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PHILOLOGUS.
ZEITSCHRIFT
FÜR
DAS KLASSISCHE ALTERTHUM.
HERAUSGEGEBEN
VON
ERNST VON LEUTSCH.
GOETTINGEN,
VERLAG DER DIETERICHSCHEN BUCHHANDLUNG.
MDCCCLX X XIV.
PHILOLOGUS.
ZEITSCHRIFT
FÜR
- DAS KLASSISCHE ALTERTHUM.
HERAUSGEGEBEN
VON
ERNST VON LEUTSCH.
Zweiundvierzigsier Band.
GOETTINGEN,
VERLAG DER DIETERICHSCHEN BUCHHANDLUNG.
MDCCCLX X XIV.
IV Inhalt.
Zu Strabon. (Cozza’s handschrift) Von A. Vogel
Avoysgalvw, ducyégacpa, ducyfgesa, duçyeons. Von H. von |
Kleist
Zu Plotins zweiter abhandlung über die allgegenwart der in-
telligibeln in der wahrnehmbaren welt. Plotin Enn. VJ, 5.
Von H. von Kleist
Zur bandschriftenkunde des Cornutos und Palaephatos. (Co-
dex Ravii). Von H. Boysen .
Die fragmente des mathematikers Menaechmos. Von Max C.
P. Schmidt.
Die Archimedes-handschrift Georg Vallas. Von J. L. Heilberg .
Philologische beitrige zu griechischen mathematikern. Von
Max C. P. Schmidt.
Beitrige zur geschichte und beurtheilung der Hippokratischen
schriften. Von H. Kühlewein .
Ueber den status der ersten rede des Isaeos „über die erb-
schaft des Kleonymos*. Von J. Lunag e
Elonvogpvack. (Zu Aeschin. Ctes. 2. 159). Von G. Leue .
Zu Eusebius Hist. ecclesiastica. Von Fr. Górres . . 134.
Die liste der delphischen gastfreunde. Von Theodor Bergk .
Zu Naevius. Von Lucian Müller
Zu des Ennius Annalen. Von demselben . . .
Vergil. Aen. Il, 210. Von Ludwig Schmidt.
Zu Cato de moribus. Von C. Hartung . . . .
Horat. Carm. IV, 14, 20. Von demselben
Horat. Epist. 1, 5. Von Th. Fritzsche
Zu Afranius. Von Lucian Müller .
Pag.
543
594
54
285
72
421
82
119
275
608
615
228
407
544
22
378
81
769
437
Inhalt.
Jul. Caesar. BCiv. Hi, 112 und BAlex. 8, 2. Von AH.
Schiller. . . . . . .
BGallic. VIII, praef. à. 4. Von Ferd. Becher .
Ze Velleius Paterculus. Von A. Euesner . . . . 593.
Za Valerius Maximus. Von demselben
Zu Tacitus Annalen. Von Julius Schneider. . . . .
Florus IV, 8, 4. Von G. F. Unger. . . . . .
Eutrop. Ill, 1. Von C. Wagener . 2 8 ew
Butropius. Jahresbericht. (Fortsetzung folgt). Von dem-
selben . . . . . . . . . . . . + + . 9879.
Zar kritik einiger quellenschriftsteller der rómischen kaiser-
zeit. (Aelius, Spartianus, Vopiscus). Von Fr. Górres. 134.
Die Fasten von Constantinopel und die Fasten von Ravenna.
Von G. Kaufmann .
Zu Julius Valerius. Von €. Boysen . 140. 274. 284, 308.
[lulii Valerii] Laws Alexandriae. Von demselben .
Cic. de Divinat. I, 12. Von H. Deiter
Eine bandschrift von Cic. Q'Tusculanae. Von demselben .
L. Seneca Dial. VII, 5. Von A. Eussner .
Die analogisten und anomalisten im rémischen recht. Von
M. Schanz.
Handschriftliches zu Cicero's briefen an Atticus. Von H.
Cicer. Orat. 52. Von A. Eussner .
Verse im Cicero. Von H. Deilefsen. (Vrgl. p. 413) .
Quintilianus. Jahresbericht. Von Ferdinand Meister .
Ueber die benutzung der Vulgata zu sprachlichen untersu-
chungen. Von Ph. Thielmann
511
615
471
318
410
470
171
607
309
403
624
181
141
319
VI Inhalt,
Pag.
Handschriften in Holkbam. Von R. Forster. . . . . . 158 |
Eine handschrift des Serail. Von demselben. . . . . . 167
S. Dionysios Periegetes. Strabon. Kornutos. Archimedes.
Cicero.
Zu den quellen der sikelischen expedition. Von W. Stern . 438
S. Thukydides. Diodoros. Plutarchos.
Hippodamos von Milet und die symmetrische stüdtebaukunst
der Griechen. Von M. Erdmann . . . . . . . . 193
Des Avidius Cassius stellung im oriente. Von G. Wolffgramm. 186 —
S. Eusebios.
Aesernia und Esernia. Von E. Schweder. . . . . . . 547
Das leben des H. Stephanus. Von M. Schanz . . . . . 414
Zum briefwechsel des H. Stephanus. Von demselben . . . 548
S. Kornutos und Palaipbatos.
Auszüge aus schriften und berichten der gelehrten gesell-
schaften, so wie aus zeitschriften . . . 188. 416. 559. 777
Index rerum. . Von C. Wagener. . . . . . . . . . 780
Index graecus. Von demselben . . . . . . . . . . 785
Index locorum. Von demselben . . . . . . . . . . 785
Verzeichniss der excerpierten zeitschriften. . . . . . . 809
Druckfehler . . . . 2 . 2 2 « « « « «© « . . 810
I, ABHANDLUNGEN.
I.
Diodor und seine römische quelle.
Die frage nach der rómischen quelle des Diodor ist durch die
abhandlung von Klimke (Diodorus Sikulus und die rómische anna-
listik, Königsbütte 1881) in ein neues stadium getreten. Klimke
kommt nach einer eingehenden kritik der ausführungen Mommsens
(Rom. forsch. II, 221—290 und 297 —381) zu dem resultat, dass
nicht Fabius Pictor, sondern Calpurnius Piso von Diodor
benutzt sei. Dasselbe hatte sich auch mir bei der behandlung die-
rer frage vor mehreren jahren ergeben. Die folgenden bemerkun-
gen richten sich theilweise gegen einige unrichtige behauptungen
klimke’s, theilweise behandeln sie einige punkte, die von Klimke
nicht mit genügender ausführlichkeit erörtert sind.
Der bericht über den sturz der decemvirn (Diod. XII, 24. 25)
enthült eine ganze reihe von flüchtigkeiten, missverstündnissen und
entstellungen , die verwirrung ist so gross, dass Niebuhr und
Schwegler an ihrer aufhellung ganz verzweifelten. Schwegler (R.
6. Ill, 69) meinte, Diodor habe diesen bericht schwerlich aus ei-
nem römischen annalisten geschöpft, „da einem solchen eine ver-
wechslung der valerisch -horazischen gesetze mit den licinischen
rogationen nicht zuzutrauen ist“. Auch Nitzsch (R. ann. 229. 235)
sah den ganzen bericht als das eigenthum der quelle Diodors an
und erklärte diese angebliche verbindung der licinischen rogationen
mit dem sturz des decemvirats als eine fälschung des verfassers
Philologus. XLII. bd. 1. 1
2 Diodoros.
der von ihm entdeckten ,plebejischen* annalen, die er als die quelle
Diodors bezeichnete. Mommsen (R. F. Il, 287) macht Diodor al-
lein für diesen chronologischen fehler verantwortlich, glaubt aber
ebenfalls, dass Diodor hier von der licinischen rogation spreche !).
Diese annahme ist keinesfalls richtig: wir können unmöglich glau-
ben, dass Diodor ein über 80 juhre spüter gegebenes gesetz hierher
gezogen haben sollte, von dem er hóchst wahrscheinlich, als er den
bericht über das decemvirat schrieb, noch gar keine kenntnis hatte.
Auch lassen sich die folgenden angaben Diodors in keiner weise
damit vereinigen, Das von Diodor an zweiter stelle genannte ge-
setz ist nicht die licinische rogation, sondern, wie Klimke richtig
bemerkt, die das consulat betreffende rogation des C. Canuleius
445/309; dass dieselbe nicht zum geseiz erhoben wurde, bat Dio-
dor bei seiner flüchtigen art des excerpierens nicht weiter beachtet.
Soweit stimme ich mit Klimke überein ?). Dagegen halte ich es
nicht für nóthig anzunehmen, dass schon die quelle Diodors an die
erwähnung der wiedereinsetzung des consulats den bericht über die
Canuleiische rogation geknüpft hatte. Gerade Piso scheiut beson-
dere sorgfalt auf chronologie und streng annalistische erzühlung
verwendet zu haben (vgl. Peter, Hist. Rom. rell. p. CLXXXXII).
Die ganze stelle mit allen ihren wunderlichkeiten erklärt sich voll-
kommen aus der art, wie Diodor arbeitete. Diodor ist kein ge-
1) Damit bringt Mommsen das fehlen der kriegstribunen von 867/887
zusammen, welche Diodor absichtlich gestrichen habe, weil er die wich-
tigste der licinischen rogationen bereits früher gebracht. Wie unsicher
eine solche annghme ist, leuchtet sofort ein, wenn man bedenkt, dass
sich bei Diodor in den büchern XI—XX mehr als 180 rómische epo-
nymencollegien finden, aber nur bei etwa 50 von diesen historische no-
tizen: wenn also Diodor die erzählung über die ereignisse des jahres
867/387 überging, so lag für ihn damit nicht zugleich die nothwendig-
keit vor, auch die eponymen des jahres zu streichen.
2) Auch das dritte gesetz bei Diodor erklärt Klimke richtig als
eine verschmelzung der lex Duillia 449/305 (Liv. 8, 55, 14) und der lex
Trebonia 448/806 (Liv. 8, 65, 4). Die von der livianischen angabe ab-
weichende strafe der verbrennung hat Diodor in seiner quelle vorge-
funden (es war wohl die ältere überlieferung: Schwegler If, 711, vgl.
Mommsen, R. staatsr. II*, 267). Schwierig sind die nun folgenden worte
Diodors: tür dé oi —2 un Cvuppwrvwos Neds — xUosos elvas
tov ava péoov xeiuevoy un xwiveoda:s. Auch Klimke’s erklärung, wo-
nach sie sich auf den antrag des Duillius über eventuelle cooptation der
volkstribunen (Liv. 8, 64) beziehen, befriedigt nicht. Die stelle ist ohne
zweifel stark verdorben: —RR sivas ist grammatisch falsch. Madvig
Adv. crit. I, 491 vermuthet: xvgiov elvas to ava éco» xsiusvov um
xwlvecdas.
ee m | |
Diodoros. 3
wöhnlicher librarius, der seine quelle wörtlich ausscbreibt (oder,
wie in unserem falle, übersetzt), sondern wo er bei seinem ge-
währsmann eine grössere zusammenhängende erzählung fand, da
las er sie ganz durch, machte sich vielleicht hier und da einige
patizen und schrieb dann seinen bericht. Hierbei kann es uns von
einem mit römischen verhältnissen wenig vertrauten mann, wie
Diodor es ohne zweifel war, nicht wunder nehmen, dass er man-
ches wichtige auslässt, manches missversteht, manches am unrechten
orte bringt und oft nicht zusammengehöriges zusammenwirft. Aus
seiner geringen kenntnis der römischen verfassungszustünde erklärt
sich seine abneigung gegen die innere geschichte Roms; es findet
sich bei ihm nur noch eine stelle, wo er in etwas ausführlicherer
weise innere angelegenheiten bespricht (XX, 36 die censur des
Appius Claudius). Diesem mangel seines werkes suchte er nun
dadurch abzuhelfen, dass er bei gelegenbeit der erzäblung von der
beseitigung des decemvirats einiges von dem notierte, was in seiner
quelle in den folgenden capiteln über innere angelegenbeiten be-
richtet war. So hob er denn aus dem reichen material, das seine
quelle gerade an dieser stelle enthielt, einige tribunicische gesetzes-
vorschläge der nächsten jahre heraus, verknüpfte sie aber mit seiner
erzühlung vom ende des decemvirats in der weise, dass dieselben
als bedingungen des friedens erscheinen, welcher mit der auf den
Aventin ausgewanderten plebs abgeschlossen wurde. Merkwürdiger
weise hat er dabei die wichtigsten gesetze, die valerisch - horazi-
schen, übergangen.
Von allen Diodorischen nachrichten über rómische geschichte
ist der bericht über die gallische katastrophe (XIV,
113—117) der bei weitem werthvollste und derjenige, der von
entstellungen am meisten frei geblieben ?). Auf ihn haben daher
3) Die notiz über die herkunft der Etrusker im Pothale (Diod. XIV
118, 2) stammt wahrscheinlich, wie Mommsen (R. F. II, 265) richtig
bemerkt, aus Timaeus: vgl. Hellan. b. Dionys. Hal. 1, 28; ebenso der
synchronismus mit der belagerung Rhegions, den auch Polyb. 1, 6 hat.
Zwei weitere notizen, bei denen Mommsen (p. 281) schwankt, halte ich
ebenfalls für einlagen aus griechischer quelle (Timaeus), nämlich die
notiz über die entstehung des volkes der Campaner (Diod. XII, 31) und
die nachricht über die einnahme von Cumae durch die Campaner (Diod.
XII, 76). Denn Diodor erzählt die einnahme von Cumae im jahre des
archon Aristion (ol. 59, 4: 421/420 v. Chr.) und der consuln T. Quinctius
und A. Cornelius Cossus (d. i. 428/826), wührend nach rômischer tra-
1°
4 Diodoros.
die anhänger der Niebubr’schen hypothese immer mit vorliebe hin-
gewiesen, und selbst Schwegler (11, 24. III, 234) hielt es nicht
für unwahrscheinlich, dass Diodor für diese partie aus Fabius ge-
schöpft hat. Diodors bericht nimmt in der tradition des gallischen
krieges und der ereignisse des folgenden jahres eine eigene stel-
lung ein, er muss ganz für sich allein betrachtet werden. Mommsen
hat sich vergebens bemüht nachzuweisen, dass Diodor sich in allen
punkten mit Polybius in übereinstimmung befindet. |n den entge-
gengesetzten fehler ist Klimke verfallen, indem er von der voraus-
setzung ausgeht, dass Diodor der gewöhnlichen tradition (Livius-
Plutarch) näher stehe, als man allgemein bisher angenommen hat.
Ganz falsch erscheint mir diese auffassung insbesondere iu bezug
auf Diodors angaben über den letzten akt des grossen dramas.
Gegen seine auseinandersetzungen über Diodors darstellung des
krieges selbst habe ich wenig einzuwenden. In der kritik und
widerlegung der ausfübrungen Mommsens ist Klimke recht glück-
lich: sind es doch zumeist unbegründete behauptungen, deren wi-
derlegung nicht schwer fallt, wie z. b. die, dass unter den nach
Clusium geschickten gesandten *) bei Diodor nicht Fabier zu ver-
stehen sind. Die von Mommsen (R. F. Il, 310—314) ausführ-
lich dargelegte, aber mit aller überlieferung in widerspruch ste-
hende ansicht, dass die schlacht auf dem rechten Tiberufer
(also gar nicht an der Allia) geschlagen sei, ist sowohl von
dition (Liv. 4, 44, 12) dies ereignis in das militärtribunat 420/884 fallt.
Die notiz über die entstehung der Campaner bringt Diodor unter dem
j. 445/809 (nach Diodors gleichung ol. 85, 8: 488 v. Chr.), Livius er-
wahnt die Campaner zuerst unter dem j. 424/880 (Liv. 4, 87).
4) Die gesandten werden nach der gewöhnlichen tradition an die
Galler geschickt, um diesen zu befehlen, ne socios popult Rom. atque
amicos oppugnarent (Liv. 5, 85, 5), nach Diodors bericht nach Clusium,
um die keltische heeresmacht zu recognoscieren. Mommsen (R. F. II,
804, a. 11) meint, diese angabe Diodors schliesse nicht aus, dass die
gesandten wirklich boten der róm. gemeinde an die Galler waren: diese
annahme sei sogar nóthig, weil sonst nach rómischer auffassung von
verletzung des vôlkerrechts gar nicht die rede sein kónnte. Dem kann
ich nicht beipflichten: nach Diodor fordern die Galler die ausliefe-
rung des gesandten nicht wegen verletzung des völkerrechts (pro sure
gentium violato: Liv. b, 86, 8), wonach gesandte neutral bleiben müs-
sen, sondern weil der Rómer an dem kampfe gegen die Galler theilge-
nommen ohne vorhergegangene kriegserklärung seines volkes (éasmj-
covtag toy nosoßsvinv toy adixov modéiuov npoxataptäueror). &dixoc (in-
tustum bellum) ist nach rômischer auffassung ein krieg, dem keine for-
melle kriegserklärung vorangegangen.
Diodoros. 5
Thouret (Der gallische brand, jahrb. suppl. XI, 167—173) als
von Klimke (p. 11—16) widerlegt worden. Die worte Diodors:
2EeAFovres xai diaffavies tov Tifeour, die allein Mommsen zu sei-
ner irrigen ansicht veranlasst haben, erklürt Thouret dahin, dass
Éeldortes prägnant zu fassen sei als auszug aus der stadt unter
überschreitung des pons sublicius und mit dsafavres der rücküber-
gang auf das linke ufer gemeint sei. Klimke dagegen vermuthet,
die quelle Diodors habe einen zweimaligen übergang erwäbnt: die
Rómer seien zuerst über den Tiber gegangen, nachdem sie aber
gehórt, dass die Galler sich auf dem linken ufer befünden, seien
sie wieder über den Tiber (also durch Rom hindurch) gekommen
und dann am linken ufer entlang gegen die Galler marschiert;
diesen zweiten übergang (den durchzug durch Rom) habe Diodor
fortgelassen. Ich glaube, es ist einfacher die worte xai diufavtes
tow Tifeo für einen selbständigen zusatz Diodors zu halten: er
mochte sich denken, dass ein kampf mit den von norden kommen-
den Kelten nur auf dem rechten Tiberufer habe stattfinden kónnen,
— zumal wenn ibm, wie aus der nichterwühnung zu schliessen,
der Alliafluss unbekannt war.
Im unmittelbaren anschluss an die erzählung von der einnahme
Roms durch die Galler berichtet Diodor (XIV, 117) mehrere nicht
in dasselbe jahr fallende ereignisse, die aber sachlich zum theil
mit jener in verbindung stehen. Er erzühlt zuerst die kriege des
Camillus mit den Volskern, Aequern und Etruskern, die nach Livius
(6, 2—3) und Plutarch (Cam. 33) in das folgende jahr 389/365
gehören. Diodor verbindet hier also die begebenheiten des jahres
389 in derselben weise wie die vorgeschichte des gallischen krie-
ges (991) mit der erzühlung über den krieg selbst. Dann aber
folgen drei notizen, die sowohl sachlich als chronologisch einige
schwierigkeiten bieten:
1. Die von Rom abgezogeneu Galler wurden, als sie die mit
Rom verbündete stadt Oveaoxsoy (?) belagerten, vom dictator (Ca-
millus) angegriffen; er tódtet die meisten von ihnen und bemächtigt
sich der ganzen beute, unter der sich auch das gold befand, das
sie (in Rom) empfangen, und beinahe alles, was sie bei der ein-
nahme der stadt geraubt hatten.
2. Trotz solcher thaten wurde Camill von den volkstribunen
verbindert zu triumphieren. Einige aber erzählen, dass er über die
6 Diodoros.
Etrusker auf einem viergespann von weissen rossen triumphierte
und deshalb zwei jahre später vom volke zu einer bedeutenden
geldstrafe verurtheilt wurde.
3. Diejenigen Kelten, die nach Apulien gezogen waren, kehrten
durch das römische gebiet zurück und wurden kurz darauf vmó
Keolwv (d. i. Kasglwr, Cüriten) in einer nacht überfallen . und
sämmtlich àv xo Toavofw medim (t) niedergemacht. — Die an-
gaben über den triumph des Camillus (2.), die wahrscheinlich durch
confusion und durch ein missverstündnis Diodors entstanden sind
(vgl. Klimke p. 22), lassen wir auf sich beruhen. Wichtiger sind
die beiden andern notizen (1. 3.), die noch der erklürung bedürfen.
Klimke (p. 20 ff.) bat vermuthungen über dieselben ausgesprochen,
denen ich nicht zustimmen kann. Er glaubt auch hier, dass Dio-
dors quelle an dieser stelle mehreres berichtet habe, was chro-
nologisch nicht zusammengehörte, die quelle habe hier eine förm-
liche laudatio des Camill gegeben. Ich finde von einer solchen in
Diodors worten nichts, und die letzte angabe hat ja mit Camill
gar nichts zu schaffen. Die nachricht von Camillus’ sieg über die
Galler (1.) bezieht Klimke auf den zweiten Gallereinfall 367/387,
wo nach der gewóhnlichen tradition Camill zum fünften mal dicta-
tor war. Aber die berichte über diesen zweiten Keltenkrieg (Liv.
6, 42. Plut. Cam. 40—-41) zeigen nicht die geringste áühnlichkeit
mit unserer Diodorstelle, in der die Galler klar und unzweideutig
als diejenigen bezeichnet werden, die kurz vorher mit dem lüsegeld
von Rom abgezogen sind. Ueberhaupt ist dieser krieg von 367/387
sehr problematisch: er stand vielleicht noch nicht in den ülteren
annalen, da bekanntlich Polybius (11, 18, 6) den zweiten einfall
der Galler in das 30ste jahr nach dem ersten, also in das jahr
360/394 setzt. Ebenso wenig findet Klimke's annahme, dass Dio-
dors nachricht von dem überfall einer Keltenschaar durch die Cä-
riten in das jahr 361/393 oder 360/394 gehöre, ihre hinreichende
begründung in dem umstande, dass Claudius Quadrigarius (frg. 11
Peter) und Livius (6, 42. 7, 1) von einem Gallerheer sprechen,
das sich in den jahren 367—361 in Apulien aufgehalten. Klimke
musste hier zu unsicheren vermuthungen seiue zuflucht nehmen,
weil er zu sehr in dem vorurtheil befangen ist, Diodors bericht
lasse sich im allgemeinen mit der gewöhnlichen tradition von dem
grossen Gallerkrieg vereinigen. In folge dessen ist er wiederholt
Diodoros. 3
genöthigt, wo Diodor und die vulgata durchaus nicht zusammen-
stimmen wollen, bald bei Diodor bald bei Livius und Plutarch
lücken anzunehmen. Wir müssen bei der erklürung jener beiden
angaben von der gewöhnlichen überlieferung der Gallerkriege ganz
absehen. Die erzühlung von dem siege des Camill über die Galler
und der wiedergewinnung des lüsegeldes ist bei Diodor eng ver-
bunden mit der von den kümpfen des dictators mit den Volskern,
Aequern und Etruskern. Fallen diese in das jahr nach der ein-
nahme Roms, so werden wir, wenn wir unbefangen sein wollen,
annehmen müssen, dass die quelle Diodors jenen Keltensieg des
Camill in dasselbe jahr gesetzt hat. Wührend also nach der vul-.
gären relation der sage der verbannte Camill als dictator beim
zuwägen des goldes in Rom erscheint und die Galler vertreibt,
existierte eine andere version, wonach die Galler zunüchst uube-
helligt mit dem lösegeld und der beute abzogen und erst im dar-
auffolgenden jahre von dem wegen des Volskerkrieges zum dictator
ernannten Camillus geschlagen und das lösegeld und die beute ihnen
abgenommen wurden (vgl. Schwegler Ill, 262). Dies war die ver-
sion, welcher Diodors quelle folgte. Und Diodor ist nicht der ein-
zige, der sie berichtet. Sie findet sich, wie Mommsen (R. F. II,
335) richtig bemerkt hat, auch bei Servius zur Aeneis 6, 826,
allerdings corrumpiert und in einer form, die darauf schliessen lässt,
dass der schreiber auch die gewühnliche überlieferung kannte: Ca-
millus absens dictator est factus .... et Gallos iam abeuntes
secutus est, quibus interemptis aurum omne recepit et signa.
quod cum illic appendisset, civitati nomen dedit ; nam Pisaurum di-
citur, quod illic aurum pensatum est. Wenn Mommsen die stelle
des Servius so vollständig mit Diodor combiniert, dass er auch für
das verdorbene Ovs«oxıov bei Diodor /7,6«vgo» herstellen will, so
ist das gewiss nicht richtig. Der quelle des Diodor können wir
unmóglich zutrauen, dass sie eine im lande der Sennonen gelegene
stadt als eine mit den Rómern verbündete bezeichnet haben sollte.
Die ersetzung einer nicht weit von Rom (wahrscheinlich in Etru-
rien)?) gelegenen und mit Rom verbündeten stadt durch eine im
gebiet der Galler selbst gelegene erweist sich eben als eine unge-
schickte jüngere fälschung, wie auch die alberne etymologie zeigt.
5) Statt Ovtéoxvor vermuthete Niebuhr (Li, 619 a.) Ovolgivsor, A.
Schafer (Philol. XX, 178) richtiger Padioxwy,
8 Diodoros.
Dieselbe version der sage von der wiedergewinnung des goldes
und der beute findet sich übrigens auch als variante bei Eutrop. 1,
20, mit der livianischen relation plump zusammengekittet: .... a
Camillo, qui in vicina civitate exulabat , Gallis superventum est
gravissimeque victi sunt. postea tamen accepto etiam auro,
ne Capitolium obsiderent, recesserunt, sed secutus eos Ca-
millus ita cecidit, ut et aurum quod iis datum fue-
rat ei omnia quae ceperant militaria signa revo-
caret. Ob dies nun wirklich die ältere überlieferung war oder
ob Diodors quelle auch die gewöhnliche version der sage bereits
. kannte, sie aber verwarf (wie auch Klimke p. 21, a. 1 annimmt),
diese frage lässt sich mit völliger sicherheit nicht entscheiden. Ich
möchte lieber das erstere annehmen, ebenso wie ich glaube, dass
die worte des Polybius (ll, 18: &9oavoros xol àcweig tyortes thy
wpfieav slo rv olxelay exavnAFoy) nicht einen „recht vernehm-
lichen widerspruch* gegen die gewühnliche sage (Klimke a. a. o.
vgl. Mommsen R. F. II, 339) enthalten, sondern die älteste über-
lieferung wiedergeben.
Die letzte angabe Diodors über die vernichtung der aus Apu-
lien gekommenen Keltenschaar durch die Cäriten darf nicht als
eine besondere version der römischen sage von der wiedergewin-
nung des goldes angesehen und mit der nachricht bei Strab. V,
220 direct verbunden werden, wie Mommsen (p. 333) und mit ibm
Klimke (p. 21) tbut. Strabo gibt die tradition der Cäriten
wieder, die sich das verdienst zuschrieben, den Gallern, die Rom
eingenommen, die ganze beute abgenommen zu haben. Davon sagt
Diodor nichts, er gibt wahrscheinlich die römische tradition, die
nur erzählte, dass der tbeil der Galler, der nach dem abzuge
aus Rom sich nach Apulien gewendet hatte (of d’ eig rv Janv-
ylav s» Kedrwy éxedndvdores), auf dem rückwege von den
Cäriten überfallen und niedergemacht wurde. Davon dass diesen
Gallern von den Cäriten die römische beute abgenommen wurde,
was mit dem vorher von Camill berichteten in widerspruch stehen
würde, findet sich in Diodors worten nichts. Ob diese thatsache
von Diodors quelle auch noch in das jahr 389/365 oder in ein
späteres gesetzt wurde, aus dem Diodor sie hierber zog, lässt sich
nicht bestimmen. Keinesfalls aber gehört sie in die jahre 361—
860, da nicht anzunehmen ist, dass diese Keltenschaar nach 30.
Diodoros. 9
jährigem aufenthalt in Apulien in die heimath hätte zurückkehren
wollen; auch Diodors ausdruck per’ 0Alyo» spricht dagegen.
Die Niebuhr -Mommsen’sche hypothese, dass Diodor das ge-
schichtswerk des Fabius Pictor benutzt habe, ist zwar wiederholt
nach dem vorgange Schweglers (I, 119. Il, 23) bestritten worden,
zählt aber auch heute noch mehrere hervorragende gelehrte zu
ihren anhängern (auch A. Schäfer, Quellenk. der griech.-röm. gesch.
Il, 13. 85 billigt sie). Sie ist nach allen seiten hin gründlich
bisber noch nicht widerlegt worden. Auch Klimke hat sich die
ssche leicht gemacht und ist über diesen wichtigsten punkt schnell
hinweggegangen. — Die hypothese stützt sich auf ein fragment
aus dem 7ten buch des Diodor (VII, 3 Dind.), in welchem Fabius
ausdrücklich citiert wird. In diesem berichtet Diodor, nachdem er
eine polemische bemerkung über die abstammung des Romulus und
über die chronologie der gründung Roms vorausgeschickt, über
Aeneas’ schicksale in Latium und über die gründung Alba Longa’s
durch Askanius und erklärt, diese stadt habe ihren namen von dem
flusse Alba bekommen, der später Tiberis hiess (vgl. Schwegler I,
340, a. 5). Alsdaun fährt er fort: weg dé t76 noooryoglas
taving (fioc 6 tas Pwuulwv noaEng aruypuwyas &Alws utuv-
SoÀoyzxev und erzählt nun deu bekannten mythus von der sau, die
dem Aeneas entlief und 30 ferkel warf, und von dem traum des
Aeneas; doch weicht seine erzählung von der gewöhnlichen inso-
fern ab, als nach letzterer das erscheinen der sau und ihre flucht
auf den burghügel von Lavinium auf Laviniums gründung bezug
hat, während nach dieser Fabischen relation (der sonst nur Cassius
Dio, frg. 4, 5 (Dind.) folgt und theilweise Varro de l. 1. V, 144)
die sau auf den Albanerberg flieht und Aeneas im traum erfährt,
dass erst nach 30 jahren an dieser stelle eine stadt gebaut wer-
den solle. Daraus also, dass Diodor hier Fabius nennt, haben Nie-
bubr und Mommsen geschlossen, dass Diodor nicht nur das werk
des ältesten römischen aunalisten gekannt, dass er es auch (mit
ausnahme weniger stellen) ausschliesslich benutzt hat. Es zwingt
uns hier aber nichts zu der annahme, dass die annalen des Fa-
bius dem Diodor vorgelegen und dass er selbst dieses citat aus
ibnen entnommen. Die vermuthung liegt nahe, dass er dasselbe in
seiner quelle vorgefunden und aus dieser abgeschrieben habe. Gilt
dies doch allgemein von allen variirenden berichten, die von Diodor
10 Diodoros.
nicht selten erwähnt und mit wo dé zuyeg und ähnlichen wendungen
eingeleitet werden (XI, 53. XII, 64. XIV, 102. 116. 117). Und
sagt doch Mommsen selbst (R. F. Il, 271): ,unter den doppelbe-
richten (ist) . . . keiner von der art, dass er auf eine doppelte
quelle einen sicheren schluss gestattete“. — — Mommsen glaubt aber
iu demselben fragment noch eine zweite hinweisung auf Fabius
und damit einen weiteren beweis dafür gefunden zu haben, dass
Diodor hier bereits Fabius’ annalen vor sich gehabt hat. Diodor
beginnt nämlich seinen bericht über die vorgeschichte Roms mit
einer polemik: fvsos uiv oiv nlavndévres vnélafor rovg méQi 10V
“Pwuvior ix tig Alvelov 9vyargóg yevvndévrac 2xuxtvas ınv “Pw-
um. 10 de dAndès ovy ovrws Eyes xt. Mommsen (R. Chron.? p.
152, a. 288. R.G. 1°, 922. R.F. Il, 268 a.) erkennt in diesen
worten eine beziehung auf Fabius Pictor. Aber Fabius kann un-
möglich berichtet haben, dass Romulus der enkel des Aeneas ge-
wesen. Er setzte Alba’s gründung 30 jahre nach der ankunft des
Aeneas: sollte er die gründung Roms gleichzeitig oder kurz nach-
her angesetzt haben? Er berechnete Roms gründungsjahr nach
olympiaden, er hatte also die griechische chronologie studiert: sollte
er sich trotz dieser bekanntschaft mit der griechischen zeitrechnung
Troias fall um den anfang der olympiadenrechnung gedacht haben ?
Dürfen wir dem gebildeten Fabius einen solchen rechenfehler
zutrauen? (vgl. auch Rubino, Beitr. z. vorgesch. Ital. p. 149, a.
202). — Die unmöglichkeit, die worte Diodors auf Fabius zu
beziehen, ergibt sich auch aus folgender erwügung: Dionys und
Plutarch erzählen, wie sie selbst angeben (Dion. 1, 79. Plut.
Rom. 3), die gründungsgeschichte Roms nach Fabius. Bei ihnen
nun erscheint, wie in der gewóhnlichen sage, Romulus als enkel
des abgesetzten Albanerkónigs Numitor, und Dionys fügt ausdrück-
lich hinzu, dass über die geburt und abstammung des Romulus und
Remus alle (römischen) geschichtschreiber übereinstimmen. Hätte
Fabius Pictor wirklich Romulus als enkel des Aeneas bezeichnet,
so würde Dionys, der im ersten buch seiner archäologie mit pein-
lichster genauigkeit alle ansichten verzeichnet, die jemals über den
ursprung Roms ausgesprochen wurden, diese wichtige meinungsver-
schiedenheit des ältesten rómischen historikers gewiss nicht uner-
wühnt gelassen haben. Demnach kann seine mit Diodor gleich-
lautende notiz 1, 73 (und die ähnliche bei Plut. Rom. 2) nicht auf
Diodoros. 11
Fabius bezogen werden, sondern nur auf schriftsteller, deren namen
anzuführen für ihn und für seine leser kein interesse hatte, z. b.
auf Ennius, von dem wir ja wissen, dass er Roms ursprung in
eine viel frühere zeit hinaufrückte, und auf Naevius (der in der vor-
geschichte Roms griechischen fabeln folgte: Rubino a. a. o. p.
143 a), zwei schriftsteller, die von Dionys in bezug auf historische
glaubwürdigkeit mit den rómischen annalisten gewiss nicht in eine
reihe gestellt wurden und auch keinen anspruch darauf erheben
konnten. — Nach Mommsens ansicht müssten wir annehmen, Fa-
bius habe dem Romulus zwei mütterliche grossväter gegeben, Ae-
neas und Numitor! Mommsens behauptung (R. F. II, 268 a.),
„dass in dieser ältesten fassung die ankniipfung der zwillinge an
Aeneas und die an das albanische königshaus neben einander fest-
gehalten worden sind, steht ausser allem zweifel“ — entbehrt jeder
begründung. In welcher weise Ennius die griechische sage (die
Romulus als enkel des Aeneas bezeichnet) mit der römischen (in
der er enkel des Numitor ist) in einklang gebracht hat, können
wir heute auf grund der erhaltenen fragmente nicht mehr bestim-
men: dies ist das resultat der ausführungen des von Mommsen für
seine behauptung mit unrecht citierten Schwegler (I, 407). Aber
selbst wenn Ennius „in irgend einer weise hier das unmügliche
möglich gemacht hat“, so sind wir doch nicht berechtigt auf blosse
vermuthung hin einem sorgfältigen historiker wie Fabius Pictor
denselben unsinn zuzutrauen wie dem „im zauberkreis der märchen-
welt lebenden dichter Ennius.
Nachdem wir so der Niebuhr’schen hypothese ihre stütze ent-
zogen haben, wollen wir nunmehr die punkte in erwägung ziehen,
welche Mommsen zur begründung derselben angeführt hat. Drei
dinge sind erforderlich, um den beweis für die benutzung des Fa-
bius durch Diodor für erbracht zu halten: die übereinstimmung der
Diodorischen nachrichten mit den fragmenten und soustigen spuren
der Fabischen annalen, die besondere rücksichtnahme auf das Fa-
bische geschlecht in den erzählungen des Diodor, die übereinstim-
mung der tendenz derselben mit dem politischen standpunkt des
Fabius Pictor, der von dem seines grossen verwandten Fabius
Maximus gewiss nicht verschieden war. Wir werden sehen, dass
in allen drei punkten Diodor gerade das gegentheil zeigt.
1. Was den ersten punkt betrifft, so behauptet zwar Momm-
12 Diodoros.
sen (R. F. ll, 277): „was wir sonst als Fabischen ursprungs nach-
weisen künnen, tritt nirgends in widerspruch mit denjenigen an-
gaben Diodors, welche wir für Fabius in anspruch nehmen“, aber
für positive übereinstimmung weiss er nur eine stelle auzuführen,
Diodors bericht über die gallische katastrophe: dieser und die er-
zählung des Polybius (Il, 18), die auf Fabius zurückgeführt wer-
den darf, sollen vóllig in einander passen. Aber den beweis dafür
hat Mommsen nicht geliefert. Thouret hat in seiner trefflichen
untersuchung über den gallischen brand (bes. p. 104 ff.) die diffe-
renzen der Polybianischen und der Diodorischen erzüblung und die
unmüglichkeit der annahme einer quelle für beide aufs schla-
gendste nachgewiesen. Wer der ansicht ist, dass Polybius in die-
sem abschnitte Fabius folgt, der muss m. e. beute zugeben, dass
die quelle Diodors in dem bericht über die gallische katastrophe
Fabius Pictor nicht gewesen sein kann. Polybius berichtet klar
und unzweideutig, dass die Galler in folge eines abkommens mit
den Römern unbeschädigt und unversehrt mit der beute in ihre
heimath zurückgekehrt seien, da sie gehört, dass die Veneter in
ibr land eingefallen. Nach Diodor schicken die Rómer gesandte an
die Galler und diese lassen sich bewegen gegen empfang von 1000
pfund gold abzuziehen, sie werden aber im folgenden jahre vom
diktator Camillus in Etrurien geschlagen und der ganzen beute mit
dem lösegeld beraubt. — Auch aus andern gründen kann Diodors
bericht nicht aus Fabius stammen. In der gewöhnlichen überliefe-
rung vom Gallerkriege stehen die Fabier im vordergrunde der
handlung. Vom standpuokt der Niebuhr - Mommsen'schen hypothese
muss es auffallen, dass gerade bei Diodor die Fabier gar nicht
hervortreten. Zwei sicher auf Fabische überlieferung zurückge-
hende züge der tradition, die unmóglich bei Fabius Pictor gefeblt
haben können, finden sich bei Diodor nicht: die sage von dem
opfertode der greise unter anführung des oberpontifex M. Fabius
und die legende von dem tapferen (C. oder K.) Fabius Dorsuo,
der während der belagerung vom capitol zum quirinal schritt mit-
ten durch die feindlichen posten, um dort ein gentilicisches opfer
darzubringen. So lückenbaft auch sonst die Diodorischen nach-
richten sind, die erzühlung von der schlacht an der Allia und der
belagerung des capitols macht durchaus den eindruck der vollstün-
digkeit, so dass ich nur annehmen kann, dass jene sagen auch in
Diodoros. 13
Diodors quelle gefehlt haben. — Ferner lüsst sich die chrono-
logie Diodors mit der von Fabius befolgten in keiner weise ver-
einigen. B. Niese (Hermes XIII, 401 ff.) hat nachgewiesen, dass
Fabius Pictor, dessen chronik Polybius bei seiner fixierung der gal-
lischen kriege höchst wahrscheinlich zu grunde gelegt hat, in der-
selben weise wie die erhaltenen rémischen historiker bei seinen
chronologischen angaben die sog. fünf anarchiejahre mitgezählt habe 5),
nicht aber die vier dictatorenjahre. Diodor dagegen weiss nur von
einem jahre der anarchie. Auch diesen widerspruch hat Mommsen
umsonst zu lösen versucht. Während Niese aus dem überwiegenden
sprachgebrauch des Polybius nachwies, dass dieser bei seinen chro-
nologischen daten das jahr des ereignisses, nach oder vor welchem
ein anderes stattfand, nicht mitzählte, behauptet Mommsen, dass
Polybius beide endpunkte mitrechne, und kommt so bei seiner ad-
dition der Polybianischen daten zu dem schluss, dass Polybius nicht
eine fünfjährige, sondern wie Diodor eine einjährige anarchie in
anrechnung gebracht habe; diese einjährige unarchie repräsentiere
überhaupt ein älteres stadium der römischen chronologie, die fünf-
jährige sei jüngeren datums. Diese vermutbung wird durch Poly-
bius selbst am besten widerlegt. Mommsen bemerkt selbst (p. 378),
dass, da Polybius die einnahme Roms in Ol. 98, 2 und das con-
sulat des L. Aemilius Papus und des C. Atilius Regulus (225/529)
in Ol. 138, 3 setzt, die dazwischenliegende epoche für Polybius
162 jahre umfasst, wührend seine eigene rechnung (mit einjähriger
anarchie) nur 158 eponymenjahre ergebe: , diesen widerspruch zu
entfernen ist nicht möglich“. Mommsen sucht ihn daraus zu er-
klären, dass Polybius in demselben abschnitt zwei verschiedene
zählmethoden angewendet habe, nämlich ausser der Fabischen die
der pontificaltufel. Wie gezwungen diese erklärung ist, bedarf
keines beweises.
2. Rücksichtnahme auf das Fabische haus resp. spuren, die auf
6) Damit stimmt die angabe des Gellius (V, 4, 3), dass nach den
lateinischen annalen des Fabius Pictor die wahl des ersten plebejischen
consuls im 22. jahr (duo et vicesimo anno) nach der einnahme Roms
erfolgt sei, wenn wir annehmen, dass Fabius letztere in das jahr ol.
98, 1: 388/7 (archontat des Pyrgion) setzte d. i. nach seiner rechnung
das 860. jahr nach gründung Roms (ol. 8, 1: 748/7). Jene lateinischen
annalen waren wohl nur eine übersetzung oder bearbeitung der griechi-
schen annalen des Fabius.
14 Diodoros.
die Fabische familienchronik oder auf Fabius’ annalen als quelle
hinweisen, findet Mommsen (p. 282) in Diodors bericht von der
schlacht am Cremera, in der ausführlichen schilderung der nach
der einnahme Veiis erfolgten sendung eines weihgeschenks nach
Delphi, in der nichterwähnung der drei Fabier als gesandte an die
Galler, endlich in der lobenden darstellung der thaten des Fabius
Rullianus. Der bericht über die schlacht am Cremera (Diod.
XI, 53), über den ich anderer meinung bin als Klimke "), spricht
geradezu gegen die benutzung der annalen des Fabius Pictor.
Bei Livius und Dionys bildet das treffen am Cremerabache den
schluss jenes hellenmürchens von dem feldzug der Fabier gegen
die Etrusker: am Cremera sollen sie von den Veientern in einen
hinterhalt gelockt und sámmtlich, 306 an der zahl, erschlagen wor-
den sein bis auf einen knabea, der in Rom zurückgeblieben war
und der dann das Fabische geschlecht fortpflanzte: Diodor dagegen
erzählt, dass, als im veientischen kriege eine grosse schlacht am
Cremera geschlagen wurde, die Römer besiegt und viele von ihnen
erschlagen wurden und, wie einige schriftsteller be-
richten, auch die 300 Fabier. Die sage von einem specialfeldzug
der Fabier und dem untergang fast des ganzen geschlechts ist ohne
zweifel ein product der Fabischen familienchronik und stand zuerst
in dem werke des Fabius Pictor (Niebuhr, R. G. ll, 224. Vortr.
I, 14. 263. Schwegler I, 15. 1, 745. Nitzsch R. A. 78. 226).
Dieser Fabischen tradition steht nun scharf gegenüber die erzählung
Diodors, die von einem sonderfeldzug der gens Fabia nichts weiss
und die die schlacht am Cremera als eine allgemeine niederlage der
Römer bezeichnet. Von der Fabischen legende nimmt Diodors gewährs-
mann nur insoweit notiz, als er hinzufügt, unter den gefallenen Rö-
mern hätten sich nach einigen schriftstellern auch die 306 (Diodor
gibt die runde zahl 300) Fabier befunden. Diodors erzählung also,
die sich in polemischer weise gegen die Fabische tradition wendet, kann
unmöglich aus Fabius Pictor stammen ?). Dagegen sprechen auch die
7) Klimke (p. 28) hat die bedeutung der stelle verkannt und sie
falsch aufgefasst. Er will hier wieder ein missverständnis und eine
flüchtigkeit Diodors annehmen: seine quelle habe die gewöhnliche tra-
dition wiedergegeben und nur eine skeptisch-polemische bemerkung hin-
zugefügt über die sage, dass nur ein knabe vom Fabischen geschlecht
übrig geblieben sei; diese polemik habe Diodor falsch verstanden.
8) Es kam mir hier nur darauf an, den gegensatz der Diodori-
Diodoros. 15
worte: wg paol rives tà Cvyygagéwy, welche eine für Fabius un-
mögliche berufung auf vorgünger enthalten uud schwerlich auf Diodors
rechnung zu setzen sind. Merkwiirdig ist die erklärung Mommsens
(p. 257): „hat Fabius quellen angeführt, so berief er sich, wie
dies Niebuhr nicht ohne wahrscheinlichkeit vermuthet bat, auf die
leichenreden seines geschlechts‘. Also Fabius Pictor soll über die-
sen veientischen krieg anders berichtet haben als die Fabische haus-
chronik und die zig rw» ovyygagéwvr, die er citierte, sollen Fa-
bische leichenreden sein! Wie sich Mommsen für diese behauptung
auf Niebuhr berufen kann, verstehe ich nicht. Niebuhr spricht an
der angeführten stelle (II, 224) nur die ganz richtige vermuthung
aus, dass die gewöhnliche tradition von dem Fabischen feldzug ge-
gen Veii wohl aus den Fabischen hausschriften stamme, und er
weist dabei auf die erwähnung der von M. Fabius gehaltenen lau-
datio hiu (Liv. 2, 47).
Ueber Diodors erzühlung von der sendung des weihgeschenks
nach Delphi (XIV, 93) hat Klimke (p. 24) das nótbige bemerkt.
Dass unter den nach Clusium geschickten Römern auch bei Diodor
Fabier zu verstehen sind, hat Mommsen ohne grund bestritten (s.
ob. p. 4). Wie wenig endlich Mommsen berechtigt ist, in Diodors
erzäblungen über den zweiten samoitischen krieg und über die
kriegsthaten des Fabius Rullianus eine verherrlichung des Fabischen
geschlechts zu erkennen, hat Klimke ausführlich dargelegt (p.
25— 29). Schon die eine stelle über Fabius’ niederlage bei Lau-
tulae (Diod. XIX, 72) muss jedem die überzeugung verschaffen von
der unmüglichkeit, Diodors berichte auf Fabius Pictor zurückzu-
führen, Nur der bericht über den feldzug des jahres 313/441
scheint (aber auch nur scheint) auffallig: Diodor (XIX, 101)
nennt den dictator Q. Fabius, bei Livius (9, 28) heisst er C. Poe-
telius. Mommsen (p. 242 ff.) bezeichnet Diodors angabe als die
echte überlieferung und die dictatur des C. Poetelius als eine fäl-
schung der jüngeren annalisten. Aber der von ihm versuchte be-
weis, dass die dictatur des C. Poetelius nur erfunden sei wegen
schen relation zu der sonstigen unzweifelhaft Fabischen überlieferung
hervorzuheben. Man wird aber auch leicht erkennen, dass die kurze
notiz des Diodor, richtig aufgefasst, eine überlieferung enthült, die
dem thatsächlichen hergang, wie ihn kürzlich O. Richter (Hermes
XVII, 425 ff.) wahrscheinlich gemacht hat, ungleich näher steht als
die gewóhnliche tradition.
16 Diodoros.
der lex Poetelia (aufbebung der schuldhaft), die von Varro de |. |.
VII, 105 in das jahr 313/441 gesetzt wird, ist vollständig miss-
lungen, da ja gerade Livius, der die lex Poetelia u. d. j. 326/428
erwähnt, doch den dictator vom j. 313/441 C. Poetelius nennt).
Uebrigens ist die annahme, dass Q. Fabius in diesem jabre dictator
war, durch folgenden umstand ausgeschlossen: Q. Fabius, der zuerst
315,439 die dictatur bekleidete, wird in den fasten erst wieder
301/453 (dictatorenjahr) als dictator genannt und erhält dort vom
chronographen von 354 die ziffer II, die sich auf ein consulat
nicht beziehen kann, weil damals Fabius schon dreimal consul ge-
wesen war. Demnach werden wir bei Diodor entweder ein ver-
sehen oder eine corruptel anzunehmen haben. Klimke (p. 23 f.)
macht letztere wahrscheinlich, er vermuthet, dass der name des
dictators (C. Poetelius) ausgefallen und @aBsoc verdorben sei aus
®ooAsog (M. Foslius), dem namen des magister equitum: diesen
pflegt Diodor stets mitanzugeben. — Fabius Rullianus tritt bei
Diodor an keiner stelle derart hervor, dass man auf Fabius Pictor
als quelle schliessen kónnte. Vielmehr zeigt eine betrachtung der
partien des Livius, in denen er von feldzügen des Fabius Rullianus
erzühlt, und die vergleichung derselben mit den entsprechenden stel-
len des Diodor, dass den livianischen berichten der fabische
charakter aufgepragt ist. Die ganze geschichte des zweiten Samni-
terkrieges bietet das bild einer grossartigen falschung zu gunsten
jenes gefeiertsten helden des Fabischen geschlechts, eine falschung,
die nur auf die Fabische hauschronik zurückgeführt werden kann
und die durch das geschichtswerk des Fabius Pictor in die spä-
teren annalen gelangt ist (Niebuhr, R. G. II, 9. Vortr. I, 14. 95.
9) Was Mommsen (p. 248) gegen die dictatur des C. Poetelius ein-
wendet, dass dieser Poetelius (der nur der sohn des cos. 894. 408. 428
a. u. c. sein kann) niemals in den consularfasten vorkommt, da doch in
jener zeit das consulat bereits die vorbedingung der bekleidung der
dictatur war, ist hier nicht stichhaltig, da es sich m. e. nicht um eine
dictatur rei ger. c. handelt. Es ist ganz undenkbar, dass dieser ganz
unbekannte Poetelius als dictator in den krieg gezogen sein sollte zu
einer zeit, wo so tüchtige feldherrn wie L. Papirius Cursor (zum fünften
mal) und C. Iunius Bubulcus (zum zweiten mal) consuln waren. C. Poe-
telius kann nur dict. clavi fig. c. gewesen sein, wie Livius (9, 28) aus
andern wahrscheinlich älteren quellen erwähnt. (Hier also bietet auch
Diodor nicht die unverfälschte tradition). Ganz unwabrscheinlich ist
die erklärung G. F. Ungers (Philol. XXXII, 531 ff.), dass Poetelius als
dict. rei g. c. den jahresnagel eingeschlagen habe.
Diodoros. 17
Schwegler I, 15). Livius selbst verkennt nieht den märchenhaften
charakter der von ihm erzühlten geschichte und er macht seinem
unwillen über die zahlreichen fälschungen in jenem bekannten stoss-
seufzer luft (8, 40). Aber seine vorliebe für glänzende rhetorische
darstellung verleitet ihn, trotzdem jene gefülschten aber pikanten
Fabischen berichte den nüchternen wahrheitsgetreueren darstellungen
anderer annalisten vorzuziehen. So bietet uns Diodor allein für
einzelne partien des krieges interessante belege für die reaktion,
die sich bei einigen annalisten gegen die systematische verfülschung
der älteren römischen geschichte durch die familienchroniken gel-
tend machte, aber leider nicht durchdrang.
3. Zum beweis dafür, dass der politische standpunkt des Fa-
bius Pictor für die nachrichten Diodors zutreffen, führt Mommsen
(p. 284) drei stellen an: das urtheil über das volkstribunat (Diod.
XII, 25, 3), die beurtheilung der nichtauslieferung der gesandten
an die Galler (XIV, 113) und den bericht über die censur des
Appius Claudius (XX, 36). Aber keine dieser stellen zeigt eiue
tendenz, die dem politischen charakter des Fabischen geschichts-
werkes entsprechen würde. Die urtheile verrathen nicht einen
schriftsteller von streng conservativer gesinnung, als welchen wir
uns nach dem muster des Fabius Maximus den ältesten annalisten
Roms vorstellen müssen; sie lassen einen schriftsteller vermuthen,
der allerdings ein anhünger der senatspartei war, aber kein geg-
ner des volkes und des volkstribunats; sie lassen einen, man móchte
beinahe sagen, unparteiischen mann erkennen, der die extreme und
auswüchse beider parteien in gleicher weise hasste und verur-
theilte. Auf der einen seite scheut er sich nicht, den hochmuth
und adelsstolz der patricier hervorzubeben (XII, 25: sovzo d’
Ingafay ramıımwonı Ontvdovrg thy tu nutgixlwv vreQoyrv: of
yuo ürdgss ovros dia te Tv eùytverav xoi TO péyedog tig ix
Reoydvwy avtoig magaxodovIovons dokn; woel Tives xvQuos tic
modewg vañoyor) und verherrlicht die institution des volkstribunats
(ib. zovzoug vnagzew otoved guluxug ng 10v modlitwy edevPeglas,
eine auffassung vom volkstribunat, wie sie ein Fabier zur zeit des
hannibalischen krieges schwerlich hatte); andererseits tadelt er das
volk wegen seiner übergriffe in das gebiet der auswärtigen po-
litik, iudem es den beschluss des senats auf auslieferung der ge-
sandten on die Galler umstiess (XIV, 113: o uiv ovv diuos xrd.).
Philologus. XLII. bd. 1. 2
18 Diodoros.
Mit recht bemerkt Thouret (a. a. o. p. 166), dass dieser satz,
der die omnipotenz des senats verlangt, am besten den ansichten
derjenigen senatspartei entspricht, die zur zeit der Gracchen be-
stand, er erinnert an den ganz analogen fall der auslieferung des
Q. Pompeius (139/615), die vom senat beschlossen und von den
comitien verhindert wurde. Am allerwenigsten aber passen zu dem
politischen standpunkt der Fabier die urtheile bei Diodor über den
censor Appius Claudius. Der bericht hebt allerdings tadelnd ber-
vor, dass Appius ein grosser neuerer war und ungesetzlichkeiten
besonders gegen den senat sich erlaubte, zugleich aber wird dem
censor wegen seiner heilsamen massregeln unverboblen lob gespen-
det: avrov dé prnptioy adavurov xaréliner, Es xowi)v eUyonomnar
giAozsundels. Der ganze ton der darstellung lässt erkennen, dass
der verfasser die heftige patricische opposition gegen Appius’ re-
formen, an deren spitze ein Fabier stand, keineswegs in
allen punkten billigt. Unverkennbar ist die feine ironie in den
worten, mit welchen der unwille der gegner über Appius’ neue-
rungen bezeichnet wird: ég' ol; Bagéwo Eysgov of xuvyupevos
vaig sbyevelosc. Ist es denkbar, dass Fabius Pictor so von seinen
standesgenossen gesprochen? Mit der politik des Fabius Rullianus,
des entschiedensten gegners der Appischen reform, — und diese
politik hat Fabius Pictor sicherlich gebilligt — verträgt sich eine
anerkennung der leistungen des Appius Claudius in dieser form
in keiner weise, Wie ganz anders nimmt sich die von grimmigem
hass gegen Appius’ thätigkeit erfüllte livianische schilderung aus,
die so recht aus dem geiste der opposition gegen die massregeln
des censors heraus geschrieben ist. Nicht Diodors sondern Livius'
darstellung entspricht dem charakter der Fabischen annalen. —
Somit sind alle von Mommsen angeführten gründe, wie ich glaube,
genügend widerlegt. Vielleicht wird man nun endlich aufhören,
von Fabius Pictor als quelle Diodors zu sprechen.
Gegenüber dieser lange zeit allein geltenden ansicht hatte
schon O. Clason (Heidelb. jahrb. 1872, p. 835 ff.) die vermuthung
ausgesprochen, dass Diodor die annalen des Calpurnius Piso
benutzt habe. Seine gründe aber waren nicht ausreichend, um
anderen die vermuthung plausibel zu machen. Nur Thouret 1°) in
seiner untersuchung über den gallischen brand fand ebenfalls, dass
als die passendste quelle für Diodors bericht über dies ereignis
Diodoros. 19
Piso bezeichnet werden muss, Klimke hat nun die richtigkeit der
Clasonschen vermuthung in einer wie mir scheint überzeugenden
weise dargethan. Auf Piso passt am besten der allgemeine cha-
rakter und die politische tendenz der Diodorischen nachrichten.
Mit den anderweitig überlieferten fragmenten des Calpurnius treten
die berichte Diodors nirgends in widerspruch. Vielmehr weisen
mehrere stellen positiv darauf hin, dass wir bei Diodor excerpte
aus Piso’s annalen vor uns haben. Am klarsten beweist dies die
angabe über die vermebrung der zahl der volkstribunen (Diod, XI,
68). Von den annalisten berichtete allein Piso, dass es anfangs
nur zwei tribunen gab und dass erst im j. 471/283 ihre zahl auf
fünf erhöht wurde; er allein nannte auch die namen der damals
gewählten fünf tribunen. Dasselbe berichtet nun Diodor und die
übereinstinmung mit den worten des Piso, die Livius (2, 58) an-
führt, ist eine vollständige. Hierbei ist dem fehlen des letzten
tribunen und der zahl :frragec bei Diodor keine bedeutung beizu-
messen. Wer den verderbten zustand des Diodortextes kennt, wird
leicht zugestehen, dass der name L. Mecilius wegen der ähnlichkeit
mit dem unmittelbar voranstehenden Icilius ausgefallen und die ur-
sprüngliche zahl mévie nachträglich in z£zragec geändert ist (Schweg-
ler 11, 550, a. 2. Klimke p. 35). Auch Mommsen sah früher in Diodors
worten nichts als eine gewöhnliche corruptel (R. staatsr. 11?, 263).
Jetzt hat er, um diesen vollgültigen beweis für Piso als quelle
Diodors zu beseitigen, die zahl vier als richtig und als echte uud
ältere überlieferung bezeichnet (R. F. Il, 338 a.), worin ihm wohl
kaum jemand folgen wird.
Die benutzung der annalen des Piso wird, wie Klimke ge-
zeigt hat, ausserdem bewiesen durch die übereinstimmung des Dio-
dor in seinen berichten über die censur des Appius Claudius und
die letzten jabre des zweiten Samniterkrieges (XX, 36. 90. 101.)
mit Livius, der am ende des neunten buches (c. 44— 46) Piso ge-
10) Thouret ist der meinung, dass Diodors gewührsmann die ge-
wöhnliche tradition über die gallische katastrophe bereits gekannt
und sie an der hand eines ülteren und besseren materials von den
offenbarsten erfindungen zu befreien gesucht habe. Ich habe bereits
oben der gleichen ansicht Klimke's gegenüber meinen zweifel ausge-
sprochen. Deshalb erscheint mir auch Thourets vermuthung, dass
die vulgata &uf den annalisten C. Acilius zurückgehe, mindestens
sebr zweifelhaft.
2*
20 Diodoros.
folgt ist. Die worte, mit denen Diodor seine schilderung der
censur des Appius Claudius schliesst (0 d’ "Anmiog to aeyns ano-
Audeig xa tov ano ig ouyxAfrov g9Ovoy eviufindFeis meocenosnFn
tupidg elvas xai xar! olxluv Euevev), erklärt Klimke (p. 33. 37)
als rationalistische auslegung der erzählung von Appius’ blindheit
im anschluss an die tradition, dass Appius Claudius als consul
307/447 in Rom geblieben sei (Liv. 9, 42: creatus consul... .
Romae mansit). Die vermuthung erscheint begründet: die erblin-
dung des censors, die nach der gewöhnlichen überlieferung als
göttliche strafe für die neuerung in betreff des opfers der Potitier
an der ara maxima (Liv. 9, 29, 9) angesehen ward, mochte dem
rationalistisch !!) angehauchten Piso wenig glaublich erscheinen, da
Appius auch später noch hervortritt und als consul 296/458, als
prätor 295/459 selbst in den krieg zieht. Ob aber damit, wie
Klimke meint, die auslassung der eponymencollegien von 307/447
und 306/448 (Liv. 9, 44) in verbindung steht, erscheint mir sehr
zweifelhaft: der ausfall des collegiums von 306/448 ist ja gar
nicht damit erklärt. Vielleicht bewogen ihn chronologische gründe
zur streichung der beiden consulate. Indess wichtiger ist hier für
uns die frage, woher Diodor (XX, 45. 73) die beiden collegien
genommen, die nach Livius' zeugnis bei Piso fehlten. Denn Diodor
hat nach allgemeiner annahme seine fasten aus der von ihm be-
nutzten historischen quelle abgeschrieben. Mommsen (p. 338 a.)
konnte daher den umstand, dass die von Piso ausgelassenen colle-
gien bei Diodor nicht fehlen, als argument gegen Clasons annabme
anführen. Klimke (p. 37) meint nun, ein aufmerksamer leser habe
die beiden consulate in das werk des Piso eingetragen und ein
so corrigiertes exemplar habe Diodor in hünden gehabt. Nach
meiner meinung bedarf es dieser erklürung nicht. Diodor hat
11) Mit recht führt Klimke (p. 33) als beweis für den rationa-
lismus der quelle Diodors auch die notiz über die veranlassung des
einfalles der Sennonen an (XIV, 113). Auch p. 8 bemerkt er, dass
mit diesen worten ein rationalistischer offenbar gegen die sage (von
dem Clusiner Lucumo) gerichteter grund ihrer auswanderung ange-
geben wird. Dann aber fügt er hier hinzu: „dass dann Diodor die
sage selbst nicht abschrieb, darf bei der anlage seines werkes nicht
wunder nehmen“. Auch dieser satz ist hervorgegangen aus des ver-
fassers neigung, Diodors bericht möglichst mit der vulgata zu verei-
nigen. enbar hatte Piso selbst die sage übergangen, gleichviel ob
er sie kannte oder nicht.
Diodoros. 21
nàmlich seine consularfasten nicht seiner histori-
schen quelle entnommen, sondern neben dieser hat
er ein fastenverzeichnis benutzt!?), aus dem er jahr für
jahr die namen der römischen eponymen notierte, so wie er aus
einem griechischen eponymenverzeichnis die namen der attischen
archonten abschrieb,
Die annahme von der benutzung der Pisonischen annalen durch
Diodor wird von Klimke auf die ältere republikanische zeit be-
schränkt: sie kann als sicher gelteu für den zeitraum von 486
bis 304 v. Chr., der in den vollständig erhaltenen büchern XI—X X
behandelt ist. Schwieriger ist die frage nach der quelle für die
geschichte der römischen kónigszeit, aus welcher nur ein-
zelne fragmente erhalten sind. Piso ist ausgeschlossen wegen Diod.
X, 1, wo Tarquinius Superbus als sohn des T'arquinius Priscus erscheint,
wührend ihn Piso zu dessen enkel machte. Die fragmente aus der
kónigsgeschichte machen überhaupt den eindruck, als ob sie aus
einer ganz andern quelle stammten als die nachrichten aus der re-
publikanischen zeit. Bemerkenswerth ist bei einigen fragmenten
des achten und zehnten buches (nicht des siebenten) die übereinstim-
mung mit Dionys: man vergleiche z. b. Diod. VIII, 25 mit Dion.
9, 1 ff, Diod. X, 1 mit Dion. 4, 38, Diod. X, 20 mit Dion. 4,
64 15), Diod. X, 22 mit Dion. 4, 42. 68. Klimke (p. 39) fol-
gert aus der ähnlichkeit eines fragments (Diod. VII, 31) mit Po-
lybius (VI, 2), dass Diodor für die kónigszeit Polybius benutzt
babe. In der that scheint Polybius (in einer episode des sechsten
buches) die vorgeschichte Roms und die königszeit mit derjenigen
ausführlichkeit behandelt zu haben, die unserem Diodor für seine
zwecke genügen konnte. Das beweisen nicht nur die wenigen
fragmente, sondern auch die ausfübrungen Ciceros im zweiten buch
de republica, dessen quelle wohl hauptsüchlich Polybius war. Auch
würde zu Klimke's annahme vortrefflich der umstand passen, dass
Diodor in den beiden chronologischen hauptdaten der älteren römi-
schen geschichte mit Polybius übereinstimmt, in der ansetzung von
OI. 7, 2 (750) als gründungsjahr Roms und in der fixierung der
12) Diese ansicht verdanke ich meinem lehrer Carl Neumann.
13) Sextus Tarquinius erscheint als ältester sohn des königs bei
Diodor (vgl. die worte x«i yervjoso9as facidsocar) wie bei Dionys 4,
55. 64. 65 und Cic. de rep. II, 25, 46, wührend er von Livius (1, 53)
und Ovid. Fast. II, 691 der jüngste genannt wird.
22 Diodoros.
einnahme Roms durch die Galler in Ol. 98, 2 (387). Einen
punkt jedoch hat Klimke iibersehen, der gegen die aunahme von
der benutzung des Polybius ins feld geführt werden kónnte. Unter
den fragmenten des Diodor findet sich auch das verzeichnis der
albanischen könige (VII, 3), und dies steht mit der gründungsge-
schichte Roms in so enger verbindung, dass es nicht leicht davon
losgelést werden kann. Wenn nun die vermuthung Niebuhrs (R.
G. I, 226), welcher Mommsen (R. chron.’ p. 156) beigestimmt und
Schwegler (1, 345) nicht geradezu widersprochen bat, dass die
albanische königsliste eine erfindung sehr jungen datums sei und
vielleicht von Alexander Polyhistor herrühre, begründet ist, so ist
entweder die annahme von der benutzung des Polybius durch Dio-
dor hinfällig (man könnte in diesem falle an eine quelle denken,
die hauptsüchlich auf Polybius fusste) oder es müsste wenigstens
angenommen werden, dass Diodor für die königszeit neben Poly-
bius noch eine zweite quelle gehabt hat. Die hypothese, dass das
albanische kónigsverzeichnis den älteren annalisten unbekannt ge-
wesen, bedarf nun zwar eiues stürkeren beweises, als ihn die nichts-
sagende notiz bei Serv. z. Aen. 8, 330 (hic (Livius) Alexandrum
sequitur) bietet. Jedenfalls aber glaube ich nicht, dass bei Poly-
bius die albanischen kónige aufgezühlt waren. Ich halte besonders
wegen der übereinstimmung mit Dionys die quelle Diodors iu der
kónigsgeschichte für eine jüngere.
Breslau. Leopold Cohn.
Virgilius.
Aen. Il, 210 haben die handschriften :
Corripit Aeneas extemplo avidusque refringit
Cunctantem et vatis portat sub tecta Sibyllae.
Der widerspruch mit v. 145:
Ergo alte vestiga oculis et rite repertum
Carpe manu: namque ipse volens facilisque sequetur
liegt auf der hand. Man hat denselben dadurch zu heben gemeint,
dass man cunctantem als aus dem sinne des leidenschaftlich er-
regten Aeneas gesagt auffasste. Peerlkamp dachte an adductam
oder cedentem, war aber selbst mit dieser änderung nicht zufrieden.
Näher kommt den handschriften nutantem, wozu stellen zu ver-
gleichen sind, wie Catull 64, 20: nutantem platanum, Ovid. A. A.
11, 136: rami pondere nutant. Aen. Il, 629: illa usque minatur
et tremefacta comam concusso vertice nutat. IX, 678: geminae
quercus . . . sublimi vertice nutant. Juven. Ill, 256: nutant altae
(arbores) populoque minantur.
Greiffenberg. Ludwig Schmidt.
>
OUT "nn ——
Ueber die echtheit der plutarchischen schrift
de Herodoti malignitate.
Die noch immer nicht beseitigten, sondern gerade neuerdings
wieder haufiger auftretenden zweifel an der echtheit der dem Plu-
tarch zugeschriebenen abhandlung de Herodoti malignitate !) sind
wohl in erster linie veranlasst worden durch die frage, was den
sonst wohlwollenden und edel denkenden Plutarch dazu bewogen
baben mag, gegen Herodot eine so gehüssige polemik zu führen.
1) Den ersten zweifel an der autorschaft Plutarchs üusserte Creu-
zer, Herodot und Thukydides, Leipzig 1798, vorerinnerungen p. IV.
Mit bestimmtheit stellten hierauf dieselbe in abrede Bahr (in der
ersten auflage seiner Herodotausgabe zu Herod. V, 63, 1 und 66, 4
und in Paulys Realencyclopädie III, p. 1251) und Roscher (Klio I, 98,
note 1), ohne jedoch ihre ansicht nüher zu begründen. Zum ersten
male wurde die frage nach dem verfasser unserer schrift einer gründ-
lichen erórterung unterzogen in einer von der Góttinger universitát
gekrónten preisschrift von G. Lahmeyer: De libelli Plutarchei, qui de
malignitate Herodoti inscribitur , et auctoritate et auctore, Gottingae
1848, p. 81—102. Lahmeyer gelangte auf grund verschiedener indi-
cien zu dem resultat, dass die autorschaft Plutarchs nicht dem ge-
ringsten zweifel unterliege. Ihm schlossen sich an Duncker, Gesch.
d. alterthums, bd. 4, 2te aufl., p. 665, note 1, Curtius, Griech. gesch.,
bd. 2, 4te aufl., p. 804, note 47, A. Schäfer, Abriss der quellenkunde
der griech. gesch., 2te aufl, p. 23 und Bauer, Die entstehung des he-
rodot. geschichtawerkes, Wien 1878, p. 155. Bahr beharrte indessen
bei seiner früheren behauptung, indem er Lahmeyers argumente zu
widerlegen und gleichzeitig seine bedenken gegen die echtheit zu be-
nden suchte (in seiner recension der Lahmeyer'schen abhandlung
in den Jahrb. f. philol., bd. 54, jahrgang 1848, p. 115—126 und in
der 2ten auflage seiner Herodotausgabe, bd. 4, p. 480-482). Der an-
sicht Báhrs trat bei Rawlinson in seiner Herodotausgabe bd. 1, p. 19,
wübrend Dóhner die schrift wenigstens als sehr verdüchtig bezeich-
nete (Quaest. Piut. particula III, Misenae 1862, p. 52). Neue gründe
24 Plutarchos.
Diese frage ist von Lahmeyer ?) zu wenig berücksichtigt worden )
woraus es sich erklart, dass andrerseits die von ibm für die echt-
heit geltend gemachten argumente bei den gegnern nicht die ge-
bührende beachtung fanden. Da abgesehen von jenem bedenken
auch noch andere gründe gegen die autorschaft Plutarchs ange-
führt worden sind, die eine nühere prüfung erfordern, so dürfte es
wohl nicht überflüssig sein, die untersuchung von neuem aufzu-
nehmen. Es wird sich hierbei zunächst ergeben, dass gerade Plu-
tarch besondere veranlassung hatte, auf Herodot erbittert zu sein.
Sodann werden wir sehen, dass die gegen die echtheit unserer
schrift erhobenen einwendungen nicht beweiskrüftig sind, während
andrerseits die für die autorschaft Plutarchs geltend gemachten
gründe sich der art verstürken lassen, dass jeder zweifel schwin-
den muss.
Nach dem oben gesagten handelt es sich vor allem darum,
zu ermitteln, wodurch Plutarch zu jenem heftigen augriff gegen
Herodot veranlasst werden konnte. Einen grund hierfür hat be-
reits Lahmeyer p. 97 ff. angeführt. Er vermutbet nämlich nach
Niebuhrs *) vorgang, Plutarch sei zu seiner polemik gegen Herodot
dadurch bestimmt worden, dass der letztere bei der darstellung der
Perserkriege die Bóoter in ein ungünstiges licht setze. Aus liebe
zu seinen landsleuten habe Plutarch es unternommen, dieselben ge-
gen die von Herodot erhobenen anschuldigungen zu vertheidigen.
Hiergegen wendet Hübler Quaest. Plut.5) p. 11 ein, dass sich bei
gegen die echtheit wurden spüter beigebracht von Hübler im ersten
theile seiner Quaestiones Plutarcheae, Lipsiae 1873. Auch A. Schmidt,
Das perikleische zeitalter, bd. 2, p. 276 stellt die autorschaft Plu-
tarchs in abrede, indem er sich eine nühere begründung in seinen
hoffentlich demnächst erscheinenden plutarchischen studien vorbe-
hält. — Offen lassen die frage nach der echtheit Volkmann, Leben
und schriften des Plutarch v. Chüronea, bd. 2, p. 841 ff. und Heinze
in seiner recension der Häbler'schen abhandlung in Bursians Jahres- ‘
bericht I, p. 837. Auch H. Stein, Nitzsch, Wecklein und Busolt
scheinen, wie man aus ihren gelegentlichen erwühnungen unserer
schrift folgern móchte, die autorschaft Plutarchs zum mindesten in
sweifel zu ziehen.
2) S. note 1.
9) Dies wird bereits hervorgehoben in dem urtheil der Góttinger
philosophischen facultät: ne slud quidem satis explicavit, quomodo
fieri: potuerit, ut historiae pater tot criminationibus locum daret. Vgl.
ausserdem die recension Bährs a. a. o. p. 126.
4) Vortrige über alte geschichte I, 388.
5) Vgl. note 1.
Plutarchos. 25
Plutarch nirgends zeichen eines entschiedenen localpatriotismus fin-
den, nicht einmal im leben des Pelopidas, wo man solche am mei-
sten erwarten sollte. Diese behauptung ist durchaus unrichtig.
Wer die biographie des Pelopidas durchliest, wird im gegentheil
den eindruck empfangen, dass Plutarch für diesen helden eine ganz
besondere sympathie hatte. Mit welcher liebe Plutarch an seinem
engeren vaterlande hing, sieht man auch daran, dass er in seinen
moralisch-philosophischen abhandlungen von niemandem lieber spricht
als von Epaminondas, Das warme interesse, welches er speciell
für seine vaterstadt Chäronea hatte, zeigt sich in der hingebung,
mit der er daselbst verschiedene öffentliche ämter bekleidete 9).
Man wird es demnach sehr erklürlich finden, wenn Plutarch sich
durch die den Bóotern ungiinstige darstellung Herodots empfindlich
berührt fühlte, und zwar um so mehr, wenn man erwügt, dass die
anschuldigungen Herodots wenigstens zum theil ungegründet sind 7).
Mit dieser erklürung hat sich indessen Bäbr nicht zufrieden
gegeben. Er meint (Jahrb. f. phil. 54, p. 126), Plutarch kónne
nicht von so blinden vorurtheilen geleitet gewesen sein, dass er
aus liebe zu seiuer heimath sich zu einer solchen schmühschrift
hatte verleiten lassen. Auch ich bin der ansicht, dass gekrünkter
patriotismus allein Plutarch schwerlich zu dem angriff auf He-
rodut bewogen ‚haben würde; wir werden jedoch denselben voll-
ständig erklärlich finden, wenn wir erwägen, dass beide schrift-
steller über verschiedene wichtige punkte ganz entgegengesetzte
ansichten hatten.
Eine hauptdifferenz zwischen Plutarch und Herodot hat darin
ibren grund, dass der erstere seine biographien nicht zur histori-
schen belehrung seiner leser schrieb, sondern zu einem rein ethi-
schen zwecke. Er wollte seine leser dadurch sittlich heben, dass
er in ihnen begeisterung erweckte für die grossen helden der ver-
gangenheit und sie veranlasste, sich dieselben zu vorbildern zu
nehmen. Er war daher bestrebt, die schôusten charakterzüge und
thaten der einzelnen helden hervorzuheben, dagegen das schlechte,
6) Vgl. Volkmann, Leben u. schriften Plutarchs I, 52 und Plu-
tarchs eigene üusserung in den praecepía rei publicae gerendae c. 15.
7) Es möge hier genügen, auf die abhandlung von Wecklein über
die tradition der Perserkriege (in den sitzungsberichten der K. Bair.
ak. d. wiss. zu München 1876, philos.-philol.-hist. cl. p. 308 ff. zu
verweisen.
26 Plutarchos.
welches ihnen anhaftete, mehr in den hintergrund zu drängen. Er
ist überhaupt der ansicht, dass man die fehler, die jemand aus lei-
denschaft oder aus politischer nothweudigkeit begangen habe, nicht
als böse handlungen ansehen solle, die aus schlechter gesinnung
hervorgegangen seien, sondern als zeichen einer mangelhaften und
unvollkommenen tugend. Man solle daher dieselben in der erzüh-
lung weder übermüssig noch allzu gerne hervorheben, sondern viel-
mehr mit dem gefühle der scham darüber, dass die menschliche
natur nichts vollkommen schónes und tadelloses hervorbringe (Ci-
mon 2). Ganz anders war das verfahren Herodots, der ohne wei-
tere rücksichten das berichten zu müssen glaubte, was überliefert
war, auch wenn es ihm nicht glaubwürdig schien *). Man sieht
hieraus, dass Plutarch ein schlimmes vorurtheil gegen Herodot fas-
sen musste, sobald er dem irrthum verfiel, dass die principien, die
er in seinen biographien befolgte, auch für den geschichtschreiber
geltung haben müssten?) Nun könnte freilich eingewendet wer-
den, dass hierdurch eine besondere abneigung Plutarchs gegen He-
rodot noch nicht bedingt sein würde; denn es haben sich doch
auch andere geschichtschreiber nicht an den von Plutarch aufge-
stellten grundsatz gehalten. Bei Herodot kamen indessen, abge-
sehen von seiner den Bóotern ungünstigen darstellung , noch ver-
schiedene andere umstünde hinzu, die geeignet waren, die abneigung
Plutarchs zu verstürken.
Vor allem war es sehr leicht möglich, dass Plntarch an der
von Herodot gegebenen durstellung der Perserkriege anstoss nahm.
Da nämlich spätere antoren die erfolge der Griechen bedeutend
übertrieben 19) und manche ihnen weniger zum rubme gereichende
8) VII, 152: àyo di ogeilo Adyam ta deydueva, neideadai ys uiv
où navtanaos ogeilw, xai pos zovıo to Inog byétw ic ndvra doyor.
9) Hierauf weist auch Volkmann IT, 340 hin: „daher (wegen sei-
ner optimistischen beurtheilung) war Plutarch von vornherein gegen
jeden historiker eingenommen, der minder schonend mit den fehlern
der von ihm geschilderten helden umging, ja das mangelhafte der-
selben wohl geflissentlich in den vordergrund zu stellen schien. Denn
dies betrachtete er als den ausfluss einer feindseligen, boshaften ge-
sinnung und für letztere konnte ihm weder die künstlerische vollen-
dung der darstellung noch die genauigkeit und vollständigkeit der
historischen details einen ersatz bieten". Ich fibre diese bemerkung
um so lieber an, weil Volkmann zu denen gehört, die die echtheit
der schrift de Herodoti malignitate bezweifeln. Vgl. note 1
10) Man vergleiche z. b. über die verluste der Perser bei Mara-
thon Herod. VI, 115 und 117 mit Justin II, 9, 20 and über den
Plutarchos. 27
thatsache verschwiegen, so konnte dies leicht den eindruck machen,
dass Herodot die grossen thaten der Hellenen absichtlich verklei-
| mert habe.
Ferner muss in betracht gezogen werden, dass Plutarch, ob-
wohl er im anschluss an Plato zu einer philosophischen weltan-
schauung zu gelangen suchte, es doch nicht über sich gewinnen
konnte, mit den alten religiósen überlieferungen zu brechen, son-
dern vielmehr bestrebt war, dieselben mit seinen philosophischen
ansichten in einklang zu bringen !). Wo es nur irgend thunlich
ist, nimmt er den zízQiog Aoyog gegen die wider ihn gerichteten
angriffe in schutz !?). Hier befindet er sich wiederum in mancher
hinsicht in widerspruch mit Herodot. Das zweite buch des Herodot
enthalt sehr viele stellen, in denen der geschichtschreiber als an-
hanger der ügyptischeu lehren und als verüchter des griechischen
glaubens erscheint 1%). Die zeugnisse griechischer dichter werden
| von Herodot den lehren ügyptischer priester gegenüber mit unver-
kennbarer geringschützung behandelt !4). Musste der gläubige Plu-
tarch, der gerade auf jene zeugnisse besonders viel hielt !°), hieran
nicht den ürgsten anstoss nehmen?
Nicht weniger mochte es ihn verstimmen, dass die Pythia, die
er für ein werkzeug des delphischen gottes lielt!9) und deren
aussprüche ihm für unbedingt wahr gelten mussten, bei Herodot
nicht allein menschlicher überredung, sondern auch geradezu der
bestechung zugänglich erscheint 7). Eine herabwiirdigung des del-
kampf bei den Thermopylen Herod. VII, 223 mit Diod. XI, 10 =
de Her. mal. 32. Dass mancher den Hellenen überhaupt oder einem
einzelnen griechischen stamme ungünstige zug der herodoteischen
darstellung in späteren berichten getilgt ist, werden wir unten sehen.
11) S. Volkmann II, 249 ff. und Gréard, De la morale de Plu-
tarque, 2me édition, Paris 1874, p. 308.
12) Volkmann II, 254 ff.
13) Vgl. besonders Bauer, Die entstehung des herodotischen ge-
schichtswerkes p. 45 ff., wo eine grosse anzahl derartiger stellen an-
geführt wird.
14) Wie wenig die angaben eines Homer und Hesiod im ver-
gleich zu der ägyptischen überlieferung für Herodot in betracht kom-
men konnten, sieht man namentlich aus II, 50—53.
15) Vgl. Amatorius c. 18: mc d’ ovv negi Sede donc xai navia-
nacıy nyeudves xai didáoxalos ysyovaciv uw of te nosmrai xai ob
vouoS9éras xai toitov ol prldcogos.
16) Vgl. De Pythiae oraculis c. 21.
17) S. VI, 66 und V, 63 und 90.
28 Plutarchos.
pbischen orakels musste Plutarch auch deswegen ganz besonders
verletzen, weil er an demselben als priester angestellt war 1°).
Auch die heftigkeit des gegen Herodot gerichteten angriffes
darf nicht wunder nehmen, wenn man bedenkt, dass Plutarch auch
sonst manchmal schonungslos mit angesehenen schriftstellern um-
geht. Zum beweis hierfür mógen dienen die bemerkungen über
Ktesias (Artaxerxes 13), Philistos (Timol. 15 fin.) und Timäos
(Nic. 1 und Dio 36).
Den entschluss, gegen Herodot aufzutreten, konnte Plutarch
um so eher fassen, als ihm hierin schon ziemlich viele schriftsteller
voran gegangen waren. Ktesias wagte es, Herodot geradezu als
lügner hinzustellen 19), wührend Manetho nachzuweisen suchte, dass
er in der darstellung der ägyptischen geschichte sich häufig aus
unkenntniss habe irrthümer zu schulden kommen lassen ??). Diyllos
und der Bóoter Aristophanes werfen ihm sogar geradezu bestech-
lichkeit vor ?!). Wir müssen aber wohl annehmen, dass auch sonst
noch viele angriffe gegen Herodot gerichtet wurden; bezeichnet
ihn doch Josephos (g. Apion I, 3) als einen autor, gegen den alle
späteren geschichtschreiber polemisirt hätten. Dass unser verfasser
eine nicht geringe anzahl von schriftstellern kannte, die Herodot
bekümpften, sieht man aus c. 26 fin.: anuyyellag de mv &v Ma-
ud uaygny 6 ‘Hoodoros, wo uiv ob wisioros Alyovas,
zul tw vexowy 10 dosduo xadetde to Egyov **).
Hiermit wäre zur genüge dargethan, durch welche umstünde
Plutarch zu einem angriff auf Herodot bewogen werden konnte.
Fassen wir nun die übrigen gegen die echtheit unserer schrift vor-
gebrachten bedenken ins auge. Bahr, Jahrb. f. phil. 34, 124 halt
die schrift für „ein gänzlich verfehltes und verunglücktes, oft in
18) Volkmann I, 54. Zu den dort angeführten belegen kommt
noch An seni c. 17, aus welcher stelle hervorgeht, dass Plutarch sein
delphisches priesterthum eine lange reihe von jahren hindurch be-
kleidete.
19) S. Photius bibl. 72.
20) Vgl. Joseph. g. Ap. I, 14: nolld roy 'Hoódorov làéyye muy
Aiyunnaxay bn’ ayvoias lyavauévov. Nach Et. Magn. 8. v. Asovroxöuog
und Eustath. ad Hom. Il. 4, 480 verfasste Manetho eine besondere
schrift 1ooc *Hoódotov.
21) de Herod. mal. 26 und 31.
29) Bühr ist also im irrthum, wenn er jahrb. f. Philol. 54, p. 120
glaubt, dass die schrift de Herodots malignitate durch die neuheit ihres
stoffes habe aufsehen erregen sollen.
Plutarchos. 29
der that lüppisches machwerk“, welches man einem Plutarch nicht
beilegenediirfe. Er meint, die abhandlung lasse „keineswegs die
belege der vielfachen belesenheit und gelehrsamkeit dieses schrift-
stellers, des reichthums und der fülle von citaten anderer schrift-
. steller, namentlich auch der dichter, erkennen“. Was zunächst den
reichthum an citaten betrifft, so ist an solchen in unserer schrift
durchaus kein mangel Von geschichtschreibero werden genannt:
Charon von Lampsakos (c. 20 und 24), Hellanikos (36), 'T'huky-
dides (3, 5 und 39), Philistos (3), Ephoros (5 und 36), Theo-
pomp (1), Dionysios von Chalkis (22), Diyllos (26), der Böoter
Aristophanes (31 und 33), Nikander von Kolophon (33), Antenor
von Kreta (22), ferner der sonst nirgends erwühnte Lysanias von
Mallos (24) und der ebenfalls unbekannte Laokrates von Sparta
(35 fin), endlich naxische Horographen (36). Ferner werden citirt
die philosophen Plato (1) und Aristoxenos (9) und die dichter Ho-
! mer, Hesiod, Archilochos, Pisander, Stesichoros, Alkman, Pindar
(14), Simonides (36 und 42), Sophokles (1) und Aristophanes (6).
Die anzahl der citirten autoren 7°) ist also keineswegs so gering,
dass man berechtigt wire, an der autorschaft Plutarchs zu zwei-
feln. Bahr hält freilich p. 122 diese citate nur für ein mittel, um
den mangel an belesenhenheit und gelehrsamkeit zu ersetzen; dass
dem verfasser beides abgeht, hütte aber erst von Bahr bewiesen
werden müssen. Einige historische studien muss er doch wohl ge-
macht haben; sonst hatte er die zahlreichen zeugnisse und that-
sachen, die er gegen Herodot ins feld führt, unmüglich alle bei der
band baben kinnen 24). Wir können natürlich nicht mehr aus-
machen, in wieweit der verfasser die einzelnen von ibm angeführten
autoren durch eigene lectüre kannte; soviel ist indessen sicher,
dass er im Thukydides und im Ephoros wohl zu hause war °°),
23) Nicht citirt, aber benutzt ist Xenophon. Vgl. c. 26 fin. mit
Xenoph. Anab. III, 2, 12.
24) So lüsst z. b. die behauptung, dass die Spartaner sehr hüufig
zu beginn eines monats einen feldzug unternommen oder eine schlacht
geliefert hátten (c. 26 in.), auf einige kenntniss der spartanischen ge-
schichte schliessen. Auch darf nicht ausser acht gelassen werden,
dass der verfasser selbst in einer besonderen schrift über die vertrei-
bung der tyrannen aus verschiedenen griechischen staaten gehandelt
hatte (c. 21).
25) Dass der verfasser im Thukydides bewandert war, sieht man
nicht nur aus den namentlichen erwühnungen in c. 3, 5 und 39, son-
dern auch aus anderen stellen. C. 2 wird bemerkt, es sei boshaft,
30 Plutarchos.
was übrigens auch von Plutarch gilt 29). Auch müssen wir wohl
annehmen, dass er die c. 14 citirten dichter selbst gelesen, bat.
Ferner macht Babr p. 125 geltend, dass in der schrift de
Herodoti malignitate der ausdruck „ärmlich, kraftlos und matt“ sei,
Plutarchs darstellung dagegen „kräftig, körnig, gehaltvoll, bilder-
reich und oft wahrhaft geistreich*. Dass die ausdrucksweise un-
seres verfassers matt und ärmlich sei, wird man aber wohl nicht
behaupten können. Es fehlt ihr allerdings die frische und anmuth,
die den meisten schriften Plutarchs eigenthiimlich ist; dies dürfte
sich jedoch aus der beschaffenheit des themas zur genüge erklüren.
Namentlich muss in erwügung gezogen werden, dass der verfasser
sehr oft genöthigt war, einen oder mehrere sütze aus Herodot
würtlich anzuführen, wodurch natürlich die eigenen ausfübrungen
an frische und lebhaftigkeit verlieren mussten.
Was den inhalt selbst betrifft, so meint Bahr (Jabrb. f. philol.
54, 122 und Herodot, bd. IV, 480), die gegen Herodot vorge-
brachten argumente seien grôsstentheils so biofällig, thóricht und
albern, dass man unmöglich an die autorschaft Plutarchs denken
könne. Er leugnet sogar, dass unter jenen gründen sich überhaupt
our ein einziger finde, der sich als stichbaltig erweise (Jahrb. f.
phil. 54, 122). Hier ist indessen Bahr entschieden im irrthum;
denn es muss doch wohl anerkannt werden, dass an vielen stellen
die polemik gegen Herodot eine erfolgreiche ist?"). Nicht selten
gelingt es dem verfasser, innere widersprüche der herodoteischen
darstellung aufzudecken, wie z. b. in bezug auf Krösos (c. 18),
die motive der korinthischen expedition gegen Samos (c. 22), den
angeblichen tyrannenhass der Alkmüoniden (c. 27) und den medis-
Nikias 9«eóbyntog zu nennen, wohl aber könne man ihn bezeichnen
als 94acug noooxsiueror. Der letztere ausdruck ist augenscheinlich
entlehnt aus Thuk. VII, 50, 4. Ebenso scheint dem verfasser Thuky-
dides vorzuschweben, wenn er in dem nümlichen capitel von Kleons
xoupoloyia spricht. Vgl. Thuk. IV, 28, 5. Ferner stammt aus Thuk.
(I, 182) die im 42. capitel enthaltene angabe über die delphische
weiheinschrift. — Ephoros ist ausser den stellen, an denen er citirt
wird, noch benutzt c. 82 (vgl. Diod. XI, 10), ebenso schwebt dem ver-
fasser dessen darstellung vor c. 40 (vgl. Diod. XI, 27).
26) Die beweise für das studium des Thukydides liefert in fille
Siemon, Quo modo Plutarchus Thucydidem legerit, Berlin 1881.
27) Auch Lahmeyer zeigt sich in seiner beurtheilung oft zu sehr
beeinflusst von dem bestreben, Herodot zu vertheidigen, was bereits
in dem urtheil der facultät hervorgehoben wird.
—
=
*
. Plutarchos. 31
mos der Thebaner (c. 31 ff.). Namentlich hinsichtlich des letzteren
punktes werden schlagende argumente gegen Herodot angeführt.
Auch in sonstigen ziemlich zahlreichen fallen sind die bemerkungen
des verfassers durchaus begründet. Er ist entschieden im rechte,
wenn er den grund, weshalb die Lakedümonier die expedition ge-
gen Polykrates unternahmen, nicht in den von Herodot angegebenen
umständen, sondern in ihrem bass gegen die tyrannis überhaupt er-
blickt (c. 21). Ebenso begründet ist sein widerspruch gegen die
angabe Herodots, dass die Spartaner die Platüer deswegen zum
anschluss an Athen veranlasst hätten, um dasselbe hierdurch mit
dem böotischen staatenbund zu verfeinden (c. 25). Ferner werden
mit recht beanstandet die bemerkungen Herodots über das verhalten
der Phoker bei der invasion des Xerxes (35), die erzühlung von
der unterredung des Themistokles mit Mnesiphelos (37) und der
des Xerxes mit Artemisia (38), ebenso die angabe (IX, 62), dass
bei Platää die Perser nur mit leichten waffen versehen gewesen
seien (43) 7°), Nur hatte der verfasser nicht überall da, wo He-
rodot eine auf tendenziöser erfindung beruhende nachricht mittheilt,
den geschichtschreiber ohne weiteres der bosheit anklagen, sondern
vielmehr erwägen sollen, dass derselbe seinem gruudsatz gemäss
sich an die ihm vorliegenden überlieferungen hielt ??). Er ist in-
dessen gegen Herodot, dessen darstellung ilm aus äusseren und
inneren gründen unglaubwürdig schien, der art eingenommen, dass
er ibn geradezu böswilliger erfindung beschuldigen zu müssen
glaubt °°), Bahr (Jahrb. f. phil. 54, 122) wirft dem verfasser so-
gar vor, er verdrehe die angaben Herodots, um ihn desto besser
bekämpfen zu können. Dies lässt sich indessen in keinem einzigen
28) Dass die bei Mardonios zurückgebliebenen Perser schwer be-
waffnet waren, bezeugt Herodot selbst VIII, 113.
29) Im wesentlichen richtig urtheilt schon Niebuhr, Vortrüge
über alte geschichte I, 388: ,,Plutarchs schrift ist lehrreich, enthält
viele einzelne notizen, reichen stoff zur kritik, und manche anklage,
die er erhebt, lüsst sich kaum abweisen. Gewiss hat Herodot sich
erlaubt, von einzelnen vólkern, denen er abhold war, z. b. den Ko-
rinthiern und Thebanern, zu glauben, was er bei nüherer untersu-
chung als falsch erkannt haben würde. Plutarchs unwille gegen
Herodot ist indessen sehr unbillig". Unter den neueren lässt der
schrift eine unbefangene würdigung zu theil werden Wecklein iu sei-
ner oben citirten abhandlung über die tradition der Perserkriege (an
verschiedenen stellen).
30) Vgl. c. 27 und 40, besonders aber 28.
32 Plutarchos.
falle nachweisen; vielmehr ist der verfasser in der regel bemüht,
den bericht Herodots umständlich wiederzugeben.
Ebenso unbegründet ist die behauptung Hüblers (a. a. o. p.
12 ff.), dass der verfasser eine nachlüssigkeit an den tag lege, die
man einem Plutarch nicht zutrauen kónne. Als beweis hierfür
werden zwei stellen angeführt. An der ersten stelle (c. 19) lässt
der verfasser sich allerdings eine arge flüchtigkeit zu schulden
kommen, wenn er irrthümlicher weise voraussetzt, dass Herodot (I,
147) die Ephesier und Kolophonier von den echten loniern aus-
schliesse. Da sich indessen bei Plutarch ganz ühnliche, wenn nicht
schlimmere versehen finden ?'), so ist auf jene stelle kein gewicht
zu legen. In dem zweiten von Häbler angeführten falle liegt über-
haupt keine nachlässigkeit vor. Häbler meint nämlich, der verfas-
ser habe, wenn er c. 23 als den ärgsten frevel Perianders gegen
die Korinthier die von demselben beabsichtigte verschneidung
von 300 kerkyräischen knaben bezeichne, die bemerkung Herodots,
dass zwischen Korinth und Kerkyra stets feindschaft geherrscht
(HI, 49), ganz übersehen. Diese annalıme stützt sich indessen le-
diglich auf die von Wyttenbach vorgeschlagene lesart: Sca Kuwedog
xai Ileglavdoos xoxà tiv Kogwiiwy móÀw eleyucuvto Tuguv-
vouvıeg, während die handschriften geben . . . xa rà ri» Kogsv-
Slwy nodw sigyacavto tugayvovvres. Halten wir an dieser nicht
zu beanstandenden lesart fest, so bezeichnet der verfasser die ver-
schneidung der kerkyrüischen knaben nicht als einen frevel gegen
die Korintbier, sondern als die grausamste massregel, die Periander
während seiner tyrannis überhaupt beschlossen habe.
Weitere beweise gegen die autorschaft Plutarchs glaubt man
darin zu finden, dass einige stellen unserer schrift mit Plutarchs
ansichten io widerspruch zu stehen scheinen. Bahr meint (Jahrb.
f. phil. 54, 123), die „alberne“ polemik gegen Herodots angaben
über entlehnung der namen und culte griechischer gótter aus Ae-
gypten (c. 13 und 14) könne unmöglich herrühren von dem
manne, der die durch und durch gediegene schrift über Isis und
Osiris verfasst habe. Warum Bähr die gegen Herodot vorge-
81) Z. b. Pericles 35, wo Thukydides in üusserst flüchtiger weise
benutzt ist. Vgl. meine untersuchungen über die darstellung der gr.
gesch. von 489—418 v. Chr. bei Ephoros, Theopomp u. a. autoren,
p. 114
Plutarchos. 33
brachten gründe für albern hält, vermag ich nicht einzusehen ; noch
weniger aber, in wiefern dieselben gegen die autorschaft Plutarchs
sprechen sollen. Man wird im gegentbeil finden, dass die ausfüh-
rungen des verfassers mit den religiósen ansicbten Plutarchs durch-
aus im einklang stehen. Wenn der verfasser die angabe verwirft,
dass die Griechen die nameu ihrer gôtter und heroen sowie ge-
wisse culte aus Aegypten entlehnt hätten, so theilt er hier den
Standpunkt des an dem norgsoç Adyoc festhaltenden Plutarch.
Ebenso befindet er sich mit demselben io übereinstimmung , wenn
er sein missfallen darüber üussert, dass nach Herodot der ägypti-
sche Herakles zur zweiten und Dionysos zur dritten generation der
gôtter gehóren soll, als ob die gótter nicht von ewigkeit existirten.
Dass bei den góttern im eigentlichen sinne nicht von einer geburt
die rede sein kann, ist auch die ansicht Plutarchs, der die götter
als didsos und ayévyntos von den ye»rgrzoi dalporeg unterscheidet °?)
und bierdurch einer euemeristischen auffassung vorzubeugen sucht °°),
Ferner macht Bühr geltend (a. a. o. p. 122), man könne es
Plutarch unmöglich zutrauen, dass er aus der von Herodot (I, 32)
mitgetheilten unterredung zwischen Krósos und Solon eine waffe
gegen den geschichtschreiber entnommen habe, wie es der verfasser
c. 15 thue. Plutarch habe an der dem Solon in den mund ge-
. legten üusserung über den neid der gottheit, die der verfasser ge-
radezu als gotteslüsterung bezeichnet, auf keinen fall anstoss neh-
men können; denn man müsse bei ihm doch wohl die kenntniss
voraussetzen, dass unter jenem neide nicht etwa missgunst, sondern
die den übermuth strafende Nemesis gemeint sei. Gegen Herodot
zu polemisiren habe ibm um so weniger einfallen können, da er
selbst an anderen stellen seiner schriften, wie Alcib. 33 und De
fortun. Alex. Il, 13, von einem neiderfüllten dámon spreche. Hier-
gegen ist zunächst zu bemerken, dass der neid, welchen Herodot
den góttern beilegt, keineswegs mit der Nemesis identificirt werden
darf, sondern vielmehr mit der missgunst und eifersucht der men-
schen auf gleicher linie stebt. Er kehrt sich nicht nur gegen
solche menschen, die sich ihres glückes überheben, sondern die gott-
heit liebt es überhaupt, denjenigen, die durch ihre machtstelluug
32) Vel, Plut. Pelopidas 16, wo gerade Herakles und Dionysos
unter die dimonen gerechnet werden.
33) Vgl. De Iside et Osir. c. 20, 23 und 25.
Philologus. XLII. bd. 1. 3
34 Plutarchos.
hervorragen, den antergang zu bereiten, auch wenn sie ein derar-
tiges loos nicht verdienen *). Dass Plutarch einen neiderfüllten
damon kennt, ist wohl richtig; was dagegen die gottheit selbst
betrifft, so stellt er im einklang mit seiner ganzen sonstigen auf-
fessung in der schrift: Non posse suaviter vivi sec. Epic. 22 es ent-
schieden in abrede, dass derselben neid innewohnen könne 9) und
befindet sich demnach in übereinstimmuug mit dem verfasser un-
serer schrift.
Nun meint freilich Bahr, jene polemik gegen Herodot kónne
schon deswegen nicht von Plutarch herrühren, weil derselbe sich
im Solon c. 27 gegen diejenigen wende, welche die unterredung zwi-
schen Krósos und Solon für erdichtet hielten, und so Herodot ge-
wissermassen in schutz nehme. Dieses argument würde nur dann
beweiskrüftig sein, wenn der verfasser unserer schrift nicht nur
jene äusserung Solons über den neid der gottheit, sondern über-
haupt dessen ganze unterredung mit Krósos als eine erfindung he-
zeichnete, was nicht der fall ist. Dass Plutarch an der angeführten
stelle gerade den Herodot in schutz nehme, kann man nicht be-
haupten, weil jene unterredung, wie Plutarch selbst sagt, von sehr
vielen gewährsmännern überliefert war. Wenn Babr meint, es ver-
trage sich nicht mit dem vom verfasser gegen Herodot erhobenen
vorwurf, dass Plutarch die rede Solons bezeichne als Acyow mo£-
zovra 19 ZoÀwvog Ne xai 175 Exelvov peyuAopooourns, so hat
er übersehen, dass die in der schrift de Herodoti malignitate be-
94) Vgl. Her. VII, 10, E 5 ff. und Stein zu Her. I, 32. Die irr-
thümliche ansicht Bührs theilt auch Lahmeyer p. 46 ff.
35) Hübler, der diese stelle übersehen hat, glaubt (p. 16) aus
einer anderen stelle der nämlichen schrift folgern zu müssen, dass.
Plutarchs ansicht mit der Herodots übereinstimme. C. 30 bemerkt
nümlich Plutarch, dass die lehre Epikurs, nach der zugleich mit dem
tode des kórpers auch die seele vernichtet wird, ein ewiges leid in
sich schliesse, weil dem menschen der genuss des lebens verbittert
werde durch die aussicht, mit dem tode jeder glückseligkeit beraubt
zu werden. Vernünftiger sei Herodot, wenn er bemerke (VII, 46),
dass die gottheit, indem sie uns die süssigkeit des lebens nur kosten
lasse, neidisch zu sein scheine: xai coguwregos ‘Hoddoros sindr we 6
9sóg yluxdy yibcas tov aldva govegos lv adty dv qaiveras. Aus die-
ser stelle folgt keineswegs, dass Plutarch eben so wie Herodot der
gottheit neid zuschreiben möchte; er führt dessen bemerkung viel-
mehr nur an, um zu zeigen, dass auch Herodot das dahinschwinden
in das nichts nach kurzem lebensglück für ein hartes loos halte und
insofern eine richtigere auffassung zeige als Epikur.
Plutarchos. 85
austandete üusserung Solons sich in dem bericht Plutarchs, der
allem anschein nach auf eine von Herodot abweichende überliefe-
rung zurückgeht, nicht wiederfindet.
Ein weiteres indicium gegen die echtheit unserer schrift er-
blickt Bahr (Herodotausgabe IV, 2te aufl. p. 481) darin, dass Plu-
tarch in den biographien des Themistokles und Aristides den He-
rodot vielfach benutze, ohne ihn irgendwo zu bekämpfen, abgesehen
von Aristid. 19, wo indessen die polemik lediglich ihren grund
habe in dem ansehen, welches Herodot bei den Griechen genoss.
Was zunüchst die benutzung Herodots durch Plutarch betrifft, so
ist dieselbe, abgesehen von den stellen, an denen er citirt wird,
noch keineswegs erwiesen?9); auch würde in ihr durchaus kein
entscheidender grund gegen die echtheit unserer schrift liegen.
Folgt doch Plutarch allem anschein nach im Agis und Kleomenes
demselben Phylarch, den er Arat. 38 als einen höchst unglaubwiir-
digen schriftsteller bezeichnet. — Dass im plutarchischen Themi-
stokles und Aristides sich nirgends heftige polemik gegen Herodot
findet, kann nicht im mindesten auffallen. War Plutarch der ver-
fasser der schrift de Herodoti malignitate, so konnte er sich in
seinen biographien einer polemik gegen Herodot, die dort ohnebin
nicht an ihrem platze gewesen würe, um so eler enthalten.
Es erübrigt nun noch, einige Plutarchstellen zu besprechen,
aus denen Habler p. 14 ff. folgern zu müssen glaubt, dass die
schrift de Herodoti malignitate nicht von Plutarch berrübren könne,
Als charakterzüge Kleons erwühnt Plutarch im leben des Ni-
kias (c. 2 und 7) frechheit und raserei, während unser verfasser
c. 2 gerade denjenigen als boshaft bezeichnet, der Kleon J'gdcoq
und waylu beilege, statt sich mit dem ausdruck xovgoÀoyía zu be-
gnügen. Viel gewicht ist indessen hierauf nicht zu legen; denn
Plutarch koonte bei der grossen menge seiner schriften sehr leicht
36) Hábler sucht eine solche im zweiten theil seiner Quaestiones
Plutarcheae in ausgedehntem masse nachzuweisen, gibt jedoch nach-
träglich zu, dass die übereinstimmungen Plutarchs mit Herodot sich
auch durch die benutzung eines autors erklüren lassen, der seiner-
seits aus Herodot schópfte (p. 37, n. 19). Für eine directe benutzung
Herodots im Themistokles ist neuerdings wieder Bauer, Themistokles,
p. 141 eingetreten, ohne jedoch hierfür beweise beizubringen. Eine
naue untersuchuug muss zu dem resultat führen, dass Plutarchs
arstellung zum grossen theil auf einen autor zurückgeht, der den
herodoteischen bericht in tendenzióser weise überarbeitet hat.
3*
36 Plutarchos.
eine früher von ibm selbst gemachte bemerkung vergessen, wie
denn auch sonst inconsequenzen bei ihm vorkommen ?*).
Ein weiterer widerspruch, den Habler zwischen de Her. mal.
7 und Plut. Aemil. Paul. 12 hat finden wollen, existirt in wirk-
lichkeit nicht. Wenn der verfasser diejenigen tadelt, welche die er-
folge Philipps von Makedonien nur der bestechung und nicht seiner
tüchtigkeit zuschrieben, so ist dies keineswegs unvereinbar mit dem
von Plutarch dem Aemilius Paulus gespendeten lobe, dass er ebenso
wie Philipp das geld willig hergegeben habe, um vortheile zu er-
langen, wührend sein gegner Perseus umgekehrt verfahren sei.
Ganz unbegreiflich ist es aber, wenn Häbler glaubt, dass Plu-
tarchs bericht über das verhalten des Themistokles den verrätheri-
schen umtrieben des Pausanias gegenüber (Themistocl. 23) den in
der schrift de Herod. mal. c. 5 aufgestellten grundsätzen zuwider-
laufe. Der verfasser meint, der geschichtschreiber solle, wenn über
dieselbe thatsache zwei oder mehrere überlieferungen vorlägen,
nicht der uugünstigsten den vorzug geben, sondern das bessere für
wabr halten. So verfahre z. b. Ephoros, wenn er über Themi-
stokles berichte, dass derselbe wohl die absichten des Pausanias ge-
kannt habe, ohue sich jedoch zur theilnahme un dessen verrath be-
wegen zu lassen. In welcher weise Plutarch jenem grundsatz
zuwider handelt, ist nicht ersichtlich; er acceptirt ja gerade den
bericht des Ephoros.
Zu ernsten bedenken kónnte dagegen auf den ersten blick
anlass geben eine stelle in der schrift: Non posse suaviter vivi sec.
Ep. Plutarch bemerkt nümlich c. 10, dass der mensch sich im
höchsten grade danach sehne, die wahrheit zu erfahren und dass
das leben geradezu im erkennen aufgehe. Das erkennen bereite
uns immer einige lust; selbst wenn uns die erschütterndsten that-
sachen mitgetheilt würden, verlungten wir die ganze wabrheit zu
erfahren. In diesem streben zeige sich sogar eine gewisse leiden-
37) So hat Plutarch, um hier nur eines anzuführen, den Cimon 2
aufgestellten grundsatz, dass der biograph die seinen helden anhaf-
tenden schwüchen nicht sehr hervorheben solle, keineswegs immer
befolgt. Im Nikias z. b. sind licht und schatten ziemlich gleich ver-
theilt, wäbrend Plutarch im Perikles viele klatschgeschichten repro-
ducirt, die Perikles' politischen charakter in ungünstigem lichte er-
scheinen lassen, und nur die allerschlimmsten verleumdungen zu-
rück weist.
Plutarchos. 37
schaft, der die vernunft unterliegen miisse. Wenn nun aber vol-
lends in einer geschichtlichen darstellung, die nichts trauriges oder
verderbliches enthalte, grosse und herrliche thaten in beredter und
anmuthiger weise ‚vorgeführt würden, wie es z. b. in Herodots
griechischen und in Xenophons persischen geschichten der fall sei,
| so würde unsere freude nicht allein gross, sondern auch ungetriibt
sein. Häbler meint, Plutarch könne unmöglich so gesprochen ha-
ben, wenn er der verfasser der schrift de Herodoti malignitate
ware. Er scheint anzunehmen, dass Plutarch mit den worten:
loroglu xai dinynoss undèr Eyouou Aungov n BiaBegov, Herodots
darstellung als eine solche bezeichne, die den leser überhaupt in
keiner binsicht betrübe oder verletze, was allerdings mit der an-
sicht des verfassers der schrift de Herodoti malignitate unvereinbar
sein würde, Häbler hat indessen nicht beachtet, dass die worte:
icroglu xai dinynoss unde» Eyovoa Aunngow 7 PAaBegov den ge-
gensatz bilden zu solchen mittheilungen, die uns in die grösste
trauer oder bestürzung versetzen. Plutarch will also von dem he-
rodoteischen geschichtswerk keineswegs behaupten, dass es frei sei
von allem, was den leser verletzen kónne, sondern er führt es nur
an als beispiel einer anmuthigen darstellung bedeutender ereignisse,
die uns deswegen eine reine freude bereiten muss, weil sie keine
für uns traurige oder verderbliche thatsache enthält °°).
Hiermit sind die gegen die echtheit unserer schrift vorge-
hrachten argumente erschépft. Ihnen stehen vielfache zum theil
sehr charakteristische indicien gegenüber, die die autorschaft Plu-
tarchs ausser allen zweifel setzen.
Zunüchst hat Lahmeyer p. 85—94 nachgewiesen, dass der
verfasser ebenso wie Plutarch sorgfältig bestrebt ist, den hiatus
zu vermeiden und dass er die namlichen partikeln, ausdrücke und
38) Die sonstigen nicht sehr zahlreichen stellen, an denen Plu-
tarch Herodot erwähnt, enthalten weder entschiedenes lob, noch ar-
gen tadel. Wenn De ezilio 13 Herodot unter münnern von hervorra-
gender einsicht und verstand (cogatatos xai yoovsuuteros) genannt
wird, die den aufenthalt in der fremde dem in der heimath vorge-
zogen hátten, so kann dies noch nicht beweisen, dass Plutarch auch
das werk des Herodot im allgemeinen günstig beurtheilt haben müsste.
Das gegentheil scheint eher hervorzugehn aus dem folgenden capitel,
wo unter den schriftstellern, die im exil die schónsten werke ver-
fassten, wohl der sonst arg mitgenommene Timiios (vgl. Nic. 1 und
Dio 36), nicht aber Herodot angeführt wird.
88 Plutarchos,
wendungen gebraucht, deren sich Plutarch mit vorliebe bedient.
Wenn Häbler p. 12 hiergegen geltend macht, dass manche von
dem verfasser angewandte ausdrücke sich nicht allein bei Plutarch,
sondern auch bei anderen autoren finden, so thut dies im allgemei-
nen der richtigkeit des von Lahmeyer gewonnenen resultats keinen
eintrag. Bahr p. 125 glaubt die angeführte thatsache dadurch er-
klären zu können, dass der verfasser es wohl verstanden habe,
plutarcheische phrasen und wendungen in seine darstellung einzu-
flechten, um auf diesem wege seine arbeit als ein werk Plutarchs
erscheinen zu lassen. Diese erklärung, die sich übrigens mit Bährs
eigener ansicht über den zweck unserer schrift gar nicht verei-
nigen lässt °°), ist aus dem grunde ungenügend, weil die abhand-
lung de Herodoti malignitate auch noch andere übereinstimmungen
mit plutarchischen schriften zeigt, die sich durch die annahme einer
fälschung nicht in befriedigender weise erklären lassen.
Bereits Labmeyer hat darauf hingewiesen, dass der verfasser
häufig dieselben nachrichten mittheilt und sich über manche puncte
in ganz der nümlichen weise äussert wie Plutarch (p. 93—-96).
Er hat es indessen unterlassen, die hierher gehörigen fälle in ge-
eigneter weise zusammenzustellen und genauer zu besprechen, son-
dern sich nur darauf beschrünkt, eine reihe von stellen, an denen
sich der verfasser mit Plutarch in übereinstimmung befindet, kurz
anzufübren. Ein grosser theil der betreffenden stellen findet sich
nicht in dem abschnitt: De reliquorum scriptorum Plutarcheorum cum
libello de malignitate Herodoti consensu (2. 43), wo alle derartigen
nachweise hütten gegeben werden müssen, sondern in dem vorher-
gehenden paragraphen, der laut der überschrift nur handeln soll de
verbis quibusdam dictisque Plutarcheis, Hierzu kommt noch, dass
manche bemerkenswerthe stelleu von Lahmeyer übersehen worden
sind. Hierin mag es wohl seinen grund haben, dass dieser theil
der Lahmeyer’schen beweisführung von Bahr ganz ignorirt und
auch von Habler kaum berücksichtigt worden ist.
In erster linie muss hervorgehoben werden, dass die ausfüh-
rungen des verfassers über die kümpfe der Griechen mit Dareios
39) P. 126 behauptet nämlich Bühr, die arbeit habe, indem sie
den geachtetsten und gefeiertsten geschichtschreiber der hellenischen
vorwelt angriff, schon durch die neuheit (?) eines solchen stoffes ih-
rem geistlosen (?) verfasser aufsehen zuwenden sollen.
Plutarchos. 39
und Xerxes durchaus übereinstimmen mit der auffassung, die uns
in den biographien des Themistokles und Aristides entgegentritt.
Es wird sich herausstellen, dass abgesehen von einigen nur schein-
baren ausnahmen iiberall da, wo der verfasser gegen Herodot pole-
misirt, auch Plutarch dessen bericht verwirft und einer anderen
überlieferung folgt.
Wir beginnen mit der schlacht bei Marathon. C. 27 pole-
misirt der verfasser gegen die darstellung Herodots (VI, 115),
nach welcher die Perser nach der scblacht bei Marathon zunüchst
nach Eretria fuhren und die dort zurückgelassenen gefangenen an
bord nahmen, hierauf aber das vorgebirge Sunion umsegelten, in
der absicht, einen handstreich auf Athen auszuführen. Dass die
Perser nach einer verlorenen schlacht noch ein solches unternehmen
geplant hätten, findet der verfasser unglaublich. Er meint, eine
solche nachricht künne nur dazu dienen, dem siege der Athener
seine bedeutung zu nehmen. Vergleichen wir nun die darstellung
Plutarchs im Aristides c. 5, so finden wir, dass dort ein autor be-
nutzt ist, der die vom verfasser beanstandete angabe Herodots ge-
schickt abzuündern wusste. Bei Plutarch ist nümlich der hergaug
so erzählt, als ob die Perser von vornherein beabsichtigt hätten,
sich in der richtung nach den Kykladen zurückzuziehen, nach der
vorbeifabrt an Sunion jedoch durch widrige winde gegen Athen
getrieben worden seien: dnei dé (“A9nvaîos) rospäueros rovg
Baofi«govrg èveBalov slg rdg vavg xal mÀfovrag ovx ni vyowy
fugwr, dà ono tov nrevuurog xai tig Fadacons slow neds
Up» 'diuuxp anofiatoutrvovg.
Ebenso befindet sich der verfasser in übereinstimmung mit
Plutarch, wenn er c. 26 im gegensatz zu Herodot die schlacht
bei Marathon auf den 6. boedromion und nicht erst um die zeit
des vollmonds legt. Das nämliche datum wie der verfasser gibt
Plutarch Camillus 19, indem er auf seine eigene schrift: ZZegi nusgwy
verweist, und De glor. Ath. 7.
Gehen wir nunmehr zu dem feldzug des Xerxes über. Hier
muss zunächst constatirt werden, dass die Böoter und Korinthier,
die der verfasser gegen die anschuldigungen Herodots vertheidigen
zu müssen glaubt (c. 1), bei Plutarch nirgends in ungünstigem
lichte erscheinen.
Nach Herodot traten die Thebaner und die übrigen Böoter
40 Plutarchos.
mit ausnahme der Platäer und Thespier gleich zu beginn des feld-
zugs bereitwillig auf die seite der Perser (vgl. VII, 132 und 233),
Der verfasser polemisirt hiergegen c. 31, indem er bemerkt, dass
die Thebaner anfánglich der nationalen sache zugethan gewesen
seien und sich erst dann den Persern unterworfen hätten, als die-
selben in Bóotien eingerückt seien. Dieselbe ansicht scheint Plu-
tarch zu haben, wenn er Themistocl. 7 berichtet, dass nach dem
abzug der Hellenen aus Tempe Xerxes durch den hierauf erfolgten
auschluss der Thessaler Griechenland bis nach Bóotien hin für sich
gewonnen habe (Q@erradwy facti ngogyevouf£vov eundile zu
pévos Bowilag). Von den Böotern selbst setzt also Plutarch vor-
aus, dass sie damals noch nicht auf die seite der Perser traten.
Der verfasser unserer schrift bemerkt ferner c. 31, dass die unter-
werfung Thebens durch die bemühungen der in der stadt befind-
lichen oligarchischen partei angebahnt worden sei. In einklang
hiermit steht die angabe Plutarchs (Aristid. 18 fin.), dass bei Platää
der thebanische demos nur in folge des von den oligarchen aus-
geübten zwanges auf seiten der Perser gekümpft hiitte.
Was sodann die Korinthier betrifft, so sind bei Plutarch die
denselben ungünstigen nachrichten entweder einfach weggelassen
oder durch abweichende überlieferungen ersetzt, in denen andere
die stelle der Korinthier einnehmen. Während nach Herod. VIII, 5
Adeimantos bei Ártemision miene machte, allein abzusegeln und von
Themistokles nur durch bestechung zum bleiben bewogen werden
konnte, wird vou Plutarch 'Themist. 7 dieselbe geschichte mit ei-
nigen abweichungen von dem Athener Architeles erzählt. In ganz
analoger weise wird die von Herodot VIII, 59 mitgetheilte bittere
bemerkung des Adeimantos gegen Themistokles bei Plut. Them. 11
dem Eurybiades zugeschrieben. An der nümlichen stelle führt Plu-
tarch noch eine andere von Herodot VIII, 61 ebenfalls dem Adei-
mantos in den mund gelegte gehässige äusserung an, ohne jedoch
dessen namen zu nennen. In der schrift de Herod. mal. c. 34 fin.
wird Herodot getadelt, weil er ausdrücklich bemerke, dass bei dem
rückzug von Artemision die Korinthier die vordersten gewesen
seien. Plutarch geht Them. 9 hierüber hinweg, indem er sich mit
der bemerkung begnügt, dass die Athener den rückzug deckten.
Schliesslich muss noch bemerkt werden, dass Plutarch ganz in über-
eiostimmung mit de Herod, mal. c. 42 die von Herodot in abrede
Plutarchos. 41
gestellte theilnahme der Korinthier an der schlacht bei Platää als
unzweifelhaft voraussetzt. Er berichtet nämlich Arist. 20, man
habe von dem Korinthier Kleokritos, als derselbe sich bei den ver-
handlungen über die ehrenpreise zum worte meldete, erwartet, dass
er die erste auszeichnung für seine vaterstadt in anspruch nelımen
würde. Auf diesen gedanken konnte man nur dann kommen, wenn
die Korinthier sich in hervorragendem masse an dem kampfe be-
theiligt hatten 4°).
Ausser diesem zusammentreffen in den ansichten über die
Böoter und Korinthier fallen aber noch zahlreiche andere überein-
stimmungen ins auge.
Wie Herodot VIII, 18 berichtet, beschlossen die Griechen den
rüekzug von Artemision wegen der grossen verluste, die sie in der
schlacht erlitten hatten. Der verfasser anserer schrift polemisirt
biergegen c. 34, indem er geltend macht, dass nach der überein-
stimmenden angabe fast aller autoren die Griechen gesiegt hätten
und nur durch die nachricht von dem unglücklichen ausgang des
kampfes bei Thermopyla, die nach Herod. VIII, 21 erst nach je-
nem beschlusse anlangte, zum rückzug veranlasst worden seien.
Bei Plut. Them. 9 finden wir ganz die nämliche auffassung *!).
Die verse des Pindar und Simonides (?), aus denen der verfasser
einen beweis dafür entnimmt, dass die Hellenen bei Artemision ge-
siegt hatten, werden auch von Plutarch angeführt.
Auch in bezug auf die schlacht bei Salamis befindet sich der
verfasser in einem punkte in übereinstimmung mit Plutarch. Die
darstellung Herodots (VIII, 57 ff), wonach Themistokles nicht aus
eigenem antrieb, sondern erst auf den rath des Mnesiphilos hin es
unternahm, die Griechen zum bleiben bei Salamis zu bewegen, in-
dem er in einer unterredung mit Eurybiades die von Muesiphilos
geltend gemachten gründe als seine eigenen gedanken vorbrachte,
wird in der schrift de Herod. mal. c. 37 als böswillige erfindung
bezeichnet. Der verfasser bemerkt, es sei allbekannt, dass kein an-
derer als Themistokles die Hellenen zum kampfe bei Salamis ver-
anlasst habe, und eben im hinblick auf diesen rettenden gedanken
40) Auch Mohr, Die quellen des plutarchischen und nepotischen
Themistokles, Berlin 1879, p. 37 ff. erkennt in der plutarchischen
darstellung eine den Korinthiern günstige tendenz.
41) Ebenso Isocr. Paneg. 8. 92 und Diod. XI, 13, 3.
42 Plutarchos.
habe Themistokles nach beendigung des krieges der Artemis Ari-
stobule in Melite einen tempel bauen lassen. Bei Plut. Them. 11
wird der rathschlag des Mnesiphilos nicht erwühnt, was bei der
kürze des dort gegebenen berichtes freilich nicht viel beweist, wohl
aber wird c, 22 berichtet, Themistokles habe der Artemis Aristo-
bule einen tempel geweiht zum andenken daran, dass seine mass-
regeln Athen und Griechenland zum heile gereicht hätten 4).
Herodot erzählt VIII, 123 ff., dass die Hellenen sich nach
dem rückzug des Xerxes auf dem Isthmos versammelt hätten, um
denjenigen mann, der im kriege sich die meisten verdienste er-
worben, durch eine auszeichnung zu ehren. Bei der abstimmung
babe nuu jeder der feldherrn sich selbst für den würdigsten ge-
halten, dagegen sei der zweite preis von der mehrzahl dem The-
mistokles zuerkannt worden. Die Hellenen hatten indessen aus
missgunst kein entscheidendes urtheil abgeben wollen, sondern es
sei jeder nach hause gereist. Der verfasser unserer schrift bean-
standet c. 40 diese darstellung, weil Herodot, statt den ebrgeiz der
feldherrn für die resultatlose abstimmung verantwortlich zu machen,
alle Hellenen der missgunst anklage. Die thatsache also, dass je-
der feldherr sich selbst den ersten und die mehrzahl dem Themi-
stokles den zweiten preis zuerkannte, wird auch vom verfasser
nicht bestritten; er scheint nur vorauszusetzen, dass den übrigen
auf dem Isthmos versammelten Hellenen überhaupt keine entschei-
dende stimme zustand und dass demnach die verhandlung lediglich
an dem ebrgeiz der feldherrn scheiterte. Bei Plut. Them. 17 wird
ganz in übereinstimmung mit der ansicht des verfassers von der
abreise der Hellenen nichts gesagt, dagegen die missgunst der feld-
herrn entschieden getadelt.
Was ferner den feldzug des jahres 479 betrifft, so steht der
bericht Plutarchs (Aristid. 10 ff.) in mebrfacher hinsicht mit den
ansichten unseres verfassers in einklang.
Herodot berichtet (1X, 8), dass nach dem einfall des Mar-
donios in Attika eine athenische gesandtschaft nach Sparta ge-
42) Wenn Plutarch an seni 23 berichtet, dass Mnesiphilos den
Themistokles, als er zu anfang seiner politischen laufbahn bei seinen
mitbürgern verhasst war und in schlechtem ansehen stand, ermuthigt
habe (vgl. auch Them. 2), so braucht hieraus noch keineswegs gefol-
gert zu werden, dass er die von Herodot erzühlte geschichte, die in
eine viel spätere zeit fällt, für glaubwürdig habe halten müssen.
Plutarchos. 43
gangen sei, um auf absendung eines hülfsheeres zu dringen. Die
Spartaner seien nicht geneigt gewesen, diesem gesuch zu will-
fahren; denn sie hätten geglaubt, der Athener nunmehr entbehren
zu kónnen, weil sie sich von der Isthmosmauer, deren bau seinem
ende entgegen ging, hinreichenden schutz versprochen hätten. Nach-
dem sie die athenischen gesandten zehn tage lang hingehalten,
babe schliesslich der Tegeate Chileos, obwohl die mauer nunmehr
vollendet war, durch seine vorstellungen die absendung des Pausa-
mias mit einem heere bewirkt. Gegen diese ganze darstellung po-
lemisirt der verfasser unserer schrift c. 41, indem er namentlich
in abrede stellt, dass die absendung des heeres erst auf die mah-
nung des Chileos hin erfolgt sei. Plutarch Aristid. 10, der dem
Idomeneus folgt, weiss von der wirksamkeit des Chileos nichts,
sondern berichtet vielmehr, die Spartaner, die damals die hyakin-
thien gefeiert hütten, seien nach der ankunft der athenischen ge-
sandten wohl noch bis zum abend unthütig geblieben, hätten jedoch
gleich in der nüchsten nacht, ohne dass die Athener es merkten,
ein beer gerüstet und sofort abgesandt. Hier fehlen also gerade
diejenigen angaben, die in der schrift de Herod. mal. beanstandet
werden. Es liegt nahe anzunehmen, dass der verfasser Herodots
angaben auf grund des nümlichen berichtes verwirft, welcher Plu-
tarch vorlag *?).
43) Dass Plutarchs bericht trotz der hervorgehobenen differenzen
und anderer abweichungen anklänge an Herodot zeigt, wird hervor-
gehoben von Häbler p. 33, der neben Idomeneus auch Herodot als
quelle Plutarchs vermuthet. Westermann (De Plutarchi vita et scriptis
commentatio in Bekkers ausgabe der Biographien I, p. XIII) findet es
geradezu auffallend, dass Plutarch nur den Idomeneus und nicht
auch Herodot als gewährsmann nennt. Wir müssen wohl annehmen,
dass Plutarchs bericht vollständig auf Idomeneus zurückgeht. Hätte
Plutarch etwa, wie Häbler glaubt, den Idomeneus nur für die in He-
rodot nicht enthaltene angabe, dass Aristides mit der gesandtschaft
beauftragt wurde, als gewährsmann nennen wollen, so hätte er ihn
nicht erst am ende des ganzen abschnitts citirt, sondern wohl ge-
schrieben : "Agsorsidns dé neugdeis elc Aaxsdaiuova, ws où nepè tov ‘Ido-
puerta léyovoy .... Die übereinstimmung mit Herodot und die an-
drerseits vorkommenden abweichungen finden unserer ansicht nach
darin ihre erklärung, dass Idomeneus seinerseits aus Herodot schópfte,
sich jedoch hierbei verschiedene willkürliche abänderungen erlaubte.
Wie wenig genau es Idomeneus mit der wahrheit nahm, sieht man
daraus, dass er den Aristides als gesandten nach Sparta gehen lüsst,
wührend in dem von Plutarch c. 10 fin. erwühnten psephisma viel-
mehr Kimon, Xanthippos und Myronides als gesandte genannt waren.
Vielleicht ist auch an anderen stellen, an denen zwischen Plutarchs
44 Plutarchos.
C. 42 wirft der verfasser Herodot vor, dass er die Athener
abwechselnd hebe und erniedrige. Erst lasse er dieselben mit den
Tegeaten unter berufung auf ihre früheren verdienste um die füh-
rung des linken flügels hadern, wührend ihnen später von den
Spartanern sogar der oberbefehl (vielmehr nur die stellung auf dem
rechten flügel) überlassen werde. Bei Plutarch Aristid. 12 wird
das verhalten der Athener den Tegeaten gegenüber, an dem der
verfasser besonders anstoss zu nehmen scheint, ganz abweichend
geschildert, Als die Tegeaten unter hinweisung auf die thaten
ihrer vorfahren die führung des linken flügels beanspruchen, erfüllt
dieses ansinnen die Athener mit unwillen. Aristides erklärt indes-
sen im namen seiner mitbürger, dass es jetzt nicht zeit sei, mit
den Tegeaten über rang und verdienste zu streiten; die Athener
seien vielmehr bereit, an jedem platze, den ihnen die Spartaner an-
weisen würden, so zu kampfen, wie es dem ruhme ihrer früberen
thaten entspräche. Hier verschmühen es also die Athener, sich
überhaupt mit den Tegeaten in einen streit einzulassen, wahrend
sie bei Herodot, obwohl sie sich schliesslich mit jedem platze zu-
frieden erklären, in langer rede nachzuweisen suchen, dass ihnen
im hinblick auf ihre früheren verdienste die führung des linken
flügels zukäme, Also auch hier ist der herodoteische bericht in
einer der ansicht unseres verfassers entsprechenden weise abge-
ändert 44),
An dem eigentlichen kampfe bei Platää betheiligten sich nach
Herodot nur die Spartaner, Athener und Tegeaten. Von den übri-
gen coutingenten wird berichtet, dass dieselben sich bei dem der
Schlacht vorhergehenden stellungswechsel nicht nach dem vorge-
schriebenen orte gewandt hätten, sondern aus furcht vor der per-
und Herodots bericht ein analoges verhültniss stattfindet, Idomeneus
als quelle anzunehmen. Schmidt, Perikleisches zeitalter IT, 277 ff.
hält Idomemeus geradezu für die hauptquelle des plutarchischen
Aristides.
44) Die rede des Aristides enthült übrigens wieder anklünge an
die worte der athenischen gesandten bei Herodot. Vgl. Plutarch:
Teysdtass uiv avreneiv nigi evyevsiac xai dvdoayadias 6 nagwy xasQüg
où didwos . . . ixousy yàg ob roi; Ovumayoıs oramsdoovszs, Alla uayou-
pvo» Toig nolsuíosg mit Herod. IX, 27 in.: énordusÿa pév osvodor
ve Bayne eivexa ovllsyivas npòs tov BapBapor, all’ od Acyor und
27 fin.: all’ où yao tv ro tod rakıos slvexa oraaıdlew noénes. Viel-
reicht, schöpft auch hier Plutarch wieder aus [domeneus. Vgl.
no .
Plutarchos. 45
sischen reiterei, der sie gerne hätten entgehen wollen, nach dem
Heräon bei Platää geflohen seien. Dort seien sie während der
ganzen schlacht geblieben; erst auf die kunde des von Pausanias
erfochtenen sieges bitten sich die Korinthier, Megarer und Phlia-
sier zur verfolgung des feindes aufgemacht. Die Korinthier seien
indessen gar nicht mehr mit demselben handgemein geworden, wäh-
rend die thebanische reiterei die Megarer und Phliasier mit be-
tráchtlichen verlusten zurückgeworfen habe (IX, 52 und 69). Das
verhalten der dem kampfe fern gebliebenen coutingente wird von
Herodot IX, 60 geradezu als ngodoota bezeichnet. Der verfasser
unserer schrift bekümpft c. 42 diese ganze darstellung mit ent-
schiedenheit, indem er die auf dem platäischen und delphischen sie-
gesaltar angebrachten weiheinschriften, sowie andere zeugnisse als
beweise dafür anführt, dass alle contingente am kampfe theilge-
nommen hätten. Auch hier trifft Plutarchs darstellung (Aristid.
17 ff) in den wesentlichsten punkten mit den ansichten des ver-
fassers zusammen. Was zunächst den stellungswechsel betrifft, so
berichtet allerdings Plutarch in übereinstimmung mit Herodot, dass
die meisten contingente sich gegen die anordnungen der feldherrn
nach Platää gewandt und sich dort in unordnung gelagert hätten.
Dagegen fehlt die von dem verfasser beanstaudete bemerkung, dass
der rückzug aus furcht vor der persischen reiterei erfolgt sei;
vielmehr war nach Plut. Aristid. 16 fin. lediglich wassermangel,
der übrigens von Herodot IX, 50 ebenfalls als motiv erwähnt
wird, die ursache des stellungswechsels, Während der schlacht
fanden sich, wie Plut. c. 17 berichtet, die einzelnen contingente,
obwohl Pausanias versäumt hatte ein zeichen zu geben, allmählich
zu dem kampfe ein. Ueber die angabe Herodots, dass an dem
kampfe nur die Spartaner, Athener und Tegeaten theilgenommen
hatten, drückt Plut. c. 19 grosses befremden aus, indem er ebenso
wie der verfasser in der inschrift des platüischen siegesaltars und
in sonstigen denkmälern zeugnisse für die betheiligung sámmtlicher
contingente erblickt.
Hierzu kommt nun noch der weitere umstand, dass eine nach-
richt, deren sich der verfasser zur widerlegung Herodots bedient,
uns auch bei Plutarch begegnet. Der verfasser wirft nämlich c.
42 die frage auf, wie es sich denn mit der darstellung Herodots
vereinigen lasse, dass die Athener und Lakedimonier, obwohl sie
46 Plutarchos.
unmittelbar nach der schlacht wegen der errichtung des sieges-
zeichens beinahe selbst mit einander handgemein geworden wären,
doch die übrigen Hellenen nicht von der ehre des sieges ausge-
schlossen hätten. Die nachricht von jenem streite der Athener und
Spartauer findet sich sonst nur noch bei Plutarch Aristid. 20, wo
ebenfalls bemerkt wird, dass beide deswegen beinahe die waffen
gegen einander gekehrt hätten.
C. 43 polemisirt der verfasser gegen die angabe Herodots,
dass bei Platää die Perser, obwohl sie den Helleuen an muth und
kraft nicht nachgestanden hütten, wegen des mangels an schutz-
waffen unterlegen seien (IX, 62). Der verfasser meint, dass ein
solcher sieg den Hellenen nicht zu sonderlichem ruhme gerei-
chen kónne. |n dem ziemlich ausführlichen schlachtbericht Plu-
tarchs (Aristid. 17 ff.) finden wir die beanstandete bemerkung nicht;
vielmehr ergiebt sich aus einer stelle, dass Plutarch sich die Per-
ser als gepanzert dachte. €. 16 wird nämlich bemerkt, die Athe-
ner hütten, nachdem sie die stellung auf dem rechten flügel einge-
nommen, sich gegenseitig ermuthigt durch den hinweis darauf, dass
die ihnen gegenüber stehenden Perser weder bessere waffen noch
grösseren muth hätten, als die, mit denen sie bei Marathon ge-
kämpft: adda tavrà pé» Éxe(vosg 108a, tavia d’ dodMrTog now(A-
paru xuè yovods inl owpuce pudaxoig xai woyaig dvavdgoss.
Plutarch nimmt jedenfalls an, dass die Perser alle so gerüstet ge-
wesen seien, wie der reiterführer Masistios, der nach Herod. 1X,
22 einen goldenen schuppenpanzer und darüber einen purpurnen
leibrock trug.
Wir haben constatirt, dass die darstellung der Perserkriege
bei Plutarch in einer ganzen reihe von punkten mit den in der
schrift de Herodoti malignitate hervortretenden anschauungen zu-
sammentrifit. Diesen übereinstimmungen, die unmöglich alle auf
zufall beruhen künnen, steht keine einzige discrepanz gegenüber,
abgesehen von einigen stellen, an denen Plutarch unter berufung
auf Herodot gerade solche nachrichten mittheilt, die von dem ver-
fasser unserer schrift verworfen werden. Die angaben, um die es
sich handelt, sind folgende:
1) Als die Hellenen nach den ersten unbedeutenden gefechten
bei Artemision schon im begriff sind, von dort abzusegeln, bewir-
ken die Euböer, um zeit für die rettung ibrer ungehörigen zu ge-
Plutarchos. 47
winnen, einen aufschub, indem sie dem Themistokles 30 talente
| schicken, der alsdann seinerseits den Eurybiades mit fünf und den
Adeimantos mit drei talenten besticht (Herod. Vill, 4 ff., mit ge-
ringen ünderungen wiedergegeben von Plut. Them. 7). De Her.
mal. 34 wird bemerkt, dass nach dieser darstellung der sieg bei
| Artemision lediglich durch bestechung, zu der sich noch unterschla-
gung geselit, möglich geworden sei.
2) Bei Salamis zeichneten sich auf hellenischer seite am mei-
sten aus die Aegineten (Her. VIII, 93 und 122. Plut. Them. 17).
Nach de Her. mal. 40 gebührt dieser ruhm vielmehr den Atbenern.
Die nämliche auffassung finden wir auch Diod. XI, 27, 2.
3) Themistokles erpresst von den insulanern geldsummen (Her.
VIII, 111. Plut. Them. 21. De Her. mal. 40).
4) Vor dem entscheidungskampfe bei Platää fordert Pausanias
die bisher auf dem linken flügel befindlichen Athener anf, ihre
stellung auf dem rechten flügel den Persern gegenüber zu nehmen,
da ihnen deren kampfweise bereits bekannt sei, wührend den Spar-
tanern diese erfahrung abgehe (Her. IX, 46. Plut. Arist. 16).
De Her. mal. 42 wird das von den Spartanern angegebene motiv
als lücherlich bezeichnet.
in dem umstand, dass die angegebenen nachrichten in der
schrift de Herodofi malignitate verworfen, von Plutarch dagegen
gerade unter berufung auf Herodot mitgetheilt werden, erblickt
Bahr (Herodot, bd. IV, 481, vgl. die noten zu Her. VIII, 111 und
IX, 46) einen beweis dafür, dass jene schrift nicht von Herodot
verfasst sein kónne. Wie indessen Lahmeyer p. 96 sehr richtig
bemerkt, citirt Plutarch an den erwähnten stellen den Herodot
nicht etwa deswegen, weil er ihm glauben schenkt, sondern viel-
mehr weil er selbst die verantwortung für die betreflenden an-
gaben nicht übernehmen will 4°).
Zwei von den angeführten fallen verdienen indessen noch eine
nähere betrachtung. Wenn Plutarch Them. 7 für die bestechung
des Eurybiades durch Themistokles Herodot als gewülrsmann an-
führt, so sollte man doch wohl annehmen, dass er in der darstel-
lung dieses hergangs Herodot folgt und nicht etwa anderen au-
toren, die über die namliche thathache berichteten. Nun weicht
49) Sogar Hübler p. 9 ist geneigt, dies zuzugeben.
48 Plutarchos.
aber Plutarch in mehrfacher hiusicht von Herodot ab. Wie Plu-
tarch berichtet, beschlossen die Griechen den riickzug von Artemi-
sion nicht bloss wegen der grossen iibermacht der vor ihrer front
liegenden feindlichen flotte, sondern auch weil sie erfahren hatten,
dass 200 persische schiffe im begriff seien, Eubéa zu umsegeln
und ihnen den rückzug abzuschneiden. Hiernach war es also auch
eiu strategischer grund, der die Griechen zum rückzug bestimmte,
während Herodot, der die absendung jener 200 schiffe erst später
erfolgen lässt (VIII, 7), lediglich furcht vor der gegenüber befind-
lichen übermacht als motiv angibt. Der de Herod. mal. 34 gegen
Herodot erhobene vorwurf, dass er die Hellenen aus feigheit (xa-
zadesAıacarıac) den rückzug beschliessen lasse, trifft demnach Plu-
tarchs darstellung nicht. Ferner muss hervorgehoben werden, dass
nach Herodot Themistokles den grössten theil der bestechungs-
summe für sich behielt, während Plutarch schlechtweg sagt, er |
habe das geld dem Eurybiades gegeben “). Hier wird offenbar,
wie Blass (in der einleilung zu seiner ausgabe von Plut. ‘Themist.
p. 9) bemerkt, ein dem 'Themistokles nachtheiliger zug absichtlich
unterdrückt 1*). Dass Plutarch nicht etwa selbst den bericht He-
rodots abgeändert hat, sondern einer anderen quelle folgte, sehen
wir daraus, dass der von Plutarch erwähnte eubôische gesandte
Pelagon von Herodot nicht genannt wird.
Ebeuso weicht Plutarch in bezug auf den stellungswechsel
der Athener vor der schlacht bei Platää (Aristid. 16) erheblich
von Herodot ab. Während bei Plutarch Aristides besonders er-
wühnt wird, ist bei Herodot IX, 46 nur von den athenischen feld-
herrn im allgemeinen die rede. Ferner leisteten nach Herodot die
athenischen feldherrn dem verlangen des Pausanias bereitwillig
folge; nach Plutarch bedurfte es dagegen erst der vorstellungen
des Aristides, um die übrigen feldherro von ihrem widerstand ab-
zubringen. Auch die von Plutarch mitgetheilten worte, durch die
46) Ueber den grund, weshalb Adeimantos von Plutarch nicht
erwühnt wird, s. p. 40.
47) Das nämliche bestreben finden wir auch Plut. Them. 17, wo
von der reise des Themistokles nach Sparta die rede ist. Herodot
bemerkt ausdrücklich (VIII, 124), Themistokles habe sich dorthin be-
geben in der absicht geehrt zu werden. Plutarch sagt dies nicht,
sondern berichtet vielmehr, dass die Lakedümonier Themistokles zur
reise nach Sparta veranlasst hütten.
Platarchos. 49
die Athener sich gegenseitig zum kampfe gegen die Perser ermu-
thigen, sind bei Herodot nicht angegeben.
In beiden fallen ist also Plutarch einem autor gefolgt, der
einen von Herodot abweichenden bericht gab. Wie erklart es sich
nun, dass trotzdem Herodot und nicht jene andere quelle citirt
wird? Schmidt (Perikl. zeitalter 11, 136) meint, an der zuerst
besprochenen stelle würde Herodot deswegen citirt, weil die von
Plutarch citirte hauptquelle über die art, wie Themistokles die eu-
böische bestechungssumme verwandte, keine auskunft gegeben habe.
Allein gerade in bezug auf diesen punkt zeigt Plutarchs darstel-
lung, wie wir vorhin sahen, eine bemerkenswerthe abweichung von
dem bericht: Herodots. Also auch die angabe, für die Herodot
ausdrücklich als gewahrsmann geuaunt wird, stammt aus einer an-
deren quelle. Hinsichtlich der zweiten stelle bemerkt Schmidt 1l,
280 selbst, dass die auführuug Herodots anstoss errege. Die ver-
muthung Schmidts, dass die fraglichen citate etwa aus einem autor
entnommen seien, der seinerseits Herodot benutzte, hat wenig
wahrscheinlichkeit. Wie nämlich Schmidt selbst I, 206 hervorhebt,
kam es auf historischem gebiet bis zum zweiten jahrhundert vor
Chr. überhaupt hóchst selten vor, dass man des blossen nachweises
einer entlehnung halber einen autor citirte; mau kann dies also
bei den für Plutarchs Themistokles und Aristides in betracht kom-
menden gewährsmäunern, von denen keiner nach dem zweiten jahr-
hundert vor Chr. lebte, nicht leicht voraussetzen. Auch bleibt bei
der annahme, dass an jenen beiden stellen die aufülrung Herodots
aus einem anderen autor entlehnt ist, ganz die nämliche schwie-
rigkeit wie im falle einer directen benutzung; auch hier erhebt
sich die frage, wie ein autor, der einen von Herodot in mehr-
facher hinsicht abweichenden bericht gibt, dazu kommt, sich gerade
auf diesen geschichtschreiber zu berufen. Einigermassen begreiflich
ist jedoch das verfahren Plutarchs, wenn er der verfasser der
schrift de Herodoti malignitate war. In diesem falle konnte ihm
daran gelegen sein, gerade Herodot für jene gehässigen erzählun-
gen, obwohl er deren details aus späteren quellen entnalm, ver-
antwortlich zu machen.
Bemerkenswerth ist es übrigens, dass Plutarchs bericht über
den stellungswechsel der Athener vor der schlacht bei Platää eine
wendung enthält, die sich nicht bei Herodot, wohl aber an der
Philologus. XLII. bd. 1. 4
50 Plutarchos.
entsprechenden stelle der schrift de Herodoti malignitate findet.
Plutarch bemerkt nümlich (Aristid. 16), die athenischen feldherrn
hätten es für rücksichtslos und übermüthig gehalten, dass Pausanias,
während er die anderen contingente in ihren stellungen belasse,
die Athener allein wie heloten hin- und herschiebe (157 &AÀg» dwr
take dv yuQa movous arw xai xurw utragéQtu Opus woneg ef-
Awrug). In ganz ähnlicher weise wird de Herod. mal. c. 42 von
Herodot selbst gesagt, dass er die Athener, indem er sie ihre stel-
lung wechseln lasse, auf erniedrigende weise hin- und herschiebe
(xaraBuddes thy nolıy ürw xai x&rw peragtowr). Hierzu kommt
noch eine weitere schwerlich auf zufall beruhende übereinstimmung.
Die auffassung Plutarchs nämlich, dass die Lakedümonier, indem
sie den Athenern die führung des rechten fliigels überliessen, diesen
gleichsam den oberbefehl abgetreten hätten, begegnet uns, ohne
dass wir bei Herodot eine derartige bemerkung finden, in gleicher
weise wieder in der schrift de Herod. mal.: öAlyo» dé toregoy av-
roig Muvourluy xai Iragrıurag ıng fyeuov(ac vyleodaı.
Die bisherige untersuchung hat gezeigt, dass Plutarch in der
darstellung der Perserkriege die von dem verfasser unserer schrift
beanstandeten angaben entweder, was in der überwiegenden mehr-
zahl der fälle geschieht, ebenfalls verwirft, indem er einer anderen
relation folgt, oder wenigstens für dieselben keiue verantwortung
übernimmt. Ferner haben wir gesehen, dass Plutarch und der ver-
fasser nicht nur dieselben quellen benutzen uud sich manchmal so-
gar auf die nümlichen zeugnisse berufen, sondern auch mitunter in
der beurtheilung der thatsachen eine auffullende übereinstimmung
zeigen. Die annalıme, dass wir es hier mit zwei von einander un-
abhängigen autoren zu thun haben, ist von vornherein ausgeschlos-
sen; denn es wäre doch ein seltsamer zufall, wenn beide stets
dieselben quellen benutzt hätten. Selbst wenn wir diesen fall
setzen wollten, würde die hier und da hervortretende übereinstim-
mung iu der auffassung sich nicht leicht erklaren lassen. Andrer-
seits ist aber auch das verháliniss zwischen der darstellung Plu-
tarchs und den ausführungen des verfassers nicht etwa ein derar-
tiges, dass man eine benutzung des einen durch den anderen ver-
muthen künnte. Es bleibt also nur die annahme übrig, dass der
verfasser unserer schrift kein anderer ist, als Plutarch selbst.
Dieses ergebniss wird noch dadurch bestátigt, dass auch an-
Plutarchos. 51
derweitige geschichtliche angaben Plutarchs mit den ansichten des
verfassers durchaus im einklang stehen.
€. 16 und 27 polemisirt der verfasser gegen die angabe He-
rodots, dass Pisistratos nach seiner ersten vertreibung aus Atben
durch ein bündniss mit dem Alkmaoniden Megakles wieder in den
besitz der tyrannis gelangt sei. Er halt dies aus dem grunde für
unwahrscheinlich, weil die Alkmäoniden doch diejenigen gewesen
seien, die ihre vaterstadt von der tyrannis befreit hätten. Bei
Plutarch Solon 30 ist nun das verhalten des Megakles ganz so
geschildert, wie es der verfasser unserer schrift voraussetzen zu
müssen glaubt. Plutarch berichtet námlich, dass gleich nach der
eiouabme der Akropolis durch Pisistratos Megakles mit den an-
deren Alkmäoniden die stadt verlassen habe. Ebenso steht es, wie
wir bereits oben (p. 36) gesehen haben, in einklang mit den vom
verfasser aufgestellten grundsätzen, wenn Plutarch Them. 23 nichts
von einer betheiligung des Themistokles am verrath des Pausanias
berichtet, sondern die dem Themistokles gunstigere darstellung des
Ephoros acceptirt. Ferner móge uoch bemerkt werden, dass Plu-
tarch ebenso wie der verfasser an der von Herodot ll, 45 verwor-
fenen sage von den menschenopfern des ägyptischen königs Busiris
festhält. Vgl. De Her. mal. 12 mit Plut. Theseus 11 und De fort.
Alex. II, 11. )
Mitunter finden wir auch, dass Plutarch den charakter oder
die handlungsweise einer person gerade so beurtheilt, wie es der
verfasser verlaugt. De Her. mal. 2 wird es für boshaft erklärt,
wenn jemand den Nikias JeoAnzzog nennen wollte, statt im an-
schluss an Thukydides den ausdruck Jecaoum noocxelueros zu ge-
brauchen. Der letzteren bezeichnung "bedient sich auch Plutarch
Nic. 4. Ferner finden wir die ansicht des verfassers, dass Alexan-
der nichts ohne mühe und anstrengung erreicht habe (c. 7), aus-
führlich begründet in Plutarchs schrift de fortuna Alexandri. In
ganz der nümlichen weise beurtheilen beide die erfolge des Timo-
theos (De Her. mal. 7. Plut. Timol. 36. Sull. 6). Ebenso theilt
Plutarch mit dem verfasser die ansicht, dass der jüngere Cato sich
nicht etwa deshalb das leben genommen habe, um einem schimpf-
lichen tode von seiten Cäsars zu entgehen, sondern dass ihn viel-
mehr andere gründe hierzu bestimmt hätten (vgl. De Her. mal. 6
mit Plut. Cat. Min. 66). Die ermordung Alexanders von Pherä
4*
52 Plutarchos.
endlich durch seine gattin Thebe wird von beiden als eine that
betrachtet, die ihren grund nicht etwa in eïfersucht, sondern in
verabscheuung des schlechten (uscomorngta) hatte (vgl. De Her.
mal, 6 mit Pelop. 28).
Unter den geschichtlichen angaben des verfassers wiisste ich
nur zwei anzuführen, die mit bemerkungen Plutarchs im wider-
spruch stehen. De Her. mal 33 wird nümlich eine zwischen Bóo-
tern und Thessalern gelieferte schlacht nur kurze zeit vor die
Perserkriege gesetzt, während dieselbe nach Plut. Camill. 19 mehr
als 200 jahre vor der schlacht bei Leuktra stattfand. Sodann er-
wühnt der verfasser c. 1 einen ausspruch des Philippos, der Plut.
Tit. 10 den Aetolern zugeschrieben wird. Auf solche geringfügige
abweichungen, die den zahlreichen übereinstimmungen gegenüber
ganz verschwinden, ist aber um so weniger gewicht zu legen, als
auch sonst bei Plutarch sich einander widersprechende angaben
vorkommen 8),
Ein weiteres indicium für die echtheit unserer schrift liegt
in der mehrfach hervortretenden übereinstimmung mit den religiósen
ansichten Plutarchs. Es entspricht, wie wir bereits gesehen haben
(p. 33), durchaus den anschauungen Plutarchs, wenn der verfas-
ser von der entlehnung griechischer götternamen und culte aus
Aegypten und verschiedenen generationen der gótter nichts wissen
will. Ebenso befindet er sich mit demselben in übereinstimmung,
wenn er Herodots ansicht von dem neide der götter (s. p. 33)
und die erzählung von der bestechung der Pythia durch die Alk-
müoniden (c. 23) zurückweist.
Auch in sonstiger hinsicht lassen sich noch übereinstimmungen
nachweisen. Die bemerkuug des verfassers, dass man verwerfliche
handlungen, die sich jemand habe zu schulden kommen lassen, in
der erzäblung nicht ohne noth erwähnen solle (c. 3), steht ganz
im einklang mit den grundsätzen, die Plutarch in seinen biogra-
phien befolgen zu müssen glaubt (vgl. Cim. 2). Ferner muss be-
merkt werden, dass Plutarch es ebenso wenig wie der verfasser
48) So betrug die zahl der am Eurymedon genommenen persi-
schen trieren nach Cim. 12 200, nach De glor. Ath. 7 dagegen, wo
eine andere quelle benutzt ist, nur 100. Ferner wird Them. 28 als
ankläger des Themistokles Leobotes, der sohn des Alkmäon, genannt,
Aristid. 25 ist dagegen die rede von den angriffen des Kimon und
Alkmäon auf Themistokles.
Plutarchos. 53
für angemessen hält, die weisen Griechenlands als sophisten zu be-
zeichnen (vgl. De Her. mal. 15 mit De ei ap. Delph. 3). Endlich
ist noch hervorzuheben, dass de Her. mal. 9 fin. der scheinbare
freimuth der schmeichler in ganz der nämlichen weise charakteri-
sirt wird wie von Plutarch in der schrift de adulatore e$ amico
c. 5.
Die für die echtheit unserer schrift beigebrachten beweise
sind, wie ich glaube, entscheidend, zumal ihnen keine gewichtigen
bedenken entgegenstehen. Wollte jemand trotzdem Plutarch nicht
els verfasser anerkennen, so bliebe nur die annahme übrig, dass
wir es mit einem raffinirten betrüger zu thun hätten, der ein sehr
grosses studium darauf verwandt haben müsste, in jeder hinsicht
die übereinstimmung mit Plutarch zu wahren. In diesem falle aber
würden die oben (p. 52) angeführten vereinzelten widersprüche
viel mehr befremden, als wenn man Plutarch selbst für den ver-
fasser halten wollte. Auch fragt man vergebens, welchen zweck
überhaupt ein derartiger betrug hätte haben sollen. Bahr wenig-
stens hat diese frage nicht beantwortet. War, wie er annimmt
(Herodot, bd. IV, p. 481), die schrift von einem bóotischen rhetor
oder sophisten verfasst, der sich bei seinen landsleuten in gunst
setzen wollte, so konnte derselbe doch kein interesse daran haben,
seine arbeit einem anderen autor unterzuschieben. Ist aber, was
Bahr ebenfalls für möglich hält, die abhandlung nur ein rhetori-
sches: übungsstück, so lag zu einer fälschung wiederum nicht der
mindeste grund vor. Man kénnte wohl annehmen, dass der ver-
fasser einer solchen arbeit sich bestrebt hatte, Plutarchs ausdrucks-
weise nachzuahmen; warum er aber darauf ausgegangen sein sollte,
seine schrift in jeder beziehung als ein werk Plutarchs erscheinen
zu lassen, ist nicht einzusehen. Wir müssen also dabei stehen
bleiben, dass unsere schrift nur von Plutarch selbst verfasst sein
kann.
Leipzig. L. Holzapfel.
Thukydides IV, 83, 2
ist zu schreiben: Boacldag è6 Aóyovg (statt Aoyoic) ëpn Bov-
Aeodus newrov LIWy moo zoÀfuov “AgdiBaîov Euunayov Aaxe-
daspovlwy . . . 7087004. Im anderen falle würde éA9«» anstoss
erregen.
Leigzig. L. Holzapfel.
Hil.
Zu Plotins zweiter abhandlung über die allgegen-
wart der intelligibeln in der wahrnehmbaren welt.
Enn. VI, 5.
In einer dem Flensburger programm von 1881 beigegebenen
abhandlung habe ich ausgeführt, dass es sich in Enn. Vl, 4 für
Plotin um eine doppelte aufgabe handelt: er will die ungetheilte
allgegenwart der intelligibeln (J.) in der wahrnehmbaren (W.) welt
nicht nur beweisen, sondern auch begreiflich machen; das erste ge-
schieht, indem alle denkbaren anderen annahmen über das verhältnis
des J. zu W. als unmöglich dargethan werden, das zweite durch
beseitigung aller der zweifel, welche sich gegen die denkbarkeit
seiner thesis an sich, und aller derer, welche sich gegen ihre ver-
einbarkeit mit anderen allgemein zugestandenen oder doch gerade
von Plotin gelehrten sätzen erheben. Die zweifel der ersten art
waren nun folgende: es fragte sich: 1. wie kann ein unrüumliches
wesen in einem ráumlichen, 2. wie kann eine substanz in einer
anderen, 3. wie kann ein ding als ganzes zugleich an vielen orten
anwesend sein, 4. wie kann ein grüsseloses sich über ein grosses,
das unermesslich grosse weltall, ausbreiten! Das eigentliche thema
von Enn. VI, 5, der abhandlung, die uns hier beschüftigen soll,
und die mit der vorhergehenden, von der sie erst durch Purphy-
rius gesondert wurde, eng zusammengehört, ist nun, wie sich uu-
schwer erkennen lässt, nicht die nothwendigkeit der in beiden be-
handelten thesis, aber auch nicht ihre vereinbarkeit mit anderwei-
tigen wahrheiten. Wenn vielmehr Enn. Vl, 4 nach einem ziemlich
Plotinos. 55
weitläuftig geführten nachweise für diese vereinbarkeit mit den
worten schliesst: zu dé avalaßorres tov LE doy; Aoyor À6-
ywpev, so bestätigt sich die nahe liegende vermuthung alsbald, dass
der 25 dgyg; Aoyog, der wieder aufgenommen werden soll, kein
anderer ist als der, welcher es mit der inneren widerspruchs-
losigkeit unserer thesis zu thun hat. Allein auch so würden wir
das thema der zweiten dieser inhaltlich zusammengehörigen ab-
handlungen noch nicht mit der nüthigen genauigkeit ausgedrückt
haben. Die eingangsworte von Enn. VI, 5: 10 & xal ravtdy
“psp navtayou aua odov evar... stimmen mit der ge-
meinsamen überschrift, welche diese abhandlungen in der ausgabe
des Porphyrius erhalten haben !), allerdings fast völlig überein,
bezeichnen aber, gerade indem sie sich von dieser nur durch die
weglassung von ov und die hinzufügung des dgiJuug) unterscheiden,
mit der wünschenswerthesten schärfe die vereinzelte schwierigkeit,
welche in der that den gegenstand der ganzen zweiten abhandlung
bildet. Von der unräumlichheit, der grössselosigkeit, ja selbst der
substantialitat des Intelligibeln wird hier im principe wenigstens
abgesehen, es soll — so wird uns angekündigt — nur die ganz
abstrakte frage, wie ein existentiell (“gı3uw) identisches als gan-
zes und zugleich überall sein künne, also das dritte jener oben
aufgeführten probleme, noch einmal ausführlicher behandelt werden.
Allein welcher art soll diese erneute behandlung sein? Ea
kana doch nur darauf ankommen, jenes dem gewöhnlichen be-
wusstsein unglaubliche verhalten *) glaublich zu machen, Nun ist
zu diesem zwecke in der ersten abhandlung zunächst der begriff,
der hier dem prädikate „gegenwärtig sein, in einem anderen sein“
zukommen soll, festgestellt und erläutert 5), es sind sodann zwei
erfahrungsbeispiele angeführt *), in welchen diese so gefasste ge-
genwart eines in vielen dingen als wirklich, mithin auch als müg-
lich anerkannt werden musste, Jetzt soll jedoch die (cong in
dem unig tov évog xai navrn Ovrog Aoyog?) noch durch andere
1) Megs 109 10 0v fv xai tavrov 0v» apa navınyov elvas olov.
2) C. 4, p. 338, v. 17—18: ... medley ab avsgayn 10 &nsotTov-
Merov... Navtayov 10 avrò Gua Choy elvas. Ich citiere durchweg
nach seiten und zeilen der ausgabe von H. F. Müller.
3) Enn. VI, 4, c. 2
4) Ibid. c. 7.
9) VI, 5, c. 2, p. 336, v. 18—19; vgl. c. 8, p. 540, v. 20—21
56 Plotinos.
mittel errungen werden: es wird in unserer abhandlung von ver-
schiedenen sätzen, deren wahrheit dem Plotin zweifellos scheint,
ausgegangen, und dann, soweit dies noch nöthig ist, der nachweis
geführt, dass die anerkennung jedes dieser sätze unumgänglich die
anerkennung eines verhaltens fordert, welches die ungetheilte ge-
genwart eines existentiell identischen in einer vielheit von dingen
in sich schliesst.
Die sätze nun, aus deren jedem diese gegenwart sich mit
nothwendigkeit ergeben soll, sind folgende: 1. Der in einem jeden
von uns gegenwärtige gott ist einer und derselbe (c. 1, p. 335,
v. 14—15). 2. Alle wesen streben nach dem guten (v. 23—24).
3. Das wahrhaft seiende ist ewig, unveränderlich, unräumlich und
dabei in allen dingen (c. 2, p. 336, v. 23—27 und c. 3, p. 337,
v. 7—14). 4. Der diesseitige gott ist überall anwesend (c. 4,
p. 338, v. 6—7). 5. Die jenseitige natur ist unendlich (v. 19).
6. Wir denken die jenseitigen wesenheiten, ohne bilder oder ab-
drücke von ihnen zu haben (c. 7, p. 340, v. 5—6). 7. Die ma-
terie nimmt an den reinen formen theil (c. 8, p. 340, v. 20—21).
8. Die geformten elemente sind zu einem einbeitlichen kugel-
förmigen weltganzen zusammengeführt worden (c. 9, p. 342, v.
3—4). 9. Das rechte denken ist in allen eines und dasselbe (c.
10, p. 343, v. 30— 31). 10. Wir erfassen mit unseren seelen
das gute (p. 344, v. 14—15). — Die verhaltungsweisen aber,
welche mit jenen anpahmen mittelbar oder unmittelbar gesetzt auch
die an der spitze dieser abhandlung stehende thesis zu einer noth-
wendigen annahme machen, sollen folgende sein: 1. Ein und der-
selbe gott ist als ganzer und untheilbarer in uns allen gegenwärtig.
2. J. ist als ein untheilbares in W. als einer nothwendigen con-
sequenz seines wesens gegenwärtig. 3. J. ist in W. als ein un-
theilbares allgegenwärtig. 4. Der diesseitige gott ist als einer
und ganzer überall zugleich gegenwürtig. 5. J. ist in W. als
ein untheilbares allgegenwürtig. 6. Wir alle, die wir das Jntel-
ligible erkennen, sind mit ihm eines. 7. Die idee ist als eine und
untheilbare überall in der von ihr gestalteten materie gegenwürtig.
8. Des welterschaffende und weltbelebende princip (die seele)
olum . . . st nç Ensoxéporro . . . uälloy &v ele nictsy lei 100. le
youtvov xai uy cy En wo dduvatw ansoreiv. ..; c. 11, p. 345,
v. 18—19: uiyıorov eic mesdw nv Ixsivn 4 guoss ola isti dıdaydeion.
Plotinos. 57
ist absolut eines und als solches in der welt allgegenwirtig. 9.
Des denken (der nus) kommt als absolut eines und für sich be-
stehendes uns allen zu. 10. Wir sind mit dem guten wie mit
den intelligibeln mächten überhaupt zusammen und eines.
Von diesen zehn beweisen sind, wie man sieht, einige, jeden-
falls der 2te, 3te und 5te, gerade demjenigen satze gewidmet, von
dessen wahrheit uns die gesammte erst von Porphyrius in zwei ab-
handlungen zerlegte schrift überzeugen soll, für dessen nothwen-
digkeit auch bereits ip der ersten abhandlung ein beweis geführt
war ©), und für dessen nothwendigkeit hier mehrere beweise in
der ausdrücklichen absicht geführt werden, demjenigen momente,
das ihn den meisten unglaublich macht, an welches sich der un-
glaube am zähesten anklammert, der ungetheilten gegenwart eines
existentiell identischen in vielen dipgen, nun endlich auch glauben
zu erkämpfen ^) Einer dieser beweise, der 3te (c. 2 und 3), be-
folgt nun gar im wesentlichen von denselben voraussetzungen aus-
gehend dasselbe verfahren wie der ip der ersten abhandlung ent-
haltene: ansichten, die von der thesis abweichen, werden als der
natur des Jntelligibeln und anderen wahrbeiten widersprechend zu-
rückgewiesen. Als solche unstatthaften annahmen werden hier aber
folgende in betracht gezogen: 1. die gleichzeitige räumliche all-
gegenwart des J. in W.*), 2. die emanation oder die ausson-
derung gewisser theile aus dem J., die in W. eintreten ?), 3. die
erzeugung eines anderen, räumlich in W. sich ausbreitenden durch
das als unvermindertes ganzes in sich bleibende J.!°). Diese an-
nahmen widersprechen (1) dem in sich und für sich bleiben des J.,
(2) der unräumlichkeit des J. überhaupt, (3) der anderweitig fest-
stehenden ungetheilten allgegenwart der einzelseele in ihrem
körper !!).
6) Vgl. Flensburger programm, 1881, p. 24.
7) Vgl. c. 3, p. 337, v. 25—27: ‘Ayayxn . . . napadiysodas 10 FE
doyas, 10 8v xai 1adıov dosduw uy weuspsoutvov, alla oor or,
TO» alloy .. . undsvog anooratiy . . .
8) Ibid. v. 14—19.
9) Ibid. v. 27 — 28. Vgl. hiezu Zeller, Phil. d. Gr., III, 2. 3te
aufl., p. 497 und 506. Wie entschieden Plotin jede emanatistische
vorstellung verwirft, davon werden wir uns im verlaufe dieser erör-
terungen noch mehrfach überzeugen.
i Ibid. v. 28—30.
11) Durch die in klammern beigefügten ziffern sollen die bemer-
kenswertheren unter denjenigen bestimmungen ausgezeichnet und ge-
58 Plotinos.
Die selbsteigene allgegenwart des untheilbaren J. wird
nun in dem Sten beweise (c. 4, p. 338, v. 18 — c. 6 incl) aus
einer anderen seiner wesensbestimmungen, (4) seiner unendlichkeit,
gefolgert, da das, was nicht allein gegenwärtig sein könne, eben
nur bis zu einer gewissen grenze reiche, also nicht unendlich sei.
— Der zweite beweis aber (c. 1, p. 335, v. 22 — z. schl.), der
eigentlich in zwei beweise zerfállt, geht nicht mehr von einer we-
sensbestimmung des J., sondern,von dem satze aus, (5) dass alle
wesen nach dem guten streben, mit dem sich jedoch unmittelbar
die voraussetzung verbindet, (6) dass das gute für alle wesen ab-
solut eines ist. Dieses hinstreben aller dinge nach einem soll
sich nun allein daraus erklären, (7) dass alles ursprünglich eine
einheit bildet, die daun in gewissem sinne in eine vielheit ausein-
ander geht, (8) und dass dos gute, das ziel des strebens, für diese
eine natur in dem sich selber angehören, in dem sie selber, d. h.
eine sein besteht 1”). Der letzte satz, dass nur das seiende selber
auch das gute sein kann, geht — so wird mit einem offenbaren
logischen fehler gefolgert — schon daraus hervor, dass das gute
nicht ausserhalb des seienden, nicht ein nicht seiendes sein kann.
(9) Sind aber das gute und das seiende identisch, und ist anderer-
seits das gute nur in dem seienden, so wird das eine gute, nach
welchem alle dinge streben, in uns und jedem dinge als in sich
selber, alles seiende also nur eines sein.
Eine andere gruppe von beweisen (der erste und sechste) gilt
— zunächst wenigstens nur — der allgegenwart des untheilbaren
J. oder der intelligibeln wesenbeiten in uns, den geistigen wesen.
(10) Es ist — so belehrt uns der eingang unserer abhandlung —
eine angeborene, also nicht durch iuduction gewonnene, allen men-
schen eigene, ganz sichere und grundlegende erkenntnis, dass der
in einem jeden von uns weilende gott einer und derselbe ist. Zu-
zühlt werden, welche im laufe dieser ausfübrungen als beweismittel
auftreten.
12) Wenn Plotin hier (p. 336, v. 4—5) die bemerkung hinzufügt:
otro dé xai 10 dyadòy opus ay diyosto olxsiov, so ist darin vielleicht
auch eine erinnerung an eine stelle des platonischen Lysis (221 E) zu
erkennen, in welcher das oixsiov, das dort allerdings der annahme nach
mit dem dya9óv» nicht identisch sein soll, auch als ziel des strebens
bezeichnet wird. Im übrigen würen z. vgl. Charm. 168 D, Gorg.
506 E, Rep. IX, 506 E u. Symp. 193 D, wo sich auch der hier von
Plotin gebrauchte ausdruck doyaia qos findet.
Plotinos. 59
gestanden muss freilich werden, dass nur jene thatsache selbst,
nicht die art und weise ihrer verwirklichung den inhalt angebore-
mer erkenntnis bildet, und wenn wir nun an jener wahrheit, der
untheilbaren einheit des J. in uns und allen dingen, zweifeln mögen,
(11) so geschieht dies, weil das überlegende denken selber nicht
eines, sondern etwas getheiltes ist, und weil wir bei unserer über-
legung von falschen principien, nämlich von annahmen ausgehen,
die nur von der natur der körper gelten !). — Der sechste be-
weis (c. 7) stützt sich auf die nicht ausgesprochene voraussetzung,
(12) dass wir die gegenstände unserer erkenntnis entweder selber
sein oder bilder, abdrücke von ihnen besitzen müssen, und nimmt
weiter den satz zu hülfe, (13) dass die jenseitigen erkenntnisob-
jecte nicht in uns, sondern wir nur in jenen sein kónnen. Sind
wir also alle mit dem Jntelligibeln und folglich auch mit einander
eines, so kommt uns doch diese einheit nicht ohne weiteres zum
bewusstsein, weil unser blick für gewöhnlich nicht nach innen,
auf den gemeinsamen ursprung unseres wesens hin, gerichtet ist,
und (14) es nicht jedem und vielleicht nur unter géttlichem bei-
stande gelingen will, die hiezu nöthige umdrehung zu vollziehen.
(15) Wem diese aber gelingt, der wird zwar nicht auf der stelle,
zuletzt aber unvermeidlich von der unausführbarkeit einer realen
scheidung, einer abgrenzung seines ichs gegen die anderen wesen
überzeugt werden, mit anderen worten von seiner substantiellen
einheit mit allem seienden eine anschauende erkenntnis ge-
winnen,
Als eine dritte gruppe bildend liessen sich diejenigen beweise
betrachten, bei welchen die gestaltung der äusseren welt durch
bestimmte mächte der intelligibeln ins auge gefasst wird. Der
siebente beweis (c. 8) beruft sich auf die bildung der elemente
durch die einwirkung der ideen auf die materie, der achte (c. 9
— c. 10, p. 343, v. 30) auf die verbindung der fertigen elemente
zu einem einheitlichen weltganzen und die erhaltung desselben durch
die seele. In dem ersteren wird aus der gleichzeitigen, nicht durch
räumliche berührung bedingten aber unmittelbaren herrschaft der
idee über die ganze von ihr gestaltete materie !4) die unmöglich-
keit aller derjenigen ansichten gefolgert, welche das verhältnis der
13) C. 2, p. 336, v. 12- 18.
14) P. 341, v. 3—6.
60 Plotinos.
idee zur materie in räumlich anschaulicher weise auffassen oder
sonstwie in ihm die gegenwart eines existentiell identischen in vie-
len dingen auszuschliessen suchen. Wenn die idee, beispielshalber
die idee des feuers, nicht für sich bliebe, sondern die von ihr zu
formende materie, von ort zu ort durchliefe, so würde diese ma-
terie eben nicht in jedem augenblicke in ihrer ganzheit die „feuer-
form“ an sich haben !5) Andererseits kann die idee aber auch
nicht für sich bleiben, ‘um auf die materie nur durch eine ge-
wisse ausstrahlung (emanation) einzuwirken, so dass in dieser das
bild jener wie ein spiegelbild im wasser sichtbar würde 16). Die
idee ist ja weder räumlich von der materie gesondert, noch
überhaupt im raume, (16) da sie vielmehr den raum erst aus sich
erzeugt. (17) Die idee ist von dem wahrnehmbaren dinge ferner,
das an ihr thei] hat, doch unvergleichbar verschieden, die idee des
feuers kann nicht selbst wieder feurig sein, wie sie es doch als
ein im raume vorhandenes, ausstrahlendes, also sich stofflich aus-
breitendes ding sein müsste; eine solche annahme widersprüche
auch (18) ihrer unzersprenglichen , unzerstreubaren einheit !").
Bezeichnen „wir“ die einwirkung der idee auf die materie doch
zuweilen als ,,einstrahlung*', so ist dieser ausdruck doch nur ein
bildlicher, der den umstand hervorheben soll, dass die urbildliche
idee mit ihrem nachbilde in der materie eben so wenig identisch
ist, wie die ausstrahlende substanz mit der eingestrahlten 18). —
Unmôglich ist schliesslich die annahme, dass die idee verschiedene
theile mit verschiedenen theilen ihrer selbst gestaltete, oder dass es
für jeden der vielen theile des feuerelementes eine besondere ge-
staltende idee gäbe; so gübe es ja unzühlig viele feuerideeen,
und es fragte sich, wie die theilung vorgenommen werden soll,
wenn das feuer nur eine stetige masse bildet. Es kann vielmehr
nur eine überall mit sich identische idee des feuers geben, welche.
auch dann ausreichen würde, wenn wir dem feuerelemente etwas
hinzutbun, es noch grösser machen könnten, als es thatsächlich ist.
Was von ewigkeit her als ein geschlossenes, wenn auch zu-
sammengesetztes ganzes besteht, lüsst eine unwillkührliche form der
15) P. 841, v. 6—11.
16) Ibid. v. 1—3.
17) Ibid. v. 14—22.
18) P. 840, v. 30—84.
