germ. hist. ll]. — Rec.: 
Lit. centralbl. 1879 p. 1517 A. E. — Histor. Zeitschr. n. f. 
bd. 8, 1 p. 132—135 F. Hirsch. 

4) Droysen, H., Die ausgaben von Schoonhoven und Vi- 
netus. In Hermes XII 385. 

5) Duncker, R., Zu Eutropius. In Fleckeis. Jahrbb. 119 
p. 641. 656. 

6) Duncker, R., De Paeanio Eutropi interprete. Greiffen- 
berg i. P. 1880. — Ree.: Phil. rundschau | p. 309 C. W(agener). 

7) Ebeling, P., Quaestiones Eutropianae. (Dissert.) Halis 
Sax. 1881. —  Rec.: Phil. rundschau | p. 984 C. W(agener). 

8) Eussner, Ad., Ad Eutropium. In Specimen criticum ad 
script. quosdam Lat. Würzburg 1868 p. 33 — 35. 

9) Eussner, Ad., Zu Eutropius. In der Zeitschr. für die 
baier. gymn. VIII 75. 





380 Jahresberichte. 


10) Hartel, W., Eutropius u. Paulus Draconus. In Sitzungs- 
berichten der k. k. akademie der wissensch. zu Wien. Philol. - hi- 
stor, cl. bd. 71 (1872) p. 227— 310 u. separat Wien bei K. Ge- 
rold’s sohn 1872 — Rec.: Gott. gel. Anz. 1874 I p. 143—155 
O. Keller. — Phil. Anz. V 1873 p. 550—553. — Lit. centralbl, 
1872 p. 1368 W. 

11) Haupt, H., Zu Paianios und Eutropius. [n Fleckeis, 
Jahrb. 119 p. 104. 

12) Haupt, H., Planudische excerpte in Hermes XIV p. 36. 

13) Haupt, M., Opuscul. HI p. 572. 

14) Koecher, A., De loannis Antiocheni aetate, fontibus 
auctoritate, Bonn 1871. 

15) Lüdecke, Fr., Sylburgs codex des Eutropius. In 
Fleckeis. Jahrbb. 111 p. 874—579. 

16) Mommsen, Th. Eutropius, breviarium ab urbe condita. 
In Hermes 1, 468. 

17) Mommsen, Th., Die Gothaer handschr. des Eutropius. 
lu Fleckeis, Jahrbb. 113 p. 648. 

18 Mommsen, Th., Ueber Planudische und Constantinische 
excerpte. In Hermes VI p. 83. 

19) Neumann, K. J., Zu Eutropius und Herodian. In 
Rhein. museum 35 p. 485—486. 

20) Peiper, R., Zu Eutropius. In Philologus 33, 686. 

21) Pirogoff, Wiad., De Eutropi breviarii ab u. c. indole 
ac fontibus. Par. |. Berlin 1873. 

22) Rühl, Frz., Zu Eutropius] 20, ll 1. In Rhein. museum 
29 p. 639—640. 

23) Schrader, C., Zu Eutropius. lo Fleckeis. Jahrbb. 117 
p. 218. 

24) Schulze, E., De Paeonio Eutropii interprete. In Phi- 
lologus 20 p. 285 — 299. 

25) Wagener. C., Zu Eutropins VIII 10. In Philologus 
35 p. 102. 

26) Wagener, C., Zu Eutropius. In Philologus 39 p. 
178—180. 


1) Ausgaben und kritisches material. 


Wie bei vielen andern schriftstellern des alterthums, so ist es 
auch bei Eutropius der fall, dass wir erst in der allerneuesten zeit 
einen nach den besten kritischen hiilfsmitteln constituierten text be- 
sitzen. Wilh. Hartel war es, der mit der eklektischen behandlung 
des Eutropiustextes brach, der zuerst den text dieses von der kritik 
so stiefmiitterlich behandelten historikers in einer weise herausgab, 
wie sie den anforderungen moderner wissenschaft entspricht. Und 
wenn auch seine ausgabe durch die von H. Droysen überflügelt ist, 





% . 
om n 


Jabresberichte. 381 


so dürfen wir doch nicht vergessen, dass Hartel zuerst den allein 
richtigen weg, auf dem man zu einem ungefälschten Eutropiustexte 
gelangen kann, betreten hat, und es ist wohl zu beachten, dass 
die grundlage des textes bei Droysen keine andere ist als bei Hartel, 
wohl aber eine breitere und zuverlässigere. Von deu vielen aus- 
gaben — die bis zum jahre 1791 erschienenen findet man am besten 
bei C. H. Tzschucke cap. XI der praefatio seiner ausgabe, Leipzig 
1796 p. LXI—LXXXVII zusammengestellt — verdienen, weil sie 
auf ganz falscher und schlechter grundlage aufgebaut sind, nur 
wenige eine eingehendere besprechung. 

Die ersten ausgaben, welche den „reinen“ Eutropius enthalten, 
wurden fast zu gleicher zeit von A. Schoonhoven und E. Vi- 
netus besorgt; die früheren ausgaben, auch wenn sie den namen 
Eutropius auf dem titelblatt führten, bieten uns nicht den wahren 
Eutropius, sondern enthalten vielmehr die 16, beziehungsweise 17 
bücher der Historia Romana des Paulus Diaconus. Seit der editio 
princeps, welche in Rom 1471 erschieuen ist, bis zur ausgabe von 
Schoonhoven 1552 finden wir nach C. H. Tzschucke, Praef. p. 
LXI—LX XI, nicht weniger als 24 ausgaben, gewiss ein deutliches 
zeichen, wie eifrig Paulus Diaconus damals gelesen wurde; vou 
diesen sind die meisten in Italien, Frankreich und Holland, nur we- 
nige in Deutschland und der Schweiz herausgegeben. Die erste 
ausgabe des „reinen“ Eutropius, die wir als die editio princeps be- 
zeichnen können, edierte Anton Schoonhoven (gest. 1557 als 
kanonikus in Brügge). Dieser klagt in der vorrede, welche aus 
Brügge vom 1. juli 1545 datiert ist (die ausgabe erschien erst 
Basileae ex officina Ioannis Oporini. Anno salutis humanae MDLII 
Mense Ianuario), über die vorhandenen interpolierten texte und gab 
desshalb seine ausgube heraus. Id quod ego, heisst es in der vor- 
rede, cum ex collatione integerrimi exemplaris (quod subministrabat 
nobis R. D. Abbas ac Praepositas S. S. Ioannis et Bavonis apud 
Gandenses) deprehendissem, nolui committere, quin tam utilem aucto- 
rem integritati suae restituerem syncerumque ederem , ne posthac 
(quod doctissimis etiam usu venisse videmus) Paulina pro Eutropianis 
citentur: quae, quantum distent, aliorum esto iudicium. Tanta 
cerle clade hunc ille affecerat , ut nulla inveniri impressa exem- 
plaria, quae castigationem sustinerent, a me potuerint. — Quare totum 
ipse describere coactus sum. Wenn Schoonhoven sagt: ne posthac 
Paulina pro Eutropianis citentur, so ist dies nicht ganz genau, 
denn nach H. Droysen (Hermes XII p. 385 und editio mai, praef. 
p. XX) finden sich noch in dieser ausgabe neun zusütze, von denen 
2, 22 (15, 17; 40, 18!) classe [Clypeam petunt et contra Car- 
thaginienses venerunt]; 2, 26 (16, 27; 44, 12) ceterae [viginti 


1) Citiert wird nach den ausgaben von H. Droysen; die beiden 
ersten der eingeklammerten zahlen beziehen sich auf die kleinere, 
die beiden letzten zahlen auf die gróssero ausgabe. 





382 Jahresberichte, . 


milia capta]; 3, 7 (19, 5; 50, 7) quinquaginta (milibus peditum 
et XX milibus equitum]; 9, 13 (65, 14; 156, 17) Tetricum [qui 
a militibus imperator electus] in keiner der bis jetzt bekannten Ke- 
tropius- oder Paulushandschriften, wohl aber in der von Erasmus be- 
sorgten ausgabe apud Frobenium, Basel 1518, stehen; die übrigen 
zusatze 3, 21 (23, 24; 62, 5) liberata est [quam flens dicitur re- 
liquisse]; 4, 15 (29, 21; 74, 14) superatus est [His diebus An- 
drogynus Romae visus iussu haruspicum in mare mersus est]; 6, 
22 (44, 9; 108, 8) habuerat [quae postea regio comitatu urbem 
ingressa est]; 9, 7 (63, 28; 152, 19) consenuit [nam quamdiu 
vixit, rex eiusdem provinciae incurvato eo pedem eius cervicibus 
imponens solitus erat equum conscendere]; 9, 11 (64, 28; 156, 4) 
intereu [fraude Aureoli ducis sui] sind Paulinische einlagen. Die 
handschrift, aus welcher die ausgabe Schoonhoveus hervorging, war, 
wie W. Hartel (Eutropius und Paulus Diaconus p. 62) erkannte, 
der cod. Leydensis (nr. 141), welchen spater (1592) Paul Merula 
benutzte und aus dem Siegbert Havercamp (1729) und Heinrich 
Verheyk (1762) zahlreiche varianten mittheilten. Schoonhoven hat, 
wie Hartel bemerkt, diesen codex nicht in roher abschrift zum ab- 
druck gebracht, sondera uflenbare fehler desselben verbessert und 
aus dem gedruckten Paulinischen texte das brauchbare herüberge- 
nommen. Bei Droysen ist diese handschrift mit L bezeichnet. 
Fast zu gleicher zeit erschien die ausgabe des Eutropius von E. 
Vinetus (Elie Vinet geb. 1509 in Vinets, gest. in Bordeaux am 
14. mai 1587): Pictavis excudebat Engelb. Marnesius XXIX men- 
sis Augusti MDLIII. Aus den worten der vorrede (Burdigal. XV 
Cal. lun. MDLIN) ,ego vero boni authoris vicem diu multumque 
dolui, donec incidi tandem in antiquum illum Dominicalium Burde- 
galensium librum, ex cuius fide tam integrum damus id opus, ut 
nunc primum editum videri possit müsste man schliessen, wie es 
auch Hartel (Eutropius und Paul. Diac. p. 65—66) gethan hat, dass 
Vinetus die ausgabe Schoonhovens gar nicht gekannt habe. Allein 
Droysen. der im Hermes XII p. 386 das verhältniss beider aus- 
gaben untersuchte, fand, dass Vinetus die ausgabe von Schoonhoven 
seinem druck zu grunde gelegt hat, „denn nicht nur hat er einen 
druckfehler derselben mit abgedruckt [4, 17 (30, 6; 76, 9) Ro- 
manus exercitus statt Romani exercitus], in etwa 70 fällen ver- 
bessert er nach seiner handschrift lesarten „früherer“, die eben die 
Schoonhovenschen sind“. Was die nicht eutropischen stücke be- 
trifft, die sich bei Sclioonhoven finden, so hat er von den obener- 
walinten neun zusätzen nur zwei beibelialten und zwar die, welche 
iu der ausgabe von Erasmus stehen: 2, 26 (16, 27; 44, 12) und 
3, 7 (19, 5; 50, 7); ausserdem fügt er noch zwei neue Paulini- 
sche interpolationen hinzu, die sich in allen spateren ausgaben wie- 
derfinden und selbst noch bei Hartel im texte stehen, namlich 9, 15 
(Hart. p. 68, 31; Droys. 66, 14; 158, 21) referri [imperavit an- 





% . 
ME. 


Jahresberichte. 388 


nos quinque, menses sex]; 9, 17 (Hart. p. 64, 15; Droys. 66, 31; 
160, 12) ferrata [imperavit annos sex, menses quattuor]. Die 
bandschrift, die Vinetus bei seiuer ausgabe benutzte, ist wahrschein- 
lich verschwunden; nach den proben zu urtheilen, die er in sei- 
nem commentar mittheilt, müssen wir den verlust sehr bedauern, 
denn aus einer vergleichung mit den übrigen handschriften ergiebt 
sich, dass der antiquus Burdegulensis zu den bessern handschriften 
gehört hat. An fünf stellen hat S, wie ihn Droysen nennt, von 
der lateinischen überlieferung allein das richtige, an vier stellen 
stimmt er mit Paeanius überein, die fünfte hat derselbe zu frei 
übersetzt, um erkennen zu künnen, welche lesart er vor augen 
gehabt hat. Das richtige bietet S ullein: 2, 2 (9, 12; 24, 13) 
Praeneste; 3, 5 (18, 21; A8, 13) consulem, der singular auch von 
Paeanius bestätigt; 3, 22 (24, 5; 62, 16) centum milibus (eig 
dixu wuosudag Paean.); 6, 20 (43, 22; 106, 6) Palaeopharsalum 
(iv Muduscopagouim); 7, 13 (49, 12; 122, 14) apud Mogontia- 
cum (év Moyoriiaxo). Freilich ist S, wie auch die andern hand- 
schriften, nicht frei von fehlern aller art, so z. b. 1, 9 (5, 19; 
16, 3) annum unum statt annuum; 8, 3 (55, 5; 136, 18) phar- 
pace syro statt Purthomasiri; 9, 18 (67, 9; 160, 19) illectica- 
retur statt in lecticula veheretur; 9, 20 (68, 3; 162, 13) ureum 
statt aureum montem; 10, 15 (76, 8; 178, 27) germanici iam 
statt Germaniciani etc. etc., aber das geht auf das deutlichste aus 
der mehrzahl der fehler hervor, dass dieselben unbedingt auf die 
A-klasse d. h. auf F und G zurückführen. Einige beispiele mögen 
dies klar machen: 2, 16 (13, 25; 36, 15) schreibt FG gulinio, 
S galinio, Paean. xvdAnrfov, LO culnio, PD gulone, richtig ist 
Ogulnio; 6, 3 (37, 18; 94, 1) statt ex consule liest man in FG 
ex consulari; 6, 8 (39, 5; 96, 12) statt Cabira oder Cabiram hat 
LO gabiram, FGP gaveram, S graveram, D graverun; 6, 10 (40, 
4; 98, 8) schreibt FG histrium, S histriam, LO istrum, richtig 
Histrum; 7, 9 (48, 1; 118, 14) muss es heissen Salussos wie P 
schreibt, dafür hut FG calasos, S calosos, LOD talassos. Mit den 
handschriften der A-klasse d. h. mit G und besonders mit F stimmt 
S im richtigen wie im falschen selr oft überein, auch die lücken 
finden sich in S wie in der A-klasse: 1, 5 (4, 12; 12, 4) upud 
Hostiam civitatem; 1, 8 (4, 33; 14, 1) uulscos; 1, 16 (7, 14; 
20, 12) gruio; 1, 19 (8, 10; 22, 10) Fidenae VI; 2, 12 (12, 
12; 82, 21) redimendis fehlt in FG wie in S; 2, 17 (13, 29; 
36, 18) ianio; 2, 21 (14, 31; 40, 7) usque om. GS; 2, 27 (17, 
5; 46, 1) XXV; 3, 9 (19, 28; 52, 6, umbitu; 3, 12 (21, 5; 
56, 6) Mallium; 3, 14 (14, 27; 58, 1) Isauriae F u. S, in G 
eine lücke; 3, 16 (22, 17; 58, 16) Publius Fabius; 4, 4 (26,1; 
66, 7) circa sipylum maguesiam; 4, 6 (26, 27; 68, 6) cothum; 
4, 10 (28, 16; 72, 5) semen; 4, 15 29, 19; 74, 13) Pseudo- 
perses; 4, 22 (31, 8; 80, 5) uituito: 5, 6 (34, 30; 88, 17) 





884 Jahresberichte. 


ipsas Athenas; 5, 9 (36, 13; 90, 24) Hierdam; 6, 2 (37, 14; 
92, 21) Curio om. GS; 6, 7 (38, 19; 96, 1) duce; 6,°7 (38, 
19; 96, 1) oenomatu; 6, 8 (39, 4; 96, 11) sinopen; 6, 9 (39, 
21; 96, 24) legiones; 6, 9 (39, 24; 98, 2) parante; 6, 14 (41, 
9; 100, 11) oroden ter; 7, 8 (47, 25; 118, 5) atello; 8, 8 
(55, 8; 136, 20) carduenos; 8, 3 (55, 8; 136, 20) anthema- 
sium; 8, 8 (57, 19; 140, 22) Lorium; 8, 18 (60, 26; 146, 19) 
arabas et azabenos om. FGS; 8, 19 (61, 5; 148, 6) CXXXII; 
9, 4 (63, 8; 152, 4) Budaliae; 9, 21 (68, 11; 162, 19) Armo- 
rici; 9, 24 (69, 17; 164, 18) Cullinicum; 10, 10 (75, 7; 178, 
1) primarum litterarum. Hieraus aber folgern zu wollen, dass 8 
aus G oder F abgeschrieben sei, wäre desshalb falsch, weil S mit 
Paris. 5802 und Lincoln. (vgl. Drovsen editio mai. praef. p. XX) 
an einigen stellen iibereinstimmt, an denen er von FG abweicht: 
3, 11 (20, 26; 54, 13) ad reparandas vires] res G , rursus S 
Paris. Lincolu. Was F gehabt hat, ist nicht mit sicherbeit zu be- 
stimmen, Sylburg schreibt im texte ad reparandas vires ohne etwas 
in den noten und im index zu bemerken; 6, 14 (41, 18; 100, 18) 
lucus ibi S D Lincoln. Paris., auch wohl F, da Sylburg lucus ibi 
im texte hat und nichts notiert, lucius sibi G; 7, 14 (49, 31; 
124, 11) prostravit S Paris. prostituit FG; 10, 4 (72, 28; 172, 
7) strenuus G, strenuis SD Paris. Lincolo.; 3, 14 (21, 27; 58, 1) 
G hat hier eine lücke, F aber und S Lincoln. Paris. haben Isau- 
riae; 10, 16 (77, 2; 181, 2) quantum GLOPD, quam tantum Pa- 
ris. Lincoln. Capito, letzteres schreibt auch Vinetus, ob nach seinem 
codex oder nach eigener korrektur bleibt zweifelhaft. Aller wahr- 
scheinlichkeit nach ist auch S8 aus der B- und C-klasse interpoliert : 
darauf führen einige stellen, an welchen S mit diesen codices über- 
einstimnt. So 1) S + LO: 2, 1 (10, 6; 26, 8) VII milia SOL, 
octo milia A; 2, 20 (14, 16; 38, 16) duellio LOS Paean., duileo 
G', duillo FG?PD; 4, 19 (30, 17; 78, 3) galliciis LOS, callecis 
G'PD; 6, 17 (42, 23; 104, 7) arunculeius LOS; 7, 16 (50, 20; 
127, 6) servilius LOS, servilis G. 2) S + PD: 3, 22 (24, 5; 
62, 16) ponderibus argeuti PDS, argenti ponderibus FG; 8, 5 
(56, 9; 138, 18) CXL SPD; 8, 23 (61, 33; 148, 27) xeren 
PSD, xersen FG. 3) N + LOP: 4, 26 (31, 27; 82, 2) ad- 
versus, 4) S + LPD: 9, 18 (67, 13; 160, 22) deductis, 5) 
S + LOPD: 7, 1 (45, 22; 114, 1) octavianus; 7, 3 (46, 22; 
44, 22) perusium; 7, 18 (51, 24; 128, 14) erecta. Da wir nur 
einzelue proben übrig haben und nicht beurtheilen können, mit wel- 
cher sorgfalt Vinetus bei seiner arbeit zu werke gegangen ist, 
so lässt sich schwerlich bestimmt etwas über die abhängigkeit der 
cod. Burdagilensis sagen. Ich glaube, was Droysen richtig von 
den cod, Lincoln. und Paris. 5802 sagt, passt auch auf S: de- 
scriptus est ex codice quodam familiag A, sed ex BC interpolato. 
Die nächsten werthvollen ausgaben des Eutropius besorgte Fr. 


Jahresbericlite. 385 


Sylburg (1536—1596); dieselben sind in den Hist. Rom. seri- 
ptores | p. 559 (Frankfurt a. M. 1588) und in dem dritten bande der 
Romanae historiae scriptores Graeci minores (Frankfurt a. M. 1590) 
p. 63 erschienen. Besonders wichtig ist die letztere ausgabe, weil 
bier zum ersten male die übersetzung des Paeanius mitgetheilt ist 
und weil Sylburg für den text des Eutropius einen sehr alten codex 
benutzen konnte. Er sagt in der vorrede zu den notationes in 
Eutropium p. 902b: In Eutropii editione superiore duas potissimum 
editiones seculi sumus, — Earum recentior est Eliae Vineti; vetustior 
Antonii Schonhovii, utraque ad manuscriptorum librorum fidem exa- 
minata. Schonhovius enim se Gandensem codicem secutum est, Vi- 
netus autem Burdegalensem. In hoc ergo tomo Graecolatino quia 
idem auctor cum Graeco metaphraste repetendus erat, id annitendum 
putavi, ut ipse quoque veterem librum m. s. alicunde impetrarem. 
Et cum e Francisco Modio, antiquorum librorum diligenti scruta- 
fore cognovissem , oplimae notae exemplar in Fuldensi bibliotheca 
superesse, tandem co per assiduas amicorum intercessiones sum po- 
titus. Eum igitur nactus librum cum superiori editione nostra 
contuli, und in der vorrede zum Eutrop. 62: Latinum vero exem- 
plar, antiquum sane ct optimae notae, Fuldense collegium nobis 
suppeditavit intercessore Balthasaro Vigando, viro reip. litterariae 
studiosissimo. Später hören wir nichts mehr von diesem werth- 
vollen codex; er scheint wie die handschrift des Vinetus zu 
grunde gegangen zu sein. Die klosterbibliothek hat aufgehört zu 
existieren, ihre reichen schütze wurden nach allen weltgegenden, 
nach Rom, München, Cassel und andern orten zerstreut. Ueber 
diesen codex handelt in eingehender weise sorgfältig wie immer 
Fr. Lüdecke (Fleckeis. Jahrb. 111 p. 874), er weist auf das be- 
stimmteste nach, dass der Fuldensis mit dem Gothanus (n. 101) 
nicht identisch ist, wie Th. Mommsen in Hermes I, p. 468 ange- 
nommen hatte. Diese verschiedenheit beider handschriften ist jetzt 
wohl von allen, die sich hiermit beschäftigen, anerkannt, nur Rud. 
Nicolai nennt denselben in seiner geschichte der römischen literatur 
vom jahre 1881 yp. 795 noch immer „den Gothaer Fuldensis". 
Richtig urtheilt über den Fuldensis H. Droysen (praef. IV): ex 
lectionibus huius codicis .. apparet. Fuldensem et Gothanum si non 
ex eodem archetypo descriptos eiusdem certe fuisse familiae, Ful- 
densem autem Gothano fere semper, ubi differunt, praeferendum esse 
scriptum a librario diligentiore et minus inperito. Wie nun Syl- 
burg collationiert hat, ist schwer zu sagen; eine collation nach 
heutigem begriff giebt er gewiss nicht, „aber das, was er giebt, 
sagt Lüdecke, halte ich für genau und zuverlüssig, dafür bürgt mir 
seine sonstige akribie und saubere detailarbeit, welche die ge- 
schichte unserer wissenschaft mit recht rühmt*. Sylburg hat leider 
von dieser werthvollen handschrift nicht immer den richtigen ge- 
brauch gemacht; zwar hat er eine reihe von richtigen lesarten aus 


Philologus. XLII. bd. 2. 29 





386 Jahresberichte. 


dem Fuldensis aufgenommen, manche aber unbeachtet gelassen. 
Was die oben bei Schoonhoven und Vinetus erwähnten zusätze be- 
trifft, so fehlen: 2, 22 (15, 17; 40, 18); 6, 22 (44, 9; 108,8); 
9, 7 (63, 28; 152, 19); 9, 11 (64, 28; 156, 4); 9, 13 (65, 
14; 156, 17); folgende sind im texte eingeklammert und in den 
noten mit der bemerkung versehen, dass sie im Fuld. fehlen: 2, 
26 (16, 27; 44, 12); 3, 21 (23, 24; 62, 5); 4, 15 (29, 21; 
74, 14); 9, 15 (66, 14; 158, 21); 9, 17 (66, 31; 160, 12) 
dagegen steht 3, 7 (19, 5; 50, 7) ohne klammer im texte, in 
den noten aber führt Sylburg an, dass diesen zusatz der Fuldensis 
nicht hat. Die stellen, welche Sylburg behandelt, sind im texte 
gewöhnlich durch asterisci oder einklammerung bezeichnet, dieje- 
nigen stellen aber, welche zwar einen asteriscus haben, aber in deu 
notae p. 902—912 nicht besprochen sind, finden beachtung in dem 
alphabetischen Index verborum et rerum notatu digniorum p. 1— 69, 
in welchem die lesarten des Fuldensis mit Fc bezeichnet sind, so 
z. b. 2, 5 (p. 70, 15 ed. Sylb.) Titus Manlius im Index p. 40a; 
2, 12 (72, 38) iunctis im Index p. 35b; 2, 12 (73, 1) depopu- 
latus est im Index p. 20c; 2, 14 (74, 6) tunc im index p. 66a; 
2, 14 (74, 8) in Siciliam im Index p. 33a u. a. m. Jetzt haben 
wir eine sehr sorgfältige collation dieser handschrift in der grossen 
ausgabe von Droyseu, wo sie mit F bezeichnet ist. Bei einer ver- 
gleichung babe ich nur folgende kleine unbedeutende irrthümer ge- 
funden: 1, 5 (4, 12; 12, 4) apud hostiam civitatem ausser LOGSPD 
auch F vrgl. Index p. 47a; 1, 7 (4, 25; 12, 5; aescylinum ausser 
G auch F vrgl. Ind. p. 2c; 1, 12 (6, 29; 18, 15) octavius ausser 
G und Capito auch F vrgl. Ind. p. 45c; 1, 14 (7, 3; 20, 3) uul- 
scis F vrgl. Ind. p. 68c; 1, 15 (7, 7; 20, 6) uulscorum F vrgl. 
Ind. p. 68c; 2, 19 (14, 10; 38, 12) ceptae G!, acceptae sunt LO, 
F aber captae vrgl. Ind. p. 1a; 2, 21 (14, 26; 40, 3) F. Lucio 
Mallio vrgl. Ind. p. 38c und 40a; 2, 28 (17, 17; 46, 10) mallius 
PD, mallo G, malus LO, F aber wie G mallo vrgl. Ind. p. 40a; 
3, 3 (18, 10; 48, 5) F Tito Mallio vrgl. Ind. p. 40a; 3, 12 
(21, 5; 56, 6) F Mallium vrgl. Ind. p. 40a; 3, 22 (24, 11; 62, 
20) his ausser GPD auch F vrgl. Ind. 23a; 4, 10 (28, 12; 72, 2) 
F Mallio vrgl. Ind. 40a; 5, 1 (32, 20; 84, 2) F Mallius vrgl 
39a; 6, 3 (37, 19; 94, 2) F hat nicht, wie Droysen angiebt, pha- 
selidam, sondern wie GPD faselidam vrgl. lud. 49c; 6, 7 (38, 19; 
96, 1) schreibt Droysen chryxo (F?,, aber mit unrecht, F hat 
crixo, Sylburg sagt im ludex 19b: ego Crixum cum F.c. malui; 
6, 22 (44, 11; 108, 9) F lat in auxilium wie PD, auxilium G 
vrgl. Ind. p. 9e; 8, 2 (55, 3; 136, 16) F hat wie DV victobali 
vrgl. Ind. p. 67e; 9, 2 (62, 26; 150, 18) circesso ausser PD 
auch F vgl. Ind. 15b; 9, 19 (67, 24; 162, 8) F hat anulini 
und Sylb. bemerkt im Ind. p. 6a: uno | et F. c. et Gr, m.; 10, 





m 
Jahresberichte. 387 


8 (72, 17; 170, 20) gallis ausser G auch F vrgl. Ind. p. 27b; 
10, 9 (74, 24; 176, 14) F hat wie G pluribus vrgl. Ind. 50b. 

Bei besprechung der übrigen ausgaben, natürlich ausser denen 
von W. Hartel und H. Droysen, können wir uns ganz kurz fassen: 
gewöhnlich legten die herausgeber den text von Schoonhoven, Vi- 
netus oder Sylburg dem ihrigen zu grunde, setzten die noten der 
früheren ausgaben unter den text und vermehrten dieselbeu durch 
eigene bemerkuugen, verglichen auch wohl einen oder mehrere co- 
dices wie z. b. Merula 1592, der den codex Nansii d. h. den alten 
codex Leydensis von Schoonhoven benutzte, Hearnius 1703, der 
sieben codices einsuh, Haverkamp 1729 und Verheyk 1762, die 
fünf Leydener haudschriften, unter diesen den uns bereits be- 
kannten Leydensis, verwandten. Von einer wissenschaftlichen me- 
thode nach heutigem begriff ist keine rede; mit der zeit war zwar 
eine ganz stattliche anzahl von varianten beliebigeg handschriften 
auf einen hanfen zusammengebracht, unter denen sich auch wohl 
manches goldkorn verbarg, aber einen grossen werth haben diese 
varianten nicht. Andere herausgeber legten das hauptgewicht auf 
die erklärung, so z. b. Celarius und vor allen C. H. Tzschucke in 
seiner grossen ausgabe, Leipzig 1796, in der alles mögliche zu- 
sammengetragen ist. Auch die ansgabe von Dietsch, die bis zum 
jahre 1872 die handlichste und am meisten gebrauchte war, ist 
nichts weiter als ein abdruck der ülteren texte. Vergleicht man 
diese ausgabe mit der von 'Tzschucke, so findet man, dass bei 
Dietsch manche richtige änderungen und zusätze sind, dass aber 
auch diese ausgabe eine reihe solcher lesarten enthält, die schlechter 
sind als die bei Tzschucke und desshalb von den neuesten heraus- 
gebern nicht aufgenommen sind. 

Wie oben schon angedeutet ist, so brach zuerst W. Hartel 
mit der eklektischen methode, die bisher geberrscht hatte, und 
schlug in seiner ausgabe (Berolini apud Weidmannos 1872) den 
allein richtigen weg ein. In demselben jahre erschien auch von 
ihm die abhandlung über Eutropius und Paulus Diaconus, in wel- 
cher er ,die mit sicherer methode gewonnenen und in lichtvoller 
klarbeit vorgetragenen ergebnisse vollständig verzeichnete“. Da 
nun die kritische methode bei Hartel dieselbe ist wie spüter bei 
Droysen, nur dass letzterer auf breiterer und zuverlüssigerer grund- 
lage arbeitete, so scheint es mir passend, das kritische material 
zugleich zu besprechen: die handschriften des Eutropius, 
seine übersetzer und seine uachahmer. 

Was die handschriften betrifft, die Hartel benutzte, so 
unterscheidet er zwei klassen derselben; solche, welche den echten 
Eutropius enthalten und solche, welche auf die recension des Paulus 
Diaconus zurückgehen. Für die erste klasse konnte er nur eine 
handschrift, den alten Gothanus (n. 101), verwenden, den er, da 
er denselben nach Mommsen für den von Sylburg benutzten Ful- 


25° 





388 Jahresberichte. 


densis ansab, mit F bezeichnet. Eine collation desselben stand ihm 
von demselben gelehrten zu gebote. Auf diese handschrift, die 
bisher von keinem herausgeber benutzt war, hatte zuerst Mommsen 
(Hermes I, p. 468) aufmerksam gemacht: sie stammt aus dem 9. 
jahrh. und ist die beste aller bis jetzt bekannten handschriften des 
Eutropius. Plurimis locis, sagt Hartel in praef. p. VI, vera solus 
exhibet , nonnullis id quod plus valet veri vestigia ea quae ad ge- 
nuinam scripturam certo perducant. Leider ist dieser alte codex 
von fehlern aller art entstellt, die orthographie ist, wie Hartel 
(Eutropius und Paulus Diaconus p. 52) sagt, ein gemisch von ho- 
her alterthümlichkeit und junger barbarei, es fehlen nicht nur an 
verschiedenen stellen einzelne wörter, sondern auch ganze zeilen. 
Eine reihe von fehlern deutet darauf hin, dass das richtige im ar- 
chetypus gestanden hat, was z. b. aus den zahlreichen falschen 
auflósungen der, zeichen geschlossen werden muss; überhaupt geht 
aus allen hervor, dass der schreiber der handschrift des lateinischen 
nicht besonders müchtig war, so dass er sogar gradezu sinnloses 
zeug niederschrieb. ‘Trotz der eben besprochenen fehler ist der 
Gothanus der beste codex des Eutropius, aber zur feststellung des 
textes genügt er seiner fehler wegen allein noch nicht. Desshalb 
zog auch Hartel noch audere handschriften zu rathe und zwar die- 
jenige recension, deren text von Paulus Diaconus herrührt. Als 
reprüsentanten dieser klasse hat er eine Münchener (3516, saec. X, 
von ihm mit A bezeichnet) und eine Bamberger handschrift (G. E. 
HI 4 or. 6, saec. IX, von ihm B genannt) aufgestellt, welche 
nach seiner ansicht wegen der ungemein grossen übereinstimmung 
(P) ohue viele zwischenglieder aus dem archetypus geflossen sein 
müssen. An der wahl dieser codices hat jedoch Gardthausen 
(Fleckeis. Jahrbb. 107 p. 262) auszusetzen, dass bei der nähe der 
städte Bamberg und Augsburg, woher der cod. Monac. stammt, die 
möglichkeit einer verhältnissmässig allzunahen verwandtachaft nicht 
ausgeschlossen sei. Nach seiner ansicht hätte Hartel auf andere 
handschriften des Paulus Diaconus, deren zahl sehr gross ist, (vgl. 
Droysen ed. mai, praef. XXIX) rücksicht nelimen müssen, wie es 
auch später Droysen gethan hat. Für das verhältniss der beiden 
klassen unter einander ist es beachtenswerth, wie Hartel (Eutropius 
und Paulus Diaconus p. 50) näher ausführt, dass Paulus den text 
des Eutropius mit grüsseren zusützen aus Hieronymus und Orosius 
ausstattete und mit eigenen kleineren zuthaten aller art bereicherte. 
Spätlateinische eigenthiimlichkeiten, wie sie sich in wortformen und 
endungen bei Eutropius finden, setzt er in das gewöhnliche klas- 
sische latein um, er vermeidet überhaupt alles ungewóhnliche und 
der regel nicht entsprechende. Mit diesen handschriftlichen mitteln 
d. h. dem Gothanus und der recension des Paulus Diaconus glaubt 
Hartel, dass die kritische arbeit gemacht werden könne. Und in 
der that wird uns in dessen ausgabe ein text geboten, der sich 


Jahresberichte. 389 


von den früheren sehr zu seinem vortheil unterscheidet. Desshalb 
wurde auch die ausgabe Hartels bei ibrem erscheinen mit freuden 
begrüsst, obgleich man sich nicht verhehlte, dass die kritische 
grundlage doch eine breitere hätte sein müssen. 

Wenige jahre darauf (Berlin 1878) erschien die kleine Eu- 
tropausgabe von H. Droysen (text mit dem hauptsächlichsten 
kritischen material) und im jahre 1879 von demselben verfasser 
die grosse ausgabe. Diese enthült p. 1— 182 den text des Eutro- 
pius mit gegenüberstehender griechischer übersetzung des Paeanius, 
unter jenem steht die bearbeitung des Paulus, die quellen und pa- 
rallelen zu Eutropius, die varianten der zu grunde gelegten hand- 
schriften, unter dieser die reste der griechischen übersetzung des 
Capito und der varianten der handschriften des Paeanius. Dem 
texte des Eutropius geht voran die dedicationsepistel des Paulus an 
Adelperga sowie dessen vorgeschichte Roms (p. 4—7), dann folgen 
(p. 188—224) zuerst Pauli bistoriae Romanae libri XI— XVI mit 
angabe der quellen und den varianten der benutzten handschriften, 
sodann mit gleichen zusätzen versehen (p. 225—376) Landolfi Sa- 
gacis additamenta ad Pauli historiam Romanam. Der anhang ent- 
hält (p. 379—395) excerpta ex Pauli historia Romana codicum 
Bambergensis, Vaticani, Urbinatis und (p. 396—405) das 17te 
buch der römischen geschichte von Paulus. Das prooemium han- 
delt: 1) De Eutropi breviario (p. 1— XXVIII); 2) De Pauli hi- 
storia Romana (p. XXVIII—XXXIV); 3) De fontium notis bre 
viario et Pauli historiae Romanae adiectis (p. XXXIV—LXI); 
4) De Landolfo Sagacis historia Romana (p. LXI—L XVII) und 
ein appendix: De Eutropianis apud Planudem. 

Vor allem muss dieser prächtig ausgestatteten ausgabe nach- 
gerühmt werden, dass das kritische material wesentlich erweitert 
ist. Während Hartel nur eine klasse der interpolierten handschriften 
annahm, gelang es Droysen zwei klassen derselben genau zu unter- 
scheiden, so dass er seine benutzten codices in drei hauptclassen 
zerlegen konnte. Zur ersten und besten klasse, deren archetypus 
er A nennt, zählt er den Gothanus und den Fuldensis, deren ver- 
schiedenheit er mit Lüdecke anerkennt. Zur collation des Ful- 
densis habe ich einige zusätze auf p. 386 schon gegeben, in be- 
treff des Gothanus kann ich nur bestätigen, was R. Bitschofsky 
in der Zeitschr. für oesterr. gymnasialw. 1880 p. 839 davon ge- 
sagt hat, dass keine nennenswerthen unrichtigkeiten vorkommen, 
in der note zu 3, 14 (21, 25; 56, 21) muss es heissen: temere 
G?, nicht G!. Wiinschenswerth wäre es gewesen, wenn die erste 
und zweite haud noch genauer unterschieden ware und wenn Droy- 
sen die schreibweise des Gothanus noch ófter als er es gethan hat 
angeführt hätte, etwa in der weise, wie Zangemeister im Orosius. 

Wie ich schon im Philolog. Anzeiger X p. 48 andeutete, so 
hat sich Droysen weit enger als Hartel an den Gothanus ange- 





390 Jaliresberichte. 


schlossen und dadurch auch an einer reibe von stellen das richtige 
wieder hergestellt. Ich will es nicht unterlassen, einige stellen 
anzuführen, an welchen F und G übereinstimmen und wo die über- 
einstimmende lesart gewiss richtig ist und von Droysen hätte auf- 
genommen werden müssen. So bieten 3, 18 (23, 6; 60, 11) FG 
posthac, Droysen schreibt post haec, Paeanius scheint mir posthac 
gelesen zu haben, denn er übersetzt èvrev9ev (von nun an) und 
giebt dadurch den richtigen sinn der stelle wieder. — 4, 22 (81, 
10; 80, 7) und 6, 13 (40, 30; 100, 5) ist in FG sowie auch 
in andern handschriften se dedit überliefert (Bituitus se Domitio 
dedit und ille se ei dedit). Droysen schreibt dafür se dedidit. 
Zwar findet sich an andern stellen des Eutropius se dedere in der 
bedeutung „sich ergeben“, aber da hier alle handschriften se dedii 
haben und auch bei Amm. Marcell. se dare in dieser bedeutung 
vorkommt, wie z. b. 16, 12, 60 (ed. Gardth. I 109, 23) conpulsus 
ad ultimos metus ultro se dedit solus egressus etc, und 17, 2, 3 
(1 116, 2) lassuti sponte se propria dederunt, so scheint mir an 
den stellen des Eutropius, wo se dare überliefert ist, keine ünde- 
rung nóthig. — 6, 3 (37, 19; 94, 2) Lyciae urbes clarissimas 
oppugnavit et cepit, in his Phaselida, Olympum etc. In FGPD 
ist faselidam, in O phaselidum, in L phuselida überliefert, Droysen 
und vor ihm auch Hartel schreiben Phaselida. Hartel (Eutropius 
und Paulus Diaconus p. 60) sagt bei unserer stelle, dass das aus- 
lautende a oder e in unseren handschriften öfter zu «m oder em 
wurde, und streicht desshalb hier m. — Bekannt ist es ja (vgl. Cors- 
sen, Aussprache, vokalismus etc. 1, 275), dass das m des akkusativ 
seit dem ende des Ill. jahrh. n. Ch. nicht mehr gehört wurde, dass 
dasselbe ein wesenloses und klangloses zeichen war, sodass es so- 
gar von unkundigen an den ablativ angefügt wurde, wie auch 
mehrere beispiele aus dem Gothanus des Eutropius dies bezeugen 
z. b. 3, 3 (18, 11; 48, 6) pacem statt pace; 3, 20 (23, 16; 60, 
19) Africam statt Africa; 5, 4 (34, 5; 86, 17) Campaniam statt 
Campania; 6,6 (38, 8; 94, 17) captam statt capta u. a. m. ; aber 
als eine besondere eigenthümlichkeit unserer Eutrophandschriften kann 
dies nicht angesehen werden; es kommt in denselben gelegentlich vor 
und desshalb sind wir nicht berechtigt, bei weniger gebrüuchlichen 
formen wie z. b. Phaselidam das m zu streichen, um dadurch die 
gebräuchliche form Phaselidu herzustellen. Die griechische akku- 
sativform auf a, besonders bei namen von lündern und stüdten, ist 
zwar sehr in gebrauch; aber wir dürfen auch nicht aus dem auge 
lassen, dass in der späteren zeit bei griechischen wörtern auf is 
öfter ein nominativ oder ein anderer kasus nach der ersten latei- 
nischen deklination von dem stamme des wortes gebildet wurde, 
wie z. b. Briseis, nom. Briseida (vrgl. meine bemerkung im Philo- 
logus XXXVIII p. 94), Chryseis, nom. Chryseida. Ausser den von 
Neue, Lat. formenl. | 324 angeführten beispielen, von denen einige 





Jahresberichte. 391 


sogar bei Cicero vorkommen, will ich noch einige aus Orosius an- 
fibren: nom. Persida 1, 2, 17; Eleusinae 1, 7, 3; Eleusinam 2, 
17, 13; Salaminam 7, 12, 8; vrgl. J. B. Heiss, Beitrag zur gran- 
matik der Vulgata. München 1864 p. 11; E. Ludwig, De Pe- 
tronii sermone plebeio. Marburg 1869 p. 19; H. Rönsch, Itala u. 
Vulgata. Marburg 1875 p. 258. Wenn die handschrift L an un- 
serer stelle Phaselida hat, so ist dies insofern beachtenswerth, als 
diese handschrift wie auch die C-klasse (vrgl. p. 388) ófter we- 
niger gebräuchliche formen in die gebräuchlichen umsetzt. Aebn- 
lich verhält es sich auch mit Eutr. 6, 6 (38, 6; 94, 16) apud 
Chalcedona, wo FG die form auf am haben, LO dagegen wie- 
der die regelmüssige auf em. Apud Chalcedonam finden wir aber 
auch bei Oros. 6, 2, 13 und den ablat. Chalcedona bei Amm. Mar- 
cell. 22, 9, 3 (ed. Gardth. I 295, 2). Aehnliche beispiele im acc. 
auf am statt a, die von Neue I 325 übergangen sind, liefert uus 
wieder Orosius, z. b. Babylonam 2, 2, 1. 2. 6; 2, 3, 1; 2, 6, 2. 
7. 12; 2, 8, 4; 3, 20, 1. 4. 8; 3, 23, 44; 5, 4, 16; 6, 21, 
20; 7, 2, 1. 3; Barcinonam 7, 43, 6; Lacedaemonam 1, 21, 12; 
2, 15, 8; 3, 2, 5; Narbonam 6, 43, 4; Sicyonam 3, 23, 15; 
Sidonam 3, 7, 8; Tarraconam 1, 2, 104. Hierher gehören noch 
zwei fülle, wo auch die lesart der handschriften wieder herzustellen 
ist, nämlich Singaram Eutr. X 10 (74, 30; 176, 18), worüber 
ich schon im Philolog. Anzeiger X p. 49 gesprochen habe. Statt 
Singaram hat Droysen Singara nach Paeanius geschrieben, trotz- 
dem Hieronymus 2363, der unsere stelle vor augen hatte, sowie 
auch Festus c. 27 (ed. W. Foerster p. 21, 8) und Amm. Marcell. 
18, 5, 7 (ed. Gardth. Il 369) die accusativform Singaram ha- 
ben. An der andern stelle 6, 14 (41, 19; 100, 19) ist Hiero- 
solymam , was alle handschriften des Eutropius bieten, statt Hiero- 
solyma, was Droysen aufgenommen hat, zu schreiben, denn die 
form Hierosolymam findet sich schon bei Cic. Flacc. 28, 67; Plin. 
N. H. 27, 15; Suet. Aug. 93; Flor. 3, 5, 30; Inscp. Or. 759. 
Diesen von Neue I 480 citierten stellen füge noch die von Georges 
im Lexikon | 2824 hinzu sowie auch noch Festus 16 (ed. W. 
Forster 15, 22); Oros. 6, 6, 2; 6, 13, 1; 7, 3, 5; 7, 6, 12; 
7, 13, 5 und Jordan. hist. Rom. 235 (ed. Mommsen p. 31, 2); 
269 (35, 6 u. 35, 8). Ich glaube bestimmt, dass Phaselidam, 
Chalcedonam, Singaram, Hierosolymam geschrieben werden muss. — 
7, 16 (50, 24; 126, 9) ist statt pro consule die lesart von A 
proconsul zu setzen. — 7, 23 (94, 7; 184, 19) schreibt Droysen 
vispelliones, wührend die schreibweise von FG bispellones zunüchst 
auf die auch sonst am besten bewührte orthographie vespillones führt, 
wie z. b. Hieron. 2113e, Oros. ed Zungen. 464, p. 16 und Suet. 
Domit. ed Rothe p. 252, haben. — 8, 18 (60, 17; 146, 22) hat 
Droysen die lesart der handschrift F verworfen und die der jün- 
gern überlieferung aufgenommen, indem er statt imperii summam 





392 Jahresberichte. 


udministrationem schreibt imperii Romani administrationem, das erstere 
ist sehr gut und auch hier zu schreiben, Paeanius übersetzt zu dé- 
yetas vi» Paosdelar; vrgl. Lüdecke, Fleckeis. Jahrbb. 111 p. 875. — 
9, 11 (64, 28; 156, 4) schreibt Droysen Mediolani .... occieus 
est, wo F Mediolano hat. Diese ünderung halte ich für unnôthig, 
da der ablativ der zweiten deklination an stelle des lokativ in der 
spüteren zeit häufig auftritt, wie folgende beispiele zeigen: Abydo 
Just. 2, 3 (Benecke zu Just. 11, 3, 5); Arimino Flor. 4, 2, 19 
(Thomé, De Flori rerum scriptoris elocutione 1881, 1 p. 17); 
Arretio Vitr. p. 49, 8 (H. Nohl, Analect. Vitruv. 1882, p. 10); 
Corintho Justin 20, 3; Hygin fab. 67 (Muncker ad Hyg. fab. 247); 
Epheso Ampel. 8, 8; Hist. Apoll. regis Tyri ed. Riese p. 63, 24 
(Ph. Thielmaun, Apolloniusroman Speier 1882 p. 39); Halicarnaso 
Vitr. p. 49, 16; 49, 24; Naupacto Caes. Bell. civ. 3, 35 (Drae- 
ger, Hist. syntax | 219); Paraetonio Vitr. p. 195, 7; Sesto Just. 
9, 4; Sirmio Aur. Vict. epit. 37, 4 (Arntzen p. 560), Paul. Diac. 
hist. Rom. 9, 17; Sunio Vitr. p. 101, 22; Tarso Vitr. p. 208, 
1; Hist. Apoll. reg. Tyri p. 19, 6; Teano Vitr. p. 200, 1; Tyro 
Verg. Aen. 4, 36 (Serv. ad h. 1.); Just. 18, 4; Hist. Apoll. reg. 
Tyri p. 62, 16. Von kleinern inseln führe ich an: Chio Vitr. p. 
288, 3; Delo Tacit. Ann, 3, 61; Hyg. Fab. 247; Lemno Vitr. 
176, 15; Lesbo Vitr. p. 197, 11; Peloro Flor. 4, 8, 3; Rhodo 
Vitr. p. 181, 11; 182, 9; 233, 13; Ampel. 8, 8; Teo Vitr. y. 
72, 15; 159, 9; Zacyntho Vitr. 195, 19 — 9, 14 (65, 30; 158, 
9) hat F interemptor, G intertor, Droysen schreibt interfector. Die 
lesart von F ist gut, und ich finde keinen grund, davon abzuwei- 
chen. Wenn die B- und C-klasse hier interfector hat, so haben wir 
wieder dieselbe oben bereits angedeutete erscheinung, dass sie an 
stelle des weniger gebräuchlichen ein gebräuchlicheres wort setzt, 
und wenn Aurel. Vict. epit. 35, 9, der wörtlich unsere stelle aus- 
schreibt, auch interfector hat, so will dies nicht viel bedeuten, da 
derselbe, wie ich im voraus bemerke, der C-klasse folgt. — 9, 19 
(67, 24; 162, 8) hat F Anulini mit einem |, was Droysen über- 
sehen hat, ebenso Pacanius: ’AvovAlvov; und diese form muss auch 
geschrieben werden statt Anullini, was G und danach Droysen hat, 
vrgl. Aur. Vict. epit. 39, 1; Zonar. 12, 31. 

Bei der zweiten handschriftenklasse, deren arche- 
typus mit B bezeichnet ist, standen Droysen folgende handschriften 
zu gebote: der alte Leydensis (L) aus dem beginne des 10. jahrh. 
und der Bertinianus Audomarenis DCLXXXX VII (von St. Omer) 
aus dem 10. oder 11. jahrh. (0), aus welchem der cod. Bruxellensis 
abgeschrieben ist. Die leydener handschrift ist dieselbe, welche 
von Schoonhoven zu der editio princeps und spüter auch von an- 
dern editoren benutzt ist, aber eine genaue kenntniss derselben er- 
halten wir erst durch die ausgabe von Droysen, in der die les- 
arten dieser handschrift sorgfáltig verzeichuet sind; einige kleine 





Jahresberichte. 393 


ungenauigkeiten giebt R. Bitschofsky in der recension der ausgabe 
(Oesterr. gymnasialw. 1880 p. 840) an. — Diese klasse bietet 
uns nicht mehr den reinen text, sondern einen, der bereits interpo- 
liert ist. Droysen (praef. VI) bemerkt richtig: textus breviarii 
qualem haec familia exhibet, tantum abest, ut sola librariorum in- 
curia aut neglegentia a codicibus prioris familiae recedat, ut nescio 
quis emendator mutando interpolando transponendo novam plane 
breviarii recensionem effecerit. Wenn derselbe aber in dem con- 
specus codicum der kleineren ausgabe sagt: cuius (recensionis) certa 
vestigia iam in Pueanii versione Graeca . . . deprehenduntur, so 
kann ich ibm nicht beistimmen. Freilich haben, soviel ich gesehen 
habe, die meisten recensenten dieser ansicht sich angeschlossen ; aber 
je mehr ich die verschiedenheiten der handschriftenklasse B und des 
Paeanius betrachte, um so unwalhrscheinlicher ist es mir, dass Paea- 
nius nach einem texte, aus welchem die codices der familie B ab- 
stammen, übersetzt haben soll; ich stehe vielmehr auf seite von R. 
Duncker, der in seiner schrift: De Paeanio Eutropii interprete, 
Greiffenberg 1880 p. 17 bestimmt sagt: Paeanium codice usum 
esse nec temporum iniuria laeso nec depravato grammaticorum 
ineptiis aut librariorum | mendis frequentius contaminato. — Hunc 
igitur fide non modo archetypis A et B verum etiam oplimis nostrae 
aetatis editionibus aliqnanto antecessisse. Wenn Droysen recht hat, 
dass Paeanius, ein zeitgenosse des Eutropius, seine übersetzung nach 
einer haudschrift der familie B angefertigt hat, so muss, wie auch 
Droysen (praef. p. XXIV) annimmt, die spaltung der handschriften 
in die familien A und B bereits zu lebzeiten des Eutropius statt- 
gefunden haben. Ist es aber wahrscheinlich, dass Paeanius, ein 
zeitgenosse, vielleicht sogar ein mitschüler und verwandter des 
Eutropius, nach einer interpolierten ausgabe gearbeitet hat!  Piro- 
goff (De Eutropii breviarii indole ac fontibus p. 11) stellt sogar 
die vermuthung auf: Eutropii opusculum quod Valentis hominis 
rudis et graecae linguae plane expertis in romana historia instruendi 
causa conscriptum fuerat, in graecam linguam Paeanium Eutropii 
condiscipulum atque familiarem vertisse, ut a Graecis quoque legi 
possel, vrgl. Hartel, Eutropius und Paulus Diaconus p. 9. Aber ab- 
gesehen von allen vermuthungen spricht die allzugrosse verschie- 
denbeit des textes, welche zwischen der familie B und Paeanius 
herrscht, gegen den von Droysen aufgestellten satz. Duncker, der 
uatürlich auch eine theilung in die familie A und B zu den zeiten 
des Eutropius bestreitet (Fleckeis. Jahrbb. 119 p. 646 anm, und 
Progr. p. 14), drückt sich in betreff der zeit, wann die theilung 
stattgefunden haben kann, sehr unbestimmt aus: familiarum A et 
B divisionem multo post Pacanii tempora factam esse. Nach mei- 
ner meinung, die ich weiter unten begründen werde, hatte die 
theilung zu der zeit, als Orosius seine geschichte schrieb (417), 
bereits stattgefunden. 





394 Jahresberichte. 


Da uun für die textgestaltung des Kutropius viel darauf au- 
kommt, welche stellung wir dem Paeanius zuweisen, so scheint es 
mir nicht überflüssig, genauer auf das verhältniss desselben zur fa- 
milie B einzugehen. Stellen wir zuerst die verschiedenheiten is 
betreff der eigennamen zusammen: 7, 7 (47, 13; 116, 16) apud 
Actium] apud actiacum, mods 10 "fxi(o. 2, 27 (16, 30; 44, 
15) Albino] alipmo B, allino O, “AABivos. 7, 15 (50, 17; 126, 
3) Alexaudrianae] alexandrinea, «AsEavógeiavac. 5, 1 (32, 21; 
84, 2) Ambronibus] ambroninis, "Außoorus. 1, 2 (3, 18; 10,4) 
Antemnates] antenates, “Arreurara. 8, 3 (55, 8; 136, 20) 
Anthemusiam] anthemusium, *#»Seuovoltur. 9, 10 (64, 20; 154, 
20) Aquitaniam] aquitanicam, ’Axvruvias. 4, 6 (26, 28; 68, 8) 
Ariaratus] ariarcus, ’Agragurov. 6, 16 (42, 5; 102, 9) Ari- 
stobulus] aristobolus, ’.AgioroffovAov. 7, 8 (47, 25; 118, 5) 
Atella] attela, à» "4fr£Aa y. 2, 21 (14, 26; 40, 3) Atilio] al- 
tilio, “Anàlov 8, 18 (60, 28; 148, 1) Azabenicus] L, aiabini- 
cus 0, ’Adıaßnrıxog, 8, 3 (55, 9; 136, 21) Babylonem] ba- 
billonem, BoflvAova. 9, 20 (68, 5; 162, 14) Bacaudarum] 
baucadarum, Buxavdac. 2, 23 (15, 29; 42, 6) Blaesus] blae- 
ses, Biaîoos. 8, 8 (57, 5; 140, 12) Boionius] boiunius, Boiw- 
»iogc. 6, 8 (39, 5; 96, 12) Cabira] gabiram, Kußespa. 

1, 2 (3, 17; 10, 4) Caeninenses] caecinenses Koivivatos. 9, 
15 (66, 13; 158, 20) Caenophrurium] cenofurium, Kaswoy poov- 
olov. 4, 27 (32, 10; 82, 15) Caepione] cypione Kasalwr. 

1, 6 (4, 20; 12, 10) Capitolium] capitulium L, capitulum 0, Ka- 
"10A f ou. 9, 21 (68, 9; 162, 17) Carausius] carusius, Ka- 
Qav6toc. 3, 16 (22, 19; 58, 17) Carthalonem] carthabonem, 
Kae9alwvu. 7, 3 (46, 10; 114, 13) Cassius] assius Kacsog. 
2, 12 (12, 19; 34, 5) Cineam] ciniam Kevéac. 9, 2 (62, 26; 
150, 18) Circesio] LO, Kipxnrolov. 6, 14 (41, 13; 100, 15) 
Colchis] colchris Kolywr. 7, 19 (52, 14; 130, 13) Comma- 
genen] cummagenen 0, cummaginem L, XAoupaynvovs. 6, 4 
(37, 24; 94, 6) Cosconius] conconius Kooxwysoc. 6, 7 (38, 
24; 96, 4) Crasso] carsso, Koacoov. 8, 3 (55, 9; 186, 21) 
Ctesiphontem] etesifontem und 9, 10 (64, 25; 156, 1) tesifontem 
Krıyagwrra. 6, 11 (40, 15; 98, 16) Cyrene] cyrine Kugyyny. 
8, 2 (55, 1; 136, 15) Decebalo] LO, ZexífaAAov. 2, 14 (13, 
14; 36, 7) Dentatus] denatus Zfevra ros. 8, 21 (61, 21; 148, 
18) Diadumeno] diadomeno Ssadovpevos. 5, 6 (35, 5; 88, 22) 
Diogenes] diogenis Æoyévnc. 7, 7 (47, 13; 116, 16) Epiro] 
ephiro, 175 "Hze(Qov. 6, 23 (44, 20; 110, 6) Faustus] fustus 
Davoros. 3,9 (19, 25; 52, 4) Flamininum] flammineum, O) u- 
mevlo. 9, 27 (70, 16; 166, 15) Herculio] herculeo “Egxovdsos 
und 9, 20 (68, 7; 162, 16); 9, 22 (68, 22; 162, 27) Hercu- 
lium] herculeum “Egxovsor. 5, 9 (36, 13; 90, 24) Hierdam] 
hierbam 0, herbam L, ‘/égdar. 4, 13 (29, 6; 74, 4) luven- 





Jahresberichte. 395 


tium] inventium, "Jovfévisov. 5, 8 (36, 3; 90, 17) Lamponium] 
lampunium, Aauswvior. 1, 12 (6, 31; 18, 16) Larcius] lar- 
gius, agxios. 4, 5 (26, 21; 68, 2) Libyssam] libussam, Ai- 
Buoon. 8, 8 (57, 19; 140, 22) Lorium] loriam, Zwetor. 

4, 16 (29, 25; 74, 17) Lusitania] LO, 7fvoizav(a. 2, 28 (17, 
17; 46, 10) Manlius] malus, Maddsoc. 7, 11 (48, 31; 122, 
5) Mazaca] malaga, Maluxnv. 3, 6 (18, 29; 48, 18) Medio- 
lanum] mediolanium, MedioA«vov. 8, 3 (55, 10; 136. 21) Mes- 
senios] messinios, Meconviovs, 6, 16 (42, 2; 102, 16) Mureua] 
morena, Movenyac. 7, 15 (50, 15; 126, 2) Nomentanam] mo- 
mentanam, Nwwerzuvng. 9, 10 (64, 25; 156, 1) Odenathum | 
odenatum, ’Odétva3os. 6, 18 (42, 28; 104, 11) Orodis] oredis, 
'Ogodov. 7, 5 (46, 32; 116, 8) Orodes] orodis] Ogedne. 

5, 8 (35, 29; 90, 13) Papirius] parius, 77«z:9fov. 8, 18 (60, 
25; 146, 27) Pescennium] percennium, JTeox£vvior. 5, 6 (34, 
29; 88, 17) Piraeum] pyerum, /Jeıgasei. — 8, 12 (58, 26; 144, 
4) Plutarchi] plutharci, Z72Zovragyov. 7, 14 (50, 8; 124, 18) 
Polemoniacus] poleminiacus, /7oZeuwviaxos. 2, 27 (16, 30; 
44, 15) Postumio] postumo J/oorouusog. 9, 11 (64, 27; 156, 
3) Postumum] LO JTocrovpsos. 2, 15 (13, 23; 36, 14) Pto- 
lemaeo] ptholomaeo L, tholomaeo 0, [Trodeuntep. 3, 1 (17, 
24; 46, 16) Ptolemaeum] tholomeum 77roAeuaiov. 5, 22 (A4, 
9: 108, 5) Ptolemaeus] ptholomaeus, //rodeuuiog. 6, 11 (40, 
15; 98, 16) Ptolemais] ptholomias 0, pholomias L, /JroAepatdu. 

9, 1 (62, 11; 150, 8) Pupieno] publeno, Mounsyvov. 4, 20 
(30, 26; 78, 10) Pylaemenes] pilemenis, Mvdasuévng. 6, 14 
(41, 13; 100, 14) Pylaemeni] polymeni, 7vàoewuévy. 5, 5 (34, 
22; 88, 11) Pylaemene] pilimene, Mudauérny. 3, 8 (19, 15; 
50, 15) Pyrenaeum] pyrineum, /Iugeonvator. 9, 8 (64, 4; 154, 
7) Quadisque] squadis O, squadisse L, xai Kuvadwy. 3, 18 
(23, 3; 60, 8) Salinatore] sulenatore Sadsvartweos. 2, 8 (10, 
30; 28, 11) Samnitas] samanitas Suuvlru,. 5, 7 (35, 25; 90, 
10) Scipionem] spicionem O, spitionem I, Zxnntunu. 6, 2 (37, 
14; 92, 21) Scribonius] scriboriauus  Z2xgsfiw ioc. 6, 14 (41, 
15; 100, 10) Seleuciam] seleutiae, SeAsvxsiar. 2, 16 (13. 26; 
36, 16) Sempronio] semfronio, Seunowvlor. 10, 10 (74, 30; 
176, 18) Singara] sigara Siyyugcuc. 6, 13 (41, 5; 100, 8) 
Sophanene] sofine, ZSwpariymr. 6, 7 (38, 19; 96, 1) Spartaco] 
spartago, Zrugraxor. 4, 5 (26, 17; 66, 19) Spurio] supurio, 
Snovelov. 9, 8 (64, 5; 154, 9) Tarraconem] terraconem, Tu- 
Qaxuva. 9, 4 (73, 4; 172, 14) Tarsum] tharsum, Tagoo. 

1, 7 (4, 30; 12, 18) Tarquini] tarquiunii, Tagxurlov. 5, 1 
(33, 5; 84, 11) Teutobodum] LO Tevıoßoaor. 5, 1 (32, 20; 
84, 2) Teutonibus] theodonibus O, etheodonibus L, Tevrovac. 

6, 16 (42, 5; 102, 9) Tigranis] trigauis O, trigranis L, Tiyg«- 
yov. 1, 19 (8, 9; 22, 9) Tolumnins] tolomunius; TovAovur(o. 





396 Jahresberichte. 


4, 15 (29, 21; 74, 14) Tremellio] trebellio TgepéAdsoc. 7, 
19 (52, 3; 130, 4) Vectam] ueticam, Béxzny. 9, 13 (65, 17; 
156, 19) Vergiliano] virgiliano, BegyfAisoc. 8, 2 (55, 8; 136, 
16) Victoali] victuali, Bixróno:. 7, 9 (48, 1; 118, 13) Vin- 
delicos| vindeliacus, BevdéAsxoc. 2, 21 (14, 26; 40, 8) Vul. 
sone] uulscone, BovAcwvos. Ferner: 9, 10 (68, 6; 162, 15) 
Aelianum] alienum, Alusısavov. 8, 7 (57, 2; 140, 9); 8,8 
(57, 5; 140, 12); 8, 9 (57, 23; 142, 1) Antoninus] antonius 
’Avıwvivoc. 4, 4 (26, 15; 66, 17) Asiagenis] "Aosarızog 
6, 17 (42, 9; 102, 21) Bibulo] bello, Bigovim. 7, 12 (49, 3; 
122, 8) Caligula] gallicula, KaAsyosAag. 5, 5 (34, 22; 88, 11) 
Ephesum] effusum, "Egeco». 3, 2 (18, 4; 46, 20); 8, 8 (57, 
5; 140, 12) Fulvio und Fulvius] fluvio und fluvius, DovAßsog. 
7, 13 (49, 15; 122, 17) Gaium] iulium, dios. 9, 7 (63, 25; 
152, 17) Germani] romanis, Fegucrol. 3, 8 (19, 18; 50, 18) 
Gracchus] graecus, Toaxyos. 7, 10 (48, 12; 120, 3) Indi) inde, 
"Ivdot 10, 12 (75, 18; 178, 10) Mursam] nupsam L, nupsa 
0, Moveon. 6, 3 (87, 19; 94, 2) Olympum] olynthum, "O2vp- 
mov. 6, 20 (43, 22; 106, 6) Palaeopharsalum] paleofarsacum, 
Haiaogagodiov. 5, 3 (33, 22; 86, 6) Picentibus] petientibus, 
Tixévrwv 2, 9 (11, 17; 30, 13) Publius] post, Z/ovßAsoc. 
2, 11 (11, 30; 32, 10); 3, 10 (52, 8) Publius] prae, Z7ovßAsoc. 
9, 12 (65, 6; 156, 11) Quintillus] quintilius, KvrrQA@ 1, 17 
(7, 24; 20, 13); 2, 5 (9, 23; 26, 3) Quintius] quintus, Kuprsog. 
6, 1 (37, 1; 92, 12) Quintus] quae, Kvvro;. 7, 9 (48, 1; 
118, 13) Raetiam] etiam, “Pnzlav. 9, 7 (68, 21; 152, 14) 
Raetia] Graecia, ‘Prata. — 6, 2 (37, 12; 92, 20) Rhodopam] eu- 
ropam, ‘Podonny. 1, 17 (7, 24; 20, 18) Romanus obsideretur 
exercitus] magnus obsideretur exercitus, ó Öwwuixög orgatog Gur- 
&xAs(09 3. 1, 12 (6, 32; 18, 13) Spurius] papirius, Zmovgsoc. 
7, 16 (50, 20; 126, 6) Servius] servilius, Zépfsoç. 9, 3 (63, 
5; 152, 2) Veronae] urbis O, ubi I, à» Begwyy. 8, 9 (57, 
23; 142, 1) Verus] servus, Oungos. 

Auch in den zahlen finden sich mannigfache verschiedenheiten : 
1, 8 (5, 13; 14, 12, ducentis quadraginta tribus] CCXLIII, dia- 
xooloig rtGGaQxovia xai resol. 1, 18 (7, 29; 22, 1) anno 
trecentesimo et altero] LO, rgsaxoorm dé xoi év(. 1, 19 (8, 10; 
22, 10) sexto] vel, #£. 2, 5 (10, 6; 26, 8) octo] VII, ôxrw. 
2, 21 (15, 5; 40, 10) decem et octo] XVII, dxrw ze xai dexa. 
2, 22 (15, 26; 42, 4) ducentas] et, dsaxoclac. 2, 26 (16, 26; 
44, 11) ducentis] ccce, diaxootov. 3, 1 (17, 23; 46, 15) XXIII] 
duodecim , efxoo xai tout. 8, 5 (18, 22; 48, 14) XL] XII, 
T6000 QU XOVTO . 3, 14 (21, 31; 58, 4) XXVI] XLVI] & dé 
xai elxoci. 3, 14 (22, 3; 58, 6) octo] VII, öxrw. 3, 10 
(22, 19; 58, 17) XXV] XX, névre xai elxoor. 4, 2 (25, 7; 
64, 12) quinquaginta] 1. quintius, wevinxovsu; A, 4 (26, 4; 66, 


Jahresberichte. 397 


10) quinquaginta milis] XXX milia, mévre uvgiaci. 4, 4 (26, 
5; 66, 10) tria milia] quattuor milia, zgscysAfoic. 5, 1 (33, 
4; 84, 11) cc milia] Il milia, eixoo, wiv uvgsddac. 5, 2 (33, 
12; 84, 16) trecenti] II milia, zgsaxootwuv 5, 7 (95, 24; 90, 
11) sex milia] VII milia, ysdsudac EE. 5, 7 (35, 25; 90, 11) 
CXXIIII)] CX XIII, tésoagag xai elxocs. 5, 8 (35, 30; 90, 14) 
XV] XX, wevrexaidexa. 5, 8 (35, 30; 90, 15) cecc] quattuor 
milia, resoagaxorvta. 6, 6 (38, 1; 94, 12) septuagesimo] sexa- 
gesimo, Zßdounxoozov. 6, 12 (40, 22; 98, 22) viginti] tri- 
ginta, elxoos. 6, 15 (41, 24; 102, 2) octogesimo] septuage- 
simo, öydonxocıg. 7,9 (48, 7; 118, 18) XL] LXCC L, 
CCLX 0, reocagaxorra. 7, 15 (50, 18; 126, 4) tricesimo 
et altero] LO, zgsuxocroU di xai évoc, vrgl. 1, 18 (7, 29; 22, 1). 
7, 16 (50, 21; 126, 6) septuagesimum et tertium] LXIII , zola 
xal éBdopnxorra. 7, 17 (51, 9; 128, 3) nonagesimo et quinto] 
XXV, névie xai. iyyevgxovta. 8, 1 (54, 20; 136, 9) septua- 
gesimo et altero] XXII, £i xai Éfdounxoorò vrgl. 1, 18 (7, 29; 
22, 1); 7, 15 (50, 18; 126, 4). 8, 5 (56, 4; 138, 15) 
sexagesimo et tertio] LXIIII, zQ(zov xai EEnxoczor. 8, 8 (57, 
20; 140, 24) vicesimo tertio| vicesimo quarto, zgía xai slxociv. 
8, 15 (60, 5; 146, 13) VIII] VII, dxtw. 8, 19 (61, 6; 148, 
8) tertio] quarto, rgeîs. 

Folgende zusütze, die in B stehen, fehlen bei Paeanius: 1, 7 
(4, 30; 12, 18) XLII imperii anno. 1, 8 (5, 4; 14, 5) iu- 
nior. 1, 11 (6, 19; 18, 8) factus est. 2, 13 (12, 31; 
34, 13) mummius oder numinius. 2, 21 (15, 11; 40, 15) ho- 
minum. 2, 21 (15, 12; 40, 15) Romano. 2, 24 (16, 4; 
42, 14) CXXX. 2, 25 (10, 16; 44, 2) non. 3, 8 (19, 
12; 50, 13) Pompeius. 3, 15 (22, 14; 58, 14) fere. 3, 
16 (22, 17; 58, 16) Quintus. 6, 1 (37, 5; 92, 15) Metellus. 
7, 4 (46, 24; 116, 1) magni. 8, 9 (57, 25; 142, 3) Annius. 
8, 12 (58, 28; 144, 6) est nach elatus. Umgekehrt fehlen in B 
einzelne würter, die von Paeanius übersetzt sind, so die nomina 
propria: Gaio 2, 15 (13, 21; 36, 12). Lucius und Lucio 1, 
9 (5, 27; 10, 9) und 2, 4 (9, 21; 26, 1). Marium 5, 8 
(36, 1; 90, 15) Paulus 3, 10 (20, 1; 52, 8). Publius 
6, 23 (44, 18; 110, 4); die substantiva: anno 2, 19 (14, 8; 
38, 10) civium 2, 18 (14, 2; 38, 5) finem 3, 23 (24, 
22; 64, 5) homines 5, 6 (35, 1; 88, 19) legati 2, 15 
(13, 22; 36, 13) milia 2, 21 (15, 2; 40, 8), 2, 27 (17, 
6; 46, 2), 3, 10 (20, 11; 54, 2), 3, 21 (28, 31; 62, 10), 4, 
4 (26, 9; 66, 13) pecunia 6, 13 (41, 4; 100, 8) populo 
8, 1 (18, 2; 46, 19) pugna 4, 3 (25, 20; 66, 2) urbe 
6, 15 (41, 27; 102, 4) die adjectiva: ceteris 2, 28 (17, 20; 
46, 12) magna 3, 10 (20, 8; 52, 13) publica 7, 1 (45, 
20; 112, 12) die zablwörter: duo 4, 6 (27, 8; 68, 15) 





398 Jahresberichte. 


septem 3, 8 (19, 17; 50, 16) sexagesimo 5, 4 (23, 32; 86, 
14) die pronomina: qui 6, 21 (44, 1; 108, 1) is 3, 13 
(32, 10; 56, 10) se 4, 6 (27, 5; 68, 12) eum 2, 12 
(12, 11; 32, 20), 2, 14 (13, 10; 306, 3) die conjunctionen : 
cum 9, 2 (62, 18; 150, 13) et 7, 21 (53, 4; 132, 9) 
statim 1, 9 (5, 24; 16, 7) ut 8, 11 (58, 17; 142, 18) 
die verba: dictae 7, 15 (50, 17; 126, 3) missi 2, 12 (12, 
13; 32, 21) potuisse 2, 11 (12, 6; 32, 16) reddiderunt 
7, 9 (48, 10; 120, 1). Ebenso sind die lücken in B von Paea- 
nius übersetzt: 1, 7 (4, 26; 12, 15) fossas circa murum duxit 
1, 8 (5, 4; 14, 5) feminam Lucretiam eandemque pudicissimam 
2, 5 (10, 4; 26, 6) et sibi 2, 20 (14, 19; 38, 19) et unam 
2, 26 (16, 26; 44, 11) navibus cum triginta fugit, nonaginta 
8, 21 (23, 31; 62, 10) captivos et perfugas redderent 4, 25 
(31, 21; 80, 16) thracia alterum ex 5, 9 (33, 24; 86, 8) a 
Gaio Mario, qui sexies consul fuerat 6, 1 (86, 23; 92, 8) 
rem publicam conposuisset, bella 6, 8 (38, 30; 96, 8) Lucius 
Lucullus et Marcus Lucullus 6, 12 (40, 21; 98, 20) et Ti- 
granen quo suscepto Mithridaten 7, 16 (50, 24; 126, 9) et 
civilibus rebus 7, 18 (51, 27; 128, 17) septimo et quinqua- 
gesimo 7,19 (52, 4; 130, 4) Romano adiecerit. Romae se 
in imperio 7, 22 (53, 17; 134, 3) quantas nec vivo unquam 
egerat nec praesenti 8, 5 (56, 5; 138, 15) quarto, imperii 
nono decimo, mense sexto, die 8, 5 (56, 12; 138, 21) vel 
vere laudantibus 8, 8 (57, 15; 140, 20) sententiaeque pare- 
rent 8, 10 (58, 9; 142, 12) revexit cum fratre eodemque 
socero triumphavit 8, 23 (61, 31; 148, 26) Caesar a senatu 
9, 7 (63. 23; 152, 15) horum imperium Romano nomini perni- 
ciosum 9, 11 (64, 27; 156, 4) in Oriente servatum est 
9, 12 (65, 8; 156, 12) fratri vel praeferendus 10, 7 (73, 
32; 174, 12) et docilitate, 

Von sonstigen verschiedenheiten führe ich noch folgende an: 
1, 1 (3, 7; 8, 8) decem et octo annos natus] XVIII annos nati- 
vitatis suae, Oxrwxaldexu yeyovws Em 1, 7 (4, 23; 12, 13) 
Servius Tullius] tullius servius, Zsçovsos TovAAwog. 1, 8 (5, 
5; 14, 6) stuprasset] stuprassent O, strupassent L, ifica10 
1, 11 (6, 9; 16, 21) verum tum] verbum O, verum tunc L?, z:- 
ındeig dé Onwg 1, 14 (7, 3; 20, 3) victi acie] victi et capti, 
Cup plEartes nitnI nour 2, 3 (9, 15; 24, 15) verum] virorum 
L, virom O, aaa’ 2, 10 (11, 24; 32, 5) deletae sunt] delicti 
sunt, marwiePela dieyduoncuv 2, 11 (11, 26; 32, 6) quia] 
quare, alıla de nv 2, 11 (11, 34; 32, 12) elephantorum 
auxilio vicit] elephantorum auxilium vicit, petaBodny Foyer dic 
rovg édépartas 3 100 nodéuov Tuyn 2, 11 (12, 4; 32, 15) 
adverso vulnere] atro vulnere, tag nAnyag éungooFlouc 2, 18 
(12, 25; 34, 9) si binorum] sabinorum, zd» dieyrwopeirwy (sibi 





Jaliresberichte. 399 


notorum A) 2, 14 (18, 16; 36, 8) exercitum eius cecidit] ex- 
ercitus eius cecidit, 10 piv orgateupu anwiece 2, 15 (13, 24; 
36, 14) petierant] petierat, alzoupevos 2, 21 (15, 9; 40, 13) 
Afri auxilium a Lacedaemoniis petiverunt] per Africam auxilium 
a Lacedaemoniis petiverunt, "Aygos Aaxedusuorlovs Éntxolécarro 
zQóg Ovuuayluy 2, 28 (17, 19; 46, 12) XV milibus ... cae- 
sis] XV milia . .. caesa, prglwy ner xal neviaxiggiàlwv . . . 
ECO VTWY 3, 1 (17, 23; 46, 15) tractum] factum zagexra tig 
3, 5 (18, 21; 48, 13) res per consulem tentum prospere gesta 
est] per consules . ., Aluldsog pera Tig avroù Orpanüg xareso- 
yaouro 100g nod:plovg 3, 7 (19, 7; 50, 9) Carthagioem mi- 
serupt| etiam a Carthaginiensibus petierunt, mgecBevortas maga 
Kagyndovlovs 3, 10 (20, 10; 54, 1) consulares et praetorii] 
consulares aut praetorii, unursxoi dé uvdges xal neastwosos 

3, 14 (21, 23; 56, 20) decepti] recepti, 7177970avy 3, 14 (21, 
15; 56, 21) nobilissima urbs Syracusana capta est, praeda ingens 
Romam pertata est] nobilissimae urbis siracusanae praeda ingens 
Roma perlata est, 1a¢ Svguxovous elle sologxiu moduv 18 nloÿtor 
dxeidev ngootxirca:0 roig Pwpalox 8, 15 (22, 14; 58, 
14) post quae] post quam, pera ruvru 3, 20 (23, 15; 
60, 18) existimabatur] existimatur, émem(orevro 3, 22 
(24, 4; 62, 16) additis . . . centum milibus librarum] addita ... 
cum milia, zgooitO toov . . . Zlrguy tlg déxu uvgiadag 3, 
23 (24, 21; 64, 4) rediit] redit, éxur7xey 4, 4 (26, 1; 66, 
7) circa Sipylum Magnesiam] circa Sipylum magnam iam, èy 
Moysnola 15 no0s ZinvÀo 4, 16 (29, 31; 76, 3) impera- 
torem] imperatores, 16» nyovmerov 4, 17 (30, 12; 76, 13) 
fame confecit] fama vicit, Aug te fmiécac 4, 23 (31, 16; 
80, 11) annoque post] anno V postquam, xoi usxgov Uorsgor 

5, 4 (34, 2; 86, 16) sexies consul] exiens consulatum , éni m» 
Exinv unatelay xÀAg9 elg 5, 6 (35, 1; 88, 19) ut ex Sullae 
exercitu XIII tantum homines interficerentur] et Sullae exercitu 
XIII tantum interfecti sunt, wore rov Öwuuixou GiQartvpuarog rQeig 
xal déxu provoy ürdpas néotw 5, 6 (35, 3; 88, 20) lectis- 
sima] lectis 0, e lectis L, rovc aglorous éxAeEautvog 5,8 
(35, 8; 90, 13) sed cum Romae mutati consules essent] secundo 
Romae mutati cum sunt, yevouerwr dé érégwy xara thy Puunr 
UZGIQY 5, 9 (36, 19; 92, 4) tracta] tractata èxradévieg 

6, 13 (37, 22; 94, 4) iter fecit] interfecit, 017496 6, 7 (38, 
18; 94, 25) novum] nnum xasvog 6, 8 (39, 4; 96, 11) no- 
bilissimam] bellicosissimam, zug &monnovg 6, 12 (40, 22; 98, 
21) quadraginta milia eius occidit] quadraginta milibus eius occisis, 


18.000Quxovıu pilsadacs diépPesoe 6, 14 (41, 13; 100, 15) 
reddidit] dedit, anedwxe 6, 14 (41, 20; 100, 19) caput gen- 
tis] apud gentis, 17v faciAuxi» aitwr noA 6, 20 (43, 24; 


106, 8) equites in sinistro cornu sescentos, in dextro quingentos] 





400 Jahresberichte. 


equites in sinistro eorum mille quingentos, fxneag éxatov 0g 
tovg ysAloug 6, 20 (43, 27; 106, 10) bellorum] populorum, 
mode povs 6, 22 (44, 5; 108, 5) ipsi] ipse, és’ avrò 

6, 23 (44, 15; 110, 1) qui ei magister equitum dictatori . . . 
fuerat] qui et magister equitum dictator . . fuerat, Og nv avre 
Gogwr 1Qv Innewv Ore avi0g Euvıor didurwgu xatéommoe 7, 
6 (47, 9; 116, 13) pro victo] pro vico, wouvei mrmuere 
7,7 (47, 14; 116, 17) cum omnes ad Augustum transirent] omnes 


ad Augustum transieruot, êxwesdn xi. 7, 8 (47, 26; 118, 6) 
ex maxima parte) ex maiori parte éx zov nAslorov peoovg 7, 
8 (47, 29; 118, 8) in cunctos] in cunctis, elg &zavrac 7, 10 
(48, 13; 120, 4) ad eum] ad eos, mods avrovg 7, 14 (49, 
28 ; 124, 10) aureis] variis, êx yovooù 7, 15 (50, 16; 126, 
2) se interfecit] interfectus est, redevtny énjyuyev avt@ 7, 18 


(51, 24; 128, 11) erecto coma capite] erecta coma et capite, xpe- 
pácavteg dì ano rig xoung 7 , 19, (62, 1; 130, 2) ut qui] 
et quia, 7réxu 7, 22 (13, 16; 134, 3) ei mortus] eo mortuo, 
teSvnxots 19 Tii 8, 2 (54. 27; 136, 14) diffudit] diffundit, 
eb eresve 8, 3 (55, 9; 136, 21) magnam Persidis regionem] 
magna Persidis regionum, ywglor Ilegowv &$Qv 8, 4 (57, 18; 
138, 3) cum festos dies habuissent] confestos si dies habuissent, 
Ste xal Éogiá ovo, 8, 5 (56, 2; 138, 13) privatus] privatos, 
idewrns 8, 5 (56, 10; 138, 18) ut] et, wore 8, 14 (59, 
25; 146, 4) ut centum simul leones exhibuisse tradatur] centum 
simul leones exhibuisse traditur, wore xrA. 8, 16 (60, 9; 146, 
16) praefecturam urbi tum agens] praefecturam urbium agens, 
Vnagyog de ig; Puunç iv, ore 8, 16 (60, 16; 146, 17) prae- 
torianorum] praeturianorum, mguitwerurwy 8, 19 (61, 8; 148, 
9) Severus . . . nomen a senatu voluit inponi] nomen senatus vo- 
luit inponi, Sevñgos . . . mgoor«Sag . . . ueruxAnd vas 9, 4 
(63, 12; 152, 7) senior meruit inter divos referri] LO, zig zwr 
eur Ervyov auporegos niic 9, 9 (64, 8; 154, 11) tum] 
LO, ndn 9, 9 (64, 8; 154, 11) delecto] deiecto dvnengerng 
9, 15 (66, 14; 158, 20) inulta non fuit] invita non fuit, dsuw- 
encour 9, 19 (67, 20; 162, 4) omnibus hominibus invisus] ho- 
minibus iuvisos, drecrvyeiio naga mavrwy Ópo(wc 9, 19 (67, 
24; 162, 8) ut a nonnullis Anulini senatoris libertinis fuisse cre- 
datur] a nonnullis Anullini senatoribus |. f. c., oí de drredevdegor 
*Avovalvou rivog Ovyxinuxov ytyovévas xtA. 9, 21 (68, 9; 162, 
17) per haec tempora] post haec tempora, xura de 109 aërèr 
100rov 9, 24 (69, 16; 164, 17) adversum Narsum proelium 
insecundum habuit| adversus Narseum proelium et secundum habuit, 
Orgnuvoas yug xata Nagoov . . . &varılav toye viv Exfaciw 

9, 26 (70, 4; 166, 6) Diocletianus moratus callido fuit] Diocle- 
tianus moratus gallis defuit, 422’ 6 AioxAntiavos uiv Gyylvovg tt 
I» quos 9, 26 (70, 8; 166, 9) libertatis] liberalitatis, rjv 





Jahresberichte, 401 


FsuF seiav 9, 27 (70, 12; 166, 12) propalam] prolatam, Za- 
glcotuta xai moodjAuc 10, 3 (72, 12; 170, 17) in contione 
exercitus] in contione exercitum, à» uéow 16 Crout® 10, 3 
(72, 21; 172, 2) enuotiaverat nuntiaverat, énayyéAAee 10, 9 
(74, 22; 176, 12) haud longe] aut longe, zAnotor. 

Jeder ersieht aus dieser zusammenstellung, dass der text des 
Paeanius in den meisten fällen mit den lesarten der A-klasse über- 
eiustimmt, dass die verschiedenheit aber mit der B-klasse sehr gross 
ist. Wollte man dagegen einwenden, dass die lesarten des arche- 
typus von B mit der zeit durch abschreiber verschlechtert wären, 
dass Paeanius einen viel reineren text als er in B vorliegt, be- 
nutzt hat, so würde es schwer sein, etwas bestimmtes dafür oder 
dagegen zu sagen. Möglich ist es ja, aber ich will doch erwah- 
nen, dass schon Orosius, der ungefähr 40 jahre nach Eutropius 
schrieb und, soviel ich sehe, der erste war, der eine handschrift 
aus der familie B sicher benutzte, bereits dieselben fehler wie wir 
vor sich hatte (vrgl. die zusammenstellung unter Orosius). Doch 
was besagen bei dieser so grossen verschiedenheit, die zwischen B 
und Paeanius herrscht, die verhältnissmässig wenigeu fehler, in 
denen B mit Paeanius übereinstimmt? Droysen führt in der grös- 
seren ausgabe (praef. p. XXIII) folgende stellen an: 1, 12 (6, 
29; 18, 15) und 7, 1 (45, 21; 114, 1) Octavianus; 1, 19 (8, 
8; 22, 9) bellaverunt; 2, 13 (12, 24; 34, 3) quod armati capti 
fuissent; 3, 3 (18, 10; 48, 5) Vulseo; 3, 7 (19, 7; 50, 9) le- 
gatis parere noluit; 3, 13 (21, 8; 56, 8) iu Hispaniis contra fra- 
trem eius Hasdrubalem om.; 3, 23 (24, 19; 64, 2) CC milia; 5, 1 
(32, 20; 84, 3) Manilius; 5, 3 (33, 29; 86, 11) quinto decimo 
auno; 6, 20 (43, 28; 106, 10) integra XXX milia; 6, 23 (44, 
20; 110, 5) Q. Varro; 7, 17 (51, 5; 126, 18) cum plures 
(copias); 9, 8 (63, 32; 154, 3) Genuo. Aus der übereinstimmung 
dieser stellen schliesst Droysen auf die abhüngigkeit des Paeanius 
von einer handschrift der familie B. Aber finden sich nicht auch 
in solchen handschriften, die nicht aus demselben archetypus stam- 
men, oft dieselben fehler? Trotzdem die lesarten von G sehr von 
denen der bandschriften LO abweichen, so kommen doch zuweilen 
an denselben stellen dieselben fehler vor, aber wer wollte daraus 
schliessen, dass A von B abstamme? Solche fehler in A und B 
sind z. b.: 2, 24 (16, 10; 42, 16) proficeretur statt proficisce- 
retur; 9, 5 (34, 22; 88, 11) effusum statt Ephesum; 6, 3 (37, 
22; 94, 4) interfecit statt iter fecit; 9, 19 (67, 18; 162, 3) ad- 
iutorio statt auditorio u. a. m. Ist es nicht zuweilen der reine 
zufall, wenn in solchen handschriften auch gleiche lücken sich fin- 
den, wie z. b. 7, 21 (53, 4; 132, 9) et, das im archetypus A 
stand und sich in F erhalten hat, in G aber sowie in LO ausge- 
fallen ist, oder 4, 25 C 31, 21; 80 16) Thracia alterum ex und 
5, 4 (33, 32; 86, 14) sexagesimo, was nicht nur in A, sondern 


Philologus XLII. bd. 2. 26 





402 Jahresberichte. 


auch in B fehlt? Was die von Droysen als fehler bezeichneten 
eigennamen betrifft, so lässt sich bei einigen gar nicht bestimmt 
sagen, was denn Kutropius geschrieben hat; ja ich möchte anneh- 
men, dass Eutropius diese namen wirklich falsch überliefert hat, so 
steht z. b. Eut. 3, 3 (18, 10; 48, 5) in A und € uulgo, in L und 
O uulsco, im Paean. Bovoxdov; Droysen schreibt Bulco, wie ich 
glaube nach Oros. 4, 12, 2 p. 238 ed. Zangem., der Bubulco hat, 
sonst wird der consul Bulbo genannt (Corp. Inscr. Lat. I p. 522). 
Auf die schreibung Manilius 5, 1 (32, 20; 84, 3) dürfen wir 
kein grosses gewicht legen, da Manlius, Mallius, Manilius von 
den abschreibern häufig verwechselt ist, vrgl. Drakenb. Liv. 34, 
83, 2; Duker Flor. 3, 3, 4. Der eigenname Ingenuus 9, 8 (63, 
32; 154, 3) wird von den schriftstellern verschieden geschrieben, 
so liest Aur, Vict. Caes. 38, 2 Ingebus; Ingenuus findet sich bei 
Trebellio tyr. XXX 9 p. 97, 25 ed. Peter, Zonaras 12, 24, Po- 
lemio p. 243, 12 ed. Mommsen, Amm. Marc, 21, 16, 10; Genuus 
steht jetzt nach den besten handschriften im Oros. 7, 22, 10. 
Kann nicht auch Eutropius dieselbe form geschrieben haben? Ueber 
die andern stellen will ich nicht weiter sprechen, da Dunker p. 
15 und 16 dieselben eingeheud behandelt hat. Aus allem ergiebt 
sich für mich, dass ich Dunker nur zustimme, was ich auch schon 
in der Philolog. rundsch. 1 10 p. 310 ausgesprochen habe, dass 
nämlich Paeanius handschriften der familie B nicht benutzt haben 
kann. Welche handschrift nun Paeanius seiner übersetzung zu 
grunde legte, lässt sich schwer sagen, aber soviel steht fest, wie 
es sich auch nach der zeit des übersetzers nur erwarten lüsst, dass 
die handschrift sehr gut war, dass dieselbe unsere heutigen weit 
übertraf, woraus es auch zu erklüren ist, dass an manchen stellen 
nur bei Paeanius die richtige lesart sich findet (vgl. Dunker, Prog. 
p. 17) so: 1, 5 (4, 12; 12, 4) apud ostium Tiberis . .; 1, 12 
(6, 31; 18, 16) Larcius; 2, 21 (14, 26; 40, 3) Vulsone; 2, 24 
(16, 8; 42, 14) cum elephantorum numerus omnia itinera com- 
pleret; 3, 5 (18, 21; 48, 13) consulem; 4, 25 (31, 21; 80,16) 
ulterum ex "Thracia, alterum ex Sardinia . .; 5, 5 (34, 22; 88, 
11) Ephesum ; 6, 16 (42, 5; 102, 9) Aristobulus; 6, 20 (43, 226 
106, 6) Palaeopharsalum ; 7, 4 (46, 24; 116, 1) Pompei; 7, 1; 
(50, 20; 126. 6) Servius; 8, 3 (55, 8; 136, 20) Anthemusiam ; 
9, 12 (65, 6; 156, 11) Quintillus, dazu kommen noch die stellen, 
welche Droysen ed. mai p. XXIV anführt 7, 9 (48, 7; 118, 18) 
quadraginta und 7, 23 (54, 6; 134, 19) quadragesimo. Wenn 
ich aber trotzdem dem Paeanius nicht die erste stelle bei der re- 
construction des textes einräumen kann, so geschieht es desshalb, 
weil nicht wörtlich genug übersetzt ist, indem die vorlage bald ver- 
kürzt bald erweitert ist, vrgl. Droysen praef. p. XXII, E. Schulze, 
De Paeanio Eutropii interprete im Philolog. 29 p. 287. 
Bremen. (Fortsetzung folgt.) C. Wagener. 





III. MISCELLEN. 


A. Mittheilungen aus handschriften. 


10. Handschrifiliches zu Ciceros briefen an Atticus. 


Nachdem die bekannten untersuchungen von Viertel und Voigt 
dargethan haben, dass der Med, nr. 18 des plut. 49 nicht nur 
nicht von Petrarca, sondern wahrscheinlich erst geraume zeit nach 
dessen tode geschrieben ist, hat die frage nach dem verhültnis der 
übrigen handschriften der Atticusbriefe zu dem genannten Mediceus 
neues interesse gewonnen; es kommt dabei vor allem darauf au 
nachzuweisen, ob dieselben auf den Mediceus als letzte quelle zu- 
rückgehn oder nicht. Viertel hat bereits darauf hingewiesen, dass 
es iu dieser beziehung wünschenswerth sei, zu wissen, ob die bei- 
den grossen lücken im ersten buche und am schluss der Atticus- 
briefe sich auch in den Med. 49, 19 .24 finden. Hierauf gebe 
ich folgende auskuuft: nro. 21—24 des plut. 49 füllen beide lü- 
cken aus; nro. 19 und 20 haben den schluss, aber die lücke in 
ad Att. I, 18; dabei trägt 49, 19 die worte reperire er — ex- 
haurire posse oben am rande nach. Ich füge diesen mittheilungen 
noch aus andern handschriften hinzu: Laur. XXIII sin. 2 hat im 
ersten buche der Atticusbriefe keine lücke, schliesst aber XVI, 16, 
8 seruentur; Badia 2844 (ora 49), in | ebenfalls ohne lücke, 
schliesst VII, 31 conquisitores; Riccard. 500, Urbinas 322, Vat. 
1691, Ottobon. 1413 und 2035 füllen beide lücken; Palat. 1508 
ohne lücke in I, schliesst XVI, 16, 8 serventur wie Laur. 23, 2; 
Pal. 1509, Pand. 1570 haben I vollständig; Palat. 1495 hat ad Att. 
Hl. I 18, 1 die lücke mit der bemerkung am rande zu descendimus : 
»Hic folium integrum a librario amissum; dagegen ist der schluss 
vollständig. Alle diese handschriften sind nach schrift und aus- 
stattung auf Florenz zurückzuführen; Pal. 1495 uud 1496, wel- 
cher letztere die epp. ad famm. enthalt, tragen den namen eines 
frübern besitzers: ,,Jannozii Manetti“, Pal. 1496 ausserdem noch 

a 9 a 
die unterschrift: FLORENTIAE A. 0. M» CCCCo X^ NON. 


26° 





404 Miscellen. 


2 

NN. INDICATIONE TFPTIA. Da beide nach format, schrift 
und besitzer zusammen gehören, so dürfte auch die abschrift der 
Atticusbriefe 1495 etwa in das jahr 1410 oder etwas früher fal- 
len. In ähnlicher weise hat Vat. 1692, ein starker band von 395 
pergamentblattern, 0,26 m breit und 0,38 m hoch, sämmtliche in 
Florenz bekannte briefe Ciceros zusammengestellt; auf dem zweiten 
vorsatzblatte wird u. a. bemerkt: Scriptus fuit Florentiae, Vespa- 
sianus librarius transcribere fecit. In dieser handschrift gehn die 
Atticusbriefe voran, und am schluss derselben fol. 181 verso wird 
zu magnam am rande notirt: ,,Respice in fine voluminis et reli- 
quum ipsarum epistolarum invenies“. Dementsprechend folgt dann 
auch fol. 394 v. auf ziemlich genau zwei seiten der schluss der 
Atticusbriefe von andrer hand. Die vorlage dieser handschrift hat 
also wohl den schluss nicht gehabt, während sie die lücke im er- 
sten buche ausfüllte. 

Diese zusummenstellung lässt sich ohne mühe erweitern, wird 
aber nur ergeben, dass es handschriften mit beiden, mit einer oder 
der andern uud solche oline diese lücken giebt; die folgerung, dass 
dieselben dementsprechend auf Med. 49, 18 zurückzuführen seien 
oder nicht, gewinnt hieraus aber nur eine sehr schwache stiitze. 
Denn nach meiner prüfung des bekannten Mediceus dürfte derselbe 
jedesfalls die jetzt ad Att. I, 18 fehlenden worte ursprünglich ge- 
habt haben, vielleicht auch den schluss. Für diese ansicht sprechen 
folgende betrachtungen: die worte, welche sich auf die lücke ad 
Att. 1, 18 beziehu, sind nicht von einer hand geschrieben, sondern 
mit verschiedener schrift und tinte zu verschiedener zeit. Zwischen 
descendimus und qualem ist keinerlei andeutung der lücke, sondern 
der schreiber hat hier zwei blütter seiner vorlage, wie ich weiter 
unten darthun werde, übersprungen; dies verselu ist sodano durch 
ihn selbst oder durch einen ziemlich gleichzeitigen corrector be- 
merkt, und die fellenden beiden blütter sind mit dem zeichen ® 
nachgetragen; darauf weisen das @ über dem ende von descendimus, 
eine kleine / über dem anfange von qualem ein haken (umge- 
kehrtes ») unten zwischen beiden und die entsprechenden zeichen 
am rande hin; dieselben sind mit derselben tinte wie die ganze 
seite geschrieben und daher als gleichzeitig anzusehn. Neuer ist 
sodaun der besondre hinweis auf diese zeichen durch ,quaere ad 
signum mit flüchtiger schrift, wohl von einem leser, welcher eine 
erläuterung zu dem zeichen ® geben wollte; noch später hat als- 
dann jemand, als die beiden ergänzungsblätter verloren gegangen 
waren, wiederum mit andren charakteren hinzugefügt: ,,hic deficit 
complementun et alia magna epistola“. 

Dass hier zwei blütter ausgefallen sind, geht aus folgender 
zusammenstellung hervor. — Aehnlich wie sich die schreiber von 
Med. 49, 7 sehr genau au die grüsse der seiten in ihrer vorlage 


> 
ME _ RENI 


Miscellen. 405 





Med. 49, 9 bielten, scheinen auch die cupisten des Med. 49, 18, 
welcher allerdings iu dieser hinsicht verschiedene starke abweichun- 
gen zeigt, wiederholt die grüsse der seiten ihres originals festge- 
halten zu haben; so namentlich zu anfang der Atticusbriefe. Ful. 
49 verso des Med. 49, 18 enthält ad Att. | 1, 2 qui si — ib. 4 
Boëlnr ; fol. 50 geht bis I, 5, 4 audire, fol. 51 bis I 10, 1 meri- 
diem, fol. 52 bis I 12, 4 festivus, fol. 53 bis 1 14, 3 excepisse, 
fol. 54 bis 1 16, 1 quos; zwei blütter sind demnach etwa gleich 
fünf seiten der Tauchnitzausgabe von Baiter, und das ist etwa der 
umfang der fehlenden stelle I 18, 1 reperire (seite 25) bis I, 19, 
11 qualem (seite 30 der genannten ausgabe). 

Zu demselben ergebnis führt auch folgende betrachtung der 
paginierung der handschrift; freilich ist dabei vorauszuschicken, 
dass dieselbe wohl mehrmals gebunden und dabei wiederholt stark 
beschnitten ist, sodass nicht alle am rande befindlichen zeichen voll- 
ständig deutlich erscheinen; ferner haben sich die verschiedenen 
schreiber in ihren partien verschiedener blätterlagen bedient. Doch 
ist folgendes von einer ültern bezeichnung der blattlagen erkeun- 
bar: die handschrift zählt rechts oben fol. 1 -- 24 als a und b, also 
lagen von je 12 blättern; fol. 25 enthält in der rechten ecke oben 
die bemerkung: ,,primus ubi deficit littera. alfabetica“, fol. 37 se- 
cundus u. d. |. a., fol. 49 ist als e bezeichnet, [fol. 50—56 sind 
neben 50, 51 u. s. f. auch 26— 32 puginiert, welche ziffern je- 
doch durchstrichen sind|, fol. 57 als f [auf fol. 58 ist die lücke], 
fol. 71 als g, fol. 79 als h, fol. 87 als i, fol. 95 als k, fol. 103 
und 110 sind stark beschnitten; fol. 117 ist m markiert, fol. 125 
n, fol. 133 o, fol. 140 p, fol. 149, 157, 165, 173 stark be- 
schnitten, fol. 181 v, fol. 181 x, fol. 201 y, fol. 211 und fol. 
221 haben keine solche zählung. Daraus ergiebt sich, dass der 
schreiber. welcher fol. 1— 48 copierte, lagen von 12 blättern ver- 
wendete, wührend die librarii von fol. 49— 78, sowie von fol. 79 
bis 148 lagen von je 8 blättern beschrieben, während der schluss 
von fol. 180 anscheinend lagen von 10 blättern aufweist. Wenn 
dem so ist, so fehlen in dem quaternio f zwei blätter und es hätte 
g auf fol. 65, h auf fol. 73 stehn sollen; denn die lage f besteht 
jetzt aus 14 blättern, passt also in keine dieser zahluugen; jedes- 
falls ist an jener stelle eine confusion der paginierung, in welche 
durch die einfügung von 2 blättern einige ordnung gebracht würde. 
— Ferner steht unten auf fol. 78 verso eine ziffer, die ich für 
VIN (4) halten möchte; 8 lagen ergeben sich aber nur, wenn wir 
fol. 1—48 — 4 lagen zu 12 blättern und 4 lagen zu je 8 blät- 
tern annebmen, also 2 blätter mehr als jetzt vorhanden sind. 

Dass die handschrift ursprünglich noch eine ganz andre form 
gehabt hat, scheint aus folgendem hervorzugehn: auf dem jetzigen 
fol. 124 verso unten ist, XVIII, auf fol. 172 verso XXV, auf 
fol. verso 180 XXVI erhalten; diese ziffern stimmen unter sich 





406 Miscellen. 


sehr gut zu lagen von je 8 blättern, lassen sich aber schwerlich 
mit der ersten hülfte, wie sie jetzt vorhanden ist, in einklang brin- 
gen. Denn angenommen, dass die handschrift aus lauter quaternio- 
nen bestanden hätte, würden bis fol. 124 (oder wohl schon bis fol. 
117, wo etwa die vierte hand beginnt) bereits 48 blätter fehlen. — 
Ausserdem ist fol. 86 verso mit 1, fol. 94 verso mit 11, fol. 102 
verso mit 111 unten bezeichnet; da gleichzeitig fol. 79 eine dritte 
schreiherhand begiunt, so ist auch hiernach wahrscheinlich, dass 
vorher 2 blätter ausgefallen sind; denn rechnen wir die ersten 4 
lagen zu 12 blüttern, so ergiebt sich, die folgenden zu je 8 ge- 
rechnet, nicht bei fol. 79, 87, 95, 103 ein neuer quaternio. son- 
dern erst bei fol. 81, 89, 97, 105, d. i. um jene 2 blätter später, 
welche jetzt fehlen. 

Während es demnach höchst wahrscheinlich ist, dass die lücke 
ad Att. 1, 18 ursprünglich nicht vorhanden war, wird sich schwer- 
lich sicher nachweisen lassen, dass auch der schluss erst später 
verloren ging. Voigt hat bereits aus dem umstande, dass unmit- 
telbar hinter dem jetzigen schlussworte magnam, (dessen schluss-m 
noch obendrein einen schnörkel wie zur füllung der seite hat) „hie 
liber e | Colucii pyeri de Stignano steht, gefulgert, dass die letzten 
briefe beilagen des 16. buches nicht in dieser handschrift vorhan- 
den gewesen seien, weil sonst dieser besitzvermerk erst ganz am 
ende eingetragen und dort mit verloren gegangen sein würde. Diese 
annahme hat jedesfalls viel für sich und wird sich nicht leicht über- 
zeugend widerlegen lassen. Allerdings muss zugegeben werden, 
dass es für Colucio grade bei seinem grossen interesse für diese 
briefe nicht schwer gewesen sein dürfte, sich den schluss zu ver- 
schaffen; denn derselbe ist in den meisten handschriften vorhanden, 
welche überhaupt die letzten bücher aufweisen, so namentlich auch 
iu dem papiercodex Med. 49, 19 und in den pergamenthandschriften 
Med. 49, 20 und Palat. 1495, welche im ersten buche die grosse 
lücke haben.  Freilich sind diese handschriften etwas jünger als 
der Med. 49, 18, welcher um das jahr 1390 scbon in Colucios 
besitz geweseu sein dürfte; doch dürften dieselben nicht viel nacb, 
vielleicht schon um das todesjahr Colucios 1406 geschrieben sein; 
Palat. 1495, wie schon oben bemerkt , wahrscheinlich 1410 oder 
1409. Davon aber, dass erst dann oder gar noch spüter der 
schluss bekannt geworden würe, oder dass man denselben vermisst 
und sich um iln bemüht habe, verlautet nichts; derselbe scheint 
also immer zugänglich gewesen zu sein. — Das jetzt im Med. 
49, 18 feblende dürfte nach unserer obigen aufstellung über den 
umfang der blütter etwas über zwei seiten eingenommen haben, 
mag sich aber auf ein blatt haben zusammendrängen lassen. In 
ähnlicher weise kommt auch in dem erhaltenen theile namentlich da, 
wo eine haud aufhört, dichtere schrift vor, so besonders fol. 48 
vor dem beginn der Atticusbriefe. Dass aber diese letzte blattlage 





Miscellen. 407 


der bandschrift, — von fol. 181—221 scheinen quinternionen ge- 
braucht zu sein —, nicht ganz in ordnung ist, geht daraus hervor, 
dass fol. 221 bis 225 in ältrer paginierung mit t. 1 —V bezeich- 
net sind (wie schon früher auch fol. 173—176). Dass jedoch 
noch ein oder zwei blätter vorhanden gewesen seieu, wage ich 
daraus nicht bestimmt herzuleiten, weungleich die wahrscheinlichkeit, 
dass die handschrift ganz vollstándig gewesen, dadurch erhóht wird. 

Wenn nun auch die unsicherheit bestehn bleibt, ob der Med. 
49, 18 je den schluss enthalten habe, so darf doch nicht aus des- 
sen vorhandensein in den meisten jüngern handschriften auf deren 
vollständige unabhäugigkeit vom Med. 49, 18 geschlossen werden. 
Deun dass dieser schluss auch aus einer anderu quelle nachge- 
tragen und so ein vollständiges exemplar gebildet werden konnte, 
welches dann andern copien als vorlage diente, zeigt schon das 
oben erwähnte verfahren des librarius Vespasianus oder eines be- 
sitzers des schönen Vatic. 1692. Es muss mithin in jedem ein- 
zelnen falle das verhältuis der übrigen handschriften zum Med. 49, 
18 erst besonders geprüft werden, und zwar um so mehr als bis- 
her alle bemiihungen den verbleib des von Petrarca uufgefundenen 
originals nachzuweisen, vergeblich gewesen sind. Auch Tomasini 
in seinem Petrarca redivivus erwühnt nur, dass epistolas Ciceronis 
ad Atticum calamo scriptas e bibliotheca Petrarchae delaudat Seba- 
stianus Corradus. Unter deu der republic Venedig von Petrarca 
geschenkten biichern, (unter denen Aristotelis opera de physico au- 
ditu, de caelo et mundo, de meteoris, de generatione, de anima; Vir- 
gilii Aeneis in fol. parvo, perg. ; Horatius de arte poet. in 4. perg. 
erwähnt werden), kommen die Atticusbriefe nicht vor.  Ebenso- 
wenig verlautet etwas näheres über die bandschrift des Bartol. 
Capra in Pistoja, aus welcher vielleicht der Med. 49, 78 in sei- 
uer ersten hälfte corrigiert sein dürfte; die wahrscheinlichkeit, 
andre selbstäudige quellen für die überlieferung dieser briefe "nuch- 
zuweisen, ist demnach gering; die zur endgültigeu lósung dieser 
frage nóthigeu untersuchuugen andrer handschriften haben uber 
kaum begonnen und dürften doch manches interessante für die ge- 
schichte und constituiruug des textes ergeben. 

Neapel. Heinrich Ebeling. 


B. Zur erklärung und kritik der schriftsteller. 


11. Zu Naevius. 


Festus 352, 4 M topper significare ait Artorius cito, for- 
tasse, celeriter, temere. — cito, sio in Nelei carmine — cilius, sic 
C. nuevicapesset flammam Volcani. cito, sic in eodem: namque nul- 
lum peius macerat e. q. s. 

Hier sind zunächst die worte celeriter, temere zu streichen. 





408 Miscellen. 


Denn celeriter erscheint nach cito ganz überflüssig. Hätte ferner 
Artorius gemeint, dass das zu seiner zeit, wie jetzt, rüthselbafte 
topper auch temere bedeute, so würde er dafür gewiss belege bei- 
gebracht haben. ©. Müller meinte freilich, diese seien nur von 
Festus ausgelassen. Dies ist jedoch bei der wichtigkeit des lem- 
mas und da der grammatiker drei beispiele für die bedeutung 
cito, zwei für fortasse gibt, nicht wahrscheinlich. Hätte ferner 
Artorius einen unterschied zwischen cito und celeriter statuirt, so 
würde er doch schwerlich beide worte durch das mit diesen nichts 
gemein habende fortasse getrennt haben. — Vielmehr scheinen die 
worte celeriter temere nichts weiter als eine randbemerkung, die 
eigentlich zu dem folgenden: Sinnius vero sic: topper — in anti- 
quissimis scriptis (valet) celeriter ac mature gehörte, und temere 
aus mature verschrieben. — Für citius, das aus dem danebeaste- 
henden sic entstanden, muss gleichfalls cito geschrieben werden. — 
Das folgende hat man unrichtig behandelt. da man nicht darauf 
achtete, dass Artorius in seiner glosse nirgend sich auf den namen 
des schriftstellers beschränkt, sondern zugleich des werkes selhst 
gedenkt. Offenbar war in dem archetypus des Festus eine zeile 
ausgefallen, weil das erste wort der lücke ähnlich anfing wie ca- 
pesset, und muss man das ganze folgendermassen herstellen: ut Cn. 
Naevi carmine belli punici: toppér v — capésset flámma Völcani. 
Ob der fellende jambus durch rates oder domos oder anderweit zu 
ergünzen ist, bleibt ungewiss.  Fülschlich hat man hinter Volcani 
eine lücke angenommen. Bekannt ist, wie häufig grade die vor- 
letzte thesis des saturnius unterdrückt wird. — Im folgenden 
schreibt Scaliger vortrefflich: cito, sic in Odyssea; denn es folgt 
die übertragung von Od. VII, 138, 9. 

Man hat mit recht bemerkt, dass die buchzahlen, die aus des 
Naevius bellum Punicum citirt werden, ófters fehlerhaft sind. Nur 
konnte man mehrere derselben, wenn man auf die citirmethode der 
einzelnen grammatiker geachtet hütte, leicht berichtigen. So wird 
fälschlich gemeint, dass aus dem 1. und 2. buch des epos citirt 
seien die verse: 

ineránt signa expréssa, quómodó Titäni, 

bicórporés Gigántes magnique Atlántes, 

Purpürens átque Rüncus filii térras — 

iamque eius mentem fortuna fecerat quietem. 
Beide stellen werden in den handschriften des Priscian so überlie- 
fert (pg. 679; 689 und 704 P): Naevius in carmine belli Punici 
I (oder primo); Naevius in carmine belli Punici II. Ich glaube, 
Priscian würde in diesem falle carminis gesagt oder in carmine aus- 
gelassen haben. So lautet das einzige buchcitat aus dem gedichte, 
das sich noch mit buchzahl vorfindet, pg. 697: Naevius in II belli 
Punici. — Sonst citirt Priscian sechsmal: Naevius in carmine 
belli Punici, nämlich 1, 153, 6; 230, 2; 235, 21; 249, 7; 388, 





Miscellen. 409 


2; 852, 1 Hertz; und so ist auch an den oben beigebrachten stel- 
len zu schreiben. Man hat nicht bemerkt, dass überall dort ein i 
folgt, und I oder II weiter nichts als wiederholungen von des fol- 
genden fragments anfangsbuchstaben sind. — Deshalb lässt auch 
der Parisinus von erster hand p. 679 I aus, auch haben p. 704 
drei der besten handschrifien, die Berner, Carlsruher. Bamberger: 
I, ebenso vou erster hand die Halberstadter. 

Damit verliert die vermuthung , dass in den verseu inerant 
signa expressa u.s. w. der schild des Aeneas verherrlicht sei, ihre 
äussere stütze. Zwar hat Naevius nach ullem anscheine --. sehr 
verschieden von Ennius — die abenteuer des Aeneas, die bei einem 
epos über den ersten punischen krieg garnicht in betracht kamen, 
in geschmackloser breite erzählt. Aber soweit wird er denn doch 
wohl nicht in die details eiugegangen sein. Soll man eine vermu- 
thung wagen, so dünkt es mich jedenfalls wahrscheinlicher, dass 
jene verse der beschreibung des im j. 260 bei dem ersten grossen 
seesieg der Rümer den Kartlıngern abgenommenen stattlichen admi- 
ralschiffes, das einst dem könig Pyrrhus gehört hatte, zuzuweisen sind. 

Die kritik des bellum Punicum, wie die der lateinischen Odyssee, 
liegt noch sehr im argen. —- Dabei ist das schlimmste, dass seine bruch- 
stücke durch die grammatiker des ersten jahrhunderts vor und nach 
Chr., welche das ihnen unverständliche saturnische metrum in die 
schemen ibnen bekanuter verse zu zwängen suchten, mehrfach so 
stark interpolirt sind, dass jeder versuch, die ursprüngliche gestalt 
wiederzugewinnen, eitel erscheint. Oder glaubt man wirklich, dass 
sich in des Naevius Epos daktylische bexameter fanden und jambi- 
sche trimeter, wie die überlieferten (auch aus Livius werden gleiche 
metra citirt)? 

convenit regnum simul atque locos ut haberent. 

Marcus Valerius consul partem exerciti 

in expeditionem ducit. 
Man bat freilich diese verse in saturnier übergegossen, aber in 
solche, die, mit Martial zu reden, averso fonte sororum nati sunt. 

Leidlich gut dagegen sind die vorhin citirten verse erhalten. 
Nur ist Atlantes verderbt, da die alten Römer bekanntlich den At- 
las Telamon nannten; wülreud die zusammenstellung von Atlantes 
mit Titanen und Giganten sich allenfalls rechtfertigen liesse. 

St. Petersburg. Lucian Miller. 


12. Zu De Bello Gallico VIII, praef. 4. 


X Constat enim inter omnes nibil tum operose ab aliis esse per- 
fectum, quod non horum elegautia commentariorum superetur“, 

Wenn einige spezialwirterbiicher zu Caesar unter tam cum 
adverbio und folgendem conjunktivischem relativsatz diese stelle 
verzeichnen, so bedarf das keiner widerlegung: der sinn verlangt 





410 Miscellen. 


uuweigerlich, dass ,,quod non superetur‘ zu ,,nihib eese perfectum" 
gezogen werde. Denn der verf. bezweckt nicht die mübe ued 
sorgfalt anderer zu gunsten der mühewaltung Caesars her- 
abzusetzen, sondern er will einzig und allein der genialen leich- 
tigkeit und vollendeten eleganz des caesarischen stils in vergleich 
mit den mühseligen elaboraten anderer sein kompliment machen. 
M. a. w. nicht die opera ist das tertium comparationis, sondern 
die facultas atque elegantia scribendi. (Vgl. praef. 6 ceteri enim, 
quam bene atque emendate, nos etiam, quam facile atque 
celeriter eos perfecerit, scimus. Erat autem in Caesare cum 
[facultas atque elegantia summa scribendi, tum e. sq.). 
Köchly und Rüstow übersetzen gewiss richtig: „ist es doch allge- 
mein anerkannt, dass die miihseligsten stilübungeu anderer die form- 
vollendung dieser memoiren nicht erreichen". aber erklart ist damit 
tam operose nicht. Unsere ausleger finden sich schweigend mit dem 
ausdruck ab, so dass es den anschein gewinnt, als ob sie sich der 
schwierigkeit der stelle gar nicht bewusst geworden. Tam operose 
ist hier eine affektvolle form zur umschreibung des superlativs und 
ungefähr so viel wie quamvis operose. Für diesen eigenthiimlichen 
und nicht eben häufigen gebrauch des tam giebt es im Caesar, so 
viel ich weiss, keine parallele, aber Cicero bietet ein paar analoge 
stellen: de orat. I 52, 226; ad Atticum VIII 4, 2; iu Pison. 10, 
und ifa àühnlich gebraucht Brut. 197. Wie es zu erklären, ist 
zweifelhaft. Eliendt meint zu der stelle de orat. — unter der zu- 
stimmung namhafter gelelrter —, es sei eine zusammenziehung 
zweier gedanken in einen zu statuieren, also ,,quis hoc philosoplws 
tam mollis, tam languidus, tam enervatus, tum omnia ad voluptatem 
corporis doloremque referens probare posset senatum servire populo“ 
sei = ,quis tam mollis . . esset, qui probare posset‘‘, aber ich 
meine, dass es einfacher und rationeller ist zu tam mollis . . als 
korrelat hinzuzudenken, quam qui mollissimus, vgl. pro Sulla 31, 
87 ,,tam sum misericors, iudices. quam vos, tam mitis quam qui 
lenissimus*, vgl. auch ep. ad Brutum I 15, 1 und meine bemer- 
kungen dazu Rhein. Museum. N. f. XXXVII p. 590—591. Also 
an unserer stelle mag man ergänzen (tam operose) quam quod ope- 
rosissime !), ebenso wie in Pis. 10 zu ,,quam polestatem minuere 

. nemo tam effuse peluluns conatus est‘ in gedanken zu 
supplieren ist ,quam qui effusissime‘, und übersetzen mag man 
nach Kóchly und Rüstow: „dass selbst die mülseligsten stil- 
übungen u. 8. w.'*. 

1) Was etwa gleichwerthig ist mit ,,nudla tanta (d.i. quamvis magna) 
opera esse quidquam perfectum, quod sq.“. 


lifeld a. H. Ferd. Becher. 


13. Laus Alexandriae. 
Unter diesem titel findet sich in der Riese'scben ausgabe der 





V : 
MEN _ 


Miscellen. 411 


Geographi Latini minores p. 140 aus dem codex Paris. 8319 saec. 
XI fol. 88 verso ein fragment abgedruckt, das zuerst Dureau de 
la Malle, Recherches sur la topographie de Carthage p. 39 not. 4 
mit dem bemerken publicirte, es móchte aus einer katasteraufzeich- 
nung oder einem verlorenen alten geographen stammen. Mommsen 
hat es dann bei gelegenheit der arbeit über den Laterculus des 
Polemius Silvius nach mittheilungen K. B. Hase’s in Abhandlungeu 
der sachs. gesellsch. der wiss. bd. 3, p. 272— 74 abermals heraus- 
gegeben und hiernach druckte es Riese ab. Auch H. Jordan, To- 
pographie der stadt Rom benutzt die stelle, ohne. ihren richtigen 
 ursprung zu kennen. Das ganze ist aber nichts als ein excerpt 
aus Julius Valerius’ lateinischer bearbeitung des Pseudo-Callisthenes, 
wo bei Gelegenheit der anlage Alexandriens der umfang der grössten 
städte der welt angegeben wird. Dort lautet der entsprechende 
abschnitt (Pseudo-Callisthenes ed. C. Müller p. 34): 
Quare cum hae urbes, quae in omni orbe terreno maximae 
celebrantur in haec spatia numeratae sint: Syriaeque sit 
ciuitas uel amplissima Antiochia extenta stadiis octo, pedi- 
bus septuaginta duobus, | Carthago vero, (hiermit beginnt 
das fragment) quae priucipatum Africae tenet, stadiis decem 
porrecta uideatur stadiique parte quarta, Babylon porro 
stadiis duodecim longa sit et pedibus CC atque XX; ipsa 
quoque domina omnium gentium Roma quatuordecim stadiis 
et pedibus C atque XX longa primitus fuerit, nondum 
adiectis his partibus, quae multum congeminasse maiestatis 
eius magnificentiam uisuntur (cod. Paris. 8319: magnificentia 
uisitur); Alexandriam mensi sunt sedecim quidem (quidem 
fehlt im cod. Par.) stadiis, pedibus uero CCC atque LXXV. 
— Occupato igitur etc. (Cod. Paris.: trecentis atque sexa- 
ginta. Quinque libri Moisi .... Damit bricht das frag- 
meni ab). 

Der griechische text lautet in der ältesten recension A so: 
où pévtos ye Éré£Qo modes dou pelbuwr "AdeEurdgelas. MMäcas y&Q 
Zyugoyouqr900av xai èueron3ngar. ‘H di ueyicm modes Ev Zvgfa 
’Avusoysıa avin Eon Grady n x«i nodwr 08. 7 à iv Agpolan 
Kagyndwr orudlwv 19° (Müller bemerkt richtig: decem, Valerius, 
quod praestat, nam a minoribus ad maiores auctor progreditur), 
nodu» w (ut uidetur, Müller). 'H dé àv roi; Bagfagos Bußviwr 
otadlwy 68 x«i nodwv or (6x sec. Valerium ; Müller): n dè Pwun 
orudlwr id xai nodw x. i3 dì “disSuvdyeca oradlwr if’ (ser. 
ss ex Val.; Müller) xai wodwy 18€ (108° sec. Val.; Müller). /7a- 
Quyevoueros oùr AMAfEavdgoc slg rovro 10 Edagog xré. 

Die einzige handschrift, die diese (alexandrinische) recension 
des Pseudocallisthenes bewahrt hat, bietet durchweg einen sehr ver- 
derbteo text, so dass C. Müllers änderungen in den griechischen 
zahizeichen nicht zu beanstanden sind, da die zahlen des Valerius 





412 Miscellen. 


in ihrer regelmässigen steigerung sicher die richtigen sind, nur 
hinsichtlich der letzten zahl 74e’ ist es vielleicht besser, rEe ru 
emeadiren, da die lesart sexaginta des Pariser fragments È em- 
pfiehlt, Aus der zahl « des griechischen textes und dem Julius 
Valerius geht auch hervor, dass quinque in dem Hase'schen frag- 
ment nicht zu den worten libri Moisi, die wohl der anfang eines 
andern excerpts sind, gehört. 

Dass in dem ganzen abschnitt von stadien und fuss keine rede 
sein kann, sondern nur von milli« passuum und passus hat Momm- 
sen ». a. 0. p. 274 bemerkt; die versuche A. Maïs (zu dieser 
stelle des Julius Valerius, Classici auctores t. VIE p. 92) und K. 
O. Müller's (Autiquitates Antiochenae p. 56 not. 4) die stadienan- 
gaben auf deu längen- oder breitendurchmesser der städte zu be- 
ziehen sind verfehlt. Fasst man die zahlen als miliarien und be- 
zieht sie auf den perimeter der stüdte, so stimmen sie mit den 
sonst bekannten angaben leidlich überein. Plinius giebt den um- 
faug Roms u. h. 1115, 66 auf 13200 schritt nach der Vespasiani- 
schen messung, Pseudocallisthenes auf 14100 an, Babylon’s umfang 
wird auf 80 stadien — 10000 schritt, hier auf 12220 schritt 
angegeben; Alexandriens umfang betrug nach Plinius (n. h. V, 10, 
62) 15 m. p. . 

Der lateinische text zeigt dem griechischen gegenüber zu- 
sätze: Rom wird als domina omnium gentium bezeichnet und aus- 
serdem fügt Valerius hinzu, dass die neuen stadttheile noch nicht 
miteingerechnet seien. Ist aus ersterem zusatz dasselbe zu sclilies- 
sen, was für den Pseudo -Callisthenes gilt. dass Rom noch allein 
hauptstadt des reichs und Byzanz noch nicht Constantinopel ge- 
worden war!)? Sicher dürfte der schluss nicht sein, denn einmal 
erwühnte die griechische vorlage Constantinopel nicht, andererseits 
blieb Rom auch nach der gründung des ,neuen Rom‘ im ansehen 
der weltherrin. Der zweite zusatz aber weist auf die zeit nach Au- 
relian hin, dessen mauer den grössten umfang Roms bezeichnet (vgl. 
Jordan, 'lopographie der stadt Rom ] p. 343 ff.) uud grenzt so 
besser den terminus post quem für die zeit der lateinischen bear- 
beitung ab, den Landgraf (Zeitschrift f. ósterr. gymn. 1882, p. 429 f.) 
schwerlich mit recht in den ausdrücken victoriosissimus und domi- 
nus et deus als titulntur zu finden vermeint hat. 

Andererseits scheint uber in der zeit, wo Julius Valerius den 
griechischen Alexanderroman bearbeitete, diese erweiterung der 
enceinte Roms, oder vielmehr der frühere umfang der stadt, in der 
erinnerung der zeitgenossen lebendig gewesen zu sein, da sich der 
schriftsteller zu einem derartigen zusutz veranlasst fand. Man wird 
daher nicht weit sich von der zeit der erbauung der aurelianischen 
mauer entfernen dürfen, wenn man des Julius Valerius epoche be- 


1) Ueber Constantinopel vgl. Orosius III, 13, 2. . 





Miscellen. 413 


stimmen will, und dürfte nicht ganz fehlgehen, wenn man ihn um 
300 n. Chr. ansetzt. 

Zur voraussetzung hat diese annahme freilich, dass jener zu- 
satz über den spüteren umfang Roms wirklich von Julius Valerius 
herrührt und nicht etwa schon in einem besseren text der griechi- 
schen recension A zu finden war, als wir ihn heute besitzen. Die 
armenische übersetzung scheint nach Zucher's mittheilungen (Pseudo- 
Callisthenes p. 96—99) diese vergleichung des umfanges der 
grössten städte der welt nicht wiederzugeben, da sonst wohl Za- 
cher auch diese übereinstimmung zwischen Valerius, der armeni- 
schen übersetzung und dem griechischen text A erwähnt hätte, 

Welchen nutzen diese bestimmten zahlenangaben des Alexauder- 
romans für die topographie der berührten stüdte haben vermag ich 
nicht zu entscheiden; doch lässt die bestimmtheit der angaben wohl 
annehmen, dass sie auf officiellen vermessuugen beruben (uous 
749 &ywgoyguq 9 cav xui EueronInouv). Dann wäre die difie- 
renz gegenüber der Vespasianischen messung Rom's doch wohl von 
einiger wichtigkeit. Eine lateinische quelle lag für dieselben dem 
Pseudocallisthenes wohl sicher vor. 


Gottingen. K. Boysen. 


14. Bekenntniss und nachtrag zu ob. I, p. 181. 


In der oben p. 181 behandelten stelle von Cic. Tusc. 1, 1, 
4 muss ich zu meiuem grossen leidwesen bekennen, einen prosodi- 
schen schnitzer begangen zu haben, indem ich ,,humanos als Bac- 
chius behandelte; also fallen die darauf gebauten schlüsse zum theil 
zusammen.  Nichtsdestoweniger aber glaube ich, dass die vermu- 
thung, wir hätten an dieser stelle ein poetisches citat vor uns, 
wohl berechtigt ist. Die wiederholung des unmittelbar vorher aus- 
gesprochenen gedankeus virtus . . . omnia, quae in hominem ca- 
dere possunt, subler se habet, in den worten eaque despiciens casus 
contemnit humanos, ist doch eine zu vollstándige, als dass sie nicht 
gerne ihre entschuldigung in einem citat fünde, und letztere worte 
selbst bieten immerhin ansehnliche reste von hexametrischen reihen, 
deren ergünzung sich zum theil aus dem vorhergehenden unge- 
zwungen ergiebt. Wenn man danu die worte 

(omnia) despiciens casus contemnit v — v 
humanos. 

liest, und aus dem zusammenhange auch das ende des ersten verses 
auszufüllen sucht, so bietet sich allerdings im vorhergehenden nur 
das wort avunclus, durch desseu aufnahme wir jedoch (etwa unter 
die veränderung von contemnit in contempsit) zu der annahme ge- 
nithigt würden, es seien diese worte auch hei ihrem ursprunge 
direkt an den M. Brutus gerichtet gewesen, etwa als Cicero ihm 





414 Miscellen. 


den Cato übersandte. Wem diese annahme nicht gefillt, dem stebt 
die ergänzung der lücke durch ein substantiv oder adjectiv wie 
honestus oder auf andere weise frei. 


Glückstadt. D. Detlefsen. 


C. Geschichte der philologie. 
15. Zum leben des H. Stephanus. 


Im 89. bande der Fleckeisen'schen Jahrb. p. 844 veröffent- 
licht Max Diuse drei unedirte briefe vou Henricus Stephanus; 
einen aus einer sammlung der Strassburger stadtbibliothek , zwei 
aus der collectio Camerariuna der Münchner hof- und staatsbiblio- 
thek. Mit recht bemerkt hiebei der heruusgeber, dass, da uns so 
überaus wenige briefe von H. Stephanus erhalten sind, jeder bei- 
trag willkommen sein muss. Es dürfte daher vielleicht auch den 
beifall mancher leser finden, wenn ich die aufmerksamkeit auf einen 
brief des H. Stephanus zu lenken versuche, der zwar bereits ge- 
druckt ist, aber, wenn uicht alles trügt, den philologen bisher ent- 
gaugen ist. Durch einen günstigen zufall fügt es sich gerade, 
dass dieser brief in maucher beziehuug eine ergänzung zu dem 
dritten der von Dinse veróffentlichten briefe bildet. Hier schreibt 
H. Stephanus un Joachim Camerarius (den inclytae Noribergae me- 
dicum): Meae ad S. R. Imp. ord. epistolae mitto exempla bina, 
serm. Latino, et totidem Germanico. tibi una, fratri altera. Quum 
enim nullum de antea missis responsum accepissem, pro non missis 
habenda existimavi. De hac epist. libenter utriusque. iudicium. au- 
diam. Verum et quiddam aliud ad mearum orat. argumentum 
pertinens editurum me spero. Rem mihi gratam facies, si curabis, 
us meae ad dominum vicecancell. literae et liber necnon charta 
quas milto, in eius manus perveniant. Zum verständniss der stelle 
ist es nothwendig, das eingreifen des H. Stephanus in die damals 
so brennende frage der Türkenkriege sich zu vergegenwärtigen. 
H. Stephanus erschien nämlich auf dem reichtstage, der zu Re- 
gensburg 1594 abgehalten wurde, mit zwei reden, von denen die 
erste den titel führt: Oratio adversus lucubrationem Uberti Folietae 
de magnitudine et perpetua in bellis felicitate Imperii Turcici, die 
audere Exhortatio ad expeditionem in "Turcas fortiter et constanter 
persequendum (cf. Renouard, Annales de l'imprimerie des Estienne 
py. 156). Diese reden sind es, auf die mit den worten meorum 
ora. argumentum angespielt wird. Nach seiner rückkehr nach 
Frankfurt schrieb H. Stephanus 5.sept. 1594 eine epistola an den 
kaiser und die stünde und fügte zwei hexametrische gedichte 
in denen die soldaten zur einigkeit und maunszucht ermuntert wer- 
den. (Cf. Dinse 1. c. p. 853 sq.). Auf diesen brief beziehen sich 
die eingangsworte der ausgehobenen stelle. 





Miscellen. 415 


Wes H. Stephanus über die besorgung gewisser schriften 
durch J. Camerarius an einen vicekanzler schreibt, deutet Dinse 
p. 847 |. c. richtig dahin, dass es sich hiebei um eine geldunter- 
stützung von seite des fürsten des kanzlers handele. Dieser zweck 
tritt klar und unverhüllt hervor in einem gleichzeitigen brief des 
H. Stephanus an den fürstbischof Julius von Würzburg. Derselbe 
steht in dem buch Virorum doctorum epistolae selectae. Ed. Theod. 
Frid. Freytag. Leipzig 1831 p. 131, dessen kenntniss ich einem 
gewiegten kenner der frünkischen geschichte verdanke. Die brief- 
sammlung, die hier veróffentlicht wird, stammt nach einer vermu- 
thung des herausgebers vielleicht aus dem nachlass des genannten 
fürstbischofs. Schon auf dem reichstage zu Regensburg suchte sich 
H. Stephanus dem fürstbischof Julius zu nähern; allein obwohl ad 
alios principes aditus semel tentatus pateret, wurde ihm der zutritt 
zu demselben versagt. Einen neuen versuch machte H. Stephanus 
auf der rückreise von Regeusburg nach Frankfurt; er hielt sich, 
wie er schreibt, eigens zu dem zweck, eine audienz bei dem für- 
sten zu erlangen, einen tag in Würzburg auf. Wie es scheint, 
begleitete ihn der bekannte jesuit N. Serarius auf dem gang zur 
residenz des fürstbischofs; denn er schreibt in einem auch sonst 
interessanten briefe an J. Lipsius (Burmann, Syll. I 609): Aderus 
hisce diebus, cum Ratisbona  Francofurlum — properaret , Henricus 
Stephanus. optabam vel supremo isto aevo ad Ecclesiam eum redire, 
neque omnino abhorrere videbatur, sed post ultro citroque sermones, 
ut fit, varios, quidnam de Lipsii stylo mihi viderelur rogabat. Nam 
ad arcem eum cum deducerem bonumque senem. fatigatum 
sentirem , quasi iocans pausandi verbo usus eram, — Respondi, 
quod profecto est, me huiuscemodi rerum Paluemonem minime ido- 
neum, in paucis tamen, quae adhuc. legissem, Lipsianis operibus mi- 
rari me antiquitatis cognitionem, sententiarum, chriarum, apoph- 
thegmatum copiam, ordinem, delectum. Ille assentiri ; sed multorum 
fum rogatu se de Lipsiana oratione commentariolum apparare, iam- 
que epistolam unam edidisse, qua se nec Lipsomimum nec Lipsio- 
momum profitiretur. 

Nachdem die versuche Stephanus’, in persónliche berührung 
mit dem fürstbischof zu kommen, gescheitert waren, schlug er ei- 
nen andern weg ein; er schickte ihm, wie wir aus dem briefe er- 
sehen, die Epistola ad sacri Rom. imperii ordines, mit den versen, 
welche er characterisiert als simul ct censorii et hortatores. Ueber 
die abfassung der epistola berichtet unser brief genaueres: tribus 
linguie scripta illa quidem, a me Lutina et Gallica, ab alio autem 
quodam in Germanicum versa. Wie in dem brief an Joachim Ca- 
merarius, so verspricht H. Stephanus auch in dem unsrigen ein ad- 
ditamenium ; er sagt: Jam vero et quoddam scriptum velut. addita- 
mentum ad illas duas de bello Autiturcico oraliones meas his nun- 
dinis in lucem dare decrevi, quo spero me homines, quibus num- 





A16 Miscellen. 


maria adsint praesidia ef minime saxea aut ferrea sini pectora, 
ad miserandam fratrum suorum inter arma "Turcica vicem ideoque 
ad consustinendos belli Antiturcici sumptus esse flexurum, si non 
omnes, haud parvam saltem eorum partem. Das quiddam aliud in 
dem brief an Camerarius bezieht Dinse auf das buch de Lipsii 
Latinitate, in dem bekanntlich weniger von Lipsius als von dea 
Türkenkriegen die rede ist, und das deshalb J. Scaliger scherzhaft 
de Latinitate Lipsiana adversus Turcam nannte (Renonard |. ec. 
p. 157). Dass diese interpretation uurichtig ist, zeigt unser brief, 
der nur 4 tage später als der an Camerarius geschrieben ist !). 
Wir ersehen aus demselben, dass H. Stephanus ein ,,specimen einer 
schrift schickt, die er palaestra uennt; es ist dies aber die schrift 
De J. Lipsii Latinitate (vgl. Renouard |. c. p. 157); Stephanus 
falrt in seinem briefe fort: Sed hoc tamen opus mihi parergon 
erit; at vero alterum illud, ad quod munificentiae $uae auzilium et 
posco el expecto, non parergon, sed ergon est futurum. Mit diesen 
worten stellt er also ausdrücklich das noch zu schreibende werk, 
für dessen drucklegung die materielle hülfe des fürstbischofs in 
auspruch genommen wird, im gegeusatz zu: De J. Lipsii Latinitate 
Palaestra. Ueber deu inhalt des beabsichtigten werks gibt wenig- 
stens eine andeutung folgende stelle des briefs: Atqui, ut a parergi 
menlione ad ipsius ergi mentionem redeam, sunt qui non solum ea, 
quae addere ad meas de bello Antiturcico orationes decrevi (conti- 
nuato earum praesertimque posterioris argumento), 
sed etiam illas ipsas orationes in Germ. etiam Ital. et Gall. ser- 
monem ut vertendas, deinde excudendas curem hortentur. (Ac iam 
certe illarum orationum posterior in Germ. versa fuit). Nec vero 
repulsam illi a me patientur, si a te repulsam passus non fuero. 
Und so kehrt melrmals der grundgedanke des briefs wieder: geld. 
Quicquid mihi facultatum erat, exhausit dieser aufeuthalt in Frank- 
furt und die reisen. 

1) Beide briefe sind von Frankfurt und datirt, der eine unter 
dem 18. jan., der unerige unter dem 17. jan. 

Würzburg. M. Schanz. 


D. Auszüge aus schriften und berichten der ge- 
lehrten gesellschaften, sowie aus zeitschriften. 


The Westminster Review 1880. Bd. 58. Juli. The Place 
of Socrates in Greek Philosophy. P. 18—62. Im anschluss an 
Zeller, Die philosophie der Griechen. Bd. M, abth. 1. „Zeller 
sucht augenscheinlich Sokrates in eine linie zu stellen mit der 
grossen überlieferung älterer griechischer philosophie, ibn deutlich 
von den sophisten zu unterscheiden und auf seine initiative die 
methode des Plato und des Aristoteles in der erforschung der er- 
kenutniss zurückzuführen. Wir können nicht zugestehen, dass die- 


Miscellen. 417 


ser dreifache versuch ihm gelungen sei“. Der verf. selbst bes 
hauptet, „dass Sokrates zuerst die idee, nicht des wissens, sondern 
des geistes in seiner ganzen bedeutung aufstellte, dass er zuerst 
den ganzen kreis menschlicher interessen, so weit sie durch den 
geist beeinflusst sind, studierte, dass er durch die begründung der 
dialektik diesem studium seine gehórige methode gab, und dieser 
methode gleichzeitig den einzigen gegenstand anwies, an. welchem 
sie mit erfolg ausgeübt werden kann, endlich, dass durch diese 
seine unsterblichen schópfungen die philosophie hergestellt wurde 
und eine dreifache bewahrbeitung erhielt, erstlich durch das leben 
ibres stifters, zweitens durch den erfolg, mit welchem sein streben 
einer ganzen schaar von jüngern mitgetheilt wurde, drittens durch 
die ganze folgende geschichte des denkens*. Diese bebauptungen 
sucht der verf. — nach seinen citaten zu schliessen, derselbe, wel- 
cher im januerbeft über Early Greek thought, im aprilheft über 
The Greek Humanists geschrieben hat — punkt für punkt zu er- 
weisen“. — Anzeigen von Wallace, Outlines of the Philosophy of 
Aristotle (ein auszug aus seinem grüsseren werk Synopsis of the 
Aristotelian Philosophy) und von Hodgkin, Italy and her Inva- 
ders, 2. bd. 

October. Paul and Seneca. P. 309—332. Im anschluss an 
Baur, Drei abhandlungen zur geschichte der alten philosophie und 
ihres verhältnisses zum christenthum. „Die enge ühnlichkeit der 
theologie Seneca’s mit der des Paulus wird leicht auch ohne die 
hülfe der vermuthung einer persónlichen bekanntschaft zwischen ih- 
nen erklärt“. — Plato and his Times. P. 399—418. Im an- 
schluss an Jowett, The Dialogues of Plato Translated into English 
und Zeller, Die philosophie der Griechen, fortsetzung des oben an- 
geführten aufsntzes. Der verfasser sucht in diesem (ersten) artikel 
zwischen den ülteren und den spáteren dialogen zu unterscheiden 
und beiden gattungen eine verschiedene tendenz zuzuschreiben. — 
Anzeige von Church, The Trial and the Death of Socrates, 
being the Euthyphron, Apology, Crito and Phaedo by Plato, trans- 
lated into English. 

1581. Bd. 59. Januar. Plato als neuerer im anschluss an 
Jowett, Plato's dialoge in's Englische übersetzt. (Fortsetzung aus 
bd. 58. october. 1880). Der aufsatz, welcher am ausführlichsten 
die respublica und theilweise mit geringschützung die leges berück- 
sichtigt, fasst seine etwas schwerfälligen auseinandersetzungen in 
folgender weise zusammen: Plato dehnte die philosophie des gei- 
stes dahin aus, dass sie nicht allein ethik und dialektik , sondern 
auch das studium der politik, der religion, der socialwissenschaft, 
der schönen kunst, der sprache und der erziehung begriß; er lehrte, 
wie ideen in der umfassendsteg weise auf das leben angewendet 
werden können. Er sah ferner, dass das studium des geistes, um 
vollständig zu sein, die kenntniss der natürlichen erscheinungen und 

Philologus. XLII. bd. 2. 271 





418 Miscellen. 


der realitäten, welche ihnen zu grunde liegen, erfordert; demge- 
miss griff er auf die objectiven speculationen zurück, welche zeit- 
weilig aufgegeben worden waren, so eine vermittelung  bildend 
zwischen Sokrates und Aristoteles. Er gründete die wissenschaft 
der physik auf die mathematik, in dieser weise eine methode der 
untersuchung aufstellend, welche seitdem immer in ausübung ge- 
blieben ist. Er gab die umrisse einer neuen religion, in welcher 
moralität für beobachtung der gebräuche und einsicbtige  nachab- 
mung gottes für bliude unterwerfung unter seinen willen einge- 
setzt wurde, eine religion des monotheismus, der humanität, der 
sittenreinheit und des musterlichen lebens; und war ausserdem der 
schöpfer der mustergültigen prosa. — Anzeigen von Sharpe, 
The Epistle of Barnabas, from the Sinaitic Manuscript of the 
Bible with a translation (into English); von E. von Schmidt, Die 
philosophie der mythologie und Max Müller; vou Minton, Die 
grosse pyramide. — April. Anzeigen von Wallace, Ueber epi- 
kurüismus; von Zeller, Geschichte der griechischen pbilosophie von 
Alleyne ins Englische übersetzt; von Trollope (dem bekannten ro- 
manschriftsteller), Leben Ciceros. 

Revue Archéologique 1878. Nr. 3. März. J. Mordtmana 
(sohn): Allerlei epigraphisches (forts. aus d. februarheft). 13 bas- 
relief eines leichenschmauses, einen mann, eine frau und drei kinder 
zeigend. Darüber: 


. + + 6 Cov Éavi xai T7 yuvas- 
xi. . Ja uvelas yàg, 
14. Leichenschmaus in einem bas-relief, welches einen manu, 
eine frau und zwei kinder zeigt (mit abbildung). Darunter: 
"dmlüg ZÉvuvog xal i yvv] av- 
tov Tivxurng Xasgfov yalgerus (anstatt yalgere) 
Der name Z'vxurn ist neu. 
15. 
°Evdade yaîa xartyı do- 
uveivov viov Hoaxietdou 
Tvgavov uno mooyovwv tb- 
yevn Cyoavra Ern elxooc 
rjv OrjÀm» avéorncay 
Adonisog *HoaxAstdng warn @° 
xai Madayava unrno 
uviunc dou | 
Die form Tvgavog (statt Tugarns) aus Tuoas am Deiestr wird 
durch diese inschrift bestätigt, findet sich übrigens ausschliesslich 
auf den münzen dieser stadt. Der name Mayadava ist barbarisch. 
16. 
| Zeßroog Nixoundouç Cyoas xoculwe Ern EBd(o)urxovın: yége 
i nagodeita . 





> 
BENE _ n 


Miscellen. 419 


17. 
Curfios 
ylevapevn 
P)Aweervstov 
oxQiviaotov 
Tuc èredev- 
meev (mvs) Mag- 
thou y jutog 
18. Ein sarkopbag 
4ovociog Oeorlelplou news Cyoag Er AB yaîoe 
Tourret: Epigraphische studie. Der verf. vergleicht die alten christ- 
lichen inschriften mit den von dem beil. Augustin in der schrift De 
cura pro moriuis gerenda niedergelegten ansichten, auch die heid- 
nischen vorstellungen berücksichtigend, welche in beide mit einge- 
flossen sind. — Edm. Blanc: Bemerkungen über einige galloro- 
manische texte der seealpen, welche geographische namen enthalten. 
Davon neu: 


FAGO DEO 
€ SEC V NDVS 
CF : PATERNVS 
EXPAG : STAR 
VIC : VEL 
GRAV : INF: LIB... 
V SLM 
Die vorletzte zeile heisst gravi infirmitate liberatus. Der gott 
Fagus ist schon sonst bekannt; pagus Staro muss das jetzige Ro- 
questeron, in dessen nühe die inschrift sich befindet, sein; der vicus 
Vel... kann das jetzige Velacié oder das jetzige Velostine sein. 
Eben daselbst auf einem felsen neben einer quelle 


BIBE MVLTOS ANNOS BIBAS 


In Roquesteron selbst: 


M: CVPITI : PA 
TERNI : DECV 

RIONI : A LXXV 
TVTVS FIL 


In Penne: 
P: MON[TA] 
NIO FILI[I] 
PATRI PfI[O 
VIVIS(sic)[PO] 
SVER[VNT] 
Den in einer (von Bourquelot p. 122) schon veröffentlichten in- 
schrift erwühnten pagus Liccirus glaubt er in Lucérame, den vicus 





420 Miscellen. 


Cuntinus (bei Joffredy, Storia delle Alpi maritime p. 160) in dem 


dorfe Contes wiederzufinden; die pagani Beretini der folgenden 
inschrift DEO 


MARTI - IEVSD 
RINO-PAG-BERETI 
NI DE SVO SIBI 
POSVERVNT 
in Berre. — Maspero: Uebersetzung des ügyptischen mürchens 


von den beiden briidern (s. rev. arch. 1852, VIII, 352 und Brugsch, 
Aus dem O. 1864, p. 7). — Ch. Chipier: Denkschrift über den 
hypäthrischen tempel. In der einleitung seines aufsatzes verspricht 
der verf. zu zeigen, dass ein tempel dieser art, und ohne unter- 
brechung der geraden linien, oben geschlossen und doch erhellt 
sein konnte (mit einem plan des plafonds und der überdachung). — 
R. Mowat: Gallische iuschrift etc. (s. febr.) Diese inschrift rührt 
nicht aus Paris, sondern aus Néris-les-Bains (Allier) ber, welches 
durch das geotile Neriomagienses und durch den namen des gottes 
Nerios, des beschiitzers der heilquelle in inschriften vertreten ist. — 
M. Alberi: Die ausgrabungen der Piazza di Pietra in Rom; es 
ist eine frauenstatüe in relief an einem marmorsockel gefunden 
worden, suf welchem wahrscheinlich eine kaiserstatue gestanden 
bat. — Unter den nachrichten wird ein bericht über den 44, 
wissenschaftlichen congress, der diesmal in Nizza stattgefunden hat, 
mitgetheilt; ferner ein auszug aus der Times (5. febr.) über die 
neuesten entdeckungen in Mycenae; die auffindung einer völlig un- 
beschüdigten überlebensgrossen statüe der Julia Domna aus einem 
stück numidischen marmors, eines kunstwerks ersten ranges in 
Djimillah (Algerien), endlich die entdeckung eines gallorömischen 
monuments, vielleicht eines tempels zu Merten bei Metz. — An- 
zeigen von Revue des revues et publications relatives à l'antiquité 
classique (4e cahier de la Revue de philologie pour 1877); von 
Fleury, Antiquités et monuments du département de V Aisne, ei- 
nem werk, das die abbildung vieler antiquitäten giebt. 

Revue critique d'histoire et de littérature 1875. Nr. 12. 
Von Duhn: De Menelai itinere Aegyptio, empfohlen von Weil. — 
Nr. 13. Jacob: Oeuvres de Tacite, texte latin, avec un commen- 
faire. Nach dem recensenten sind die kritischen anmerkungen über- 
flüssig , da der verf. sich nach dem texte Orelli's richtet; manche 
erklürende noten unnütz oder ungenau; die ganze arbeit trotzdem 
beachtenswerth. — Nr. 14. Egger: Notions élémentaires de 
grammaire comparée, 7. édit. empfohlen von Bréal. — Stender: 
De Argonautarum ad Colchos «usque expeditione fabulae historia, 
sehr gerühmt. — Th. N.: Remarques supplémentaires sur le Dic- 
tionnaire éiymologique latin etc. sanscrit de Zehetmayr ; der verf. 
sucht das buch gegen die recension in der rev. crit. 1874, nr. 38 
jn schntz zu nehmen. 





I. ABHANDLUNGEN. 


I XV e 
Die Archimedeshandschrift Georg Vallas. 


Dess unsere iiberlieferung der griechisch erhaltenen schriften 
des Archimedes lediglich auf der jetzt verschollenen handschrift 
Georg Vallas beruht, ist allgemein anerkannt. Zur geschichte die- 
ser handschrift habe ich jetzt einige neue data aufgefunden, die ich 
in diesen blüttern mittheilen werde, indem ich zugleich einige frü- 
here irrthümer berichtige. 

Unter denjenigen humanisten, die iu Griechenland selbst hand- 
schriften ankauften , wird auch Rinucci da Castiglione genaunt. 
Seine früheren schicksale sind uns gänzlich unbekannt; sein name 
taucht in den briefen Ambrogio Traversaris an Niccolo Niccoli 
aus den jahren 1422— 23 zum ersten male auf. Wir ersehen dar- 
aus, dass er 1422 in Griechenland war, wo er handschriften, wie 
es scheint, zum theil für fremde rechnung kaufte, uud wo er mit 
Giovanni Aurispa zusammentraf. Er hatte von seiner reise und 
seinen unternehmungen au Niccoli geschrieben, dieser aber, der 
überhaupt dem manne nicht gut war, hatte nicht geantwortet, 
Man wusste aber doch iu Florenz, wahrscheinlich aus Riuuccis 
briefen, dass er einen Archimedes gefunden haben wollte. Da man 
in Italien von den schriften des grossen mathematikers, dessen ua- 
men und ruf man u. a. aus Cicero und Augustinus kannte, bisher 
nichts gewusst, war man trotz Niccolis zweifel nicht wenig darauf 
gespannt, wie es sich mit dieser entdeckung verhalte. Als Rinucci 


Philologus. XLII. bd. 3. 28 





422 Archimedes. 


in den letzten monaten des jahres 1422 aus Griechenland nach 
Venedig zurückkehrte und darauf nach Bologna ging, scheint es, 
dass sofort unterhandlungen eingeleitet wurden, die aber von Ri- 
nucci mit ausweicbenden antworten hingehalten wurden. Im de- 
cember 1422 !) berichtete ein gewisser Filippo dem Traversari, 
dass er von einem augenzeugen wisse, Rinucci besitze in der that 
einen Archimedes, und zwar bei sich in Bologna, und Ambrogio 
machte anstalten, die handschrift schnell abschreiben zu können, 
wenn sie nach Florenz, wie er hoffte, geliehen würde. Er schreibt 
an Niccoli (epp. VII, 6): Philippus noster ante plures dies pro- 
fectus ad me adseruit sibi esse exploratissimum, Archimedem illum 
Bononiae apud Ranutium servari; didicisse se id ab eo, qui volu- 
men ipsum viderat. pollicitus est, daturum se operam, ut quam pri- 
mum perferatur ad nos transscribendum. adducebar fore, ut irem 
in Plutarchi. sententiam, qui virum. ipsum nihil scripsisse adserit. 
sed continuit me Augustini nostri maior auctoritas, qui in eo libro, 
quem scripsit de utilitate credendi, quum quiddam a contrario pro- 
bare cuperet, inter cetera adiecit. in hunc. sensum (nam verba nou 
teneo): ac si quis Epicuro legendum daret Archimedis geometriam, 
cuius ille rei fuit imperitissimus. Si venerit in manus nostras, 
cilius omni opinione exarabitur. adsuefacio manum scribendis. li- 
teris Graecis ex traducendi, quam cepi, exercitatione, illumque ma- 
ture absolvam. 

Kurze zeit danach kam aber Filippo wieder einmal zu 'Tra- 
versari und sprach jetzt weit weniger zuversichtlich von dem Ar- 
chimedes Rinuccis; die handschrift sei gar nicht in Bologna, son- 
dern ip Venedig zurückgelassen. Epp. VIII, 5 (decemb. 1422): 
admonui illum [d. h. Filippo] Archimedis, quem alias se habiturum 
speraverat. respondit. lentius, quam vellem, ac primo adseruit, se 


1) Für das jahr 1422 genügt es auf Voigt, Wiederbelebung des 
class. alterth. I p. 267 zu verweisen. Epp. VIII, 5 ist zwar XV. kal. 
jan., VIII, 6 dagegen VI kal. jan. datiert. Aber hier muss ein irr- 
thum sein; VIII, 6 ist früher geschrieben als VIII, 5. Denn VIII, 6 
p. 365 heisst es: si (amen quaesturae onere levatus fuero prorimis Ka- 
lendis, cuius tamen rei nullam certam spem teneo, dagegen VIII, 5 p. 
861: accessit. annus quaesturae nostrae permolestus sane studiis nostris. 
In VIII, 6 beklagt sich Ambrogio, dass ihm Niccoli nicht geschrie- 
ben; VII, 5 &ussert er seine freude, dass die briefwechselung wieder 
aufgenommen sei, um andere merkmale zu übergehen. Ich benutse 
Mehus ausgabe der briefe. Florens 1759. 


Archimedes. 428 


facturum [l. facium] certiorem, librum ipsum non Bononiae apud 
Rinutium esse, sed Venetiis, nec putare se facile id posse consequi, 
quod quum esset Scriba Decemviralis, auctoritate illorum potuisset. 
fractus, fateor, lassusque magna de spe sum. 

Auch von anderer seite wurde dem Traversari bestütigt, dass 
Rinucci wenigstens in Bologna den gewünschten codex nicht habe; 
er musste aber dennoch auf verlangen Niccolis an Thomas Sarza- 
nensis, den spüteren pabst Nicolas V schreiben, der sich damals in 
Bologna als famulus des bischofs aufhielt, um durch ihn den Ri- 
nucci zur auslieferung der handschrift zu bewegen. Epp. VIII, 
32): ad Thomam illum nostrum episcopi Bononiensis. alumnum 
virumque peritissimum scribam, ut hortaris, nihilque omittam dili- 
gentiae.  Rinulio illi [vielmehr ipsi] scribere supersedebo, ne com- 
memoratione Archimedis intumescat magis atque insolentior fiat, si 
nos illum tanta ope requirere et desiderare providerit. hoc tibi se- 
cure polliceri posse videor, Archimedem ipsum Bononiae non esse. 
Petrus enim ille memoriosissimus adserit, se, quum Bononiae esset 
atque cum illo familiariter colloqueretur, cuncta, quae apud illum 
erani, volumina vel vidisse vel ex ore eius audivisse, Archimedemque 
ipsum nunquam comparuisse. 

Nicht nur Thomas Sarzanensis, sondern auch Aurispa und eiu 
mönch Andreas Ariminensis wurden in der sache in bewegung ge- 
setzt. Niccoli schrieb selbst an Rinucci, Francesco Barbaro wurde 
ersucht, sich bei dem Legatus Bononiensis, dem gónner Rinuccis 
zu verwenden, aber lange zeit war alles vergebens. Epp. VIII, 11 
(1. febr. 1423): "Thomae nostro de Sarazano, ut iusseras, scripsi 
admonuique earum rerum, quae ad studia humanitatis pertinere vi- 
debantur, loanni item  Aurispae: Archimedis instrumenta omnia 
vereor ne tandem imbecilliora sint atque obstrusiora, quam ut ars 
Rinutii possit eis delegi vel tenacia frangi. nunquam in lucem 
illum venturum spero; ita varius et ambiguus est. Epp. VIII, 12 
(25. febr.): literas ab eruditis viris fratre Andrea Ariminensi et 
Thoma Sarzanensi ex Bononia accepi. utrique mandaram , ut Ar- 
chimedem illum Arimino [l. a Rinutio] extorquere contenderet. 


2) Der brief ist zwar nicht datiert, muss aber unmittelbar nach 
VIII, 5 geschrieben sein wegen folgender stelle p. 355: quod proro- 
gatum mw quaesturae tempus moleste feras, amplector eximium in me 
studium (uum. 


28* 





424 Archimedes. 


quid egerit quidve sperandum sit, ex illorum litteris, quas mitto 
ad $e, melius et apertius scies. Epp. VIII, 8 (24. mai): Thomas 
ipse nullas ad me post illas priores, quas ad te misi, literas de- 
dit. Rinutius nunquam scripsit ad me. certior tamen factus sum, 
illum questum cum amico communi, cui legendas dedit literas ad 
se tuas, quod illum in scribendo minus honorifice tractare visus sis. 
displicuit haec ipsius levitas maximum in modum. a Barbaro «o- 
stro literas accepi . . . scripsi ad illum de Archimede illo, quem 
ipsi a. Rinutio extorquere non possumus. acturum se pollicitus est 
cum Legato Bononiensi , quantum poterit, ut liber ipse in lucem 
veniat. Epp. VIN, 9 (21. jun): Rinutius Romam, ut factus sum 
certior, Cardinalis illius sui comes proficiscitur. ad Barbarum no- 
strum ut scribas oro. 

Erst im juli gelang es dem 'Traversari eine zusammenkunft 
mit Rinucci zu erhalten, als er mit dem Legatus Bononiensis in 
Florenz war. Der mann betrug sich sehr unangenehm, aber er 
gestand im letzten augenblicke, dass er wirklich den Archimedes 
besitze, und liess sich das versprechen abnóthigen, den kleinen 
band recht bald nach Florenz zu schicken. Ambrogio giebt Epp. 
VIII, 28 dem Niccoli eine launige schilderung seines besuchs (26. 
juli): quum profectus esset ad nos Legatus ille Bononiensis, explo- 
ravi diligenter, an vel Aurispa vel Rinutius secum advenisset. com- 
perto autem Rinutium solum  adplicuisse conveni illum per literas 
orans, ut ad me pergere dignaretur visitationisque suae gratiam 
mihi impendere. adcessit continuo fuitque mecum aliquamdiu coma- 
tulus ac nitidus praecinctusque ad agendum iter. quid plura? post 
salutationis officia, quibus amice eum et honorifice satis excepimus, 
ingressus est ille prior non quidem mutuae collationis sed perpe- 
tuae orationis campum. ita enim continuata dictione sicque sine 
ulla respiratione peroravit, ut mihi secum agendi, quae multum cu- 
piebam , facultas omnis intercluderetur. vix enim brevia quaedam 
interloqui necessario poteram. denique totum fere monasterii ambitum 
lento satis passu deambulando circuivimus, quum nihil ferme illum 
rogare ex his, quae pertinent ad studia nostra, datum est. erat 
omnis sermo eius inconstans et varius. nam modo Graecos perfidiae 
insimulabat, modo praecipuam humanitatem praedicabat seque apud 
illos quam in patria et genitali solo vivere et emori malle dispo- 
nebat. carpebat plerumque ex ingeniis "Tuscis, magnam istic invi- 


Archimedes. 425 


diam latere, quae natos ad haec studia iuvenes in ipso suo conatu 
obtundere semper aique impedire consuesset; nullum ad virtutem 
illorum malevolentia patere aditum. contra Venetos ambire, fovere 
summisque in coelum laudibus tollere, quod hi specimen humanitatis 
prae se ferunt ac bona ingenia blanditiis , favoribus honoribusque 
publice impensis incitarent atque ad virtutem animarent. qua quidem 
in re elsi veram sententiam ferat, caule tamen utriusque civitatis 
comparationem facere non videbatur. invehebatur acriter in Leonar- 
dum Arretinum pestem. illum studiorum omnium ac perniciem ap- 
pellans. postremo ne tibi quidem parcebat, quin modo satyram obii- 
cerei, modo te ignaviae accusaret , quod quum tibi examussim pere- 
grinationem suam librorumque inventionem per literas significasset 
ut semper distuleris praedamque tibi eripi hac tua cunctatione pas- 
sus sis. missas sibi Venetias [l. Venetiis?] copiosas pecunias, ut 
codices ipsos alterius nomine comparare cogerelur ; neque enim diu 
differre potuisse, quin auctionem faceret. humanitatis studia inter- 
dum praeferre, nonnunquam ita exhorrere videbatur, ut vix librum 
se aperire posse sine capitis dolore fateretur; malle se quodlibet 
aliud agere quam hoc honestissimo docendi studio emendicare victum ; 
ita enim loquebatur paratum se gratis quemlibet docere contestans, 
modo id non necessitate facere cogeretur. haec ferme tota sermonis 
eius ratio est, atque in hanc sententiam cuncta loquebatur. quid 
vis? accessit. ad me tertio®) vixque aliquid ab eo liberius sciscitari 
datum est. convenitque inter nos, ut quam primum fieri posset om- 
nium, quae iuris sui essent. quaeque invenisset, ad me indicem mit- 
teret. Archimedem se habere de instrumentis bellicis et aquaticis 
cum pictura confessus est, neque id esse magnum volumen. exspecto, 
dum promissioni suae satisfaciat. volumen parvulum misil ad me, 
quod quidem peregrina contineret, postridie illud a me recepturus. 
transscripsi ez eo nocte ipsa Platonis definitiones numero, ni fallor, 
centum sexaginta , ubi quid sit dies, quid nox, quid sol, et cetera 
in hunc modum defmiuntur. tres item epistolas Abaris ad Stilari- 
dem ac Pythagorae ad Hieronidem et Lisidis Pythagorici ad Hyp- 
parcum eiusdem sectae philosophum praeclaras scripsi. egi postmodum 
cum illo per litteras, quod coram agere non licuit, oravique, ut Ar- 
chimedem visendi tantum et legendum [l. legendi] gratia transmit- 


8) Scheint verschrieben. 





426 Archimedes. 


feret. nihil hactenus respondit. magno sum animo, si vel XV dies 
apud me permittatur, me illud transscripturum. haec ferme de Ri- 
nutio erant, quae scriberem. adseruit, Aurispam magnum librorum 
numerum secum adverisse, Venetiis octoginta volumina deposuisse 
ibique honorifice tractatum a studiosis omnibus fuisse. 

Hiermit hört alle erwähnung der Archimedeshandschrift Ri- 
nucci's in Traversaris briefen plótzlich auf, und was aus der sache 
wurde, wissen wir nicht. Im august 1423 war Rinucci wieder in 
Florenz, hatte aber keine zeit den Ambrogio aufzusuchen; Epp. VII, 
29 (29. aug.): cum Cardinale illo ipse locutus non sum; nam ad 
nos minime profectus est. Rinutius his diebus legatus ab eo venit 
obque immodicam festinationem me non invenit, misit tamen, qui 
se excusare. Rinucci wird überhaupt nur noch zweimal von Am- 
brogio genannt, Epp. VIII, 22 (an Niccoli): Rinutius noster Ari- 
stotelis ethica a me instanter. efflagitat. heri denuo ad nos pro- 
fectus nuntius iste summi pontificis, qui negotia Cleri componenda 
suscepi? ; oravit me (est enim illi fumiliarissimus), uti eniterer vo- 
luntati eius morem gerere; habere se paratum fidelissimum, qui ill 
perferat, virum, pollicitus sum facturum pro viribus. adcessit item 
Leonardus ille Rinutii familiaris Georgii filius (nosti hominem) et 
me itidem ex ipso rogavit ardenter. duobus id opus aut tribus men- 
sibus adcommodari sibi postulat. peto, Nicolae carissime, supplexque, 
si id pateris, obsecro, uti eius viri desiderio obsequi pergas neque 
id obiicias, quod solitus es, illum ex Graecia nihil secum advexisse; 
nam ut sum certior factus, complura secum volumina Venetias de- 
tulit, quae maturato forte ad se pervehenda curabit , eritque tibi 
facultas omnia illa pro voluntate habendi. movet me multum, fateor, 
huius viri auctoritas, quae magna est, nollemque posse quemquam — 
advertere et ipsum in primis, me abs te quidquam frustra postu- 
lasse, cui nihil negare solitus sis. quaeso mittas ad me unum operis 
ipsius volumen. nam duo, si recte memini, sunt apud te, chartaceum 
alterum, alterum in membranis, VIII, 25: accepi a Rinutio Grae- 
cum ethicorum volumen abs te illi datum mutuo. ipsum ad te mitto. 

Diese beiden briefe entbehren jeder datierung, gehören aber 
entweder vor oder nach der angeführten reibe von briefen; am 
wahrscheinlichsten sind sie früher anzusetzen und dienen dann dazu, 
das verhältniss zwischen Rinucci und dem florentinischen kreise zu 
illustriren, namentlich das misstrauen, das Niccoli gegen den mann 


Archimedes. 427 


und seine vermeintlichen erwerbungen hegte. Rinucci ging spüter 
nach Rom, wo er als lehrer des griechischen thätig war — Valla 
und Poggio waren hierin seine schüler —, bis er päpstlicher se- 
cretair wurde bei Nicolaus V, für den er einige kleinigkeiten aus 
dem griechischen übersetzte. 

Als Ambrogio dem Aurispa von dem Archimedes Rinucci's 
schrieb, antwortete jener, wie folgt (Epp. Ambrosii XXIV, 53, 
27. august 1423): quod Rinutius invenerit Archimedem, possibile 
quidem est, sed mihi verisimile non fit. neminem enim unquam ad- 
locutus sum, qui hunc auctorem se vidisse adfirmaret. at quam so- 
lertiesimus scrutator harum rerum fuerim, certe quandoque scies. 
habeo ego volumen quoddam magnum vetustum Athenaei Atheniensis 
mathematici cum picturis instrumentorum, id volumen est antiquum, 
et picturae non sunt satis aptae, sed facile intellegi possunt. habeo 
et alium mathematicum non perfectum, vetustum etiam, cuius aucto- 
rem ignoro; caret quidem principio. si cui forsan vetustati Archi- 
medis nomen Rinucius infigat, ego non satis scio. verum esse posset, 
quod et ipse meminerit [l. inuenerit] et nec ego nec hi, qui mihi 
locuti sunt, viderint. 

Es liegt nun die vermuthung sehr nahe, dass der coder ma- 
thematicus imperfectus vetustus, wovon Aurispa hier redet, eben die 
alte Archimedeshandschrift sei, die spiter an G. Valla gelangte. 
Vom codex Vallae wissen wir nämlich, dass er sehr alt war, 
wahrscheinlich aus saec. IX, und am anfang und ende unleserlich; 
speziell ist es in einer abschrift davon, cod. Paris. 2361 (C) aus- 
drücklich bezeugt, dass der name des verfassers am anfang nicht 
mehr zu erkennen war (Archimedis opp. HI, p. X). Die zahl der 
alten handschriften griechischer mathematiker ist nicht gross, und 
meines wissens giebt es keine andere, worauf die beschreibung Au- 
rispas passen könnte als eben die Archimedeshandschrift Valla’s. 
Offenbar hat Aurispa seinen namenlosen codex wenig beachtet, so 
dass es nicht unglaublich ist, dass er die über- und unterschriften 
der einzelnen werke, worin Archimede’s name auch im codex Vallae 
mehrmals vorkam, nicht sogleich bemerkt hat; alle seine 300 hand- 
schriften konnte er ja doch nach nur einem jahre noch nicht ge- 
nau durchmustert haben. Ohne zweifel hat er aber bald die autor- 
schaft des Archimedes erkannt. 

Was ist aber mit dem Archimedes Rinucci's anzufangen? Wenn 





428 Archimedes, 


man die geringe meinung bedenkt, die Niccoli, der doch gewiss 
seine leute kannte, von Rinucci offenbar gehegt hat, wozu noch 
sein wunderliches, geheimnissvolles betragen und Aurispas zweifel 
kommen, könnte man versucht sein zu glauben, an der ganzen 
sache sei gar nichts gewesen. Jedenfalls künnen wir so viel mit 
vollständiger sicherheit behaupten, dass der kleine band mit den 
schriften des Archimedes de instrumentis bellicis et aquaticis cum 
pictura, den Rinucci nach seinen äusserungen zu Ambrogio besass, 
mit dem ansehnlichen codex Vallae, worin weder von der einen 
noch der anderen art von instrumenta die rede war, unmöglich 
identisch sein kann. Auch die 2 bücher egi oyouuérwr, woran 
man bei ,,instrumenta aquatica* denken möchte, kann jene hand- 
schrift kaum enthalten haben. Denn das von Mai herausgegebene 
bruchstück (Archimedis opp. Il p. 356 ff.) ist nicht der überrest 
eines griechischen codex, sondern ein ziemlich veruuglückter ver- 
such einer retroversion nach der von Tartaglia herausgegebenen 
lateinischen übersetzung (Venedig 1543)*). Und diese überse- 
tzung selbst ist nicht nur nicht von Tartaglia, sondern überhaupt 
nicht in der zeit der renaissance gemacht. Das beweist bei ge- 
nauerer beobachtung die sprache urid die sklavische weise der 
übertragung aus dem griechischen original, die auf das mittelalter 
weisen. Auch hat Curtze (Ueber eine hds. der kngl. biblioth. in 
Dresden p. 14 ff.) aus einer notiz in einem codex Dresdensis be- 
wiesen, dass c. 1560 eine ohne zweifel lateinische handschrift der 
bücher ng öyovulvwv in Cóln vorhanden war. Eine griechische 
handschrift der oyovussa war gewiss in der renaissance nicht mehr 
vorhanden. Diese aushülfe ist also unstatthaft. Aber vielleicht 
giebts eine andere spur. Die instrumenta bellica e¢ aquatica brin- 
gen sofort Hero in den gedanken, auf dessen schriften Bedonossxa 
und svevuanx (spiritalia) diese bezeichnungen vortrefflich passen. 
Nun enthält Vindobonensis Gr. 113 (Lambecius VII, p. 436) u. a. 
diese beiden werke, und die subscription der Belorosıxa lautet nach 
Lambecius: rélog r&v "Agyıundoug Belonouxwy zwv LEnynIErıwv 
naga "Howvoc Kınoıßlov. Ebenso cod. Monac. 165 (Hardt 1?, p. 
196). Eine ühnliche handschrift besass wobl Rinucci. 


4) Diese vermuthung (Archimedis opp. III p. XXXII not.) habe 
ich in einer abhandlung näher begründet, die in den ,,Mélanges 
Graux“ erscheinen wird. 





- 
Archimedes. 429 


Wenn die oben aufgestellte vermuthung richtig ist, kam also 
die urhandschrift unserer textesüberlieferung des Archimedes 1422 
bis 1423 durch Aurispa von Constantinopel nach Venedig. Aurispa 
scheint seinen schatz eifersüchtig überwacht zu haben oder wurde 
vielleicht durch das fehlen des verfassernamens auf dem titelblatte 
gebindert, den werth der handschrift zu erkennen. Wenn er ia 
Epp. Ambrosii XXIV, 49 zurückfordert von seinen handschriften 
» Athenaeum Goyavoy noAsuxov et nescio quid aliud in mathema- 
ticis‘‘, kann unter diesem ,,nescio quid“ wohl nicht jener band ver- 
standen werden; sonst hätten die Florentiner gewiss die hand- 
schrift copieren lassen und den verfasser entdeckt, uud die copie 
würe in Florenz erhalten; aber noch 1491 war Archimedes we- 
nigstens dea Medicüern etwas neues. Vielleicht liegt in diesem 
zusatze nur soviel, dass in demselben bande mit Athenaeus auch 
andere mathematische schriften enthalten waren, wie denn die me- 
chanici veleres gewöhnlich in den handschriften vereinigt sind. Den 
Athenaeus hatte Aurispa auf Traversaris wunsch (Epp. XXIV, 58. 
60) einem Laurentius sculptor eximius geliehen, ohne zweifel dem 
berühmten Lorenzo Ghiberti, der nach Vespasiano p. 624 ein freund 
Niccolis war. 

Von seinem Archimedes verstattete Aurispa nur wenigen eine 
abschrift zu nehmen. So durfte Nicolaus V, bei dem Aurispa seit 
1447 secretair war und sehr in gunst stand, die handschrift co- 
pieren lassen, und nach dieser sehr interpolirten copie, die vielleicht 
noch in der Vaticana ist, wurde auf geheiss des papstes eine latei- 
nische übersetzung von Jacobus Cremonensis gefertigt (cod. Venet. 
St. Marci lat. 327, Norimberg. cent. V, 15; ed. Basil. 1544). S. 
Archimedis opp. HI, p. XXI ff. Auch Bessarion liess sich ausser 
der übersetzung des Cremonensis (Venet. lat. 327) noch den grie- 
chischen Archimedes abschreiben (cod. Venet. Gr. 305 mit Bessa- 
rious gewöhnlicher signatur xınua Bnocaglwvos xagdnvadéws 10% 
rüv TovoxAwv, also nach dem 2. mai 1449 geschrieben); diese 
copie ist von einem unwissenden schreiber gemacht, und Bessarion 
hat mit eigener hand die schlimmsten fehler berichtigt. 

Aurispa starb 1459, und seine herrliche bibliothek erbte sein 
schwiegersohn Lionardo Sabatino, der bald nachher die bücher ein- 
zeln verkaufte. In einem briefe vom 2. januar 1461 tadelt ihn 
Francesco Filelfo, dass durch ihn suppellez tam praeclara, tam 





480 Archimedes, 


pretiosa zerstreut werde, schliesst aber mit diesen worten: opus est, 
ut librorum titulos mittas et qualitatem et pretium. id cum  didi- 
cero, si libri placuerint, aut ipse veniam aut pretium mittam. Es 
ist also von einem vollstindigen ausverkauf die rede. 

Was bei dieser gelegenheit aus dem Archimedes wurde, er- 
fahren wir aus einer notiz, die Regiomontanus in seiner abschrift 
der übersetzung des Cremonensis (Norimberg. lat. cent. V, 15) ge- 
macht bat. Er bemerkt nämlich zu éxsaédwv icoggon. I, 15 extr.: 
„male stat. vide exemplar utrumque domini Niceni grecum et lati- 
num“ und hat dann später hinzugefügt: „vide etiam exemplar vetus 
apud magistrum Paulum“. Dass mit diesen worten die alte hand- 
schrift Valla's bezeichnet ist, kann kaum bezweifelt werden. Es 
hat gewiss nie eine andere handschrift des Archimedes in Italien 
gegeben, die Regiomontan als ,,eremplar velus'* bezeichnen konnte. 
Auch stimmt die zählung der sätze in regi éA(xcv, die Regiomontan 
mit derselben tinte als jene bemerkung beigeschrieben hat und als 
dem ,,graeco exemplari novo“ (d. h. dem spüter als das exemplar Bes- 
sarion's von ihm benutzten) entnommen bezeichnet, durchaus mit un- 
serer treuesten abschrift des codex Vallae, dem Laurentianus 28, 
4; s. Archimedis opp. Ill, p. XXVI. 

Regiomontanus zog bekanntlich 1461 oder 1462 nach Italien, 
wo er mehrere jahre in Venedig, Ferrara, Padua und Rom ver- 
brachte, griechisch lernte und überall handschriften, namentlich der 
griechischen mathematiker sammelte oder abschrieb. Auf diese 
jahre sind jene bemerkungen zurückzuführen, da sein zweiter auf-, 
enthalt in Italien (Rom) sehr kurz war und von anderen beschäf- 
tigungen aufgenommen. Wenn es also gelingt jenen magistrum 
Paulum zu identifizieren, wissen wir, wo die alte Archimedeshand- 
schrift sich in den jahren 1461— 62 befand. Ich habe früher 
(Archimedis opp. Il p. XXVI) in jenem Paulus deu mönch magi- 
ster Paulus Albertini aus Venedig (1430— 1475) erblickt, weil 
ich aus mehreren gründen den mann in Venedig suchen zu müssen 
glaubte. Diese etwas übereilte vermuthung lässt sich jetzt durch 
eine weit wabrscheinlichere ersetzen. 

In einem briefe Regiomontans bei Murr: Memorabilia biblio- 
thecarum publicarum Norimbergensium. — Norimb. 1786. I p. 148 
heisst es nämlich: M. Paulum florentinum et D. Baptistam de Al- 
berthis sepe audivi dicentes etc., und Murr hat ganz unzweifelhaft 





Archimedes. 431 


richtig in diesem Paulus Florentinus den nicht unbekannten floren- 
tinischen mathematiker Paolo Toscanelli (geb. 1397) erblickt (a. 
o. not. 1). Ihn erwühnt Regiomontanus auch bei Gassendi, Opp. V 
p. 580: qua in re summis arbitris fidem haberi fas erit "Theodoro 
Gazae et Paulo Florentino Graecarum quidem haud ignaro in ma- 
thematicis autem plurimum excellenti, und ihm hatte er seine Elu- 
cubrationes adversus Cusanum dedicirt 5), Von diesem manne nun 
besitzen wir u. a. eine kurze lebensbeschreibung bei Vespasiano 
(Mai: Spicileg. Roman. I p. 660—062), woraus ich folgende stellen 
hervorhebe: Maestro Pagolo di maestro Domenico fiorentino fu dot- 
tissimo in greco ed in latino . . . fu oltre alla astrologia mara- 
viglioso geometra . . . aveva ragunato grandissima qnantità di libri 
in tutte sette Varti liberali così in latino come in greco. Vgl. 
Tiraboschi VI! p. 353. Er besass also wohl den Archimedes nach 
Aurispa, wenn auch das „apud“ des Regiomontanus nicht ausschliesst, 
dass Paolo die handschrift nur leihweise bei sich hatte. Sonderbar 
ist es jedenfalls, dass die Medicäer die gelegenheit versäumten, ihre 
bibliothek mit einer abschrift des werthvollen codex zu bereichern, 
um so mehr als Vespasiano von Maestro Paolo berichtet, er sei 
ein vertrauter freund von Niccoli gewesen, von dem er mit meh- 
reren anderen zum exsecutor testamenti ernannt wurde, so wie auch 
von Lionardo Aretino, Traversari, Carlo d'Arezzo, Giannozzo Ma- 
netti und den übrigen florentinischen gelehrten, ja von Cosimo und 
Lorenzo de' Medici selbst. 

Dieser Paolo starb 1482, so dass wir wohl annehmen kón- 
nen, dass die handschrift von ihm unmittelbar in die hünde Georg 


5) Die dedication in Ioannis de Regiomonte Germani de quadra- 
tura circuli (ed. Schoner. Nürnberg 1583) p. 29: Ioannes Germanus 
Paulo Florentino artium et medicinae doctori celebratissimo ac ma- 
thematicorum praestantissimo s. p. d. (Venet. 1464). In demselben 
buch p. 10—12 findet sich von Nicolaus Cusanus (Briziae 1457): Dia-_ 
logus inter cardinalem Sancti Petri episcopum Brixiensem et Paulum 
physicum Florentinum de circuli quadratura, worin Paulus sagt (p. 10): 
mihi ex Archimede notum est, si semidiametrum circuli duxero in 
lineam aequalem circumferentiae oriri quadrangulum circulo aequa- 
lem. Noch enthält der band p. 5—9 Nicolai Cusani quadratura cir- 
culi, worin er p. 5 die quadratura circuli des Archimedes lobt, und 
dann fortführi: sed dum per elicam hanc ultimam partem se repe- 
risse crederet Archimedes, a vero defecit. elica enim describi nequit 
nisi u. 8. w. (folgt die archimedische definition der El). Das alles 
hatte Cusanus wohl aus der übersetzung des Cremonensis, die thm der 
papst geschenkt (Cusani opp. p. 1004). 





482 Archimede:. 


Vallas übergegaugeu ist. Georg Valla veröffentlichte aus dieser 
handschrift einige fragmente von Archimedes und Eutokios in sei- 
nem ungeheuerlichen werke- De expetendis et fugiendis rebus (erst 
1501 zu Venedig in glinzender ausstattung erschienen) — S. Neue 
jabrbücher. Supplem. XII p. 377 ff. Diese wörtlich und ohne 
verständniss ins lateinische von Valla übertragenen bruchstücke sind 
also das erste, was von Archimedes' schriften gedruckt vorliegt. 
Denn die übersetznng des Cremonensis erschien erst in der editio 
princeps (Basel 1544) im druck, und die übersetzung der Dimensio 
circuli und Quadratura parabolae durch Lucas Gauricus, wahr- 
scheinlich nach der interpolierten handschrift des Nicolaus V, datirt 
erst von 1503 (Archimedis opp. Ill p. XXXIV). 

Georg Valla starb 1499, und seine bücher kaufte der ge- 
lehrte fürst von Carpi Alberto Pio von den erben für 800 ducaten. 
S. Arrianus in Epictet. ed. J. Upton (London 1739) praef.: quem 
(codicem) Albertus ille Pius a Georgii Vallae heredibus cum alia 
eiusdem librorum supellectili octingentorum aureorum emerat pretio. 

. erant autem in hoc Carpensi codice in calce adscripta haec 
verba: liber hic scriptus est manu doctissimi viri Domini Matthaei 
Camarroti Constantinopolitani, quem mihi dono dedit anno 1484 
praeceptor ille optimus. Teweylov roù Buddu ioi To PıßAlor. 
Vgl. die subscription in einem cod. Scorialens. bei Miller: Cata- 
logue des mss. gr. d’Escurial p. 454. Als die Archimedeshand- 
schrift noch im besitz des Alberto Pio war, also zwischen 1499 
und 1531, wurde cod. Paris. 2360 danach abgeschrieben (s. die 
subscription Archimedis opp. Hl p. IX). Cod. Paris. 2360 ge- 
hörte ursprünglich dem florentinischen cardinal Ridolfi (Montfaucon: 
Bibl. bibliothecar. Il p. 774), dessen sammlung 1550 durch Mare- 
chal Pierre Strozzi nach Frankreich kam und in den besitz von 
Catharine de Medicis. 

Alberto Pio schenkte dem Agostino Steuchio ein theil sei- 
ner bücher (Ambr. Morandus vita Steuchii vor dessen Opera, 
Venet. 1791. I, fol. 4.), dessen bruder Fabio wiederum ein 
theil davon dem cardinal Marcello Cervini gab. Cervinis biblio- 
thek erbte cardinal Sirlet, und seine bücher (Catalog bei Miller 
p. 323 ff.) kamen durch mehrere hünde «zuletzt in die Vaticana 
(Anecdota litterar. Romae 1773. I p. 81). Diesen weg hat =. b. 
ein theil von Vaticanus 1316 gemacht, dessen erste hlätter, 





.—- 
_ EN 


Archimedes. 433 


die aufschrift tragen: “AABégrov lov Kagnalwy agyortos xrijua. 
Anders erging es der Archimedeshandschrift. Seine übrigen bü- 
cher testamentirte namlich Alberto seinem brudersohn Rodolfo Pio; 
s. sein testament bei Tiracoschi: Biblioteca Modenese IV yp. 163: 
item lego Rodulpho nepoti meo .. . omnesque libros et codices 
meos cuiuscumque generis sunt (21, juli 1530). Rodolfo Pio 
wurde spüter cardinal und lebte meistens in Rom; da wurde 1544 
nach seiner handschrift cod. Paris. 2361 von Christophorus Awe- 
rus geschrieben (s. die subscription Archimedis opp. Ill p. X 
mit Quaest. Archimed, p. 124 ff), im auftrag des französischen 
botschafters George d’Armagnac, der um diese zeit in Rom 14 
griechische handschriften durch denselben schreiber copieren liess, 
die alle c. 1545 in die von Franz I neu gestiftete bibliothek zu 
Fontainebleau kamen. Um dieselbe zeit sah auch Nicolo Tar- 
taglia noch den alten, zerrissenen codex ( Archimedis opp. Ill 
p XXIX ff.), seitdem aber verschwindet jede spur desselben, und 
er scheint verrottet zu sein. 

Rodolfo Pio testamentirte seine bibliothek dem Latino Latini 
1564, der einen theil seiner bücher der dombibliothek zu Viterbo 
schenkte (c. 1600). Den übrigen theil erwarben die cardinäle Ip- 
polito und Luigi d'Este, und so befinden sich jetzt in der Biblio- 
teca Estense zu Modena 65 handschriften, die früher dem Alberto 
Pio gehórten, und von diesen entstammen 60 der bibliothek Georg 
Vallas. Ich entnehme diese notizen dem folgenden buche, auf das 
Hr. Anziani, bibliothekar der Laurenziana, mich aufmerksam machte: 
Cenni storici della R. biblioteca Estense in Modena. Modena (Cap- 
pelli) 1873. 8. Einen vollständigen catalog der Mutinenses giebt 
dieses buch nicht. Die darin angegebenen codices mathematischen 
inhalts, die Georg Valla gehórt haben, sind folgende: 

X. Miscellanea, scr. 1483. Anonymi theorema Pythagoricum 
in numeros ab unitate ad decadem. 

XXIV. Varia astronomica, saec. XV. Procli sphaera, Procli 
hypotyposes, Philoponus de usu astrolabii. 

XL. Anonymus in tetrabiblun Ptolemaei, Porphyrius in apo- 
telesmatica, Commentarium in tetrabiblon Ptolemaei ex Demophili 
scriptis excerptum. 

LVI. Saec. XV. Nicomachi arithmet. cum commentario Phi- 
loponi. Euclidis elementa I— XIII cum scholiis. 





484 Archimedes. 


LXXVI. Saec. XV. Georgius Pachymeres de lineis inseca- 
bilibus, 

LXXXV. Saec. XV. Varia astronomica, Psellus (?) de quat- 
tuor scientiis etc. 

CH. Saec. XV. Apollonius conica I—IV, Eutocius. 

CXXXII Varia astronomica. 

CXLIX. Porphyrius in Ptolemaeum, Marinus in Data. 

CCXV. Cleomedes cum notis Pediasimi, Pediasimus de pla- 
netis; saec. XV. 

DLXVII. Euclidis Elem. I— XV lat. e versione Campani, 
mit folgender subscription: Deo gratias amen. hoc opus geometriae 
Euclidis completum est per me lacobum de Baylio hora 23 diei 
Mercurii 16 mensis Febr. 1452. 

Derselben quelle entstammt gewiss auch 

Lil. Hero, Anatolius, Anonymus de arithmetica, Maximus 
Planudes’ rechenbuch. 

In diesen jungen handschriften haben wir also die quellen der 
übersetzungen, die Valla theils in dem genannten werke De expe- 
tendis et fugiendis rebus theils in der sammlung von 1498 (Hain © 
nr. 11748) veróffentlicht hat. Da weder hier noch in dem catalog 
der Bibliotheca Ducis Mutinensis bei Montfaucon | p. 531 von Ar- 
chimedes die rede ist, und da eine so alte handschrift (saec. IX) 
doch wohl nicht leicht übersehen werden konnte, ist die hoffoung 
die urhandschrift in Modena wiederzufinden eine sehr geringe. 

Freilich würde die wiederauffindung des codex Vallae den 
text des Archimedes nur sehr wenig beeinflussen, da wir seine 
lesarten ziemlich genau feststellen kónnen, nicht nur durch die drei 
schon genannten abschriften Pariss. 2360, 2361 und Venet. 305, 
sondern auch durch die ganz besonders treue copie Laurent. X XVIII, 
4. Diese handschrift wird wegen der archaistischen gestalt der 
buchstaben von Bandini ins XIII. jahrhundert gesetzt, und diese an- 
gabe verleitete mich, ehe ich die handschrift selbst gesehen, dazu 
sie für den alten codex Vallae zu halten. H. Menge, der die 
handschrift mehrmals untersucht hat, meint sogar (Philologische 
rundschau 1882 p. 1380), dass sie mindestens dem XI. jahrhun- 
dert angehóre. Das ist aber schon wegen der beschaffenheit des 
pergaments ganz unmöglich, das entschieden auf die renaissance 
hinweist; und wie treu auch der schreiber die bucbstaben des ori- 


- 
Archimedes. . 435 


ginals nachgemalt bat, sind ihm doch zuweilen formen entschlüpft, 
besonders das y, die seine zeit verrathen, Charles Graux, der im 
herbste 1881 die handschrift selbst sah, setzte sie in übereinstim- 
mung mit Hn. Anziani ganz bestimmt ins XV. jabrh., und weuige 
tage vor seinem tod schrieb er mir, wie folgt: Voire fameux Ar- 
chimède de Florence est définitivement de la main de Jean Scutariote, 
dont jai trouvé une vingtaine manuscrits dans le fonds palatin du 
Vatican, tous provenant de la bibliothèque Jannocii Manetti, et dont 
l'un, entre autres (le no. 159) porte cette souscription: 6 dé yga- 
gers for Osstalôs "Iudrvgg o Sxovtagsewiys: — yéyouga dé 
tavtnv tiv BlBloy dv Diwgerrig dv 17) oixlg Tov copov xol ps 
yéhou ardeòs xvpov Javovılov Muvnzov dv bree jawvoufo pyri 
voeuBolo è”. 

Hiernach scheint die peinliche unsicherheit über die datierung 
von Laurentianus XXVIII, 4 aufhören zu müssen, und wir ent- 
nehmen hieraus zunüchst die thatsache, dass es auch für das grie- 
chische in der renaissance schreiber gab, die ,,litteris antiquis“ zu 
schreiben wussten, wie dies für das lateinische lüngst festgestellt 
worden ist (Voigt: Wiederbelebuug des class. alterth. I p. 304). 

Dass nun der Laurentianus eine abschrift, und zwar unter 
allen die treueste, von codex Vallae ist, darf als ausgemacht gelten 
(Archimedis opp. HI p. XII ff). Und wir können auch die frage 
beantworten, wie sie in die Laurenziana kam. Denn Angelo Poli- 
ziano schreibt 1491 dem Lorenzo de' Medici (Fabronius Vita Lau- 
rentii Il p. 285): In Vinegia ho trovato alcuni libri di Archimede 
e di Herone matematichi, che ad noi mancano . . . . ed altre cose 
buone . tanto che Papa Janni ha che scrivere per un pezo. In 
Venedig, wo Georg Valla seit 1486 lebte, hat also Angelo Poli- 
ziano seine handschrift ®) für die Laurenziana copiren lassen, worin 
bis dahin kein Archimedes war. „Papa lanni* — d. h. der prie- 
ster Johannes Rhosus, der in den jahren 1491—92 in Venedig 
viele handschriften für die Medicüer abschrieb — scheint also vom 
stoffe überwältigt worden zu sein, und man hat den Johannes 
Scutariota als gehülfen herbeigezogen. 


6) Denn dass er die hds. Bessarions nicht sah, ist aus demselben 
brief ersichtlich: Za libreria del Niceno non abbiamo potuto vedere. 
Bessarions bücher standen lange zeit in kisten verpackt und unzu- 


günglich. 





436 Archimedes. 


Dieser ist als ein fleissiger abschreiber bekannt, der von 1442 
bis 1494 thätig war. Nach Graux's oben angeführter notiz fing 
er seine thütigkeit bei Giannozzo Manetti in Florenz an. Als die- 
ser 1453 Florenz verliess um nach Rom zu gehen, wo er bei 
Nicolaus V sehr beliebt war, scheint er seinen schreiber mitgenom- 
men zu haben. Wenigstens finden wir, dass Scutariota 1454 vom 
papste ausgesandt wird, um handschriften zu copieren; Fabronius 
de Cosmo Mediceo Il p. 222 hat folgendes schreiben von Nico- 
laus V an Cosimo veróffentlicht: venit his diebus ad mos lator 
praesenlium dilectus filius Ioannes Scutariota Graecus, qui et li- 
bros etiam Graecos et raros, quos nosira caussa ipse quaesiverat 
et diligenter scripserat, nobis officiose detulit, pollicitus etiam sese 
alia velerum Graecorum opera inventurum, quae a nobis plurimum 
expetuntur, quod sine tua ope, ut ipse ait, commode efficere non 
posset, cum et in bibliotheca S. Marci *) et apud alios amicos tuos 
nonnulli ex ipsis habeantur . itaque nobilitatem tuam rogamus, wi 
ex hisce, quos ille videre potuerit, nostri contemplatione ei ostendas 
vel ostendi procures et, prout tuae prudentiae videbitur, singulatim 
unum post reliquum illi placeat accommodare, et in reliquis simi- 
liter habendis opem afferre, ut tuo adiumento, quae pollicitus est, 
commode assequatur . Dutum Romae die V Febr. 1454. So hat 
Scutariota für den papst cod. Venet. Marc. 254 geschrieben (Mo- 
reli: Biblioth. ms. p. 143). Später hat er meist in Florenz ge- 
schrieben für Angelo Poliziano, wie Laur. LX, 5: “Ayyédov 1e$ 
Holiuavov. Eygayn dit yesgdg "Iouvrov Oeriudov 109 Ixovsapıw- 
tou dv kes uno XQuoroU yevvijotwg jaune’ unvì &ngsAA Uv. se’ (s. 
Bandini ff p. 589) und Laur. LXXXI, 6: “Ayyédow rov Mods- 
teuvou . tredeswIn dià yeigüc Iwavvov Oerrulou 100. Sxovragew- 
tov Ev modes Diwgevila nuteg relin unvi dxrwBglep ev tru and 
Xgeoroy yevvncews avd. 

Zwischen diesen beiden handschriften fallt also unsere. 

Dieser meinerseits abschliessenden darstellung der geschichte 
des codex Vallae von Archimedes®), wobei ich lieber hier und da 
bekanntes habe wiederholen wollen, als das neue seines ortes ein- 
flicken, füge ich gelegentlich eine notiz über Vallas hauptwerk bei. 


7) Natürlich das kloster S. Marco in Florenz. 


8) Auf die interpolirte classe der Archimedeshandschriften hoffe 
ich später zurückzukommen. 





— — — EEE SEEN. y Lust! "MEME 


| Archimedes. 437 


Was ich Archimedis opp. Il p. 466 fragm. XV aus Valla auf- 
genommen, ist, wie ich Neue jabrb. suppl. XII p. 395 vermuthete, 
ein griechisches scholium zur katoptrik Euklids. Das Archimedes 
betreffende stück lautet in Vatic. 204 und Paris. 2107: 6 dé 
*"Aoysundng ovrw Àéyes” dr 5 Z yuvla 1j E. ij Ton dod n Wur- 
zw» n peltwv. Forw neorsgoy pellwv n Z insg E. ëlurrwr agu 7 
E. venoxi(o9w ov» nur Oppo 10 d, xa) GRO 100 Opputog nw 
àvaxexldGO«w dmi To ogwperor 10 B. form uu n E ywrla 
pellwr ing Z. nv dà xai Zlatwwy ÓneQ Gronov. Das folgende 
gehórt nicht hierher; es sind drei besondere scholien, die bezie- 
hungsweise mit ,,uel quod“, ,sumpto e und ,ipso e anfangen. 

Kopenhagen. J. L. Heiberg. 


Zu Afranius. 


Non. 116, 28 gratulari, gratias agere. — Ennius Hecuba — 
Naevius Belli Punici lib. H1 (vielmehr: lib. I). — — Afranius Cine- 
rario: quod salvus venis, melius esi, gratulor diis. 

Das letzte fragment wird auch von Priscian p. 804 citirt, 
und zwar aus einer vollern quelle als Nonius vorlag: ,,gratulor‘, 
gaudeo pariter cum alio et ,,gratias ago“. Afranius in Cine- 
rario: Sexte frater mi salve! cum salvus venis meliusque est, gra- 
tulor dis: id est ,,gratias ago“. 

Man hat hier jambisches metrum sehen wollen. J. V. Francke 
schreibt : 

Sexte o frater mi salve! cum salvus venis 
meliusque est, gratulor dis. 
Allein so wird der spondeus des weiten fusses durch ein spondei- 
sches wort gebildet, was, schon bei Plautus bedenklich, bei Afra- 
nius schwerlich zu gestatten ist. Besser Bothe: frater mi Sexte, 
salve. — Allein dann bleibt noch immer die hässliche gestalt der 
hephthemimeres im zweiten verse: 
melius que est, gratulor dis, 
die auch von Luchs in Studemunds Studien I, 69, wenn ich ibn 
recht verstehe, bemerkt ist. Es bedarf aber nicht der geringsten 
änderung ; denn wir haben hier bacchische tetrameter vor uns: 
v -.--v- Sexte fráter mi sälve! 
quod sálvus venís meliusque 6st, gratulór dis. 
St, Petersburg. L. M. 
Philologue. XLII. bd. 3. 29 





XVI. 
Zu den quellen der sicilischen expedition. 


Ob die nichtthukydideischen angaben bei Diod. XII, 82, 3 — 
XIII, 33, 2 dem Philistos oder Timaios entnommen sind, lässt 
Holm !) unentschieden. Dagegen hat sich Holzapfel?) auf grum 
der beziehung von Diod. XIII, 13, 6 zu Just. 4, 5, 7, der c. 5, 
10 eine, wenn auch missverstandene, nachricht des Philistos bringt ?), 
für letzteren entschieden. Zu dem nümlichen resultat führt der 
vergleich von Plut. Nic. 28 p. 36, 31—37, 3 und 18—22 mit 
Diod. XII, 19, 4 und 33, 1. 

Beide berichten über die vorgänge in der syrakusanisches 
volksversammlung nicht ganz übereinstimmend. Nach Plutarch ‘) 
soll nur ein theil der gefangenen und zwar derjenige, welcher 
nach der anschauung eines Syrakusaners am meisten straffállig er- 
schien: die Athener und deren sicilische bundesgenossen 
in die steinbrüche geschafft werden, nach Diodor sämmtliche 
gefangene 5). Während ferner bei Plutarch der antrag des Eary- 
kles auf hinrichtung der feldherrn lautet, lautet bei Diodor der des 


1) Geschichte Siciliens, b. II, p. 365. 

2) Untersuchungen über die darstellung der griech. geschichte 
von 489— 418 v. Chr. bei Ephoros, Theopomp u. a. Leipzig 1879, 
p. 52. 

3) W. Fricke, Untersuchungen über die quellen des Plut. im Ni- 
kias u. Alkibiades, Leipzig 1869, p. 103. 

4) Die fassung des antrags c. 18, 36, 26 ff. erinnert an Diod. 
XI, 72, 2. 

5) Auf die verschiedenbeit der namen der antragsteller ist kein 
grosses gewicbt zu legen. 








439 


Sicilischer krieg. 


Diokles auf hinrichtung unter misshandluugeu. Auch ist es 
wohl kein blosser zufall, dass bei Plutarch die bestrafung der feld- 
berrn als letzter punkt angeführt wird, walrend sie bei Diodor 
als wichtigster vorangestellt wird. Von den beiden syraku- 
sanischen berichten, die uns bei Plutarch und Diodor vor- 
liegen, ist somit der erstere den Syrakusanern günstiger gehalten 
als der letztere. Man wird schon deshalb die angaben des Plu- 
tarch eher dem Timaios als dem Philistos zuweisen. Dies folgt 
mit bestimmtheit aus folgendem. Nach Diod. XIII, 33, 1 wurde 
in der volksversammlung dem antrage des Diokles entsprochen: 


Antrag : Beschluss: 


19, 4 rovc piv orgatnyous pet 
alxlas avedety, rov; d àà- 
doug alyuaAwrovc d» uiv 16 nu- 
gori: revus návrag elg tas 
100; 0 49 n- 
»aíovc leyuloutvoug Èv 16 
decpwitnyl@ AcuBaver dl- 


Aatoplag .... 


38, 1 of piv oregamyot nugu- 
xonpa * 
ovuuuyos, oi d’ 'AInvaios na- 
9£003 nou sic 1a¢ Aarou(ag — of 
dì Aosmol oyeddr anavieg àv 


aynetFnoay xai ol 


tq decpwrnel@ xuxovueros 
10v Blov olxıgwg xartGtQewa». 


pliwr duo yolvxas (?) 


In dem lückenhaften texte c. 33, 1 ist einmal hinter zue«- 
zojuu ein ausdruck ausgefallen, der die todesart der heerführer 
bezeichnete, sodann verlangt der sinn, dass etwa folgende umstel- 
lung vorgenommen wird: oi Ó''495graio xai ol ovumuyos 
nagedodnoav x. r. A. Nun kann Diod. c. 19, 4 und 33, 1 nicht 
auf Timaios zurückgehen, weil nach diesem (Plut. Nic. 28, 37, 
18 —23) die führer auf benachrichtigung des Hermokrates hin durch 
selbstmord der hinrichtung zuvorkamen ©). Also köunen jene an- 
gaben des Diodor nur auf Philistos zurückgeführt werden. 

Án einer stelle stimmen jedoch Plutarch und Diodor im wort- 
laut überein: 


6) Wie Collmann, De fontibus Diodori p. 21 gegen Müller, Fr. 
H. G. 1 190 richtig bemerkt hat, cf. Curtius, Gr. gesch. 11? 756, a. 
197: „man kann wohl daran denken, dass Timaios alles gethan hat, 
um die Syrakusaner und namentlich Hermokrates môglichst vortheil- 
haft darzustellen". Grote IV 267 findet in der nachricht des Timaios 
keinen wesentlichen widerspruch mit der des Thuc. u. Philist. Warum 
er und Holm II 68 in ihrer darstellung der autorität des Timaios 
folgen, ist nicht einzusehen. 


29° 





440 


Nic. 28, 37, 4--5: “Eg uoxeu- 
Ing piv elnwr, OÙ 109 vix&v 
xQteir10v don TO xa laic YOT- 
6Jas 17 víxg ov gutrolwc 
édogupr) x. 


Dass diese übereinstimmung, 
hingewiesen hat, keine zufällige 


. Sicilischer krieg. 


Diod. c. 19, 5: 'Egpoxgoá tz; 
maoelFuv — êveyelges A€yess, 
wo x«AA«ov» Gr: r0 riv vi- 
xnv Qveyxtiváv Oo szmívec. 
Joovßoüvroc dé vov dquov.. 


auf welche Holm Il, 363 zuerst 
ist, wie Holzapfel p. 40 meint, 


wird sich aus weiteren beziehungen der beiden berichte zu einander 
ergeben. Sie lehrt, dass Plutarch, während er c. 28, p. 36, 25 — 
37, 3 dem Timaios folgte, p. 37, 4—10 zu Philistos überging. 
Für einen wechsel in der quelle von seiten des Plutarch spricht 
die variante wo dè Tluasos qnoi, welche beweist, dass Plutarch 
die vorhergehenden zeilen aus jenem nicht entnahm.  Dem- 
gemüss werden die nichtthukydideischen angaben des Plutarch, die 
zu denen des Diodor beziehuug haben, zum theil auf Philistos zu- 
rückzuführen sein. 


Nic. 12, 16, 9—10: zw» Al- — Diod, XII 83, 3: 


magayt- 


yıoı&wv ngfoßewr xai 10v 
Asoviivwy nuouyevropt- 
vw». 


vowévwy ov» — rd» agés- 
Bewv, xai, rv wiv AEor- 
tlbywy—toavd Eyecralwy. 


Um die sache?) handelt es sich hier weniger als um den aus- 
druck ngéopess, den Diodor und Plutarch nicht zufällig gewabk 
haben können, im gegensatze zu "Thuc. 6, 19, 1, der nur von 
guyadeg der Leontiner spricht. Von Leontinern spricht aber Dio- 
dor überhaupt nur noch einmal: XIII, 18, 5 lesen wir, die Athene 
hätten geglaubt, dass die meldung von der besetzung der wege 
von den ihnen wohlgesinnten Leontinern herrühre. Wabr- 
scheinlich geht nun die angabe XII, 83, 3 auf dieselbe quelle 
zurück. 

Nic. 20, 27, 7 5): die Syrakusaner waren überzeugt, dass ihre 
flotte nicht durch die stärke der feinde besiegt worden sei, son- 
Diod. XIII 9, 5 heisst es: 
Ferner stimmt 


> 
t 
dern «7@Ela wegi thy dlwËsv. 
- * 3 $ , 
. Iur dì Svguxovelwy azaxrwc diwxoriwr. 


7) Holm II, 357. 


8) Die zahlen bezeichnen kapitel, seite und zeile der aut 
gabe von Sintenis, Leipzig 1874. 





Sicilischer krieg. 441 


dem inhalt, weniger dem wortlaut nach Nic. 20, 27, 7—11 und 
Diod. XIII, 10, 1 überein. Nach diesem wollen „die Athener*, 
nach jenem „Nikias“ vor der ankunft des Demosthenes und Eury- 
medon keine entscheidende schlacht liefern, während die Syraku- 
saner noch vorher eine solche erzwingen wollen. Nach Thuc. 7, 
38, 2 ist dagegen Nikias einer schlacht nicht abgeneigt, — XIII, 
10, 2 erzühlt Diodor, dass Ariston den Syrakusanern gerathen habe, 
die vordertheile der trieren kürzer und niedriger ?) zu machen. 
Dieser mann ist bei Plut. Nic. 25 in der letzten seeschlacht in 
ähnlicher weise thätig '°): Nic. 25, 33, 16 müra d' "Molotov 
0 KoglvOsoc xußeovnıng edldakes rovc Suguxovelovg = 
Diod. XIII, 10, 2 cuuBovdevourvrog d’ avrois Agilorwros 
tov KogsvyFlov xvßeornrov. Zu dem irrthume Plutarchs, 
dass die Athener gekämpft hätten: zuig »avoi — Bageluss 
(Diod. c. 10, 3 :0mov loyvgo» Zrovoaı) 005 xoupus «&AÀa- 
109er adidas )zigtgouévac, während es die Syrakusaner wa- 
ren, hat offenbar folgende notiz des Thucydides den anlass gegeben: 
7, 40, 5 &$%untov rovc; "AInvatovg — Plutarch ÉBlunre 
— rovc Adnraloug — mode d Es uelbw oi iv roig Aenioig 
zÀofoig (36, 3) neguni£ovteg ruv. Svgaxoc(uv. Zugleich zeigt sich 
bier, dass Plutarch die angaben seiner quellen io unrichtiger an- 
ordnung bringt. Wie er hier eine notiz, dem berichte des Thucy- 
dides über die erste seeschlacht entnommen, iu seine beschreibung 
der letzten einfügt ''), so erwähnt er bei der vorletzten 
etwas, das nach Thue. 7, 70, 1 in die letzte gehört (Plut. c. 24, 
32, 7 xvxim roy Aspéva neguiAaufavoryzeg — Thucydi- 
des épviuccor xixi@ dptvu) — Von jener trierencon- 
struktion spricht auch Thuc. 7, 36, 2, ohne jedoch Ariston dabei 
zu nennen. | 


Nic. 21, 28, 28: vuxzoc éne-  Diod. XIII, 11,3: vuxrd¢ ère 
geloso taig “Ensnodaic. Fero roig Svgaxoofoic. 


9) Diese angabe bat Diod. allein. - 

10) cf. Polyaen V, 13, 1, wo dieselbe quelle zu grunde zu liegen 
scheint. 

11) Aehnliches weist nach Natorp, Quos auctores in ultimis belli 
peloponnesiaci annis describendis secuti sint Diodorus, Plut., Corn., 
ust. p. 40 bei Plut. Lys. 5, cf. Zeitschr. f..oestr. gymn. 1876, p. 567; 
Schubert, J. f. Phil IX. Suppl. p. 712, 780, 782; Bünger, Theo- 


pompea p. 14. 





442 Sicilischer krieg. 


Den nachtkampf auf Epipolü beschreibt Plutarch nach Thucy- 
dides. Mit Diodor stimmt er nur in einzelnen worten überein: 
Plut. p. 28, 30 xgarwy — Diod. c. 11, 3 éxparnour: PI. p. 
29, 2 éwourto — Diod. 11, 4 @EewoPnoar; PI. p. 292, 4 
dnooxeducd3éivtag — Diod. 11, 4 @éoxedac3neay. Bei 
Diodor spielt Hermokrates mit den auserlesenen !?) eine bauptrolle. 
Den verlust der Athener gibt Plutarch auf 2000 (Fricke p. 42), 
Diod. c. 11, 5 auf 2500 an. "Thuc. 7, 45, 2 hat keine be- 
stimmte angabe. 


Nic. 22, 29, 30: &uwivo; —  Diod. c. 12, 2: Anuoc9Evng pir 
éxéleuder ünonkeiv ty ta- ovr dero deiv ámomAeiv THY 
zylorny. taylorny. 


Auf die beziehung von Diod. c. 12, 3 cuxogurvteiy zu 
Plut. p. 30, 8 cvxoqgavr(ag hat Holm li, 361 hingewiesen. 
Von der furcht des Nikias vor den sykophanten ist noch an fol 


genden stellen die rede: Nic. 2, 3, 14 16 — nQog tous ovxo- 
purtug ce9ogvfgror und c. 5, 6, 10 deaxeluerog evaafüs 
"góc tovs cuxogurius. — Nach Thucydides, Plutarch und 


Diodor stimmt Demosthenes im kriegsrath für sofortigen abzug. 
Der weitere verlauf der berathung ist bei Plut. 22, 30, 14— 
21 folgender: Nikias schlügt eiue rubige berathung über die ge- 
gend, nach der man das lager verlege, vor. Auf diese bemer- 
kung hin stand Demosthenes davon ab, die abfabrt zu erzwingen, 
„da er auch mit seinem ersten plane kein glück gehabt‘. Die 
übrigen feldherrn stimmten Nikias bei, weil sie vermutheten !), 
dass dieser nur im vertrauen auf die vorgünge in Syrakus dea 
abzuge sich widersetze. 


12) Holzapfel p. 39 irrt, wenn er sagt, die imílexvo, kämen bei 
Thuc. nicht vor. Sie sind identisch mit den 7, 48, 4 erwühnten 
iEaxoosos cf. 6, 96, 3 und Holm 1I, 418; Polyaen I, 38, 1. 

13) /laçpécan statt des handschr. mapzoye ist mit Coraes, der auf 
Thuc. 7, 49, 4 verweist, zu schreiben. Wenn Schirach (cf. Plut. ed. 
Hutt. III, 390, a. 5) übersetzt: „und auch die andern gaben ihr auch 
deswegen beifall, weil sie glaubten, dass Nikias sich auf ein gehei- 
mes verständnis in Syrakus verlasse‘ etc., so fasst er nagdeys in der 
bedeutung aagéorm, welche ersteres nicht haben kann. Eine ver- 
bindung von 10565 d° adldosç mit avaudyscdaı, wie es in der bei 
Hutten a. 4 nach R. gegebenen übersetzung geschieht, ist wegen der 
wortstellung unmöglich. Auch Sintenis (Gr. ausg. II 526) war einst 
für d. schreibweise napéory. 





Sicilischer krieg. 443 


Dieser bericht eathált manche unwahrscheiulichkeiten. Zu- 
nächst gilt dies von dem vorschlag des Nikias, den bei Thuc. 7, 
49, 2 Demosthenes macht. Diesem stimmt Eurymedon bei, wäh- 
rend Nikias sich dagegen erklürt. Letzteres ist begreiflich; deun 
versprach der oberfeldherr von den unterbandlungen mit den städtern 
sich etwas, so musste er an ort und stelle ausbalten. — Auch 
ist von eiuer berathung über die verlegung des lugers bei Plutarch 
keine rede mehr. Sodann entspricht die haltung des Demosthenes 
bei dieser berathung nicht der bei der früheren bewiesenen (Nic. 
c. 21). Jener angebliche vorschlag des Nikias aber muss nach 
dem gewäbrsmann des Plutarch ein blosser schachzug gewesen sein, 
der nichts weiteres bezweckte als dem Demosthenes, dessen haltung 
für die übrigen strategen massgebend war, zu beschwichtigen. 
Nach Philippi 14) hat Plut. c. 22, 30, 11 Timaios benutzt. Dass 
der bericht des Plutarch nicht auf Philistos zurückgehen kann, er- 
gibt der vergleich mit Diod. XIII 12, 3. Nach diesem, der gut 
unterrichtet erscheint, stimmte ein theil der zur berathung her- 
zugezogenen, unter denen sich wohl einige taxiarchen und 
trierarchen befanden !5), dem Demosthenes, ein theil dem Nikias bei. 
Dass keine beschlussfassung erzielt wurde ergibt c. 12, 6: ouo- 
yrwpovwy di Oviwv twy ciQgaigyov . . cf. 18, 2. 


Nic. 22, 30, 24—25: x«i nu- Diod. c. 12, 6: xui mugny- 


enyyesÀs roig GtQaurnuto4g sù- yesduv — Otuv Onmım, un- 
1Qemeic sivas 1006 cnorndov. diva — voregeir. 


12, 7 nennt Diodor den Nikias descidutuwr wie Plut. 
c. 23, 30, 28. Hier weist der wortlaut: u£ya déoc 15 Nixlu xai 
14)» aldwy roig uno — desasdusmovlag txnendinypéross 
auf c. 4, 5, 4 ogodgu yug nv rv exntnaAnypivwy to dus- 
oven. Deshalb scheint Nic. 23, 30, 28 und Diod. c. 12. 7, 


14) De Philisto, Timaeo, Philochoro Plutarchi in vita Niciae au- 
ctoribus. Gissae 1874 p. 6. — Uebrigens hat Plut. auch den Thuc. 
hier eingesehen; c. 22, 29, 82 = 7, 47, 4; 22, 80, 10 - 18 = 7, 48, 4. 

15) Dass Demosthenes und Eurymedon überstimmt worden würen, 
indem Menander und Enthydemos sich für Nikias erklürten (Grote 
IV, 239) lüsst sich weder aus Thuc. noch aus Diod. entnehmen. Da- 
gegen lüsst der wortlaut bei Diod. c. 12, 8 die annahme, dass einige 
taxiarchen und trierarchen bei dieser berathung zugegen waren -- wie 
Grote IV, 288 aus Thuc. 7, 60 schliesst — zu. 





444 


Sicilischer krieg. 


ebenso wie Nic. 22, 30, 8 und Diod. c. 12, 3, von denjenigen 
angaben, die aus der syrakusanischen quelle stammen, auszusen- 
dern sein 16). 

Nic. 24, 32, 9 ist von der theilnahme junger Syrakusaner 
an der vorletzten seeschlacht die rede; Diod. c. 14, 4 erwähnt 
nuides êeudegos bei der letzten. Möglich ist, dass Plutarch, wie 
Grote (Gr. gesch. d. U. IV, 249 A.) vermuthet, die beiden see- 
schlachten verwechselt hat. Es erklürt sich leicht, wie in folge 
dessen die meuterei der athenischen maunschaft, welche nach Thuc. 
Vil, 72, 4 und Diodor nach der letzten seeschlacht erfolgt, bei 
Plutarch in der anorduung vor dieselbe gerieth. 


Nic. 24, 32, 18 — 20: 7v oi»  Diod. c. 18, 1: oi d’ 49,- 


ovxits pére avacysra AIn- 
valoss, Aida t UY Gr QatQy OY 
xartf 0 w y nj xedevovres ava- 
xwoeiv. 

c. 32, 21: ໣ggaEav ro» 
ds Exndovy 109 ds pévoc. 


vaios ovvdpanorıss ixi sag 10» 
nysuovwr oxnvuc itdé£ov to zur 
GrQarmyuv uy rv vew alia 
ing avıwy poovrllesy Gwinglus. 

c. 14, 1: 
croua zov Aspévog. 


antyparıov m 


Darauf erzühlt Plutarch, Nikias hatte dem verlangen der 
mannschaft nach abzug zu lande nicht nachgegeben, weil es ihm 
zu schrecklich gewesen, nahezu 200 trieren im stiche zu lassen. 
Nun können von den 207 trieren, die nach Thuc. 6, 43 und 7, 
42, 1 nach Sicilien kamen, nach der vorletzten seeschlacht 
höchstens 160 !7) übrig gewesen sein. Von diesen konnte aber 


16) Dass Plut. c. 2—6 den Philistos eingesehen, ist nach dem c. 
1, 2, 8 f. bemerkten kaum ansunehmen. Nach Bünger, Theopompes 
p. 48 und Holzapfel p. 122 hat Plut. hier Theopomp, nach Fricke 
p. 20 ff. und Philippi p. 8 Philochoros benutzt, doch finden sich bier 
auch spuren des Epboros (exkurs). Für Ephoros spricht die bezie 
hung des Plut. zu Diod., bei dem wohl spuren des Ephoros, nicht 
aber des Theopomp sich finden. 


17) Dies ergibt sich aus den verlustangaben bei Thuc. u. Diod. 


Thuc. 7, 8, 5: 1 athen. tr. 
7, 28, 4: 3 
7, 38, 1: 1 (2) 
Diod. c. 10, 6 und 7, 41, 4 7 
,  ¢. 18, 5: 7 
» C. 18, 7 und 7, 58, 3: 18 


hienach hätten di Athener 38 verloren. Nehmen wir für die ur 





Sicilischer krieg. 445 


Plutarcl nicht sagen: 04/yoy agıIum diaxoctur amodsovous;, 
wie Alc. 20 (I, 394, 15) von 134 trieren: où wodA@ 10v reo- 
Gaquxoriu xai éxardv anodsovous. Der widerspruch zwischen 
jeuer ziffer und der zahl der wirklich bemannten trieren (110) 
wird dutch die bemerkung. die anderen seien ohne ruder gewesen, 
nur äusserlich beseitigt. 
stelle gebracht !3). 


Plutarch hat die angabe an unrichtiger 


Nic. 24, 32, 25—28: dpi- 
B« ouvres di twv nelwr 100s 


aglorovg — EIninpywonv 


Diod. c. 14, 4: xai rovg «4 gí- 
GrovgéE 0Àov toù Orpursvumıog 
Éugifucavrtg rQujgtic uiv 


Exatov xai déxa tesngetg — 107 6ÉnÀqQuGauv névre Asınovoag 
dà Aoınöov Oyào Èotnoe uv Exarov elxoss. rovg dé 


4 , « A] 
suo JaAaGcav o Nixsas. osnous fıuSar naga tor 


alysador. 


Hier sieht man — wie noch viele andere stellen des Nicias 
ergeben —, dass Plutarch ,,ausserliche mosaikarbeit“ zu liefern 
verstand, was Schmidt (Per. zeitalt. I, 263; II, 36 f.) bestreitet. 
Deon wäbrend er im wortlaut der ayrakusanischen quelle folgt, 
gibt er die zahl der schiffe nach Thuc. 7, 60, 4. 


Nic. 26, 34, 3: £reuwé trag — — Diod. c. 18, 4: wréoreshé 1:0ac 
— ÉQOUVIUNG — weoxatu- 


Anwopmévoug (Polyaen. I, 43, 
2: rgoxutiaAafovitg). 


pucxoviuG — ngoxarte- 


yovrwy. 


Diod. c. 18, 6 ist die zeit angegeben, zu der die Syrakusaner 
die wege besetzen liessen: 1c np£onc bnogwoxovens, wie 
Nic. 26, 34, 10 au’ nuégu, ebenso Front, Str. ll, 9, 7 cum 
lux adventaret (t). Thuc. 7, 74, 2 hat keine zeitangabe. Ueber 
die beziehung von Just. IV, 5, 10 zu Nic. 27, 35, 18 cf. Holz- 
Beachtenswerth ist das scharfe urtheil über Nikias 
(IV, 5, 11), dessen unmännliche haltuug !?) der männlichen des 


apfel p. 51. 


brauchbar gewordenen (Diod. c. 10, 6) nur 9 an, so haben die Athe- 
ner nach der vorletzten seeschlacht kaum 160 gehabt. 

18) In der berathung nach dem sturm auf Epipolü ist Nikias 
nach Thuc. 7, 19, 2 von vertrauen auf die flotte erfüllt, Diod. c. 12, 
2: ox ign deiv — tyxatalsneiv 15v nolsopxiav — xai tesyowry — Ev- 
Rogoùrtas. 


19) Plut. de superstit. p. 386 Herch.: 7» d° iows xai Nixic vp 497- 





446 Sicilischer krieg. 


Demosthenes gegeniibergestellt wird. Thucydides, der des letztereu 
mit keiner silbe gedenkt, widmet dem „heerverderber“ Nikias eines 
ehrenvollen nachruf (7, 86, 5). 

Mit der angabe des Diod. c. 19, 3, dass die Syrakusaner die 
beiden siegeszeichen — nach Thuc. 7, 72, 2 war es eins — 
wit deu waffen der feldherrn schmückten, lässt sich vergleichen 
Nic. 27, 36, 18, wonach jene die schönsten bäume mit erbeuteien 
rüstungeu behingen. 


Nic. 29, 38, 6: Ersos dí xai d) Diod. c. 33, 1: oi uiv dad nA£ov 
Evysntdny 2635902». nasdelag psetecynxotég Due cw- 
930«». 


Die beziehungen des Diodor zu Plutarch, die auf die ge- 
meinschaftliche syrakusanische quelle hinweisen, sind 
demnach folgende: 


Diod. Nic. Diod. Nic. 

XII, 83, 3 — 12, 16, 9 XII, 14, 4 — 24, 32, 9 f. ) 

Xi, 10, 1 — 20, 27, 7—11 18, 1 — 24, 32, 19 f. 
10, 2 — 25, 33, 16 f. 18, 4 — 26, 34, 3 f. 
10, 3 — 25, 33, 12 18, 6 — 26, 34, 10 
11, 3 — 21, 28, 28 19, 3 — 27, 36, 18 f. 
11, 5 — 21, 29, 26 19, 5 — 28, 27, 4 ff. 
12, 2 — 22, 29, 30 f. 33, 1 — 29, 38, 6 
12, 6 — 22, 30, 23 f. Just. IV, 4, 7 -— 19, 25, 24 f. 
14, 1 — 24, 32, 21. 5, 10 — 27, 35, 17 f. 

Il. 


Wenn uns in den oben besprochenen angaben des Plutarch 
und Diodor die einer syrakusanischen quelle vorliegen, so ist an- 
zunehmen, dass diese sich auch als solche zu erkennen gibt. Holm 
II, 362 f. hat auf die schlachtbeschreibung bei Diod. XIII, 14—17, 


vaiwy Grpamyg xgéittov — n — x«9569a, (Nic. 24, 32, 5 xady 
uevos) neosresyslousvoy tno TW nolsuégr, sd’ óuoU Titlages pvescesy 
dv9gwnur povevdtviwy te xai Cwviwy cloyvtwry óz0yeégsor yevigdas 
xai dvuoxdews ano Pavey. 

20) Dass hier bei beiden Philistos zu grunde liege, ebenso wie 
Nic. 21 und Diod. XIII, 11, 5, vermuthete bereits Grote IV , 287, 
250 A. 





Sicilischer krieg. 447 


Holzapfel p. 36— 39 auf einzelheiten von XIII, 11—14 bingewie- 
sen “!). Diese zusammenstellungen lassen sich durch folgende ver- 
vollstándigen. 

Diod. XIII, 2, 1 ist vou einem kriegsbeschluss gegen die Sy- 
rakusaner die rede, von dem bei Thuc. 6, 6, 2; 8, 2—3 nichts 
zu lesen ist. Jenem beschluss entsprechend melden bei Diod. c. 4, 
1 die von den syrakusanischen strategen in die sicilischen stüdte 
geschickten gesandten: die Athener führten dem vorgeben nach 
mit den Syraknsanern krieg, in wirklichkeit wollten sie die 
ganze insel unterwerfen. Als das eigentliche ziel des athenischen 
unternehmens wird auch bei Thuc. 6, 33, 2 die eroberung der 
insel angegeben, als vorwand die unterstützung der Egestaner 
und zurückführung der Leontiner “*). — XIII, 11, 2: die Syra- 
kusaner wurden in ihren hoffoungen herabgestimmt roplCortes pr- 
xéts pudiws éEvowO ras rots noAtulosg dvrjossdu. Man 
vergleiche mit dieser vorsichtigen äusserung 'Thuc. 7, 42, 2: xa- 
rumankig — ovx odlyn épyé£vero, el né£gag under Estas o—plos tov 
unuÂlayÿvas tov xivdvrov. — XIU, 18, 3: Hermokrates rath den 
Syrakusanern, noch in der nacht nach der schlacht alle wege vor- 
her besetzen zu lassen. Die strategen gehen darauf nicht eiu. 
Bezeichnend ist der gruud den sie angeben: es seien viele sol- 
duten verwundet, alle aber von der schlacht her ubgemattet. Ei- 
nen triftigeren konnten sie wohl nicht anführen. Nach 'Thuc. 7, 
73, 2 begründen die behörden das ablehnen des vorschlags damit, 
dass bei dem ullgemeinen siegesjubel niemand dem  befehle gehor- 
chen werde. — C. 18, 5: uals die boten des Hermokrates die 
Athener vor dem abmarsch warnten, glaubten diese, einige Leo n- 
tiner hätten ihnen aus wohlwollen dies gemeldet. Sehr wahr- 
scheinlich ist es, dass den Athenern von diesen, die nach Syrakus 
verpflanzt waren, manche nachricht über vorgauge iu der stadt zu- 
ging. Doch waren nach Thuc. 7, 48, 2; 86, 4 (cf. Nic. 18, 24, 
4 f., an anderen stellen *?) ist der ausdruck unbestimmt gehalten) 
auch syrakusanische bürger dabei betheiligt. Somit verrüth sich 


21) Auf einige angaben habe ich bereits hingewiesen in meiner 
programmabhandlung „Philistos als quelle des Epboros", Pforzheim 
1876 p 12 ff. Das p.1—9 ausgeführte halte ich nicht mehr aufrecht. 

22) Ct. Thuc. 6, 76, 2, ebenso Diod. XII 54, 1 (erate sicilische 
expedition), wo nach Holzapfel p. 77 Ephoros zu grunde liegt. 

23) C. 18, 24. 15; c. 21, 28, 15. 





448 — Sicilischer krieg. 


die quelle des Diodor, indem sie nicht diese, sondern Leontiner 
erwähnt. 

Der syrakusunische standpunkt tritt auch bei den verlustan- 
gaben hervor. Diod. XIII, 11, 5 ist der verlust der Syrakusaner 
gar nicht, c. 13, 7 als ein geringer gegenüber dem athenischen 
(2000 mann) bezeichnet. C. 17, 5 ist er wohl deshalb so detaillirt 
angegeben, weil er gegen den der feinde der verschwindend klei- 
nere ist. Auch die angaben c. 14, 4 fin. *), c. 19, 4 opfer, 33,1 
rettung gebildeterer Athener konnte nur ein Nyrakusaner bringen. 
Doch ist die syrakusanische fárbung uicht eine derartige, wie wir 
sie in den berichten timaeischen ?°) ursprungs finden. — Auf eine 
gegnerische quelle weisen ferner hin angaben des Diodor und Plu- 
tarch über vorgünge im athenischen lager, bei denen namentlich der 
gegensatz zwischen Nikias und seinen mitfeldherrn 
hervortritt, Plut. Nic. 16, 22, 10 fî.; 21, 28, 21 fl. machen die 
feldherru dem Nikias vorwürfe, dass er durch sein zógern den 
rechten zeitpunkt versäume, Nic. 22, 29, 29 (cf. c. 21, 28, 9 f.) 
macht Nikias dem Demosthenes vorwürfe wegen seiner voreiligkeit. 
Dass es nach dem sturm auf Epipolà zu einer auseiuandersetzung 
zwischen beiden kam, lässt sich auch daraus entnelmen, dass De- 
mosthenes bei Diod. c. 13, 2 in der vorletzten seeschlacht kein 
kommando hat, — Diod. c. 12, 5: rov nändoug FopvPovrios xoi 
tor dliwy anurrwy Em tes vaUg oguwrıwr *5), o. Nizius 
nvayxaodn’) cvyyworcas ntgi iz; elc olxov avaywyis. 
Nach Thuc. 7, 47, 2; 48, A war zwar missstimmung unter der 
manuschaft, doch kommt es zu keiner meuterei. Daun bemerkt er, 
dass, weil Nikias nicht mehr, wie bisher, gegen den abzug ge- 
wesen, die übrigen feldherrn die nóthigen anurdnungen für densel- 
ben getroffen. — Ebenso wie bei Diod. c. 12, 5 heer und die 
übrigen feldherru den Nikias zum abzug nôthigten, uôthigen ihn 
bei Plut. Nic. 20, 27, 19 Menander und Euthydemos zur schlacht: 


24) Progr. p. 13. 

25) cf. Plut. Timol. Tim. fr. 143, 144 M. 

26) Dass Nikias eine zeit lang dem drünven der feldherrn und 
des heeres widerstand geleistet hat, ergibt 32, 2 (Rede des Gylippos): 
Anuogtivovs xai 19» GÀÀov andvrwy Bovlouérwr licas my nodsog- 
xiav udvog Bs cero pévesy xai nolsusiv. Diese notiz fehlt c. 12, 4; 
sie beziebt sich offenbar auf vorgänge nach der berathung c. 12, 3. 

27) Plnt. p. 30, 24: rw Nixig ovridóxes. uiS9éctacSa:. 





Sicilischer krieg. 449 


ESEBREMGGMVTO vavpazioas. Nic. 21, 28, 25 stimmen jene feld- 
herrn dem vorschluge des Demosthenes, den sturm auf Kpipoli zu 
versuchen, bei: aal 0 Nixlaç polis Cuveywonder Exßıacdelg. 
Nach Thuc. 7. 43, 1 und Diod. c. 11, 3 macht Demosthenes den 
angriff neloug zo» 1e Nix(av xai rotg «Aovg Evragzorrag. Nir- 
gends liest man bei Thucydides, dass Nikias von seinen mitfeldherrn 
unter widerstreben zu einer massregel genöthigt wurde, was 
gewiss häufig der fall war, von Thucydides aber aus rücksicht auf 
den ihm nahestehenden oberfeldherrn verschwiegen wird. Nur so 
erklart sich der 7, 86, 5 diesem gewidmete nachruf, wührend der 
geschichtshreiber dem als militair weit tüchtigeren Demosthenes 
kein wort der anerkennung zollt?5). Nun kann zwar auch ein 
syrakusischer geschichtschreiber kein besonderes interesse an dem 
Athener Demosthenes gelabt haben, wohl aber an dem stra- 
tegen, zumal wenn er selbst ein solcher war. Dies zeigt fr. 46 
= Paus. I, 12, 9; Nic. 27, 35, 17, wo von dem versuche des 
Demosthenes, hand an sich zu legen die rede ist. Sowohl iu dem 
berichte des Diodor wie in dem des Plutarch tritt Demosthenes 
hervor. Diod. c. 12, 7 lesen wir, dass dieser in die von den 
walrsagern vorgeschriebene dreitügige ??) frist sich hatte fügen 
müssen dià rr» 7005 10 Osiov evdaBesay. Also war er trotz 
mondfinsternis gegen aufschub der abfahrt. Als der mann der that 
erscheint er dem zügernden Nikias gegenüber bei der berathung 
nach der letzten seeschlacht: 


Thuc. 7, 72, 3: Ann. — yvw- — Diod. c. 18, 1: ëpn deity As- 
pn» énoveiro — BsaoucFas, Avutvov toù Cevypatos nÀngobr 
nr duvwviui, apa Em ror Tag rgujotig xui angocdoxnrwe 
Exniovr. émdeutrous exnyyédisro da- 

Ölwg xouınosıv ıng ini 
Boañs. 


Doch drang er mit seiner ansicht hier ebenso wenig durch 
wie 12, 7. Denn der vorschlag des Nikias, durch das binnenland 
nach verbündeten städten sich zurückzuziehen fand die billigung der 
übrigen feldherrn. In weit günstigerem lichte erscheint Nikias bei 


28) cf. Grote IV, 268 ff. 
29) cf. Holm IT, 361. 





450 Sicilischer krieg. 


Thuc. 7, 72, 4. Er stimmt dem vorschlage des Demosthenes bei, 
die ausführung desselben scheitert jedoch an der weigerung der 
seesoldaten die schiffe zu besteigen. Collmann °°) zieht die glaub. 
würdigkeit des Thucydides an dieser stelle in frage. — Auch bei 
Plutarch beobachten wir an einer stelle dasselbe wie bei Diodor. 
Nic. 21, 28, 6 f. (neben einer notiz aus Thuc. 7, 42, 5) Anuo- 
oJévous sd Fug Emsyesgetv rotg modeplors xeAsvos- 
rog im gegensatze zu Nikias c. 21, 28, 24 oux eb Joc exni- 
xesowr r0tc modeplosg. C. 14, 19, 3 hiess es von Nikias: 
GAN c9 9c Ee rois woleplous luguyra ... — C. 
21, 28, 9 staunt Nikias über des Demosthenes dfvrqta xoi r02- 
pa». Von Nikias aber heisst es c. 21, 28, 21 drodplac nu- 
oéoge roig orgarnyois do~ay (c. 16, 22, 14 nennt ihn die quelle 
:0Àu 044 dì — «rToÀuog). 

Jener berichterstatter muss auch vom kriegswesen etwas ver- 
standen haben. Diod. c. 13, 2 sind die anführer der einzelnen ab- 
theilungen so aufgeführt, wie sie sich gegenüberstanden: auf dem 
rechten athenischen flügel Eurymedon, ihm gegenüber Agatharchos, 
auf dem linken Euthydemos, ihm gegenüber Sikanos, im mittel. 
treffen Menander und Pythes. — 13, 3 lesen wir, dass die über- 
müssige ausdehnung der athenischen flotte auf dem kleinen raum 
(cf. c. 10, 5) von den schlimmsten folgen für dieselbe war, wie 
der unfall des Eurymedon zeigte, der beim umsegeln des ihm ge- 
genüberstehenden feindlichen flügels von der flotte abgeschnitten 
und nach der Daskonbucht 3) gedrängt wurde. Diese wird bei 
Thue. 7, 52, 2 nicht erwähnt. Bei Just. IV, 5, 7 wird die 
schuld am unglücklichen ausgang des treffens dem unverstand 
der athenischen führer zugeschrieben, da sie die Syrakusaner 
in den angustiae maris ungriffen. Dieses urtheil eines militair 
ist vollkommen zutreffend. — Auch Demosthenes war für einen 
kampf auf offener see, wo die nautischen fertigkeiten der Athe- 
ner allein zur geltung kommen konnten, nicht aber für einen 
im engen syrakusanischen hafen, wo alle vortheile auf seiten der 
feinde waren ??), — Der tapferkeit des Eurymedon wird IV, 5,7 

30) De fontibus Diodori, p. 20. 

31) Phil. fr. 25: .4aexo» Zixedias ywoiov. Pilsotog Extn Zixt 
Aix» 10 IHinupuvosoy x«i tov Aacxwva. Allerdings sagt Diod. xölnor. 


Cf. Koerber, De Philisto, rer Sicul. script. p. 23. 
32) Thuc. 7, 49, 2 med. 


Sicilischer krieg. 451 


rühmend gedacht. — Hierher gehört auch die kritik der heer- 
leitung des Nikias, welche bei Plutarch sich findet. 

Nic. 14, 19, 12 ff. Er zerstórt die absichten der mitfeldherrn 
und wirkt entmuthigend auf sie ein. 

Nic. 15, 20, 16 ff. lenkt den kriegstüchtigeren Lamachos 
(Alc. 18, 392, 12 f., 21, 396, 26 f.) und gebraucht seine macht 
in zu behutsamer weise. 

Nic. 16, 20, 31 entschliesst sich ungern zu einem zuge ge- 
gen Syrakus. 

Nic. 16, 21, 30 versäumt durch absichtliche zögerung den 
rechten augenblick sur besetzung des Olympieion. 

Von Timaios 39), den Plutarch neben Philistos benutzt hat, 
kann diese kritik deshalb nicht herrühren, weil jener von militai- 
rischen dingen nichts verstand (Tim. fr. 139). Auch dass in der 
relation des Timaios die angaben des Philistos zu grunde liegen 94), 
ist dadurch ausgeschlossen, dass ersterer an den schlachtberichten 
des Thucydides sowie des Philistos nach Nic. 1, 1, 10 f.55) vie. 
lerlei auszusetzen gehabt hat. Dass die angaben von Philistos her- 
rühren, also nicht Plutarch selbst der kritiker war (Holm II, 
344), folgt aus den beziehungen von c. 14—16 zu c. 21, 28, 7 
— 25. Es entsprechen sich: 

C. 14, 18, 30 f. ovdetc Eu xusgös ny — de: — || dmtow Bié- 
Jovia xal — dvalauBurorra xai or eépovta | 
— tiv axunv diagO9 sigas mv nQu- 
Eewr. 

C. 14, 19, 16 f./oùx dnavoazo || zadnusvos n negunAéuv 7 Bov- 
Aevopevos || noir Eyrnpacus — ın» axun» 

„vis &Antdos e; 

C. 16, 22, 10 fimdvio tov Nixlav wc dv 16 || draloy (Leo au 


xai péddesy xai puAarıecdas | ro» ray 
moubtov ánoÀàÀvr ra xaigov. 


C. 21, 28, 22 f. quesy qucxovres avro? | pedArjpurtu xoi diu- 
tesBug xal axgsBodoyiag || alg AnwÂsce tiv: 
dxunv.. 

Offenbar sind die stellen c. 14—16 von derselben hand ge- 
arbeitet wie die c. 21, wo wir bereits spuren des Philistos fanden. 


33) Fricke p. 47. 

34) Volquardsen p. 106, Holm II, 373 fin. cf. I, 309. 316 fin. 

35) dia pecwv wsiras — Tuy udiore xaTwpSousvwy éxtivoss dyi- 
vwv xti veouayimy. 





452 Sicilischer k rieg. 


Philippi p. 5 folgert freilich aus der beziehung von c. 21, 28, 
17 f.: wo — róv l'ulsnnory faouropéerwr zu c. 28, 37, 
9: magu tiv noleyo» a$100 ty Tgayvınza où §gdiws 
Ernvoyorec, dass c. 21, 28, 15 f. Timaios benutzt sei. Doch 
rührt , wie wir gesehen haben, c. 28, 37, 4—10 nicht aus Ti- 
maios. Also spricht die beziehung gerade für Philistos. Dies er- 
gibt sich noch aus folgendem. C. 21, 28, 15 ff. sagt Plutarch : 
xai yug oar avdgeg ovx öllyoı wy dy SegaxovGasg dsa- 
deyopevor to Nextag xQupa .. Ganz ebenso heisst es c. 
18, 24, 15: roig éx Sugaxovawy diadsyopéevoss xov- 
pu .... roallwr. Die unbestimmte fassung 2» Zvgox. 
und àx Zvoux. fand Plutarch offenbar in seiner quelle, wie er c. 
18, 24, 4 f. nach Thuc. 6, 103, 3 schrieb: Aoyos — zegà ıwr 
Sveaxovdlwy dy évovto. Die angabe kehrt zum dritten male 
wieder an einer stelle, wo Plutarch mit Diodor übereinstimmt *). 
C. 26, 34, 4: un’ éxelvwr — za» avdewy, of xai noto 
eluj9ecar x oó pu ip Nixlu óvaAé£yac3a:. 

Wie die bei Plutarch und Justin sich findende kritik des athe- 
nischen oberfeldherrn, sowie die angaben Diod. c. 13 auf den mi- 
litair Pbilistos 37) hinweisen, so auch zwei momente aus der letzten 
schlachtbeschreibung des Diodor, die von einem augenzeugen her- 
zurühren scheinen: oz yug unolngdeln vais — avutavdgos 
und ing Jalurmç xatentvero (16, 3) — oùrs ngog roùç xe- 
Awvoviag Evedéyero BhË£nerr dia 10 whndog ro» fe- 
Ac v (16, 4). Bekanntlich bat Philistos in einem alter von etwa 
20 jahren die kümpfe vor Syrakus mitgefochten 55). 

Ein beweis von der genauigkeit dieser quelle ist, dass sie in 
den beideu letzten seeschlachten die zahl der syrakusanischen 
schiffe auf 74 angibt (Diod. c. 13, 1; 14, 4) wie Thuc. 7, 52, 1 
und 70, 1 auf 76 °°). Auch steht die angabe c. 17, 5, dass die 
Athener 60 schiffe verloren, in übereinstimmung mit c. 19, 1. 
Hienach führten die Syrakusaner 50 von den feinden zurückgelas- 
sene schiffe in die stadt, Der athenische verlust in der letzten 


86) Cf. p. 445. 

37) ct. Diod. XVI, 16, 4; Völkerling, De rebus Siculis p. 5. 

38) Góller, De situ et origine Syracusarum p. 107, Müller, Fr. h. 
gr. I, proll. p. 47. Als geburtsjahr setzt man 434 an (Müller I, proll. 
p. 45; Holm Il, 172, Plass, Tyrannis Il, 262). 

39) Progr. p. 13. 





Sicilischer krieg. 453 


schlacht belief sich demnach auf 115 —50, wovon jedoch einige 
nach c. 18, 2 verbrauute schiffe abzurechnen sind. Fraglich ist, 
ob die hohen ziffern über die stirke der flotte des Demosthenes 
sowie der zum sturme auf Epipolà verwendeten truppeu c. 11, 
2— 3 dieser quelle entstammen, wie Holzapfel p. 37 aunimmt, oder 
der flüchtigkeit des Diodor zur last fallen. Aebnlich hohe zahlen 
gibt Diodor nach Ephoros c. 54, 54—60, 80 (Ephor. fr. 123) 
über die stärke der karthagischen heere. Da nun Ephoros, wie 
Vólkerling mit recht aunimmt *°), nur aus Philistos *') geschópft 
haben kann, so folgt aus dem verhültnis der angaben dieses zu 
denen des Timaios, die Diodor auch gibt, dass Philistos die feind- 
lichen streitkrafte, zur verherrlichung des Dionys I, übertrieben 
hoch angegeben hat. Hierzu fehlte ihm jedoch bei der darstellung 
des attischen krieges jeder anlass. 

Von den angaben jener quelle, die mit denen des Thucydides 
nicht übereinstimmen, verdienen beachtung: XIII, 7, 4: 250 reiter 
von den Sikelern. Nach Thuc. 6, 98, 1 von Sikelern, Naxiern 
u. a. etwa 100 (cf. Thuc. 6, 88, 6). — XIII, 7, 8 zahl der 
truppen des Gylippos: 3000 fussgänger, 200 reiter gegen 2800 
bei Thuc. 7, 1, 5 — c.8, 7 Eurymedon bringt 140 talente gegen 
20 bei Thuc. 7, 16, 2, cf. Grote IV, 216, Holm II, 367. 

Endlich ist jener quelle manches detail zuzuweisen, das bei 
Thucydides fehlt. XIII, 4, 3 die noAssg der Sikeler warteten 
trotz ihrer den Syrakusavern freundlichen gesinnung den verlauf 
des krieges ab. Nach Thuc. 6, 88, 4 waren von den nach der 
ebene zu wohnenden ov 04400 — so Kantor statt of moddol 
(Holm II, 411) — von den odxnoes; der Sikeler des binnenlandes 
die meisten zu den Athenero abgefallen. Demnach scheinen die 
n0Àucg der Sikeler bei Diodor mit den Sikelern der ebene bei 
Thucydides identisch zu sein. — C. 9, 4 die zum sturm auf 
Plemmyrion verwendete mannschaft besteht aus den truppen, die 
in der stadt liegen‘“). C. 9, 6 die syrakusanischen schiffe 
werden bis zur Nesos verfolgt. — 12, 6 vorbereitungen zum 
aufbruch, Dass Nikias wegen der krankheiten im heere ängstlich 


40) De rebus Siculis ab Atheniensium expeditione usque ad prioris 
belli Punici finem gestis p. 46, a. 53 A., 66 A. 4, 67. 

41) Ib. p. 6, a. 3. 

42) cf. Holm II, 391. 


Philologus. XLII. bd. 3. 30 





454 Sicilischer krieg. 


gewesen (12, 7) erwähnt Thuc. 7, 50, 4 nicht. — 13,5 die 
notiz, dass auf die kunde vom tode des Kurymedon zuerst die in 
unmittelbarer nähe der vernichteten trieren aufgestellten ge- 
wichen, dann die flucht eine allgemeine geworden sei, erinnert an 
c. 17, 3, wo nach Holm II, 362 eine syrakusanische nachricht 
vorliegt. — €. 13, 6 Brander des Sikanos‘**). Dieser spielt 
hier eine ähnliche rolle wie 10, 2 Ariston. — C. 14, 2 vor- 
richtungen, deren sich die Syrakusaner beim sperren des hafens 
bedienen: eiserne ketten, bretterlage; das werk wird in 3 tagen 
vollendet. — 19, 2 am Asinaros 18000 getédtet. — Bei der 
verfolgung und gefangennahme der Athener wird zwar Gylippos, 
der hierbei nach Thuc. VII, 79, 4 ff. und nach Philistos bei Just. 
IV, 5, 9 und Plut. Nic. 27, 35, 22 (p. 35, 18 == Philist. fr. 46) 
betheiligt war, nicht erwähnt. Doch fällt dies wohl der flüchtig- 
keit des Diodor zur last, dem c. 19, 2 fin. der streich passirt ist, 
dass er den Demosthenes zugleich mit Nikias am Asinaros 
in die gefangenschaft gerathen lässt. Nach Timaios, fr. 97 M**) 
muss Hermokrates bei jener aktion betheiligt gewesen sein 
— C. 33, 1 gibt Diodor allein an, was mit den gefaugenen Athe- 
nern *°) nach dem 70tügigen aufenthalte in den steinbrüchen (Thuc. 
7, 87, 3) geschah. Dass jene noch weitere 6 monate in diesen 
hätten verbringen müssen, wie Curtius 11°, 601 und Holm Il, 69 
annehmen, ist unwahrscheinlich 9). Endlich gehört noch hierher 
die notiz c. 34, 4 über die helohnung der lakedaimonischen bun- 
desgenossen unter Gylippos. Dass sie nicht auf Timaios zu- 
rückgehen kann, lehrt Plut. Aem. comp. c. 2, 81, 3: Tiuasos di 
xai TvAınnov ariews quoi xai ürluws anon€pwas 
Tuouxovotovs. 


43) Progr. p. 13. 

44) Polyb. XII, 25k xei Ayunam xéyontas tosovt0ss ols tow wir ‘Eo- 
noxpdımy tig Gy xeyonodas neotedorsse — avtardoi dé yespwotseroy 
tag Adnvaiwy Jurauesss xai tous atoatnyovs xarà. Zsxsliar cf. 
Diod. XIII, 96, 8 (Timaiosabschnitt cf. fr. 115, 117); Polyaen p. 89, 
9 ff., der neben Philistos Timaios benutzt haben muss, 

45) Nach Demosth. in Leptinem p. 470 Bekk. hatte eine ansahl 
derselben die erhaltung ihres lebens dem Epikerdes von Kyrene zu 
verdanken: ovrog yag avynp — Toig ahovos tor iv Zıxslia Ta» no- 
lıröv, dv toast: ovugopc xadectgziow, Edwxe vis Exarov xai 106 
un TG À ug névras avrovs «nodaveiv altsewtatog lyé- 
veto. Bestattung der gefallenen: in Eubulid. p. 1610 Bekk. 

46) cf. Grote IV, 266. 





Sicilischer krieg. 455 


Der attische krieg, aus dem die oben besprochenen angaben 
des Diodor, Plutarch und Justin stammen, war nach der vou 
neueren forschern gebilligten annahme Göller’s *7) in dem 6ten 
buche der Zixsxa des Philistos enthalten. Die abfassung der in 
7 büchern einen zeitraum von mehr als 800 jahren umfassenden 
own OvviaËis, die mit der einnahme von Akragas endigte *°), 
setzt man in die zeit des aufenthaltes des Philistos zu Hatria, d. h. 
in die jahre 386—367 *?). Man darf die darstellung des attischen 
kriegs, weniger wobl die der sicilischen begebenheiten nach dem- 
selben 5°), wegen des Philistos stellung zu Dionys 1%), für eine 
zuverlässige halten, weshalb ibn Grote IV, 268 mit recht für 
einen vortrefflichen gewährsmann für die ereignisse 415 — 413 hält. 
Hierfür sprechen einige beziehungen der nachrichten des Philistos 
zu denen des Thukydides. 

1. Die angabe über den tod der athenischen feldherrn Plut. 
Nic. 28, 37, 20 und Thuc. 7, 86, 2. 

2. Die nachrichten über die behandlung der übrigen gefan- 
genen. Nach Thuc. 7, 86, 2 wurden sämmtliche in die stein- 
brüche gebracht. Dies beantragte nach Philistos bei Diod. XIII, 19, 
4 Diokles. Darin weichen beide von einander ab, dass nach dem 
aufenthalte aller gefangenen in den steinbrüchen letzterem zu folge 
sämmtliche bundesgenossen — ein punkt, der in dem lücken- 
haften texte c. 33, 1 fehlt — nach Thuc. 7, 87, 3 nur die nicht 
sicilisch-italischen verkauft wurden. Dagegen wurden nach Ti. 
maios bei Plut. Nic. 28, 36, 32 die sklaven und nichtsici- 
lischen bundesgenossen sogleich verkauft, wodurch es 
einigen freien Athenern, die sich als sklaven ausgaben, den stein- 
brüchen zu entgehen gelang (Nic. 29, 38, 1 nach derselben quelle 
wie c. 28, 36, 32 d. h. nach Timaios). 

3. Entspricht der kommandovertheilung in der vorletzten 
seeschlacht bei Diod. XIII, 13, 2 (Pythes im mitteltreffen, Sikanos 

47) De a et origine Syracusarum p. 128, Müller I, proll. p. 48, 
Holm 1, 308 

48) Diod. XIII, 108, 3. 

49) Diod. XV, 7, 4 (ol. 98, 3); Nep. Dion. 3, 2; Plut. Dion. 11 


(V, 10, 10 ff.) eic rov 4dQíav, onov xoi doxsi ta alor cvvSeiven Ing 
leropiag cyolátor. Müller IV, 625. Koerber, De Philisto p. 9. Cf. Holm 


Il, 4 
50) Cf. Völkerling, p. 6, a. 3, p. 7. 
51) Paus. I, 13, 9. 


30° 





456 Sicilischer krieg. 


und Agatharchos auf den fliigeln) die bei Thuc. 7, 64, 4; 70, 1 
in der letzten, doch ohne dass wir erselen, wie sich die ab- 
theilungen gegenüberstanden. Cf. p. 450. 

Dass nach den berichten beider die thätigkeit des Gylippos 5) 
eine bervorragende gewesen, bemerkt Plut. Nic. 19, 25, 25. Da 
nun Philistos, als augenzeuge der begebenheiten, seine nachrichten 
über diese dem Thukydides nicht entnommen haben kann, so er- 
klüren sich die beziehungen beider nur daraus, dass Thucydides, 
wie er 7, 86, 4 mit wo @Aéyero audeutet, in Syrakus erkundi- 
gungen über die vorgünge eingezogen hat 5). Man möchte dies 
schon aus der notiz 81, 1: 2v alz(g te où moddoi tov Tvdsnnov 
elyov Exörta ayeivas tovg AInvalows schliessen. 


An vielen stellen des Diodor, wo sich spuren der syrakusani- 
schen quelle zeigten, finden sich wörtliche anklänge an Thucydides. 
Nun können zwar einzelne thukydideische wendungen durch Phili- 
stos, der ein nachahmer °*) des Thukydides war, in die darstellung 
des Diodor hineingekommen sein. Aber unmôglich kann jener so 
gearbeitet haben, dass er die angaben des Thukydides nur er- 
günzte und berichtigte, wührend er iu der form sich eng an 
ihn anschloss. Wenn nun in dem berichte des Diodor wörtliche 
beziehungen zu denen des Thucydides neben sachlichen differenzen 
sich vorfinden, so können beide entweder vom bearbeiter Diodor 
oder von einem autor, der zwei berichte bereits verarbeitet hatte, 
herrühren. Die meisten forscher bestreiten, dass Diodor den Thu- 
cydides direkt benutzt hat. Dass dies nicht der fall sei, folgert 


52) Polyaen I, 42, 1. . oi ngovyorsss tw» Zvopaxovoiwr Evi xai 
uovo l'vàinngo to? noléuov t9» coynv èntéroswar geht 
augenscheinlich auf Philistos zurück. Cf. Nic. 19, 20, 6 = Just. IV, 
4, 7 (Holzapfel p. 52). Dass Polyün den Philistos direkt benutzte, 
ergibt V, 10, 2 launrmoa 10 nodcdey pioos nepgoayuméror cf. 
Philist. fr. 15. | 

53) Wölflin, Antiochos von Syrakus p. 6, Classen z. Thuc. 7, 
86, 4. 

54) Theo progymn. p. 439 W. o iloros 10v Artıxov Glory 
nölsuo» by roig Zixeluxoi; Ex tov Oovxvdídov metsvynvoyer. 
Cf. Müller J, proll. p. 49. Dies zeigt fr. 51 und Thuc. 3, 39, 4. Da- 
gegen erklürt sich die notiz über die Sikaner fr. 3 (Diod. V, 6, 1) 
= "Thuc. 6, 2, 2 nicht aus der benutzung des Thucydides von seiten 
des Philistos (Holm I, 360), sondern aus der des Antiochos 
durch diese beiden (Woólflin, p. 20). 





Sicilischer krieg. 457 


Collmann p. 2—4 aus den beziehungen von Diod. XII, 40, 1—5 
(= Ephoros fr. 119 M.) zu Thuc. 2, 13, 3—9 55), die überein- 
stimmungen im wortlaut zwischen beiden, aber auch abweichungen 
ergeben. Indem er dies als ein kriterium ephorischer relation an- 
sieht, weist er den abschnitt des Diodor über die sicilische expe- 
dition dem Ephoros zu. Wenn auch dieses resultat sich als richtig 
erweist, so ist jenes kriterium deshalb kein sicheres, weil Diodor 
die nachrichten des Thucydides ebenso gut aus Theopom p schó- 
pfen konnte °°). 

Volquardsen °") nimmt für jenen abschnitt Ephoros als quelle 
an und nicht Timaios, weil sich einmal geringere bekanntschaft 
mit ortsverhültnissen als iu den übrigen sicilischen partien des 
Diodor zeige, sodann der berichterstatter mehr auf seiten der Athe- 
ner als der Syrakusaner stehe.  Ersteres trifft jedoch nur für den 
schlechtgearbeiteten bericht XIII, 7—9 zu, wo die meisten irr- 
thümer augenscheinlich Diodor zur last fallen. Dass der syraku- 
sanische standpunkt an einigen stellen deutlich hervortritt, 
wurde oben nachgewiesen. 

Nach Holm II, 364 f. hat Diodor 1, Thucydides 2. Ephoros 
3. für die letzte schlachtbeschreibung eine syrakusanische quelle 
benutzt. Die dem Thukydides widersprechenden augaben weist er 
deshalb dem Ephoros zu, weil eine syrakusanische quelle derartige 
unrichtige ortsangaben (cf. Il, 358) nicht habe bringen können. 
Indessen weist der abschnitt des Diod. XIV, 54— 78, der nach 
Holm II, 364, 372 aus Ephoros geschöpft ist, solche irrthümer 
nicht auf. Auch sind sie einem autor, der für sicilische geschichte 
den Philistos °°) benutzte und benutzen musste, nicht zuzutrauen. 


Holzapfel weist Diod. XIII, 2—7 5°) deshalb dem Ephoros zu, 
weil die darstellung den Athenern günstig erscheine (p. 35); c. 
11—17 rührt nach ihm aus einer syrakusanischen quelle, die sich 
jedoch, wie gezeigt wurde, früher nachweisen lässt. Nach ihm 


95) Worauf schon Stelkens, De Ephori Cumaei fide atque aucto- 
ritate. Monasterii 1857 p. 24—25 hingewiesen. 

56) Wie Natorp p. 16 richtig bemerkt. 

57) Untersuchungen über die quellen der griechischen und sici- 
lischen geschichten bei Diod. XI—XVI. Kiel 1868, p. 103. 

58) Wie Völkerling p. 6 mit recht aus Plut. Dion. c. 36 folgert. 

59) Wie theilweise schon Fricke p. 58—59, Natorp p. 11, 15 
zeigten. 





458 Sicilischer krieg. 


(p. 5—6) hat Diodor — einzelue fälle abgerechnet 99) — den 
Thucydides selbst nicht eingesehen, sondern Ephoros, der sich an 
diesen eng anschloss. 


Volquardsen hat gezeigt, dass gegeu die direkte benutzung 
des Thukydides von seiten des Diodor die differenz beider in den 
zeitangaben spreche. Sehen wir uns hierauf den bericht des 
Diodor an, so finden wir XIII, 4, 2—3 eine übersicht über die 
stellung der sicilischen stádte zu den kriegführenden parteien, die 
man bei Thucydides vergebens sucht. Es folgt aus seiner darstel- 
lung, dass die Naxier auf seiten der Athener standeu (6, 50, 3), 
dass die Kamarineer trotz aller versuche der Syrakusaner und Athe- 
ner, sie auf ihre seite zu ziehen, sich neutral verbielten, dass die 
Messenier eine abwartende haltung einnahmen (6, 75, 3 — 88, 3 
und 6, 50, 1). Dagegen wurden Himera, Gela und Selinus, die 
Diod. XIII, 4, 2 bereits im herbst 415 als bundesgenossen der 
Athener aufführt, nach Thuc. 7, 1, 3—5 erst im frühjahr 414 
durch Gylippos zu reger theilnahme am kriege getrieben. So ba- 
ben wir bei Diod. XIII, 4 einen ähnlichen fall wie XII, 42, 5, 
wo die Amphisseer zu anfang des peloponnesischen kriegs unter 
den bundesgenossen der Lakedaimonier erscheinen, wührend sie nach 
Thuc. 3, 101, 2 erst im 6ten kriegsjahre als solche auftreten. 
Hierzu bemerkt Volquardsen p. 40 richtig: „hier sieht man die 
ordnende hand eines forschers, der im Thucydides sicb genau um- 
gesehen“. Dahin gehört auch die angabe über die wahl der stra- 
tegen, welche nach Diod. XIII, 4, 1 gleich in folge der an- 
fahrt der Athener erfolgt, wührend sie bei Thuc. 6, 73 erst 
nach der niederlage der Syrakusaner im offenen felde (nov.— 
dec. 415) stattfindet. — Wie die übersicht bei Diod. XIII, 4 
auf eine quelle schliessen lässt, welche die ereignisse mehr nach 
ihrer zusammengehérigkeit®) als nach ihrer aufein- 
anderfolge — wie es bei Thucydides der fall ist — geordnet 
hatte, so auch die anordnung der ereignisse XIII, 8, 3—6: 


XII, 8, 3 Gesandte nach Korinth Thuc. 7, 7, 2 Gylippos zieht aus. 
und Lakedaimon. 


60) Bünger in der recension der schrift von Natorp, J. f. ph. 
1877, p. 818 f. | 
1.61) Volquardsen p. 41; Diodor selbständiger bearbeiter seiner 
quellen: Bröcker , Untersuch. über Diodor 1879, a. a. o. p. 87 ff., 
Moderne quellenforscher und antike geschichtechreiber p. 84 ff. 





Sicilischer krieg. 459 
Peloponnesier schicken 1600 m. Thuc. 7, 3 Gesandte nach dem 
Peloponnes, 
XIII, 8, 4 Gylippos zieht aus. Thuc. 7, 4 Seeriistungen der Sy- 
rakusaner. 
Truppen desselben überfallen (vor Thuc. 8, 2 und c. 11—16 Brief 
der einnahme von Plemmy- des Nikias (nov. 414). 


rion: ggovgia c. 9, 5). 
XIII, 8, 5 Syrakusaner üben sich Thuc, 19, 3—4 1600 Pelopon- 
zur see. nesier kommen (mirz 413 cf. 
19, 1). 
XIII, 8, 6 Brief des Nikiss. Thuc. 32, 2 Ueberfall syraku- 
sanischer truppen (nach der 
einnabme von Plemmyrion). 


In dieser anordnung bei Diodor lässt sich ein bestimmter plan 
nicht verkenuen, Zuerst wird der zuzug der Syrakusaner zu lande 
erwahnt, im anschlusse daran die seerüstungen, schliesslich der brief 
des Nikias, der durch das fortwährende anwachsen der wider- 
standskrüfte der Syrakusaner motiviert erscheinen sollte. — Dem 
entsprechend sagt Nikias bei Diodor: noddoi nagesos Guuuayos 
toig ZvgaxoG(o.g, bei Thuc. 7, 12, 1: nsenopgyuosı dì xoi dg 
Ilelonovyvnoov notofuc . . 

Sodann finden sich bei Diodor zweimal zwei ganz ver- 
schiedene daten irrthümlich mit einander verbunden: 


1) Diod. XIII, 8, 4 die von Gy- "Thuc. 7, 7, 2 Gylippos zieht aus. 
lippos gesammelten truppen Thuc. 32, 2 Hilfstruppen der Sy- 


überfallen (Holm Il, 359). rakusaner von den Sikelern 
überfallen. 

2) XIII, 11, 6 Syrakusaner schi- "Thuc. 7, 25, 9 Syrakusaner schi- 
cken den Sikanos®?) in die cken nach Korinth, Sparta u. 
sicilischen städte 17» re »(- a. gesandte &yyé£AAoviag 
ap unayysAourıa — xai ınv Te 100 llàguuvotov Ar- 
BonS9siv &Eivovvrra. yu — xoi «Esuooviag 

ovußondeiv. 


c. 46 Sikanos mit 15 schiffen 9?) 
nach Akragas geschickt. 


62) Ungenau sagt Holm Il, 360, dass 12 schiffe nach Akragas 
fuhren. 





460 Sicilischer krieg. 


Ein solches versehen des Diodor wäre unbegreiflich, wenn er 
den Thucydides vor sich gehabt hätte, bei dem die betreffenden 
notizen getrennt von einander standen; wohl aber ist es er- 
klürlich, wenn er einer quelle folgte, in der sie hintereinan- 
der standen. 

Auch folgende zusammenstellung weit auseinander lie 
gender angaben des Thucydides kann nur von einem autor 
herrühren, der in diesem zu hause war: 


Diod. XII, 83, 3— 5 dote — Thuc. 6, 6, 3 @yngploarre 
ixnfíuyas — xai dia cx é- noéofess néuwas — 0x8wo- 


pyvacda mévous. 
olxo9sy — naga twrv Thuc 46, 3— 4 4E air, 
AOTUYELTOVWY — Qar- "Ey€orns — ix sd dy- 
taclag Évexty — unay- y%¢ ROAEwy nmolàó» pas 
yeslavrw» vopéivwy —- disdoon- 
car. 


Cf. XIII, 6, 7 — Thuc. 6, 93, 4 + 94, 4 + 60, 4%); 
XIII, 6, 1 — Thuc. 6, 62, 1 + 62, 3 + 62, 5 + 62, 4 
+ 62, 3. — Derselbe muss es sogar verstanden haben, die an- 
gaben zweier quellen zu verarbeiten: 


Thuc. 7, 23, 4: 11 syrakusanische schiffe versenkt 

Diod. XIII, 9, 6 » + die übri- 
gen schiffe bis 1 zur Nesos verfolgt. 

"Thuc. 7, 41, 4 7 athenische schiffe versenkt 

Diod. XIII, 10, 6 » » » + viele un- 

brauchbar gemacht. 
Thuc. 7, 52, 1: 86 athen. schiffe, 76 syrakusanische 
Died. XII, 13, 2: » » 74 » 


Thuc. 7, 53, 3: 18 athenische schiffe genommen 


Diod. XIII, 13, 7 » » » + 2000 mann 
getodtet. 

Thuc. 7, 87, 4: 7000 gefangen genommen 
Diod. XIII, 19, 2 » » + 18000 getödtet. 
63) Diod. c. 6, 7 Zgvysv — Thuc. 6, 60, 4 roy dé dia g v- 


ob d' 493vaioi 19 avslovyıs dia- yóviuv —inaveinoy a pyv- 
yopay deyvoeiov talavtoy int- oov tw anoxreivarts (Dia- 
x5ovtar. goras nicht erwühnt). 





Sicilischer krieg. 461 


Wer nun dieser autor ist, bei dem Diodor jene anordnung der 
begebenheiten sowie die zusammenstellang der angaben zweier 
quellen vorfand, ersehen wir aus XII, 83, 6. Die bedenken, die 
Nikias gegen das sicilische unternehmen geltend macht, sind ganz 
andere als die bei Thuc. 6, 9—15. Nikias hält es für unmöglich, 
die müchtige insel zu erobern; denn wenn die Karthager trotz 
heftiger kämpfe derselben nicht hätten herr werden können, so sei 
dies von den jenen an macht nachstehenden Athenern 
noch weniger zu erwarten. — Eine solche auffassung der ver- 
hältnisse kann weder der friedensmann Nikias (cf. Plut. Nic. 9, 
12, 14 ff.) noch einer seiner zeitgenossen gehabt haben, sondern 
nur die, welche geraume zeit nach dem peloponnesischen kriege 
lebten. Also hat der autor, der jene worte dem Nikias in den 
mund legte, die anschauungsweise seiner zeit auf die frühere 
übertragen. Eben dies wird dem Ephoros zum vorwurf gemacht ©). 
— Auf ihn weisen noch folgende angaben hin: XII, 84, 1 erin- | 
nert die charakteristik des Alkibiades an die des Perikles bei 
Ephor. fr. 119 (Diod. XII, 38, 2). — C. 84, 2—3 wird die 
zahl der von den bundesgenossen eingeforderten trieren auf 
30 angegeben, welche bei Thuc. 6, 25, 2 fehlt9*). Ebenso finden 
sich XIII, 2, 2 einzelheiten über die ausrüstung der flotte (Coll- 
mann p. 16), die Thucydides nicht hat. Solche notizen konnte 
nur ein berichterstatter bringen, der in Athen gelegenheit hatte 
inschriftliche zeugnisse einzusehen. Dass Ephoros solche verwer- 
thet hat, ist bezeugt 99). — Hierzu kommt noch, dass einzelne an- 
gaben des Diodor, die syrakusanische fürbung zeigen, in 
der relation des Ephoros vorliegen, wie sich auf grund der 
reden XIII, 20—32 ergiebt. XIII, 2, 8 beschliesst der athenische 
rath, die Selinuntier und Syrakusaner als sklaven zu verkaufen, 
den übrigen Sikelioten einen jabrlichen tribut aufzuerlegen. Auf 


64) Cf. Stelkens p. 13, Fricke p. 9. 

65) Nach 6, 48, 1 waren es 184—100; bei Diod. XIII, 2, 7, wo 
der text lücken zeigt (Bekker 1I, 180, 25, Fricke p. 58) gesammt- 
zahl 140. 

66) Fr. 29 (Strabo X, 463): nag«rí9go: di roro» urprupsa ta 
Insyoapupuata. Ueber das kritische verfahren des Ephoros: Stel- 
kens p. 17, 28, eingehen auf die kulturhistorische entwickelung Rühl, 
Quellen des Plutarch. Perikles, J. f. ph. 1868, p. 671, cf. Fricke, 
P 8—10, Natorp 16 f. Minder günstig: Endemann, K., Beiträge 7. 

ritik des Ephoros p. 9, 11,15. Cf. Völkerling, p. 6—7. 





462 Siciliseher krieg. 


diesen beschluss bezieht sich Gylippos in seiuer rede 30, 3. Holm 
Il, 357 bemerkt richtig, dass jene uotiz ,im letzten grunde“ aus 
einer syrakusanischen quelle stamme. XIII, 17, 5. Bestattung 
der gefallenen bürger und bundesgenossen auf staatskosten. —Hieran 
erinnert 29, 2 Gylippos die Syrakusaner: xoopetv épnqlouode ros; 
zügovg Wy pernAdayotwy. — Jene reden sind vou sämmtlichen 
forschern 5") dem Ephoros zugewiesen worden. Hierfür lässt sich 
noch anführen die notiz über die vom Delischen bunde herriibrende 
summe °°), 


Ephor. fr. 119 (Diod. XII, 40, XII, 21, 3... uuosa pir 
1): petaxexopsopérwy È x 4 j- slinporus Ex Aniov ta- 
À o v yonuatwy sig tag APn- Aavea... cf. XII, 54,359). 
vaç — orrwy uvolwy Ta- 
Adytwy. 


Auch weisen stilistische einzelheiten auf Ephoros hin 7°),—  Fer- 
ner zeigt unser abschnitt beziehungen zu XIV, 54—78, der nad 
Holm aus Ephoros stammt, So haben wir als gegenstück zu den 
XIN, 14, 4 erwähnten zoidec hevdegos XIV, 74, 1 xgsofv- 
tatos zwy suldwv, welche die karthagischen schiffe plündern. Völ- 
lig entspricht sich: 


67) Collmann p. 22 mit dem hinweis auf die sentenzen, beispiele 
aus der geschichte, auf das lob Athens, Fricke p. 18. Nach Holm 
II, 364 sind sie aus Ephoros wegen der beziehungen zu der rede de 
Theodoros XIV, 65—69, die in dem Ephoros-abschnitte steht (p. 372) 
Schubert, J. f. ph. Suppl. IX, 683 verweist bei XIII, 26 auf —8 
Panegyr. § 28, 39, 54, 51, 47, 28. Cf. Holzapfel p. 40 f. 


68) Schmidt, Per. zeitalt. I, 300. 
69) Wonach Holm II, 365, Holzapfel p. 77 Ephoros zu grunde 


liegt 

P 50) XIII, 25, 3 ueyiomv énidocvv l«Beiv — Ephor. fr. 119 
Diod XII, 40, 8) nollnv Enidoosy eliggévai; 26, 8 oi agwros reovi⸗ 
nuegov tois "Elson. ueradovuss — ovtos » VOouous abor , ds’ obg 0 xow& 
Bios ix tis aypias — Lone sis n uspo» ElnAvde avußiacır 
— Ephor. fr. 63 (Strab. X, 870) fEnusodoarvouluors; fr. 70 
(M I, 256) muspodr rove dv9guinove ENGTETMY dvypéowy xag- 
nüvxcói tuv Biwv. 80, 2 my sirvyiay woneg Bags gagrior cv gt- 
gorii; = XV, 5, 1. Diese beziehung zeigt, dasa die reden nicht 
von Timaios sind , wie Bachof, J. f. ph. 1879, p. 178 zu zeigen 
verspricht. Volkerling , p. 28, a. 4 denkt an Timaios wegen der 
rede des Gylippos. Indessen hat Ephoros offenbar aus ef 
fekthascherei dem milden Syrakusaner Nikolaos 
den Lakedaimonier gegenübergestellt. 





Sicilischer krieg. 463 


XIII, 14, 5: rd negb ròv U- XIV, 74, 2— 3: xui narımv 
péva lyn xai nig © ife exevdóv zov dni tu telyn was 


wolews 0meoxcíptvog TO- Unsoxslpevog TONOG 
xoc Eyt&ut Owudtwr. Eyewe vi» Jewpérwr. 

XII, 19, 1: of dèZupaxo- XIV, 64, 3: ot di Sugaxo- 
9,04 — rag xatudespdel- 6505 zug alypudwiovg vuus 
Gag vate dvaypapevos dvuypapevos KATHY a- 
xatnyayov elg 15» no- yov elg zn» nodev. Cf. 
Avy. 60, 7. 


Auch entsprechen sich folgende stellen: XIII, 10, 4 — XIV, 
72, 5; 10, 6 — 60, 3, 73, 1; 16, 2—3 — 72, 6, 78, 4; 17, 
9 — 60, 6; 18,5 — 72, 3. 

Bachof 7!) weist freilich aus gründen, die sich hören lassen, 
Diod. XIV, 54—78 dem Timaios zu. Doch gestebt er p. 172 
zu, dass Diod. XII, 82, 3 — XIII, 20 dem Ephoros entnommen 
ist. Dann bestätigen die beziehungen dieses abschnitts zu XIV, 
54—78 die annahme Holms, dass auch hier Ephoros zu grunde 
liegt. 

Dass Diodor sowohl die thukydideischen als auch die syra- 
kusanischen angaben aus Ephoros schópfte, folgt endlich aus den 
beziehungen des Diodor zu Plutarch und Justin. — Nach Plut. 
Nic. 12, 16, 11 und Diod. XII, 83, 5 rath Nikias schon in der 
volksversammlung, wo über das hülfsgesuch der Egestaner verhan- 
delt wurde, von der unternehmung ab, während er dies nach Thuc. 
6, 8, 4 erst nach seiner wahl znm feldherrn that. (Helzapfel p. 
76, 77). 

Mit Justin stimmt Diodor in einer thukydideischen augabe 


überein : 

Diod. XIII, 12, 2: qu- Thuc. 7, 47, 4: xui Just. IV, 5, 2: esse 
oxwy aipetwWIsgor, — wopehkipwre- domi graviora et 
slvas 1006 daxedas- goveivas ngóg ovs forsitan infeliciora 
porloug — dv Er tj ywugg— no- bella, in quae ser- 
vevortug 7 xadnwé- Asuov nowiodas — vare hos urbis ap- 


vous el; Sixedlav un- ovd’ uv addwe xor- paratus  opor- 


71) J. f. ph. 1879 p. 161—173. Das, was Beloch ib. p. 600 für Ti- 
maios geltend macht, beruht auf einer hypothese. 





464 Siciliseher krieg. 


dir rà» yonoluwr èni- para—dunuvdv- teat"), 
tedetv. zaç elxoç elvas 
RoodxudnoF as. 


Diese zusammenstellang zeigt, dass bei Justin und Diodor 
nicht, wie Holzapfel p. 50 meint, eine syrakusanische 
quelle zu grunde liegt. — Sodann setzen Justin und Diodor ia 
gegensatz zu Thucydides den tod des Lamachos nach der | 
ankunft des Gylippos an (Holm II, 365); nach Just. IV, 4, 9 
fällt er im 3ten gefecht, welches für die Syrakusaner günstig ist, 
nach Diod. XIII, 8, 1 im ersten. Dieses scheint dem bei Thuc. 
7, 5, 2—3, nicht dem c. 6, 3 erwähnten — wie Holm If, 358 
annimmt — zu entsprechen. 


Endlich zeigen sich bei beiden spuren einer syrakusanischen 
quelle. Just. IV, 5, 7 30 athenische schiffe gerathen in brand, 
cf. Diod. XIII, 13, 6 (Holzapfel p. 50 f.). Sodann lesen wir IV, 
5, 9: ab his relictas centum triginta naves Gylippus invasit. An 
beiden stellen des Justin sind die zallen zu hoch, an dieser bat 
der flüchtige excerptor sicherlich die syrakusanischen schiffe 
mitgerechnet. Nach Diod. XIII, 19, 1 waren es nur 50 
schiffe. Uebrigens sind die versehen des Justin nicht grösser als 
das IV, 5, 10 von Fricke 75) nachgewiesene. Hier lesen wir, De- 
mosthenes sei durch freiwilligen tod der gefangenschaft entgangen, 
wührend er nach Philist. fr. 46 sich zu tódten versuchte, — 
Diese beziehungen des Diodor zu Justin liessen sich nicht erkläres, 
wenn erséerer und Trogus 1. Thukydides, 2. Ephoros, 3. eine sy- 
rakusanische quelle selbstständig benutzt hätten. Sie lassen 
vielmehr auf eine mittelquelle schliessen, welche die thukydi- 
deischen nachrichten, nach eigenem plane geordnet, mit denen 
anderer quellen verarbeitet hatte. Der eine mehrheit von quellen") 
benutzende autor, aus welchem Diodor und Trogus schöpften, ist 
Ephoros °°). 


72) Cf. Just. IV, 5, 2: censere coept ut abirent. — Thuc. 7, 
7, 3: &nsévas iyngilero. 

78) P. 103. 
74) Dies bemerkt auch Schmidt, Per. zeitalt. I, 225, 246, 254; 
II, 36. 
75) Dies gibt Holm II, 365 theilweise zu; Holzapfel p. 51 glaubt, 
dass Trogus den Philistos benutzte. 





Sicilischer krieg. 465 


IV. 


Ans den beziehungen von Diod. XII, 83, 5 zu Plut. Nic. 12, 
16, 11; XIII, 12, 3 und 1 zu Nic. 22, 30, 8 und 23, 30, 28 
ergibt sich, dass auch Plutarch den Ephoros eingesehen, obwohl 
er ihn als quelle nicht citiert 5). Dass c. 9—10 ibm entnommen 
sind, haben Fricke p. 28—29 und Holzapfel p. 77 gezeigt. Auch 
für den letzten theil der biographie muss ihn Plutarch hie und 
da eingesehen haben, eben weil er eine mehrheit von quellen ver- 
arbeitet hatte. Dass er ihn nur für einzelne fälle eingesehen, 
demnach die nachrichten des Thukydides und Philistos nicht in 
der relation des Ephoros vorliegen — wenn dies auch bei 
einigen der fall sein kann — ergibt sich aus der anordnung der 
begebenheiten bei Plutarch, die von der bei Diodor beobachteten 
wesentlich abweicht’’). Uebrigeus folgt aus Nic. 1, 1, 10 ff. dass 
Plutarch den Thukydides 73) wie den Philistos direkt benutzt hat. 


Aus Ephoros scheint noch folgendes entlehnt zu sein: 


Nic. 18, 24, 11: weyudn yàg n C. 9, 11, 21: önwg — ftflaioy 


dota dsepolta 100 — roùc ww TO Tc evrvyluc 


°A9nvalovs xai orgutny ov Eyeıv 
auayor dé sttuylay xai 
geornosy. Cf. c. 2, 3, 12. 
. 20, 26, 18 f£: 99 ove d 
TUY Rewtoy  "QuiTeuÉVwV 
moog eU rv y (av rov Nix(ov 


— diargifàg Eußulorıwr .. 


w A M * , 
ovoua 1006 TOY audıc yoorov 
7I050110. 


. 6, 7, 25: 16 99ovo tig 


doing vpséueros . . cf. Ephor. 
fr. 119. (Diod. XII, 39, 
2—3). 


€. 26, 35, 6: ws drne Feo- C. 9, 12, 15: wo avng ety 
psdns. 

C. 26, 35, 7: xolÀa xai weyddu C. 8, 4, 8: wo dawned xai 
Aaunguvumerog noc td 
Hero». 


Feoqpudno. 


J9eongent prrompnputu. 


76) Ueber die citiermethode des Plutarch. Cf. Schmidt, Per. zeit- 
alt. I, 208 f.; II, 50 ff. 

77) So entspricht die anordnung der daten Nic. 19, 26, 6 ff. 
der Thukydideischen 7, 7, 2 — 8,2, aber nicht der bei Diod. 
XIII, 8, 8—6 vorhandenen cf. p. 458 ff. 

78) Nach Schmidt II, 48 f. benutzte er ihn wegen seiner aus- 
führlichkeit. 





466 Sicilischer krieg. 


Auf eine athenische quelle ist jedenfalls zurückzuführen c. 17, 
22, 22 ff., wo Syrakus mit Athen verglichen wird, und die an- 
gaben über die krankheit des Nikias c. 17, 22, 29; cf. c. 18, 
23, 10 und 26, 34, 22 ff. 


In wie weit Plutarch den Philistos benutzt hat, ergab zum 
theil der vergleich mit Diodor. Fricke und Philippi haben, ohne 
diesen heranzuziehen, ganze abschnitte der biograpbie dem Philistos 
zugewiesen : 


c. 17 — dleusog fou; c. 18—19 Aaxsdasportoss ; c. 19 
Fricke {xuxelvou — c. 22 ty now; c. 22 neoì perio — 
c. 23 ra roiatia; c. 23 6 dè Nix(ag — c. 28 évnvoyous. 

Philippi 7): c. 16 ausser p. 21, 20—23; c. 17—19; c. 
27 — 28. 

Dieses ergebnis kann jedoch nicht als sicher bezeichnet wer- 
den, Denn einmal ist, wie Holm Il, 348 —355 gegen Fricke ge 
zeigt hat, von c. 16 an Thukydides stark benutzt. Sodann er 
gab der vergleich vou Nic. 28 mit Diod. XIII, 19, dass Plutard 
mitten in einem kapitel von einer quelle zur anderen über 
geht. Wenn also nicht die angaben selbst den berichterstatter 
erkennen lassen, werden nur auf grund von parallelberichten 
ganze partieen einer bestimmten quelle zugewiesen werden 
kónnen. . 

Timaios ist von Plutarch im Nicias nach Philippi viel um 
fassender benutzt worden als Philistos : 


C. 12—15 (nach Fricke c. 12—16); c. 16. 21, 20—23; 
c. 21, 28, 15; 21, 29, 8 f.; c. 22, 30, 11 f.; c. 24— 
26; c. 29— 80 99). 

Dass Philippi an einigen stellen das richtige getroffen hat, 
ergibt sich aus folgenden beziehungen von Plutarch, Nicias sz 
Dion, wo Timaios stark benutzt ist: 
| Nic. 14, 19, 30 f.: i436o919av oi pavtesg, un more — 

TO yQeu» — mtgaívo:. 


| Dion. 29, 26, 2 f.: Jdeewdowvy (x. of wart.) p) room» ure 
— ÀaBw csv"), 


79) P. 4, 7. 
80) P. 4—7. 
81) Bachof, De Dionis Plutarchei fontibus, p. 57. 





Sicilischer krieg. 467 


Nic. 25, 33, 1 f.: oi muvresc oig Svgaxovotoss drnyyesdur 
dx v» leguvvíxqv. 

) Dion. 27, 24, 13: où u ávstig naga rw Dewy víxnv Epoabor 
avig) 83). 

Die von Philippi auf Timaios zurückgeführte stelle c. 61, 21, 


20 f. erinnert an c. 27, 35, 22 ff. 
Einige stellen des Nicias erinnern an ähnliche im Timoleon: 


Nic. 18, 24, 23: oùd’ ei mugecrs 10v Svgaxovo(uy à ni0ra- 
pévw». 
Timol. 21, 22, 15 f.: wore vj» ıwv KogePlwv noÀw à n«010V- 
_ €ay» tl diunénleuxer . . 
Nic. 19, 25, 4 (cf. z. 16): of dì Faggyoarres EwxdCori0 
| xaà ngoonyev evdug o TvAmnos LE bdoù — ini rovg 
woAsplous. 
Timol. 12, 12, 26: Tipodéwr, tminogevopeoog edeito ayesy 
| zura TaYOS xai Ovvanısıv totic moleuloss — ot Ó' e- 
Rovio TEF AQONKOTES. 
Ausserdem ist wohl auf Timaios zurückzufübren: 
Nic. 27, 36, 2 f.: Doc tuac, Nic. 1, 1, 18 f.: woneg druv 
w Tyvanne duftrw vixwvias, Aéyn (Tiu.) voic Analog 


éuov uiv undeig, ög éni 17- olwvoy nynoacdus yeyovévus 

Asxavrusg evtuyluss Ovo- tov and 176 vlang Eyorta 

pa xai dokav Écyoy *). Tovvoua Orgaryóv «avie- 
novra .. 


Hierzu kommen c. 25, 33, 3 notiz über Herakles cf. Tim. fr. 

97 (Müller I, 217), c. 28, 36, 25 —27, 8 und c. 22, 30, 14—21 54). 

Da nun Nic. 23, 31, 27 auch Philochoros als quelle citiert 

- ist, der auch c. 18, 17, 19 (cf. Alc. 18, 392, 27) benutzt zu sein 

scheint (Philoch. fr. 110), so ergibt sich für die biographie des 

Nicias eine sebr umfassende quellenbenutzung von seiten des Plu- 

tarch, was nach Schmidt (Per. zeitalt. Il, 78) dafür spricht, dass 
sie und Krassus zu den letzten ausläufern der parallelen gehört. 


82) Dass hier, wie Bachof p. 54 annimmt, Timaios zu grunde 
liegt, folgt aus der beziehung von Seacaueros 10» diova toteqayw- 
pévoy ob nagórtec — lougarobrro ndvıss zu Timol. 26, 26, 28 è 
Tisoliwy xatectéwato nowros — sire où negi avıov. Das Timol. 
p. 26, 12 ff. erzählte lesen wir Plut. symp. qu. V, 3, 2 (XI, 210 Hutt.) 
mit der ausdrücklichen angabe: iorogé; dì xai Tiuasos 6 0cvy- 
yoagets. Müller, Fr. h. gr. I, 225 hat dies fragment übersehen. 

88) Dem steht nicht entgegen, dass Plut. c. 9, 12 f. nach Epho- 
ros sagt: so dasudmoy avrò — inwvtum yevéades tou ueyiatov 
xai xalàiatov sur ayadwry déduxs Nur Timaios konnte dem 
Nikias eine solche bemerkung in den mund legen. Cf. Fr. 97 

84) P. 488 ff., 448. 





Sicilischer krieg. 


Exkurs zu Plut. Nic. 6 — 9. 
(Cf. p. 444 A, 461). 


Nic. 9, 12, 17 ff. wird der friedensstiftenden thätigkeit des 
Nikias die kriegerische politik des Perikles gegenübergestellt ©), 
Hier stimmt Plutarch mit Diodor XII, 39, 3, der dem Ephoros 
folgt, überein: Plutarch: 0 ui» yag — sig cupqogag wey dias 
Zu B aX civ edoxe rovg “Eddnvuc — Diodor: Expire ouupéoesr atii 
Thy mode ?ufBaAsiv elg uéya» noAtuor. Wie Nic, 9, 12, 18 
Perikles als urheber des krieges hingestellt wird, ebenso Per. 29, 
336, 6: peovog toys 100 sodéuov rjv alia» und c. 31, 331, 7. 
Nach Rühl 8°) und Holzapfel 5") folgte Plutarch an diesen quellen 
dem Ephoros, während Schmidt (Per. zeitalt. 3 p. 68 ff. Il, 259 ff) 
sie dem Stesimbrotos zuweist, aus dem die erste halfte von c 
29 geschópft ist. Dass jedoch bei Plut. c. 29, 329, 19 — c. 32 
theilweise die relation des Ephoros vorliegt, zeigt der vergleich 
einiger stellen mit denen des Diodor 99). 


1) Per. 29, 329, 21: 
aluwpevos nuons wiv 
áyogüág, navrUY 
dì Aspérwy — 
eloyeddas. 

Per. 29, 330, 1 ff.: 
oùx uy doxei Gv p- 
ZtGtiv UNO ye THY 
AA ww uluwv è no- 
Ae poco 10ig A9n- 
valoig & r0 wr- 
ysopu xudeleïir 
stò Meyapıxzöv 
éneloFnoay. 


2) Per. 31, 331, 10: 


85) Fricke, p. 29. 


Diod. XII, 34, 4: à»- 
rog dì wneploputog 
Miyagtog estoy o2 us 
Tg TE & yogüg xai 
TWY Às pvo». 

Diod. XII, 39, 4: ... 
MQOCTAtIOVIEG — d v &- 
Mivy tO xuzü T Y 
Meyuotwy wi- 
propa, un wes Fo- 
nevwv di 
unsAovvıssg wodemn- 


> « 
OUT wp 
> ~ 
OEY aVroic. 


Diod. XII, 39, 5: A6- 


86) Quellen des Plut. Per., J. f. ph. 1868, 


87) P. 68 ff. 


88) Dass Diodor den Ephoros Adchtig hier excerpiert hat, be- 
Cf. Rühl p. 671. 


merkt Fricke p. 9. 


Thuc. I, 67, 4: dr 
dovries poly — Ir 
mévov ze eloye- 
cia, — xal 1 


"Aruxig ay oeas. 


"Thuc. I, 139, 1: Au- 
xedusudvio: dè nov- 
Atyov 50 mei Mr 
yagtov yıyıopa 
xaJdtAovos pr 
dv yevé£G 9 as no- 
deuov. 


p. 668 f. 





xai my ovyxywon- 
osv èEopodoynow 
aoderelas Nyovperor. 


3) Per. 32, 332, 30: 
tov 7zt0 suo» ÉEéxuvoer 
— od x elacey d»- 
doivas Aaxs- 
dasporloss tà» 


dn poy. 


€. 32, 332, 17: de- 
xopuévov dè rov dij- 
pov — tag dia flo- 
Ades. 


Sicilischer krieg. 


yuv dex dovislas 
elvas 10 nel3ecdFas 


sog — laxeduipovlwy 
1000T0ypa0l. 


Diod. XII, 40, 5: wag- 
oQuncoac rovg 
noÂlttug ig toy 
noàAtuovinaot zóv 
diuov un ngootyew 
roic Aaxeduspo- 

vlosc. 

Diod. XII, 39,3: dwws 
un nooodéynt as 
tag — dsafPodas. 


469 


T buc. 1, 127, 3: xoi 
ovx slavmelxecy 
(vorher zoig Auxed.) 
Gad’ dg tov zxóàc- 
pov gua rove 
"AInvalovs. 


Schmidt (Il, 261) bemerkt nun, dass Plut. Per. 31 den Epho- 


ros nicht durch xAslforovg ucervoas habe bezeichnen können, unter 
welchem ausdruck dieser die ihm vorliegende hauptquelle 
verstehe (Il, 142), so Per. 26 den Ephoros im gegensatz zu 
Stesimbrotos (II, 300, a. 1). Da aber Plutarch von c. 29 
an, wie der vergleich mit Diodor ergibt, dem Ephoros folgte, so 
durfte er auf ib n mit jenem ausdruck hinweisen. 

Also bestätigt die beziehung von Plut. Nic. 9, 12, 18 zu 
Per. 29 und 31 die annahme von Holzapfel und Fricke, dass Nic. 
9—10 Ephoros benutzt ist. Für Nic. 6, 7, 31 — 8, 4 gilt das 
gleiche. Hier findet sich eine äbnliche gegenüberstellung 
der beiden männer wie c. 9. Auf die beziehungen dieser 
stelle zu Per. 34 hat Schmidt Il, 267 hingewiesen. Demnach 
scheint Plutarch im Pericles den Ephoros weit umfassender benutzt 
zu haben als Schmidt zugibt, der diesem nur die auf den samischen 
krieg bezüglichen stellen c. 25—27 zuweist (ll, 37 ff.). Auch 
zeigen Nic. 6—8 beziehungen zu Per. 18 — 22: 


Nic. 6, 7, 21 £.: onov d’ avrog Per. 18, 319, 14: à» roig orga- 
OTQATEVOLTO Tig aOpa- 
Aslaug lyoutvog . . 

Nic. 6,8, 23: soo Ir cag 0d 12v 
zoagoaA(oav» tijg Aamwyıxnc. 
Philologus. XLII. bd. 3. 


ınyluss eidoxius — dia 
7j» Gopalsıar. 
Per. 19, 320, 15: énce dros 
176 Ragadlac mol. 
31 





470 


Nic. 6, 8, 8: xuruxisloug di 
Miyagtig elg 12» wodey. 
Nic. 6, 7, 25: éxepugrvoes 


Nicilischer krieg. 


Per. 19, 320, 24: xuréxdescer 
Olvsadag eig To reiyoc. 
Per.22, 322, 1: &saugzuonoer 


x ? ~ a 
dì xal r4 ROGY pute. avi Tu yevopervu. 


Per. 19, 320, 27: o$0ií» yag 
ngooxoovopa Guréfn nti 
TOUS OrQartvojsévovc: 


Nic. 6, 7, 26: moAAG» yag 101€ 
T gocxoQovOop armor —ov- 
devòg — Exeivog pertoger. 

Nic. 8, 10, 8: rovro ı@ Nixlu 
peyuainvnveyxev adoklur. 


Per. 18 fin.: weyadny tovro 
1 [egexdeit DoE uy nveyxer. 


Holzapfel p. 73 f. führt Per. c. 20 — 22 auf Ephoros zu- 
riick, dagegen rührt nach ibm c. 18—19 aus einer anderen quelle, 
weil die anordnung der begebenheiten unchronologisch ist (p. 72). 
Schmidt Il, 249 ff. weist jenen abschnitt dem Stesimbrotos zu. 

Pforzheim. W. Stern. 


Cic. de div. I, 12, 20. 


Atque haec fixa gravi fato ac fundata teneri, 

Ni prius excelsum ad columen formata decore 

Sancta lovis species claros spectaret in ortus. 
Statt Ni prius nach der konjektur von Guilelmus finden wir in 
den handschriften Ne pos, Ne post und Ni post. Obschon nun 
durch das konjizierte prius ein guter sinn hergestellt ist, so 
muss doch der umstand, dass die handschriftliche überlieferung 
eine wesentliche veränderung erfahren hat, berechtigten zweifel in 
betreff der richtigkeit jener vermuthung in uns wach rufen und 
den gedanken nahe legen, ob nicht eine leichtere heilung der 
stelle müglich ist. Eine solche bietet sich uns dar, wenn wir 
Ni posita für Ni prius schreiben und die worte posita ezcd- 
sum ad columen „aufgeführt bis zum erhöhten gipfel* übersetzen, 
Bestätigt wird diese konjektur durch Ciceros worte in Catil. Ill, 
8, 20: idemque (haruspices) iusserunt simulacram Iovis facere 
maius et in excelso collocare et contra atque ante fuerat. ad orien- 
tem convertere. 


Emden. Heinrich Deiter. 


— — — — — — — 





XVII. 


Die Fasten von Constantinopel und die Fasten 
von Ravenna. 


Die Fasti Idatio adscripti oder Idatiani, das Chronicon pa- 
schale und die Chronik des Marcellinus gehen zurück auf fasten, 
die in Constantinopel geschrieben und auch von anderen chroniken 
vielfach benutzt sind. Man ist einig darüber, dass diese fasten 
grosses vertrauen verdienen, man ist aber im streit über das wesen 
derselben. Pallmann, Geschichte der völkerwanderung Il, 213 ff. 
hatte die fasten für ostrémische reichsannalen erklürt. — Ich habe 
diese auffassung bekümpft (Die fasten der spüteren kaiserzeit, Phi- 
lologus 384, 235—295, 386—413, 729—739), aber jetzt hat 
Holder- Egger die ansicht Pallmanns in andrer form erneut. Den 
ausdruck reichsannalen verwirft er ebenfalls, — aber er behauptet, 
dass die annalen, welche bis etwa 395 die gemeinsame vorlage der 
Fasti Idatiani, des Chronicon paschale und des Marcellin bilden, 
und welche dann von den beiden letzten chroniken noch bis in die 
zweite hülfte des fünften jahrhunderts benutzt sind, officiell redi- 
girt wurden oder wie es an anderer stelle heisst, dass sie amt- 
lichen ursprungs seien. Um 395 sei eine redaction derselben ab- 
geschlossen, und diese sei dann von dem compilator der Fasti Ida- 
tiani zur herstellung des ersten abschnittes seiner fasti bis 395 
benutzt. Neues arcbiv d. ges. f. alt. deutsche geschichtskunde I, 
238 ff. 

Das ist nun allerdings deutlich, dass 395 oder jedenfalls 399 
in den Fasti ldatiani ein neuer abschuitt beginnt, der von dem frü- 
heren verschieden ist. Nach 399 ist es eine consulliste von ent- 


31* 


BEEN 


472 Zu den Fasten. 


schieden weströmischem charakter, der vereinzelte nachrichten zu- 
gesetzt sind. Der frühere theil ist dagegen ein auszug aus einer 
reichhaltigen, in Constantinopel entstandenen chronik. Es ist ein 
auszug, eine unvollständige mittheilung derselben, keine bearbeitung 
der vorlage, wührend das Chronicon paschale und Marcellin aus 
mehreren quellen zusammengearbeitet wurden. Auch ist die zahl 
der nachrichten, welche in das Chronicon paschale und in Marcellin 
aus der vorlage aufgenommen wurden, aber sich nicht in den Fasti 
Idatiani finden, nicht gross. Wenn deshalb die gemeinsame vor- 
lage officiell war, so müssen auch die Fasti Idatiani den character 
einer amtlichen aufzeichnung tragen. Den tragen sie aber nicht. 
Einmal ist die zahl der nachrichten, auch wenn wir aus dem Cliro- 
nicon paschale und Marcellin ergänzen, was bei ihnen aus der vor- 
lage zu stammen scheint, doch so dürftig, dass der gedanke einer 
amtlichen aufzeichnung uud bekanntmachung ausgeschlossen scheint. 
In dem an nachrichten reichsten abschnitt finden sich vier jahre 
371, 72, 73, 74 nach einander, zu denen nichts angemerkt ist. 
Direct gegen den amtlichen character sprechen dann noch fol 
gende thatsachen. Die Fasti ldatiani nennen 307 — 312 die von 
dem usurpator Maxentius ernannten consulo neben den consulu de 
legitimen kaiser. Das ist unmüglich in einer officiellen liste 
Entstand dieser theil im machtbereich des Maxentius !), so mussten 
die namen doch bei der spütern redaction getilgt werden, Das 
selbe ergiebt sich daraus, dass die erhebung der usurpatore 
Magnentius und Vetranio in der gleichen weise gemeldet wird, wie 
die erhebung eines legitimen kaisers, levatus est Magnentius sagen 
die Fasti ldatiani, 257995 Mayvéruos sagt das Chronicon paschale. 
Diese beschaffenheit der nachrichten ergiebt also denselben 
schluss, den die beschaffenheit der consulliste forderte. Die liste 
sowohl wie die nachrichten zeigen merkmale, welche mit einem 
amtlichen urspruug unvereinbar sind. Die genauigkeit in den ort- 
und zeitangaben lässt sich auch ohne das erklären. Eher könnte 
man bei dem entschieden localen character der nachrichten vermu- 


1) Rom war der sitz des Maxentius. Die erwühnung seiner con- 
suln scheint auf einen römischen ursprung der liste zu deuten und 
es wären also nachrichten und liste verschiedenen ursprungs. Doch 
wären auch andre möglichkeiten denkbar und stelle ich die sache 

ahin. 





Zu den Fasten. 473 


then, dass die chronik, im auftrag der stadtverwaltung zusammen- 
gestellt sei. Doch auch dies ist nicht zu erweisen. 

Man hat kein sicheres merkmal dafür und auch kein. au- 
deres beispiel der art. Dagegen lüsst sich die entstehung einer 
solchen chronik auch ohne betheiligung irgend einer behôrde er- 
klären. Mancherlei leute besassen damals zeittafeln. Schon die 
häufigen streitigkeiten über die berechnung des osterfestes weisen 
darauf hin, namentlich aber die thatsache, dass in demselben lande 
bisweilen zwei ja drei verschiedene tage gefeiert wurden. Ebenso 
ist das rómische kalenderwerk von 354 mit seinen verzeichnissen 
von consuln, praefecten, bischöfen, martyrern, ostertagen und an- 
nalen offenbar zusammengestellt worden, um solchem bedürfnis ent- 
gegenzukommen '). Wer aber immer eine derartige tafel besass, 
der führte die listen der consuln leicht einige jahre weiter und 
trug neben die namen der consuln und die ostertage auch wohl 
das eine und andere wichtige ereignis ein, das ihn erschreckte 
oder bewegte. Bei der litterarischen geschäftigkeit der zeit fehlte 
es nicht an leuten, welche dergleichen auf gleicbzeitiger eintra- 
gung beruheude bruchstücke sammelten und mit mehr oder weniger 
bearbeitung zusammenstellten. Melır bedurfte es nicht, um ein 
werk wie die vorlage der Fasti ldatiani entstehen zu lassen. Eine 
solche entstehung würde auch erklüren, warum auf jahre mit ganz 
genauen angaben wieder jahre folgen ohne jede nachricht und neben 
genau datirten, iu knapper form überlieferten thatsachen thörichter 
klatsch steht. 


Die Ravennater Fasten. 


Die wichtigste unterstützung bat die theorie von dem amt- 
lichen ursprung der annalen von Constantinopel in der behauptung 
gesucht, dass auch in Ravenna solche officielle fasten geführt wur- 
den. Holder-Egger hat sogar diese ravennater fasten von 379 — 
577 aus den fragmenten wiederherzustellen versucht, welche er den 


1) Es ist keineswegs sicher, dass es im auftrage der stadtverwal- 
tung zusammengestellt wurde, jedenfalls aber tragen mehrere be- 
standtheile entschiedene merkmale privaten ursprungs. Mommsen zu 
seiner ausgabe in den abhandlungen der k. sächsischen gesellschaft 
der wissenschaften 1850, p. 608 spricht auch nur mit grosser zurück- 
haltung von der möglichkeit, dass das werk im auftrag der stadtver- 
waltung zusammengestellt wurde. 


474 Zu den Fasten. 





chroniken entnimmt, in denen er anschliessend an eine frühere ar- 
beit von Waitz, Nachrichten der ges. der wiss. zu Göttingen 1865, 
p. 81 ff. ableitungen der ravennater fasten vermuthet. Neues ar- 
chiv I, 345— 368. 

Die vorstellung solcher fasten von Ravenna knüpft sich zu- 
nächst an den sogenannten Anonymus Cuspinianus. 

Dieser anonymus ist eine compilation aus ungleichartigen stü- 
cken. Mommsen hat sie mit sorgfältiger beschreibung herausge- 
geben als oro. VIII in seiner abhandlung : Ueber den chronographen 
von 354 abhandlungen der k. sachs, gesellsch. d. wissenschaften 
1868. Die compilation bietet ihre theile in doppelter recension, 
und Roncallius Vetustiora latinorum scriptorum chronica druckt die- 
selben als verschiedene chroniken gesondert, was für manche beob- 
achtung angenehm ist, ll, 104 ff. recension A als Anonymi Cuspi- 
niani Chronicon, Il, 139 ff. recension B als Incerti Auctoris Chro- 
nicon. Ein grosser theil der compilation ist nichts als ein consul- 
verzeichnis, dem aus der weltchronik des chronographen, aus Pros 
per und anderen quellen einzelne nachrichten beigefügt sind. Etwas 
zahlreicher werden die nachrichten seit 379, von 403—438 ist 
eine lücke, und von 438—455 sind nur zu 3 jahren kurze nach- 
richten. Der abschnitt 455—495 hat dagegen zahlreiche nach- 
richten und unterscheidet sich auch äusserlich von den übriges 
theilen der compilation. Er ist auf einem losen blatt erhalten und 
nur in der recension A, welche 403 abbrach. Der letzte theil 
496—539 ist nur in der recension B erhalten und trägt wieder 
den character des ersten theils: es ist ein consulverzeichnis, dem 
an 4 stellen 504. 523. 532. 533 einige nachrichten eingefügt sind, 
die obendrein noch zu falschen jahren gesetzt sind. 

Es liegt daher kein grund vor, diese stücke als ursprünglich 
zusammengehörig anzusehen, als fragmente eines grossen, in dem- 
selben geiste verfassten annalenwerkes. Verschiedenartige bestand- 
theile scheinen aneinander gereiht zu sein, um eine vollständige 
liste herzustellen. Am schärfsten sind die gegensätze zwischen dem 
abschnitt 455—93 und den theilen bis 379 und nach 496, ähn- 
lich auch zu dem 438—455. Am meisten nähert sich jenem ab- 
schnitt 455-— 493 derjenige 379—403, aber die ähnlichkeit ist 
keineswegs so gross, dass man beide für abschnitte desselben wer- 
kes halten müsste. Dazu kommt noch, dass zwischen ihnen nicht 


Zu den Fasten. 475 


nur eine lücke liegt, die sich ja durch schlechte überlieferung er- 
klären liesse, sondern auch ein abschnitt 438 —455, der wieder 
einen anderen character zeigt. Das alles spricht dagegen, auch 
nur die abschnitte 379—403 und 455—393 als ursprünglich zu- 
sammen gehürig und gleichartig zu betrachten. Bei dem versuche, 
die abschnitte 379 — 403, 438 — 455 aus anderen chroniken zu 
ergünzen, darf man also nicht ohne weiteres von der vermuthuug 
ausgehen, die vorlage derselben hätten den gleichen charakter ge- 
habt wie der folgende abschnitt 455 — 493. Ferner: die ver- 
wandtschaft einer chronik mit einem theile des Cuspinianus kanu 
wohl die vermutbung erwecken, dass dieselbe auch mit den anderen 
theilen verwandt sei, dient aber nicht schon als beweis. 

Bei dieser untersuchung ist nach folgenden grundsützen zu 
verfahren. Die consulliste einer chronik kann einer anderen vor- 
lage entnommen sein als die nachrichten. Die frage, ob eine chro- 
nik aus den ravennater fasten abgeleitet ist, muss deshalb für die 
liste und für die nachrichten getrennt geprüft werden, Die cor- 
recten consullisten müssen ihrer natur gleich lauten, und seit nach 
der trennuug der reiche ein cousul im osten und einer im westen 
ernannt wurde und (regelmüssig von 421 ab) jede reichshülfte 
ihren consul an erster stelle nannte, da mussten wenigstens die ost- 
rómischen und die westrümischen listen je unter sich gleich lauten. 
Allein die kümpfe der pratendenten um den thron führten zu er- 
nennungen, die nur in einzelnen lündern und nur vorübergehend 
anerkannt wurden. Ferner hinderten die einfülle der barbaren, die 
kriege und die allgemeine stockung der verwaltung sehr oft, dass 
die vom kaiser ernannten consulo in den provinzen bekannt wurden. 
Wie die inschriften zeigen, erfuhr man im 5ten und 6ten jahrh. 
selbst in Rom häufig nur einen oder gar keinen consul, oder we- 
nigstens nicht während der ersten monate. Listen, die aus den 
am ort der entstehung wirklich gebrauchten jahresbezeichnungen 
zusammengesetzt wurden, zeigen deshalb maunigfaltige verschieden- 
heiten. Unverändert sind solche listen wohl nicht auf uns gekom- 
men, meist erfuhren sie von dem autor, der sie zusammenstellte, 
aus seiner sonstigen kenntnis eine art gelehrte bearbeitung, aber 
mehrere listen zeigen doch deutliche spuren dieser entstehung. 
Diese unregelmässigkeiten geben gelegenheit, den zusammenhang 
verschiedener listen zu prüfen. Wenn zwei listen wiederholt die 





476 Zu den Fasten. 


gleichen mängel oder verderbnisse zeigen, so weist dies auf zu- 
sammenbang hin; haben sie aber andere, oder je in verschiedenen 
jahren unvollständige jahresbezeichnungen, so ist das ein beweis 
der selbstindigkeit. Diese schlüsse sind zunächst immer nur für 
den bezüglichen abschnitt der liste bündig, da mauche uns heute 
als einheit vorliegende liste aus verschiedenen bestandtheilen zu- 
sammengesetzt wurde. Andere unterschiede zeigen sich im ge- 
brauch der formeln v. c. (viro clarissimo), pp pater patriae, D. N. 
Dominus noster, consule, consulibus, in der zühlung der postconsu- 
late, in den unterscheidenden zusützen zu gleichen namen alius 
oder junior, ferner darin ob ein oder mehrere namen des consuls 
genannt werden, ob die namen im nominativ oder im ablativ stehen, 
und ob p. c. post consulatum formelhaft, ohne einfluss auf den 
casus steht oder den genitiv nach sich hat. Endlich noch in der 
schreibung der namen. Manche namen sind so wunderlich ver- 
stümmelt, dass man vermuthen darf, die listen, welche diese ver- 
stümmelung haben, seien verwandt. Indes fallen diese unterscbiede 
oft nur dem letzten schreiber zur last oder der schlechten überlie- 
ferung und haben geringeres gewicht als die aus dem namenbe- 
stande der listen abgeleiteten gründe, 


Die nachrichten. 


Wenn wichtige ereignisse wie tod und erhebung der kaiser 
in zwei chroniken stehn, so ist daraus noch nicht auf gemeinsame 
vorlage zu schliessen, Erst die gleiche auswahl vieler nachrichten 
oder die gleiche form des ausdrucks kann dies erweisen. Vielfach 
lauten sie jedoch our so: 

Occisus est, depositus est, levatus est, 

moritur, levatur, dejicitur, occiditur, 
dazu der name und in den bessern aufzeichnungen der ort und das 
datum. Derartige nachrichten gleichen einander dann oft wort für 
wort, ohne dass sie beziehungen zu einander haben. Man kann 
nicht etwa wie Holder-Egger sagen, dieser stil sei erst durch die 
ravennater oder allgemeiner durch die amtlichen fasten geschaffen 
worden und wo er begegne, habe man ableitung aus den raven- 
nater fasten zu vermuthen. Diese schreibart entsteht naturgemäss, 
wo immer das chronologische gewicht überwiegt, und ob es über- 
haupt amtliche annalen gegeben hat, das ist erst zu beweisen. 





Zu den Fasten. 477 


Bei solcher ausdrucksweise ist es nur selten müglicl, die ver- 
wandtschaft nachzuweisen. Wörtlicher anklang in nebensächlichen 
bemerkungen, in periodisirten sützen ist etwas ganz anderes. Ver- 
wandtschaft von chroniken, die dergleichen nicht haben, ist des- 
halb vorzugsweise durch die gleiche auswahl der nachrichten zu 


begründen. 
I. Die abschnitte 379—455 und 496—539. 


Die reconstruction, welche Holder- Egger von dem abschuitt 
379— 455 giebt, besteht darin, dass er die liste und die nachrichten 
des Cuspinianus theils berichtigt theils ergünzt. Und zwar be- 
richtigt er nicht nur dasjenige, was in anderen ableitungen der 
fasten richtig steht, sondern er berichtigt alles, was ihm falsch 
scheint: gleich als ob es von vornherein feststehe, dass in den 
fasten von Ravenna alles correct gewesen sei. Zur ergünzung 
benutzt er vor allem Prospers chronik. 


Prosper und der Anooymus Cuspinianus. 
a. Die consulliste. 


Für die reconstruction der consulliste der gesuchten raven- 
pater fasten legt Holder-Egger statt der lückenhaften liste des 
Ánonymus geradezu die liste Prospers zu grunde. Er begründet 
dies damit, dass die liste Prospers mit der liste des Anonymus bis 
379 identisch sei. Das ist nicht richtig. Die listen der beiden 
recensionen des Ánonymus sind mit der liste Prospers zwar ver- 
wandt, aber nicht so, dass man sie aus Prosper oder Prosper aus 
ihnen ableiten könnte oder auch nur beide direct aus derselben 
vorlage. Das zeigt sich in den jahren 145—147, wo beide listen 
zwar eine grosse verderbniss gemein haben, die ihren zusammen- 
hang zweifellos macht, aber sich auch durch ebenso grosse unter- 
schiede trennen, ferner 222. Die consuln waren Antoninus Au- 
gustus IV. Alexander Severus Caesar. Daraus macht die Prosper- 
gruppe (Victorius, Cassiodor, Scaliger 28) Alexander et Augustus, 
der Ánonymus dagegen Alexandro et Severo ?). Ferner 238. Der 
eine consul heisst in beiden listen Pius. 


8) Philologus 84 p. 412 ist durch ein versehen die angabe von 
Mommsen I, mit dem Victorius vermischt. 





478 Zu den Fasten. 


Der andere consul hat die namen 

Proculus Pontianus. 
Daraus hat die Prospergruppe Pius et Proculus, der Anonymus 
Pontianus et Pius, (in rec. A zu Pompeiano verderbt). 

Würe aber auch die liste Prosper bis 379 identisch mit der 
liste des Anonymus, so bildete das bei der verschiedenheit der theile 
der compilation keinen beweis dafür, dass Prospers liste auch für 
die reconstruction der vorlage des Cuspinianus von 379 ab zu 
grunde zu legen sei. Die consulliste ist in diesen jahren in dem 
Cuspinianus (resp. dem Sangallensis) und bei Prosper fast durch- 
weg die correcte liste. Sie bieten also wenig gelegenheit zur 
vergleichung unter einander, zumal in den fragmenten des Cuspi- 
niauus und Sangalleusis gerade einige jahre nicht enthalten sind 
399. 414, bei denen unterschiede zu erwarten waren. "Trotzdem 
zeigen die fragmente in 5 jahren 400, 410, 442, 451, 453 ab- 
weichungen von Prospers liste, abgesehen vou denjenigen unter- 
schieden, die auf schlechte überlieferung geschoben werden künnen. 
Dazu kommt noch folgendes. Die liste des Cuspinianus steht der 
liste von Cassiodor-Victorius, die aus Prosper abgeleitet ist, in auf- 
fallender weise nüher als dem eigentlichen Prosper. |n 5 jahren 
weicht die liste Cassiodors von der liste Prospers entschieden ab 
399, 410. 414, 442 uud 453. Zwei von diesen jahren 399 und 
414 sind in den fragmenten des Anonymus Cuspinianus nicht er- 
halten, gestatten also keine vergleichung, aber in den drei andern 
410, 442 und 453 stimmen sie mit Cassiodor und scheiden sich 
vou Prosper. — 410 schreibt Prosper Flavio Varane v. c. Cas- 
siodor-Victorius nennt auch den von dem praetendenten Attalus er- 
nannten consul 'Tertullus. Der Anonymus, der hier durch das 
St. Galler fragment vertreten ist, zeigt ebenfalls einen zweiten 
consul. Es ist zwar in weiterer verderbnis ein falscher name 
eingedrungen, aber die verderbnis lässt sich leichter begreifen, wenn 
die lesart Cassiodors zu grunde lag, als von einer form aus wie 
sie Prosper zeigt. 453 hat Prosper nur den weströmischen con- 
sul, Cassiodor und der Cuspinianus haben dagegen auch den ost- 
rómischen consul Vincomalus. 442 endlich hat Prosper eine auf- 
fullende form, welche zeigt, dass er ursprünglich nur einen consul 
kannte. Cassiodor und der Cuspinianus*) haben die gewöhnliche 


4) Der name des zweiten consuls ist bei dem Anonymus verderbt 





» 
Eom ae 


~ 


Zu den Fasten. 479 


form. Also, wenn die liste der ravennater fasten aus der Prosper- 
gruppe lerzustellen und die fragmente des Cuspinianus als frag- 
mente dieser ravennater fasten anzusehen wären: so läge mehr 
grund vor, die liste aus Cassiodor-Victorius zu eutnehmen als aus dem 
in 5 jahren 399. 410, 414. 442. 453 davon wesentlich abwei- 
chenden echten Prosper. Da aber Cassiodor-Victorius aus Prosper 
abgeleitet ist, so ist es unmöglich, die vorlage Prospers aus Cas- 
siodor-Victorius zu entnehmen. Auch dieser umstand verbietet, die 
liste Prospers auf die vorlage des Cuspinianus zurückzuführen. 
Das ist der grundfehler von Holder-Eggers reconstruction, und er 
begeht dann noch einen weiteren feller, indem er für die recon- 
struction der angeblich gemeinsamen vorlage Prosper zu grunde 
legt und ihn nach dem Cuspinianus corrigirt, wo dieser das bes- 
sere zu haben scheint. Holder-Egger thut dies in 5 jahren. 400, 
405. 451 sind es leichte üánderungen. 400 und 405 fügt er aus 
dem Cuspinianus den ehrennamen Flavius hinzu, den Prosper nicht 
hat, und 451 streicht er denselben weil er in dem Anonymus fehlt. 
442 hat Prosper: Dioscoro v. c. et Eudozio d. h. er hatte ur- 
sprünglich nur einen consul, formulirte demgemäss die jahresbe- 
zeichoung und trug dann später den zweiten consul nach. 453 
hat er nur den westrümischen consul. Es ergiebt sich daraus mit 
bestimmtheit, dass seine vorlage in diesen beiden jahren nicht die 
vollen consulate hatte, wie sie der Anonymus zeigt. Stammen 
beide aus den ravennater fasten, so schrieben diese wie Prosper 
und die vollere und richtigere form des Anonymus ist als spätere 
correctur anzusehen. Die vorlage Prospers kann also nicht da- 
durch gefunden werden, dass mun Prosper aus dem Anonymus er- 
günzt. Am wenigsten aber durfte es Holder- Egger thun, da er 
p. 232 wahrscheinlich zu machen sucht, dass rec. B und der San- 
gallensis, die von 403 — 455 den Anonymus vertreten, nicht aus 
ravennater sondern aus rémischen fasten stammen. Diese behaup- 


Theudosius für Eudoxius. Diese verderbnis findet sich auch bei Vic- 
torius (Scal. 28). Man könnte geneigt sein aus dieser gemeinsamen 
verderbnis aut nahe verwandtschaft der listen zu schliessen. Allein 
es ist leicht möglich, dass diese nahe liegende verderbnis aus Eu- 
doxius in den bäufigeren namen Theudosius in beiden listen selb- 
stindig gemacht wurde. 455 begegnet sie in dem Anonymus — im 
text B — noch einmal. S. Mommsen note 20 tulit Theodosum aug. 
statt tulit Eudoxiam aug. 





480 Zu den Fasten. 


tung ist freilich ebenso unsicher, wie die annahme, dass sie aus 
ravennater fasten stammen: aber wenn man sie aufstellt, so darf 
man doch nicht die angeblich aus ravennater fasten geflossene liste 
Prospers nach jenen fragmenten veründern. 


b. Die nachrichten. 


Holder-Egger behauptet 1, 328, dass Prosper von 379 au wenig- 
stens bis 425 seine profangeschichtlichen nachrichten vorzugsweise aus 
den fasten nelıme. Als beweis dient die weitere behauptung, dass 
die meisten profangeschichtlichen angaben Prospers bis 425 „nach- 
weislich in den fasten standen oder darin gestanden haben müssen". 
Eine genügende grundlage zu solcher untersuchung ist nur für den 
abschnitt 379—403 vorhanden. Der Cuspinianus hat in demsel- 
ben 17 nachrichten zu 12 jahren. Von diesen 17 nachrichten 
finden sich 10 auch bei Prosper, 9 davon betreffen tod und erhe- 
bung von kaisern oder prütendenten, die zehnte den einfall Ala- 
richs in Italien. Sie sind also sämmtlich der art, dass man sie in 
jeder chronik erwarten muss, und ihre erwähnung ist an sich kein 
beweis für den zusammenhang. Prosper hat ausserdem zwei po- 
litische und zahlreiche kirchliche nachrichten, die im Cuspinianus 
fehlen. Die 7 nachrichten ferner, welche Prosper nicht hat, wohl 
aber der Cuspinianus, sind: 2 naturereignisse und 5 politische nach- 
richten. Naturereignisse meldet Prosper überlaupt nicht, ihr fehlen 
sagt also nichts, die 5 politischeu nachrichten sind: tod des Gildo, 
dessen empürung das reich uud besonders die stadt Rom in grosse 
noth gebracht hatte, Theodosius aufenthalt in Rom 389, die er- 
hebung des Honorius, geburt (401) und erhebuug (403) 'T'heodo. 
sius Î Es ist oun zunächst nicht wahrscheinlich, dass Prosper 
alle diese wichtigen dinge übergungen hatte, wenn er annalen, die 
wenig anderes als dies meldeten, zu grunde legte. Aber ich will 
davon absehen, und nur die gemeinsamen nachrichten vergleichen. 

Von diesen 10 nachrichten stellt Prosper 7 zu anderen jahren 
als der Anonymus Cuspinianus. Gratians tod setzt der Cuspinianus 
richtig 3823 Prosper falsch 384, die geburt des Honorius der 
Anonymus falsch 383 Prosper richtig 384, deu tod des Valentinian 
und die erhebung des Eugenius der Anonymus falsch 391 Prosper 
richtig 392, den tod des Eugenius der Anouymus richtig 394 
Prosper falsch 395. Den tod des Theodosius der Anonymus falsch 





» 
— 


Zu den Fasten. 481 


396 Prosper richtig 395, den einfall Alarichs der Anonymus falsch 
401 Prosper richtig 400. 
Und nun vergleiche man die fassung dieser nachrichten. 


379 Anon.: His cons. 'lTheodosius levatus est imperator a Gra- 
tiano Sirmi. 

Prosper: Gratianus post mortem patrui Theodosium, Theo- 
dosii filium, in consortium assumit imperii et ei reguum tra- 
didit orientis. 

383 Anon.: et levatus est Archadius. 

Prosper: Archadius "Theodosii imperatoris filius Augustus ap- 
pellatur. 

Anon. 383: His consulibus Gratianus occisus est a Maximo 
leudimo (Lugduni) VIII Kl. Sept. 

Prosper (384): |n Brittannia per seditionem militum Maxi- 
mus Imperator est factus, quo mox ad Gallias transfre- 
tante Gratianus Parisiis Merobaudis magistri militum pro- 
ditione superatus et fugiens Lugduni captus atque occisus 
est. Maximus Victorem filium suum consortem regni facit. 

384 (Anon. versetzt zu 383). Eo anno natus est Honorius Con- 
stautinopoli V id. Sept. 

Prosper: Honorius Theodosii filius nascitur. 

388 Anon.: His consul. occisus 388 Prosper: Maximus tyrannus 
est Maximus V Kal. Sept. a Valentiniano et Theodosio Im- 
peratoribus in tertio ab Aquileia 
lapide spoliatus indumentis re- 
giis sistitur et capite damnatur: 
cuius filius Victor eodem anno 
ab Arbogaste interfectus est in 
Galliis. 
391 (statt 392): His cons. de- 392 Valentinianus ad vitae fa- 
functus est Valentinianus Vien-  stidium nimia Arbogastis ma- 
nae llli idus lun. Eo die (anno)  gistri audacitate ductus laqueo 
levatus Eugenius imp. XI Kal. apud Viennam periit. Arbo- 
Sept. gastes magister exercitus mortuo 
Valentiniano cuius exitu gra- 
vabatur Eugenium in Galliis 
imperare facit. 





482 Zu den Fasten. 


8945) Anon.: His cons. occisus 
est Eugenius VIII id. Sept. 
395 (Anon. versetzt zu 396): 
His cons. Theodosius defunctus 
est Mediolano XVIII Kl. lan. 
400 (401) et intravit Alaricus 
in Italiam XVIII Kl. Decemb. 


Prosper (395): 'Theodosius Eu- 
genium vincit et perimit. 
Theodosius imperator Mediolani 
moritur. 


Gothi Italiam, Alarico et Rha- 
dagaiso ducibus ingressi. 


Diese zusammenstellung bedarf keines commentars: Prosper 
hat mit dem Anonymus Cuspinianus 379—403 keinen nachweis- 
baren zusammenhang, und ebenso wenig mit angeblicben fasten 
von Ravenna, die man auf grund des Anonymus reconstruiren 
möchte. Legt man selbst die von H. E. gegebene reconstruction 
zu grunde, so ergiebt sich kein anderes resultat. Im jahre 388 
zeigen seine fasten allerdings eine überraschende &hnlichkeit mit 
Prosper, aber nur deshalb, weil H. E. diese stelle aus Prosper er- 
gänzt hat. Der Anonymus hat zu diesem jabre nur His consul. 
occisus est Maximus V Kl. Septemb. 

Prosper schreibt dagegen in auffallender übereinstimmung ait 
den fasti Idatiani: vgl. N. A. I, 327: 


Fasti Idatiani 388: Et ipso anno 
occiditur hostis publicus Maxi- 


Prosper: Maximus tyrannus a 
Valentiniano et Theodosio im- 


mus tyraunus a Theodosio Aug. 
ia miliario Ill de Aquileia die 
V Kal Aug. Sed et filius 
eius Victor occiditur post pau- 
cos dies in Galliis a comite 


peratoribus in tertio ab Aquileia 
lapide spoliatus indumentis re- 
giis sistitur et capite damnatur, 
cuius filius Victor eodem anno 
ab Arbogaste interfectus est in 


'Theodosii Augusti (Abogaste) *). Galliis. 


Prospers bericht unterscheidet sich von dem des Idatius bei 
sonst auffallender übereinstimmung 1) dadurch, dass auch der west- 
römische kaiser als sieger genanut wird und Arbogastes nicht aus 
drücklich als comes Theodosii, 2) durch den zusatz spoliatus in- 


5) In Roncalli's ausgabe hat Prosper zu 393 die erhebung des 
Honorius und die sonnenfinsternis, aber diese stelle gehdrt zu den 
interpolationen aus Marcellin. Gehörte sie nicht dazu, so würde sie 
beweisen, dass Marcellin den Prosper benutzte. Mit dem Anonymus 
stimmt sie nicht weiter überein, als dass sie dieselben thatsachen 
melden. *) Der name erhalten in Idatii Chron. 





Zu den Fasten. 488 


dumentis regiis sistilur. Holder - Egger behauptet nun, beide be- 
richte gehen auf die amtlichen annalen zurück, die fasti Idatiani 
auf die ostrémischen, Prosper auf die weströmischen. Denn er- 
stens habe Prosper eine weströmische consulliste, Allein Marcellins 
ostrümische liste hindert Holder-Egger doch nicht, ihn auch west- 
rómische quellen benutzen zu lassen. Sodann sei in den fasti Ida- 
tiani nur der ostrümische bei Prosper auch der weströmische kaiser 
als sieger genannt.  Áber giebt denn Prosper seine quelle stets 
unverändert wieder? oder könnten nicht auch in den oströmischen 
fasten beide kaiser genannt gewesen sein? Wire das nicht trotz 
der nothlage Valentiniaus sogar nothwendig, wenn diese ostrómi- 
schen fasten amtlichen ursprungs waren, wie Holder- Egger an- 
nimmt? Dass die fasten des Idatius nur einen kaiser nennen, be- 
weist nicht dagegen, denn die fasten des Idatius geben die nach- 
richten häufig mit auslassungen. Wir haben für diese vermuthung 
sogar ein directes zeugnis, indem Marcellin beide kaiser nennt. 
Holder-Egger lässt ibn zwar deshalb hier aus den ravennater fasten 
schöpfen — aber gelten nicht Marcellin und fasti Idatiani gerade 
in diesem theile als ableitungen der óstlichen fasten? Neues archiv 
Il, 66 ff. Ferner. Nach Holder-Egger benutzt auch das Chronicon 
imperiale die ravennater fasten N. A. I, 325 ff. Und in dieser 
chronik wird die hülflosigkeit des kaiser Valentinian am schärfsten 
hervorgehoben. Roncallius I, 741. Es ist eben unmöglich, nach 
solchen merkmalen die verlorenen ravennater fasten zu recon- 
struiren uud von den ebenfalls :verlorenen  ostrümischen zu 
scheiden. 


Abschnitt 403 — 455. 


Für den abschnitt 403—-455 ist es eigentlich unnöthig, die 
vergleichung anzustellen, denn der Anonymus Cuspiniani bietet hier 
zu wenig material zur vergleichung, auch wenn man ihn, was mit 
einiger sicherheit geschehen kaun ©), aus dem Excerptum Sangal- 


6) Das Excerptum Sangallense umfasst 24 jahre aus dem zeitraum 
890—578. 523 ist das letzte jahr aus dem zeitraum, den der Cuspi- 
nianus hat. Bis dahin hat das Excerptum 16 jahre, von denen 6 in 
die lücke des Cuspinianus 403—438 fallen, nämlich 408. 410. 418. 
419. 428. 429. In den 10 jahren, die sich mit dem Cuspinianus ver- 
gleicheu lassen, stimmen die consuln fiberein und die nachrichten, 
welche zu 6 dieser jahre stehen, finden sich auch in dem Cuspinianus, 





484 Zu den Fasten. 


lense ergäust.  Holder- Eggers reconstruction entbält auch noch 
andere ergünzungen, verrüth aber schon durch das häufige viel- 


Die nachrichten zu 4 jahren (451. 467. 501 und 502) stehen in dem 
Cuspinianus nicht, passen aber su dem character desselben und kön- 
nen sehr wohl aus einem vollstündigeren exemplare der compilation 
geflossen sein. Die vorlage des Excerptum bestand ferner schon aus 
theilen von zwei verschiedenen recensionen wie der Cuspinianus, denn 
seine angaben finden sich theils in rec. A theils in rec. B. Von den 
angaben zu den im Cuspinianus fehlenden jahren 408. 410. 418. 419. 
428 und 429 kann man ebenfalls vermuthen, dass sie aus einem voll- 
stindigeren exemplare des Cuspinianus stammen, indessen ist doch 
auch die möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die eine oder andere 
nachricht aus einer andern quelle stammt. Sicher ist dies bei dem 
consulat des jahres 589, das in dem Cuspinianus nach der epoche des 
Paulinus (consul 584) und in dem Excerptum nach der epoche des 
Belisarius (535 consul) gezählt wird, und mindestens sehr wahrschein- 
lich bei den angaben 541. 549, 565. 567. 569. 571 und 578, denn von 
einer fortsetzung des Cuspinianus resp. seiner vorlage bis 578 liegt 
keinerlei zuverlüssige spur vor. Beide haben dann noch 589 neben 
dem postconsulat den consul für 539, aber der Cuspinianus nennt ihn 
richtig Apion, das Excerptum Straticius, welchen namen der vater 
des Apion führte (Chronicon paschale). Wenn nun aber das Excerptum 
überhaupt andre quellen neben dem Cuspinianus benutzt, so könnte 
auch schon eine der früheren nachrichten aus einer anderen quelle 
genommen sein. Doch bleibt es immerhin wahrscheinlich, dass die 
angaben bis 523, welche dem Cuspinianus fehlen, aus dem vollstän- 
digen exemplare desselben entnommen sein. Dies vollständigere ex- 
emplar hatte also vermuthlich auch keine lücke zwischen 408—488. 


Excerptum Sangallense 
ed. de Rossi Bulletino di Archeologia Cristiana 1867 p. 17 ff. Roma. 


390. Valentiniano V et Neuterio conss. Signum apparuit in caelo quasi 
columna pendens per dies XXX. 

893. Theodosio III et Abundantio conss. Tenebrae factae sunt die 
solis hora III. VI Kl. Novembres. 

408. Basso et Philippo conss Romae in foro pacis terra mugitum de- 
dit per dies VII et ticeno multi maiores occisi sunt id. Aug. 
et occisus est Stilico Ravennae XI Kl. Septembres. 

410. Verana et Philippo II conss. Roma fracta est a Gothis Alarici 
XVIIII Kl. Septembres. 

418. Honorio XII et Theodosio VIII conss. sol eclipsim fecit XIIII 
Kl. Aug. et a parte Orientis apparuit stella ardens perdies XXX. 

419. Mazimo et Pinta conss. Signum apparuit in caelo VIII Kal. 

Aug. hora noctis prima. 

428. Felice et Tauro conss. Signum apparuit in caelo stella ardens 
sicut facula III Non. Mar. et Romam Mauri intraverunt. 

429. Florentio et Dionisio conss. Terrae motus factus est Kal. Sep- 
tembres die solis. 

448. Mazimo et Paterio conss. Terrae motus factus est Romae et ce- 
ciderunt statuae et portica nova. 

451. Marciano et Adelfio conss. Stella apparuit in caelo per dies XXX. 

455. Valentiniano VIII et Anthemio conss. Mauri Romam venerunt 
et pugnaverunt cum Vandalis et eversa est Sabaria a terrae 
motu VII id. Septb. die Veneris. 


Zu den Fasten. 485 


leicht, fraglich, zweifelbaft etc. in den noten die unsicberbeit und 
ruht auf voraussetzungen, die theils zweifelhaft oder unbewiesen 
theils nachweisbar falsch sind. Aber selbst wenn man diese re- 
construction mit Prosper vergleicht, so ergiebt sich die unmöglich- 
keit Prospers westrémische nachrichten auf diese fasten zuriickzu- 
führen. Bei jedem jahre, zu dem etwas reichere nachrichten ge- 
geben sind, zeigt sich, dass Prosper andere kunde hat als die an- 
geblichen ableitungen der fasten. Man vergleiche 409. 410. 411. 
412. 413. 414. 415. 416. 417. 421. 422 u. a,  Uebereinstim- 
mung zeigt sich nur, so weit Prosper bei der reconstruction be- 
nutzt ist. Prosper hat augenscheinlich anderweitige kenntnis. Es 
mag genügen das jabr 417 zu behandeln, zumal 413 noch in an- 
derem zusammenhange untersucht werden wird.  Holder-Eggers 
reconstruirte fasten schreiben 417: 1) His conss. nuptiae celebratae 


467. Puseo et Iohanne conss. Fuit boum nimia mortalitas. 

492. Anastasio Aug. et Rufo. "Terrae motus factus est noctu ante 
pullorum cantus VII Kl. Iunias. 

501. Abieno et Pompeio conss. Terrae motus fuit VII id. Oct. die 
martis hora prima. 

502. Abteno iun. et Probo conss. Terrae motus fuit in Pascha XVIII 
Kal. Maias. 

528. Florentio et Mazimo conss. "Theodoricus occidit Symmacum et 
Boetium et mortuus est lustinus imperator et levatus est Iu- 
stinianus. 

589. Pc Bilisarii IIII et Stratici IIIT, Tenebrae factae sunt ab hora 
diei III usque in horam IIII die Saturnis. (Stratici ist ver- 
dorben aus Strategius ein cognomen des Apion, der 589 con- 
sul war. Kein amtliches verzeichnis konnte so schreiben. Das 
Chronicon Paschale hat Animyog tsov Zrpausyiov uovov. Cf. de Rossi). 

541. Pc Basilii levatus est Vadua rex et fuit nimia mortalitas in ho- 
mines et vulneribus, Pc Basilii ist gleich Basilio cs., weil die 
chronisten nur Pc zu schreiben gewohnt sind. So de Rossi. 

549. Pe Basilii VIII. Eo anno ingressus est Vadua rex in Romam 
XVII Kl. Februarias. 

565. Quatuor dectes proconsul Basilius. Eo anno apparuit in caelo 


stella ardens sicut facula et mortuus est lustinianus imp. et 
levatus est Iustinus imp. XI Kl. Ianuarias. 


567. Pc lustini anno in caelo luna XVI non comparuit II Kl. Ian. et 
occisus est Sindual rex. (Heruler.) 

569. Item Pc Iustiniani aug. anno Longobardi intraverunt in Italiam 
XII Kl. Apriles. 

571. Pc lustini IIII anno de Neapolim egressus Narsis ingressus 
Romam et deposuit palatii eius statuam et capitolium et fuit 
hominum et boum nimia mortalitas. " 

578. VI Pe lustini Augusti. Eo anno occisus est a suis Albida rex 
longobardorum VIII Kl. Iun. et fnit hominum nimia mortalitas. 


Philologus. XLII. bd. 3. 32 





486 Zu den Fasten. 


sunt Constantii patricii et Plucidiae Kal. Ianuariis, 2) Eo anno 
ingressus est Honorius Aug. Romam triumphans. 

Prosper meldet die erste nachricht unter 416 und zwar zu- 
sammen mit anderweitigen nachrichten über Placidia, die in den 
fasten Holder-Egger's fehlen. 

Die zweite nachricht lautet bei Prosper: Honorius triumphans 
Romam ingreditur praeeunte currum eius Attalo quem Liparae vi- 
vere exsulem iussit. Aus ihr hat Holder-Egger die zweite nach- 
richt seiner fasten entnommen. Prosper hatte also auch nach Hol- 
der- Egger's meinung nucbrichten über Placidia, die in den fasten 
nicht standen, weshalb soll er denn ihre heirath aus den fasten 
kennen? Und ferner. Wenn die mit dem triumph des Honorius 
eng verbundenen angaben Prospers über Attalus nicht auf die ra- 
vennater fasten zurückzuführen sind, mit welchem rechte wird jene 
nachricht aus den fasten abgeleitet ? 

Mit Prosper fällt schon die möglichkeit, ravennater fasten 
für diesen abschnitt nachzuweisen und zu reconstruiren, doch werde 
ich zur weiteren bestütigung auch noch einige andere chroniken 
untersuchen, welche Holder-Egger zu seiuer reconstruction benutzt. 

Die chronik des Comes Marcellinus, das Chronicon impe 
riale die Chronographie des Theophanes: Holder-Egger behauptet, 
Marcellin nehme alle westrómischen naclrichten aus den ravennater 
fasten, mit ausnahme der angaben zu 432 und A55 und derjenigen, 
die er aus Orosius habe. Es wird also anerkannt, dass Marcellin 
jedenfalls noch andre quellen über westrómische ereignisse hatte 
als die fasten, und wenn man nun weiter in erwügung zieht, dass 
die wichtigsten ereignisse des westens — und andere meldet Mar- 
cellin nicht — auch in den ostrómischen annalen standen, welche 
Marcellin benutzte: so bedürfte doch die behauptung, Marcellin 
entnehme die meisten weströmischen nachrichten aus den ravennater 
fasten eines bestimmten beweises, Holder-Egger giebt dafür p. 
252 eine zusammenstellung derjenigen nachrichten Marcellins zu 
383, 390, 393 und 418, welche sich auch in dem Cuspinianus 
resp. dem Sangallensis finden. Es sind 4 naturereignisse — 2 son- 
nenfinsternisse und 2 auffallende sterne — und 2 politische, die 
erhebung des Honorius zum kaiser und die ermordung des kaiser 
Gratian durch Maximus. Diese beiden politischen angaben standen 
ohne zweifel auch in den annalen von Constantinopel, von den na- 





Zu den Fasten. 487 


turerscheinungen ist dasselbe zu vermuthen, und die sonnenfinsternis 
von 418 findet sich denn auch ausser bei Marcellin noch in der 
anderen ableitung der ostrémischen fasten, in dem Chronicon pa- 
schale. Bei dem verhältnis des Marcellin zu den ostrümischen an- 
nalen ist man sogar berechtigt, die liickenhafte überlieferung der- 
selben in den Fasti ldatiani und dem Chronicon paschale hier aus 
Marcellin zu ergänzen. Dass der Cuspinianus jene nachrichten hat, 
ist also kein beweis dafür, dass Marcellin aus seiner vorlage 
schöpft, und andere gründe für diese annahme sind auch nicht vor- 
handen. Weder die auswahl der nachrichten zwischen 388—418 
ist beim Cuspinianus dieselbe wie bei Marcellin noch die form. 
Bei den politischen ereignissen bedarf das keiner erürterung, bei 
den naturereignissen zeigt der ausdruck allerdings vielfach über- 
einstimmung, aber diese ühnlichkeit liegt nur darin, dass nichts als 
die technischen oder durch die sache geforderten ausdrücke gegeben 
werden. Bei einer dieser nachrichten findet sich überdies eine 
sachliche abweichung. 


418 Exc. Sangallense: A parte Marcellin: Stella ab Oriente per 
Orientis apparuit stella ardens  Septembrem mensem surgens ar- 
per dies XXX. densque apparuit. 


Deutlich ist, dass beide dasselbe ereignis meinen. Aber es ist kaum 
môglich, dass Marcellin aus einer vorlage ühnlich der des Sangal- 
lensis seine nachricht zurecht machte und eben so sehr unwahr- 
scheinlich , dass der Sangallensis eine vorlage benutzte, welche den 
namen des monats nannte. Der ausdruck stella ardens apparuit 
beweist nicht für gemeinsame quelle, denn es ist die regelmüssige 
wendung bei diesem himmelszeichen. Diese nachricht ist vielmehr 
geeignet, den beweis zu unterstützen, dass Marcellin hier aus einer 
andern quelle schöpft als aus der vorlage des Sangallensis. Aehn- 
lich ist es in andern jahren. 389 z. b. meldet Marcellin mit ühn- 
lichen worten wie der Anonymus die ankunft des Theodosius in 
Rom und doch zeigen sich sachliche unterschiede (congiarium dedit 
und das datum). Aehnlich ist es 391, 394, 395. Eine besondere 
untersuchung fordert das jahr A08. 

In mehreren chroniken wird zu diesem jahre gemeldet, dass 
in Rom die erde sieben tage hindurch ein unnatürliches stöhnen von 
sich gegeben babe. Am auffallendsten ist die verwandtschaft unter 


32* 





488 Zu den Fasten. 


dem Sangallensis und der chronik von 641. Sie haben drei nach- 
richten in derselben verbindung, und wenn wir in der chronik die 
erläuternden worte significans — persolvit ausscheiden, so ist die 
übereinstimmung überraschend. Da nun der Sangallensis und die 
chronik von 641 ohne zweifel die compilation benutzten, deren 
trümmer uns in dem Cuspinianus erhalten sind, so kann es als 
wahrscheinlich gelten, dass sie auch diese stelle aus einem voll- 
stándigeren exemplare der compilation schépften. Aehnlich steht 
die nachricht in der chronographie des Theophanes, worüber unten, 
sodann noch bei Marcellin und in dem Chronicon imperiale. Mar- 
cellin hat jedoch zu diesem jahre über die geschichte des westens 
ausführlichere nachrichten und verknüpft den tod Stilichos nicht in 
der weise der chronik von 641 und des Sangallensis mit dem brül- 
len der erde in foro pacis. Es bleibt also keine andere überein- 
stimmung als dass er überhaupt die nachricht bringt. Denn die 
ühnlichkeit der form liegt nur in dem gebrauch des gleichen tech- 
nischen ausdrucks terra mugitum dedit, und dieser findet sich auch 
in dem Chronicon imperiale, welches dies wunder nach Utica legt 
statt nach Rom und in foro Traiani statt in foro pacis. Derartige 
wundererscheinungen, welche die von der noth der zeit aufgeregte 
phantasie des volkes erzeugt, werden leicht anders localisirt oder 
sobald die anregung gegeben ist an anderen orten wiederholt er- 
lebt. Wenu man nicht annehmen will, dass Utica für Roma ver- 
schrieben ist, so liegt hier ein beispiel solcher wiederholung vor, 
Auch kann es nicht auffallen, weun das Chronicon imperiale eine 
solche nachricht aus Utica bringt. Der unbekannte verfasser dieses 
Chronicon hat manche ausführlichere nachrichten aus Africa, und 
Utica war neben Karthago vielleicht die bedeutendste stadt der 
provinz. Leider ist über die fora der stadt nichts weiter bekannt, 
aber die nachricht, dass ein forum daselbst zu ehren Traians be- 
naont war, ist an sich sehr glaublich, da die stadt von Trajans 
nachfolger Hadrian zur colonie erhoben wurde. Unter diesen um- 
ständen ist man nicht berechtigt Uticae als verderbnis zu behan- 
deln und in Romae zu verändern. Wenn man es aber thut, so 
lässt sich die nachricht des Chronicon doch nicht auf die vorlage 
des Anonymus zurückführen, da das Chronicou auch das forum an- 
ders benennt. Holder- Egger ändert freilich auch weiter das fo- 
rum 'Trajani des Chronicon imperiale in forum pacis; was doch 


Zu den Fasten. 489 


höchstens dann zulässig wäre, wenn 1) die änderung Utica in 
Roma zweifellos ware und wenn es 2) in Rom kein forum Tra- 
iani gegeben hatte. Nach dieser radicalkur benutzt er die stelle 
als beweis, dass das Chronicon aus den ravennater fasten schöpfe: 
in wahrheit aber ist diese notiz wie das unten zu behandelnde jahr 
413 eine von den vielen stellen, welche die annahme, dess das 
Chrouicou die thatsachen, die auch in dem Anonymus Cuspinianus 
stehen, den ravennater fasten entnühme, widerlegen. In diesem 
jahre bringt es auch noch den tod des comes loannis, 402 eine 
sonnenfinsternis, 432 eine bungersnoth, 452 multa signa, die dem 
Anonymus Cuspinianus und dem Saugallensis fehlen. Wie verträgt 
sich das mit Holder- Eggers anuahmen, dass das Chronicon impe- 
riale alle seine naturereignisse aus den ravennater fasten ent- 
nimmt ") und dass das Exc. Sangallense die zusammenstellung der 
in den ravennater fasten enthaltenen naturereignisse bilde? Wahr- 
lich, das Chronicon imperiale zeigt so häufig selbstständige kunde, 
dass man nicht berechtigt ist, irgend eine nachricht auf die raven- 
nater fasten zurück zu führen, wenu nicht unzweideutige zeichen 
dafür sprechen, uud solche nachrichten finden sich nicht. Eine an- 
gebliche spur des zusammenhangs wird noch unten besprochen 
werden. Aehnlich steht es mit der chronographie des Theophanes. 
Er hat manche nachrichten, die au sich in ravennater fasten ge- 
standen haben können und zum theil auch in äbnlicher weise in 
dem Sangallensis und der chronik von 641 steheu. Besonders auf- 
fallend ist, dass "Theophanes 408 den tod des Stilicho und seiner 
anhünger ebenfalls im anschluss an die nachricht von dem brüllen 
der erde in Rom bringt. Dies erinnert an die vorlage des San- 
gallensis und der Clronik von 641, also an die ravennater fasten 
— aber es beweist doch nicht nothwendig den zusammenhang. 
Der tod des Stilicho war eben das wichtigste westrümische er- 
eignis des jahres, aus dem jenes wunder gemeldet wurde. Auch 
ist die übereinstimmung nicht vóllig, Theophanes giebt nicht an, 
dass die anhänger Stilichos in einer anderen stadt getödtet wur- 
den. Ware der zusammenhang erwiesen, so würde diese abwei- 
chung wenig austragen, aber hier handelt es sich darum, dass man 
aus der übereinstimmung in jeuer nachricht, die sich aus sachlichen 


7) Neues archiv 1, 350, note ad 402. 