Plotinos. 61
darstelluug als in der zeit allmühlich entstanden erscheinen, weil
unser nachdenken selbst die verschiedenen ‚momente dieser verknü-
pfung, wie eines das andere voraussetzt, nur nach einander zu er-
fassen vermag. Man darf es also nicht missverstehen, wenn wir
erst die elemente aus der materie gebildet und dann zu einem
weltkórper zusammengeführt werden lassen, (19) dessen geschlos-
sene einheit sich schon durch seine kugelgestalt bekundet. Analog
dem verfahren des vorigen beweises werden nun zunüchst !?) als
mit der hervorgehobenen thatsache unvereinbar dargethan: die viel-
heit der schaffenden wesen, von denen etwa jedes in einem beson-
deren theile des weltalls wirksam würe, die vertheilung des einen
schaffenden wesens auf die verschiedenen theile der welt, die ema-
nation aus demselben in den weltkörper — und ähnlich ist auch
die formulierung des schlusssatzes *°): die schaffende macht, zugleich
das bestündig fortwirkende lebensprincip dieses weltganzen, ist ab-
solut einheitlich; (20) es müssen folglich alle seelen nur eine
sein, diese eine aber freilich eine unendliche vielheit in sich
schliessen; es würde ferner diese eine mit sich identisch bleibende
seele auch dann ausreichen, wenn die welt noch grósser werden
könnte ?') — Weiter unten ??) wird dann noch hervorgehoben,
dass auch diese macht von ihrem wirkungsbereiche nicht räumlich
gesondert, ja überhaupt nicht im raume sein kann, weil sie vor
allen im raume befindlichen dingen war, und diese vielmehr jener
macht als einer stütze bedürftig sind, und (21) weil sich ferner
die annahme verbietet, dass jene macht aus ihrem in sich und für
sich sein in die räumliche welt hineiugezogen würde; diese würde
sich so ihres haltes und ihrer stütze berauben und zu grunde ge-
hen, wäbrend jene wenigstens volle sicherheit des bestandes mit
grosser unsicherheit vertauschte. Insofern nun die seele für sich
bleibt, und die äussere welt doch an sie wie an den glücklich ge-
fundenen gegenstand ihres verlangens gebunden ist, hut diese äus-
19) C. 9, p. 312, v. 2—12.
20) Ibid. v. 12—21.
21) Ich lese v. 16 und 17: dió xai oi uiv &gs9uór Elsyor, oi de
ab10r abLovra my quo «brc: das wesen der seele, von einigen als
zahl bestimmt, glaubten andere des zuletzt erwühnten umstandes
wegen als eine sich selbst vermehrende zahl bezeichnen zu
müssen.
22) P. 343, v. 10 — c. 10, p. 343, v. 30.
62 Plotinos.
sere welt ihr zutreffendes symbol an dem thürhütenden Eros, der
immer nur draussen weilt, beständig nach der schönheit verlangt
und froh ist, auf diese ihm allein mögliche weise derselben theil-
haft zu werden; ja sie ist insofern den irdischer liebe ergebenen
überhaupt vergleichbar, weil diese ja auch nicht die schünheit in
sich aufnehmen, sondern nur àusserlich beiwohnend sich zu eigen
machen können. Insofern aber die vielen dinge dieser welt alle
an die seele als ganze geknüpft sind, gleichen sie wieder den vie-
len liebhabern eines geliebten, die diesen doch alle als ganzen lie-
ben, weil er nur als solcher schón ist, und so auch in dem obigen
sinne besitzen, wenn sie, ihn besitzen.
Wir kommen nunmehr zu zwei beweisen, welche auf unserer,
der menschen, theilnahme an bestimmten intelligibeln wesen-
heiten gegründet sind. Wie die äussere welt sich in unmittel-
barer abhüngigkeit von der seele findet, so steht diese wieder zu
einem höheren in beziehung, zunächst zu dem denken 25), dann mit
diesem zu dem guten. Auch für die neunte thesis wird der be-
weis (p. 343, v. 30 — p. 344, v. 14) durch ausschluss der ab-.
weichenden annahmen erbracht, nämlich der annahme, dass ver-
schiedenen individuen verschiedene theile des denkens angehürten,
und der ferneren, dass zwar jeder das denken als ganzes, aber
nur wie jede qualität, z. b. die weisse, nicht als existentiell, son-
dern nur als essentiell ganzes an sich habe. Die erste wider-
sprüche nicht nur (22) der thatsache, dass das rechte denken in
allen eines und dasselbe ist ?*), sondern schlósse auch (23) die là-
cherliche vorstellung ein, dass das denken eines ortes im raume
bedürfte. In der zweiten lige (24) die unhaltbare voraussetzung,
dass das denken eine körperliche bestimmung sei?5). Eine dritte
annahme wird nachträglich °°) kurz abgefertigt, nämlich die, dass
das denken oder der nus in jedem einzelnen eine zwar essentiell
identische, aber existentiell verschiedene substanz wäre. (25)
23) Ich fasse gooveir (c. 10, p. 343, v. 31) nach aristotelischer
bestimmung (De anima III, 3, 3) als og$ws vost».
24) Ich lese v. 32 mit den handschriften und Kirchhoff: où 1:6
piv. wde, rù de dde dv.
25) P. 844, v. 2—5 sind verdorben. Das, was Plotin sagen will,
würde folgender satz ausdrücken: sinsg öyrws ueéríyouev rod qooresiv,
nei iv dei slvas xai 10 avid nav davım ovvoy, ovtasg èxsidey Ey o-
ey xz.
26) P. 344, v. 10—11.
Plotinos. 63
Da diese substanzen unkörperlich sein müssten, gäbe es ja nichts
mehr, was sie von einander trennen und auch existentiell nur eine
zu sein hindern kónnte. — Dass die menschen zur berathung
zusammenkommen ?"), ist einerseits nur eine sinnbildliche
handlung, welche die einheit des von vielen zu gewinnenden
rechten denkens 7°) veranschaulicht, hat aber andererseits inso-
fern einen reellen zweck, als gewöhnlich nicht der einzelne für
sich, sondern nur im verein mit vielen das allen gemeinsame rechte
denken wirklich in sich zu erzeugen, d. h. aufzufinden vermag. —
‚Dass wir menschen aber unser „zusammen sein“ in ihm nicht mer-
ken ?°),.jeder vielmehr seinen ganz besonderen nus zu haben glaubt,
beruht auf einer ähnlichen täuschung, wie wenn wir denselben ge-
genstand mit mehreren fingern berührend verschiedene zu berühren
oder im dunkeln eine und dieselbe saite anschlagend verschiedene
anzuschlagen glauben.
Dass wir alle mit unseren seelen ein und dasselbe gute er-
fassen, wird in dem zehnten beweise (c. 10, p. 344, v. 14 —
c. 12, p. 346, v. 27) wiederum durch ausschluss der entgegen-
stehenden annahmen erhürtet. Ausdrücklich als solche angeführt
werden nur die vertheilung und die emanation??); die erstere
widersprache natürlich der absoluten einheit, die zweite der un-
raumlichkeit des guten. — Wenn nun im vorhergehenden?!) nur
stillschweigend angenommen wurde, dass das denken als eine un-
theilbare substanz nicht nur in uns allen wirke, sondern auch sel-
ber ein integrierendes moment unseres eigenen wesens ausmache,
so wird hier der entsprechende gedanke ausdrücklich begründet 82):
(26) wir empfangen von dem guten nicht als subjecte, die ihm
völlig fremd wären, sondern die zu ihm innerlich gehören, und zu
deren wesen es selber wiederum gehört °°), (27) Eine mittheilung
an ein völlig fremdes, eine eigentlich transcendente *4) einwirkung
27) Ibid., v. 6—9.
28) Ich lese v. 7 mit den handschriften und Kirchhoff: ws els &v
to goovew lovıw».
29) Vgl. c. 7, p. 340, v. 11—12.
30) P. 344, v. 15—19.
31) Ibid. v. 11—12.
32) Ibid. v. 19—28.
33) Ich lese v. 19—21 folgendermassen: x«é didwos to didoy 1015
dauBavovow, iva övıws daufavrwow, ov Toig allorpioss, «Aia roig Faviod.
34) V. 22: nounsos doo.
64 Plotinos.
ist nicht einmal innerhalb der kórperwelt, geschweige denn in dem
intelligibeln möglich. Auch das an der natur eines kórpers, was
auf einen anderen körper übergeht 35), ist trotz der räumlichen
trennung beider kórper eines wesens mit diesem anderen, (28)
und die gesammte kórperwelt bekundet sich als eine geschlossene
wesenheit, indem sie nur in sich selber wirkungen ausübt und er-
. führt und keiner von aussen kommenden einwirkung zugünglich ist.
Was nun unter kórpern, zu deren natur doch das ausser sich sein,
das fliehen vor sich selber gehört, unmöglich ist, das wird unter
ausdehnungslosen wesen erst recht unmöglich sein. Wir sind dem-
nach mit dem guten nicht nur eines wesens, sondern aucb mit ihm
sowohl als überhaupt mit den intelligibeln müchten, welche uns
beherrschen, ,zusammen'* °°), weil ja das, was nur ein wesen aus-
macht, im intelligibeln nicht mebr räumlich aus einander gezogen
sein kann. Wäre die intelligible welt nicht noch in diesem wei-
teren sinne eines, würe sie nur in dem sinne eines wie auch die
kórperwelt, so hätten wir ja eigentlich nur zwei wahrnehmbare
und theilbare welten, zwei weltkugeln, die sich wesentlich in nichts
unterschieden 5”), Während nun die eine dieser welten, in welcher
jeder theil schon von natur ein ausser sich seiendes ist, schlechter-
dings nicht anders als ausgedehnt sein kann, würde die andere,
85) Ich lese v. 24 mit Kirchhoff: eis ro «vro. — Die von einer
substanz ausgehende wirkung denkt sich zwar Plotin, wie wir auch
gerade aus dieser abhandlung lernen kónnen, ganz gewiss nicht als
einen von dieser substanz sich ablósenden theil, aber doch erscheint
bei ihm die wirkung hypostasiert, als etwas, das an und für sich
seine eigenschaften hat, die sich erst nach dem eintritt in die lei-
dende substanz als zutrüglich oder schüdlich erweisen (vgl. nament-
lich Enn. IV, 4, c. 38), als etwas, das unter umstünden auch gar
nicht in eine andere substanz einzutreten braucht. „Wirkungen“
dieser letzteren art sind nach Plotin (Enn. IV, 5, c. 6, p. 95, v. 32
— p. 96, v. 4) das licht und das leben. — Die lesart: 5 docs chiov
1j allov cvyyeris (v. 24—25) kann nun nicht richtig sein, wie mir
denn überhaupt alles von m°A herrührende des hôchsten misstrauens
würdig zu sein scheint. Es kommt hier ja nicht auf die verwandt-
schaft zweier wirkungen mit einander, sondern gerade auf die ver-
wandtschaft der wirkung (docs) mit der leidenden substanz selbst
an: es muss also heissen: 7 déc &ÀÀov &ÀÀov ouyysyng. Ueber ovy-
yerns c. gen. 8. d. lex.
96) P. 344, v. 28 — p. 345, v. 6.
37) Ich glaube mit Vitringa ovdé» für wore (p. 345, v. 4) setzen
zu müssen, würde aber weder hinter usuepsouévos (v. 3) noch hinter
dioics (v. 4) eine interpunction für angezeigt halten.
eo — —997 —
x — — — . nase u ss
Plotinos. 69
bei der keinerlei nóthigung hiezu vorliegt, durch ein solches sich
ausspreizen, aus sich heraustreten nur lächerlich erscheinen.
Ein einziger beweis, der vierte (c. 4, p. 338, v. 6 — v. 18),
ist nun noch rückstündig. Es fragt sich, welches verhältnis wir
eigentlich zu verstehen haben, wenn an jener stelle von dem überall-
sein „dieses gottes hier“ die rede ist. Wer ist ,dieser** gott, der
ausdrücklich und wiederholt 5°) dem jenseitigen entgegengesetzt
wird? Will man nach dem eben dargelegten wirklich dem Plotin
den gedanken zutrauen, der freilich mit den grundbestimmungen
seiner philosophie, wie mir scheint, schwer scheinbar wäre, dass
die körper nur die modi einer untheilbaren substanz seien 5°), so
liegt die vermuthung nahe, dass ,,dieser“ gott soviel als der „dies-
seitige“, nämlich die eine der gesammten wahrnehmbaren welt zu
grunde liegende substanz sein soll. Der gang jedoch, den die aus-
fübrung Plotins nimmt, und die art der angewandten gründe ver-
bietet diese annahme. „Dieser“ gott wird also wohl nur als ein
beliebiger einzelner der vielen nach dem volksglauben vorhandenen
persönlichen götter, welche je nach umständen hie und da in den
weltlauf eingreifen, „jener“ umfassenden göttlichen macht entge-
gempesetzt sein, von welcher die gesammte wahrnehmbare welt
als eine nothwendige wirkung von ewigkeit her in jedem
augenblicke in ihrem sein und wesen abhängig ist. — Der be-
weis zerfällt nun in zwei abschnitte, in deren erstem (— v. 10)
die allgegenwart dieses gottes überhaupt, in deren zweitem sein all-
gegenwärtig sein als ein existentiell überall mit sich identisches ver-
fochten wird. (29) Es ist ein von allen, die nur eine vorstellung
von göttern haben, anerkanntes axiom, dass alle götter (nicht
etwa bloss der jenseitige) überall zugegen sind 4°), eine wahrheit,
die sich übrigens auch beweisen liesse. Die zweite thesis wird
durch ausschluss der einzig hier in betracht kommenden entgegen-
38) P. 338, v. 8—9, v. 19.
39) Weitere belege für diese annahme, die doch viel zu denken
geben, liessen sich übrigens aus der umfangreichen ausführung über
betswirkung, zauberei und astrologie, Enn. IV, 4, c. 30-45 incl,
eibringen. Vgl. z. b. c. 33, p. 75, v. 26— 33.
40) Vgl. Xenophon Apomn. I, 4, 18: ywwoss 10 Ssïov . . . . (ua
narra 0gü» xai navta axovew xai navtayoù napsivaı xai cua nay-
toy insutlecSae — wo dieser satz aber keineswegs als axiom hinge-
stellt, sondern von Sokrates ausführlich gegen Aristodemos (vgl. ibid.
11) bewiesen wird.
Philologus. XLII. bd. 1. 5
66 Plotinos.
stehenden annahme, nämlich der vertheilung, erhärtet. Dieselbe
widerspräche zunächst der ersten thesis, nach welcher dieser gott
selbst überall sein muss, ferner der absoluten einheit, ja der
selbsterhaltung seines wesens in allen seinen beziehungen zu un-
serer welt, da eine theilung, wenn sie möglich, für ihn gleich der
vernichtung wäre, und die blosse summe aller theile doch niemals
wieder das ganze sein könnte, schliesslich auch seiner unkörper-
lichkeit. Der satz von dem überall sein eines existentiell iden-
tischen, der so allgemeinem unglauben begegnet, hat sich also hier
allerdings nur unter einer voraussetzung, nämlich unter der,
dass man überhaupt an das dasein einzelner persönlicher götter
glaubt, dann aber als eine durch ein allgemein angenommenes
axiom vermittelte nothwendige folgerung erwiesen.
An einer stelle dieser abhandlung indess 4!) deutet Plotin auch
an, wie jenes verhalten ohne widerspruch zu denken wäre, damit
wir die möglichkeit desselben, an die wir nun wohl nachgerade
glauben müssten, auch begreifen. Der widerspruch wird natürlich
durch die erklärung beseitigt, dass das existentiell identische zu
den vielen dingen, denen es „gegenwärtig“ sein soll, in gar kei-
ner äusserlichen beziehung, sondern gauz allein in jener in-
neren realen beziehung steht, welche als ein ,,theilnehmen dieser
dinge an jenem einen bezeichnet zu werden pflegt.
Wir könnten hiemit diese auseinandersetzung abschliessen,
wenn nicht in unserer abbandlung — zwar nicht 7007yovpévws,
aber doch xara ovußeßnxog — noch andere unglaublichkeiten in
betracht gezogen würden. Als ein innerer widerspruch taucht hier
nur noch auf, dass das, welchem man einen bestimmten umfang
zuschreibt, durch sich selbst einen grösseren umfang soll gewinnen
können 47) — genauer ausgedrückt, dass das ganz ausdehnungslose
über die unermesslich grosse kórperwelt sich soll erstrecken kön-
nen #). Von äusseren widersprüchen kommen zur verhandlung die
vielheit innerhalb des J. **) und der umstand, dass nicht alles an
allem theilnimmt %). In allen diesen fallen wird nicht blosse be-
41) C. 8, p. 337, v. 19—21.
42) C. 9, p. 842, v. 21 — p. 343, v. 10.
43) C. 11 — c. 12, p. 346, v. 27; c. 6, p. 339, v. 27 adf.
44) C. 4, v. 22 — c. 6, p. 339, v. 27; c. 10, p. 345, v. 6 adf.
49) C. 11, p. 346, v. 16 adf.; c. 6, p. 389, v. 20—27.
" gp n mw
=
Plotinos. 67
wirkung des glaubens, sondern eine eigentliche erledigung durch
richtigere oder genauere fassung der in betracht kommenden be-
griffe und grundsitze angestrebt.
Gegen den ersten widerspruch wird zunüchst die absolute
grösselosigkeit — in dem einen falle der seele 6), in dem an-
deren der gesammten intelligibeln welt 47) —, sodann die völlige
unráumlichkeit derselben und im anschlusse hieran auch (30) ihre
zeitlosigkeit hervorgehoben. Es folgt die positive bemerkung, (31)
dass die unabünderlich feststehende ewigkeit, welche dem J. zu-
komme, mehr sei als die über unendlich vieles dahinfliessende zeit
und dieselbe beherrsche, etwa wie ein unbeweglicher punkt einer
ins unendliche sich fortsetzenden spirale unaufhórlich ihre richtung
anweise 19). Wie nun der zeitlichkeit dieser welt J. durch seine
ewigkeit überlegen ist, so (32) beherrscht es ihre räumliche uner-
messlichkeit durch eine innere unendlichkeit der kraft‘), Auch
im dem anderen falle, in welchem allein von der seele die rede
ist, wird deren unendlichkeit betont und naher als eine absolut
einheitliche vielheit bestimmt. (33) Absolute einheit und
vielheit kann die allumfassende seele in sich verbinden, insofern
das viele in ihr nicht ein äusserlich zusammengestelltes, sondern
aus ihrem eigenen inneren hervorbrechendes ist und in folge dessen
auch durch ein in allen diesen modificationen ihres wesens sich
identisch bleibendes gesetz beherrscht wird °°). Die gegenwart
46) P. 842, v. 28 — p. 348, v. 1.
47) P. 345, v. 20-26.
48) — p. 346, v. 3.
49) — v. 10.
50) P. 343, p. 2—10. — In VI, 4 (c. 4, p. 321, v. 14—22) fin-
det sich noch die ausdrückliche bemerkung, dass die in der umfas-
senden seele enthaltenen einzelseelen in dieser von ewigkeit her be-
stehen, also nicht erst mit dem kórper entstehen. Die lehre von
der praeexistenz der seele, von den christlichen bischöfen Synesius
und Nemesius bekanntlich noch festgehalten, wurde spüter in der
orientalischen kirche bekümpft, so in dem nicht uninteressanten dia-
loge „Theophrast“ des Aeneas von Gaza und in den beiden stümper-
haften, aber nicht aller originalität ermangelnden byzantinischen
schriften, welche Creuzer (Plotin Megi ro? xadov. Heidelberg 1814, p.
395 und Oxforder ausg. t. II, p. 1416) aus einem Wiener und einem
Vat. cod. veröffentlicht hat, dem Avmdeuxds node Illwrivov, der von
einem gewissen Nicephorus Chumnus (ende des 13ten, anfang des
l4ten jahrh.) verfasst ist, und dem dsddoyos nevi wuyns. Es sei an
diesem orte nur einfach als behauptung hingestellt, wofür ich den
überzeugenden nachweis zu führen seit lange in der lage bin: Es ist
5*
68 Plotinos.
dieses so bestimmten Jntelligibeln in der wahrnehmbaren welt be-
steht nun darin, dass diese an jenes geknüpft ist und von ihm
in der schwebe gehalten wird, d. h. ihr dasein und fortbestehen
demselben verdankt, ferner darin, dass sie an jenem theilnimmt,
d. h. dass ihr wesen sich nach jenem höheren wesen bestimmt, und
dieses in ihr seinen ausdruck findet. J. ist also in W. nicht so
gegeuwürtig, wie das in die materie eingebildete dreieck vielen
einzeldingen innewohnt, da dieses doch nur ein essentiell, nicht ein
existentiell identisches ist, sondern so, wie die selber immaterielle
dreiecksidee sich in diesen dingen als eine ibnen die dreiecksgestalt
verleibende macht bethütigt 5'), nicht so, wie das abstractum mensch
in der materie, sondern so, wie die für sich seiende idee menscb,
nicht so, wie eine qualität, sondern so, wie die einzelseele als
ganze in jedem punkte ihres körpers®?). In dieser seiner bezie-
hung zur diesseitigen welt kann nun J. nicht wegen der grósse
derselben aufgebraucht oder auch nur angebraucht, angebrochen
werden, weil seine kraft keine endliche, aber auch keine unend-
liche grósse, sondern ,im tiefsten grunde“ ihres wesens unend-
lich (Puocoder &meigoc) ist, so dass wir bei einer durch ab-
straction vollzogenen theilung, soweit wir dieselbe auch fortsetzen
mögen, doch immer dieselbe unendliche kraft erhalten 5°).
Aber das ganze J. ist doch nicht eine einzige, wenn gleich
eine unendlichkeit von modificationen befassende substanz, es sind
ja in ibm vielmehr drei müchte von abgestuftem range zu unter-
scheiden, und wenn nun diese vielheit der existentiellen identität
des J. an allen orten nicht widersprechen soll, so dürfen zunüchst
diese drei müchte — was sich für uns nach allem gesagten ohne-
gar nicht daran zu denken, dass die zusätze, die sich in der von
Ambrosius von Camaldula herrührenden lat. übersetzung des Theo-
phrast finden, ursprünglich, wie Wernsdorf (Ausg. des Boissonade p.
XXV) will, dem dialoge des Aeneas angehórt haben und reste grós-
serer fehlender abschnitte sind, welche spätere abschreiber aus übel
angebrachtem eifer ganz fortgelassen hütten, um die rolle des den
christlichen glauben bekämpfenden Theophrast zu verkleinern. Die
zusütze sind von dem übersetzer selber in der missglückten absicht
eingeschoben, den zusammenhang, den das ihm vorliegende durchaus
zerrüttete textemplar nicht mehr bot, einigermassen wiederherzu-
stellen.
51) P. 346, v. 7—20.
52) P. 339, v. 27 — p. 340, v. 2.
53) P. 346, v. 21—27.
Plotinos. 69
hin von selbst versteht — nicht räumlich getrennt sein, ebenso
wenig, wie sich etwa die verschiedenen gedanken innerhalb einer
seele drängen und stossen. An der möglichkeit eines solchen ver-
baltens ist trotz der substantialität jener müchte nicht zu zweifeln,
weil sie ja als wahrhafte wesenheiten keine massen sind 5*). Es
muss ferner in dieser rangfolge das erzeugte immer so an das er-
zeugende gekettet sein, dass, wo nur immer in dem uns nun be-
kannten sinne das dritte, da auch das zweite und erste gegen-
würtig ist 55). Das erste verhalten soll uns durch das bild eines
pusktes verdeutlicht werden, in welchen mehrere linien zusammen-
laufen; insofern jede linie ihren eigenen endpunkt haben muss, ist
hier das dasein einer vielheit von punkten anzuerkennen, die aber
nicht räumlich auseinanderfallen, sondern mit jenem ersten punkte
den wir uns als schon vor den linien vorhanden denken, eines
sind. Jene vielheit von linien aber kann uns hiebei die vielheit
der wahrnehmbaren dinge versinnbildlichen, und ihr zusammentreffen
in einem punkte, der zugleich eine vielheit von punkten ist, den
umstand, dass jedes dieser dinge an alle intelligibeln mächte mit
einander geknüpft ist 55).
Indessen die gegenwart des J. in W. sollte doch nicht allein
darin bestehen, dass dieses an jenes ,geknüpft* ist, sondern auch
dario, dass dieses an jenem ,theilnimmt*. Nun aber lehrt die
gewöhnlichste erfahrung, dass keineswegs alle intelligibeln wesen-
heiten, auf alle punkte dieser welt ihren gestaltenden ein-
fluss üben, und dieser umstand, der uns ja auch für denknothwen-
dig gelten muss, widersprüche also der behaupteten gegenwart des
ganzen J. an allen punkten unserer welt. Es wäre zunächst hier-
auf zu antworten, dass in der that alle gestaltenden müchte des
J. jedem dinge unmittelbar gegenwürtig sind, dieses durch keine
trennenden zwischenriume oder zwischendinge sich dem einflusse
jeuer darzubieten gehindert werde, dass aber (34) an sich nicht
jeder stoff an jeder wesenheit „theilzunehmen“ fähig sei, wie denn
beispielsweise die materia prima nur die elementarformen habe
aufnehmen können 9") Allein diese auskunft ist doch wenig be-
55) P. 345, v. 6—12.
55) P. 338, v. 22—30.
m C. 5.
97) P. 846, v. 16—20.
70 Plotinos.
friedigend. Denn wenn auch unser abstrahierendes denken die ge-
staltung von der erschaffung und erhaltung der dinge zu trennen
vermag, so sind dieses in wirklichkeit doch nur verschiedene seiten
einer untheilbaren wirkung. An diejenige intelligible macht also,
an welcher ein wahrnehmbares ding nicht theilnimmt, wird sich
dasselbe auch nicht geknüpft finden, und somit würen denn viele
jener mächte in vielen dieser dinge der wirklichkeit nach ganz
und gar nicht gegenwürtig. Diesem einwurfe gegenüber ist nun
daran zu erinnern, dass das Jntelligible nicht etwa in einer viel-
heit gegen einander absolut selbstándiger wesen besteht, die nur
insofern auch eines genannt werden können, als sie nicht räumlich
von einander gesondert sind. Dem J. kommt ja vielmehr auch
eine wesenseinheit zu, es ist eine absolut einheitliche un-
endlichkeit. So ist jede einzelseele nur eine modification einer
umfassenden seelensubstanz, aus deren innerem sie mit nothwendig-
keit hervorbricht, und setzt mithin durch ihr sein und wesen mit
nothwendigkeit sein und wesen aller anderen seelen voraus. Die
seelensubstanz selbst aber verdankt ihr sein und ihre natur nicht
einem einmaligen willkürlichen schópfungsacte des ihr übergeord-
neten nus, sie selbst ist vielmehr nur als eine nothwendige und
ewige consequenz seines seins und wesens gesetzt, und der nus
wieder als die des höchsten. An einer stelle unserer abhandlung
scheint ja sogar Plotin nicht nur diesen ursächlichen, sondern einen
substantiellen zusammenhang alles Jntelligibela behaupten zu wol-
len 58). Wie dem nun auch sei, jedenfalls wird das, was unmit-
telbar an irgend eine der niedersten intelligibeln mächte geknüpft
ist und an ihr theilpimmt, damit auch dem ganzen J., das ja io
jeder seiner consequenzen gegenwärtig sein muss, mittelbar also
auch jeder anderen einzelmacht desselben angehören. Dies ist of-
fenbar der gedanke Plotins, wenn er sagt: „das Jntelligible wirkt
auf das ganze mit dem ganzen und auch auf den theil mit dem
ganzen; der theil empfängt zuerst in sich gewissermassen nur die
wirkung eines theiles, es folgt dann aber das ganze“. Diese ge-
genwart des ganzen in der theilwirkung soll dann noch durch
einen vergleich plausibler gemacht werden. Die umfassende idee
mensch, die zu irgend einem einzelmenschen „kommt“, wird in die-
58) P. 344, v. 19 —98.
Plotinos. 71
ser beziehung selbst zu irgend einer specialidee mensch und bleibt
dabei doch auch im allgemeinen „mensch“ 59),
Der schluss der ganzen abhandlung 9") beschüftigt sich zu-
nächst mit der schon einmal ®!) kurz berührten frage: wie gelingt
es uns von J. eine anschauende erkenntnis zu gewinnen? Mit
berufung auf die ewigkeit, unendlichkeit, unerschöpflichkeit des J.,
das zugleich ein absolut einheitliches, also ein innerlich von
leben überschäumendes ist, wird die frage zuerst negativ beant-
wortet: nicht dadurch können wir zu dieser erkenntnis gelangen,
dass wir auf diesen oder jenen ort dieser welt unser augenmerk
richten; wir finden J. nicht dort, das weder als ganzes einen be-
stimmten raum einnimmt, noch über den ganzen raum so verbreitet
ist, dass es in kleine und immer kleinere theile zerlegt werden
könnte, in denen seine kraft sich mehr und mehr bis zu einem
fast völligen erlöschen verlóre. Um J. zu finden, darf man nicht
suchen; aber, wie soll man es finden, ohne zu suchen? Die ant-
wort lautet: nur, indem du dich über alle getheiltheit erhebst und
unmittelbar das ganze ergreifst, indem du auch selber aus einem
theilwesen, das sich gewissermassen als ein so grosses gegen an-
dere abgrenzte, ein ganzes wirst. Freilich ist und bleibt ja jedes
geistige wesen der substanz nach unter allen umständen das ganze,
(36) insofern es aber einen zusatz aus dem nicht seienden an-
nimmt, kann es verkleinert, und insofern es sich von dem seienden,
seiner substanz, ab- und dem nicht seienden zuwendet, kann es
von dem ganzen gesondert werden. Eine vergrösserung unseres
wesens und eine vereinigung desselben mit dem ganzen wird also
eintreten können, indem wir das andere fahren lassen ©), Obwohl
uns demnach allen J. gegenwärtig ist, gelingt es doch nicht allen,
dasselbe zu schauen, wie auch die anderen götter (die dämonen?),
über deren völlige unvergleichbarkeit mit dem jenseitigen gottes-
wesen wir uns übrigens nach allem vorhergehenden klar sein
dürften, von vielen anwesenden häufig nur einem, der eben die
fähigkeit sie zu sehen besitzt, sichtbar werden.
59) C. 6, p. 339, v. 20—27.
60) C. 12, p. 346, v. 27 adf.
61) C. 7, p. 340, v. 18— 15.
62) Vgl. c. 7, p. p. 340, v. 15—19.
Hannover. H. v. Kleist.
IV.
Die fragmente des mathematikers Menaechmus.
Ueber den Menaechmus handeln alle, die iiber die geschichte
der griechischen mathematik geschrieben haben, da er zu den be-
deutendsten geometern der Griechen gehört, Seine persönlichkeit
muss auch ein vielseitiges interesse erregen: bei dem mathematiker,
da er erfinder der kegelschnitte ist; bei dem historiker, da er
lehrer Alexanders des Grossen in der mathematik gewesen sein
soll; bei dem philologen, da er schüler des Eudoxus und des Plato
war und von letzterem einer kritik gewürdigt wurde. Besonders
haben Nic. Theod. Reimer (Historia problematis de cubi dupli-
catione!) etc. Göttingen 1798), C. A. Bretschneider (Die
geometrie und die geometer vor Euklides ?). Leipzig 1870), end-
lich Mor. Cantor (Vorlesungen über gesch. d. math. Bd. I.
Leipzig 1880) den gróssten theil der fragmente des Menaechmus
theils abgedruckt, theils übersetzt, theils behandelt. Aber noch
sind die wenigen fragmente nicht im originaltext zusammengestellt,
Diese zusammenstellung wie ein ganz kurzer überblick über das,
was wir daraus vom Menaechmus erfahren, bildet den bescheidenen
inhalt der folgenden blátter.
I. Exc. Flor. loann. Damasc. bei A. Meineke, ed. Stob. Flor.
t IV, p. 205, Nro. 115 (wie nro. 114 èx id» Seonvov): Mé-
vasguor 10v yewuétonv ‘AhéEurdgos nElov Ovviouwg atta naga-
dovvas tiv yewpergluv 0 dé „w facie", elne, „ara nip tiv
1) P. 89 ff. 56—71. 148, 157 f.
2) P. 155—163.
Menaechmos. 73
zuleav odof slow idwwrixai xal Bacrdexat, iv dé rj yewperela
zacív icu» 0d0ç plu“.
M. Plut. quaestt. conviv. p. 718 F. (= lib. VIII, 2, 1. In
der ed. Tauchn. tom. IV, p. 392 sq.): Madsora yewpergla xara
10» Dilwva aey} xal wnreonolss ovca trav GAdwy [scil ua97-
parur] Euavaysı xoi oreéper vj» diavosrav olov êxxadasgouérnr
xai àmoÀvouérvmv atgrua tie alofnoswg. Où xoi Miarwy ards
iuéupato rovg megi Evdokov xai ’Aogurav xai Mévaiyuor etc
deyavixds xal pnyavizàg zaraoxsvag r0» tov OrtQeoU dindaciacpov
anayew imyssgouvtag (wonsg negwuérous dialoyou dvo pstoac
avaloyov pi nagelxos Außeiv), andddvoIas yàg ovıw xai diaydel-
ceodur TO yewuerolas ayadov avdis éni ta aloInza madivdoo-
provons xal pn pegouéyng avw, und avnAauflavoutrng tw aidlwy
xoi adowpatwy elxovwy, ngog oloneg wv 0 Otog asi Feos lori.
I. Procl. Diad. in I. Euclidis Elementorum librum com-
ment., ed. Friedlein p. 111: Asasget Ó' ad iz» yoauunv ö Te-
pivos newrov pi» elg ijv aouvvderor xai Thy GvrOtrov ........ .
Inwwevonodas dì Tavıag ws tomas tag uèv uno Mevalyuov rag
zwrixag, 0 xai Egat009£vng iotogwy Afysı.
„Mn dì Mevusyulovug xwvoroutiv tosaduc* tag dé vmó
TMsg0&ws, 06 xoi 10 énlygauua Enolnoev dni 1j evpéoes.
soTosis yoopuac ini névie topaic evowy [Edexwdeeg]
Ilíootvg 1wvd° Evexıy daluovus Wacaro™.
al niv dn rosic rouai rdv xwrwv eloiv naguBodn xai uneoßoAn
xai éAlesysc. — Jenen vers überliefert auch Eutocius im Com-
ment. in Archimedis libr. II. de sphaer. et cylindr. (Ed. Archim.
von Heiberg, bd. Ill, p. 112). Er citirt dort des Eratosthenes
distichon an den könig Ptolemáus II über sein u«coAafov (Pap-
pus Coll. III, 21; ed. Hultsch, bd. I, p. 54 f), d. h. ein instru-
ment, um zwischen zwei linien die mittlere proportionale zu finden;
in demselben sagt Eratosthenes:
»Mnôè ov y° “Aoyvtew dvouiyava Egya xvAtvdguv
Mndè Meveyuslovs xwvoioutiv tesa das“.
Den inhalt des Eratosthenischen distichons (ohne diese beiden verse)
überliefert auch Pappus IM, 23 (p. 56 —58); brief und distichon
selbst sind abgedruckt bei Ed. Hiller, Erat. carminum reliquiae
(Leipzig 1872), p. 130 sqq.
IV. Procl. I. I. p. 67:°’Auvxdac de 6 “Hoaxiswing, elg zu
74 Menaechmos.
Marwvos tralowv, xai Míévoiguog axgoarig wv Eddotov xai
IMatwvı dì ovyyeyovws xol 6 adedpòs abrov Aewocigaros Ets
redewrtouv Enxolnoay ıny oÀmv yewperolay.
V. Procl. 1.1. p. 72: IlaAw 10 crosyetov Afyerat dıyws, we
gnow o Mevasguos. xai yàg tò xaraoxsvalor dox tov xaracxeva-
Couévov Growsiov, ws rÓ mowrov mag’ Evxietdn tov devtégov, xai
TOU néprrrou TO Teragıov. oùrw dé xal GAAnAwy elvas modà Gr0i-
zeia Ondrnoetar xaracxevateras yag. 8E. addjdwy. delxvuras yag
xal ix rov rérgacw 0Og9uig elvar tous tds FEw toy edduyodppwv
ywrlag 16 nAnIog thy dyr0g OgFaic leur xal avanalıy ix rovrov
Exeivo. xai Fosxev Anuuars 1d tosovro Orowytiov. aAdwe dé Akysıus
Grosgetor, elg 0 andovorsgov Onugyor Dsasgeitas 10 Ourderor* où-
two dé ov nav Fr, ÓnOTjoeras mavıög Growtiov, dida ta aQgyon-
décrepa 1v Ev anoredfopatog Aoyw ısıayulvwr, woneg ta alın-
pota otosysia twy Fewonuutwy. xaià dé 10ùr0 ToU Grosyelov td
Onparvouevoy xol rà nag’ EvxAsldn oroiyeiu ovverdydn, ta er
ths megs ta éntneda yewperolas, t dé ts Orepeouerglas. ovrw
dé xai Ev roig agetpntexois xoi ev roig Gorgovouixoic Orosyeswoess
70AÀo0i Ouréyquyar.
VI. Procl. | l.p. 77 sq.: "Hóg dì rà» nalawy of wär
ravıa Fewenpara xadeiv n&lwoay, ws oi meoì Trmevosnzor xoi
"uglvouoy ...... où dà avanalıw navıa mooPinpara Àfyesw 2dı-
xalour Wo of megi Mévarypor .wadnpatexol, ıny dé ng0ßoAnv elvas
díir]v: Sie uiv noploacduı 10 [mospevor, Ste dé REQuwQscptvoy
Aaßovıag Ideiv n iſc tour, 7 moio» m, N th nenovder, 7 tras
Eyes mods Ghio oykosıs. xoi Aéyovcw piv 60dds dapgougo xai
yàg of negi Snevounnov xahwc ..... xai où megi roy Mévasypor-
où yag avev tio elg vAny ngoodov xai ai tv Fewenuatwy eloèr
svgecesc.
VII. Procl. 1. 1. p. 253 sq.: Det épeoravesy xal dy. ToVrosg,
ors noddai avisorgopai ylyvorias weudeis xai oùx eloi xvQíwg
avnorgopal- olov nag EEdywvos ägıduog telywrds tor, GAA’ oix
Er, Gaindis, ots mag telywvos EEaywvog tour. alrsov dé dt ro
pév dor xowvôregor, 10 dè peQexWrEQoy xaì xata mavıög Myeras
povor Sarégou Futegov. lg! wy dà 16 mewtwe (mdQyov xai 1d 7
avrò Aaufaveras, En’ Exelvuv xal avtsorgopy magaxodov9e:. xai
rasta ovd? rovg megì 10 Mévasypov xai “Auplvopor Mindey
padnuarsove.
Menaechmos. 75
VIII. Theo Smyrn. Expos. rerum math. ad leg. Plat. utilium,
ed. E. Hiller, p. 201 sq.: Æinütas dè [sc. 0 Hiarwy] zwv quAo-
Goguy 5004 roig cpaleais olov dwvyovg EvWoarıss vovg caorégac
zal 1015 Tourer xuxloıg molvopasglas elonyovvras, woneg "Agı-
crortAng boi xa 10» padnpatixwv Mévaryyog xal Kalnmog,
el zac uiv qegovoac, tug dé dvelstrovens elçnynouvio.
IX. Procl. in Platonis Timaeum p. 149 in libro Ill. (ed.
loann. Valder, Basel 1534): Jlüç uiv ov» duo doJucó» tó9udr
duraròr duo uécas ávaAoyov Aafeïr, jutig dmi 16e 196 moaypa-
r&(ag sugorteg 1)» “Aoguiesor deikım dvaygawopuey, taviny exieEa-
pesos püALov, n tiv Mevatyuov, dıon taig xwvixaig êxeirog yentas
yoappaig, xai rjv toù Egarocdérovs woavrws, dors xavovoc
genza: naqudéos.
X. Eutoc. 1. I. (Heiberg bd. HI, p. 106) überliefert jenen
brief des Eratosthenes an Ptolemaeus Il, und in ihm folgende sätze :
Té» di gilonovwg imdidoriwr Éauroùs xal Cyrovytwy duo rw
doIsowv dvo utcag Aaftiv, “Aoguras uiv 0 Tagavrivos Afyeras
dia rv NusxvAlydqwy evQrxtvas, Evdotos dé diu thy xalouuérwr
xapRvlwy yeapudy. Ovufffnxe dà nácw a«vioig dnodesxtexwe yt-
yeagévas, yéigovgyjoas dì xai elg yos(av neoeiv pon duvaodas
wiry ini Boayd u tov Mevalypov, xa) tavia dvoyegws.
XI. Eutoc. |. I. (Heiberg bd. HI, p. 92 ff):
Z
4
"Qc Mévexpos.
"Eorwoar ai dodeicas dvo ev9eias al A, E. dei dij rwv A, E duo
w£oug Avahoyov evosiv. ytyové£rur xai Eorwoay ul B, T. xai èx-
xelodw Hoss evdeta 3| AH nenequouérn xarà. 10 4 xai nQog
te du T Von xelo9w 5 AZ: xai fy9w meds èedas 7 ZO, xai
76 Menaechmos.
17 B Yon xelodw 4 ZO. inti ovv reeig evFeias avddoyov al A,
B, T, 10 uno twv A, T Yoo lou wj and rig B. r0 aga nO
dodelons ing A xai tig T, rouréors ing AZ, Voov lori no and rig
B, toviéow 1d and ins ZO. ent magafodîc aga ro O, dia rob
4 ytyoopuévgc. nyIwoay nagaddnios al OK, AK. xai Enei dodèy
10 uso B, I° Yoo yo tor 16 Und A, E: dodiv Goa xal 10
tao KOZ. ini unegfolig apa 10 © d» ücvunruirois roig KA,
AZ. dodèr aga 10 O, dig 16 xoi 10 Z. — ovvieD otia, di) otrws.
"Ecw cav ai uiv dodeïous evtetas af A, E. n de ij Sécu n AH
nentQocuérg xatt 10 A, xai yeypagIw dia tov 4 nagafodn,
ns &Ewv piv i AH, 6eIta dé roù eldous ndevgd 5 A. oi dé
xatayomuevas ent tv AH dv óg95 yuvla duracdwoar tè nagd
thy A nuguxelueva ywola nAcın Eyovra rag anolapßavoufvag
vm aviv mods to À onuelo. yeygag9w, xai Foro 7 4O* xoi
009) n AK. xoi y aovunıwWıos taig KA, AZ yeygagtw vneo-
Body, ag” ns al naga tag KA, AZ aydeicas nosnoovow rd yw-
glov Tcov td uno A, E* nti di) 15v napußoinv. teuvérw xara
1d ©, xai xàJtros FyFwoay ai OK, OZ. ini ovv 16 ano ZO
lcov 19 tnd A, AZ, Lour, ds n A moog ınv ZO, i) ZO noóc
ZA. nay inii td tno A, E Toor loi 19 no OZA, Fors, dg
4 A ngog ınv ZO, n Z.f noùç v)» E. aM dg 5 A meds mv
ZO, n ZO neòs ZA. xoi dg aou N A ngóg i)» ZO, i ZO
moog ZA, xai n ZA noòs E. xelodw 1ÿ piv OZ Ton i) B, sj dé
AZ ton i I. Fouv agu, won A nooc mv B, n B ngüg my T,
xai 1 D ngóg E. oi A, B, I, E aga Eins dvadoydy slow. One
Eder vri».
Menaechmos. 77
"Alu.
"Estwoav ul dodeïous duo evIsias mods og9aàg aAAgAni; al AB,
BI: xai yeyovftwoay avi» pfou ai AB, BE: wore elvas, wg
m TB noös BA, ottwe riv BA neòs BE, xai rv BE noòs
BA. xal yFwoar nQóc 0QJàg al AZ, EZ. ins ow dom, wg
n TB sos BA, otws 5 AB neòs BE: 10 aga vno TBE,
rovitore to uno dodelong xal tig BE, Too dor] 16 ano tic
BA, wvréor vis EZ. dimi oùr 10 uno dodelons xoi 19 BE
Tcov dou td and EZ, 16 Z aga antetas wagaBodncs tc meoè
atova ınv BE. naÀw ènel dou», wo f AB nods BE, n BE ngog
BA, 1:0 aga tnd ABA, zovifóu 10 vnó dodelone xai 175 BA,
Tcov loi 19 and EB, touréors ıng AZ. 10 Z aga anretas na-
gafodîg 175 negi aEova mv BA. nauras dé xoi étéous Jodelons
tig moi ry BE. doSiv aga 10 Z. xai xaderos ai ZA, ZE. do-
Jéria aga ta A, E. — ovis oras dé oviws. “Eotwoav al do-
Feious dio evdeia: ngog 009as aAAniass ai AB, BI: xoi ix-
BeBljeFwoay En’ anesgov dno tov B. x«i yergaydw negi &Eova
mv BE nugafoin ws 1e tag xatayoptvas êni ınv BE duvacdui
[1a] nage rjv BI. nadv yeyodpdw negi abovu tiv AB naga-
Body. wg te tag xaiayouévag duvaodaı naga ijv AB. tepovow
dj dàÀjÀag ci nagaßolal. reuvkıwoav xuta 10 Z' xai and toù
Z xaJtro, $y9wcav ul ZA, ZE. int ovv Ev nagußoin xurnxıas
n ZE, wvttow i AB, 10 aga vno TBE toov iari 10. aad BA.
Four aga, wo n TB ngo; BA, i AB ngog BE. nad ind dy
nagafoA; xatixtas 7 ZA, tovitouv 7 EB, 10 aga vnó ABA
Toov éori ı@ and EB. tour aoa, ws i AB noùç BE, i BE
neog BA. al? wc n AB noù BE, oùiws n TB ngo; AB.
Koi ws aga n TB neds BA, i BA noòs BE, xai 7 EB nooç
BA. óntQ Ede evgeiv.
Zu diesen fragmenten glaubt der verfasser diejenigen nicht
hinzufügen zu dürfen, welche auf den Menaechmus von Alopecon-
nesus, den verfasser eines commentars zur Platonischen republik
und angriffspunkt einer Aristotelischen antilogie, zurückgeführt
werden (Photius, Suidas, Eudocia, und nach Pape's lexicon auch
Anon. Menag. zu D. L. 2, 1, n. 12). Die identitát beider hat
Martin (Ed. Theon Sm. p. 59 sq.) vermuthet, Bretschneider aber
(p. 162) als nicht zu entscheiden fraglich gelassen. Beide aber
identificiren wieder diesen Alopeconnesier mit jenem Menaechmus,
78 Menaechmos.
von dessen bemerkungen iiber die sphaeren des himmels Theo v.
Smyrna überliefert bat, was er bei Dercyllidas las (d. h. das obige
fragment VIII). Bretschneider macht daraus sogar ein werk de
sphaeris coelestibus, während Martin das citat des Theo, respective
Dercyllidas, sich aus jenem commentar zu Plato's republik (uud
zwar zu Rep. X, p. 616—617) entnommen denkt.. Von einem
besonderen werke über sphären aber ist nichts überliefert. Da
Theo ferner den Menaechmus mit Calippus zusammenstellt und
beide padnuarsxof nennt, so ist es sicherlich wahrscheinlicher,
dass jenes fragment dem erfinder der kegelschnitte, als dem Alo-
pekonnesier angehürt Man wird also wohl dem geometer Me-
naechmus jene 11 fragmente zuweisen müssen, den Alopekonnesier
aber und commentator des Plato von ihm ebenso zu trennen haben,
wie den bildhauer und historiker Menaechmus von Sicyon (z. b.
bei Plin. N. H. IV, 64 und ófter im ersten buch; bei Suidas, Eu-
docia), der seinerseits wieder vielleicht mit dem geschichtsschreiber
der thaten Alexanders (Suidas) identisch ist.
Giebt es nun einen grund die glaubwürdigkeit der nach-
richten jener eilf fragmente zu bezweifeln? Bei einigen scheint
das der fall zu sein. 1) Bretschneider (p. 163) halt es für wahr-
scheinlich, das die im fragment | vorliegende erzählung „der be-
kannten anekdote von Euclides und kónig Ptolemaios nachgebildet
sei“, Uns will es sogar als sicher erscheinen, dass die klare und
bewusste vorstellung von der geschlossenheit und unverrückbarkeit
der elementaren sätze der geometrie vor der ausarbeitung und fest-
stellung des ganges dieser elemente, wie sie Euklid so muster-
gültig wie anerkannt gegeben hat, weder vorbanden sein noch so
knapp und sicher sich äussern konnte, wie Serenus es dem Me-
naechmus in den mund legt. Aber die worte sind nebensächlich.
Dass Alexander den Menaechmus zum lehrer haben wollte, des ist
die hauptsache. Und diese überlieferung anzuzweifeln giebt es
keinen grund. 2) Was ferner die in den fragmenten Il und X
überlieferte construktion eines instruments betrifft, so kann man
dem, wie geschehen ist, allerdings eine andere stelle des Plutarch
(Vita Marcelli ep. 14) gegenüberstellen. Nachdem dieser autor
nümlich die mechanischen leistungen des Archimedes angedeutet hat,
fährt er fort: Thy yag ayanwpévny ravinv xal megsBontoy deya-
many nokavıo pèv xeveiy ob meg) Eudobor xai ’Agguiar, nowA-
Menaechmos. 79
levtes 1$ ylaguoÿ yewperglay, xai Aoyızjg xai yqappixîs dmo-
del£swc ovx evnogourta nooPifuara ds aloInrwy xai deyavixwy
nagadtiypatwy unegeldovrec, wo 10 megi duo uéoaç ava Aoyov
zgofAgua xal Growtiov dn) noÂlà Tüv yeagpoueywy avayxaiov
elg ogyavixds ÉEñyor duporegos xaraoxevag, pecoygagove THES
axo Kapnviwr yoappiv xoi zunuorwv pePaguolortes dme) dè
Hare» nyavaxınoe xoi dierelvaro noòs adiovs wo ümolAvvrag
xal dsaySeloovrag 10 yewmperglag ayasır, and wy docwparwy
xal rog)» anodsdgacxovons dmi 1a alonra xai moocyowptvng
avdig av cupaos moAAng xai gqogrixüc faravooveylas deouévois,
ovrw diexgl9n yewperolas éxnecovoa punyavexn, xol nmeguogwpérn
xeló» yooroy uno yılocoylas ula TW orgazıwıldar teyvwv dye-
yovss. Hier wird freilich Menaechmus nicht genannt; doch ist
eher glaublich, Plutarch habe an einer stelle ein beispiel für die
von Plato angegriffene art von geometern fortgelassen, als dass er
an einer anderen stelle aus eigener tasche einen solchen namen
einfach hinzugesetzt habe. Auch dass des Menaechmus instrument
sonst ganz verschollen ist, kann bei dem einflusse, den Plato auf
die griechischen denker hatte, nicht wunder nehmen. Plato wie
Eratosthenes standen dem Menaechmus wahrhaftig zeitlich nahe ge-
nug, um verbürgte nachrichten zu überliefern. Plutarch und Eu-
tocius aber haben sichtlich unabhüngig von einander das wieder
erzählt, was ihnen über des Menaechmus instrument bekannt war.
— 3) Den dritten zweifel an der zuverlüssigkeit obiger tradition
könnte man freilich aus dem eingange des commentars des Eutocius
zu den xwyxa des Apollonius von Perge (ed. Halley p. 8) her-
auslesen; wie aber Bretschneider richtig erkannte, widerlegt ihn
Eutocius selbst. — Was danach über den Menaechmus sicher ist,
wird etwa folgendes ?) sein.
Der mathematiker Menaechmus war ein schüler des Eudoxus
von Knidos und des Plato; er wie sein bruder Deinostratos haben
sich um die forderung der gesammten geometrie verdient gemacht
(IV). Daher verlangte ihn Alexander der Grosse zum lehrer in
der mathematik zu haben (1). Die fachgenossen schätzten ihn hoch;
denn Plato würdigte ihn einer kritik (Il); und Eratosthenes (lll.
X), Geminus (HE), Proclus (IV—VII. IX), Serenus (1), Dercyllidas
3) Die in klammern beigefügten zahlen bezeichnen die nummern
der betreffenden fragmente.
80 Menaechmos.
(VIII), Theo von Smyrna (VIII), endlich Eutocius (HI, X. XI) ci-
tirten ihn. Von den fortschritten, welche durch ihn die geometrie
gemacht hat, wird uns folgendes berichtet. Erstens hat er die
drei kegelschnitte entdeckt (IN), indem er senkrecht auf einer sei-
tenlinie eines geraden kegels eine schneidende ebene errichtete; je
nachdem der winkel an der spitze dieses kegels ein spitzer, rechter,
stumpfer war, entstanden die ellipse, parabel, hyperbel. Diese na-
men freilich rühren nicht von ihm her (zzv vv» xaAovuérvg» Ma-
caBoA)v x. r. A. sagt Geminus). Genaueres hierüber sagte Ge-
minus, ohne freilich den Menaechmus zu uennen. Eutocius sagt
(im Comment. in Apoll Perg. Conica, ed. Halley p. 9. Oxf.
1710 fol): Onto noir o Teuivog àAg9tg tonv ors of nada,
xwvov ogeldpevor tov tov OeFoywvlov igsywrouv meQugoQgüv pe
yovons psig Twy mtgi THY GOT» ywrlay nievgàg, elxdtws xal
rovg xwWvoug mavrag 0gJovg UnsAnußavor yérecdas, xai psay 10-
piv iv Exdoro, Ev uiv 1 ogg9oywv(g mv vor xadovutrav llaga-
BoAnv, iv di v apuBivywrlo mv "YntgfloAgy, Ev dì 19 ó£vyo»to
rjv "EMeper® xai Eorı mag’ uvroïs evpeïr ottwe Ovouubouérac
tag ıomag. Durch welche eigenschaften er die curven charakte-
risirte, ist nicht geradezu überliefert, lüsst sich aber aus einem
fragmente (XI) theilweise schliessen (vgl. Bretschneider p. 157 ff.
Cantor 1, 138 ff). Zw.eitens hat Menaechmus mit hülfe seiner
kegelschnitte zwei methoden erfunden, um zwei mittlere proportio-
nalen zwischen zwei gegebenen geraden linien zu finden (IX. XI).
Er hat auch ein instrument konstruirt, um diese aufgabe Jederzeit
praktisch lösen zu können (Il. X). In dieser mechanischen vor-
kehrung sah Plato eine entwürdigung der reinen geometrie, welche
er nur mit den augen des geistes geschaut wissen wollte (Il).
Dem Eratosthenes aber, der, wie schon vorher Eudoxus und Ar-
chytas, selbst ein solches „mesolabum“ erfand, erschien des Me-
naechmus organon ushandlich (X).
Was ferner hat Menaechmus geschrieben? Darüber wissen
wir nichts. Vermuthlich schrieb er nur ein grüsseres werk; hätte
es verschiedene schriften von ihm gegeben, so würden wohl die
spüteren mathematiker einmal einen titel nennen. Sicher ist, dass
er die kegelschnitte nicht in einem besonderen werke behandelte,
da Pappus (Coll. VII, 30 f., ed. Hultsch II, 672 f.) ausdrücklich
sagt, dass vor Apollonius zuerst Aristaeus der ültere (c. 320) eine
Menaechmos, 81
besondere schrift über die kegelschnitte herausgab. Menaechmus
scheint also seine neuen linien in demselben opus behandelt zu ha-
ben, aus welchem Proclus desselben ansicht von dem doppelten be-
griffe des wortes oroıyeiov (V), ferner von der nothwendigkeit, den
begriff nooßinuara, als den allgemeineren, auch auf den der Few-
ejuara auszudehnen (VI), endlich von den bedingungen, unter denen
ein satz sich umkehren lasse (VII), entlehnt hat.
Endlich hat Menaechmus auch der astronomie seine aufmerk-
samkeit geschenkt. Gleich Aristoteles hat er dem Plato gegen-
über die melrheit der sphaeren gelehrt (VIII). Es liegt kein anlass
vor, diesen Menaechmus von jenem geometer zu trennen. Scheiden
von ihm aber muss man sowohl den Alopeconnesier wie den Si-
cyonier Menaechmus, Im übrigen hat es nicht viel männer des
alterthumes gegeben, von deren geistiger arbeit in so wenigen
citaten ein so bedeutendes stück überliefert werden konnte.
Berlin. Maz C. P. Schmidt.
— —
Zu Horatius.
IV, 14, 20: indomitas prope qualis undas | exercet Auster.
In diesen worten wird prope als eine einschränkung des verglei-
ches aufgefasst, und Nauck gibt dazu folgende erklürung: prope
widerstrebt der poetischen emphase, wird aber dadurch,
dass es ruhige schätzung zeigt, wo man sie nicht erwartet, um
so wirksamer. Das verstehe, wer es kann! Wenn ein wort
durch seine prosaische fürbung den poetischen schwung unterbricht,
wenn man es gar nicht an dieser stelle erwartet, dann ist es ent-
weder fortzuschaffen und durch ein anderes zu ersetzen, oder man
muss nach einer anderen erklärung suchen. Diese bietet sich hier
leicht, wenn man prope zu indomitas zieht = „gleichwie auster
die fast unbändigen wogen peitscht*, Dieses particip wird durch
den zusatz prope nicht sehr abgeschwücht, wührend derselbe, zu
qualis gezogen, einem kaiserlichen prinzen gegenüber nicht am
platze sein würde.
Sprottau. C. Hartung.
Philologus. XLII. bd. 1. 6
V.
Philologische beitrüge zu griechischen mathe-
matikern.
Das studium der geschichte der griechischen und römischen
mathematik wird von einer grossen zahl klassischer philologen
nicht für ein vollberechtigtes glied der alterthumskunde angesehen.
Diese abneigung ist theils persónlicher natur, weil das interesse
an der mathematik wie die anlage für dieselbe bei vielen zu ge-
ring ist; theils aber beruht sie auf sachlichen vorstellungen, als
seien für die kenntniss der eigenart des Griechen- und Rómerthums
dergleichen dinge von untergeordnetem werthe. Gegen die persün-
lichen gründe kann nichts eingewendet werden; denn über seine
neigungen ist allein der einzelne selber herr, seine talente aber
kann sich niemand aussuchen. Gegen die sachlichen gründe soll
hier nichts eingewendet werden; denn solche allgemeinen begrüs-
sungsreden vor den hallen einer wissenschaft schrecken mit recbt
jeden schon an der schwelle zurück. Ueber einen punkt aber sieht
sich der verfasser genóthigt eine bemerkung zu machen. Um eine
vollstándige kenntniss der griechischen sprache zu gewinnen, ist es
doch unzweifelhaft wünschenswerth, wenigstens die erhaltenen
schriftdenkmäler vollzählig in derjenigen textgestalt zu besitzen,
welche der heutige stand uuserer wissenschaft ihnen zu geben uns
ermöglicht. Um aber weiter diese texte philologisch würdigen und
philologisch verwerthen zu können, dazu ist in zweiter linie noth-
wendig, dass wir feststellen, von welcher persönlichkeit, zu wel-
cher zeit, in welcher reihenfolge, unter welchen umständen sie ge-
Geminos. 83
schrieben sind. Herstellung guter texte also und erledigung der
sie angehenden litterarhistorischen fragen, das sind die beiden auf-
gaben, welche gerade der philologen arbeit fordern, aber auch auf
die volle anerkennung der philologen rechnen dürfen. Zu dieser
arbeit liefert der verfasser in den folgenden abhandlungen einige
beitrage.
I. Wann schrieb Geminus?
Es handelt sich zunüchst um einen griechischen mathematiker
und astronomen, dessen name gewiss vielen philologen nicht be-
gegnet ist. Denn ist Geminus auch nicht verschollen, so hat er
doch seit mehr als sechzig jahren keinen bearbeiter gefunden, der
ibn um seines eigenen werthes willen studiert hatte. Und dennoch
‚ist er in jeder beziehung würdig, auch denen bekannt zu sein, die
ibre kraft anderen geschichtlichen oder sprachlichen aufgaben der
alterthumskunde weihen, Vermag sonst nichts dem philologischen
gemüthe die lecture des erhaltenen werkes des Geminus zu em-
pfehlen, so thut das gewiss der eine umstand, dass dieses werk so
ziemlich das einzige ist, welches aus den beiden letzten vorchrist-
lichen jahrhunderten der griechischen litteratur unversehrt auf uns
gekommen ist. Zur vorläufigen orientierung über alle fragen,
welche zu entscheiden sind, heben wir die hauptpuncte heraus,
welche nachher genauer besprochen werden.
Wann schrieb Geminus? Das ist eine bestrittene frage. Man
giebt 137 und etwa 77—66 vor Christo an. Auch über das wo
herrscht zweifel. In Rom oder Rhodus, sicherlich auf dem breiten-
grade einer dieser städte hat er geschrieben. Ein älterer gelehrter
aber rieth gar auf die stadt Athen. Mit dieser untersuchung hängt
die erklürung des namens Geminus zusammen. Die einen halten
den mann für einen freien Griechen namens Tewivog, die anderen
für einen römischen sklaven namens Geminus. Was schrieb nun
dieser gelehrte? Erhalten sind einige titel, gegen zwanzig frag-
mente und die Eigaywyn elg zu qowoptva. Wie die fragmeute
unter jene titel zu vertheilen, wie diese titel selbst aufzufassen
sind, das ist die frage. Was die isagoge betrifft, so ist sie drei-
mal herausgegeben: von Hilderich 1530 in Altorf, von Pétau 1630
in Paris, von Halma 1819 in Paris. Einige male ist sie auch
übersetzt: in's lateinische, in's franzósische, angeblich auch in's
6°
84 Geminos.
arabische. Jene drei drucke sind natürlich sehr schwer zu be-
kommen. Die zahl der handschriften ist 10; die städte Wien,
Paris, Oxford (2), Madrid, Venedig, Turin, Mailand (2) und Rom
sind ihre heimathorte. Dazu kommt ein Florentiner excerpt. Stil
und inhalt des etwa 120 gewóhnliche oktavdruckseiten umfassen-
den werkchens ist leicht und klar. Seine lectüre setzt weder
astronomische kenntnisse voraus, noch bietet sie einem tüchtigen
abiturienten die geringsten schwierigkeiten. So ist es denn na-
türlich, dass den Geminus lobt, wer die erhaltenen reste seiner
schriften gelesen und benutzt hat!) Auch die alten citierten ihn;
besonders Proclus, demnüchst auch Pappus und Eutocius benutzten
sein mathematisches werk. Unter des Proclus namen hat sich so-
gar ein wörtlicher auszug aus der isagoge erhalten, welcher die
überschrift Spaiga trägt. Umgekehrt erwähnt Geminus die be-
deutendsten autoren, wie Aristoteles, Eratosthenes, Hipparchus, Po-
lybius. In der isagoge berücksichtigte er namentlich den Aratus,
was schon im alterthum den anlass zu der irrigen vorstellung gab,
die Eisaywyn des Geminus sei ein commentar zu den Dasvousra
des Aratus. Wie oft nun ist der nicht gerade geistvolle Aratus
behandelt, ob er gleich seinen weniger sprüden stoff nicht im ent-
ferntesten mit dem schwunge eines Lucrez besang! Wie selten
macht sich ein forscher an deu klaren und scharfen Geminus, ob
er gleich mit jenem dichter in so nahe beziehung gesetzt worden
ist! Im jabre 1809 nannte der ältere Ideler die isagoge ein
„schätzbares lehrbuch, dem ein tüchtiger bearbeiter sehr zu wün-
schen wäre“. Ein jahrzehnt danach fand sich allerdings der fran-
zose Halma als herausgeber. Aber des Geminus text wurde ge-
l) Hilderich 1590: probatissimus philosophus ac mathematicus. —
Scaliger 1598: Geminus priscus et eruditus. autor. — Bainbridge
1620: Gemini Geometrae et Astronomi nobilissimi, — Pétau 1630:
scriptor eruditus et antiquus. — Usserius 1648: doctissimus Geminus.
— Bonjour 1696: über antiquitatis studiosis pernecessarius! — Weid-
ler 1741: sn isagoge elementa astronomiae pererudite accuratiusque,
quam ullus ante eum fecerat, exponit. — Ideler 1809: ein lehrbuch
der kosmographie, welches sich mit einer grossen klarheit über fast
alle gegenstünde der astronomie und mathematischen geographie aus-
breitet, die einer populüren darstellung fühig sind. — Horrmann
1849: ein schätzbares lehrbuch. — Redlich 1854: ein ziemlich alter
und, wie seine Æiçaywy im ganzen betrachtet zeigt, sehr zuverlässi-
er zeuge. — Nicolai 1876: durch Geminus, einen kundigen und
laren astronomen. — Vor allem lese man Bühr's urtheil in der
Hallischen encyclopädie.
Geminos. 85
druckt: als blosser anhang zum Ptolemaeus, in sehr geringer zahl
von exemplaren, als schlechter abdruck der ausgabe des Pétau.
Der verfasser nun hofft, nach Pétau und Halma der erste wirk-
liche bearbeiter des textes zu werden, und bietet hiermit die probe
seiner beschäftigung mit des Geminus person und werken.
Wann also hat Geminus seine isagoge geschrieben? Darüber
giebt es etwa sieben verschiedene ansichten. Zum grösseren und
wicbtigeren theile hat sie Brandes?) G. E. 200 ff. zusammenge-
stellt. Wir vervollstindigen die liste und behandeln im zusammen-
bange auch das unbedeutende, um eine erschöpfende darstellung zu
bieten. Die zeitansütze also sind folgende:
Vor Hipparch.
137 vor Christo.
93 vor Christo.
77 oder 66 vor Christo.
Ein wenig nach 60 vor Christo.
Etwa 150 nach Christo.
Ungefähr 400 nach Christo.
Von diesen angaben kommen die erste und die letzte über-
baupt nicht in betracht. Der fromme glaube, Geminus sei älter
als Hipparch, da er ihn nicht citiere, ist von Halley (1710:
Geminum Rhodium certe Hipparcho maiorem) und Montucla
(1758: il ne dit rien de ce célèbre Astronome) genührt, aber von
Saxe (1775) mit dem hinweis darauf zerstórt worden, dass ja
MO Or wow m
2) Heinrich Brandes in Leipzig schrieb dreimal über Geminus
1) Ueber das zeitalter des astronomen Geminos und des geographen
Eudoxos (Jahrb. f. phil. u. pid. 1847, p. 199— 230). 2) Recension
des Morrmann’schen leitfadens z. gesch. d. griech. litt. (Ebenda. 1852,
p. 259— 261). 3) Ueber d. zeitalter d. geogr. Eudoxos u. d. astr.
Geminos (IV. jahresber. d. vereins v. freunden d. erdkunde in Leip-
zig. 1865, p. 23 ff. Nicht wie Ueberweg im Grundriss d. gesch. d.
hilos. I*, 145 ungenau citiert, in den „Jahrb. des vereins für erd-
unde. 1866‘). Die berichtigung des citates wie den besitz der letzten
dieser abhandlungen verdankt verf. der freundlichkeit des prof. Bran-
des selbst. Alle drei werden im texte kurz mit den oben fettge-
druckten lettern citiert werden. — Wir müssen überhaupt den leser
um entschuldigung für die sorgfältigen und darum langen citate bit-
ten. Die werke sind zum theil sehr selten, meist wenig bekannt, oft
auch mangelhaft citiert; gleichwohl sind sie werthvoll für uns, da es
der schriften über griechische astronomen im ganzen nicht viele giebt.
Genaue angabe der titel in den anmerkungen verkürzen obenein die
citate im texte selbst.
86 Geminos.
die isagoge im zweiten capitel den Hipparch dreimal nenne. Schon
dem jiingeren Scaliger (1598: longe posterior) schien Geminus
erheblich jiinger als Hipparch zu sein. — Dass aber Geminus
gegen 400 nach Christo schrieb, kann nur der meinen, der sich
durch die hüufigen citate des Geminus beim Proclus zu der will-
kührlichen annahme verleiten lässt, er sei des Proclus persónlicher
lehrer gewesen. Das hat Brucaeus (1604) erfunden und Blan-
canus (1615) nachgesprochen. Letzterer nimmt gar daneben
einen zweiten Geminus zwischen 350 und 250 vor Christo an.
Eine solche trennung der überlieferten nachrichten und vertheilung
derselben auf zwei Gemini ist durch nichts auch nur nahe gelegt,
von Blancanus aber möglichst wirr ausgeführt worden).
Ebenso wenig verdienen die dritte, fünfte und sechste angabe
eine ernste widerlegung. Die dritte ist allein von Pétau (1627)
ausgesprochen (d. t. Il, 7), aber von ihm selbst wieder aufgegeben
worden, da er spüter (1630) jener chronologischen rechnung eine
neue entgegenstellte, die ihn zu dem oben als vierte nummer ge-
8) In diesem abschnitte sind citiert: Edm. Halley, <Apollonu
Pergaet conicorum libri octo etc. Oxford 1710, fol. p. HI. — J. F.
Montucla, Histoire des Mathématiques etc. H tomes. Paris 1758.
4. Tom. I, pag. 276. (Dieses werk soll wiederholt und fortgesetzt
sein von la Lande, IV tomes. Paris 1799 f. 4.) — Christoph Saxe,
Onomasticon literarium etc. IV tomi. Ed. altera. Traiecti ad Rhe-
num 1775, p. 146 sq. — Jos. Just. Scaliger, De emendatione tem-
porum. Frankf. 1598. Weder text noch indices nennen den Geminus
oder den Eudoxus oder die Isien. Auch das oft citierte Cap. de
Octaëteride Eudozi fehlt hier noch. Die 2te aufl., welche verf. in
hünden hatte, erschien unter dem titel: Opus de e. t., custigatius et
mullis partibus auctus, ut novum videri possit, Lugd. Bat. 1598 und
behandelt mehrfach den Geminus (p. 68b. 68 b. 69a. 75d. 80 b.). Die
Ste auflage von 1629, also nach Scaliger’s tode veranstaltet, ist oft
citiert, z. b. von Bóckh (Sonnenkreise 201), und wird von Ideler
(Chronologie II, 604) die beste genannt. Sie erschien in Genf. —
Henr. Brucaeus, De motu primo hbri III; dahinter ein catalogus
astrologorum, wie z. b. Brandes G. E. 200 citiert. Weidler p. 380
nennt diesen druck von 1604 einen abdruck der originaluusgabe von
1570. Verfasser konnte nur der editio altera aliquot demonstrationibus
aucta (Rostock 1678. kl.-8.) habhaft werden, hinter der, wenigstens
im exemplar der kôn. bibl. zu Berlin, jener catalog nicht stand. —
Jos. Blancanus, De mathematicarum natura dissertatio una cum cla-
rorum virorum chronologia. Bononiae 1615. Im index (p. 67) fehlt
des Geminus name; im text aber ist er (p. 45. 52) behandelt. Auch
Hilderich's ausgabe ist hier zum ersten male erwühnt. Doch wie?
Es heisst p. 52: scripsit phaenomena , quae Mediolani in Bibliotheca
Ambrosiana asservantur , et quidem graecolatina, Edone Süidarso (!)
interprete.
Geminos. 87
zählten zeitansatz führte, — Bei Bossut (1810) ferner, der die
fünfte angabe machte, heisst Geminus ein contemperain de Cléo-
made (1, 143), dieser ferner un peu postérieur als Posidonius (I,
142); der endlich ist versetzt in an. av. J. C. 60 (1, 142). —
Die sechste ansicht endlich ist unseres wissens gar nicht im druck
erhalten. Bartholinus berichtet in der vorrede zur optik des He-
liodor (Paris 1657) von einem italienischen werke des Bernar-
dinus Baldus, abtes von Guastalla; es führte den titel: Vitae
Mathenaticorum, hatte zwei bünde, gehörte den erben des abtes
von Urbino und war nicht gedruckt. Ein freund schrieb daraus
dem Bartholinus unter anderem folgenden satz aus: Può esser dum-
que che Heliodoro fosse fra vivi intorno a’ tempi di Gemino di
Nicomaco e di Tolomeo, cid è da cento cinquant? anni dopo la no-
stra salute. Wie mag der gelehrte abt wohl die gleichzeitigkeit
des Geminus mit Ptolemaeus erwiesen haben‘) ?
So stehen sich denn zwei verschiedene meinungen schroff ge-
genüber, deren eine die abfassung der isagoge in das jabr 137 v.
Chr., die andere etwa um das jahr 70 v. Chr. versetzt. Jener an-
satz ist zuerst von Bonjour (1696) gemacht und durch eine
chronologische rechnung begründet worden. Ohne angabe der
griinde hat dann Dilling (1831: anno centesimo quadragesimo
circ. vixit) das gleiche bebauptet. Anders Brandes. Zuerst
(1847: G. E.) entdeckte er jenen zeitansatz auf neuem wege noch
einmal; dann (1852: R. H.) suchte er das resultat seiner combi-
nationen durch eine neue chronologische rechnung zu begründen,
ohne noch die rechnung Bonjour's zu kennen, was aus den worten
„wie aus Montucla . . . . . . zu ersehen ist“ (R. H. 118) erhellt.
Endlich (1865: E. G.) wiederholte er gegen Bóckh seine gründe
und hielt im wesentlichen an dem resultate fest, ,,dass Geminos
4) Citate dieses abschnittes: Dionysius Petavius schrieb zwei be-
rühmte werke: 1) Opus de doctrina temporum, Il voll. Parisiis 1627.
Verf. kennt es nur aus citaten. Hier kommt in betracht das cap. 7
des buches II. 2.) Uranologion. Parisiis 1630 fol. Dieses bekannte
chronologische werk des gelehrten jesuiten soll 1703 in Amsterdam
und 1734 in Verona, beide mal nach des verfassers tode und mit
jenem opus zusammen als dessen dritter band, wieder gedruckt sein.
entbált p. 1—70 die isagoge, p. 405—415 Ad Gemini Isagogen
Nota, und unter den Dissertationes des zweiten theiles viele stellen
über Geminus. — Charles Bossut, Histoire générale des Mathéma-
tiques etc. 2 bände. Paris 1810. 8. Dies ist die 2te auflage. Die
erste soll in Paris 1802 als Essai sur l'histoire etc. erschienen sein.
88 Geminos.
seine elcaywy) um 140 v. Chr. geschrieben habe“. An Brandes
schlossen sich weiter Bahr (1853) und Redlich (1854) an.
Auch Berg er (1880) unterschreibt sein urtheil; doch ist es un-
recht, dass er sich dabei auch auf Lübbert (1857) beruft, der
diese ansicht nicht als die eigene, sondern nur als die „jetzt herr-
schende“ anführt, aber zugleich eins der hauptargumente von Bran-
des für nicht stichhaltig erklärt. So konnte Müllenhoff (1870),
der sich der anderen combination anschliesst, weit eher Lübbert
als zeugen für sich nennen, als Berger dazu berechtigt war °).
Das detail geben wir unten an, hier aber schicken wir ers auch
eine geschichte der anderen berechnung voraus.
Der erste, welcher die abfassung der isagoge in das 1. saec.
vor Chr. versetzte, war Pétau (1630) in seinem uranologion
(p. 410 sq.) Das genauere resultat seiner berechnung war: die
isagoge ist Sullae tempore, nämlich Olymp. CLXXV, 4. = U. C.
DCLXXVII, d. h. 77 v. Chr. erschienen. Mit mehr oder minder
genauem anschluss acceptierte das die grósste zahl der spüteren
gelehrten. Zunächst Voss (1650), der das jahr 66 angab. Dann
W eidler (1741) p. 144: ciroa annum 70 ante C. N. und Ha m-
berger (1756) p. 417: a. ante Chr. 77; ungefähr auch Savé-
rien (1766) p. 77, freilich in seiner art ungenau und unbe-
stimmt: peu de tems avant la naissance de Jésus- Christ. Der
schon genannte Saxe (1775) p. 146 f. setzt des Geminus namen
unter das jahr 66, d. h. in die zeit des Pompejus und Cicero. Es
folgen Reimer (1798), der p. 176 das saeculum primum, quo
ineunte floruerit Geminus nennt, und Ideler (1809) St. p. XXXVII:
um das jahr 70 vor unserer zeitrechnung, und ungenauer St. 175:
vor Caesar, ob man gleich nicht genau weiss wann. Vorsichtig
üussert sich Delambre (1817) I, 190: on croit qu'il vivait du
5) Die citate dieses abschnittes stammen aus: Guil. Bonjour,
Dissertatio de nomine Patriarchae losephi a Pharaone imposito. Mit
zwei Appendices, deren erste hier allein in betracht kommt: De tem-
pore Istorum et aetate Gemini. P. 27—40. Rom 1696. — Carl Aug.
Alb. Dilling, De Graecis mathematicis. Diss. inaug. Berlin 1831.
(78 seiten) pag. 62. — Bähr, Artikel Geminus in d. Halle'schen
Encycl. d. wiss. u. künste v. Ersch u. Gruber. 1858. Bd. LVII, p.
242-250. — Carl Redlich, Der astronom Meton und sein cyclus.
Ein beitrag t. griech. chronologie. Hamburg 1854. P. 40 und 53 f. —
Hugo B erge r, Die geographischen fragmente des Eratosthenes. Leip-
zig 1880. P. 109, anm.
Geminos. 89
tems de Cicéron, environ 70 ans avant J. C.; ähnlich Grüsse
(1837) 1, 687: um 70 vor Chr. etwas später als der philosoph
Posidonius. Freier drücken sich wieder die folgenden aus; zu-
nächst Horrmann (1849) p. 118: c. 60 vor Chr.; dann Oet-
tinger (1850) p. 53: ungefähr ein halbes jahrhundert vor Christo.
Der gediegendste vertreter dieser vorstellung ist Boeckh (1863),
der Pétau's berechnung korrigierend die jahre 73 — 70 v. Chr.
(p. 205. vgl. p. 9) als die zeit bestimmte, in der Geminus die
isagoge schrieb. Ihm schliesst sich Müllenhoff (1870) an, der
sich zugleich auf Lübbert beruft und den Posidonius einen zeit-
genossen und mitbiirger des Geminus nennt. Ebenso unbestimmt
drückt sich Bretschneider (1870) p. 176 aus, der die blüthe
des Perseus ,etwa um 130 v. Chr.* annimmt und fortfáhrt, dass
Geminus etwa ein halbes jahrhundert nach Perseus lebte (p. 175 f.).
Wie Oettinger versetzt auch Nicolai (1876) II, 195 den Ge-
minus um die mitte des ersten jahrhunderts v. Chr. Endlich ist
Cantor (1880) zu nennen, der Bückh gar nicht erwühnt, aber
p. 945 mit Pétau behauptet: Geminus kann nur 77, nicht 137
eine einleitung in die astronomie verfasst haben 9).
6) Citnte: G. J. Vossius, De IV artibus popularibus, de philol.
et scientiis math. libri tres, cui operi subiungitur chronologia mathema-
ticorum. Amstelod. 1650. 4. und 1660. 4. Kennt verf. nur aus cita-
ten. — Ioann. Frid. Weidler, Historia astronomiae etc. Vitem-
bergae 1741. — M. G. Chr. Hamberger, Zuverlüssige nachrichten
v. d. vornehmsten schrifist. v. anf. d. welt bis 1500. I. theil: 596
seiten. Lemgo 1756. — Savérien, Hist. des progrés de l'esprit hu-
main dans les sciences exactes etc. Paris 1766. — Nic. Theod. Rei-
mer, Historia problematis de cuhi duplicatione sive de inveniendis dua-
bus mediis continue proportionalibus inter duas datas. Göttingen 1798. —
Von L. Ideler kommen drei schriften in betracht: 1) Historische
untersuchungen üb. d. astron. Beobachtungen der Alten. Berlin 1806.
409 seiten. 2) Untersuchungen üb. d. ursprung u. d. bedeutung d.
Sternnamen. Ein beitrag z. gesch. d. gestirnten himmels. Berlin 1809,
LXXI u. 452 seiten. 3) Handbuch der math. u. techn. Chronologie.
2 bde. Berlin 1825 - 26. Diese drei schriften sind im text mit den
hier fett gedruckten lettern bezeichnet. — M. Delambre, Hist. de
[ Astron. uncienne. ll tom. Paris 1817. — Joh. G. Th. Grüsse,
Lehrb. e. allg. literärgesch. etc. Dresden u. Leipzig. 1837. Bd. I. —
E. Horrmann, Leitfaden z. gesch. d. griech. lit. Magdeburg 1849. —
Ludw. Oettinger, Die vorstell. d. alt. Gr. u. Rim, üb. d. erde als
Himmelskürper. Freiburg 1850. 4. — Aug. Bóckh, Ueber d. vier-
jahr. sonnenkreise d. alten, vorzügl. d. Eudozischen. Berlin 1863. 434
seiten. - K. Müllenhoff, Deutsche alterthumskunde, bd. I. Berlin
1870. P. 245, anm. u. p. 246. — W.Lübbert, Zur characteristik
des Kraies v. Mallos. Rhein. mus. f. phil, n. f., XI. bd., p. 430 anm.
90 Geminos.
Nach dieser historischen übersicht treten wir in die unter-
suchung selbst ein. Der verfasser hält Bonjour’s und Brandes’ an-
sicht für falsch und schliesst sich Böckh’s resultaten um so unbe-
denklicher an, als er auf einen grossen theil dessen, was er bei
Böckh fand, durch eigenes nachdenken bereits gekommen war, ehe
er die „vierjährigen sonnenkreise der alten“ zur hand nahm. Die
gauze frage ist von eigenthümlicher schwierigkeit. Die verschie-
densten gründe sind für die eine wie für die andere meinung vor-
geführt worden, beruhen aber im grossen und ganzen auf schlüssen,
die nicht durchaus zwingend, auf voraussetzungen, die nicht vóllig
sicher sind. Nun will der bóse zufall oder die sonderbare natur
der vorliegenden untersuchung überhaupt, dass die consequenzen,
welche aus den von beiden seiten vertretenen praemissen sich er-
geben, recht hübsch mit dieser oder jener an sich ansprechenden
combination stimmen. Das hat die entscheidung des streites hinge-
halten. Dadurch ist die ganze angelegenheit in das gebiet des
wahrscheinlichen geschoben worden. Was wahr, was begründet ist,
das muss ja wohl zu erweisen, also auch als wahr zu .begreifen
sein, Was aber wahrscheinlich sei, oder was mehr wahrscheinlich-
keit für sich habe als etwas anderes, das ist eine frage, bei deren
entscheidung das gemüth zu gerichte sitzt. Welche antwort auf
diese frage gegeben wird, ist sache des geschmackes. Oder warum
sonst würden solche dinge oft so verschieden beurtheilt? Jeder ist
eben für seine anschauung zu dem gedanken geneigt, dass dem,
der dies oder jenes nicht einsehe, nicht zu helfen sei. — Bei
einer solchen sachlage kann nur ein princip klare wege bahnen.
Man würfle die gründe und gegengründe nicht in einem sacke
durcheinander! Man soudere die beweise nach ihrem inneren werthe,
nach der wucht ihrer beweiskraft! Man halte daran fest, dass
nur in einer bestimmten folge die verscbiedenen stufen oder arten
von argumenten vorzufübren sind! Das ist, wie der verfasser
glaubt, das neue moment, was seine beweisführung in die behand-
lung der frage bringt.
L In erster linie kommen die direkten zeugnisse in betracht,
— C. A. Bretschneider, Die geometrie u. d. geometer vor Euklides.
Ein hist. versuch. Leipzig 1870. — Rud. Nicolai, Griech. literatur-
gesch. 2. aufl. 3 bde. Magdeburg 1873—76—78. — Moritz Can-
tor, Vorlesungen über geschichte der mathematik. Bd. I: Von d. älte-
sten zeiten bis z. jahre 1200 n. Chr. Leipzig. 1880. 804 seiten.
Geminos. 91
welehe in den eigenen werken eines schriftstellers sich finden.
Diese notizen sind die unmittelbarsten, reden am deutlichsten zu
uns Während alle autoren, die den Geminus citieren, über seine
lebenszeit schweigen, scheint er selbst an einer stelle darüber eine
andeutung zu geben. Es heisst im cap. VI (125. 33 sq. 43.) ?)
seiner isagoge: ünolaußavovos yag of màetotos rv “EdAnjvwy,
apa roig looi xav Alyunılous xai xav EvdoËor elvas
gupeovàs zgondg* Oneg fori navranacı wevdoc. Myvi yàg 019
mugaulddces ta "Iove ngog rag yessegsvuc toomac. Ediun dé 30
ápágrgua ano tic ngonQnutrg; alias. neo yàg ex ray
cuvénece xay AUIAS Tag yeupegsyvag toormag &yeodas
sa losa. d» trecs dé 18000001 usùs nutous éyévero magdddaypa.
10010 oùr oùx alodnınv Foye mugudday}»y moog tas xai Frog weas’
dv Freos dì p fpei» i eyéveto naguMiaypa* oùd’ oùrws aioIn-
mv elvas Ovußulves ty maguAduyir. vuvì pévtosye pnveatag yevo-
pérns magaliayüg iv Qx Ereow, ünepßoinv où diadelztovos dyvolag
of diadapBavovies, dv zoic "lotoig zur Aiyuntlous xai xav
* Evd oEov tac yesegevus toonas tlvai. Die erste deutung dieser
stelle gab Scaliger (1598). Er folgerte (p. 68b.) aus ihr:
Ergo a tempore Eudoxi ad tempus illud, quo suum librum scribebat
Geminus, intersunt. anni tantum 120. Proinde ille annus a Na-
bonassaro fuerit 503. Ita Geminus fuerit longe antiquior Hip-
parcho. quod non puto. longe enim posterior videtur. Gegen diese
auffassung richtet sich Pétau (1630) in einer anmerkung (Ur.
410, anm. zu 33 E.) uud sagt: Non enim Isia in ipsiusmet Eu-
doxei anni primi roonuç incurrisse vult Geminus ante CXX an-
nos quam scribere ; verum in illum ipsum diem, in quem 109 ozag
Eudoxus coniecerat: cuique affixas easdem esse posteritas deinceps
omnis existimabat, solaris anticipationis ignara. Dieser interpre-
tation trat Bóckh (1863) p. 8 bei; Brandes (G. E.) aber hatte
schon vor Bóckh (1857), dann (1865) zum zweiten male auch
nach Bóckh (E. G.) Scaliger’s auslegung stillschweigend wieder
aufgenommen und dessen bedenken über die zeit des Geminus durch
die annahme eines jüngeren Eudoxus, den er mit vielem scharfsinn
von dem álteren zu trennen unternimmt, beseitigt. — Es ist wohl
7) Die drei eingeklammerten zahlen bedeuten die seiten der drei
ausgaben in der chronologischen folge, d. h. Hilderich, Pétau, Halma.
92 Geminos,
nicht zu bezweifeln, dass Pétaa recht hat. Geminus sagt nicht,
dass 120 jahre vor seiner zeit, d. h. zur zeit des Eudoxus
die isien mit der winterwende zusammen gefallen sein, sondern dass
nach dem eudoxischen und aegyptischen ansatz der winterwende
auf diese die isien vor 120 jahren gefallen würen. Die worte
xoa: Evdo&ov können nicht heissen zur zeit des Eudoxus;
was sollten sonst die worte xar’ Alyunıloug bedeuten! Geminus
hat vielmehr sagen wollen: nach der ansicht des Eudoxus
und nach dem gebrauche der Aegypter. Wann also Eu-
doxus gelebt hat, ist eine für die frage nach des Geminus zeit
völlig gleichgültige sache. Damit fehlt, wie Böckh betonte, der
Brandes’schen ansicht, dass der eine grosse Eudoxus in zwei zu
zerlegen, Geminus aber 120 jahre nach dem zweiten zu setzen sei,
soweit unsre stelle in betracht kommt, die grundlage. Ein direktes
zeugniss für die zeit des Geminus ist so wenig hier wie sonst bei
den alten zu finden.
ll. An solche direkten aussagen schliessen sich dem werthe
und der deutlichkeit nach diejenigen combinationen an, welche durch
die namen und die zeit der den Geminus citierenden, wie der von
ihm citierten autoren an die hand gegeben werden. Der älteste
von jenen und der jüngste von diesen, sie bezeichnen mit ihrer
lebenszeit die äussersten chronologischen grenzen, zwischen denen
man sich die zeit seiner schriftstellerei zu denken hat. Citate sind,
wenn man sie nicht als einschiebsel betrachtet oder als zweideutig
abweist, thatsachen und geben als solche, wenn auch nicht immer
ebenso genaue, so doch an sich ebenso unumstössliche resultate, wie
direkte aussagen. Von den autoren nun, die den Geminus nennen,
nämlich Proclus Diadochus, Alexander von Aphrodisias, der com-
mentator Simplicius, die mathematiker Pappus und Eutocius, der
mechaniker Carpus, endlich ein Pseudo-Eratosthenes sind die beiden
letzten zeitlich nicht zu bestimmen. Der älteste der anderen aber
ist der um 200 v. Chr. lebende exeget Alexander. Ueber 200
hinab kann also das geburtsjahr der isagoge auf keinen fall ge-
setzt werden; ein persönlicher lehrer des Proclus (410—485) war
Geminus sicher nicht! Von den schriftstellern auf der anderen
seite, die vom Geminus citiert wurden, ist Hipparch der jüngste.
Die alteste astronomische beobachtung nun, die uns als unzweifel-
haft hipparchisch überliefert wird, fällt in das jahr 161, seine
MEE"
.
Geminos. 93
jüngste in das jahr 126, wie Hugo Berger (Die geogr. fragm. des
Hipparch. Leipzig 1869. P. 5 f.) ausführt. Es ist eine für un-
sere untersuchung gleichgültige frage, ob diese daten mit Ideler
(St XXX, anm. 3) um ein jahr hinauf — oder mit Seyffarth
(Berichtigungen etc. p. 61 ff. nach Berger's citat) um zwei jahre
berabzusetzen sind. Leider ist weder die reihenfolge, in der Hip-
parch seine schriften herausgab, noch die quelle, aus der Geminus
seine citate nahm, bekannt. Nun wird aber weiter JJoÀvfiog 6
torogsoyguqog in der isagoge einmal genannt. Erst nach 146
schrieb Polybius seine historien. Seine geschichte des numantini-
schen krieges hat er natürlich noch spüter verfasst. Das früheste
jahr also, in dem die isagoge geschrieben sein kann, ist 145.
Dies datum lässt sich aber noch herabrücken. Unter der regierung
des Ptolemäus Euergetes Physcon, der 146 den thron bestieg, be-
suchte Polybius Alexandria (Strab. 797 sq.). Was er auf dieser
reise sah und hórte, berichteten seine historien, Diese sind also
vor 140—130 dem Geminus schwerlich in die hánde gekommen.
Dieser behauptung gegenüber hat Brandes (E. G. 31 f.) ausge-
sprochen, dass Polybius, sei es als biograph des Philopoemen (Histt.
X, 21, 6), sei es auf deu blossen ruf hin, dass er an den Histo-
rien arbeite, sei es endlich um vorzeitiger herausgabe eines theiles
der historien willen, auch schon vor 140 icrogsoygugos heissen
konnte. Das muss der verfasser bestreiten. Polybius hat in den
drei bücheru über Philopoemen auch dessen ;rxiduxi»v dywynv be-
schrieben; hier war er also fioygaqoc, nicht iorogroygagoc. Ging
weiter von Polybius die sichere kunde, er wolle historien heraus-
geben, so kann er zunächst wohl iorogexoç, doch nicht torogro-
yeagos heissen; noch ist er nur geschichtsforscher, nicht geschichts-
schreiber. Dass Polybius theile des werkes vorlaufig edierte, ist
weder wahrscheinlich, da alles, was davon bekannt ist, wie aus
einem gusse erscheint, noch hier von werth, da die ersten bücher,
in denen er einmal (III, 53, 3 sqq.) auf seine 146 mit Scipio ver-
anstaltete africanische küstenfahrt hinweist, schwerlich viel vor 140
veróffentlicht sind. Endlich stammt das, was Geminus aus Polybius
citierte, weil es von der heissen zone, von Africa, von einem geo-
graphischen probleme der zeit handelte, sicherlich aus dem 34sten
buche der historien, das Polybius bekanntlich ganz der geographie
weihte. Jedenfalls ist also 140—-130 frühestens die isagoge ge-
94 Geminos.
schrieben, ein resultat, welches Bonjour's und Brandes’ zahl 137
nicht widerspricht, ihr aber arg auf den leib rückt.
III. Was bis jetzt festgestellt ist, beruht nicht auf schlüssen,
sondern auf thatsachen. So unbestimmt also unser resultat ist,
man darf es wenigstens unumstösslich nenuen, Geminus kann die
isagoge nicht vor 140—130 v. Chr. und nicht nach 200 n. Chr.
geschrieben baben. Welche weitere art von argumenten bietet nun
die meiste garantie für die sicherheit ihrer beweiskraft? Einen
verhältnissmässig sicheren schluss gestatten citate, die den autor
mit anderen münnern oder ereignissen des alterthumes in beziehung
setzen. Es giebt ein solches citat von Alex. Aphrod., erhalten ‘bei
Simplicius im Comm. ad Aristot. phys. fol. 64b. Die worte lau-
ten: 0 dé ÆAAé£ardoog gilonóvug AE uva zov Teulrov maga-
snow dx 176 Ensroulg ıwv Hocedwrtov Metewpodoysxwy ÈEn-
ynoewo xti.; und am schluss dieses citates: 0 naga ı@ Teulro
IHocudwros. Also „Geminus epitomiert den Posidonius“! Wel-
chen Posidonius denn? Nun welchen anderen wohl, als den philo-
sophen von Rhodus? Ist ein name durch einen seinen träger ganz
besonders geadelt und bekaunt gemacht, so kann nur dieser be-
rübmte mann gemeint sein, wenn ohne jeden zusatz das nomen
proprium genaunt wird. Dass der erwähnte Posidonius mit dem
rhodischen stoiker identisch sei, hat auch bis in unser zeitalter nie-
mand bezweifelt. Bake (1810) p. 60 sqq. setzt jenen passus
des Simplicius einfach unter die fragmente des rhodischen Posido-
nius. Saxe (1775) p. 147 môchte, ehe er dem Geminus die be-
ziehung zu diesem stoiker abspräche, lieber zwei Gemini annehmen,
ohne überhaupt auf den gedanken an zwei Posidonii zu gerathen.
Anderer ansicht aber ist Brandes. Er ist der meinung (1847),
dass jener Posidonius nicht der Rhodier sei, sondern der Alexan-
‘ driner, der als ein unmittelbarer schüler des Zeno von Diogenes
Laértius (VII, 38) genannt wird. Doch setzt er hinzu, dies scheine
ihm viel wahrscheinlicher. Einen sehr vorsichtigen anhänger
fand Brandes in Bähr (1853), der die kritische, oder freilich un-
klare bemerkung macht, dass eigentlich dem in Rhodus schreibenden
(*) Geminus der berühmte Rhodier, der jedenfalls sein älterer oder
jüngerer zeitgenosse war, näher lag (!) als der wenig bekannte,
weit früher lebende Alexandriner. Einen ganz unvorsichtigen, arg
übertreibenden bundesgenossen gewann Brandes’ meinung in Red-
a
--. E
Geminos. 95
lich (1854), der behauptet, jener Posidonius sei „keinesfalls“ der
Rbodier; das habe ja Brandes ,überzeugend dargethan*; die ge-
wöhnliche ansetzung der lebenszeit des Geminus sei also falsch, da
sie „nur aus der des Posidonius gefolgert sei“. Gegen Brandes
sprach sich Böckh (1863) mit gründen aus, die der verfasser
durchaus unterschreiben muss. Die sache liegt im einzelnen so, —
Diogenes Laert. beruft sich in jener stelle im leben des Zeno auf
eine reihe von schülern, unter denen auch ein Posidonius von
Alexandria genannt ist (VII, 38); später aber nennt er die Mere-
exooAoyixi) (orosyelwoi) des Posidonius (VII, 138. 152); es liegt
also, schliesst Brandes, der gedanke nahe, dass der biograph Dio-
genes über des meisters Zeno lehren aus dem werke seines schülers
Posidonius von Alexandria berichte. Also ist diese Metewgodoysx?,
Crosye(wosg von dem älteren Alexandriner verfasst worden. Sie
bat Geminos epitomiert. Danach kann er noch vor dem rhodi-
schen Posidonius gelebt haben. Gegen diesen gedankengang macht
Bóckh etwa folgende zwei einwünde. 1) Diogenes berichtet im
VII. buche nicht nur des Zeno lehren, sondern überhaupt die der
stoiker; was z. b. aus Posidonius Metewgodoy:xn crovyelwoss an-
geführt wird, ist augenscheinlich des Posidonius eigene ansicht,
dient also nicht zur darstellung des zenonischen systems. 2) Von
den werken, die dem Rhodier unbestritten zugeschrieben werden,
sind in jenem buche mehrere als werke zov /Zocesdwrlov citiert,
ohne dass ein weiterer zusatz über die persönlichkeit dieses autors
aufklärt; dem analog ist wohl auch jene Metewgodoysxn eine schrift
des Rhodiers. — Wir halten diese gegengründe für schlagend und
meinen, dass sie sich noch schürfer fassen lassen. Denn: 1) Das
schülerverzeichniss beginnt VII, 36 mit den worten: padniai de
Zrvwros noÂloi uiv, EvdoËos dé Megoutog xr. Darauf heisst
es VII, 38: noav dì Zurwvog uudnrui xai olde, xa9: pnosr
'"Innofo:og Dsrwrldng xi. Unter diesen steht /looudwmwoc
*Aretaydosvs. Man sieht, dass Diogenes diesen namen bloss aus
Hippobotos ausschreibt, den träger desselben zu den unbedeutenden
schülern des Zeno rechnet, also schwerlich aus dessen schriften des
Zeno lehren darstellt, Nun heisst es weiter: Koswn dé nepi mav-
ro» TOv Otwixwy doyuatwr idokfuo. Ev 16) Zijvwvos ebneiv Pie,
dia 10 tosovtoy xtlorny yevéodas tig aipfosws. Also nicht Zeno's,
aller stoiker lehren sollen vorgetragen werden! Von jenen unbe-
96 Geminos.
deutenderen schülern aber wird im ganzen folgenden VII. buche
sonst keiner genannt. Nur vor jener stelle ist einmal Athenodoros
von Soloi (§. 34) und einmal Zeno von Sidon erwühnt; allein der
eine als bibliothekar von Pergamon, als verstümmeler stoischer achrif-
ten und endlich auf grund einer notiz des Isidorus von Pergamon;
der audere dagegen als einer der acht trüger des namens Zeno;
keiner von beiden aber um seiner lehren willen. Gleich nach je-
nen griechischen worten ferner zählt Diogenes (è. 39) als seine
quelle für eine stoische lehre unter anderen auf: Xgvoss70c, Ev-
doouog, 4ioyévgg 6 BafivAuwiog xai Iloctiduviog. Kann man hier,
wo männer genannt sind, die nicht des Zeno persönliche schüler
waren, kann man überhaupt in diesem zusammenhange an den 77o-
osdwvsog "AAsEavdoeuc denken? Kurz nachher (2. 41) heisst es:
Iluvatnoc dé xoi llocuówuwg and twv puoxwy aeyovtas, xaS&
puo Duvlag 6 Ilocudwv(ov yvoiQsuog iv 1p nowsp ıwv Iocu-
dwvelwr cyodwy. War jener Alexandriner so bedeutend, dass es
sich verlohnte, über seine oyodué ein werk in mehreren büchern zu
schreiben? Im folgenden wird Posidonius noch an 33 stellen ge-
nannt. Nie heisst er anders als kurzweg Hoosdwrsoc. Es ist
wohl klar, dass Diogenes mit diesem namen einfach den Rhodier
meint, den Alexandriner aber nur nebenbei einmal als einen der
unbedeutenderen, von Hippobotos aufgezählten persönlichen schüler
des Zenon, aus des Hippobotos werke ausschreibend, erwähnt und
mit dem unterscheidenden zusatz ' AAsLavdpevg citiert. 2) Diogenes
citiert (2. 138): de gro» llocciduviog iv 17 uertwgoloyixy Grov—
quulces. Später (9 152): wc Mloosdwriog qnow èv 17 petewoo-
Aoysx7. An zwei anderen stellen (2. 135 und 144) citiert er an-
ders: [ocsdwrsog d» 10(1p nepi puerewowr und Hoceduwreoc dy
1@ EBdouw nepi petewowr. Sind diese beiden werke identisch?
Diese annahme wird durch die art der citate verboten! Simplicius
nun weiter sagt wieder anders: AéEsy . . . . . 2x zig émrouñç
(des Geminos) rw» Hocedwrlov perewoodoyixwy èEnynoews rag
ágoguag naga ’Agicrorélovg Aaßovcav. Ist das die pereweodo-
zia orosyelworg? Oder sind die bücher wegi perewowy gemeint?
Falls man das letztere annimmt, so ist das bediirfniss nach einer
kiirzung dieses werkes recht erklürlich. Das siebente buch wird
citiert! (Es ist wohl nur ein versehen, wenn Bake p. 242 von
einem liber decimus septimus redet). Vielleicht war es noch länger.
Geminos. 97
Posidenius v. Rbodus liebte blumenreicben, hreiten stil: ovx amt-
geras tie cunjdovs Émragelas, alla ouverFavarge tuîc vmeofodaîc,
sagt Strabo (p. 147) einmal von ihm. Es ist also auch nach die-
ser überlegung recht plausibel, dass Geminus das compendióse werk
des rhodischen stoikers xegi petewdoquy in eine êwsroun gebracht
babe. Die uerewoodoysx) Groigelw 0i; muss ihrer natur nach kürzer
angelegt gewesen sein, ist also schwerlich mit den perewoodoysxa
bei Simplicius identisch. 3) Posidonius v. Rhodus gilt als der
atoiker, welcher in ausgedehntem maasse Aristotelische anschauungen
in den stoicismus aufnahm uud eine eklektische richtung in diese
philosophie brachte. Wenn also in dem citate des Simplicius Ari-
stoteles als urheber der gedanken des Geminus genannt ist (dgog-
pag maga ’ Agsarortiovs Aaflovcav), so ist das für den fall ver-
ständlich, dass der Rhodier dasjenige buch verfasst batte, welches
Geminus epitomierte. Uebrigens hat auch, was aus jener epitome
über den unterschied von guosodoyfa und acigodoyla gesagt ist,
eine auffallende ähnlichkeit mit dem gedankengange, den Diogenes
(VII, 132 sq.) als stoisch angiebt. Obgleich er bier den Posido-
mius nicht nennt, nennt er ihn doch gleich darauf (8%. 134. 185)
und hat hier sicherlich den Posidonius, den er in diesem abschnitt
über Tov quosxdr Aayow (g. 132) besonders oft herbeizieht, insbe-
sondere benutzt, da nach seinen worten (2. 41) Haraínogc xai lo-
Gtdwviog and rv Qvcixdv aeyovtas, Panaetius aber weder im
leben des Zeno weiter genaunt, noch in den folgenden capiteln des
VII. buches besprochen wird.
Ist es also schon an sich natürlich, die worte des Simplicius
auf den Rhodier zu beziehen und die citierten stellen des Diogenes
unter des Rhodiers fragmente zu setzen, so wird das noch durch
die angeführten umstände bestätigt. Wird Brandes nun noch, wie
er in seiner dritten schrift (E. G. 27) gethan, den Bóckh'schen ein-
wünden nur allgemeine wahrscheinlichkeit zusprechen, , der man
immerhin mit gleichem rechte eine andere wabrscheinlichkeit als
zulàssig gegenüberstellen kann“? Dazu lag und liegt kein grund
vor! Es ist ja wohl möglich, „dass im alterthume bei manchem
citate einem schriftstellernamen eine irrthümliche bezeichnung hinzu-
gefügt worden sein mag, indem der citirende wohl manchmal einem
berühmten schriftsteller beilegte, was von einem gleichnamigen un-
berübmten herrührte*, Weil aber dieser irrtbum möglich ist, darf
Philologus. XLII. bd. 1. 7
98 . Geminos.
man ihn doch nicht als wirklich setzen, ohne zwingende gründe
anzuführen. Der nachweis, „dass es nicht notbwendig ist,
den Geminos für den commentator einer schrift des jüngeren Po-
seidonios zu halten“, genügt weder, noch hat er zweck. Soll die
kurze art des Simplicius und Diogenes, den unbedeutenden Posido-
nius v. Alexandria zu citieren, plausibel erscheinen, so muss zu-
nächst erwiesen werden, dass es rein unmöglich sei, bei den
worten jener beiden autoren an den berühmten freund des Cicero
und Pompejus zu denken, Sollte ferner im weiteren verlauf un-
serer combinationen sich eine unmüglichkeit, ja auch nur eine un-
wahrscheinlichkeit herausstellen, erst dann waren wir berechtigt
und verpflichtet, zurückzuschauen und zu suchen, wo wir geirrt,
wo wir vielleicht eine wahrscheinlichkeit als sicherheit genommen
hatten, obgleich man ihr ,,mit gleichem rechte eine andere wahr-
scheinlichkeit als zulüssig gegenüberstellen kann“. Auch dann aber
würde noch die frage sein, ob unsere zweifel in die zuverlüssigkeit
der vorgeführten argumente gerade an dieser stelle einsetzen würden.
Was ist jetzt für ein resultat gewonnen? Geminus epitomierte
die meteorologie des Posidonius von Rhodus. Wann ist nun diese
geschrieben? Es lässt sich nur das jahr berechnen, in dem sie
frühestens herausgegeben sein kann. Das geburtsjahr des Posido-
nius steht nicht fest. Bake®) nimmt 135 v. Chr. an; Toepelmann 9)
rückt das datum in’s jabr 130—129 herab; €. Müller aber ver-
setzt den geburtstag des Rhodiers gar in das jahr 125. Nun war
Panaetius des Posidonius lehrer und der stoischen schule leiter.
Gegen 110 muss Panaetius gestorben sein; 109 sah ihn Crassus
als quaestor in Athen nicht mehr. Wir wollen zu gunsten der
Brandes’schen ansicht annehmen, Posidonius sei 135 geboren. Dann
stand er 110 v. Chr. im 25. jahre, also in einem alter, wo der
tod seines lehrers wie die reife eigener studien ihm den anlass
wie die fühigkeit zu selbstündiger schriftstellerei bieten konnten.
Nehmen wir weiter in demselben sinne an, er habe nun sofort die
meteorologie verfasst, so erschien diese allerfrühestens 109. Vor
108 also kann Geminus des Posidonius meteorologie nicht in eine
epitome gebracht haben. Um endlich die bisherigen resultate zu-
8) P. Toepelmann, De Posidonio Hhodio rerum scriptore.
Inaug.-Diss. Bonn, 1867. 56 p. — J. Bake, Posidonii Rhodii reli-
quiae doctrinae. LBat. 1810.
Geminos. 99
sammenzufassen, so liegt das geburtsjahr der isagoge nicht vor
140—130, das der epitome nicht vor 108. Dies ergebuiss ist
gewonnen aus der vorurtheilslosen auffassung von citaten.
IV. Jetzt erst sind die direkten oder indirekten zeugnisse er-
schópft; jetzt erst sind vermuthungen am platze. Da wir nun zu-
náchst vom Geminus nichts weiter wissen, als dass er ausser der
uns erhaltenen isagoge noch zwei werke, jene epitome und ein
grosses mathematisches werk, geschrieben hat, so drüngt sich zu-
erst die frage auf, ob über die reihenfulge, in der jene werke
geschrieben sind, gar keine vermuthung aufzustellen sei. Mau meint
bei dem ersten blick auf jene titel gewiss, dass die epitome, die
als solche die gedanken eines berühmten mannes nur excerpiert,
eine jugendarbeit sei; dass ihr der zeit nach die isagoge folge, die
zwar auch keine neuen, eigenen gedanken des autors bringe, aber
doch in der wahl des stoffs, der folge, der form durchaus selb-
stándig sei; dass Geminus endlich in seinem mathematischen werke,
das oft und mit grosser anerkennung citiert ist, als ein schüpfe-
rischer, selbstándiger forscher auftrat und als solcher gewürdigt
wurde. Uns interessiert hier nur die folge der beiden ersten
werke. Dass sie die eben vermuthete wirklich ist, dafür sprechen
innere und äussere gründe. 1) Der inhalt der isagoge macht kei-
neswegs den eindruck einer jugendarbeit. Klar und durchdacht ist
die auswahl wie die darstellung dessen, was der verfasser zur ein-
fübrung in die probleme der astronomie für nóthig hielt. Was z.
b. über die muthmaasslichen wetterberichte (&mionuuolns) der grie-
chischen kalender (nagazíypuo1a) in cap. XIV gesagt ist, steht
so hoch über all dem prophetischen kram, den selbst grosse astro-
nomen gemacht und geglaubt haben, dass hier doch wohl die lei-
stung eines mannes vorliegt, der viel und ernst studiert uud nach-
gedacht hat. Es ist einer der besten sätze, die bis Brandes’ und
Bóckh's arbeiten über Geminus geschrieben sind, wenn Weidler
(1741) p. 145 sq. sich äussert: Lectu autem in primis digna sunt,
quae Geminus cap. XIV de significationibus astrorum exponit. Es
muss also die isagoge um ihres speciellen inhaltes willen jünger
sein als die epitome. 2) War Posidonius 135 geboren, so stand
er 109 im alter von 26 jahren. Schrieb ferner Geminus, wie
Brandes (G. E. 203) für sicher annimmt, die isagoge vor 126, z.
b. 127, die epitome aber, wie wir erwiesen, nach 109, z. b. 108,
1 *
100 Geminos.
so muss er bei der abfassung der isagoge, d. b. im jahre 127,
mindestens 20, hei der der epitome aber, d. h. im jahre 108, min-
destens 39— 40 jahr alt gewesen sein. Ist es glaublich, dass ein
mann, der als zwanziger ein buch wie die isagoge geschrieben bat,
als vierziger das erstlingswerk eines jungen, fünfundzwanzigjähri-
gen anfüngers excerpiert? Die unwahrscheinlichkeit wächst, wenn
wir die geringste ünderung in unseren voraussetzungen machen,
die wir ja für unsere eigene ansicht so ungiiustig wie möglich
gestalteten. Ist Posidonius erst 130—129 geboren, was wir glau-
ben, oder ist die isagoge schon 137 geschrieben, was Bonjour,
oder um 135, was Brandes (R. H. 118) berechnet, so wächst die
schwierigkeit zur unglaublichkeit, ja zur unmôglichkeit. Dasselbe
tritt ein, wenn man die abfassung der meteorologie, die doch auch
kaum eine jugendarbeit sein wird, spüter als 108 ansetzt, z. b.
gegen das jahr 90. Dieser ansatz ist auch glauhlicher als 108,
da Posidonius damals 45 oder 40 jahre zählte, je nachdem er 135
oder 130 geboren war. — Durch alle diese überlegungen wird
bestätigt, was auf den ersten blick jeder vermuthen würde. Die
isagoge ist später geschrieben, als die epitome, da diese sich als
jugendarbeit, jene aber als eine reifere, wenigstens in wahl des
stoffs und ausdrucks selbstündige arbeit cbarakterisiert. Da aber
die meteorologie des Posidonius nicht vor 108, wahrscheinlich erst
15—2Q jahre später verfasst sein kann, so liegt das geburtsjahr
der isagoge sicherlich nicht vor 108, wahrscheinlich aber nicht vor
etwa 90 vor Christi geburt.
V. Nunmehr liegt eine andere frage nabe. Wie kam der
jusge Geminus dazu, gerade des Rhodiers meteorologie zu epito-
mieren? Schon Böckh hielt (p. 15) die vermuthung für picht allzu
gewagt, den Geminus ,für einen zuhórer des Rhodischen Posido-
nius zu halten“, und nannte ihn deshalb etwas jünger als jenen.
Wir sind der ansicht, dass diese vermuthung so viel für sich bat,
wie nur möglich. 1) Es wird sich in unserer zweiten abhandlung
zeigen, dass Geminus in Rhodus lebte, in Rom die isagoge schrieb.
Posidonius aber schrieb und lehrte in Rhodus, reiste aber einige
male nach Rom. 2) Zavaíriog xai lloctduw»g ano TW quos-
xv ügyovros, sagt Diog. Laert. VII, 41. Da wird denn ein schüler
des Posidonius wohl auch zunächst naturwissenschaftliche studien
haben treiben müssen. So schrieb Geminus erst die epitome aus
x
Geminos. 101
des Posidonius meteorologie. Später emancipierte er sich von sei-
nes lehrers einfluss und widmete seine zeit der astronomie und
mathematik , wozu ihn sicher seine anlage, wahrscheinlich auch
seine neigung trieb. 3) Streicht man unter den autoren, die in
der isagoge citiert sind, des Geminus fachgenossen und vorlüufig
auch die dichter, so bleiben acht autoren. Darunter sind sechs
philosophen. Unter diesen aber drei stoiker! Nämlich Boéthus,
Cleanthes, Crates. Von den dichtern ferner ist Aratus am meisten
citiert. Aratus aber war in der stoischen schule angesehen! Seine
lehrer waren stoiker; unter seinen commentatoren sind drei als
stoiker bezeichnet: Boéthus, Heliodorus, Crates. Und wer weiss,
wie viele der anderen erklürer des Aratus, deren name, z. b. Zeno,
obne zusatz genannt ist, auch stoiker waren! Diese beziehungen
der isagoge zu stoikern sind wohl im stande, die ausgesprochene
ansicht von dem persónlichen verhaltniss des Geminus zum Posido-
nius zu unterstützen. — Es drängt sich somit in der that die
vermuthung auf, dass Geminus ein jüngerer zeitgenosse, ein zu-
hörer des Rhodiers war. Ihm trug vielleicht der lehrer als seiner
hoffnungsvollsten schüler einem die ehrenvolle aufgabe auf, für
schulzwecke die meteorologie zu epitomieren. So mag der junge
Geminus unter des berühmten Posidonius aegide studiert, so seine
schriftstellerische laufbahn begonnen haben, so auch nach Rom ge-
kommen sein.
VI. Nun kommen endlich, nachdem scheinbar alle quellen
erschópft sind, noch einige chronologische rechnungen unserer un-
tersuchung zu hülfe, die an die oben citierte stelle des VI. capitels
der isagoge anknüpfen. Diesen gebührt im range die letzte stelle.
Jedermann weiss ja, dass der kleinste fehler in einer rechnung sich
vervielfacht und zu grundfalschen resultaten führt. ^ Jedermauiti
weiss auch, dass die geschichte der chronologie der klassischen
vôlker ein feld vieler kümpfe ist, wo bypothesen und vermuthungen
wider vermuthungen und hypothesen streiten. So sind auch hier
zwei solche calculationen gemacht worden: die eine von Brandes
(R. H. (= etwa 135 v. Chr.)), die andere von Pétau (= 77 v.
Chr. und Böckh (= 73—70 v. Chr). Die älteren rechnungen
von Bonjour (— 137 v. Chr.) und Pétau (— 93 v. Chr.) kón-
nen hier übergangen werden, da diese vom erfinder selbst verwor-
fen ist, jene aber dasselbe berechnet wie Brandes und mit desset
102 Geminos.
resultat steht oder fällt. 1) Was zunächst die rechnung von Bran-
des betrifft, so beruht sie auf hypothesen, die uns nicht wabr-
scheinlich dünken. Brandes selbst spricht über sie äusserst vor-
sichtig. Seine ersten sütze lauten: „in der römischen kaiserzeit
ward in Rom ein fünftügiges Isisfest vom 28. oct. bis 1. nov. ge-
feiert. Da nun die Rómer hüufig den cultus auswürtiger gottheiten
adoptirten, so liegt die vermuthung nahe, dass auch dieses
Isisfest in Rom einem ügyptischen von gleicher dauer entsprochen
haben mag, welches dann wohl auch an den entsprechenden tagen
des aegyptischen jahres gefeiert worden ist“. Am schluss seiner
combination nennt sie Brandes selbst in besonnenem urtheil eine
den früher für die lebenszeit des Geminus geführten beweis ,,be-
státigende berechnung, die zwar, allein stehend, der eigeutli-
chen beweiskraft ermangeln würde, die aber durch ihre
übereinstimmung mit jenem beweise diese beweiskraft gewinnt*.
Wir meinen, die vorstellung, dass die Rómer bei der etwaigen
adoption des ägyptischen Isisfestes sich sklavisch auch an das
datum dieses festes bei den Aegyptern augeschlossen hütten, liegt
nicht nahe. Im gegentheil erwarten wir, um dies glaublich zu
finden, eine erklärung, wo nicht eine bestätigung durch andere
beispiele oder zeugnisse. — 2) Die Pétau’sche rechnung beruht
nicht auf so unsicheren grundlagen und ist, was einen fehler be-
trifft, von einem der besten chronologen corrigiert worden. Böckh
halt an der ,glünzenden combination“ Pétau's im ganzen fest, ver-
bessert nur die zahl 77 in 73—70 v. Chr. Widerlegt ist die
rechnung nicht. Noch nicht einmal einen angriff hat sie erfahren,
auch von Brandes nicht. Wir haben nirgends einen schwachen
punkt an ihr entdeckt. Das resultat derselben aber stimmt treff-
lich mit unseren eigenen resultaten überein. War Geminus im
jahre 70 ein reiferer mann von etwa vierzig jahren, so war er
um 110 geboren und batte ungefahr 90 als zwanzigjühriger jüng-
ling und schüler des Posidonius dessen meteorologie epitomiert.
Posidonius aber mag 130 geboren sein, war also zwanzig jahre
älter als Geminus und hatte seinen ruhm bereits begründet, als
sein schüler die epitome schrieb.
VII. Der zusammenhang der dinge und personen, wie wir
ibn zu erweisen suchten, gewinnt noch durch einige andere mo-
mente an glanbwiirdigkeit. Mit diesen argumenten konnten wir
Geminos. . 103
erst jetst kommen, weil sie die am wenigsten zwingenden sind.
Es ist eine kleine zahl winziger bemerkungen, die erst im zusam-
menhang mit wichtigerem werth und bedeutung erhalten. 1) Po-
sMonius batte in seinem werke negi “Queavov, aus dem Strabo
schöpfte, viel geographisches material zusammengestellt, zum theil
auch mathematische resultate: Tdwuer de xai [lootudwwov u pnosy
iv roïç migì wxeavov doxei yaQ iv avıois ta molÀà yewyeayeir,
zà er olzelws, tà dà wasnwarıxoregov (Strab. 94). Besonders
war die zonenlehre darin behandelt, so dass sie der erste abschnitt
ist, den Strabo einer besprechung unterzieht: moi dy o Moce-
duvsog tig elg mevie (wvag dsusgéosws aexnyòr yevtoJos. Iague-
stönv xt. Die kugelgestalt der erde war also acceptiert. Doch
scheint sie in einer weise erwühnt gewesen zu sein, als sei es
unpüthig, die gründe dafür vorzutragen. Posidonius mag sie, we-
nigstens in jenem werke als selbstverstandlich vorausgesetzt haben.
Denn kurz hinter jenen worten: ta dà uaSnuarxwrepor xrÀ. sagt
Strabo: cu» ovv 1 rm)» ngóg yewyçaglar olxelwv 10 ınv yüv
GAny vno 9£G Jas Opasposıdj xadaneg xal tev xóGuov, xal ta
alla nugudtiaotu 1 axodovIa 17 vnmoOÉcu zavım rovrwv Ó'
for xai 10 mevraluvov aviv sivas. In der schule des Posidonius
ist also die lehre von der kugelgestalt der erde als so unzweifel-
haft betrachtet worden, dass man mit ihr in den darauf basierenden
wissenschaften, wie geographie (und astronomie) ohne weiteres
operieren durfte. Ganz ebenso geschieht das nun in des Geminus
isagoge (vgl. Oettinger p. 52). Nur einmal wird die kugelgestalt
der erde erwähnt. Das XII. cap. (187. 49. 61) beginnt (vgl.
Pseudo-Procl. Sphaer. XIV, 1) mit dem satze: 7 17g Ovumıong
ynv érupavesn opasgosdis $nágyovoa deargettas el; Cwvac névre.
— 2) Posidonius schützte den Polybius hoch. Er benutzte ihn
fleissig, setzte ihn fort und ahmte ihn nach. So muss er des Po-
lybius andenken in Rhodus lebendig erhalten haben. Auf die an-
sicht desselben, dass die übrigens unbewobnte, weil übermässig
versengte zone der wendekreise in einem schmalen aequatorialstriche
dennoch bewohnt sei, nahm Posidonius in seinem werke xeoi
"axsuvov ausdrücklich bezug. Den Polybius benutzte aber auch
Geminus. Ist es nun schon an sich auffallend, dass Geminus in
einer astronomie den historiker Polybius citiert, der zwar manches
von astronomie wusste, aber darin weder auf der hóhe seiner zeit
104 Geminus.
stand noch im entferntesten produktiv war, so ist es im besonderen
eigenthümlich, dass auch Geminus gerade jenen abschnitt citierte:
IoXvfios è icrogoyoagos rnenvayuatevias BiBiloy 6 imygagiv.
Eyes neoì rf; megì rüv lonueoviòv olencews xrà., heisst es im XIII.
capitel (205 f. 54. 67). Am sonderbarsten aber ist, dass Geminus
diese theorie, die Polybius nur dem Eratosthenes nachsprach, nicht
als ansicht dieses bedeutenden, schépferischen mannes, der sie er-
funden, sondern des Polybius citiert. Dass nun jenes Pc S2lor,
welches Polybius geschrieben baben soll, kein besonderes werk,
sondern ein theil des 34. buches der historien war, glaubt der verf.
kürzlich bewiesen zu haben (N. jahrb. f. kl. phil. 1882. P. 113—
122: Ueber die geographischen werke des Polybios) Nimmt man
dies alles zusammen, so sieht es so aus, als babe Geminus die be-
kemntschaft mit der zonenlehre des Polybius dem Posidonius zu
danken, als habe der theil des 34. buches der historien, der von
der gestalt, der grüsse, den zonen der erde bandelte, in der rho-
dischen schule des Posidonius als besonderes excerpt in besonderen
rollen kursiert, um als populüre oder kurz gefasste darstellung der
grundlagen der geographie bei vorlesungen zu grunde gelegt zu
werden. So würde sich alles, auch der ungenaue ausdruck fi-
Paley, recht gut erklären. — 3) Wir haben oben bemerkt, dass
wir nicht wissen, aus welcher schrift des Hipparch Geminus tha
dreimal im zweiten capitel (48. 12. 19. — 45. 13. 19. — 47.
18. 19) citiere, Was dort vom Hipparch berichtet ist, ist die ein-
fübrung dreier neuer sternbilder. In der einzigen schrift des Hip-
parch, die uns erhalten ist, den 2&nynosıs vov Aqurov x«i Eudokov
yawontvwv, wird nichts von diesen gestirnen gesagt. Nun schrieb
der grosse astronom nach Suidas ein werk Z7egì 175 tw» dniavwy
€vvidteog xai tov xaraGteQiOuoU. Es ist wohl anzunehmen, dass
er in diesem werke die resultate seiner beobachtungen niederlegte,
dass er dieses werk nach 126, bezüglich 128, aus welcbem jahre
seine letzte beobachtung, die uns überliefert ist, stammt, jedenfalls
aber nicht lange vor 126, etwa gar vor 137 schrieb, endlich dass
die überwiegende mehrzahl der astronomischen citate aus Hipparcbs
hinterlassenschaft aus jenem werke herrübrt. Also ist die isagoge
schwerlich 137, vermuthlich vielmehr nach 126 geschrieben. —
4) Cantor macht (p. 34D f.) noch auf ein argument aufmerksam.
Rechnet man mit Pétau jene bekannten 120 jahre vor 77 v. Chr,
Geminos. 105
so erhült man das jahr 197; rechnet man sie mit Brandes und
Bosjour zu 137 v. Chr., so ergiebt sich das jabr 257. Nun ver-
ordnete das edikt von Kanopos im jahre 238 v. Chr. einen neuen
schalttag alle vier jahre. Ist dies edikt auch noch so kurze zeit
befolgt gewesen, es würde im letzteren falle jene 120 jahre unter-
brochen und ,die dreissigtägige verschiebung des isisfestes binnen
120 jahren zu einer unwabrheit gemacht haben“. Im ersteren
falle ist dies nicht eingetreten. Da man ohnedies weiss, dass jenes
edikt in vergessenheit gerieth, so hat man in des Geminus notiz,
an dessen wahrheit zu zweifeln kein grund vorliegt, eine diessei-
tige grenze für die mögliche gültigkeit des neuen scbaltverfahrens
gefunden: es hat dasselbe „von 238 an höchstens durch 40 jahre
hindurch“ bestanden.
VIII. Wir baben nunmehr sieben arten von argumenten be-
sprochen, die für die lebeuszeit des Geminus angeführt werden
kónnen. Es bleibt die achte, die für den philologen die werth-
vollste unter allen heweisarten ist. Wie sieht es mit der sprache
der isagoge aus? Diese untersuchung muss der verfasser auf spä-
tere zeit verschieben. Er glaubt, das bier thun zu dürfen, weil
schwerlich der sprachgebrauch einer schrift des jahres 137 von
dem einer solchen aus den jahren 73—70 sich so wesentlich un-
terscheidet. Er glaubt aber vor allem, das hier thun zu müssen,
da ja noch keine korrekte ausgabe der isagoge vorliegt und die
verliegenden ausgaben, wie verf. konstatiert hat, sogar an aus-
lassung ganzer sátze leiden. Dazu kommt noch ein anderes mo-
ment. Wir scheuen für jetzt noch vor der schwierigkeit zurück,
die eine solche untersuchung gerade bei dieser schrift bietet. Ei n-
mal hat man es hier mit einer populüren astronomie zu thun. An
dem stile anderer, nichtastronomischer autoren lásst sich also des
Geminus sprachgebrauch schwer messen. Die technische form aber,
z. b. der ausdruck und die folge der postulate, theoreme, beweise
u. dgl., die sich erst im laufe der zeiten herausgebildet bat und
unter anderem sehr wobl einen voreuklidischen mathematiker von
einem nacheuklidischen unterscheiden liesse, ist beim Geminus nicht
streng. Wir haben ja eine in form und inhalt durchaus populüre
scbrift vor uns. Dann aber ist gerade die astronomische litteratur
der Griechen bis jetzt kaum bearbeitet worden. Man kennt den
sprachgebrauch derselben nicht recht und muss sich aus ausgaben,
106 Geminos.
die selten, alt, unzuverlüssig sind, alles, was man braucht, selbst
zusammensuchen. Lexika kommen dem suchenden dabei ganz und
gar nicht zu hülfe Endlich aber wird die beurtheilung der
ausdrucksweise in der isagoge noch durch die spuren des einflusses
erschwert, den augenscheinlich des verfassers bekanntschaft mit
Aratus auf seinen stil geübt hat. Formen wie Zyr0ç und Boudıor,
wörter wie vzorgoya(5)w, yowr(beodus uud xsovaodas sind poë-
tisch, aber nicht vereinzelt. Auch Theo Smyrn. z. b. (ed. Hiller
p. 121, v. 4) gebraucht ßoudıov. Beim Geminus mögen seinen
zahlreichen citaten von dichtern diese poétischen anklünge entstam-
men und also unwillkührlich sein. Doch ist die frage, wie weit
das geht. Die technische ausdrucksweise der astronomie, die von
vornherein auf eine gewisse bildersprache angewiesen ist, bat etwas
poétisches an sich. Ein doouos 7A(ov, dun xócpov, Too uoTt-
Qu», u. dgl. ist, so gewöhnlich diese ausdrücke sind, von dichteri-
scher farbung. — Am unfehlbarsten sind noch die schlüsse, welche
sich aus den einzelnen termini technici ergeben. Wenn z. b. er-
wiesen ist, dass Apollonius von Pergä die namen ZAAesyic, naga-
Bein, unsgßoAn für die noch heute so benannten kegelschnitte auf-
stellte, so ist jeder autor jünger, der diese ausdrücke in diesem
sinne gebraucht. Ein solcher nachweis aber ist für astronomische
vokabeln für jetzt noch recht schwer, wo nicht ausdrücklich, ein
zeugniss des alterthums uns zu hülfe kommt. Ein beispiel für ein
solches zeugoiss bietet Simpl. Comm. in Arist. phys. fol. 64b (Ed.
acad. Berol. IV, 348 b): oi dé veo isQos. disdovies rouvoua my uiv
Tag :xivjOtc TwY ovoaviwv Enicronovcav «xotpovoultur, xaÀoUG:,
thy Où negì rà droredovpera dE aviwy doigoAoyla» Idlwg tmovo-
paCovosy. Leider ist auch hier der ausdruck of vewregos unbe-
stimmt. Von derartigen technischen termini wäre aus der isagoge
nur einer anzufübren. der allenfalls für die vorliegende untersuchung
von werth sein kónnte, nümlich das wort wou. Wann diese vo-
kabel die bedeutung stunde = !/3 des tages erbielt, ist nicht
ganz sicher. Der erste, der es so gebraucht, ist Hipparch (Ideler,
Chr. 238 f). Hat er ibn eingeführt, so muss er doch irgendwo
ausgesprochen haben, dass wor fortan nicht mehr einen bestimmten
theil des jahres, sondern des tages heissen solle. Wann und wo
ist das geschehen? Geminus nun aber hat in der isaguge wee so
unumwunden für stunde gesetzt, dass man annehmen muss, dieser
Geminos. 107
sprachgebrauch sei allgemein üblich, allgemein bekannt gewesen.
Danach ist die isagoge sicher einige zeit nach Hipparch entstanden
und eber 73—70, als 137 v. Chr. geschrieben worden. Ganz zu-
verlassig aber sind die grundlagen dieses argumentes nicht. Hip-
parch kann auch in einer seiner ersten schriften, z. b. schon um
160 v. Chr. den neuen sprachgebrauch eingeführt haben. Nicht
minder fraglich ist es, ob Hipparch, der freilich bis jetzt als ur-
heber dieser neuerung gilt, auch dann diesen ruhm behalten wird,
wenn uns alle griechischen werke oder fragmente über astronomie
in gesicherter textgestult vorliegen werden. Einstweilen mag jenes
wort als ein beispiel dafür dienen, wie heikel vor der hand noch
alle solche untersuchungen sind. Wir sind so lange gehindert, sie
erfolgreich und sicher zu führen, bis die astronomische und cbro-
nologische litteratur der Griechen vollständig, kritisch revidiert
und von etwaigen interpolationen befreit vor unseren augen liegt.
Wir wären zu ende, wenn nicht ein einwand von anderer seite
erhoben, ein zweites bedenken aber uns selbst aufgestiegen ware.
Es gilt also zu guter letzt, sich mit diesen abzufinden. 1) Brandes
(G. E. 203) weist darauf hin, dass des Hipparch neue periode von
$04 jahren mit 112 schaltmonaten in der isagoge nicht genannt
sei. obgleich im Vl. cap. alle von Hipparch berechneten schaltpe-
rioden eine nach der anderen aufgezählt würden. Es scheine da-
nach, als habe Geminus die des Hipparch noch nicht gekannt, also
die isagoge noch zu dessen lebzeiten geschrieben. Mit recht aber
verweist Lübbert p. 430 auf Ideler’s Beob. p. 221 und hebt her-
vor, dass sich der hipparchische cyklus nicht einbürgerte, dass er
„weder im bürgerlichen leben noch von geschichtsschreibern oder
astronomen gebraucht* worden ist. War seit der aufstellung die-
ses neuen cyklus ein zeitraum von mindestens 50 jahren verflossen,
so konnte sich die erscheinung, dass man nach ihr nirgends rech-
nete, deutlich gezeigt haben. Des Geminus schrift ist ja auch für
laien oder anfänger berechnet: des Hipparch periode aber sollte
einen fehler korrigieren, der erst nach 300 jahren die grósse eines
tages erreicht; sollte es denn dem Geminus durchaus nóthig er-
schienen haben, in einer populären schrift eine so detaillierte be-
rechnung darzulegen (vgl. Bóckh 10)? Endlich verweist Böckh
(p. 9) auf einen anderen umstand. Die hipparchische periode be-
ruht auf der verkürzung der kalippischen jahreslänge. Kalipp
108 Geminos.
nämlich berechnete das jahr zu 3651/4, Hipparch nur zu 865!/, —
l/soo tagen. Nun sagt Geminus cap. I (5. 2. 8): # dì #uéea
tEe xaì dov ufgog wg EyysGra rov dwavolov yoóvov. Es ist
wobl kein zweifel, dass die worte wg fyysora auf die subtraktion
von !/59o hinweisen, Wenn nun Geminus ein andermal in cap. 1
(9. 3. 9) rundweg 365!/, sagt, so ist das eine abrundung und
darf nicht zu falschen schlüssen verleiten, da Hipparch selbst seine
zahl so abgerundet bat (Ptol. Alm. Ill, A). Böckh weist ferner
darauf hin, dass Hipparch die dauer des monats zu 29 t. 12 st.
44 min. 8" 20” bestimmte; Ptol. Alm. IV, 2 (ed. Halma bd. I,
p. 216 f) sagt: Ode euploxes xai 109 pnveciov péoov yçôvor,
InımegiLoufvov 100 neoxespévov ruv nusgwy nÂndovç, elg rovg
dott uüvag, quequy Gvvayoueroy xd da’ wv" n” x” Eyysota.
Geminus aber giebt den monat freilich meist zu 29!/; + !/ss tag
an, einmal auch wieder mit dem zusatz wo fyysota cap. XV (233.
61. 76); er kennt aber die hipparchische bestimmung der monats-
länge als die genaueste berechnung derselben sehr wobl. Denn
Pétau (Ur. 412) hat cap. VI (135. 36. 46) die fehlerbaften zahlen
31, 40, 50, 24 der Hilderichschen ausgabe, welche von Halma
wiederholt sind, aus einem alten codex verbessert und so geschrie-
ben: Kor; yoQ & pynaioc yodvos áxgsfg AauBavoueros nueowy
x9, xai mouru» ÉEnxoctüv Za, xal devifowr v, xai rolıw 7 xal
tetagrwy x. Wir werden endlich unten zu zeigen haben, dass
Geminus auch sonst mit Hipparchs beobachtungen genau genug
bescheid weiss. Es ist also keineswegs des Geminus isagoge vor
der veröffentlichung des hipparchischen schaltcyklus geschrieben
worden. — 2) Es ist auffallend, dass Geminus seinen lebrer Po-
sidonius gar nicht nennt. Um das erklürlich zu finden, um darin
nicht einen widerspruch mit unseren annahmen zu lesen, muss man
nur beachten, wie Geminus überhaupt citiert. Er schrieb kein
wissenschaftliches compendium, auch keine historische abbandlung,
noch weniger eine streit- oder vertheidigungsschrift. Vereinzelt,
gelegentlich, wie es der zufall oder der einfall des momentes es
ibm nahe legte, berief er sich auf diesen oder jenen autor. Die
berühmte erdmessung des Eratosthenes kennt und erwühnt er, den
namen des urbebers aber nennt er nicht. Die bewobnbarkeit der
aequatorialzone bespricht er ebenfalls, aber nach den worten des
Polybius, nicht des Eratosthenes, der sie zuerst ausgesprochen hatte.
Geminos. 109
Und so citiert er ohne princip, ohne bestimmten plan, wie um bier
und da die lekture interessant zu machen. Uebrigens wäre, so-
weit wir des Posidonius astronomische leistungen überblicken, in
einer isagoge dieser art nicht viel gelegenbeit gewesen, ibn zu nen-
nen. Insbesondere ist es aufgefallen, dass Geminus nur des Era-
tosthenes erdmessung zu 252000 studien für den grössten kugel-
kreis erwähnt. Berger hat (p. 109 anm.) darin einen neuen
»beleg gefunden „für die von Brandes . . . . vertretene annahme
über das alter dieses schriftstellers*. Der schluss ist übereilt.
Geminus hat diese messung allein für die richtige gebalten. Ge-
legentlich erwühnt er freilich auch falsches und widerlegt es; aber
muss er das immer thun? Auf wie unsicheren grundlagen im
übrigen des Posidonius messung des erdumfangs zu 180000 studien
beraht, das baben Letronne ?) (p. 121 ff.) und Oettinger (p. 108 ff.)
kinlänglich erwiesen. Geminus mag es nicht für wiinschenswerth
gebalteu haben, dem breiteren leserkreise, für den er schrieb, des
Posidonius falsche und unwissenschaftliche messung vorzutragen.
So viel weiss der verfasser über die lebeuszeit des Geminus
zu sagen. Er wird die resultate am schluss der zweiten abhand-
lung zusammenstellen. Freilich ist manches nicht unbedingt sicher.
Aber es reiht sich wenigstens natürlich argument an argument,
obne sprung, ohne zwang und ohne willkühr. Die grundlagen
seiner beweisführung aber glaubt der verfasser durch eine unge-
zwungene erklärung der bezüglichen textworte gebildet zu haben.
Wer zugiebt, dass die einzelnen argumente in der reibenfolge, in
der wir sie nannten, auch ihrem inneren werthe nach genannt zu
werden verdienen, dass unsere auffassung der überlieferten zeug-
nisse über den Geminus näher liegt, als jede andere, dass endlich
die resultate der angestellten combinationen als plausibel anerkannt
werden müssen, der darf nunmehr nicht erwidern, dass man auch
diese oder jene vermuthung über irgend ein aus unserer kette her-
ausgerissenes glied aufstellen kónne. Wer unsere beweisführung
angreifen will, hat vielmehr zunächst die aufgabe, die in sich ge-
9) Letronne, Ueber die erdmessungen der alerandrinischen ma-
thematiker. Uebersetzt von Dr. S8. F. W. Hoffmann und als anhang
zu Lelewel, Pytheas und die yeoyraphie seiner zeit ediert. Leipzig
1838. Diese abhandlung Letronnes ist 1817 gelesen und in den Mé-
motres de l'Institut royal de France. Tome VI, Paris 1822, p. 261—
823 gedruckt worden.
110 Geminos.
schlussene fulge unserer beweise als die falsche zu vernichten, oder
aber von hinten anfangend widersprüche, unwahrscheinlichkeiten,
unmöglichkeiten in den resultaten nachzuweisen oder endlich dar-
zulegen, dass die nothwendigkeit einer gewissen reihenfolge, in der
die beweisarten vorgeführt werden müssen, eine unnütze, die com-
bination hemmende zwangsjacke sei.
Um noch eiamal auch das hervorzuheben, die kernpunkte aller
unserer erwägungen entdeckt zu haben, ist das verdienst der gros-
sen chronologen Pétau und Bóckh. Die scharfsinvige und gründ-
liche untersuchung vou Brandes ruht auf der falschen interpretation
einer stelle des Geminus und auf der gezwuugenenen deutung eines
satzes des Simplicius; doch gebührt ihm das verdienst, die frage
zugespitzt, das problem verschürft zu haben. Der verfasser end-
lich hat einige kleinere beiträge zur lösung geliefert, hofft aber
vor allem, in die ganze untersuchung eine gewisse ordnung ge-
bracht und die einzelnen argumente dahin gestellt zu haben, wohin
sie gebóren.
II. Wo schrieb Geminus?
Die frage nach dem orte der geburt oder der wirksamkeit
des Geminus ist, wenn überhaupt, allein aus seiner isagoge zu
beantworten. Nirgends ist sonst eine andeutung darüber zu finden.
Auch die isagoge aber lüsst nur unsichere schlüsse zu, so sicher
man auch anfänglich glauben möchte, dass sie deutlich und unzwei-
felhaft auf unsere frage bescheid gebe. Was wir bier an resul-
taten gewinnen, ist also an sich noch unbestimmter uud wird erst
durch die übereinstimmung mit demjeuigen leidlich zuverlässig, was
die untersuchungen über des Geminus zeit ergeben baben. Athen,
Rom, Rhodus sind genannt als des Geminus heimath. Ist auch
Athen zu streichen, so ist dafür an die stelle der beiden anderen
städte eigentlich nur ihr parallelkreis zu setzen. Was aber die
sache noch verwickelter macht, ist der nume des Geminus selbst.
Mit diesem müssen wir beginnen.
Genannt ist der name des autors im nominativ oder accusativ
in den MSS. des Simplicius, des Alexander von Aphrodisias, des
Eutocius, des Pappus, des Proclus. Immer ist leuiroç überliefert.
Dieser name kommt in dieser accentuation sonst nicht wieder vor,
soweit der verfasser bis jetzt hat feststellen können. Bei den übrigen
Geminos. 111
griechischen autoren dieses uamens, welche wir hier gleich zusam-
meastelien wollen, wird nie das jota accentuiert. Ausser dem
astronomen Geminus werden uns nur noch vier männer desselben
namens genannt, mit deren keinem sich jener identificiren lässt.
Was über sie zu sagen ist, ist folgendes.
1. Geminus der Oneirokritiker. Artemidori Daldiani Oneiro-
criticon Il, 44 (Fabricius-Harless bd. IV, p. 34 citirt fälschlich H,
49) erwähnt ihn allein. Die accentuation Zeuwevos bat R. Hercher
in seiner ausgabe des Artemidor (p. 128, v. 22). Pape betont in
seinem wörterbuche der griechischen eigennamen T£uevoç. Su sind
denn richtig alle drei silben dieses namens einmal mit dem accente
beglückt worden. Jene stelle lautet in Hercher's text: ‘'Ovelgoug
di -unoßeßnxorag xoà 106 ánoflíicug uvıwv oùx evdéyetas youysır
d» iÉyvp Övagoxgsuxn xai vnosnxag Fewenuatwy. ovdé wor m-
Fara idoxt raviu, xufros Tepuvov 100 Tvgtov [coni. Rigaltius;
cod, Marc. nvoíov] xai Ænuniolov zov Dadegtws xai "Mortumvog
tov Miàgofov [coni. Reiffius; cod. Marc. pndnolov] tov er èy
19490. BsBAloig 100 dé dv névie tov dé elxociduo moAAorg Ovelgovg
Grayquywapéruv xai puliota ovrtayug xal Pegamelug tug tnd
Zug«mog dodeloug. Die litteratur der traumdeuterei ist ein
makel auf dem griechenthum, Dass der klare, hesonneue, nichts
weniger als aberglaubische astronom Geminus drei bücher solchen
unsinns geschrieben habe, wird niemand vermuthen wollen. "Tyrus
kann also als vaterstandt unseres Geminus so wenig gelten, als das
verderbte /Jugiov etwa in '"Podíov zu ändern ist.
2. Geminus der physiker. Iriarte sagt im catalog der Ma-
drider manuscripte bd. I, p. 328: Codex CI X. Charlaceus in quarto,
foliis tantum constans 84. chartae candore, luevitate, crassitie, lit-
terarum perspicuitate spectabilis; totus, si folia excipias 59. 60.
61. 62 Constantini Lascaris manu exaratus Mediolani, anno
MCCCCLXIV. In diesem codex steht (nach Iriarte p. 428) von
fol. 79 an: Tewlvov olu«s ngóg 10» xulougu 7 unig
zoaolvwr. Gemini, ut puto, ad Caesarem, nempe de Prasinis
(id est, viridi colore praeditis). Initium: Xowuurwy negi
xal pudews uvıwv xoi yerécewsg noÀÀloi modiuxes
Copuiute xaicuo Enguypurevouvro. Quisnam sit hic
Geminus, me plane fugit. Astronomum quidem, non Physicum novi.
Quisquis demum is est, nulla mihi huius Opusculi mentio in M.
112 Geminos.
Storum Bibliothecis, Catalogis, Indicibus occurrit. Quare, ut inedi-
tum eb maxime rarum, hic apponere operae pretium duxi. Nun
folgt diese kleine abhandlung von p. 429 bis 431. Iriarte’s worte
sind von Harless in der zweiten ausg. der Fabricii bibl. Gr. bd.
IV, p. 34 abgedruckt, also auch gebilligt worden. Und in der
that, die art, wie der verfasser gleich zu anfang von der xasca-
Qui; xegadn und von den rov xalcagos ópJaAuot spricht, schliesst
jeden gedanken an den astronomen Geminus aus. Ist etwa, wie
der zusatz oluas vermuthen lässt, der name Geminus über diesem
dürftigen und phrasenhaften schriftstück ein zusatz des C. Lascaris,
so darf man getrost den ,physiker Geminus zu grabe tragen. So
verlockend es wäre, diese physische abbandlung etwa als theil der
epitome aus des Posidonius meteorologie anzusehen und in der an-
rede zgóg xuloagu eine zeitbestimmung für unseren Geminus zu
finden, es wäre das ebenso willkührlich wie unwahrscheinlich.
9. Geminus der grammatiker. Wieder ist es Iriarte, welcher
I. |. bd. I, p. 387 f. einen Geminus nennt. Es heisst p. 387:
Codex XCIX. Chartaceus in quarto, foliorum 108. chartà modice
candida laevique, partim ignoti Calligraphi, partim Canstantini
Lascaris manu descriptus. Von den fünf schriften des Geminus
gehért die vierte einem Geminus an. Darüber heisst es p. 388:
fol. 83 Interiecto unius folii vacantis spatio, l'eu(vov áuaS9 6
Î wag Eaviò yquppartixog. Geminus indoctus, sive intra
se Grammaticus. At nulli Geminorum, quos sibi Litteratura Res-
publica adscivit cives, Libellus hic adscriptus occurrit, aut adscri-
bendus videtur. Iriarte hat auch dieses schriftchen, welches auf
kleinem raume eine menge von autoren von Homer bis Plato und
weiter binab citirt, p. 388—390 mit dem bemerken gedruckt, dass
es seines wissens sonst nicht wieder überliefert sei.
4. Geminus der dichter. Obgleich dem dichter zehn epi-
gramme der griechischen anthologie beigelegt sind (Jacobs, Anthol.
Gr. p. 279 sq. Cf. tom. IX, p. 309 sqq.), ist sein name dennoch
lateinisch: Tullius Geminus. Mit ihm kann man also den mathe-
matiker noch weniger identificiren, als mit einem der anderen
trüger dieses namens.
Trotzdem nun die namensform [eyivog nur für unseren ma-
thematiker und nur in jeuen autoren vorkommt, balten wir doch
an ibr fest. Es ist glaublicher, dass die spüteren Griechen einen
Geminos. 113
griechischen namen JZeuïveç an das lateinische Geminus ange-
glichen und in-Ieusvog oder l'Éuivog geändert hätten, als das um-
gekehrte. So wie jetzt die überlieferung liegt und unser wissen
steht, muss man um so mehr Teuivog betonen, als in den griechi-
schen inschriften, freilich mit nicht ganz sicherer lesung, zweimal
die form Teusivog vorkommt, worauf den verf. sein college dr.
Róhl aufmerksam machte. Um also aus dem Geminus einen rómi-
schen sklaven zu machen, müssten doch wohl andere griinde vor-
liegen, als der blosse auklang der namensform. Den roman von
des Geminus freigelassenschaft hat zuerst Pétau erfunden. Er sagt
(Ur. Praef. p. Vill): Romae et in Italia vixisse [Geminum], non
levis est coniectura, ibique commentarium hunc scripsisse. Ac vel
nomine ipso Gemini satis hoc evincitur, Latinorum usu, et com-
mercio implicatum esse hominem; ac libertum fortean, aut clientem
alicuius fuisse familiae, cui peculiare cognomen id erat; nempe
Serviliorum. Wie leicht solche einfälle die kópfe verrücken, das
lehrt das beispiel von Voss und Halma. Pétau (1630) setzt doch
ein fortean zu seiner geschichte hinzu; da er ferner, was freilich
ohne grund geschieht, den autor der isagoge von dem verfasser
der anderen werke trennt, jener aber nirgends citiert wird, also
auch nicht ausdrücklich Teuivog genannt ist, so hat Pétau's art
zu combinieren sinn und methode. Voss (1650) dagegen identi-
ficierte (vgl. Heilbronner p. 287) jene beiden autoren, sprach aber
trotzdem aus, dass er ungeachtet der betonung Zeuiroç bei Proclus
nicht an dem römischen ursprunge des namens zweifle. Halma
(1819) endlich hält die accentuation bei Proclus der erwähnung
gar nicht für werth, sondern spricht kurzweg von dem nom latin
de Géminus, als gabe es gar keine andere überlieferung noch még-
lichkeit. Vorläufig wird man also wohl an der betonung Lepivog
festhalten und den mathematiker für einen Griechen ansehen müs-
sen. Was nun für die stádte, welche als heimathsorte des Geminus
genannt worden sind, vorgebracht oder vorzubringen ist, ist fol-
gendes.
I. Athen ist als des Geminus heimath oder wirkungsort aus
keinem einzigen vernünftigen grunde anzuführen. Man hat dafür
den attischen dialekt der isagoge und die worte oi gods r7» mo-
Army cywyny 6Aooyeg£oregov Aeufavopevos unriaïos yoôvos (=
20!/, tag, statt der genaueren zahl 29'/ + !/ss) im VI. cap.
Philologus. XLII. bd. 1. 8
114 Geminos.
(115. 31. 40) geltend gemacht. Der dialekt der isagoge ist aber
die xoi»; , nicht der attische; den wechsel der sAngssg und xotàos
pnves (mondmonate) ferner hat freilich Solon in Athen, aber auch
andere Griechen in anderen stüdten eingeführt (Ideler, Chr. |,
68 ff); also kann die zodszixi) aywyn (vgl. Schol. zu Arat. v. 740:
tour dé 10 pnvi éyoürro ngög thy tw molo» diaywynv*
xai vor En youvias moÀÀol rv ‘EdAgrwy) nicht als Atheniensium
institutum gedeutet werden. Erfunden ist diese spielerei von dem
_ juristen Alphonso à Carauza in Spanien, der 1628 gegen Pétau
schrieb (Ur. Variarum dissertt. lib. IV, p. 35), aber von diesem
gebührend zurückgewieseu worden. Es war kaum nöthig, die thö-
richte combination des Spaniers hier zu erwähuen, und geschah
nur der vollständigkeit zu liebe.
Hl. Rom hat die stelle für sich, welche am klarsten nnd
unzweideutigsten zu reden scheint. Im IV. cap. (59. 16. 23)
spriclit Geminus von dem verschiedenen verhaltniss, in welchem der
nördliche wendekreis vom horizont auf verschiedenen parallelkreisen
geschnitten wird, und sagt: 'EvzavJua dé it£uveras [6 Jegevoc
zQomxóg xuxdog Und rov OgíLovriog] ovrwg, wore Tov OÀov xvxÀov
diuigovpévov eis 5j péon névie uiv 1unuata unig yi» anoAaufa-
veodar, ıgia dé uno yüv. ligóg dé rovio 10 xAlua doxei xui 6
"Agurog Guvieruyérus Tiv ıwv guirouéruv nouyuurelur. — [egi yag
tov Hepıvov igomuxoU xvxÀov diadeyoperos noir oviws ....
[vgl. Arat. Phaen. 497—99] . . . . "Ex dé ravrns ris diusgkocwg
axoAovdei, rjv peylomv quéour Wowy lonuegurwy yérecdus te, thy
di vuxru dio» iomueqwüvr 9. "Ev dè 19 xarà ‘Podov ógí([ovri
zérugtas oUrwg, wste 100 Chou xvxÀov dinonuévou el; ufon un, te
piv x9 iuüpaia bnig tov oellovia anodaufiiveodui, 1G. de 19
tno yiv. Ex dé tig diusgéotws tavins üxolovOsi, thy utylorqv
nutoay iv ‘Pod yivto9uv woewv lonuegirav ıd =", ijv dì véxra
ogwv loqusqivg» 3 ‘=. — Das wort èvravda, aus welchem
die sphaere des Proclus die worte xa1&à ijr jyetéguy olxgow ge-
macht hat, kann nichts anderes heissen, als: Hier, wo ich schreibe.
Der ort also, wo er wohnt, liegt auf dem breitengrade, dessen
üngster tag 15 stunden hat. Nun liegt die vermuthung nahe, dass
Geminus, der eine ühnliche bestimmung für mehrere orte gab, ge-
wiss einmal seinen standort bei gelegenheit einer solchen angabe
mit namen nannte. In der that sagt er cap. V (81. 22, 30):
Geminos. 115
"Ecrs di d» "Pódg 7 meyloin nuéçu Gewy lonuegirisr +6 " 77808
dì ‘Pour 5 peylorn fuéca woewy lonpegeviiv ve. Wie bier der
rhodische parallel demjenigen entgegengestellt ist, dessen längster
tag 15 stunden hat, so auch in jener stelle. Als ort dieses letz-
teren breitegrades aber ist Rom genannt. Wenn man nun das
obige èrrav3« hiermit zusammenhält, scheint in der that kaum
ein zweifel zu sein, dass Geminus diesen passus in oder um Rom
schrieb. Die beobachtung selbst, auf die er sich beruft, kannte er
jedenfalls aus Hipparch. Dieser sagt in seiner exegese zum Aratus,
lib. I, nachdem er eben jene verse des dichters citirt hat, (Pétau
Ur. 178 D sq.): Onou dì i peylorn nutga Aoyov Eye ngog mv
Dayloınv, Ov Eyes ta & mods ta y, èxeî 5 uiv peylorn uta
cri» dur te 10 Où ÉEagua tov modov poso. pa’ we tyysora,
dnAov rolvuy Or, où duvarov Ev roig megl tiv “Eldada tov ngou-
onu£rov elvas Adyov tig peylotns nuéçus nQoc rjv elaylorny, aide
paddov dv roig neoì tòv ‘EXAgorovrov Tonoıs. Damit sind die
scholien zu Arat. v. 498 zu vergleichen: 2905 10 xA(ua rov 'EÀ-
Anonovrou xal Maxedovlag doxst mv tw» qusvoptrwv noayparelay
GurSeivar. xai tors mdavov exeice OsatelBew E rda xai 100g 20-
yous Enofyoev. Endlich wird der ausdruck segì Pup; in jener
Geminus-stelle durch eine hipparchische bestimmung bei Strabo pg.
134 trefflich illustrirt: "Ev dè zoig megi “AdeEavdgesav pégecs 176
Towddos, xar "Mdug(nolw xai ’Anollwvlar tjv Ev ’Hnelgp, xai
tovc ‘Puunç uiv vorswrégouc, Bogevotégous dé Neundiswg, 7 ut-
r£oın nuéea eoriv wewy lonmegsvuwr dexanévte. Aus diesen stel-
len zeigt sich wiederum, wie genau Geminus mit den astronomi-
schen hestimmungen des Hipparch bekannt ist. Für den vorliegen-
den zweck aber ist aus diesen stellen streng genommen nur zu
schliessen, dass Geminus auf dem breitengrade Roms schrieb. Denn
Hipparch, dessen klimentafel Geminus augenscheinlich benutzte, hat
die für Rom geltende bestimmung ausdrücklich auch für Alexan-
dreia Troas am Hellespont, für Amphipolis in Macedonien und Apol-
lonia in Epirus gegeben. Doch wird Rom von allen diesen orten
mit der grössten wahrscheinlichkeit als sitz des Geminus für die
zeit angenommen, wo er jenes évruv9u schrieb. Auf grund die-
ses wortes hat schon Pétau (Ur., Var. Dissertt. lib. IV, p. 151)
ausgesprochen: non Athenis, sed in alio climate degebat. Geminus;
8°
116 Geminos.
ac Romae fortasse; und ein andermal (Praef, p. VIII): Romae et
in Italia vixisse, non levis est coniectura , $bique commentarium
hunc scripsisse.
Hi. Rhodus endlich gilt allgemein als des Geminus ge-
burts- oder wenigstens als sein langjähriger aufenthalts-ort. Jenes
ist unerweislich, dieses ist unzweifelbaft richtig. Die art, wie
von Rhodus die rede ist, schliesst jeden anderen gedanken aus.
Abgesehen von den beiden eben citirten stellen des cap. IV (59.
16. 23.) und des cap. V (81. 22. 30) wird Rhodus gleich am
eingang der isagoge in cap. | (5 sq. 2 sq. 8.) mit derselben notiz
genannt: "Ecr, dì 7 peylorn fuéou xazà 10 dv Podo xAlua wewy
a
Ti
xoi 10 dv ‘Podw xilua wewy lonusperav 40 7 Eine genaue
lonuegwwr sò Und gleich darauf: "Eors dì 7 peylorn vd
beobachtung des hundsgestirnes (0 Kvwy) in Rhodus wird cap.
XIV (229. 60. 74.) berichtet: “Ev ‘Pod uiv yo pera À muéças
ing teonns emstédAse 0 uomo èv addorg dé rómoig peta w futoas
ing Oegsvzc roonnç olg dé petra v. Noch specieller ist die im
cap. II (47. 13. 20.) mitgetheilte himmelsbeobachtung: ‘O dé è»
axe 15 IlndaAle tig “Apyovs xeluevos À«umoog acıng Kavwflog
óvoua(eras. Oùros uiv dv 'Péóo ductewentes lorw, 5j rmavreddg
ag BnVv ronwy ogarar Ev "MAcbardgs(a dé tou nuvrelwç
lugavüg. Syedov ye rérugrov ufgog tov Cwdlov dad rov dpltov-
105 uerewgiouéros yalveras. Damit vergleiche man die bemer-
kung, welche Geminus über den höchsten berg auf Rhodus im cap.
XIV (211. 55. 69.) macht: Moddaxg dé xoi ot els “Araftosov
ávaflalvorig dic rd» vepüy mosovrtai THY araßacıy xai vnoxaru
Tg toU Ogovg xoQvgrg Feweodor Try t&v vequy ovotacw. End-
lich nennt Geminus cap. XIV (217. 57. 71) Rom, Pontus, Rbodus,
Alexandria als beispiele verschiedener breite, für welche also aucb
verschiedene witterungsverhültnisse, weun überhaupt, aus den ster-
nen zu prophezeien sind. Einen zweifel daran, dass Geminus in
Rhodus lange gelebt, auch wohl selbst beobachtet, zum mindesten
dort die von ihm benutzten ülteren heobachtungen controllirt hat,
ist wohl nach lectüre dieser stellen kaum denkbar. Und so heisst
denn auch fast überall der verfasser der isagoge Geminus Rhodius.
So bei Blancanus, lonsius, Bonjour, Fabricius, Halley, Heilbronner,
Hamberger, Montucla, Saverien, Saxe, Bossut, Dilling , Graesse,
Geminos. 117
Nesselmann, Miillenhoff, Nicolai. Ob er in Rhodus geboren sei,
ist freilich zweifelhaft, und Horrmann setzt mit recht ein frage-
zeichen hinter die bestimmung von Rhodos, Auch geschrieben
mag er die isagoge in Rom haben, wie Weidler und Delambre
vorsichtig im anschluss an Pétau sich äussern. Aber er verdient
gewiss wie Posidonius den beinamen des Rhodiers wegen seines
aufenthaltes und seiner studien in Rhodus. Dieses resultat wird
leider durch eiue andere combination nicht bestátigt. Wie Geminus
nämlich selbst auseinandersetzt, nannten die alten denjenigen kreis
aextsexdg xuxAog oder polarkreis, welcher den horizont berührte.
Deshalb war er auf verschiedenen breitegraden verschieden. Der
stern aber, welcher in seiner tüglichen bahn den polarkreis be-
schrieb, musste einmal innerhalb 24 stunden im horizonte stehen.
Seine entfernung vom pol gab also die polhühe des ortes an, von
dem aus jener polarkreis beobachtet war. Nun sagt Geminus in
cap. IV (51. 14. 21) vom polarkreise: Ouros dè 6 xvxAog à» rj
xa9' nds olxovuérn vno rov éungooIlov modog ıng WeydAns
&gxrov negtygugetat. Der vorderfuss des grossen bären steht also
im horizonte, sein abstand vom pol ist also die polhöhe des ortes,
wo Geminus lebte. Es ist aber die polhöhe eines ortes gleich der
geographischen breite. Geminus denkt sich also unter jener pol-
höhe, die er angiebt, den parallelkreis des ortes, in welchem er
gewöhnlich wohnte. Man braucht also nur den damaligen ort des
vorderfusses des grossen büren zu bestimmen und dessen declination
von 90? abzuziehen, um die polhóhe zu erhalten. Diese berech-
nung verdankt der verfasser der freundlichkeit eines jungen astro-
nomen und giebt hier nur die resultate wieder. Es können zwei
sterne im vorderfusse des grossen büren gemeint sein: i und k.
Deren polhöhe ist für das jahr 71, 5 v. Chr. fast 37° (nämlich
360 59' 37,2") und über 37!/;? (nämlich 37° 41° 55,1").
Diese worte stimmen mit Hipparchs ansatz der polhibe von
Rhodus zu 36° nicht überein, obgleich Geminus gleich ihm den
längsten tag in Rhodus zu 14!/3 stunden rechnet. Dieser wider-
spruch fällt indessen für unseren zweck nicht so sehr in’s gewicht.
Man kann nicht mehr controlliren, wo auf der insel, ob vielleicht
auf einem berge, wie genau ferner, die beobachtunng des Geminus
gemacht worden ist, Wir dürfen also in jenem widerspruch kei-
nen grund sehen, um die annahme zu verwerfen, dass Geminus iu
118 Geminos.
Rhodus gelebt und beobachtet und den namen des Rhodiers, der
ihm allgemein gegeben worden ist, mit recht erhalten hat.
Uebrigens hat der verfasser sich die berechnung jener pol-
hóhen auch für das jahr 137 v. Chr. machen lassen und hier
ebenso wenig passende werthe erhalten, nümlich 36° 58' 3,6” und
37° 36' 47,2”.
Wir sind mit allem zu ende, was sich über des Geminus leben
sagen lüsst. Fast keine der wenigen bemerkungen ist sicher, kaum
ist einmal etwas überhaupt überliefert; fast alles ist erschlossen,
combiniert, bestritten. Wir fassen das, was wir für richtig halten,
noch einmal zusammen, ohne das lästige „scheint“ oder „wohl“
immer einzufügen.
Geminus ist ein Grieche. Sein name wird einstimmig Ie-
pivos betont, eine form, die auch sonst beglaubigt scheint. Also
ist kein grund da, den Geminus für einen römischen sklaven, der
von seinem herrn freigelassen worden ist, zu halten. Studiert hat
er in Rhodus unter dem bekannten Posidonius. Als erstlingsarbeit
epitomierte er seines lehrers meteorologie. Doch muss er sich
spüter anderen studien gewidmet haben. Denn im mannesalter
schrieb er eine eloaywyn els rà guivoutva, eine art populärer
einleitung in die astronomie. Es ist kaum zu bezweifeln, dass er
dieses werkchen zwischen 73 und 71 v. Chr. in Rom verfasste,
wohin er ebenfalls durch die verbindungen seines lehrers gekom-
men sein mag. Ebendaher mag auch des Geminus bekanntschaft
mit des Polybius bistorien stammen, der ja zuerst in grossem mass-
stabe als geborener Grieche griechisches wesen mit rümischen in-
teressen zu verbinden gesucht hat. In hóherem alter endlich hat
Geminus ein grösseres mathematisches werk geschrieben, welches
besonders oft citiert worden ist, Die lebenszeit unseres mathema-
tikers wird sich etwa von 110—50 v. Chr. erstreckt haben.
Berlin. Max C. P. Schmidt.
Zu Florus IV, 8, 4 (II, 17).
Hae sunt“, inquit, „carinae meae*; haut incomiter, quod,
cum in celeberrima parte urbis Carinis pater eius habitasset, ipsius
domus ei penates in navi penderent. Der begriff der freundlichkeit
ist diesem bittern witze völlig fremd. Florus schrieb vielleicht in-
com(p)te. Vgl. Aurel. Victor, Vir. ill. 84 invenuste.
Würzburg. G, F. Unger.
VI.
Beitrüge zur geschichte und beurtheilung der
hippokratischen schriften.
I. Zu Hippocrates’ prognosticon.
Prof. Iwan Müller nennt in der eingehenden besprechung mei-
ner schrift: De prognostici Hippocratici libris manuscriptis, Lipsiae
1876 im Philologischen Anzeiger VIII, 4 ausser mehreren anderen
handschriften, die bei einer herausgabe des prognosticon noch ver-
glichen werden müssten, eine alte lateinische übersetzung in der
bibliothek zu Monte Casino, die aus dem zehnten jahrhundert stam-
men solle. Ich habe deshalb im vorigen jahre an ort und stelle
den von Müller bezeichneten cod. 97 eingesehen. Es ist eine per-
gamenthandschrift von 276 blättern, in grósstem format, zwei co-
lumnen und langobardischen charakteren aus dem ende des neunten
jahrhunderts. Das ganze ist eine bunte sammlung von übersetzun-
gen, auszügen und compilationen alter griechischer und lateinischer
mediziner, untermischt mit commentaren und eigenen zuthaten der
schreiber, ein product jener litterarischen thütigkeit, die sich in den
früheren jahrhunderten des mittelalters namentlich in den klöstern
Unter-Italiens entfaltete (cf. Haeser, Gesch. der medizin I, p. 619 flgd.)
Gelehrte mönche stellten ad fratrum utilitatem aus mehr oder we-
niger frei übersetzten partien des Hippokrates, Aristoteles, Diosco-
rides, Galen u. v. a. compendien zur orientierung über das gauze
gebiet der heilkunde her. Dabei verfuhr man so, dass man ausser
der übersetzung einzelner vollstándiger schriften der alten aus an-
deren kurze partien je nach gutdünken ausriss; ferner wurden da-
Hippokrates.
120
zwischen unter den namen der alten eigene machwerke, namentlich
in briefform eingeschoben. So enthült der Casinensis 97 ausser
geringfügigeren folgende stücke:
Epistola prognosticum
indicia valetudinum yppogratis
Epistola Vindiciani ad Pentadium !)
yppogratis de flebotomia
Problema Aristotelis philosophi
De ossa hominibus (sic!)
Epistola yppogratis
"PT
Oo a o ma
Item alia epistola
Tv TF
era e
95
ad regem Antigonum ?)
Noch drei andere bis p. 26
Item alia epistola de pulsis et urinis p. 26
Galeni de pulsis et urinis
— de febrium diversitates libri IV.
Expositio aforismi libri VII p. 199.
Selbstverstündlich sind diese titel mit vorsicht aufzunehmen. Von
einer lateinischen übersetzung des hippokratischeu prognosticon
findet sich nun leider in der handschrift nichts als ein kleines
stück von ca. zehn zeilen auf einer der ersten seiten. Es ist eine
freie übertragung von progn. c. 2. Ich theile es gleich bier mit,
indem ich den griechischen text gegenüberstelle. Es ist vom hip-
pokratischen gesicht die rede:
dic dEeïa, CpPudpot xordoı, x00-
tapos Supnentwxous, wra wo-
Xoà xai Euvecialutva, xal oi
Aofoi abr)» dnsotguuptros, xai
to dégua 10 ntQi T0 uérwxor
OxAngoy re xai negsrerauéroy xoi
xagpadtoy iov: xai 1d yowupu
zou fupnavtog nooçunou yAw-
gov 7 uélur ddr xai niv Fj
porfdides. “Hy piv oiv è
deri tis vovgov 10 moógwmov
1) Vergl. Rose, Anecdota II,
2) Vergl. Rose im Hermes VI
Inde scias de his qui aegrotant,
si neque eos vigilie longiores tur-
baverint neque fames neque re-
pentina effusio ventris aut nau-
siorum aut sanguinis et eis fuerit
concavitas oculorum aut tempo-
rum aut narium acumen vel buc-
carum conductio aut si aurium
ultimae depensiones — conversae
fuerint aut pelliculae in fronte
durae aut ariditas cutis cum ten-
. 121.
Tr, p. 31.
Hippokrates. 121
zosourov 5j xal mu olov te y sione et livore fuerint: scias eos
zoicıw GAdosos onuelosos Evvrex- morituros, Unde nunc finem fa-
palgecIas. enavegéotas yen, un ciam dicendi in hoc libro super
Zygunvgxe» wrFownog 7 ra sic his, de aliis dicturus causis in
xosding Z&vypaoufva ety ioyvgws — alio incipiam.
n AuW@dts 1 Eyes aso».
Sonst findet sich nichts vom prognosticon im ganzen codex. Für
die entstehung der annahme, derselbe enthalte eine vollstándige
übersetzung des prognosticon, gibt es eine dreifache erklärung:
1) heisst der äussere titel der handschrift: Hippocratis prognostica
et aphorismi, Alexandri Iatrosophistae medicina, Apulei herbarium,
2) sind auch bei Montfaucon unter dem inhalte der handschrift
ausser den aphorismen fälschlich noch Prognostica Hippocratis auf-
gezählt, 3) enthält die handschrift auf der ersten seite eine epistola
prognosticum (s. o.). Diese letztere schrift enthält zwar eine reihe
von prognostischen regelu, hat aber sonst mit dem hippokratischen
prognosticon nichts gemein, Dieselbe ist in Monte Casino noch in
einem anderen, dem cod. 97 ühnlichen, jedoch ülteren medicinischen
miscellancodex nr. 69 aus dem neunten jahrhundert erhalten. In-
dem ich diese ültere handschrift zu grunde lege, theile ich den
text hier mit, der zugleich eine probe des fabulierens bieten mag,
mit dem man solche schriften interessant zu machen suchte.
cod. 69 = A, cod. 97 = B.
Incipit epistola haec prognostica yppogratis de signis aegritu-
dinis id est intellegentia et signa ?) vitae vel mortis.
Incipit: Peritissimum omnium rerum esse et domestica sa-
pientia in omnibus corporibus, quae iusserat yppogrates ut in se-
pulcro suo ponerentur. Sub capite ipsius analogius positus erat,
ubi eius corpus recondebatur *). Transiens inde Caesar post mul-
tum 5) tempus vidit monumentum ipsius yppogratis et ®) putavit, ut
in ipso monumento thesaurus conditus esset et iussit aperiri se-
creto sepulcrum et invenit analogium sub capite positum, ubi omnia
secreta artis erant. "Tulit et nulli iussit dari nisi medico Pano-
dosio ?) et invenerunt omnia qualiter medicus ac omnes infirmitates
cognoscere debet periculum mortis sive vitae, imprimis ad dolorem
9) so B, A signis ohne et. 4) tacebat B. 5) multum hat
bles B. 6) et sol. B. 7) poamodonosio A. ) an
122 Hippokrates.
capitis: Si habuerit dolorem vel tumorem in facie sine tusse®) et
sinistra manus vel pectus seu nares assidue scalpserit, in X XII die
morietur. Item freneticus si ambo genua rosea?) habuerit solide
cum inflatione et non digestiones stomachi, in nono die morietur.
Haec infirmitas incipit habere 19) sudores frigidos, aures frigidas,
dentes frigidos. "Tria sunt!!) vitia in dentibus, os eius), si in
labore fuerit, in €ollo venae extensae fuerint et si in somno fuerit
et quasi surdus et si papulae super ipsas venas igneas habuerit et
ibi una alba nata fuerit et si in aegritudine lavacra calida vel
vapores desideraverit, iu L die morietur. Haec passio ei evenit,
qui semper calida lavacra desiderat. Item qui una !?) in causa
fuerit, si sub lingua illi papula apparuerit sicut lenticula quasi
modica sive lavacra aut vaporem desideraverit et intus passionis
febricitantia fuerint — et si in digitis pedum pollicis tumor niger
vel modice fuerit, in VII die morietur. Item in febre acuta si in
stomacho seu in dextro pede pustellam habuerit in planta, non al-
tam sed aequalem, deterrimum humorem tenentem, et nullum desi-
derium habuerit 15), in XXII die morietur. Item si peripleumonicus
fuerit aut sanguis de pollice emanatus !*) fuerit, vel papula san-
guinea ei exierit et si sternutaverit frequenter aut tardius, in VII
die morietur. ltem hepar cui doluerit, si in collo eius et in gut-
ture papule due iuncte nate fuerint albo colore et in pollice pedis
dextri prurigo grandis nata fuerit et tardius urinam fecerit aut si
sanguinem !5) emiserit, in VII die morietur. Item colera !9) unius
diei passio est!"). Si ipsa die uon melioraverit !*), in Ill morietur.
Item colerici signa haec habent!9): si iuxta umbilicum tres po-
pulae natae fuerint, dextra levaque in modum ciceris, una alba,
alia sublivida, tertia rosea ?°), ipsa die morietur. Item quicquid
natum fuerit in dolore corporis, si in supercilio sicut abellana ap-
paruerit similis ipsius color et quasi grave supercilium habuerit, in
IV die morietur. Item si splen doluerit et papulae albae in sinistra
manu ei natae fuerint inpares, et si per narem sanguis quasi spu-
mosus cucurrerit, in XII die morietur.
8) A hat noch et sine ullo dolore 9) russa B 10) fehlt
in A 11) in ducca B, die stelle ist verdorben 12) cui una
A. eveniet. B. 13) habentem A. 14) in manu natus A.
15) sanguineam B. 16) colerum beide handschriften. 17) pas-
sionis ohne est A. 18) liberaverif B. 19) fehlt in A.
20) russea B.
Hippokrates 123
So geht es noch zwei spalten weiter, dann folgt unter neuer
überschrift: Incipiunt indicia valetudinum yppogratis. Si tinnitus
aurium fuerit vel sonitus, inanitas capitis molesta est. Ex qui-
bus humores vagantur, ut in oculos festinent. Si ante ocn-
lorum visum musculae veluti 21) nigre inanes (imagines?) vagantes
videantur , liptisim??) aut leucomata habiturum significat. Si
palpebra oculorum, prurigo grandis invaserit, syringiones ha-
bebit 2%), qui . .?*) palpebras incidit. Ex quibus adulteri pili
palpebrae nascuntur. Si capitis pars dimidia doluerit vel tem-
pora, sepius emigraneum significat. Si in ore saliva infinita as-
sidue creverit, vesicae querella ex perfrictione 2°), quum cauculum
ex perfrictione vesicae nascitur. Si pabor hominis saepius fuerit,
ex eo pulsus cordis nascitur. Si fauces nimium tumuerint, aut
strumas aut periculum significant. Si vomitus infinitus manaverit 26),
ea mali?") coli querella est. Si inflatio stomachi fuerit ut suspi-
rare vix possit, ex pulmonibus querella est. Si prurigo multa
fuerit, ita ut scabies exeat, habundantiam sanguinis dicit esse. Si
flegma fuerit in putredinem versum, ex pulmonis exulceratione con-
tingit. Si prurigo fuerit gravis, ut scabies non exeat, fellis que-
rella est. Si colore aureo facies, si rufo fuerit, item fellis que-
rella est nimia. Si pectine doluerit, vesicae perfrictio est. Si
urinam cum dolore fecerit, cauculi indicium ostenditur.