490 Zu den Fasten. 


verhältnissen erklären lässt, nicht zu viel folgert. Möglich ist es, 
dass er seine nachricht aus eiuer solchen vorlage bildete, aber noth- 
wendig nicht: ob es wahrscheinlich ist, hängt davon ab, ob Theo- | 
phanes in anderen jahren, in denen er westrümische nachrichten 
bringt, auf die ravennater fasten zurückgefübrt werden kann oder 
selbständige kunde verräth. Die längeren nachrichten sind zu sol 
cher untersuchung am geeignetsten. 413. Zu der angabe Prospers 
413. Iovinus et Sebastianus fratres in Gallia regno arrepto  inte- 
rempli macht die chronik von 641, welche eine fortsetzung Pros- 
pers ist und dem Prosper selbst einige zusätze giebt, edirt von 
Hille als Prosperi Aquitani Chronici Continuator Havniensis 1866, 
folgenden nachtrag: capita eorum Ravenna — perlata — simulque 
frater eorum Salustius occiditur. Diese worte erklärt Holder- 
Egger für einen bruchtheil der bei ‘Theophanes erhaltenen no- 
tiz: sous ı@ bres dogáynoa»v log "Iovßıurog xai. S- 
Buctsavog of Aaungoraros xai nAIov ab xepalai avrwr tr 
Pwpn xai ped muéqus nérie Écpuynour Sudovonog xal ‘Hou- 
xigsavoc, und folgert dann daraus, dass "Theophanes diese stelle 
aus den ravennater fasten entnahm. Allein die übereinstimmung 
besteht nur darin, dass beide melden, die köpfe der empörer 
seien geschickt worden — und dabei ist noch die abweichung, 
dass "Theophanes sie nach Rom, die chronik sie nach Raveuna 
kommen lässt. Holder-Egger erklärt Rom für ein „verschrei- 
ben“ — aber der irrthum konnte doch nur entstehen, wenn 
die vorlage des Theophanes den ort nicht nannte. Da ihn uuu 
aber die chronik von 641 ueunt, so muss man annehmen, dass ibn 
ihre vorlage auch nannte, und diese vorlage kann also nicht die 
vorlage des "Theophanes gewesen sein. Ferner: es fehlt im Theo- 
phanes die angabe, dass lovinus, Sebastianus und Salustius brüder 
waren’, und er bat offenbar nur unsichere kunde von den dingen. 
Die verbindung von Salustius und Heraclian, die verwechslung von 
Rom und Ravenna, die entstellung des namens lovinus und der 
mangel an näheren angaben über zeit und ort zeigen das. Es 
characterisirt die unmóglichkeit des ganzen reconstructionsverfabrens, 
wenn trotz der annahme, dass die ostrümischen annalen oft ganz 
ähnlich schreiben wie die weströmischen, ein solcher bericht schlecht- 
weg für westrümisch erklärt und zu grunde gelegt wird, um die 
fasten von Ravenna zu reconstruiren, Dazu kommt, dass die ver- 





Zu den Fasten. 491 


schiedenen chroniken, welche als ableitungen der ravennater fasten 
gelten sollen, bei einem so wichtigen ereignis von einander abwei- 
chen und also die angebliche hauptquelle verschmaht haben müssten. 
Es ist nümlich ganz unmüglich, Prosper, Theophanes und das Chro- 
nicon imperiale auf eine gemeinsame vorlage zurückzuführen (s. o.) 
und bei Marcellin ist es zweifellos, dass er nicht die ravennater 
fasten sondern Orosius benutzt. Das letzte erkennt Holder- Egger 
an, aber aus dem reichen und von Theophanes wie von Prosper 
unabhängigen berichte des Chronicon imperiale: lovinus tyrannide 
post Constantinum invadit, industria viri strenui qui solus tyranno 
non cessit Dardani, Atauulfus qui post Alaricum Gothis imperi- 
tabat a societate Iovini avertitur. — Salustius quoque et Sebastianus 
occisi. Valentia nobilissima Galliarum civitas a Gothis effringitur 
ad quam se fugiens lovinus contulerat; reisst er den satz Salustius 
quoque et Sebastianus occisi heraus und erklärt ihn für eine notiz 
der fasten. Woher hatte denn das Chronicon seine übrige kunde? 
Woher wusste er von Dardanus und dem eingreifen des Ataulf, 
der flucht des Jovinus nach Valentia? Wenn er alles das nicht 
aus den fasten wusste, welcher grund liegt denn vor, ihn jene 
notiz, die nur das allerbekannteste enthält, aus den fasten nelımen 
zu lassen und nicht aus seiner reichen quelle? — Aehnlich ist es 
419. "Theophanes meldet die geburt des Valentinian zweimal, wie 
er denn öfters eine nachricht zweimal oder auch dreimal wiederholt. 
In der einen nachricht werden beide eltern aufgeführt, in der an- 
deren nur der vater und die art der verwandtschaft mit dem ost- 
römischen kaiser. Holder - Egger behauptet nun, dass diese nach- 
richt aus ostrómischen annalen genommen sei, die audere dagegen, 
welche auch die mutter Placidia nenne, aus den ravennater fasten, 
denn Marcellin nenne ebenfalls beide eltern. Allein es ist 1) we- 
der bewiesen noch beweisbar, dass Marcellin hier aus westrümi- 
schen quellen und speciell aus ravennater fasten schöpfe uud 2) 
nicht zu erweisen, dass Marcellin und "Theophanes hier aus der- 
selben vorlage schópfen. 

Theophaues giebt beide namen der Placidia, Marcellin nicht; 
Marcellin hat den zusatz iunior, Theophanes nicht; Marcellin hat 
das datum, Theophanes nicht. Das alles spricht eher gegen den 
zusammenhang. Aehnlich steht es 421 bei der nachricht über Con- 
stantius, den siegreicheu feldherru, welcheu Honorius zum mitre- 





492 Zu den Fasten. 


genteu erhob. Nach Theophanes fiel erhebung und tod des Constan- 
tius in dasselbe jahr, nach Prosper in zwei verschiedene jahre 420 
und 421. Nach Paulus Diaconus, der nach Holder- Egger hier 
ebenfalls die fasten reprüsentirt, regierte er kaum 7, nach dem 
Chronicon imp. fast 8 monate. Dazu sagt Theophanes Zogayn, 
die anderen melden den natürlichen tod.  Aehnlich 461 (bei Theo- 
phanes zühlung 455). Theophanes: rov: 16 #18 écpayn Maww- 
givog ele Tagtlwva vno Psusxlou matgextov xai Ennedn elg fa- 
Orda Zevigos xai Jegnévuog vwruiç “Lovatass. Dies soll nach 
Holder- Egger aus den raveunater fasteu entnommen sein, deren 
nachricht der Anonymus Cuspin. 461 so bewahrt; His coss. depo- 
situs est Maiorianus imp. a patricio Ricimere Dertona IIII Non. 
Aug. et occisus est ad fluvium Ira VII id. Aug. et levatus est 
imp. DN. Severus XIII Kal. Decembr. Die ühnlichkeit liegt hier 
wieder nur in den namen und in der thatsache, dass der tod des 
einen und die erhebung des anderen kaisers gemeldet werden. 
Aber nach "Theophanes wird Majoriau zu Dertona getódtet, nach 
dem Anonymus ad flumen Ira, nach Theophanes wird Severus am 
7. juli erhoben, nach dem Anonymus am 19. november und da 
eine andere chronik ebenfalls den 7. juli hat, so ist Theophanes 
ungabe nicht so obne weiteres als verderbnis zu bebandeln, endlich 
hat Theophanes für Severus auch den anderen namen Serpentius, der 
nur noch in einer oströmischen quelle begeguet. Bei solchen un- 
terschieden ist es unmöglich die beiden nachrichten auf eine ge- 
meinsame quelle zurückzuführen, uud die stelle ist eine warnung, 
sich durch die ähnlichkeit nicht täuschen zu lassen, die dadurch 
entsteht, dass dieselben thatsachen iu gleich knapper form mitge- 
theilt werden. Es fellt somit für die annahme, dass es ravennater 
fasten von 379—455 gegeben hat, geschweige deun für eine re- 
construction derselben jede sichere grundlage. Die behandlung der 
angaben des Chronicon imperiale zu 408 und über lovinus u.s. w. 
sowie die identificirung der angaben des Cuspinianus zu 461 mit 
Theophanes genügen alleiu schon das verfahren Holder - Eggers zu 
verurtbeilen. 

Man hat deshalb nicht aus den chroniken, welche dieselbe 
nachricht haben, eine form zu construiren, aus der sie sich ab- 
leiten lassen, sondern ihre angaben neben einander zu stellen und 
neben einander zu gebrauchen. Möglicherweise benutzt man dann 





» 
ss 


Zu den Fasten. 493 


zwei angaben als unabhüngige zeugen für ein ereiguis, die eine 
gemeinsame vorlage haben — aber das wird nicht oft vorkommen 
und practisch nichts schaden. Denn wir behandeln ja jede in die- 
sen chroniken mitgetheilte thatsache so lange als gut verbiirgt, 
bis wir ihre unrichtigkeit erweisen künnen.  Holder-Egger hat 
dagegen nicht einmal bei den einzelnen jahren regelmässig ange- 
geben, aus welchen chroniken er seine reconstruction entnimmt. 


Wesen dieser abschnitte des Anonymus Cuspinianus. 


Nimmt man den Anonymus Cuspiniani für sich, oder bessert 
und ergünzt ibn doch nur da, wo es mit sicherheit geschehen kann, 
so ist das stück 438—455 wenig mehr als eine schlechte consul- 
liste, der einige nachrichten beigefügt sind. Auch bei dem ab- 
schnitt 879—403 kann man vermuthen, dass die nachrichten der 
consulliste erst von spüterer band zugeschrieben wurden; dass sie 
also nicht ursprünglich zusammengehüren. Sicherheit ist darüber 
nicht zu erlangen, aber es ist doch auffallend, dass zu fünf jahren 
383. 391. 396. 401. 403 also fast zu der hälfte aller 12 jahre, 
welche überhaupt nachrichten haben, solche nachrichten gesetzt sind, 
die zu anderen jahren gehören. Ferner: 

Keine einzige von den nachrichten nóthigt zu der annalıme, 
dass sie zu Ravenna aufgezeichnet wurden. Sie könnten sämmtlich 
aus den oströmischen fasten genommmen sein, und zwar gilt dies 
auch, wenn man die reconstruction Holder-Eggers zu grunde legt. 
Noch weniger ist gruud vorhanden, einen amtlichen ursprung die- 
ser fasten zu vermuthen. Schon ihre dürftigkeit verbietet das. 
Direct dagegen spricht dann die angabe zu 391: His cons. de- 
functus est Valentinianus Viennae IIII idus Iun. eo die (eo anno) 
levatus est Eugenius imp. XI Kl. Sept. Eugenius wurde durch 
eine empürung erhoben und nach einigen vergeblichen unterhand- 
lungen von Theodosius mit krieg überzogen und getódtet. Er 
galt als empörer und konnte in der officiellen chronik nicht als 
imperator bezeichnet werden, es würe denn, dass dieselbe in dem 
machtbereich des Eugenius oder wührend der unterhandlungen mit 
ihm aufgezeichnet wurde. Aber dann hätte dies nachträglich ge- 
tilgt werden müssen, wie die consulate der empórer aus den amt- 
lichen listen getilgt wurden. 





494 Zu den Fasten. 


Abschnitt 495 (496) —534. 


Die liste seiner reconstruction entnimmt Holder- Egger nicht 
aus dem Cuspinianus, indem er I, 232 behauptet, die liste desselben sei 
aus römischen fasten entnommen, die liste der ravennater fasten sei 
in der chronik von 641 und in dem Auctarium Prosperi enthalten. 
Der beweis für diese letzte behauptung 1, 289 soll durch die thatsache 
erbracht werden, dass die listen dieser beiden chroniken unter sich 
übereinstimmten uud also aus gemeinsamer quelle abgeleitet seien. 
Als solche seien aber die ravennater fasten zu vermuthen, weil 
jene chroniken mit den früheren abschnitten der compilation ver- 
wandt seien, Diese schlussreihe hat mehrere schwache punkte. 
Die ähnlichkeit der beiden listen besteht darin, dass sie von 496— 
523 nur die westrümischen consuln kennen und nie den ostrómi- 
schen, aber andere westrümische listen gleichen ihnen darin mebr 
oder weniger. Namentlich hat die liste des Cuspinianus, welche 
doch nach Holder-Egger hier nicht aus deu ravennater fasten stam- 
men soll, von 503—523 dieselbe liste, während sie sich doch 496. 
497. 501 und 502 durch die kenntnis der ostrümischen consuln 
von ihnen unterscheidet. Jene ühnlichkeit genügt also noch nicht, 
um den beweis gemeinsamer herkunft zu erbringen. Andere be- 
weise fehlen, vielmehr zeigen sich abweichungen, welche gegen die 
annahme sprechen. Im jahre 500 uennt die chrouik das zweite 
consullose jahr nach der ratio Victoriana als drittes consulat 
des letzgenannten consuls, das Auctarium dagegen schreibt der 
älteren weise gemäss iterum p. c. 2) Das Auctarium giebt 508 
dem consul Venantius den beinamen Basilius, dieser name scheibt 
allerdings auf verderbnis oder versetzung zu beruhen und ist des 
halb nicht entscheidend — allein da auch andere listen dergleichen 
namen haben (Pontacus und Bucher), so ist die annalme der ver- 
derbnis doch nicht ausser zweifel. 3) Deutlich verrüth sich endlich 
die verschiedenheit der listen darin, dass das Auctarium den ost- 
rümischen consul des jahres 507 kennt. Er ist nur freilich durch 
eine verderbnis zu 509 gerathen. 4) Entscheidend sind endlich 
die abweichungen, welche sich in dem früheren theile der listen 
finden, denn das jahr 495 bildet in diesen listen keinen abschaitt 
und es liegt kein grund vor, den abschnitt nach 495 für sich al- 
leiu zu vergleichen, Das Auctarium hat 482, 486 und 489 de 





> 


Zu den Fasten. 495 


nischen consul nicht, wo ihn die chronik hat, hat ihn dage- 
i75 und 493, wo ihn die chronik nicht hat. 
Noch eine andere schwierigkeit erhebt sich. Will man die 
nater fasten nach 493 (495) wiederherstellen, so wird man 
hst die in dem Anonymus gegebene fortsetzung also recension 
‘ir ansehen, Holder - Egger vermuthet allerdings, dies stück 
cht eine ableitung aus ravennatischen sondern aus rómischen 
i, allein das ist doch eben eine vermuthung, und wenn man 
br nicht anschliesst, so erhült man für die ravennater fasten 
liste, die in 4 jahren 496, 497, 501 und 502 die ostrémi- 
consuln kennt, in denen sie die chronik von 641 und das 
rium nicht haben. Noch bunter wird das bild, wenn man die 
der chroniken vou Cassiodor und Marius herbeiziebt, die nach 
r-Egger ebenfalls auf den ravennater fasten beruhen. Cas- 
r hat in 18 jahren, Marius in 14 jahren die vollstündigen 
Ipaare, in denen sie jenen listen fellen. Wenn die listen der- 
:n chroniken, die für besonders treue ableitungen der raven- 
fasten ausgegeben werden, so stark von einander abweichen, 
bedeutet da ein versuch, die ravennater fasten zu reconstruiren? 
fte es endlich noch eines weiteren beweises, so würde ihn 
ustand des annalenwerkes liefern, das Holder-Egger als fort- 
og der ravenuater fasten reconstruirt hat Es ist eine trüm- 
ifte. consulliste und bei 22 von den 31 jahren auch keinerlei 
icht. Bei 3 jabren ist ferner nur ein naturereignis ver- 
vet, also finden sich politische nachrichten nur zu 6 jahren 
liesen 32 jahren. Und das will man amtliche annalen nennen! 
ist doch unmöglich, auch liegt in den nachrichten keine ver- 
sung zu der vermuthung, dass sie in Ravenna aufgezeichnet 
Das ergebuis ist: 1) die vorlage des Anonymus Cuspinianus 
‘n abschuitten 379—455 und nach 493 lässt sich nicht re- 
ruiren, und wir sind 2) nicht berechtigt, von ravennater fasten 
essen zeitriumen zu reden. 


II. Der Anonymus Cuspiniani 455—493. 
A. Die verwandten chroniken. 


Zweifellos ist, dass die Chronik von 641 und der Anonymus 
ianus aus fasten schöpften, von denen dieser abschnitt des 





496 Zu den Fasten. 


Auouymus Cuspinianus ein durch manche fehler und auslassuogen 
entstelltes fragment bietet, Auch der liber Pontificalis Ravenna- 
tensis des Agnellus hat sie benutzt und in mehreren anderen chro- 
niken werden dgl. spuren theils behauptet theils bezweifelt. Aber 
die untersuchung darüber ist wichtiger für die kritik dieser chro- 
niken als für die reconstruction der ursprünglichen fasten. Es 
liegen dabei so viele möglichkeiten neben einander, dass man jese 
anderen chroniken wenigstens zunächst bei seite lassen muss, bis 
die hauptfrage entschieden ist, ob dieser abschnitt des Cuspinianus 
aus ravennater fasten stammt, und ob diese ravennater fasten einea 
amtlichen character trugen. Bei dieser frage beschränkt man die 
untersuchung passend darauf, in wie weit sich die gemeinsame vor- 
lage des Cuspinianus, Valesianus und der chronik von 641 wieder- 
herstellen lasse, und ob weiter Cassiodur, Marius und das Auctarium 


Prosperi als ableitungen dieser vorlage d. i. der ravennater fasten. 


zu betrachten sind 5). Ven dem Auctarium ist besonders eingehend 
zu handeln, weil sich dabei gelegenheit bietet, den entstehungs 
process solcher annalen zu beobachten, und weil es für die recos- 
struction des letzten ubschuittes benutzt worden ist. 

Die consulliste der chronik von 641 ist nicht identisch mit 
der des Cuspinianus, worüber unten, und der Valesianus uater- 
scheidet sich in den weuigen cousulaten die er bringt ebenfalls 
deutlich von dem Cuspinianus wie von der chronik von 641. la 
den nachrichten zeigt dagegen die chronik von 641 in dem jabre 
456 und (nach der lücke 758.74) von 474—493 eine durd- 
güngige übereinstimmung mit dem Cuspinianus. Sie bat bis auf 
2 kurze notizen alle nachrichten, welche dieser bringt. Aber sit 
hat dieselben nicht in derselben form, ja sie giebt dieselbe nac 
richt selbst oft in zwei und drei fassungen. Sie hat ferner aud 
noch andere nachrichten als der Cuspinianus. Einige davon sche 
nen aus der gemeinsamen vorlage zu stammen, andere nicht. Die 
entscheidung darüber ist meist nicht mit sicherheit zu geben. So 
bei der entthronung des Avitus, bei dem tode des Nepos 480 und 
vor allem in der geschichte Odoakers. Iudessen ist doch die chre- 
nik von 641 neben dem Cuspinianus (und Sangallensis) die wich- 


8) Agnellus lasse ich bei seite, weil er neben deutlicher über 
einstimmung auffallende abweichungen z. b. in den ortebestimmunge® 
zeigt und mit seiner vorlage frei umgegangen seln muss. 





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Zu den Fasten. 497 


tigste ableitung der ravennater fasten; ihr zunächst steht der Va- 
lesianus, der für einige jahre sogar noch wichtiger ist. Bei der 
untersuchung, ob eine chronik auf dieselbe vorlage zurückgehe wie 
der Cuspinianus entscheidet deshalb zunächst die vergleichung mit 
dem Cuspinianus selbst, in zweiter linie die vergleichung mit der 
chronik von 641, dem Sangallensis und dem Valesianus. Doch muss 
man im letzteren fall eingedenk sein, dass man sich damit schon 
auf einen schwankenden boden begiebt und gefahr lüuft, sich in 
einem zirkel zu bewegen. Erst ergánzt man den Cuspinianus aus 
den~verwandten chroniken, indem man diejenigen züge aufnimmt, 
welche zu dem bilde der ravennater fasten zu passen scheinen, wie 
man es sich nach dem überlieferten Cuspinianus gebildet hat, und 
dann verdeutlicht resp. verändert man das bild der fasten nach dem 
bilde des so ergänzten und veränderten Cuspinianus. Jeder schritt 
weiter vermehrt da die unsicherheit, und will man die beziehungen 
der verwandten chroniken näher feststellen, so entsteht ein combi- 
nationsspiel mit den trümmern aer überlieferung, das sich vielleicht 
sofort als falsch erweisen würde, wenn ein einziges mittelglied 
mehr aufgefunden würde. 


Cassiodor. 


Im Philologus XXXIV. b. 2, 275 ff. hatte ich gezeigt, dass die 
liste des Anon. Cuspinianus von der des Cassiodor verschieden ist — 
Holder-Egger will trotzdem die liste Cassiodors auf die fasten zu- 
rückführen, indem er aunimmt, dass Cassiodor eine andere recension 
der ravennater fasten benutzte oder rômische fasten. Aber diese 
annahme ist doch genau genommen nichts als die anerkennung, 
dass die listen verschieden sind. Die nachrichten könnten trotzdem 
aus der gleichen quelle geflossen sein und in der geschichte des 
kampfes zwischen Odoaker und Theodorich ist der zusammenbang 
unverkennbar. Mit den nachrichten über diesen kampf hat es al- 
lerdings vielleicht eine besondere bewandnis (s. u.), aber die über- 
einstimmung in denselben erweckt doch jedenfalls wenigstens die 
vermuthung, es könnte auch in den früheren abschnitten die gleiche 
vorlage benutzt sein. Allein bei näherer prüfung bestätigt sich 
diese vermuthung nicht. Zwar finden sich in beiden chroniken 
zum theil dieselben nachrichten, aber das sind nur solche nach- 
richten, die man in jeder chronik erwarten muss. Bis auf zwei 





498 Zu den Fasten. 


betreffen sie alle erhebung und tod der kaiser und gewalthaber ia 
Italien. Daneben hat aber Cassiodor mehrere nachrichten, welche 
weder iu dem Cuspinianus noch in der Chronik von 641 stehen 
und bei gemeinsamen nachrichten andere einzelheiten. So 461 und 
465. Es schreibt der Cuspinianus: 


461 His conss. depositus est Cassiodor: His conss. Maiorianus 
Maiorianus imp. a patricio Ri- immissione Ricimeris extingoiter 
cimere Dertona IV non. Aug. cui Severum natione Lucanum 
et occisus est ad fluvium Ira — Ravennae succedere fecit ^ 
VII id. Aug. Et levatus est regnum. 
imp. D. N. Severus XIII KI. 

Decembr. 

465 His conss. defunctus est imp. 465 His conss. ut dicitur Rici- 
Severus Roma XVIII Kl. Sept. — meris fraude Severus Romae in 

palatio veneno peremptus est. 


Die bemerkung immissione Ricimeris ist nicht wohl als ein 
kurzer ausdruck für die erzühlung des Anonymus zu fassen, um 
ebenso zeigen die angaben über Severus herkunft und später über 
die art seines todes, dass Cassiodor anderweitige kenntnis von die- 
sen ereignissen hat. Aelnlich ist es bei der erhebuug des Anthe- 
mius. Die differenz ist unzweifelhaft, und Holder-Egger stellt des- 
halb die weitere hypothese auf, Cassiodor folge hier nicht dea 
ravennater fasten, aber doch auch amtlichen und zwar römischen 
fasten, einer neu vermutheten amtsschwester der ravennater fastes. 
Diese frage ist ganz bei seite zu lassen, bis wir sicher sind, obe 
amtliche ravennater fasten gegeben hat. Es herrscht ferner einver- 
ständnis darüber N. A. I, 250, dass Cassiodor über die erhebung des An- 
themius aus einer anderen quelle schópft als der Cuspinianus. Dam 
kommt, dass er 469 und 470 rebellionen gegen Ricimer und Anthe- 
mius kennt, welche der Cuspinianus nicht hat und auch nicht die 
Chronik von 641. Ferner. Bei der erhebung des Glycerius nenut 
Cassiodor die mitwirkung des Gundobad, die weder der Cuspinianus 
hat noch eine andere ableitung, und bei der erhebung des Odoaker 
giebt er ebenfalls eine selbständige notiz Wenn er aber von die- 
sen kaisern überhaupt selbständige nachrichten hat, so liegt auch 
kein grund vor anzunehmen, dass er tod und erhebung derselben 
aus den fasten entnahm. Ebenso wenig ist dies bei den mod 


Zu den Fasten. 499 


übrigen kaisern Nepos und Olybrius zu erweisen. Bei der erhebung 
des Olybrius an stelle des Anthemius 472 erwähnt Cassiodor die 
verwandtschaft des Anthemius mit Ricimer, welche der Cuspinianus 
nicht hat. Marcellin erwähnt sie, wie denn Cassiodor in diesen 
jahren hier und da an Marcellin anklingt, aber es ware ganz falsch, 
wollte man nun aus den angaben des Cuspinianus, Cassiodor und 
Marcellin die form der fasten reconstruiren ?). Marcellin hat iu 
mehreren jahren ganz unzweideutig über westrümische vorgänge 
nachrichten, die sich in den fasten nicht fanden, das zeigt sich auch 
da, wo er dieselben nachrichten bringt. Bei dem siege über den 
Alanenkönig Beorgor nennt er Ricimer rex, der bei dem Cuspinia- 
nns patricius heisst. Bei dem Anonymus steht von der erhebung 
des Severus und des Anthemius levatus est imp. Dominus Noster Se- 
verus (Anthemius) bei Marcellin: Locum eius (Maioriani) Severus 
invasit und Leo Imperator Anthemium Patricium Romam misil 
Imperatoremque constituit. Schroffer kann doch der gegensatz 
kaum sein, und ebenso wenig lassen sich Marcellins angaben über 
den untergang des feldherrn Marcellin 468, über die erhebung des 
Glycerius 473, die verwandtschaft des Nepos 474, den kampf zwi- 
schen Orestes und Odoaker 476 und den tod des Nepos 480 auf 
die doch sehr weitherzig reconstruirten fasten bei Holder- Egger 
zurückführen. Also, falls Marcellin und Cassiodor zusammenhang 
haben sollten — was dahin gestellt bleiben mag — so wire da- 
mit für einen zusummenbang zwischen Cassiodor und der vorlage 
des Cuspinianus (ravennater fasten) nichts erwiesen. Ferner. Die 
fassung der nachrichten ist bei Cassiodor durchgängig anders wie 
bei dem Cuspinianus, nur 475 ist die spur eines anklangs. 
Cassiodor: 
Eodem anno Orestes Nepote in Dalmatias fugato filio suo 
Augustulo dedit imperium. 
Cuspinianus : 

His cons. introivit Ravennam patricius Orestes cum exercitu 

et fugavit imp. Nepos ad Dalmatias V Kal. Sept. Eo anno 

Augustulus imp. levatus est Raveun. a patricio Oreste patre suo 

pridie Kl. Novembr. 


9) Auch Holder-Egger bat das nicht gewagt, obwohl er Marcellin 
als ableitung der fasten betrachtet. 





500 Zu den Fasten. 


Der anklang besteht in dem gebrauch des wortes fugare, aber kaun 
es überraschen, dass Cassiodor es anwendet, ist es nicht das sach- 
lich zutreffende wort! Muss er es der vorlage des Cuspinianus 
-entnommen haben? Ist nicht die nachricht im übrigen ganz und 
gar anders gestaltet? Dazu kommt, dass Cassiodor über die kurz 
vorgehende regierung des Anthemius und die gleich folgende erhe- 
bung des Odoakar angaben hat, die nicht auf den Cuspinianus und 
seine vorlage zurückgehen. Es ist deshalb kein grund zu der an 
nahme, dass er die absetzung und flucht des Nepos aus den fasten 
entnahm. Oder stand von diesem wichtigen ereignis nichts in den 
quellen, denen er die erhebung des Odoakar u. s. w. entnahm! 
Vielleicht haben wir auch noch einen directen fingerzeig dafür, dass 
er über Nepos eine audere quelle hatte als die vorlage des Cuspi- 
nianus. lordanis, der dies doch vermuthlich aus Cassiodors Gothea- 
geschichte entnahm, fügt hinzu, dass der von Nepos gestürzte Gly- 
cerius ebenfalls nach Dalmatien geflohen und bischof von Salons 
geworden sei, was weder der Cuspinianus noch die chronik vos 
641 haben und deshalb auch deu fasten von Ravenna nicht zuge 
schrieben werden kann. Ausser diesen angaben über die kaiser 
hat Cassiodor bis 476 nur zwei nachrichten mit dem Cuspinianus 
gemein: den sieg Ricimers über den Alanenkónig Beorgor 464 
und den tod des Marcellin 468. Beide ereiguisse waren von höch- 
ster bedeutung für das regiment Ricimers, namentlieh der tod des 
Marcellin. Dieser war lüngere zeit herr über Sicilien und über 
das meer, der gefährlichste rival des Ricimer. In oströmisches 
wie in weströmischen darstellungen wurde sein sturz verzeichnet. 
Die blosse thatsache also, dass Cassiodor und der Cuspinianus diese 
nachrichten bringen, ist kein grund zu der annahme, dass sie mf 
gemeinsamer vorlage beruhen. Dazu kommt, dass Cassiodor über 
Ricimers regiment noch andere nachrichten hat (cf. 469, 470), die 
dem Cuspinianus und der chronik von 641 fehlen und also auch 
für die ravennater fasten nicht vermuthet werden können. 

Das ergebniss ist: dass sich abgesehen von dem kampf zwi- 
schen Odoakar und Theodorich 489—493 eine verwandtschaft Cas- 
siodors mit dem Cuspinianus oder der chronik von 641 nicht nach 
weisen lüsst. Hütte er aber dort die vorlage derselben benutzt, so 
müsste er für die bezüglichen nachrichten zugleich noch andere 
quellen benutzt haben. Für eine reconstruction dieser vorlage, also 





Zu den Fasten. 501 


der ravennater fasten, ist demnach Cassiodors chronik nicht zu 
benutzen. 


Marius. 


Die verschiedenheit der consulliste des Marius von der des 
Cuspinianus habe ich Philologus a. a. o. 279 ff. erwiesen.  Ei- 
pige daselbst hervorgebobene abweichungen lassen sich vielleicht 
auf verderbnis u. s. w. zurückführen — aber wenn man darin 
auch noch soweit geht, so bleibt doch die thatsache, dass Marius 
484, 486, 490 und 493 den ostrómischen consul hat, wo er in 
dem Anouymus fehlt. Holder-Egger beseitigt diese thatsache durch 
die vermuthung, dass Marius noch andere listen benutzt und aus 
ihnen die liste der fasten ergünzt habe — aber wie kommt es denn, 
dass er 472 nur den westrümischen consul aufoahm, während doch 
die ravennater fasten beide namen hatten? Und weiter, welche 
listen kann mao nicht aufeioander zurückführen, wenn man so ver- 
fährt? Auders steht es mit den nachrichten. Der erste theil der 
chronik des Marius hat nur spürliche nachrichten — von 464— 
493 sind nur zu 6 jahren und immer nur ganz kurze nachrichten, 
etwas reicher sind sie 455—463. Zu vier jahren sind zwar keine 
angaben aber zu den auderen fünf ausführlichere. 1m ganzen mel- 
det er 16 thatsachen — davon finden sich 10 auch in dem Cuspi- 
nianus. Es sind die erhebung und der sturz der herrscher Avitus, 
Majorian, Anthemius, Glycerius, Nepos und Odoaker, sodann noch das 
eindringen Theodorichs in Italien. Die anderen angaben betreffen 
gallische verhültnisse. Man führt sie zusammen mit den angaben 
des Sulpicius Severus auf vermuthete arelater fasten zurück 1°), Jene 
nachrichten hatten Pallmann, Waitz, Binding auf die ravennater 
fasten zurückgeführt. Binding dann auch noch eine von den gal- 
lischen nachrichten. Dem habe ich widersprochen und im anschluss 
daran bin ich zu weit gegangen, wenn ich auch jene italischen 
nachrichten nicht aus den raveunater fasten ableiten wollte. Hol- 
der-Egger hat recht, wenn er sagt, dass die übereinstimmung nicht 
bloss in den technischen ausdrücken besteht. Für die reconstruction 
der vorlage des Anonymus liefert Marius jedoch höchstens 493 


10) Dass diese auf grund von ravennater fasten entstanden seien 
ist eine beim stande der untersuchung nutzlose vermuthung. 


Philologus. XLII. bd. 3. 33 





502 Zu den Fasten. 


eine (unbedeutende) ergänzung und 456 einen aber auch noch zwei- 
felhaften fingerzeig, dass die chrouik von 641 die angabe über die 
bischofsweihe des Avitus aus der vorlage nahm. 


Das Auctarium. 


Ein codex des siebenten jahrhunderts enthält einen auszug aus 
Prosper (Continuatio Prosperi ex Ms. Vaticano) und das soge- 
nannte Auctarium Prosperi. Beide knüpfen an Prosper an und 
übernehmen seine zählung a passione Domini, auch scheinen sie 
endlich in derselben gegend entstanden zu sein. Deon wührend sie 
sonst nur ganz dürftige nachrichten haben, meldet die Continuatio zu 
498 die besetzung von Dyrrachium durch die Gothen unter Valamer 
und das Auctarium zu 478, dass Theodorich, Valamers sohn, in 
Dyrrachium eindrang. Wir wissen, dass Theodorich damals jene 
gegenden bedrüngte, aber diese bestimmte angabe ist nur hier er- 
halten. Sonst haben jedoch die beiden schriften nichts mitein- 
ander gemein. Die Continuatio ist ein auzug aus Prosper in dürf- 
tiger weise fortgeführt bis 466. Das Auctarium beginnt mit 464 
und reicht bis 560 oder 595 und ist ein ganz anderes werk. 
Der autor beginnt mit einer einleitung, die ungefähr denselben ge- 
danken ausdrückt, den lordanis am schluss seiner Gothengeschichte 
äussert. Wie der maler das bild der weiten welt in einem klei- 
nen raum zusammenfasse, so wolle er die blüthen verschiedener 
grosser schriftsteller in einen kranz der weisheit vereivigen. Er 
nennt dann die schriften des losefus, des lulius Africanus, des 
Prosper Aquitanus, des Orosius, des Eusebius und Hieronymus 
und giebt an, wie sie die jahre der welt berechnen. Mit dieses 
zeilen hat er aber auch seiner gelehrsamkeit genug gethan, dens 
er fügt nur hinzu, wie viel jahre der welt zu zählen seien bis 
zum consulat des Olybrius und Rusticius A64 und giebt von da en 
eine chronologische tafel, welche die consuln bis 548 nennt") 
und daneben die daten der osterfeier bis 560. Zwischen diese 
reiben sind zu 15 jahren kurze nachrichten eingefügt, die erste 
465, die letzte 512. Die meisten derselben sind die in allen chro- 
niken wiederkehrenden angaben über die erhebung und den tod der 


11) Spüter wird nur das erste jahr der lebenslinglichen konsulate 
der kaiser (566, 579, 583) angegeben. 





+ 


Zu den Fasten. 503 


kaiser und sonstigen gewalthaber Italiens, dazu dann noch angaben 
über 2 ausbrüche des Vesuvs, eine sonnenfinsternis, eine synode 
502, die katholikenverfolgung des Hunerich 484, Theodorichs ein- 
dringen in Dyrrachium 478 und Ravenna 493 und endlich zwei 
mal 493 und 496 die erwühnung, dass thórichte menschen glaubten, 
der antechrist werde erscheinen. Alle anderen jahre haben keine 
nachrichten. Die consulliste und die paschaltafel bilden durchaus 
die hauptsache. Beide tragen unverkennbare spuren der gleichzei- 
tigen aufzeichnung. Die ostertafel giebt nicht die zum voraus be- 
rechneten daten sondern die daten der wirklichen feier, denn sie 
merkt wiederholt an (in 13 jahren zwischen 475 und 550), dass 
die Lateiner in dem jahre das fest an einem anderen tage feierten 
als die Griechen, uud zwar in 6 jahren so, dass man sieht, dass 
am orte der aufzeichnung die griechische rechnung befolgt wurde, 
nicht die rómische, in vier jabren umgekebrt. Der ort der auf- 
zeichnung wird deshalb in dem gebiete zu suchen sein, wo Grie- 
chen und Lateiner sich berührten. Aehnliche spuren gleichzeitiger 
aufzeichuung zeigt die consulliste uud sie unterscheidet sich durch 
dieselben von allen bekanuten listen. Von der liste des Anonymus 
scheidet sie sich in den sieben ersten jahren 464—470 in drei 
jahren. 


Anonymus. Auctarium. 
464 Rustico et Olybrio Olybrio et Rustico 
466 Leone Ill et Tatiano 4 Leone Augusto Ter 
470 Severo et lordane Severo v. c. Console. Severus 


ist der occidentalische consul. 
489 hat das Auctarium ebenfalls 
wieder nur den ostrómischen con- 
sul Probinus, der Anonymus hat 
dagegen wieder beide. 


Umgekeht verhält es sich 475, worüber unten. Besonders lehr- 
reich sind die jahre 484 und 493. In beiden jahren erfuhr man 
am ort zunächst nur deu occidentalischen consul und schrieb: 


484 Venantio v. c, consule 
493 Albino v. c. consule und trug sie so in die liste ein. 


Nachträglich erfuhr man auch die namen der orientalischen 
33* 





504 ‘Zu den Fasten. 


consuln, liess die eintragung aber stehen und setzte die ostréni- 
schen consul» hinter die formeln, die das Auctarium nur bei nen- 
nung eines consulats anwendet. So heissen denn die jahre: 
Venantio v. c. consule et Theodorico 
Albino v. c. consule et Eusevio. 

Kin ühnliches zeugnis für diese entstehung der liste bietet das 
jahr 475. Zuerst schrieb man wie überall im westen p. c. Leonis 
und diese bezeicbnung wurde auch in die liste eingetragen. Dar- 
nach erfuhr man den ostrémischen consul Zeno und setzte seinen 
namen darunter !?). Es entstand so die gefahr, dass man diesen 
consul als neues jahr zählte, zumal beiden jahresnamen nachrichten 
beigefügt waren. 496. 497. 501 und 502 hat die liste wieder 
nur den weströmischen consul, während dem Cuspinianus auch der 
oströmische bekannt ist. Der schluss der liste ist oben behandelt 
worden, er trägt entschieden weströmischen character und ist auf 
keine andere liste zurückzuführen. Die liste ist also entstanden 
durch aufzeichnung der am ort wirklich gebrauchten consulate, und 
regelmüssig wurde der westrümische cousul leichter bekannt als der 
ostrémische. Dieser zustand der consulliste steht nicht im wider- 
spruch mit der ostertafel, welche auf einen ort an der grenze des la- 
teinischen und des griechischen gebietes weist wie die ostertafel. Auf 
dasselbe gebiet weist die nachricht von der besetzung Dyrrachiums, 
die von keiner chrouik gebracht wird und locales interesse verrath, 
sowie die zweimalige erwähnung vom ausbruch des Vesuvs. Die 
liste ist also wohl in Unteritalien entstanden und offenbar von einem 
geistlichen geschrieben. Ferner. lm jahre 475 stehen die nachrichten 
zwischen den nach einander üblich gewesenen bezeichnungen dieses 
jahres. Die nachrichten wurden also wenigstens zu diesem jahre 
so eingetragen, wie sie nacheinander bekannt wurden. Darauf 
weisen ebenfalls die jahre 493 und 496. 493 steht die nachricht 
ssTheodorich rückt in Ravenna ein“ neben der unmittelbar aus dem 
leben genommenen klage, thórichte menschen behaupten, die ankunft 


12) Aehnlich das Chronicon Prospers ex Msc. Augustano 451. 
Erst wird das jahr Adelfio v. c. consule benannt und eine nachrieht 
über die beisetzung des Theodosius hinzugefügt. Darauf heisst es: 
„es wird gemeldet, dass Marcian den thron bestiegen habe“. Offen- 
bar war &uch zugleich die meldung gekommen, dass Marcian der ost- 
rémische consul sei, denn nun folgt die vollständige bezeichnung des 
jahres Marciano et Adelfio, aber so als sei dies ein neues jahr. 





Zu den Fasten. 505 


des autichrists stehe bevor. Drei jahre darauf 496 wird die klage 
wiederholt. Ob endlich die liste und die paschaltafel ursprünglich 
für sich aufyezeichnet wurden, ist nicht mit bestimmtheit zu sagen. 
Dafür spricht vielleicht die form des eingangs „in dem ersten jahre 
fiel das pascha auf den tag . . ., im folgenden jahre . ... Mehr 
noch der umstand, dass sich im jahre 475 ein ansatz findet auch 
der zweiten consulatsbezeichnung des jahres ein pascha beizufügen. 
Allein das kann recht wohl fehler des letzten compilators sein, 
und andererseits liegt es doch in der natur der sache, dass wenn 
eine paschaltafel angelegt wurde, auch eine jahresbezeichnung da- 
neben gesetzt wurde. Diese listen dienten dem practischen ge- 
brauch und in keinem kloster und keiner stadt wird es daran ge- 
feblt haben. Bei dem einen und anderen jahre trug dann der 
schreiber gelegentlich auch eine nachricht ein über kriegsgefahr 
und was sonst die gemiither beschäftigte. Auf diese weise ist auch 
das Auctarium entstanden oder sind die elemente entstanden, aus 
denen um 560 der schreiber der einleitung das Auctarium her- 
stellte, indem er die theile zusammenfiigte und die gelehrten be- 
rechnungen des alters der welt nebst den jabren der prosperschen 
zählung vom tode Christi hinzufügte. Dahei mag er auch aus 
einer anderen chronik noch einige nachrichten zu den vorbandenen 
hinzugefügt haben — doch lässt sich das nicht nachweisen. Viel- 
leicht findet 472 sich ein anklang an den Cuspinianus, da der kampf 
zwischen Ricimer und Anthemius in beiden als bellum civile be- 
zeichnet wird. Aber wenn das wirklich eine spur eines directen 
oder indirecten zusammenhanges sein sollte, so könnte derselbe our 
sehr unbedeutend sein und das urtheil über die entstehung des 
Auctarium im ganzen nicht bestimmen. 


Die fasten von Ravenna oder die vorlage des Anonymus 
Cuspiniani 455—493. 


1. Die liste. 


Io 12 Jahren von den 39, welche dieser abschnitt umfasst, 
wurde nur ein consul ernannt, bald ein orientalischer bald ein oc- 
cidentalischer und einmal 477 überhaupt kein consul. 468, 473, 
474 475, 478, 479, 480, 481, 483, A85, 487, 491 und viel- 
leicht auch noch 466 hatte auch eine correcte liste nur ein- 





506 Zu dea Fasten. 


zelnamen. Zieht man dies in betracht, so ist die liste des Ano- 
nym. Cuspinianus bis 475 correct und ist mit allen correcten listen 
übereinstimmend. Dagegen hat sie in den noch folgenden 17 con- 
sulaten (485 und 491 sind ausgefallen) in 6 jahren 475, 482, 
484, 486, 490, 493 keine kenntnis des ostrümischen consuls, und 
zwar ist dies nicht auf verderbnis zurückzuführen, da sie zu den 
namen die formeln hinzufügt, welche sie nie anwendet, wenn sie 
ein vollständiges consulpaar nennt. Marius kennt den ostrümischen 
consul nur in zweien dieser jahre nicht: 475 und 482, dagegen 
fehlt er ihm 472, wo ihn der Cuspinianus hat. Die chronik von 
641 (oder Continuator Prosperi) hat ihn iu dre? Jahren nicht 475, 
490 und 493.  Cassiodor in vier 475, 482, 490, 493. Das Auc- 
tarium Prosperi nur in zweien dieser jahre 482 und 490, ausser- 
dem aber noch 470 und 489, in denen der Anonymus Cuspin. den- 
selben kennt. Dazu kommt nun noch der consul Tatianus, den 
der Cuspinianus 466 nennt und den sonst nur noch Marius und 
die fasti Veronenses haben, die wieder durch 484 und 490 von 
dem Cuspinianus geschieden sind. 

Diese zusammenstellung zeigt, dass es reine willkür ware, 
wollte man die liste des Cuspinianus mit den listen der chroniken 
ausgleichen, welche nachrichten aus den Ravennater fasten entnab- 
men oder in denen Holder-Egger ableitungen derselben vermuthet. 
Die liste des AnonymusCuspinianus hatuns als liste 
der Ravennater fasten zu gelten. 

Die Ravennater fasten hatten also von 455 bis 475 eine 
correcte liste und zeigten keinerlei spuren der am ort der ert 
stehung wirklich gebrauchten unvollständigen jahresbezeichnung. 
Von den 17 jahresbezeichnungen, die dann folgen, ist dagegen über 
ein drittel unvollständig. Noch deutlicher tritt das verhältnis her- 
vor, wenn wir den ersten abschnitt bis 482 nehmen. Bis zu die- 
sem jahre hat der Cuspinianus die ganz correcte liste bis auf das 
jahr 475, das in den meisten weströmischen listen als postconsulat 
gezählt wurde. Im westen wurde in diesem jahre kein consul er- 
nannt, und der im osten ernannte wurde daselbst nicht bekannt. 
Also bis 482 ist die liste so gut wie correct, von den 10 cnusı- 
laten, welche der Anonymus aber dann noch nennt, fehlt der ost- 
rémische consul fünf mal 482, 484, 486, 490, 493. Das hüngt 
nup allerdings damit zusammen, dass der ostrómische consul in die- 





Zu den Faster. 507 


sen jabren überhaupt im westen vielfach erst am ende des jahres 
hekannt wurde oder im folgenden; aber andere listen wie Cassio- 
dor, Marius, die Veroneser tafel, das Auctarium haben ihre namen 
doch in mehreren dieser jahre. Schon daraus ergiebt sich, dass 
diese liste nicht mit amtlichen mitteln zusammengestellt wurde. 
Ferner. Bis 482 scheint der letzte redactor wenigstens neben der 
aus ursprünglicher aufzeichnung hervorgegangenen liste andere li- 
sten zur ergänzung und zur correctur gebraucht zu haben, nach 
482 dagegen nicht. 


2. Die nachrichten. 


Der Cuspinianus giebt die fasten von Ravenna nicht felilerlos nnd 
nicht vollständig wieder — aber da der Sangallensis, der Valesianus, 
die chronik von 641 und Marius doch nicht viel haben was in dem 
Cuspinianus fehlt — so werden auch die Ravennater fasten nicht 
viel mehr gehabt haben. Und dabei ist es immer recht zweifelhaft, 
was man aus ihnen entnehmen darf. Geht man aber selbst so weit 
wie Holder-Egger, so behalten die Ravennater fasten immer doch 
den character des Cuspinianus und die folgenden betrachtungen über 
die nachrichten treffen zu für die engste wie für die weiteste re- 
construction. Deutlich sieht man, dass diese nachrichten in Italien 
aufgezeichnet wurden und an einem orte, an dem man wenigstens 
die wichtigsten ereignisse mit sicherheit erfuhr. Man vermuthet, 
dass es in Ravenna geschehen sei, denn Raveuna wird besouders 
häufig genannt. Aber das liegt in der natur der sache, weil Ra- 
venna die hauptstadt war und der schauplatz der wichtigsten be- 
gebenheiten. Zu beachten ist, dass bei Ravennater ereignissen regel- 
mässig der name der stadt genannt wird und es ist nicht zu sagen, 
ob in den unversehrten fasten der name der stadt irgend einmal 
als bekannt vorausgesetzt war. Für die aufzeichnung in Ravenna 
selbst spricht, dass 455 der brand der stadt und 488 der brand 
einer brücke von Ravenna, also ereignisse vou localem interesse 
gemeldet werden. Auffallender weise sind dagegen in dem Ano- 
nymus Sangallensis, der aus einem vollstindigeren exemplare der fa- 
sten, als uns in dem Cuspinianus erhalten ist, alle erdbeben, sou- 
nenfinsternisse und ähnliche ereignisse zusammenstellte, weder diese 
brände verzeichnet noch auch das erdbeben, welches nach Marcellin 
467 Ravenna erschüttert. Dies erdbeben fehlt auch in den ande- 





508 Zu den Fasten. 


ren ableitungen. Der zusammenhang Marcellius mit dem Cuspinia- 
nus 455 —493 ist nicht nacbzuweisen (s. o.), und wer annimmt, 
dass Marcellin die vorlage des Cuspinianus benutzte, der kann we- 
nigstens nicht leugnen, dass Marcellin ausserdem andere quellen 
hat. Bei dem schweigen aller sicheren ableituagen der Ravennater 
fasten ist es deshalb zum mindesten unwahrscheinlich, das Marcellio 
diese notiz aus den Ravenuater fasten entnahm und dass diese no- 
tiz überhaupt in den fasten gestanden hat. Dies spricht gegen die 
annahme eines Ravennater ursprungs der fasten, gleicher weise 
auch der zustand der consulliste. Man sollte glauben, dass man 
in Ravenna eine genauere kenntuis der ostrümischen consulu hätte 
erlangen können. Indess, sicherheit ist über diese frage des ur- 
sprungs nicht zu erlangen, uud man darf immerhin die vorlage des 
Anonymus Cuspin. 455—493 wie bisher als Ravennater fasten bezeich- 
nen. Viele namen und ansichten der art sind nicht besser begrün- 
det. Der verfasser schrieb unter Theodorichs regiment. Er giebt 
den kaisern regelmüssig das D. N. Dominus noster, wo es fehlt 
scheint es aus nachlässigkeit oder verderbnis zu fehlen. Kr war 
offenbar ein Rümer, bezeichnend ist, dass er auch zur zeit Odoa- 
kars die kaiser als die legitimen lerrn vou Italien betrachtete. 
Noch 492 giebt er dem kaiser Anastasius die namen Dominus 
noster und pater patriae, auch der nach Dalmatien geflüchtete kai 
ser Nepos wird noch 480 als imperator bezeichnet. Odoaker wird 
dagegen nie dominus, auch nicht patricius genannt, sondern nur 
rex. Dagegen wird Theodorich nach dem siege über Odoakar 
wiederholt als dominus bezeichnet. Der Anonymus Valesianus, der 
hier theilweise genauere nachrichten hat, zeigt den rümischen stand- 
punkt noch schärfer. Theodorich nennt er während des kampfe 
stets mit dem römischen titel patricius, seine grossen wie rümi- 
sche beamte comites, und nach dem siege lässt er Theodorich ge- 
sandte an den kaiser Zeno schicken mit der bitte, ihm zu gestatten 
den königstitel annehmen zu dürfen. Während die gesandtschaft 
unterwegs war, sei kaiser Zeno gestorben, und da hätten die Ge- 
then, ohne den befehl des neuen kaisers abzuwarten, den Theodo- 
rich zum könige erhoben. Der kampf Theodorichs gegen Odoakar 
wird dargestellt als ein kampf eines römischen heeres, um Italien 
dem kaiser wieder zu gewinnen. Zeno . . . . recompensans bene 
ficiis "Theodoricum quem fecit Patricium et consulem. donans ei mul- 





Zu den Fasten. 509 


tum of mittens eum ad [taliam. Cui Theodoricus pactuatus est 
ut si victus fuisset Odoachar, pro merito laborum suorum loco 
eius dum adveniret tantum  praeregnaret. Die chronik von 641 
sieht dagegen in Theodorich nur den rex Gothorum, behandelt den 
kampf als den kampf zweier selbständigen kónige. Der Cuspinianus 
hat dieselbe auffassung, nur dass er nach dem kampfe den Theo- 
dorich als dominus bezeichnet und ebenso die rémischen kaiser. 
Wenn man diese darstellung als die der gemeinsamen vorlage 
betrachtet, so wird das bild dieses theils der Ravennater fasten 
ein ganz anderes, als wenn man annimmt, die auffassung des Va- 
lesianus sei der vorlage nicht fremd gewesen. Hierfür spricht, dass 
diese auffassung auch in demjenigen theile der nachrichten des Va- 
lesianus wiederkehrt, der noch die angabe der consuln und spuren 
anpalistischer schreibweise bewahrt. Dagegen spricht, dass der 
Cuspinianus den character der vorlage am reinsten zu bewahren 
scheint. Cassiodor, der hier die fasten gleichfalls benutzt, kann die 
entscheidung nicht geben, da er mit seiner vorlage stets frei um- 
geht, und Agnellus bietet nichts, was diese frage liste. Noch we- 
niger gewührt hier eine der andern chroniken hülfe, die als ablei- 
tung der Ravennater fasten gelten. Wäre die frage zu bejahen, 
d.h. wären die angaben des Cuspinianus über Odoakar und Theo- 
rich excerpte aus einer ausführlichern und nicht so farblosen dar- 
stellung nach art des Valesianus, so trüge dieser schluss des Cu- 
spinianus einen andern charakter als die jahre 455—489, welche 
die form der vorlage allem anschein nach unveründert beibehalten. 


Im ganzen betrachtet bietet der Anonymus Cuspinianus 455—493 
ein hervorragendes beispiel der annalistischen geschichtsschreibung 
dieser Zeit. Einen amtlichen ursprung anzunehmen ist kein grund 
vorhanden. Vielmehr ist es bisher nicht einmal gelungen, auch nur 
über die möglichkeit einer solchen amtlichen publication bei diesem 
wechselnden regiment eine genauere vorstellung zu geben. Die 
aufzeichnungen sind jedenfalls gleichzeitig — es müsste also eine 
reihe einander folgender beamten in demselben geiste die eintra- 
gungen gemacht haben. — Ganz undenkbar ist nun gar, dass die 
angaben des Sangallensis von 539—573 aus amtlicher aufzeichnung 
stammten. Sie tragen aber den gleichen character der genanigkeit 
wie die früheren und bilden ein zeugnis dafür. dass dieses merkmal 





510 Zu den Fasten. 


nicht für amtlichen ursprung beweist, sondern nur für gleichzeitige 
eintragung in eine zeittafel. 


Umgekehrt giebt. es verschiedene gründe, welche gegen einen 
amtlichen ursprung sprechen. 1) Einmal die dürftigkeit der nach- 
richten. Amtliche annalen, die aus zwei, drei jahren bewegter 
zeit nichts melden! 2) Das fehlen der kirchlichen nachrichten, 
wührend die kirchlichen angelegenheiten damals einen wesent- 
lichen theil der aufgaben des staates bildeten und oftmals alle 
übrigen beherrschten. 


3) Der zustand der consullisten, Namentlich bei der hypo- 
these Holder-Eggers, dass von zeit zu zeit eine neue bearbeitung 
oder fortsetzung dieser amtlichen annalen veranstaltet sei uud dass 
der Ánqnymus Cuspinianus aus einer etwa um 493 veranstalteten 
recension herrühre, ist es ganz unmüglich anzunehmen, dass der 
verfasser im amtlichen auftrage und mit amtlichen mitteln gear 
beitet habe. 


Nur für den abschnitt des Anonymus Cuspinianus 455— 493 
können wir ravennater fasten als vorlage vermuthen und diese 
fasten scheinen keinen amtlichen ursprung gehabt zu haben. 


Nicht zufällig ist dagegen wohl, dass der Anonymus da beginnt, 
wo Prospers chronik aufhôrt, und in diesem fall waren die Ravennater 
fasten den vielen fortsetzungen Prospers beizuzühlen. Dem inhalt 
nach stehen sie jedoch in einem gegensatz zu Prospers chronik 
und ebenso zu Cassiodor, Marcellin u.s. w. 1) Sie melden die 
nüchsten thatsachen ohne begleitende bemerkungen und mit genauer 
bezeichnung von zeit und ort. Die sprache ist schlecht und feb- 
lerhaft. 2) Sie melden keine kirchlichen nachrichten. Dadurch 
unterschieden sie sich zugleich von den fasten von Constantinopel, 
von denen sie dann ferner noch dadurch verschieden sind, dass die 
zahl ihrer localen nachrichten verschwindend klein ist, wahrend die- 
selben in den fasten von Constantinopel eine grosse rolle spielen. 

Diese beobachtung ist wichtig , denn die angebliche gleichar- 
tigkeit der fasten von Constantinopel und der fasten von Ravenna 
bildet ein wichtiges glied in der kette von hypothesen, welche zu 
der theorie der amtlichen annalen führte. 


Strassburg. G. Kaufmann. 





ll. JAHRESBERICHTE. 


50. Eutropius. 
(Fortsetzung : s. ob. hft. 2, p. 379). 


Zur zweiten klasse der interpolierten handschrif- 
ten, deren archetypus mit C bezeichnet ist, gehört der cod. Vati- 
canus MDCCCLX aus dem jahre 1313 (D) und die vorlage des 
Paulus Diaconus in seiner rômischen geschichte. Ueber den cod. D, 
auf welchen schon Gardthausen (Fleckeis., Jahrbb. 107, p. 262) 
hingewiesen hatte, berichtet Drovsen ed. mai. p. IX, und in der 
vorrede (p. VII) zu der kleinen ausgabe des Paulus Diaconus sagt 
er: hic codex . . . aut ex eo ipso libro, quem usurpavit Paulus, 
aut certe ex simillimo eius manavit, itaque diiudicat plerumque 
quaestionem , quid in breviario legerit Paulus. Die vorlage des 
Paulus wird aus den übereinstimmenden lesarten der handschriften 
derselben erkannt. Die handschriften , welche in sehr grosser 
zahl existieren (vrgl. Gardthausen, Fleckeis. jahrb. 107, p. 261 
und Droysen, editio maior p. XXIX), theilt Droysen in zwei 
klassen: die eine enthält die worte [XV, 6 (p. 120, 22; 209, 
22)]: (Gothi) bifarie per Alaricum ac Fridigernum divisi 
decreverunt, ut utramque rem publicam id est Fri- 
digernus cum suis orientalem, Alaricus vero cum 
suo exercitu occidentalem opprimeret. Hi ergo, qui 
cum Fridigerno in orientali remanserant parte, lin- 
gua patria ab oriente Ostrogothae id est orientales 
Gothi sunt dicti, isti vero, qui occiduas petierant 
regiones, ab occidente Wisigothae id est occidentales sunt appellati, 
in der andern fehlen die gesperrt gedruckten worte. Die letzte 
klasse bietet den besten text und hierzu gehören als die vorzüg- 
lichsten handschriften der cod. Bambergensis E NI, 4, 513 (H) 
aus dem 9. oder 10. jahrh., der cod. Vaticanus 3339 (V) aus dem 
11. jahrh. und der cod. Berolinensis Lat. 4° 1 aus dem 13. jahrh, 





512 Jahresberichte. 


(B). Ueber cod. Bambergensis und cod. Vaticanus sagt Droysen 
ed. mai. p. XXX: quamvis non ex eodem archetypo ipti 
tamen in omnibus gravioribus et hiatibus et erroribus consentiunt, 
ut eorum consensus pro uno codice haberi possit. Fir die zweite 
klasse, deren text interpoliert ist, hat Droysen den cod. Laures- 
tianus LXV, 35 (N) aus dem 11. jabrh. und den cod. Vaticanus 
7312 (Z) aus dem 12. jahrh. verwandt, dem briefe des Paulas an 
Adelperga hat er den cod. Laurentianus LXX XIX aus dem 13. 
jahrh. (C), den cod. Perusinus H LXXV aus dem 14. jabrh. (A) 
und den cod. Vindobonensis CIV aus dem 14. jahrh. (B) zu grunde 
elegt. 
i Beber das verhältniss der Familie C zu A ist bereits oben 
(p. 388) gesprochen. Wann der archetypus C entstanden ist, dar- 
über lüsst sich nichts bestimmtes sagen, doch das ist ziemlich klar, 
dass der verfasser der Epitome, die unter dem namen des Aurelius 
Victor bekaunt ist, eine handschrift der familie C vor augen hatte. 
Diese epitome reicht bis zum tode des Theodosius (395), ist also 
frühestens c. 400 geschrieben. Leider besitzen wir noch keine 
zuverlüssige, kritische ausgabe von diesem werke, um die verschie- 
denheit und übereinstimmung genau feststellen zu kónnen, aber so- 
viel ergiebt sich doch aus einer vergleichung mit Eutropius, das 
der epitomator lesarten aufgenommen hat, die sich in keiner an- 
dern handschriftenklasse des Eutropius als in € finden. Die hanpt- 
stelle hierfür, Eut. 9, 19 (67, 19; 162, 3), hat Droysen p. XXVII 
bereits angeführt; wührend hier die handschriften AB vel levi fati- 
gatione haben, schreibt D verbi fatigatione und ebenso Epitom. 38, 
7. Noch möchte ich folgende stellen als beachtenswerth vorbria- 
gen: Eut. 8, 19 (61, 5; 148, 6) per CXXXII passuum milia] 


RXXXII LO, XXXII D, XXII aut XXXII P(aulus), Epitom. 
20, 4 per triginta duo passuum milia. — Eut. 9, 4 (63, 8; 
152, 4) Budaliae] Bubaliae D und auch Paulus, Epitom. 29, 1 
Bubaliae. — Eut. 9, 17 (66, 31; 160, 12) Sirmi] sirmio (siri- 
nio D) aut firmio P., Epitom. 37, 4 Sirmio. — Eut. 8, 15 (60, 
1; 146, 10) depravatus] depravatus DP Lincoln., pravatus O, pn- 
vatus LG, Epit. 17, 4 depravatus. — — Eut. 8, 15 (60, 2; 146, 
11) gladiatoriis] gladiatoris FGLO, gladiatoriis D, Epitom. 17, 4 
gladiatoriis. — Hierzu möchte ich auch folgende stellen zäblen, 
in denen C mit B das bietet, was die epitome hat. Eut.*9, 14 
(65, 27; 158, 6) conpescuit] conspicuit A, conpescuit BC, Epitom. 
35, 4 conpescuit. — Eut. 9, 14 (65, 30; 158, 9) interfector] 
intertor G, interemptor F, interfector BC, Epitom. 35, 4 inter- 
fector. — Eut. 9, 16 (66, 15; 158, 22) egregie moratus] se- 
gyptiae G, moderatus FG, Epit. 36, 1 egregie moratus. 

Das gegenseitige verhältniss dieser drei handschriftenklassen 
ist nach Droysen eiu derartiges, dass C weder aus A noch aus B 
direkt abstamme, dass aber der archetypus C mit A nahe ver- 





Jahresberichte. 513 


wandt nach einem exemplare der B-klasse corrigiert sei. Dagegen 
spricht sich Mommsen in Droysens ed. mai. p. XIV dahin aus: 
scilice redire ea ad archetypa duo, ut ex altero pendeant tam 
Gothanus et Fuldensis (A) quam Paulini libri (C), ex altero tam 
Leidensis et Audomarensis (B) quam Paeanius. Quam ob rem 
ubicumque consentiunt aut AB contra C aut BC conira A, ibi 
Eutropii verba tenemus, exceptis scilicet paucissimis illis locis, de 
quibus supra (p. XIII) monitum est. Mit dieser aufstellung kann 
ich mich insofern nicht einverstanden erklüren, da ich annehme, 
dass Paeanius und B nicht aus einem archetypus geflossen sind, 
dass Paeanius nicht eine interpolierte, sondern vielmehr eine sehr 
gute handschrift des Eutropius benutzt hat, wie ich oben p. 394 
—402 nachgewiesen zu haben glaube. Ob die andere behauptung, 
dass námlich da, wo BC miteinander gegen A zusammenstimme, der 
ursprüngliche wortlaut vorliege, richtig ist, mag die folgende zu- 
sammenstellung der lesarten BC gegen À zeigen. 

In der wortstellung findet sich eine verschiedenheit an 
folgenden stellen: richtig ist dieselbe in BC 7, 11 (48, 28; 122, 
3) quosdam reges ad se per blanditias evocatos numquam remisit, 
wührend A per blanditias ad se hat, da Hieronymus a. 2040, wel- 
cher, wie Droysen (praef. p. XXVII) mit recht sagt, meliorem 
quam qui supersunt codicem adhibuit , schreibt: ad se per blandi- 
tiam. Umgekehrt ist in BC die schlechtere wortstellung 1, 2 (3, 
22; 10, 7) annus unus stai uous annus A, da Hieronym. 1297 
die letztere stellung bestütigt. Schwer zu bestimmen sind: 3, 1 
(17, 26; 46, 17) bellum ei BC und ei bellum A; 3, 20 (23, 13; 
60, 17) bene in Hispania BC und in Hispania bene A; 7, 6 (47, 
5; 116, 10) Asiam et Orientem BC und Orientem et Asiam A; 7, 
13 (49, 14; 122, 16) Britannis intulit bellum BC «und bellum 
Britannis intulit, vgl. Bitschofsky, Oesterr. gymn. 1880, p. 840, 
n. 841. 

Hartel hat (Eutropius und Paulus Diaconus p. 42) gezeigt, 
dass C, und ich kann auch B hinzufügen, öfter durch zusätze 
kleinerer und grósserer art interpoliert ist, so ist est und 
sunt in BC an folgenden stellen unnöthig: 3, 18 (23, 6; 60, 11) 
relatum est; 8, 12 (58, 28; 144, 6) elatus est, Paean. ag9els; 
10, 11 (75, 16; 178, 8 circulatum est; 2, 28 (17, 17; 46, 10) 
creati sunt ; 7, 9 (46, 12; 114, 14) profecti sunt; 9, 17 (66, 30; 
160, 11) interfectus tamen est Et ist sicherlich falsch und muss 
gestrichen werden 7, 3 (46, 19; 114, 19) ut Augustus Hispanias, 
Gallias et Italiam teneret, Antonius Asiam, Pontum, Orientem; 
ebenso et 7, 22 (53, 12; 132, 15) et menses und que 7, 12 (49, 
10; 122, 13) dieque, an beiden stellen muss es des sprachgebrauchs 
wegen fehlen. Nicht nöthig ist et 2, 8 (10, 31; 28, 12) inter 
Picenum Campaniam et Apuliam, da Eutropius bei aufzühlungen 
et im dritten gliede setzt und fortlässt, und tum oder iunc 1, 2 





514 Jahresberichte. 


(3, 14; 10, 1) tunc cum B. tum cum C, wo Paean, «47° éxud; 
übersetzt und 2, 18 (14, 2; 38, 5) tum inventa. — Adhuc ist zu 
streichen 3, 8 (19, 15; 50, 19) Alpes adhuc tum, desgleichen fere 
3, 15 (22, 14; 58, 14) omnes fere Hispaniae, da Paean. nur 
zavrac 100g Jonuvovg übersetzt, sowie autem 4, 12 (40, 27; 100, 
3) periit autem. Oefter ist der text in BC durch hinzufügung veo 
provominibus interpoliert, so: 1, 15 (7, 9; 20, 8) patriam swam; 
3, 21 (23, 27; 62, 7) his induciae; 6, 3 (37, 18; 94, 2) is Ci- 
liciam subegit (Paean. scheiut an dieser stelle kein pronomen vor 
sich gehabt zu haben); 10, 8 (74, 10; 176, 3) eam Graeci. — 
Auch der zusutz von nom. propriis scheint mir falsch an folgenden 
stellen, du Paeun. denselben nicht hat: 6, 1 (37, 5; 92, 15) solus 
Metellus; 3, 14 (21, 17; 56, 16) decimo anno post quam Hea- 
nibal in ltaliam venerat P. Sulpicio, Cn. Fulvio consulibus Han- 
nibal . . . accessit, Puean. übersetzt dexurp dè Eres ınc dmi vyr 
"Tadley elocdov 12v "Ayowv Sovintxsog uiv xai Dovißsos gear 
dnuios, Avrifus dì éni tv noli xrÀ., man ersieht daraus, dass er 
wie A Hannibal nicht zweimal an dieser stelle vor sich batte. 
Wenn Orosius 4, 17, 2 (ed. Zangem. 251, 20) decimo anno post 
quam Hannibal in Italiam venerat, Cn. Fulvio, P Sulpicio consu- 
libus Hannibal . . . movit genau so wie Eutropius schreibt, so ist 
darauf kein gewicht zu legen, da Orosius eine handschrift der B- 
klasse benutzt hat. — 8, 18 (60, 17; 146, 22) steht in BC 
hinc imperii Romani administrationem , im Fuld. für Romani: 
summam, im Goth, somni und in den andern handschriften omnis, 
Paeanius übersetzt xai déyetus mv Baosdeluy Denuusog Tevnpoc. 
Ich halte die lesart des Fuldensis für richtig, wie oben p. 391, 
. 392 schon bemerkt ist. — 2, 21 (15, 12; 40, 15) liest mao in 
BC omni Romano exercitu, A lässt Romano weg, ebenso Paeas., 
der wore nuonç pèv tig o1gatag OicyiMovg doapuyeïy poro 
übersetzt. 

Folgende zusütze iu BC scheinen dagegen von Eutropius her- 
zurühren, da sie auch von Paeanius und andern bestütigt werdes. 
So steht 1, 2 (3, 21; 10, 6) in BC et cum orta subito tempe 
state non conparuisset, anno regni tricesimo septimo ad deos tran- 
sisse creditus est et consecrutus. Fr. Lüdecke (Fleckeis. Jahrb. 
111, p. 877) erklürt diesen zusatz für eine unzweifelhafte interpo- 
lation, Hartel hat denselben eingeklammert, Droysen ganz wegge- 
lassen. Ich glaube mit unrecht. Deno auch Hieronymus (a. 1297) 
hat et consecratus, und wenn Droysen ed. mai. p. XXVII zu con- 
secratus bemerkt: „vocabulum a codicibus optimis A alienum uirum 
in exemplari. Hieronymi fuerit an interpolatum. ex Hieronymi libris 
in deteriores breviurii codices venerit, diiudicare non ausim“, so 
zweifle ich gar nicht daran, dass Hieronymus in seinem codex des 
Breviariums, der sehr gut war, vielleicht besser als die A-klasve, 
gewiss et consecratus. vorfand, um so mehr da auch Paeanius folgen- 





Jahresberichte. 515 


dermassen übersetzt : TOUTWY oũtu may Evtwy qupaov EEalypyng 
En:i3dy dea»? tov "Puopwioy ênofnoer. "EE èxelvov dé els rode 
nentorevias mQóg Feodg dvesdipdas. Kudsequdn ov nugu 
twy ágyopévoy ern xıl., vrgl. Duncker, Progr. p. 17. Wenn et 
consecratus wie ein späterer zusatz, wie ein anhängsel von frem- 
der hand seiner stellung wegen erscheinen sollte, so bemerke ich, 
dass diese wortstellung sich bei Eutropius ófter findet, z. b. 6, 6 
(38, 7; 94, 16) coactus est et obsessus; 6, 15 (41, 29; 102, 5) 
victus est et interfectus; 6, 20 (43, 20; 106, 4) victus est et 
fugatus; 7, 13 (49, 24; 124, 7) post mortem consecratus est di- 
vusque appellatus; 8, 8 (37, 21; 140, 24) inter divos relatus est 
et merito consecratus, an den beiden letzten stellen übersetzt Paea- 
nius auch x«9uequi9g. — 1, 20 (8, 14; 22, 14) hat B: post 
viginti deinde (inde C) annos Veientani rebellaverunt, A lässt deinde 
weg, aber Paeanius übersetzt: eixoos dè toOtEQgow 1avrQgQ TS 
payns éviauroïç Béssos madevy dv(xgcav 10v. nóÀsuov, vrgl. auch 
noch 3, 6 (18, 24; 48, 15) aliquot deinde annis post ..., worauf 
Bitschofsky p. 840 aufmerksam gemacht hat. — 2, 9 (11, 15; 
30, 12) postea cum pater ei Fabius Maximus legatus datus fuisset, 
BC haben datus, was in A fehlt, Paeanius: Anyatog dì avi yes- 
cororndeis 6 natno PaBios évlxnoe, vrgl. Duncker, Progr. p. 18. 

In BC sind ófter est, et und andere kleine wórter aus- 

gelassen, die aber gesetzt werden müssen, so fehlt est 9, 8 
(64, 3; 154, 7) bei vastata; 7, 1 (45, 21; 112, 13) bei iudi- 
catus; in 9, 13 (75, 30; 178, 19) bei imperio Romano; et 7, 
17 (51, 5; 128, 1) hinter occidit und 7, 20 (52, 20; 130, 16) 
zwischen senatui und populo, Paeanius übersetzt letztere stelle : 
navit toívvy dvponmévos Tous TE und TOU dy pou xai tows dv 
Taig Yyeuorlusç xai 10 ie anay Enlons te und nuviwy Juv- 
paloueros Ersievmos. — 7, 21 (53, 4; 132, 9) fehlt nicht bloss 
in BC, sondern auch in G " vor dimiserit , welches sich aber im 
Fuldensis findet und auch von Paeanius übersetzt ist: xai yevo- 
proc àni tig Baosdelag ovtws qv xosvòs xai uéiQiog, we undéra 
piv dnasiou 1iuwolav, rovg dé én’ avrò GvOravrag ix Gvvo- 
pocíac ageivul Te xai xaragıdumons zoic plâoi. Hartel schrieb 
vel ohne genügenden grund, vrgl. Eutropius und Paulus Diaconus 
p. 49. 

Derselbe gelehrte hat (Eutrop. und Paul. Diac. p. 50) darauf 
aufmerksam gemacht, dass Paulus alles ungewöhnliche vermeidet ; 
dasselbe lässt sich in einem gewissen grade auch von B sagen. 
Hartel führt mit recht an 3, 8 (19, 20; 50, 19) exercitum Ari- 
minum transvexit, wo in C wie auch in B traiecit steht; solche 
änderungen habe ich noch gefunden: 1, 16 (7, 19; 20, 15) 
superavit FG, superfuit BC; 1, 17 (7, 24; 20, 18) fere A; 
ferme BC; 4, 26 (31, 29; 82, 4) reprobata A, improbata BC; 
5, 1 (32, 25; 84, 7) redirent A, venirent BC, vrgl. Lüdecke, 





516 "Jahresberichte. 


Fleckeis. Jahrbb. 107 p. 877 und O. Keller, Güttimg. gel. Ans. 
1874, 1, p. 152, der bemerkt, dass eine ganz gleiche variante 
sich auch bei Hor. epist. 2, 2, 22 finde; 6, 20 (43, 18; 106, 3) 
reversus A, regressus BC. Zwar findet sich, wie Bitschofsky p. 
841 gezeigt hat, regredi bei Eutropius weit häufiger als reverti, 
aber das grade scheint mir auch ein grund für den abschreiber ge- 
wesen zu sein, hier die bei Eutropius gebräuchliche form statt der 
seltneren zu wählen; 9, 3 (72, 21; 172, 2) enuntiaverat A, Paean.: 
Inuyy&iicı, nuntiaverat BC, Paeanius übersetzt nuntiare durch 
ayyflley 2. b. 9, 18 (161, 19). Hierzu rechne ich auch die 
umänderung des abl. plur. quis, was in A geschrieben steht, in 
quibus oder qui‘, was in BC überliefert ist, an folgenden beiden 
stellen 7, 11 (48, 28; 122, 3) uud 10, 15 (76, 11; 178, 29) 
Qui ist sicherlich falsch, fraglich bleibt nur, was an der ersteren 
stelle zu schreiben ist, da Hieronymus quibus hat. Hartel (Eutro- 
pius und Paul. Diaconus p. 38) bemerkt mit recbt, dass das quibus 
bei Hieronymus statt des seltneren und wohlbezeugten quis hier 
wenig zu bedeuten hat, wie auch 7, 15 die lesart desselben Ale- 
xandrinae statt Alexandrianae. Im Philolog. Anzeiger X, p. 50, 
51 habe ich mich schon dahin ausgesprochen, dass an beiden stel- 
len nichts zu ündern ist, wie es Droysen gethan lat. 

Ferner ist in BC die schlechtere lesart enthalten: 3, 
10 (20, 3; 52, 10) callidum BC, calidum A, aus Paeanius ergiebt 
sich nichts, Capito dagegen übersetzt: 06 éguuru ywolu xatesdngus 
ini nodvd dinye 10v modeuor GufAvvwv t)» tov "AvviBov OEurnsa 
yooviuss diurpifaïs, vrgl. Joh. Antioch. ap. Suid. s. v. denys. — 
3, 10 (20, 10; 54, 1) consulares et praetorii XX, BC haben aut, 
A et, Orosius 4, 16, 3 ed. Zangem. p. 248, 5 aut, er folgt also 
der B-klasse, Paeanius übersetzt dagegen: unurıxo dè avdges xai 
nquiwqsos. — 3, 17 (22, 27; 60, 3) Hispaniam BC, Hispanias 
A, plural besser nach Paeanius. — 4, 16 (29, 31; 76, 3) im 
peratores BC, imperatorem A, Paeanius: unexplvaro pydopws 
dgtoxesy “Pwyuloig dvasgetoFas 10y nyovutvoy ino Tüv UAnxOWwWY. — 
6, 22 (44, 5; 108, 5) ipse BC, ipsi A, Paeanius: é2’ adi. — 
10,1 (71,2; 168, 7) administrationem BC, administratione A, Paea- 
nius: of uiv ov» émuvouro TI aoyng x:3. — 1, 19 (8, 10; 22, 
10) sexto vel BC, sexto, Veii A, letzteres ist richtig, ebenso 4, 7 
(27, 27; 71, 6) elegantem A, elegantes BC; 6, 1 (37, 7; 92, 16) 
octavo demum A, octavo decimo BC; 7, 1 (45, 19; 112, 12) 
civili bello A, civilibus bellis BC; 7, 18 (51, 19; 128, 11) vellet 
A, velit BC; 7, 18 (51, 24; 128, 14) erecto coma capite À, 
erecta roma et capite; 7, 23, 4 (53, 28; 134, 11) unam adver- 
sum A, unam adversus BC, vrgl. Keller, Götting. gelehrte Anz. 
1874, I, p. 145; 9, 18 (67, 11; 160, 21) posset A, possit BC; 
9, 18 (67, 13; 160, 22) diductis A, deductis BC; 10, 18 (78, 
9; 182, 8) quia A, qui BC. Dagegen möchte ich folgende les 





Jahresberichte. 517 


arten in BC für richtig halten, da sie auch durch Paeanius be- 
stätigt werden: 4, 6 (27, 1; 68, 15) frater quoque BC, fraterque 
A, Paeanius: xai di xai. - 7, 1 (45, 22; 114, 1) Octavianus 
BC, Octavius A, Paeanius Oxrufsuros. — 7, 23 (54, 3; 134, 
17) Isium BC, Iseum A, Hieronymus 2110 Isium und Paeanius: 
"Iovov. — 9, 2 (62, 23; 150, 17) Persas BC, Parthes A, Paea- 
nius /J£goac. Dass Persas richtig ist, habe ich im Philolog. 39, p. 
179 nachzuweisen versucht; wenn Droysen in der note zu Eutro- 
pius sagt: ,FG et Rufus“, so ist dies nicht ganz genau, denn 
. letzterer schreib c. 22 (ed. W. Foerster p. 19, 3) Rebellantes 
Parthi iugentibus proeliis contusi sunt. Isque rediens victor de 
Perside fraude Philippi occisus est. — 3,7 (18, 33; 50, 3) quia 
BC, iam G, Paeanius: mud; ror ‘Pwpaixov &Anozevor 010409 ; 
3, 10 (19, 30; 52, 8) quadragesimo BC, quinquagesimo A, Paea- 
nius: re00aQaxocioUV. — Schwer zu bestimmen sind die lesarten: 
6, 24 (45, 3; 110, 14) ex Pompei filiis BC, et Pompei filius A; 
7, 3 (46, 12; 114, 14) occupaverant BC, occupaverunt A; 10, 
18 (78, 17; 182, 7) is BC, hic A. Ebenso die zahlwörter: 4, 11 
(28, 26; 72, 11) und 7, 8 (47, 28; 118,8) quadraginta et quat- 
tuor A, quadraginta quattuor BC; 3, 21 (23, 26; 62, 7) quadra- 
ginta et quinque A, quadraginta quinque BC; 4, 7 (38, 18; 94, 25) 
septuaginta enim quattuor A, septuaginta enim et quattuor, BC; — 
ferner 4, 19 (30, 17; 78, 3) mox etiam BC, mox A, aber 6, 22 
(44, 5; 108, 5) mox BC, mox etiam A, vrgl. Bitschofsky 841; 
— 4, 10 (28, 17; 72, 5) tum A, tunc BC; 8, 9 (57, 26; 142,3) 
tuncque primum A, tumque primum BC, auch 2, 11 (11, 29; 32, 
9) steht tumque primum, doch ist vielleicht tuncque primum richtig, 
da Jul. Capitolinus, der mit Eutropius aus einer gemeinsamen quelle 
geschöpft hat, in der vita des Antoninus Pius c. 7, 6 (I, p. 49, 
27 ed. Peter) schreibt: tuncque primum Romanum imperium duos 
Augustos habere coepit. — 5, 7 (35, 23; 90, 10) et primo BC, 
primo A, Paeanius: agwrov giv; 10,5 (73, 9; 172, 17) ac primo 
. BC, et primo A, Paeanius xai ngurov uév. — 7, 13 (49, 22; 
124, 5) egregie fecerat BC, egregia fecerat A, vrgl. Bitschofsky 841. 

Hartel (Eutropius und Paul. Diaconus p. 52) sagt, dass in 
dem cod. Gothanus die genetive der eigennamen auf ius mit merk- 
würdiger regelmüssigkeit auf à auslauteten. Folgende stellen habe 
ich mir notiert, wo BC von A abweicht: 5, 8 (36, 1; 90, 13) 
Marii — Mari; 6, 1 (37, 3; 92, 13) Sertorii C, Serturii B, 
Sertori A; 7, 12 (49, 4; 122, 9) Tiberii — Tiberi; 8, 17 (60, 
13; 146, 19) Salvii — Salvi. Von den (übrigen substantiven 
kemmen besonders imperium und aerarium in betracht. Bei dem 
genetiv dieser beiden wörter ist sich Droysen nicht gleich geblieben ; 
10, 16 (77, 6; 181, 4) ist in G aerari, in BC aerarii überlie- 
fert, Droysen schreibt aerari, dagegen hat 9, 27 (70, 20; 166, 17) 
G imperi, BC imperii, Droysen aber imperii, — Der accusativ 


Philologus. XLII. bd. 8. - 34 





518 Jahresberichte. 


singul. griechischer wörter endet in A auf en, in BC auf em bei 
folgenden wörtern: 6, 10 (40, 6; 98, 9) Mithridaten; 6, 14 (41, 
16; 100, 17) Tigranen; 6, 22 (44, 10; 108, 8) Pharnacen; 10, 
8 (74, 10; 176, 3) cometen. Richtig ist die lesart in BC 3, 
14 (21, 19; 56, 16) usque ad portam (ebenso auch nach B Ore- | 
sius 4, 17, 4), ad portam usque G; usque ad portam schreibt Sy 
burg ohne note, vielleicht stand dies in F, auch stimmt dies mit 
dem sprachgebrauch des Eutropius überein (vrgl. Bitschofsky 841), 
der in der regel usque ad gebraucht: 8, 18 (60, 21; 146, 25) 
usque ad administrationem; 7, 8 (47, 23; 118, 4) usque ad finen; 
7, 15 (50, 13; 124, 21) usque ad mortem; 8, 9 (57, 27; 142, 
4) usque ad eum; 8, 5 (56, 10; 138, 19) usque ad nostram 
aetatem; 8, 3 (55, 10; 136, 22) usque ad Indiae fines; 2. 2 (9, 
9; 24, 11); usque ad urbis Romae portas; 3, 14 (21, 18; 56, 
16) usque ad quartum miliarium; 1, 8 (5, 14; 14, 13) usque ad 
quintum decimum miliarium; 6, 17 (42, 12; 102, 14) usque ad 
Oceanum; 9, 8 (64, 5; 154, 8) usque ad Hispanias; 9, 10 (64, 
25; 156, 1) usque ad Ctesiphontem; 6, 2 (37, 15; 92, 22) usque 
ad Danuvium und daher auch wohl 6, 10 (40, 2; 98, 6) usque 
ad Danuvium nach BC, wo A ad auslisst; 9, 7 (63, 25; 152, 17) 
Ravennam usque ist richtig, da es in allen handschriften überliefert 
ist und von Hieronym. 2282 und Orosius 7, 22, 7 bezeugt wird. 
— 2, 3 (9, 19; 24, 18) triennio BC, triennium A, richtig is 
die lesart in BC, da Eutropius in diesem falle ausschliesslich den 
ablativ gebraucht, wie Bitschofsky 840 beobachtet hat. — 10, 2 
(71, 20; 170, 4) duo A, duos BC und danach Orosius 7, 25, 16; 
duos scheint richtig, da auch Eutr. 8, 13 (59, 19; 144, 21) per 
duos continuos menses schreibt. 

Bei einer reihe von stellen lässt sich, wie wir gesehen habes, 
schwer ein sicheres urtheil abgeben, wir müssen hier entweder 
nach dem sprachgebrauche oder nach dem sinne oder auch nach 
dem, was die nachahmer haben, entscheiden, wo dies nicht möglich 
ist, geben wir den lesarten der A-klasse den vorzug, doch da, wo 
Paeanius mit BC gegen À übereinstimmt, ist mit ausnahme von 
wenigen stellen, deren fehler leicht zu erkennen ist, die richtige 
lesart erhalten. Was Mommsen von dem verhältnisse von AB 
zu C sagt, ist richtig, nur wo in AB offenbare fehler, wie sie in 
allen handschriften vorkommen, sich zeigen und wo lücken sich 
finden, sind wir auf die C-klasse angewiesen. Stimmt aber Paee- 
nius mit C gegen AB überein, so haben wir mit wenigen aus 
nahmen den reinen text, wie z. b. 3, 1 (17, 23; 46, 15) XXIII, 
vrgl. Oros. 4, 11, 3; 4, 2 (25, 12; 64, 15) ingenti gloria trium- 
phavit duxit; 4, 25 (31, 21; 80, 16) alteram ex Thracia alteram 
ex Sardinia triumphum ; 6, 15 (41, 24; 102, 2) octogesimo vrgl. 
Oros. 6, 6, 1 u. a. m. 

Die zweite hülfsquelle zur textconstituierung dea Ea- 





b. 


Jahresberichte. 519 


tropius sind die griechischen übersetzungen, deren wir 
zwei besitzen, die eine ziemlich vollständig von Paeanius, die 
andere von Capito nur fragmentarisch erhalten. 

1) Wann Paeanius gelebt hat, ergiebt sich aus dem zu- 
satze zu 9, 24 (165, 22 ed. Droys.): rurmoç dé 5» ovrog (Nar- 
res) Sunwol re xai Oguloda roi; slg riv nuertgar jasxlay dpi- 
xopévo:c. Dieser Sapor starb um 379 (Clinton, Fast. Rom. II, 
260; Hartel, Eutropius und Paul. Diaconus p. 9), danach über- 
setzte Paeanius den Eutrop um 380, ob einige jahre vorher oder 
nachher, lüsst sich schwer sagen, sicherlich aber war er ein zeit- 
genosse des Eutropius (vrgl. Droysen ed. mai. p. XXI). (Genauere 
nachrichten über ihn fehlen, aber aller wahrscheinlichkeit nach war 
er derjenige Paeanius, der aus Syrien (E. Schulze, Philologus 29, 
p. 286) stammte und um 354 oder 355 ein schüler (G. R. Sievers, 
Das leben des Libanios p. 277) des Libanios (Pauly, Realencycl. 
IV, p. 1009) und des Aaacius (C. Müller, Fragm. hist. Graec. IV, 
24) war. Die weiteren lebensverhältnisse dieses Paeanius, die 
Schulze a. a. o. zu ordnen versucht hat, sind uns aus den briefen 
des Libanios bekannt. Ueber den hohen werth des Paeanius für die 
textgestaltung des Eutropius ist im vorbergehenden schon aus- 
führlich gehandelt, über die übersetzung spricht sich Droysen ed. 
maior p. XXII folgendermassen kurz und in jeder weise zutreffend 
aus: Pueanii versionis ab homine Graeco neque linguae Latinae ad- 
modum perito factae in usum Graecorum haec est indoles, ut Eu- 
tropii textum in universum non ad verbum vertat sed in brevius 
contrahat reiectis haud raro ipsius narrationis partibus, quae nimia 
continere viderentur, el omissis sescenties praenominibus Romanis, 
dignitatibus virorum Romanorum, locorum regionumve . Occidentis 
nominibus, annorum accurata notione. Ausserdem finden sich ver- 
schiedene zusütze, die einen rühren von Paeanius selbst her, die 
anderen sind, wie Schulze und Droysen gezeigt haben, von ihm 
aus Dio aufgenommen. Hiermit stimmeu R. Duncker (Fleckeis. 
Jabrb, 119, p. 646) und A, Köcher, De loannis Antiocheni aetate 
fontibus auctoritate, Bonnae 1871, p. 21 aum. nicht überein, letz- 
terer meint, dass Eutropius den Dio selbst benutzt habe, was höchst 
unwabrscheinlich ist. 

Der text der übersetzung wurde zuerst von Sylburg (Hist. 
Rom. script. min. Frankf. 1590, vol. Ill, p. 62) veróffentlicht, 
später ist er in den Eutropausgaben von Cellarius, Hearne, Haver- 
camp, Verheyk und einzeln von C. F. Schmidt (1736) und Kalt- 
wasser (1780) herausgegeben, aber erst Droysen hat uns in der 
grossen Eutropausgabe einen zuverlüssigen text geboten.  Derselbe 
beruht nur auf wenigen handschriften, besonders auf cod. Lauren- 
tianus (LXX, 5) aus dem 15. jahrh. und dem cod. Pithoei, wel- 
chen Sylburg seiner ausgabe zu grunde gelegt hatte (Graecum eius 
metaphrasten , Paeanium seu Pueaniam , e Francisci Pithoei biblio- 


34° 





520 Jabresberichte. 


theca nobis impetravit Ioannes Opsopaeus). Ob letzterer, wic 
Schulze annahm, aus dem Laurentianus stammt, ist nach Droyses 
ed. mai. p. XXII zweifelhaft, dagegen ist der Monacensis Cl sehr 
sorgfältig aus dem Laurentianus abgeschrieben, wahrscheinlich aud 
der Marcianus. Ausser den ebengenannten handschriften soll noch 
eine in dem kloster auf dem berge Athos existieren. Alle codice 
müssen aus einem lückenhaften archetypus geflossen sein, da simat- 
liche dieselben lücken aufweisen, nämlich 6, 9 und 10 (p. 97, 23 
— 99, 3), 7, 3 (115, 20) uud 10, 12 (179, 15) bis zum ende 
des werkes. 

2) Capito stammte aus Lycien und lebte vor 580, da ibo 
Stephanus von Byzanz benutzte, und nach 491, da er auf ereig- 
nisse dieses jahres anspielte. Genauer bestimmt Carl Müller (Frag. 
hist. Graec. IV, p. 133) die lebenszeit des Capito: Motus vero 
Isaurici, quos narrasse in "Iouvgixoig Capitonem iure statuimus, 
cum inde a Valentis maxime temporibus usque ad primos annos 
Anastasii obtinuerint, deinde in fragmento 5 occurrat mentio Co- 
tonis, quem eundem esse suspicor cum Conone duce Isaurorum oon- 
tra Anastasium rebellantium (491): haud adeo improbabilis con- 
iectura est scripsisse Capitonem nostrum — temporibus — Anastasii 
(491— 518) vel Iustini (518—527). Von Capito wissen wir 
nichts näheres als was Suidas sagt: Komírwv, Auxsos, iorogixos 
ovrog Eygawev Touvouxà BiBAlu n, uerupouoir 15 èrrouîc Et 
zooniov Ówpnaicih Ensreuoviog Alßıov 10v 'Popotor xrÀ. Diese 
metaphrase, nicht die lateinische originalquelle hat sicherlich Jo- 
baunes von Antiochia im anfange des siebenten jahrh. (vgl. Kö- 
cher a. a o. p. 4) benutzt, „der in der späteren griechischen lit- 
teratur einen ähnlichen platz einnimmt wie Livius in der lateini- 
schen; das epitomieren des werkes und wieder der epitomen dee 
selben einer — und das fortsetzen anderseits ist die geschichtschrei- 
bung dieser epoche; und eines der wichtigsten glieder in dieser 
kette ist Johannes von Antiochia**. Die chronik desselben lag 
wahrscheinlich auch wieder den sogenannten planudschen und cos- 
stantinischen excerpten sowie dem Suidas (vrgl. Mommsen, Hermes 
6, p. 86 und H. Haupt, Hermes 14, p. 36) zu grunde. Dadurch 
dass Droysen alle mit Eutropius übereinstimmenden fragmente io 
der grossen ausgabe zusammengestellt hat sind wir im stande, uns 
ein bild von der übersetzung zu machen, danach ist sie nicht eine 
wörtliche, sondern eine verdeutlichende, freie übertragung , die 
freilich au eleganz und geschmack die des Paeanius hinter sich 
lüsst, aber für die textgestaltung des Eutropius von weit gerin- 
gerem nutzen ist als jene, besonders da es nicht müglich ist, ibre 
verwandtschafl mit einer der handschriftenklassen des Eutropius 
festzustellen. Wie Paeanius seine übersetzung durch eine reihe 
von zusützen ausschmückte, so thut dies in weit grósserem maasse 
nach der ganzen anlage einer freien übertragung Capito, ,,der die 





Jahresberichte. 521 


skizzirenden striche seines originals mit dem schmuck ausmalender 
und frei sich bewegender schilderung überkleidete“. Aus diesen 
zusützen schloss Kócher (a. a. o. p. 17—24), dass wir nur eiuen 
auszug aus Eutropius vor uns haben, dass Capito dagegen im stande 
war, den vollständigen Eutropius noch zu benutzen. Gegen diese 
ansicht haben sich, soviel ich gesehen habe, alle ausgesprochen, 
besonders aber mit überzeugenden gründen Hartel (Eutropius und 
Paulus Diac. p. 14—16), der auch durch eine vergleichung der 
griechischen übersetzung des Capito mit Eutropius nachwies, dass 
dieselbe doch bei aller freiheit sich wieder so eng dem lateinischen 
wortlaute anschmiege, dass Capito nur das uns erhaltene breviarium 
des Eutropius benutzt haben kann. 

Die letzte bilfsquelle’) für die textgestaltung des Eu- 
tropius sind die schriftsteller, welche das breviarium 
benutzt haben. Die herausgeber des Eutropius haben auch 
diese quelle nicht unbeachtet gelassen, aber eins glaube ich haben 
sie nicht immer festgestellt, welche handschriftenklasse des Eutro- 
pius jeder einzelne nachabmer ausgeschrieben hat. 

1) Der erste, der hier in betracht kommt, ist Festus, der 
in seinem breviarium ôfter den Eutropius benutzt zu haben scheint. 
Wie ich früher (Philolog. Anzeiger 5, p. 104; 9, p. 242) nacb- 
zuweisen versucbt habe, so heisst derselbe nur Festus, da er in 
der besten handschriftenklasse, die dem ursprünglichen texte noch 
ziemlich nahe steht, wie G(otbanus), P(arisiensis), B(ambergensis) 
und W' (Vindobonensis) uur diesen namen führt, während in der 
andern handschriftenklasse, die „lückenhaft und vollständig umge- 
arbeitet ist“, wie W. Förster, Wiener studien 1, p. 304 sagt, vor 
Festi noch Rufi gesetzt ist. Man nannte ihn hiernach, sicherlich 
mit unrecht, Rufus Festus; jetzt nennt ihn Mommsen (Hermes 16, 
p. 605) Rufius Festus und deutet (C. I. L. 6, p. 103) identität 
mit Rufius Festus Avienus ?) an, was aber, wie L. Schwabe in der 
neuesteu bearbeitung der röm. litteraturgeschichte von Teuffel p. 
973 mit recht sagt, wenig wahrscheinlich ist. Dieser Festus, der 
proconsul von Asien war und gerade desshalb auch im auftrage 
des kaisers Valens einen kurzen bericht von den kriegen, welche 
von dem römischen volk mit den Parthern bis dahin geführt wa- 
ren, zu liefern hatte (vrgl. meine bemerkungen im Philologus 
38, p. 377), schrieb sein breviarium rerum gestarum populi Ro- 
mani im jabre 369. Jacobi suchte in seiner dissertation: De 
Festi breviarii fontibus p. 45—50 den beweis zu liefern, dass Fe- 
stus c. 20— 25 aus Eutropius geschöpft habe. Soviel ich gesehen 


1) Ueber die schriftsteller, welche Eutropius benutzt hat, soll in 
dem náchsten artikel gesprochen werden. 

2) Dass auch der vorname Rufius bei Festus Avienus auf sehr 
schwankender grundlage beruht, zeigt A. Breysig in der praef. ad 
Rufi Festi Avieni Aratea p. VI. 





522 Jahresberichte, 


habe, hat er mit seiner ansicht überall anklang gefunden, nur 
Mommsen und Droysen ed. mai. p. XXV stimmen ihm nicht zu, 
und wie ich glaube, mit recht. Denn einige zusütze bei Festus 
sind derartig, dass er sie nicht e memoria hinzugefügt haben kam. 
So stimmt z. b. Festus c. 20 (17, 24 ed. W. Foerster) sublate 
diademate nicht mit Eutropius 8, 3 überein, sondern mit Dio 68, 
c. 18—19: róre dia dqua ano tig xegaAzg dpetde nuè noc Tow; 
nodac abtou EFnxe.. und exelvm (HagPapcosgs) uérros armed, 
070, Bovdetas, énsroepesr. Festus c. 20 zählt die namen der vos 
Trajan unterjochten vülkerschaften in richtiger reihenfolge auf, 
während dies bei Eutrop. 8, 3 nicht der fall ist. Sodann sind bei 
Festus c. 21 und 23 einige zusätze, die bei Eutropius fehlen, so: 
Philippi, qui praefectus praetorio eius erat, dann Odenatus, decurio 
Pulmyrenus, ferner apud Immas haud procul ab Antiochia, alle 
diese zusütze finden sich bei Hieronymus 2256, 2287, 2291. Da- 
her hat Droysen (praef. XXVI) gewiss recht, weun er sagt: sta- 
tuendum igilur est Festum ea, quae de Oriente narravit , non ez 
ipsis Eutropi libris hausisse sed ab utroque auctore expilatum esse 
chronicon qnoddam Eutropiani simillimum et ad temporis ordinem 
compositum , qua in re Festus subinde maiore quam Eutropius di- 
ligentia et fide auctoris verba expresserit. Trotzdem aber bleibt 
der werth des Festus für die textgestaltung des Eutropius, da ei- 
nige lesarten durch ihn sichergestellt werden, so z. b. 9, 18 (67, 
6; 160, 16), wo von AC notissimas, von B nobilissimas überlie- 
fert ist, was auch von Paeanius, Hieronymus, Festus c. 24 (20, 1) 
und Orosius 7, 24, 4 bestütigt wird. Ueber Parthos und Persas 
9, 2 (62, 23; 150, 17) ist oben (p. 517) bereits gesprochen. 

2) Sicher ist das breviarium des Eutropius von Hierony- 
mus in seiner chronik, die um 380 (also zu derselben zeit, wo 
Paeanius seine übersetzung anfertigte) geschrieben ist, benutzt, 
worauf schon Scaliger aufmerksam gemacht hat. Ja Momuses 
(Quellen des Hieronymus, in den berichten der sachs. gesellschaft 
1850, p. 672) bezeichnet dieselbe geradezu als eine verschmelzung 
des Eusebius und Eutropius. Was derselbe in seiner abhandluag 
als wünschenswerth hervorhob, dass in einer ausgabe des Hierony- 
mns die citate auf Eutropius angegeben werden müssten, ist jetzt 
geschehen, Alfred Schoene hat in seinem werke ,,Eusebi chrosi- 
corum canonum quae supersunt vol. Il, Berl. 1866“ bei jeder stelle 
die entlehuung aus Eutropius genau notiert. Wiinschenswerth wäre 
es gewesen, wenn er dies auch für die übrigen quellen gethas 
hatte, wie etwa Mommsen in seiner ausgabe des Jordanes. Die 
zusütze aus Eutropius sind meistens wörtliche excerpte, freilich oft 
sehr flüchtig gemacht, wie Mommsen an einigen beispielen nachge- 
wiesen hat. „Hieronymus nennt selbst, sagt A. Ebert, Geschichte 
der christlich - lateinischen litteratur I, p. 200, in dem an swe 
freunde gerichteten vorwort sein werk ein tumultuarisches, für das 





E : 
ee 


Jahresberichte. 523 


T thre nachsicht in anspruch nimmt, zumal er einem schreiber sehr 
asch dictiert habe. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass die sinn- 
mtstellenden auslassungen zu einem guten theil auch auf rechnung 
les letzteren. kommen, wie sich auch andere irrthümer dort aus 
inem verbüren am leichtesten erklären“. Aber gleichwohl ver- 
lient die chronik alle beachtung, da Hieronymus einen selr guten 
‘codex benutzt hat, welcher sowie auch der von Paeanius benutzte 
edenfalls weit besser war als die, welche uns noch erhalten sind. 
Jerselbe lüsst sich in keine der handschriftenklassen des Eutropius 
inregistrieren, da die in betracht kommenden lesarten bald mit A 
regen BC, bald mit B gegen AC, bald mit AC gegen B, bald mit 
JC gegen A, meistens aber mit Paeapius übereinstimmen, Droysen 
d. mai. p. XXVII führt verschiedene falle auf, die sich leicht 
'ermehren lassen, auch Hartel (Eutropius und Paulus Diac. p. 36) 
espricht einige lesarten wie gewöhnlich in eingehender, sorgsamer 
veise. Ich übergehe dieselben hier, da sie später bei den einzel- 
ien stelleu zur sprache kommen werden. 

3) Der nüchste schriftsteller, welcher hier angeführt werden 
auss, ist Orosius, dessen ubriss der christlichen weltgeschichte 
a 7 büchern von Adam bis zum jahre 418 reicht, iu welchem 
abre er seine geschichte schrieb (W. Wattenbacb, Deutschlands 
‘eschichtsquellen I, 68 und A. Ebert a. a. o. I, p. 324). Unter 
en schriftstellern, die er ausschrieb (vrgl. Th. v. Mórner, De 
ìrosii vita eiusque historiarum libris septem adversus paganos. 
844, p. 49 und besonders p. 144) nimmt Eutropius einen der 
rsten plätze ein. Orosius citiert denselben zwar nur an zwei 
tellen (7, 11 2. 1 und 7, 19 2. 4), aber deutliche spuren der 
enutzung lassen sich aus allen büchern mit ausnahme des ersten 
iachweisen, wie aus der übersicht, die C. Zangemeister in dem 
ndex scriptorum, quibus Orosius usus est p. 695 - 697 giebt, klar 
iervorgeht. Daher sollte man auf den ersten blick meinen, dass 
)rosius für kritische zwecke vom grössten werthe wäre, aber dies 
st aus zwei gründen nicht der fall. Einmal, weil er, wie Fr. 
Lübl, Die textesquellen des Justinus p. 30 mit recht sagt, es liebt 
ie fremden federn, mit welchen er sich schmückt, nach eigenem 
‚eschmacke aufzuputzen, um sich wenigstens einigermassen den 
chein der selbständigkeit zu geben; so vertauscht er nameutlich 
djective und verben mit synonymen, und selbst da, wo er vor- 
debt, wörtlich zu citieren, scheint er genauigkeit zu den ver- 
Goten glänzenden lastern der heiden zu zählen. Sodann erfordert 
ie benutzung des Orosius desshalb die grösste vorsicht, weil er 
ine handscbrift der B-klasse ?) vor augen batte, was sich aus 
iner vergleichung der folgenden stellen deutlich ergiebt: 


sutrop. 3, 10 (20, 10; 54, 1) Oros. 4, 16, 3 consulares aut 
3) Vrgl. Zangemeister praef. ad Oros. p. XXI. 





524 


consulares et praetorii . et A, 
aut B. 

8, 14 (21, 17; 50, 15) decimo 
anno post qnam Hannibal in Ita- 
liam venerat, P. Sulpicio Cn. 
Fulvio consulibus Hannibal ... 
accessit, So BC, A lässt Han- 
nibal hinter quam weg. 

9, 1 (33, 5; 84, 11) Teutobo- 
dus B, Teutomodus A. 

8, 18 (60, 26; 146, 29) Par- 
thos vicit et Arabas interio- 
res et Azabenos. So B, in A 
fehlt Arabas —  Azabenos. 

9, 1 (62, 11; 150, 8) a Pu- 
pieno Aquileiae occisus est, Aqui- 
leia A, Aquileiae B. 

9, 8, (63, 32; 154, 3) occiso 
apud Mursam Ingenuo. Ingenuo 
A, Genuo B. 


9, 9 (64, 13; 154, 14) Laeliano 
res novas moliente. Lolliano A, 
l. aeliano B. 


9, 10 (64, 20; 154, 20) Tetricus 
.. qui Aquitaniam honore prae- 
sidiis administrans ... Aquita- 
niam A, Aquitanicam B. 

9, 11 (64, 28; 156, 4) Gallienus 
. .. Mediolani occisus est. Me- 
diolano A, Mediolanii B. 

9, 17 (66, 30; 160, 12) inter- 
fectus tamen Sirmi tumultu mi- 
litari in turri ferrata. So A, B 
hat autem statt tamen, turre 
statt turri. 

9, 18 (67, 6; 160, 16) Co- 
chen et Ctesiphontem urbes no- 


Jahresberichte, 


praetorii. 


4, 17, 2 decimo anno post quam 
Hannibal iu Italiam venerat Ca. 
Fulvio P. Sulpicio consulibus 
Hannibal ... movit. 


5, 16, 12 Teutobodus. 


7, 18, 5 Parthos Arabas Adia- 
benosque superavit. 


7, 19, 2 a Pupieno Aquileiae 
interfectus est. 


7, 22, 10 Genuus .. 
sam occiditur. 


. apud Myr- 


7, 22, 11 Aemilianus . . . cum 
res novas moliretur. In der 
kritischen note sagt Zangemei- 
ster: aemilianus] PRv itemque 
(vel em-) ¢ aemilianus D emi- 
lianus V; immo Laelianus. Fort. 
tamen Orosius scripsit item 
aelianus (I. aeliano Eutropii codd. 
Leid. et Bert., 7fovxí, Allıare 
Paean.). 

7, 22, 12 Tetricus, qui tunc 
Aquitanicae praesidatus  admi- 
nistravit officium. 


7, 22, 13 Gallienus Mediolani 
occisus est. 


7, 24, 31 ipse autem apud Sir- 
mium in turre ferrata inter 
fectus est. 


7, 24, 4 duas nobilissimas Per 
thorum urbes Cochem et Ctes- 





Juliresberichte. 525 


tiasimas cepit. notissimas A, no- — phontem cepit. 
bilissimas B. 


9, 24 (69, 16; 164, 18) Gale- 7, 25, 9 Galerius Maximinianus 
rius Maximinianus primum ad- cum duobus iam proeliis adver- 
versum Narseum proelium in- sus Narseum conflixisset, tertio 
secundum habuit inter Callinicum inter Gallinicum et Carras con- 
Carrasque congressus. So A, gressus. Zangemeister: illa duo- 
primum adversus Narseum proe- — bus iam proeliis ... tertio Eu- 
lium et secundum habuit inter  tropii exemplar suum ita ut 
Gallinicum B. codd. Leyd. et Bert. corruptum 

male interpretatus scripsit. 


10, 2 (71, 20; 170, 4) Caesares 7, 25, 16 Galerius duos Cae- 
duo creavit . A duo, B duos. sores legit. 


10, 4 (73, 4; 172, 14) apud 7, 28. 17 apud Tharsum. 
Tarsum, B Tharsum. 


Auf angabe der zahlen lege ich kein grosses gewicht, da 
Orosius diese sehr oft ganz abweichend von Eutropius anführt. 
Ob er dieselben nach anderen quellen oder aus flüchtigkeit anders 
schreibt, ist schwer zu sagen, aber an zwei stellen stimmt er mit 


B gegen A überein: 


Eutr. 2, 24 (16, 4; 42, 12) Oros. 4, 9, 14 centum triginta. 
XXX A, CXXX B. 

5, 7 (35, 24; 90, 11) sex mi- 5, 20, 2 septem milia. 

lia A, VII milia B. 


Auch an den folgenden stellen scheint er B vor augen gehabt 
zu haben, indem er X zu der zahl in B hinzusetzt: , 


Eutr. 3, 14 (22, 2; 58, 6) Han- Oros. 4, 18, 3 Hannibal in Italia 


nibal in Italia Cn. Fulvium con- Cn. Fulvium proconsulem, XI 

sulem subito adgressus cum octo — praeterea tribunos et XVII mi- 

milibus hominum interfecit. B lia militum interfecit. — XI 

VII milibus. (tribunos ist zusatz aus Liv. 27, 
1, 12. 


3, 16 (22, 19; 58, 17) XXV. 4. 17, 5 XXX milia hominum. 
milia hominum A, XX milia 
hominum B. 


Folgende stelle scheint dem zu widersprechen, dass Orosius 
eine handschrift der B-klasse benutzt hat, aber es ist hóchst wahr- 
scheinlich, dass in dem exemplare, welches Orosius benutzte, der 
ganze satz ohne lücke damals uoch stand: 





526 Jahresberichte. 


Eut. 9, 12 (65, 8; 156, 12) ae- Oros. 7, 23, 2 solus fratri prae- 
quandus fratri vel praeferendus. —— ferendus *). 

A procernendus, in B fehlt fra- 

tri vel praeferendus. 


4) Dass der unbekannte verfasser (Aurelius Victor) der 
epitome den Eutropius benutzt hat, darauf ist schon früher 
(Tzschucke praef. ad Eutr. p. XXXIV; Mommsen ad Polem. p. 
243, 20; Brunner in Büdingers Untersuchungen Il, p. 98, zuletzt 
A. Eomanu, Eine verlorene geschichte der rim. kaiser im IV. sup- 
plementband zum Philologus p. 399, 400) hingewiesen, das ge- 
naueste über diese frage findet man bei Theod. Opitz, der in seinen 
untersuchungen de Sex. Aurelio Victore (Act. societ. philolog. 
Lipz. Il, y. 198—278, besonders im zweiten excurse p. 267 — 269), 
zu folgendem resultate gekommen ist: nec tamen in toto libello 
Eutropius exscriptus est, sed solum in altera et tertia parte (i. e. 
in capitibus XII—XXXVIII) atque ibi quoque ita semper, ut 
maior pars vitarum, praeter XXXVII et XXXVIII, quae fere 
totae Eutropianue sunt, alteri fonti debeatur. Die hauptsächlichsten 
stellen sind folgende: Eutr. 8, 8 = Ep. 15, 1; 3; 7  Eutr. 8, 
10 — Ep. 16, 5 Eutr. 8, 11 — Ep. 16, 7 Eutr. 8, 13 
= Ep. 16, 9 Eutr. 8, 14 — Ep. 16, 8 Eutr. 8, 15 — 
Ep. 17, 4 Eutr. 8, 16 — Ep. 18, 2 Eutr. 8, 17 — Ep. 
19, 1 Eutr. 8, 19 — Ep. 20, 3; 4 Eutr. 8; 20 — Ep 
21, 5 Eutr. 8, 22 = Ep. 23, 3 Eutr. 9, 4 — Ep. 29,1 
Eutr. 9, 5 — Ep. 31, 1 Eutr. 9, 7 = Ep. 32, 5 Eutr. 
9, 14 — Ep. 35, 4; 9 Eutr. 9, 15 — Ep. 35, 8 Eutr. 
9, 16 = Ep. 36, 1 Eutr. 9, 17 = Ep. 37, 2; 3, 4 Eutr. 
9, 18 = Ep. 38, 1; 4,5 Eutr. 9,19 = Ep. 38, 7. Welche 
handschrift der epitomator benutzt hat, lässt sich schwer sagen, 
aber das glawbe ich p. 512 nachgewiesen zu haben, dass dieselbe 
sicher der C-klasse angehôrt hat, für kritische zwecke ist also die 
epitome von keinem besondern werthe. 

5) Auch der bekannte kirchenlehrer Aurelius Augu- 
stinus benutzte in seiner schrift De civitate dei den Eutropius ao 
einigen wenigen stellen; vrgl. W. Pirogoff, De Eutropii breviarii 
indole ac fontibus p. 87. So beruht auf ihm, was Augustin lll, 
c. 15 von den todesarten der rémischen kónige und der vertrei- 
bung des "Tarquinius erzählt. Man vergleiche folgende stellen, 
um daraus zu selen, wie Augustin hierbei zu werke gegangen ist. 





August, Ill, 15 (ed. Domb. I, Eutr. 1, 3 (4, 3; 10, 12): 


4) Eutr. 4, 6 (26, 28; 68, 8) wird Ariaratus gelesen, in den hand- 
schriften des Orosius 4, 20, 36 (ed. Zangem. 267, 12) steht ariarates, 
Zangemeister schreibt Ariurathes, da Oros. an dieser stelle aber den 
Eutr. vor augen hat, muss gewiss Ariaratus hergestellt werden. 





Jahresberichte. 


p. 117, 26—32): Ceteri autem 
reges populi Romani excepto 
Numa Pompilio et Anco Mar- 
cio, qui morbo interierunt, quam 
horrendos exitus habuerunt ! Tul- 
lus, ut dixi, Hostilius, victor et 
eversor Albae, cum tota domo 
sua fulmine concrematus est. 
Priscus Tarquinius per sui de- 
cessoris filios interemptus est. 
Servius Tullius generi sui Tar- 
quinii Superbi, qui ei successit 
in regnum, nefario scelere oc- 
cisus est. 


Hl, 15 (118, p. 15—24): Quod 
vero eum regno Romani postea 
depulerunt uc secluserunt moe- 
nibus civitatis non ipsius de Lu- 
cretiae stupro, sed filii peccatum 
fuit illo non solum nesciente, sed 
etiam absente commissum. Ar- 
deam civitatem tunc oppugnabat 
et pro populo Romano bellum 
gerebat ; nescimus quid faceret, 
si ad eius notitiam flagitium filii 
deferretur; et tamen inexplo- 
rato iudicio eius et inexperto 
ei populus ademit imperium et 
recepto exercitu, a quo deseri 
iussus est, clausis deinde portis 
non sivit intrare redeuntem. 


Il, 15 (118, 25—29): Postea 
quam desertus ab eis quorum 
fidebat auxilio regnum recipere 
non evaluit, in oppido Tusculo 
Romae vicino quattuordecim, ut 
fertur, annos privatam vitam 
quietus habuit et cum uxore 
consenuit, 


Eutr. 1, 11 (6, 11; 


527 


Numa Pompilius ... morbo 
decessit. 1,5 (4, 14; 12, 6): 
Áncus Marcius . . . morbo pe- 
riit. 1,4 (4, 8; 12, 2): Tul- 
lus Hostilius . . . Albanos vicit 
... fulmine ictus cum domo 
sua arsit. — 1, 6 (4, 21; 12, 
11): Priscus Tarquinius . .. 
per Anci filios occisus est regis 
eius, cui ipse successerat. 1, 
7 (4, 30; 12, 19): Servius 
Tullius ... occisus est scelere 
generi sui Tarquini Superbi, 
filii eius regis, cui ipse suc- 
cesserat. 


Eutr. 1, 8 (5, 4; 14, 5): nam 


cum filius eius et ipse Tarqui- 
nius nobilissimam feminam Lu- 
cretiam euudemque pudicissimam 
Collatini uxorem stuprasset ea- 
que de iniuria marito et patri 
et amicis questa fuisset, in om- 
nium conspectu se occidit, Propter 
quam causam Brutus parens et 
ipse Tarquini populum conci- 
tavit et TTarquinio ademit im- 
perium. Mox exercitus quoque 
eum, qui civitatem Árdeam cum 
ipso rege oppugnabat, reliquit: 
veniensque ad urbem rex portis 
clausis exclusus est, 


18, 2): 
Tarquinins cum suscipi non pos- 
set in agrum neque ei Por- 
senna, qui pacem cum Romanis 
fecerat , praestaret — auxilium, 
Tusculum se contulit, quae ci- 
vias non longe ab urbe est, 
atque ibi per quattuordecim 
annos privatus cum uxore con- 
senuit. 


Dass wir bei dieser freien benutzung keinen grossen nutzen 
für den text des Eutropius aus Augustin ziehen künnen, liegt auf 





528 Juhresberichte, 


der hand.  Aehnlich verhält es sich mit den beiden anderen stellen 
(5, 18 und 5, 22), über die Piragoff p. 88 und 89 spricht. 

6) Auch Polemius Silvius (448), der vielleicht den Eu- 
tropius benutzt hat (Mommsen, Polemii Silvii laterculus in den Abb. 
der sachs. gesellsch. 1853, p. 239), gewährt uns keiuen nutzen. 
Auf eine benutzung des Eutropius deuten folgende stellen biu: 


Pol. Silv. p. 242, 15: Nero ... Eutr. 7, 15 (50, 11; 124, 20): 
ad poenam quaeritur. Nero cum quaereretur ad poe- 
nam. 

p. 242, 18 Domitianus, qui pri- 7, 23 (53, 24; 134, 9): do- 
mus Flavius nominatus dominum minum se et deum primus ap- 
se dici iussit. pellari iussit. 

p. 275, 2: qui ideo duo creati 1, 9 (5, 16; 16, 1) consules 
sunt, ut tempore sui similium, — coepere, pro uno rege duo hac 


si unus ex his per ius pote- causa creati, ut, si unus malus 
statis acceptae insolens esse vo- esse voluisset, alter eum habens 
luisset, ei alter obsisteret. potestatem similem coerceret. 


7) Cassiodorius folgte in seiner chronik, die 519 abge- 
fasst ist, bei den berichten über die jahre 31—378 hauptsächlich 
dem Hieronymus, daneben aber benutzte er auch an einigen stellen 
den Eutropius, so bei den angaben über die regierungsdauer des 
kaisers Otto, Vitellius, Trajan und Hadriau sowie über die nero. 
nisch - alexandrinischen und die decischen thermen und die Trajans- 
siule (Mommsen, Die chronik des Cassiodorius iu den Abh. der 
süchs. gesellsch. 1861, p. 568). Vrgl. folgende stellen: Cassiod. 
ed. Mommsen p. 633, a. 64 — Eutr. 7, 15 a. 60 — Eutr. 
7, 17 und 18 a. 84 — Eutr. 7, 21 a. 102 — Eutr. 8, 
5 a. 120 — Eutr. 8, 5. 7 a. 160 — Eutr. 8, 9 8. 
227 — Eutr. 7, 15 a. 252 = Kutr. 9, 4 a. 308 — 9, 
27; 10, 1 332 = Eutr. 10, 8. Freilich ist der nutzen für 
die textconstituierung des Eutropius nicht gross, da Cassiodorius 
eine handschrift der C-klasse benutzte, wie Droysen ed. mai. p. 
XXVIII oachgewiesen hat. 

8) Jordunes hat in seiner schrift De summa temporum vel 
de origine actibusque gentis Romanae auch einiges aus Eutropius 
aufgenommen (Mommsen, Praef. ad lordan. p. XXV). Hauptsäch- 
lich kommen folgende stellen in betracht: lord. c. 255 == Eutr. 
7,8 lord. c. 257 — Eutr. 7, 10 lord. c. 259 — Eutr. 
7, 12. lord. c. 264 = Eutr. 7, 21 lord. c. 267 = Eutr. 8, 
2 lord. c. 272 = Eutr. 8, 10 lord. c. 282 — Eutr. 9, 2 
lord. c. 290 = Eutr. 9, 13 lord. c. 294 = Eutr. 9, 18 lord. 
c. 304 = Eutr. 10, 16. Es wird sich schwerlich bestimmen 
lassen, welche handschriftenklasse des Eutropius lordanes seinem 
werke zu grunde legte. 





Jahresberichte. 529 

9) Isidor benutzt in seiner chronik, die bis zum jahre 615 
reicht (Wattenbach a. a. o. J, p. 72) für die kaisergeschichte bis 
zur regierung Jovians neben Hieronymus auch den Eutropius als 
hauptquelle (H. Hertzberg, Ueber die chroniken des Isidorus von 
Sevilla in den Forschungen zur deutschen geschichte XV, p. 289 
—360). Wo ihm beide berichte über dieselbe begebenheit zugleich 
vorlagen, gab er dem ursprünglichen berichte des Eutropius den 
vorzug. An folgenden stellen stimmt Isidor mit Eutropius überein: 


Eutr. 7, 11 (48, 27; 122, 2): 
quosdam reges per blanditias ad 
se evocatos numquam remisit. 


7, 12 (49, 8; 122, 11): cum 
adversum cunctos iugenti ava- 
ritia libidine crudelitate saeviret. 


7, 20 (52, 17; 130, 14): offen- 
sarum et inimicitiarum inme- 
mor fuit, convicia a causidicis 
et philosophis in sc dicta. Vrgl. 
Philologus 39, p. 179. 

7, 21 (52, 30; 132, 5): Titus 
.. facundissimus, bellicosissimus, 
moderatissimus, — Causas Latine 
egit, poemata et tragoedias 
Graece conposuit. In oppugna- 
tione Hierosolymorum sub patre 
militans duodecim propugnatores 
duodecim sagittarum confixit icti- 
bus. Romae tantae civilitatis 
in imperio fuit, ut nullum om- 
nino puniret, convictos adver- 
sum sese coniurationis et dimi- 
serit et in eadem familiaritate 
qua antea habuerit. 


Isid. Chron. ad Ronc. ll, p. 439: 
iste dum per cupiditatem reges 
ad se venientes non remitteret. 


Il, 439: hic avaritia, crudelitate 
et luxuria saevus fuit. 


II, 440: immemor offensarum 
fuit, convicia in se dicta leviter 
tulit. 


II, 441: Titus .. tanto facun- 
dissimus extitit, ut causas La- 
tine ageret, poemata et tragoe- 
dias Graece conponeret: - tanto 
autem bellicosissimus fuit, ut in 
oppugnatione Hierosolymorum 
sub patre militans duodecim pro- 
pugnatores duodecim sagittarum 
coufoderet ictibus. Porro in 
imperio tantae bonitatis fuit, ut 
nullum omnino puniret, sed con- 
victos adversus se coniurationis 
dimitteret atque in eadem fami- 
liaritate, qua antea habuerat, 
retineret. 


Aus den worten des archetypus B: qua antea habuerat, rece- 


perit muss man folgern, dass Isidor, wenn er qua antea habuerat, 
retineret. schreibt, diese klasse vor augen gehabt hat. 


8, 1 (54, 13; 136, 4): vir in 
privata vita moderatus ... ae- 
quissinum se et civilissimum 
praebuit, 


8,2 (54, 27; 136, 13): Romani 


M, 442: vir imperio moderatus, 
aequalem se et communem om- 
nibus praebuit, 


M, 442: Romannm imperium us- 





530 


imperii 
diffudit. 
8, 4 (55, 20; 136, 13): libe- 
ralis in cunctos . . . nihil non 
tranquillum et placidum agens. 
8, 5 (35, 28; 138, 11): inter 
alia dicta hoc ipsius fertur egre- 
gium. Amicis enim culpantibus, 
quod nimium circa omnes com- 
munis esset, respondit talem 
se imperatorem esse privatis, 
quales esse sibi imperatores pri- 
vatus optasset. 


... fines longe lateque 


Jahresberichte, 


que in Orientem longe lateque 
produxit. 

Il, 442: liberalis cunctis atque 
tranquillus. 


M, 442: cuius inter alia dicta 
illud fertur egregium, ut dum 
interrogaretur, quod nimium 
circa omnes communis esset, 
respondit, talem se imperatorem 
esse privatis, qualem sibi im- 
peratorem privatus optasset. 


Die worte Isidors: qualem sibi imperatorem privatus optasset 


sind besser als das was Eutropius hat: quales esse sibi imperatores 
privatus optasset. Auch Paeanius p. 139, 15 übersetzt: dmexgi- 
vaio yervus tov facia rowvVrov elvas moog 1oùç Idıwiag, olov 


idiwins av 1056 evbaszo T0» Bucsiéa megi nov elvai. 


8, 6 (56, 18; 138, 25): qui 
Traiani gloriae invidens statim 
provincias tres reliquit, quas 
'Traianus addiderat, et de As- 
syria Mesopotamia Armenia re- 
vocavit exercitus ac finem im- 
perii esse voluit Euphratem. 

8, 8 (57, 18; 140, 22): Anto- 
ninus ... pius propter clemen- 
tiam dictus est. 

8, 10 (58, 7; 142, 11): Seleu- 
ciam Assyriae urbem nobilissi- 
mam cum quadringentis milibus 
hominum cepit. Vrgl. Philolog. 
35, p. 102. 

8, 18 (60, 24; 146, 27): bella 
multa et feliciter gessit. 

8, 19 (61,2; 148, 5): Severus 
... litteris doctus, philosophiae 
scientiam ad plenum adeptus. 

8, 21 (61, 21; 148, 19): cum 
filio ... facti imperatores nihil 
memorabile ex temporis brevi- 
tate gesserunt. Nam imperium 
eorum duum mensuum et unius 


Il, 443: iste Traiani gloriae in- 
videns provincias Orientis Per- 
sis reddidit et Euphraten flu 


men finem imperii Romani 
posuit. 
Il, 443: Antoninus Pius ... 


propter clementiam tale cogno- 
mentum accepit. 
Il, 443: Seleuciam Assyriae ur- 
bem cum quadringentis milibus 
hominum cepit. 


ll, 444: multa bella feliciter 
gessit. 

ll, 444: Severus .. . litterarum 
et philosophiae scientiam habuit. 


4, 445: hic cum filio regnans 
nihil memorabile temporis bre- 
vitate gesserunt. Nam post aa- 
num unum seditione militari 
pariter interfecti sunt, 





Jahresberichte. 


anni fuit. Seditione militari 
ambo pariter occisi sunt. 


8, 22 (61, 28; 148, 23): inpu- 
dicissime et obscenissime vixit 
... tumultu interfectus est mi- 
litari. * 

8,23 (61, 33; 148, 27): suscepto 
adversus Persas bello Xerxes 
eorum regem gloriosissime vicit 
... Romae favorabilis fuit. 


9,1 (62,7; 150,5): Maximinus 
ex corpore militari primus ad 
imperium accessit sola militum 
voluntate, cum nulla senatus iu- 
tercessisset auctoritas neque ipse 
senator esset. 

9, 2 (66, 22; 150, 15): Parthis 
bellum iutulit ... proeliisque in- 
gentibus Persas adflixit. Rediens 
haud longe a Romanis finibus 
interfectus est fraude Philippi. 
Vrgl. Philol. 39, p. 179, 180. 

9, 3 (63, 3; 150, 22): mille- 


simus annus Romae urbis, 


9, 7 (63, 27; 152, 18): a Sa- 
pore Persarum superatus est... 
ignobili servitute consenuit, Vrgl. 
Festus 22 (19, 11 ed. Foerster). 


9, 8 (64, 3; 154, 7): Graecia 
Macedonia Pontus Asia vastata 
per Gothos. 


9, 13 (65, 13; 156, 16): Ro- 
manam dicionem ad fines pri- 
stinos varia bellorum felicitate 
revocavit. 

9, 17 (66, 20; 160, 5): Gallias 
a barbaris occupatas ingenti 
proeliorum felicitate restituit ... 
vir acer strenuus ... morum 
antem civilitate superaret. 

9, 25 (70, 1; 166, 3): varia 
deinceps et simul et viritim 
bella gesserunt. 


531 


ll, 445: dum obscenissime vive- 
ret et ipse tumultu militari in- 
teremptus est. 


ll, 445: hic Persas gloriosis- 
sime vicit, civibus favorabilis 
fuit. 


ll, 445: Maximinus .. . primus 
ex militari corpore absque de- 
creto senatus Imperator effi. 
citur. 


Il, 446: hic rebellantes Parthos 
et Persas afflixit. Rediens vi- 
ctor de Persis fraude suorum 
interiit. 


Il, 446: millesimus annus Ro- 
manae urbis, 


ll, 447: a rege Persarum Sa- 
pore captus in dedecore vitae 
consenuit. 


It, 446: Gothi quoque Grae- 
ciam Mucedoniam Asiam Pon- 
tumque depopulantur. 


Il, 447: Romanorum imperium 
bellando paene ad fines priores 
perduxit. 


II, 447: iste militia strenuus et 
civilitate praeclarus Gallias a 
barbaris occupatas bellando Ro- 
manis restituit. 


M, 448: varia bella gesserunt, 





532 Jahresberichte, 


10) Beda (T 735) schreibt im anfange seiner Historia ecole 
siastica gentis Anglorum den Orosius ohne ihn zu nennen zum theil 
wörtlich ab uud erweitert an einigen stellen seinen bericht nach 
Eutropius. Im ersten buche, in welchem nur eine benutzung des- 
selben möglich ist, habe ich drei stellen gefunden, wo Kutropius 
vorliegt. Er selbst citiert ihn einmal im 8. capitel: scribit au- 
tem Eutropius, quod Conslanlinus in Brittania creutus imperator 
patri in regnum successerit und hat dabei Eutr. 10, 2 (71, 22; 
170, 6) im sinne: Constantinus ex obscuriore matrimonio eius fr 
lius in Britannia creatus est imperator et in locum patris exopta- 
tissimus moderator accessit. Hiervon erwähnt Orosius nichts. An 
einer andern stelle (1, 3 — p. 10 ed. Holder) schreibt Beda: 
Orcadas eliam insulas ultra Brittaniam in Oceano positas Romano 
adieci imperio ac sexto, quam profectus erat, mense Romam rediit 
würtlich aus Orosius 7, 6, 10 (Zangem. p. 450, 2) ab, den m- 
satz: filioque suo Brittanici nomen imposuit, der bei Orosius fehlt, 
hat er aus Eutr. 7, 19 (49, 19; 124, 3) aufgenommen. — Eutr. 
7, 14 (50, 4; 124, 15) wird von Beda !, 3 auf folgende weise 
umschreiben : 


Kut. 7, 14: Nero in re militari Beda p. 10 ed. Holder: Nero 
nibil omnino ausus Britanniam — nihil omnino in re militari au- 
paene amisit. Nam duo sub eo sus est. Unde inter alia Ro- 
nobilissima oppida capta illic mani regui detrimenta  innu- 
atque eversa sunt, mera Brittaniam paene amisit; 

nam duo sub eo nobilissima 
oppida illic capta atque sub- 
versa sunt. 


11) Zuletzt ist noch Paulus Diaconus (vrgl. Hartel, Eu- 
tropius und Paul. Diac. p. 1—8; 68 u. s, f.; G. Bauch, Ueber die 
historia Romana des Paulus Diaconus, Góttingen 1873 p. 1—14; 
H. Droysen in der grossen Eutropausgabe praef. p. XX XVIII u. ff; 
A. Ebert, Allgem. geschichte der litteratur des mittelalters, Leipzig 
1880, p. 36 u. ff.) zu nennen, der lehrer der Adelperga, der 
tochter des Desiderius und der gemallin des herzogs von Benevent 
Arichis, welcher auf ilren wunsch um 770 seine historia Romana 
schrieb. Da nämlich Adelperga am Eutropius wegen seiner über- 
triebenen kürze und weil bei ihm als einem heiden nichts von der 
heiligen geschichte erwähnt war, keinen gefallen fand, so suchte 
Paulus diesen mängeln dadurch abzuhelfen, dass er den text des Eu- 
tropius erweiterte und, indem er sechs neue bücher hinzufügte, die 
geschichte bis auf die zeit Justinians (553) fortführte. Er ging 
bei der erweiterung des Eutropius rein äusserlich zu werke, er 
bearbeitete nicht etwa das breviariun., ja er strich nicht einmal die 
beziehungen, die auf specielle verhältnisse des Eutropius gehen, 
sondern er schrieb eine handschrift desselben, die zur C-klasse ge 





Jahresberichte. 533 


hórte (vrgl. p. 512), ab und fügte seine zusütze einfach mit einem 
igitur, siquidem, circa haec tempora u. dergl. ein (Droysen ed. mai. 
praef. XXXVII). Nur in einem puukte wich er von seiner vor- 
lage ab, indem er sprachliche formen und coustruktionen, die dem 
Eutropius eigen waren, corrigierte (vrgl. p. 388). Für die erwei- 
terung des eutropischen textes benutzte er hauptsächlich den Hie- 
ronymus, Orosius, die schrift des Jordanes De successione regnorum 
und die Epitome des Aurelius Victor, gelegentlich auch den Solin, 
Frontin und die Origo geniis Romanae, die ihm noch in einer voll- 
ständigeren gestalt (Mommsen, Hermes XII, p. 408) als wir sie 
besitzen vorlag ; zweifelhaft ist es, ob er den Justin, Livius, Pli- 
nius direkt eingesehen hat. Für die fortsetzung seiner geschichte 
verwandte er den Orosius, Jordanes und die weltchroniken des 
Prosper und Beda sowie auch andere schriften. Die Historia Ro- 
mana wurde früher oft herausgegeben, aber erst H. Droysen bietet 
uns einen zuverlässigen text in der grossen Eutropausgabe und in 
der editio minor Berolini apud Weidmannos 1879. 

Auch die Historia Romana des Paulus wurde wieder erweitert 
und fortgesetzt. Zuerst machte ein unbekannter aus der Longo- 
bardengeschichte des Paulus einen auszug und bezeichnete densel- 
ben als 17tes buch der Historia Romana, abgedruckt bei Droysen 
ed. mai. p. 396. Dann erfuhr die Historia Romana ums jahr 
1000 durch einen Laudolfus Sagax, der uns weiter nicht be- 
kannt ist (Droysen ed. mai. praef. p. LXI—LXII), eiue ähnliche 
behandlung wie früher Eutropius durch Paulus, indem sie durch 
reichliche zusütze aus Orosius, der Origo gentis Romanae, Nepo- 
tianus, der Epitome des Aurelius Victor erweitert und an der hand 
der kirchengeschichte des Anastasius bis auf Leo den Armenier 
(813) iu 26 büchern fortgeführt wurde. Diese wüste compilation 
erhielt, wahrscheinlich nach Pithoeus, den namen Historia miscella, 
eine vollständige ausgabe besitzen wir von Fr. Eyssenhardt. 

Bremen. ———— — — Carl Wagener. 


Zu Eutropius. 

Eutr. III, 1 (18, 1; 46, 18) haben die besten handschriften 
FG hieron und einige zeilen weiter hiero. Es ist fraglich, was 
Eutropius geschrieben hat, da andere beispiele der art bei ihm feh- 
len, auch die quelle, aus der er schópfte, unbekannt ist, und nach- 
abmer für diese stellen nicht existieren. In Fleckeis. Jahrb. 1883 
p. 200 hat Th. Stang] an der hand Neues (lat. formenl.) die griechi- 
schen eigeunamen besprochen und kommt zu dem resultate, dass 
seit Cicero eine uuverkennbare hinneigung zum griechischen element 
hervortritt, dass später im grossen ganzen die griechische schreib- 
weise vorherrscht, und die lateinische endung fast nur in gelehrten 
notizen der grammatiker fortlebt. Aus diesem grunde glaube ich, 
dass an beiden stellen Hieron zu schreiben ist. 

Bremen. C. Wagener. 


Philologus. XLII. bd. 8. 35 





Hl. MISCELLEN. 


A. Mittheilungen aus handschriften. 


16. Eine für die textkritik noch nicht benutzte handschrift 
des Dionysius Periegetes. 


Durch die güte und freundlichkeit des professors dr. v. Velsen 
ist es mir vor einiger zeit vergönut gewesen, eine bisher unbe- 
rücksichtigt gebliebene handschrift des Dionysius Periegetes genaue- 
rem studium zu unterzieben. Dieselbe bildet den zweiten theil des 
codex oro. 137 der kgl. bibliothek in München, beginnt mit fol. 
106 zugleich mit einer neuen quaternioneneintheilung , wie die 
zeichen unten rechts auf p. 106, 114 und 122 zeigen. Die hand- 
schrift ist geschrieben auf glattem, starken papier, in welches ho- 
rizontule linien für die schrift schwach eingedrückt sind; als be- 
grenzung dieser horizontalen linien sind links und rechts in verti- 
kaler richtung je zwei gleichfalls schwach eingedrückte linien ge- 
zugen. Auf jeder pagina stehen 28 zeilen (verse) mit ausnahme 
der ersten, welche nur 26 verse und die überschrift enthält, und 
der letzten pugina, welche abgesehen von der subscription nur 9 
zeilen text hat. 

Die handschrift ist von einer hand mit schwarzer tinte, in 
leicht lesbarer schrift mit wenigen abbreviaturen geschrieben. Nur 
die überschrift —: dsowvolov olxovuívyg neginynoss: — ist mit 
rother tinte geschrieben. Dieselbe hand hat am rande die über- 
schriften der abschnitte und abweichende lesarten in schönerer 
schrift gegeben. Eine zweite hand (iu der collation mit m” be- 
zeichnet) hat über den griechischen text ziemlich oft die lateinische 
übersetzung der griechischen wörter, an den rand sachliche erkla- 
rungen in sehr kleiner schrift und mit vielen abbreviaturen, geo- 
metrische figuren, anführungszeichen vor das erste wort eines 
neuen abschnittes, die von dem schreiber hier und da ausgelassenen 
accente, iota subser., interpunktionen und dgl. gesetzt, was ich bei 
angube der lesarten genau angeben werde. 





Miscellen. 535 


Die subscription auf der letzten pagina (127) rührt vom 
schreiber der handschrift ber uud lautet vollständig : 


uiyamios &rmocr0Àgg Bulurtsos, peta tiv adwow zig be 


gag xQídog avrov, nevla ovtwr, xi rode 10 PeBAlor EEE 
yoayer ovx avev pévios podov: — 


mÀovtodo:rggog yeweyse mai coping ÉQurevé 


xocpe te xvdudluoro pling oto moldos alc 
quopure doku 1e noviinadwyv yovéuv psdonaldwr 
pelo !) 1e anyng avidnous moÀégQarov yevpa* 
ale uodeura paxagrare nAvolov Atwau vog" 
Mocso xi jufag poeta 08lo ye maviag Éosiodur: — 


. 
rw 


Jvc xaitm) lwvär, nooctu£es nvg?) dy(ow noopn- 
vowv Eyegow gu ?) viv rQiruegor: — 


Aus dieser subscription geht hervor, dass der schreiber der hand- 
schrift Michaelos Apostoles ist, der nach der eroberung Constanti- 
uopels (1453) nach Creta geflohen ist, wo er sich durch abschrei- 
ben von büchern den lebensunterhalt verschaffte. Er ist sehr 
fleissig gewesen, denn viele handschriften, besonders der Pariser 
bibliothek, tragen seinen namen und die nur mit geringen abande- 
rungen wiederkehrenden worte der subscription über seine lebens- 
verhültnisse; allein haudschriften des Dionysius Periegetes giebt es 
von ihm, soviel ich in erfahrung gebracht habe, drei: zwei Mün- 
cheuer handschriften, unsere und cod. oro. 283, welcher von Bern- 
hardy benutzt worden ist und die subscription trägt: quiygaijdog 
&nooijÀgc Buluvios pera inv aÀw0i» tig leoas naigldog avrov 
nevi ovlwy xai 006 10 BsBilow eéyquwpev. &vev *) pévtos usodov. 
Die dritte handschrift befindet sich in Madrid und hat nach C. 
Müller die subscription: Æorvolou ’ Adefardoews olxovn£vgg negen- 
ynow Miyuidog Anooroanç Bubuyuos dogualwros Eyouyu. 

Die in der subscription unserer handschrift folgenden verse 
sind an einen Georgios gerichtet. Es ist dies wahrscheinlich der- 
selbe, von dem Monfaucon, Palaeogr. graec. p. 99 sagt: Georgius 
Comes Corinthius ex Monembasia bibliothecam | habuit, quae ante 


1) Offenbar ein schreibfehler für osîo. 

2) fivs = nrevuatos. 

3) yv = xovorov. 

4) Wahrscheinlich ist es, dass auch hier wie in unserem codex 
steht oder heissen muss: oùx &veu pévtos woSoù. 


39° 





536 Miscellen. 


fuerat Marci Mamunae Cretensis. Denn dieser fürst lebte in der- 
selben zeit, stammte aus Monembasia, dem im mittelaiter als han- 
delsplatz berühmten hafen im Peloponnes, hatte, da er eine ganze 
bibliothek besass, interesse für die griechische litteratur und hat 
offenbar auch die in jenen versen ausgesprochene bitte des Mi- 
chaelos erfüllt; denn, wie uns berichtet wird, war der sohn des 
armen Michaelos Apostoles, Arsenius, spater erzbischof in seiner 
vaterstadt Monembasia 5). Wahrscheinlich hat Michaelos auf he- 
stellung des Georgios die Periegesis des Dionysius abgeschrieben 
und ihm zum danke dafür jene verse gewidmet. Mit dieser Dio- 
nysius-handschrift sandte er dem Georgius zugleich die derselben 
vorangehenden vier stücke Plutus, Nubes, Ranae und Ecclesiazusae 
des Aristophanes, welche sich im besitze des Michaelos befunden 
haben. Die Aristophanesstücke sind nümlich, wie die schrift be- 
weist, von anderer hand geschrieben, Michaelos aber hat, wie 
gleichfalls die schrift beweist, die Aristophaneshandschrift durchge- 
sehen, an verschiedenen stellen verbesserungen angebracht und aus- 
gelassene verse hinzugefügt. Beide haudschriften hat dann Michaelos 
zu einem codex verbunden, was sich darin zeigt, dass 1) mit be- 
ginn der Periegesis auch eine neue quaternioneneintheilung beginnt 
und 2) die drei quaternionen der Dionysiushaudschrift mehr durch 
biudfaden angeknüpft als angebunden sind, am rücken der letzteren 
oben uud unten auch der kleine wulst fehlt, den die Aristophanes- 
handschrift zeigt. 


Was den werth der Dionysiushaudschrift betrifft, so rechne ich 
sie zu den weitaus besseren. Sie stimmt am meisten mit der von 
demselben Michaelos stammenden handschrift der Münchener biblio- 
thek überein, deren lesarten Bernhardy (M) und danach C. Müller 
(d) in ihren ausgaben des Dionysius auführen. An vielem stellen 
aber giebt unsere handschrift die richtigere, besser bezeugte lesart, 
an einigen stellen unter allen handschriften allein die ricbtige les- 
art. Von fehlern allerdings ist sie auch nicht frei. Es finden 
sich in ihr, soweit ich bisher gesehen habe, dieselben falschen les- 
arten wie in M(d), schreibfehler sind wiederholt gemacht, accente 
falsch gesetzt oder ganz ausgelassen, besonders aber sehr viele 
überflüssige und falsche iuterpunktionen angebracht worden. 


Ich lasse nun die collation der ersten 250 verse der Perie- 
gesis folgen, indem ich dabei alles verzeichne, was von dem text 
der C. Müller'schen ausgabe (Geogr. graec. min. vol. II. Parisiis 
1861) abweicht; nur die eigennamen, welche alle mit kleinen an- 
fangsbuchstaben geschrieben sind, führe ich nicht an, wenn sie 
sonst von der schreibweise des textes nicht abweichen. 


5) Monfaucon, Pal. gr. p. 111. 





Miscellen. 537 


— :dıovvolov olxovué£vgg neginynog: — 


1. yaiav 18 xal 2. guida 3. am rande wxeuvog 
5. dsapyis, 6. nedloso xelevdovs' 7. opusvdory dosxviu. 
8. dudurto. 9. Asin» peru, 0’ Am rende Aïfün. evewan. 
aotn’ 10. uè», 11. »efAov. 12. alyunıoso. 
13. xavwfov. 14. dotns, tuvaig dia pécov oiler. 15. 
Cavgopurd uv, 15 Aluwnv. 17. ÉXAxoxnovtos® 


18. Grdpa am rande T peca  vellov. 24. aßdußızov 

usonyv. 25. acirtdos. 27. , vor mávig hat m” ge- 

setzt. 28. da. 30. am rande «rdag écnéQsog 

31. Bogen 32. uiv accent von m? gesetzt. Am rande 
dì 

nERNYWG xai xQuriog movrog* Ogrig xai vexQóc. 35. alti oxis- 

0504 wobei das darüberstehende dé von m? berrührt. 37. 

juo» am rande nwog x«i lrdixóg novios. 88. Equd gator 

te aldiomıov um rande ?géJQaiog xol aldioniog móvrog. 

42. 100006 iur xai Toiu 43. , vor xöAnoug hat m? ge- 

setzt. udes am rande of rov uxtavov péysotos xóÀnow 

44. niéovac. 45. nowzscrog am rande éoneéQio; 


48. xgoring 49. am rande xuoniog x«i ÜQxaviog. 50. 
voxurinv diegnuttavio 51. addwy oft’ 52. dor 10 
Agoysvw»* am rande reggixos. 53. xuontng 54, 
agduBios — dyys9. am rande Pd 55. éMoowr 


57. pellous: wozu m? am rande r pelCovec. 58. , vor vo» 
hat m? gesetzt. xogur am rande fgonegln Juluoou. 59. 
neluysow. 60. nepl doopos 62. vuas w uovoos 
6x0À44 G xedev J ovc* 65. éorace uéya Iadvua* 
66. drdastwr 67. nyt TE x{wv° 68. nAlßuroc 
xvuxivoics VEPEECOS 69. „ vor novtog hat m? gesetzt. 
am rande ifngixos movios. 70. dyxtyvrav «opi, 72. 
màevgio: iota subscr. von m*. 73. nuév, in^ euam 
74. , vor 107 hat m? gesetzt (?). rovde, ddoc* am rande 
yaluznç doos. 76. , vor &&elng hat m? gesetzt. ddun' am 
rande Aiyv6nàg GÀum 78. dvodvenes? — xosguvéoriec 
79. wéigny’ 81. , vor éelng hat m? gesetzt. 82. 
„ vor 17 hat m? gesetzt. 2/009, am rande ougdoriog movrog. 
83. „ vor 10» hat m? gesetzt. runde perexdéyeras am rande 


tugonvig Fuducou. 85. am rande oixelög oo. 86. 
Buyvvov' 87. véveuxe 88. yoottvay, xui 89 
5Qongn»ug xgioio. 90. xgiov 91. lnniytny  yuïar 

92. , vor xeider hat m? gesetzt. sugüvdeic«, “Aun, am rande 


adgiüg un. nus xai lovin Akysını. 93. ngog Bogen 





538 Miscellen. 


96. deËireonr ala 97. dpunegdev évvallwr 98. 
oxu = to Psd. 99. modvurevnc? 10100704 100. zvpomr- 
Csxednte* 101. éxcom wozu m? am raude 7 pula éxconr 
102. Tigonyn Cépuegor’ voror 103. „ vor avzug hat m? 
gesetzt. 104. wovroc, wobei das , von m? herrübrt. Asßunc 
votlny — éAtocu»: 105. ézéonv ventre 106. d mi 
108. ui», 109. , vor éx hat m? gesetzt. osxelwr, am 
rande xonıns oldpa. 110. xapnvov‘ 111. gw toy 
zwischenraum radiert. 112. „ vor dosat hat m? gesetzt. 
Puduccas 114. puootwrios 115. xsxAnoxovosy punkt 
fehlt. am rande gagln Jalacou: 117. yainc am rande 
cidor(y Faduoca. 118. doys moÀmog. Rugauelßwr. 

119. änelowv am rande looixog xoAmoc. 121. vorAnyyi 
122. ınuog d' éni 123. fi(cotia, &yxvAog Egnwy 124. 
Bavvrerai 125. doyoufvw, 126. riyviog* Bugs ro- 
eros 70040564 127. ngofloÀr augsréuorru. 130. 
„ vor quiso hat m? gesetzt. d'êx  «Qgxrov; am rande alyaior 
néAayog 131. dco». 135. éoyatowour’ 136. éré- 
ewer. uviwr am rande &Anonorroc. 137. naons. am 
rande z907or1iíc. 139. nlarvc 140. „ vor 77 hat m’ 
gesetzt. è70 Yonixlov Boondgov’ lvw am rande Boonogos Igui- 
xioc. 141. évyEaro nógnc 143. Sala oonç’ 144. 
xVaréac 146. , vor den vers hat m? gesetzt (1) dì 
Ösyousrog Éyyuds für avdgace novtoc. am rende evtesvog nor- 
TOC. 147. dw», 150. dvo xolwras 151. per, 
jntQvoi(]y T)», TE xaudéovor xugaufßır 152. nde,  sdqu- 
elng‘ 153. rj», Qu meguxtioves 154. Eüylacıy 
155. #yyvdsr:  avvous 156. éovta: 157. 10grw 
eldoperov 158. vevgiic 159. diaygagévia — d’ loi 
für dé 100 don 161. xogoc  diooóv 162. orçopa- 
duyya Blov 163. , vor den vers hat m? gesetzt. am rande 
posu Alurn 164, éyxéyuotuss ner u 166. 17, 
NOVIOLO pupior 167. Boonogov: «ga für vs am rande 
Boonogos xiupegios 168. xiuuéoros = puyew 170. „ Nur 
«tu 05c* 173. nugayrwooovn Tu, Exuora. 174. "Hros 
Egr am rande Aißin und diese figur: / \ 175. voror 1Qa- 
mellw 6poin 176. yudsgodev nyl 177. elg dEGrIsica 
178. uroußlng Puddoone, 179. aiSionnwy, am rande yaia 
aiJionnwr 180. é£i£guv: rùv, am rande égeufol 181. 
ÉnixAt(ovoi 183. xvurio 184. , vor den vers hat m’ 
gesetzt. 185. orgiaur: yalnç am rande yaîa puavoovols. 
186. , vor den vers hat m? gesetzt. rotow êni — qUÀoa: am rande 
yuîu vopudwr. 187. maovÂñes, am rande pwacutcudsos. pa- 
0vÀTc* 188. “Hnegor vin 190. «oo100v: 191. 
Gxovetas teem dc uio 192. uixnFuos 193. fovxo- 
Afovras 195. , vor deu vers hat m? gesetzt (?). da modi; 





Miscellen. 539 


Qurov Sguov am rande xagyndwy. 196. uiv. arag  goi- 
víxua»- 197. Uras 198. , vor den vers hat m? gesetzt. 
199. aaan— 200. acmsroç 10040701. 202. éyelperas: 
203. papa 3o 204. écrrçsxrus. 205. am rande 
vednodsc. ic dune. 206. vafovcs gedokevos am rande 
Àwroga yos. 207. da nor 209. vucuporwy’ am 
rande vadımovsc. 211. , vor den vers hat m? gesetzt. 
tÀÉSJovoy am rande aofvoras. 212. wapadw vro 10437 
am rande 1éueroc AsBixov Feov 213. evinnog apvxdalwv 
am rande xùonvn. modic 214. , vor den vers hat m? ge- 


setzt. ulyuxros, am rande uaguegídus 215. igvntg3tv 
ayylyscos am linken raude yasrovdos, am rechten »7yontec 
216. , vor den vers hut m? gesetzt. am rande guvgovcios 


217. valovos am rande yapaparteg 218. al9iongeg am 
rande ulJionnes 210. ati wxeard nvpaing 220. 
xolwruw am rande xod@rus Bleucwr 221. mioruroso am 
rande »ei10ç 222. dto. Ashunter 224. évvuéras, 
o 
orgspPéivia 225. returvuéros ado, 226. níma' 
227. niulywy 228. velàw 230. alne: 231. 
Iıßunv avyec, 232. 19, nagavusruovsw am rande al- 
yunıloı 233. xeAsuFoug’ 234. luegoerrog die buch- 
staben osrrog in rasura. Ènsoncavio Ugorgov 235. 
Thu Ga vto" 236. dieueronouvro‘ 237. Juuw 
238. yulrs 240. dvdè 242. BéBnxev am rande 
ulyuniov oyjuu 243. Bogenudas nw 244, 
Guns‘ am rande ovnrn 245. èovuvòr 246. 
Tur,  veldov 247. mv, povown’ 248. vuse- 
Taovor' 249. wyvylnv am raude 276. 250. uéurwr. 
Rinteln. J. Rittau. 


17. Zu Strabon. 


Gelegentlich eines ausfluges nach dem Basilianerkloster von 
Grottaferrata ist es mir dank der ausserordentlichen zuvorkom- 
menheit des dortigen bibliothekars möglich gewesen, die von Gius. 
Cozza daselbst aufgefuudene Strabonhandschrift in augenschein zu 
nehmen. Da aus Cozza's veróffentlichung über dieselbe (Dell' an- 
tico codice della geogr. di Strabone. Roma, Spithóver 1875) nicht 
erhellt. welchen umfang der aufgefundene codex hat (vgl. meinen 
jabresbericht über Strabon. Bd. 39, p. 331), auch sonst meines 
wissens nichts hierüber veröffentlicht worden ist, darf eine kurze 
mittheilung über diesen punkt wobl auf einiges interesse rechnen. 
Der ganze codex besteht aus drei blüttern eiuer alten Strabonhand- 





540 Miscellen. 


schrift, welche in der mitte gebrochen sechs blütter eines die Heilige 
schrift enthaltenden buches gebildet haben, und von denen das dritte 
überdiess nur noch etwa halh vorbanden ist. Die höhe derselben 
beträgt 28 ctm., etwa eben so viel die breite. leh habe nur eine 
schriftlage über dem Straboutexte wahrnebmen können, während 
Cozza a. a. o. p. 7 von einer doppelten spricht. Den zustand der 
blitter giebt die von Cozza seiner schrift beigegebene photographie 
getreu wieder: die schriftzüge sind namentlich von der nässe 
mitgenommen, und auf der einen seite des einen vollständigen blat- 
tes so gut wie ganz unlesbar. Eine entzifferung des noch nicht 
veröffentlichten stückes vorzunehmen fehlte es mir an zeit: dass 
aber diese entdeckung für die textgestaltung Strabons leider nur 
eine sehr geringfügige bedeutung hat, dürfte aus dem hier mitge- 
theilten zur genüge hervorgehen. 


A. Vogel. 


B. Zur erklärung und kritik der schriftsteller. 


18. Zu Homeros. 


Athenes mahnung entsprechend: 


avgsov elo Kyognv xadéoas newug “Ayasovc 

uedor népoade nace, Feoì 0’ ini uagrvgor Eoıwv. 

urnotioac piv êni cylregu oxldvaoduı avwydi 
(« 272 ff.) beruft Telemach in 8 früh am morgen eine volksver- 
sammlung, die erste seit Odysseus’ abfahrt. Muthig bekennt er 
auf die frage des alten Aigyptios, wer die versammlung berufen 
habe und was es im interesse des volkes zu melden gebe, er habe 
das volk beschickt in seinem eigenen interesse. Zu dem kummer 
um den verlust des vaters komme die zweite drückende noth von 
seiten der freier, die, anstatt bei Ikarios um die tochter zu freien, 
in seinem hause ihm hab und gut verprassten, ohne dass es ihnen 
jemand wehre. Immer wärmer und flehender wird der ton des 
tief bewegten jünglings. Vor den zeugen, die sich zahlreich aus 
ganz Ithaka eingestellt haben, mahnt er die freier mit rührender 
bitte zur scham vor sich selber und den umwohnenden menschen, 
gedenkt er des göttlichen zornes, der nothwendig rache senden 
werde, und immer noch in tiefster erregung fährt er fort (8 88 ff.): 


Alocopus ipévy Zyvog Olvunlou nde Oépsoros, 
ni avdgwy ayooug quèr Aves 208 xa {tes 

70 oyécde, q(Ào,, xal u' olov luoure n£v9ei. Avye@ 
teloec 9’, el un nov u mario èuòc do9Aoc Oduooevc 
duouevéwr xax’ igetev Évxrnusdac ° Agarovg, 





Miscellen. 541 


TO» mw drrotivipevos xaxà bélere doGuev£ovrec, 
Tovrovç O:Qvvovitg. duoi dé xe xégdsov ely 

75  )ufuc éodtuevas nesurndia Te ngófluc(v te 
ty’ vueig ye payoure wey ur moi xai 10016 etn’ 
10900 yap uv xoid dot” rmorimmvocolpeda uo) 
xouar anasılkorıs, Ews x ano navıa dodsin 
vu» dé pos &ngrxzovc; 0dvvag dußurlsıe Fuu. 


Wer unbefangen diese verse nach dem was vorhergegangen liest, 
muss glauben, dass, wie vorher bei reueoondnte, aldto3 re und 
vnodeloure, so auch hier nur die freier gemeint sein können: er 
wird die bitte Telemachs ihn allein zu lassen in seiner trauer um 
den vater um so begreiflicher finden, da der tügliche besuch der 
ungebetenen iibermiithigen gäste ja schon vorher als zweite drü- 
ckende noth bezeichnet war. Erst bei v. 74 sieht man, dass der 
redner seinen worten von v. 70 an eine unerwartete wenduug ge- 
geben, dass er, wie die stelle nun einmal lautet, plótzlich das volk 
anredet. Nun aber entstehen sofort auch andere zweifel. Zunächst 
fragt sich, was heisst oyéo9s? — Ameis meinte „lass ab“ wie bis- 
her die freier zu reizen, 74 rovrovg dtgovortec, was grammatisch 
zu (fiere gehöre, aber dem sinne nach bei oy£o9e schon vor- 
schwebe“. Aber abgesehen davon, dass Telemach # 114 ausdrück- 
lich sagt: ovre th por mag duos ansyIousvog yadenalves, dass 
keinesfalls von einem „reizen“, sondern höchstens von einem „ge- 
währen lassen“ die rede sein kann, dass oyéode ferner erst im 
vierten verse danach seine deutliche erklärung erhült, muss der 
vers doch auch verstündigerweise eine äbnliche bedeutung haben 
wie X 416. Dort will Priamos sofort nach Hektors tode trotz 
des widerstrebens seiner vólker hinaus vor die stadt zu Achilles 
und den harten mann durch erinnerung an seinen vater zur aus- 
lósung des soliues bewegen, und alle Troer bittet er, jeden mit 
namen anredend: 


oyéode, qíAoi, xal ps olov «care, xndomevol neo, 
2EeAForıa noàgog ixec9? ini vijus ‘Agardiv. 


Also: „haltet an, freunde, und lasst mich, so sehr ihr besorgt seid, 
allein vor die stadt zu den schiffen der Achäer ziehen“. Wenn 
B 70 somit einen appell an das volk enthalten soll, die freier von 
ihrem treiben abzuhalten, dann ist oyéode qíAo: falsch, und Lehrs 
versucht darum p. 769 bei Kammer, Einh. der Od, die emendation 
loyéuevas xai u' otov êuoure névdei Avye 1elgeoda. Das ist 
freilich, wie schon die parallelstelle wahrscheinlich macht, eine 
schwerlich richtige änderung, zumal man nun kaum umhin könnte 
auch édoute... die unmögliche bedeutung zu geben: „macht, dass 
ich mich allein meiner trauer hingeben kann, indem ihr diese ent- 
fernt“. Dass die collekte, die Telemach in dem falle in ganz 
Athaka zu erheben sich für befugt hält, wenn das volk, und nicht 





542 Miscellen. 


die freier sein gut verzelrten (76 ff. — übrigens eine gleichfalls 
abgeschmackte annabme — einen thörichten, in jedem falle un- 
ausführbaren und für den ton der rede unpassenden gedanken hin- 
einbringt, ist unzweifelhaft, und diese stelle (76—79) giebt auch 
Lehrs preis. Doch auch mit v. 74 f. ist nicht auszukommen. 
Wer wird sich, wenn er den eindruck der ganzen rede hat auf 
sich wirken lassen, durch einen abschluss derselben befriedigt fühlen, 
wie ihn Lehrs vorschlägt: „da wäre mir's noch vortheilhafter, weon 
ihr selbst mein hab’ und gut verzehrtet*, — worte, die, gewiss 
undeutlich genug, den gedanken enthalten sollen: „so arg und wüst 
wie diese würdet ihr alle zusammen nicht wirthschaften“ !  Indess 
hat Lelrs darin recht, dass er gegen Kammer, der v. 68—79 für 
eingeschoben erklärt, bemerkt, Telemach habe bis v. 67 „noch 
nicht in dem tone geredet, dem es angemessen sei, dass er in ge- 
reizter indignation das scepter zur erde werfe“. Ja ich behaupte, 
dass in Telemachs rede bis dahin sogar die hauptsache fehlt, nüm- 
lich das ausdrückliche verlangen, um des willen er eigentlich spricht, 
dass die freier endlich sein haus verlassen sollen. Das ist es, was 
er, gemäss dem gebote Athenes (a 272 ff.; vgl. a 373) mit kle 
reu worten, im namen des höchsten gottes und der güttin der ge- 
rechtigkeit, unter deren schutze er die versammlung berufen hat, 
nunmehr fordern muss, und zwar von den freiern selbst! Nicht 
allein aus diesem grunde halte ich auch Hentzes von Nitzsch beein- 
flusste erklärung für ungenügend. „Lasset ab, freunde“, erklärt 
er: „diese mahnung richtet 'Telemach in der leidenschaft an die 
Ithakesier überhaupt, weil er sie wegen ihrer schlaffheit als mit- 
schuldige ansieht“. Gegen die schlusspartie werden gar keine be- 
denken geäussert, u’ olov êxoute aber heisst: lasst „mich allein, 
d. i. ohne vom lärmen der freier beunruhigt zu sein“! Wie un- 
klar ist diese art sich auszudrücken, wie hart und gezwungen 
auch bier der wechsel der angeredeten personen. 

Um endlich meine ansicht auszusprechen, so geht diese dabio, 
dass alles von v. 74 an zusatz ist. Mit immer zunehmender er- 
regung, halb bittend, halb entrüstet redet Telemach zu, den freiern: 

Freuude, ich fleh’ euch bei Zeus, dem gott des Olympos, 
und Themis, 
Welche die menschen zum rathe versammelt und wieder 


zerstreuet: 

Haltet ein und lasst mich allein in bekümmerter trauer 
Schmachten, — wofern nicht etwa mein trefflicher vater 

Odysseus 


Einst in böser gesinnung die erzumschienten Achäer 
Kränkte, so dass ihr aus rache nun böses vergeltet mit 
bösem ! 
Im stärksten affekt, den rhetorische mittel, wie die chiastische wie- 
derholung derselben worte: duopertur xix’ Eoeber . . . maxü 





Miscellen. 543 


Öflere dvousv£ovısg herrlich zum ausdruck bringen, endigt Telemach 
seine von stufe zu stufe sich steigernde rede, und übermannt von 
seinen gefühlen wirft er weinend das scepter zur erde. In der 
that ist die rübrung des volkes gross: selbst die freier bleiben 
stumm und niemand wagt ausser Antinous ein wort zu sagen. 
Aber auch seine worte stehen unter dem eindruck der gewaltigen 
rede. Scheinbar sich an das thatsächliche haltend sucht er spitz- 
findig die ganze schuld der listigen Penelope zuzuschieben !). Erst 
allmählich gewinnen die freier wieder zutrauen zu sich, und nun 
kehrt auch der alte übermuth zurück. Die in den reden enthaltene 
steigerung ist bei Eustathius zu 4 242 treffend hervorgehoben. 
Lange bevor ich Kammer und Lehrs gelesen hatte, bin ich 
von der unechtheit der verse 74— 79 überzeugt gewesen und dies 
trotz ihren abweichenden ausführungen geblieben. Ich sehe keinen 
triftigen grund ein, der es verbite (206 auf die freier zu bezie- 
hen. Es ist rübrend, dies traute wort in diesem augenblicke von 
dem gesprochen zu hören, der so viel gelitten hat, und an die ge- 
richtet zu sehen, die in den letzten jahren seiner kindheit so viel 
unheil über sein haus gebracht haben, vor allem wohl geeignet, bei 
allen mitleid zu erregen und so einen wirkungsvollen schluss ein- 
zuleiten. Das leidige qí4o,! Ich meine, es ist an der ganzen 
interpolation schuld. Der glaube, dass die „übermüthigen freier“ 
unter keinen umständen und gälte es auch besonders gemüthvoll 
auf die faciArsg von Ithaka einzuwirken, „freunde“ genannt wer- 
len könnten, — trotzdem doch auch Eurymachus, wenn auch in 
anderem tone, a 405 Telemach gegenüber die captatio benevolentiae 
pégcore anwendet und Halitherses w 455 den vüteru der freier vor- 
wirft: vueréon xaxoimu, glios, rude Egyu yérorro — dieser 
glaube war die veranlassung, dass man v. 70 auf das volk bezie- 
hen zu müssen meinte, dem ein theil der schuld zugeschrieben 
wurde. Ein rhapsode, welcher diese schuld, wie Ameis, bei oy£ods 
angedeutet sah *), führte den gedanken durch das ganz ungeschickte 
roviovG OTouroyres Weiter aus, um dann, vielleicht in unpassender 
2rinnerung an ß 138 ff., noch viel thörichteres folgen zu lassen. 
Und wenn los wirklich für die freier nicht passen wollte, was 
ich entschieden leugne, hatte der dichter sich nicht durch X, 416, 
wo er es vorfand, zu einem weniger treffenden ausdruck verleiten 
assen können? Niemand kann leugnen. dass so etwas vorgekom- 
nen ist. Um einmal ein recht charakteristisches, bisher, soweit 


1) Das xóuo» avayas heisst nichts anderes als ‚einen schandfleck 
mnheften“ (Dóderlein Gloss. nr. 2336), von hohn ist hier keine rede 
Lehrs p. 770). Der schandfleck aber besteht darin nach Antinoos' 
neinung, dass Telemach den freieru eine sie nicht treffende schuld 
indichten wolle. 

2) Derselbe verräth sich übrigens auch durch das zweisilbig ge- 
rauchte Zus 78, das Nauck für vitiosum erklärt. 





544 Miscellen. 


ich sehe, unbeachtetes beispiel anzuführen: wie herrlich ist da 
staunen gemalt, das Odysseus P, 154 ff. über die unvergleichliche 
schönheit der Nausikaa äussert : 


TQig paxages uiv Oolye mamo xai mommu unm, 
TQig puüxages d? xaclyyytoss uuda nov Cpuos Feouds 
oliv Euppoournosw lulverus elvexu o8io, 

Atvocoviwy tosovde Fudos yogóv eloosyvevoay. 

xeivog d° av megl xjQ« wuxugratog ÉEoyor allwr, 

oc xt 0’ dtdvoww Boloas olxovd’ ayaynras. 

ov yay nw rotor eidor Beotdy opFadpoiou, 


3 » 


ovi’ ardo’ ovrt yuvulxa’ ctBas u^ Eyes eloogowvra. 


und wie seltsam nimmt sich der letzte vers d 141 ff. in Helenas 
munde aus: 


où ydg nu uva quus eorxcta wW0e Idtodas 

our’ ardg’ ovrt yuvuixa, ofBas u^ Eye elogowoar, 
ws 80° 'Odvoczog rahuctpecvoc ult Fosxev, 
Tosuayo ! 


Dennoch müssen wir uns dies gefallen lassen! Und jenes gio 
sollte von den freiern so ganz unmöglich sein? 


Halle a. d. S. Rudolf Peppmüller. 


19. Zu des Ennius Annalen. 


Wie die kritik von des Naevius „Bellum Punicum‘“, liegt auch 
die der Annalen des Ennius noch sehr im argen. Doch besteht der 
erfreuliche unterschied, dass man hier sprachlich und metrisch überall 
festen boden hat, insofern Eunius gegenüber seinem altfränkischen, 
heutzutage von manchem auf unbegreifliche weise überschätzten 
vorgänger im nationalen epos durchaus modern erscheint und in 
formeller hinsicht fast ganz die wege der spätern daktyliker wan- 
delt, die ja sämmtlich von ihm ihren ausgang nehmen. Dazu 
kommt , dass die annalen nachweislich zur zeit des Caesar und 
Augustus ziemlich in demselben texte vorlagen, die von Hnnius 
selbst gegeben war, während bereits damals des Naevius dichtung, 
ähnlich wie die Odyssee des Livius stark interpolirt war. — Frei- 
lich aber kann die beschäftigung mit fragmenten nur dann ein 
ernstes resultat versprechen, wenn man sich auf die citirmethode 
der einzelnen autoren, von denen sie angeführt werden, versteht — 
eine kenntniss, welche die meisten herausgeber von fragmenten für 
überflüssig gehalten haben. 

Doch ich will jetzt nicht versuche divinatorischer kritik ge- 
ben. Dieselben seien einem ausführlicheren aufsatz in dieser zeit- 





Miscellen. 545 


schrift vorbebalten! — Für heute soll nur gezeigt werden, wie 
man gelegentlich die richtige lesart bei Ennius ganz verkannt und 
desshalb die exegese ebenso wie die kritik in wahrhaft ügyptischer 
finsterniss getappt hat. 

In der letzten ausgube des Ennius ist als zwólftes fragment 
des 3. buches der Annalen folgendes gegeben: 

atque gubernator magna contorsit equos vi. 

Der vers wird von Quintilian, Charisius, Diomedes, endlich von 
Plotius Sacerdos citirt; überall ohne nennung des autors. J. M. 
Gesner hat ihn zuerst dem Ennius zugeschrieben, wie ich bald be- 
weisen werde, mit recht. — Das erste wort felit bei Quintilian 
und Charisius; Diomedes bietet dafür: cumque. Und dies ist rich- 
tig, nicht bloss deshalb weil Diomedes überhaupt ein viel gewich- 
tigerer zeuge ist als Sacerdos, sondern weil es im vorliegenden 
fal einem citirenden grammatiker sehr nahe lag einen nebensatz 
im interesse der bequemlichkeit des lesers zum hauptsatz umzuge- 
stalten, nimmermehr aber jemand daran denken konnte atque durch 
interpolation in oumque zu ändern. — Die vermuthung Vahlens 
über platz und beziehnng des in rede stehenden verses will ich 
dem leser ersparen. — Mir kam alsbald, als ich den eben ge- 
schilderten sachverhalt erkannt hatte, der gedanke, dasss es sich 
hier gar nicht um ein factum aus der römischen geschichte handle, 
sondern jene worte einem vergleich zugehörten, entlehnt den da- 
mals so beliebten circusspielen, — Es leitete mich dabei die 
erinnerung an die von Cicero de Div. I, 48, 407 überlieferten verse: 


expectant, veluti consul cum mittere signum 
vult, omnes avidi spectant ad carceris oras, 
quam mox emittat pictis e faucibu! currus. 


Dass diese ansicht die richtige, wird bewiesen durch ein citat, das 
den von Hermann Hagen erschlossenen Berner scholien zu Vergil 
entstammt. Denn zu Georg. I, 512 heisst es dort folgendermas- 
sen: carceribus, ianuis. Ennius ait: cum a carcere fusi currus 
cum sonitu magno permittere certant. — Für a vermuthet Hagen 
ansprechend: e, wie in dem oben citirten bruchstück. Statt per- 
mittere wolle man lesen pervincere. 


Wie man sieht, erhalt Gesners vermuthung eine glünzende 
bestätigung. Der ganze passus lautete demnach ursprünglich: 


cum e carcere fusi 
currus cum sonitu magno pervincere certant, 
cumque gubernator magna contorsit equos vi. 


Im vorliegenden falle läuft das resultat unserer untersuchung frei- 
lich nur darauf hinaus, dass wir eine unbegründete hypothese zu- 
rückgewiesen — bei der willkür, mit der man die fragmente der 
Annalen geordnet, ein etwas magerer triumph! — und einer fein- 
sinnigen zu ibrem recht verholfen. 





546 Miscellen. 


Unvergleichlich wichtiger dagegen für die richtige erkenntnis 
des inhalts der drei letzten bücher, ja für die auffassung des ga- 
zen epos ist die verkennung einer, noch dazu von zwei zeugen 
übereinstimmend verbürgten, lesart im 16. buch der Annalen. 

Bei Festus p. 330 M. findet sich das folgende. Spicit qu- 
que sine praepositione dixerunt! antiqui — et spexit. — Ennius |. 
XVI (denn so hat der codex nach H. Keils zeugniss, nicht: VI, 
wie in der ausgabe O. Müllers steht): quos ubi rex . . ulo spesit 
de contibus celsis. 

Man hat hier làngst für contibus eingesetzt cotibus (oder cau- 
tibus); desto weniger wusste man mit dem vierten wort anzufan- 
gen. O. Müller bezeugt, dass wegen eines zu stark ausgepragten 
buchstabens auf der andern blattseite die erste silbe desselben un- 
lesbar sei, und man auch nicht erkenne, ob pulo oder sulo dort 
gestanden. Dass nur ein buchstabe unkenntlich geworden und 
pulo, nicht sulo im Farnesianus steht, zeigt das citat bei Varro L. 
lat. VI, 82: Spectare dictum ab ,specio** antiquo, quo etiam En- 
nius usus: vos epulo posiquam spexit. Man hat längst erkannt, 
dass hier derselbe vers vorliegt, der bei Festus steht, nur dass 
Varro, wie öfters, nachlässiger referirt als Festus. —  Merula 
und nach ihm Vahlen beziehen das fragment auf die von Livius 
XL, 21 berichtete besteigung der höchsten spitze des Haemus 
durch kónig Philipp von Macedonien, der sich hatte einreden las- 
sen, mau könne vou dort zugleich den Pontus und Hadria, die 
Donau und Alpen erblicken. — Die verschiedenen versuche epulo 
zu emendiren sind keiner erwähnung werth: am weitesten von der 
wahrheit entfernt sich der des ueuesten herausgebers, der populos 
schreibt, während grade die endung ,,ulo durch zwei, dem Ko- 
nius au zeit nuhestehende, von einander gänzlich unabhängige zeu- 
gen gesichert ist. 