Wenn nun in dem vorstehenden auch hippokratische lehren
enthalten sind und manches an sätze des Prognosticum, der Apho-
rismen und der Coacae erinnert, so ist es doch weit entfernt eine
bedeutung für den hippokratischen text zu haben. Die latinität
erinnert in manchen ausdrücken an Caelius Aurelianus (z. b.
passio leiden vgl. Rose, Anecdota II, 204, causa = morbus
vgl. Rose Il, 202, querella = körperliches leiden vgl. Rose II,
184, besonders interessant emigraneum migraine!) und dürfte
dem fünften oder sechsten jahrhundert angehören. Dagegen
ist die in derselben handschrift enthaltene übersetzung der Aphoris-
men von wirklichen belang für den Hippokratestext nnd soll von
ihr an einer anderen stelle eine probe mitgetheilt werden. Auch
21) vel A. 22) lyptisim B. 23) habit A, habet B.
24) vernis A., vermes B. 25) perfricatione B. 26) inana-
verit B. 27) equak A und B.
124
Hippokrates.
die abhandlung de cibis in dem etwas ülteren codex 69 wird sich
gewiss als eine übersetzung von ztgi dıufmg B' erweisen.
Zum schlusse sei noch eine lateinische übersetzung des Prog-
nosticon in einer handschrift (C, VI, 9) des beginnenden 15. jahr-
hunderts in der bibliotheca Casanatensis in Rom erwähnt. Sie
gibt den griechischen text ziemlich frei und oft verkürzt wieder,
sodass man ihr füglich entrathen kann. Zur bestätigung möge
eine kleine probe, §. 4 (Littré G. 3) und flgd., wo sie noch am
treuesten ist, folgen:
4. Kexliuéroy dè yon xaralau-
Bdvew tov vocfovra uno ro? in-
1Q0U êni 1d mhevgor 10 dekiov 7
TO AQeoregor, xal rdg yeigug xol
roy rQuynAoy xai rà oxélen oMyov
Emuexauptva Éyoyra, xai 10 Evp-
mav Opa byoó» xe(usrov* ovrQ
yàg xai of mAtiGr04 TOY vysus-
vóvruv xaraxA(vorros ügioras dé
elowy ıWv xaruxlıolwv ai ouotu
1704 TOY vyıaworıwv. "Ynuov dì
xteoFas xai rdg yeiQag xal Tor
toayniow xal ra oxélen Èxrera-
uéva Eyovın, 7000» dyador el
de xal noonmernc yévosto xoi xa-
taddéos amo tig xAlong ni rovc
5odac, desroteoov gor. el dì xoi
yuuvovs rovg módag sveloxosto
Eywv, un Fequods xugra Eövrag,
xal Tag yeigug xai Tu oxélea
avwpaiws diedbiuptva, xaxov:
Givopor yao onualver Fuvatwdec
dì xai 10 xtypóra xudevdes
ale? xoi rà oxfiea Urr(ov xeuutvov
Evyxexauuéra elvas itoyvews 7
diarendsyutvu. “Eni dé yacttou
dì xéeotar, d un Evrn9és dor
xal vytalvovrs ov1w xomiodas,
Bonum est invenire aegrum ia-
centem in dextro latere vel si-
nistro, melius tamen in dextro,
et manus et pedes et cervices
non ut in spasmo distenta et
totum corpus in sua positione
flexibile et minime rigidum, quae
consuetudo sanis est familiaris
et amica. etenim iacere in mo-
dum sanum melius est, quia
non est signum laudabile aegro
corpore supino iacere, brachiis
rigidis et pedibus. Et si re-
pente se a capite lecti ad pedes
iactavit, signum malum non du-
bitabis. Et si pedes nudos et
tepidos invenis et inordinate cum
labore cervices atque pedes iac-
tavit, pessimum est et angustiae
signum. Aeger si iacuit re-
iecta cervice et ore aperto, pe-
dibus contortis, aut si [in] su-
pinum ventrem praeter consue-
tudinem iacuerit, malum est.
etenim alienationem mentis sig-
nificat sive intestinum dolorem.
Et si in augmento aegritudinis
repente steterit, in omni aegri-
Hippokrates.
zaQugygoovm wu Onualve 7
odurnv t)» apgi r)v xouqr 16-
xov. “Avaxaditey dé fovito9a,
tov voolorıa, jg vovcov üx-
pabouonç, movngoy piv id» nào,
rota ÓkÉOw voonpacs, xux:0107
de Er 10104 ztQuinvevpovixoicw.
5. 'Odóvrag dé mele Èv nuge-
totow 0x000100 un Evrndés dor
ano maldwr, pavixóv xai Fava-
twdeg, aida yon moodtyser an
apeoiy xlvduvov goduevow nv dé
xal sagageorfwy rotro rosé,
àA£9gio» xagra ndn yívezau.
6. "Elxog dì, Tv 18 xai nooye-
yovóg tvyn Eywv nv te xai èr 17;
vyovom ylvnias, xatapuvdcavev
zen: zv yao pin ancdavota
wrFewnos, ned roV Javatov ne-
Asdvov re xai Engòr Fora: 7 wyeor
rt xai Engor.
7. Igi dì yapwr Yopns rude
Xon yırwarsım' óxocoww iv mv-
geroicw dEtow n è v negenvevpo-
vinow n iv» qoerlrsce n Ev xe-
palulyinos 700 100 moogurov
geçouéras xal Ingevovous dia
xtvig xai amoxugporoyeovcas xai
xgoxvdag ano 10» iuai(w» áno-
tsddovoag xoi and rov Tolyov
&yvga anoonwoas, nacag elvas
xaxug xai Favatwdeus.
8. Iveta de nvxvóv pév èov
zovor onualves 7 qàtyuov)v dv
zotciv Unig Tv peErwy Xwglosoı
peru dì dávamvtoutvov xai dia
noÂloù ygovor mugugpgocvinr dn-
125
tudine acuta malum, in peri-
pleumonia pessimum.
Frendere dentibus in febribus
non solitos a pueritia mortem
vel maniam significat et si fren-
dat cum insania, vicina mors
sequitur.
Si in aegro corpore fuit antea
carbunculus sive praecessit sive
aegritudini evenerit, oportet at-
Qui si exsiccatus fue-
rit locus et colorem viridem
tendere.
vel lividum pertulerit, mortem
indicat proximam.
Manuum mobilitatis signum sit
pernotabile . in febri acuta et
in peripleumonia et in frenesi
non vera et in dolore capitis
[si] manus tulerit ad faciem
tanquam quamlibet . . . . vel
aliquid . .. hac illas quaesierit
vel de vestibus quasi paleas
evulserit vel . . . . decerpserit,
pessimum et mortale.
Spiritus si frequens sit, dolorem
et succensionem significat in his,
quae sunt super diaphragma.
Qui si magnus et cum iuter-
missione, alienationem significat
126
Aoi. woygow dé dxmveouevov dx
twr (wvov» xai TOÙ or0paras,
GALT giov xaQra non ylveras.
Evnvosay dà yon voulley xupıa
peyadny duranıy Èyuv dg owin-
olny Ev ünuos toîcw ofo voon-
pac, óxóca Ev» mvgeroto(v dor,
xai dv 1600açuxovra fju£onos xol-
yerat.
9. Oi dì idqures agıcroı péy
elo,» dy mao: roloıw ökfoı voon-
pucıw, 02000, av Ev muéonol 1e
xgsolunoe ylvwvras xai Teitlwg
Tov nvgerov anadddEwow’ ayadoi
di xal 0x600 dia rmavids Toù
Gupurog yevoueros anédeskay 109
avdouwnoy evnetioiegoy péoorta
10 voonua* of d' «y pi Tourwy
11 dEepyuowvra, ov Avosredées’
xuxıcıa dé oi yuyçol te xai pov-
vor ntgl iij» xepudny 1€ xai TO
nocowmoy yivoperor xai TOY ab—
géva' oùros yàg Sov uv chet nv-
ger. Juvuroy meoonualvovos, Evy
dé ngqvrfQ xoc vovcowv' on-
patvovos dì xai ob xarà nav 10
Gdpa ywoutvos wuygot Ópnoia
10101 negi ımv xtgaÀgv. ob dé
xeyyoosdées x. Te À.
10. ‘Ynoyordgsov dé agsotor piv
drvujdvró» te xui padduxov xci
oualor, xal imi detiù xai en’
aouoregi* gheypaîvov dì fj oduynv
nugtyor 7 évretauévor jj avwpd-
Awe diaxelusvov, ta delia mg
rà dguotegu, ta dè agsotega
zgüg ta delia, tata RUVIG qu-
Adoosotuas yor.
Hippokrates.
et idem si per os et nares fri-
gidus exierit, mortale est.
Spiritus vero bonus ex suo pro-
posito ordine cognoscitur et
habet evidentem salutis vim in
acuta aegritudine, quae cum
febri est cuique terminus erit
in XL diebus.
Sudor bonus et laudabilis in
omni acuta aegritudine, qui in
die critica fit et aegrum liberat.
Est etiam bonus qui fit in toto
corpore et aeger ex eo suavior
et fortior efficitur. Qui vero
nihil horum fecit, is est inu-
tilis. Frigidus autem est malus,
peior si in capite solo et cer-
vice. In acuta quidem aegri-
tudine mortem significat, cum
lenta autem prolixitatem aegri-
tudinis.
Fehlt bis schluss S. 7 in der
übersetzung.
In ypocondriis si sine dolore
fiunt, si molles, si bene com-
posite hic et inde, bonum erit,
si vero ferventes aut dolentes
vel quodam modo spasmo di-
stentae et inter se dissimiles,
in his considerandum est.
Hippokrates. 127
Ei di xai oqpuyuòs Evein dv tq Si vero in aliqua parte eorum
vzoyo»doío, Fooufor onpulves 5 pulsus fuerit, exagitationem seu
nuçgagpoooüvmr «ida rovg opIud- alienationem significat. Tamen
pous Enıxarıdeiv twv rorovtwy’ in hac aegritudine oculi sunt
nv yao al Owueg nvxvà xivícyras, intuendi. Nam si velociter mo-
pavivas rovıov dns. biles apparuerint, maniam sig-
nificant,
Der griechische text, der dem übersetzer vorlag, gehôrt in
eine klasse zusammen mit den Vindobonenses XVI und XLIV, dem
Mediceus 75, 3, dem Parisinus 446 u. a., denen der Marcianus
269, der Vaticanus 276, der Monacensis 71, die Parisini 1246
und 2142 gegenüber stehen.
Il. Die hippokratische sammlung und Aristoteles thierkunde
buch VII.
| Littré hat in seiner einleitung zu den büchern über frauen-
krankheiten (oeuvres d'Hippocrate VIII, p. 4 flgd.) auf die über-
einstimmung hingewiesen, die sich an mehreren stellen mit dem
siebenten buche der aristotelischen thiergeschichte zeige und erklürt
geradezu: il me parait incontestable qu'il a consulté (Aristole)
pour ses compositions d'histoire naturelle notre auteur. Diese an-
sicht hat, wie es scheint, wenig beifall gefunden. Wenigstens
Haeser, Gesch. der medizin I, p. 127 meint, Littré habe seinen
schluss wohl zu rasch gezogen. Allerdings hat es Littré unter-
lassen, die vier aristotelischen stellen, auf welche er seine ansicht
gründet, mit hippokratischen parallelen zu belegen. Für zwei ist
es nicht schwer, die betreffenden, wie unten geschieht, beizubringen,
den übrigen lassen sich einzelne sätze nicht gegenüberstellen, weil
sie weiter ausgeführten partien der hippokratischen schriften mehr
dem sinne nach entsprechen.
Ivrasxelwv «°c. 13. “Oonos dì, Aristot. Hist. au. lib. VII c. 3
| Orav Evyytrwria,, adtixa diag- anf. (583, 18) ay uiv ovr deta
| dle 1a ano rov dvdQóc, Tuvtzos ta yelln fj Tov oTouutoç, où
10 Oropa r&v vOrtQÉu» noopacis Féle ovddupBavesy — ano-
. ir niv Ggodga utuvxóg fj, AsoPalves yàg — ovd ay
S Nv dì To CTO MG nıneiw- nayta.
deg n xal nayeıov xt,
128
Hippokrates.
c. 4 we uiv ovy ini 10 modò
ókov anelidrrovow ab ta aß-
dera xvovoai xoi alloy per’
svyoolas diatedovow, ni dè 100v
InAsav rovvavifor: Kyoovotegat
te yap we imi rO modù xoi
Baguregov dia yovos.
regt àgóQu» c. 216 (Littré VIII,
p. 416) Oous d» yaorgi Eyovauı
Eprâsv ini 100 ngocw nov loyovow,
Fiv xvovorr, 0004 dì svyQooveas
diaptrovow, üßder we ÉmromovÀd
xvououv.
Ich gebe zu, dass diese übereinstimmung noch nicht genügt,
um Littrés behauptung sicher zu stellen. Aber es finden sich
ausser den von Littré angezogenen noch eine ganze reihe von
stellen im achten buche der thierkunde, welche nicht nur mit de
morb. mulier., sondern auch mit andern gynäkologischen schriften
der hippokratischen sammlung wegen ihrer noch auffallenderen an-
klange in irgend welchem zusammenhange stehn müssen.
vergleiche :
yuvex. a c. 6: ywoées dé alua
olo» and lepelov, xai ray)
züyrvras, 7» vysalyy À yuvn (=
ibid. c. 72 und egi quo. nad.
c. 18, Littré VII, p. 502.)
wept quo. nud. 12 (Littré VII,
p. 488): Ty dì yorn Fequasvo-
Bern xoi quowuuérn náop van»
FEwdev negtylverus . . . (p. 490)
olov et rig wov wuo To Fw
kenugiov megiélos, Ev dè 16) Erdov
Uuêri :ó Evdov vyoòv diagal-
vostro . . . Èv dé 10 vuérs Èqpal-
vovto Ersovoas Îveg x1À. (von ei-
nem sechstügigen embryo, welchen
der verfasser gesehn zu haben be-
hauptet).
ibid, c. 30, p. 532: A’ doas 07
EdoËay nisfova ypovov dixa un-
vw Eyes, non yàg tovro moà-
Aaxig 7xovoo, xeivas dieBAnFnoay
tponp ode © Aw tux;
c 1 §. 3 zoig Indecw 7 v
Enagoss ylveras Tüv paotwy
xai 1à xarauıyıa xalovptva
xataggryrvias toured Eoıiv
alua olov veocgpuxtoy.
c. 7 anf. orav dà AnBntas 10
ontoua. ing vorégus xai éyygo-
vcd), vun)» meodorata:. gal-
verus yàg orav ngiv dsagFeu-
Fivas®") FEED, olov dió» d»
$uf», megityoutvor, apasge—
Févtog rov ocrguxou. o Jd”
vuns gor peotos.
27) D. h. von dem vierzigsten
tage bei knaben.
c. 4 (584b) To» avrov dé 106-
zo» doxsi AuvPuvesy xai Soa
palveras tixtecPas nodvyoovius-
tegu toy déxa unrav x«l yaQ
TOVIWY 17, 756 OvAAnpews doy)
Hippokrates.
oxor«» al pros nreèua dafwow
dg egüg avràs amo tig xosdlns
gvOoav nageyovons xai ugFwo,
ylretas yüg rovro, doxéovor dn
ai yuvaixes ngóc opéug Eyes
1OTE.
negi Emiaunvov 9 Littré VII, p.
446: ab uiv oùr nulom Emon-
noraral slow dv roios nielorovosy
al 1e nowras xai ab EBdomas,
moÂlai uiv megì vovowr, moddai
dì xai roiow tufovorsiv® Towouol
re yuo ylrvovr«, xal ob nisioros
Tavıyoı Tour hufonow' ovouule-
tas dé 1a tmaixavra exovoses GA
ov tewopol.
ibid. p. 450 mAgoves de y(vorras
dv 17 qui 1600«gaxovt« ds 190-
cuol n àv roig Gus tovous.
Tovde 100 ygovov magsASóvrog
loyvpoıspa lou rà EuBova, xai
diuxplretas xa^ Exacta twv ut-
déwv 10 Oo xai Tüv uiv dg-
cévwr ogodoa diadnia ylvetas
nidvia ta de Oca, dg 10070y
TOV YoOvor GaQxeg qaívovra, (no -
quoras povroy Eyovoar .... xol
xolveras Piudviegov . . . xaltos
Ta yt alla 010» qwodwow 176
untpög ab OuyaréQéc, TOv xovgwy
9àocov nßwos xai pooréovos xoi
yneuoxoves...
Philologus. XLII. bd. 1.
129
lavdaves tag yuvaîxag noÀ-
Adxig y&Q 7wtvparixOv yevo-
uérwr Eunçooder uv voregWr,
pera tavia mÀmOwicacas xai
OvldaBovous Exelrnv olovras thy
aogìv elvos 17; oudAnwews, di
7» Éyonouvro roig Onuelos
opolwe.
c. 3 (583b): Kadovrras d’
&xgvosıs uiv ai u£yQs rw énrà
nusowy diupIagul, Exrgwopoì
Ö’ ui ufyQs ruv rertagaxorta’
xai misiora diupdeloerar tw
xunuarwr dv Taurus Taig nue
asc.
ibid. 583b auf: imi pév ru»
aogerwy wo ini 10 modu Ev TO
dsEai uüllor megì tag terra-
guxovra ylvetas n xlvnoig . è +
neol dé rovrov 10v yQovov xal
oylteras 10. xunua. tov d° ep-
noootev Uvagdoov ovvecinxe
x0ewdes ... TO uèv obv Uggey
orav Été} y 1erragoxootatov,
... qulietus Ta TE MEAN Ora,
tu te UMa nuvrru ... 10 dè
drAv .
M ^
to modwv yalrsım . . .
. adsagFewroy we dni
T] 18-
Àe(w)0iv Tv woglwy Bouduregov
anolauBaves 10 Flv 108 &g-
oeroc, xal dexuunra ylveras
Badiov thy ageérwr orav dé
yéyntat, Farrov 10 9qÀe«. 10
aggevwr xal veorgra xol dxpiy
AauBaves xoi you.
9
130
Ibid. 3, p. 440: gact yao (ai
yvraixtc) 1006 0ydoovc 16v umnrüv
xai yudenwiatu Q&Q&» Tag ya-
erégag.
Ibid. 4, p. 442: grooves (al yv-
vuixec) tlxrey xal. énicunra xai
oxtupnva xal Èvvectunra xol de-
xupnva, xal TOUTÉWY TA Oxtupnva
où negtylvecdus.
lbid. 9, p. 448: To dì mw-
dlovow Entaprvosciv tovos xal
alia dinpégortu ylreras bv 10104
cwpuo xal ol üdorızg gpulrecd as
aeyortas fy Tovié 16) yoóro.
Ibid. p. 450: £y
unvovow dv(ore, evdews ini» yé-
TE yüQ toig
vwvTas, yedwriu puireius 14 nu
Olu xai xhulorru® tyenyogotu 1e
utidpura ovie yeag ovie xiales
n0009ev 7 100uguXx0rıu NUEQas
yeroluro. ovdè yedg wevoptva TE
xai 2osdılouevau no0oder n avıög
0 ygórog ovrog yerquas.
Hippokrates.
c. 4 (584b) zmovovos d’ ak yv-
vatxes pudsora TO» piva TOY
1é1agiov xai 10» 0ydoor.
lbid. 584 a. e: xoi yoo En-
Tuumra xal Oxraumra xoi Èv-
vecunva ylveras xul dexaunva
10 nAtioıov ... 1a dé Óxra-
pyra ... &v 10% negl. vw EI-
dada
co:tetas, 1ù de moddd anod-
zonoıs Odiya ndiunav
Avras.
c. 10 (587 b) xai ra ui» (&A-
Za wu) Éyorta yfvtras ddoviac,
ta dè rusdlu ÉBdouo unri &g-
yovras OJorropuetr.
lbid. $. 63: zu dé zeid(a Gray
yérwrtas, wy TEr10Qx0v10 n-
eQwy Eypnyoyoru uiv ove ye-
Ag ovte duxque, vuxiwg d’
Erloıs augw’ orde xnbouera
14 noddù uloFaveras
Der text der thierkunde bestatigt hier die conjectur van der
Linden’s ovre ye2& ovre, welche Littré noch verschmühte.
Dieser
hat noch das bandschriftliche, aber sicher falsche ev9éwe rela te
xui. In dem von Littré gleichfalls unberührt gelassenen & ze yàg
roig unrosciv 2ovow, evItws xri., was Ermerins zwar beanstandet,
aber noch nicht geheilt hat, ist aus dem »vxrwQ d’ èrlore &uqw
der thiergeschichte das évfove für @otocv aufzunehmen,
Wenn es ferner in der schrift über die siebenmonatliche ge-
burt p. 450 heisst, dass die siebenmonatskinder den schall nicht
hören könnten, so findet sich in hist. an. VII, 4 (584 b) die er-
klarende ausführung dazu: rà dé émiaugva yovına y(vezas nuo»,
Hippokrates. 131
acderi dè ta molla ..., mod dij xal mv méguy Èvlovs lyovra
aGy(groec, olov wrwy xal puxtiowy.
Doch kehren wir zu unserer vergleichung zurück, die wir
auch auf die schrift meg? Oxraunrou ausdehnen.
7. oxt. anf. (Littré VII, p. 452):
“Aoyetas dé novéesw 10 nuıdlov ngog hist. an. VII, 8 (586b): Zyss
Tov rOxov yivouevo» xal xsvdv- d’ dpolws mavia ta (wa rwv
vevesw axolto9os, Stay dv ijj un- xepadny Gvw ro noWıor. av£a-
ron O:0Égn1ov queras yug marta vopera dé xol ngog r)v EEodoy
arw inv xepalyr Exovra’ tlxrsiat ÓQuuvra xüTO) mequayerai, xal,
dé nodded êni xeqadny, xoi aoya- 5j yéveols dori ) xura quoi
Aforegov dnudiucces Tür êni nó- nácw imi xtgoÀgrv ovyxexau-
das uxtopérav 14 yàg ovyxap- péra dé xal ent noduc ylveras
midueva 100 OW uaros (ni xepaliy naga quos.
ovnw xwivec lovros tov nusdlov
@hid paddoy, Stav dmi n0daç
öpuner, rà Ééugotyuura ylveru.
Diese parallelen mögen genügen um zu beweisen, dass Littré
doch wohl recht gesehen hatte. Nun ist das siebente buch der
thierkunde, wie Aubert und Wimmer I, p. 6 u. flgde. nachgewie-
sen haben, trotz seiner den aristotelischen schriften nahe stehenden
gräcität, gar nicht von Aristoteles selbst geschrieben, sondern wie
auch das neunte und zehnte buch, untergeschoben. Der falsarius
hat also bei der zusammenstellung dieses buches ausser Aristoteles
selbst (negi yerécewc s. Aubert und Wimmer I, p. 11) eine gruppe
gynakologischer schriften unserer hippokratischen sammlung direkt
oder indirekt benutzt. Zu dieser gruppe gehört vor allen weg}
Exruurrov, in zweiter reihe zegi öxıuuırov, negi qvoioc masdlor,
megi yuraixe(wy & und nepi dpogwr. Dieser umstand dürfte dazu
bettragen, das dunkel, welches iiber der herkunft der genanaten
schriften herrssht, etwas aufzulellem. Ausserordentlich weit gehen
die meinungen über den verfasser der beiden zusammengehórigen
schriften neg? émreurnrou und gi 0xr«u rov auseinander. Ermerins
(vol. HI, p. LXXVH and LXXVIII) schreibt sie einem pythago-
rüischen, sophisten zu. Haeser a. a. o. hält sie für knidisch. Von
den älteren zeugen erklärt Plut. Plac. phil. V, c. 18 egi énro-
penvov, Clemens Alex. strom. lib. VI x. oxrog. für ein werk des
Polybos. Nur Galen halt Hippokrates selbst für den verfasser.
32 Hippokrates.
Dass Aristoteles bei abfassung seiner thierkunde den Polrbos
wirklich benutzt und stellenweise citiert hat, wissen wir aus sei-
ner eigenen angabe zu lll, 3, wo er die auch in der schrift de
natura hominis erhaltene beschreibung des adersystems des Polvbos
mittheilt und den namen des urlebers nennt. Eben darum ist auch
die benutzung und nachahmung des Polybos von seiten des falschers
im hohen grade wahrscheinlich. Aubert und Wimmer erklären p.
10, dass der verfasser keineswegs invita Minerva gearbeitet habe,
dass er ein gelehrter gewesen sei, der hinreichendes geschick be-
sass, alle materialien sorgfaltig zu sammeln, ohne gefabr zu laufen
auf einer täuschung ertappt zu werden. Es ware demnach wun-
derbar, wenn er den Polybos, den, wie er wusste, Aristoteles her-
angezogen hatte, nicht gleichfalls benutzt hätte. Wenn dieser um-
stand für das zeugnis des Clemens Alex. und bei Plutarch. Plac.
spricht, so gilt aus der von dem verfasser des siebenten buches der
thierkunde benutzten gruppe von abhandlungeo auch noch das buch
megi quoioç moid(ov als ein werk des Polybos (z b. dem Galen,
vergl. Lilienhain, Hipp. werke, II, 270 und Haeser a. a. o. p. 119).
Da nun dieses wiederum von demselben verfasser herrührt wie ye—
vaixe(uv a (vergl. daselbst c. 73 anf), so gewinnt die annahme
an wahrscheinlichkeit , dass es sümmtlich werke des Polybos sind,
welche der verfasser des siebenten buches der thierkunde benutzte.
Ill. Der Asklepiadeneid in christlicher fassung.
Im cod. Urbinas 64 (pergamenthandschrift des 13ten jahrhun-
derts) fol. 106 findet sich der ógxoc der hippokratischen sammlung
in folgender für christliche ärzte bestimmten fassung :
"Ex 100 xarà 10v "Inzoxguig» ogxov xad’ 600» oló» re Xos-
onary duoou: — Evloynros 0 Ie0g xal marmo TOU xvglov nudiv
"Incov Xgicroü, Us wy ebdoyntos elç Tous alwruc, or ov yevdo-
pas ov podvrò inv rig larQixg padnow, ovdi dwow ıwi alm-
Jeiçs quguaxov Jarucipor, oùdè tynynoopus Evußovinr rowsde*
óuolug dé oùdè yurustì dwow poor arwdev n xrdtwHer,
dÀÀà didatw my réyrqy racryy, nv yonaw xof(wow purPdvey
ureu pIorov 16. xal Evyygapis, xui diarrguacw . . . én’ wee
Melny xaurorswv xotd ÓOvvouw xal xgloww uiv xal ayrw> xal
volws dsatngiow réyvyy Zunv. "Eg olx(ag oxooag ur do(w, dos-
dj
ee n
Hippokrates. 133
Aevoouas iw wpelsln xauvorıwv, extog dày maons adixino, Exov- è
ons te xaì axovolng, YIoplns te xai 175 aling Aoswuw-
Tews xal ággodic(uv Épywvr ehevdigwy te xai doviuv imi d»-
deslwv te xal yurasrelur owuurwr. “Oou d° av tv Feoaneln 7
idw 7 axovow 7 aveu Jegunelns (ovy)xaza fov avFownuy, à pi
ze Fw Aadjoas Osynoowas Uoonta Tyevpevog elvas Ta t0savIa.
‘Oguov uiv ovv wos tovde èminifu moskovts x«l un Evyyfovte, Bon-
Dog por yévoito © eds xai Blow xai réyvng dotalouér naga
ao avFou nor ég 10v asi ygovov EvogxovvE wey pos, imog-
xovvrs dì ta évavi(a toviéwy.
Das nach diurmuaciv fehlende yorcouas scheint in dem vor
zorGwo eingeschlüpften yo7cw zu stecken. — Diese fassung des
Ogxoc stammt aus den ersten jahrhunderten unserer zeitrechnung,
aus der zeit, wo in Griechenland und Italien das christenthum sieg-
reich durchdrang. Formeln aller art wurden aus dem heidnischen
alterthum herübergenommen und erhielten sich nach abstreifung
des veralteten fort. Der name gottes und des heilandes trat an
die stelle der alten götternamen. Im sechsten jahrhunderte werden
in recepten, in chirurgischen vorschriften u. s. w. schon die heili-
gen gar nicht selten angerufen. Vergl. Haeser, Gesch. der med. 1,
p. 433 und 458, dies zur ungefähren bestimmung des alters. Es
erkláren sich aus dem gesagten zugleich die auslassungen, die wir
beim vergleich mit dem originale finden. Ausgelassen ist alles,
was sich auf die vererbung der kunst innerhalb der geschlechtsge-
nossenschaft und zunft bezieht. Die familienartig geschlossene ärzt-
liche zunft bestand längst nicht mehr. Ebenso ist der passus über
die lithotomen weggelassen, weil diese specialität nicht mehr aner-
kannt war, sondern jeder arzt die betreffende operation nach be-
lieben ausführte. Für den originaltext ist der vergleich mit vor-
stehender fassung wenigstens nicht ganz ergebnislos. In letzterer
fehlt der artikel bei ;£yvzv Zunv. Es entspricht durchaus dem im
ógxog herrschenden sprachgebrauche, wenn der artikel hier ge-
strichen und mit cod. C gelesen wird dsutngnow Blow iuàv xai
téyynvy éunv. Auch verdient die lesart 'Oc a d° dv è v Heganely
den vorzug vor der gebräuchlichen & d’ ay xz.
Ilfeld. H. Kühlewein.
VII.
Zur kritik einiger quellenschriftsteller der rómi-
schen kaiserzeit.
(Zweite folge. S. Philol. XLI, 4. p. 719).
IIl Zu Eusebius (H. e. V, 21) und Aelius Spartianus (Did.
Iul. c. 2 und Sept. Sev. c. 4).
1. Jenes toleranzedict, welches kaiser Marc Aurel im j. 174
nach seiner befreiung aus schwerer gefahr im Quadenfeldzug zu
gunsten der christen erlassen haben soll — es wird gewóhnlich
hinter der ersten apologie Justins abgedruckt (man sehe v. Otto's
ausgabe des Corpus Apologetarum), vgl. auch Tert. Apol. c. 5, ad
Scap. c. IV, Eus. h. e. V, 5—, jenes rescript ist schon längst
von der unbefangenen kritik unter die apokryphen actenstiicke
verwiesen worden (vgl. z. b. Ruinart, Acta martyr. [Ratisbonae
1859], praef. gen., p. 28, Q2. 41, Franz Overbeck, Studien
zur geschichte der alten kirche, heft 1 [1875], aufsatz nr. Il, p.
93—157) und A. Hilgenfeld, Hist.-krit. einleitung in das N. T.
[Leipzig 1875], p. 170. Dass aber gleichwohl dem gefülschten
documente wenigstens ein historischer kern zu grunde liegt, dies
erhellt aus Eus. h. e. V, 21; dort wird nümlich folgendes erzühlt:
„unter Antoninus Commodus (reg. 180 bis ende 192) wurde die
äussere rule der christlichen kirche durch die staatsgewalt nicht
gestört. Aber trotz dieses christenfreundlichen regimes musste da-
mals ein hochgebildeter christ namens Apollonius zu Rom bloss
wegen seines glaubens den tod erleiden. In folge der denunciation
eines elenden wurde er dem richter, dem pritorialpràfecten und
damals allmächtigen minister des imperators Perennis, vorgeführt.
BEEN "md
Eusebius. 185
Dieser verurtheilte zunächst den ankläger zu der schimpflichen to-
desstrafe des crurifragiums (eine art rüdern!), denn nach einem
kaiserlichen gesetze liatten dergleichen denuncianten das leben ver-
wirkt. Dann suchte er den angeklagten zur verleugnung seines
glaubens zu bereden und forderte ihn auf, als Apollonius unent-
wegt an seiner religiösen überzeugung festhielt, dem versammelten
senate rechenschaft über seinen glauben abzulegen. Apollonius bielt
eine glanzende vertheidigungsrede, wurde aber demungeachtet nach
einem alten gesetze, welches dem einmal dem richter vorgeführten
christen nur die wahl liess, entweder zu verleugnen oder zu ster-
ben, zum tode verurtheilt*, Dieser bericht gibt anlass zu einer
ganzen reihe von kritischen erörterungen. Zunächst ist an der
authentie der eusebianischen erzühlung , an der interessanten that-
sache, dass nicht bloss der angeklagte christ, sondern auch sein .
denunciant die todesstrafe erleiden muss, nicht im mindesten zu
zweifeln. Der bischof von Cüsarea deutet an, dass er einsicht in
die bezüglichen original- processacten gehabt bat; ansdrücklich er-
wähnt er, dass er seinem (leider verloren gegangenen) grösseren
werke über die märtyreracten einen ausführlichen bericht über
jenes ereigniss einverleibt hat !). Demgemäss gibt der autor an
unserer stelle nur eine sehr gedrängte darstellung des vorganges,
und in dieser laconischen kürze sind zum theil auch die erheblichen
kritischen schwierigkeiten begründet, die H. e. V, 21 dem forscher
bietet. Am leichtesten lässt sich noch „AnoAlwriog . . . . . x8
gahsxy xoduces ... relesodrus, ur d° aÀÀAwg dqeiodui tovg anak
dg dızacıngıov mugsoviucg xai undauws ıng meoPfoews utzaflaA-
louérouç apyalou mag atroig vopov xexpurnxorog“ inter-
pretiren: Apollonius wurde einfach auf grund des bekannten Tra-
1) „Tovrov uiv oùy tas Ini ToU dixactov quvas . . . . nü&odv ve Tw
npös 12v GU yxlyrov &noloyiav uw dieyvavas g sov, tx LL TU» ag-
yaíov pagtvgiwy cuvaydeions nusy àvaypagne slosras’
Dieses werk über die märtyreracten wird auch Eus. h. e. IV, 15
. Div te bg’ annos tok, nag«dóE oic abrov [scil. tov éyiov Iho-
viov] nleviv ningeorate fc "Qi avrod yeaqie negseyovans, tous, olg
gilor, ini tabtny avaniupoutry, tosc Tu» doyasov cvvay9dsiciy
uiv uaoruvoboss Évrerayuérnr) und h. e. V, prooemium (me uèr
od» negi rovtwy [die märtyrer aus der zeit Marc Aurels 1] évreleora ms
óqwyXotoc TO Nay ovyyyaumaia, TH TOV» uaorvoiwr Huby xataté-
taxtas cuvay@y}) erwähnt; vgl. auch Henricus Valesius (ed.
Euseb. Annot. ad H. e. V, 21, p. 102), der mit recht bemerkt: Hoc
opus inscriptum erat deyalur uagregéur ovvayayı.
136 Eusebius.
jen-rescriptes, das also noch immer reichsgesetz war, verurtheilt ;
die innere übereinstimmung der betreffenden eusebianischen worte
mit der entscheidung Trajans (Plinii epist. X, 98: conquirendi won
sunt, si deferantur et arguuntur, puniendi sunt) ist
unleugbar ?). Eine wahre crux interpretandi ist aber der ,,Buosde-
xös Ogoc'*, auf grund dessen der anklager des Apollonius gleichfalls
den tod erleiden muss, Henricus Valesius und Tillemont
(a. a. o.) betrachten den kaiser Marc Aurel als den urheber jenes ge-
setzes und basireu ihre annahme uuf Tert. Ap. c. 5 und Eus. H. e.
IV, 13 resp. V, 5, aber mit uurecht. Denn was zunüchst die er-
stere stelle betrifft, so lassen sich die betreffenden worte des car-
thaginiensischen presbyters 5) nicht historisch verwerthen, da sie die
authentie des gefälschten toleranzedictes Marc Aurels zur vor-
aussetzuug haben. Ferner, Eus. H. e. V, 5 darf hier nicht heran-
gezogen werden, da an dieser stelle auf Tert. Ap. c. 5 in zustim-
mender weise bezug genommen wird; Eusebius rückt die äusserung
des apologeten sogar vollständig in griechischer übertragung ein.
Endlich lässt sich auch H. e. IV, 13 nicht verwerthen; denn auch
das dort reproducirte toleranzedict ,,ad commune Asiue‘“‘, das
dem ersten Antoninus zugeschrieben wird, wird von der neue-
ren forschung aus zutreffenden gründen als untergeschoben ver-
worfen (vgl. z. b. Overbeck a. a. o. und Hilgenfeld a. a.
o. p. 169). Und selbst im falle seiner unbestreitbaren echtheit
liesse sich immerhin mit Ruinart (p. 129, aunot. 2) folgender
durchaus berechtigter einwand erheben: ,,Sed etsi ea lege delator
poenas luere debout, delatus tumen absolvitur". Ruinart, der
die verfellte argumentation des Henricus Valesius mit fug be-
kümpft, vermag übrigens selbst keine lésung unserer streitfrage zu
bieten.
2. Schon nach dem gesagten muss die auffassung, als hätte
2) Unter dem „aeyasos vôuos“ verstehen mit fug das Trajan - re-
script Henricus Valesius (a. a. o. p. 102), Tillemont (Mémoi-
res pour servir à l'hist. eccl. T. Ill! [Bruxelles 1699], p. 95 f.) und,
freilich etwas zweifelnd, Ruinart (p. 129, annot. 4).
3) At nos e contrario edimus protectorem (sic), si litterae
M. Aureli gravissimi imperatoris requirantur, quibus illam Germanicam
sitim | Christianorum forte militum precationibus impetrato imbri discus-
sum contestatur, sic ut non palam ab eiusmodi hominbus poe-
nam dimovit, ita alio modo palam dispersit, adiecta etiam
accusatoribus damnatione et quidem tetriore.
Busebius, 137
der ,,fucsdsxos ógog' nur die denuncianten von christen mit der
todesstrafe bedroht, als unzulässig erscheinen. Weiter lautet es
auch nicht wabrscheinlich, dass gerade Marc Aurel, unter dem, wie
das schicksal der märtyrer von Lyon und Vienne beweist, das
Trajan-rescript dahin verschärft wurde, dass die einmal dem richter
vorgeführten christen auch durch die folter zum „leugnen“ ge-
zwungen werden konnten (vgl. Eus. H. e. V, 1), die gesetzlich
zulassige verfolgung durch das eiu für alle mal über die anklager
von anhüngern lesu gefällte todesurtheil thatsächlich beschränkt
haben sollte, Allerdings sagt Eusebius nur .... „on un Li»
éEov nr xarà Bucrdsxov 0gov 1096 rwv 1010vde pyrutré cs",
aber aus H. e. V, 5 ersieht man, dass des palästinensischen bischofs
urtheil über den process des Apollonius in folge des von ihm irr-
thümlich als authentisch vorausgesetzten toleranzedictes des zweiten
Antoninus getrübt ist.
Da an der thatsache, dass Apollonius sowohl als sein
denunciant iu gleicher weise zum tode verurtheilt wurden,
nicht zu rütteln ist, so empfiellt sich als ausweg aus unserm
dilemma die annahme, dass man unter dem ,,8uordsxdg ögog“ nicht
etwa ein bloss speciell gegen anklager vou christen gerichtetes
rescript, sondern eiu allgemeines reichsgesetz zu verstehen hat,
das den zweck verfolgte, überhaupt gegen das delaturenunwesen
energisch einzuschreiten, und zum mindesten mehrere kategorien
von anklägern dem heukerbeil überantwortete. Dieses reichsgesetz,
das allerdings, wie aus unserer stelle und aus zwei weiteren quel-
lenlagen erbellt, die wir alsbald kennen lernen, unter Antoninus
Commodus in kraft war, hat zweifelsohne Marc Aurel zum urlıeber.
Deon erstens war das tyraunische regime des elenden Commodus
selbst in dessen ersten besseren jahren (180 bei c. 183), als die
erfabrenen rüthe des vaters noch massgebend waren (vgl. Herodian.
fed. Irmisch. vol. I], |. I, cap. VI, nr. 1, c. VIII, ur. 1), einer
solchen, wenn auch etwas bizarren, duch immerhin aus hochher-
zigen motiven bervorgehenden initiative unfähig, uud dann heisst
es bezüglich des Marc Aurel (Capitolin. M. Ant. Philos. c. 11):
»Cuvit (scil. M. Aurelius) et sumptibus publicis et calumniis
quadruplatorum intercessit adposita falsis dela-
toribus nota“. Es ist da freilich nur von falschen anklägern
die rede, wäbrend der denunciant des Apollonius wenigstens wab-
138 Eusebius.
res deponirt hatte, allein es mag eine ungenaue ausdrucksweise
des biographen vorliegen; der kaiserliche philosoph wird, was ja
dem charakter seines vortrefflichen regimes ganz entspricht, such
gegen das delatorenunwesen überhaupt gesetzlich vorgegangen sein.
Zwei weitere bisher in diesem zusammenhang stets übersebene quel-
lenbelege dürften übrigens beweisen, dass der Buosdsxdg Seog über-
haupt gegen angeberei gerichtet war. Die erste stelle lautet Spart.
Did. lul. c. 2 (Scriptt. hist. aug. ed. Herm. Peter vol. I, p. 118):
„Post hoc (scil. Didius Iulianus) curam alimentorum in Italiam
meruit. tunc factus est reus per quendam Severum Clarissimum mi-
litem *) coniurationis cum Salvio contra Commodum, sed a Com-
modo, quia multos iam senatores occiderat et quidem nobiles ac
potentes in causis maiestalis, ne tristius gravarelur, Didius liberatus
est accusatore damnato". Noch bezeichuender ist die zweite
stelle Spart. Sept. Sev. c. 4: post hoc (Sept. Sev.) Siciliam pro-
consularem sorte meruit . . . . . in Sicilia quasi de imperio vel
vates vel Caldaeos consuluisset, reus factus, sed a praefectis pruetor.,
quibus audiendus datus fuerat, iam Commodo in odio veniente,
absolutus esi calumniatore in crucem acto. Allerdings wer-
den in beiden fallen die angeklagten freigesprochen, während
Apollonius des ihm zur last gelegten verbrechens, mitglied einer
religio illicita zu sein, schuldig befunden wird. Immerhin be-
weist aber diese gerade unter Commodus erfolgte hinrichtung zweier
anklager in causa maiestatis, duss damals eine überhaupt gegen an-
geber gerichtete verfügung gesetzliche kraft hatte °).
4) ,, Clarissimum iuuenem" coniecit Th. Mommsen (ib. p.
118, annot. 2).
5) An der ersten stelle ist das einfache damnato wohl auf ein
todesurtheilzu deuten; hierfür spricht nicht bloss der hietori-
sche context, sondern auch folgende erwügung: Didius lulianus war
eines todeswürdigen verbrechens, der coneuratio in principem, also der
dotfesa, impietas in principem. der majestätsbeleidigung im engern sinne,
beschuldigt worden; hierauf standen nach Paullus, Sentent. V, 29, 1
(bei Le Blant ,,Sur les bases iuridiques des poursuites, dirigées contre
les martyrs“ in: Comptes rendus de l'Acad. des inscript. t. II (Paris
1866], p. 360) folgende strafen: Humiltores bestiis objiciuntur vel vivi
ezuruntur, honestiores capite puniuntur. Nimmt man nun an, dass man
den anklüger nach einem bekannten rechtsgrundsatz dieselbe todes-
strafe erleiden liess, die den beschuldigten im falle seiner verurtbei-
lung getroffen haben würde, so wird der denunciant des Didius Iu-
lanus, da er zu den honestiores gehörte, wahrscheinlich zur enthaup-
tung verurtheilt worden sein. — Uebrigens wurde das gesetz gegen
die delatoren schwerlich wührend der gansen regierung des Commo-
Eusebius. 139
8. Tillemont (a. a. o. p. 96. 489) lässt den ankläger
des Apollonius ohne weiteres als sclaven gelten. Allein dies
sagt erst Hieronymus (De scriptor. eccl. , in Apollonio: Apollo-
rius ... a servo proditus . . .); dagegen liegt im eusebianischen
bericht kein beweis für diese annahme; denn in den worten: ,,oux
Ev di dea rovro (nämlich die günstige lage der christlichen kirche
unter Commodus) 16 pisoxud@ duluor flaoxdvo ov thy prow
oloróv: anedvero youv avdicg nowx(Aag tag xa9' mur unyavág
Enizeyvwevoc. enti yovv 1g Pwualwr nodews “Anoddwvioy .....
sic dixacingiov ayes. Eva yé tiva trav elg ravra énsndelwr a-
zov (oder: avz@, was denselben sinn gibt) diaxovuv êmi xarnyoglu
tavdeos éyelgag kann sich das ,,« 0 109 (uür@) dsaxovwy zwar
grammatisch sowohl auf Apollonius als auf den ,teufel* (o ps-
coxalos du(uwv) beziehen, nach dem ganzen context der stelle kann
es aber nur auf letzteren gehen. Indess erhellt aus Eusebius doch
soviel, dass jener denunciant zu den ,humiliores'* gehörte; dies be-
weist die barbarische schimpfliche todesstrafe, die er erleidet: er
büsst mit dem crurifragium (avılza xutuyrutas rà oxéAn), während
der voroehme Apollonius unzweifellaft zur todesstrafe der ,,hone-
stiores‘‘ also zur enthauptung, verurtheilt wird (xeq«Asxpj xo-
Auges... ttÀbOUTOL).
Auch der ankliger des statthalters Septimius Severus, der
diesen des consulere de salute imperatoris, also gleichfalls einer ma-
jestatsbeleidigung, aber zugleich auch einer verbrecherischen magie,
beschuldigt hatte, muss zu den humiliores gehórt haben; dies be-
weist gleichfalls die schimpfliche art seiner todesstrafe. Nimmt
man an, dass dem ankläger dieselbe strafe zudictirt wurde, die
den beschuldigten getroffen haben würde, wenn es gelungen wire,
dus strenge durchgeführt; dies beweisen die verwünschungen des
senats nach dem tode des tyrannen: ...... delatores ad leonem
o... delatoribus metum, ut securi simus, delatoribus metum , ut
salvi simus, delatores de senatu, delatoribus fustem etc. (Lampr. Com-
mod. c. 18). — So weit ich sehe, sind die beiden stellen Spartians
bisher noch niemals im zusainmenhange mit der erörterung höherer
gesichtspunkte von allgemeinerem interesse besprochen worden. So
erblickt z. b. sogar S. Basnag e (Annal. politico-eccles. II, p. 181, 88.
II; p. 197, 88. X) darin nur eine auf die antecedenzien der impera-
toren Didius lulianus und Septimius Severus bezügliche quellennotiz,
und Casaubonus (Notae ad Scriptt. bist. aug. ed. Salmasius, Pa-
risiis 1620) würdigt beide stellen nicht einmal einer kleinen an-
merkung.
140 Kusebius.
ibn der magie zu überführen, so lässt sich der umstand, dass der
denunciant gerade zur kreuzigung verurtheilt wurde, sehr leicht
mit hülfe von Paullus, Sentent. V, 23, 17 (bei Le Blant a. a. o.
p. 369) erklüren, wo es heisst: Magicae artis conscios
summo supplicio adfic& placuit , id est bestiis obiici aut cruci
suffigi. Ipsi autem magi vivi exuruntur. Dass übrigens die
kreuzigung, ebenso wie der ,,kampf mit den bestien des cir-
cus uud der scheiterhaufen, im römischen criminalrecht den humi-
liores als schimpfliche todesstrafe vorbehalten war, erhellt
auch uus Paull, Sentent, V, 29 (bei Le Blant p. 373), wonach
die „sacrilegi“ niedern stundes entweder zu den „bestiae“ oder zum
kreuzestode verurtheilt wurden *).
6) Da das mss. dieses aufsatzes fast fünf jahre gelagert hat, so
ist es im sachlichen interesse geboten, auf die inzwiachen erschienene
bezügliche neuere litteratur wenigstens zu verweisen: Th. Keim,
Rom und das christenthum, hag. von H. Ziegler, Berlin 1881; Aubé,
Les chrétiens dans l'empire romain 180 - 249, Paris 1881, zumal p. 1—
52; Acta martyr. Scillitanor. graece edita ab Herm. Usener in
Indice scholar. Bonnens. per menses aestivos a. 1881 Bonnae 4. Aubé,
tude sur un nouveau texte des Actes des martyrs Scillitains, Paris
1881. Ad. Hilgenfelds anzeige der Usener'schen publikation nebst
Rud. Hilgenfelds recension der Aubé'schen Etude etc. (Zeitschr.
f. wiss. theol. XXIV [1881], hft. 3, p. 382 f., XXV [18-2], hft. 3, p.
969—371 nebst der note 1 von Ad. Hilgenfeld). Rud. Hilgenfeld,
»Verhültniss des rómischen staates zum christenthum in den beiden
ersten jahrhunderten (Zeitschr. f. wiss. theol. XXIV [1881] hft. 3, p.
291—331), W ieseler, Christenverfolgungen der rdm. cüsaren, Güters-
lohe 1878, endlich meine publikationen, I. artikel ,,Christenverfol-
gungen“ in der F. X. Kraus'schen realencyklopüdie der christl. al-
terthümer, Ifg. III, p. 215—288, Freiburg i. Br. 1880, Il u III: „Die
kritiken von Keim u. Usener — Aubé, Étude (Philol Anzeiger XII
[1882] nr. 6, p.325 333, nr. 7, p. 424—430. IV: Meine noch in die-
sem jahrgang [1883] im 2. oder 3. heft, in den „Jahrbüchern für
protestant. theol.“ zum abdruck gelangende abhandlung „Das
chrisienthum u. d. rim. staat zur zeit des kaisers Commodus“ und
zumal B, V.
(Fortsetzung folgt).
Düsseldorf. Franz Gorres.
Zu Julius Valerius I, 31 p. 33> Müller.
»Locumque (scil. iubet) omnem, unde ad oppidum convenissent,
suae editioni (uedificationi vermuthete Mai) servire“ Ich
môchte vorschlagen: suae dicioni. Im Pseudocallisthenes stebt:
quenpura aùtois yaQscd pevos.
Góttingen. K. Boyeen.
I. JAHRESBERICHTE.
22>, Quintilianus.
(S. Philol. XXVIII, p. 160.)
1. Theodor Mommsen. Vitorius Marcellus. Hermes XIII.
1878, p. 428— 430.
2. Th. Birt, Ueber die vokalverbindung eu im lateinischen.
Rhein. museum. XXXIV, 1879, p. 17 ff.
3. G. Wissowa, Analecta Macrobiana, Hermes XVI, 1881,
p. 499 ff.
4. Frid. Boettner, de Quintiliano grammatico part. l. Halis
Saxonum 1877. 8.
5. F. L. Lentz. Wissenschaftliche monatsblütter. Jahrg. 5.
1877, p. 185.
6. O. Siesbye. Nordisk Tidskrift for Filologi. Kjöbenhavu
1879 —80, p. 45. M. C. Gertz ebend. p. 58.
7. H. Klammer, Thesis 6 und 7 in Animadversiones An-
naeanae. Inauguraldissertation von Bonn 1878. 8.
8. R. Elucald im Philol. Anzeiger IX, 1878, p. 566.
9. Ferd. Becher, Quaestiones grammaticae et criticae. Progr.
von Ilfeld. Berlin 1879. 4.
10. Derselbe zu X, 1, 91 im Philol. XXXIX, p. 181.
11. Nolte in der Z. f. oesterr. gymn. XXX, 1879, p. 167.
12. F. Schoell , Kritische bemerkungen zu Quintilian I. 0.
‚ce. 1 im Rhein. Museum 1879, p. 81—89.
13. Derselbe, Nachtrag dazu im Rhein. Museum. XXXV,
». 639.
| 14. Chr. Thurot, Revue de philologie. IV. Paris 1880.
. 24.
i 15. Edm. Giinther, de coniunctionum causalium apud @uinti-
lianum. Halis Saxonum 1881. 8.
16. C. Bohlmann, 1. Thesis in de attractionis usu et pro-
gressu. Inauguraldissertation von Breslau. 1882. 8.
I. X
142 Jahresberichte.
17. Adolph Bohlmann, 5. Thesis in Antiphontea. Inaugural-
dissertation von Breslau 1882. 8.
18. P. Hirt, Quintilian buch X. Z. f. d. gymnasialwesen
XXXVI. jahrg. Berlin 1882.
19. M. Fabii Quintiliani, Instit. orat, lib. decimus, Erklärt
von E. Bonnell, 5. auflage von F. Meister. Berlin 1882. 8.
20. lli 176 maga Koivwisav@ aasdaywysxng évaloiuoc
diaresBn Midteadovl. Bourcavov. “Ey AM9rvoi; 1879. 8.
21. L. Nicolai, Elemente der philosophischen paedagogik in
Quintilian. Allgemeine schul-zeitung 1880.
22. G. Lindner, Marcus Fabius Quintilianus, Rednerische
unterweisungen. Wien 1881. 8.
23. K. v. Morawski, Bemerkungen zu den sogenannten quin-
tilianischen declamationen. Z. f. d. ósterreich. gymnasien 1881,
. 1 ff.
i 24. Constantin Ritter, Die quintilianischen declamationen.
Freiburg i. Br. und Tubingen 1881, XIV, 272 p. 8.
1. Theodor Mommsen, Vitorius Marcellus. Hermes XIII, 1878,
p. 428—430. Marcellus heisst der mann, welchem Quintilian sein
werk: De institutione oratoria gewidmet hat. Sein name wird im an-
fang des provemiums genannt: an vier andern stellen wird der volle
name des freundes angegeben, nümlich 1, prooem. 6, IV, prooem.
1, VI, prooem. 1, XII, 11, 31: an allen steht in den besten hand-
schriften M. oder Marce, nur 1, prooem. 6 in der münchener rich-
tig Marcelle, in den ausgaben ist der name richtig wiedergegeben.
Um so mehr ist es zu verwundern, dass der andere name, trotz-
dem dass er in den besten handschriften richtig überliefert war,
beharrlich falsch geschrieben wurde: jetzt weist Mommsen nach,
dass nicht Victorius zu schreiben ist, sondern Vitorius. Unser Vi-
torius Marcellus ist identisch mit dem freunde des Statius, dem der
dichter das vierte buch der Silven gewidmet und an den er das
vierte gedicht desselben buches gerichtet hat: ja noch mehr, ihm
ist bei beiden scliriftstellern (Quint. 1 prooem. 6, Statius Silv. IV,
4, 71) sein sohn Geta von den neuesten herausgebern wieder ge-
geben worden, wührend man bisher, wenn auch leise bedenken z. b.
von Pithoeus geäussert wurden, mit grósster zühigkeit bei Quint.
an dem unpassenden nato festhielt, bei Statius an geres. Dieser
Geta nun ist es, also der sohu unsres Marcellus, welcher in den
neu gefundenen urvalacten der jahre 118— 120 ófters genannt wird
als arvale, C. Vitorius Hosidins Geta. Sein name bietet eine si-
chere stütze für die richtige schreibuog auch des vaterlichen na-
mens des Vitorius Marcellus, welcher nicht aus senatorischem ge-
schlechte abstammte, dessen vater aber dem ritterstande angehörte,
2. Th. Birt, Ueber die vokalverbindung ew im lateinischen.
Rhein. Museum XXXIV, 1879, p. 17 ff. Ein beispiel der abusio
Jahresberichte. 143
bei den tragikern, das sich bei Quint. VIII, 6, 35 findet, verbes-
sert Birt zweifelsohne richtig in Aegialeo parentat pater: die abusio
besteht darin, dass das parentare vom vater ausgesagt wird, wäh-
rend der usus nur umgekehrt ein Aegialeus parentat patri zugelassen
batte. indessen ist die emendation nicht neu, sondern von Gerts
schon vorweggenommen, vgl. meinen jahresb. im Philol. XX XVIII,
p. 172. Vortrefflich ist die behandlung einer anderen, schwierigeren
stelle 1, 5, 22 p. 19 ff., welche bisher trotz wiederholter versuche
nicht geheilt worden ist. Quintilian bespricht nämlich mehrfache
falsche betonung, welche dem griechischen nachgebildet aber deu-
noch im rómischen unstatthaft sei und gibt für jede fehlerbafte aus-
sprache ein beispiel. Wahrend nun die beiden ersten puncte klar
‘ sind und durch die beispiele jeder zweifel beseitigt wird, so lässt
sich dies nicht in gleicher weise von dem dritten behaupten. Die
worte lauten: aut flera pro gravi aut apice, circumducta sequenti,
quam ex duabus syllabis in unam cogentes et deinde flectentes du-
pliciter peccant, also als fehlerhaft wird es gerügt, die beiden un-
betonten endsilben eines wortes zu einer zusammenzuziehn und dann
zu circumflectiren, d. h, diese endsilbe zu einer langen betonten
zu machen. Anstössig sind die worte aut apice, wie in einigen
handschriften steht, woraus Spalding ut Appi conjicirte: in den
besten handschriften steht nur ut. Birt empfiehlt sehr glücklich
ut Marcipor, mit hinweisung auf I, 4, 26, wo Marcipores Pu-
bliporesque citirt wird, Interessant ist die nachweisung, dass das-
selbe beispiel von Consentius in seiner Ars de nomine et verbo un-
gewendet wird, ja, dass ganz in derselben weise, wie an unserer
stelle, dasselbe wort Atreus als beleg für die fehlerhafte aus-
sprache griechischer namen angegeben wird, das man also in
früherer zeit Atréus ausgesprochen hat. Weiter macht Birt dar-
suf aufmerksam, dass Quintilian und Consentius auch in anderen
dingen mit einander übereinstimmen, wesbalb auch I, 5, 17 énsour-
aloıpny zu schreiben sei, und macht es sehr wahrscheinlich, dass
Remmius Palaemon, der lehrer Quintilian's, die gemeinsame quelle
für beide sei, der unter anderen durch die worte doctissimi senes
angedeutet werde.
3. G. Wissowa, Avalecta Macrobiana in Hermes XVI, 1881,
p. 499 ff. Wissowa weist die eigenthümliche ähnlichkeit einiger stel-
len Quintilians mit Macrobius Saturnalien nach, so Vl, 3, 59 mit
II, 4, 3 — VI, 3, 64 mit II, 4, 6 — VI, 3, 87 mit ll, 6, 2 —
VI, 3, 109 mit Il, 3, 7 — VI, 3, 111 mit II, 3,8. Bei der im-
merhin noch verbleibenden verschiedenheit ist der gedanke an di-
recte entlehnung ausgeschlossen; eine eingelende vergleichung von
VI, 3, 3 fl. mit Macrobius Il, 1, 12 lehrt, dass beiden eine ge-
peinsame quelle zu grunde liegt, welche ersterer mit grösserer
selbstandigkeit des urtheils behandelt, nämlich ein buch des Domitius
Marsus, eines freundes Virgil's und Tibull’s (gestorben vor Ovid's
4
144 Jahresberichte.
verbaunung), de urbanitate, welches Quint. VI, 3, 102 ff. 108 111
rühmend erwühnt.
4. Fridericus Boettner, de Quintiliano grammatico part. |
Quintiliani de accentu et de nominum verborumque declinatione
praecepta. Dissert. inaug. Halis Saxonum typis Karrasianis 1877.
8. 36 p. (J. Claussen in Philol. Anzeiger IX, 1878, p. 166—168).
Im jahre 1876 hatte die philosophische facultüt der universität
Halle als thema für die preisaufgabe gestellt . . Quintiliani de arte
grammatica praecepta. componantur et explicentur. Der verf. oben
genanuter schrift lóste die aufgabe so, dass ihm von der facultät
der preis zuerkannt wurde und veröffentlichte behufs erlangung
der doctorwürde einen theil seiner umfangreichen arbeit und zwar
denjenigen, welcher von dem accente der Rómer und von der de-
clination der nomina und verba handelt. Die behandlung der ac-
centlehre nôthigt ihn auf einige stellen nüher einzugehn, welche zu
verschiedenen conjecturen veranlassung gegeben haben, so 1, 5, 30 ff.
wo er sich nicht nur mit Claussen u. a. für streichung der worte
qui in eadem [lera eb acuta, als einer dittographie entscheidet,
sondern auch annimmt, dass mehrere sütze è. 30 und 31 von trium
porro — ne sit aliqua vox sine acuta nicht von Quintilian her-
rühren, sondern, allerdings schon in früher zeit, von abschreibera
hinzugefügt seien, welche die allgemein gehaltenen lehren Quinti-
lians spezieller durchführen wollten. Diese annahme hat ihre
grossen bedenken und ruft statt die vorhandenen schwierig-
keiten zu beseitigen, nur wieder neue und womöglich grössere
hervor. 1, 5, 62 entscheidet sich Boettner gegen conjecturen frü-
herer gelehrier, ebenso wie gegen Claussen’s vorschlag, den ganzen
satz zu streichen, er selbst empfiehlt: quia longa sequente pri-
mam acui noster sermo non patitur: sequens in der bedeutung von
secundus, wie 2. 23 u.a. Ebenso hat schon J. Müller, Bursian’s Jah-
resb. IV, 2, p. 271 vorgeschlagen longa sequenti. 1, 5, 24
entscheidet sich Boettner p. 9 mit recht für den nominativ Atreus,
Q. 23 gegen Appi, ohne etwas besseres beizubringen. Mittlerweile
ist das richtige von Birt gefunden, vgl. oben p. 143. Im zweiten
theile seiner dissertation von p. 13 an spricht B. de declinatione
nominum et verborum sive de partibus orationis. In bezug auf die
eintheilung der wortarten schliesst sich Quintilian an seinen lehrer
Palaemon, dieser wieder an Aristarch an und nimmt acht wort-
classen an, beschäftigt sich aber eingehend nur mit zweien, näm-
lich dem nomen und verbum. Die leliren, welche Quintilian in die-
sem capitel gibt, so knapp er sie für seinen vorliegenden zweck an-
gibt, stellt B. verstándig zusammen, mit berücksichtigung alles des-
sen, was. hierher gelürt, Im einzelnen empfiehlt er p. 21 mit G.
Hermann, Ritschl! u. a. 1, 5, 12 zu schreiben Metioeo Fufetioeo oder
Mettoeo Fufettoeo; ausführlich wird p. 25 ff. behandelt I, 6, 27
und Spaldings conjectur cum senatus ,,senati an ,senatus* faciat
Jahresberichte. 145
gebilligt. Ansprechend ist die vermuthung IX, 4, 39 im anschluss
an Ribbecks emendation dice facieque (dicae faciaeque Gertz)
zu schreiben d. f. m litterae emollita; 1, 5, 15 tritt B. mit
Spalding für die streichung der worte et pondo ein, welche auch
Halm eingeklammert hat. Zum schluss bleibt mir nur noch übrig,
den wunsch auszusprechen, dass dr. Boettner, seit mehreren jahren
mein verelrter college, uns recht bald mit dem zweiten theil sei-
ner arbeit erfreuen möge.
9. F. L. Lentz, Wissenschaftliche monatsblütter, jahrgang 5,
1877, p. 185. Auf p. 153 behauptete Lentz in einem artikel Pli-
piana |l, dass reddere mit einem adjectivum iu der bedeutung von
facere (placidum reddere gleich placare, irritum reddere gleich
vereiteln) sich ebenso wenig wie bei Plinius, auch bei Quintilian
I. o., Sallust und Tacitus finde. Diese angabe berichtigt derselbe
p. 185 und bringt als beleg für diesen gebrauch ein beispiel, wel-
ches auch Bonnell im Lex. Quint. p. 767 übersehn hat, nämlich
XII, 11, 13 omnia enim breviora reddet ordo et ratio et mo-
dus. IX, 3, 40 in qua et primum verbum longo post inter-
vallo redditum est ultimum. So schrieb Halm aus conjectur, wäh-
rend die handschriften haben primo verbo; Lentz sucht die überlie-
ferung zu halten durch vergleichung von vox voci redditur d. i.
„entspricht“ z. b. beim echo: dass man so sagen kann, lässt sich
wohl nicht in abrede stellen. X, 1, 54 Apollonius —- non tamen
contemnendum reddidit opus. Da die handschriften schwanken
zwischen reddit (G.) reddidit (codex Almen.) und edidit (L. S.),
so entscheidet sich Lentz für edidit, als das an unserer stelle erfor-
derliche wort, wührend reddere vom schriftsteller gesagt nur be-
deute anführen (und besprechen).
6. O. Siesbye in Nordisk Tidskrift for Filologi Fjerde Bind
Kobenhavn 1879 —80, p. 45. In der besprechuog von R. J. F.
Henrichsen, Opgaver til Oversaettelse fra Latin paa Dansk Kjoben-
havn 1878 vertheidigt Siesbye I, 1, 20 et numquam non fecisse
se gaudeat gegen die lesart der alten ausgaben scisse durch
eine anzahl von beispielen, welche bei Freund unter facio Il. C.
steho. X, 3, 25 bespricht er die -oft behandelten worte Ideoque
lucubrantes — et lumen unum velut. tectos maxime teneat. und
entscheidet sich für rectos. |n dem folgenden paragraphen kehrt
er zu der bandschriftlichen lesart aut deerit zurück.
M. C. Gertz an derselben stelle p. 58. In Naglo kritiske
bemaerkninger til Henrichsens Opgaver u. s. w. behandelt Gertz
X, 3, 29 et itinere deerremus. Handschriftliche überlieferung in
B ist itane deerremus, itinere haben die alten ausgaben. Gertz
glaubt, wenn ich seine worte richtig verstanden habe, der überlie-
ferung am nüchsten zu kommen durch itinere erremus (er-
remus Mb).
7. Hermann Klammer, Animadversiones Annseanse gramma-
Philologue. XLIL bd. 1. 10
146 Jahresberichte.
ticae. Dissert. inaug. Bonnae. "Typis Caroli Georgi, Univ. Ty-
pogr. 1878. 8. 70 p. Am schluss seiner dissertation bietet
uns Klammer unter deo thesen zwei conjecturen zu Quintilian.
Thesis 6: IV, 1, 8 in his quoque commendatio tacita, si nos in-
firmos, imperitos, impares agentium contra ingeniis dixerimus:
aber imparatos, was Ab haben, ist ohne anstoss, In der sie-
benten these schlägt er vor ll, 16, 5 et in his, qui philosophorum
nomine utuntur mit binweglassung von male zu schreiben; mit
unrecht. Hatte Quintilian sich so allgemein ausdrücken wollen, wie
vorher bei der erwühnung der ürzte, dann hatte er sich nicht die-
ser phrase bedient, welche in der von Klammer angenommenen be-
deutung weder gebräuchlich, noch überhaupt zulässig ist.
8. R. Ehwald im Philol. Anzeiger IX, 1878, p. 566. An-
zeige der Emendationes Quintilianeae von Gertz. Elwald vermu-
thet VII, 6, 3 qui ex hac natus est, quae nunc meretrix est.
IX, 4, 147 us numeri sponte fluxisse et accessisse — videan-
tur. — Doch ist arcessisse der handschriften, worin Gertz ac ve-
nisse, Ehwald et accessisse vermuthet, aus dem folgenden arcessiti
entstanden und zu streichen, Xl, 1, 83 ne denique legem quandam
suis quoque ipsius liberis daret wenig ansprechend, 87 repre-
hensa alia laude conpenses, 92 quod facile credideris consequi mit
der Müuchener handschrift, wo von Regius passend cum te einge-
fügt ist, XII, 10, 51 Itaque non illa modo (nämlich oratio scripta),
non illas modo hat GMS.
9. Ferdinandus Becher dr. phil. Quaestiones grammaticae et
criticae ad Quintiliani librum decimum. Separat-abdruck aus dem
programm der klosterschule zu llfeld von 1879. Berlin, Weid-
maun'sche buchhandlung 1879. 8. 26 p. Die fleissige und ge-
wissenhafte abhandlung zerfälll in vier theile, der erste und zweite
geben schützenswerthe beitráge zur historischen grammatik, die bei-
den letzteren zur kritik des schriftstellers. In dem ersten handelt
der verf. nach einem kurzen literaturbericht, unter mehrfacher be-
ziehung auf Draeger, Histor, syntax und Naegelsbach, Lat. stili-
stik, p. 3— 10 von den präpositionen, in dem zweiten p. 11—16
von dem pronomen. Wir wollen mit dem verf. nicht darüber
rechten, ob es sich überhaupt empfiehlt, derartige untersuchungen
auf ein einzelnes buch zu beschrünken, um so weniger, als ja auch
der verf. selbst einzelne beispiele aus andern büchern wählt, son-
dern vielmehr den wunsch aussprechen, dass dieser schöne anfang
erweitert werden und zu einer vollständigen bearbeitung des in
manchen puncten ebenso schwierigen als interessanten stofles füh-
ren möge. Behandelt werden nach einander mit vielen guten
und sachgemässen bemerkungen die prüpositionen in, ad mit einem
interessanten excurs über den bei Quintilian gar nicht so seltenen
gebrauch des ablativus, dativus und genitivus des neutrums von ad-
jectiven und participien, ferner a, ante, circa und citra, ex,
Jabresberichte. 147
extra, ultra, supra, intra, inter, per, praeter, pro,
propter. Im zweiten theile wird der gebrauch von ipse, ali-
quis, quidam, quidlibet und quisquam besprochen und ge-
legentlich mehrere stellen, über deren erklärung die ansichten sehr
auseinandergehn, angemessen erörtert, so X, 2, 17 ideoque qui hor-
ride atque incomposite quidlibet illud frigidum et inane extule-
runt, antiquis se pares credunt , woran übrigens nach meiner mei-
nung nichts zu ändern ist, 1, 60 plurimum sanguinis atque nervo-
rum, (in Archilocho) adeo ut videatur quibusdam, quod quoquam
minor est, materiae esse, non ingenii vitium u. a. Die bespre-
chung derjenigen stellen, bei denen er mit der bisherigen erklürung
nicht einverstanden ist, beginnt er mit 1, 46 igitur, ut Aratus ab
love incipiendum putat, ita nos rite coepturi ab Homero vide-
mur. Den ungewóhulichen ausdruck sucht er durch eine art el-
lipse zu erklären nos ab Homero coepturi rite coepisse videmur.
Befriedigender ist die erklarung von Hoppe in dem programm des
gymnasiums in Gumbinnen 1879, nach welcher das participium des
futurums ohne esse den infinitiv des futurums ersetzt, ahnlich VI
prooem. 1 hanc optimam partem relicturus hereditatis videbar
und V prooem. 5 eius praecepta sic optime divisuri videmur.
Daran schliesst sich passend die besprechung mehrerer stellen, in
denen videri in ungewöhnlicher construction vorkommt, besonders
2, 18 noverum quosdam, qui se pulchre expressisse genus illud cae-
lestis huius in dicendo viri sibi viderentur, si in clausula po-
suissent esse videatur. Es ist wohl anzunehmen, dass mihi
videlur mit folgendem accus. cum infin. keine andere bedeutung
bat, als mihi placet vgl. Heine zu Cic. Tusc. V, 5. Ansprechend
ist die vermuthung Becher's zu 1, 77 grandi oratori in ple-
nior Aeschines et magis fusus et grandiori similis. Auch 1, 83
nam in Theophrasto tam est loquendi nitor ille divinus, ut
trifft er nach des ref. ansicht das richtige, indem er tam mit di-
vinus verbindet. 1, 7, 21 Gai primum Caesaris inscriptione
tradilur factum empfiehlt Becher nicht ohne bedenken scriptione,
was schwerlich beifall finden wird, HI, 17, 25 et medicus sani-
tatem aegri petit: si tamen aut valetudinis vi aut intemperantia
aegri aliove quo casu summa non contingit dum ipse omnia se-
cundum rationem fecerit , medicinae fme non ezcidet. Spalding
nahm an summa so grossen anstoss, dass er es beseitigen wollte:
Becher schlagt mit geringer wahrscheinlichkeit dafür humano
vor. X, 1, 48 Age vero, non ulriusque operis sui ingressus in
paucissimis versibus legem prooemiorum non dico servavit, sed con-
stituit? Becher versucht durch eine neue erklärung zu helfen uud
die überlieferte lesart ingressus zu halten, indem er dies für den
genitiv halt, abhängig von versibus. Wiewohl diese construction
zulässig wäre, so leidet sie doch an grosser schwerfälligkeit; si-
cherer scheint es, an der conjectur des Badius ingressu festzu-
10°
148 | Jahresberichte.
halten und mit Halm in hinzuzufügen. Sehr bedenklich ist die
von Becher vorgeschlagene umstellung X, 3, 10 resistamus ut pro-
videamus et — coerceamus in provideamus ut resistamus et — coer-
ceamus. Dagegen hat das vou ihm X, 3, 25 vermuthete recon-
ditos viel fiir sich, richtig hat er X, 1, 68 die conjectur Hulms
quem ipsum quoque statt des handschriftlichen quod ipsum quoque
zurückgewiesen, I. 11, 10 die lesart des A. cum alterum in verti-
cem tenderet (statt tenderent) vertheidigt, X, 2, 13 die hand-
schriftliche überlieferung accommodata sit gegen Halm's ver-
muthung accommodata est und Madvig’s accommodanda sit. Mit
vollem rechte entscheidet sich Becher X, 1, 16 für nec ambitu
rerum sed rebus incendit. Gelungen sind die emendationen Il, 13,
9 nam recti. quidem corporis vel minima gratia est: nempe enim
adversa est facies und X, 3, 20 at idem ille qui excipit, si tar-
dior in scribendo aut incertior in intellegendo (statt legendo):
interessant ist es, dass letzteres fast zu gleicher zeit auch von I.
Müller und H. J. Müller vorgeschlagen worden ist.
10. Derselbe zu Quintiliau X, 1, 90 im Philologus XXXIX,
p. 181. Becher vertheidigt geschickt das überlieferte propius
gegen Halm's vermuthung promptius durch den hinweis auf Verg.
Aen. 1, 526: propius adspicere, audire heisst nicht nur aus grós-
serer nähe ansehn oder anhóren, sondern auch mit grüsserer theil-
nahme, mit höherem interesse.
11. Nolte in der zeitschrift für die österreichischen gymna-
sien XXX, 1879, p. 167. XI, 3, 168 nam neque ille per Ma-
rathonis et Plataearum et Salaminis propugnatores recto sono iu-
ravit, nec ille Thebas ser mone deflevit. Nolte nimmt daran an-
stoss, dass zu sermone, welches dem recto sono gegenübergestellt
ist, kein adjectivum hinzugefügt ist und empfiehlt ein wort, dem
es an üusserer wahrscheinlichkeit allerdings nicht gebricht, da es
zwischen Thebas und sermone sehr leicht ausfallen konnte, námlich
asso; trotzdem verdient es wegen seiner seltenheit an unsrer stelle
keine beachtung. Il, 15, 1 ante omnia, quid sit rhetorice: quae etc.
Während Spalding und Halm den indirecten fragesatz von dem vor-
angehenden ordiar abhüngig machen und annehmen, dass uns hier
eine falsche capitel-eintheilung vorliege, nimmt Nolte eine lücke an
und schlägt vor, dieselbe — äusserlich nicht unwahrscheinlich bei
pachfolgendem quae — durch quaeritur (ohne quae) auszufüllen.
Nothwendig ist die ergünzung nicht, aber immerhin beachtenswerth.
Zu bemerken ist übrigens, dass Nolte diese conjectur bereits im
Philologus XXI, p. 307 mitgetheilt hat (vgl. unseren Jahresber.
im Philol. XXXV, p, 686).
12. Fritz Schoell, Kritische bemerkungen zu Quintilian 1.
O. l. X, c 1 im Rheinischen Museum 1879, p. 84— 89. Ein
lehrreicher beitrag zur kritik Quintilians, der auch ohne die ge-
harnischte einleitung sich die geltung, die er beansprucht, hatte
Jahresberichte. 149
verschaffen kónnen. An der ersten stelle 1, 2 verhilft Schoell der
Vulgata zum recht, indem er verlangt: quo quaeque sint modo
scribenda; quae quoque modo wie in G steht, hat meines wissens
zuerst Halm aufgenommen, nach ihm Bonnell (in der ausgabe des
X. buches) und Krüger, während in den meisten älteren ausguben
quo sint quaeque modo scribenda sich findet. Im dritten paragra-
phen hat noch niemand an dem sonderbaren ante omnia est anstoss
genommen, Schoell vermuthet dafür ante omnia stat, oder, was
mir wahrscheinlicher ist, ante omnia necesse est Ohne grund
wird 2. 4 eum qui — verba — conlocandi rationem perceperit,
instruamus, qua ratione quod didicerit facere quam optime, quam
facillime possit das wort ratione, welches zuerst in der Cólner
ausgube 1527 erscheint, statt der handschriftlichen überlieferung in
oratione, nur der lästigen wiederholung wegen, gestrichen. Ebenso
grundlos tadelt Schoell 8. 15 die von Regius herrührende conjectur
hoc für haec, welches letztere sich übrigens auch in älteren aus-
gaben, so in der Baseler 1555 und der Leydener 1665 findet;
„haec exempla, die aus der lectio und auditio geschöpften, werden
in ihrer wirkung den in theoretischen handbüchern und vorlesungen
gegebenen gegenübergestellt; jene sind wirksamer, weil sie unmit-
telbar das gemüth berühren, nicht durch absonderung und einfügung
in die trockne theorie abgeschwächt werden“. Dieser gedanke soll,
woran man zweifeln darf, in den überlieferten worten etiam ipsis (sc.
exemplis) quae traduntur artibus enthalten sein, doch da ipsis allzu na-
türlich mit artibus verbunden werde, andererseits etiam müssig, ja
störend sei, so sei wohl zu schreiben quam i. q. tr. a. Zu. 16
erhalt die oben gebilligte ansicht Becher’s, dass ambitu in den
text aufzunehmen, imagine als glossem zu streichen sei, auch durch
Schoell ihre bekraftigung. Zu $. 22 (nicht 23) emendirt Schoell
ansprechend VI, 1, 20 ut Servium Sulpicium Messala contra
Aufidiam, ne signatorum, ne ipsius discrimen obiciat sibi prae-
monet: ebenso §. 28 non per omnia poetas esse oratori sequendos
— poeticam (oder nosnzıxnv) ostentationi compositam (und
§. 31 poeticae für poesi). Es ist sehr wahrscheinlich, dass das
griechische wort die veranlassung zur verderbniss gegeben, aber
etwas zweifelhaft, dass die dholiche stelle VII, 13, 11 directen
einfluss auf die unsrige geübt habe. §. 39 conjicirt Schoell: qua
apud Livium in epistula ad filium praescribitur oder qua praecipit
Livius in ep. ad filium, doch ist diese änderung nicht nothwendig,
weil von brevitas illa gar wohl ein accus. cum inf. abhängig sein
kann. §. 56 wird die von Halm angewendete interpunction (komma
nach Virgilius idem) mit recht gebilligt. §. 72 tadelt Schoell I.
Müller, weil er cum venia in der hergebrachten weise vertheidigt
und die Ovidische stelle Trist. IV, 1, 102 cum venia facito, quis-
quis es, ista legas, die gar nicht hierher passe, wie andere vor ihm,
verglichen habe. Er selbst schlügt dafür cum iudicio vor, aber so
150 Jahresberichte.
fest er auch von der richtigkeit seiner emendation iiberzeugt ist,
so glaube ich doch, dass I. Müller, Jahresberichte über die fort-
schritte der classischen alterthumswissenschaft. Siebenter jahrgang
1879, zweite abtheilung, p. 169 mit seiner erklärung recht behalt,
welche folgendermasseu lautet: zwar hat Menander alle vertreter
der neueren komüdie durch seine glänzende beriibmtheit in dunkel
gehüllt d. h. seine claritas hat bewirkt, dass sie nicht mehr
gelesen, also auch von dem künftigen redner für seine speziellen
zwecke nicht durchmustert werden, weil man eben in Menander
alles findet, in jenen nichts zu finden vermeint ; dennoch bieten auch
andre komoediendichter ausser ihm (nicht alle dichter der neueren
komoedie) wenn man das vorurtheil ihrer absoluten werthlosig-
keit der Menandrischen trefflichkeit gegenüber überwindet und sie
liest, wobei man freilich manche schwächen in kauf
nehmen muss, wenn auch nicht vieles, so doch mancles, was
man aus ihnen für die zwecke rednerischer ausbildung entnehmen
kann. $. 77 vermuthet Schoell scharfsinnig: plenior Aeschines et
magis fusus et gladiatori similis. Seine beweisführung hat
viel bestechendes und ist dennoch nicht überzeugend. An demselben
worte hat, wie wir oben erwahut haben, auch Becher anstoss
genommen, vgl. p. 147.
13. Fritz Schoell, Nachtrag zu band XXXIV, p. 84 ff. über
Quintilian X, 1 im Rhein. Museum XXXV, p. 639. In dem nach-
trag, welcher wesentlich gegen J. Müller gerichtet ist, gibt Schoell
ihm nur in der besprechung über $. 4 recht, dagegen halt er in
bezug auf $. 15. 39 und 72 an seiner meinung fest.
14. Chr. Thurot in Revue de philologie de litterature et
d'histoire anciennes, Nouv. Série continué sous la direction de Chr.
Thurot, ©. Riemann et Em. Chatelain. Année IV. Paris 1880.
p. 24. X, 1, 66 tragoedias primus in lucem Aeschylus pro-
tulit. Mit rücksicht auf das folgende: sed longe clarius inlustra-
verunt hoc opus Sophocles atque Euripides nimmt Thurot an, dass
es sich hier nicht um einzelne tragödien, sondern um die gattung
handle und deshalb zu schreiben sei tragoediam. Referent
vermag darin keinen zwingenden grund für die änderung zu er-
kennen.
15. Edmundus Günther, De conjunctionum causalium apud
' Quintilianum usu. Dissert. inaugur. Halis Saxonum 1881. Typis
Kosmaelianis, Krotoschini. 8. 47 p. Die abhandlung entbált einen
beachtenswerthen beitrag zum gebrauch der conjunctionen in der
silbernen latinitit, vorzugsweise bei Quintiliun. Mit grosser um-
sicht und besonnenem urtheil werden die einzelnen conjunctionen
besprochen und die verschiedenheit in der bedeutung und in der
construction an sorgfältig ausgewählten und vollständig citirten
beispielen nachgewiesen. Das grösste interesse nehmen ohne zwei-
fel quia und quod für sich in auspruch, denen der verf. 34 seiten
Jahresberichte. 151
widmet, wührend er die andern, quoniam, quando, quatenus, siquidem,
quippe, q. qui, q. cum, ut qui auf zusammen 7 seiten abmacht.
Auch bei behandlung einzelner stellen, bei denen er mit den neue-
ren herausgebern nicht übereinstimmt, müsseu wir iu der regel eben-
sowohl seine bedenken als begründet anerkennen, als auch seiner
entscheidung uns anschliessen, z. b. p. 19 wo er zu VII, 3, 9 an
dem überlieferten sed quia necesse sit festhült gegen die von Halm
gebilligte conjectur Spaldings est, p. 14, wo er zu VII, 3, 30
quia venenum amatorium non sit dem Halmschen est mit recht vor-
zieht. Auch p. 24 kehrter X,7, 13 gegen Halm zu der früheren schreib-
weise quem — s. video, cum eo quod zurück, wo ich allerdings (s.
unten nr. 19) uoch eine andere änderung vorgeschlagen, resp. in
den text aufgenommen habe. Ebenso nimmt Günther p. 39 an der
ähnlichen stelle XII, 10, 47 aus guten gründen anstoss an dem
von Halm gewüuschten sunt und erklart sich p. 16 zu XII, 11, 16
für die vulgata quia gegen quasi, was Halm in der handschrift-
lichen lesart qua (mit folgendem sif) vermuthet. p. 17 ist XI,
1, 61 fecerit nach optime wohl nicht nothwendig , sehr zweifel-
hafter art ist der p. 34 mitgetheilte vorschlag eines ungenaunten
freundes zu VIII, 6, 64 quam quo — mazime facere experiretur.
Dagegen stimme ich Günther bei, wenn er p. 29 zu XII, 2, 31
vorläufig an dem vorschlage Bonnell’s, dem Halm folgt, tantum
quod et festhalt, als demjenigen, welcher vou den bisher gemachten
erklarungsversuchen die meiste wahrscheinlichkeit hat.
16. Carl Bohlmann, De attractionis usu et progressu etc.
Dissert. inaug. Vratislaviae 1882. 8. Als erste thesis stellt
Bohlmaon die vermuthung auf, dass X, 5, 1 nam id factum est
et iam primo libro — et secundo zu lesen sei. Die handschriften
haben übereinstimmend est etiam, eine ünderung findet also nicht
statt. Und doch scheint mir diese verwerthung der überlieferung
nicht annelımbar wegen der stellung von iam, welches man nach
id erwartete, Dieselbe vermuthung hat übrigens schon im vorigen
jebre Fr. Boettner gemacht und mir gelegentlich mitgetheilt.
17. Adolph Bohlmann, Antiphontea. — Dissert. inaug. Vratis-
laviae 1882. 8. In der fünften thesis schlagt Bohlmann vor X,
1, 96 zu lesen: is erit Caesius Bussus, quem nuper amisimus
(videmus G. vidimus die übrigeu handschriften) und beruft sich auf
g. 90 multum in Valerio Flacco nuper amisimus. Aber auch hier
liegt kein grund zu einer änderung vor, weder sprachlich noch
sachlich ist an der überlieferung anstoss zu nehmen.
18. P. Hirt, Quintilian. Buch X. Z. f. d. gymnasialwesen
XXXVI jahrg. Berlin 1882. In seinem jahresbericht des philo-
logischen vereins zu Berlin erwähnt Hirt p. 69 ohne nähere an-
gaben einen vorschlag Moeller’s zu X, 3, 25 nümlilch statt des
vielbesprochenen rectos zu schreiben custos. Derselbe vermuthet
p. 70 zu X, 1, 4 statt qua ratione, welches allerdings wegen des
152 Jahresberichte.
unmittelbar vorangegangenen rationem lästig ist, qua exerci-
tatione.
19. M. Fabii Quintiliani lustitutionis oratoriae liber decimus.
Erklärt von E. Bonnell. Fünfte auflage von dr. F. Meister. Ber-
lin, Weidmanosche buchhandlung 1882. 8. 90 p. Abgesehn von
dem gróssten theile der einleitung hat die neue auflage eine durch-
greifende änderung erfahren, text und aumerkungen sind, soweit es
nothwendig war, durchweg umgestaltet. Das verzeichnis auf dem
letzten blatte des buches weist eine ziemlich betrachtliche zahl von
stellen nach, an denen der text vou der Halm’schen ausgabe ab-
weicht. Eigene vermuthungen habe ich neun in den text aufge-
nommen, es sind dies folgende: 1, 23 steht in G causas utrisque
erit. scire. Die lücke nach erit wurde in der Cülner ausgabe von
1527 ansprechend durch utile erit ausgefüllt: eine eingehende
vergleichung ergab jedoch, dass sehr viel gebräuchlicher als utile
est ist non inutile est oder erit. Deshalb schien mir’s nicht
nur rathsam, sondern sogar geboten, dem schriftsteller die ihm ge-
lüufige redensart nicht ohne grund vorzuenthalteu, also zu schrei-
ben: causas ut quisque egerit non inutile erit scire. Mit einigem
widerstreben habe ich %. 33 adeo aufgenommen, in der bedeutung
von itaque: vgl. darüber Bonnell’s Lexic. Quint. p. 20. Die hin-
zufügung von Stoici Q. 35 mag sich melr durch den sinn und
den gegensatz, als durch äussere anhaltepuncte rechtfertigen. è. 37
steht in den handschriften qui sint quae. Die lücke nach sin
füllte schon die Cölner ausgabe von 1527 durch legendi aus, eine
zweite lücke nahm Halm nach quae an und schrieb quaeque: ein-
facher dürfte mein vorschlag, legendi et vor quae einzuschieben,
sein. % 45 qui sint his simillimi. Der siun verlangt den
superlatiy nicht, die iiberlieferung in G. similibus (von derselben
band corrigirt in simillimis) führt leicht auf similes oder si-
milis, was man erwartet. Der änderung in 2. 69 praecipuus.
Eum admiratus war der weg schon vorgezeichnet durch die alten
ausgaben, in denen man gewöhnlich findet: praecipuus. Hunc et
admiratus. Eine lücke habe ich angenommen @. 117 und nach
urbanitas et sermo, wie die handschriften habeu, vorgeschlagen
purus. 2, 8 nulla sit (est Fleckeisen) ars, qualis inventa est
habe ich geschrieben mansit, was jedenfalls dem inventa est gut
entspricht. Bei wiederholter betrachtung der worte 7, 1 intrare
portum, ad quem navis accedere ete, habe ich mich von der noth-
wendigkeit der conjectur Meiser's instar porius nicht überzeugen
künnen und deshalb dieselbe aufgegeben. 7, 13 fübrt die lesart
des Bamb. 2. h. videantur superfluere auf den plural videmus,
der, wie mir scheint, den vorzug verdient vor video, von dem Halm
annimmt, dass es aus cum eo entstanden sei, während ich keinen
grund sehe, die phrase cum eo quod, die sich ausserdem noch Il,
4, 30 und XII, 10, 47 findet, zu beseitigen. Sehr erfreulich war
Jahresberichte. 153
mir eine briefliche mittheilung des ober-bibliotbekar professor dr.
von Halm aus dem juni d. j., dass er bei einer vor längerer zeit
vorgenommenen neuen bearbeitung der drei letzten bücher des
Quintilian in nicht wenig ünderungen ganz mit mir zusammentreffe.
Zugleich theilte mir derselbe folgende treffliche emendation zu 1,
103 mit: Bassus Aufidius — genere ipso probabilis, in partibus
quibusdam suis ipse viribus minor.
20. lJhgi tig naga Koivivitarò nardaywyixns evalospos
diaipif Milreadou I. Bourcavon didaxıogos rig pidoco-
gíag rov ty Auyla narericizulov. ‘Er °A9nvass Èx 100 1vro-
youqeiov X. N. DidudéAgews. 1879. 8. 93 p. Nach seiner
eigenen angabe p. 40 haben die palaeographischen übungen an der
schönen Züricher Quintilianhandschrift unter leitung des professors
A. Hug den verf. veranlasst, sich eingehend mit Quintilian zu be-
schäftigen, besonders dem ersten buche, in dem eine ganze reihe
von fragen besprochen, z. th. auch nur angedeutet werden, welche
die püdagogen unsrer zeit lebhaft interessiren. Diese dinge nun
sind es, welche Bgarouvog eingehend erörtert, deren werth und
bedeutung für die gegenwart er festzustellen sucht. Diese erörte-
rung, welche von p. 46 bis zum schluss reicht, klar, verständig
und mit lebhaftem interesse für den gegenstand geschrieben, ge-
winnt, ohne gerade etwas neues zu bieten, doch dadurch an be-
deutung, dass die griechischen quellenschrifisteller Quintilians in
den anmerkungen ausführlich citirt sind. Der erste theil des schrift-
chens beschäftigt sich mit einer natürlich sehr knappen geschichte
der römischen beredtsamkeit, ihrem allmahlichen, durch griechischen
einfluss bedingten emporblühen, ihrem verfall unter den kaisern und
behandelt ausführlich Quintilian, der dadurch dass er hohe sittliche
anforderungen an deu redner, überhaupt an jeden, der eine höhere
bildung sich anzueignen bemüht war, stellte, nicht nur zu seiner
zeit, sondern auch später einen ausserordentlichen einfluss auf die
bildung und veredlung gewonnen hat. Das dem büchlein beigegebne
druckfehlerzeichnis ist sehr unvollständig: es finden sich ausserdem
viele verselien, besonders in lateinischen und deutschen citateu z. b.
p. 29, 6 Gracchi que 17 appeles st. appelles p. 30, 5 fuerat
st. fuerunt 20 an st. ac 22 reperiuntur st. reperientur 28
formitudinem st. fortitudinem p. 37 amm. querenda st. quaerenda,
credendum que, solatium fehlt nach adversorum — p. 41 anm. quan-
tam st. quandam, XVII, 1 st. XIII, 17, 1 p. 42 Mayer st.
Meyer p. 45 1879 st. 1779 discur se selbts st. discourse selbst,
shulen st. schulen, nacher st. nachher, sint st. sind p. 58 mus-
siche unterricht st. musische unterricht, gennant st. genannt p. 60
kórber st. kórper p. 93, 8 induerunt st. induruerunt.
21. Dr. L. Nicolai, Elemente der philosophischen pädagogik
in Quintilian. Allgemeine schul-zeitung, herausg. von dr. K. V.
Stoy. 57. jahrg. Jena 1880. p. 269 ff. 293 ff. 303 ff. 333 ff.
154 Jahresberichte.
Nicolai stellt sich die aufgabe, die einzelnen ideen der philosophi-
schen paedagogik Quintilians zu beleuchten, ihre spur und die form
ibrer einkleidung in seinem werke nachzuweisen: zu diesem zwecke
betrachtet er 1) die hygieine und 2) die gymnastik und, in-
dem er dann zur eigentlichen erziehungslehre übergeht, A. die ho-
degetik B. die polizei. Es ist ein übel ding, wenn die auf
dem boden der praxis erwachsenen ansichten und bemerkungen des
römischen altmeisters der pädagogik mit dem strengen maasse ei-
ner modernen philosophischen schule gemessen werden, und doch
halt Quintilian auch diesem examen tapfer stand. Die ausbeute ist
zwar nicht sehr lohnend, da Quintilian, wie auch Nicolai richtig
erkannt hat, seine bemerkungen immer auf einen bestimmten zweck
zuspitzt und an eine systematische ordnung nicht entfernt gedacht
hat; trotzdem aber zweifle ich nicht, dass der verf. bei erneuter
vertiefung in den gegenstand und grösserer vertrautheit mit dem
stoffe zu positiveren resultaten gelangen wird.
22. Gustav Lindner, phil. cand. Marcus Fabius Quintilianus.
Reduerische unterweisungen. (Paedagogische klassiker herausg. von
dr. Gustav Adolf Lindner) Wien 1881. Verlag von A. Pichler’s
witwe und sohn. 8. XXXVI. 241 p. Unter dem titel: Quin-
tilian und seine zeit bespricht der verf. auf 36 seiten in popularer
weise, in einem tone, der z. th. nicht maassvoll genug ist, alles,
was dem, der sich näher mit diesem schriftsteller beschüftigen will,
zu wissen wünschenswerth ist: dabei konnten einzelne abschnitte,
namentlich der V. viel kürzer gefasst werden; es war durchaus
nicht nóthig, dass Quintilian's eigene worte mit solcher ausführ-
lichkeit wiedergegeben wurden. Die angabe der literatur p. XX XVI
ist unzulánglich. Es folgt p. 1—185 eine übersetzung des 1. 2.
10. buches und des 2. capitels (was nicht bemerkt ist) des 11. buches, p.
186—241 ein anhang mit erlauterungen und zusützen zu einzelnen
stellen des textes. Mit der auswahl des dargebotenen kann man
sich nicht in allen puncten einverstanden erklaren: einzelne partien
haben für den leserkreis, für den sie bestimmt sind, gar keinen
werth, so besonders cap. 4—7 des 1. buches. Weit besser wäre
es gewesen, allerdings auch viel schwieriger, über die I, 10 be-
handelten hülfswissenschaften ausführlicher den leser zu belehren.
Denn wie ich in einem früheren jahresbericht vgl. Philol, XVIII,
p. 489 ff. gezeigt habe und neuerdings Birt in dem oben ange-
zeigten aufsatz, setzen die mittheilungen Quintilians vollständige
bekanntschaft mit dem von ihm behandelten gegenstand voraus und
kóunen ohne diese genaueste kenntnis zum mindesten nicht voll-
ständig gewürdigt werden. Es wäre eine überuus dankbare auf-
gabe, gerade das 10. capitel für weitere kreise zu bearbeiten und
z. b. die damaligen anforderungen resp. leistungen der schule in
der mathematik darzulegen. Einen sehr lehrreichen beitrag hierzu
liefert G. A. Saalfeld: Der griechische einfluss auf erziebung und
Jahresberichte. 155
unterricht in Rom, in Fleckeisen’s N. jahrbb. f. phil. und pädag.
Leipzig 1882. p. 371 ff. 417 ff. Die übersetzung ist gut und
fliessend: welche ausgabe derselben zu grunde liegt, ist nicht an-
gegeben; die epoche machende Halm'sche ausgabe ist nirgends er-
wähnt.
23. K. von Moruwski, Bemerkungen zu den sogenannten
quintilianischen declamationen. Z. f. d. österreichischen gymoasien
1851. P. 1 12. Der verf. bekannt durch seine gelehrten Quae-
stiones Quintilianeae Posnaniae 1874 beschäftigt sich nur mit den
19 grösseren declamationen und sucht, ohne vorläufig auf Bur-
maun's vermuthung einzugehn, dass sie sprachlich von einander ab-
weichen und deshalb verschiedenen verfassern angehören, im ge-
gensatz zu Teuffel, Röm. lit p. 743, welcher annimmt, dass sie
von einem schüler Quintilian's verfasst sein mögen, den nachweis
zu liefern, dass diese ansicht unhaltbar ist. Zuerst macht er auf
die abundanz, den hang zu starken und übertriebenen ausdrücken,
wahrscheinlich eine folge der rhetorischen declamationen, aufmerk-
sam z. b. tumultus in der bedeutung von aufhäufung, auf den
häufigen gebrauch starker epitheta wie infinitus, inauditus, zusam-
mengesetzter verba statt der einfachen, wie immori, instringere, .
collucere und auf den pleonasmus, welcher iu dem grade zunimmt,
als die eiuzelnen wörter an werth verlieren. In einem zweiten ab-
schnitt zeigt v. Morawski die sonderbare steigerung des positivs
durch adverbia, wie bene, multum, satis, die umschreibung des com-
parativs durch plus mit einem positiv, die doppelte steigerung durch
magis mit einem comparativ. Die grósste eigenthümlichkeit und
verschiedenheit wird in dem gebrauche der präpositionen uachge-
wiesen, besonders der praposition de, welche bereits ziemlich häu-
fig statt eines genit part. eingetreten ist. Daran reihen sich
höchst interessante syntactische bemerkungen zur satzlehre: hierher
gehórt die hüufige vernachlassigung der oratio obliqua nach verben
sentiendi et declarandi, die anwenduug von quod nach denselben
verben, von ut bei einigen ausdrücken, nach denen iu der classi-
schen latinitat der accusativus cum infinitivo folgte, der gebrauch
des indicativs in indirecten fragesátzen, die verbindung der verba
capto, affecto, valeo, sufficio, sustineo, scio, adigor, festino, contemno,
horreo mit dem infinitiv. Zum schluss stellt v. Morawski einige
ausdrücke und redensarten zusammen, deren gebrauch uud bedeutung
von der classicitát sehr stark abweicht, z. b. accidentia unfall, un-
glück , figuratio einbildung, genus — modus, zahlreiche umschrei-
bungen eines verbums oder eines adjectivums mit esse durch phra-
sen mit habere und facere z. b. simulare . . hanc facilitatem habet,
exilium facere verenden, das leben beschliessen, phrasen wie in ho-
norem in rücksicht auf, beneficio durch vermittlung, hülfe, geradezu
formelhaft gebraucht in der bedeutung von propter z. b. beneficio
caecitatis. Diese sprachlichen beobachtungen bestimmen und berech-
156 Jahresberichte.
tigen den verf. auch ohne andere indicien die declamationen in
eine weit spätere zeit, in die nähe des dritten jahrhunderts hinab-
zurücken.
24. Die Quintilianischen declamationen. Untersuchung über
art und herkunft derselben von Constantin Ritter. Mit zwei fac-
simile-drucken in holzschnitt und vier tabellen. Freiburg i. Br.
und Tübingen 1881. Akademische verlagsbuchhandlung von J. C.
B. Mohr (Paul Siebeck). 8. XIV. 272 p. Wie wir in dem
vorwort lesen, hat Ritter die erste anregung zur untersuchung der
im allgemeinen sehr vernachlässigten declamationen durch eine von
der philosophischen facultat der universitat Tübingeu gestellte preis-
aufgabe erhalten: nachdem er den preis gewonnen, unterwarf er
seine arbeit einer wiederholten prüfung und durcharbeitung und
veróffentlichte sie ein jahr spüter. |n dem uns vorliegenden werke
haben wir einen genauen einblick in die mit grossem scharfsinn
und unendlichem fleiss ausgefülrje detailforschung und finden oft
gelegenheit die unerschópfliche geduld zu bewundern, mit der Ritter
den spröden stoff nach den verschiedensten richtungen durchmustert.
Die bei besprechung der vorhergehenden arbeit v. Morawski's an-
gedeutete vermuthung Burmann’s, dass die grösseren declamatio-
nen verschiedenen verfassern angehören, wird durch die eingehendste
untersuchung Ritter's bestátigt und nachgewiesen, dass der werth
derselben sehr ungleich ist. Das grösste lob wird der III. declam.
gespendet, ihr am nächsten stehn und bilden mit Ill. eine gemein-
same gruppe VI, IX, XII, XII; sehr viel tiefer steht gruppe Il,
IV, V, Vil, VID, XI, XIV— XIX; am tiefsten | und X; ein stück,
welches (nicht in allen ausgaben) seinen platz nach Ill gefunden
hat Ib, trägt so sehr den stempel der unechtheit an sich, dass
es ohne weiteres als ein machwerk des X. jahrh. bezeichnet wer-
den kann und hier gar nicht weiter in frage kommt. Dieses re-
sultat gewiunt der verf. zunächst durch verwendung künstlicher
kriterien, ohne berücksichtigung der Institutio oratoria. In dem
ersten theile nàmlich wird jede declamatio nach der elocutio d. h.
in hinsicht auf correctheit, deutlichkeit und redeschmuck untersucht,
ale aber unter einander verglichen. |n dem zweiten theile wird
der inhalt der sorgfaltigsten prüfung unterworfen, die haupttheile,
also prooemium, narratio, refutatio, argumentatio und peroratio wird
ausführlich von jeder declamatio angegeben, daraus wird dann der
schluss auf die inventio und dispositio gemacht und wieder eine
vergleichung der einzelnen stücke vorgenommen, jetzt schon nicht
mehr in der in den ausgaben üblichen reihenfolge, sondern mit als-
baldiger verwerthung der gewonnenen resultate und unter zusam-
menstellung des gleichartigen und zusammengehôrigen. Diese ar-
beit, welche beinahe 200 seiten einnimmt, und nicht nur von einem
ganz erstaunlichen fleiss, sondern auch von einem scharfen und ge-
sunden urtheil zeugt, bildet den eigentlichen kern des buches; sie
Jahresberichte. 157
hat einen bleibenden werth und wird, wenn sich auch iiber das
mehr oder weniger in einzelnen puncten, besonders bei der ver-
gleichung des ühnlichen, streiten lüsst, ferneren untersuchungen über
diesen gegenstand zu einer sehr willkommenen grundlage dienen.
Wurden die declamationen bisher an und für sich als selbständige
literarische erzeugnisse betrachtet, so wird in dem folgenden ab-
schnitt die frage nach dem autor, und ganz selbstverstandlich die
frage nach der autorschaft Quintilians aufgeworfen. Um diese zu
lósen, werden alle einzeluen stücke nach der ausdrucksweise Quin-
tilians in der [Institutio oratoria, sowie nach seinen theoretischen
vorschriften über den ausdruck sorgfaltig geprüft: daraus ergibt
sich, ganz entsprechend der ersten untersuchung, dass bei gruppe
JUL ein innerlicher grund gegen die autorschaft Quiatilians nicht
vorliegt, während man bei allen andern von derselben abstand neh-
men muss. Nachdem so die künstlichen kriterien volle beachtung
und gerechte würdigung gefunden haben, wendet sich der verf. zur
besprechung der unkünstlichen kriterien p. 204 ff. Die
handschriften uud sonstigen zeugnisse der alten gestatten, die de-
clamationen bestimmten verfassern zuzuweisen und zwar gruppe lll
dem Quintilian, gruppe Il dem M. Florus, I und X je einem an-
dern autor. Der zweite abschnitt ist den kleinern declamationen
gewidmet: mit derselben scrupulosen gewissenhaftigkeit wie die
grósseren werden nun auch die kleineren declamationen durch ver-
wendung künstlicher und unkünstlicher kriterien, geprüft und es
ergibt sich dem verf. als ziemlich sicheres resultat, für uns aber
vorlüufig als eine unsichere hypothese, dass die uns erhaltenen 145
kleineren declamationen auf die von seinen schülern gegen seinen
willen veröffentlichten libri artis rhetoricae (vgl. Inst. I. prooem. 7)
zurückweisen. Im dritten und letzten abschnitt kelrt Ritter zur
untersuchung der grossen declamationen zurück und vergleicht die
von ihm vorläufig Quintilian zugeschriebene gruppe Ill mit den
kleineren declamationen in bezug auf elocutio, inventio und dispo-
sitio und nach besprechung aller möglichkeiten und schwierig-
keiten gelangt er zu der unerwarteten annahme, dass gruppe lll,
die wir nach dem bisherigen gange der untersuchung für das ei-
geuthum Quintilians halten mochten, weil sie nicht zu den libri
artis rhetoricae gehörte, überhaupt nicht von Quintilian herrührt,
sondern von einem schüler desselben und in der zeit zwischen die-
sem und Septimius Severus abgefasst sei, gruppe Il zur zeit Ha-
drians, ebenso X, | etwas früher. Die correctur ist nicht sorg-
faltig genug; es finden sich ziemlich viele, störende druckfehler.
Den zahlreichen citaten aus der Institutio Quintilians ist auffallen.
der weise nicht die Halm'sche ausgabe zu grunde gelegt.
Breslau. Ferdinand Meister.
Hi. MISCELLEN.
A. Mittheilungen aus handschriften.
1. Handschriften in Holkham.
Unter den englischen privatbibliotheken, welche handschriften
von klassikern enthalten, nimmt nach der des verstorbeneu lord
Thomas Phillipps zu Cheltenham die des Earl of Leicester zu
Holkham in der grafschaft Norfolk einen der ersten platze ein.
Gleichwohl ist der bestand derselben fast so gut wie unbekannt.
Als 1696 die ,,Catalogi codicum Angliae et Hiberniae gedruckt
wurden, existirte sie noch nicht. Weder Hänel !) noch Pertz ?)
haben sie besucht. Ja selbst ihr vorletzter besitzer ahnte jahrzehnte
lang gar nicht, welchen schatz er an ihr besitze 5). Ich selbst
habe sie im august des j. 1880 besucht und hoffe nichts unzeit-
gemässes zu thun, wenn ich in aller kürze die fachgenossen auf
ibren reichthum an classischen handschriften *) aufmerksam mache,
um so mehr da es sich hier um schatze handelt, welche nicht ei-
fersüchtig zurückgehalten, sondern gelelirten, welche um ihre be-
nutzung nachsuchen, mit grosser liberalität zugänglich gemacht
1) Catal. Mss. bibl. Europ. p. 909.
2) Im archiv für ültere deutsche gesch. IX, 508 und 540 gibt er
aus einer handschrift, welche lord Phillipps aus der bibliothek des
herzogs v. Sussex erstanden hatte, über handschriften der bibl, wel-
che sich auf mittelalterliche litteratur beziehen, kurze notizen. —
Zangemeister, welcher die bibliothek besucht hat, macht in den Si-
tzungsberichten der wiener akademie 84, 583 nach den angaben des
bibliothekars kurze mittheilungen über die einrichtung des catulogs.
3) Passavant, Kunstreise durch England und Belgien p. 199.
4) Ueber die antiken, unter denen der Thukydides am berühm-
testen geworden ist, vgl. Michaelis in der Arch. seit. 32, 18.
Miscellen. 159
werden. Allerdings habe ich nur einen sehr geringen theil der
731 handschriften selbst untersuchen können, denn es stand mir,
obwohl die preiswürdigste zuvorkommenheit des lord und besonders
des bibliothekars, des reverend Alexander Napier, alle mögliche er-
leichterung verschaffte, nur ein tag für die besichtigung der hand-
schriften, handzeichnungen und skulpturen von Holkham zur ver-
fügung — und meine hauptsáchlichste quelle ist der acht foliobände
umfassende handschriftliche catalog, die frucht dreizehnjähriger ar-
beit von William Roscoe und Fr. Madden (1815—27), aber auch
die mittheilungen aus diesem können manche nützliche fiugerzeige
geben, um so mehr da auf die drucklegung jenes cataloges keine,
auf publicirung eines knappen verzeichnisses nur geriuge aussicht
ist. Weun freilich diese zeilen dem verehrten Alexander Napier
nicht blos ein ausdruck meines dankes, sondern zugleich ein neuer
antrieb würden dafür zu wirken, dass ein solches verzeichnis
sämmtlicher handschriften gedruckt würde, so hätten sie mehr als
ihren nächsten zweck erfüllt.
Vorher einige bemerkungen über die entstehung der bibliothek.
Dieselbe ist von Thomas Coke (T 1759) wahrend eines sechsjäh-
rigen aufenthaltes ?) in Italien um 1715—1720 zusammengebracht
worden. Er hatte nicht bloss sammeleifer, sondern auch das bestreben
seine liebe zum alterthume durch selbständige arbeiten zu bekun-
den. So gab er, bereits nach England zurückgekehrt, nicht nur
das von ilm erworbene manuscript seines landsmannes Thomas
Dempster de Etruria Regali heraus, sondern vermehrte es auch durch
beigabe von abbildungen etruskischer deukmäler, welche er hatte
neu zeichnen lassen 5). Desgleichen beabsichtigte er den Livius
herauszugeben, liess sich 1718 eine collation des Mediceus von
Salvini machen, und erwarb viele handschriften desselben, wurde
aber durch seine theilnahme am öffentlichen leben — er wurde
mitglied des unterhauses und durch Georg Il als lord Lovel in's
oberhaus versetzt — daran gehindert und schickte seinen apparat,
bestehend aus 13 handschriften und 4 alten drucken nach Utrecht
an Drakenborch. Dieser hatte eben mit dem druck seiner ausgabe
begonnen, konnte aber von den codices Loveliani *) noch einen
9) Vgl. Drakenborchs dedikation an ihn vor dem I. band des
Livius: Sezennio inter haec exurto tot tamque. eximiis eruditionis in-
strumentis instructus domum redeundi impetum cepisti.
6) Praef. zu vol. If (Londini Id. Febr. 1724): Ut ne quid vero
operi a Dempstero tam praecíare incepto. dersset, quamquam | testimonia
a probatis Auctoribus Inscriptionihusque copiose ab ipso collecta. suffi-
cere posse videantur, curavi tamen ut quidquid undique per omnes Etru-
riae Reytones Romaeve ant aliis in locis opere anaglypho Etruscae su-
peresset memoriae, id omne describeretur tabulisque aeneis incideretur
facto prius per severissimam criticen examine, ne quid spurium suspe-
clumve operi irreperet.
7) Vgl. die dedikation und tom. VII, p. 320 und 324 ed. Lugd.
160 Miscellen.
reichhaltigen gebrauch machen und widmete ihm die ausgabe.‘ Der-
selbe bezeugt, dass Thomas Coke auch andre seiner handschriften
englischen und niederländischen gelchrten zugänglich machte.
Die provenienz der handschriften betreffend, so ist die mehr-
zalıl derselben in Italien zur zeit der renaissance geschrieben, wo-
durch sich zugleich ergibt, dass sie im allgemeinen grössere bedeu-
tung für die textgeschichte als für verbesserung des textes haben.
— Andrerseits hat die summlung auch dadurch ein interesse, dass
in ihr viele verschollene handschriften wieder auftauchen. Wenig-
stens ein theil derselben stammt aus der sammlung des procurators
Giulio Giustiniani in Venedig. Moutfaucon sah sie 1698
noch bei diesem (Diarium Jtalicum p. 69); als er aber 40 jahre
später in der bibl bibl. manuscr. p. 483 (Paris 1739) das ver-
zeichnis der handschriften der ,,bibliotheca Procuratoris lustiniani
Venetiis“ mittheilte, war sie bereits zerstreut. Dahlia gehören nach
dem catalog der codex zu Holkham CCLXXVIJ chart. 4. saec.
XV enthaltend Xenophons Anabasis (= Montf. p. 483* E zeile 3
von unten), Cod. CCXC bomb. 4. s. XIV enthaltend Isaac Argyrus,
foannes Alexandrinus Philoponus (bei Montfaucon nicht nachzuwei-
sen) und CCXCIV ,, Alexandri Magni Vita“ chart. s. XV d. i.
Pseudo-Kallisthenes (= Montfaucon |. |. zeile 2 von unten); und
hinzuzufügen sind: Cod. CCXCVI Georgii [Hamartoli] et Symeonis
Magistri Chronica, membr. fol. geschr. a. 6626 d. i. 1118 n. Chr.
== Montf. p. 483? C: Codex scriptus anno mundi 6626 Christi
1118. Georgii Oecumenici et Simeonis Magistri historiae ab
initio mundi, und wahrscheinlich: Cod. CCXCV Georgii Monachi
Hamartoli Chronicon, chart. 4. s. XVI = Montf. 1. l. D: Codex
recens, historia Georgii Monachi ab Adamo ad Romanum Diogenem.
Andre handschriften stammen aus der bibliothek des klosters
S. Giovanni in Verdara zu Padua, wo sie Tomasinus, als
er seine „Bibliothecae Patavinae Manuscriptae, Utini 1639* ber-
ausgab, noch sah, während sie, als Montfaucon 100 jahre später
dessen verzeichnis im auszug wiederholte (I. l. p. 485), ebenfalls
bereits nicht mehr an ort und stelle waren. Dahin gehórt der
Codex CCLXXVI bomb. fol. saec. XV enthaltend vier von Plu-
tarchs kleinen schriften mit der aufschrift: Ioannes Calphurnius
Oratoriam Artem grece. latineque Patavii gloriose docens librum
hunc Canonicis Reg. S. Iohannis in Viridario devotus legavit, ut
Inde profitiens lector gratus exsistat. MCCCCC 3°. — Tomas. p.
22!: Plutarchi Tractatus quatuor. Ferner Cod. CCLXIII Homeri
Batrachomyomachia et llias, membr. fol. s. XV — Tomas. p. 21°:
Bat. 1746: in bibliotheca instructissima viri Illustrissimi et Honoratis-
simi Thomae Coke Baronis de Lovel optime, st quis alius, de hac Livi
editione meriti, qui et hunc et reliquos Livi codices, Lovelianos a me
appellatos, ut et vetustas editiones, quas subinde memorabimus, insigni
favore ac benevolentia in usus meos Tratecium transmitti consensit.
Miscellen. 161
Homeri Ilias et Batrachomyomachia ; ferner CCCLXIII membr. fol.
s. XIV/XV lustinus = Tomas. p. 19?: Justinus historicus und ver-
muthlich auch CCCLXIV: Diktys, Curtius, Appian de bellis Punicis
in lateinischer übersetzung uud Leonardus Aretinus de primo bello
Punico eiusque causis und andre geschichtsschreiber.
Andre, besonders griechische, handschriften stammen aus der
bibliothek des Chur - Brandenburgischen geheimrathes Andreas
Erasmus v. Seidel, welche nach seinem tode 1718 in Berlin
verauktionirt wurde. Dieser hatte namlich seine stellung als ge-
sandter 1689 und 1690 auch zur erwerbung von handschriften in
Griechenland benutzt 9). So steht zu anfang des codex Lil (membr.
4. geschr. 1238, enthaltend S. Athanasii et aliorum opuscula): &»
porsußuolu i5 y* tov Xen ax “Avdotus "Eguouds 6 Sesdédsog,
und ist dieser codex vermuthlich identisch mit demjenigen, welcher
im auktionskatalog der Seidelschen bibliothek °), Manuscripta Seide-
liana p. 7, nr. 26, allerdings unter den codices in octavo beschrie-
ben ist: ,,Noch ein buch in alter Griechischer Sprachen mit Pergamenen
Blättern, dessen Inhalt: Quaestiones Athanasii ad Antiochum. Hic
Liber putatur esse elegantissimus et magni pretii et insuper septin-
gentorum fere annorum“, Und cod. CCLXVI (bomb. 4. s. XV ,,Car-
mina Sıbyllina“) enthalt die bemerkung , dass er 1689 von Seidel
in einem kloster dioeceseos Thessalonicensis gekauft worden sei,
ist also identisch mit dem codex des auktionskatalogs in quarto
n. 86, p. 20: ,,Ein sehr altes Griechisches Buch aus einem Thessaloni-
schen Kloster, handelnde von denen Oraculis Sybillinis, de Graecis,
de DEO, de Sanctis, de Iudicio, de Impostore Daemone Anti-Christo
etc“. So ist ferner cod. CCLX X XIX. (membr. fol. s. XII Lexicon
S. Cyrilli. fol. 119: loannis Philoponi de variis significationibus pro
accentuum varietate) identisch mit dem codex des auktionskataloges
(allerdings in quarto) n. 144, p 27: ,,Ein sehr altes Griechisches Vo-
lumen, worinnen unter andern vielen Materien enthalten Lexicon
Cyrilli. item Philoponi Tractatus de Diversis Significationibus
Vocum, quarum sonus diversus etc. In diesem Volum. sind lauter
Pergamen Blätter“, und vielleicht auch cod. CCXCVII (bomb. fol, s.
XV Georgii Cedreni compendium historiarum) mit dem codex des
auktionskataloges in folio n. 195 p. 77 Georg. Cedreni Synopsis
Historiar. Est Codex egregius Graecus in charta bombycina non
8) Vgl. Io. Christ. Wolf Anecd. gr. III Praef. Wolf selbst hatte
auch zwei codices aus Seidels bibliothek erstanden, deren einer,
der evangelienkodex (Auktionskatalog p.22, n. 105 ein sehr altes grie-
chisches Neues Testament auf Pergamen) spüter in die sammlung Har-
leys und mit dieser ins british museum (— Harl. 5684) überging.
9) Bibliotheca Insignis et Numerosa Dni Andr. Erasmi de Seidel,
Berolini MDCCXVHI. Ein »Catalogus Bibliothecae Seidelianae ao
1712. Frf. editus" (ebendaselbst p. 31, n. 166 erwähnt) ist mir nicht
zugünglich.
Philologus. XLII. bd. 1. 11
162 Miscellen.
ineleganter conscriptus ante plus quam quingentos, ut videtur, annos",
desgleichen cod. CCXCI (bomb. 4. s. XV Cleomedis opera) iden-
tisch mit dem codex des auktionskatalogs in quarto n. 54 p. 17
Cleomedis, Autoris Graeci, Commentarius de Sphaera ac Syderibus
eorumque motibus Graece.
Nun lasse ich, mit kurzen bemerkungen begleitet, folgen, was
ich notirt babe:
I. Scriptores graeci.
Cod. LII membr. 4. scr. a. 1238 S. Athanasii Archiepiscopi Ale-
xandrini et aliorum opuscula.
LXIX Patrum homiliae praecipue S. loannis Chrysostomi.
LXX Chrysostomi et aliorum sermones.
LX XI Eusebii historia ecclesiastica latine reddita a Georgio
Trapezuntio.
» LXX Cyrilli epistolae.
LXXIMH Cyrilli thesaurus.
» LXXIV Cyrilli Glaphyra.
LXXV Theodoreti Pselli et aliorum opuscula.
LX XVI—LXXVIM Theodoreti commentarii in prophetas mi-
pores.
LXXIX loannis Sinaitae Climaci Scala Paradisi.
CHE bomb. 4. s, XIV Nicephorus monachus, Michael Psellus,
Nicomachi Geraseni Arithmetica, Porphyrii introductiones,
Aristotelis categoriae et de interpretatione.
CXVIII chart. 4. s. XV Michaelis Apostolii opera varia, inter
»
quae epistolae.
» CCLXIH membr. fol. s. XV Homeri Batrachomyomachia et
lias.
n CCLXIV chart. 4. s. XIV Homeri lliadis libri XII priores
et Batrachomyomachia.
CCLXV bomb. fol. s. XV Homeri Odyssea.
CCLXVI bomb. 4. s. XV Carmina Sibyllina.
CCLXVII bomb. 4. s. XV Dionysii Periegesis, Theognidis
sententiae, Pindari Olympia XIV.
CCLXVIII bomb. 4. s& XV Pindari carmina cum scholiis mar-
gioalibus.
CCLXIX bomb. fol. s. XV Aristophanis Plutus, Nubes, Ranae,
Equites, Acharnenses, Vespae, Aves, Pax cum scholiis.
CCLXX chart. 4. s. XV Aristophanis Plutus. Nubes, Ranae.
CCLXXI chart. 4. s. XV Sophoclis Oedipus Coloneus.
CCLXXH chart. fol. s. XVI Apollonii Rhodii Argonauticon
liber ] latine redditus.
CCLXXIN bomb. fol. s. XV Herodoti Historiarum liber J cum
glossis latinis interlinearibus,
Miscellen. 168
Cod. CCLX XIV membr. fol. s. XV Plutarchi Cimon, Lucullus,
39
39
"Themistocles, Poplicola, Solon, Camillus, Lycurgus, Numa,
Phocion, Cato Minor, Dio, Brutus, Paulus Aemilius, Timo-
leon cum parallelo, Sertorius, Eumenes cum parallelo, Ale-
xander, Caesar (imperfect.).
CCLXXV bomb. fol. s. XV Plutarchi Lycurgus, Numa, Solon,
Poplicola, Aristides, Cato Maior, "Themistocles, Camillus, Ci-
mon, Lucullus (imperf.).
CCLXXVI bomb. fol. s. XV Plutarchi Quomodo aliquis dis-
cernet adulatorem ab amico. Consolatorius ad Apollonium. Quo-
modo aliquis ab inimicis utilitatem accipiet. De garrulitate.
CCLX XVII chart. 4. s. XV Xenophontis Anabasis, „At the
beginning are the names of two possessors before it came into
Iustinians library: To naoòdv BsBilow x1 ua tori
pov puiyuràov tov Balvxxlov xai 16 pliwy
and again àx 10» wagxov wooLnvouv“. Ueber letzteren
vergl. Sathas veosAAnrıxn quAoAoy(« p. 198, n. 2.
CCLX XVIII bomb. 4. s. XV Aesopi vita et fabulae,
CCLX XIX membr. 8. s. XV Aristotelis Ethica ad Nicomachum.
CCLXXX chart. 4, s. XV Georgii Gemisti oratio funebris
Cleopae. Isocratis Helenae encomium. De Iside (Inc. 77Z;-
orevouer om tori. Des. disAvdn dv evxodwc). De exe-
7
crato Moameth. „At the end is: yewo 0 yenyoponov-
Aoc éE£yguwev. Thiog. Added at the end of the Vo-
lume we read: Questo libro fu d' me Marc Musu et meorum
amicorum est“. Zu Georgios Gregoropulos vgl. Gardthausen,
Griech. palàogr. p. 322.
CCLXXXI chart. 12. s. XV (et XVI) fol. 1 GAxsvoov di-
dacxulixdg TO» mlawwvog doyuuiwvr. fol. 72 puugluov 19)
tvglov nAurwrixov quàocoqov rwy iv 1) dwun diadéfewv rig
nowtns émônulas. fol. 99b pwaËëluou zuplov nlurwnxov gu-
Aocogovutva: ib i£Àog quiocogplag: Xudenov sbgeiv Aoyov
(= 1, 47 R). des. fol. 118 nxftw, onevdloIw, xnovitétw
(= 1, 98 R). fol. 118b—120 leer. fol. 121 incipit nova
manus saeculi XVI: Asfarlov tov coquotov enstugeos dg lov-
Asarov. Inc. "Ede uiv w nagovtes des. fol. 209b urnodeìs
dn’ nvoc nadasov fwualwy (= I, 600, 3 R). Auf dem er-
sten blatt steht unten Qwuac Koxs.
CCLXXXII bomb. 8. s. XVI Hippocratis opera nonnulla.
CCLX X XIN chart. fol. s. XVI Aetii Amideni contractae ex
veteribus medicinae libri VIII.
CCLXXXIV bomb. fol. s. XV Athenaei Deipuosophist. libri
X — XV. Ill —IX.
10) Ich benutze die gelegenheit auf die wichtigkeit des cod. Vatic.
r. 1390 bomb. s. XII] für die kritik des Maximos Tyrios hinzuweisen.
11°
164
Cod.
CCLXXXV chart. fol. Index in Athenaeum.
CCLXXXVI chart. 4. 8, XVI Onosandri Strategicus,
CCLXXXVII bomb. 4. s. XIV Philostrati Heroicus translatus
a Maximo Planude. Vgl. darüber Fabricius-Harles bibl. gr.
XI, 693.
CCLXXXVIII bomb. fol. scr. a. 1454 Suidae lexicon inci-
piens a K littera. „At the end êrslssw 9 6 nagwy avt-
dag dsc yesods èuoù dnuntolov rov EavOonov-
Aov dv Eres qu Mw Eu Bo xai toù urvoc pevoova-
esov sd“. Vergl. Gardthausen Pal. p. 319.
CCLXX XIX membr. fol. s. XII Lexicon S. Cyrilli. Fol. 119
loannis Philoponi de variis significationibus pro accentuum
varietate.
CCXC bomb. 4. s. XIV Syntagma astrologicum, geomanticum
atque geometricum e variis auctoribus (Isaaco Argyro, loanne
Alexandrino Philopono) collectum.
CCXCI bomb. 4. s. XV Cleomedis opera.
CCXCII chart. 8. s, XV Variorum Astronomica et Philoso-
phica, item Historica et Miscellanea (Michael Psellus). fol. 73
Aristoteles de mundo. fol. 95b Isauci Tzetzis versus de ortu
et occasu astrorum (wohl dieselben, welche im cod. Monac.
287 stehen. Vergl. Hart J. J. suppl. XII, p. 29). fol. 96b
Dionysii philosophi periegetae sermo narrati-
vus comprehendens quae sunt in universo. Ante-
cedit brevis vita quae incipit: ovrog 6 Aorvosos yéyorer. fol. 120
Claudii Ptolemaei Capita Artis Astronomicae. fol. 191b Orphei
de terrae motibus Inc. Doubso dy xai zorde (Brunck Anal lli,
1. Anthol. gr. tom. Ill, p. 222). fol. 192b Computus Pytha-
gorae. f. 224b Artemidorus de Nilo (= Stieble Philol. X1 220).
CCXCIHII chart. 4. s. XV Synesii, Timaei Locri, Georgii Ple-
thonis aliorumque miscellanea (Platonis epistulae). „At the
commencement is written: B/ßiloc papoura nv sire
(Ste?) tuds yedgeras (tad tygugero?) tovrer d
y
sivas yewe xountos roo xopuv3(ov, womit zu ver-
gleichen die aufschriften im cod. Vindob. theol. LXIX bei
Lambec. comm. bibl. Caes. lib. II p. 134 xaèr0 Mupovura
jv, bre 140 éygugeto Ure di xoi rad éyoupero, x1ÿua
Tiweyfov 109 xogww9(ov zv und im cod. theol. p. CCXXV,
xTnpa pugxov pupovra 100 xpmièc, toruv dè yewyylov x0-
pntog xoglrFov tov Ex poreuffualtac bei Lamb. |. 1 lib. V, p. 51,
und ähnliche im cod. philos. gr. XI (Lamb. l.l. lib. VII p. 20),
philos. gr. XLIX (Lamb. 1. I. lib. VII, p. 93) u. a. Dieser
Georgios Komes Korinthios war ein neffe des Ar-
senios von Monembasia !!) und hatte auch Handschriften,
11) Vgl. den brief des Paulus Manutius an ibn bei Sathas ]. 1.
Miscellen, 165
welche diesem gehört hatten, erhalten z. b. den Heidelberger
codex Pal. gr. 356 mit den aufechriften 10 rugdv fifA(ov
xijua E£orıw dgotv(ov tov porsufuolaç und ıovur d’ elvas
Y 9"
yéwe xountog tov xogev. Ihm gehörte ausser dem codex Nea-
pol. gr. XI (Il. A. 11) auch cod. Barocc, 4 nach der auf-
schrift xrjua yewo xöumog 109 xogerdlov.
Cod. CCXCIV chart. 4. s. XV Alexandri Magni vita d. i. Ps. Cal-
listhenes.
» CCXCV chart. 4, s. XVI Georgii Monachi Hamartoli chronicon.
» CCXCVI membr. fol. scr. 1118 Georgii et Symeonis Magistri
chronica.
» CCXCVII bomb. fol. s. XV Georgii Cedreni compendium hi-
storiarum.
ll. Scriptores romani.
» CCXCVIIH chart. fol. s. XV Plauti comoediue XVIII.
» CCXCIX chart. 8. s. XV Terentii comoediae VI (Andria. Eu-
nuchus. Heaut. Adelph. Hecyr. Phormio). „Caliopius recensui*.
» CCC membr. 8. s. XV Terentii comoediae VI.
5 CCCI chart. fol, s. XIV Expositio in Terentii Afri comoe-
dias VI.
» CCCI chart. fol. s; XVII Lucretius.
» CCCHI membr. fol. s. XIN; XIII Vergilii opera cum Servio.
» CCCIV membr. fol. s. XV Vergilii Georgica et Aeneis.
» CCCV membr. fol. s. XIV/XV Vergilius.
» CCCVI—CCCXI Vergilius.
„ CCCXIM - CCCXVII Horatius.
„ CCCXVIII—CCCX XIII Persius. Ovidius 12),
» CCCXXIV 5. XV Ausonius.
» CCCXXV Lucanus,
» CCCXXVI Valerius Flaccus.
sì CCCXXVII fuvenalis. Persius,
» CCCXXIX et CCCXXX Statius.
» CCCXXXI Hyginus de astron. poet. Sammonicus de medicina,
» CCCXXXII s. XV Claudianus de raptu Proserpinae.
» CCCXXXIII Propertius.
» CCCXXXIV Calpurnius Siculus.
» CCCXXXV—CCCXX XIX Sallustius.
» CCCXL membr. fol. s. XII Caesar.
» CCCXLI —CCCXLIII Caesar.
sì CCCXLIV—CCCLVIII Livius.
p. 140. Gardthausen, (Paläogr. p. 322) rechnet ibn fülschlich zu den
schreibern des 15. jahrhunderts.
12) Für Ibis ist ein cod. s. XIII benutzt von Ellis. Vgl. dessen
ausgabe p. LV.
166
Cod.
CCCLIX Taciti Annales et Historiae.
CCCLX — CCCLXI Valerius Maximus.
CCCL XII] membr. fol. s. XIV/XV lustinus.
CCCLXIV Dictys. Curtius. Appiani Alexandrini de bellis Pu-
nicis versio latina. Leonardi Aretini de primo bello Punico
eiusque causis.
CCCLXV sq. Curtius, Eutropius, Florus. Plinius de viris il-
lustribus.
CCCLXX s. XV Orosius.
CCCLXXII—CCCLX X X VIH. Cicero.
CCCLXX XIX membr. fol, s. XV Rhetorica ad Herennium.
CCCXC€ membr. s. XIV Senecae opera (de clementia etc.).
CCCXCI Senecae epistolae et opera varia.
CCCXCII chart. 4. s. XV Asconii super quibusdam orationibus
Ciceronis.
CCCXCIH membr. 4. s. XIV/XV Pomponius Mela.
CCCXCIV membr. fol. s. XV Plinii historia naturalis.
CCCXCV membr. 4. s. XV Plinius de viris illustribus. Ver-
gilii Priapea.
CCCXCVI membr. 4 s. XV Plinii epistolae.
CCCXCVII membr. fol. s. XV Apuleius de magia.
CCCXCVIII membr. fol, s. XIV Vegetius de re militari.
CCCXCIX chart. fol. s. XIV; XV Macrobius in Somnium Sci-
pionis.
CCCC membr. fol. s. XIV Cassiodorii variae.
CCCCI membr. fol. s. XIII Cassiodorii variae.
CCCCII et CCCCII membr. fol. s. XIV Boethii de consol.
hilos.
CCCCIV membr. fol. s. XIV/XV Boethius in Ciceronis Topica.
CCCCV membr. 4. s. XIV Prisciani de constructione libri M.
CCCCVI membr. fol. s. XV Priscianus de VIII partibus ora-
tionis.
CCCCVII membr. fol. s. XV Nonius de proprietate sermonum.
CCCCVIII chart. fol. s. XV Nonius de proprietate sermonum.
CCCCIX chart. fol. s. XV Pauli epitome Festi.
CCCCX membr, fol. s. XII Isidori chronicon et etymologiae.
CCCCXI membr. fol. s. XII Rei agrariae et geometriae scri-
ptores (Frontinus. Boethius) „olim Francisci Nansii, nunc vero
Petri Scriverii“), vermuthlich identisch mit dem codex Nan-
sianus der Agrimensoren, (Libri appendiciarii bibliothecae Scri-
verianae, Amstelod. 1663, n. 138. Vegetius de re mil. ed.
a P. Scriverio p. 195 sq.), über welchen Blume in den
schriften der röm. feldmesser Il p. 9 und 57 gehandelt hat.
Die scheidung zweier Nansianischer pergamentcodices, welche
letzterer (vergl. p. 39 und 69) vorgenommen bat, wird viel-
leicht binfallig.
Miscellen. ' 107
Cod. CCCCXX XIII chart, 4. s. XV Crivelli Orphei Argonautico-
rum latina versio.
» CCCCLVIII membr. fol. s, XIV Aristoteles de secretis secre-
torum.
» CCCCLXXV membr. 4. s. XV Christophori Buondelmonti de
insulis Archipelagi.
» CCCCLXXXI chart. 4. s. XV Poggii varia opuscula.
» CCCCLXXXVII chart. 8. s. XV Lapi Castelliunculi Floren-
tini opuscula varia, darunter übersetzung von Lucian de ca-
lumnia und de tyrauno, wie sie auch cod. Laur. 89, 13
enthàlt.
2. Eine handschrift des Serail.
Durch die besondre gunst sr. majestüt des Sultans und die
verwendungen des auswürtigen amts in Berlin und der kaiserlich
deutschen botschaft in Constantinopel ist mir die benutzung einer
handschrift der privatbibliothek des Sultans im Eski-Serail, auf
welche ich durch den verstorbeneu Dethier (in den literarischen be-
richten aus Ungarn, herausgegeben von Paul Hunfalvy, band Il,
Budapest 1878, p. 566) aufmerksam geworden war, im vorigen
jahre ermöglicht worden, und scheint ein kurzer bericht über den
inhalt derselben um so mehr angezeigt, als sie einige anscheineud
unbekannte oder seltne sachen enthalt.
Es ist ein codex chartaceus in duodez (hóhe 13, breite 9 cen-
tim.) aus dem anfang des 15. jahrhunderts !?). Es ist eine sorgfal-
tige schrift; die seite enthült 21 zeilen, es ist ein breiter rand ge-
lassen. Die 327 blâtter sind nicht numerirt, nur am anfange sind
von ganz moderner hand die seitenzahlen mit bleistift angemerkt.
Der codex ist nicht gebunden, sondern nur geheftet, und die ein-
zelnen lagen sind in verwirrung gerathen. Die ursprüngliche ord-
nung aber wiederherzustellen dazu dienen die von q' bis u' wenig-
stens zum grossen theil noch ganz oder theilweis am ende der qua-
ternionen erhaltenen buchstaben, welche wenn nicht vom schreiber,
so doch von alter hand herrühren. Danach ergibt sich folgendes
als inhalt des codex:
13) Wenn, wie zu vermuthen, der codex mit dem des Heron iden-
tisch ist, welchen Miller in der bibliothek des sultans sah (Archives
des missions scientifiques 2. ser. tom. 11 (1865 p. 496: les écrits d' Hé-
ron d'Alezandrie, s. XI vergl. Compte rendu de l'acad. des inscr. et
belles lettres 1865, N. S, tom. I, p 25 und Mélanges de litt. grecque
p. V), so beruht die zahl AJ auf einem versehen. In Mordtmanns ver-
zeichniss (Phil. IX, 583, n. 11) ist nur der anfang des codex berück-
sichtigt. — Was Dethier als unzweifelhaft hinstellt, dass der codex
aus der bibliothek der palüologen stamme, kann ich nur als móglich
zugeben.
168 Miscellen.
Fol. 1 descrorflovucg nsoì yevéoswç xai pFogas *) buch
a’ fol. 1—29, buch ff’ fol, 29—47b Des. évdéyeras un elvas.
Fol. 48—66' zogoxAov dsadodyou Auxlov, arosyelwors pu-
Osxn: loc. Zureyn foxy, wy ta néouia Des. anespodurupor
Smeg des deikun.
Fol. 67—72 leer.
Fol. 73 yewuetola roU nowvocg nyovy uE90d06 di Tg
pstoetzavr n ym anodesxvvovoa rov Te pOdDLOpOY
xai ra xatu péoos moodeyo weve (= ed. Hultsch p. 41)!5)
Inc. Zmueïor 2oriv ov.
Fol. 74b rowroç elouywyh vOv yewperoovptvwv (= ed.
Hultsch p. 44). Des. fol. 85 podfwy 09 (Hultsch p. 60 wie im
cod. D).
Fol. 85 uf£90odoc ini navròs (= Hultsch p. 149) des. à» roig Aos-
moig nici igiycvosc" xai For» uopuñscrarn (Hultsch p. 152).
Fol. 87b leerer raum für die überschrift. Inc. ’Entmedog yewus-
tela ouvéorquer Ex te xlıuarwv xal oxonliwr xai yeauuwy
y
(ähnlich wie Hultsch p. 44). Des. fol. 91b x: da 27:
Fol. 92 negi cputgag. Inc. ° 422° dni 10 ipfladov 10v. ore-
gewr yworowpev. Des. fol. 95b wy éxuornçs Adyov ngoonxov-
two xd ij coper.
Fol 96 uaayyeesC. Inc. Tavra ra orosyeiu _ovvteFéipeva
mosovos povadas. Des. uno roù & ov mosovos E:
Fol. 96b rot zudwvn. Inc. 4o9triuv ano uovudog Önocwrou
euer dépeËis, evgety. Des. xai dar uguiovr 7 10 nAñdoç:
yag avr] anodekig: —
Fol. 97 rot «$10. Inc. jog av, ix uedodov ngoyesgorota
ywwoxos rig axgıßwc. Des. rig moortous ue9ódov: once Ede
deba: ~
Fol. 97b 2:91 cvr9écews 9'9 dv Ion Éxxesmévwr Umee-
oxn. Inc. Aged psv Sowyv dimore éxxeipévwy. Des. oùrw
xai 1à d noòs tà f: Darauf nach einem kleinen zwischen-
raum folgendes recept: uooyor $odocraypu* xguxov xai vdeo-
az, tavtu &vwoug, didov n(vew dx nowlus, tw xagdıaxnv
*»000» VOGOUVIK: ~
Fol. 98 negi wy onpalvsı tw x00pw 0 àv 151 dvaciow
ogpalgoa Opes xsvoumsvog. Inc. Tivis twv gslocogwy
einov slvus avactgov Gyalgar. Des. fol. 98b xai 0 xvwr.
Fol. 98b wegi repélnc xsovog yuhatns Beoxns omlyins
nayyns xguoraddov xai deoclag. Inc. 'H vepein
ü
n
14) Das hier mit sperrschrift gedruckte ist sin der handschrift
rubrirt.
15) Die handechrift scheint fir Heron keinen kritischen werth zu
haben. Graux versichtete auf eine kollation.
Miscellen. 169
atuos ton xal dvaduulacc. Des. fol. 99 xarà wlunow roy
éxunvw tecoungwy.
Fol. 99b leer.
Fol. 100 Hooyvwarsxd» amo twy dv ti alan reup-
pov. lac. Tt doller 207 xal xuheir 10 án Ty yeappwy
pégoc. Des. fol. 105b ebyegus ünuruinsvog UNO yvvoixüv.
Fol. 106 ruxzıxör, 796065 tov avtToxgutoga dAdgsuvor:
Inc. Thy naga roig En raxuxav Fewolav and ruv Oungov
xeorwv. Des. fol. 142b Zriuv Enuyovanı, d. i. Aelians tak-
tik. Nach den proben, welche ich für Konrad Müller genom- A le
men labe, „gehört der codex zu den schlechten vertretern der
Pariser recension“,
Fol. 142b Inc. Æéyerus atin xa) naga toig moAloig. Des. s0d¢
10)tuovrvt ag.
Fol. 143 figur der zagaratig rerguywros.
Fol. 143b leer.
Fol. 144 àx rà» tuxzixwv dfoviog ros Gogo: lnc. Mowry
xepuAn Ö OrgarmyOg xui per’ avıov où ueguoyas. Des. fol.
146b zog 100g àv 17 nodes dx raurnç puyorrus :
Fol. 147 nowvog pidocogpov nreumursxwvr. Inc. Tis nvev-
puuxig noayuuttlag Onovdnç. Des. fol. 220b ngoocrey3£v106
udrois Roinglov mista: ~
Fol. 230—230 leer.
Fol. 237 ut9odoc de’ mc dotelwe eVQTOELS onotoy
aouduòv Eyes 115 Enì vour. lnc. Aged mov 0 moLovouy
(dazu am rande m': y’g órvnv«obr) rv ano 100 È uéyos rov
Qc. Des. fol. 238b x«i Exeroorosvernxosiodeviegor Ev:
Fol. 238b neo! terwy vysesvwv: Inc. Fadnvov wc Nxovoa.
Des. fol. 239 vdurs L£cac xai wuyguvag, mote.
Fol. 239 2x noow» woglwy Exacror tv pElwy Cuyxes-
tus: luc. O dgPudpos Eye ysrwvag d. Des. daxtvdwy d,
1aig dì, OF:
Fol. 239b 5 dc ovouuberur Exaorov wElog tov ardpwW-
mov: Inc. Kepudig 10 uiv mv xviog. Des. fol. 241b 0E4-
dec, xui axnosoy.
Fol. 242 «daparilwros coqíorov puosoyrwpovixti:
Des. fol. 264 ayolwv Cwwv ra nÀsfw: —. (= Physiogn. p.
416, 2 ed. Franz) Von mir verglichen.
Fol. 264 suguonueıwoes (sic) rooyrworixai negli 176
mellovuonç tov áé£Qog xatructacews. lnc. "Hiiog iva-
t(ÀÀwv, sl 1)v yoour woneg yova(Govcuv xuFugar Eyes, evdlay
Aaungar onuutves: Des. fol. 265 17 dè éxavesor, geuwra: —
Fol 265 rlvu 6 maggàvog onmulves: Inc. HagríAiog Boge
170 Miscellen.
m»fovrog aay vorou Udwe Onualves: Des, fol. 266 xai uo-
ov
Aıdın el pedlavoregu unaeyworr: .
Fol. 266 «70 rv xar ovparov cuufasvoviwv: ~ Ine.
Eur lv rw ovgarw YA0OE dvnuutrn quri. Des. fol. 266b ye
pure mot x«i uveuor cpodydv: ~
Fol. 267 TI onualrovoır ai usttovg doreunui rar
Beorrav: Inc. Oruv coreunai loyvgotegas wow. Des. pu-
viv Èv 10 sguro, öußgous dmhot : ^
Fol. 267 «no ro» xara ag tOrQanaág xal rovg avé-
povc: Inc. Boggág coiganiwy vdwe eniye. Des. fol. 267b
h dì re vuxtos, tdwe xai avewor: ~-
Fol. 267b wmaguonmeswoetc ano tig 10v dhoywy CwwY
diudécewg: Inc. Alyss Ensıdar nooctiIwos. Des. fol. 268b
xul xoubortec, avouBylay Onhovoww :
Fol. 268b wegi tov ànegyou£tvov Erovg: Inc. Kudov dori
nooysrwoxey, el nywiuor. Des. éguor Ecru 10 Frog: —.
‘ol. 269 rod Unutov rt» ygidocogwr rov nediucfuov
elg 10 av agua: Inc. To ekg 1005 aorégug r0vg Entré
rovc zàárgrac. Des. fol. 270 pets «dins muévuc euBodluov
dfovtas: ~. Fol, 270b, fol. 271 und 272 geben figuren. Fol.
271b und 272b sind leer.
Fol. 273 dupwrlov KOTQOVOMEXOD: ut£3odog i] dei xuru-
oxevalesy WQ06x0 nor pros doıyokaßor: =. Inc. To
pir Fw doyeioy o negi£yes 14 vu nara. Des. fol. 282b zi»
nQoOnxovOuv dvuloyiur Oneg ides deiku:
Fol. 283 lw«vvov roù qiÀonóvov neoì THS TOU aOTIRO-
A«Bov yoroews: Inc. Tir dy 10% dowolupw &%umiwor.
Des. fol. 307 polpi difornxev Enı Sutegu (ed. Hase, Rh. M.
VI (1838) p. 127 — 156).
Fol. 307b leer. .
Fol. 308 neo?! 7 QoBhigews matosugyov: Inc. Svrayorias of
Emdnuobvtes 19 xwroravilvou agyıegeig. Des. fol. 310b were
twr emootniuglwr xal bwatlwr:
Fol. 310b déyuu Paoılızor' youpér' nouyIEr xui
dodèr, 17 leg& xui ayla xu9dolixi xai anocto-
Aix !rxinolu zung dbwuns, nag 100 paxaglov
xwvorurılrov, tov ty ‚Bucıkevos NQWTOY Ypıorıavor:
Inc. "Ev rd orönanı TA aylag xai adımp£ıov 191400c..— Des,
fol. 321 evrvywg rovioi; eg xijow eoomern:
Fol. 321b negi noAsuixzgg ovırufews: Inc. Qiiocoqu di,
où noâepmréor ut eémotuigoy dé cuws. Des. fol. 323 ry
tur Ensornun” xol emoinun ensomuwv: Es folgen noch
4 leere blätter.
Kiel. Richard Forster.
Miscellen. 171
3. Ein Tusculanen-codex der universitätsbibliothek zu Leiden
aus dem 12. jahrhundert.
In der universitàtsbibliothek zu Leiden wird eine bandschrift
des Lipsius nro. 30 aufbewahrt, welche in deutlicher und gleich-
mässiger minuskelschrift des 12. jahrhunderts auf 52 pergament-
bláttern Ciceros Tusculanen bis zum 36. paragrapheu des dritten
buches enthalt, wo sie mit den worten nequiter facere oben auf
der letzten seite abbricht. Abgesehen von einer grossen lücke, die
von dem worte tribuam lib. 1, 49 bis opinor lib. [, 87 reicht, fin-
den sich in ihr einerseits nicht selten fehler gegen orthographie
und wortstellung, andrerseits sind einzelne oder mehrere worte hier
und da ausgelussen oder falsch geschrieben. Am zahlreichsten sind
diese entstellungen des textes kurz vor der erwähnten lücke und
von cap. 7 des dritten buches an bis zu ende. Es ist daher an-
zunehmen, dass derselbe schreiber zu zwei verschiedenen zeiten den
codex geschrieben und hauptsächlich in folge von flüchtigkeit an
jenen beiden stellen mehrere versehen gemacht hat als sonst. Indess
mangelt es auch nicht an lesarten, welche eine absichtliche veran-
derung verrathen. So bietet der codex I, 5 exercitanda für exci-
tanda. |, 17 interrogavero für rogavero. 1, 24 Si est, ut Ari-
stoxeno visum est, armonia für Si est Aristoxeni harmonia. 1, 41
vetera für vegeta. 1, 42 video et plana et superiora capescat ne-
cesse est für video Panaetio, superiora capessat necesse est. |, 46
contagione für cogitatione 1, 48 intelligit für cognoverit. 1, 97
extinguntur für extinguilnr. 1, 107 patiuntur für poeniuntur. |,
105 a nobis für in nobis. |, 116 qui de für quidem und hostium
sanguinem eliciat suo für hostiunf eliciatur sno. 11, 28, und 53
mihi für tibi. |l, 52 obruetur se für obversentur. M, 62 petentes
sunt für petessunt. Il, 63 predicebam für praecipiebam. Ill, 5
pacisci für perpeti. Ul, 15 qui fortis est vel sit für qui fortis sit.
III, 19 qua quoniam caret vel vacat. für qua quoniam vacat. III,
26 in se disseritur für resedisset. Ill, 28 solere dicunt für cen-
sent. II, 30 Quibus verbis für Quae vor, magnam für maximam,
Quapropter für Quam ob rem, evenerit für eveniat. II, 31 Eum
semper se vidisse eodem exeuntem et redeuntem , in re für provisa.
Wl, 33 dicit dicit. für dicunt. 1M, 36 quid für cur. Trotz der
angeführten fehler scheint der Leidensis (L), wie eine genaue ver-
gleichung der übrigen lesarten zeigt, dem Gudianus 294 (G) und
Parisinus 6332 (R), welche anerkanntermassen die gruudlage für
die texteskritik der Tusculanen bilden, naher zu stehen als der
Bruxellensis 5351 (B). Dies beweisen folgende stellen, welche L
mit GR abweichend von B überliefert hat: 1, 3 fehlt enim. 1, 41
est und III, 15 qui magni animi, hingegen lesen wir I, 3 sic qui.
I, 14 sint. I, 16 mortem mali, ne. 1, 17 hi. 1, 24 tempore.
I, 36 hisque. I, 37 consensu , aperte (= : apertae) hostio. I, 46
172 Miscellen.
qui. I, 108 supplicos. I, 111 tres. II, 5 preferant (= praefe-
rant). II, 23 mulcebri. Il, 35 efficiat. Il, 39 hoc (= haec) fari.
Il, 60 tanto opere. II, 62 contempno. Il, 67 omittas und duzi-
mus. Ill, 2 aut, depravatis, reddit id e. Wl, 11 nulla und sint
nach adfecti. IM, 12 qui. II, 26 nancf (= nanctus). 111, 33
hebetem.
Die annahme aber, dass L eine abschrift von G oder R sei,
wird hinfallig durch eine anzahl guter stellen, welche nicht nur in
B, sondern auch in G R fehlerhaft sind: 1, 29 hinc a nobis. |,
84 lacrimis decoret nec funera fletu faxit. 1, 35 arbitramur. 1,
37 aliae und falso. 1, 41 non nominata magis quam non intel-
leta. Il, 1 in philosophia. Il, 20 gigantum. Il, 46 quod a tam
multis. Es ist daher, da wir diese abweichungen nicht als conjec-
turen des abschreibers ansehen kónnen, der schluss gestattet, dass
L mit GR aus derselben quelle stammt und für die kritik der
Tusculanen nicht ohne werth ist. Von den übrigen lesarten hebe
ich als wichtige hervor: I, 15 nihil existimo. I, 52 quidquid. 1,
110 possumus für possum. 1, 119 in omni. II, 20 feminea vi,
II, 67 te de navi.
Halt man I, 15 existimo statt estimo, wie wir in GRB lesen,
für die richtige überlieferung, so entsteht zwar ein keineswegs ele-
ganter trochüischer tetrameter, aber jede conjectur wird überflüssig
gemacht, I, 52 ist ohne zweifel quidquid für quicquid zu schrei-
ben, da auch der von mir verglichene codex G diese form bietet,
Ebenso scheint L 1, 110 richtig possumus für possum überliefert
zu haben. Denn der plural entspricht besser dem sinne und passt
mehr in den zusammenhang, weil wir sowohl vorher als nachher
den plural finden. Ferner dürfte 1, 119 die richtigkeit der lesart
von B in omni durch L in dem grade beglaubigt werden, dass wir
sie vermuthungen vorziehen. Auch halte ich Il, 20 feminea vi fe-
minea ceti. für die richtige überlieferung , weil die wiederholung
des adjectivums feminea gegen ende des satzes zweckmissig zur
hervorhebung dient und die ablative vi und manu zu der vorberge-
nannten hostilis dextra und Graja vis den gegensatz bilden. End-
lich ist mit L II, 67 eice te de navi zu schreiben, zumal da die
prâposition de wegen des pronomens fe in den übrigen handschriften
leicht ausfallen konnte. Zum schluss stebe hier eine vermuthung
zu Il, 62, wo sich in GR und L die zwar schon verdorbene, aber
jedenfalls auf das ursprüngliche wort des archetypus führende les-
art contempno findet, wahrend B in contemptu und der von Bent-
ley benutzte codex in contendendo offenbar verbesserungsversuche
bringen. Da in 2. 58 die contentio animi, wofür wir e. 05
animi intentio und contentio allein lesen, als ein hauptmittel nicht
nur gegen den schmerz, sondern gegen alle dinge hingestellt ist,
so scheint mir nach dem zusammenhange an der fraglichen stelle
Miscellen. 173
der ablativ contentione, dessen entstellung in contempno sich leicht
erklüren lasst, erforderlich zu sein.
Emden. H. Deiter.
B. Zur erklürung und kritik der schriftsteller.
4. Die bürger von Knossos und der hymnus auf den pythi-
schen Apollo.
Dass bei Aristarch und seiner schule die sogenannten homeri-
schen hymoen nicht für werke Homers galten und, wenn sie über-
baupt bekannt waren, in sehr geringem ansehen standen, wird nach
dem stillschweigen der alexaudrinischen grammatiker über diese
poésie wohl allgemein angenommen. Und speciell in dem hymnus
auf den pythischen Apollo finden sich ein paar stellen (vv. 326.
350), die als parallelstellen und als belege eigener ansichten für
Aristarch so werthvoll sein mussten, dass er sie in seinem com-
mentar zur Ilias gewiss erwahnt haben würde, wenn er den hymnus
als einen homerischen gekanut hatte. Gegenüber dieser ziemlich
sicheren argumentation ex silentio, die man u. a. bei Baumeister,
Prolegomena p. 99, findet, hat nun ein französischer gelehrter,
ohne dass er das recht derselben anfechten will, nachzuweisen ver-
sucht, dass wenigstens im ungelehrten publicum schon im 2ten jahr-
hundert v. Chr. der hymnus auf den pythischen Apollo als ein ho-
merisches werk verbreitet gewesen sei. Die beweisführung stützt
sich auf ein inschriftliches zeugniss und scheint demnach ganz sicher
zu sein.
Ein volksbeschluss der stadt Knossus auf Kreta, der von Th.
Homolle im Bulletin de Correspondance Hellénique IV (1880) p.
352 ff. veröffentlicht ist und der sicher nach 196 v. Chr. !) abge-
fasst ist, euthält die zuerkennung öffentlicher ehren an Dioskurides
aus Tarsos. Nach der eingangsformel heisst es: "Eresdn | 4iocxov-
eldns 4fiocxovoldov xa9' vodeolur dé “AoxAn|miodwoov Tugoeds
youupatixog dia av eUvosuv uv | Eyes mogrì tav uar now Guv-
zu&uusrog Èyxw|uior xara 10v mnowptáv unig tw aud Ednoç xt.
„im anschluss an den dichter“ hat er eine lobschrift für die stadt
verfasst. „Der dichter“ xuz’ é£oyrr kann nur Homer sein; Ho-
molle rechtfertigt diese ausdrucksweise durch parallelstellen (Plu-
tarch. Mor. p. 667b. Athen. Il, p. 40a. Strab. X, p. 489. Phil.
lud. de Abrahamo ed. Pfeiffer tom V, p. 234) und übersetzt die
1) Bei Homolle steht wohl durch einen druckfehler 166. Die
Knossier bitten (z. 46 ff.) die Athener um erlaubniss ihr decret in
Delos aufzustellen, die herrschaft der Athener über Delos im zweiten
jabrhundert v. Chr. datiert vom j. 196; Liv. 33, 30, 11.
174 Miscellen.
worte xara ró» nouruv mit ,d'aprés Homère“, Nun findet sich
aber die stadt Knossos in llias und Odyssee nur selten gelegentlich
erwühnt; zusammengerechnet sind es vielleicht 6 oder 8 verse, die
von ihr handeln: daraus konnte Dioskurides keine lobschrift zu-
sammenstellen, Aber im hymnus auf deu pythischen Apollo (v.
216 ff.) wird eine ausführliche erzühlung gegeben, in der Kreter
von Knossos eine wichtige rolle spielen. Das war der gegenstand
für.jenes éyxwusor. Da nun aber gesagt wird, es sei „im an-
schluss an Homer‘ verfasst gewesen, so muss der hymnus bereits
in demselbeu jahrhundert, in dem Aristarch lebte, der ihn nicht
kannte oder nicht anerkannte, in Kreta für ein erstes werk Humers
gegolten haben.
Diese auf deu ersten blick sehr ansprechende schlussfolgerung
ist doch nicht ohne lücken. Ich will darauf kein gewicht legen,
dass man sich von dem gedichte oder der geschichtlichen darstel-
lung des Dioskurides keine rechte vorstellung machen kann, wenn
er nach einer so ausgeführten vorlage arbeitete, wie jene alte er-
zählung ist. Schwerer ist das bedenken, dus die übersetzung der
worte xaru 10» xoa» erregt, und das die angeführten beleg-
stellen nicht fortschaffen. Plutarch (Symposiac. III) sagt: ‘Q; yág
nor ortwy nomıwv Eva 10v xQu uoror eusger we nomi xu-
dovuer, obi nollwv ovtwy — Exverlunxer ö iydus povov #
paura ye Oyor xadsiodus, did 10 modu Wave wy dosi xguietv.
Bei Philo a. o. heisst es: Kabuneg ydg 0 noue Ouneos, pv-
olwr Oviwv moi, xut éEoyn» Aéyerus, xoi tO belay, à yea-
oper, xultos navtog, v fi) Asuxov don Héluvog OYTOG xai «opu
"ASnrnow 0 enuivupog xai ruv évréu RQLOVTWY UQIOIOS, ug OU
oi y0oros xutugedmovvias: tòv avıov Tgonov xrA. Ebenso wenig
beweisen die beiden anderen von Homolle beigebrachten stellen
mehr, als dass Homer für die Griechen der dichter par excelleuce
war. Von einem sprachgebrauch, der dem hier behaupteten ähn-
lich wäre, findet sich nirgends etwas.
Lesen wir die inschrift, um dereu erklärung es sich handelt,
noch einmal durch, so machen wir eine beobachtung , welche den
verdacht gegen die worte xard 10v nosqruvr vollends bekräftigt.
Wir finden z. 7 uuderur, 51 10v Tugotor duuor, beides so ge-
schrieben. Ohne zweifel hat auch in z. 5 der schreiber O für Q
gesetzt und schreiben wollen: xuru twy noımav. Die verbindung
Enuivog, Éyxwpior xoi& tivos ist nicht selten; z. b. Demosth. in
Philipp. ll, 9: 0 xoi uéyioror fou xud° vuv iyxwuiov, d ür-
dess ^d) qraioi. Die lobschrift, welche Dioskurides für das volk
der Knosier verfasst hatte, bezog sich also auf die einheimischen
dichter. Und dazu stimmt es vortrefflich, dass die literarische ei-
telkeit der Kreter und besonders der einwohner von Knossos schon
aus auderen inschriften bekaunt ist, die übrigens auch der franzüsi-
sche gelehrte kennt und zum theil citiert. In dem decrete der
Miscellen. 175
Koosier zu gunsten der stadt Teos (C. i. gr. 3053 = Le Bas,
Voy. arch. III, n. 81, in meinem Delectus n. 64) wird von dem ge-
sandten der Teier gesagt z. 8 ff.: xoi énelde(Eato Merexding pera
xi9«gag nAsovranıs 10 16 ! Tiuo3£o zus Molvtdw xoi ttv audv
dgyaluv mosqrizv xià. Und ausführlicher sagen bei der gleichen
gelegenheit die Priansier (Le Bas, Voy. arch. III, n. 82; Delect. n.
65) z. 7 ff.: xai èredeltaro Merexing pera xiDdagag 14. te TV -
podtov xal [lolvtdov x«i tv duwr nadawy nowm1àv xalwe xci
nosnovıws, elo[j]reyxe dé xvxdor | torognuér[oly vio Konzus M
1Jwr éy [Konlre yelyororwy Dewy te xoi nowwy [no:]noupero|c
t]ay | ovraywyav ex 20ÀÀQr mosnrà[v] x«i iorogsoyguipwr. —
Etwas anderer art war die arbeit des Dioskurides; er hatte sich
die personen und werke der dichter selbst zum gegenstande ge-
wühlt. Die literarhistorische darstellung, welche er ausgearheitet
hatte und durch seinen schüler Myrinos in Knosos überreichen und
erkláren liess, mag recht pauegyrisch gehalten gewesen sein; aber
die art, wie die Kreter seine leistung aufnahmen und mit proxenie
und bürgerrecht und einer ehren-stele auf Delos belohnten, bildet
immerhin einen beachtenswerthen zug iu dem bilde dieser sonst so
übel berüchtigten vólkerschaft. Vielleicht vermag er auch den ge-
lehrten herausgeber der inschrift für das damit verlorene zeugniss
über das alter des homerischen hymnus zu entschädigen.
Berlin. Paul Cauer.
5. Zeit und heimath des periegeten Dionysios.
Unnüthig wire es, noch einmal alle vermuthungen, die man
über vaterlaud und zeitalter des periegeten Dionysios vorgebracht,
zu besprechen, noch einmal die gründe für die verschiedenen an-
sichten gegen einander abzuwügen: der dichter selbst hat uns die-
ser mühe überhoben. Dem gelebrten manne war es sehr wohl be-
kannt, wie lose iu jener zeit der abschreiber die namen der ver-
fasser mit ihren werken zusammenhingen und er war vorsichtig
genug, seinen ruhm durch ein mittel zu sichern, das uns als spie-
lerei erscheinen könnte. Akrostichisch fügte er seinen namen der
dichtung ein und, als hatte er späteren streit der gelehrten ver-
hindern wollen, vergass er nicht seine heimath zu neunen und den
kaiser, unter dem er schrieb: vers 109 heisst es:
"Ex di how Sixedwv Kornmns drantnraraı oldua
110 Af uxgor én’ aviodlny Suiuwridog ayes xagnrov,
"Hv Koirns èrinovow Ewior Zune axgny.
4 oii d° ÉEelnc rgortow qolaaovo. Puducout,
I cuugixov nvosjow euvvoueras Bogéuo,
'O Id: gvoiowrrog, Enel xurevarila xeiviu
176 Miscellen.
115 Navraı dà zoutz» Dagny dia xxlrjoxovesr,
"Y oıarov à nenw@vu retasvoptrgy Kactoso’
= sdovlnv d’ Eikonv, 69 relverus dg uvya yalns
"Locos aygs mröAog, Kıllzwv zwonv nupuuslßwr,
"1 001x205 &ixouevog Bogénr Ens xoÀnog drelowy
120 Où uiv moAiov arevPev loodponog ayys yaQ 5707
"Y oninyys drogeoï Kidlxwr anonaveras aïnç
T 5uoc êni Cépugov orgenryy emegevyetas Gun.
'Q c dé dquawr Piocvgwnos ÉMoceras, ayxviog Egnwy,
N w3i¢, 19 d' vno nàcu Baguretas ovpsos axon
125 "E oyoué£va* 706 aeivog Edlocetas ely adi xodAnos,
N ryurog, Era xoi Erda Buguropevog ngoyogow.
T ov uiv ini agoyoÿ Muppvisos duguvépovras,
“O ccov énsngopéByxe Aslıdorlwr uvyà snowy
X iuu d’ Eyes Cepugov Ilurapnld« rqiodev axonv.
130 @ paleo 0’, Ex xelrov rerguupeévos avdis En’ agxtove,
A lyulov nóvroi0 nÀarov nogovy, Eva te xvpa
“Pnoouusvov 7700104 negifoëueiur Sroyudecory’
Ov yaQ us xtivo Evallyuia xuuur’ Öpeilsı,
‘Y vo9. poguvewr, Eregog nôgos auguieling.
Vers 118 fehlte in den vorlagen des Avienus uud Priscianus. Er
fand sich erst io den manuscripten, welche dem Eustathios, den
scholiasten und paraphrasten zu gebote standen. Man streiche ihn:
dann ergiebt sich aus den versanfüngen: èun Æiorvolou ruv èridg
@ugov. Also aus Alexandrien stammte der dichter. Dahin ver-
weisen ihn auch die überschriften einiger codices. Keineswegs ist
er aber mit dem Alexandriner identisch, für welchen ihn C. Mül-
ler!) hält. Letzterer geht von einem Suidasartikel aus: Jıorv-
osoc "MdeEardgevc, 0 TAuvxov vioc, roeupuanxóg, ooug ano Né-
Quvos Gurÿr xui roig mergs Touiarov xui rw BiBliodnxwy noov-
om xai Eni Emorolwv x«i ngsoßewv eyévero xal amoxqiputwv.
"Hy dì xai diducxadoc [lugderlou 100 yeupputxod, pudntng dé
Xusenmovog tov quocogpov, ov x«i diedetato Ev > AleEurdoela und
identificiert mit diesem 4sorvosos den Dionysius lonicus, welcher
nach einer notiz, die ein gewisser Guido im XI. jahrhundert einem
zwischen 667 und 670 geschriebenen buche entlehnt hat, Romae
bibliothecarius per annos fuit viginti et orbem metro heroico graeco
carmine descripsit. Die grüsse des contingents, welches die träger
1) Geogr. gr. min. II prolegg. XIX 2. col. Derselbe lässt ihn in
Libyssa geboren sein wegen der hervorhebung des flusses Rhebas und
weil einige der scholiasten den dichter als Libyer bezeichnen. Letz-
tere thun er, wie sie selbst sagen, darum, weil der dichter eine au-
genscheinliche vorliebe für Libyen hege. Und jenen fluss scheint der-
selbe nur desshalb durch gie anaphora auszuzeichnen, um fiir die
schilderung der den Pontos ymwohnenden Volker einen volltónenden
abschluss zu gewinnen.
Miscellen. 177
des namens Dionysius im alterthume stellten, verhindert auf die
einzige übereinstimmung beider artikel — jener und dieser Diony-
sius ist bibliothekar — viel gewicht zu legen, zumal bei dem Dio-
nysius lonicus die zeit unbestimmt ist, während Æ4oyussoç nicht in
Rom, sondern in Alexandria jenes amt verwaltet zu haben scheint.
Ausserdem sieht der ganze lateinische passus ala ein conglumerat
noklarer remiiniscenzen aus. So wenigstens das allgemeine lonicus,
und die zwanzig jahre, welche Dionysius in Rom verlebt haben
soll, könnten wohl einer dunklen erinnerung an die zweiundzwanzig
jahre entstammen, welche Dionysios von Halicarnass in Rum zu-
brachte, für den übrigens auch einige handschriften unseren Dio-
nysios ausgeben.
Ferner: Chairemon, des Dionysios lehrer, war legorpauuazeug
und gsdodogos (stoiker). Er wurde (etwa 50 n. Chr.) nach Rom
berufen, um die erziehung des spateren kaisers Nero zusammen mit
Alexander von Aigai ?) zu leiten. In Alexandria folgte dem ispo-
youpuurevç der yoeuuuzixog Dionysios und zwar nach C. Müller's
nicht unwahrscheinlicher vermuthung in eben dem jahre, in wel-
chem sein lehrer nach Rom ging. Ware Dionysios damals — nie-
drig gegriffen — erst 25 jahre alt gewesen, so würde er doch
beim regierungsantritte Hadrians das neunzigste lebensjahr bereits
überschritten haben. Ein ausnahmefall ist es immer, wenn jemand
in diesem alter noch dichtet, so sorgfaltig dichtet wie der perieget.
Aber nicht einmal jenen zeitpunkt bat der yoaupurxoç Dionysios
erreicht, welcher nur roig ufyos Touiavov ovrnv. Unser Dionysios
dagegen schrieb unter — Hadrian:
513 Onnrög dé 105 ton Budug nogog Alyaloıo.
°E vidg Eywv éxurepder unsıgeolwv orlya vijowy,
515 “O oco» éni arıvwnov vdwe *Adapavitdos "Ex,
X noròs On xai "ABudog évurrior bguov E9tvro.
Evgwnng 0’ ul piv dass und vevpari yergog
‘P wor? éEetns, “Aotng d^ Ent debit neïvrou,
M fxos in! dextq@oso tétusvdperus Bogéuo.
520 'H vo à' Evewnns uiv) ‘ABavtids Endero Máxgic,
Zxugóg 1° jreucecoa xai alnesvì ITendgndos
"E v9e» xui Anuvog, xeavady ntdov 'Hyalcıoso,
Il £nia100, wyvyln 18 Odcos, Anuntegog axın,
"I ußoos, Qonextn re Sépoc, Kogvfldvuov acm
525 AT d'’Acins nowrny alcur Auyov, apgic eovoas
Mihov éxuxlwoavio, xal oùrouu Kuxicddes slot
‘Puasa 0’ “Anodlwrs yogovg Gváyovow «nado,
"I orapévou yluxegod véov elugoc, sur iv ogecosy
2) Suidas s. v.
3) Nach Müller: nur cod. A; die andern scheinen alle falsch Zu-
ewnys d” ros wer’ 4. zu haben.
Philologus. XLII. bd. 1. 12
178 Miscellen.
"AvSounwy ündvevde xvi lsydqeovos ando.
580 Nicos d° EEeing Snogades neQsxappavowsdsy,
Olor 51° dvegtdoso di’ £go; elderus orga,
“Yyea végn xguenvoio Bincaptrov Bogéuo.
Also: Es hat Cog ‘Eguîs (seit der zeit des Helleoismus der
schirmherr ägyptischer wissenschaft) êri "Adgsuvov dieses werk
entstehen lassen *).
Von einem scholiasten wird ein 4Aiorvoros "AieEardyevc als
vater unseres periegeten bezeichnet, Sollte dieser Zfiovvoioc ’AAs-
Euvdgevg etwa jener oben erwähnte grammatiker und schüler Chai-
remons sein? Allerdings schwanken die handschriften, indem ei-
nige Æfwroçs, diuirov geben. Der zeit nach könnte indessen der
grammatiker sehr wohl der vater und lehrer unseres dichters sein,
welcher sein werk nicht schreiben konnte, ohoe die sorgfaltigsten
grammatischen studien betrieben zu hahen.
Aus der periegese spricht nach Rühls ®) treffeoder bemerkung
ein frommer sinn. Der dichter erwähnt unter den bauten Alexan-
driens nur des leuchtthurmes und des Serapistempels. Letzteren preist
er in ausnehmender weise. Bekanntlich war mit dem letzteren
eine bibliothek verbunden. Der gelehrte, der fromme maon wird
zu beiden vielleicht in beziehung gestanden haben, etwa ähnlich
dem fegevc, welcher vorsteher des Museions war.
Berlin. G. Leue.
6. Dionysius Calliph. 31—38.
“H d° “Has and rig Aufoazias stvas doxet
padota Ouraync 10 mégag avr]; d Fogeras
int 10v nosupòv IInvsor, wo Oog yeuge,
0006 te Muyrıjzwv Opodny xexdnuévor.
35 Tivic di sz» Mayvıolav 176 Elludoç
Meyovow ebrus, 10». dè Didléav dyvoziy
anoyweloarıa, Toùro d’ sivas oupgavés
toig gilouudeiv pudsora qidorsmoupévore.
Dionysius geht in seiner «»oygagr 775 EàA«dog von Ambrakia
aus, beschreibt, stets den windungen der küste folgend, Akarnanien,
4) Das erste akrostich ist da angebracht, wo zuerst ein name
vorkommt, welcher von dem der insel Pharos gebildet ist (v. 115
@Paginy cla); das zweite dürfte an seiner stelle eingefügt sein, weil
dort der insel Imbros erwühnung geschieht. Eustathios comm. zu v.
624: éruäro dé adres (auf Imbros) xai Kouns, dv "IuBoauor déyovasy
ol Kaees
5) Geog. g. m. prolegg. p. XVI, 2, col.
6) Rhein. mus. 1874, p. 86. 87.
Miscellen. 179
Aetolien, Lokris, Phokis, Boiotien, Megaris, Korinth. Der rest
seiner darstellung des festlandes ist verloren; aber gewiss hat er
sich auch bier stets dem gange der küste angeschlossen, zuerst die
ufergebiete der Peloponnes behandelt uud darauf Attica und die
landschaften nordwürts bis zum Peneiosflosse und zum Homolenge-
birge in kurzem abrisse vorgeführt. In den oben citierten versen
bezeichnet er nach Phileas die grenzen der oureynç “Edddg d. h. des
gebietes, in welchem die einzelnen griechischen stüdte nicht durch
umwohnende barbarenstämme von einander getrennt waren. Jener
periplenschreiber stellte also Ambrakia im westen, den Peneiosfluss,
das Homolengebirge im osten als grenzpunkte auf. Man braucht
nur einen flüchtigen blick auf die karte zu werfen, um zu erken-
nen, dass für den, welcher wie Phileas an der küste entlang geht,
Magnesia innerhalb dieser grenzen liege, dass also Phileas, wenn
er diese grenzen festsetet, Magnesia zu Griechenland rechne, es
nicht davon trenne, „Einige aber“, so fährt der dichter v. 35
fort, „einige aber belaupten, Magnesia gehöre zu Griechenland,
Phileas aber wisse es nicht, der es davon trenne*. Der es davon
treone? jener grenzbestimmung nach trennt er es ja nicht davon!