Mat hat auch hier am gesunden körper experimentirt und 
dem entsprechende resultate erzielt. Nichts ist verderbt! Man 
schreibe: 

quos ubi rex Epulo spexit de cotibu’ celsis. 
Zur erklärung dienen die worte bei Livius XLI, 11, 1: Paucis 
ante diebus Iunius Manliusque oppidum Nesactium, quo se prin- 
cipes Histrorum et regulus ipse Aepulo receperat , summa vi op- 
pugnarant. 

Dass a. a. o. die handschrift Aepulo bietet, wird niemand be- 
irren, der weiss, wie oft das kurze e im anfang der worte, z. b. 
in epulae, trepido, pretium, von den mittelalterlichen schreibern 
durch ae ersetzt worden. 

Hieraus ergibt sich, dass im 16. buch der Anualen der krieg 
mit den lstriern, den die Römer in den j. 179 und 178 geführt, 
behandelt wurde. 

Die heldenthaten also des kriegstribunen 'T. Caelius Teacer 





Miscellen. 547 


(denn so hiess dieser maun in wirklichkeit, nicht, wie man ihn, 
aller überlieferung zum trotz, genannt hat, L. Caecilius Denter) 
und seines bruders C. Caelius, wegen deren nach Plinius Nat. hist. 
VH, 101 Ennius das 16. buch der Annalen hinzufügte, d. h. den 
bisher publicirten zwei ausgaben seines epos eine dritte anreihte, 
müssen in jenem istrischen kriege stattgefunden haben. 

Wer wissen will, wie wichtig der eben gegebene nachweis 
für die richtige erkenntniss des inhalts der anualen und der ge- 
sichtspunkte, die den dichter geleitet bei den vier ausgaben seines 
epos — von denen freilich in den bisherigen bearbeitungen der 
fragmente des Ennius nichts zu finden ist —, der wolle das 
sechste buch des binnen kurzem erscheinenden werkes , Quintus 
Ennius. Eine einleitung in das studium der römischen poesie“ 
nachlesen. 


Sankt Petersburg. Lucian Müller. 


— —— — — 





20. Aesernia und Esernia. 


Im Liber coloniarum I, p. 233 steht der stadtname Esernia in 
der alphabetisch geordneten stadteliste von Campanien unmittelbar 
hinter dem namen Diuinos. Es sind nämlich, worauf Mommsen 
(Geom. Vet. Il, 159) aufmerksam machte, wenigsteus sieben namen 
von stüdten, die sicher zur spätern provinz Samnium gehören, 
darunter auch Esernia, unter Campanien mit verzeichnet. — Esernia 
fallt auf, weil der name sonst immer Aesernia, selbst inschriftlich, 
geschrieben wird. Zugleich fallt die stellung des namens hinter 
dem buchstaben D auf. Mommsen ist geneigt, diese abweichungen 
von dem üblichen einem späteru abschreiber, nicht dem Balbus 
selbst, zuzuschreiben. Allein gegen diese vermuthung spricht fol- 
gendes. Strabo reproducirt mehrfach städtenamen aus derselben 
officiellen statistischen quelle, die Plinius (NH. III--VI) benutzte, 
und zum theil in alphabetisch geordneten reihen, wie solche reiben 
aus Plinius bekannt sind. Solcher art sind bei Strabo (bloss für 
ltaliez und Corsica) V, p. 226 C: é»y dé 17 ueoculu . . . . no- 
Alyvas ovyrul, Bingu te xoi Degevrivor xai. (DuAéQios xai Da- 
Aioxor xai Nennru xui Stutwrlu xai adda nmAcfoug . . . ferner 
Str. V, 224: tou Ó' óuwc oixnoiuu tiva uégn x«i nmodloputa 
nov Binoirwv te xai XuouE xai 'Evixov(us xui Ove naveg . urxog 
dì i5g vioov qnoir è ywooyugos ullus . . . . ferner Str. V, 
230: AoMuzla d nv xai Artéuvas xui Didijvar xai Außıxor xai 
alla tosuviu TÓTE uiv nollyriu, viv dé xwuae.... (zu dieser 
angabe bemerkte Mommsen im Hermes bd. 17, 1882, p. 42, sie 
sei der entsprechenden plinianischen stelle — N. h. IH, 68, 69 — 
eng verwundt und vielleicht aus derselben quelle geflossen). Den 
namen Aesernia hat nun Strabo zweimul, zuerst V, 238: Aloeoviu 





548 Miscellen. 


dè xai AAliqui dn Zuurnixai modes elotv, 5 wiv dyngnptry 
xo:i tov Magoixor modepov 5 à în Gupuérovou. Die baw- 
schriften haben hier sämmtlich Aicsgvia. Die zweite stelle ist 
VI, 250: rosyuo 106 resi xwòpuus ytyoracw al rmodsss Eris È 
exielolnucı tedtwe, Bouvòv Alceoria Ilavva Tslecta* cvvvezis 
Ovevagow xai alias rosavtas. Hier haben die handschriften aber 
sämmtlich "Ecsg»(ra. Ausserdem macht diese zweite stelle durch 
aus den eiudruck, als ob sie aus einer alphabetischen städteliste . 
entlehnt sei. Die alphabetische reihenfolge der namen ist sogleich 
erkennbar, wenn wir deu handschriften folgend "Esegrfa lesen. 
Jene erste stelle (Strab. p. 238) verdankt dagegen wohl Strabos ge- 
schichtlichen studien ihren ursprung. Mau hat deshalb wohl ein- 
mal (p. 238 C) Ailorgríu, das zweite mal (p. 250) dagegen 
"Ectgrí(a zu lesen, und in der hier von Strabo benutzten städteliste 
stand nicht Aesernia, sondern Esernia. Auch bei Plinius kommt 
nun der name in einer alphabetischen liste vor, lll, 107: Samni- 
tium colonia Bovianum vetus et alterum. cognomine Decumanorum, 
Aufidenates, Aesernini, Fagifulani, Ficolenses ... (Bovianum wurde 
colonia zu Flavischer zeit: s. L. Hollaender, De militum coloniis 
ab Augusto in Italia deductis, Hal. 1880, p. 25). Aesernini 
schreiben Jun und Detlefsen, die ülteren ausgaben, speciell Hardouin 
1685, uud edit. Bipont. 1783 haben Esernini, ebenso auch Sillig 
nach cod. A (Leidensis). Die haudschriften bieten Esernini und 
Asernini (Sill.). Die form Esernini ist also bei Plinius nicht ge- 
sichert, aber wohl vorzuziehen. Hiernach wird es wahrscheinlich, 
dass auch Balbus selbst Esernia schrieb und dass diese namensform 
in den officiellen Augusteischen verzeichnissen vorkam. Nun aber 
giebt auch die Tabula Peut. segm. V Esernie, und die hand- 
schriften des Cosmographus von Ravenna (bei Pinder et Parthey 
p. 281) haben Eseruia und Eserina, das Îtin. Ant. hat Sermi. — 
Liegt es unter solchen umständen nicht nahe zu schliessen, dass 
die stadt sowohl in den officiellen städteverzeichnissen (welche wobl 
in Strabos quelle, der Chorographia, enthalten waren), als auch 
auf der rómischen weltkarte in der porticus Vipsania Esernie, und 
nicht: Aesernia, geschrieben war ! 


Kiel. E. Schweder. 


21. Zum briefwechsel des H. Stephanus. 


Zu den von M. Dinse, Fleckeis. Jahrb. 1864, p. 843 nam- 
haft gemachten sehr wenigen briefen, die wir von H. Stephanus 
kennen, fügen wir acht, die sich in der Trew’schen sammlung in 
der universitütsbibliothek Erlangen befinden. Sie sind sümmtlich 
an den jüngeren Joachim Camerarius gerichtet, den sohn des be- 
rühmten Joachim Camerarius, der 12. April 1500 zu Bamberg ge- 





Miscellen. 549 


boren, 16. april 1574 zu Leipzig starb. Der jüngere Joachim 
Camerarius wurde zu Nürnberg 1534 geboren, wurde stadtphysikus 
daselbst 1574 und begründete ebenda 1592 das collegium medicum. 
Genannt werden in den briefen noch Joachim’s brüder Philipp und 
Ludwig. Von den briefen ist nur einer voll datirt, der dritte, 15. 
nov. 1574; bei den übrigeu fehlt der sitte der zeit entsprechend 
entweder das jahr oder auch jedes datum. Auf der rückseite der 
briefe finden wir aber von anderer hand die angabe von tag und 
jahr. Da die tage immer spüter sind als die der briefe, so müs- 
sen wir schliessen, dass der empfünger auf der rückseite die em- 
pfangszeit sich notirte. Man vergl. 


Brief II Wien 24. oct. 11. nov. 74 
Brief Ill Augsburg 15. nov. 1574 19. nov. 74 
Brief V » 18. dez. | 3. jan. 76 
Brief VI Frankfurt 27. märz 10. april 78 
Brief VII Paris 31 juli 1. sept. 79 
Brief Vill Genf 10. dez. 13. febr. 92 


Nur bei zwei briefen (oder eigentlich nur bei einem) trifft die 
beobachtung nicht zu: 


Brief IV ohne datum und ortsangabe 19. märz 75 
Brief I Regensburg 15. oct. 9. oct. 74. 


Da brief IV nichts beweist, bleibt nur die schwierigkeit des I. briefes 
über; da ein brief in einem tag von Regensburg nach Nürnberg 
gelangen konnte, so wird es 15 auf der rückseite heissen müssen; 
es liegt also entweder ein versehen des empfängers vor oder 1 ist 
abgesprungen. Zum glück ist es möglich, die jahresangaben auf 
andere weise zu verificiren. Im I. brief verspricht Stephanus epi- 
taphia Graeca den lateiniscben beizufügen; auf dieses versprechen 
bezieht sich gleich der eingang des Il. briefs; durch die erwäh- 
nung politischer ereignisse steht das jahr 1574 für den Il. brief 
fest; da an einen längeren zwischenraum zwischen brief I und Il 
nicht zu denken ist, so muss 1574 auch für den I. brief festge- 
halten werden. Das jahr 1575 des briefes IV wird gesichert durch 
die erwühnung des naufragium, das eine büchersendung des H. 
Stephanus erlitten. Für das jahr 1575 des briefes V spricht der 
in diesem jahr erschienene Arrian. Im brief VI spricht nichts ge- 
gen das jahr 1578. Für den VII. brief ergibt sich das jahr 1579 
durch einen an demselbeu tage geschriebenen datirten brief der 
Passow’scheu sammlung. Das jahr 1591 des briefes VIII wird 
durch den inhalt gerechtfertigt. 


Obwohl die hier vorliegenden briefe nicht besonders ergiebig 
an ups unbekannten thatsachen sind, so werden sie doch einem 
künftigen biographen des H. Stephanus von nutzen sein. Der cha- 
racter der Stephan'schen briefe ist sehr leicht zu definiren; es sind 
keine gemachte, ausgefeilte briefe, die nicht sowohl für den adres- 


Philologus. XLII. bd. 3. 20 





550 Miscellen. 


saten ala für andere bestimmt sind, sondern es sind, wie die cor- 
recturen u. a. zeigen, rasch hingeworfene produkte geschiftliches 
inbalts. Man sieht es, sozu sagen, den briefen an, dass ihr ver 
fasser mit seiner zeit kargen muss. Die unsicherheit der dame- 
ligen verkebrsverhültnisse veranlasst den briefschreiber, manche 
nur anzudeuten, wodurch oft eine gewisse dunkelheit entstebt. Wir 
lassen die briefe in chronologischer ordnung (unten ist die reibes- 
folge in der Trew’schen sammlung angegeben) mit einigen erlie- 
terungen folgen. Dass ich die briefe nach philologischer methode 
edire, wird man hoffentlich nicht missbilligen. 


Brief 1. 


In diesem brief lesen wir die worte: Spero me epitaphia 
Graeca. Lutinis illis additurum. Diese epitaphia sind dem vater 
des adressaten, dem am 16. april 1574 zu Leipzig verstorbenen 
J. Camerarius gewidmet. Diese epitaphia liegen uns vor in der 
Collectio Camerariana zu München und zwar in vol. 20, nr. 218 
und 219. Eine abschrift verdanke ich H. dr. Stangl. Zuerst be- 
ben wir 6 lateinische Epitaphia in distichen. Denselben folgt ein 
gedicht in 10 lateinischen distichen, gerichtet an die kinder des 
verstorbenen Camerarius, ein entschuldigungsschreiben, in dem H. 
Stephanus die captatio benevolentiae auf den hinweis auf zeit und 
ort der entstebung dieser epitaphia, auf seine herzenssorgen u. s. w. 
basirt. Diesem entschuldigungsschreiben folgen zwei frostige epi- 
gramme in jambischen trimetern, die den gedanken, Camerarie s- 
perstites sunt liberi et libri, durch beide ist er unsterblich, durch 
führen. In darauffolgenden vier epigrammen, die in griechischen 
distichen abgefasst sind, wird dieser gedanke förmlich zu tode ge 
hetzt. Es sind der epitaphia also, wie brief Il richtig besagt, im 
ganzen zwölf. Die entstehung derselben zeigen uns die erste 
briefe. 

Der in unserem briefe und brief II, Hl, IV genannte Chri 
stophorus ist wohl Christophorus Herdesianus (Christoph Harde- 
heim) summus iureconsultus et theologus, wie ihn Melchior Adam, 
Vit. medic. p. 159 nennt. Ueber ihn handelt Will, Nürnbergisches 
gelehrtenlexicon ll, 28. Er wurde 1565 rechtsconsulent in Nüre 
berg und betheiligte sich in hervorragender weise an dem theole- 
gischen streitigkeiten der damaligen zeit vgl. Gillet, Crato voa 
Crafitheim Il, 75. Gestorben 23. dez. 1585. 


Hoc die sabbati hanc in urbem perveni, salvus et incolumis, 
Deo favente: nisi quod cum aliquo dolore tibiae, quem attulit 
casus ex equo: qui mirum in modum cespitator fuit: et ipse 
vicissim ex illo casu claudus factus est: ita ut, qui me de 
5 ducebat, rogaverit me ut navigium vel potius navigiolem in 
pago qui abest hinc itinere duorum milliarium conecenderes. 
Quod feci, et ita iter terra ceptum aqua perfeci. Deducteri 





Miscellen. 551 


suos sex florenos persolvi, et aliquid etiam doni superaddidi: 

ita ut alter ab altero contenti discesserimus. Medicus ille ad 
10 quem literas dederas, bic non est: cras venturus. Saluta meo 

nomine uxorem tuam et Ludovicum fratrem et item Christo- 
phorum. Spero me epitapbia Graeca Latinis illis additurum. 

Interim tibi felicia omnia opto, sicut te mihi optare scio. 

Vale. Ratisbona . id. Octobr. 

15 Tuus Henr. Stephanus. 

Rogo ut Balbano dici iubeas ut recordetur literarum quas illi 

dedi Augustam mittendas, sicut etiam tibi commendo quas 

varia in loca mittendas tradidi. 

Clariss. viro doctiss. medico D. Joachimo Camerario No- 

rimbergae. 

1 Brief nr. 1. 3 nach fut schrieb St. ita v, strich aber so- 
fort dieses wieder aus 6 statt qui stand, wie es scheint, zuerst 
quod 10 die worte meo nomine uzorem tuam stehen über der 
zeile 16 nach quas wollte St. ein mit À anfangendes wort schrei- 


ben, es ist À durchstrichen 19 adresse auf der rückseite 
20 nach der adresse von anderer hand 74 5. octobr. 


Brief 11. 


In dem zweiten brief bedürfen vor allem die worte D. Crato meo 
negotio gnavam operam impendit ita ut me cras literas meas ac- 
cepturum spero einer erläuterung. Das negotium ist ohne zweifel 
der process des H. Stephanus mit der familie Fugger. Bekaontlich 
wurde Stephanus von Huldrich Fugger und wahrscheinlich auch von 
seinen brüdern Marcus und Joannes in seinen buchhändlerischen 
unternehmungen unterstützt, so dass er sich von 1558—68 oft 
illusiris viri. Huldrichi Fuggeri oder auch Fuggerorum typographus 
in seinen ausgaben nannte. Da H. Fugger durch seinen sammeleifer 
in bedentende schulden gerieth, so machten ihm seine brüder den 
process, in den auch Stephanus verwickelt wurde, insofern gewisse 
contractliche verpflichtungen H. Fugger’s jetzt nicht mehr erfüllt 
werden sollten. Eine reihe von briefen der Passow'schen sammlung 
an den kais, leibarzt Crato von Crafftheim handelt von demselben. 
Diese briefe gestatten uns einen schluss auf den stand der angele- 
genheit zur zeit unseres briefes. Im brief nr. VII, p. 11 Passow 
vom 19. jan. 1575 zeigt Stephanus seine heimkehr an, oct. 1574 
war nach unserm brief Stephanus in der that in Wien. Der brief 
an Crato zeigt weiter, dass es sich um eine abfindungssumme han- 
delt, welche Stephanus von 300 gulden auf 500 erhóht wissen 
will Auch brief XII p. 17 Passow berührt diese erhöhung. Aus 
brief X XIII p. 28 Passow vom 15. mai 1575 ersehen wir, was 
es mit den in unserm brief genannten literae für eine bewandtniss 
hat; hier verlangt Stephanus aliae literae Caesaris, da die ersten 
offenbar keinen erfolg hatten: quod vero ad meum cum Fugg. ne- 


° 20° 





552 Miscellen. 


gotium attinet, nihil magie e re mea futurum spero, quam si 
aliae impetrarentur a Caes. Maiestate literae, quibus se in per- 
sona mea repulsam passum esse conqueratur: e$ hoc praecipue ur- 
geat, se ideo voluisse me auctoritate literarum suarum munire, 
quod praevideret nonnulla eiusmodi qualia mihi obiecta sunt, ob- 
iectum iri ab illis, si quem colorem quo in deneganda mihi perso- 
lutione uterentur, quaererent praesertimque illud me sine literis 
affmis ipserum venire. Sed illos satis sibi esse conscios quam ini- 
quum sit denegari mihi pecuniam ob non allatas hominis illius li- 
feras, cuius alioqui plerisque omnibus in rebus et literas et verba 
et auctoritatem contemnant !): ac se speravisse fore wt sua unius 
autoritas in exigendo tam iusto debito omnium literarum vice esset, 
praesertim. quum ipsum chirographum (quod huius negotii caput est) 
repraesentarelur et ipse suam fidem velut interponere dignarelur. 
Ego autem quim has literas impetratas esse sciam, Augustam pro- 
ficiscar. Wir sehen, es handelt. sich in dem process um ein 
schriftstück als beweismittel, das H. Stephanus nicht beibringen 
kano und für welches das kaiserliche schreiben einen ersatz bieten 
soll. Der brief XIV p. 19 Passow vom 14. nov. 1575 lässt 
darüber nicht den mindesten zweifel aufkommen: Debuisti (ut aiunt) 
ipsius etiam Huldr. literas afferre. Atqui, dizi, si illis insiructus 
venissem , non mihi Viennam ad implorandum Caesaris favorem 
proficiscendum fuisset. Mit diesen worten wird der zweck, den 
der aufenthalt Stephanus’ in Wien sich setzt, auf's deutlichste ge- 
kennzeichnet. 

Ueber die ereignisse vor Tunis vgl. Zinkeisen, Geschichte 
des osmanischen reichs Ill, 487, Goletta wurde von den Osmanen 
wiedererobert 24, aug. 1574, die bastei erlag 13. sept., der in- 
selthurm 15. sept. 

Fidem de secundis epitaphiis meam libero, mi loachime, id 

est, de Graecis quae Latinis adiuncturum me pollicitus eram. 

Quatuor enim Graeca scripsi, sed et duo Latina, ita ut futurs 

sint in universum duodecim, atque haec posteriora magis etiam 

5 prioribus placitura esse spero. Quin etiam epistolium ad te 
et caeteros fratres, eodem pertinens, adiunxi. Fuerunt autem 
scripta in Danubio, quo secundo simul et adverso vecti ali- 
quamdiu fuimus. Sed ex quo Viennae sum, ea recognoscere 
non vacavit . quodsi non prius ea misero, Augusta saltem ac- 
10 cepturus es. Interim sex quoque; illa quae iam dederam, in 
aliorum manus venire nolim, si quidem illa quoque prius 
recognoscere cupio. D. Crato meo negotio gnavam operam 
impendit: ita ut me cras literas meas accepturum spero: sed 
quantum fructus ex illis percepturus sim, nescio. Captam esse 
15 Gouletam nunc demum hic omues (praeter Hispanos) credere 


1) Es ist dies H. Fugger, der spüter geisteskrank wird. 





Miscellen, 553 


incipiunt. lli enim non credunt, aut potius non credere se 

simulant. Impetratae sunt (ut aiunt) induciae cum Turca in 

decem annos. Quod accidit in Polonia ante non multos dies, 

puto te audivisse . id certe maximas turbas excitaturum esse 
20 videtur. Rogo ut quam tutissime meas literas perferendas 

cures . sunt enim magni momenti de rebus meis domesticis : 

et quamvis cupiam brevi pervenire domum, tamen nisi tuto 

vel potius tutissime, dari nolim, et tardius mitti, dum tutius. 

Sat cito, si sat bene. Vale. Viennae Austriae, Octobr. XXIII 
25 Tui studiosissimus 

Henr. Steph. 

Uxorem tuam meis verbis salutes velim tuum item fratrem 

Philippum: necnon dominum Christophorum 

Clariss. et doctiss. viro D. loach. Camerario doctori artis me- 
30  dicae Norimbergae. 

1 brief nr. 4 3 sta über der zeile 4 atque — spero am rande 
17 cum Turca über der zeile | nach in 8 buchstaben ausgestrichen, 
wie es scheint, wollte St. annos zuerst schreiben 22 nach cupiam 


ist cito ausgestrichen | vor famen | buchstabe ausgestrichen 30 
nach der adresse von anderer band 74 11. novemb. 


Brief Ill. 


Hier lesen wir die worte: fortassis enim quaedam interim 
mutabo. Auch im vorigen brief hiess es: illa quae iam dede- 
ram, in aliorum manus venire nolim, si quidem illa quoque 
prius recognoscere cupio, Diese recognitio ist für die 6 ersten 
epitaphia eingetreten, wie die collectio Camerariana vol. 20, nr. 219 
in München zeigt, wo die 6 ersten Epitaphia von anderer hand in 
grösserer und reinerer schrift mit drei änderungen gegeben wer- 
den. Zur probe wollen wir eine mittheilen. In epit. VI heisst 
es: Odimus incolumem virtutem, quaerimus illam | Sublatam ex 
oculis, ut lyra docta canit. Die verbesserung lautet: oculis: Flacce 
poéta canis, 

Altera sex epitaphia quae literis Vieunae scriptis missurum 

me hinc promiseram, mitto: simul et sex priora: nec non 

carmen ad te et ad fratres, quod horum epitaphiorum mentio- 
nem facit. Omnia eo sunt ordine quo velim excudi. Cupio 
5 tamen a te certior fieri temporis que excudenda dabuntur; 
fortassis enim quaedam interim mutabo, quin etiam a Beza ali- 
quod, ut spero, obtinebo. De meo autem negotio, propter 
quod tam longum, tam difficile iter suscepi, nihil possum ad 
te, quo exhilareris, scribere. Scribam tamen alias, quum mihi 
10 nunc non vacet, ad discessum me accingenti. Oblitus sum, 
quum istinc discessi, te rogare ut talis biscocti, qualis est is 
quo in secunda mensa semel atque iterum apud te usus sum, 
libras duas aut tres mittendas mihi cures domum cum alicuius 





554 Miscellen. 


mercatoris mercibus; impositum tamen arculae aut camistro, 
15 ita ut frangi non possit. Es autem conditione ut qui mibi 

reddet, simul pretium indicet. Vale mi Camerari . Augustae 

Vind. XV Novembr. 1574 

Tuus créparoç 

Salutem uxori tuae fratri tuo meis verbis dicas velim, necnon 
20 D. Christophoro. 

Doctissimo medico loach. Camerario Norimbergae. 


1 brief nr 2 6 St. schrieb zuerst aiiquid 11 von qualis 
steht is über der zeile, auf der zeile ein buchstabe ausgestrichen 
14 nach mercibus ist sic tamen ausgestrichen 19 Die worte uzor: 
(uae stehen über der zeile 21 nach der adresse von anderer 
hand 74 19. Novem. 


Brief 1V. 


Zum verständniss dieses briefes ist es nothwendig, brief 12, 
23, 20 der Passow'schen sammlung zu vergleichen. Unser brief 
berichtet von einem unglück, das einer für die Frankfurter messe 
bestimmten waarenladung zugestossen. Brief 12, p. 17 Passow 
vom 25. märz 1575 sagt: Non dubito, quin antequam has accipias, 
fama ad te de naufragio, quod meae merces passae sunt, quae 
Francofordium | mittebantur, perveniat. Daraus ergibt sich, um 
welche zeit das unglück eingetreten ist, und um welche zeit unser 
brief geschrieben wurde. Brief 23, p. 28 Passow gibt uns über 
Hieronymus aufschluss; Stephanus nennt ihn seinen institor. Auch 
über die unglücksstätte belehrt uns der brief mit den worten: Maxima 
pars eorum quae ad nundinas mittebam naufragium prope Solo- 
durum passa est. 

Der hier genannte Johannes Posthius ist zu Germersheim 1537 
geboren, wirkte 1568— 85 als leibarzt in Würzburg, alsdann bis 
zu seinem tode in Heidelberg ; er starb 1597 vgl. Adam, Vit. medic. 
und Brucker's Ehrentempel p. 63, wo auch sein bildniss beigegeben 
ist. Crenius publicirt in den Animadv. philol. et hist. HI, p. 62 
einen für H. Stephanus bestimmten empfellungsbrief des Jo. Posthius 
an den 1573 als leibarzt Maximilian's 1} nach Wien berufenen arzt 
Carolus Clusius (Charles de l'Ecluse) aus Arras. Der brief ist von 
Würzburg aus 25. sept. 1574 datirt und beginnt mit den worten: 
Cum Henricus Stephanus ad vos esset iturus, nolui eum sine meis 
literis te alloqui. Nach dem zweiten unserer briefe befand sich H. 
Stephanus 24. oct. 1574 wirklich in Wien. Wie es scheint, 
machte er die reise nach Wien von Frankfurt aus, wobei er Wiirz- 
burg berübrte und mit Jo. Posthius zusammentraf. Wie im vor- 
liegenden brief, so wird auch iu dem empfellungsschreiben des 
Jo. Posthius die vermittlung des Joachim Camerarius für die über- 
sendung der briefe in anspruch genommen: Tu tuas ad me litgras 
Joachimo Camerario Norimbergam mittere potes. 





Miscellen. 555 


Nescio an a meo Hieronymo Francfordii Epitaphiorum meorum 
et quorundam aliorum exemplaria acceperis. Ita certe eum 
perturbavit quod nostris mercibus contigit in itinere naufra- 
gium, ut multa ei memoria excidisse minime mirer. Certiorem 

5 autem me fieri a te hac de re velim, ut si ab eo non accepi- 
sti, operam dem ut aliunde accipias. Heri primum panem 
biscoctum accepi: pro quo gratias tibi ago, Sed (quod aegre 
tuli) nullas cum eo literas accepi. Rogo ut literas has ad- 
iunctas tuto pariter et cito D. Cratoni reddendas cures . simul 

10 etiam Posthio suas, de quo miror me nihil audire: et aut 
peregre a domo abesse, aut illi male domi esse suspicor. 
Salutem meis verbis dicas velim uxori tuae, nec non fratri, 
et D. Christopboro. Vale. 

Tuus orfpurvoc. 
15 D. loachimo Camerario medico praestantiss. — Norimbergae. 


1 brief nr. 6 10 nach etiam ist quas ausgestrichen 15 nach 
der adresse von anderer hand 75 29 Marti. 


Brief V. 


Zu diesem brief ist nur weniges zu bemerken: Sambucus ist 
als historiograph in Wien bekannt. (+ 13. juni 1584). Wir 
verdankeu ihm mehrere ausgaben z. b. die des Plautus, (vgl. Ritschl, 
Opusc. II, 114) des Diogenes (vgl. brief IV, p. 6 Passow). Die 
ausgabe des Arrian erschien 1575 vgl. Renouard Annales p. 142. 

lanus Antonius Saracenus war ein in Lyon practicirender arzt; 
er übersetzte den Dioscorides in's latein. + 1602. Die übersetzung 
wurde hervorgerufen durch Stephanus vgl. Renouard Annales p. 426. 


Accepi quae D. Sambucus ut per te ad me mitterentur roga- 
verat: cuius rei nomine gratias ago. Quod scribis responsum 
a te ad plures tuas literas expectari, facit ut literas meas ad 
te non pervenisse cognoscam. Nam et de utroque pueru a 
5 te mihi diversis literis commendato scripsi, me et iuvisse et 
officia quae praestari a me possent obtulisse, et invisurum 
etiam postea diligentius: sed hoc scire cupere, an tantum dis- 
cendae linguae nostrae causa, an simul etiam studiorum gratia 
missi fuerint: id est, an haec, illorum xagegyor, illud autem, 
10 égyoyv esse parentes velint. Quin etiam si quid sit quod inter 
alia curae mihi in illis esse cupiant, de eo moneri cupio. Qui 
enim puerorum ingenium noruut, sciunt qua in parte magis 
adbortatione opus habeant. Arrianum Textori dabo, quem 
tibi dono do: libellum Sarraceni De peste ab eo ipso petam: 
15 quem lubentius scio missurum quam petitus a me fuerit. Tu 
de misso libello gratias agens, contrahendae simul amicitiae 
(de qua aliquando ad me scripsisti) occasionem accipies. Ex 





556 Miscellen. 


iis enim qui hic sunt, nullus est, meo iudicio, cum quo con- 
trabere illam malis, si tibi omnes, perinde ac mihi, sint noti: 
20 praesertim quum medicinae studium ano tig qsAoloyfag eum 
non omnino abstrahat: et bac in re belle inter vos conveniat. 
Vale XV. Cal. lan. 
Tuus £rg. orégavog 
Clariss. viro D. loachimo Camerario Norimbergae 


1 brief nr. 5 | vt über der zeile 9 hoc in der zeile ausge- 
strichen, sllud ausserhalb der zeile 20 vor ano ist e ausgestrichen 
22 Vale über der zeile 24 Nach der adresse von anderer hand 76 
3: januar. 


Brief VI. 


Die abfassungszeit dieses briefs kann aus dem inhalt nicht 
genau bestimmt werden.  Hotomuni quaestiones illustres erschie- 
nen in zwei ausgaben bei H. Stephanus, die erste 1573 (vgl. Re- 
nouard Annales p. 140, nr. 11), die zweite 1576 (Renouard An- 
nales p. 144, nr. 4). Die nüchsterschienene juristische schrift ist 
vom jahre 1580 ,uris civilis Fontes et Rivi. Iurisconsultorum 
velerum quidam loci, ex integris eorum voluminibus ante Iustiniani 
aetatem excerpti* (vgl. Renouard p. 147, nr. 3). Eine vollstün- 
dige ausgabe des Corpus iuris civilis von Stephanus ist nicht er- 
schienen. 


Quem mibi tuis literis commendasti iuvenem, quam commen- 
datum habuerim, ex eius, ut spero, epistola quum in urbem 
nostram pervenerit, cognosces. Ad caetera quae illis conti- 
nentur, alias respondebo, quum nunc occupationes nundinales 
9 (cum quibus luctari molestissimum mihi est et a me alienis- 
simum) vix spatium cogitandi de scribendo concedant. Novos 
tres libellos, a me nunc primum editos, fratri tuo qui eodem 
hospitio utebatur, dedi ut tibi mitteret. lli, quod libris ad 
iurisprudentiam pertinentibus delectari audirem ,  Hottomani 
10 quaestiones illustres donavi, lubenter, si quid aliud ad scien- 
tiam illam pertinens habuissem donaturus. Spero autem fore 
ut brevi Corpus iuris civilis a me prelo committatur, quod 
huiusmodi erit ut eius lectio infinitis partibus utilior quam 
aliarum editionum futura sit. Tradidi eidem fratri tuo Sar- 
15 raceni nostri ad te literas. Vale . Francfordii XXVII Marti. 
Tuus Henr. Stephanus. 
Praestantiss. viro D. loachimo Camerario medicinae doctori 


Norimbergae. 
1 brief nr. 3 4 nunc ausserhalb der zeile 12 vor quod 
ist i» ausgestrichen 18 nach der adresse von anderer hand 78 


10. april. 





Miscellen. 557 
Brief VIL 


Dieser brief ist deswegen interessant, weil er ein seitenstiick 
hat in dem XXVII. briefe an Crato p. 33 Passow. Beide briefe 
sind an demselben tag geschrieben worden. Wir erfahren aus bei- 
den briefen, dass sich Stepbanus seit 9 monaten (bei Passow iam 
nonum mensem et amplius) in Paris aufhielt. Also reiste Ste- 
phanus nach Paris etwa october 1578. Seine abreise dahin wurde 
veranlasst durch die schrift Deux Dialogues du nouveau langage 
Frangois italianizé e$ autrement desguizé, welche ihn in Genf mit 
der censur in verwicklungen brachte. Die schrift, die H. Ste- 
phanus auf aufforderung des königs Heinrich III schrieb, ist De la 
Précellence du langage françois. Den vorgang schildert uns genau 
die Musa Monitrix principum p. 212. Ueber den entgang des 
honorars handelt ausführlich Renouard p. 418. 

Der am scbluss unsers briefs genannte Audreas Ellinger ist 
als freund des Justus Lipsius bekannt, mit dem er in Jena zusam- 
menwirkte, vgl. Ellinger's brief an J. Lipsius vom 21. marz 1574 
in Burmann's Sylloge p. 4 (vgl. auch K. Halm über die ächtheit 
der dem Justus Lipsius zugeschriebenen reden p. 4 und 5 anm. 1) 
Ueber diesen poéta ef medicus handelt Adam, Vit. medic. p. 106. 


Literas a me, non unde putares, mi Camerari, sed e Parisio- 

rum zoàwv(m (ut quidem vocavit olim lulianus) accipies: in 
cuius tamen oppiduli angustiis satis superque spatii ad. me 
quoque capiendum iam a novem mensibus inventum est. Neque 

5 tamen ea mente ingressus eram ut eo tamdiu clauderer: sed 
egredi parantem rex accersivit, et cum alia multa dixit, tum 
vero hoc, se, quendam tractatum, quem me promisisse intel- 
lexisset, magno videndi desiderio teneri, Quum me promisisse 

. quidem, sed nondum scripsisse, et nunc ad scribeudum esse ab 
10 omnibus quae requirerentur imparatum respondissem, ille se 
contentum iis fore pollicitus est quae pauca e multis memoria 
mihi suppeditaret. Id praestiti ut potui: non, fortasse, ut 
debui: sed tamen ita ut suo a me satisfactum esse desiderio 
dixerit. Aliud quoddam scriptum (quod etiam magis quam 

15 illud videre cupit, utpote quod sit maioris momenti) iam in- 
choaveram: sed interrumpent scriptionem meam nundinae Franc- 
fordienses, ad quas proficisci, dimissione impetrata ab eius 
Maiestate, decrevi. ideoque, quum aliquoties ad te scripserim, 

me in iis nundinis, quibus postremo interfui (interfuit quoque 

20 unus e tuis fratribus) et literas et quosdam libros tum re- 
cens editos ad te misisse: sed nullum a te responsum acce- 
pisse: rogo ut in his certiorem me ea de re facias. Ab El- 
lingero literas accepi, simulque 297»ov Graece scriptum in 
patrem tuum: quem non dubito quin pridem ad te miserit: et 

25 cur alia quam plurima carmina in obitum patris tui scripta 





558 Miscelleu. 


tumdiu publico iuvideas, valde miror. Vale. Parisiis priidie 
Cal. Aug. 

Tuus Heor. Stepb. 
Praestantiss. viro D. loachimo Camerario dociori medico No- 


90 rimbergae. 


l brief nr. 7 2 Julian ed. Hertlein pe, 458 iri yyaror dyes yt 
Bala nag) my gilyv dovxstiay’ óvoué(eves d' oUtec el Keltei mw 


Hagssiwr rjv noliyyyy | quidem über der zeile 6 vor cum 1 buch- 
stabe ausgestrichen 9 dum über der zeile 10 nach respon- 
dissem ist dizissem ausgestrichen 22 ea de re über der zeile 30 


nach der adresse von anderer hand 79 1 sept. 


Brief VIII 


Zur erläuterung dieses briefs diene folgendes: das hier er- 
wühnte werk Principum Monitrix Musa sive de principatu bene 
instituendo et administrando Poëma mit einigen andern sachen er- 
schien Basel 1590. Die weiterhin erwühnten Meditationes histo- 
ricae des (Philipp) Camerarius müssen vor dem 26. april 1592 er- 
schienen sein, denn die mir vorliegende zweite ausgabe entbilt 
einen brief, in dem an diesem tag der briefschreiber den empfang 
der Meditationes historicae (ausg. I) anzeigt. Alexander Farnese 
von Parma starb 3. dez. 1592. Unser brief muss daher in das 
ende des jahres 1591 fallen, in welche zeit auch der begiun der 
im brief angedeuteten kriegerischen operationen Heinrich's IV fallt. 


Valde aegre fero t(e litera)s meas non accepisse, (qui)bus ad 
tuas priores secundo (re)spondebam, et eas Argent(orati) da- 
bam: ac (si bene memini) Abrahamo Tobolio maiorem in modum 
commendabam. Praesertim autem de quadam pera coriacea 
9 te admonebam quam simul cum libris illis de quibus scribis, 
illi mercatori tradidi. Quantum enim meminisse poteram, te 
eius etiam perae mentionem fecisse: affirmare non audebam. 
Rogo igitur et nunc ut videas an illa cum libris illis tibi 
reddita fuerit, in qua multae mihi necessariae chartae inclusse 
10 erant, et eae quidem variae, partim excusae, partim aeriptae. 
Quodsi forte eam non accepisses, ut diligenter de ea inquiras: 
et omnia mili servare velis donec quid velim illis feri scri- 
bam. Noudum enim quidquam de illis constituere potui, quum 
res non ex meo tantum arbitrio pendeat. Rogabam te, ut in- 
15 terim exemplaria illius meae Musae monitricis primum quidem 
fratri, deinde vero et amicis donares. Ceterum cum illis li- 
teris Argentorato datis mittebam et exemplar quorundam meo- 
rum versuum, quibus problemata tria Argent. medicis proposui. 
Nune quoque unum his includam. Libri fratris tui de medi- 
20 tationibus historicis exemplaria tria Fraucofordii comparavi: 
sed in omnibus desunt multae chartae indicis; quo factum est 





Miscellen. 559 


ut duo quae duobus amicis destinaram, donare, ausus non sim. 
De bellis nostris nihil certi habemus: rex in obsidione Roto- 
magi perseverare fertur. Dux Parmensis in finibus Belgii et 
25 Galliae adhuc esse creditur. Vale. Genevae Decembr. X. 
Fretri et filio salutem meis verbis dicas velim. 
Tuus H. Stephan. 
Clariss. viro D. loach. Camerario. Norimbergae. 


1 brief nr. 8. Das eingeklammerte der 2 ersten zeilen ist abgeris- 
jen 2 secundo über der zeile 9 vor maiorem ist val ausgestri- 
‘ben 6 vor tradidi ist ded ausgestrichen | te über der zeile, in in der 
seile ausgestrichen 7 fecisses geschrieben, s ausgestrichen | nach 
firmare ist haud poteram ausgestrichen 14 ut über der zeile 
22 vor donare ist dar ausgestrichen 24 finibus aus einem an- 
lern wort corrigirt | vor Belgs ist Galliae ausgestrichen 25 Ge- 
nevae „ober der zeile 28 nach der adresse von anderer hand 92 
13 Febr. 


Würzburg. M. Schanz. 


C. Auszüge aus schriften und berichten der ge- 
lehrten gesellschaften, sowie aus zeitschriften. 


The Edinburgh Review 1881. Bd. 153. Januar. Enthält 
nichts philologisches. — April. flios, die stadt und das land der 
Trojaner etc. von Schliemann, in's englische übersetzt. Trotz der 
hohen anerkennung, welche der berichterstatter dem forschungseifer 
Schliemanns zollt, und für wie erfolgreich er auch die ergebnisse. 
jeiner ausgrabungen ansieht, kann er doch der theorie desselben 
durchaus nicht beipflichten, nach welcher auf Hissarlik in verschie- 
lenen schichten bis zu einer tiefe von 52'/s fuss trümmer von 
sieben [nach Dörpfeld sechs] nach und nach dort erbauten städten, 
von denen die fünfte von oben, die dritte von unten [jetzt die 
weite, s. Academy 14. oct., Voss. zeit. 25. october] gerechnet, 
las bomerische 'Troja gewesen sein soll) aufgefunden worden sind; 
'r möchte vielmehr die verschiedenartigen baureste und andern 
unde grósstentheils den nach und nach durch Alexander den Gros- 
en, Lysimachus, die Rómer, wie Sulla, vielleicht auch Augustus, 
'orgenommenen ausbesserungen und verschönerungen zuschreiben. 
Die beweismittel, welche der verfasser des buchs, um seine ausicht 
u begründen, anwendet, scheinen dem kritiker völlig illusorisch; 
ror allen dingen entsprechen nach ihm die von Schliemano für 
uinen des homerischen Trojas angesehenen reste in keiner weise 
ler beschreibung des dichters, namentlich der angebliche palast des 
>riamus, der höchstens vier zimmer fasste, keinesweges den von 
lomer angedeuteten dimensionen. Ferner führt der berichterstatter 
lie stellen der alten schriftsteller an, welche zeigen, dass, im ge- 





560 Miscellen. 


gensatz zu den annahmen Schliemanns, das homerische Troja gänz- 
lich zerstórt und das griechische Ilium novum an einer andern 
stelle als jenes erbaut worden ist. Endlich sucht er den geschicht- 
lichen kern, der in der sage liegt, zu ermitteln, ibn auf kämpfe, 
welche die äolischen ansiedler mit den ursprünglichen einwohnern 
des landes bei ihrer niederlassung zu bestehen gehabt haben, za- 
zückführend. Gleich im eingange seines aufsatzes klagt er über 
den mangel an anordnung in dem buche, welches nach ihm einen 
wust von unverarbeitetem material beibringt. 

Bd. 154. Juli. Der einfall Cásars in Britannien. Der ver- 
fasser dieses aufsatzes erzählt nach Lewiu’s buch (s. Philol, X XVI, 
p. 670 fig.), nach Long's Caesar (vergl. Philol. XXVI) und nach 
Appach's British Expeditions from Boulogne to the Bay of Apple 
dore, gelegentlich Napoléon's werk citirend, die beiden expeditionen 
des römischen feldherrn, ohne erhebliche eigne untersuchungen an 
seine darstellung anzuknüpfen. Er lässt Cäsar von Boulogne ab- 
gehen (für diesen abfahrtsort hauptsächlich dadurch bestimmt, dass 
an der spitze des dortigen hafens noch jetzt der name Isques (d. i. 
Itius) haften soll) und bei Deal landen.: Nach dem übergange über 
die grosse (oder kleine) Stour nimmt er an, seien die Rómer, da 
ein übergang üben den Medway nicht erwühnt wird, nicht an der 
Themse entlang, sondern aus der nähe von Durovernum (Canter- 
bury) auf dem alten wege durch Charing über Oldberry Hill, Hol- 
wood Hill (Noviomagus) nach der furt bei Kingston marschirt; 
die britische festung setzt er nicht in Verulamium (Saint-Albans), 
sondern in Londinium selbst (t) an. — Die gesellschaft der al- 
terthumsforscher, im anschluss an Archaeologia or Miscellaneous 
Tracts relating to Antiquity, vol. XLV. XLVI 1880— 1881; er- 
wähnt wird duraus Nesbitt, Wall Decorations in Sectile Work (d. 
i. mosaik) as used by the Romans. — October. Enthält nichts 
philologisches. 

Bd. 155. Jan. Carthago und Tunis, im anschluss an ver- 
schiedene neue werke über die geschichte Carthago's und die za- 
stände des jetzigen Tunis. — April. Terenz’ comódien, im an- 
schluss an P. Terenti Comoediae; edidit et apparatu critico in- 
siruxit Fr. Umphenbach, P. Terenti Comoediae, with Notes Critical 
and exegetical, an Introduction and Appendix by Wilhelm Wagner, 
Cambridge 1869, P. Terenti Hauton Timorumenos, erklärt von W. 
Wagner, Berlin 1872; Wagners in England erschienene gesammt- 
ausgabe wird wenig geschützt. 

Bd. 156 enthält nichts philologisches. 

The North American Review 1881. Juli bis dec. Bd. 133 
enthält nichts philologisches. — 1882. Bd. 134 entbält nichts 
philologisches. — Bd. 135. October. Recent Discoveries at Troy, 
by dr. Henry Schliemann; ausführlicher originalbericht desselben. 

The Westminster Review 1881. Bd. 60. Juli.  Characteri- 





Miscellen. 561 


stics of Aristotle, im anschluss an die werke von Brandis und 
Zeller, so wie an Grant, Aristotle, Wallace, Outlines of the Phi- 
losophy of Aristotle und Barthélemy Saint-Hilaire, De la Métaphy- 
sigue: Introduction à la Métaphysique d'Aristote. Der verfasser 
spricht zuerst seine verwunderung darüber aus, dass Aristoteles in 
unsrer zeit wieder zu so grossem ansehen gekommen ist. Er 
schiebt die schuld auf seine ausleger, die zum theil in ihn hinein- 
lesen, was er gar nicht sagt. So mache Wallace ilin auf die blosse 
äusserung hin, dass die entstehung aller dinge auf entwicklung und 
ausbildung beruhe, zum vorläufer Darwin's und Herbert Spencer's, 
während sie gerade seine antagonisten seien; und Zeller, iu der 
neigung, Aristoteles über die früheren philosophen zu erheben, 
schlüpfe über die schwachen punkte seines systems hinweg. Nach 
einer skizzirung seines lebenslaufes, aus welcher der kritiker für 
ihu den vorwurf der inconsequenz ableitet, vergleicht er seine 
ganze persönlichkeit und denkungsweise mit derjenigen seines mei- 
sters; er meint, Plato sei in hervorragender weise ein praktischer, 
Aristoteles in eben so hervorragender weise ein speculativer ge- 
nius gewesen, insofern der erstere die aufgube unternommen habe, 
das gauze menschliche leben zu reformiren, der andere, das ganze 
menschliche wissen zu reorganisiren; Plato würde zu auderer 
besserer zeit ein grosser staatsmann geworden, Aristoteles zu jeder 
zeit nur ein stubengelehrier geblieben sein. In der politik scheint 
dem verfasser Aristoteles durchaus unbestimmt, schwankend, ja wi- 
derspruchsvoll in seinen urtheilen, in der rhetorik, trotz der von 
ihm gegebenen psychologischen, ethischen und dialektischen grund- 
lagen, was seine rathschläge für den redner anbetrifft, sehr wenig 
belangreich. Noch weniger scheint ihm der philosoph der aufgabe 
gewachsen, über poesie zu schreiben. Am meisten verfehlt will 
es ihm vorkommen, dass Aristoteles dem gang der handlung mehr 
gewicht beilegt als den charakteren und dass er von den heldinnen- 
rollen iu der tragódie so ungünstig denkt. Lobt er gleich seine 
überzeugung von der moralischen wirkung des trauerspiels, so ver- 
wirft er doch seine ansicht von dem mittel derselben, nämlich der 
katharsis, obgleich er eingesteht, dass die stelle des philosophen, 
lange zeit missgedeutet, auch jetzt sicherlich nicht verstanden werde; 
namentlich weist er Zeller’s erklärung zurück, welcher meint, dass 
die einsicht in die unser schicksal bestimmenden allgemeinen ge- 
setze, die verknüpfung des uoglücks mit der göttlichen gerechtig- 
keit diese „reinigung“ bewirke, weil alsdano nicht durch furcht 
und mitleid, sondern durch den hinblick auf eine hóhere macht die 
reinigung zu stande komme, Er halt deshalb Aristoteles ausspruch 
für sinnlos, weil seine ganze auffassung von der tragódie verfehlt 
sei. Er dagegen behauptet, dass die durch das trauerspiel in sei- 
ner hóchsten form hervorgerufeuen gemiithsbewegungen nicht schre- 
cken und mitleid, sondern bewunderung und liebe sind. — Das 





562 Miscellen. 


ohne einschränkung gerübmte Organon scheint ibm Aristoteles aus 
den platonischen dialogen abstrahirt zu haben. Für wie anerken- 
nenswerth er auch die wissbegierde und die freude an der reis 
theoretischen erkenntniss, selbst in den kleinsten dingen der natur, 
bei dem philosophen ansieht, so scheint er ihm gerade in den na- 
turwissenschaften sich faft überall den schlimmsten täuschungen 
hingegeben zu haben. Und trotz dem setzt er sein hauptverdiens 
in die genaue beobachtung und in die systematisirung der natür- 
lichen dinge. Der verfasser will mit diesem aufsatz nur die gei- 
stesrichtung des philosophen geschildert haben; über sein system 
der philosophie verspricht er in einer folgendeu abbandlung sich 
zu üussern. — Anzeige von Rawlinson, History of Ancient 
Egypt. — October. Die systematische philosophie des Aristoteles 
(fortsetzung des aufsatzes im vorigen heft). In diesem theil seiner 
arbeit sucht der kritiker die unzulänglichkeit der grundideen des 
Aristotelischen systems darzulegen. Er findet sie hauptsächlich in 
einem vom philosophen überall in streng schematischer weise durch- 
geführten dualismus. Diese seine ansicht von der sache führt der 
verfasser an der physik, an der metaphysik und an der philosophie 
des lebens (oder des geistes) durch. Gelegentlich geht er auf die 
erklürungen und auf die eignen theorien ein, welche neuere eng- 
lische metaphysiker, wie Caird und Grant, auf Aristoteles aus- 
sprüche gebaut haben, ein, namentlich zeigt er, dass des philosophea 
theismus mit dem katholischen glauben, der sich, wie die empfeh- 
lung der schriften des heiligen Thomas beweise, darauf berufe, ua- 
vereinbar sei. Trotz seines eingestandenen strebens, scharf gegen 
den griechischen denker vorzugehen, muss der kritiker dennoch 
stellenweise eingestehen, dass derselbe manches besser aufgefasst 
bat, als die philosophen vor ihm uud nach ibm sogar bis in die 
neueste zeit es gethan haben; in allen dingen, meint er, wo es auf 
genauigkeit der beobachtung ankommt, ist Aristoteles ein meister, 
und seine theorie der zeugung noch jetzt weniger veraltet als Har- 
veys. — Anzeigen von Forchhammer, Ueber die principien der 
Aristotelischen philosophie und die bedeutung der phantasie in der- 
selben; von Jowelt, Thucydides, translated; von Milne, Excava- 
tions at Carnac; von Postgate, Select Elegies of Propertius; von — 
Sidgwick, Aeschylus’ Agamemnon; von Verrall, The Medea of 
Euripides. 

The Academy 1882. 7. jan. Amelia Edwards: Die eröfl- 
nung der pyramide von Meydoom durch Maspero. — 4. febr. 
Anzeigen von Paley, lliade 1. buch; von Paley, Oedipus Rex, Oe- 
dipus Coloneus, Antigone und Troades; von Peerman, Cicere de 
legibus; von Belcher, Livius, 2. buch; von Pursee, Livius, buch 1; 
von Williams, Ovid. Epist. ex Ponto, buch 4 (das letztere oick 
empfohlen) — 18. febr. Amelia Edwards: Die pyramide von 
Meydoom. — Anzeige von Deecke, Etruskische forschungen. — 





Miscellen, 563 


4, mürz. Die auffübrung der Euripideischen Alceste in englischer 
sprache in Brodfield, — 11. märz. Mahaffy, Altgriechische er- 
ziebung, als lesbar, aber nicht gründlich genug angezeigt von Ri- 
chards. — Dr. Karl Neumann, Geschichte Roms während des 
verfalls der republik, mit grossem lob empfohlen von Fowler, der 
nur einen index vermisst und dem verfasser vorrückt, dass er die 
auctoritäten, auf welche er sich beruft, nicht nach ihrem gehörigen 
werth bemisst, — Barnabei: Alte grabstütten in den Abruzzen: 
auffindung der von Asinius Gallus in Teate Marrucinorum (jetzt 
Chieti) gebauten wasserleitung (s. Notizie degli Scavi 1880, p. 175); 
sufzühlung der von Lanzillotti in den gräbern von Chieti gefun- 
denen miiuzen, rüstungsstücken; es sind ferner in Abellinum im 
lande der Hirpiner ein grosser sarkophag, in demselben lande reste 
einer römischen stadt, wahrscheinlich Cluvia (Liv. VIII, 31), ge- 
funden worden; zahlreiche gräber, durch Nino bei Alfedena, ge- 
funden, machen es zweifellos, dass bei diesem ort Aufidena, der 
hauptort der Samnites Caraceni, und nicht, wie man früher ge- 
glaubt hatte, bei Castel di Sangro gelegen hat. — 185. märz. 
Tozer: Collection de romans grecs par Lambros, Paris; darin 
unter andern Callimachus und Chrysorroe aus der mittelalterlichen 
byzantinischen zeit; die übrigen sind neugriechisch. — Mahaffy: 
Hayman's Odyssey Ill. bd.; gelobt werden die erklürungen, ge- 
tadelt, dass der verf. die neueren kritischen arbeiten über Homer, 
besonders in Deutschland, ganz unberücksichtigt lüsst. — Murray: 
Geschichte der griechischen plastik von Overbeck, IE. halbband; 
mit bemerkungen über die ansichten Overbecks selbst und des kri- 
tikers über den Hermes des Praxiteles und einen bronzekopf der 
Aphrodite im britischen museum, welcher nach der ansicht des letz- 
teren dem Praxiteles selbst angehört. — Fr. Lenormant: Archüo- 
logische nachrichten über die landschaft Otranto. 1. Ueber die 
schütze der privatsammlungen und der museen in Lecce, Taranto 
und Brindisi; sodann über die megalithischen denkmäler der pro- 
vinz, welche der verf. den celtischen Menhirs vergleicht. — 25, 
märz. Jeleb: Classical Writers, edited by Green; Demosthenes by 
Butcher; inhaltsangabe des kurzen und gerühmten buchs über De- 


mosthenes. — The Odyssey rendered into English Verse by Gen. 
Schomberg, als ungenau bezeichnet. — Boase: Die ruinen Roms 
von Reber, empfohlen. — Fr. Lenormant, Archiiol. nachr, etc. 


il. Die neueren schutzthürmchen (fruddhi) und die alten wart- 
thürme (specchie) mit einander verglichen; über die bestimmung 
der letzteren im alterthum; der verf. halt sie für die der provinz 
eigenthümlichen wohnungen. — 1. april. Nachricht von ausgra- 
hungen im Delta, welche von einer englischen gesellschaft in gros- 
sem massstabe beabsichtigt werden. — 8. april. Postgate: 
Ovidii Ibis ex novis codicibus — edidit Elis; verglichen sind für 
die neue ausgabe zum ersten mal G in Cambridge, P in Cheltenham 





564 Miscellen. 


uod T in Tours; die erklirung von Ovid’s verbannung, welche 
der verf. einem vorfall im Isistempel zuschreibt, scheint dem kri- 
tiker gekünstelt und wenig haltbar ; dagegen giebt er ihm für die 
aouahme mancher interpolationen (z. b. 465. 466) recht und be- 
spricht einige emendationen desselben. — Wroth: L'Asclepieion 
d'Athènes — par Girard, Paris, welches nicht nur die topographie 
des tempels, sondern den ganzen cultus des gottes behandelt. — 
Fr. Lenormant: Archüol. nachr. etc. HI. Lage und bauart von 
stádten, besonders Grathia; tempel; namentlich werden die reste 
des bei dem dorfe Patu iu der provinz Lecce liegenden beschrie- 
ben. Nach eigner anschauung urtheilend, meint der verf., dass 
Mommsens sammlung von Inscriptiones Regni Neapolitani einer 
sorgfältigen revision bediirfee — 15. april. Sayce: Die ge- 
schichte des alterthums von Max Duncker, in's engliche übersetzt 
von Abbot. Die aunahme des verf., so meint der kritiker von 
einem grossen baktrischen reich, seine ansichten über Zoroaster etc, 
sind nicht mehr haltbar. — Fr. Lenormant: Archüol nachr. etc. 
IV. Vorbistorische antiquitaten, terra-cottas, namentlich die vor 
kurzem bei Metapontum gefuudenen. — 22. april. Halton: Die 
in Toronto beabsichtigte auffiibrung der Antigone iu griechischer 
sprache. — Hayman vertheidigt sich gegen Mahaffy’s angriffe 
in der nr. vom 18. märz. — Monro: The Journal of Hellenic 
Studies, bd. Il. Uebersichtliche inhaltsangabe. — Fr. Lenormant: 
Archäol. nachr. V. Gemalte gefasse. Eintheilung derselben in ver- 
schiedene klassen, nach ort und zeit. — 29. april. Wilkins: 
Bentley by Jepp. Hauptsächlich, so zeigt der verf., sind die ver- 
dienste Bentley's zuerst iu Deutschland gewürdigt worden. — 
Capes: Handbuch griechischer inschriften von Hicks, zur einführuog 
der studirenden in diesen zweig der wissenschaft wohl geeignet. — 
Barnabei: Ueber die Formello-vase, welche kürzlich in Veji gefun- 
deu worden ist, und über welche Bréul 24. marz 1882 in der 
franzósischeu Académie des inscriptions bis jetzt den ausführlich- 
sten bericht erstattet hat. — 6. mai. Sweet: Etruskische for- 
schungen von Bugge, mit beispieleu aus seinen entzifferungen. — 
Gow: Plato's zahl, wie der verf. selbst sagt, eine einfache und 
schnurgerade lösung der schwierigkeit in Plat. resp. VIII, p. 546. — 
Sayce: Arisch-semitische sprache von Mc Curdy ; der kritiker ist 
von dem versuch, den zusammenhang beider sprachstämme nachze- 
weisen, wenig erbaut. — 13. mai. Martin: Beschreibung der 
reste rómischer bauten in Norton bei Brading; besonders mosai- 
ken. — Watkin: Römische inschriften in Algerien in bezug auf 
Britannien. — Nachgrabuogen im Delta des Nils I, im 20. mai 
Il, im 27. mai lll. — 3. juni. Krebs: Ableitung des worts Py- 
renäen; nach dem verf. von dem Celtiberischen bryn oder byrio 
berg, hoch (nicht neu). — Sayce: Grundzüge des ursprünglichen 
glaubens bei deo indo-europäischen racen von Keary; der verf 





Miscellen. 565 


basirt seine ausichten hauptsüchlich auf die verzweigungen dieses 
sprachstammes, die er nach dem kritiker weder vollständig noch 
ganz richtig angiebt; trotz anderer ausstellungen uoch wird das 
werk dennoch. wegen seiner durchgreifenden forschungen gerühmt. 
— 10. juni. Evans leitet den namen Pyrenüeu von berwin, aus 
bar spitze und gwyn weiss, ab. — Sayce über die Hittitischen 
inschriften (aus Assyrien). — Barnabei über ein von Patti der 
archüologischen akademie in Rom vorgelegtes bruchstück eines 
schildes, welches für eine nachbildung des Achilleischen schildes in 
ler Iliade gehalten wird. — 17. juni. Ueber Strong’s und Lee- 
per's übersetzung von 13 satiren Juvenals; Hawkin's The Nico- 
machean Ethiks of Aristotle buch 1—4 und buch 10, cap. 6—9; 
Wells The Republic of Plato buch 1 und 2; Pollard's über- 
setzung des Catilina und des Jugurtha Sullust's; Crossley's The 
Fourth Book of the Meditations of Marcus Aurelius Antoninus ; 
Velsen's Aristophanis Plutus (als unbedeutend beurtheilt); und 
Conington’s übersetzung der Aeneide in prosa (in zweiter auflage). 
— Sayce über den urspruug des indischen alphabets. — Sonnen- 
schein: Flach’s ausgabe der epigramme Martial’s, unter anführung 
mancher irrthümer, als eilfertig bezeichnet. — Lund über die 
epoche Joseph's; Amenhotep IV wird als der Pharao der hungers- 
noth angegeben. — 24. juni. Brief Halévy's über Sumir und 
Accad, welche der verf. nicht für zwei verschiedene dialekte, son- 
dern nur für zwei verschiedene stüdte Assyriens erklürt. — Fr. 
Lenormant: Archiologische notizen über die umgegend von Otranto; 
Vi, über die reste byzantinischer denkmaler dieses landstrichs. — 
Barnabei : Weitere auskunft über den sogenannten schild des Achil- 
les. — 1. juli. Terrien de la Couperie: The Summerian 
and Accadian Dialects; der verf. behauptet, dass es zwei vor-semi- 
tische dialekte Assyriens gewesen sind, welche gleichzeitig bestan- 
den haben. — Halsey’s Etymology of Latin and Greek, Boston, 
wird von dem berichterstatter als in sich widerspruchsvoll und zwi- 
schen alten und neuen ansichten schwankend sehr obenhin behan- 


delt. — Roby über ager arcifinius, limes decumanus , ager viri- 
tanus und ager colonarius mit bezug auf Mommsen Corp. lnscr. 
Lat. I, 88, 89. — Amelia Edwards über Naville’s besuch der 


ruinen von 'Tanis (Zoan) in Aegypten. — 8. juli. Amelia Ed- 
wards über Les contes populaires de l' Egypte ancienne von Maspero, 
— Ellis: Ueber neue beitráge zur kritik des Catullus von Tar- 
tara, Animadversiones in locos nonnullos Valeri Catulli et Titi 
Livi, Romae, und von Vahlen, Indez lectionum, Berlin. — Lund 
noch einmal über Amenhotep IV, identisch mit Khu—en — Aten, 
dem vorletzten Pharao der 18. dynastie. — Westropp: Die aus- 
grabung des forum Romanum. — 15. juli. Haverfield über 
Birts das alte buchwesen, Berlin; ein auszug aus dem werk, das 
wichtigste aus dem buchhandel der alten aushebend. — Paul de 


Philologus. XLII. bd. 8. 31 





566 Miscellen, 


Lagarde: Brief über Sumir und Accad, in welchem er sich gegen 
deu vorwurf eines plagiats an Fr, Lenormant etc. vertheidigt, nebet 
antwort von Sayce. — 22. juli. Amelia Edwards über The 
Funeral Tent of an Egyptian Queen von Villiers Stuart. — Pin- 
ches über Sumer und Akkad, gegen die ansichten Hommel's in 
München. — Wayte: The New Phrynichus by Rutherford, wel- 
ches der kritiker für eine höchst bedeutende erscheinung erklärt; 
nach ihm hat der herausgeber die von Phrynichus gegehenen re- 
geln des atticismus wit der ausdrucksweise der attischen schrift- 
steller, wie sie in den manuscripten erscheiot, auf aebr erfolgreiche 
weise verglichen. — Wurren’s (programm von Dordrecht) ver- 
gleichung der Alkestis mit der indischen beroine Savitr?, so wie 
bemerkungen über den ursprung von stipulare. — Anzeige von 
Lengpérier, Mémoires sur la Chronelogie et l'Iconographie des 
Reis Parthes Arsacides (nach dem tode dea verf. besorgt vem Le- 
roux). — Barnabei: Archäologische entdeckungen zu Ardea (obne 
andre ausbeute als ein paar vasen). — Auflübrung des Phormio 
in lateinischer sprache in Fort Augustus College. — 29. juli. 
Roehl (s. Hermes p. 460—606) gesteht in eiper xuschrift an des 
herausgeber jetzt die echtheit der 202 babylonischen bleiplatten aus 
Styra auf Euboea (s. rev. arch. 1882, nr. 5 mai) ,bis auf 18“ 
ein. — Aufforderung, die ausgrabungen von Ephesus fortzusetzen. 
— Sayce über ein trojanisches gewichtstück mit imschrift aus His- 
sarlik, dem von Schliemann llios 582 beschriehenen gaus ähnlich, — 
9. august. Max Müller über die neue ausgabe von Coa, Th 
Mythology of the Aryan Nations, in welcher dem einfuss der se- 
mitischen vorstelluagen auf die theologie der Griechen eim grüs- 
&eres zugestündniss als in der ersten eingeräumt wird. — Richards 
über Chronological Tables of Greek History hy Carl Pater, trear 
lated by Chawner; das buch an sich wird mit geringfügigen aus- 
atellungen gebilligt, aber gleichaeitig vor demselben gewarnt, wess 
es als das einzige hiilfsmittel zur vorhereitung auf das examen 
dienen sollte, wozu es bestimmt zu sein scheint, — Neue Hittiti- 
sche inschrift in Tyana von Ramsay evtdeckt. — Monro über 
The Journal of Hellenic Studies, bd. 3; das hauptstück daria sied 
Ramsay s Studies in Asia Minor; ausserdem befinden sich daria 
aufsätze von Mahaffy über die lage von Îliaa und von Jebb über 
Pindar, — 12. august. Warr über Ihne’s Geschichte Roma, ins 
Englische übersetzt; der berichterstatter rühmt besonders die dar- 
stellung des einflusses des aristukralischen senats treta der deme- 
kratischen volkssouverünitüt. — 19. august. Ankündigung von 
Monro’s Grummar of the Homeric Dialect. — Murray über 
Report of the Investigations at Assos by Clarke; diese erfolgreichen 
nachgrabungen werden bekanntlich von eiper amerikanischen ge 
sellschaft unternommen, (s. Voss. zeitung 1882, 14. october nr. 
481) — 26. august. De Witte, Brief über den streit zwischen 





Miscellen. 567 


Roehl und Lenormant (s. 29. juli, rev. arch. 1882 nr. 5 mai), 
in welchem für den satz über das äginetische gefäss (Hermes p. 
464) der angriff von Roehl für ungerechtfertigt erklürt und die 
berufung auf den briefsteller selbst zurückgewiesen wird. — 
Newton über ein neues fragment der metopen des Parthenons, jetzt 
im Louvre, -— Amelia Edwards über vier vusen mit inschriften, 
aus deuen hervorgeht, dass sie dem priester Pirotem | gehórt ha- 
ben. — Purker über die neuen ausgrabungen auf dem Forum 
Romanum. — 2. september. Simicox über The Theological and 
Philosophical Works of Hermes Trismegistus, translated by Chum- 
bers; fleissig aber unzulünglich, urtheilt der berichterstatter. — 
Nettleship über Anecdota Oxoniensia bd. 1, th. 2, enthultend eine 
neue collation des Harlejanischen codex des Nonius Marcellus. — 
P. de Lagarde behauptet, dass der codex Amiatinus der lateinischen 
bibel in Florenz nicht, wie allgemein angenommen wird, aus dem 
6., sondern aus dem 9. jahrhundert ist. — Haverfield sucht, ge- 
genüber Diels im Hermes p. 377, nachzuweisen, dass die zeilen 
in den büchern der alten nicht nach silben, sondern nuch buch- 
staben (33 bis 37) gerechnet wurden. — 9. september.  Colvert 
über L'Ile de Rhodes par Bibliotti et Cottret, welches buch auch 
archäologische fragen behandelt. — 16. september. Sayce über 
Delbriick’s Introduction to the Study of Language übersetzt und 
mit einer besonderen vorrede des verfassers versehen Nach dem 
kritiker ist dies buch jetzt dasjenige, welches die beste vorstellung 
von dem jetzigen stand der vergleichendeu spruchkunde giebt. — 
Anzeige vun Orientalia antiqua, welche von Terrien de la Comperie 
herausgegeben werden; in der 1. nummer ursprung des phónici- 
schen alphabets von Bertin; ferner unzeige von Pauli's Etruskische 
forschungen; von Westropp, The Cycle of Development of Roman 
and Greek Sculpture. — 23. september. Anzeige von Tiele, 
History of the Egyptian Religion, translated by Ballingal. — 30. 
september; enthalt nichts philologisches. — 7. october. Anzeigen 
von Casey, Outlines of Latin Mood Construction ; von Nettleship, 
Latin Genders; von Stewart, Advanced Greek Course; von 
Hulme, The Accidence of the Greek Verb taught through Inflexions 
and Analysis (bei welchem getadelt wird, dass der verfasser oi- 
yilw, olargéw und olxxocrgopéw als verben aufführt, die kein aug- 
ment annehmen) -- Sayce über Lenormant, Les Origines de l'Hi- 
stoire d'après la Bible; mit gegenbemerkungen des kritikers über 
die etymologie von Deukalion, über die geographische lage von 
Aslıkenaz etc.; sonst sehr getühmt. — Murray über Ancient 
Marbles in Great Britain aus dem Deutschen des prof. Michaelis 
von Fernell übersetzt. — 14. october. Wilkins über P. Vergili 
Maronis Opera, with an Introduction and Notes by Pupillon; cou- 
servativ, sagt der kritiker, im text, genau in den anmerkungen; 
das beste sind nach ihm die zahlreichen übersetzungen schwieriger 





568 Miscellen. 


stellen. — Brief von Dörpfeld über dr. Schliemann’s Ilios. Der 
briefschreiber, welcher fünf monate als architekt in Hissarlik ge- 
wesen ist, behauptet aus eigner auschauung, dass nur ein neidischer 
stubengelehrter noch leugnen könne, dass das alte Troja dort ge- 
standen habe, da in der umgegend keine andere passende örtlichkeit 
zu finden sei. Von den ruinen sind die wichtigsten die in der 
zweiten und in der sechsten schicht (von unten gerechnet) gefun- 
denen; jene rühren nach ihm von dem homerischen 'Troja, diese 
von dem historischen [lium her. Die stadt des Priamus ist nach 
ihm gäozlich (nicht, wie Schliemann hatte finden wollen, nur theil- 
weise) zerstért worden. (Vergl. The Edinburgh Review 1881, 
januar). — Franklin Richards, über die ethik der alten Griechen 
von L. Schmidt. 2. bd. Kein system griechischer moral, aber 
eine vollständige sammlung der aussprüche griechischer schriftstel- 
ler über moralische vorstellungen und erklärung der dahin gehö- 
rigen ausdrücke. — Fidel Fita, Eine neue celtiberische inschrift 
von den ufern des Gallo, einer der quellen des Tago. — Ma- 
haffy, Ueber Troja und Neu-llion von Brentano; der kritiker tadelt 
die hartnäckigkeit, mit welcher der deutsche gelehrte, dem Eng- 
länder Jebb folgend, gegen Schliemann ankümpft. — 28. october. 
Haverfield, über Elyma graeca von Wharton; mit citirung einiger 
beispiele und versuchter widerlegung einiger andrer. — 4. novbr. 
Dennis, Ein altes monument zu Samos beschrieben von Herodot. 
Die von dem griechischen schriftsteller 111, 60 beschriebene was- 
serleitung ist vor einigen monaten wieder aufgefunden worden (mit 
welcher der von Smith in Dictionary of Ancient Geography und 
von Rawlinson in seinen anmerkungen zu Herodot erwübnte tunnel 
nicht verwechselt werden darf, der auf der entgegengesetzten seite 
der stadt liegt und wahrscheinlich der unterirdische gang ist, dea 
der geschichtschreiber NI, 146 erwähnt). — 11. nov. Ellis, 
über La poésie alexandrine sous les trois premiers Ptolemées per 
Couat. 'Trotz der gänzlichen auslassung Lycophron's, meint der 
kritiker, das vollstándigste und sorgfaltigste werk über diesen theil 
der literaturgeschichte, zu welchem dem verf. besonders deutsche 
gelehrte vorgearbeitet haben. Der berichterstatter benutzt diese 
gelegenheit, seine landsleute zur weiteren bearbeitung eines feldes 
aufzufordern, auf welchem einst Bentley durch seine klaren notes 
zu Callimachus fragmenten geglänzt hat, während jetzt dort nur 
das trübe licht der deutschen (es ist hauptsüchlich O. Schneider ge- 
meint) schimmert. — 18. nov. Macdonell über Etude historique 
sur les Impôts directs chez les Romains jusqu'aux Invasions des 
Barbares, par Cagnat. Der berichterstatter hält es für glücklich, 
dass der verf. sich nicht auf die directen steuern — eine übrigess 
ganz moderne unterscheidung — beschränkt hat, und empfiehlt das 
buch, aus welchem er über portorium, octava , vicesima libertatis 
einige auszüge giebt und bemerkungen anknüpft. — Sayos über 





Miscellen. 569 


lebb's vortrag über die ruinen von Troja in der archäologischen 
resellschaft; die gegen Schliemanns unterscheidung von sechs (oder 
jieben) schichten gerichteten bemerkungen desselben werden für 
ganz grundlos erklärt: — 25. nov. Anzeige von Mayor's Sketch 
Xf Ancient Philosophy; empfohlen, weil es die hauptstellen der 
griechischen und der lateinischen schriftsteller im original giebt. — 
2. dec. Amelia Edwards über Cities of Egypt by Stuart Poole; 
bauptsächlich diejenigen behandelnd, die in der bibel erwühnt wer- 
len. — Fepp: The Ruins at Hissarlik: „in Hissarlik haben wir 
sicht eine dünne decke (topping) des griechischen lliums mit sechs 
yrähistorischen städten darunter , sondern reste des griechischen 
lliums weit tiefer als sechs fuss hinunterreichend und verschiedene 
sach und nach auf einander folgende perioden seiner architektoni- 
schen geschichte, daon darunter eine prähistorische grundlage (re- 
tiduum)“. — Postgate, über das verbum dare im lateinischen, als 
epräsentaut der indo-europäischen wurzel dha, von Thielmano, nach 
lem berichterstatter ein beitrag zu einem lexikon der zukunft. — 
3. dec. Ellis, über Petronii Satirae et liber Priapeorum tertium 
didit Bücheler, wegen der neuaufnahme von Seneca's Apocolocyn- 
osis, Sisenna's milesischer fabeln, der leges conviviales aus dem 
Querulus und des testaments eines schweines aus dem heil. Hiero- 
ıymus empfohlen. — 16. dec. Sayce, über geschichte des alter- 
hums von Max Dunker (englische übersetzung) mit einigen auf 
ieuerdings gefundenen inschriften basirten einwendungen gegen die 
'on dem geschichtschreiber dem Cyrus und dem Cambyses ange- 
viesene stellung. — Mahaffy, über Monro’s Homeric Grammar; 
is sind nach dem berichterstatter wichtige vorstudien zu einer sol- 
then, hauptsächlich aus deutschen monographien zusammengetragen, 
in mehr zum nachschlagen als zum lernen oder lesen geeignetes 
mach und mehr praktisch als theoretisch, weil der verfasser der 
legründung mancher punkte aus dem wege gehe; mit einigen ge- 
renbemerkungen gegen die von ihm behauptete einheit der sprache 
n lliade und Odyssee. — Conolly: Assyrische sculpturen im Va- 
ican. — 23. dec. Amelia Edwards, über The great Pyramid 
y Richard Proctor; über die frugen, wie und zu welchem zweck 
lie grosse pyramide gebaut worden ist, weicht der verfasser von 
inem andern astronomen Piazzi Smyth, der über denselben gegen- 
tand, nämlich über die astronomische bestimmung derselben, ge- 
chrieben hat, durchaus ab; die verfasserin gesteht nicht einsehen 
u. kónnen, warum ein solches monument nicht für die bestattung 
ines kónigs hat gebaut werden sollen, wenn ein privatmann sich 
in noch ausgedehnteres und gewiss eben so kostspieliges unter- 
rdisches felsengrab hat einrichten lassen. — Monro: The Lan- 
wage of Homer, erwiederung auf Malaffy's kritik in der vorigen 
ummer: „wenn ich wenig von der sprachlichen verschiedenheit der 
ücher der Odyssee sage und mein kritiker den verinuthlichen 





570 Miscellen. 


grund darin findet, dass die Deutschen die Odyssee einer se 
nauen wortkritik noch nicht unterworfen haben, wie die Iliade, ve 
kann der grund doch auch darin liegen, dase, trotz aller nachfor- 
schuugen und ungeachtet der wunderbaren gabe der Deutschen 
solche verschiedenheiten zu entdecken, diese einfach ‘nicht vorhas- 
den sind“. — 30. dec. Sayce: Lettre from Tunis. Der verf. 
hat auf dem wege Sicilien berührt; hier hat er an steinen alte 
ruinen, z. b. an den mauern von San Giuliano (Berg Eryx) eis 
phónicisches beth entdeckt, wodurch sie und ähnliche sich als phô- 
nicisch herausstellen. Vorläufig behandeln seine notizen nur Süé. 
italien. — Proctor: The Great Pyramid. Der verf. vertheidigt 
gegen Amelia Edwards (s. o.) seine ansicht von dem ,,horoskopi: 
schen“ und „astrologischen * nebenzweck der grossen pyremide; 
seine ansicht hauptsächlich darnuf stützend, dass die seiten dersel- 
ben genau auf die cardinalpunkte der windrose gerichtet sind. — 
Amelia Edwards: The Boolak Museum in Cairo, jetzt dem 
publikum eröffnet. 

The Journal of Philology 1882, vol. Xl, ur. 22. R(obin- 
son) Ellis: On the Mostellaria of Plautus. — R. Ellis: Pre 
pertianum. — Campbell: A neglected MS. of Plato. — R. 
Ellis: On Petronius. — A. Palmer: Two Emendations in Ci- 
cero (Ep. ad Att. XII, 18 ornabo statt consecrabo, XII, 46 ex tote 
für exculto). — Thompson: Euripides. — Monroe: Euripi- 
dea. — Monro: Hor. Carm. I, 12, 41— 44 (er vertheidigt apte 
gegen die emendation arto). — Jackson: Plato's Later Theory 
of Ideas. — Postgate: The Use and Meaning of Liceo end 
Liceor. — Monro: Hor. Curm. 1, 13, 1-3, I, 26, 1- 4 (er 
vertheidigt cerea gegen die conjectur lactea uud puellis wegen dea 
vorschlag duellis). 

Anzeiger für schweizerische alterthumskunde 1882. Nr. 2. 
April. Vouga: Menhirs und schaleusteine an der westküste des 
Neuchateller sees. — Gross: Das steinzeitalter in St. Blaise (am 
Neuchateller see); gefunden: steinüxte, hirschhornwerkzeuge, bros 
zedolche (zum theil mit holzgriff), die letzteren vermuthlich sw 
dem auslande eingeführt, mit abbildungen. — Marcel: Hühles- 
grüber aus der steinzeit. — Rabner: Zwei bronzemesser vou Mel- 
lingen und Genf, mit abbildung. — Schneider: Fund einef röni- 
schen altars in Brugg mit einer iuschrift, welche der verfasser er- 
klärt: Aram Aventiae (doch steht vor dem + ein deutliches r) 
Marcus Magius Sexti. filius Terrenus miles legionis XI Claudia 
Piae fidelis centuria Crispi libens posuit. — Blümner: Bronse- 
statuette aus Baden in Aargau, mit doppelter abbildung : ein ge 
flügelter knube, der in der rechten hand eine weinbeere, in der 
linken einen abgebrochenen stab, wahrscheinlich eine fackel (wie 
man aus der vergleichung mit dem Lampadophor in Neapel museo 
Borbonico Ill, 27 vermuthen muss) hält, demnach wohl ein „bek- 








. Miscellen. 571 


chischer genius". — Nr. 3. Juli. Rows, Notice historique sur 
Vich et ses environs; alterthümer des bei Nyon gelegenen fleckens, 
dessen name vom lateinischen vicus abgeleitet wird; dabei die ab- 
bildung eines meilensteins und das facsimile der inschrift desselben, 
ia welcher Levade den namen Valerianus, Morel dagegen Trebo- 
nisous herausliest. Mommsen Inscr. conf. Helv. ur. 329 folgt der 
lesart Levade's, jedoch nicht ohne seinen zweifel auszudrücken. — 
Nr. 4. Oct. E: Riickblicke auf die neuesten in der Nordschweiz 
ausgeführten pfahlbauten-untersuchungen. — Heim: Steinbeil aus 
dem canton Zug. — Gross: Un poignard en silez avec sa 
poignée de la station de Finals (lac de Bienne). — Messikommer: 
Kupfer aus der pfahlbaute Robenhausen. — Voug'a: Bracelets 
en bronze de l'époque Larnaudienne (lac de Neuchatel). — Gross: 
Un chariot du premier dge du fer trouvé à la Tene (lac de Neu- 
chátel), wit abbildung des vollständig gut erhultenen rades. — 
Caspari: Dodécaëdre en bronze et masque comique en ivoire, tous 
les deux trouvés à Aventicum. — Blumner: Römische funde aus 
Aventicum, mit abbildungeu; dieselben, welche in der vorigen ein- 
sendung beschrieben sind; die sonst in der Schweiz nocl gefunde- 
men Dodecaeder werden hier aufgeführt. — Schneider: Der altar- 
stein von Brugg mit Mommsens erklärung der inschrift. 

1883. Nr. 1. Jan. Ritz: Fundbericht aus dem Wallis, 


gefässe und ringe zum theil von glas, mit ubbildung. — . Amiet: 
Römische glasgefässe gefunden in Solothurn, darunter riechflasch- 
ehen (1), trinkglüser und -becher, mit abbildungeu. — Vouga: 


La groite du Four; gefässe und bronzeschmucksachen. 
Bulletin de la société des antiquaires de Frunce 1880. (1. bd. 
der 5. serie). Lefort: Gallo-rómische begräbnissstätte zu Muzières 


(Cher) mit aschenurnen. — Vallentin: lateinische inschrift aus 
Valence, auf Aurelian. — Delattre: Neuaufgefundene marmor- 
statue der Venus mit einem Delphin, auf dem Amor steht, zu ihren 
füssen, aus Carthago. — De Witte: Etruskischer spiegel mit ei- 


nem reiter (Melicertes == Hercules, nach dem verf.) und einem 
Delphin; das wort Hercle bei dem reiter und Pakste bei dem 
pferde in etruskischen buchstabenzeichen. — Thédenat: Henkel 
einer amphora mit der aufschrift C. Semp(ronii) O(lympi); mit dem 
plan des platzes in Angers, unter welchem sich der gallo-rómische 
kirchhof befindet. —  Derselbe: Inschrift von Lehoux 1837 aus 
Beyruth in Syrien mitgebracht, auf [ulia Mamaia. — Mowat: 
Zwei Gladiatoreninschriften aus Nimes, beide auf 'lhracier. — 
Moresu: Gallische begräbnissstätte in Trugny (Aisne) mit waffen 
und uruen. — Schmitter: 4 inschriften aus Cherchell (Caesarea 
in Mauretanien), hier mitgetheilt, weil die revue africaine inschriften 
nicht mehr veröffentlicht, aus den jahren 201—210, auf Publius 
Aelius Peregrinus Rogatus den procurator und auf Caracalla; 
desg!. nuífindung einer atutue der griechischen Isis in weissem mur- 





572 Miscellen. 


mor und des rumpfs einer Caryatide. — Roman: Bronzener Discus 
mit dem kopf des Commodus in Autun gefunden. — Schlumber- 
ger: Bleieruer einarmiger auker von der küste Cariens mit der 
aufschrift >QTEIPA. — — Guérin: Ueber die stelle, wo der ko- 
loss von Rhodus gestanden hat. — Terninck: Die bleihaltige gle- 
sur in Gallien. -—  Derselbe: Ueber die lage des vicus 

wo Clodion von Aétius geschlagen wurde (s. Bull. 1879), welche 
er auf dem berge Eleu bei Lens ansetzt, wührend Decagny sid 
für Allaines ausspricht; Longnon dagegen weist nach, dass es das 
jetzige Heléme (Helesmes) sein müsse. — Keller: Eisenstücke aus 
den torfgruben bei Hedingen (Zürich), vielleicht stimuli und t- 
leae der commentarien Casars. — De la Croix: Inschrift aus 
Poitiers, auf Mercurius Adsmerius, zu welcher Mowat eine inschrift 
aus Meaux auf Mercurius Atesmerius anführt. — Longnon: Ueber 
die lage von Vosagus und Lipidiacus — Heron de Villefosse: 
Münzenfund in Monaco, hauptsächlich karthagische münzen. — 
Thédenat: Inschrift aus Bellevue bei Genf, auf Procus. — Ma- 
gard: Nachgrabungen bei Lunnemezan (Hautes-Pyrénées) welche 
besonders mannichfaltige lanzenspitzen ergeben haben, mit abbildung 
und einer abhandlung über saunion und gaisos. — Mowat: Ueber 
die platte mit der aufschrift Romanus (s. Bull. 1879), mit einer 
neuen erklürung der inschrift Cambocluaniduci (Bull. 1877), nebst 
einem excurs über die phalerae, mit abbildungen. Nach Mowat ist 
Romanus der name des pferdes, nicht des besitzers; die zweite in- 
schrift erklärt er Cambo Cluaniduci, uud einige andre punktirte 
buchstaben im innern der scheibe liest er: g(ladiator) I (primes) 
s(pectatus) v(ictor), Cambo für einen gladiator der truppe des 
Cluaniducus haltend; ähnlich erklärt er eine dritte punktirte in- 
schrift Dea Subremi pr(imi) sal(tuarii), wo Dea den namen der 
stute des obcrforstwarters Subremus bezeichnen würde; eine vierte 
inschrift auf einem pferdeschmuck BANNAI erklärt er für des 
namen des fabrikanten, mag das wort der genitiv sein, oder das | 
am ende für das nicht mehr deutlich gebliebene F (fecit) angesehen 
werden. Héron de Villefosse findet alle diese erklürungen, bis auf 
die erste, sehr fraglich. — Saglio: Resultate der von Denis 1833 
und 1834 in Nasium (jetzt Naix) bei Commercy veranstalteten nach- 
grabungen. —  Chazaud: Meilenstein aus Vichy mit einer in- 
schrift auf die beiden Philippe. — Carapanos: Bronzestatuette 
Apollo's aus ‘Tarent. — Heron de Villefosse: Aschenurne aus 
Nasium (Naix) mit einer inschrift auf lulia Mellis und ihre mutter 
Naïs. — Sacaze: Inschriften aus den Pyrenäen. — Heron de 
Villefosse: Gefässe, deren yerfertiger ihren namen auf dem hals 
angebracht haben. — Rayet: Die färbung der kapitäler an tem- 
pelsäulen, besonders in Priene. — Mowat: Scingomagus (Plin. 
Hist. Nat. Il, 108) und Venaxomodorum (Notitia dignitatum). Der 
erste name muss, nach einigen handschriften Strabu's, Excingomagus 





- Miscellen. 573 


geschrieben werden; es kommt nümlich der name Excingus oder 
Escingus haufig in iuschriften beider Gallien vor und Excingo- 
magus bedeutet demnach ,,besitz des Excingus*; für Venaxomo- 
durum verlangt er Venixxamodurum , weil er in der oben er- 
wühnten inschrift auf Adsmerius die letzten worte Venizzam v(o- 
tum) s(olvit) libens) m(erito) vielmehr lesen will WVenixzamus 
libens) m(erito) und dieser mannesname, nach seiner ansicht dem 
obigen geographischen namen zu grunde liegt. —  Rayet: Lan- 
zenspitze mit der aufschrift: @eodwgos avéFnxe [di] Pacidei, 
vielleicht von den deutschen ausgrabungen in Olympia entwendet 
und in Athen zum verkauf gebracht (s. archäol. zeitung uud aus- 
grabungen aus Olympia bd. | eine ühnliche dedication). Noch un- 
veröffentlicht ist die aus Böotien herrührende inschrift auf einer 
lanzenspitze: rov /Jioséwçs Îiagor. — Tissel will in dem von 
Héron de Villefosse herausgegebenen tarif von Zraia lesen va- 
tassae und erklárt es aus dem Berberschen fatassa schote; Héron 
de Villefosse dagegen schlägt jetzt matassae (für mataxae) seiden- 
cocons vor, auf das edict Diocletians C. I. L. t. HI, p. 837 ver- 
weisend. Die 11. zeile liest er jetzt pecora innundin[aria] (d. h. 
nicht zum verkauf auf dem markt bestimmt) jum(enta) immunia. — 
Laurière: Inschriften aus einem neuerdings in Rom nahe der Six- 
tusbrücke blossgelegten columbarium, welches der gens Sulpicia an- 
gehórt hatte, und -- nach Héron de Villefosse — auch alle auf 
diese familie bezüglich. — Quicherat: bruchstück eines gefässes 
in rother sigillaterde aus Poitiers, nach der darauf abgebildeten 
opferspenderiu zu schliessen von griechischer arbeit (abbildung). — 
Mowat: Inschrift aus Allenc (Lozère) auf Gemina. -— Bertrand: 
Bericht über die seit zwanzig jahren in der nahe von Corbeil vou 
Campagne aus der Seine gezogenen broazewaffen, mit einer über- 
sicht über die bisher aufgefundenen formen gallischer und rómi- 
scher schwerter. ---  D'Arbois de Jubainville: Etymologie gallischer 
namen, Noviodunum, Vercingetorix , Allobrox. — De Witte: 
Bronzebüste eines gallischen häuptlings mit dem torques, in der 
Saône bei Lyon gefunden. — Bertrand: Fund eines goldreifens 
und einer bronzenen Oenochoe in Mercey an der obern Saône. — 
Derselbe: Ueber die inschrift des triumpfbogens in Orange; die auf 
Tiberius beziigliche inschrift scheint ihm erst später auf dem frü- 
her schon vorhandenen monument angebracht zu sein. — Thé- 
denat: Griechische inschrift aus Aegypten im gymnasium zu Juilly 
aufbewalrt mit wenigen lesbaren worten. — Sacaze: Inschriften 
aus den Pyrenäen. — Mowat: Inschriften aus Amiens. — — Hé- 
ron de Villefosse: Die inschrift auf Mercurius Dumias in Clermont 
in verbessertem abdruck; nebst einer in punkten auf einer der 
seiten augebrachten inschrift, die bisher noch nicht bemerkt wor- 
den war, und aus der hervorgeht, dass die bronzeplatte von Romo- 
gillius Regalis, einem-sohn des Macer, geweiht worden war. — 


8 





574 Miscellen. 


Gouverneur: Ueber eine aus Dolmen herstammende sammlang vea 
halsbändern in der Bretagne. — Heron de Villefosse: Geschnit- 
tener stein aus Calle (Algerien) eine tänzerin darstellend, von dem 
schon bekannten Leukios gefertigt. — Bertrand: Goldene arm- 
bänder im museum zu St. Germain uud in andern (auch deutsches) 
sammluugen. — Laferribre: Zwei meilensteine aus Pons (Cha- 
rente-Inférieure); wahrscheinlich der regierung des Claudius ange- 
hürig. — Mowat: Zwei celtische iaschriften in griechischen 
buchstaben, die eine den oben erwühnten namen Escingus gebend. — 
Derselbe: Inschriften aus Amiens. — Bertrand: Zwei etruskische 
schalen bei Ludwigsburg in Würtemberg aufgefunden; im anschluss 
daran bemerkungen über den verkehr zwischen Italien und Gallien 


und die zeit desselben. — Thédenat: Siegel eines augenarztes 
aus Reims. — Heron de Villefosse: Verbesserung der inschrift 
aus Graux, auf Sirona. — Mowat: Réwmischer leicheustein ia 


alter zeit schon in einen christlichen altar umgewandelt in le- 
pagnac (Lozére) die spuren der antiken inschrift noch aufweisend, 
mit abbildung. — Derselbe: Ueber die inschriften der gallo-rà- 
mischen altáre im museum von Cluny. — Heron de Villefosse: 
Nachgrabungen in Villefosse (Juliobona); römische bâder, sculp- 
turen, mosaiken. — Houzey: Gefässe aus Rhodus, dem Louvre 
gehörig, den von Schliemaon in Mycenae und von Salzmann in 
Jalyssus gefundenen ganz ähnlich. — Moreau: Nachgrabungen in 
Breny (Aisne), zahlreiche römische münzen und gallo-römische ge- 
fässe. — Gaidoz: Gottheit in buddhistischer stellung zu Nieder- 
koro in Luxenburg: auch Héron de Villefosse und Mowat können 
zu den von Bertrand zusammengestellten typen noch einzelne his- 
zufügen. — Heron de Villefosse: luschrift aus Tebessa auf Theo- 
dotus. — Derselbe: Zwei statuetten aus dem Louvre, Jupiter mit 
einem sechsspeichigen rade in der hand darstellend. Danach er- 
klärt Mowat das wort cota in einer inschrift bei Muratori für die 
handschriftliche notiz „rosa“. — Mowat: Ueber deu gehörnten 
und hingekauerten gott der Gallier, Der verf. stellt den vrienta- 
lischen ursprung der stellung der gottheit in abrede, erkennt io 
dem gehürnten gott den Cernunnos, den die Römer mit Dispater 
identificirten, und leitet von diesem die bildliche darstellung des 
christlichen teufels ab, damit jedoch vielfachen widerspruch erfak- 
rend. — Poinssot: Giebelstück eines Serapistempels in Affreville 
(Algerien) mit einer inschrift, aus welcher der name des kaisers 
weggemeisselt ist; nebst einer griechischen inschrift auf Sarapis 
aus Carthago; der verf. zählt die andern inschriften auf diesen 
gott auf, welche in der provinz zum vorschein gekommen sind, 
und hält die aunahme, dass in Carthago ein Serapistempel bestan- 
den hat, für gesichert; es folgen noch zwei andre iuschriften aus 
derselben stadt. — Quicheras : Inschriften aua Lyon. — Heren 
de Villefosse: Votivstele aus Afrika, jetzt im museum dea Louvre; 





Miscellen. 575 


ein basrelief zeigt Saturn verschleiert zwischen den büsten des 
sonueugottes und der mondgóttin schlafend, „den winterlichen schlaf 
des sonnengottes nach semitischen anschauungen darstellend“. 
Mémoires de la société des antiquaires de France. 1880 (1. bd. 
der 5. serie). Probst: Ueber zwei denkmäler, das eine dem gott 
Cissonius, das andere der göttin Mugontia geweiht. Beide stammen 
aus der nähe von Metz. Die inschrift auf den gott Cissonius, der 
mit Mercurius identificirt auch sonst vorkommt, befindet sich unter 
einem widderkopf (abbildung); oben an dem ganzen cippus befindet 
sich ein ring, als wenn er zum forttragen bestimmt gewesen wäre. 
Die stele, auf welcher die güttin Mogontia überhaupt zum ersten 
mal erscheint, ist gleichfalls abgebildet; es folgen die sämmtlichen 
inschriften, welche, wie diese, den titel tabellarius (s. auch Hirsch- 
feld, Die kaiserlichen verwaltungsbeamten, Berlin 1876, Desjardins, 
Bibl. de l'école des hautes études 1878 p. 51— 81) enthalten, — 
Thédenat: Aegyptisches augensalbenbesteck im museum des Louvre, 
webst erklärung der darauf befindlichen inschriften uud mit berück- 
sichtigung der ühnlichen bestecke in Leyden, mit abbildungen. 
Séances et travaux de l'Académie des sciences morales et po- 
litiques. 1880. Bd. XIV (juli bis december). Havet: Beurthei- 
lung zweier preisschriften über die morallehre, welche aus den 
schriften des Aristoteles über ethik sich ergieht. — Fustel de 
Coulanges: Studie über das eigenthum in Sparta (Fortsetzung aus 
bd. XII] und schluss). Cap. 8. Ueber die ungleichheit der ver- 
mogen und über die ursachen, welche das kleine eigenthum haben 
verschwinden lassen. Der verfasser findet diese ursachen in der 
ausnahmslosen beschrünkung des bürgerrechts auf die eingeborenen 
Lacedümonier, in der beschrünkuug der rechtmüssigen und erbbe- 
rechtigten ehe auf mitglieder der landesgemeinde, endlich in der 
verminderung der zahl der bürger durch deu verlust des bürger- 
rechts in folge einer gerichtlichen verurtheilung. Aus allen diesen 
gründen wurde gegen ende des staats das vorhandensein bedeu- 
teuden grundbesitzes immer grósser, die zahl der kleinen besitzer 
immer geringer. — Picot: Anzeige von Lenormant, Les origines 
de l'histoire d’après la Bible et les traditions des peuples orien- 
faux; es wird besonders gerühmt, dass der verfasser die forderun- 
gen des glaubens mit den ergebnissen der wissenschuft in überein- 
stimmung zu bringen weiss. — Duruy: Anzeige von Ceuleneer, 
Essai sur la vie de Septime Sévère; mehr eine reiche fundgrube 
zusammengetragenen materials als ein durchgeurbeitetes werk. — 
Duruy: Die bildung einer staatsreligion im römischen reich. Der 
verfasser bespricht besonders die art und weise, durch welche der 
kaiser Augustus die religionen der verschiedenen barbarischen pro- 
vinzen mit dem römischen cultus in verbindung brachte; er rech- 
net dazu besonders die einführung der verehrung der Laren und 
des damit verbundenen cultus des Genius Augusti. — Giraud: 





576 Miscellen. 


Le concubinat en droit romain; nach der ansicht des verfassers 
war der concubinatus nicht, wie nach modernen begriffen, eine mo- 
ralisch verwerfliche lebensweise, sondern eine bestimmte persónliche 
stellung, ein durch die gesetzgebung geregelter und gewisse bür- 
gerliche folgen nach sich ziehender gesetzmüssiger zustand. Dies 
sucht er in diesem ersten theil seiner abhandlungen vorlüufig durch 
die aussprüche der modernen lehrer des römischen rechts von Ca- 
jatius an zu begründen. 


1881. Bd. 15. H. Martin, Bericht über Bertrand, L'auid 
de Saintes et les Triades gauloises (s. rev. archéol. 1881). — 
Duruy: Die provinzial-versammlungen im jahrhundert des Augustus. 
Es handelt sich um die zuerst von Drusus und später noch in 
Lugdunum und wahrscheinlich auch an andern orten Galliens und 
Spaniens zusammenberufenen notabeln. Der verf. führt den allge- 
mein eingeführten cultus der verstorbenen kaiser auf die verehrung, 
welche das alterthum für die manen hegte, die abgöttische ehr- 
furcht, welche man dem lebenden kaiser zu zollen hatte, auf die 
achtung , welche der sohn für den genius des vaters empfand, zu- 
riick. — Levasseur: Skizze der ethnographie Frankreichs. Der 
verfasser behandelt hauptsächlich, im anschluss an Lagneau’s ar- 
beiten, die Celtenfrage und den unterschied dieses volks von den 
Germanen; mit bemerkungen von H. Martin und Duruy. — Franck, 
Bericht über Giovanni, Severino Boezio filosofo e à suoi imitatori. 
-- Geffroy, Bericht über seine eigenen Marques de briques romai- 
nes (in der rev. archéol. 1881). = Eugene Levéque, bericht über 
Charles Levéque, Les mythes et les légendes de l’Orient et de la 
Grèce dans Aristophane, Platon, Virgile, Ovide, Tite-Live etc. — 
E. Levéque, Bericht über Wallon, Histoire de l'esclavage dans l'en- 
tiquilé — Havet, Bericht über Aubé, Les chrétiens dans l'empire 
romain de la fin des Antonins au milieu du IIlème siècle. — 
Franck, Bericht über Lilla, S. Tomaso d'Aquino, filiosofo in rela- 
zione con Aristotele e Platone. 

Bd. 16. Have, Bericht über d'Eichthal , Socrate et notre 
temps, Théologie de Socrate. —  Lagneau: Ethnographische ge- 
schichte Spaniens und Portugals, mit bemerkungen von H. Martin. 
— H. Martin, Bericht über marquis de Nadaillac, Les premiers 
hommes et les temps préhistoriques. — Duruy: Die ersten jahre 
der regierung Constantins. -- Huit: Plato in der akademie, grün- 
dung der ersten philosophischen schule in Griechenland. 

Bd. 17. Duruy: Die religiöse politik Constantins (vergl. 
rev, archéol. 1881). — Chauvet: Die logik des Galienus. — 
Duruy. Bericht über Benoist und Riemann, Tite-Live, XXIème et 
XXlléme livres (schulausgabe). 





I. ABHANDLUNGEN. 


XVIII. 
Ueber den chor in Aristophanes’ Babyloniern. 


Hinsichtlich der in den Babyloniern des Aristophanes nach den 
angaben der alten den Athenern vorgefübrten barbarischen sklaven 
lassen sich einige schon früher aufgestellte ansichten zu grösserer 
evidenz bringen, als sie bisher gehabt haben. So äussert noch 
Kock, Fr. com. att. I, p. 408, über den chor dieser komoedie 
keine bestimmte meinung, sondern erwühnt die ansicht Bergk's und 
Dindorf’s, denen noch G. Gilbert, Beitr. z. inn. gesch. Athens, p. 
148, hinzuzufügen gewesen wäre, nach welcher er aus eben diesen 
sklaven bestanden hätte, und die Fritzsche’s, der ihn aus vornehmen 
Athenern gebildet werden lässt, neben einander. Doch verdient 
diese vorsicht, da bisher keine der beiden ansichten als bewiesen 
gelten konnte, nur anerkennung. Wohl aber beruht es auf einer 
nicht begründeten voraussetzung, wenn Kock ebendaselbst fortfabrt : 
legatos a rege Persarum redeuntes Dionysumque deum in scaenam 
inductos fuisse fragmenta ostendunt. Während nämlich letzteres 
sicher ist (vgl. fr. 70 K.), kaun ersteres neben der annahme des 
aus barbarischen sklaven zusammengesetzten chors nur unter der 
voraussetzung bestehen, dass Bergk (Fr. com. Graec. ed. Mein., Il, 
2, p. 969) mit seiner vermuthung recht hätte, dass ein gesandter 
vom Perserkónige (womit allerdings das legatos a rege Persarum 
redeuntes Kock’s nicht ganz identisch ist) mit einer grossen schaar 
von begleitern aufgetreten würe, und dass diese begleiter (die man 
sich als sklaven denken müsste) den chor gebildet hätten. Bei 

Philologus. XLII. bd. 4. 39 





578 . Aristophanes. 


anderer auffassung des barbaren-chors (z. b. bei Dindorf Poet. 
scen. p. 185: quem ex servis molitoribus compositum fuisse 
Hesychii loco edoceri videmur), fällt jeder grund für die annahme 
der erwühnten gesandtschaft fort. Denn dass die in den fragmenten 
erwühnten, offenbar sich in untergeordneter stellung befindenden 
barbaren verschiedenen kreisen angehörten, muss für äus- 
serst unwahrscheinlich gelten. Ebenso würde mau also, wenn 
Fritzsche, De Babyl. Arist. comm., p. 20 ff., mit seiner behauptung, 
dass die in einigen fragmenten gekennzeichneten barbarischen ge- 
stalten auf der bühne und nicht in der orchestra zu suchen wären, 
recht hat, die iu diesem falle ein wenig zu modificirende Bergk'sche 
ansicht nur dann für möglich halten können, wenn die barbaren 
mit unrecht als servi molitores bezeichnet worden würen. 


Nun ist aber die Bergk'sche ansicht in ihrem eigenthümlichen 
grunde — dass nàmlich der dichter, der die leichtglaubigkeit der 
Athener rednern wie Gorgias gegenüber hätte geisseln wollen, es 
vorgezogen hätte, anstatt reden dieser art einen persischen ge 
sandten einzuführen — iu keiner weise stichhaltig !), wie dies tref- 
fend in der Amsterdamer dissertation von J. H. Gunning, De Ba- 
bylouiis Arist. fabula, 'Traj. 1882, p. 33, nachgewiesen wordes 
ist. Wir sind also, da aus dem namen des sticks sich kein 
schluss auf die specialität der barbaren ziehen lässt (Hesych. Ba- 
Buiwrios, oi Pupßagos naga roig "inxoig), für die bedentung 
dieser, sei es nun auf der bühne, sei es als chor auftretenden bar- 
baren lediglich auf die fragmente selbst und das von citirenden 
schriftstellern bemerkte angewiesen. 


Die écriyuéros (vgl. die fr. 64 und 88 citirenden lexiko- 
graphen und fr. 97) sind nach Hesychius (Cauíwov 6 duos gre 
116 nuoa 1 Agsctopaves Touç £x 100 muAwvoc iduv Baßr- 
Awvlouc: Saulwr o dquos xrÀ.) in der stampfmühle oder kommen 
aus derselben; die auffassung, dass die worte irgend welche ge- 
stalten mit sklaven, wie sie sich an dem genannten orte zeigen, 
etwa nur vergleichen kónnten, ist ausgeschlossen. Die servi 


1) Gegen Bergk sprechen sich auch Gilbert und Joh. Muhl, Zur 
gesch. d. att. kom., progr. Augsb. 1881, p. 34, aus; des letzteren her 
leitung des titels „von den bombastischen worthelden unter führung 
der Gorgias", die auch den chor gebildet hätten, hat wenig wahr- 
scheinlichkeit. 





Aristophanes. 579 


molitores Dindorf’s, welcher mit recht auch auf das (woresor seines 
fr. 66b (— 93 K.) hinweist, sind also wohl begründet, und da 
wirkliche müllerknechte als begleiter persischer gesaudter doch sehr 
wenig geeignet sein würden, ist keine veranlassung, eine solche 
gesandtschaft für unser stück vorauszusetzen, vorhanden. 

Doch suchen wir mehr positive resultate zu gewinnen. 
Die annahme Dindorf’s, dass die müllerknechte den chor des stü- 
ckes gebildet hätten, ist , nachdem sie von Fritzsche angegriffen 
worden war, von Gunning wieder aufgenommen worden. Die zu- 
rückweisung der gründe der Fritzsche’schen polemik ist demselben 
(p. 2 ff.) trefflich gelungen; für das dadurch noch keineswegs ge- 
wonnene positive resultat scheint jedoch das hauptgewicht auf das 
fr. 79 zu legen zu sein: 7 nov x«1à Groíyovc xexgatorral ts Bag- 
Bugsort. Denn wenn sich anch die bezeichnung xazu ocroiyous 
in den antiken dramen nur an dieser stelle findet, wo kein zu- 
sammenhang vorhanden ist, der uns lehren kónnte, ob sie in ihrer 
feststehenden technischen bedeutung (Poll. IV, 109) angewaudt ist, 
so muss dieses doch als das bei weitem wahrscheinlichste 
erscheinen ?), wenn man bedenkt, dass der ausdruck Cuya in dem 
entsprechenden sinne dem sprachgebrauch der komoedie nicht fremd 
ist, sondern sich schon bei Kratinos, in der Pyläa, vorfand (fr. 
173). Die von Guoniag, p. 16, geäusserten zweifel sind nichtig ; 
denn auch zugegeben, dass fr. 66: Zoruo9” êpeËëns mavres imi 
zoeis dontduc, auf den chor gehen müsste — was nicht ausge- 
macht ist —, so ist es doch durch nichts indicirt, es in uahe ver- 
bindung mit dem hier behandelten fragmente zu bringen. Was 
aber das von demselben aufgenommene bedenken Kock's (p. 412) 
betrifft: barbarorum chorum carmen aliquod canere parare interpre- 
tatur. Bergkius; sed quis barbarum carmen intellegeret, 
so ist die ansicht Bergk's (p. 974) uugenau wiedergegeben; Bergk 
“ sagt nur, es erwarte jemand, dass der chor ein solches lied an- 
stimmen würde, und dass nach der äusseren erscheinung desselben 
eine solche — allerdings nicht in erfüllung gehende — vermu- 
thung ausgesprochen wird, hat uicht das geringste bedenken, so dass 
man also wohl als mindestens im höchsten grade wahrscheinlich be- 
zeichnen darf, dass der chor in den Babyloniern aus barbarischen, 


2) Auch Bergk, p. 975, fasste die betr. worte so auf; ebenso 
Muhl, p. 36. 


39° 





580 Aristophanes, 


zur arbeit in einer stampfmühle verurtheilten sklaven bestand, deren 
abenteuerliches äussere zu allerlei scherz- und spottreden veranlas- 
sung bot. 

Dass diese eigenthümliche fiction den Athenern das harte loos 
der bundesgenossen (xai zov; Ónpov; d» ruiç nodeciv delkac 
wg dnuoxgarovvias, Ach. 642) klar vor die augen führen sollte, 
ist gegen den nicht weiter begründeten zweifel Müller - Strübing’s, 
Arist. u. d. hist. krit., p. 59, neuerdings wieder richtig von Guo- 
ning p. 9 ff, hervorgehoben worden. Doch scheint, wie ehenfalls 
noch gegen Müller-Strübing zu bemerken ist, bei dem gedanken, 
sie gerade als sklaven dieser art darzustellen, das gewerbe des 
damals einflussreichen Eukrates von einfluss gewesen zu sein, (Schol. 
Ven. Ar. Equ. 254), wie schon Fritzsche p. 20. 40, und K. 0. 
Müller, Gr. litt. gesch. Il, p. 219, angenommen hatten >), während 
Gilbert diese beziehung ohne angabe seiner gründe lüugnet. 

Neben dem sich auf das äussere des Babylonier- chors bezie- 
henden scherzworte 4) za usıwra ‘Jotgsuva (Fr. 88) findet sich 
auch das oft citirte, jedenfalls in demselben sinne gemeinte Za- 
ulwr ó dnwog orev’ wg noAvyoampmarog, das um so 
mehr eine berücksichtigung verdient, als die beiden letzten erklärer 
desselben, Kock (p. 408) uud Gunning (p. 13) bei einem non 
liquet stehen bleiben, Und doch dürfte es nicht müglich sein, die 
bei Suidas und Photios (Saulwv o duos) unter anderen erklä- 
rungen gegebene beziehung auf das im vergleich zu dem damali- 
gen attischen reichhaltigere ionische alphabet mit Dindorf, 
Poet. scen. p. 186, Fritzsche p. 19, Bergk p. 973, und Gunning 
p. 8, so ohne weiteres zurückzuweisen. Freilich hat Dindorf recht, 
wenn er in den sich bei Suidas (fast ebenso bei Photios) an die 
erwähnte erklärung anschliessenden worten: 1006 d° °A9nvalov 
Eneıce 07090 wig wy "Iuvwv youupucw * Moyivog 6 "AFnvaios 
«! 4ox(vov 0’ “AFnvalov codd.» ini aeyoviog Evxieldov, rod; di 
BuBviwrfovs edldage dix Kudisorgutov ‘Aguoroparns Ereos go 
zov EvxAeldov xe’ «xai codd.> éni Evxitoug, need dì 100 xeb- 
davioc iorogei Oeonounoc, eine polemik gegen dieselbe erblickt; 
aber ist diese polemik treffend? Wer zweifelt heut zu tage daran, 


3) Fritzsche wollte deshalb das fragment (696 K.): xai où xvpy- 
Bsonwia Hoxyates srünnaf, gerade auf unser stück zurückführen. 
4) Vgl. auch Fr. 97; etwas anders ist das ob. besprochene Fr. 79. 





Aristophanes. | 581 


dass schon geraume zeit vor dem jahre des Eukleides (403) das 
ionische alphabet in Athen bekannt war%)? Wenn es aber be- 
kannt war, konnte es von der komoedie sehr wohl zu scherzen 
und anspielungen benutzt werden. 

Dass jemand, der die gebrandmarkten (vgl. die p. 578 cit. stellen) 
müllerknechte erblickt, bei der gewohnheit, u. a. auch buchstabeu zu 
diesem zwecke zu benutzen (vgl. Plaut. Cas. 285: si hic litteratus 
me sinat), sie wegen ihrer grossen anzahl — bekanntlich bestand der 
chor auch gerade aus 24 choreuten — scherzweise mit den zoAv- 
youppatos "Iwveg verglich, würde man also für völlig begreiflich 
halten. Aber weshalb gerade die folgerung; „das ist gewiss das 
volk der Sa mier; denn wie reich sind sie an buchstaben“ ? 

Hesychios a. o. behauptet u. a., dass die Samier zuerst das 
vollständige alphabet in gebrauch gehabt und es für die übrigen 
Hellenen vermittelt hätten (dsadovzec). Mit dem zweiten theile 
dieser behauptung, der schon an sich glaubwürdiger zu sein scheint 
als der erste®), stimmt das schol. B H 185 (ebenso Leid. und 
Lips) überein; ..... Kuiilorgarog dà o Zaápsog ini 
tw Ilionorvgoiexüv Tavıny ueijveyxe tv youuuurixnr xal mu- 
eédwxev AFnraloss, wc nov "Egogoc (FHG I, p. 270, 
cf. IV, p. 672)... . Dies scholium verdient allerdings deshalb 
besondere beachtung, weil es zu dem verse des Aristopha- 
nes schlechterdings keine beziehung hat; aber ist des- 
halb die sonst nirgends erwähnte thatsache als solche hinzunehmen? 
Und wenn dies der fall ist, welcher zeit gehört sie ant — Entschei- 
dend ist ein von Bekker nach dem rugédwxer “APnvatoss in das 
scholium aus dem Victorianus, der bekanntlich in vielen scholien 
das richtige erhalten hat, aufgenommener zusatz: ni agyovroc 
Evxinrou Dass dies aus EvuxAc(dov verschrieben ist, wird 
niemand bezweifeln. Der archon des jahres 403 passt aber nicht 
zu dem vorhergehenden à ni rw» /7eZonorrnosaxwòy, ganz ab- 
gesehen davon, dass für die zeit, wo ein iu Athen längst bekanntes 
alphabet nur officiel! eingeführt wurde, ein sagadovvas seitens 


9) Vgl. auch noch Gardthausen, Gr. pal., p. 106. 

6) In noch entschiedenerem widerspruche mit den thatsächlichen 
verhültnissen steht die auf den Ephesier Andron (FHG II, p. 348) 
zurückgeführte erklärung 07 naga Xauiog sópé95 nouroc ta xd 
yeauuata uno Kallorgdrov, vgl. auch Tzetz. chil. XII, 61 f£, und über 
diesen F. A. Wolf, Prol. p. 63 not. 





582 ' — Aristophanes. 


des Kallistratos schlechterdings nicht gesagt werden könnte. Es 
wird aber auch der archon des jahres 427/6, EvxAsfógg genannt, 
und zwar bei Diod. XII, 58 und Schol. Ven. Ar. Equ. 237, wäh- 
rend — was für unsere frage jedoch gleichgültig ist — durch 
Arist. Meteor. I, 6, p. 343 8 4, die form EöxAng allerdings besser 
beglaubigt zu sein scheint. 

Da nun gerade in diesem jahre des Eukles oder Eu- 
kleides die Babylonier aufgeführt worden sind, so 
ergänzen und stützen einander die S«puos nodvygdupatos des Ari- 
stophanes und die von Ephoros dem Samier Kallistratos zugeschrie- 
bene thütigkeit ia willkommenster weise. Die art und weise des 
diesem beigelegten ueragpéges» xai mupadovras der ionischen buch- 
staben wird sich freilich nicht ergründen lassen; doch liegt es 
nahe, an die wohl nur vorübergehende aber aufsehen erregende 
thätigkeit eines rhetoren oder sophisten, durch den sich die kennt- 
niss des ionischen alphabets zuerst in weiteren kreisen Athens ver- 
breitet haben konnte, zu denken *). 

Ich sollte denken, dass diese erklirung des viel besprochenen 
verses uns genügen muss und auch kann. Und doch möchte ich 
es nicht für ausgeschlossen balten, dass der dichter zugleich an die 
von Plutarch (Per. 26), Aelian (V. H. Il, 9), Suidas und Photios 
erwähnte, allerdings schon vor 13 jahren erfolgte brandmarkung 
der flüchtigen samischen kriegsgefangenen anspielt9). Diese 
massregel zu bezweifeln, wie es neuerdings von Gunning p. 9 ff. 
geschehen ist, liegt kein ausreichender gruud vor; denn es ist kei- 
neswegs ausgemacht, dass der betreffende bericht auf den Samier 
Duris oder nur auf diesen zurückgebt, in welchem falle er al- 
lerdings mit bedenken aufzunehmen sein würde; denu Plutarch, der 
Per. 28 und Alc. 32 diesem schriftsteller gegenüber in richtiger 
weise kritik übt, würde eine solche, wenn seine andern quellen 

7) Ob Andron (vgl. p. 581, 6) diesem Kallistratos wirklich die er- 
findung der 24 buchstaben zugeschrieben, oder ob er — worauf 
ein vergleich mit Hesychios zu führen scheint — von der erfindung 
und der übertragung nach Athen gesprochen, und etwa letztere dem 
Kallistratos beigelegt hatte, so dass das verhültniss durch einen der 
excerpenten verdunkelt worden wäre, muss auf sich beruhen bleiben. 

8) Hieraus folgere ich jedoch keineswegs, dass ein choreut (oder 
auch etwa mehrere) speciell den samischen demos repräsentirt hätte, 
wie Gilbert annimmt, nach dessen ansicht auch die übrigen bundes- 


enossen von choreuten mit besonderen kennzeichen dargestellt wor- 
en sind. 





Aristophanes. 583 


(cap. 28 werden Ephoros uud Aristoteles genannt) geschwiegen 
bátten, hier schwerlich unterlassen habeu, und die worte bei Suidas 
und Photios: 10 dé nAuouu Sovesdug lassen sich recht wohl nur 
auf das unmittelbar vorhergehende, die aus den Noero, des 
Lysimachos angeführte erklärung des wortes oauusra, beziehen, 
besonders wenn man es, wie Müller, FHG II, p. 483, für wahr- 
scheinlich hält, dass sie aus Lysimachos selbst herübergenommen 
sind?). Ebenso wenig sind wir aus inneren gründen berechtigt 
an der thatsache zu zweifela (wie Guoning p. 11): es genügt, 
aus dem angeführten capitel des Aelian, wo bei Perizonius 
auch andere belegstellen zu vergleichen sind, an das gegen die Ae- 
gineten eingeschlagene verfahren zu erinnern. Und was endlich 
das von Gunning p. 13 gebilligte bedenken Kock's (p. 408) be- 
trifft: „servum noctua nolatum (bekanntlich sind nach Suidas und 
Photios und Aelian die samischen flüchtlinge mit diesem zeichen 
gebrandmarkt worden) dici vir posse nmolvygauuaror“, so thut 
dasselbe den worten des dichters gewalt an, da dieser nicht einen 
der knechte (vgl. anm. 9) sondern die gesammtheit derselben, von denen 
mindestens sehr viele, wenn nicht alle, Zomymévos sind, so nennt. 

Die frage, ob wir neben der im obigen gefundenen bedeu- 
tung des viel citirten und besprochenen verses noch diese neben- 
sächliche anspielung !?) in ihm suchen dürfen, wird also darauf 
hinauskommen, ob man eine solche mit der linge der seit dem Sa- 
mischen kriege verflossenen zeit noch vereinbar, oder mit Fritzsche 
p. 19 und Guuning p. 9 deshalb für ausgeschlossen halt, wor- 
über die meinungen wohl aus einander gehen werden. 

9) Bergk's (p. 973) conjectur ro dé xolacpua Aovgıdos wird mit 
recht von Bernhardy zurückgewiesen. Dieser selbst bezieht die über- 
lieferten worte freilich in ebenso wenig zu billigender weise auf das 
folgende: oi de 19» ciuaivur vomoua elvas. 

10) Die von Suidas und Photios ebenfalls zur erklärung des verses 
herbeigezogene, von Aristoteles (Fr. 537) erwähnte aufnahme von 


sklaven in die samische bürgerschaft hat mit recht keine vertheidiger 
gefunden (vgl. Gunning p. 12). 


Hamburg. Hermann Schrader. 
Zu Valerius Maximus. 

Il, 10, 2 laeti quod Scipionem vidisse contigisset, ad lares re- 
verterunt: Cornelissen deutet richtig an, dass die praedones vom 
Literninum nicht ad lares, sondern ad naves zurückgekehrt seien. 
Valerius schrieb wohl ad rates. 

Würzburg. A. Ensmer. 





XIX. 


Plutarchs bericht tiber das bergwerksgesetz des 
Themistokles. 


Die nachrichten, welche Plutarch in der biographie des The- 
mistokles (c. 4) über das von demselben beantragte bergwerks- 
gesetz gibt, sind deswegen sehr werthvoll, weil sie die angaben 
des Herodot und des Thukydides wesentlich vervollständigen und 
berichtigen. Aus Plutarch allein entnehmen wir die wichtige tbat- 
sache, dass Miltiades sich dem plan des Themistokles widersetzte. 
Hieraus ergiebt sich, dass das bergwerksgesetz, für dessen zeit uns 
Herodot und Thukydides keinen sicheren anhalt bieten, noch vor 
der schlacht bei Marathon eingebracht worden sein muss; dens 
nachber bleibt hierfür wegeu der gleich folgenden expedition ge- 
gen Paros kein raum mehr. Auch würde es uumittelbar nach dem 
siege des Miltiades schwerlich gelungen sein, gegen dessen willes 
einen antrag durchzubringen. 

Ferner ist Plutarchs darstellung in einem puncte richtiger, 
als die Herodots. Nach Herod. VII, 144 sollen nämlich auf The- 
mistokles’ antrag 200 schiffe gebaut worden sein. Dass diese an- 
gabe auf einem irrthum beruht, ist langst auerkaunt. Nur hatte 
man deswegen nicht auf den gedanken verfallen sollen, die zahl 
dinzocius aus dem texte des Herodot zu streichen; denn wie will 
man es erklären, dass die nämliche zahl bei Justin Il, 12, 12 wie- 
derkehrt! Wie Bauer, Themistokles p. 164 hiergegen geltend 
machen kann, dass der text des Justin sehr schlecht überliefert sei, 
ist mir unverstándlich; die angaben Herodots und Justins stützen 
sich doch wohl gegenseitig. Auch kann das zahlwort bei Herodot 





Zu Plutarchos. 585 


deswegen nicht getilgt werden, weil es dem geschichtschreiber 
jedenfalls darum zu thun war anzugeben, wieviel schiffe die Athener 
auf den antrag des Themistokles gebaut hatten. Nach Plutarch 
betrug die anzahl nur 100. Diese angabe, die sich auch bei Ne- 
pos Them. 2, 2 und bei Polyaen I, 30, 6 findet, ist allem an- 
schein nach richtig. Es spricht hierfür folgende erwügung. Vor 
der schlacht bei Marathon besassen die Athener nur 50 schiffe, 
so dass sie, um es mit den Aegineten aufnehmeu zu können, von 
den Korinthern noch 20 leihen mussten. (Herod. VI, 89). Um 
diese zeit mag wohl Themistokles seinen antrag gestellt haben. 
Beim herannahen der Perser verfügten die Athener, wie aus He- 
rod. VIII, 1 hervorgeht, zunächst nur über 147 trieren; die später 
berangezogene verstürkuug (Her. VIII, 14) bestand wohl aus neu- 
gebauten schiffen (vgl. VII, 144 £:£gag te Fdse zQ00vaunnyéecFas). 
Plutarchs angabe scheint biernach richtig zu zein. 

Sodann muss hervorgehoben werden, dass Plutarch ausdrück- 
lich auf einen umstand hinweist, der von Herodot nur angedeutet 
wird, nümlich dass Themistokles deu krieg mit Aegina als gruud 
für die vermehrung der flotte vorschützte, wührend er in wirk- 
lichkeit die von den Persern drohende gefahr im auge hatte. Dass 
Themistokles den aeginetischen krieg lediglich als vorwand be- 
nutzte, wird von Herodot nicht direct gesagt; es lüsst sich hóch- 
stens entnehmen aus den worten: GOtuicroxAE£g; avéyvwos dO nvalovg 

. vfag roviw» THY yogadru» nomoao9u dinxogiag dg TOY 
xóAsuov, tov "góc Alysynjrag Aéywr, die die vorstellung erwecken, 
dass er wohl von dem aeginetischen krieg sprach, aber an einen 
anderen dachte, und aus der bemerkung, dass die schiffe zu dem 
von Themistokles angegebenen zwecke gar nicht gebraucht wor- 
den seien. Diese angabe scheint übrigens auf einem irrthum zu 
beruhen; denn man sieht nicht ein, warum die Athener, die vorher 
zur bekümpfung der Aegineten noch schiffe von den Korinthern 
batten leihen müssen, sich nun der neu gebauten schiffe nicht be- 
dient haben sollen, zumal der krieg sich noch bis zum heranrücken 
des Xerxes hinzug (Herod. VII, 145). Plutarch zeigt sich auch 
hier wieder besser unterrichtet; denn wenn er sagt: éxuroy . . . 
àmoj9gscav tesjeess, olg!) xai ngóg ZéoEnv éravuaynour, so 


1) So ist jedenfalls, wie schon Schmidt, Perikleisches zeitalter I, 
228 vermuthet, zu schreiben statt des überlieferten af. 





586 Zu Plutarchos. 


setzt er voraus, dass die schiffe auch gegen Aegina zur verwen- 
dung kamen. Dies wird auch geradezu bezeugt von Nepos Them. 
2, 3, wo nur durch ein versehen die Kerkyrüer statt der Aegi- 
neten genannt sind: Qua (classe) celeriter effecta primum Corcy- 
raeos fregit. 

Endlich ist Plutarch noch die nachricht eigenthiimlich, dass 
dem 'Themistokles von seinen geguern vorgeworfen wurde: ws 10 
dogu x«i rjv conida ww nodstwv napedbpevog tlg bxngecsoy xai 
xuin5y» ovvedresde tov “AInvalwy diuor. Höchst wahrscheinlich 
fand Plutarch, wie Schmidt, Perikleisches zeitalter II, 127 vermu- 
thet, in seiner quelle auch die angabe, dass Miltiades in der voa 
Themistokles beantragten massregel eine gefahr für die v erfas- 
sung erblickte, denn hierdurch erklärt sich am natürlichsten die 
sich an den historischen bericht anschliessende bemerkung: si ner 
dn tqv axelBeav xai 10 xudagòr tov nolwutvparog EfAawer n 
un taviu noakas, Éorw gslocoguwregor ensoxoneiv’ On dè n row 
Gwingin éx tig Dalaoons banoke .. . ta 1° Ghia xai Agi 
UÜTOG Euuprvonos x. T A. 

Wenn nun aber Plutarchs bericht sich in hohem masse durch 
genauigkeit und vollständigkeit auszeichnet, so ist die frage, aus 
welchen quellen er seine angaben entnommen haben mag, von nicht 
geringem interesse. Von vornherein liegt die annahme sehr nahe, 
dass Plutarchs darstellung , sei es direct sei es indirect, auf einen 
zeitgenössischen berichterstatter zurückgeht. Für die an- 
gabe, dass Miltiades sich dem plane des Themistokles widersetzte, 
wird nun Stesimbrotos von Thasos als gewährsmann ge 
naunt. Da für die benutzung einer anderen quelle kein anbalts- 
punct vorliegt, so hat die zum theil auf andere erwägungen ge- 
gründete auvahme Schmidts, dass auch die sonstigen nachrichten 
aus Stesimbrotos entnommen sind “), schon an sich nicht geringe 
wahrscheiulichkeit, Bei abermaliger prüfung, zu der mich Bauers 
widerspruch °) veranlasste, glaube ich eine bestätigung jener von 
mir schon früher *) getheilten ausicht gefunden zu haben. 


2) Perikl. zeitalter I, 227 ff. 

3) Themistokles p. 162 ff., vgl. hierzu meine recension im phi- 
lol. Anz. 

4) Untersuchungen über die darstellung der griechischen ge- 
schichte von 489 413 bei Ephoros, Theopomp u. a. autoren p. 153 ff. 





Zu Plutarchos. 587 


Wie bereits Schmidt (Perikl zeitalter II, 126) hervorgehoben 
hat, setzt Plutarch bei dem übergang von dem dritten zum vierten 
capitel irrthümlich voraus, dass das bergwerksgesetz erst nach 
der schlacht bei Marathon eingebracht worden sei; denn dasselbe 
wird ja angeführt als beweis dafür. dass Themistokles in jener 
achlacht nur den anfang grösserer kämpfe erblickte. Schmidt 
glaubt, dass Plutarch hier lediglich durch flüchtiges excerpiren des 
Stesimbrotos, in dem die zu beginn unseres capitels stehenden 
worte xai zQurov ufv eine andere beziehung gehabt hätten, einen 
fehler in die darstellung gebracht habe; es lüsst sich indessen nach- 
weisen, dass er durch eine andere quelle irre geführt wurde. Der- 
selbe fehler begegnet uns nämlich auch bei Justin. Il, 12, 12: 
Namque Athenienses post pugnam Marathoniam praemonente The- 
mistocle victoriam illam de Persis non finem sed causam maioris 
belli fore ducentas naves fabricaverant. Augenscheinlich schöpfen 
Plutarch und Trogus hier aus derselben quelle, wofür namentlich 
auch die in der ausdrucksweise mit Justin übereinstimmende be- 
merkung Plutarchs spricht: of uèr yao &ÀÀos mégag movto 100 
zoÀéuov tiv iy Magadav 19v BagBugwy nızuv, Oeusoroxdig dé 
aeynv pelorwy aywrwr. Die gemeinsame quelle ist jedenfalls 
Ephoros, den Trogus nachweislich sowohl im vorhergehenden 
wie im folgenden benutzt hat 5), Der irrthum des Ephoros erklärt 
sich durch ein allerdings sehr nahe liegendes missverstándniss einer 
stelle des Thukydides (1, 14, 2), deren richtige erklarung wir 
erst Schmidt ) verdanken. Für Plutarchs bericht über das berg- 
werksgesetz selbst kann aber Ephoros nicht mehr die quelle ge- 
wesen sein. Es geht dies nicht nur hervor aus der von Justin 
abweichenden angabe, dass 100 schiffe gebaut worden seien, son- 
dern auch aus der bemerkung, dass Themistokles seinen antrag 
lediglich durch den hinweis auf den krieg mit Aegina begründet 
habe, ohne an Dareios zu erinnern: où #ugeïor ovdi Hégous (ua- 
xouv ydg 10a» ovtos xai dtos ov nuvv (flou we agsEopevos 
nugetyov) énoelwr, Aia 17 ngog Alywiitas doy], xai quAovtix(a 
100» nolstwy anoyonoaueros. Also an einen krieg mit den Per- 
sern dachte man damals deshalb nicht, weil dieselben weit entfernt 

5) Man vergleiche Just. II, 12, 10 mit Diod. XI, 14, 3 und Just. 


Il, 12, 18 mit Diod. XI, 15, 3 ff. 
6) Perikl. zeitalter II, 11 ff. 





588 Zu Plutarchos. 


waren! Fiir die zeit nach der schlacht bei Marathon konnte dies 
nicht mehr gelten. Wenn man sich damals sicher glaubte, so 
konnte hierzu weniger die grosse eutfernung bestimmen, die die 
Perser schon einmal zurückgelegt hatten, als der errungene sieg, 
der von einer zweiten invasion leicht abschrecken konnte. In der 
von Plutarch hier benutzten quelle wird demnach, wie Schmidt II, 
9 betont, vorausgesetzt, dass das bergwerksgesetz noch vor die 
schlacht bei Marathon falle. Diese auffassung tritt auch hervor 
an einer späteren stelle. Themistokles soll nämlich bei seinem be- 
streben, die Athener zu einem seevolk zu machen, geleitet gewesen 
sein von der ansicht, dass dieselben zu lande nicht einmal ihren 
greuznachbarn gewachsen seien: xuraßıßalwv 1)v noAsr weog ijv 
Jaluoour, wg rà nela uiv oùdè roig omogoss abiopayovg Orrag. 
Auch diese angabe lüsst sich our beziehen auf die zeit vor der 
schlacht bei Marathon. Plutarch hat also für das bergwerksgesetz 
selbst nicht mehr die quelle benutzt, der er noch bei dem übergang 
vom dritten zum vierten capitel folgte. Nun steht aber die dem 
bericht Plutarchs zu grunde liegeude voraussetzung durchaus im 
einklang mit der darstellung des Stesimbrotos, wonach The- 
mistokles seinen antrag noch zur zeit des Miltiades einbrachte. 
Es ist also klar, dass Plutarch auch die anderen angaben, die schon 
ohnehin die benutzung einer zeitgenössischen quelle wahrscheinlich 
machen, aus Stesimbrotos entnommen hat. Jedenfalls hat er an 
dieser stelle gedankenlos gearbeitet; denn sonst würde ibm der 
widerspruch der beiden berichte, die er an einander reihte, nicht 
entgangen sein. 

Es erübrigt nun noch, das verhältniss der plutarchischen dar- 
stellung zu Thukydides ins auge zu fassen. Schmidt (Perikl. 
z. I, 227 ff.) macht geltend, dass einzelne wendungen Plutarchs 
übereinstimmung zeigen mit drei weit von einander getrennten 
stellen bei Thukydides, und zieht hieraus den schluss, dass jene 
stellen sämmtlich, ebenso wie der bericht Plutarchs, aus Stesimbrotos 
entnommen seien. Ich lasse die in betracht kommenden stellen 
hier folgen, indem ich die von Schmidt urgirten übereinstimmun- 
gen in der ausdrucksweise kenntlich mache. 

A. 
Plutarch Thukydides I 
xai mowrov piv ... uovog el- c. 93: tig yag di Paddeoone 





Zu Plutarchos. 


Plutarch 


neiv dz0Àpmoe .., we yon 
. . xam oxtvaca09 as 1955066 Eni 
ro» nooc Atysyntus no- 
. + » "Hi xui da Oe- 
psotroxi”ge cvvénsscer, OU 


À e por 


Iugeiov oùdè Itgous (uaxgav 
yóo Nour ovi xai déos ov 
B£flouvov we agpsEcperos 
nngeiyov) Enucelwr, AAG 17 ngog 


rà 
JE vv 


Alywntug der xut gerorexta 
... droyoncaperos evxalgwe ini 
ijv magagxeviv. ‘Exarôr yuQ 
.. €noenFnouy roses, alc 
xai ngóg foggy Èvavpu- 
176a». 


Or dé n tore owınglu roig "EI- 
Anosy dx ing Pudnoons inijoke 
e 6 D aida xai Zegäng 
éuagivonos. Tis 
yung nelıxis dvvaáutug a39av- 


> M 
uviog 
, x 
Ctov diauevovons Epuyt utra 
~ - T > 
ijv TW VEWY NITAY WC OUX (V 


uksopayos. 


589 


Thukydides I 


nowrog ér0d4unoeveinsir, 
ws äavdextéu torl. 

c. 14: OsuictoxAzZg Ènescev 
Alyıynrass nodepovriacg 
xai Gua tov flagfgov mgog- 
doxf mov ovros (vgl. Plut. Them. 
3 fin: »gocdoxuv 10 péi- 
Àov) tag vaug nosnoactas, 
aloneg xai évavudyncay. 


c. 73, 5: zexungsov dì pé- 
ysotov (01 dv roig vuvoi tuv 
‘Edinvwy 14 ngaypuru èyévero 
74, 1) uitog Énofnces vixg- 
9el; yao 10i; vavciv we où- 
xéts avi duolag ovons ric 
duvduews xurû T4yug 1H nÀ£ovs 
TOU GO1QaTOU areywenos |). 


Bauer (Themistokles p. 162 ff.) glaubt die fraglichen iiberein- 


stimmungen alle durch directe benutzung des Thuk vdides von seiten 
Plutarchs erklären zu können. Wenn nun aber auch zugegeben 
werden muss, dass Plutarch im Thukydides wohl bewandert war, 
so dürfen wir ihm eine so peinlich gewissenhafte benutzung des- 
selben doch wohl nicht zutrauen, um so weniger, als er, wie wir 
gesehen haben, gerade an unserer stelle nachlüssig gearbeitet hat. 


Aber auch Schmidts ansicht, der ich früher beizutreten geneigt 


7) Aus der rede der vor dem ausbruch des peloponnesischen 
krieges nach Sparta geschickten atnenischen gesandten. 





590 Zu Plutarchos. 


war, erscheint mir nunmehr sehr zweifelhaft. Ich finde nämlich, 
dass an den unter A angeführten stellen die übereinstimmungen in 
der ausdrucksweise durchaus nichts auffallendes haben, sondern sehr 
leicht durch die erwühnung der nümlichen thatsachen bedingt sein 
können. Anders steht es mit den unter B zusammengestellten sä- 
tzen, die nicht einen historischen bericht, sondern eine blosse be- 
trachtung enthalten. Dem Plutarch sowohl wie den athenischen 
gesandten in Sparta gilt es nachzuweisen, dass die Hellenen im 
kriege mit Xerxes lediglich durch die athenische flotte gerettet 
worden seien. Als beweis hierfür führen beide an, dass Xerxes 
nach der schlacht bei Salamis sich den Hellenen nicht mehr ge- 
wachsen gefühlt und deshalb schleunig den rückzug angetreten 
habe. In dem munde eines Atheners, der auf die macht seiner 
vaterstadt hinweisen will, kann diese übertreibung nicht auffallen; 
wie kommt es aber, dass Plutarch sich zu der nümlichen behaup- 
tung versteigt? Hier muss ihm doch wobl die Thukydidesstelle 
vorgeschwebt haben. Nachträglich macht er sich selbst den ein- 
wurf, dass noch Mardonios zurückgeblieben sei, setzt sich jedoch 
hierüber hinweg mit der bemerkung, dass derselbe nur den rück- 
zug habe decken sollen. 

Wenn sich hiernach eine benutzung des Stesimbrotos durch 
Thukydides an der hand äusserer indicien nicht mit sicherheit er- 
weisen lässt, so halte ich dennoch eine solche aus inneren gründen 
für hóchst wahrscheinlich. Ueber die massregeln des Themistokles 
zur hebung der athenischen seemacht mochten dem Thukydides 
wohl noch mündliche überlieferungen vorliegen; da er jedoch selbst 
die unsicherheit derartiger nachrichten betont (z. b. I, 20, 1), se 
musste ihm der bericht eines der zeit des Themistokles noch nahe 
stehenden schriftstellers jedenfalls in hohem grade willkommen sein. 
Da nun hinsichtlich der thatsachen zwischen Thukydides und 
Plutarch vollkommene übereinstimmung stattfindet 8), so steht der 


8) Bauer Themistokles p. 162 behauptet freilich, dass Plutarchs 
worte: "He xai Qo» OtuicroxÀZe cuvinsscey, où dapsiov oùdè Mépoac 
(uaxo&» yàp nov ovtos xai dios où navy ws dgıköusvos nageigov) im- 
csiwy, alla rp nQoc Alyivitas opyg .. adnoypnoauevos gerichtet seien 
gegen Thuk. I, 14: @swsoroxing Enesocer Alywitass nolsuouvrag xai Gua 
tov BegBigov noocdoxiuov dvtog tas vais nowjcac9«s, Ich finde zwi- 
schen diesen angaben (überhaupt keinen widerspruch.  Thukydides 
will in seiner kurzen skizze nur die thatsache hervorheben, dass die 
vermehrung der athenischen flotte theils durch den krieg mit Aegina, 





Zn Plutarchos. 591 


annahme, dass beide aus derselben quelle schüpften, nichts im wege. 
Diese vermuthung gewinnt noch dadurch an wahrscheinlichkeit, 
dass sich überhaupt bei Thukydides keine nachricht findet, die nicht 
bei Plutarch in ausführlicherer fassung wiederkehrte. Vereinzelt 
scheint freilich zu stehen eine nicht ganz klare angabe des Thu- 
kydides über die construction der auf Themistokles’ antrag ge- 
bauten trieren (14 fin.: xai atzac ovaw slyov dia ndong xata- 
ciowputa). Aber auch dem Plutarch ist die thatsache, dass die 
schiffe des Themistokles sich von den in späterer zeit gebräuch- 
lichen unterschieden, wohl bekannt; nur erwähnt er sie bei einer 
anderen veranlassung, und auch diesmal zeichnen sich seine anga- 
ben durch ausführlichkeit aus. In dem bericht über Kimons expe- 
dition nach Pamphylien, die mit der schlacht am Eurymedon endete, 
macht Plutarch (Cim. 12) nämlich folgende bemerkung: wounce (Kt- 
pov) cous ano Kvidov xai Tosontou diaxoctaig tEsgeci, modg uiv 
ráyoc xai segsaywyiv Uno COsuucroxA£ov; Upuora xutecxevacpe vass, 
dxeivog dé 1018 xal nAurvrsgug énolnaey uvtac xal dsaBuosw roig 
xatuciowpuacir Edwxev, wo dv und TOAlwY On payiuutsgai 
7000pEg01710 Toi nolsuloıc. Den schiffen des Themistokles fehlte 
es also noch an brücken, durch die die längs der seiten des 
schiffes herlaufeuden verdecke, die durch einen in der mitte be- 
findlichen zwischeuraum getrennt waren, mit einauder in verbindung 
gesetzt wurden. Diesen umstand hat jedenfalls auch Thukydides 
betonen wollen; es ist mithin zu emendiren: xai «Uras oùnw elyov 
diufucess xarà rd xaracrpuuuru (statt dix 405g ratacigui— 
ware). Auch hier verdanken wir dem Plutarch wieder nachrichten, 
die sich bei Thukydides nicht finden, nämlich dass die schiffe des 
Themistokles im vergleich zu den trieren der späteren zeit schmal 
waren und dass Kimon es war, der die einrichtuug der atheni- 
schen trieren verbesserte. Jedenfalls gehen die angaben Plutarchs 
zurück auf einen berichterstatter, der die schiffe aus der zeit des 
Themistokles mit den später gebauten noch selbst hat vergleichen 
kónnen. Aus derselben quelle stammt auch wohl die im 14. capitel 


theils durch die von Persien drohende gefahr veranlasst wurde; den 
nebensiichlichen umstand, dass Themistokles seinen antrag lediglich 
durch die nothwendigkeit begründete, den Aegineten zur see entge- 
genzutreten, übergeht er daher mit stillschweigen. - Dass auch in 
chronologischer binsicht zwischen Thukydides und Plutarch kein wi- 
derspruch besteht, hat Schmidt II, 11 ff. gezeigt. 





592 Zu Plutarchos. 


des Themistokles enthaltene angabe, dass die schiffe, mit denen die 
Griechen bei Salamis kümpften, flach und leicht gewesen seien, 
sowie die von genauer kenutniss zeugende nachricht, dass sich amf 
jeder attischen triere 18 éx:Sarus, bestehend aus 14 bopliten und 
4 bogenschützen, befanden. Wenn nun Plutarch seine kenntniss 
einem autor verdankt, der die ünderung in der construction der 
athenischen kriegsschiffe selbst noch erlebt batte, so spricht alle 
wahrscheinlichkeit dafür, dass auch Thukykides es nicht unterliess, 
einen so gut unterrichteten schriftsteller zu benutzen. 

Fassen wir die ergebnisse unserer untersuchung noch einmal 
kurz zusammen. Wir haben gefunden, dass die darstellung Plu- 
tarchs sich durch genauigkeit und vollstándigkeit auszeichnet. Dies 
führte uns zu der annahme, dass dieselbe auf eine zeitgenössische 
quelle zurückzuführen sei. Da nun für eine einzelne angabe Stesim- 
brotos als gewührsmann genannt wird, so bielten wir es für wahr- 
scheinlich, dass Plutarch aus ihm auch die auderen nachrichten 
entnommen habe. Durch eine analyse des plutarchischen berichtes 
wurde die richtigkeit dieser unnahme erwiesen, Sodann haben wir 
wahrscheinlich gemacht, dass auch Thukydides seine angaben aus 
dem von Plutarch benutzten bericht entnommen hat. Für Plutarch 
selbst ergab die untersuchung kein giinstiges resultat. Es zeigte 
sich, dass die betrachtung, die er am schluss des capitels anstellt, 
der hauptsache nach nicht sein eigenthum, sondern aus einer rede 
bei Thukydides entnommen ist. Ferner fanden wir, dass er zwei 
berichte an einander reihte, ohne zu merken, dass dieselben sich 
in chronologischer hinsicht widersprachen. Dieser uachweis wird 
hoffentlich dazu beitragen, einer überschützung Plutarchs, in die 
nunmehr die bisherige unterschätzung plötzlich umschlagen zu wol- 
len scheint, einigermassen vorzubeugen. 


Bei dieser gelegenheit noch eine bemerkung zum texte des 
Plutarch. Im anschluss an die nachricht, dass Themistokles die 
erbauung von trieren beantragt habe mi zor noùç Alysrquas 
noÀeuor, wird bemerkt: nxuube yug ovrog iv 1) ‘EMad, padsore 
xai xartiyor oí Alywitus nÂrdes vewr tiv Fuiuccuv.  Herwerden 
(Rh. mus. 35, p. 461) nimmt hieran anstoss, weil damals über- 
haupt kein anderer krieg in Hellas geführt worden sei, und will 





Zu Plutarchos. 593 


daher schreiben: 7xuutov yag oùros. Dann müsste aber natürlich 
im folgenden of Alyıynzas gestrichen werden. Zu einer solchen 
änderung liegt indessen nicht der mindeste grund vor; denn dass 
ausser dem äginetischen krieg auch noch andere kriege in Hellas 
geführt wurden, wird bezeugt von Herodot VII, 145: 2doxse Bov- 
Aevouévosos avtoios (roig “EdAnos) . . . xurallaoceodus zug Te 
Eydous zus 1005 xur’ dddniwy dovrag noAÉ£uovg joay dé neòc 
nvag xui addosc®) dyxiyctionutvos, o d’ uv péysoros “APnrvalosct 
te xai Alyıynınaı. Plutarch befindet sich also vollkommen in über- 
einstimmung mit Herodot. Seine ausdrucksweise wiirde indessen 
entschieden an klarheit gewinnen durch die leichte ünderung: 7x- 
pale yug ovsog «xwv» dy 17 Eluds ua Gra. 

9) So ist jedenfalls zu lesen statt des überlieferten &llovs, denn 
es soll doch gesagt werden, dass ausser Athen und Aegina auch noch 
andere staaten mit einander krieg führen. Die ünderung ist auch 
schon deswegen geboten, weil éyxeyesgyuévos nothwendig einen dativ 
bei sich haben muss. Dies fühlte auch Bahr, indem er annahm, dass 


A9yvaioıs zu ergänzen sei, woran natürlich nicht gedacht werden 
kann. 


Leipzig. L. Holzapfel. 


Zu Vellejus Paterculus. 

ll, 7, 2: Fulvii Flacci filius, quem pater legatum de condicio- 
nibus miserat, ab Opimio interemptus est. Unrichtig ist interemptus; 
dies zeigt der nächste satz: quem cum haruspex .. in vincula duci 
vidisset. Zu der künstlichen deutung interimi iussus est wird man 
sich in anbetracht des zusammenbangs schwerer entschliessen als 
zu der einfachen änderung interceptus. So steht legatus in- 
terceptus bei Liv. 29, 18, 13. 

Il, 70, 2: cum in vicino esset agmen cursu ad eum tenden- 
tium neque pulvere facies aut signa denotari possent. Es muss 
wobl acies aut signa gelesen werden, aber nicht in der bedeu- 
tung wie 112, 5 equesiris acies und signa legionum zusammenge- 
stellt sind. Der sinn von acies aut signa entspricht vielmebr den 
worten ipsi atque signa militaria obsourati bei Sall. Jug. 49, 5, 
wo die situation ähnlich ist, Das in dieser stelle von Sallust ge- 
brauchte facies kann recht deutlich zeigen, wie ungeeignet hei 
Vellejus das überlieferte facies ist. 

Würzburg. A. Eussner. 


Philologus XLII bd. 4. 40 





XX. 


Avozxepatvw, dvoyéonoua, dvoxtosia, dvoxeons. 


dvoyequives mag für gewöhnlich eine abneigung oder ver- 
stimmung rein als diesen subjectiven zustand bezeichnen; es 
unterliegt jedoch keinem zweifel, dass dieses verbum sowie die 
etymologisch mit ihm zusammengehörigen worte nicht selten auch 
das ergehen einer kritik über deu objectiven werth eines ge- 
genstandes oder verbaltens anzeigt, einer kritik, die aber nach art 
und inbalt nicht in der sache selbst gegründet oder durch die um- 
stinde gerecbtfertigt ist, sondern aus einer der rechten würdigung 
des objectes ungünstigen verfassung, stimmung, gedankenrichtang 
des urtheilenden subjectes hervorgeht. In dem folgenden führe ic 
nun einige stellen an, in denen mir diese zweite bedeutung in ver- 
schiedenen specialisierungen vorzuliegen scheint, und begniige mid 
damit, da mir manche der hier wünschenswerthen hülfsmittel ge- 
genwürtig nicht zu gebote stehen, in den meisten fállen nur meine 
auffassung ohne bezugnahme auf die anderer kurz darzulegen. 

1. Platon Rep. 475 C: To» doa ntQi tu paddy pare 
dvozegatvovta, Aog te xoi véoy Ovra xai urn Aoyor 
Eyovta Tb re yonoróv xoi un, où pooper pouaÿr oùdè quAOGe- 
gov elvas, wong 10» wegi ta citta duoyeon ovre muri 
pauer our Émdoueïr cito. In beiden fällen scheint mir von 
einem geschmacksurtheile über die objective güte eines geges- 
standes die rede zu sein. , Dem, der an den speisen mäkelt, 
schreiben wir weder hunger noch appetit zu*. Dass aber auch im 
dem ersten falle nicht allein ein subjectives gefühl der abneigung, 
sondern ein aus diesem entspringendes urtheil über das ob 





Avoysguivw xi. 595 


ject gemeint ist, geht schon daraus hervor, dass durch den au- 
satz: «ÂAlwç re xui xd. die möglichkeit der berechtigung gerade 
eines solchen urtheils mit der seiner herkunft aus einer reineren 
quelle, dem Aoyog, ausdrücklich ausgeschlossen wird. 

Solche falle nun, in denen ein nur auf ein unmittelbares ge- 
fühl gegründetes urtheil angezeigt wird, bilden den übergang von 
der blossen bezeichunng eines subjectiven zustaudes zu der bezeich- 
nung eines urtheils, dessen anspruch auf objective gültigkeit sich 
logisch vermitteln liesse, also zu solchen fällen, in denen dv- 
oyégulvesy vielfach um passendsten mit „kritteln“ zu übersetzen 
ware. 

2. Eine pedantische kritik, die auf ausser wesentliches 
gewicht legt, wird, wie mir scheiut, verbeten Platon Legg. 859 B: 
Ov dvoxegavitov, el pueratu vopoderovvieg td piv EIeuer, 
twy O° En dsucxonoupev méos' vouodtras yao yiyvoneda add’ oùx 
icuív nw xzi. Wer schon eiue saubere ordnung in der erwähnten 
beziebung fordert, der verkennt die natur des geschüftes, das hier 
getrieben wird. — Dieselbe gebrauchsweise liegt vielleicht vor 
Sophist. 256 A: TY» xlynow di taviov 1° sivas xai pi) tavrov 
Opoloymréor xai où ducyeguvréov. ov ydg Ozav stawper 
avt]» zavıov xal pui) zuvıov, Opolug tlgnxajuv, al’ xiÀ. Wer 
daran anstoss nimmt, dass die beweguug in der einen beziehung 
dasselbe, in der anderen — nicht dasselbe — ist, der will eine 
forderung erfüllt sehen, die durch das richtig verstandene identi- 
tütsgesetz gar nicht gestellt wird. 

3. Eine kleinliche kritik, die auf un wesentliches unge- 
bührliches gewicht legt, hat Sokrates wobl im auge, wenn er ironisch 
gegen Gorgias bemerkt Gorg. 450 E: ‘YnoAußoı ay us, el Bov- 
Aouo duogegalvesv Ev roig Aoyosg, 177 agetuntixny Goa 
Önzogsxnv, w Togylu, Afysıg; Er macht den Gorgias darauf aufmerk- 
sam, wie ein angeblich unbedeutender mangel seiner (des G.) begriffs- 
bestimmungen von einer übelwollenden kritik in absichtlicher ver- 
kennung seiner meinung durch ziehung der verkehrten consequenzeu 
ausgebeutet werden könnte, —  Hiemit glaube ich zusammenstellen 
zu dürfen die bemerkung aus dem Lysis 214 D, E: "Eyouer . . ., 
zives &loiv oi qíÀor 0 yag Aoyog nuiv onuatves, bu of dv wow 
ayadol. xalros dvoyeguívw il ye dv attw. „Ich kann doch 
nicht umhin, noch etwas an dem ergebnisse der untersuchung zu 


AQ* 





596 Avoysoulyw xrÀ. 


bekritteln*, sagt Sokrates, im scherze seine eigene ihm berechtigt 
scheinende kritik als ein splitterrichten bezeichnend. 

4. Eine rigorose kritik üben, welche unerfüllbar schei- 
nende anforderungen stellt, heisst ducyegoívew wohl Isokrates Pa- 
neg. 12: 'Euoi dì ovdiv ngog roùç tosovrovs adda moog Exelvov; 
dori tots oùdèr dmodttouévovg rv six} Asyouérwr alld du cye- 
cavovvias x«l Cyticovtacg ldeiv 1 rosovroy dv roig Euoïç, olo 
maga toig aAloıg oùy evenoovo:r. Er wendet sich zu denen, die 
etwas in allen einzelheiten ungemeines und als ganzes dieser art 
von anderen weder gehörtes noch zu hôrendes von ihm zu hören 
verlangen. |n den nun folgenden sätzen gipfelt die kecke anmas- 
sung, welche die ganze geniale einleitung in bewusster künstle- 
rischer absicht herausfordernd zur schau trägt, und zu der dann 
der schluss einen so eigeuthümlich wirksamen gegensatz bildet. 

5. Von einer tendentiösen kritik ist, wie mir scheint, 
Plotin Enn. IV, 4, 30 (ausg. v. H. F. Müller p. 70, v. 20) die 
rede, von einer kritik, für die sich in der sache allerdings ein 
anbalt findet, die jedoch nur geübt wird, um folgerungen zu ziehen, 
an denen man aus irgend welchen griioden ein interesse hat, die 
sich aber noch keineswegs mit nothwendigkeit ergeben. Es han- 
delt sich um den glauben an den einfluss der gestirne auf die irdi- 
schen, insbesondere die menschlichen angelegenheiten, an ihre früher 
oder spüter erfolgende rückwirkung auf unsere an sie gerichteten 
gebete. Dieser glaube au sich stellt gerade dem Plotin, wenn er 
ihn nicht ohne weiteres verwerfen will, ein schwieriges problem, 
da er den gestirnen die erinnerung abgesprochen hat. Dass nun 
aber gar die gestirne als göttliche wesen nicht bloss zu gerechten, 
sondern auch oft zu ungerechten werken ihre hülfe leihen sollen, 
darin liegen wieder und für die philosophie überhaupt!) aporieen, 
die an und für sich sehr gross und überdies unendlich oft von 
denen hervorgehoben worden sind, welche sie zu einer tendentiösen 
kritik (gegen den glauben au den einfluss der gestirne überhaupt) 
ausbeuten. Wenn es also v. 20— 24 heisst: "Eye yao xad’ favrà 
pey(crag xui noAvdgviilnzous nuga roig ducyegulvovosy 
Gmogluc, Feoùs Guvegyovg xal ulzlovs y(yveG9as atonwy Eoyun, 
zwv 1e allwv xai dn xai ngog Egwrag xal axolactov OvAAn wes 


1) Vgl. p. 71, v. 5: 9 gslocoqgiac Épyor énsoxéwacSas uz, 





Ivoysgulsw xi. 397 


— so betrachte ich als subject zu Eyes ein aus dem vorhergeben- 
den zu ergänzendes ravra und den mit Jeov; beginnenden infini- 
tivsatz als eine epexegese zu diesem subjecte, die allerdings nicht 
wohl feblen durfte, weil im vorhergebenden nicht allein von der 
hülfe der „himmlischen götter“ bei ungerechten werken, sondern 
von ihrem eingreifen in den lauf der irdischen dinge überhaupt die 
rede gewesen war. Die worte: noAusgviinzous naga Toig de- 
oyeoalvovosw müssen dann eng zusammengenommen und als gegen- 
satz zu xa J' Exvia peyloras aufgefasst werden. Mars. Ficinus 
übersetzt freilich: Habent enim haec in se ipsis maximas vulga- 
Lissimasque dubitationes, apud eos praesertim, qui 
graviter feruni, censeri deos adiutores auctoresque ope- 
rum iniquorum cet, und Bouillet und H. F. Müller haben sich ihm 
angeschlossen. 

6. Einer sophistischen kritik, d. h. einer kritik, die 
durch versteckte sachliche oder logische fehler vermittelt 
und sich ihrer fehlerhaftigkeit bewusst ?) ist, sucht Aristoteles 
vorzubeugen Metaph. 7, 3, 1005 b. 19 ff.: Td aùro cua Unupyev 
xai un unaoyeıv aduvatoy 1f avr xurd TO adıd, xoi 00a adda 
noocdsogsoalpe? dv, Esıw nvosdiwescptra neOG ug Aoyızas 
dvoyeoetus. „Alles, was wir sonst noch (je nach umstünden) 
hinzubestimmen möchten, sei hinzubestimmt gegen die logischen 
spitzfindigkeiten (der sophisten)“®). — Hierher dürfte auch 


2) Das moment der bewussten täuschung wird ja auch in 
Platons Sophistes als ein specificum gerade der sophistischen kunst 
angegeben (267 E. 268 A). 

3) J. J. Borelius hat in seinem aufsatze über den satz des wider- 
spruchs u.s. w. (Philos. monatshefte, bd. XVII, p. 392) diese aristote- 
lische stelle als gleichartig mit den beiden platonischen stellen aus 
dem Gorgias und Sophistes, die oben bereits eine abweichende deu- 
tung gefunden haben, zusammengefasst. Die stelle aus dem Sophist. 
(256 A) hat ja scheinbar mit der hier citierten die grósste ühnlich- 
keit, unterscheidet sich aber in der that ganz wesentlich von ihr in- 
sofern, als dort nicht von der ausbeutung einer unterlassenen bestim- 
mung, sondern von einem dvoysgaivsıw eben dagegen die rede ist, dass 
demselben verschiedenes, wenn schon ganz unverkennbar in verschie- 
denen beziehungen, zukommen soll. eil ferner jene stelle in eine 
polemik gegen den Antisthenes gehórt, glaubte ich in ihr, zumal mit 
rücksicht auf die voraufgegangene charakteristik (251 C: 'Evruyyareıs 
— — éviore nosofurigoi; avdpunoss, xai nó nevias tru c negi 
Qpoórycsrv XTIHGEWS TK Tosadıa TEP AU MAK cs, xat dn | Ts 
xai náccog ov olouévovc tour auto dvevenxéves), nicht 
sowohl den vorwurf der sophisterei als den der pedanterie finden zu 
sollen. 





598 Avoyequivw xi. 


zu rechnen sein Demosthenes in Leptin. 113: — Zuudur ng — 
xaxovQyüy imi pi mooOxovia aQuyuara 1005 Adyous petugéon, 
dvoyegsig avayxn pulreOdus. Ich glaube übersetzen zu müssen: 
„wenn man die rede böswillig auf verhältnisse bringt, auf welche 
das, was unter gewissen umstünden seine gültigkeit hat, gar keiue 
anwendung findet, dann muss sich die rede (nämlich die auf diese 
verhältnisse gegründete gegenargumentation) natürlich als sophi- 
stisch erweisen *)*. Den ganzen zusammenhaug 112—117 incl. 
verstehe ich nümlich folgendermassen: Demosthenes sieht voraus, 
dass Leptines, der gegner der atelie, folgenden beweisgrund gegen 
die von ihm vertretene ansicht ins gefecht führen wird: ,,auch zur 
zeit der vorfahren haben selbst münner von grossem verdienste 
keine belohnung solcher art empfangen, sondern sind froh gewesen, 
eine inschrift in der Hermenhalle zu erlangen. Wer also be- 
hauptet, verdiente münner müssten gerechter weise mit der atelie 
belohnt werden, der leugnet entweder, duss es in der vorzeit män- 
uer gegeben hat, die solcher ehre würdig gewesen würen, oder er 
klagt die stadt der undankbarkeit au“. Demosthenes begnügt sich 
nun nicht damit, diesen einwand vorwegzunehmen und zu entkrüften. 
sondern er richtet zunüchst den in ihm gegen ihn und seine ge- 
sinnungsgenossen enthaltenen vorwurf mit verdoppelter kraft gegen 
seinen geguer selbst, um dann erst sein argument positiv zu wi- 
derlegen , wobei er wie nur beilüufig wiederum einen vorausge- 
setzten einwand nicht nur pariert, sondern auch mit einem starke- 
ren nachhiebe straft, und schliesslich als auf alle fálle beweisun- 
kräftig darzuthun. Durch eine geuauere disposition kann man sich 
über das ganz bewuudernswerthe fechterstück klarer zu werden 
suchen: 

I. Wer da das ausinnen, die atelie völlig abzuschaffen, auf 
die behauptung stützt, dass iu der vorzeit niemand für sein ver- 
dienst einer anderen belohnung als etwa eiuer inschrift werth ge- 
achtet sei, der macht sich einer durchaus unpatriotischen rede 
(nyovuar ToUVzov sûr Aoyov — — xurû nóÀX aodpgogoy el- 
vas Tj modes) und überdies einer unehrlichen kampfesweise (woo; 
dé xai ovdé dixasov. 112) schuldig. 


4) Nümlich für jeden hórer von gesundem urtheile, wenn er auch 
im augenblicke nicht anzugeben wissen sollte, wo der fehler eigent- 
ich steckt. 


Auoyegatyw xii. 0909 





1. Dergleichen zu sagen ist durchaus unpatriotisc b, 

a. denn wenn er meint, dass weder damals noch) in neue- 
rer zeit irgend jemand, also niemand im laufe unserer ganzen ge- 
schichte einer reellen belohnung (rwäodus — eù | ma3eiv. 113) 
würdig gewesen ist, so ware seiner ansicht zufolge unsere stadt 
wirklich bedauernswerth ; 

b. meint er aber, dass es zwar männer gegeben hat, die sol- 
cher ehre würdig waren, dass sie aber doch keinem zu theil ge- 
worden ist, so klagt er damit die stadt der undankbarkeit an. 

2. Der vorausgesetzte einwand zeigt ferner alle merkmale 
einer sophistischen polemik (rog Adyous ducoyegeis 
avuyan palrec Ta): 

a. Die argumentation des gegners ist fehlerhaft, dean 
keine der beiden aus seiner annahme gezogenen folgerungen (1a 
und 1b) kann wahr sein (for, d’ ovy ovıw xrA.). 

b. Der febler ist ein versteckter, (denn gerade die atelie, 
in der heutzutage — wie die verhältnisse nun einmal liegen — 
die belobnung für verdienste um den staat bestehen muss, ist da- 
mals in der that nicht gewährt worden 9). ~ 

c. Der fehler ist ein bewusster, aus böser absicht her- 
vorgegangener (xaxovgywy xri.): der gegner weiss, dass es 
verkehrt würe, aus dem nichtvorkommen der atelie in alter zeit 
auf das fehlen jeder reellen belohnung in ihr zu schliessen. 

IL Wenn man die wahrheit sagen und ehrlich zu 
werke gehen will, so muss man anerkennen ’), 

1. dass es in der vorzeit verdiente männer in grosser zahl 
gegeben, und dass die stadt solche männer auch damals zu ehren 
gewusst hat. 


5) Die worte: ai uns rv noorígo» undsis punte rar bcrégow (113) 
sind gewiss nicht aus dem texte zu entfernen. Demosthenes will ja 
hervorbeben, dass gerade nach der ansicht seines gegners allem an- 
scheine nach niemand i» änavyıı ro yoörm eine reelle belohnung 
verdient haben kann, von den alten keiner, weil ja selbst Ki- 
mon und dessen mitstreiter am Strymon, auf die Leptines sich beru- 
fen will, mit einer inschrift hätten zufrieden sein müssen, von den 
neueren keiner, weil Leptines ja die atelie gänzlich abgeschafft 
wissen will. 

6) Vgl. 114: ai nuaei xai r&ÀÀa ndvra tà uiv 107 fw imi vois ıdı 
K9eciv, 1& de viv ini voie vor. 

7) 114: ds di sd Amd ég v Eyes xal dixaséy dom diyty xsÀ. 


600 Muoyequlyw xt. 





2. Es war freilich mit den ehrenden belohoungen damals 
ein ander ding als jetzt; 

a. sie wurden nümlich gern und ohne bedenken gewührt 

b. und bestanden in grossen schenkungen an land uud geld. 

3. (In dem beispiel der vorzeit kann also sicherlich kein 
beweggrund für uns liegen, die atelie zu beseitigen), und es nützt 
auch der einwand nichts, dass die stadt damals eben an land und 
geld reich war, (wührend sie jetzt verarmt ist): 

a, zunüchst würe nicht auf die gegenwürtige armuth der stadt 
sondern auf die wiederkehr ihres reichthums in der zukunft hinzu- 
weisen; es anders zu sagen würe lásterung; 

b. sodann hütte ja eine schenkung wie die angeführte minde- 
stens den dreifachen werth der atelie. 

III. Die berufung auf den brauch der vorzeit kann aber in 
diesem falle überhaupt keine beweiskraft haben: 

f.a. Selbst wenn niemand damals für seine verdienste um 
den staat einen lohn erhalten hätte, so folgte daraus nicht, dass 
wir einen einmal gewührten lohn ohne grund wieder entreissen 
dürften. 9 

b. Dieses könnte man höchstens folgern, wenn sich eine 
solche beraubung auch als von den vorfahren verübt nachweisen 
liesse. 

2. Nun aber wäre eine solche massnahme unter allen um- 
ständen schmählich ; 

a. sie wäre es auch dann, wenu wir uns auf das beispiel 
der vorfahren berufen könnten, 

b. da aber vielmehr unsere ganze geschichte kein beispiel 
bietet, so haben wir ganz gewiss keinen grund, zuerst ein solches 
aufzustellen. 

7. Sodann glaube ich, dass dvoyegatvey auch „ein vorur- 
theil (gegen etwas) hegen“, duoyeg@ras als aor, ingress, „ein 
vorurtheil fassen“, duoyfessa das vorurtheil als bleibende sinnes- 
richtung, dvoyégaouc endlich den durch diese bedingten oder doch 
durch sie veranlassten einzelnen ausspruch bedeuten kann. Nun 
kann aber ein vorurtheil auf mehrfache weise zu stande kommen, 
und zwar 

A. aunächst dadurch, dass man von den ovußeßnxora auf des 
wesen einer sache schliesst: Isokrates richtet an den Philipp (28. 





Aueyeqatvw x13. 601 


29) folgende mahnung: ovrw d’ dv axgrféorarn zul xiddsora Few- 
encesac, ef ti ruyydvouer Akyovres, nv rag uiv duoyepelac rac 
nEQi rovg Cogsorks xai rovg dvayiyvworxoptévovs tov doyww agé- 
Ans xrÀ. Ich übersetze: „am besten wirst du prüfen, ob ich etwas 
treffendes sage, wenn du von den (ganz allgemeinen) vorur- 
theilen gegen die redenschreiber und solche reden, die nur be- 
stimmt sind, vorgelesen zu werden, absehen willst u. s. w.“ Das 
ovußsßnxog ist hier nach meiner auffassung der umstand, dass eine 
rede von einem cogsornç verfasst ist, und der darauf gegründete 
schluss: die rede verdient nicht die beachtung eines praktischen 
staatsmannes, Als ein gegen solche reden von allen gehegtes vor- 
urtheil, das aber im einzelnen doch auch nur wieder durch ge- 
wisse ovußeßnxor« oder vielmehr durch den mangel gewisser für 
die überredende wirkung sehr wesentlicher ovufefnxora veranlasst 
sei, ist nämlich oben (25. 26. 27) die meinung angegeben, dass 
es den verfassern derselben nicht auf die sache und ihre rechtzei- 
tige durchführung, sondern auf die befriedigung ihrer eitelkeit und 
gewinnsucht ankomme, Ein weiterer umstand, der die wirkung 
gerade dieser rede beeintrüchtigen kónne, sei der, dass sie der 
eurythmieen und des einschmeichelnden zierrathes entbehre. Es 
gezieme jedoch dem Philipp 1. nicht auf solche äusserlichkeiten, 
sondern nur auf die sache selbst zu achten 2. und für die beur- 
theilung dieser nicht jene hergebrachten vorurtheile, sondern eine 
gründliche und besonnene prüfung jedes einzelnen puuktes massge- 
bend werden zu lassen. 

B. Eines vorurtheils oder doch eines vorschnellen ur- 
theils (nämlich eines urtheils, dessen subject zwar eingeschrünk- 
ter, dessen prüdicat aber um so bestimmter ist) wird sich sodann 
schuldig machen, wer von einem theile eines gauzen auf dessen 
übrige theile schliesst oder nicht den theil aus dem ganzen, sondern 
das ganze aus einem theile beurtheilt. Kurz vor der eben citier- 
ten stelle heisst es (24): Tovzou d'Erexa cov tavtu dirAdov, Ty 
av Il 006 parÿ zw» d» dor Asyopévwy 3 pù 7u010v 7 ur 
duraròv 7 pun moémov 00, mquit, un dvcoytQa»ag anooryc 
rv Aoınwv xii. „ich habe dir deswegen dieses mitgetheilt, 
damit du nicht, wenn dir etwas im anfange unglaubwürdig 
u. 8s. w. erscheint, vorschnell aburtheilend auf den rest 
verzichtest u. s. w.“ Die richtigkeit dieser auffassung wird durch 





602 Avoyequivw xt. 


die folgenden sätze lediglich bestätigt: undè nadyg avro» rei 
Enstndeloss. toig duoic aAA enipselvns novyuCoveay Eywr t)v dia- 
vosar, Ewe av dei télouç axovons anuviwy thy deyoptrewr. Die 
Enıtndesos haben nämlich, sobald ihnen nur Isokrates sein vorhaben 
eröffnet ®), gleich in dem ersten schreck das urtheil gefällt, 
es sei eine unbegreifliche thorheit, ein zeichen äusserster alters- 
schwäche, wenn Isokrates dem Philipp in politischen dingen einen 
rath geben wolle. Wenu ferner die worte: éasuslyng — —, Eu; 
av dea téhovs xt. offenbar den worten: dnomns wy Acınwv ent- 
gegengesetzt sind, so können die worte: novyuloucav Eywr ınr 
dıavosav, in denen doch die aufforderung liegt, sich zunächst 
nur receptiv zu verhalten und kritische erwügungen vorerst zu- 
rückzuhalten, nur den gegensatz zu dvoyeguvac bilden sollen. 

C. Einem vorurtheile folgt auch der, welcher die unter ei- 
nem gewissen gesichtspunkte gewonnene ansicht von einer sache 
für ihre auffassung unter anderen gesichtspunkten bestimmend wer- 
den lässt. |n Platons Philebus heisst es 44 C: (Tovzoss Eeuflov- 
Aevw) woneg parteci 2900y0709aí( 1,00, puavrevoptvoss ov réyry 
alla Tw Övoysgelu quosws ox dyervoùs, Alay pewonxoTwy ry 
inc 5dovgg duvanıy xai vevousxotwy ovdér vysíg, were xai usto 
roUt0 aUr]g 10 enaywyoy yonievua, ovy ndovnv sivas. Es folgt 


hierauf unmittelbar 44 D: 2001006 — ruvru uv mQogronoos, 
oxewapevog Er xa td adAdu aurwr dvoreouopata — bak 
darauf: pueradiwxwpev — rovrov; — xaz 10 175 Ovoyepelus 


adrwv Iyvog — dann 44 E: dei dy ce. — xaJantQ epoi, xoi 
10/104; TOig dvoysp£cıv dnoxgívtoJos — endlich noch 46 A: 
Duone — tac wv — voonudtwy ndoruç, as oUg elmouer du- 
OY OETS pecovos navrtAgg. Gehen wir von der zuerst citierten 
stelle aus. Ich würde übersetzen: „Diese philosophen können uns 
(die) dienste von sehern leisten, von sehern, welche aicht methodisch 
zu werke gehen sondern sich bei ihren wahrsagungen von einem 
unwillkürlichen vorurtheile (einer bei ihrer natur schwer 
vermeidlichen voreingenummenheit) leiten lassen, das 
(die) ihnen. übrigens gar nicht zur unehre gereicht — ich meine, 
insofern sie sich zu eiuem übertriebenen hasse gegen die macht 
der lust und zu der ansicht verstiegen haben, es sei an ihr gar 


8) Vgl. Phil. 17, 18. 