Man sieht: so wie der text lautet, treten jene „einige“ in gegen-
satz zu Phileas und doch behaupten sie ganz dasselbe wie Phileas,
Dieser widerspruch ist nicht unbemerkt geblieben. C. Müller
sucht durch eine erklärung um denselben herumzukommen. Aber
diese erklarung — er brachte sie in den noten vor — geniigte,
wie er in den prolegomenen offen eiogesteht, ihm später selbst
nicht mebr. Er machte sich darum an eine emendation:
Tivig dè 13» Mayynoluv ovy Eladoç
A£yovow elvai, 107 dà. QuiMay ayvoeiv
ovx dgoglouvta x. t. À.
Er schrieb also ovy für rg, musste aber dann auch ein ovx vor
ámoywgícavra einrücken und an stelle des letzteren ausserdem
apoglcavia setzen. Schwerlich wird eine änderung befriedigen,
welche zwei andere nach sich zieht.
Derselbe gelehrte erinnert?) daran, dass die frage, ob Thes-
salien zu Griechenland gehöre oder nicht, im alterthume oft be-
sprochen sei’). Aber hier handelt es sich ja nicht um Thessalieo,
hier handelt es sich um Magoesia. Müller gesteht das zu und
sucht diesem einwande mit der behauptung *) zu begegnen, dass
periplenschreiber nur die küste, nur Magnesia, nicht auch das
übrige Thessalien zu erwähnen brauchten. Ganz recht, our die
1) P.L 1. col.
2) Eben dort.
3) Z. b. in einem dem Dicäarch zugeschriebenen frgm. III, 1—8;
geogr. gr. min. I, p. 108— 10.
4) Geogr. g. m. I p. L col. 2.
12*
180 Miscellen.
küste; aber ist denn die küste Thessaliens mit Magnesia identisch f
Ist dieses nicht vielmehr nur ein theil von jener? Oder gingen
die verfasser von küstenbeschreibungen von Attica und Boeotien
nach Euboia und von da sogleich nach Magnesia hinüber, ohne das
lokrische, phokische, malische gebiet, ohne deu küstenstrich von
Lamia bis Jolkos zur darstellung zu bringen? Doch gewiss nicht.
Sie beschrieben diesen küstenstrich, der übrigeus Magnesia an lünge
gleichkommt , und erwähnten also einen theil Thessalieos, den sie
nicht mit Magnesia bezeichnen konnten.
Noch eifriger als die frage nach der zugehörigkeit der Thes-
saler zu Griechenland wurde die frage nach der zugehörigkeit Ma-
kedoniens zu Griechenland erörtert. Die letztere hatte nicht nur
ein ethnologisches interesse, sie wurde zugleich auf das gebiet der
politik hinübergeführt. Sie lautete bier®): „Sind die Makedonen
Hellenen, den kampf gegen die Perser im sinue des hellenischen
volkes uud der hellenischeu geschichte übernehmen zu können ?“
Die anhünger Philipps Il. bejahten, seine gegner verneinten diese
frage, uud Demosthenes 9) stand nicht an den Mukedonen als bar-
baren zu bezeichnen. Und eben dieser gegensatz tritt auch an der
in frage stehenden stelle hervor, sobald man für Muyynolur Mu-
xedor(av schreibt.
Bei dieser veründeruog versteht man 2) wie der febler ent-
standen sei: beide worte beginnen mit der gleichen silbe; der ab-
schreiber liess sich ausserdem durch das in dem vorhergehenden
verse stehende Mayynzw» irre führen. 3) Beseitigt diese änderung
den widerspruch, der zur emendation herausforderte. 4) Entspricht
sie den geographischen verbültnissen: Peneiosmündung und Homo-
lengebirge bilden die küstengrenze zwischen Thessalien und Ma-
kedonien. Phileas geht bis zu diesem grenzpunkte und trennt also
Makedonien von Griechenland, „einige“ gehen über diesen grenz-
punkt hinaus und behaupten, Makedonien gehöre zu Griechenland.
5) Trifit die übereinstimmung, welche der periplus des Pseudo-
scylax mit der darstellung des Dionysius an vielen stellen zeigt,
nach unserer änderung auch hier eio. Skylax sagt 2. 65: uéyos
évraëda (bis Homolion vgl. 2. 33) dor» dno "Mufigax(og ovveyiec
n Elluç: énesexwe dé xai éxi Jul” (sic) maou “EdAuds ouolwç
do:. So der codex Par. Die letzten worte sind offenbar cor-
rupt 7), uber soviel steht fest, dass der satz dnıeıxwc dé u. s. w. im
gegensatz zu der vorhergehenden grenzbestimmung stehe, und es
scheint in ihm der gedanke ausdruck gefunden zu haben, dass bil-
ligerweise auch die auf Thessalien folgende makedonische kiiste
5) Droysen: Alex. I. Halbb. buch 1 cap. 2 p. 67.
6) Olyntb. Ill 6. 16 u. 8 24; Phil. IIl §. 31; fale. leg. 827 u. a.
7) Der abschreiber scheint mit dem zeichen ~ das fehlen meh-
rerer worte andeuten su wollen.
Miscellen. 181
zu Griechenland zu rechnen sei, da auch sie wie griechisches ge-
biet aussehe (ogolws EXAud:). 6) Passt Muaxedorlav in den vers:
Tivig di 13» Muxedovlar rng 'EAAadog.
Berlin. G. Leue,
— @
7. Verse im Cicero.
Die zahl der im Cicero verspreogt nachgewiesenen verse glaube
ich noch um einen vermehren zu können. Er findet sich an einer
recht oft gelesenen stelle, Tusc. 5, 1, 4. Cicero will von der
macht der tugeod reden und wendet sich mit folgenden worten an
den M Brutus: Illa enim, si modo est ulla virtus, quam dubita-
tionem avunculus tuus, Brute, sustulit, omnia, quae cadere in ho-
minem possunt, subter se habet eaque
despiciens casus contemnit humanos,
culpaque omni carens praeter se ipsam nihil censet ad se pertinere.
Dass die besonders gedruckten worte fast einen vollen hexa-
meter ausmachen, ist klar. Wenn Cicero orat. 20, 67 verse in
der prosa für ein orationis vitium erklärt, werden wir hier ge-
wiss ein bewusstes citat vermuthen dürfen. Darin bestärkt uns
noch mehr die poetische färbung der vorgehenden worte subter se
habet. Dräger sagt in der hist. syntax 1, 621: ,,Subter, fast nur
mit dem accus. verbunden, wird aus vorklassischer zeit nur ein-
mal erwähnt: Fabius Pictor ap. Gell. 10, 15 subter arborem feli-
cem. Bei Cicero steht es nur zweimal: Tusc. 1, 10, 20. 5, 1, 4.
Alle übrigen stellen sind aus klassischen dichtern und spüteren.
Den ablativ finde ich nur bei Catull und Virgil nachgewiesen“.
Wir haben danach auch ao unserer stelle eine wahrscheinlichkeit
für die entlehnung jener worte aus einer dichtung, obgleich ihr
metrischer zusammenhang mit dem folgenden hexameter nicht klar
ist. Zur ergänzung des letzteren möchte man aus dem vorherge-
henden noch das wort omnia entlehnen.
Der so gewonnene vers
omoia despiciens casus contemnit humanos
hat aber vielleicht noch ein litterarisches interesse, Der im beginn
des satzes erwähnte oheim des Brutus ist Cato Uticensis. Auf ihn,
der kaum zwei jahre vor abfassuog der Tusculanen sich den tod
gegeben, weist Cicero hin als auf ein vorbild der tugend. Nichts
liegt da näher, als die folgenden worte im hinblick auf ihn gesagt
sein zu lassen. Gewiss bezeichnen sie nach der anschauung Ciceros
das wesen Catos mit epigrammatischer kürze, so dass sie, wenn
man etwa das perfekt contempsit eiusetzt, fast wie ein stück aus
einer grabschrift desselben erscheinen. Liegt da nicht die vermu-
thung nahe, dass Cicero hier ein citat aus seiner eignen, kurz nach
182 Miscellen.
dem tode des Cato verfassten Laus Catonis gegeben und in dieser
sich zu einem solchen dichterischen versuch aufgeschwungen habe?
Ist diese vermuthung richtig, so gewinnen die worte, im j. 710
an den M. Brutus gerichtet, uoch mehr an bedeutung.
Bei dieser gelegenheit móchte ich noch auf ein citat de fin.
1, 2, 5 aufmerksam macheo, dessen natur, umfang und herkunft
ebenfalls durch eine vermuthung vielleicht mehr licht bekommt.
Cicero bekämpft hier diejenigen, welche die lateinischen schrift-
steller, zunachst die dramatiker, nicht lesen zu mógen erklürten,
da ihnen die griechischen originale derselben zu gebote stünden.
A quibus tantum dissentio, führt er fort, ut, cum Sophocles vel
oplime scripserit Electram, tamen male conversam Atilii mihi le-
gendam putem, de quo Licinius,
ferreum scriptorem, verum, opinor, scriptorem (amen,
ut legendus sit.
In älteren ausgaben findet man bereits diese letzten worte als me-
trisches citat gedruckt. Halm und jetzt auch Holstein lassen nur
die beiden anfangsworte ferreum scriptorem als citat zu, geben also
die folgenden dem Cicero. Mir scheint dabei eine doppelte bürte
fühlbar. Zunächst ist die anführung von nur zwei wörtern aus-
serhalb der grammatischen construction auffallig, da doch ein ein-
fügen in dieselbe, etwa in der form quem Licinius ferreum scrip-
torem dicit, so einfach gewesen wire. Dann aber enthalten die
worte ut legendus sit im munde des Cicero eine tautologie neben
den kurz vorhergehenden ut tamen male conversam Atilii mihi le-
gendam putem. Beide bürten werden gehoben oder doch wenig-
stens gemildert, wenn das citat bis ut legendus sit ausgedehnt wird.
Ueber den ursprung desselbeu möchte ich mir nun folgende
vermuthuug erlsuben. Alle handschriften schreiben es eiuem Licinius
zu, aber „wer dieser Licinius ist, lässt sich nicht bestimmen“ sagt
trocken Holstein, und auch ich habe über ibn nichts weiter gefun-
den. Nun ist es aber duch auffällig, dass Cicero irgend einen sonst
völlig unbekannten dichter, oder, wenn nicht dichter, so gar kri-
tiker und recensenten citirt baben sollte an einer stelle, wo doch
ein uamhafter gewährsmann von nóthen ist. Mit nachdruck spricht
Cicero in dem auf jene worte folgenden satze seine überzeugung
dahin aus, wer den anspruch erhebe, zu den gebildeten Römern
gerechnet zu werden, müsse vor allem mit den römischen dichtern
vertraut sein: Rudem enim esse omnino in nostris poelis aut iner-
tissimae segnitiae est aut fastidii delicatissimi. Dass dies gefühl
berechtigt sei, muss auch aus dem vorhergehenden citat hervorge-
hen, und dass Cicero in dieser ansicht bewahrte genossen habe,
muss der name des mannes zeigen, dem er es entlelint. Dazu aber
genügt ein unbekannter ehrenmann, wie Licinius es sein würde,
nicht, Ich möchte daher diesen namen in den nahe liegenden Lu-
cilius ändern. Ihn führt Cicero auch kurz nachher c. 8, 7 an,
Miscellen. 183
wenn er auch hier nicht ganz mit ihm dario einverstanden ist, gar
so wäblerisch zu sein iu der bestimmung des kreises der leser, für
die er schreibt. Ja, mir scheint, dass das obige citat sich sehr
gut drei erhaltenen fragmenten aus dem 26. buch der satiren an-
schliesst, die L. Müller an den anfang desselben stellt, und zu de-
nen eben auch das citat in c. 3, 7 gehört. Lucilius schreibt da
im selben versmaass offeubar über das thema, wie er zum publicum
stehen wolle, und wie überall der dichter zum publicum stehe.
Dem entsprechend würde das citat aus c. 1, 4 davon handeln, wie
das publicum sich zum dichter zu stellen habe.
Gliickstadt, D. Detlefsen.
- — — € —— — —
8. Zu Tacitus, Euripides, Sophocles.
L Tac. Hist. 11, 16 extr. In diesem kapitel wird er-
zällt, dass Pacarius, procurator von Corsika aus hass gegen Otho,
diese insel, die der partei des Otho sich angeschlossen hatte, dem
Otho abwendig zu machen und für Vitellius zu gewinnen sucht.
Aber durch seine strengen anforderungen an die soldaten erbittert
er diese gegen sich und wird getüdtet; sein haupt wie die seiner
mit ihm ermordeten freunde werden dem Otho von den mórdern
überbracht. Es folgen die worte: neque eos aut Otho praemio ad-
fecit aut puniit Vitellius, in multa inluvie rerum maioribus flagitiis
permizios. Die letzten worte erklärt man: da zur zeit noch
schlimmere verbrechen begangen wurdeo, blieben die mörder unbe-
merkt. Aber das widerspricht den worten: capita . . . ipsi in-
terfectores ad Othonem tulere. Zudem müssen nach dem Taciteischen
gebrauch von permisceri in derartigen verbindungen die worte maio-
ribus flagitiis permiztos so verstanden werden, dass die mórder selbst
schlimmere verbrechen begangen. Davon aber wird nichts erwahot,
wohl aber werden im folgeoden genug flagitia sowobl des Otho
als des Vitellius angeführt, welche die beiden kaiser auf die er-
mordung des Pacarius nicht besonderes gewicht legen liessen. Des-
balb schlage ich vor, statt permixtos zu lesen: permixti. [n
dieser verbindung entspricht die bedentuog von permisceri zugleich
völlig dem sonstigen gebrauch des Tacitus.
II. Tac. Ann. XI, 26. Messalina, die gattin des kaisers Clau-
dius, geht in ihrem lasciven uud ehebrecherischen treiben so weit,
dass sie in der hauptstadt selbst eine fórmliche ehe mit ihrem buh-
len Silius schliesseo will. 'l'acitus bemerkt hierzu: nomen matri-
monii concupivit ob magnitudinem. infamiae, cuius apud prodigos
novissima voluptas est. — Prodigos halten die meisten für verderbt;
Dräger schlägt dafür vor ,profligatos*, Nipperdey ,,perditos“; aber
beide haben in der richtigen einsicht, dass diese änderungen zu ge-
waltsam sind, ibre conjekturen in den text nicht aufgenommen,
184 Miscellen.
M. Hertz glaubt die überlieferung dadurch vertheidigen zu kón-
nen, dass er aus infamiae zu prodigos einen genetiv famae er-
ganzt. Doch kann ich mich dieser ansicht nicht anschliessen, zu-
mal da in einer scheinbaren parallelstelle die betreffenden worte
sehr wohl sich anders fassen lassen. Hist. 1, 8 heisst es: Rufus
vir facundus et pacis artibus, bellis in expertus; der ablativ pacis
artibus wird besser als ablat. qual. erklärt. Vgl. meine dissert.
Quaest. de ablativi usu Tac, part. I. Vratisl. 1882, p. 46. Mir
scheint das richtige sich zu ergeben aus der betrachtung des auf
prodigos folgenden wortes novissima. Entweder ist dieses wort
selbst corruptel aus nominis summa, oder zwischen prodigos und
novissima ist nominis (noris) ausgefallen. Für das óftere vorkom-
men von wiederholungen desselben wortes in kurzen zwischenräu-
men hat Nipperdey beispiele gesammelt zu Ann. I, 81 (modo-modo);
auch der umstand, dass das zweite nomen eine etwas andere be-
deutung hat als das erste, entbehrt nicht analoger falle. Vgl. Hist. IV.
65: quando neque subire condiciones melus futuri neque palam
aspernari condicio praesens sinebat. Ann. Ill, 18: ne nomen
Pisonis fastis eximeretur .... Pisonem ignominiae
exemit.
Ill. Tac. Ann. XIV, 7. Der plan des Nero oder seines frei-
gelassenen Anicetus, die Agrippina vom schiffe aus ins meer zu ver-
senken, war misslungen. Als Nero davon vernimmt, ist er ausser
sich vor furcht, seine mutter künne das heer oder die sklaven ge-
gen ihn bewaffnen oder auf irgend eine andre art rache üben. Er
selbst weiss keinen rath: quod contra subsidium sibi? nisi quid
Burrus et Seneca ezpergens. Letzteres wort ist offenbar ver-
derbt. Die palüographisch leichteste der bisher vorgeschlagenen
ünderungen, nàmlich exporgerent (Wurm und Hoffmann), ist deshalb
zu verwerfen, weil diese furm nur einmal und zwar bei Terenz
vorkommt. Andere änderungen, wie erpedirent, expromerent und
vollends die gewaltsame umstellung von Wölfflin weichen zu sehr
von dem überlieferten ab. Bedenkt man, wie leicht P und R [R]
verwechselt wurden, so liegt nahe, für expergens zu vermuthen:
ex re agerent. Die redensart ez re agere scheint grade bier, wo
von der ratblosigkeit des Nero die rede ist, ganz passend.
IV. Eurip. Alc. 320— 21. Alkestis im begriff für ih-
ren gatteu zu sterben, beklagt nicht sowohl ihr eigenes geschick
als das ihrer kinder, die nun bald der mutter beraubt sein werden.
Zwar der soln wird am vater eine feste stütze finden, aber nichts
wird der tochter den verlust der mutter ersetzen können. Lange
verweilt Alkestis bei diesem gedanken und schliesst dann: weder
werde ich Dir die hochzeitsfackel anzünden, noch Dir beistehen in
der stunde der noth, wo am erwünschtesten ist die hülfe der
mutter:
dei yàg Faveîv pe. xal 109 oix elg avgsor
Miscellen. 185
ovd’ ele rolrnv uos unvog Eoyeras xaxov.
Der genetiv ugvoc giebt keinen sinn und mit recht wird das wort
von den herausgebern als verdächtig bezeichnet. Ich vermuthe,
dass zu lesen ist: ov d” elg rolrnv cos unreoç . . . . Dass Al-
kestis nicht sagt: „bald kommt mein unbeil“, sondern : „bald kommt
für Dich das uoglück der mutter“ ist sehr charakteristisch; auch
hier beklagt sie ihren tod nicht sowohl um ihrer selbst als um
ihrer kinder willen.
V. Sophokl..Trach. v. 229. Nach langem unrubvollen
warten erfährt Deianira endlich, dass die ankunft des Herakles
bevorstehe. Als Lichas, der diener des Herakles, erscheint, sagt
sie zu ilm:
Xalgev dé Tor xjQuxa noovrrénw, yoorw
noÀÀd gavrrra, yugio» el re xai péoeis:
worauf Lichas autwortet :
"AAA ev pèv Iyued’, eb dì ngooqwrvovus9a
yvras, xar! Egyou xiz0w* urdoa yug xadwc
Reaccort’ avuyxn yonoru xegda(vew Eng.
Ich wundre mich, dass es noch niemandem aufgefallen ist, dass die
antwort des Lichas gar nicht den vorangehenden worten entspricht,
Diese müsste vielmehr lauten: ich bringe gutes und demgemass
richte Deinen empfang ein, dem entsprechend heisse mich willkom-
men. Auch der folgende mit yug eingeführte satz giebt nur dann
einen sinn, wenn eine aufforderung vorangegangen ist, die begrün-
det werden soll. Desbalb ist meiner ausicht nach zu schreiben:
1000pw v w ut3a.
VI. Ibid. v. 614— 15. Deianira übergiebt dem Lichas
das ihr einst von Nessos gescheukte purpurgewand. Lichas soll es
dem Herakles bringen, ein ozua, È xsirog wpua9ic Spgayidos
Eoxeı 100° En’ Ouuu Fnosras. Die überlieferung lässt sich trotz
der gekünstelten erklürungsversuche nicht halten. Die Nauck’sche
änderung 0 xeirog bupu Desig Spo. Egx. 1. dm, ev pudnoerus
würde berücksichtigung verdienen, wenn eine leichtere änderung
nicht gefunden wird. Billerbeck schlägt vor für 27’ ouux Iyoerus
zu lesen éxov uuÿnostu. Mudnoerus ist offenbar richtig, aber
ino» giebt keinen sinn und ist ganz überflüssig. Ich schlage da-
für vor: éuov, so dass zu lesen ist:
xal ıwrd’ unolosıg onu, È xtivoc evuudès
Spouyidos Eoues tad’ pov pu3roeras.
Vill. Soph. Philoct. 424—295. Philoctet fragt den
Neoptolemos nach dem befinden des Nestor und erhält die antwort:
xéivog ye JQUuGOEL vuv xuxwds, enei Farwy
’Arıikoyog ubi Ypovdog, oonsg iv yovog.
Der relativsatz ist ein miissiger zusatz und der sion wird nicht
verbessert durch die änderungen &¢ mor 7», 0g rag» u.s.w.
186 Miscellen.
Nauck nimmt deshalb auch hier eine vertauschung der versenden
vor, und zwar hier mit recht; er schlagt vor:
xtirüg yt WQuOOt viv xuxwe, Enel yovos
"Arvilioyog avi poovdos olyetas Fuvwy.
Die änderung von Gong 7» in olysıas scheint mir aber zu ge-
waltsum; mehr nahert man sich dem überlieferten, wenn man dafür
schreibt 06 y” Egges Iavwr. Namentlich 77 und I° konnten sehr
leicht verwecliselt werden, Neoptolemus sagt: Nestor ist betrübt,
weil er seinen sohn nicht mehr bei sich hat [qpovdoc bedeutet ganz
allgemein lokales fernsein. Vgl. Phil. 567. Ant. 15. 1245. El. 807].
Gleichsam aus schonung für den ohnehin schon vom schmerz er-
schütterten Philoktet halt sich Neoptolemus in dieser allgemeinen
wendung, und fügt dann erst hinzu: 06 y’ Zoos Javwr. “Egow
hat sowohl bei den tragikern [z. b. Sophocl. Oed. R. 910. Aesch.
Pers. 732. Eurip. Iphig. T. 732. al.] wie bei prosaikern oft per-
fektbedeutung.
Breslau. Julius Schneider.
C. Zur rómischen geschichte.
9. Des Avidius Cassius stellung im oriente. (Vrgl. Ph. Anz.
| XII, 12, p. 611).
Napp sagt p. 38: (Itaque) singularem quendam et maiorem
gradum ille ( Avidius Cassius) obtinuit, quem similem fuisse Mar-
quardtius contendit. iis, quos annis a. Chr. inde ab a. 23 usque ad
a. 19 Agrippa, a. p. Chr. 17 Germanicus, a. p. Chr. 54 Corbulo
obtinebant. Dieser schluss folgt ihm aus Dios notiz „roy uérros
Kdoowv 6 Mágxog 15g Aolaç unuons enitpomeven exélevoey
(Dio 71, 3) wo ‚‚Aolu““ ebendasselbe bedeute, wie sonst ,,ori-
ens“, uod aus dem umstande, dass einerseits Cassius auch in
Aegypten, Arabien und Armenien krieg geführt habe, andrerseits
zu gleicher zeit Martius Verus als statthalter von Cappadocien,
Flavius Calvisius als statthalter von Aegypten genannt seien, Ich
will den so allgemein ausgesprochenen satz nicht anfechten, obgleich
sich erweisen lassen môchte, dass hier insbesondre an eine mili-
tärische oberleitung gedacht sei, wäbrend die statthalter die
ganze civilverwaltung selbständig geführt hätten. Aber hinsichtlich
des Corbulo ist Napp im irrthum, was wir noch deutlicher aus der
anm. 6 (p. 38) folgenden näheren erklärung sehen. Er sagt hier:
Similiter res se habebat sub Germanico et sub Corbulone: sub hoc
enim Syria administrabatur ab Ummidio Quadrato, sub illo a Cn.
Pisone und stiitzt sich mit dieser behauptung auf Tacitus. Nun
hat aber Ummidius Quadratus weder im jahre 54, noch jemals unter
Miscellen. 187
dem Corbulo gestanden, sondern letzterer erhielt die ihm für das
jahr 54 vindieierte stellung erst im jahre 63, drei jahre nach des
Quadratus tode, und alles dieses lesen wir bei Tacitus.
Napp führt unter dem jahre 54 aus Tac, Ann. XIII, 8 folgende
stelle an: quod Domitium Corbulonem retinendae Armeniae praepo-
suerat videbaturque locus virtutibus patefactus. Co-
piae orientis. ita dividuntur, ut pars auxiliarium cum duabus le-
gionibus apud provinciam Suriam et legatum eius Quadratum
Ummidium remanere, par civium sociorumque nume-
rus Corbuloni esset, additis cohortibus alisque,
quae in Cappadocia hiemabant: aus cap. 9 folgeu noch
die worte: testante contra Corbulone non prius . . . . quam ipse
dux bello delectus spes eius ad metum mutaret. Aus dem
zusammenhange gerissene stellen geben ja oft einen andern sinn,
als sie in ihrem zusummenhange wirklich haben. Aber hier düchte
ich, könnte auch der, welcher die capitel 8 und 9 nicht ganz nach-
liest, nur verstehen, dass Corbulo besonders für den krieg in Ar-
menien bestimmt gewesen sei und dass ihm zu dem zwecke @ua-
dratus die hälfte seiner streitkräfte hätte abtreten müssen. Indessen
war auch @uadratus durchaus nicht von der kriegführung ausge-
schlossen. Er behielt nicht bloss die hälfte der truppen zurück,
sondern auch den partiellen oberbefell über die verbündeten könige
(socii reges, prout bello conduceret, parere iussi). Io dem umstande,
dass Corbulo die contingente, die schon in Cappadocien standeu,
mehr erhielt, liegt nicht einmal eine bevorzugung. Wo sollten
diese anders bleiben als bei dem neuen feldherrn, der von Cappa-
docien aus den krieg führen sollte? Wenn die Parther nicht durch
Armenien gegen die römische grenze vorgingen, sondern in Syrien
einfielen, was sie auch hätten thun können !), so konnte Quadratus
allein zum schlagen kommen. Die verkürzung des Quadratus lag
also darin, dass er die halfte seiner streitkrüfte abgeben musste
und dass er im römischen osten, wo er bis dahin allein befehligt
hatte, einen nebenbuhler erhielt, der nicht bloss fahiger und tüch-
tiger war, sondern auch einen bedeutenden ruf hatte, Ob man in
Rom den Quadratus für wenig kriegstüchtig und energisch hielt
— das lässt sich annehmen, und der verlotterte zustand der le-
gionen, den Corbulo vorfand und den Tacitus drastisch genug
schildert (Ann. 13, 75) macht es wahrscheinlich — oder ob rein
militárische gesichtspunkte massgebend waren — das zu schützende
grenzgebiet war von gewaltiger ausdehnung, so dass die vertbei-
digung eines manns krüfte überstieg — will ich hier nicht ent-
scheides. So viel aber geht aus Tacitus hervor, dass man in Rom
alles vermied, was den empfindlichen mann verletzen konnte und
ibm officiell auch den ersten rang liess, Das folgt
1) Vologaeses hatte im jahre 61 diese absicht wirklich.
188 Miscellen.
aus dem verfahren, welches Nero beobachtete, als sich den Parthern
gegenüber scheinbare erfolge zeigten, die Quadratus seinen früheren
diplomatischen verhandlungen, Corbulo der furcht vor einem kriege
mit ihm zuschrieb. Nero nahm wegen der von beiden ausgeführten
thaten zu seinen fasces den lorbeer hinzu, und in dem edict stand
der name des Quadratus voran (ob res a Quadrato et Corbulone
gestas).
Im jahre GO starb Quadratus, und nun trat Corbulo an seine
stelle, was für ihn offenbar eine rangerhöhung be-
deutete; denn die proprütur Syrien war die vornehmste im reich.
In des Corbulo stelle in Cappadocien trat dann auf Corbulos eige-
nen wuusch Caesennius Paetus (Ann. 15, 6), der ebenfalls die
halfte der truppen und offenbar dieselben befugnisse erhielt, die Cor-
bulo vorher gehabt hatte. Er stand in ühnlicher weise neben dem
Corbulo, wie dieser neben dem Quadratus gestandeu hatte. Das
verhültniss zwischen den beiden mánnern war auch gleich schlecht,
nur dass in diesem falle Caesennius Paetus ganz unfahig war. Als
er dann auch, wie zu erwarten war, dem rómischen namen schande
gebracht hatte, da wurde er abberufen und nun im jalire 63 er-
hielt Corbulo den militärischen oberbefehl über den
ganzen osten, während die vollziehende gewalt (executio) in
Syrien an den C. Cestius überging. Ann. 15, 25 heisst es: (Et)
Corbulo militum atque hostium tot per annos gnarus gerendae rei
praeficitur, ne cujus alterius. inscitia. rursum peccarelur, quia Pueti
piguerat . . . . Syriaeque execulio C. Cestio, copiae militares Cor-
buloni permissae . . . Scribitur tetrarchis ac regibus praefectisque
et procuratoribus et qui praetorum finitimas provincias regebant,
iussis Corbulonis obsequi in tantum ferme modum aucta potestate,
quem populus Romanus Cn. Pompeio bellum piraticum gesturo de-
derat, Eine solche stellung nahm Corbulo im jahre 63 ein, und
dieser mag die des Avidius Cassius geglichen haben. Drüngten
doch alle geführlicheren Partherkriege dazu, auf rómischer seite
einen mann mit ausserordentlichen vollmachten auszurüsten, der nach
eigener entschliessung, nur dem kaiser verantwortlich, dem feinde
entgegen zu treten vermüchte.
Prenzlau. G. Wolffgramm.
D. Auszüge aus schriften und berichten der ge-
lehrten gesellschaften, sowie aus zeitschriften.
Revue archéologique 1878. Nr. 2. Febr. J. Quicherat: Die
von Vitruv zu Fanum erbaute Basilica. (Forts. aus dem januarheft)
mit einer abbilduog. — R. Mowat: Entdeckung einer gallischen
inschrift zu Paris; etymologie des namens Lutetia; mit facsimile.
Der verf. liest :
Miscellen. 189
BRATRONOS
NANTON ICN
E P A DATEXTO
RIGI-LEVCVLLO
S VIOR EBE LOCI
TOI
Diese inschrift, welche sich im museum Cluny befindet, rührt wahr-
scheinlich aus trümmerstücken von ausbesserungsarbeiten an der
Sainte - Chapelle her. Der verf. erklärt die einzelnen wörter bis
auf die beiden letzten zeilen und halt die inschrift für ein ex voto,
welches Bratronos, der sohn des Nantonios, einem gott Epadatex-
torix Leucullus (einer abart des gallischen Mars) gewidmet hat,
Leucullus, welches er mit einem andern beinamen des gallischen
Mars Loucetios zusammenstellt, erklärt er durch candidus, albus
und auf dieselbe weise den alten namen von Paris 7fovxerí« (Aou-
xotoxla, Aovxotexia etc.) durch „alba“ und glaubt, dass der name
der stadt von dem weissen kalkstein (marnestein), den man bei den
bauten noch jetzt dort verwendet, herrührt. — J. Mordtmann
(sohn): allerlei epigraphisches. J. Inschriften aus Varna. Davon
dedicationen: 1. Auf dem piedestal des bruchstiicks einer statue
EP ATQ.
2. Auf einem fragmentarischen basrelief, welches zwei reiter zeigt
4i]ocxogoic evyal[gsorngeor.
Von staatsschriften
NO ..... iz]ja» ......
.0aU + 0.00 VELECIW en...
qui] ore . . [or]epurour aùròy
und’ Exuoro[r] ersalu]rov dv roig ‘Eg-
palo üvaly]rélovros 10$ xnçv-
x]og* oi véos o1epavor[a] Zleiv]ur-
d[elor “Anarovelov qiàodot(ag Eve-
xev silo elo éavrovg* ij» diè é]rsué-
As[cluv wolenlo[elodas 176 avayoger[clews
zov] oilepa]rov ſtoſöç x«9' Exuoror d»- o
uvıolr .
Den namen =éfrurdgoc, der sich in den wörterbüchern nicht findet,
hat der verf., der analogie mit ähnlichen folgend, gebildet.
4.
Oi ngvrav[eic] écrepurwl[oaur] enspyreevou[rtus] ’Anor-
Awasov Zluwroç Kullluuyor Duvégov xal yeupupart(a]
GíccaAov “Agrpidweov.....
190 Miscellen.
5.
[4ya97) voxn
„22.0. 0906 dggiegtws' xai EÜTOTRQ-
yov] ... éBdoun. otde eloir Ègpnfow
> Agri (d ]wpos * Aerepudwoov ‘Hdvs ' Aoyecrucov
Didckjevog Dilokévov diorvosros Auda
Aigijiog Hocednov *Aneliag Tiavxiov
4or]vosog Oepsora "Eile Xuspfov
ITowr]auyogus Kudisod frou ' Anarovgsog " Anarovglov
ot aeos *Anollwvioe — Baacov; ’Enuuslvoriog
Tous. (ov Magxog — fTwAMwvog
Nach dieser inschrift muss Corp. insc. Graec. 2163 «/noci«oync
(statt ouunocluoyns) hergestellt werden, wie auch Sherard's und
Conze's verbesserte copien ergeben. Die form Bucoovg für B«c-
cos scheint in Odessus, wie die folgende inschrift zeigt, üblich ge-
wesen zu sein.
6.
"Ayudÿ [royg
Het xoi Mooxiw bnaros neo
«sob peyaiov Jegleia ro[v
olde sioir EqnBos dni ouveey| (als
begéwe Peto Pwuns xai(ngu rou) à &Qyovroc
T. DA(aBtov) OroglAov: mowrog à égflagyoc [ai
T. QA(4fiog) Baacovc* OX(«fiog) Deo qudos: vQ(rAsoc) Ao-
Teu (d wgoc
T. Di(dBsos) 'dox(A)qmiodorog Avg(nlsos) Badegs|avog:
7.
Rest eines doppelexemplars der von Dethier, Epigraphik von
Byzantium p. 66 veróffentlichten inschrift, welches der verf. so
herstellt:
Avroxgiitogs Kalougs Tip Allin *Ar|wrf[elivm Ze[Bacre
evcifet eir vyei dQyetQet periojre marge na[ro(dog
$ mods ràv 'Odgcoitüv zum] 0Axd 10 vd[we elçn-
yayıy noovoouuévou Tirov Obsrgastofv Huwillwvos
[resofeviov xoi aruorgariyov]
Ao grabdenkmälern
8. Ziuuv Oeorldov jews
xatQt
@eorldns vielleicht für Qeodorldng.
9. Za ... ovç "Eiinvog Fuyame
yurn dé ° Agsoroxdtovgs rovg
vs yaige
Das wort zow&nvs steht fest, ist jedoch unerklürbar.
Miscellen. 194
10. > AvFeomore Myvodugov yaige
11. ‘Ecnaîos ‘Eoualov yaige
12. diovvasos Iowrayogov
j yuri dè vyuige avrov no
zov (1) I1gos«yógov Fvyung
qalperas (für yulpere)
Der verf. nimmt an, dass nach der ersten zeile nur das mittlere
wort yuige geschrieben war und die worte 7 yurn dè uvroù xıl.
erst nachträglich hinzugefügt worden sind; was hiuter dé folgt, ist
vielleicht kein v, sondern ein orthographisches zeichen. — P. Fou-
cart: Decret des raths der Fünfhundert aus dem jahre 394. Der
verf. hat gefunden, dass zwei fragmente das erste von Kohler,
Corp. inser. Att. t. II, 25, das zweite von Ussing Inscr. gr. et
lat. du musée de Copenhague v. 1 schon veróffentlicht) zu einan-
der gehören, und dass das erste in Athen befindliche stück die
linke, das zweite in Kopeuhagen die recbte seite derselben inschrift
bilden. Er liest sie so:
"Edotev in Bovini, Alynis [öngvsavever, ’ Agsoroxe-
«uns Éyoauuareus, " Aueyflac Émeordtes . ... . ..
eine’ Énurécus ZIogur[nv 70» Midov? ou ngoFvpo-
c tou nosiv 0 u duvatuls dyadIoy toùs ocvupuyovs? xoi
iv now thy Adnvulwr, [xa94mq d’ avıog deitas,
êne dy udiou tour of ngoyo[vos meckerol te xoi sù-
sorkius ing modews 196 Asdn[rulwr, abróv dé xai mo-
Mrnv &nosjourto “AFnvaios [dvaygapus SFoguyns
soy yeapparta tig Bovdnc iv ofsjduss AT vai dv
nodini nai È v Ilv9(ov tà Éynyilouéra nsQl. ngoydvo
run] dfum, xadécus dà SFoQu[yny Midov? ini dsinvo-
y dg ulvgsor el; To nqvraveto[».
> Agı]oroxgaıng Aloylvov Keg[udidev éygappareve
Eußovildng ’ElA]evorvsog noyle.
Der verf. bemerkt, dass, da der ratlı keinen neuen titel und kein
neues vorrecht dem Z3opurnç bewilligte, es nicht nöthig war, das
decret an die volksversammlung zu bringen. — Unter den oach-
richten wird die auffinduog eines neuen sarkophags iu gebranntem
thon zu Chiusi in Etrurien mitgetheilt. -— Anzeigen von Fer-
gusson, On the temples of Diana at Ephesus and of Apollo at
Didyme, as illustrating the Hypaethrum of the Greeks.
The Journal of Philelogy. London, Macmillan. 1882. 10. bd.
20. heft. Nettleship: Thilo’s Servius. — Malden: Pyrrhus in
Italy. — Field: Biology and Social Science (über das wort
Bloc). — Housman: Horatiana (carm. Il, 2, 1— 4. Ill, 5, 31—40.
HI, 11, 15—20. HI, 26, 1—8. IV, 4, 65—968. IV, 12, 5—8.
Eped. 1, 7—14, IX). — Towler: On a Passuge in the Rhe-
torica ad Herennium (IV, 54, 68). — Nettleship: Dissignare.
192 Miscellen.
—- Robertson Smith: The Chronology of the Book of the
Kings. — Goodwin: On the Text and Interpretation of cer-
tain passages in the Agamemnon of Aeschylus (105 —107, 249—
254, 931 —943, 1025—1029, 1347, 1599). — H.A.J. Munro:
On the Fragments of Euripides. — Jackson: Plato's later Theory
of Ideas. — Verrall: The Simile of the Treacherous Hound in
the Agamemnon (ylwoou wsontng xvroc, 1227—1230). — Jack-
son: Aristotle, Politics IV (VII) 13 2. 5—7. 1332 A 7 seqq.
11. bd. 21. heft. Thompson: Introductory Remarks on
the Philebus (einleitung für studiereude). — Ellis: On some Epi-
grams of the Greek Anthology. — Masson: M. Guyau on the
Epicurean Doctrine of Free Will and Atomic Declination (in bezug
auf Guyau, La Morale d'Epicure). — D. B. Monro: Further
Notes on Homeric Subjects (etymologie von rnyareoç, erklärung des
infinitivs nach zo(v und z«goc, über wiéeg und yé£gg&). — Ri-
chards: On the History of the Words rsipaloylu and resdoyla.
— Onions: Notes on Placidus, ed. Deuerling, on Gellius, ed.
Hertz, on Nonius, ed. Quicherat (zu dem letzteren hauptsachlich va-
rianten des codex Harlejanus). — Nettleship: Lexicogruphical
Notes (ugina, trica, alapa manumissionis, amentum, ancyromagus,
cilo, dirigo uod derigo, metuere deos, prona maria, rapo, remulcium,
seco = narro, seco = sequor). — Derselbe: Notes on the Glos-
ses quoted in Hagen's Gradus ad Criticen. — Cook Wilson:
Conjectural Emendations in the text of Aristotle and Theophrastus.
— H. A. J. Munro: Catullus 64. 176. — D. B. Monro: No-
tes on the Second Book of the Iliad. — H. A. J. Munro: On
Aeschylus Agamemnon 1227 — 1230 Dind. — H. A. J. Munro:
Catullus 63. 18. — Ramsay: Inscriptions of Cilicia, Cappa-
docia and Pontus.
The Northamerican Review 1880, bd. 131. Juli. Bartlett:
The Exodus of Israel. Der verf. sucht nach Lepsius, Brngsch,
Birch und Poole zu zeigen, dass Genesis 39 bis Exodus 15, so
weit diese kapitel Aegypten betreffen, mit den ügyptischen monu-
menten und documenten übereinstimmend sind und wegen der ge-
nauen kenntniss ügyptischer zustände in der geschilderten zeit nicht
viel spüter als 1300 v. Chr. abgefasst sein kónnen. — December.
E. Curtius: The Discoveries at Olympia, p. 484—405.
1881. Bd. 132. Jan. bis Juni enthält nichts der klassischen
philologie angehürende.
Schweizer anzeiger für alterthumskunde. 1882. Nr. 1. Ja-
nuar. Morel-Fatio: Die grabstätten io Chamblandes, den pfabl-
bauten des darunter liegenden sees angehérig. — Marcel: Hóh-
lengrüber der steinzeit in Verney (Waadtland). — Quiquerez:
Menhirs und schlüsselsteine von der westküste des Neuschateller
sees (forts. aus heft 3 von 1881); aufzühlung der bei den nach-
grabungen gefundenen celtischen und gallo-rémischen alterthümern,
besonders waffen, mit abbildungen.
I. ABHANDLUNGEN.
VII.
Hippodamos von Milet und die symmetrische
stidtebaukunst der Griechen.
Hippodamos von Milet reformierte, ein neuer Triptolemos, den
griechischen städtebau. Die akten über diesen merkwürdigen mann
sind noch nicht geschlossen; eine revision erscheint zeitgemäss.
Alte quellen versorgen über die wichtigsten dinge mitunter
aufs dürftigste: also darf man aus der seltenheit der erwähnung
nicht auf eine sekundüre bedeutung dieses namens schliessen. Glück-
licherweise weist Aristoteles schon den mann auf den platz,
den wir ihm vindicieren lo der politik!) unterscheidet er zwei
arten, städtische privatwobnungen anzuordoen: die in der alten zeit
übliche biete gréssere sicherheit io kriegsfallen, denn hier sei für
fremde der ausgang schwer zu finden uud für angreifer die ter-
rainerforschung erschwert; wenn die anordoung aber systematisch
(svropog) sei nach der jüngeren und *) hippodamischen art, so sei
das angenehmer und praktischer für alle anderen geschäfte. An-
derswo *) sagt derselbe, Hippodamos habe 7%» tq» noAswv dial-
oscıv erfunden. Mit beiden angaben hat der grosse Stagirite auch
für die geschichte der griechischen stádtebaukunst das fundament
gelegt.
1) IV (VII), 10 (11).
br Kai schon lange verdüchtigt, zu streichen oder explikativ zu
ne
en.
8) Pol. II, 5 (8).
Philologus. XLII. bd. 2. 13
194 Hippodamos.
Dass Hippodamos die neue bauweise schuf*), müssen wir be-
tonen; denn Otfried Müller hat hier durch verallgemeineruug
verwirrt. Fussend auf der thatsache, dass Hippodamos aus Milet
war, und auf einer stelle des Pausanias ®), wo nur von ionischen
marktanlagen die rede ist, vermuthete er, dass bei den Ioniern
frühzeitig eine gradlinige und regelmüssige anlage sitte geworden
sei, die dano durch Hippodamos sich über das übrige Griechenland
verbreitet habe 9). ‘Dies wies K. Fr. Hermann?) mit recht
energisch zurück und erklarte, dass sich vor Hippodamos keine
stadt mit gradlinigen strassen nachweisen lasse; dann aber wie auf
ein gegebenes zeichen sei man zur neuen form übergegangen, und
es sei keine stadt von irgend welcher bedeutung neu gegründet
oder erneuert worden, welche nicht oach demselben gesetz ent-
worfen und unter zugrundelegung einer bestimmten figur erbaut
worden würe.
Ist Hippodamos als bedeutend legitimiert, so dürfen uns zeit-
und lebensumstände interessieren. Ueber dieselben bietet
Aristoteles das wichtigste, die zweite oben genannte stelle ist der
locus classicus. Aristoteles begiont hier die untersuchung über den
besten staat mit einem referat über die ansichten derer, welche
vor ihm etwas darüber gesagt (d. h. geschrieben) hätten. Er nennt
drei: Sokrates in Platons xodsrefa und vouos, Phaleas von
Chalkedon und Hippodamos von Milet. Bei dem bericht über
den letzteren stehen in einem relativsatz interessante details über
sein leben und seine lebeusweise — so beiläufig, dass man die
ganze stelle als unmotivierte abschweifung dem Aristoteles abge-
sprochen und für einen zusatz etwa des Theophrastos erklürt hat 5).
4) Siehe übrigens anm. 40.
5) VI, 24, 2.
6) Dorier II, 250, Handb. der arch. 8. 111. Im selben sinne
Leake, Topogr. of Athens p. 18. 388.
7) De Hippodamo Milesio. Marburg 1841, p. 49 f.
8) So Susemihl nach Congreves vorgang. Der grund erscheint
nicht recht ausreichend. Wenn wir uns auch nicht der ansicht J. G.
Schneiders über diesen exkurs anschliessen kónnen: A. gratificari
voluit Atbeniensibus, quibus memoria Hippodami tam bene de
civitate sua imprimis de Piraeeo exstructo atque ornato meriti, non
solum . . . . . évaulos quasi et recens, sed grata etiam esse debebat;
so kónnte doch die absicht des Aristoteles, den ihn sichtlich interes-
sierenden mann mit einigen lebendigen strichen zu charakterisieren,
als genügender beweggrund für die abschweifung gelten. Für die
Bippodamos. 195
Wir setzen sie her: ‘Immodauos dì Etgupwrrog MiAiooc,] 0c xai
thy ıwv nodewy dealgecsy evge xa; 10v MMespasa xarérepev, yevo-
ptvoc xai megi tov aÀÀov Plor megstroregog dia quÀonulav ovrwe
Wore doxeiv Èrlosg Cov megeegyoregoy tosywv te Andes xal xoung
(var. lect. xoà xoouw modutedei), brs dé dc95rog (Ere dé fehlt in
einigen codd., xai xooum noAvreiei, én’ êo9nroç Bernays, xai xaà-
Awmoug ic95:0; Bender) evredovg uiv daÀttvzg dé ovx dv id
gt». porov GAA xai negi 109g Fegsvods yoovovs, Aoyiog dè
xai megì ınv OÀg» quoi elvus fovioutvog [mewros 1)» un nmoA-
tevoptvwr Èvigelonot ts negl. noAsıelug elm» 175 agfornc.
Aristoph. eq. 327 rügt der chor die schamlosigkeit des Kleon
bei der ausbeutung reicher fremden und fahrt fort:
o d’ ‘Innodapov AslBeras Dewpevog, tetram. troch.
mit metrischer schwierigkeit, da man nach analogie von Jnnodupag,
“Innodupesca und des Troers 'InzodGpog A 335 ein kurzes « er-
warten solle, Dazu das scholion: 6 d''InmoÓcuov: ovrog (zu
verstehen Hippodamos) à» JJesgussi xatoxes xai olxlur elyev, fvrreo
arnxe dnuocluv elvus. xaì ngwroç uvids 10» llugosk xara tà
Mndıxa ovrnyayer. jv dà "AInvaloig tlusos. mixewso ovv Akyes
on où pév (Kleon) draksog wy opereglles xui and mariwv xtQ-
dalvesc, 6 dé evvovotutos wr TH nodes xutadelBeras roig daxovoiw
avaklw>o Ogur 6e 1% TG noÀtwg xupnoduerov. Âuneiras (yág add.
©), noir, 6 "Agyentodsmos. ovrog yàg modla WykAnos tir mods
x«i oi uiv avtor pacs OQovgsov, of dà Supsor, où dì
Midnocor. Kikwrog dé dy9góg nv. “AMws: ‘Innodupos
póvog AelBeras xai mrıaras. dseBuddero yùo imi nolugayla o
"Innodapog* ws ov (xai add. ©) roù KA£wvog Gvros yacresuagyou,
ragevdoxıpovufrov dé tnd Innodunov, xéyentas 1j cvyxeloe
zencputate. Ouov yag xoi r0» ‘Innodapov x«l tov Kitwva
OsaBudde. Der verfasser des letzten werthlosen uèrooyed{uoua
las also ‘Innodapog und verstand vermuthlich gar nicht den ar-
chitekten. Das vorhergehende aber ist zu beachten.
Es folgen kurze lexika-artikel :
Harpokr. s. v. ‘/nnodapessu Zfguoc9£vg; dy to noo; Ty-
podeor (d. 22) àyoguv grow alvas èv Heguset xaudovptrov ‘In-
glaubwürdigkeit der angaben ists ziemlich gleichgültig, ob sie vou
Aristoteles oder Theophrast stammen.
13°
196 Hippodamas.
nodapsıav and [nmodüpov Midnotou agystéxtovog rov olxodo-
pnoau£vov 1oig ‘AInvalose ro» Hago.
Hesych. ‘innodapou vépnosc: ıöv ITespasà ‘Inncdapos, Ev-
guBoovrog naic, Ó xai pértwQoAoyog, distdev (dijdas codd.) ° A9n-
vuloss. ovrog dé mr xai È perosxijoas tlg Oovgraxovs (für carv-
gsxoug Valesius) MiAgoiog wy. |
Photios: 'Inzodauov vêueois (lies véunoss) dv. Mecgaset ny
dì Innôdupos Evouxoovrog Miijoios n Qovgsoc perewoodoyos
ovrog ditresmer "dO nvalos rov Iesqueù.
‘Innodupesu ayogug tonog xalouueros oviws 3» ITesgaiti,
óno Imnodáuov tov Midnolov dgyutxiovoc, tov ror Mesgasa xa-
TAdxevuicaviog xal 1àg ıng nokewç odovg. Letzterer artikel zu
korrigieren nach
Bekker Anecd. gr. I, 266: “Innmodapeu dyoga* tomoc dv
to ilugowi, ano ‘Innoddpou Minolou aeystéxtovog, nosncariog
* Adnvaloig 10» Tlegusd xoi xatuteporvtog 175 modews tag ódovg.
Was Suidas s. v. ‘Innodupesa yoga bietet, beruht auf
Harpokration; ferner giebt er s. v. Ae(Bexas einen auszug aus dem
genannten Aristophanes-scholion. Die sogenannte Kudokia giebt
natürlich nichts neues. '
Der hippodamische markt wird sonst noch erwähnt Xen.
Hell. 11, 4, 11, wo man eis :j» ‘Innodouesoy ayoguy liest;
[Demosth.] 49 ad Timoth. 2. 22, wo die handschriften zwischen
innodaply und ixnodauelg (ohne dyoga) schwanken; und And oc.
de myst. 2. 45, wo ‘Innodupelay (mit diesem accent) conjectur
Lobecks für das handschriftliche ixrodaular ist?). Nehmen wir
biezu noch die stelle des Strabon (XIV, 2, 9), an der er von
Rhodos sagt: 7 d& vor nóAw extlodn xaru ta [lshonovrnoiaxa
Und 100 aviov apyitéxtovosc, wo pacw, vg ov xai ö Ilsıpassvg,
ferner die fünf fragmente aus angeblichen schriften eines Pythago-
reers Hippodamos und eines H. aus Thurii bei Stob. 43, 92—94;
98, 71; 103, 26; eudlich die merkwürdige notiz bei Makarios
9) Da &oc das gewöhnliche bildungssuffix für adjektiva von per-
sonennamen ist, so wird die form Innod&usog zu verwerfen sein. Die
accentuation Innodaussa ist gesichert durch (trim. iamb.
Aristoph. Eccl. 1029: NEAN: xai tour’ dvayxy uovori; TP" diourdesa ye.
— ‘Innoduusos und ‘Innodauea &yoga aber müssen beide als korrekt
elten, da gerade bei derlei adjektiven schwanken zwischen swei und
drei endungen stattfindet.
Hippodamos. 197
(Paroemiogr. gr. ed. v. Leutsch-Schneidewin cent. IV, 79): 'Inmmo-
dapov víutcic (v£uroi; Leutsch) zgóg toùs ini To ysioov pera
Badiovrac; so glauben wir die direkt auf Hippodamos bezüglichen
alten schriftquellen erschópft zu haben.
Bei den klassischen griechischen historikern würden wir eine
erwühnuug seiner thütigkeit vergebens suchen. Herodot hat kei-
uen platz dafür, auch bei der beschreibung der geraden strassen
Babylons oder der gründung von Elea und Abdera fehlt ein ver-
gleichender hinweis auf den vewzegog rQónog, den er doch als ein-
wohner von Thurii kennen musste. Nicht auders Thukydides.
Ueber die gründung von Thurii schweigt er zwar überhaupt, und
bis zur erbauung von Rhodos reicht sein geschichtswerk nicht ;
aber des Hippodamos schüpfung im Peiraieus hütte er wobl gele-
genheit gehabt zu erwühnen, etwa bei dem bericht über die themi-
stokleische befestigung (I, 93) oder bei der schilderung der wirren
des jahres 411 (bes. Vill, 90). Bei Xenophon könnte man
eine notiz anlässlich der Epameinondas-städte Messene und Megalo-
polis oder Neu-Mantineia erwarten; doch verschweigt derselbe die
gründung der ersteren günzlich, bei der letzteren (Hell. VI, 5, 3)
sagt er nichts über die bauweise, Um so leichter begreift es sich,
dass spütere griechische und rümische sutoren den namen Hippo-
damos nicht mehr kennen. Er war verschollen; nur in Athens
hafenstadt erinnerte der nach ihm genannte markt noch lange, wohl
bis zur Sullanischen zerstörung, an ihn; und hier blieben auch wohl
die dürftigen daten bekannt, die dann von atthidographen aufge-
griffen ihren weg in scholia und lexica fanden.
Was auf grund der hiemit registrierten quellen über die le-
bensumstände des Hippodamos früher geschrieben worden ist, ist
vollkommen in schatten gestellt durch K. Fr. Hermanns monogra-
phie, io welcher sich der stoff ausgiebig und durchdacht behandelt
findet. Als fixpunkte für sein leben haben gedient:
1) Die anlegung der hafenstadt Peiraieus.
2) Die gründung von Thurii im jabre 443.
3) Die gründung von Rhodos im jahre 408/7.
4) Archeptolemos, des Hippodamos sohn, erscheint schon in
den Rittern des Aristophanes (aufgeführt 424) als ein mann in dem
alter, dass er selbständig eine gesandtschaft ausführt. 411 nimmt
198 Hippodamos.
er an der oligarchischen verschwôrung theil, wird nach dem sturze
seiner partei angeklagt und hingerichtet.
Das erste datum lässt sich mit dem dritten nicht in éinem
lebensalter vereinigen, wenn die anlage des Peiraieus mit der be-
festigung dorch Themistokles (479) gleichzeitig gewesen ist.
Trotz des Aristophanes-scholions (xaz& ta Mndıx«) hat man also
diese schöpfung des Hippodamos von der des Themistukles seit Ot-
fried Müller getrennt und sie in die zeit des Perikles (circa 450)
gesetzt. Und auch abgesehen von 3) ist diese ansetzung schon
aus dem grunde sicher, welchen Hermann mit den worten angiebt:
(Periclem) quum omnino praeter utilitatem etiam venustati atque
ornatui operam dedisse constet, ea quoque forma, qua Piraeeum ab
Hippodamo descriptum esse videbimus, multo magis decet. Themi-
stokles, dem die interessen der kriegerischen defensive in erster
linie stehen mussten (cf. Thuc. 1, 93), würde schwerlich eine bau-
weise haben auwenden lassen, die nach Aristoteles’ zeugnis gerade
militárisch die ungeeignetere ist. Eine derartige anlage passt da-
gegen in eine zeit, in welcher der neu eingerichtete hafen schon
aufgeblübt, durch das unbestrittene seeprincipat Athens ein gefühl
der sicherheit eingetreten war, und also die praktischen rücksichten
des geschäftsverkehrs und der bequemlichkeit sich geltend machen
durften.
Die weiteren, oben angeführten daten verbindet man nun nach
dem vorgange K. Fr. Hermanns folgendermassen zu einem lebens-
bilde 1°),
Hippodamos, des Euryphon soln, wurde um 475 zu Milet ge-
boren. Er siedelte nach Athen über und zeugte um 455 einen
sohu, Archeptolemos. Bald darauf übernahm er im auftrage des
Perikles die neuanlage des Peiraieus und wurde nach ihrer vollen-
dung mit dem athenischen biirgerrechte belohnt. Er blieb aber
nicht lange in Attika, sondern betheiligte sich 443 an der kolo-
nistenauswanderung nach dem zerstörten Sybaris, indem er die neue
stadt Thurii selbst anlegte. Seinen sohn liess er entweder in
Athen, oder schickte iho zu uubestimmter zeit dorthin zurück, da-
mit er sich dort an der politik betheiligte, blieb jedoch selbst in
Thurii. Endlich unternahm er, indem er seinen sohn um mehr als
10) De Hipp. Mil. p. 17 f.; Pauly's Realencyclopüdie; W.
Smith, Dictionary of biography and mythology.
Hippodamos. 199
drei jahre iiberlebte, als greis ums jahr 407 noch die anlage der
neuen stadt Rhodos.
Fast sámmtliche vou diesen angaben aber ruhen auf einer sehr
unsicheren grundlage. Schon der name des vaters schwankt zwi-
schen Evgvgwy (Aristoteles), Evovxowv (Photios) und Edgufowy
(Hesychius). Streichen wir auch mit Hermann die letzte form (8 und
x in minuskel leicht verwechselt), so lüsst sich doch gegen keine
der beiden andern etwas einwenden, wenn man nur nach Hermanns
vorgang den genitiv der zweiten in EvQvxoovrog ändert. Jeder
von beiden namen lässt sich noch einmal nachweisen: Evgupwy
Phot. cod. 167, Evguxomy Quint. Sm, 13, 210. Es steht also hier
überlieferung gegen überlieferung, und die sache ist zweifelhaft,
Dano ist aber die identitat des architekten Hippodamos mit
dem vater des nach dem sturze der vierhundert hingerichteten oli-
garchen und freundes des Theramenes ° Aoyent6deuos ‘Innodapov
’AyovAnder!!) nicht nur unerwiesen, sondern ganz unwahrschein-
lich !?). Es stützt sich dieselbe nur auf den gleichen namen und
auf das Aristophanes-scholion. Aber dieses beweist nicht einmal,
dass der scholiast den Archeptolemos für einen sohn des architekten
gehalten hat. Allerdings ist das scholion in verwirrung. Dieser
hat jedoch schon Meier !?) dadurch abgeholfen, dass er den satz xai
oí uiv uvror . . . Miroir umstellte und auf Hippodamos bezog.
Eine weitere umstellung, wie sie Ribbeck !*) vornimmt, ist durch-
aus nicht nóthig. Jetzt geht das erste scholion bis xaQzovgtvos,
und es gehören noch die worte dazu: xai oí piv uvioy . . . Mi-
Anosov, welche ihre stelle wohl am besten hinter cvr7yuyev finden.
Das zweite beginnt mit Auzetzas:, noir, 6 ’ Aoyemiodepos, und
passend hat Meier davor ein «AAwg eingesetzt. Der erste scholiast
las überhaupt nicht o d’ ‘Innodupov, sondern 6 d’ 'Innodupozc,
ebenso wie der verfasser des dritten scholions !5). Diesen Hippo-
damos erklürte er als den berühmten architekten, Den selisamen
11) Dieser ist, abgesehen von dem oben behandelten scholion,
bekannt aus Arist. Eq. 794 mit scholien, Lysias 12, 67 und dem in
Pseudoplutarchs leben Antiphons erhaltenen verurtheilungsdekret.
12) Wie sie denn auch weder von Hermann, noch in den lexika
mit entschiedenheit behauptet wird.
13) Philolog. blätter, Bresl. 1817.
14) Ausg. der Ritter, Kommentar.
15) Auch bei Suidas las man vor Bernhardy in dem citat aus
Aristophanes s. v. Asifaeze) den nominativ.
200 Hippodamos.
anachronismus (Ribbeck). dass Hippodamos in der Perserzeit den
Peiraieus gebaut haben und noch zeitgenosse des Kleon sein soll,
kann man einem scholiasten allenfalls zutrauen. — Der zweite
scholiast las 0 d’ “Innod«pov und erklärt dies von Archeptolemos,
der ja anerkanntermassen der solın eines Hippodamos war; nur
Sagt er kein wort darüber, dass es der architekt gewesen.
Gegen die identitát spricht aber:
1) Die metrische schwierigkeit bei Ar. eq. 327.
Gewiss kann unter dem hier genannten sohn des Hippodamos nur
der damals allbekannte Archeptolemos verstanden werden. Bei
einem Athener wäre nun ein dorischer name 'Inzod«pog für In-
nodnuos nicht unerhürt — vergleiche die von "demselben stamm
gebildeten namen der Athener * Agy(dupos Andoc. 1, 35 und ” 40-
zédapos Isaeus 7, 13; von andern dorismen in Attikernamen zu
geschweigen — fiir einen bürger der durchaus ionischen stadt
Milet hingegen sehr auffallend 39). Nehmen wir also an, der vater
des zur optimatenpartei gehörigen, mit den Spartanern in verbin-
dung stehenden?!") Archeptolemos habe den dorisierenden namen
‘Innodapos geführt, so ist die Aristophanesstelle in ordnung, und
wir können der zahlreichen besserungsvorschläge entrathen. —
‘Innôdnuos würde Rossgau heissen (vgl. Siodnuocs, “Egpodnuog,
Kygsoodnuos, Osusorodupog u. a.) Man verfuhr ja mit der bil-
dung neuer namen frei und nach laune. ‘Zrxodauos, allerdings
obne dass die quantität erkennbar wäre, erscheint als Spartaner-
name bei Plutarch Apophth. Lac. s. v. und bei Athen. X, 452.
2) Archeptolemos muss, wie seine politische thütigkeit zeigt,
attischer bürger gewesen sein. Man hat deshalb angenom-
men, sein vater Hippodamos habe zur belohnung für den durch aus-
bau des Peiraieus dem staate geleisteten dienst das bürgerrecht
erhalten. Das wäre an und für sich wohl möglich. Aber merk-
würdiger weise wird Hippodamos als Milesier, Thurier, auch als
Samier bezeichnet, aber nirgends als Athener. Sollte erst Archepto-
lemos in den attischen bürgerstand aufgenommen worden sein, auf
16) Den 4äuıs aus der Branchideninschrift CIG II, 2859 — doch
wohl aus spüter Ptolemüerzeit? — darf man mir wohl nicht entge-
genhalten.
17) Darauf deutet hin Arist. Eq. 794.
Hippodamos. 201
grund eines verdienstes, von dem wir nichts wissen!5)? Auch ent-
spricht die art seines politischen verhaltens als Spartanerfreund und
oligarch durchaus nicht der annahme, er oder sein vater seien
dnponoltntos gewesen.
3) Der architekt Hippodamos besass nach einer gauz unver-
düchtigen scholiasten-notiz ein haus im Peiraieus (Phyle '/7-
moJowvi(c) !?). Archeptolemos aber war aus Agryle (Phyle ’Ege-
z9nts). — Das haus im Peiraieus bat Hippodamos dem staate
geschenkt 2°); das erscheint bei lebzeiten eines in Attika ansässigen
sohnes wunderlich, nach dessen hinrichtung undenkbar ?!),
Schon Hermann sieht in dem versuche, alle zeugnisse, die sich
auf Hippodamos beziehen, zu vereinigen, paene nimia artificia und
ist geneigt, zu gunsten der anlage von Rhodos die identifikation
mit dem vater des Archeptolemos aufzugeben. Nach der obigen
ausführung ist letzteres um so nöthiger, als dieselbe ganz unbe-
zeugt dasteht.
Bedeutend besser stebt es mit der übersiedelung nach
Thurii. Allerdings darf man aus der regelmassigkeit der an-
lage dieser stadt, wie sie Diodor (XII, 10) beschreibt, keinen
schluss auf die persónliche betheiligung des architekten bei
der gründung ziehen. Denn nichts ist natürlicher, als dass die
athenischen gründer, Lampon und Xenokritos, bei der neuunlage
den bauplan des Peiraieus nachahmten, der wenige jahre vorher
vor ihren augen erstanden war. Aber zweimal finden wir den
architekten Hippodamos als Thurier bezeichnet; bei Photios und
im scholion. Für beide stellen müssten wir eine verwechslung mit
18) Man müsste denn das nolla wgélncs rj» nods» des scholiasten
so deuten wollen.
19) Hiezu war nicht erforderlich, dass er attischer bürger war.
Cf. Hermann de Hipp. Mil. p. 14 f.
20) Ob die schenkung so zu verstehen sei, dass Hippodamos bei
der durchführung seines neuen planes dem staate das ihm früher ge-
hórige haus zum einreissen überlassen habe — eine annahme, der
Hermann zuneigt — bleibt zweifelbaft. Ich möchte eher glauben,
dass ihm nach der reform eines der neuen häuser eingeräumt worden
sei, mit der erlaubnis, als fremder im Peiraieus zu wohnen; und dass
er dasselbe bei der übersiedelung nach Thurii dem staate wiederge-
schenkt habe.
21) Die chronologische schwierigkeit, dass A. 425 als
gesandter (Eq. 794; Thuc. IV, 41) schon mindestens 30jährig war,
sein vater aber 407 noch Rhodos gebaut haben soll, will ich nicht
betonen, da die letztere annahme überhaupt unsicher íst.
202 Hippodamos.
dem (später zu behandelnden) Pythagoreer Hippodamos aus
Thurii annehmen ??), wenn wir an die auswanderung unseres
Hippodamos nicht glauben wollen. Da nun aber auch bei Hesych.
das verderbte ovrog 7v xai 6 neroxnoug elg Gurvgsxoës schlagend
in @ovysaxovc ?®) verbessert worden ist, so wäre weitere skepsis
wohl übertrieben.
Am allerschlechtesten bezeugt ist endlich die gründung der
stadt Rhodos durch Hippodamos selbst. Strabon ist der ein-
zige, der das erwähnt, und zwar mit einem vorsichtigen @g ous.
Als subjekt dazu dürfen wir uns wohl die Rhodier, vielleicht die
rhodischen lokalschriftsteller “*) denken. Den werth einer solchen
400 jahre nach der grüudung zuerst auftauchenden stadttradition
müssen wir einschrünken: sie beweist nur, dass Rhodos nach hip-
podamischen priocipien angelegt worden ist, nicht aber dass Hippo-
damos persönlich den bau geleitet hat 25).
Die fragmente bei Stobäus bringen keinen gewinn. Es
sind fünf im ganzen, alle im dorischen dialekt geschrieben: vier
aus einer schrift megi modirelus des Pythagoreers Hippodamos, eines
aus einer schrift megi eudusuovlag des Thuriers Hippodamos *9).
Die beiden verfasser zeigen sich aber et placitorum indole et toto
scribendi genere (Hermann) als dieselbe person. Nun ist bei beur-
theilung von Pythagoreer-schriften vorsicht sehr von nóthen, da sie
meist unter falschem namen gehn. Dies ist nachgewiesen von den
angeblichen schriften des Pythagoras selbst, des Timäus, der Theano
etc. ?). Auch von diesen fragmenten hat Hermann gezeigt ??), dass
22) Diese annahme gewönne durch die tbatsache eine gewisse
basis, dass von dem Pythagoreer Hippodamos eine schrift megs nol;
zsiag existierte, während der architekt nach Aristoteles’ angabe zepi
molsreiac Ti doiorye geschrieben hatte.
23) Die form Qovgsexos für die einwohner ist durch Steph. von
Byz. bezeugt.
24) Es gab mehrere: Ergias, Polyzelos, Zenon.
25) Hippodamos künnte mit den anhüngern Athens 412 (Wachs-
muth, Hell. alterthumsk. I, 8. 86) aus Thurii vertrieben nach dem
osten zurückgekehrt sein.
26) Harless berichtet in Fabric. bibl. gr. I, 849, Arsenius (XV—
XVI. saec.) habe in seiner iw» fragmente aus Hippodamos. Diesel-
ben sind jedenfalls aus Stobüus geschöpft. Die einzige yrœur des
Hippodamos nämlich, die ich bei Arsenius im corpus paroem. gr. (ed.
v. Leutsch-Schneidewin Il, 419) gefunden babe, stammt aus Stob.
43, 94
' 97) Eingehend Zeller, Philos. der Gr. I, 209 f., II, 85 f.
28] De H. M. p. 38 f.
1 Ce
.
Hippodamos. 208
sie aus einem gemisch von platonischen und aristotelischen ideen be-
stehen , und möchte sie ins zeitalter der Ptolemüer setzen. Zeller
verweist derartige schriften in das letzte jahrh. vor und das erste
nach Chr. Gewiss also stammen sie nicht von unserm archi-
tekten ??).
Auf diese weise erledigt sich einfach ein alter streit, der sich
einst zwischen Muret und Vettori entspann und bis zur gegen-
wart fortdauert; nümlich darüber, wie sich die verschiedenheit der
von Aristoteles (Pol. II, 5 (8)) kritisierten theoreme des archi-
tekten Hippodamos von den in diesen fragmenten ausgesprochenen
erkläre 5°). Muret beschuldigte Aristoteles der son satis bona
fides, wogegen Vettori die verschiedenheit der beiden Hippodami
behauptete. Noch neuerdings will Barthélémy St. Hilaire in
seiner ausgabe der politik dem Aristoteles eine inexactitude zu-
schreiben. Zur erklärung der thatsache, dass die fragmente dorisch
geschrieben sind, giebt er zu bedenken, dass Milet, die vaterstadt
des Hippodamos, bien qu'en Jonie, wne colonie crétoise (!) gewe-
sen sei.
Wenn aber auch jene fragmente mit dem architekten nichts
zu thun haben, so bleibt doch die person eines Pythagoreers Hip-
podamos aus Thurii bestehen. Ausser jenen bruchstücken haben
wir nämlich noch bei Suidas 5?!) die notiz, dass die Pythagoreerin
Theano ihre schrift 750; dgcrzc dem Hippodamos aus Thurii
gewidmet habe. Entweder ist nun dieser Hippodamos aus Thurii
ein obskurer skribent aus späterer zeit, und die fragmente sind
unter dem richtigen autornamen überliefert. Oder es ist ein ülterer
Pythagoreer, dem die abhandlungen wegi modsteluc und megi evdas-
pov(ag untergeschoben waren.
Bei dem in diesen späteren Pythagoreer - schriften vorherr-
schenden streben, sich mit einem alten namen zu decken, möchte
ich mich, trotzdem der name eines Pythagoreers Hippodamos sonst
nicht, auch nicht in der liste des Jamblichus, erwähnt wird, für
29) So auch Susemihl in der ausg. von Arist. Pol. anm. 250.
30) S. Fabricius a. a. o.
31) S. v. Qeava: Metanovtivy } Govoia, Nudcayogsia, Fvydrno Atw-
goovos, yausm de Kapgdorov 7 Koorwvos 7 Bowrivov rov [1v9ayópov, nsi
apsıns Innodau® Oovpig. Die verschiedenen namen der gatten zei-
gen, dass hier mehrere frauen namens Theano vermengt sind. Es
wird sich also aus diesem artikel über die zeit der schriftstellerin
und damit des Hippodamos nichts ausmachen lassen.
204 Hippodamos.
die zweite müglichkeit entscheiden. Ist aber dieser Pythagoreer
Hippodamos, dem man jene schriften unterschob, mit unserm ar-
chitekten identisch ?
Die thatsache, dass der architekt vegi zoAstelug 175 doloms
geschrieben hatte, kóunte zur bejahung der frage bewegen. Aber
der falscher konnte doch wohl nur aus Aristoteles wissen, dass
Hippodamos seg? rodsrelas geschrieben; und dann sollte er seinem
Pseudohippodamos lehren in den mund gelegt haben, die mit dem
aristotelischen Hippodamos ganz im widerspruch stehen?
Umgekehrt muss man die möglichkeit zugeben, dass der ar-
chitekt, der durch seine geometrischen studien und sein streben,
Adysog negè ijv OÀg» quo zu sein, wohl eine geistesverwandt-
schaft mit den pythagoreern zeigt, in Thurii sich ihrer schule an-
geschlossen habe. Aber auch nur die möglichkeit. Zur endgiltigen
entscheidung dieser frage fehlt die handhabe.
Soviel über die lebensumstünde des Hippodamos. Für das fol-
gende müssen wir daraus vor allem drei thatsachen festhalten: die
stadt Peiraieus ist unbestritten von ihm selbst an-
gelegt, Thurii verräth seinen einfluss, Rhodos galt
als hippodamische anlage. Von diesen drei städten haben
wir also auszugehen, wenn wir die kunst des Hippodamos aus sei-
nen schópfungeu kennen lernen wollen. Bevor wir aber an diese
untersuchung gehn, ist zuerst ein blick auf die stellung des
Hippodamos in und zu seiner zeit angezeigt, und auf die
principien seiner kunst, wenn sich so über dieselben etwas
a priori ergeben sollte.
Il.
Hippodamos heisst «Qrysrzí£xzwv und uerew@040yo0g bei
den lexikographen. Durch den letztern ausdruck wird er als ma-
thematischer theoretiker bezeichnet: denn wenn auch das
wort zunächst nur auf astronomie geht, so ist doch die beschäfti-
gung mit derselben, zumal in jenen anfangen der wissenschaftlichen
erkenntois, nicht von dem mathematischen studium zu scheiden.
Als philosophischen theoretiker behandelt ihn nur Aristoteles.
Auf die nähere beleuchtung seiner philosophischen lehren und seiner
geistesrichtung °?), die wohl mit recht sophistisch genannt worden
32) Die aristotelischen mittheilungen über seinen äusseren ha-
bitus geben hier einen interessanten beitrag.
Hippodamos. 205
ist, ists nicht nöthig einzugehen; man darf auf die abhandlung
Hermanns und den kommentar Susemihls zu der politik verweisen.
So bleibt uns die würdigung des Hippodamos in jenen beiden ei-
genschaften.
Als deystéxiwy steht Hippodamos isoliert da, weil er der erste
ist, der systematische kunst auf privathäuser anwandte. Des-
halb verspricht ein vergleich mit den gleichzeitigen meistern grosser
kunstbauten, wie Iktinos und Muesikles, wenig aufschluss. Um so
mehr darf man Hippodamos als petewgodcyog mit seinen vorgün-
gern und zeitgenossen in verbindung setzen. Die geschichte
der mathematik ist es also, die uns hier die wege bahnen sollte.
Leider tappt sie selbst bedenklich im dunkeln, und es ist nicht viel,
was wir aus Montucla 35) und Cantor *) entnehmen können.
Gerade Hippodamos’ vaterstadt war der sitz der ersten mathe-
matischen schule der Griechen gewesen. Thales hatte hier unter
verwerthung der iu Aegypten empfangenen anregung den grund
zu einer mathematischen wissenschaft gelegt. Von der ionischen
schule ging die mathematische erkenntnis nach Unteritalien über,
wo sie grosse förderung erfuhr. Wie Pythagoras sich mit
volistem eifer der geometrie widmete, ist bekannt. Er lehrte unter
anderem °°), dass wie die schönste aller körperlichen figuren die
kugel, so die schönste aller flächenfiguren der kreis sei. Derlei sätze
werden bald gemeingut geworden sein.
An mathematischen instrumenten haben wir uns in den
händen dieser ersten mathematiker zu denken: lineal (xarwy, re-
gula), zirkel (dsaByznc, circinus) und winkelmass (norma) **), Das
lineal, naturgemäss das erste werkzeug zum figurenzeichnen, be-
darf kaum des erfinders, weshalb auch niemand als solcher genannt
wird. Auch die anwendung des zweiarmigen zirkels ist sehr
alt, da man ihn dem neffen des Daedalus, Perdix, verdanken wollte 27),
Das winkelmass aber ist nach Plinius °°) durch Theodoros von
Samos erfunden, übrigens, wie wir aus der abbildung einer ägypti-
33) Histoire des mathém. Paris an VII.
34) Vorlesungen über gesch. der math. Leipzig 1880.
85) Diogen. Laert. VIII, 1, 19.
36) Ueber die griechische bezeichnung s. p. 209.
97) Hygin Fab. 274.
88) N. H. VII $. 198.
206 Hippodamos.
schen schreinerwerkstätte °°) entnehmen, schon lange am Nil be-
kannt gewesen. Nach Vitruv (IX, 2) zeigte Pythagoras zuerst,
wie man dasselbe sine artificis fabricationibus einfach dadurch zu-
sammenstellen könne, dass man drei lineale von den verhältnissen
8 : 4: 5 zu einem dreieck verbinde.
Hippodamos' vaterstadt war nicht lange vor seiner geburt durch
plünderung und wegführung der griechischen einwohner von seiner
höhe gestürzt, dann aber durch die griechischen freiheitskriege von
persischem joche erlöst, nach dem beitritt zum attischen bunde wie-
der zu einer gewissen blüthe gelangt; als politischer und geistiger
mittelpunkt für das ionische Griechenland aber musste von nun an
Athen gelten. — lo der emsigen handelsstadt musste die rücksicht
auf das praktische bedürfnis obenan stehen.
Das sind einige fragmentarische andeutungen über den bil-
dungsgang und den ideenkreis unseres architekten. Ausmalen ist
hier leichter als sicheres geben *°).
Er scheint sich jetzt die aufgabe gestellt zu haben: für eine
gegebene anzahl von einem gemeinwesen angehörigen menschen
wohnplätze zu schaffen, die für alle pruktischen lebensbedürfnisse
die grösstmöglichen bequemlichkeiten bieten.
Wollte Hippodamos die lösung auf methodischem wege finden,
so musste er zunächst auf einen mittelpunkt bedacht sein. Als
solcher bot sich ihm aufs natürlichste die dyoga. In ihrer dop-
pelten bedeutung als platz zur volksversammlung und als kauf-
markt musste sie jedem Griechen als das wichtigste und erste bei
einer auf die praktischen bedürfnisse des friedens ausgehenden
städteanlage erscheinen.
Sollte nun die gesammte einwohnerschaft der stadt zu diesem
mittelpunkt den möglichst kleinen weg haben, so mussten die pri-
vathäuser um die «yog« herumgelegt werden, und zwar kreis-
förmig *!). Das naturgemäss rechtwinklige wohnhaus führte zur
viertheilung der ganzen kreisfliche. So war die erste
39) Cantor a. a. o. p. 56.
40) Deshalb habe ich auch vermieden, von einem einfluss der
grossen bauten des ostens (wie Babylons) auf Hippodamos zu
sprechen, den anzunehmen ich sebr geneigt bin.
41) Der kreis bat von allen figuren mit gleichem umfang den
grössten inhalt. Vgl. den oben citierten satz des Pythagoras.
Hippodamos. 207
grundform gefunden als kreis, der durch zwei sich rechtwinklig
schneidende durchmesser getheilt wird.
Sobald aber Hippodamos an eine praktische durchführung die-
ses prototypons dachte, musste er einsehen, dass das terrain die-
selbe häufig erschweren, ja ganz unmöglich machen müsse. Als
vornehmlich zu beachten ergab sich der fall, dass für die anzule-
gende stadt eine unverrückbare grenzlinie, z. b. ein küstensaum,
gegeben wäre.
Um auch dieser aufgabe zu genügen, musste Hippodamos seine
grundform halbieren, und um die gegebene linie seine stadt halb-
kreisförmig aufbauen.
Die erste form möchte ich die kyklische, die zweite die
hemikyklische nennen.
Die quellen, auf denen diese ausführungen basieren, lasse ich
folgen. Unbedenklich habe ich dabei, was von einer neuen oder
regelmässigen städteanlage gesagt ist, auf Hippodamos bezogen.
Aristoteles spricht von der jüngeren art; also gab es nur eine.
Aristoph. Av. 995 f.: Meton will den neuen Vogelstaat
vermessen:
995 yewpergioas Bovioucs róv aéga
vutr, diedeîv 18 xata yvag (aus xar' dyvicg Dawesius) ...
— ITEIO- siné pos,
ravi) dé cos 1 fous M* xavoves akoos.
1000 uvríxa yaQ ane tors r)» Idéur 0406,
xata nvıyla wulıcıa. mgooteic ovv dyo
Tov xavor urwdey Tourori TOY xaunvior,
èr9eis diaßnınv — parures; IT: ov pavdavo.
M: 609 pueronow xavovi ngocriOctc, Ivo
1005 © xvxAog yévgrat gos tetguywvos, xáv wlow
ayoga, pigovoas d’ wow slg adıny odoi
dedui mQóg avib 10 poor, woneg d’ aortgos
uvtov xvxdotegous Ortog 69 Jui nartay i
axtiveg & nolui.
Die 'angabe der operationen Metons erscheint verworren. Kein
wuuder also, wenn manche überlaupt darauf verzichtet haben, in
den worten einen vernünftigen sinn zu finden 42). Dass aber der
42) Schol.: inimdes adsavonta ; Ch. D. Beck: plane inepta, was ja
der xavwy xaunéloc und xüxlos s1Qdáywrog zeige.
208 Bippodamos.
meister der feinen komik den verdienten und stadtbekannten mann
dadurch hätte lächerlich machen wollen, dass er ihm puren blödsinn
in den mund legte, ist von vornherein nicht glaublich. Viel besser
würde es sich schicken, wenn er auf wirkliche ideen desselben ein-
gegangen wäre, während nur durch die groteske anwendung der-
selben eine komische wirkung beabsichtigt würde. In der that glaube
ich seine geometrische konstruktion als ganz korrekt erklären zu
können, indem ich das komische — abgesehen von den gewiss un-
behülflich grossen instrumenten — nur in der beziehung der ganzen
theorie auf die luftstadt finde. Ich übersetze folgendermassen:
M.: Ich will euch die luft vermessen und eintheilen in juchert.
— P.: Sage mir, wozu dient dir aber dies? M.: Das sind luft-
lineale. Denn luft ist eben ihrer art nach solide, besonders
in der luftdruckmaschine (d. h. besonders an dem hydrau-
lischen instrument mrysv; erkennt man, dass luft nicht gleichbe-
deutend mit leerheit, sondern etwas körperliches ist. Daraus schliesst
Meton, man könne sie auch messen wie die erde). Von oben lege
ich nun an (die zu vermessende luft) dieses zweiarmige lineal
(winkelmuss), setze den zirkel ein (nämlich den einen fuss in den
innern scheitel des winkelmasses; mit dem andern schlägt er, wüh-
rend der frage puvFuvec; und der antwort des Pythagoras den
viertelkreisbogen innerhalb der beiden schenkel, markiert die end-
punkte und zieht dann nach weguahme des winkelmasses den gan-
zen kreis). Nun lege ich ein grades lineal an und vermesse
damit (Meton zieht von den vorhin erwühnten endpunkten aus die
durchmesser), damit der kreis dir vierwinklig wird (nicht zu
einem viereck), und in dér mitte der markt, und grade wege
auf ihn führen genau zur mitie, und wie grade strahlen eines
sterns, der selbst kreisförmig ist, überall ausstrahlen.
In der auffassung des xuxAog terguywrog — nicht als qua-
dratur des zirkels, wie unter andern Montucla *5), bin ich der ge-
wiss richtigen ansicht Kocks **) gefolgt. Dieser versieht es aber
darin, dass er, weil der xarw» überall nur zur ziehung von graden
linien diene, xapnwAog nicht zu xara)», sondern zu dsußyrng ziehen
will. Der später auftretende Gg9d¢ xavu beweist sicher, dass
43) Histoire des math. I, 168.
44) Anm. zu der st.
Hippodames.. 209
auch xapxviog xavwy zusammengehört. Gewiss dient der xavojy
nur, um grade linien zu ziehen. Aber xuuruloc x. heisst auch
nicht krummes lineal, sondern gebogenes, d. h. zwei rechtwinklig
zusammengesetzte lineale, winkelmass. Gegen Kock ist diese über-
setzung des adjektivums natürlich gerechtfertigt, dean ich kann ge-
wiss ein winkelmass mit demselben rechte xuuruloçs nennen wie
einen zirkel. Zu der bedeutung des stammes xuun gehört aber
überhaupt nicht nothwendig die kurve. Wie hatten sonst die Grie-
chen yore xuumısıy und xau qínov; sagen können ?
Allerdings heisst xurwy zunächst lineal, und eine andere stelle,
wo es ganz ausschliesslich nur winkelmass bedeuten könnte, finde
ich nicht. Dieses heisst vielmehr yrwuwr. Auch ist letzteres wort
in diesem sinne nicht etwa jung. Denn die anwendung, welche
die Pythagoreer davon machten — nämlich zur bezeichnung von
komplementürzahlen, die zu quadratzahlen addiert wieder quadrat-
zahlen geben *°, — ist schon eine übertragene, von der bedeutung
winkelmass hergeleitete *). Aber sowohl bei Plato wie bei Xe-
nophon 7) möchte man einmal der hinzugefügten orx un wegen —
die ja zu graden linien dient — xarwy lieber als winkelmass fas-
sen. Für unsere stelle wird meines dafürhaltens die bedeutung
durch die gegeuüberstellung des 60905 und des xaunvAog xurwr
sicher gestellt 4°).
Es bleibt mir die rechtfertigung meiner übersetzung des z»,-
ytvg übrig. Die scholien geben: .fídvuog' rovro; dng dow rj
yl ntguxe(utvog, Oposos mye, xudamegei TU 1 negixelpevoc,
und m»yevc dè 6 xgíflavog (backgeschirr) n 7 xausvoc. Wir
kommen dadurch zu einem sinne wie nub, 95 f.:
évruvd” dvoixovc! uvdgeg of 10v ovgavdy
A£yovieg avant(Jovow wg doiiv aveyevs,
xüGI meoì Nuns oviog, mutig d ávOgaxe,
45) So schon in den wahrscheinlich echten fragmenten des Phi-
lolaos, s. Boeckh Phil. p. 141 £.; vgl. auch Arist. Categ. 11, 4.
.46) Deber die entwicklung der bedeutung von yyw wy siehe auch
Cantor, Vorl. p. 136.
47) Phileb. 56 B; Ages. 10, 2.
48) Dass der ausdruck yyuuwr für winkelmass nicht so stehend
war, dass daneben nicht auch andere bezeichnungen gebraucht wer-
den konnten, zeigt dus vorkommen von ngocaywysioy = winkelmass
in der lebadeischen bauinschrift. Fabricius, De archst. gr. p. 72.
Philologus. XLII. bd. 2. 14
210 Hippodamos.
wo die scholien wieder zu mriyeës sagen: ovrwç 0 xgfBavog xv-
olws onov of urdgaxes ovunviyorıoı, und erklären, dass Kratinos
den philosophen Hippon ebenso verspottet habe, wie hier Aristo-
phanes den Sokrates. Man fragt aber billig, was der vergleich
der luft — nicht des himmels — mit einem kohlen- oder
backgefäss hier (in den Vögeln) solle. Auf die frage des Peithe-
tairos nach den luftlinealen schickt sich eine erklärung darüber,
wie eine messung der luft vorgenommen werden könne. Dazu ist
zuerst nöthig, dass die luft körperlich ist. Den beweis dafür
liefert meiner ansicht nach Meton hier genau so, wie Heron am
aufange seiner z»vevuarix&. Letzterer nämlich giebt als probe an *?):
ein anscheinend leeres gefäss, umgestülpt ins wasser gedrückt, fülle
sich nicht; also sei die luft ein owuu. Ein solches umgestülptes
gefäss heisst nämlich z»yevc. Wir finden dasselbe angewandt in
Herons eben citiertem werke bei drei verschiedenen maschinen, die
in der pariser ausgabe abgebildet sind °°), Der svrsyevc hat hier
eine konische oder halbkugelförmige gestalt und dient dazu, an der
ersten maschine beim untersinken ins wasser die luft durch eine
trompete zu stossen; bei der zweiten durch ein pfeifchen; bei der
dritten ist er luftregulator für ein orgelwerk. Die art, wie Heron
von dem mreyevç spricht, zeigt, dass es ein technischer ausdruck
der mechaniker war.
Der zeitraum zwischen Meton und Heron wird uns gewiss
nicht verbieten anzunehmen, dass schon zu des ersteren zeiten xrs-
yeus terminus technicus im selben sinne gewesen sei. Vermuthlich
hatte Meton © ras xggvag aywr °!) sich auch mit solchen instru-
menten beschàáftigt, vielleicht einen stadtbekannten apparat kon-
struiert, der auf dem princip des luftdrucks beruhte, an welchen
dann jeder Athener bei den worten seines alterego in der komödie
sofort dachte. -— Daraus dass Aristophanes das wort »viyeug
einmal — in den wolken — wirklich für das koblengefiss ge-
braucht hat, folgt natürlich nicht, dass er es überall so gebraucht
haben müsse. Auch noch in einer dritten bedeutung kommt es
bei ihm vor. nämlich für einen klemmenden pferdezügel 9°).
49) Veteres Mathem. Paris 1693 p. 146.
50) Auf p. 171. 220. 227.
51) Suidas s. v.
52) Pollux X, 54, cf. Etym. M. s. v.
Hippodamos. 211
Das wort 5A oc fasse ich, si lectio sana, als term. techn.
Metons für das, was später oda hiess, und berufe mich auf die
stammverwandtschaft mit dem lateinischen solidus.
Was Meton aber über den plan der luftstadt entwickelt, ist
nichts anderes als das kyklische princip des Hippodamos,
der also in Athen schule gemacht hatte. Dass dieser nicht selbst
dem komiker herhalten musste, erklürt sich wohl am besten daraus,
dass er sich nicht mehr in Athen befand, vielleicht nicht mehr
lebte.
Auch in einer platonischen stelle, Leg. p. 778 B f, er-
kenne ich ohne bedenken den einfluss hippodamischer ideen. Zu-
nächst darin, dass die «yog« den mittelpunkt der platonischen
idealstadt bilden soll; die heiligthümer nämlich und neben ihnen die
oleosi deyovrwy xal dixuGrnglwr sollen theils um diese herum,
theils iy xuxäm um die ganze stadt an den umliegenden héheu
vertheilt werden. Noch klarer uber in der folgenden vorschrift:
1&g olxodou(ag yon te 10v ldíuv olxfoswr ovrog ?E ueyns. Bud-
AtGJ us, onwe adv n nüGa y now Er reéiyoc, Spudoints xai Ouo10-
maw elo zug ódovg nucwr iv olxioewr eyovowy evéoxesur ldeiy
te ovx andic uság olx(ag Gy p a èyovons atio 55), elg ze any
176 gwAaux;c buorwrpr 0Àq xai maviù ngóg Owrnglur ylyvost uy
dsapogos.
Aristoteles dagegen in der von stadtanlagen handelnden stelle
der politik 5°) nimmt überhaupt für seine musterstadt das hippoda-
mische princip der eintheilung der privathüuser ausdrüchlich nicht
vollstándig an, sondern kombiniert es mit der ältern art. Kein
wunder also, dass er bezüglich der «yoga nicht das hippodamische
princip vertritt.
Zur oben vorgeschlagenen scheidung von kyklisch und hemi-
kyklisch 55) vergleiche Vitruv 1, 7, 1: et si erunt moenia secundum
mare, area tbi forum constituatur eligenda proxime portum,
sin autem mediterranea, in oppido medio. Und über Halikar-
nass ll, 8, 11: is .. locus est theatri curvaturae sr
53) Gerade dieser rühmt der rhetor Aristeides von der hippo-
damisch angelegten stadt Rhodos, 1, 799 Dind.
54) IV (VII), 10 (11).
55) Griechisch Seatgossdys Diod. Sic. XIX, 45, 3. XX, 63, 2.
14^
212 Hippodamos.
milis, itaque in imo secundum portum forum est consti-
fufum.
Erwühnt muss noch werden, dass man durch die in den phi-
losophischen theoremen des Hippodamos gern angewandte drei-
theilung darauf geführt worden ist, auch in seinen städteanlagen
eine principielle scheidung in heiliges, staats- und privatgebiet zu
suchen. Ob dieselbe vorhanden ist, muss der befund der alten mo-
numente lehren °°); aus Aristoteles folgt sie nicht. xateoxevate
dé (‘Innodapos) — so heisst es bei ihm!) — rv sow rd
nÂndes uiv puglavdoor, eis rela dé uton dinonutvgv: enoles yàp
fv uiv ufgog reyrltac, ‘fv dà yewoyous, teltov dé To ngomolsuovv
xai ta Onda Eyov. dırgsı d' elg rela u£or [xai] thy ywoav, rz»
pév ispav 14v dì dnuoclar 12v 0 Idlavı 09tv uiv za vopstoperu
momgove: nQog roùç Feovs, ieQuv, dg wy d’ ob moonodepovrieg
Bıwoorıas, xownv, thy dé rv yewoywv Îdlar. Augenscheinlich
ist hier wodsg = modtias; die dreigetheilte ywoa aber ist acker-
land, nicht baugrund.
Suchen wir jetzt einen passenden namen für die neue bau-
form, so kann sie gewiss rationell und symmetrisch heissen, im
gegensatz zu der alten, zufälligen und ungleichmässigen weise.
Auch die bezeichnung Agora-stil hat ihre berechtigung, mit rück-
sicht darauf, dass in der vorangegangenen periode die akropolis
bei jeder stüdteanluge das wesentlichste war. Eine interessante
parallele mit den staatsformen lüsst sich auch aus Aristoteles (a.
8. 0.) ziehen, wonach der ältere, akropolis-stil oligarchisch und
monarchisch, das neue princip der ouuloznç demokratisch heissen
kann.
Zum schlusse dieses kapitels sammle ich die ausdrück e,
welche die alten schriftsteller von der thätigkeit und kunst des
Hippodamos gebrauchen,
Allgemein und nicht bezeichnend ist soi» (sor I7&goiá) in
Bekkers Anecd. xaracxevutesy bei Photios, ofxodoucioFas bei Har-
pokration.
Auf eine genaue ein- und zertheilung geht dsalgecse bei Ari-
stot., dıusgeiv bei Hesych., dasselbe wort zweimal in Diodors er-
zühlung der gründung 'Thuriis (XII, 10).
56) Siehe für den Peiraieus p. 218.
57) Polit. 1I, 5 (8).
Hippodamos. 213
Aehnlich ist deuvéuw bei Photios, vtun0:5 bei Photios, He-
sych, Makarios.
Mehr auf das gradlinige der eintheilung weist vielleicht der
stamm rtu. xuzarfuvew steht bei Aristoteles und in Bekkers
Anecd., ersterer nennt auch die ganze bauart evrouog. x«iut£uvaw
braucht auch Herodot bei der beschreibung Babylons (1, 180).
Dasselbe wort wendet Pausanias bei der gründung Messenes an:
Epameinondas habe männer kommen lassen, olg :éyvy Grerwnouç
xatartureodas (IV, 27, 5). Vgl. auch den ausdruck (vu oropeiy,
Óóvporouía.
Das ovvayesy des Aristophanes-scholiasten kann ich nur ver-
stehen von einer vereinigung bis dabin regellos liegender nieder-
lassungen zu einem stadtganzen.
Beginnen wir jetzt mit der untersuchung der drei bippodami-
schen stüdte, so müssen wir leider eine von ibnen von voroherein
streichen. Bei T hurii nämlich fehlen die modernen nachforschun-
gen, sodass wir auch mit der interessauten Diodorstelle über die
erbauung nichts anfangen können 59).
1. Peiraieus.
. fv Idn not rov Mesgasa tov xalov
Arr. Epict.
Auf die untersuchung des Peiraieus -gebietes ist seit Leakes
grundlegenden studien über die topographie Athens viel fleiss und
scharfsinn, besonders von deutschen gelehrten, verwandt worden.
Alle diese forschungen haben vor kurzem einen vorläufigen ab-
schluss gefunden durch das erscheinen der beiden blatter Neu- und
Alt- Peiraieus in dem vom deutschen archäologischen institut be-
gründeten kartenwerke °°). Milchhoefer, nach dessen angaben
08) XII, 10: süportes ovx anode 176 Zußapewg xQivnv ovopazomtvny
Bovpiay . . . nigiéfalor tiyos, xai xtioavıes nólw ujvóuagey ano mS
zonvns Bososov. mv dè nodeyv dielóuevois xara putv unxos eig
TÉ Tragas nlatsias, wr xahovos tjv uiv piav ‘Hgdxleay, mv dé 4gQo-
dada, mv dé Olvpnsada, rjv dé 4diovvoiada, xaTa dé 10 nàdtog dieilor
els zgeis nharsias, wy 7 niv uvoudc9n ‘Hoga, n dt Govgia, 5 dé @ov-
piva. vno dé 100109 Tuv Otevonao» nénigoouévo» taîc oiximig 4 Noles
iqaivero xalog xatecxvacda:.
59) Karten von Attika. Auf veranlassung des deutschen arch.
214 Hippodamos.
das blatt Alt-Peiraieus entworfen ist, giebt hierin eine vollstündige
rekonstruktion der alten stadt, theilweise im gegensatz 20 den von
Hirschfeld 9?) geäusserten ansichten; durch die. im texthefte
enthaltene eingehende historische und topographische arbeit über
den Peiraieus wird das einzelne begründet. Dabei sind auch die
einschlägigen alten schrifiquellen in so ausgiebigem masse herbei-
gezogen, dass eine aufzühlung derselben hier überflüssig erscheint.
Diese von Milchhoefer igegebene rekonstruktion ist im we-
sentlichen richtig und zuverlässig 9!), sodass wir uns auf
grund derselben ein bild von der thütigkeit des Hippodamos ma-
chen können.
Das terrain, welches er vorfand, war folgendermassen be-
schaffen. Zwei aus kalkstein gebildete berge, Akte (58m) und
Munychia (87m) sind mittelst eines durch alluvion entstandenen,
flach gewólbten isthmus verbunden. Auf der östlichen seite des
letzteren liegt der hafen Zea, auf der westlichen das ungleich
grössere hafenbecken des Peiraieus. Der abfall der Munychia-höhe
zum Peiraieus wird durch eine sich langsam senkende fläche ver-
mittel, Die grenze für den bebauungsplan war durch die themi-
stokleische ummauerung 5?) gegeben, welche bestehen blieb ®°). In-
nerhalb dieses mauerkrunzes lag als unantastbarer bezirk sicher
schon die cultstatte der Artemis Munychia, vielleicht auch noch
andere heiligthiimer; ausserdem om den hafen für den schiffsver-
kehr dienende gebaude und regellos angelegte privathauser 64),
institute und mit unterstützung des preuss. kultusministeriums aufgen.
durch offiziere und beamte des preuss. gr. generalstubs. Mit erl. text
herausy. v. E. Curtius und J. A. Kaupert. Heft I Athen und
Peiraieus. Berlin 1881.
60) In den berichten der süchs. gesellsch. der w. 1878.
61) Näheren nachweis denke ich im Philol. Anzeiger zu geben,
weshalb er hier wegbleibt.
62) Dass uns von dieser die erhaltenen spuren ein treues bild
geben, setze ich voraus. Allerdings stammen ja diese mauern aus
honons zeit. Doch wird dieser beim wiederaufbau den alten funda-
menten gefolgt sein; vgl. Hirschfeld anm. 13.
63) Wäre die themistokleische enceinte durch die hippod. anlage
bedeutend verändert worden. so würde eine erwühnung bei Thuk. (I,
93) wohl nicht fehlen; vgl. 8. 3: wxodounoay . . 16 n&yoc Tob tsiyovc
oneo viv Eti diiov torti negi toy Mespasa Dass Appian (Midge.
80) von den mauern sagen kann: élpyaoro tx didov usyalov ré xai
1ergayavov, Nevixidesov Eoyov. Ore 101g A95vaioig ini Helonovvnoious
orwarnyar, xoi niv dÀnida nc vixnc èv 1H Hlegeusi wOëueros, uallor
avıoy txgativaro - beruht wohl auf unwissenheit.
64) Vgl. den zustand der stadt zur zeit des Strabon (IX, p. 395).
Hippodamos. 215
In älterer zeit hätte man nun zunächst die Munychia-
höhe 5) als natürliche Akropolis ins auge gefasst und zum stadt-
centrum gemacht. Nicht so Hippodamos. Für ihn war — abge-
sehen vom hafen 95) — die richtige anlage der ayoga die haupt-
sache. Das terrain verbot ihm nun von vornherein die anwendung
des hemikyklischeo grundrisses, der nachher bei Rhodos so muster-
haft durchgeführt wurde 5") und sich überhaupt für seestädte so
gut eignet. Er suchte also das kreisförmige princip zur anwen-
dung zu bringen. Er wählte den einzigen platz °°) der sich zu
einer dyoou eignete, zog durch diesen punkt eine parallele zu der
ilm vou der natur gegebenen küstenlinie und errichtete auf der-
selben in jenem punkte eine senkrechte. Damit hatte er markt
und vier hauptstrassen. Von diesen traf die erste, nordöstliche,
den befestigungsring an der stelle, wo die alte (nördliche) lange
mauer sich an die Peiraieus-enceinte anschloss. Hier wurde, öst-
lich von jener, ein thor gebrocheu: dieses bildete jetzt den aus-
gang für den sichern weg nach Athen zwischen dem alten und dem
von Perikles erbauten neuen puxgov oxéiocs. Die zweite führte
entlang dem Isthmus zur Aktehéhe, die dritte gab eine natürliche
verbindung mit dem heiligthum auf der Munychia. Die vierte,
Dass des Hippodamos Peiraieus-anlage nicht loco integro stattfand,
wie die von Thurii und Rhodos, ist aus der naposwia bei Makarios (s.
p. 197) ersichtlich. Denn ‘Innodauov véumas hätte nicht spôttisch für
schlimmbesserung gebraucht werden können, wenn sich nicht
schon vor Hippodamos etwas vorgefunden hätte.
65) Die vielleicht in vorhistorischer zeit schon befestigt war
(Milchh. p. 63).
66) Dass Hippodamos auch bei dem ausbau des hafens thätig
war, lese ich aus den lexika: nosynoavtoc AFnvaioss tov Iles-
oasi xai xatateuovtos Tris nolews rtc üdovs und tov To» Hesgasa
XaTROXsvaCaAYTOS xai Tas Tic nolswg ódovc. Gewiss falsch versteht
Leake (Topoyraphy p. 13) den ausdrack so, als habe Hippodamos auch
the streets and communications of Athens ausgelegt. Athen war noch
zur zeit des Pseudo- Dikaiarch (Müller Fr. hist. II, 254) xaxwe éogu-
potounuivn. Fasst man Mespecsvg im engern sinne als den hafen, so
wird die unterscheidung von modes verständlich.
67) Den Strabon'schen ausdruck (l. 1.): 10 nalaso» éreteiysoro xoi
cerqxicro ?, Movrvyia napaninoiws wonto N rv ‘Podiwy nodes
darf man nicht auf eine ganz übereinstimmende anlage deuten.
9sargosıdys, wie Rhodos heisst (s. p. 211), konnte, soviel man aus den
Isohypsen der v. Alten'schen karte (Neu- Peiraieus) erkennen kann,
kaum der Munychiahügel genannt werden, geschweige denn die ganze
anlage. Amphitheatralisch nun gar (Curt Wachsmuth, Stadt Athen
p. 319) passt noch weniger.
68) So Hirschfeld p. 7.
216 Hippodamos.
kürzeste, endlich brach ab an der nordostecke des Peiraieus-beckens.
Alle vier strassen haben wir uns als gleichmässig breit zu den-
ken 6°); aber breiter als die übrigen °°). Nehmen wir jetzt an,
dass das hauptthor im norden ausserhalb der langen mauern schon
vor des Hippodamos zeit bestand — was leicht zu glauben ist;
denn die ansiedelung innerhalb des mauerkrauzes musste doch eine
verbindung mit der hauptstadt haben — so war ihm damit auch
schon das netz der uebenstrassen gegeben. Denn wenn er jetzt
durch das hauptthor eine parallele zu der bauptlangsstrasse zog,
so gab die entfernung dieser parallelen die grundlinie für alle
quadrate, in welche die neue stadt zerlegt wurde. So erhielt die
grosse leere nuss?!) einen kern.
Nun sind wir in der glücklichen lage. die breite einer haupt-
strasse mit annähernder genauigkeit berechnen zu können. Die
strasse nümlich, welche vom hippod. markt auf die Munychia - hóhe
führte, ist während der kampfe Thrasybuls gegen die dreissig
schlachtfeld gewesen. Den bericht Xenophuns über dieses ge-
fecht hat man mit recht topographisch verwerthet. Derselbe er-
zählt nämlich (Hell. II, 4, 11): of d^ dx rov aorews eis 15v ‘In-
nodupesov ayogay èidovres noUrov uiv GuverdEuvio, wore lp-
nijous rjv oddv, 7 qíQu npos te 10 Llegó» 176 Movrvy(ag * Agré-
padog xoà 10 Berdidesov* xul ly£vovio. fl 9og osx Barro n ini
Revinxovta dontdur. ovrw dé Ouvrstayuéros èyugovr avw. ob
dì ano Dviig advrevéndnoay piv 1)v cdov, Badoc dé ov mto» 7
el; dixa onÂftaç éyévovro. Nun kämpfte auf seiten der dreissig,
wie 2. 10 angegeben ist, ihre ganze macht, nämlich die hopliten
(d. h. die bürgerelite der 3000, die allein ihre waffen behielten,
II, 3, 19 f.), die reiter und die lakedaimonische garnison, die
durch Lysander unter dem harmosten Kallibios ihnen zum succurs
gesandt war (Il, 3, 14). Die stärke der letzteren ist nicht ge-
nannt; doch haben sie in dem gefechte bei Phyle (II, 4, 4 f.)
allein mehr als 120 todte, was einen schluss gestattet. Angenom-
69) Auf der Kaupert'schen karte ist der nach Munychia führen-
den querstrasse eine grössere breite gegeben als der längsstrasse.
70) Vgl. das dekret vom jahre 320 (Athen VI, 1877, p. 158),
wonach die ayopavouos angewiesen werden, die yoga 5 iy Hesgasss
und die ódoi ai n Ae re$ in stand zu setzen, D à) Noung nogséetas
"Tp dii Tp Xwrjps xas ty dıovuog
71) Anthol. Jacobs XIII, p. 708; hier vom spätern sustand.
Hippodamos. | 217
men auch, dass die dreitausend nicht mehr vollzahlig gewesen sind
— einige verwundete werden ausdrücklich erwalot 1l, 4, 2 —
uod dass ein oambafter soutien in Athen zurückgeblieben ist, so
erhalten wir ausser den reitern immerhin noch eine schaar von
3000 angreifern, also 60 manu front. Dies stimmt aucb mit der
zahl der gegner. Diese standen in einer tiefe von zehn hopliten.
Es waren 1000 mann, aber darunter viele leichtbewaffnete. Aus-
drucklich sagt aber Xenophon, dass die angreifer die strasse an-
füllen: sie standen also geschlossen an einander, mit nur soviel
abstand, dass sie die waffen uugehiudert gebrauchen konnten. Da
solche verhaltnisse konstant sind, darf man hier wohl das preussi-
sche exerzierregiement zitieren. Nach demselben betragt der glie-
derabstund, den man gleich dem rottenabstand setzen darf, 64 cm.
Also haben 60 mann eine frontbreite von fast 40 m — für eine
strasse überaus viel ??).
Aus derselben stelle móchte man auch über die form des
marktes etwas schliessen. Aus Pausanias (VI, 24) ist bekannt,
dass es zwei griechische marktstyle gab: den alteren, uach wel-
chem die markthallen von den strassen durchschaitten wurden; und
den ionischen, nach welchem sie sich unmittelbar an einander schlos-
sen und so einen isolierten raum begränzten °°). Da sich die krie-
ger auf dem markte sammeln, um von da auf der hauptstrasse
vorzurücken, so scheint der markt ein freier, nach den strasseu hin
offener platz, also nach älterer anlage, gewesen zu sein **) Auf
demselben stand vermuthlich, wie Milchhoefer (p. 30) will, ein mit
ihm zugleich gegründeter tempel der Hestia.
Mit diesen grundlinien der hippodamischen anlage wird man
sich vorläufig begnügen müssen. Verglichen mit andern stüdten
72) Alexandria bietet hier sichere zahlen. Bei den nachgra-
bungen Mahmüd Beg's (Heinr. Kiepert, Zur fopoyr. des ulten Alezan-
dria, aus der Zeitschr. d. ges. f. erdkunde 1872) haben sich, in über-
einstimmung mit Strabons angaben (XVII, 8, p. 793) zwei sich recht-
winklig schneidende hauptstrassen gefunden, die eine grôssere breite
haben wie die übrigen. Der fahrdamm misst in beiden 14 m, in den
nebenstrassen nur 7 m. Mit den zu beiden seiten anzunehmenden
fusswegen waren aber die hauptstrassen bedeutend breiter, nach Stra-
bon über 100 fuss. Mit letzterer ziffer erreichen wir also fast die
für den Peiraieua berechnete,
73) Darüber E. Curtius in der Arch. zeit. 1848.
74) In anderem sinne Curtius a. a. o., der die ionische umge-
218 Hippodamos.
ist ja das, was wir über den alten Peiraieus wissen, schon dan-
kenswerth viel.
Wir fragen zum schlusse, wie es im Peiraieus mit der drei-
theilung steht, die man bei hippodamischen gründungen glaubt
voraussetzen zu müssen (s. oben p. 212). Sowohl Hirschfeld
(p. 10) als Milchhoefer (p. 29) finden sie gerade im Pei-
raieus. Ich kann ihnen nicht beipflichten. Hirschfeld sieht die
strenge sonderung in der aufeinanderfolge von Kantharos- hafen,
Aphrodision und den cioal, d. h. dnuocsor, legov und Tor. Aber
die selbstverstäudliche scheidung des kriegs- vom handelshafen ist
doch kein specificum des Hippodamos; gelórt überdies gar uicht
zur stadtanlage. Die orou( aber müssen doch als dyuooiu, nicht
als Te gerechnet werden. Andere ójuocio aber, nämlich ägyeïa,
hat Milchhoefer (p. 41) mit recht an die «yog« versetzt. Aus-
drücklich ist dagegen bezeugt, dass es auch privathäuser, also Tdım,
an der dyog« selbst gab 7°). Die iso befanden sich nun gar an
den verschiedensten theilen der stadt. Es kann also keine rede
davon sein, dass das terrain von voruhereio in drei zusammen-
hangende abschnitte zerlegt wire, eiuer für staats-, der zweite
für heilige, der dritte für privatbauten bestimmt. Tempel stimmen
iosgemein nicht zu einem bebauungsplan mit gradlinigen, recht-
winkligen fluchten und werden als ausnahme und unterbrechung zu
betrachten sein 79). Dass man aber die dem staate verbleibenden
grundstiicke, welche mit rücksicht auf das praktische bedürfnis an
verschiedenen orten gewählt wurden, durch grenzsteine bezeichnete ;
erscheint so natürlich, dass ich bedenkeu trage, bier ein besouderes
kennzeichen hippodamischer anlagen zu finden.
Blicken wir zurück, so liegen die züge der ersten hippo-
damischen gründung jetzt vor uns aufgedeckt. Es war die-
selbe keine vollkommene in rein geometrischem siune. Der xvxAec
tero y uroc konnte der terrainverhalinisse wegen nur unvollkommen
durchgeführt werden, quer- und längsstrassen konnten nicht gleiche
staltung der mürkte mit der durch Hippodamos begründeten reform
des städtebaues in zusammenhang bringen will. So auch die zeich-
nung bei Hirschfeld.
75) [Demosth.] 49 ad Timoth. 22.
76) Die Griechen scheinen die strassen auf die tempel gern in
schräger richtung geführt zu haben, sodass man von ihnen aus eine
front und eine seite zugleich erblickte.
Hippodamos. 219
länge erhalten 77). Aber die mannigfaltigkeit des terrains mässigte
wieder die monotonie des etwas langweiligen bauprincips; und so
konnte der Peiraieus verdientermassen als eine schöne stadi 7)
gelten.
2. Rhodos.
avın nölıs 209 'KAlyvic n Qddoig tony
svwdiur Eyovoa yeu’ andiav. Anonym.
... my Laungotdmy narpida thy xalnv '"Podor ...
Die Lindier in der inschr. ™)
Auf weniger sicheren boden treten wir, sobald wir uns nach
Rhodos wenden. Hier haben so eingehende terrainuntersuchungen
und darauf basierende wissenschaftliche bearbeitungen wie für den
Peiraieus noch nicht stattgefunden. In ermangelung eines com-
pendium viae, wie es uns dort Milchhoefer bot, gelen wir einen
eigenen weg und mustern der reihe nach die alten quellen,
die neuen berichte, das terrain, den grundplan der
antiken stadt und ihre namhaften gebäude.
Ueber das ausselen und die topographie der antiken stadt
Rhodos giebt uns von den alten Diodor am reichlichsten auskunft,
nämlich bei der schilderung der grossen überschwemmung des jah-
res 316 (XIX, 45) und der berühmten bestürmung durch Demetrios
Poliorketes in den jahren 305. 304 (XX, 82 f). Dano Ap-
pian bei dem bericht über die vergebliche belagerung durch Mi-
thridates (Bell. Mithr. 26. 27). Weiteres ist iu späteren prunk-
reden zu finden, wenig in dem 'Podi«xoc des Dion Chrysosto-
mos, ausfülrlicheres in der gleichnamigen rede des Aristeides,
der in glánzenden farben ein bild entwirft von der mit feldern und
hainen bedeckten Akropolis, von dem gleichmässigen bau der stadt,
die wie éin haus erscheine, von den durch die ganze stadt laufen-
den strassen, die nicht orsvwmol genannt werden dürften, und
dem thurmgezierten mauerkreis, der an die stadt sich eng anschlies-
send wie ein kranz auf einem haupte sich ausnehme (p. 799 Dind.).
77) Muster für pedantische konsequenz der regelmüssigkeit ist
die stadt Nicáa. Strab. XII, p. 566.
78) Arrian Epict. III, 24.
79) Ross, Archäol. aufs. I, 608.
220 Hippodamos.
Strabon dagegen (XIV, p. 652 f.) lobt nur im allgemeinen hüfen,
strassen, mauern und die übrige x«zaoxeun und erwähnt die vuv-
ciaduau xQvnz& xal unogentu roig noÀAoig. Gelegentliche anmer-
kungen noch sonst: Paus. (IV, 31) rühmt die güte der mauern.
Straboo vergleicht (IX, p. 395) die Peiraieusstadt mit Rhodos;
wozu die audere stelle (XII, p. 575): fosxé ze (Kulızog) 1. na-
ganàigc(p ivno xonusiodu, monio 9 twv ‘Podlwy x«i Mucca-
Awwrwy xoi Kagyndoviwy rwr nadas. Lucian (Amores 8) nennt
die stadt oviws . . 'Hàíov ngénov Éyouou 16 Fedi 10 xudroc.
Die gründung der stadt im jahre 408/7 durch cuvos-
xiGuog; aus den drei alten rhodischen gemeinden erzählen Diodor
(XIII, 75), Strabon (XIV, p. 654) und am ausführlichsten wieder
Aristeides (Rhod. p. 816 f.), der in bezug auf die entsetzliche
verwüstung durch das erdbeben unter Antoninus Pius den Rhodiern
zuruft, sie sollten sich zum wiederaufbau ermannen: hätten sies
ja doch viel leichter als die ersten gründer: of uèv ydo ovd’ p»-
TvoUr Eyovtes &qoguá» nagd rov 10nov, où Awufrvac, oùx elxovac,
où xoouovç, où Aldous, wg slnziv, Ev noA Povdj x«i anogla
xatuciuvies (olua:) nQuiov noi note Ing ywQug olxjoovoir, oviw
taviny anédutar, xoi r0 uéyiOror unuriwv, noòs ovdèr vxaQyov
wagudsıyua, ud” sbgories abro; xai ngodérre, newios xaJantQ:
oc &Àg9üg rmagudesyua moAswg 9?) und später (p. 818): mAfovieg
Spot xai oreatevoperos wxilor Tv noÀw, WOnsg vis poovesor
n ciquionedov éxreuylboyres ini Orpatelas.
Die sehr zahlreichen inschriften aus stadt und insel Rho-
dos, veröffentlicht nach dem CIG hauptsächlich von Ross und
Foucart, geben für die topographie nur sehr spürliche ausbeute.
Von neueren reisenden und gelelrten ist Rhodos zwar schon
früher mehrfach besucht und beschrieben worden — ich nenne
ausser Ludw. Ross, Reisen auf den gr. inseln des äg. meeres be-
sonders die eingehende behandlung von V. Guérin, Voyage dans
Vile de Rhodes et description de cette île. Paris 1856 — doch
sind die älteren darstellungen jetzt ganz überholt durch zwei
neuere publikationen, die eine die reisebeschreibung eines eminenten
80) Das klingt wunderlich, da ja der Peiraieus bedeutend älter
war. Aber abgesehen von rhetorischer übertrribung hat ja Diodor
insoweit recht, als hier zuerst die hemikyklische form angewandt
wurde.
Hippodamos. 221
fachgelehrten, die andere ein glünzend ausgestattetes prachtwerk
für grüsseres publikum: Newton, Travels and discoveries in the
Levant, London 1865, im ersten bande, mit einer karte der insel
Rhodos und einer weiteren vou stadt und hüfen. Alb. Berg, Die
insel Rhodos, Braunschweig 1862, eingetheilt in einen historischen
und einen beschreibenden theil, mit zahlreichen radierungen und
holzschnitten.
[n diesen werken wird uns das terrain der alten stadt, welche
wie die neue auf der nordostecke der insel lag, wo diese sich nach der
kleinasiatischen küste erstreckt, folgendermassen geschildert: ein
hügel mit unregelmässigem plateau, 90m über dem meere, der
nach dem westlichen meere schroff abfällt und nahezu parallel der
seeküste in einer richtung von no nach sw liegt, auf der nordöst-
lichen und südöstlichen seite in einer reihe von terassen senkt sich.
Dann führt ein sanfter abhang nach dem östlichen meere, welches
hier mehrere natürliche einbuchtungen batte.
Die letzteren ersahen sich die bewohner von Jalysos, Kameiros
und Lindos, als sie sich den platz für ihre ueyaA« noA “Podog 8!)
wählten, als gute häfen und verschlossen sie durch zwei gewaltige
molen #2). Diese beiden häfen, im alterthum péyag und wixpög
Asury (Diod. XX, 85. 86), jetzt haupthafen und Port Mandraki,
sind, da die alten molen noch vorhanden sind, sichere fixpunkte
für die antike stadt. Schwankend aber ist das urtheil über die
dritte, durch einen steindamm geschützte einbuchtung, welche sich
südöstlich von dem grossen hafen findet , Archandria-Bay auf dem
plan bei Newton, Letzterer ist der ansicht, der molo sei zum
schutze des hauptdammes (as a break-water) aufgeschüttet. Berg
dagegen ist geneigt, den Auéva raic ravolv agxourın bier zu er-
kennen, welchen Demetrios für seine belagerungsflotte anlegte °°),
Die annahme eines kleinen inneren, jetzt verschütteten hafenbeckens,
das nach Guérin mittels eines kanales mit den beiden erstgenannten
in kommunikation stand, ist unerwiesen. Einen anderen hafen am
westlichen meere fiudet Newton (p. 174 f.) nórdlich von der jetzi-
gen vorstadt Neomaras #). Dadurch würde eine stelle des Ari-
81) Inschr. bei Ross, Arch. aufs. II, 615.
82) Plan des antiken Rhodos (ganz dürftig) bei Berg I, p. 22;
Plan der stadt Rh. unter den Johannitern daselbst I, p. 137.
83) Diod. XX, 88.
84) Hat Newton recht, so wird dieser hafen eine spütere anlage
222 Hippodamos.
steides mehr licht erhalten, welcher zu erzählen weiss (p. 797 f.)
von: Auu£reg 1000106 xal tndixovtos, ngoflAnos Mdosc elo 10 mé-
Auyos eEaveornxores, ol uiv rotg an’ ’Imrlus, ol dè rouç and Kaplag
deyousros, oi dé rovs an’ Alyuriov xoi Kungov xai Vosrlanc,
woreo uo; «Ag node nenosmuévos el; vmodoyir. Sonst fasste
man dieselbe von den verschiedenen abtheilungen des hafens.
Der erwähnte hügel, zur zeit der ritter Stephansberg,
jetzt auch Monte Smith genannt, musste die akropolis tragen.
Dieselbe stand mit der küste durch eine zusammenhängende ring-
mauer in verbindung. Von dieser sind noch jetzt spuren vorhanden;
sie ist zwar nur an einigen stellen verfolgt, doch kann man sich
ein bild von ihrem laufe machen (siehe die skizze bei Berg I, p. 22).
Sie hatte danach die form eines halbkreises, das eingeschlossene
terrain die eines unregelmässigen halbmondes #5). Die jetzige stadt,
an umfang dieselbe wie die alte ritterstadt, nimmt nur einen theil
davon, nämlich den unteren um die häfen, ein; das übrige ist jetzt
bedeckt mit friedhöfen, gürten, landhäusern und feldern °°),
Weiter gefördert werden wir durch Diodor, Da die stadt thea-
terförmig (Ieurgosidnc) 8°) ist — so berichtet er über die überschwem-
mung — und die wasserläufe meistens auf einen platz zusammenführen,
so füllten sich sogleich die niedrig liegenden theile der stadt. Da sich
aber das wasser unerwarteterweise sammelt, so wird die ganze gegend
um das deiywu und das Jıovvosov gefüllt, Erst als das unter
wasser stehende gebiet schon bis zum asklepieion vorschreitet, ent-
steht abhilfe, indem die wassermassen eine mauer zerreissen und
sich so den weg zum meere bahnen. — Die stadt war also auch
nach dem hafen zu durch eine zusammenhängende mauer abge-
schlossen. Das ist dieselbe, welche bei der belagerung durch De-
sein, da bei der belagerung durch Demetrios nur von zweien die
rede ist. ,
85) 7 di ini nam yapıs woneg Ipiıs terautvn xai my noh woreo
Àég«» éguorrouévg ciuguwrov avın Te xai toic Ew xoouoic — sagt Ari-
steides sinnig von Smyrna (I, p. 380), jedenfalls mit beziehung auf
den grundplan (saiten der Lyra = strassen).
#6) Doch war auch im alterthum nicht das ganze mauerumschlos-
sene gebiet mit gebüuden bedeckt. Aristeides sagt zwar (p. 799), dass
sich die mauer um die stadt (nümlich die untere) anschliesse, ohne
einen leeren raum dazwischen zu lassen, schildert aber die akropolis
als nediwy zai dlowy uecrjv Auch vorstädte ausserhalb der ring-
mauer gab es. Plut. Dem. 24; apophth. Dem. 1.
87) Der ausdruck zweimal, XIX, 45. XX, 83.
Hippodamos, 223
metrios eine rolle spielt. Sie lief entlang dem ufer, wie man
aus dem dort gebrauchten ausdrucke Diodors ersieht **), umfasste
aber den molo des grossen hafens nur zum theil. Die spitze des
letztero war von den befestigungen 5 nA£Iga entfernt, sodass sich
Demetrios hier verschanzen konnte; die mauer auf dem anderen
theile des molo (ró ded 100 ywuatog rtlgoc) zerstörte er. Ausser-
halb der hafenmauer lagen damals viele grosse felsstücke, die deu
angreifern die arbeit erschwerten.
Nach dem missglückten hafenangriff sucht Demetrios zu lande
der stadt beizukommen. Wir erhalten hier eine angabe über das
theater. Es muss nahe an der umfassungsmauer gelegen haben;
denn die steine des zegfSodog brauchen die Rhodier, um eine
zweite parallele mauer an der bedrohten stelle aufzurichten (c. 93),
und die eindringenden feinde besetzen zovg nepi 10 Féatgoy Tonoug
(c. 98).
Eine wichtige linie des alten grundplans lüsst sich ferner mit
ziemlicher wahrscheinlichkeit gewinnen. Die jetzige aus den rit-
terzeiten stummende stadt nämlich verwirrt durch eine menge von
kleinen, unregelmässigen gässchen. Nur eine, zwar enge, aber
schnurgerade strusse zeichnet sich vortheilhaft aus, die berühmte
sirada dei cavalieri, die vom hafen zur Meisterburg führt. Der
gedanke liegt nahe, dass hier eine der alten dyusui 2 apyüs elg
zíAog dinvexeic benutzt sei 99), zumal da die strasse verlängert nach
dem Newtonschen plane gerade auf die akropolis hinaufführt.
Diese alte strasse hat aber, wie es scheint, Newton selbst wieder
entdeckt. Er sagt nämlich (p. 166): on crossing the Turkish ce-
88) XX, 85: xeresirgwoxe Tous xetà my nol iynioteva ta nagd
Tov lspéva teiyn xatacxevabovias; und wieder c. 86: ro nagd toy Asuiva
Té og.
89) Wo das terrain eine bestimmte und deshalb auch bestim-
mende form hat, ist ein solches wiederauftauchen antiker fluchten
sebr begreiflich. Wir machen die wahrnehmung, dass gerade in
stádten hippodamischer bauart die hauptstrassen in dieser weise fort-
leben. Im Peiraieus finden wir die alten hippodamischen haupt-
strassen in der jetzigen Athena- und Sokrates-strase wieder, mit
weleh letzterer sieh die antike, sobald wir ihr die gehórige, oben
berechnete breite geben, noch mehr decken mag, als es nach der
Milehhoeferschen karte der fall zu sein scheint. Aus der hippod.
yoga aber ist der jetzige Karaiskakis-platz geworden. In Alexandria
ist von den antiken west-Ostlichen strassen die breiteste (Kanobische ?)
zu jeder zeit und bis auf die gegenwart hauptstrasse geblieben.
Kiepert, a. a. O. p. 7.
224 Hippodamos.
metery about half-way between the Amboise gate and the bastion of
St. George (das ist aber in der verlüngerung der ritterstrasse) we
come to the commencement of a road which points to the NW,
leading to the summit of St. Stephen’s hill. For some yards from
its commencement the rock is hewn on each side, showing the line
of an ancient way.
So erhalten wir als grundschema einen halbkreisfürmigen um-
kreis und eine denselben halbierende radiale hauptstrasse, dus he-
mikyklische ragudeyuu ). Die &yogs muss alsdann am unteren
ende dieser hauptstrasse gelegen haben. Das stimmt auch mit der
diodorischen schilderung, wonach das detyuu gleich bei der tiefsten
stelle der stadt lag. deïyuu und «yoga gehören aber zusammen.
Einen breiten hauptweg längs der hafenmauer, also
senkrecht zu jener strasse, zum dienste des hufenverkehrs, werden
wir weiter anzunehmen haben. — Bei den andern vertikalen
strassen entsteht die frage, ob sie nach art der thentertreppen
auf die «yoga hin konvergierten oder der hauptstrasse parallel
gezogen waren. Glücklicherweise lässt sich uach Newtons an-
gaben (p. 169) die richtung noch einer strasse konstatieren. Etwas
nórdlich vom Amboise-thor nümlich führt ein weg vom türkischen
friedhof nach der akropolis. Nearly parallel with this road may
be traced very distinctly — the line of an ancient way, in-
dicated sometimes by the bed cut in the rock, and in one place
by the massive kerbstones on one side. This road is marked in the
admiralty chart as a wall. Dieses ancient wall läuft aber nach
ausweis der karte parallel mit der ritterstrasse, sodass dadurch
obige frage entschieden ist.
Viel mehr wird es aber nicht sein, was sich nach den jetat
vorliegenden berichten über den grundplan sagen lásst. Der grosse
raum ausserhalb der verschanzungen der modernen stadt ladt ein
zu den lohnendsten und verhältnismässig leichten nachforschungen.
Wie wiinschenswerth wäre es, wenn hier durch ausgrabungen und
90) Für diese auf die axporolis führende hauptstrasse möchte ich
ausser der parallele des Peiraieus (Strabon: Muoychia = Rh.) auch hier
die von Smyrna erwähnen. Im Zuvpraixos (p. 375) sagt Aristeides:
dno éonigas uiv nos fw PBadilwr Ex vew Te eic vews ner xai ex xo-
ÀevoU ngóc xolwvo» dw ivóg ctsvwnoò xadliovos 7 xata tobroua,
orayıs di ini sje dxgonolsog xtd.
Hippodamos. 225
aufnahme eines genauen stadtterrainplanes topographische sicherheit
geschaffen würde!
Bis dies geschieht, sind auch die aus den alten schriftquellen
bekannten óffentlichen und heiligen gebäude isolierte und
topographisch unfruchtbare namen. Auch bei den jetzt — zumal
durch Newton — wiederentdeckten vermissen wir eine genaue
graphische darstellung des fundortes der reste, ohne welche sich
wenig festsetzen lüsst, Doch stelle ich hier zum schlusse das mir
bekannte über die antiken gebäude der stadt Rhodos zusammen.
9£argovy. In der nähe der umfassungsmauer, s. p. 223;
der Epirote Alkimos fällt megi ro 9£urgo»v Plut. Dem. 21. Bleibt
stehen bei dem erdbeben unter kaiser Antonin. Aristid. I, p. 809
(Dind). Sonst Diod. XX, 84. 100.
Bovdevtngsor. Bleibt stehen bei demselben erdbeben. Ari-
stid. 1. 1.
yvaracsor. Sueton Tib. 11. cra9zuara darin Strab. XIV,
p. 652. vgl. Aristid. I, 800: xevoi dà doduos xai Huren ür-
dou, wobei man an die zum yvp». gehörigen ambulationes denken
kann; 818: 10 nuéregor 10ví ywoelor, tv à nodda di, nodduxes
ped? suor Nywrıcupedo.
deîyua. Tief gelegen. Diod. XIX, 45. Ein Kunstwerk
(ozegurouueror 1dr Zzuov ıwr ‘Podlwy und 100 Ajpou wy Svga-
xoo/wr) hatte man dort aufgestellt. Polyb. V, 88.
o1adsoyv. Eutdeckt von Newton, Travels in the Levant
p. 168: . . . an artificial hollow with a terrace running round,
which appears to be a stadium. The direction of this stadium is
from NNE by E to SSW by W. At the southern end it is curved
the other end being open.
&farov, tropaeum der Artemisia. Vitr. II, 8.
vewosu, énmixelueru roig Autos, Arist. 1, 798. rvewoosxos
ebenda p. 800. 804.
Kultstätte des Zeùs owrig*'), Ein zum kult dienendes
&yalua dioc Dio Chrysost. Rhod. 1, 570 R. Weihinschriften
CIG 2525. 2526. Kollegium der owrngsucıuf Ross, lnscr. ined.
Ill, n. 282.
91) Von der zahlreichen kulten der insel Rhodos gehe ich selbst-
redend nur auf die zur hauptstadt gehürigen ein.
Philologus. XLII. bd. 2. 19
226 Hippodamos.
’Ataßvolov 4iog tegov auf dem burghügel. Appian
Bell. Mithr. 26. Die stelle bezeichnet eine eingemauerte inschrift,
in welcher fsparevoag Asög “Arafvetov. Ross Hell. I, 2 p. 113.
K. Keil Philol. II. suppl.-bd. Kollegium der Æocarafogsactat in
jener inschrift und Ross Inscr. ined. Ill, n. 282.
Kult der '43avà Molsdc und des Zedc Mordseve
(wie in Lindos), für Rhodos bezeugt durch die inschrift Foucart
Rev. arch. XIII, p. 354. — Polyb. Excerpt. legat. 110 (ed. Didot.
31, 16): Zynplourvto dé (of Podio) xai xoAocaor crjous 109 dnuov
tov 'Puouatuv àv 1 196 Adnvàag Leo resaxovtannyyy. —
Ein kultbild der Athene Dio Chrys. |. I — Wenn Philostr. Imag.
Il, 27 nicht auf Lindos geht, so befand sich das íegov auf der
burghéhe der stadt Rhodos. — Apostol. cent. XV, 25 (v. Leutsch)
== Suidas s. v. ' Podiuv yenouos: ‘Podio: 17 Asvdla ’AInra
Ouorreg xa9! Exucımv muéqur evdseréiovy 10 va cówyovpevos
xi, zweifelhaft ob von dem kult in Lindos oder der hauptstadt,
wie Otfr. Müller annimmt (Dorier I, p. 402).
Der tempel des “4Asoc hatte den namen " Alsıov. Eustath.
zu 6 266. Suid. s. v. Xenoph. Ephes. V, 11. Hier stand wohl
die quadriga cum Sole des Lysipp (Plin. N. H. 84, 8 2 63. Dio
Cassius 47, 83). Ein kultbild des Helios Dio Chrysost. 1. |.
Fest der * Ate (" Adıa, "AAtıa) in inschriften und bei den schrift-
stellern öfters. Priester des “soc inschr. Rev. archéol. XIII,
p. 351. 353. “Alm ebenda 358. Kollegium der *ÀfA«dat
und “Adsacral CIG 2525b. Siehe auch Heffter, Gütterdienste
auf Rhodos Ill, p. 8 — Den tempel glaubt Newton gefunden
zu haben (p. 169): a little to the east of the stadium is a great
platform, where, perhaps, stood a temple of the Sun, as several
inscriptions mentioning priests of this deity have been found near
this spot.
4sorvosor. Tief gelegen; mit dem deiypa zusammenge-
nannt Diod XIX, 45. in templo Liberi patris in ipsa Rhodo Plin.
N. H. 33, 12 & 155; dürfte nicht weit vom theater gelegen haben.
ef. Vitruv. I, 7. Darin oroaf mit gemülden Lucian Amor. 8, &ra-
Inuuru Strab. XIV, p. 652, refmodes Arist. 1, 841. Fest der
diovicia Diod. XX, 84 = Baxyiîa CIG 2525b. Kollegium der
diorvuciaciat Ross Inscr. ined. II, n. 282. CIG 2525 b. Inschrift
Hippodamos. 227
einer ara: ur&Inxeldıo|vvow Baxyelo ebenda. Siehe auch Heffter
IN, p. 34.
’AoxAnnıeiov. Etwas höher als deiyua und Æ#orvoior
Diod. XIX, 45; vgl. die ’Aoxdınmudus Aristid. I, 839.
teoov Josdoç nahe der mauer; hier angriff des Mithridates
Appian Bell. Mithr. 27.
Von einem tempel des Apollon Pythios findet Guérin
einige sáulentrommeln (Voyage dans l'ile de Rhodes ch. 12). Inschr.
bei Foucart, Rev. archéol. XIII, 355: ' AroAlwrı MF le.
Ein £doc der "AquorofovAn, d. i. Artemis, bei Porphyr.
de abstin. II, 54, wo auch Kronos dienst (fest ra Koo») er-
wübnt wird.
Hroiewaeior. Diod. XX, 100: réueros arjxur (die Rho-
dier nach dem abzuge des Demetrios) à» 17 noe rerquywvor, ol-
xodounourıss nag Exacınv misvedy Grouy Gradia(av, 0 meocnyo-
osvouv Hr. Vgl. den alten temenos mit quadratischem peribolos,
den Berg in den garten des Stephansberges gesehen hat (Die insel
Rhodus. Beschreibender theil, cap. 7)
rà Sp(v3sa, platz für die feste des Apollon Susdevs.
Strabo XIII, p. 605.
Auf andere Kulte weisen die namen der genossenschaften
Heuructal CIG 2525b (und vielleicht 2528), Srockesmacral, Tlu-
vaSavutotal, "Ayudodumovsaorat Ross Inscr. ined. Ill, n. 282,
wo auch ein Aroddwy Srguraysos (?), Zuuosgaxıuctal Rev. archéol.
Xl, p. 218, der Sefaororefans Ross Hell. I, p. 104, eine münze
mit dem bild des Poseidon bei Heffter 111, 58, der auch aus Cedren
einen dienst der Amphitrite nachweist und überhaupt über die rho-
dischen kulte am ausgiebigsten gehandelt hat.
Doch darf man nicht ohne weiteres für jeden kult einen tempel
annehmen.
Strassburg i. E. M. Erdmann.
Zu Theognis.
Bergk verbindet in ed. IV wie es scheint vss. 5—10 mit
vss. 1—4: wer das billigt, muss die kunst des motivirens bei den
alten Griechen nicht kennen.
Ernst von Leutsch.
15°
IX.
Die liste der delphischen gastfreunde.
Wescher und Foucart haben in ibrer sammlung der delpbischen
inschriften (Paris 1868) !) unter n. 18 auf p. 20—30 ein ur-
kundliches verzeichniss der proxenoi von Delphi veröffentlicht, eine
umfangreiche inschrift von 314 zeilen (nicht 819, wie W F an-
geben ?). Die herausgeber begnügen sich einfach den text in ge-
wöhnlicher druckschrift zu geben ?), auf eine erklärung und bear-
beitung haben sie sich nicht eingelassen. Die wichtigkeit dieser
urkunde erkannte alsbald A. Mommsen und benutzte dieselbe zu
einer cbronologischen anordnung der delphischen archonten *).
Doch ist auch durch diese bedeutende leistung der reichhaltige stoff
keineswegs erschüpft, und es ware sehr wünschenswerth, wenn sich
jemand entschlósse, die zahlreichen, an den verschiedensten orten
publicirten delphischen inschriften im zusammenhange zu bear-
beiten.
Das verzeichniss der gastfreunde von Delphi beginnt ol. 145, 4,
offenbar anknüpfend an ein wichtiges historisches ereigniss "); dies
war die proclamation der unabhüngigkeit der griechischeu staaten
1) Wichtige nachträge zu dieser publikation enthält die später
erschienene abhandlung von Wescher: Etude sur le monument bilingue
de Delphes. Paris 1868.
. 2) Falls nicht einige zeilen in der copie fehlen.
3) Die copien griechischer inschriften von Wescher und Foucart
sind sehr sorgfältig und mit verstündniss gemacht, allein bei einer so
wichtigen urkunde vermisst man ungern ein genaues facsimile.
4) Philol. XXIV, p. 1- 48.
5) Hütte man die pythische festfeier berücksichtigt, dann würde
die liste mit ol. 145, 8 beginnen..
Delphi. 229
an den isthmien, für die man freilich ol. 146, 1 anzusetzen pflegt.
Die isthmische trieteris fállt in den sommer, und man verlegt sie
gewühnlich in den anfang des ersten und dritten olympiadenjahres ;
aber wo uns genauere data über die festfeier auf dem isthmos
vorliegen, stimmt dies nicht überall mit jenem ansatze: jedenfalls
wurden damals die isthmien vor den olympien, also ol. 145, 4
gegen ende gefeiert, und dies mag sogar die regel gewesen sein €).
Mit recht beginnt daher eben mit diesem jahre eine neue epoche
der griechischen geschichte.
Schwieriger ist es den endpunkt zu bestimmen, da das ver-
zeichniss immer unvollständiger wird, aber wir dürfen voraussetzen,
dass, als man den beschluss fasste, diese liste aufzustellen, eben
wieder ein entscheidendes geschichtliches ereigniss eingetreten war.
Jene epoche findet ihren natürlichen abschluss ol. 158, 3 durch die
zerstórung Corinths und die unterwerfung Griechenlands unter das
römische regiment. Und damit stimmt die liste; denn die letzten
aufzeichnuugen gehören der zeit an, wo Andronikos und Praxias
das lebensläugliche priesteramt des Apollo bekleideten, d. bh. in die
jahre etwa von ol. 156, 3 bis ol. 158, 4. Nach der versicherung
von Wescher (Monument bilingue p. 188) ist der schriftcharakter
der liste vollkommen gleich mit den urkunden der amphiktyonen,
welche er in jener schrift publicirt hat: diese documente setzt er
freilich entschieden irrig in d. j. 190 v. Chr., sie gehóreu viel-
mehr der zeit der römischen herrschaft an, können erst nach d. j.
146, aber auch wohl nicht eben viel später abgefasst sein’); dies
beweist schon die datirung nach römischem calender, W. p. 56,
6) Ueber den corinthischen calender haben wir nur unzulängliche
kunde; wir wissen nur, dass hier der panemos dem attischen boedro-
mion jedoch mit einer differenz von 20 tagen entsprach.
7) Manius Acilius, der besieger des Antiochos bei den Thermopylen
im j. 191, hatte im auftrag des römischen senates die grenzen des
delphischen gebietes regulirt; als man später (nach d. j. 146) eine
revision vornahnı, legte man die entscheidungen des Acilius zu grunde;
daher wird in dem decret der amphiktyonen auf die ältere urkunde
bezug genommen, z. 37: yog«, (5) xalsitas Narsıa yswpyovusen, 3v
Mavsos Axilsos 19. Fed (déjdwxs. Unzulässig ist die vermittelnde an-
sicht von Kuhn (Jahn, Jahrb. 1869, p. 257), welcher mit Wescher
den ersten theil des decretes dem j. 190 zuweist, den folgenden ab-
schnitt v 2.45 an in eine spätere zeit verlegt. Beide abschnitte ent-
halten die beschlüsse der hieromnemonen an derselben pylaea, sind
gleichzeitig abgefasst.
230 Delphi.
z. 45: wo ‘Pwpatos ayovow neo éBdouns eid(ür) GQefigongtwr,
ws 4tÀgoi áyovos EBdoun (Ex. elxu)do.
Dies datum beweist, dass die verhandlungen der amphiktyonen
der êugsrn nvAul« angebüren; denn diese fällt in den delphischen
monat Bvosos, der dem attischen "AyFeorngswy, dem römischen fe-
bruar entspricht 8). Die differenz zwischen dem damaligen römi-
schen und dem delphischen calender betrügt 20 tage (7. februar
= 27. bysios), vorausgesetzt, dass Weschers ergänzung richtig
ist: denn man könnte auch éfdóug (ni dexa)dı vermuthen, obwohl
diese bezeichuung (st. éai déxu) ungewöhnlich ist. Dies würde
passen zu der datirung des interpolators bei Demosth. de cor. 155,
der für die beschlüsse der dugıyn nuAulu das datum des attischen
calenders prog Ardecıngsuvos Exın Ent dé&xu giebt. Wenn ihm
bekannt war, dass die sitzungen der versammlung im frühjahr den
16. bysios begannen, so konute er recht gut von der überlieferten
gleichstellung des bysios mit dem anthesterion ausgehend für deu
16. bysios geradezu den 16. anthesterion setzen ?). Allein selbst
vorausgesetzt, dass die pylaea des frühjahrs den 16. bysios erôffnet
wurde (was anderweitig nicht bezeugt ist), konnten doch öfter die
verhandlungen sich in die lange ziehen, so dass es gerathen ist,
den 27. bysios für die urkunde fest zu halten: die differenz von
20 tagen zwischen dem römischen und dem delpbischen calender
hat nichts auffallendes. Der delphische calender war gewiss ver-
bültnissmüssig in guter ordnung; es wird der dortigen priesterschaft
damals nicht an münnern von der nothwendigen astronomischen bil-
dung gefehlt haben, und wenn gerade in dieser zeit in Rom M.
Acilius, Fulvius Nobilior und Sulpicius Gallus sich um die cor-
rection des rümischen calenders verdient machten, so hatten diese
männer gelegenheit gehabt, in Griechenland aus eigner anschaunng
die dort übliche praxis kennen zu lernen !9).
8) Auf die versammlungen der éegs»y nulæinx sind offenbar auch
die liickenhaften worte des amphiktyonenbeschlusses von ol. 100, 1
(Boeckh n. 1688, z. 45 [CIA. Il, 545]): Mode d' dyovtwy tot Bovxatiov
unvos tod tv Sedqois, 706 di H.......... delg.oi tot Buciov unvog
zu beziehen, wo Boeckhs ergünzung MvGeatoras unzulässig ist.
9) Denn man muss sich hüten, daraus auf vollständige con-
gruenz des attischen mit dem delphischen calender zu schliessen.
10) Die /er Acilia scheint freilich beantragt worden zu sein, ehe
Acilius das kommando in Griechenland übernahm.
Delphi. 281
Wie abbüngig damals Delphi von der rémischen schutzmacht
war, wie man in Griechenland den neuen gebietern gegenüber die
ängstlichste rücksicht beobachtete, zeigt der beschluss der amphi-
ktyonen aus derselben zeit auf einer attischen inschrift (Wescher,
Mon. bil. p. 203, 2. 93): elvas de ravra wig dv " MO nvats teyvitusc,
fav un ts Popatoic vntvavr(or 7. Dagegen das fest zu ehren der
Roma ist schon vor der zerstórung Corinths gestiftet, wie die in-
schrift bei Wescher n. 472 beweist: agyor(rog '4f)oywvog rov
Kadila, Bovisvovtwy Kiswyoc, Nixdoyov,- ' Aylwros. Edwxav dé
xal nogeveodus dv To nourareior èv tav Fvolur wr ‘Pœopa(l)wr
xui iv tug Aownag Fvolus, Ev aco a nédeg cv(v)rsdet nucus ae-
xovıog "A39apuBov rov . . . Denn diese proxenie wird ertheilt im
jahre des Archon, der in der zeit der priester Amyntas und
Tarantinos (s. Wescher n. 174. 184), also doch zwischen ol.
152, 3 — 155, 2, im amte war, der nachtrag, worin der ‘Pw-
uaïa gedacht wird, gehört in das jahr des " Æ9aufoç (‘ ABgoucyov),
dieser bekleidet das archontenamt unter den priestern Amyntas und
Andronikos (s. Wescher 233. 234, ob identisch mit dem Atham-
bos Mou. bil. p. 137, ist ungewiss) d. h. zwischen ol. 155, 3
— 156, 2. Damals bestand also bereits die festfeier der‘ Pwyata !!).
Entschieden irrig ist Mommsens vorstellung , als ob dieses
verzeichniss nach und nach entstanden sei: man habe die gast-
freunde, so wie sie ernannt waren, successiv eingetragen, eine aus-
fertigung der einzelnen beschlüsse habe nicht statt gefunden. All-
ein gerade das einzeldecret ist die regel; wie überall, so wird
man auch in Delphi dafür gesorgt haben, eine solche auszeichnung
zu jedermanns kunde zu bringen. Noch ist uns eine anzahl sol-
cher proxenie-decrete erhalten, und es ist nur zufall, wenn keiner
von den namen dieser liste unter jenen decreten sich findet: die
liste ist eben nicht vollstándig ; die decrete n. 12 und n. 13 ent-
halten verleihuugen aus den jahren des Menes und Xeneas, beide
archonten gehüren der epoche an, welche das verzeichniss umfasst,
werden aber hier gar nicht berücksichtigt !!). Ebenso fehlt die
11) Ob dieselbe jährlich oder in zwischenräumen gefeiert wurde,
weiss ich nicht; in Rhodos war diese panegyris eine tosemois. Ala-
banda in Karien scheint zuerst schon vor ol. 152, */, (Liv. XLIII, 6)
ein solches fest gestiftet 2u haben.
12) Eigenthümlich ist, dass meist keine nühere begründung vor-
ausgeschickt wird, was doch sonst allgemein üblich war (eine aus-
232 Delphi.
verleihung der proxenie an Dikaearchos aus Laodikea Boeckh n.
1693 aus dem jahre des archonten Kleon (so ist statt "Eléwr zu
lesen), dessen name häufig in der manumissionsurkunden vorkommt.
Den antrag stellen drei Delphier, welche zweimal als Sewgoi der
feier der Daphnaea in Antiochien beigewohnt haben '°); unter könig
Antiuchos ist der vierte dieses namens zu verstehen, und diese fest-
gesandtschaften fallen in ol. 153, 3 (s. Polyb. XXXI, 3) und
wohl 153, 4: in demselben jahre wird auch der antrag gestellt
worden sein, da Antiochos bereits im j. 164 v. Chr. starb. Das
jahr des Kleon ist also ol. 153, 4. — Dagegen Wescher n. 10
aus dem jahre des Phaenis gehórt nicht dem gleichnamigen ar-
chonten dieser liste, wie die verschiedenheit der namen bei den
rathsmitgliedern beweist.
Ob die behörde ein fórmliches protokoll führte und alle ein-
zelnen beschlüsse dieser art sorgfaltig verzeichnete, ist zweifelhaft ;
jedenfalls war dasselbe nicht mehr vorhanden, als man den beschluss
fasste, eine liste der gastfreunde von ol. 145, 4 bis 158, 3 auf-
zustellen, Der mit der abfassung dieses kataloges beauftragte
beamte benutzte die einzelnen urkunden, soweit sie noch vorhanden
waren: aber er gab nicht alles, was ihm vorlag, wieder, sondern
begnügte sich die namhafteren persónlichkeiten auszuwählen: ge-
gen ende wird das verzeichniss dürftiger und lückenhafter. Die
redaktion ist nichts weniger als sorgsam: die decrete aus einzelnen
jahren sind mehrmals an verschiedene stellen vertheilt; die chro-
nologische folge ist öfter verletzt, aus manchem jahre ist gar kein
name verzeichnet, obwohl in dieser periode sicherlich jedes jahr die
proxenie einem oder dem anderen ertheilt wurde '*),
nahme machen die decrete Wescher n. 14, Boeckh 1693 und 1695),
sowie dass zuweilen die namen verschiedener personen, die in gar
keinem näheren verhältniss zu einander stehen, zusammengefasst wer-
den, wie in dem decret Wescher 10 (vier Syrakusaner, ein Arkadier,
ein Ephesier, ein Knidier), daher diese sitte auch in der liste beibe-
halten wird. Teides erklürt sich wohl aus der menge solcher ehren-
decrete, die ein abgekürztes verfahren empfahl. Das verschweigen der
motive, d:e bei der ertheilung dieser ehre leiteten, war ausserdem
nicht unpraktisch.
13) Dikaearchos erhält unter anderen rechten auch die Iswpodoxie
TOv Te Mudiwy x«i Zwinpiwv, ganz so wie in einem anderen proxenie-
decret bei Wesclier n. 452. Boeckh hat die ltickenhafte stelle un-
richtig ergänzt und bezieht die worte auf die feier der Mv9se und
Zwrie in Antiochia.
14) Diese unregelmüssigkeiten lassen sich nicht erklüren, wenn
Delphi. 238
Es sind meist decrete für einzelne, aber auch festgesandt-
schaften kommen vor, wie z. 51 drei bürger aus Lamia, z. 266
drei Sikyonier, oder z. 10 vier Massalioten, z. 213 eine anzalıl
Rhodier, ebenso einzelne familien, wie z. 86 M. Valerius Muttines
mit vier söhnen; dann werden auch mehrere zusammengefasst, die
offenbar in keinem näheren verhältniss zu einander stehen, sondern
our gleichzeitig diese auszeichnung eilalten, wie z. 295. Auch
hier hielt sich der anordner genau an die ihm vorliegenden urkun-
den; denn noch jetzt sind uns ähnliche decrete erhalten. Dass der
anordner nur eine auswahl traf, geht auch duraus hervor, dass,
soviel sich erkennen lässt, keine proxeniedecrete für fahrende vir-
tuosen (Jsovvoov 1eyriru) oder allezeit fertige gelegenheitsdichter
u. s. W. vorkommen, die gewiss auch in Delphi sich diese aner-
kennung zu verschaffen wussten.
Bemerkenswerth ist, dass die meisteu decrete in die zweite
jahreshälfte fallen: der besuch des heiligthumes wird eben in der
zeit von februar bis juni (juli) besonders lebhaft gewesen sein.
Die grosse festfeier der pythien mag im ersten semester jedes
vierten jahres mehrfach anlass zu dieser auszeichnung gegeben ha-
ben: aber auch die jährliche feier dieses tages, wenn schon sie
sich auf ein solennes opfer beschránken mochte und eines glänzend
ausgestatteten agons eutbehrte, mag zahlreiche fremde angelockt
haben !°). Die versammlungen der amphiktyonen im frühjahr und
herbst kommen weniger in betracht, da sie gleichfulls, wie die in-
schriften zeigen, die proxenie ertheilten 19), In welche jahreszeit
man mit Mommsen eine aufzeichnung jedesmal nach ertheilung der
proxenie annimmt.
15) In dem beschluss der amphiktyonen bei Boeckh CIG. n. 1688
CIA. 11, 545] z. 44 heisst es évsauria & ispounvia a Ilv3icg. Man kann
sie nach der analogie anderer feste die kleinen pythien nennen.
16) Eine versummlung der amphiktyonen im spätjahr zu Delphi
ol. 104, 2 setzt das attische psephisma (Monatsb. d. Berl. ac. 1866, p. 198)
[CI A. I, 54] voraus, welches am 30. tage der zweiten prytanie, also im
dritten monat des jahres abgefasst ist. Die amphiktyonen hatten
unter dem vorsitz des Thessnlers Andronikos den Astykrates und ge-
nossen wegen vergehen gegen die delphische gemeinde verbannt und
ihr vermógen eingezogen. Die vertriebenen wenden sich nach Athen;
die volksversammlung erklürt den beschluss der amphiktyonen für
nichtig, verleiht dem Astykrater das bürgerrecht, seinen genossen die
isotelie. Entschieden unrichtig betrachtet Kirchhoff die vertriebenen
als delphische bürger, es sind vielmehr Phokenser, z. 8 ist zu schrei-
ben '4cxg(«trgc 6 d»wxeb)e. Hier haben wir das vorspiel der wirren,
welche zu dem phokischen kriege den anlass gaben: die nüchste
234 Delphi.
die feier der Zwrrgsa fiel, wissen wir nicht, ebenso wenig ob das
fest ein jühriges war: da die niederlage der Celten in den winter
füllt, ist es wahrscheinlich, dass auch dieser musische agou in der-
selben jahreszeit abgehalten wurde. Man nimmt an, die festfeier
sei unmittelbar nach dem siege gestiftet worden; Dittenberger !?)
setzt daher den attischen archon Polyeuktos in ol. 125, 4; dies
ist jedoch sehr unsicher: denn der in der inschrift erwäbnte aeto-
lische strateg Charixenos, der mit den Athenern über die stiftung
der soterien verhandelt, weist auf eine spütere zeit hin, da es of-
fenbar derselbe Charixenos ist, der um ol. 134, 3 (Droysen, Hellen.
Il, 387 [H*, 429]) den grossen raubzug gegen Lakonien unter-
nahm, s. Polyb. IV, 34.
Dieses verzeichniss, welches die letzte periode der selbstündig-
keit der Hellenen, einen zeitraum von ungefähr 50 jahren, umfasst,
ist ein iu vieler hinsicht interessantes denkmal. Zunächst ist eine
grundlage gewonnen, um wenigstens einen theil der zablreichen
freilassungsurkunden von Delphi chronologisch zu ordnen: ausser-
dem aber hat die liste auch einen allgemeinen historischen werth,
indem sie eiu nahezu vollständiges verzeichniss der strategen des
aetolischen buudes für die letzte zeit dieser eidgenossenschaft bietet.
Endlich knüpft sich noch ein besonderes interesse an diese liste,
indem uns unter den gastfreunden Delphis eine reihe mehr oder
minder namhafter persünlichkeiten aus der ersten hälfte des zweiten
jabrhunderts vorgeführt wird; gleichwohl hat man gerade diesen
gesichtspunkt bisher so gut wie gar nicht gewiirdigt.
A. Mommsen hat auf grund dieser liste der delphischen gast-
freunde das verzeichniss der delphischen archonten von ol. 145, 3
an zu ordnen, zu vervollstündigen uud chronologisch zu fixiren un-
ternommen; ich habe diese sorgfältige und scharfsinnige arbeit wie-
derholt geprüft; bei dieser untersuchung, die mit der politischen
geschichte jener epoche eng verflochten ist, stósst man mehrfach
auf zweifelhafte und unsichere punkte; ich babe das material an-
ders zu ordnen versucht, aber jede abweichende construction be-
gegnet wieder anderen schwierigkeiten und zweifeln. Es ist daher
folge war, dass wenige monat nachher, als Epameinondas seinen
letzten zug nach dem Peloponnes unternahm, die Phokenser den
Boeotern ihre unterstützung versagten, s Xenoph. Hell. VU, 5. 4.
17) Hermes II, s. 298 È
Delphi. 235
gerathen, zunüchst sich an die von Mommsen aufgestellte liste zu
halten; neue inschriftliche funde werden später vielleicht einzelnes
modificiren oder berichtigen.
Des wesentlichste hülfsmittel das amtsjahr der delpbischen
archonten zu bestimmen bieten die manumissionsurkunden dar, welche
in dieser epoche häufig in der überschrift zugleich den namen des
jedesmaligen aetolischen strategen nennen. Allein das delphische
jahr fallt nicht vollständig mit dem aetolischen zusammen. Das
delphische jahr beginnt in der mitte des sommers; wir können es
also dem olympiadenjahre wesentlich gleichstellen: das aetolische
amtsjahr begiunt mit dem spätjahr, und zwar fand wie Polyb. IV,
37 bezeugt, die neuwahl der behörden unmittelbar nach der tag-
und nachtgleiche statt; der erste monat des aetolischen jahres muss
also unserem october entsprochen haben: dies ist bei der beurthei-
lung der geschichtlichen vorgänge wohl zu beachten. Man sollte
also erwarten, dass der erste aetolische munat dem vierten del-
phischen monat gleich gesetzt würde, allein nach den urkunden
entspricht er vielmehr dem dritten delphischen monate, dem Boa-
3005 1). Folglich umfasst jedes delphische jahr immer die zwei
18) Es fragt sich, wie diese schwierigkeit zu lösen ist. Die del-
phischen monate werden allerdings den attischen so gegenübergestellt,
als wenn sie sich vollständig deckten, so Wescher n. 424 der poitro-
pios dem poseideon, allein diese gleichungen sind wie wohl auch alle
übrigen nur als ungeführe zu betrachten, so dass für mehr oder we-
niger erhebliche differenzen raum war. Das delphische jahr kann
nicht unmittelbar nach der sommersonnenwende begonnen haben,
der erste monat entsprach wesentlich dem august, der zweite dem
september. Die festfeier der pythien am 7. bukatios mag jedoch in
der regel auf einen der letzten tage des august gefallen sein: der
grund dieser abweichung vom princip (denn die sonnenwende ist
notbwendig als grenze des jahres zu betrachten) liegt wohl darin,
dass dieser festcalender des Apollobeiligthums ursprünglich für süd-
lichere landschaften und günstigere klimatische verhältnisse berech-
net war: dort konnte man am 7. bysios (im februar) das wiedererwa-
chen der natur, des frühlings anfang feiern. Indem das orakel in der
rauheren berglandschaft am Parnass eine stätte fand, traf dies nicht
mehr zu; statt diesen hoben festtag zu verlegen, zog man es vor den
monat zu verschieben, so dass der bysios grossentheils dem märz ent-
sprechen mochte: und dadurch ward die ganze stellung des calen-
derjahres gleichmässig modificirt. Vergl. auch Schaefer, Demosth. II,
510. Ebenso muss der anfang des delphischen jahres ursprünglich
ein anderer gewesen sein: man nimmt gewöhnlich nach Boeckhs vor-
gange an, der schaltmonat falle im griechischen calender in der regel
in die mitte des jahres, und beruft sich dafür auch auf den delphi-
schen calender: allein die einschaltung erfolgte ursprünglich regel-
236 Delphi.
letzten monate eines aetolischen strategen und die zehn ersten mo-
nate seines nacbfolgers!?) Der kürze halber setze ich jedoch das
aetolische amtsjahr dem delphischen und olympischen jahre gleich.
müssig am ende des jahres, und wenn spüter der schaltmonat meist
au anderer stelle erscheint, so beweist dies nur, dass mit dem an-
fange des jahres eine veránderung vorgenommen ward, wührend ge-
müss dem conservativen princip, welches überall das calenderwesen
beherrscht, die einschaltung nach wie vor an der althergebrachten
stelle erfolgt. Die Delphier schalten nach dem sechsten monat, dem
poitropios (december), ein, dies beweist, dass das jahr ursprünglich
mit dem amalios (januar) oder mit der winterlichen sonnenwende be-
ann; daher heisst auch der mai 'Krdvenosrpóztiog zum unterschied von
em JJo9ón:oc, der eigentlich die grenze des jahres bildete. Ebenso
muss das attische jahr, da die einschaltung nach dem poseideon statt-
findet, ehemals mit dem Taunlıw» (januar) begonnen haben. Aehn-
lich verhält es sich mit Rom: hier gab es entsprechend dem dualis-
mus der stadtgemeinde einen doppelten caleuder; das eine jahr be-
gann mit dem mürz und endete mit dem februar, das andere reichte
vom januar bia december: indem beide calender neben einander be-
standen, gewann der eine hauptsächlich im bürgerlichen, der andere
im religidsen leben geltung; und als das kirchliche jahr zuletzt den
sieg davon trug, fuhr man nichts desto weniger fort im februar einzu-
schalten, der ehemals der letzte monat des bürgerlichen jahres ge-
wesen war. In Delphi ward die veründerung des jahresanfanges viel-
leicht durch die verbindung des Dionysoscultus mit dem Apollodienste
herbeigeführt, und dieser vorgang ward dann für andere staaten, wie
eben Athen massgebend. — Hinsichtlich des attischen jahres bemerke
ich noch, dass der schaltmonat stets diese stelle behauptet hat, wie
die inschr. Ephem. Arch. 3239 [CIA. III, 1217] beweist, wo der ‘Adgsarsav
(so ward unter kaiser Hadrian der schaltmonat ungenannt) zwischen //0-
edo v und Funky erscheint. Wenn in einer anderen inschrift Ephem.
886[CIA. II, 433] (aus der zeit des kónigs Eumenes von Pergamos) mit dop-
peltem datum der anthesterion dem elaphebolion gleichgestellt wird,
so kann diese differenz nicht, wie Emil Müller, Realenc. I, A, 1054 an-
zunehmen scheint, darauf zurückgeführt werden, dass in dem einen ca-
lender die lage des schaltmonates abgeündert war, sondern das betref-
fende jahr war in dem einen calender ein gemeinjahr, in dem andern
ein schaltjahr. Die inschrift, von Boeckh Gesch. der mondcyklen p.
96 nicht richtig ergünst, ist in folgender weise herzustellen [ó y d és c
nov]ravesas . . . "Avdeomeiwros devripx [xar &oyorra, xara di
950v 'Ela]gnBoledvoc Trop ust’ elxada[s devrioa ms nevravsias. Im
gemeinjahre stimmt der tag der prytanie mit dem monatsdatum, in
einem schaltjahre ist der 2. tag der 8. prytanie (im gemeinjahr der
2. anthesterion) gleich dem 24. elaphebolion. Sonst weiss ich freilich
diese eigenthümliche art der zwiefachen datierung nicht aufzuklüren:
nur so viel ist klar, dass damals der bürgerliche calender (xar’ &g-
qorre) mit dem kirchlichen (xare 340»), wie ihn die legourzuorsc, deren
nctionen man mit der stellung der römischen pontifices annähernd
vergleichen kann, feststellten, hinsichtlich der einschaltung diffe-
rirte.
19) Das amtsjahr des achaeischen strategen, dessen antritt vom
frühjahr auf das spütjahr verlegt, muss um einen monat später
begonnen haben, da nach Wescher n. 109 der siebente achaeische
Delphischer archon. Olymp. Jahr v. Chr.
Orthaeos 145, 3
Emmenidas 4
Orthaeos,S.d.Mantias 146, 1
Diodoros 2
Peithagoras 3
Ekephylos 4
Kleodamos 147, 1
Phaenis 2
Kallikrates 3
XenonS. d. Ateisidas 4
Kleodamos S. d. Po-
lykleitos 148, 1
Persilas 2
Nikobulos 3
Eukrates 4
Kraton 149, 1
Aristaenetos 2
Damosthenes S. d. Ar-
chelaos 3
Andronikos 4
Mantias 150, 1
Euangelos 2
Praxias 3
Melinion 4
Xenochares
151, 1
198/7
197/6
196/5
195/4
194/3
193/2
192/1
191/0
190/89
189/8
188/7
187/6
186/5
185/4
184/3
183/2
182/1
181/0
180/79
179/8
178/7
177/6
176/5
Delphi.
237
Aetolischer strateg.
Phaeneas
Alexomenos ??)
Alexander v. Kalydon II.
Dikaearchos von Tricho-
nion ll
Thoas Il
Damokritos von Kaly-
don II
Phaeneas II ‘
Archedamos S. d. Pholas.
Nikandros v. Trichonion.
Pantaleon von Pleuron I
Alexandros von Kaly-
don INI
Nikandros Il
Archedamos S. d. Pho-
las HI
Thoasv. Trichonion III,
Lochagos v. Kallipolis.
Lykiskos v. Stratos.
Nikandros v. 'Tricho-
nion III
Eupolemos II
monat dem delphischen 'Kvdvonorrgónmioc entspricht, dies ergiebt für
den ersten monat der Achaeer die gleichung mit dem vierten delphi-
schen (‘Hoaios).
20) 'Alstouervóc heisst dieser strateg überall in den delphischen
urkunden, nur n. 337 ist '4Àlstaueros geschrieben, wie bei Polybius
und Livius; die inschrift bei Boeckh n. 1694 nennt einen aetolischen
hieromnemon ’Alstauevös, jedoch mit der var. ’AléEavdgor.
'" Alefouevóg
findet sich auch auf einer thessalischen inschrift, Revue Archéol.
1844, p. 317.
238 Delphi.
Delphischer archon. Olymp. Jahr v. Chr. Aetolischer strateg.
Archelaos S. d. Da-
mosthenes 151, 2 175/4 Archedamos S. d. Pho-
las IV
Sosinikos 8 174/8 Pantaleon v, PleuronIli
Aeakidas 4 173/2 T hoas v. Trichonion IV
Kleophanes 152, 1 172/ (Lykiskos II)
Menes 2 171/0
Laiadas 3 170,69 Proandros S. d. Pholas
Kleodamos S, d.
Mantias 4 169/8 Agelaos v. Naupaktos
Pyrrhos 153, 1 168/7 Hybristas
Xeneas 2 167/6 Panaetolos
Der aetolische stratege für ol, 152, 1 wird in den freilas-
sungsurkunden nicht genannt; Mommsen hat die lücke richtig durch
den namen des Lykiskos ergünzt, der damals zum zweiten male die-
ses amt bekleidete, Liv. XLII, 38: als römische abgeordnete
beim begiun des makedouischen krieges im j. 171 (583 a. o. c.)
nach Griechenland geschickt wurden, suchten sie auch Aetolien auf :
ac paucos ibi morati dies, dum in praetoris mortui locum alius
sufficeretur, et Lycisco praetore facto, quem Romanorum rebus fa-
vere satis compertum erat, transierunt. in "Thessaliam. Der unmit-
telbare vorgünger des Lykiskos ist nicht Thoas, denn dieser tritt
ja noch spüter, wie wir aus Polybius sehen, in den parteikampfen
hervor: er hat seine strategie bis zu ende, d. h. bis zum ablauf
des zweiten monats ol. 152, 1 geführt: an seine stelle trat ein
unbekannter strateg, und als dieser in der zweiten hälfte ol. 152, 1
(im ersten halbjahr d. j. 171) gestorben war, wurde offenbar unter
mitwirkung der römischen commissare Lykiskos als stellvertreter
gewühlt, der die noch übrige zeit bis zum zweiten monate ol. 152,
2 fungirt ®!). Dass auf Lykiskos unmittelbar die durch die frei-
lassungsurkunden bezeugten strategen Proandros, sohn des Pholas,
und Agelaos aus Naupaktos folgten, ergiebt sich daraus, dass die
amtszeit des Agelaos zusammenfällt mit der des achaeischen stra-
tegen Archon. Polybius schildert XXVIII, 3 ff. die reise der rö-
21) Die darstellung des Livius ist durchaus correct; was Momm-
sen p. 47 bemerkt, indem er glaubt, Livius habe seine griechische
quelle missverstanden, ist unbegründet.
Delphi. 239
mischen commissare, welche Aulus Hostilius an die griechischen
staaten abgeschickt hatte; diese verhandlungen fallen in das spät-
jahr ol. 152, 3, wie aus Livius sich ergiebt, der XLIII, 17
(Popillium . .. in hiberna Ambraciam misit) darüber nur sum-
marisch berichtet und dann den winterfeldzug des Perseus in
Aetolien erzählt. Polybius schildert ausführlicher die stürmi-
schen verhandlungen in der aetolischen bundesversammlung in
gegenwart der römischen commissare: Proandros und Lykiskos
führen hauptsächlich das wort, Proandros war offenbar damals
noch im amte, er hielt es mit der macedonischen partei **), rühmte
sich aber seiner verdienste um die Römer und suchte sich gegen
die vorwürfe der gegner zu vertheidigen; der römische commissar
C. Popillius, obwohl er das ganze durchschaut (xuAug eldws adroy
&ÀÀO10v09. Orta ‘Pwualwr), stellt sich als schenke er seinen versi-
cherungen glauben: nach Proandros ergriff sein amtsvorgänger Ly-
kiskos, der römerfreund , das wort und richtete seine versteckten
angriffe namentlich gegen Archidamos und Pantaleon. Die römi-
schen commissare gingen dann nach Akarnanien und kehrten nach
erledigung ihres auftrages nach Larissa zum proconsul Hostilius
zurück. Polybius berichtet dann c. 6 und 7 über die berathungen
der Achaeer, die sich für ein neutrales verhalten während des krie-
ges zwischen Perseus und Rom entschieden und daher den Archon
zum strategen 23), den Polybios zum hipparchen wählten (Polyb.
c. 6): diese traten also ihr amt mit dem vierten monat ol. 152, 3
an, während der neugewählte aetolische strateg Agelaos von Nau-
paktos bereits einen monat früher seine functionen begonnen hatte *),
Die folge der beamten in den beiden letzten jahren ol. 153, 1
und 2 ist jedoch unsicher, s. nachher. Es fehlen die namen der
22) Archedamos, der sohn des Pholas, wohl sein bruder, ergreift
gleich nachher während des einfalles der Makedonier in Aetolien
offen für Perseus partei, Liv. XLIII, 21. 22. Den zusatz dla bei
Archedamos und Proandros beziehe ich auf den vater, obwohl man
nach strengem sprachgebrauch tov «ole erwartet, da der hauptname
ebenfalls im genitiv steht.
23) Archon hat schon früher ol. 148, 3 das amt des strategen
verwaltet (Polyb. XXIII, 10), sein bruder Xenarchos war ol. 151, 2
strateg, Liv. XLI, 22. 23.
24) Agelaos, sonst nicht näher bekannt, ist wohl ein nachkomme
des älteren Agelaos von Naupaktos, den Polyb. IV, 16 und wieder-
holt im füníten buche erwühnt.
240 Delphi.
aetolischen strategen für 6 jahre, ol. 147, 4, 148, 1. 148, 2,
dann 149, 2, ferner 150, 1, endlich 152, 2, und zwar fehlen, wie
die liste selbst zeigt, Dikaearchos Il, Archedamos II,
Pantaleon Il, Eupolemos 1?5), so dass nur zwei namen un-
bekannt sind.
Die liste dient übrigens auch dazu, um das verzeichniss der
aetolischen strategen rückwärts zu ergünzen: vor ol. 145, 3 müs-
sen die amtsjahre von Alexandros von Kalydon I, Thoas I
und Damokritos von Kalydon I fallen. Die erste strategie
des Damokritos wird in ol. 145, 2 zu setzen sein, denn der pra-
tor Damocritus, den Livius XXXI, 32 bei den verhandlungen
mit der aetolischen bundesversammlung gegen ende des jahres 199
erwähnt, ist offenbar der neugewüllte strateg. Vorher in ein nicht
näher zu bestimmendes jahr fällt die erste strategie des Alexan-
der; auf diese bezieht sich die urkunde bei Boeckh ClGr. 3046
(inschrift von Teos) Altwiwy orouruyéorros ’ AleËurdgov Kulu-
dwrfov Muvatrwiixotg, dann die freilassungsurkunde bei Wescher
n. 243 ciguiaytorios twv Aliwiwy ?_Alesdvdgou Kaivdwvfov ent-
sprechend dem delphischen archonten Philokrates °°), In dieselbe
zeit mag die strategie des Polemarchos fallen, dessen namen
ich in der inschrift bei Stephani, Reisen in Nordgr. p. 40 herstelle:
orgutuytovtog tw Aliwiwy (IHoàAsuagyov) ' Agosvoéos: diesen Po-
lemarchos erwähnt Polyb. XVII, 10 als gesandten der Aetoler ol.
145, 3 zugleich mit dem Akarnanen Nikomachos, dem in jener in-
schrift Lamia die proxenie ertheilt **).
25) Natürlich ist es nicht móglich, diese strategieen mit sicher-
heit einzureihen.
26) Ausser dem delphischen magistrat wird auch noch der agono-
thet der Lokrer und der magistrat von Oeanthea genannt. Was
Mommsen p. 39 über diese behórden bemerkt, ist nicht massgebend.
Dieser Philokrates ist wohl zu unterscheiden von dem archon Philo-
krates, sohn des Xenon, der einer viel jüngeren zeit angehórt (der zeit
der priester Andronikos und Amyntas). Das jahr war ein schaltjahr,
wie unvos Mostgoniov .toù newzov beweist, ebenso ol. 151, 1 (s. We-
scher n. 197), dann aus der periode der priester Amyntas und Ta-
rantinos die jahre der archonten Emmenidas (Wescher n. 154), (daher
entspricht in diesem jahre der /Zfosrpormios von Amphissa dem delphi-
schen 'Erdvanosrpinsos ( Wescher n. 224), im jahre ol. 147, 4 dem
Gcotérsos (Wescher n. 360)) und Kleon ol. 153, 4 ( Wescher n. 86),
endlich das jahr des Xenokritos (Wescher n. 425) aus unbestimmter zeit.
Allein über den schaltkyklus von Delphi sind wir nicht unterrichtet.
27) Der in einer inschrift bei Wescher, Mon. bil. 139 genannte
Zámgog Nexoucyou 'Axapvay ix Tuofeiov ist vielleicht sein sohn.
Delphi. 241
Für die zeit von ol. 139, 4 — 140, 3 ergiebt sich aus Po-
lybius folgende liste:
OI. 139, 4 v. Chr. 221/0 Ariston Polyb. IV, 5. 9. 17.
» 140, 1 » 220/19 Skopas Polyb. IV, 26. 27.
» 140, 2 » 219/8 Dorimachos Polyb. IV, 67.
» 140, 2 » 218/7 Agetas Polyb. V, 91. 96.