Avoxtoceſvu xt. 603 


nichts solides, so dass auch das verluckende uud bestrickende selbst 
an ihr (ganz abgesehen von anderen seiten, welche sie der betrach- 
tung bieten mag) nicht eigentlich lust sei.‘ Insofern sie also auf 
ihren hass gegen die lust und auf das urtheil, es sei an ihr 
gar nichts solides, das ausgesprochene bestimmtere urtheil grün- 
den, sie sei gar nicht einmal etwas positives (sondern nichts als 
das nachlassen des schmerzes)?) — sind sie hienach seher, die aus 
einer gewissen duoyéosu wahrsagen. Zu der duoyéossa gehört 
demnach nicht allein der hass, sondern auch das urtheil: 7 
ndovn ovdi» uysés. Der hass wie das urtheil sollen nun einerseits 
zu weit gehen !°), nicht durchaus berechtigt sein, andererseits nicht 
sowohl auf sachlicher beobachtung und überlegung beruhen als viel- 
mehr sich mit psychologischer nothwendigkeit in ge- 
wissen philosophen gebildet haben. Das urtheil, welches durch den 
ausdruck dvoy£gesa mitbezeichnet ist, wäre also jedenfalls ein vor- 
urtheil und zwar, dürfen wir hinzufügen, ein vorurtheil von der 
zuletzt angegebenen species. Denn wenn auch mit psychologischer 
nothwendigkeit, so kann es sich doch nicht ohne allen anlass ge- 
bildet haben, der anlass zu diesem allgemeinen urtheil kanu aber 
nur darin bestanden haben, dass sie die lust als etwas unwalıres, 
ungediegenes in einer bestimmten beziehung — nämlich als etwas, 
das vielfach uur ein scheinbares dyusov, in der that aber ein 
xaxov war, kennen gelernt haben. Es ist nun ein beweis für die 
güte ihrer natur, wenn sie empfanden, dass das wahre ayasor 
niemals in der lust bestehen kann, ein beweis aber für ihre nei- 
gung zur duoyéoesa, wenn der abscheu vor diesem verführerischen 
scheingute so mächtig in ihnen wurde, dass sich die überzeugung 
in ihnen bildete, die lust sei in keiner beziehung etwas wahres und 
gediegenes, in jeder beziehung nur ein scheinwesen. Eben weil 
hier nun das wort dvoy&ossa nicht allein diese ansicht über ein 
object sondern zugleich die auf sie fallende gefühlsbetonang be- 
zeichnen soll, dürfte vielleicht die übersetzung ,,voreingenommen- 
heit“ noch vorzuziehen sein. Bestimmter lautet nun ihr ausspruch 
über die lust: sie ist gar nicht einmal etwas positives; er wird 
als eine wahrsagung, die jedenfalls über das ziel hinausschiesst 11), 


9) Vgl. 44 B. 

10) Vgl. Asa» peegesonxotwr xt. 

11) Vgl. 44 D: pera dé 1ad1a af yé pos doxosow 5dovai AAndeic 
alvas, nevos xr). 





604 Avoyegalrw xii. 


der man auch nicht für gewisse arten der lust eine unbedingte 
geltung zuschreiben soll, damit also ganz unzweideutig als eis 
vorurtheil, zugleich aber indirect durch den folgenden satz, der 
zur betrachtung auch der anderen dvoyegaoputa dieser philoso- 
phen einladet, als ein duoyéouopa bezeichnet. Will man also 
auch diese anderen duoyegacpara oder sütze, die mit ihrem allge- 
meinen vorurtheile zusammenhüngen, nümlich diejenigen sütze, welche 
jenes obige von vorn herein feststehende ducy/oacpa rechtfertigen 
sollen, in erwägung ziehen oder — anders ausgedrückt — jenen 
philosophen auf der spur ihrer dvoyégesa folgen, so geschieht dies 
am besten, indem Protarchos den duoyegéoz, d. h. den voreingenom- 
menen oder zum vorurtheile geneigten, deren rolle Sokrates über- 
nimmt, ebenso wie bisher dem in eigenem namen fragenden Sokra- 
tes antwortet. Von der verfolgung dieser spur haben nun die 
beiden schliesslich einen entschiedenen gewinn, jene philosophes 
erweisen sich wirklich als ‚‚seher“, die wohl über das ziel hinaus- 
schiessen , aber die richtung nicht ganz verfehlen kónnen, und ak 
ihre bundesgenossen!?) insofern, als die beiden auf diese weise zu 
der deutlicheren erkenntnis gelangen, dass manches lust zu 
sein scheint, ohne es zu sein, und dass viele und gerade die stark- 
sten lustgefühle nicht rein, sondern mit schmerz gemischt sind !). 
8. Der bereits hochbetagte Isokrates!*) hat sich durch die 
betrachtung der politischen situation zo dem kühnen entschlusse 
anregeu lassen, noch einmal in einer rede das thema seines Pane- 
gyrikus zu behandeln. Er sei zwar ein greis, und die aufgabe 
scheine doch einen mann in der bliithe des lebens und zwar voa 
der höchsten geisteskraft zu erfordern; er wisse ferner, wie schwer 
es sei, zwei wirkungsvolle redeu über dieselbe idee vorzutragen, 
und nun sei doch die erste so ausgezeichnet gerathen , dass selbst 
seine neider sie nachahmten und im stillen mehr bewunderten als 
seine überschwänglichsten lobreduer. Dann fährt er fort (12): 
dÀÀ Suws zy) ruvras tas duoyegetas vmegsdwy ovıwc si 
ynews yéyova quÀonuog, wore xt. Es ist für mich nicht un- 
wahrscheinlich, dass auch an dieser stelle die bedeutung von dedyé- 
osa unter den allgemeinbegriff der krittelei fällt, dass auch hier 


12) Meradiwxwusy dy rovtovs, woneg Evuudyous xi. 
13) Vgl. 51 A. wen 
14) Philipp. 10. 11. 





Avoyeqalrw xrÀ. 605 


eine kritik gemeint ist, die nicht den rechten und würdigen stand- 
puukt gewählt hat, deren einwürfe nicht das beweisen, was sie 
beweisen sollen. Von allen früher besprochenen würde sich aber 
dieser fall insofern unterscheiden, als hier nicht von theoretischen 
ausstellungen an einem fertigen objecte sondern von einwänden 
gegen eine erst vorzunehmende handlung, nicht schlechthin von 
beweis- sondern gerade von beweggründen die rede ist. Es würe 
demnach zu übersetzen: „Aber dennoch habe ich mich über diese 
bedenklichkeiten (obwohl ich sie mir selber entgegenhielt 
und die ihnen wirklich zukommende tragweite sehr wohl erkannte) 
hinweggesetzt, weil ich noch in meinen alten tagen von so hohem 
ehrgeize beseelt bin, dass u.s.w. Es ist jedoch nicht zu verken- 
nen, dass die dvoyégesus hier nicht die einwürfe einer von der 
subjectiven stimmung beeinflussten kritik zu sein brauchen, sondern 
sehr wohl die in der sache selbst liegenden schwierigkeiten sein 
künnen, sofern sie nàmlich als motive vor der entscheidung jeden- 
falls abgewogen werden müssen. Ueber die schwierigkeiten der 
aufgabe, die er sich gestellt hat, sieht ja natürlich Isokrates nicht 
etwa in dem sinne hinweg, als ob er sie gar nicht bemerkte und 
zu überwinden sich bemiihte. Dies erhellt ja schon ans dem vor- 
hergehenden oöx dyvomw — GA elduig (10) — og» (11). So- 
fern sie aber als motive wirken, können sie von anderen höheren 
motiven zurückgedrüngt werden. Mau siebt, wie die in diesen 
beiden auffassungen unterschiedenen bedeutungen von dvoyégesa 
gleichsam von entgegengesetzten seiten her hart zusammenrücken, 
obne doch ganz zusammenzufallen. In dem einen falle wire dv- 
oytqua die stimmung des subjectes dem vorhaben gegenüber, die 
sich auf ein objectives verhalten beriefe, in dem anderen falle aber 
dieses objective verhalten, sofern es die stimmung des subjectes 
dem vorhaben gegenüber beeiuflusste. Wer also diese zweite auf- 
fassung vorzieht, wird zu übersetzen haben: ,Aber dennoch habe 
ich mich über diese bedenken hinweggesetzt u. s. w.“ 

Es kann zuweilen den anschein haben, als ob durch dvoyegat- 
veıy nicht die subjectivitàt einer ungünstigen kritik, sondern 
eben oor die ungunst, die strenge, härte, verächtlichkeit dersel- 
ben, die übrigens in der sache durchaus begründet sei, hervorge- 
hoben werden soll. Thatsächlich wird aber in allen diesen fällen 
nicht das moment der subjectivität, sondern das der aussage eines 


606 Auogeguirw xti. 


objectiven sachverhaltes hiuwegzudenken, ducyegutvesy algo als reine 
bezeichnug eines subjectiven zustandes aufzufassen sein, eines zu- 
standes, der umgekehrt sehr wohl durch die sache mativiert und 
in wirklichkeit mit einer kritik derselben immer verhunden sein 
mag, nur dass eben duoyegatyesy für sich allein keines dieser beiden 
momente ausdrückt. So dürften nun auch die drei stellen in der 
Rhetorik des Aristoteles aufzufassen sein, in denen von diesem 
worte gebrauch gemacht wird. So heisst es Il, 24, 1115): — d- 
xalug Edvoy£oasvov ol avFewnos 10 Ilgwiayogov enayyelpu 
(róv nırw Aoyov xgsittw noseiv)* weüdos te yáQ don xai ovx 
GAndig dÀÀd qpusrdperov tixóg xt. Die kritik an der profession 
des Protagoras iibt Aristoteles im eigenen namen aus, von den 
menschen will er offenbar nur sagen: sie nebmen mit recht ein 
ürgernis an dem, was Protagoras zu lehren sich erbot. Ferner 
IM, 7, 3: Madnuxy, uv piv 7 vBess, doyslopévou MEig* dar 
dì aoefn xai uloygd, dvoyspusvorrwg xai etAuflovptrag M- 
yew xt. Es handelt sich hier um eine sprache, welche gerade 
den seelenzustand des redeuden, der dem vorausgesetzten sachver- 
halt entsprechen würde, zu eiuem entschiedenen ausdrucke bringt, 
der immer auch dann noch sich wirksam zeige, wenn das von der 
sache selbst ausgesagte unrichtig sei!5). Wir würden in der deut- 
schen übersetzung wohl die beiden bestimmungen umkehren und 
sagen: mit sittlicher scheu und entriistung reden. Nur 
die auffassung der dritten stelle kann vielleicht schwanken. Ill, 
2, 14: — 6 Sipwrldng, ore uiv edldov uic9ov dAlyor aire à 
vixnoag Tois Ogevosy, ovx NIede mossiv, wo dvoysgalvwr ek 
jusovovg nowiv xrÀ. Man kann zweifelhaft sein, ob hier nichts 
anderes gesagt werden soll, als dass Simonides seine abneigung ge- 
gen die poetische behandlung eines solchen gegenstandes zu erken- 
nen gegeben habe, oder ob der ausdruck dahin ziehlt, dass Simo- 
nides den gegenstand als solchen für unwürdig seiner poesie erklart, 
also ein (allerdings nur subjectiv motiviertes) geschmacksurtheil 
über den dem gegenstande an sich in dieser beziehung zukommen- 
den werth abgegeben habe, Der ersten auffassung entsprüche etwa 
die übersetzung: als wenn es ihm zuwider wire, über maul- 


15) Ich habe nur zur hand die ed. Oxon. 1820. 
16) Vgl. II, 7, 4: — cvvoposconades è axotwy dei 19 naOynxeg di 
yorts, xav undiv Mg. 





dAvoyegulvw xz. 607 


esel zu dichten — der zweiten, wenn wir einen leider veralteten 
ausdruck brauchen wollen: als ob er zu ekel ware, auf maul- 
esel ein gedicht zu machen. Jedenfalls dichtete er, als ihm nun 
ein genügendes honorar geboten wurde: 

Xaleer’ celdonodwr Fuyatpes tua w y. 

Eine entscheidung in solchen streitigen fällen wäre häufig zu 
gewinnen, wenn es sich feststellen liesse, dass der gegenstand des 
duoysgalvesv je nach der verschiedenheit der bedeutung dieses wor- 
tes verschieden bezeichnet würde. Leider erweist sich das hier 
behandelte in jeder beziehung unzureichende material zufällig ge- 
rade in dieser beziebung als ganz besonders unzureichend. Ein 
sich anschliessendes si, wie wir es Plat. Legg. 859 B haben, wird 
an und für sich nie ein unterscheidendes merkmal abgeben können, 
weil sich durch einen so eingeleiteten satz immer eben so wohl 
das die verstimmung veranlassende moment als der angriffspunkt 
der kritik muss ausdrücken lasseu. Nicht der blosse angriffspunkt 
der kritik, sondern ihr object im ganzen wird Plat. Rep. 475 C 
und Isokr. Phil. 29 bezeichnet, und zwar durch zeQí c. acc., ein- 
mal bei duoyeguivesr, einmal bei duoyegn¢ und einmal bei dvcy£- 
Qua — sodann Gorgias 450 E und Lysis 214 D durch èy bei 
dem verbum, denn das x der zweiten stelle wird doch als inne- 
res object anzusehen sein. Dagegen steht bei dem verbum in der 
anderen bedeutung Aristoteles Rhetorik II, 24, 11 der acc. und 
so nach angabe des Lex. häufig bei den tragikern uud attischen 
prosaikern. Ob hierin specifica zu erkennen sind, wird sich mit 
gewissheit nur auf grund einer umfassenden untersuchung entschei- 
den lassen, die obne frage auch viel nicht nur zur ergünzung, son- 
dern auch zur berichtigung der hier mitgetheilten auffassungen 
beitragen würde. 


Hannover. H. v. Kleist. 
Zu L. Seneca. 


Dial. VII, 5, 4: (natura homini) nullam non partem sui ex- 
plicuit, ut per haec, quae optulerat oculis eius, cupiditatem faceret 
etiam ceterorum. Man vergleiche 5, 1: natura nos ad utrumque 
genuit, et contemplationi rerum et actioni . . . quoi porro hoc non 
erit probatum, si se unusquisque consuluerit, quantam cupidinem ha- 
beat ignota noscendi . .? Man vergleiche ferner 5, 2: cognoscendi 
aliquid abditum. remotumque und weiterhin secretiora exquirere: so 
wird man geneigt sein, statt celerorum zu lesen secretorum. 

Würzburg. A. Enesner, 


— — — 





XXI. 


ElonvogvAcé. 
(Aeschines Ctesiph. p. 546 §. 159.) 


Aeschines schildert, wie sich Demosthenes nach der schlacht 
bei Chaironeia betragen habe. „Dieser verliess“, sagt er, „nicht 
pur seinen posten im lager, sondern auch den in der stadt, indem 
er einen dreiruderer bestieg, um von den Hellenen bundesbeiträge 
einzutreiben“. Kazuyayovonc d’ uvıov, so führt er fort, elg mr 
nor TIC unmgoodoxnTov Gwrnelag rovc né» nooirovg yoovovg $xo- 
toopos Ty «»v9Qumog, xoà wagiwy nung imi tò Pipa slomro- 
qvÀaxa tds avıov exédeve yeigorovtiv. 

Man!) hat den ausdruck slonroguliaxa als ironie auffasses 
und in dem satze x«i nugıwv — ysıporoveiv nur den gedanken 
finden wollen, Demosthenes, der vorher so eifrige anhänger der 
kriegspartei, sei plötzlich ein friedensmann geworden. Allein je 
nen ausdruck nur als ironie aufzufassen, daran hindert, wie A. 
Weidner ?) mit recht bemerkt, das sachliche verbum yesgororeir. 
Die sache selbst bezeichnet derselbe gelebrte als unbekannt. Wir 
wollen es versuchen sie aufzuhellen. 

Bekannt ist, dass sich kéuig Philipp nach der schlacht bei 
Chaironeia versöhnlich zeigte, dass er die Hellenen aufforderte de- 
legierte nach Korinth zu senden, dass auf der tagsatzung daselbst 
eine xosvn elgrrn (so der technische ausdruck) vereinbart, dass 
darüber eine urkunde aufgesetzt wurde, von der uns einige artikel 
in der rede soi rwv moog Altkardoov ovrönzwrv *) überliefert 


1) Bremi zu d. stelle; A. Schäfer, Demosth. HI 1 p. 29 anm. 1. 
à Aueg. der Ctesiph., anm. zu d. stelle. 
3) R. Nicolai, Griech. liter. I p. 415 setzt die verträge in das 
jabr 325 und noch spüter die rede. Wir glauben bewiesen zu habes, 





Aeschines. 609 


sind. In dieser heisst ent): fore dv ais ovränxusg Empedetcdas 
Toùç Ovvedpevoyrug xal tovg inh 17) xowj qvAaxj retaypévoug 
Onws d» roig xosvwroveuss modeos ic elonvnc un ylyvarın 9á- 
votos xui qvyal maga tote xcpérovg tuig moAsos vououç, dà 
zonudtiwv dnuevoss, unde y5c avaducpot, und: yoewy axoxonal, 
und: dovAuv ántievOtquotig ni vewreoou®, Die wiederholung 
des artikels (rovg o. x. rovg) lehrt, dass hier von zwei behörden 
die rede sei; die eine das „synedrion“, die andere „die auf ge- 
meinsame wacht gestellten“. Beide hatten dieselbe aufgabe zu 
lösen. Da muss ein wesentlicher unterschied zwischen beiden in 
der art bestauden haben, wie sie diese aufgabe zu lösen hatten, 
und in der grösseren, geringeren befugniss, welche der einen, der 
underen hierin zustand. Ein fernerer unterschied wird durch den 
namen der einen angedentet: ihre mitglieder sind auf „wacht“ ge- 
stellt. Es war eine ständige behörde. Was dagegen von den 
synedreuontes erzählt wird, spricht dafür, dass sie nur zu gewissen 
zeiten ihre sitzungen abhielten. Sie mussten bei ausserordentlichen 
anlässen jedesmal erst von ihren wohnorten her zusammenberufen 
werden?) Die aufgabe, welche beiden beamtungen vorlag, zeigt 
dieselben als eine instanz, die über den einzelnen städten stand, 
Soviel etwa lässt sich aus der überlieferung entnehmen; anderes 
schliesst sich, da es mit diesen und diesen dingen immer und 
überall verbunden ist, als selbstverständlich an. Mau mache es sich 
nur an einem bestimmten falle kler, wie sich jene aufgabe von 
jenen behörden bei dem eben gezeichneten verhältuisse zwischen 
beiden bewältigen liess. 

Sie sollen z. b. verhindern, dass jemand aus einer bundesstadt 
wider die gesetze derselben verbannt werde, Wie können sie das? 
Es muss natürlich zuerst eine meldung einlaufen, dass eine der- 
artige ungesetzlichkeit vorzuliegen scheine. Eine solche scheint 


dass die letztere im october 333 kurz vor der schlacht bei Issos ge- 
halten sei. 
4) P. 215 §. 15. 
5) Diod. XVII 4; XVII 73; XVII 14. Dass es sich hier um 
kriegszeiten, bezüglich um eine seit handelte, wo drohende wolken 
egen die xo; eöonvn heraufzogen, kann die beweiskraft dieser stel- 
fon nicht schwüchen. Das ausscheiden einiger mitglieder hitte weder 
bund noch synedrion aufgelóst, wie ja auch nach Thebene serstórung 
die synedroi der getreuen stiidte einen beschluss zu fassen berech- 
tigt sind. 
Philologus. XLII. bd. 4. 41 





610 | Aeschines. 


selbstverstándlich nicht den richtern vorzuliegen, sondern den ver- 
urtheilten. Von diesen ging also die melduag, die appellation aus. 
Ebenso nahe liegt der gedanke, dass diese meldung bei einer stan- 
digen behörde eingebracht wurde, also, da von einer dritten bun- 
desbehörde nirgends die rede ist, wohl bei „den auf gemeinsame 
wacht gestellten“. Zu demselben resultate führt die erwägung, 
dass für ein nur zeitweilig zusammentretendes bundescollegium 
immer und überall eine ständige kórperschaft da sein muss, die zu 
berathen hat, welche angelegenheiten jeuem collegium wäbrend 
seiner nächsten sitzuugsperiode vorzulegen seien, ühnlich wie der 
athenische rath alles, was er vor die ekklesie kommen lassen 
wollte, annahm und vorbereitete, was ihm aber für jenen zweck 
ungeeignet schien, aus eigener machtvollkommenheit abwies. Und 
eben diese geschäfte hatte, wenn man auch hier nicht das vorhan- 
densein einer dritten behörde ohne grund annehmen will, eben jene 
ständige körperschaft „der auf gemeinsame wacht gestellten“ zu 
erledigen. Sie nahmen jene appellation entgegen; sie unterwarfen 
dieselbe einer vorläufigen prüfung und wiesen sie entweder ab 
oder legten sie für die nächste session des synedrions zurecht. 
Trat daun dasselbe zusammen, so führten die parteien, wie aus 
einer stelle des Hypereides *) hervorgeht, ihre sache mit rede und 
gegenrede. Des höchsten gerichtshofes entscheidung hatte man sich 
zu fügen. Entweder wurde durch dieselbe das urtheil des stadt- 
gerichtes aufgehoben oder bestätigt. Wenn das erstere den Athe- 
nern widerfulr, wenn ein von einem athenischen dikasterion ver- 
urtheilter vom synedrion freigesprochen wurde, so lief das ent- 
schieden gegen dus in Athen im allgemeinen geltende princip, es 
könne das einmal gefällte urtheil eines dikasterions nicht wieder 
umgestossen werden. Und in diesen zusammenhang fügt sich denn 
trefflich ein, was der sprecher eben jener rede [egi rw» mods 
’AtEurdgor cvr9n«wv der makedouischen partei vorwirft 7): zoug 


6) Pro Euxen. XXXII, 1—17 (ed. Blass.): Wenn Alexander und 
Olympias dem demos von Athen eine ungerechte und unziemliche zu- 
muthung machen, dann muss man sich zu einer gegenrede erheben, 
ihren abgesandten gegenüber die gerechtsame der stadt vertreten 
und vor das synedrion gehen, der heimath zu hülfe 
Du aber hast dich dort niemals erhoben. Man beachte den 
doppelsinn des zopetec%ar elc 10 ourédpsor: marschieren gegen, gehen 
vor. — Diese stelle lehrt auch, dass das synedrion die iurisdiction 
über streitigkeiten der bundesmitglieder unter einander hatte. 

7) P. 215, 8. 12. 





Aeschines. 611 


Bdlous vuas vopovs Gvayxubouor Avtv, rors piv xexgiuévovug dv 
zoig dixaomeloas ageévtes, Erega dì nuunindn rosatta Bralo- 
meros magaroueir. Und wenn sich eine stadt solchem ansinnen 
entgegensetzte, was dann? 

Allgemein scheint man die truppen, welche nach der schlacht 
bei Chaironeia in Chalkis, auf der burg zu Theben, zu Korinth 
lagen, für makedonische zu halten®). Man kann sich indessen da- 
für weder auf Arrian noch auf Diodor berufen. So oft jener der 
thebanischen besatzung gedenkt, bezeichnet er sie nur als of 17» 
Kudpeiuy Eyovres ®) oder xaz£yorzg !°) und Diodor als 7 dv 17 
Kadut(a Ygovga !!) oder of 79 Kadusluv goougoürres !?). Da- 
gegen will es nichts bedeuten, wenn rednerische übertreibung und 
gehässigkeit dieselben z. b. orguzonedu tov tvgavvov !?), die gar- 
nisonstädte modes Muxedorsxul !*) nennt. Und wenn der verfasser 
der rede unig i2; dwdexuerluçg in den soldaten der Kadneia 37» 
suv Muxedcvwy peovedy sieht !5), so ist das ein beweis für seine 
unkenntniss der sache und ein beweis mehr dafür, dass wir es hier 
mit einer falschung zu thun haben. Nicht viel sagen will es eud- 
lich, wenu der einzige Plutarch sich durch die thatsache, dass die 
burgbesatzung in Theben auf seiten der Makedonen stand, verleiten 
liess einmal '®) von jener als von of ggovgod ww» Muxedorwy zu 
sprechen. 

Unter den mauern 'Thebens liess Alexander durch heroldsruf 
verkünden, wer an der xoi? elonryn theilnelmen wolle, der solle 
zu ihm kommen?) Und in eben diesem sinne standen die burg- 
truppeu auf seiner seite. Sie kümpften für ihn, weil sie mit ihm 
für die xov; edgnvn kämpften, auf welche sie vereidigt waren !5); 


8) Z. b. A. Schäfer, Demosth. III, 1, p. 110, s. 1. Droysen, Hel- 
lenism. I, 1, 41, 2. auf. 

9) Arrian Anab. Alex. I, 7, 1; zweideutig ist I, 7, 9: dar &yyüs 
slvas cigéltsav riy Moxidóvor trois mv Kadusiay lyovow., 

10) I, 8, 6. 

11) Diod. XVII, 8 mitte und ende. 

12) XVII, 12 ende. 

18) Degi v. no. Al. avr9yx. p. 214, 8. 12. 

14) Ibid. p. 216, 8. 17. 

15) P. 180 Steph. 8. 18 ed. Blass. 

16) Alexander XI, 5. 

17) Diodor XVII, 9 (gegen ende). 

18) Das inschriftlich erhaltene frg. der urkunde (C. I. A. H, nr. 
160) scheint ein theil dieses eides zu sein. 


AA 





612 Aeschines. 


denn kurz: sie waren nicht makedonische, sie waren bundestruppes. 
Das waren auch die garnisonen zu Chalkis und Korinth. Bei die- 
ser mmsicht versteht man, warum Arrian und Diodor ihren quelles 
folgend niemals von of &v 17 Kadpeta Maxedovec sprechen. Fer: 
ner: sach Thebens eroberung übertrug Alexander die beschlussfas- 
sung über das schicksal der stadt roïç ueréyovor rov Egyou ovp- 
Acixosc wach Arrian ?9) nach Diodor ??) den ovvedgos tes» "EAAQjvum. 
Beides ist nach damaliger sachlage identisch. Denn nur die theil- 
uelmer am kampfe gegen das abtrünnige Theben hatten ihren bun- 
despflichten genügt, sie allein konnten bundesrechte ausüben, im 
synedrion sitzen, und Droysen *') bezeichnet mit recht dieses ver- 
fahren als ,ordnungsmüssig*. Aber weiter! Das so cunstituierte 
butidessynedrion beschliesst nun, der burgfelsen von Theben sulle 
seine besatzung behalten. Nach der früheren auffassung von die 
ser besatzung hütte es da über eine sache beschluss gefasst, welche 
den bund gar nichts anging , welche vielmehr makedonisches geld 
kostete. Ganz natürlich dagegen ist es, dass das bundeseollegium 
über bundesangelegenheiten und darunter über abschaflung oder bei- 
behaltung einer abtheilung der bumdestruppen beschliesst. Dane: 
bei Arrian heisst es nicht: &doge (roig peréyouos rov Foyov ovp- 
payous) tóv MitéEavógor riv Kadpelav pooved sQattyesr, son- 
dern: Edoge 17v Kuduetav poovoü xaréyesv. Sie allein wollen die 
burg bewachen. Endlich stand, wie A. Schäfer selbst bemerkt ??), 
der bisherigen ansicht über die drei garnisonen eine notiz entge- 
gen, nach welcher Philipp auf dem rath eimiger, er selle doch die 
Hellenen durch besatzungen im zaume halten, geantwortet habe, er 
wolle lieber lange zeit ein ehrenhafter mann als kurze zeit ein 
herr heissen *)) Er wollte also keine besatzungen in die städte 
legen und doch lagen makedonische besatzungen in jenen drei 
städten? Der widerspruch verschwindet sofort bei der auffassung, 
der zufolge jene besatzungen eben nicht makedonische sind. 


Aber diese auffassung schliesst nicht aus, dass Philipp, dass 
Alexander diese sóldner völlig in seiner hand hatte, nämlich als 


19) I, 9, 9. 

20) XVII, 14. 

21) Hellenism. I, 1, 140, anm. 1. 
22) Demosthenes III, 1, 48, anm. 4. 
28) Plut. Apophth. p. 177c, 4. 


" A 


Aeschines. 613 


creamyos avroagazso des bumdes. Als solcher wird er das recht 
gehabt haben, die effizierstellen zu besetzen, So hatte denn der 
schlaue Philipp eine form gefunden, unter der er truppen in grie- 
chischen städten halten konnte, ohne dass sie als offenkundig ma- 
kedenische allgemeines ärgerniss veranlassten und ihm auch den 
hass derer zuzogen, welche die thatigkeit der bundestruppen als 
eine für das bellenische land segeusreiche aasahea. 

Noch lassen sich spuren veu der tbátigkeit dieser truppen in 
der rede /Zegì ıwr 006 AMgurdoov GevÓgxu» erkennen. Ein 
artikel der bundesurkunde verbietet 24), dass verbannte aus eiuer 
bundesstadt ausziehen, um gegen eine andere die walfen zu erhe- 
ben. ,,So leichtsinuig^, sagt nun der redner, „bat der Makedone 
die walleu erhoben, dass er sie niemals niedergelegt hat, sondern 
auch jetzt noch mit ihnen umherzieht und jetzt um so mehr denn 
früher, als er éx mgoo:4yua:og andere anderswohin und den paido- 
triben nach Sikyon zurückgeführt hat“. Unter dem Makedonen 
versteht der redner, wie er selbst erklärt, as Muxedovexai node, 
also besonders Chalkis, Korinth, die burg von Theben. Jener 
paidetribe ist aus Sikyon verbannt worden, Gesetzwidrige ver- 
bannungen soll das synedrion, wie die urkunde vorschreibt ^), ver- 
hindern. Gewiss bat sich also der verbannte an diese behórde ge- 
wandt. Dieselbe bat das urtheil des stadtgerichtes aufgehoben. 
Letzteres aber weigert sich den paidotriben zurückzurufen. Da 
bleibt dem synedrion nichts weiter übrig als jenes zgooraype, den 
verbannten mit waffengewalt zurückzuführen zu erlassen; und auf 
grund dieses sgoc:«yua rücken dann die truppen aus den molec 
Maxedonxul, den paidotriben in der mitte gegen Sikyon. Sie 
zeigen sich bei dieser gelegenheit also als die executionsmannschaft 
des synedrions. 

Wer sich vergegenwürtigt, wie oft sykophanten und dema- 
gogen die habsucht des pibels, sowie die jedesmalige politische 
stimmung ausbeuteten, um ehrenwerthe männer ins unglück zu 
stürzen, sie ihres hab und gutes zu berauben, der begreift, wie 
segensreich eine einrichtung war, welche ungesetzliche confiscatio- 
nen untersagte *5), sowie die streitsache aus der dumpten luft 


24) P. 216, S. 16. 
25) S. ob. p. 609: poi 19» nooc MÀ. ovv9yx. p. 215, §. 15. 
20) Eben dort. 





614 Aeschines. 


kleinstädtischer gehässigkeiten und intriguen heraushob, um sie vor 
das forum von männern zu bringen, welche einerseits von der 
stimme ihrer mitbürger aus verschiedenen stüdten als die tüchtigsten 
ausgewählt waren und andererseits keine aussicht auf antheil ao 
dem vermögen des angeklagten hatten. Zugleich gewann dieser 
durch die verschleppung des prozesses zeit, in der ein umscbwung 
der politischen verhältnisse zu seinen gunsten eintreten konnte. 

Dass indessen auch diese einrichtung zu politischen zwecken 
ausgenutzt wurde, ist gewiss. Beide parteien, die makedonische 
und die patriotische, rangen mit einander darpach, leute aus ihrer 
mitte in das synedrion, in das collegium der imi 17 xown pviazi 
teruyuévos zu bringen. Die letzteren waren, wenn sie, wie wabr- 
scheinlich ist, die befugniss hatten, die einlaufenden beschwerden 
nach vorläufiger berathung entweder anzunehmen oder abzulehnen, 
dadurch äusserst einflussreich. Die xowr gvÀaxg nun, auf welche 
sie gestellt waren, ist in diesem bunde, in dieser xoi; elonr 
selbstverständlich eine œuluxn 175 xosvng slgirng. Und ein mit- 
glied eben dieser dmi 17 xown qvÀaxg tig xosvng elenyng tetay- 
pévos, welche bald nach der schlacht bei Chaironeia eingesetzt 
wurden, wollte Demosthenes werden, wenn er sich zovg xQuiosc 
xe0vovg nach jener schlacht zum elenvopvdut wählen lassen wollte. 
Die wahl fand in den einzelnen städten in der form der cheiro- 
tonie statt. 


Berlin. G. Lewe. 


Zu Vellejus Paterculus. 


II, 85, 4: Caesar, quos ferro poterat interimere, verbis mul- 
cere cupiens clamitansque et ostendens fugisse Antonium, quaerebat, 
pro quo et cum quo pugnarent. Das gedankenverhültnis, in wel- 
chem das particip cupiens zu quaerebat steht, ist von jenem, das 
zwischen clamitansque et ostendens und dem hauptverbum  waltet, 
grundverschieden. Es ist vergebliches bemühen, durch interpunction 
zwischen cupiens clamitansque dem gedanken nachhelfen zu wollen; 
erst die tilgung von que lässt ihn rein hervortreten. 


Würzburg. A. Eussner. 


XXII. 


Zur kritik einiger quellenschriftsteller der rómi- 
schen kaiserzeit. 


(Zweite folge. S. Philol. XLI, 1, p. 134 ff.) 


IV. Zur kritik einiger auf die geschichte des kai- 
sers Aurelianus bezüglicher quellen!). 


Bereits an anderer stelle (in den beiden aufsätzen „Die tole- 
ranzedicte des kaisers Gallienus“, Jahrbücher für protestant. theol. III, 
[1877], h. IV, p. 606 —630) und „Die mürtyrer der aurelianischen 
christenverfolgung“, a. a. 0. 1880 [VII], p. 449 — 494) habe ich nach- 
gewiesen, dass die aurelianische christenverfolgung zwar nicht in der 
intention, wohl aber nach ihrer wirkung, räumlich sowohl als zeit- 
lich, eine äusserst beschränkte, unvollständige war, die nur einigen 
wenigen glüubigen im südöstlichen Thracien und den zunächst be- 
legenen gegenden das leben raubte — erst anfang 275 anhebend, 
erlosch sie schon wenige wochen nach unterzeichnung der verfol- 
gungsrescripte, da der kaiser schon um mitte märz desselben jah- 
res ermordet wurde —, und dass gegen dieses ergebniss einer 
sorgfaltigen prüfung des authentischen quellenmaterials (Eus. 
Hist. eccl. VII 13. 22. 23. 30. VIII 1. A, Lactant. De mort. persec. 
(ed. H. Hurter) c. VI, Eusebii Chron. Hieronymo interprete ad a. 
279 ed. Migne, p. 578, Oros. VII 23, Rufin, Aquil. Hist. eccl. VII 
26) die von den Bollandisten und anderen kirchlich gesinnten 
schriftstellern geltend gemachten zahlreichen märtyrergeschichten, 
weil durchweg gefalscht, keine instanz bilden. Aber die Cu- 
rialisten, bemüht, die basis jener in wahrheit ganz unbedeutenden 

1) Vgl. hierzu. meine abhandlung ‚Die angebliche christenver- 


folg. zur zeit des kaisers Claudius II“, Zeitschr. für wiss. theol. XXVII 
1884, heft 1, p. 37 bis 84 und zumal abschn. V, VI u. VII, p. 63 bis 78. 





616 Rómische kaiserzeit, 


leidensepoche der christenheit auf künstlichem wege zu erbreitern 
und so raum zu schaífen für die hunderte von blutzeugen, die eine 
getrübte tradition damit in verbindung gebracht hat, wollen auch 
noch in weiteren quellen, namlich in Vopiscus, dem heidnischen 
autor (!), in einer homilie Constantins und Leus des grossen, an- 
spielungen auf die Aurelian-verfolgung resp. auf deren gewaltige 
tragweite entdecken. Im folgenden werde ich aber nachweisen, 
dass alle diese interpretationskünste gänzlich verfehlt sind. 

a. Zu Vopiscus, Aurelianus, c. 19—2 1.37. 40 undzu 
den alexandrinischen münzen des kaisers Aurelianus. 

1. Der kardinal Baronius (Ann. eccl. t. Il p. 502, Nr. I. 
Il sqq.; möchte die anfänge der aurelianischen christenverfolgung 
schon ins jahr 271 versetzen. Er ist nümlich geneigt, diejenigen 
senatoren, die nach Vop. Aurel. c. 19 wührend des Marcomannen- 
krieges die befragung der sibyllinischen bücher für überflüssig erklür- 
ten, mit den senatoren zu identificiren, die Aurelian nach 
Vop. Aur. c. 21 wäbrend seines zweiten aufenthaltes zu Row 
wegen angeblichen hochverrathes hinrichten liess, uud erblickt dem- 
gemäss in jenen unglücklichen christliche mürtyrer, und 
in cousequenz hiervon deutet er folgende worte in dem schreiben 
Aurelians an die curie (Vop. Aur. c. 20): ,,Miror vos patres sancli, 
tamdiu de aperiendis Sibyllinis dubitasse libris, proinde quasi in 
Christianorum ecclesia, non in templo deorum omnium tractaretis“ 
als eine zoruige auspielung des kaisers auf die durch christliche 
einflüsse hinausgeschobene consultirung der sibyllinischen bücher. 
Diese annahme ist aber durchaus hinfällig. Denn erstens ging 
die hiorichtung jener senatoren, wie sich aus dem vergleich von 
Vop. Aur. c. 21—25 incl. und Zos, | 49 —52 mit Eus. VII 30 
ergibt, der berühmten, entschieden christenfreundlichen, antioche- 
nischen entscheidung des kaisers über Paul von Samosata vor- 
her; Aurelian begünstigte also damals noch die christen. Uad 
ferner, waren jene senatoren als christen hiugerichtet worden, so 
würde Vopiscus nach der mauier der heidnischen autoren desshalb 
den kaiser nicht getadelt, noch weniger aufrichtiges mitleid für die 
opfer einer übertriebenen strenge geäussert haben. Wie selbst 
gemüssigte leiden des 4. Jahrhunderts über christenverfolgung 
dachten, beweist recht deutlich eine üusserung des älteren Aurelius 


Victor (De Caesaribus c. 41, Nr. 4, ed. Gruner), der die blutige befeh- 


Rómische kaiserzeit. 617 


dung des christenthums durch Diocletian, Maximian und Galerius 
geradezu gutheisst (,,Veterrimae religiones castissime curatae'*). 
Vopiscus (c. 21) bekundet aber den angeblich christlichen senato- 
ren mit folgenden worten seine innige theilnahme: ,,incivilius deni- 
que usus imperio vir alias optimus seditionum auctoribus interemp- 
$is cruentius ea, quae mollius fuerant curanda, compescuit. interfeoti 
sunt enim nonnulli etiam nobiles senatores, cum his leve quiddam, 
et quod contemni a mitiore principe potuisset, vel unus vel levis 
vel vilis testis obiceret . . . . timeri ooepif princeps optimus, non 
amari“ ete. Auch Neunder (Allg. gesch. der christl, religion 
bd. I, abth. 1 (Hamburg 1825) p. 219, anm. 1) stellt die unbe- 
gründete vermuthung auf, mit den worten ,,proinde quasi in Chri- 
stianorum ecolesia etc. hatte Aurelian seinen verdacht geäussert, 
manche christliche senatoren übten auf die verhandlungen 
der curie ibren einfluss aus. Tillemont (Hist. des. emp. Rom. 
t. HI, p. 381) erblickt in den senatoren, die sich der befragung 
der sibyllinischen bücher widersetzt hatten, atheisten, d.h. 
leute, die awar den griechisch-römischen polytheismus für eine wi- 
dersinnige superstition hielten, aber ebenso wenig vertrauen zur 
unfehlbarkeit der neuen religion hatten. Für diese interpretation 
spricht nicht nur der ganze zusammenhang , sondern speciell auch 
der wortlaut bei Vop. Aur. c. 19, wo der vorsitzende der curie, 
Ulpius Silanus, u. a. folgendes bemerkt: ,,meministis enim, p. o., 
me in hoc ordine saepe dizisse . . . . consulenda Sibyllae decreta 
e . +, recusasse vero quosdam, el cum ingenti calumnia recusasse, 
cum adulando dicerent, tantam principis Aureliani 
esse viriulem, ul opus non sit deos consuli, proinde 
quasi et ipsae vir magnus non deos colat, non de dis 
inmortalibus speret." 

2. Auch in einer anderen stelle des Vopiscus hat man schon 
einen beweis für den üusserst blutigen charakter der aurelianischen 
ehristenverfolgung entdecken wollen. In den älteren ausgaben 
der Historia augusta finden sich Vop. Aur. c. 37 (am schluss) fol- 
gende worte: quidquid sane scelerum fuit, quidquid malae con- 
scientiae vel artium funestarum, quidquid denique factionum, Au- 
relianus toto penitus orhe purgavit." Hierzu bemerkt der jesuit 
Henschen (Acta Sanct. Boll. t. I, s. 21. Jan. p. 343, Nr. 
6): ,Christianam religionem hac periphrasi impius auctor 





618 Rómische kaiserzeit. 


complexus est.‘ Dieser auffassung gegenüber möchte ich aber an 
ein zweifaches erinnern. Setzen wir zunüchst voraus, dass die 
betreffenden worte wirklich zum ursprünglichen texte 
des Vopiscus gehóren, so verbietet uns die ganz allgemeine 
fassung der stelle, die ausdrücke scelera, mala conscientia, ar- 
tes funestae, factiones nur auf das christenthum zu  beziebes, 
wenn ich auch gern einräume, dass heidnische autoren den ver- 
hassten christen mitunter artes funestae, factiones u. s. w. zuschrei- 
ben. Denn erstens sagt Vopiscus: toto penitus orbe purgavit, 
wührend sogar der christliche fanatiker Lactanz nur eine zeitlich 
sowohl als ráumlich sehr beschränkte christenverfolgung Aurelians 
kennt. Zweitens gibt aber der biograph (c. 39) selbst manche 
einzelne der von dem strengen fürsten beseitigten missbrüuche an, 
die sich sehr gut in die c. 37 bezeichneten allgemeinen rubriken 
einfügen lassen; c. 39 heisst es nämlich: idem quadru pla to- 
res ac delatores ingenti severitate persecutus est . . . . fures 
provinciales repetundarum ac peculatus reos ultra 
militarem disciplinam est persecutus, ut eos ingentibus suppliciis 
punire. Ferner, und das ist hier die hauptsache, erscheint es mehr 
als zweifelhaft, ob die fraglichen worte Vop. c. 37 von quidquid 
bis purgavit überhaupt zum echten text des Vopiscus gehören. 
Wenigstens halt sie Hermann Peter in seiner bewährten edition 
für ein späteres einschiebsel?) 

3. Ruinart (Acta martyrum (Ratisbonae 1859), praef. gen. 
p. 37) Pagi (Dissert. hypat. p. 155; Critica in Baronii annal. | 
p. 290, Nr. XII), Tillemont (Mém. t. IV? p. 717, Brüsse- 
ler ausgabe) und Henry Doulcet (Essai sur les rapports de 
l'église chrétienne avec l'État romain, Paris 1883, p. 171, anm. 2) 
nehmen, um doch für die zahlreichen aurelianischen märtyrer 
etwas raum zu schaffen, eine posthume verfolgung dieses kai- 
sers an, d. h. sie lassen dieselbe uoch während des sechsmonat- 
lichen interregnums bis zur erhebung des Tacitus fortdauera. 
Zu gunsten dieser combination liessen sich vielleicht die acten 
des bekenners Chariton von Iconium (in Lycaonien) geltend ma- 


2) H. Peter(ed. Scriptores bist. aug. vol. II, p. 162) schliesst die 
betreffende stelle in parenthesen ein und bemerkt (a.a.0., note 24) 
folgendes: quidquid sane — purgavit ego e verbis Vopisci remo- 
venda esse censeo. 





Römische kuiserzeit. 619 


chen; hier heisst es nümlich (c. VI), die von Aurelian erregte 
verfolgung sei von dessen nachfolger durch ein fórmliches edict 
wieder aufgehoben worden). Hieraus könnte man schliessen, 
die verfolgung hatte wülreud des interregnums, das dem regie- 
rungsantritt des Tacitus vorherging, fortgedauert. Allein eine 
solche argumentation wäre völlig unzulässig, da die vita s. Cha- 
ritonis ein durch und durch gefälschtes actenstück aus sehr später 
zeit ist (s. die beweise in meinen „Märtyrern der aurelian. christen- 
verfolg.* a. a. o. p. 488 ff)  Ruinart und Doulcet berufen 
sich auf Vop. Aur. c. 40, wo es heisst: , denique id tertio factum 
est, ita ut per sex menses imperatorem Romanus orbis non habuerit 
omnesque iudices ii permanerent, quos aut senatus 
aut Aurelianus elegerat, nisi quod pro consule Asiae Fal- 
conius Probus in locum Arellii Fusci delectus est.“ Nun geht freilich 
aus diesen worten hervor, dass die verwaltung wälrend des inter- 
regnums im ganzen und grossen im geiste des ermordeten impe- 
rators fortgeführt wurde. Gleichwohl schliesse ich aber mit B as- 
nage (Il, p. 430, Nr. Il) aus folgenden worten des Eusebius (H. 
e. VII, c. 30, Nr. 21), dass die kaum begonnene verfolgung sofort 
mit dem tode ihresurhebers erstickt wurde: ,uéllorra 
dì ion . . .. Delu utra) Ölen... . daprows te 10g Buds 
Ovrogüv maquorucu, wc ovnore ylvosr dv bacıwrn rotg 100 fiov 
áQyovOs xara rwy 10V Xosoroù exxdnowy pi) ovyl 175 umEQuayou 
quoòs Tela xai otgav(o xeloe, nudelas Evexa xai Emorgogis, 
xaJ' ovg av avi) doxsualos xasgovs rovi” inuredetodai curyweov- 
ons“. Hier sagt also der bischöfliche autor mit empbase, die von 
Aurelian beabsichtigte verfolgung sei wirkungslos geblieben, 
weil die göttliche vorsehung es so gewollt. Schwerlich würde 
er sich ebenso geüussert haben, weun die blutedicte des todten 
kaisers noch volle sechs monate in kraft gebliebeu, und su die von 
Aurelian intentirte verwüstung der kirche dennoch durchgeführt 
worden wäre! Ebenso wenig würde Eusebius (VIII 4) die ganze 
periode von Valerians gefangennehmung bis zu den letzteu jahren 
Diocletians als eine epoche ungetrübten friedens für die christen 


3) „Qui imp Aureliani sceptra suscepit . . . . iussit. persecutionem 
adversus Christianos cessare per omnes provincias (Ich citire nach der 
lateinischen übertragung der griechisch geschriebenen acten bei 8 u- 
rius, Vitae probatae Sanctorum t. III, s. 28. sept. p. 293 sqq.). 





620 Römische kuiserzeit. 


bezeichnet haben, wenn jener zustand der ruhe durch ein mehr eh 
halbjáhriges hinschlachten der gläubigen eine schreckliche unter 
brechung erlitten hatte. Es bleibt also dabei, dass die verfolgung 
sofort mit dem tode Aurelians erlosch. 

4. Da die Aurelian-verfolguog, wie zumal aus der combi 
nation von Lact. c. VI mit der chronik des Eusebius - Hieronymus 
(a. a. o.) erhellt, erst zu anfang 275 begaun, und da der kaiser, 
wie sich gleichfalls aus dem authentischen quellenmaterial erschlies- 
sen lässt, schon am 25. märz desselben jahres oder doch frübestens 
um die mitte dieses monats ermordet wurde ‘), so hat jene befeb- 
dung der kirche nur wenige wochen gedauert. Kine langere zeit- 
liche ausdehnung und naturgemäss auch eine ungleich grössere 
tragweite — nach Lactanz hat der kaiser eine blutige system» 
tische verfolgung im style eines Decius beabsichtigt — müssten 
wir dem Aurelian-sturme vindiciren, wenn die chronologie Alfreds 
von Sallet eine zwingende wäre, die dieser gründliche kenner 
orientalischer kaisermünzen in seinem höchst beachtenswerthen auf- 
satze „Das siebente ägyptische regierungsjahr Aurelians (Berliner 
blätter für münz- siegel- und wappenkunde, bd. IV, p. 131—134) 
zu begründen sucht. Er schliesst nämlich aus sieben unzweifelbaft 
echten Alexandrinern Aurelians mit Z, d.h. dem zeichen seines sie 
benten regierungsjahres, dass der kaiser nicht, wie man bisher aa- 
nahm, zwischen dem 29. august 274 und dem 28. august 275, 
sondern erst nach dem 29, august 275 von mörderhand fiel, 
Die ansicht des numismatikers Zoéger, dass man auch im falle 
der auffindung aurelianischer münzen mit Z diese dennoch als is. 
terregnums-münzen zu betrachten habe, wird von Sallet verwor 
fen. Gleichwohl sehe ich mich aber genöthigt, auf Zoégers com- 
bination wieder zurückzukommen; ich nehme also an, dass die sie 


4) Fasti Idatii „Aureliano III et Marcellino coss.“ (ed. Gallandius 
Bibl. vet. patr. X p. 507) und Vop. Aur. c. 4l, verglichen mit Vop. 
Aur. c. 37. 40., Tacit. c. 1—3. 5—9. 18, Victor sen. de Caess. c. 36, 
Vict. iun. epit. c. 36, Nr. 9. Diese chronologie hat z.b. Th. Bern 
hardt (Gesch. der Rómer unter den kaisern von Valerian bis Diocle- 
tian, p. 214) adoptirt. Brunner (Vopiscus' lebensbeschreibungen 
[Leipzig 1868. Separat-abdruck aus bd. I] der von Büdinger redi- 
girten untersuchungen zur röm. kaisergesch. p. 75. 78f.) freilich ent- 
scheidet sich dafür, dass der tod Aurelians schon kurz vor dem 3. 
februar erfolgte. Allein diese annahme wird durch Vop. Tao. c. 18 
widerlegt. 


Römische kaiserzeit. 621 


ben Alexandriner mit Z interregnums-miinzen sind, und zwar 
aus zwei gründen. Erstens hat die v. Sallet'sche chronologie, wo- 
nach der wiederhersteller der rómischen reichseinheit noch nach dem 29, 
august 275 unter deu lebendes weilte, die verwerfung des ausrei- 
chend bezeugten interregnums zur nothwendigen voraussetzung ; 
denn da der nachfolger Aurelians, Tacitus, wie sich aus dem ver- 
gleiche von Fasti Idatiani („Aureliano III et Marcellino ooss.“) 
mit Vop. Tac. c. 3. 13 ergibt, spütestens am 25. sept, 275 mit 
dem kaiserlichen purpur bekleidet wurde, und da Aurelian, wenn 
noch Alexandriner mit Z geprügt werden konnten, jedenfalls den 
beginn seines siebenten ügyptischen regierungsjahres um einige 
zeit überlebt haben muss, so bleibt für das mindestens sechsmonat- 
liche interregnum, welches nach dem tode des kaisers eintrat, gar 
kein raum übrig. ich kann mich aber nicht entschliesseu, dieses 
interregnum ohne weiteres als unhistorisch aufzugeben, da es nicht 
nur durch die beiden Victor (De Caess. c. XX XVI; epit. c. XXXVI, 
Nr. 9), sondern sogar auch durch Vopiscus (Aur. c. 40, Tac. c. 1. 2) 
bezeugt ist?) Zweitens lautet aber die annahme, jene münzen 
seien während des interregnums im namen des ermordeten impe- 
rators geprügt worden, keineswegs unwahrscheinlich. Nach Vop. 
Aur. c. 40 wurde ja in der zwischenzeit bis zur erhebung des 
Tacitus die verwaltung im wesentlichen ganz im geiste des ermor- 
deten fortgeführt; mit ausnahme eines einzigen bebielten alle von 
Aurelian oder dem senate installirten beamten während des inter- 
regnums ihre functionen bei. Die bisherige annahme, wonach Au- 
relian schon um mitte märz 275 einer verschwörung zum opfer 
fiel, ist also eiue berechtigte. — 

b. Zu Constantini M. oratio ad Sanctorum coetum 
c. 24 (ed. H. Valesius) und zu Leo M. (Sermo X XII [De 
Pentecoste sermo Ij, c. 6, ed. H. Hurter, Ss. Patrum 
opuscula selecta, tom. XIV [,S. Leonis M. Romani pontificis ser- 
mones selecti*], Oeniponti 1871, p. 215 sq.). 

1. Auch aus einer art von homilie des ersten christlichen 
kaisers, die uns Eusebius aufbewahrt hat, lüsst sich eine irgend- 
wie erhebliche wirkung der aurelianischen blutedicte nicht 


9) An der geschichtlichkeit dieses interregnums hált auch Jacob 
Burckhardt (Constantin d. gr., zweite auflage, 1880, p. 28 f.) 
mit fug und recht fest. 





622 Rómische kaiserzeit. 


folgern. Allerdings erwühnt Constantin (a. a. o.) den besieger Pal 
myras in gesellschaft der beiden berüchtigten christenfeinde Decius 
und Valerian. Allein nur ein rein äusserlicher grund, nämlich der 
umstand, dass alle drei imperatoren auf tragische weise ihre regie- 
rung beschlossen, hat den kaiserlichen homileten veranlasst, des 
Aurelian auf eine stufe mit Decius und Valerian zu stellen. Dass 
dem so ist, beweist unverkennbar der wortlaut der betreffenden 
stelle: ,xui ov uiv, Avondsaré, pAoE nurıwv adixnuuiwr, ones 
Impavos diaz ot£gov tuparws tiv Ogg x qv xoneic iv won 
Atuqógt rovg avdaxug 176 odov aosBots aluarog éendnowous * 
Hiernach eróffnete Aurelian die verfolgung erst ganz kurz vor sei- 
uem tode in Thracien. Besonnen aufgefasst, b estütigt also die 
oratio Constantini einfach die darstellung des Lactanz, wonach die 
 Aureliau-verfolgung zeitlich und örtlich äussert beschränkt war. 

2. Baronius (Ann. Il, p. 502, Nr. IV), Pagi (Critica |, 
p. 290, Nr. XII), Brower (Aunal. Trevir. I, p. 189), Ruinart 
(praef. geo. p. 37 f.) und Tillemont (Mémoires t. IV* p. 707) 
verwerthen folgende worte der oben erwähnten homilie des papstes 
Leo | des grossen (reg. 440—461) als beweis für den furchtbaren 
charakter der aurelianischen verfolgung: 

»Manes ergo minister falsitatis diabolicae . . . eo tempore 
damnandus innotuit, quo post resurrectionem Domini ducentesimus 
et sexagesimus annus impletus est, Probo imperatore Paulinoque 
consulibus, cum octava jam in Christianos persecutio desaeviret 9), et 
innumera martyrum millia ipsis suis victoriis probavissent implectum 
esse, quod Dominus promiserat, dicens: Cum autem tradent vos, 
nolite cogitare, quomodo aut quid loquamini* (Matth. 10, 19 s.) etc. 
und beziehen demgemäss erstens das, was hier von einer octave 
persecutio gesagt wird, auf Aurelian und zweitens wollen sie diesem 
kaiser auch die „unzähligen tausende von mürtyrern*, deren der 
römische bischof gleichfalls gedeokt, vindiciren. Dieser interpre- 
tation stehen aber gewaltige schwierigkeiten entgegen. Zunächst 
schwebt die chronologie des berühmten papstes vollständig in der 
luft, falls man annimmt, er wolle die christenverfolgung Aure- 
lians bezeichnen. Die zeitbestimmungen sind in der that so ver- 
worren, dass die curialistischeu interpreten zu allerhand harmoni- 


6) ebulliret in ülteren ausgaben, z. b. in der Magna bibl. patr., 
tom. V, pars II, p. 854. 





Rómische kaiserzeit. 623 


stischen kunststückchen ihre zuflucht nehmen müssen, um die ihren 
zwecken passende chronologie herauszubekommen, Da wird die 
achte verfolgung in das jahr 277 (Probo et Paulino coss.) ver- 
setzt. Hieronymus, Orosius, Sulpicius Severus und Augustinus las- 
sen aber übereinstimmend als die achte befehdung der kirche die 
valerianische gelten, die ja schon in die jahre 257 bis 260 fallt. : 
Dagegen nennen Hieronymus, Orosius und Augustinus in ihrem 
dekaloge der verfolger den Aurelian erst an neunter stelle, Fer- 
ner wird das jahr 277 irrthümlicher weise mit dem jahre 260 
(von der auferstehung Christi an gerechnet) identificirt. Das jahr 
260 (post resurrectionem Domini) ist aber in wahrheit mit dem 
jahre 293 u.z. identisch. Pagi (I, p. 296. Nr. VIII) fühlt diese 
schwierigkeit und schlügt desshalb vor, statt CCLX bloss CCL zu 
lesen. Diese conjectur, die zuerst Quesnellus in einer note © 
zu unserer stelle vorgebracht hat, stützt sich aber bloss auf eine 
einzige handschrift, den Codex Oxfordiensis, und hat überdiess die 
vage vermuthung zur voraussetzung, papst Leo hätte das consul- 
jahr des Probus und Paulinus eben uur in runder ziffer (250 
statt 244) mi dem betreffenden jahre post resurrectionem Domini 
identificiren wollen. Aber mag man sich auch mit dem unvoll- 
kommenen nothbehelfe Pagis begnügen, immerhin liegt noch die 
weitere schwierigkeit vor, dass die „achte“ christeuverfolgung , die 
mit der aurelianischen identisch sein soll, von Leo in das jahr 
277, also in eine zeit verlegt wird, wo jener kaiser schon zwei 
jahre todt war. Ruinart gibt zu, dass in dieser chronologie 
ein innerer widerspruch enthalten ist, sucht sich aber mit einer 
willkürlichen conjectur über die schwierigkeit hinwegzuhelfen: er 
schlägt vor, statt ebulliret resp. desaeviret zu lesen ebullisset 
resp. desaevisset. Aber selbst weun man trotz aller schwie- 
rigkeiten einräumen will, dass papst Leo wirklich auf Aure- 
lian anspielt?), so folgt aus unserer stelle doch nur so viel, 
dass der bereits der mitte des fünften jahrhunderts angehörende 
kirchenvater den Aurelian ganz allgemeiu unter die christen- 


7) Es läge dann seitens des papstes Leo schon eine ähnliche 
cbronologische verwechslung vor, wie bei dem Byzantiner des neunten 
jabrhunderts, Nicephorus, der in seiner chronographie (p. 749, ed. Guil. 
Dindorf) den angeblichen bekenner Chariton, statt ihn dem Aurelian 
zu vindiciren, mit der regierungszeit des kaisers Tacitus (reg.275/276) 
in verbindung bringt, unter dem die christen im tiefsten frieden lebten. 





624 Römische kaiserzeit. 


verfolger gerechnet hat. Denn die „innumera martyrum millia", 
von denen der römische bischof spricht, darf man nicht mit 
Baronius und seinen nachbetern dem Aurelian vindiciren 9); ar 
dernfalls würde sich ja Leo einer lächerlichen übertreibung schul- 
dig gemacht haben. Der papst will vielmehr mit jenem aus 
drucke nur andeuten, dass bis zum jahre 277 u.z. überhaupt schon 
unzählige christen die opfer der verschiedenen verfolgungen ge- 
worden seien. Die innumera martyrum millia gelten dem rómi- 
schem bischofe also ungleich weniger als wirkung der perseca- 
tio octava denn als opfer der früheren verfolgungen seit Nero. 
Uebrigens hat schon S. Basnag e (Il, p. 430, Nr. Ill) unsere stelle 
ebenso correct als kurz und bündig mit folgenden worten inter- 
pretirt: „Neque innumera martyrum millia, de quibus men- 
tionem Leo Magnus inserit, sunt ascribenda Aureliano. Eos in 
mente habuit , qui ad id usque temporis in motis Caesarum per- 
secutionibus sanguinem suum fudere, quibus paucissimos addidit 
Aurelianus." Aber selbst dann, wenn Leo es unzweideutig aus 
sprüche, dass viele tausende von christen unter Aurelian ibr lebea 
eingebiisst hätten, so würde es doch die pflicht einer besonnenen 
vorurtheilsfreien kritik sein, unentwegt an den berichten eines Eu- 
sebius und Lactanz, die fast als jüngere zeitgenossen des impera- 
tors gelten dürfen, als der historischen basis der Aurelian - verfol- 
gung festzuhalten. 


8) Von den oben genannten kirchlich gesinnten forschern steht 
Tillemont (a. a. 0.) auffallender weise, noch am wenigsten an, die im 
numera marí(yrum millia ausschliesslich auf die aurelianische 
verfolgung zu beziehen Der verfasser der Mémotres ecclésiastiques gibt 
nümlich folgende durchaus unzulüssige interpretation uneerer stelle: 
Quelques - uns croient que c'est celle que S. Léon appelle la huitième, 
et dont sl dit qu'elle fit voir le courage de plusieurs mit 
liers de martyre." 


Diisseldorf. Górres. 





Zu Cicero. 

Or. 52, 174: Cum enim videret (sc. Isocrates) oratores cum 
severitate audiri, poetas autem cum voluptate, tum dicitur. numeros 
secutus, quibus etiam in oratione uteremur, cum iucunditatis causa, 
tum ut varietas occurreret. satietati. Vor dicitur scheint cwm nur 
durch das folgende cum-tum in den text gerathen zu sein. Wenn 
schon Rufinus Gr. L. VI 574, 3 jenes tum vorfand, so beweist 
dies nur, dass der fehler alt ist, uicht, dass es keiner ware. 


Würzburg. A. Eusener. 





ll. JAHRESBERICHTE. 


14, Thukydides. 


Dritter artikel. 
(S. Philol. XL, p. 271.) 


Der jahresbericht über Thukydides hat dieses und noch das 
nächste mal den weg weiter zu verfolgen, den er das letzte mal 
(Philol. XL) eingeschlagen hat. Die absicht ist, die allgemeinen 
fragen, die bier in betracht kommen, so weit unsere heutige kennt- 
niss reicht, wo móglich zum abschluss zu briagen; dann erst wird 
in tausend fallen für die erklärung im einzelnen der sichere boden 
gewonnen sein. lm letzten berichte ist von diesen allgemeinen 
fragen uur die eine, die composition, oder genauer gesprochen, die 
zeit der abfassung des werkes zur erürterung gekommen. Ich muss 
es der zukunft überlassen, ob sturm und sonne das ibrige thun 
werden, das dort gepflanzte bäumchen zu festigen und gross zu 
ziehen. Von den andern massgebenden fragen werden die folgen- 
den blatter die chronologie, die der schriftsteller in seinem 
werke angewandt hat, und den werth der überlieferuug be- 
handeln; dann bleibt von den hauptfragen nur das leben übrig, 
das zusammenfassend und abschliessend uns im nüchsten berichte 
beschäftigen soll. 

Dass die auzuzeigenden schriften, wenn ich von einer absehe, 
jene beiden fragen an ihrem theile wesentlich gefördert oder gar 
zum einstweiligen ende geführt hätten, vermöchte ich nicht zu sa- 
gen. So lange die methode mit beliebigem und willkiirlichem ope- 
rirt und nicht einzig darauf aus ist, das nothwendige zu finden, 
kann sie schwerlich gewissbeit und sichre resultate erzielen. Na- 
türlich bat jeder für das, was er schreibt, überzeugung und glau- 
ben. Aber dabei, scheint mir, darf es nicht bleiben. Der wahr- 
heit wohnt ein eignes charakteristisches gefühl inne, das in dem 


Philologus. XLII. bd. 4. 42 





626 Jahresberichte. 


wissen und der nothwendigkeit seine quelle hat. Ich zweifle, ob 
den verfassern bei ihren meinungen und behauptungen, mit denen 
wir es im folgenden zu thun haben, dieses gefühl geworden ist. 
Bekannt ist der mann, der, von hause aus auch ein philologe, ein- 
mal das stolze wort gesprochen hat: ,,ich schreibe jede zeile, die 
ich schreibe, bewaffnet mit der ganzen bildung des jahrhunderts“. 
Gewiss war das übermuth und überhebung , deon wer darf der- 
gleichen von sich sagen. Aber das ziel wenigstens, wornach die 
philologen streben, sollte ein ähnliches sein: kein wort zu schrei- 
ben, das nicht in der kenntniss des zugehörigen ganzen wurzelt 
und sich aus seinem zusammenhang als nothwendig erweist. Das 
wird doch wohl die einzige methode sein, die zur wissenschaft 
führt, wenn anders diese sich nur auf nothwendigkeiten auferbaut. 
Der kritiker hat leichtere arbeit; er hat schon seine pflicht ge- 
than, wenn er nur die willkürlichkeiten als solche dagelegt hat. 

Die schriften, die dieses mal uns zur besprechung vorliegen, 
sind folgende: 

G. F. Unger: Zur zeitrechnung des Thucydides. Sitzungsb. 
der k. b. akademie der w. zu München. Bd. I. München 1875. 

G. F. Unger: Der attische kalender während des peloponne- 
sischen krieges. Kbendas, Bd. HI. München 1875. 

Henr. Ludov. Schmitt: Quaestiones chronologicae ad Thucy- 
didem pertinentes. Lips. Teubn, 1882. 

Herm. Müller - Strübing: Polemische beitráge zur kritik des 
Thukydidestextes. Wien 1879. 

Herm. Müller-Strübing: Thukydideische forschungen. Wien 1881. 

L. Holzapfel: Das verfahren der Athener gegen Mytilene nach 
dem aufstand von 428/7. Rhein. mus. 37, 3. Frankf. a. M. 1882. 

Jul. Steup: Ein einschiebsel bei Thukydides, Rhein. mus. 24, 
p. 350 ff. 27, p. 637 ff. 

J. M. Stahl: Zu 'Thukydides. Rhein. mus. 27, p. 278 ff. 

Heinr. Swoboda: Thukydideische quellenstudien. Innsbruck, 
1881. 

Jul. Steup: Thukydideische studien. Erstes heft. Freib. i. B. 
und Tübingen 1881. 

A. Kirchhoff: Ueber die von Thukydides benutzten urkunden, 
Monatsber. der akad. der w. zu Berlin. Berlin 1881. 

Fr. Kiel: Der waffenstillstand des jahres 423 vor Chr. sa 
Thukydides IV, 118. Neue Jahrb. 123, h. 5. 1881. 


I. Zur chronologie. 


Die chronologie des Thukydides bietet, so viel am schrift- 
steller selbst liegt, keine schwierigkeit; sie ist deutlich und präcis 
und setzt nur eins voraus, dass man sich über seine genauen a 
gaben und ausdrücke nicht hinwegsetzt. Nur dadurch dass Unger 





Jahresberichte. 627 


in seiner zeitrechnung auf diese nicht achtet, hat er den Thuky- 
dides wieder zum confusesten chronologen gemacht. Man konnte, 
im grossen und ganzen wenigstens, die sache bereits für erledigt 
halten. Die einzige textescorruption in f, 2, 28 !), duo statt 1£0- 
c«goc, die früher alles verwirrte, hatte Krüger unter allgemeiner 
zustimmung glücklich hinweggeschafft, und dann hatte Boeckh in 
seinen ,,Mondeyclen' die angaben des Thukydides bis auf die ein- 
zelnen tage richtig befunden und in der genauesten nachrechnung 
als solche erwiesen. Aber man sieht, auch in rein wissenschaft- 
lichen dingen thut's die einfache darlegung der wahrheit nicht so- 
gleich; aber wundern muss man sich, dass Unger es ist, der hier 
aufs neue zu thun giebt, ein mann, der in seinen untersuchungen 
sonst leidenschaftslos und klar so genau und geübt zu rechnen ver- 
steht und hier zumal jene massgebende textesverbesserung Krügers 
nicht bloss annimmt, sondern auch seinerseits neu zu begründen 
weiss (Att. kal. II, p. 7 ff). 

An sich hat es der schriftsteller nicht fehlen lassen, um seine 
leser aufzuklären. Sehen wir zunächst, was wir von ihm über die 
zeiten des ersten, des 10jährigen krieges erfahren. Mit welcher 
begebenheit und wann er ihn beginnt, wo er ihn zu ende gehen 
lässt, und wie er rechnet, sagt er zu anfang uud zu ende an 
zwei auf einander bezug nehmenden stellen in der unzweideutigsten 
weise. Da wo die geschichtserzählung anhebt, heisst es 8, 1, 19 ff.: 
Agyeras dì 0 noAsmos trFtvde nón “AF qralwy xul Ilelonovmmatun 
xai zw Exatégoss Supwaywy, ev © ovre éneulyrurto être axnouxted 
mao «iigdovs xatudruviss 18 Euveyüc énoléuour yéygustas Ó 
fing ws Exacta éylyvero xarà Jégog xai yespwva. Ueber diese 
erste stelle darf ich nach dem, was ich Philol. XX XVIII, 505 ff. 
und Philol, Anz. NI, p. 158 ff. darüber gesagt habe, hier kurz 
sein und mich begnügen, die resultate von da herüberzunehmen. 
Vou rechtswegen und officiell nimmt der krieg erst mit dem ein- 
fall der Peloponnesier in Attika seinen anfang (u, 125, 17: noiv 
Zoßadeiv dg inv 'Viruxgy xai rv moàspov aguodas Pavegwe ). 
Weil aber der überfall von Platäa durch den einen peloponnesischen 
bundesgenossen den bisherigen friedensstand schon thatsächlich auf- 
hebt (a. 20: iv @ ovrt éneplyvurro ti danguxieò mag’ aAAniovs) 
und in dem einfall in Attika die theiluahme der gauzen peloponne- 
sischen symmachie zur folge hat (z. 21: xaracraviss te Evveywe 
énohéuour), so rechnet sich die zeit vom überfall bis zum einfall, 
die 80 tage, 8, 19, 20, von selbst in die kriegszeit mit hinein, 
ein verhältniss, dem der schriftsteller wie zu anfang des 10jährigen 
krieges in dem doppelten relativsatze, so wieder am schluss des- 
selben in einem ebenso deutlichen wie natürlichen ausdruck (ws 10 
muro» 7 2oßoAn 5j dg thy arx» xai 7 doyn tov nodtuov tovde 


1) Die zeilen nach der Bekkerschen stereotypausgabe. 
42* 


628 Jahresberichte. 


éyévero) rechnung getragen hat. Zugleich weiss er mit dieser 
datirung von dem überfall von Platüa für das verständniss seiner 
leser einen wesentlichen vortheil zu gewinnen. Der überfall hatte 
stattgefnnden 6, 2, 30: aua nes aeyoufre. Statt des schwan- 
kenden kalendertages des überfalls, der im vergleich zum sonnen- 
jahr wiederkebrend bald höher hinauf bald tiefer herabrückt, durfte 
er also denselben stets gleichbleibenden punkt des früblingsanfangs 
setzen, und indem er diesen natürlichen sonnesausgangspunkt zur 
epoche nahm und demgemiiss auch weiter das einzelne jahr (z. 22: 
yfyoantas 3 ÉEñc we Exacta tylyvero xara 9égog xai yespwva) 
und die jahre des krieges natürlich abtheilte, e, 20, 20: xarà 9607 
dé xal yeu vag agsJpüv xti., war er im besitz einer jabres- 
rechnung, die nicht bloss über die verschiedenen sich oft wider- 
sprechenden bürgerlichen kalender seiner zeitgenossen hinweghob, 
sondern auch für alle künftigen leser allgemein verstándlich blieb. 

Die zweite, die hauptstelle, in der der schriftsteller die dauer 
des ersten krieges genau angiebt und sich zugleich über die art, 
wie er gerechnet hat und gerechnet wissen will, ausführlich aus- 
lässt, erfordert, nicht etwa weil sie in ihren massgebenden theilea 
an sich unklar wäre, sondern weil Unger sie nur oberflächlich an- 
gesehen und darum zum grossen schaden seiner ganzen untersuchung 
gründlich missverstanden hat, eine eingehendere besprechung. Die 
worte sind e, 20, 20: Avrus ub onovdas éyérorro redevrdaivios 108 
euros auu nos, dx Aiovuoiwr evIùs rg» aorixwy, adrodsre 
(uv dıeldovıwv xai fusQUrv GAlywv nageryxovor 3 we 16 
mowtov 7 &afloAr n ig tiv Arum xal 7 ágyü 100 modépov rosde 
èytvero* oxonelıw dé 116 xura TOÙS yoovovc, xai un 10» Exacrazos 
7 Gogoviuv 7 and nig tivòos 1)v ánaglJugcw rav ovopatwr ls 
TK 7QOytytvnpeva Onpasvoviwv morevcag piùùor. OÙ yag axçs- 
Bis dour, oig xai doyoptvoss xai uecovor, xai Snwe Erugév wp, 
eneybvaro 1 xa1i& don dé xoi yepwras dgdpuwry worse yt- 
yeantas, svoyoes 2 uict(ag éxarégou tov evsavtov ın9 devaper 
Eyovros, déxa puèv fon Yoous dé gyesuaivas 1) nut nodtpe 
rode yeyevnuérovc. 

Die genaue zeitbestimmung im ersten satze, der es, wie man 
sieht, nicht bloss um jahre, sondern um wenige tage zu thun ist, 
hängt von der bedeutung ab, die in nageveyxovswv gelegt wird. 
Dürfte der scholiast massgebend sein, der das wort durch saged- 
Sovowy erklärt, so wären wir aller weiteren mühe überhoben. 
Aber wer wird auf scholien, zumal die des Thukydides, sicher 
bauen wollen? Also müssen wir selber sehen. /uo« hat in dea 
zusammensetzungen eine dreifache bedeutung: daneben, vorüber 
und entgegen, aus denen sich alles besondere ergiebt. So auch 
in nagagpégw. Sehen wir zunächst davon ab, wie der gebrauch 
etwa die dritte grundbedeutungen im worte nüancirt haben mag, und 
verfolgen wir nicht voreingenommen hesondere zwecke, so werden 


Jahresberichte. 629 


wir fur unsre stelle jene erste und dritte bedentung ohne weiteres 
als ungebörig bei seite lassen und es der zweiten bedeutung gemäss 
verstehen , also æapelSovowy, ebenso wie der scholiast verstanden 
hat. [no transitivem ebensowohl wie intrausitivem gebrauch kehrt 
das wort in dieser bedeutung: vorübertragen, vorüberführen, vor- 
übergelien, übertreffen, die ganze reihe der schriftsteller hindurch 
am häufigsten wieder; zum beleg, um anderen die mühe zu er- 
sparen, führe ich an: Th. d, 135, 6; Xen. Kyneg. 5, 27; 6, 24; 
Plat. Rep. 515 AB; Demosth. 531, 16 (in mid. 53); Diod. 14, 
115; 17, 55; 18, 35; Plut. I, 283, B; 393 s. f.; 394, A; 
425, D; 471, A; 968, F; 1047, D; Il, 432, A; Arist. id. 
Panath. 1, 127; Lucian. Charid. 19; Herodian. 8, 4, 3. 4; Dio 
Cass. 43, 26; 59, 5. Diirfen wir also durch diesen gebrauch 
des wortes darüber beruhigt sein, dass wir xa nusgüv oAlywy 
mageveyxovowy im sinne von wenigen überschüssigen tagen ver- 
stehen können, so giebt alles andere, was sonst noch im satze ist, 
die volle gewissheit, dass der schriftsteller nur in diesem sinne 
verstanden sein will. So hat er 1) nicht schlechtweg déxu én, 
sondern avzodexa gesagt. Diese verbindung des avrog mit déxa 
oder einer andern zahl kómmt im Thukydides und in der ganzen 
gräcität sonst nicht wieder vor. Warum also hier das ungewóhn- 
liche, wenn damit uicht ein besonderes bezweckt wird? Ohne den 
hinblick und gegensatz des xai ruegwr ÓAM yw» nagertyxovowy 
würde es auch hier kein avrodexa geben: genau, volle zehu jahre 
und wenige tage darüber. Wie durch ausdrücke wie avroà(Jivoc, 
«Vti0EvÀog, avıooagE, uvtocldnoos, ura ta (nura, aUr0 1ovvay- 
iov, uuro 10 meglogdgov u. a. klar ist, werden die zehn jahre 
für sich in ihrer ganzheit gedacht, den wenigen tagen gegenüber, 
die noch hinzukommen. Sollte ausgedrückt werden, dass die zehn 
jahre nicht rund und voll sind, sondern dass ihnen noch wenige 
tage abgehen, so wäre die ungewöhnliche bezeichnung unverständ- 
lich und albern, der achriftsteller würde dann auch hier déxa £z 
nusowy ÖAlywr d£ovıo gesagt haben, wie sonst seine gewohnheit 
ist: ß, 2, 27; d, 102, 15; e, 16, 26; €, 68, 35 n, 31, 24; n,53, 
21; 9, 6, 27 zw.; 9, 7, 6; 9, 17, 14; 9, 25, 11; 9, 102, 30. 

Er würde 2), wenn die zehn jahre nicht voll gedacht wer- 
den sollen, sondern mit einem minus oder in unbestimmterem aus- 
druck mit einer differenz von wenigen tagen,. auch im folgendea 
nicht x«i nutQü» oléywy nageveyxuvoüy haben sagen können. 
Für die angabe einer solchen nebenbestimmung sind die einfachen 
genet. absoluti da; steht dagegen hier xaf, so kann es nur das 
hinzufügende sein, Das ist so zweifellos und sonnenklar, dass 
darüber kein wort zu verlieren ist. 

Und 3) ist die anknüpfung des folgenden aus vorhergehende 
durch 7 ws nur statthaft, wenn in diesem vorhergehenden der be- 
griff eines comparativ gegeben ist. Das ist durch nageveyxovowr, 


630 Jahresberichte. 


nicht aber schon durch dseADovrwy der fall. "Thukydides hat das 
n iu der bedeutung als hüufig genug, in o allein 52mal, um mit 
bestimmmtheit sagen zu können, dass nach einer blossen zeitangabe 
eines verflossenen zeitraums solches 7 bei ihm keine stelle hat. n 
hängt hier also einzig von nagereyxovowy ab. Dabei ist es zu- 
nächst gleichgültig, wie ich quepwr Ollywr negeveyxovowv verste- 
hen will, ob: wenige tage weniger, oder: wenige tage mehr. 
Finde ich aber darin den sinn, wie man ihn darin hat finden wol- 
len: mit dem unterschied von wenigen tagen, so versenkt sich, 
wenn ich so sagen darf, das wegeveyxovaw» in dsedFoviwy, und 
der comparativbegriff für n wäre damit geschwunden. Nicht zag- 
eveyxovowy wird von diedFoviwr, sondern dseAForvtwy von xage- 
veyxovowy aufgenommen, und das ganze heisst demnach: dieser 
friede fand statt, nachdem volle zehn jahre waren und ausser die- 
sen noch wenige tage mehr als der zeitpunkt war, wo u. s. w., 
wes offenbar dasselbe ist, wie wenn wir für uns einfacher uud 
verstündlicher sagen: dieser friede fand statt volle zehn jahre und 
wenige tage spater als der zeitpunkt, wo der krieg begann, oder 
in noch schlichterem ausdruck: volle zehn jahre und wenige tage 
nach dem anfang des krieges. Diese letzte art zu reden, wäre 
schon dem Thukydides geläufig genug ; man vgl. z. b. nur den 
anfang des 6. buchs, wo solcher zeitangaben mit pera und den 
dann dazu gehörigen dativen sogleich mehrere beisammen sind: È, 
3, 15/16; 4, 1; 4, 5; 5, 31; 5, 32; 5, 33; versucht ‘man aber, 
darnach unsern satz in derselben weise sich auszufübren, so fühlt 
man bald genug, was das für eine schwerfällige rede giebt, und 
ist es gern zufrieden, dass wir's haben, wie's geschrieben ist. 

Das ergebniss des bisherigen ist also diess, dass die angege- 
benen nuégas OAÀíyas mageveyxovoas nichts anderes als „wenige 
tage mehr“ bedeuten. Es ist dasselbe, was Boeckh behauptet, wenn 
er, Monde. p. 77, sagt: ,,jueodv Ollywv magsveyxovGGO heisst 
nicht, wie es einige nehmen, wenige tage darüber oder darunter", 
sondern ausschliesslich „wenige tage darüber“, was er aber nicht 
bloss behauptet, sondern sogleich sprachlich durch den hinweis auf 
Buttmann's ausführung zur Mid. Exc. HI, pg. 129 und sachlich 
durch die nachrechnung auf die einzelnen tage hin nachweist. 
Unger widerspricht dieser Boeckhschen auffassung der worte; „ebenso 
wenig begründet, sagt er p. 46, ist die erklürung (Boeckh’s), 
dass xai nueowv OMyuv nageveyxovowy, 5, 20, und xai 2u£gac 
où oa; rageveyzovoas, 5, 26, nicht mehrere tage darunter 
oder darüber, sondern bloss mehrere tage darüber bedeute“. Und 
seine sprachlichen griinde für diesen widerspruch? Im texte sagt 
er nichts weiter, nur in der anmerkung kehrt die behauptung wie- 
der, dass ,nagagpégesw (abirren, schwanken) eine abweichung 
nach der einen wie nach der andern seite bedeute“. Aber darf 
man so mit einem Boeckh umgehen? Wozu hat Boeckh seinen 





Jahresberichte, 631 


namen, wenn er, der immer begründet, durch iho nicht einmal ge- 
gen blosses absprechen geschützt sein soll? Oder hatte es etwa 
schon jemand bewiesen, dass zupugpfgeıw auch „schwanken“ be- 
deutet? Unger hält es nicht für nóthig, auch nur eine stelle 
dafür anzuführen, aber er würde vergebens darnach gesucht haben, 
in der ganzen gräcität ist bisjetzt nicht eine einzige der art be- 
merkt worden. Ich habe obeu gesagt, dass sagagégesy in der 
composition auch entgegen heisst. Diess entgegen hat sich 
dann im gebrauch zum begriff des abünderns, des abweichens und 
des verkehrten nüancirt, also zagagége meinetwegen auch a b- 
irren, wie Uuger sagt; aber abirren kann ihm nicht dienen, 
er muss hier für sein weniger oder mehr noch einen ganz neuen 
begriff haben, also: schwanken; aber ist denn abirren und 
schwanken dasselbe? Zu solchen qui pro quo's kömmt man frei- 
lich leicht, wenn man erst die grundbedeutung des fremden wortes 
fallen lässt und dann aus dem vorrath beliebiger deutscher syno- 
nyme alles für alles setzt. 

Ohnerachtet dieses widerspruchs bleibt es also dabei, wie 
Boeckh gesagt hat, die nufous oAlyas rageveyxovoa: sind au s- 
schliesslich wenige tage mehr. Auch um des Thukydides 
willen, ich gestehe, ist es mir lieb, dass es so ist. Offenbar hat 
er es an unsrer stelle einzig und allein mit der zeitdauer des er- 
sten zehnjührigen krieges zu thun, sie so genau anzugeben wie 
möglich. Dass ers im stande ist, zeiten genau bis auf einzelne 
tage auszurechnen, bezweifelt niemand, und Unger selbst weiss das 
am besten. Wenn der schriftsteller z. b. bei der differenz der 
Athener uud Lacedimonier über den abfall von Skione die re 
frage nicht unentschieden lässt, sondern mit zuversicht sagt, d 
122, 12: siye de xai n ahi Fer "epi tác ENOOTATEWS uällor j 
oí "d9qratos Edixalovr dvo yàg nulguig vorsgov antornouy ol 
Zxuwvaio, wie käme er hier dazu, absichtlich, obgleich er es bes- 
ser weiss, statt der bestimmteren datirung eine unbestimmtere zu 
geben? Unger hat freilich darauf eine antwort, weil (nach Ungers 
rechnung) der erste krieg 13 tage weniger als 10 jahre, der 
ganze krieg 8 tage linger als 27 jahre gedauert, habe Thuky- 
dides ¢,.20, 22 und e, 26, 33 beide male dasselbe wort gewählt, 
das beides zugleich besage, zugleich weniger uud mehr, Aber 
wozu denn? Käme die darstellung des schriftstellers dadurch in 
schaden, wenn er geradezu das eine mal weniger, das andre mal 
mehr sagte! In so einer schwächlichen und spielenden art, wie 
Unger ihn reden lassen will, 'würde niemand den Thukydides wie- 
dererkennen. Und auch Unger lüsst ihn nur so reden, weil ihm 
nach seinen voraussetzungen nichts anderes übrig bleibt und er 
eben muss. Es wird sich aber im verlauf schon herausstellen, dass 
der sachliche grund, der Unger zu seiner auslegung der 7uéQ0s 
mag. geführt hat, eine irrige voraussetzung ist, und Thukydides 


632 Jahresherichte. 


witklich, wie die sprache das verlangt, beide male die juégus xug- 
évéyxovdas in demselben bestimmten sinne von überschüssigen tageu 
verstanden hat. 

Doch zunächst müssen wir noch einen augenblick bei der 
sprache und der weiteren auslegung des kapitels verbleiben. Um 
zu sagen, wie er die jahre gerechnet wissen will, fährt Thuky- 
dides fort: oxonelru dé 16 KUT Tous xod vovs, xai p) rd» ra 
Srayov N doyorvse» 7 1 UNO TIC OG riv dwagiS9pno sav Oro- 
pd tuv, è è + TIGIEUCAG palior, . . zara Fégn dì xal yespwrac 
aged p», woneg vfyeuntus, evgnos xil. Der rechnung nach den 
x0ovos wird also eiue andere, die nach der dxaglP prove der jabr- 
lichen behürden gegenübergestellt, und jene, die rechnung xatuü 
Tobg vQOvovc sodann die rechnung xaru Fon xai yeepwraus ge- 
nannt. Die yeovos sind also Iéo7 xai yesuwres, und der schrift- 
steller will, dass wir die jahre nach sommer und winter, also 
nach dieser natürlichen jahresabtheilung zählen sollen (Gxoxetqw 
dé zig), wie auch er darnach seine erzählung gegeben hat, woneg 
ylygarıa. Man sollte nicht glauben, dass die identificirung der 
yoovos mit Fon xal XERUVES , wie wir sie hier haben, nicht für 
alle welt massgebend sein müsste. Boeckh sagt daher ‘auch ohne 
weiteres schlecht und recht (p. 77), Thukydides habe der angabe 
von der dauer des ersten krieges in diesen worten das bemerken 
hinzugefügt, ,,er meine nicht bürgerliche jahre, die nach behürden 
gezählt werden, sondern natürliche zeitjalire*. Aber nichts desto 
weniger sind die ygovos Unger etwas anderes, P. 40 schreibt er: 
„die hehauptung Boeckhs, Thukydides wolle mit diesen worten sa- 
gen, dass er nicht bürgerliche, sondern natürliche zeitjahre meine, 
gründet sich offenbar (er selbst hat sich nicht eingehender darüber 
ausgelassen) auf die unterscheidung , welche hier und 5, 26 zwi- 
schen der rechnung „nach den zeiten“ und der nach beamten, 
welche dem jahre den namen geben, den sog. Éruwrvuos, gemacht 
wird. Dieser gegensatz ist aber nicht mit dem identisch, was 
Boeckh daraus macht, nämlich dem unterschied zwischen natur- und 
kalenderjahren, denn auch letztere sind zeiträume (ypovos)“. Nein, 
gewiss sind sie das nicht im sinne des Thukydides, yoóvos wohl, 
aber nicht of yg6vos, nicht die ygoves seiner erzählung: (woneg 
y&yoanıcı). Denn wären beamtenjahre nicht so gut yeovor, wie 
nach Unger kalenderjahre es sein sollen? Zeiträume sind jene so 
gut wie diese, aber die einen so wenig wie die andern sind oi 
zyoova, die 1g0v0 , wie der gleich folgende gegensatz sie be- 
schreibt (zara ‚son de xai xermuves 4&9 por , o one ri 

yoarntas, ev0708), die yoovos nach sommern und wintern, wie 
die eben jetzt zu ende geführte erzählung der ersten 10 jahre sie 
aufweist. Diese jahreseintheilung also, die im ganzen werke wie- 
derkehrt mit den angaben der zeiten, wie diese den einzelnen be- 
gebenheiten im werke beigegeben sind, ist mit den worten xam 





Jahresberichte. 633 


rovc yoovous gemeiut, die eintheilung, die die natur selbst macht; 
jede andere menschliche oder bürgerliche, also auch die eines bür- 
gerlichen kalenders, ist ausgeschlossen ?). 


2) Die worte, in denen Thukydides hier seine eigene natürliche 
zeitrechnung beschreibt, werden von der corruptel, die, wie alle mit 
recht annehmen, in dem satze: oxoneitw dé ng xarà Tob yodvous, xai 
un Tí» éxactayov 5 deyovtwy 5 dnd nuns nwoc Thy anagidunow tàv 
dvouctwy ig rà Npoyeysynulva onuaworrov neotedoas uällor, befindlich 
ist, glücklicher weise nicht berührt. Der fragliche satz möchte des 
Thukydides nicht unwürdig sein, wenn man die worte és a ngoye- 
yıynuiva oquciwórrov als vom rande hereingekommen wieder hinaus- 
weist. Der schriftsteller will rechtfertigen, nach welcher rechnung 
genau die eben von ihm angegebenen zehn jahre herauskommen. lch 
construire: oxonsizw dé ns xatà rods yodvovs xaì un (xata) rjv dna- 
ci9unosr tiv Exacıayod 5j Goyóvto» 7 ano nc vwóc TOY Ovouátor, TI- 
ouvoaç uällor: man betrachte (die jahre) nach den (angegebenen) 
zeiten und nicht nach der abzühlung der archonten oder der namen 
von einer beliebigen behórde her, solcher abzühlung mehr vertrauen 
schenkend. oxonsirw erfordert ein objekt; da es sich hier einzig um 
die genaue zahl der jahre handelt, wie man deutlich aus dem ende 
des kapitels sieht, so ergänzt sich su oxonsirw aus dem vorhergehen- 
den ungezwungen tè fm; dem zw» éxaomyoù 5 agygortwy stellt sich 
TU» ovouatwv ane mung noc gegenüber. Es ist nicht nöthig, schon 
twy ixaotayod 5 doyovtov von tu» övoudıwy abhängig sein zu lassen; 
der satz wird einfacher und leichter, wenn man dem 7 doyovrwr, 
dieser genannten behörde mit % ano tuys nwóg Tw» óroudtor alle 
sonstigen nicht füglich mit bestimmten namen zu nennenden behór- 
den gegenüberbringt; die stellung von mv anagiduyosy ist echt thu- 
kydideisch zur engen ineinandertigung der begriffe in denselben satz 
und vermittelt und mildert zugleich die construction von ano zung 
zıvös. Wäre demnach einerseits an dem so gewonnenen satze nichts 
auszusetzen, so sind anderntheils die von mir hinausgewiesenen worte: 
és ta nooyeyevnuiva onuawörıw» als ganzes höchst unnöthig, sie tra- 
gen zum verstündniss nichts bei, und in jedem ihrer theile entweder 
ganz unverständlich oder bei näherem betracht doch wenigstens sehr 
bedenklich. Für #5 hat noch niemand rath gewusst; warum zgoye- 
yernutva statt des einfachen yeyeynuéva, wie es am ende wiederkehrt, 
nóthig war, sieht man nicht, zumal die einzelnen jährlichen eponymen 
nicht frühere, sondern zunüchst nur ihre jahre angeben und natir- 
licher weise doch von oben heruntergerechnet wird; und endlich 
würde Thukydides selbst hier, wo er die eponymenrechnung als un- 
zulänglich und ungenau bezeichnen will, wohl schwerlich oyucasyortwy 
gewühlt haben. Das wort steht ausser hier im Thukydides noch 15- 
mal; die 7 stellen, wo es das zeichen zum angriff geben heisst, kom- 
men also nicht in betracht; an den andern stellen: 8, 41, 5; 8, 43, 
32; ¢, 55, 35; 9, 78, 33; B, 45, 5; n, 66, 3; a, 72, 32; B, 8, 26, wird 
es immer nur von dem gesagt, was durch offenbare onsite ersichtlich 
ist und über alle anzweifelung hinweggesetzt wird. Mit Ungers ver- 
such, die stelle grammatisch zu erklüren, p. 39, anm., wird sich wohl 
niemand befreunden. Die genet. mi» 5 apyortwy 5 — onuasoriwv 
sollen von asotedcas abhüngen ; diese construction sei zwar sonst nicht 
nachweisbar, wohl aber die gleiche des synonymen wortes neideodui 
Toc, wofür er Thukydides 7, 73, 23 citirt. Aber abgesehen von al- 
lem andern ist doch asoredesy nicht neé9eo9as, und an der angeführten 





634 Jahresberichte. 


Das alles ist auf den ersten blick klar, aber für Uugers auge 
ist es nicht da. Ja er hält auch dann an seiner theorie fest, wenn 
er sich selbst schon überzeugt bat, dass sie nicht durchzuführen ist. 
P. 69 heisst es bei ihm: „da Thukydides das sommerhalbjahr mit 
dem kalenderdatum des überfalls von Platäa beginnt, so sollte man 
denken, er hätte auch die epoche des wintersemesters kaleudarisch 
datirt . . . Das hat er aber nicht gethan“, sondern (p. 70) eine 
,inconsequenz begangen, indem er dem sommer ein kalenderdatum, 
dem winter dagegen einen naturjahrpunkt zur epoche giebt“. Dar- 
nach müsste es also einige hoffnung geben, selbst Unger gern uns 
folgen zu sehen, wenn wir im folgenden den schriftsteller von die- 
ser inconsequenz befreien und darthun, dass er in seinem werke 
nicht bloss den winter, sondern beides, sommer und winter gleich- 
müssig, wie in diesem kapitel gesagt ist, nach dem naturpunkt be- 
stimmt hat. 

Auch die weitere angabe im letzten satze des kapitels: 4t 
gucostag éxarégov soU Evsavıov r)v duvauıy Eyovrog, bietet in 
ihrem klaren ausdruck keine schwierigkeit. Wenn Thukydides 
aber noch eben gesagt hat, dass man die jahre xarà Séon xal 
zespuivac abtheilen soll, und nun hinzufügt, dass jeder dieser beiden 
theile (dxarfgov) die hälfte des jahres ausmacht, so ist es von 
vorneherein unstatthaft, den einen theil, wie man gethan hat, den 
winter zu 4 monaten, und den andern noch einmal so lang anzu- 
nehmen; ja nicht einmal ist es statthaft, was Unger (p. 52) zu- 
lüsst und freilich seiner theorie zu lieb zulassen muss, den einen 
theil auch nur um einiges von dem andern differiren zu lassen. 
Hier handelt es sich um die grundbestimmungen der rechnung; 
wollte der schriftsteller es mit diesen nicht allzu genau genommen 
wissen, so war er der mann und hier die stelle, das anzudeuten; 
es wird sich aber schon herausstellen, dass wir auch diesen aus- 
druck 2E nusoelag so genau wie möglich zu interpretiren haben. 

Das resultat der grammatischen erklärung dieser beiden mass- 
gebenden kapitel ist also dieses: 

1. Thukydides lässt den krieg mit dem überfall von Platäs 
und, da er diesen mit dem beginnenden frühling gleichsetzt, mit 
dem anfang des frühlings beginnen, und berechnet von da ab die 
dauer des ersten krieges zu zehn jahren und einigen tagen; 

2. er rechnet die einzelnen jahre des krieges nach natür- 
lichen, nicht nach bürgerlichen (kalender- oder beamten -) jahren 
und theilt 

3. das einzelne jahr in zwei ganz gleiche hülften, in sommer 
und winter ab. 

Ich habe jetzt im folgenden sachlich den beweis zu fübres, 


stelle ist gar kein grund, den genet. ogw» von nei9ecdas, und nicht 
vielmehr von ndvra abhüngig sein zu lassen. 





Jabresberichte. 635 


duss im werke selbst au allen stellen ohne ausnahme wirklich nach 
diesen angaben der beiden kapitel verfahren ist. 


1. Anfang und dauer des krieges. 


Wenn Thukydides 8, 1, 19 (“Agyerus dì 6 modeuos evPévde 
ndn) den überfall von Platäa als den anfang des krieges setzt, so 
weiss er selbst sehr wohl, dass dieser überfall nicht der officielle 
anfang des krieges ist. Wiederholt hült er beides geflissentlich 
aus einander. Er thut das sogleich in den ersten worten seiver 
beginnenden erzihlung, wie ich gezeigt habe, und thut es, dem 
entsprechend ganz nach seiner art, wieder am schluss derselben, &, 
20, 23: ds 16 noüror n doBoln 5 ic tyv rux)» xal 7 aeyn 
toU 70ÀÉuov zoude dyfvtto. Der überfall von Platäa ist ihm für 
seine geschichtserzühlung, wie ich mir zu sagen erlaubt habe, der 
redaktionelle, der einfall der Peloponnesier iu Attika bleibt ihm 
der wirkliche officielle anfang des krieges. Ueberall weiss er die- 
ser écfodn ihr recht und ihre bedeutung als ausbruch des krieges 
unverletzt zu erhalten. a, 125, 17 heisst es: zoiv écBadsiv dg 
thy "irnxü» xai rv noAsuov uguodus qavegüig. Die waffen wa- 
ren schon von beiden seiten auf einander gefallen, beschlüsse, dass 
die Athener den frieden gebrochen, vou den Lacedümoniern lüngst 
in engerer und weiterer versammlung gefasst worden; nichts desto 
weniger sagt er a, 66, 21: o) uévros 0 ye noltuog mw Evrep- 
QUyt; der wirkliche ausbruch des krieges, 109 wodemor aguodus 
gauvegwe, fällt ihm erst, wie wir schon hier im ersten buche sehen, 
mit dem 2gfaAeiv ig mv” Aruxiv zusammen. Unmöglich kano er 
doch seinen anfang, jenes agyeras êvdévde ndn vom überfall von 
Platáa, schon gleich darauf wieder vergessen haben; nichts desto 
weniger lässt er den Melesippos, den letzten boten des Archidamos 
an die Athener, am tage, wo er erfolglos von ihnen zurückkehrt, 
ausrufen, c. 12, 27: nde n nuéou roig "ElAnoı peyalwr xaxüv 
agts. Der tag der 2oßoAn ist das freilich noch nicht, er hat ihn 
aber zur unmittelbaren folge. Da aber, wo die erzühlung daun 
endlich zur wirklichen doßoAn fortgerückt ist, erhalten wir im 
sione des schriftstellers alles noch einmal beisammen. In umstünd- 
lichster officielle fassung wie im kanzleistil heisst es davon @ 19, 
18: wera tà dv IMaralu 10v éceddonwy Onßuluv yevo peva 
zuton öydonxoori; udliota, roU Jégous xai 100 otrov dxuatovtos, 
écéBañor dg tiv ^ne nysito dè ° Apyldapos 0 Zevbida pou, 
Aaxedusporiwy Bacsievc. Er hat also nicht vergessen, wie er 
angefangen; auch hier wieder die erwähnung des überfalls von 
Platia; dann die genaueste angabe, bis auf den tag ausgerechnet, 
wie viel später die 20ßo%r nach jenem überfall stattgefunden, und 
drittens erst hier, wo es endlich zu dem kömmt, was wirklich 2c- 
foÀá ist, im officiellen ausdenck, wie wenn die erzählung aufs 


ee 


636 Jahresberichte. 


neue anhebt: nyeiro dé ’ Aoxldapuos 0 Zev5idapov, Aaxeduuerlwr 
Baosdevs. Erwähnt war Archidamos im vorhergehenden, uud zwar 
bei recht bedeutenden anlüssen, schon ófter, als er vor der engeren 
versammlung der Lacedümonier sich über den krieg auslüsst, a, 
79, 13; als er im augenblicke des aufbruchs zu den spitzen des 
versammelten heeres spricht, 8, 10, 33; als er schon auf dem zuge 
begriffen sich an der attischen gränze vor Oenoe lagert, f, 18, 
überall heisst es entweder schlechtweg 'zfory(duuoc, oder ’ Aoxida- 
poc ó Bacsdetc utiwy, oder > Aoyldauos 0 Baciletg Tüv Auxe- 
daspovlwy, nur hier erst, wo nun wirklich eingefallen wird, haben 
wirs im vollen curialstil: ° Aoy(damos 6 Zevksdauov, Aaxedasuo- 
viwy Baosdevc. Ich will auf dies unterscheidende 6 ZevEsdapov 
nur so viel gewicht legen, als ihm zukömmt. Auch noch 8, 47, 
20; B, 71, 25; y, 1, 22, bei den späteren einfällen, haben wie 
wieder diese vollere formel; aber wenn weder 8, 10, 33, wo es 
doch weiter heisst: Oc;Q Aysiro 16 eodov tuvrns, noch f, 18, 
31, wo zu à; Oivony der zusatz: neg Eusllor ecfadeiv, hinzatritt, 
weder hier noch dort die vollere formel erscheint, so ist die ab- 
sicht doch klar, und kein achtsamer leser wird es verkennen, dass 
diese hier zum ersten mal gebrauchte volle formel neben der be- 
sonderen tagesdatirung auch ihrerseits dazu dienen soll, das hier 
(z. 21) faktisch eintretende êçéfaioy als die nunmehrige wirkliche 
ésBody, und diese der erwühnung des überfalls von Platäa gegen- 
über, dem formellen als den officiellen faktischen anfang des krie- 
ges zu bezeichnen. 

Um Ungers willen musste ich hier über die &cfodj im sinne 
des Thukydides, und wann er sie ansetzt, so viele worte machen, 
um des Thukydides willen hätte ich's nicht nöthig gehabt. Er 
sagt so bestimmt und deutlich, wie es nur geschehen kann: pera 
ta èv IMiaralu . . . yevopeva fuéox Óydonxoorz; palicra. Aber 
diese 80 tage, so deutlich sie nun einmal vor aller welt augen 
dastehen, dürfen für Unger nicht vorhanden sein. Auf seinem wege 
muss er, cottte qui cotte, auch dieses hinderniss nehmen. Vou 
einem zzQuTov weudog, zu dem der chronologe, wie ich gern glau- 
ben will, in seiner tugend gekommen ist, geht er consequenter 
massen unentwegt von annahme zu annahme, von irrthum zu irr- 
thu® Vor allem aber muss er, weil doch sonst alles nicht helfen 
kónnte, die leidigen 80 tage durch eine art taschenspielerkunst vor 
unsern augen verschwinden machen und um die hälfte verkürzen 
(p. 48). Wir sollen nicht sehen, dass Árchidamos, auch schon vor 
Vence lagernd, noch immer darauf aus ist, den krieg zu vermeiden 
und in der erwartung, die Athener künnten doch endlich noch nach- 
geben, den einfall hinausschiebt (8, 18, 8: pudera dé 5j dv 13 
Olvon énloyeois; 2. 13: 6 dà ngocdeyoueveg — üveiyer; c. 19, 
17: of re A9nvuics oùdèr énexnouxevovro), und sollen es ohaer- 
achtet dieser darstellung des geschichtschreibers Unger glauben, 





Jabresberichte. | 637 


dass es müglich ist, vor dem einfall einzufallen, und dass Archi- 
damos dieses wunder mit einem gewinn von 40 tagen vollbracht 
hat. Wozu darüber noch ein wort verlieren. Alles was Unger 
auf diesem grunde weiter baut, und leider hat er von diesem an- 
satze aus seine neue rechnung geführt, muss als eine von dem ver- 
ehrten manne rein verschwendete mühe erscheinen. 

Mit der 2oßoAn, wenn diese gleich den Hellenen der wirk- 
lichkeit nach aus guten gründen für den eigentlichen officiellen 
ausbruch und anfang des krieges galt, hat des Thukydides eigene 
rechnung der jahre sowohl des ersten wie des ganzen krieges über- 
haupt nichts zu thun, Er der historiker rechnet anders und be- 
ginnt anders. Natürlich muss er aber diese seine abweichende art 
auch kundthun, und so ist denn auch das erste wort, das wir so- 
gleich am anfang der erzühlung vom überfall von Platia zu lesen 
bekommen, ß, 1: aoysıas dé è noAsmog évS£vde ndn. Dieser über- 
fall hat stattgefunden nach des Thukydides eigenen angaben, c. 2, 
z. 28: llvJoÓuQov Eur d’ uivas agyortos “AFyvaloss, z. 30: apa 
nes dgyeué£ro, c. 4, 18: relevrwvt0g tov unvoc, nach damaligem 
attischen kalender am letzten anthesterion ol. 87, 1, nach heutiger 
rechnung am tage vom abend des 4. april 431 v. Chr. (Boeckh, 
Mondeyel. p. 78). Von diesem datum also hat Thukydides, wenn 
er sich treu bleibt, die jahre seines ersten so wie die jahre des 
ganzen krieges zu rechnen. Den ersten krieg schliessen ab die 
orovdal unter archon Alkaios 'EAagzfoAwovoc umvös Exın 93(- 
vovrog, €, 19, 16; dieser sechsletzte elaphebolion entspricht unserm 
11/12. april 421 (Boeckh, Mondc. 80), den ersten krieg muss 
Thukydides also zu 10 vollen jabren und 7 tagen rechnen, und 
dem entsprechend heisst es bei ihm «, 20, 20: avras al Onovdoi 
éyévorro — avrodexa trav duASoviwy xai nusowy ÖAlymy nagt- 
vyEyXOUGUV. 

So Thukydides. Wie lässt nun Unger ibn rechnen? Weil 
er , freilich wie die andern auch, die nebeneinanderstellung der 
worte in e, 20:  &Podn n dg a» Array xoi 7 deg 100 mo- 
Aépou rovde in ihrem wahren werthe, wie ich ibn oben dargelegt 
habe, verkennt, gilt ihm hier nicht die agyn rov zoàA£uov rovds, 
der iiberfall von Platüa, sondern die êçfol als der anfang der 
rechnung. Aber die wirkliche è5£047, 80 tage nach dem überfall, 
würden an dem facit, das Thukydides für die dauer des archidami- 
schen krieges angiebt, eine unmôgliche differenz ergeben. Sie 
würden auf den 21. thargelion, unsern 24. juni hinführen, tov 
Hgovs xai roù Gírov axuabor:os, wie Thukydides sagt. Da der 
friede des Nikias den 6letzten elaphebolion 421 geschlossen ist, 
so würden an den vollen 10 jahren, die Thukydides rechnet, noch 
56 tage fehlen, eine summe, von der auch Unger einsieht, dass 
sie zu des Thukydides weiterer angabe xoi ;uegwy oAlywr mugs- 
veyxovowy gar zu schlecht stimmt. Das avıodıza kümmert ihn 





638 Jahresberichte. 


nicht weiter, er sieht es nicht und spricht davon nicht; für das 
zugeveyxovow» hat er, wie wir geseheu haben, anderweitigen rath, 
aber die grüsse der summe muss um jeden preis hinweggeschafft 
werden, und so kümmt er dazu, die écfodn sans gene gegen dea 
ausdrücklichen willen des Thukydides 40 tage vor der 2cßoAn zu 
datiren und sie mit dem halt des Archidamos vor Oenoe zu identi- 
ficiren. So wird doch von der ganzen summe der beträchtlichste 
theil heruntergebracht, von den 56 tagen 40 tage. Statt vom 4. 
april hebt jetzt die rechnung vom 8. munychion an und von da 
bis zum 24. elaphebolion 421 sind es 10 jahre weniger 13 tage 
(p. 48), ein resultat, mit dem die sache doch jetzt einiger massen 
ein gesicht hat. Aber welche opfer in sache und sprache haben 
wir dafür bringen müssen, und welche anderen werden uns sonst 
noch zugemuthet. Thukydides hat gleich im beginn seiner erzäh- 
lung, 8, 1, den anfang des krieges von Platüas überfall datirt 
Das steht auch für Unger fest; jetzt soll er e, 20 von seiner ge- 
wühnlichen epoche wissentlich abgewichen sein (p. 43), soll 
begebenheiten, die mitten in seinen sommer fallen, zur epoche des 
jahreswechsels gemacht und noch in das winterhalbjahr verlegt ha- 
ben; sonst umfasst sein thema die beiderseitigen bund 

mit (8, 1, 20: zwr éxutégowg Evuuuywr), jetzt soll er die bun- 
desgenossen ausgeschlossen und sein ursprüngliches thema preisge- 
geben haben (p. 45). Und die gründe und der zwang fiir diese 
annahmen und zumuthungen? Es steht weheviwvtog tow —WVB 
da. Aber es steht auch hier, wie sonst immer und wieder, apa 
joe dabei, und so kann doch auch hier, was nach Unger mitte 
sommers geschehen ist, nicht dem anfang des frühlings zugetheilt 
sein. Es sind dem hier datirten friedensvertrage des Nikias aller- 
dings nicht sogleich alle bundesgenossen der Lacedümonier beige- 
treten; aber in dem vertrage selbst werden diese bundesgenossen 
nicht bloss einmal, sondern elfmal mitgenannt. Aber ausserdem 
bekommen wir noch von einem absonderlichen moment zu hören, 
das den schriftsteller bewogen haben soll, sich hier wissentlich mit 
sich in widerspruch zu setzen. Blieb er bei seiner gewöhnlichen 
epoche, dem überfall von Platäa, so würde die rechnung der 10 
jahre zu tief in das elfte hineingegangen sein. Es sollten aber 
nur 10 jahre werden. Aeuderte er daher seine epoche und da- 
tirte er hier von Üenoe, so gewann er dabei zugleich eine zahl 
von höherer bedeutung, „die höchste der einfachen zahlen, welche 
in den staatseinrichtungen der Athener die bedeutendste rolle spielte". 
Glaubte der chronologe Unger diess zahlenargument auch nicbt zu- 
rückhalten zu sollen, so war er doch feinfühlend genug , es nicht 
geradezu in die person des Thukydides zu verlegen; er sagt our: 
man gewann zugleich. Darum will ich es auch mit dieser blosses 
erwühnung gut sein lassen, werde aber doch alsbald noch etwas 
ühnliches zu berichten haben. 





Jahresberichte, 639 


Ueber diese widersprüche, in die Unger den schriftsteller mit 
sich selber treten lässt, weiss er sich zu trösten. ,,Das werk des 
Thukydides, unvollendet wie es auf uns gekommen ist, sagt er 
p. 43, enthült solcher widersprüche noch mehr, ... deren vorhan- 
densein sich ausreichend daraus erklürt, dass der verfasser mitten in 
seiner arbeit gestorben ist“. Ich weiss auch wohl von widersprü- 
chen, die man hat nachweisen wollen, aber bis jetzt verhält es sich 
mit allen so wie hier, wo des schriftstellers rechnung des ersten 
krieges nach der zu anfang der erzühlung augegebenen datirung 
hier am schluss derselben, wie wir gesehen haben, aufs genaueste 
auskómmt und sich in schénster ordnung befindet. 

Jetzt zur rechnung des ganzen krieges. Diesen lasst Thuky- 
dides e, 26, 17 fortgehen uéyos ov znv te dogny xattmavoay TUY 
Abmaluv Aaxedasuovios xal of Evpuayos xoà 1a paxga relym 
xai tov Hepase xarthafor. Eine bestimmte datirung, wann diess 
letzte, die übergabe der mauern, geschehen ‚sei, auf monat und 
tag, erhalten wir einzig von Plut. Lys. 18: o d’ oov Aicavdgos, 
ws nagélaBe Tic te vavg dndoac nÀQv dudexa xai rà zelyn TV 
? Adyvalwv, Exın ini dexaım Movvezsiivos unvoc, !y 5 xoi tay dv 
Zulapir vavuayíay Ivixuy tv fa oBago», BBovAevaiv e09 vg. xai 
z7» smohitelav weracınous. Es ist aber sehr fraglich, ob wir das 
von Plutarch oder wie viel wir davon annehmen können. Als 
ausgemacht kann gelten (Boeckh, Mondc. 65 ff), dass er die sie- 
gestage und die tage der siegesfeier von Marathon und Platäa 
verwechselt, und nun fügt er gar hier dem tage, an welchem die 
mauern an Lysander übergehen sein sollen, den zusatz bei: dv 7 
xai ijv dy Sudapives vauuuylay evixwy tÒv BugBugor, wührend er 
doch selbst an andrer stelle, Cam. 19, mit sich in widerspruch, 
aber der darstellung des Herodot und der wahrheit gemüss von 
der schlacht bei Salamis sagt, die Athener hütten sie gewonnen 
Bondgouuwros megi tac elxadas, wg mir dv 17 megì mueçoür 
anodédesxtas. Freilich wiederholt er den 16. munychion als den 
siegestag von Salamis noch ein andres mal, De glor. Athen. 7: 
rjv dì Exinv éni déxu 100 Movvvywovoc > Aorkusds xaFséquoay, iy 
7 Toig “Eddnos megi Sadapiva vexwow Énélauyer i} Seoç navot- 
Anvoc. Aber wer möchte nicht gerade aus diesen worten selbst, 
aus dem xadségwour, mit Boeckh entnehmen, dass er nur aus dem 
tage der siegesfeier auf den tag des sieges geschlossen und also 
auch hier, schon das dritte mal, siegestag mit siegesfeier verwech- 
selt hat. Vgl. A. Mommsen, Heortol. 403 ff. Steht die sache 
demnach so, dass die tagesnotirungen Plutarchs immerhin ihre grosse 
bedeutung haben, dass sie aber für das, was sie wollen, nicht so 
ohne weiteres hingenommen werden können, so wird die angabe, 
die wir ihm hier in unserm falle danken, auch noch eines weiteren 
wortes nicht unwerth sein. 

Man mag über Xenophons Hellenika denken, wie man will, 





640 Jahresberichte. 


ich habe nicht gefunden, dass ich mir von seinen sachlichen notizen 
etwas abzuzweifeln erlauben darf, am wenigsten fiir die beiden er- 
sten bücher, für die er, wie ich das an andrer stelle ausgesprochen 
und mit einigen nachweisen belegt habe, die hinterlassenen com- 
mentare des Thukydides sich zu nutz gemacht zu haben scheint. 
In den Helleniken nun steht geschrieben Il, 2, 22: 17 dà vorsgalu 
(als Theramenes im 4. monat mit den neuen friedensbedingungen 
aus Sparta zurückgekehrt war) annyyeAloy oi notoBess ty ols 
of Aaxedatudveos novoivto thy elonyny agenyéees dì avrüv O- 
eapéras , éyur ee xo) meideodas _Aaxedaspovtors xal tà uy 
mequasgeiv aviesnoviwv dé tvwv avg, mob dì slesovwy ovre- 
naswscuvtwy, Edoks dtyeodas ij» elonvny pete di rasta Av Gay- 
desc Te xarénies ele bad Hegasc xal oí puyadeg xaryzecay sai 
ta telyn xatéoxantoy Un atlyteldwy noA soodvpula, voullovees 
éxelvny  r)v quéqur 1 Eddads ügyev rig dleudeglaç. Darnach 
sind also, weil das hier in demselben athem erzählt wird, an dem- 
selben tage die friedensbedingungen von den Athenern angenommes 
und die mauern niedergerissen. Im folgenden jahre, heisst es dana 
weiter c. 3, 2: £doEc 1 drum rosaxorıa avdquç éléictas, of 
tots zarQíovg vououg OvyyQutyovos, xaJ ovc rmodsrevaovos. At 
ders bei Plut. Lys. 15. Nach ihm werden an dem einen tage, 
am 16. munychion, dem Lysander schiffe und mauern überliefert 
und erst später, weil die Athener vertragsbrüchig geworden seies 
(éordvas yao 1a relyn 1ùv nusowy, tv alc ide xu3peloda:, na- 
cwynuérwr), die mauern zerstört, die schiffe verbrannt, und (e09uc) 
die dreissig eingesetzt. Wie’s hier bei Plutarch ist, möchte auch 
Lysias in Agorat. 34, scheint es, den richtern die damaligen vor- 
gänge einreden ; als wenn alles an einem und demselben tage ge- 
schehen wire, die schiffe ausgeliefert, die mauern zerstórt, die 
dreissig eingesetzt, sagt er: énedì) rag éxéiros (die von Agor. 
denuncirten) ovdlnysd évres &déFnouv, 101€ xai 0 Avcardgos els 
tovcg Asuévug rovg dueréoovs elcindevoe, xol ub vies al vpésegas 
Auxsdaiuovlios nagedo9noay xai zu telyn xuteoxugy xoi of squa- 
xovta xar£oınoav. Aber man sieht schon an der limitirenden weise, 
wie er sich windet, 2. 15 f., dass ibm selbst dabei nicht ganz ge- 
heuer ist, umd er sich vor denen, die es vielleicht noch besser im 
gedüchtniss haben, einigen zwang aufzuerlegen weiss, An anderer 
stelle dagegen, in Eratosth. 70 ff., wo die sache es dem kläge- 
rischen advokaten nicht zu verwehren schien, deutlicher bei der 
wabrheit zu bleiben, werden auch von ibm wenigsteus die zwei 
volksversammlungen, die über den frieden und die über die verfas- 
sung (70: TeUJ' vuüg Enuos noa&aı und 71: xoi tà selevsaior 
2 + . OÙ BQOTEQOY elace 177 exxdnoiuy yeréoda:), ersichtlich genug 
unterschieden. Die thatsachen selbst konnten ihm, dem gleichzei- 
tigen, zu seiner trübung der darstellung die hand bieten, wie sie 
den spüteren, einem Plutarch voran, dem alle neueren, auch Boeckh 





Jahresherichte. 641 


(Mondc. 81) folgen, zu ihrem verkennen des genaueren herganges 
den aulass gegeben haben. Offenbar ist nach den zeugnissen der 
alten in der volksversammlung über die verfassung von Lysander 
die anklage des vertragsbruches gegen die Athener erhoben wor- 
den; die mauern ständen noch, die in einer bestimmten frist nieder- 
gelegt sein sollten. Und sie standen damals wirklich noch, aber 
zum theil nur. Gleich nach der annahme des friedens werden dem 
Lysander schiffe und mauern ausgeliefert. Noch an demselben tage 
werden die schiffe verbrannt und mit der zerstörung der mauern 
der anfaug gemacht. Natürlich war das nicht die sache von tagen 
und wochen. Was Lysander und seine bundesgenossen angefangen, 
sollten die Athener selbst in einer bestimmten frist zu ende brin- 
geu. Die frist wird nicht eingehalten, so hat Lysander seinen 
vorwand, und es kömmt zur einsetzung der dreissig. Woher ich 
von dieser art des herganges weiss? Einmal weil es selbstverstand 
ist, dass Lysander, in den besitz der schiffe und der mauern ge- 
setzt, anch sofort zur feier seines sieges, wie er die schiffe ver- 
brennt, auch an den mauern das werk der zerstérung beginnt, und 
sodann, weil Xenophon es mir sagt. Er ist hier so kurz wie er 
vielsagend ist. Mau denke sich nur in den augenblick hinein und 
versuche, ihn sich lebendig zu machen. Der tag der verhandlung 
über den frieden war der 16. munychion, derselbe tag, an dem 
sonst Athen und was in Athen war den sieg von Salamis, die 
freiheit von Hellas feierte. Da lag es doppelt nahe, dem Thera- 
menes, der für die auslieferung der schiffe und mauern auftrat, in 
der versammlung, wie es wirklich geschehen ist, Plut. Lys. 14, 
den namen des Themistokles entgegenzubalten, den sieger von 
Salamis, ihn, der damals die siegesflotte geschaffen und die mauern 
gegen den willen der Spartaner aufgerichtet hatte. Und von dem 
tage kommen dann ferner auch die krünze und flöten her, von de- 
nen wir hören. Wo lesen wir denn sonst, dass die Griechen be- 
kränzt und unter flötenspiel die mauern einer feindlichen stadt ge- 
schleift haben? Hier feiern jetzt ihrerseits die Peloponnesier den 
tag, wie ihn sonst die Athener begehen, auch als den tag der 
freiheit von Hellas, aber in ihrem sinn, nicht ohne frohlockenden 
bohn (zoiboviw»), aber doch zugleich am ausgang des langen 
kampfes wenigstens für den augenblick das wort wahr machend, 
mit dem sie bei seinem beginn zu ihm aufgerufen hatten. 

So ist also die darstellung des Xenophon ein grund dafür, 
dass wir wirklich von Plutarch seinen 16. munychion, den tag der 
salaminischen siegesfeier als den tag hinnehmen dürfen, an dem in 
— Athen die friedensbedingungen der Peloponnesier angenommen und 
die schiffe und mauern ausgeliefert sind, an dem also gerade das 
geschehen ist, was Thukydides in den oben angeführten worten als 
das ende des ganzen krieges bezeichnet hat. Der 16. munychion 
ol. 93, 4, unter archon Alexias, entspricht nach der damals recti- 


Philologus. XLII. bd. 4. A3 


642 Jahresberichte. 


ficirten octaéteris (Boeckh, Mondc. p. 82) unserm 25/26. april 404. 
Vom überfall von Platäa, den 4/5. april 431 bis dahin sind also 
verflossen 27 jahre und 21 tage, und so erhalten wir denn auch 
vom Thukydides als dauer seines ganzen krieges dem gemäss, +, 
26, 31: rooavru (2. 21: Enrx xal elxoos) Eryn . . . xai Yuégas 
où ztoÀÀdg rnapereyzovonc. 

Die beiden thatsachen, bis zu welchen Thuk y dides hier den 
ganzen krieg fortführt, die auflösung der gy der Athener und 
die einnahme ilirer langen mauern und des Peiräeus durch die La- 
cedümonier, ergeben sich ihm als das ende des krieges sachgemäss 
von selbst. Beides ist eins und der inhalt der friedensbedingungen, 
die am 16. munychion in der athenischen volksversammlung ange- 
nommen werden. 'lhukydides konnte uns diese bedingungen nicht 
geben, wir kennen sie aber aus Xenophon, Lysias, Diodor und 
Plutarch (Lysand. 14: xuBBuio Ovitg Tov Hio xoi ta paxgu 
oxfln xai ixfuvreg ix nmacwy ruv MoAswr rà» avrov yü» Eyovrec, 
tava xa ÖpWwvreg tu» slouvav Eyoute, al yendosre, xai rots qu- 
yadag dvévres. Ileoì 1üv vawy rw mindeog, oxoïor tl xa rnyvel 
doxén, ravra noséere’) auch im detail. genugsam, um zu sehen, dass 
mit der annahme dieser oxuruÂn der Lacedümonier die «eyn der 
Athener ihr ende hat. Wurde aber der krieg, dessen darstellung 
der schriftsteller unternommen hat, um diese «gyí geführt, wie er 
das schon vor dem beginn desselben ausspricht (a, 118, 9 ff.), und 
von da ab bei jeder gelegenheit wiederholt, so ist auch zweifellos, 
dass mit der entscheidung über die àgyr durch einen abgeschlosse- 
nen friedensakt auch die geschichtserzihlung des Thukydides an 
dem ende angekommen ist, bis zu welchem historischer weise zu 
rechnen war. Ware es ihm gestattet gewesen, den krieg bis zu 
ende zu erzählen, so würde er wohl ohne frage die eroberung von 
Samos und die rückkehr des Lysander nach Sparta noch angefügt 
haben, aber in die rechnung der jahre gehörte was über den frie- 
densabschluss hinauslag nicht mehr, und die eroberung von Samos 
von rechtswegen um so weniger, weil die Samier eben durch die- 
sen friedensschluss schon aufgehört hatten, buudesgenossen der 
Athener zu sein. Aber dass Thukydides aus seinem ursprünglichen 
plane für die dauer des ganzen krieges seine 27 jahr und nicht 
viele tage bekommen hat, kann Unger natürlich, wie er einmal die 
jahre des archidamischen krieges gerechnet hat, consequenter weise 
nicht gelten lassen. „Da die 5, 20 und 5, 26 gegebenen bemer- 
kungen, sagt er p. 45, wenig von einander entfernt und zugleich 
in innigster beziehung zu einander stehen, so müssen hier beide 
kriege, der archidamische und der ganze krieg, auch denselben an- 
fangspunkt haben und auch für den ganzen krieg muss das die 
bundesgenossen mitumfassende thema preisgegeben sein. Bei dieser 
gelegenheit erfahren wir nun den eigentlichen anlass, p. 44, warum 
es dem Thukydides darum zu thun gewesen, dass der ganze krieg 





Jahresberichte. 643 


zu 27 und der archidamische zu 10, nicht jener zu 28 und dieser 
zu 11 jahren berechnet werde. ,,Warum dem schriftsteller gerade 
an der zahl 27 so viel lag, verrath er 5, 26: everoes ng ToOavTE 
Erg, Loysboevos KOE Tous xeóvovc, xai nutgag où nola T008- 
vEynovouc, xai toig no ,Rencpdv ts loyuescupsévoss povoy dì 
TOU10 éyvows Suußav dei yae tywye pps xoi dogopérov 
zov nzoÀéuov xai were où érelevt Ge ; mgoqtgüpsvov UNO TOAAWY 
On rgig évvéu Erg déow yevéodus avrov. Denn so kühl sich Thu- 
kydides auch im allgemeinen zu dem wunderglauben vieler zeitge- 
nossen verhült, so will er doch, wie Classen, Einl. p. LXI, be- 
merkt, die möglichkeit übernatürlicher einwirkungen keineswegs in 
abrede stellen. Die bestütigung dieser prophezeiung konnte aber 
nur gewonnen werden, wenn der anfang und nicht bloss dieser, 
sondern auch das ende des krieges anders bestimmt wurde, als 
Thukydides jenen bestimmt hatte und dieses folgeriehtig bestimmen 
musste: sie traf ein, wenn man, wie die prophezeienden wohl ge- 
than haben, nur an Athens schicksale allein dachte uud so den 
krieg erst mit dem einfall in Attika begann und schon mit der 
übergabe Athens am 16. munychion 93, 4, 25. april 404 endigte. - 
Wer aber, wie Thukydides sonst thut, denselben als einen krieg 
nicht bloss der Athener und Peloponnesier, sondern auch ihrer bei- 
derseitigen bundesgenossen (xui zw» #xarfooss Evuuuüywr, a, 1) be- 
handelte, der liess ihn mit Thuk. 2, 2 an dem etwa um einen 
monat früheren tage des überfalls von Platäa anfangen und musste 
ihn, wie Xenophon Hell. 2, 3, 9 wirklich rechnet, erst mit dem 
fall von Samos im herbst 404 endigen lassen; dann bekam er 
aber nicht 27, sondern 27!/; jahre und diese giebt auch Xenophon 
a. a. o. als dauer des krieges“. Also einzig des orakels wegen, 
das für die dauer des krieges rQic êvr£u Frn voraussagte, bat Thu- 
kydides rechnung und thema, womit er f, 1, in seine geschichtser- 
zühlung eingetreten ist, wieder aufgegeben. Für jeden freilich, 
der weiss, wie es mit der abfassung des thukydideischen werkes 
steht und dass das gauze in allen seinen theilen erst nach dem 
ende des krieges und mit der kenntniss seines ausgangs verfasst 
ist, ist so etwas zu erfinden und aufzustellen von vorneherein un- 
müglich. Doch lassen wir das; Unger denkt darüber ja anders, 
und nach meinem urtheil über menschennatur babe ich mir gleich 
anfangs wenig hoffouug gemacht, mit meinen auseinandersetzungen 
zu überzeugen, wer öflentlich in der sache schon engagirt ist. 
Aber wie steht es denn hier im vorliegenden fall mit Thukydides 
und diesem orakel? Von anzeichen, orakeln und weissagungen ist 
hin und her im werke die rede. Es wire ein mangel, wenn dem 
nicht so würe, wenn das motiv der geheimen inneren stimmung, 
das den menschen mit zum handeln treibt, an seiner stelle uner- 
wähnt geblieben. ware. Darüber hinaus, über diese ihre bedeutung 
als motiv sind diese dunkeln dinge für ihn nicht da. Ja noch 


43° 





644 Jahresberichte. 


mehr. Der dichterjiingling mag das messer ins wasser werfen, um 
sich so eine entscheidung zu holen, er der historiker fühlte in sich 
den beruf, auch an diese dinge im gegensatz zu Herodots Yeior 
nicht ein mal, sondern grundsätzlich seine historische kritik zu legen 
und sie auf das uydgwWnesov anzusehen, das in ihnen ist. Darum 
sagt auch freund Classen im verlauf seiner besprecbung an jener 
citirten stelle (LX) richtig und schön: „er findet es wohl begreif- 
lich, dass iu aufgeregten zeiten die menschen sich nach wunder- 
barer belehrung (2, 8, 2) oder hülfe (2, 47, 4) umsehen; aber er 
selbst legt keinen werth darauf und hat auch nicht heilsame fol- 
gen davon erfahren, und seine wahre überzeugung wird wohl mit 
der äusserung der athenischen gesandten, 5, 103, 2, übereinstim- 
men, die da ratben „es nicht zu machen wie die menge, die, ob- 
schon sie sich noch durch menschliche kraft retten könnte, sobald 
in ihrer bedrängniss die zu tage liegenden hoffnungen nicht mehr 
ausreichen, sich zu den duukeln wende, zu weissagungen und ora- 
keln und zu ähnlichen mitteln, die im bunde mit den hoffnungen 
nur schaden anrichten“. Und von diesem historiker, den seine hi- 
storische erkenntniss dahin geführt hatte, mit dem überfall von 
Platäa seinen krieg zu beginnen, wird nun so schlechtweg ange- 
nommen und ohne sonstigen grund vorausgesetzt, er habe um eines 
orakels willen diese seine ursprüngliche epoche des kriegsanfanges 
hinterher wieder aufgegeben und auch das ende des krieges anders 
bestimmt als er es folgerichtig bestimmen musste. Aber er sagt 
ja gerade hier: evgros . . . xai toig dno yonouwr n loyvQica- 
pevoss wovov di rovro yves Evufav, also für die, welche auf 
orakelsprüche etwas geben, sei diess das einzige orakel im ganzen 
kriege, das wirklich eintraf. Das kann doch wohl für jeden, der 
auch nur etwas hinter den zeilen zu lesen versteht, nichts anderes 
heissen, als dass er selbst unter jene «no yenouwy loyvescuperos 
nicht gehören will und also sehr geneigt gewesen sein wird, auch 
noch von diesem einzigen orakel zu sagen, dass es sich eben so 
wenig wie alle andern erfüllt habe, wenn ihm das nur möglich 
gewesen ware. So folgt also aus diesen worten des schriftstellers, 
meine ich, ersichtlich gerade das gegeutheil von dem, was Unger 
herausliest. Der krieg hat also nach des schriftstellers historischer 
berechnung in wirklichkeit 27 jahre gedauert, ohne orakel und 
ohne dass diesem erst künstlich vom historiker zu hülfe zu kom- 
men war. 

In der anmerkung p. 44 sagt Unger noch: ,die worte zeig 
lyré£a sind gewählt, um den gedanken, dass 27 den kubus der hei- 
ligen zahl 3 bildet, zum ausdruck zu bringen. Da der schriftsteller 
selbst von dieser mathematischen bemerkung nicht weiter berührt 
wird, so kaun ich auch diese hier, wie jene obige über die 10- 
zahl, auf sich beruhen lassen; aber wenn es im texte noch heiss, 
auch Xenophon habe Hel! 2, 3, 9 als dauer des krieges 27!/, 





Jahresberichte. 645 


jahre gerechnet, so dürfte es sich damit anders verhalten. Dort 
giebt der überlieferte text: ruurx dé marta Auxeduspovtors ant 
dwxe, _Tehevrwvtog 100 Jígovc, eig 0 Ea unvos xal oxtw xai etxoosy 
Em 16 noÀfuo éerededta, dy ols Epogos oi agi povpevos olds èyt- 
vovio . + + . Evdsog, ig! où Avouvdooç meu sas za slonutra ol- 
xude xaréshevoey. Dass hier mit unrecht oxzw in éxra verändert 
worden ist, zeigt sich daran, dass gleich darauf nicht 28, sondern 
29 ephorennamen folgen. Aber die verbindung eig & éfüunvoç ist 
hier den herausgebern schon ‚längst als ein neuer beweis hiuzuge- 
kommen, dass wie andere zeitdatirungen in den Hellenika auch diese 
hier ein einschiebsel sein wird. Daran ist schwerlich zu zweifeln, 
dann zumal nicht, wenn man erkannt hat, dass auch die vorherge- 
henden worte: ruvra dì nuviu Auxedusporlois antdwxe ein of- 
fenbares zeichen dieses charakters an sich tragen. Abgesehen davon, 
dass sie in dem, was sie richtiges enthalten, zu dem vorausgehen- 
den nichts neues bringen, konnte zuvra závza nicht gesagt wer- 
deu, da Lysander seine privatgeschenke, die OTEPUYOUS , oUg maga 
ıwv molew éluuBave dweu dia, sicher nicht in den óffentlichen 
staatsschatz eingeliefert hat. Auf die worte elg zöv mole pov am 
schluss von 2. 8 wird also sogleich 2. 11 gefolgt sein: oi dè 
tovuxoviu . + .; hat aber Xenophon selbst hier diese angabe über 
die dauer des krieges nicht gemacht, so hindert nichts, dass auch 
er das ende des krieges auf den 16. munychion, jene zu£qav ‘775 
éleudeplac, angesetzt und die dauer desselben im anschluss an die 
papiere seines vorgängers auf 27 jahre berechnet hat. 

Denn diese 27 juhre zusammenzunehmeu und in ihnen eine unun- 
terbrochen fortgehende kriegszeit zu sehen, war, so viel wir noch 
erkeunen können, die eigenthümliche geschichtsauffassung des Thu- 
kydides. Er sagt das freilich nicht mit einem ausdrücklichen wort, 
aber wir dürfen es abnehmen aus der art, wie diese auffassung in 
e, 25. 26 augelegentlichst vom schriftsteller gerechtfertigt wird. 
Dass die dort c. 25, 11 angegebene zeitbestimmung, die viel be- 
strittenen $E &ın xai déxu unvas keine corruptel sind und wie 
Thukydides sie rechnet, habe ich in dem letzten jahresberichte Phil. 
XL, p. 357 ff. eines weiteren darzulegen gesucht. Ich beschranke 
mich also hier, nur mit einem kurzen wort darauf zurückzukommen. 
Die 6 jahre und 10 monate, behaupte ich dort, sind die zeit, welche 
von dem tage, an welchem der friedensvertrag des Nikias abge- 
schlossen wird, dem 24. elaphebolion unter archon Alkäos, unserm 
11/12. april 421, bis zu dem tage verfliesst, an welchem dieser 
vertrag in Sparta für gebrochen und aufgegeben erklürt wird, im 
gamelion unter archon Chabrias, unserm februar 414, Man konnte 
einwenden, dass dieser beschluss der Spartaner, den krieg gegen 
Athen wieder aufnehmen zu wollen, mit dem wirklichen wiederaus- 
bruch des krieges noch nicht gleichbedeutend sei, Thukydides aber 
sonst seiue kriegsjahre nicht von crklärungen und beschlüssen, 





646 Jahresberichte. 


sondern von einer waffenthat und dem wirklichen ausbruch des 
krieges rechnet. Das würde seine richtigkeit haben, man würde 
aber mit diesem einwande den unterschied ausser acht lassen, den 
Thukydides auch sonst wiederholt und mit grossem nachdruck zwi- 
schen der officiellen vou staatswegen erfolgten wiederaufhebuny 
der ozovdat und dem wirklichen ausbruch des krieges gemacht hat. 
Weil er das thut, bin ich in gutem rechte, die di« pécov Sup- 
Laos, e, 26, 21, wie ich gethan und wie das auch schon im aus- 
druck liegt, also die 6 jahre und 10 monate von versammlung zu 
versammlung zu rechnen. Um noch ein übriges zur verstündigung 
zu thun, will ich noch einmal darauf aufmerksam machen, wie be- 
reits Philol. XL, p. 359 geschehen ist, dass Thukydides in dem 
antoyovro doch gewiss sehr zutreffend und bezeichnend das bishe- 
rige bestreben beider theile ausgedrückt hat, ihrerseits die Gmord«t 
nicht zu brechen, von dem dann im folgenden durch die unter- 
scheidung des x«i Gvayxacdévres Avous rdg Onovdag der weitere 
fortgang zur auflösung der oxordat und durch avdss ic nolsnor 


paveqôy xatéotjoay zum endlichen wiederausbruch des krieges ge- 
macht wird. 


2. Anfang des jahres und sommers. 


* Die yeoros (e, 20, 25), nach denen Thukydides erzabit und 
in der erzühlung die jahre abtheilt, sind 9égoc und yauwr. Gleich 
im anfang heisst es fi, 1, 22: yeygamını d ES wo Exacra tyl- 
yveto xata Jégoc xoi yessweu, und ebenso und ausführlicher am 
schluss der ersten 10 jahre, e, 20, 29: xura Icon dé xai yepuovag 
ad ur, wonte yéyguntus, evence LE nuicelas éxatégov tov 
Zmavtov my duvapuv Eroviog, dexa piv 9égr loovc dé yespwrac 
19 nQuiQ nzoÀtuo ıWde yeyevnuerovs. Wie hier der yesuwy auf 
das Jégoc folgt, so ist es auch in der erzählung der einzelnen 
jahre; jedes jahr schliesst mit ende des yesuw», worauf dann das 
neue jahr wieder beginnt mit dem anfang des 9eépos. Am ende 
des ersten jahres 6, 47, 16 heisst es: rosogde uiv Ó tuqosg éyéveto 
dy TD gupuwv toviw xai dsedFovtog avrov noüiov Frog toù no- 
Aéuou roude éreheutu. tov dì FéQovs evFdg doyoutvow . . ., und 
so ähnlich durchweg bei allen folgenden jahren. Das Séços aber 
wiederum hebt an mit dem beginnenden Zug. Wie das letzte der 
ersten 10 jahre und der letzte yeıuwr an dem folgenden Eg seine 
gränze findet (e, 20, 20: redevtwrt0g rov ytcvoc Gua nos), so 
nimmt dem entsprechend das erste jahr 8, 2, 30 cua no dpyo- 
evo seinen anfang, und schon daraus ist klar, dass wenn das ein- 
zelne jahr dem schriftsteller aus den zwei theilen, aus J£gog und 
xsıuwv besteht, der yesuwy des ersten jahres aber erst 68, 33, 10: 
tov 0 imyiyvouévov y&ucvoc beginnt, das vorausgehende, also 
auch jenes fag agyouevoy mit zum JEgog seines ersten jahres ge- 





Jahresberichte. 647 


hórt. Was so sich aus der schlussfolgerung ergiebt, wird an an- 
dern stellen ausdrücklich und direkt gesagt: d, 117, 5; e, 40, 32; 

C, 8, 31; 0, 94, 15; (is 19, 205) 9, 7, 29; 9, 61, 25: rov à 
Zmyiyvop£vov 9£Qov; aua TD noi evduc KQxome rep. Hier beginnt 
überall das neue jahr mit dem frühling, und wie die ausgeschrie- 
bene stelle es noch bestimmter aussagt, mit dem so eben begin- 
nenden frühling. Der anfang des einzelnen thukydideischen jahres 
ist also auf die naturzeit des beginnenden Jégog, und weil dieses 
bei ihm mit dem beginnenden frühling eintritt, auf die naturzeit 
des frühlingsanfanges gestellt. Die datirung dieses frühlingsan- 
fanges giebt glücklicher weise zu einer controverse keinen anlass. 
Von den drei bei den alten erwähnten frühlingsanfüngen, dem ein- 
tritt des zephyr, 8. februar, dem abendaufgang des arktur, 23. fe- 
bruar, und der nachtgleiche, 26. märz, ist nur dieser letzte der im 
volke allgemein gebrauchliche gewesen, aber abgesehen davon wer- 
den wir auch von Thukydides selber auf diesen anfang geführt. 
Ich habe.schon oben bemerkt, dass wir allen grund haben, es mit 
seinen angaben in den worten e, 20, 30: 2 musoelac éxurépou 
(Fégove und XEtuwros) tov avrov rjv Ouvapsy Éyovroc, genau 
zu nehmen; thun wir aber das, so wird nur dadurch, dass wir für 
sommer und für winter die epoche auf die gleichen setzen, für 
beide die gleiche dauer gewonnen ; und ausserdem werden wir auch, 
wie schon Unger p. 29 richtig ausgeführt hat, durch die erwäh- 
nung der zAfov zoonul, 9, 39, 22, und die von da bis zum früh- 
lingsanfang erzählten begebenheiten, 3, 61, 25, wiederum nur auf 
diese letzte der friihlingsanfange hingefübrt. 

Mit dieser naturepoche der einzelnen kriegsjahre hat der 
schriftsteller, was die zeiten der begebenheiten betraf, für das all- 
gemeine und bequemste verständniss seiner verschiedensten leser, 
zugleich für alle zeiten gesorgt. Freilich war er dazu nur durch 
einen glücklichen umstand im stande, dadurch, dass die erste be- 
gebenheit, mit der der krieg anhebt, wenn auch nicht gerade auf 
den tag der gleiche, doch nur um ein geringes später als diese 
fiel, und füglich mit dieser als gleichzeitig gesetzt werden konnte. 
So giebt er also für das einzelne jahr stets die natürliche epoche 
und zieht nur diese in betracht. Wenn ein winter zu ende ist und 
mit diesem das jahr, heisst es: zov d’ Émysyvouérou Séçgovç, nicht 
tov Ó' Émyiyvoutrov trous, so durchweg. Aber natürlich machen 
jahreszeiten nicht den krieg, sondern begebenheiten. Da also, wo 
er den krieg iu seiner dauer nachzuweisen hat, muss er von be- 
gebenheit zu begebenheit rechnen, und so heisst es denn e, 20, 23, 
dass die vollen 10 jahre und wenigen tage des ersten krieges zu- 
rückgehen von dem ‚eben vorgenommenen friedensakt his dahin, wg 
10 ngüror . . . n «oyn roU wolfuou tovde tyérero, also wie er 
diese “ox im anfang seiner geschichtserzählung anberaumt hatte, 
bis zum überfall von Platia. Aber auch hier unterlässt er nicht, 


648 Jahresberichte. 


noch einmal! zu erwähnen, wie er es in der erzählung gehalten bat, 
woneg yEyoanıcı, und dass sich jene nachgewiesenen und nachge- 
rechneten zehn jahre aus dex« Eon und ebenso vielen yesuwres 
zusammensetzen. 

Nach den im obigen besprochenen angaben, die der schrift- 
steller selbst über seine zeitrechnung macht, hat er also für eine 
genaue und bequeme chronologie sorgen wollen. Es fragt sich 
nun, ob seine erzühlung selbst diesen angaben entspricht, bestimmter 
ausgedrückt, ob er diese seine natürliche jahresepoche, wornach 
das einzelne jahr mit der  frühlingsoachtgleiche, dem jul. 26. 
märz beginnen soll, selbst überall wirklich eingebalten hat. Unger 
ist andrer meinung und hat eine ganz neue entdeckung gemacht. 
Thukydides hat seine jahresepoche, behauptet auch er, auf einen 
ganz bestimmten tag gestellt (p. 31), auf den jabrestag des kriegs- 
ausbruchs, des überfalls von Platäa, doch nicht auf die naturzeit, 
sondern auf das kalenderdatum dieses tages (p. 38). Seine mei- 
nung ist also diese: an dem tage, an welchem im attischen kalen- 
der der letzte anthesterion (nach Boeckh, oder etwa der drittletzte 
nach Unger) wiederkehrte, der kalendertag des überfalls von Platia, 
habe für Thukydides das neue jahr begonnen. Ich bekenne, bei 
den bedenken, die diese behauptung mir von vorueherein gegen sich 
zu haben schien, babe ich mich wieder und wieder gefragt, ob ich 
auch recht verstehe. Denn erstlich hat Thukydides für den über- 
fall von Platia ja gar keinen bestimmten tag genannt, nicht ein- 
mal den monat dieses überfalls mit bestimmtem namen; 2) würde 
die jahresepoche mit jedem jahre gewechselt haben, im sonnenjahr 
bald hóher hinauf, bald heruntergerückt sein; 3) gleiche jahres- 
hälften für Irgog und yeysw» wären unmöglich gewesen ; 4) wann 
hat dann überbaupt der yesuwy seinen anfang genommen!  Natür- 
lich dann auch dieser in jedem jahr an einem andern datum, das 
freilich für die meisten leser, wenn überhaupt, nur nach der müh- 
seligsten nachrechnung festzustellen war; 5) sagt denn Thukydides 
nicht jedesmal beim beginn des neuen jahres: zov d’ é371yvopérov 
9égovc, niemals zov d° émsysyrouérou Frovg, und der schriftsteller 
soll es fertig gebracht haben, wenn einmal der letzte anthesterion 
vor der frühlingsnachtgleiche fiel, doch zov d’ émysyrouérou 9é- 
goug (== 7006) zu sagen? Aber es ist nicht anders, es ist das 
wirklich die meinung Ungers, und so werden es ohne zweifel die 
deutlichsten und schlagendsten momente sein, die den sonst so über- 
legenden mann zu einer an sich so bedenklichen behauptung ge- 
zwungen haben. Wenn von all den gründen und stellen, die Unger 
für sich vorbringt, auch nur eine mit nothwendigkeit für die von 
ihm angenommene jahresepoche spricht, so will ich der erste sein, 
der sich zu ihm bekennt, und muss mich dann freilich auch in all 
die folgerungen finden, die sich für Thukydides daraus ergeben 
würden. 





Jahresberichte. 649 


»Nach der herrschenden ansicht hat Thukydides das jahr mit 
frühlingseintritt beginnen lassen, also jahr, sommer und frühling 
sämmtlich mit einem und demselben tage angefangen“. Offenbar 
ist diese ansicht widerlegt und mit der bisherigen frühlings-jahres- 
epoche des Thukydides muss es aus sein, wenn eine stelle nachge- 
wiesen werden kann, an der der jahreswechsel schon vor früh- 
lingseintritt angemerkt ist. Unger meint solcher stellen nicht eiue, 
sondern im ganzen 8 beizubringen: e, 40; 7, 94; 9, 61; d, 52; 
3, 7; n, 19; B, 47; e, 52. Zunächst über die drei ersten stellen 
lesen wir bei ihm p. 32: die drei stellen: 5, 40: dua zw nos su- 
Hg rov àmyiyvouévov Fégouc; 6, 94: Gua tH Hos evFicg aeyo- 
pívo tov émys,yvouévou 9égovc, und 8, 61: 200 Émysyvouevou 
Feoovs «pa TH mor EVTIVG àäpyouévw, sprechen, wie der zusatz 
evFv¢ anzeigt, vom eigentlichen früblingsanfang der nachtgleiche, 
lassen diesen jedoch nicht zugleich als jahres- und sommerepoche 
erscheinen; denn zov émsytyvouéoou Pégovg bezeichnet bloss: im 
laufe des neuen jahres. Hieraus folgt, dass der eigentliche anfang 
des neuen sommers und jahres in diesen fallen . . . der friihlings- 
nachtgleiche (wenn auch 8, 61 . . nur um sehr kurze zeit) vor- 
ausgegangen war‘, Sollte wohl ein philolog aus einer stelle schon 
jemals mehr als es hier geschehen ist, das gerade gegentheil her- 
ausinterpretirt haben? Seit wann heisst denn Jégoc jahr und wo 
ist je das natyrwunder geschehen, dass Jépos dem Zug vorausge- 
gangen ist? Aber etwas scheint sich doch unserm interpreten bei 
solcher auslegung sein gewissen gerührt zu haben. Er spricht 
von andern „noch weit schlagenderen belegen‘‘, die er beibringen 
kann. Von d, 52, auf welche stelle nicht Unger, sondern Em. 
Müller zuerst aufmerksam gemacht hat, spreche ich sogleich. Un- 
ger führt weiter an: +, 7, 29: rov d’ énsysyvoutvou 9£govc evFvc 
éxayoutywy ruv ylwy anocıeilus tug vavg, xol dediotwr un ol 
"ASnvaios 1à noaccoueva aloFwvius (navit; ydg xevpa avid» 
ènpesBevorio), anontunovow of Aaxsdasporos ès KogsvSov xti., 
und sagt dazu: ,es fehlt die bemerkung, dass zugleich der früh- 
ling begonnen habe; und doch lehrt das wort ev9vc, dass die hier 
erzühlten anstalten zur aussendung der neu erbauten peloponnesi- 
schen schiffe dem anfange des jahres angehören. Wir schliessen 
hieraus, dass der frühling damals noch nicht eingetreten war“. 
Bekker, Böhme, Krüger, auch die neueren Classen und Stahl ha- 
ben hier die anfangsworte nach dem vatic.: apa dè r$ no rov 
èrmyiyvoutvov Fégoug ev3vc, so wäre also das vermisste da, wor- . 
aus Unger folgert. Aber es sei, die worte «ua 7@ 706 sollen 
nicht herein gehóren, und ich selbst will sie auch gewiss nicht auf 
die auctorität des einzigen vatic. hier hereingesetzt wissen; aber es 
heisst ja statt dessen: zov d’ easysyvouévou 9£govc evdvs, was für 
jeden bisher nichts anders geheissen hat als: sogleich im daranf- 
folgenden thukydideischen sommer, den 26. märz. Aber 9égog heisst 





650 Jahresberichte. 


im Ungerschen griechisch nicht sommer, sondern jahr, und so will 
das ja gegen ihn nicht verfangen. Dass der frühling damals noch 
nicht eingetreten war, sieht er schon und einsig daraus, weil ,,die 
bemerkung fehlt, dass zugleich der frühling begonnen habe*. Aber 
auch 8, 47, 18 und e, 52, 20 heisst es ebenso oder ühnlich mit 
tvJvc ohne erwähnung des Zag: rov d’ êmeysyvoufrov Jégovc ev- 
9óc éoyoufrov. Gerade deswegen, sagt Unger p. 32, hat auch 
an diesen zwei stellen das jahr schon vor dem frühliug begonnen. 
Aus einem andern grunde weiss er das freilich nicht. Nun es sei, 
und so wollen wir auch das hinnehmen. Aber in 3, 7 handelt es 
sich ja ums jahr ol. 91. 4, 413/2, nach Boeckh ein schaltjahr, 
von ihm nach der tagsumme mit f als fest bezeichnet. Darnach 
fallt der letzte anthesterion, das kalenderdatum des überfalls von 
Platäa auf den jul. 1. april, also die Ungersche jahresepoche nicht 
vor, sondern nach frühlingseintritt. Auch dagegen hat Unger 
für eine verschanzung gesorgt. In seinem ,,Att. kal.“ p. 50 ist 
das jahr kein schaltjahr; sein viertletzter anthesterion, wie er 
rechnet, fällt auf den 6. märz, also schon 20 tage vor frühlings- 
eintritt. Nur schade, dass sein att. kalender sich mit auf seine 
„zeitrechnung“ stützt, mit der wir es hier zu thun haben und die 
hier bestritten wird. Ich sollte also glauben, er muss es selbst für 
gerechtfertigt halten, wenn wir diese stelle 9, 7 noch nicht für 
einen ,schlagenden beleg* dafür annehmen, dass das „thukydideische 
jahr je vor frühlingseintritt begonnen habe. Und ein beweis ist 
die stelle erst recht nicht, wenn man auf den zusammenhang der 
erzählung sieht, C. 3, z. 12 heisst es von den Lacedämoniero: 
maoeoxevatovio wo evtug nos 10 ug éEousvo tov rodtpov. 
Abgesehen davon, dass die Lacedümonier immer zu spát kommen 
und immer weniger thun als sie sich vorgenommen haben, wissen 
sie hier anfänglich gar nicht was sie wollen. Erst soll der abfall 
von Euboea versucht werden; das giebt Agis wieder auf, um den 
abfall der Lesbier zu unterstützen. Dann kommen die Chier and 
Tissaphernes und drängen die Lacedämonier, mit lonien den anfang 
zu machen; dann kommen boten vom Pharnabazos und rufen nad 
dem Hellespont, und woddn uia Pjy(yvtro tw dv 17 Aaxedai- 
uovi, heisst es c. 6, 5, onwe où uiv ig 17v ‘Iwvlav xal Xíov oi 
0 dg 10» ‘EdAnonovrov nootegov vats xai orgatsay melcoves níp- 
nt. Endlich kommen denn die Lacedimonier so weit, sich für 
Chios und Tissaphernes zu entschliessen, aber nun erst eine ge- 
sandtschaft, wie die sachen in Chios stehen; als die zurück ist, 
beschliessen sie 40 schiffe nach Chios zu schicken, und haben vor 
(%uedAov), von diesen vorläufig 10 abgehen zu lassen, aber da tritt 
ein erdbeben dazwischen, und statt der 10 werden nun 5 nicht 
abgesandt, sondern segelfertig gemacht, z. 25: muosdxevaCorto. 
Und dann heisst es zum schluss: xei 0 yeuow érehevta. — Einer 
verzügerung der rüstungen, sagt Unger, wird keine erwähnung ge- 





MM 


Jahresberichte. 651 


than, aber sie wird ja thatsüchlich und im ausführlichsten detail 
erzählt und zu guter letzt im bestimmtesten ausdruck das ende des 
xespuv angemeldet, womit wir für jeden andern als Unger deutlich 
bei unserm 26. märz angekommen sind und einsehen müssen, dass 
was hernach erzühlt wird, nach diesem datum, also nach frühlings- 
eintritt anzusetzen ist. „Einen andern fall dieser art, fährt Unger 
p. 34 fort, gewinnen wir durch eine sichre textänderung. Wah- 
rend alle andern jahresbeschreibungen mit erwähnung des neuen 
sommers beginnen und der frühlingseintritt our in verbindung mit 
dieser erwähnung, nicht aber ohne sie, beim jahreswechsel genannt 
wird, ist 7, 19 der frühlingseintritt ohne nennung des sommers 
nach abschluss des winters eingeführt und das bei allen jahresan- 
fingen mit 3égov; verbundene participium êxeysyrouérou dem worte 
7005 beigegeben: xai 6 yesuar Zradevzu xui 0ydoov xai déxaror 
Frog 1 nolfum Èredevra. Tov d' Emıyıyvoukvov 7005 svdvc ae- 
xoufvov nowalrara di) of Aax:dasuovios xai of Evupayor dg riv 
“Aruxny ëçéBalor. Dieser ausnahmsfall kann nicht von dem schrift- 
steller selbst herrühren, welcher, wie oben gezeigt wurde, aus- 
drücklich erklürt, dass alle seine jahresbeschreibungen in eine som- 
mer- und winterhälfte zerfallen. Es ist daher zov d’ émtysyvoutvou 
Fégovs eudiç agyouévov zu schreiben“. Schon das beigegebene 
nepatiuta (nach Stahl: memraza) dq hätte ihm wohl bedenken 
erregen können. Denn es ist doch selbstverstand, dass 709, nowul- 
1£Qov, nowalraru (wie d, 6, 3; n, 78, 31; n, 79, 15; n, 39, 17; 
J, 101, 28) immer nur auf eine bestimmte naturzeit, die des som- 
mers, frühlings oder tages, nie auf eine willkürlich angenommene 
zeit, wie Ungers fingirte jahresepoche gehen kann. Mit der än- 
derung wäre also hier nichts gewonnen, wir müssten sein Jégovc 
doch wieder als die naturzeit des sommers, also für 7çeç nehmen. 
Doch es sei. Aber hat Thukydides denn wirklich sein jahr jedes- 
mal mit nennung des 2í£goc begonnen! Auch im anfang des er- 
sten 10jahrigen krieges heisst es 8, 2, 30: cua He, agyoutro, 
vom Jégos ist nicht die rede. Nichts destoweniger nehme auch 
ich „diesen ausnahmsfall‘ an, aber er rührt vom schriftsteller selbst 
her in bewusster geschickter absicht. Auch hier 7, 19 stehen wir 
wieder im aufang eines krieges, wie fg, 2 des ersten, so hier des 
zweiten zehnjährigen. Erst schlecht und recht erzählt der schrift- 
steller, dass in diesem frühjahr die Peloponnesier wieder in Attika 
eingefallen sind, das ist ihm der ausbruch des neuen krieges, und 
erst damit hebt für ihn auch ein neues Jígog seines krieges an. 
Ist's ungeschickt, das neue zu markiren, oder wäre es so etwa 
ungeschickt geschehen? Dass das bewusste absicht des schriftstel- 
lers war, sieht man sogleich noch einmal. Auch bei den Athenern, 
die nun auch ihrerseits aufs neue in den kampf eintreten, beginnt 
die rede aufs neue; auch von ihrer ersten aktion heisst es c. 20, 
22: rov 5goc evdùs 4gyoutrov, nicht 700 avrov ngog oder rovrov 





652 Jahresberichte. 


tov Neos, wie sonst oder ähnlich immer, wenn eine jahreszeit vor- 
her schon genannt war; erst c. 21, 4 erscheint wieder: vxo zoug 
aürovç ygóvovg rovrov tov 7eoc. Ich darf also wohl vertrauen. 
dass dieses 700g aller handschriften in 7, 19 auch später an seiner 
stelle erhalten bleiben wird. 

Ich komme jetzt zu der letzten stelle, die einen jahresanfang 
vor frühlingseintritt bezeugen soll, d, 52, 26: rov d’ émysyro- 
pévov 9égovg evI0¢ tov 1e Alou Exdertés re eyéveto meoì vovun- 
vluv xai rov adtov pnvdg iorupérou Ècucev. Schon im jahre 
1852 hatte zuerst Em. Müller in seiner scharfsinnigen und werth- 
vollen abhandlung: De tempore quo bellum Peloponnesiacum | initium 
ceperit, auf diese stelle aufmerksam gemacht. Und in wahrheit ist 
diese stelle gewiss sehr der rede werth und von ganz anderem 
charakter als alles, was Unger selbst sonst beigebracht hat. Wir 
haben also hier vom schriftsteller einen bericht über eine sonnen- 
finsterniss, die von ihm rev émysyrouévou Jégouc evdùs . . magi 
sovunvlav, an den eingang seines sommerhalbjahrs gesetzt wird. 
Nach astronomischer berechnung hat diese verfinsterung für Athen 
angefangen an unserm 21. märz 424, vormittags 7 uhr 12 min, 
geendet 9 uhr 56 min. Dieser jul. 21. märz fallt nach der recti- 
ficirten octaéteris Boeckhs auf den 1. elaphebolion, der am abend 
des 20. märz seinen anfang nimmt. Darnach wäre der astrono- 
mische neumond der sonnenfinsterniss auf die vovunvia des kalen- 
ders gefallen, während er, wenn dieser in ordnung gewesen wire, 
auf die £v; xai véa, den letzten anthesterion hätte fallen müssen. 
Thukydides schreibt eg? vovurv(av, nicht rouurrix, wie f, 28, 4, 
und schon daraus ist ersichtlich, dass er hier an den kalenderneu- 
mond, nicht an den astronomischen denkt, wie Em. Müller p. 27 
annimmt. Dies wird auch noch dadurch deutlich, dass er sogleich 
fortfáhrt: xai tov avtov unvoc iorauérou, denn da dieser ausdruck 
offenbar nur auf den bürgerlichen monat geht, so kaun doch mit 
neo: vovunv(av iu demselben athem nicht der astronomische monat 
gemeint sein. Doch es kömmt bei erklärung der stelle nicht dar- 
auf, sondern auf etwas ganz anderes an. Eine synchronistische 
erzühlung bedarf, um übersichtlich zu werden und nicht in zu 
kleine theilchen zu zerbröckeln, besonderer massnahmen. Sie greift 
voraus, wie es 8, 9, 9; B, 17, 24; 8, 27, 30; B, 31, 33; 8,65 
(wiederholt); 8, 70, 19; 8, 97, 21; 8, 100, 23; B, 101, 2; y, 
34, 27; y, 50, 11; y, 50, 19; y, 68, 21; y, 82, 15; d, 81, 
23; «, 34, 8; e, 116, 16; ¢, 15, 11; m, 27, 33 geschehen ist; 
oder sie holt nach, wie B. 13, 16; 8, 78, 30; y, 17; y, 87, 19; 
y, 115 coll. 99, 14; €, 30, 6; È, 74, 21; 6, 105, 1; 9, 45, 18; 
9, 63, 1; 9, 99, 9—11; oder sie fasst zusammen, wie y, 90, 
oder sie verbindet gleichartiges mit einander, wie das an nnsrer 
stelle d, 52, 26 der fall ist, Hier hat der schriftsteller von zwei 
naturereignissen zu berichten, von einer sonneufinsterniss und einem 


Jahresherichte. 653 


erdbeben. Sie fallen beide ausserhalb der eigentlichen geschichts- 
erzühlung, und da beide nur ein kurzes wort erfordern, so war es 
durch die zweckmüssigkeit geboten, beides in einem gemeinsamen 
ausdruck zusammenzufassen. Die sonnenfinsterniss fiel möglicher 
weise, je nacbdem der att. kaleuder sich damals zum naturlauf ver- 
hielt, drei kalendertage vor, das erdbeben sieben kalendertage 
nach der frühlingsnachtgleiche; er zog es also vor, weil er bei- 
des nicht trennen wollte, der grösseren tageszahl wegen beides 
lieber in den anfang des neuen, als ans eude des alten jahres zu 
setzen, was er freilich redaktionell ebeusowohl hätte thun können 
und ein andres mal in einem ähnlichen falle auch wirklich gethan 
hat. y, 116, 14 heisst es: 2ogun dé megi avrò 10 Lag rovro ó 
Qual Tod mvpos éx 176 Alıyns. Avio 10 tug ist der 26. märz, 
die frühlingsnachtgleiche, und so gehörte dieser ausbruch des Aetna, 
zumal ein solcher linger zu dauern pflegt, in den anfang des kom- 
menden jahres. Aber das weg zeigt au, dass der ausbruch auch 
schon einen oder einige tage früher begonnen bat. Hier hat der 
schriftsteller umgekehrt für die frühere datirung entschieden, wohl 
aus keinem andern grunde, als weil er noch eine weitere allge- 
meine historische notiz über die früheren Aetnaausbrüche anfügen 
wollte, und diese allerdings passender, da die wahl gelassen war, 
das alte jahr schloss als die erzählung des neuen eróffnete. 

Ich komme jetzt noch mit einem kurzen wort auf die stellen, 
in denen Unger jahresanfange nach frühlingseintritt 
gefunden hat (p. 16). An und für sich sollte man glauben, könnten 
diese stellen der alten theorie nicht gefährlich werden, nach der 
Thukydides sein jahr mit dem frühling begonnen hat. Aber Unger 
will an ihnen erkannt haben, dass Thukydides hier sein jahr nicht 
mit, sondern nach dem frühlingseiutritt begonnen hat, also dass 
jahr und frühling bei ilim eben nicht zusammenfallen. Diese stellen 
sind d, 117; ¢, 8; 8, 103; y, 115; e, 20; e, 24. Zu den er- 
sten beiden stellen heisst es bei ihm p. 31: „A, 117: dua igs 
100 éntysyvouévou 9£govg evdug und L, 8: rov. émiysyvouérou 9€£- 
Qovg «pa nos ist nicht vom ersten frühlingstag , sondern von den 
ersten wochen des frühjahrs die rede: denn das ist die bedeutung 
von ua nes und «ua 704 dpyouérw, wenn diese ausdrücke ohne 
deu zusatz ev9vg auftreten“. Wir sind überrascht, denn d, 117 
ist der zusatz ev9vs ja gerade vorhanden. Aber er belehrt uns 
sofort in einer parenthese , dass dort der zusatz eíOvg bloss zu 
Jéçous gehört. Was wir ihm hier aufs wort glauben sollen, 
darüber ist er ausführlicher in der zweiten abhandlung „Att. kal.* 
p. 33 f. Da heisst es mit zahlreichen citaten, so dass man sieht, 
er bat sich die sache sauer genug werden lassen: „wo durch «i- 
Jvc der eintritt eines bestimmten zeitraums bezeichnet werden soll, 
wird es dem ausdruck desselben nicht vor- sondern nachgesetzt ; 
wo eudug durch cgroperog verstärkt ist, kann es von diesem par- 





654 Jabresberichte. 


ticipium gefolgt sein. Wo dagegen die partikel der zeitbestim- 
mung vorausgeht, da stehen beide nicht in partitivem verhältuiss 
zu einander, sondern diese dient jener zur näheren bestimmung und 
eudvç bezeichnet dann die frühzeitigkeit der erzählten handlung 
selbst*. Leider ist das alles wieder dieselbe vergebliche liebesmüh, 
die wir schon früher gehabt haben. Zum glück giebt es in der 
philologie doch schon einige dinge, die feststehen, so unter andern 
dies, dass ein adverbium zum verbum und nicht zu einem sub- 
stantiv gehört. Wenn es daher an besagter stelle d, 117, 5 heisst: 
Aoxedusporor xai "Adnvatos Gua TQ& TOU Imysyvop£vov —XRX 
evdus éxeyeglay énosjouvro tviuvoror, so braucht man wahrlich 
nicht zum ekel der leser mühselig von vorne anzufangen und den 
beweis anzutreten, dass hier evPug und mit zudvc auch apa ies 
zu éxoimoayvto gehört, dass also auch das zwischengestellte zov 
éniysyrouérov SJéçous partitiver genet. zu gs ist und wir also 
auch hier nicht mit Unger an das wunder zu glauben haben, das 
das Jégoc; dem Zug vorausgegangen sei. Auch an den andern 
stellen ist auch nicht der leiseste grund, Jégog und Zap nicht zu- 
sammenfallen zu lassen. "Wer auszulegen , nicht unterzulegen ge- 
wohnt ist, was vermag der È, 8, 31 anderes herauszulesen? Wer 
mit der kenntniss, was yesuwy heisst und was zag heisst, das kap. 
B, 103 liest, braucht nicht einmal guten willen zu baben, um dem 
schriftsteller nicht die absurdität zuzutrauen, dass er hier das gag 
noch in den reo» gesetzt habe. Unger will doch selbst, wie 
wir noch eben gesehen haben, auf die stellung der worte geachtet 
wissen. Hier heisst es: of dé *AInvaios xai 6 Popplwr agaries 
ix cc  Axugruvlug xal üquxoutvos dx 176 Navmaxrov apa fe 
xarÉmAsvcav dc tag Asnvac. So haben wir hier, wie schon oben 
y; 116, eine folge von begebenheiten, von denen die einen noch in 
den winter, die andern schon in das folgende 3égos gehörten, die 
aber in der erzühlung lieber nicht zu zerbróckeln waren. Dass 
das so ist, lehrt die stellung des Gua jee nach &gavreg und agr- 
xouevor und vor xarémAevoar deutlich genug. Auders ist es b 
94, 15; da bekommen wir: Guu dé 10 Te. LATE ägyouéræ rov 
Emsysyvouérov 9égovg ol Ev 1H Soxedle > Aÿnvaïos agavieg dx 17 
Kurdvnç nugénievouy Eni Meyaguy, weil eben beides, das dgavts 
so gut wie das nugéndevoay in dasselbe Dégoc gehórt. Auch die 
beiden letzten noch übrigen stellen, e, 20 und e, 24, werden we- 
nig kummer machen und sind für jeden ausser Unger kaum der 
rede werth. e, 20, 20 schreibt Thukydides: avzas ul Gxovdai 
éyévorto redevriivios tov gesuwros Guu mou Soll das nun sagen, 
wie Unger will, das Zag sei hier noch in den yespwr gefallen! 
Der schriftsteller musste doch, wie er immer thut, das ende des 
zeppa anmerken, wie er dessen anfang angemerkt hatte, 13, 22: 
tov Ó' émysyvouérou zeıuWvog evdus . . . di7A4%or, und that das 
Bn dieser stelle, die eine zeitbestimmung, wie sichs gehürt, zu der 


Jahresherichte. 655 


andern gesetzt. Und hier sind wir sogar über den tag unter- 
richtet, der gemeint ist, der 24. elephebolion, c. 19, 11 — un- 
serm 11. april. Es steht bei 705 weder eëdès, noch dagyoutro, 
und das kann uns ganz recht sein, wenn der friede nach der an- 
gabe in die ersten wochen, den anfang des frühlings gehört. 
Wenn das aber, wenn wir mit dem cua jos in c. 20 schon in 
den ersten wochen des frühlings sind, so konnte der schriftsteller 
auch nicht fürchten, missverstanden zu werden, wenn er gleich 
darnach, nach mittheilung der nach z. 32: où 70226 üozeçor ab- 
geschlossenen Evuuuyla, c. 24, 34 nichts destoweniger sein: xui 
10 Jégos noye tov évdexurov t10vs schrieb. Was schon vor 14 
oder gar 16 tagen seinen anfang genommen hatte, kann doch so 
viel spáter nicht noch einmal beginnen. Das meint er nicht und 
sagt er nicht, wenn man ihn verstehen will. Der abschluss der 
Evupuayla reiht sich unmittelbar dem abscliluss des friedens an, 
und so gehürt ihm jener mit diesem, wenn auch nicht officiell, 
doch nach seiner geschichtsbetrachtung noch in den ersten 10jüh- 
rigen krieg. Was hernach weiter folgt, ist der anfang des neuen. 
Mit zó 9égog Zoye zov Évdexazov Frovg wiederholt sich also hier 
nur in andrer form, was oben c. 20 mit jenem redeviwytog tov 
geéuorog Gua gs schon gesagt war. Es ist dies nur die andere 
und nothweudige halfte zu der ersten. Dort wird vornehmlich, 
wie's sein musste, das ende des voraufgegaugenen winters notirt, 
hier daneben der gewohnheit gemäss, wie's immer geschieht und 
nicht fehlen konnte, der anfang des folgenden sommers. Beides 
gehört nothwendig zu einander ‘und ist darum eins und dasselbe. 
Wer aber zu lesen versteht und bemerkt, dass die worte: xai 10 
Jégog noxe tov évdexurou Ziovg schon hier noch vor den letzten 
abschliessenden worten des 10jährigen krieges eingeschoben sind, 
sieht auch, dass hier im zusammenhang an der passendsten stelle 
zugleich die brücke zu der nachfolgenden erzählung geschlagen 
wird, so dass im folgenden c. 32, 22 mit zov Jégovc rovrov auch 
hier, wie sonst, auf diesen bereits gemeldeten sommersanfang zu- 
rückgegangen werden konnte. 

Nach dem gesagten wird es also wohl bei dem worte des 
schriftstellers bleiben. Wie ers verspricht, hat er wirklich jedes 
jahr nach sommer und winter erzählt, hat seine jahresepoche auf 
die naturzeit des beginnenden frühlings, die frühlingsnachtgleiche 
gestellt, und nöthigt uns an keiner stelle, sein J£gog mit Unger 
theils nach dem Jégog, theils in den yesuwy zu setzen. Der an- 
fang seines jahres, seines Jégog und seines Zug ist derselbe, der 
jul. 26. märz, 


Anfang des winters. 


Dass Thukydides wie für den sommer so auch für den winter 
einen bestimmten anfang gehabt hat, ist unter anderm schen daran 





656 Jahresberichte. 


zu erkennen, dass er mitunter, f, 93, 21: coyouérou zov yesuwros ; 
B, 95, 3: rov xeuuwroc rovrov deyoudvou sagt, oder dem eintre- 
tenden winter die bestimmung eèduç beifügt, e, 13, 22; È, 63, 1; 
3, 2, 4, einmal.sogar beides verbindet, &, 76, 34: rov d’ àm- 
yiyvopévov yesuwrvog doyouérou tó9vc. Hat seine eigene angabe :, 
2, 30: di npusoslas Exaréoou (Fégovs, yesucvog) rov. dvsavıov 
mya duvausr Eyovıog die massgebende bedeutung , die ihr an der 
stelle zukómmt, so ist dieser bestimmte anfang die berbstgleiche 
gewesen, nach dem seit 432 öffentlich ausgestellten, wenn auch 
noch nicbt officiell in gebrauch genommenen cyclus des Meton der 
90. tag nach der am 27. juni 432 beobachteten sonnenwende, der 
jul. 25. sept. Mit diesem datum stimmt in der erzählung jede 
zeitbestimmung, die in betracht kümmt; nichts was vom schrift- 
steller in die winterhülfte verlegt wird, fallt, so weit map nach- 
rechnen kann, vor, nichts in seiner sommerhälfte nach diesem 
datum. 

Dem winteranfang geht das q3i»ómwQov voraus. Auch für 
dieses hat Thukydides einen festen anfang. Man sieht das an der 
art, wie er von ihm spricht, 8, 31, 19: zeçgi dì 76 qJorvónugor 
tov Oégovg zovıov; y, 100, 20: xeçi 10 gtevonwooy, noch mehr 
wenn es heisst y, 18, 12: zepi 10 qOwonwgov In aggoperor. 
Es kann kein zweifel sein, dass er auch diesen anfang mit Meton 
und Euctemon (Unger p. 30. 56) auf den 16. sept. angesetzt bat. 
Darnach muss der thukydideische wintersanfang, da das g9Ouvo- 
zwgor, wie die obigen stellen zeigen, zu seinem Séços gehört hat, 
um die dauer des qJivozwQor, wenigstens einiges später als der 
16. sept. gefallen sein. +, 54, 20 ergiebt ein ähnliches resultat; 
hier werden wir im Jégogc schon ein paar tage später über den 
16. sept. heruntergeführt. Die Lacedämonier haben im sommer 
419 ihren bundesgenossen einen zug gegen Argos angesagt: pera 
tov péddovta (Kagveios d° ny unv, ispounriu Awoievos) mugaoxes- 
aleadus we oreatevooutvovc. Der zug findet wirklich statt, wenn 
auch nur bis an die feindliche gränze (z. 7) und wird von Thu- 
kydides noch in den sommer des jahres gesetzt. Der dorische 
karneios entspricht dem attischen metageitnion (Plut. Nik. 28), und 
da die sonnenwende in diesem jahr auf den 23. juli fällt, der erste 
tag des auf den karneios folgenden boedromion dem 20. sept. Es 
bat also darnach der winter erst nach diesem datum seinen anfang 
genommen. 

Noch weiter herab und ans gänzliche ende des Jégoc gelaa- 
gen wir, wenn auch etwas umständlicher, durch folgende rechnung. 
Die mondfinsterniss, die Thuk. 7, 50, 1 im sommer 413 erwähnt, 
hat stattgehabt abends am 27. august. Die seeschlacht, welche die 
Syrakuser darauf so schnell wie möglich erzwingen wollen (c. 51, 
15: we zuyıora) und zu der sie sich einige tage in stand setzen, 
2. 17: j)u£gag 000» uviois Edoxovo ixavai siva, wird stattgehabt 


Jahresberichte, 657 


haben den 31. august. Die Syrakuser verschliessen den hufen 
evdus, c. 56, 18, wie Diodor sagt, am 3. tage, also den 2. sept.; 
letzte seeschlacht den 3. sept. Darnach aufbruch der Áthener c. 75, 
24: :oí: nuéog ano tic vavuayl«c, den 5. sept. Die einzelnen 
tage^des marsches sind in der erzühlung des Thukydides deutlich 
zu erkennen. C. 78, 28: ruvty rj nuéog, tag des autbruchs, 
1. tag, den 5. sept. ; ; z. 90: nudlouveo, nacht vom 1. auf den 2. 
tag; 2. 30/31: Th d vorzegala "9o , frühe des’ 2. tages; z. 9: 
1j d voregula oi “APnvaios nçofeouv, 3. tag; c. 79, 15: 790 
dè apunreg Enogsvovro avdıc, 4. tag; z. 23: dvenavorto , z. 93: 
nuAlguvso, nacht des 4. auf den 5. tag; 2. 33/1: rj 0 vorequlg 
meovyweour, 9. tug; z. 8: dvenuvovio | c. 80, 10: r7¢ dé vexroc, 
nacht des 5. auf den 6. tag; z. 28: pa di ty £p, morgenroth 
des 6. tages; c. 81, z. 6: ws n te luta éyévero, z. 11: mei 
uglotoy wear, c. 82, 4: de — R z. 11: opodoyla ylyverus, 
6. tag; z. 19: dguxvobvias F 1} nuéea, noch vor nacht am 6. 
tage; c. 83, 22: if voroalu, 7. tag, 2. 34: uéyos oyé, abend 
des 7. tages; c. 84, 8: inudn Suéça éyévero, anbruch des 8, 
tages, c. 85, 33: Nixlac Tudlanw favróv nagadidwos, am 8. 
tage, also deu 12. sept. Dieser 8. marschtag, an welchem demnach 
Nikias die waffen gestreckt hat, ist’s denn auch, der sich bei Plut. 
Nik. 27 dafür angegeben findet: x«i magà mácav yt my mogelay 
ig neous OxtW Buddowevoc xai ToavparsCousvos vxo WY mo- 
Aculwy anııyıov épularte rà» GÙv avid duvupsy. Ist aber dieser 
tag, wie Plut. Nik. 28 weiter meldet, rezgas PIlvorıos ro Kag- 
velou jsnvos gewesen, so geht daraus hervor, dass der dorische 
kalender damals nicht genau zur natur gestimmt hat; würe er mit 
dem mondlauf in übereinstimmung gewesen, hätte als tag der waf- 
fenstreckung des Nikias in Syrakus nicht, wie Plutarch sagt, der 
27., sondern der 29. karneios gefeiert werden müssen, 

Von diesem 12. sept., wo Nikias sich ergab, bis dahin, wo 
Thuk. 9, 1, 2 den sommer zu ende gehen lüsst und den winter 
beginnt, c. 2, 3, mügen vergangen sein, bis fliehende Athener nach 
Katana kamen, 2 tage; 7 weitere tage, bis die nachricht nach 
Athen gelangte; 2 tage über dem unglauben in Athen, noch 2 bis 
8 tage, bis es in Athen zu beschlüssen kam, im ganzen also 13 
bis 14 tage nacb der gefangennahme des Nikias, womit wir für 
jenes: rov d’ éntysyvopévou yauwros, was wir suchten, den 26. 
sept, die herhstgleiche als den wintersanfang gefunden haben. Es 
würde unstatthaft sein, für die worte bei Thuk. 9, 1, 24: Suwe 
dì — xui 10 9égog érekeura, mehr als die dafür angesetzten tage 
zu fordern ; es handelt sich hier nur um entschliessungen; dass 
diese erst im folgenden winter nusgeführt werden, wird c. 4, 14: 
Tageaxevalorto dì xai "A3nvuios, woneg dievojInoar, aufs be- 
stimmteste gesagt. 

Unger rechnet auch bier wieder anders ale die leser bisher. 


Philologus. XLII. bd. 4. 44 


658 Jahresberichte. 


Wührend des marsches, sagt er p. 62, habe der tag nicht 7mal, 
wie man allgemein angenommen hat, sondern nur 4mal gewechselt. 
Jene obige angabe des Plutarch von den 8 tagen beruhe auf miss- 
deutung des Thukydides, seiner hauptquelle, sei nichts als ein 
missverstandniss. Unger sieht nicht, dass Plutarch hier neben Tha- 
kydides noch eine andere quelle hat, aus der ihm die speciellstea 
und bestimmtesten nachrichten zufliessen. Aber abgesehen davon 
werden die wenigeren tage, die Unger für den marsch ansetzt, und 
die behauptung, auf die er sie stützen will, Thukydides habe den 
neuen folgenden tag, seine voregaía, mit sonnenuntergang beginnen 
lassen, durch die erzühlung des schriftstellers aufs augenfälligste 
widerlegt. Die 4 tageswechsel, welche Unger allein zulässt, wer- 
den nach ihm vom schriftsteller angemerkt : 78, 30; 78, 9; 79, 
33/1; 83, 22. Man lasse das einen augenblick gelten, und sehe, 
was daraus folgt. Dann ist also 78, 9 bei 77 d’ vortQaía of 
*Adnvaïos nponeouv abend. In der frühe des tages, der diesem 
abend vorhergeht, 78, 31, sind sie vorwärts marschirt, haben nach 
einem marsch von 20 stadien in der ebene ein lager aufgeschlagen, 
lediglich zu dem zweck, um sichrer und ausgedehuter fouragiren 
zu können, haben dann fouragirt, und natürlich ist es darüber abend 
geworden. Aber rast dürfen sie nicht machen, sie müssen weiter 
(17 d' voregula . . ngoneoar), werden auf ihrem marsche ringsum 
von den feinden umschwärmt, haben so mit diesen andauernden 
kampf (yoóvov ui» moÀóv Zuuyovıo), und es bleibt ihnen nichts 
übrig, als in ihr altes lager zurückzukehren. Inzwischen hat die 
zeit doch wohl nicht stillgestanden, es wird von abend morgen ge- 
worden sein, also kaum in ihrem alten lager angekommen, brechen 
sie ohne rast wieder auf, mem dì «avr; énogevorro avdic, mü- 
hen sich den tag über vergebens ab, einen hügel, den die Syra- 
kuser auf ihrem wege befestigt hatten, zu nehmen, kehren darauf 
wieder um, zuerst nur ein theil von ihnen, c. 79, 23: Gvexwigovr 
máAw xal üvenavovıo, dann alle (z. 32: n«on rj; OrgaTig drayu- 
onouvies —- nvAlonyro), und wollen nüchten, und sie nüchten auch 
wirklich, es heisst ja nvdtoavto. Aber nein. 33/1 steht ja: 17 
d’ voregaly "Qovyugovr, also wieder keine rast, und mit dem an- 
brechenden abend sind sie wieder auf dem neuen marsch, sind wie- 
der von Unger um ihre nachtruhe gebracht, unaufhörlich so fort, 
jetzt schon dreimal, und doch soll es immer noch so weiter gehen. 
Und für diese unmöglichkeiten, die die Athener hier über men- 
schennatur doch möglich machen, hat Thukydides kein wort, kein 
wort für die nächtlichen kämpfe, deren er doch sonst stets geflis- 
sentlich erwähnung thut, kein wort dafür, dass avAllsc9as bei 
diesem fluchtversuch der Athener nicht wvAlleoIas, sondern xgo- 
awosir bedeutet. Doch genug, ich will meine leser mit all den 
andern ungeheuerlichkeiten, die sich noch aus Ungers tagesrech- 
nung ergeben, nicht weiter ermüden, auch hier nicht weiter be- 


Jabresberichte. 659 


sprechen, wie er p. 64 ff. ,die richtigkeit seiner auffassung im 
einzelnen nachweisen* will, wobei er damit beginnt, uns Diod. 13, 
19 vorzuftihren, der auch wie Unger für die änderung der marsch- 
route den dritten tag angebe, während gleich das uicht stimmt, da 
er nach Ungers rechnung nicht den 3., sondern den 4. tag hätte 
anmerken müssen. Es ist hier um so weniger grund, auf alles 
dieses genauer einzugehen, weil auch Unger schliesslich, worauf 
es mir allein ankómmt, das ende dieses summers (9, 1, 2: xai 16 
9égog éredevta), ganz so wie es sein muss auf den 26, sept. an- 
gesetzt hat. 

Mit diesem für den wiuteranfang gefundenen termin ist zu- 
gleich die genauere erklirung der zeitbestimmung in e, 76, 34 
gewonnen. Dort heisst es: rov d° émiysyrouérou yetwros apXo- 
pévov evdus oi Auxedarporsos, End) ta Kagvesa nyuyor, ète- 
orgurevouy. Es ist der beginnende winter ol. 90, 3, 418. Der 
1. hekatombaion des jahres fällt, wie ihn Redlich, Müller und 
Boeckh (Monde. p. 19) für die attische octaéteris berechnet haben, auf 
den 7. august; der erste metageitnion — karneios auf den 6. sept. 
Das fest der karneien, das vom 7. bis 15. karneios begangen 
wurde, ist also zu ende gewesen den 21. sept. Wir sehen daraus, 
wie wir hier das ev9u¢ beziehen und verstehen sollen. Es schliesst 
sich, wie auch sonst, unmittelbar an das verbum an, hier @eorgu- 
revoar, und sud, 1a Kdgvese Ayayov ist in anknüpfung an die 
vorausgegangene erzählung eingefügt. Erzählt wird hier also, 
dass die Lacedümonier sogleich in der wintershälfte, mit oder 
gleich nach dem 26. sept. ausgerückt sind, nachdem sie mit dem 
21. sept. ihr karneienfest zu ende gefeiert hatten. Es kann dem- 
nach auch diese stelle zum beweise dienen, dasa Thukydides sich 
nach der attischen octaéteris, nicht nach dem meton. cyclus ge- 
richtet hat. Meton bat den 1. hekatombaion 418 auf den 12. 
juli gesetzt. 

Die allgemeinen folgerungen mit dem so gefundenen winter- 
anfang sind damit von selbst gegebep. Der thukydideische yes- 
pov hat 

1) mit seinem J£goc die gleiche dauer von 6 monaten, wie 
Thukydides es e, 20, 30 f. ausspricht, nicht die dauer von 4 mo- 
naten des geschlossenen meeres vom 11. november bis 10. mürz. 
Wo diese einmal erwühnt werden, ©, 21, 7, stehen sie in dem 
briefe des Nikias und haben mit der zeitrechnung des schriftstellers 
selbst nichts gemein.  Bedürfte es nach dem obigen noch einer 
widerlegung dieser annahme, so würde schon der hinweis auf die 
leichenrede genügen. Thukydides setzt sie in seinen winter, noch 
dazu an zweiter stelle, offenbar weit vom anfang desselben, da das 
neld es, B, 33, 12 lehren muss, dass die zeitkostende unternehmung 
der Korinthier gegen Akarnanien und Kephellenia erst mit dem 
eintretenden winter begonnen hat. Der epitaphientag, an dem die 


44° 


660 Jahresberichte. 


leichenrede gehalten ist, ist der 7. pyanepsion (A. Mommsen, He- 
ortol. p. 278 ff.), im jahr 431 der jul. 6. nov.; wir sehen also 
auch so, dass der thukydideische winter dieses jahres und jene 
seeunternehmung der Korinthier um ein bedeutendes vor dem an- 
fang des geschlossenen meeres begonnen hat. Und 

2) beginnt der thukydideische winter auch nicht mit dem 
monat des ersten vollmonds nach der herbstnachtgleiche, wie Em. 
Müller es will. Die beiden gründe, die ihn zu seiner normirung 
der thukydideischen jahrestheilung bewogen haben, haben im obi- 
gen, wie sie es gar sehr verdienen, ihre volle berücksichtiguog 
und würdigung gefunden. Die d, 52, 26 in die sommerhälfte ein- 
gerückte sonnenfinsterniss wird durch den zusammenhang und die 
fassung der erzählung vollkommen verständlich, und die vom as- 
tritt des marsches der Athener vor Syrakus bis zum neuen winter 
verflossenen tage, die Em. Müller über die herbstgleiche binaus 
glaubte ausdehnen æu müssen, haben uns nach der weisung des 
schriftstellers selbst genau und ohne willkür berechnet gerade auf 
die herbstgleiche als den anfang des winters hingeführt. Kommt 
nun ‘hinzu, dass die von ‘Em. Müller vorgeschlagene jahrestheilung 
weder vom schriftsteller selbst noch von sonst einem alten je mit 
einem worte bezeugt wird, so wird man nicht umhin können, 
hoffe ich, der zweitheilung des jahres, die die natürlichste von der 
welt ist und sieh von selbst ergiebt, vor jener künstlichen, za der 
uns nichts mehr zwingt, auch in zukunft ihren verdienten vorrang 
eu lassen, 

Ich darf diese chronologische besprechung nicht verlassen, 
ohne schliesslich noch des einjábrigen waffenstillstandes zu geden- 
ken und der chronologischen daten, die wir bei dieser gelegenheit 
vom schriftsteller erhalten. Doch will ich kurz sein und nicht 
vergessen, dass diese daten mich hier nur in so weit angehen, als 
sie zur erklärung des Thukydides gehören. Thukydides leitet sei- 
nen hericht von dem einjährigen waffenstillstand ein mit den worten, 
d, 117, 15: ^axidoiuóvios dì xal °A9nvaîos apa jes tov ém- 
ytyvouévou YEgovg evdus exeyergluv enosjoavro triavoror. De 
üpa 704 euduç dabei steht, so hat also dies &xeysıplav éxosyoarm 
stattgefunden sogleich am 26. oder in den ersten tagen nach dem 
26. märz 423. Hernach erfahren wir c. 118, 2 zw. 8 zw., dass 
der waffenstillstand abgeschlossen ist und seinen anfang genommen 
bat reigida ni dixa rov '"Elagnflohurog unrôç, am 20. april 
(Boeckh, Monde. p. 79. 88 ff.). Nach den angaben des Thukydides 
ist also thatsache dies, dass von jenem éxeyesglay Énosncavro an 
bis zu diesem abschluss die zeit vom 26. mürz bis zum 20. april, 
also 25 tage verflossen sind. éxeyesgfar éenosjoarto heisst also: 
sie traten in verhandlungen über den waffenstillstand ein, und muss 
man hinzufügen: nachdem sie bereits beiderseitig einig und fest 
entschlossen waren, ‘einen ‘waffenstilistand ‚einzugehen. ‘Dese :men 





Jahresberichte. 661 
sich die sache so zu denken hat, zeigt die parallelstelle a, 22, 22: 


wc d' aviQv ovx écnxovov, éxelvoug uiv àné£nspwav, ab1oi dì 
Reds 1096 Adnvalovg Evpuaylur énosovrio. Wenn Unger, Att. 
kal. p. 23, den unterschied der beiden tempora darin findet, dass 
durch das imperfectum der erste schritt, der versuch zu unterhan- 
deln, von der führung der verhandlungen selbst unterschieden 
werde, während mittela des aorist ein hinweis auf den gedeih- 
lichen fortgang gegeben sei, der zu einem glücklichen ende 
führen musste, so sieht mau leicht, wie verwischt und nebelhaft 
das letzte unterschieden ist, wenn auch in dem ersten theil der be- 
merkung eine wahrheit steckt. Näher schon kömmt der sache 
Classen, der zu énosoùvro die anmerkung macht: einleitendes im- 
perfekt „sie entschlossen sich ein bündniss mit Athen zu schliessen“. 
Ganz treffend ist auch das nicht, denn „sie entschlossen sich“ iat 
ein einmaliger akt, der wiederum nur mit dem aorist auszudrücken 
gewesen ware. Den sinn des imperfekt Euauuylur énosoürro giebt 
erst wieder, wenn wir sagen: sie pllogen verhandlungen zu einer 
Evupuyla, sie thaten das in der absicht, wo möglich zu einer 
Evuuuylu zu kommen, Die gepflogenen verhandlungen findeu später 
z. 30 in yerouérwr Aoywy ihren ausdruck, und Evrépnour be- 
richtet dann einfach die thatsache, dass es zu der beabsichtigten 
Evufacig wirklich gekommen ist. Dies SuréByoav und jenes éxe- 
yesoluy Enosnouvıo stehen also auf derselben linie; ulsu ist auch 
in jenem éxegesglurv Enosnouvıo nicht mehr von einer absicht die 
rede, durch verhandlungen wo möglich zu einem waffenstillstand 
zu gelangen, das war bereits beschlossene sache; sondern nur da- 
von, die einzelnen punktationen des vertrages bestimmt und ab- 
schliessend zu formuliren. Dass, wie wir aus Thukydides sehen, 
im ganzen 25 tage gebraucht wurden, um damit au stande zu 
kommen, mag man gern etwas auffállig finden. Aber die verhand- 
lungen wurden nach c. 118, 29 zw. iu Sparta geführt. Es mussten 
alsu erst die athenischen gesandten sich dort einfinden, es mussten 
die gesandten der spartanischen bundesgenossen dorthin berufen 
werden, dann fand erst das bin und wieder der eigentlichen ver- 
bandlungen statt, und nachdem man so über den vorläufigen ent- 
wurf übereingekommen war, gingen die beiderseitigen gesaudten 
mit diesen abmachungen nach Athen, wo dann endlich am 20. upril 
in der athenischen ecclesie der endgültige beschluss gefasst wurde. 
Jedenfalls ist die dauer der 25 tage eine thatsache, die man eben 
hinzunehmen hat, an der aber auch sonst kein anstoss genommen 
wird. 

Dagegen hat zu einer coutroverse anlass gegeben, dass der 
14. elaphebolion als der tag bezeichnet wird, an welchem in der 
athenischen volksversammlung der waffenstillstand ratificirt wird, 
während e. 119, 13 von dem abschluss desselben waffenstilistandes 
der 12. tag des lukonischen gerastios genannt wird. Ist damit 





662 Jahresberichte. 


derselbe tag gemeint, das eine mal nach dem attischen, das andere 
mal nach dem lakonischen kalender, so ist aluo damals der attische 
kalender dem lakonischen um 2 tage voraus gewesen. Nun aber 
wird ¢, 19, 10—11 der Gletzte elaphebolion 421 dem  Aletztea 
lakonischen artemisios gleichgesetzt, ulso ist damals, 2 jahr später, 
der attische kalender hinter dem lakonischen 2 tage zurück. Um 
diesen widerspruch der beiden kalender zu heben, versucbt Es. 
Müller es (p. 25) mit einer eignen interpretation der anfangs- 
worte von c. 119 und bebauptet, was dort vom 12. gerastios er- 
zählt werde, sei nicht das c. 118 erzählte faktum des 14. elaphe- 
bolion. Mau müsse unterscheiden. Am 12. gerastios sei man in 
Sparta über die bedingungen einig geworden, die in Athen vorge- 
schlagen werden sollten; am 14. elaphebolion seien diese in der 
athenischen ecclesie angenommen und von den drei athenischen feld- 
herrn entweder sogleich daselbst in die hünde der peloponnesischen 
gesandten oder etwas später in Sparta bei den dortigen behörden 
beschworen worden. Aber man darf die anfangsworte von c. 119 
nur ansehen, um auf den ersten blick zu erkennen, dass das nicht 
der fall ist. Sie lauten: ravra Evy£9evro Aaxsdasuovios xol wuo- 
Adynoav xai oi Evupuyos, “A9nvauloss xui Toig Evuuayoss unvóg 
Ev Aaxedaluovi Teguoılov dwdexury Evvert9evio dé xai eonty- 
dovro Auxeduspoviwy uèv olde. Ich habe wuodoynouy hergesetzt, 
wie auch Em. Miller mit recht die stelle liest, nicht mit dem Va- 
tican und dem Münchner Wuocar, was allein schon die sache ge- 
gen Müller entscheiden würde. Aber ich mag diese hülfe auch 
hier nicht; der Vatic. sowohl wie der Monac. geniessen in meinen 
augen heut zu tage einen ganz unverdienten glauben. Auch ohne 
wpocuv ist die sache deutlich genug. Tavra geht zurück auf 
alles, was von édoge 7 dnuw an c. 118, 30 gesagt ist, also 
auch mit auf den inhalt der worte z. 32: x«94à Evyywoovcı Aa- 
xedusporior xal ob Evuuuyos avıwv. Nach Müllers auffassung 
würden also die worte: zuvra £vréderro dasselbe noch einmal brin- 
gen, was vorher schon gesagt war. In dem ruvra steckt aber 
zugleich auch, was neues in der athenischen ecclesie am 14. ela- 
phebolion den von den peloponnesischen gesandten herübergebrachten 
bedingungen hinzugefügt wird. Das kaun also nicht schon vorher 
in Sparta verabredet sein, Sodann wäre von diesen vorläufigen 
bestimmungen £ur&derzo der unzutreffendste ausdruck. Eine Ev»- 
Ynxn wurde aus diesen bestimmungen erst, nachdem sie von der 
athenischen ecclesie angenommen waren. Offeubar wird dies EvȎ- 
Ferro hernach von dem Evver(Fevro wieder aufgenommen, sprach- 
gemäss jetzt im imperfect, weil dieselbe handlung in den einzelnen 
gesandschaften und ratificirenden eine sich wiederholende ist. Und 
zuletzt steht nicht à» Æuxeduluovs pnvdg Teouorlou Öwdexarn, 
sondern unrög iv Aaxedaluovi Tegucılov dwdexuty. So gut s, 
19 der tag des 50jährigen friedensvertrages nach beiden kalendern 





Jahresberichte. 663 


angemerkt ist, musste es auch hier beim einjährigen waffenstill- 
standsvertrage geschehen. Ginge der 12, gerastios auf deo tag 
der vorbestimmungen in Sparta, so würde es also eio mangel sein, 
wenn in dem entscheidenden vertragsinstrument der tag des spar- 
tanischen kalenders nicht gemerkt wäre. Ausserdem wäre es sehr 
überflüssig, weil ganz zwecklos gewesen, so sorgfaltig den tag 
der vorbestimmungen zu bezeichnen, der für die sache selbst so 
ganz ohne bedeutung war. Nach alle dem kann also keio zweifel 
sein: was c. 118 vom 14. elaphebolion und c. 119 vom 12. ge- 
rastios berichtet wird, ist dasselbe faktum, der 12. gerastios im 
spartanischen kalender ist derselbe tag mit dem 14. elaphebolioo 
im attischen, und wenn jetzt der spartanische kalender dem atti- 
schen um 2 tage voraus ist, 421 aber, 2 jahr später, gegen den 
attischen um 2 tage zurück, so hat inzwischen eine reguliruog des 
einen oder der beiden kalender stattgefunden, wodurch diese diffe- 
renz der beiden kalender von 423 gegen 421 um 4 oder 5 tage 
zu stande gekommen ist. Auf die erklärung dieses unterschiedes 
ist hier nicht einzugehen, sie liegt ausserhalb des Thukydides, und 
ist auch längst von Boeckh (Monde. p. 86 ff.) auf das ausführ- 
lichste und griindlichste gegeben worden. 

So darf ich mich also sogleich zu der zeitangabe wenden, mit 
welcher Thukydides von dem abgelaufenen einjährigen waffenstill- 
stande spricht, zu den viel behandelten worten zu anfang des 5. 
buchs. Man hat es mit der stelle auf die verschiedenste weise 
versucht. Bald ist vom rande etwas in den text gekommen, bald 
ein ganzer satz herausgefallen, bald der schriftsteller selbst durch 
die parenthese von seinem ursprünglichen wege abgeirrt. Ich 
meine, Thukydides würde, auch wenn er alle diese wunderlich- 
keiten seiner ausleger hätte vorausseheo können, das was er zu 
sagen hatte, doch schlecht und recht und griechisch nicht anders 
gesugt haben, als wie es jetzt im texte steht; denn verlangen 
muss er doch, dass man acht hat auf das, was er schreibt, auch 
wenn es nur eine partikel ist. Ich brauche hier nicht einmal 
weitläuftig zu sein, eigentlich müsste die blosse übersetzung der 
worte es schon thun. Sie lauten: zov d’ ensysyvoutvou Ségovc 
ai uiv èriuvosos Gnordai diedéAuvio u£yos Aviv . ... Kitwy 
dì “AFnrulovg neloag &¢ ıd ni Oouans ywola èEErndevoe wera inv 
ixeyesQlav, und das heisst zu deutsch, nicht bloss dem sinne, son- 
dern auch den worten nach: „Im sommer darauf war freilich nach 
ablauf des einjährigen vertrages wieder kriegszustand auch schon 
in der zeit bis zu den pythien, aber erst oach diesen ging Kleon, 
nachdem er die Athener dazu vermocht hatte, nach Thrakien unter 
segel*. Dass das einen gesunden sion hat und guten zusammen- 
hang, wird hoffentlich zugegeben: ich habe also nur die übersetzung 
zu rechtfertigen. Ich behaupte sogar, dass sie wörtlich ist, aur 
ist in ibr, wie's billig ist, durch weglassen uud zusetzen, dem cha- 


664 Jaliresberichte, 


rakter der einen und der andern sprache die nôthige rechnuag ge- 
tragen. Weggelassen ist das dé in zov d’ émysyvouérou 3£gow,, 
wir Deutsche haben solche übergangspartikel nicht im fortgang der 
erzühlung; das folgende uéy, zwar, freilich, ist vou den auslegern 
entweder ganz überseheu oder missverstauden; Krüger sagt dazu: 
„dem Er entspricht nicht Kigw» dé, sondern die näcbstfolgende 
erzühlung ; er meint: xai éy ij éxezecela *Adnraïos und setzt nach 
Ilv9iwy ein punktum. In Oselélurro dem plusquamperfect liegt zu- 
gleich ein imperfect, das hat Krüger richtig erkannt; er übersetzt: 
der jährige vertrag war erloschen und es war wieder krieg. 
Míyos Hv3twv habe ich wiedergegeben durch: in der zeit bis zu 
den pythien, nach analogie von a, 54, 23: Koglrdıoı pèv xça- 
znoavısg rjj vavpuyly uéyos vuxıog, in der zeit bis die nacht ein- 
brach, und öfter. Hier habe ich auch schon uud hernach erst 
hereingesetzt, ohne mir damit etwas herauszunehmen, lediglich wie 
es unsere sprache fordert. Krüger sagt einmal bei gelegenheit von 
xaí wahr und schön: „überhaupt genügt die lockere verbindung 
durch x«( in vielen fallen, wo wir dem verstande der leser durch 
genaueren ausdruck nachhelfen“. Das wort hat seine allgemeine 
geltuug. Man spricht jetzt gern vom verschiedenen genius der 
beiden sprachen; es würe wohl zeit, in den grammatiken und in 
der erklärung auf diese kleinigkeiten, dieses feine mienenspiel der 
sprache mehr acht zu haben, um diesem genius uäher zu kommen. 
Wie xal ófter bei uns oder heisst, und wirklich, und we- 
nigsteus, und schon, und «Au oder, und ué während 
und dé während, und andres der art, so ist auch mancher aus- 
druck in unsrer rede im griechischen oft gar nicht vorhanden, und 
also auch nicht wiederzugeben, wie oft unser: nur, schon, erat, 
dano, bloss, zu (bei unsern positiven), eben, auch, sonst (andern- 
falls) u. a. m. Ich gebe hier keine beispiele, weil es endlos ware, 
und sie den kenuern des griechischen zahllos genug zur hand sind. 
Ich habe hier erst hereingesetzt. Man sage mir doch, welchen 
ausdruck Thukydides dafür aus seinem griechisch hätte nehmen 
sollen? Er hatte eben keinen, schrieb aber darum, wie überhaupt 
die alten, so sachlich und klar, dass wir sehr wohl, wie Krüger 
sagt, aachzuhelfen im stande sind. Der deutlichkeit wegen habe 
ich in der übersetzung die parenthese weggelassen und durfte des- 
wegen das wera ijv Exegssolav durch das blosse pronomen wieder- 
geben. Es drückte sich damit nur um so bestimmter die meinung 
aus, dass diese éxeyesgiu wie in der parenthese die waffenrube der 
pythischen festspiele ist, nicht die waffenruhe des einjahrigeo ver- 
trages. Dieser war mit dem 14. elaphebolion 422 zu ende ge- 
gungen, der in dem jahre auf unsern 9, april fällt. Von som- 
mersanfang , vom 26. märz bis dahiu sind also noch 14 tage, 
allerdings noch zeit genug zur nachträglichen vollstäudigen reini- 
gung von Delos. Aber wenn eben dueA£Avrro vorhergeht und daria 


EEE u 


Jahresberichte. 665 





der gedanke gegeben ist, dass schon wieder kriegsstand war, so 
wäre es ungeschickt und unmöglich gewesen, fortzufahren: xai év 
th éxeyergfg, während welcher waffenruhe, dann doppelt ungeschickt 
und unmöglich, wenn z@» /7v3(u» vorausgeht und diese eben auch 
eine waffenruhe mit sich bringen. Mit dicA£Avrzo ist also in dem 
neuen sommer die einjährige waffenruhe eben so gewiss schon 
vorüber und ausser gedanken, wie mit zwy Mud wy diese neue 
waffenruhe der festspiele da ist und den gedanken vorschwebt, auf 
die dann einzig auch, wenn es nun heisst: „und in dieser (77) 
waffenruhe“ die rede zurückgeht. So weit das sprachliche, zur 
sache noch folgendes. Es werden hier im neuen kriegsjahr zwei 
begebnisse berichtet, die reinigung von Delos und die expedition 
des Kleon nach Thrakien, ein friedliches und ein kriegerisches, bei 
dem letztern erfahren wir zugleich, dass Kleon, der anführer selbst, 
es gewesen ist, der die Athener zu der unternehmung vermocht 
hat. Beides ist um dieselbe zeit geschehen, wie wir jetzt von A. 
Kirchhoff gelernt haben (Monatsber. der b. akad. 1864), erst an- 
fang august. Bis dahin war also vom neuen jahr uichts zu be- 
richten, und es bedurfte für die zuerst zu meldenden begebenheiten 
der zutreffenden passenden zeitbestimmung. Ein Jépouç puecovrios 
stand ihm hier nicht zu gebot, das würe mehr als eiu monat zu 
früh gewesen, ein 2006 10 qJivónwgov um einen monat zu spät; 
und durch ein perd dé rovio, wie sonst, konnte er sich auch nicht 
helfen, eben weil es die ersten begebenheiten des jahres waren. 
Will ich also sagen, dass er deswegen zur notiz uéyos Mudlwy 
gekommen ist? Auch das nicht. Ich traue dem Thukydides un- 
glaublich viel zu, und so auch hier, dass es ihm schon sonst ir- 
gend wie müglich gewesen würe, eine andere zeitbestimmung zu 
finden, die nichts als zeitbestimmung war, wenn ihm nicht gerade 
pí£yos Ilv3lwy hier als eine bedeutungsvollere erschienen wäre. 
Au uns ist es, für solche dinge ein auge zu haben. Einen guten 
tiefsinnigen schriftsteller versteht man eben nicht, wenn man nicht 
hinter seinen zeilen liest, und meist ist gerade das werthvollste, 
aber auch das erfreuendste, was er andeutend verschweigt.  lch 
müsste mich sehr irren, wenn hier nicht der pythische Apoll und 
der delische eine heimliche beziehung zu einander hätten. War es 
für den geschichtschreiber eine thatsache, dass die feier des (mehr) 
dorischen gottes den Athenern ein anlass war, auch des (mehr) 
ionischen gottes noch einmal zu gedenken, so war es ganz in 
seiner art, das durch dieses puéygs JvO(wv», durch einen strich, 
olne viel worte darüber zu machen, seine leser bemerken zu las- 
sen. Es wird für ihn ebenso eine thatsache gewesen sein, dass 
die aufführung des aristophanischen friedens an den grossen Dio- 
nysien mit das ihrige zum Nikiasfrieden gethan hat; auch da nur, 
wie hier, eine blosse zeitbestimmung , dx Æsorvolwr exdig iy 
“ouxwy, und das ist, scheint mir, im munde dieses schweigers ein 





666 Jahresberichte. 


so grosses wort iiber den dichter, als wenn andere sein lob durch 
die posaune verkünden. Aber ich môchte nicht missverstanden 
werden. Ich sage also in meiner erklürung der stelle, um auch 
das noch deutlich und bestimmt hervorzuheben, ein doppeltes nicht; 
erstens nicht, wie Grote und Arnold die sache auffassen, der ein- 
jährige waffenstillstand sei entweder durch eine fórmliche überein- 
kunft oder bloss faktisch noch bis zu der pythischen feier verliün- 
gert worden; das lässt sich nun und nimmer aus den worten des 
Thukydides herauslesen, vielmehr ist in dem dseAéAvyro gerade das 
gegentheil gesagt. Und zweitens sage ich nicht mit Böhme, dass 
die pythische festfeier wieder eine neue waffenruhe uud eine ver- 
hinderung des kriegfiihrens mit sich gebracht hatte. Nur den theil- 
nehmern und den wallfahrern hin und her sicherten die öffentlichen 
feste einen schützenden frieden. Sondern péygs [lvdlwy soll alles 
das nicht, und zunächst nichts anders sein als eine zeitangabe für 
die beiden ersten begebnisse des neuen jahres. 

Wenn ich nun schliesslich zu der zweiten thatsache im be- 
richte dieses zehnten jahres komme, so muss ich zuvor daran er- 
innero, so überflüssig es erscheinen mag, dass Thukydides eine 
kriegsgeschichte schreibt. Ich weiss wohl und habe selbst einmal 
mich weitlüuftiger darüber ausgelassen, dass er mehr als das giebt; 
aber wo er einmal fremdes gebiet berührt, sieht er sich wobl vor, 
sich zu weit hineinzubegeben und bleibt sich seines eigentlichen 
zweckes bewusst. So auch hier. Nach ihrem missgeschick bei 
Pylos war bei den Lacedümoniern, nach ihrer niederlage bei De- 
lium und Amphipolis bei den Athenern das verlangen nach frieden 
lebendig geworden (d, 19, 34; d, 20, 34; d, 21, 20; d, 108, 
13 zw.) Das hatte endlich zum einjährigen waffenstillstand ge- 
führt (d, 117), der mit der auch im vertrage ausgesprochenen ab- 
sicht eingegangen war, durch weitere verhandlungen schliesslich 
zum beiderseitig gewünschten dauernden frieden zu kommen (6, 
118, 15 ff.; d, 118, 2 zw. — 8 zw.). Und wie es im vertrage 
&bgemacht war, so geschah es wirklich. Die boten gingen bin 
und her (d, 119, 22), und ihrerseits, das dürfen wir voraussetzen, 
wird es an der bemühung nicht gefehlt haben. Aber doch blieb 
es einstweilen noch ohne erfolg. Der waffenstillstand lief ab, aber 
zum frieden war es nicht gekommen. Muss der schriftsteller erst 
mit einem worte sagen, woran das gelegen, dass hüben und drüben 
eine kriegspartei war, die den frieden zu verhindern wusste? Es 
ist nicht seine art, das zu thun, wenn er wie hier die thatsachen 
sprechen lassen kann. Obgleich waffenstillstand war, geht Brasidas 
ruhig seine wege weiter und kümmert sich nicht um ihn. Auch 
hier zeigt der schriftsteller, was bei ihm ein blosses x«f vermag 
(d, 135, 3). Und die Athener? Sie ihrerseits sind ehrlich und 
thun von staatswegen, was sie sollen. Sie wahren den waffenstill- 
stand, ja halten sich still lange über ihn hinaus, so dass der 





Jahresberichte. 667 


schriftsteller vom 9. april bis anfang august nichts zu berichten 
hat. Aber wie dort das xuf, so ist hier das °A9nvulovs nelouç, 
&, 2, 22, ein sehr verständliches wort; wir sind mit ihm mitten 
in der athenischen ecclesia und glauben die debatten für und wider 
zu hóren. Aber die reden bekommen wir hier nicht; die beider- 
seitigen motive für krieg und frieden waren bei gelegenheit von 
Pylos, bei gelegenheit des waffenstillstandes uns wieder und wie- 
der mitgetheilt, und wenn wir noch nicht wissen sollten, mit wel- 
cher absicht Brasidas in Thrakien war und Kleon dorthin abging, 
so wird es uns nachträglich noch mit dem bestimmtesten wort ge- 
sagt, dass es sich für den einen wie für den andern um nichts 
geringeres als um die hegemonie des eigenen staates gehandelt hat, 
e, 16, 3°). In diesen vorausgegangenen kampf der kriegs- und 
friedenspartei in Athen führt uns also das sseloug herein und be- 
lehrt uns zugleich darüber nach allen vorher gegebenen weisungen, 
dass bisher in diesem jahre die dem frieden geneigteu es werden 
gewesen sein, die den krieg hinausgehalteo haben, jetzt aber be- 
siegt den gegnern das feld räumen mussten. Aber warum gerade 
zu dieser zeit, warum ist es erst jetzt, anfang august, bald nach 
der pythischen festfeier zur expedition nach Thrakien gekommen? 
Es wäre interessant, wohl gar von massgebender bedeutung , auch 
das zu wissen. Oder vielleicht wissen wir es schon, und es fehlt 
nur einigen von uns noch an unbefangenheit und einsicht, um so- 
gleich die belehrung anzunehmen, die Müller-Strübing uns in sei- 
ner neuwahl des staatsschatzmeisters bietet. Aber jedenfalls ist 
das noch eine offene frage, die ich lassen muss; es ist das eine zu 
langathmige controverse, als dass ich hier nach gebühr darauf ein- 
gehen dürfte, 

Meine auffassung der stelle kómmt also in der hauptsache, 
wie man sieht, wenn auch in der erklürung sehr abweichend, auf 
den sinn hinaus, den auch andere schon in den worten gefunden 
haben, und den Müller-Strübing als den der Englünder Grote und 
Arnold in den worten wiedergiebt: „Der waffenstillstand war ab- 
gelaufen, der beginn der feindseligkeiten ward aber hinausgeschoben 
bis zu den pythien‘. Zu diesen worten bemerkt er nun unter dem 
text (Aristoph. 390): „Wenn dem so ist (er meint: wenn Thuky- 
dides diesen sinn hat ausdrücken wollen), so wird mich niemaud 
überreden, Thukydides habe das, was er sagen wollte, in so kin- 
disch stammelnder, ja cretinhafter weise ausgedrückt, und da durch- 
aus kein grund denkbar ist, um dessentwillen man hier eine ab- 
sichtliche dunkelheit voraussetzen könnte, so kann ich nicht anders 
als hier eine verderbniss des überlieferten textes annehmen“. Wenn 
Thukydides aber doch, wie ich mit voller überzeugung und ohne 


3) Die erklürung der bisjetzt nicht oder nur halb verstandenen 
worte unten an passenderer stelle. 


668 Juhresberichte. 


den leisesten zweifel behaupte, die worte, wie sie jetzt dastehen, 
und nur diese worte in dem angegebenen siune geschrieben hat, 
so wäre er also olıne gnade jenem urtheile Müller-Strübings ver- 
fallen. Er wird auch das noch ertragen kénorn, und auch mich 
erregt es nicht mehr. Der belesene, gelehrte, geistvolle und fin- 
dige herr hat nebenbei einen solchen schatz vou artigkeiten und 
schmeichelworten für den schriftsteller, den ich mebr schätze je 
mehr ich ibo verstehen lerne, dass es auf eine hand voll noten die- 
ser melodie nicht mehr ankömmt. Er erzeigt mir die ehre, auch 
mich zu seinen Thukydidestheologen zu rechnen. Das muss ibm 
mit dank zurückkommen, und so werde ich mich doppelt zu be- 
müben haben, gegen iho auch in zukunft fein sittig zu bleiben. 
Ich hatte die obige besprechung der von Unger neu aufge- 
stellten thukydideischen chronologie eben abgeschlossen, als mir 
nachträglich die Quaestiones chronoligicae von Sch mitt zu händen 
kamen, die sich in ihrem ersten und haupttheil gleichfalls mit die- 
sem neuen Ungerschen theorem beschäftigen. Es ist mir eine ge 
nugthuung, den verf. dieser tiichtigen verdienstlichen abhandlung, 
mit der er sich auf das empfehlendste in die philologische gelehr- 
tenwelt eingeführt hat, in dem hauptpunkte zu demselben satze 
kommen zu sehen, dem auch ich im obigen das wort geredet habe. 
Auch er bestreitet, was hier das wesentliche ist, Ungers kalenda- 
rischen kriegsanfang. Weder die Ungerschen stellen für den som- 
mers-(jalres)-anfang nach der gleiche, noch vor der gleiche 
könnten dafür zum beweise gelten. Wiederhalt wird, so pg. 12. 
36. 52, auf die nothwendige continuirung der erzählung binge- 
wiesen; sehr schón in y, 116, 14 das zovro durch den rückblick 
auf y, 115, 11 zur geltung gebracht; mit fleiss werden zum tref- 
fenden gegenbeweis die verschiedenen tagezahlen der Ungerschen 
sommer und winter herausgerechnet, und sonst in vielem einzelnen, 
so über evduc, über den orakelglauben bei Thukydides, über die 
lesart des Vaticanus in 3, 7, 29, über den tagesanfang und manches 
andere gegen Unger sehr beachtenswerthe uud wohlbegründete be- 
merkungeu gemacht. Es kann der untersuchung in ihrem haupt- 
resultate keinen eintrag thun, wenn nebenbei eins oder das andere 
behauptet wird, was weniger zu rechte bestehen móchte. So kann 
ich unter anderm nicht beistimmen, wenn er p. 21. 25 mit Em. 
Müller, Stahl und Unger die worte: n écfoA? n dg rjv mx 
xai aus e, 20 hinauswerfen will, „cum eiectis his verbis 10 nowıor 
aptissime cum 7 dgy?) zov moléuou coniungatur eadem ratione qua 
non semel apud Thucydidem legimus ro nowrov noyero (I, 103, 
4. 4; 11, 36, è. 1; 47, 2. 3; 53, 2. 1; 68, 2. 2; Ill, 86, 2. 2)“, 
und nun sogar fortfahrend schreibt : „eh valde minor, qui fiet, us 
quisquam stultitiam illius locutionis we 10 neũ iov à j &cBoay n è 
tiv "Arroxny neglegat, cum tamen verbis 10 nodirov et L epi tyé- 
vero imprudenter. disiunctis interpolatorem paene Er uvrogugæ te- 


Jahresberichte. 669 


neamus. Was wird er dazu sagen, wenn gerade dies 16 srQurov 
sprachlich den beweis liefert, dass jene von ihm hinausgewiesenen 
worte an der stelle nothwendig und also unentbehrlich sind. Nicht 
70 nçgüror, sondern nowzov verbindet sich in der von ihm er- 
wühnten weise mit aeyeo9as, so a, 103, 3; 8, 47, 23; f, 53, 
17; B, 68, 27; &, 46, 2; ro nowror verlangt seinen bestimmten 
gegensatz; also 8, 48, 33: fZoEaro dì 10 wiv nowror, we Af- 
yetas, èE Aidoniug. Enura dì xal HQ Alyunıov xai AsBuny 
xar£ßn. Auch in y, 86, 33: alneo xei ngog rj» Tv Aaxedas- 
uorlwy T0 ngurov doyoutvou zov noléuou Evuuaylur LıayIncar, 
ov puévtos Evrenodéunouy ye, ist dieser gegensatz gegen spätere 
zeiten des krieges vorhanden, und zugleich ist es offenbar, dass 
hier 70 zQuro» sich überhaupt nicht mit doroutvov tov rodéuov, 
sondern mit zgoc rr» ruv Auxedaspovlwy Evuuuylar êréy9nour 
verbindet. Wenn also in c, 20 ro mowrow steht, so kann es nur 
durch die worte n &cßoAn n è tv > Aruxny gegen die späteren 
einfälle in Attika seinen gegensatz finden, ebenso wie es 8, 47, 
19 heisst: I1:konovrnaios xuè of Suppuyos , Ta duo peon, WOREQ 
xai 10 nowrov, écéBadov dg ijv > Arrixnv. — Ebenso „wenig 
kann ich es billigen, wenn er p. 32 mit Unger in 7, 19 ng0g in 
Jégovc ändern möchte, oder p. 39. 40 bei seiner erwügung von 
s, 24 von einer indiligentia des schriftstellers spricht und ihm 
dabei die absicht unterschiebt, ut conclusio prioris operis magis oc- 
cultaretur neque nimis eluceret ; oder wenn er meint, das wort 2E 
nusoelug in e, 20, 30 mit Unger auch einmal nicht ganz strikte 
verstehen zu dürfen; oder wenn er bei der ausrechnung der zwi- 
schenzeit in e, 25, 11 ebensosehr die bedeutung verkennt, welche 
die beigesetzte genaue zeitangabe in a, 87, 28— 32 dem dort in 
der spartanischen ecclesia gefassten beschlusse nothwendig geben 
muss, wie für das xaf vor dvayxaadärres z. 14 und den fortgang, 
den es gegen das vorausgehende «reayovro in sich schliesst, kein 
auge hat. Ich enthalte mich um so eher hier ähnliches gegen den 
excurs anzudeuten, den er p. 91— 105 seinen Quaestiones beige- 
geben hat, weil dieser ausserhalb des rahmens der neuen Unger- 
schen lehre liegt, auch eine entgegnung darauf besser anderen oder 
einer andern zeit überlassen bleibt. Lieber will ich noch einmal 
meiner freude einen ausdruck geben, die mir die fleissige und sorg- 
fältig erwägende arbeit in dem resultate ihres haupttheils gemacht 
hat. Es darf doch wohl meistens mit für eine garantie der wahr- 
heit gelten, wenn zwei mänuer jeder auf seinem wege zu demsel- 
ben ziele gelangt sind, 


ll. Zur überlieferung. 


Bis zu den sechziger jahren fühlte man sich, wenn man den 
Tukydides zur hand nahm, ich möchte sagen, so sicher wie in 





670 Jahresberichte. 


Abrabums schoss. Man brachte den glauben an den schriftsteller 
selbst, an sein bestes können und wollen, seine eiusicht und ehr- 
lichkeit mit herzu, und auch die überlieferung seines textes, waa 
das zweite ist, wenn man einem antiken geschichtswerke vertrauen 
soll, schien den meisten wenigstens so gut wie die beste, vielen 
sogar von besonderer einziger treue und reinheit. Aber auch Thu- 
kydides konnte unsrer zeit nicht entgehen, auch seine kritische 
stunde hatte geschlagen. Wie durfte ihm ein vorrecht bleiben. 
Auch er musste dem urtheil „menschlich näher gebracht“, auch 
seine art zur „menschennatur zurückgeführt“ werden. So hub denn 
der zweifel an ihm erst fragend und noch schüchtern bei seinem 
urtheil über den zweifellosen gegner an, bis nun in jüngster zeit 
glücklich der parteimann, der verschweigt, der irreführt, der ver- 
leumdet, fertig gebracht ist. Uud nun gar der text, den wir in 
händen haben. Wenn ein kenner des griechischen, der mehr co- 
dices gelesen hat als die meisten andern, ihn schon vor jahren 
passim sciolorum emblematis et additamentis obsitus et inquinatus 
nennt, was wunder, dass wir seitdem viel klüger geworden sind 
und es noch ganz anders wissen. Müller-Strübing kennt jetzt von 
der geschichte des textes schon die genauesten details. „Der ur- 
typus aller unsrer handschriften, sagt er Forsch. p. 102, war die 
abschrift eines von einem grammatiker für seinen schulunterricht 
prüparirten handexemplars; die abschrift, denn den schreiber des ur- 
typus selbst halte ich für viel zu dumm und unwissend, als dass ich 
ihn selbst mir als einen lehrenden grammatiker, einen professor 
vorstellen kónnte. Der schreiber des urtypus bat daun vielfach 
die randnoten uad dgl. in den text gesetzt, bald neben die erlau- 
terten worte, bald mit verdrüngung der letzteren, hat aber auch 
vielfach die in seiner vorlage durch verschiedene zeichen als ver- 
dächtig oder unverständlich oder sonst anstössig bezeichneten worte 
oder sütze einfach weggelassen“. Man sieht, was mit dieser er- 
kenntoiss in der kritik für ein fortschritt gemacht ist. Jetzt hat 
man es nicht sowohl mehr mit dem Thukydides, als mit seinem 
interpolator zu thun, und es braucht einem nicht mehr das ge- 
wisseu zu schlagen, wenn man nicht etwa ein oder das andere 
wôrtchen zu ändern, sondern einzelne sätze auszustreichen oder 
hereinzusetzen, wohl gar ganze partien der rede für absichtlich 
unterdrückt anzusehen sich veranlasst findet. Denn auch darin ist 
man über alles erwarten weiter gekommen. Früher waren uns 
die alten scholiasten und grammatiker so zu sagen unpersönliche 
persóulichkeiten, menschen ohne fleisch und blut, jetzt leiben und 
leben sie, man kann ihnen den puls fühlen, merkt ihre prononcirten 
absichten und leidenschaften, so dass einer von ihnen sogar wie- 
derholt seinen „blutdurst‘“ nicht verhehlen kanu, Was solche ein- 
sicht für die textkritik des Thukydides neues und unerhôrtes brin- 
gen wird, sagt man sich leicht; eiu gut theil davon liegt bereits 





Jahresberichte. 671 


in den früheren schriften Müller - Strübiugs, neuerdings in seinen 
„Forschungen“ vor, den ganzen ertrag dürfen wir erst in einem 
grösseren werke erwarten, zu dem, wie er p. 69 sagt, die „For- 
schungen“ eigentlich nur aphoristische vorstudien sind. Der jah- 
resbericht kann ‚hier natürlich nicht allem und jedem nachgehen, 
und ein blosses ja oder nein wäre seine sache nicht; so wird es 
zweckinassig sein, bei dem, was in den „Forschungen“ der haupt- 
theil und die mitte ist,- den lesbischen geschichten eingehend zu 
verweilen, und zu untersuchen, was von den bei dieser gelegenheit 
vorgebrachten behauptungen und vorschlägen annelmbar erscheint. 
Sollte auch von ihnen, wie ich zu erweisen hoffe, schliesslich nicht 
vieles oder vielmehr nichts übrig bleiben, so trage ich doch keinen 
augenblick bedenken, auch diese letzte arbeit Müller-Strübiogs, wie 
seine sonstigen, im hohen grade verdienstlich zu finden. Kräftige 
irrthümer sind schon oft erspriesslicher als halb und flauverstandene 
wabrheiten gewesen. Das wird auch hier der fall seiu. Müller- 
Strübings energisches und sachliches denken, an dem man hier wie 
sonst seine freude hat, wühlt dus erdreich um, auf dem dann schon 
in einem kommenden frühling die halme zu ähren und früchten auf- 
gelen werden. 

Aber wenn ich wirklich, wie ich eben erklüre, den besten 
willen habe, unserm forscher bei diesem abfall von Mytilene auf 
schritt und tritt nachzugehen, so muss ich doch gleich bei der er- 
sten stelle in der reihe mich fragen, ob über sie zu sprechen 
erlaubt ist. Gleich im anfang sei in y, 3, 29 vom schreiber des 
urtypus vor e dé un sus dem texte etwas weggelassen. Es wird 
uns das als ein kleines präludium gegeben zu dem, was dieser 
schreiber, wie wir spüter einsehen sollen, noch sonst alles auszu- 
lassen und wegzustreichen im stunde ist. Aber es giebt gottlob 
gewisse dinge, die ein für allemal gethan und abgemacht sind, 
darum auch im leichten spiel der rede nicht wegzuscherzen. Es 
würe spott und eine versündigung gegen den fleiss derer, die mit 
einsicht gesammelt haben, wollte jemand es noch für néthig halten, 
über diesen gebrauch der aposiopese, der von Homer an durch die 
ganze gricitàt geht, neuen vorrath herzuzutragen. Wer hier läug- 
net, mag etwa in launigem übermuth ins horo stosseu, zu sehen, 
ob die junge mannschaft zur hand ist, oder sollte er wirklich in 
der sache noch des unterrichts bedürfen, so sind die magazine der 
ausführlichen grammatiken da, uoter andern der stets gut assor- 
tirte Kihner (3, 986), bei denen er nicht vergebens nachfragen 
wird. Also zur rechtfertigung des Thukydides wäre hier jedes 
wort zu viel, und gerade bei ihm kann eine aposiopese, wie sie 
hier vorliegt. am wenigsten auffallen. Es gehôrt mit zu den ei- 
genthümlichkeiten seiner rede, dass er geflissentlich die wiederkehr 
desselben wortes oder ausdrucks vermeidet und darum hüufiger ala 
ein andrer sich der ellipse bedient. Wer sich speciell zur aufgabe 


672 Jahresberichte. 


machen wollte, das kapitel der bei ihm vorkommenden ellipsen za 
behandeln, würde auf diesem wege vieles erklären, was bis jetzt 
noch missverstanden ist. Damit dus keine blosse behauptung bleibt, 
verweile ich hier noch einen augenblick, um dafür einige belege 
zu geben. . 

Ich spreche hier nicht von den ellipsen, von denen der spre- 
chende selbst schon kein bewusstsein mehr hat, wie bei zo» flos- 
Aousvov, wozu allerdings der folgende infinitiv uoch besonders zu 
suppliren ist. Also an fälle wie «, 26, 29. 13; a, 27, 19; y, 
16, 19; y, 92, 17; 0, 26, 34; d, 68, 1; d, 105, 9; d, 114, 
18; d, 118, 22; e, 18, 23; « 28, 31; È, 27, 19, denke ich 
nicht; auch nicht, wo für zö» fovloueror das gleichbedeutende e 
16 Bovdetus, wie e, 115, 27; n, 82, 8, oder wo ef Boviorias 
ohne einen besonderen zugehörigen infinitiv eintritt, wie d, 48, 9; 
e, 35, 3; e, 37, 7; e, 50, 19; ¢, 51, 23; n, 56, 20; 9, 28, 34. 
In allen diesen fallen ist freilich zu suppliren, aber der redende 
fühlt es nicht, nur der grammatiker, der sich rechnung ablegt. 
Ebenso ist es in den indirekten fragen, wo der uachsatz unbewusst 
verschwiegen bleibt, so y, 52, 11; d, 30, 5; d, 37, 23. Ist da- 
gegen bei el Bovdovrus sein infinitiv und ausserdem ein besondrer 
nachsatz vorhanden, so kann offenbar nur von einem gewöhnlichen 
vollstándigen bedingungssatze die rede sein, wie a, 27, 20; a, 91, 
6; «, 107, 34; B, 2, 19; y, 96, 28; 0, 36, 35; d, 50, 12; ¢, 
41, 24; e, 49, 15; ¢, 64, 3; m, 3, 13; 9, 26, 20. Ich war 
genóthigt, bin ich doch einmal auf diese materie gekommen, auch 
dies letzte scheinbar unnéthige herzusetzen wegen y, 52, 11, wel- 
che stelle von den neuern auslegern missverstanden ist and falsch- 
lich in diese letzte kategorie versetzt wird. Die überlieferung 
giebt hier oline jede variante: wgocnéunes de abroig xnovxa Af- 
yovıa el Boviovtus agndovvas riv now Exovreg 10ig Aaxedas- 
peovlosg xai dixacıaig êxelvois yojoucPus, tovc re adlxovg xolabesr, 
nage dixnv dé ovdtra. Dass hier ein indirekter fragesatz ist, wie 
schon Valla eingesehen hat (numquid se et urbem vellent ultro La- 
cedaemoniis dedere iudicesque illos habere, de noxiis supplicium, de 
indemnato nemine sumpturos), und bei rovg re dÓ(xoeg xodalesy 
kein nachsatz beginnt, ist sachlich und sprachlich offenbar; sach- 
lich, denn wäre xolubesr ein nachsatz, so müsste auch der erste 
theil des vordersatzes, nmugadovras rjv mods, in diesen nachsatz 
aufgenommen sein; und sprachlich, denn erstens steht ja xolu£ssr 
da, was man freilich sans gène iu xoddoeyv verändert, uud zweitens 
würde die annahme des nachsatzes auch eine subjectsveründerung 
für xodutew nothwendig machen. Das ganze ist eine indirekte 
frage, wie die andern oben angegebenen beispiele, und xolaber 
gehört allein zu dixaGraig éxelvorg yonouodw, wobei das prásens 
xo).aleıy seine richtigkeit bat, und das dafür erforderliche subjekt 
von selbst gegeben ist. Für das erforderniss eines 16-dé im der 





Jahresberichte. 673 


sprache ist diese stelle das klarste, schönste beispiel, womit man «, 
25, 13; GC, 83, 18; 7, 81, 18, allenfalls auch n, 78, 23 ver- 
gleichen mag. 

Hier bei ßovAsc9us hat man es also, wie ich meine, mit el- 
lipsen zu thun, die kaum oder gar nicht gefühlt werden und die 
ich grammatische ellipsen nennen müchte. Auch manches andere 
will ich gern hierher rechnen, wenn es sich dem gefühl des hôrers 
auch schon stärker aufdrüngt. So soll mir also noch eine gram: 
matische ellipse sein d, 76, 7—10: xai agınveizan .. Alyus . 
dvo Aoyw géguv. dg 10 "feros , tov piv xa9' Su id Bokovras 
zoleueiv, tov d' we dl elena» ayesv, wo die rede nach xa9 on 
mit modeunoovoi, nach wo mit clozvzv ovo auszufüllen ist ; na- 
türlich auch die auslassung bei e ur, wie B, 18, 11: ei un dia 
tz» éxelvov ueddncw, oder die auslassung eines ganzen bedingungs- 
satzes wie d, 54, 2 bei: dợorgoav rag av ob * Adyvaios Kv3n- 
elovs, oder d, 126, 11 bei: éxefvo yaQ &v 00 rovrov ExQuorio, 
in welchen fallen also die griechische rede dem verständniss nicht 
wie wir zu thun pflegen durch sonst oder andrenfalls ent- 
gegen zu kommen braucht. Auch die auslassung d, 63, 2 bei: 
ov négi 700 riuwgroacJ«( tiva mag sich dem hörer kaum füblbar 
gemacht haben. Also, wie gesagt, diese oder ühnliche gramma- 
tische ellipsen, wie sie überall und mehr oder weniger bei jedem 
schriftsteller vorkommen, sind nicht gemeint, wenn ich von der 
kürze und knappheit als einer eigenthümlichkeit der thukydideischen 
ausdrucksweise rede. Diese kürze zeigt sich mir in ganz andern 
beispielen, wenn diese auch von den auslegern bisher verkaont sind 
und aus den Thukydides texten langst verschwunden würen, wenn 
nicht einigen doch zum glück noch das gewissen schlüge. Ks 
genügt mir hier, nur einiges dieser art herzusetzen. In 0, 82, 16: 
dovieluy dé avtol 1e EBovAovıo xoi nuiv tò avid èneveyxziv, habe 
ich früher durch meinen widerspruch gegen Cobet, der dovdevesv 
will, wenigstens so viel bewirkt, dass man an dovislav seitdem 
nicht mehr gerührt hat. Aber erklärt ist die stelle darum noch 
nicht; auch ich habe die ellipse damals zu fern gesucht, sie liegt 
ganz nahe und innerhalb desselben satzes. Statt den gedanken 
vollständig auszuschreiben: dovislay dé «Urol re &Bovdovio êveyxeir 
xai quir to aviò émeveyxeiv, setzt Thukydides nach seiner art 
bloss das eine &meveyxeiv, denn aus diesem ist auch jenes erste 
éveyxety da, so bald die erste silbe, das én in éxeveyxsiy hervorge- 
hoben wird. Mit der betonung tritt der gegensatz und die ergän- 
zung von selbst hervor. Aehnlich und auch in einem gegensatz 
begründet ist die ellipse 9, 56, 19: èvravda dh ovxén, dAXM 
anoga voploavtes oí "AO3uvaio. So steht es in guten hand- 
schriften, aber man siebt's au den varianten, schon den abschreibern 
ist die sprache hier unverständlich gewesen. Mao lege auch hier 
nur wieder auf die erste silbe in à »oga den ton, so hört sich für 


Philologus. XLII. bd. 4. 45 





674 Jahresberichte. 


den ersten theil des satzes der gegensatz eu noga von selbst her- 
aus; vollstindig und ohne die ellipse würde der satz also lauten: 
épruÿdu di) oùxén eUnoga, add’ ünoga vouloarres; die ellipse ist 
dem Thukydides hier nach seiner art um so uatürlicher, weil e- 
noga ihm in der lage, wie die vorliegende, der gewöhnliche, von 
selbst gegebene ausdruck war, nach a, 93, 20; 8, 64, 3; d, 10, 
29; d, 78, 20; È, 17, 11; ¢, 90, 26; 9, 36, 31; 9, 48, 20. 
32, 25: xai roig uiv «Moss Eyulvero eUnoga xai mora. Ich ge- 
stehe, mir will der satz mit der ellipse evzoou sogar besser ge- 
fallen, als wenn der schriftsteller es hereingesetzt hatte. Auch für 
è, 87, 21: Pn el ye &Bovdndy dranoleujoat, èmipurès drzov 
Ovx èvdosuorise, ist bisher ohne bunte veränderung von den ausle- 
gern keine erklärung gefunden. Und doch ist hier die ellipse 
ebenso natürlich, wie mit ihr dem gedunken vollkommen genüge 
geschieht. Man verstehe also: imei, a ye &Bovdndn din Toisungan, 
emavic dimov 10 OianoltuzOas ovx evdosuornéc: da, wenn er 
dsunodsurnous wollte, das dıanoAsung«s, sollte ich meinen (dx 200), 
zweifellos eine ausgemachte sache war. Wie sehr eine auf der 
hand liegende, ausgemachte sache, begriindet sodann der gleich 
folgende satz. Die ellipse ergiebt sich hier sogar noch leichter, 
weil dafür auch aèro oder roùro eintreten kann, dieses. sich aber 
grammatisch vou selbst ergänzt. Auch in y, 44, 26: nr TE rag 
anopivw ivy adsxovriag uvIoug, où dit rOUTO xoi Anoxıeiva 
xedevow, ef un Evugégor iy te xai Eyovite u Evyyvwuns eter, el 
rj node pn ayador yulvoıro, ist alles gesund, obgleich die aus- 
leger dies und das für krank erklüren, alles erdenkliche conjektu- 
riren und duch dabei, wie sichs gebührt, in verzweiflung sind. Es 
ist nur ein glück, dass auch hier die tradition uns das ursprüng- 
liche noch erhalten hat. Statt analog dem, was „vorausgegangen 
war, in ganzer und voller rede zu sagen : nv 16 ünogrvw Eyorzug 
ts Euyyrwunc udrouc, ov din Tovıo xai Eyorı&s 16 Evyyvaiung ele», 
schreibt Thukydides, um nach seiner weise die lastige wiederholung 
zu vermeiden, mit anwendung der ellipse nach 7» re, und ich meine, 
noch immer verständlich genug: nr re, xai Eyovtés re Evyyvwpns 
eiev; das elev beim particip, wie's ihm auch sonst geläufig ist, a, 
67, 27; 8, 6, 61; £, 11, 10. Es sollte mir leid thun, wenn man 
sich hier in die ellipse nicht zu finden vermóchte. Mag sie viel- 
leicht dem einen oder andern unschön erscheinen, das kümmert mich 
hier nicht, weiss ich nur, dass sie gut thukydideisch ist, Vgl. Müller- 
Strübing, Forsch. p. 194. Doch es mag mit dieser aufzeigung von 
ellipsen vorläufig genug sein; über eine andere längst bekannte 
nur noch ein kurzes wort, weil sie zu der stelle, von der wir 
ausgegangen sind, im Thukydides die parallelstelle ist. d, 13, 30 
heisst es : E Ó voregaly magu0xevacapévo, wc ini vavpaylar 
dvijyovro, nv piv Cvrexndeiv 896 wo oplow Èc my evoeywolav, el 
dè un, wg uvzoì émtgnicevGovucrog. Von dieser stelle glaubt Mül- 





Jahresberichte. 675 


ler -Strübing absehen zu. können, weil Classen in seiner zweiten 
auflage des 4. buchs davon zurückgekommen sei, hier vor el dé 
an eine ellipse anzunehmen. Aber Classens frühere auffassung der 
stelle war die richtige. Das uév in nv uf» zeigt, dass für das 
vorhergehende mugacxevacupevos we ni vavpayiuy avüyovro mit 
jv wév eine gabelung beginnt. Im vorhergehenden ist bloss ge- 
sagt, dass sie gerüstet zu einer seeschlacht in see stechen; von 
jetzt an, in den gegensätzen 7v uér uud el dè ur, handelt es sich 
weiter darum, wo geschlagen werden soll, ob ausserhalb oder in- 
nerhalb des meerbusens. Also wenn auch, wie Classen sagt, „ws 
éxi vauuuyiur in enger beziehung zu dem ersten theil der alter- 
native: 7r uèr aviexmheîv xif.^ stände, so bliebe die ellipse, wo 
sie schlagen wollen, nichts desto weniger übrig und die ergánzung 
ug vuvpagigories Èv 17 evovywgia ware zur vollstándigkeit des 
gedankens noch ebenso nothwendig. Da wc ixi vavpaziav dem 
ws vuvuayñoovtres gleich ist, so entsteht wegen des ny uéy erst 
durch die annahme der doch sonst nothwendigen ellipse ohne den 
gezwungenen chiasmus eine natürliche rede. Statt, ich sage auch 
hier wieder, mit lästiger unerträglicher wiederholung zu sagen: 
AU YAOKEVE OU LEVOS ws éxi vavpaylav ávijyovto , nv wer avızunheiv 
wo cplow Es inv evovywelar, év ı7 Evovywola, el dé pr, wg 
avroi énecnievoovpevor, bedient sich Thukydides der ellipse und 
schreibt, wie's dasteht, in gewohnter verkürzter weise; und ist 
dadurch am verstándniss etwas gekürzt worden*)? 

Müller-Strübing hat seine sache, das muss mau sagen, kuust- 
voll genug eingerichtet. Da es ibm zugleich um ein doppeltes zu 
thun ist, einmal die erbürmlichkeit der überlieferung zu erweisen, 
daneben aber auch der darstelluog des schriftstellers selbst am 
zeuge zu flicken, so geht beides immer recht geschickt in eins, 
und man muss gestehen, sein missverstehen und sein überseheu 
reicht zu beidem vollkommen aus. Kaum ist er mit dem einen 
vorspiel zu der spüteren charakterisirung der tradition, mit der 
saloperie fertig, die in der ellipse vor ef dè un liegen soll, so 
wird auch schon das audre thema angeschlagen, uns darauf vorzu- 
bereiten, wie unzulünglich, werthlos, ja was nicht alles der schrift- 
steller selber in seinen berichten ist. Die Athener liegen mit 40 
schiffen vor Mytilene und fordern die Mytilenüer auf, die schiffe 


4) Ich brauchte hier die ellipse nicht einmal mit we vavuayı- 
corte i» Tjj evovywyig zu bezeichnen, sondern iv 1 j edorgwoig genügte. 
Bei Thukydides sind ws éni vavuayig und we pk vavuayiay unter- 
schieden; jenes bedeutet: in absicht, zur see zu schlagen, wenn sich 
das so machen und ergeben sollte: y, 4, 10; ¢, 34, 29 zw.; n, 34, 18; 
mit diesem ist eine bestimmte, sofortige seeschlacht gemeint: a, 48, 
33; B, 83, 1; 8, 85, 33; p, 86, 16. Mit we ini vavuayiur ist also hier, 

, 31, ws vavyaynoortes ganz gleichbedeutend, und so brauchte 
also dies nicht wiederbolt su werden. 
4d * 


Re UO 


676 Jahresberichte. 


auszuliefern und die mauern niederzurgissen, Da die Mytilenäer 
dieser aufforderung „nicht nachkommen, so begannen die feindse- 
ligkeiten sofort, wurden aber durch nochmalige, freilich resultatlose 
unterhandlungen für kurze zeit unterbrochen“, Da schreibt nun 
Müller-Strübing fortfahrend folgendermassen, p. 105: „ich will 
mich aber dabei nicht aufhalten, denn was nützt es uns zu wissen, 
dass die Mytilenäer unter genehmigung des athenischen feldherrn 
gesandte nach Athen schickten, und dass diese zurückkamen, ohne 
etwas ausgerichtet zu haben (cap. 5: oi dé éx twv AFnvwy agec- 
Beig ws oùdèr 7Ador noakurtes, was so viel heissen soll wie oi 
dì mpecfeig we ix suv’ A9nvwuv TÀJ9ov oùdèr medEavises), wenn 
wir nicht erfahren, was sie denn hätten ausrichten sollen! Sie 
müssen doch wohl beauftragt gewesen sein, vorschlüge, anerhie- 
tungen, zugeständnisse zu machen, und wenn wir nicht erfahren, 
worin diese bestanden, so ist die ganze uotiz über das hin- und 
herreisen der gesandten völlig werthlos, selbst für die zeithestim- 
mung, da wir ja nicht erfahren, wie lange die gesandten in Athen 
blieben“. Zunächst nur eine kleinigkeit, aber leider ist sie signi- 
fikaot genug. Ich frage, was will Müller-Strübing mit jener pa- 
renthese sagen: ,,was so viel heissen soll, wie*, neio es heisst, und 
zwar in schönster sprache, die durch einfaches mittel die theile 
der rede zu einem einheitlichen ganzen zusammenzufügen weiss. 
Warum statt des edlen weines uns schales wasser vorsetzen, wie 
es scholiasten bieten, Aber vielleicht thue ich Müller-Strübing un- 
recht, wenn ich in der parentbese eineu übermuth durchfühle, wie 
er, Müller-Strübing, der mann sei, der nicht etwa bloss die sachen, 
auch die sprache ganz anders als Thukydides zu haudhaben weiss. 
Doch es mag sein, ich will mich hierin ja gern geirrt haben. 
Kommen wir also zu den sachen. 

Müller-Strübing sagt: „die gesandten müssen doch wohl be- 
auftragt gewesen sein, vorschläge, anerbietungen, zugestäudnisse zu 
machen, und weun wir nicht erfahren, worin diese bestanden, so 
iat die ganze notiz über das hin- und herreisen der gesandten vól- 
lig werthlos*. Aber wir erfahren es ja, erfahren alles, was wir 
wissen müssen und wornach wir vernünftiger weise nur fragen 
können. Zunächst also, die gesandten sollen wo möglich eine 
opoloyiu entecxy¢ zu stande bringen. Was wir uns unter einer 
solchen zu denken haben, ist bekannt genug. Man braucht nur 
die reden des Kleon und des Diodotos nachzusehen, wie die sich 
darüber auslassen. Die £mieixuu, sagt Kleon, ist das verderb- 
lichste ding für eine dgyz, und sollte nur gegen gute freunde in 
anwendung kommen, Eine opoAoy(u émiexic ist also eiue freund- 
lich gütliche übereinkunft, in der aus gewogenheit mehr zugestan- 
den wird, als nach dem strengen rechte gefordert werden könnte; 
a, 76, 31; y, 40, 7. 13; y, 48, 15; 0, 19, 10; e, 86, 10; 9, 
93, 25. Aber hier sind wir auf solche allgemeine begriffsbestim- 





Jahresberichte, 077 


mung nicht beschränkt, hier kennen wir ihren speciellen inhalt, ihre 
details, ja noch mehr, die mittel und wege sogar, wie die Mytile- 
näer sich hoffnung machen, sie allenfalls erreichen zu können. Sie 
schicken ihre gesandten mit der weisung ab: ef zug nelosuv zug 
vudc aneddeîr wo opwy ovdev rewrsgsovviwr. Aber unter den 
gesandten ist auch einer, ein Proxenos der Athener, der vorber in 
Athen den angeber gemacht, 2, 10: dr EuvossiLovot 1e dd AboBov 
dg 199 Mortsdnyny Bla xai ty raquoxeviv — ini anoorudes 
îrnelyoviui. Dieser eine, o pertuedev dn, wie der bericht sagt, 
ist jetzt mit unter den wortführern und tritt nuo auch seinerseits 
für die betheuerung ein, wg opwr ovder vewregiovriwr: was ich 
euch damals sagte, weiss ich jetzt besser, es war so schlimm nicht 
gemeint, an abfall wird nicht gedacht, und die Svvofxsosc und die 
rrapaoxeun, in denen ihr bedenkliche neuerungen seht, werden ein- 
gestellt. In dem ws cpwy oudèr vewregsovviwy war diese versi- 
cherung , dies zugeständniss mitgegeben. Hatten früher die Myti- 
lenäer auf die erste gesandtschaft der Athener hin nichts davon 
hören wollen, 3, 21: un» re Evvolxsaw xai 1v rmapuoxsuno diu- 
Aver, und waren in folge dessen die schiffe gegen sie ausgesandt 
worden, so hoffen sie jetzt, auf die versicherung hin, der neue- 
rungen in zukunft sich enthalten zu wollen, die schiffe wieder ab- 
ziehen zu sehen. Aber freilich, so vertrauensselig waren sie nicht, 
von dieser versicherung, ohne garantien mitgegeben zu haben, sich 
jetzt illusionen zu machen. Aber so oder so, was sie mit der ge- 
sandtschaft wollten, hatten sie jedenfalls erreicht. Vor allem war 
es ibnen von anfang an um das eine zu thun, zeit zu gewinnen. 
Dazu wenden sie ein zwiefaches mittel an. Zuerst dies. Als die 
athenischen feldherrn für ihre forderungen kein gehür finden, heisst 
es 4, 5: ob “Adnraïos où modu dotegor xatanhedouri es wc éuqw», 
anmnyyeduy puèr ob Gigutnyoì ta ÉnecruÂwéra, oùx ecuxavertwy dé 
riv MvuAnvalwv i; noAtuov xuÿlorarro. Das gilt, wie's offenbar 
ist, also bis jetzt nur von den Athenern. Die Mytilenüer ihrer- 
seits denken noch nicht an krieg und kriegerisches vorgehen. Un- 
vorbereitet, wie sie noch waren, plótzlich zum kriege gezwungen 
(4, 8: unaguoxevor dì où Muidnvaios xai èEalpyns Uvayzaodtrieg 
moAtusir), suchen sie die sache hinzuhalten. Vielleicht kann eine 
scheinbar entschlossene haltung helfen. Warum kanu nicht etwas 
von der besorgniss der athenischen feldherrn zu ihnen gedrungeu 
sein, die vorhandenen athenischen streitkrüfte möchten nicht ge- 
nügen, krieg gegen ganz Lesbos zu führen (4, 15: «qoflovutvos 
un ovy lxuroi woe AéoBo muon rmodepetv). Die Mytilenüer se- 
gelu also zum hufen hinaus, bleiben aber in der nähe desselben, 
ws ini vavpayla, scheinbar also, als wären sie zu einer seeschlacht 
bereit, wenn die Athener sie annehmen sollten. Es heisst nicht: 
ws ni vavpayluy, was den sinn ergeben würde, sie wären zu 
einer wirklich beabsichtigten seeschlacht hinausgesegelt. Aber die 


678 Jahresberichte. 


Athener lassen sich durch diese demonstration nicht imponiren, und 
zu einer seeschlacht kómmt es denn auch nicht. So wie die Athe- 
ner heransegeln, machen die Mytilenäer kehrt und gehen in ibren 
hafen zurück. Das eine war also feblgeschlagen, so versuchen sie's 
nun mit dem andern mittel, der unterhandlung. Das musste we- 
nigstens so viel bringen, dass während ihre gesandten nach Athen 
weg sind, inzwischen andere heimliche boten nach Sparta gehen, 
von dort beistand zu erbitten. Die gesandten kehren darauf aus 
Athen unverrichteter sache zurück, und so ist mit ihnen denn auch 
für die Mytilenäer der zeitpunkt gekommen, die wallen aufzuneh- 
men. Jetzt heisst es auch von ihnen, wie es vorher von den Athe- 
nern geheissen hatte, 5, 27: êç modeuor x«3(orarro ob Mvnág- 
vaio. Und nun frage ich, von jenem é¢ nddgpov xaJ(cravro der 
einen bis zu diesem êç xoleuov xa{orurro der andern, was ist 
hier unzulänglich, unklar oder werthlos? Mir will es vorkommen, 
als wire auch hier, wie sonst beim Thukydides, jede auch die 
kleinste notiz so bedeutungsvoll, dass wir alles wie lebendig sehen 
und mit dabeizusein glauben. 

Aber Müller-Strübing kennt dafür, wie werthlos Thukydides 
manchmal in seinen notizen ist, noch signifikanteres. „Das bringt 
mir, fährt er p. 105 nach besprechung von y, 4 fort, eine in die- 
ser hinsicht besonders charakteristische stelle in die erinnerung, d, 
41, wo es heisst, die Lacedämonier hätten . . . immer wieder ge- 
sandte nach Athen geschickt und versucht, Pylos und die gefange- 
nen wieder zu erhalten: of dé (z. 21) usstorwr 1€ wetyorto xai 
molin postufriwv avrovg angaxıovc anéneupar. Also die Athe- 
ner verlangten grüsseres! Was war denn das geringere, was die 
Lacedümonier ihnen angeboten hatten? So lange wir das nicbt 
wissen, können wir uns gar keine vorstellung über die sachlage 
bilden und namentlich nicht beurtheilen, ob die forderungen der 
Atbener gerechtfertigt waren oder ob sie die grenzen der billigkeit 
überschritten. und wenn der geschichtschreiber uns darüber im 
dunkeln lässt, dann haben solche votizen gar keinen werth für uns“. 
Erstlich ist von dem geringeren, was die Lacedümonier den 
Athenern angeboten hatten, gar nicht die rede; das geringere aber, 
was die Athener früher gefordert hatten, kennen wir langst, und 
soll der schriftsteller das jetzt unnóthiger weise und langweilig 
wiederholen? Früher als die Spartiaten auf der insel bloss einge- 
schlosseu waren, hatten die Athener gefordert, erst sollten die ge- 
fangenen ihre waffen und sich selbst den Athenern ergeben, und 
wenn sie dann nach Athen gebracht waren, sollten die Lacedämo- 
uier sie wiederbekommen, wenn sie vorher Nisäa und Pegä und 
Trózen und Achaia den Athenern wieder herausgegeben hütten, d, 
21, 13--20. Das also war das geringere, nicht was die Lace- 
dámonier schon bewilligt, sondern die Athener schon gefordert hat- 
ten, wenn auch schwerlich die Lacedämonier, hatte Kleon damals 





Jahresberichte. 679 


nicht weitere verhandlungen unmôglich gemacht, gegen diese for- 
derungen etwas einzuwenden gehabt hütten. Das also, wie gesagt, 
war das geringere. Und das grössere? Natürlich fordert Kleon 
jetzt mehr, wo sie die 272 gefangenen und unter ihnen die 120 
Spartiaten in ihrem gewahrsam haben. Thukydides weiss, dass 
ibm schon gelegenheit werden wird, auch das au seiner stelle zu 
nennen. Und auch ich muss hier Müller-Strübing noch um ein 
klein wenig geduld bitten; es passt mir besser; alsbald unten auf 
einem andern blatt soll es zur sprache kommen. 

Wir begleiten Müller-Strübing weiter auf seinem lesbischen 
zuge. Die Mytilenüer waren in die peloponnesische bundesgenos- 
seuschaft aufgenommen worden. Auf ibren rath war beschlossen 
worden, in einem herbstfeldzuge noch einmal, jetzt beides zugleich, 
zu wasser und zu lande in Attika einzufallen. Geschihe das, so 
würden die Athener nicht hinlängliche schiffe haben, und entweder 
den seeangriff der Peloponnesier nicht abwehren kónnen oder von 
beiden punkten, von Lesbos und dem Peloponnes abziehen, c. 13, 
29—35. Das kömmt den Athenern zu ohren, die nun ihrerseits 
eine demonstration am Isthmos mit 100 schiffen beschliessen: dy- 
Aüous Bovioutvos Gti oùx 0gJug dyrwxacw GAA olol té soe pi 
xivouvteg 10 ini AloBw vavrixóv xol r0 and ITedorrovvijoov énsdv 
dudiws dpuvrecda:, 16, 36 —2. Dass in diesen worten bloss von 
der flotte von Lesbos die rede ist und des abzugs der athenischen 
schiffe vom Peloponnes nicht gedacht wird, war schon früher auf- 
gefallen; Steup und Stahl waren der meinung gewesen, diese 
athenischen schiffe um den Peloponnes seien mittlerweile, wenig- 
stens zum grössten theile, schon zurückgewesen. Das unstatthafte 
solcher annahme erkennt Müller-Strübing vollkommen, er versuchts, 
auf andere weise zu helfen. |n einer anm. auf p. 108 sagt er: 
„ich will nur gestehen, ich habe den starken verdacht, dass Thu- 
kydides III, 10 geschrieben hat: un xsvovvtes to é7ì AéoBy vav- 
zuxöv xai 10 negi Mekonorrnoov 10 ano IlAonovrioov (moy 
dudiws duvvecFus. Es wundert mich, dass Thukydides hier nicht 
auf die in Naupaktos stationirten schiffe, deren er die lesbischen 
gesandten in ihrer rede in Olympia cap. 13, 3 gedenken lässt, 
wieder zurückgekommen sein sollte, während er sonst fast nie 
versüumt, auf die in den reden gegebenen andeutungen im lauf der 
erzühlung zurückzuweisen. Wie leicht die von mir vermutheten 
worte von dem schreiber des urtypus übersehen werden konnten, 
liegt auf der hand. Ich weiss auch nicht, was das xaeí (selbst) 
vor zo ano /lelonorvioou hier heissen soll“. Darnach soll also 
bier die schuld nicht un Thukydides, sondern am abschreiber lie- 
gen. Ich bekenne, dass dieser änderungsvorschlag mir der glosse 
eines abschreibers so ähnlich sieht wie ein ei dem andern. Denn 
abgesehen davon, dass i, xivovvrec ein gar absonderlicher ausdruck 
würe für eine flotte, die im segeln um den Peloponnes begriffen 


680 Jahresberichte. 


ist (a, 105, 35; e, 8, 16; s, 10, 29; n, 4, 21; n, 50, 7 zw.; 
3, 100, 21), muss ich doch fragen, was hat denn überall die 
sachgemässe erwägung der Athener mit der berechneten übertrei- 
bung der Mytilenäer zu thun, und das hier, wo in dem segeln der 
30 schiffe um den Peloponnes gerade die wirksame vertheidigung 
vou Attika, worauf es hier ankómmt, zugleich mitgegeben ist. 
Dass die Athener so gauz richtig geschlossen haben, zeigen ja die 
Lacedümonier selbst, die auf die nachricht von der verwüstung ih- 
rer küste oun erst recht alle lust zum einfall verlieren. Dabei 
will ich gar nicht geläugnet haben, dass in den ausgeschriebenen 
worten im rückblick auf jene stelle in der rede der Mytilenäer 
neben der flotte vor Lesbos auch der 30 schiffe um den Pelopon- 
nes hätte gedacht werden können. Aber ich meine den Thuky- 
dides genugsam zu kennen, um zu sehen, wie er das in seiner 
weise und schóner gemacht hat. Mit den nachfolgenden worten, 
z. 10: xal nyyfddovro xai ai megì rjv Hedonovvndov reluxovia 
vie; tuv AInvalwy my mtigiogx(da avtwy mogFovcas ist an der 
rechten stelle und iv einfachster weise alles gethan, was auf jene 
radomontade der Mytilenäer zu bemerken war. Dass Müller - Strü- 
bing schliesslich nicht weiss, was das x«( (selbst) vor 10 amò 
Heionovvnoov hier heissen soll, ist sehr natürlich, das könnte ihm 
niemand sagen; aber x«f heisst hier nicht selbst, sondern und, 
auch; hier ist durch xuf ein particip mit einer andern verbalform 
verbunden, wie e, 9, 14 und ófter, wie dergl. beispiele aus jeder 
ausführlichen syntax, so aus Krüger 59 zu entnehmen sind. 

In der vertheidigung jenes rQiaxov:a z. 10 gegen Steup ist 
Müller-Strübing vortrefflich, p. 109 f. Es wandelt einen doch oft 
ein eignes gefühl an, wenn man lesen muss, auf welche gründe 
hin selbst wackre manner sich für überzeugt erklären. So kann 
Stahl vou Steups ausführung gegen rgsuxovra sagen: „auch hat 
er im vorhergehenden cap. 16, 2 rg««xorra. mit unwiderleglichen 
gründen als eingeschoben nachgewiesen, und dass dort nur die 
100 schiffe gemeint sein können, welche én(deEly 1e Enosourio 
xai anoßaosıs ing Iledororvioov 7 doxoî nvroïc“, und doch be- 
durfte es hier des scharfblicks von Müller-Strübing nicht einmal, 
um einzusehen, wie alle bemerkungen Steups gegen das rpsuxorra 
so günzlich fehlgeschossen sind. Von Steup wundert mich sein 
angriff gegen igsaxovra gar nicht; er hat einmal den pruritus, 
unecht zu finden, ist von dieser epidemie angesteckt und steckt 
nun seinerseits auch andere, selbst freund Classen mit an. Aber 
von Stahl und Classen wunderts mich, denn sie kennen den 'Tbu- 
kydides und wissen daher, dass «i meoi [elonovenoov vijec, was 
Müller-Strübing in seiner vertheidigung allenfalls noch hätte an- 
führen können, nur schiffe sind, die jenseits im westen vom Pelo- 
ponnes fahren («, 108, 30; 8, 7, 12—15; B, 23, 35; B, 25, 
24; f, 30, 9; 8, 31, 22; (8, 67, 18), 8, 69, 23; f, 80, 15; 





% 


Jahresberichte. 681 


y» 3, 24; (y, 16, 10) y, 17, 21; y, 29, 7; y, 91, 11; y, 94, 9; 
y, 105, 6; d, 2, 26; d, 27, 21; È, 85, 28; ¢, 90, 21; ¢, 105, 
2; n, 17, 4; n, 20, 23 coll. c. 26; 5, 57, 9), dass die 100 
schiffe aber nur diesseits des Peloponnes bleiben, in der nähe des 
Isthmos.  Müller- Strübing ist hier in vollem recht, nur hätte ich 
gewünscht, dass er sich in seinem frischen siegeslauf für 194axovra 
nicht unnütz hätte aufhalten lassen durch einen vergeblichen an- 
griff gegen das unschuldige uud gut beschützte ds /7:Aoz1óvvmoov 
in 7, 20, das er (p. 110) in reoè [Medonovrncoy ändern will, „denn 
das, sagt er, ist c. 7 die gewiss richtige lesart der Chier hand- 
schrift in München (G) statt des êç /IsAonovvnoov der übrigen 
handschriften, obgleich der scholiast schon êç ZlsAonovrnoov ge- 
lesen hat“. Ich liebe es nicht, allgemein zu sprechen, aber fragen 
muss man hier doch, wie sollte ein abschreiber darauf gekommen 
sein, statt eines überlieferten meg, das einen sinn hat und das ge- 
wöhnliche ist, hier ein ungewöhnliches à; zu setzen? Es konnte 
ja freilich bier auch heissen, wie Müller-Strübing will: '4435raio 
xai negi Iedon6vrnoor vovg antorsdar 1Quuxorta xai > dou mor 
tov Populwvog crouryyér, aber sein eigentlicher und hauptzweck 
sollte nicht sein, zegi /JsAonovvgcov zu fahren, sondern nach Nau- 
paktos auf dauernde station zu gelen, wie sein vater dort gewesen 
war, und das ists, was zum unterschiede von zoí mit dem é¢ 
ausgedrückt wird. Man achte nur, wie Thukydides bei I1:4026»- 
ry6ov mit den prüpositiouen 2; (y, 7, 20; y, 86, 9; d, 118, 17; 
e, 52, 29; È, 61, 10 zw.; n, 12, 11; n, 25, 25) und xara und 
moog und naga und smeg( seiner zeit zu wechseln weiss, um hier 
& in zukunft unangegriffen zu lassen, zumal diese schiffe, die hier 
nach dem westen und Naupaktos gehen, offenbar im gegensatze 
zu den schiffen stehen, die schon vorher nach dem osten, nach 
Lesbos beordert waren. Dass der münchener G hier gegen die an- 
dern handschriften zeol giebt, darin steht er ganz auf demselben 
niveau der missverstehenden rationellen weise, wie Cobet und die 
andern Hollander und Müller-Strübing auch; finde ich G und E 
und F und zumal B jede für sich allein gegen die andern hand- 
schriften, so bin ich es fast schon gewiss, dass sie im unrechte sind. 

»Wenn ich nun hier Steup habe entgegen treten müssen, 
fährt Müller-Strübing p. 112 fort, so stimme ich dagegen dem 
verdammungsurtheil, das er über das ganze cap. 17 ausspricht, 
vollstindig bei. Seine beweggründe für die unechtheit sind so 
schlagend und überzeugend, dass es mir überflüssig scheint, diese 
oder jene bemerkung zu ihrer vervollstándigung noch hinzuzufügen, 
selbst wenn ich dazu im stande wäre. Ich verweise daher auf 
seine eignen ausführungen im Rh. mus. 24, 350 und 27, 637 oder 
auf den gedrüngten auszug, den Classen in dem kritischen anhang 
rur zweiten auflage des dritten buchs seiner Thukydidesausgabe 
mit hinzufügung eigner und treffender gründe für die unechtheit 





a 
682 Jahresberichte. 


giebt“. Also hier wieder schlagend, treffend, überzeugend, wie 
dort unwiderleglich. Von allen seiten wird jetzt gegen y, 17 
sturm gelaufen, gegen das ganze kapitel oder gegen einzelne sätze 
und worte, und doch muss ich sagen: ist dieses kapitel unecht, so 
ist es der ganze Thukydides nicht minder. Man laufe nur immer 
sturm, aber vorsichtiger wäre es doch, sich vorher die feste selbst 
etwas auzusehen und die besatzung, die darin liegt. Die einzelnen 
ausdrücke: àv» rois nAeioras, Erspyol, ywoic dé, vxavudwoe, di- 
“douyuoi:, dsenoAsooxnoav, selbst zuletzt éxAngwFnouv, haben alle das 
sprechende gepräge des Thukydides so sehr, dass viel dazu gehört, 
sie mit der falschen münze eines scholiasten zu verwechseln. Und 
nun gar wenn ich auf den inhalt des kapitels sehe, seinen zusam- 
menhang im ganzen und die bedeutung jedes einzelnen, wundere 
ich mich erst recht, dass man dieses kapitel nicht eher zu den 
lehrreichsten und zu den nothwendigen im werke rechnet. Aber 
was hisher für und wider vorgebracht ist, zeigt auch, dass man 
eben noch nicht erkannt hat, was das kapitel denn eigentlich will, 
und so ist hier wieder dieselbe sache wie oft, man verdammt, weil's 
noch am rechten verstündniss fehlt. Man macht sich wohl einmal 
illusionen; aber hier scheint mir alles so klar zu liegen, dass ich 
die philologen wenigstens, die hier nicht schon engagirt sind, 
leicht zu überzeugen hoffe. Sehen wir uns zuerst die sprache, 
dann die sachen an. 

Zu Exieory z. 18 bemerkt Classen: „mAsiv in der prägnanten 
bedentung: in der fahrt begriffen, auf see sein, ist sonst nicht 
nachgewiesen. Wohl steht màs?» oft von schiffen, doch nie ohne 
prädikative bestimmung, sei es eine örtliche wie êç Æiyvxror, oder 
eine qualitative wie dgoza“. Es wäre doch eine wunderliche 
sprache, die zu sagen erlaubte: er ist auf einer fahrt nach Eng- 
land begriffen, aber nicht: er ist auf einer fahrt begriffen. Was 
sollte denn hier hinzugesetzt werden, wo es nicht auf dep ort, 
oder auf ein wie, sondern einzig darauf ankam zu sagen, dass 
die schiffe unter segelo waren. Aber ebenso wunderbar wire es 
auch, wenn der schriftsteller in seiner kriegsgeschichte nicht auch 
ein oder das andere mal gelegenheit für das nackte zAeiv gehabt 
haben sollte. Nachgewiesen ist es deswegen noch nicht, weil nie- 
mand bis dahin anlass hatte, nachzuweisen was selbstverstandlich 
ist. Vielleicht genügt für das, was gewünscht wird, noch nicht 
0, 3, 30: xoi ub uèr vig. xara Tüyoc EnAeov, aber genügen muss: 
a, 27, 22: jouw dé xoi oi nArorte, noAlol, und in dems. cap. 27, 
25: d «ou xwlvosrro ond Keoxvgalwv nisiv, und n, 31, 10: 
OAxudu Ogmovcay . . . avınv uiv diapdeloss, os d’ uvdges ano- 
qvyovrec vorsoor Aaflovreg aAAny Exdeor, und 9, 23, 3: of yag 
* Adnvaîo:, woneg Èndeov, . . twy 1€ Xlwy vewv ixgargGuv; und 
9, 60, 17: xoi agavıss nacaıs raig vavoiv éx ınc Podov 
éxieov und È, 31, 2 zw. 





Jahresberichte. 683 


"Ev roig mAsiGra, habe ich früher, Philol. XVI, seinem werthe 
nach zu bestimmen gesucht; hier soll es die geringere zahl der 
schiffe des 4. jahres gegen die grössere des ersten jahres be- 
zeichnen, die sogleich angegeben wird. Aber sieht dieser dem 
Thukydides ganz besonders eigenthümliche ausdruck etwa wie das 
geschreibsel eines scholiasten aus? Allerdings hat das von diesem 
worte auch niemand behauptet, und so darf ich also weiter gehen. 

"Evegyóc, sagt Classen, für dv Egy wy, sei von schiffen nicht 
angemessen. Etwa weil schiffe keine menschen sind? Aber in 
der ganzen grücitüt findet sich ja aller orten évegyo¢ ohne alle 
nebenbedeutung des wirksamen, in dem einfachen siun der blossen 
thätigkeit, des beschäftigtseins: évegyóg yf, evegyd¢ ywoa, êreoyor 
medlov, éevegyu apyvoıa (apyvosiu), xınuuru, yonwata. Es ist 
also für das, was hier gefordert wird, ein schóner lebendiger aus- 
druck, der allenfalls einen scholiasten zu einer glosse veranlasst, 
schwerlich ihm aber vou selbst in die feder läuft. Hesychius er- 
klärt évegyol durch: Erosuos ngóg igyactav, ui un «gya(, und 
wäre es unmöglich, dass er dabei, weil er «i sagt, diese unsre 
stelle im auge gehabt hätte?  ?»«gyol vec sind also: schiffe in 
funktion gerade so gut, wie wenn Plato von richtern in funktion 
spricht, Legg. II, 674, B: unde dexuoraç Èregyovs Ovrag olvov 
yevecdas 10 nagunav. 

Aber 2»egyóg xaAAes. Classen sagt dazu: „ein verschrobener 
ausdruck des interpolators, durch welchen er die activität zugleich 
mit einer vorzüglichen ausriistung hat bezeichnen wollen“. Am 
ende des kapitels ist aus derselben feder geflossen: i»AgguJ7nca»r. 
Wer dort das wort schreibt in dem beschrümkten sinn, wie Thu- 
kydides es stets gebraucht, einzig von der bemannung und nichts 
weiterem (a, 29, 30; a, 29, 34; 35, 13; 47, 24; 141, 32; y, 
75, 20; 77, 10; 80, 13; 81, 28; 115, 3; d, 1, 8; 13, 36; 
14, 7; È, 20, 23; 30, 26; 52, 2; n, 7, 27; 17, 13; 19, 15; 
19, 18; 21, 8; 21, 29; 31, 31;:37, 30; 40, 9; 51, 17; 60, 
26; 60, 32; 65, 22; 72, 3; 72, 32; 9, 15, 12; 15, 14; 19, 
2; 87, 17; 95, 3; 95, 7; 97, 25; 108, 17), der giebt auch da- 
durch kund, dass er genau weiss, worauf es in diesem kapitel al- 
lein ankómmt, einzig auf die bemannung, auf die durch sold und 
verpflegung den staatsschatz aufzelrende mannschaft. Wer also 
énigouncav geschrieben hat, dem konnte nicht einfallen, zugleich 
an vorzügliche ausrüstung zu denken und nun gar das etwa mit 
xaÀÀe bezeichnen zu wollen. Dass xuAAss aus dem richtigen ver- 
schrieben ist, darüber wird man einig sein, auch wenn man sich 
einen interpolator als den schreiber denkt, und noun gar einen in- 
terpolator, der die notizen dieses kapitels bringt. Aber was ist 
das ursprüngliche, das richtige gewesen! Ich habe schon vor jah- 
ren (Philol. XVI) xxlw vorgeschlagen oder lieber xuAws, nur bei- 
läufig, ohne begründung, weil es mir damals nicht darauf ankam. 





684 Jahresberichte. 


Wenn ich aber dabei im stillen hoffte, der vorschlag werde bei 
kennern schon durch sich selber eingang finden, so ist das aller- 
dings eine illusion gewesen. Versuch ich's also hier, ihn zu be- 
gründen. Pollux 1, 107 keunt die ausdrücke und stellt zusammen: 
énliopey maviu àvact(Gavreg xaÀur, anacs x«Àowg, narra avévies 
zu forfu. Ein oft im mund geführter ausdruck war: navra zalwr 
xevety oder éxre(reiv. oder égrévas oder é£iévas oder aslar, so Ari- 
stoph. Eq. 756: voy di os navra dei xalwr éEsévas GEQUI OÙ ; 
dazu das scholion; Kurip. Med. 278: dy99ol yág tac muvra Jn 
xuiwv; Plat. Prot. 338, A: ndvra x«Aw» éxtelvavta; Plat. Sisypb. 
389, c: 16 Asyoueroy ye navra xadwy epérrec, und das scholion: 
návia xudwy ègér 186, Ermrelvavies ĩ xvijcavies N celcavtes, na- 
gosula êni wy mácp n9o9vula yowpérwr.  [agñxras di «70 
THY Ta Oyow(a FF Ta GQptva yaduivewy vavıwv. Kados, attisch 
xuhop, die taue, an denen die segel befestigt waren, steht für die 
segel selbst, und so wird auch bei Suid. s. v. xaà sugosula’ maria 
xáÀwv xirtiv. Toomauç ano tov lo10U A€yes. unkour os dei mm 
üqueru, das icroù in ioríov zu verändern sein. Dass xadw in die- 
sem sinne auch sonst , nicht bloss in dem sprichwort und in ver- 
bindung mit zavzreg, ARUVIEG im gebrauch war, können stellen wie 
Eurip. Troad. 94: orav oipureuu’ "Aoyelwv ti xidws und äho- 
liche genugsam zeigen. “Evegyoi xüAwç ist also ein technischer, 
seemännischer ausdruck, in welchem der gebrauch xuAwg zu éregyot 
für die anschauliche vorstellung hinzugefügt hat. "Evegyoi xu Aoc 
dy£vorro ist also ein schönes synonymon für das vorhergehende 
Exieov, gerade das, was hier einzig gebraucht wird, für schiffe, 
die unter segeln, auf der fahrt, in funktion begriffen sind. Dabei 
weiss ich freilich sehr wohl, dass diese vermuthung : vne; &vepyoi 
xuAwg erst zur vollen gewissheit wird, wenn später vielleicht ein 
stein zum zweiten mal dies évegyoi xuAwg zeigen wird. 

Zu ywoic dé z. 22 schreibt Classen: ,,ywoîs dé absolut, ohne 
ein ausgesprochenes oder leicht zu ergünzendes prüdicat, findet sich 
sonst bei Thukydides nicht“. Xwoic dé kómmt im Thukydides 
ausser unsrer stelle Gmal vor: a, 61, 34; f, 13, 30; 8, 31, 29; 
B, 31, 31; 8, 97, 24; È, 31, 35 zw. und zwar so, dass sich 
nach ywgîs dé die construction fortsetzt, wie sie angefangen hat, 
das ist der brauch, also wie «, 61, 34: 19icprilorc uiv OnAlrase 
faviwy, ywoig dé ruv Evuuaywr moddoic, oder in eignen sätzen 
mit den nominativen des subjekts, wie 8, 31, 31: uérosxos dè Eur- 
eséBudov ovx êluocous roscysAlwy Ondırwr, yugig dé ò «Aiog 
ÖusAog yrdwy ovx OAlyoc. Gerade so auch an unsrer stelle. Wie 
in B, 31, 31 sich zu 6 GAAog oprdog ein EvvecéBude leicht und 
von selbst ergänzt, so hier dasselbe eben vorher gegangene year, 
und ebenso ist es f, 97, 24 und È, 31, 35 zw., so dass zwischen 
y, 17, 22 und diesen drei stellen grammatisch auch beim besten 
willen nicht der geringste uuterschied wahrzunehmen ist. 





Jahresberichte. 685 


Ueber zovzo z. 25 heisst es bei Classen: ,,rouro muss auf den 
ganzen voraufgehenden satz bezogen und von der aufstellung der 
250 schiffe verstanden werden: ein ungenauer ausdruck, wie er 
sich bei Thukydides sonst nicht findet“. Nein, noch viel mehr, nicht 
bloss auf den voraufgehenden satz und auf die aufstellung der 250 
schiffe, sondern auf den gauzen inhalt des vorhergehenden muss 
das rovro bezogen werden. Und das wäre ein ungenauer aus- 
druck und fande sich bei Thukydides nicht? Muss sich das doch 
in jeder sprache finden, die ein und dasselbe nicht zweimal sagen 
will. Wie z0de oft einen ganzen folgenden inhalt in sich trägt, 
so tovro oft einen ganzen voraufgehenden. Aber ich gestatte es 
mir nicht, auf allgemeine aussprüche mit allgemeinen behauptungen 
zu antworten; daher führe ich hier, so selbstverstündlich die sache 
ist, doch die im Thukydides vorkommenden fälle auf aus « und 
8; natürlich sind die folgenden hücher nicht minder voll davon; 
also: «, 5, 20; «, 9, 1; a, 10, 21; a, 32, 22; a, 50, 25; a, 
74, 85 u, 77,3; u, 93, 34; «a, 120, 33; «, 131, 22; p, 6, 
11; f, 11, 5 zw.; ß, 13, 9; 8, 15, 34; f, 102, 26. Aber da- 
mit darf ich das zovzo noch nicht verlassen. Hier sind wir schon 
an einem punkt, wu grammatik und sache in einander gehen. Ich 
habe bereits oben gesagt, über das ganze kapitel würde man anders 
urtheilen und respekt vor ihm haben, wenn man es erst verstan- 
den hätte. Von dem bisherigeu missverstándnis wird auch dies 
zovzo berührt. Nicht auf die aufstellung der 250 schiffe allein 
geht dies zovzo, sondern auf den ganzen gedanken, den der schrift- 
steller vorher vorgetragen hat. Es ist ein glück, dass sich das 
aufs zweifelloseste beweisen und so das rechte verstündniss des 
gauzen kapitels gewinnen lasst; und wie sollte es nicht, da wir 
es mit Thukydides zu thun haben. Sein gedanke, den er in die- 
sem kapitel darlegt, ist also dieser, den beweis gebe ich sogleich. 
In dieser zeit, sagt er, in mitte des vierten jahres, als die Athener 
mit ihren 100 schiffen zur Epideixis am Isthmos unter segel wa- 
ren, latten sie mit die meisten schiffe in see, mehr jedoch noch 
im anfange des krieges, wo es in einem sommer zugleich 250 
schiffe waren. Und dies, dieser umstand, dass so grosse schiffa- 
mengen zu gleicher zeit zur verwendung kamen, 170 und ein an- 
dres mal 250, hat mit den kosten der bewachung von Potidäa 
ihren staatsschatz allmählich aufgezehrt, so dass ihnen zur belage- 
rung von Mytilene bereits die mittel fehlten und sie zu neuen ein- 
nahmequellen, damals zu einer gogoge ihre zuflucht nahmen. Dass 
mit den schiffeu, die z. 30 genanut werden, nicht bloss die schiffe 
vor Potidáa gemeint sind, ist zunächst durch eine kleinigkeit klar, 
durch die stellung des ze in z. 26. "Thukydides sagt nicht: any 
Hottdaiuvr didgayzpol ze 0nÀias .. . vi£g te, sondern: rz» ze ydQ 
Hloideiav . . . vz£g te. Das doppelte, was 2.25 in den worten: 
AQuara rovro pudsora vnarudwos peta Jloudalag, vorherge- 


686 Jahresberichte. 


gangen war, das rovro und [Joridusa, erscheint hier in seiner 
zweitheilung wieder, zuerst werden die ausgaben für Potidáa, danu 
die ausgaben für die schiffe besprochen. Und dass bei diesen »ñiç 
re an alle schiffsmengen gedacht wird, an die àv roig mietoras des 
gegenwärtigen jahres und an die és zàÀs(ovg; des ersten jahres, 
zeigt sich, wenn ich noch von dem zusammenhange des ganzen ab- 
sehe, einmal ersichtlich in dem zusatze «i 74045, sodann auch in 
dem _rekapitulirenden schlusswort des kapitels, z. 32: xai rie 
100410 du nleioıuı, womit also dieselben beiden schiffsmengen, 
die vorher im kapitel angegeben waren, als die grössten wieder- 
holt werden. Wenn also Classen zu unuvudloxw z. 25 und 31 
die anmerkung macht: ,vnuvudfoxw, allmählig aufzehren, passe 
nicbt zu dem grosseu aufwande des j. 431, der hier auseinander- 
gesetzt werden soll“, so trifft eben diese voraussetzung, als handele 
es sich hier allein um das jahr 431, nicht zu; es umfasst viel- 
mehr alle vorgekommenen grossen ausgaben der ersten jahre des 
krieges, z. 30: 10 ngurov, und ist also ein ausdruck so passend 
gewählt wie nur möglich. Ausser hier kömmt das wort in der 
ganzen gräcität nur noch 7mal vor; und ein so seltener und dabei 
an unsrer stelle so einzig siguifikanter ausdruck soll einem nichts- 
nutzigen interpolator gekommen sein? 

Ganz dusselbe ist auch von gYgovgeiv z. 26 zu sagen. Clas- 
sen bemerkt dazu: „ppovgeiv ywelov muss hier verstanden werden: 
den belagerten ort bewacht halten, sonst immer den zu schützenden“. 
©oovpeiv heisst: wache halten, bewachen; ob ywe/or oder sonst 
etwas, ist gleichgültig. Natürlich wird Ypovgeiv zugleich oft ein 
beschützen in sich schliessen, aber nothwendig ist das durchaus 
nicht. Auch im Thukydides ist das nicht immer der fall. «a, 107, 3 
heisst es: duçodog 16 yàg n Tegavlu xai èppovpetro dei Uno 
"AFyvatwy; ist da von einem schutze die redet +, 35, 16 sollten 
sechs schiffe der Peloponnesier beim Triapivn, dem vorgebirge 
von Knidos, frachtschiffen, die von Aegypten erwartet wurden, 
auflauern; die werden von den Athenero weggenommen, und dabei 
heisst es z. 20: oi "Anvuios AuuBdvovos zus Ent 16 Tocanty 
poougorous FE vac, wobei also gerade das gegentheil von schutz, 
just wie bei Potidäa statt gefunden hat. Aber wie besonders 
schön gerade hier von Potidäa das époouçpour gewählt ist, muss 
ja ius auge fallen. Denn einmal ist dies ggovgtiv hier dasselbe 
wort, das der schriftsteller oben schon zweimal von demselben 
Potidäa gebraucht hatte, a, 64, 20 und 22, und sodann bezeichnet 
es gerade die arbeit, welche die Athener hier bei Potidäa zu leisten 
hatten. Nicht um die erstürmung der stadt handelte es sich, die 
versuchte vorübergehend Hagnon mit seinen neuen krüften nur ein- 
mal aber vergeblich, 8, 58, 33; vielmehr hatten es die Athener 
gleich anfanglich darauf abgesehen, die stadt auszubungern und so 
zur übergabe zu zwingen. Zu dem ende hatten sie vom meer zu 





Jahresberichte. 687 


meer nördlich und südlich von Potidäa ein doppeltes zeiyog gezo- 
gen uud hielten nun von da aus wache, dass nichts hineinkam. 
Und dieses ggovgeiv hatte deun auch seinen endlichen erfolg. 
"Exedy, heisst es B, 70, 34 . . . 6 1e oïroç Enslelolnss xoi adda 
15 nolla éneyeyévnio uviods ndn foewoews négs &rayxolag xat 
uveg xul adandwy éyéyourto, oviw dn Aoyous moocpépoucs mepl 
EvuBuoews. Auch roAsogxeiv hätte der schriftsteller gebrauchen 
kónnen, warum nicht, auch hat er es «, 70, 1 gebraucht; aber 
wer erkennt nicht, dass œoovgeir hier der gewähltere ausdruck 
ist, und doppelt schón, weil er die art der bekümpfung und das 
zuletzt ausschlaggebende zugleich angiebt. 

Und nun noch die letzte grammatische bemerkuug Classens 
gegen édupfure, z. 27: „der singular im anschluss an den voran- 
gehenden plural ohne beispiel bei 'Thukydides*. Zunächst nicht 
ohne beispiel sonst, bei guten schriftstelleru, so bei Plato, der wie 
er Protag. 324, A schreibt: oùdeiç yàg xodules rovg adixobriag 

. + Tovtov Erexa ors Adlanoev, sich öfter ausdrückt. Aber so- 
dann auch nicht ohne beispiel bei Thukydides. In y, 36, 13: xai 
moockuveBudero oùy 2Auyıcıor tác, sours ui Medonovynofwv vies 
hat Classen sich zu finden gewusst und vertheidigt, gewiss mit 
recht, diesen singular beim plural, obgleich schon handschriften ge- 
ündert haben. Doch gratulire ich dem Thukydides und auch mir, 
dass er solchen satz nicht auch hier in y, 17 geschrieben hat; in 
welchen verdacht würde er sich selbst gebracht, und wie würde 
er mir dadurch die aufgabe erschwert haben. Aber als hieher ge- 
hóriges beispiel wird Classen diese stelle schwerlich anerkennen, 
Der singular geht hier ja dem plural voran, und in solchem falle 
ist die sprache schon kühner gewesen. Aus demselben grunde wird 
Classen auch n, 24, 11: are yag tapseto yowuérwr xv d95- 
rufwy toîg telyeos, nicht gelten lassen, obgleich es darin besondere 
für sich bestehende ze(yy waren. Aber a, 120, 13 unterscheidet 
sich das jdoperoy nach drdgwr Owgppovrwr und cyadwy von unsrer 
stelle in gar nichts, ja noch mehr, dort war 7douérouç leicht zu 
schreiben, und hatte nichts verwirrt, hier war der singular wegen 
deuyunr nothwendig und von selbst gegeben, der plural würde die 
einfache rechnung unmöglich gemacht haben. 

Ist demnach das resultat der bisherigen sprachlichen bespre- 
chung dieses, dass die ausdrücke, deren thukydideische herkunft 
man angezweifelt hat, gut legitimirt sind, so legt der inhult des 
kapitels nicht minder im grossen wie im einzelnen für die echte 
geburt dus zweifelloseste zeugniss ab. Reden wir zuerst vom ein- 
zelnen. Die neue belehrung, die z. 20 für das erste jahr des 
krieges bringt: rz» te Atrexiy xol Evßosav xui Sadupiva Éxaioy 
égvduooor, ist den auslegern nicht recht, stutt dass sie sie mit 
dank hinnehmen sollten. So etwas hätte ja, sagen sie, schon vor- 
her vorkommen müssen. Aber es ist ja vorgekommen, und gerade 





688 Jahresberichte. 


so viel als dort an der stelle war; für das weitere, wusste der 
schriftsteller, würde sich schon später die passendere stelle geben. 
Da wo Thukydides den Perikles seinen Athenern die weise und 
die mittel der kriegsfülrung auseinandersetzen lässt, heisst es wie 
in einem athem 8, 13, 15: mugyves dè . . . zur mods ecedSortagc 
yv)cocsıy xai 10 vavrexdy free loguovosr ÉEugrusodus. Zuerst 
beachte man den ausdruck. Von Hellas, als es noch keine flutte 
hatte, heisst es a, 13, 25: ravuxa 1e Enoweto n EAAag, es legte 
sich flotten zu, richtete sich flotten ein; ebenso sagen die Korin- 
thier von den Peloponnesiern, die zur see noch aichts bedeuten, 
a, 121, 28: vavnuxov 1€ — éSugivoousdu. Ein anderes ist: 
!Euprvsodus 10 ruvnxor, eine flotte, die schon da ist, in stand 
setzen und segelfertig machen, so u, 25, 24; 8, 85, 33: vau... 
zug nguüunupyovoug ÉEugruovio ws Ent vuvuaylar. Auch der aus- 
druck jeg loyvovciv ist nicht ohne bedeutung. Wenn die Korin- 
thier an jener stelle u, 121, 28 sagen: @ ioyvovcw, so haben sie 
keinen grund, von der athenischen flotte mehr zu rülmen, als 
schlechtweg: wodurch sie stark sind und einen seekampf bestehen 
können. Das j7eg logvovow, das wir hier bei vavrexov haben, 
wie wieder a, 142, 31 bei »uvols, die flotte, wo ihre stärke rubt, 
in welcher kriegsweise sie ihre starke haben, deutet zugleich alle 
die vortheile an, die den Athenern aus ihrer flotte erwachsen und 
die Perikles «, 143 den Athenern eines weiteren auseinandersetzt. 
So fordert er also hier 8,13 in dem: 10 vuvrsxor nto loyvovow 
dEagiveo9us, dazu auf, die flotte, die schon da ist, in stand zu 
setzeu und segelfertig zu machen und sich so, in dieser weise ge- 
rade die vortheile zu sichern, die sie ihnen bietet. Und wie viele 
schiffe sind das, die sie hier aufgefordert werden in see zu stel- 
len? f, 13, 19 heisst es: xai untpaiwe . . . xai TIMES Tag 
miotuove t1QsuxoGÍac. Also 300 segel, zu beidem, zu angriff und 
vertheidigung bestimmt, Denn natürlich kehrt immer dies beides, 
wie auch y, 17, so f, 13, 18 und a, 142, 29 ff.; 143, 1 neben 
einander wieder. Von diesen 300 schiffen sind 50 um Potidia 
und auf den andern stationen, 100 auf der westseite des Pelo- 
ponnes, so bleiben noch 150 zur deckuug der inselvaterstadt (a, 
143, 31 ff.) Dass die Athener in der ersten hitze des entbren- 
nenden kampfes, wo zweidrittel der gesammten peloponnesischen 
heeresmacht gegen sie beranzog und ins land brach, wo wer 
mochte sagen was für unerwartetes und plótzliches von freund und 
feind sich ereignen konnte, diese gesammten 150 schiffe nicht ua- 
thätig in ihren schiffshiusern werden zurückgehalten haben, zumal 
sie sich dem landheere des feindes gegenüber ihrem plane gemäss 
nicht rühren wollen, das sagen wir uns von selbst, auch wenn 
nichts sonst darüber verlautete. Vorläufig fragen wir noch nicht 
bei unserm y, 17 an, um bestimmteres zu erfahren; der schrift- 
steller hat uns sonst schon gut genug vorbereitet. Dena nicht 





Jahresberichte. 689 


bloss auf die deckung des eignen landes hatte es Perikles mit 
diesen schiffen abgesehen; von der möglichkeit, jemals seetüchtig 
zu werden, wollte er die Peloponnesier für immer ausgeschlossen 
wissen. Einer geringeren schiffszahl gegenüber mochten sie es 
ullenfalls versuchen, aus ihren östlichen häfen, namentlich Nisäa, 
herauszukommen, in offner see zu manóvriren, endlich wohl gar 
seegeübter geworden einen kampf zu wagen; durch eine grössere 
in see gestellte flotte sollte so etwas ihnen für immer benommen 
sein. Mit dieser bemerkung ist nur wiederholt, was Perikles bei 
'Thukydides selber sagt, a, 142, 2: zug dn avdges yeweyol xai 
où Jaluocos, xai mooçén ovdì pelsrous tacopevos diù 10 ig? 
^v mwodduic vavoiv dei &pogusiotas, akcov uv Ts dower; nQog 
piv yug OÀtyag Époguovous xav diazivduvevossav, Andes ınv 
apadluy Feuovvortes, moAAuig dé sioyóueros jovydooucs xai Ev 
19 py pehetwves dEuverwitegos Eoovtas xal. di alzò xai dxvned- 
16004. Dass diese aufgabe, dei épopueir und elgyesy eine andere 
ist, als voriibergehend im westen die peloponnesischen kiisten heim- 
zusuchen , ist deutlich genug. Dort also sind es noch im allge- 
meinen zoàÀai viec, eine starke schiffsmacht, hier in y, 17, wo 
etwas darauf ankommt, die rechnung aufzumachen, sind es in be- 
stimmter angabe die 100 schiffe geworden, um die es sich han- 
delt. 50 schiffe sind also in dieser ersten zeit noch immer unbe- 
manot und in den schiffshäusern geblieben. Dass diese 100 schiffe, 
von denen es y, 17 heisst, sie seien zur deckung von Attika, Eu- 
boea und Salamis aufgestellt gewesen, zugleich noch die besondere 
aufgabe hatten, den osten des Peloponnes in schach zu halten, kann 
man aus den punkten abnehmen, welche die andern 100 athenischen 
schiffe um den Peloponnes anlaufen. Auf ihrer ganzen fahrt be- 
rühren diese keinen punkt im osten, sie haben es nur mit dem 
ganzen westen, von süden bis nordeu zu thun; natürlich, weil eben 
den andern schon der osten oblag. Aber noch für ein zweites ist 
so eine erfreuliche einsicht gewonnen. Nachdem die Peloponnesier 
wieder aus dem lande fort sind und die Athener nun aus neuer 
erfahrung wissen, was sie von solchem einfall der feinde zu be- 
fürchten haben, giebt der schriftsteller uns in einem ühnlich in- 
struktiven kapitel, wie y, 17, die erwünschteste belehrung, wie sie 
es von jetzt au ferner mit der bewachung ihres landes zu wasser 
und zu lande gehalten haben, f, 24, 11: ’ Avyaywenourrwv dé aù- 
rà» oi ' A9pvaîos pudaxds xutecifourio xarà yz» xoi xata 9a- 
luoour, woneg di Éuellor deu navróg tov noléuou puiakesw are. 
Perikles sieht keinen anlass mehr, luxus zu treiben. In zukunft 
werden nur zehn schiffe in der nähe auf wachtposten gehalten, 40 
schiffe sind damals noch bei Potidán, und die 100 je besten wer- 
den für einen üussersten nothfall in reserve gestellt; so sind im- 
mer noch 150 schiffe zu beliebigem laufenden kriegsgebrauch zur 
verfüguug. Später aber uls der plötzliche schrecken von Nisäa 


Philologus. XLII. bd. 4. AS 





690 Jahresberichte. 


aus sie überkam, ende sommer 429, werden sie wohl einige schiffe 
mehr zur eignen deckung verwendet haben, B, 93. 94. 

So steht es also um die 100 schiffe, die in dem einen ersten 
sommer bei Attika, Euboea und Salamis wache halten. Wie verhält 
es sich nun mit den 50 schiffen um Potidäa und auf den übrigen 
stationen? „Die lassen sich“, behauptet Classen, ,,schlechterdings 
nicht mit den eignen angaben des Thukydides 1, 57, 4; 1, 61, 1. 
3 und 2, 56, 1 in einklang bringen“, Aber soll denn und braucht 
denn in einklang zu stehen das, was in den zeiten vor ausbruch 
des krieges geschieht, mit dem, was sich im ersten jahre des krie- 
ges begiebt? a, 57, 3 sind noch vor dem abfall von Potidäa 30 
schiffe mit 1000 hopliten unter Archestratos und (vielleicht) zwei 
andern feldherrn nach Macedonien gegen Perdikkas geschickt; als 
Potidäa bereits abgefullen ist, folgen diesen, a, 61, 20, 40 andere 
schiffe mit 2000 hopliten unter Kallias und vier andern feldherrn 
nach. Diese 3000 hopliten, von der seeseite von den 70 schiffen 
gedeckt, liefern die schlacht bei Potidäa, a, 61, 33; weil aber 
dies vereinte heer nicht genügend erscheint, sichrer massen Potidäa 
abzusperren, senden die Athener ygorm voregov, «, 64, 25, den 
Phormion noch mit 1600 hopliten. Doch auch auf schiffen. Aber 
auf welchen, etwa wieder auf 20 oder 30 andern, so dass jetzt 
aus den 70 schiffen gar 100 geworden würen! Wir erfahren es 
nicht, weil wir uns das natürliche und selbstverständliche von selbst 
sagen. Wenn später im ersten jahr des kriegs 40 schiffe um Po- 
tidäa liegen, so werden also jetzt, nachdem die schlacht bei Potidäa 
geschlagen ist, von den 70 schiffen 50 nach Athen zurückgegangen 
und von diesen wieder 20 mit Phormion und seinen 1600 hopliten 
zurückgekommen sein. Erfahren wir doch auch über den wechsel 
der zahl der athenischen feldherru bei Potidia keine genauere an- 
gabe, wann und warum aus den ursprünglichen acht endlich die 
drei geworden sind, denen Potidäa sich ergiebt, 8, 70, 7. Wozu 
auch? Ist es uns denn nicht von selbst klar, dass jetzt, wo Po- 
tidäa nach beiden seiten vollkommen abgesperrt ist, mit den 40 
schiffen statt der 70 auch drei feldherrn statt der acht genügen, 
um der sache ein ende zu machen? So viele abweichungen also 
hier bei gelegenheit von Potidia zwischen den angaben des ersten 
und zweiten jahres gegen die zeiten vor dem kriege, so viele 
tugenden der darstellung, die unnóthiges zu übergehen weiss und 
nur das wesentliche mittheilt. 

Und wie mit den schiffen, so verhält es sich mit den bopliten. 
»Auffallender weise, heisst es von diesen, geschieht bei dieser auf- 
zühlung weder der gefallenen 150 Athener und der schweren ver- 
luste durch die seuche noch auch der 4000 mann und der 300 
reiter, welche im sommer 430 vierzig tage vor Polidäa lagen, ir- 
gend eine erwühnung*. Also soll es ein einwand gegen >, 17 
sein, dass der schriftsteler iu einer allgemeinen angabe über die 





Jahresberichte. 691 


kosten der belagerung von Potidäa seine darstellung nicht durch 
eine unertrügliche wiederholung von einzelheiten verunstaltet hat? 
Und wer will denn behaupten, dass die gefallenen 150 und et- 
waiger sonstiger abgang nicht wieder ersetzt worden ist?  Ue- 
brigens hat Thukydides es hier nur mit den kosten des belage- 
rungsheeres zu thun. Das sind allein, ganz wie y, 17 es sagt, 
einmal die ursprünglichen 3000 und dann die 1600 unter Phor- 
mion, welche letzteren bald nach dem beginn der belagerung ein- 
treffen und von da bis gegen den herbst des ersten kriegsjahres 
bleiben, 8, 29, 4 coll. 31, 29. Die 100 schiffe unter Hagnon 
gegen Chalkidike und Potidäa, die wo môglich durch eine erstür- 
mung der belagerung ein ende machen wollen, gehóren nicht zu 
den kosten der dauernden belagerung , dies um so weniger, weil 
die ganze expedition nur 40 tage dauert und von diesen schwer- 
lich mehr als 14 tage auf den versuchten sturm verwendet hat, 
ein hinreichender grund, warum y, 17 von Hagnon schweigt, und 
ein beweis mehr, dass das kapitel vom rechten manne geschrie- 
ben ist. 

Und nun zum schluss noch ein wort über das kapitel in sei- 
uem zusammenhunge. Der schriftsteller, bei dem unablüssig vom 
aufuuge seines werkes bis zum ende hinaus der gedanke wieder- 
kehrt, wie sehr geld die seele des krieges ist, hat es nicht unter- 
lassen, noch kurz vorher da, wo die unternehmungen anheben, in 
genauer ziffer die gelder anzugeben, die im athenischen staatsschatz 
noch damals vorrüthig liegen, 8, 13, 26. Die belagerung von 
Potidia, die bis zu ende des zweiten kriegsjahres sich hinzog, 
hatte davon nicht wenig, im ganzen 2000 talente aufgezehrt (6, 
13, 30; 8, 70, 11). Jetzt im beginnenden winter des vierten 
kriegsjahres staud eine neue belagerung, die von Mytilene, bevor, 
y, 19, 19, und dem historiker liegt es ob, jetzt mitzutheilen, dass 
zu dieser neuen belagerung keine gelder mehr da sind und die 
Athener sich genöthigt sehen, damals zum ersten mal zu einer 
neuen geldquelle ihre zuflucht zu nehmen: xui 6 tp» noyero 
yl(yveG9uv*. ngocdeouevos dé oi “AFnvaios yonuutwy 3g Tj» no- 
Mopxluv, xai udroi éçereyxovies tore nowzor dGqogáv diaxogia 
tuhevta, eéneppay xai ini 1006 Evuuayous aeyvgodoyous vovg 
dwdexa. Woher dieser leere staatsschatz, woher, wenn von den 
kosten der belageruug von Potidäa abgesehen wird, noch der ver- 
brauch der übrigen 4000 talente? Natürlich erst hier, wo die 
kasse nun leer war, war dus zu sagen, erst hier, wenn der ver- 
brauch ein allmählicher war, von dem vzaraAMGxtiv, z. 25. 31, zu 
reden. So wird, wenn hier neben der grossen schiffszahl des vierten 
jahres die ühnlich grosse, ja noch gréssere des ersten kriegsjahres 
erwühnt wird, diese nicht einmal etwa beilüufig hinterher nachge- 
bracht, sondern sie gehört gerade so gut an diese stelle, wie die 
schiffe dieses vierten jahres selber. Selbst früheres an passender 


AN * 





692 Jahresberichte. 


stelle nachzutragen, hat sich auch dieser schriftsteller erlaubt nicht 
minder als andere, so unter anderm y, 87, 18. 20; d, 21, 16; è, 
16, 13 ff.; È, 31, 5 ff.; ¢, 54, 33 ff., ebenso wie er, wenn die 
gelegenheit sich bietet, ins künftige vorausschaut, wie unter an- 
derm 6, 65; y, 82; d, 60, 32—36; e, 16, 6. Aber hier ist so 
etwas offenbar nicht der fall. Hier wird schlecht und recht von 
einer jetzt leer gewordenen kasse die rechnung aufgemacht und auf 
eine sich von selbst aufwerfende frage die nôtbige antwort ertheilt. 

Wenn demnach dieses kapitel y, 17 auch in dem zusammen- 
hange des ganzen eine nothwendigkeit ist und ganz an seiner 
stelle, wenn die angaben desselben im einzelnen mit nichts, was 
wir vorher beim schriftsteller gelesen haben, im widerspruch sind, 
vielmehr nur eine dankenswerthe bestätigung dessen geben, was 
wir schon aus uns selber vermuthen, wenn endlich die einzelneu 
ausdrücke, an denen man anstoss genommen hat, nicht bloss allen- 
falls noch des Thukydides würdig sind, sondern jeder für sich aufs 
ersichtlichste seinen stempel trägt, so müsste es ein rätlısel bleiben, 
wie kenner des Thukydides des kapitel in seiner nothwendigkeit 
und seinem werthe verkennen konnten, wenn die zeit es nicht er- 
klürte, Aber es sei, die jetzige zeit mag es streichen, eine spätere 
zeit, dess bin ich gewiss, thut’s nicht und wird dieses kapitel wie- 
der zu den werthvollsten im ganzen Thukydides rechnen, wie je 
ein andres. 

Wir kehren zu Müller-Strübing zurück. Den nächsten angriff, 
der folgt, p. 112 ff., richtet er gegen y, 26, 32 — 2: Tov d 
ensysyvopévou 9£gov; of Medonovvnosos Ensıdn rag dg i» Mur- 
Anyny duo xai 00aQáxovra vavg dntoresdav Eyorıa "Mix(dar, 06 
jv» auroig vavagyog, moogratarug, avroi ig 1iv° Arriziv xai oi 
Evumayos ègéBador, Snwe of APnvaios augportew3er Sogvfov- 
pavo, 7000» taig vavoiv dg 1j» Mutdnyny xatundeovoass énsBor- 
Ffoovoyv. Zunächst nur eine kleinigkeit. In den worten will er 
nicht Zyorvta, sondern agyorta, und schreibt zu diesem &Qxyovra in 
klammern: so Classen richtig mit H. Stephanus statt des Fyorra 
der libri. Wie es zu erwarten war, sind auch andere schon gern 
gefolgt. Aber hätte man sich die stelle im zusammenhange des 
ganzen angesehen, würde man das wort schwerlich angerübrt ha- 
ben. y, 16, 12 hatte es geheissen: toregoy di ruvrsxdr nape- 
oxevuloy 01» ní£uwovow ig tiv Atofor, xai xara noAug nyyyd- 
Ao» teocuguxovia vewy nÀrJoc, xai vavugyoy ngoctraEav 'Adxldar, 
og Eueller Enurdevcec9a. Damals also war erst die schiffe zu 
stellen angesagt, und der nauarch Alkidas schon im voraus be- 
stimmt, wenu die schiffe gestellt sein würden, das kommando zu 
führen. Inzwischen, zwischen c, 16 und 26, sind die schiffe wirk- 
lich gestellt und durch Zyovza erfahren wir jetzt, dass Alkidas be- 
reits zu den schiffen abgegangen ist und das kommando übernom- 
men bat. Das ist der besondere neue gedanke, den wir doch 





Jahresberichte. 693 


wahrlich keinen grund haben uns gegen alle handschriften nehmen 
zu lassen. Wie sollte denn auch ein abschreiber, wenn ügyorsa 
dagestanden bütte, dazu gekommen sein, dieses hier in der con- 
struktion leicht fliessende cgyorra gegen ein £yorvra zu vertau- 
schen? Uebrigens wäre dies agyovre im Thukydides ein unicum, 
&Qyu» neben ravugyos von demselben mann kömmt im ganzen 
Thukydides nicht wieder vor. Dies éyovza aber von dem, der das 
kommando von schiffen führt, ist büufig genug, so ganz wie hier 
y; 7, 26; 9, 19, 8; 9, 33, 12; 3, 41, 10; und ähnlich y, 90, 
35; y, 115, 10; }, 61, 1; während Eye» von der anführung 
einer sonstigen streitmacht so oft und so bekannt ist, dass zu ci- 
tiren unnütz wäre. Gegen die construction: vaÿç unxfotesday Eyovıa 
"Alıtdar, os nv adroïg vavagyoc, moogzukarzeg: ihn, der ihr nau- 
arch war, dazu beordert habend, oder: den sie als ihren nauarchen 
dazu beordert hatten, ist nichts einzuwenden; freilich aber ist's 
eine construction, die thukydideisches geprüge hat, nicht eines 
scholiasten. 

Doch zur hauptsache. Von den letzten worten der ausge- 
schriebenen stelle, von: Onwe of “AFnrvaios duportgwder Jogv- 
Povusvos 90009 tuîs savoir & rji» Munnrnr xatandeovoas Enı- 
Bon9noovow, sagt Müller-Strübing: „ich behaupte, die worte kün- 
nen so wie sie dastehen, nicht von Thukydides geschrieben sein, 
da sie eiue falsche angabe enthalten; entweder ist vor ihnen etwas 
ausgefallen, oder sie sind interpolirt. Denn wie soll Thukydides 
dazu gekommen sein, diesmal einen grund, noch dazu einen fal- 
schen, dafür anzugeben, wesshalb die Peloponnesier ihren einfall in 
Attika machten? Dieser eiufall verstand sich ja von selbst, so 
sehr, dass Thukydides vielmehr, wenn der einfall einmal nicht statt- 
fand, dafür einen grund angiebt und angeben muss (wie 8, 71; 
y, 89)“. Dazu komme das sprachliche. Schon augoréowder Fo- 
ovßovusvos sei schief, und erst recht 2mjon9/covow. Das ist 
doch, als wenn es sich nach etwas anhorte. Wiederum dieselben 
energischen gedanken, wie bei Müller-Strübing immer, und doch 
beruht alles eben auf missverstand, weil er wieder die stelle nicht 
in ihrem zusammenhang gelesen hat. Aber auch die ausleger bis 
jetzt haben das nicht gethan, und so ist Müller-Strübing vollkom- 
men im recht, wenn er mit der stelle, so weit sie noch unver- 
standen ist, ius gericht geht. Aber wenn er schon weiter sieht 
als die bisherigen ausleger alle und vor auyor&gwder stille hält 
und fragt, warum ist er nicht noch einen augeublick seinem glück- 
lichen impuls gefolgt, statt zu rennen und sofort beim büsewicht, 
seinem interpolator und dessen „naseweiser hand“ hülfe zu suchen. 
Es kümmt nur darauf an, dus Gugoréoçwder, das ihm schief er- 
scheint, gerade zu richten; den andern auslegern ist es gar nicht 
unter die augen gekommen, denn für das, was hier das wichtigste 
ist, haben-sie alle kein wort. Für einen zweiten, einen herbstein- 





694 Jahresberichte. 


fall in Attika zu wasser und zu lande im vierten kriegsjahre hatten 
die Lacedämonier anstalten getroffen, auf walzen eine flotte aus 
dem korinthischen meerbusen ins athenische wasser herüberzubrin- 
gen, 15, 29. Das ist die flotte, die in den worten 16, 2: 10 
and Ilslonovvnoov émdv, sc. vuvisxor, gemeint ist, die walzen- 
flotte, die Müller-Strübing so grossen spass macht. Damals sollte 
diese flotte die athenischen schiffe von Lesbos abziehen, aber der 
doppelte einfall in Attika zu wasser uud zu laud unterbleibt da- 
mals; die peloponnesischen bundesgenossen bleiben aus, und die 
Athener erscheinen, statt Lesbos aufzugeben, sogar am lstlimos mit 
einer neuen flotte von 100 schiffen. Aber was im herbat unter- 
blieben war, wird im drauf kommenden frühjahr aufs neue unter- 
nommen. Einmal schon darum, weil’s so regel war, im frühli 
einzufallen, sodaun aber auch, um die aufmerksamkeit der Athener 
dieses mal von den schiffen unter Alkidas abzuwenden, die unter- 
wegs nach Lesbos waren, unws oi ' A9nvaîos uuporlgwder Fogu- 
Bovpevos 70009 tuig vavoiv à; ijv Muudijwnv xarankeovoug 0m- 
Bon9ijcovow. Was heisst also dugotégwtev Fopufovueros? Schief, 
allerdings recht schief wäre der ausdruck, wenn die eine seite 
dieses œugorégwer der landeinfall der Peloponnesier in Attika, 
und die andre seite, von der die Athener bedroht werden sollen, 
die flotte des Alkidas wire, die ihnen ja gerade ganz verborgen 
bleiben sollte. Die eine seite ist der einfall zu lande, die andre 
seite ist der angriff zu wasser, wie im vorigen herbst schon beab- 
sichtigt war, also dieselbe walzenflotte von damals. Davon, dass 
diese anstalten wieder zurückgestellt und rückgängig geworden 
waren, sagt Thukydides kein wort. Und wie sollte das auch ge- 
schehen sein, da die Lacedámonier Lesbos noch immer helfen und 
ihrem nauarchen zur see luft machen wollten. Also auportowde 
JopuBouuevos heisst: von beiden seiten, zu land und zu wasser, 
vom Isthmos aus zu laud und vom Isthmos aus zu wasser bedroht. 
Dabei brauche ich gar nicht einmal darnach zu fragen, wie viele 
schiffe in wirklichkeit schon auf den walzeu herübergebracht sein 
mögen. Genug, dass so etwas im vorigen herbst vorgekommen 
war und jetzt wieder die aufmerksamkeit der Athener in anspruch 
nahm; an dem richtigen gelärm wird es dabei abseiten der Lace- 
dämonier schon des zweckes wegen nicht gefehlt haben. 

Das zweite sprachliche, das den interpolator verräth, soll dnı- 
Bonsnoovosv sein. Manchem andern mag es gerade die ächte hand 
verrathen. 'Enıßondeiv heisst: herbeieilen und schliesst immer 
beides, angriff und hülfe zugleich ein, so dass bald dieses, bald 
jenes in den vordergrund tritt. So heisst es z. b. kurz vorher 
y, 23, 8 bei dem übersteigen der Platäer über die mauer: rag re 
diodovs TW nugywy evotuvres uvıol epvdacooy undiva di’ atwwy 
änıßondeiv, dass keiner durch die thürme zum angriff gegen die 
übersteigenden herbeieilen könne; und in demselben gjnn ist so- 





Jahresberichte. 695 


gleich wieder z. 10: émiflon9ovrrag gesagt. Natürlich ist auch 
hier die hülfe, die diese den ihrigen und ihrer sache bringen wol- 
len, nicht ausgeschlossen. Auch ¢, 99, 19 ist in erster linie vom 
angriff die rede; ebeuso 7, 3, 26; «, 62, 21; y, 110, 27; y, 96, 
32; d, 66, 29; d, 4, 24: nuvrl 1e 190mm inelyorro qvas roùs 
Auxedatpovloug ta ensayuiuta eeoyuccusvos noir ensBontioas, 
d. h. bevor sie zum angriff der befestigendeu Athener herankamen; 
und d, 7, 13 ist es nicht anders. Die interessanteste stelle, die 
bedeutung von 2mıßojFeiv zu erkennen, ist d, 1, 2.  Messene ist 
von Athen abgefallen, z. 25: avr» ézayayoutrurv. Da waren 
nun die Lokrer in das Rheginer land eingefallen, iva un (die 
Rheginer) énsBonFwos toig Meconviois. Was heisst das nun? zum 
augriff gegen die Messenier, die abfallen, oder zur hülfe für die 
Messenier, die nicht abfallen wollen? Man sieht, érufondeiîv ist 
eine vox media, die aus der sache und den umständen heraus ver- 
standen sein will, und also hier heisst: damit sie nicht nach Mes- 
sene ziehen, sich am etwaigen kampf dort zu betheiligeu. Ebenso 
scbliesst es auch in y, 26, 2 beides in sich, augriff gegen die 
schiffe des Alkidas zur hülfe der athenischen flotte, die vor Myti- 
lene liegt. Und eben darum, meine ich, weil es auch an dieser 
stelle wieder, wie so oft im Thukydides, seine sinnige bedeutung 
hat, wird es auch seinerseits die echte hand erweisen müssen, die 
diese ganze stelle geschrieben hat. 

Wie der hauptaktion ein kleines vorspiel vorausging, so folgt 
noch ein kleiues nachspiel. Die sich gleich anschliessenden worte 
schreibt Müller-Strübing p. 115 so: ,,zyeiro dè tig &ofloAág raving 
Kisopévys unig Ilavouvlov 100 HAucroávaxrog vitos Puosdtws 
Orrog xui vewrtégou En, nargóg dn (denn so wird wohl mit Stahl 
zu schreiben sein statt dè) ade2gog wv. Aber was soll hier dj? 
Wo ist hier das wort, das zu urgireu würe, oder wo das selbst- 
verstandliche und bekannte, dass der sinn ware und Thukydides 
sagen könnte: wie ihr das ja wisst? Wer bringt denn aus sich 
selbst die kenntniss mit, dass Kleomenes der ohm des Pausanias 
wart Wie d7, das man gegen die handschriften hereinsetzen will, 
der sprache nach unmöglich ist und daher auch hier nicht von 
analogie die rede sein kanu, so hat das dé, das da ist, seinen an- 
gemessenen sachlichen sion. Die bisherigen eivfälle in Attika wüh- 
rend des krieges hatte Archidamos geführt. Jetzt, im fünften jahr 
des krieges, im 41. seines königthumes, ein jahr vor seinem tode, 
ist er ein alter schwacher manu, sein sohn Agis also, obwohl schon 
etwa 40 jahr alt, uoch nicht könig. Die anführung dieses vierten 
einfalls geht demnach auf die andere königslinie über, aber dieser 
andere kónig kann selbst, weil er noch zu jung ist, das heer nicht 
übernehmen, so tritt statt seiner des vaters bruder ein, und so 
heissen die worte: diesen einfall führte Kleomenes als stellvertreter 
des noch zu jungen kónigs, aber als desseu vatersbruder. Das 





696 Jahresberichte. 


dé hat also die sachliche bedeutung, dass in dem Kleomenes der 
oberbefehl nicht bei der familie des Archidamos verblieb, auch nicht 
an etwas ganz fremdes überging, sondern, wenn auch durch stell- 
vertretung, doch au die linie kam, wohin er von rechtswegen ge- 
hörte. Und dieses lehrreiche dé, in dem eine werthvolle historische 
notiz liegt, hat man entsagung genug, gegen alle handschriften 
wegzugeben , um ein gänzlich unverständliches und unbrauchbares 
dy dafür einzutauschen. 

Den Alkidas auf der fahrt begleitend kómmt Müller-Strübing 
p. 116 ff. zu den worten c. 29, 5: of d’ èy raig tecougaxovia 
vavoì IleAonovvnoss, ovs ides iv tuyes Ragayeréodas, mÂéorres 
meol te aviny tiv IleAonovrnoov dvdiérQupav, xai zura 10v. aÀÀor 
mioùv OyoAuios xomsoPérreg rovg mer èx 15 nodews ^ 49 nvatovc 
darFdvovos, noiv dn 17 Anim Eoyov, noocplEavtes d’ an’ aif; 
ij Ixdgo xoi Mvxóvo nurSuvorrar nowıov ors ÿ Muwdnry éa- 
Awxer. Ich hatte vor nun 25 jahren gesagt, rovc ix 176 molews 
> AFnvalove sei jenes bürgerheer in c. 16, mit dem die Athener 
die éx(desEsg am Isthmos machen, und habe seitdem geglaubt, die 
worte würden darnach weder andern noch mir je wieder zu thun 
geben. Jetzt höre ich von Müller-Strübiug, dass diese erklärung 
grundverkehrt ist, dass ich mit ihr ein rechtes beispiel der exegese 
und kritik seiner Thukydidestheologen gegeben und einen exegeti- 
schen missgriff ärgster art begangen hahe. Aber für wen schreibt 
man noch, wenn selbst gelehrte, geistvolle, und was melr ist, den- 
kende männer kein verstündniss mehr für die einfachste, sich von 
selbst darbietende erklürung haben, die die ganze umgebung in das 
hellste licht versetzt, ohne die dagegen alles ringsum in finsterniss 
steckt. Statt ruhig zu überlegen, sich hineinzudenken und sich 
mitzufreuen, wie alles jetzt hell wird, kómmt Müller-Strübing von 
seinem leidigen handexemplar nicht los, das es ihm nun einmal an- 
gethan hat, und kaon so freilich auch die sprache nicht verstehen, 
die der schriftsteller redet, Zunächst macht er sich den unschul- 
digen spass, uns einmal wieder eiue vorstellung, dazu eine elegant 
gelehrte, von einem kampf gegen windmühlen zu geben. Ich hatte 
gesagt: „mit dem ausdruck &x 775 noAsws bezeichnet Thukydides 
ein heer, das aus den eignen bürgern (auch metöken) der stadt 
selbst gebildet ist“, hatte dafür die stellen: a, 105, 1; 8, 31, 24; 
y, 91, 21; y, 98, A; d, 28, 20; d, 77, 30 angeführt und im 
verlauf das heer, von dem hier die rede ist, bürgerheer, athener 
stadtheer genannt. Vorläufig macht er nun, als hätte ich mit mei- 
nem stadt- und bürgerheer an ein heer aus dem hauptstädtischen 
bezirk im gegensatz gegen ein heer aus den andern demen ge- 
dacht, ist aber doch hinterher freundlich genug, solchen unsinn mir 
nicht zuzutrauen und den gegensatz zu setzen, wie er selbatver- 
stindlich war, ein bürgerheer ohne zuziehung der bundesgenossen 
gegen ein heer, in dem auch bundesgenossen cooperirten. Soweit 





Jahresberichte. 697 


ist’s ein unschuldiges vergnügen, das mau ibm gönnen mag; wenn 


er aber fortfáhrt: „dagegen unternahmen die Athener zuweilen auch 
expeditionen ohne zuziehung der bundesgenossen, uud dass dann 
unter umstünden ein solches blos aus Athenern gebildetes heer als 
ok dx tig modews * APnvaios bezeichnet werden könnte im gegen- 
satz zu den cooperirenden bundesgenossen, das ist müglich! Bei 
Thukydides geschieht es aber nirgends, denn die von Herbst oben 
citirten stellen beweisen nichts der art und passen in der that wie 
die faust aufs auge“, so will mir das nicht mehr unschuldig er- 
scheinen, und auch nicht nach seiner sonstigen art. Deno warum 
geht er auf die stellen nicht ein? Das wagt er nicht und durfte 
es nicht wagen. Deou hätte er nur eine einzige der stellen, die 
ich jetzt hier ausschreibe, bloss den worten nach hergesetzt, so 
war die sache damit abgemacht, und es hätte sich auch dem blö- 
desten auge gezeigt, dass Thukydides auch sonst wie hier in y, 
29, von bürgerheeren zu erzählen hat, in denen buudesgenossen 
nicht cooperiren. Was also Müller-Strübing, wie es leider den an- 
Schein hat, woblweislich unterlassen hat, hole ich bier nach. In 
a, 105, 34—3 heisst es: of dè * 49 qvas. 16 piv ngog Atylvn 
orgursvun ovx exlynoay, TY à ex ung mohews vsodolnwy 
olze nossßuraros xal of vewruros apexvovrias è 12 Méyaga Mv- 
Quridov oreatnyovrtoc; dem gegenüber war von dem athenischen 
heer vor Aegina vorher z. 23 gesagt worden: xal of fvupmayos 
íx«ríQoig nagnour. An der zweiten stelle 8, 31, 19—26, lesen 
wir: negl dì 10 pPivonweov 10U Oégovc rovrov "APnvaior nav- 
duel, avrot xal où uérosxos, êçéBaloy ig tv Meyaglda Ilegs- 
xhéoug 100 Sardinnov OTQATHYOUYTOS , xui ob mpi IleAondvrnoov 
Adnruïos dy raic Exurov vavoly (Ervyoy rag non &v Alylın Ovzeg 
in’ olxov üvaxomıLöuevon) ws nodorro tovs ex 176 soàtscg 
zarorgarii Er Meyagoıg Ovrag, EnAsvcav nag’ aviovs xai Evve- 
ulydnonuv. Dass auf den 100 schiffen, die um den Peloponnes ge- 
fahren sind, bundesgenossen waren, steht B, 17, 27. An der dritten 
stelle, Y» 91, 21 steht: of d° dx 175 xo ieu navónuai ’A9n- 
raiot, "Innovizou. re tov Kalllov orgatnyovviOg xai Evevuédorros 
10U Oovxà£ovs, dno Onuelov & T0 udrO xatu yÿr anivıwv, also 
wiederum ein heer aus bürgern der stadt, den 30 schiffen unter 
Demosthenes und den 60 schiffen unter Nikias gegenüber. d, 77, 
30 heisst es: ö de Innoxod inc avróg uiv dx 176 nóÀtus dé- 
vanır Eyuv, Omore xasgos eln, Euedde cipursuesr dg rots Boswrovs. 
Die stellen y, 98, 4 und d, 28, 26 habe ich des ausdrucks êx 176 
"oÀtoc wegen mit aufgeführt, worauf es hier ankam, dagegen 
weggelassen die stellen, wo sonst noch im Thukydides von einem 
heere athenischer bürger aber ohne diesen ausdruck éx 776 wodews 
die rede ist, wie a, 61, 21; 8, 79, 7; y, 18, 14. Die ausge- 
schriebenen stellen beweisen also durchaus, was sie sollen; erstens 
wird in ihnen ebenso wie in y, 29 mit dem ausdruck of ix zijc 





WE 


698 Jahresberichte. 


aodews “A3nvaîos ein heer bezeichnet, zweitens ein beer, das nur 
aus Athener bürgern besteht, und drittens kehrt auch bei diesen 
bürgerheeren, wie an unsrer stelle, der umstand wieder, dass sie 
sich nicht weit von der heimath, nur nach Megara oder nach Bóo- 
tien entfernen. Auch dies letzte ist für das richtige und ein tie- 
feres verstándniss der erzählung keineswegs ohne bedeutung. Da, 
wo der erzühlung der ausdruck of 18 moegfuraros xai oi vewsruios 
oder za»dqutí oder muvoigunia beigegeben ist, ist schon dadurch 
der grund offenbar, warum solche heere in der nähe bleiben; aber 
auch umgekehrt darf man schliessen, da wo es sich um expeditio- 
nen in der nähe handelte, war man um so leichter veranlasst, alles 
was von der bürgerschaft noch aufgeboten werden konnte, in be- 
wegung zu setzen. Das war nun auch y, 16, 3 (— y, 19, 8) 
der fall. Zunächst handelte es sich darum, x. 2: 16 awd LJelo- 
norrnoou énsov (sc. vavisxdr) . . auvveodaı, also die walzenflotte 
im auge zu behalten, die zugleich mit dem peloponnesischen land- 
heere Attika bedrohte, c. 15, 31. Aber dazu, xu solcher beobach- 
tungsflotte hatten die Athener nicht 100 schiffe gebraucht, wie sie 
sie aufstellen, dazu hatte schon die hülfte genügt. Aber weil die 
walzenflotte am Isthmos, in der nähe lag, so nimmt so gut wie 
alles, was noch daheim ist , an dem zuge theil, avrof ze xoi oi 
pétosxos, sie ziehen aus wie xurdnuel, aus dem beobachtungsheer 
wird eine éa(destsc, uud so wird der doppelte zweck erreicht, die 
eigene sicherheit, und zugleich den gegnern zu zeigen, was sie 
noch vermégen. Ich meine, ich habe also guten grund gehabt, 
hier an die stadt- und bürgerheere zu erinnern, die sich nicht weit 
von der heimath entfernen; haben wir doch so schon für y, 16 
die freude, hinter den zeilen zu lesen. Aber y, 16 steht hier nur 
in zweiter linie; zunächst handelt es sich hier um y, 29, darum, 
dass die hier erwähnten éx 175 xoewç ° Adnruïos gerade dieselben 
sind, die wir schon y, 16 gehabt haben. 

Dass es dieselben sind, unterliegt, wenn man den worten des 
schriftstellers nachgeht , nicht dem leisesten zweifel. Thukydides 
schreibt: nÀÉovreg neol Te avınv tiv IleAonovvnoov ivdi£zQuwav xai 
xata tov &ÀÀov mhovv ayodaios xopsodérieg . . . AavFavouds niv 

. nuv$dvorsas dé. Durch r£ — xal werden also ivdetrenpar 
und oyodaios xops03éries grammatisch dem Aurdarovos und av- 
Favovras untergeordnet, d. h. sachlich: durch das doppelte, einmal 
durch ihr verweilen im westen des Peloponnes und zweitens durch 
ibre sonstige saumselige fahrt bringen sie ein doppeltes zu wege, 
einmal dass sie zwar den Athenern aus der stadt verborgen bleiben, 
zweitens aber auch, dass Mytilene bereits genommen ist, Waren 
of ix tig nodews *APnvaios, wie Müller-Strübing will, die wacht- 
schiffe bei Salamis oder am Peiräeus oder beliebige lootsen und 
kreuzer, so waren diese wachtposten ja zu jeder zeit an ort und 
stelle, und schiffer aus Athen ebenso zu jeder zeit in dem atheni- 





Jahresberichte. 699 


schen gewässern zu erwarten; um ihretwillen also diesseits und 
jenseits des Peloponnes auch nur einen augenblick länger sich auf- 
zuhalten, hatte Alkidas, der ja so schnell wie müglich Mytilene zu 
hülfe kommen sollte, ovg £de& dv ruyes nugayeréoIæs, nicht den 
mindesten grund gehabt. Aber guten grund hatte er, den 100 
schiffen der Athener, so lange diese am Isthmos in see waren, 
nicht geradezu in deu rachen zu laufen. Ohne die angst vor die- 
ser gefahr wäre das verfahren des Alkidas ein für immer unge- 
lóstes räthsel. Ich habe also hier nur eins zu thun, aus dem be- 
richte des Thukydides nochmals, wie ich es im vertrauen auf 
nachdenkende leser kurz schon einmal im Philol. XVI gethan habe, 
zu erweisen, dass Alkidas mit seinen 40 schiffen und die Athener 
mit ibren 100 schiffen zu gleicher zeit in see waren, dass Alkidas 
also aulass hatte, auf seiner fahrt sich zurückzuhalten, bis er sicher 
war, auf seinem ferneren ängstlichen wege nach Lesbos in den 
Attika benachbarten gewüssern nicht mehr auf die athenische flotte 
zu stossen. 

Also zuerst, seitwaun ist nach der erzühlung des Thukydides, 
nicht nach den behauptungen Müller-Strübings, Alkidas in fahrt, 
und wann ist er hinüber? Die Mytilenäer halten ihre rede in 
Olympia nach dem feste, y, 8, 6. Die olympien werden um die 
zeit der sommerwende gefeiert, füof tage lang; so werden wir 
also nicht fehlgehen, wenn wir setzen, dass die Mytilenüer den 30. 
juni 428 in die peloponnesische bundesgenossenschaft aufgenommen 
sind. Sie haben den Lacedämoniern einen abermaligen einfall in 
Attika in dem jahre zu wasser uud zu lande angerathen, y, 13, 32, 
und die Lacedámonier sind darauf eingegangen. Die bundesge- 
nossen werden also aufgeboten, und um auch zur see die Athener 
zu bedrängeu, werden auf dem Isthmos walzen hergerichtet, um die 
schilfe im korinthischen meerbusen nach der ostseite des Isthmos 
herüberzuführen. Die Lacedümonier betreiben das eifrig, sind auch 
mit ihrem contingent zuerst am Isthmos, aber die bundesgenossen, 
noch mit der erndte beschäftigt, kommen saumselig herbei oder 
andere gar nicht, 15, 31 coli. 16, 9. So werden also die Lace- 
dimonier den 1. august etwa am Isthmos gewesen sein und den 
ganzen august, vielleicht in den september hinein auf die bundes- 
genossen gewartet haben. Inzwischen haben die Athener von den 
zurüstungen der gegner und der walzenflotte kunde bekommen und 
laufen aus mit 100 schiffen. Das werden sie also spätestens den 
15. august gethan haben. Es war also nicht eingetreten, worauf 
die Mytilenäer hoffnung gemacht hatten; weder hatten die Athener 
ihre flotte von Lesbos und die 30 schiffe vom Peloponnes abbe- 
rufen, noch erwiesen sie sich als unvermögend zum widerstand, 13, 
34. 35. Die Lacedümonier mussten einsehen, dass unter diesen 
umständen der einfall unthunlich war (16, 8: xai unogu voulbovres), 
su zogen sie also ab, 16, 12: avsywonoav én’ vïxov, und es blieb 





700 Jabresberichte. 


ibnen nichts übrig, als auf andre weise den neuen bundesgenossen 
hülfe zu schaffen. Sie sind also den 15. september wieder zu 
haus, lassen darnach ein aufgebot an die bundesgenossen ergehen, 
eine flotte von 40 schiffen zu rüsten, und bestellen ihren nauarchea 
Alkidas zum befehlshaber, 16, 12: vorsgor dé vavenxov magt- 
Gxevulov O1 ntuyovosv c 12» AfoBor, zul xarà. modes Éxmnyyellor 
1800upuxovıa ver MARIO, xai vavupyor ngoctruEav ' Alxlday, 0; 
Euciiey emndevo:sda. Das voregov steht hier in seinem üblichen 
gebrauch; es bezeichnet schlechtweg einen akt, der eintritt, nach- 
dem ein andrer sich abgespielt hat, meist in unmittelbar folgender 
zeit (f, 25, 14; 8, 70, 19; 8, 79, 33; y, 5, 4; y, 7, 27. 34; 
y» 94, 25; y, 51, 36; y, 66, 22 u. öfter), wie die lage es er- 
giebt. So hier. Da es mit dem einfall in Attika nichts ist, der 
bedrüngten stadt aber doch hülfe werden muss, so wird sogleich 
das aufgebot der 40 schiffe erlassen. Diese brauchen natürlich nicht 
erst erbaut, sondern nur in stand gesetzt und versammelt zu wer- 
den, nehmen wir an in monatsfrist, so geht also Alkidas, wahr- 
scheinlich mit zwei lacedämonischen schiffen nach dem westen vom 
Peloponnes, nach Kyllene ab, so dass es 42 schiffe werden, und 
übernimmt also den oberbefehl den 15. october. Aber er war der 
rechte mann, um den geängsteten Mytilenäern, wie er doch sollte, 
c. 69, 6, schnell hülfe zu bringen. Es geht ihm wie leuten, die 
suchen und den besten willen haben, nicht zu finden. Wars wirk- 
lich seine absicht, noch rechtszeitig zu kommen, so batte er allen 
grund sich zu eilen. Die Athener hatten weg; r0 pIivonweey dr 
aogopevor, 18, 12, also schon den 16. september, ihrem heere vor 
Mytilene eine verstärkung unter Paches von 1000 hopliten ge- 
schickt; zwei wochen später ist Mytilene bereits vollständig, nun 
auch zu lande wie zu wasser, eingeschlossen, anfang winters, den 
29. sept., 18, 18: xai © yeuwr noyero ylyreodus. Aber erst 
ende winters, etwa den 20. märz, verlautet vom Arkidas, etwas: 
Salaithos, der Lacedämonier, der um diese zeit sich nach Mytilene 
hineinzuschleichen weiss, bringt die kunde mit, dass die Peloponne- 
sier daran sind, in Attika einzufallen und dass zu gleicher zeit 
auch Alkidas mit den 40 schiffen, as des PBonPjoas abroig, 25, 
25, in Mytilene zur stelle sein wird. Das erste geschieht wirk- 
lich. Die Peloponnesier fallen in Attica ein, siud auch, wie 
den vorigen herbst, mit ihrer walzenflotte am Isthmos (26, 36: 
auporeowdev FopuPovpevo:), um dem Alkidas vor den Athenern 
luft zu machen; aber obgleich er schon hinüber sein muss, 26, 9: 
ws nin nensoaswptrwur, auf die nachricht vom entsatz von Myti- 
lene warten sie immer vergebens. Das ist also ihr zweiter see- 
held, den die Lacedimonier im beginn des peloponnesischen krieges 
aufzuweisen haben. Vom 15. october etwa bis den 15. april hat 
er es glücklich fertig zu bringen gewusst (29, 7. 8: zeQ( te av- 
7)» r3» [edondvyysov tvdsétaswar, xa) xara toy Glory miovr 





Jahresberichte. 701 


CyoAatos xowodérrec), von Kyllene, vom westen des nördlichen 
Peloponnes in die nähe von Lesbos zu kommen, 7 tage später 
nachdem Mytilene über ist. Das faktum liegt vor, aber was ist 
der grund des langen zögerns und ausbleibens! So lange die 100 
schiffe der Athener in sce sind, darf er allerdings mit seinen 40 
schiffen sich im osten des Peloponnes nicht blicken lassen: aber 
wie lange sind diese athenischen schiffe am Isthmos? Wir haben 
gesehen, dass sie etwa den 15. august in see gehen, Den 15. 
september schicken die Athener die 1000 hopliten unter Paches 
als avregéra, nach Mytilene, wies in ähnlicher weise im Thuky- 
dides nie vorkömmt. Die 2000 hopliteo, welche die Athener nach- 
träglich nach Potidäa senden, «, 61, 21, gehen dahin in 40 schif- 
fen ab. Hier werden also nur fünf schiffe zur überfahrt verwendet, 
doch woll aus keinem andern grunde, als weil alles, was sie für 
den augenblick an schiffen disponibel haben, schon in gebrauch ist. 
Aber noch über den 15. september hinaus sind die 100 schiffe der 
Athener in see geblieben und hatten guten grund dazu, auch wenn 
die Peloponnesier bereits vom Isthmos nach hause gegangen waren. 
Denn die 100 schiffe waren nicht bloss zur &nlde&ıc da, wie wir 
gesehen haben, sie waren auch eine beobachtungsflotte für das pe- 
loponnesische walzengeschwader, das am Isthmos lag und bis in 
den frühling hinein dort liegeu bleibt. Daher es nicht ohne ab- 
sicht ist, wenn 16, 4 vou diesen Athenern ausdrücklich naga roy 
"Io9uov üvayuyovreg gesagt wird. Die worte aber 16, 15: dve- 
xwonoav de xoi ob “AFnruios tuig Exurov vavoly, dna?) xai Èxel- 
vovg tidov, zum beweise benutzen wollen, dass die Athener auch 
ihrerseits alsbald nach dem abzug der Lacedimonier vom Isthmos 
abgezogen seien, ist ohne berechtigung. Es steht nicht £uwQw», 
sondern #Îdor, nachdem sie auch jene hatten abziehen sehen. Zum 
wesentlichen unterschiede der tempora vergl. man: o, 13, 1; a, 
24, 29; a, 29, 18; a, 63, 10; «, 74, 10; a, 102, 7; a, 131, 
9; a, 137, 26 den aoristen gegenüber: a, 5, 11; a. 6, 3; a, 11, 
10; «, 18, 26; a, 26, 34; a, 28, 32; a, 29, 26; a, 30, 10; 
a, 39, 33; a, 46, 12; a, 49, 10; a, 50, 15; a, 50, 19; a, 
54, 28; a, 54, 32; a, 58, 20; a, 62, 22; a, 74, 19; a, 79, 7; 
a, 89, 5; a, 89, 16; n, 102, 17; «a, 125, 10; a, 126, 81; a, 
128, 16. Diese stellen aus « werden dazu genügen. Ueber den 
genaueren zeitpunkt, wann die Athener in wirklichkeit vom Isthmos 
abgezogen sind, sagen jene worte nichts aus. Nachdem Thuky- 
dides den abzug der Lacedimonier vom Isthmos berichtet hat, 16, 
12, nachdem sodann iu chronologischer ordnung, wie's immer ge- 
schieht, weiter erzählt ist, dass die Lacedümonier die hülfsflotte 
unter Alkidas rüsten und dazu das aufgebot an die eiuzelnen bun- 
desgenossen ergehen lassen (z. 13: xaza modes Ennyysllor), wird 
jetzt schon hiuzugefügt, dass auch die Athener auf den 100 schif- 
fen abgezogen sind, uud passend wird das hier schon augereiht, 





702 Jahresberichte. 


auch wenn es erst einige monate spüter geschehen sein wird, ein- 
mal weil ohne zweifel in dem 2z«dr, xai éxefvovg eldov der haupt- 
grund lag, warum die Athener nun auch ihrerseits an den abzug 
denken konnten, zweitens aber auch, weil dieser abzug der Athener 
für die fahrt des Alkidas bestimmend ist und also vorher schon 
erzählt sein musste. Aber wenn nicht schon den 15. september, 
gleich nach dem weggang der Lacedämonier vom lsthmos, wann 
sind sie denn wieder nach haus gezogen? Als mit dem anfang 
winters, also nach dem 29. september, Mytilene bereits eng eio- 
geschlossen war, Alkidas aber im osten des Peloponnes immer 
und immer nicht erschien, so dass von diesem für das heer vor 
Lesbos nichts mehr zu besorgen schien, sie vielmehr der baldigen 
einnahme von Mytilene entgegensehen konnten, wird sparsamkeit 
sie bewogen haben, ihre wacht am Isthmos aufzugeben und wieder 
nach hause zu gehen. Nach meiner meinung haben sie das den 
15. december gethan. Jedes schiff erfordert an sold für den mo- 
nat 1 talent, so haben die Athener also für diese 100 schiffe vom 
15. august bis zum 15. december, für diese vier monate, 400 ta- 
lente verwendet, ein aufwand, der auch dem schriftsteller bedeutend 
genug ist, um ihn nicht ohne bemerkung zu lassen. Unmittelbar 
nachdem am ende des 16. kapitels vom abzug der 100 schiffe be- 
richtet ist, wird zu dem inhalt von c. 17 übergegangen: wir sehen 
jetzt, wie schön sich das wie von selbst anschliesst und ganz wie 
in einem athem erzählt wird. Andrerseits ist aber dieser geld- 
punkt gerade ein beweis, dass die Athener nicht gleich nach dem 
abzug der Lacedümonier vom Isthmos auch ihrerseits schon nach 
einem monat wieder abgezogen sind, das hatte bloss 100 talente 
gekostet, immerhin ein aufwand, der aber schwerlich den schrift- 
steller hier zu seiner eingehenden bemerkung über die stantskasse 
veranlassen konnte, 

Ich kann mich jedes weitereu wortes enthalten, alles andere 
in der erzühlung ist von selbst klar. Man siebt ein, wenn der 
einfall der Peloponnesier im frühling dem Alkidas für seine fahrt 
luft machen soll, wie selbstverstándlich und nothwendig c. 26, 33, 
noch einmal bei dieser gelegenheit an diese sendung des Alkidas 
erinnert wird, natürlich auch hier wieder è78d7 mit dem aorist ; 
ebenso, wenn das ausbleiben des Alkidas die Athener zum abzug 
bewegt und erst ihr abzug wiederum ihm raum lässt, wie schón 
dies gegenseitige verhalten in dem évdcétgsway und cyodaios und 
den ebenso kurzen wie siguifikanten worten, c. 29, 8: rovg pér 
êx ıns mohews ' AInvalovg AavO'avovos ausgedrückt ist. Auch der 
wechsel, dass zuerst 40 schiffe, dann 42, und dann wieder 40 
schiffe des Alkidas angegeben werden, mag vielleicht darin seine 
einfache erklüruug finden, dass Alkidas ebenso wie später Gylip- 
pos è, 93, 4, mit zwei (lacedämonischen) schiffen zur flotte nach 
dem westen abgeht, diese danu aber, als er nach dem osten ber- 





» 


Jahresberichte. 703 


umgekommen ist, wieder zurückschickt. Aber man muss lieber 
nicht alles wissen wollen. 

Der chronologische zusammenhang der begebenheiten, um ihn 
nach dem berichte des Thukydides kurz zu resumiren, ist also die- 
ser: den 15. october tritt Alkidas seinen oberbefehl über die 40 
schiffe bei Kyllene, im nordwesten des Peloponnes an, während die 
Athener seit dem 15. august auf der éatdestsg sind. Weil er die 
Athener im osten in see weiss, bleibt er im westen, volle zwei 
monat, bis zum 15. december. Da kómmt er endlich um den Pe- 
loponnes herum, aber es ist ibm noch nicht recht geheuer (cyo- 
Autos xou09évreç); erst als die l'eloponnesier sich gegen den früh- 
ling wieder am Isthmos zum einfall in Attika versammeln, wagt er 
es, die nühe des Peloponnes zu verlassen und seine richtung, um 
doch nach Lesbos zu kommen, nordóstlich auf Delos zu nelimen 
(das heisst: noir d 17 Ania Ëcyor), muss aber freilich alsbald 
zwischen Mykonos und Ikaros erfahren, dass er zu spät und My- 
tilene bereits genommen ist. 

Wenn man, wie Müller-Strübing hier, sich nicht die mübe 
giebt, den worten des schriftstellers nachzudenken, dabei am con- 
jekturalfieber krank ist und statt vorläufigen glauben an den schrift- 
steller und dessen text glauben an einen einfáltigen grammatiker 
und an ein handexemplar mitbringt, so ist's freilich natürlich, dass 
man von vorneherein alles gänzlich missversteht und auch bei sei- 
nen conjekturen selbst das nächstliegende übersieht. Dass Alkidas 
keinen grund hat, wegen wachtposten bei Salamis oder am Pei- 
räeus, die immer dort sind, oder wegen beliebiger lootsen monate- 
lang westlich vom Peloponnes zu bleiben, ist oben schon bemerkt 
worden. Dann wird aus weiss schwarz, aus oyodaîos sein gegen- 
theil ozovdaio, gemacht, dabei aber wieder übersehen, dass dann 
nicht ze — xaf, sondern nothwendig ui» — dé — megi uiv ai- 
rijv rjv Îlelonovynoor èvditiorpuv, xuta dé Tüv &Aloy miovy 
onovdaloı xopsoFévtec) gesagt sein müsste; zuletzt 17 4720 in 
iv 77 Mio geändert, und wieder nicht gesehen, dass Alkidas 
doch unmöglich besorgen kann, auf einer überfahrt nach Melos 
von Salamis oder dem Peiräeus aus erspüht zu werden, oder dass 
lootsen doch nicht von Athen nach Melos hinausgehen, um be- 
freundete schiffe in die athenischen büfen zu bringeu. Aber wer 
hat neigung, sich all diesen nebel länger auzusehen; nur wissen 
mócbte ich, wie Müller-Strübing glauben kann, diese philologie 
einem denkenden menschen eiuzureden. Das vermag auch all die 
bezaubernde frische der rede, an der man seiu ergótzen hat, nim- 
mer zu weg zu bringen. 