Folglich gehört die inschrift bei Wescher n. 422 aus dem jahre
des delphischen archonten Soxenos, welche das datum oıgazuy£ov-
zog Gv Aliwiwy Aoguuyou Toigortos hat **), in ol. 140, 2.
Nach ol. 140, 3 ist die inschrift Wescher n. 384 zu setzen, wie
die überschrift ergazay£ovros ’Ayılta to devtegow zeigt: sie ge-
hört in das jahr des delphischen archonten Euangelos (des älteren)
unter den priestern Kukleidas und Xenon ??) Derselben zeit wird
n. 407 angehören Grgarayfovrog Xadérov (als archon fungirt Hy-
brias °°), als priester Eukles und Xenon), es ist wohl derselbe Cha-
lepos, den Polybius XXII, 8 bei einem späteren vorfalle (ol. 147, 4)
erwühnt, und auch an einer anderen stelle X X, 9 ist wohl Xa-
Aewog statt XxÂnooç zu verbessern.
Ich wende mich zu der liste der delphischen gastfreunde. Die
bier verzeichneten namen hat man bisher nicht gebührend beachtet:
nur Quinctius Flaminius und die zugleich mit ihm genannten Ró-
mer haben die aufmerksamkeit auf sich gezogen; vergl. ausser
Mommsen auch Wescher Mon. bil. p. 189 ff., der übrigens Momm-
sens arbeit gar nicht zu kennen scheint. Wie die ertheilung der
proxenie an Quinctius unzweifelhaft auf politischer berechnung be-
rubt, so mag dies motiv auch in anderen fallen mitgewirkt haben.
28) Die schreibung 4ogiuayos findet sich auch regelmässig in den
handschriften des Polybius, dagegen 4wesuayos in der inschrift bei
Ussing Insc. in., ebenso auf einer ülteren zu Athen gefundenen am-
phiktyonenurkunde bei Bücher, De gente Aetol. p. 11. CIA. II, 551.
29) In die erste strategie gehórt vielleicht die inschrift bei Ste-
hani p. 41: ró» Alrwlwy otpatayéovtos IN..... nolita, wo man
Aynta Kallınolita ergänzen kann. Sein sohn wird Lochagos, der stra-
leg ol. 150, 2, sein, da unter den zeugen einer urkunde aus ol. 151, 3
(Wescher n. 191) 4oyayos ‘Ayjte Kallsnolitas genannt wird. Der
sohn dieses Lochagos ist wohl der ol. 153, 1 in Kallipolis als archon
fungirende Agetas (Wescher n. 100).
30) Dieser Hybrias ist nicht zu verwechseln mit dem gleichna-
migen magistrat Wescher n. 432. 433, der in die epoche der priester
Archon und Athambos gehórt.
Philologus. XLII. bd. 2. 16
242 Delphi.
Delphi war auch in dieser epoche mittelpunkt politischer intriguen:
die verschiedensten einflüsse machten sich hier geltend, jede partei
suchte in der bürgerschaft und im kreise der behörden dieses prie-
sterstaates anhänger; selbst frauen waren in die öffentlichen handel
verflochten, wie Praxo, welche dem meuchelmórderischen attentat
auf das leben des kónigs Eumenes nicht fremd war ?!).
lm ersten jahre (ol. 145, 4) wurden zwei gastfreunde ver-
zeichnet, ein bürger von Lilaea und ein Athener, beide mir unbe-
kannt. Ol. 146, 1 erscheinen im zweiten semester vier Massalioten,
wohl eine festgesandtschaft, darunter Kgsvag /7v9la, Huv9faq
Kowa, wahrscheinlich vater und sohn, vielleicht aus dem ge-
schlechte des bekannten reisenden Pytheas, denn der delphische
schreiber mag hier wie anderwärts die ihm geläufige form des na-
mens substituirt haben. Die Massalioten stehen seit alter zeit mit
Delphi in verbindung und hatten dort ihren eignen thesauros.
Danu werden nachträglich ebenfalls aus dem zweiten halbjahr noch
drei proxenen aus Lamia, vielleicht auch eine festgesandtschaft an-
geführt. Das folgende jahr ol. 146, 2 bietet zahlreiche belege für
die verleihung der proxenie dar. Zunächst aus dem zweiten se-
mester sind zwei Italiker verzeichnet
Biurrog Marovgov Karvoivog
Kosrros Orogsoç Kotrrov ‘Pwuuïog 8°),
wahrscheinlich rómische officiere, die bei dem abzuge des rómischen
heeres nach der besiegung des Nabis Delphi besuchten, doch ist ein
Q. Voturius io dieser zeit nicht nachzuweisen 8). Dann folgen
31) Praxo stand mit Perseus von Makedonien in verbindung, Li-
vius XLII, 15: Jitteras dat ad Praxo hospitam, principem. auctoritate. et
opibus Delphorum , ihr haus war, wie es c. 17 heisst, receptaculum
latronum. Auf diese frau bezieht sich vielleicht die freilassungsur-
kunde Wescher n. 114, wo lato ‘Kupevida ovrevdoxéortos Moakia
eine sklavin freiläast ol. 153, 4 (unter dem archon Kleon): Praxo
war wohl eine tochter des Emmenidas, und Pruxias ist offenbar der
sohn, der mann war bereits gestorben. Verschieden ist die Moatd,
welche mit ihrem gatten Mgagias nach Wescher n. 423 eine sklavin
freilässt (unter dem archon Xenokritos, dem priester Archon).
32) Nach griechischer sitte ist vios ausgelassen, nachher wird es
bei Rómern hinzugefügt, unterbleibt aber bei Griechen, die rómische
bürger sind.
33) Beachtenswerth ist die umwandlung des römischen namens
Voturius in Otousos, sonst werden römische namen sehr correct
wiedergegeben; es ist daher auch unzulüssig, wenn man den sklaven-
namen Kivros in der urkunde Wescher n. 66 als Quintus fasst; es
wird der celtische name Cintus, der häufig als töpfername vor-
Delphi. 243
die verleihungen aus dem ersten semester an Griechen aus dem
Chersones (ob der thrakische oder pontische gemeint ist, lässt sich
nicht sagen, denn der name Zxv9nç ist nicht entscheidend, später
z. 97 lautet die angabe bestimmter Xegoovacizas dx tov Movrov),
aus Pantikapaeon (*Anarovesog Kixwvog, als ionischer eigenname
erscheint Kixwy auch bei Hipponax) und aus Corinth. Den be-
schluss macht wieder aus dem zweiten semester
Zevopuv EvovAtovros Alyseve,
die erste namhafte persónlichkeit in der liste der delphischen
proxenoi. Xenophon, ol. 145, 3 abgeordneter des achaeischen bun-
des an Quintius Flamininus (Polyb. XVII, 1 u. 10. Liv. XXXII,
32), geht spüter ol. 102, 3 als gesandter nach Aegypten (Pol.
XXVIII, 16). Sein vater Euryleon war achaeischer strateg (Pol.
X, 21).
Ol. 146, 3 im ersten halbjahr wird die proxenie ausser dem
Phantagoras von Kos dem Akarnanen Alexander und seinen sóhnen
ertheilt :
* AAEavdgoc “Avisogov Axapvav xal roi vioi adrot
Dilunnos "Avılyovos *Axagvaves.
Menander, früher mit Philipp von Makedonien befreundet, später in
dienste des Antiochos, wird im auftrage des kónigs in diplomati-
schen geschäften damals Griechenland bereist haben; vou dieser sen-
dung zurückgekehrt, nimmt er am kriegsrathe theil (Liv. XXXV,
15); bald nachher ol 147, 1 wird er in der schlacht an den
thermopylen verwundet und erlag seinen wunden (Liv. XXXVI
20). Der eine seiner sóhne kann der bei Polyb. XXVII, 5 er-
wähnte ’ Avıfyovog ' Aletavdoov sein, den künig Perseus als ge-
sandten zu den Boeotern schickt, wohl nicht verschieden von
dem Antigonus, den Livius XLIV, 26 zu den purpurati des Per-
seus zählt; auch Philipp mag schon seine dienste benutzt haben,
vergl. Liv. XL, 57: Cotto nobilis erat Bastarna, ea res Antigonus
saepe iunius cum ipso Cottone legatus ad concitandos Bastarnas
missus. Die verderbte stelle zu heilen ist schwierig; Antigonus
kommt, ebenso Cintugenus und Cintugnatus sein. Dieser Kiy-
ros ist allerdings ein !vdoyerns, mag aber von celtischen elteru ab-
stammen; celtische sklaven kommen in den delphischen urkunden
wiederholt vor, führen aber in der regel griechische namen, nur Mas-
gatas klingt fremdartig.
16°
244 Delphi.
muss nothwendig, schon um iln von dem vorher erwähnten sobne
des Echekrates zu unterscheiden, genauer charakterisirt werden,
vielleicht ist Antigonus e pezetaeris unus oder auch Acarnan Anti-
gonus e pezetaeris unus zu lesen. Nachher wird mit verletzung der
chronologischen ordnung eine ernennung aus dem jahre des ar-
chonten Theoxenos eingeschaltet, der, wie die namen der priester
("Auvriag, T«gaviivog) beweisen, einer späteren zeit angehört *).
Aus dem zweiten semester von ol. 146, 3 folgen dann noch zwei
neu ernannte gastfreunde |
‘Hynowevak Aoytvous ° Aleburdoevs ix 12; Towadog
und
°A3nvayogas * AInvayopa 100 AswotBov Xiog *5),
Hegesianax, ein vielseitig gebildeter mann, dichter, grammatiker
und geschichtschreiber (seine TQwixc gab er unter dem namen des
Kepuidwy oder Kepallwr von Gergis heraus), lebt am hofe des
Antiochos und wird wiederholt in wichtigen staatsgeschäften ver-
wendet. Zugleich mit Lysias (Polyb. XVIII, 30) an Flamininus
abgeordnet, wohnt er an den isthmien der proklamation der helle-
nischen unabhingigkeit bei und verhandelt dann mit dem rómischen
feldherrn ol. 146, 1 zu anfang. Ol. 146, 3 steht er wieder an
der spitze der gesandtschaft, die Antiochos nach Rom schickte: Li-
vius XXXIV, 57 ff. nennt als seinen collegen den Menippos, Ap-
pian Syr. 6 fügt (offenbar nach Polybios) auch Lysias hinzu.
Diodor XXVIII, 16 erwähnt nur Menippos. Menippos wird auch
als gesandter des Antiochos in dem schreiben des rümischen senats
an die Teier (CIGr. 3045) erwühnt, indem er zugleich eine spe-
cialmission für Teos übernommen hatte. Auf dieser reise nach
Rom wird Hegesianax auch Delphi berührt und die proxenie er-
halten haben: vielleicht gehörte auch Athenagoras von Chios zu
dieser gesandtschaft.
Auf den archou Peithagoros ol. 146, 3 folgt im verzeichniss
34) Auch die ungescbickte fassung ofds noótevos deutet auf einen
zusatz von zweiter hand zu dem ursprünglichen entwurf der liste hin.
Wenn demungeachtet nur einer genannt wird: Kdoavdpoc Mtvta9éog
Toews ano ' AlsEavdgeias (diesem namen glaube ich schon begegnet zu
sein, kann ihn aber nicht wieder auffinden), so mag dies der stein-
metz verschuldet haben.
35) Wenn vater und sohn den gleichen namen führen, wird gern
noch der name des grossvaters hinzugefügt.
Delphi. 245
der proxenen z. 54—62 der archon Kleodamos. Die freilassungs-
urkunden dieses archon zeigen, dass der grösste theil seines amts-
jabres mit der zweiten strategie des Phaeneas zusammenfállt; dies
führt also, wie Mommsen richtig bemerkt, auf ol. 147, 1; folglich
ist in der liste ein archon zwischen Peithagoras uud Kleodamos
übergangen: Mommsen hat die lücke glücklich ausgefüllt, indem
er den archonten Ekephylos einschaltet, denn dessen amtsjahr trifft
grösstentheils nach den freilassungsurkunden mit der zweiten stra-
tegie des Damokritos zusammen, der der nachfolger des T'hoas und
vorgänger des Phaeneas war?9?) Ekephylos war also ol.
146, 4 archon von Delphi; die unruhige zeit, welche dem aus-
bruche des krieges zwischen Rom und Antiochos voranging, er-
klürt es, dass aus diesem jahre nur drei manumissionen urkundlich
bezeugt sind; so mochte der verfertiger der liste entweder gar
keine urkunden über ertheilung der proxenie vorfinden oder die
paar namen der gastfreunde, welche ihm vorlagen, der aufzeich-
nung nicht würdigen. Die darstellung der begebenbeiten dieser
jahre bei Livius ist nichts weniger als übersichtlich, und es wird
mit unseren unzulünglichen hülfsmitteln kaum gelingen, die einzel-
nen vorgánge chronologisch genau festzustellen. Ich begnüge mich,
einen punkt herauszuheben.
Wenn Mommsen (p. 29) die ankunft des Flamininus, der als
gesandter wieder nach Griechenland geschickt war, oder doch seine
verhandlungen mit den Aetolern (Livius XX XV, 33) in den august
des j. 191 setzt, so ist dieses datum kaum zulüssig; ich sehe we-
nigstens nicht ab, wie es möglich ist, die fülle von begebenheiten
in dem zeitraum weniger monate unterzubringen; Flamininus muss
schon früher in Griechenland erschienen sein; ich vermag aber nur
eine thatsache etwas genauer zu fixiren. Flamininus begiebt sich,
nachdem die verhandlungen mit den Aetolern fruchtlos verlaufen
waren, nach Corinth: die Aetoler bemächtigen sich alsbald der
stadt Demetrias, und zu gleicher zeit wenden sie sich auch gegen
Sparta und Chalkis: der versuch gegen Chalkis misslingt. Flami-
ninus, nachdem er die besatzung von Chalkis durch 500 mann
pergamenische truppen verstärkt hat, zieht gegen Demetrias, um
96) Damokritos und Macestas hielten es mit Philipp in Makedo-
nien, Thoas und sein bruder (Liv. XXXV, 19) Dikaearchos mit An-
tiochos, s. Polyb. XXII, 14. Liv. XXXVIII, 10.
246 Delphi.
die stadt wiederzugewinnen, und wendet sich zugleich an den stra-
tegen der Thessaler Eunomos um unterstützung; Liv. XX XV, 39:
Eunomo Thessalorum praetori scripsit, ut armaret iuventutem. Eu-
nomos, der fünfte strateg der Thessaler, wird kurz vorher sein
amt angetreten haben: das amtsjahr der Thessaler fallt mit dem
der Aetoler und (damals auch) der Achaeer wesentlich zusammen,
der strategenwechsel findet im spätjahr statt, ol. 146, 1 trat der
erste strateg Pausanias sein amt an, was er nach jahresfrist, im
dritten oder vierten monat ol. 147, 2, dem Amyntas übergab, auf
diesen folgten ol. 147, 3 Aeneidas und ol. 147, 4 Epidromos:
allein dieser war nur acht monate im amte, auf ihn folgt eben
Eunomos, der also schoo im anfang des sommers 147, 4 strateg
ward und ausnahmsweise 16 volle monate an der spitze der ge-
schäfte stand. Auf die wahl gerade des Eunomos haben sicherlich
die Rómer hingewirkt: Livius berichtet XX XV, 31, dass die ró-
mischen gesandten noch, bevor sie der aetolischen bundesversamm-
lung beiwohnten, Athen, Chalkis, Thessalien und Magnesia be-
suchten: adlocuti concilio frequenti Thessalos Demetriadem iter
flexere. Niebuhr, Kl. schr. I, 244 vermuthet, die Römer hätten
den vorgünger des Eunomos als verdüchtig entfernt; ein so ge-
waltsames eingreifen ist nicht wahrscheinlich; Epidromos wird ge-
storben sein, und iudem die Thessaler zu einer neuwahl zusam-
mentraten, wirkte Flamininus darauf hin, dass ein mann seines
vertrauens gewühlt ward. Die bundesversammlung der Aetoler,
die Flamininus bald nachher besucht, wird also nicht, wie Mommsen
annimmt, in den spütsommer ol. 147, 1, sondern noch ol. 146, 4
gegen ende fallen. |
Aus ol. 146, 4 enthält also die liste gar keine proxenen,
aus dem ersten semester von ol. 147, 1 nur drei, und zwar zwei
aus dem pontischen Chersones, einen aus Demetrias. Ol. 147, 2
erscheint im ersten halbjahr
EvßovAldag Evyieov * A9nvaîos.
Diese ernennung hat mit der politik nichts zu thun; Eubulides,
sohn des Eucheir?"), ist nur als erzgiesser und bildhauer bekannt,
37) Die liste substituirt die dorische form des namens, wie auch
anderwärts in den delphischen urkunden: wird doch sogar 424 We-
scher der attische archon Xenokles in einen ergatayéwy verwandelt.
Eöysıg heisst der vater regelmässig auf attischen inschriften, so auch
Delphi. 247
der meist mit seinem vater zusammen arbeitete, wie noch mehrere
aufschriften an basen von kunstwerken bezeugen 38). Er mag auch
für Delphi gearbeitet oder eines seiner werke dem tempel ge-
schenkt haben, denn er war ein mann von liberaler gesinnung, s.
Pausan. !, 2, 5, und dass diese künstler auch ausserhalb Athens
thätig waren, zeigt Pausan. VIII, 14, 10. Diesen Eubulides versetzt
[man] gewöhnlich in eine spätere. zeit, in das erste jahrhundert v.
Chr. 39). Allein Plinius (XXXIV, 51) nennt ihn nicht unter den
künstlern, welche seit ol. 156 die fast erloschene kunstübung wie-
der aufnehmen, sondern erwähnt arbeiten des Eucheir und Eubuli-
des neben werken älterer meister (XX XIV, 91 und 88); diese
beiden gehüren also wohl zu den wenigen, welche in der unpro-
ductiven zeit vor ol. 156 die traditionen der echten kunst zu
wahren suchten. Wahrend die plastik in diesem zeitraume nur
mühram ihre existenz fristet, herrscht dagegen auf dem gebiete
der malerei reges leben: dieser epoche gehört das meisterstück hel-
lenischer kunst, die sog. Alexanderschlacht, an: denn mit diesem
namen pflegen die archaeologen noch immer die nachbildung auf
dem pompejanischen mosaik zu bezeichnen, obwohl von Alexander
keine spur wahrzunehmen und die vermeintlichen Perser unzwei-
in liste der énsuslmrai Ephem. Arch. 3760: Eufovdidns Kuyspos Kowni-
dns, aber die form Köyssoos findet sich auch bei dem corinthischen
künstler dieses namens, s. Pausan. VI.
38) Bo die inschrift CIGr. 666 (Add.) [Kaibel 852]':
Hallas Kosy95dàr doyay[ér? od]y xara vaóv
ade Tos idpv9n dudripa ig[onoloc],
Bovradiwy triuav IE] afu[aroc], &c yevéroQ uiv
ta[yoc] yv orpanas nevtdxs Havoiuayoc
Toi [ng ]6yovos d' avdncav by Alysidascı Avxodeyos
XO y9ovi nude “ATdids Asoyévns
av Tg uiv ójtw[o] Adyos &vdavev, ov di ds’ Zoya
Edvaxey dpyaiav natois ilsvIsviav.
[köl]yesp xè Evßovlidns Kownidas inoinoav.
Die namen ulripa und Mavoiuayos habe ich hergestellt, ebenso
v. 2 igonodog und v. 7 ó5reg. Keil hat irgendwo über diese inschrift
gesprochen, aber ich weiss augenblicklich nicht wo.
39) Dafür liessen sich die schriftzüge der inschrift in Athen...
XEIPOZ KPSINIAHE EIIOIHZEN (Stephani Rh. Mus. IV, 32) anfüh-
ren , allein dieselbe wird einem jüngeren nachkommen des künstlers
angehören, und es ist ungewiss, ob Kü]yssgos als nominativ zu fassen
oder Kußoviidns Eb]yegoc zu ergänzen ist. Die homonymie der atti-
schen künstlernamen hat öfter getäuscht. Antignotos, den Plinius
XXXIV, 86 erwähnt, ist älter als der gleichnamige künstler, der auf
steinschriften aus der zeit des Augustus genannt wird.
248 Delphi.
felhaft Kelten sind. Die niederlage der Gallier bei Delphi ol.
125, 2 ist der vorwurf dieses bildes; der hellenische fiihrer, der den
keltischen häuptling (vielleicht Brennus) niederstósst, wird der Aetoler
Philomelos (Paus. X, 23, 2. CIA. II, 323) sein: denn an die schlacht
bei den Thermopylen ist nicht zu denken, da hier kein reiterkampf
stattfand (Paus. X, 21, 2); hier führte der Athener Kallippos, ob-
wohl er. nur mit 1000 hopliten (den elitetruppen, éxflextos, émiyo.
ürexd. n. 75) und 500 reitern (Pausan. X, 20, 5) ausgezogen
war, das oberste commando (Paus. nyeuovluy otros xut’ aElwue
eiyov 10 aeyatov). Diese waffenthat der Athener vergegenwärtigte
ein gemälde des Olbiades im rathhause zu Athen (Paus. I, 3, 5).
Wer das urbild des pompeianischen mosaiks geschaffen hat, lässt
sich nicht ermitteln; vielleicht befand es sich in Ambracia und
gelangte mit anderer kriegsbeute durch Fulvius nach Italien. In
schlachtenbildern hat sich die kunst dieser zeit mehrfach versucht:
der jüngere Timanthes malte den sieg des Aratos über die Aetoler
bei Pellene (ol. 135, 1. Plut. Arat. 32), Nealkes ein seegefecht
zwischen Persern und Aegyptern (Plin. XXXV, 138). — Aus
dem zweiten semester ol. 147, 2 werden ausser einem Herakleoten
verzeichnet
Taio TuyvAMog Tay(Aov vios * doyvgynnavóg 4°)
und
Tuiog Starwgıos Tatov vióg Bosvreotvoc,
wahrscheinlich rümische officiere, welche der antiochische krieg
nach Griechenland führte. Statorius kónnte derselbe sein, der im
auftrage der Scipionen dem Syphax von Numidien sein heer nach
römischem muster organisierte, Liv. X XIV, 48; wenn er dort Q
genannt wird, so kann dies schreibfehler statt C sein; an einer
zweiten stelle XX X, 25, wo er spöttisch semiliza genannt wird,
fehlt das praenomen, Zu den eben genannten kommt nachtrüglich
z. 188 Borgus Tiuodéov ’ AdsSuvdgers.
Ol. 147, 3 sind im ersten halbjahr Demetrios aus Thera,
Orthon aus Rhegion, dann ein Rómer mit vier sóhnen
Muugxos 'OoM(£)osog 'Ouorrovgg xai
toi vioi avrov ITonAios, Taios, Maagxog,
40) Ob der name Salsius sonst vorkommt, weiss ich nicht,
Salisius findet sich, Sallius ist häufig.
Delphi. 249
Kói»rog "Pupaio:.
"OdAegsos schreibt Wescher, der stein O44 . PIOS, wenn nicht
etwa Oaiagseos geschrieben war, wie in der inschr. ClGr. 3045
Ovaidgeog sich findet *!). Das fremdartige cognomen dieses Ró-
mers ist nichts anderes als Muttines, wie der mann bei Livius
heisst *?). Anführer der karthagischen reiter, in der schule Han-
nibals gebildet, verräth er, von Hanno gekränkt, Agrigent an die
Römer, Liv. XXVI, 4, erhält zum lohn für diesen dieust auf an-
trag des Valerius Messala das bürgerrecht (Liv. XXVII, 5). Die-
ser Muttines befindet sich im sommer d. j. 188 v. Chr. (ol. 147, 4
— 148, 1) mit numidischen reitern, unter denen auch einer seiner
sóhne sich befand, bei der rümischen armee auf dem rückmarsche
durch Thrakieo. (Liv. XXXVIII, 41). Ausser Muttines wer-
den in der urkunde aus demselben halbjahre noch Strombichos aus
Apollonia und Leontis aus Agrigent genannt; da Muttines in jeuer
stadt längere zeit in quartier gelegen hat, könnte Leontis ein ihm
befreundeter Agrigentiner sein, der mit ihm in römische dienste trat.
— Das zweite semester zählt nur zwei delphische gastfreunde,
einen Leukadier und Onasimos aus Pella, auf.
OI. 147, 4, im jahre des delphischen archonten Xenon, hahen
eine reihe namhafter persönlichkeiten die proxenie erhalten; zu-
nächst im ersten semester
"ABowv Kaditov ° AFnvaîos,
offenbar ein angesehener Athener, mit dem hause des redners Ly-
kurg verwandt, dessen fran Kallisto eine tochter des Habron und
schwester des Kallias war, der ol. 110, 3 kriegszahlmeister war‘).
41) Wescher Mon. bil. p. 189 bemerkt seine lesart 'Oadégsoc habe
er nicht ohne bedenken aufgestellt: aw sujet de luquelle M. Théod.
Mommsen m'a adressé des obiections, dont je reconnais la valeur. Dies
bezieht sich wohl auf eine privatmittheilung, ich sehe aber keinen
grund zu bedenken.
42) Muttines ist wohl kein echter afrikanischer eigenname,
sondern ein zuname, den der Numidier von den Sikelioten oder Rö-
mern, denen die numidische und karthagische sprache unverstündlich
war, erhalten hatte. Zu grunde liegt die interjection mu oder mut,
Plautus bei Charisius 240: Quis tu es, qui ducis me? Mu. Perit, hercle
Afer est. Mu facere führt derselbe grammatiker aus Lucilius (auch
bei Ennius, s. Varro VII, 101), mutmut non facere audet aus dem Atri-
kaner Apulejus an. Ob in der delphischen inschrift 6 Moszovns zu
lesen Pr wage ich nicht zu entscheiden. [S. Dittenberger im Hermes
, 158.
43) Plutarch, Leben des redners Lykurg: Zoys dé resis maidas dx
250 Delphi.
Von jenem schwager Lykurgs stammt dieser Habron ab, er wird
sein urenkel sein. Dieser Habron kommt auch auf einer atti-
schen inschrift als tsgowosdg vor 44) und wird der von Steph. Byz.
(Barn) erwähnte “ABowy o Kaddlov, eEnyning, megi fogrwy xoi
Svowy yeypaywg sein; diese schrift legt man nach dem vorgange
O. Müllers und Boeckhs gewöhnlich dem älteren Habron bei, wäh-
rend ein zeitgenosse des periegeten Polemo offenbar besseres an-
recht darauf hat 45). Ob der pankratiast Kallias, der ol. 152, 3
an der spitze einer attischen festgesandtschaft vrèo rwv Mara9n-
vefwy am ägyptischen hofe war, (Polyb. XXVIII, 16) der vater
des Habron war, lasse ich dahingestellt.
lm zweiten semester wird zuerst
Mouviog Doklvov Zxorovocatog 4°)
verzeichnet, ein vornehmer Thessalier, der eben erst das strategen-
amt in seiner heimath verwaltet hatte ol. 147, 3 bis anfang ol.
147, 4. In dem verzeichniss der thessalischen strategen, welches
Eusebius I, c. 39 (p. 180 der Mailänder ausgabe der lat. übersetzung
des armenischen textes) giebt, heisst er Pravilus (Praviles) Pha-
riae Scotusaeus. Sein bruder bekleidet ol. 149, 2 dieses amt:
Nicocrates Phaxini Cotunensis, wo schon Mai das richtige Scotus-
saeus errieth, wahrend Niebuhr fehlgriff. Eusebius giebt die quelle,
aus der er den abschnitt Thessalorum reges abschrieb, nicht an.
Kadlsotoic "Aßpwvos uiv Fvyaroos, Kalliov dé roù “ABowvos Bari9sy
adelyns, Toù tTausevoavtos cipanwnxdr ini Xarouvdov dopyovrog.
44) “ABowy Ba(tj9)ev, Ross, Demen n. 12 imi Kaà]...-o» ag-
yortoc, nicht ol. 107, 4, wie Ross annimmt, schon die schriftzüge füh-
ren &uf eine spütere zeit, ebenso die abweichende auswahl der be-
hörde, auffallend ist auch der ausdruck ra '495v«ia statt rà Hava-
Synvasa.
45) Bei Apollon. Mirab. hist. c. 8: “Avdgwy» iv m Î tà» noos bi-
Asınnov 9vow» hat Meineke (Athen. T. IV, p. 220) gewiss richtig den
namen des “480wr hergesteltt, aber wenn er in dem dilsnnos den
schwiegervater von Lykophron, dem sohne des Lykurg, findet, kann
ich nicht beistimmen: der name Philippos ist in Athen nicht unge-
wôhnlich; vielleicht aber war die schrift dem könige von Makedonien
gewidmet, dann ist auch der zusatz noos Pilınnov in dem citate
nicht auffallend.
46) Dieser name kommt auch sonst vor, einen philosophen Heas-
dog ano Towaädos, anhänger des Timon, nennt Diog. L. IX, 115 (Co-
bet schreibt Meaviovs, dies ist sicher falsch, //pavvovs wäre denkbar,
ist aber als eigenname nicht nachweisbar) Wenn Clemens Al. Str.
IV, 496 ed. Col. als schreiber des Lakydes Mavdog nennt, so ist wohl
Ioavios zu lesen.
Delphi. 251
Niebuhr, Kl. schr. I, 242 ff. hat die liste der thessalischen strate-
geu chronologisch zu bestimmen unternommen ; C. Müller, Fr. Hist.
Gr. HI, 704 kommt zu etwas abweichenden resultaten, aber was
er gegen Niebuhr vorbringt, ist nicht recht zutreffend. Nach der
schlacht bei Kynoskephalae im j. 197 v. Chr. geht Thessalien fiir
Makedonien verloren (nach Eusebius hatte damals Philipp bereits 23
jahre 9 monate regiert), 196 ward die unabhängigkeit der griechi-
schen staaten proclamirt, und alsbald (ol. 146, 1 zu anfang) wurden die
verhältuisse Griechenlands geordnet. Nachdem Thessalieu über ein
jahr 4") ohne eigentliche regierung gewesen war, wird der erste
strateg gewällt, seine amtszeit reicht vom spätjahr 196—195, im
jahre des zweiten strategen kehrt Titus Flamininus zurück, nach-
dem er noch unmittelbar vorher Thessalien besucht, um die reor-
ganisation der landschaft zum abschluss zu bringen *9) Es wer-
den 17 strategen bis zu Philipps tode aufgezählt; da aber Philipp
noch 19 jahre nach dem verluste 'l'hessaliens regiert hat, so ist
die liste unvollstándig, es fehlt ein name, wahrscheinlich einer, der
schon genannt war 4), und ich glaube, die lücke lässt sich aus-
füllen. Der 15. strateg Hippolochos hat nämlich dieses amt auch
47) Die republik Thessalien ward im wesentlichen nach dem mu-
ster des aetoliscben und achaeischen bundes constituirt; an der spitze
stand ein strateg, und dieser trat sein amt geradeso wie dort im
spütjahr ein: der letzte monat des thessalischen kalenders ist der
&vllixos (der auch im calender der Perrhaeber vorkommt), in diesem
monat wird die wahl der beamten stattgefunden haben, die ibr amt
mit dem @eusonos antraten. Der d»wALxóc hat mit dem namen der
stadt #ullos nichts gemein, sondern ist so benannt, weil um diese
zeit die blütter von den bäumen fallen: vergl. Hesiod W. u. T. 421:
juoc dn Anyos uévog oËéos relioso xavuatos idaliuov pesronwowòy ou-
Bercartog Znvos êpsoderéos . . . . Tjuos adyxrotdm néleta: tunStioa as-
drop bln, gilla d' Fonte yées, nropSoso te Anysı. Darauf bezieht sich
Pollux I, 221 gvlloyôs uns ... ws ‘Hoiodos, daher heissen die herbst-
monate überhaupt puddoycos unvss, Plut. Qu. Symp. VIII, 10, 1. Alci-
phron III, 10. Nach Plinius H. N. 18, 224 verlieren in Italien die
báume ihr laub im laufe des novembers.
48) Livius XXXIV, 51 ol. 146. 2, aber man darf nicht von die-
sem zeitpunkte an die einsetzung der thessalischen strategen be-
rechnen.
49) Die neue republik Thessalien ward auf timokratischer grund-
lage constituirt, Liv. XXXIV, 51: a censu mazime et senatum et iudi-
ces legit, potentioremque eam pertem civitatium fecit, cut salva et tran-
quilla esse omnia magis ezpediebat. Die wahl bewegte sich in einem
engen kreise angesehener geschlechter, wiederwahl kam daher häufg
vor, wie dies auch bei den strategen des aetolischen und achaeischen
bundes ganz gewóhnlich war.
252 Delphi.
noch ein zweites mal bekleidet, wie eine inschrift von Korkyra
(Rhein. Mus. XVIII, 540) zeigt:
Steatayolvvtog Oecoulwy
"Ixno]ioyov tov ’AleËinnou
10 devijegor Aapıculov °°)
Eusebius sagt Hippolochus Alezippi Lasissaeus, die inschrift bezieht
sich also auf dieselbe persónlichkeit, und da eine wiederwahl gleich
für das folgende jahr nicht wahrscheinlich ist, weise ich der zwei-
ten strategie des Hippolochos die vorletzte stelle an 9!).
So ergiebt sich folgende liste der thessalischen strategen :
Ol. 146, 1 Pausanias, Echekrates’ s. von Pherae.
2 Amyntas.
9 Aenkidas.
4 Epidromos (8 mon.) Eunomos (4 mon.)
Ol. 147, 1 Eunomos.
2 Aeakidas abermals.
3 Praÿlos.
4 Eunomos abermals.
OI. 148, 1 Androsthenes.
2 Thrasymachos.
3 Leontomenes Damothoenos’ s. v. Pherae.
4 Pausanias Damothoeno’s s. 99).
Ol. 149, 1 Theodoros.
2 Nikokrates.
3 Hippolochos.
4 Kleomachides,
50) Die stellung der worte 16 devrepoy ist ungewöhnlich, wird
aber durch analogien gesichert: C. Wachsmuths deutung, der aus die-
sem zusatze schliesst, auch der grossvater habe Alexippos geheissen,
ist entschieden abzuweisen. Die stadt Movd«, die in dieser urkunde
zum ersten male genannt wird, gehört oflenbar zu Thessalien, wäh-
rend Azoros den Perrhaebern gehört.
51) Ol. 150, 3 ist Hippolochos unter den hieromnemonen, s. We-
scher n. 459 (‘In)nolöyw "Adetinnov, Ilolvtévo . . . Aapscaioss. — Ein
Alexippos fungirt als hieromnemon in der inschrift Wescher mon.
bil. p. 119.
52) Eusebius Laontomenes Damothonis Pheraeus, deinde Pausanias
Damothonis. Die richtige namensform ist Jauc9osvos, wie die inschrift
bei Wescher 55 & dé Oecoalig argatayéortos AayoSoivou zeigt. Leon-
tomenes und Pausanias sind offenbar brüder, der strateg Damothoinos
(Wescher 55) ist der sohn eines oder des anderen, sein amtajahr fällt
Delphi. 258
OI. 150, 1 (Hippolochos abermals).
2 Phyrinos Aristomenes’ s. v. Gomphi °°).
Wenn Philipp 19 jahre nach der schlacht bei Kynoskephalae
(ol. 145, 3) stirbt, so fällt sein tod in ol. 150, 2 in den sechsten
monat, also in den dritten oder vierten monat der 18. thessalischen
strategie, denn Eusebius sagt ausdrücklich: cuius obitus incidit in
centesimae et quinquagesimae Olympiadis annum alterum cum quin-
que mensibus d. h. nachdem fünf monate dieses olympischen jahres
verflossen waren, also im j. 179 gegen ende. Die darstellung des
Livius ist damit wohl vereinbar: Livius (XL, 59, vergl. XLV,
9) verzeichnet den tod Philipps im j. 575 Roms = 179 v. Chr.;
nach Diodor XXIX, 25 hat Philipp den tod seines sohnes kaum
zwei jahre überlebt, ovdè dier yoovor Eneßlwos; demnach wäre
Demetrios im j. 181 gegen ende gestorben: und dass die vergif-
tung des Demetrios gegen den winter erfolgte, ergiebt sich auch
aus der darstellung bei Livius: er schildert XL, 6 die solenne
lustration des makedonischen heeres, die in den winter oder das
frühjahr zu setzen ist *). Philipps feldzug fallt in den hochsom-
zusammen mit dem delphischen archonten Andronikos, Phrikidas' sohn,
dieser fungirt in der periode, wo Amyntas und Tarantinos priester
des Apollo waren.
93) Der n&me dieses strategen (nach der Revue Numism. 1852,
219 heisst er in der armenischen übersetzung Phirrinos) lüsst sich
nicht mit sicherheit herstellen, vielleicht hiess er ovros. Bei We-
scher Mon. bil. p. 203 wird ein thessalischer hieromnemon Holiyov
tov Povvov T... . erwähnt.
54) Hesych. Zavsıxa' Éoorn Maxsdorwr, Hav9sxoU unvos n ZavFsxov
Gyoutvn‘ Eon dì xaddgoor rw» otvarsevuctoy, Hier liegt offenbar eine
abweichende zeitbestimmung vor, nicht eine orthographische variante,
wie M. Schmidt annimmt, der durch die änderung Zardsxov den
fehler zu heben glaubt. Hesychius schrieb wohl xoc Zav9exov È
Heoscotíov ayouérr. Denn die im Livius XLIII, 21. erwähnte lu-
stration des makedonischen heeres füllt nicht in den Savdıxög (märz),
sondern mitten in den winter, also wohl eben in den Megéotsos oder
Iépirnos (januar); denn so hiess sicherlich dieser monat, eben weil
er ein eühn- und reinigungsmonat war: die herkömmlichen schreib-
weisen dieses namens sind ohne ausnahme fehlerhaft. Demnach
scheint es, dass man ein zweifaches sühnfest im /7egiorsos (januar) und
im Zardixos (oder Havdixóc, wie die Makedonier sprachen, d. h. märz)
unterscheiden müsse. "Vielleicht hat aber Hesychius einen spüteren
makedonischen kalender vor augen: in asiatischen stüdten, wie
Aphrodisias und Seleukeia, entspricht der Far®ixòs dem Mepionog; in-
dem er die stelle des decembers einnimmt, mochte man dus alther-
kómmliche sühnfest aus dem Jfsoionos in den Aar9ixog verlegen und
demgemüss Zar9sxa kennen. Die lustration, welche Curtius X, 29
n&ch dem tode Alexanders in Babylon schildert, war eine ausser-
254 | Delphi.
mer (Liv. XL, 22) nach der rückkebr, nachdem mehrere monate
verstrichen sind (23: his anzius curis cum aliquot menses egisset)
wird die intrigue mit den gefälschten briefen des Flamininus ange-
stiftet, die mit der vergiftung des Demetrios endet: dies führt auf
den ausgang des jahres, und awar fallen alle diese begebenheiten
in 181 v. Chr., nicht in 182: die chronologische tabelle bei Nis-
sen, Krit. unters. 334 ist durchaus nicht massgebend: die weise,
wie Livius seine verschiedenen quellen verarbeitet, erschwert auch
hier eine klare einsicht in die zeitfolge der begebenheiten. — Die
angaben bei Eusebius über die Dauer der regierung des Philipp
(damit steht die zeit seines regierungsantrittes und die schlacht bei
Kynoskephalse in unmittelbarster verbindung) kann ich hier nicht
weiter prüfen: man stüsst hier auf manche schwierigkeit; so um
nur eins zu erwühnen, wenn wir die schlacht bei Kynoskephalae
ol. 145, 3 (juni) ansetzen, dann sind bis zu Philipps tode nicht
19 volle jabre, wie die rechnung bei Eusebius voraussetzt, son-
dern nur 18!/; verflossen.
Im zweiten halbjahr folgen auf den thessalischen strategen
drei Rómer:
Ttros Kotyxriog Tirov vioc ‘“Pwpaîos
Aevxsos ""fx(Aiog Kalowvog vióg ' Pupatog
Máagxog Aluvisog Atnedog Maagxov vidg ‘Pwpaîos.
Hier haben wir ein deutliches beispiel, dass auch abwesenden die
proxenie ertheilt ward; denn Flamininus war im j. 189 censor
und durch seine amtsgeschäfte an Rom gebunden.
Wo Lepidus, der im jahr 187 das consulat bekleidet (die
wahl fand im februar statt) sich in der ersten hälfte des j. 188
befand, wissen wir nicht. L. Acilius ist der vater des consuls M’.
Acilius (L. f. K. n., s. Fasti Capit.) im j. 604, und wohl nicht
verschieden von L. Acilius, der im j. 573 (181 v. Chr.) in Spanien
gegen die Celtiberer ein commando hat (Liv. XL, 30 ff).
Dass Flamininus gerade damals von der delphischen gemeinde
diese auszeichnung erhielt, kann befremden: man sollte erwarten,
ordentliche. — Nach Livius stand Perseus zur zeit dieser lustration
im 80. lebensjahre, diese angabe wird auf Polybius zurückgehen, ist
aber bei der differenz der angaben über seine regierungszeit und
seinen tod für die chronologische feststellung des fraglichen momentes
nicht zu verwerthen.
Delphi. 255
dass der von den Griechen hochgefeierte Römer schon früher in
Delphi, wo er weihgeschenke gestiftet hatte, ein zeichen dankbarer
anerkennung empfing. Mommsen nimmt daher an, dem Flamininus
sei wiederholt die delphische proxenie verliehen worden. Allein
eine zweifache verleihuug des gastrechtes hat eigentlich keinen
sinn; mit Olympichos aus Coronea, der z. 204 und dann wieder
z. 246 jedesmal mit zwei anderen bürgern von Coronea zum proxe-
nos ernannt wird, hat es eine besondere bewandtniss: dieser war
offenbar beide mal mitglied einer festgesandtschaft: da die aus-
zeichnung in diesem falle sámmtlichen theoren zuerkannt ward,
konnte man den Olympichos das zweite mal nicht ausschliessen,
obwohl er schon früher die proxenie erhalten hatte. Ebenso un-
statthaft ist Mommsens behauptung, die ernennung des Flamininus
und der beiden anderen Rómer sei in eiuem acte erfolgt, es sei
dies eine zusammengehórende gruppe, und nur deren halber sei die
überschrift bei jedem einzeln wiederholt: allein eben die wieder-
holung der überschrift beweist, dass für jeden einzelnen ein beson-
deres decret ausgefertigt wurde. Dagegen die ertheilung selbst
mag gleichzeitig erfolgt sein, und dasselbe motiv mag diesen er-
nennungen zu grunde liegen. Aber auch hier kann ich Mommsen
nicht zustimmen; er nimmt an, die auszeichnung habe hauptsächlich
dem Lepidus gegolten, weil er mit grüsstem eifer die abberufung
des Fulvius aus Griechenland betrieben habe. Diese auffassung
streitet mit den thatsachen. Die proxenie wird im zweiten seme-
ster, ol. 147, 4, also im ersten halbjahr d. j. 188 v. Chr. ertheilt,
Lepidus, der widersacher des Fulvius tritt aber sein consulat erst
im frühjahr 187 an, gegen ende dieses jahres kehrt Fulvius aus
Griechenland zurück und halt noch im december seinen triumph,
während Manlius, der schon im frühjahr 187 zurückgekehrt war,
erst im märz 186 triumphirt. So berichtet Livius, dessen darstel-
lung, obwohl nicht frei von widersprüchen, jedenfalls hinsichtlich
der zeitangabe der triumphe vollen glauben verdient. Mommsen
nimmt mit Nissen an, Fulvius sei schon ein jahr früher abberufen
worden, weil von seiner thatigkeit in Griechenland im j. 187 nichts
berichtet wurde; aber was soll er denn in Rom während dieses
jahres bis zu seinem triumphe gethan haben? Mommsen sagt, Le-
pidus werde seine erfolgreichen bestrebungen gegen den bedrünger
der Griecheu nicht erst als consul, sondern schon im j. 188 be-
256 | Delphi.
gonnen hahen; allein wenn nach Nissens auffassung Fulvius bereits
gegen ende d. j. 188 wieder in Rom ist, so hatte Lepidus seinen
zweck vollstindig erreicht, noch bevor er das consulat antrat.
Aber selbst, wenn man dieser auffassung zustimmt, dann können
diese verhandlungen über die abberufung des Fulvius doch erst in
das ende des j. 188 fallen, denn im frühjahr 188 war ja, nachdem
der consul Fulvius persónlich die wahl der neuen consuln geleitet
hatte, ihm selbst und seinem collegen Manlius das imperium ver-
langert worden, und eben in diese zeit (die erste hälfte d. j. 188)
fallen die decrete der Delphier. Jene chronologische anordnung
der vorgünge in Rom bereitet nur neue schwierigkeiten; und noch
weniger ist es gerechtfertigt, die Delphier in die rémischen an-
gelegenheiten zu verflechten, als hütten sie mit ihren decreten die
intriguen gegen Fulvius unterstützt. Jedenfalls wäre dies mittel in
Rom unwirksam gewesen, wo man diese ehrenbezeugungen auf ihr
richtiges maass zurückzuführen verstand.
Politische motive mögen allerdings jene beschlüsse der Del-
phier veranlasst haben: die macht der Aetoler war gebrochen 55),
die rümischen heere standen noch in Griechenland; da war es für
Delphi gerathen, sich der gunst und des schutzes der Rómer zu
vergewissern: nichts war natürlicher als dass man dem woblbe-
kannten und einflussreichen Griechenfreunde Flamininus die proxenie
zuerkannte; L. Acilius und Aemilius Lepidus, welche derselben ehre
theilhaftig wurden, mögen zu den politischen freunden des Titus
gehórt haben; ob man in Delphi von dem feindlichen verhältniss
zwischen Lepidus und Fulvius, der der bewerbung des Lepidus um
das consulat für d. j. 188 entgegengetreten war, unterrichtet war,
55) Ueber den namen des attischen gesandten, der den friedens-
verhandlungen mit den Aetolern beiwohnt, urtheilt Nissen p. 208
nicht ganz richtig, indem er die lesart bei Livius XXXVIII, 10 Leon
Hicesiae filius in schutz nimmt; ich kenne nur die namensform ‘Ixé-
osog, nicht ‘Ixecias. Es ist Cichesiae zu lesen, wie ich schon vor vielen
jahren in der Z. f. alterth. mit berufung auf das epigramm des Phae-
dimos (Anth. Pal. VI) bemerkt habe. Bei Polyb. XXII, 14 hat man
sehr mit unrecht 4aus Ksynoiwy nach Livius corrigirt, die stelle ist
durch schuld des epitomators oder nachlüssigkeit der schreiber ver-
unstaltet; 4&4:c hiess der sprecher der rhodischen, (4éw» 6) Kiynoiov
der wortführer der athenischen gesandtschaft. Jener gelegenheits-
dichter Phaedimos scheint auch dem sohne des Apollodoros von Ke-
phisia, dem gegner des römisch gesinnten Leon (s. Liv. XXXV, 50),
ein epigramm gewidmet zu haben. S. Anth. Pal.
Delphi. 257
steht dahin. Weshalb Flamininus nicht schon früher die delpbische
proxenie erbalten hatte, wissen wir nicht; auch Manius Acilius
Glabrio, der sich durch die grenzregulierung des delphischen ge-
bietes entschiedenen anspruch auf dankbarkeit erworben hatte,
kommt in der proxenenliste nicht vor, und seinen namen würde
man nicht übergangen haben, da die erinnerung an dieses verdienst
&uch spüter sich lebendig erhielt.
Den beschluss aus ol. 147, 4 macht
Avxoç Vita Taoaviivos.
Lykos ist unbekannt, sein vater Phileas, von Livius als ein un-
ruhiger kopf bezeichnet, hielt sich in Rom als gesandter seiner
vaterstadt auf, suchte die tarentinischen geiseln zu befreien, aber
der versuch misslang, und Phileas ward vom tarpejischen felsen
herabgestürzt, Liv. XXV, 7. Der sohn wird wohl ein treuer
anbünger der Romer gewesen sein °°),
Aus dem ersten halbjahr von ol. 148, 1 sind zunächst zwei
bürger von Velia verzeichnet, ein Eleat fiudet sich ausserdem noch
ol. 150, 2 (z. 225). Darauf folgt eine zablreiche gesellschaft,
ausser einem Naupaktier und einem Lykier sämmtlich Alexandriner,
darunter personen ersten ranges, a. 132:
Il:oAsuaiog Iizohtuaíov
tov Xgvotoplov] “Adetardoevs xa? 0 vióg avrov l'aMor[nc].
Hiodepaios MaxQuvog xai roi vio) avioù Kiso-
135 Bovdog, IlioAsuuiog, " Avdgutos 9") ° 4AcEavdQeis,
* Aguorovixog * Agsorovixov ' Aiskavdgere,
ITrorsuaiog Irodtpalov ' AdsEavdgevs Srovvasog
Kopavóg *AieEavdgers Arovvolov
* Agsoropérng 5°) ' distavdgtug * AleEavdgeus.
140 Siguuos Zigarlov Navnaxros,
Our Kaorogog ’ Aiskavdgevs,
° Ay fj oagyos Tawevs.
Der vater des zuerst genannten Ptolemaeos, der sohn des Chryser-
mos, der zu der nächsten umgebung (den g(40:) des kónigs Pto-
lemaeos IV (Philopator) gehórte, ward im j. 220 von den ge-
fährten des Spartaners Cleomenes ermordet (Plutarch Cleom. 36. 37).
56) Name auf münzen.
57) Statt “4vdovros ist wohl '4rdQvtac zu lesen.
58) [Im text bei Wescher ’Agaroutrys.]
Philologus. XLII. bd. 2. 17
258 Delphi.
Sein sohn, der die delphische proxenie erhält, bekleidet unter Pte-
lemaeos V (Epiphanes) im j. 185 das priesteramt der góttlich ver-
ehrten kónige, (s. Letronne, lnscr. de Rosette p. 10 nach einer
aegyptischen papyrusurkunde, datirt von november 185)59) Sein
sohn, der hier genannte l'al£ornç, ist sonst nicht weiter bekannt,
denn man darf ihn nicht verwechseln mit TuAéorns, dem lieblinge
des Ptolemaeos VI (Philometor) 9^), denn dieser war ein sohn des
Athamanenkónigs Amynander, s. Diodor Exc. 23 (Müller, Hist.
Fr. Il, p. XVIII) und Diodor XXXIII, 26.
Darauf folgt in der liste l7roÀsuatoc Maxowvos mit drei
sóhnen, möglicherweise ein sohn des Ptolemaeos, des stadtkom-
mandanten von Alexandria, der gleichfalls im j. 220 von den ge-
nossen des Cleomenes niedergestossen wurde (Polyb. V, 39. Plut.
a. a. o.), denn dieser führte vielleicht den zunamen MaxQw» 9!)
Aristonikos ist wohl der bei Ptolemaeos V in hohem ansehn ste-
hende eunuch, dessen charakter Polyb. XXIII, 17 in günstigem
lichte schildert; Aristomenes kann ein sohn des unter Epiphanes
eine zeit lang allmüchtigen Akarnanen Aristomenes (Polyb. XV, 31)
sein. Kouavoç wird derselbe sein, der nachher unter Ptolemaeos
Physkon eine einflussreiche stellung einnahm. Mit der anwesenheit
dieser Aegypter in Griechenland hängt es vielleicht zusammen, dass
Ptolemaeos V bald nachher das bündniss mit den Achaeern er-
neuert, Polyb XXIII, 1. — Stratios aus Naupaktos ist unbe-
kannt; denn an den arzt des kónigs Eumenes (Polyb. XXX, 2.
Liv. XLV, 19) ist schwerlich zu denken. Aus dem zweiten se-
mester ol. 148, 1 wird nur ein Achaeer Leontichos als proxenos
verzeichnet.
Z. 146 ff. wird der zusammenhang unterbrocben, indem aus
59) Der bruder dieses Ptolemaeos Glaukon wird ol. 148, 4 del-
phischer proxenos, s. z. 185.
60) Wie dies Wescher Revue Archéol. 1866, II, 157, begegnet
ist. Iadéore ist ein makedonischer name, wohl gleich bedeutend mit
mit yalextogáyog, bei Diodor ist fehlerhaft Talaiorns geschrieben, bei
Aelian V. H. 1, 30, der von dem lieblinge des königs Ptolemaeos, den
er in seiner unverständigen manier nicht näher bezeichnet, eine
anekdote erzählt: P«àérgc (die Pariser handschriften bieten nach We-
schers mittheilung das richtige Madéoms dar) Auf einer inschrift von
Halikarnass bei Newton pl. LXXXVIII, 9 wird ein künstler Tadéorye
"Alo]ı[eus])dwgov genannt, auch hier ist vielleicht Padésme zu lesen.
61) Im Makkabaeerbuch II, 10, 12 wird ein MHroleuaiog ó xados-
proc Maxywy als statthalter von Kypern erwähnt.
Delphi. 259
dem jabre des archon Mantias ol. 150, 1 die einem Thebaner er-
theilte proxenie vermerkt ist; dann folgt:
"Aogovros Evyagida tov Palvios, Povdevoriwr sav devik-
ga» Eau...
hier bricht die zeile ab, und es hat offenbar niemals mehr auf
dem steine gestanden. Doch liegt wohl keine nachlässigkeit des
steinmetzen vor, der nur die schlecht redigirte vorlage unvollstän-
dig, wie sie war, wiedergab. Das jahr des Eucharidas gehört
ganz an den schluss der liste.
Mit z. 151 wird die chronologische folge wieder aufgenom-
men. Im ersten semester ol. 148, 2 erhalten zwei Aetoler das
gastrecht, im zweiten:
Kitwy Didsotida "Downiog.
Derselbe wird auf einer freilassungsurkunde aus ol. 152, 2 (We-
scher n. 217) genannt; daun:
Ogacvioyos *AdeEavdgov ’ Argays0g
nebst Aristokles aus Halikarnass. Thrasyluchos ist in diesem jahre
(ol. 148?/s) thessalischer strateg, s. die liste bei Eusebius, wo
schon Mai Atracius statt Artacius verbesserte, Sein bruder Theo-
doros ist strateg ol. 149, 1: in der liste heisst er Argivus, Nie-
bubrs scharfer blick erkannte den irrthum, und die inschrift bei
Stephani reise in Griechenland n. 27
[Zrousayéovios] rdv Oscoulür Otodwgov
[rov ° MAcEavdgov " Alıgaylov
dient zur erwünschten bestätigung. — Nachträglich wird z. 176
aus ol. 148, 2 noch Zérwr Zérwrog Kuccavdesds genannt.
Ol. 148, 3 im ersten semester enthalten drei bürger von Le-
badea (.fefadeî) die proxenie, es wird eine festgesundtschaft zur
feier der pythien gewesen sein, da ausdrücklich unvòs Bovxurlov
hinzugefügt ist; dann Damarchos von Thisbe und im zweiten se-
mester Apollonios von Chios.
Ol. 148, 4 nennt die liste im ersten halbjabr zwei bürger von
Lebadea, dann fasst sie wieder drei ernennungen zusammen, Am-
monios aus Alabanda, Zoilos aus Alexandria und
Tiuvxwv ITrodenulov tov XqvotQuov ' AdsEurdgevc.
(s. über diese persönlichkeit oben p. 258), aus dem zweiten halb-
jahr Sxvuros * Anéllov Xiog. Diese namen .. .. [hier bricht
der text ab, am rande wird auf Mionnet [3, 267] verwiesen].
17°
260 Delphi.
Für die nächstfolgenden jahre liegt die datirumg nach aeteli-
schen strategen nicht vollständig ver; man könnte daher zweifeln,
ob die liste der delpbischen archonten vollstindig oder die rich-
tige folge durchgehends gesichert sei. Indess spricht für die cor-
rectheit der überlieferung der umstand, dass dem archonten Praxiss,
der nach Eukrates (ol. 148, 4) die siebente stelle einnimmt, das
jahr ol. 150, 3 zufällt: in diesem jahr aber fand nach der inschrift
n. 459 die feier der pythien statt??), und künig Perseus batte be-
reits die regierung angetreten.
OI. 149, 1 erhalten zwei brüder, Diognetos und Demas aus
Chios, die proxenie, ol. 149, 2 "Oluumodwgos "Ovuníygov ' 497-
»uiog, vielleicht ein nachkomme des attischen feldherrn, obwohl der
name in Athen sehr gewöhnlich ist. Ol. 149, 3 im zweiten se-
mester wird ausser einem Ambrakioten Nikanor offenbar eine fest-
gesandtschaft aus Koronea verzeichnet, bestehend aus drei personen,
darunter "Olvuntyog Evprndov, der vier jahre später ol. 150, 4
wiederum an der spitze einer theorie steht und von neuem die
proxenie erhült. Polybios X XVII, 1 erwühnt diesen Olympichos,
ol. 152, 1 wo er als haupt der römischen partei erscheint. —
OI. 149, 4 nennt die liste nur zwei namen, einen Kalchedonier und
einen Korinthier, dagegen ol. 150, 1 werden neun Rhodier ver-
zeichnet, an erster stelle Eÿparfoxos KoMutEtivov xa? vioBeofay
dì Nixacidapov 9). Auf der rhodischen inschrift bei Ress, Inscr.
in. II, 275 wird ein Evguvioxog KadisEelvou nad’ vioFeclay dé
*Ovaccdrdeou als taplas aufgeführt, Der gleiche name des vaters
scheint für die identität zu sprechen, allein die verschiedenheit hin-
sichtlich des adoptivvaters ©*) lässt dies nicht eu; ebenso wenig
gestattet die gleichlieit des namens Edgarfoxocg an ein brüderpaar
zu denken. Nirgends finden sich so zahlreiche beispiele der adoption
62) Mommsen ergänzt richtig HuSéioss). Hv9(wvoc) ist schon des-
halb unsulüssig, weil dann der artikel nicht fehlen duríte; auch war
Praxias, wie Mommsen richtig bemerkt, wahrscheinlich sohn des Eu-
dokos: diese namen wechseln in jener familie ab, vergl. n. 477 &ò-
doxo(») Moatia (vsxiocy)ra Bactlesa (in Lebadea) naide(s). .
63) Kallifuvoc könnte der Rhodier sein, der eine Periegese von
Alexandria (negi '4Às£avdpéiac) verfasste.
64) Ein Onasander als adoptivvater findet sich auch auf der in-
schrift von Lindos (Ross, Archaeol. aufs. II, 604): Zyvodoros Niogarıov
100 Zyvodotov, xaD' vio9ssiav dà OvaedrvdQov.
Delphi. 261
als auf Rhedos®) und in der nächsten sachberschaft, dann aber
auch auf anderen dorischen inseln, wie Anaphe. Offenbar hat es
bier mit der adoption eine besondere bewandtniss: in Rhodos gab
es viele ehen zwischen bürgern uud fremden frauen: die kinder
aus einer solchen ehe galten nicht für vollkommen ebenbürtig: sehr
bezeichnend ist, dass auf einer rhodischen inschrift (Rose, Archaeol.
aufs. 11, 607) die bürger uatgoóg §évac in einer liste zuletzt auf-
geführt werden 99). Diese mochten dadurch legitimirt werden, dass
sie sich von einem vollbürger adoptiren liessen: die adoption wat
in diesem falle eine blosse form, die hinsichtlich des erbrechtes u.
s. w. ohne wirkuog war.
Ol. 150, 2 werden im ersten semester eiu Eleat und Mixv-
Sio» Mixvilwrog Xalxdeug verzeichnet; dieses war ein ange-
sehener und einflussreicher mann in seiner heimath, führer der ró-
mischen partei, wie die vorgünge im Antiochischen kriege ol. 147, 1
beweisen *"), vergl. Liv. XXXV, 38 u. ff.; später ol. 152, 2 ver-
weilt er als gesandter in Rom, Liv. XLIII, 9. 10. — Ol. 150, 3
werden aus dem ersten halbjahr Apollonides Zepugrw1ng (wohl aus
Kilikien) und Athenion aus Corinth, im zweiten halbjahr eiue fest-
gesandtschaft von Koronea (s. p. 260) verzeichnet.
Dass die reihenfolge der nüchsten delphischen archonten Me-
lission, Archelas, Xenochares nicht richtig ist uud Xenochares un-
mittelbar auf Melission folgte, weist Mommsen aus den freilas-
sungsurkunden nach, und ebenso seigt er, dass zwei dieser zeit an-
gehórende archonten Menes und Sosinikos in der liste gar nicht
vorkommen, ebenso ist Kleodamos, sohn des Mantias, der nachfolger
des archonten Laiadas, übergangen.
Ol. 150, 4 im ersten semester erhält ein Achaeer Dameas und
ein Phokenser ('EAurebg) Philonikos, im zweiten semester
ITol&uwv Migotov "Dig
die proxenie; unzweifelhaft der bekannte perieget, der durch seine
gelehrten forschungen über die kunstschütze und alterthümer Del-
phis sich begründeten anspruch auf diese auszeichnung erworben
65) Wenn in der liste der delphischen proxenoi neun Rhodier
verzeichnet sind, so findet sich dreimal der zusatz x«9' via9sciar.
66) Man nannte eie uarvoteros, 8. Hesych.
65) Appian Syr. 12 macht mit gewohnter flüchtigkeit aus die-
sem Mixv9éu» einen feldherrn des königs Antiochos.
262 Delphi.
hatte 55), und die zeit stimmt vollkommen, denn seine schriftstelleri-
sche thütigkeit füllt hauptsüchlich mit der regierung des Ptolemaeos
Epiphanes v. 204—180 v. Chr. (s. Suidas /JoA£uwv) zusammen,
Ueber die vaterstadt des Polemo gab es sehr abweichende überlie-
ferungen, Athen. VI, 234: Jlolégwv» . . . etre Zapsos 7 Sexvw-
wog tir "AInvuiog Ovoualôuervos ya(gts , we 0 Moweurmç ‘Hoa-
xAsldng Aéyes, xaragsPpouuevog avrov xal an adlwy nodewy.
Diese differenzen lassen sich ganz einfach erklüren: in Athen hatte
Polemo wegen seiner verdienste um die alterthiimer dieser stadt
das bürgerrecht erhalten (s. Suidas), und ebenso werden ihm aus
gleichem grunde andere orte, wie Sikyon und Samos das bürger-
recht oder die proxenie verliehen haben 9?) Seine eigentliche hei-
math war Ilion °°), vergl. Suidas: JJoA£uwv Eüny£ıov Dasvg, xw uns
Tivxvfag (Avxlas) ovoua. Der name des vaters Eunyésyc, auf der
delphischen liste MiAnosog, stimmt allerdings nicht; dies ist aber
kein grund an der identitát der person zu zweifeln: varianten bin-
sichtlich des vaternamens bietet die griechische litterarbistorie in
fille dar, gerade Suidas bietet nicht selten singulüres dar ‘!).
Ol. 151, 1 im zweiten halbjahr werden drei proxenoi zusam-
mengefasst, drei Sikyonier (also woll eine theorie), Mnemon aus
Paphos und Peisilas aus Elatea. Ol. 151, 2 ist nur ein name
verzeichnet, Kallippos aus Elatea, ol. 151, 3 geht leer aus; ol.
151, 4 hat wieder nur einen namen Níxavdgog Mevexguteos ‘Pw-
paiog mit dem zusatze efuey dì avrò yàg xai olx(ag Evernosy.
Ol. 152, 1 erhalten im zweiten semester zwei bürger aus Antiochia
ano” Anuuov (eine bezeichnung, die mir unverständlich ist,) die
proxenie, was hier durch die formel ngoËerla èd097 nagd rag
móliog xuru tov vouov eingeleitet wird; dann ein Phokenser aus
Hyanpolis. Ol. 152, 2 wird ganz übergangen; ol. 152, 3 fusst
68) Polemo schrieb nepè ro» dv Aslpois Snoavowy und xricess TY
iv dbuxids nolsov.
69) Polemo schrieb regi 19v i» XZixvdwi nıvaxwr und np rg nos-
xilns oroas TIC iv Zixvoive. Ueber Samoslwird keine schrift citirt; aber
sicherlich hat Polemo auch die reichen kunstschütze dieser insel un-
tersucht und die resultate seiner studien veröffentlicht.
70) Eine negunynoss "lÀéov in drei büchern bezeugt Suidas.
71) Möglicherweise liegt auch nur ein irrthum vor: es war viel-
leicht in der quelle bemerkt, Polemo sei unter der regierung des
(Ptolemaeos) Euergetes geboren, daraus konnte Holéuwr Konyéra’ wer-
den; von äbnlichen missgriffen ist auch der betreffende artikel nicht
ei.
Delphi. 263
aus dem ersten semester drei gastfreunde mit der einleitung ofde
mgotevos zusammen, zwei T'anagraeer (der hier genannte Antiphilos
ist jedenfalls verschieden von dem strategen der Boeoter bei Livius
XXX, 1) und einen Herakleoten.
Ol. 152, 4 geht wieder leer aus: dies erklürt sich aus den
unruhigen zeitverhältnissen : in die letzten tage dieses jahres fallen
die kämpfe des Aemilius Paulus bei Pydna gegen Perseus, die
über das schicksal der makedonischen monarchie entschieden ?*),
72) Der tag der schlacht bei Pydna war der 22. juni d. j. 168,
wie die mondfinsterniss, die der schlacht vorausging (in der nacht vom
21. zum 22. juni), beweist. Die nachrichten der alten historiker lassen
sich damit freilich nicht recht in einklang bringen: die worte Plutarchs
Aemil. Paul. 16 9épovc Ar wea q9irorroc sind allgemein gehalten, aber
Livius’ aussage XLIV, 86: anni post circumacium solstitium erat, hora
dies tam ad meridiem vergebat, mag man nun (tempus) anni oder mit
Huschke (dies) anni ergänzen, setzt voraus, dass am 21. juni bereits
die sonnenwende eingetreten war: aber um die mittagstunde dieses ta-
ges kann man noch nicht von einem solstitium circumactum reden, son-
dern frühestens am 22. juni, vergl. Plin. H. N. XVIII. 256: VIII Kal.
Iulias vero longissimus dies totius anni et noz brevissima solstitium con-
ficiunt, wobei ich von der fixirung des solstitiums auf den 24. juni ge-
mass dem Caesarischen calender sowie von dem wirklichen astronomi-
schen monatsdatum der sonnenwende im j. 168 absehe. Wahrscheinlich
fiel im griechischen calender im j. 168 die sommersonnenwende zu früh,
und ich glaube ein bestimmtes monatsdatum in der inschrift n. 40 bei
Heuzey le mont Olympe nachweisen zu kónnen, die unmittelbar auf dem
schlachtfelde von Pydna gefunden ist (s. p. 164): es ist die grabschrift
eines offenbar in dieser schlacht gefallenen Makedoniers. Die drei di-
stichen lassen sich grossentheils ergänzen:
(r)évra Neontodéuoso Ma(xndovos dv9adt) . .
Keioas én’ evtesy(ei). . . . . .
Arno iv Maxéta(sosv, 01 Alveadars cuvviusoyor)
‘Howwy n(gorégu» xudos dese jc utvo(c).
Eödasuor n(egi yao av Java natgidos xe) Zéyoso
Oynoxsıv (d’ tv nooutyors Iswr yapıs lari dra.
Unter dem letzten verse finden sich noch zwei zeilen:
ONHZKEIN ..... . . . . . . + IT44
A... . .
M: AYOYT [sic]
die unzweifelbaft eine nähere angabe über den tod des Makedoniers
enthalten, etwa '4(néS$ave» iv ı7 udyg noos Pœouaiovs) M Awov {os
oder retagty). Der makedonische monat loos, dem attischen hekatom-
baion entsprechend, wird mit der sommersonnenwende, also dem ende
des juni, begonnen haben; ist der dritte loos der tag der schlacht bei
Pydoa, so fiel in jenem jahre nach dem griechischen calender das sol-
stitium auf den 19, oder wenn man sich für die ergänzung tetcery ent.
scheidet, auf den 18. juni. Livius, der seiner griechischen quelle folgt,
konnte also recht wohl sagen: anni (tempus) post circumactum solsti-
tium erat, denn der 21. juni war der zweite oder dritte tag nach der
sonnenwende. Das olympiadenjahr 152, 4 war zur zeit der schlacht von
264 Delphi.
Aus dem jahre des delphischen archon Pyrrhos, welches gree
sentheils mit dem amtsjahre des aetolischen strateges Hybristas 7?)
zusammenfallt (Wescher n. 153), werden im ersten halbjahr (wie
die namen der drei rathsmitglieder beweisen '*) s. Wescher n. 147
und 219) ein Megalopolit, zwei Argiver, ein Athener, ein Sikyo-
nier uud ein Thebuner verzeichnet. Damit schliesst eigentlich die
liste der delphischen gastfreunde, es folgt nur noch ein uaóhtrag
aus späterer zeit °°). Das jahr des Pyrrhos lässt sich nicht mit
sicherheit bestimmen, Die manumissionsurkunden aus der zeit der
priester Tarantinos und Amyntas fügen nur noch bei einem ar-
chonten Xeneas den namen des aetolischen strategen hinzu: orQa-
tayfovtog ıwv Atrwiwy [uvasrwiou Wescher n. 64. 118. 189.
Die aetolischen strategen Hybristas und Panaetolos markiren offen-
bar das letzte stadium der wirren in Aetolien: wenn auch der
bund nach der auflósung der makedonischen monarchie noch fort-
bestand, so war er doch ohne alle politische bedeutung, und Delphi
seinem einflusse vollständig entzogen. Die jahre dieser beiden stra-
tegen werden also in ol. 153, 1 und 2 fallen; aber wer von beiden
der vorgünger des anderen war, lässt sich nicht entscheiden, und
dasselbe gilt von den delphischen archonten Pyrrhos und Xeneas °°).
Doch kann auch ein archon dazwischen liegen: denn die urkunde
n. 424 aus dem jahre des archon Eukles stellt diesen mit dem atti-
Pydna offenbar noch nicht abgelaufen ; denn der festmonat beginnt mit
dem ersten neumonde nach der sonnenwende, wührend die festfeier mit
dem vollmonde zusammenfällt. Auf das datum nach rómischem calen-
der bei Livius: pridie Nonas Septembres, welches Huschke durch eine
sehr gewaltsame ünderung zu berichtigen versucht hat, kann ich hier
nicht eingehen. Ob Gallus die mondfinsterniss nach Livius vorausver-
kündet oder, wie Cicero berichtet, nachher dem heere erklart, ist für
die festetellung der chronologie gleichgültig ; im ersten falle sprach er
am nachmittage des 21. juni, im andern falle am morgen vor der
Schlacht am 22. juni zu den rdmischen soldaten.
78) 'YBoicta ' Axgiiéoc, Polybios und Diodor nennen die stadt ' 4yoi-
vsor. Verschieden von diesem Pyrrhos ist der gleichnamige delphische
magistrat bei Boeckh n. 1706, der in die epoche des priesters Athambos
und Archon gehört.
74) '4oyía ist in '40yéla zu verbessern.
75) Der abdruck bei Wescher zeigt hier einen strich, ob derselbe
auf dem steine sich vorfindet, wird nicht bemerkt.
76) Einen aetolischen strategen nennt auch die inschrift bei Boeckh
n. 1702 iv dé Airwlig otpatayéortos 10 deutépo(r) . . . . stugov unter
dem archon Kallikrates, der in die epoche der priester Archon und
Athambos füllt; n. 1708 ist "Aoywy ("A9apBos) ‘ABoopagov, n. 1704
© bepeds vov "Anöllavos "49aufoc ‘ABeouayov zu lesen. j
%
Delphi. 265
schen strategen (archonten) Xenokles zusammen: dies ist vielleicht
derselbe Xenokles, der in der herculanischen Papyrusrolle (Philol,
suppl. Il, 543) kurz nach der gefangennehmung des Perses er-
wähnt wird: die stelle ist freilich unklar, aber von der eroberung
einer stadt durch Perseus kann nicht die rede sein, denn dann
würde der delphische archon Eukles (der auch in der inschrift We-
scher mon. bil. p. 136 vorkommt) vor ol. 152, 4 fallen; allein
aus dieser zeit liegt uns doch wohl die liste der delphischen ar-
chonten vollständig vor.
Die liste verzeichnet am schluss noch zwei gesonderte ernen-
nungen (des Isidoros aus Assos und des Polyaenos aus Alexandria)
aus dem zweiten semester des Eucharidas, sohns des Phaenis 77) :
sein amtsjahr fällt in die periode, wo Praxias und Andronikos
Apollopriester waren, eine epoche, welche ungefähr von ul. 156, 3
bis ol. 158, 4 reicht.
77) In den manumissionsurkunden heisst er einfach Avyagidas, s.
Wescher n. Bi. 84. 85. 86: die beiden letzten urkunden aus dem zwei-
ten semester nennen dieselben rathsmitglieder, wie die liste, nur be-
zeichnet diese den dritten (Eukrates) als schreiber.
Bonn. Theodor Bergk.
[Das im nachlass vorgefundene manuscript benutzt ein blatt
von einem universitätsdiplom aus dem april 1875. G. H.]
— ÁÀÓ——À — — — —
Zu Theognis v. 15 ff.
Bergk PLGr. p. 119 ed. IV halt seine frühere ansicht, dass
diese vier verse ein abgeschlossenes ganze bilden, trotz meiner be-
merkungen Phil. XXI, p. 144. XXIX, p. 650 fest, referirt
meine ansicht aber falsch, da ich nicht gesagt habe, dass ein
distichon fehle, sondern nur, dass die rede unvollständig sei. Es
künnten ein paar disticha fehlen; denn ich halte die vermuthung
für sulässig, dass diese verse im anfange der gnomologie stan-
den, genauer, dass diese verse zum prooemium dieses gedichts
gebürten, das aus mehreren elegien verschiedenen umfangs beste-
hen konnte.
Ernst von Leutsch.
X.
Kritische bemerkungen zu Sophokles.
Soph. Antig. 125: rà» x000ç wg àtevnc
weigula Blacıa dauacer, xal viv Oufoos raxouévar,
WS partis avdgwy,
yey vi oidapa Aena,
téyyes 0 OR” 0gQUos mayxhauroig
dugudas‘ à pe
daluwv oposotaray xarsuvales.
Mohrstadt hat die frage aufgeworfeu, wie die unaufhérlichen
regengüsse, die das steinerne bild der Niobe benetzen sollen, sich
mit der vorstellung von dem weinen der Niobe vereinigen lassen.
Wurde das steinbild wirklich fortwührend von regen und schnee
benetzt, oder war dies wenigstens die annalıme des volkes, dann
konnte sich überbaupt nicht die vorstellung von einer weinenden
Niobe bilden. Man könnte wohl erwidern: was geht es den dichter
an, wie ein solcher aberglaube hat entstehen kénnen? Allein So-
phokles beruft sich ausdrücklich auf den allgemeinen volksglauben.
Mit welchem rechte? Nach meiner überzeugung ist es ganz un-
wahrscheinlich, unglaublich, dass damals eine solche vorstellung im
volke verbreitet gewesen ist. Die ursprüngliche vorstellung ist
ganz gewiss die gewesen, dass Niobe noch als steinbild den gram
fühle und weine, kann also nichts von fortwührenden regengüssen
gewusst haben, Wie und wann soll sich nun diese neuere vor-
stellung gebildet haben? Veranlassung dazu konnte doch nur das
Sophokles. 267
bestreben gegeben baben, die wunderbare erscheinung des weinens
natürlich zu erklären. Dies aber setzt eine aufklürungssüchtige,
die alten sagen mit kritischem urtheil betrachtende zeit voraus. —-
Ich rede natürlich vom volke im allgemeinen, nicht von einzelnen
aufgeklärten männern. — Eine solche rationalistische denkweise
aber war dem volke damals, als die Antigone aufgeführt wurde,
noch fremd, auf keinen fall allgemein, wie ich wohl nicht erst des
weiteren nachzuweisen brauche. Also eine allgemeine tradition von
beständigen regengüssen und schneefällen hat damals nicht bestan-
den, und Sophokles konote sich für seine behauptung nicht auf
eine solche berufen. Also schon das og «ung ardew» ist bedenklich,
Welche veranlassung nun mag der dichter gehabt haben, von der
vorstellung des volkes abzuweichen? Dafür lasst sich nicht der
geringste grund entdecken. Wohl aber sind die schwerwiegendsten
gründe für das gegentheil vorhanden. Fassen wir nümlich die fol-
genden worte ins auge: téyyes 0 in’ dpevos wayxlavıoıg desgadas.
Für sich betrachtet können sie nur bedeuten: die sich härmende
(zaxoué£va v. 828) Niobe netzt mit ihren thränen die felsen, so
dass also auch Sophokles die vorstellung des volkes zu theilen
scheint. Dass er sie wirklich getheilt hat, beweist Electr. v. 152:
ate daxguess. Also auch nach der vorstellung unseres dichters
weint die Niobe noch als steinbild, und was den boden benetzt,
sind die thrünen der Niobe, nicht eine natürliche von regen uud
schnee gespeiste quelle. Schon aus diesem grunde ist die erklá-
rung Wolffs unhaltbar (die wunderbare erscheinung des ewigen
weinens ist hier sogleich mit ihrer erklürung verbunden) Ferner
muss man gezen diese auffassung geltend machen: wie, der fromme,
die gestalten der sage mit glüubigem sinn verehrende Sophokles ist
hier plótzlich zum skeptiker, zum rationalisteu geworden? Hier
zeigt er sich als richtigen gesinnungsgenossen des skeptischen Eu-
ripides, aber eben nur hier? Aber selbst ein Euripides würde an
dieser stelle seine zweifelsucht unterdrückt haben. Antigone geht
einem grauenvollen schicksale entgegen, und in ihrer verzweif-
lungsvollen stimmung lässt sie der dichter aufklärung predigen?
Sie ist ganz versunken in der betrachtung des traurigen schick-
sals der Niobe, indem sie eine parallele zu dem ibrigen findet, und
benutzt diese gelegenheit dazu, an der sage kritik zu üben? Dazu
kommt, dass diese auffassung sich auch nicht mit dem grundge-
268 Sophok les.
danken der ganzen strophe vereinigen lässt. Die schlussworte: a
pe duluwr oposordray xarevvates beweisen, dass Antigone das
schicksal der Niobe nicht bloss als ein sehr herbes (Avygoruzay
v. 823), sondern auch als ein dem ibrigen sehr ähnliches betrachtet.
Worin besteht nun diese grosse ähnlichkeit? Wie arg bei der
Wolffschen erklürnng die vergleichung hinkt, erkennt jeder, der
die stelle im zusammenhang überliest: Felswuchs bündigte sie, und
die sich härmende benetzt fortwährend regen und schnee, so dass,
thronen gleich, eine quelle sich ergiesst; ihr ganz ähnlich ist mein
ende. Dieses „ganz ähnlich“ kaun sich nur noch auf die worte:
wetoulu Blacru duuucer beziehen, während das folgende etwas
schildert, wodurch der zustand der Niobe nach der katastrophe sich
durchaus von dem der Autigone unterscheidet, der ja in ihrem xu-
tnçepei 1oufim (885) nicht vom regen benetzt werden konnte.
Es bleibt noch die annahme übrig, dass der beständige regen
und das weinen des steinbildes nichts mit einander zu thao haben,
dass beides unabhängig von einander zu gleicher zeit geschieht:
es würden also die worte: xal vv — dels uichts als eine poeti-
sche ausmalung der situation sein. Allein auch gegen diese auf-
fassung spricht mehreres. Denn auch so unterbrechen und stören
sie den gedankengang. Die ähnlichkeit zwischen den schicksalen
beider frauen ist sonst vollständig: wie Niobe steinwuchs einhüllte,
so wird auch Antigone bald vom felsen umschlossen sein. Wie
jene noch im tode weinte, so wird auch sie noch im grabe weinen.
Wir sehen, zug für zug stimmt überein. Nur diese regetgüsse
und schneefülle, auf die ein so besonderer nachdruck gelegt ist,
passen nicht auf Antigones schicksal. Aber Sophokles hat jeden-
falls vom ende der Niobe eine vorstellung gehabt, nach welcher er
gar nicht sagen konnte, dass schnee und regen die Niobe benetze.
Schon nach den worten: ı«r x10006 we atevig neroala Blac da-
pacc» konnte er es nicht wohl. Da der fels sie rings umschliesst,
so trifft der regen diesen, aber nicht Niobe selbst. Die ähnlich-
keit der schicksale der Niobe und Antigone beruht ja gerade
darauf, dass beide von felsen umschlossen sind. Dies wird bestätigt
durch die stelle in der Elektra, wo diese steinhülle um die Niobe
geradezu zupog metguiog genannt wird. Dachte sich aber So-
phokles Niobe von einer grabmalähnlicheu steinhülle umgeben, dann
konnte er sie gar nicht von regen und schnee treffen lemwem.
s 9 r g E .
"6
Sophokles. 269
Nach dem bis hierher erórterten wird es wohl nicht als eine un-
berechtigte, gewaltsame änderung erscheinen, wenn ich statt Aefze
(AEITEI) deve (AEYEI) vorschlage.
Jetzt, glaube ich, ist alles so einfach und klar, dass jede
weitere erklürung überflüssig ist.
Oed. Reg. vv. 1409—1411: die interpunktion sümmtlicher
ausgaben ist folgende:
dÀÀ où yae avdar Ec)? a unde dev xadoy,
onws zayıcıa, mQOg Deir, FEw pué mov
xaluwyate.
In den formeln &llx yaQ und aad’ où ydQ bei Sophokles
baben beide partikeln noch ihre volle bedeutung, wührend schon
Plato sie gebraucht für ein einfaches: freilich, indessen. Sie wer-
den von Sophokles gebraucht entweder mit der aposiopese eines
aus dem vorhergehenden leicht zu ergünzenden gedankens, oder so,
dass AZ zu dem folgenden hauptgedanken gehört, den es dem
vorhergehenden entgegensetzt, durch den eingeschobenen nebensatz
mit yag dann die begründung hinzugefügt wird. Obne aposiopese
findet sich adda ydQ z. b. Phil. 874—76:
GA edyeris yap 5 quoss xak evyeviby,
€ téxvov, ) 07, navia raUr dv» evysget
EF ov.
Der logische zusammenhang ist: 0270 ravra raÿra dv euyegeï
F90v, jj yàg on gioi evyerns dor.
Auch «22° où ydQ findet sich so gebraucht A. C. 624 f.
GAA ov yàg avdà» ndù réxlvnr” Ems,
Fa u’ dv olo,» nokdpmny, 10 cov povov
motor guiacowr
gleich: aida Fa pe dr olow jotauny, ov yag dv ráx(vyra Enn
osda».
Naeh der recipierten interpunktion würde also der gedanken-
gang unserer stelle folgender sein: add’ Önws ragiora salvare
pe ov yao xaduv tory atday, à und: deav. Dass diese be-
gründung des xadvparé ue reiner unsinn ist, liegt auf der hand,
Wenn es schimpflich ist, von dem zu sprechen, was zu thun
schande bringt, so ist es eben pflicht eines jeden, also auch des
Oedipus, von dergleichen greueln zu schweigen. Die nothwendig-
270 Sophokles.
keit des zuivwresr dagegen müsste durch ein: cv zuier dew
óga», à pndi doar begründet werden. Diesen logischen fehler
scheint auch Nauck bemerkt zu haben; dena er schlägt, ohne
seine vermuthung näher zu begründen, und’ dear für pndè dear
vor. Allein auch so bekommen wir keinen befriedigemden sinn.
Es müsste vielmehr, wie oben gezeigt ist, geschrieben werden: aa’
ov yag 209°’ cgay à prdé dear xalor, 0nw; rayıcıa zul. Al-
lein jede änderung der überlieferung ist unnöthig. Es braucht
bloss statt des komma nach xa4o» ein punkt gesetzt zu werden,
und es ist alles in ordnung. Ich will gleich eine parallelstelle aus
den Trachinierinnen anziehen, die für meinen vorschlag beweisend
ist. Deianira hatte ihrem unwillen über die untreue ibres gemahls
in tadelnden worten luft gemacht Sie bricht v. 552 mit den
worten ab: adi” ov yung, wong tinov, Ogya(»tw xalor yvraïxu
vov» lyovcav, wozu ergänzt werden muss: Giynoopas (adda Gwyf-
couus, où yoQ Ogyalruv xalov), und geht dann zu einem andern
gegenstande über. Genau denselben gedaukengang haben wir hier:
Oedipus latte die greuel seiner ehe rückhaltslos geschildert. Er
bricht jetzt ab und geht zu einem andern gegenstande über. Sein
abbrechen motiviert er gauz logisch mit den worten: dAÀ' ov ydQ
uvdav 209°’ « und: doùr xadov, wozu abermals ein vuy osynoopas
zu ergänzen ist. Das folgende asyndeton onwg zayısıa entspricht
sehr gut dem pathos der stelle.
Auf gleiche weise ist auch Oed. Col. 755 zu verbessern, wie
ich früher nachgewiesen habe. Endlich empfiehlt es sich, auch
Phil. 1020 dieselbe interpunktionsänderung vorzunehmen und zu
schreiben :
0.040° xul oo nolluxig 100. evguunr
ad’ où yág oùdèr 9tol v(povoi idv pos
ov uiv yéyndac ete.
Zu ergünzen ist hier: aber diese flüche sind nicht in erfüllung ge-
gangen, e» ist vergeblich, dir zu fluchen, da ja die götter mir
grundsätzlich nichts angenehmes gewähren.
Im folgenden wird dann eine nähere ausführung des ovdi»
ndu pos vtuovow gegeben. Gerade bei solchen nachträglichen aus-
führungen ist die auslassung eines yug stehend, wofür namentlich
Plato eine grosse anzahl beispiele bietet.
Hei dieser gelegenheit möchte ich eine interpunktionsänderung
Sophokles. 271
empfehlen, die ich schon vor acht jahren selbständig gefunden habe,
die dann auch Kavallin ohne angabe des namens erwähnt. Phil,
vv. 501—504 ist nümlich so zu interpungieren.
où oùcor, ov m’ êlénoov elcoguiv
Wo mavra dewa x. T. À.
Bei der hergebrachten interpunktion hat der gedankengang etwas
breites und einförmiges; denn in dem elcoQu» steckt ein elooga
yag. Wir haben also eine zweimalige aufforderung , das eine
mal: «icoga, wg navra deva, das andere mal: yo?) 10» éxtd¢ 10v
nnudiwy ta deva ögav. Dagegen gewinnt unsere stelle durch die
vorgeschlagene interpunktion bedeutend an kraft und schürfe des
ansdrucks und gedankens. “Edénoov ue elcogwy bedeutet jetzt: er-
barme dich meiner, indem du mich anschaust, gleich: lass dich
durch meinen jammervollen anblick zum mitleid bewegen. Aehn-
lich ist ejcogu» gebraucht Oed. Col. 1358: ag viv daxgvsis sico-
qu»: über welche du jetzt weinst, da du sie siehst und El. 1199:
w Ovgnoru, ws vowy 0° Erosutelow nadas. Auch Trach. v. 576
ist ähnlich: wore unn» slosdwy orégkes yuvaixa xtivog avti cov
zAéov. Der gedankengang der ganzen stelle ist also folgender :
lass dich durch den anblick meines elends zum mitleid bewegen;
denn alles ist voller gefahren. Einer aber, der vom unglück ver-
schont geblieben ist, wie du, darf nicht vor diesen gefahren die
augen zuschliessen, sondern immer bedenken, dass auch ihn einmal
ein ähnliches unglück treffen kann.
Aj. 737—739: Boadeiavy nuas ag’ o tnvde rz» ddov
nipnwy Eneuwer, n° parny lyo Boeadus.
Boudeïuy ist jedenfalls verderbt. Wenigstens genügen die aufge-
stellten erklärungen nicht im geringsten. Die conjecturen Schmidts
(ayestoy) und Naucks (uara(av) entfernen sich nur zu sehr von
den überlieferten schriftzügen. Weit leichter ist die änderung fa-
gsiuv = einen unheilvollen weg. Es ist dabei nur eine verse-
tzong des g und eine vereinfachung des a (A und 4 sind graphisch
fast dasselbe zeichen) vorgenommen. Allein es ist auch im fol-
genden noch eine kleine änderung nóthig, mag man nun foudeïur
belassen oder sonst wie ündern. Denn die beiden gedanken: einen
Jangsam vollendeten (vergeblichen, unheilvollen) weg bin ich ge-
schickt worden, und: ich bin zu langsam gewesen, schliessen sich
nicht aus. Der erste gedanke müsste so formuliert sein: entweder
272 Sophok les.
ist der, welcher mich geschickt hat, selbst zn langsam gewesen
(= ich bin zu spät abgeschickt worden) Denn würde die eat-
gegenstellung des folgenden durch 7 richtig sein. Nach umserm
texte aber ist sie unertrüglich. Im gegentheil, eben deswegen,
weil er bei diesem wege zu langsam gewesen ist, ist es ein ver-
geblicher (unheilvoller) weg. Es muss also wohl geschrieben wer-
den: 7’ purny éyw Boaduç: bei welchem ich zu langsam mich
gezeigt habe. Wie leicht die wörter 7, 7 und 7, auch si ver-
wechselt werden konnten, und wie oft sie wirklich verwechselt
worden sind, ist bekannt. So ist auch Oed. Col. 583 f. zu
schreiben:
ra doiodi aitei 100 Blov ra d' dv utoo
z Amour Yoyes; 5j ds’ ovdevos mousi;,
wie ich früher nachgewiesen habe.
Eiue ühnliche ünderung halte ich Phil. 333 für nóthig:
oluor pouons pos pu néQa, ngiv &» pada
motor 100°, fj x£Ovay 6 Tindtws yovog
Im folgenden v muss dann auch das komma hinter z£J»gxe»v weg-
fallen: r£9vnxev dvdgóg ovdsvog, Feov J” ino
Auch Oed. Col. 316 ist wohl zu schreiben:
Go Eouv; ag’ ovx Four; È) yruun ndava
xa) pui x. T. À.
Oed. Col. 1074: Egdovasw n péddovaw; wc
ngopvüra( th pos
yvopua x1.
Für Eodovosw 7 uélovuci; vermuthe ich: Egdovew ov péi-
AovO wo x. t. È.
Sehneidewin batte interpungiert: Zgdova’, 7 péAlouos ; deutsch:
sie handeln. Oder zögern sie? Denn es ahnt mein geist u. s. w,
Diese geküostelte anordoung bat Nauck mit recht aufgegeben. Er
schreibt einfach: Æodouc” 7 péAdovow; gleich: zorsgov Edovasy 7
nEikovow; Er sagt dann z. v. 1074: das begründende ws geht
auf Zgdovor, indem der chor nach der ungeduldigen frage £odovo”
9 méAlouosw; das erstere als richtig voraussetzt. Allein diese er-
günzung eines Egdovosy oder ov péddovow ist bier unmöglich,
Läge in der frage die erwartete antwort selbst angedeutet, dann
könnte man sich diese ergünzung gefallen lassen. Dies ist aber
hier durchaus nicht der fall, da in der doppelfrage: handeln oder
Sophokles. 273
zaudern sie! Beides als gleich ungewiss hingestellt erscheint.
Auch nach dem inhalte der vorhergehenden strophe ist die frage
unpassend. Nachdem der chor kurz zuvor zuversichtlich den ge-
waltigen kriegsmuth der Athener gepriesen, in feurigen bildern den
dahinstiirmenden zug der bewaffneten beschrieben hat, kann er un-
möglich mit einer solchen frage kommen, die auf einmal wieder
die entschlossenheit der Athener bezweifelt.
Oed. R. 603. Statt ZAeyyov schlage ich #2syyos (scil. wag-
&04v) vor, so dass die ganze stelle dann lautet:
xal werd’ PAyyov rovro uév, llv9ud' luv
mevdov ta yonoOévr el cagpws jyyesda Gov
tour al, guy pe 1 tegacxomy Aaßns
xo] t+ Bovdevcarta, un 4 ana xravpc
veo x. 1. È.
Es ist doch eine sonderbare ausdrucksweise: und zum beweise für
meine unschuld gehe erstens nach Delphi und frage, zweitens tüdte
mich, wenn du mich überführst, mit dem seher conspiriert zu ha-
ben, mit meiner einwilligung. Denn das /7v9wd’ iwy mevFov
muss doch verstanden werden: du kannst gehen. Mit ZAsyyov da-
gegen verbunden klingt es wie ein ernstgemeinter befehl. Noch
widersinniger ist: tüdte mich zum beweise dafür, dass ich un-
schuldig bin, mit meiner einwilligung. Ohne allen anstoss ist die
stelle, wenn nach meinem vorschlage ZAsyyos geschrieben wird:
und dafür (dass ich unschuldig bin) giebt es (habe ich) beweise:
erstens gehe doch nach Delphi und frage nach dem orakelspruche,
zweitens magst du mich tödten mit meiner vollen beistimmung,
wenn du beweisen kannst, dass ich irgend wie mit dem seher im
einverständniss stehe.
Trach. 881: aí:2» dinlorwos.
An dem umag elonutrov dsnforwoe nabm schon Schneidewin
anstoss. Auch von dgar{w kommt ein compositum diaga»(Lw
nicht vor. |n der that kann ich mir nicht erklären, was das did
bei einem verbum soll, das ungesehen machen, vom erdbodeu ver-
tilgen bedeutet. Allein das, was Schneidewin vorschlug: avr vey
nlorwoe ist unmöglich. Ich glaube, dass am vr nlowwoe zu
schreiben ist.
AYTHN AIH Iz TQOZE
A THNINHIZTQZE
Philologus. XLII. bd. 2. 18
274 Sophokles.
Phil. 160. Für olxoy uiv ógüg ıdrd’ duglO9vgev nerolrnc
xoírgg ist wohl zu schreiben: msiglyac xofruç. Der genitiv ns-
rolvns xoírgc ist nicht zu erklären. Sämmtliche parallelstellen, die
dafür beigebracht sind, beweisen nichts, da xofın nur ein theil des
hauses ist. Ebenso gut könnte man sagen: das lange bein von
einem fusse (appositionell gedacht !), wie das zweithorige haus von
einem felsenbette. Die abschreiber hielten merp(vas xofruç für den
dorischen gen. sing. und schrieben dafür, wie oft, die attische form.
Trach. 71. Die überlieferung giebt:
nav tolvuv, eb xai robs Erg, Kivos ng av
wührend der sinn verlangt:
nav tolvuv, td xai roVr Erg, rÀe(m ng av
das xAvoc ist wohl durch das xàvw des folgenden verses ent-
standen.
Trach. 1230. Für das überlieferte:
tò piv vooourts Fvpovoda: xaxov
verlangt der sinn:
TÔ uiv vocouria JupdOa xaxov
: (Schlimm ist es, einen kranken zu erzürnen).
Zwickau. K. Walter.
Zu Julius Valerius.
Buch 1, cp. 18, p. 13 a, 12 Müller glaube ich nicht ohne einige
wahrscheinlichkeit folgende stelle so emendiren zu kónnen (die les-
arten der allein bier vorliegenden Pariser hds. füge ich in klam-
mern bei): „Enim de Milesio loqui (de milite quia cod.) hic longa
res est et propositum interturbat, de que eo (ea cod.) si quid in-
quirere curiosius voles, sat tibi lector habeto Graecum Favorini
(Faborini cod.) librum qui omnigenae (omni genere cod.) historiae su-
perscribitur“. Der verf. lehnt einen excurs über Aristoteles ab,
zu dem er sich eigentlich an dieser stelle, wo zuerst (in den vor-
hergehenden worten philosophiae autem Aristoteles ille Milesius)
dieser genannt ist, veranlasst fühlt. C. Müller erwartet statt de
milite etwa worte wie de disciplina s. institutione regis disserere,
ein gedanke, der aber durchaus nicht ausserhalb des themas des
autors liegen würde. Berger de Xivrey (Notices et extraits des
manuscrits t. Xlll, 2, p. 275) will de genere, unrichtig, wie das
folgende „Illic etiam generis Alexandri inveneris seriem* erweist.
Die armenische übersetzung bat allein neben der lateinischen diesen
ganzen passus und scheint (vgl. Roemheld, Beiträge zur geschichte
und kritik der Alexandersage. Hersfeld 1873, p. 49 anm. und Za-
cher, Pseudocallisthenes p. 89 fi.) meine auflassung zu empfehlen.
Göttingen. K. Boysen.
XI.
Ueber den status der ersten rede des Isaeus „über
die erbschaft des Kleonymos“.
Der status der ersten rede des Isaeus „über die erbschaft des
Kleonymos* wird von dem verfasser der hypothesis zu dieser rede
folgendermassen bestimmt: ögog dinloës xara üpquofinigow. Diese
bestimmung begründet der verfasser damit, dass die eine partei der
processirenden auf das von Kleonymos ursprünglich hinterlassene
testament sich stützt, während die andere darauf sich beruft, was
von dem letzten später verordnet wurde: er liess nämlich den
beamten rufeu, um, nach angabe der anderen partei, das testament
zu cassiren; dann würe die intestaterbfolge eingetreten und die
streitige erbschaft hatte in folge dessen auf seine ueffen als legi-
time descendenten übergehen müssen. Die neueren philologen stim-
men, wenn auch nicht durchgelends mit dieser begriindung, so
doch wenigstens olne ausnahme mit der bestimmung des status
überein. Doch wir wollen in folgenden zeilen alles hierher ge-
hörige einer genaueren prüfung unterziehen und zeigen, dass so-
wobl die meisten von den vorgebrachten begründungen und erklä-
rungen der betreffenden rhetorischen termine, als auch die bestim-
mung des status selbst nicht acceptirt werden könne.
Wenden wir uns zuerst zu den worten der hypothesis. Nach
der bestimmung ihres verfassers müsste es sich in dieser rede um
die definition eines fraglichen begriffes handeln, und da es ein
öoog dinAoug ist, so müssten hier zwei solche definitionen das
thema, den eigentlichen streitpunkt der rede bilden, etwa in der
weise, dass die eine partei das bei dem magistrate deponirte doku-
18°
276 Isaios,
ment als den letzten willen des erblassers definiren würde, wüb-
rend die andere den befehl, welchen Kleonymos vor seinem tode
ertheilte, für seine testamentarische verfügung ausgübe. Aber eine
solche auffassung ist unmöglich : es unterlag wohl keinem zweifel,
dass nur das deponirte dokument als echtes und wahres testament
definirt werden konnte, und hätte die andere partei nicht die nahe
verwandtschaft und die ungetrübte zuneigung des erblassers als
stütze, so hütte sie nur auf grund einer solchen definition ihre
ansprüche auf die erbschaft vergebens erhoben. Dem befehl des
Kleonymos den beamten zu holen, konnte man schon deshalb nicht
die kraft einer testamentarischen verfügung zuschreiben, weil es
nicht einmal gewiss war, was Kleonymos eigentlich im sinne hatte,
ob er das vorhandene testament gänzlich aufheben oder nur theil-
weise ündern und nachtrüglich berichtigen wollte.
Von den neueren hat Schömann in seiner ausgabe der reden
des Isaeus p. 176 die bestimmung der hypothesis zu erklüren ge-
sucht. Nach seiner meinung ist der status in dieser rede deswegen
öoog dimiov;, weil die eine partei das von Kleonymos hinterlas-
sene testament für echt und gültig ansieht, während die andere
seine gültigkeit bestreitet, da der testator, in wie fern es von ihm
abhing , dasselbe aufhob. Auch diese erklärung ist mangelhaft;
weun wir auch zugeben, dass die bestimmung des hauptbegriffes
(6005) richtig ist, so bleibt doch der zusatz dimAovc unerklärt,
weil die definition der anderen partei, nämlich was sie für das te-
stament ansieht, in dieser erklärung vermisst wird. Ganz verfehlt
ist Schömann’s deutung des zusatzes „xzuru üugsoßnınaıw“ ; dieser
rhetorische termin bezeichnet keineswegs, wie Schömann wollte,
den zweifel darüber, ob Kleonymos das testament cassiren oder
verbessern und bestätigen wollte, sundero, wie wir weiter zeigen
werden, den streit oder pracess zwischen zwei parteien.
Auch Volkmann hat, zuerst in seinem Hermagoras p. 218 f.,
diese bestimmung der hypothesis aufgenommen und die rede des
Isaeus ala beleg eines 0005 dimdoùs xara augyıoßnınaıy angeführt;
dabei verwarf er Schömann’s erklärung als irrig und gab eine
andere, die aber auch nicht gebilligt werden kann. Nach Volk-
mann wurde der status dieser rede deswegen als ogoc bezeichnet,
weil hier die frage gelöst werden soll, ob „ein testament als gül-
tig zu betrachten ist, welches der erblasser nachweislich bat än-
Isaios. 277
dern wollen, aber formell nicht geündert hat“. Ob eben dieses
das thema der ganzen rede bildet, werden wir später sehen; un-
terdessen sprechen wir nur von der erklürung der rhetorischen
termine. Die rhetorik findet den definitionsstatus in solchen füllen,
wo eine benennung nicht ganz dem entspricht, was durch sie be-
zeichnet werden soll; es feblt zur vollständigen deckung der be-
nennung und des benannten ein merkmal!), welches von der einen
partei als das wichtigste hervorgehoben, von der anderen aber als
unbedeutend dargestellt wird. In Volkmanu's begründung der be-
stimmung der hypothesis tritt dieses so wichtige merkmal nicht
hervor; die angeblich beabsichtigte anderung des testaments kaon
es nicht sein, weil sie selbst, wie wir schon bemerkt haben, mit
dem nebel der ungewissheit umhüllt war.
Volkmann nennt weiter dieseu definitionsstatus 0005 rar ul-
now. Nach der lelire der alten rhetoren findet dieser fall dann
statt, wenn eine person, ohne mitbewerber, auf grund einer deli-
nition auf etwas ansprüche erhebt; sobald eine andere person oder
partei als mitbewerber auftritt, so wird ein solcher fall mit dem
zusatze xar! uupsoßnınow bezeichnet. Da in unserer rede selbst
nach der weiteren erklürung Volkmann's der zweite fall stattfindet,
so kann hier zugleich von einem ogog xar' afıncıy nicht die rede
sein ?).
Auch die erklärung des zusatzes dixlovç ist nicht genau;
0gog dindovs bedeutet nicht, dass es sich in dem betreffenden falle
um eine sache und mehrere personen handelt, sondern, dass da
zwei definitionen vorkommen müssen?) Zu seiner richtigen er-
1) Vgl. Hermog. (bei Spengel, Rhett. gr. II, 188, 23): ro uiv né
neaxsas, 10 dé leines moog avrorélssar 100 ovduatos.
2) Volkmann folgt offenbar bei dieser auseinandersetzung der au-
torität des Maximus Planudes, nach welchem der ógog xa aupsopy-
mo eine unterart des ögos xa: almo bildet, vgl. Walz, Rhett. gr.
V, 311, 1 f.; doch wir glauben, dass da, wo wir zeugnisse der rhe-
toren aus dem Sten jahrh. n. Chr. besitzen, ein gewährsmann aus
dem l4ten jahrh. vor diesen zurücktreten muss. Wir werden zu den
ausdrücken xar augsoßntmow und xe: altyow noch zurückkehren.
3) Dass diese erklürung richtig ist, zeigt dieselbe bedentung die-
ees wortes beim conjecturalstatus, wo man nach den auseinanderser
tzungen und beispielen der rhetoren unter otoyeouôs dindovs einen
solchen fall verstand, wo zwei conjecturen vorkamen, vgl. Marcellin
bei Walz IV, 441, 22 ff., ibid. 431, 5 ff; Maxim. Planud. ibid. V,
293, 2 ff. Die worte des letzten rhetors (ibid. 512, 24 ff): $v ui» ro
268 Sophok les.
danken der ganzen strophe vereinigen lüsst. Die schlussworte: a
pe dulpwr ‘opoiordrayr xarevyates beweisen, dass Antigone das
schicksal der Niobe nicht bloss als eio sehr herbes (Avygoruia»
v. 823), sondern auch als ein dem ihrigen sehr äbaliches betrachtet.
Worin besteht nun diese grosse ühnlichkeit? Wie arg bei der
Wolffschen erklürnng die vergleichung hinkt, erkennt jeder, der
die stelle im zusammenhang überliest: Felswuchs bündigte sie, und
die sich härmende benetzt fortwührend regen und schnee, so dass,
thronen gleich, eine quelle sich ergiesst; ihr ganz ähnlich ist mein
ende. Dieses ,ganz ühnlich* kaun sich nur noch auf die worte:
merouiu facia duuacer beziehen, während das folgende etwas
schildert, wodurch der zustand der Niobe nach der katastropbe sich
durchaus von dem der Autigone unterscheidet, der ja in ihrem xu-
tneegel ıuußo (885) nicht vom regen benetzt werden konnte.
Es bleibt noch die annabme übrig, dass der bestündige regeu
und das weinen des steinbildes nichts mit einander zu than haben,
dass beides unabhüngig von einander zu gleicher zeit geschieht:
es würden also die worte: x«( riv — Asie uichts als eine poeti-
sche ausmalung der situation sein. Allein auch gegen diese auf-
fessung spricht mehreres. Denn auch so unterbrechen und stören
sie den gedankengang. Die ähnlichkeit zwischen den schicksalen
beider frauen ist sonst vollständig: wie Niobe steinwuchs einhüllte,
so wird auch Antigone bald vom felsen umschlossen sein. Wie
jene noch im tode weinte, so wird auch sie noch im grabe weinen.
Wir sehen, zug für zug stimmt überein. Nur diese regetgüsse
und schneefälle, auf die ein so besonderer nachdruck gelegt ist,
passen nicht auf Antigones schicksal. Aber Sophokles hat jeden-
falls vom eude der Niobe eine vorstellung gehabt, nach welcher er
gar nicht sagen konnte, dass schnee und regen die Niobe benetze.
Schon nach den worten: 147 x000ç wc dreric netgala fAacia da-
pactv konnte er es nicht wohl, Da der fels sie rings umschliesst,
so trifft der regen diesen, aber nicht Niobe selbst. Die ähnlich-
keit der schicksale der Niobe und Antigone beruht ja gerade
darauf, dass beide von felsen umschlossen sind. Dies wird bestätigt
durch die stelle in der Elektra, wo diese steinhülle um die Niobe
geradezu zupog meigaiog genannt wird. Dachte sich aber So-
phokles Niobe von einer grabmalühnlichen steinhülle umgeben, dann
konnte er sie gar nicht von regen und schuee treffen leswem.
Sophokles. 269
Nach dem bis hierher erürterten wird es wohl nieht als eine un-
berechtigte, gewaltsame änderung erscheinen, wenn ich atatt As(z&
(AEITEI) deve (AEY ET) vorschlage.
Jetzt, glaube ich, ist alles so einfach uod klar, dass jede
weitere erklärung überflüssig ist.
Oed. Reg. vv. 1409—1411: die interpunktion sümmtlicher
ausgaben ist folgende:
GAY où yàg avdav Ec)? à unde doûr xao»,
Onwg ayıcıa, mQOG Deir, Fw pué mov
OAV Wo 1e.
Io den formeln &22@ yag und aad’ ov ydQ bei Sophokles
haben beide partikelu noch ihre volle bedeutung, während schon
Plato sie gebraucht für ein einfaches: freilich, indessen. Sie wer-
den von Sophokles gebraucht entweder mit der aposiopese eines
aus dem vorhergehenden leicht zu ergünzenden gedankens, oder so,
dass aAA« zu dem folgenden hauptgedanken gehört, den es dem
vorhergehenden entgegensetzt, durch den eingeschobenen nebensatz
mit y«g dann die begründung hinzugefügt wird. Ohne aposiopese
findet sich adda y&Q z. b. Phil. 874—706:
ad edyeris yug 5 quois xak svyever,
wW téxvov, On, navia raus dv evyeget
EFov.
Der logische zusammenhang ist: dàÀa nuvra ravıa èv evdyeget
E9ov, à yàg on quos eyeric ory.
Auch «42° où yáQ findet sich so gebraucht A. C. 624 f.
GAA ov yao avday ndù taxtvnr’ Em,
Ka u dv olow noËuunvr, 10 Gov povov
motor gpviagowr
gleich: dAlà Fa pe i» olow foEaunr, ov yàg Adv rdx(vyra Eng
avday.
Nach der recipierten interpunktion wiirde also der gedanken-
gang unserer stelle folgender sein: add’ Saws idysoru xalvwoit
pe où rag nudoy dor» avdar, à undi deàv. Dass diese be-
gründung des xadvwaré ue reiner unsinn ist, liegt auf der hand,
Wenn es schimpflich ist, von dem zu sprechen, was zu thun
schande bringt, so ist es eben pflicht eines jeden, also auch des
Oedipus, von dergleichen greueln zu schweigen, Die nothwendig-
270 Sophokles,
keit des xuAumsıy dagegen müsste durch ein: ov xador den»
Seav, a und: dec» begründet werden. Diesen logischen fehler
scheint auch Nauck bemerkt zu haben; denn er schlägt, ohne
seine vermuthung nüber zu begründen, und’ ögav für pnd? deay
vor. Allein auch so bekommen wir keinen befriedigenden sinn.
Es müsste vielmehr, wie oben gezeigt ist, geschrieben werden: 414?
ov yao 809°’ ogay à pndi Jour xador, Onws tayiora xıl. Al-
lein jede änderung der überlieferung ist unnóthig. Es braucht
bloss statt des komma nach xadoy ein punkt gesetzt zu werden,
und es ist alles in ordnung. Ich will gleich eine parallelstelle aus
den Trachinierinnen anziehen, die für meinen vorschlag beweisend
ist. Deianira hatte ihrem unwillen über die untreue ihres gemahls
in tadelnden worten luft gemacht. Sie bricht v. 552 mit den
worten ab: add’ ov yuQ, woneg einov, Ogyalvaıy xaÀov yvvoixa
vov» fyovouy, wozu ergänzt werden muss: oynoouas (alÂd oy1-
Couus, ov yaQ Ogyalrev xaÀóv), und geht dann zu einem andern
gegenstande über. Genau denselben gedankengang haben wir hier:
Oedipus hatte die greuel seiuer ehe rückhaltslos geschildert. Er
bricht jetzt ab und gebt zu einem andern gegenstande über. Sein
abbrechen motiviert er ganz logisch mit den worten: ddd’ ov ydQ -
avday to? & unde dgàv xaÀov, wozu abermals ein vo» GiyrGopa:
zu ergänzen ist. Das folgeude asyndeton onwg rayıcıa entspricht
sehr gut dem pathos der stelle.
Auf gleiche weise ist auch Oed. Col. 755 zu verbessern, wie
ich früher nachgewiesen habe. Endlich empfiehlt es sich, auch
Phil. 1020 dieselbe interpunktionsänderung vorzunehmen und zu
schreiben :
0060 xal 003 modus 100. ebbe uq"
al ov yàg oùdèr Feoì vtpovos idv pos
ou niv ylynIac etc.
Zu ergüuzen ist hier: aber diese flüche sind nicht in erfüllung ge-
gangen, es ist vergeblich, dir zu fluchen, da ja die gótter mir
gruudsätzlich uichts angenehmes gewühren.
Im folgenden wird dann eine nähere ausführung des oùdèr
70V pos véuovosr gegeben. Gerade bei solchen nachträglichen aus-
führungen ist die auslassung eines yug stehend, wofür namentlich
Plato eine grosse anzahl beispiele bietet.
Bei dieser gejegeuheit möchte ich eine interpunktionsänderung
Sophokles. 271
empfehlen, die ich schon vor acht jahren selbstindig gefunden habe,
die dann auch Kavallin ohne angabe des namens erwühnt. Phil,
vv. 501—504 ist nümlich so zu interpungieren.
ov owoov, ov m’ EAdnoov elcoguiv
Wo Buvta deva x. T. À.
Bei der hergebrachten interpunktion bat der gedankengang etwas
breites und einförmiges; denn in dem eloogwr steckt ein eloogu
zag. Wir haben also eine zweimalige aufforderung , das eine
mal: :icoga, ws narra deva, das andere mal: yo? 10» éxrdç wy
anuuıwy 1a deva ögav. Dagegen gewinnt unsere stelle durch die
vorgeschlagene interpunktion bedeutend an kraft und schärfe des
ansdrucks und gedankens. "EA£noov ue elcogwv bedeutet jetzt: er-
barme dich meiner, indem du mich anschaust, gleich: lass dich
durch meinen jammervollen anblick zum mitleid bewegen. Aehn-
lich ist eoogwy gebraucht Oed. Col. 1358: ag viv daxguesc elco-
ewy: über welche du jetzt weinst, da du sie siehst und El. 1199:
w duçmoru’, wo sew» o érosxrelgw nadas. Auch Trach. v. 576
ist ähnlich: wore unuv’ slosdwy or€gkes yvvaixa xeïvoc avti ood
nifov. Der gedankengang der ganzen stelle ist also folgender:
lass dich durch den anblick meines elends zum mitleid bewegen;
denn alles ist voller gefahren. Einer aber, der vom unglück ver-
schont geblieben ist, wie du, darf nicht vor diesen gefahren die
augen zuschliessen, sondern immer bedenken, dass auch iha einmal
ein ähnliches unglück treffen kann.
Aj. 737—739: Boadsiay nuas ag’ 0 ınvda tiv ódov
méurwv Eneuwyer, n° pavny éyw Boadvs.
Beudeïar ist jedenfalls verderbt. Wenigstens genügen die aufge-
stellten erklärungen nicht im geringsten. Die conjecturen Schmidts
(cyostov) und Naucks (uara(a») entfernen sich nur zu sehr vou
den überlieferten schriftzügen. Weit leichter ist die änderung fa-
geiay == einen unheilvollen weg. Es ist dabei nur eine verse-
tzong des g und eine vereinfachung des a (A und 4 sind graphisch
fast dasselbe zeichen) vorgenommen. Allein es ist auch im fol-
genden noch eine kleine änderung nóthig, mag man nun Agadeiay
belassen oder sonst wie ündern. Denn die beiden gedanken: einen
langsam vollendeten (vergeblichen, unheilvolleu) weg bin ich ge-
schickt worden, und: ich bin zu langsam gewesen, schliessen sich
nicht aus. Der erste gedanke müsste so formuliert sein: entweder
272 Sophok les.
ist der, welcher mich geschickt bat, selbst zn langsam gewesen
(= ich bin zu spät abgeschickt worden) Denn würde die ent-
gegenstellung des folgenden durch 7 richtig sein. Nach unserm
texte aber ist sie unertrüglich. Im gegentheil, eben deswegen,
weil er bei diesem wege zu langsam gewesen ist, ist es ein ver-
geblicher (unheilvoller) weg. Es muss also wohl geschrieben wer-
den: 7° gavny dyo Poaduç: bei welchem ich zu langsam mich
gezeigt habe. Wie leicht die wörter 7, 7 und 7, auch si ver-
wechselt werden konnten, und wie oft sie wirklich verwechselt
worden sind, ist bekannt. So ist auch Oed. Col 583 f, zu
schreiben:
1a Aoiods’ alrei 100 Plov ta d’ dv uéoo
7 Anouv Toys; 7 di oudevog moui;,
wie ich früher nachgewiesen habe.
Eine ühnliche ünderuog halte ich Phil. 333 für nóthig:
olpor pouons uo» un méga, ngiv ür pad
zourov r00, 7 réFviy’ o Trméws yovog'
Im folgenden v muss dann auch das komma hinter z£O»gxev weg-
fallen: téFvnxev dvdgóg ovdsvog, Feov d’ ino
Auch Oed. Col, 316 ist wobl zu schreiben:
Go Lon»; ag’ osx Four; 4 yvyuipg nAavà
zus pui x. 1. À
Oed. Col. 1074: Egdovaw n péddovow; we
zgou»rüra( tl pos
yvopa xr.
Für Egdovosy 5j péllouosw; vermuthe ich: Zodovam où péi-
Aovow we x. v. È.
Sehneidewin hatte interpungiert: Egdove’, 7 nfAAovaiy ; deutsch:
sie handeln. Oder zögern sie? Deon es shot mein geist u. s. w.
Diese gekünstelte anordoung bat Nauck mit recht aufgegeben. Er
schreibt einfach: Zodoug’ 7 péAdovow; gleich: zorsgov Edovaw 5
pédiovow; Er sagt dann z. v. 1074: das begründende ws geht
auf Zgdover, indem der chor nach der ungeduldigen frage #6dovo”
9 péidovosy; das erstere als richtig voraussetzt. Allein diese er-
gänzang eines igdovorw oder ov péddovow ist hier unmöglich,
Lüge in der frage die erwartete antwort selbst angedeutet, dana
könnte man sich diese ergünzung gefallen lassen. Dies ist aber
hier durchaus nicht der fall, da in der doppelfrage: handeln oder
Sophokles. 278
zaudern siet Beides als gleich ungewiss bingestellt erscheint.
Auch nach dem iuhalte der vorhergehenden strophe ist die frage
unpassend. Nachdem der chor kurz zuvor zuversichtlich den ge-
waltigen kriegsmuth der Athener gepriesen, in feurigen bildern den
dahinstürmenden zug der bewaffneten beschrieben hat, kann er un-
môglich mit einer solchen frage kommen, die auf einmal wieder
die entschlossenheit der Athener bezweifelt.
Oed. R. 608. Statt äAeyyov schlage ich Zisyyos (scil. wag-
&04v) vor, so dass die ganze stelle dann lautet:
xal zwrd’ PAyyov rovio pív, Mudd’ lw»
meudou ta yonc9évr el Capo Nyyesda cov
tout aid’, dav pe tH téEeQacxomyp dafins
xow] 1+ ßovAevoavıa, un pe andy xravpg
yigw x. t. È
Es ist doch eine sonderbare ausdrucksweise: und zum beweise fiir
meine unschuld gehe ersteus nach Delphi und frage, zweitens tódte
mich, wenn du mich überführst, mit dem seher conspiriert zu ha-
ben, mit meiner einwilligung. Denn das /7v3wd' lov sevdov
muss doch verstanden werden: du kannst gehen. Mit Ëleyyoy da-
gegen verbunden klingt es wie ein ernstgemeinter befehl. Noch
widersinniger ist: tödte mich zum beweise dafür, dass ich un-
schuldig bin, mit meiner einwilligung. Ohne allen anstoss ist die
stelle, wenn nach meinem vorschlage Zieyyos geschrieben wird:
und dafür (dass ich unschuldig bin) giebt es (habe ich) beweise:
erstens gehe doch nach Delphi und frage nach dem orakelspruche,
zweitens magst du mich tédten mit meiner vollen beistimmung,
wenn du beweisen kannst, dass ich irgend wie mit dem seher im
einverstandniss stehe.
Trach. 881: auıny dinlorwos.
An dem anaé elonuévov dinlorwos nahm schon Schneidewin
anstoss. Auch von dgav((w kommt ein compositum diagavilw
nicht vor. In der that kano ich mir nicht erklären, was das dia
bei einem verbum soll, das ungesehen machen, vom erdboden ver-
tilgeu bedeutet. Allein das, was Schneidewin vorschlug: avzy vey
nloıwos ist unmöglich. Ich glaube, dass am viv n(oiwce zu
schreiben ist.
AYTHN AIH IX TOZE
A THNINHIZTQZE
Pbilologus. XLII. bd. 2. 18
274 Sophokles.
Phil. 160. Für olxov uiv ogag dvd aupldugor erging
xolzng ist wohl zu schreiben: zezgí(vag xo(rag. Der genitiv ne-
zelvns xolıng ist nicht zu erklären. Sämmtliche parallelstellen, die
dafür beigebracht sind, beweisen nichts, da xo/ın nur ein theil des
hauses ist. Ebenso gut könnte man sagen: das lange bein von
einem fusse (appositionell gedacht!) wie das zweithorige laus von
einem felsenbette. Die abschreiber hielten serolvag xofruç für den
dorischen gen. sing. und schrieben dafür, wie oft, die attische form.
Trach. 71. Die überlieferung giebt:
nav tolvuv, el xai rovr Erin, Kivos ng av
wübrend der sinn verlangt:
gay tolvuv, el xai tout Eran, v À6(m ng av
das xÀvo, ist wohl durch das xAuw des folgenden verses ent-
standen.
Trach. 1230. Für des überlieferte:
10 niv vooourts Ivuovodas xaxov:
verlangt der sinn:
10 ui» vocobvra Fvuwoa: xaxov
» (Scblimm ist es, einen kranken zu erzürnen).
Zwickau. K. Waller.
Zu Julius Valerius.
Buch 1, cp. 18, p. 13 a, 12 Müller glaube ich nicht ohne einige
wahrscheinlichkeit folgende stelle so emendiren zu kónnen (die les-
arten der allein hier vorliegenden Pariser hds. füge ich in klam-
mern bei): ,Enim de Milesio loqui (de milite quia cod.) hic longa
res est et propositum interturbat, de que eo (ea cod.) si quid in-
quirere curiosius voles, sat tibi lector babeto Graecum Favorini
(Faborini cod.) librum qui omnigenae (omni genere cod.) historiae su-
perscribitur*. Der verf. lehnt einen excurs über Aristoteles ab,
zu dem er sich eigentlich an dieser stelle, wo zuerst (in den vor-
hergehenden worten philosophiae autem Aristoteles ille Milesius)
dieser genannt ist, veranlasst fühlt. C. Müller erwartet statt de
milite etwa worte wie de disciplina s. institutione regis disserere,
ein gedanke, der aber durchaus nicht ausserhalb des themas des
autors liegen würde. Berger de Xivrey (Notices et extraits des
manuscrits t. XII, 2, p. 275) will de genere, unrichtig, wie das
folgende „lic etiam generis Alexandri inveneris seriem* erweist.
Die armenische übersetzung bat allein neben der lateinischen diesen
ganzen passus und scheint (vgl. Roemheld, Beiträge zur geschichte
und kritik der Alexandersage. Hersfeld 1873, p. 49 anm. und Za-
cher, Pseudocallisthenes p. 89 ff.) meine auffassung zu empfehlen.
Góttingen. K. Boysen.
XI.
Ueber den status der ersten rede des Isaeus ,,iiber
die erbschaft des Kleonymos“.
Der status der ersten rede des Isaeus „über die erbschaft des
Kleonymos* wird von dem verfasser der hypothesis zu dieser rede
folgendermassen bestimmt: dgo¢ dimAovg xarà äugioBnenos. Diese
bestimmung begründet der verfasser damit, dass die eine partei der
processirenden auf das von Kleonymos ursprünglich binterlassene
testament sich stützt, während die andere darauf sich beruft, was
von dem letzten spüter verordnet wurde: er liess nümlich den
beamten rufen, um, nach angabe der anderen partei, das testament
zu cassiren; dann würe die intestaterbfolge eingetreten und die
streitige erbschaft hätte iu folge dessen auf seine neffeu als legi-
time descendenten übergehen müssen. Die neueren philologen stim-
men, wenn auch nicht durchgehends mit dieser begründung, so
doch wenigstens ohne ausnahme mit der bestimmung des status
überein. Doch wir wollen in folgenden zeilen alles hierher ge-
hórige einer genaueren prüfung unterziehen und zeigen, dass so-
wohl die meisten von den vorgebrachten begründungen und erklä-
rungen der betreffenden rhetorischen termine, als auch die bestim-
mung des status selbst nicht acceptirt werden könne.
Wenden wir uus zuerst zu den worten der hypothesis. Nach
der bestimmung ihres verfassers müsste es sich iu dieser rede um
die definition eines fraglichen begriffes handeln, und da es ein
Seog dindovs ist, so müssten bier zwei solche definitionen das
thema, den eigentlichen streitpunkt der rede bilden, etwa iu der
weise, dass die eine partei das bei dem magistrate deponirte doku-
18°
276 Isaios.
ment als den letzten willen des erblassers definiren wiirde, wih-
rend die andere den befehl, welchen Kleonymos vor seinem tode
ertheilte, für seine testamentarische verfügung ausgübe. Aber eine
solche auffassung ist unmöglich : es unterlag wobl keinem zweifel,
dass nur das deponirte dokument als echtes und wabres testament
definirt werden konnte, und hatte die andere partei nicht die nahe
verwandtschaft und die ungetrübte zuneigung des erblassers als
stütze, so hätte sie nur auf grund einer solchen definition ihre
ansprüche auf die erbschaft vergebens erhoben. Dem befehl des
Kleonymos den beamten zu holen, konnte mau schon deshalb nicht
die kraft einer testamentarischen verfügung zuschreiben, weil es
nicht einmal gewiss war, was Kleonymos eigentlich im sinne hatte,
ob er das vorhandene testament günzlich aufheben oder nur theil-
weise ündern und nachtrüglich berichtigen wollte.
Von den neueren hat Schömann in seiner ausgabe der reden
des Isaeus p. 176 die bestimmung der hypothesis zu erklären ge-
sucht. Nach seiner meinung ist der status in dieser rede deswegen
öpoc dindots, weil die eine partei das von Kleonymos hinterlas-
sene testament für echt und gültig ansieht, wührend die andere
seine gültigkeit bestreitet, da der testator, in wie fern es von ihm
abhing, dasselbe aufhob. Auch diese erklürung ist mangelhaft;
wean wir auch zugeben, dass die bestimmung des hauptbegriffes
(0009) richtig ist, so bleibt doch der zusatz dénAovg unerklärt,
weil die definition der apderen partei, nümlich was sie für das te-
stament ansieht, in dieser erklürung vermisst wird. Ganz verfehlt
ist Schémann’s deutuog des zusatzes „xara dugicfyrnow; dieser
rhetorische termin bezeichnet keineswegs, wie Schómanu wollte,
den zweifel darüber, ob Kleonymos das testament cassiren oder
verbessern und bestätigen wollte, sondern, wie wir weiter zeigen
werden, den streit oder process zwischen zwei parteien.
Auch Volkmano hat, zuerst in seinem Hermagoras p. 218 f.,
diese bestimmung der hypothesis aufgenommen und die rede des
Isaeus als beleg eines 0005 dindoùs xaru aygrofytnow angeführt;
dabei verwarf er Schómann's erklärung als irrig und gab eine
andere, die aber auch nicht gebilligt werden kann. Nach Volk-
mann wurde der status dieser rede deswegen als ogoc bezeichnet,
weil hier die frage gelöst werden soll, ob „ein testament als gül-
tig au betrachten ist, welches der erblasser nachweislich hat ün-
Isaios. 277
dern wollen, aber formell nicht geändert hat“. Ob eben dieses
das thema der ganzen rede bildet, werden wir spüter sehen; un-
terdessen sprechen wir nur von der erklürung der rhetorischen
termine. Die rhetorik findet den definitionsstatus in solchen fallen,
wo eine benennung nicht ganz dem entspricht, was durch sie be-
zeichnet werden soll; es fehlt zur vollständigen deckung der be-
nennung und des benannten ein merkmal!), welches von der einen
partei als das wichtigste hervorgehoben, von der anderen aber als
unbedeutend dargestellt wird. In Volkmanu's begründung der be-
stimmung der hypothesis tritt dieses so wichtige merkmal nicht
hervor; die angeblich beabsichtigte anderung des testaments kann
es nicht sein, weil sie selbst, wie wir schon bemerkt haben, mit
dem nebel der ungewissheit umhüllt war.
Volkmaun nennt weiter diesen definitionsstatus 6005 xar ul-
tno. Nach der lehre der alten rhetoren findet dieser fall dann
statt, wenn eine person, ohne mitbewerber, auf grund einer defi-
nition auf etwas ansprüche erhebt; sobald eine andere person oder
partei als mitbewerber auftritt, so wird ein solcher fall mit dem
zusatze x«t! apquofinigow bezeichnet. Da in unserer rede selbst
nach der weiteren erklarung Volkmann's der zweite fall stattfindet,
so kann hier zugleich von einem ogog xar atznos» nicht die rede
sein ?).
Auch die erklärung des zusatzes denlodç ist nicht genau;
öoog dindovs bedeutet nicht, dass es sich in dem betreffenden falle
um eine sache und mehrere personen handelt, sondern, dass da
zwei definitionen vorkommen müssen?) Zu seiner richtigen er-
1) Vgl. Hermog. (bei Spengel, Rhett. gr. II, 188, 23): zo ev né
neaxses, 10 d? leines ngog avrotélesay 100. ovdpatos.
2) Volkmann folgt offenbar bei dieser auseinandersetzung der au-
torität des Maximus Planudes, nach welchem der ögos xaT auquapy-
nor eine unterart des öpos xav aimo bildet, vgl. Walz, Rhett. gr.
V, 311, 1 f.; doch wir glauben, dass da, wo wir zeugnisse der rhe-
toren aus dem sten jahrh. n. Chr. besitzen, ein gewährsmann aus
dem l4ten jahrh. vor diesen zurücktreten muss. Wir werden zu den
ausdrücken xev augsoßymow und xa aimow noch zurückkehren.
3) Dass diese erklürung richtig ist, zeigt dieselbe bedeutung die-
ees wortes beim conjecturalstatus, wo man nach den auseinanderser
tzungen und beispielen der rhetoren unter ovoyeaucs dinlous einen
solchen fall verstand, wo zwei conjecturen vorkamen, vgl. Marcellin
bei Walz IV, 441, 22 ff., ibid. 431, 5 fi; Maxim. Planud. ibid. V,
293, 2 ff. Die worte des letzten rhetors (ibid. 512, 24 ff): f» uiv ro
278 Isaios.
klärung des zusatzes xar' augsoBnmow fügt Volkmann hinzu,
dass der commentator diesen fall eben so gut auch ógoc denloës
sarà nçoçwna hätte henennen können. Diese behauptung ist rich-
tig; beide technische ausdriicke hezeichnen eine und dieselbe un-
terart des definitionsstatus; der erste von ihnen wurde von den
späteren rhetoren, der letzte von Hermogenes gebraucht *).
Diese fragliche erklirung der betreffenden termine hat noch
Kayser berührt in seiner recension der soeben angeführten schrift
Volkmann's (Jahrb. für class. philul. 1866, p. 848). Die bebaup-
tung Kayser's, dass die benenoung ogog dexdovs xar' aupsoßn-
znoıw von Hermogenes herrühre, gründet sich nicht auf der wirk-
lichkeit; unter den fünf unterarten des 3000 dirdovs, die Hermo-
genes gibt, trügt keine diesen namen, und erst spátere rhetoren
behaupteu, wie bereits erwähnt, dass diese beiden technischen aus-
drücke (Sg0¢ dsndovs xard xgoowna und Seog xar' apgiofninosr)
identisch sind, vgl. Syrian hei Walz 1V, 547, 7; Maxim. Planud.
l. 1. 311, 14 ff.; 312, 21; Sopater und Marcellin ibid. 571, an-
merk. 5; Sopater (bei Walz VIII, 98, anmerk. 1°). Angesichts
dieser citate hatte also Volkmann recht zu behaupten, die hypothesis
habe die angabe des status auch mit den worten ógoc dınloug
xata nocowna machen können, (vorausgesetzt nämlich, dass die
bestimmung der hypothesis richtig ist), und der tadel seines recen-
senten traf ihn dafür unverdienter weise. Kayser verwirft weiter,
und zwar mit recht, ‚Volkmann’s erklärung des termins ógog di-
aqGyua, dio dà 1a augeefytotyre nocowna) könnte man eher als er-
klärung des begriffes xar' duqeofimow auffassen.
4) Volkmann nennt die behauptung der ersten partei, n&mlich
dass der erblasser nach dem beamten schickte, nicht um das testa-
ment aufzubeben, sondern um dasselbe zu bestätigen, „eine antithese,
pia To» GvnSenxdr nach der terminologie des Hermogenes". Bei
dieser bestimmung ist auffallend die ungewissheit, in welcher er den
leser lässt in bezug darauf, welchen von den vier antithetischen
status des Hermogenes er meint (drsícacsg, avtiyxinua, pusracrao,
6vyyvoiun). Wir sind der meinung, dass keine von diesen vier anti-
thesen hier angewendet werden kann; wir könnten von einer anti-
these nur in dem sinne sprechen, wie z. b. von den scholiasten jede
erwiderung der gegenpartei d»wri$ec; genannt wird, vgl. die scholien
zu Demosth. (Dindorf 15, p. 549, 21; 571, 3 ff. u. 3.
5) Diese anmerkung ist nach Hermogenes (l. 1. 156, 10) auf fol.
gende weise zu corrigiren: 2. 1 moócwmov] moócon«; sz. 8 noócena]
79060070: ; ibid. óndoye] ündeyov. Ausserdem ist nach dinloòg ein
komma zu setzen und die puncte nach smenoayuévor und dias sind
zu tilgen.
{saios. 279
mous und neigt sich zu der auffassung, die Schömann im an-
schluss an die hypothesis aufgestellt bat. Er meiut nümlich, dass
der wortlaut des testaments und das spätere benehmen des Kleo-
nymos gegen seine neífen so einander widersprechen, wie manch-
mal in dokumenten der buchstabe und der sinn, und dass beide
parteien den willen des erblassers in ihrem interesse deuten. Auch
diese erklärung macht uns nicht klar, was für ein begriff eigent-
lich bier definirt wird; die deutung des willens des Kleonymos
kann man doch nicht, wie schon gesagt, definition nennen. —
In seiner „Rhetorik der Griechen und Römer“ (p. 45 f.) findet
Volkmann Kayser's einwendungen nicht überzeugend und bleibt bei
seiner im Hermagoras ausgesprochenen meinung.
Diese verschiedene versuche, die angewandten rhetorischen
termine aus der rede des Isaeus zu erklüren, erregen leicht den
zweifel, ob überhaupt die bestimmung des status der betreffenden
rede richtig ist. Die neueren philologen sollten vor allem diese
frage lüsen uud nicht blind glauben der autorität des scholissten,
Die bestimmung des status einer rede ist, wie die rhetoren selbst
bekennen 5), manchmal nicht so leicht und die verfasser der hypo-
theseis schwanken oft zwischen zwei, ja sogar drei bestimmungen ?).
Bevor wir aber diese frage untersuchen, werden wir vorausscbik-
ken, wie es sich eigentlich mit dem zusatze x«r' auysoßnınoıv
verhält.
Nach der lehre der späteren rbetoren wurden alle themata.
an welche die statustheorie applicirt wurde, nach ihrem inhalte in
drei grosse gruppen eingetheilt, je nachdem sie entweder die ver-
folguug eines verbrechens, oder die forderung einer für eine lei-
stung bestimmten belohnung , oder den streit zweier personen oder
parteien um eine belohnung oder erbschaft behandelten. Diese drei
gruppen wurden bezeichnet durch hinzufügung zum termin des
status folgender zusätze: xara diwé xai quynr (oder xara
xolow), xara aligow oder GElwoir und xarà auysoßyınaw. Die
hauptstelle dafür lesen wir bei Syrian und Sopater (I. I. 212,
12 f): nav Cnmua 5] xarà dlwkly gorse xal puyny jj xarà al-
now 7 xaz& Augpsoßninow; vgl. ibid. 228, 1 ff.; 568, 10 ff,
6) Vgl. Syrian I. ]. 480, 4 ff.; ibid. 569, anmerk. 31.
7) Siehe z. b. Antiphon's erste rede der zweiten tetralogie und
Lycurg's rede gegen Leocrates.
280 Isaios.
und 195). Demgemiiss sagen Sopater und Marcellin auch vom de-
finitionsstatus, indem sie diese eintheilung an ihn anwenden: ye-
vext tara pèr ovv tela edn opww êcrl, 16 te xara xelow xai
to xura apgucfintgow xoi td xar aklwow (l|. 579, 12 ff.)
Bei den zwei letzten gruppen wurdeu weiter keine unterarten un-
terschieden (ro ui» ov» xor dElwow xai 10 xarà apgiofinimoiw
atpnta dor», ibid. 14 f.); dagegen der Sgo¢ xarà xglow wurde
eingetheilt wieder in zwei gruppen, «rAovs und dsrdovs, und
unter die letzte wurden subsummirt die unterarten &rrovouabuwr,
xara ovddnysy, Zuniatwv und duo Ggos (ibid. 580, 14 ff. 9). Die-
ses schema wurde vom rhetor Maximus Planudes beibebalten (1. |.
310, 31 f), aber mit einer üuderung: er betrachtet nämlich den
Ogos xar apgsofirnasy nicht für eine selbstständige gruppe, son-
dern für eine unterart des ógoc xar' ulinow; es ist Seog x«r al-
tyow dimdovg, vgl. ibid. 312, 21: d» rq zur auïsnosr dınıa,
touréors 1 xazà Augpscoßnınosy, Ev niv tò ngáyua, dvo dé
Ta cupsofprovria ngoowna. Aus dieser stelle sieht man, dass
sogar der zusatz dınAoög bei dem rhetorischen termin ogo¢ xar
augsoßnınoıv ganz überflüssig ist 1°); anders verhält es sich bei
den zwei anderen bezeichnungen dieser unterart des definitions-
status, nämlich ogog xarx sgoowna dumAoug (Hermog.) und ogog
xar alinow dindovs (Maxim. Planud.); bei diesen ist dieser zu-
satz unumgünglich.
Was den Hermogenes selbst betrifft, so findet man zwar bei
ihm beispiele, in denen alle diese drei gruppen vertreten sind, aber
die rhetorischen termine fehlen noch bei ihm. Er unterscheidet
(I. 1. 154, 28) nur zwei hauptgruppen des ogog, nämlich dmdoùg
und dssiovcg; bei der letzten gruppe werden von ihm füuf arten
aufgezühlt: «rrovouabtwv, xarà ovAAmpr, xarà nQOcuma dirdose,
luniziwy und dvo ögos. Die commentatoren des Hermogenes ha-
ben die zwei ersten und letzten termiue beibehalten, und zwar als
_ 8) Merkwürdiger weise gibt Sopater (ibid. 121, 20 ff) wieder
eine andere eintheilung: die gruppe xat’ augsoßyma» wird da der
gruppe xara xoicw unterordnet, und dieser termin wieder von dem
sonst gleichbedeutenden xata guyn» xai diwk&» unterschieden.
9) Ausserdem konstatirten einige rhetoren noch andere unter-
arten des ogoc xatà xpiosw, wie z. b. napddokos, Zuuscos, vgl. ibid.
580, 81; 581, 20.
10) Vgl. noch ibid. 811, 14 ff.: è xar’ dugqsecpymow 6 avrds lon 19
sata noccwna dinlg.
Isaios. 281
unterarten des ogoç dirdovs xarà xelosy, aber den mittleren haben
sie umgetauft in Ogos xor' umgmsoßnınow, wie wir soeben gesehen
habeu. Soviel von den alten rhetoren.
Von den neueren rbetoren folgt Ernesti !') dem schema des
Hermogenes, wogegen Volkmann bei seiner erórterung der unter-
arten des defiuitionsstatus der eintheilung des Planudes den vorzug
gab (Hermagoras p. 217 und Rhetorik p. 42). Dabei hat aber
Volkmann folgendes sich zu schulden kommen lassen. Erstens
seine worte (Rhetorik p. 42) kauu man nicht anders verstehen,
als dass die eintheilung in Cgos xara xg(cw und xaı’ alznocy schon
von Hermogenes berrührt, was der wirklichkeit nicht entspricht.
Noch schlimmer ist die verwirrung, zu der Volkmann durch seine
unglückliche verbesserung des textes des Planudes verleitet wurde.
In der betreffenden stelle des Planudes (311, 1 ff.) heisst es: rdv
xai' alzo of uiv ünloi, oí dé xor dupioPnrnos xci rOv xuru
xolosv opolwo 10 uf» mn áxAoUv, To dé dınlouv. ta uèv ovy
&AÀa ey’ avıwv Udiulperu mére, 10 dì xar prow dindov» bno-
diaspsitas tergayy elo 10v artovopulovia, el; 10» xara ovdAnyny,
sic tov lun(miovra xai «lg 1oùç duo xulouuérous Ogous. In die-
sem texte ist verderbt die lesart qvciv, statt welcher das einzig
und allein hier mögliche xg/osv herzustellen ist, welches wort eine
Pariser handschrift bietet (vgl. ibid. anmerk. 3); den sichersten
beweis dafür liefert die schon angeführte stelle (Walz IV, 580,
14 ff.). Volkmann hat indessen eine andere änderung vorgenom-
men; er schreibt nämlich statt 4AÀ« — ania. Auf diese weise
kommt heraus, dass die àzAoi dgo:, sowohl xar alrgow, als xara
xefow, keine unterarten haben, die dswdot aber, d. h. ogos xav
augsoßnınow (= x«r alınoıv dirndoî) und xara xglosv dendoi,
die weiter aufgezäblten unterarten in sich begreifen. Diese er-
klärung widerspricht dem zeugniss des Sopater und Marcellin, die
ausdrücklich sagen, dass der ögog xav uugsoBiino keine unter-
arten hat (579, 14 f.: ro uv ovv xar’ dElwow xal 10 xard ap-
gropninoy atunta Corn») Daraus folgt, dass Planudes ganz
richtig sagte: zà uiv ovv üAla, d. h. alle übrigen arten des
0goc, mit ausnahme des ogo¢ dsmdovg xut& xolow, der gleich da
genannt wird. Nun weiter, bei der aufzühlung der arten der ogos
11) Lexicon technol. Gr. rhet. s. v. os.
282 Isaios.
denloï verlässt Volkmann das schema des Planudes und kehrt zu
den fünf arten des Hermogenes zurück. Dabei bleibt es unklar,
zu welcher von den zwei gruppeu diese fünf arten eigentlich ge-
hören, ob zu den dindoî xaı” alrnosy oder dindoi xarà xolow
oder zu beiden. Zu der ersten gruppe aber gehört nur der dgos
xara mgddwna dirdovc, von Planudes xar! augysoßnınow oder di-
xAoUg xar ulinosy genannt; dieser 0005 kann aber zugleich nicht
eine unterart der zweiten gruppe, 0005 xaza xglosv, bilden, wenn
er zur ersten gruppe gehört. Volkmann sollte entweder das ein-
fachere schema des Hermogenes wählen oder das weiter entwickelte
eines von seinen commentatoren; die verbindung von beiden ist
unmöglich.
Kehren wir nach diesem rhetorischen excurse zu der rede
des Isaeus zurück. Wenn wir ihren inhalt näher in erwägung
ziehen, so zeigt sich, dass der hauptpunkt, um welchen sich die
ganze rede dreht und über welchen die richter entscheiden sollen
(das xgswöuevor), in folgendem besteht. Bei der bewerbung um
die erbschaft des Kleonymos stützt sich die eine partei, nämlich
die entfernten verwandten, auf das vom erblasser hinterlassene te-
stament, in welchem sie zu erben eingesetzt waren, während die
ändere partei, die schwestersöhne des Kleonymos, auf grund ihrer
nächsten verwandtschaft, der zufolge auf sie als einzige erben das
binterlassene vermögen ihres vetters nach dem attischen erbge-
setze 1?) übergehen sollte, auf die erbschaft ansprüche machen.
Um aber ihr recht noch mehr zu bekraftigen, welches durch das
vorhandene testament fast annullirt war, suchen sie zu beweisen,
dass Kleonymos selbst dieses testament aufheben wollte und ge-
wiss seine absicht durchgeführt hatte, wenn er durch die ranke
der entfernten verwandten daran nicht gehindert worden wire.
Nun sollen die richter entscheiden, welches von beiden gültig sein
soll, ob das angefochtene testament oder die gesetzmüssige beer-
bung des Kleonymos durch seine schwestersóhue.
Wenn wir nun dieses in die sprache der rhetorik übersetzen,
so wird es heissen: in der betreffenden rede handelt es sich um
zwei önz«; das eine von ihnen ist das testament (dsadijxas), und
das andere das erbgesetz; zwischen beiden findet ein zusammen-
12) Vgl. das gesetz bei Demosthenes g. Macart. §. 51.
{saios. 283
stoss statt. Ein solcher conflict von zwei schriftstiicken heisst
nun in der statustheorie d»rvonuía, wie Hermogenes zeugt (I. |.
141, 7 ff.): Fore yàg avtvoula dvo 7 xai nissovwy bytwy fj x«l
&vog diaspovpevov un quos èravilwr, xatd neploraciv dì uds.
Man darf bei dem termin &vrivoula nicht vergessen, dass es sich
in diesem status, wie in den crue vouexul überhaupt, nicht bloss
um gesetze, sondern um alle schriftlichen dokumente handelo kann,
und dass diese benennung nur a potiori gegeben wurde !?). Ein
ähnliches heispiel der dvrevouía , nur noch mehr complicirt als in
unserer rede, findet man bei Syrian und Sopater (I. l. 263, 16 ff.).
Eine erbtochter sollte nach dem gesetze ihren nüchsten verwandten
heirathen; nun wurde aber ihre hand durch volksbeschluss als be-
lohnung einem tapferen bürger auf seine bitte versprochen. In
dem zwischen dem nächsten verwandten und dem «&gsorevs entstau-
denen streit um diese erbtochter ist schon eine dàvrouía; nun
kommt aber noch ein dritter bewerber dazu, dem das mädchen
verlobt war, und beruft sich darauf, dass nach den gesetzen das
dem freier gegebene wort gehalten werden soll.
So haben wir also die hauptfrage der rede bestimmt !4); da-
neben findet sich eine zweite frage, die den zweck hat, den beweis
zu liefern, dass der erblasser sein testament aufheben wollte und
dass es sein wille war, sein vermögen nicht den entfernten ver-
wandten, sondern seinen schwestersóhnen zu hinterlassen. Diese
frage wird mit hülfe der conjectur (oroyaouoc) gelöst, zu wel-
chem zwecke besonders eine menge von trefflichen wabrscheinlich-
keitsgründen vorgebracht ist.
So verhält sich die sache nach unserer meinung ; es bleibt
noch übrig die frage zu beantworten, was den verfasser der hy-
pothesis wohl bewogen habe, eine solche bestimmung zu geben.
Der redner sagt 2. 24, dass wenn Kleonymos in dem hinterlas-
senen testamente !5) die entfernten verwandten zu seinen erben ein-
13) Vgl. Hermog. l. 1. 140, 17 ff. von den crede vousxai: nQotor
piv napi Oyta dváyxg mv Ujrpow Ivıavda yivecdas, dura dé lëyw olov
véuove, dia xac, yngiouata, insorolas, xnQvypata doicuéva, navita
ánÀec ta iv Ömois.
14) Der redner hebt seinen hauptgedanken immer und immer
hervor, siehe 88. 8 f., 17 £., 41— 48, 48 f.
15) Gelegentlich bemerken wir, dass die worte i» vais viv ys-
yeappivass diaS95xaic nicht bedeuten „in dem jetzt angeklagten
284 [saios.
gesetzt batte, man sich wundern muss, was er eigentlich in ihm
berichtigen wollte, um es noch mehr gültig zu machen; denn
sonst werden ja die testamentarischen geschenke nach dem testa-
ment allein bestimmt: roig yag dÀÀoig oùroç 0 gog doi(v, w ür-
does, rv dweswr. Nun ist es nicht unwahrscheinlich, dass der
verfasser der hypothesis auf grund dieser stelle in der rede des
Isaeus einen ögog fand, und da die eine partei nach dem testa-
mente, die andere aber nach dem spüteren benehmen des Kleonymos
seinen letzten willen bestimmte, so war es ein ögog dendous !°).
Es kann wohl vorkommen, dass in einem erbprocess der defiuitions-
status sich findet, wie z. b. in dem von Hermogenes (I. |. 156,
10 ff.) erwühnten falle, wo zwei priestersóhne um das erbliche
priesteramt streiten; aber dort ist wirklich der fragliche punkt,
wer von beiden eigentlich für einen priestersohn gehalten werden
soll; auf grund dieser definition wird der streit entschieden wer-
den müssen. In unserer rede ist von einer solchen fraglichen de-
finition gar keine spur und deshalb ist auch die von der hypo-
thesis gegebene bestimmung des status als verfehlt zu betrachten.
testament, wie Blass will (Die att. bereds., abth. II, p. 494, anmerk.
7); vielmehr heisst es ,in dem jetzt schriftlich vorhandenen
testament‘, im gegensatze zu der von den entfernten verwandten
vorausgesetzten ,,berichtigten fassung‘“ desselben. Zu dieser auffas-
sung zwingen die unmittelbar folgenden ausdriicke (ypayxz, neos-
yodyas, inuvogdwons).
16) Die rhetoren suchten oft irrig technische ausdrücke in den
reden. So fand schon Quintilian (Inst. or. 111, 6, 3) den ausdruck
oracıs in der rede des Aeschines gegen Ktesiphon (§. 206), und einige
rbetoren erklärten die worte in der Midiana des Demosthenes #9" oic
avtov noovßaloun» (8. 19) „weshalb ich gegen ihn die nmgofody (d. h.
den ersten punkt der bei der lösung des definitionsstatus zu gebrau-
chenden xsgdlasc) verwendet habe“, vgl. den anonymus bei W
VII, 408, 24 ff.
St. Petersburg. J. Lundk.
Zu Julius Valerius.
Cap. 13, p. 13, b. 8 schlägt A. Eberhard (Festgabe für Cre-
celius p. 23) vor ,cui paullo ante patronus fuerat* statt des sinn-
losen prius. Mir ist das bei Valerius vielgebrauchte praeses wahr-
scheinlicher. Ebenso hatte er 1, 19, p. 19b, 4 se dedebat besser
in sese dabat als in se concedebat corrigirt.
Die in Philologus XLI, p. 651 zu Ill, 20 gegebene emendation
ist, wie ich zu spät sehe, auch von G. Landgraf (ZfóG. 1882,
p. 433) gemacht worden.
Gottingen. K. Boysen,
XII.
Zur handschriftenkunde des Cornutus und Palae-
phatus (Codex Ravii).
In der neuesten ausgabe des Cornutus, der Teubnerschen von
C. Lang, wird unter die handschriften der besten classe ein codex
Ravii gezählt, über den der herausgeber folgendes bemerkt:
»Ravii (hominis XVII saeculi) codicem in hoc genere numeramus,
quia Gale ad initium Cornuti eum inscriptione cum Ox. 8, Flo-
rentino, Vaticano congruere tradit. — Hunc Cornuti codicem Upsalam
delatum esse ez eis suspicatus eram, quae A. Westermann docet de
Pulaephati codice Raviano, sed spes me fefellit: neque in Upsa-
lensi neque in Stockholmiensi bibliotheca illum adservari bibliothe-
carius Upsalensis litteris ad me datis testatur*, In Gale’s aus-
gabe Cantabrigiae 1670 wird die handschrift noch nicht erwähnt,
dagegeu in der zweiten Gale'schen ausgabe der Opuscula mytholo-
gica physica et ethica, die von Meibom Amsterdam 1688 besorgt
wurde, wird zum titel der schrift angemerkt: „Gyraldi cod. et
Oxon. «a consentiunt cum impressis Ox. 8, Flor., Ravii cod. et
Vaticanus legunt Kovoroviov énidgou rQv xara rjv “EdAnvexny
Jewolav nugadıdoufvwv. Ausserdem ist der Codex Ravii zum
Palaephatus zweimal von Meibom herangezogen p. 8, not. 10 und
p. 50, not. 1 der ausgabe. Auch Osann kennt our dies citat
Gale -Meibom's. — Westermann’s kenntniss vom Codex Ravianus
berubt auf Brunner's ausgabe des Palaephatus, Upsala 1663, der
is der vorrede sagt: ,,M. Christianus Ravius hoc tempore Regiae
huius Academiae rector — — codicem msc. antiquum satis, quem
ye: . 2
Ù me
286 Cornutus-Palaephatushandschrift.
ante hos viginti annos ipse secum Constantinopoli attulerat, eponte
mihi obtulit commodavitque.
Die älteren angahen (bei Gale und Brunner) sind so genau,
wie sie eben bei einem in privatbesitz befindlichen codex sein
konnten; varianten giebt Gale nicht, weil er wobl selbst nur ein-
zelne notizen hatte, und Brunner führt zum Palaephatus nur weni-
ges an. Westermann, Osann, Lange wissen weder über den ver-
bleib der handschrift etwas, noch, wie es scheint, über die persön-
lichkeit des Ravius etwas anderes, als was Brunner angegeben
batte. Und doch hütte eine kenntniss des lebens dieses mannes sie
leicht auf die handschrift selbst führen kónnen.
Ich war in folge einer beschüftigung mit Pulch's Eudociaar-
beit veranlasst, die Baseler Cornutus-Palaephatusausgabe von 1543
einzusehen und stiess zufällig in dem Göttinger exemplar auf drei
alte collationen des Cornutus, die hier von einer hand eingezeichnet
waren. Ueber die bandschriften giebt der collator auf den ründern
von p. 1 des griechischen textes folgende auskunft: Feb. 3. 1642:
— Jn Cornutum collatum esse cum ms. codice Dni.
Rauii, (die folgenden worte scheinen erst etwas später hinzuge-
fügt zu sein) qui in omnibus fere cum ms. magni avun-
culi Henrici Scrimgeri convenit. Ferner auf dem unteren
seitenrande: Vide ms. in fol. numero 40 bibliothecae
Bodleianae, ubi inscribitur Kovgrovrov énidgour,
twy xatà r9» EdAAnvexhy FSewoluyv nagadedoptrwv:
— Vide ibidem ms in Ato numero 60 cuius inscriptio
est: DQovovov rov negl sig 10» Frwy pvoews. Letztere
beiden handschriften liessen sich aus den varianten leicht mit den
beiden von Lang benutzten Bodleiani- Barocciani identificiren, die
erstere nr. 40 trägt heute die or. 131 und ist von Lang mit X
bezeichnet, der collator bezeichnet ihn mit V(etus), die andere nr.
60 ist heute or. 125, bei Lang G, beim collator B(aroccianus).
Der Ravianus ist von diesem gar nicht bezeichnet. Diese collatiou
in dem Góttinger bibliotheksexemplar veranlasste mich der person
des besitzers nachzugehen und hat mich dann schliesslich auf die
handschrift selbst geführt. Christian Rave's leben ist von Joh.
Chr. Becmann nach M. Rohde’s leichenprogramma zu ehren Rave's
in der Notitia «universitatis Francofurtanae, Frankfurt 1707 fol
geschildert, weit ausführlicher aber unter beibringung aller beleg-
Cornutus-Palaephatushandschrift. 287
stellen und rectificirung älterer irriger angaben von Joh. Moller
in der Cimbria litterata t. Il, p. 680—88 dargestellt. Der lebens-
gang Rave's ist interessant genug, um ibm hier einige zeilen ein-
zuräumen. Er ward den 25. januar 1613 zu Berlin als zweiter
sohn dem pastor an der Nicolaikirche Joh. Rave geboren, studirte
1630—1636 in Wittenberg, wohl auch in Königsberg, Leipzig
und Rostock (vgl G. J. Vossius! brief an Franc. Junius d. d. III
Kal. lun. 1638 stili novi in der ausgabe des Colomesius p. 320)
theologie, besonders aber orientalische sprachen und gelangte hierin
früh zu einem namen, 1637 bereiste er Dánemark und Schweden
— dass er professor an der ritterakademie in Sorü gewesen wäre,
scheint sich nicht erweiseu zu lassen, und beruht wobl auf ver-
wechslung mit seinem älteren bruder Joh. Rave, der dort von 1640
ab wirkte (aus Christ, Rave's brief an Meursius, Kopenhagen d. d.
XVII Cal. lun. 1637 geht nur hervor, dass er damals im begriff
stand als hofmeister der beiden grafen Gyldenstern aus Norwegen
nach Soró zu gehen (vgl. Meursii opera t. XI, p. 611) — und
schon anfang 1638 ging er nach Holland zu Gerh. Joh. Vossius
und dem orientalisten Golius und mit ihren empfehlungen mitte
1638 nach England, um den orientalisten Pocock kennen zu lernen.
1639 trat er mit einem englischen kaufmanne Stringer die längst
ersehnte reise in den orient an, nach Smyrna und Constantinopel !).
Ausser auf die erlernung orientalischer sprachen verwandte er zeit
und mühe, unterstützt durch den einfluss des holländischen und eng-
lischen gesandten bei der Pforte und das geld des irischen erzbi-
schofs Ussher, wesentlich auf das sammeln von handschriften. Nach
einer für diesen zweck unternommenen reise durch Kleinasien
kehrte er ende 1641 nach England zurück, im januar 1642 war
er in London, aber schon im märz desselben jahres finden wir ihn
in Leyden und hier in Holland ward er offenbar durch Vossius
einfluss professor der orientalischen sprachen in Utrecht. 1645
ward er an das gymnasium zu Amsterdam berufen als college von
Gerh. Joh. Vossius. Aber schon im jahre 1647 folgte er einem
rufe nach London und hielt im London House, dem palaste des
bischofs von London bei der St. Paulskirche als professor des he-
1) Vgl. die Epistola dedicatoria an den erzbischof Usserius in
Christian Ravis discourse of the oriental tongues. London 1649. 8.
Dem buche ist auch ein bildniss des 32jührigen verfassers beigegeben.
288 Corautus-Palaephatushandschrift.
bräischen vorlesungen, um schon 1648 diese stellung mit der eines
professors der orientalischen sprachen und bibliothekar's am Mag-
dulenen-college zu Oxford zu vertauschen. Von dort zog ihn 1650
die königin Christine zugleich mit Descartes nach Schweden und
dort blieb er 19 jahre, theils als professor zu Upsala, theils als
direktor der königlichen bibliothek zu Stockholm. 1669 aber ver-
liess er oder musste wohl Schweden verlassen — die gründe sind
nicht bekannt?) — und lebte als professor regius Upsaliensis an
der universität Kiel, die ihn bald zum professor honorarius er-
nannte, bis ihn 1672 der grosse kurfürst nach Frankfurt a. d.
Oder berief, wo er am 21. juni 1677 verstarb.
Im orient hatte er einen grossen handschriftenschatz erworben,
der in den gelehrtenbriefen jener zeit eine grosse rolle spielt und
gewaltiges aufsehen erregte. Rave selbst redet schon in seinem
briefe an Vossius d. d. 21. januar 1642 Londinii ex collegio
Gresham von einem cataloge von 400 manuscripten, den er in
druck geben wolle. Rohde's leichenprogramma spricht von 300
volumina; aber erst 1669 in Kiel veröffentlichte Christian Rave
sein ,,Spolium Orientis . . . . siue Catalogus mssorum orientalium
in omni scibili non sine crebris vitae periculis Constantinopoli et
alibi per triennium multo aere conquisitorum, quae nunc in Ger-
maniam devecta Principibus Rebusp: Academiis et Bibliothecis pu-
blicis . . . venalia offeruntur. (Kiel 1669. 4.). In diesem ca-
talog sind allerdings 400 schriften verzeichnet, 600 andre kleinere
stücke, fügt Rave hinzu, besitze er noch ausserdem. Ueber den
erfolg dieses ausgebuts ist keine nachricht vorhanden, er wird sich
vielleicht aber aus dem heutigen handschriftenbestande der Ravi-
schen sammlung in der königlichen bibliothek zu Berlin noch an-
nähernd bestimmen lassen, Denn in Friedrich Wilken's Geschichte
der kgl. bibliothek zu Berlin (Berlin 1828) p. 50 ff. finden wir
die fortsetzung der geschichte dieser sammlung. Rave habe schon
1642 seinem bruder Joh. Rave, dem professor zu Soró, als pfand
für eine schuld seine handschriften überlassen — dagegen spricht
freilich der umstand, dass Christian Rave handschriften, 2. b.
2) Angeführt werden Abraham Calovius theologischer einfluss, der
Rave's bibelchronologie als irrlehre bekümpfte, und andererseits der
unwile der studenten zu Upsala, denen Rave seine manuscripten-
schätze zu zeigen verweigert haben soll. (Vgl. Joh. Moller a. a. o.).
Cornutus-Palaephatushandschrift. 289
an Brunner verleihen konnte und also doch im besitz seiner
sammlung war — und Joh. Rave babe sie spüter (1659) mit nach
Berlin genommen. Dieser ward nümlich 1659 als bibliothekar der
neuzugründenden bibliothek vom grossen kurfürsten nach Berlin
berufen und starb als solcher 1679. In seinem nachlass befanden
sich Chr. Rave's handschriften und wurden 1691 der kurfürstlichen
bibliothek übergeben und auf die von Wilken beschriebene weise
erworben. Genaueres lüsst sich auch hier vielleicht noch aus dem
archiv der königlichen bibliothek feststellen.
In dem 1669 in Kiel publicirten katalog seiner handschriften
führte nun Rave wirklich auf centuria IV, no. 4—8:
4. Cornetus vel Phornutus aliquoties editus.
3. Palaephatus Il. anlorwv, ex quo ms. codice et cl.
Toldius (Tollius) in Belgio et postea M. Martinus
Brunnerus collega coniunctissimus editiones quis-
que suas accurauerunt. 6. Libanius de epistolico
charactere. 7. Canon seu Lexicon in Catonis sen-
tentias graecas. 8. Similis Canon in carmen Pytha-
gorae aureum.
Die Curnutushandschrift musste also 1669 von Rave verkauft
sein — wohin, war dann schwer zu errathen — oder sich noch in
Berlin auf der königlichen bibliothek befinden. Herr Dr. Th. Glei-
niger hatte die güte das vorhandensein der handschrift dort fest-
zustellen. Es ist Manuscr. Graec. Quarto nr. 9 der Berliner kö-
niglichen bibliothek.
Die handschrift trägt in ihrer jetzigen gestalt einen ziemlich
neuen einband; bei dessen herstellung sind auch stücke, die nicht
aus Rave’s sammlung stammen, mit hineingebunden.
Es ist ein papiermanuscript, das jetzt 90 blatt zählt in klein
quart, doch bilden fol. 52—65 ein kleinoctavheft, und blatt 88—90
einen eingeschlagenen foliobogen. Auch blatt 44—51, 82—87
zeigen durchaus abweichendes papier. Ferner weichen der schrift
nach blatt 67—73 und 74—81 unter sich und von dem haupt-
theil der handschrift ab, der aus den blättern 3 -- 43 und 66 be-
steht. Letztere sind von einer hand geschrieben und haben immer
ein heft gebildet. Dass auch blatt 66 erst beim zusammenbinden mit
den übrigen schriften davon abgetrennt ist, scheint daraus hervorzu-
geben, dass es eben ein einzelnes blatt ist, gleichartige schrift und
Philologus. XLII. bd. 2. 19
290 Corautus-Palaephatushaudachrift.
auf der riickseite noch den alten stempel der Berliner bibliothek
zeigt, der beweist, dass hier einmal die handschrift aufhórte.
Der inhalt ist folgender:
Blatt 1. 2 sind schou vor dem eiubinden verloren gegangen,
blatt 3 und 4 sind iu folge des einflusses von feuchtigkeit sehr
zerstört, so dass schon aus der mitte von blatt 3 grosse stücke
herausgefallen sind.
I. Blatt 3—14a. — Der aufang der schrift ist mit den
fehlenden blattern der handschrift verloren, fol. 3 inc.: ünuuoriju.
auugtwiog: [T]o à mgÓ roù » widovrus. ago Tov È qulovr«t.
ngo rov [o wejdovras. moo roù x ydovrus nârr 100 [unaç] 4 nÀOG.
aniw. ngo 100 Q wwAovius mÀZv rov 5 [Uupavg| nuyis xai «vpa,
&guo; 4QuaÀqg i 1gogi) ugnviu xui done eldo; ävéuov. nyo
tov © ywi[Zovra:|] Any 100 uou, uvii roù &uva xt. Expl. 14a:
1641a. slot 14 mug duoU w lie, yeyguputra
ang xayù utpadmqx« magu 100 diduczalov —
ruviu 004 soysdlacu Iva xai Goi (l. ov) yvwoloj nc]
nvevuurwy üvtsGroíyw» te Aoyovg dedindiuc-
mévous
dy puxquiaiw Auyw re. xui nebnx ti Ark
Iva un Gv». Iw hacw Gov). rov rour zulg vuoi.
So die handschrift mit allen fehlern. Sie enthalt ein lexikon, Ka-
vores HEQÈ mvevputwy xal œvuoioiywr, in politischen versen (ka-
talektische iambische tetrameter). Die beiden haupttheile, die regeln
über die aspiration und die antistoechie der vocale, werden durch
eine anrede an den schüler verbunden, die in höchst ergótzlicher
weise den hunger des verfassers beklagt. Das ganze machwerk
druckte schon Em. Miller 1874 in dem Annuaire de l'association
pour lencouragement des études grecques en France. 8. Année
1874, p. 222 ff., mit andern versen desselben verfassers ab aus
einer kleinen papierhandschrift in 8", die er von einem möuche zu
Caryes auf dem Athos kaufte *). Sowohl der Miller'schen, wic der
8) Lies cv»9oàisao.
4) Miller hat nicht immer den schon stark vulgürgriecbischen text
richtig verstanden. Ich führe zu dem übergangsstück (Annuaire 1874,
p. 235 ff.) zwischen den beiden haupttheilen einige correcturen bei,
die ich theils A. Milchhoefer, theils der Ravianischen hundschritt ver-
danke: v. 172 lies leyów. v. 186, ist nach vowsgud 7 zu interpungiren.
Cornutus-Palaephatushandschrift. 291
Rave'schen handschrift fehlt im anfang ein bis auf wenige zeilen
gleich grosses stück. Mit den letzten von mir ausgeschriebenen
worten des anfangs beginnt Miller's publikation. Am schluss hatte
seine handschrift einige verse mehr. Auch sonst fehlen im Ravianus
hin und wieder einige verse wie 58. 102. II. 8, 9 u. s. w. Viel-
leicht ist als verfasser Maximus Mozarus anzunehmen, vgl. Fabricius,
Bibl. Gr. ed. Harles Vl, p. 345. |
ll. Blatt 14b — 18a. à oılywv oi sf aydves 100 joa-
xAfovs. Fol. 18a rog rw» dwdexa aPiwv rov rgaxAtog. Es
ist das von Westermann in den Mv3oygagos p. 349 -- 354 unter
dem namen des Joannes Pediasimos publicirte stück.
Hl. Blatt 18a. 34a Kogvovzov ztQi ovguvov fol. 34a expl.
xaJ' qv &Quorté ovuuergias didaczoptrwr. Die capitelabtheilung
(gekennzeichnet durch überschriften am rande oder auf halb frei
gebliebenen zeilen und rothe initialen) weicht von der unserer heu-
tigen ausgaben hin und wieder ab.
IV. Blatt 34a— 43a JJulaiparou negi ıwv daloiwy icroguwr.
Inc.: rude megi twv antoiwy ovyytygagu. Expl. fol. 43a 25 ov
wreizus Sou BovAnifov avrQ* ix rovtwy ovv © uv9o;. Mit ca-
pitelüberschriften in rother schrift,
V. Blatt 43a—43b Orouaronoulu 175 rov àv9Qumov gv-
oews. Incip.: 10 anuAov flofyua. Expl.: of dé rov modóg dux-
Tvhos we xai 176 yelouç (sic).
VI. Blatt 44—51 nomenclatur der versfüsse mit beispielen.
Incip.: reg: dicvAA«fwv nodwr. Teoougwr. OlBoayuç 0 xai nuß-
Olysoc xai nugluuBos xai xzıynolag xai nysuav Myerus, vu, Otóg.:
onovdeiog 0 xal Ó(uaxgog Myeras, — —. povous. Expl. fol. 51b
mit versfussschematis.
VII. Blatt 52—65 in klein 8. fol. 52. 53 und 65b waren
ursprünglich nicht beschrieben und enthalten jetzt brouillouartige
auf den inhalt des heftchens bezügliche notizen. Der inhalt beginnt
fol. 54 "EmiGroAixoi ıunos, inc. wy eémotoliawy rvmwv jya-
xheldn Eyorıwv tv 9éwgla» xri. Expl. fol. 65b Wuyns yao don
xaj dpFuiuwy ta yQ«upaiu Eogın x«i mariyugis. — Unter dem
v. 198 I. ouvecxotalouny; v. 191 1. mÀgogc; v. 192 1. xai roíqSoyyoy
oU ypüVHc ut. où xexopécess ydo ue; v. 193 |. nàggoqoges cov ‘ro xa-
dws, yopywva, cs déco; v. 105 |. ef un va 19» youtdaw; v. 206 duyss
207 ist so zu schreiben ddl’ Îva 169% re nollw, no96, x’ avtóg noviays
II, 6 dé statt re II, 10 vai statt xai.
19°
292 Cornutus-Palaephutushandschrift.
namen des Demetrius Phalereus zuletzt publicirt von R. Hercher
in den Epistolographi Graeci. Paris, Didot 1873. 8. p. 1 ff. Die
schrift scheint bedeutend jünger, wie in den bisher genannten theilen
der handschrift; dieses heftchen stammt wohl überhaupt nicht aus
Rave's collection.
Vill. Blatt 66 enthält in abgekürzter form die von Wester-
mann Mudoyedgos p. 355—506 abgedruckten °En(9era 919» des
Niketas. Ueberschrift des guuzen fehlt. Incip. ’Enidera 100 dios
(mit rother schrift). ixéovoc. êpéosos (sic). Sgxsos. dwdwvaiog. xt.
Expl. éxiSexa npalorou (mit rother schrift). ywAog. augsyugesc.
olrtsog. Anprios. — Die epitheta des Ares und Hephaistos sind
an das ende des stückes gerathen.
IX. Blatt 66b verzeichniss der ausdrücke für thier- und vo-
gelstimmen, geräusche des feuers, windes gerade wie das bei Iriarte
Catal. codd. Matrit. p. 306 zegi ogvewr (vgl. Fabricius B. G. t.
VI, p. 163) und bei Fabricius Bibl. Graeca ed. Harles 1, p. 724
publicirte stück. — Incip. “Eni xtxvov adew. ini undovog tege-
tbe» xi. Expl. ni cduabwy rergeyévas.
X. Blatt 67—73 Afavlov cogicrov émotolipaios yugax—
tiges. Inc.: 6 pév émoralrixoç yagaxtng nosxldos tè xui Rodv-
oysdng vnugyes. Fol. 79b expl: xai rw» xataduplwy éxano-
Auvwy. Téioc. Von Westermann unter dem titel /IgoxAov 109
Thurwrsxov negi énsotodsualov yuçguxinoos. Leipzig 1856. 4.,
danach von R. Hercher Epistolographi Graeci p. 6 ff. in anderer
form herausgegeben (vgl. den Westermannschen apparat) Hinck
hat dasselbe stück aus vaticanischen handschriften in Fleckeisens
Jahrbb. 99, 1869, p. 537 ff. publicirt. Unsere handschrift ent-
spricht der bandschrift K und Vatic. 82 bei Hinck, der textform,
wie sie in der ausgabe Libanii Sophistae characteres. — Lugduni
typis lo. lullieron 1614. 16. veröffentlicht ist.
XI. Blatt 74—81: a) Kavoveg dx 10v uovoor(yov, b) fol.
75b: dx idv xarwrwy (sic) tov xatwvoc, c) fol. 80a: xavoves zw»
xovowr Enwv 100 [lvOayógov.
XII Von weit jüngerer hand und auf modernerem papier
blatt 82— 85: Z/osntixoì romos cloiv xf’. cAAnyoglu peragogu xi.
Expl.: xai oviws tedgsovtus. Inhaltlich nur ein excerpt aus Xos-
gofdcxov négi igonwy (vgl. Rhetures Graeci ed. Spengel Ill,
p. 244).
Cornutus-Palaephatushandschrift, 293
XIII. Späte hand und spätes papier: klosterrechnungen und
-briefe. Inc. fol. 86 + àgsgé£pas 0 manag cequpiu ano th üylay
avvu Xovisagsu 85 etc. — Die briefe beginnen önwg r0 vué-
TEQOY MOVAOTHQSOY 10 xudovuerov Tov Oylov TuvÀov xai elg dvoua
Tıuwuerov tov aylov Erdotov utyalouaQrugog yeweylou slg noU
xai unsıgov xutzide yofog róv nugôrra yoôvor. Brief 3 ist ge-
richtet an den metropoliten von Chalcedon.
XIV. Den schluss bildet auf einem foliobogen: Annotationes
in Horapollinis Hieroglyphica (Edit. de Pauw. Ultraj. 4. 1727)
auctore C. de Missy.
Ein vergleich mit Rave's aufzeichnung ergiebt einerseits die
identitát der handschrift, andererseits die thatsache, dass Rave's ca-
talog nicht ganze bande aufzählt, sondern nur die einzelnen schrif-
ten, da offenbar nr. | —V unserer handschrift, sowie XI abc im-
mer nothwendig je einen fascikel gebildet haben.
Die baudschrift bietet nirgends eine datirung, doch dürfte der
grössere theil derselben wohl dem 15ten jahrh., vermuthlich seiner
zweiten hälfte angehören, einiges wie die 2nsoroAsuuios zunos des
Demetrius, (VII) die nosnzıxod zonos All so wie XIII und XIV
stammen aus noch späterer zeit.