Auch die erzühlung von der weiteren fahrt des Alkidas wird 
vou Müller-Strübing nicht verstanden. Schon andere haben in die- 
ser partie gleichfalls aus missverstand eilig geündert; Müller-Strü- 
bing billigt diese conjekturen, zieht seine weitere folgerung und 





704 Jahresberichte. 


bringt dann seinerseits, um einen vermeinten grossartigen uusina 
wegzuschaffen, eine neue conjektur hinzu. Zu c. 31, 33 hatte 
Madvig in seinen Animadd. 1, 315 bemerkt: x«i oi déoBsos Evp- 
nAfoyres magnvour. Non Lesbii universi una navigantes  hortati 
sunt, sed Lesbii ii, qui una navigabant , hoc est, duabus litteris 
geminatis, ob A€oBsos où EvurAtorres. Dieses zweite of hat Clas- 
sen schon in den text gesetzt und Müller - Strübing billigt das. 
Zunächst ist klar, dass Sup nh fovees eben so gut auf die addos dé 
vec tov an’ Iwrlas guyadwy wie auf oi Æéofsos seinen bezug 
hat. Bleibt die stelle, wie sie überliefert ist, so sind of _A4fofsos 
die Lesbier, die man schon aus der vorhergebenden erzählung 
kennt, also die Lesbier, die in Olympia gewesen sind, die, wie 
wir hier sehen, den Lacedämoniern nicht von der seite weichen, in 
Sparta fortgesetzt für die hülfe ihrer insel wirken und dann sogar, 
unterstützt von flüchtlingen aus lonien, mit dem Alkidas nach dem 
westen vom Peloponnes abgehen, um auch bei den bundesgenossen für 
die beschleunigung der flottensendung thätig zu sein. Und um 
diese schöne notiz sollen wir uns durch das eingeschobene oi brin- 
gen lassen und um die freude, zu sehen, was der schriftsteller in 
seiner kurzen weise zu erzählen weiss. Mit einer zweiten ände- 
rung, die Classen hier vorschlägt, ist Müller - Strübing gleichfalls 
einverstanden. Classen meint, dass die worte c. 32, 18: OQUYTES 
yag Tus vavg ob dv Quos 00x Epeuyor HU meoceyweovy paà- 
dov we "Arraig, xai dÀn(da ovd? ud flaylorny elyoy un mort 
* A9nvalwv ing 9aÀacongg xgurovvıwv vais Helonovrnolwr è "Io- 
vlay nagafudsiv, versetzt sind und unmittelbar nach zovg xoldovc 
z. 9 gehören. ,,Der schlusssatz des capitels, sagt er, enthält nicht 
die begründung der unmittelbar voraufgehenden worte: Xlwv ar- 
doug öcovs elyev En agixev, xal rar adiwy rivage. Aber er be- 
gründet ja, und ohne ihn hätten wir für das xai rw» GAdAwy roves 
kein verständniss. Denn warum lässt er bloss einige frei, und 
nicht alle, die er aufgegriffen hat? Dieser satz giebt die antwort 
darauf. Frei giebt er nach den ihm gemachten vorstellungen von 
den aufgegriffenen die ovre ysigag arrasgoutvovs ovre Todepslovs ; 
aber dass und warum auch andere als gerade solche ihm in die 
hünde gefallen waren, ist eben der inhalt dieses erklärenden satzes, 
der ja nur das sagen will, warum selbst wirklich feindlich ge- 
sinnte, treue bundesgenossen der Athener vor ihm nicht die flucht 
ergriffen hatten. Ueberdies hält auch der name 6 *Adxidag c. 33, 
22, wie man sieht, die worte an ihrer stelle fest. Dass er den 
namen hier streichen muss, wenn er die worte mit Classen ver- 
setzt, hat übrigens Müller-Strübing richtig erkannt. 

Doch kommen wir von diesen kleinen scharmützeln zur haupt- 
affaire auf der weiterfahrt des Alkidas. Weil Müller - Strübing c. 
32, 10 das êç zu» “Eqecoy xuSoguicauérou nicht versteht, weiss 
er sich mit recht in alles, was Thukydides weiter erzählt, nicht 





Jahresberichte. 705 


zu finden; für jenes êç zn» "Eyecov schlägt er daher ds rh» Ko- 
0n700v vor, will natürlich daun auch für and di rj; ’Ey£oov c. 
33, 22: aad dé 175 Kopnoov, uud kümmt schliesslich dazu, das 
ganze von c. 33, 23—33: woIn yao $nó 175 Sudausvlag xoi 
fluguiov En negi Kiupov óguav (ul d' aw "Adnrdr Ervyov nÀ- 
ovous), xai dediwo ijv Olwksr Ende dia rov neduyovs we yj 
Exovosog ov oynowv aAAn 7 [lelonovviow rd dé Muynte xai Toig 
"Adnvalois 7498 uiv xui ano Epu9galag ciyyedla, apexveito dé 
xoi xavrayóO:v: ateylorow yàg ovons ıng lwv(ag péyu 16 déos 
éyéveto pn maguratories où [lehonovviosos, el zul wg un deero- 
ovvro pére, moodwow dpa noogn(ziovit; tag nodes. avtuy- 
ytÀos O° avróy idovous dv 17 Kiugw n te [uguños xui n Zuda- 
perla Épouour, wie man das auch an einer sprachlichen unzuträg- 
lichkeit soll erkennen können, für eiue interpolation, aber hurmloser 
natur zu halten. In der hauptsache halte ich alles, was Müller- 
Strübing vou p. 126—136 vorträgt, für ein ganzliches missver- 
stehen, aber doch sind diese zehn seiten gegen die bisherigen 
interpreten nicht ohne berechtigung. Denn wie konnten sie über 
jenen ausdruck é¢ zi» "Epecor xudogusouuérou stumm bleiben? 
Wenn sie thn auch richtig verstanden, was ich aber ihres still- 
schweigeus wegen bezweifele, wäre es nicht gut gethan gewesen, 
wenigstens mit einem worte vor missverständniss zu bewahren? 
Allerdings hätte Müller-Strübing auch ohne erklürer auf die rich- 
tige fährte kommen sollen. Aber was nun thun? Soll ich Müller- 
Strübing hier schritt für schritt auf seinem irrwege folgen? Das 
dürfte für audre leicht zu ermüdend werden, auch bedarf es dessen 
zum verstündniss des schriftstellers nicht. Ich begnüge mich, die 
hauptpunkte auf dieser fahrt des Alkidas zu erklaren, das übrige 
stellt sich dann von selber ins licht. 

Von Embaton also an der küste hinfahrend (52, 8: nupfnis) 
kómmt Alkidas hinüber nach Myonnesos, Von hier, wo er die auf 
der see aufgegriffenen gefangenen der mehrzahl nach umbriugen 
lasst, segelt er um das vorgebirge Myonnesos herum weiter am 
laude hin und gelangt so in die kaystrische bucht, in deren inne- 
rem winkel Ephesos gelegen ist. Als er hier in der richtung nach 
Ephesos vor anker gegangen ist, z. 10: & rz» Epecor xudog- 
pssuptrov a)rov, noch in der gegend von Klaros, c. 33, 24: £r 
négi KAugorv dguwv, wird er von den atheuischen staatsschiffen 
gesehen und hat jetzt nichts eiligeres zu thun als sogleich die 
weiterfahrt au der küste gen Ephesos hin zu verlassen, schleunig 
mitten durch die offene see (z. 23: xur« rdyog, z. 20: dix rob 
neluyous) die flucht zu ergreifen und so schnell wie möglich hin- 
über nach der peloponnesischen küste zu kommen. Die worte: èç 
ınv Epecoy xaSoqpicuptrov avrov übersetzt Müller-Strübing p. 
128: ,uud als er in Ephesos vor anker gegangen war“, aber das 
ist das mgwroy weudog, der ursprung alles weiteren missverstehens. 


Philologus. XLII. bd. 4. Al 


Sì nn 


706 | Jahresberichte. 


Was die worte in wahrheit bedeuten, ist aus andern stellen des 
schriftstellers klar genug. 9, 34, 7 schreibt er: drrevder d’ vere 
gow dc any Atoßov xaPoguscuuevos nagecxevcdlorte Es tow WIIK- 
pov. Von einem in Lesbos ist dort ebenso wenig die rede, wie 
hier von einem in Ephesos. Die nach Chios bestimmten schiffe 
suchen, von einem unwetter erfasst, schutz erst im phoivikuntischen 
hafen unter dem Mimas, segeln dann vorläufig, natürlich zur grös- 
sero sicherheit nach Lesbos hinüber und legen sich dort, im an- 
gesicht von Lesbos, vor anker, um hernach, wie's beschlossen 
war, wieder nach Chios zu gehen. Hätte Thukydides hier an 
einen lesbischen hafen gedacht, so würde er nach seiner weise die- 
sen speciell, Mytilene oder was sonst, genannt haben. Auch später 
c. 38, 33 heisst es ebenso wieder: oi d’ ix tig Afofov ’A9n- 
vuios dn dtaBeByxores dg tiv Xlov . . . Æshpirsor erelysor. 
Auch d, 45, 29 ist der ausdruck xadogpuscaperos in bezug auf 
das vorhergehende i; Koouuvwra ıng KooirHus ebenso zu ver- 
stehen. Krommyon ist korinthischer besitz und bleibt es, von einer 
einnahme durch die Athener ist hier nichts gesagt, also bedeutet 
xx Sogueouueros auch hier wieder, nicht dass die Athener in Krom- 
myon, sondern dass sie Krommyon gegenüber, im ange 
sicht von Krommyon vor anker gegangen sind. Mit é ri» 
"Egecor xa909uicauévovr ist also bloss die veränderte richtung aus- 
gedrückt, die Alkidas inzwischen von Myonnesos um das vorge- 
birge Myonnesos herum genommen hat. Dieser gegensatz der einen 
richtung gegen die andere ist auch der grund, warum Thukydides 
hier ig 13» "Eyecor, und nicht schlechtweg "2c "Eysoov schreibt. 
Wo solcher gegensatz nicht da ist, und wo es sich um blosse nen- 
nung der stadt handelt, heisst es, wie's die regel ist (s. Philol. 
XL, p. 372 ff), "Eyeoov ohne artikel: «, 137, 17; d, 50, 15; 
9, 109, 18; 9, 19, 9: Epevyor us u£v vot ic Eyesor, al di 
Aoınul éxi 176 Téw, wo Tiw, weil es zu 2; "Eysoor in den ge- 
gensatz tritt, auch seinen nothwendigen artikel hat, der aus dem- 
selben grunde auch in unsrer erzähluug c. 29, 9. 10 nicht fehlen 
darf. C. 33, 22 aber steht dno dè rj; ’Egéoov, weil es vorher 
schon genannt war. Ist aber mit dc rz» "Egecor rxadoppscaptrov 
bloss die richtung der fahrt angegeben, so hindert nichts, das fol- 
gende fi negi Alagor oguwr in c. 33, 24 der sache nach für 
dasselbe zu nehmen. Ja es wird eins und dasselbe sein, weil ja 
gesagt ist, dass Alkidas, so wie er noch nicht weiter als einige 
stunden wegs bis nach Klaros gekommen (#7) und dort von den 
athenischen staatsschiffen gesehen war, xotà roxyoc sich auf die 
flucht gemacht hat. Die lesart AA«gov hier und à» 17 KAago 3. 
33 unterliegt also sachlich , wie man sieht, nicht dem leisesten 
zweifel. Auch sprachlich ist z. 24: 759i) "Ixagor unmöglich, weil 
ohne artikel hier der name in der erzählung zuerst genannt sein 
muss, Alkidas het sich alao sogleich aus der kaystrischen bucht 





Jabresberichte. 707 


dia 100 neAuyovg nördlich von Samos und Ikaros aus dem staube 
gemacht, und sich nicht in die inselstrasse zwischen Samos und 
Ikarus begeben, nicht also dahin, wo ihn Paches auf dem direkt 
südlichen wege nach Patmos suchte und demzufolge auch verfehlen 
musste. Aurayyedos endlich z. 32, au dem Müller-Strübing allerlei 
fioden môchte, wird vor jedem uuparteiischen richter seine verthei- 
digung schon selber führen. 

So giebt es also in den mytilenäischen dingen von dem „harm- 
losen interpolator*, den Miiller-Striibing uns nachweisen wollte, in 
wirklichkeit keine spur. Aber noch ein ganz andrer, einer der 
schlimmsten sorte soll hier im texte versteckt sein und seine hand 
im spiele gehabt haben. „Ganz andrer art, heisst es p. 149, sind 
die interpolationen, die ich jetzt nachzuweisen versuchen will. Es 
sind dies die falschungen eines blutdürstigen verleumders und sie 
betreffen die bestrafuug der von Athen abgefallenen Mytilenäer“, 
Es handelt sich also um den bericht, wie er im texte y, 50, 7 —17 
gegeben ist: roug d’ addovg avdgus oùs 6 lláygg anéneppev we 
uluwitrovg Orrug tig amocracewg KA£wvos yrwun diíq9tigav ob 
> AInvaior jour dé oAly~ nieloug yiAlwy. xui Mutsdnvulwy zelyn 
xaJtilov xal vavg nagéAafov. vorsgor dè pogor uiv ovx Eru£ur 
AcBioss, xdygoug dà mosnourtes tig yng mAny Mndvuraiwr tQug- 
gudlovs Tgsuxooloug uiv roig Feoig lsgous dfeilor, End dé toùg 
Ghhovg Opwy avtwy xAngouyous rovg Aaydvras ünínsuwav olg 
ágyvQiov Atoßıos 1«Eautvos rov. xAngou éxuorou tov Enuviod 
duo prac qíguv avioi eley&torio ri yr». Auf nahe an 100 seiten, 
von p. 149—243 soll's dargethan werden, einmal, dass es nicht 
wahr sein kann, was der bericht von 1000 hingerichteten Mytile- 
näern erzählt, ebensowenig dass das ganze Lesbos mit ausnahme 
des gebiets von Methymna in loosen an die attischen kleruchen 
vertheilt worden ist. Nicht tausend und wenige mehr, sondern 
schwerlich hundert und einige seien von Paches nach Athen ge- 
schickt worden (p. 226) und, heisst es p. 197: ,,nachdem der an- 
trag des Diodotos, über die von Paches als schuldig nach Athen 
geschickten männer in ruhe zu gericht zu sitzen, einmal angenom- 
men war, da war ilr leben gerettet, es müssten denn welche unter 
ibnen gewesen sein, die ausser der politischen schuld auch mensch- 
lich empörende verbrechen begangen hatten. . . Doch das können 
nur ausuahmsfálle gewesen sein, die übrigen sind sicherlich frei 
gesprochen, wenigstens nicht zum tode verurtheilt worden“, und 
nicht ganz Lesbos mit ausnahme von Methymaa, sondern nur der 
landbesitz von etwa 30 bis 40 edelleuten sei confiscirt und an die 
attischen kleruchen ausgetheilt worden (p. 227). Und woher hat 
Müller-Strübing das alles? Ja freilich , wenn's eiu andres klares 
zuverlässiges wort darüber gäbe, dann wären nicht 100 seiten nö- 
thig. Aber es giebt ja eine moderne historische kritik, die aus 
dem vollen schöpft, die ,,die geistige luft, so zu sagen, die man in 


Wi? 





708 Jahresberichte. 


Athen athmete, sich lebhaft vergegenwärtigt“, und aus sich selber 
weiss, was sein, was nicht sein kann. Das ist ja gerade das won- 
negefühl des schaffens, aus nichts etwas zu machen, der triumph, 
gleich von vorneherein den bösewicht, der bewusst so scheusslich 
in der überlieferung gewirthschaftet hat, zu erkennen und ibm die 
larve herunterzuziehen. Aber die sache hat ihre gefahr, wenn das 
selbstvertrauen stark ist und der eifer blind macht. Dann drebt 
der spiess sich wohl einmal um, und aus dem anwalt mit dem 
guten herzen, der „den dunkelsten blutflecken in der geschichte des 
athenischen demos tilgen“ und gern „einen theil des dankes, den 
wir alle dem athenischeu volke schulden, so viel an ihm ist, ab- 
tragen‘ möchte, kann auch der rabulist werden, vor dessen alles 
möglich machenden combinationen documente nichts sind und der 
mit seinen ,,rettungen*, wenn's auf ihn ankömmt, in den texten 
ein unheil anrichtete, neben dem alles, was wir bisher an interpo- 
lationen wirklich erlebt haben, ein unschuldiges kinderspiel wäre. 
Aber zur sache!  Für's erste also die tausend und die hinrichtung. 

Gesetzt, es wäre uns bei dieser gelegenheit die zahl nicht 
überliefert und man hätte sich die frage vorzulegen, wie viele es 
denn wohl gewesen sein werden, die Paches nach Athen geschickt 
hat, so würde jeder, welcher der durchsichtigen erzählung aufmerksam 
gefolgt ist, nicht anders können, als in allgemeiner schätzung schon 
von selbst auf solche zahl zu kommen. Die Athener schicken 
gleich anfangs, wie sie von dem vorhaben der Mytilenäer erfahren, 
40 schiffe nach Lesbos 5); weil das aber nicht reicht, schicken sie 


5) Die beschreibung der órtlichkeit, wie Thukydides sie von My- 
tilene giebt, ist so deutlich wie man sie nur wünschen kann, es fehlt 
kein strich. Wenn Swoboda (Thukydideische quellenstudien, Inns- 
bruck 1881, p. 61 ff.) sich nach ihr kein bild entwerfen kann, ja so- 
gar behauptet, Thukydides sei selbst nie aut Lesbos gewesen, und von 
einem offenbaren irrthum spricht, den Thukydides hier begangen habe. 
so kómmt das auf seine rechnung und die der vorgünger, die ihn ver- 
leitet haben. Aber es war doch eine starke voraussetzung anzuneb- 
men, Tbukydides habe Lesbos nie selbst gesehen, die insel, die in 
drei tagen zu erreichen war und deren abfall ein integrirender theil 
seiner erzihlung war. Das missverständuiss, auf dem hier die an- 
klage gegen Thukydides beruht, liegt einzig darin, dass man das 
Malea in den worten c. 4, 22: of wouour iv tjj Malée, von dem süd- 
östl. vorgebirge von Lesbos verstand, das er ja offenbar nicht meinen 
konnte, wenn er neues Bopéay 175 noleme hinzusetzt. Stahl ist auf den 
gedanken gekommen, um doch an das südöstl. vorgebirge, das man 
sich hier nun einmal eingeredet hatte, denken zu können, die worte: 
of wpuovr iv ın Malte, durch ein komma von dem folgenden moo; 
Bopiav tus nodews zu trennen, aber wo in aller welt hat ein Grieche 
und nun gar Thukydides solche sätze gemacht wie diesen: é» tovt 
di anoorillovcs xai dg Aaxedaiuova notofess tosyoes, Aadovtesg tò vov 
"M9nvaiwv vavuxór , of wouovy évig Maléc, noûs Bogéav tas moÀseg? 
Als wenn die Griechen kommata gebraucht und dadurch einem nichts- 
nutzigen stil nachgeholfen hätten. Es wur schön von Swoboda, dass 





Jahresberichte, 709 


später noch tausend hopliten nach. Also haben sie jetzt ausser 
ihrer schiffsbemannung eine streitmacht von etwa 1500 hopliten in's 


er solcher auslegung nicht zugestimmt hat. Also durch den zusatz 
"ngog Bogéav mo nédews hat Thukydides auf's deutlichste gesagt, dass 
dieses sein Malea im norden der stadt lag. Aber auch ohne das 
musste jeder sich sagen, dass hier das südöstliche vorgebirge nicht 
gemeint sein kann. Das lag 70 stadien, fast zwei deutsche meilen 
von der stadt entfernt, und wenn es gleich darnach heisst 6, 11: xe$ 
tov égóguovc én’ dugotégoig toss sudo &nosoU vto, und hier wieder 
z. 16: vavotaduoy di uGliov pv adtois nloiwr xai ayoods 5 Malta, 80 
wird man sich doch das thórichte nicht vorstellen wollen, dass sie 
die enge einschliessung der stadt und die blokade der beiden hüfen 
aus zwei meilen distanz vorgenommen haben. Ich will's kurz ma- 
chen. Von dem südöstl. vorgebirge spricht Thukydides in der ganzen 
erziblung mit keiner silbe. Sein Malea ist die kleine insel (vyoto», 
Strab.) mit einer gleichnamigen «xge, auf der das alte Mytilene lag, 
und die sache ist diese. An der stelle des alten Mytilene war das 
heiligthum des Apollon, daher 4nzólio» Malces geheissen, wie auch 
der nördliche bafen Malösıs hiess (Aristot.) An der alten gehei- 
ligten stelle, do rc nölswos war, wie natürlich, die festfeier haften 
geblieben, und so sollte die zeit dieser festfeier von den Athenern 
benutzt werden. War die ganze bevölkerung (navdnusi) über die 
schöne brücke, welche die insel mit der stadt verband (Longus) auf 
die insel gezogen, so brauchten die Athener, wenn's glücken sollte, 
bloss in den nördlichen haufen, zu dem ein zugang offen gelassen war 
(éxndovs), einzulaufen, die brücke zu besetzen, die bevölkerung war 
dann abgefangen und mit der überrumpelung würe es gelungen. Aber 
es gelang nicht. Die Mytilenäer hatten von der absicht erfahren, 
waren nicht auf die insel hinausgezogen und hielten auch schon den 
zugang zum nördlichen hafen gesperrt. Die Athener gehen nun an 
der insel am nördlichen hafen vor anker, während der südliche hafen 
für den augenblick noch offen bleibt (4, 20: 4» roùrw de anoorellovos 
xai ds Aaxıdaluova notsfess tosros), dann aber, nach der ersten ver- 
bandlung mit den Mytilenüern, ziehen sie sich auch nach dem süd- 
lichen hafen herum (6, 9: xai repiopusodueros Td ngog vótor Tc n0- 
dews), befestigen jetzt ihre beiden lager éxearzépmSer rj; modews, im 
norden und süden der stadt, blokiren die beiden häfen (x«i rove &q.óp- 

ovs én’ dugorégosc 1oig lsuéciy Enosoëvro), doch so dass ihr eigent- 
liches schiffslager für zufuhr und verkehr (adoswy xai ayoods) an ihrer 
ursprünglichen stellung bei Malea verbleibt (uaAAov) Man muss doch 
sagen, das versteht sich alles schon recht gut, auch ohne dass Thuky- 
dides seiner erzählung eine topographische karte (Swoboda) beige- 
geben hat. Aber woher weiss ich denn, und ist es nicht eine blosse 
annahme von mir, dass es ein Malea im norden der stadt gegeben 
hat und dass Thukydides dieses bier meint? Ich könnte erwiedern, 
Thukydides sagt es ja selbst, wir lesen ja bei ibm: # 17 Madég noûs 
Bogéar ıns nodews. Mir wire schon das vollkommen genug. Was 
zwingt mich denn, überhaupt an das hier ganz unmögliche südöst- 
liche vorgebirge zu denken, das zufällig mit jenem und anderen den- 
selben namen führt? Aber zum glück kennt nicht bloss Thukydides 
das nórdliche Malea, auch Xenophon kennt es; aber leider haben 
auch bei diesem schon die ausleger das ihrige gethan, dass, weil sie, 
auch Xenophon es nicht kennen soll. Bei Xenophon heisst es Hell. 





710 Jahresberichte. 


feld zu stellen. Natürlich ist diese nach der stürke der gegner 
berechnet, so werden wir also bei diesen etwa das gleiche an bo- 
pliten oder etwas weniger, 1400— 1500 hopliten vorauszusetzen 
haben, Das also waren die durazol, die dAlyos auf Lesbos. Aber 
unter sich einig waren auch diese nicht, auch unter ibnen gab es 
solche, die vom abfall von Athen nicht in gleicher weise erbaut 
waren und gegen die andern in einer oruoç standen (y, 2, 9). 
Aber sie waren die minderzall, die gegen die enragirten nicht auf- 
kommen konnte. Rechnen wir sie etwa zu 500, so bleiben von den 
6à(yos etwa 1000 nach, die uns in der erzühlung als of d» roig 
nouypaow (28, 23), als die alııwıaıos 175 unocıaosws (50, 8), 
als of ngufuvteg nous 1oùç Auxeduiporfove pudcia ru» Muu- 
Anvufwy (28, 33) bezeichnet werden. Offenbar geben hier die 
worte oi avutaries bis Mursdgralwr ein ganzes, so zu sagen 
einen begriff, und Müller- Strübing hat recht, wenn er ualıcıa 
zu ot nou£urzes, und nicht wie Holzapfel p. 460, aum. 3 thut, 
zum folgenden zeygidecig Ovieg zieht. Es wäre schon gar keine 
sprache mehr, die solchen bezug zweifelhaft liesse, am allerwenig- 
sten die sprache des Thukydides. Mudsora kann dem begriffe, den 
es verstärken soll, vorangehen oder nachfolgen. OL dé (nça£uvreç 
gos rovg Auxedumorlous pudlsora) wy Muiudnvatwy aber bilden 
einen verband, und was dazwischen steht, gehürt eben zu diesem. 
Aufs folgende bezogen brächte ualsora zu negıdesig eine verstär- 
kung, die dieses durchaus nicht nöthig hat; in zrgideetg steckt 
phis schon ohne das. Diese ngasarıss 1005 rovg Aaxedas- 
morlous uadiciu twv Monáqratov, also alle die der oAfyos, die 
am eifrigsten den abfall von Athen betrieben, stehen im gegensatz 
gegen die übrigen oAfyo., denen der abfall von Athen entweder 
überhaupt nicht recht, oder für den augenblick nicht recht war (2, 
2— 10). Und diesen beiden parteien der dAfyos steht als ganzem 
der demos gegenüber. Auch bevor der Lacedümonier Salaithos 
diesem demos hoplitenbewaffoung giebt, um ilo im felde verwenden 
zu können (27, 17: ondlCes 10 duo» ngórtgo» wuÀov ovra ws 


1, 6, 26 vom Kallikratidas: édesnvonossiro Tic 4éofov ini vj Malig 
xo dvtioy mo Merwvdnyng, und z. 27 von den Athenern: Zreyer 
d'esnvonosoduevos tv Tais Apyswovcass‘ avtas "d' eloîv dyriov tHe 4£ofov 
ini 15 Malte Gxoe, an welcheu worten in alter und neuer zeit viel 
versucht und geündert ist. Hier sind also beide Malea neben ein- 
&nder genannt, das eine nórdliche Mytilene gegenüber, das andre 
Lesbos beim vorgebirge Malea gegenüber, wobei in diesem zweiten 
fall, weil es an einem andern orte fehlte, nur die allgemeine be- 
zeichnung Lesbos angegeben und durch das beigegebene éné ty Maléa 
äxug specialisirt wird Es ist mir eine freude und genugthuung, dass 
wenigstens einer, und zumal der, der unter den heutigen Lesbos wohl 
&m besten kennt, Conze, gegen des Thukydides darstellung nichts 
einzuwenden bat, im gegentheil sogar die klarbeit seiner schilderung 
rühmend hervorhebt. 





Jabresberichte. 711 


inıkıwr xoi; “AInvalos), ist der demos an der vertheidigung ge- 
gen die Athener nicht ganz unbetheiligt gewesen; man sieht das 
an dem g07200» sAör Oria, man sieht es auch an den worten 
des Kleon 39, 21: navies yóQ nuiv ye duolwg ènédevio, olg y 
v Og Quads tgemopévoss vuv nudsv dv 1) nodss EF- 
pus alla Tov pera twv ÖAlywv xlvdurov nyqouperos Be- 
Basoregor Evrantcincar. Aber diese worte sind bis jetzt von den 
auslegern noch nicht verstanden. Sie sind ganz in ihrer eigent- 
lichsten bedeutung zu fassen. Kleon will sagen und behauptet: 
der demos konnte sich zu uns schlagen, d. h. aus der stadt zu uns 
herauskommen, so hätten wir als sieger ihn wieder in die stadt 
zurückgebracht. Es ist als wenn die vertheidigung bei Antiphon 
76 auf diese anklage des Kleon, die freilich nahe genug lag, 
rücksicht genommen hatte, wenn der solo hier von seinem vater 
sagt: énesdy dé y nuls oA xuxwg eBovisvouto unogiùca xai 
Luagié Ing vuertoas yrwung, meta Ing moAswg OÀgg jvayxacOm 
GureEupagueiv. iv pèv ovy yruunr Eri xai Ev Éxeivoig Guosog nV 
els vuüg, 19» d’ surosav oùxére nr En’ exsivep ijv avımy elg owas 
nugéger. ovıs yug ExAıneiv ınv wodev edQoruws elyer avidi 
ixuva yao nv ia evéyugu & elyeio avzov, of te muideg xai 1d 
XQnuaera* trovo d’ av (die evrosa) uévovis ngóg ty nos udvid 
aduvaiws elyer loyvolleodus. Also die stadt konnte der vater 
nicht verlassen, mochte er uun zu jenen ÖA/yos, die nicht abfallen 
wollten, oder zum Athen freundlichen demos gehören; blieb er aber, 
so war es um den beweis seiner Athen freundlichen gesinnung ge- 
thao, Gegen meine auffassung der worte kann man nicht an- 
fubren, dass der demos ja auch jetzt in der stadt ist. Gewiss ist 
er das, aber nicht vo» zaÀ». An diesem ausdruck sieht man, dass 
der gedanke mit &&r» seinen ausgang von jener zeit nimmt, wo 
noch die möglichkeit war, die stadt zu verlassen, und auch zu je- 
ner zeit zurückgeht; es heisst also: sie konnten damuls die stadt 
verlassen und sich sagen, dass sie jetzt wieder, hernach wieder 
darin sein würden. Mit der bürgerzahl des demos, wie stark die- 
ser gewesen, haben wir es hier noch nicht zu thun, später wird 
uns auch diese frage dienen können. Dass aber die eigentlich 
schuldigen unter deu öAlyos, die wir eben auf 1000 berechnet 
haben, wenigstens eiue grössere zahl gewesen, nicht wenige 30 
oder 40, wie Müller-Strübing will, lässt sich zweitens aus folgen- 
dem umstand schliessen. Als das athener beer nach geschlossener 
übereinkunft in die stadt einrückt, halten es die, welche den abfall 
hauptsächlich betrieben hatten (nicht, wie Müller-Strübing p. 151 
und p. 179 sagt: ,,die hauptleiter der verhandlungen“) nicht aus, 
ovx jvécyorvto, vermögen es nicht über sich, das kummande abzu- 
warten, sondern fliehen an die altàre. Paches giebt ihnen neue 
zusicherung, wodurch sie bewogen werden, die altäre zu verlassen, 
und bringt sie auf die gut athenisch gesinnte insel Tenedos (2, 7) 





712 Jahresberichte. 


in sicherheit, 28, 33—1. Dazu fragt Müller-Strübing p. 151: 
„warum geschah das nun? Warum setzten sich die hauptschal- 
digen als schutzflehende auf die altäret — Fürchteten sie, die Athe- 
ner würden die eben abgeschlossene capitulation sofort brechen und 
sie niedermachen? Wohl schwerlich! Ich glaube vielmehr, sie 
fürchteten sich vor der rache ihrer eignen mitbürger, und um sie 
vor dieser zu schützen, liess Paches sie nach Tenedus bringen, als 
er sich mit der flotte für einige zeit von Lesbos entfernte*. Schlimm, 
weun er das glaubt und sich seine eigene geschichte macht, und 
sich mehr glaubt als dem Thukydides, der mit den deutlichsten 
worten sagt, einmal, dass ihre betheiligung am abfall sie in die 
angst gesetzt hat, dann, dass beim einzug der Athener diese angst 
auf eine unertrügliche höhe gestiegen ist, und zuletzt dass sie trotz 
der übereinkunft (ópwc) an die altäre geflohen sind. Also nicht 
vor dem demos bringt Paches die schuldigen in sicherheit nach dem 
zuverlüssigen Tenedos; und wenn nicht vor diesem, dann doch of- 
fenbar für sich selber. Einige wenige aber konnte er auf dem 
ersten besten seiner schiffe sicher und ohne heschwer in ver- 
wahrung halten, aber die ganze schuldige oligarchie, tausend und 
mehr, hat er sehr natürlich vorläufig, wenn es etwa für ihn noch 
weiteres zu thun geben sollte, wie es bald darauf wirklich ge- 
schah, wach der benachbarten insel geschafft, wie 100 geiseln der 
Samier nach Lemnos in verwabrung gegeben werden, «, 115, 15, 
die geiseln von 11 lakonischen ortschaften, gewiss einige hundert, 
nach Kytinion, y, 101, 31 ff., 300 Argiver auf benachbarte in- 
seln, ¢, 84, 19, 400 Kerkyräer auf die dem Heräon gegeniiber- 
liegende insel, y, 75, 38, die auch, ebenso wie hier, vorher alle 
als schutzflehende zum heiligthum geflüchtet waren. Aber mag dem 
sein, wie ihm wolle, ich bescheide mich hier gern; aber dass drit- 
tens in den reden des Kleon und des Diodotos mit dem gegensatz 
gegen den demos nicht einige wenige, nicht 30 oder 40, sondern 
die ganze oligarchie auf Lesbos gemeint ist, ist sogleich auf den 
ersten blick zu sehen. Bewegen sich doch beide reden nur um die- 
sen gegensatz, nur um die frage, ob man die oligarchen allein 
tódten soll, oder auch den demos mit ihnen. Wenn Kleon nichts 
anderes will, als den früheren beschluss aufrecht erhalten, und jetzt 
sagt, 39, 20: xai um roig uiv Odlyoss n alıla ngogre9g, 10». di 
Ónuov &noÀvOQgte, so ist doch nothwendig, dass diese worte den 
inhalt des früheren beschlusses wiedergeben, wie er 36, 9 ange- 
geben ist: ov 100 c nagovroc poror anoxtésivas GAMA xal 1006 
unarıug Myrinvalovs 000 nBwosv, dass also die öAfyos, wie er 
sie jetzt bezeichnet, der volle und ganze gegensatz gegen den de- 
mos, eben jene zugorres des heschlusses sind, die männer, oùs o 
Thiyng áné£nspwer wo ulriwruiovs ortug tg anootucews, 50, 7, 
also nicht 30 oder 40, sondern der grösste theil des heeres, das 
anfänglich gegen die Athener im felde gestandeu. Und eben so ist 





Jahresberichte. 713 


es in der rede des Diodotos. Die, welche Paches herübergeschickt 
hat, 48, 17: MutAnratwy otc piv lháypgg antreuyper wg adı- 
xovviag, stellt auch er, wie Kleon, als ganzes dem demos gegen- 
über, sie sind uuch ibm ein lieer, mit dem aber der demos, wie er 
gegen Kleon (39, 21. 23) behauptet, nicht gemeinsame sache ge- 
macht hat (47, 1). 

Dass also schon nach der erzühlung des Thukydides die von 
Paches herübergeschickten in der hauptsache dieselben gewesen 
sind, mit denen die Athener ursprünglich gekämpft haben, also ge- 
wiss auf ein heer von 1000 und mehr zu schätzen, leidet wohl 
keinen zweifel, und man gebrauchte, um sich das zu sagen, seine 
nachträgliche angabe kaum. Und auch die schliessliche hinrichtung 
dieser 1000 lesen wir schon aus seinem berichte eben so sicher 
heraus. Der erste beschluss ging auf die hinrichtung beider theile, 
der herübergeschickteu oligarchen und des demos zugleich. Kleon 
halt diesen beschluss nach beiden seiten aufrecht. Und auch Dio- 
dotos wagt gegen den einen theil des beschlusses, gegen die hin- 
richtung der oligarchen, sich kaum mit einer opposition heraus. 
Freilich versucht er's, ob mit seinem antrag, die von Paches als 
schuldige herübergeschickten xgires xo3' zovyfar, noch der eine 
oder der andere von ihnen am leben zu erhalten ist, aber dass 
auch er schon dabei an eine massenhinrichtung der oligarchen denkt, 
und glücklich ist, wenn er nur den Demos noch erhalten kann, 
spricht sich in den unmittelbar folgenden worten deutlich genug 
aus, 48, 17: thut ihr, wie ich euch rathe, so habt ihr beides ge- 
than, ra ds 10 wéddow ayu9i und 14 7dn pofegu, mit der erhal- 
tung des mytilenüischen demos erhaltet ihr euch in zukunft den 
demos in den andern síauten, und mit der aburtheilung der oli- 
garchen gebt ibr sogleich für jetzt das abschreckende beispiel. 
Diodotos soll nach Thukydides die mildere stimmung vertreten, die 
sofort nach dem ersten beschluss in Athen aufgekommen war. 
Aber auch diese reuig gewordenen Athener hatten nichts dagegen, 
36, 21: diag9sigui 109g virious, also kann auch Diodotos mit 
seinem xgîras xaÓ' jovyfuy und seinem Zóm gofegu in der haupt- 
sache nichts anders meinen, als eben dasselbe, dies diaq eigo 1006 
aliiovs, die massenbinrichtung der schuldigen, gerade also das, was 
der weitere bericht des schriftstellers sogleich bringt und wodurch 
wir also nur in prüciser angabe bestütigt bekommen, was wir im 
allgemeinen uns selbst schon hatten sagen müssen. 

Kein wort, keine andeutung in der erzahlung steht mit der 
hier gemuthmassten zahl und der hinrichtung im widerspruch. An- 
ders findet es Müller-Strübing; der sonstige bericht soll es (p. 
178 ff.) positiv unmöglich machen, dass die fraglichen worte vom 
schriftsteller selber herrühren können. Das kürzeste wird sein, die 
erzällung in den hauptpunkten, die hierher gehören, durchzugehen ; 
dabei wird sich hoffentlich noch eins und das andere aufklären und 





714 Jahresberichte. 


zugleich gelegenheit sein zu seben, ob widerspruch und unmög- 
lichkeit sich zeigen will. 

Die Mytilenäer ergeben sich unter der bedingung, dass sie 
gesandte nach Athen schicken, und ihnen bis diese zurück sind, 
nichts leides geschieht, 28, 29—32. Als das beer einzieht, flüchten 
sich die, die den abfall zumeist betrieben hatten, an die altäre; 
Paches beruhigt sie und thut sie nach Tenedos in verwahrung, 
péyos ov roig ASnvuloig 1 do&n, z. 1, also, wie die übereinkunft 
lautete, bis die mytilenäischen gesaudten mit den beschlüssen der 
Athener zurück sind. In 'lenedos nun bleiben sie, bis Paches von 
seiner jugd hinter dem Alkidas her wieder anlangt und sie mit dem 
Lacedämouier Salaithos und einigen andern, die er noch für schul- 
dig halt, und dem gróssten theil seiner flotte nach Athen schickt, 
35, 31—2. Folgt man der erzahlung, so ist bis dahin von des 
Athenern über die Mytilenäer noch kein beschluss irgend einer art 
gefasst. Es ist dus aus allem klar; die mytilenäischen gesandten 
sind nicht zurück, sie sind noch am tage der ersten verhandlung 
in Athen, 36, 22; die worte 36, 5—8: zor uir SadasIor «dv 
dnéxtesvar, Éouv ua nugegoperov .... negì dì wy avdgwy yru- 
pag énosovvio sagen es unumwunden; die öeyn, z. 9, in der die 
Athener ihren ersten beschluss fassen, wird mit durch die nachricht 
von der peloponnesischen flotte motivirt, die ibnen erst mit den zu- 
rückkommenden schiffen des Paches zugeht, und auch Kleons worte 
38, 28 — 32 haben nur unter dieser voraussetzung einen sion. 
Paches hat also den gróssern theil seiner flotte, als er sie nicht 
mehr brauchte, zugleich mit den gefangenen auf eigne faust nacb 
Athen geschickt, nicht erst nach einem vorhergegangenen beschluss 
der Athener über die Mytilenäer, von dem im Thukydides nicht 
bloss nichts steht, sondern mit dem sogar alles sonstige im wider- 
spruch ist. Müller-Strübing p. 186 ff. und Holzapfel p. 454 mit 
ihm haben also den Thukydides nicht für sich, wenn sie noch eine 
volksversummlung über die Mytilenàer annehmen, die der ersten 
schon vorausgegangen sei, von der 'l'hukydides berichtet, und is 
der auch schon über die todesstrafe der Mytilenüer beschluss 
fusst sein soll, Müller-Strübiog 191; Holzapfel 456. Wäre das 
wirklich geschehen, warum ist dann nicht gleich nach diesem er- 
sten beschluss, muss mau immer frugen, ohne vou Müller-Strübing 
p. 188 eine antwort zu bekommen, alles das eingetreten, was 
Thukydides uns jetzt nach seiner ersten volksversammlung be- 
richtet? Aber „es geht dies, eine frühere volksversammlung vor 
der ersten bei Thukydides, sagt Holzapfel p. 454, wie Miiller- 
Strübing y. 186 ff. richtig bemerke, evident hervor aus einem 
satze in Kleons rede, c. 40, 4: erw uèr ov» xui 1078 TEQU/TOY xal 
riv diupuzouu un perayvivar óuüc rà noodedoyutva. Also 
auch schon in der ersten von Thukydides erwähnten versammlung 
hat Kleon dafür kümpfen müssen, duss ein die Mytilenäer betref- 





Jahresberichte. 715 


fender beschluss nicht umgestossen wurde; denn anders können 
doch jene worte nicht verstanden werden“. Gewiss können und 
müssen sie das. Müller-Strübing ist mit seiner auslegung der 
worte so sehr im recht, dass wer sie anders verstehen wollte, von 
dem gang weder der rede des Kleon noch der des Diodotos ein 
verständniss hatte. Aber an dieser auslegung muss Holzapfel, p. 
454 ff., nichts bessern wollen. Kleon redet von vouos, gesetzen, 
die nicht umgestossen werden dürfen, und von den klugen leuten, 
die klüger sein wollen uls die gesetze, und richtet dus gegen Dio- 
dotos, der die gesetze schweigen lasseu will, wenn es der vortheil 
gebietet, und natürlich schon tags zuvor so gesprochen hat, wie 
ers am zweiten tage thut. Also von einem gesetze ist die rede, 
das auf den mytilenüischen fall seine auwendung findet, nicht etwa 
von einem kurz vorher über die Mytilenüer gefassten wrngicna. 
Aber dass die worte: 2yw pèv ob» xai tote nowrov xai vov dia- 
puyouas pi ueruyrwvus vpi tu ngodedoyuéra, vollkommen in 
ihrem uogekiinstelten sinne zu rechte bestehen, dazu bedarf es nicht 
einer vorversammlung vor der ersten, sondern das xui tore mQuror 
geht eben auf diese erste versammlung selber. Was dus nun für 
ein gesetz gewesen, für dessen befolgung Kleon in der ersten ver- 
sammlung eingetreten ist, brauche ich hier nicht zu erörtern, auch 
würde es mich zu weit führen. Wenn aber Holzapfel p. 456 sagt: 
„ich vermuthe, dass die Athener gleich damals (in der vou ihm an- 
genommenen früheren versammlung) gegeu diejenigen Mytilenäer, 
die sich am aufstand betheiligt hatten, gemäss dem psephisma des 
Kannonos die todesstrafe erkannten“, so ist wenigstens so viel ge- 
wiss, dass das ynq:ouu des Kannonos mit diesem mytilenüischen 
falle nichts zu thun haben kann. Einmal schon als t7gsoua nichts, 
denn in den reden handelt es sich um youos, und dann stelle man 
sich einmal vor, was damit behauptet wird. 1000 und mehr, die 
doch auch Holzapfel gelten lásst, jeden, nach v. Bamberg's, Herm. 
XII, 513, schöner wie nothwendiger verbesserung: dsadeAnuuéroy 
für dedeuévov, Xenoph. Hell. 1, 7, 20, an jeder seite rechts und 
links von einem Athener gefasst und vor den demos geführt und 
diese nach der verurtheilung und schlimmsten falls die ganze be- 
völkerung von Mytilene ins attische Barathron geworfen. 

Also erst nach der ankunft der schiffe des Paches mit den 
gefangenen ist nach Thukydides zum ersten mal in der athenischen 
volksversammlung über die bestrafung der Mytilenüer verhandelt 
worden. Bei dieser gelegenheit tritt Kleon, gestützt auf ein ge- 
setz, dafür ein, alle Mytilenüer insgesammt hinzurichten, 36, 9. 29: 
où 1006 HaQOr»ixG uovov unmuxtetvas dÀÀd xol Toto unarrag Mv- 
wAnvalovs 600 Boo; Diodotos widerspricht. Und wie weit 
widerspricht er? Es heisst von ihm 41, 6: domeg xoi d» 17 
moortou dusinola avidleye palioru ui anoxısivas Mutdnvalous. 
Wer auf dies nackte MvzsAnrvafous, ohne artikel, achtet, weiss dass 





716 Jahresberichte. 


das heisst: die Mytilenäer als solche, die bevélkerung von Mytilene. 
Also im gegeusatz von Kleon will er die Mytilenäer, die erwach- 
sene männliche bevólkerung des mytilenäischen gebietes nicht 
ausgerottet wissen, womit Thukydides also nicht gesagt hat, dass 
nicht auch Diodotos damit einverstanden war, die wirklich schul- 
digen mit dem tode büssen zu lassen. In den reden sind in bezug 
auf die herübergeschickten beide in keinem direkten widersprach. 
Für Kleon ist nach 37, 8; 40, 15. 18; 39, 20 die hinrichtung 
dieser, nicht einiger wenigen, wie man auch hier sieht, sondern 
einer ganzen zall, ein selbstverstand, und auch Diodotos will an 
ihnen, wie schon oben bemerkt ist, ein abschreckendes beispiel sta- 
tuirt wissen, 48, 20. Auch das gesetz, auf das Kleon seinen an- 
trag gestellt hat, und das dfxasov, das dadurch begründet wird, 
läugnet er nicht; dugegen macht er den staatsnutzen geltend, 44, 
35— 6, und die rücksicht auf diesen ist es, der in verbindung mit 
dem mitleid und der befriedigung der rache an den schuldigen ihm 
zum siege verhilft. Also wird seinem antrage gemäss in der 
zweiten ecclesia beschlossen, 48, 17: MursAnrulwy ovs pèr Hays 
aneneuyper ws udıxouvrag xgivus xa9? nouylur, 100g d° Giov 
tav olxeir. Das xud’ fovyluy gehört dem Thukydides, wohl 
schwerlich dem Diodotos an, und ist offenbar vom schriftsteller im 
gegensatz gegen das uno öpyüs Edokev avioi,, c. 36, 8, gesagt; 
in seinem formellen antrag wird Diodotos sich wohl gehütet haben, 
durch diesen zusatz anstoss zu geben. Aber eine andeutung, wie 
wir das xgivaı zu verstehen haben, wird uns der schriftsteller docb 
damit gegeben haben. Deun es fragt sich, was nach diesem zwei- 
ten beschluss nun weiter erfolgte. — Einen hochverrathsprocess 
konnte, wie sich bei gelegenleit des Arginusenprocesses an dem 
ér dixacinolo bei Xen. H. 1, 7, 22 zeigt, die ecclesia entweder 
selbst entscheiden oder ihn einem heliastischen gerichtshof über- 
weisen. Nach dem ausdruck: xgiro« xud’ nouylur, ist wohl kein 
zweifel, dass im vorliegenden fall das letztere geschehen ist, 
Dann wird sie aber ihrerseits auch hier, wie es im späteren Kis- 
angelieverfahren das übliche war, das strafmass zugleich mit be- 
stimmt haben. Wenn es also 50, 8: Kiéwrog yrwun ditpBespar 
of °A3nraîos, heisst, so ist damit gesagt, dass die volksversamm- 
lung dieses strafmass hier auf einen antrag des Kleon auf tod be- 
stimmt hat. Das ist also nach dem regelmässigen verfahren ge- 
schehen, von einer aberreue der reue und einem allzuviel des guten 
an volksversammlungen kann nur Müller-Strübing sprechen. Und 
so wird auch wohl alles weitere in regelmässigem gange ver- 
laufen sein. Die von Paches wg ddixovries  herübergeschickteo 
werden also mit der unklage auf tod an die Heliaia gewiesen, die 
nun über das schuldig zu befinden hat. Euryptolemos stellt in je- 
nem feldherrnprocess seine forderung auf einzelaburtheilung als 
eine gesetzliche hin, Xen. Hell. 1, 7, 19 ff., also wird auch in 





Jahresberichte. 717 


unserm fall, wie dort, die anklage eine gemeinsame gegen ulle, 
die aburtheilung eine besondere über jeden einzelnen gewesen sein 
(xui Gua mavtag xal xu? fra Exuorov). Gegen eine einzige 
gemeinsame abstimmung waren die angeklagten Mytilenáer also 
xai TO» vôuor, nicht durch das wigioua des Kunnonos geschützt, 
wie Müller-Strübing p. 197 sagt, da in diesem die eiuzelaburthei- 
lung als selbstverstand nicht ausdrücklich vorgesehen war ). 

Es ist also, wenn wir den andeutungen des Thukydides nach- 
gehen, hier von den Athenern gegen die Mytilenäer dasselbe ver- 


6) In dem wyjgsoua des Kannonos war von einem diya ixacrov 
nichts enthalten, auch wenn Max Frünkel: Die att. geschwornenge- 
richte p. 82 f. gegen mich (die schlacht b. d. Argin. 52) das gegen- 
theil behauptet. Allerdings ist er darin gegen mich im recht, dass 
mit der verweisung der sache an einen gerichtshof die einselabur- 
theilung schon von selbst mitgegeben war, also die bestimmung diya 
Exactor nicht noch ausdrücklich erwähnt zu werden brauchte. Aber 
das entscheidende ist und bleibt, dass unter den einzelbestimmungen 
des kannonischen psephisma, wie sie Xen. Hell. 1, 7, 20 dargelegt 
werden: diadelyuuévov anodiziov dv to diup xai tav xatayywody adı- 
xeiv, anoduveiv eg To Bapaspov Lußinderra, ta dì yonuata avtod dnusv- 
Sivas xai 175 9600 15 énsdéxatoy eivas, die aburtheilung des einzelnen 
nicht erwäbnt wird. Wenn Friinkel meint, map sáhe nicht, warum 
Euryptolemos, im fall er selbst dus diga Exaoroy besonders zugesetzt 
hätte, das wyysoue überhaupt noch heranzieht, da die angeklagten 
ja schon gebunden der ecclesie übergeben sind, so übersielit er, dass 
Euryptolemos doch auch wegen der todesart in verbindung mit dem 
weiteren dies vg.cu« das (ayepóreror nennt. Dass er die Aristopha- 
nesstelle, Eccl. 1089, nicht richtig versteht, sondern dass sie den siun 
hat, den auch ich ihr gegeben habe, hat v. Bamberg, wie das seine 
art ist, klar genug bewiesen. Herm. 13, 509 ff. A. Philippi, Rh. mus. 
35, 609, weiss kurzen process zu machen, er streicht Xen. Hell. 1, 7, 
34 die worte rara 10 Kavywvou yngsoua. Denn Euryptolemos hätte 
doch, meint er zum ersten, wenn er vorher zwei modalitüten em- 
pfiehlt und nun seinen antrag auf die eine stellt, diese in seiner rede 
vorbereiten müssen. Aber er niusste eben einen bestimmten antrag 
stellen, und hatte diesen, xe:à 16 Kavywvot vq«ou« schon gerade als 
den loyvoóreror bezeichnet. Und dann „stehe ja, meint er zum zweiten, 
ganz in der nähe noch ein andres glossem §. 23: é»óc uiv iv à ovi- 
déyeodas vue dei xai dsawngilecdas, tav te adixsiv doxacs tav re ur, 
irigov d' iv @ xanpyogrocs, érégou d' ty w anodoyyoacii«s, das freilich 
scheinbar ganz verständig, doch durch die unsinnige reihenfolge ver- 
rathen werde". Philippi übersieht, dass vor ankluge und vertheidi- 
zung der gerichtshof zuerst noch darüber abzustimmen hatte, ob er 
lie anklage überhaupt annehmen wollte, was hier also in den worten: 
‘ay te adsxeiy doxwos tav te un. witenthalten ist. Wenn von den drei 
sheilen des gerichtstages der eine der klage, der andre der verthei- 
ligung, der dritte den richtern zugetheilt war, so ist die reihenfolge 
vao sehr natürlich, die das, was von den richtern gilt, das cvddéyeoSes 
ind dsaynyilecdas zusammenfasst. Ausserdem wäre die rede: digor- 
vo tig nusvas Toy utQu» ohne diesen erklürenden beisatz die al- 
erkümmerlichste, wie die alten eben nicht zu reden pflegen. Es will 
nir also etwas eilig scheinen, wenn auch für Holzapfel p. 468 die 
worte xa:d ty Aarvovoù wigsoue nicht mehr da sind. 





718 Jahresberichte. 


fahren eingehalten, wie gleich nachher von den Lacedämoniern ge- 
gen die Platäer verfahren wird, y, 68, 11—15: udDeg 10 abro 
Era Exuotov znogayayorttc xai ÉQWTWTIES , et no Auxedasporiov 
zul 1005 Suunagovs dyudor iv tw nodfuw dedguxores eter, Onore 
pn quier, dnayortes antxıeıvor, xai ébatotrov !noı.carıo ovdéra. 
Die auklage ist auch bei diesen eine gemeinsame gegen alle, die 
schliessliche aburtheilung trifft jeden einzelnen besonders. Und ist’s 
ein unterschied, der den mytilenäischen fall unmöglich macht, dass 
von den Lacedümoniern auf diese weise 225, von den Athenern 
1000 und einige zu tode gebracht werden? Auch das dségFecgur 
durfte Müller-Strübing nicht p. 198 als einen sprachlichen beweis 
für eine interpolation anführen, als „passe der ausdruck durchaus 
nicht zu einem gerichtlichen urtheil und den in folge eines solchen 
vollzogenen hinrichtungen*. Sogleich schon bei dem gerichtlichen 
verfahren der Lacedimonier gegen die Platäer kehrt der ausdruck 
wieder, z. 15: di£g9tguv dì MAuradwy piv adıwr ovx educoous 
dsuxoclous, 'd9nva(wv dé névre xai etxoow, und wird sogar noch 
kurz vorher ebeu von dem gerichtlichen verfahren gegen die My- 
tilenäer gebraucht, y, 47, 11. 

Nachdem ich bisher nachzuweisen versucht habe, dass wir 
schon von selbst durch die erzählung und die beiden reden auf 
solche zahl, wie die nachträgliche notiz sie bringt, zu schliessen 
guten grund haben und beim schriftsteller sich nichts findet, was 
ihr widersprüche, ist es jetzt an der zeit es auszusprechen, dass 
nicht Thukydides es allein ist, der von der hinrichtung der ber- 
übergeschickten Mytilenäer berichtet, sondern dass auch Ephoros- 
Diodor davon weiss. Denn Holzapfel hat vollkommen recht, wenn 
er p. 450 die stelle Diodor Xlll, 30, z. 6 ff. gegen Müller-Strà- 
bing in diesem sinne versteht. Die worte sind: éze( 10( ye’Adr- 
vuios mg &yunourıo Mirvinvuloıs; xgatnouvres rag aviu» adr 
xn70us er oudév Bovdoptrwy , énsFupovrtwy dé rms Bev eglag, 
Éynplouvro 1005; ty 1} node nutaoquita:, wWpov TE xol BugBagor 
TÓ © nengayu£ror, xui tavta eEnuagroy elc "Ellnvag, elc Guppagove, 
ele evegyérug moÀÀdxig yeyevmuérouc. un di viv ayavaxiovriwr 
el TosudrTa mgocg 1005 &AÀovg noukavres av10i naganiyolag revEor- 
mus Tipwolus dixutdtatoy yuo tory, Ov xaO Eréowy vomor 1 
EInxe, Tourw yowperor ur óyavoxreiv. Das missverstehen ist et- 
was grandios, wenn Müller-Strübing aus diesen worten sogar be- 
weisen will, p. 164, dass Diodor von der hinrichtung der tausend 
gefangenen nichts gewusst hat. „Es wäre doch eine unbegreifliche 
ulbernheit gewesen, sagt er, wenn Gylippos hier von einem bloss 
beschlossenen, nicht ausgeführten blutbefehl und nicht von dem 
wirklich vergossenen blute der tausend mytilenüischen gefangenes 
gesprochen hätte“. Müller - - Strübing brauchte nur wenige zeiles 
weiter zu lesen, z. 21: ddd’ 6 Tog nosovpevos prluyd ounía dia- 
gegen duos wnp(cuac. wc nodes agdyy depogsev , um  eimm- 





Jahresberichte. 719 


sehen, dass in jenem éwnplourvro, auf das dieses wnyplouac zu- 
rückgeht, auch schon die ausführung des beschlusses, schon das 
wirklich vergossene blut mitgegeben ist. Und aus deo sützen, die 
vorausgehen, hatte er dasselbe herauslesen müssen. Da heisst es 
im anfang von c. 30, z. 19: rf yàg r&v aloylorwr ovx éBovAev- 
€avro, tf dì tv desvorurwr oùx ÉngaEav; Nun werden erst be- 
weise für das 2ßovAevouyro gebracht, dann wird z, 6 mit den 
fraglichen worten ènel rof ye "AInvaios nos èyoncuvio Mirvin- 
vafosg zu dem Engakuy übergegangen, und könnte noch ein zweifel 
sein, dass schon éyonouvro die that, das vergossene blut in sich 
schliesst, so folgen gleich nach dem èyypfoavio die worte, z. 10: 
eov te xal figflagov 10 nengayuévor, es folgt z. 12 die folge- 
rung des redners> un di) rur ayavuxrouvtwy el roravia Odg Toùç 
mdhoug moukavtes uvroi mupurinolus revEorras Tiuwolaç; und z. 
14 noch die begründung: dixcesoratov yag êcrer, Ov xa 9 éi£- 
Qu» vouov rec È Inxe, Tour yowuevor py cyavaxizir. Doch 
gesetzt, das bedeutete alles nichts, und Gylippos hätte bei den 
worten: éynylcario rovg Èr 17) 7048 xaruopu£us, an den beschluss 
der ersten volksversammlung gedacht und diesen invidiose den Sy- 
rakusern als ausgeführte that zu hören gegeben, so begreift man 
nicht, wie Müller-Strübing, der sich doch ,die geistige luft, in der 
man athmete, vergegenwürtigen kann“, zu der voraussetzung kommt, 
die Syrakuser hütten von jener reue der Athener und dem ver- 
änderten beschluss in der zweiten volksversammlung nicht ein ster- 
bendes würtlein gehórt und Gylippos hatte in der weise ihnen et- 
was vorlügen dürfen. Doch es sei, lassen wir das alles, und sehen 
wir uns bloss die wenigen worte an. Es heisst: éynp{oarro rovg 
dv 17) nóÀe xatacpatas. Das soll also bedeuten: sie beschlossen, die 
in der stadt Mytilene abzuschlachten. Die in der stadt Mytilene? 
Und die gefangenen in der stadt Athen sollen leben bleiben? Diesen 
unsinn hat Müller-Strübing selbst gefühlt, aber er ist ihm nicht ins 
bewusstsein getreten, Er übersetzt: da beschlossen sie, alle in 
der stadt abzuschlachten, als stände in gutem griechisch da: 2yn- 
glourvto Mursdnvatoug xaruopu£as. Aber es steht da: rovc dv ij 
mod. Wo ist da alle? Aber freilich ohne das interpolirte alle 
ist der unsinn zu handgreiflich, mit dem alle ist es schon nicht 
mehr so arg, auch die in Athen gefangenen mit darunter zu be- 
greifen. Doch genug; die worte: "APnvuios ... éynplourro robe 
dy 17 nodes xuracgagas heissen nun und nimmer im griechischen 
etwas anders als: die Athener beschlossen die in ihrer stadt, in 
ihrer eignen stadt, in Athen befindlichen Mytilenüer hinzuschlachten, 
und ersichtlich antwortet Gylippos gerade mit diesem beispiel, wie 
die Athener mit ihren gefangenen verfahren sind, auf jenes andere, 
auf die freigebung der gefangenen von Spakteria, das Nikolaos in 
seiner rede c, 24, 15 angeführt hatte. 

Also ausser Thukydides haben auch Diodor und seine quelle 





720 Jahresberichte. 


von der hinrichtung der von Paches herübergeschickten Mytilenier 
gewusst. Thukydides also und Ephoros, dieser beiden gewichtigen 
zeugen mund genügt, um für immer als historisches faktum za 
constatiren, was sich aus der „damaligen luft“ der politischen ver- 
hältnisse und personen schon von selbst ergiebt. Die treibjagd, die 
Müller-Strübing sonst nach den hingerichteten Mytilenüern anstellt, 
war also unnóthig, wie sie zugleich da, wo er sie anstellt, ganz 
vergeblich sein musste. Sind die alten schriftsteller darüber aus, 
das sündenregister der abscheulichsten unmenschlichkeiten berzu- 
zählen, die die Athener in ihrem staatsleben verschuldeten, dann 
haben sie eben ganz audere dinge, von denen sie wieder und wie- 
der reden, von den Meliern, Skionüern, Histiáern, Potidaaten, To- 
ronüern, Aegineten, also von ganzen bevülkerungen. die die Athe- 
ner entweder austilgen oder austreiben, und können bei solcher ge- 
legenheit natürlich uicht von dem verfahren der Athener gegen die 
Mytilenäer reden, von denen die, welche zu tode gebracht sind, 
wenn ihrer auch tausend und einige waren, als schuldige einem 
richterlichen spruche erlagen, die aber als bevélkerung, als ganzes, 
als die stautsgemeinde von Mytilene gerade durch einen reuigen 
beschluss und die „gewohnte qlurdowniu“ der Athener gerettet 
uud erhalten worden ist. Und wenn Müller-Strübing p. 154 fragt: 
in welcher weise haben denn die Athener diese massenbinrichtung 
vou mehr als 1000 gefangenen vollzogen ! und wenn sie ihm schon 
ihrem äussern hergang nach unvorstellbar und unverständlich ist, er 
aber doch bei der uiedermachung der 225 gefangenen in Piatäs 
schon im stande gewesen ist, p. 157, sich eine art ausfindig zu 
machen, so kann ich ihn getrost bitten, unter auderm bei gelegenheit 
der 500 Melier, oder der 1000 oligarchen, die ausser den sich meist 
selbst tódtenden 400 andern der kerkyräische Demos mordete (Diod. 
13, 48 coll. Th. », 75), oder der 2000 heloten, die die Lacedümonier 
umbringen, oder der 4000 athenischen gefangenen, die Lysander 
hinschlachtet, sich diese frage noch einmal vorlegen zu wollen. 
Aber die argumente, die Müller-Strübing gegen die hinrichtung 
der 1000 beibringt, finden, wie er sagt, p. 225, ihren völligen 
abschluss erst durch die auffindung einer andern falschung im be- 
richte, die von jener blutdürstigen interpolation nichts anders als 
die nothwendige consequenz sei. „Wenn wir auch in unsern 'Thu- 
kydideshaudschriften noch so unzweideutig lesen, die Athener hätten 
das land der Lesbier mit ausschluss des gebiets von Methymna in 
3000 loose getheilt und aus diesen einen pachtzins von 100 ta- 
lenten bezogen —- diese angabe kann sich nicht auf den grund 
und boden von vier fünfteln der ganzen insel, sie kann sich nur 
auf den confiscirten grundbesitz der (30 oder 40) verurtheilten 
hauptschuldigen beziehen“, p. 224. Es handelt sich also hier um 
zahlen und grüssen, aber gleich der erste unsatz, von dem Müller- 
Strübing in seiner berechuung ausgeht, ist ein irrthum, hier für 





Jahresberichte. 721 


ihn um so verhängnissvoller, weil er seine ganze weitere argu- 
mentation davon abhängig gemacht bat. Er giebt die grosse von 
Lesbos auf 26 quadratmeilen an (p. 222), ungefähr dreimal zu 
gross, und hat die zahl Plehn (Lesb. 3) nachgeschrieben, der ihm 
in dieser verwechselung des umfangs der insel mit ihrem flächen- 
inhalt vorangegangen ist. Strabo XIII, p. 616 f. giebt den umkreis 
der insel auf 1100 stadien an: ovang dé ris megouéroov Orudiwy yi- 
A(uv Exuröv fr n otpnaca ÉxnÂAnooï vnooc, ta xa” Exaciu obrug 
yes, nach den nun folgenden bestimmungen im einzelnen hätte er 
genau 1110 sagen sollen, nicht volle 28 deutsche meilen, wonach 
der flücheninhalt der insel nicht volle 10 Mmeilen beträgt. Dies 
ist denn auch die uugefähre grósse, in der die modernen geogra- 
phen übereinstimmen. Wir wollen nun auch einmal den vergleich 
mit Attika zu grunde legen, wie Müller-Strübing das thut, uud se- 
hen, wohin uns das führt, wenn auch wir, wie er, die gleichen 
verhültnisse setzen. Das ganze Lesbos mit seinen 10 ( Jmeilen, 
Methymua eingeschlossen, ist der vierte theil von Attika mit seinen 
circa 40 Djmeilen. Es kommen also, wenn auf dieses 20000, auf 
Lesbos 5000 bürger. Rechnen wir mit Müller-Strübing für Me- 
thymna den fünften theil ab, so bleiben für die übrige insel 4000 
bürger. Boeckh rechnet auf jeden attischen bürger durchschuittlich 
1 talent ertragsfahiges eigenthum ; geben wir den Lesbiern gleich 
viel, also jedem auch 1 talent, so hatte jeder Lesbier, den land- 
besitz mit 8°/o verziust, eine jährliche einnahme von 480 drachmen. 
Aber der ganze landbesitz der bisherigen 4000 wird nach der hin- 
richtung der 1000 in 3000 loose vertheilt, so trügt von diesen 
loosen ein jedes jáhrlich 160 drachmen mebr, also nun 640 drach- 
men. Von diesen bat der lesbische pächter dem attischen kleruchen 
oder dem heiligthum jabrlich 200 drachmen zu steuern, es bleiben 
ihm selbst also noch 440 drachmen, von denen er mit seiner fa- 
milie leben muss. Wenn wir nun aus Demosthenes gegen Phänip- 
pos 1045, 22 (xa(rov 0 wer éuóc marmo mívre xai ter1aQuxovia 
prov povwy Éxuréow, tuoì xai 10 adelg@, tv ovolar xarfAvmev, 
ay ns tiv ov gudsor dauv) erfahren, dass von 45 minen, die 
nach der gewöhnlichen verzinsung jährlich 540 drachmen geben, 
nicht leicht zu leben war, so ist darnach dem lesbischen pächter 
mit seinen jährlichen 440 drachmen für seine familie ein wenn 
auch bescheidenes, doch immer noch leidliches leben von den sie- 
gern gelassen worden. Aus dem gleichen für jedes loos festge- 
setzten pachtzins ist ersichtlich, worauf schon Stahl mit recht hin- 
gewiesen hat, dass dieser pachtzins eine staatliche bestimmung war, 
uod ebenso darf man aus diesem geringen jäbrlichen zins von 2 
minen, wovon keine familie leben konnte, schliessen , dass diese 
jährlichen 200 drachmen dem ürmeren attischen bürger nur ein zu- 
schuss zu seiner sonstigen einnahme sein sollten. Die meisten von 
ibnen werden, nachdem sie in Lesbos ibr besitzthum angetreten 


Philologus XLII. bd. 4. AB 





722 Jabresberichte. 


hatten (z. 15: dGmémeuyur), alsbald wieder heimgekehrt und nur 
ein geringer theil von ibnen, wie das auch Boeckhs meinung ist, 
als besatzung zurückgeblieben sein. Die sache ist also nun diese: 
das ganze Lesbos, immer mit ausschluss von dem treugebliebenen 
Methymna, zinset von jetzt an an die attischen kleruchen im ganzen 
jährlich 90 talente und leistet damit im verhältniss zu seiner 
grüsse gerade denselben tribut, wie iho andre ioseln im verhältniss 
zu ihrer grosse, Thasos, Aegina, Paros u. a. zu leisten hatten. 
Nur das eine wirft dabei auf die damalige attische staatsverwal- 
tung ein eigenthümliches licht. Diese. 90 talente fliessen, wie es 
schon Grote aufgefallen ist und jedem natürlich, zumal bei der da- 
maligen ebbe im attischen staatsschatze auffällig erscheinen muss, 
nicht wie die andern tribute in die staatskasse, sondern in die 
taschen attischer bürger, und was bleibt übrig als zu vermuthen, 
dass mit solcher massnabme von damaligen staatsleitern eine po- 
litik persönlicher interessen eingeschlagen ist? In der sache selbst, 
dass damals der ganze lesbische landbesitz zu attischen gunsten 
belastet worden ist, wird es damit um kein harchen anders. Ist 
also nach der analogie, auf die bisher hingewiesen ist, an der notiz 
des historikers kein anstoss zu nelmen, so wird sie ausserdem noch 
durch andere berichte aus dem alterthum vollkommen bestätigt. 
Auch Diodor sagt dasselbe mit den dürrsten worten, XII, 55 a. E.: 

"AInralos dì ig; Mursdnvns ta aclyn meguedovteg ny Atoßo⸗ 
0Ànv nAnv rc Mn3vpralwv ywoac xatexAngouyngav. Aber ein 
noch besserer weil gleichzeitiger zeuge ist Autiphon, der nur rich- 
tig vernommen sein will. J/egi r. ‘Howd. p. 79 heisst es: anaoı 
yae MuriAnvaloiç át(uvgotog n tore apagtla yeytvaras: gAAaEario 
piv yág node evdusuoriag nolnr xaxodusuorlar, éenstdov dé thy 
guutwy nurgida avaciatov ysvouéeny. Man streitet darüber, 
was dv4ciazov besagen will, ob unterthänig, was Holzapfel 
behauptet, oder verwüstet, wie es Stahl versteht. Aber es ist 
klar, dass es weder das eine noch das andere ist. Unterthanig 
nicht, weil es das nie heisst, auch in den aus Herodot beige- 
brachten stellen nicht, und verwüstet nicht, weil das zu allge- 
mein gefasst ist. Es bedeutet wie überall so auch hier nur das, 
was speciell im worte liegt. Suidas s v. erklärt in rücksicht auf 
die mehrzahl der fälle richtig: o di riva Ovupogav n dixnr xa- 
talinwy ayy olxelav xai iv dilodanz Ösuyevousrog. In diesem 
sinne sagt Hermokrates bei Thuc. €, 76, 28: ov yaQ dn evdoyor 
tag pèv êxet modes uvaorurouc nowiv, tag dé trIade zaroszller, 
und ähnlich ist’s bei Xen. Mem. 4, 2, 29: ai uiv avactaros yi- 
yrovını, ui dé éE &Aev9éQuy dovidas, bei Herod. IX, 106, 32 u. 
sonst. Aber nicht immer ist dabei von einem aus dem lande ver- 
trieben oder versetzt werden die rede, oft wird mit aruoraros 
auch der bezeichuet, der um das seine, um lab und gut gebracht, 
aus seinem besitz und eigenthum gesetzt wird, so Herod. 7, 118, 





Jahresberichte. 728 


20: oi de unodetauevos 'Elinswr zn» orgatny xai desnvilovres 
tota dg müv xuxov ansxéato, oviw Wore avactatos ix Ty ol- 
xlwy éy(vovro; Herod. X, 97, 27, und ähnlich in diesem be- 
schränkten sinne steht es hier. Das êxeidor zeigt, dass avradozutog 
hier etwas augenfalliges, so zu sagen, kôrperliches ist; dass wir 
aber nicht an eine günzliche vertreibung aus dem laude denken 
dürfen, wissen wir ja aus der ganzen erzäblung. Wenn nun aber 
der Mytilenäer bei Antiphon sein vaterland dvucrarog ueunt, 
so kann er doch wahrlich nicht damit meinen, dass einige 30 oder 
40 edelleute um ihren besitz gebracht sind, sondern eben nichts an- 
deres als was Thukydides berichtet, dass die ganze bevölkerung 
der insel ausser den Methymnaern aus ihrem eigenthum gesetzt ist 
und ihren bisherigen besitztitel an die attischen kleruchen verloren 
hat. Dem steht denn auch weder im berichte selbst noch sonst ent- 
gegen, was auch nur das leiseste bedenken machen könnte. Müller- 
Strübing will (p. 235 ff.) d, 52, 28: x«i oi MunAnvalwv puyades 
xai tur aÀÀwv -ieofiwv, in dem artikel ein anzeichen gefunden 
haben, dass sein blutdürstiger interpolator hier im Thukydides einen 
zusatz weggestrichen bat, um sich für seine einschwärzung raum 
zu schaffen. Das beruht lediglich auf einem verkenuen der sprache. 
Wie hier oi MvuzsAnvalwr quy&Osg heisst es d, 76, 12: xai oi 
"Oeyoutv(wov qvyadeg; y, 31, 32: GAdos dé nveg tv an’ "Luvíag 
puyadwr; «, 113, 6: Boowrwy tà» gevyovtwy; d, 75, 21: oi 
gevyoviec twv Tupulwvz 9, 70, 4: nàÀgv toùs qevyovius ov xaij- 
yov, ohne dass an einer dieser stellen vorher von den pvyadeg oder 
gevyovteg die rede gewesen wäre. In der sache ist es damit 
ebenso wie d, 66, 14: uno rw Gpertowv quyadwr ràv èx [nyüv 
(e, 115, 23: no iu» oqertowr puy“dwyr) oder a, 83, 5: opwr 
ro); puyadus, oder &, 7, 24: rovg maga oplos gvyadac gesagt 
wird. MvrAnalwv pvyudes nréc, wovon Müller-Strübing spricht, 
würde bedeuten: einige fliichtlinge der Mytilenäer, mit of MvriAz- 
valwy guyadss werden alle, die zu diesen flüchtlingen gehören, als 
ein ganzes, als eine partei bezeichnet. Der sprachgebrauch lehrt 
also sogar wie etwas selbstverständliches, als historisches faktum, 
dass es eben gvyudes damals aus allen staaten gab. Noch ein an- 
zeichen, dass im heutigen texte des Thukydides eine lücke ent- 
halten sei, will Müller-Strübing nachträglich in den scholien aus 
Patmos (Revue de philol. I, p. 182 ff.) entdeckt haben. Ueber das 
hinfallige dieses beweises bat schon Stahl, Rh. mus. 38, 1, 143 ff, 
so schóu und überzeugend gehandelt, dass ich mich hier jedes wei- 
teren wortes enthalten kann. 

Die ergebnisse der bisherigen besprechung sind also noch ein- 
mal kurz zusammengefasst die folgenden: Der lesbischen bürger, 
ausser den Methymnüern, waren 4000. Von diesen gehörten 1500 
zu den öAlyos, 2500 zum demos. Von den 1500 o4iyos hatten 
1000 und einige den abfall betrieben, Beim einzuge des Paches 


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724 Jahresberichte. 


füchten diese au die altäre, werden dann nach Tenedos in ver- 
wahrung gethan und hinterher als die œisswraios zur aburtheilung 
nach Athen geschickt, Sie werden verurtheilt und hingerichtet; 
der grundbesitz der ganzen insel, bis dahia wohl nur in den händen 
der dAlyos, wird, in 3000 loosen ausgetheilt, eigenthum der atti- 
schen kleruchen und der götter, die 3000 am leben erbaltenen Les- 
bier werden pächter, leben aber, natürlich ohne autonomie, nach wie 
vor in gemeiudeverbäuden, C. |. A. IV, 1, 96. 

Nur eins ist vielleicht in bezug auf diesen letzten punkt noch 
der erwähnung werth. Thukydides e, 84 darf nicht etwa zu der 
annabme verleiten, als hätten die Lesbier gar, wie die andern nicht 
tributpllicbtigem attischen bundesgenossen, schiffe gestellt und neben 
den bundgenossen von jetzt an zu einer besonderen kategorie der 
vnot rus gehört. Es heisst da freilich z. 21: * Adrvaïos Ecıgu- 
TévOuy vavoly éuviwy utr tosaxoveu, Xlass dé EE, ‚Asoßlasr di 
duoîr, und z. 24: sw» dé Evppuywr xai vnowiW» omAlrass pa- 
Lara nertuxoolow xai yıllosc. Aber offenbar ist dort die insel 
der insel gegenübergestellt und nach ¢, 85, 24 und n, 57, 31 spe 
ciell an schiffe der Metbymuäer gedacht. Und was das zweite, die 
zusammeustellung von Supuaywy xai vnowıwv betrifft, so ist damit 
allerdings nicht geholfen, wenn man xoi vnawıwr als „nähere be- 
stimmung zu £vupaywr fasst, die auch iusulaner waren; von Chies 
und Lesbos“. Wie kame der schriftsteller dazu, hier zumal, wo 
sich um ein flotteuheer handelt, uud sonst nirgends diese bestim- 
mung zu Ëvupaywr hinzuzufügen. Die sache erklärt sich his- 
liaglich aus }, 85, 22: xed yàg tovc exci fvupayosc we Exacis 
xonoımos éEnyovueTa, Alovs niv xai Mndvuralou vewy nagey? 
uvrovouovs, toùç dé noddovs yeonuurwv Piusotegor Yoga, addons 
dè xal navy élevdéqus Evupayourrus, xuíntQ vpowwug ovsag xai 
svdd mioug, diow Ev ywoloss Enıxulgoss eloi negi 10v Melonorvyooy. 
Man sieht, es sind wirklich drei verschiedene kategorien, neben den 
beiden ersten die dritte, die im westen des Peloponnes in mehr 
freiwilliger genosseuschaft als vnoswıas sich für die Athener am 
kampfe betheiligen, wie sie in dieser ihrer besonderen eigenschaft 
auch wieder 7, 57, 9 zw. ff. charakterisiert werden. Doch das 
beiläufig; hier soll our festgestellt werden, dass die Lesbier nach 
ihrem abfall, wie sie nach des Thukydides angabe keinen tribat 
zahlen, auch keine schiffe mehr stellen, damit aber aus der zahl 
der attischen bundesgenossen sowohl der tributpflichtigen wie der 
autonomen ausgeschieden sind. 

So hätten wir also Müller-Strübing in sachen der Mytilenäer 
gehórt. Mit grosser spannung, sagt er am schluss, erwarte er den 
wahrspruch der suchkundigen, urtheilsfáhigen und vorurtheilsfreiea 
gelebrten. Die geistreiche gewandtheit, mit der er hier so her- 
zensgut der Athener sich angenommen hat, hätte es wohl verdient, 
duss er für seine klienten einen günstigen urtbeilsspruch erzielte. 





Jahresberichte. 725 


Aber ich bin gewiss, solche gelehrte, wie er sie sich zu richtern 
wünscht, werden keinen augenblick in zweifel sein, wie sie zu 
entscheiden haben, vielmehr staunen darüber, wie in aller welt jemand 
dazu kómmt, solche sache zu führen. Der bericht des Thukydides, 
muss ich wiederholen, scheint mir in bezug auf beides, auf die 
hiorichtung der 1000 und die austheilung des gauzen lesbischeu 
grundbesitzes nach der gegebenen erzühlung so sehr in sich selbst 
begründet und so günzlich ausser controverse gestellt, dass auch 
der blutdürstige interpolator. der hier tbütig gewesen sein soll, 
schwerlich dem schriftsteller, seinem texte und seiner auktorität 
schüdlicher werden wird, als die sonstigen interpolatoren, von de- 
nen in heutiger zeit so gern und vorzugsweise geredet wird. 

Auch Julius Steup's ,Thukydideische studieu* 
schwelgen wieder so recht in dieser anwendung von interpolationen, 
versetzungen, interpunktionen, und wie die mittel sonst heissen, die 
helfen sollen. Aber ob er damit in wirklichkeit geholfen hat? 
Der erste abschnitt dieser neuen schrift möge dafür als beispiel ge- 
nügen. Es wird in diesem über d, 118, die urkuude des einjah- 
rigen waffenstillstandes gehandelt. Wir haben schon oben von 
Steup eine probe gesehen, zu welcher radikalkur er sich unter um- 
ständen verstehen kann; so ganz kurzer process wird bier nun 
freilich nicht gemacht; hier sind es bloss 19 veründerungen, wenn 
ich richtig gezüblt habe, durch welche der ursprüngliche text des 
vertrages und des zunächst zugehörigen wieder hergestellt werden 
soll. Auch ich will gewiss nicht geläugnet haben, dass das ka- 
pitel seine schwierigkeit hat und dass man es zweimal und dreimal 
lesen muss, um hinter die eigentliche sachlage zu kommen. Aber 
wenn ich sehe, wie auch bei einer einfachen klaren erzüblung Steup 
uad andere mit ausstreichen und ündern bei der hand sind, wundere 
ich mich nicht mehr, was bei einer wirklichen sehwierigkeit alles 
versucht und für möglich gehalten wird. ‘Thakydides schreibt d, 
121, 21: 0 dè ro re nagavríxa guhaxiy teva avıois eyxatudsnwy 
dséfn nulıy xal Uoregoy ++ xai 6 pir Euehiey dyyesgnoesy tais 
10:6; ravrass , à TOUT ài rgunges ob r7» éxeguiqlar neQutyy£A- 
Aevreg agexvovrias mug’ abr0» . . . . xal N piv orgatiá naAw 
diBn dc Toguynr, oi di rd Boactda avryyeldov rnr Evrdnxnr. 
Man kann schwerlich, was hier zu sagen war, einfacher erzählen 
und mit einem strich malerischer darstellen. Aber für die aus- 
leger, scheint es fast, ists zu schön gewesen, als dass sie's ver- 
standen hätten. Madvig geht mit dem ändern voran. Scribendum, 
sagt er Advv. crit. 1, 322: ol dì Evv r@ Bouolda. Nobis potius, 
sagt Stahl, 1 Boacíóg imperiti videtur librarii interpretamentum 
esse, Das ist aber Steup nicht genug. „Im vorhergehenden, sagt 
er p. 9 anm., halte ich nicht nur mit Stahl rs Boaofda, sondern 
auch zag’ avrov für ein glossem*. Nur weil man vor Thuky- 
dides und seiner überlieferung jetzt den respekt verloren hat, üher- 





L] 
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726 Jahresberichte. 


bietet man sich lustig im conjekturieren. Und doch ist die sache 
hier so überaus durchsichtig. Brasidas ist von Torone, seinem 
standquartier, nach Skione hinübergegangen und hat es zum ab- 
fall gebracht. Von seinem kleinen kriegsheer lüsst er einige mann 
in Skione und segelt jetzt wieder nach Torone zurück, di£f malus. 
Dann heisst es c. 122, 28: é zoviw dé, also als er auf der 
rückfahrt begriffen ist, rgejgec of my dxeysplay negsayyéddovres 
dgexrourrus nuo’ avrov. Für eine schónheit, wie sie in dem 
toergee steckt, haben die ausleger noch kein auge. Aber es wäre 
doch gar zu kindisch vom Thukydides erzählt, wenn das hier 
nichts weiter heissen sollte, als dass die cummissare ihre reise von 
Athen nach Thrakien zu wasser, auf einer triere gemacht haben. 
Also als Brasidas eben auf der rückfahrt und mitten auf see ist, 
treffen ihn die gesandten zesno&ss, und dann heisst es z. 31 von 
den beiden theilen, die sich auf see getroffen haben, weiter: xai 
7 uiv orguuc náAw dießn ic Togwrnv, of dì 10 Beacldu avgy- 
ytÀÀov inv EvrFnyxny, in welchen worten in deutlicher absicht jenes 
obige dı£ßn nuls wiederholt ist. Ob die commissare schon unter- 
wegs zum Brasidas an bord gegangen sind und ihm schon dort 
auf deck ihre meldung gebracht oder damit bis zur beiderseitigen 
ankunft im hafen von Torone gewartet haben, mag jeder sich 
vorstellen, wie’s ihm lieber ist. Es ist aber wohl nach dem wort- 
laut der erzahlung das letztere der fall gewesen. Aber was hat 
denn hier, wo die erzühlung so einfach und klar ist, den ausl 
anlass zum missverstehen gegeben? — Offenbar weil Thukydides hier, 
wie auch sonst seine art ist, um seine erzühlung nicht zu zer- 
bróckeln, gleich nach dem erfolg des Brasidas in Skione mit dem 
voregov von dessen weiteren absichten spricht. Aber darum ist das 
missverstehen seine schuld wahrlich nicht. Mit dem éy zovım dé, 
z. 28, das zu dem eben vorhergehenden £u £4Ac» in den gegen- 
satz tritt und das obige 70 maguviíxo z. 21 wieder aufnimmt, bat 
er für die deutlichkeit das seine vollauf getban. 

Die andern 17 änderungen Steups, die nachbleiben, gedenke 
ich nicht der reihe nach einzeln zu besprechen. Es thut das nicht 
noth. Mir ist’s darum zu thun, die methode seiner interpretation 
darzulegen, dabei wird sich die erklürung der bis jetzt nicht ver- 
standenen urkunde, hoffe ich, und die entscheidung über seine haupt- 
sächlichsten änderungen von selbst ergeben. 

Steup beginnt seine erklärung des dokuments auf p. 1 mit 
drei sätzen, die wie selbstverstand hingestellt werden, 1) dass die 
Athener zu den vertragsbedingungen, welche die Peloponnesier nach 
Athen überbringen, ihrerseits noch etwas hinzufügten, und zwar 
2) nur noch, dass die einstellung der feindseligkeiten sofort ein- 
treten und zu dem zwecke das übereinkommen unverzüglich zum 
formellen abschluss gebracht werden sollte; und 3) dass die grosse 
eile, mit welcher der waffenstillstandsvertrag abgeschlossen wurde, 





“we 


Jaliresberichte. 727 


von bedeutendem einflusse auf seine form gewesen zu sein scheine. 
Diese drei bebauptungen müssen wir uns ohne beweise gefallen 
lassen. Das ist aber für den weg, den die erklärung nimmt, um 
su bedenklicher, weil ein andrer, der unbefangen herantritt, leicht 
geneigt ist, gerade das gegentheil von diesen behauptungen als das 
richtige anzunehmen, Denn wenn es in dem cap. 118, z. 33 zw. 
heisst: xai wpoAoynour dv 1 due iy èxegesglav elvus Erıavıoy, 
aozew dé mnvde tiv nuégay, so ist doch klar, dass an dieser 
ouoloytu beide theile ihren antheil hatten, dass also die Athener 
nicht ihrerseits allein und aus eile den tag hinzugefügt haben; und 
wie kann man von grosser eile sprechen, wo es das natürlichste 
von der welt ist, dass der tag, an dem die bedingungen des einen 
von dem andern angenommen werden, auch der anfang des waffen- 
stillstandes werden muss. Ist aber keine eile da gewesen, so hat 
auch eile keinen einfluss auf die form gehabt. Dabei schliesst sich 
sofort eine vierte behauptung an die dritte an. In der urkunde 
nämlich sollen dinge stehen, die in einen gewöhnlichen vertrags- 
entwurf gar nicht hereingehören, sätze sogar, die sich auf den 
fall beziehen, dass die Athener es ablehnen sollten, auf der ihnen 
angebotenen grundlage einen waffenstillstand einzugehen. Er meint 
damit die worte z. 24 zw.: ef dé m uwiv ele xadhiov ere. di- 
xusoregov rovtwy doxei elruc, lores dc Auxedaluoru dsduoxete ... 
oi dé lovreg rélog Eyovrec lovıww, Treo xai bpéig nuas xelevere. 
Auch hier lag ihm der beweis ob, dass die worte wirklich den 
sion baben, den er ihnen geben möchte. Wie weno jemand zur 
erklärung dieser worte an ¢, 18, 5 zw. denkt: ef dé 1 auvnuo- 
pour Ono1egosodr xai Drov néQs, Auyosg dixalo:s yQupévovs si- 
ogxov tlva« auporégoss 1uvin uttudeiros, On uv doxn upporkgoss, 
"AS nvaloig xai Auxedasuovioss, und dadurch zu der folgerung 
kómmt, dass ebenso wie hier auch dort nicht eine augenblickliche, 
sondern eine spütere nachtrügliche ünderung im vertrage gemeiut 
ist, wie sie etwa wührend des schon bestehenden vertrages beliebt 
werden möchte, was hat Steup dafür gethan, um solche auffassung 
unmöglich zu machen? Und diese auffassung ist nicht hloss mög- 
lich, sondern dass sie die richtige ist, sieht man aus den worten: 
oí dè lovrec téhog Eyortes lóviwv, jneo xal vueig nag xedevere. 
Zu :£Àog Eyovreg macht Steup freilich die bemerkung p. 4: „die 
worte 16400 Eyopytec sind bisher allgemein von dem besitz einer 
unumschrünkten vollmacht verstanden worden. Diese annahme ist 
jedoch irrig, wie sich aus folgender überlegung ergiebt“. Aber- 
mals eine behauptung, für die der beweis fehlt. Denn diese folgende 
überlegung , aus der sich das irrige des bisherignn verstünduisses 
von zéloc Èyovres ergeben soll, ist eben nichts anderes als sein 
eignes missverständniss, die voraussetzung, als wenn bei den worten: 
el dé 1 vuir etre xaddsov elie dsxasotegoy tovrwy doxei elvai, nur 
an die zeit des jetzigen vertragsabschlusses und nicht vielmehr wie 








728 Jahresberichte. 


in e, 18 an eine spätere zu denken wäre. T%Aog Zysr heisst eben 
hier wie überall nichts anderes als: vollmacht, unumschrankte voll- 
macht besitzen, und da das der fall ist, so kann der sian jener 
worte auch kein andrer sein, als einzig dieser: wenn ihr aber 
später an dem vertrage etwas geändert wissen wollt, so schickt 
darüber gesundte nach Sparta, aber mit vollmacht, wie auch wir 
auf eure auflorderung mit vollmacht hier sind. Dabei xedeveze in 
xelsvers zu ändern, ist wieder vorschnell und ohne berechtigung. 
Natürlich haben vorher athenische gesandte in Sparta diese forde- 
rung gestellt, aber das ist nach wie vor die athenische forde- 
rung, was füglich durch das xsAsvers der überlieferung zum aus- 
druck kömmt, 

Nachdem Steup seine erklärung der urkunde in dieser weise 
eingeleitet hat, hebt die eigentliche untersuchung p. 2 mit folgen- 
den worten an: „meiner meinung nach muss jeder versuch einer 
exakten analyse der erklärung der Pelopunnesier von dem anfang 
von Q. 4 ausgehen, der bei Stahl folgender massen lautet: xspi 
ner our tovtwy Edoge Aaxsdarpovloic xai roig addow Evppazog 
xarà tavtu. wade de Edoke Auxeduspovlors xal roig aAdoss Evp- 
payoıs, dv onovdag noswrias o “APnvaios, Eni ing avtwy pére 
éxurfgoug Eyoviang Gneo viv Eyopev xıl. Die worte xara ravra 
.. + + Evppayoss finden sich nur in wenigen handschriften, seit 
Poppo und Arnold hat sich aber ziemlich allenthalben die erkenut- 
niss bahn gebrochen, dass die fassung, in welcher die stelle in der 
grossen mehrzahl der handechriften erscheint, ganz unbrauchbar ist“. 
Also die exakte analyse des ganzen soll von diesen worten aus- 
gehen. Da würe es doch exakt gewesen, zuerst vor allem uns 
begreiflich zu machen, warum die überlieferung der meisten und 
besten handschriften wirklich unbrauchbar, und was wenige und 
schlechte handachriften bringen, das richtige ist. Aber wiederum 
nur behauptung, kein wort des beweises weder für dieses noch 
für jenes. Und doch war ein nicht geringes misstrauen vorher za 
beseitigen, welches jeder den vorgezogenen worten eutgegenbringt. 
Denn abgesehen davon, dass die wenigen handschriften, die jene 
worte bringen, in wirklichkeit recbt leicht wiegen, wie jeder weiss, 
der sie einmal abgewogen hat, enthalten die worte selbst ihrem 
inhalte nach nur was auf den ersten blick wenigstens unbegreiflich 
ist. Das alles hat bisher nur zu den überraschendsten erklä- 
rungen anlass gegeben, die einem schlichten sinn leicht wie ebenso 
viele ausflüchte vorkommen möchten ; für Steup ist das &GAosç 
eben da, er hat auch hier wiederum zur rechtfertigung kein wort. 
Und rade Edoke Auxsdasuovlosg leitet für das folgende doch of- 
fenbar beschliisse der Lacedimonier ein, die folgen aber nicht; 
wenn man genauer zusieht, sind's zunüchst beschlüsse der Athemer, 
die wir zu lesen bekommen, oder um genauer zu sprechen, es fel. 


gen beschlüsse, die die Lacedümonier ihrerseits von den Athenern 








Sf 


erwarten. Während diese fraglichen worte des Q. 4 zum folgenden 
überleiten sollen, sind Steups behauptungen über das vorausgehende, 
woraus sie überleiten, wiederum ohne begründung, nicht minder 
freglicher natur. „Die bestimmten vorschläge der Athener, heisst 
es p. 6, haben wir in den Z2. 1 und 3; 2. 2 sei zustimmungsbe- 
schluss der Peloponuesier*, aber 2. 2 steht leider zwischen 1 und 
3, also, damit diese behauptung doch einen stützpunkt erhält und 
nicht sogleich ins wasser fällt, wird umgesetzt und 3 vor 2 ge- 
stellt. Aber damit will’s wieder nicht recht fortgehen. Nun müs- 
sen roig napovcıw in 2, die jeder arglos von den in Athen anwe- 
senden bundesgenossen der Lacedümonier versteht, denselben, die 
c. 119, €. 2 mit namen genannt sind, zu bundesgenossen werden, 
die in Sparta anwesend gewesen sind uud dort den ganzen bund 
vertreten haben. Aber sind wir dadurch nur in ein neues gedrünge 
gerathen, so mögen wir zusehen, ob uns herausgeholfen wird, wenn 
es p. 8 bloss heisst: „diesen bund durch die c. 119, 2 genannten 
fünf staaten vertreten 2u sehen, kann nicht im geringsten befrem- 
den“, und wenn wir über die Boeoter und Phoker, die danu bei 
der entscheidenden beschlussfassung der Peloponnesier in Sparta 
gefehlt haben müssen, dadurch beruhigt werdeu sollen, dass Steup 
uns versichert, „jene beiden staaten werden ohne allen zweifel die 
nachträgliche annahme des ohne ihre mitwirkung beschlossenen nicht 
verweigert haben“. Doch es wird damit genug sein, auch weun 
ich nicht biuzufüge, dass von den eigentlichen hauptfragen, die hier 
erörtert sein wollen, entweder keine aufgeworfen wird oder, wenn 
sie gestreift werden, dies in einer weise geschieht, als wenn sie 
eben kaum zur sache gehürten. Wer mit diesem neuen lootsen 
so ohne compass uud steuer dahin führt, darf sich nicht wuudern, 
wenn er schliesslich auf den sand gerüth. 

Das vertragsinstrument sondert sich in zwei theile, die beide 
zusammen in den worten 2. 30 zw. ausgedrückt sind: ÆdoËe rq 
duo . . . nossicdas thy exeyeigluy xada Evyywoovor Auxedas- 
povsos xai of Evupuayos avtwy. Also beschluss der Athener nach 
dem aotrage der Lacedämonier. Mit dieser auffassung des &uyyw- 
cou wollen wir uns hier genügen lassen. ÆSvyywçgeir hat wie 
bekannt die doppelte bedeutung, die allgemeine: mit jemandem ei- 
nen vertrag eingehen, so f, 59, 19; y, 27, 22; y, 52, 8; y, 75, 
13; 0, 64, 7; 0, 64, 18; « 41, 85; e, 116, 12; 9, 70, 11; 
und die specielle, die durch die umstünde sich aus der allgemeinen 
ergieht: nachgeben, so: a, 140, 16; y, 75, 21; d, 22, 31; s, 
41, 26; 9, 56, 13; mitunter mag's gerathen sein, mit der ent- 
scheidung zurückzuhalten, wie f, 66, 19; d, 21, 17; s, 17, 7; 
n, 72, 2; 9, 9, 32; 9, 93, 33. Bleiben wir hier also vorsichtig 
lieber beim geringeren. Also: beschluss der Atbener nach den be- 
dingangen, uuter denen die Lacedamonier den vertrag einzugehen 
bereit sind. Die Lacedümonier erwarten also vou den Athenern 


Jabresberichte. 729 





730 Jahresberichte. 


etwas für das, was sie ibrerseits den Athenern zu leisten gewillt 
sind. Leistung gegen leistung, das ist natürlich und selbstverstand, 
wo zwei parteien ohne direkten zwang zu einem vertrage eat- 
schlossen sind. Aber diese gegenseitigkeit der leistungen steht 
auch in dem ersten theile der urkunde mit deutlichen worten aus 
gedrückt, z. 30: meg) ui» ovv roviw» dole Aaxedacporloss xai 
Toig Evupayots, tav onovdacs noswrım oi "49 mvaios, dni ris av 
twv péveiv Exartoovs Eyovtag Gneo vor Eyoper, toc piv dr 16 
Kogvguct xıl. Das was die Lacedümonier ihrerseits schon be- 
schlossen haben zu leisten (dog), und was nothwendig im voraus- 
gehenden enthalten sein muss (zegi uev ov» tov rw v), knüpft sich 
also an die bedingung: àv onovdug noswrım ol “AFnvaios mit 
seinem folgenden infinitiv. Dass dieser infinitiv: 2xi r7ç avrwr 
mévesy Éxarégouc Éyovrag Gneo vor éyouer, trous pèv tv 15 Koge- 
gact etc. sich eng an 2av onovdas xowyvras auschliesst, ist obne 
grammatische schwierigkeit, unter anderm vgl. mau d, 16, 5: 
éy(yvovro omordaì rosalde, Auxeduimovrlouc — nugadovvas. Na- 
türlich lasse ich hier vor der hand die etwaigen schlechten hand- 
schriften aus dem spiel und benutze, was Steup mit genossen für 
„ganz unbrauchbar“ erklärt, die überlieferung der meisten und be- 
sten handschriften; wir werden ja sehen, wie weit damit zu kom- 
men ist. Die forderung der Lacedümonier ist also diese: die 
Athener sollen darauf hin abschliessen, dass beide theile stehen 
bleiben, wo sie für den augenblick stehen, und nun folgen genau 
im detail die demarkationslinien, welche sie von den Áthenern ein- 
gehalten wissen wollen. Es sind das vier punkte, bei Pylos, bei 
Kythera, bei Nisäa-Minoa und noch an einem vierten punkte. 
Ueber diesen letzten punkt lauten die worte in der urkuade z. 8 
folgender massen: xai rjv »n00r, nvneo EAnSov of Admvaios, Eyorrag, 
unt Enıusoyoukvoug undertoove undertowoe, xai 1a Èv Tool, 
00antQ viv Eyovor xal ola Evré9evro mods Asmvalous. Diese 
worte werden von allen für mehr oder weniger corrupt gehalten, 
Kirchhoff sagt dazu p. 840: ,,der wortlaut ist zwar ohne zweifel 
verdorben und lückenhaft, auch mit sicherheit nicht wiederherzu- 
stellen (in einer anmerkung: sicher ist meines erachtens nur, dass 
xal ola aus xa9" & verdorben und letzteres dafür herzustellen ist 
(KAO A für KAIOIA); indessen erhellt aus der verderbten über- 
lieferung wenigstens so viel zur evidenz, dass hier eine demarca- 
tionslinie auf gruud einer besonderen vereinbarung zwischen Athen 
und 'Trózen bereits gezogen war und beide staaten zur zeit der 
eröffnung der gegenwärtigen verhandlungen schon einen separat- 
waffenstillstand abgeschlossen hatten, auf dessen bestimmungen be- 
zug genommen wird“. Um den text des Thukydides steht es nicht 
so, wie hier behauptet wird. Die worte sind nicht lückenhaft, 
sind auch aufs bestimmteste wiederherzustellen , und was schliess- 
lich aus der ,verderbten überlieferung** doch zur evidenz erhelles 


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soll, der separatvertrag der Trözenier mit Athen, damit wird, wie 
die politischen verhältnisse des peloponnesischen bundes waren, eine 
ungeheuerlichkeit angenommen, die undenkbar ist. Die worte sind 
vollkommen gesund bis auf das eiue unze, denn dass dieses gram- 
matisch unmöglich ist und also verschrieben sein wird, ist auf den 
ersten blick klar. Für ure ist Me9uvg»v zu schreiben, uud mit 
dieser einen änderung alles in schönster ordnung. Auch der grund 
der verschreibung dürfte hier leicht zu vermuthen sein. Ein sonst 
gut geschulter, our nicht hinreichend unterrichteter grammatiker 
konnte es auffällig finden, bier Methune als eine insel bezeichnet 
zu sehen, die ibm doch als halbinsel gelüufig war; er brauchte es 
our nicht zu wissen, dass Thukydides auch mitanter für halbinsel 
die bezeichnung insel hat, woriiber scbon die stellen in nächster 
nähe d, 122, 10; d, 121, 25 ihn batten belehren können, und 
dann war wegen des folgenden punderéoovs leicht für den namen 
das unie da. Mit zn» voor hier Minoa zu meinen und ihm den 
zusatz reg EAußov ol “APnvutos zu geben, wäre ebenso unge- 
schickt erzühlt, wie andrerseits die nennung von Methone hier 
nicht entbehrt werden kann. Minoa ist ja oben schon zweimal ge- 
nannt, ist ausserdem lüngst in Athens besitz und in der früheren 
erzühlung wieder nnd wieder erwühnt; Methone dagegen ist erst 
in jüngster zeit von den Athenern genommen und früher nur ein- 
mal genannt ; das rechtfertigt hier den erklärenden zusatz sehr 
wohl und macht ihn sogar erwünscht. Was aher die hauptsache 
ist, wodurch die nennung hier geradezu nothwendig wird, ist die- 
ses: Methone und nicht etwa ein punkt in Trézen ist die vierte 
station der Athener um den Peloponnes, die apogur, von wo aus 
sie die benachbarte peloponnesische küste verwüsteten, d, 45, 32 ff. 
So gut wir also hier die Athener im ersten fort um den Pelopon- 
ues haben, rovc év xd Kogupuc{w und die Athener in den andern, 
ebenso unerlässlich ist es, auch die Athener im vierten fort aufzu- 
führen, rov; àv Me9wvy, oder wie das hier ausgedrückt ist: roùç 
my wnoov MePwrny Éyortus. Ein zweifel kann darüber nicht sein. 
Sollte aber dennoch einer, ich weiss freilich nicht was dawider 
haben, sich in die änderung zu fügen, so müssen die sich an- 
schliessenden worte: êrxmicyouérous undertoove underéowce, fast 
möchte ich sagen auch einem blinden es sichtbar machen, dass hier 
mit xai rj» vj00v . . . . Eyovsug nicht mehr dieselben Athener in 
Nisäa-Minoa besprochen, sonderu bereits andere aufgeführt werden. 
Für die Athener auf den drei vorausgehenden stationen waren für 
jede die linien gezogen, die ihnen zu überschreiten verboten wer- 
den; bei den ersten heisst es: Zvróg rj; Boupoudos xai zov To- 
news pérovrag; für die zweiten: un easusoyoptrous È ınv Sup- 
pagluv pnr j)uüc Moog aUrovg une uvrovs mods quuç; für die 
dritten: ur vnegBulroyrag 1)» 000v . . . unde Meyagtas xai zov; 
Evupayous vnegflalresv 17v. 000v tavımv; jetzt heisst es zum vierten 


Jahresberichte. 731 





732 Jahresberichte. 


mal: Zmiusoyoutvoug underépous pnderéowce. Mnderépouc, weder 
die einen noch die andern, weder die Peloponnesier noch die Athe- 
ner, also émiuscyomévovs undetépous panderéguoe bloss ein wechsel 
im ausdruck, wie oben von den zweiten un émuicyouéroug pnt 
NaS MOOG avtods pire avr0bg 7005 nuus, oder von den dritten 
un $ntofa(vorrac tiv odov . . . undì Meyagéac vnsgPalresr ge- 
sagt war. Also der ähnliche ausdruck zum vierten mal setzt auch 
die vierten Athener voraus, die denn auch mit zovg . . . mr r700r 
Eyovrac Ms9uvp im texte gegeben und vorhanden sind. Die gram- 
matische verbindung, wie sie sich leicht ergiebt, ist num diese: 
das Zyorzug zieht, wie ich es schon oben angedeutet habe, das row; 
in roùç dé &v Nicaía an sich, und hat wie 7)» vj6oy so auch ra 
&v Tooubin zum objekt. Diese Zyoviac sind also die vierten Athe- 
ner, die Methone und gegenüberliegendes land im trüzenischen inne 
haben; folglich sind auch die Zyovos (dcuneg vvv Eyovos) die Atbe- 
ner, doch gewiss nicht of ToosLnvsos, die wir hier nirgends babes, 
und wenn es nun, an dieses Zyovos sich anschliessend, weiter heisst: 
xai ola EvvtOsrro neds “AInvalovc, so ist doch wohl klar, dass 
hier in Evv&derro ein wechsel des subjekts eintritt, wie es bei 
Thukydides hundertmal und unter umständen aller orten geschiebt, 
wenn durch solchen wechsel die deutlichkeit der rede keinen ab- 
bruch erleidet. Wer sind denn aber, die EvréSerro 005  AIT- 
vulovs? Wer anders als die, welche hier im anschluss an jenes: 
neoì ui» ovv rovtwy Èdote Aaxedasportoss, durch den mund ihrer 
gesandten bisher in der ganzen urkunde das wort führen und es 
auch im nachfolgenden diesen ganzen ersten abschnitt hindarch bis 
zu den letzten worten: ai dì omovdui dwavro» Ecovras behalten. 
Durch xoi oia Evrédevro ngog ° AFnvalovs erfahren wir also, dass 
die Lacedámonier vorher schon mit athenischen gesandten in Sparta 
(Ëdo£e) über die einzelnen demarkationslinien verhandelt und be- 
schlossen haben, die nun hier in bezug auf Trözen our im allge- 
meinen (xai ola) augedeutet, nicht im detail angeführt werden, 
wohl nur deswegen, weil die athenische volksversammlung (oder 
gar wir vom schriftsteller?) mit diesem ihr unbekannten detail, das 
ja in den früheren protokollen steckt, nicht bebelligt zu werden 
braucht. Das überlieferte xai olu selbst aber ist echtes gold, und 
nur diese überlieferung hat einen sinn. Es verrüth doch eine be- 
sondere disposition und natürliche anlage zum ändern und conjek- 
turieren, wenn man statt dessen xaJu vorschlägt und schon für 
sicher balt, dabei aber eingestehen muss, dass man von dem gan- 
zen, was ringsberum steht, eben durchaus kein verständniss hat. 
Das doumeg vov Eyovcs ist besitz der Athener, den sie wie Pylos, 
Kythera, Minoa durch das recht der eroberung, nicht durch einen 
vertrag (xa9c) inne haben, für welchen besitz jetzt zum behuf des 
waffenstillstandes hier wie dort die demarkationslinien (xoà ola) 
festgestellt werden. Dun cia Evréderro geht nur auf die liuie zu 





j a 


Jahresberichte, 733 


lande, Daher schliesst sich hier füglich zunächst für die inseln 
Methone und Minva die weitere bestimmung an: xual 17 Iulucon 
youpévovg . . . Auxsdasmorlous xai rovg Evupuyovg nieiv pi 
paro vnt etc., aber in allgemeinerer fassung, so dass es auch 
für Kythera und Pylos geltung hat. Das ersieht man aus xai 
ijv &uvi@v, wie auch dies, dass nach Evuuaylur richtig jetzt ein 
komma, kein punktum gesetzt wird. 

Die vier verschiedenen blokadeposten der Athener am Pelo- 
ponnes, die wir hier in der urkunde haben, geben nun auch ant- 
wort auf die frage, die jeder sich stellt, der die urkuude zu ende 
gelesen hat: was hat es für einen gruud, dass mit den Lacedümo- 
niero gerade diese peloponnesischen bundesgenossen in Athen zum 
ubschluss des waffenstillstandes erscheinen, die Korinthier, Sikyonier, 
Megarer und Epidaurier? Die erklarer, alle ohne ausnahme, beant- 
worten die frage entweder gar nicht oder so, dass sie eben zei- 
gen, sie wissen nicht, was aie dazu sagen sollen, und doch ist die 
antwort so nahe zur hand. Es sind eben die gesaudten der staaten 
vom Peloponnes, an deren gränzen jetzt die Athener im felde lie- 
gen und die ausserdem unter sich hier im osten in einem engeren 
bundesgenüssischen verhältniss stehen. Eben so wie hier haben 
wir dieselben staaten beim abfall von Megara wieder, a, 114, 26: 
énayoutvos dì KogivOÓ(ovg xal. Sixvwrious xai 'Enidavolovg an€- 
01704» ol Meyagÿc, und dass unter diesen Epidauros wieder vorort 
und vertreter wie von Hermione so von Trózen war, darf man 
unter anderm aus a, 27, 26 abnelimen, wenn es daselbst in beson- 
derer weise heisst: x«i 'Emdavoíwv èdendnouv, oi nugésyor névte, 
“Egusovncg dé u(av xai Tooibnrios duo. Für Pylos und Kythera 
sind also die Lacedimonier ihrerseits selbst, für Nisäa-Minoa und 
für Methone nebst dem trózenischen ist diese engere buudesgenos- 
senschaft da, um als die augenblicklich am kampfe betheiligten und 
bedrohten die sicherheiten zu geben uud in empfang zu uehmen. 

Diese einsicht ist nicht ohne werth für das prücisere verstünd- 
niss sowohl dessen, was in den ersten £2 der urkunde gesagt wird, 
wie der form ihres endlichen abschlusses. Sonst pflegen die Lacedämo- 
nier für ihre bundesgenossen mitzuhaudeln (N. Jahrb. LX XVII, p.704 ff, 
über Spartas hegemonie und politik). e, 17, 13 beim Nikiasfrieden heisst 
es: tore di nuguxul£ourres 1005 éavtwy Evuuayouc ol Auxedauo- 
vos .. .. Bosouvzes 17» EvuPuow xai Eoneloavıo ngog rovc AInvulous 
xai ÉuoGuv, éxeivol te noòc 100g Auxedasuoriovs rude. Sie haben 
also, bevor sie den frieden abschliessen , ihre bundesgenossen mit 
herzugezogen, nichts desto weniger aber vollziehen sie den ab- 
schluss ohne diese, allein. Denn dass die ersten 17 namen (mit 
Masvorouvak, " Ayıg) unter dem friedensinstrument c. 19, 12 nur 
namen von Lacedümoniern sind, ist aus zwei gründen gewiss; ein- 
mal sagt Thukydides ausdrücklich: axedasuorfwy ner, coll. 17, 
17. 18, und zweitens sind es dieselben numen, die unter der ur- 





734 Jahresherichte. 


kunde der Suppuylu stehen, c. 24; die Evupaylu aber haben die 
Lacedämouier mit ausschluss der bundesgenossen allein abgeschlos- 
sen, 22, 23: avioi dé ngOc tovc > Adnvalous Evuuaylar Enosovrio. 
So damals, hier ist es anders. Hier wird zu anfang das dox 
naiv sogleich wieder aufgenommen durch: roig uiv Auxedusporlos 
savıa doxet xoi rotg Evuuuyoss Toig xagovow und den feierlichen 
akt des abschlusses vollziehen nicht die Lacedämonier allein, son- 
dern diese selben anwesenden gesandten mit ihnen. Müssen wir 
also daraus folgern, dieser waffenstillstand habe für Athen zwar 
mit seinem ganzen zubehör, auf der andern seite aber nur für die 
Lacedimonier uud diese wenigen genannten staaten seine geltung 
gehabt? in Elis aber etwa oder Böotien wäre den Athenern freie 
hand geblieben, einen einfall zu machen? Das wire freilich ab- 
sonderlich genug, aber wir dürfen uns beruhigen, zóv Bovdopevoy 
z. 22, où Bouhoueros 2. 20, und das wiederholte nackte Evuuayos, 
z. 91. 14. 24 zw. 27 zw. 33 zw. sind eben so viele beweise da- 
für, dass der waffenstillstand eben ein allgemeiner gewesen. Mit 
dem roig Évuuuyoug Toig nugovow z. 24 hat es also seine eigene 
bewandtoiss. Diese gegenwärtigen bundesgenossen sind von den 
Lacedámoniern diesmal zum abschluss des waffeustillstandes mit her- 
zugezogen und sind da für ihre augenblicklich im felde stehenden 
truppen, so zu sagen als die bekrüftigenden eideshelfer, da ihre 
staaten ja die an diesem akte zunächst betheiligten waren. Aber 
weiter uls für diesen nächsten inhalt des aktes, die einstellung der 
feindseligkeiten, reicht ibre bedeutung bei diesem beschlusse nicht; 
für das andere, was die urkunde uoch mehr enthält, hätten die 
Lacedämonier ihrer sonstigen gewohuheit gemäss ihrer entrathen 
können. Auch im friedensinstrument e, 18 wird wie hier mit am- 
phiktionischen bestimmungen begonnen, aber dort haben die Lace- 
dämonier bei unterzeichnung der akte der bundesgenossen nicht 
bedurft. So werden die bundesgenossen hier zu anfang wohl nur 
deswegen genannt sein, einmal, weil sie auch sonst bei dem ab- 
schluss des vertrages in Thätigkeit kommen, dann aber auch im 
gegensatz zu den andern bundesgenossen, den Böotern und Phokern, 
die zur ausfübrung des vertrages noch erst gewonnen werden sol- 
len. Dass aber die lacedämonischen gesandten, die in diesem er- 
sten abschnitte des vertrages, der lacedämonischen vorlage, ohne 
wechsel von anfang bis zu ende das wort haben, die versicherung 
betreffs der Bóoter und Phoker im namen ihres staates in der 
dritten person abgebeu (nelosıy gacir) wird wegen des beigege- 
benen zçpoçxnpuxevoueros nur angemessen erscheinen können und 
hat keine schwierigkeit. Ebensowenig ist aber von all den andera 
schwierigheiten, die die ausleger noch sonst in der urkunde ge- 
funden haben wollen, eine einzige vorhanden. Z, 34 setzt Kirch- 
hoff die partikel d£ hinein und schreibt: rv dè êxeyesplar elvas 
dvsavzov. In einer anmerkung dazu sagt er p. 843: „diese par- 





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Jahresberichte. 735 
tikel fehlt zwar in den handschriften, ihre hinzufügung aber er- 
scheint so nothwendig, dass ich es mir ersparen zu kónnen glaube, 
sie ausführlich zu rechtfertigen“. Ks ist auch nur gut, dass er's 
sich erspart hat, nicht zu rechtfertigendes zu erweisen. Wer das 
vorhergehende: xai wuoAuynouv à» 19 dnu richtig versteht, sieht 
ein, dass dé hier keine stelle hat. Nicht davon ist die rede, wie 
Kirchhoff das annimmt, dass die lacedámonischen gesandten sich 
diesen worten gemäss zu dem in der volksversummlung verlesenen 
protocol! des raths bekannt hätten; in den vorausgehenden worten 
haben die Athener bereits zugestimmt: nosiodu ım» éexeyecglay 
xaJü Evyywgovo. Auxsdusmovios xai où Evupayor, also wenn die 
zustimmung der lacedämonischen gesandten zum protokoll des raths 
noch nothwendig war, so hütte diese zustimmung doch jedenfalls 
früher, vor dem beschluss der Athener, mossiodu ınv exeyesolay, 
schon geschehen müssen. Der beschluss der Athener, einen waffen- 
stillstand abzuschliessen, war bereits erfolgt, jetzt geht es einen 
schritt weiter, und es heisst: xai wysodoynouy dv to Óruo 1)v 
exeyesglay ebvas èriuvior, also: und beide theile, die Atbener und 
die Lacedimonier waren in der ecclesia in ouoloy{a darüber, wa- 
ren darin einig, dass der waffenstillstand ein jahr dauern sollte. 
Auch ich kann sagen, dass ich mir darüber lieber jedes weitere 
wort ersparen will, auch wenn Steup p. 15 die besprechung der 
stelle mit den worten schliesst: „nach diesen ausführungen dürfen 
wir behaupten, dass der satz: x«i wuoldyrouy — évsuvroy nicht 
zu erklüren ist uud ein verderbniss vorliegen muss“, Auch über 
die andern aufgeworfenen schwierigkeiten ist eigentlich kaum ein 
wort zu verlieren. Besonders hat man an dem fortgang der rede 
z. 4 zw.: éxxinoluy dé nosjourtug tovg Orquinyovs xai 100g zQv- 
tavess "Quiov negi 196 elonvng Bovdevoacdas AInrulovg anstoss 
genommen. Steup sagt dazu p. 16: ‚lich glaube aber zunächst mit 
Madvig (Advv. crit. 1, 322) ganz allgemein bestreiten zu «müssen, 
dass auf ein zu einem particip gefügtes oder zu denkendes subjekt 
heim hauptverbum ein neues, jenes erste an umfang übertreffendes 
subjekt folgen kann“; und auch Kirchhoff behauptet p. 844: „diese 
worte sind leider augenscheinlich arg verdorben“. Die stelle liest 
sich wegen des eingeschobenen newror und weil dus Bovlevoucdas 
doch auch von den strategen und prytanen gilt, ohne anstoss, so 
leicht, dass Krüger, der doch auch griechisch konnte, sie sogar 
ohne alle bemerkung vorübergelassen hat. Er hätte das nach sei- 
ner sonstigen art lieber nicht thun sollen, aber Steup würde er 
auch mit den besten parallelstellen nichts genützt haben. Steup 
kannte schon die stelle e, 61, 1: x«i nelouvıes dx rov Aoywv 
rob; Euumayoug evdùo éywoovv ai ’Ogropevòv rov ’Apxudızöv 
nuvres nAnv ° Aoyelwv, aber statt sie zu herzen zu nehmen, schreibt 
er, was soll man sagen, rechthaberisch oder naiv: „die stelle halte 
ich für verderben, und ich bin geneigt anzunehmen, dass vor éyw- 





736 Jahresberichte. 


quer elwa £neyeígovr xai rig Egyou xai nyovpérwr avi aus 
gefallen ist“. Wie hier, gerade so wie in der fraglichen stelle 
die rede ohne weiteres in demselben casus aus dem besonderen ims 
allgemeine übergeht, so umgekehrt aus dem allgemeinen ins besen- 
dere «, 49, 22 (auf welche stelle schon Classen hingewiesen bat); 
d, 23, 9 ff.; e, 70, 23; oder es fügt sich auch ein gleich selb- 
ständiger satz in die rede ein: y, 34, 21; d, 80, 7; e, 81, 28; 
e, 112, 2—4. Aber es ist gefahr dabei, Steup auf diese stellea 
besonders hinzuweisen; er würe, wie'a beispiel lehrt, unverfrorea 
genug, sie alle, diese und ähnliche, aus der guten griechischen 
rede und logik nach seiner deutschen logik umzubessern und uns 
für das thukydideische griechisch sein eignes in ganzen sätzen, 
wie er sie für ausgefallen aunimmt, zu geniessen zu geben. 

Nach dem bisherigen, wenn ich's noch einmal übersichtlich 
zusammenfassen soll, verhielte es sich also mit dem waffenstill- 
stande und der urkunde folgender massen. Bei beiden kriegfub- 
renden müchten war in letzter zeit das verlangen nach dem friedea 
lebeudiger geworden. So verhandelt man vorläufig in Athen, ia 
Sparta über einen waffenstillstand, um während desselben. wo mög- 
lich, zum frieden zu kommen. Was zuletzt in dieser absicht mit 
athenischen gesandten in Sparta, ohue zuziehung der pelopunuesi- 
schen bundesgenossen, verabredet war (c. 118, 11: xai ola Evré- 
Serio noög ' AInvulovs), bringen lacedámonische gesandte, um ab- 
zuschliessen, nach Athen. Sie ziehen dort gesaudte der  pelopon- 
nesischen staaten mit herzu, deren truppen augenblicklich mit dea 
ihren gegen die Athener im felde stehen und legen im rathe die 
lacedämonischen bedingungen vor. Diese bedingungen erhalten wir 
in dem ersten abschnitte der urkunde, von 2. 21—20 zw.: epi 
piv roù iepov — ui dé onovdui Eniuvior Esovras. In diesem gaa- 
zen abschnitte haben die lacedämonischen gesandten von anfang bis 
zu ende das wort, an keiner stelle werden ihre bier vorgelegten 
bedingungen durch auderes, etwa durch eingestreute bemerkungen 
des rathes unterbrochen. Alles ist hier ein einheitliches ganzes. 
Diese lacedämonischen propositionen werden darauf im zweiten ab- 
schnitte, von z. 30 zw. bis 10 zw.: Edoke 1H dquo — rov 
2vsaviov, in der athenischen ecclesia angenommen, dabei der ge- 
genwärtige tag als die anfangszeit des waffenstillstandes anbe- 
raumt uud sodann mit übertragung des attischen datums auf den 
lacedämonischen kalender der akt des abschlusses (c. 119, 11—21) 
feierlich vollzogen. 

Mit ausnahme jenes einzigen in Me3wrny zu ändernden prre 
sind alle schwierigkeiten, welche die ausleger ich weiss nicht ob 
mehr aus vorliebe oder aus missverstand in der urkunde gefunden 
haben, nichts als phantasien. Aber für die eine grossartige schwie- 
rigkeit, welche die urkunde jedem, der mit sachen, nicht mit wortes 
rechnet, wie ein räthsel aufgiebt, haben sie kein auge gehabt. 





/ ‘a 
— 
Jahresberichte. 737 





Wenn die urkunde die waffenstillstandsbedingungen bringt, welche 
die Lacedämonier den Athenern stellen, was macht sie als gegen- 
leistungen namhaft, welche die Lacedämonier ihrerseits den Athe- 
nern gewühren wollen? Den Athenern werden von z. 33—12 für 
ibre eroberungen im Peloponnes die bestimmten linien gezogen, 
über die sie nicht hinausgehen sollen; welche linien werden andern 
theils den Lacedümoniern in ihren eroberungen in Thrakien gezo- 
gen? Den einen selen wir wird halt geboten in der detaillirtesten 
form, welcher denn den andern? C. 117, 7 erfahren wir in einer 
deutlichen angabe, was die Athener ihrerseits von dem waffenstill- 
stande erwarten: voulcartes “A9nvatos uiv ovx av En 10v Boa- 
olduv Oywv anoorjoas oùdèr noir naguorivicurio xa9' rovy(av, 
ja noch mehr, von den Lacedämoniern wird es ausdrücklich gesagt, 
dass sie auf diese besorgniss der Athener ihre hoffnung gründen, 
den von ihnen selbst erstrebten waffenstillstand von den Athenern 
angenommen zu sehen, z. 10: Æaxedasuovtos dé rubra tous ' AFn- 
valovs nyouperos aneg Edecouv gofltioc9a,, wie konnten die Lace- 
dümonier also überhaupt mit den Athenern über den waffenstillstand 
unterhandeln und glauben zum ziele zu kommen, wenn sie ihnen 
nicht für diese besorgniss um die thrakischen besitzungen eine si- 
cherheit boten? Man sage nicht etwa, die sei ja in der bestim- 
mung des vertrages z. 32 gegeben: ni 776 aviwr were Exarégouc 
Eyovzag uneg viv Eyouer. Wenn das schon genügt hätte, wozu 
werden dano sogleich für den andern theil die bestimmtesten de- 
markationslinien gezogen? Was dem einen recht ist, ist dem an- 
dern billig. Oder wären die Athener gar so vertrauensselig ge- 
wesen, sich im einzelnen vorschriften machen zu lassen, ohne in 
bezug auf die gegner so etwas für nöthig zu finden? Die sache 
liegt also so: wenn wirklich ein waffenstillstand zu stande ge- 
kommen ist, der nach der lage der dinge nur durch leistung und 
entsprechende gegenleistung zu stande kommen konnte, und die ur- 
kunde über diesen waffenstillstand nur die leistung aufweist, die 
gegenleistung aber nicht, so sind wir, denke ich, berechtigt anzu- 
nehmen, dass die urkunde unvollstandig sein wird und in ihr etwas 
fehlt, was diese gegenleistung entbalten hat. Für diese annahme, 
zu der wir uns gedrüugt sehen, ist sogar in der urkunde selbst 
das anzeichen vorhanden. Z. 30 heisst es: wegi uèr ovr rovrwr 
EdoEe Auxedasporlorg xai roig Evuuayoic, tav onordas nowyius 
où > APnraios. Also die Lacedämonier und ihre bundesgenossen 
haben einen beschluss gefasst, einen beschluss, wie mzgi rovrwv 
zeigt, über dinge, die im vorausgelenden angegeben sind. Und 
welche dinge sind das? Man wird doch nicht etwa die z. 21—30 
angegebenen frommen massnahmen, diese amphiktionischen bestim- 
mungen, wie sie selbstverständlich bei jedem friedensschlusse ohne- 
hin vorkommen, für diese hier als neugefasst angemeldeten be- 
schlüsse hinnehmen wollen? und nun gar als die gegeuleistungen, 


Philololgus. XLII. bd. 4. 4M 





738 Jabresberichte. 


nach denen wir suchen? Denn gerade diese gegenleistungen mis- 
sen in diesen beschlüssen enthalten sein, es heisst ja weiter: ddr 
onordag mouwvrus of ^ AInraîos, also das, was die Lacedümonier 
und ihre bundesgenossen beschlossen haben (£doËe), soll unter der 
bedingung beschlossen sein, wenn (dar) die Athener sich dazu ver- 
stehen und den vertrag eingehen, sich die folgenden demarkations- 
linien gefallen zu lassen. Wovon hier also gesagt wird, dass die 
Lacedimonier es neu beschlossen haben, Zdo&e, das können also jene 
vorausgehenden frommen bestimmungen nicht sein; sie sind es aac 
nicht, wie zugleich aus der sprache hervorgeht. Von diesen re- 
ligiösen anordoungen heisst es im präsens z. 22: doxei muir, x. 24: 
10îg uiv Auxedusmorloig tuvta doxei, mit dem zusatz: xurd row 
matglovs vououç, und zoig nuzeloss roposs yQuiperos muDIEG, Wie 
es auch weiter unten wieder 23 zw. heisst: zoig wer Aoxedarpo- 
v(o.g xaè roig Évuuayoss 1avia doxei, und auch dabei wieder der 
zusatz: xata ta nurgıa. Was die allgemeine Griechensitte um 
religion als selbstverständlich voraussetzt, davon heisst es doxi, 
darüber konnte es nicht ein édoge geben, nicht erst ein besonderer 
beschluss gefasst werden. Also zegi uèr ov» roviw» Edoke Au- 
xedasuorloss xai roig Evuuayoiës kann nun und nimmer auf jene 
im anfange der urkunde angegebenen amphiktionischen bestimmungen 
gehen, und wenn das, so ist gerade vor diesen worten das vor- 
ausgegangen, wodurch die urkuude erst vollständig wird, die aa- 
gabe der gegenleistungen also, zu denen die Lacedümonier eat- 
schlossen waren, wenn (êu») die Athener andern theils dazu bereit 
waren, ihnen die demarkationslinien zu bewilligen, welche sie für 
sich am Peloponnes forderten. 

Durch die ausführlichen bemerkungen, mit denen Thukydides 
die urkunde eingeleitet hat, sind wir in der glücklichen lage, we- 
nigstens von dem hauptinhalte des fehlenden trotz der lücke kenot- 
niss zu haben. Vor allem muss irgendwie den Lacedámoniern in 
ihrem vordringen in Thrakien eine schranke gezogen sein. Im eia- 
zelnen mégen gern dieselben namen aufgeführt sein, wie sie in der 
friedensurkunde €, 18, 8. 9. 12. 13. 28 (ohne Zxwwratwr) er- 
scheinen. Sind sie wirklich aufgeführt gewesen, dann hatte Ari- 
stonymos allerdings die leichteste arbeit gehabt und würe schon 
durch die urkunde selbst auf Skione aufmerksam geworden. Ue- 
brigens bedürfen die worte d, 122, 34, mit denen Thukydides von 
der weiter ausgeführten commission des athenischen gesandten be- 
richtet, noch der richtigen erklärung: *Agiorwivuos dé roig pir 
&ÀÀosg xarpves, Sxswratouc dé aloPoperoc 2x AoyvouoU 16)» ruequy 
Ón votegor dqiorgxowr, ovx Egy éronovdovs iot69ei. Toig al- 
Aosc ist personell, aber dieser dativ hier ist kein „ungewöhnlicher“, 
sondern sehr gewöhnlich, der dativ der person mit dem accusativ 
der sache verbunden; für den accusativ der sache kann natürlich 
auch der infinitiv eintreten, der sogar bei xurusveiy das gewöhn- 





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Jahresberichte. 739 


lichste ist. Es heisst also: zoig pé» GAdoss xarnves Evondvdoug 
&0:09a (oder meinetwegen eivas), den übrigen gestand er es zu, 
dass sie für die Athener &vonordo, sein würden (oder: Zronordos 
seien) von den Skionäern behauptete er, dass sie (für die Athener) 
ausserhalb der onosdal sein würden. Kazasveiy mit einem dativ 
der sache wäre etwas ganz unerhörtes. Auch bei dieser gelegen- 
heit muss ich es behaupten, dass Thukydides und die gute grie- 
chische sprache sich immer so ausdrückt, dass nur eine auffassung 
die richtige und mögliche ist. 

Ueber die frage nuu, wie die von wir behauptete lücke ent- 
standen sein mag, bin ich nicht der mann, auch nur ein wort zu 
verlieren. Vielleicht sind wir spüter so glücklich, dass sich noch 
der stein findet; dann werden wir ja weiter sehen. 

Nach dieser darlegung, wobei ich natürlich von der vermu- 
theteo lücke absehe, kann ich nicht finden, dass Steups besprechung 
dem verständniss der urkuude in irgend einem punkte eine aufklä- 
rung oder förderung gebracht hat. Ob man das von A. Kirchholts 
behandlung wird sagen können ? Den text hält Kirchhoff an zwei 
stellen, z. 9—11 und z. 5 zw., für arg und unrettbar verdorben 
und unternimmt es daher auch nicht, ihn wiederherzustellen; an 
zwei andern stellen, z. 4 zw. und c. 119, 11 macht er verbesse- 
rungsvorschläge. Ueber das xai ofa au der ersten stelle, das sehr 
signifikant gerade das bringt, was man dort erwartet, das aber 
nichts desto weniger von Kirchhoff durch ein ganz unbrauchbares, 
ja widersinniges xa9' « weggetilgt wird, habe ich oben schon ge- 
sprochen; an der zweiten stelle, z. 4 zw., weist er, um die ver- 
stümmelung derselben nachzuweisen, darauf hin, dass den strategen 
und prytanen das ygguoi(ca, zukomme; das ist ja gewiss und wer 
weiss das nicht; aber ebenso gewiss ist auch, dass das qonuar(ou, 
ohnehin schon ausgedrückt in nosrouriuç newer, ein stück des 
BovisicacOa, ist und daher das specielle orgurnyovg sich in das 
allgemeine “49nvafovg erweitern konnte, Ueber die dritte stelle, 
z. 6 zw., das xaJ' örı cv éoin n nosofie(u, sagt er p. 745: „an 
einem auderweitigen, aber nicht minder schlimmen verderbuiss leidet 
ferner die fassung des satzes, in welchem der gegenstand der zu 
pflegenden berathungen näher bestimmt wird. Wie er überliefert 
ist, giebt er überhaupt keinen sinn, Der sprachgebrauch verlangt 
eine verbalform im futur“. Darnach schlägt er vor: xa9" ou elo 
ñ neesofsla. Gewiss, der sprachgebrauch fordert nach x«3' 074 eine 
verbalform im futur, wenn es sein muss, aber ein andres mal wieder 
Gy mit coniunctiv, wenn es sein muss, oder wieder anderes, wenn's 
anders kömmt. Hier haben wir es nur mit dem unterschiede der bei- 
den ersten redeformen zu thun. Das futur steht im abhangigen satz, 
wenn dieser ganz allgemein uud unbedingt den inhalt des vorherge- 
henden angiebt, der coni. mit av, wenn der vorhergehende satz eine 
besondere bedingende wirklichkeit zur voraussetzung hat. Hier haben 


CES ^ 









— VL. 


740 Jahresberichte. 


wir beides dicht neben einander. Z. 3 zw. bekommen wir: zosiodas 
rovc Adyous, xad’ Ors Eatus 3) xatadvo:s 100 modfpov, die gesandten 
sollen ganz allgemein berathen über den abschluss des friedens; da- 
gegen heisst es z. 6 zw.: megi 176 elo»; fovdevoacdas ds- 
valove, xa9' ore av êçln 3 noeofela neoì Trjg xatadvoews tou no- 
A£uov, die Athener sollen hernach in der ecclesie über den abschluss 
des friedens berathen auf grund der besondern bedingenden anträge, 
mit welchen die gesandten bei ihnen eintreffen. Ich sollte doch 
glauhen, das ware ein unterschied, und worin anders bestebt denn 
die schónheit und bildung der griechischen sprache, als auch ait 
darin, dass sie derartige unterschiede zu nüanciren weiss. Das fut, 
nach xa9’ ox erscheint ausser an dieser stelle noch: a, 69, 4; a, 
82, 10; 9, 67. 22; der coni. mit a» sogar noch öfter, ausser aa 
dieser stelle noch: a, 35, 24; e, 18, 37; e, 47, 27; e, 47, 1; 9, 
58, 30. ZBovdevcac3a: ’Adnvaloug xa9' ors «las» n noeofita 
ztQi 176 xaradvoews toù noÀéuov ist also auch griechisch, aber es 
heisst: die Athener sollen berathen über die bedingungen, mit wel- 
chen die gesandtschaft über die beendigung des krieges hingehen 
wird. Aber wohin denn? Wäre das schon, ohne die angabe des 
ziels, eine kümmerliche rede, so würe es ja zweiteus ganz dasselbe, 
was schon vorher z. 2 zw. iu den worten gesagt ist: lóviag we al- 
AgAovg neéoBes xai xjQvxag nouiodus 1006 hoyoug xu 9” Sri Fora: 
n xutudvoss tov nodéuov. Drittens wäre dann von einer gesandt- 
schaft (5 ngecfela) zu diesen verbandlungen die rede, während wir 
vorher erfahren haben, dass é» 10010 TQ yoovo), in dem ganzen jahr 
des waffenstillstandes boten hin- und hergeben sollen, um über die 
bedingungen des friedens zu seinem endlichen abschluss ins klare 
zu kommen, und wührend es uns sogleich als thatsache bestatigt 
wird, dass das wirklich geschehen ist, c. 119, 22: xai Eurnsour dr 
avr; megì tv utitóvu» onordw» dit aurıog (die ganze zeit hin- 
durch) 2g Aoyowc. Viertens wäre dann die erste athenische gesandt- 
schaft zu diesen verhandlungen erwähnt, die letzte gesandtschaft aber, 
die zum endlichen abschluss führen sollte, wäre unerwähnt geblieben. 
Fiioftens wäre bekannter massen zu solchem anfang der verhandlua- 
gen die athenische ecclesie gar nicht von nötlıen gewesen; den hätten 
ja strategen und rath schon in eigner macht beginnen kónnen. Und 
endlich sechstens wäre aus 7rowror gar nichts zu machen. Wena 
also mit xu or, tici» die rede defekt und die sache nach allen 
richtungen verkehrt wird, wie stellt es sich dem gegenüber mit xa3' 
om av écfn? Dann sollen die strategen und prytanen zuvor eine 
ecclesie egi 1ÿç elorvzs veranstalten, und in dieser die Athener auf 
grund der besonderen bedingungen berathen, mit welchen die gesandt- 
schaft, die eine bestimmte gesandtschuft, die in bezug auf die been- 
digung des krieges kömmt, bei ihnen eintrifft. Also wegi 176 el- 
onvns gehört zu éxxAnolur. Dass eine ecclesia von irgend wem 
berufen wird und zgwıor, zuvor vor ihrer berathung, ist ja selbst- 





/ En 

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— — — 
Jahresberichte. 741 


verstand. Ks muss also einen grund haben, dass hier der strategen 
und prytanen und dazu mit einem zgwroy gedacht wird. Diesen 
grund weist uns das wmegì zig elgrvgc auf. Also die strategen und 
prytanen sollen es xowror, zuvor, durch die hin- und hergehenden 
boten dahin bringen, dass eine éxxAnola neoi jg elonvns gehalten 
werden kann, eine friedensecclesie, die beräth und endgültig abschliesst 
auf grund der bedingungen, die ihr gebracht werden. Und gebracht 
werden von wem? Von der noeçfelu megi 176 xatadvoews tov 
zoÀíuov, also vou einer bestimmten gesandtschaft, die als solche mit 
namen bezeichnet wird, also: von der gesandtschaft, die behufs der 
beendigung des krieges eintrifft. Ist’s eine athenische gesandtschaft 
gewesen, die mit diesen schliesslich verabredeten bedingungen aus 
Sparta zurückkömmt, oder ist's eine spartanische gewesen, welche 
diese schlussbedingungen nach Athen bringt? Möglich wäre ja das 
eine wie das andere. Aber es ist eine spartanische gesandtschaft 
gewesen. Man sieht das einmal aus dieser composition éçfy, und 
sodann an einem zweiten anzeichen, das hier von bedeutung wird, 
undvon dem, wie ich oben gesagt habe, nachtrüglich noch die rede 
sein sollte, Ich meine jenes schóne lehrreiche prüsens im munde der 
lacedämonischen gesandten, c. 118, 28 zw.: 7meQ xoi vpeig Huus 
xelevere. Der waffenstillstand, gleich anfangs in der ausgesproche- 
nen absicht verhandelt, um durch ihn zum dauernden frieden zu kom- 
men, wird in Athen abgeschlossen. Dasselbe fordern die Athener 
auch vom demnächstigen friedensabschluss, wie man aus dem écíy 
ersieht. So haben also die Athener schon in den waffenstillstands- 
verbandlungen, worüber uns jenes xedevere belehren kann, davon ge- 
sprochen uud es gefordert, dass die Lacedämonier wie zu waffen- 
stillstandsverhandlungen, so auch zu den spätern friedensverhandlun- 
gen mit endgültiger vollmacht in Athen erscheinen sollen. Das 
êçtn aber von diesem eintreffen in der stadt ist das von selbst ge- 
gebene. So e, 60, 24, da aber éceévas und èséoyopas (ich darf na- 
türlich nicht Zc£gyec9 us sagen), wie bekannt, sich auslrelfen, so 
dienen dafür auch die eintretenden formen von écégyouas zum be- 
weise, und so darf ich also noch weiter anführen: 8, 2, 2. 13; 
B. 3, 25; B, 4, 21; B, 5, 12; B, 13, 18; f, 19, 19; 8, 72, 28; 
B, 73, 11; y, 25, 23; y, 28, 34; y, 66, 25; y, 102, 18. 21; 
d, 70, 32; d, 110, 9; d, 111, 20; d, 113, 7; 0, 131, 26; «, 8, 
17; È, 51, 23. 27; 9, 1, 21. 

Nur eine stelle, wo Kirchhoff gegen alle handschriften zu ün- 
dern anrathen möchte, bleibt noch übrig, c. 119, 11: zavra Ev»£- 
Ferio Aaxedatuornos xai Wuo)oynoav xai of Evupayos. Die bes- 
sern handschriften geben, was ich hier geschrieben habe, und so 
auch Bekker. Es ist mir immer eine freude, zu sehen, wie die 
richtige schitzung, die Bekker von seinen handschriften hat, ihn 
wie meist so auch hier sicher geleitet hat. Sein B und G geben 
bier Wpuocay statt wunAoynoar; wer aber diese beiden, B und G, 






-__ oe — 


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742 Jahresberichte. 


in ihrer rationellen art kennt, hat schon von vorneherein, wenn sie 
allein stehen, sein bedenken, und hier wird er sie sogleich ent- 
schieden abweisen, weil sie unmögliches, weil nicht thatsächliches 
bringen. Denn von einem eide ist bei diesem akte überhaupt nicht 
die rede. Dagegen setzt der ganze akt gerade das wysodoynour 
voraus. Die Lacedämonier schliessen, wie wir gesehen haben, für 
sich und ihre gesammten bundesgenossen ab. Aber hier begnügen 
sie sich damit nicht, sondern haben zum vollzug des aktes gesandte 
ihrer augenblicklich im felde stehenden bundesgenossen mitherzage- 
zogen. So sind diese schon in der lacedimonischeo vorlage erwähnt 
und werden es ebenso im protokoll des athenischen demos, z. 8 zw.: 
onelcacdu. dé atilxa pula tag noesfelas Ev vo. duco tas xa- 
oovoag. Also ist es dieser sachlage ganz entsprechend, weil die 
betheiligung gerade dieser bundesgenossen von vorneherein beabsich- 
tigt war, dass nun auch im vollzugsprotokoll dieser ihrer theilnabme 
und zustimmung gedacht wird, und es also heisst, wie es da stebt: 
tavtu Evrédevro Aaxedasuovios xai Wuoloynoar xai of Evpuayos. 
Deswegen, weil ein andres xai wuoloynoav schon im früberen da- 
gewesen, das dort durch seine personen einen andern sinn het, an- 
zunehmen, es sei hier der zusatz eines unberufenen, durch dessen 
flüchtige auffassung hervorgerufen, ist doch ein gar wenig gerecht- 
fertigtes urtheil und so wird auch wohl der rath, diese worte, die 
sogar unentbehrlich erscheinen müssen, zu streichen, schwerlich von 
einem künftigen herausgeber befolgt werden künnen. 

Ich komme jetzt zur erklärung selber, wie Kirchhoff sie von 
der urkunde gegeben hat. Er beginnt mit einer anklage gegen die 
Lacedämonier. Ihre erklürung im ersten satze hätten sie in zwei- 
deutiger fassung gegeben, das zuir daselbst sei hinterbaltig; erst 
von den Athenern darüber angefasst und gedrüngt, in welchem sione 
das quir von ihnen verstanden werde, ob von ihren bundesgenosses 
überhaupt oder nur von den anwesenden, hätten sie sich dazu be- 
kennen müssen, dass sie allerdings nur die anwesenden meinten, dass 
man aber sich bemühen werde, auch die zustimmung der Bóoter und 
Phoker wenigstens für diesen punkt zu beschaffen. Die Athener, 
durch diesen zwischenfall gewarnt, hätten darum nun die ungewöhn- 
liche vorsicht gebraucht, in der übergangsformel des protokolls, wo 
man dem eigentlichen gegenstande der verhandlungen näher trat, 
„durch die zweimalige hinzufügung eines «AAoıg zu Évuuayoss ons- 
drücklich darauf hinzuweisen, dass wie die vorhergehenden so auch 
die folgenden abmachungen als lediglich zwischen den in Athen ver- 
tretenen staaten vereinbart zu betrachten und Phoker und Böoter an 
ihnen nicht betheiligt seien“. Wir sind es von der neuern philo- 
logie auch sonst schon gewohnt, dass sie auch das gras wachsen 
hört. Woher weiss Kirchhoff denn, dass der inhalt des zweiten 
satzes der urkunde: roîe uiv Aaxedasuovtoss tata doxst ai rei; 
Euumoyoıg toic nugovow Bowrods dé xai Duxtac Telosiv pacir 





Jah resberichte. 


743 


dg Ovrauv moocxnguxevoueros, erst auf ein befragen uud durch 
drängen der Athener veranlasst ist? Woher weiss er, dass in je- 
nem doppelten zusatz des a4ào:; zu Evuuuyoi sich eine unge- 
wöhnliche vorsicht der Athener ausdrückt? Woher weiss er, dass 
das doppelte allo deswegen da ist, damit durch dasselbe alle an- 
dern peloponnesischen bundesgenossen ausser den durch die anwe- 
senden gesandten vertretenen von diesem waffenstillstande ausge- 
schlossen sein sollen? Woher weiss er, dass dieses doppelte 424016 
überhaupt in der urkunde vorhanden gewesen ist? Eine hypothese 
auf eine andere gebaut und wenn ihrer noch so viele wären, geben 
immer noch keinen beweis. Auch ich weiss sehr wohl, dass man 
ohne vermuthung keinen alten schriftsteller, und überhaupt nichts, 
gründlicher versteht, aber die voraussetzung muss der sachlage, wie 
wir sie kennen, entsprechen, muss aus dieser wie mit nothwendigkeit 
hervorgehen und nicht willkürlich gar ungeheuerliche dinge setzen. 
Sehen wir uns also Kirchhoffs bau einmal etwas genauer an. La- 
cedämonische gesandte kommen begleitet von einigen bundesgenossen 
nach lange vorher über einen waffenstillstand gepflogenen verhand- 
lungen nach Athen, um endgültig abzuschliessen. Nun sollen die 
Athener immer noch nicht wissen, ob es sich dabei um einen par- 
tiellen oder einen allgemeinen waffenstillstand handelt? Wenn die 
Lacedamonier also in ihrer ersten selbstverstündlichen amphiktioni- 
schen bestimmung doxei muir sagen, konnten die Athener ebenso 
wenig darin eine hinterlist vermuthen, wie die Lacedámonier damit 
zu tüuschen die absicht haben konnten. Eines drüngens abseiten 
der Athener, um den begriff „wir sicher zu stellen, bedurfte es also 
nicht. Zum glück lüsst es sich aber auch sprachlich erweisen, 
dass Kirchhoff mit seiner voraussetzuug im unrechte ist, wenn er 
behauptet: ,,die worte des folgenden satzes: roig uèr Auxsduiuo- 
vloıg taviu doxei xai 100; Evuuuyors roig napovow‘ Bowrovg dé 
xai Duxéus neloev gaciv dg Suruuiv nQocxgQvxevOutvos, seien 
nicht worte der sich weiter aussprechenden Lacedámonier, sondern 
die worte, wie der schreiber des rathes sie ale ergebniss der in- 
zwischen, zwischen dem ersten und zweiten satz gepflogenen erór- 
terungen protokollirt habe. Er meint also, gaol hatte der schreiber 
des rathes in seinem protokoll io bezug auf die lacedämonischen 
gesandten gesagt, es hätte also die lacedimonischen gesandten zum 
subjekt. Aber quot und ngocxnguxevomevos gehören zusammen, und 
wenn zocxgouxevoutvos, wie doch selbstverständlich, nur vom lace- 
dümonischen staate selber gesagt werden kann, so ist auch klar, 
dass wie dieses so auch g«c( nicht die in Athen anwesenden ge- 
sandten, sondern die Lacedämonier im staate, die Lacedämonier in 
Sparta zum subjekt hat. Wenu aber das, so haben wir im zweiten 
satze nicht die mit der vorausgehenden rede der lacedümonischen 
gesandten abwechselnde rede des protokolls, sondern die weiter fort- 
gehende rede derselben lacedämonischen gesandten, wie diese denn 









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744 Jahresberichte. 


auch in diesem ersten abschnitte der urkuude ohne unterbrechung 
und wechsel alles folgende sprechen, bis das dekret des demos aa- 
hebt. Und warum sollte das nicht so sein? Wenn die lacedämo- 
nischen gesandten schon im ersten satze das doxei 7uîv im namen 
ihres staates gesprochen haben, warum sollen sie nicht im zweiten 
fortfahren können: das ist nun die meinung unsers staates, der La- 
cedämonier, die zugleich durch uns die versicherung geben, dass 
sie durch herolde die Böoter und Phoker möglichst zur erfüllung 
der ersten bestimmung zu bewegen versuchen wollen. 

Ist es also mit dem ,,zwischenfall nichts, so fällt auch die 
„ungewöhnliche vorsicht“ hinweg, die das doppelte aAAoss zu Ewu- 
puzoss hinzugefügt haben soll, und mit ihr das doppelte «4405 
selber. Ja, wenn nur ein einzelnes cAdoss zu verstehen wäre. 
Auch andern erklärern ist das «Alos; ein stein des anstosses ge- 
worden und sie sind daran zu schaden gekommen; Kirchhoff erst 
recht gerätl dabei aus einem missgeschick in das andere. Erstens 
ist ibm roig «loi Evuuuyoss bloss ein andrer ausdruck für roïç 
fvupayoig roig mugovasr, z. 24. Solcher wechsel wäre freilich 
im curialstil, den Kirchhoff ja besser kennen wird als andere, et- 
was neues, Aber es sei; wie käme aber zoig aAÀow Evppayoss 
dazu, mit roîg Evumuyoıs 1006 nagovory dasselbe zu bedeuten? 
Kirchhoff setzt das bin wie einen selbstverstand; und doch haben 
es die einen so, die andern so verstanden. Aber es sei auch das, 
und es bleibe Kirchhoff die vergebliche mühe überlassen, dafür die 
belege zu suchen. Wenn also zoig «44015 Evuuayoss dem obigen 
toig Evuuayoss 1006 magovow gleich sein soll, so schliessen also 
die Athener hier nur mit deu augenblicklich in Athen vertretenen 
pelopounesischen staaten ab. So hätten wir hier nur einen par- 
tiellen, nicht einen allgemeinen waffeustillstand. Das ist auch Kirch- 
hoffs eigentliche meinung. ,,Es scheint mir nicht zweifelhaft, sagt 
er, wie ich seine worte oben ausgeschrieben habe, dass diese hin- 
zufügung (10î5 &ÀÀoig) in der absicht geschehen ist, ausdrücklich 
darauf binzuweisen, dass wie die vorhergehenden, so auch die fol- 
genden abmachungen als lediglich zwischen den in Athen vertre- 
tenen staaten vereinbart zu betrachten und Phoker und Béoter an 
ihnen nicht betheiligt seien. Allerdings, fährt er dann fort, waren 
selbst von den gliedern des peloponnesischen bundes, den bundesge- 
nossen der Lacedámonier im engern sinne, eiue ganze anzahl nicht 
vertreten: so fehlten Elis, die arkadischen städte, Phlius, Pellene, 
Trózen, Hermione . . . Indessen . . für die Athener lag keine 
veranlassung vor, diesen punkt zu urgiren und die legitimation der 
Lacedümonier, im namen auch dieser nicht vertretenen staaten ab- 
zuschliessen, zu beanstanden, da letztere sümmtlich vermóge ihrer 
geographischen lage ohnehin in die zu vereinbarende demarkations- 
linie eingeschlossen wurden, und der waffenstillstand thatsüchlich im 
jedem falle auch für sie wirksam werden musste, sie mochten nan 










_ + Jahresberichte. 745 


zustimmen oder nicht“, Das ist freilich des widerspruchs genug iu 
einem athem. Erst sollen die Athener ausdrücklich darauf hinweisen, 
dass sie lediglich mit den in Athen vertretenen staaten abschliessen, 
und dann sollen sie wieder den punkt nicht urgiren, dass man von 
der andern seite auch für die nicht vertretenen staaten abschliessen 
will? Und wenn zoîs aÀÀosg wirklich dasteht und die vertretenen 
staaten bedeutet, wo steht denn, dass die Lacedämonier auch für 
die nicht vertretenen staaten haben abschliessen wollen? Und auf 
diesen punkt soll es nicht angekommen sein, ob dieser waffenstill- 
staud ein partieller oder ein allgemeiner war? Den Athenern soll 
es gleichgültig gewesen sein, ob etwa die Bóoter, Phoker, Lokrer 
während des waffenstillstandes in Attika einfallen konnten, oder 
den Lacedämoniern, ob umgekehrt die Athener Bóotien heimsuchten 
oder nach Elis segelten? Das fasse, wer mag. Aber zu alle dem 
kómmt noch ein letztes. Das zweite «AAoss gehört dem satze an: 
tade de Moke Auxedasporiors xai roig addoss Evupdyoss. Nun 
aber ist im folgenden nichts vorhanden, worauf sich das r«de be- 
ziehen könnte. Was zunächst folgt, z. 32— 15, sind nicht gefasste 
beschlüsse der Lacedämonier, sondern das, was die Athener be- 
schliessen und als gegenleistung gewähren sollen für das, was die 
Lacedümonier ihrerseits als ihre leistung schon beschlosseu haben, 
z. 90: mnegi uèr obv tovrwv EdoËe Auxedasuovlois xai 10i; Evu- 
pa&yoic, tav onovdág novies où ° A3Fnvaîos. Und was vou z. 15: 
xnçuxe bis zum schluss der lacedümonischeu vorlage weiter folgt, 
ist nichts als ein zusatz von selbstverständlichen bestimmungen, wie 
sie in andern verträgen auch wiederkehren, daher nicht #dofe, son- 
dern doxsi (z. 23 zw.: roig uiv Aaxedusporlors xai toic Evuua otc 
tuvru doxsi), gerade wie auch zu anfang der urkunde von einer 
gleichen selbstverstündlichen bestimmung dasselbe doxe? gebraucht 
war. Hat aber das rude im folgenden keinen bezug, so sieht man 
wohl, aus wie gutem grunde dieser satz: rude — zoig aAÀosc Evu- 
mayo: in den bessern handschriften sich nicht findet und nur von 
einzelnen geringeren handschriften gebracht wird. In diesen letzten 
sind auch hier dieselben abschreiber thätig gewesen, die auch sonst, 
wie wir schon ófter gesehen haben, in ihrer flach rationellen art 
sich mundgerecht machen, was ihnen in seinem ächten zusammen- 
hang und tieferen verständniss verborgen geblieben ist. Für den 
satz ist nun einmal keine rettung. Fällt er aber, so fällt auch 
das allo: mit, und das erste gleich schlecht beglaubigte «44016 
obendrein; dann sind aber auch mit dem «22065 zugleich alle hy- 
pothesen gefallen, die Kirchhoff darauf gebaut hat und, eine wahre 
herzenserleichterung, alle widersprüche, die in Kirchhoffs erklärung 
des caddosc enthalten sind. 

Der waffenstillstand ist abgeschlohsen worden am 14. elaphe- 
bolion, c. 118, 1 zw. Es ist das nach A. Mommsens minimalansatz 
der städtischen Dionysien (Heort. p. 388) der tag der nachfeier der- 






746 Jahresberichte. 


selben, der tag des Pandienopfers, an welchem zugleich eine ge- 
setzlich angeordnete ecclesie stattfand. Wenn also zum endlichen 
abschluss des waffenstillstandes noch weitere vorversammlungen ia 
Athen nóthig waren, so hat Kirchhoff recht, wenn er von einer 
unterbrechung dieser verhandlungen durch die Dionysien spricht, p. 
851. Ich möchte mir die sache lieber etwas anders denken. Nach 
c. 118, 11: ola Euréderro ngóg ASnralovs, möchte ich annehmen, 
alle vorverbandlungen sind von den beiderseitigen gesandten zuletzt 
schon in Sparta erledigt worden, und es hat darnach nur des end- 
gültigen abschlusses in Athen bedurft. Zu diesem haben dann die 
Athener die fremden gesandten auf ihre Dionysien, zur mitfeier der- 
selben eingeladen, und am tage der nachfeier derselben, am früh- 
lingsvollmonde der Pandien, ist dann in der volksversammlung, die 
an dem tage stattzufinden hatte, endgültig abgeschlossen worden. 
Dann würe schon hier beim abschluss des waffenstillstandes dasselbe 
geschehen, was bei der jährlichen erneuerung des vertrages der 
Evupayla geschah (s, 23, 15); auch diese ist von den lacedämoni- 
schen gesandten zur mitfeier der Dionysien in Athen und von den 
athenischen gesandten zur mitfeier der Hyakinthien in Sparta benutzt 
worden. 

Ich will das nur ganz beiläufig bemerkt haben. Kirchhoff hat 
hier gewiss so viel recht, sich die sache auf seine weise vorzustel- 
len, wie ich auf die meine. Doch scheint es mir nicht gerechtfer- 
tigt, wenn er auch hier nach seiner art von einer thatsache spricht, 
wo nur von einer müglichkeit zu reden war. 

Aber freilich er vermag es über sich, auch da ohne beweis 
wie von einer zweifellosen thatsache zu sprechen, wo das gerade 
gegentheil die thatsache ist und eine thatsache, die auf der hand 
liegt. Die sache ist diese. Kirchhoff selbst gesteht, p. 840, wie 
wir schon oben gesehen haben, dass er die worte z. 10: x«2 za 
&y Teostive, couneg vov Eyovos xal ola Evvédevro noòc AFnvalove, 
nicht versteht; er erklärt sie für „verdorben und lückenhaft, auch 
mit sicherheit nicht wiederherzustellen*; indessen, führt er fort, er- 
hellt aus der verderbten überlieferung wenigstens so viel zur evidenz, 
dass hier eine demarkationslinie auf grund einer besonderen verein- 
barung zwischen Athen und Trözen bereits gezogen war und beide 
staaten zur zeit der erüffnung der gegenwärtigen verhandlungen 
schon einen separatwaffenstillstand abgeschlossen hatten, auf dessen 
bestimmungen bezug genommen wird“. Es kostet etwas, bier bei 
ruhigem blute zu bleiben. Also aus einer stelle, von der man selbet 
bekennt, dass man sie nicht versteht, die man für zweifellos ver- 
dorben, für lückenhaft, für nicht wiederherstellbar erklürt, soll sich 
etwas zur evideuz ergeben können? und auch dann noch zur evi- 
denz, wenn es etwas ist, was nach unsrer sonstigen kenntniss so 
gut wie undenkbar ist! Oder wäre etwa ein separatwaffenstillstand, 
den ein glied des peloponnesischen bundes und Athen während des 





n rt — 


_~ -Fhresberichte. 747 


krieges sollen abgeschlossen haben, nicht etwas su unerhortes, dass 
es nur dem zuverlüssigsten und unzweideutigsten zeugnisse geglaubt 
werden könnte? Aber aus welcher stelle der angeblich duokeln 
worte sieht denn Kirchhoff diesen separatwaffenstillstand zwischen 
Athen und Trözen so hell hervorleuchten? Io den ausgeschriebenen 
worten nimmt er oi TeoosLnvıos als das subjekt au, subjekt zu 
£yovos, subjekt zu Ev»£Oavro. Aber zu Zyoves ist of “APnvaior, zu 
EuréFerz0 ist /faxedosuório, das subjekt, wie ich oben gezeigt habe, 
die Tgoı&yrsos sind nirgends da, weder vorher noch nachher, einzig 
in Kirchhoffs phantasie, und so ist auch nur in dieser der separat- 
vertrag zwischen Athen und Trözen zu finden. 

Man mag wohl manchmal, zumal wenn man auf der suche nach 
neuem ist, seine absonderlichen gedanken haben. Aber so wie 
Kirchhoff der gedanke an einen separatvertrag während des krieges 
kam, musste ihm doch das gewissen schlagen, dass Thukydides von 
einem so ungehenerlichen, wie solcher separatvertrag es wäre, in 
seiner vorhergehenden erzählung kein sterbenswörtchen berichtet hat, 
und musste desshalb, sollte man glauben, sich die ihm dunkle und 
lückenhafte stelle und ihre „evidenz“ wieder und wieder darauf an- 
sehen. Aber darnach ist er eben der mann nicht. Er hat es ge- 
rade umgekehrt gemacht. Aus seinem ersten luftgebilde entstehen 
seiner schöpferischen phantasie sogleich neue wolkenbildungen, in 
denen wir nun erst das wirkliche bild des historikers erkennen sol- 
len. Es scheint ein eigenthümliches geschick über denen zu schwe- 
ben, die am Thukydides zu meistern werden wollen. Es ist mir 
immer, als weno ich sie plétzlich am eignen geiste erlahmen sehe, 
wenn sie an ibm sich zu versündigen nnterwegs sind. So ist es 
auch hier wieder. Was Kirchhoff, der so sehr verdiente und all- 
gemein geachtete gelehrte, sonst viel besser weiss, ist alles dahin, 
wenn es sich um eiowände gegen Thukydides handelt. Kirchhoff 
argumentirt so: Athen und Trözen haben einen separatvertrag ab- 
geschlossen ; die urkunde spricht von diesem, Thukydides aber weiss 
von ihm nichts. Also ist die urkunde für seine geschichtserzähluug 
nicht verwerthet. Ist’s geschehen aus nachlüssigkeit oder weil er 
sie nicht kannte? Nachlässigkeit mag Kirchkoff nicht annehmen. 
Also die urkunde war ihm nicht zugünglich, als er die ersten zehn 
jahre beschrieb. Zugänglich aber war die urkunde an keinem an- 
dern orte als im Metroon zu Athen. Also hat Thukydides die er- 
sten zehn jahre in seinem exil ausserhalb Athens beschrieben, und 
als er später aus der verbannung heimkehrte und „dran ging, die 
geschichte des krieges nach einem erweiterten plane fortzusetzen 
und bei dieser gelegenheit und zu diesem zwecke die ältere dar- 
stellung der ersten zehn kriegsjahre einer umarbeitung unterwarf, 
legte er die ilim mittlerweile bekannt gewordene urkunde an der 
betreffenden stelle ein. Wenn dies in einer rein äusserlichen weise 
geschehen ist und ohne dass das neugewonnene material gehörig 


. 
. 
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MATT LI 
748 Jahresberichte. 


ausgenutzt wurde, so beweist das eben nur, worauf auch zahlreiche 
andere indicien hinführen, dass der geschichtschreiber mit seiner ar- 
beit auch nach dieser richtung nicht eigentlich fertig geworden 
ist*. Von der grundlage dieser ganzen deduktion, dem separatver- 
trage, sage ich natürlich kein wort mehr; aber auch abgesehen 
von diesem, so viel sütze hier weiter folgen, so viel irrthümer oder 
neue hypothesen. Also Thukydides hätte die urkunde nicht ver- 
werthet, so weit sie für seine geschichte von werth war? und doch 
wusste er nachzurechnen, dass Aristonymos mit seiner forderung, 
Skione vom waffenstillstand ausgeschlossen zu wissen, um zwei 
tage im bessern rechte war als die Lacedümonier. Und an keinem 
andern orte als zu Athen im Metroon soll die urkunde zugänglich 
gewesen sein? Und also hätte der andere paciscent, Sparta, keine 
abschrift der urkunde besessen, und die waffenstillstandscommissare 
hätten keine beglaubigten abschriften an die betreffenden stationen 
mithingebracht? Und erst soll Thukydides nach einem beschraak- 
teren, dann nach einem erweiterten plane geschrieben haben, aber 
mit der umarbeitung des schon geschriebenen nicht fertig gewor- 
den sein? Und zu den zahlreichen andern indicien, die darauf bin- 
führen, soll die nichtverwerthung der urkunde jetzt ein neues her- 
zubringen? Ich warte schon lange darauf, ein einziges uud das 
erste der art dargelegt und erwiesen zu sehen. Was bisher der- 
urtiges an alten indicieu meist Kirchhoffs schüler vorgebracht haben, 
ist noch immer von derselben bedeutung gewesen, wie dies ueue 
indicium des meisters. 

Friedrich Kiel, dem wir schon früher als forschendem und 
denkendem gelelrten begegnet sind, geht in seiner behandlung der 
urkunde von den worten aus, wie sie sich zu anfang des Q. 4 in 
wenigen geringeren handschriften finden: nti uiv oU» TOVIOY 
EdoSe Auxedutporlosg xol toi; Foupayos xaza tavta’ rude dé 
Edoke Auxedurporloss xai t0ig addoss Evuuayox. Er hat, diese 
worte der geringeren handschriften für die richtigen zu halten, vor- 
laufig ebenso gut das recht, wie ich das recht in anspruch genom- 
men habe, von den zahlreichen bessern handschriften auszugehen. 
Schliesslich handelt es sich ja nur darum, wie weit jeder mit sei- 
nen handschriften kömmt, und welche worte die sache zulässt. 
Durch die annahme seines textes gewinnt Kiel drei verschiedene 
bezeichnungen, mit denen lacedämonische bundesgenossen in der ur- 
kunde unterschieden werden, z. 24: of Evupagyo: of nagovtec, z. 31: 
oí Evupayos, und ausserdem ol cAdos Evuuayos Diese letzten, 
ob «Ados Evuuayos, sind ihm: die bundesgenossen ohne ausnahme; 
oí Euuuuyos die majorität der bundesgenossen, und of Eópupayo 
of magovtes die in Athen anwesenden bundesgenossen. Aber alles 
dreies ist nicht richtig, selbst das letzte nicht in seinem sinne, wor- 
nach es bald dieses, bald aber auch ein andres bedeuten soll. Of 
GAdos setzt er selbst = reiqui, die übrigen. Wenn nun in der- 





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; mM | Jahresberichte. 749 
De 5 05 Evupayos of œagôrres vorhergeht, so kann o£ 
7 ‘muss man doch schliessen, nichts anderes bedeuten 
ie a + Dundesgenossen mit ausnahme der vorhergenannten 


inden «=. Fs £vuuayos z. 31 sollen ihm die majorität der bun- 
. Wwsen , a, uud: édofe Auxedummorlois xal 10i; Evppayoss 
+ : „die Lacedämonier und die majoritat der bundesgenossen 
: sich dabin und erhob also zum allgemein gültigen 
8*, Aber es konnte den Athenern ja ganz gleichgültig sein, 
ss die Lacedämonier ihre für die peloponnesische symmachie 
ailgemein gültigen waffenstillstandsbedingungen nach Athen brachten, 
wie diese in Sparta ob mit majorität oder einstimmig beschlossen 
waren. Für sie, die Athener, war also diese unterscheidung vou 
oi Evuuayo: und oí &Ados Evuuayos, dies letztere im sinne von 
Kiel, ganz überflüssig und uunütz. Und zuletzt sollen z. 24: oi 
Evppayor of nagorıss die in Athen anwesenden bundesgenossen be- 
deuten, die aber vollmacht haben, für alle abzuschliessen, aber z. 24 
zw. sollen diese in Athen anwesenden und mit vollmacht für alle 
versehenen bundesgenossen doch wieder nur mit dem blossen oí 
Evupayos bezeichnet werden. Und das in derselben urkunde, im 
curialstil, von dem gerade auch Kiel, und gewiss mit recht, wie- 
derholt bemerkt, dass in ihm das gleiche nicht mit wechselndem 
ausdruck bezeichnet werden darf. Aber diese künstliche unterschei- 
dung der bundesgenossen ist für Kiel von wesentlicher bedeutung. 
Mit ihrer hülfe unterscheidet er wieder verschiedene gruppen von 
beschlüssen in der lacedámonischen vorlage, und zwar die folgen- 
den: a. beschluss über die benutzung des delphischen heiligthums in 
Q. 1, von den anwesenden gesaudten erst auf antrag der Athener 
in Athen gefasst; b. beschluss über die tempelrüuber, in Sparta von 
der majoritât der bundesgenossen gefasst und von den in Athen an- 
wesenden gesandten erst dann zuzugestehen, wenn ohne ihn etwa 
der waffenstillstand nicht zu stande kommen sollte, in 2. 3; c. be- 
schlüsse, zu denen in Sparta alle bundesgenussen zugestimmt hatten, 
in 4. 4—8; d. beschluss, den man der selbständigen bestimmung 
der in Athen anwesenden gesandten überliess, in è. 9. 

Diese unterscheidung, in welcher auf den wechsel von doxei 
und Zdo&s erfreulich rücksicht genommen wird, ist nicht ohne theils 
unmügliche, theils recht bedenkliche voraussetzungen. Die freie be- 
nutzung des delphischeu heiligthums findet sich ebenso wie hier 
auch in anderen friedensiustrumenten und kann deswegen hier nicht 
erst in Athen von den Athenern gegen etwaige chikanen der Phoker 
und Bóoter verlangt worden sein. Die annahme, dass die Phoker 
und Bouter sich gegen den beschluss über die tempelrüuber mit 
hand und fuss wie gegen einen eingrilf in ihre privaten landesin- 
teressen gewahrt hätten, ist ganz willkürlich; ebenso wohl könnte 
ein andrer annelımen, dass sie eben durch diesen beschluss für die 
freie benutzung des heiligthums geködert werden sollten, wenn das 





750 Jahresberichte. 


4. 


noch nöthig gewesen wäre. Aber beides war vielmehr fromme 
amphiktionische bestimmung und als solche bei einem friedensvertrag 
selbstverstand, so gut wie die zuletzt in 2. 9 und 10 angehängten 
bestimmungen. Darnach vermag ich nicht einzusehen, wie uns durch 
Kiel's voraussetzungen zur klarheit verholfen wird, zumal uns durch 
ihn auf all die sachlichen fragen, zu denen der inhalt der urkunde 
anlass giebt, keine antwort wird. Zum schluss, um über meine 
auffassung keinen zweifel zu lassen, resumiere ich mich, was mau 
mir gestatten möge, noch einmal dahin: der text ist zu lesen, wie 
ihn Bekker z. 30. 31 nach den meisten und besten handschriften 
gegeben hat.  Lacedümonische gesandte kommen mit waffenstill- 
standsanträgen nach Athen und schliessen ab im namen des ge- 
sammten peloponnesischen bundes, ebenso wie sie auch den Nikias- 
frieden im namen aller abschliessen. Hier haben sie so zu sagen 
als eideshelfer zur bekräftigung, weil es sich um einstellung der 
augenblicklichen feindseligkeiten handelt, gesandte der staaten mit- 
gebracht, deren truppen gerade jetzt gegen die Athener im felde 
stehen. Vorher hatten schon zwischen Athenern und Lacedämouiern 
verhandlungen über den waffenstillstand in Sparta stattgefunden; 
ob auch gesandte peloponuesischer bundesgenossen an diesen vor- 
verhandlungen antheil genommen haben, kóunen wir mit bestimmt- 
heit nicht sagen; wahrscheinlich werden die staaten der vou den 
Lacedimoniern nach Athen mitgebrachten und c. 119 nambaft ge- 
machten gesaudten dabei vertreten gewesen sein, Phokis und Böotien 
jedenfalls nicht. In der ganzen lacedämonischen vorlage von an- 
fang bis zu ende führen die lacedámonischen gesandten das wort; 
es wechselt nicht an einer stelle mit ihnen der schreiber des rathes. 
Nur die eigentlichen lacedämonischen beschlüsse werden als solche 
mit #dofs bezeichnet; was nicht fürmlicher beschluss ist, vielmehr 
als amphiktionische bestimmung ein selbstverstand, mit doxei. Diese 
lacedämonischen beschlüsse, was die Lacedimonier ihrerseits leisten, 
die demarkationslinie, die sie in ihren eroberungen io Thrakien 
einhalten wollen, wenn die Athener andrerseits den waffenstillstand 
dahin abschliessen, dass beide theile, also auch die Athener in ihren 
eroberungen am Peloponues sich innerhalb der bezeichneten demar- 
kationslinien halten (av onovdas moswvras oi ‘Ad paio , imi ifs 
abriv preven Exattoovs tyovtug aneg vuv êxouer, rovg Mer xıl.), 
diese lacedimonischen beschlüsse über ihre eigene leistung der ver- 
langten gegenleistung der Athener gegenüber vermisse ich in der 
urkunde; wer mag sagen, wie sie abhanden gekommen ist. Diese 
lacedümonische vorlage ist sodann vom athenischen demos ange- 
nommen, dieser tag der aunahme als der anfangstag des waffen- 
stillstandes nach attischem uud lacedámonischem kalender festgestellt, 
und darauf die urkunde von den lacedüámonischen gesandten und den 
gesandten, die sie dazu mitgebracht hatten, einerseits und den Athe- 
nern andrerseits vollzogen. Die worte des protokolls über diesen 





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Jahresberichte. - 751 


vollzug gehen in c. 119 bis z. 21, mit 7 ner di) ixtyeola uvm 
öy&vsıo beginnen wieder die worte des schriftstellers. 

Kehre ich nun von hier, wo wir mit der besprechung der 
urkunde zu ende sind, zurück zu der hauptfrage, um derentwillen 
wir auch sie hier angestellt haben, zur frage nach dem werthe des 
Thukydidestextes, so ist das resultat auch hier dasselbe, wie in 
allem vorausgehenden. Der text der urkunde, behauptet man, leide 
an allen möglichen mängeln, er sei ersichtlich ganz unbrauchbar, 
lückenhaft, arg verstümmelt, unheilbar verdorben. Von all diesen 
behauptuugen trifft da, wo man sie vorgebracht und wie man sie . 
vorgebracht hat, keiue einzige zu. Nur ein einziges wort in der 
ganzen urkunde ist verschrieben, und wenn je das ursprüngliche 
mit sicherheit wiederhergestellt werden kann, so ist es an dieser 
stelle. Dagegen ist, wiewohl man solche urtheile über den text 
der urkunde abgegeben hat, die bisherige erklärung der urkunde, 
muss ich leider behaupten, so kümmerlich, dass man für den eigent- 
lichen inhalt derselben gar kein verständniss gezeigt und daher auch 
die wirkliche lücke, die sich hier findet, übersehen hat. Im text 
der thukydideischen erzählung habe ich, wenn mau von einem hie 
und da ausgefallenen wörtchen, nach art von 3, 101, 17: 2x zîg 
Xiov nedayias, für éx 175 Xlov où neduysas, absehen darf, lücken, 
wie man sie jetzt im Thukydides überall zu sehen glaubt, nicht 
gefunden, Vielmehr ist das resultat, wie es sich nach den im obi- 
gen angestellten betrachtungen wiederum ergeben hat, dasselbe wie 
immer: Thukydides will vor allem verstanden und erklärt, nicht 
emendiert sein. Die überlieferung ist, so wie sie von der übereinstim- 
mung der meisten besseren handschriften bezeugt wird, meist gesund, 
an einigen wenigen stellen leicht verschrieben , an andern, gleich- 
falls nicht vielen, ist auch einmal etwas ungehôriges vom rande in 
den text eingedrungeu; das alles aber ist bei der charakteristisch 
ausgeprügten sprache des Thukydides meist so leicht erkennbar, 
dass man wahrlich nicht zu verzweifeln braucht, bei ruhigem sin- 
nigem nachdenken und fortgesetztem fleiss dereinst den ursprüng- 
lichen text des schriftstellers so ziemlich wieder zu haben. Ich 
liebe es nicht, bei allgemeinen worten zu bleiben. Daher füge ich 
für jede der hier unterschiedenen kategorien einige beispiele hinzu, 
solche stellen, die bisjetzt noch der erklürung bedürfen uud für die 
art, wie mau mit dem thukydideischen texte umzugehen hat, lebr- 
reich sein dürften. 