Der werth der handschrift ist nicht bedeutend. In betreff des
Cornutus hatte ich schun aus der Göttinger collation ersehen, dass
Gale’s titelangabe der schrift Lang zu einem falschen schlusse in
der classificirung der handschrift verleitet hatte. Gale wusste
wohl our, dass Kogvovioc, nicht Dovpvovrog in dieser handschrift
die namensform des schriftstellers war. Der codex gehört nicht
zur besten handschriftenclasse (a), sondern zur zweiten (b) und
speciell zur gruppe b’ (vertreten durch einen cod. Laurentianus
plut. 60, cod. 19 (B) und den schon erwähnten Baroccianus 125
(G). Der Ravianus ist aber jetzt der beste vertreter der gruppe
b, weil er in manchen lesarten sich an den Vaticanus 1385 (N)
anschliesst, und auch hei variiren von B und G meist die bessere
lesart aufweist. Doch kann er weder aus N abgeschrieben sein,
da er hin und wieder dort ausgelassene worte hat (z. b. p. 52,
13 Kai dulyvoFas), noch kann er directe quelle für B und G sein,
weil diese an einer lücke, die durch überspringen einer zeile im
Ravianus entstanden ist (p. 53, 4), nicht theil haben. Da er aber
doch nicht N an güte übertrifft, sondern ibm nur nah kommt, so
294 Cornutus-Palaephatushandschrift.
bietet er kein neues hülfsmittel für die emendation und Lang’s
ausgabe hat durch nichtbenutzung der handschrift keinen schaden
genommen. Die correcturen des zweiten hand in N (N, bei Lang)
sind nach einer handschrift der gruppe b' corrigirt und stimmen
merkwürdig gut mit dem Ravianus. Die varianten, die der letztere
allein zeigt, sind zum weitaus grössten theile schreibfehler. Ich
gebe dieselben vollständig — abgesehen von accenten und elision
— in der weise, dass ich sie nur anführe, wo sie nicht ebenso
wie O (omnes, alle handschriften), cett. (ceteri, wenn b mit einhe-
griffen ist), b (zweite handschriftenclasse bei Lang: NBG) oder b'
(BG) vom Lang'schen text abweichen, also alle varianten, wo der
Ravianus alleinsteht, oder nur mit N oder N und einem der bei-
den andern, oder nur einem von diesen codices übereinstimmt;
P. 2, 2 Lang. 6 fehlt. 2, 6 nvèç ré (aus dè corrigirt.)
2, 11 das zweite éx fehlt. . 2, 19 ddsanrwrog (mit w über o).
3, 5 Luca | (wow bei zeilenwechsel. 3, 9 za na&vra (so auch
NB) 3, 16 wegadtdoras (NG). 3, 17 avrj (NB). 4,8
thy fehlt. 4, 14 alıe Aoyog. ei” coor” E19” an’ édnoel ev wvo-
muoras und auf dem rande von erster hand" dco» ano rov médor.
5, 7 «rwv? navrwy. 9, 14 xuPudow. xegaururç (schreib-
fehler für xeguuricis b). 6, 9 àmu9éac0i. 6, 13 waddcora
(diese schreibung kehrt fast regelmässig wieder). 6, 15 gesElr.
7, 9 xırloewg. 8, 45) £nlyvosc Énuyvonou dn fehlt.
9, 6 dvaxnarecy (G).. 9,9 uAdwe «ndn» (NG) 9, 10
als dn (NG) 9,11 ro dopàav (GY. 9, 18 avrov rod wr
(G). 10, 8 2Aunig. 10, 9 xasnorexors (a V. xarnorexon N
xaingr Gi). olxeior zov 106 dia rovto rélesov avid Pvovuce.
10, 8 dia. 10. 22 áÀaGr w Qu, 11, 6 das erste xai fehlt
(G) 11, 11 dé xal r0. 11, 12 peixodes. 11, 15 we av
(G). 12.2 edusldsxror. 12, 4 tyes (NaG). 12, 18 à» rakes
di xui Groi(ysíov ur Éyorrog n£gac y svoueru (also wie b ohne
die varianten von N und G). 13, 2 megey (veoFas. 13, 3
ary Gywcyy. 13, 8 0" adn. 13, 13 érépuxroc 14, 1
oY nuwr xodater xolacrngloss &E(osc (N corr). p. 12,
99) negi doviag. 14, 10 pros 14, 11 megsocovs. 16,
3 7100 din nrot dia. 16,5 Jallaix 16, 7 uéXdovs. 16,
» 7, 16 — 14, 14 fehlt in B.
6) Cp. XII und XIII sind wie in b umgestellt.
Cornutus-Paluephatushandschrift. 295
12 ngonsidlovos. 17, 9 alılar alıolav ravım. 17, 11
anodld oTus. 17, 16 ogvecs. 17, 19 yo 026 18, 147)
mf iovoe, 18, 15 «xui» dios. 19, 8 psdety fehlt. 19,
8 nio; 19, 12 «di» nuviws. 19, 16 evAlrwe. 19, 17
elras duo. 19, 18 duw inud;. 19, 20 revyore 19, 22
xolus (yooug b). 19, 22 paci. 20, 2 Das letzte rj» fehlt.
20, 4 megi rov. xur’ udtov. 20, 7 naous fehlt. 20, 10
moognyogeve ti. 20, 13 16 fehlt. 21, 3 nAnolwr. 21,5
peya o pere. 21,7 owıno. 21, 8 axa wnror (auf dem rande
mit rother schrift richtig: axuxnıov, so b). — 21, 12 deyepovenc.
21, 14 xata avilgpgacey (NG) 21, 19 voi; fehlt. 22,4
10 Ouen xutuc (N,G). 22, 6 die rode (N$G). 22, 8
Zuvdevourro (G) ovuflé Aorvısc. 22, 9 yovv fehlt. 22,
13 17 d uvre (G). varvO wr tag. 22, 14 yag fehlt (G)
zagogunu. 22. 19 megi fehlt. 22, 21 «rov cvuvdsiotus
(N2G) xui xurudé}ysodus fehlt (G). 23, 1 curdéorros u v-
I d C. 23, 4 Fadove. 23, 7 yeyarnoda (N), a&nodn-
Aovviec. — elvas yérrqua. 23, 10 2E evpoovns. 24, 4 èm-
6x € B ny. 24, 13 wc yonciuov te xai xowwrixóv 10 nag’ udidy
éxeorov now viroc. 24, 19 mags ovas IN). — p. 25, 2 dé fehlt.
25, 14 vos fehlt. 25, 15 ra ngodsdopeva (G). xlénrer
(G) 25, 19 vo uoc (N) 26, 2 deovtws. 26, 9 naga
Qovii xui ndn fehlt (NG). 26, 18 ze 2x zov ul9fgoc fehlt.
27, 3 péureuru. 27, 5 Cuore. 27, 8 uto] pèv 0vteg
(uéllovres aus u£AAwuv N uéllorrec B uüllor G). 27, 10 &v-
dard Fei 27, 12 Bosigewy <rroe thy Jelur dvvaper>.
27, 16 riv) rè — w.«vei (N) 27, 19 dE érépwr. Im zu-
satz p. XVII, vers 2 eogvoregos. v. 7 dapvataras iv G17-
9 cosy voor. p. 23, 8 dax op qoewsc. 23, 16 ro fehlt.
nooerta 29, 1 77 yevéoss fehlt. 29, 4 onov totpdas
(NG). 29, 6 «vizi (G) 107 ovouror fehlt (G) 29, 14 Lo-
quód tig 15 xai «dg» qu; 29, 18 3iànaooc« 29, 20
aruda or. 30. 3 éfapsd petits. 30, 12 ro] ro 31, 1
Badéwc] svdéws 31,17 deuBeBnutvu (diafePonutra b) 32, 4
Enmrndlwg. 32, 11 xurevnvED Fae 32, 14 ruga 15 10010 xai.
32, 18 duoyenoretus (c) 32, 20 dx den. (vgl. b) 30, 21
7) P. 18, 13 — 25, 20 fehlt in B.
296 Cornutus-Palaephatushandschrift.
èxBiBewoxouevos (N) 33, 1 émuadolas. 33, 3 yevoptvg fehlt.
33, 13 Cedc Em. 33, 15 wropacuévoy 33, 18 Aaußavovans
NG. 33, 19 nayeïar (N), 34, 12 deduxévas (NG) 34, 18
!mınikanıas (G énentxdexras, NsB énundéxovtas) 84, 19 avzoy
(avróv aus aviov N avrò B avıwr G) 35, 2 Afyerus n0i004
(6) 35, 5 rl xoi moogevpfoda, mit ovtug über ecPas (xai
moosevotodus NG, xal noocevgovrag B) 35, 7 curecis xai 1
avr (B) 35, 14 fyevixo v 35, 18 # fehlt (NB) 36, 7 cdy-
vatav (B) 36, 8 nag9£vva «avrà tov. 36, 19 zo fehlt.
37, 6 ravrnr. 37, 7 gularızov. 37, 8 eO ga sag 37,
12 éyy tv wou 37, 16 dia9ewow (BG älnlich) 37, 20
eos dawy. 38, 7 ngontgtvyorag. 38, 21 das zweite dia
fehlt. 39, 1 evroderor. 39, 14 xara <rôy> rosoërov. 39, 19
woneg. 40, 1 ávgoqu évas 40,8 sic] èv mit übergeschr. eic
40, 13 où xur Gddo. 40, 16 ügeoç. 41, 5 roov r0 rxya
ts 41, 14 oloxnos. — á»vemoiQagíéc 41, 22 yıvoyera
42, 9 eienvias. Falacons 42, 14 ut£AA av sivas Afyere.
42, 18 wn x vuxóv 43, 2 «v rw déovros (G) 43, 11 re
xai. 43, 13 Eyes fehlt (N). As, 9 xgvniou£vesv. 44, 12
dada cour. 44, 14 dlwidac (alwiduc NB). 44, 18 xa à-
Lovo. 45, 3 apçodlinc 45, 4 n lvayovoo. 45, 6
vou x (dnç 45, 16 d’ nentas. 46, 10 yulpesv. xa-
9ugsorv (xaPdgesov b) 46, 15 pfAnıga (B o(Aviga N gv-
Antea G) 46, 17 nox. 46, 18 ágociovptro 47,1
in avtoîg 47, 18 jgwr o» (NG) 48, 7 ngeof v 1210€».
48, 9 4) we. 48, 13 duvapis. 48, 19 éyévnowr. adored
(G; N uud B nur im accent verschieden ^ a J«uavu (N) 49,
3 amodevros (GB;) 49, 7 rgax vigo. (NG). ta d»
avw. 49,9 oyewrov Aonyvóv dé (B!) 49, 11 év<zo>
Toig. 49. 18 nugduidsy (NB) 50, 5 dsacteiotas 50,
7 Ei tè. 50, 16 ducidamorus 51, 3 xadagovr xai &pn.
91, 5 y £v veow x7n08 <nagsotaos>. 51,9 xatwndlorzas
(Ns) 51, 14 de? re (Ns By) 51, 17 nagéyes (Ng B) 52,
32 <toiç> un ualax. 52, 8 éowraru (NB) 52, 13 das-
rec (NG) xai dubyyvoFaus und übergeschrieben von dersel-
ben hand zgwysodas. dies. 92, 14 a <udhoru> Ent.
53, 3 inei 14 nuga — ta dv xócuo 53, 4 xai Cuiwy pring,
olg «ino» rov Sav tò nvgwdés icr, fehlt, weil der schreiber am
Cornutus-Paluephatushaudschrift. 207
zeilenende von êorè auf Zozs übersprang, fehlt nach Lang’s apparat
in keiner andern handschrift. 53, 10 <ovaws> éxAndn. 53,
21 ny ageorus. 54, 5 üvapgınsicdas 54, 13 y & voueror.
54, 22 Amos i, gas. 55, 5 my dnuiregos (N). 55, 14
dures (NG). 56, 2 àvvaritoy 56, 5 pates (NG) 56, 20
yvouodéitny 56, 21 Jeouwr. 57, 4 mynornga 57,8
xaJ' twas (B). xaddsizas 57,16 EdoËugç (N) 57, 18
cnodus. 58, 8 «xai» Auorra. 58, 5 pra (so a, guras
bc) 58, 14 aùtmns yéveois 58, 15 némavor <rwy> xuv-
parwr. 59, 16 alors. 59, 20 dik rovrov. 60, 5 ws
xai dduyngogogov 60,7 vfes 60, 11 yoouérwr 61,
2 yuluywyıa (G) 61, 3 deu rovro dv rH xouvj 61, 9
oolpesto. 61, 18 xurudedoyevu 62, 14 èxuonour. 62,
23 doyoss 63, 18 xexoulodu (B) 64, 9 <xai> ngoçqxer
(B). 64, 14 doger öupuln 64, 17 où det dé doxety
(NG) 65, 2 ef cedgrn. 65,5 dia 10010». 65, 11 moogne
uwvioug 65, 14 nulus, ws 0 mosmrns dug. (NG) 65, 16
pavin (NsG puviny) 65, 17 10 oor. 65, 19 wrouad ras.
65, 21 anoAlovıu (G) 66, 4 anoAouvru. 66, 7 ovre-
oıwg (aG1) 66, 13 «oq» (B; agony NeG) 66, 19 Aap-
ngog êxei dì olxelwe elg uviwy (mit o über w) 67, 11
xai fehlt. 67, 19 42015. 68, 14 xudag 0 sc. 68, 16 no0-
z oéywv (N) 69, 13 oxso wv1at te (B) 69, 17 xadéouvres
n 1 ovr. 69, 20 axoa eti. 70, 4 unodedosyévas. 70, 5
10v 10v 16 103w (G) 70, 7 ánoxigow. 70, 9 roo pevos.
70, 10 ded Eeodas. 70, 11 ava d 70, 13 rvig Fosxer.
70, 16 xurar{nrwmer (N) 70, 19 roig largexg (Ns) 71, 6
ofliuc. 71, 8 and rov Bulles <devgo> r. a. 71, 17
mieu Genus 71, 19 ioo zy». 72, 9 uervoudy 72, 10
zo, 110» 72, 13 19100 rq; 72, 15 dia rag nutgus (NG)
72, 19 &ugpal portes. 72, 20 y5»]| evar (G) 73, 8 sirva
rj G@indvia 73, 15 dowrww 74, 8 dial urroyruç dB. 74,
9 x4. «di^ 6 ad. 74, 12 ror dvFew rov (mit w über o)
74, 13 avréc 75, 1 xado vıwv 75, 6 aneyenouro 79,
7 gooyuviwr. 75, 9 adzov 16 diurım (adıuvım b) 75, 15
xai mv éguvvev (G (ohne rjv), B) 76, 2 crosyetu (Na) 76,
7 émreunewc. 76, 13 Ovoidosuoveiy (N).
Wo keine variante angegeben ist, ist die übereinstimmung mit
298 Cornutus-Palaephatushandschrift.
b’ vorauszusetzen. -- Die in der Göttinger ausgabe des Cornutus
eingeschriebene collation ist in allen positiven angaben durchaus
treu, so weit eine probeweise vergleichung einzelner abschnitte ur-
theilen lässt, dagegen sind mehrfach kleinere varianten -— häufig
wohl mit absicht — nicht notirt. Ebenso sind die variunten aus
X und G, den beiden Barocciani, meist genau mit den angaben
Lang’s übereinstimmend. Doch hat der collator auch angaben, die
Lung’s collation wie es scheint erganzen können. Uud um aus
den ersten zwölf capiteln das wichtigere anzuführen so z. b. soll
2, 5 X diuxexocpetcdas 2, 18 oi nulwoi 3, 1 dornges
3, 17 wın A, 4, 5 xai woneg miDQuvwr«zor bieten, 6, 16 2£o-
zus] evoroyws 7, 3 Aoyor] 100n0v mit übergeschr. Ao — 7, 15
où yay GÀÀwug ouvecimtu 1ù Oven el ur wc ini Jeusklw ravine
8, 13 «i» Onıw 9, 6 riv <xur>uwiyldu 9, 16 xal 190-
musovyor fehlt 9, 18 dearéraxtus dg 10, 16 n«vrw» fehlt.
Zu der umstellung notirt der collator: /n codice ms. (sc. Raviano)
caput regi twr uosuwr praeponitur capiti negi zwr Astwy: atque
ita in Barocc. utroque: 12, 8 muguvdwaus dé 10 nagidoviug
wrag voregor xrA. Jedoch sollen im widerspruch zu Lang p. 2,
13 folgende worte in X fehlen: nvig dé qpuow &nó rov dei Deir
olrws uvrdr wrouac29o, eine behauptung, die duch wohl nur auf
einem versehen des collators beruhen kaun. Aus G habe ich bei-
spielshalber folgende varianten notirt, die bei Lang nicht auge-
führt sind:
6, 9 érredéuor 6, 14 Dovyic 7, 14 xudovow 9,
18 dicurürus pèv 10, 8 muenxuacpérvor xrÀ.
Sind diese angahen nicht irrthiimer des collator's, so hätte
Lang doch wohl, wenngleich er schon potiores tantum potiorum
codicum scripturas erwähnen wollte, einen theil derselben auffüh-
ren müssen.
Bemerkenswerth ist die notiz der collation über den Ravianus
qui in omnibus fere cum ms. magni auunculi Henrici
Scrimgeri conuenit. Denn sie belehrt uns über die person
des collators. Es war Patrick Young oder in der üblichen latini-
sirung Patricius lunius, der gelehrte erste bibliothekar der King’s
Library in Loudon, über den die briefwechsel und schriften der
Vossius, Meursius, Holstenius, Casaubonus, Camden, am besten aber
Cornutus-Palaephatushandschrift. 299
Thomas Smith’ Vitae quorundam eruditissimorum et illustrium. vi-
rorum 5). Londini 1707. 4. auskunft geben.
Weiter ist nach jener notiz ein schluss erlaubt betreffs des
bisher nur aus excerpten bekannten codex Scrimgeri. Der ge-
lehrte Schotte Henricus Scrimger (nachrichten giebt Thomas Smith
in der Vita des Petrus lunius. Vgl. auch Allibone's Critical Dictio-
nary of english litterature Il, 1981) collationirte und excerpirte
bei seinem aufenthalte in Italien eine grosse zahl griechischer ma-
nuscripte. unter andern Ntrabohuudschriften, collationen, die Casau-
bonus beuutzte (vgl. Thomas Smith, und Lucae Holstenii epistolae
ad diversos edid. Boissonade. Paris 1817. 8. p. 20. 70). Diese
collationen kamen in Patrick lunius besitz und so auch eine col-
lation des Cornutus und Palnephatus, die ebenfalls in dem Holsten-
schen briefwechsel erwalint, wird p. 12 — 13: Est penes eundem
Palaephati et Phurnuti exemplar collatum olim ad
codicem Florentinum a Scrimgero uvo eius, dimidia
parte atque amplius edito auctius, Si tibi animus est
hosce quoque auctores in lucem reuocare libentissime
omnia tecum communicabit. Nihil enim illo viro
humanius cogitari potest et promptius ad literas iu-
vandas. Ferner existirt in Paris eine abschrift, wie es scheint,
der Scrimgerschen excerpte cod, Parisin, 3076, der von Osann be-
nutzt wurde (als Paris. 2), und Osann schloss nach Holsten's notiz
mit recht, der codex Scrimgeri sei wohl in Florenz zu suchen.
Nun sagt uns lunius durch die mehrfach erwähnte notiz seiner col-
lation, dass die Scrimgerschen lesarten fast durchweg mit dem
Ravianus stimmen, mithin dass der codex des Schotten zur classe
b' der Cornutushandschriften gehörte. Endlich stimmen die lesarten
von Osann’s Parisinus 2 (cod. 3076) mit Langs codex B = Osann’s
Laurent. 4 und dies führt zu der zwingenden annahme, dass cod.
B eben der codex Scrimgeri ist, denn gerade in den B eigenthüm-
lichen lesarten stimmt der Parisinus 3076 überein, wie man sich
bei Osann leicht überzeugen kann. -— Daraus ist dann weiter zu
folgern, dass Scrimger den codex B noch unversebrt vor sich hatte,
und die stiicke p. 7, 16 — 14, 14. 18. 13 — 25, 20 der aus-
8) Das buch enthült die Vitae des Iacobus Usserius, Ioannes Co-
sinus, Henricus Briggius, Ioannes Bainbridgius, Ioannes Gravius, Pe-
trus Iunius, Patricius Iunius, (vater und sohn), Ioannes Dee.
300 Cornutus-Palaephatushandschrift.
gabe Langs erst spüter verloren gegangen sind, weil der Parisinus
3076 varianten zu diesen abschnitten bietet. Dann hängt aber
auch vielleicht der Ravianus noch enger mit B zusammen, jedoch
habe ich schlagende beweise einer direkten abhüngigkeit des einen
vom anderen nicht gefunden. Es ist jedoch nicht nur die namens-
form Kogrovros in beiden handschriften bewahrt, sondern auch B
bietet in der gleichen folge wie der Ravianus den tractat des Pe-
diasimus über die zwölf arbeiten des Hercules, den Cornutus und
Palaephatus,
Young hat seine collation datirt —, der 3. februar 1642 soll
wohl den anfangstag des vergleichens bezeichnen — , die angube
passt, vorzüglich zu den nachrichten über Ravius, der ende januar
aus London (ex collegio Gresham) an Vossius meldet, er sei aus
Constantinopel mit einem reichen schatz orientalischer handschriften
zurückgekehrt, wührend andererseits Ludovicus de Dieu ebenfalls
in einem brief an Vossius von ende mürz 1642 die anwesenheit
Rave's in Leiden bezeugt, (vgl. Gerh. loh. Vossii et clarorum vi-
rorum ad eundem epistolae coll. P. Colomesio. Londini 1690 fol.
Rave war natürlich mit den bedeutenderen gelehrten Englands be-
kannt geworden und so auch mit lunius, mit dem sich auch sonst
literarische beziehungen Rave's nachweisen lassen (vgl. die vor-
rede Rave's zu seinem Apollonius Pergaeus, Kiel 1669; die vor-
rede des Montacutius zu der ausgabe der briefe des Photius und
einen brief des Cornelius Tollius an Rave, auf den ich noch zu-
rückkommen werde).
Soviel über den Cornutus.
Es ist naturgemäss, hier auch einige bemerkungen über den
rest der bandschrift anzuknüpfen, und zwar zunächst über das
wichtigste stück des ganzen bandes, über den Pulaephatus. Es er-
geben sich hier ühnliche modificationen der in den bisherigen aus-
gaben geltenden anschauungen über den codex Ravianus, wie beim
Cornutus,
Westermann scheidet ganz richtig die handschriften des Pa-
laephatus in zwei gruppen nach der stark verschiedenen form des
textes. Er führt dann aber fort: (Mythographi ed. Westermann
p. XIII) Medium quasi inter utrumque librorum genus locum tenet,
satis antiquus ut videtur liber, Ravianus (R) a Christ. Ravio c. a.
1643 Constantinopoli Upsalam allatus ac primum a M, Brunnero
Cornutus-Palaephatushandschrift, 301
inspectus. Hic enim tectum repraesentat, cum vulgato multis locis
discrepantem nee in singulis vocabulis tantum lectionum bonitate
praestantem, verum etiam vulgatis aliquanto integriorem atque au-
ctiorem quanquam tantundem eodem nomine ab altera familia di-
stat, ita tamen, ut an non satis accurate collatus et excussus sit
iure dubitari posse videatur. Letzteres bedenken ist nur zu ge-
rechtfertigt: Brunner's ausgabe, auf der die ganze bisherige kennt-
niss des Ravischen textes beruhte, giebt nur einen bruchtheil der
lesarten, und auch die übrigen handschriften (speciell der zweiten
classe) hat Westermann mit einziger ausnahme des Dresdensis nicht
selbst eingesehen, sondern sich hier mit Tollius und Gale’s ganz
unvollständigem apparat und den bessern nachrichten Fischers über
den codex Mosquensis begnügt.
Schon aus zahl und folge der capitel im Ravianus geht her-
vor, zu welcher handschriftengattung derselbe gehórt.
Auf cap. Il der ausgaben folgt cap. VI. VII. VIII, dann wie-
der cap. lll. IV. — Cap. V moi ‘Qeiwvog fehlt ganz, ebenso cap,
XXXV. XXXVII und alles von cap. XXXXVII ab.
Cap. V fehlt überhaupt in allen handschriften, cap. ll — IX
folgen im M(osquensis) und D(resdensis) genau in derselben reihe
wie im Ravianus, aber cap. XXXV und XXXVII fehlen in D M
nicht, wohl aber in den O(xonienses). In betreff der letzteren sind
aber Gale's angaben entschieden mangelhaft. Es stehen uirgends
angaben über die folge der capitel, in folge dessen steht auch bei
Westermann nichts, und man glaubt annehmen zu dürfen, nur DM
hatten die oben angegebene folge; in betreff des A(rundelianus)
und T(ollianus) liegt die sache ebenso. Der schluss ex silentio
dürfte bei den angaben Gale’s und des Tollius nicht erlaubt sein,
Der anfang des capitels weg: tov “Axialwros (iu den ausgaben cap.
ill) nach der lesart des Oxoniensis quoi xoi ravra megi *Ax-
z&(uvog scheint den anschluss an das capitel vom Teumesischen
fuchs vorauszusetzeu und die obige capitelfolge dürfte auch für O
anzunehmen sein und also mit dem Ravianus stimmen, jedenfalls
aber kommen beide im gegensatz zu MD in dem fehlen der capitel
XXXV und XXXVII überein. — Ferner stimmt aber der: Ra-
vianus nach dem apparat bei Westermann in sehr vielen lesarten
zwar mit DM überein, jedoch beweist die gleichheit gerade cha-
rakterischer varianten zwischen O und R, dass R nicht so sehr
302 Cornutus-Palaephatushandschrift.
zur engern gruppe DM, sondern zu O gehört, und es ist vielmehr
unzuuehmeu, dass uns Gale die varianten von O von seinem texte
nur da gab, wo sie ibm wichtig zu sein schienen; eine verglei-
chung der handschrifteu wird ohue zweifel eine weit stärkere über-
einstimmung zwischen O und R, als zwischen RDM ergeben. Diese
übereinstimmung zwischen O und R geht freilich nicht so weit,
dass nicht jede handschrift bisweilen sätzchen und worte hätte, die
der andern fehlen. Im allgemeinen scheint auch der text des Ra-
vianus besser zu sein, wie der der Oxonienses und ein zukünftiger
herausgeber des Palaephatus würde ihn wohl hauptsächlich zu
grunde legen müssen. Hierzu eine collation des Ravianischen Pa-
laephatus mitzutheilen , ist deshalb unthunlich, weil das bei der
zwitterhaften textgestaltung Westermann’s (ein gemisch aus beiden
handschriftenclasseu) ungefahr einem vollen textabdrucke gleich-
kommen würde.
Nur das scheint auch jetzt schon festgestellt werden zu kön-
nen, dass die übereinstimmung zwischen den handschriften der
zweiten classe (nach Westermann OabcATDM C(antabrigiensis)
G(allicus) ?) F(lorentinus)) eine weit grössere ist, als Westermann
annimmt und dass ein zukünftiger herausgeber den Palaephatus
wirklich in zwei redactionen, der kürzeren vulgata und der der
ebengenannten handschriften, wird neben einander geben müssen.
Auch dürfte sich die zahl der Westermannschen handschriften
etwas verringern. Denn die handschrift über die er bemerkt: Sed
quem locis nonnullis fab. 2 adhibuerit suum (B) M. Meibomius
qui Galli editionem curavit, prorsus obscurum est, ist nichts weiter,
wie der Cantabrigiensis, den Gale, bis 1672 Regius Professor of
Greek in Cambridge, mit recht als noster bezeichnen durfte. Ebenso
dürften die handschriften A(rundelianus) und 'T(ollianus) zu identi-
ficiren sein. (Westermann: Tollianus (T) ex Londinensi aliquo
descriptus, quanquam hic num idem sit cum eo quem A appellavi,
9) In das mehrfach erwühnte Góttinger exemplar des Cornutus
und Palsephatus hat Patrick Young aus diesen beiden handschriften
C und G collationen eingetragen, aber weit dürltigere wie die zum
Cornutus. Zu einigen wenigen stellen hat er auch lesarten aua dem
Raviunus gegeben, besonders zu cp. 40 u. 41 und zu einer stelle (vor-
rede éned$uiv) beruft sich Young auch wieder auf Scrimger's codex.
Auf. p. 78 rand bemerkt er: Paluephutus collatus cum ms Cantabri-
giensi qui in collegio Trinitatis asservatur et codice regio Galliarum ms.
Coroutus-Palaephatushandschrift. 303
quoniam haud paucis locis cum eo discrepat, non liquet.) Gale
sagt ausdrücklich in der vorrede seiner Opuscula mythologica etc,
Cambridge 1671: Ad Palaephatum recensendum libros quinque ad-
scivi — — und nach aufzählung des Cautabrigiensis und dreier
Oxonienses fährt er fort: Ex Tollii annotationibus quintum habes;
is erat descriptus ex Bibliotheca Arundeliana Londini; nobis Arun.
et Lond. brevitatis gratia appellatur. — Das heisst doch our,
Gale lat die varianten dieser hundschrift aus der ausgabe des
Tollius entnommen. Dieser sagt über die handschrift: Animum in-
primis confirmavit. — Claudius Salmasius qui utriusque | scriptoris
et Puluephati et Phornuti suppeditavit mihi ex veteri libro Londi-
nensi unoypugyor. Huius auxilio plurima loca correxi, variantes
lectiones quae leviores videbantur cuivis capiti subieci, textum au-
tem relinui vulgarem. Dass dus original des apographum iu der
Bibliotheca Arundeliana war, sagt Tollius nicht, und Gale's aus-
sage ist vielleicht our eine auf vermuthuug begründete behauptung.
— Denn seine angaben aus der handschrift gehen trotz der ge-
geutheiligen behauptungen Fabricius! und Westermauns keineswegs
über das von Tollius gegebene hinaus und doch müsste dies fast
nothwendig der fall sein, hatte er die handschrift selbst in hünden
gehabt. Westermann ward irre gemacht durch die discrepanz der
angaben bei Tollius uud Gale. Diese existirt aber nur scheinbar.
Denn Gale citirt deo Arundelianus meist mit deu Oxonienses zu-
sammen. Von diesen besass er collationen; da, wo er nun bei
Tollius codex übereinstimnungeu mit den Oxovienses fand, citirt
er diesen mit für die ganze stelle, ohne die einzelvarianten zu be-
rücksichtigen; nirgends giebt Gale mehr oder anderes wie Tollius,
wo er den Arundelianus allein. citirt, wo er aber mehr giebt,
fubrt er die lesart der Oxonienses au und setzt den Arundelianus
hinzu. Jedoch hat er bei weitem nicht alle variauten, die Tollius
aufülrte, wieder aufgenommen, Auch hat Westermann seinerseits
mehr angaben über den Arundelianus herausgelesen, als bei Gale
stehen, denn wo dieser nur allgemein die lesarten der handschriften
angiebt, ohne eine bestimmte zu uennen, hat Westermann alle hand-
schriften Gale's, also auch den Arundelianus, angegeben. Schliess-
lich hat Westermanu hier und da auch Tollius angaben missver-
staudeu. Ist so A und T uur für eine haudschrift zu halten, so
304 Coroutus-Pulnephatusliandschrift.
bin ich sehr geneigt, unter diesen beiden eben unsern Ravianus zu
verstehen, so zum verwechseln ähnlich sind beide.
Es würde dies aus dem Westermann’schen apparat sofort in
die augen springen, wenn demselben vollständige collationen der
verschiedenen handschriften und nicht bloss einzelne variae lectiones
vorgelegen hätten. Am nächsten steht, wie schon oben mitgetheilt
ist, R zu O, dann zu MD, charakteristisch können mithin nur stel-
len sein, wo T zu diesen, speciell zu O in gegensatz tritt und
diese sind bei aller ähnlichkeit der handschriften dieser classe im
grossen und ganzeu und bei der mangelhaftigkeit der kenntniss
derselben doch zahlreich genug. P. 270, 21 ed. Westermaun:
nuéous yàg Ovıwv avrüv xaronıy Ta vura avroig R0QQwŸEr
ogwos uovov epulvovro tov Innov 1ù Aowrà Any ıng xepadîi,
ov Où urdewv ra Àounà niv 100v oxıAwr. 272, 1 rePeQaumevecFas
(R: — evoFas). 275, 20 cvng 19 yévee; 276, 2 pesdsEduevoc.
277, 3 ov d° av sige diudvoucda: un Ovraueror 1obrov ávgQes
diadvoapivov. 278, 1 ix rov ngoparws payecda:* ovx (R: ov)
yao toéges. 279, 6 roù rvufov. 279, 8 Qéyeras ws Avyxevs.
281, 1 ádvrarov ; 281, 10 èxBAnderros dé; 283, 13 Afysrus Gu
ovrog; © avdowros fr. 285, 9 dt; noófara. 287, 15 6, re dev
&Ffin u.s. w. Ueberall stimmt R aufs beste, bis auf ganz gering-
figige versehen. Auch ist zu bedenken, dass ja Tollius nicht das
original benutzte sondern nur Salmasius’ abschrift. — Bei We-
stermann finden sich indessen auch lesarten aus T angeführt, die
mit unserer handschrift nicht stimmen, aber ein theil erklärt sich
wohl aus Tollius’ ausgabe selbst, ein anderer aus wirklichen ver-
sehen Westermanns, der rest dürfte auf irrthümer des abschreibers
der Londoner handschrift zu setzen sein. Cap. XI aufang setzt
Tollius (seine ausgabe p. 34, Westermann p. 280, 1) zu Kusveug
qv Yerıuloc. Zum worte Kasveùs die note avg. Las er nun
wirklich wie Westermann meinte (Kasvevc om. T. dvjo qv T.)
"Avyg ny oder wie der Ravianus bietet Kasreog anne rv? — Aehn-
lich cap. XXI: Atyovos megì Sxvddng xrÀ. anmerkung: éyeras.
Soll gelesen werden Afyeras negi Sxvddng oder nur Æéyeras ohne
"tg Sxuddng, wie der Ravianus hat?
Zu 294, 1 merkt Westermann an: ovoua dè nr DM àvóuan
T omisso aùr®. Tollius giebt weder unter dem texte (p. 72)
noch in der Annotatio (p. 227) diese lesart an, hat aber im texte
Corautus-Palaephatushandschrift. 305
àvópan, das ist aber der unveränderte vulgatatext und nicht les-
art seiner handschrift. 295, 17 führt Westermann an «uvvova
VbeT und vorher raga DM. Tollius selbst (p. 76) giebt genau
mit dem Ravianus übereinstimmend saga :iàv Gvwra. 297, 2 sol-
len T und R (nach Brunner natürlich) differiren, aber hier ist die
angabe für R einfach falsch, der genau wie T bietet: 0 opPadpog
iv :d ységes. Indess bleiben wirklich discrepanzen wie p. 297,
3. 4 ownscav R, owigcav T; anmgoiwıo R, éxnoroovrio T
und besonders 291, 1 wo bei Tollius (p. 222) angemerkt
wird: Praetereuntur haec verba (Zv dé 5 yxipaloa — péon dè zl-
pasga) in veteri libro; an recte non pulem, während die worte
im Ravianus stehen. Aber sind das nicht fehler, die erst aus der
abschrift des Salmasius stammen könnten? 297, 7 soll T bieten
ngocanoxtelvery; R bietet thatsüchlich zgoganoxısveiv wie OaA
(dies A ist nicht als beweis zu betrachten, dass Gale die hand-
schrift eingeseben hütte) aber so geschrieben, dass man bei flüch-
tigem ansehen leicht arzoxzsivew lesen kann, denn der eine strich
des &»-zeichens ist mit dem circumflex zusammengeflossen, der an-
dere steht frei wie ein jota über dem ¢, so dass eben der Ravia-
nus selbst den anlass für verlesung gegeben zu haben scheint.
Auch in cap. XXVII steht T mehrfach einzeln angeführt, und
überhaupt sind die varianten hier für das ganze verhältniss der
Palsephatustexte so charakteristisch, dass ich es für nützlich halte,
im gegeusatz zu der auch von Westermann im wesentlichen fest-
gehaltenen vulgata den text der zweiten handschriftenclasse in
ibrem besten vertreter, dem Ravianus, an dem beispiel dieses ca-
pitels vorzulegen. Als überschrift roth auf dem rande: /7egi TAuv-
xov 10) Text: xai oviog 6 uv9og mayy£los, Gg di tov yAavxov
dy 1 péddovu anodavovios. 0 pivwg Ev tH 10uP@ xuruigute
TOv xugurov modridoy, 06 iv ix tov apyov. ovt0g lduv deuxoria
tito dgaxorvts revers noa» émmOévta xai avactyncas uvròr,
xal uvtog avr0 mowjGag' 16 ylavxd avéornoev aUrÓw (corrigirt
aus wur)" oneg cuir advvatoy dnodurdria ardea avactiva, 7
Dev, GAd’ oùdè addo Cwow ly£vezo. dé ri (aus 104) tosorde. yiuù-
xog nowy uti. étaguydn tiv xosdlav. yodng dé mislovog avidi
mndetons xai AesnoPuujoavtog dgíxovro of te dn uddos lazgof,
10) Cap. XXVI ist überschrieben neg? 4soundovs, so dass im cod.
Rav. nur zwei Glaukosartikel stehen.
Philologus. XLII. bd. 2. 20
306 Cornutus-Palaephatushandschrift.
WS Xonpura Ampo uevos, xai wedc Tovrosg molvidog: 70g dè exdel-
zovrog avroù tldug teed moav Wpsdoùcur fiv tuads maga uro;
laigov d Ovouu f» decxur xai ravin 17 Poruyn xoncaptvog
vyid énolnoer tov yhaëxov. Eleyov dé of &v9owros, nodvidos
yhavxov und pélitog anodurivıa foravn av&oınoev, ny naga ded-
xoviog Euader ag’ ov of pvPoyeugos ıwr prIov Erlacav. So
die handschrift sammt ihren accent- und orthographischen fehlero.
Auch ausser der textübereinstimmung spricht manches für
meine annahme. Io dem jahre, in welchem Tollius nachweislich seine
ausgabe arbeitete, 1647, lebte ja Christian Rave in London vgl.
Joh. Moller, Cimbria litterata Il, p. 682: A. 1647 ab Anglis in-
vitatus in Episcopi Londinensis aedibus auscultante toto ordine ec-
clesiastico bis quavis hebdomade docuit sequenti autem 1648 Ox-
oniae — obtinuit. Seine handschrift musste mithin 1647 als
Londinensis bezeichnet werden.
Ferner bemerkt Ravius selbst in seinem Spolium Orientis zu
unserer handschrift: Pulaephatus n. dnloiwy ez quo codice el
Cl. Toldius (sic) in Belgio et postea M. Martinus Brunnerus col-
lega coniunctissimus editiones quisque suas accuraverunt.
Endlich scheint auch der umstand dafür zu sprechen, dass in
der bibliotheca Arundeliana heute eine Palaephatushandschrift nicht
mehr existirt. Nichtsdestoweniger halte ich den schluss nicht für
ganz sicher und halte bei unserer geringen kenutniss der meisten
Palaephatusbandschriften auch ein andres verhältoiss nicht für un-
möglich, da es immer wuuderlich bleibt, dass Gale die handschrift
des Tollius oder vielmehr deren quelle als Arundelianus bezeichnet
und dieser selbst mit keinem worte des Ravius und seines manu-
scripts gedenkt, Ja wir besitzen noch einen brief des Tollius an
Rave von ende juli 1647, der ebenfalls nicht recht zu der annalime
passen will, dass Tollius direct den Raviauus benutzt habe. Rave
hat den brief publicirt in: Christiani Ravii Berlinatis sesquidecuria
epistolarum adoptivarum ex variis orbis partibus commissarum circa
orientalium studiorum promouendorum curam Loadini 1648. 8.
p. 27, wo über Palaephatus folgendes steht:
Gaudebam ut debui plurimum, cum haec ex tuis intelligerem
mihi quidem eo carioribus, quod partim de Palaephato meo loque-
rentur. Illum et me pariter tibi curae esse laetor et gratias habeo
maximas. Agnoscam etiam ubi accepero publice tuum — beneficium
Cornutus-Palaephatushandschrift. 307
ac videbis nihil te contulisse ingrato. Mitto litteras celeberrimo
viro Patricio Iunio quod et tu monueras atque illum ego facio
plurimi. Non dubito quin per te consequar varias illas lectiones
palaephatiorum codicum, quas impetratas multum cupio. [am quippe
festino editionem illius libri; neque subsidium aliud habeo, nisi
quod nuper suppeditavi magnus Salmasius MSi Londinensis àúno-
yeagor. Tibi autem acceptum feram, quidquid ulterius hac in re
gratificatum mihi fuerit a Cl. Iunio. — Das ubi accepero tuum
beneficium scheint doch auf eine mittheilung Rave's über seine
bandschrift hinzudeuten, danu kann Tollius aber nicht gewusst
haben, dass Salmasius abschrift aus dem Ravianus entnommen war.
Salmasius collationen und handschriftlichen nachlass kamen in den
besitz des Philippe de la Mare und aus seinem besitz in den der
Pariser nationalbibliothek. Hier finden sich nun die codices Graeci
ur. 3076 und 3078, beide ehemals in dem besitz des de la Mare,
der letztere von der haud des Salmasius; aber auch für deo er-
steren wird man seines ehemuligen besitzers wegen schliessen dür-
fen, dass er aus Salmasius nachlass stammte,
Vergleicht man die varianten dieser handschriften bei dem
Cornutus, wo sie allein vorliegen, mit dem Ravianus, so weicht
cod. 3078 (bei Osann Parisin. 3) von demselben und überhaupt
von der classe b' ab, hingegen saben wir schon oben, dass cod.
3076 (bei Osann Paris. 2) von B, dem codex Scrimgeri abhängig
war und mithin sehr nahe mit dem Ravianus verwandt ist.
Schliessen wir nun betreffs des Palaephatus, wie es duch höchst
wahrscheinlich ist, auf dasselbe verhültniss, so würde sich die über-
einstimmung zwischen Tollianus und Ravianus recht gut erklüreu,
ohne die identität nothwendig zu machen. Aber auch dieser mög-
lichkeit stehen schwierigkeiten entgegen. Tollius benutzte offenbar
ein vollständiges apographum, der codex 3076 soll excerptas tan-
fum singulas lectiones enthalten. Auch Gale's „Arundelianus“ bleibt
so rathselhaft wie zuvor, und Scrimger'scher nachlass fiudet sich
nach dem catalog der bibliotheca Arundeliana heute wenigstens
nicht in derselben. Ich vermag daher mit meinen mitteln den wi-
derspruch zwischen deu angaben des Tollius und Ravius nicht zu
lösen, aber eiue identitit zwischen T und R auzunehmen scheint
mir nach dem vorliegenden material nicht nur nicht unmöglich zu
20*
308 Corautus-Palaephatushandschrift.
sein, sondern bei der oft wunderberen übereiastimmung des Ra-
vienus mit den angaben Toll’s das wabrscheinlichere.
Die wesentliche absicht dieses artikels war auch nur, diese
basdachrift an das licht zu ziehen, die in den ausgaben des Cor-
nutus uod Palaephatus als verschollen behandelt wird, aber seit
200 jahren io der königlichen bibliothek zu Berlin wohl verwahrt
worden ist.
Schliesslich, das Göttinger exemplar der Baseler ausgabe von
1543 war urspränglich im besitz des erzbischofs Thomas von Can-
terbury und kam später io Patricius Junius hand. Dessen bibliothek
ward, wie Thomas Smith's vita des Janias berichtet, nach seieem
tode zerstreut und so mag dann jene ausgabe mehrfach den besi-
tzer gewechselt habea. Etwa 100 jahre später ward sie von der
Göttinger bibliothek aus dem antiquarischen lager des Thomas
Osborne in Grays-Ina Lendoa (Catalogue fer the year 1757, vol. I)
erworben.
Göttingen. _ K. Boysen.
Zu Julius Valerius.
II, 2 p. 57b, 2 ed. Müller empfiehlt Demades den Athenern, Alexan-
der die zehn redner nicht auszuliefern. Alexander stelle diese forde-
rung nur, um Atben führerlos leichter bewältigen zu können. Dann
folgen die worte: In quo nequidam militibus de orateribus
direrim, equidem puto vel canes decem solo latratu suo et infestis-
simis lupis et celeris bestiie terrori esse eliamsi in illos dente nil
valeant; his vero quiescentibus aut facessentibus, vel ignavissimam
bestiam totis gregibus perniciosam satis atque infestam esse con-
suesse. Mit diesem vergleiche will sich Demades gegen den vor-
wurf der anmaassuag and eitelkeit wabren, nachdem er den werth
der zehn reduer als führer des staats so stark betont hat. Dieser
gedanke muss nothwendig io dem satze stecken, mit dem er zu
dem bilde übergebt und der die sinnlosen worte nequidam militibus
enthält. Diesem sinne wird aber genüge gethan, wenn wir ohne
erhebliche palaeographische schwierigkeit ammilitibus in ambitio-
sius ündern.
11, 15, p. 72a, 11 ist statt deliqueras zu verbessern dereli-
querat.
Göttingen. K. Boysen.
XIII.
Die analogisten und anomalisten im rómischen
recht.
Pomponius schreibt in seinem Liber singularis enchiridii (vgl.
Dig. 1, 2, 2, 47) über M. Antistius Labeo und Ateius Capito folgendes:
Hi duo primum veluti diversas sectas fecerunt; nam Ateius Capito
in his, quae ei tradita fuerant, perseverabat; Labeo ingenii quali-
tate ei fiducia doctrinae, qui et ceteris operis sapientiae operam
dederat, plurima innovare instituit. Labeo und Capito stellen sich
nach diesen worten als schulhüupter dar; die auf Labeo zurückge-
hende schule führte den namen schola Proculianorum , die auf Ca-
pito zurückgehende hiess schola Sabinianorum oder schola Cus-
siana. Die schulen führten also nicht den namen nach den grün-
dern, sondern nach späteren vertretern derselben. Characterisirt
werden die beiden stifter in der vorliegenden stelle nach der art
und weise ihrer thütigkeit, bei dem einen zeigt sich festes behar-
ren an dem überlieferten, bei dem andern ein trieb zu neuerungen,
positives schaffen. Prüfen wir vor allem die glaubwürdigkeit die-
ser notiz. In den Pandecten ist Capito fast ausser acht gelassen,
denn er wird nur an sechs stellen erwähnt, über die Pernice, La-
beo I, 82 handelt; höchstens ein bruchstück zeigt eine halbwegs
selbständige stellung '). Dagegen hat Labeo in den Pandecten eine
ausgedehnte berücksichtigung erfahren. „Seine anschauungen wa-
ren für die folgezeit in umfassendster weise massgebend“. Diese
zwei thatsachen stehen aber mit der schilderung des Pomponius
1) Vgl. such Frederking-Mercklin. Philolog. XIX, 653.
310 Römische rechtsschulen.
im einklang; es ist daher kaum gestattet, die glaubwürdigkeit
des obigen berichts zu bezweifelu. Allein derselbe befriedigt uns
nicht vollkommen; wir wollen über diese äusseren thatsachen hin-
auskommen und das princip kennen lernen, welches das verschie-
dene verhalten der genannten zum rechtsstuffe bedingt. Es sind
darüber verschiedene vermuthungen aufgestellt worden, von denen
wir einige dem leser mittheilen wollen: Dirksen, der über diese
streitfrage in seinem aufsatz „Ueber die schulen der römischen ju-
risten“ in Beitr. zur kritik des rüm. rechts p. 1—158 wohl am
eingehendsten handelt, formulirt den gegensatz — wir wählen die
kürzeste fassung — p. 144 also: der eigentliche grund alles
streites zwischen Proculianern und Sabinianern lag in der art und
weise die einzelnen sätze des positiven rechts auszubilden und nä-
her zu bestimmen, indem die zuerst genannten sectirer dabei die
rücksicht auf beschaffenheit und zweck eines jeden rechtsinstitutes
zur hauptgrundlage ihrer schlussfolgerungen machten, während die
andre schule sich mehr an die äussere convenienz und an den
buchstaben eines generellen positiven princips hielt. (Eine aus-
fübrlichere fassung p. 46). Dagegen finden wir in einer spâteren
abhandlung Dirksens (Hinterl. schriften 1, 20) neben der methode
der ableitung der rechtssätze noch etwas anders betont, nämlich
die verknüpfung der rechtssütze zum system. Wir wenden uns zu
einem neueren rechtslehrer. Kuntze, Jnstit. II, 276 entdeckt einen
culturgeschichtlichen gegensatz zwischen beiden schulen, den ge-
gensatz des naturalismus und idealismus. ‚Die Proculianer vertraten,
heisst es p. 279, den idealistischen geist des Rómerthums, die an-
deren den naturalistischen sion des Peregrinenthums in der wissen-
schaft und speculation, und da das principat sich vornehmlich auf
das Peregrinenthum stützte, so war es eben natürlich, dass die Sa-
binianer am raschesten sich mit der neuen imperatorischen ent-
wicklung befreundeten. Der Sabinianismus im Rómischen recht ist
der blick nach dem orient, im osten aber wog der Hellenismus vor;
so kónnten wir auch sagen, dass mit Capito uud Sabinus die Hel.
lenistische wendung der Römischen rechtswissenschaft ihren anfang
nahm, und die bahn eróffnet ward, auf welcher das Rómische recht
schliesslich über sich selbst hinauskam“. Diese probe dürfte genü-
gen. Kehren wir von diesem dithyrambiker wieder zu forschern
zurück, so entdecken wir bei hervorragenden rechtslebrern den zug,
Rómische rechtsschulen. 311
einen principiellen gegensatz zwischen beiden schulen entweder ab-
zuschwüchen oder ganz zu leugnen. So z. b. üussert sich Puchta,
Inst. 1, 388 „der kern der thätigkeit Labeo's liegt nicht in
einem speciellen philosophischen princip, das er für
die rechtswissenschaft io bewegung gesetzt hatte, sondern darin,
dass er die jurisprudenz dem einfluss der übrigen wissenschaften
üffuete und ibr — durch die rechte anwendung seiner vielseitigeren,
historischen und philosophischen bildung ein neues leben einflösste“.
Bremer, Die rechtslehrer p. 68 hält es „für ungerechtfertigt, die
beiden schulen ohne weiteres von wissenschaftlichen parteien zu
verstehen“ und nimmt mit Schrader an, „dass die beiden wissen-
schaftlichen parteien mit zwei verschiedenen lehranstalten zusam-
menhängen; „unter den verschiedenen juristischen stationes in Rom
zeichneten sich zwei, die des Labeo und Capito aus; schüler dieser
grossen münner traten in denselben stationes au ihre stelle; so
blühten eine reihe von lehrergeuerationen hindurch diese stationes
vor anderen“. Es wird sonach von einem priucipiellen wissen-
schaftlichen gegensatz hier ganz abgesehen und der gegensatz der
beiden schulen in einer localen trennung derselben gesucht. Eud-
lich sei uns gestattet noch die ansicht Pernice's anzuführen. Der-
selbe sagt zwar Labeo I, 90 „allerdings lässt sich selbst nach un-
serer dürftigen überlieferung ein gewisser gegensatz zwischen
Labeo und Sabinus nicht verkenuen* aber gleich darauf p. 91:
„es lässt sich, soweit ich sehe, nirgends ein tiefergehender, eigent-
lich principieller unterschied zwischen Labeo und Sabinus entde-
cken“ ?) Diese äusserungen, die sich leicht vermehren lassen, wer-
den genügen, um den verzweifelten stand der so lange schwebenden
frage zu kennzeichnen. Angesichts dessen möchte es gewagt er-
scheinen, nochmals au die lösung der aufgabe heranzutreten. Ein
solcher versuch erscheint auch nur dann gerechtfertigt, wenn es
2) In der anmerkung äussert er sich mit berücksichtigung der
Kuntze'schen phantasien, dass vielleicht doctrinarismus und realis-
mus den schulgegensata genugsam bezeichne. Hier wollen wir auch
noch die ansicht Frederking's 8. o. p. 652 beisetzen. Er glaubt, dass,
da die namen der secten nicht von den häuptern, sondern von deren
nächsten nachfolgern stammen, der gegensatz zwischen jenen nur ein
rivater war und dass sie selbst secten zu stiften nicht beabsichtigten.
ie entetehung dieser secten aber leitet Frederking nicht von einer
partiellen differenz der beiden häupter, sondern von der ganzen gei-
stesverschiedenheit derselben ab.
312 Rómische rechtsschules.
gelingen sollte, irgend einen neuen gesichtspunkt hervorzukehren,
der es uns ermöglicht, festeren fuss in der frage zu fassen. Aus-
ser jener stelle des Pomponius stehen uns noch die von des beiden
schulen behandelten controversen in den Pandekten zu gebote; al-
lein diese quelle liefert uns keine entscheidenden resultate; einmal
stehen diese streitfragen unter sich in keinem zusammenhange
(Pernice 1, 91), ferner gehen die meisten schulcontroversen nicht
auf Labeo zurück, von Capito lüsst sich aber nicht der anstoss zu
einer einzigen nachweisen. (Pernice I, 90). Wir müssen daher
den indirecten weg beschreiten. Wir untersuchen den nicht-
juridischen studienkreis eines der beiden männer, in der hoffnung,
dass es uns vielleicht gelingt, hier eine richtung zu entdecken,
welche analoge anwendung auf das recht zulüsst. Da wir beson-
ders genau über den studienkreis Labeo's unterrichtet sind, so knü-
pfen wir an ihn unsere untersuchung an: Gellius berichtet XIII,
10: ceterarum quoque bonarum artium non expers fuit et in gram-
maticam sese alque dialecticam literasque antiquiores altioresque pe-
netraverat Latinarumque vocum origines rationesque percaliuerat,
eaque praecipue scientia ad enodandos plerosqu: iuris laqueos ute-
batur. Diese worte besagen auf's deutlichste, dass sich Labeo im
ausgedebnter weise mit grammatischen studien beschäftigte. Be-
sonders zu beachten ist aber der ausdruck vocum rationes; der-
selbe weist offenbar auf die bekannte streitfrage hin, welche das
alterthum uugemein beschüftigte, auf die frage, ob in der sprache
regelrechtigkeit (analogie) oder willkür (anomaiie) herrsche. Dass
im ersteren fall die ratio, im letzten der usus, die consuetudo das
massgebende ist, bedarf keiner weiteren darlegung. Zur erlüute-
rung des sprachgebrauchs setze ich folgende stellen bei ; Cic. Brut.
Q4. 258: quo magis expurgandus est sermo et adhibenda tamquam
obrussa ratio quae mutari non potest, nec utendum pravissima con-
suetudinis regula, wozu O. Jahn zu vergleichen. Varro de |. |. VIII,
79 (p. 194 M.): non esse in eo potius sequendam quam consuetu-
dinem ralionem. Ueber den zusammenhang von ratio und analogia
vgl. noch Quint. 1, 6, 1: rationem praestat praecipue analogia non-
nunquam el etymologia, eine stelle, die bereits Jahn beigebracht.
Dass ein mann, der in so umfassender weise grammatische studien
betrieb wie Labeo einer frage, welche die grüssten geister auf-
regte — ich erinnere nur daran, dass der grosse Cäsar im tran-
Römische rechtsschulen. 313
situ Alpium, cum ex citeriore Gallia conventibus peractis ad exer-
citum rediret, über analogie zwei bücher schrieb. Suet. Caes. 56 —
ist ja von vorn herein wahrscheinlich. Für uns ist freilich die
frage eine müssige, für die alten aber, denen die sprache als eine
ungeordnete masse gegenüberstand, war sie von einschneidender
wichtigkeit. Obwohl unsere stelle bestütigt , dass Labeo dieser
frage uicht fremd blieb, ja auch die richtung anzudeuten scheint,
die Labeo hier eingeschlagen, so wollen wir doch keine weiteren
schlussfolgerungen aus der stelle ziehen, da uns noch eine, wie es
scheint, bisher nicht genugsam beacbtete stelle zu gebote steht,
welche uns über Labeo's stellung zur analogie und anomalie voll-
ständig aufklürt. Die stelle steht bei Festus s. v. Penatis p. 253
(Huschke, lurisprud. Anteiust. p. 111, nr. 15) und lautet also:
Penatis singulariter Labeo Antistius posse dici putat, quia plura-
liter Penates. dicantur, cum patiatur proportio etiam Penas dici,
ut optimas, primas, Antias, Es handelt sich um feststellung des
nom. sing. bei einem worte, das nur im plural vorkommt. An die
lisuog einer solchen frage konnte nur derjenige herantreten, wel-
cher an die gesetzmüssigkeit der sprache glaubt d. b. derjenige,
welcher analogist ist. Diesen nominativ kann er ja nur finden,
indem er gleiches auf gleiche weise behandelt. Labeo konnte sich
also sagen: wie sich optimates zu optimas verhült, so muss sich
penates zu x, d. h. dem gesuchten nominativ verhalten. Das feh-
lende glied der proportion kann nur penas sein. Labeo hat sich
aber mit diesem ziemlich auf der oberflüche befindlichen analogie-
schluss (proportio) ?) nicht begnügt; er geht einen schritt weiter;
es kamen ja auch formen wie optimatis neben optimas, Arpinatis
neben Arpinas vor. Labeo konnte daher auch die proportio bil-
den optimatis : optimas = penatis : penas. Und so verfahren ja
heute noch unsere gelehrten, z. b. wenn Ritschl, Op. II, 652—58
den nom, mercis feststellt und Linker noch eine reihe solcher for-
men durch die analogie gewinnt (Fleckeis. Jahrb. bd. 89, p. 715
und 720). Allein wie es scheint, drang Labeo hier tiefer ein,
indem er von der gesetzmüssigen bildung des nom. sing.
ausging. Aus dem plural ersah Labeo, dass von penates der weg
nicht zunächst zu penas führt. sondern zu penatis. Aehnlich ver-
3) Quintilian. Inst. 1,'6, 1: analogia praecipue, quam proxime ex
Graeco transferentes in Latinum proportionem vocaverunt.
314 Romische rechtsschulen.
fahren wir; der genetiv penatium zeigt uns, dass der stamm des.
wortes penati ist; da nun bei belebten gegenständen das suffix des |
nom. der regel nach s ist, so ergibt sich als nominativ penatis.
Ob Labeo auch die brücke von penatis zu penas gefunden, darüber
gibt uus das fragment keinen aufschluss; doch soviel scheint daraus
hervorzugehen, dass Labeo die form Penatis in den vordergrund
gestellt bat.
Aus der vorliegenden betrachtung ergibt sich als resultat
der satz: Labeo ist in der behandlung der sprache
analogist.
Es fragt sich nun, ob diese von uns für die sprache ermittelte an-
schaung Labeo's sich nicht auch im rechte geltend gemacht hat. Maa
wird diese frage bejaheu müssen, wenn man bedeukt, welche enge
beziehungen zwischen der sprache und dem recht bestehen. Das
recht ist wie die sprache ein erzeugniss des menschlichen geistes.
Wie die sprache eine sprachgenossenschaft voraussetzt, so das recht
eine rechtsgenossenschaft. Durch das recht werden die menschen
zu einheiten zusammengeschlossen wie durch die sprache. Wenn
sich ein theil der sprachgenossenschaft ablóst, so nimmt die sprache
dieses theils eine eigenthümliche entwicklung; denn es fehlt ja die
controle der gesammten sprachgenossenschaft; ganz so verhält es
sich mit dem recht. (Puchta, Inst. 1, 22). Wie sich die sprache
innerhalb der sprachgenossenschaft in dialecten differenzirt, so ge-
winnt auch das recht bei den verschiedenen stämmen eine verschie-
dene farbung; auch das recht hat, wie Puchta, Inst. I, 22 bemerkt,
sogut seine proviuzialismen wie die sprache. Bei solchen berrüh-
rungspunkten ist es klar, dass auch in der wissenschaftlichen be-
handlung beider gebiete sich ähnlichkeiten herausstellen. Wie
sich bei der sprache die forschung darum drehte, ob dieselbe guces
oder Eus9nxn sei (vgl. den platonischen dialog Cratylus), so auch
beim recht, vgl. Cic. Top. 21, 82: a naturane ius profectum sit an
ab aliqua quasi conditione hominum et pactione. Wie wir bei der
sprache darauf ausgehen, die principien und regeln, welche unbe-
wusst die sprachgenossenschaft sich erarbeitet, wissenschaftlich
aufzuschliessen, so wollen wir auch beim recht die principien und
regeln kennen lernen, die in demselben unausgesprochen liegen
(Puchta, Inst. 1, 32).
Es wäre nun weiter zu untersuchen, ob auch im recht wie
Rómische rechtsschulen. 315
in der sprache der gegensatz von analogie und anomalie
vorkommt. Machen wir uns noch einmal den gegensatz in der
sprache klar. In der sprache will die analogie eine regel für
alle bezüglichen fälle z. b. ein suffix für den genetiv. Im recht
will die analogie allgemeine gültigkeit des betreffenden rechtssatzes
— keine ausnahme. Beide forderungen sind aber kaum zu erfül-
len. Sowohl in der sprache wie im recht scheitert die unerbitt-
lichkeit der regel an verschiedenen hemmnissen, die sich ihr ge-
genüber stellen; es wird daher nur der eine oder der audere fall
übrig bleiben, bei denen die regel anderen krüften gegenüber wei-
chen muss. Dies führt in der sprache zur ausnahme, zur anomalie ;
im recht zum ius singulare gegenüber dem ius com-
mune. Ueber den gegensatz will ich wieder einen juristen spre-
chen lassen: „es ergibt sich von selbst ein gegensatz des rechtes,
welches streng logischer, consequenter ausfluss des rechtsprincips
ist (sog. strenges recht. ius strictum , ius commune im logischen
sinne) und eines rechts, welches als ausnahme von der juristischen
consequenz, besouders aus moralischen, politischen oder humanitats-
rücksichten gelten will (sog. sonderrecht, ius singulare, aequitas,
billigkeit u. dgl.)* Zoepfl, Grundriss zu vorles. über rechtsphilos,
p. 75. Nach dieser darlegung dürfte wohl nicht bezweifelt wer-
den, dass auch das recht unter dem gesichtspunkt der analogie und
anomalie aufgefasst werden kano. Wenn nun weiter bekannt ist,
dass gerade jene streitfrage eine der brennendsten und heftigsten
im alterthum war, so werden wir es geradezu für unmöglich er-
achten müssen, dass das recht, das soviele berührungspunkte mit
der sprache hat, von jenem kampfe unberührt geblieben. Bereits
Sanio Varroniana 268 bemerkt: ,die doctrinelle auffassung des
verhältnisses zwischen ius commune und singulare (womit die wis-
senschaftliche entwickelung der ratio iuris hand in hand ging)
kann nicht unabhängig von dem einfluss griechischer wissenschaft
und der grammatischen theorie über analogie und
anomalie sich festgesetzt haben",
Wir haben aber noch ein bedeutsames zeugniss, dass der ge-
gensatz der zwei juristischen schulen wirklich auf einen gegensatz
zwischen analogie und anomalie hinauslüuft. Das aufhóren
des kampfes zwischen analogie und anomalie in der
sprache und die auflösung der beiden juristischen
316 Römische rechtsschulen.
schulen fallen zeitlich zusammen. Der letzte Praca-
liauer ist Neratius Priscus (unter Trajan); die schule der Sabinia-
ner hielt sich etwas länger, bis auf Gaius; dieser jurist ist der
letzte, welcher als Sabinianer auftritt. (Puchta, Inst. I, 403). Al-
lein die letzten Sabinianer können nicht mehr in betracht kommen,
da die gegenpartei fehlte. Blicken wir auf die geschichte des
kampfes in der sprache, so finden wir, dass derselbe in dieser zeit
ebenfalls schwinden musste. Schon bei Quintilian finden wir dea
gegensatz (vgl. I, 6 und dazu Steinthal, Geschichte der sprachwis-
senschaft p. 518) fast verwischt. Wenn Quintilian von der analogie
sagt I, 6, 16: non ratione nititur, sed ezemplo ; nec lex est loquendi,
sed observatio, ut ipsam analogiam nulla res alia fecerit quam oon-
suetudo, so ist, wie Steinthal richtig bemerkt, eine solche analogie
keine analogie mehr, sondern in die anomalie umgeschlagen. „Der
kampf zwischen den anhüngern der analogie und denen der amo-
malie (Steinthal p. 700) musste im laufe des ersten jabrh.
p. Chr. in gleichem masse erlöschen, als es gelang, die xavoves
immer vollstándiger und damit zugleich sicherer aufzustellen*. Die
téyvn ist das ergebniss des kampfes. Wie sich der gegeusatz im
recht löste, darüber kann sich der laie kein urtheil gestatten; es
muss bier der jurist das entscheidende wort sprechen. Es liegen
einige äusserungeu aus der letzten zeit der schulen vor, welche
für die frage entscheidend sein können. Doch kehren wir zu La-
beo zurück. Durch unsere letzte betrachtung haben wir sehr
wahrscheinlich gemacht, dass der gegensatz zwischen Proculianern
und Sabinianern in einem gegensatz zwischen analogie und amo-
malie in der auffassung des rechtes wurzelt. Ist dies richtig, so
ergibt sich weiter mit leichtigkeit, welche stellung Labeo in diewer
frage genommen. Wir haben nur die anschauung, die er in be-
zug auf die sprache hut, auch auf das recht zu übertragen; denn
die aunahme, dass Labeo in der sprache analogist, im rechte ano-
malist gewesen sei, wird wohl niemand vertreten. Sunach dürfte
sich als hóchst wahrscheinlich der satz hinstellen lassen: Labeo
ist in der behandlung des rechts analogist.
Damit ist aber auch die stellung seines gegners gegeben:
Capito ist iu der behandlung des rechts anomalist.
Hier hönnten wir unsere betrachtung schliessen; allein wie
die mathematiker, die eine gleichung gelóst haben, gern durch
Römische rechtsschelen. 317
substitution die richtigkeit der lösung erproben, so wollen aueh
wir eine solche probe vornehmen. Wir wollen zusehen, ob die
analogie und die anomalie das ergebniss herbeiführen , durch wel-
ches Pomponius in der am eingang ausgeschriebenen stelle die
thätigkeit Labeo's einerseits uud die thütigkeit Capito's andrerseits
characterisirt. Vergegenwärtigen wir uns erst den vorgang in der
sprache. Der analogist geht von der regelrechtigkeit der sprache
aus. Nehmen wir nun an, dass derselbe für irgend eine anzahl
gleichartiger erscheinungen eine regel aufgestellt hat, so wird der
kampf dadurch entbrennen, dass der anomalist ihm fülle vorführt,
die ausserhalb der regel stehen, also eine anomalie reprüsentiren.
Setzen wir z. b. den fall, der analogist hätte als genetivsuffix oc
aufgestellt, so kann ihm nun von seite der anomalisten entgegen-
gehalten werden, dass es auch genetive auf ov, auf ng etc. gibt.
Was wird angesichts dessen der analogist thun? Er wird die ab-
weichenden fälle in eine regel zu bringen suchen, so dass wir jetzt
für dieselbe erscheinung zwei statt ein er regel haben. So wird
sich der process weiter spinnen, bis alle fälle erschöpft sind. In
diesem kampf aber nimmt, wie man sieht, der analogist die posi-
tive, schaffende stelle ein, der anomalist die antreibende, reizende
(vgl. Steinthal p. 522). resultat des kampfes ist die z£yrn, die
grammatik.
Aehslich muss es im rechte sein. Der analogist will das
strenge recht mit allen seinen consequenzen; die einwürfe der ano-
malisten, welche den rechtssatz durch rücksichtnahme auf die ae-
quitas, consuetudo einzuschränken suchen, werden ihn zwingen, den
rechtssatz schärfer zu formuliren; er wird sich veranlasst sehen,
seine aufmerksamkeit auch auf andere sütze zu lenken; er wird
zur verknüpfung *) der rechtssitze schreiten; das resultat des
kampfes wird sein das rechtssystem. Die positive arbeit fallt
4) Es wird hier von interesse sein, die bereits oben angedeutete
stelle aus Dirksen, Hinterl. schriften I, 20 beizusetzen: der conflict
der ansichten über die methode der ableitung und verknüpfung der
lebrsätze des positiven rechts, welcher in Cicero's schilderung an-
schaulich hervortritt, machte damals wohl nicht ausschliesslich bei
den philosophen und rhetoren sich geltend; er beschüftigte auch die
rechtsgelehrten. Es waren dies die nümlichen elemente, aus denen
unter August's regierung die divergirenden richtungen der wissen-
schaftlichen bestrebungen Labeo's und Capito's sich entwickelten,
die zur bildung der juristischen schulen führten.
318 Romische rechtsschulen.
ibm vorwiegend zu, der anomalist wird dagegen vorzugsweise das
treibende element sein: von jenem werden sich daher neuerungen
verzeichnen lassen, während bei diesem festhalten an dem gege-
benen das characteristische sein wird. Auf diese weise wird es
uns verständlich werden, dass die geschichte des rechts
zwar von Labeo vieles zu berichten weiss, dagegen
von Capito schweigt.
Das würe es, was ich als philologe zur kenntniss der beiden
rechtsschulen, der Proculianer und der Sabinianer beitragen kann.
Ob ich das richtige in der schwierigen sache getroffen habe, muss
dem urtheil der juristen überlassen bleiben. Es musste wenigstens
einmal ein versuch gemacht werden, für die beurtheilung des gegen-
satzes, in dem jene beiden schulen stehen, einen festeren boden
zu gewinnen als dies bisher der fall war.
Würzburg. M. Schanz.
Zu Julius Valerius.
Ill, 20, p. 126, a, 18. M. Quare religiosum est facere dei iussa
et id moneo suadeoque rectius tibi facturae si veneris, non vero
multum peccare si omittas. Sinn und grammatische structur ver-
langen statt peccare: peccaturae.
HI, 25, p. 136, a, 22. Scito igitur primum colere nos in-
teramnanum, Amazonico flumine locum omnem quo consistimus a m-
biente, eo fluenti circiter spatio ul una sit aditicula euque
vir accolis nota, qua septem flumina vel inrumpi oporteat vel
emergi. Von sieben flüssen ist im griechischen text und im laufe
der erzahlung uirgends die rede, das septem flumina scheint daher
aus saeptum fluminis entstanden zu sein, Die voraufgehenden worte
schreibt Müller abweichend von Mai, ohne einen lesbaren text ber-
zustellen. Der Ambrosianus, dessen lesarten wir allein bisher ken-
nen, giebt: ambientem eo fluente circiter spacio quae ut una sit
aditicula. Dies scheint mit nothwendigkeit auf folgende lesung zu
führen: ambiente (das natürlich nur prädicat zu Amazonico flumine
sein kann), eo fluente circiter spatioque ut una sit aditicula, so
dass zum zweck der weitern beschreibung der localität lose ein
zweiter ablativus absolutos an den ersten angeknüpft wäre. Dass
eo etwa in ef zu veründern halte ich nicht für nóthig. Der
brauch des que in der vorliegenden weise ist bei Julius Valerius
überaus häufig.
Göttingen. K. Boysen.
X IV.
Ueber die benutzung der Vulgata zu sprachlichen
untersuchungen.
Dass die Vulgata nicht bloss für theologen, sondern auch für
pbilologen mannigfaches interesse biete, ist in letzter zeit mehr und
mehr erkannt worden. Seitdem man auch das spätlatein in den
kreis der historischen betrachtung zu ziehen anfing, musste man
nothwendiger weise der Vulgata und dem in ihr enthaltenen sprach-
material beachtung schenken. An einzelnen beispielen ist seither
bereits nachgewiesen worden, dass die Vulgata zur entscheidung
solcher sprachlichen thatsachen, die den übergang des lateinischen
ins romanische betreffen, vorzüglich geeignet ist, uud wenn das
verständniss hiefiir bis jetzt auch nur wenigen aufgegangen ist, so
lässt sich doch mit sicherheit annehmen, dass die erkenntniss der
bedeutung, welche die Vulgata für sprachliche untersuchungen hat,
eine immer allgemeinere werden wird. Schon ganz äusserlich be-
trachtet weist das in ihr enthaltene umfangreiche material ihr eine
bedeutende stellung zu, noch mehr aber die thatsache, dass ihre
höchst verschiedenartigen bestandtheile, die ihrer entstehung nach
weit auseinanderliegenden zeiträumen angehören, eine historische
betrachtungsweise vorzüglich begünstigen. Dazu kommt der bedeu-
tende einfluss, den die sprache der Vulgata auf einen grossen theil
der späteren schriftsteller geübt hat; und dass sieh dieser einfluss
nicht etwa bloss auf kirchliche, sondern auch auf weltliche schriften
erstreckt hat, glaube ich vor kurzem an einer sprachlichen analyse
der Historia Apollonii regis Tyri gezeigt zu haben (Ueber sprache
und kritik des lat. Apolloniusromans, Progr. Speier 1881). Dies
320 Zu der Vulgata.
alles berechtigt uns, die Vulgata für untersuchungen über den zu-
stand der lateinischen sprache am ausgang des vierten und anfang
des fünften jabrhunderts nach Chr. als mittel- und ausgangspunkt
zu betrachten.
Erleichtert werden diesbezügliche forschungeu durch die be-
nutzung der bibelkonkordanzen, die, wenn auch im eiuzelnen nicht
immer genau und vollstündig , doch ein für die beobachtung im
ganzen genügendes material bieten; erschwert aber wird die be-
nutzung der Vulgata zu philologischen zwecken durch die art und
weise ibrer zusammensetzung. Ueber letztere herrachen in den
kreisen von fachgenossen bis jetzt theilweise noch sehr mangelhafte
vorstellungen, und manche der in letzter zeit zu tag geförderten
resultate sind, weun auch nicht geradezu falsch, so doch im ein-
zelnen schief und zum mindesteu in ibrer fassung nicht korrekt;
dass dies aber gerade bei historischen dingen den werth der
gewonnenen resultate nicht unerheblich beeinträchtigt, brauche ich
nicht erst ausdrücklich zu bemerken. Ich glaube darum manchem
philologen einen dienst zu erweisen, wenn ich hier (im wesent-
lichen im anschluss an Kaulen, Geschichte der Vulgata, Mainz 1868)
einen kurzen abriss der entstelung der Vulgata gebe.
Gegen das ende des vierten jahrh. n. Chr. war in der abend-
ländischen kirche im texte der bibel grosse verwirrung eingerissen.
Nicht nur dass die bibelübersetzung der Itala (dies wort in dem
allgemeinen sinne von „vorbieronymianischer bibelübersetzung“ ge-
nommen) von vornherein keine einheitliche war, die einzelnen ex-
emplare waren überdies noch mannigfach geändert worden, indem
man theils nach dem griechischen grundtext korrigierte, theils den
vulgären ausdruck der Itala, an dem sich die gebildeten stiessen,
eleganter gestaltete. Der herrschenden verwirrung suchte der
papst Damasus I (366—384) zu steuern und bediente sich dazu
des heiligen Hieronymus (geb. 331 oder 340 zu Stridon auf
der grenze zwischen Dalmatien und Pannonien), der vermöge sei-
uer gelebrsamkeit und seiner willenskraft zu solcher arbeit vor-
züglich geeignet war. Derselbe machte sich nuu zunüchst an eine
revision der vier evangelien, bei denen das bedürfniss am stürk-
sten war, und zwar auf grund des vorhandenen Italatextes. Diese
arbeit übergab er 383 dem papst, und im nämlichen jahre been-
digte er hóchst wahrscheinlich noch die revision der übrigen theile
Zu der Vulgata. 321
des N. T., sicher aber die der psalmen. Letztere rezension, be-
kannt als psalierium Romanum und heute noch in der Peterskirche
zu Rom in gebrauch, interessiert uns weiter nicht, da sie nicht in
die Vulgata aufgenommen ist. Nach dem tode seines günners Da-
masus (gegen ende 384) zog Hieronymus von Rom, wo er man-
cherlei anfeindungen und veruuglimpfungen erfahren musste, nach
dem orient und liess sich zuletzt in Bethlehem bleibend nieder.
Seine bedeutenden sprachlichen kenntnisse, die er sich schon vorher
als anachoret in der wüste von Chalcis erworben hatte und die
er jetzt mit hülfe gelehrter rabbinen in Palästina erweiterte und
vertiefte, benutzte er zu einer revision des lateinischen textes aucb
des alten testamentes, wobei er bei zweifelhaften lesarten des grie-
chischen textes der Septuaginta immer auf das hebräische original
zurückging. So machte er sich denn zunüchst wieder an eine er-
neuerte revision des Psalters, da ihu die erste ziemlich eilig auge-
fertigte kaum befriedigen mochte. Diese zweite, psalterium Galli-
canum genannte rezension ist für uns wichtig, da sie einen be-
standtheil der beutigen Vulgata ausmacht. Die übrigen texte, die
aus dieser revidierenden thätigkeit des kirchenlehrers bervorgiugen,
kónnen wir füglich übergehen; sie sind verloren bis auf die bear-
beitung des buches Hiob, und dieser ist die aufnahme unter die das
corpus unserer heutigen Vulgata bildenden schriften versagt worden.
Schon wäbrend dieser revisionsarbeit reifte in Hieronymus der
entschluss, seine kenntnisse im hebrüischen zu einer vülligen neu-
übersetzuug des A. T., soweit es eben in hebräischer sprache
vorhanden war, zu verwerthen. Diesen entschluss, der zunüchst nur
durch das bedürfniss der palüstinensischen christen hervorgerufen
war, führte Hieronymus in einem zeitraum von fünfzehn jahren
(390—405) aus. Für den philolugen, der die entwicklung des
bieronymianischen stiles kennen lernen will, ist die reihenfolge in
der übersetzung der einzelnen schriften von wichtigkeit. Zuerst
erschienen die bücher Samuelis und der Könige, dann Hiob, die
Propheten und der Psalter (die übersetzung des letztern gehört
nicht zur Vulgata). Es fulgten ende 393 die drei salomonischen
schriften, Sprichwörter, Prediger und Hohes lied. Von 394 bis
396 wurden Esdra, die Chronik und die Genesis fertig gestellt,
weiter bis anfang 404 die übrigen theile des Pentateuchs, exodus,
leviticus, numeri und deuteronomium. Endlich erhielt das werk
Philologus. XLII. bd. 2. 21
322 Zu der Vulgata.
404—405 seinen abschluss durch das erscheinen der bücher Josua,
Richter, Ruth, Esther, der deuterokanonischen bestandtheile von
Daniel und Esther, endlich der bücher Tobias und Judith. Wie
man sieht, blieben unübersetzt (abgesehen vom N. T.) die deutero-
kanonischen biicher ausser Tobias und Judith.
Demnach zerfällt die Vulgata in drei scharf auseinander zu
haltende theile: 1) von Hieronymus unberührt gelassene Itala: das
buch der Weisheit, das buch Jesus Sirach (— ecclesiasticus, abgek.
eccli.), das buch Baruch sammt der epistel Jeremiü und die beiden
bücher der Maccabüer; 2) von Hieronymus revidierte Itala: das
ganze neue Testament und der Psalter (in der zweiten, psalterium
Gullicanum genannten bearbeitung); 3) selbstandige übersetzung
des Hieronymus aus dem hebraischen urtext: das ganze übrige alte
testament.
Diese drei eben genannten abtheilungen bezeichnen wir im
folgenden mit A, B, C. Selbstverständlich tragen nicht nur diese
drei grossen gruppen in ihrem gegenseitigen verhaltniss, sondern
oft auch die einzelnen theile derselben unter sich ein verschiedenes
sprachliches geprüge. So fällt z. b. bei den beiden theilen von B
oft eine durchgreifende verschiedenheit auf, die zum theil auf die
verschiedene seit surückzuführen ist, in der die revision jeweils
angefertigt wurde. Wir werden darum im folgenden diese beiden
theile, so oft erforderlich, durch B! (= N. T.) und B? (= Psal-
ter) scheiden. Aber auch die von Hieronymus übersetzten partien
weisen oft bedeutende gegenseitige diskrepanzen auf, da sich sein
stil (ühnlich wie bei Cicero) erst allmahlig im laufe der zeit zu
vollendeter sicherheit und reife ausbildete. Im verlaufe der ab-
bandlung werden wir gelegenheit haben, auf derartige unterschiede
hinzuweisen. Zur beurtheilung der im folgenden gegebenen zahlen
halte man fest, dass die drei gruppen A, B, C ihrem äussern um-
fang nach sich zu einander annähernd verhalten wie 1 : 3 : 8.
Charakteristische unterschiede zwischen den drei abtheilungen
ergeben sich schon aus einer ganz oberflächlichen lektüre, indem
jede derselben formen, wörter und konstruktionen aufweist, die ihr
allein eigen sind. In den theilen, welche die reine Itala reprüsen-
tieren, dürfen wir von vornherein der vulgürsprache einen ziemlich
bedeuteuden spielraum zuweisen, und in der that trageu diejenigen
elemente, die sich ausschliesslich in A finden, zum grossen theil
Zu der Vulgate. | 323
den untrüglichen stempel des sermo plebeius. Mehr noch als bei
den formen, von denen etwa faucem eccli. 31, 12 (in BC nur der
plural!), spebus 2 Macc. 7, 34, speciebus Bar. 6, 62 anzuführen
wären, ist dies im wortschatz der fall, und wer bei Loch (Mate-
rialien zu einer lat. grammatik der Vulgata, progr. Bamberg 1870)
die kapitel „unklassische substantiva'* p. 9, „bei den klassikern un-
gebräuchliche eigenschaftswörter“ p. 16 und ,,unklassische zeit-
wörter“ p. 19 oder die entsprechenden abschnitte in Kaulens „Hand-
buch zur Vulgata“ durchlesen will, wird finden, dass von der masse
des daselbst ziemlich bunt durcheinander liegenden materials ein
ganz erklecklicher theil nach A gehórt. Da mir eine trockene
aufzühlung von würtern widerstrebt, so will ich nur im anschluss
an den artikel condecet eccli. 38, 30 (in BC nur decet, was übri-
gens auch in A erscheint) bemerken, dass hier ein wort, welches
io der archaischen latinität (Pl. Cas. 3, 5, 24 u. 6. Turpil. com.
127. Pompon. com. 72) ziemlich hüufig auftrat, dann aber für
längere zeit aus der literatur verschwand, im spätlatein (Rönsch,
Itala und Vulgata p. 185) wieder auftaucht, woraus wir, wenig-
stens im vorliegenden fall, einen sichern schluss auf sein stetiges
fortleben in der volkssprache ziehen dürfen; denn von bewusstem
archaisieren kano in der Itala selbstverständlich keine rede sein.
So treffen wir adsestrix Afran. com. 181 in der Itala sap. 9, 4
in der form assistrix wieder, und für das echt vulgäre gaudimo-
nium, das zwar noch nicht die archaische latinität, wohl aber Pe-
tronius 61 kennt, liefert uns auch Bar. 4, 34 einen beleg. Eigen-
thiimlich ist das auftreten des poetischen aevum in A (in eccli.
9mal, in Bar. imal; fehlt in BC). Die ausschliesslich der dichter-
sprache angehörige formel per aevum (Lucr. Propert. Ovid. Manil.
Stat. Sil. Claudian. Prudent., s. die belege bei Bentley zu Hor.
carm. saec. 20) treffen wir auch eccli. 14, 25, wie auch die gleich-
bedeutende in aevum eccli. 41, 16. Bar. 3, 3 (vgl. Hor. carm.
4, 14, 3). Zu ab aevo eccli. 1, 4 vergleiche man ex aevo Vi-
truv. 7 praef. 10; zu ante aevum eccli. 1, 1 weiss ich weiter
keinen beleg.
Fassen wir die einzelnen zu A gehörigen bücher näher ins
auge, so trägt den ausgeprägtesten charakter in stilistischer bezie-
hung ganz entschieden das buch Jesus Sirach zur schau. Wir fin-
den hier eine anzahl wörter, die nicht nur in den übrigen theilen
21°
324 Zu der Vulgata.
der Vulgata, sondern in der ganzen latinität (von glossarien abge-
sehen) ohne weitere belege sind: so concordatio eccli, 22, 27. 27,
23, placor 4, 18. 39, 23, condulcare 27, 26. 40, 18. 40, 82,
implanare 15, 12. 34, 11 (eccli. 3, 26 auch bei Augustin. specul.,
s. Rönsch, p. 253), und nicht wenige derselben sind dak Aeyo-
ueva : obturatio 27, 15, linitio 38, 34, ineruditio 4, 30 (Rönsch
p. 217), horripilatio 27, 15, coniucundari 37, 4, adincresco 23, 3
u. 8. w. Obductus us 25, 20 (= énxaywyn), das sich in der be-
deutung wohl kaum von obductio eccli. 2, 2. 5, 1. 5, 10 unter-
scheidet, fellt noch in unsern wórterbüchern, trotzdem bereits
Rónsch p. 90 und Kaulen p. 76 darauf aufmerksam gemacht ba-
ben. Ebenso vermisst man in denselben noch salutare in der be-
deutung „retten, schirmen“ eccli. 22, 31 amicum salutare non con-
fundar, wie es sich auch im citat dieser stelle bei Ambrosius (Rönsch
p. 380) findet. Damit würen wir in das gebiet der bedeutungsver-
schiedenheit hinübergekommen, in welchem eccli. ebenfalls manches
singulüre bietet. Ich erwähne nur exporrigo, sonst ausstrecken,
ausdehnen, ausbreiten (einmal Pers. 3, 82 = ,,hervorstrecken‘),
das eccli. 14, 13 secundum vires tuas exporrigens da pauperi of-
fenbar „darreichen“ bedeutet.
Eine interessante frage ist die nach dem laude, welchem das
buch eccli. seine entstehung verdankt. Das nebelbild der africitat,
das so lange die kópfe der philologen verwirrte, bat endlich in
letzter zeit etwas greifbarere gestalt angenommen und zwar na-
mentlich durch die untersuchungen Sittls (Die lokalen verschieden-
heiten der lat. sprache p. 77 ff). Als beweis für den afrikani-
schen ursprung unseres buches nennt er p. 150 die wörter exsecra-
mentum eccli. 15, 13, religiositas 1, 17. 18. 26, prospector 3, 34.
11, 32, dulcor 11, 3, offuscatio 41, 24, victimare 34, 24, pravi-
cordius 3, 28 (so im Tolet.; der Amiat. hat parvicordius, der of-
fizielle text pravus corde), gemmula 32, 7, sowie an anderen stel-
len seines buches pessimare 11, 26. 36, 11. 38, 22 (p. 104),
concreare 1, 16 (p. 145) und die pleonastische verbindung plus
lucidior 23, 28 (p. 101). Ich bin um so mehr geneigt seiner be-
weisführung beizustimmen, als noch weitere artikel sich in diesem
sinne verwerthen lassen. So namentlich veteresco, wie 2, 6. 9, 15.
11, 21. 14, 18 richtig im Amiat. steht (der off. text hat überall
formen von velerasco), dessen afrikanischen charakter bereits Wölf-
Zu der Vulgata. 325
lin, „Ueber die latinitit des afrikaners Cassius Felix‘ p. 416 zur
genüge bewiesen hat. Ich füge noch bei delatura, das ausser
eccli. 26, 6. 38, 17 nur noch bei Tertullian (Rónsch p. 41) nach-
gewiesen ist.
Dem buch Jesus Sirach reibt sich, was charakteristische dik-
tion anlangt, zunüchst das buch der Weisheit an, das wie jenes
seltene wörter in nicht gewöhnlicher zahl aufweist: cognoscibiliter
sap. 13, 5, electrix 8, 4, immemoratio 14, 26, respectio 3, 19 u.
s. w. Afrikanischen ursprung nimmt Sittl a. o. auch hier an, ge-
stützt auf das vorkommen von wörtern wie involumentum sap. 7,
4, nugacitas 4, 12, ineffugibilis 17, 16, infirmiter 4, 4, comme-
moratio = recordatio avupuynosg 19, A, welch letzteres übrigens
auch im N. T. Luc. 22, 19. 1 Cor. 11, 24. 25 vorkommt. Ver-
mehren lassen sich diese belege noch durch sibilatio: sap. 17, 9.
Cael. Aur. chron. 2, 14, 198 und (in der nebenform sifilatio) Non.
p. 531, 5.
Beide bücher haben unter sich manches ähnliche, wodurch sie
sich von den andern theilen auch von A unterscheiden. Nur hier in
der Vulgata tritt die participialform absconsus auf: sap. 7, 21 eccli. 1,
39. 4, 21. 11, 4. (14, 23 Amiat.) 16, 22 u. ö., vgl. absconse
sap. 18, 9. So bemerkt Hagen, Sprachliche erörterungen zur Vul-
gata p. 48 f., dass gerade in diesen beiden büchern die wörter
honestus honestare honestas die bedeutungen ,,reich, reich machen,
reicktthum* aufweisen: eccli, 13, 2, sap. 10, 11; eccli. 11, 23.
sap. 10, 10; eccli. 11, 14. 24, 23. 31, 1. sap. 7, 11. 13. 8, 18
(nur eccli. 37, 13 ist honestas = „anständigkeit“). — Der zu-
sammenhang, in dem unsere beiden bücher mit den nicht zur Vul-
gata gehörigen tbeilen der Itala stehen, wird z. b. durch die that-
sache bezeugt, dass fumigabundus sap. 10, 7 noch in dem citat
gen. 15, 17 bei Ambros. de Abrah. 2, 9 2. 67 (und nur hier)
vorkommt.
Bieten diese beiden schriften schon im offiziellen texte der
Vulgata dem forscher eine reiche ausbeute an ungewühnlichen for-
men und wôrtern, so wird diese ausbeute noch um vieles lohnen-
der, wenn wir auf die alten handschriften, insbesondere den Amia-
tinus zurückgehen wollen. Auch diese abschnitte namlich sind in
vielen ausdrücken geglättet und abgeschwücht worden, ebenso sehr
zur herstellung einer korrekteren latinität als zur erleichterung des
326 Zu der Vulgata.
verständnisses. So treffen wir denn im Amiatinus formen wie
adiuauerunt eccli. 20, 4, complectebuntur = complectentur eccli. 4,
13, plaudebit eccli. 12, 19, fremebit eccli. 18, 4 (Róusch p. 291),
paenitebitur eccli. 19, 6, paeniteberis eccli. 32, 24 (iiber das per-
sónliche paeniteri vgl. Rónsch p. 303), sponderis — spoponderis eccli.
8, 16 und sponderunt sap. 18, 13 (vgl. Ott, Die neueren for-
schungen im gebiete des bibellateins, Jahrb. f. phil. 1874, p. 833),
periebant sap. 17, 9, transiebant sap. 19, 18, dazu deponentia in
aktiver form praevaricare eccli. 7, 20 und umgekehrt aktive verba
in deponentialform delectabitur = delectabit eccli. 26, 16 (Petron.
45. 64). Von nominativformen sind erwahnenswerth canitia eccli.
25, 6, colubra sup. 16, 5, vasum eccli. 38, 30 contra similitudinem
vasi (im text vasis), gelus (acc. gelum) eccli. 43, 21, denen sich die
adverbialform fortassis sap. 13, 6 anschliessen mag. Auch hier
bietet wiederum der wortschatz die reichste fundgrube. Gratia
datus ist eccli. 7, 37 statt gr. dati nach dem zeugniss des Amiat.
und Augustins (Rónsch p. 89) herzustellen, zumal datus us auch sonst
im eccli. (18, 18) vorkommt. Ich neune weiter: Vestigator eccli.
14, 23 (im text investigator), vexator sap. 18, 22 (im text illum
qui se vexabat), turbor eccli. 11, 36 (im text turbo), de propitiatu
peccatorum eccli. 5, 5 (im text de propitiato peccato; sonst steht
dafür propitiatio, z. b. eccli. 7, 36), circumpediles „schuhe“ eccli.
45, 10 (im text circumpedes), pertusura eccli. 27, 5 (im text per-
cussura), turbido turbedo eccli. 48, 9. 13. sap. 5, 24 (im text
turbo), susurrio „ohrenbläser“ eccli. 5, 16. 21, 31. 28, 15 (im
text susurro). Da an der letzten stelle (28, 15) auch Cyprian
test. 3, 110 die form susurrio hat, so ist diese wahrscheinlich als
afrikanisch anzusehen. Statt alligatura eccli. 6, 31 bietet der
Amiat. netura, woraus jedenfalls nectura herzustellen ist. Die an-
nahme der bildung eines substantivs auf «ra von einem prüsens-
stamm hat allerdings ihr bedenkliches, und ich wüsste nur auf fer-
vura (Rónsch p. 44) als analogon hiuzuweisen. Die entschuldigung,
die sich bei letzterem wort anführen lässt, dass nämlich ferveo kein
supin hat, trifft für necto nicht zu; dagegen lässt sich die bildung
nectura damit rechtfertigen, dass der präsensstamm nect- leicht als
supinstamm genommen werden konnte, — Ob übrigens alle diese
besonderbeiten auch gleich in den text aufzunehmen sind, kann erst
nach beiziehung anderer massgebender handschriften entschieden
Zu der Vulgata. 827
werden !). Doch auch abgesehen davon behalten sie ihre wich-
tigkeit für die geschichte der lateinischen sprache, und von diesem
gesichtspunkt aus dürfen wohl auch formen wie nequa sing. fem.
zu nequam eccli. 28, 23. sap. 12, 10 (Ott a, o. 791) oder bil-
dungen wie amplicare — amplificare eccli. 49, 13. 50, 20 ange-
geführt werden, welch letzteres ebenso gebildet ist wie amuricure,
viridicare u. è,
Stehen gebliebene griechische wörter wie aplestia = unincıla
eccli. 37, 33 oder (h)eremia égnula sap. 5, 24 (im text eremus,
das im lateinischen geläufiger war) fallen gewiss nicht mehr auf
als z. b. aporia eccli. 27, 5, cataclysmus eccli. 39, 28. 40, 10,
acharis eccli. 20, 21 (Amiatinus dagegen ingratus), eucharis eccli.
6, 5, agonizari = dywrileo9as eccli. 4, 33, aromatizare eccli.
24, 20 u. s. w. An der oben angeführten stelle eccli. 37, 33
bietet übrigens der Amiatinus auditas (= auiditas) et aplestia,
dem im off. text nur aviditas entspricht. Offenbar ist aviditas
ursprünglich nur erklarende glosse zu dem aus dem griechischen
gruudtext herübergenommenen aplestia (Sept. xai 7) amAmgoi(a 2y-
yısi), die dann zunächst mit diesem wort verbunden wurde, zuletzt
aber dasselbe vollständig verdrüngte. Ein ganz ähnliches verhält-
niss treffen wir eccli. 21, 5 obiurgatio et iniuriae, wo der Amia-
tinus. cataplectatio et iniuriae obiurgatio liest. Das griechische
xuraninyuög xai vfi; führt uns auf die richtige lesart cata-
plectatio et iniuriae, die glosse obiurgatio hatte dasselbe schicksal
wie oben aviditas ?). Cataplectatio hat nothdürftig ein lateinisches
gewand umgeworfen und verhält sich zu xazazinyuocg ebenso wie
z. b. acediari eccli. 6, 26. 22, 16 zu uxndeiv oder apostatare eccli.
10, 14. 19, 2 zu dnoocraréiv u. s. w. Das häufige vorkommen
griechischer würter stimmt übrigens zu dem afrikanischen urspruug
der beiden bücher (Sittl 112).
Die adjektiva liefern weiter beitrige mit ebriacus eccli. 19, 1
== ital. briaco (im text ebriosus), exclamabilis eccli. 10, 4 (fehlt
1) Verschiedene der oben angeführten lesarten bestütigt der To-
letanus; er hat ebenfalls: de propitiatu circumpediles indiscip'inose per-
tusura, und bietet seinerseits wieder besonderheiten, die im Amiatinus
fehlen: eccli. 22, 7 testa (plur. von festum), ecoli. 28, 19 sentiaris (als
deponene) u. 8. w.
2) Die verbindung eines glossems mit dem ursprünglichen text
findet sich z. b. auch im Ashburn. Levit. 1, 8 inponent . . . partes
quas diviserunt divisamenta . . . super ligna.
828 Zu der Vulgata.
im text), die adverbia mit indisciplinose eccli. 23, 17 (im text in-
disciplinatus), die verba mit luminare sap. 17, 19 (im text illu-
minare), gemesco eccli. 36, 27 (im text ingemisco) und inaltare
eccli. 15, 4. 21, 23 (im text exaltare). Das vulgüre misi si ist
zweimal (eccli. 7, 6. sap. 8, 21) in nisi abgeglättet, und statt des
ede radices (so ist das aede, welches Tischendorf nicht versteht,
zu verbessern) des Amiatinus eccli. 24, 13 hat der off. text das
leichtere mitte radices.
Die beiden bücher der Maccabäer, sowie das buch Baruch
bieten zwar in stilistischer hinsicht ebenfalls manches interessante,
stehen aber hierin dem buch Sirach und Weisheit weit nach. Die
Maccabüer haben anak Asyouera wie deprecatorius 1 Macc. 10,
24 und contutari 2 Macc. 1, 19 (das simplex tutari tutare eben-
falls nur in A: sap. 10, 12. Bar. 6, 17; Hieronymus behilft sich
mit tueri defendere), und nach dem zeugniss des Amiatinus kommen
ihnen formen zu wie duum = duorum 2 Macc. 12, 16 (Neue II,
p. 145), conteruisti 1 Macc. 4, 30 (Ott a. o. p. 792), audaciter
1 Macc, 6, 45 und audenter 2 Macc. 14, 43 (im text beide male
audacter) ) und wörter wie adpropiare 1 Macc. 13, 23. 2 Macc.
10, 25 (im text appropinquare), oblitterare 2 Macc. 12, 42 (im
text oblivioni tradere) u. s. w. Ich bemerke, dass das zweite buch
der Maccabüer im ganzen einen konstanteren sprachgebrauch auf-
weist als das erste. So schwankt z. b. das erste buch zwischen
den beiden formen Jerusalem und Jerosolyma, wahrend das zweite
nur Jerosolyma kennt; das zweite buch begnügt sich (nach verbes-
serung von 2 Macc. 10, 25) mit adpropiare, das erste verwendet
daneben auch appropinquare. — Die spuren der africität sind hier
nicht sicher. Für die Maccabäer kann Sittl a. o. nur iutamentum
„schutz“ 1 Macc. 14, 37 anführen, und für Baruch wüsste ich nur
elingo 6, 19 zu nennen, das in übertragener bedentung noch bei
Augustin. Conf. 13, 30 erscheint. Allein es ist klar, dass sich
aus so dürftigem material kein sicherer schluss ziehen lässt,
Während die oben besprochenen in A allein vorkommenden
3) Die lesart fundibala 1 Macc. 6, 51 und fundibalarti 4 reg. 3,
25. Judith 6, 8. 1 Macc. 9, 11 für fundibula - bulari ist entstanden
durch volksetymologieche anlehnung an 8dllo, dessen ableitung dal
lista (in ähnlicher bedeutung wie fundibulum) im lateinischen einge-
bürgert war. Vgl. Georges s. v. fundibalus.
Zu der Vulgata. 829
formen und würter hauptsüchlich zur charakteristik der in A ver-
treteuen volkssprache resp. africität dienen und ihr fehlen in den
beiden andern gruppen in der regel nicht gerade auffällt, verbalt
sich die sache wesentlich anders bei einer weitern anzahl nur in
A erscheinender wörter, die man sonst als gewöhnliche oder öfter
vorkommende zu betrachten pflegt. Wenn artikel wie belwa dirus
exitium frugi incohare (aber incohatio in B!: Hebr. 6, 1) strages
clades u. s. w. in B und C nicht auftreten, so muss man anneh-
men, dass dieselben entweder zur zeit der abfassung der betref-
fenden texte von A schon dem nahen verderben geweiht waren
und kurze zeit darnach gänzlich verschwanden oder dass sie dem
geschmack der bearbeiter der übrigen theile, zunächst dem des
Hieronymus, nicht entsprachen Diese frage, die hier our ange-
deutet wird, soll unten bei der besprechung von C an einer reihe
von artikeln näher erörtert werden.
Wir gehen über zur charakteristik der von Hieronymus revi-
dierten partien. Von vornherein lässt sich annehmen, dass dieselben
io stilistischer hinsicht einen zwitterhaften charakter zur schau tra-
gen, indem von dem vulgüren fundament der Itala die nachbes-
sernde hand des kirchenlehrers sich abhebt. Wenn Hieronymus
sich mit dem klassischen fax begnügt und das in A vorkommende
facula verwirft*), in B dagegen beide wörter neben einander er-
scheinen (fax Joh. 18. 3; facula apocal. 8, 10), so darf der schluss,
die anwendung von facula in B gehe auf die Itala zurück, wohl
ein methodischer genannt werden. Uebrigens tritt die arbeit des
Hieronymus nicht besonders scharf hervor, und seine thatigkeit
ist offenbar in stilistischer hinsicht keine recht durchgreifende ge-
wesen, Deutlicher lüsst sich der vulgüre untergrund erkennen,
der seinem allgemeinen charakter nach mit dem von A zusammen-
fallt, nur dass hier für die africitas keine vollgültigen beweise
vorhanden sind (Sittl 150 f.) So finden wir hier formen wie
partibor metibor psulm. 59, 8, mit denen sich etwa noch odibunt
in C prov. 1, 22 vergleichen lässt, vetati sunt act. ap. 16, 6,
prendidi Job. 21, 3, welch letztere bildung offenbar durch falsche
4) Zunüchst nur in seiner bibelübersetzung, wie auch im folgen-
den immer festzuhalten ist, dass sich die bemerkungen über den
sprachgebrauch des Hieronymus nur auf seine übeıtragung der heili-
gen schrift, nicht auf seine gesammtwerke beziehen.
330 Zu der Vulgata.
anlehnung an die komposita von do entstanden ist. — Eine auf-
zählung vou wörtern zur charakterisierung des wortschatzes unter-
lasse ich auch hier; anak Asyouera (z. b. accensibilis Hebr. 12,
18) sind in B seltener als in A. Durauf aber sei noch hinge-
wiesen, dass es in B ebenfalls eine anzahl wörter gibt, deren nicht-
vorkommen in den beiden andern gruppen auffällt: so abunde asper-
nari (aber aspernatio in A: eccli. 22, 1) distare expirare idoneus,
bei denen sich übrigens die ersatzmittel leicht ergeben. Am mei-
sten frappiert wohl die thatsache, dass ingenium our éin mal in
der ganzen Vulgata erscheint: 2 Cor. 8, 8 vestrae caritatis inge-
nium bonum = 10 ıng vpertous ayunng yrjouor, um so mehr als
das wort im ital. ingegno fortlebt. Dasselbe kann demnach nicht
als ausgestorben betrachtet werden, sondern die auflallende er-
scheinung ist wahrscheinlich so zu erklaren, dass die in betracht
kommenden würter des hebraischen und griechischen textes kon-
stant durch synonyma von ingenium (wie animus anima indoles
u. 8. W.) wiedergegeben wurden, so dass ingenium selbst ausge-
schlossen blieb.
Die beiden unterabtheilungen von B, das neue 'Testament und
der Psalter, harmonieren im gebrauche einzelner wórter nur selten
mit einander. Zur bestätigung des ziemlich tief greifenden unter-
schiedes sei auf die thatsache verwiesen, dass holocaustum die dem
Psalter gelüufige form ist (psalm. 19, 4. 39, 7. 49, 8. 50, 18.
21. 65, 13. 15), während B! nur holocautoma oder holocaustoma
kennt (Marc. 12, 33. Hebr. 10, 6. 8), welch letzteres allerdings
auf das cloxavrwua des urtextes zurückgeht, Weitere beispiele
für den unterschied beider partien zu hàufen, wire nicht schwer:
nur io B! finden sich (wobei ich natürlich von A und C ganz ab-
sehe) invicem iterum, nur in B? susceptor (Kaulen 25) inops iu-
cundus dispereo u. s. w.
Da, wie oben bemerkt, die änderungen, die Hieronymus im
N. T. und im Psalter vorgenommen hat, nicht besonders durch-
greifend gewesen sind, so erklärt sich die thatsache, dass gar oft
A und B gemeinschaftlich wórter aufweisen, die Hieronymus ver-
worfen hat. Nur in A und B finden wir adaperio collaudo coae-
qualis defraudo demoror (aber demorationes iu C: prov. 12, 11;
doch fehlt die ganze stelle im Amiatinus). Hieronymus keunt bier
überall nur die simplicia bezw. andere komposita (commorari), wie
Zu der Vulgata. 331
er x. b. auch renovare in A und B durch novare ersetzt. Das
mehr volksthümliche intensivum haesito bevorzugen A und B in.
einer weise, dass das primitivum hier ganz fehlt, walrend Hiero-
nymus sich in C mit haereo begnügt. Auf A und B beschränkt und
somit der ursprünglichen Itala angehörig sind verba wie minorare
oder adjektiva wie corruptibilis insensatus (franz. insensé) u. s. w.
Dass Hieronymus eructare eccli. 11, 32. psalm. 18, 3. 44, 2 u.s. w.
in € nicht hat, kommt wohl daher, weil ihm das wort nach seiner
ursprünglichen bedeutung doch zu plebejisch dünkte (vgl.
griech. éoevyoua:). Eructare hat jedoch (ausser eccli. 11, 32)
in der bibel nirgends seinen eigentlichen begriff, sondern heisst ohne
üble nebenbedeutung „hervorströmen lassen“, meist von der rede z.
b. psalm. 44, 2 eructavit cor meum verbum bonum; die entwick-
lung dieser verwendung knüpft an klassische beispiele an wie Cic.
Catil. 2, 5, 10 eructant sermonibus suis caedem bonorum „sie las-
sen rülpsend verlauten“, wo aber die ursprüngliche bedeutung noch
sehr wohl zu erkennen ist.
Verstehen wir das fehlen der eben genannten wörter bei Hie-
ronymus leicht, so muss es andererseits als auffällig bezeichnet
werden, wenn auf A und B wörter beschränkt sind wie hospes (in
C das gewähltere advena, das übrigens auch iu A und B erscheint),
benignitas (dagegen benignus Joel 2, 13, benigne 4 reg. 25, 28),
malignitus (= malitia in C, aber auch in AB), sobrius sobrie so-
brietas deterior adipiscor (in C consequor impetro, letzteres nur von
Hieronymus gebraucht), lucrari (lucrifacere nur in B!) vitupero (in
C reprehendo Job 27, 6. 42, 6), novissime usquequaque (in C ubi-
que S reg. 8, 42) u. s. w. Erwähnt mag noch werden, dass
posteaquam, das schon in klassischer latinität bedeutend hinter post-
quam zurückstand, nur in AB sich erhalten hat: Bar. 1, 9. Luc. 14,
29. act. ap. 27, 27; Hieronymus begnügt sich in C mit postquam,
das selbstverstandlich auch in den beiden andern gruppen vorkommt.
Wenn wir uns nunmehr zur analyse des dritten und umfang-
reichsten theiles der Vulgata, der von Hieronymus selbständig über-
setzten schriften, wenden, so haben wir dabei auszugehen von der
person des grossen kirchenlehrers. Dass derselbe zu den gelehrte-
sten männern seiner zeit gehörte, bedurf keines besonderen nach-
weises, Aus der ungeheuern fille seiner schriften, in denen er
abwechselnd das alte und neue testament erklärt, die gegner des
332 Zu der Vulgata.
christenthums in bitzigen streitschriften anfehdet oder rathsuchende
brieflich belehrt, geht zur genüge hervor, dass er, wenn er auch
in der griechischen literatur nicht sonderlich bewandert war, dafür
die römischen schriftsteller um so sorgfältiger und eingehender
studiert hatte. Das bezeugen die zahlreichen citate, die sich in
seinen schriften finden, die allenthalben zerstreuten reminiscenzen
aus klassischen autoren, und wie umfangreich seine studien waren,
zeigt uns Lübeck „Hieronymus quos noverit scriptores et ex qui-
bus hauserit“, der eine stattliche reihe von schriftstellern aufzählt.
Wie sehr ihm aber die klassischen studien in fleisch und blut über-
gegangen waren, beweist woll am besten der umstand, dass sogar
iu seiner übersetzung des alten testaments sich anklange an alte
auturen finden, wo doch die natur des gegenstandes eine bewusste
verwendung erschwerte. Was wir Esther 9, 4 lesen (fama) per
cunctorum ora volitabat, ist offenbar eine reminiscenz an Ennius
epigr. 4 volito vivos per ora virum. Da Hieronymus, wenn wir
Lübeck p. 8 glauben schenken dürfen, den Ennius nicht selber ge-
lesen hat, so stammt die reminiscenz jedenfalls aus der anführung
bei Cic. Tusc. 1, 15, 84. An Cicero (vgl. z. b. Phil. 10, 6)
klingt an die phrase vicem alicuius dolere 1 reg. ?2, 8. 28, 21,
an Sallust wendungen wie vitam silentio transigentes Esth. 13, 2; vgl.
Sall. Cat. 1, 1 ne vitam silentio transeant (Var. transigant).
Wenn wir nun durch Hieronymus selbst über seine eingehen-
den grammatischen studien belelrt werden, wénn wir aus seinem
eigenen munde erfahren, wie hoch er Cicero und dessen schriften
schätzte, so lüsst sich leicht denken, dass derartige studien wesent-
lichen einfluss haben mussten auf die ausbildung seines stils. Der-
selbe unterscheidet sich denn auch in vielen und wichtigen punkten
von dem oft primitiven volkslatein, wie es in der alten Itala
berrscht. Zwar würde man irren, wollte mau annehmen, Hiero-
nymus habe sich dem einfluss des volksidioms ganz und gar zu
entziehen gewusst. Nicht nur die schon ziemlich gesunkene sprache
des vierten jahrhunderts, deren einfluss alle schriftsteller jener zeit
mehr oder weniger unterlagen, insbesondere auch die dem kirchen-
lehrer so gelüufige sprache der ltala bewirkten, dass sich in den
von ihm übertragenen theilen der Vulgata eine reihe von sprach-
lichen erscheinungen vorfinden, die unbedingt in das gebiet des
sermo vulgaris zu verweisen sind. Und diese verwendung vulgárer
Zu der Vulgata. 388
elemente geschieht nicht etwa unabsichtlich : áusserungen wie Quaest.
in gen. 40, 1 (servus) quem nos possumus more vulgi vocare
pincernam (zu diesem wort vgl. gen. 40, 1. 2. 9. 20. 23. 41, 9
u. s. w.), zeigen uns klar, dass Hieronymus den charakter der von
ihm verwandten sprachlichen elemente sehr wohl kannte.
Vulgären charakter haben zunächst eine anzahl formen: Vul-
gum pauperem Job 24, 9; pavos®) — pavones 3 reg. 10, 22. 2
paral. 9, 21; laci geo. von lacus (Heiss p. 9); generationi alterae
Joel 1, 3; lateri uno exod. 27, 14 und arieli uno num. 29, 14
(s. Tischendorf zur letzten stelle); clangueris num. 10, 4; super-
bierit deut. 17, 12; orditus est Jes. 25, 7; linire = linere, kon-
stant im prüsens- und perfektstamm in B und C (in A fehlt das
wort), supin litum levit. 2, 4 u. s. w. (aber in A linitio eccli.
38, 34); taeduit eccle. (= ecclesiastes, Pred. Sal.) 2, 17. Insbe-
sondere bei der bildung der futura von kompositis von ire hat
Hieronymus der volkssprache öfter konzessionen gemacht, und neben
den regelmässigen formen treffen wir bildungeu wie exeam = exiho
Judith 8, 32, exiet Jes. 51, 4, transiet Judith 6, 4. Job 20, 8,
pertransiet Dan. 11, 40, disperiet Judith 6, 3, circuielur Amos 3,
11. — Bei andern auffallenden formen kann man schwanken, ob
man statt eines vulgarismus nicht vielmehr einen bewussten ar-
chaismus anzunehmen hat; so besonders bei dem neutralen ablativ
sanguine exod. 30, 10 in sanguine quod oblatum est pro peccato,
der auf den nominativ sanguen führt. Uebrigens hat der Amiatinus
diese form auch deut. 12, 16 sanguinis quod (im text quem) super
terram . . . effundes.
Andere singularitüten freilich kommen nicht auf rechnung des
Hieronymus, sondern der falschen texteskonstitution. So ist com-
pedem meum thren. 3, 7, wo ohnehin schon der singular auffällig
genug ist, entschieden mit dem Amiatious in compedem meam zu
ündern; so steht gen. A5, 20 (de supellectili vestra) im Amiatinus
das verderbte desuper lectile, woraus de supellectile herzustellen ist,
wie auch Judith 15, 14 (beglaubigt ist die form auf i levit. 8,
10. 1 Esdr. 1, 6); ebenso spricht Tischendorf zu 1 reg. 26, 20
5) Die nominativform pavüs ist aus pavo durch anhüngung eines
in der susspracbe unhörbaren s entstanden. Dieser prozess bildet das
seitenstiick zur verwandlung von herodius in herodio u. &., Ott a. o.
p. 790
334 Zu der Vulgata.
wegen die richtigkeit der lesart persequitur „wird verfolgt“ ge-
gründete zweifel aus. Vollends unbegreiflich aber ist, dass man
dem Hieronymus eine leistung zutraut wie num. 18, 31 Caleb com-
pescens murmur populi qui oriebatur contra Moysen, wo murmur
zuerst als neutrum, dann als masculinum gebraucht sein soll (vgl.
Tischend. z. d. st. und Heiss 8). Entweder ist quod zu schreiben
oder qui auf populi zu beziehen (— ,,des volkes, das sich erhob,
aufstand gegen Moyses“).
Weiter treffen wir im wortschatz eine reihe vulgärer elemente,
so komposita an stelle der simplicia: addecimo advivo adiuramen-
tum adinstar (auch instar nur in C), coaduno (auch aduno nur in
C) commaculo commereo computresco confoveo , deambulo deosculor
u. s. w., ableitungen wie cognomentum (neben cognomen), die ad-
-verbien altrinsecus commiztim impraesentiarum. Man sehe noch:
baiulus 2 reg. 18, 22 (dagegen fehlt in C baiulare, das in B vor-
kommt), scruta 3 reg. 10, 15. 2 Esdr. 3, 30 (beide male scrwta
vendere wie bei Lucil. inc. 77 p. 142 M), grossus (franz. gros) 8
reg. 12, 10. 2 paral. 10, 10. Ezech. 41, 25, immer im kompa-
rativ grossior, und grossitudo 3 reg. 7, 26. Jer. 52, 21, minare
(fr. mener) exod. 3, 1. 1 reg. 30, 20 u. à. Echt vulgür ist die
verbindung von prüpositionen mit adverbien, wie e contra exod.
84, 8, a deorsum exod. 26, 24. 36, 29, de foris gen. 7, 16, und
die verbindung zweier prüpositionen, wie de post tergum Sophon.
1, 6 9), fügungen, zu denen übrigens in den meisten fallen das
hebraische original den anlass gab (mehr beispiele s. b. Loch p.
23). Aus der syntax führe ich an die eröffnung der fragesätze
durch putasne = dou z. b. gen. 17, 17 putasne centenario nascetur
flius? (Hagen 56. Kaulen 200), wie wir sie schon bei Horez
sat. 2, 5, 76 finden: putasne || perduci. poterit tam frugi tamque
pudica ...? Volksthümlich ist wohl auch iussisti servo tuo 2 reg.
9, 11; dagegen ist die struktur nocere aliquem num. 5, 19 u. è.
eher grücisierend nach analogie von #daatey nva (Hagen 33).
Endlich weise ich noch auf die auch io C häufig auftretende bil-
dung der infinitivsätze durch quod quia quoniam hin, z. b. gen. 1,
12 vidit Deus quod esset bonum (Hagen 58 ff.) u. s. w. Weitere
belege für volksthümliche würter und wendungen gibt Kaulen,
6) Dass hingegen de sub deut. 9, 14. 4 reg. 14, 27 nur auf fal-
scher lesart beruht, bemerkt Tischendorf zur ersten stelle.
Zu der Vulgata. 335
Gesch. d. V. p. 181 f., dessen material aber im einzelnen nachzu-
prüfen ist. Unrichtig ist die behauptung p. 182, dass die stel.
lung des subjekts zwischen die verschiedenen theile des abl. abs.
(gen. 13, 10 elevatis itaque Lot oculis vidil) vulgar sei. Da die-
ser gebrauch ausser in C (vgl. noch gen. 2, 19. 34, 25. exod.
12, 31. levit. 10, 1. 4. 1 reg. 10, 2 u.s. w.) sich nur noch in B!
findet (act. ap. 20, 1), so dürfte er wohl als eigenthum des Hie-
ronymus anzusehen sein, dem klassische beispiele wie Cüsars hac
re Caesar cognita vorschwebten. Dass übrigens auch in syntakti-
scher beziehung dem Hieronymus manche singularitat unverschuldet
aufyebiirdet wird, zeigt Tischendorf zu deut. 26, 10 et adorato
Domino Deo tuo, wo adorare den dativ regieren soll,
Ich bemerke noch, dass manche der oben als vulgär bezeich-
neten wörter und strukturen auch in A und B anzutreffen sind,
zum deutlichen beweis, dass ihr gebrauch bei Hieronymus auf den
einfluss der Itala zurückzuführen ist.
Obgleich sich das beigebrachte material nicht unbedeutend ver-
mehren liesse, so wäre es duch ein grosser irrthum, wollte jemand
glauben, in den von Hieronymus übertragenen theilen der Vulgata
bilde der sermo plebeius den grundcharakter der sprache. Die
vorkommenden vulgarismen, mag ihre anzahl immerhin eine recht
stattliche sein, sind nur als konzessionen an die sprache des vierten
und fünften jahrhunderts und ao die überlieferte ausdrucksweise
der Itala zu betrachten, wie sie auch bei Sulpicius Severus oder
Laktanz, schriftstellern von noch puristischerem charakter als Hie-
ronymus, zu finden sind. Das bestreben des übersetzers musste
vielmehr darauf hinausgehen, die äussere form der heiligen schriften,
die sich bisher zum grossen theil an das niedere volk gewandt und
daher auch in dessen sprache geredet hatten, zu glätten, jene rauhe,
bauerische form, die das ohr der gebildeten verletzte und sie für
den werth der heiligen schriften minder empfänglich machte. Die
zeiten hatten sich gar sehr verändert: so lange nur den armen das
evangelium verkündet wurde (Matth. 11, 5 xrwyoi evayysACovras),
den armen an gut und geist, solange genügte der schlichte, volks-
thiimliche ton der Itala oder vielmehr er war der einzig mögliche;
nunmehr aber, nachdem sich eine grosse anzahl gebildeter der neuen
religion zugeWandt, musste auch ihren anschauungen und wünschen
hinsichtlich der form der heiligen schriften rechnung getragen wer-
336 Zu der Vulgata.
den. Daria liegt (wenigstens zum theil) die bedeutung der thi-
tigkeit des Hieronymus, und seine persönlichkeit bürgt dafür, dass
er sein ziel klar ins auge fasste und mit den richtigen mitteln zu
erreicben suchte. So lässt sich also diese seine thätigkeit kurz als
sprachliche reaktion bezeichnen, eine reaktion, die an stelle
der gesprochenen volkssprache der Itala die römische schriftsprache,
die sprache längst vergangener jahrhunderte, die sprache eines Ci-
cero und Sallust zu setzen bestrebt war. Der stil der hierony-
mianischeo übersetzung gibt so in seinen beiden wichtigsten ele-
menten, dem antik-klassischen und dem volksmässig-christlichen, ein
getreues abbild von der persönlichkeit des grossen kirchenlehrers,
der sein ganzes langes leben hindurch bemüht war, die antik-heid-
nische bilduag mit dem christenthum und der gegenwart zu verei-
nigen und zu versöhnen. Indem er so wie ein Janus vorwärts und
rückwärts schaut, theilt sich diese doppelstellung auch seinem stile
mit: neben dem klassischen calx „die ferse* 1 reg, 2, 29, das wegen
kollision mit calx „kalk“ untergehen musste, steht bei ihm das vul-
gäre calcaneum gen. 3, 15 (ital. calcagno).
Das bestreben des Hieronymus, seine diktion der altklassischen
möglichst zu nühern, erkennen wir zunächst daraus, dass er vul-
gäre formen, wörter und strukturen, die sich in A und B finden,
vermeidet. Für diese negative seite der beweisführung gibt es
massenhaftes material. Da bereits im vorhergehenden solches bei-
gebracht worden ist, wie insbesondere die p. 330 f. genannten, nur in
A und B vorkommenden artikel hierher gehören, so beschrüoke ich
mich auf wenige bemerkungen. Den unklassischen gen. vicis Luc.
1, 8 wird man bei Hieronymus vergeblich suchen, der sich auf die
such von den klassikern gebrauchten formen vicem vice vices vi-
cibus beschräukt; auch precem psalm. 87, 3. 101, 1. 18 und prece
eccli. 50, 21 vermeidet er in C und verwendet nur preces precibus nnd
(2mal) precum. Er verwirft est mit folgendem infinitiv (sap. 5, 10
cuius non est vestigium invenire, 2 Macc. 6, 9), eine struktur, die
übrigens kaum, wie Kaulen 153 meint, auf griechischem einfluss
beruht, sondern eher als vulgar anzusehen ist: Petron. 67 „est te“
inquit. „videre‘? In seinem eifer für ausscheidung unklassischer
elemente geht Hieronymus oft so weit, dass er wörter, die im laufe
der zeit eine von der klassischen abweichende bedeutung angenom-
men hatten, gänzlich aus seinem wörtervorrath verbannt und sie
Zu der Vulgata. 337
auch in ihrer klassischen bedeutung nicht wieder reaktiviert. Nur
so erkläre ich mir das günzliche fehlen von wörtern wie honestus
honestas bei Hieronymus in C (über deren spätlateinische bedeutung
s. oben p. 325), zu deren verwendung im sinne von „ehrbar anstän-
dig“ doch gelegenheit genug gewesen wäre. So meidet er in C gra-
tulari (nachklassisch „sich freuen“), communicure (im bibellatein „mit
jemand umgehen“ und „verunreinigen“; Kaulen 151), commemoratio
(„erinnerung“), commemorari („sich erinneru*), wogegen er memo-
rari allerdings in dieser bedeutung hat (Kaulen 165).
Gehen wir zum positiven theil unserer beweisführung über, so
lässt sich zunächst an einer reihe von beispielen das augenfällige
bestreben des Hieronymus nachweisen, gegenüber den bereits ein-
gebürgerten formen und wörtern der sinkenden latinitüt auf die
klassische ausdrucksweise zurückzugehen. Besonders klar scheint
mir dies bestreben hervorzugehen aus einer vergleichung von Luc.
2, 23 omne masculinum adaperiens vulvam mit exod. 34, 19 omne
quod aperit vulvam generis masculini, wo Hieronymus absichtlich
an stelle des vulgüren kompositums adaperio das von den klas-
sikern allein gebilligte simplex setzt. Betrachten wir zunächst
wieder die formen, so sehen wir, wie allein die vominativform
scorpio gnade vor Hieronymus augen in C findet (num. 34, 4,
deut. 8, 15 u. à.), wührend A und B daneben auch scorpius ver-
wenden (eccli. 39, 36. 1 Macc. 6, 51. apocal. 9, 5). Von den
beiden formen praesepe und praesepium kommt zwar keine bei Ci-
cero vor, allein da erstere durch die autorität des Horaz, Ovid u. a.
(Neue I, 553) geschützt ist, so verwendet sie Hieronymus in €
allein (Job 6, 5. 39, 9 u. à.) uud überlässt praesepium der Itala
(Luc. 2, 7. 12. 16. 18, 15). Der klassischen regel folgt der
durchgángige gebrauch des plurals inimicitiae in C: gen. 3, 15.
26, 21 u. à. In A dagegen scheidet sich der gebrauch nach den
einzelnen schriften: wäbrend in eccli, (an vier stellen) allein der
singular vorkommt, erscheint in den Maccabäern (an 7 stellen) bei-
nahe ebenso konstant der plural (nur 1 Macc. 13, 17 inimicitiam
magnam). Allerdings darf hier nicht verschwiegen werden, dass
Hieronymus in dem gebrauch des sing. angustia (neben angustiae)
scopa (in B scopae) altare sertum virgultum konzessionen an die
sprache seiner zeit macht. Dagegen rettet er seine ehre wieder
durch die ausschliessliche verwendung der formen obedio (in A auch
Philologus. XLII. bd. 2. 22
338 Zu der Vulgata.
obaudio eccli. 33, 30 u. ö.), aestuare (in A einmal aestuari: eceli.
51, 6), odorari ,riechen* gen. 8, 21 u. à. (in A und B odorare:
eccli. 30, 19. psalm. 113, 6). Ja Hieronymus überbietet in C dea
Cicero und dessen zeitgenossen noch in dem ausschliesslichen ge-
brauch vou a te, da Cicero wenigstens in seinen jugendschriften
auch abs te hüufig verwandte (vgl. meine dissertation über Corai-
ficius p. 78); in A und B steht auch abs te: eccli. 7, 2. Bar. 5,
6. Matth. 5, 29. 30 u. 6.
Auch in der auswahl zwischen gleichbedeutenden würtern nimmt
Hieronymus die klassischen autoren zu mustern. Er verschmäht
sanctitudo psalm. 92, 5 und sanctimonia psalm. 95, 6. Hebr. 12,
14 und begnügt sich mit sanctitas exod. 15, 11 u. è. (vgl. meine
dissertation über Cornif. p. 94); er verwirft das mehr nachklassi-
sche munimen 1 Macc. 10, 23 und adoptiert das durch Cüsars
vorgang (b. gall. 2, 17) mit dem stempel der klassicität versehene
munimentum: prov. 12, 12 u. 6. Laesio 1 Esdr. 4, 14. Dan. 6,
23, das durch Ciceros autorität de or. 3, 205 geschützt war, zog
er der gleichbedeutenden bildung laesura (sap. 11, 20. 18, 3) vor,
die so wenig gnade vor seinen augen fand als aeramentem eceli.
12, 10. Marc. 7, 4. apocal. 18, 12, das er durch aes ersetzt.
Inaccessus Job 39, 28, das, wenn auch nicht Cicero selber, se
doch Vergil, Plinius und Tacitus verwandten, dünkte ilim korrekter
als inaccessibilis 1 Tim. 6, 16, das er allerdings in seinen übri-
gen schriften häufig genug gebraucht. Der von Cicero anerkannten
form hiemalis tusc. 5, 77. divin. 2, 33. fam. 6, 20, 1 schliesst
sich auch Hieronymus an: Jer. 36, 22. Amos 3, 15, während die
Itala das an. dey. hibernalis sap. 16, 29 (aber Amiat. auch hier
hiemalis!) aufweist, das erst gebildet werden konnte, als hibernum
(fr. hiver, ital, inverno) an die stelle von hiems getreten war.
Dem unklassischen odibilis sap. 12, 4. Tit. 3, 3 u. è. zog er
odiosus, dem zum ersten mal bei Columella auftretenden subitaneus
sap. 17, 6. 14. 19, 16 das klassische subitus 1 reg. 4, 19. Job
22, 10 vor, und wie sehr er sich in C gegen impossibilis strüubte,
zeigt die thatsache, dass er dies in die romanischen sprachen über-
gegaugene wort (fr. impossible, it. impossibile), das in A Smal, in
B 12mal erscheint, nur einmal bringt: Dan. 4, 6 et omne sacra-
mentum non est impossibile tibi, und zwar in der passiven, nicht
in der aktiven bedeutung ,,ohnmüchtig" sap. 11, 18. Possibile
Zu der Vulgata. 339
(in A 1, in B! 7) vermeidet er ganz, verwendet aber einmal pos-
sibilitas: 2 Esdr. 5, 8 secundum possibilitatem nostram. Garrulus
prov. 7, 10 keant zwar Cicero nicht, der nur das in der Vulgata
fehlende loquax billigt, ersteres ist aber immerhin besser (vgl. z. b.
Cornif. 2, 16) als linguosus psalm. 139, 12. eccli. 9, 25 oder lin-
guatus eccli. 8, 4. 25, 27, womit A und B ihren bedarf decken.
Das simplex rigare, das bei Cicero nur einmal und zwar im vers
div. 1, 20 sich findet, bat auch Hieronymus nur einmal Job 24, 8
(A 1, B 7mal), da er soust im anschluss an Cicero das kompo-
situm irrigare (12 st. in C, fehlt in A und B) vorzieht.
Ganz ähulich verfährt Hieronymus, wenn ein wort mehrere
bedeutungen aufweist. Incredibilis heisst in C nur „unglaublich“:
iudic. 20, 5 incredibili furore libidinis, Esther 2, 15; für die
aktive bedeutung „nicht glaubend, unglüubig*, welche das wort in
A und B aufweist (eccli. 2, 18 non erunt incredibiles verbo, Bar.
1, 19. Tit. 1, 16 u. ö.), setzt Hieronymus lieber incredulus.
Das streben des Hieronymus nach reiner diktion üussert sich
auch io der weise, dass er eine anzahl griechischer wörter, die
sich io A uod B finden, durch lateinische ersetzt. Für cataclysmus
eccli. 39, 28. 40, 10 kennt er nur inundatio und diluvium; basi-
liscus psalm. 90, 13 gibt er durch die wörtliche übertragung re-
gulus prov. 23, 32. Jes. 11, 8 u. 6. Moechus (nur levit. 20, 10)
und moechari lüsst er zwar zu, vermeidet aber moechia sap. 14,
26, für das er adulterium und stuprum vorzieht. Thronus bat er
zwar, wie A uud B, oft genug (48mal in C), gibt aber solium (74
st) den vorzug, das A und B nicht kennen. — Damit ist übri-
gens keineswegs ausgeschlossen, dass auch bei Hieronymus sich
eine ziemlich stattliche anzahl griechischer wörter, namentlich tech-
nischer ausdrücke und benennungen von thieren findet (Loch p. 7).
Als heispiel für die verbindung einzelner wörter diene necesse,
das Hieronymus fast durchgängig mit esse verbindet: gen. 25, 22.
33, 15 u. ö.; nec. habere findet sich in C nur einmal 1 reg. 18,
25 non habet necesse rex sponsalia (so ist die richtige wortstellung
nach den handschriften), jedoch, wie man sieht, in negativer form,
wodurch die vorschrift des ciceronianischen stiles gewahrt ist:
Quinct. 13. de opt. gen. or. 14. Att. 10, 1, 4. 12, 39, 1. 16,
2, 5 und Landgraf, De Ciceronis elocutione etc. p. 43 f. Zu bei-
spielen, wie sie in B auftreten: Luc. 14, 18 villam emi et nec.
22°
340 .. Zu der Vulgata.
habeo exire (Luc. 23, 17 u. ö.), hat sich Hieronymus in C nicht
herbeigelassen.
Noch in vielen andern punkten lasst sich bei Hieronymus ein
anlehnen an klassische muster erkennen, so in dem gebrauch von
inquam, das in A und B nicht einmal der form nach vorkommt,
zur hervorhebung eines begriffes: Ezecb. 24, 3 pone ollam: pone,
inquam u. 6. Unklassische bildungen gibt Hieronymus lieber durch
zusammengesetzte ausdrücke, wie dem cervicatus der Itala eccli.
16, 11 bei ihm ein durae cervicis exod. 32, 9. deut. 9, 13 u. 6.
entspricht. Bemerkt sei noch, dass der superlativ scientiesimus
ausser bei Cicero inv. 1, 58. de or. 1, 49, 214 nur noch bei
Hieronymus 2 paral. 2, 13 nachgewiesen ist.
Nach dem im vorhergehenden ausgeführten dürfen wir wohl
schon jetzt darauf hinweisen, wie verkehrt es ist, alle sprachlichen
erscheinungen, die in der Vulgata vorkommen, obne weiteres als
vulgär zu bezeichnen, ein fehler, in den man bislang häufig ver-
fallen ist. Nicht nur dass die drei gruppen immer sorgfältig zu
scheiden sind, bei den von Hieronymus übersetzten partien bat man
sich überdies noch die frage vorzulegen, ob wir nicht eine be-
wusste nachahmung der klassischen diktion vor uns haben.
Einen entscheidenden schritt zu dem, was wir oben ,sprach-
liche reaktion“ nannten, that Hieronymus dadurch , dass er wörter,
die in der damals gesprochenen spracbe lüngst ausgestorben waren,
wieder in ihre alten rechte einzusetzen versuchte; diese so reakti-
vierten wórter sind demnach als reine archaismen zu betrachten.
Wenn Landgraf in der besprechung meiner abhandlung über den
Apolloniusroman (Philo). rundschau 1, p. 504 anm.) mittheilt, dass
das wort oppidum im N. T. ganz fehle, wührend es sich im A. T.
ziemlich häufig finde, so war diese bemerkung genauer dahin zu
fassen, dass oppidum nur in den von Hieronymus selbständig über-
setzten theilen der Vulgata auftrete (gen. 13, 12. 24, 11 u, ö,
im ganzen 44mal); es ist beigezogen zur abwechslung mit dem
überaus hüufigen civitas. Der gebrauch von oppidum aber ist rei-
ner archaismus; nicht nur dass das wort in A uud B gänzlich fehlt,
wo doch gelegenleit genug zu seiner verwendung gewesen wire,
auch die romanischen sprachen weisen keine spur mehr davon auf.
So restauriert Hieronymus das lüngst verschollene simplex fari
Jes. 59, 3 et lingua vestra iniquitatem fatur. — Offenbar bestimmte
Zu der Vulgata. 341
den übersetzer zur wahl des alterthümlichen wortes dessen feier-
liches ethos, das dem ton der heiligen schriften, speziell dem eines
prophetischen abschnittes, hóchst angemessen schien, wozu an un-
serer stelle auch noch die mehr dichterische konstruktion binzu-
kommt. Auch die noch vorkommenden komposita von fari dürfen
alle auf Hieronymus zurückgeführt werden: Dan. 6, 20 et affatus
est eum; Dao. 5, 13 praefatus rex (in dieser stelle sehe ich das
vorbild zu der im mittelalter so häufigen passivischen verwendung
von praefatus, z. b. lib. de Constantino p. 2, 10 in urbe praefata,
p. 2, 11. 3, 3 u. 6); wenn effari ausser prov. 18, 23 auch noch
psalm. 93, 4 effabuntur et loquentur iniquitatem vorkommt, so darf
auch letztere stelle um so eher dem Hieronymus zugeschrieben
werden, als sie eine merkwürdige übnlichkeit mit der oben citierten
Jes. 59, 3 zeigt.
| Das alterthümlich-feierliche ethos war es auch, was den über-
setzer zur aufnahme des veralteten quaeso (quaesumus nur Dan. 3,
34. Jon. 1, 14) bestimmte, das nach Heerdegen, „Orare“ p. 69
schon beim jüngern Seneca günzlich verschwunden ist. Und zwar
steht quaeso nicht etwa bloss zur verstürkung einer bitte oder
eines befehls (gen. 13, 8 ne quaeso sit iurgium inter me et te u.
ö.), sondern auch als selbständiges verbum mit folgendem ut: gen.
23, 13 quaeso ut audias me u. ö., eine konstruktion, die schon zu
Ciceros zeit so veraltet war, dass in den briefen an Atticus unter
61 beispielen der verwendung von quaeso nur noch viermal der fall
einer verbindung mit ut oder dem blossen konjuuktiv vorkommt.
Ja als transitives verbum in verbindung mit einem objekt steht
quaeso bei Hieronymus: iudic. 19, 6 quaeso te ut hodie hic maneas,
2 paral. 18, 12. Judith 9, 3, ein fall, der bei Cicero überhaupt
nur noch einmal vorkommt: Rosc. Am. 11 te —, M. Fanni, quaeso.
Dass sich aber Hieronymus auf den acc. te beschrünkt hat (zur
verwendung der andern stehenden formel deos quaeso war für ihn
keine gelegenheit), zeugt vou seinem feineu gefühl für sprachliche
dinge und seinem eingehenden studium der alten klassiker (vgl.
meine diss. üb. Cornif. p. 59). — Betreffs der übrigen verba des
bittens bemerke ich gelegentlich, dass supplicare, das schon bei Li-
vius nur noch in technischem sinu auftritt, in der Vulgata ausge-
storben ist und durch suppliciter deprecari deut. 9, 25 ersetzt wird.
Auch ea tempestate im sinne von eo tempore 1 paral. 21, 29,
342 Zu der Vulgata.
2 paral. 28, 9 halte ich für bewusste nachahmung etwa des Sal-
lust, bei dem diese wendung bäufig ist: Cat. 7, 1. 17, 7. 22. 1
u. 6. Wenn auch Viktor von Vita 3, Q. 55 ea tempestate schreibt,
so mag dies auf die lektüre der übersetzung des Hieronymas zu-
rückzufübren sein. — Noxa, das seit Tacitus und Sueton pur
noch in der sprache der juristen als technischer ausdruck fortlebte,
wird von Hieronymus gelegentlich wieder hervorgesucht: exod. 21,
16 convictus noxae morte moriatur (an einer, wie auch die etym.
figur beweist, höchst feierlichen stelle), exod. 32, 31. num. 35,
27. 1 Esdr. 4, 13. Denselben feierlichen charakter trägt auch
patrare gen. 2, 2 et requievit ... ab universo opere quod patrarat
(vgl. Cic. leg. 2, 8, 19 operibus patratis im text der gesetze); s.
noch deut. 4, 25 (patrantes malum wie facinus patrare bei Sall.
und Livius) und gen. 34, 30. Nicht genau lässt sich entscheiden,
ob pendere mit einem gen. pretii (konstant parvi pendere in C:
gen. 25, 34. levit. 20, 4. 2 paral. 36, 16. Esther 1, 18), das
namentlich bei den komikern, aber auch bei Horaz sat. 2, 4, 93
auftritt, als archaismus oder, da es noch bei Augustin (pluris mi-
noris pendere) erscheint, als ein aus der lebendigen volkssprache
geschüpfter vulgarismus anzusehen ist. Dagegen dürfen wir bei
mas maris gen. 17, 23. 31, 10 u. à. (im ganzen 11 mal) be-
stimmt künstliche reaktivierung annehmen. Das wort war ver-
schwunden, weil es in den meisten kasus mit mare kollidierte, wes-
balb soger Hieronymus (ausser maribus: gen. 34, 24. 2 paral. 31,
16) our die beiden nicht zusammenfallenden formen marem levit.
3, 1 und (8mal) mares verwendet. Seine stelle in A und B ver-
sehen masculus und masoulinus.
Das bestreben, statt der gewöhnlichen, schon verbrauchten
wörter gewähltere, seltnere zu verwenden, um so dem ganzen stil
das gepräge der vornehmheit zu geben, lässt sich oun noch weiter
an eiuer reihe von beispielen nachweisen, wobei übrigens nicht be-
hauptet werden soll, dass die sämmtlichen im folgenden aufge-
zäblten wörter zur zeit des Hieronymus schon aus der lebenden
sprache verschwunden gewesen wären. Cunctus bringt Hieronymua
nicht weniger als 542mal, und die drei beispiele in B! (act. ap.
8, 40. Rom. 16, 4. Phil. 1, 4) sind möglicherweise auch auf
ihn zurückzuführen, so dass nur zwei belege aus A übrig bleiben:
Bar. 1, 9. 2 Macc. 9, 20. Da quispiam, gewählter als aliquis,
Zu der Vulgata. 343
in C 54mal, in B dagegen nur imal (Marc. 15, 21) erscheint, so
liegt auch hier wieder die vermutbung nahe, dass letzterer beleg
dem Hieronymus zu verdanken ist. Sein streben nach klassizitat
des ausdruckes geht soweit, dass er sogar begriffe aus der heidni-
schen mythologie in das A. T. bringt; wir lesen sirenes Jes. 13,
22, fauni Jer. 50, 39, Adonis Ezech. 8, 14 (Adonem Am., was
aufzunehmen wire) u. 8. w.; und so wundern wir uns deon gar
nicht, weno uns in C das spezifisch römische wort optimates be-
geguet (3 reg. 21, 8. 11 u. ö.), dessen begriff in A und B eio-
fach durch mobiles gegehen wird.
Ich führe nun noch eine anzahl solcher gewählter würter an,
die, wofern nicht anders bemerkt ist, selbstverstándlich nur in €
vorkommen: Adoleo ,,anziinden“ (= incendo in ABC) steht 55mal
als technischer ausdruck der opfersprache; zu bemerken ist das
seltene perfekt adolevi levit. 8, 16. 20. 28. 9, 10. 2 paral. 28,
3. 29, 7; animadverto (= sentio in ABC); artus (membra in
ABC); caesaries (capillus in ABC, crinis und coma in BC); cassis
(galea in ABC); cruor (sanguis in ABC); famula (ancilla iu ABC;
auch serva 2mal nur in C); ferio bedeutet nicht bloss „schlagen
verwunden“, sondern steht auch in den verbindungen foedus pactum
ferire deut. 29, 14. Job 40, 23 u. ö.; inclitus; lucus nemus nebst
nemorosus ; luo ,,büssen‘ Job 20, 18 luet quae fecit omnia; ensis
und mucro; pauperies prov. 6, 11 ist offenbar das gewühltere wort
gegenüber paupertas, ebenso plectere „strafen“ deut. 21, 22 gegen-
über punire. Ein rares kabinetstück ist das der sprache der
censoren entnommene asyodeton sarta fecta (Preuss, De bimembris
dissoluti . . . usu sollemni p. 107), das Hieronymus wieder her-
vorgesucht hat: 4 reg. 12, 5. 6. 7. 8. 12. 22, 5. 2 paral. 24, 5.
Hatten schon einzelne der eben angeführten artikel (wie cae-
saries) einen poetischen charakter, so lassen sich derartige ele-
mente noch in weit grösserer anzahl aufführen. Ich rechne hierher:
fluentum (immer im plur. fluenta uum. 13, 30. Jos. 5, 1. 13, 8
u. 6.), das auch sonst bei Hieronymus vorkommt (vgl. ep. 97, 3),
fragor germen innumerus iugales „doppelgespann“ libamen (auch li-
bamentum libum our in C), praesagus mit folgendem genetiv (gen.
41, 11 vidimus somnium praesagum futurorum) u. s. w.
Manche andere wörter gewählten charakters sind zwar nicht
auf C beschrünkt, dürfen aber doch wegen der überwültigenden
344 Zu der Vulgata.
menge der belege als eigenthümlichkeiten des Hieronymus be-
trachtet werden. : Beispielsweise nenne ich: Urbs in A 2mal in
der formel ab urbe Roma, in B! 3mal, in C 366mal; gradior,
das Hieronymus 50 mal verwendet, erscheint sonst nur eceli. 1,
16. psalm. 31, 8; pango steht 29mal in C und zwar fast kon-
stant in verbindung mit den beiden objekten foedus und pactum
(aber vergl. 1 paral. 16, 16 sermonis . . . quem pepigit cum
Abraham), wührend die beiden stellen in À und B (1 Macc. 15,
27. Luc. 22, 5) eine freiere verwendung aufweisen.
Bei einzelnen der oben angeführten wérter gewählten cha-
rakters, wie adoleo animadverto artus u. s. w., haben wir zugleich
die dieses charakters entbehrenden syuonyma (incendo sentio mem-
bra) angegeben, welche in A und B zur verwendung kommen.
Wir beobachten aber dabei, dass diese synonyma fast regelmissig
auch in C sich zeigen, so dass also da, wo A uud B für einen be-
griff auch nur ein wort kennen, Hieronymus dafür zwei (oder
mehrere) hat. Dies ergibt für die beurtheilung der diktion des
Hieronymus einen neuen, überaus fruchtbaren gesichtspunkt, den
der (gesuchten) abwechselung. Ich meine hier natürlich nicht
jene art von (gezwungener) abwechslung, bei der der übersetzer,
wenn er verbundene synonyma des urtextes wiedergeben soll, noth-
gedrungen zu einem worte greift, das er sonst vermeidet. In
diese nothlage ist Hieronymus einige male versetzt worden: Amos
3, 12 in Samaria in plaga lectuli et in Damasci grabato
(letzteres wort sonst nur noch in B!); 2 paral. 2, 12 filium sa-
pientem et eruditum. et sensatum atque prudentem (sensatus sonst
nur noch in eccli.) Ich denke vielmebr an die gesuchte und beab-
sichtigte abwechslung, bei der der übersetzer da, wo sich der wort-
arme hebrüische urtext mit einem ausdruck begnügt, im interesse
seines stiles und seiner leser deren mehrere verwendet. Als bei-
spiel mögen die ausdrücke für den begriff „philister“ dienen, B
hat dafür einmal das griech. allophyli psalm. 55, 1, das sonst in
der Vulgata nicht wieder vorkommt, wührend es im übrigen kir-
chenlatein, z. b. in den chronica des Sulpicius Severus häufig er-
scheint. A kennt our die hebräische indeklinable form Philistiim,
Hieronymus aber ausser dieser auch noch Philistaeus und Phili-
stini. Während aber die hebrüische form für alle kasus gleich-
massig verwendet wird, haben die beiden andern speziell hierony.
Zu der Vulgata. 845
mianischen würter ihre funktionen so getheilt, dass das letztere
nur io der form Philistinorum (59mal) auftritt, während die übri-
gen kasus des plur. und der sing. von Philistaeus genommen wird,
das seinerseits den gen. plur. nicht bildet. Ein anderes beispiel:
B behilft sich mit pestilentia: psalm. 1, 1. Matth. 24, 7. Luc.
21, 11, Hieronymus aber kennt ausser diesem auch noch pestis
(22mal), das in AB fehlt. Dass aber beide wörter die völlig
gleiche bedeutung haben, erkennt man aus der vergleichung von
stellen wie Jer. 24, 10 gladium ef famem et pestem und Ezech.
12, 16 a gladio et fame et pestilentia.
Um wun einen begriff zu geben von dem reichen wortschatz,
über den Hieronymus verfügt, gebe ich im folgenden ein verzeichnis
solcher (meist gewählter, seltner vulgürer) wörter, die bestimmt
sind mit andern, io C (aber grossentheils auch in A und B) vor-
kommenden synonymen abzuwechseln. Diese synonyma führe ich
der kürze halber nur ausnahmsweise an, sie ergeben sich auch in
der regel von selber. Die angeführten artikel kommen, wofern
nicht das gegentlieil ausdrücklich bemerkt ist, nur in C vor: Ac-
cresco adamo armentum casirumelari clivus coaevus cohibeo condico
coniugium cubo culmen cupido delibero depopulor nebst depopulatio
und depopulator, discrimen discooperio edulium e regione, esus (esca
cibus in ABC) expiare fabre nebst fabrefio favilla grandaevus gra-
tuitus ictus (part.) imprecor nebst imprecatio incolo indigena indu-
siria nebst industrius infantulus iugis nebst iugiter iugulare, iu-
gum = bergrücken, iurgium nebst iurgor, lacero nebst dilacero
laevus lassus latito latrunculus legifer lustro nebst lustratio manu-
biae medeor messio mico moenia monstro mutuo und vicissim (in-
vicem in ABC) nasus nequeo nebst queo, nozius nehst innoxius uud
insons obfirmo (Hieronymus hat eine entschiedene vorliebe für kom-
posita mit ob; nur in C finden sich weiter noch obrigeo obruo ob-
iurgo obtego obsurdesco obtenebro obtero obtestor obtingit) occubitus
der untergang (von gestirnen; so auch occumbo bei Hieronymus),
opitulor opulentus omnimodus orbari ordior palari pando papilio
nebst tentorium (tabernaculum in ABC) patibulum (= crux in BC)
pavidus peculium nebst peculiaris perfruor perquiro perterreo piacu-
lum, pigredo an. Asy., placitum als subst. plaga = pars mundi,
plaustrum poenitudo potiri praeficio nebst praefectus praecipio prae-
stolor proceres procul (in C 57, in A 1) promineo pronus. protelor
346 Zu der Vulgata.
quatio (1 paral. 16, 42 quatientes oymbala wie Verg. georg. 4,
64 quate oymbala) querimonia (= querela in ABC) quondam (ia
ABC olim) racemus rebellio recenseo refocilo (= refrigero in ABC)
reperio (in C 77, in Al) respergo rite rizor nebst rixosus robore
(= corroboro conforto in ABC) robustus (in C 82, in A 1) sagum
saltus (in C 42, in A 2) sciens nebst gnarus scortum soboles so-
por sopior sortito sospes nebst sospitas specus (= spelunca in ABC)
spiramentum sponte stilla (== gutta in ABC) stipare strenuus
sirues stuprum subiugo subter succresco summitas suppulo nebst
supputatio superficies tabes temulentus (= ebrius in BC, ebriosus in
AB, ebriacus in A) tenellus (in BC tener) torpeo turma vagus valoae
vastus nebst vastitas vecors nebst vecordia vepris vergo (immer von
der himmelsgegend) vetustus victima in C 112, in B! 2 (darunter
act. ap. 7, 42 victimas et hostias; sonst hostia in ABC) virecta
vireo nebst vigeo vocabulum voro (== devoro in ABC).
Das hier zusammengebrachte material lässt sich nach verschie-
denen seiten hin verwerthen, was wir leider hier unterlassen miis-
sen, da es uns zu weit führen würde. Ich weise nur noch darauf
hin, dass besonders das gebiet der partikeln (adverbia und kon-
junktionen, weniger prapos, und interjekt.) reichen stoff liefert.
Idcirco finde ich in C 146mal, und so mag die einzige stelle, an
der es in B steht (Hebr. 7, 23), wieder auf Hieronymus zurück-
zuführen sein; die beiden andern gruppen decken ihren bedarf mit
ideo und eo (immer eo quod und dies fast regelmüssig mit dem
konjunktiv; vgl. Tischend. zu exod. 13, 16), die aber beide auch
von Hieronymus verwandt werden. Dus gewallte en (41mal in
C) ist wohl küastlich restauriert, da nur ecce (ital. ecco == eccum)
in die romanischen sprachen übergegangen ist. Auch interim (nur
gen. 43, 1. Jos. 22, 18. Job 34, 37) mag zur zeit des Hie-
ronymus schon bedroht gewesen sein; seine stelle versieht noch
interea, dem aber bereits bedenkliche konkurrenz gemacht wird
durch das immer mehr um sich greifende inter haec z. b. levit. 10,
16. num. 13, 31, wie auch postea durch post haec beeintrüchtigt
wird, z. b. exod. 2, 1. 3 reg. 21, 19. Tob. 2, 1. — Reiches
material bietet insbesondere auch das kapitel von den fragesätzen,
über welches Hagen p. 49 ff. haudelt. Ich bemerke zu p. 50, 8,
dass num als fragepartikel sich lediglich in C findet (46mal), wüh-
rend das viel büufigere numquid in den drei gruppen siemlich
Zu der Vulgata. 347
gleichmässig vertreten ist. Num war zur zeit des Hieronymus of-
fenbar schon untergegangen: der verlust des schliessenden m uud
die dumpfe aussprache des u zogen ihm kullision mit non zu, auch
hatte das wort zu wenig kórper und gewicht, und dies wurde ilim
gegeben durch anhäugung von quid. Fast will mir scheinen, als
ob die durch anfügung von ne gebildete einfache direkte frage,
eine ausdrucksweise, die in der Vulgata nicht häufig ist, überwie-
gend auf C beschränkt sei (gen. 29, 6. 43, 27 u. 6). Sicher ist,
dass an bessere zeiten der lat. sprache erinnernde verbindungen wie
ergone 1 reg. 14, 45. 2 reg. 19, 22 u. ö., hicine haecine (se
steht im Amiat. deut, 32, 6. 1 reg. 21, 15. 3 reg. 9, 13, dage-
gen haeccine 4 reg. 9, 37. thren. 2, 15) oder sicine 1 reg. 15,
32 (so im Amiat.) nur in € gefunden werden.
Die anzahl der lediglich in C vorkommenden (nicht von ad-
Jektiven gebildeten) ad verbien und konjunktionen ist keine kleine.
Manche derselben hat Hieronymus gewiss wieder zur abwechsluog
mit gleichbedeutenden verwandt, wie wir deren mehrere im vorher-
gehenden aufgezählt haben. Dazu kommt aber gerade bei diesen
wortklassen ein neuer, wohl zu berücksichtigeuder gesichtspunkt.
Jedermann kennt die ungelenkheit der hebräischen sprache in sya-
taktischer hiosicht, ihre armuth ao partikeln, die sich ganz beson-
ders bei einer vergleichung mit den altklassischen sprachen fühlbar
macht, ihre geringe beweglichkeit, wenn es gilt, gedanken zu ein-
ander in die logisch-richtige beziehung zu setzen. Welche fülle
von verbültnissen muss z. b. allein das kopulative 1 oder ^w be-
zeichnen! Diese oft dem unbehülflichen stammeln des kindes ver-
gleichbare ausdrucksweise wurde in der alten Itala beibehalten und
war hier um so angemessener, als ja die volkssprache, wie zu al-
len zeiten und bei allen vólkern, so auch damals bei den Rómern
nur eben diese primitive satzfügung kannte und verstand, wie sie
das hebráische original von vornhereiu darbot. Anders lag die
sache für Hieronymus. Er, der für die gebildeten seiner zeit die
bibel bearbeitete, der wiederholt den satz aufstellt, dass man bei
der übersetzung nicht die wortform, sondern den inbalt wiederzu-
geben bemüht sein müsse, und sich zur rechtfertigung seiner me-
thode nicht bloss auf Cicero und Horaz, sondern aucb auf Christus
und die apostel bei deren citaten aus dem A. T. beruft, er, der
lieber vom genauen wortlaut des hebräischen textes abweichen, als
348 Zu der Vulgata.
unklar und unverstindlich werden will, er musste an stelle der
kindlichen ausdrucksweise des hebräischen originals die gereifte,
männliche der lateinischen sprache setzen. Er musste dem einzel-
nen wort das gehörige kolorit im satze geben, die sätze und ge-
danken aber zu einander in die entsprechende beziehung bringen,
und dies geschah eben durch anwendung fein- nüancierender parti-
keln. Zu bedauern ist nur, dass die konkordanzen gerade in die-
sem punkt oft kein erschépfendes material bieten; so entzieht sich
gewiss eine reihe interessanter thatsachen vorerst noch ger beob-
achtung.
Wir finden demnach allein in C: attamen (15mal), nempe Job
19, 4 nempe, etsi ignoravi, mecum erit ignorantia men; nec non
steht beinahe konstant in der verbindung nec non et (auch 3 reg.
20, 21 nach dem zeugnis der meisten codd.), seltner fehlt ef, wie
1 paral. 3, 8. 18, 8. 2 paral. 29, 14. 35, 9. Dumtaxat er-
scheint ausser levit. 25, 50 und deut. 12, 16 konstant in den ver-
bindungen ita dumt. ut (11mal) und ita d. si (imal). Penitus
steht meist (18mal) in verbindung mit einer negation oder einem
negativen begriff, z. b. levit. 5, 8 ita ut... non p. abrumpatur,
1 reg. 20, 39 quid ageretur, p. ignorabat, ausserdem 3mal in un-
mittelbarer zusammenstellung mit donec: deut. 7, 23. 2 paral. 31,
1. Jer. 44, 27, so dass als ausnahme nur bleibt: Jes. 2, 18 idola
p. conterentur. — Praesertim findet sich nur in der redensart pr.
cum (7mal) ibidem entweder mit morari gen. 26, 8. Jos. 11, 11
oder mit reperire 4 reg. 7, 5. 10. 1 paral. 4, 41; aber Ezech.
48, 35, wo ibidem das letzte wort des wanzen buches bildet, wurde
es statt des einfachen ibi offenbar gewühlt, um einen kräftigeren
abschluss zu gewinnen. Auch equidem hat Hieronymus allein, je-
doch nur éinmal dem klassischen gebrauche entsprechend: Jer. 38,
26 equ... . proiciam ; sonst ist es einfache versicherungspartikel,
sowohl in verbindung mit verben (3 reg. 2, 26 equ. vir mortis es)
als für sich allein stehend: 1 reg. 21, 5. Jes. 49, 25. Die re-
geln der besten zeit wahrt Hieronymus, wenn er oppido mit einem
adjektiv schlimmen sinnes wie lassus gen. 25, 30 verbindet (vgl.
Wölfflin, Komparation p. 21), womit man 2 paral. 35, 23 o. vul-
neratus vergleichen mag; mit einer reinen verbalform steht das
adverb gen. 19, 3 compulit illos oppido. Zu den übrigen nur in
C vorkommenden partikeln habe ich nichts zu bemerken; es sind:
Zu der Vulgata. 349
denique dudum huousque magnopere nimirum (imal Job 12, 7) pa-
rum parumper passim paulisper plane prorsus quandocunque scilicet
videlicet. — Andere hierher gehörige elemente sind zwar nicht
auf C beschränkt, überwiegen aber hier so stark, dass man ihren
gebrauch wohl als eigenthümlichkeit des Hieronymus ansehen darf.
Ich nenne: namque (in C 8, in B! 3), welches ausser 2 paral. 20,
23 immer an zweiter stelle steht, nequaquam (in C 62, in A 1,
in B! 5), nihilo minus (in C 9, in B! 1), porro (in € 268, in
B! 4), quippe (in C 62, in A 2, in B! 6), saltem (in C 15, in
B' 1) u. s. w.
Die folgenden artikel sollen den unterschied zwischen C einer-
seits und AB andrerseits im einzelnen noch näher beleuchten. Von
den beiden wörtern für „ohne“, absque und sine, bevorzugt Hiero-
nymus das erstere ganz entschieden. Es steht bei ihm 186mal,
wogegen A nur 2, B! nur 3 beispiele aufzuweisen hat. Umge-
kehrt finde ich sine in C nur 40mal, während A 60, B! 115 und
B? 9 beispiele hat. Auffallig mag es scheinen, dass sich Hiero-
nymus nicht an das von Cicero gebilligte, sondern an das aus-
schliesslich vulgäre wort angeschlossen hat. Vielleicht dünkte ihm
die kraftigere, voller klingende form absque dem tone der heiligen
schriften entsprechender. Als konzession an die vulgürsprache ist
auch die nominativform margaritum prov. 25, 12 zu betrachten
(in B überall margarita, soweit sich der nominativ deutlich erken-
nen lässt: Matth. 7, 6. 13, 45 u. 6.). Für die auswahl zwischen
doppelformen wie praecoquus (so C: num. 13, 21. Micb. 7, 1)
und praecox (so A: eccli. 51, 19), pusillanimus (so C: Jes. 35,
4) und pusillanimis (so AB: eccli. 7, 9. 1 Thess. 5, 14), femi-
nalia (so C: exod. 28, 42 u. ö., auch sonst bei Hieronymus: ep.
64, 14) und femoralia (so A: eccli. 45, 10) hatte Hieronymus
keine richtschnur aus der eigentlich klassischen zeit. Umgekehrt
stand ihm für die beiden adjektive natalis und natalicius die au-
toritat des Cicero zur seite (natalis dies z. b. div. 2, 87; sidera
natalicia div. 2, 91), bei dem sich übrigeus die beiden ihrer be-
deutung nach nicht völlig decken; Hieronymus entschied sich in C fiir
natalicius gen. 40, 20 dies tertius natalicius Pharaonis erat, wüh-
rend AB natale als substantiv haben: 2 Macc. 6, 7 in die natalis
regis, Matth. 14, 6. Marc. 6, 21. Dagegen hat weder pulmentum
(so €: gen. 25, 29. 27, 4. 17 u. 6.) noch pulmentarium (so B:
350 Zu der Vulgate.
Joh. 21, 5) dem Cicero beliebt, der an der einzigen stelle, an der
das wort bei ihm vorkommt (Tusc. 5, 90), die form pulpamentum
gewühlt hat. Neben epulae, das die drei gruppen kennen, hat C
noch als nebenform epulum num. 10, 10, A epulatio = roupr sap.
19, 11. eccli, 37, 32. Das eigentliche wort für „schaden“ ist
bei Hieronymus damnum (C 13, B! 1, fehlt in A), in B hingegen
deirimentum (B! 8, A 1, fehlt in C). Von vendo kennt B nur die
aktiven formen, A ausser diesen auch noch das particip venditus
sap. 10, 13, am weitesten greift Hieronymus, der auch noch die
passiven formen des prüsensstammes bildet: gen. 42, 1 venderentur,
ib. 42, 6 vendebantur u. 6. Da veneo (wohl wegen kollision mit
venio) auf sehr schwachen füssen steht (in B! 4, in C 2), so greift
B für das passiv öfter zu venumdare, von dem es formen des prä-
sens- wie des perfektstammes bildet, wührend A sich mit den letz-
tern begnügt. Auch hier ist die gróssere mannigfaltigkeit des ge-
brauches auf seite des Hieronymus, der nicht nur die passiven for-
men des prüsens- und des perfektstammes, sondern auch, wena
gleich seltener, die aktiven formen bildet: venumdabant 3 reg. 10,
29, venumdabunt Ezech. 48, 14 u. 6.
Wie schon oben io der einleitung p. 322 angedeutet worden
ist, zeigen sich bervorstechende unterschiede aicht bloss unter den
drei grossen gruppen in ihrem gegenseitigen verhältnis, sondern
auch unter den einzelnen bestandtheilen dieser gruppen. Dass ge-
wisse wörter auf gewisse schriften beschränkt sind, hatten wir
schon oben zu bemerken gelegenheit. Natürlich zeigen sich
derartige stilistische unterschiede am deutlichsten in C, in den von
Hieronymus selbständig übersetzten stücken, der in der langen zeit,
während der er übersetzte, seinen stil erst ausbildete und vervoll-
kommnete. Da sich gemelli nur im hohen lied findet (4, 2. A, 5.
6, 5. 7, 3), wie auch genitrix (3, 4. 6, 8. 8, 5), so schliessen
wir daraus, dass diese beiden gewählten wörter dem gehobenen
tone des liedes zu lieb herangezogen wurden. Die umgekehrte er-
scheinung hinsichtlich der auswahl der wörter treffen wir in des
büchern Tobias und Judith. Diese beiden schriften hat Hierony-
mus in kürzester zeit übersetzt, das buch Tobias z. b. in éinem tage,
weil ihm nicht länger der jüdische rabbi zu gebot stand, der ihm
das chaldäische original mündlich ins hebräische übertrug. Dass
eine solche eilfertigkeit die stilistische durchfeilung stark beein-
Zu der Vulgata. 351
trächtigte, wenn nicht gänzlich verhinderte, und dass sich Hiero-
nymus bei der übertragung vielfach an den ihm geläufigen ausdruck
der Itala halten musste, lässt sich leicht denken, und wir finden bei
näherer prüfung das urtheil Kaulens, Gesch. d. V. p. 180, „am
tiefsten stehen unter allen seinen übertragungen die der deutero-
kanonischen bücher Judith und Tobias“ vollkommen bestätigt. Nur °
in diesen büchern finden wie wörter wie exterminium Judith 4, 10
oder das echt vulgüre improperium Tob. 3, 4 (hier hat der Amia-
tinus allerdings obprobrium !) 3, 7. 11. 15. Judith 8, 24, das
zwar, wie auch das verbum improperare, in AB und sonst im kir-
chenlatein oft genug erscheint, von Hieronymus aber in seinen
sorgfültiger gearbeiteten schriften durch opprobrium ersetzt wird.
Honorifico (A 6, B! 14, B? 4) ist aus der Itala stehen geblieben
Judith 12, 12, wie auch die ganze phrase uf autem sero factum
est Judith 18, 1 — Joh. 6, 16 (vgl. Matth. 20, 8. 27, 57. Marc.
4, 35. 15, 42), da sero sonst nicht bei Hieronymus io C vorkommt,
Nur in diesen büchern finden sich formen wie sinceriter Tob. 3, 5,
wofür sogar in B (Philipp. 1, 17) sincere gesagt wird, nur hier
wörter wie abscedo Tob. 14, 14. Judith 6, 5. 9, 1 (s. unten p.
355), remeo Tob. 10, 7 (sonst redeo revertor) und immanis Tob.
6, 2, letzteres offenbar an stelle des in der spätern latinität häufig
zur bedeutung von magnus herabgesunkenen ingens. Mox, das in
A ganz fehlt, in B nur psalm. 36, 20. Phil. 2, 23 in der ver-
bindung mox ut auftritt und somit offenbar dem verderben geweiht
ist, hat Hieronymus, der sonst den begriff „bald“ durch brevi, in
brevi ausdrückt, nur Tob. 3, 8. Judith 14, 7. 16, 22 (dreimal
in der verbindung moz ut) und Tob. 11, 8. Quemadmodum, das
AB oft genug haben, hat Hieronymus absichtlich gemieden und
durch quomodo ersetzt, er ist aber in unsern beiden büchern aus
eilfertigkeit mehrmals aus der rolle gefallen: Tob. 8, 17. 11, 2.
Judith 6, 13. Wie ist nach dem zeugnis der konkordanzen in
sämmtlichen drei gruppen vertreten: A 22, B! 15, B* 13, € 8;
die auffallend wenigen beispiele in C stehen zudem noch zum
grössten theil im buche Judith: 4, 6. 5, 9. 15. 6, 11. 8, 3. 10,
9. 12, 1. Au der noch übrigen stelle Jer. 43, 2 ne ingrediamini
Aegyptum ut habitetis illic liest zwar Amiatinus illuc, ich würde
aber nicht wagen, dasselbe in den text zu setzen, obwohl eine ver-
wechslung der termini in quo uud in quem auch bei Hieronymus
352 Zu der Vulgata.
nicht gerade zu den seltenheiten gehört. Die verbindung benus et
optimus hat Hieronymus nur in diesen beiden büchern: Tob. 7, 7.
Judith 12, 14 (vgl. Wolfflin „Gemination“ p. 476). Da dieselbe
ausserdem noch Luc. 8, 15 vorkommt als übersetzung des griech.
xaÀog xai ayaddg ebenso wie Tob. 7, 7, so haben wir auch in
dieser wendung bei Hieronymus ein überbleibsel der Itala zu sehen.
Weiter weisen die mannigfachen berührungspunkte zwischen 'T'obias
und Judith einerseits und B! andrerseits (vgl. oben sero, mos wi)
auf die verwandtschaft der vorhieronymianischen bibelversionen in
sprachlichen dingen hin, über deren gründe s. Ziegler, Bibeliiber-
setzungen vor Hieronymus p. 123 ff.
Wichtige resultate liefert die untersuchung über die verba
des essens. Manducare (wovon ital. mangiare, fr. manger) er-
scheint in A 10mal, in B! 138mal, in B? 9mal; C weist die be-
sonders gegenüber B! geringe zahl von 14 stellen auf, wovon
nicht weniger als 9 belege auf die bücher Tobias und Judith kom-
men: Tob. 2, 5. 3, 10. 4, 18. 7, 10. 12, 19. Judith 12, 2 bis.
12, 12. 19. Somit steht manducare in den übrigen von Hierony-
mus übersetzten schriften nur 5mal: 1 reg. 14, 24 (wo comederii
vorausgeht), 2 Esdr. 7, 65. Jes. 7, 22 (wo comedet vorausgeht),
Jes. 28, 18 und exod. 32, 6; au letzterer stelle hat zwar der
Amiatinus manducare , andere massgebende codd. dagegen bieten
comedere, was möglicherweise herzustellen ist. Comedere ist nüm-
lich das dem Hieronymus am meisten gelüufige wort für „essen“,
das er nicht weniger als 512mal verwendet (in Tobias nur 4, 17,
fehlt in Judith), wogegen es in den übrigen partien der Vulgata -
eine ziemlich bescheidene rolle spielt: A 5, B! 15, B* 9. Auch
vesci verwendet Hieronymus (abgesehen von 2 Macc. 5, 27. 6, 21)
allein an 77 stellen, woraus wir wobl deu schluss ziehen dürfen,
dass das wort zu seiner zeit bereits aus der lebendigen sprache
verschwunden war. Das in der klassischen latinität am häufigsten
gebrauchte simplex edo kommt zwar noch in den drei theilen der
Vulgata vor (A 6, B! 18, B* 4, C 17), die geringe anzahl der
belege deutet aber auf das baldige günzliche verschwinden des ver-
bums, das wegen kollision mit edere „herausgeben“ eintreten musste.
Ob auch mandere zur abwechslung von Hieronymus beigezogen
wird, wie es gen. 6, 21 ex omnibus escis quae mandi possunt
scheint, muss bezweifelt werden; denn der Amiatinus hat bier
Zu der Vulgata. 353
manducari, und an der einzigen noch übrigen stelle Job 30, 4 et
mandebant herbas et arborum cortices steht das wort in seiner ei-
gentlichen bedeutung. — Nach dem eben gesagten sind meine be-
merkungen über die genannten verba „Apolloniusroman p. 33“ zu
berichtigen, bezw. genauer zu fassen.
Auch auf dem gebiete der syntax haben die beiden bücher
manches absonderliche. Strukturen wie suade Hebraeam illam Ju-
dith 12, 10 (Sept.: zeicov di 19» yvvaixa tr)» "EfQaíav) kommen
nicht auf rechnung des Hieronymus, sondern der Itala (Rónsch p. 441).
Bemerkenswerth ist jedenfalls auch die persönliche verwendung
von paenitere (Judith 5, 19 paenituerunt , ib. 8, 14 paeniteamus,
aber Amiatinus paenñifeamur, was ich für richtig halte; Rónsch
303), die sich sonst in C nicht findet, wührend sie in AB ganz
gewöhnlich ist (Heiss p. 19). Am merkwürdigsten aber ist; die
konstruktion von benedico. Sehen wir vorerst von den beiden in
rede stehenden biichern ab, so hat das aktive verbum benedico
(passive formen wie benedictus benedicendus benedicentur finden sich
allenthalben) bei Hieronymus regelmüssig den klassischen dativ.
An ausnahmen bietet der offizielle text nur: gen. 28, 1 ei bene-
dixit eum praccepitque ei, 3 reg. 21, 10 benedixit deum et regem,
und ähnlich ebend. v. 13, Jer. 4, 2 eum, Dan. 2, 19 und 13, 60
deum. Die hier erscheinenden accusative sind aber 3 reg. 21, 13.
Dan. 2, 19. 13, 60 nach dem zeugnis des Amiatinus und anderer
massgebender handschriften einfach in die entsprechenden dative zu
verwandeln, gen. 28, 1 aber ist auf grund desselben Amiatinus
eum zu tilgen. So bleiben als wirkliche ausnahmen nur 3 reg.
21, 10 und Jer. 4, 2, und man bedenke, dass die bücher der Kö-
nige und der Propheten zuerst von Hieronymus übertragen wor-
den sind. Ist also hier der klassische dativ die norm, so be-
hauptet der vulgare accusativ in den büchern Tobias und Judith
allein das feld (an 23 stellen): Tob. 8, 12. 4, 20 u. à. Judith
7, 16 u. ö., der deutlichste beweis für die geringe sorgfalt, die
Hieronymus auf diese schriften verwandte,
Mancherlei besonderheiten finden wir ferner, wenn wir auch
hier auf die handschriften, namentlich den Amiatinus zurückgehen.
Ich erwühne nor meus — mi Judith 5, 5. 24 (Heiss p. 7), in
obviam Judith 3, 9. 5, 4 (Rónsch p. 233). Die erscheinung, die
wir bei der konstruktion von benedico beobachten, dass näm-
Philologus. XLII. bd. 2. 23
854 Zu der Vulgata.
lich Hieronymus in den beiden zuletzt von ihm bearbeiteten schriftea
wieder elemente aufgreift, die er früher nur zu einer zeit ver-
wandte, wo sein stil noch nicht völlig geklärt war, — diese er-
scheinung treffen wir auch sonst bei ihm. ÆExsurgo (sonst surgo
consurgo in C), ein namentlich im Psalter (26 st.) sehr beliebtes
wort (A 4, B! 18), hat Hieronymus ausser Toh. 8, 4. 12, 22.
Judith 7, 23 nur noch einmal, 1 reg. 24, 8, und hier zudem zur
abwechselung mit dem vorausgehenden consurgerent. Das decom-
positum adimpleo greift er nach den büchern der Kónige und Pro-
pheten (3 reg. 11, 6. Jer. 31, 14. Osea 13, 6. Habac. 2, 5)
erst im buch Judith 13, 18 wieder auf, und ähnlich verhält es sich
mit praeeo 3 reg. 14, 28. Judith 2, 8 (sonst praecedo), iucundus
»fróhlich* 1 reg. 25, 36. Judith 12, 20. 16, 24, pusillus 1 reg.
25, 36. Judith 13, 11 und der prap. secus: Job 29, 19 (auch
das buch Hiob gehórt unter die zuerst übertragenen schriften)
Ezech. 1, 3. "Tob. 11, 5. — In diesem punkte zeigt Hierony-
mus eine merkwürdige ühnlichkeit mit dem autor, dem er sich is
stilistischen fragen so gerne anschliesst, mit Cicero. Auch bei die-
sem kehrt bekanntlich in den philippischen reden manches wieder,
was er sonst nur in seinen erstlingswerken, den büchern de in-
ventione und den reden pro Quinctio und pro Sex. Roscio, hat.
Auch der grund dieser erscheinung ist woll bei beiden autoren
der gleiche: eilfertigkeit hinderte hier wie dort die atilistische
durchfeilung, bei beiden vermisst man die letzte hand.
Nachdem wir so die einzelnen bestandtheile der Vulgata für
sich, wie auch in ihrem gegenseitigen verhältnis betrachtet haben,
fassen wir nun noch eine reihe von erscheinungen ins auge, die
in allen drei theilen der Vulgata gleichmüssig vertreten sind oder
doch die entwickelung der gesammtsprache betreffen.