1. Stellen, die gesund sind und nur erklürt sein wollen. 

a. €, 16, 32—6 geben die handschriften: maj dé xoi 7 
dv "MyugunóAa foca 10i; ’AInvaloıg Éyeyérnro xal èredvijzes Kiéwy 
re xui Bouoldag, olneg augportewder pudsora Avarssourıo 15 &- 
onvn, ò piv dia 10 adruyeir te xol tiuacdos lx tov nodepeiv, 6 
. dì yerouérns novylas xataparéoregos voullwy ay salvas xaxovoywv 
xai unscroregog diufuddwr, 1078 dé éxatégg T], nodes onsudovtes 





— 


752 Jahresberichte. 


Ta ualıora thy iyepovíav, Misvoroavas te 0 Ilovcavíov Pacsew 
Aaxedaruoriwy x«i Nixiag 0 Nixngdiov, nisioru TOY Tore et 
peooperos ey orga (aic, 10ÀÀ 6) di, pu oÀÀov ngotO uu ovr10. Weil 
die ausleger mit zure dé, wofür sie jezt meist zure dy setzen, den 
nachsatz beginnen, so konnten sie das überlieferte hyenorlar nicht 
an seiner stelle lassen und änderten es beliebig in ouoAoy(av, nov- 
glav, ouoraur, Zotu(av, bis zuletzt Stahl avn schrieb, zu wel- 
cher änderung Classen anmerkt: „Es lässt sich in dieser jetzt völlig 
klaren stelle die genesis der früh eingetretenen verderbniss deutlich 
verfolgen“. Auch mit dieser änderung Stahls ist die sache um kein 
hürchen besser geworden. Wenn die apodosis mit trote dé (oder 
tote di, wie Stahl will) éxarégg vg moAsı onevdovies 14 malo 
avınv beginnt, so passen dazu erstens die folgenden worte: noie 
dn uüllor moosdvuosvio in keiner weise und sind ohne sinn. 
Maisorw. und a uadicra sind verschieden. Wenn mudora heisst: 
in sehr hohem grade, so heisst: 74 —B im allerhóchsten grade. 
C, 104, 19 geht vorher: xai dpnaodeig un’ dréuov xatà rov Te- 
osvator xoAnov, dann folgt z. 22: x«i made yespacdeig dc ra 
paœlioru ım Tuourir nooculoyes. Man vgl. «, 92, 23, 0,74, 11; 
d, 76, 13; s, 25, 18; e, 44, 10; 9, 6, 11; soi; pudsora: 9, 
90, 17; 7, 29, 9. Wenn wir also schon: onevdorıss ta alor’ 
adzny haben, deu stärksten ausdruck, der gegeben werden konnte, 
wozu ist dann noch: roll dì HélAor ngotJuuoU»to da! Und 
was soll zweitens: éxuréou 17 mola? Es genügt ja doch zu sagen, 
dass beide eifrigst um den frieden bemüht waren, und nun Exatéoa 
th moe, während gerade alles folgende in ausführlicher darstellung 
uns einzig darüber belehrt, dass beide männer, Pleistoanax und Ni- 
kias, ihre persónlichen absichten hatten, wesshalb sie den frieden 
wollten. Und drittens wäre es ungeliörig und gegen allen thuky- 
dideischen gebrauch, die angegebenen motive, wenn ror: dé die 
apodosis beginnt, durch die namen zu trennen, so dass sie, ich freue 
mich Müller-Strübings, dass ihn sein gutes sprachgefühl das sagen 
lässt (Aristoph. p. 635), einen theil ihrer motive und ihrer quali- 
tativen bagage vor sich und den andern hinter sich haben. Tote 
dé — myeuoviur gehört zum vorausgehenden, wie es schon der 
wackre Heilmann eingesehen hat. Und warum soll es das nicht! 
Zwischen rore dé und zoze dy ist ein gewaltiger unterschied. zdıe 
dé haben wir ausser hier noch: a, 51, 7; a, 118, 9; a, 126, 12; 
a, 133, 28; f, 8, 18; f, 88, 19 ; y, 104, 19; d, 82, 30; d, 
108, 17; e 67, 5; ¢, 15, 20; ¢, 105, 7; m 27, 6; n, 71, 10; 
tore On: a, 49, 6; a, 58, 23; B, 84, 6; 0, 78, 17; 0, 127, 28; 
e, 17, 13; 6 58, 17; n, 18, 9; 9, 1, 21; 3, 92, 20. Tore dé 
setzt ein späteres einem früheren entgegen, daher auch öfter ein 
mol oder zQortegov vorausgeht : a 51, 6: now Ting idóvrec sinor 
drs vijeg Exsivaı ensnd€ovosy, tote dé xai adroi aveyweovr. Von 
einem nachsatze sollte man da lieber gar nicht reden. Tore di 





Jahresberichte. 758 


bedeutet: just in dem moment, der eben im vorhergehenden be- 
schrieben war; a, 41, 6: êmei dì n ıgonn eyéveto lupnowç xoi 
véxervio of Kogtrdsos, tore dì Egyou wag elyero ndn. Wie ist es 
nun an unsrer stelle? Hier heisst es: Znudn dé xai n dv Myuqi- 
mole, n00@ roig "AF qvatoss dysyévqio xai iu) rixe Kitwv te xai 
Byaolduc, of nto apporkgwder uulıora ‚Nvarısodvıo " elonvg, wove 
ı01e dè éxarlog rj modes omevdovies 1a ualwta iy nyemorlar, 
die beide hier und da im höchsten grade immer (zv«vriovrro) gegner 
des friedens gewesen waren, .... damals aber (als die dinge in 
Thrakien sich abspielten) beide aufs allereifrigste sich bemiiheten, 
jeder seinem staate die hegemonie zu verschaffen. Mit tore dé 
stellt sich also die spätere, diese letzte zeit der beiden männer 
ihrer ganzen früheren, stets von ihnen befolgten weise entgegen, 
und wer kann verkennen, dass hier zugleich jenes wuAscıa z. 39 
und dieses 74 u«As0rG. z. 3 seinen bedeutungsvollen gegensatz hat? 
So beginnt der nachsatz also mit den namen: //lssorouruË te... 
xai Nexfus, was, wenn es noch eines neuen grundes bedürfte, auch 
schon deswegen nöthig ist, weil von einem allereifrigsten bemühen 
des Pleistoanax um den frieden (rt wudsore) uns vorher noch gar 
nichts zu ohren gekommen ist. An die namen fügen sich dann die 
worte z. 6: moÀAg di padhov noosPupovrro ganz natürlich an, 
im zurückbezug auf den inhalt der vorausgehenden kapitel, wie er 
sich als ausführung an die worte c. 14, 33: ngoc dé rmv slonvnr 
alloy rj» yvwunr elyor, anschliesst. /7g08Fvuovrro bedarf kei- 
nes objekts; man hat nicht nöthig, sich in ängstlich gezwungener 
redeweise aus dem vorhergehenden ein elgrrnr zu suppliren; es 
steht absolut wie d, 81, 14: «avrov re Bouoldur flovioutror uu- 
Arora Auxedaiponos axtotedar, noovdvundnour dì x«i ol XaÀA- 
xsdjc, und wie auch d, 9, 12: oglos dé tov zelyoug zuvın aocde- 
vtGT410v. Ovrog truanacucdu: uviove ]ytiro TMg0PvmncEecIus, durch 
diesen absoluten gebrauch zum verstandniss kommt. 

Mit diesem schutz des nyeuorluy ist nun zugleich ein dop- 
peltes gewonnen, eine werthvolle historische notiz bleibt uns er- 
halten, und ausserdem wird noch ein schönes zeugniss für den schrift- 
steller selber gerettet, Denn einmal ist klar, was einerseits die Athe- 
ner und iusbesondere Kleon sich dabei dachten und was sie denn 
noch mehr wollten, als sie vordem die friedensanträge der Lacedà- 
monier zurückwiesen (d, 21, 9; d, 41, 21), und andrerseits was es 
speciell für hoffnungen waren, die sich den Lacedümoniern durch 
die fortschritte des Brasidas neu belebten (d, 117, 18. 19); sodann 
aber müssen wir es duch durch dies jyeuovfay erkennen, wie Thu- 
kydides es kein hehl hat, vielmehr es freimüthig bezeugt, von wel- 
cher triebfeder die politik des mannes, gegen den er an andrer 
stelle, wo es sein muss, das stärkste wort des tadels hat, doch im- 
mer im letzten grunde geleitet worden ist. 

b Mit e, 72, 24: dda puahora dy xusu mavra th èu- 


Philologus. XLII. bd. 4. 30 


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= NN 
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754 Jahresberichte. 


merely Aaxedurporios SiucowFéivres 1016 ty dvdely EdesEur ovy 
n000v negsyevomevos, hat man sich bis jetzt nicht zurecht gefunden; 
für 17 éuntigí ist allerlei versucht worden: anogla, 176 Epresglug, 
neuerdings von Müller-Strübing: uruË/a, oder man hat édacow- 
Sévtes gestrichen, aber auch wer die worte nicht anrührt, wie 
Classen und Stahl, versteht sie nicht, und doch ist alles deutlich 
und durchsichtig, wenn man nur im zusammenhang liest. Thuky- 
dides beginnt die erzäblung der schlacht mit den worten, 71, 29: 
Evrivriwr d’ ete Arıs Ü Buoiatoc tosovde éflovAtoca1o ET Tu 
01QG107tÓ0« noseî uiv xai anarıa tovio. Im folgenden wird uns 
nun das taktische manöver des Agis beschrieben, dabei zugleich aber 
gesagt, dass das allgemeiner schlachtenüblicher gebrauch der heere 
war. Was also die schlachtenerfahruug und schlachtenübung die 
einen gelehrt hatte, das wandten auch die andern an, also dasselbe 
taktische manóver der einen gegen das taktische manöver der an- 
deru. In dieser schlachtenüblichen erfahrung, der éuresofa, nun 
zogen die Lacedümonier deu kürzern xura zurıa. Die überflüge- 
lung auf dem linken flügel misslang, sie wurden hier geschlagen, 
das war das erste; der vergebliche versuch, die lücke im centrum 
durch die unbotmässigen lochenführer auszufüllen, war das zweite; 
vergebens versuchte Agis dann den rechten Hügel an den linken 
heranzuziehen, das war das dritte; so xuru narra 17 dunecola, in 
allen stücken, was ihnen ihre schlachtenerfahrung an die hand gab, 
élacowd vie; , siegten sie nichts destoweniger durch die d»dQía. 
Mohocia dn gehört zu êluoowdérres, nicht zu Edestur; padscia 
dj — èiluccw9évi:ss steht als ein ganzes dem andern ganzen rore 
— mtiQytvoutro, gegenüber, das sieht man schon aus der stellung. 
So haben wir denn auch hier wieder die ipz&g(ua der drdola 
(roàpa, palaxla) gegenüber, wie iu der kriegsgeschichte des Thu- 
kydides unzählige male, man vgl. unter andern &, 72, 21; f, 85; 
B. 89, 27; e, 7, 32; ß, 87, 27; B, 87, 20. 

c. Auch die eipfachste, deutlichste stelle hat mitunter noch 
ihre erklärung nicht gefunden, so d, 86, 33: oùdè «cag nr 
Av tolav voullw enipégerr, ed — doviwoasm. Entweder nimmt 
man hier zu einer unmôglichen ellipse seine zuflucht, oder man ver- 
ändert, was schon alte leser gethan haben: oùdè aogadn, oder 
schreibt: ovd’ kr cag, oder rath ovd’ Aonuorjr an. Aber braucht 
es hier zum verstündniss wirklich noch mehr als des einfachen 
wortes, dass der sutz ed — dovAwousm von acapr, abhängig und 
der sinn dieser ist: auch bin ich nicht gemeint, euch eine solche 
freiheit zu briugen, die es im unklaren lässt, o b ich die angestammte 
verfassung der einzelnen missachtend u.s. w. Oder wäre es zu kübn 
zu glauben, schon dieses blosses ob sei hier erklärung genug! 

2. Stellen, die leicht verschrieben sind. 

a. 9, 67, 22 ist die überlieferung der besten handschriften: 
éneitu Enssdn i ruéqu Epuuer, EvréxAgGav inv dxxAgo(av dg so» 





Jahresberichte. 755 


KoÀwvov» . . . xol écriveysov oi Évrreagñs ado piv oder, avro 
dé TOUT, eEsivas uiv “AS qvalwy dvurgemesy yvw pny nr av nuc fov- 
Anas’ nv dé rig 10» clnóvia 7 youyniu nagurouur n um 10 
teonm Picyn, weyalug Cyulag Entdecav. Besässen die ausleger 
des Thukydides zwei eigenschaften, einmal, die gewohnheit im zu- 
sammenhang zu lesen, und zweitens respekt vor der überlieferung, 
so würden ebensowohl die gewaltsamen vorschlüge, die doch zu 
nichts führen, unterbleiben, wie das richtige bald gefunden sein. 
Was hat man uns hier nicht wieder alles zugemuthet! Wilamowitz- 
Möllendorf will: abuser elneïr, Müller-Strübing: éEeives pèv av- 
TO dev dviecgtgew (oder vielleicht doch üyısıneiv), Stahl dagegen noch 
müssig genug: 'AInrulo avdot; ich wundere mich nur, wie man 
sich rechnung machen kaon, mit solchen vorschlágen die sache zu 
eude gebracht zu haben. Und doch lag hier die bessere erkenntniss 
gar nicht so fern. Denn nicht bloss ist auf den ersten blick klar, 
dass der fehler hier in drargé£mew steckt, eben weil das hier ganz 
sinnlos ist, sondern eben so gewiss ist auch, was die stelle uns 
statt dessen mit nothwendigkeit bieten muss. Man muss nur rück- 
warts und vorwärts sehen. Es handelt sich hier um die beseitigung 
des alten demos. Schon vor der ankunft des Peisandros war in 
öffentlichen gesprüchen die meinung in umlauf gesetzt, c. 65, 21: 
ws ovrt uuodocpognitor etn üAloug n rovg Orpazevoufvoug, ovIe 
medexréor td» rnoayuurwr nÀelocw n revruxoysAloss. Das war 
also bis jetzt bloss privatunterhaltung. Dann kommt Peisandros, es 
findet die ecclesia auf dem Kolonos statt, in dieser treffen Evy- 
yeugpis uvioxgautoges eine massgebende bestimmung, dann wird über 
die eiosetzung des rathes der 400 verhandelt, und dabei heisst es, 
c. 67, 7: xoi rovg neviaziogidlovs dì EvAMtyew Onotav avtoig 
doxj;. Also sind diese 5000, als es sich um die einsetzung der 
400 handelt, schou da, oder wenigsens, weil es c. 69, 9 erst heisst: 
énesdn dé n ÉxxAnolu ovderoc urısınoviog adda (gewiss nicht dua) 
xvgwouou tuviu disAudn, vou den Evyygagig in vorschlag gebracht. 
Aber wo ist denn das in dem berichte des Thukydides gesagt? 
Und diese wichtigste massnalime, die einsetzung der 5000 an stelle 
des alten demos, deren schwierigkeit Thukydides mit solchem nach- 
druck hervorhebt, c. 68, 2—8, sullen die Evyyoagns nicht vor- 
nehmlich und zuerst bestimmt oder Thukydides mit stillschweigen 
übergangen haben? Aber was die Evyygagis dort an der stelle 
mit nothwendigkeit müssen verlangt haben uod was wir demgemüss 
dort im Thukydides zu lesen bekommen müssen, steht wirklich da, 
denn offenbar, wie aus der überlieferung &rargérnesy ersichtlich ist, 
hat Thukydides folgender mussen geschrieben : xui égrvey xay oi 
Évrreugis audio piv ovdé», avro dì rovro, e&eivus niv "AF nvalwy 
ava Tx eineiv yvougr jy av tig Bovinu. Für dieses avd Fx slnetr 
hat der treue abschreiber, der nur abschreiben uud nachmalen will, 
sein dvazgénesy verlesen, uns dadurch uber in seinem 70 den schatz 


Sur 





9 


756 Jahresberichte. 


erhalten, der uus schliesslich doch wieder zum ursprünglichen am 
mevioxiGyiA (ovg verholfen bat. Wilamowitz-Móllendorf sagt von dem 
dvatgéntsr : „auf der hand liegt, dass . . . dvat:génev eine freche 
änderung von dvené» ist, So geht man mit dem treuen fleisse 
eines bescheidenen arbeiters um. Es stände Wilamowitz-Mollendorf 
wohl an, für dieses wort noch dem alten biedermann im sack aad 
in der asche busse zu thun. Durch dieses "A9nvaiwy dra xerre- 
xiGyil(ov; wird nun nicht blosa die sprache verständlich , sonders 
auch über den verlauf dieser staatsreform eine erfreuliche aufklä- 
rung gewonnen. ’A3nvalwr, was bis dahin gauz umnütz uad des- 
wegen unbrauchbar war, ist jetzt durch die zahl nothwendig uad 
selhstverständlich geworden, “va kömmt auffalliger weise im 
ganzen Thukydides sonst nur zweimal vor, y, 22, 34 und d, 72, 
19, hier nun in dem antrage oder vielmehr der bestimmung der 
Euyyoagñç ein drittes mal in distributiver bedeutung, wie es sonst 
bei allen schrifistellera geläufig ist, unter andera mit derselben zahl 
wie hier bei Polyb. 4, 46, 3: «va rgecysAloug xai mevtraxscysAlore, 
morì dé x«l muglovç yguvGov;. Thukydides hat dafür sonst eines 
andern ausdruck im gebrauck, wie wir gleich sehen werden Der 
sion ist also dieser: in volksversammluugen von je 5000 soll dua 
sein für jeden zu beantragen, was er will Natürlich war die 
wirkliche meinung der £uyyoupns in bezug auf diese je 5000, wie 
aich spüter ausweist, eine andere. Durch diesen wechsel der 5000 
sollte die reform nur versöhnlicher klingen. In wirklichkeit habea 
die 400 ja nicht ein einziges mul 5000 berufen. Aber da, we 
das messer ihnen bereits an der kehle sitzt, kommen sie auf diese 
ursprüngliche bestimmung zurück, und bei dieser gelegenheit be- 
kommen wir den tbukydideischen ausdruck für denselben gedanken. 
C. 86, 24 heisst es; zu» ze nevraxiGpiA(w» ou navres dv sd péges 
pt9éEovos, alle an ihrem theil, wenn die reibe an sie kömmt, sol- 
len antheil an deo 5000 baben. Also für unser ara hier i» 16 
péges. Wenn Grote hier tw» neviuxecysA(wy vom navies abbängig 
sein lässt und daun zu uedé£ouor einen geuetiv supplirt, der nicht 
dasteht oder den er sich zwanzig kapitel früher herholt, so heisst 
das wieder der sprache gewalt authun, wie's nicht ärger getrieben 
werden kann. Und noch dazu, wenn er hier so gewaltsam vorgeht, 
lediglich um hier denselben gedanken herauszubringen, der c. 93, 26 
sich wiederfinde, so gelingt ihm auch das nicht. Denn c. 93 heisst 
es: Afyorıss 1006 re smerruxiogidiove unopursiv, xai dx 1ovawr iv 
pége, n av roig nevruxsoyiloig doxjj, tous ietpaxocieve Eco. 
Also hier ist év uéos gesagt, nicht dr 1@ puéges, der gedauke also 
ist dieser: die 400 sollen wechselud aus den 5000 genommen wer- 
den 7 a» zig nerraziogiAloss doxjj, nach beliebiger auswahl der 
5000, nicht also so, dass alle 5000 der reihe nach daran kommen 
sollten, was Grote doch mit seiner interpretation der worte in €. 
86 gewinnen wollte. Die stetigen 5000 erscheinen erst spüter. 








Jaliresberichte. 757 


Als der demos nach dem verlust von Euboea den glauben an sich 
verliert, setzt er in der ersten ecclesie, die wieder auf der poyx 
gehalten wird, die 400 ab und definitive 5000 ein, c. 97, 28: roig 
nertux:oyiioig epnploarto 12 noaypata nugadourus (sivas dé uù- 
twv brodo: xai ÓmÀa nagtyortus), bringt also jetzt wirklich zur 
ausführung, was noch vor des Peisandros ankunft von seinen ge- 
nossen langst vorbereitet war, 65, 20— 25. 

Die staatsreform, wie Thukydides sie c. 67 beschreibt, hat also, 
um es noch einmal kurz zu wiederholen, diesen verlauf. Nach des 
Peisandros ankunft versammelt sich noch einmal der alte demos. In 
dieser ecclesia werden £uyyguyns uvroxgutoges ernannt mit dem 
auftrag, den demos an einem bestimmten tage zu berufen und ihre 
massgebenden antrige zu stellen. Von dieser ecclesia heisst es: 
Evréxinour tv éxxinolay és ròv Kolwröv, sie beengten die ecclesia, 
man darf annehmen, schon durch den engeren reum in diesem Po- 
seidonbeiligthum beschränkten sie den demos hier auf die zahl von 
5000, über die überhaupt in den letzten zeiten die ecclesien vicht 
hinausgegangen waren, c. 72, 8 —11. In dieser so beschränkten 
ecclesia trafen die Evyyguyig, massgebend wie sie waren, selbst 
keine andere bestimmung (addo pév oùdér, avrò dè zovıo) als dass 
5000 der reihe nach wechseln und «desa für ihre antrüge sein 
sollte. Das übrige konnte dann sofort, weil man dafür zu sorgen 
gewusst hatte, dass der anwesenden nur 5000 waren, von andern 
rednern aus der zahl dieser ins werk gesetzt werden 

b. Eine andere leichte verschreibung hat 9, 102, 10 in den 
worten: rh» dlwksy su9ùç nosovpuevos stattgefunden, doch ich muss 
die ganze stelle hersetzen, weil noch anderes dabei zu erklüren und 
zu bessern ist. Es heisst also z. 29-13: of d’ > A9nraios &r 17 
nord dvoiv deovauız elxocs vaucly Orig, we avroïç of TE gQux- 
zwgoi Éciuuvroy xoi j094vovro ra need é£falprnc modda dv 17 
noleula puvérru, Eyvwoav ors danMovcw of [IeXonovviowvos. — xai 
tig avt]g tuving vuxrdç, we tlyov tugove, vmoulEavrec 1) Xeo- 
oornom maptràsov én’ Elaiovvrog, Bovddpevos exxietous dg 1)» 
sUgugwolav rag ıwv noleulwr vavg. xal tag pèv dv ' dfivdo Éx- 
xaldexu vaig Elador, npossonutrns pudaris 19 quilw àninim, onwe 
aviwy avaxwc EEovow, nv éxniéwosw tas dà usrà tov Mirdugou 
ana ij Lo xandovreg ınv ÓdíwEw ed9Us mosouperos, où PIdrovds 
maga, GA al piv nAelovs ini ınc "Iufgov xoi Anuvov dıdpuyor, 
téocages dè 1v ver al vorutas nAfovous xaruluußavorsaı nagd 
tov ’EAasourra. Die lage der dinge in diesem augenblick war 
diese. 18 schiffe der Athener hatten ihre station bei Sestos, 16 
peloponnesische schiffe ihnen gegenüber bei Abydos; die hauptflotte 
der Peloponnesier unter Mindaros war nach dem Hellespont aufge- 
brochen; auf dem wege dahin wurde ihnen von der hauptflotte der 
Athener aufgelauert, die ihnen dahin zuvorkommen wollten. Aber 
noch vor mitternacht war die flotte unter Mindaros bereits bei 





758 Jahresberichte. 


Rhoiteion angekommen, Elaius gegenüber, befand sich also schon 
am eingang des Hellespont. Das wird den Athenern bei Sestos 
durch feuersignale angezeigt, sie haben es aber auch selbst schon 
an den vielen feuern gemerkt, die plötzlich ihnen gegenüber an der 
feindlichen küste sichtbar werden. Sie brechen also sofort auf, 15g 
avıng Tavıng »vxiOc, und segeln eiligst, so schnell sie können, an 
der ihnen befreundeten küste, der nördlichen des Hellespont, hin in 
der richtung nach Elaius. BovAousros exnievour dg thy evevgwelar, 
also um aus dem Hellespont, dem engen wasser binauszukommen. 
Den ihnen gegenüber bei Abydos ankernden schiffen der Pelopon- 
nesier waren sie dabei glücklich entkommen; wie es ihnen nun 
weiter gegenüber den schon zwischen Rhoiteion und Elaius am 
eingange des Hellespont befindlichen schiffen des Mindaros ergeht, 
sagen uns die worte, auf die es uns hier ankömmt, z. 9: rug dé 
peta 100 Mirddgov Gua rj Em xandovreg fjv Ó(wEw evIvo 
HOvovpevos, OV PIdroves nmucat, GAA’ ai piv mhelovç exit rig Iu- 
Beov xai Anuvov diépuyoy, Téooages dé ruv vewr al voratas 
nhéovous xuradupPavorias naga 10v “Elasovria. Gehen wir genau 
den worten nach, was sie uns angeben. £Ev9vs muss, wenn es 
nicht eine ungebildete sprache sein soll, seinen deutlichen bezug 
haben. Den hat es denn auch im vorausgehenden ua ı5 Em xa- 
udories. Dano muss aber auch das verbum der eëdvçhandlung 
mit dem xatsddvzec dasselbe subjekt haben, also die nocovperos ov 
gIarovos müssen dieselben mit den xundurreg sein. Daraus 
folgt, dass schon deswegen die änderungen, die man für xosov- 
uevos vorgeschlagen hat, mosovuérov oder z0:0vuéra; unmöglich 
sind. Also zosovpevos kann nicht weichen, und so haben wir hier 
die verbindung q9urovos mit einem participium, wie es die regel ist. 
Was aber heisst nun: zzv diu Ei» evIÙs nosovpevos, ot Garou 
nacus? Wer der meinung ist, dass schwarz im griechischen 
auch weiss heissen kann, und ja auch nein, der mag glauben, 
die stelle erklärt zu haben, wenu er dlwksy für guy, nimmt, hier 
wo eine schlachtbeschreibung gegeben wird und wo von manóvriren 
die rede ist. Eine stelle für so etwas giebt es natürlich nicht, 
und wenn dafür, freilich zaghafter weise genug, auf d, 44, 6: ov 
xarà dlwki noAAnv ovdè rugetac quyng yevouérng hingewiesen wird, 
so kann hier schon die gegenüberstellung von dlwkic und guy: so 
wie die ganze vorausgehende genaue beschreibung der schlacht zei- 
gen, dass dfwksc eben dlwksc und quyn gvyi ist. Zum glück ist 
es hier an unsrer stelle der art, dass wir zupüchst wenigstens aufs 
deutlichste sehen, was die worte 17» díwEiw t$Ovc nosovpero: ent- 
halten müssen. Den worten folgt: où q3«vovos neo, GA’ ai 
ner nAslovg dni 175 "Iufgov xai Afpvov ditpvyor, also wir sehen, 
dies difpvyor ist das glückliche resultat dessen, was wit dem 
dlwksy rosovpevos bezweckt wird, die folge von jenem thun, und 
so muss also Thukydides nicht d'wfsr, sondern dí(wciv geschrieben 





Jahresberichte. 759 


haben. Die flotte des Mindaros hatte sich bereits von Rhoiteion 
bis an die gegeniiberliegende küste hinübergezogen und den ein- 
gang des Hellespont der breite nach occupirt, oder wenigstens so 
ziemlich der breite nach, wir sehen das aus dem letzten der aus- 
geschriebenen worte: zagà z0v ’Elasouvza. Von woher die flotte 
des Mindaros gekommen war, ob „Von süden‘ oder von welcher 
seite her, ist gleichgültig, genug sie hatte jetzt am eingang des 
Hellespout von Rhoiteion bis nahe an Elaius stellung. Den Athe- 
nern blieb also nichts als der versuch eines durchbruchs ührig; den 
meisten schiffen gelingt es wirklich, durchzukommen, diépvyov, die 
vier zuletzt segelnden werden von den Peloponnesiern noch bei 
Elaius erreicht und haben nun das eine dieses, das andere ein an- 
dres geschick. Sellst wenn das wort diworg in der ganzen grä- 
eität nicht wieder vorkäme, würde uns die nothwendigkeit zwingen, 
es hier von Thukydides geschrieben sein zu lassen; diwIEw kömmt 
ja wiederholt vor und davon wäre ja d'wosç richtig gebildet; aber 
wie anwoıg, ÉEwois, Enwoig, neolwoss, Guvwoig, su kómmt auch 
diwoss sonst noch dreimal vor, ganz in dem sinne, wie wir es hier 
in keiner weise entbehren können. Schon vor nun 40 jahren habe 
ich (Rückk. des Alk. 38) in einer anmerkung kurz gesagt: »Thuk. 
8, 102 sind die worte: zzv diwksy evdic nosovuevos den ausle- 
gern eine qual; ich schlage d(wos für díwEiv vor und hoffe, die 
sache ist damit abgethan“. Das war damals, sehe ich jetzt, sehr 
vertrauensselig gesprochen, die ausleger haben die qual die 40 jahre 
lieber weiter getragen. Ob sie sich nun endlich verstehen werden 
zu dem, was doch sein muss? 

Noth haben ferner in der ausgeschriebenen stelle die worte 
gemacht, z. 6 —9: xui zug uiv tv “ABidy Exxaldena vais ludo», 
nQotignutvuc guhuxiic 16 qiio ézinlw, onwe aviwy avaxwe 
EEovow, iv éxndfwow. Auch sie sind bis jetzt nicht erklärt, und 
doch kann weder sprachlich noch sachlich ein zweifel sein. Die 
sachlage, die hier in betracht kömmt, ist diese. Die Peloponnesier 
unter Mindaros wollen den krieg von lonien nach dem Hellespont 
verlegen. Das merken die Athener unter Thrasylos, sie trachten 
also darnach, thm zuvorzukommen und das nicht ungehindert ge- 
schehen zu lassen; c. 100, z. 17: un g9«oy ig tov ‘EdAnonovroy 
ignisvoag (Mindaros). Thrasylos entsendet also sogleich zwei schiffe 
nach dem Hellespout, um mit den bei Sestos den Hellespont bewa- 
chenden (9, 62, 23: Snorow nuls tig Xeouornoov .. xadtloiavto 
poovçior xai quAoxjv rov navsog ‘EdAnonovrov) 18 athenischen 
schiffen die nóthige verebredung zu treffen. Diese zwei nach Sestos 
entsendeten schiffe kommen alsbald wieder zum Thrasylos zurück 
(c. 100, 7: xgoceyévovio dé xai èx 1où "EAAnonovrov tric duo 
vnec En’ olxov uraxouılouerus), und was werden sie in Sestos ver- 
abredet haben? Zunächst haben sie die bevorstehende ankunft des 
Mindaros im Hellespont gemeldet und die zu erwartende ankunft 





a 
EE 


760 Jahresberichte. 


des Thrasylos dazu, und für die zeit, wenn das geschibe, von dea 
schiffen bei Sestos gefordert, dem Thrasylos zu gunsten an des 
eingang des Hellespont entgegenzufahren. Uud was war damit be- 
zweckt? Offenbar ein doppeltes, einmal die vereinigung der ge- 
sammten athenischen streitmacht, daun aber auch, bei dieser gün- 
stigeu gelegenheit den Mindaros, wenn er in den Hellespont ein- 
fuhr, in die mitte zu nehmen, War das nicht der zweck, so konnten 
die schifle bei Sestos ohne gefahr dort im sichern bafen liegen 
bleiben und an ort und stelle ruhig die ankunft des 
Thrasylos abwarten. Auf eins aber war bei dem beabsich- 
tigten manöver acht zu geben, nämlich die gegenüber bei Abydos 
ankernden schiffe der Peloponnesier nichts merken zu lassen und 
ohne von diesen behindert zu werden oder sie in allarm zu setzen, 
an den ausgang des Hellespont zu kommen. Ich meine in dieser 
beschreibung der sachlage nichts willkürlich angenommen, sondere 
nur wiedergegeben zu haben, was der schriftsteller selber erzählt 
hat. Ich übersetze also: ‚und den 16 schiffen bei Abydos zwar 
blieben sie verborgen, da ihnen wachsamkeit anbefohlen war, vor 
ihnen auf der hut zu sein, wenn sie auf ihrer entgegenfahrt zu 
gunsten (des Thrasylos) zum Hellespont hinaussegelten“. Die sprache 
ist so selbstgegeben, ungezwungen und schön, wie sie nur sein kann. 
Die genet. abs. geben den grund für das &Audor, der dativ 10 
gidlo àn(nÀo gehört nicht zu noossgnuérnc, sondern zu Ar dx- 
niéwow. Wollte man iln zu xgossonuérng ziehen, so würde der 
sinn freilich dabei derselbe bleiben, aber wozu will man sich un- 
nöthiger weise in die nothwendigkeit bringen, dann émímàe für 
énindfovos zu nehmen, denn ngosıpr,09us steht, wie es manchmal 
einen dativ bei sich hat, ebenso gut auch wie hier absolut: e, 31, 
28; è, 31, 5; a, 118, 30. Der dativ mit #v éxndéwosr verbunden, 
der anfang des satzes mit dem ende, und die worte: omwg avi» 
dvaxüQg EEovow, in die mitte genommen, so hat das ganze eine 
schöne, einhaltbildende stellung. Schliesslich ist es kaum  nóthig, 
darauf hinzuweisen, wie schön hier gsAfm ist. Ein émímAovg ist 
sonst in der regel ein feindlicher; hier haben wir nun 16) gole 
éniniw; das 16 bei éxwAfwow zeigt an, dass die zum Hellespont 
hinausfahrenden dieselben sind, denen die wachsamkeit anbefohlen 
wird, das 19 quo Enno, dass diese selben zum günstigen au- 
genblick entgegenkommen sollen, und da dies ganze sich an fladov 
hängt, so fordert also auch hier wieder die interpretation mit noth- 
wendigkeit, dass der sinn dieser ist: die athenischen schiffe bei 
Sestos sollen zum Hellespont hinausfahren, dem Thrasylos entgegen, 
ihm im günstigen moment gegen Mindaros hülfreich zu secundiren. 
Leider ist aber Thrasylos zur rechten zeit nicht zur stelle, und so 
musste freilich die sache anders verlaufen, als sie ursprünglich ver- 
abredet und geplant war. 

Eine dritte schwierigkeit, welche die ausgeschriebene stelle 





Juhresberichte. 761 


macht in den worten z. 6: rag rd» molsulwy vavç, braucht uns 
nicht lange aufzuhalten. Zunächst stossen wir auch hier wieder 
auf unmöglichkeiten der erklärung. Denn nach 2#’ Edasotvros eiu 
punktum zu seizen und mit Bovidueros einen neuen satz zu begin- 
nen, ist eine unmöglichkeit, es würde die verbindende partikel fehlen, 
die in der gebildeten griechischen sprache, ausser bei einem rosicde 
oder ähnlichem, niemals fehlt. Dann rag rv noAsuiwr vaëç von éx- 
whevous abhängig zu machen, ist die zweite unmöglichkeit uud muss 
das bleiben, bis man auch das unmögliche möglich zu machen weiss, 
Was bleibt also übrig? Man könnte daran denken, die worte TUS 
tv» nolsu(w» vavg nicht ganz aufzugeben, und mit ihrer hülfe zu 
schreiben: xal 105 pév tv’ ABvdw Éxxuldexu 10v noAsu(uv rave 
#249ov. Aber dass Abydos feindlich ist, und wenn dort schiffe 
liegen, dies feindliche schiffe sind, brauchte der schriftsteller nach 
seiner erzühlung c. 61. 62. 79 nicht erst besonders zu bemerken. 
Also bleibt nur übrig, dass ein abschreiber hier zu den worten: 
tac dy "Mfvdg éxxuldexa vabg das, was er aus der bisherigen er- 
zählung wusste und auch hier wieder aus dem zusammenhang er- 
sah, mit zug 1:0» nolsulwr vavs zur verständigung für den leser 
an den rand setzte, von dem es dann sich in den text geschlichen 
bat. Es wird schwerlich eine stelle geben, wo dieser hergung er- 
sichtlicher auf der hand liegt. 

So hätten wir denn in diesem kap. 3, 102 für jede der oben 
bezeichneten kategorien je ein beispiel bei einander, eins, wo der 
gesunde text nur der erklärung bedarf, das andre, wu er leicht, 
hier nur in einem buclistaben verschrieben ist, und ein drittes, wo 
er durch eine glosse gelitten hat. Von dieser dritten art hier noch 
ein und das andre beispiel. Das erste sei die oft, auch von Müller- 
Strübing , Forsch. p. 18 ff., wieder behandelte stelle 9, 68, 20: 
xai CUT 16, ined) peréom n dnuoxqurlu xai dg —X —* 
pera tv rerguaoglwr Èv vorégm perumedovia und OÙ drpov 
Éxuxovro, Uouota pulveras 10v. péyou Èuoù vaso attwy TOVTWY 
uinudels, wg Evyxa1t01n0e, Faraiov dlxnv anodoynoupevoc. So 
giebt die worte der vortreffliche ltalus, und mit ihm auch der Va- 
ticanus, der Palatinus, der Auganus (bei Bekker also ABEF), der rand 
des Münchner (bei Bekker 5); dagegen liaben der Laurentianus (bei 
Bekker C) und andre die worte: ueréorn n dnuoxgurlu xui lg ayürag 
xatéorn pe .. nicht, und geben bloss: x«i uvzog 1e, Enudn Tu 10» 
terguxoclwy xr. Dass die worte, so wie sie im Italus und in 
seinen genossen steben, unveründert bleiben kónnen und so die 
echten des schriftstellers sind, behauptet niemand, und das könnte 
auch niemand, eben weil den worten die construction fehlt Ia 
solcher lage kann wieder nur der zussmmenhang helfen. Ist dieser 
der art, dass er uns lehrt, was der schriftsteller an der stelle sa- 
gen musste, so kónnen wir such über die streitenden hand- 
schriften zu gericht sitzen. Das ist hier der fall. In c. 67 haben 





* 
—— 
. 


762 . Jahresberichte. 


Euyyoagns avroxgutogec die 5000 eingesetzt, zugleich" @desa zuge- 
standen für jeden beliebigen ferneren antrag. So ist der antrag 
auf einsetzung eines rathes von 400 gestellt. Und von wem! Das 
sagt c. 68, denn es fährt fort 2.8: nv dé 6 wär if» yrwunr zuv- 
thy (auf eiusetzung der 400) einwv ITelcurdoos, xai radda éx rob 
Beopuvovs ngoPvuotata Evyxuralvoucs 10» djpov. Dabei nimmt 
der schriftsteller, wie er das schon mit dem uév (0 uév . . . al- 
zw») eingeleitet hatte, gelegenheit, uns darüber zu belehren, wie es 
müglich gewesen, das schwierige werk dieser staatsumwülzung (68, 
4 ff.) zu stande zu bringen. Und nun erst, nachdem er das ge- 
than und nach seiner art die motive dessen, was er zu erzählen 
hat, angegeben, fügt er mit c. 69 den schlussstein ein uud be- 
richtet weiter, dass dieselbe 2xxAnola, in welcher die 5000 einge- 
setzt wurden, darauf auch den antrag des Peisandros auf einsetzung 
der 400 angenommen und zum gesetz erhoben hat. So ist das c. 
68 mit seinen motiven ein integrirender theil der erzählung, ja die 
seele derselben. Die motive sind bier in den maonern gegeben, die 
zusammenwirkend das werk unternommen haben, in deren besos- 
derer tüchtigkeit. vor allem in dem an einsicht und beredtsamkeit 
das mass der gewöhnlichen menschen weit überragenden Aati- 
phon. Deshalb ist der schriftsteller über diesen ausführlicher, muss 
sich aber dabei selbstverstüáudlich auf das beschrünken, woraus das 
über diesen mann abgegebene urtheil erwiesen wird. Der beweis 
ist ein doppelter, der eine hergenommen, weil Antiphon selbst nicht 
gut wagen durfte öffentlich aufzutreten, aus der hülfe, die er an- 
dern leistete, der andere hergenommen aus der vertheidigungsrede, 
die Antiphon für sich selber gehalten hat. Dies zweite ist nun 
aber der inhalt unsers fraglichen satzes. Was muss also dieser 
satz vernünftiger weise uns bringen? Einmal eine angabe über die 
art dieser rede, und dann, was sich naturgemäss dabei von selbst 
giebt, eine angabe der zeit, wann diese rede gehalten worden ist. 
Nur dies ist durch den zusammenhang gefordert, alles weitere ware 
hier vom übel, weil es ungehórig wäre. Wenn es nun ie dem 
satze iibereinstimmend in allen handschriften ohne ausnahme heisst: 
quota palverus tw uéyos éuod unig avrwr zovıwr altiadelo, 
ws Evyxaréorne, Iararov dixqny anodoynouperoc, 80 ist mit diesen 
worten offenbar das eine, die überragende vortrefflichkeit der rede 
bezeichnet, es fehlt also noch das andre, die angabe der zeit. Wie- 
derum werden auch die worte, in denen diese enthalten ist, und 
die den eben ausgeschriebenen werten kurz vorhergehen, von allen 
handschriften ohne ausnahme überliefert, es heisst in allen: £»&ud? 
10 10» 1e1Quxo0lwr ev voréQo uera necovra UNO TOU nuov Éxaxouro, 
und so haben wir denn schon in den worten, wie der Laurentianus 
und seine genossen sie geben, gerade das, was der zusammenhaag 
hier fordert und was wir hier einzig bedürfen. Und nicht bloss 
das, wir haben es zugleich in edler sprache und in diesem zusam- 





Jahresberichte. 763 


menbang sinnig schön ausgedrückt, denn wer kann verkennen, dass 
wenn ultsaSelc, ws Svyxutéornoe folgt, das specielle, nur ein all- 
gemeineres wort, wie mit éxuxovro geschieht, sinnig vorausgehen 
darf. Daneben sehe man sich nun an, was ausserdem noch der 
Italus und die andern bringen, und man kann nicht anders als auf 
den ersten blick das ungehôrige erkennen, was hier angeflickt ist. 
Es wird uns also nun zusammen geboten: 2z&d?) ueréorn 7, dnuo- 
zoarla xoi ig &yQvag xuréoin pera tv Terpaxoolwr Er vortQo 
uerunecovra vò TOU nuov Éxuxodro xrà. Von der mangelnden 
construction spreche ich nicht, man könnte ja conjekturieren und zu 
bessern versuchen. Aber was soll denn ueréorn n dnuoxga:la neben 
we Evyxuztornoe, was ist zu dg dywrus xuréorn das subjekt neben 
pera 10» rerQaxoG(uv, und was soll dies ic dyWras xaréoin sei- 
nem inbalte nach neben uno 1où Óguov éxaxovio? Das alles ist 
so uogelenk, so nebenbeilaufend und überflüssig, dass die gewissheit 
über das, was die rede hier einzig bringen muss, die worte wieder 
aus dem texte hinaus an den rand verweist, woher sie hereinge- 
kommen sind. Sie mögen gern aus zwei glossen bestanden haben 
und die eine, perform 7 Onuoxgatla zu unig avtwy tovTwy, die 
andere zu airsudelç als erklärung beigesetzt sein. 

Auch die betrachtung, die Classen, J. Brandis’ versuch (Rh. 
mus. 9, p. 637 f.) aufnehmend, anstellt, rettet die worte nicht. 
Classen will in dem c. 68 den charakter einer episode erkennen, 
und durch solchen die worte gerechtfertigt finden. Ich kann nicht 
anders, aber wer hier von einer episode spricht, verkennt den 'Thu- 
kydides. Der mann, der überall motivirt, und gerade dadurch er 
selber ist, soll das hier, wo es bei dieser wichtigen gelegenheit vor 
allem seine pflicht war, nicht gethan haben? Man sieht freilich 
nicht recht, wie Classen es meint, wann dieses episodeucapitel 68 
geschrieben sein soll, ob zu gleicher zeit mit 67 und 69, oder 
spüter. Aber was er überhaupt von der episode sagt, ist nuu 
Müller-Strübing wasser auf seine mühle. Wenn Classen geschrieben 
hatte: „aber es verstösst doch sicher nicht gegen den zusammen- 
bang, sondern entspricht dem episodischen charakter der ganzen 
atelle, wenn zur richtigen beurtheilung von Antiphons glünzendem 
auftreten in seiner selbstvertheidigung die sümmtlichen noch nicht 
erzählten politischen vorgänge, sowohl der umsturz der de- 
mokratie wie der nachfolgende sieg derselben kurz 
erwühnt werden“, so bemerkt Müller-Strübing p. 20 dazu: 
„ich würde nun statt der unterstrichenen schlussworte geschrieben 
haben: sowohl der umsturz der demokratie wie der nachfolgende 
sieg derselben kurz recapitulirt werden. Denn ich stimme 
Classens ausführung ganz bei, aber nur unter der voraussetzung, 
dass diese ganze episode ursprünglich nicht in einem athem mit dem 
. unmittelbar vorbergehenden und darauf folgenden erzählt, nicht in 
einem zuge mit c. 67 und 69 geschrieben, sondern später, viel 


| ' — — 
: 


764 Jahresberichte. 


später zwischen sie eingeschoben ist, und zwar allerdings von The- 
kydides selbst“, nämlich, wie er alsbald specieller angiebt, „bei der 
letzten redaktionellen überarbeitung seines werkes . . bald wach 
dem tode des Theramenes“. Nun wissen wir allerdings, woran wir 
sind, aber wir sehen auch wieder, was Müller-Strübing môglich ist. 
Also ein kapitel, ohne das es eben nicht geht, das von anfang as 
da sein muss, wenn die erzühlung nicht stümperhaft ausfallen soll, 
ist erst spüter, viel spüter hereingeflickt, bei einer letzten redak- 
tionellen überarbeitung, die nie stattgefunden hat, von der bis jetzt 
auch nicht eine einzige, nicht die leiseste spur nachgewiesen ist. 
Habeat sibi! Wenn aber Classen selbst andrer meinung ist und 
sich hier dies crimen laesae maiestatis gegen den schriftsteller nicht 
zu schulden kommen lässt, sondern annimmt, c. 68 sei mit c. 67 
und 69 zu gleicher zeit geschrieben, so ist es auch im geiste des 
Thukydides keine episode, es fällt dann aber auch die consequess 
dahin, die aus solcher gezogen werden sollte. 

Hiemit kann ich die stelle, so weit es ihre constituirung be- 
trifft, verlassen; doch verweile ich noch einen augeublick, weil sie 
in einem wichtigen punkte, wie ich sebe, bisher uoch missverstes- 
den ist. Es handelt sich nämlich jetzt um die erklärung der worte: 
zul atbrog te... agora yalvsını Wr péyor tuoù unig avi 
rovtwy uluadels, wg Evyxaréoinos, Favatov dixnv axodoynoapeves. 
Zuvächst freut es mich, dass Classen xai aviog te gegen Bekkers 
vorschlag: x«i uviog dé, dem auch ich früher (Philol. 24, 720) 
gefolgt bin, beibehalten bat. Das ré macht hier die anfügung, uad 
xui avrog stellt sich dem vorausgehenden z. 15: èç wir dipuor ot 
nagswy ovd Es “Aldor uyüra éxovoiog oùdéra an die seite. Von 
den stellen, die Classen für den gebrauch anführt, sind ¢, 45, 27 
und C, 103, 25/1, offenbar andrer art, denn das ré verbindet sich 
dort mit einem folgenden xal; aber die von ihm noch angeführten: 
a, 9, 32 und 9, 76, 10 sind beweisend, und dazu vgl. man noch: 
t, 44, 15; 9, 34, 1; 9, 70, 5. Doch nun zur sache. Alle er- 
klürer legen in diese worte den sinn, als hatte Thukydides in ihnen 
das urtheil abgegeben: von allen, die bis jetzt in einem process 
auf tod und leben ihre vertheidigung gefübrt haben, hat Antiphon 
das am besten gethau. Meinem seligen freunde Ullrich ist dabei, 
scharfsinnig und weitblickend wie er immer war, der gedanke ge- 
kommen, Thukydides kóunte die worte wohl im hinblick auf So- 
krates und dessen lebensvertheidigung geschrieben haben. Aber ist 
ein solches urtheil nicht überhaupt von vorneherein ein wunder- 
bares und gewagtes ding? Es soll jemand sagen: von allen le- 
bensvertheidigungsreden, die je gehalten worden sind bis auf meine 
zeit, hat dieser oder der die beste gehalten? Also wer so kühn 
ist, solch urtheil zu fallen, hat alle reden dieser art gelesen und 
verglichen? und noch mehr, er will sich mit solebem urtheil her- 
auswagen, wenn der gegenstand der anklage nicht derselbe ist, also 





Jahresberichte. 765 


die objekte verschieden?! Und so etwas soll ich vom Thukydides 
glauben, den ich nie auf solcher führte betreffe? Aber wenn man 
genauer zusieht, so sagt ja "l'hukydides etwas ganz anderes. 
Schlecht und recht heisst es bei ihm: uud als später die 400 ge- 
stürzt waren und vom demos verfolgt wurden, lat er von allen 
bisjetzt, . . . angeklagt, ihre eiusetzung mitbewirkt zu haben, sich 
am besten vertheidigt. Also doch nur: von den 400 am besten. 
Kónnte daran noch ein zweifel sein, so würde der durch das bei- 
gefügte bnig aviwy Tovrwr aufs gründlichste gehoben. Dies unig 
aviwy toviwr gehört doch sicher nicht zu aluadelc, wo wäre ul- 
teaoSas jemals mit vxég construirt? sondern offenbar gehört es zu 
anoloynOupevog, und deswegen heissen die worte: von allen bis 
jetzt hat er für eben diese 400 (ra ro» 1e1puxo0{wr) die beste 
lebensvertheidigung geführt. Also von andern vertheidigungsreden, 
die sonst in lebensprocessen gehalten worden sind, ist hier abge- 
sehen, an Sokrates ist dabei nicht gedacht worden, auch an 'The- 
rameues nicht, der sich gegen Kritias noch wegen ganz audrer 
dinge zu vertheidigen hatte, sondern Antiphons lebensprocessrede 
ist hier einzig mit den reden in vergleich gesetzt, die bis dahin, 
als Thukydides das schrieb, von andern der 400 zu ihrer verthei- 
digung gehalten waren. Eine wichtige zeitangabe für die abfas- 
sung dieser stelle ist in den worten: rdv uíyos éuoù zugleich mit- 
enthalten; sie zeigen, dass die stelle schon geschrieben ist, als sich 
processe gegen die 400 noch täglich wiederholen konnten. Doch 
darüber eio andres mal zu seiner zeit. 

Eine andere stelle, die durch eine randbemerkung gelitten hat, 
ist 7, 48, 11 zw. Die letzten worte des kapitels: zoí(feu» ovv Eq 
Xoüvas ngocxaO qué£vovg, xui pi) yonunos,r, ws nodu xpelocovs clot, 
vexnFéviag antévus, sind so von Thukydides nicht geschrieben wor- 
den. Offenbar sollen sie kurz das resultat der betrachtungen wie- 
dergeben, die Nikias in jener berathung der officiere des heeres 
(47, 23; 48, 11) angestellt hat; das ist schon an dem ob» er- 
sichtlich. Die worte müssen also in ihrer art wiederbringen, was 
im vorhergehenden enthalten ist. Mit dem ersten theil der worte: 
telBesw ovv Epn yoïvas ngocxaSnuérovc, geschieht das auch, aber 
was will der folgende zweite theil der worte besagen: xui un 
Yenuacw, we nodò xçalooovç lol, vexnFévrug ancévas? Dass die 
worte ryonuaciu we modu xgelooouc elof zusammengenommen wer- 
den, ist sprachlich uud sachlich unmöglich. Sprachlich, dena dann 
müsste es nicht zoÀv, sondern roll heissen. Doch das darf ich 
nicht sagen, ohne es zu beweisen. xge(oow efvus heisst entweder 
siegen, soviel wie »ıxay, oder an etwas besser dran sein als ein 
andrer. Im ersten fall erscheint sodv dabei, wenn’s sein muss, im 
zweiten nodd@. Das ist regelmässig bei Thukydides, und ist auch 
sonst der analogie der sprache gemäss. Also heisst es &, 37, 20: 
jyovpus . . . wy. . nuertgur nodey uvsyy tig vor CiQuriug ws 


766 Jahresberichte. 


qao énsovons, xai el dic rocavin Adoı, nou xgeloow ala; 
n, 41, 3: roig uir vavoi xai noXv xyelooovçs elvus, édoxovy di 
xul 10v nsbor yesQuiceGD'as, das heisst nicht, wie schon der gegea- 
satz lehrt: an den schiffen besser daran sein, sondern: mit der flotte 
weitaus den sieg gewinnen; ähnlich 7, 60, 7: wolv .... xgam- 
Java; n, 34, 14: oft yag KoglrFios rynourro xgarety el pi 
xui noÂd éxquiovrio, of tr ^ 49qvaios. évouibor nooaodus, Sn 
où z0À9 évixwr; vgl. a, 25, 22; a, 49, 33; n, 56, 23; 3, 17, 
11; 9, 89, 7; 9, 105, 25. Dagegen lesen wir e, 101, 32: of 
yàg megi drdguyuFtug 6 aydv ano rov Toov vuir, un alayuım 
óqeir, negl dé cwinglas piddoy f Bovdn, moog tous xgt(GGevag 
noÀàd ui dvPlowoFus; n, 55, 14: ix mugudxeviig nollé 
xgelosuuc Orreg ; natürlich ist es mit dem gegentheil von xge(cow 
sivas ebenso: a, 136, 27: vn! éxelvou noAA d acPevectégon; fj, 
89, 10: dx 20426 vnodesctéqur; È, 1, 22; L, 1, 24; n, 80, 
26; 9, 83, 20. Der gebrauch ist durchstehend; so wie auch sonst 
ein direkter vergleich oder bezug auf ein andres vorhanden ist, 
erscheint beim comparativ nolA@, nicht noAv; will man z. b. darauf 
merken, wann Thukydides 5oÀó voregov, oder wann er dagegen 
nohig vGregov schreibt, so freut man sich über die scharfe und 
regelmässigkeit, mit der er unterscheidet. Doch ich muss das hier 
lassen, auch gebrauche ich’s zu unsrer stelle nicht weiter. Es folgt 
schon aus dem gesagten: hätte Thukydides hier ausdrücken wollea: 
da sie an geldmitteln viel besser daran würen als jene, so würde 
er no xgelocovs, nicht modu xyelooous gesetzt haben. Alse 
goiuacw gehört nicht mit 0A» xge(GGov; zusummen. Aber wie 
konnte Nikias: wg modu xpelocovs elolv sagen, mit dem sina: „da 
sie weitaus sieger waren“, die Athener waren ja eben erst ge- 
schlagen, und Nikias selbst war der meinung, 48, 8: xerggd cour 
Ta nouypuuru sivas. Und was alsdaun von diesem zweiten theil 
der worte noch übrig bleibt, ist ebenso wenig brauchbar. Will 
Nikias sagen, warum man nicht abziehen darf, un anıfvas, so wird 
er doch nicht so ungeschickt sein, ein wort, vex79érrag, im sinne 
von: nach einer verlornen schlacht, zu gebrauchen, und damit ge- 
rade den grund zu erwähnen, der zum wegzuge bestimmen musste. 
Zum glück ist die sache aber auch hier wieder der art, dass wir 
deutlich sehen, was der schriftsteller hier sagen musste, ued was 
die worte für einen gedanken bringen müssen.  Nikias hatte im 
vorhergehenden eine doppelte betrachtung fürs bleiben angestellt, 
die eine liegt auf seiten der gegner, die andre auf seiten der Athe- 
ner. Jene drückt sich vollständig in dem ersten theil der schluss- 
worte aus: i9lfew obv ypivus noogxadnutvoug; nun muss das 
zweite kommen, was ihn den feldherrn bestimmt, zu bleiben, wenn 
er an die Athener zu hause denkt. Der sinn also von alle dem, 
was 48, 24—2 ausgeführt ist und was in den worten gipfelt, x. 
32: Ponosodas wg vaò yenudtwy xarungodorvtes of Grewinyoi 





Jahresberichte. 767 


anjidov, muss in dem zweiten theil des schlusssatzes kurz zu- 
sammengefasst sein, und des geschieht, wenn wir die worte ful- 
gender massen lesen: xai un wg yonpums vxndérrag anılva. Es 
ist das also derselbe gedanke, wie er vorher in den worten: we 
UNO yonuutwr xurungodorıss oi Crgurnyoi anjAFoy ausgedrückt 
war, dieser wichtige beweggrund, der den Nikias zum bleiben ver- 
anlasst, und wie er deswegen hier, wo Nikias resumirt, wieder zu 
seiner geltung kommen muss. Wie leicht ein alter erklárer, wenn 
er hier yozuuos las, dazu kommen konnte, au den geldmangel bei 
den Syrakusern zu denken, von dem eben gesprochen war, und des- 
wegen in seiner weise: wo modu xyelooouç sloí an den rand zu 
setzen, ist begreiflich, nur hat er dabei nicht bedacht, dass von 
einem geldüberfluss bei den Athenern im vorhergehenden mit keiner 
silbe die rede war. 

Also auch durch randbemerkungen, wie hier, hat der text ge- 
litten, wie sollte das nicht oft geschehen sein, aber nichts desto 
weniger darf ich wiederholen, was ich immer behauptet habe, dass 
die überlieferung im ganzen vortrefflich ist. 1n den allermeisten 
fallen, wo man ändert, bedarf es bloss der erklärung; manche an- 
deren stellen sind iu einem oder einigen buchstaben leicht verschrie- 
ben, sind aber gerade bei diesem schriftsteller, bei der durchsich- 
tigkeit seiner erzählung und dem präcisen ausdruck seiner gedanken 
leicht zu erkennen. Vornehmlich diese stellen sind es, die uns 
über die treue der überlieferung belehren können. Eben in der 
sinolosigkeit, die die überliefernng hier bringt, zeigt sich ihr werth. 
Wer hier lieber das unverständliche hiuschreibt, als seine eigne weis- 
heit zu markte bringt, ist gerade unser mann. Denn er zeigt, dass 
er vor dem, was ilm vor augen liegt, vor seinem original den 
nöthigen respekt hat, und hat uns so durch seine bescheidung nun 
das mittel gelassen, selber mit einigem nachdenken das ursprüug- 
liche zurückzufinden. Die bandschrift also, die mehr treue des 
schreibers und weniger die hand des nachbesseruden gelehrten ver- 
rüth, ist die werthvollere, eben weil sie dem original die nühere 
ist. Daher kömmt es, dass die übereiustimmuug der bessern hand- 
schriften, als solche gelten mir die von Bekker verglichenen sechs, 
oder die übereinstimmung der mehrzahl derselben vine grosse ge- 
wale für die richtigkeit dieser überlieferung giebt, dagegen das, 
was die einzeluen auch dieser handschriften eigenthiimliches und 
besonderes bringen, in der regel aus einem unzulanglichen nachden- 
ken geflossen sein wird. Machen wir einmal die probe au den 
varianten des proömiums, also der ersten 23 kapitel. Hier hat die 
mehrzahl dieser handschriften 111mal (unter diesen Smal die hälfte 
der handschriften) das richtige, 12mal unrichtiges, nämlich: «, 2, 
9; 3, 23; 9, 20; 12, 28; 13, 24; 14, 24; 15, 30; 18, 30; 
19, 29; 22, 8: 22, 11; 23, 1. Auch 12, 28 uad 18, 30 habe 
ich hier mitaufgefübrt. An der ersten stelle haben die Bekkerscheu 





768 Jahresberichte. 


handschriften alle: 70vyacaoar, aber erstens ist kein grund abzu- 
sehen, warum hier der satz mit ware selbständiger auftreten soll, 
und dann giebt es überhaupt bei Thukydides keine einzige stelle, 
wo nach wore bei gleichem subjekt ein acc. c. infinitivo folgte; überall 
erscheint in diesem falle der nom. c. infinitivo: «a, 81, 4; a, 91, 5; 
B, 40, 19; B, 49, 35; 0, 64, 8 ff.; d, 65, 30; è, 61, 11; 7,6, 
11; 9, 76, 14. Auch an der andern stelle, 18, 30, wird gegen 
die mehrzahl der handschriften, die x170:» geben, mit wenigen an- 
dern xziosyv zu lesen sein. Bei xijg muss das folgende vür èr0s- 
xourtwy überflüssig erscheinen, während dies folgende: zw» rey 
évosxourrwr aviny Awgitwv bei xrlosv nothwendig ist, da Lace- 
damon schon vor den Doriern bestanden hat und von diesen zum 
zweiten mal gegründet wird. Mit xríci giebt dann diese stelle 
dasselbe, was wir €, 16, 28 wiederbekommen. 

Wenn nach diesem zahlenverhältniss die mehrzahl der hand- 
schrifteu in ihrer übereinstimmung schon von vorneherein vertrauen 
erweckend ist, so nimmt dagegen die einzelne handschrift, wo sie 
in ihrer abweichung von den andern alleiu steht, wenig fur sich 
ein. Der codex A. der Cisalpinus oder Italus, hat Qmal etwas eignes 
für sich, und darunter nur Imal, «, 15, 30 in ngocoyorres das 
richtige; der codex B, der Vaticanus, steht auch 9inal mit seiner ab- 
weichung allein, hat aber hier nicht ein einziges mal das bessere. 
Auch im 8, buch will mir der Vaticanus nicht in viel günstigerem 
verhältuiss erscheinen. Hier weicht er in den ersten 10 capitela 
an 54 stellen von allen anderu handschriften ab und bringt dar- 
unter im ganzen an 5 stellen das annehmbare: 9, 1, 6; 5, 25; 
6,29; 7,6; 8,20. Der codex C, der Laurentisnus, hat in den capp. 
15—23 fünfmal besonderes, darunter einmal das ursprüngliche, 22, 
11: éatégwy. Der Palatinus, e, bringt (wieder in allen 23 capiteln) 
ihm allein eigenthümliches 13mal, besseres nicht 1mal ; der Augustanus 
F 31mal besonderes, dus bessere auch er nicht ein einziges mal. 
a, 1, 5 halte ich nämlich 704», dus die mehrzahl der handschriften 
hat, für nothwendig, das nıo«r in F oder das joav in G für die 
weisheit des schreibers. Abgesehen von anderem muss es ersicht- 
lich schon deswegen jouv sein, weil der schriftsteller unten, c. 19, 
32/33, wo er auf den anfang zurückkömmt, denselben gedanken 
mit 70a» wiederbringt; vgl. Philol. 38, p. 535, anm. 3. Ebenso 
giebt der Münchuer G an 20 stellen, wo er mit dem seinen allein 
steht, nicht au einer stelle etwas, was den vorzug verdiente. Wenn 
demnach dieses zuhleuverhältniss im proómium, das mir im übrigen 
werke dasselbe zu sein scheint, einigen werth hat, so würde also 
die einzelne handschrift vor den übrigen für ihre besonderen eigen- 
thümlichkeiten keinen anspruch erheben dürfen. Soll doch einer 
ein vorzug zuerkanut werden, so müsste es die sein, die von dem 
einfaltigeren aber treueren schreiber herrührt, die schreiber von 
BCEFG denken mir zu viel und sind mir zu gelehrt; ich möchte 
mir auch hier die armuth am gene Wes, 

Hamburg. L. Vies. 








III. MISCELLEN. 


A. Zur erklärung und kritik der schriftsteller. 
22. Zu Homeros. 


Nachtrag zu p. 544. Am schluss meiner miscelle über 

B 68 ff. habe ich auf ¢ 160 ff. als original für d 141 ff. hinge- 
wiesen, und iu der that lüsst sich nicht bezweifeln , dass dem 
dichter jener verse: 

ov yág nu nva quus tosmora woe idéotus 

ovr’ avdg’ ovte yuvuixu, offug pe’ Eyes eloogowcar, 

ws dd’ ’Odvoonos tudaclyeoros vl, Eouxer, 

Thlenayo — 
jene herrliche partie vorschwebte. Aber wenn wir das eigenthiim- 
liche Zocxey mit dem voraufgehendeu Zosxore vergleichen, so müssen 
wir erkennen, dass das schiefe des ausdrucks nicht nur in der 
einfüguug jenes verses: ovı’ uvdg ovrt yvvaixa , otfluc m Eye 
eloogdwoay liegt; man sollte doch auch vielmehr 'Odvac?; und nicht 
’Odvocnog vl, erwarten, ganz so wie es 7 379 ff. wirklich heisst: 

Boddoi di) Eeivos radunelguos trud’ ixovro, 

GAN oU nu teva que Cosxota wide ldéctas 

ws ov déuug pwwriv te nodas Y Odvoons Fouxas. 
Nach diesen beiden reminiscenzen hat also der dichter des vierten 
buches seine stelle gestaltet. 


Halle a. d. S. Rud. Peppmiiller. 


23. Horat. Ep. I, 5. 


Ribbeck folgt einem eindrucke, den gewiss mancher leser ge- 
theilt hat, wenn er bemerkt, dass v. 6 „selbst als parenthese gefasst 
sich gar trocken und kurz angebunden, ja so allein und an dieser 
stelle so zu sagen patzig ausnimmt , und setzt darum den vers 
hinter v. 10. Indem er nun feruer v. 12—20 als „eine ebenso 
breitspurige als triviale diatribe über die angemessenheit fröhlichen 


Philololgus. XLII. bd. 4. DI 





770 Miscellen. 


lebensgenusses und die freuden des rausches für unächt erklärt, 
gewinnt er die aufeinanderfolge der verse: 
si melius quid habes, arcesse, vel imperium fer: 
haec ego procurare et idoneus imperor 

und damit den guten zusammenhang ,oder noch lieber, lass dir mein 
gebot gefallen, wie ich es meinerseits gern als ein gebot meiner 
gäste ansehe, es ihnen nach kräften bei mir behaglich zu machen‘, 
Es lässt sich gar nicht leugnen, dass die unmittelbare verbindung 
des imperium fer uud imperor etwas bestechendes hat, zumal Horaz 
solche wiederholungen liebt, vgl. Ep. 1, 18. 43: cessisse putatur — 
tu cede, Ep. Il, 2. 18: dicta tibi est lez — 20 dixi. A. P. 460. 
16: non sit qui tollere curet. sicuret quis opem ferre u. o., trotzdem 
aber halte ich die überlieferte reihenfolge der verse für die richtige. 

Zunächst nämlich erwartet man den vers: si melius quid habes 
arcesse offenbar da, wo unmittelbar vorher ein bestimmter 
genuss angeboten ist. Dies geschieht aber nur v. 3 und 4: 
denn in der Ribbeckschen umstellung ist der inhalt von v. 3. 4 
durch v. 5 gastliche herrichtung des raumes in vergessenheit gebracht, 
wenn die folgende malnung: mitte levis spes — und die daran ge- 
knüpfte aufforderung, die sommernacht in traulichem beisammensein 
zu verchwatzen. Die beziehung für si melius quid habes würde, 
wenn überhaupt die gabe einer feiusinnigen aufnahme etwas plump 
als dem Horaz allein verliehen bezeichnet werden sollte, wie Rib- 
beck das will, nur gewonnen werden, wenn der vers: si melius quid 
habes hinter v. 26: ut coeat par iungaturque pari folgen könnte. 
Dies ist aber augenfallig unthunlich. Mithin ist der eigentliche und 
einzig mögliche platz für si melius quid habes der überlieferte als v. 6. 

Sodann ist dies nicht die einzige stelle, in welcher der dichter 
seine lebensanschauungen, seine genügsamkeit u. s. w. in einer 
weise hervorkehrt, welche unserem geschmacke vielleicht heraus- 
fordernd oder absprechend erscheint. Dahin gehórt der schluss der 
nächsten epistel, 6, 67 : si quid novisti rectius istis Candidus imperti, 
si non, his utere mecum, der eine unverkennbare ühnlichkeit mit un- 
serer stelle hat. Auf die analogie von Carm. 1, 20 seinem ganzen 
inhalte nach, besonders in der schlussstrophe: Caecubum et praelo 
domitam Caleno tu bibes «vam: mea nec Falernae temperant vites 
(vgl. Güstrower progr. 1877 p. 3) hat bereits Fr. Jacobs Verm. 
schr. V, 38 aufmerksam gemacht; desgleichen gehórt hierher der 
passus aus der ode an den problematischen Vergilius IV, 12: sed 
pressum Calibus ducere Liberum Si gestis, iuvenum nobilium cliens, 
Nardo vina mereberis u. s. w., welcher ganz der einladung an den 
Fabullus bei Cat. XIII entspricht, so dass zu urcesse ein sachliches 
object: dies (sc. was du hast) zu suppliren ist, und nicbt mit 
Turnebus Adv. 1, 18 me. Ueberhaupt deckt sich der feine takt 
der Horazischen poesie ebensowenig überall mit unseren aestheti- 
schen anschauungen als mit der verbindlichkeit des modernen aus- 





Miscellen. 771 


druckes: wenn Ep. I, 2 schliesst: quod si cessas aut strenuus anteis, 
nec tardum opperior nec praecedentibus insto, so entspricht das un- 
serem: dann muss ich auf deine begleitung verzichten. Hiernach 
ist auch das si melius quid habes nicht in der vollen schärfe wört- 
licher übersetzung gemeiut; es bezeichnet : ich habe nichts besseres, 
ich setze dir mein bestes vor, hoffentlich genügt dir das, 

Weiter aber muss diese stelle sowohl wie die ganze epistel 
mit einem besonderen maass gemessen werden. Sie ist ihrem wesen 
und inhalt nach lyrisch, in der form didaktisch: eine einladung im 
conversationston der sermonen, ein billet, wie Ribbeck treffend sagt, 
aber durchaus mit den motiven eines sympotikons; was Horaz in 
jungen jahren in ein sapphisches lied einkleidet, dafür wühlt er als 
gereifter mann die ihm jetzt melir zusagende form der sermoni pro- 
piora, weil sie ilm gelegenheit giebt, seine laune und seine unver- 
gleichliche ironie spielen zu lassen. Es ist ein leichtes und in den 
commentaren dazu schon vielfach vorgearbeitet, alle wesentlichen 
bilder, gedanken und ausdrucksformen dieser epistel als bereits in 
den oden dagewesen nachzuweisen: hat doch sogar Hofman Peerl- 
kamp zu Carm. I, 20 behauptet: Auctor perpetuo ante oculos habuit 
I. Epist. 5 Ita quod scripsit vile potabis Sabinum in Epist. V, 4 
Vina bibes iterum Tauro diffusa; quod hic modici canthari in Epist. 
V, 2 est modica patella, vox cantharus etiam in Ep. legitur V, 22 
nec non et cantharus et lanz u.s. w. Hieraus ergiebt sich aber 
auch, dass der passus üher die wirkungen des weins nicht bloss in 
einem „Iyrischen gedichte, welches bacchische begeisterung und aus- 
gelassenheit athmet, an der stelle ist“, sondern auch „in einer sonst 
anständig, ehrbar und nüchtern gehaltenen epistel* (Ribbeck), welche 
sich an jene lyrischen gedichte so unverkennbar anlelnt; aus der 
ganzen epistel schaut der schalk Horaz heraus: er hat gesagt, dass 
er keine lieder mehr dichten wolle, (Ep. I, 1, init., I, 1, 111) 
und halt dus versprechen auch in dieser epistel wohl der form, aber 
nicht der sache nach. 

Auch im einzelnen ist der zusammenhang gut gewahrt und echt 
horazisch, wenngleich die epistel nicht zu den vollendetsten leistun- 
gen des dichters gehört. Der v. 4. 5 genannte wein ist kein vile 
Sabinum, sondern aus vorzüglicher lage, daher der gedanke etwas 
anders als C. I. 20; an unserer stelle lautet er: ich setze dir ei- 
nen guten wein vor, hast du aber noch besseren, so lass ihn holen, 
soust lass es dir bei mir gefallen. Der nächste vers ist begrün- 
dend : hab ich mich doch schon lange auf dich gefreut und darum 
alles zu deinem empfange blank putzen und herrichten lassen. Mit 
leichtem gedankenfortschritt folgt nun Mitte levis spes: darum komm 
und lass die sorgen hinter dir! Aehnlich spinnt Horaz oft den fa- 
den weiter; keine analogie ist aber treffender als die von Carm. 
HI, 8, v. 13 sume Maecenas für den übergang selbst und v. 17 
Mitte civilis super urbe curas für den gedanken, wie denn dies lied 


N° 





772 Miscellen. 


auch in der grundidee dona praesentis cape laetus horae ganz mit 
der epistel barmonirt. „Wie passt grade hier zu der beschreibung 
einer bescheidenen einrichtung eines frugalen mahles die einem ca- 
pitalisten, nicht dem besitzer von parva rura geziemende berufung 
auf vermügen, fortuna, v. 12, das nicht für den erben aufgespart 
werden soll“ fragt weiter Ribbeck: Ebensogut wie zu dem pro- 
pheten der aurea mediocritas ein Non ego sanius bacchabor Edonis. 
Wie sich der ürmste maun als Croesus fühlen kann, so kann er 
auch im scherze von sich als von einem Croesus sprechen: der in 
bescheidenen verhültnissen lebende ladet einen freund zu gaste und 
sagt launig scberzend: was soll mir all mein geld, wenn ich nichts 
davon habe? Dieser scherz ist also an sich ganz verstündlich; im 
hinblicke auf die lyrischen lieder des Horaz aber heissen diese verse: 
hab’ ich nicht selbst oft geuug gesungen Nullus argento color est 
avaris abdito terris (Il, 2) und Absumet heres Caecuba dignior (II, 
14)? Aus solchen stellen folgt ebensowenig, dass Horaz ein Croe- 
sus ist als dass er einen erben hat, der auf seinen tod wartet. — 
Endlich sagt Ribbeck: Wie philisterhaft der vermessene entschluss 
patiarque vel inconsultus haberi! Und „anfangen“ will er zu 
trinken und blumen zu streuen: incipiam, jetzt, mehrere jabre nach 
dem zweiten consulate des 'T. Statilius Taurus, d. h. nach 728, 
also in einem alter von jedenfalls mehr als 40 jahren! Sollte das 
alles ironie und humor sein, so war die fiction des wohlstandes 
und der jugendlichen iippigkeit von anfang au aufzunehmen und bis 
zum schluss durchzuführen, nicht so plötzlich, ohne alle vermitte- 
lung, in ganz auderem tone wie die umgebung, mitten bineinzu- 
werfen“. Allerdings, in einem lyrischen liede beherrscht der im 
anfange angeschlagene ton der regel nach die ganze dichtung, und 
wo das nicht der fall ist, wie iu dem unvergleichlichen carmen 
amoebeum: Donec gratus eram libi oder Intermissa Venus diu oder 
in dem iambus: Beatus ille qui procul negotiis beruht der effekt 
eben auf dem plótzlichen umschlagen der stimmung; in den satiren 
dagegen und in deu episteln bewegt sich der dichter viel freier 
und grade iu dem anmuthigen wechsel von ernst und scherz besteht 
ein hauptsächlicher reiz der sermonen, wie z. b. Ep. 1, 1 beweist. 
Und nicht ,philisterhafi* finde ich den vermessenen entschluss vel 
inconsultus haberi, sondern darin vielmehr eine nahe genug 
liegende anspielung auf deu consultus Torquatus, wie ja 
auch Horaz die juristen gern consultus nennt (Ep. Il, 2, 87: frater 
erat Romae consulti rhetor u. 6.) die sich so zur geltung bringen 
lässt: ich will einmal die sonst euch juristen beson- 
ders anklebende pedanterie von mir werfen. Incon- 
sulius kommt bei Horaz nicht weiter vor und gehört zu den ses- 
quipedalia verba, die er nicht leicht ohne absicht braucbt; ganz 
unverkenubar wird dieser scherz aber dadurch, dass der v. 21: haec 
ego procurare diese ansyielung fortsetzt; denn procurare ist 





M 


M. 


Miscellen. 773 


ebenso wie procuratio procurator eiu technisches, rein prosaisches, 
wort, kommt bei Horaz auch nur hier vor und passt auf die ju- 
ristische praxis des "Torquatus, vgl. Cic. ad Tam. XII, 24, 2: Is 
(T. Pinarius) procurat rationes negotiaque Dionysii nostri. Eine 
solche procuratio zu übernehmen empfiehlt Sat. II, 5 Tiresias dem 
Odysseus als ein lucratives geschüft, die voraussetzung dazu ist na- 
türlich eine tücbtige juristische bildung, daher soll Odysseus seine 
empfehlung auch damit beginnen: (v. 34) ius anceps novi, causas 
defendere possum. Wir würden diese auspielung wiedergeben kün- 
nen durch: mein geschüftskreis erstreckt sich nur 
darauf, dir es recht behaglich bei mir zu machen. 
Eine bestütigung für diese auffassung finde ich soeben in dem 
Darmstädter progr. 1881, wo Stöpler nachweist, dass Horaz auch 
c. IV, 7 juristische ausdrücke mit vorliebe braucht, C. IV, 7 
und Ep. I, 5 sind aber die beiden einzigen an den Torquatus ge- 
richteten dichtungen des Horaz und kónnen auch ihrer abfassung 
nach nicht weit auseinanderliegen. Vom "Torquatus wissen wir 
nichts, als was wir aus diesen beiden gedichten entnehmen können 
(die notizen in den scholien sind werthlos); wahrscheinlich ist es 
also, dass er den eingefleischten juristen zur schau trug und da- 
durch die betreffenden wendungen des Horaz hervorrief. — End- 
lich ist das von Ribbeck bemängelte incipiam zwar nicht eben 
schón, aber nicht ohne beispiel, vergl. Sat. Il, 3, 129: populum si 
caedere virgis Incipias, wo es ebenso wie hier und wie conari Sat. 
11, 1, 41 als blosses hülfsverbum steht. Denn in dem incipiam 
eine anspielung auf das supere aude, incipe der Ep. J, 2, 40 an- 
zunehmen erscheint mir trotz des kóstlichen humors (ich will end- 


lich einmal den mannhaften entschluss fassen — so habe ich ja 
selbst gesungen! — recht — — vergnügt zu sein), den die stelle 
dann hatte, zu gesucht. 

Güstrow. Th. Fritzsche, 


ee oc — = ge — 


24. Zu Caesar Bell. Civ. III, 112, 2 und Hirtius Bell. Alex. 8, 2. 


1. Cäsar schreibt Bell. civ. II], 112, 2: Haec insula (sc. Pharos) 
obiecta Alexandriae portum efficit; sed a superioribus regionibus in 
longitudinem passuum DCCC in mare iactis molibus angusto 
itinere ef ponte cum oppido coniungitur. Die gesperrt ge- 
druckten worte werden von 0. Schambacb (s. Neue jahrbb. bd. 125, 
bd. 3, 1882, p. 220) als verdächtig bezeichnet, sowohl wegen des 
ausdrucks, als aus sachlichen gründen. 

Dass die annahme eines £» dou duviv (= euger brückenweg) 
ein künstliches aushülfsmittel ist, wird man gerne zugeben. Die 
untersuchungen Schambach's über die muthmassliche breite des hep- 
tastadions sind lehrreich und dürften im allgemeinen das richtige 


N 





774 Miscellen. 


treffen , aber die auf dieselben basierte streichung der oben be- 
zeichneten worte kónnen wir nicht befürworten. 

Schambach sagt u. a.: „Bei moles in mare iactae denkt nie- 
mand an eine grosse breite und so könnte der zusatz angusto ili- 
nere unbeschadet des sinnes auch fehlen. In diesem fall ist er je- 
doch geradezu verwirrend, insofern er zu der annahme verleitet, 
dass das, was von den moles schon an sich gilt, hier in besonders 
hohem grade gegolten habe, während gerade das umgekehrte der 
fall war, wie die folgende auseinandersetzung zeigen wird“ u. s. w. 

Es ist ja richtig, dass man sich die obere fläche von molen 
von vorneherein nicht als besonders breit vorstellt, aber man denkt 
sich dieselben doch ebenso sicher nicht als besonders schmal. In 
dem wort moles liegt vielmehr der begriff des gewaltigen und ge- 
rade bezüglich der wellenbrecher bei Pharos sagt Hegesippus lii, 
27, 23: circa. insulam quoque instructae ingentis magnitudinis moles 
deiciuntur. Indess kommt es darauf an unsrer stelle wohl gar nicht an: 
die sache muss vielmehr von einer anderen seite betrachtet werden. 

„Eng“ und „breit“ sind eben relative begriffe, die ihren be- 
stimmten inhalt erst durch den masstab erhalten, der im einzelnen 
fall angelegt wird. Schon im verhültniss zur linge war die breite 
des heptastadions, die mit Schambach auf 120 fuss angesetzt werden 
mag, eine geringe. Denn die erstere betrug nach dem namen des 
dammes 7 stadien = 4375 fuss (Plin, N. H. HI, 2. 85, jan.) nach 
unsrer stelle 800 schritt = 4500, nach Ammian XXII, 7 1000 
schritt = 5000 fuss. — Was aber Cásar bewog, den damm ein 
angustum iter zu nennen, war wohl folgendes. Er hatte eben 
Pharos als insel bezeichnet, muss nun aber hinzufügen, dass es ei- 
gentlich keine insel ist, da ihr das charakteristische merkmal hiefür. 
die völlige abgeschlossenheit durch das meer, im lauf der zeit abhan- 
den gekommen war. War sie doch damals das auf künstliche 
weise geworden, was sie später auf natürliche weise wurde, näm- 
lich eine halbinsel. Aber die landenge, welche die briicke zwischen 
Pharos und dem festland bildete, war eine auffallend schmale, im 
verhültnis nämlich zu natürlichen bildungen ähnlicher art, eben weil 
sie eine künstliche war. Man vergleiche doch die breite des heu- 
tigen, von der natur gebildeten, verbindungsdammes mit der des 
alten, und man wird die berechtigung des angustum iter leicht ein- 
sehen. Dem Cäsar mochte der damm vorschweben, welchen das 
meer zwischen der insel, auf welcher Oricum lag, und dem festland 
angeschwemmt hatte (confr. Plin, N. H. II, 89: Rursus. abstulit 
(sc. rerum natura) insulas mari iunxitque terris. — Epidaurus 
et Oricum insulae esse desierunt), von dem er B. Civ. I, 40, 4 schreibt: 
molem tenuit. naturaliter (al. naturalem) obiectam, quae paeninsulam 
oppidum effecerat. Solche natürliche dämme von längerer ausdeh- 
nung können dem anprall des meeres gegenüber nur dann stand 
halten, wenn sie zugleich eine grössere breite besitzen. Wenn 





Miscellen. - 775 


Casar, wie es mir scheint, derartige dimme vor augen hatte, musste 
ihm das heptastadion als angustum erscheinen. 

Wenn ich somit die überlieferung gegen Schambach zu halten 
versuche, so möchte ich doch eine kleine änderung an den bespro- 
chenen worten vorgenommen wissen. Mit verweis auf Pomponius 
Mela nämlich, der Chorogr. 104 (Fick) schreibt: Pharos nunc 
Alezandriae ponte coniungitur, sowie auf die parallelstelle bei Plin. 
N. H. V, 128: iuncta ponte Alexandriae und Strabo XVII, 792: 
10 dì ywuu touv ano mmo 5Zne(gov yépuçou, schlage ich vor zu 
lesen: angusto itinere ut ponte — coniungitur, und übersetze: 
„diese insel schafft durch ihre lage, Alexandrien gegenüber, einen 
hafen; dieselbe wird jedoch, seitdem ein von höher liegenden punkten 
(1) ausgelender, 900 schritt langer damm im meer erbaut wurde, 
mit der stadt Alexandria durch einen schmalen weg, wie durch 
eine brücke, verbunden“. Wegen des ut verweise ich noch auf B. 
Gall. I, 38, 4 uud VII, 8, 3: Cevenna ut muro munitos. 

2. Auch mit Schambach's bemerkungen zu Alex. 8, 2 kón- 
nen wir uns nur zum theil einverstanden erklären. Die stelle selbst 
lautet: Quod si alia esset litoris Aegyptii. natura atque omnium 
reliquorum, tamen, quoniam mare libere tenerent. neque hostes clas- 
sem haberent, prohiberi sese non posse, quominus cottidie navibus 
aquam peterent vel a sinistra parle a Paractonio vel a dextra 
ab insula. Die worte a Paraetonio und ab insula sind nach 
Schambach miissige zusätze eines glossators. Schambach scheint 
mir den grundfehler gemacht zu haben, dass er bei bestimmung der 
begriffe dextra und sinistra pars den Cäsar nach süden blicken 
lásst. Diese bestimmungen haben mit der hauptrichtung, in welcher 
sich Cäsars angriff bewegte, nichts zu thun. Wenn Casar von den 
wegen spricht, welche die Rümer mit ihren schiffen einschlagen 
können, so wird er dabei doch der see nicht den rücken kehren. 
Es scheint mir so natürlich, dass für einen, der von Alexandria 
wegfahren will, mit rechts nur der osten, mit links nur der westen 
gemeint sein kann, dass ich nicht begreife, wie Schambach über- 
huupt auf seine interpretation verfallen konnte. Und liegt denn 
nicht wirklich links vou Alexandria Paraetorium und rechts die — 
insula?! Bei Schambach’s annahme freilich wird dies wort zu 
einem sinnlosen beisatz, schon aus dem grunde, weil Pharos im 
rücken des nach süden blickenden Cüsar sich befunden haben würde. 
Den nachweis, dass Cüsar von Pharos kein wasser holen konnte, 
weil die dortigen brunnen nicht in seiner gewalt waren und even- 
tuell auf ähnliche weise, wie die in Alexandria, unbrauchbar ge- 
macht werden konnten, hätte Schambach sich ersparen können. 
Denn die im text sogleich folgenden worte: quae diversae naviga- 
tiones numquam uno tempore adversis ventis praecluderentur zeigen 
klar, dass es sich nur um eine fern gelegene insel handeln kann. 
Die fahrt vom festland nach der insel Pharos konnte überhaupt 





776 Miscellen. 


durch keineu wind unmüglich gemacht werden, da die letztere ant 
etlichen ruderschlügen zu erreichen wer. Ferner ist die vorlie- 
gende stelle doch wohl schon mehr beachtet worden, als Scham- 
bach annimmt. Drumann wenigstens (vergl. Gesch. Roms Ill, p. 
540, a. 23) erklart sehr bübsch, das wort insula bezeichne das 
delta, indem er sich auf Strabo beruft, welcher dieses »700ç nenne. 
Und in der that wird von Strabo XVII, 788 wiederhok letztere 
bezeichnung angewandt. Vgl. yéyove dn v7005 dx m 156 da- 
Aating xal r&v devpatwr augoiy 100 norauoù xai xadettas Aéliu. 
— drmogguwyes noÀÀai xa9' OAnv pegsodeicas Ti» vnooy —. lo 
gleicher weise wird XVII, 701 das delta des Indus als »700ç be- 
zeichnet. Dass aber ebenso die Römer derartig begrenzte stücke 
landes auch sonst als insulae bezeichneten, dafür spricht am besten 
die insula Batavorum bei Cüsar B. Gall. IV, 10, 1 und bei Ta- 
citus Hist. IV, 12. — Die schwierigkeiten freilich, welche die 
grosse entferuung von Parütorium veranlasst, verkenne ich durch- 
aus nicht. Vielleicht führt eine andere stelle auf die richtige spur. 
Wir kónnen nümlich einmal den Cäsar nach westen beim wasser- 
fassen begleiten. Vgl. 10, 2: Cumque ad eum locum accessisset, 
qui appellatur Chersonesus, uquandique causa remiges in terram ex- 
posuisset etc. Die schmale lang hingestreckte landenge also, welche 
den sumpfsee, der süsswasser enthielt, vom meere trennte und auf 
der das fort Chersonesos lag, war nach westen zu wohl die gün- 
stigste stelle für den bezeichneten zweck. 

Mit rücksicht auf die eben ausgesprochene wahrscheinlichkeit, 
dass nämlich Cäsar bei seinen worten den bezeichneten strich lan- 
des im auge hatte, möchte ich eine kleine änderung des überlie- 
ferten textes vorschlagen. Es wird dies um so eher erlaubt sein, 
als der Leidensis nach Dübner statt a Paratonio liest: aperaronis. 

Vorausgeschickt sei noch folgendes. Aus dem umstand, dass 
Cäsar an der bezeichneten stelle ganz ungestört wasser schöpfen 
konnte, schliesse ich, dass er dies im allgemeinen auch sonst ge- 
kount haben würde; (es wurden nur einige leute, die vereinzelt 
um beute zu machen landeinwärts gelaufen waren, von ägyptischen 
reitern aufgehoben. Vgl. Alex. 10, 2). Vermuthlich wurde das 
zu Strabos zeit dort befindliche ggovgsoy erst später von den Rö- 
mern angelegt. Der umstand ferner, dass Cäsar gerade an dem 
genannten platze wasser fasste, zeigt, dass dieser als hiefür beson- 
ders günstig bekannt war. Der name Chersonesus selbst end- 
lich deutet auf eine landbildung, welche der Römer mit promunto- 
rium bezeichnen konnte. Und so schlage ich denn auch vor zu 
lesen: vel a sinistra parte a promuntorio, vel a dextra ab in- 
sula (= Delta). Zur sachlichen rechtfertigung dieses vorschlags 
verweise ich noch auf den index der Didot’schen Straboausgabe, 
wo es p. 774 heisst: Chersonesus (,,parva“ apud Ptolemaeum) ca- 
stellum in Libyae ora, 70 stadiis ab Alexandria — in peninsulari 





Miscellen. 777 


promontorio quod vocatur ,,pointe Adjemi*. In paláographischer 
beziebung ist die verschreibung (oder verschlimmbesserung 1) leicht 
zu erklären. Vgl. sinistra parte a paratonio und sinistra 
parte a promuntorio oder Pmuntorio. 

So könnte mit einer geringen änderung die überlieferung ge- 
rettet und zugleich ein befriedigender text hergestellt werden, Die 
Kanobische mündung, der anfangspunkt des Delta, lag 150 stadien 
von Alexandria, Chersonesus 70 stadien. Da wach Friedländer 
(Darst. a. d. sitteng. Roms Il”, p. 16) ein schiff bei günstigem 
und starkem wind in 24 stunden sogar 1200 stadien zurücklegen 
konnte, so war bei den vorliegenden entfernungen ein tügliches 
wasserholen recht wobl möglich. (Vgl. Alex. 8, 2: prohiberi sese 
non posse, quo minus cottidie navibus aquam peterent). 

Schweinfurt. Heinrich Schiller. 


B. Auszüge aus schriften und berichten der ge- 
lehrten gesellschaften, sowie aus zeitschriften. 


Revue archéologique, 1878. Nr. 4. April. Ch. Chipier: Denk- 
schrift über den hypathrischen tempel (forts.), mit der perspectivi- 
schen und der seitenansicht. Die beleuchtung des tempelachiffs 
lässt der verf. von einem unbedeckten raum des daches zwischen 
den inueren säulen und der umfassungsmauer kommen und erklärt 
in dieser weise die worte Vitruvs Ill, 2, 8: medium — sub divo 
est sine lecto. — P. Foucart: Decret über die sendung von kle- 
rouchen nach Potidaea, Mit hülfe einer ähnlichen inschrift aus 
demselben jahre (Corp. inscr. attic. 11, Addenda p. 403) restituirt 
der verf. diese Corp. inscr. ott. II, 56 mitgetheilte inschrift von 
deren linker seite ibm ein abklatsch geschickt worden ist, in fol- 
gender weise : 

"Eni| Moiwvos dexovios Ari] tig “Ege[x9 luidoc [quravelug 

"Edokev ris Bovins xai zu Inu“ ’EoeyInic [énovzave- 

vero "Ayasuoyos “Aya3agyov "O7Fey érle]appa fever oe 

6 & Kepapéwy Eneotares’ Ol [, nno]; einer NtQi wy 

AMyovow oi fixov Ttg Onpootas [wuga 1]dv È ....... 

. ac, pnplodas tu dnuuw [evEacFas per] ‚ol? xíjgvxa u- 

v]z(xa pada roig Awdexa O[eoîs xai zuig Seurais Ota- 

ils xai Tas “Houxdsi, è Euy oluvevéyxne "AF nvaloss népy- 

u]os tovc ‚xAngovyoug ic Hoi[eldusav, sad .... + emary’ 

Morra] oi rxortels dnuoctu naga t» È . . 

[. ac, Ivolav xai noccodor nosmoesFus, xudére dv rin d- ] 

[gue dom . . . .. 

Der verf. rechtfertigt seine ergänzungen und fügt einen excurs 
hinzu über die chronologie des archontats des Agathokles, dessen 
ergebnisse sind: 


Ol. 105, A (357/6) archontat des Agathokles. 





78 Miscellen. 


Zug der Athener nach Euboea. 

Anfang des bundesgenossenkrieges. Niederlage des Chares vor 
Chios und tod des Chabrias. — Die buudesgenossen, herren des 
meeres, greifen Lemnos und Imbros an, belagern Samos und er- 
leben kriegscontributionen im Archipel. 

Philipp bemächtigt sich der städte Amphipolis, Pydna, Poti- 
daea, Crenides. 

Sieg des Parmenion über die Illyrier. 

OI. 106, 1 (356/5) archontat des Elpiues. 

Sieg Philipps bei den olympischen spielen. 

6. hekatombaion. Geburt Alexanders. 

11. hekatombaion. Bündniss der Athener mit deu königen 
der Thracier, der Päonier uud der Illvrier gegen Philipp. 

E. Fernique: Neue ausgrabungen in Präneste, durch die fran- 
züsische schule in Rom veranstaltet. Von einem monumentale 
brunnen wahrscheinlich rührt die inschrift her 

C LVTATIVS CN: F- CERCO 
Q(uaestor) 
den schriftzügen nach etwa dem ende des zweiten jahrhunderts vor 
unsrer zeitrechnung angehürig. Ausserdem sind an den grössten- 
theils mit einem fichtenzapfen geschmückten grabdenkmälern die in- 
schriften zum vorschein gekommen, meist auf der basis desselben. 


1 COCIA M: F 
2 M:CVNCIVS: C-F (oder GVNGIVS) 
3 L.CVPl(us)L-F-À: N(epos) 
4. €: FABRICIVS C- F 
5. LVSCIA: MVXOR (sic) 
6 L: NVMITORI(us) Le F 
L:N(epos)RVBER 
7. OPILIA: C: F 
8. Auf dem fichtenzapfen: ROSCIA 
9. CN: SAMIARIVS CN 
F 
10. C: SAMIARIO M: F- M- N 
11. L: SAMIARI 
M-F-DOSCVO 
12. L.SAMI ARFL-F 
13. C-SAMIARI-C-F 
und auf der andern seite M-N-AN..... 
14. L'SAMIARIO-C-F-NN 
15. SAMARIA: M.F 
MINORQ ..... 
16. Auf dem fichtenzapfen C-SAVFI-(us)A-F 
17. SAVFEIA‘C-F 
TONDI(uxor) 


18. 'TAMPIA- € V 





Miscellen. 779 


19. L-TITIONIO-CF 
20. C TITIONIVS-C-F 
21. [T]ONDIVS: M- F 

M:N 
22. ... TONDIA 
23. TONDIAILF 
24. C-VATRONIO-L-F 
25. () h-VETILI 10)LF 
25. CN F 
27. CARVLIA FX (1) 
28. M CESTI MF 

| 29. P- ORATIA: L: F 
30. P- NERONIVS: C. F 


Der verf. zählt ausserdem die dabei gefundenen basreliefs von 
gebrunntem thon in halbkreisform, mauermalereien, miünzen auf, 
besonders eingehend aber ein ganzes lager von ex - voto - figuren, 
einzelue glieder, wie füsse, arme, beine, hausthiere, frauenküpfe, 
welche wahrscheinlich der pränestinischen Fortuna gewidmet wor- 
den waren. Auch zwei statuen in kalkstein gehören zu den er- 
gebnissen der ausgrabungen. — A. Martin: Die sculpturen auf 
unsern felsen (der Bretagne), mit abbildungen. Der verf. hält die 
eingegrabenen zeichen theils für eine schrift, theils für ornamente 
der megalithischen race. — ©. Henry: Ueber den ursprung der 
sogenannten convention des Descartes; betrachtungeu über die ent- 
stehung der alten zahizeicheu, nebst feststellungen über die relative 
häufigkeit der zeichen IV und HE, WX und VI, IX und VII 
u. 5. W. —  D'Arbois de Jubainville: Die Ligurier: die celtischen 
ortsoamen und das schiedsrichterliche urtheil der brüder Minucius. 
Der verf. findet iu den in dem urtheil der Minucier angeführten 
ortsnamen keine spur der celtischen sprache, aber (gegen Müllenhoff) 
auch nichts, was veranlassen könnte, die Ligurier aus dem iudo- 
europüischen sprachstamm auszuscheiden und sie für einen der vor- 
arischen volksstämme Europas zu halten. — Unter den nachrichten 
wird nüheres über die entdeckung in Merten (bei Metz, s. die 
märznummer) mitgetheilt : danach ist das monument ein mit fignren 
geschmückter triumpfbogen gewesen; aber keine inschrift enthüllt 
seine bestimmung ; ferner ein kurzer hericht über die entdeckuug 
einer ausgezeichnet schénen mosuik in Rom, welche ein schiff mit 
vollen segeln darstellt. — Anzeigen von Nouvelle revue listo- 
rique de droit francais et étranger, welche namentlich auch das 
griechische und das römische recht behandelt; von Fergusson, Les 
monuments mégalithiques de tous les pays; von Collignon, Quid de 
collegiis epheborum apud Graecos, excepta Attica, ex titulis epi- 
graphicis commentari liceat , Paris, Thorin 1877; und von Col- 
lignon, Essai sur les monuments grecs et romains relatifs au mythe 
de Psyche, Paris, Thorin 1877, letzteres buch wird sehr geriihmt, 





Index 


a deorsum 334; a te 388. 

absconsus 825 

accensibilis 330. 

acediari 327. 

acharis 327. 

adincresco 824. 

adiuvaverunt 326. 

adpropiare 328. 

adsestrix 323. 

aeramentum 338. 

Aeschines: G. Leue, Klonvogvdak 608. 

Aesernia vgl. Altertum. 

aestuare 338. 

aevum, in aevum, ab aevo, ex 
&evo, ante aevum 328. 

Afranius, L. M., Zu Afrunius 437. 
onizari 827. 

alterae (dat.) 333. 

Altertum, Th. Bergk, Die liste der 
delphischen gastfreunde 228. — 
K. Boysen, Laus Alexandriae 
410. — M. Erdmann, Hippodamos 
v. Milet und die symmetrische 
städtebaukunst der Griechen 
198. — Fr. Görres, Zur kritik 
einiger quellenschriftsteller der 
röm. kaiserzeit: III) Zu Eusebius 
(H. e. V 21) u. Aelius Spartia- 
nus (Did. Jul. c.2 u. Sept. Sev. 
c. 4) 134, IV) Zur kritik eini-| 
ger auf die geschichte des kai- | 
sers Aurelianus bezüglicher quel- 
len 615. — G. Kaufmann, Die 
fasten v. Constantinopel u. die 
fasten, v. Ravenna 471. — M. 
Schanz, Die analogisten u. ano- 
malisten im röm. rechte 309 — 
E. Schweder, Aesernia u. Esernia 
547. — W. Stern, Zu den quel- 
len ‚der sicilischen expedition 
438. — G. Wolffram, Des Avidius 
Cassius stellung im oriente 186. 


\ 


rerum. 


amplicare 327. 

Anonymus Cuspinianus 477, 498, 
495. 

aplestria 327. 

aporia 327. 

apostolare 327. 

Archimedes, J. L. Heiberg, Die Ar- 
chimedeshandschrift Georg Val- 
las 421. 

Aristophanes, H. Schrader, Ueber 
den chor in Aristophanes Baby- 
loniern 577. 

aromatizare 827. 

assiatrix 323. 

Auctarium 502. 

audaciter 328. 

audenter 328. 

auditas (= aviditas) 327. 

baiulus 384. 

Becher, Ferd. vgl. Caesar, Quin- 
tilian. 

Bergk, Th. vgl. Altertum. 

Birt, Th. vgl. Quintilian. 

Boettner, Fr. vgl. Quintilian. 

Bohlmann, A. u. C. vgl. Quintilian. 

Bonnell, E. vgl. Quintilian. 

Boysen, K. vgl. Altertum, Cornu- 
tus, Julius Valerius, Palaephatus. 

Boarodvos vgl. Quintilian. 

Caesar, F. Becher, Zu de bello 
Gallico 8 praef. 4. 409. — H. 
Schiller, Zu Caes. b. civ. III, 112, 
2. u. Hirtius b. Alex. 8, 2. 773. 

canitia 326. 

Capito 520. 

Cassiodor 497. 

cataclysmus 327. 

cataplectatio 327. 

Cato, C. Hartung, Zu Cato de mori- 
bus 378. 

Cauer P. vgl Homer. 

cause, = morbus 123. 





Index rerum. 


781 


Cicero, H. Deiter, Cic. de div. 1,| Ennius, L. Müller, Zu des Ennius 


12,20 p. 470. — D. Detlefsen, Verse 


Annalen 544 


im Cic. 181, 413. — H. Ebeling, | Erdmann, M., vgl. Altertum. 


Handschriftliches zu Cic. Briefen 
an Attic. 403. — A. Eussner, Zu 
Cic. 621. 

circuietur 338. 

circumpediles 326. 

clangueris 333. 

cognoscibiliter 325. 

Cohn, L. vgl. Diodor. 

colubra 326. 

commemoratio 325. 

complectabuntur 326. 

concordatio 324. 

concreare 324. 

condecet 323. 

condulcare 324. 

coniucundari 324. 

conteruisti 328. 

contutari 328. 

Cornutus, K. Boysen, Zur hand- 
schriftenkunde des Cornutus und 
Palaephatus (codex Ravii) 285. 

Cremera, schlacht 14. 

cunctus 342. 

datus, us 326. 

de foris 324. 

Deiter, H. vgl. Cicero. 

Deiters, H. vgl. handschriften. 

delatura 325. 

delectabitur = delectabit 326. 

Delph. gastfreunde vgl. Altertum. 

deprecatorius 328. 

Detlefsen, D. vgl. Cicero. 

Diodor, L. Cohn, Diodor u. seine 
róm. quelle 1. 

Dionysios, G.Leue, Dionys. Calliph. 
81-—38. 178 — ders. Zeit u. hei- 
mat des Periegeten Dionysios 175. 
— J. Rittau, Eine für die text- 
kritik noch nicht benutzte hand- 
schrift des Dionys. Periegetes 534. 

disperiet ‘333. 

Droysen, H. vgl. Eutrop. 

dulcor 324. 

Duncker, R. vgl. Eutrop. 

duum = duorum 328. 

e contra 334. 

Ebeling, H. vgl. Cicero. 

Ebeling, P. vgl. Eutrop. 

ebriacus 327. 

Ehwald, R. vgl. Quintilian. 

electrix 325. 

elingo 328. 

Ellipsen bei Thucydides 672. 

emigraneum (migräne) 123. 


e 


eremia 327. 

eructare 331. 

Esernia vgl. Altertum. 

eucharis 327. 

Euripides, J. Schneider, Zu Euri- 
pides 183, 184. 

Eussner, A. vgl. Cicero, Eutrop, 
Val. Maximus, Vell. Paterculus, 
Seneca. 

Eutropius, Jahresbericht v. C. Wa- 
gener 379, 511. — Ausgaben v. 
Droysen und Hartel 879. — H. 
Droysen, Die ausgaben von 
Schoonhoven u. Vinetus 879. — 
R. Duncker, Zu Eutropius in 
Fleck. Jahrb. 119 p. 641, ders. 
De Paeanio Eutropi interprete 
379. — P. Ebeling, Quaestiones 
Eutropianae 379. — A. Eussner 
im Specimen criticum ad script. 
quosdam Lat., ders. in den Bl. 
für d. bayr. gymnasialw. 8, 75. 
979. — W. Hertel, Eutropius u. 
Paulus Diaconus 380. — H. Haupt, 
Zu Paianios u. Eutropius in Fleck. 
Jabrb. 119, 104, ders. Planudi- 
sche excerpte im Hermes 14, 36. 
380. — M. Haupt, in Opusc. 3, 
572. 280. — A. Koecher, De Jo- 
annis Antiocheni aetate, fontibus, 
auctoritate 380. — Fr. Lüdecke, 
Sylburgs codex d. Eutr. in Fleck. 
Jahrb. 111, 874. 380. Th. 
Mommsen im Hermes 1, 468; 
ders. Die Gothaer hdschr. des 
Eutr. in Fleck. Jahrb. 113, 648; 
ders. Ueber Planudische u. Con- 
stantinische excerpte im Hermes 
6, 83.380.— K. J. Neumann, Zu 
Eutrop u. Herodian im Rh. mus. 
35, 485.380. — R. Peiper, Zu Eu- 
trop im Philolog. 38, 686.380. — 
W. Pirogoff, De Eutropi brevia- 
rii ab u. c. indole ac fontibus 380. 
— Fr. Rühl, Zu Eutrop im Rh. 
mus. 29, 639. 880. — C. Schra- 
der, Zu Eutrop. in Fleck. Jahrb. 
117, 218. 380. — E. Schulze, De 
Paeanio Eutropii interprete im 
Philolog. 29, 285. 880. — C. Wa- 
gener, Zu Eutrop im Philolog. 
35, 102, ders., Zu Eutrop im Phi- 
lolog. 39, 198. ders. Zu Eutrop im 
Philolog. 42, 533. 





782 


exclamabilis 327. 

exeam (= exibo). exiet 333, 
exporrigo 324. 
exsecramentum 324. 


Fabius Pictor von Diodor benutzt 1. 
facula 329. 
Fasten vgl. Altertum. 
faux, faucem 323. 
fax 329. 
fervura 326. 
Florus, G. F. Unger, Zu Florus 4, 
8, 4 (2, 17) 118. 
Foerster, R. vgl. Handschriften. 
fortassis 326. 
fremebit 326. 
Fritzsche, Th. vgl. Horaz. 
fumigabundus 325. 
garrulus 339. 
gaudimonium 323. 
gelus, acc. gelum 326. 
emesco 328. 
eminus vgl. Mathematiker. 
gemmula 324. 
Gertz, M. C. vgl. Quintilian. 
Górres, Fr. vgl. Altertum. 
grossus 334. 
Günther, Edm. vgl. Quintilian. 


Index rerum. 


Th, Fritzsche, Zu Hor. Epist. 1,5. 

horripilatio 324. 

Jerusalem, Jerosolyma 328. 

implanare 324. 

immemoratio 325. 

impossibilis 338. 

inaccessus 338. 

inaltare 328. 

incredibilis, incredulus 339. 

indisciplinose 328. 

ineffugibilis 825. 

ineruditio 824. 

Infinitivsätze mit quod, quia, quo- 
niam 334 

infirmiter 825. 

ingenium 330. 

inimicitia 337. 

involumentum 325. 

ire u. composita 355. 

irrigare 339. 

Isaeus, J. Lunäk, Ueber den status 
der ersten Rede: Ueber die erb- 
schaft des Kleonymos 275. 

iubere c. dat. 334. 

Julius Valerius, K. Boysen, Zu Jul. 
Val. 140, 274, 284, 308, 318. 

Kaufmann, G. vgl. Altertum. 


Handschriften, R. Foerster, Hand-| Kiel, Fr. vgl. Thucydides. 


schriften in Holkbam 158; ders. 
Eine bandschrift im Serail 167; 





Kirchhoff, A. vgl. Thucydides. 
Klammer, H. vgl. Quintilian. 


H. Deiters, Ein Tusculan-codex | Kleist, H. v. vgl. Plotin. 


zu Leiden 171. 
Hartel, W. vgl. Eutrop. 
Hartung, C. vgl. Cato, Horaz. 
Haupt, H. vgl. Eutrop. 
— M. vgl. Eutrop. 
Heiberg, J. B. vgl. Archimedes. 
heremia 327 
hibernalis, hiemalis 388. 


Koecher, A. vgl. Eutrop. 
Kühlewein, H. vgl. Hippocrates. 
lacus, gen. laci 333. 

laesura 338. 

Lentz, F. L. vgl. Quintilian. 
Leue, G. vgl. Aeschines, Dionysios. 
Leutsch, E. v. vgl. Theognis. 
Lindner, G. vgl. Quintilian. 


Hippocrates, H. Kühlewein, Bei-|linguatus, linguosus 339. 
träge zur geschichte u. beur-: linire (linere) litum 333. 


teilung der hippokratischen 
schriften 119. 

Hirt, P. vgl. Quintilian. 

Hirtius vgl. Caesar. 

holocaustum , holocautoma, holo- 


caustoma 330. 





: Lüdecke, 
| luminare 328. 


linitio 324. 
loquax 339. 
Fr. vgl. Eutrop. 


Lunäk, J. vgl. Isaeus. 
Marius 501. 


Holzapfel, L. vgl. Plutarch, Thu- mas, maris 342. 


cydides. 


pythischen Apollo 173. — R. 
Peppmiiller, Zu Hom 540, 769. 
honestus, honestare, honestas 325, 


337. 
Horas, C. Hartung, Zu Hora. 81, — 


| Mathematik, Max C. P. Schmidt, 
Homer, P. Cauer, Die bürger von! 
Knossos u. der hymnus auf den | 


Philologische beitrige zu griech. 
math. 82: 1) Wann schrieb Ge- 
minus? 83. —- 2) Wo schrieb 
Geminus? 110. Ueber Me- 
naechmus 72. 
Meister, Ferd. vgl. Quintilian. 
Mensecnmur vel. Mathematik. 





Index rerum. 


metibor 329. 

Mommsen, Th. vgl. Eutrop, Quin- 
tilian. 

Morawski, K. v. vgl. Quintilian. 

munimen 338. 

Müller, L. vgl. Afranius, Ennius, 
Naevius. 

Müller-Strübing, H. vgl. Thucydides. 

Naevius, L. Müller, Zu Naev. 407. 

necesse esse, habere 339. 

nectura 320. 

nequam, nequa 337. 

Neumann, K. J. vgl. Eutrop. 

Nicolai, L. vgl. Quintilian. 

nisi si 328. 

nocere c. acc. 334. 

Nolte vgl. Quintilian. 

noxa 342. 

nugacitas 325. 

obductio, obductus 324. 

oblitterare 328. 

obturatio 324. 

odi, odibunt 329. 

odibilis, odiosus 338. 

odorari 338. 

offuscatio 324. 

orditus est 333. 

oro 341. 

Paeanius 519. 

Palaephatus, K. Boysen, Zur hand- 
schriftskunde des Cornutus und 
Palaephatus (codex Havii) 285. 

partibor 329. 

parvi pendere 342. 

pavos = pavones 333. 

Peiper, R. vgl. Eutrop. 

Peiraeus 213. 

pendere parvi 342. 

Peppmüller, R. vgl. Homer. 

periebant 326. 

pertransiet 333. 

pertusura 326. 

pessimare 324. 

Philologie, Gesch. der, M. Schanz, 
Zum leben des H. Stephanus 
414; ders. Zum briefwechsel des 
H. Stephanus 542. 

Pirogoff, W. vgl. Eutrop. | 

placor 324. | 

plaudebit 226. 

Plotin, H. v. Kleist, Zu Plotins. 
zweiter abhandlung über die 
allgegenwart des intelligibeln 
in der wahrnehmbaren welt 
Enn. VI 5 54. 
lus lucidior 324. 

Pintarch, L. Holzapfel, Ueber die 





783 


echtheit der plut. schrift: De 
Herodoti malignitate 29; ders. 
Plutarchs bericht über das berg- 
werksgesetz des Themistokles 585. 

possibilis, possibilitas 338, 339. 

praefatus (passivisch) 341. ° 

praesepe, praesepium 337. 

praevaricare 326. 

pravicordius 324. 

prendidi 329. 

prospector 324. 

Prosper 477. 

prospitiatio, prospitiatus 326. 

quaeso 341. 

querella (kórperliches leiden) 123. 

Quintilian, Jahresbericht v. F. Mei- 
ster 141. — Ferd. Becher, Quaest. 
gramm. et crit., ders. im Philolog. 
39, 181. p. 141, 146,148. — Th. 
Birt, Ueberd. vokalverbindungen 
im Lat. im Rhein. mus. 84, 17. 
141, 144. — Fr. Boettner, De 
Quint. grammatico 141, 144. — 
A. Bohlmann, 5 thesis in Anti- 
phontea 142, 151. — C. Bohl- 
mann | thesis in: De attractionis 
usu et progressu 141, 151. — 
Quint. lib. X erkl. v. Bonnell- 
Meister 152, 152 — Boatoavog, 
To: 175 naga Koivrvhavò nai- 
daywyızns 142, 158. — R. Eh- 
wald im Phil. anz. 9, 566. p. 141, 
146. — M. C. Gertz 141, 145. — 
Ed. Günther, De coniunctionum 
causalium apud Quint. usu 141, 
150. — P. Hirt , Quint. buch x. 
in Zeitschr. f. d. gymnasialw. 86. 
142, 151. — H. Klammer, thes. 
6 u. 7 in Animadv. Annaeanae 
141,145. — F. L. Lentz, Wissen- 
sch. monatsblätter 5, 185. p. 141, 
145. — G. Lindner, Quint. red- 
nerische unterweisungen 142, 
154. — Th. Mommeen, Victorius 
Marcellus im Herm. 13, 428. 
p. 141, 142. — K. v. Morawski, 
Bemerkungen zu d. sogenannten 
deklamationen 142, 155. —  L. 
Nicolai, Elemente der philosoph. 
paedagogik in Quint. 142, 158. — 
Nolte in der Zeitschr. f. d. österr. 
gymnasialw. 80, 167. p.141, 148. 
— Const. Ritter, Die quintil. de- 
klamationen 142, 156. — F. 
Schéll, Krit. bemerkungen zu 
Quintilian X c. 1 im Rh. mus. 
34, 84 u. 85, 689. 9. 144,148. — 





784 


Index 


O. Siesbye in Nordisk Tidskrift 
for Filologi 1879 p. 45. 141. — 
Ch. Thurot, Revue de philologie 
IV, 24. 141, 150. — G. Wissowa, 
Analeeta Macrobiana im Herm. 
16, 499. 141, 148. 

quispiam 9342. 

religiositas 224. 

respectio 325. 

Rhodos 219. 

rigare 339. 

Rittau, J. vgl. Dionysios. 

Ritter, Const. vgl. Quintilian. 

Rómische rechtsschulen vgl. Al- 
tertum. 

Rühl, Fr. vgl. Eutrop. 

salutare 324. 

sanctitas 338. 

Schanz, M. vgl. Altertum, Philologie. 

Schiller, H. vgl. Caesar. 

Schmidt, L. vgl. Vergil, Thucydides. 

Schmidt, M. vgl. Mathematik. 


Schneider, J. vgl. Euripides , So- 


phocles, Tacitus. 
Schöll, Fr. vgl. Quintilian. 
Schrader, C. vgl. Eutrop. 
— H. vgl. Aristophanes. 
Schulze, E. vgl. Eutrop. 
Schweder, E. vgl. Altertum. 
scorpio 337. 
scruta 334. 
Seneca, A. Eussner, Zu L. Seneca. 
607 


sibilatio 325. 
sicilische expedition vgl. Altertum. 
Siesbye, O. vgl. Quintilian. 


rerum. 


Thucydides, Jahresbericht v. L. 
Herbst 625. — L. Holzapfel, Das 
verfahren der Athener en 
Mykene im Rh. mus. 37,3. 626. — 
Fr. Kiel, Der waffenstillestand 
des jahres 423 v. Chr. 626. — 
A. Kirchhoff, Ueber die von 
Thucyd. benutzten urkunden 
626. — Herm. Müller - Strübing, 
Polemische beitrüge zu Thucyd.; 
ders.  Thucydid. forschungen 
626. — L.Schmidt, Quaest. chro- 
nologicae ad Thucyd. pertinentes 
626. — J. M. Stahl, Zu Thucyd. 
im Rh. mus. 27, 278. 626. — Jul. 
Steup, Ein einschiebsel bei Thu- 
cyd. im Rh. mus. 24, 350. u. 27, 
637; ders. Tucydid. studien 626. 
— H. Swoboda, Thucydid. quel- 
lenstudien 626. — G. F. Unger, 
Zur zeitrechnung des Thucyd.; 
ders. Der attische kalender wäh- 
rend des pelopon. krieges 626. 
— L. Holzapfel, Zu Thucyd. 4, 

83, 2 p. 53. 
Thurot, Chr. vgl. Quintilian. 

‘ transiet, transiebat 326, 333. 

| turbido 320. 

| turbor 326. 

tutamentum 328. 

uno (dat.) 333. 

Unger, G. F. vgl. Florus, Thucydides. 

vadere 359. . 

| Valer. Maximus, A. Eussner. Zu 
Val. Max. 583. 

vasum, gen. vasi 326. 





Sophocles, J. Schneider, Zu Soph.| Vergilius, L. Schmidt, Zu Vergil. 


183, 185. — K. Walter, Kriti- 
sche bemerkungen zu Soph. 266. 
species, speciebus 323. 
spes, spebus 323. 


| Aen. 2, 210. p. 20. 
vestigator 326. 
: veteresco 323. 
veto, vetati sunt 329. 


sponderis = sposponderis, sponde- | vexator 326. 


runt 326. 
Stahl, J. M. vgl. Thucydides. 
Stephanus, K. vgl. Philologie. 
Stern, W. vgl. Altertum. 
Steup, J. vgl. Thucydides. 
Strabo, 
subitaneus 288. 
superbierit 333. 
susurri 326. 
Swoboda, H. vgl. Thucydides. 
Tacitus, J. Schneider, Zu Tacit. 183. 
taeduit 338. 
Theognis, E. v. Leutsch, Zu Theog. 
227, Zu v. 15. 265. 
Thielmann, Ph. vgl. Vulgate. 


A. Vogel, Zu Strabo 539. : 


vectimare 324. 

Vogel, A. vgl. Strabon. 

Vulgata, Ph. Thielmann, Ueber die 
benutzung der Vulgata zusprach- 
lichen untersuchungen 318; Ent- 
stehung derselben 320;  Eigen- 

: tümlichkeiten der sprache des 

| Jesus Sirach 323, des buches 

der weisheit 325, der bücher 

der Maccabaeer 368. 

' vulgum pauperem 333. 

Wagener, C. vgl. Eutrop. 
| Winon K. vgl. Sophocles. 





Wissowa, G. vgl. Quintilian. 
W olfigrexam, wal. Altertum. 





Index graecus. 


785 


Index graecus. 


dx Tic nodems 696. 

dtéoyouas 741. 

padsota 752, 

ab noi Meslonovynoor yes 680; 
dvevyoi vies 683. 

Euyyweeiv 729. 


maga bei Thucyd. 628. 


nisiv 682. 


tore dé 752. 


$2avalioxo 686. 
qoovoei» 686. 


yweis dé 684. 


Index locorum. 


Aelian. v. b. 1, 30. 258 | Aristoph. Nub. 95 209 
— — — 2,9 582 | Aristot. de anim. 8, 8, 8 62 
Aeschin. Ctesiph. 159 608| — Hist. an. 7,8 (583, 18) 127 —181 
— — 206 284 | — Metaph. r2 (1005b 19) 597 
Aeschyl. Pers. 732. 186 | — Meteor. 1, 6 (343 6 4) 582 
Afran. com. 181 323| — Pol. 2, 5 (8) 193, 208, 212 
Alciphr. 8, 10 251|— — 4 (7), 10 (11) 193, 211 
Ambr. de Abrah. 2, 9, 67 325 | — Rhet. 2, 24, , 605 
Amm. Marcell. 16, 2, 60 390 | — — 8, 2, 14 606 
— — 17, 2, 390|— — 8, 7, 8 606 
— — 18, 5, 7 391|— — 8, 7, 606 
— — 21, 16, 10 302 | Arrian. Anab. 1, 7, 1 611 
— — 22,7 714| — — 1, 8, 611 
— — 22,9, 8 391|— — 1,9,9 612 
Ampel. 8, 8 392 | Athen. 2 p. 40* 173 
Andoc. de myst. 46 196 | -— 6, 158 216 
Anecd. graec. (ed. Bekker) I 266 — 6, 234 262 
“Innoda usa ayood 196 | — 10, 452 200 
Antiph. eos ro6 'Hpwd, g 79 722) Augustin. Conf. 13, 80 828 
Apoll. mirab. hist. c. 8 250| — de civ. dei 8, 15 (I 117, 
Apostol. XV, 25 (ed. Leutsch) 226| 26—82 D. 526, 527 
Appian. b. Mith. 26 219, 226 | — 3, 15 (118, 15—24) 527 
— — — 27 219, 227 | — 8, 15 (118, 25— 29) 527 
— b. Syr. 6 244 | Aurel. Vict. Caes. 96 621 
— — — 12 261| — — 38,2 402 
Apul. Met. 9, 26 366|— — 41 616 
Aristid. p. 797 222 | — Epit. 17, 4 512 
— 798 225} — — 20, 4 512 
— 800 225|— — 29,1 512 
— 804 225|— — 35, 4 512 
— 809 225|— — 85,9 892 
— 896 220| — — 36 512, 621 
— 889 227|— — 37,4 392, 512 
— 841 226| — — 38 512 
Aristoph. Achar. 642 580 | — — 39, 1 392 
— Av. 995 — 1009 207|— Vir. illustr. 84 118 
— Equ. 327 195, 200 | Beda 1, 3 532 
— — 756 684 | — 1, 8 552 
— — 794 199 —201! Cael. Aur. chr. 2, 14, 198 225 


Pbilololgus. XLII. bd. 4. 


VE 


T11111111111111113111111111111111 


Cicer. de invent. 1, 58 
2, 149 
de orat. 1, 49, 214 


orat. 20, 67 
— 50, 174 
de opt. gen. dic. 14 
topic. 21, 82 
pro Quinctio 13 
Rosc. Amer. 11 
— 121 
in Catil. 2, 5, 10 
pro Flacc. 28, 67 
in Pison. 10 
Philipp. 10, 6 
de finib. 1, 2, 5 
Tuscul. 1, 3 

4 


1, 5 
1, 14 
1, 15 
1, 16 
1, 17 
1, 20 
1, 24 
1, 29 
1, 34 
1, 35 
1, 36 
1, 37 
1, 41 
1, 42 


171 


171, 172 
171, 172| — — ad Brat. 1, 15, 1 
MV Gland. Quaedrig. fr. 11 





Index locorum. 


Cicer. 


P111118511115511111111141111111111111111111121111111111 


* 
INS 


Pont peed peed peed pasó 
owe 0 o ee 9 9 € 


t9 t9 t9 cO 


LI 


£9 PO ro Po PO fO BO 


D 


9» 92 go 6o 9» $9 PO pO f 


Index locorum. 


Clem. Strom. 4, 496 ed. Col. 250 
Comment. in Apoll. Perg. Coni- 
ca ed. Halley p. 9. 
Cornel. Nep. Dion 8, 2. 
Them. 2, 3 
Cornific. 2, 16 


fale. leg. 327 

Olynth. 3, 16 

— 8, 4 

Philipp. 2, 9 

— 3,31 

c. Macart. 51 

c. Phaenipp. 1045, 22 
9, 22 1 







111111111111141 





465, 468 
457, 462, 468 
458 


582 

722 

447, 462 
10 


3 





787 


Diod. 12, 88 — 438, 440, 446, 460, 
461, 463, 465 

— 12, 84 461 
— 18,2 441, 457, 461 
— 13,4 441, 453, 458 
— 18,6 460 
— 18,7 453 
— 18, 8 458, 458, 459, 464, 465 
— 18, 440, 453, 460 
— 18,10 441, 444, 445, 446, 
450, 460, 463 

— 13, 11. 441,442, 446 —449, 459 
— 13,12 449—446, 448, 449, 
453, 463, 265 

— 18, 18 438,444, 448, 450, 452, 
454, 455, 460, 464 

— 18,14 444—446, 450, 452, 
454, 462, 463 

— 18, 16 452 
—18,17 452, 454, 462 
— 18, 18 440, 444—447, 449, 453 
— 18, 19 — '438—440, 446, 452, 


Erb p bp EE Eo rp prag 


UELLE EE P Eg 


454, 455, 460, 463, 464, 659 
21 462 
462 








0 717 

13, 83 438, 439, 446, 454, 455 
13, 48 720 
13, 75 220 
13, 103 455 
14, 10 463 
14, 54-78 457 
14, 60 468 
14, 64 483 
14, 72 463 
14, 74 463 
14, 98 15 
102 10 
113—117 3 
118 8, 17, 20 
115 629 
116 10 
117 5, 10 

7 455 

16 452 

4 609 

8 ell 

9 el 

12 611 

14 609 612 

55 629 

73 609 

| 35 629 
45 211, 219, 222, 225—227 

72 15 
101 15 

20, 25 17 








788 Index locorum. 
Died. 20, 36 2, 17, 19) Euseb. Hist. Eco. 8, 4 619 
— 20, 45 20| Eustath. ad Hom. Il. A 480 E 
— 20, 73 t 0| ratos, Cdp, € 266 
— 20, 82 219| Eutoc. (ed. Heib. 92) = 
— 20, 88 211, 221, 222| — — HI, 106 75 
— 20, 84 225, 226|— — — 112 LE] 
— 20, 85 321, 228 | Eutrop. 1, 26 14 Deeps) 513, 514 
— 20, 86 a1) — 1, 2 (3, 514 
— 20, 90 19 1,2 8, 2) BH 
— 20, 100 225, 227|— 1, 8 (4, 3) 526 
— 20, 101 19|— 1, 4 (4, 8) 527 
— 28, 16 244) — 1, 5 (4, 2) 386, 408 
— 29, 25 258|— 1, 5 (4, 14) 527 
— 33, 26 258|— 1, 6 (4, 21) 597 
Diog. Laert. 7, 84 96|— 1, 7 (4, 25) 386 
— — 7, 38 95|— 1, 7 (4, 30) 527 
——7,89 96|— 1, 8 (5, 4) 527 
223à 96, 97, 100| — 1, 8 (5, 14) 518 
— — 7, 132 97|— 1, 9 (5, 16) 528 
—— 7,134 97|— 1, 11 (6, 11) 527 
= — 7,185 96|— 1, 12 (6, 29) 886, 401 
— — 7, 138 95, 96 | — 1, 12 (6, 31) 402 
— — 714 95, 96|— 1, 14 (7, 3) 386 
- — 7, 152 95, 96] — 1, 15 (7, 7) 514 
— — 7, 185 97|— 1, 15 (7, 9) 514 
— — 81,19 205|— 1, 16 (7, 19) 515 
— — 8, 115 250| — 1, 17 (7, 24) 51$ 
Dionys. Halic. 1, 28 8|— 1, 19 (8, 8) 401 
--31 21|— 1, 19 (8, 10) 516 
— — 4,88 21|— 1, 8, 515 
— — 4,42 21|— 2, 2 (9, 9) 518 
— — 4,55 21|— 2, 3 (9, 13) . 518 
— — 4, 64 21|— 2, 8 (10, 3) 513 
-—4 6 21|— 2, 9 (11, 15) 515 
= — 4, 68 21|— 2, 11 (11, 29) 517 
Dionye, Peri. 1—250 536 — 2, 18 (12, 24) 401 
— — 109—134 175, 176 | — 2, 18 (14, 2) $14 
-- 518198 177, 178, — 2, 19 (14, 10) 386 
Ennius epigr. 4 2| — 2, 21 (14, 26) 386, 402 
Ephor. fr. 70 462 | — 2, 21 (15, 12) 514 
— 119 457, 461, 462|— 2, 22 (15, 17) 881, 386 
— 128 453 | — 2, 24 (16, 4) 525 
Et. Mag. s. v. dsovroxduos — 28|— 2, 24 (16, 8) 402 
Eurip. Ale. 320—821 184 | — 2, 24 (16, 10) 401 
— Iph. Taur. 782 186|— 2, 26 (16, 27) — 381, 382, 386 
— Med. 278 684 | — 2, 28 (17, 17) 386, 513 
— Troad. 94 684|— 3, 1 (17, 23) 518, 518 
Euseb. Hist. Ecc. 4, 18 136| — 8, 1 (18, 1) 533 
~— 4,15 185| — 3, 8 (18, 10) 386, 401, 402 
--51 137) — 3, 5 (18, 21 402 
--55 186, 137|— 3, 6 (18, 24 515 
——5,21 134, 185] — 3, 7 (18, 33) 517 
- - 7,18 615|— 3, 7 (19, 5) 382, 386 
— — 17,22 615|— 3,7 He 7) 401 
— — 7,28 625 | — 3, 8 (19, A) 514 
— — 7, 80 615, 610| — 8, 8 (19, 20) 515 
——81 BS — 8, 10 (19, 30) 517 


Eutrop. 3, 10 (20, 8) 
— 8, 10 (20, 10 
— 8, 12 (21, 5) 
— 8, 13 (21, 8) 
— 8, M (21; 17) 
3, 14 (21, 18) 
3, 14 (21, 19) 
8, 14 (22, 2) 
3, 15 (22, 14) 
3, 16 (22, 19) 
8, 17 (22, 27) 


— 8, 21 (23, 26) 
— 8, 21 (23, 27) 
— 8, 22 (24, 11) 
— 8, 23 (24, 19) 
— 4, 2 (25, 12) 

— 4, 6 (26, 28 

— 4, 6 (27, 1) 

— 4,7 (27, 27) 
— 4, 10 (28, 12) 
— 4, 10 (28, 17 


13 (40, 80) 
, 14 (41, 16) 


Index locorum. 


516. 


$14, 


390, 


401, 


386, 





Eutrop. 6, 14 (41, 19) 


— 6, 15 (41, 24) 
— 6, 15 (41, 29) 
7 6, 16 (42, 5) 


(47, 5) 


6 

8 

8 (47, 29) 
8 (47, 28) 
9 (48, 7) 
10 


10 (48, 20) 
11 (48, 27) 
11 (48, 28) 


12 (49, 4) 
12 (49, 8) 


Dri 
Le 
$5 
ES 


3 ns ER ELE E P P GP g 


z 
5 
8 


ux 
88 
zt 


SISSSANANZANSA INSINNA 
E 
€ 
e 


18 (51, 19) 
7, 20 (52, 17) 
7, 20 (62, 20) 


7, 13 (54, 3 
8, 1 (54, 13 
2 


— 8 2 (54, 27) 
—8 2 (55, 3) 


1111111111111111111 
= 


518, 


401, 515, 


401, 


790 


Eutrop. 8, 3 


8, 3 (55, 8) 
& 8 (55, 10) 


8, 8 (57, 18) 
$ 8 (57, 21 
89 67, 25) 
8, 9 (57, 27) 
0 
8, 10 (58, 7) 
10 (68,7) 
j 12 (58, 28) 
3 


13 (59, 19) 
m 


, 18 (60, 26) 
9 


8 
8, 19 (61, 2) 
8, 19 (61, 5) 
8 


, 20 
8, 21 (61, 21) 
8,22 


È a (61, 28) 
28 (61, 33) 

$ 1 (62, 7) 

9, 1 (62, 11) 

9,2 

9, 2 (62, 2 

9, 2 (62, 23) 

9,2 8 26) 

9, 8 (68, 3) 

9,4 

9, 4 (63, 8) 

9,5 

9,7 

9, 7 (68. 25) 

9, 7 (63, 27) 

9, 7 (68, 28) 

9, 8 (68, 32) 

9, 8 (64, 9 

9, 8 (64, 5) 

9, , (64, 18) 


Index locorum. 


598 | Eutrop. 9, 10 (64, 25) 
408 |— 9, 11 (64, 28) 382, sos ani 
528]— 9, 12 (65, 6) 








12 (65, 8) * 
- 528 
— 8, 18 (65, 13) 531 
= 14) h 
- , 27) 512 
— 30) 392, 512 
- 526 
- 14) 382, 386 
— 9, 16 426 
528 |— 9, 16 (66, 15) 383, 512 
526, 528] — 9, 17 526 
530 |— 9, 17 (66, 20) 581 
526|— 9, 17 (66, 30) 518, 5% 
518|— 9, u (66, 31) 386, 512 
526 | - 9, 1 526, 528 
518|— 9, 18 (67, 6) 522, 524 
526|— 9, 18 (67, 11) 516 
526 |— 9, 18 (67, 18) 526 
512|— 9, 19 5% 
526|— 9, 19 (67, 18) 401 
526|— 9, 19 (67, 19) 512 
517 |— 9, 19 (67, 24) 386, 392 
391, 514 | — 9, 24 (69, 16) 5 
5181— 9, 25 (70, 1) 521 
530|— 528 
524 | — 9, 27 (70, 20) 517 
526|— 528 
530| — 10, 1 (71, 2) 516 
512|— 10, 2 (71, 20) 518, 525 
526 | — 10, 2 (71, 22) 
530|— 10, 8 (72, 17) 387 
526] — 10, 4 (78, 4) 525 
531] — 10, 5 (73, 9) 518 
581|— 10, 558 
581|— 10, 8 (74, 10) 514, 518 
524 | — 10, 9 (74, 24) 387 
528 | — lu, 10 (74, 30) 391 
531] — 10, 11 (75, 16) 513 
517, 522] — 10, 15 (76, 11) 516 
386 | — 10, 16 528 
531| — 10, 16 (77, 6) 517 
526, 528) — 10, 18 (78, 9) 516 
512|— 10, 18 (78, 17) 517 
526 | Festus ed. Müll. p. 254 318 
526 |— 330 546 
518 | — 352, 4 407 
581| Festi brev. ed. Forst. 16 p. 15, 
382, 386| 22 39 
401, 402, 524 | — 20, p. 17, 24 522 
515, 531|— 21 522 
518|— 22 p. 19, 8 517 
524|— 23 5m 
VIA 24 9. 20, 1 522 





Index locorum. 


Festi brer- ed, Porat. 27 p.21,8 a 
Flor. 8, 5, 30 
— 4,2, 19 392 
— 483 392 
— 4, 8,4 118 
Front, Str. 2, 9, 7 445 
Gell. 5, 4, 18 
— 10, 181 
Barpocrat. a. p. Imoddune 195 
Hegesipp. 8, 27, 2: 744 
Hermog. ed Sposgel I 188, 28 277 
— 140, 17 
— 141,7 E 
— 154, 28 280 
— 156, 10 278, 284 
Herodot. 1, 82 38 
— 1, 147 32 
— 1, 180 218 
— 8, 49 32 
— 427,5 218 
— 5, 66 27 
— 5,90 27 
— 6, 66 27 
— 6,89 585 
— 6, 115 26, 39 
— 6, 117 26 
— 1,10 34 
— 7,46 34 
— 1, 18 722 
— 7, 182 40 
— 7, 14 584 
— 7,152 26 
— 7, 228 21 
— 7, 233 40 
&1 585 
— 8,4 41, 629 
— 8,5 40 
— 8,7 48 
— 8, 4 585 
— 8, 18 41 
— 8, 21 41 
— 8, 57 4 
— 8, 59 40 
— 8, 61 40 
— 8, 93 47 
— 8,111 47 
— 8, 113 31 
— 8 122 41 
— 8, 128 42 
— 8, 124 48 
-9,8 42 
— 9, 22 46 
9, 27 4 
— 9, 46 47, 48 
— 9, 50 4 
— 9, 52 45 
— 9, 60 45 








Herod. 9, 62 31 
— 9, 69 45 
PL MM 722 
Hesych. ‘Innoddpov viuas — 196 
Hieron. chr. a. 197 518, 514 
— 9040 518 
— 2110 517 
— 2118. 301 
— 2256 522 
— 2282 518 
— 2287 522 
— 2291 522 
— epist, 64, 14 349 
—-e, 348 
— — 127, 4 375 
Histor. Apoll. ed. R. p.19, 6 392 
— 42,8 361 
— 62, 16 392 
— 63, 24 392 
Hom. Il. X 416 541, 548 
— Od. a 540 
= — «373 542 
— — a 405 548 
— - 868 769 
— — p 88 540 
— — 8 138 548 
— — 8 160 769 
= #22 543 
-- eu 544, 769 
— — {154 544 
— — n.14 541 
221 769 
- 543 
x Bya, Al. Pyth. 216 174 
— — 326 178 
— — 350 178 
Horat. od. 1, 20 770 
- 771 
- 770 
- 323 
- 81 
- TS 
- 708 
- 342 
- 773 
- 334 
= 778 
- 169 
= 770 
- 516 
- 770 
- 772 
T E 
E; 

247 392 
— — 24 

Hyper. pro Euxen. 82, 1-17 E 





792 


Jord. hist. Rom. 235 (31, 2 ed M.) 


— 255 
257 


LEE ELT ld 
to 
e 
to © «è 
v" 
eS 
ex 
a 
2 


ledex locorum. 


3 
Isid. chron. ed. Ronc. II 439 


— 440 
— 441 
— 442 


929, 


530, 


Isocrat. Panegyr. 12 
92 
— Phil. 29 


Jul. Valer. ed. M. 1, 18 p. 188 12 
— ], 18 p 18> 8 


1, 19 p. 19b 4 


1, 31 p. 38 

p. 575 2 
2, 15 
8, 20 p. 126» 18 


2,2 


p. 72° 11 


8, 25 p. 1368 22 


ustin. 2, 3 


to 
DN 
It 
00 


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4 
— 90, 3 


MINIMUM 
MN 
= 
P 
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bud CIT fa aie e — 
de OY cn OT Ot C7 sf de 


463, 
438, 450, 

454, 

498, 445, 446, 


Lactant. de mort pers. 6. 615, 
Lib. de Const. Magn. 2, 10 
,11 


Liv. 2, 48 


ms 


Or Co Ot i». 1 de o ho to 60 «5 


239, 253 





Index locorum. 793 
Liv. 43, 22 289 | Oros. hist. 4, 17, 5 525 
— 44, 26 243} — 4, 18, 8 525 
— 44, 36 263| - 4, 20, 36 526 
— 45, 9 253 | — 5, 4, 16 391 
— 45, 19 258; — 5, 16, 12 524 
Lucian. Amor. 8 220, 226 | — 5, 20, 2 525 
— Charmid. 19 629 | — 6, 6, 1 518 
Lucili incert. 77 p. 142 M. 884] — 6, 6, 2 391 
Lysias in Agor. 34 640| — 6, 13, 1 391 
— in Eratosth. 67 199 | — 6, 21, 20 891 
— — 70 640 | — 6, 43, 4 391 
— — 71 640 | — 7, 2, 1 391 
Macrob. Sat. 2, 1, 12 143 | — 7, 2, 8 391 
— 2,2, 7 376 | — 7, 3, 5 891 
— 2, 3,7 143| — 7, 6, 10 532 
— 2, 3, 8 143| — 7, 6, 12 391 
— 2,4, 8 143| — 7, 11, 1 528 
— 2, 4, 6 148| — 7, 12, 8 891 
— 2, 6, 2 143} — 7, 13, 5 391 
Marcell. ed. Walz Rhet. Gr. — 7, 18, 5 524 
IV 431, 5 477| — 7, 19, 2 524 
— 441, 12 477; — 7, 19, 4 523 
Martial. 8, 93, 7 376! — 7, 22, 7 518 
Maxim. Planud. ed. Walz Rhet — 7, 22, 10 402, 524 
Gr. V 293, 2 277| — 7, 22, 11 524 
— 810, 31 280| — 7, 22, 12 524 
— 311,1 277, 281| — 7, 22, 13 524 
— 811, 14 278| — 7, 28, 2 526, 615 
— 812, 21 278, 280| — 7, 24, 4 522, 524 
— 512, 24 277| — 7, 24, 81 524 
Nonius p. 116, 28 437|— 7, 25, 9 525 
— 531, 5 8325| — 7, 25, 16 518, 525 
Oros. hist. 1, 2, 17 391! — 7, 28, 17 525 
— 1, 2, 104 891| — 7, 43, 6 891 
—1,7,8 891| Ovid. Fast. 2, 691 21 
— ], 21, 12 391| — "Trist. 4, 1, 102 149 
—2,2,1 391 | Pappus Coll. III 21 ed. Hultech 
—2,2,6 391| 1 p. 54 78 
—2,8,1 891| — III 23 p. 56—58 73 
— 2,6, 2 391| — VII 30 II p. 672 80 
— 2,7, 12 391 | Paul. Diac. 9, 17 392 
— 2, 8, 4 391| — 15, 6 511 
— 2, 15, 8 391| Paus. 1, 2, 5 247 
— 2, 17, 18 391 |— 1, 8, 5 248 
— 3, 2,5 391} — 1, 12, 9 449 
— 3,7, 8 891| — 1, 18, 9 455 
— 8, 20, 1 891 | — 4, 31 220 
— 8, 20, 4 391| — 6, 24 217 
— 3, 20, 8 391 | — 6, 24,2 194 
— 8, 28, 15 391| — 8, 14, 10 247 
— 8, 28, 44 391| — 10, 20, 5 248 
— 4,9, 14 525| — 10, 21, 2 248 
—4,11,8 918 | — 10, 23, 2 248 
— 4, 12, 2 402 | Pers. 3, 82 824 
— 4, 16, 8 516, 523 | Petron. 45 326 
— 4, 17, 2 514, 524| — 61 323 
— 4, 17, 4 518 — 64 A 


Philologus. XLII. bd. 4. 


93 


794 











Petron. 67 836| Plotin. ed. Müller p. 340 
Phaedr. 1, 27 376 55, 56, 60, 68, 68, 71 
876| — 341 59, 60 
378| — 342 56, 61, 66, 67 
454| — 348 56, 59, 61, 62, 66, 67 
28|— 344 56, 62, 63, 64, 70 
199| — 345 56, 64, 66, 67, 69 
— 'Innodáuov rau 196| — 346 63, 66— 69, 71 
Plat. Charm. 168 D 58| Plot. Aem. Paul. 2 454 
— Gorg. 450 E 595, 607| — — 12 36 
— — 506 E 58|— — 16 268 
— Legg. 674 B 688| — Alcib. 18 451 
-— — 778 B all — 20 45 
— — 859 B 595, 607|— — 21 451 
— Lysis 214 595, 607| — — 82 582 
— — 221 — 3 
— Phileb. 44 C-E ell 
— — 46A 248 
— — 56 B 35 
— Protag. 324 A 39 
Z map 475 C 594 on 
- . 475 h 4 
— — 506 E 45, 47, 48, 50 
— — 515 AB 45, 46 
— Sophist, 256 A 40 
mp. 193 D 35 
Pas Hacch 47,4 4L E 
- 5 
-— 2955 5, 28 
— Menaech. 5, 9, 50 39, 52, 639 
Plin. N. H 2, 8! 5 
8, 89 6 
64 6 
, 128 sl 
, 101 36, 52 
, 198 591 
B, 224 257 
8, 256 257 
7, 15 225 
38, 155 22 
51 455 
4, 63 467 
86 466 
34, 88 28, 87, 457 

4, 91 

5, 188 641, 642 
Plin, epist. 10, 98 640 
Plotin. ed. Müller p. 70, 20 is 639 
26—38 78 
— 95,32 28, 37 
96, 24—25 35, 442 
— 821, 14—22 51, 443 
— 835 56, 58 42 
— 886 55, 56, 58, 59 469, 470 
— 887 56, 57, 35 
— 888 55, 56, 58, 65 69 — — 8 470 
— 339 68, 88, — 461, 468, 469 


Index locorum. 








ludex locorum. 






Plut, Nic. 12 440, 443, 446, 463, 465 
-- 4 451 
— - 15 451 
— — 16 448, 450, 451 
— — 18 443, 447, 465, 467 
- — 19 446, 452, 456, 467 
— — 20 440, 441, 446, 448, 465 
—- 441, 448, 446—452 
— — 22 442—444, 446, 448, 465 
— - 28 443, 465 
—-" 441, 444—446 
— —% 441, 446, 487 
— — 96 445, 446, 452, 465 
— — 27445, 446, 449,454, 467, 657 
— — 28 488—440, 446, 452, 455, 

466, 656, 657 
— , 455 
_ p 
_ 33 
- 52 
- 469, 470 
- 469, 470 





P. 
De ei ap. Delph. 8 
De exilio 18 
De fet, Alex Il 11 





P» Athen. 7 
fered. malign. 1 





7|— Non posee suaviter vivi sec. 
0 





795 


Plut. De Herod. malign. 3 29, 52 
5 86 


81 

28, 29, 39 
30, 31, 39, 51 
81 






- 28, 29, 40 
- 29, 52 
— 40, 41 
- 29, 31 
= 29 
- 81, 41 
= 29 
- 81, 49, 47 
-- 5 29, 40, 44, 45, E: 50 
I De Zas et On. 20 a 
- 22 88 
—— 95 38 













Polyaen. 1, 30, 6 


1, 42, 


1, 43, 2 


796 Index locorum. 


Polyaen. 5, 10, 2 456 
— 5, 18, 1 dl 
Polyb. 1, 6 3 
— 2, 18 6, 8, 12 
— 3, 53,8 98 
—45 241 
— 4,9 241 
— 4,16 239 
— 417 241 
— 4, 26 241 
— 4,21 241 
— 4, 84 234 
—4 897 235 
—4 67 241 
— 5, 89 258 
— 5, 88 225 
—59 24 
— 5, 96 241 
— 6,2 21 
— 10, 21 243 
— 12, 25 454 

15, 81 258 
— 17,1 243 
— 17,5 248 
— 17,10 240, 248 
— 18, 90 244 
— 20,9 241 
— 22, 8 241 
— 2%, 14 245, 256 
— 23,1 258 
— 28, 17 258 
— 28, 16 249, 250 
— 30, 2 258 
— 31,3 232 
— 88, 10 239 
— 37,1 260 
— 38, 3 238 
— 38, 6 239 
— 38,7 239 
Pomp. com. 72 323 
Prise. 1, 158, 6 408 
— 1, 230, 2 408 
— 1, 285, 21 408 
— 1, 249, 7 408 
— 1, 338, 2 408 
— 1, 352, 1 409 


Procl. Diad. in Euclid. element. 
libr. comm. ed. Fried]. 67 73 


— — 72 74 
— - 7 74 
— — I 73 
— — 958 74 
— in Plat, Tim. III p. 149 ed. 

Joh. Valder 75 
Quint. 1 prooem. 6 Ha 
Tad 





Quint. 1, 5, 15 


IEEE E ELE EE EE E PG E OG G g 


TETETTEETEEEEEE ETT ETT TA TUTTA TT 


. LS 





312, 


142, 


M3, 


149, 


Index locorum. 





Quint. 10, 1, 66 150 
= 10, 1, 68 148 
— 10, 1, 69 152 
— 10, 1, 72 149, 150 
— 10, 1, 77 147, 150 
— 10, 1, 88 147 
— 10, 1, 90 148, 151 
— 10, 1, 96 151 
— 10, 1, 103 153 
— 10, 1, 117 152 
— 10,28 152 
— 10, 2, 18 148 
— 10, 2, 17 
— 10, 2, 18 
— 10, 3, 10 148 
— 10, 8, 20 148 
— 10, 3, 25 M5, 148, 151 
— 10, 8, 29 145 
— 10, 5, 1 151 
— 10, 7, 1 152 
— 10, 7, 18 151, 152 
— il, 1, 61 151 
— 11, 1) 88 146 
— 11, 1, 87 146 
— 11, 1, 92 146 
— 11, 8, 168 148 
— 12, 2, 81 151 
— 19, 10, 47 151, 152 
— 12, 10, 51 145 
— 12, 11, 18 145 
— 12, 11, 16 151 
— 12, 11, 31 142 
Quint. Smyr. 18, 210 199 
Rufin. Aquil. bist. eccl. 7, 26 615 
Sall. Cat. 1, 1 382 
——7,1 342 
— - 17,7 342 
ml 342 
— — Ing. 49, 5 393 
Bchol. Venet. "Arist, Equ. 287 * 
_ 580 
Bence, Dialog. 8, 5, 1 607 
— 8, 5,2 607 
— 85,4 607 
Serv. ad Verg. Aen. 4, 86 — 392 
— — 6, 826 1 
— — 8,830 22 
Bimplic. in Comment. ad Aristot. 
phys. fol. 64» 94, 106 
Sopater (ed. Walz) 121,90 ' 280 
. 98 278 
Sophocl. Aiax. 737 an 
— — 739 271 
— Antig. 15 . 188 
— — 135 266 
— — 898 267 
— — 885 268 





Sophocl. Antig. 1245 186 
— Elect. 152 267 
— — 807 186 
— = 1199 271 
— 0ed. Col. 316 272 
— — 583 272 
— — 75 270 
— — WA 273 
— — 1858 271 
— Oed. R. 608 273 
— — 910 186 
— — 1409 269 
269 

i 274 

— — 338 272 
= — 44 185 
— — 425 185 
— - 501 an 
— — 504 271 
— - 567 186 
— — 84 269 
— — 876 269 
— Trach. 71 974 
— — 299 185 
— — 576 an 
— — 614 185 
— — 615 185 
— — 881 278 
— — 1280 274 
Sophon. 1, 6 334 
Spart. Did. Jul. 2 184, 198 
Sept. Sev. 4 184, 138 
Stat, Silv. 4, 4, 71 142 
Strabo. p. 94 108 
— p MT 97 
— 5 p. 220 8 
— 5, 224 547 
— 5, 226 C 547 
— 5, 230 547 
— 5, 238 547, 548 
— 5, 288 € 548 
— 6, 250 548 
— 9, 395 214, 220 
— 10, 470 462 
— 10, 483 461 
— 10, 489 178 
— 12, 566 219 
— 12, 575 220 
— 18, 605 227 
— 18, 616 721 
— 14, 652 220, 225, 226 
— M, 654 220 
- 162,9, 196 
— 17, 701 776 
— 17, 788 776 
— 17, 792 775 
— 17, 798 DX 


798 
Strabo. 17, 797 98 
Suet. Aug. 98 391 
— Domit. ed. Roth p. 252 391 
— Tib. 11 225 
Buid. a. v. djys 516 
= ode di 196 
— “Innodäune dyogd 
— Holépor net 262 
Syrion (Walz Rhet. Gr. IV 
547, 7) 278 
Tacit. Ann. 1, 81 184 
— — 9,16 188 
— — 8,18 184 
— — 8,61 392 
— — 11, 26 188 
——18,8 187 
— — 18,9 187 
— — 18,75 187 
—--147 184 
— — 15,6 188 
— — 15, 25 188 
— Hist. 4, 10, 2 776 
— — 4,12 776 
— — 465 184 
Tert. Ap. c. 5 136 
Theo Smyrn. rerum 


expos. 
math. ad leg. Plat. ed Heller 
p. 121, 4 106 





— — p. 201 
— Progymn. p. 439 W. 456 
Theog». 1—10 227 
— 15 205 
Thucyd. « 1, 5 768 
— - 2,9 767 
——8298 767 
——51 701 
—-63 701 
— — 9, 20 764, 767 
— — 11,10 701 
— — 12, 28 161 
— — 18 688, 701, 767 
— — 1 587, 753, 767 
— — 18 |, 767 
— — 19, 29 767 
— - 2081 590 
— — 22,8 767 
——981 167 
— — 94, 29 701 
678, 688, 716 
— — 96 701 
——9 682, 701 
— — 98 701 
——99 701 
— — 30, 10 701 
— - 3514 740 
— — 89, 38 101 
— - 41,6 "SS 








Index locorum. 


Thucyd. « 46, 12 
— — 4 








9 701, 786, 766 
— — 50 
-- 3 664, 701 
— — 56, 23 766 
—— 57,8 690 
— — 58, 701 
--61 684, 690, 697, 701 
— — 62 695, 701 
— — 68, 10 701 
— — 64,20 686 
— — 66, 21 635 
— — 6784 468 
— — 69,4 740 
— — 70,1 687 
— — 72,82 68 
——4 701 
— — 76, 81 616 
--79 636, 701 
— — 81,4 768 
— — 82, 10 740 
— — 87 669 
— — 89 701 
— — 91,85 768 
— — 92, 23 758 
— — 98 197, 198 
— — 102 701 
668, 669 
696, 697 
— — 107,3 686 
— — 113, 6 728 
— — 114, 26 788 
— — 1515 m 
— — M8 642, 160 
— — 120, 18 
— — 121, 18 
— — 125 627, 635, 701 
— — 126, 31 701 
— — 12788 468 
— — 128, 16 701 
— — 131,9 701 
— — 182 x 
— — 187, 26 701, 7% 
— — 189, 1 46! 
= — 140, 16 72 
— — 142 688, 68 
— — 148,1 
— 8,1 627, 685, 638, 64 
— — 2 627, 628, 629, 637, 6 
646, 6! 
— — 4,18 6 
— — 633, 6 
——99 6 
— — 10, 88. 6 
— — 18 457, 652, 684, 688, € 
— — 17 652, € 
AC 636, ( 


"Thucyd. 8 19 
— — 4,1 
— — 95, n 
r — 27,30 
29, 4 


IEEE E E n rg 
111111411141 


111141 
MEME 


, 30 
31 652, 656, 684, 696, 
38 646, 


36 
40, 19 
4l 5 
43, 32 


Index locorum. 


45, 5 
4T 636, 644, 649, 650, 


668, 


: 627, 686 














799 
Thucyd. y 40, 7 676 
— — 44, 2% 674 
— — 47,11 718 
— — 48, 15 676 
— - 50 652, 707 
— — 51, 36 7 
5 672, 729 
— — 66, 22 7 
mm 652, 718 
——15 712, 720, 729 
— — 82 652, 292 
— — 86 668, 669 
—- 87 652, 692 
— — 90, 35 
— — 91, 21 696, 697 
— — 96, 82 
— — 98,4 696, 697 
— — 100, 20 
— — 101 488, m 
— — no 
— — 115 652, 658, 668, Ed 
m 658, 654, 668 
4 695 
695 
651 
695 
758 
666, are 


30, 696, p 
682 

201, 678, 758 
706, 781 


706 
649, 652, 660, 728 
6 


736 

652, 758 
58 

755 

629 


108, 18 666 
117 647, 658, 654, 660, THE 





800 Index locorum. 
Thucyd. d 118 
1 


666, 725, 727 
666 


— — 119 

— — 121 725, 731 
— — 122 631, 726, 781, 738 
— — 126, 678 
— — 135 629, 665 
— 22 656, 667 
— — 7, 82 754 
— — 9, 14 680 
— — 16 629, 667, 692, 768 
— — 17,7 729 
— — 18 797, 788, 780 
— — 19 677, 662 


90 628, 680, 631, 685, 637 
646, 647, 658, 659, 669 


— — 22 661 
— — 24 ° 658 
— — 25 645, 752 
— — 26 680, 681, 639, 642, 643 

646 
— — 98,1 760 
— — 90,6 652 
— — $1, 5 760 
— — 84,8 652 
— — 40 629 
— — 4] 729 
— — 44, 10 752 
— — 4 740 
— — 52 649, 650 
— — 656 
— — 60, 24 740 
— — 61 735, 768 
— — 68, 8 629 
— — 70, 23 736 
— — 72, 24 753 
— — 76, 34 656, 659 
— — 88,5 773 
— — 84 712, 794 
— — 86 676 
— — 108 644 
— — 112 736 
— — 115 728 
— — 116 652, 729 
— — 119, 2 729 
— 62,2 496 
— — 3 630 
— — 4 630 
— — 5 630 
— — 6 447, 460 
— — 7 728 
— — 8 447, 463, 647, 653 

654 
— — 9 461 
— — 15, ll 652 
— — 19 440 


Thucyd. ¢ 21, 7 659 
— — 25 461 
— — 81 682, 684, 692 
— — 83, 2 447 
— — 43 444 
— — 44 764 
— — 46 460, 669 
— — 50 458 
— — 54 692 
— — 55, 85 633 
— — 61 460, 693 
— — 62,1 460 
— — 68,1 656 
— — 72, 21 754 
— — 73 458 
— — 74 652 
— — 75 458 
— — 76 447, 722 
— — 82 673 
— — 83 673 
— — 85 724 
— — 88 453, 458 
— — 98 460, 702 
— — 94 647, 649, 654 
— — 98 453 
— — 99 695 
— — 108 452 
— — 104 752 
— — 105 652 
— nl 458, 458 
——8 444, 695 
—— 5 464 
——6 464, 768 
— — 7 448, 459, 465 
— — 12 | 459 
— — 16 453 
— — 19 445, 459, 647, 649, 651 
— — 23 444, 460 
— — 24, 11 687 
— — 25,9 459 
— — 27, 33 652 
— — 29,9 753 
— — $l 629, 682 
— — 82 459 
— — 34 766 
— — 88 441, 444 
— — 40,5 441 
— — 4 444, 460, 766 
— — 42 444, 447, 450 
— — 43 449 
— — 45 442 
— — 46 459 
— — 47 443, 448, 463, 464 
.- — 48 443, 447, 448 765 
— — 49 442, 443, 454 
— — NS 80, 454, 656 


Index locorum, 









Thucyd. » 52 — 450, 452, 460, 456 
— — 53 444, 460, 629 
657 

724 

766 

456 

638 

452, 456 

446, 449, 450, 729 

447, 688 

455 

657 

651, 657, 673 

651, 657 

657 

456, 657, 670 

657 

88 651 

84 657 

85 657 

86 446, 447, 449, 455, 456 

— 87 454, 455, 460 
—-— 4 649 
—91 657, 659, 768 
--2 657 
— — 4,14 657 
--5, 768 
——6 629, 752, 768 
--7 629, 647, 649, 648 
——8 768 
— — 9, 98 729 
- — 17 629, 766 
— - 19 693, 706 
— — 23,8 682 
—-351 629 
— — 88,12 693 
— — 34 706, 764 
— — 85, 16 686 
— — 88, 88 706 
39, 22 647 

— — 41, 10 693 
— — 45, 18 652 
— — 56 678, 729 
— — 58 740 
— — 60,7 682 
- — 61 647, 649 
— — 63,1 62 
— — 65,21 755 
— = 67 740, 755 
— — 68,2 755 
= = 69,9 755 
— — 70 728, 729, 764 
— — 78, 38 633 
- - 7411 752 
— — 6 152, 764, 768 
——8 674 
— — 89 766 


Pbilologus. XLIL bd. 4. 


801 





Thucyd. 9 90 197, 752 
- — 93 676, 729 
— — 99 652 
— — 101 651, 751 
— 102 629, 757, 661 
— — 105 766 
— — 109 706 
Timae. fr. 97 454, 467 
— — 454 
-- if 454 
451 

Treb. gi xx. Ip 97,25 ed. Pet. 402 
Turpil. com. 127 328 
Val. Max. 2, 10, 2 58 
Varro de L. L. 5, M4 9 
— — 6,82 546 
— — 7,101 249 
_ - a 105 16 
-- 312 
Vell. Peter. 2,7,2 598 
— 2, 70, 598 
— 2) 85, 4 614 
= 2, 112,5 593 
Verg. Aen. 4, 36 392 
— Georg. 1, 512 545 
= — 4, 64 346 
Victor Vitens. 8, 55 342 
Vitruv. 1, 7 211, 226 
— 28 225 
— 2, 8,11 211 
— 7 praet. 10 323 
— 9 2 206 
— ‘ed R. p. 49, 8 392 
im P. 49, 16 392 
im P. 49, 24 392 
— P. 72, 15 392 
|— p. 101, 22 392 
— p. 118, 7 374 
— p. 159, 9 392 
— p. 176, 15 392 
— p. 181, 11 392 
p. 182, 9 392 

— p. 195, 7 392 
— p. 195, 19 392 
— p. 197, 11 392 
— p. 200, 1 392 
— p. 203, 1 392 
— p. 213, 18 392 
— p. 283, 8 392 
Vopisc. Aur. 19 616, 617 
— 20 616 
— 21 616, 617 
2. 616 
— 87 616—618 
— 89 618 
— 40 616, 619, 621 
Vulg. act. ap. 5, 16 Wi 


dA 


802 


Vulg. act. ap. 8, 40 
16, 6 











Dan. 1, 10 
2, 19 





. 11, 24 
5 


Index locorum. 


331, 


342^ Vulg. dent. 32, 6 
329| — — 32, 14 
857|— — 33, 
335 

368 | — — 
881|— — 9, 
376 | — eccli. 
388}— — 1,4 
34|— — 1,16 
338] — — 1, 17 
329 |— — 1, 39 
ssıl— — 2,2 
358|— — 2,6 
342|— — 2, 18 
889|— — 3, 17 
328|— — 8, 96 
362/— — 3, 28 
365|— — 3, 34 
328|— — 4,7 
838|— — 4, 18 
s: |— — 4, 21 
328|— — 4, 80 
323|— — 4, 38 
325|— — 4, 34 
825|— — 5,1 
372|— — 5,5 
$59|— — 5, 10 
330|— — 5, 16 
367|— — 6, 5 
353|— — 6, 26 
341|— — 6, 81 
388|— — 7, 2 
341]— — 7,6 
sil — 7,9 
338|— — 7, 20 
361|— — 7, 86 
333|— — 7, 87 
371|— — 8,4 
358|— — 8, 10 
365/— — 8, 16 
342|— — 9, 15 
$48| — — 9, 25 
887|— — 10, 4 
$40|— — 10, 14 
841|— — 11,1 
348) — 
376 | — 
363 | — 
333 | — 
343] — 
375|— 








, 92 
— eccle. (Predig. Sal.) 2, 10 
] 


12 
(Jesus Sirach) 1, 1 


824, 


324, 


324, 


$88BSEEBEBEESERDEBDEBEBEEBERSSESSEENEDBISSEEDESBEREHBDEETE 





Index locorum. 803 


Vulg. eccli. (Jesus Sirach) 18,13 362 
M, 18 324 
— — M, 18 


— — 16, 22 





326, 367 


328, 857 


326, 327 





Vulg. eccli. (Jesus Sirach) 86, 11 324 
36, 27 828 


— — 37,4 394 
— — 87,18 325 
— — 87, 32 350 
— — 87, 33 327 
— — 97,34 856 
— — 88 8 872 
— — 38, 17 325 
-— 22 324 
— — 88, 30 326 
— — 88,84 324, 333 
— — 39,4 872 
— — 39, 23 324 
— — 39, 28 827, 339 
— — 39, 86 337 
— — 40, 10 827, 389 
— — 40, 18 324 
— — 40, 32 324 
— — 41, 16 328 
——41,24 324 
— — 43, 21 326 
— — 4,5 364 
— — 45, 10 426, 349 
— — 46, 10 359 
— — 47,1 364 
— — 48, 6 362 
— — 48,9 326 
— — 48, 18 326 
— — 49, 13 327 
— — 50,20 327 
— — 50,21 886 
— — 51,6 388 
— — 51, 19 849 
— 1 Esdr. 1, 6 333 
--2, 361 
——3'6 375 
— — 4,18 842 
— — 4,14 338 
——15,91 868 
— — 10,1 378 
— 2 Esdr, 8, 30 

= 4,2 272 
In 339 
— — 7, 65 852 
- 18 

--1B 342 
— — 2,15 329 
- —8, 14 365 
— — 8,17 358 
——94 332 
— — 18,2 332 
——151 366 
— exod. 2, 1 346 
——8,1 334 
— — 10,4 376 


n 


804 Index locorum. 





Vulg. exod. 11, 7 376 | Vulg. gen. 25, 80 
_ 12, 31 335 )— — 25, 34 
- 363|— — 26, 8 
- 338|— — 26, 10 
- 367|— — 26, 21 
- 873|— — 27,4 
— 842|— — 28,1 
— 360 |— — 28, 18 
- 363] — — 29, 6 
— 884|— — 30, 10 
— 338 — — 31, 10 
— 349) — — 38, 15 
— 833|— — 84, 19 
- 363|— — 34, 24 
- 352|— — 34, 25 
- $40|— — 34, 80 
— 342 — — 35, 5 
— 834 |— — 35, 16 
— 368) — — 36, 38 
— 337| — — 88, 16 
- 334) — — 39, 14 
— 954|— — 40, 1 
_ 366 |— — 40, 20 
— 343)— — 41, 11 
- 345|— — 41, 18 
— 366| — — 41, 19 
- 862|— — 42, 1 
_ 340|— — 42, 6 
_ 359|— — 42, 38 
_ 861|— — 48,1 
_ 867 |— — 43, 5 
— 334 |— — 48, 10 
_ 350|— — 43, 27 
_ 364|— 45, 20 
— 348|— — 48, 7 
— 884 — — 48, 18 
— 342| — Habac 2, 5 
_ 836, 387 | — Hebr 4, 12 
_ 876|— — 5,1 
— 352| — — 7, 23 
- 3884|— — 10, 6 
- 388|— — 10, 8 
- 841|— — 12, 14 
— 835, 367 | — — 12, 18 
— 340 | — Jacob. 1, 11 
— 825 | — Jer. 4, 12 
- 884|— — 4, 

- 342) — — 8, 12 
_ 8348| — — 9,9 
_ 366 | — 16, 4 
- 341] — — 23, 8 
— 840| — — 24, 10 
— 866| — — 31, 14 
_ 8366| — — 81, 87 
_ 8356 | — — 88, 26 
_ 839 |— — 36, 22 
_ UN — — W, 





Vulg. Jer. 43, 2 





Index locorum. 


851 | Vulg. Jos. 7, 16 
gi 








348|— — 10, 
g48|— — 11, 11 
334|— — 18, 8 
348; — — 22, 18 
376|— — 23, 1 
352|— indie. 3, 16 
376|— — 7, 20 
$60|— —8& 11 \ 
339|— — 11, 5 
376|— — 15, 19 
848,374 | — — 16, 29 
375|— — 19, 6 
352|— — 19, 18 
338 | — — 20. 5 
376|— — 20, 6 
349|— — 21,5 
348] — — 21, 15 
383 | — Judith 2, 8 
2, 18 
378|— — 3, 9 
337|— — 4, 6 
376|— — 5,4 
373|— — 5,5 
349|— — 5,9 
848|— — 5, 19 
333] — — 5, 24 
343|— — 5, 26 
338|— — 6,3 
389|— — 6,4 
333|- — 6, 5 
372|— — 68 
331|— — 6, 10 
8541— — 6, 11 
353|— — 6, 18, 
366|— — 7, 16 
367|— — 7, 23 
373|— — 8,3 
346|— — 8, 14 
337|— — 8, 24 
359|.— — 8, 82 
338]— — 9,1 
343|— — 9, 8 
373|— — 10, 9 
381|— — 10, 16 
833 |— — 12,1 
381|— — 12,2 
351|— — 12, 10 
829 |— — 12, 12 
376|— — 12, 14 
376| - — 12, 19 
329|— — 12, 20 
350|— — 18,1 
341|— — 13, 10 
359|— — 13,11 














806 Index locorum. 

Vulg. Judith. 15, 11 859| Vulg. 1 Macc. 6, 51 828, 971 
— — 15,14 338) — — 8,6 871 
— — 16, 22 851|— — 9,11 828 
— — 16, 24 854|— — 10, 23 338 
— levit. 1, 8 327|— — 10, 24 328 
— — 2,4 333 |— — 10, 51 376 
— — 8,1 842| — — 18, 17 387 
——58 848| — — 13, 28 828 
— — 6,8 875| — — 14, 87 328 
— — 7,18 366|— — 15, 27 34 
— — 8, 10 883|— 2 Mace. 1, 19 328 
— — 8, 16 848|— — 2,8 872 
— — 8, 20 348|— — 4, 14 357 
— — 8, 28 843, — — 5, 27 352 
— — 9,10 848|— — 6,7 349 
= — 10,1 335|— — 6,9 336 
- — 10,4 335|— — 6, 11 856 
— — 10, 16 846| — — 6, 12 359 
— — 11, 29 376|— — 6, 21 352 
— — 18, 59 376|— — 7,1 359 
— — 19, 12 875|— — 7,4 874 
— — 20,4 342|— — 7,84 323, 
— — 20, 10 339| — — 7, 40 356 
— — 95,9 376|— — 9, 20 342 
— — 95, 348|— — 10, 25 328 
— — 26, 10 854| — — 10, 35 359 
— Luc. 1, 8 836|— — 11, 4 371 
— — 2,7 337|— — 11, 18 873 
— = 2) 28 337|— — 12, 16 328 
— — 8,15 352|— — 12, 20 366 
——1,8 362| — — 12, 42 328 
— — 11, 28 366|— — 18, 2 371 
— — 12, 16 837|— — 18, 11 357 
— — 12, 98 358|— — 13, 15 371 
— — 18,15 387) — — 13,25 376 
— — 14,18 349|— — 14,5 872 
— — 14,19 35|— — 14, 12 871 
— — M, 29 881|— — 14, 48 328, 359 
— — 15, 22 876|— — 15, 30 375 
— — 21,11 345|— Marc. 1, 6 376 
—— 295 34|— — 4, 35 351 
— — 22,19 325|— — 6, 18 361 
— — 28, 17 840|— — 6, 21 349 
— 1 Macc. 1, 18 871|— — 7,4 838 
— — 1, 56 357|— — 12, 83 330 
— — 2) 64 359| — — 14, 19 376 
— — 3,30 361|— — 15, 21 348 
— — 3) 34 371|— — 15, 42 851 
—— 4 30 828|— — 15, 44 356 
-Igis 316|— — 16, 18 361 
— — 6, 20 256 | — Matth. 3, 4 316 
— — 6,30 871|— — 5, 29 

= — 6,31 359|— — 5, 30 938, 375 
— — 6,84 371|— — 5,83 375 
— — 6, 35 871)— — 7,6 349 
— — 6,45 32|- — 8 17 361 





Index locorum. 807 


4 
DI 
* 
E 
& 
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8 


358 Vulg. 2 parall. 26, 10 357 
626 8, 3 





(EEREHEERERRER) 
ti 
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I 
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3 


— 86, 16 842 
2 Petr. 1, 19 374 


1111111111111111 


831, 378 


881, 878 











808 Index locorum. 








DRE 
I 
5 
* 








[a Du u Du u u Bu u De EEG LEE EE E E E P P I Gg g B Gg gB g | P  g 0g 





4 

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— 2,6 376 ‚4 
24, 8 L2 

_ 2412 = 9,4 
— = as, 36 = 10,8 
== 80,7 = 10,7 
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Z 2 reg. 2 Zw 
= 4 2 = 10, 18 
2412 Zu, 18 
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ZT 10,4 184 
-In% = 12, 10 
= Tig 357|— — 18/5 
Im 368|— — 18,6 
Im 365|— — 18, 8 
=I it} 22 54|— — 13, 18 
= = 18,22 34|— — 14, 26 
= = 19,22 847|— — 14, 28 
= = 20, 2 YS —-WS 





DUPUIS 
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Index locorum. 


Vulg. Tob. 7, 14 
| 4 


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enoph. ‘Ages. 10,2 
rie’ 1, 4, 18 


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6, 
Xenoph. Ephes. 5,11 
Zonar. 12, 


366 |Zosim. 1, 49—52 


/erzeichniss der excerpierten zeitschriften. 


Anzeiger für schweizerische alterthumskunde . 
Bulletin de la société des antiquaires de France 
Memoires de la société des antiquaires de France . 
Revue archéologique . 


Revue critique d' histoire et de littérature . . 
Séances et travaux de l’academie des sciences morales et 


politiques . 
The Academy 


The Edinburgh review . 
The journal of philology 
The North-american review 
The Westminster review 


188. 418. 


192. 560 
416. 560 





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P. 548 s. 7 v. u. lies: gamer statt zwuon. 

P. 544 s. 5 v. o. lies: Svuds statt 9sgyuoc. 

P. 755 s. 8 v. u. ist das Zahlzeichen für 5000 falsch: es sollte 
X| sein. | 


P. 777 s. 8 v. u. lies: enwyyi- — statt snayye. 


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