Wenig bietet die formenlehre. Zu merus, das keinen
komparativ und superlativ bildet, gehört meracissimus deut. 32, 14
sanguinem «uvae .. . meracissimum, wie schon bei Cicero (meracius
sc. vinum nat. d. 3, 78), zu vetus, das doch im positiv 48mal in
ABC vorkommt, fehlt veterrimus, das durch vetustissimus ersetzt
wird, wie namentlich die etymologische figur vetustissima veterum
levit. 26, 10 (Sept. zaiusa nuluwyr) zeigt. Wir gehen darum
gleich zum wortschatz über. Bereits in meinem programm
über den Apolloniusroman p. 93 habe ich darauf hingewiesen, dass
Zu der Vulgata. 355
die untersuchungen über spätlatein ein hauptaugenmerk auf die
verba des gehens und ihr gegenseitiges verhültnis zu richten haben,
da sich hieraus in der regel interessante schlüsse auf das romanische
ziehen lassen. Die resultate für die Vulgata, die ich a. a. o. nie-
dergelegt, mögen ihrer wichtigkeit wegen mit einigen erweiterun-
gen hier wiederholt werden. Das verbum ire ist nicht mehr vóllig
intake; es fehlt der ind. pris. ausser eo und imus, die jedoch
beide üusserst selten vorkommen (eo nur Matth. 21, 30. Luc. 14,
19, imus nur Matth. 13, 28, also nur in B!), ferner der imper.
sing. i und der nom. part. praes. iens; andere formen, namentlich
vom perfektstamm, mögen mehr zufällig nicht vorkommen. Für
die fehlenden formen tritt zunächst ein das verbum vado, das aber
seinerseits nur die zweisilbigen formen des prüsens-
stammes bilden kann: vado is it unt; vadam as at ant; vadam
es ek ent; vade und vadens; nur einmal steht vadimus iudic. 19,
18, das, weil bei Hieronymus vorkommend, wohl nicht aus der le-
bendigen sprache geschöpft ist und überdies noch oftenbar der ab-
wechslung halber gesetzt ist; denn vorausgeht: profecti sumus ...
pergimus . . . ieramus. Diese thatsachen stimmen zum gebrauch
der romanischen sprachen, nur dass hier nach dem günzlichen aus-
sterben von ire dafür die formen von ambulare eingetreten sind:
ind. prüs. franz. je vais tu vas il va [nous allons vous allez] ils
vont; ital. vado oder vo vai va [andiamo andate] vanno; konj.
präs. ital. ch'io vada vada oder vadi vada [andiamo andiate| va-
dano (im franzüsischen sind in diesem modus durchaus formen von
aller eingetreten: que j'aille — ambulem u. s. w.); imper. franz.
va [allez], ital. va [andate]. Das romanische particip (allant an-
dante) musste, da vadentem als dreisilbige form nicht vorhanden
war, von ambulantem, das romanische futur nach verlust der ein-
fachen form vadam durch zusammensetzung mit dem infin. gebildet
werden: j'érai = ire habeo, andrò = ambulare habeo. — Es sei
hier noch auf die unverhältnismässige ausdehnung vou pergo, das
mitunter ebenfalls als ersatz für eo verwandt wird, bei Hieronymus
hingewiesen, der es an 166 stellen hat, wührend A sich mit 3,
B mit 2 belegen genügen lassen.
Interessant ist es auch, die schicksale der komposita von ire
zu betrachten. Während einzelne derselben, wie circumeo pereo
praetereo redeo, noch in voller blüthe stehen und durch synonyma
28°
856 Zu der Vulgate.
wie praetergredior revertor u. s. w. wenig oder gar nicht beein-
trichtigt werden, zeigt sich bei andern in klassischer prosa ganz
gewöhnlichen kompositis die auffallende erscheinung, dass sie durch
die entsprechenden komposita von cedo starke einbusse erlitten ha-
ben. So fehlt z. b. adeo (A 7, B 5) bei Hieronymus in C ganz und
gar, und das eigentliche wort für „hinzugehen“ ist in den drei
gruppen accedere. Auch prodeo (A 2, B 4) hat Hieronymus ge-
flissentlich vermieden und procedo den vorzug gegeben; praeeo ist
mit 10 stellen (A 5, B! 3, C 2) ganz entschieden im nachtheil
gegen praecedo mit 66 stellen. Etwas günstiger steht es mit abeo;
von seinen rivalen, die später seinen platz einnehmen, erscheint
abscedo nur 3mal, und zwar in den büchern Tobias und Judith
(vgl. p. 351), gefahrlicher schon zeigt sich discedo, weniger in C,
wo es nur 4mal erscheint, als in A (17 st.) und in B (41 st.).
Dafür tritt in C, allerdings in mannigfach nüancierter bedeutung,
recedo 195mal auf, das z. b. im Konstantinroman das eigentliche
wort für „weggehen“ ist, Weiter beobachten wir die thatsache,
dass einzelne komposita die frühere mannigfaltigkeit ihres ge-
brauchs eingebüsst und sich auf eine einzelne bestimmte bedeutung
beschränkt haben. So steht obire in den drei gruppen konstant
im sinne von „sterben“: eccli. 37, 34. 2 Macc. 7, 40; Mare. 15,
44; gen. 25, 18. 36, 38 u. à, in C, Coco hat nur noch in A
(2 Macc. 6, 11; vgl. 1 Mace. 6, 20 Amiat.) den sina von con-
venire, an den übrigen (12) stellen, sämmtlich in C, steht das ver-
bum in der speziellen bedeutung coire cum muliere: gen. 26, 10.
38, 16. 39, 14 u. ö. Ineo, das in A gänzlich fehlt und io B
nur 3mal in der stereotypen wendung consilium inire vorkommt,
tritt in C zwar noch 66mal auf; allein ein bedenkliches krank-
heitssymptom entdecken wir in dem umstand, dess die ursprüng-
liche lokale bedeutung des wortes „hineingehen“ gänzlich fehlt und
durch eine anzahl synonyma wie intrare ingredi introire introgredi
ersetzt wird. Inire steht demnach nur noch in übertragenem sinn
mit einer anzalıl bestimmt abgegränzter objekte: amicitias bellum
certamen cogitationes consilium convivium foedus (oft!) fugam pactum
proelium. Nach den verschiedenen gruppen scheidet sich depereo
in seinen bedeutungen, indem dasselbe in AB (sap. 10, 3; eccli.
31, 7; Jacob. 1, 11) einfach als vulgare verstürkung von pereo
Zu der Vulgata. 357
steht, während Hieronymus das wort iu dem gewüllteren sinne von
„verliebtsein‘‘ verwendet (2 reg. 13, 2).
Erkundigen wir uns weiter nach dem schicksal der komposita
von dare, von denen bekanntlich nur sehr wenige unversehrt zu den
romanischen sprachen gelangt sind (z. b. fr. rendre == reddere), so
treffen wir ganz ühnliche erscheinungen, wie bei den zusammen-
setzungen mit ire. Wörter wie indo obdo kommen in der Vulgata
nicht mehr vor, wobei wir uns aber erinnern müssen, dass diesel-
ben schon in klassischer zeit nur mit grosser vorsicht verwandt
wurden, wie denn indo bei Cicero nur einmal und zwar in seiner
jugendschrift de inv. 2, 149, obdo aber gar nicht vorkommt. An-
dere komposita treten nur noch in bestimmten formen auf, so abdo
nur im part. abditus und dies hinwiederum nur in der phrase in
abditis: 1 Macc. 1, 56; psalm. 16, 12; 1 reg. 13, 6, wie man
sieht, in den drei gruppen. Das eigentliche wort für „verbergen“
in der Vulgata ist abscondo, welches, von Cäsar uud Livius gänz-
lich vermieden und von Cicero (ausser Rosc. Am. 121 absconditur)
nur in der form des part. perf. pass. und dessen adverb gebraucht,
in der Vulgata alle formen bildet. — Bis auf das part. perf.
pass. ist weiter verschwunden dedo (deditus 2 Macc. 4, 14. act,
ap. 17, 16. 1 Tim. 3, 8. 2 paral. 26, 10). Von subdo hat Hiero-
nymus in C ebenfalls nur das part., andere formen finden sich verein-
zelt in AB?: subdi 2 Macc. 13, 11; subdis psalm. 17, 48; subdit
psalm. 143, 2. Dass edo dem untergang geweiht ist, schon we-
gen kollision mit edo „esse“, bezeugt die geringe anzahl der be-
lege: eccli. 24, 13 Amiat. psalm. 104, 30. gen. 30, 10.
Als dritte gruppe fassen wir die komposita von sum ins auge.
Insum subsum u. a, finden sich noch, aber obsum ist durch nocere er-
setzt, wührend prosum noch in voller blüthe steht. Aehnlich ist
das verhültnis der korrespondierenden begriffe adsum und absum.
Während ersteres noch völlig intakt ist, erscheinen von absum in
BC nur die beiden formen absens und absit, und zwar letztere nur
als optativ in hauptsätzen. Wie man sich hier hilft, zeigt z. b.
Col. 2, 5 absens sum — absum. Nur in A treten noch formen
wie abest aberat abesto u. s. w. auf.
Nicht minder wichtig für das romanische als die betrachtung
der verba des gehens, ist die untersuchung der wörter, welche
„gross“ und „klein“ bedeuten. Was ersteren begriff anlangt, so
358 Zu der Vulgata.
decken AB ibren bedarf fast vollstindig mit magnus; denn die be-
lege für grandis (A 1, B 3) und ingens (A 2, fehlt in B) sind
nur sehr unbedeutend. Dagegen bekundet Hieronymus, bei dem
selbstverständlich auch magnus einen breiten raum einnimmt, eine
auffallende neigung für das doch mehr volksthümliche grandis (104
8t.); streben nach abwechslung mag auch hier der grund sein.
Auch das rhetorische ingens, das ihm namentlich aus seiner lektüre
des Vergil gelüufig sein musste, verwendet er 16mal. Bemerkens-
werth ist übrigens, dass Hieronymus im verlauf der zeit immer
sparsamer wird im gebrauch von grandis: wührend ich in den zu-
erst bearbeiteten 4 büchern der könige 26 stellen zähle, finde ich
in den 404—405 übersetzten schriften nur 5 belege : iudic. 20, 6.
21, 5. Esth. 1, 3. 8, 17. Judith 14, 7. — Etwas verwickelter
stellt sich die untersuchung über die wörter für „klein“, Parvus
kann, da es in A our 3mal, in B gar our imal erscheint, für
diese theile der Vulgata nicht mehr als der eigentliche vertreter
des begriffes ,klein* angesehen werden, und in der that hat ihm
auch bereits nicht nur modicus (als adj. in A 8, in B 25; mo-
dicum als subst. in A 8, in B 14; modice adv. in A 1) den rang
abgelaufen, sondern auch, wenigstens für A, exiguus (10mal; in
B imal) und für B das sowohl adjektivisch als substantivisch ge-
brauchte pusillus (25mal; in A 3mal) Dass sich modicus und
pusillus im gebrauch völlig decken, beweisen neben einander vor-
kommende redensarten wie modicae fidei Matth. 8, 26 u. à. und
pusillae fidei Luc. 12, 28; beide stehen im gegensatz zu magnus
und grandis: 1 reg. 22, 15 vel modicum vel grande, sap. 6, 8
pusillum ef magnum. — Bei Hieronymus hingegen ist parvus
(34 st.) immer noch das eigentliche wort für ,klein*; nur gerin-
gen raum gestattet er den ersatzwürtern eriguus (3 st., wovon 2
auf das buch Tobias kommen, dessen sonderstellung bekannt ist)
und pusillus (2 st., s. oben p. 354). Mehr konzessionen musste
er an das in der volkssprache schon eingebürgerte modicus machen,
das er als adj. 13mal, als subst. 9mal verwendet; aber selbst dies
wort findet sich nicht mehr in den 404—405 von Hieronymus
übertragenen schriften, — Was die übrigeu hier noch in betracht
kommenden wórter anlangt, so bemerke ich, dass das ziemlich oft
auftretende parvulus nur von lebenden wesen, nicht von sachen
gebraucht wird. Paulum fehlt, nur der abl. paulo kommt noch
Zu der Vulgata. 359
vor in verbindung mit ante und minus. An stelle von paulum steht
paululum in den drei gruppen, wogegen das bald substantivisch
bald adverbial gebrauchte pauxillum nur von Hieronymus der ab-
wechslung halber verwandt wird,
Die erscheinung, die wir oben bei einzelnen kompositis von
eo, do und sum beobachteten, dass nämlich ein wort im laufe der
zeit auf einzelne bestimmte formen und verwendungen beschränkt
wird, lässt sich noch weiter verfolgen. So kommt arduus nur noch
als neutr. plur. suhstantivisch gebraucht vor (Job 39, 27. Jer. 4,
29), internecio nur in der schon im silbernen latein überwiegenden
verbindung ad internecionem und zwar nur bei Hieronymus, das
adjektiv adversus beschränkt sich beinahe durchgehends auf die for-
mel ex adverso (39 st. in ABC), nur gen. 42, 38 si quid adversi,
iudice. 8, 11 und 2 Macc. 6, 12 zeigen eine freiere verwendung des
wortes. In bestimmten verbindungen treten weiter auf actio, im-
mer gratiarum actio (17mal in ABC), anceps, immer gladius anceps
(iudice, 3, 16. psalm. 149, 6, Hebr. 4, 12; vgl. gladius biceps
prov. 5, 4). Das adverb viriliter kennen BC nur in verbindung
mit agere (9 st.) oder facere (1mal; Judith 15, 11); noch merk-
würdiger ist, dass diese beiden phrasen viriliter agere uud viriliter
facere konstant mit dem verbum confortari zusammengestellt sind:
deut. 31, 6 viriliter agite et confortamini (Sept. d»dol(ov xoi
Foyve), Jos. 1, 18. psalm. 26, 14. 1 Cor. 16, 13 u. 6. Die
gleiche zusammenstellung finden wir auch in A: 1 Mace. 2, 64;
doch wird das adverb hier auch freier gebraucht: 1 Macc. 6, 31
pugnaverunt v., 2 Macc. 10, 35. 14, 49. — Manare ist bei Hie-
ronymus (ausser Ezech. 31, 4) auf die formel lacte et melle ma-
nare beschränkt (9 st.) Als vorbild diente ihm die stelle der Itala
eccli. 46, 10 in terram, quae manat lac et mel, die einzige, an der
das wort sonst noch in der Vulgata vorkommt. Man sieht aber,
wie Hieronymus eine doppelte ünderung für gut befunden hat:
einmal behagte ihm die unklassische konstruktion des verbums mit
dem acc. nicht (die auch sonst in vorhieronymianischen übersetzun-
gen sich findet; vgl. die von Kaulen p. 160 citierte stelle prov.
3, 20 nubes manaverunt ros), sodann ünderte er die stellung, viel-
leicht um durch nebeneinanderstellung von mel und manare eine
allitteration zu erzielen. Fas haben BC konstant in der phrase
fas est (aber in A contra fas 2 Macc. 7, 1), wogegen nefas freier
360 Zu der Vulgata.
gebraucht wird. Forte erscheint nur in den formeln ne forte, si
f. (si quid forte 1 reg. 20, 10) und nisi f.; die einzige ausnahme
ist 1 reg. 20, 26 quod forte.
Infolge des schwindens einzelner formen erklärt sich desn
auch die erscheinung, dass sich zwei wórter in ihren formen ge-
genseitig ergünzen. So verwendet Hieronymus in C von egressio nur
den gen. sing. (7mal) und ersetzt das fehlende durch die formen
von egressus, das aber seinerseits den gen. sing. nicht bildet. Aehn-
lich gebraucht er von iussum „der befehl“ nur die form iussa und
zieht zur ergünzung iussio heran, vou dem also wiederum die form
iussiones bei ihm nicht vorkommt. Animantia bildet nur den plur.
und wird im sing. durch animal ersetzt; das wort ist dem Hiero-
nymus eigenthümlich, der es aber merkwürdiger weise nur im Pen-
tateuch uud einmal im buch Josua verwendet. Sonst hat er durch-
güugig animalia, das die beiden andern gruppen allein kennen.
Andere würter haben sich auf eine einzelne bestimmte bedeu-
tung beschränkt. Coniunz heisst nur noch „die gattin* (ia BC;
in A mag das wort durch zufall fehlen); als masc. tritt vir und
(fast ausschliesslich bei Hieronymus) das gewühltere maritus (A 1,
€ 31) ein. Repudium (konstant in der formel liber oder libellus
repudii) bedeutet nur noch „scheidung“ und dem entsprechend
repudiare (immer in der form repudiata) nur noch „scheiden“.
Serenus steht konstant vom himmel und vom wetter: exod. 24, 10
quasi caelum , cum serenum est; eccli. 3, 17; Matth. 16, 2, wie
man sieht, in den drei gruppen.
Weiter beobachten wir das allmähliche absterben einzelner
würter, wobei wir zugleich nach dem ersatz zu fragen haben, der
sich dafür einstellt. Opinor, das in der ganzen Vulgata nicht mehr
vorkommt, ist wahrscheinlich aus der lebendigen sprache verschwun-
den (opinatissima „sehr berühmt* Judith 2, 13; opinio = fama
8mal ia B') Von den übrigen wörtern, die ‚glauben meinen“
bedeuten, stehen nur noch putare und credere in voller blüthe, da-
gegen hat arbitror (in A [Macc.] 9mal, in B 19mal) nur in sehr
beschrünktem mass die billigung des Hieronymus erfahren, da er
es nur Smal verwendet, noch weniger existimo (A 7, B 37); lets-
teres bringt er gar nur an drei stellen, wovon zwei auf die bücher
Tobias und Judith kommen (Tob. 9, 1. Judith 6, 5), während
an der dritten stelle Jes. 10, 7 der Amiatinus aestimabit liest.
Zu der Vulgata. 361
(Ueber aestimare ,,denken meinen“ in der Vulgata vgl. Kaulen 150).
— Aeger ist auf drei belege in B! beschrünkt (Marc. 6, 13. 16,
18. act. ap. 5, 16, konstant iu der form aegros), aegrotus gar
auf zwei stellen in C: 2 Esdr. 2, 2 (aegrum Amiatinus), Ezech.
34, A. Nicht besser sieht es mit deo zugehürigen verben und sub-
stantiven aus. Aegrotare ist zwar nicht so gar selten (23 st.),
aber ein spezifisch hieronymianisches, wahrscheiulich künstlich re-
aktiviertes wort; aegrotatio ist sehr selten (Jer. 16, 4. Matth. 8,
17), aegritudo und aegrimonia fehlen ganz, und sieht man sich nach
dem früher gewöhnlichen wort für „krankheit“ um, so ist man
vollends enttüuscht: für morbus weist die ganze Vulgata keinen
beleg auf. Welche wörter, so fragen wir nun, sind an die stelle
ihrer einst so blühenden vorgänger gerückt? In erster linie sind
zu nennen die überaus häufigen infirmus und infirmitas, sodann
languor languidus und languere (vgl. z. b. Dan. 8, 27 et ego Da-
niel langui et aegrotavi per dies).
Hier mag mir verstattet sein, über die schicksale des adjektivs
largus zu reden. Dasselbe erscheint in A 1 Macc. 3, 30 larga
manu (eine stehende verbindung, wie sonst plena manu) und in €
uum. 20, 11 egressae sunt aquae largissimae; so ist wohl auch
iudic. 15, 19 mit dem Amiatinus zu lesen: ef egressae sunt ex eo
aquae largissimae, wo der offizielle text das adj. weglasst. . Auch
das zugehörige subst. und adv. sind auf eine sehr müssige zahl von
belegstellen beschränkt: deut. 30, 9 in rerum omnium largitate
(voraus geht in ubertate terrae tuae); deut. 33, 22 fluet largiter
und 1 reg. 1, 10 flens largiter (wie sonst flere ubertim). Man
würde aber irren, wollte man das seltene vorkommen für ein an-
zeichen des nahen unterganges ansehen; es war hier ein anderer
grund, der die übersetzer und namentlich Hieronymus von dem óf-
teren gebrauch des wortes abhalten mochte. Es trat nämlich all-
mäblich eine konfusion in der bedeutung der beiden adjektiva latus
und largus ein: vgl. hist. Apollon. 35, p. 42, 8 R ut cotidie mihi
latiores (so A; ampliores By) pecunias adferas, wo man largiores
erwartet. Nach eingetretener konfusion trat latus melr uud mehr
zurück, auch wegen kollision mit latus „die seite“, das sich im
ital. i lato erhalten hat, und an seine stelle rückte largus. Wäh-
rend aber letzteres wort im ital. die beiden bedeutungen „breit“
(una tavola molto larga) und „reichlich“ in sich vereinigt, weist
362 Zu der Vulgata.
large im franz. nur die bedeutung ,,breit weit'* auf (ebenso largeur
„breite‘‘; dagegen largement „reichlich“, largesse ,,freigebigkeit*),
so dass hier „reichlich freigebig** durch andere wörter wie suff-
sant libéral u. à. gegeben werden muss.
Ein bekannter, oft besprochener prozess ist es, wenn iterativa
wie ampleror A 1, C 10 und visito A 2, B' 10, B* 8, C 86
sich ausdehnen auf kosten ihres grundwortes amplector (nur Tit.
1, 9) und viso (fehlt in der Vulgata), oder wenn das lüngere se-
mino (A 2, B' 47, B? 2, € 24) boden gewinat gegenüber dem kür-
zeren, der kollision mit sero „reihe füge‘ ausgesetzten sero ,,sáe*
(B! 1, C 21); der unterschied tritt hier besonders im N. T. recht
auffallend hervor, wührend Hieronymus dem klassischen sero mehr
zutritt gestattete.
Wenn ango (nur 1 reg. 1, 6) und sollicito zurücktreten, so
geschieht dies zum vorthell des spezifisch kirchenlateinischen afftigo,
uud derartige fülle, dass bibellateinische wôrter sich auf kosten der
sonst gebräuchlichen breit machen, sind zahlreich. Iniquus ini-
quitas greifen so stark um sich, dass selbst impius und improbus
dagegen zurücktreten, ja letzteres (nur eccli. 13, 13. Bar. 4, 15)
wird nebst improbitas (nur Luc. 11, 8) von Hieronymus in C geradezu
vermieden; so hat revelo „enthülle“ (in C zur abwechslung auch
discooperio) das klassische detego ganz verdrängt, und operari (A
25, B! 76, B® 23, C 106) macht sogar dem vielgebrauchten fa-
cere konkurrenz.
Ein zurücktreten einzelner wörter lässt sich aber noch in
vielen andern fällen konstatieren, von denen uns einzelne vorwärts
auf die romanischen sprachen weisen. Imber tritt namentlich in
C (25 st.) zurück gegen das hier mit 48 st. beinahe doppelt so
starke pluvia (it. pioggia, fr. pluie). So dehnt apprehendere sein
gebiet aus zunächst auf kosten von capere, timeo (it. temo) über-
wiegt stark über das im Ital. und Franz. verschwundene metwo,
wie petra (it. pietra, fr. pierre) über saxum, wenn auch lapis noch
in voller blüthe steht, und capillus (it. capelli, fr. cheveu) hat in
C mehr belegstellen (24) als crinis (8), coma (10) und caesaries
(4) zusammengenommen. Pernicies (nur eccli. 48, 6. 2 Petr. 2,
12) schien überflüssig neben perditio (it. perdizione; vgl. perdita,
fr. perte), interitus und interitio, ebenso war erta (nur Ezech. 21,
21 in dem technischen ausdruck erta consuluit) entbehrlich neben
Zu der Vulgata. 363
viscera (it. viscere) und intestina (fr. intestins). Dass rus bis auf
rura Jer. 23, 3 aus der Vulgata verschwunden ist, bemerkt bereits
Landgraf, Philol. rundschau I, 503, der als ersatz villa angibt;
wie ich vermuthe, war kollision mit ros die ursache. Ver, über
dessen untergang und ersatz Wölfflin, Cassius Felix p. 397 f.
spricht, steht in der Vulgata nur noch einmal: psalm. 73, 17 ae-
statem et ver. Sogar Hieronymus umschreibt es konstant durch
vernum tempus: gen. 35, 16. 48, 7. exod. 34, 18. deut. 16, 1,
das buch Jesus Sirach aber durch in diebus vernis 50, 8 (aber
Amiatinus veris!). Bemerkenswerth ist weiter, dass nimium mit
4 st. seinem übermächtigen gegner nimis (140 st.) demnächst
gänzlich zu unterliegen droht.
Sehe ich recht, so ist auch mora dem untergang geweiht !\,
Denn abgesehen von der redensart moram facere exod. 12, 39.
32, 1. Matth. 24, 48. 25, 5 u. ö. finde ich das wort nur noch
zweimal, und zwar in C: 1 paral. 29, 15 nulla est mora und in
der formelhaften wendung absque mora 1 Esdr. 7, 21. Das sy-
nonymum dilatio ist es, das dem eben besprochenen zwar in der
Vulgata noch keine starke konkurrenz macht (gen. 43, 10; vgl.
bes. absque dilatione 2 reg. 17, 16 und sine ulla dil. act. ap. 25,
17), spüter aber, namentlich in der formel sine dilatione, dasselbe
stark überflügelt. Uebrigens dienen die phrasen absque mora und
sine dilatione auch zur abwechslung für eine anzahl adverbien, von
denen (abgesehen von dem überall vertretenen statim) oonfestim
(A 4, B 28) und continuo (A 4, B 27) bei Hieronymus nicht
sonderlich beliebt sind, da er ersteres nur Smal, continuo gar nicht
bringt; dafür bat er allein an 3 st. (num. 30, 13. prov. 6, 15.
eccle. 9, 12) das archaistische extemplo.
Eine starke einschrünkung seines gebrauches zeigt das wort
modus bei Hieronymus, der das wort fast durchgehends nur in ad-
verbialen formeln verwendet: hoc modo, eodem m., quo m., si quo
m., nullo m., simili m., in hunc modum, in eundem m., in modum
mit folgendem genetiv (z. b. in nucis modum exod. 25, 33),
quemadmodum, iuzta m. und ultra m. Nur zwei stellen sind aus-
genommen: prov. 23, 4 prudentiae tuae pone modum, wo wir eine
1) Mora im heutigen Italienisch ist , voce latina‘ und steht nur
ale technischer auedruck der gesetzessprache: cadere in mora, purgar
la m. u. &.
364 Zu der Vulgata. 07
stehende formel vor uns haben, und deut. 25, 2 pro mensure pes-
cati erit et plagarum modus, wo modus offenbar zur abwechslung
mit dem vorausgehenden mensura eintritt, Demnach beschräukt
Hieronymus das in rede stehende wort fast ganz auf die bedeutung
„art und weise“, die bedeutung „mass“ ersetzt er lieber durch men-
sura (94mal), das dem fr. mesure und dem it. misura entspricht.
Modo lebt zwar noch fort im ital, sieht sich aber, wie modus bei
Hieronymus, im ganzen auf eine reihe adverbialer ausdrücke und
steliender phrasen zurückgedrüngt. Uebrigens hat Hieronymus auch
das abgeleitete mensurare = metiri Jer. 31, 37. Ezech. 45, 3.
48, 30, jedoch ohue den gebrauch des klassischen metiri wesentlich
zu beschrünken. — In AB ist der gebrauch von modus zwar
etwas freier als bei Hieronymus (eccli. 44, 5 modos musicos, 47,
11 dulces modos), doch überwiegen auch hier die adverbialen
formeln.
Betrachten wir das kompositum annuntiare (it. annunsiare,
fr. annoncer) im verhültnis zu seinem simplex nuntiare, welch
letzteres im französischen verschwunden ist, so finden wir, dass in
den psalmen annuntiare mit 32 gegen 2 st. über sein simplex
überwiegt, ebenso, jedoch weniger entschieden, in B! (44 gegen
31 st.) In eccli. finden sich beide verba neben einander, während
Macc. nur das simplex kennt (11 st.). Will man das zahlenver-
haltnis in C verstehen, so hat man auf die p. 321 f. gegebene auf-
einanderfolge in der herausgabe der einzelnen schriften zurückzu-
gelen. In den ersten von ihm bearbeiteten büchern (kónige, Hiob)
bevorzugt Hieronymus das simplex (74 st. gegen ann. mit 14 at.),
um in den prophetischen büchern plótzlich seine gunst in ganz auf-
fallender weise dem kompositum zuzuwenden (ann. 71, n. 10).
Von da aber erobert das klassische simplex schrittweise dea ver-
lorenen boden wieder zurück: in den von 393 bis anfang 404
herausgegebenen büchern (salom. schriften, Esra, Chronik, Penta-
teuch) erscheint es mit 29 st., während anm. suf 9 belege herab-
gesunken ist. Ja in den zuletzt erschienenen übertragungen (Josua,
Richter, Ruth, Esther, Tobias, Judith) beherrscht nuntio mit 28
st. allein das feld, nachdem das kompositum vollständig ausgemerat
ist; denn Judith 10, 16, wo es der off. text uoch bietet, ist es
nach dem Amiatinus durch das simplex zu ersetzen. — Die ent-
wickelung des stiles des Hieronymus, wie wir sie hier beobachtet
Zu der Vulgata. 385
haben, lässt sich noch in vielen einzelnen punkten verfolgen. Ich
erwähne hier nur, dass er das vulgüre subtus (= ital. sotto) nur
in den büchern der kónige (3mal) und der Propheten (9mal) zur
abwechsiung mit sub und subter herangezogen, von da an aber ab-
sichtlich vermieden hat.
Sehr auffällig ist, dass das adjektiv celer nur an zwei stellen
in der ganzen Vulgata auftritt, von denen die eine auf B! (? Petr.
2, 1 celerem perditionem), die andere auf C (Esther 8, 14 vere-
darii celeres) kommt; A hat nur das subst. celeritas Bar. 4, 24,
das sonst nirgends in der Vulgata erscheint. Für das seltene
celeriter (8 st.) tritt zunüchst cito (auch komparativ citius), dann
velociter ein; als ersatz des adjektivs dient ausser velox einige
male auch citatus (eccli. 4, 34 noli citatus esse in lingua u. ü.),
sowie, da das simplex citus fehlt, das vulgüre concitus (2mal bei
Hieronymus 2 reg. 17, 18 concito gradu und Jer. 46, 5 fugerunt
conciti).
Das schon öfter besprochene absterben des adverbs diu beob-
achten wir auch in der Vulguta (A 3, B 2, C 1); den ersatz
zeigt z. b. prol. eccli. cum multum temporis ibi fuissem oder deut.
2, 1 et circuivimus montem Seir longo tempore (so oft in C). In
famdiu, das Hieronymus noch 4mal bringt, war das wort durch
vorsetzung von tam noch für eine zeit lang geschützt. Noch
schlimmer als mit dem positiv steht es mit komparativ und super-
lativ: letzterer fehlt ganz, und diutius ist, da es Hieronymus ver-
meidet, auf wenige belege in A (2) und B (1) beschrünkt. —
Wahrend saepius (= crebrius C 2, frequentius A 1) saepissime in
der ganzen Vulgata nicht zu finden sind, hat saepe in B! mit 10
st. (B® 2, A 2) sich behauptet; befremden aber erregt die thatsache,
dass Hieronymus in C das wort our einmal hat gen. 43, 5, noch
dazu in der formelhaften wendung wt saepe diximus. Sehen wir
uns nach den ersatzwörtern um, so können wir nicht befriedigt
sein: denn subinde fehlt überall, frequenter (A 3, B 9) steht bei
Hieronymus nur Smal, crebro (B! 2) gar nur imal. Ich finde den
grund dieser auffalleuden erscheinung im engen anschluss an den
hebräischen text: die hebräische sprache drückt den begriff ,oft*
selten durch eigene wôrter, in der regel vielmehr am verbum selber
durch die konjugation piel aus, und für den übersetzer lag es nahe,
diese konjugation im lateinischen möglichst durch eigene verba
366 Zu der Vulgate.
zu geben. Dazu stimmt indirekt, dass die obige formel «t saepe
diximus gen. 43, 5 im originaltexte nicht begründet ist, sondern
auf einem erlüuternden einschub des Hieronymus berubt.
Kurz bemerke ich noch, dass sin zwar oft genug erscheint,
aber immer nur in den verbindungen sin autem (71mal in ABC)
und sin aliter (1mal in C: num. 11, 15), und wende mich zu dea
schicksalen der partikel quin. Diese ist in A und B vóllig ver-
schwunden; denn Luc, 11, 28, wo der off. text quin immo liest,
bietet der Amiatinus das merkwürdige quippini (Pl. Baceh. 4, 7,
41. Men. 5, 9, 50. Apul. met. 9, 26). Dagegen steht quin immo
bei Hieronymus 1 reg. 20, 3. Jer. 8, 12, und er benutzt daneben
als varintiouen auch noch die ausdrücke quin etiam 2 reg. 11, 24,
quin potius levit. 7, 18. num. 21, 23 u. 6. und quin et gen. 24,
14. 19. Ezech. 21, 17. Quin als subordinierende partikel hat
nur Hieronymus: nach nulli dubium est num. 32, 23 und haud
dubium Esther 15, 1, nach nullus prohibere poterit gen. 23, 6 und
nec prohibui eccle. 2, 10, nach nec distulit gen. 34, 19 uud noluit
omittere 2 reg. 2, 21, wie man sieht, überall nach negierten ne-
gativen verbeu und ausdrücken, in korrektester, an die besten
zeiten der latinität erinnernder verwendung. Was die beiden aa-
dern gruppen statt des subordinierenden quin haben, ersieht man
z. b. aus Matth. 19, 14 nolite eos prohibere ad me venire; 1 Tim.
6, 7 haud dubium quia nec auferre quid possumus. Den infinitiv
nach prohibere und omittere hat Hieronymus nur nach nicht ne-
gierten formen dieser verba (num. 22, 13. Job 32, 1); dagegen
zeigt seine verwendung von quod nach non dubito und ähnlichen
ausdrücken, wie auch klassisch gebildete schriftsteller der verderb-
lichen einwirkung der sprache ihrer zeit unterliegen: exod. 10, 10.
Tob. 7, 13. 7, 14.
Wie die konjunktion quin, so weist auch die prüposition cir-
cum deutliche krankheitssymptome auf. Zwar in der komposition
ist sie noch vóllig intakt, aber als selbstándiges wort stebt sie in
der Vulgata nur noch an 5 st. (3 reg. 18, 35. 4 reg. 11, 11.
Ezech. 6, 5; 2 Macc. 12, 20; Matth. 8, 18), von denen überdies
die erste abzuziehen ist, da dort nach dem zeugnis des Amiatinus
und anderer massgebender hundschriften circa zu lesen ist. Letz-
teres wort, vielgebraucht im spätlatein (Kaulen 202 f.), tritt zu-
nächst als ersatz für circum ein, sowohl als prüp. wie als adverb
Zu der Vulgata. 367
(z. b. gen. 13, 10 omnem circa regionem), und findet sich so noch
bei Dante parad. 12 volgensi circa noi, le duo ghirlande. Daneben
aber finden sich für die (lokale) prüp. wie für das adverb eine
anzahl umschreibungen (per circuitum in circuitu, per gyrum in
gyro), die schon jetzt hinsichtlich der frequenz ibres auftretens dem
einfachen wort entschieden den rang abgelaufen haben: gen. 35, 5
omnes per circuitum civitates , vgl. Jus. 23, 1 subiectis in gyro
nationibus ; exod. 16, 13 per circuitum castrorum = iudic. 7, 20
per gyrum castrorum; 3 reg. 4, 24 ex omni parte in circuitu u. 6.
Derartige umschreibungen weisen uns vorwärts auf ähnliche, wie
sie die roman. sprachen für den begriff „um ringsum“ verwenden:
it. attorno intorno (= in turno, wie in gyro), fr. autour de u.s. w.
(vgl. noch Kaulen 209 f., wo auch umschreibungen für andere
prapp. angegeben sind).
Fielen uns die bisher besprochenen artikel durch ihr seltenes
erscheinen auf, so haben wir jetzt mehrere uns aus der klassischen
zeit geläufige wörter anzuführen, die wir in der ganzen Vulgata
vergeblich suchen. Für das adverb adeo bot sich ersatz in dem
zusammengesetzten in tantum (A 1, C 16; ausser Job 34, 17 im-
mer in der verbindung in tantum wt), für atrox (atrociter einmal:
2 paral. 28, 9) in dirus ferox (beide nur in A) crudelis u. à., für
macer in macilentus (z. b. Ezech. 34, 20 pecus pingue et maci-
lentum, gen. 41, 19. Dan. 1, 10 macilentiores; als substantiv
steht macies 3mal in C) und für favere in propitium esse protegere
u. 8. w. Dass man aber aus dem fehlen eines wortes bei einem
spätlateinischen autor nicht gleich einen schluss auf dessen unter-
gang machen darf, lehren uns italienische wórter wie atroce, magro
(fr. maigre) neben macilento. Wir müssen uns hier also be-
scheiden, das fehlen obiger wôrter speziell in der Vulgata zu
konstatieren, wie wir uns damit auch zufrieden geben müssen bei
dem adj. acer (it. agro acro, fr. aigre), von dem die Vulgata nur
das adverb acriter iudic. 11, 5. eccli. 18, 18 hat; den ersatz bil-
den acutus und ühnliche synonyme würter. — Als nahezu ausge-
storben darf aber wohl das fehlende adverb item betrachtet werden;
bei undeutlicher aussprache des m war es der verwechslung mit
ita ausgesetzt, bei dem hinwiederum das schliessende a in der aus-
sprache nicht zu seinem vollen recht gelangte. Dem widerspricht
keineswegs, dass itemque noch Smal im 2. buch der Maccabäer er-
368 Zu der Vulgate.
scheint: eben nur durch den zusatz von que konnte sich das wort
noch eine zeit lang halten, indem es so mehr körper und fille be-
kam. Der rettungsprozess ist derselbe wie bei num, das durch
anhängung von quid, und wie bei diu, das durch vorsetzung von
tam noch für einige zeit über wasser gebalten wurde,
Schliesslich konstatiere ich noch das ineinanderfliessen der bei-
den subst. decus und decor. Diese würter, deren begriff schon in
klassischer zeit oft nur schwer zu trennen ist, haben in der Vul.
gata die letzte nüance von bedeutungsunterschied verloren und
treten wechselseitig für einander ein: Zach. 11, 7 ef assumpsi
mihi duas virgas, unam vocavi Decorem, aber v. 10 et fuli virgam
meam, quae vocabatur Decus.
Bevor wir zum letzten abschnitt unserer abhandlung übergehen,
wird es zweckmüssig sein, auch hier wiederum einen kurzen blick
auf die geschichte der Vulgata zu werfen. Tausend jabre nach
ihrer entstehung war die bibelübersetzung des Hieronymus da an-
gekommen, wo im vierten jahrhundert die Itala gewesen war.
»Dieselbe mannigfaltigkeit in den textesrezensionen, dieselbe ab-
weichung von der ursprünglichen gestalt, dieselbe unzuverlässigkeit
im ausdruck jeder einzelnen stelle, welche damals der ültern über-
setzung zum vorwurf gemacht wurde, war jetzt in die jüngere ein-
gedrungen. Selbst was der heilige Hieronymus über die andere
übersetzung geüussert, war bereits von seiner eigenen gesagt wor-
den: ,,quot codices, tot exemplaria‘ (Kaulen, Gesch. d. Vulgata 279,
dessen darstellung ich auch hier mich wieder anschliesse). Die
erfindung der buchdruckerkunst, weit entfernt das übel zu besei-
tigen und zur herstellung eines einheitlichen textes beizutragen,
steigerte die verwirrung nur noch mehr, zumal im zeitalter der
reformation eine anzahl gelehrter männer (Benediktus, Stephanus)
eine verbesserung der Vulgata nach handschriften versuchte. Da
sie aber nur über unzulüngliches material verfügten, so konaten
diese versuche immer nur unvollkommen ausfallen. Der heillosen
verwirrung suchten nun zwei dekrete des Tridentiner konzils zu
steuern, und auf grund derselben ernannte papst Paul IV (wahr-
scheinlich 1560) eine kommission von gelehrten zur revision des
Vulgatatextes, die sich sofort ans werk machte. Unter den fol-
genden päpsten, Pius V (1565— 72) und Gregor XIII (1572— 85),
traten zwar andere unternehmungen io den vordergrund, doch war-
Zu der Vulgata. 869
den auch die arbeiten zur revision der Vulgata mit grossem eifer
fortgesetzt. Mehr und mehr zeigten sich aber auch die ungeheuern
schwierigkeiten einer solchen arbeit, und 1578 erkannte man es
als zweckmüssig, als hülfsmittel zu einer gesicherten revisiou der
Vulgata erst eine kritische ausgabe der Septuagiuta zu veranstalten.
Nach beendigung derselben (1587) drüngte der nunmehrige papst
Sixtus V die kommission (Sixtini) zur beschleunigung ihrer thütig-
keit. Er benutzte seine machtvollkommenheit dazu, die handschrift-
lichen schätze aus dem ganzen abendlande herbeischaffen zu lassen.
So kamen denn namentlich aus Italien und Spanien eine anzahl
werthvoller codices nach Rom, darunter auch der berühmte, uralte
Amiatinus aus dem Cisterzienserkloster zu Mont’ Amiato, der zwar
bald die grundlage der ganzen revision bildete, aber trotzdem durch-
aus nicht vollständig ausgeniitzt wurde. Der energische papst
stellte selbst die einzuhaltenden gesichtspunkte fest. Er bezeichnete
als zu erstrebendes ziel, dem texte, qualis primo ab ipsius inter-
pretis manu stiloque prodierat, möglichst nahe zu kommen. Diese
bestimmung, mit den der kommission zu gebote stehenden mitteln
durchgeführt, hatte einen text der Vulgata geliefert, wie wir ihn
noch heute als pium desiderium bezeichnen müssen. Aber der papst
hatte auch die jeden rechtschaffenen philologen verdriessende klausel
binzugefügt, ,die durch den kirchlichen gebrauch eingeführte ge-
stalt solle geschont und keine gar zu auffallende ünderung getrof-
fen werden“. Bei der feststellung der lesarten sei in erster linie
das alter und die trefflichkeit der handschriften massgebend, in
zweiter linie die citate der vater und alten interpreten. Erst da,
wo beide mittel nicht zum ziele führten, dürfe auf den hebrüischen
und griechischen originaltext zurückgegangen werden. Den text,
der anfang 1589 dem papst übergeben wurde, revidierte derselbe
hóchst gründlich, wobei er (nach welchen prinzipien, ist nicht si-
cher) eine anzahl von der kommission schon festgestellter lesarten
zum grossen verdruss der mitglieder eigenmächtig ünderte. Kaum
war die so vom papst endgültig festgestellte arbeit fertig im druck
hergestellt, so starb Sixtus V. am 27. aug. 1590, und nun bean-
tragten die gekrünkten kommissiousmitglieder 1591 bei seinem
zweiten nachfolger Gregor XIV eine revision der neuen bibelaus-
gabe. Derselbe setzte auch sofort eine aus den bedeutendsten ge-
lehrten bestehende kongregation nieder, der er möglichste beschleu-
Philologus. XLII. bd. 2. 24
370 Zu der Vulgata.
nigung ihrer arbeit zur pflicht machte. Als die mitglieder aber im
october 1591 nach angestrengtester thütigkeit sich ihrer aufgabe
entledigt hatten, drohte sich durch den tod Gregors am 15. okt.
der abschluas der langwierigen arbeit abermals zu verzögern. Erst
Clemens VIII, war es beschieden, die riesenarbeit der revision des
Vulgatatextes zu ende zu führen. Da man mit kommissionen keine
guten erfahrungen gemacht hatte, so übertrug er 1592 den ab-
schluss der gesammtarbeit zwei kardinälen und dem gelehrten je-
suiten Toletus, welch letzterer die seele des ganzen unternehmens
war. So erschienen denn endlich gegen ende 1592 die „biblia sa-
cra vulgatae editionis Sixti V. Pontificis Max. iussu recognita et
edita“, gedruckt von Aldus Manutius, Da aber diese ausgabe durch
eine ziemliche anzalıl druckfehler entstellt war, so kann erst durch
die 1598 erschienene dritte ausgabe, welche offizielle indices cor-
rectorii enthält, der text der Vulgata als kirchlicherseits abge-
schlossen betrachtet werden. Ueber die grundsátze, nach denen der
klementinische text festgestellt wurde, belehrt uns die praefatio ad
lectorem: es sind im wesentlichen dieselben, wie sie schon von
Sixtus V angegeben wurden, der ja auch auf dem titel als ur-
heber der ganzen arbeit bezeichnet wird, und so geht denn auch
der text Clemens VIII. im ganzen wieder auf die von den Sixtini
festgestellten lesarten zurück.
Nach dem oben gesagten haben wir also immer festzuhalten,
dass der uns vorliegende text der Vulgata nicht etwa den urspriing-
lichen wortlaut bietet, sondern eben nur die resultate der thätig-
keit der sixtinisch-klementinischen gelehrten. Die von Sixtus auf-
gestellte klausel, dass die änderungen nicht allzu einschneidend sein
sollten, hatte von vornherein eine anzalıl verbesserungen unmöglich
gemacht. Auch darf man von den kommissionsmitgliedern, selbst
angenommen dass sie mit den regeln der kritik und ihrer handha-
bung völlig vertraut gewesen wären, nicht voraussetzen, dass sie
im einzelnen eine so eingehende kenntnis des sprachgebrauchs der
verschiedenen schriften besessen hatten, wie sie zur kritischen re-
konstruktion derselben unbedingt erforderlich ist; dies war vielmehr
ein gesichtspunkt, den man damals nur ganz nebenher berücksich-
tigte. Daraus erklart sich denn die thatsache, dass die sixtinisch-
klementinische Vulgata eine reihe von lesarten aufweist, die wir bei
vergleichung der massgebenden hundschriften (insbesundere des Amia-
Zu der Vulgate. 871
tinus) und bei berücksichtigung der im vorhergehenden gewonnenen
sprachlichen gesichtspunkte sofort als unrichtig erkennen. Wie nun
Heyse-Tischendorf eine ausgabe des alten testaments in der weise
veranstaltet haben, dass sie dem klementinischen texte die les-
arten des Amiatinus als varianten beifügeu (Biblia sacra latina
veteris testamenti interprete Hieronymo, Leipzig 1873), so würe
für uns philologen eine ausgabe dringend wünschenswerth, wie sie
derselbe Tischendorf in seinem Novum testamentum latine (Leipzig
1864) für das N. T. zu geben versucht hat, eine solche nämlich,
die den fortlaufenden text des Hieronymus nach den besten quellen
böte und die lesarten der heutigen Vulgata nur für den kritischen
apparat verwerthete 3). Zur feststellung des textes bietet uns das
leider nicht vollendete werk vou C. Vercellone, Variae lectiones
vulgatae latinae bibliorum editionis (2 bde, Rom 1860, 62), eine
bedeutende bandhabe. Ein weiteres nicht zu unterschätzendes bülfs-
mittel aber besitzen wir in der genauen kenntnis des sprachge-
brauchs, wie er sich in den drei theilen der Vulgata zeigt, und im
folgenden soll nun der versuch gemacht werden, mit hülfe dieser
kenntnis an der hand der lesarten besonders deg Amiatinus einzelne
stellen der Vulgata auf ihre ursprüngliche gestalt zurückzuführen.
Das verfahren, das wir hier einschlagen, ist nicht neu; schon Ti-
schendorf hat dasselbe in den noten zu seiner oben erwahnten aus-
gabe des A. T. häufig angewandt: vgl. z. b. seine bemerkungen
zu exod. 6, 7 über den modus bei dem den acc. c. inf. vertre-
tenden quod oder zu exod. 13, 16 über den modus nach eo quod.
Die Vulgata kennt durchweg nur die form elephantus: 3 reg.
10, 22. 1 Macc. 1, 18. 3, 34. 6, 30. 34. 35. 2 Macc. 11, 4.
13, 2. 15. 14, 12; denn 1 Macc. 6, 46 sub pedes elephantis ist
nach dem zeugnis des Amiatinus elephanti zu lesen, ebenso 1 Macc.
8, 6 elephantos, wie bereits bei Tischendorf im text steht, wüh-
rend die konkordanz elephantes bietet ?). Die beiden formen
magnates und magnatus-i scheiden sich so, dass die erstere von
Hieronymus (Judith 5, 26), die letztere dugegen von der ltala ver-
8) Die ausgaben von Martianay und Vallarsi kónnen nur als
versuche betracbtet werden.
9) Mehrmals finde ich den fall, dass die mir vorliegende konkor-
dans, nicht ganz mit dem texte bei Tischeudorf übereinstimmt. So
gibt z. b. die konk. zu Dan. 13, 27 Aususmods, der text bei Tischen-
dorf richtig huiuscemndi.
24°
972 Zu der Vulgata.
wandt wird: eccli. 4, 7. 8, 10, 11, 1. 20, 29. 30. 23, 18. 28,
17. 32, 13. 88, 3. 39, 4. Scheinbar widerspricht dieser regel
eccli. 33, 19 audite me magnates; da aber Amiatinus magnati bat,
so ist alles in ordnung. —- Ebenso vertheilen sich die beiden for-
men imbecillis und imbecillus in der weise, dass die form auf is
von AB (eccli. 30, 14. 1 Cor. 11, 30. Hebr. 5, 11), imbecillus
aber von Hieronymus gebraucht wird: 2 paral. 28, 15; denn auch
2 Esdr. 4, 2 bietet der Amiatinus imbecilli nom. pl. (statt imbe-
cilles) und Job 26, 2 imbecilli gen. sg. (statt imbecillis), — So ist
weiter Jer. 9, 9 sicher nach dem Amiatinus huiuscemodi statt huius-
modi zu schreiben; denn Hieronymus kennt in C nur die form mit
dem deiktischen ce (55 st.), wie B! (19mal) nur huiusmodi hat.
Hieronymus schliesst sich bier dem gebrauche von A an, wo eben-
falls nur huiuscemodi erscheint; denn auch 2 Macc. 2, 3 ist diese
form nach dem zeugnis des Amiatinus herzustellen. — Neben ap-
plicui z. b. gen. 48, 13. Jos. 7, 16. 1 reg. 10, 20 u. ö. (so
aucb konstant in Macc. und B!) soll Hieronymus nach dem off.
text auch das perfekt applicavi gebraucht haben: 1 reg. 30, 7 (Os.
7, 6 die konk. applicaverunt, der text bei Tischendorf richtig
applicuerunt]. Allein die lesart des Amiatinus an dieser stelle (ad-
plicuit) belehrt uns, dass die form applicavi in der Vulgata nur
dem buch Sirach zukomme: eccli. 33, 12.
Innitor beschrünkt sich auf die von Hieronymus übersetzten
partien: gen. 28, 13. iudic. 16, 29. 4 reg. 5, 18 u. ö.; an der
einzigen widerstrebenden stelle 2 Macc. 11, 13 dei auxilio inni-
tentes, an der das verbum auch in A vorkommen soll, ist mit dem
Amiatinus nitentes herzustellen (vgl. 2 Macc. 14, 5 quibus rebus
et consiliis Iudaei niterentur).
Während sich in den bisher besprochenen beispielen die drei
grossen theile der Vulgata nach einzelnen wortformen und wôrtern
schieden, dienen die folgenden artikel dazu, die konstanz des
sprachgebrauchs innerhalb der einzelnen theile nachzuweisen. Da
coram bei Hieronymus, so oft der kasus deutlich erkennbar ist,
konstant den abl. bei sich hat, so wird man wohl auch 2 paral.
29, 19 nach dem Amiatinus coram altari zu schreiben haben, wie
jetzt auch 2 paral, 32, 12 richtig im off. text steht, wahrend die
erste klementinische ausgabe falsch coram altare las. Letzteres
steht auch jetzt noch 2 paral. 29, 24: et asperserunt sangwinem
Zu der Vulgata. 373
eorum coram altare; da aber der Amiatinus coram weglüsst, so
wird man die vermuthung Tischendorfs wahrscheinlich finden, der
statt sanguinem vielmehr sanguine zu lesen vorschligt. — Die
phrase per industriam exod. 21, 14 ist nach den handschriften
durch de industria zu ersetzen und das folgende per insidias als
ursache der verderbnis zu betrachten. Ein per ind. finde ich we-
der in C noch überhaupt in der Vulgata, wührend de ind. dem
Hieronymus ganz gelaufig ist: Ruth 2, 16. 1 reg. 9, 24. Job
34, 27. Jer. 38, 4. — Tamquam ist kein bei Hieronymus be-
liebtes wort: während AB ausgedelintesten gebrauch davon machen,
zieht er quasi vor und hat tamquam ein einziges mal Job 11, 12;
an den beiden andern stellen, an denen es der off. text noch hat,
Job 3, 24. 41, 15, ersetzt es der Amiatinus durch quasi.
Nach herstellung der richtigen lesart verschwinden eine an-
zahl unklassischer elemente, die sich jetzt noch in den von Hiero-
nymus übertragenen partien finden. So soll er 2 reg. 4, 10 (cui
oportebat mercedem dare pro nuntio) oporlet bei bestimmtem sub-
jekt mit dem blossen infin. konstruiert haben; allein wir zweifeln
keinen augenblick, dass die lesart der handschriften me dare mer-
cedem uns den echten text des Hieronymus bietet. Ao dieser stelle
sei auf das auffallend seltene vorkommen von oportet in C hinge-
wiesen; ich finde es hier nur 4mal, wührend A 11, B sogar 107
belege hat.
Bei diesem verfahren nun werden einzelne wôrter, die sich in
deu konkordanzen finden, aus dem wortschatz der Vulgata gauz
und gar getilgt werden müssen. So hat für illo (adv.), welches
die bibellexika mit der einzigen stelle Matth. 2, 22 belegen, der
Amiatinus illuc, das, da es sonst büufig vorkommt, unbedenklich
aufzunehmen ist, das vereiuzelte nil prov. 10, 2 nil proderunt the-
sauri impietatis ist vielmehr nach dem Amiatinus durch non zu
ersetzen. Auch implorare ist zu tilgen; denn 1 Esdr. 10, 1 sic
ergo orante Esdra et implorante eo et flente hat der Amiatinus
richtiger plorante; der irrthum ist dadurch entstanden, dass das
zweite particip mit dem ersten (orante) zusammengenommen wurde
statt mit dem dritten (flente). Uebrigens erinnert die zusammen-
stellung von flere und plorare einigermassen an Ennius bei Cornif.
4, 12, 18: flentes plorantes lacrimantes obtestantes. Weiter ist
elucescere aus dem wortschatz der Vulgata auszuscheiden, und zwar
874 Zu der Vulgata.
nicht bloss in seiner persónlichen verwenduog 2 Petr. 1, 19 donec
dies elucescat (lucescat Amiat. Fuld.), sondern noch vielmehr in
seiner unpersönlichen, in der es sonst ohne alle belege ist: 1 reg.
9, 26 cumque mane surrexissent et iam eluceseeret (dilucisceret
Am.) und Tob. 8, 20 priusquam elucesceret (lucesceret Am.) Die
lesarten des Amiatinus stimmen hier zum sonstigen gebrauche der
Vulgata: Matth. 28, 1 vespere autem sabbati, quae lucescit in
prima sabbati, 2 reg. 17. 22 donec dilucesceret.
Das wichtigste ist aber der umstand, dass ein wort, welches
lediglich auf grund falscher lesarten bisher in die lat. wörterbücher
aufgenommen worden ist, nach dem zeugnis des Amiatinus über-
haupt nicht existiert. Ich meine das verbum praescindo. Nach
Georges und den konkordanzen soll das wort an 3 st. vorkom-
men: 1 reg. 24, 12 cum praescinderem summitatem chlumydis
tuae, 2 reg. 10, 4 et praescidit vestes eorum medias usque ad
nates et dimisit eos, 2 Macc. 7, 4 (iussil) summas quoque manus
et pedes ei praescindi. Dass hier überall die entsprechenden for-
men von praecido herzustellen sind, wie man dies bei Vitruv 5, 7,
5, p. 118, 7 R bereits gethan hat, zeigen nicht nur die lesarten
des Amiatinus, dem für die beiden ersten der oben erwühnten stel-
len auch noch die melrzahl der übrigen in betracht kommenden
handschriften zur seite steht, sondern auch den oben angeführten
vóllig entsprechende beispiele mit praecido aus der Vulgata: 1 reg.
24, 5 praecidit oram chlamydis Saul silenter, 1 paral. 19, 4 et
praecidit tunicas eorum a natibus usque ad pedes et dimisit eos,
2 reg. 4, 12 praecidentesque manus et pedes eorum.
Wie so einerseits eine anzahl wörter dem sprachschatze der
Vulgata abzusprechen sind, so müssen andere nach den massgeben-
den handschriften erst eingeführt werden. So ist 1 paral. 22, 14
in paupertate mea nach. dem Am. und Tolet. paupertatula auf-
zunehmen, da Hieronymus dieses wort auch sonst (z. b. ep. 127,
14; vgl. Rönsch p. 96: gebraucht. Auch gegen die richtigkeit der
lesart sirenae Jes. 13, 22 im Amiatinus (i. t. sirenes) wird kaum
etwas einzuwenden sein, da gerade diese form, wie man aus Ge-
orges s. v. Sirena ersieht, die bei Hieronymus übliche ist.
Für andere wörter verstärkt sich wenigstens die anzahl der
belege. Das vulgüre advivo, das wir Jos. 4, 14 in der formel
dum adviveret auch im off. text lesen, ist nach den handschriften
Zu der Vulgata. 375
such 3 reg. 12, 6 und 2 paral. 10, 6 in derselben formel einzu-
führen, wo die heutige Vulgata das abgeglättete cum (bzw. dum)
adhuc viveret hat. Poenitudo verwendet Hieronymus mehrmals zur
abwechslung mit paenitentia: deut. 30, 1. 1 reg. 15, 29. Os. 11,
8; vgl. ep. 84: es ist daher auch iudic. 21, 15 nach dem über-
einstimmenden zeugnis des Amiatinus und Tolet. herzustellen, Für
necdum = nondum, das bekanntlich im bibellatein häufig auftritt
(Kaulen 197), sind nach dem Amiatinus noch in anspruch zu neh-
men die stellen 2 paral. 30, 3. 1 Esdr. 3, 6. prov, 8, 24, an
denen bis jetzt nondum gelesen wird; für letzteres wort bleibt dem-
nach in den von Hieronymus bearbeiteten theilen ein einziger beleg:
Agg. 1, 2 populus iste dicit: Nondum venit tempus, wo das wort
zu anfang einer rede steht. — Die alterthümlich - feierliche form
periuro hat Amiatinus levit. 6, 3. sap. 14, 28, wo jetzt formen
von peiero stehen; umgekehrt ist levit. 19, 12. prov. 30, 9.
Matth. 5, 33 nach dem Amiatinus peierare (nicht periurare) zu
lesen.
Wie praecido durch ein ersonnenes praescindo, so ist auch
abscido durch abscindo beeinträchtigt worden, und zwar in noch
höherem grade, da die beiden verba parallel neben einander liefen
und in ihrer bedeutung sich sehr nahe stehen. Die verwechselung
ging offenbar aus von den perfektformen absczdi und abscidi, die,
da sie sich lediglich durch die quantität unterscheiden, von unwis-
senden abschreibern leicht vermengt werden konnten ; auch die par-
tizipialfurmen abscisus und abscissus waren dieser gefahr in hohem
grade ausgesetzt. Der vortheil bei dieser vermengung ist fast
durchaus auf seite von abscindo, das sich haufig in die stelle von
abscido eingedrüngt hat. Vergleichen wir z. b. die konkordanzen,
so trellen wir (ausser abscides deut. 25, 12, und abscide Matth. 5,
30. 18, 8, wo sich also zwei formen des am wenigsten der ver-
weclselung ausgesetzten prüsensstammes erhalten haben) durchgän-
gig formen, die von abscindo kommen oder kommen kónnen; an-
ders aber verhält sich die sache, wenn wir auf die bandschriften
zurückgehen. Wir lesen dort abscisus (nicht abscissus, wie im
texte steht) deut. 23, 1 amputatis testiculis et absciso ve-
retro, 2 reg. 20, 22 abscisum caput; vgl. noch die lesart des
Amiatinus zu 1 reg. 5, 4. 2 Macc. 15, 30. So ist weiter im
prüsenestamm abecido statt abecindo hersustellen: Jes. 18, 5 et
876 Zu der Vulgata.
praecidentur ramusculi eius falcibus: et quae derelicta fuerint,
abscidentur. Sonach haben wir das perfekt absc;di zu erken-
nen: num. 13, 24 absciderunt palmitem cum uva sua (Luther: „und
schnitten daselbst eine rebe ab“), 1 reg. 24, 6 eo quod abscidisset
oram chlamydis Saul (vgl. 1 reg. 24, 5 et praecidit oram chla-
mydis Saul silenter), Judith 13, 10 et abscidit caput eius, Joh. 18,
10. 18, 26. act. ap. 27, 32.
Die besprechung dieses artikels gibt mir veranlassung zu dem
hinweis, dass auch für orthographische fragen der Amiatinus von
grósster wichtigkeit ist. Um derlei dinge kümmerten sich selbst-
verständlich die redaktoren der Vulgata so gut wie gar nicht,
was auch die konstanten schreibungen ihres textes wie moeror pene
praelium sepire hyems conditio nuncius emptitius u. a. bestätigen.
Im Amiatinus hingegen finden wir jetzt allgemein anerkannte
schreibungen wie anulus z. b. Luc. 15, 22. Jacob. 2, 2 (auch im
Fuld.), bucina (konstant, z. b. levit. 25, 9, im ganzen 38mal),
dammula prov. 6, 5. Jes. 13, 14, gluttire Job 7, 19. eccli. 23,
22. Matth. 23, 24 und degluttire num. 16, 30. 34 u. à. (kon-
stant), muttire exod. 11, 7. Jos. 10, 21, pellicius gen. 3, 21.
levit. 13, 59. 1 reg. 5, 9. Matth. 3, 4. Marc. 1, 6 (zu 4 reg.
1, 8 gibt Tischendorf keine bemerkung), percontari Judith 6, 10,
Ptolomaeus Ptolomais Ptolomenses z. b. 1 Macc. 10, 51. ib. 5,
15. 2 Macc. 13, 25 u. G., sarire Jes. 7, 25. 28, 24, singillatim
Marc. 14, 19, vatillum num. 4, 14, weiter lucusta (konstant, z. b.
exod. 10, 4), des doch zum mindesten ebenso gut beglaubigt ist
wie locusta. Aufmerksam will ich noch machen auf die im Amia-
tinus. vorkommenden schreibungen corcodillus levit. 11, 29. deut.
14, 7, die (wenigstens in der form corcodilus) sicher gestellt ist
bei Phaedr. 1, 27, 4. 6. Mart. 3, 93, 7. Macr. sat. 2, 2, 7,
frutectum Jes. 7, 19 (wie virecta gen. 41, 18), denumerare num.
23, 10. 2 paral. 2, 17 u. à. und denumeratio 2 paral. 2, 17.
Erst wenn wir im besitze einer allen ansprüchen der philo-
logie genügenden ausgabe der Vulgata sind, erst dann dürfen wir
unser augenmerk auf ein für die wissenschaft nicht minder noth-
wendiges und nützliches unternehmen richten, auf die bearbeitung
einer „grammatik der Vulgata“. Wir besitzen zwar eine anzahl
schriften, die sich mit der Vulgata auch nach der grammatischen
seite hin befassen. Allein Kaulens handbuch ist zunächst für das
Zu der Vulgata. 377
bedürfnis katholischer priester berechnet und kann vom wissen-
schaftlichen standpunkte aus nicht genügen, Rönsch in seiner „Itala
und Vulgata“ betrachtet ein zu ausgedehntes gebiet, als dass er
sich mit der Vulgata eingehender befassen kónnte, Heiss in seiner
formenlehre, Hagen in seinen ,,erürterungen * und Loch in seinen
„materialien“ besprechen bloss einzelne punkte und partien. Alle
diese arbeiten sind in der that nur „materialien“ zur künftigen
grammatik, die nach den besonders in den letzten jahren zu tage
geforderten, die historische entwicklung der lat. sprache betref-
fenden gesichtspunkten gearbeitet sein müsste. Dabei würe selbst-
verständlich auf den gebrauch des Hieronymus, wie er sich in
dessen übrigen schriften zeigt, sowie auf das kirchenlatein im all-
gemeinen mehr rücksicht zu nehmen, als wir es hier bei be-
schranktem raume thun konnten. Der nutzen einer solchen gram-
matik springt in die augen. Abgesehen davon, dass das richtige
grammatische verstündnis auch die exegese nicht unwesentlich für-
dern würde: wir hätten in einem solchen buche nicht bloss für
die Vulgata selber eine unterlage des verstündnisses, sondern auch
für die gesammte nachhieronymianische kirchenliteratur, ja für
einen grossen theil der profanliteratur, soweit sie eben vom bibel-
latein beeinflusst ist. Aber diese ,,grammatik der Vulgata“ liegt
noch in weiter zukunft: vorerst gilt es, wie oben angedeutet, an-
deren zielen zuzustreben.
Vorliegender aufsatz müge als ein erster versuch betrachtet
werden, das in der Vulgata enthaltene sprachmaterial zu orduen
und zu verwerthen. Vielleicht vermisst man bei einzelnen artikeln
einen hinweis auf den sprachgebrauch des Hieronymus in seinen
übrigen schriften. Kinen solchen zu geben, war anfangs von mir
beabsichtigt; allein bald drángte sich mir die überzeugung auf, dass
bei den ungenügenden vorarbeiten über die sprache des Hieronymus
eine beiziehung ungesichteten materials eher verwirrend als fürderud
wirken werde. Denn der sprachliche charakter der einzelnen werke
des grossen kircheulebrers ist ein sehr ungleicher: neben arbeiten
von der höchsten stilistischen vollendung finden sich andere, denen
der stempel der eilfertigkeit und flüchtigkeit aufgeprägt ist. In
letzterer beziehung sind namentlich seine kommentare zu einzelnen
biblischen schriften zu nennen, die man nicht mit uurecht als eil-
fertige kompilationen bezeichnet hat; eine reihe von wörtern und
378 Zu der Vulgata.
wendungen, die Hieronymus sonst vermeidet, hat er hier einfach
aus seiner quelle herübergenommen. Sorgfältiger stilisiert sind
seine briefe; allein es sind eben briefe, und bekanntlich gestattet
der briefton mancherlei freiheiten und neigt gar haufig zum sermo
cotidianus, So dürfen wir uns demnach nicht wundern, wenn wir
in diesen werken formen, würter und konstruktionen finden, denen
Hieronymus in der bibelübersetzung den zutritt verweigert hat:
so z. b. eructare !?), inaccessibilis, die nominativform scorpius u. s.
(über manche artikel findet man auskunft bei Paucker, De latinitate
B. Hieronymi, Berlin 1850). Andrerseits ist kein zweifel, dass
Hieronymus in seiner bibelübersetzung (abgesehen von den oben
angegebenen ausuahmen) auch in stilistischer hinsicht ein meister-
werk geben wollte, dessen sprache also sehr wohl für sich, ohne
beiziehung der übrigen hieronymianischen schriften, betrachtet wer-
den darf.
10) Dae wort, das im psalterium Gallicanum noch 5mal vorkommt
(psalm. 18, 3. 44, 2. 118, 171. 143, 13. 144, 7), verwendet Hieronymus
in seiner übersetzung des Psalters (im psalterium iuxta Hebraeos)
nur noch an den beiden ersten stellen, offenbar in reminiscenz an die
alte version, von deren einfluss er sich jedoch im fortgang seiner ar-
beit günzlich befreit hat; denn an den drei letzten stellen ist eructare
ersetzt durch die gewühlteren wörter fundere supereffundere und toqui.
Speier. Philipp Thielmann.
Zu Cato de moribus.
II, 26 lautet in Hauthal’s ausgabe:
rem, tibi quam nosces aptam, dimittere noli,
fronte capillata est; post est Occasio calva.
Wie man bei solcher interpunction den satz erklüren will, ver-
stehe ich nicht; die „behaarte stirue‘ kann doch nur der personi-
ficirten Occasin zugeschrieben werden, deren natur in dem zweiten
verse beschrieben wird; vgl. Phaedr. V, 8, wo dieselbe mit lan-
geren worten gemalt wird. Demnach ist vielmehr hinter soli ein
semicolon oder besser colon, dagegen hinter est ein comma zu
setzen.
Sprottau. C. Hartung.
ll. JAURESBERICHTE,
- --— _ — =. —— — — —-
50. Eutropius.
1) Eutropi breviarium ab urbe condita Guil. Hartel re-
cognovit. Berolini apud Weidmannos 1872. — Rec.: Gôtt. gel.
Anz. 1874, I p. 143—155 O. Keller. — — Philol. Anz. IV 1872
p. 250 -252 A. B. E. — Heidelberger Jahrbb. 1872 p. 518—
519. — Lit. centralblatt 1872 p. 1368 W. --- Wiener allgem.
lit.-ztg. 1872 p. 117 Weishaupt. — Fleckeisens Jahrbb. 107 p.
259 —264 V. Gardthausen.
2) Eutropi breviarium ab u. c. rec. H. Droysen. Berolini
apud Weidmannos 1878. — Rec.: Lit. centralbl, 1879 p. 1555
A. E. — Phil. Anz. X 48-51 C. Wagner. — Zeitschr. für
österr. gymnasialw. 1880 p. 838—842 R. Bitschofsky.
3) Eutropi breviarium ab u. c. cum versionibus graecis et
Pauli Landolfique additamentis. Rec. et adnot. H. Droysen. Be-
rolini apud Weidmannos 1879. [Monum. Germ. hist. ll]. — Rec.:
Lit. centralbl. 1879 p. 1517 A. E. — Histor. Zeitschr. n. f.
bd. 8, 1 p. 132—135 F. Hirsch.
4) Droysen, H., Die ausgaben von Schoonhoven und Vi-
netus. In Hermes XII 385.
5) Duncker, R., Zu Eutropius. In Fleckeis. Jahrbb. 119
p. 641. 656.
6) Duncker, R., De Paeanio Eutropi interprete. Greiffen-
berg i. P. 1880. — Ree.: Phil. rundschau | p. 309 C. W(agener).
7) Ebeling, P., Quaestiones Eutropianae. (Dissert.) Halis
Sax. 1881. — Rec.: Phil. rundschau | p. 984 C. W(agener).
8) Eussner, Ad., Ad Eutropium. In Specimen criticum ad
script. quosdam Lat. Würzburg 1868 p. 33 — 35.
9) Eussner, Ad., Zu Eutropius. In der Zeitschr. für die
baier. gymn. VIII 75.
380 Jahresberichte.
10) Hartel, W., Eutropius u. Paulus Draconus. In Sitzungs-
berichten der k. k. akademie der wissensch. zu Wien. Philol. - hi-
stor, cl. bd. 71 (1872) p. 227— 310 u. separat Wien bei K. Ge-
rold’s sohn 1872 — Rec.: Gott. gel. Anz. 1874 I p. 143—155
O. Keller. — Phil. Anz. V 1873 p. 550—553. — Lit. centralbl,
1872 p. 1368 W.
11) Haupt, H., Zu Paianios und Eutropius. [n Fleckeis,
Jahrb. 119 p. 104.
12) Haupt, H., Planudische excerpte in Hermes XIV p. 36.
13) Haupt, M., Opuscul. HI p. 572.
14) Koecher, A., De loannis Antiocheni aetate, fontibus
auctoritate, Bonn 1871.
15) Lüdecke, Fr., Sylburgs codex des Eutropius. In
Fleckeis. Jahrbb. 111 p. 874—579.
16) Mommsen, Th. Eutropius, breviarium ab urbe condita.
In Hermes 1, 468.
17) Mommsen, Th., Die Gothaer handschr. des Eutropius.
lu Fleckeis, Jahrbb. 113 p. 648.
18 Mommsen, Th., Ueber Planudische und Constantinische
excerpte. In Hermes VI p. 83.
19) Neumann, K. J., Zu Eutropius und Herodian. In
Rhein. museum 35 p. 485—486.
20) Peiper, R., Zu Eutropius. In Philologus 33, 686.
21) Pirogoff, Wiad., De Eutropi breviarii ab u. c. indole
ac fontibus. Par. |. Berlin 1873.
22) Rühl, Frz., Zu Eutropius] 20, ll 1. In Rhein. museum
29 p. 639—640.
23) Schrader, C., Zu Eutropius. lo Fleckeis. Jahrbb. 117
p. 218.
24) Schulze, E., De Paeonio Eutropii interprete. In Phi-
lologus 20 p. 285 — 299.
25) Wagener. C., Zu Eutropins VIII 10. In Philologus
35 p. 102.
26) Wagener, C., Zu Eutropius. In Philologus 39 p.
178—180.
1) Ausgaben und kritisches material.
Wie bei vielen andern schriftstellern des alterthums, so ist es
auch bei Eutropius der fall, dass wir erst in der allerneuesten zeit
einen nach den besten kritischen hiilfsmitteln constituierten text be-
sitzen. Wilh. Hartel war es, der mit der eklektischen behandlung
des Eutropiustextes brach, der zuerst den text dieses von der kritik
so stiefmiitterlich behandelten historikers in einer weise herausgab,
wie sie den anforderungen moderner wissenschaft entspricht. Und
wenn auch seine ausgabe durch die von H. Droysen überflügelt ist,
% .
om n
Jabresberichte. 381
so dürfen wir doch nicht vergessen, dass Hartel zuerst den allein
richtigen weg, auf dem man zu einem ungefälschten Eutropiustexte
gelangen kann, betreten hat, und es ist wohl zu beachten, dass
die grundlage des textes bei Droysen keine andere ist als bei Hartel,
wohl aber eine breitere und zuverlässigere. Von deu vielen aus-
gaben — die bis zum jahre 1791 erschienenen findet man am besten
bei C. H. Tzschucke cap. XI der praefatio seiner ausgabe, Leipzig
1796 p. LXI—LXXXVII zusammengestellt — verdienen, weil sie
auf ganz falscher und schlechter grundlage aufgebaut sind, nur
wenige eine eingehendere besprechung.
Die ersten ausgaben, welche den „reinen“ Eutropius enthalten,
wurden fast zu gleicher zeit von A. Schoonhoven und E. Vi-
netus besorgt; die früheren ausgaben, auch wenn sie den namen
Eutropius auf dem titelblatt führten, bieten uns nicht den wahren
Eutropius, sondern enthalten vielmehr die 16, beziehungsweise 17
bücher der Historia Romana des Paulus Diaconus. Seit der editio
princeps, welche in Rom 1471 erschieuen ist, bis zur ausgabe von
Schoonhoven 1552 finden wir nach C. H. Tzschucke, Praef. p.
LXI—LX XI, nicht weniger als 24 ausgaben, gewiss ein deutliches
zeichen, wie eifrig Paulus Diaconus damals gelesen wurde; vou
diesen sind die meisten in Italien, Frankreich und Holland, nur we-
nige in Deutschland und der Schweiz herausgegeben. Die erste
ausgabe des „reinen“ Eutropius, die wir als die editio princeps be-
zeichnen können, edierte Anton Schoonhoven (gest. 1557 als
kanonikus in Brügge). Dieser klagt in der vorrede, welche aus
Brügge vom 1. juli 1545 datiert ist (die ausgabe erschien erst
Basileae ex officina Ioannis Oporini. Anno salutis humanae MDLII
Mense Ianuario), über die vorhandenen interpolierten texte und gab
desshalb seine ausgube heraus. Id quod ego, heisst es in der vor-
rede, cum ex collatione integerrimi exemplaris (quod subministrabat
nobis R. D. Abbas ac Praepositas S. S. Ioannis et Bavonis apud
Gandenses) deprehendissem, nolui committere, quin tam utilem aucto-
rem integritati suae restituerem syncerumque ederem , ne posthac
(quod doctissimis etiam usu venisse videmus) Paulina pro Eutropianis
citentur: quae, quantum distent, aliorum esto iudicium. Tanta
cerle clade hunc ille affecerat , ut nulla inveniri impressa exem-
plaria, quae castigationem sustinerent, a me potuerint. — Quare totum
ipse describere coactus sum. Wenn Schoonhoven sagt: ne posthac
Paulina pro Eutropianis citentur, so ist dies nicht ganz genau,
denn nach H. Droysen (Hermes XII p. 385 und editio mai, praef.
p. XX) finden sich noch in dieser ausgabe neun zusütze, von denen
2, 22 (15, 17; 40, 18!) classe [Clypeam petunt et contra Car-
thaginienses venerunt]; 2, 26 (16, 27; 44, 12) ceterae [viginti
1) Citiert wird nach den ausgaben von H. Droysen; die beiden
ersten der eingeklammerten zahlen beziehen sich auf die kleinere,
die beiden letzten zahlen auf die gróssero ausgabe.
382 Jahresberichte, .
milia capta]; 3, 7 (19, 5; 50, 7) quinquaginta (milibus peditum
et XX milibus equitum]; 9, 13 (65, 14; 156, 17) Tetricum [qui
a militibus imperator electus] in keiner der bis jetzt bekannten Ke-
tropius- oder Paulushandschriften, wohl aber in der von Erasmus be-
sorgten ausgabe apud Frobenium, Basel 1518, stehen; die übrigen
zusatze 3, 21 (23, 24; 62, 5) liberata est [quam flens dicitur re-
liquisse]; 4, 15 (29, 21; 74, 14) superatus est [His diebus An-
drogynus Romae visus iussu haruspicum in mare mersus est]; 6,
22 (44, 9; 108, 8) habuerat [quae postea regio comitatu urbem
ingressa est]; 9, 7 (63, 28; 152, 19) consenuit [nam quamdiu
vixit, rex eiusdem provinciae incurvato eo pedem eius cervicibus
imponens solitus erat equum conscendere]; 9, 11 (64, 28; 156, 4)
intereu [fraude Aureoli ducis sui] sind Paulinische einlagen. Die
handschrift, aus welcher die ausgabe Schoonhoveus hervorging, war,
wie W. Hartel (Eutropius und Paulus Diaconus p. 62) erkannte,
der cod. Leydensis (nr. 141), welchen spater (1592) Paul Merula
benutzte und aus dem Siegbert Havercamp (1729) und Heinrich
Verheyk (1762) zahlreiche varianten mittheilten. Schoonhoven hat,
wie Hartel bemerkt, diesen codex nicht in roher abschrift zum ab-
druck gebracht, sondera uflenbare fehler desselben verbessert und
aus dem gedruckten Paulinischen texte das brauchbare herüberge-
nommen. Bei Droysen ist diese handschrift mit L bezeichnet.
Fast zu gleicher zeit erschien die ausgabe des Eutropius von E.
Vinetus (Elie Vinet geb. 1509 in Vinets, gest. in Bordeaux am
14. mai 1587): Pictavis excudebat Engelb. Marnesius XXIX men-
sis Augusti MDLIII. Aus den worten der vorrede (Burdigal. XV
Cal. lun. MDLIN) ,ego vero boni authoris vicem diu multumque
dolui, donec incidi tandem in antiquum illum Dominicalium Burde-
galensium librum, ex cuius fide tam integrum damus id opus, ut
nunc primum editum videri possit müsste man schliessen, wie es
auch Hartel (Eutropius und Paul. Diac. p. 65—66) gethan hat, dass
Vinetus die ausgabe Schoonhovens gar nicht gekannt habe. Allein
Droysen. der im Hermes XII p. 386 das verhältniss beider aus-
gaben untersuchte, fand, dass Vinetus die ausgabe von Schoonhoven
seinem druck zu grunde gelegt hat, „denn nicht nur hat er einen
druckfehler derselben mit abgedruckt [4, 17 (30, 6; 76, 9) Ro-
manus exercitus statt Romani exercitus], in etwa 70 fällen ver-
bessert er nach seiner handschrift lesarten „früherer“, die eben die
Schoonhovenschen sind“. Was die nicht eutropischen stücke be-
trifft, die sich bei Sclioonhoven finden, so hat er von den obener-
walinten neun zusätzen nur zwei beibelialten und zwar die, welche
iu der ausgabe von Erasmus stehen: 2, 26 (16, 27; 44, 12) und
3, 7 (19, 5; 50, 7); ausserdem fügt er noch zwei neue Paulini-
sche interpolationen hinzu, die sich in allen spateren ausgaben wie-
derfinden und selbst noch bei Hartel im texte stehen, namlich 9, 15
(Hart. p. 68, 31; Droys. 66, 14; 158, 21) referri [imperavit an-
% .
ME.
Jahresberichte. 388
nos quinque, menses sex]; 9, 17 (Hart. p. 64, 15; Droys. 66, 31;
160, 12) ferrata [imperavit annos sex, menses quattuor]. Die
bandschrift, die Vinetus bei seiuer ausgabe benutzte, ist wahrschein-
lich verschwunden; nach den proben zu urtheilen, die er in sei-
nem commentar mittheilt, müssen wir den verlust sehr bedauern,
denn aus einer vergleichung mit den übrigen handschriften ergiebt
sich, dass der antiquus Burdegulensis zu den bessern handschriften
gehört hat. An fünf stellen hat S, wie ihn Droysen nennt, von
der lateinischen überlieferung allein das richtige, an vier stellen
stimmt er mit Paeanius überein, die fünfte hat derselbe zu frei
übersetzt, um erkennen zu künnen, welche lesart er vor augen
gehabt hat. Das richtige bietet S ullein: 2, 2 (9, 12; 24, 13)
Praeneste; 3, 5 (18, 21; A8, 13) consulem, der singular auch von
Paeanius bestätigt; 3, 22 (24, 5; 62, 16) centum milibus (eig
dixu wuosudag Paean.); 6, 20 (43, 22; 106, 6) Palaeopharsalum
(iv Muduscopagouim); 7, 13 (49, 12; 122, 14) apud Mogontia-
cum (év Moyoriiaxo). Freilich ist S, wie auch die andern hand-
schriften, nicht frei von fehlern aller art, so z. b. 1, 9 (5, 19;
16, 3) annum unum statt annuum; 8, 3 (55, 5; 136, 18) phar-
pace syro statt Purthomasiri; 9, 18 (67, 9; 160, 19) illectica-
retur statt in lecticula veheretur; 9, 20 (68, 3; 162, 13) ureum
statt aureum montem; 10, 15 (76, 8; 178, 27) germanici iam
statt Germaniciani etc. etc., aber das geht auf das deutlichste aus
der mehrzahl der fehler hervor, dass dieselben unbedingt auf die
A-klasse d. h. auf F und G zurückführen. Einige beispiele mögen
dies klar machen: 2, 16 (13, 25; 36, 15) schreibt FG gulinio,
S galinio, Paean. xvdAnrfov, LO culnio, PD gulone, richtig ist
Ogulnio; 6, 3 (37, 18; 94, 1) statt ex consule liest man in FG
ex consulari; 6, 8 (39, 5; 96, 12) statt Cabira oder Cabiram hat
LO gabiram, FGP gaveram, S graveram, D graverun; 6, 10 (40,
4; 98, 8) schreibt FG histrium, S histriam, LO istrum, richtig
Histrum; 7, 9 (48, 1; 118, 14) muss es heissen Salussos wie P
schreibt, dafür hut FG calasos, S calosos, LOD talassos. Mit den
handschriften der A-klasse d. h. mit G und besonders mit F stimmt
S im richtigen wie im falschen selr oft überein, auch die lücken
finden sich in S wie in der A-klasse: 1, 5 (4, 12; 12, 4) upud
Hostiam civitatem; 1, 8 (4, 33; 14, 1) uulscos; 1, 16 (7, 14;
20, 12) gruio; 1, 19 (8, 10; 22, 10) Fidenae VI; 2, 12 (12,
12; 82, 21) redimendis fehlt in FG wie in S; 2, 17 (13, 29;
36, 18) ianio; 2, 21 (14, 31; 40, 7) usque om. GS; 2, 27 (17,
5; 46, 1) XXV; 3, 9 (19, 28; 52, 6, umbitu; 3, 12 (21, 5;
56, 6) Mallium; 3, 14 (14, 27; 58, 1) Isauriae F u. S, in G
eine lücke; 3, 16 (22, 17; 58, 16) Publius Fabius; 4, 4 (26,1;
66, 7) circa sipylum maguesiam; 4, 6 (26, 27; 68, 6) cothum;
4, 10 (28, 16; 72, 5) semen; 4, 15 29, 19; 74, 13) Pseudo-
perses; 4, 22 (31, 8; 80, 5) uituito: 5, 6 (34, 30; 88, 17)
884 Jahresberichte.
ipsas Athenas; 5, 9 (36, 13; 90, 24) Hierdam; 6, 2 (37, 14;
92, 21) Curio om. GS; 6, 7 (38, 19; 96, 1) duce; 6,°7 (38,
19; 96, 1) oenomatu; 6, 8 (39, 4; 96, 11) sinopen; 6, 9 (39,
21; 96, 24) legiones; 6, 9 (39, 24; 98, 2) parante; 6, 14 (41,
9; 100, 11) oroden ter; 7, 8 (47, 25; 118, 5) atello; 8, 8
(55, 8; 136, 20) carduenos; 8, 3 (55, 8; 136, 20) anthema-
sium; 8, 8 (57, 19; 140, 22) Lorium; 8, 18 (60, 26; 146, 19)
arabas et azabenos om. FGS; 8, 19 (61, 5; 148, 6) CXXXII;
9, 4 (63, 8; 152, 4) Budaliae; 9, 21 (68, 11; 162, 19) Armo-
rici; 9, 24 (69, 17; 164, 18) Cullinicum; 10, 10 (75, 7; 178,
1) primarum litterarum. Hieraus aber folgern zu wollen, dass 8
aus G oder F abgeschrieben sei, wäre desshalb falsch, weil S mit
Paris. 5802 und Lincoln. (vgl. Drovsen editio mai. praef. p. XX)
an einigen stellen iibereinstimmt, an denen er von FG abweicht:
3, 11 (20, 26; 54, 13) ad reparandas vires] res G , rursus S
Paris. Lincolu. Was F gehabt hat, ist nicht mit sicherbeit zu be-
stimmen, Sylburg schreibt im texte ad reparandas vires ohne etwas
in den noten und im index zu bemerken; 6, 14 (41, 18; 100, 18)
lucus ibi S D Lincoln. Paris., auch wohl F, da Sylburg lucus ibi
im texte hat und nichts notiert, lucius sibi G; 7, 14 (49, 31;
124, 11) prostravit S Paris. prostituit FG; 10, 4 (72, 28; 172,
7) strenuus G, strenuis SD Paris. Lincolo.; 3, 14 (21, 27; 58, 1)
G hat hier eine lücke, F aber und S Lincoln. Paris. haben Isau-
riae; 10, 16 (77, 2; 181, 2) quantum GLOPD, quam tantum Pa-
ris. Lincoln. Capito, letzteres schreibt auch Vinetus, ob nach seinem
codex oder nach eigener korrektur bleibt zweifelhaft. Aller wahr-
scheinlichkeit nach ist auch S8 aus der B- und C-klasse interpoliert :
darauf führen einige stellen, an welchen S mit diesen codices über-
einstimnt. So 1) S + LO: 2, 1 (10, 6; 26, 8) VII milia SOL,
octo milia A; 2, 20 (14, 16; 38, 16) duellio LOS Paean., duileo
G', duillo FG?PD; 4, 19 (30, 17; 78, 3) galliciis LOS, callecis
G'PD; 6, 17 (42, 23; 104, 7) arunculeius LOS; 7, 16 (50, 20;
127, 6) servilius LOS, servilis G. 2) S + PD: 3, 22 (24, 5;
62, 16) ponderibus argeuti PDS, argenti ponderibus FG; 8, 5
(56, 9; 138, 18) CXL SPD; 8, 23 (61, 33; 148, 27) xeren
PSD, xersen FG. 3) N + LOP: 4, 26 (31, 27; 82, 2) ad-
versus, 4) S + LPD: 9, 18 (67, 13; 160, 22) deductis, 5)
S + LOPD: 7, 1 (45, 22; 114, 1) octavianus; 7, 3 (46, 22;
44, 22) perusium; 7, 18 (51, 24; 128, 14) erecta. Da wir nur
einzelue proben übrig haben und nicht beurtheilen können, mit wel-
cher sorgfalt Vinetus bei seiner arbeit zu werke gegangen ist,
so lässt sich schwerlich bestimmt etwas über die abhängigkeit der
cod. Burdagilensis sagen. Ich glaube, was Droysen richtig von
den cod, Lincoln. und Paris. 5802 sagt, passt auch auf S: de-
scriptus est ex codice quodam familiag A, sed ex BC interpolato.
Die nächsten werthvollen ausgaben des Eutropius besorgte Fr.
Jahresbericlite. 385
Sylburg (1536—1596); dieselben sind in den Hist. Rom. seri-
ptores | p. 559 (Frankfurt a. M. 1588) und in dem dritten bande der
Romanae historiae scriptores Graeci minores (Frankfurt a. M. 1590)
p. 63 erschienen. Besonders wichtig ist die letztere ausgabe, weil
bier zum ersten male die übersetzung des Paeanius mitgetheilt ist
und weil Sylburg für den text des Eutropius einen sehr alten codex
benutzen konnte. Er sagt in der vorrede zu den notationes in
Eutropium p. 902b: In Eutropii editione superiore duas potissimum
editiones seculi sumus, — Earum recentior est Eliae Vineti; vetustior
Antonii Schonhovii, utraque ad manuscriptorum librorum fidem exa-
minata. Schonhovius enim se Gandensem codicem secutum est, Vi-
netus autem Burdegalensem. In hoc ergo tomo Graecolatino quia
idem auctor cum Graeco metaphraste repetendus erat, id annitendum
putavi, ut ipse quoque veterem librum m. s. alicunde impetrarem.
Et cum e Francisco Modio, antiquorum librorum diligenti scruta-
fore cognovissem , oplimae notae exemplar in Fuldensi bibliotheca
superesse, tandem co per assiduas amicorum intercessiones sum po-
titus. Eum igitur nactus librum cum superiori editione nostra
contuli, und in der vorrede zum Eutrop. 62: Latinum vero exem-
plar, antiquum sane ct optimae notae, Fuldense collegium nobis
suppeditavit intercessore Balthasaro Vigando, viro reip. litterariae
studiosissimo. Später hören wir nichts mehr von diesem werth-
vollen codex; er scheint wie die handschrift des Vinetus zu
grunde gegangen zu sein. Die klosterbibliothek hat aufgehört zu
existieren, ihre reichen schütze wurden nach allen weltgegenden,
nach Rom, München, Cassel und andern orten zerstreut. Ueber
diesen codex handelt in eingehender weise sorgfältig wie immer
Fr. Lüdecke (Fleckeis. Jahrb. 111 p. 874), er weist auf das be-
stimmteste nach, dass der Fuldensis mit dem Gothanus (n. 101)
nicht identisch ist, wie Th. Mommsen in Hermes I, p. 468 ange-
nommen hatte. Diese verschiedenheit beider handschriften ist jetzt
wohl von allen, die sich hiermit beschäftigen, anerkannt, nur Rud.
Nicolai nennt denselben in seiner geschichte der römischen literatur
vom jahre 1881 yp. 795 noch immer „den Gothaer Fuldensis".
Richtig urtheilt über den Fuldensis H. Droysen (praef. IV): ex
lectionibus huius codicis .. apparet. Fuldensem et Gothanum si non
ex eodem archetypo descriptos eiusdem certe fuisse familiae, Ful-
densem autem Gothano fere semper, ubi differunt, praeferendum esse
scriptum a librario diligentiore et minus inperito. Wie nun Syl-
burg collationiert hat, ist schwer zu sagen; eine collation nach
heutigem begriff giebt er gewiss nicht, „aber das, was er giebt,
sagt Lüdecke, halte ich für genau und zuverlüssig, dafür bürgt mir
seine sonstige akribie und saubere detailarbeit, welche die ge-
schichte unserer wissenschaft mit recht rühmt*. Sylburg hat leider
von dieser werthvollen handschrift nicht immer den richtigen ge-
brauch gemacht; zwar hat er eine reihe von richtigen lesarten aus
Philologus. XLII. bd. 2. 29
386 Jahresberichte.
dem Fuldensis aufgenommen, manche aber unbeachtet gelassen.
Was die oben bei Schoonhoven und Vinetus erwähnten zusätze be-
trifft, so fehlen: 2, 22 (15, 17; 40, 18); 6, 22 (44, 9; 108,8);
9, 7 (63, 28; 152, 19); 9, 11 (64, 28; 156, 4); 9, 13 (65,
14; 156, 17); folgende sind im texte eingeklammert und in den
noten mit der bemerkung versehen, dass sie im Fuld. fehlen: 2,
26 (16, 27; 44, 12); 3, 21 (23, 24; 62, 5); 4, 15 (29, 21;
74, 14); 9, 15 (66, 14; 158, 21); 9, 17 (66, 31; 160, 12)
dagegen steht 3, 7 (19, 5; 50, 7) ohne klammer im texte, in
den noten aber führt Sylburg an, dass diesen zusatz der Fuldensis
nicht hat. Die stellen, welche Sylburg behandelt, sind im texte
gewöhnlich durch asterisci oder einklammerung bezeichnet, dieje-
nigen stellen aber, welche zwar einen asteriscus haben, aber in deu
notae p. 902—912 nicht besprochen sind, finden beachtung in dem
alphabetischen Index verborum et rerum notatu digniorum p. 1— 69,
in welchem die lesarten des Fuldensis mit Fc bezeichnet sind, so
z. b. 2, 5 (p. 70, 15 ed. Sylb.) Titus Manlius im Index p. 40a;
2, 12 (72, 38) iunctis im Index p. 35b; 2, 12 (73, 1) depopu-
latus est im Index p. 20c; 2, 14 (74, 6) tunc im index p. 66a;
2, 14 (74, 8) in Siciliam im Index p. 33a u. a. m. Jetzt haben
wir eine sehr sorgfältige collation dieser handschrift in der grossen
ausgabe von Droyseu, wo sie mit F bezeichnet ist. Bei einer ver-
gleichung babe ich nur folgende kleine unbedeutende irrthümer ge-
funden: 1, 5 (4, 12; 12, 4) apud hostiam civitatem ausser LOGSPD
auch F vrgl. Index p. 47a; 1, 7 (4, 25; 12, 5; aescylinum ausser
G auch F vrgl. Ind. p. 2c; 1, 12 (6, 29; 18, 15) octavius ausser
G und Capito auch F vrgl. Ind. p. 45c; 1, 14 (7, 3; 20, 3) uul-
scis F vrgl. Ind. p. 68c; 1, 15 (7, 7; 20, 6) uulscorum F vrgl.
Ind. p. 68c; 2, 19 (14, 10; 38, 12) ceptae G!, acceptae sunt LO,
F aber captae vrgl. Ind. p. 1a; 2, 21 (14, 26; 40, 3) F. Lucio
Mallio vrgl. Ind. p. 38c und 40a; 2, 28 (17, 17; 46, 10) mallius
PD, mallo G, malus LO, F aber wie G mallo vrgl. Ind. p. 40a;
3, 3 (18, 10; 48, 5) F Tito Mallio vrgl. Ind. p. 40a; 3, 12
(21, 5; 56, 6) F Mallium vrgl. Ind. p. 40a; 3, 22 (24, 11; 62,
20) his ausser GPD auch F vrgl. Ind. 23a; 4, 10 (28, 12; 72, 2)
F Mallio vrgl. Ind. 40a; 5, 1 (32, 20; 84, 2) F Mallius vrgl
39a; 6, 3 (37, 19; 94, 2) F hat nicht, wie Droysen angiebt, pha-
selidam, sondern wie GPD faselidam vrgl. lud. 49c; 6, 7 (38, 19;
96, 1) schreibt Droysen chryxo (F?,, aber mit unrecht, F hat
crixo, Sylburg sagt im ludex 19b: ego Crixum cum F.c. malui;
6, 22 (44, 11; 108, 9) F lat in auxilium wie PD, auxilium G
vrgl. Ind. p. 9e; 8, 2 (55, 3; 136, 16) F hat wie DV victobali
vrgl. Ind. p. 67e; 9, 2 (62, 26; 150, 18) circesso ausser PD
auch F vgl. Ind. 15b; 9, 19 (67, 24; 162, 8) F hat anulini
und Sylb. bemerkt im Ind. p. 6a: uno | et F. c. et Gr, m.; 10,
m
Jahresberichte. 387
8 (72, 17; 170, 20) gallis ausser G auch F vrgl. Ind. p. 27b;
10, 9 (74, 24; 176, 14) F hat wie G pluribus vrgl. Ind. 50b.
Bei besprechung der übrigen ausgaben, natürlich ausser denen
von W. Hartel und H. Droysen, können wir uns ganz kurz fassen:
gewöhnlich legten die herausgeber den text von Schoonhoven, Vi-
netus oder Sylburg dem ihrigen zu grunde, setzten die noten der
früheren ausgaben unter den text und vermehrten dieselbeu durch
eigene bemerkuugen, verglichen auch wohl einen oder mehrere co-
dices wie z. b. Merula 1592, der den codex Nansii d. h. den alten
codex Leydensis von Schoonhoven benutzte, Hearnius 1703, der
sieben codices einsuh, Haverkamp 1729 und Verheyk 1762, die
fünf Leydener haudschriften, unter diesen den uns bereits be-
kannten Leydensis, verwandten. Von einer wissenschaftlichen me-
thode nach heutigem begriff ist keine rede; mit der zeit war zwar
eine ganz stattliche anzahl von varianten beliebigeg handschriften
auf einen hanfen zusammengebracht, unter denen sich auch wohl
manches goldkorn verbarg, aber einen grossen werth haben diese
varianten nicht. Andere herausgeber legten das hauptgewicht auf
die erklärung, so z. b. Celarius und vor allen C. H. Tzschucke in
seiner grossen ausgabe, Leipzig 1796, in der alles mögliche zu-
sammengetragen ist. Auch die ansgabe von Dietsch, die bis zum
jahre 1872 die handlichste und am meisten gebrauchte war, ist
nichts weiter als ein abdruck der ülteren texte. Vergleicht man
diese ausgabe mit der von 'Tzschucke, so findet man, dass bei
Dietsch manche richtige änderungen und zusätze sind, dass aber
auch diese ausgabe eine reihe solcher lesarten enthält, die schlechter
sind als die bei Tzschucke und desshalb von den neuesten heraus-
gebern nicht aufgenommen sind.
Wie oben schon angedeutet ist, so brach zuerst W. Hartel
mit der eklektischen methode, die bisher geberrscht hatte, und
schlug in seiner ausgabe (Berolini apud Weidmannos 1872) den
allein richtigen weg ein. In demselben jahre erschien auch von
ihm die abhandlung über Eutropius und Paulus Diaconus, in wel-
cher er ,die mit sicherer methode gewonnenen und in lichtvoller
klarbeit vorgetragenen ergebnisse vollständig verzeichnete“. Da
nun die kritische methode bei Hartel dieselbe ist wie spüter bei
Droysen, nur dass letzterer auf breiterer und zuverlüssigerer grund-
lage arbeitete, so scheint es mir passend, das kritische material
zugleich zu besprechen: die handschriften des Eutropius,
seine übersetzer und seine uachahmer.
Was die handschriften betrifft, die Hartel benutzte, so
unterscheidet er zwei klassen derselben; solche, welche den echten
Eutropius enthalten und solche, welche auf die recension des Paulus
Diaconus zurückgehen. Für die erste klasse konnte er nur eine
handschrift, den alten Gothanus (n. 101), verwenden, den er, da
er denselben nach Mommsen für den von Sylburg benutzten Ful-
25°
388 Jahresberichte.
densis ansab, mit F bezeichnet. Eine collation desselben stand ihm
von demselben gelehrten zu gebote. Auf diese handschrift, die
bisher von keinem herausgeber benutzt war, hatte zuerst Mommsen
(Hermes I, p. 468) aufmerksam gemacht: sie stammt aus dem 9.
jahrh. und ist die beste aller bis jetzt bekannten handschriften des
Eutropius. Plurimis locis, sagt Hartel in praef. p. VI, vera solus
exhibet , nonnullis id quod plus valet veri vestigia ea quae ad ge-
nuinam scripturam certo perducant. Leider ist dieser alte codex
von fehlern aller art entstellt, die orthographie ist, wie Hartel
(Eutropius und Paulus Diaconus p. 52) sagt, ein gemisch von ho-
her alterthümlichkeit und junger barbarei, es fehlen nicht nur an
verschiedenen stellen einzelne wörter, sondern auch ganze zeilen.
Eine reihe von fehlern deutet darauf hin, dass das richtige im ar-
chetypus gestanden hat, was z. b. aus den zahlreichen falschen
auflósungen der, zeichen geschlossen werden muss; überhaupt geht
aus allen hervor, dass der schreiber der handschrift des lateinischen
nicht besonders müchtig war, so dass er sogar gradezu sinnloses
zeug niederschrieb. ‘Trotz der eben besprochenen fehler ist der
Gothanus der beste codex des Eutropius, aber zur feststellung des
textes genügt er seiner fehler wegen allein noch nicht. Desshalb
zog auch Hartel noch audere handschriften zu rathe und zwar die-
jenige recension, deren text von Paulus Diaconus herrührt. Als
reprüsentanten dieser klasse hat er eine Münchener (3516, saec. X,
von ihm mit A bezeichnet) und eine Bamberger handschrift (G. E.
HI 4 or. 6, saec. IX, von ihm B genannt) aufgestellt, welche
nach seiner ansicht wegen der ungemein grossen übereinstimmung
(P) ohue viele zwischenglieder aus dem archetypus geflossen sein
müssen. An der wahl dieser codices hat jedoch Gardthausen
(Fleckeis. Jahrbb. 107 p. 262) auszusetzen, dass bei der nähe der
städte Bamberg und Augsburg, woher der cod. Monac. stammt, die
möglichkeit einer verhältnissmässig allzunahen verwandtachaft nicht
ausgeschlossen sei. Nach seiner ansicht hätte Hartel auf andere
handschriften des Paulus Diaconus, deren zahl sehr gross ist, (vgl.
Droysen ed. mai, praef. XXIX) rücksicht nelimen müssen, wie es
auch später Droysen gethan hat. Für das verhältniss der beiden
klassen unter einander ist es beachtenswerth, wie Hartel (Eutropius
und Paulus Diaconus p. 50) näher ausführt, dass Paulus den text
des Eutropius mit grüsseren zusützen aus Hieronymus und Orosius
ausstattete und mit eigenen kleineren zuthaten aller art bereicherte.
Spätlateinische eigenthiimlichkeiten, wie sie sich in wortformen und
endungen bei Eutropius finden, setzt er in das gewöhnliche klas-
sische latein um, er vermeidet überhaupt alles ungewóhnliche und
der regel nicht entsprechende. Mit diesen handschriftlichen mitteln
d. h. dem Gothanus und der recension des Paulus Diaconus glaubt
Hartel, dass die kritische arbeit gemacht werden könne. Und in
der that wird uns in dessen ausgabe ein text geboten, der sich
Jahresberichte. 389
von den früheren sehr zu seinem vortheil unterscheidet. Desshalb
wurde auch die ausgabe Hartels bei ibrem erscheinen mit freuden
begrüsst, obgleich man sich nicht verhehlte, dass die kritische
grundlage doch eine breitere hätte sein müssen.
Wenige jahre darauf (Berlin 1878) erschien die kleine Eu-
tropausgabe von H. Droysen (text mit dem hauptsächlichsten
kritischen material) und im jahre 1879 von demselben verfasser
die grosse ausgabe. Diese enthült p. 1— 182 den text des Eutro-
pius mit gegenüberstehender griechischer übersetzung des Paeanius,
unter jenem steht die bearbeitung des Paulus, die quellen und pa-
rallelen zu Eutropius, die varianten der zu grunde gelegten hand-
schriften, unter dieser die reste der griechischen übersetzung des
Capito und der varianten der handschriften des Paeanius. Dem
texte des Eutropius geht voran die dedicationsepistel des Paulus an
Adelperga sowie dessen vorgeschichte Roms (p. 4—7), dann folgen
(p. 188—224) zuerst Pauli bistoriae Romanae libri XI— XVI mit
angabe der quellen und den varianten der benutzten handschriften,
sodann mit gleichen zusätzen versehen (p. 225—376) Landolfi Sa-
gacis additamenta ad Pauli historiam Romanam. Der anhang ent-
hält (p. 379—395) excerpta ex Pauli historia Romana codicum
Bambergensis, Vaticani, Urbinatis und (p. 396—405) das 17te
buch der römischen geschichte von Paulus. Das prooemium han-
delt: 1) De Eutropi breviario (p. 1— XXVIII); 2) De Pauli hi-
storia Romana (p. XXVIII—XXXIV); 3) De fontium notis bre
viario et Pauli historiae Romanae adiectis (p. XXXIV—LXI);
4) De Landolfo Sagacis historia Romana (p. LXI—L XVII) und
ein appendix: De Eutropianis apud Planudem.
Vor allem muss dieser prächtig ausgestatteten ausgabe nach-
gerühmt werden, dass das kritische material wesentlich erweitert
ist. Während Hartel nur eine klasse der interpolierten handschriften
annahm, gelang es Droysen zwei klassen derselben genau zu unter-
scheiden, so dass er seine benutzten codices in drei hauptclassen
zerlegen konnte. Zur ersten und besten klasse, deren archetypus
er A nennt, zählt er den Gothanus und den Fuldensis, deren ver-
schiedenheit er mit Lüdecke anerkennt. Zur collation des Ful-
densis habe ich einige zusätze auf p. 386 schon gegeben, in be-
treff des Gothanus kann ich nur bestätigen, was R. Bitschofsky
in der Zeitschr. für oesterr. gymnasialw. 1880 p. 839 davon ge-
sagt hat, dass keine nennenswerthen unrichtigkeiten vorkommen,
in der note zu 3, 14 (21, 25; 56, 21) muss es heissen: temere
G?, nicht G!. Wiinschenswerth wäre es gewesen, wenn die erste
und zweite haud noch genauer unterschieden ware und wenn Droy-
sen die schreibweise des Gothanus noch ófter als er es gethan hat
angeführt hätte, etwa in der weise, wie Zangemeister im Orosius.
Wie ich schon im Philolog. Anzeiger X p. 48 andeutete, so
hat sich Droysen weit enger als Hartel an den Gothanus ange-
390 Jaliresberichte.
schlossen und dadurch auch an einer reibe von stellen das richtige
wieder hergestellt. Ich will es nicht unterlassen, einige stellen
anzuführen, an welchen F und G übereinstimmen und wo die über-
einstimmende lesart gewiss richtig ist und von Droysen hätte auf-
genommen werden müssen. So bieten 3, 18 (23, 6; 60, 11) FG
posthac, Droysen schreibt post haec, Paeanius scheint mir posthac
gelesen zu haben, denn er übersetzt èvrev9ev (von nun an) und
giebt dadurch den richtigen sinn der stelle wieder. — 4, 22 (81,
10; 80, 7) und 6, 13 (40, 30; 100, 5) ist in FG sowie auch
in andern handschriften se dedit überliefert (Bituitus se Domitio
dedit und ille se ei dedit). Droysen schreibt dafür se dedidit.
Zwar findet sich an andern stellen des Eutropius se dedere in der
bedeutung „sich ergeben“, aber da hier alle handschriften se dedii
haben und auch bei Amm. Marcell. se dare in dieser bedeutung
vorkommt, wie z. b. 16, 12, 60 (ed. Gardth. I 109, 23) conpulsus
ad ultimos metus ultro se dedit solus egressus etc, und 17, 2, 3
(1 116, 2) lassuti sponte se propria dederunt, so scheint mir an
den stellen des Eutropius, wo se dare überliefert ist, keine ünde-
rung nóthig. — 6, 3 (37, 19; 94, 2) Lyciae urbes clarissimas
oppugnavit et cepit, in his Phaselida, Olympum etc. In FGPD
ist faselidam, in O phaselidum, in L phuselida überliefert, Droysen
und vor ihm auch Hartel schreiben Phaselida. Hartel (Eutropius
und Paulus Diaconus p. 60) sagt bei unserer stelle, dass das aus-
lautende a oder e in unseren handschriften öfter zu «m oder em
wurde, und streicht desshalb hier m. — Bekannt ist es ja (vgl. Cors-
sen, Aussprache, vokalismus etc. 1, 275), dass das m des akkusativ
seit dem ende des Ill. jahrh. n. Ch. nicht mehr gehört wurde, dass
dasselbe ein wesenloses und klangloses zeichen war, sodass es so-
gar von unkundigen an den ablativ angefügt wurde, wie auch
mehrere beispiele aus dem Gothanus des Eutropius dies bezeugen
z. b. 3, 3 (18, 11; 48, 6) pacem statt pace; 3, 20 (23, 16; 60,
19) Africam statt Africa; 5, 4 (34, 5; 86, 17) Campaniam statt
Campania; 6,6 (38, 8; 94, 17) captam statt capta u. a. m. ; aber
als eine besondere eigenthümlichkeit unserer Eutrophandschriften kann
dies nicht angesehen werden; es kommt in denselben gelegentlich vor
und desshalb sind wir nicht berechtigt, bei weniger gebrüuchlichen
formen wie z. b. Phaselidam das m zu streichen, um dadurch die
gebräuchliche form Phaselidu herzustellen. Die griechische akku-
sativform auf a, besonders bei namen von lündern und stüdten, ist
zwar sehr in gebrauch; aber wir dürfen auch nicht aus dem auge
lassen, dass in der späteren zeit bei griechischen wörtern auf is
öfter ein nominativ oder ein anderer kasus nach der ersten latei-
nischen deklination von dem stamme des wortes gebildet wurde,
wie z. b. Briseis, nom. Briseida (vrgl. meine bemerkung im Philo-
logus XXXVIII p. 94), Chryseis, nom. Chryseida. Ausser den von
Neue, Lat. formenl. | 324 angeführten beispielen, von denen einige
Jahresberichte. 391
sogar bei Cicero vorkommen, will ich noch einige aus Orosius an-
fibren: nom. Persida 1, 2, 17; Eleusinae 1, 7, 3; Eleusinam 2,
17, 13; Salaminam 7, 12, 8; vrgl. J. B. Heiss, Beitrag zur gran-
matik der Vulgata. München 1864 p. 11; E. Ludwig, De Pe-
tronii sermone plebeio. Marburg 1869 p. 19; H. Rönsch, Itala u.
Vulgata. Marburg 1875 p. 258. Wenn die handschrift L an un-
serer stelle Phaselida hat, so ist dies insofern beachtenswerth, als
diese handschrift wie auch die C-klasse (vrgl. p. 388) ófter we-
niger gebräuchliche formen in die gebräuchlichen umsetzt. Aebn-
lich verhält es sich auch mit Eutr. 6, 6 (38, 6; 94, 16) apud
Chalcedona, wo FG die form auf am haben, LO dagegen wie-
der die regelmüssige auf em. Apud Chalcedonam finden wir aber
auch bei Oros. 6, 2, 13 und den ablat. Chalcedona bei Amm. Mar-
cell. 22, 9, 3 (ed. Gardth. I 295, 2). Aehnliche beispiele im acc.
auf am statt a, die von Neue I 325 übergangen sind, liefert uus
wieder Orosius, z. b. Babylonam 2, 2, 1. 2. 6; 2, 3, 1; 2, 6, 2.
7. 12; 2, 8, 4; 3, 20, 1. 4. 8; 3, 23, 44; 5, 4, 16; 6, 21,
20; 7, 2, 1. 3; Barcinonam 7, 43, 6; Lacedaemonam 1, 21, 12;
2, 15, 8; 3, 2, 5; Narbonam 6, 43, 4; Sicyonam 3, 23, 15;
Sidonam 3, 7, 8; Tarraconam 1, 2, 104. Hierher gehören noch
zwei fülle, wo auch die lesart der handschriften wieder herzustellen
ist, nämlich Singaram Eutr. X 10 (74, 30; 176, 18), worüber
ich schon im Philolog. Anzeiger X p. 49 gesprochen habe. Statt
Singaram hat Droysen Singara nach Paeanius geschrieben, trotz-
dem Hieronymus 2363, der unsere stelle vor augen hatte, sowie
auch Festus c. 27 (ed. W. Foerster p. 21, 8) und Amm. Marcell.
18, 5, 7 (ed. Gardth. Il 369) die accusativform Singaram ha-
ben. An der andern stelle 6, 14 (41, 19; 100, 19) ist Hiero-
solymam , was alle handschriften des Eutropius bieten, statt Hiero-
solyma, was Droysen aufgenommen hat, zu schreiben, denn die
form Hierosolymam findet sich schon bei Cic. Flacc. 28, 67; Plin.
N. H. 27, 15; Suet. Aug. 93; Flor. 3, 5, 30; Inscp. Or. 759.
Diesen von Neue I 480 citierten stellen füge noch die von Georges
im Lexikon | 2824 hinzu sowie auch noch Festus 16 (ed. W.
Forster 15, 22); Oros. 6, 6, 2; 6, 13, 1; 7, 3, 5; 7, 6, 12;
7, 13, 5 und Jordan. hist. Rom. 235 (ed. Mommsen p. 31, 2);
269 (35, 6 u. 35, 8). Ich glaube bestimmt, dass Phaselidam,
Chalcedonam, Singaram, Hierosolymam geschrieben werden muss. —
7, 16 (50, 24; 126, 9) ist statt pro consule die lesart von A
proconsul zu setzen. — 7, 23 (94, 7; 184, 19) schreibt Droysen
vispelliones, wührend die schreibweise von FG bispellones zunüchst
auf die auch sonst am besten bewührte orthographie vespillones führt,
wie z. b. Hieron. 2113e, Oros. ed Zungen. 464, p. 16 und Suet.
Domit. ed Rothe p. 252, haben. — 8, 18 (60, 17; 146, 22) hat
Droysen die lesart der handschrift F verworfen und die der jün-
gern überlieferung aufgenommen, indem er statt imperii summam
392 Jahresberichte.
udministrationem schreibt imperii Romani administrationem, das erstere
ist sehr gut und auch hier zu schreiben, Paeanius übersetzt zu dé-
yetas vi» Paosdelar; vrgl. Lüdecke, Fleckeis. Jahrbb. 111 p. 875. —
9, 11 (64, 28; 156, 4) schreibt Droysen Mediolani .... occieus
est, wo F Mediolano hat. Diese ünderung halte ich für unnôthig,
da der ablativ der zweiten deklination an stelle des lokativ in der
spüteren zeit häufig auftritt, wie folgende beispiele zeigen: Abydo
Just. 2, 3 (Benecke zu Just. 11, 3, 5); Arimino Flor. 4, 2, 19
(Thomé, De Flori rerum scriptoris elocutione 1881, 1 p. 17);
Arretio Vitr. p. 49, 8 (H. Nohl, Analect. Vitruv. 1882, p. 10);
Corintho Justin 20, 3; Hygin fab. 67 (Muncker ad Hyg. fab. 247);
Epheso Ampel. 8, 8; Hist. Apoll. regis Tyri ed. Riese p. 63, 24
(Ph. Thielmaun, Apolloniusroman Speier 1882 p. 39); Halicarnaso
Vitr. p. 49, 16; 49, 24; Naupacto Caes. Bell. civ. 3, 35 (Drae-
ger, Hist. syntax | 219); Paraetonio Vitr. p. 195, 7; Sesto Just.
9, 4; Sirmio Aur. Vict. epit. 37, 4 (Arntzen p. 560), Paul. Diac.
hist. Rom. 9, 17; Sunio Vitr. p. 101, 22; Tarso Vitr. p. 208,
1; Hist. Apoll. reg. Tyri p. 19, 6; Teano Vitr. p. 200, 1; Tyro
Verg. Aen. 4, 36 (Serv. ad h. 1.); Just. 18, 4; Hist. Apoll. reg.
Tyri p. 62, 16. Von kleinern inseln führe ich an: Chio Vitr. p.
288, 3; Delo Tacit. Ann, 3, 61; Hyg. Fab. 247; Lemno Vitr.
176, 15; Lesbo Vitr. p. 197, 11; Peloro Flor. 4, 8, 3; Rhodo
Vitr. p. 181, 11; 182, 9; 233, 13; Ampel. 8, 8; Teo Vitr. y.
72, 15; 159, 9; Zacyntho Vitr. 195, 19 — 9, 14 (65, 30; 158,
9) hat F interemptor, G intertor, Droysen schreibt interfector. Die
lesart von F ist gut, und ich finde keinen grund, davon abzuwei-
chen. Wenn die B- und C-klasse hier interfector hat, so haben wir
wieder dieselbe oben bereits angedeutete erscheinung, dass sie an
stelle des weniger gebräuchlichen ein gebräuchlicheres wort setzt,
und wenn Aurel. Vict. epit. 35, 9, der wörtlich unsere stelle aus-
schreibt, auch interfector hat, so will dies nicht viel bedeuten, da
derselbe, wie ich im voraus bemerke, der C-klasse folgt. — 9, 19
(67, 24; 162, 8) hat F Anulini mit einem |, was Droysen über-
sehen hat, ebenso Pacanius: ’AvovAlvov; und diese form muss auch
geschrieben werden statt Anullini, was G und danach Droysen hat,
vrgl. Aur. Vict. epit. 39, 1; Zonar. 12, 31.
Bei der zweiten handschriftenklasse, deren arche-
typus mit B bezeichnet ist, standen Droysen folgende handschriften
zu gebote: der alte Leydensis (L) aus dem beginne des 10. jahrh.
und der Bertinianus Audomarenis DCLXXXX VII (von St. Omer)
aus dem 10. oder 11. jahrh. (0), aus welchem der cod. Bruxellensis
abgeschrieben ist. Die leydener handschrift ist dieselbe, welche
von Schoonhoven zu der editio princeps und spüter auch von an-
dern editoren benutzt ist, aber eine genaue kenntniss derselben er-
halten wir erst durch die ausgabe von Droysen, in der die les-
arten dieser handschrift sorgfáltig verzeichuet sind; einige kleine
Jahresberichte. 393
ungenauigkeiten giebt R. Bitschofsky in der recension der ausgabe
(Oesterr. gymnasialw. 1880 p. 840) an. — Diese klasse bietet
uns nicht mehr den reinen text, sondern einen, der bereits interpo-
liert ist. Droysen (praef. VI) bemerkt richtig: textus breviarii
qualem haec familia exhibet, tantum abest, ut sola librariorum in-
curia aut neglegentia a codicibus prioris familiae recedat, ut nescio
quis emendator mutando interpolando transponendo novam plane
breviarii recensionem effecerit. Wenn derselbe aber in dem con-
specus codicum der kleineren ausgabe sagt: cuius (recensionis) certa
vestigia iam in Pueanii versione Graeca . . . deprehenduntur, so
kann ich ibm nicht beistimmen. Freilich haben, soviel ich gesehen
habe, die meisten recensenten dieser ansicht sich angeschlossen ; aber
je mehr ich die verschiedenheiten der handschriftenklasse B und des
Paeanius betrachte, um so unwalhrscheinlicher ist es mir, dass Paea-
nius nach einem texte, aus welchem die codices der familie B ab-
stammen, übersetzt haben soll; ich stehe vielmehr auf seite von R.
Duncker, der in seiner schrift: De Paeanio Eutropii interprete,
Greiffenberg 1880 p. 17 bestimmt sagt: Paeanium codice usum
esse nec temporum iniuria laeso nec depravato grammaticorum
ineptiis aut librariorum | mendis frequentius contaminato. — Hunc
igitur fide non modo archetypis A et B verum etiam oplimis nostrae
aetatis editionibus aliqnanto antecessisse. Wenn Droysen recht hat,
dass Paeanius, ein zeitgenosse des Eutropius, seine übersetzung nach
einer haudschrift der familie B angefertigt hat, so muss, wie auch
Droysen (praef. p. XXIV) annimmt, die spaltung der handschriften
in die familien A und B bereits zu lebzeiten des Eutropius statt-
gefunden haben. Ist es aber wahrscheinlich, dass Paeanius, ein
zeitgenosse, vielleicht sogar ein mitschüler und verwandter des
Eutropius, nach einer interpolierten ausgabe gearbeitet hat! Piro-
goff (De Eutropii breviarii indole ac fontibus p. 11) stellt sogar
die vermuthung auf: Eutropii opusculum quod Valentis hominis
rudis et graecae linguae plane expertis in romana historia instruendi
causa conscriptum fuerat, in graecam linguam Paeanium Eutropii
condiscipulum atque familiarem vertisse, ut a Graecis quoque legi
possel, vrgl. Hartel, Eutropius und Paulus Diaconus p. 9. Aber ab-
gesehen von allen vermuthungen spricht die allzugrosse verschie-
denbeit des textes, welche zwischen der familie B und Paeanius
herrscht, gegen den von Droysen aufgestellten satz. Duncker, der
uatürlich auch eine theilung in die familie A und B zu den zeiten
des Eutropius bestreitet (Fleckeis. Jahrbb. 119 p. 646 anm, und
Progr. p. 14), drückt sich in betreff der zeit, wann die theilung
stattgefunden haben kann, sehr unbestimmt aus: familiarum A et
B divisionem multo post Pacanii tempora factam esse. Nach mei-
ner meinung, die ich weiter unten begründen werde, hatte die
theilung zu der zeit, als Orosius seine geschichte schrieb (417),
bereits stattgefunden.
394 Jahresberichte.
Da uun für die textgestaltung des Kutropius viel darauf au-
kommt, welche stellung wir dem Paeanius zuweisen, so scheint es
mir nicht überflüssig, genauer auf das verhältniss desselben zur fa-
milie B einzugehen. Stellen wir zuerst die verschiedenheiten is
betreff der eigennamen zusammen: 7, 7 (47, 13; 116, 16) apud
Actium] apud actiacum, mods 10 "fxi(o. 2, 27 (16, 30; 44,
15) Albino] alipmo B, allino O, “AABivos. 7, 15 (50, 17; 126,
3) Alexaudrianae] alexandrinea, «AsEavógeiavac. 5, 1 (32, 21;
84, 2) Ambronibus] ambroninis, "Außoorus. 1, 2 (3, 18; 10,4)
Antemnates] antenates, “Arreurara. 8, 3 (55, 8; 136, 20)
Anthemusiam] anthemusium, *#»Seuovoltur. 9, 10 (64, 20; 154,
20) Aquitaniam] aquitanicam, ’Axvruvias. 4, 6 (26, 28; 68, 8)
Ariaratus] ariarcus, ’Agragurov. 6, 16 (42, 5; 102, 9) Ari-
stobulus] aristobolus, ’.AgioroffovAov. 7, 8 (47, 25; 118, 5)
Atella] attela, à» "4fr£Aa y. 2, 21 (14, 26; 40, 3) Atilio] al-
tilio, “Anàlov 8, 18 (60, 28; 148, 1) Azabenicus] L, aiabini-
cus 0, ’Adıaßnrıxog, 8, 3 (55, 9; 136, 21) Babylonem] ba-
billonem, BoflvAova. 9, 20 (68, 5; 162, 14) Bacaudarum]
baucadarum, Buxavdac. 2, 23 (15, 29; 42, 6) Blaesus] blae-
ses, Biaîoos. 8, 8 (57, 5; 140, 12) Boionius] boiunius, Boiw-
»iogc. 6, 8 (39, 5; 96, 12) Cabira] gabiram, Kußespa.
1, 2 (3, 17; 10, 4) Caeninenses] caecinenses Koivivatos. 9,
15 (66, 13; 158, 20) Caenophrurium] cenofurium, Kaswoy poov-
olov. 4, 27 (32, 10; 82, 15) Caepione] cypione Kasalwr.
1, 6 (4, 20; 12, 10) Capitolium] capitulium L, capitulum 0, Ka-
"10A f ou. 9, 21 (68, 9; 162, 17) Carausius] carusius, Ka-
Qav6toc. 3, 16 (22, 19; 58, 17) Carthalonem] carthabonem,
Kae9alwvu. 7, 3 (46, 10; 114, 13) Cassius] assius Kacsog.
2, 12 (12, 19; 34, 5) Cineam] ciniam Kevéac. 9, 2 (62, 26;
150, 18) Circesio] LO, Kipxnrolov. 6, 14 (41, 13; 100, 15)
Colchis] colchris Kolywr. 7, 19 (52, 14; 130, 13) Comma-
genen] cummagenen 0, cummaginem L, XAoupaynvovs. 6, 4
(37, 24; 94, 6) Cosconius] conconius Kooxwysoc. 6, 7 (38,
24; 96, 4) Crasso] carsso, Koacoov. 8, 3 (55, 9; 186, 21)
Ctesiphontem] etesifontem und 9, 10 (64, 25; 156, 1) tesifontem
Krıyagwrra. 6, 11 (40, 15; 98, 16) Cyrene] cyrine Kugyyny.
8, 2 (55, 1; 136, 15) Decebalo] LO, ZexífaAAov. 2, 14 (13,
14; 36, 7) Dentatus] denatus Zfevra ros. 8, 21 (61, 21; 148,
18) Diadumeno] diadomeno Ssadovpevos. 5, 6 (35, 5; 88, 22)
Diogenes] diogenis Æoyévnc. 7, 7 (47, 13; 116, 16) Epiro]
ephiro, 175 "Hze(Qov. 6, 23 (44, 20; 110, 6) Faustus] fustus
Davoros. 3,9 (19, 25; 52, 4) Flamininum] flammineum, O) u-
mevlo. 9, 27 (70, 16; 166, 15) Herculio] herculeo “Egxovdsos
und 9, 20 (68, 7; 162, 16); 9, 22 (68, 22; 162, 27) Hercu-
lium] herculeum “Egxovsor. 5, 9 (36, 13; 90, 24) Hierdam]
hierbam 0, herbam L, ‘/égdar. 4, 13 (29, 6; 74, 4) luven-
Jahresberichte. 395
tium] inventium, "Jovfévisov. 5, 8 (36, 3; 90, 17) Lamponium]
lampunium, Aauswvior. 1, 12 (6, 31; 18, 16) Larcius] lar-
gius, agxios. 4, 5 (26, 21; 68, 2) Libyssam] libussam, Ai-
Buoon. 8, 8 (57, 19; 140, 22) Lorium] loriam, Zwetor.
4, 16 (29, 25; 74, 17) Lusitania] LO, 7fvoizav(a. 2, 28 (17,
17; 46, 10) Manlius] malus, Maddsoc. 7, 11 (48, 31; 122,
5) Mazaca] malaga, Maluxnv. 3, 6 (18, 29; 48, 18) Medio-
lanum] mediolanium, MedioA«vov. 8, 3 (55, 10; 136. 21) Mes-
senios] messinios, Meconviovs, 6, 16 (42, 2; 102, 16) Mureua]
morena, Movenyac. 7, 15 (50, 15; 126, 2) Nomentanam] mo-
mentanam, Nwwerzuvng. 9, 10 (64, 25; 156, 1) Odenathum |
odenatum, ’Odétva3os. 6, 18 (42, 28; 104, 11) Orodis] oredis,
'Ogodov. 7, 5 (46, 32; 116, 8) Orodes] orodis] Ogedne.
5, 8 (35, 29; 90, 13) Papirius] parius, 77«z:9fov. 8, 18 (60,
25; 146, 27) Pescennium] percennium, JTeox£vvior. 5, 6 (34,
29; 88, 17) Piraeum] pyerum, /Jeıgasei. — 8, 12 (58, 26; 144,
4) Plutarchi] plutharci, Z72Zovragyov. 7, 14 (50, 8; 124, 18)
Polemoniacus] poleminiacus, /7oZeuwviaxos. 2, 27 (16, 30;
44, 15) Postumio] postumo J/oorouusog. 9, 11 (64, 27; 156,
3) Postumum] LO JTocrovpsos. 2, 15 (13, 23; 36, 14) Pto-
lemaeo] ptholomaeo L, tholomaeo 0, [Trodeuntep. 3, 1 (17,
24; 46, 16) Ptolemaeum] tholomeum 77roAeuaiov. 5, 22 (A4,
9: 108, 5) Ptolemaeus] ptholomaeus, //rodeuuiog. 6, 11 (40,
15; 98, 16) Ptolemais] ptholomias 0, pholomias L, /JroAepatdu.
9, 1 (62, 11; 150, 8) Pupieno] publeno, Mounsyvov. 4, 20
(30, 26; 78, 10) Pylaemenes] pilemenis, Mvdasuévng. 6, 14
(41, 13; 100, 14) Pylaemeni] polymeni, 7vàoewuévy. 5, 5 (34,
22; 88, 11) Pylaemene] pilimene, Mudauérny. 3, 8 (19, 15;
50, 15) Pyrenaeum] pyrineum, /Iugeonvator. 9, 8 (64, 4; 154,
7) Quadisque] squadis O, squadisse L, xai Kuvadwy. 3, 18
(23, 3; 60, 8) Salinatore] sulenatore Sadsvartweos. 2, 8 (10,
30; 28, 11) Samnitas] samanitas Suuvlru,. 5, 7 (35, 25; 90,
10) Scipionem] spicionem O, spitionem I, Zxnntunu. 6, 2 (37,
14; 92, 21) Scribonius] scriboriauus Z2xgsfiw ioc. 6, 14 (41,
15; 100, 10) Seleuciam] seleutiae, SeAsvxsiar. 2, 16 (13. 26;
36, 16) Sempronio] semfronio, Seunowvlor. 10, 10 (74, 30;
176, 18) Singara] sigara Siyyugcuc. 6, 13 (41, 5; 100, 8)
Sophanene] sofine, ZSwpariymr. 6, 7 (38, 19; 96, 1) Spartaco]
spartago, Zrugraxor. 4, 5 (26, 17; 66, 19) Spurio] supurio,
Snovelov. 9, 8 (64, 5; 154, 9) Tarraconem] terraconem, Tu-
Qaxuva. 9, 4 (73, 4; 172, 14) Tarsum] tharsum, Tagoo.
1, 7 (4, 30; 12, 18) Tarquini] tarquiunii, Tagxurlov. 5, 1
(33, 5; 84, 11) Teutobodum] LO Tevıoßoaor. 5, 1 (32, 20;
84, 2) Teutonibus] theodonibus O, etheodonibus L, Tevrovac.
6, 16 (42, 5; 102, 9) Tigranis] trigauis O, trigranis L, Tiyg«-
yov. 1, 19 (8, 9; 22, 9) Tolumnins] tolomunius; TovAovur(o.
396 Jahresberichte.
4, 15 (29, 21; 74, 14) Tremellio] trebellio TgepéAdsoc. 7,
19 (52, 3; 130, 4) Vectam] ueticam, Béxzny. 9, 13 (65, 17;
156, 19) Vergiliano] virgiliano, BegyfAisoc. 8, 2 (55, 8; 136,
16) Victoali] victuali, Bixróno:. 7, 9 (48, 1; 118, 13) Vin-
delicos| vindeliacus, BevdéAsxoc. 2, 21 (14, 26; 40, 8) Vul.
sone] uulscone, BovAcwvos. Ferner: 9, 10 (68, 6; 162, 15)
Aelianum] alienum, Alusısavov. 8, 7 (57, 2; 140, 9); 8,8
(57, 5; 140, 12); 8, 9 (57, 23; 142, 1) Antoninus] antonius
’Avıwvivoc. 4, 4 (26, 15; 66, 17) Asiagenis] "Aosarızog
6, 17 (42, 9; 102, 21) Bibulo] bello, Bigovim. 7, 12 (49, 3;
122, 8) Caligula] gallicula, KaAsyosAag. 5, 5 (34, 22; 88, 11)
Ephesum] effusum, "Egeco». 3, 2 (18, 4; 46, 20); 8, 8 (57,
5; 140, 12) Fulvio und Fulvius] fluvio und fluvius, DovAßsog.
7, 13 (49, 15; 122, 17) Gaium] iulium, dios. 9, 7 (63, 25;
152, 17) Germani] romanis, Fegucrol. 3, 8 (19, 18; 50, 18)
Gracchus] graecus, Toaxyos. 7, 10 (48, 12; 120, 3) Indi) inde,
"Ivdot 10, 12 (75, 18; 178, 10) Mursam] nupsam L, nupsa
0, Moveon. 6, 3 (87, 19; 94, 2) Olympum] olynthum, "O2vp-
mov. 6, 20 (43, 22; 106, 6) Palaeopharsalum] paleofarsacum,
Haiaogagodiov. 5, 3 (33, 22; 86, 6) Picentibus] petientibus,
Tixévrwv 2, 9 (11, 17; 30, 13) Publius] post, Z/ovßAsoc.
2, 11 (11, 30; 32, 10); 3, 10 (52, 8) Publius] prae, Z7ovßAsoc.
9, 12 (65, 6; 156, 11) Quintillus] quintilius, KvrrQA@ 1, 17
(7, 24; 20, 13); 2, 5 (9, 23; 26, 3) Quintius] quintus, Kuprsog.
6, 1 (37, 1; 92, 12) Quintus] quae, Kvvro;. 7, 9 (48, 1;
118, 13) Raetiam] etiam, “Pnzlav. 9, 7 (68, 21; 152, 14)
Raetia] Graecia, ‘Prata. — 6, 2 (37, 12; 92, 20) Rhodopam] eu-
ropam, ‘Podonny. 1, 17 (7, 24; 20, 18) Romanus obsideretur
exercitus] magnus obsideretur exercitus, ó Öwwuixög orgatog Gur-
&xAs(09 3. 1, 12 (6, 32; 18, 13) Spurius] papirius, Zmovgsoc.
7, 16 (50, 20; 126, 6) Servius] servilius, Zépfsoç. 9, 3 (63,
5; 152, 2) Veronae] urbis O, ubi I, à» Begwyy. 8, 9 (57,
23; 142, 1) Verus] servus, Oungos.
Auch in den zahlen finden sich mannigfache verschiedenheiten :
1, 8 (5, 13; 14, 12, ducentis quadraginta tribus] CCXLIII, dia-
xooloig rtGGaQxovia xai resol. 1, 18 (7, 29; 22, 1) anno
trecentesimo et altero] LO, rgsaxoorm dé xoi év(. 1, 19 (8, 10;
22, 10) sexto] vel, #£. 2, 5 (10, 6; 26, 8) octo] VII, ôxrw.
2, 21 (15, 5; 40, 10) decem et octo] XVII, dxrw ze xai dexa.
2, 22 (15, 26; 42, 4) ducentas] et, dsaxoclac. 2, 26 (16, 26;
44, 11) ducentis] ccce, diaxootov. 3, 1 (17, 23; 46, 15) XXIII]
duodecim , efxoo xai tout. 8, 5 (18, 22; 48, 14) XL] XII,
T6000 QU XOVTO . 3, 14 (21, 31; 58, 4) XXVI] XLVI] & dé
xai elxoci. 3, 14 (22, 3; 58, 6) octo] VII, öxrw. 3, 10
(22, 19; 58, 17) XXV] XX, névre xai elxoor. 4, 2 (25, 7;
64, 12) quinquaginta] 1. quintius, wevinxovsu; A, 4 (26, 4; 66,
Jahresberichte. 397
10) quinquaginta milis] XXX milia, mévre uvgiaci. 4, 4 (26,
5; 66, 10) tria milia] quattuor milia, zgscysAfoic. 5, 1 (33,
4; 84, 11) cc milia] Il milia, eixoo, wiv uvgsddac. 5, 2 (33,
12; 84, 16) trecenti] II milia, zgsaxootwuv 5, 7 (95, 24; 90,
11) sex milia] VII milia, ysdsudac EE. 5, 7 (35, 25; 90, 11)
CXXIIII)] CX XIII, tésoagag xai elxocs. 5, 8 (35, 30; 90, 14)
XV] XX, wevrexaidexa. 5, 8 (35, 30; 90, 15) cecc] quattuor
milia, resoagaxorvta. 6, 6 (38, 1; 94, 12) septuagesimo] sexa-
gesimo, Zßdounxoozov. 6, 12 (40, 22; 98, 22) viginti] tri-
ginta, elxoos. 6, 15 (41, 24; 102, 2) octogesimo] septuage-
simo, öydonxocıg. 7,9 (48, 7; 118, 18) XL] LXCC L,
CCLX 0, reocagaxorra. 7, 15 (50, 18; 126, 4) tricesimo
et altero] LO, zgsuxocroU di xai évoc, vrgl. 1, 18 (7, 29; 22, 1).
7, 16 (50, 21; 126, 6) septuagesimum et tertium] LXIII , zola
xal éBdopnxorra. 7, 17 (51, 9; 128, 3) nonagesimo et quinto]
XXV, névie xai. iyyevgxovta. 8, 1 (54, 20; 136, 9) septua-
gesimo et altero] XXII, £i xai Éfdounxoorò vrgl. 1, 18 (7, 29;
22, 1); 7, 15 (50, 18; 126, 4). 8, 5 (56, 4; 138, 15)
sexagesimo et tertio] LXIIII, zQ(zov xai EEnxoczor. 8, 8 (57,
20; 140, 24) vicesimo tertio| vicesimo quarto, zgía xai slxociv.
8, 15 (60, 5; 146, 13) VIII] VII, dxtw. 8, 19 (61, 6; 148,
8) tertio] quarto, rgeîs.
Folgende zusütze, die in B stehen, fehlen bei Paeanius: 1, 7
(4, 30; 12, 18) XLII imperii anno. 1, 8 (5, 4; 14, 5) iu-
nior. 1, 11 (6, 19; 18, 8) factus est. 2, 13 (12, 31;
34, 13) mummius oder numinius. 2, 21 (15, 11; 40, 15) ho-
minum. 2, 21 (15, 12; 40, 15) Romano. 2, 24 (16, 4;
42, 14) CXXX. 2, 25 (10, 16; 44, 2) non. 3, 8 (19,
12; 50, 13) Pompeius. 3, 15 (22, 14; 58, 14) fere. 3,
16 (22, 17; 58, 16) Quintus. 6, 1 (37, 5; 92, 15) Metellus.
7, 4 (46, 24; 116, 1) magni. 8, 9 (57, 25; 142, 3) Annius.
8, 12 (58, 28; 144, 6) est nach elatus. Umgekehrt fehlen in B
einzelne würter, die von Paeanius übersetzt sind, so die nomina
propria: Gaio 2, 15 (13, 21; 36, 12). Lucius und Lucio 1,
9 (5, 27; 10, 9) und 2, 4 (9, 21; 26, 1). Marium 5, 8
(36, 1; 90, 15) Paulus 3, 10 (20, 1; 52, 8). Publius
6, 23 (44, 18; 110, 4); die substantiva: anno 2, 19 (14, 8;
38, 10) civium 2, 18 (14, 2; 38, 5) finem 3, 23 (24,
22; 64, 5) homines 5, 6 (35, 1; 88, 19) legati 2, 15
(13, 22; 36, 13) milia 2, 21 (15, 2; 40, 8), 2, 27 (17,
6; 46, 2), 3, 10 (20, 11; 54, 2), 3, 21 (28, 31; 62, 10), 4,
4 (26, 9; 66, 13) pecunia 6, 13 (41, 4; 100, 8) populo
8, 1 (18, 2; 46, 19) pugna 4, 3 (25, 20; 66, 2) urbe
6, 15 (41, 27; 102, 4) die adjectiva: ceteris 2, 28 (17, 20;
46, 12) magna 3, 10 (20, 8; 52, 13) publica 7, 1 (45,
20; 112, 12) die zablwörter: duo 4, 6 (27, 8; 68, 15)
398 Jahresberichte.
septem 3, 8 (19, 17; 50, 16) sexagesimo 5, 4 (23, 32; 86,
14) die pronomina: qui 6, 21 (44, 1; 108, 1) is 3, 13
(32, 10; 56, 10) se 4, 6 (27, 5; 68, 12) eum 2, 12
(12, 11; 32, 20), 2, 14 (13, 10; 306, 3) die conjunctionen :
cum 9, 2 (62, 18; 150, 13) et 7, 21 (53, 4; 132, 9)
statim 1, 9 (5, 24; 16, 7) ut 8, 11 (58, 17; 142, 18)
die verba: dictae 7, 15 (50, 17; 126, 3) missi 2, 12 (12,
13; 32, 21) potuisse 2, 11 (12, 6; 32, 16) reddiderunt
7, 9 (48, 10; 120, 1). Ebenso sind die lücken in B von Paea-
nius übersetzt: 1, 7 (4, 26; 12, 15) fossas circa murum duxit
1, 8 (5, 4; 14, 5) feminam Lucretiam eandemque pudicissimam
2, 5 (10, 4; 26, 6) et sibi 2, 20 (14, 19; 38, 19) et unam
2, 26 (16, 26; 44, 11) navibus cum triginta fugit, nonaginta
8, 21 (23, 31; 62, 10) captivos et perfugas redderent 4, 25
(31, 21; 80, 16) thracia alterum ex 5, 9 (33, 24; 86, 8) a
Gaio Mario, qui sexies consul fuerat 6, 1 (86, 23; 92, 8)
rem publicam conposuisset, bella 6, 8 (38, 30; 96, 8) Lucius
Lucullus et Marcus Lucullus 6, 12 (40, 21; 98, 20) et Ti-
granen quo suscepto Mithridaten 7, 16 (50, 24; 126, 9) et
civilibus rebus 7, 18 (51, 27; 128, 17) septimo et quinqua-
gesimo 7,19 (52, 4; 130, 4) Romano adiecerit. Romae se
in imperio 7, 22 (53, 17; 134, 3) quantas nec vivo unquam
egerat nec praesenti 8, 5 (56, 5; 138, 15) quarto, imperii
nono decimo, mense sexto, die 8, 5 (56, 12; 138, 21) vel
vere laudantibus 8, 8 (57, 15; 140, 20) sententiaeque pare-
rent 8, 10 (58, 9; 142, 12) revexit cum fratre eodemque
socero triumphavit 8, 23 (61, 31; 148, 26) Caesar a senatu
9, 7 (63. 23; 152, 15) horum imperium Romano nomini perni-
ciosum 9, 11 (64, 27; 156, 4) in Oriente servatum est
9, 12 (65, 8; 156, 12) fratri vel praeferendus 10, 7 (73,
32; 174, 12) et docilitate,
Von sonstigen verschiedenheiten führe ich noch folgende an:
1, 1 (3, 7; 8, 8) decem et octo annos natus] XVIII annos nati-
vitatis suae, Oxrwxaldexu yeyovws Em 1, 7 (4, 23; 12, 13)
Servius Tullius] tullius servius, Zsçovsos TovAAwog. 1, 8 (5,
5; 14, 6) stuprasset] stuprassent O, strupassent L, ifica10
1, 11 (6, 9; 16, 21) verum tum] verbum O, verum tunc L?, z:-
ındeig dé Onwg 1, 14 (7, 3; 20, 3) victi acie] victi et capti,
Cup plEartes nitnI nour 2, 3 (9, 15; 24, 15) verum] virorum
L, virom O, aaa’ 2, 10 (11, 24; 32, 5) deletae sunt] delicti
sunt, marwiePela dieyduoncuv 2, 11 (11, 26; 32, 6) quia]
quare, alıla de nv 2, 11 (11, 34; 32, 12) elephantorum
auxilio vicit] elephantorum auxilium vicit, petaBodny Foyer dic
rovg édépartas 3 100 nodéuov Tuyn 2, 11 (12, 4; 32, 15)
adverso vulnere] atro vulnere, tag nAnyag éungooFlouc 2, 18
(12, 25; 34, 9) si binorum] sabinorum, zd» dieyrwopeirwy (sibi
Jaliresberichte. 399
notorum A) 2, 14 (18, 16; 36, 8) exercitum eius cecidit] ex-
ercitus eius cecidit, 10 piv orgateupu anwiece 2, 15 (13, 24;
36, 14) petierant] petierat, alzoupevos 2, 21 (15, 9; 40, 13)
Afri auxilium a Lacedaemoniis petiverunt] per Africam auxilium
a Lacedaemoniis petiverunt, "Aygos Aaxedusuorlovs Éntxolécarro
zQóg Ovuuayluy 2, 28 (17, 19; 46, 12) XV milibus ... cae-
sis] XV milia . .. caesa, prglwy ner xal neviaxiggiàlwv . . .
ECO VTWY 3, 1 (17, 23; 46, 15) tractum] factum zagexra tig
3, 5 (18, 21; 48, 13) res per consulem tentum prospere gesta
est] per consules . ., Aluldsog pera Tig avroù Orpanüg xareso-
yaouro 100g nod:plovg 3, 7 (19, 7; 50, 9) Carthagioem mi-
serupt| etiam a Carthaginiensibus petierunt, mgecBevortas maga
Kagyndovlovs 3, 10 (20, 10; 54, 1) consulares et praetorii]
consulares aut praetorii, unursxoi dé uvdges xal neastwosos
3, 14 (21, 23; 56, 20) decepti] recepti, 7177970avy 3, 14 (21,
15; 56, 21) nobilissima urbs Syracusana capta est, praeda ingens
Romam pertata est] nobilissimae urbis siracusanae praeda ingens
Roma perlata est, 1a¢ Svguxovous elle sologxiu moduv 18 nloÿtor
dxeidev ngootxirca:0 roig Pwpalox 8, 15 (22, 14; 58,
14) post quae] post quam, pera ruvru 3, 20 (23, 15;
60, 18) existimabatur] existimatur, émem(orevro 3, 22
(24, 4; 62, 16) additis . . . centum milibus librarum] addita ...
cum milia, zgooitO toov . . . Zlrguy tlg déxu uvgiadag 3,
23 (24, 21; 64, 4) rediit] redit, éxur7xey 4, 4 (26, 1; 66,
7) circa Sipylum Magnesiam] circa Sipylum magnam iam, èy
Moysnola 15 no0s ZinvÀo 4, 16 (29, 31; 76, 3) impera-
torem] imperatores, 16» nyovmerov 4, 17 (30, 12; 76, 13)
fame confecit] fama vicit, Aug te fmiécac 4, 23 (31, 16;
80, 11) annoque post] anno V postquam, xoi usxgov Uorsgor
5, 4 (34, 2; 86, 16) sexies consul] exiens consulatum , éni m»
Exinv unatelay xÀAg9 elg 5, 6 (35, 1; 88, 19) ut ex Sullae
exercitu XIII tantum homines interficerentur] et Sullae exercitu
XIII tantum interfecti sunt, wore rov Öwuuixou GiQartvpuarog rQeig
xal déxu provoy ürdpas néotw 5, 6 (35, 3; 88, 20) lectis-
sima] lectis 0, e lectis L, rovc aglorous éxAeEautvog 5,8
(35, 8; 90, 13) sed cum Romae mutati consules essent] secundo
Romae mutati cum sunt, yevouerwr dé érégwy xara thy Puunr
UZGIQY 5, 9 (36, 19; 92, 4) tracta] tractata èxradévieg
6, 13 (37, 22; 94, 4) iter fecit] interfecit, 017496 6, 7 (38,
18; 94, 25) novum] nnum xasvog 6, 8 (39, 4; 96, 11) no-
bilissimam] bellicosissimam, zug &monnovg 6, 12 (40, 22; 98,
21) quadraginta milia eius occidit] quadraginta milibus eius occisis,
18.000Quxovıu pilsadacs diépPesoe 6, 14 (41, 13; 100, 15)
reddidit] dedit, anedwxe 6, 14 (41, 20; 100, 19) caput gen-
tis] apud gentis, 17v faciAuxi» aitwr noA 6, 20 (43, 24;
106, 8) equites in sinistro cornu sescentos, in dextro quingentos]
400 Jahresberichte.
equites in sinistro eorum mille quingentos, fxneag éxatov 0g
tovg ysAloug 6, 20 (43, 27; 106, 10) bellorum] populorum,
mode povs 6, 22 (44, 5; 108, 5) ipsi] ipse, és’ avrò
6, 23 (44, 15; 110, 1) qui ei magister equitum dictatori . . .
fuerat] qui et magister equitum dictator . . fuerat, Og nv avre
Gogwr 1Qv Innewv Ore avi0g Euvıor didurwgu xatéommoe 7,
6 (47, 9; 116, 13) pro victo] pro vico, wouvei mrmuere
7,7 (47, 14; 116, 17) cum omnes ad Augustum transirent] omnes
ad Augustum transieruot, êxwesdn xi. 7, 8 (47, 26; 118, 6)
ex maxima parte) ex maiori parte éx zov nAslorov peoovg 7,
8 (47, 29; 118, 8) in cunctos] in cunctis, elg &zavrac 7, 10
(48, 13; 120, 4) ad eum] ad eos, mods avrovg 7, 14 (49,
28 ; 124, 10) aureis] variis, êx yovooù 7, 15 (50, 16; 126,
2) se interfecit] interfectus est, redevtny énjyuyev avt@ 7, 18
(51, 24; 128, 11) erecto coma capite] erecta coma et capite, xpe-
pácavteg dì ano rig xoung 7 , 19, (62, 1; 130, 2) ut qui]
et quia, 7réxu 7, 22 (13, 16; 134, 3) ei mortus] eo mortuo,
teSvnxots 19 Tii 8, 2 (54. 27; 136, 14) diffudit] diffundit,
eb eresve 8, 3 (55, 9; 136, 21) magnam Persidis regionem]
magna Persidis regionum, ywglor Ilegowv &$Qv 8, 4 (57, 18;
138, 3) cum festos dies habuissent] confestos si dies habuissent,
Ste xal Éogiá ovo, 8, 5 (56, 2; 138, 13) privatus] privatos,
idewrns 8, 5 (56, 10; 138, 18) ut] et, wore 8, 14 (59,
25; 146, 4) ut centum simul leones exhibuisse tradatur] centum
simul leones exhibuisse traditur, wore xrA. 8, 16 (60, 9; 146,
16) praefecturam urbi tum agens] praefecturam urbium agens,
Vnagyog de ig; Puunç iv, ore 8, 16 (60, 16; 146, 17) prae-
torianorum] praeturianorum, mguitwerurwy 8, 19 (61, 8; 148,
9) Severus . . . nomen a senatu voluit inponi] nomen senatus vo-
luit inponi, Sevñgos . . . mgoor«Sag . . . ueruxAnd vas 9, 4
(63, 12; 152, 7) senior meruit inter divos referri] LO, zig zwr
eur Ervyov auporegos niic 9, 9 (64, 8; 154, 11) tum]
LO, ndn 9, 9 (64, 8; 154, 11) delecto] deiecto dvnengerng
9, 15 (66, 14; 158, 20) inulta non fuit] invita non fuit, dsuw-
encour 9, 19 (67, 20; 162, 4) omnibus hominibus invisus] ho-
minibus iuvisos, drecrvyeiio naga mavrwy Ópo(wc 9, 19 (67,
24; 162, 8) ut a nonnullis Anulini senatoris libertinis fuisse cre-
datur] a nonnullis Anullini senatoribus |. f. c., oí de drredevdegor
*Avovalvou rivog Ovyxinuxov ytyovévas xtA. 9, 21 (68, 9; 162,
17) per haec tempora] post haec tempora, xura de 109 aërèr
100rov 9, 24 (69, 16; 164, 17) adversum Narsum proelium
insecundum habuit| adversus Narseum proelium et secundum habuit,
Orgnuvoas yug xata Nagoov . . . &varılav toye viv Exfaciw
9, 26 (70, 4; 166, 6) Diocletianus moratus callido fuit] Diocle-
tianus moratus gallis defuit, 422’ 6 AioxAntiavos uiv Gyylvovg tt
I» quos 9, 26 (70, 8; 166, 9) libertatis] liberalitatis, rjv
Jahresberichte, 401
FsuF seiav 9, 27 (70, 12; 166, 12) propalam] prolatam, Za-
glcotuta xai moodjAuc 10, 3 (72, 12; 170, 17) in contione
exercitus] in contione exercitum, à» uéow 16 Crout® 10, 3
(72, 21; 172, 2) enuotiaverat nuntiaverat, énayyéAAee 10, 9
(74, 22; 176, 12) haud longe] aut longe, zAnotor.
Jeder ersieht aus dieser zusammenstellung, dass der text des
Paeanius in den meisten fällen mit den lesarten der A-klasse über-
eiustimmt, dass die verschiedenheit aber mit der B-klasse sehr gross
ist. Wollte man dagegen einwenden, dass die lesarten des arche-
typus von B mit der zeit durch abschreiber verschlechtert wären,
dass Paeanius einen viel reineren text als er in B vorliegt, be-
nutzt hat, so würde es schwer sein, etwas bestimmtes dafür oder
dagegen zu sagen. Möglich ist es ja, aber ich will doch erwah-
nen, dass schon Orosius, der ungefähr 40 jahre nach Eutropius
schrieb und, soviel ich sehe, der erste war, der eine handschrift
aus der familie B sicher benutzte, bereits dieselben fehler wie wir
vor sich hatte (vrgl. die zusammenstellung unter Orosius). Doch
was besagen bei dieser so grossen verschiedenheit, die zwischen B
und Paeanius herrscht, die verhältnissmässig wenigeu fehler, in
denen B mit Paeanius übereinstimmt? Droysen führt in der grös-
seren ausgabe (praef. p. XXIII) folgende stellen an: 1, 12 (6,
29; 18, 15) und 7, 1 (45, 21; 114, 1) Octavianus; 1, 19 (8,
8; 22, 9) bellaverunt; 2, 13 (12, 24; 34, 3) quod armati capti
fuissent; 3, 3 (18, 10; 48, 5) Vulseo; 3, 7 (19, 7; 50, 9) le-
gatis parere noluit; 3, 13 (21, 8; 56, 8) iu Hispaniis contra fra-
trem eius Hasdrubalem om.; 3, 23 (24, 19; 64, 2) CC milia; 5, 1
(32, 20; 84, 3) Manilius; 5, 3 (33, 29; 86, 11) quinto decimo
auno; 6, 20 (43, 28; 106, 10) integra XXX milia; 6, 23 (44,
20; 110, 5) Q. Varro; 7, 17 (51, 5; 126, 18) cum plures
(copias); 9, 8 (63, 32; 154, 3) Genuo. Aus der übereinstimmung
dieser stellen schliesst Droysen auf die abhüngigkeit des Paeanius
von einer handschrift der familie B. Aber finden sich nicht auch
in solchen handschriften, die nicht aus demselben archetypus stam-
men, oft dieselben fehler? Trotzdem die lesarten von G sehr von
denen der bandschriften LO abweichen, so kommen doch zuweilen
an denselben stellen dieselben fehler vor, aber wer wollte daraus
schliessen, dass A von B abstamme? Solche fehler in A und B
sind z. b.: 2, 24 (16, 10; 42, 16) proficeretur statt proficisce-
retur; 9, 5 (34, 22; 88, 11) effusum statt Ephesum; 6, 3 (37,
22; 94, 4) interfecit statt iter fecit; 9, 19 (67, 18; 162, 3) ad-
iutorio statt auditorio u. a. m. Ist es nicht zuweilen der reine
zufall, wenn in solchen handschriften auch gleiche lücken sich fin-
den, wie z. b. 7, 21 (53, 4; 132, 9) et, das im archetypus A
stand und sich in F erhalten hat, in G aber sowie in LO ausge-
fallen ist, oder 4, 25 C 31, 21; 80 16) Thracia alterum ex und
5, 4 (33, 32; 86, 14) sexagesimo, was nicht nur in A, sondern
Philologus XLII. bd. 2. 26
402 Jahresberichte.
auch in B fehlt? Was die von Droysen als fehler bezeichneten
eigennamen betrifft, so lässt sich bei einigen gar nicht bestimmt
sagen, was denn Kutropius geschrieben hat; ja ich möchte anneh-
men, dass Eutropius diese namen wirklich falsch überliefert hat, so
steht z. b. Eut. 3, 3 (18, 10; 48, 5) in A und € uulgo, in L und
O uulsco, im Paean. Bovoxdov; Droysen schreibt Bulco, wie ich
glaube nach Oros. 4, 12, 2 p. 238 ed. Zangem., der Bubulco hat,
sonst wird der consul Bulbo genannt (Corp. Inscr. Lat. I p. 522).
Auf die schreibung Manilius 5, 1 (32, 20; 84, 3) dürfen wir
kein grosses gewicht legen, da Manlius, Mallius, Manilius von
den abschreibern häufig verwechselt ist, vrgl. Drakenb. Liv. 34,
83, 2; Duker Flor. 3, 3, 4. Der eigenname Ingenuus 9, 8 (63,
32; 154, 3) wird von den schriftstellern verschieden geschrieben,
so liest Aur, Vict. Caes. 38, 2 Ingebus; Ingenuus findet sich bei
Trebellio tyr. XXX 9 p. 97, 25 ed. Peter, Zonaras 12, 24, Po-
lemio p. 243, 12 ed. Mommsen, Amm. Marc, 21, 16, 10; Genuus
steht jetzt nach den besten handschriften im Oros. 7, 22, 10.
Kann nicht auch Eutropius dieselbe form geschrieben haben? Ueber
die andern stellen will ich nicht weiter sprechen, da Dunker p.
15 und 16 dieselben eingeheud behandelt hat. Aus allem ergiebt
sich für mich, dass ich Dunker nur zustimme, was ich auch schon
in der Philolog. rundsch. 1 10 p. 310 ausgesprochen habe, dass
nämlich Paeanius handschriften der familie B nicht benutzt haben
kann. Welche handschrift nun Paeanius seiner übersetzung zu
grunde legte, lässt sich schwer sagen, aber soviel steht fest, wie
es sich auch nach der zeit des übersetzers nur erwarten lüsst, dass
die handschrift sehr gut war, dass dieselbe unsere heutigen weit
übertraf, woraus es auch zu erklüren ist, dass an manchen stellen
nur bei Paeanius die richtige lesart sich findet (vgl. Dunker, Prog.
p. 17) so: 1, 5 (4, 12; 12, 4) apud ostium Tiberis . .; 1, 12
(6, 31; 18, 16) Larcius; 2, 21 (14, 26; 40, 3) Vulsone; 2, 24
(16, 8; 42, 14) cum elephantorum numerus omnia itinera com-
pleret; 3, 5 (18, 21; 48, 13) consulem; 4, 25 (31, 21; 80,16)
ulterum ex "Thracia, alterum ex Sardinia . .; 5, 5 (34, 22; 88,
11) Ephesum ; 6, 16 (42, 5; 102, 9) Aristobulus; 6, 20 (43, 226
106, 6) Palaeopharsalum ; 7, 4 (46, 24; 116, 1) Pompei; 7, 1;
(50, 20; 126. 6) Servius; 8, 3 (55, 8; 136, 20) Anthemusiam ;
9, 12 (65, 6; 156, 11) Quintillus, dazu kommen noch die stellen,
welche Droysen ed. mai p. XXIV anführt 7, 9 (48, 7; 118, 18)
quadraginta und 7, 23 (54, 6; 134, 19) quadragesimo. Wenn
ich aber trotzdem dem Paeanius nicht die erste stelle bei der re-
construction des textes einräumen kann, so geschieht es desshalb,
weil nicht wörtlich genug übersetzt ist, indem die vorlage bald ver-
kürzt bald erweitert ist, vrgl. Droysen praef. p. XXII, E. Schulze,
De Paeanio Eutropii interprete im Philolog. 29 p. 287.
Bremen. (Fortsetzung folgt.) C. Wagener.
III. MISCELLEN.
A. Mittheilungen aus handschriften.
10. Handschrifiliches zu Ciceros briefen an Atticus.
Nachdem die bekannten untersuchungen von Viertel und Voigt
dargethan haben, dass der Med, nr. 18 des plut. 49 nicht nur
nicht von Petrarca, sondern wahrscheinlich erst geraume zeit nach
dessen tode geschrieben ist, hat die frage nach dem verhültnis der
übrigen handschriften der Atticusbriefe zu dem genannten Mediceus
neues interesse gewonnen; es kommt dabei vor allem darauf au
nachzuweisen, ob dieselben auf den Mediceus als letzte quelle zu-
rückgehn oder nicht. Viertel hat bereits darauf hingewiesen, dass
es iu dieser beziehung wünschenswerth sei, zu wissen, ob die bei-
den grossen lücken im ersten buche und am schluss der Atticus-
briefe sich auch in den Med. 49, 19 .24 finden. Hierauf gebe
ich folgende auskuuft: nro. 21—24 des plut. 49 füllen beide lü-
cken aus; nro. 19 und 20 haben den schluss, aber die lücke in
ad Att. I, 18; dabei trägt 49, 19 die worte reperire er — ex-
haurire posse oben am rande nach. Ich füge diesen mittheilungen
noch aus andern handschriften hinzu: Laur. XXIII sin. 2 hat im
ersten buche der Atticusbriefe keine lücke, schliesst aber XVI, 16,
8 seruentur; Badia 2844 (ora 49), in | ebenfalls ohne lücke,
schliesst VII, 31 conquisitores; Riccard. 500, Urbinas 322, Vat.
1691, Ottobon. 1413 und 2035 füllen beide lücken; Palat. 1508
ohne lücke in I, schliesst XVI, 16, 8 serventur wie Laur. 23, 2;
Pal. 1509, Pand. 1570 haben I vollständig; Palat. 1495 hat ad Att.
Hl. I 18, 1 die lücke mit der bemerkung am rande zu descendimus :
»Hic folium integrum a librario amissum; dagegen ist der schluss
vollständig. Alle diese handschriften sind nach schrift und aus-
stattung auf Florenz zurückzuführen; Pal. 1495 uud 1496, wel-
cher letztere die epp. ad famm. enthalt, tragen den namen eines
frübern besitzers: ,,Jannozii Manetti“, Pal. 1496 ausserdem noch
a 9 a
die unterschrift: FLORENTIAE A. 0. M» CCCCo X^ NON.
26°
404 Miscellen.
2
NN. INDICATIONE TFPTIA. Da beide nach format, schrift
und besitzer zusammen gehören, so dürfte auch die abschrift der
Atticusbriefe 1495 etwa in das jahr 1410 oder etwas früher fal-
len. In ähnlicher weise hat Vat. 1692, ein starker band von 395
pergamentblattern, 0,26 m breit und 0,38 m hoch, sämmtliche in
Florenz bekannte briefe Ciceros zusammengestellt; auf dem zweiten
vorsatzblatte wird u. a. bemerkt: Scriptus fuit Florentiae, Vespa-
sianus librarius transcribere fecit. In dieser handschrift gehn die
Atticusbriefe voran, und am schluss derselben fol. 181 verso wird
zu magnam am rande notirt: ,,Respice in fine voluminis et reli-
quum ipsarum epistolarum invenies“. Dementsprechend folgt dann
auch fol. 394 v. auf ziemlich genau zwei seiten der schluss der
Atticusbriefe von andrer hand. Die vorlage dieser handschrift hat
also wohl den schluss nicht gehabt, während sie die lücke im er-
sten buche ausfüllte.
Diese zusummenstellung lässt sich ohne mühe erweitern, wird
aber nur ergeben, dass es handschriften mit beiden, mit einer oder
der andern uud solche oline diese lücken giebt; die folgerung, dass
dieselben dementsprechend auf Med. 49, 18 zurückzuführen seien
oder nicht, gewinnt hieraus aber nur eine sehr schwache stiitze.
Denn nach meiner prüfung des bekannten Mediceus dürfte derselbe
jedesfalls die jetzt ad Att. I, 18 fehlenden worte ursprünglich ge-
habt haben, vielleicht auch den schluss. Für diese ansicht sprechen
folgende betrachtungen: die worte, welche sich auf die lücke ad
Att. 1, 18 beziehu, sind nicht von einer hand geschrieben, sondern
mit verschiedener schrift und tinte zu verschiedener zeit. Zwischen
descendimus und qualem ist keinerlei andeutung der lücke, sondern
der schreiber hat hier zwei blütter seiner vorlage, wie ich weiter
unten darthun werde, übersprungen; dies verselu ist sodano durch
ihn selbst oder durch einen ziemlich gleichzeitigen corrector be-
merkt, und die fellenden beiden blütter sind mit dem zeichen ®
nachgetragen; darauf weisen das @ über dem ende von descendimus,
eine kleine / über dem anfange von qualem ein haken (umge-
kehrtes ») unten zwischen beiden und die entsprechenden zeichen
am rande hin; dieselben sind mit derselben tinte wie die ganze
seite geschrieben und daher als gleichzeitig anzusehn. Neuer ist
sodaun der besondre hinweis auf diese zeichen durch ,quaere ad
signum mit flüchtiger schrift, wohl von einem leser, welcher eine
erläuterung zu dem zeichen ® geben wollte; noch später hat als-
dann jemand, als die beiden ergänzungsblätter verloren gegangen
waren, wiederum mit andren charakteren hinzugefügt: ,,hic deficit
complementun et alia magna epistola“.
Dass hier zwei blütter ausgefallen sind, geht aus folgender
zusammenstellung hervor. — Aehnlich wie sich die schreiber von
Med. 49, 7 sehr genau au die grüsse der seiten in ihrer vorlage
>
ME _ RENI
Miscellen. 405
Med. 49, 9 bielten, scheinen auch die cupisten des Med. 49, 18,
welcher allerdings iu dieser hinsicht verschiedene starke abweichun-
gen zeigt, wiederholt die grüsse der seiten ihres originals festge-
halten zu haben; so namentlich zu anfang der Atticusbriefe. Ful.
49 verso des Med. 49, 18 enthält ad Att. | 1, 2 qui si — ib. 4
Boëlnr ; fol. 50 geht bis I, 5, 4 audire, fol. 51 bis I 10, 1 meri-
diem, fol. 52 bis I 12, 4 festivus, fol. 53 bis 1 14, 3 excepisse,
fol. 54 bis 1 16, 1 quos; zwei blütter sind demnach etwa gleich
fünf seiten der Tauchnitzausgabe von Baiter, und das ist etwa der
umfang der fehlenden stelle I 18, 1 reperire (seite 25) bis I, 19,
11 qualem (seite 30 der genannten ausgabe).
Zu demselben ergebnis führt auch folgende betrachtung der
paginierung der handschrift; freilich ist dabei vorauszuschicken,
dass dieselbe wohl mehrmals gebunden und dabei wiederholt stark
beschnitten ist, sodass nicht alle am rande befindlichen zeichen voll-
ständig deutlich erscheinen; ferner haben sich die verschiedenen
schreiber in ihren partien verschiedener blätterlagen bedient. Doch
ist folgendes von einer ültern bezeichnung der blattlagen erkeun-
bar: die handschrift zählt rechts oben fol. 1 -- 24 als a und b, also
lagen von je 12 blättern; fol. 25 enthält in der rechten ecke oben
die bemerkung: ,,primus ubi deficit littera. alfabetica“, fol. 37 se-
cundus u. d. |. a., fol. 49 ist als e bezeichnet, [fol. 50—56 sind
neben 50, 51 u. s. f. auch 26— 32 puginiert, welche ziffern je-
doch durchstrichen sind|, fol. 57 als f [auf fol. 58 ist die lücke],
fol. 71 als g, fol. 79 als h, fol. 87 als i, fol. 95 als k, fol. 103
und 110 sind stark beschnitten; fol. 117 ist m markiert, fol. 125
n, fol. 133 o, fol. 140 p, fol. 149, 157, 165, 173 stark be-
schnitten, fol. 181 v, fol. 181 x, fol. 201 y, fol. 211 und fol.
221 haben keine solche zählung. Daraus ergiebt sich, dass der
schreiber. welcher fol. 1— 48 copierte, lagen von 12 blättern ver-
wendete, wührend die librarii von fol. 49— 78, sowie von fol. 79
bis 148 lagen von je 8 blättern beschrieben, während der schluss
von fol. 180 anscheinend lagen von 10 blättern aufweist. Wenn
dem so ist, so fehlen in dem quaternio f zwei blätter und es hätte
g auf fol. 65, h auf fol. 73 stehn sollen; denn die lage f besteht
jetzt aus 14 blättern, passt also in keine dieser zahluugen; jedes-
falls ist an jener stelle eine confusion der paginierung, in welche
durch die einfügung von 2 blättern einige ordnung gebracht würde.
— Ferner steht unten auf fol. 78 verso eine ziffer, die ich für
VIN (4) halten möchte; 8 lagen ergeben sich aber nur, wenn wir
fol. 1—48 — 4 lagen zu 12 blättern und 4 lagen zu je 8 blät-
tern annebmen, also 2 blätter mehr als jetzt vorhanden sind.
Dass die handschrift ursprünglich noch eine ganz andre form
gehabt hat, scheint aus folgendem hervorzugehn: auf dem jetzigen
fol. 124 verso unten ist, XVIII, auf fol. 172 verso XXV, auf
fol. verso 180 XXVI erhalten; diese ziffern stimmen unter sich
406 Miscellen.
sehr gut zu lagen von je 8 blättern, lassen sich aber schwerlich
mit der ersten hülfte, wie sie jetzt vorhanden ist, in einklang brin-
gen. Denn angenommen, dass die handschrift aus lauter quaternio-
nen bestanden hätte, würden bis fol. 124 (oder wohl schon bis fol.
117, wo etwa die vierte hand beginnt) bereits 48 blätter fehlen. —
Ausserdem ist fol. 86 verso mit 1, fol. 94 verso mit 11, fol. 102
verso mit 111 unten bezeichnet; da gleichzeitig fol. 79 eine dritte
schreiherhand begiunt, so ist auch hiernach wahrscheinlich, dass
vorher 2 blätter ausgefallen sind; denn rechnen wir die ersten 4
lagen zu 12 blüttern, so ergiebt sich, die folgenden zu je 8 ge-
rechnet, nicht bei fol. 79, 87, 95, 103 ein neuer quaternio. son-
dern erst bei fol. 81, 89, 97, 105, d. i. um jene 2 blätter später,
welche jetzt fehlen.
Während es demnach höchst wahrscheinlich ist, dass die lücke
ad Att. 1, 18 ursprünglich nicht vorhanden war, wird sich schwer-
lich sicher nachweisen lassen, dass auch der schluss erst später
verloren ging. Voigt hat bereits aus dem umstande, dass unmit-
telbar hinter dem jetzigen schlussworte magnam, (dessen schluss-m
noch obendrein einen schnörkel wie zur füllung der seite hat) „hie
liber e | Colucii pyeri de Stignano steht, gefulgert, dass die letzten
briefe beilagen des 16. buches nicht in dieser handschrift vorhan-
den gewesen seien, weil sonst dieser besitzvermerk erst ganz am
ende eingetragen und dort mit verloren gegangen sein würde. Diese
annahme hat jedesfalls viel für sich und wird sich nicht leicht über-
zeugend widerlegen lassen. Allerdings muss zugegeben werden,
dass es für Colucio grade bei seinem grossen interesse für diese
briefe nicht schwer gewesen sein dürfte, sich den schluss zu ver-
schaffen; denn derselbe ist in den meisten handschriften vorhanden,
welche überhaupt die letzten bücher aufweisen, so namentlich auch
iu dem papiercodex Med. 49, 19 und in den pergamenthandschriften
Med. 49, 20 und Palat. 1495, welche im ersten buche die grosse
lücke haben. Freilich sind diese handschriften etwas jünger als
der Med. 49, 18, welcher um das jahr 1390 scbon in Colucios
besitz geweseu sein dürfte; doch dürften dieselben nicht viel nacb,
vielleicht schon um das todesjahr Colucios 1406 geschrieben sein;
Palat. 1495, wie schon oben bemerkt , wahrscheinlich 1410 oder
1409. Davon aber, dass erst dann oder gar noch spüter der
schluss bekannt geworden würe, oder dass man denselben vermisst
und sich um iln bemüht habe, verlautet nichts; derselbe scheint
also immer zugänglich gewesen zu sein. — Das jetzt im Med.
49, 18 feblende dürfte nach unserer obigen aufstellung über den
umfang der blütter etwas über zwei seiten eingenommen haben,
mag sich aber auf ein blatt haben zusammendrängen lassen. In
ähnlicher weise kommt auch in dem erhaltenen theile namentlich da,
wo eine haud aufhört, dichtere schrift vor, so besonders fol. 48
vor dem beginn der Atticusbriefe. Dass aber diese letzte blattlage
Miscellen. 407
der bandschrift, — von fol. 181—221 scheinen quinternionen ge-
braucht zu sein —, nicht ganz in ordnung ist, geht daraus hervor,
dass fol. 221 bis 225 in ältrer paginierung mit t. 1 —V bezeich-
net sind (wie schon früher auch fol. 173—176). Dass jedoch
noch ein oder zwei blätter vorhanden gewesen seieu, wage ich
daraus nicht bestimmt herzuleiten, weungleich die wahrscheinlichkeit,
dass die handschrift ganz vollstándig gewesen, dadurch erhóht wird.
Wenn nun auch die unsicherheit bestehn bleibt, ob der Med.
49, 18 je den schluss enthalten habe, so darf doch nicht aus des-
sen vorhandensein in den meisten jüngern handschriften auf deren
vollständige unabhäugigkeit vom Med. 49, 18 geschlossen werden.
Deun dass dieser schluss auch aus einer anderu quelle nachge-
tragen und so ein vollständiges exemplar gebildet werden konnte,
welches dann andern copien als vorlage diente, zeigt schon das
oben erwähnte verfahren des librarius Vespasianus oder eines be-
sitzers des schönen Vatic. 1692. Es muss mithin in jedem ein-
zelnen falle das verhältuis der übrigen handschriften zum Med. 49,
18 erst besonders geprüft werden, und zwar um so mehr als bis-
her alle bemiihungen den verbleib des von Petrarca uufgefundenen
originals nachzuweisen, vergeblich gewesen sind. Auch Tomasini
in seinem Petrarca redivivus erwühnt nur, dass epistolas Ciceronis
ad Atticum calamo scriptas e bibliotheca Petrarchae delaudat Seba-
stianus Corradus. Unter deu der republic Venedig von Petrarca
geschenkten biichern, (unter denen Aristotelis opera de physico au-
ditu, de caelo et mundo, de meteoris, de generatione, de anima; Vir-
gilii Aeneis in fol. parvo, perg. ; Horatius de arte poet. in 4. perg.
erwähnt werden), kommen die Atticusbriefe nicht vor. Ebenso-
wenig verlautet etwas näheres über die bandschrift des Bartol.
Capra in Pistoja, aus welcher vielleicht der Med. 49, 78 in sei-
uer ersten hälfte corrigiert sein dürfte; die wahrscheinlichkeit,
andre selbstäudige quellen für die überlieferung dieser briefe "nuch-
zuweisen, ist demnach gering; die zur endgültigeu lósung dieser
frage nóthigeu untersuchuugen andrer handschriften haben uber
kaum begonnen und dürften doch manches interessante für die ge-
schichte und constituiruug des textes ergeben.
Neapel. Heinrich Ebeling.
B. Zur erklärung und kritik der schriftsteller.
11. Zu Naevius.
Festus 352, 4 M topper significare ait Artorius cito, for-
tasse, celeriter, temere. — cito, sio in Nelei carmine — cilius, sic
C. nuevicapesset flammam Volcani. cito, sic in eodem: namque nul-
lum peius macerat e. q. s.
Hier sind zunächst die worte celeriter, temere zu streichen.
408 Miscellen.
Denn celeriter erscheint nach cito ganz überflüssig. Hätte ferner
Artorius gemeint, dass das zu seiner zeit, wie jetzt, rüthselbafte
topper auch temere bedeute, so würde er dafür gewiss belege bei-
gebracht haben. ©. Müller meinte freilich, diese seien nur von
Festus ausgelassen. Dies ist jedoch bei der wichtigkeit des lem-
mas und da der grammatiker drei beispiele für die bedeutung
cito, zwei für fortasse gibt, nicht wahrscheinlich. Hätte ferner
Artorius einen unterschied zwischen cito und celeriter statuirt, so
würde er doch schwerlich beide worte durch das mit diesen nichts
gemein habende fortasse getrennt haben. — Vielmehr scheinen die
worte celeriter temere nichts weiter als eine randbemerkung, die
eigentlich zu dem folgenden: Sinnius vero sic: topper — in anti-
quissimis scriptis (valet) celeriter ac mature gehörte, und temere
aus mature verschrieben. — Für citius, das aus dem danebeaste-
henden sic entstanden, muss gleichfalls cito geschrieben werden. —
Das folgende hat man unrichtig behandelt. da man nicht darauf
achtete, dass Artorius in seiner glosse nirgend sich auf den namen
des schriftstellers beschränkt, sondern zugleich des werkes selhst
gedenkt. Offenbar war in dem archetypus des Festus eine zeile
ausgefallen, weil das erste wort der lücke ähnlich anfing wie ca-
pesset, und muss man das ganze folgendermassen herstellen: ut Cn.
Naevi carmine belli punici: toppér v — capésset flámma Völcani.
Ob der fellende jambus durch rates oder domos oder anderweit zu
ergünzen ist, bleibt ungewiss. Fülschlich hat man hinter Volcani
eine lücke angenommen. Bekannt ist, wie häufig grade die vor-
letzte thesis des saturnius unterdrückt wird. — Im folgenden
schreibt Scaliger vortrefflich: cito, sic in Odyssea; denn es folgt
die übertragung von Od. VII, 138, 9.
Man hat mit recht bemerkt, dass die buchzahlen, die aus des
Naevius bellum Punicum citirt werden, ófters fehlerhaft sind. Nur
konnte man mehrere derselben, wenn man auf die citirmethode der
einzelnen grammatiker geachtet hütte, leicht berichtigen. So wird
fälschlich gemeint, dass aus dem 1. und 2. buch des epos citirt
seien die verse:
ineránt signa expréssa, quómodó Titäni,
bicórporés Gigántes magnique Atlántes,
Purpürens átque Rüncus filii térras —
iamque eius mentem fortuna fecerat quietem.
Beide stellen werden in den handschriften des Priscian so überlie-
fert (pg. 679; 689 und 704 P): Naevius in carmine belli Punici
I (oder primo); Naevius in carmine belli Punici II. Ich glaube,
Priscian würde in diesem falle carminis gesagt oder in carmine aus-
gelassen haben. So lautet das einzige buchcitat aus dem gedichte,
das sich noch mit buchzahl vorfindet, pg. 697: Naevius in II belli
Punici. — Sonst citirt Priscian sechsmal: Naevius in carmine
belli Punici, nämlich 1, 153, 6; 230, 2; 235, 21; 249, 7; 388,
Miscellen. 409
2; 852, 1 Hertz; und so ist auch an den oben beigebrachten stel-
len zu schreiben. Man hat nicht bemerkt, dass überall dort ein i
folgt, und I oder II weiter nichts als wiederholungen von des fol-
genden fragments anfangsbuchstaben sind. — Deshalb lässt auch
der Parisinus von erster hand p. 679 I aus, auch haben p. 704
drei der besten handschrifien, die Berner, Carlsruher. Bamberger:
I, ebenso vou erster hand die Halberstadter.
Damit verliert die vermuthung , dass in den verseu inerant
signa expressa u.s. w. der schild des Aeneas verherrlicht sei, ihre
äussere stütze. Zwar hat Naevius nach ullem anscheine --. sehr
verschieden von Ennius — die abenteuer des Aeneas, die bei einem
epos über den ersten punischen krieg garnicht in betracht kamen,
in geschmackloser breite erzählt. Aber soweit wird er denn doch
wohl nicht in die details eiugegangen sein. Soll man eine vermu-
thung wagen, so dünkt es mich jedenfalls wahrscheinlicher, dass
jene verse der beschreibung des im j. 260 bei dem ersten grossen
seesieg der Rümer den Kartlıngern abgenommenen stattlichen admi-
ralschiffes, das einst dem könig Pyrrhus gehört hatte, zuzuweisen sind.
Die kritik des bellum Punicum, wie die der lateinischen Odyssee,
liegt noch sehr im argen. —- Dabei ist das schlimmste, dass seine bruch-
stücke durch die grammatiker des ersten jahrhunderts vor und nach
Chr., welche das ihnen unverständliche saturnische metrum in die
schemen ibnen bekanuter verse zu zwängen suchten, mehrfach so
stark interpolirt sind, dass jeder versuch, die ursprüngliche gestalt
wiederzugewinnen, eitel erscheint. Oder glaubt man wirklich, dass
sich in des Naevius Epos daktylische bexameter fanden und jambi-
sche trimeter, wie die überlieferten (auch aus Livius werden gleiche
metra citirt)?
convenit regnum simul atque locos ut haberent.
Marcus Valerius consul partem exerciti
in expeditionem ducit.
Man bat freilich diese verse in saturnier übergegossen, aber in
solche, die, mit Martial zu reden, averso fonte sororum nati sunt.
Leidlich gut dagegen sind die vorhin citirten verse erhalten.
Nur ist Atlantes verderbt, da die alten Römer bekanntlich den At-
las Telamon nannten; wülreud die zusammenstellung von Atlantes
mit Titanen und Giganten sich allenfalls rechtfertigen liesse.
St. Petersburg. Lucian Miller.
12. Zu De Bello Gallico VIII, praef. 4.
X Constat enim inter omnes nibil tum operose ab aliis esse per-
fectum, quod non horum elegautia commentariorum superetur“,
Wenn einige spezialwirterbiicher zu Caesar unter tam cum
adverbio und folgendem conjunktivischem relativsatz diese stelle
verzeichnen, so bedarf das keiner widerlegung: der sinn verlangt
410 Miscellen.
uuweigerlich, dass ,,quod non superetur‘ zu ,,nihib eese perfectum"
gezogen werde. Denn der verf. bezweckt nicht die mübe ued
sorgfalt anderer zu gunsten der mühewaltung Caesars her-
abzusetzen, sondern er will einzig und allein der genialen leich-
tigkeit und vollendeten eleganz des caesarischen stils in vergleich
mit den mühseligen elaboraten anderer sein kompliment machen.
M. a. w. nicht die opera ist das tertium comparationis, sondern
die facultas atque elegantia scribendi. (Vgl. praef. 6 ceteri enim,
quam bene atque emendate, nos etiam, quam facile atque
celeriter eos perfecerit, scimus. Erat autem in Caesare cum
[facultas atque elegantia summa scribendi, tum e. sq.).
Köchly und Rüstow übersetzen gewiss richtig: „ist es doch allge-
mein anerkannt, dass die miihseligsten stilübungeu anderer die form-
vollendung dieser memoiren nicht erreichen". aber erklart ist damit
tam operose nicht. Unsere ausleger finden sich schweigend mit dem
ausdruck ab, so dass es den anschein gewinnt, als ob sie sich der
schwierigkeit der stelle gar nicht bewusst geworden. Tam operose
ist hier eine affektvolle form zur umschreibung des superlativs und
ungefähr so viel wie quamvis operose. Für diesen eigenthiimlichen
und nicht eben häufigen gebrauch des tam giebt es im Caesar, so
viel ich weiss, keine parallele, aber Cicero bietet ein paar analoge
stellen: de orat. I 52, 226; ad Atticum VIII 4, 2; iu Pison. 10,
und ifa àühnlich gebraucht Brut. 197. Wie es zu erklären, ist
zweifelhaft. Eliendt meint zu der stelle de orat. — unter der zu-
stimmung namhafter gelelrter —, es sei eine zusammenziehung
zweier gedanken in einen zu statuieren, also ,,quis hoc philosoplws
tam mollis, tam languidus, tam enervatus, tum omnia ad voluptatem
corporis doloremque referens probare posset senatum servire populo“
sei = ,quis tam mollis . . esset, qui probare posset‘‘, aber ich
meine, dass es einfacher und rationeller ist zu tam mollis . . als
korrelat hinzuzudenken, quam qui mollissimus, vgl. pro Sulla 31,
87 ,,tam sum misericors, iudices. quam vos, tam mitis quam qui
lenissimus*, vgl. auch ep. ad Brutum I 15, 1 und meine bemer-
kungen dazu Rhein. Museum. N. f. XXXVII p. 590—591. Also
an unserer stelle mag man ergänzen (tam operose) quam quod ope-
rosissime !), ebenso wie in Pis. 10 zu ,,quam polestatem minuere
. nemo tam effuse peluluns conatus est‘ in gedanken zu
supplieren ist ,quam qui effusissime‘, und übersetzen mag man
nach Kóchly und Rüstow: „dass selbst die mülseligsten stil-
übungen u. 8. w.'*.
1) Was etwa gleichwerthig ist mit ,,nudla tanta (d.i. quamvis magna)
opera esse quidquam perfectum, quod sq.“.
lifeld a. H. Ferd. Becher.
13. Laus Alexandriae.
Unter diesem titel findet sich in der Riese'scben ausgabe der
V :
MEN _
Miscellen. 411
Geographi Latini minores p. 140 aus dem codex Paris. 8319 saec.
XI fol. 88 verso ein fragment abgedruckt, das zuerst Dureau de
la Malle, Recherches sur la topographie de Carthage p. 39 not. 4
mit dem bemerken publicirte, es móchte aus einer katasteraufzeich-
nung oder einem verlorenen alten geographen stammen. Mommsen
hat es dann bei gelegenheit der arbeit über den Laterculus des
Polemius Silvius nach mittheilungen K. B. Hase’s in Abhandlungeu
der sachs. gesellsch. der wiss. bd. 3, p. 272— 74 abermals heraus-
gegeben und hiernach druckte es Riese ab. Auch H. Jordan, To-
pographie der stadt Rom benutzt die stelle, ohne. ihren richtigen
ursprung zu kennen. Das ganze ist aber nichts als ein excerpt
aus Julius Valerius’ lateinischer bearbeitung des Pseudo-Callisthenes,
wo bei Gelegenheit der anlage Alexandriens der umfang der grössten
städte der welt angegeben wird. Dort lautet der entsprechende
abschnitt (Pseudo-Callisthenes ed. C. Müller p. 34):
Quare cum hae urbes, quae in omni orbe terreno maximae
celebrantur in haec spatia numeratae sint: Syriaeque sit
ciuitas uel amplissima Antiochia extenta stadiis octo, pedi-
bus septuaginta duobus, | Carthago vero, (hiermit beginnt
das fragment) quae priucipatum Africae tenet, stadiis decem
porrecta uideatur stadiique parte quarta, Babylon porro
stadiis duodecim longa sit et pedibus CC atque XX; ipsa
quoque domina omnium gentium Roma quatuordecim stadiis
et pedibus C atque XX longa primitus fuerit, nondum
adiectis his partibus, quae multum congeminasse maiestatis
eius magnificentiam uisuntur (cod. Paris. 8319: magnificentia
uisitur); Alexandriam mensi sunt sedecim quidem (quidem
fehlt im cod. Par.) stadiis, pedibus uero CCC atque LXXV.
— Occupato igitur etc. (Cod. Paris.: trecentis atque sexa-
ginta. Quinque libri Moisi .... Damit bricht das frag-
meni ab).
Der griechische text lautet in der ältesten recension A so:
où pévtos ye Éré£Qo modes dou pelbuwr "AdeEurdgelas. MMäcas y&Q
Zyugoyouqr900av xai èueron3ngar. ‘H di ueyicm modes Ev Zvgfa
’Avusoysıa avin Eon Grady n x«i nodwr 08. 7 à iv Agpolan
Kagyndwr orudlwv 19° (Müller bemerkt richtig: decem, Valerius,
quod praestat, nam a minoribus ad maiores auctor progreditur),
nodu» w (ut uidetur, Müller). 'H dé àv roi; Bagfagos Bußviwr
otadlwy 68 x«i nodwv or (6x sec. Valerium ; Müller): n dè Pwun
orudlwr id xai nodw x. i3 dì “disSuvdyeca oradlwr if’ (ser.
ss ex Val.; Müller) xai wodwy 18€ (108° sec. Val.; Müller). /7a-
Quyevoueros oùr AMAfEavdgoc slg rovro 10 Edagog xré.
Die einzige handschrift, die diese (alexandrinische) recension
des Pseudocallisthenes bewahrt hat, bietet durchweg einen sehr ver-
derbteo text, so dass C. Müllers änderungen in den griechischen
zahizeichen nicht zu beanstanden sind, da die zahlen des Valerius
412 Miscellen.
in ihrer regelmässigen steigerung sicher die richtigen sind, nur
hinsichtlich der letzten zahl 74e’ ist es vielleicht besser, rEe ru
emeadiren, da die lesart sexaginta des Pariser fragments È em-
pfiehlt, Aus der zahl « des griechischen textes und dem Julius
Valerius geht auch hervor, dass quinque in dem Hase'schen frag-
ment nicht zu den worten libri Moisi, die wohl der anfang eines
andern excerpts sind, gehört.
Dass in dem ganzen abschnitt von stadien und fuss keine rede
sein kann, sondern nur von milli« passuum und passus hat Momm-
sen ». a. 0. p. 274 bemerkt; die versuche A. Maïs (zu dieser
stelle des Julius Valerius, Classici auctores t. VIE p. 92) und K.
O. Müller's (Autiquitates Antiochenae p. 56 not. 4) die stadienan-
gaben auf deu längen- oder breitendurchmesser der städte zu be-
ziehen sind verfehlt. Fasst man die zahlen als miliarien und be-
zieht sie auf den perimeter der stüdte, so stimmen sie mit den
sonst bekannten angaben leidlich überein. Plinius giebt den um-
faug Roms u. h. 1115, 66 auf 13200 schritt nach der Vespasiani-
schen messung, Pseudocallisthenes auf 14100 an, Babylon’s umfang
wird auf 80 stadien — 10000 schritt, hier auf 12220 schritt
angegeben; Alexandriens umfang betrug nach Plinius (n. h. V, 10,
62) 15 m. p. .
Der lateinische text zeigt dem griechischen gegenüber zu-
sätze: Rom wird als domina omnium gentium bezeichnet und aus-
serdem fügt Valerius hinzu, dass die neuen stadttheile noch nicht
miteingerechnet seien. Ist aus ersterem zusatz dasselbe zu sclilies-
sen, was für den Pseudo -Callisthenes gilt. dass Rom noch allein
hauptstadt des reichs und Byzanz noch nicht Constantinopel ge-
worden war!)? Sicher dürfte der schluss nicht sein, denn einmal
erwühnte die griechische vorlage Constantinopel nicht, andererseits
blieb Rom auch nach der gründung des ,neuen Rom‘ im ansehen
der weltherrin. Der zweite zusatz aber weist auf die zeit nach Au-
relian hin, dessen mauer den grössten umfang Roms bezeichnet (vgl.
Jordan, 'lopographie der stadt Rom ] p. 343 ff.) uud grenzt so
besser den terminus post quem für die zeit der lateinischen bear-
beitung ab, den Landgraf (Zeitschrift f. ósterr. gymn. 1882, p. 429 f.)
schwerlich mit recht in den ausdrücken victoriosissimus und domi-
nus et deus als titulntur zu finden vermeint hat.
Andererseits scheint uber in der zeit, wo Julius Valerius den
griechischen Alexanderroman bearbeitete, diese erweiterung der
enceinte Roms, oder vielmehr der frühere umfang der stadt, in der
erinnerung der zeitgenossen lebendig gewesen zu sein, da sich der
schriftsteller zu einem derartigen zusutz veranlasst fand. Man wird
daher nicht weit sich von der zeit der erbauung der aurelianischen
mauer entfernen dürfen, wenn man des Julius Valerius epoche be-
1) Ueber Constantinopel vgl. Orosius III, 13, 2. .
Miscellen. 413
stimmen will, und dürfte nicht ganz fehlgehen, wenn man ihn um
300 n. Chr. ansetzt.
Zur voraussetzung hat diese annahme freilich, dass jener zu-
satz über den spüteren umfang Roms wirklich von Julius Valerius
herrührt und nicht etwa schon in einem besseren text der griechi-
schen recension A zu finden war, als wir ihn heute besitzen. Die
armenische übersetzung scheint nach Zucher's mittheilungen (Pseudo-
Callisthenes p. 96—99) diese vergleichung des umfanges der
grössten städte der welt nicht wiederzugeben, da sonst wohl Za-
cher auch diese übereinstimmung zwischen Valerius, der armeni-
schen übersetzung und dem griechischen text A erwähnt hätte,
Welchen nutzen diese bestimmten zahlenangaben des Alexauder-
romans für die topographie der berührten stüdte haben vermag ich
nicht zu entscheiden; doch lässt die bestimmtheit der angaben wohl
annehmen, dass sie auf officiellen vermessuugen beruben (uous
749 &ywgoyguq 9 cav xui EueronInouv). Dann wäre die difie-
renz gegenüber der Vespasianischen messung Rom's doch wohl von
einiger wichtigkeit. Eine lateinische quelle lag für dieselben dem
Pseudocallisthenes wohl sicher vor.
Gottingen. K. Boysen.
14. Bekenntniss und nachtrag zu ob. I, p. 181.
In der oben p. 181 behandelten stelle von Cic. Tusc. 1, 1,
4 muss ich zu meiuem grossen leidwesen bekennen, einen prosodi-
schen schnitzer begangen zu haben, indem ich ,,humanos als Bac-
chius behandelte; also fallen die darauf gebauten schlüsse zum theil
zusammen. Nichtsdestoweniger aber glaube ich, dass die vermu-
thung, wir hätten an dieser stelle ein poetisches citat vor uns,
wohl berechtigt ist. Die wiederholung des unmittelbar vorher aus-
gesprochenen gedankeus virtus . . . omnia, quae in hominem ca-
dere possunt, subler se habet, in den worten eaque despiciens casus
contemnit humanos, ist doch eine zu vollstándige, als dass sie nicht
gerne ihre entschuldigung in einem citat fünde, und letztere worte
selbst bieten immerhin ansehnliche reste von hexametrischen reihen,
deren ergünzung sich zum theil aus dem vorhergehenden unge-
zwungen ergiebt. Wenn man danu die worte
(omnia) despiciens casus contemnit v — v
humanos.
liest, und aus dem zusammenhange auch das ende des ersten verses
auszufüllen sucht, so bietet sich allerdings im vorhergehenden nur
das wort avunclus, durch desseu aufnahme wir jedoch (etwa unter
die veränderung von contemnit in contempsit) zu der annahme ge-
nithigt würden, es seien diese worte auch hei ihrem ursprunge
direkt an den M. Brutus gerichtet gewesen, etwa als Cicero ihm
414 Miscellen.
den Cato übersandte. Wem diese annahme nicht gefillt, dem stebt
die ergänzung der lücke durch ein substantiv oder adjectiv wie
honestus oder auf andere weise frei.
Glückstadt. D. Detlefsen.
C. Geschichte der philologie.
15. Zum leben des H. Stephanus.
Im 89. bande der Fleckeisen'schen Jahrb. p. 844 veröffent-
licht Max Diuse drei unedirte briefe vou Henricus Stephanus;
einen aus einer sammlung der Strassburger stadtbibliothek , zwei
aus der collectio Camerariuna der Münchner hof- und staatsbiblio-
thek. Mit recht bemerkt hiebei der heruusgeber, dass, da uns so
überaus wenige briefe von H. Stephanus erhalten sind, jeder bei-
trag willkommen sein muss. Es dürfte daher vielleicht auch den
beifall mancher leser finden, wenn ich die aufmerksamkeit auf einen
brief des H. Stephanus zu lenken versuche, der zwar bereits ge-
druckt ist, aber, wenn uicht alles trügt, den philologen bisher ent-
gaugen ist. Durch einen günstigen zufall fügt es sich gerade,
dass dieser brief in maucher beziehuug eine ergänzung zu dem
dritten der von Dinse veróffentlichten briefe bildet. Hier schreibt
H. Stephanus un Joachim Camerarius (den inclytae Noribergae me-
dicum): Meae ad S. R. Imp. ord. epistolae mitto exempla bina,
serm. Latino, et totidem Germanico. tibi una, fratri altera. Quum
enim nullum de antea missis responsum accepissem, pro non missis
habenda existimavi. De hac epist. libenter utriusque. iudicium. au-
diam. Verum et quiddam aliud ad mearum orat. argumentum
pertinens editurum me spero. Rem mihi gratam facies, si curabis,
us meae ad dominum vicecancell. literae et liber necnon charta
quas milto, in eius manus perveniant. Zum verständniss der stelle
ist es nothwendig, das eingreifen des H. Stephanus in die damals
so brennende frage der Türkenkriege sich zu vergegenwärtigen.
H. Stephanus erschien nämlich auf dem reichtstage, der zu Re-
gensburg 1594 abgehalten wurde, mit zwei reden, von denen die
erste den titel führt: Oratio adversus lucubrationem Uberti Folietae
de magnitudine et perpetua in bellis felicitate Imperii Turcici, die
audere Exhortatio ad expeditionem in "Turcas fortiter et constanter
persequendum (cf. Renouard, Annales de l'imprimerie des Estienne
py. 156). Diese reden sind es, auf die mit den worten meorum
ora. argumentum angespielt wird. Nach seiner rückkehr nach
Frankfurt schrieb H. Stephanus 5.sept. 1594 eine epistola an den
kaiser und die stünde und fügte zwei hexametrische gedichte
in denen die soldaten zur einigkeit und maunszucht ermuntert wer-
den. (Cf. Dinse 1. c. p. 853 sq.). Auf diesen brief beziehen sich
die eingangsworte der ausgehobenen stelle.
Miscellen. 415
Wes H. Stephanus über die besorgung gewisser schriften
durch J. Camerarius an einen vicekanzler schreibt, deutet Dinse
p. 847 |. c. richtig dahin, dass es sich hiebei um eine geldunter-
stützung von seite des fürsten des kanzlers handele. Dieser zweck
tritt klar und unverhüllt hervor in einem gleichzeitigen brief des
H. Stephanus an den fürstbischof Julius von Würzburg. Derselbe
steht in dem buch Virorum doctorum epistolae selectae. Ed. Theod.
Frid. Freytag. Leipzig 1831 p. 131, dessen kenntniss ich einem
gewiegten kenner der frünkischen geschichte verdanke. Die brief-
sammlung, die hier veróffentlicht wird, stammt nach einer vermu-
thung des herausgebers vielleicht aus dem nachlass des genannten
fürstbischofs. Schon auf dem reichstage zu Regensburg suchte sich
H. Stephanus dem fürstbischof Julius zu nähern; allein obwohl ad
alios principes aditus semel tentatus pateret, wurde ihm der zutritt
zu demselben versagt. Einen neuen versuch machte H. Stephanus
auf der rückreise von Regeusburg nach Frankfurt; er hielt sich,
wie er schreibt, eigens zu dem zweck, eine audienz bei dem für-
sten zu erlangen, einen tag in Würzburg auf. Wie es scheint,
begleitete ihn der bekannte jesuit N. Serarius auf dem gang zur
residenz des fürstbischofs; denn er schreibt in einem auch sonst
interessanten briefe an J. Lipsius (Burmann, Syll. I 609): Aderus
hisce diebus, cum Ratisbona Francofurlum — properaret , Henricus
Stephanus. optabam vel supremo isto aevo ad Ecclesiam eum redire,
neque omnino abhorrere videbatur, sed post ultro citroque sermones,
ut fit, varios, quidnam de Lipsii stylo mihi viderelur rogabat. Nam
ad arcem eum cum deducerem bonumque senem. fatigatum
sentirem , quasi iocans pausandi verbo usus eram, — Respondi,
quod profecto est, me huiuscemodi rerum Paluemonem minime ido-
neum, in paucis tamen, quae adhuc. legissem, Lipsianis operibus mi-
rari me antiquitatis cognitionem, sententiarum, chriarum, apoph-
thegmatum copiam, ordinem, delectum. Ille assentiri ; sed multorum
fum rogatu se de Lipsiana oratione commentariolum apparare, iam-
que epistolam unam edidisse, qua se nec Lipsomimum nec Lipsio-
momum profitiretur.
Nachdem die versuche Stephanus’, in persónliche berührung
mit dem fürstbischof zu kommen, gescheitert waren, schlug er ei-
nen andern weg ein; er schickte ihm, wie wir aus dem briefe er-
sehen, die Epistola ad sacri Rom. imperii ordines, mit den versen,
welche er characterisiert als simul ct censorii et hortatores. Ueber
die abfassung der epistola berichtet unser brief genaueres: tribus
linguie scripta illa quidem, a me Lutina et Gallica, ab alio autem
quodam in Germanicum versa. Wie in dem brief an Joachim Ca-
merarius, so verspricht H. Stephanus auch in dem unsrigen ein ad-
ditamenium ; er sagt: Jam vero et quoddam scriptum velut. addita-
mentum ad illas duas de bello Autiturcico oraliones meas his nun-
dinis in lucem dare decrevi, quo spero me homines, quibus num-
A16 Miscellen.
maria adsint praesidia ef minime saxea aut ferrea sini pectora,
ad miserandam fratrum suorum inter arma "Turcica vicem ideoque
ad consustinendos belli Antiturcici sumptus esse flexurum, si non
omnes, haud parvam saltem eorum partem. Das quiddam aliud in
dem brief an Camerarius bezieht Dinse auf das buch de Lipsii
Latinitate, in dem bekanntlich weniger von Lipsius als von dea
Türkenkriegen die rede ist, und das deshalb J. Scaliger scherzhaft
de Latinitate Lipsiana adversus Turcam nannte (Renonard |. ec.
p. 157). Dass diese interpretation uurichtig ist, zeigt unser brief,
der nur 4 tage später als der an Camerarius geschrieben ist !).
Wir ersehen aus demselben, dass H. Stephanus ein ,,specimen einer
schrift schickt, die er palaestra uennt; es ist dies aber die schrift
De J. Lipsii Latinitate (vgl. Renouard |. c. p. 157); Stephanus
falrt in seinem briefe fort: Sed hoc tamen opus mihi parergon
erit; at vero alterum illud, ad quod munificentiae $uae auzilium et
posco el expecto, non parergon, sed ergon est futurum. Mit diesen
worten stellt er also ausdrücklich das noch zu schreibende werk,
für dessen drucklegung die materielle hülfe des fürstbischofs in
auspruch genommen wird, im gegeusatz zu: De J. Lipsii Latinitate
Palaestra. Ueber deu inhalt des beabsichtigten werks gibt wenig-
stens eine andeutung folgende stelle des briefs: Atqui, ut a parergi
menlione ad ipsius ergi mentionem redeam, sunt qui non solum ea,
quae addere ad meas de bello Antiturcico orationes decrevi (conti-
nuato earum praesertimque posterioris argumento),
sed etiam illas ipsas orationes in Germ. etiam Ital. et Gall. ser-
monem ut vertendas, deinde excudendas curem hortentur. (Ac iam
certe illarum orationum posterior in Germ. versa fuit). Nec vero
repulsam illi a me patientur, si a te repulsam passus non fuero.
Und so kehrt melrmals der grundgedanke des briefs wieder: geld.
Quicquid mihi facultatum erat, exhausit dieser aufeuthalt in Frank-
furt und die reisen.
1) Beide briefe sind von Frankfurt und datirt, der eine unter
dem 18. jan., der unerige unter dem 17. jan.
Würzburg. M. Schanz.
D. Auszüge aus schriften und berichten der ge-
lehrten gesellschaften, sowie aus zeitschriften.
The Westminster Review 1880. Bd. 58. Juli. The Place
of Socrates in Greek Philosophy. P. 18—62. Im anschluss an
Zeller, Die philosophie der Griechen. Bd. M, abth. 1. „Zeller
sucht augenscheinlich Sokrates in eine linie zu stellen mit der
grossen überlieferung älterer griechischer philosophie, ibn deutlich
von den sophisten zu unterscheiden und auf seine initiative die
methode des Plato und des Aristoteles in der erforschung der er-
kenutniss zurückzuführen. Wir können nicht zugestehen, dass die-
Miscellen. 417
ser dreifache versuch ihm gelungen sei“. Der verf. selbst bes
hauptet, „dass Sokrates zuerst die idee, nicht des wissens, sondern
des geistes in seiner ganzen bedeutung aufstellte, dass er zuerst
den ganzen kreis menschlicher interessen, so weit sie durch den
geist beeinflusst sind, studierte, dass er durch die begründung der
dialektik diesem studium seine gehórige methode gab, und dieser
methode gleichzeitig den einzigen gegenstand anwies, an. welchem
sie mit erfolg ausgeübt werden kann, endlich, dass durch diese
seine unsterblichen schópfungen die philosophie hergestellt wurde
und eine dreifache bewahrbeitung erhielt, erstlich durch das leben
ibres stifters, zweitens durch den erfolg, mit welchem sein streben
einer ganzen schaar von jüngern mitgetheilt wurde, drittens durch
die ganze folgende geschichte des denkens*. Diese bebauptungen
sucht der verf. — nach seinen citaten zu schliessen, derselbe, wel-
cher im januerbeft über Early Greek thought, im aprilheft über
The Greek Humanists geschrieben hat — punkt für punkt zu er-
weisen“. — Anzeigen von Wallace, Outlines of the Philosophy of
Aristotle (ein auszug aus seinem grüsseren werk Synopsis of the
Aristotelian Philosophy) und von Hodgkin, Italy and her Inva-
ders, 2. bd.
October. Paul and Seneca. P. 309—332. Im anschluss an
Baur, Drei abhandlungen zur geschichte der alten philosophie und
ihres verhältnisses zum christenthum. „Die enge ühnlichkeit der
theologie Seneca’s mit der des Paulus wird leicht auch ohne die
hülfe der vermuthung einer persónlichen bekanntschaft zwischen ih-
nen erklärt“. — Plato and his Times. P. 399—418. Im an-
schluss an Jowett, The Dialogues of Plato Translated into English
und Zeller, Die philosophie der Griechen, fortsetzung des oben an-
geführten aufsntzes. Der verfasser sucht in diesem (ersten) artikel
zwischen den ülteren und den spáteren dialogen zu unterscheiden
und beiden gattungen eine verschiedene tendenz zuzuschreiben. —
Anzeige von Church, The Trial and the Death of Socrates,
being the Euthyphron, Apology, Crito and Phaedo by Plato, trans-
lated into English.
1581. Bd. 59. Januar. Plato als neuerer im anschluss an
Jowett, Plato's dialoge in's Englische übersetzt. (Fortsetzung aus
bd. 58. october. 1880). Der aufsatz, welcher am ausführlichsten
die respublica und theilweise mit geringschützung die leges berück-
sichtigt, fasst seine etwas schwerfälligen auseinandersetzungen in
folgender weise zusammen: Plato dehnte die philosophie des gei-
stes dahin aus, dass sie nicht allein ethik und dialektik , sondern
auch das studium der politik, der religion, der socialwissenschaft,
der schönen kunst, der sprache und der erziehung begriß; er lehrte,
wie ideen in der umfassendsteg weise auf das leben angewendet
werden können. Er sah ferner, dass das studium des geistes, um
vollständig zu sein, die kenntniss der natürlichen erscheinungen und
Philologus. XLII. bd. 2. 271
418 Miscellen.
der realitäten, welche ihnen zu grunde liegen, erfordert; demge-
miss griff er auf die objectiven speculationen zurück, welche zeit-
weilig aufgegeben worden waren, so eine vermittelung bildend
zwischen Sokrates und Aristoteles. Er gründete die wissenschaft
der physik auf die mathematik, in dieser weise eine methode der
untersuchung aufstellend, welche seitdem immer in ausübung ge-
blieben ist. Er gab die umrisse einer neuen religion, in welcher
moralität für beobachtung der gebräuche und einsicbtige nachab-
mung gottes für bliude unterwerfung unter seinen willen einge-
setzt wurde, eine religion des monotheismus, der humanität, der
sittenreinheit und des musterlichen lebens; und war ausserdem der
schöpfer der mustergültigen prosa. — Anzeigen von Sharpe,
The Epistle of Barnabas, from the Sinaitic Manuscript of the
Bible with a translation (into English); von E. von Schmidt, Die
philosophie der mythologie und Max Müller; vou Minton, Die
grosse pyramide. — April. Anzeigen von Wallace, Ueber epi-
kurüismus; von Zeller, Geschichte der griechischen pbilosophie von
Alleyne ins Englische übersetzt; von Trollope (dem bekannten ro-
manschriftsteller), Leben Ciceros.
Revue Archéologique 1878. Nr. 3. März. J. Mordtmana
(sohn): Allerlei epigraphisches (forts. aus d. februarheft). 13 bas-
relief eines leichenschmauses, einen mann, eine frau und drei kinder
zeigend. Darüber:
. + + 6 Cov Éavi xai T7 yuvas-
xi. . Ja uvelas yàg,
14. Leichenschmaus in einem bas-relief, welches einen manu,
eine frau und zwei kinder zeigt (mit abbildung). Darunter:
"dmlüg ZÉvuvog xal i yvv] av-
tov Tivxurng Xasgfov yalgerus (anstatt yalgere)
Der name Z'vxurn ist neu.
15.
°Evdade yaîa xartyı do-
uveivov viov Hoaxietdou
Tvgavov uno mooyovwv tb-
yevn Cyoavra Ern elxooc
rjv OrjÀm» avéorncay
Adonisog *HoaxAstdng warn @°
xai Madayava unrno
uviunc dou |
Die form Tvgavog (statt Tugarns) aus Tuoas am Deiestr wird
durch diese inschrift bestätigt, findet sich übrigens ausschliesslich
auf den münzen dieser stadt. Der name Mayadava ist barbarisch.
16.
| Zeßroog Nixoundouç Cyoas xoculwe Ern EBd(o)urxovın: yége
i nagodeita .
>
BENE _ n
Miscellen. 419
17.
Curfios
ylevapevn
P)Aweervstov
oxQiviaotov
Tuc èredev-
meev (mvs) Mag-
thou y jutog
18. Ein sarkopbag
4ovociog Oeorlelplou news Cyoag Er AB yaîoe
Tourret: Epigraphische studie. Der verf. vergleicht die alten christ-
lichen inschriften mit den von dem beil. Augustin in der schrift De
cura pro moriuis gerenda niedergelegten ansichten, auch die heid-
nischen vorstellungen berücksichtigend, welche in beide mit einge-
flossen sind. — Edm. Blanc: Bemerkungen über einige galloro-
manische texte der seealpen, welche geographische namen enthalten.
Davon neu:
FAGO DEO
€ SEC V NDVS
CF : PATERNVS
EXPAG : STAR
VIC : VEL
GRAV : INF: LIB...
V SLM
Die vorletzte zeile heisst gravi infirmitate liberatus. Der gott
Fagus ist schon sonst bekannt; pagus Staro muss das jetzige Ro-
questeron, in dessen nühe die inschrift sich befindet, sein; der vicus
Vel... kann das jetzige Velacié oder das jetzige Velostine sein.
Eben daselbst auf einem felsen neben einer quelle
BIBE MVLTOS ANNOS BIBAS
In Roquesteron selbst:
M: CVPITI : PA
TERNI : DECV
RIONI : A LXXV
TVTVS FIL
In Penne:
P: MON[TA]
NIO FILI[I]
PATRI PfI[O
VIVIS(sic)[PO]
SVER[VNT]
Den in einer (von Bourquelot p. 122) schon veröffentlichten in-
schrift erwühnten pagus Liccirus glaubt er in Lucérame, den vicus
420 Miscellen.
Cuntinus (bei Joffredy, Storia delle Alpi maritime p. 160) in dem
dorfe Contes wiederzufinden; die pagani Beretini der folgenden
inschrift DEO
MARTI - IEVSD
RINO-PAG-BERETI
NI DE SVO SIBI
POSVERVNT
in Berre. — Maspero: Uebersetzung des ügyptischen mürchens
von den beiden briidern (s. rev. arch. 1852, VIII, 352 und Brugsch,
Aus dem O. 1864, p. 7). — Ch. Chipier: Denkschrift über den
hypäthrischen tempel. In der einleitung seines aufsatzes verspricht
der verf. zu zeigen, dass ein tempel dieser art, und ohne unter-
brechung der geraden linien, oben geschlossen und doch erhellt
sein konnte (mit einem plan des plafonds und der überdachung). —
R. Mowat: Gallische iuschrift etc. (s. febr.) Diese inschrift rührt
nicht aus Paris, sondern aus Néris-les-Bains (Allier) ber, welches
durch das geotile Neriomagienses und durch den namen des gottes
Nerios, des beschiitzers der heilquelle in inschriften vertreten ist. —
M. Alberi: Die ausgrabungen der Piazza di Pietra in Rom; es
ist eine frauenstatüe in relief an einem marmorsockel gefunden
worden, suf welchem wahrscheinlich eine kaiserstatue gestanden
bat. — Unter den nachrichten wird ein bericht über den 44,
wissenschaftlichen congress, der diesmal in Nizza stattgefunden hat,
mitgetheilt; ferner ein auszug aus der Times (5. febr.) über die
neuesten entdeckungen in Mycenae; die auffindung einer völlig un-
beschüdigten überlebensgrossen statüe der Julia Domna aus einem
stück numidischen marmors, eines kunstwerks ersten ranges in
Djimillah (Algerien), endlich die entdeckung eines gallorömischen
monuments, vielleicht eines tempels zu Merten bei Metz. — An-
zeigen von Revue des revues et publications relatives à l'antiquité
classique (4e cahier de la Revue de philologie pour 1877); von
Fleury, Antiquités et monuments du département de V Aisne, ei-
nem werk, das die abbildung vieler antiquitäten giebt.
Revue critique d'histoire et de littérature 1875. Nr. 12.
Von Duhn: De Menelai itinere Aegyptio, empfohlen von Weil. —
Nr. 13. Jacob: Oeuvres de Tacite, texte latin, avec un commen-
faire. Nach dem recensenten sind die kritischen anmerkungen über-
flüssig , da der verf. sich nach dem texte Orelli's richtet; manche
erklürende noten unnütz oder ungenau; die ganze arbeit trotzdem
beachtenswerth. — Nr. 14. Egger: Notions élémentaires de
grammaire comparée, 7. édit. empfohlen von Bréal. — Stender:
De Argonautarum ad Colchos «usque expeditione fabulae historia,
sehr gerühmt. — Th. N.: Remarques supplémentaires sur le Dic-
tionnaire éiymologique latin etc. sanscrit de Zehetmayr ; der verf.
sucht das buch gegen die recension in der rev. crit. 1874, nr. 38
jn schntz zu nehmen.
I. ABHANDLUNGEN.
I XV e
Die Archimedeshandschrift Georg Vallas.
Dess unsere iiberlieferung der griechisch erhaltenen schriften
des Archimedes lediglich auf der jetzt verschollenen handschrift
Georg Vallas beruht, ist allgemein anerkannt. Zur geschichte die-
ser handschrift habe ich jetzt einige neue data aufgefunden, die ich
in diesen blüttern mittheilen werde, indem ich zugleich einige frü-
here irrthümer berichtige.
Unter denjenigen humanisten, die iu Griechenland selbst hand-
schriften ankauften , wird auch Rinucci da Castiglione genaunt.
Seine früheren schicksale sind uns gänzlich unbekannt; sein name
taucht in den briefen Ambrogio Traversaris an Niccolo Niccoli
aus den jahren 1422— 23 zum ersten male auf. Wir ersehen dar-
aus, dass er 1422 in Griechenland war, wo er handschriften, wie
es scheint, zum theil für fremde rechnung kaufte, uud wo er mit
Giovanni Aurispa zusammentraf. Er hatte von seiner reise und
seinen unternehmungen au Niccoli geschrieben, dieser aber, der
überhaupt dem manne nicht gut war, hatte nicht geantwortet,
Man wusste aber doch iu Florenz, wahrscheinlich aus Riuuccis
briefen, dass er einen Archimedes gefunden haben wollte. Da man
in Italien von den schriften des grossen mathematikers, dessen ua-
men und ruf man u. a. aus Cicero und Augustinus kannte, bisher
nichts gewusst, war man trotz Niccolis zweifel nicht wenig darauf
gespannt, wie es sich mit dieser entdeckung verhalte. Als Rinucci
Philologus. XLII. bd. 3. 28
422 Archimedes.
in den letzten monaten des jahres 1422 aus Griechenland nach
Venedig zurückkehrte und darauf nach Bologna ging, scheint es,
dass sofort unterhandlungen eingeleitet wurden, die aber von Ri-
nucci mit ausweicbenden antworten hingehalten wurden. Im de-
cember 1422 !) berichtete ein gewisser Filippo dem Traversari,
dass er von einem augenzeugen wisse, Rinucci besitze in der that
einen Archimedes, und zwar bei sich in Bologna, und Ambrogio
machte anstalten, die handschrift schnell abschreiben zu können,
wenn sie nach Florenz, wie er hoffte, geliehen würde. Er schreibt
an Niccoli (epp. VII, 6): Philippus noster ante plures dies pro-
fectus ad me adseruit sibi esse exploratissimum, Archimedem illum
Bononiae apud Ranutium servari; didicisse se id ab eo, qui volu-
men ipsum viderat. pollicitus est, daturum se operam, ut quam pri-
mum perferatur ad nos transscribendum. adducebar fore, ut irem
in Plutarchi. sententiam, qui virum. ipsum nihil scripsisse adserit.
sed continuit me Augustini nostri maior auctoritas, qui in eo libro,
quem scripsit de utilitate credendi, quum quiddam a contrario pro-
bare cuperet, inter cetera adiecit. in hunc. sensum (nam verba nou
teneo): ac si quis Epicuro legendum daret Archimedis geometriam,
cuius ille rei fuit imperitissimus. Si venerit in manus nostras,
cilius omni opinione exarabitur. adsuefacio manum scribendis. li-
teris Graecis ex traducendi, quam cepi, exercitatione, illumque ma-
ture absolvam.
Kurze zeit danach kam aber Filippo wieder einmal zu 'Tra-
versari und sprach jetzt weit weniger zuversichtlich von dem Ar-
chimedes Rinuccis; die handschrift sei gar nicht in Bologna, son-
dern ip Venedig zurückgelassen. Epp. VIII, 5 (decemb. 1422):
admonui illum [d. h. Filippo] Archimedis, quem alias se habiturum
speraverat. respondit. lentius, quam vellem, ac primo adseruit, se
1) Für das jahr 1422 genügt es auf Voigt, Wiederbelebung des
class. alterth. I p. 267 zu verweisen. Epp. VIII, 5 ist zwar XV. kal.
jan., VIII, 6 dagegen VI kal. jan. datiert. Aber hier muss ein irr-
thum sein; VIII, 6 ist früher geschrieben als VIII, 5. Denn VIII, 6
p. 365 heisst es: si (amen quaesturae onere levatus fuero prorimis Ka-
lendis, cuius tamen rei nullam certam spem teneo, dagegen VIII, 5 p.
861: accessit. annus quaesturae nostrae permolestus sane studiis nostris.
In VIII, 6 beklagt sich Ambrogio, dass ihm Niccoli nicht geschrie-
ben; VII, 5 &ussert er seine freude, dass die briefwechselung wieder
aufgenommen sei, um andere merkmale zu übergehen. Ich benutse
Mehus ausgabe der briefe. Florens 1759.
Archimedes. 428
facturum [l. facium] certiorem, librum ipsum non Bononiae apud
Rinutium esse, sed Venetiis, nec putare se facile id posse consequi,
quod quum esset Scriba Decemviralis, auctoritate illorum potuisset.
fractus, fateor, lassusque magna de spe sum.
Auch von anderer seite wurde dem Traversari bestütigt, dass
Rinucci wenigstens in Bologna den gewünschten codex nicht habe;
er musste aber dennoch auf verlangen Niccolis an Thomas Sarza-
nensis, den spüteren pabst Nicolas V schreiben, der sich damals in
Bologna als famulus des bischofs aufhielt, um durch ihn den Ri-
nucci zur auslieferung der handschrift zu bewegen. Epp. VIII,
32): ad Thomam illum nostrum episcopi Bononiensis. alumnum
virumque peritissimum scribam, ut hortaris, nihilque omittam dili-
gentiae. Rinulio illi [vielmehr ipsi] scribere supersedebo, ne com-
memoratione Archimedis intumescat magis atque insolentior fiat, si
nos illum tanta ope requirere et desiderare providerit. hoc tibi se-
cure polliceri posse videor, Archimedem ipsum Bononiae non esse.
Petrus enim ille memoriosissimus adserit, se, quum Bononiae esset
atque cum illo familiariter colloqueretur, cuncta, quae apud illum
erani, volumina vel vidisse vel ex ore eius audivisse, Archimedemque
ipsum nunquam comparuisse.
Nicht nur Thomas Sarzanensis, sondern auch Aurispa und eiu
mönch Andreas Ariminensis wurden in der sache in bewegung ge-
setzt. Niccoli schrieb selbst an Rinucci, Francesco Barbaro wurde
ersucht, sich bei dem Legatus Bononiensis, dem gónner Rinuccis
zu verwenden, aber lange zeit war alles vergebens. Epp. VIII, 11
(1. febr. 1423): "Thomae nostro de Sarazano, ut iusseras, scripsi
admonuique earum rerum, quae ad studia humanitatis pertinere vi-
debantur, loanni item Aurispae: Archimedis instrumenta omnia
vereor ne tandem imbecilliora sint atque obstrusiora, quam ut ars
Rinutii possit eis delegi vel tenacia frangi. nunquam in lucem
illum venturum spero; ita varius et ambiguus est. Epp. VIII, 12
(25. febr.): literas ab eruditis viris fratre Andrea Ariminensi et
Thoma Sarzanensi ex Bononia accepi. utrique mandaram , ut Ar-
chimedem illum Arimino [l. a Rinutio] extorquere contenderet.
2) Der brief ist zwar nicht datiert, muss aber unmittelbar nach
VIII, 5 geschrieben sein wegen folgender stelle p. 355: quod proro-
gatum mw quaesturae tempus moleste feras, amplector eximium in me
studium (uum.
28*
424 Archimedes.
quid egerit quidve sperandum sit, ex illorum litteris, quas mitto
ad $e, melius et apertius scies. Epp. VIII, 8 (24. mai): Thomas
ipse nullas ad me post illas priores, quas ad te misi, literas de-
dit. Rinutius nunquam scripsit ad me. certior tamen factus sum,
illum questum cum amico communi, cui legendas dedit literas ad
se tuas, quod illum in scribendo minus honorifice tractare visus sis.
displicuit haec ipsius levitas maximum in modum. a Barbaro «o-
stro literas accepi . . . scripsi ad illum de Archimede illo, quem
ipsi a. Rinutio extorquere non possumus. acturum se pollicitus est
cum Legato Bononiensi , quantum poterit, ut liber ipse in lucem
veniat. Epp. VIN, 9 (21. jun): Rinutius Romam, ut factus sum
certior, Cardinalis illius sui comes proficiscitur. ad Barbarum no-
strum ut scribas oro.
Erst im juli gelang es dem 'Traversari eine zusammenkunft
mit Rinucci zu erhalten, als er mit dem Legatus Bononiensis in
Florenz war. Der mann betrug sich sehr unangenehm, aber er
gestand im letzten augenblicke, dass er wirklich den Archimedes
besitze, und liess sich das versprechen abnóthigen, den kleinen
band recht bald nach Florenz zu schicken. Ambrogio giebt Epp.
VIII, 28 dem Niccoli eine launige schilderung seines besuchs (26.
juli): quum profectus esset ad nos Legatus ille Bononiensis, explo-
ravi diligenter, an vel Aurispa vel Rinutius secum advenisset. com-
perto autem Rinutium solum adplicuisse conveni illum per literas
orans, ut ad me pergere dignaretur visitationisque suae gratiam
mihi impendere. adcessit continuo fuitque mecum aliquamdiu coma-
tulus ac nitidus praecinctusque ad agendum iter. quid plura? post
salutationis officia, quibus amice eum et honorifice satis excepimus,
ingressus est ille prior non quidem mutuae collationis sed perpe-
tuae orationis campum. ita enim continuata dictione sicque sine
ulla respiratione peroravit, ut mihi secum agendi, quae multum cu-
piebam , facultas omnis intercluderetur. vix enim brevia quaedam
interloqui necessario poteram. denique totum fere monasterii ambitum
lento satis passu deambulando circuivimus, quum nihil ferme illum
rogare ex his, quae pertinent ad studia nostra, datum est. erat
omnis sermo eius inconstans et varius. nam modo Graecos perfidiae
insimulabat, modo praecipuam humanitatem praedicabat seque apud
illos quam in patria et genitali solo vivere et emori malle dispo-
nebat. carpebat plerumque ex ingeniis "Tuscis, magnam istic invi-
Archimedes. 425
diam latere, quae natos ad haec studia iuvenes in ipso suo conatu
obtundere semper aique impedire consuesset; nullum ad virtutem
illorum malevolentia patere aditum. contra Venetos ambire, fovere
summisque in coelum laudibus tollere, quod hi specimen humanitatis
prae se ferunt ac bona ingenia blanditiis , favoribus honoribusque
publice impensis incitarent atque ad virtutem animarent. qua quidem
in re elsi veram sententiam ferat, caule tamen utriusque civitatis
comparationem facere non videbatur. invehebatur acriter in Leonar-
dum Arretinum pestem. illum studiorum omnium ac perniciem ap-
pellans. postremo ne tibi quidem parcebat, quin modo satyram obii-
cerei, modo te ignaviae accusaret , quod quum tibi examussim pere-
grinationem suam librorumque inventionem per literas significasset
ut semper distuleris praedamque tibi eripi hac tua cunctatione pas-
sus sis. missas sibi Venetias [l. Venetiis?] copiosas pecunias, ut
codices ipsos alterius nomine comparare cogerelur ; neque enim diu
differre potuisse, quin auctionem faceret. humanitatis studia inter-
dum praeferre, nonnunquam ita exhorrere videbatur, ut vix librum
se aperire posse sine capitis dolore fateretur; malle se quodlibet
aliud agere quam hoc honestissimo docendi studio emendicare victum ;
ita enim loquebatur paratum se gratis quemlibet docere contestans,
modo id non necessitate facere cogeretur. haec ferme tota sermonis
eius ratio est, atque in hanc sententiam cuncta loquebatur. quid
vis? accessit. ad me tertio®) vixque aliquid ab eo liberius sciscitari
datum est. convenitque inter nos, ut quam primum fieri posset om-
nium, quae iuris sui essent. quaeque invenisset, ad me indicem mit-
teret. Archimedem se habere de instrumentis bellicis et aquaticis
cum pictura confessus est, neque id esse magnum volumen. exspecto,
dum promissioni suae satisfaciat. volumen parvulum misil ad me,
quod quidem peregrina contineret, postridie illud a me recepturus.
transscripsi ez eo nocte ipsa Platonis definitiones numero, ni fallor,
centum sexaginta , ubi quid sit dies, quid nox, quid sol, et cetera
in hunc modum defmiuntur. tres item epistolas Abaris ad Stilari-
dem ac Pythagorae ad Hieronidem et Lisidis Pythagorici ad Hyp-
parcum eiusdem sectae philosophum praeclaras scripsi. egi postmodum
cum illo per litteras, quod coram agere non licuit, oravique, ut Ar-
chimedem visendi tantum et legendum [l. legendi] gratia transmit-
8) Scheint verschrieben.
426 Archimedes.
feret. nihil hactenus respondit. magno sum animo, si vel XV dies
apud me permittatur, me illud transscripturum. haec ferme de Ri-
nutio erant, quae scriberem. adseruit, Aurispam magnum librorum
numerum secum adverisse, Venetiis octoginta volumina deposuisse
ibique honorifice tractatum a studiosis omnibus fuisse.
Hiermit hört alle erwähnung der Archimedeshandschrift Ri-
nucci's in Traversaris briefen plótzlich auf, und was aus der sache
wurde, wissen wir nicht. Im august 1423 war Rinucci wieder in
Florenz, hatte aber keine zeit den Ambrogio aufzusuchen; Epp. VII,
29 (29. aug.): cum Cardinale illo ipse locutus non sum; nam ad
nos minime profectus est. Rinutius his diebus legatus ab eo venit
obque immodicam festinationem me non invenit, misit tamen, qui
se excusare. Rinucci wird überhaupt nur noch zweimal von Am-
brogio genannt, Epp. VIII, 22 (an Niccoli): Rinutius noster Ari-
stotelis ethica a me instanter. efflagitat. heri denuo ad nos pro-
fectus nuntius iste summi pontificis, qui negotia Cleri componenda
suscepi? ; oravit me (est enim illi fumiliarissimus), uti eniterer vo-
luntati eius morem gerere; habere se paratum fidelissimum, qui ill
perferat, virum, pollicitus sum facturum pro viribus. adcessit item
Leonardus ille Rinutii familiaris Georgii filius (nosti hominem) et
me itidem ex ipso rogavit ardenter. duobus id opus aut tribus men-
sibus adcommodari sibi postulat. peto, Nicolae carissime, supplexque,
si id pateris, obsecro, uti eius viri desiderio obsequi pergas neque
id obiicias, quod solitus es, illum ex Graecia nihil secum advexisse;
nam ut sum certior factus, complura secum volumina Venetias de-
tulit, quae maturato forte ad se pervehenda curabit , eritque tibi
facultas omnia illa pro voluntate habendi. movet me multum, fateor,
huius viri auctoritas, quae magna est, nollemque posse quemquam —
advertere et ipsum in primis, me abs te quidquam frustra postu-
lasse, cui nihil negare solitus sis. quaeso mittas ad me unum operis
ipsius volumen. nam duo, si recte memini, sunt apud te, chartaceum
alterum, alterum in membranis, VIII, 25: accepi a Rinutio Grae-
cum ethicorum volumen abs te illi datum mutuo. ipsum ad te mitto.
Diese beiden briefe entbehren jeder datierung, gehören aber
entweder vor oder nach der angeführten reibe von briefen; am
wahrscheinlichsten sind sie früher anzusetzen und dienen dann dazu,
das verhältniss zwischen Rinucci und dem florentinischen kreise zu
illustriren, namentlich das misstrauen, das Niccoli gegen den mann
Archimedes. 427
und seine vermeintlichen erwerbungen hegte. Rinucci ging spüter
nach Rom, wo er als lehrer des griechischen thätig war — Valla
und Poggio waren hierin seine schüler —, bis er päpstlicher se-
cretair wurde bei Nicolaus V, für den er einige kleinigkeiten aus
dem griechischen übersetzte.
Als Ambrogio dem Aurispa von dem Archimedes Rinucci's
schrieb, antwortete jener, wie folgt (Epp. Ambrosii XXIV, 53,
27. august 1423): quod Rinutius invenerit Archimedem, possibile
quidem est, sed mihi verisimile non fit. neminem enim unquam ad-
locutus sum, qui hunc auctorem se vidisse adfirmaret. at quam so-
lertiesimus scrutator harum rerum fuerim, certe quandoque scies.
habeo ego volumen quoddam magnum vetustum Athenaei Atheniensis
mathematici cum picturis instrumentorum, id volumen est antiquum,
et picturae non sunt satis aptae, sed facile intellegi possunt. habeo
et alium mathematicum non perfectum, vetustum etiam, cuius aucto-
rem ignoro; caret quidem principio. si cui forsan vetustati Archi-
medis nomen Rinucius infigat, ego non satis scio. verum esse posset,
quod et ipse meminerit [l. inuenerit] et nec ego nec hi, qui mihi
locuti sunt, viderint.
Es liegt nun die vermuthung sehr nahe, dass der coder ma-
thematicus imperfectus vetustus, wovon Aurispa hier redet, eben die
alte Archimedeshandschrift sei, die spiter an G. Valla gelangte.
Vom codex Vallae wissen wir nämlich, dass er sehr alt war,
wahrscheinlich aus saec. IX, und am anfang und ende unleserlich;
speziell ist es in einer abschrift davon, cod. Paris. 2361 (C) aus-
drücklich bezeugt, dass der name des verfassers am anfang nicht
mehr zu erkennen war (Archimedis opp. HI, p. X). Die zahl der
alten handschriften griechischer mathematiker ist nicht gross, und
meines wissens giebt es keine andere, worauf die beschreibung Au-
rispas passen könnte als eben die Archimedeshandschrift Valla’s.
Offenbar hat Aurispa seinen namenlosen codex wenig beachtet, so
dass es nicht unglaublich ist, dass er die über- und unterschriften
der einzelnen werke, worin Archimede’s name auch im codex Vallae
mehrmals vorkam, nicht sogleich bemerkt hat; alle seine 300 hand-
schriften konnte er ja doch nach nur einem jahre noch nicht ge-
nau durchmustert haben. Ohne zweifel hat er aber bald die autor-
schaft des Archimedes erkannt.
Was ist aber mit dem Archimedes Rinucci's anzufangen? Wenn
428 Archimedes,
man die geringe meinung bedenkt, die Niccoli, der doch gewiss
seine leute kannte, von Rinucci offenbar gehegt hat, wozu noch
sein wunderliches, geheimnissvolles betragen und Aurispas zweifel
kommen, könnte man versucht sein zu glauben, an der ganzen
sache sei gar nichts gewesen. Jedenfalls künnen wir so viel mit
vollständiger sicherheit behaupten, dass der kleine band mit den
schriften des Archimedes de instrumentis bellicis et aquaticis cum
pictura, den Rinucci nach seinen äusserungen zu Ambrogio besass,
mit dem ansehnlichen codex Vallae, worin weder von der einen
noch der anderen art von instrumenta die rede war, unmöglich
identisch sein kann. Auch die 2 bücher egi oyouuérwr, woran
man bei ,,instrumenta aquatica* denken möchte, kann jene hand-
schrift kaum enthalten haben. Denn das von Mai herausgegebene
bruchstück (Archimedis opp. Il p. 356 ff.) ist nicht der überrest
eines griechischen codex, sondern ein ziemlich veruuglückter ver-
such einer retroversion nach der von Tartaglia herausgegebenen
lateinischen übersetzung (Venedig 1543)*). Und diese überse-
tzung selbst ist nicht nur nicht von Tartaglia, sondern überhaupt
nicht in der zeit der renaissance gemacht. Das beweist bei ge-
nauerer beobachtung die sprache urid die sklavische weise der
übertragung aus dem griechischen original, die auf das mittelalter
weisen. Auch hat Curtze (Ueber eine hds. der kngl. biblioth. in
Dresden p. 14 ff.) aus einer notiz in einem codex Dresdensis be-
wiesen, dass c. 1560 eine ohne zweifel lateinische handschrift der
bücher ng öyovulvwv in Cóln vorhanden war. Eine griechische
handschrift der oyovussa war gewiss in der renaissance nicht mehr
vorhanden. Diese aushülfe ist also unstatthaft. Aber vielleicht
giebts eine andere spur. Die instrumenta bellica e¢ aquatica brin-
gen sofort Hero in den gedanken, auf dessen schriften Bedonossxa
und svevuanx (spiritalia) diese bezeichnungen vortrefflich passen.
Nun enthält Vindobonensis Gr. 113 (Lambecius VII, p. 436) u. a.
diese beiden werke, und die subscription der Belorosıxa lautet nach
Lambecius: rélog r&v "Agyıundoug Belonouxwy zwv LEnynIErıwv
naga "Howvoc Kınoıßlov. Ebenso cod. Monac. 165 (Hardt 1?, p.
196). Eine ühnliche handschrift besass wobl Rinucci.
4) Diese vermuthung (Archimedis opp. III p. XXXII not.) habe
ich in einer abhandlung näher begründet, die in den ,,Mélanges
Graux“ erscheinen wird.
-
Archimedes. 429
Wenn die oben aufgestellte vermuthung richtig ist, kam also
die urhandschrift unserer textesüberlieferung des Archimedes 1422
bis 1423 durch Aurispa von Constantinopel nach Venedig. Aurispa
scheint seinen schatz eifersüchtig überwacht zu haben oder wurde
vielleicht durch das fehlen des verfassernamens auf dem titelblatte
gebindert, den werth der handschrift zu erkennen. Wenn er ia
Epp. Ambrosii XXIV, 49 zurückfordert von seinen handschriften
» Athenaeum Goyavoy noAsuxov et nescio quid aliud in mathema-
ticis‘‘, kann unter diesem ,,nescio quid“ wohl nicht jener band ver-
standen werden; sonst hätten die Florentiner gewiss die hand-
schrift copieren lassen und den verfasser entdeckt, uud die copie
würe in Florenz erhalten; aber noch 1491 war Archimedes we-
nigstens dea Medicüern etwas neues. Vielleicht liegt in diesem
zusatze nur soviel, dass in demselben bande mit Athenaeus auch
andere mathematische schriften enthalten waren, wie denn die me-
chanici veleres gewöhnlich in den handschriften vereinigt sind. Den
Athenaeus hatte Aurispa auf Traversaris wunsch (Epp. XXIV, 58.
60) einem Laurentius sculptor eximius geliehen, ohne zweifel dem
berühmten Lorenzo Ghiberti, der nach Vespasiano p. 624 ein freund
Niccolis war.
Von seinem Archimedes verstattete Aurispa nur wenigen eine
abschrift zu nehmen. So durfte Nicolaus V, bei dem Aurispa seit
1447 secretair war und sehr in gunst stand, die handschrift co-
pieren lassen, und nach dieser sehr interpolirten copie, die vielleicht
noch in der Vaticana ist, wurde auf geheiss des papstes eine latei-
nische übersetzung von Jacobus Cremonensis gefertigt (cod. Venet.
St. Marci lat. 327, Norimberg. cent. V, 15; ed. Basil. 1544). S.
Archimedis opp. HI, p. XXI ff. Auch Bessarion liess sich ausser
der übersetzung des Cremonensis (Venet. lat. 327) noch den grie-
chischen Archimedes abschreiben (cod. Venet. Gr. 305 mit Bessa-
rious gewöhnlicher signatur xınua Bnocaglwvos xagdnvadéws 10%
rüv TovoxAwv, also nach dem 2. mai 1449 geschrieben); diese
copie ist von einem unwissenden schreiber gemacht, und Bessarion
hat mit eigener hand die schlimmsten fehler berichtigt.
Aurispa starb 1459, und seine herrliche bibliothek erbte sein
schwiegersohn Lionardo Sabatino, der bald nachher die bücher ein-
zeln verkaufte. In einem briefe vom 2. januar 1461 tadelt ihn
Francesco Filelfo, dass durch ihn suppellez tam praeclara, tam
480 Archimedes,
pretiosa zerstreut werde, schliesst aber mit diesen worten: opus est,
ut librorum titulos mittas et qualitatem et pretium. id cum didi-
cero, si libri placuerint, aut ipse veniam aut pretium mittam. Es
ist also von einem vollstindigen ausverkauf die rede.
Was bei dieser gelegenheit aus dem Archimedes wurde, er-
fahren wir aus einer notiz, die Regiomontanus in seiner abschrift
der übersetzung des Cremonensis (Norimberg. lat. cent. V, 15) ge-
macht bat. Er bemerkt nämlich zu éxsaédwv icoggon. I, 15 extr.:
„male stat. vide exemplar utrumque domini Niceni grecum et lati-
num“ und hat dann später hinzugefügt: „vide etiam exemplar vetus
apud magistrum Paulum“. Dass mit diesen worten die alte hand-
schrift Valla's bezeichnet ist, kann kaum bezweifelt werden. Es
hat gewiss nie eine andere handschrift des Archimedes in Italien
gegeben, die Regiomontan als ,,eremplar velus'* bezeichnen konnte.
Auch stimmt die zählung der sätze in regi éA(xcv, die Regiomontan
mit derselben tinte als jene bemerkung beigeschrieben hat und als
dem ,,graeco exemplari novo“ (d. h. dem spüter als das exemplar Bes-
sarion's von ihm benutzten) entnommen bezeichnet, durchaus mit un-
serer treuesten abschrift des codex Vallae, dem Laurentianus 28,
4; s. Archimedis opp. Ill, p. XXVI.
Regiomontanus zog bekanntlich 1461 oder 1462 nach Italien,
wo er mehrere jahre in Venedig, Ferrara, Padua und Rom ver-
brachte, griechisch lernte und überall handschriften, namentlich der
griechischen mathematiker sammelte oder abschrieb. Auf diese
jahre sind jene bemerkungen zurückzuführen, da sein zweiter auf-,
enthalt in Italien (Rom) sehr kurz war und von anderen beschäf-
tigungen aufgenommen. Wenn es also gelingt jenen magistrum
Paulum zu identifizieren, wissen wir, wo die alte Archimedeshand-
schrift sich in den jahren 1461— 62 befand. Ich habe früher
(Archimedis opp. Il p. XXVI) in jenem Paulus deu mönch magi-
ster Paulus Albertini aus Venedig (1430— 1475) erblickt, weil
ich aus mehreren gründen den mann in Venedig suchen zu müssen
glaubte. Diese etwas übereilte vermuthung lässt sich jetzt durch
eine weit wabrscheinlichere ersetzen.
In einem briefe Regiomontans bei Murr: Memorabilia biblio-
thecarum publicarum Norimbergensium. — Norimb. 1786. I p. 148
heisst es nämlich: M. Paulum florentinum et D. Baptistam de Al-
berthis sepe audivi dicentes etc., und Murr hat ganz unzweifelhaft
Archimedes. 431
richtig in diesem Paulus Florentinus den nicht unbekannten floren-
tinischen mathematiker Paolo Toscanelli (geb. 1397) erblickt (a.
o. not. 1). Ihn erwühnt Regiomontanus auch bei Gassendi, Opp. V
p. 580: qua in re summis arbitris fidem haberi fas erit "Theodoro
Gazae et Paulo Florentino Graecarum quidem haud ignaro in ma-
thematicis autem plurimum excellenti, und ihm hatte er seine Elu-
cubrationes adversus Cusanum dedicirt 5), Von diesem manne nun
besitzen wir u. a. eine kurze lebensbeschreibung bei Vespasiano
(Mai: Spicileg. Roman. I p. 660—062), woraus ich folgende stellen
hervorhebe: Maestro Pagolo di maestro Domenico fiorentino fu dot-
tissimo in greco ed in latino . . . fu oltre alla astrologia mara-
viglioso geometra . . . aveva ragunato grandissima qnantità di libri
in tutte sette Varti liberali così in latino come in greco. Vgl.
Tiraboschi VI! p. 353. Er besass also wohl den Archimedes nach
Aurispa, wenn auch das „apud“ des Regiomontanus nicht ausschliesst,
dass Paolo die handschrift nur leihweise bei sich hatte. Sonderbar
ist es jedenfalls, dass die Medicäer die gelegenheit versäumten, ihre
bibliothek mit einer abschrift des werthvollen codex zu bereichern,
um so mehr als Vespasiano von Maestro Paolo berichtet, er sei
ein vertrauter freund von Niccoli gewesen, von dem er mit meh-
reren anderen zum exsecutor testamenti ernannt wurde, so wie auch
von Lionardo Aretino, Traversari, Carlo d'Arezzo, Giannozzo Ma-
netti und den übrigen florentinischen gelehrten, ja von Cosimo und
Lorenzo de' Medici selbst.
Dieser Paolo starb 1482, so dass wir wohl annehmen kón-
nen, dass die handschrift von ihm unmittelbar in die hünde Georg
5) Die dedication in Ioannis de Regiomonte Germani de quadra-
tura circuli (ed. Schoner. Nürnberg 1583) p. 29: Ioannes Germanus
Paulo Florentino artium et medicinae doctori celebratissimo ac ma-
thematicorum praestantissimo s. p. d. (Venet. 1464). In demselben
buch p. 10—12 findet sich von Nicolaus Cusanus (Briziae 1457): Dia-_
logus inter cardinalem Sancti Petri episcopum Brixiensem et Paulum
physicum Florentinum de circuli quadratura, worin Paulus sagt (p. 10):
mihi ex Archimede notum est, si semidiametrum circuli duxero in
lineam aequalem circumferentiae oriri quadrangulum circulo aequa-
lem. Noch enthält der band p. 5—9 Nicolai Cusani quadratura cir-
culi, worin er p. 5 die quadratura circuli des Archimedes lobt, und
dann fortführi: sed dum per elicam hanc ultimam partem se repe-
risse crederet Archimedes, a vero defecit. elica enim describi nequit
nisi u. 8. w. (folgt die archimedische definition der El). Das alles
hatte Cusanus wohl aus der übersetzung des Cremonensis, die thm der
papst geschenkt (Cusani opp. p. 1004).
482 Archimede:.
Vallas übergegaugeu ist. Georg Valla veröffentlichte aus dieser
handschrift einige fragmente von Archimedes und Eutokios in sei-
nem ungeheuerlichen werke- De expetendis et fugiendis rebus (erst
1501 zu Venedig in glinzender ausstattung erschienen) — S. Neue
jabrbücher. Supplem. XII p. 377 ff. Diese wörtlich und ohne
verständniss ins lateinische von Valla übertragenen bruchstücke sind
also das erste, was von Archimedes' schriften gedruckt vorliegt.
Denn die übersetznng des Cremonensis erschien erst in der editio
princeps (Basel 1544) im druck, und die übersetzung der Dimensio
circuli und Quadratura parabolae durch Lucas Gauricus, wahr-
scheinlich nach der interpolierten handschrift des Nicolaus V, datirt
erst von 1503 (Archimedis opp. Ill p. XXXIV).
Georg Valla starb 1499, und seine bücher kaufte der ge-
lehrte fürst von Carpi Alberto Pio von den erben für 800 ducaten.
S. Arrianus in Epictet. ed. J. Upton (London 1739) praef.: quem
(codicem) Albertus ille Pius a Georgii Vallae heredibus cum alia
eiusdem librorum supellectili octingentorum aureorum emerat pretio.
. erant autem in hoc Carpensi codice in calce adscripta haec
verba: liber hic scriptus est manu doctissimi viri Domini Matthaei
Camarroti Constantinopolitani, quem mihi dono dedit anno 1484
praeceptor ille optimus. Teweylov roù Buddu ioi To PıßAlor.
Vgl. die subscription in einem cod. Scorialens. bei Miller: Cata-
logue des mss. gr. d’Escurial p. 454. Als die Archimedeshand-
schrift noch im besitz des Alberto Pio war, also zwischen 1499
und 1531, wurde cod. Paris. 2360 danach abgeschrieben (s. die
subscription Archimedis opp. Hl p. IX). Cod. Paris. 2360 ge-
hörte ursprünglich dem florentinischen cardinal Ridolfi (Montfaucon:
Bibl. bibliothecar. Il p. 774), dessen sammlung 1550 durch Mare-
chal Pierre Strozzi nach Frankreich kam und in den besitz von
Catharine de Medicis.
Alberto Pio schenkte dem Agostino Steuchio ein theil sei-
ner bücher (Ambr. Morandus vita Steuchii vor dessen Opera,
Venet. 1791. I, fol. 4.), dessen bruder Fabio wiederum ein
theil davon dem cardinal Marcello Cervini gab. Cervinis biblio-
thek erbte cardinal Sirlet, und seine bücher (Catalog bei Miller
p. 323 ff.) kamen durch mehrere hünde «zuletzt in die Vaticana
(Anecdota litterar. Romae 1773. I p. 81). Diesen weg hat =. b.
ein theil von Vaticanus 1316 gemacht, dessen erste hlätter,
.—-
_ EN
Archimedes. 433
die aufschrift tragen: “AABégrov lov Kagnalwy agyortos xrijua.
Anders erging es der Archimedeshandschrift. Seine übrigen bü-
cher testamentirte namlich Alberto seinem brudersohn Rodolfo Pio;
s. sein testament bei Tiracoschi: Biblioteca Modenese IV yp. 163:
item lego Rodulpho nepoti meo .. . omnesque libros et codices
meos cuiuscumque generis sunt (21, juli 1530). Rodolfo Pio
wurde spüter cardinal und lebte meistens in Rom; da wurde 1544
nach seiner handschrift cod. Paris. 2361 von Christophorus Awe-
rus geschrieben (s. die subscription Archimedis opp. Ill p. X
mit Quaest. Archimed, p. 124 ff), im auftrag des französischen
botschafters George d’Armagnac, der um diese zeit in Rom 14
griechische handschriften durch denselben schreiber copieren liess,
die alle c. 1545 in die von Franz I neu gestiftete bibliothek zu
Fontainebleau kamen. Um dieselbe zeit sah auch Nicolo Tar-
taglia noch den alten, zerrissenen codex ( Archimedis opp. Ill
p XXIX ff.), seitdem aber verschwindet jede spur desselben, und
er scheint verrottet zu sein.
Rodolfo Pio testamentirte seine bibliothek dem Latino Latini
1564, der einen theil seiner bücher der dombibliothek zu Viterbo
schenkte (c. 1600). Den übrigen theil erwarben die cardinäle Ip-
polito und Luigi d'Este, und so befinden sich jetzt in der Biblio-
teca Estense zu Modena 65 handschriften, die früher dem Alberto
Pio gehórten, und von diesen entstammen 60 der bibliothek Georg
Vallas. Ich entnehme diese notizen dem folgenden buche, auf das
Hr. Anziani, bibliothekar der Laurenziana, mich aufmerksam machte:
Cenni storici della R. biblioteca Estense in Modena. Modena (Cap-
pelli) 1873. 8. Einen vollständigen catalog der Mutinenses giebt
dieses buch nicht. Die darin angegebenen codices mathematischen
inhalts, die Georg Valla gehórt haben, sind folgende:
X. Miscellanea, scr. 1483. Anonymi theorema Pythagoricum
in numeros ab unitate ad decadem.
XXIV. Varia astronomica, saec. XV. Procli sphaera, Procli
hypotyposes, Philoponus de usu astrolabii.
XL. Anonymus in tetrabiblun Ptolemaei, Porphyrius in apo-
telesmatica, Commentarium in tetrabiblon Ptolemaei ex Demophili
scriptis excerptum.
LVI. Saec. XV. Nicomachi arithmet. cum commentario Phi-
loponi. Euclidis elementa I— XIII cum scholiis.
484 Archimedes.
LXXVI. Saec. XV. Georgius Pachymeres de lineis inseca-
bilibus,
LXXXV. Saec. XV. Varia astronomica, Psellus (?) de quat-
tuor scientiis etc.
CH. Saec. XV. Apollonius conica I—IV, Eutocius.
CXXXII Varia astronomica.
CXLIX. Porphyrius in Ptolemaeum, Marinus in Data.
CCXV. Cleomedes cum notis Pediasimi, Pediasimus de pla-
netis; saec. XV.
DLXVII. Euclidis Elem. I— XV lat. e versione Campani,
mit folgender subscription: Deo gratias amen. hoc opus geometriae
Euclidis completum est per me lacobum de Baylio hora 23 diei
Mercurii 16 mensis Febr. 1452.
Derselben quelle entstammt gewiss auch
Lil. Hero, Anatolius, Anonymus de arithmetica, Maximus
Planudes’ rechenbuch.
In diesen jungen handschriften haben wir also die quellen der
übersetzungen, die Valla theils in dem genannten werke De expe-
tendis et fugiendis rebus theils in der sammlung von 1498 (Hain ©
nr. 11748) veróffentlicht hat. Da weder hier noch in dem catalog
der Bibliotheca Ducis Mutinensis bei Montfaucon | p. 531 von Ar-
chimedes die rede ist, und da eine so alte handschrift (saec. IX)
doch wohl nicht leicht übersehen werden konnte, ist die hoffoung
die urhandschrift in Modena wiederzufinden eine sehr geringe.
Freilich würde die wiederauffindung des codex Vallae den
text des Archimedes nur sehr wenig beeinflussen, da wir seine
lesarten ziemlich genau feststellen kónnen, nicht nur durch die drei
schon genannten abschriften Pariss. 2360, 2361 und Venet. 305,
sondern auch durch die ganz besonders treue copie Laurent. X XVIII,
4. Diese handschrift wird wegen der archaistischen gestalt der
buchstaben von Bandini ins XIII. jahrhundert gesetzt, und diese an-
gabe verleitete mich, ehe ich die handschrift selbst gesehen, dazu
sie für den alten codex Vallae zu halten. H. Menge, der die
handschrift mehrmals untersucht hat, meint sogar (Philologische
rundschau 1882 p. 1380), dass sie mindestens dem XI. jahrhun-
dert angehóre. Das ist aber schon wegen der beschaffenheit des
pergaments ganz unmöglich, das entschieden auf die renaissance
hinweist; und wie treu auch der schreiber die bucbstaben des ori-
-
Archimedes. . 435
ginals nachgemalt bat, sind ihm doch zuweilen formen entschlüpft,
besonders das y, die seine zeit verrathen, Charles Graux, der im
herbste 1881 die handschrift selbst sah, setzte sie in übereinstim-
mung mit Hn. Anziani ganz bestimmt ins XV. jabrh., und weuige
tage vor seinem tod schrieb er mir, wie folgt: Voire fameux Ar-
chimède de Florence est définitivement de la main de Jean Scutariote,
dont jai trouvé une vingtaine manuscrits dans le fonds palatin du
Vatican, tous provenant de la bibliothèque Jannocii Manetti, et dont
l'un, entre autres (le no. 159) porte cette souscription: 6 dé yga-
gers for Osstalôs "Iudrvgg o Sxovtagsewiys: — yéyouga dé
tavtnv tiv BlBloy dv Diwgerrig dv 17) oixlg Tov copov xol ps
yéhou ardeòs xvpov Javovılov Muvnzov dv bree jawvoufo pyri
voeuBolo è”.
Hiernach scheint die peinliche unsicherheit über die datierung
von Laurentianus XXVIII, 4 aufhören zu müssen, und wir ent-
nehmen hieraus zunüchst die thatsache, dass es auch für das grie-
chische in der renaissance schreiber gab, die ,,litteris antiquis“ zu
schreiben wussten, wie dies für das lateinische lüngst festgestellt
worden ist (Voigt: Wiederbelebuug des class. alterth. I p. 304).
Dass nun der Laurentianus eine abschrift, und zwar unter
allen die treueste, von codex Vallae ist, darf als ausgemacht gelten
(Archimedis opp. HI p. XII ff). Und wir können auch die frage
beantworten, wie sie in die Laurenziana kam. Denn Angelo Poli-
ziano schreibt 1491 dem Lorenzo de' Medici (Fabronius Vita Lau-
rentii Il p. 285): In Vinegia ho trovato alcuni libri di Archimede
e di Herone matematichi, che ad noi mancano . . . . ed altre cose
buone . tanto che Papa Janni ha che scrivere per un pezo. In
Venedig, wo Georg Valla seit 1486 lebte, hat also Angelo Poli-
ziano seine handschrift ®) für die Laurenziana copiren lassen, worin
bis dahin kein Archimedes war. „Papa lanni* — d. h. der prie-
ster Johannes Rhosus, der in den jahren 1491—92 in Venedig
viele handschriften für die Medicüer abschrieb — scheint also vom
stoffe überwältigt worden zu sein, und man hat den Johannes
Scutariota als gehülfen herbeigezogen.
6) Denn dass er die hds. Bessarions nicht sah, ist aus demselben
brief ersichtlich: Za libreria del Niceno non abbiamo potuto vedere.
Bessarions bücher standen lange zeit in kisten verpackt und unzu-
günglich.
436 Archimedes.
Dieser ist als ein fleissiger abschreiber bekannt, der von 1442
bis 1494 thätig war. Nach Graux's oben angeführter notiz fing
er seine thütigkeit bei Giannozzo Manetti in Florenz an. Als die-
ser 1453 Florenz verliess um nach Rom zu gehen, wo er bei
Nicolaus V sehr beliebt war, scheint er seinen schreiber mitgenom-
men zu haben. Wenigstens finden wir, dass Scutariota 1454 vom
papste ausgesandt wird, um handschriften zu copieren; Fabronius
de Cosmo Mediceo Il p. 222 hat folgendes schreiben von Nico-
laus V an Cosimo veróffentlicht: venit his diebus ad mos lator
praesenlium dilectus filius Ioannes Scutariota Graecus, qui et li-
bros etiam Graecos et raros, quos nosira caussa ipse quaesiverat
et diligenter scripserat, nobis officiose detulit, pollicitus etiam sese
alia velerum Graecorum opera inventurum, quae a nobis plurimum
expetuntur, quod sine tua ope, ut ipse ait, commode efficere non
posset, cum et in bibliotheca S. Marci *) et apud alios amicos tuos
nonnulli ex ipsis habeantur . itaque nobilitatem tuam rogamus, wi
ex hisce, quos ille videre potuerit, nostri contemplatione ei ostendas
vel ostendi procures et, prout tuae prudentiae videbitur, singulatim
unum post reliquum illi placeat accommodare, et in reliquis simi-
liter habendis opem afferre, ut tuo adiumento, quae pollicitus est,
commode assequatur . Dutum Romae die V Febr. 1454. So hat
Scutariota für den papst cod. Venet. Marc. 254 geschrieben (Mo-
reli: Biblioth. ms. p. 143). Später hat er meist in Florenz ge-
schrieben für Angelo Poliziano, wie Laur. LX, 5: “Ayyédov 1e$
Holiuavov. Eygayn dit yesgdg "Iouvrov Oeriudov 109 Ixovsapıw-
tou dv kes uno XQuoroU yevvijotwg jaune’ unvì &ngsAA Uv. se’ (s.
Bandini ff p. 589) und Laur. LXXXI, 6: “Ayyédow rov Mods-
teuvou . tredeswIn dià yeigüc Iwavvov Oerrulou 100. Sxovragew-
tov Ev modes Diwgevila nuteg relin unvi dxrwBglep ev tru and
Xgeoroy yevvncews avd.
Zwischen diesen beiden handschriften fallt also unsere.
Dieser meinerseits abschliessenden darstellung der geschichte
des codex Vallae von Archimedes®), wobei ich lieber hier und da
bekanntes habe wiederholen wollen, als das neue seines ortes ein-
flicken, füge ich gelegentlich eine notiz über Vallas hauptwerk bei.
7) Natürlich das kloster S. Marco in Florenz.
8) Auf die interpolirte classe der Archimedeshandschriften hoffe
ich später zurückzukommen.
— — — EEE SEEN. y Lust! "MEME
| Archimedes. 437
Was ich Archimedis opp. Il p. 466 fragm. XV aus Valla auf-
genommen, ist, wie ich Neue jabrb. suppl. XII p. 395 vermuthete,
ein griechisches scholium zur katoptrik Euklids. Das Archimedes
betreffende stück lautet in Vatic. 204 und Paris. 2107: 6 dé
*"Aoysundng ovrw Àéyes” dr 5 Z yuvla 1j E. ij Ton dod n Wur-
zw» n peltwv. Forw neorsgoy pellwv n Z insg E. ëlurrwr agu 7
E. venoxi(o9w ov» nur Oppo 10 d, xa) GRO 100 Opputog nw
àvaxexldGO«w dmi To ogwperor 10 B. form uu n E ywrla
pellwr ing Z. nv dà xai Zlatwwy ÓneQ Gronov. Das folgende
gehórt nicht hierher; es sind drei besondere scholien, die bezie-
hungsweise mit ,,uel quod“, ,sumpto e und ,ipso e anfangen.
Kopenhagen. J. L. Heiberg.
Zu Afranius.
Non. 116, 28 gratulari, gratias agere. — Ennius Hecuba —
Naevius Belli Punici lib. H1 (vielmehr: lib. I). — — Afranius Cine-
rario: quod salvus venis, melius esi, gratulor diis.
Das letzte fragment wird auch von Priscian p. 804 citirt,
und zwar aus einer vollern quelle als Nonius vorlag: ,,gratulor‘,
gaudeo pariter cum alio et ,,gratias ago“. Afranius in Cine-
rario: Sexte frater mi salve! cum salvus venis meliusque est, gra-
tulor dis: id est ,,gratias ago“.
Man hat hier jambisches metrum sehen wollen. J. V. Francke
schreibt :
Sexte o frater mi salve! cum salvus venis
meliusque est, gratulor dis.
Allein so wird der spondeus des weiten fusses durch ein spondei-
sches wort gebildet, was, schon bei Plautus bedenklich, bei Afra-
nius schwerlich zu gestatten ist. Besser Bothe: frater mi Sexte,
salve. — Allein dann bleibt noch immer die hässliche gestalt der
hephthemimeres im zweiten verse:
melius que est, gratulor dis,
die auch von Luchs in Studemunds Studien I, 69, wenn ich ibn
recht verstehe, bemerkt ist. Es bedarf aber nicht der geringsten
änderung ; denn wir haben hier bacchische tetrameter vor uns:
v -.--v- Sexte fráter mi sälve!
quod sálvus venís meliusque 6st, gratulór dis.
St, Petersburg. L. M.
Philologue. XLII. bd. 3. 29
XVI.
Zu den quellen der sicilischen expedition.
Ob die nichtthukydideischen angaben bei Diod. XII, 82, 3 —
XIII, 33, 2 dem Philistos oder Timaios entnommen sind, lässt
Holm !) unentschieden. Dagegen hat sich Holzapfel?) auf grum
der beziehung von Diod. XIII, 13, 6 zu Just. 4, 5, 7, der c. 5,
10 eine, wenn auch missverstandene, nachricht des Philistos bringt ?),
für letzteren entschieden. Zu dem nümlichen resultat führt der
vergleich von Plut. Nic. 28 p. 36, 31—37, 3 und 18—22 mit
Diod. XII, 19, 4 und 33, 1.
Beide berichten über die vorgänge in der syrakusanisches
volksversammlung nicht ganz übereinstimmend. Nach Plutarch ‘)
soll nur ein theil der gefangenen und zwar derjenige, welcher
nach der anschauung eines Syrakusaners am meisten straffállig er-
schien: die Athener und deren sicilische bundesgenossen
in die steinbrüche geschafft werden, nach Diodor sämmtliche
gefangene 5). Während ferner bei Plutarch der antrag des Eary-
kles auf hinrichtung der feldherrn lautet, lautet bei Diodor der des
1) Geschichte Siciliens, b. II, p. 365.
2) Untersuchungen über die darstellung der griech. geschichte
von 489— 418 v. Chr. bei Ephoros, Theopomp u. a. Leipzig 1879,
p. 52.
3) W. Fricke, Untersuchungen über die quellen des Plut. im Ni-
kias u. Alkibiades, Leipzig 1869, p. 103.
4) Die fassung des antrags c. 18, 36, 26 ff. erinnert an Diod.
XI, 72, 2.
5) Auf die verschiedenbeit der namen der antragsteller ist kein
grosses gewicbt zu legen.
439
Sicilischer krieg.
Diokles auf hinrichtung unter misshandluugeu. Auch ist es
wohl kein blosser zufall, dass bei Plutarch die bestrafung der feld-
berrn als letzter punkt angeführt wird, walrend sie bei Diodor
als wichtigster vorangestellt wird. Von den beiden syraku-
sanischen berichten, die uns bei Plutarch und Diodor vor-
liegen, ist somit der erstere den Syrakusanern günstiger gehalten
als der letztere. Man wird schon deshalb die angaben des Plu-
tarch eher dem Timaios als dem Philistos zuweisen. Dies folgt
mit bestimmtheit aus folgendem. Nach Diod. XIII, 33, 1 wurde
in der volksversammlung dem antrage des Diokles entsprochen:
Antrag : Beschluss:
19, 4 rovc piv orgatnyous pet
alxlas avedety, rov; d àà-
doug alyuaAwrovc d» uiv 16 nu-
gori: revus návrag elg tas
100; 0 49 n-
»aíovc leyuloutvoug Èv 16
decpwitnyl@ AcuBaver dl-
Aatoplag ....
38, 1 of piv oregamyot nugu-
xonpa *
ovuuuyos, oi d’ 'AInvaios na-
9£003 nou sic 1a¢ Aarou(ag — of
dì Aosmol oyeddr anavieg àv
aynetFnoay xai ol
tq decpwrnel@ xuxovueros
10v Blov olxıgwg xartGtQewa».
pliwr duo yolvxas (?)
In dem lückenhaften texte c. 33, 1 ist einmal hinter zue«-
zojuu ein ausdruck ausgefallen, der die todesart der heerführer
bezeichnete, sodann verlangt der sinn, dass etwa folgende umstel-
lung vorgenommen wird: oi Ó''495graio xai ol ovumuyos
nagedodnoav x. r. A. Nun kann Diod. c. 19, 4 und 33, 1 nicht
auf Timaios zurückgehen, weil nach diesem (Plut. Nic. 28, 37,
18 —23) die führer auf benachrichtigung des Hermokrates hin durch
selbstmord der hinrichtung zuvorkamen ©). Also köunen jene an-
gaben des Diodor nur auf Philistos zurückgeführt werden.
Án einer stelle stimmen jedoch Plutarch und Diodor im wort-
laut überein:
6) Wie Collmann, De fontibus Diodori p. 21 gegen Müller, Fr.
H. G. 1 190 richtig bemerkt hat, cf. Curtius, Gr. gesch. 11? 756, a.
197: „man kann wohl daran denken, dass Timaios alles gethan hat,
um die Syrakusaner und namentlich Hermokrates môglichst vortheil-
haft darzustellen". Grote IV 267 findet in der nachricht des Timaios
keinen wesentlichen widerspruch mit der des Thuc. u. Philist. Warum
er und Holm II 68 in ihrer darstellung der autorität des Timaios
folgen, ist nicht einzusehen.
29°
440
Nic. 28, 37, 4--5: “Eg uoxeu-
Ing piv elnwr, OÙ 109 vix&v
xQteir10v don TO xa laic YOT-
6Jas 17 víxg ov gutrolwc
édogupr) x.
Dass diese übereinstimmung,
hingewiesen hat, keine zufällige
. Sicilischer krieg.
Diod. c. 19, 5: 'Egpoxgoá tz;
maoelFuv — êveyelges A€yess,
wo x«AA«ov» Gr: r0 riv vi-
xnv Qveyxtiváv Oo szmívec.
Joovßoüvroc dé vov dquov..
auf welche Holm Il, 363 zuerst
ist, wie Holzapfel p. 40 meint,
wird sich aus weiteren beziehungen der beiden berichte zu einander
ergeben. Sie lehrt, dass Plutarch, während er c. 28, p. 36, 25 —
37, 3 dem Timaios folgte, p. 37, 4—10 zu Philistos überging.
Für einen wechsel in der quelle von seiten des Plutarch spricht
die variante wo dè Tluasos qnoi, welche beweist, dass Plutarch
die vorhergehenden zeilen aus jenem nicht entnahm. Dem-
gemüss werden die nichtthukydideischen angaben des Plutarch, die
zu denen des Diodor beziehuug haben, zum theil auf Philistos zu-
rückzuführen sein.
Nic. 12, 16, 9—10: zw» Al- — Diod, XII 83, 3:
magayt-
yıoı&wv ngfoßewr xai 10v
Asoviivwy nuouyevropt-
vw».
vowévwy ov» — rd» agés-
Bewv, xai, rv wiv AEor-
tlbywy—toavd Eyecralwy.
Um die sache?) handelt es sich hier weniger als um den aus-
druck ngéopess, den Diodor und Plutarch nicht zufällig gewabk
haben können, im gegensatze zu "Thuc. 6, 19, 1, der nur von
guyadeg der Leontiner spricht. Von Leontinern spricht aber Dio-
dor überhaupt nur noch einmal: XIII, 18, 5 lesen wir, die Athene
hätten geglaubt, dass die meldung von der besetzung der wege
von den ihnen wohlgesinnten Leontinern herrühre. Wabr-
scheinlich geht nun die angabe XII, 83, 3 auf dieselbe quelle
zurück.
Nic. 20, 27, 7 5): die Syrakusaner waren überzeugt, dass ihre
flotte nicht durch die stärke der feinde besiegt worden sei, son-
Diod. XIII 9, 5 heisst es:
Ferner stimmt
>
t
dern «7@Ela wegi thy dlwËsv.
- * 3 $ ,
. Iur dì Svguxovelwy azaxrwc diwxoriwr.
7) Holm II, 357.
8) Die zahlen bezeichnen kapitel, seite und zeile der aut
gabe von Sintenis, Leipzig 1874.
Sicilischer krieg. 441
dem inhalt, weniger dem wortlaut nach Nic. 20, 27, 7—11 und
Diod. XIII, 10, 1 überein. Nach diesem wollen „die Athener*,
nach jenem „Nikias“ vor der ankunft des Demosthenes und Eury-
medon keine entscheidende schlacht liefern, während die Syraku-
saner noch vorher eine solche erzwingen wollen. Nach Thuc. 7,
38, 2 ist dagegen Nikias einer schlacht nicht abgeneigt, — XIII,
10, 2 erzühlt Diodor, dass Ariston den Syrakusanern gerathen habe,
die vordertheile der trieren kürzer und niedriger ?) zu machen.
Dieser mann ist bei Plut. Nic. 25 in der letzten seeschlacht in
ähnlicher weise thätig '°): Nic. 25, 33, 16 müra d' "Molotov
0 KoglvOsoc xußeovnıng edldakes rovc Suguxovelovg =
Diod. XIII, 10, 2 cuuBovdevourvrog d’ avrois Agilorwros
tov KogsvyFlov xvßeornrov. Zu dem irrthume Plutarchs,
dass die Athener gekämpft hätten: zuig »avoi — Bageluss
(Diod. c. 10, 3 :0mov loyvgo» Zrovoaı) 005 xoupus «&AÀa-
109er adidas )zigtgouévac, während es die Syrakusaner wa-
ren, hat offenbar folgende notiz des Thucydides den anlass gegeben:
7, 40, 5 &$%untov rovc; "AInvatovg — Plutarch ÉBlunre
— rovc Adnraloug — mode d Es uelbw oi iv roig Aenioig
zÀofoig (36, 3) neguni£ovteg ruv. Svgaxoc(uv. Zugleich zeigt sich
bier, dass Plutarch die angaben seiner quellen io unrichtiger an-
ordnung bringt. Wie er hier eine notiz, dem berichte des Thucy-
dides über die erste seeschlacht entnommen, iu seine beschreibung
der letzten einfügt ''), so erwähnt er bei der vorletzten
etwas, das nach Thue. 7, 70, 1 in die letzte gehört (Plut. c. 24,
32, 7 xvxim roy Aspéva neguiAaufavoryzeg — Thucydi-
des épviuccor xixi@ dptvu) — Von jener trierencon-
struktion spricht auch Thuc. 7, 36, 2, ohne jedoch Ariston dabei
zu nennen. |
Nic. 21, 28, 28: vuxzoc éne- Diod. XIII, 11,3: vuxrd¢ ère
geloso taig “Ensnodaic. Fero roig Svgaxoofoic.
9) Diese angabe bat Diod. allein. -
10) cf. Polyaen V, 13, 1, wo dieselbe quelle zu grunde zu liegen
scheint.
11) Aehnliches weist nach Natorp, Quos auctores in ultimis belli
peloponnesiaci annis describendis secuti sint Diodorus, Plut., Corn.,
ust. p. 40 bei Plut. Lys. 5, cf. Zeitschr. f..oestr. gymn. 1876, p. 567;
Schubert, J. f. Phil IX. Suppl. p. 712, 780, 782; Bünger, Theo-
pompea p. 14.
442 Sicilischer krieg.
Den nachtkampf auf Epipolü beschreibt Plutarch nach Thucy-
dides. Mit Diodor stimmt er nur in einzelnen worten überein:
Plut. p. 28, 30 xgarwy — Diod. c. 11, 3 éxparnour: PI. p.
29, 2 éwourto — Diod. 11, 4 @EewoPnoar; PI. p. 292, 4
dnooxeducd3éivtag — Diod. 11, 4 @éoxedac3neay. Bei
Diodor spielt Hermokrates mit den auserlesenen !?) eine bauptrolle.
Den verlust der Athener gibt Plutarch auf 2000 (Fricke p. 42),
Diod. c. 11, 5 auf 2500 an. "Thuc. 7, 45, 2 hat keine be-
stimmte angabe.
Nic. 22, 29, 30: &uwivo; — Diod. c. 12, 2: Anuoc9Evng pir
éxéleuder ünonkeiv ty ta- ovr dero deiv ámomAeiv THY
zylorny. taylorny.
Auf die beziehung von Diod. c. 12, 3 cuxogurvteiy zu
Plut. p. 30, 8 cvxoqgavr(ag hat Holm li, 361 hingewiesen.
Von der furcht des Nikias vor den sykophanten ist noch an fol
genden stellen die rede: Nic. 2, 3, 14 16 — nQog tous ovxo-
purtug ce9ogvfgror und c. 5, 6, 10 deaxeluerog evaafüs
"góc tovs cuxogurius. — Nach Thucydides, Plutarch und
Diodor stimmt Demosthenes im kriegsrath für sofortigen abzug.
Der weitere verlauf der berathung ist bei Plut. 22, 30, 14—
21 folgender: Nikias schlügt eiue rubige berathung über die ge-
gend, nach der man das lager verlege, vor. Auf diese bemer-
kung hin stand Demosthenes davon ab, die abfabrt zu erzwingen,
„da er auch mit seinem ersten plane kein glück gehabt‘. Die
übrigen feldherrn stimmten Nikias bei, weil sie vermutheten !),
dass dieser nur im vertrauen auf die vorgünge in Syrakus dea
abzuge sich widersetze.
12) Holzapfel p. 39 irrt, wenn er sagt, die imílexvo, kämen bei
Thuc. nicht vor. Sie sind identisch mit den 7, 48, 4 erwühnten
iEaxoosos cf. 6, 96, 3 und Holm 1I, 418; Polyaen I, 38, 1.
13) /laçpécan statt des handschr. mapzoye ist mit Coraes, der auf
Thuc. 7, 49, 4 verweist, zu schreiben. Wenn Schirach (cf. Plut. ed.
Hutt. III, 390, a. 5) übersetzt: „und auch die andern gaben ihr auch
deswegen beifall, weil sie glaubten, dass Nikias sich auf ein gehei-
mes verständnis in Syrakus verlasse‘ etc., so fasst er nagdeys in der
bedeutung aagéorm, welche ersteres nicht haben kann. Eine ver-
bindung von 10565 d° adldosç mit avaudyscdaı, wie es in der bei
Hutten a. 4 nach R. gegebenen übersetzung geschieht, ist wegen der
wortstellung unmöglich. Auch Sintenis (Gr. ausg. II 526) war einst
für d. schreibweise napéory.
Sicilischer krieg. 443
Dieser bericht eathált manche unwahrscheiulichkeiten. Zu-
nächst gilt dies von dem vorschlag des Nikias, den bei Thuc. 7,
49, 2 Demosthenes macht. Diesem stimmt Eurymedon bei, wäh-
rend Nikias sich dagegen erklürt. Letzteres ist begreiflich; deun
versprach der oberfeldherr von den unterbandlungen mit den städtern
sich etwas, so musste er an ort und stelle ausbalten. — Auch
ist von eiuer berathung über die verlegung des lugers bei Plutarch
keine rede mehr. Sodann entspricht die haltung des Demosthenes
bei dieser berathung nicht der bei der früheren bewiesenen (Nic.
c. 21). Jener angebliche vorschlag des Nikias aber muss nach
dem gewäbrsmann des Plutarch ein blosser schachzug gewesen sein,
der nichts weiteres bezweckte als dem Demosthenes, dessen haltung
für die übrigen strategen massgebend war, zu beschwichtigen.
Nach Philippi 14) hat Plut. c. 22, 30, 11 Timaios benutzt. Dass
der bericht des Plutarch nicht auf Philistos zurückgehen kann, er-
gibt der vergleich mit Diod. XIII 12, 3. Nach diesem, der gut
unterrichtet erscheint, stimmte ein theil der zur berathung her-
zugezogenen, unter denen sich wohl einige taxiarchen und
trierarchen befanden !5), dem Demosthenes, ein theil dem Nikias bei.
Dass keine beschlussfassung erzielt wurde ergibt c. 12, 6: ouo-
yrwpovwy di Oviwv twy ciQgaigyov . . cf. 18, 2.
Nic. 22, 30, 24—25: x«i nu- Diod. c. 12, 6: xui mugny-
enyyesÀs roig GtQaurnuto4g sù- yesduv — Otuv Onmım, un-
1Qemeic sivas 1006 cnorndov. diva — voregeir.
12, 7 nennt Diodor den Nikias descidutuwr wie Plut.
c. 23, 30, 28. Hier weist der wortlaut: u£ya déoc 15 Nixlu xai
14)» aldwy roig uno — desasdusmovlag txnendinypéross
auf c. 4, 5, 4 ogodgu yug nv rv exntnaAnypivwy to dus-
oven. Deshalb scheint Nic. 23, 30, 28 und Diod. c. 12. 7,
14) De Philisto, Timaeo, Philochoro Plutarchi in vita Niciae au-
ctoribus. Gissae 1874 p. 6. — Uebrigens hat Plut. auch den Thuc.
hier eingesehen; c. 22, 29, 82 = 7, 47, 4; 22, 80, 10 - 18 = 7, 48, 4.
15) Dass Demosthenes und Eurymedon überstimmt worden würen,
indem Menander und Enthydemos sich für Nikias erklürten (Grote
IV, 239) lüsst sich weder aus Thuc. noch aus Diod. entnehmen. Da-
gegen lüsst der wortlaut bei Diod. c. 12, 8 die annahme, dass einige
taxiarchen und trierarchen bei dieser berathung zugegen waren -- wie
Grote IV, 288 aus Thuc. 7, 60 schliesst — zu.
444
Sicilischer krieg.
ebenso wie Nic. 22, 30, 8 und Diod. c. 12, 3, von denjenigen
angaben, die aus der syrakusanischen quelle stammen, auszusen-
dern sein 16).
Nic. 24, 32, 9 ist von der theilnahme junger Syrakusaner
an der vorletzten seeschlacht die rede; Diod. c. 14, 4 erwähnt
nuides êeudegos bei der letzten. Möglich ist, dass Plutarch, wie
Grote (Gr. gesch. d. U. IV, 249 A.) vermuthet, die beiden see-
schlachten verwechselt hat. Es erklürt sich leicht, wie in folge
dessen die meuterei der athenischen maunschaft, welche nach Thuc.
Vil, 72, 4 und Diodor nach der letzten seeschlacht erfolgt, bei
Plutarch in der anorduung vor dieselbe gerieth.
Nic. 24, 32, 18 — 20: 7v oi» Diod. c. 18, 1: oi d’ 49,-
ovxits pére avacysra AIn-
valoss, Aida t UY Gr QatQy OY
xartf 0 w y nj xedevovres ava-
xwoeiv.
c. 32, 21: ໣ggaEav ro»
ds Exndovy 109 ds pévoc.
vaios ovvdpanorıss ixi sag 10»
nysuovwr oxnvuc itdé£ov to zur
GrQarmyuv uy rv vew alia
ing avıwy poovrllesy Gwinglus.
c. 14, 1:
croua zov Aspévog.
antyparıov m
Darauf erzühlt Plutarch, Nikias hatte dem verlangen der
mannschaft nach abzug zu lande nicht nachgegeben, weil es ihm
zu schrecklich gewesen, nahezu 200 trieren im stiche zu lassen.
Nun können von den 207 trieren, die nach Thuc. 6, 43 und 7,
42, 1 nach Sicilien kamen, nach der vorletzten seeschlacht
höchstens 160 !7) übrig gewesen sein. Von diesen konnte aber
16) Dass Plut. c. 2—6 den Philistos eingesehen, ist nach dem c.
1, 2, 8 f. bemerkten kaum ansunehmen. Nach Bünger, Theopompes
p. 48 und Holzapfel p. 122 hat Plut. hier Theopomp, nach Fricke
p. 20 ff. und Philippi p. 8 Philochoros benutzt, doch finden sich bier
auch spuren des Epboros (exkurs). Für Ephoros spricht die bezie
hung des Plut. zu Diod., bei dem wohl spuren des Ephoros, nicht
aber des Theopomp sich finden.
17) Dies ergibt sich aus den verlustangaben bei Thuc. u. Diod.
Thuc. 7, 8, 5: 1 athen. tr.
7, 28, 4: 3
7, 38, 1: 1 (2)
Diod. c. 10, 6 und 7, 41, 4 7
, ¢. 18, 5: 7
» C. 18, 7 und 7, 58, 3: 18
hienach hätten di Athener 38 verloren. Nehmen wir für die ur
Sicilischer krieg. 445
Plutarcl nicht sagen: 04/yoy agıIum diaxoctur amodsovous;,
wie Alc. 20 (I, 394, 15) von 134 trieren: où wodA@ 10v reo-
Gaquxoriu xai éxardv anodsovous. Der widerspruch zwischen
jeuer ziffer und der zahl der wirklich bemannten trieren (110)
wird dutch die bemerkung. die anderen seien ohne ruder gewesen,
nur äusserlich beseitigt.
stelle gebracht !3).
Plutarch hat die angabe an unrichtiger
Nic. 24, 32, 25—28: dpi-
B« ouvres di twv nelwr 100s
aglorovg — EIninpywonv
Diod. c. 14, 4: xai rovg «4 gí-
GrovgéE 0Àov toù Orpursvumıog
Éugifucavrtg rQujgtic uiv
Exatov xai déxa tesngetg — 107 6ÉnÀqQuGauv névre Asınovoag
dà Aoınöov Oyào Èotnoe uv Exarov elxoss. rovg dé
4 , « A]
suo JaAaGcav o Nixsas. osnous fıuSar naga tor
alysador.
Hier sieht man — wie noch viele andere stellen des Nicias
ergeben —, dass Plutarch ,,ausserliche mosaikarbeit“ zu liefern
verstand, was Schmidt (Per. zeitalt. I, 263; II, 36 f.) bestreitet.
Deon wäbrend er im wortlaut der ayrakusanischen quelle folgt,
gibt er die zahl der schiffe nach Thuc. 7, 60, 4.
Nic. 26, 34, 3: £reuwé trag — — Diod. c. 18, 4: wréoreshé 1:0ac
— ÉQOUVIUNG — weoxatu-
Anwopmévoug (Polyaen. I, 43,
2: rgoxutiaAafovitg).
pucxoviuG — ngoxarte-
yovrwy.
Diod. c. 18, 6 ist die zeit angegeben, zu der die Syrakusaner
die wege besetzen liessen: 1c np£onc bnogwoxovens, wie
Nic. 26, 34, 10 au’ nuégu, ebenso Front, Str. ll, 9, 7 cum
lux adventaret (t). Thuc. 7, 74, 2 hat keine zeitangabe. Ueber
die beziehung von Just. IV, 5, 10 zu Nic. 27, 35, 18 cf. Holz-
Beachtenswerth ist das scharfe urtheil über Nikias
(IV, 5, 11), dessen unmännliche haltuug !?) der männlichen des
apfel p. 51.
brauchbar gewordenen (Diod. c. 10, 6) nur 9 an, so haben die Athe-
ner nach der vorletzten seeschlacht kaum 160 gehabt.
18) In der berathung nach dem sturm auf Epipolü ist Nikias
nach Thuc. 7, 19, 2 von vertrauen auf die flotte erfüllt, Diod. c. 12,
2: ox ign deiv — tyxatalsneiv 15v nolsopxiav — xai tesyowry — Ev-
Rogoùrtas.
19) Plut. de superstit. p. 386 Herch.: 7» d° iows xai Nixic vp 497-
446 Sicilischer krieg.
Demosthenes gegeniibergestellt wird. Thucydides, der des letztereu
mit keiner silbe gedenkt, widmet dem „heerverderber“ Nikias eines
ehrenvollen nachruf (7, 86, 5).
Mit der angabe des Diod. c. 19, 3, dass die Syrakusaner die
beiden siegeszeichen — nach Thuc. 7, 72, 2 war es eins —
wit deu waffen der feldherrn schmückten, lässt sich vergleichen
Nic. 27, 36, 18, wonach jene die schönsten bäume mit erbeuteien
rüstungeu behingen.
Nic. 29, 38, 6: Ersos dí xai d) Diod. c. 33, 1: oi uiv dad nA£ov
Evysntdny 2635902». nasdelag psetecynxotég Due cw-
930«».
Die beziehungen des Diodor zu Plutarch, die auf die ge-
meinschaftliche syrakusanische quelle hinweisen, sind
demnach folgende:
Diod. Nic. Diod. Nic.
XII, 83, 3 — 12, 16, 9 XII, 14, 4 — 24, 32, 9 f. )
Xi, 10, 1 — 20, 27, 7—11 18, 1 — 24, 32, 19 f.
10, 2 — 25, 33, 16 f. 18, 4 — 26, 34, 3 f.
10, 3 — 25, 33, 12 18, 6 — 26, 34, 10
11, 3 — 21, 28, 28 19, 3 — 27, 36, 18 f.
11, 5 — 21, 29, 26 19, 5 — 28, 27, 4 ff.
12, 2 — 22, 29, 30 f. 33, 1 — 29, 38, 6
12, 6 — 22, 30, 23 f. Just. IV, 4, 7 -— 19, 25, 24 f.
14, 1 — 24, 32, 21. 5, 10 — 27, 35, 17 f.
Il.
Wenn uns in den oben besprochenen angaben des Plutarch
und Diodor die einer syrakusanischen quelle vorliegen, so ist an-
zunehmen, dass diese sich auch als solche zu erkennen gibt. Holm
II, 362 f. hat auf die schlachtbeschreibung bei Diod. XIII, 14—17,
vaiwy Grpamyg xgéittov — n — x«9569a, (Nic. 24, 32, 5 xady
uevos) neosresyslousvoy tno TW nolsuégr, sd’ óuoU Titlages pvescesy
dv9gwnur povevdtviwy te xai Cwviwy cloyvtwry óz0yeégsor yevigdas
xai dvuoxdews ano Pavey.
20) Dass hier bei beiden Philistos zu grunde liege, ebenso wie
Nic. 21 und Diod. XIII, 11, 5, vermuthete bereits Grote IV , 287,
250 A.
Sicilischer krieg. 447
Holzapfel p. 36— 39 auf einzelheiten von XIII, 11—14 bingewie-
sen “!). Diese zusammenstellungen lassen sich durch folgende ver-
vollstándigen.
Diod. XIII, 2, 1 ist vou einem kriegsbeschluss gegen die Sy-
rakusaner die rede, von dem bei Thuc. 6, 6, 2; 8, 2—3 nichts
zu lesen ist. Jenem beschluss entsprechend melden bei Diod. c. 4,
1 die von den syrakusanischen strategen in die sicilischen stüdte
geschickten gesandten: die Athener führten dem vorgeben nach
mit den Syraknsanern krieg, in wirklichkeit wollten sie die
ganze insel unterwerfen. Als das eigentliche ziel des athenischen
unternehmens wird auch bei Thuc. 6, 33, 2 die eroberung der
insel angegeben, als vorwand die unterstützung der Egestaner
und zurückführung der Leontiner “*). — XIII, 11, 2: die Syra-
kusaner wurden in ihren hoffoungen herabgestimmt roplCortes pr-
xéts pudiws éEvowO ras rots noAtulosg dvrjossdu. Man
vergleiche mit dieser vorsichtigen äusserung 'Thuc. 7, 42, 2: xa-
rumankig — ovx odlyn épyé£vero, el né£gag under Estas o—plos tov
unuÂlayÿvas tov xivdvrov. — XIU, 18, 3: Hermokrates rath den
Syrakusanern, noch in der nacht nach der schlacht alle wege vor-
her besetzen zu lassen. Die strategen gehen darauf nicht eiu.
Bezeichnend ist der gruud den sie angeben: es seien viele sol-
duten verwundet, alle aber von der schlacht her ubgemattet. Ei-
nen triftigeren konnten sie wohl nicht anführen. Nach 'Thuc. 7,
73, 2 begründen die behörden das ablehnen des vorschlags damit,
dass bei dem ullgemeinen siegesjubel niemand dem befehle gehor-
chen werde. — C. 18, 5: uals die boten des Hermokrates die
Athener vor dem abmarsch warnten, glaubten diese, einige Leo n-
tiner hätten ihnen aus wohlwollen dies gemeldet. Sehr wahr-
scheinlich ist es, dass den Athenern von diesen, die nach Syrakus
verpflanzt waren, manche nachricht über vorgauge iu der stadt zu-
ging. Doch waren nach Thuc. 7, 48, 2; 86, 4 (cf. Nic. 18, 24,
4 f., an anderen stellen *?) ist der ausdruck unbestimmt gehalten)
auch syrakusanische bürger dabei betheiligt. Somit verrüth sich
21) Auf einige angaben habe ich bereits hingewiesen in meiner
programmabhandlung „Philistos als quelle des Epboros", Pforzheim
1876 p 12 ff. Das p.1—9 ausgeführte halte ich nicht mehr aufrecht.
22) Ct. Thuc. 6, 76, 2, ebenso Diod. XII 54, 1 (erate sicilische
expedition), wo nach Holzapfel p. 77 Ephoros zu grunde liegt.
23) C. 18, 24. 15; c. 21, 28, 15.
448 — Sicilischer krieg.
die quelle des Diodor, indem sie nicht diese, sondern Leontiner
erwähnt.
Der syrakusunische standpunkt tritt auch bei den verlustan-
gaben hervor. Diod. XIII, 11, 5 ist der verlust der Syrakusaner
gar nicht, c. 13, 7 als ein geringer gegenüber dem athenischen
(2000 mann) bezeichnet. C. 17, 5 ist er wohl deshalb so detaillirt
angegeben, weil er gegen den der feinde der verschwindend klei-
nere ist. Auch die angaben c. 14, 4 fin. *), c. 19, 4 opfer, 33,1
rettung gebildeterer Athener konnte nur ein Nyrakusaner bringen.
Doch ist die syrakusanische fárbung uicht eine derartige, wie wir
sie in den berichten timaeischen ?°) ursprungs finden. — Auf eine
gegnerische quelle weisen ferner hin angaben des Diodor und Plu-
tarch über vorgünge im athenischen lager, bei denen namentlich der
gegensatz zwischen Nikias und seinen mitfeldherrn
hervortritt, Plut. Nic. 16, 22, 10 fî.; 21, 28, 21 fl. machen die
feldherru dem Nikias vorwürfe, dass er durch sein zógern den
rechten zeitpunkt versäume, Nic. 22, 29, 29 (cf. c. 21, 28, 9 f.)
macht Nikias dem Demosthenes vorwürfe wegen seiner voreiligkeit.
Dass es nach dem sturm auf Epipolà zu einer auseiuandersetzung
zwischen beiden kam, lässt sich auch daraus entnelmen, dass De-
mosthenes bei Diod. c. 13, 2 in der vorletzten seeschlacht kein
kommando hat, — Diod. c. 12, 5: rov nändoug FopvPovrios xoi
tor dliwy anurrwy Em tes vaUg oguwrıwr *5), o. Nizius
nvayxaodn’) cvyyworcas ntgi iz; elc olxov avaywyis.
Nach Thuc. 7, 47, 2; 48, A war zwar missstimmung unter der
manuschaft, doch kommt es zu keiner meuterei. Daun bemerkt er,
dass, weil Nikias nicht mehr, wie bisher, gegen den abzug ge-
wesen, die übrigen feldherrn die nóthigen anurdnungen für densel-
ben getroffen. — Ebenso wie bei Diod. c. 12, 5 heer und die
übrigen feldherru den Nikias zum abzug nôthigten, uôthigen ihn
bei Plut. Nic. 20, 27, 19 Menander und Euthydemos zur schlacht:
24) Progr. p. 13.
25) cf. Plut. Timol. Tim. fr. 143, 144 M.
26) Dass Nikias eine zeit lang dem drünven der feldherrn und
des heeres widerstand geleistet hat, ergibt 32, 2 (Rede des Gylippos):
Anuogtivovs xai 19» GÀÀov andvrwy Bovlouérwr licas my nodsog-
xiav udvog Bs cero pévesy xai nolsusiv. Diese notiz fehlt c. 12, 4;
sie beziebt sich offenbar auf vorgänge nach der berathung c. 12, 3.
27) Plnt. p. 30, 24: rw Nixig ovridóxes. uiS9éctacSa:.
Sicilischer krieg. 449
ESEBREMGGMVTO vavpazioas. Nic. 21, 28, 25 stimmen jene feld-
herrn dem vorschluge des Demosthenes, den sturm auf Kpipoli zu
versuchen, bei: aal 0 Nixlaç polis Cuveywonder Exßıacdelg.
Nach Thuc. 7. 43, 1 und Diod. c. 11, 3 macht Demosthenes den
angriff neloug zo» 1e Nix(av xai rotg «Aovg Evragzorrag. Nir-
gends liest man bei Thucydides, dass Nikias von seinen mitfeldherrn
unter widerstreben zu einer massregel genöthigt wurde, was
gewiss häufig der fall war, von Thucydides aber aus rücksicht auf
den ihm nahestehenden oberfeldherrn verschwiegen wird. Nur so
erklart sich der 7, 86, 5 diesem gewidmete nachruf, wührend der
geschichtshreiber dem als militair weit tüchtigeren Demosthenes
kein wort der anerkennung zollt?5). Nun kann zwar auch ein
syrakusischer geschichtschreiber kein besonderes interesse an dem
Athener Demosthenes gelabt haben, wohl aber an dem stra-
tegen, zumal wenn er selbst ein solcher war. Dies zeigt fr. 46
= Paus. I, 12, 9; Nic. 27, 35, 17, wo von dem versuche des
Demosthenes, hand an sich zu legen die rede ist. Sowohl iu dem
berichte des Diodor wie in dem des Plutarch tritt Demosthenes
hervor. Diod. c. 12, 7 lesen wir, dass dieser in die von den
walrsagern vorgeschriebene dreitügige ??) frist sich hatte fügen
müssen dià rr» 7005 10 Osiov evdaBesay. Also war er trotz
mondfinsternis gegen aufschub der abfahrt. Als der mann der that
erscheint er dem zügernden Nikias gegenüber bei der berathung
nach der letzten seeschlacht:
Thuc. 7, 72, 3: Ann. — yvw- — Diod. c. 18, 1: ëpn deity As-
pn» énoveiro — BsaoucFas, Avutvov toù Cevypatos nÀngobr
nr duvwviui, apa Em ror Tag rgujotig xui angocdoxnrwe
Exniovr. émdeutrous exnyyédisro da-
Ölwg xouınosıv ıng ini
Boañs.
Doch drang er mit seiner ansicht hier ebenso wenig durch
wie 12, 7. Denn der vorschlag des Nikias, durch das binnenland
nach verbündeten städten sich zurückzuziehen fand die billigung der
übrigen feldherrn. In weit günstigerem lichte erscheint Nikias bei
28) cf. Grote IV, 268 ff.
29) cf. Holm IT, 361.
450 Sicilischer krieg.
Thuc. 7, 72, 4. Er stimmt dem vorschlage des Demosthenes bei,
die ausführung desselben scheitert jedoch an der weigerung der
seesoldaten die schiffe zu besteigen. Collmann °°) zieht die glaub.
würdigkeit des Thucydides an dieser stelle in frage. — Auch bei
Plutarch beobachten wir an einer stelle dasselbe wie bei Diodor.
Nic. 21, 28, 6 f. (neben einer notiz aus Thuc. 7, 42, 5) Anuo-
oJévous sd Fug Emsyesgetv rotg modeplors xeAsvos-
rog im gegensatze zu Nikias c. 21, 28, 24 oux eb Joc exni-
xesowr r0tc modeplosg. C. 14, 19, 3 hiess es von Nikias:
GAN c9 9c Ee rois woleplous luguyra ... — C.
21, 28, 9 staunt Nikias über des Demosthenes dfvrqta xoi r02-
pa». Von Nikias aber heisst es c. 21, 28, 21 drodplac nu-
oéoge roig orgarnyois do~ay (c. 16, 22, 14 nennt ihn die quelle
:0Àu 044 dì — «rToÀuog).
Jener berichterstatter muss auch vom kriegswesen etwas ver-
standen haben. Diod. c. 13, 2 sind die anführer der einzelnen ab-
theilungen so aufgeführt, wie sie sich gegenüberstanden: auf dem
rechten athenischen flügel Eurymedon, ihm gegenüber Agatharchos,
auf dem linken Euthydemos, ihm gegenüber Sikanos, im mittel.
treffen Menander und Pythes. — 13, 3 lesen wir, dass die über-
müssige ausdehnung der athenischen flotte auf dem kleinen raum
(cf. c. 10, 5) von den schlimmsten folgen für dieselbe war, wie
der unfall des Eurymedon zeigte, der beim umsegeln des ihm ge-
genüberstehenden feindlichen flügels von der flotte abgeschnitten
und nach der Daskonbucht 3) gedrängt wurde. Diese wird bei
Thue. 7, 52, 2 nicht erwähnt. Bei Just. IV, 5, 7 wird die
schuld am unglücklichen ausgang des treffens dem unverstand
der athenischen führer zugeschrieben, da sie die Syrakusaner
in den angustiae maris ungriffen. Dieses urtheil eines militair
ist vollkommen zutreffend. — Auch Demosthenes war für einen
kampf auf offener see, wo die nautischen fertigkeiten der Athe-
ner allein zur geltung kommen konnten, nicht aber für einen
im engen syrakusanischen hafen, wo alle vortheile auf seiten der
feinde waren ??), — Der tapferkeit des Eurymedon wird IV, 5,7
30) De fontibus Diodori, p. 20.
31) Phil. fr. 25: .4aexo» Zixedias ywoiov. Pilsotog Extn Zixt
Aix» 10 IHinupuvosoy x«i tov Aacxwva. Allerdings sagt Diod. xölnor.
Cf. Koerber, De Philisto, rer Sicul. script. p. 23.
32) Thuc. 7, 49, 2 med.
Sicilischer krieg. 451
rühmend gedacht. — Hierher gehört auch die kritik der heer-
leitung des Nikias, welche bei Plutarch sich findet.
Nic. 14, 19, 12 ff. Er zerstórt die absichten der mitfeldherrn
und wirkt entmuthigend auf sie ein.
Nic. 15, 20, 16 ff. lenkt den kriegstüchtigeren Lamachos
(Alc. 18, 392, 12 f., 21, 396, 26 f.) und gebraucht seine macht
in zu behutsamer weise.
Nic. 16, 20, 31 entschliesst sich ungern zu einem zuge ge-
gen Syrakus.
Nic. 16, 21, 30 versäumt durch absichtliche zögerung den
rechten augenblick sur besetzung des Olympieion.
Von Timaios 39), den Plutarch neben Philistos benutzt hat,
kann diese kritik deshalb nicht herrühren, weil jener von militai-
rischen dingen nichts verstand (Tim. fr. 139). Auch dass in der
relation des Timaios die angaben des Philistos zu grunde liegen 94),
ist dadurch ausgeschlossen, dass ersterer an den schlachtberichten
des Thucydides sowie des Philistos nach Nic. 1, 1, 10 f.55) vie.
lerlei auszusetzen gehabt hat. Dass die angaben von Philistos her-
rühren, also nicht Plutarch selbst der kritiker war (Holm II,
344), folgt aus den beziehungen von c. 14—16 zu c. 21, 28, 7
— 25. Es entsprechen sich:
C. 14, 18, 30 f. ovdetc Eu xusgös ny — de: — || dmtow Bié-
Jovia xal — dvalauBurorra xai or eépovta |
— tiv axunv diagO9 sigas mv nQu-
Eewr.
C. 14, 19, 16 f./oùx dnavoazo || zadnusvos n negunAéuv 7 Bov-
Aevopevos || noir Eyrnpacus — ın» axun»
„vis &Antdos e;
C. 16, 22, 10 fimdvio tov Nixlav wc dv 16 || draloy (Leo au
xai péddesy xai puAarıecdas | ro» ray
moubtov ánoÀàÀvr ra xaigov.
C. 21, 28, 22 f. quesy qucxovres avro? | pedArjpurtu xoi diu-
tesBug xal axgsBodoyiag || alg AnwÂsce tiv:
dxunv..
Offenbar sind die stellen c. 14—16 von derselben hand ge-
arbeitet wie die c. 21, wo wir bereits spuren des Philistos fanden.
33) Fricke p. 47.
34) Volquardsen p. 106, Holm II, 373 fin. cf. I, 309. 316 fin.
35) dia pecwv wsiras — Tuy udiore xaTwpSousvwy éxtivoss dyi-
vwv xti veouayimy.
452 Sicilischer k rieg.
Philippi p. 5 folgert freilich aus der beziehung von c. 21, 28,
17 f.: wo — róv l'ulsnnory faouropéerwr zu c. 28, 37,
9: magu tiv noleyo» a$100 ty Tgayvınza où §gdiws
Ernvoyorec, dass c. 21, 28, 15 f. Timaios benutzt sei. Doch
rührt , wie wir gesehen haben, c. 28, 37, 4—10 nicht aus Ti-
maios. Also spricht die beziehung gerade für Philistos. Dies er-
gibt sich noch aus folgendem. C. 21, 28, 15 ff. sagt Plutarch :
xai yug oar avdgeg ovx öllyoı wy dy SegaxovGasg dsa-
deyopevor to Nextag xQupa .. Ganz ebenso heisst es c.
18, 24, 15: roig éx Sugaxovawy diadsyopéevoss xov-
pu .... roallwr. Die unbestimmte fassung 2» Zvgox.
und àx Zvoux. fand Plutarch offenbar in seiner quelle, wie er c.
18, 24, 4 f. nach Thuc. 6, 103, 3 schrieb: Aoyos — zegà ıwr
Sveaxovdlwy dy évovto. Die angabe kehrt zum dritten male
wieder an einer stelle, wo Plutarch mit Diodor übereinstimmt *).
C. 26, 34, 4: un’ éxelvwr — za» avdewy, of xai noto
eluj9ecar x oó pu ip Nixlu óvaAé£yac3a:.
Wie die bei Plutarch und Justin sich findende kritik des athe-
nischen oberfeldherrn, sowie die angaben Diod. c. 13 auf den mi-
litair Pbilistos 37) hinweisen, so auch zwei momente aus der letzten
schlachtbeschreibung des Diodor, die von einem augenzeugen her-
zurühren scheinen: oz yug unolngdeln vais — avutavdgos
und ing Jalurmç xatentvero (16, 3) — oùrs ngog roùç xe-
Awvoviag Evedéyero BhË£nerr dia 10 whndog ro» fe-
Ac v (16, 4). Bekanntlich bat Philistos in einem alter von etwa
20 jahren die kümpfe vor Syrakus mitgefochten 55).
Ein beweis von der genauigkeit dieser quelle ist, dass sie in
den beideu letzten seeschlachten die zahl der syrakusanischen
schiffe auf 74 angibt (Diod. c. 13, 1; 14, 4) wie Thuc. 7, 52, 1
und 70, 1 auf 76 °°). Auch steht die angabe c. 17, 5, dass die
Athener 60 schiffe verloren, in übereinstimmung mit c. 19, 1.
Hienach führten die Syrakusaner 50 von den feinden zurückgelas-
sene schiffe in die stadt, Der athenische verlust in der letzten
86) Cf. p. 445.
37) ct. Diod. XVI, 16, 4; Völkerling, De rebus Siculis p. 5.
38) Góller, De situ et origine Syracusarum p. 107, Müller, Fr. h.
gr. I, proll. p. 47. Als geburtsjahr setzt man 434 an (Müller I, proll.
p. 45; Holm Il, 172, Plass, Tyrannis Il, 262).
39) Progr. p. 13.
Sicilischer krieg. 453
schlacht belief sich demnach auf 115 —50, wovon jedoch einige
nach c. 18, 2 verbrauute schiffe abzurechnen sind. Fraglich ist,
ob die hohen ziffern über die stirke der flotte des Demosthenes
sowie der zum sturme auf Epipolà verwendeten truppeu c. 11,
2— 3 dieser quelle entstammen, wie Holzapfel p. 37 aunimmt, oder
der flüchtigkeit des Diodor zur last fallen. Aebnlich hohe zahlen
gibt Diodor nach Ephoros c. 54, 54—60, 80 (Ephor. fr. 123)
über die stärke der karthagischen heere. Da nun Ephoros, wie
Vólkerling mit recht aunimmt *°), nur aus Philistos *') geschópft
haben kann, so folgt aus dem verhültnis der angaben dieses zu
denen des Timaios, die Diodor auch gibt, dass Philistos die feind-
lichen streitkrafte, zur verherrlichung des Dionys I, übertrieben
hoch angegeben hat. Hierzu fehlte ihm jedoch bei der darstellung
des attischen krieges jeder anlass.
Von den angaben jener quelle, die mit denen des Thucydides
nicht übereinstimmen, verdienen beachtung: XIII, 7, 4: 250 reiter
von den Sikelern. Nach Thuc. 6, 98, 1 von Sikelern, Naxiern
u. a. etwa 100 (cf. Thuc. 6, 88, 6). — XIII, 7, 8 zahl der
truppen des Gylippos: 3000 fussgänger, 200 reiter gegen 2800
bei Thuc. 7, 1, 5 — c.8, 7 Eurymedon bringt 140 talente gegen
20 bei Thuc. 7, 16, 2, cf. Grote IV, 216, Holm II, 367.
Endlich ist jener quelle manches detail zuzuweisen, das bei
Thucydides fehlt. XIII, 4, 3 die noAssg der Sikeler warteten
trotz ihrer den Syrakusavern freundlichen gesinnung den verlauf
des krieges ab. Nach Thuc. 6, 88, 4 waren von den nach der
ebene zu wohnenden ov 04400 — so Kantor statt of moddol
(Holm II, 411) — von den odxnoes; der Sikeler des binnenlandes
die meisten zu den Athenero abgefallen. Demnach scheinen die
n0Àucg der Sikeler bei Diodor mit den Sikelern der ebene bei
Thucydides identisch zu sein. — C. 9, 4 die zum sturm auf
Plemmyrion verwendete mannschaft besteht aus den truppen, die
in der stadt liegen‘“). C. 9, 6 die syrakusanischen schiffe
werden bis zur Nesos verfolgt. — 12, 6 vorbereitungen zum
aufbruch, Dass Nikias wegen der krankheiten im heere ängstlich
40) De rebus Siculis ab Atheniensium expeditione usque ad prioris
belli Punici finem gestis p. 46, a. 53 A., 66 A. 4, 67.
41) Ib. p. 6, a. 3.
42) cf. Holm II, 391.
Philologus. XLII. bd. 3. 30
454 Sicilischer krieg.
gewesen (12, 7) erwähnt Thuc. 7, 50, 4 nicht. — 13,5 die
notiz, dass auf die kunde vom tode des Kurymedon zuerst die in
unmittelbarer nähe der vernichteten trieren aufgestellten ge-
wichen, dann die flucht eine allgemeine geworden sei, erinnert an
c. 17, 3, wo nach Holm II, 362 eine syrakusanische nachricht
vorliegt. — €. 13, 6 Brander des Sikanos‘**). Dieser spielt
hier eine ähnliche rolle wie 10, 2 Ariston. — C. 14, 2 vor-
richtungen, deren sich die Syrakusaner beim sperren des hafens
bedienen: eiserne ketten, bretterlage; das werk wird in 3 tagen
vollendet. — 19, 2 am Asinaros 18000 getédtet. — Bei der
verfolgung und gefangennahme der Athener wird zwar Gylippos,
der hierbei nach Thuc. VII, 79, 4 ff. und nach Philistos bei Just.
IV, 5, 9 und Plut. Nic. 27, 35, 22 (p. 35, 18 == Philist. fr. 46)
betheiligt war, nicht erwähnt. Doch fällt dies wohl der flüchtig-
keit des Diodor zur last, dem c. 19, 2 fin. der streich passirt ist,
dass er den Demosthenes zugleich mit Nikias am Asinaros
in die gefangenschaft gerathen lässt. Nach Timaios, fr. 97 M**)
muss Hermokrates bei jener aktion betheiligt gewesen sein
— C. 33, 1 gibt Diodor allein an, was mit den gefaugenen Athe-
nern *°) nach dem 70tügigen aufenthalte in den steinbrüchen (Thuc.
7, 87, 3) geschah. Dass jene noch weitere 6 monate in diesen
hätten verbringen müssen, wie Curtius 11°, 601 und Holm Il, 69
annehmen, ist unwahrscheinlich 9). Endlich gehört noch hierher
die notiz c. 34, 4 über die helohnung der lakedaimonischen bun-
desgenossen unter Gylippos. Dass sie nicht auf Timaios zu-
rückgehen kann, lehrt Plut. Aem. comp. c. 2, 81, 3: Tiuasos di
xai TvAınnov ariews quoi xai ürluws anon€pwas
Tuouxovotovs.
43) Progr. p. 13.
44) Polyb. XII, 25k xei Ayunam xéyontas tosovt0ss ols tow wir ‘Eo-
noxpdımy tig Gy xeyonodas neotedorsse — avtardoi dé yespwotseroy
tag Adnvaiwy Jurauesss xai tous atoatnyovs xarà. Zsxsliar cf.
Diod. XIII, 96, 8 (Timaiosabschnitt cf. fr. 115, 117); Polyaen p. 89,
9 ff., der neben Philistos Timaios benutzt haben muss,
45) Nach Demosth. in Leptinem p. 470 Bekk. hatte eine ansahl
derselben die erhaltung ihres lebens dem Epikerdes von Kyrene zu
verdanken: ovrog yag avynp — Toig ahovos tor iv Zıxslia Ta» no-
lıröv, dv toast: ovugopc xadectgziow, Edwxe vis Exarov xai 106
un TG À ug névras avrovs «nodaveiv altsewtatog lyé-
veto. Bestattung der gefallenen: in Eubulid. p. 1610 Bekk.
46) cf. Grote IV, 266.
Sicilischer krieg. 455
Der attische krieg, aus dem die oben besprochenen angaben
des Diodor, Plutarch und Justin stammen, war nach der vou
neueren forschern gebilligten annahme Göller’s *7) in dem 6ten
buche der Zixsxa des Philistos enthalten. Die abfassung der in
7 büchern einen zeitraum von mehr als 800 jahren umfassenden
own OvviaËis, die mit der einnahme von Akragas endigte *°),
setzt man in die zeit des aufenthaltes des Philistos zu Hatria, d. h.
in die jahre 386—367 *?). Man darf die darstellung des attischen
kriegs, weniger wobl die der sicilischen begebenheiten nach dem-
selben 5°), wegen des Philistos stellung zu Dionys 1%), für eine
zuverlässige halten, weshalb ibn Grote IV, 268 mit recht für
einen vortrefflichen gewährsmann für die ereignisse 415 — 413 hält.
Hierfür sprechen einige beziehungen der nachrichten des Philistos
zu denen des Thukydides.
1. Die angabe über den tod der athenischen feldherrn Plut.
Nic. 28, 37, 20 und Thuc. 7, 86, 2.
2. Die nachrichten über die behandlung der übrigen gefan-
genen. Nach Thuc. 7, 86, 2 wurden sämmtliche in die stein-
brüche gebracht. Dies beantragte nach Philistos bei Diod. XIII, 19,
4 Diokles. Darin weichen beide von einander ab, dass nach dem
aufenthalte aller gefangenen in den steinbrüchen letzterem zu folge
sämmtliche bundesgenossen — ein punkt, der in dem lücken-
haften texte c. 33, 1 fehlt — nach Thuc. 7, 87, 3 nur die nicht
sicilisch-italischen verkauft wurden. Dagegen wurden nach Ti.
maios bei Plut. Nic. 28, 36, 32 die sklaven und nichtsici-
lischen bundesgenossen sogleich verkauft, wodurch es
einigen freien Athenern, die sich als sklaven ausgaben, den stein-
brüchen zu entgehen gelang (Nic. 29, 38, 1 nach derselben quelle
wie c. 28, 36, 32 d. h. nach Timaios).
3. Entspricht der kommandovertheilung in der vorletzten
seeschlacht bei Diod. XIII, 13, 2 (Pythes im mitteltreffen, Sikanos
47) De a et origine Syracusarum p. 128, Müller I, proll. p. 48,
Holm 1, 308
48) Diod. XIII, 108, 3.
49) Diod. XV, 7, 4 (ol. 98, 3); Nep. Dion. 3, 2; Plut. Dion. 11
(V, 10, 10 ff.) eic rov 4dQíav, onov xoi doxsi ta alor cvvSeiven Ing
leropiag cyolátor. Müller IV, 625. Koerber, De Philisto p. 9. Cf. Holm
Il, 4
50) Cf. Völkerling, p. 6, a. 3, p. 7.
51) Paus. I, 13, 9.
30°
456 Sicilischer krieg.
und Agatharchos auf den fliigeln) die bei Thuc. 7, 64, 4; 70, 1
in der letzten, doch ohne dass wir erselen, wie sich die ab-
theilungen gegenüberstanden. Cf. p. 450.
Dass nach den berichten beider die thätigkeit des Gylippos 5)
eine bervorragende gewesen, bemerkt Plut. Nic. 19, 25, 25. Da
nun Philistos, als augenzeuge der begebenheiten, seine nachrichten
über diese dem Thukydides nicht entnommen haben kann, so er-
klüren sich die beziehungen beider nur daraus, dass Thucydides,
wie er 7, 86, 4 mit wo @Aéyero audeutet, in Syrakus erkundi-
gungen über die vorgünge eingezogen hat 5). Man möchte dies
schon aus der notiz 81, 1: 2v alz(g te où moddoi tov Tvdsnnov
elyov Exörta ayeivas tovg AInvalows schliessen.
An vielen stellen des Diodor, wo sich spuren der syrakusani-
schen quelle zeigten, finden sich wörtliche anklänge an Thucydides.
Nun können zwar einzelne thukydideische wendungen durch Phili-
stos, der ein nachahmer °*) des Thukydides war, in die darstellung
des Diodor hineingekommen sein. Aber unmôglich kann jener so
gearbeitet haben, dass er die angaben des Thukydides nur er-
günzte und berichtigte, wührend er iu der form sich eng an
ihn anschloss. Wenn nun in dem berichte des Diodor wörtliche
beziehungen zu denen des Thucydides neben sachlichen differenzen
sich vorfinden, so können beide entweder vom bearbeiter Diodor
oder von einem autor, der zwei berichte bereits verarbeitet hatte,
herrühren. Die meisten forscher bestreiten, dass Diodor den Thu-
cydides direkt benutzt hat. Dass dies nicht der fall sei, folgert
52) Polyaen I, 42, 1. . oi ngovyorsss tw» Zvopaxovoiwr Evi xai
uovo l'vàinngo to? noléuov t9» coynv èntéroswar geht
augenscheinlich auf Philistos zurück. Cf. Nic. 19, 20, 6 = Just. IV,
4, 7 (Holzapfel p. 52). Dass Polyün den Philistos direkt benutzte,
ergibt V, 10, 2 launrmoa 10 nodcdey pioos nepgoayuméror cf.
Philist. fr. 15. |
53) Wölflin, Antiochos von Syrakus p. 6, Classen z. Thuc. 7,
86, 4.
54) Theo progymn. p. 439 W. o iloros 10v Artıxov Glory
nölsuo» by roig Zixeluxoi; Ex tov Oovxvdídov metsvynvoyer.
Cf. Müller J, proll. p. 49. Dies zeigt fr. 51 und Thuc. 3, 39, 4. Da-
gegen erklürt sich die notiz über die Sikaner fr. 3 (Diod. V, 6, 1)
= "Thuc. 6, 2, 2 nicht aus der benutzung des Thucydides von seiten
des Philistos (Holm I, 360), sondern aus der des Antiochos
durch diese beiden (Woólflin, p. 20).
Sicilischer krieg. 457
Collmann p. 2—4 aus den beziehungen von Diod. XII, 40, 1—5
(= Ephoros fr. 119 M.) zu Thuc. 2, 13, 3—9 55), die überein-
stimmungen im wortlaut zwischen beiden, aber auch abweichungen
ergeben. Indem er dies als ein kriterium ephorischer relation an-
sieht, weist er den abschnitt des Diodor über die sicilische expe-
dition dem Ephoros zu. Wenn auch dieses resultat sich als richtig
erweist, so ist jenes kriterium deshalb kein sicheres, weil Diodor
die nachrichten des Thucydides ebenso gut aus Theopom p schó-
pfen konnte °°).
Volquardsen °") nimmt für jenen abschnitt Ephoros als quelle
an und nicht Timaios, weil sich einmal geringere bekanntschaft
mit ortsverhültnissen als iu den übrigen sicilischen partien des
Diodor zeige, sodann der berichterstatter mehr auf seiten der Athe-
ner als der Syrakusaner stehe. Ersteres trifft jedoch nur für den
schlechtgearbeiteten bericht XIII, 7—9 zu, wo die meisten irr-
thümer augenscheinlich Diodor zur last fallen. Dass der syraku-
sanische standpunkt an einigen stellen deutlich hervortritt,
wurde oben nachgewiesen.
Nach Holm II, 364 f. hat Diodor 1, Thucydides 2. Ephoros
3. für die letzte schlachtbeschreibung eine syrakusanische quelle
benutzt. Die dem Thukydides widersprechenden augaben weist er
deshalb dem Ephoros zu, weil eine syrakusanische quelle derartige
unrichtige ortsangaben (cf. Il, 358) nicht habe bringen können.
Indessen weist der abschnitt des Diod. XIV, 54— 78, der nach
Holm II, 364, 372 aus Ephoros geschöpft ist, solche irrthümer
nicht auf. Auch sind sie einem autor, der für sicilische geschichte
den Philistos °°) benutzte und benutzen musste, nicht zuzutrauen.
Holzapfel weist Diod. XIII, 2—7 5°) deshalb dem Ephoros zu,
weil die darstellung den Athenern günstig erscheine (p. 35); c.
11—17 rührt nach ihm aus einer syrakusanischen quelle, die sich
jedoch, wie gezeigt wurde, früher nachweisen lässt. Nach ihm
95) Worauf schon Stelkens, De Ephori Cumaei fide atque aucto-
ritate. Monasterii 1857 p. 24—25 hingewiesen.
56) Wie Natorp p. 16 richtig bemerkt.
57) Untersuchungen über die quellen der griechischen und sici-
lischen geschichten bei Diod. XI—XVI. Kiel 1868, p. 103.
58) Wie Völkerling p. 6 mit recht aus Plut. Dion. c. 36 folgert.
59) Wie theilweise schon Fricke p. 58—59, Natorp p. 11, 15
zeigten.
458 Sicilischer krieg.
(p. 5—6) hat Diodor — einzelue fälle abgerechnet 99) — den
Thucydides selbst nicht eingesehen, sondern Ephoros, der sich an
diesen eng anschloss.
Volquardsen hat gezeigt, dass gegeu die direkte benutzung
des Thukydides von seiten des Diodor die differenz beider in den
zeitangaben spreche. Sehen wir uns hierauf den bericht des
Diodor an, so finden wir XIII, 4, 2—3 eine übersicht über die
stellung der sicilischen stádte zu den kriegführenden parteien, die
man bei Thucydides vergebens sucht. Es folgt aus seiner darstel-
lung, dass die Naxier auf seiten der Athener standeu (6, 50, 3),
dass die Kamarineer trotz aller versuche der Syrakusaner und Athe-
ner, sie auf ihre seite zu ziehen, sich neutral verbielten, dass die
Messenier eine abwartende haltung einnahmen (6, 75, 3 — 88, 3
und 6, 50, 1). Dagegen wurden Himera, Gela und Selinus, die
Diod. XIII, 4, 2 bereits im herbst 415 als bundesgenossen der
Athener aufführt, nach Thuc. 7, 1, 3—5 erst im frühjahr 414
durch Gylippos zu reger theilnahme am kriege getrieben. So ba-
ben wir bei Diod. XIII, 4 einen ähnlichen fall wie XII, 42, 5,
wo die Amphisseer zu anfang des peloponnesischen kriegs unter
den bundesgenossen der Lakedaimonier erscheinen, wührend sie nach
Thuc. 3, 101, 2 erst im 6ten kriegsjahre als solche auftreten.
Hierzu bemerkt Volquardsen p. 40 richtig: „hier sieht man die
ordnende hand eines forschers, der im Thucydides sicb genau um-
gesehen“. Dahin gehört auch die angabe über die wahl der stra-
tegen, welche nach Diod. XIII, 4, 1 gleich in folge der an-
fahrt der Athener erfolgt, wührend sie bei Thuc. 6, 73 erst
nach der niederlage der Syrakusaner im offenen felde (nov.—
dec. 415) stattfindet. — Wie die übersicht bei Diod. XIII, 4
auf eine quelle schliessen lässt, welche die ereignisse mehr nach
ihrer zusammengehérigkeit®) als nach ihrer aufein-
anderfolge — wie es bei Thucydides der fall ist — geordnet
hatte, so auch die anordnung der ereignisse XIII, 8, 3—6:
XII, 8, 3 Gesandte nach Korinth Thuc. 7, 7, 2 Gylippos zieht aus.
und Lakedaimon.
60) Bünger in der recension der schrift von Natorp, J. f. ph.
1877, p. 818 f. |
1.61) Volquardsen p. 41; Diodor selbständiger bearbeiter seiner
quellen: Bröcker , Untersuch. über Diodor 1879, a. a. o. p. 87 ff.,
Moderne quellenforscher und antike geschichtechreiber p. 84 ff.
Sicilischer krieg. 459
Peloponnesier schicken 1600 m. Thuc. 7, 3 Gesandte nach dem
Peloponnes,
XIII, 8, 4 Gylippos zieht aus. Thuc. 7, 4 Seeriistungen der Sy-
rakusaner.
Truppen desselben überfallen (vor Thuc. 8, 2 und c. 11—16 Brief
der einnahme von Plemmy- des Nikias (nov. 414).
rion: ggovgia c. 9, 5).
XIII, 8, 5 Syrakusaner üben sich Thuc, 19, 3—4 1600 Pelopon-
zur see. nesier kommen (mirz 413 cf.
19, 1).
XIII, 8, 6 Brief des Nikiss. Thuc. 32, 2 Ueberfall syraku-
sanischer truppen (nach der
einnabme von Plemmyrion).
In dieser anordnung bei Diodor lässt sich ein bestimmter plan
nicht verkenuen, Zuerst wird der zuzug der Syrakusaner zu lande
erwahnt, im anschlusse daran die seerüstungen, schliesslich der brief
des Nikias, der durch das fortwährende anwachsen der wider-
standskrüfte der Syrakusaner motiviert erscheinen sollte. — Dem
entsprechend sagt Nikias bei Diodor: noddoi nagesos Guuuayos
toig ZvgaxoG(o.g, bei Thuc. 7, 12, 1: nsenopgyuosı dì xoi dg
Ilelonovyvnoov notofuc . .
Sodann finden sich bei Diodor zweimal zwei ganz ver-
schiedene daten irrthümlich mit einander verbunden:
1) Diod. XIII, 8, 4 die von Gy- "Thuc. 7, 7, 2 Gylippos zieht aus.
lippos gesammelten truppen Thuc. 32, 2 Hilfstruppen der Sy-
überfallen (Holm Il, 359). rakusaner von den Sikelern
überfallen.
2) XIII, 11, 6 Syrakusaner schi- "Thuc. 7, 25, 9 Syrakusaner schi-
cken den Sikanos®?) in die cken nach Korinth, Sparta u.
sicilischen städte 17» re »(- a. gesandte &yyé£AAoviag
ap unayysAourıa — xai ınv Te 100 llàguuvotov Ar-
BonS9siv &Eivovvrra. yu — xoi «Esuooviag
ovußondeiv.
c. 46 Sikanos mit 15 schiffen 9?)
nach Akragas geschickt.
62) Ungenau sagt Holm Il, 360, dass 12 schiffe nach Akragas
fuhren.
460 Sicilischer krieg.
Ein solches versehen des Diodor wäre unbegreiflich, wenn er
den Thucydides vor sich gehabt hätte, bei dem die betreffenden
notizen getrennt von einander standen; wohl aber ist es er-
klürlich, wenn er einer quelle folgte, in der sie hintereinan-
der standen.
Auch folgende zusammenstellung weit auseinander lie
gender angaben des Thucydides kann nur von einem autor
herrühren, der in diesem zu hause war:
Diod. XII, 83, 3— 5 dote — Thuc. 6, 6, 3 @yngploarre
ixnfíuyas — xai dia cx é- noéofess néuwas — 0x8wo-
pyvacda mévous.
olxo9sy — naga twrv Thuc 46, 3— 4 4E air,
AOTUYELTOVWY — Qar- "Ey€orns — ix sd dy-
taclag Évexty — unay- y%¢ ROAEwy nmolàó» pas
yeslavrw» vopéivwy —- disdoon-
car.
Cf. XIII, 6, 7 — Thuc. 6, 93, 4 + 94, 4 + 60, 4%);
XIII, 6, 1 — Thuc. 6, 62, 1 + 62, 3 + 62, 5 + 62, 4
+ 62, 3. — Derselbe muss es sogar verstanden haben, die an-
gaben zweier quellen zu verarbeiten:
Thuc. 7, 23, 4: 11 syrakusanische schiffe versenkt
Diod. XIII, 9, 6 » + die übri-
gen schiffe bis 1 zur Nesos verfolgt.
"Thuc. 7, 41, 4 7 athenische schiffe versenkt
Diod. XIII, 10, 6 » » » + viele un-
brauchbar gemacht.
Thuc. 7, 52, 1: 86 athen. schiffe, 76 syrakusanische
Died. XII, 13, 2: » » 74 »
Thuc. 7, 53, 3: 18 athenische schiffe genommen
Diod. XIII, 13, 7 » » » + 2000 mann
getodtet.
Thuc. 7, 87, 4: 7000 gefangen genommen
Diod. XIII, 19, 2 » » + 18000 getödtet.
63) Diod. c. 6, 7 Zgvysv — Thuc. 6, 60, 4 roy dé dia g v-
ob d' 493vaioi 19 avslovyıs dia- yóviuv —inaveinoy a pyv-
yopay deyvoeiov talavtoy int- oov tw anoxreivarts (Dia-
x5ovtar. goras nicht erwühnt).
Sicilischer krieg. 461
Wer nun dieser autor ist, bei dem Diodor jene anordnung der
begebenheiten sowie die zusammenstellang der angaben zweier
quellen vorfand, ersehen wir aus XII, 83, 6. Die bedenken, die
Nikias gegen das sicilische unternehmen geltend macht, sind ganz
andere als die bei Thuc. 6, 9—15. Nikias hält es für unmöglich,
die müchtige insel zu erobern; denn wenn die Karthager trotz
heftiger kämpfe derselben nicht hätten herr werden können, so sei
dies von den jenen an macht nachstehenden Athenern
noch weniger zu erwarten. — Eine solche auffassung der ver-
hältnisse kann weder der friedensmann Nikias (cf. Plut. Nic. 9,
12, 14 ff.) noch einer seiner zeitgenossen gehabt haben, sondern
nur die, welche geraume zeit nach dem peloponnesischen kriege
lebten. Also hat der autor, der jene worte dem Nikias in den
mund legte, die anschauungsweise seiner zeit auf die frühere
übertragen. Eben dies wird dem Ephoros zum vorwurf gemacht ©).
— Auf ihn weisen noch folgende angaben hin: XII, 84, 1 erin- |
nert die charakteristik des Alkibiades an die des Perikles bei
Ephor. fr. 119 (Diod. XII, 38, 2). — C. 84, 2—3 wird die
zahl der von den bundesgenossen eingeforderten trieren auf
30 angegeben, welche bei Thuc. 6, 25, 2 fehlt9*). Ebenso finden
sich XIII, 2, 2 einzelheiten über die ausrüstung der flotte (Coll-
mann p. 16), die Thucydides nicht hat. Solche notizen konnte
nur ein berichterstatter bringen, der in Athen gelegenheit hatte
inschriftliche zeugnisse einzusehen. Dass Ephoros solche verwer-
thet hat, ist bezeugt 99). — Hierzu kommt noch, dass einzelne an-
gaben des Diodor, die syrakusanische fürbung zeigen, in
der relation des Ephoros vorliegen, wie sich auf grund der
reden XIII, 20—32 ergiebt. XIII, 2, 8 beschliesst der athenische
rath, die Selinuntier und Syrakusaner als sklaven zu verkaufen,
den übrigen Sikelioten einen jabrlichen tribut aufzuerlegen. Auf
64) Cf. Stelkens p. 13, Fricke p. 9.
65) Nach 6, 48, 1 waren es 184—100; bei Diod. XIII, 2, 7, wo
der text lücken zeigt (Bekker 1I, 180, 25, Fricke p. 58) gesammt-
zahl 140.
66) Fr. 29 (Strabo X, 463): nag«rí9go: di roro» urprupsa ta
Insyoapupuata. Ueber das kritische verfahren des Ephoros: Stel-
kens p. 17, 28, eingehen auf die kulturhistorische entwickelung Rühl,
Quellen des Plutarch. Perikles, J. f. ph. 1868, p. 671, cf. Fricke,
P 8—10, Natorp 16 f. Minder günstig: Endemann, K., Beiträge 7.
ritik des Ephoros p. 9, 11,15. Cf. Völkerling, p. 6—7.
462 Siciliseher krieg.
diesen beschluss bezieht sich Gylippos in seiuer rede 30, 3. Holm
Il, 357 bemerkt richtig, dass jene uotiz ,im letzten grunde“ aus
einer syrakusanischen quelle stamme. XIII, 17, 5. Bestattung
der gefallenen bürger und bundesgenossen auf staatskosten. —Hieran
erinnert 29, 2 Gylippos die Syrakusaner: xoopetv épnqlouode ros;
zügovg Wy pernAdayotwy. — Jene reden sind vou sämmtlichen
forschern 5") dem Ephoros zugewiesen worden. Hierfür lässt sich
noch anführen die notiz über die vom Delischen bunde herriibrende
summe °°),
Ephor. fr. 119 (Diod. XII, 40, XII, 21, 3... uuosa pir
1): petaxexopsopérwy È x 4 j- slinporus Ex Aniov ta-
À o v yonuatwy sig tag APn- Aavea... cf. XII, 54,359).
vaç — orrwy uvolwy Ta-
Adytwy.
Auch weisen stilistische einzelheiten auf Ephoros hin 7°),— Fer-
ner zeigt unser abschnitt beziehungen zu XIV, 54—78, der nad
Holm aus Ephoros stammt, So haben wir als gegenstück zu den
XIN, 14, 4 erwähnten zoidec hevdegos XIV, 74, 1 xgsofv-
tatos zwy suldwv, welche die karthagischen schiffe plündern. Völ-
lig entspricht sich:
67) Collmann p. 22 mit dem hinweis auf die sentenzen, beispiele
aus der geschichte, auf das lob Athens, Fricke p. 18. Nach Holm
II, 364 sind sie aus Ephoros wegen der beziehungen zu der rede de
Theodoros XIV, 65—69, die in dem Ephoros-abschnitte steht (p. 372)
Schubert, J. f. ph. Suppl. IX, 683 verweist bei XIII, 26 auf —8
Panegyr. § 28, 39, 54, 51, 47, 28. Cf. Holzapfel p. 40 f.
68) Schmidt, Per. zeitalt. I, 300.
69) Wonach Holm II, 365, Holzapfel p. 77 Ephoros zu grunde
liegt
P 50) XIII, 25, 3 ueyiomv énidocvv l«Beiv — Ephor. fr. 119
Diod XII, 40, 8) nollnv Enidoosy eliggévai; 26, 8 oi agwros reovi⸗
nuegov tois "Elson. ueradovuss — ovtos » VOouous abor , ds’ obg 0 xow&
Bios ix tis aypias — Lone sis n uspo» ElnAvde avußiacır
— Ephor. fr. 63 (Strab. X, 870) fEnusodoarvouluors; fr. 70
(M I, 256) muspodr rove dv9guinove ENGTETMY dvypéowy xag-
nüvxcói tuv Biwv. 80, 2 my sirvyiay woneg Bags gagrior cv gt-
gorii; = XV, 5, 1. Diese beziehung zeigt, dasa die reden nicht
von Timaios sind , wie Bachof, J. f. ph. 1879, p. 178 zu zeigen
verspricht. Volkerling , p. 28, a. 4 denkt an Timaios wegen der
rede des Gylippos. Indessen hat Ephoros offenbar aus ef
fekthascherei dem milden Syrakusaner Nikolaos
den Lakedaimonier gegenübergestellt.
Sicilischer krieg. 463
XIII, 14, 5: rd negb ròv U- XIV, 74, 2— 3: xui narımv
péva lyn xai nig © ife exevdóv zov dni tu telyn was
wolews 0meoxcíptvog TO- Unsoxslpevog TONOG
xoc Eyt&ut Owudtwr. Eyewe vi» Jewpérwr.
XII, 19, 1: of dèZupaxo- XIV, 64, 3: ot di Sugaxo-
9,04 — rag xatudespdel- 6505 zug alypudwiovg vuus
Gag vate dvaypapevos dvuypapevos KATHY a-
xatnyayov elg 15» no- yov elg zn» nodev. Cf.
Avy. 60, 7.
Auch entsprechen sich folgende stellen: XIII, 10, 4 — XIV,
72, 5; 10, 6 — 60, 3, 73, 1; 16, 2—3 — 72, 6, 78, 4; 17,
9 — 60, 6; 18,5 — 72, 3.
Bachof 7!) weist freilich aus gründen, die sich hören lassen,
Diod. XIV, 54—78 dem Timaios zu. Doch gestebt er p. 172
zu, dass Diod. XII, 82, 3 — XIII, 20 dem Ephoros entnommen
ist. Dann bestätigen die beziehungen dieses abschnitts zu XIV,
54—78 die annahme Holms, dass auch hier Ephoros zu grunde
liegt.
Dass Diodor sowohl die thukydideischen als auch die syra-
kusanischen angaben aus Ephoros schópfte, folgt endlich aus den
beziehungen des Diodor zu Plutarch und Justin. — Nach Plut.
Nic. 12, 16, 11 und Diod. XII, 83, 5 rath Nikias schon in der
volksversammlung, wo über das hülfsgesuch der Egestaner verhan-
delt wurde, von der unternehmung ab, während er dies nach Thuc.
6, 8, 4 erst nach seiner wahl znm feldherrn that. (Helzapfel p.
76, 77).
Mit Justin stimmt Diodor in einer thukydideischen augabe
überein :
Diod. XIII, 12, 2: qu- Thuc. 7, 47, 4: xui Just. IV, 5, 2: esse
oxwy aipetwWIsgor, — wopehkipwre- domi graviora et
slvas 1006 daxedas- goveivas ngóg ovs forsitan infeliciora
porloug — dv Er tj ywugg— no- bella, in quae ser-
vevortug 7 xadnwé- Asuov nowiodas — vare hos urbis ap-
vous el; Sixedlav un- ovd’ uv addwe xor- paratus opor-
71) J. f. ph. 1879 p. 161—173. Das, was Beloch ib. p. 600 für Ti-
maios geltend macht, beruht auf einer hypothese.
464 Siciliseher krieg.
dir rà» yonoluwr èni- para—dunuvdv- teat"),
tedetv. zaç elxoç elvas
RoodxudnoF as.
Diese zusammenstellang zeigt, dass bei Justin und Diodor
nicht, wie Holzapfel p. 50 meint, eine syrakusanische
quelle zu grunde liegt. — Sodann setzen Justin und Diodor ia
gegensatz zu Thucydides den tod des Lamachos nach der |
ankunft des Gylippos an (Holm II, 365); nach Just. IV, 4, 9
fällt er im 3ten gefecht, welches für die Syrakusaner günstig ist,
nach Diod. XIII, 8, 1 im ersten. Dieses scheint dem bei Thuc.
7, 5, 2—3, nicht dem c. 6, 3 erwähnten — wie Holm If, 358
annimmt — zu entsprechen.
Endlich zeigen sich bei beiden spuren einer syrakusanischen
quelle. Just. IV, 5, 7 30 athenische schiffe gerathen in brand,
cf. Diod. XIII, 13, 6 (Holzapfel p. 50 f.). Sodann lesen wir IV,
5, 9: ab his relictas centum triginta naves Gylippus invasit. An
beiden stellen des Justin sind die zallen zu hoch, an dieser bat
der flüchtige excerptor sicherlich die syrakusanischen schiffe
mitgerechnet. Nach Diod. XIII, 19, 1 waren es nur 50
schiffe. Uebrigens sind die versehen des Justin nicht grösser als
das IV, 5, 10 von Fricke 75) nachgewiesene. Hier lesen wir, De-
mosthenes sei durch freiwilligen tod der gefangenschaft entgangen,
wührend er nach Philist. fr. 46 sich zu tódten versuchte, —
Diese beziehungen des Diodor zu Justin liessen sich nicht erkläres,
wenn erséerer und Trogus 1. Thukydides, 2. Ephoros, 3. eine sy-
rakusanische quelle selbstständig benutzt hätten. Sie lassen
vielmehr auf eine mittelquelle schliessen, welche die thukydi-
deischen nachrichten, nach eigenem plane geordnet, mit denen
anderer quellen verarbeitet hatte. Der eine mehrheit von quellen")
benutzende autor, aus welchem Diodor und Trogus schöpften, ist
Ephoros °°).
72) Cf. Just. IV, 5, 2: censere coept ut abirent. — Thuc. 7,
7, 3: &nsévas iyngilero.
78) P. 103.
74) Dies bemerkt auch Schmidt, Per. zeitalt. I, 225, 246, 254;
II, 36.
75) Dies gibt Holm II, 365 theilweise zu; Holzapfel p. 51 glaubt,
dass Trogus den Philistos benutzte.
Sicilischer krieg. 465
IV.
Ans den beziehungen von Diod. XII, 83, 5 zu Plut. Nic. 12,
16, 11; XIII, 12, 3 und 1 zu Nic. 22, 30, 8 und 23, 30, 28
ergibt sich, dass auch Plutarch den Ephoros eingesehen, obwohl
er ihn als quelle nicht citiert 5). Dass c. 9—10 ibm entnommen
sind, haben Fricke p. 28—29 und Holzapfel p. 77 gezeigt. Auch
für den letzten theil der biographie muss ihn Plutarch hie und
da eingesehen haben, eben weil er eine mehrheit von quellen ver-
arbeitet hatte. Dass er ihn nur für einzelne fälle eingesehen,
demnach die nachrichten des Thukydides und Philistos nicht in
der relation des Ephoros vorliegen — wenn dies auch bei
einigen der fall sein kann — ergibt sich aus der anordnung der
begebenheiten bei Plutarch, die von der bei Diodor beobachteten
wesentlich abweicht’’). Uebrigeus folgt aus Nic. 1, 1, 10 ff. dass
Plutarch den Thukydides 73) wie den Philistos direkt benutzt hat.
Aus Ephoros scheint noch folgendes entlehnt zu sein:
Nic. 18, 24, 11: weyudn yàg n C. 9, 11, 21: önwg — ftflaioy
dota dsepolta 100 — roùc ww TO Tc evrvyluc
°A9nvalovs xai orgutny ov Eyeıv
auayor dé sttuylay xai
geornosy. Cf. c. 2, 3, 12.
. 20, 26, 18 f£: 99 ove d
TUY Rewtoy "QuiTeuÉVwV
moog eU rv y (av rov Nix(ov
— diargifàg Eußulorıwr ..
w A M * ,
ovoua 1006 TOY audıc yoorov
7I050110.
. 6, 7, 25: 16 99ovo tig
doing vpséueros . . cf. Ephor.
fr. 119. (Diod. XII, 39,
2—3).
€. 26, 35, 6: ws drne Feo- C. 9, 12, 15: wo avng ety
psdns.
C. 26, 35, 7: xolÀa xai weyddu C. 8, 4, 8: wo dawned xai
Aaunguvumerog noc td
Hero».
Feoqpudno.
J9eongent prrompnputu.
76) Ueber die citiermethode des Plutarch. Cf. Schmidt, Per. zeit-
alt. I, 208 f.; II, 50 ff.
77) So entspricht die anordnung der daten Nic. 19, 26, 6 ff.
der Thukydideischen 7, 7, 2 — 8,2, aber nicht der bei Diod.
XIII, 8, 8—6 vorhandenen cf. p. 458 ff.
78) Nach Schmidt II, 48 f. benutzte er ihn wegen seiner aus-
führlichkeit.
466 Sicilischer krieg.
Auf eine athenische quelle ist jedenfalls zurückzuführen c. 17,
22, 22 ff., wo Syrakus mit Athen verglichen wird, und die an-
gaben über die krankheit des Nikias c. 17, 22, 29; cf. c. 18,
23, 10 und 26, 34, 22 ff.
In wie weit Plutarch den Philistos benutzt hat, ergab zum
theil der vergleich mit Diodor. Fricke und Philippi haben, ohne
diesen heranzuziehen, ganze abschnitte der biograpbie dem Philistos
zugewiesen :
c. 17 — dleusog fou; c. 18—19 Aaxsdasportoss ; c. 19
Fricke {xuxelvou — c. 22 ty now; c. 22 neoì perio —
c. 23 ra roiatia; c. 23 6 dè Nix(ag — c. 28 évnvoyous.
Philippi 7): c. 16 ausser p. 21, 20—23; c. 17—19; c.
27 — 28.
Dieses ergebnis kann jedoch nicht als sicher bezeichnet wer-
den, Denn einmal ist, wie Holm Il, 348 —355 gegen Fricke ge
zeigt hat, von c. 16 an Thukydides stark benutzt. Sodann er
gab der vergleich vou Nic. 28 mit Diod. XIII, 19, dass Plutard
mitten in einem kapitel von einer quelle zur anderen über
geht. Wenn also nicht die angaben selbst den berichterstatter
erkennen lassen, werden nur auf grund von parallelberichten
ganze partieen einer bestimmten quelle zugewiesen werden
kónnen. .
Timaios ist von Plutarch im Nicias nach Philippi viel um
fassender benutzt worden als Philistos :
C. 12—15 (nach Fricke c. 12—16); c. 16. 21, 20—23;
c. 21, 28, 15; 21, 29, 8 f.; c. 22, 30, 11 f.; c. 24—
26; c. 29— 80 99).
Dass Philippi an einigen stellen das richtige getroffen hat,
ergibt sich aus folgenden beziehungen von Plutarch, Nicias sz
Dion, wo Timaios stark benutzt ist:
| Nic. 14, 19, 30 f.: i436o919av oi pavtesg, un more —
TO yQeu» — mtgaívo:.
| Dion. 29, 26, 2 f.: Jdeewdowvy (x. of wart.) p) room» ure
— ÀaBw csv"),
79) P. 4, 7.
80) P. 4—7.
81) Bachof, De Dionis Plutarchei fontibus, p. 57.
Sicilischer krieg. 467
Nic. 25, 33, 1 f.: oi muvresc oig Svgaxovotoss drnyyesdur
dx v» leguvvíxqv.
) Dion. 27, 24, 13: où u ávstig naga rw Dewy víxnv Epoabor
avig) 83).
Die von Philippi auf Timaios zurückgeführte stelle c. 61, 21,
20 f. erinnert an c. 27, 35, 22 ff.
Einige stellen des Nicias erinnern an ähnliche im Timoleon:
Nic. 18, 24, 23: oùd’ ei mugecrs 10v Svgaxovo(uy à ni0ra-
pévw».
Timol. 21, 22, 15 f.: wore vj» ıwv KogePlwv noÀw à n«010V-
_ €ay» tl diunénleuxer . .
Nic. 19, 25, 4 (cf. z. 16): of dì Faggyoarres EwxdCori0
| xaà ngoonyev evdug o TvAmnos LE bdoù — ini rovg
woAsplous.
Timol. 12, 12, 26: Tipodéwr, tminogevopeoog edeito ayesy
| zura TaYOS xai Ovvanısıv totic moleuloss — ot Ó' e-
Rovio TEF AQONKOTES.
Ausserdem ist wohl auf Timaios zurückzufübren:
Nic. 27, 36, 2 f.: Doc tuac, Nic. 1, 1, 18 f.: woneg druv
w Tyvanne duftrw vixwvias, Aéyn (Tiu.) voic Analog
éuov uiv undeig, ög éni 17- olwvoy nynoacdus yeyovévus
Asxavrusg evtuyluss Ovo- tov and 176 vlang Eyorta
pa xai dokav Écyoy *). Tovvoua Orgaryóv «avie-
novra ..
Hierzu kommen c. 25, 33, 3 notiz über Herakles cf. Tim. fr.
97 (Müller I, 217), c. 28, 36, 25 —27, 8 und c. 22, 30, 14—21 54).
Da nun Nic. 23, 31, 27 auch Philochoros als quelle citiert
- ist, der auch c. 18, 17, 19 (cf. Alc. 18, 392, 27) benutzt zu sein
scheint (Philoch. fr. 110), so ergibt sich für die biographie des
Nicias eine sebr umfassende quellenbenutzung von seiten des Plu-
tarch, was nach Schmidt (Per. zeitalt. Il, 78) dafür spricht, dass
sie und Krassus zu den letzten ausläufern der parallelen gehört.
82) Dass hier, wie Bachof p. 54 annimmt, Timaios zu grunde
liegt, folgt aus der beziehung von Seacaueros 10» diova toteqayw-
pévoy ob nagórtec — lougarobrro ndvıss zu Timol. 26, 26, 28 è
Tisoliwy xatectéwato nowros — sire où negi avıov. Das Timol.
p. 26, 12 ff. erzählte lesen wir Plut. symp. qu. V, 3, 2 (XI, 210 Hutt.)
mit der ausdrücklichen angabe: iorogé; dì xai Tiuasos 6 0cvy-
yoagets. Müller, Fr. h. gr. I, 225 hat dies fragment übersehen.
88) Dem steht nicht entgegen, dass Plut. c. 9, 12 f. nach Epho-
ros sagt: so dasudmoy avrò — inwvtum yevéades tou ueyiatov
xai xalàiatov sur ayadwry déduxs Nur Timaios konnte dem
Nikias eine solche bemerkung in den mund legen. Cf. Fr. 97
84) P. 488 ff., 448.
Sicilischer krieg.
Exkurs zu Plut. Nic. 6 — 9.
(Cf. p. 444 A, 461).
Nic. 9, 12, 17 ff. wird der friedensstiftenden thätigkeit des
Nikias die kriegerische politik des Perikles gegenübergestellt ©),
Hier stimmt Plutarch mit Diodor XII, 39, 3, der dem Ephoros
folgt, überein: Plutarch: 0 ui» yag — sig cupqogag wey dias
Zu B aX civ edoxe rovg “Eddnvuc — Diodor: Expire ouupéoesr atii
Thy mode ?ufBaAsiv elg uéya» noAtuor. Wie Nic, 9, 12, 18
Perikles als urheber des krieges hingestellt wird, ebenso Per. 29,
336, 6: peovog toys 100 sodéuov rjv alia» und c. 31, 331, 7.
Nach Rühl 8°) und Holzapfel 5") folgte Plutarch an diesen quellen
dem Ephoros, während Schmidt (Per. zeitalt. 3 p. 68 ff. Il, 259 ff)
sie dem Stesimbrotos zuweist, aus dem die erste halfte von c
29 geschópft ist. Dass jedoch bei Plut. c. 29, 329, 19 — c. 32
theilweise die relation des Ephoros vorliegt, zeigt der vergleich
einiger stellen mit denen des Diodor 99).
1) Per. 29, 329, 21:
aluwpevos nuons wiv
áyogüág, navrUY
dì Aspérwy —
eloyeddas.
Per. 29, 330, 1 ff.:
oùx uy doxei Gv p-
ZtGtiv UNO ye THY
AA ww uluwv è no-
Ae poco 10ig A9n-
valoig & r0 wr-
ysopu xudeleïir
stò Meyapıxzöv
éneloFnoay.
2) Per. 31, 331, 10:
85) Fricke, p. 29.
Diod. XII, 34, 4: à»-
rog dì wneploputog
Miyagtog estoy o2 us
Tg TE & yogüg xai
TWY Às pvo».
Diod. XII, 39, 4: ...
MQOCTAtIOVIEG — d v &-
Mivy tO xuzü T Y
Meyuotwy wi-
propa, un wes Fo-
nevwv di
unsAovvıssg wodemn-
> «
OUT wp
> ~
OEY aVroic.
Diod. XII, 39, 5: A6-
86) Quellen des Plut. Per., J. f. ph. 1868,
87) P. 68 ff.
88) Dass Diodor den Ephoros Adchtig hier excerpiert hat, be-
Cf. Rühl p. 671.
merkt Fricke p. 9.
Thuc. I, 67, 4: dr
dovries poly — Ir
mévov ze eloye-
cia, — xal 1
"Aruxig ay oeas.
"Thuc. I, 139, 1: Au-
xedusudvio: dè nov-
Atyov 50 mei Mr
yagtov yıyıopa
xaJdtAovos pr
dv yevé£G 9 as no-
deuov.
p. 668 f.
xai my ovyxywon-
osv èEopodoynow
aoderelas Nyovperor.
3) Per. 32, 332, 30:
tov 7zt0 suo» ÉEéxuvoer
— od x elacey d»-
doivas Aaxs-
dasporloss tà»
dn poy.
€. 32, 332, 17: de-
xopuévov dè rov dij-
pov — tag dia flo-
Ades.
Sicilischer krieg.
yuv dex dovislas
elvas 10 nel3ecdFas
sog — laxeduipovlwy
1000T0ypa0l.
Diod. XII, 40, 5: wag-
oQuncoac rovg
noÂlttug ig toy
noàAtuovinaot zóv
diuov un ngootyew
roic Aaxeduspo-
vlosc.
Diod. XII, 39,3: dwws
un nooodéynt as
tag — dsafPodas.
469
T buc. 1, 127, 3: xoi
ovx slavmelxecy
(vorher zoig Auxed.)
Gad’ dg tov zxóàc-
pov gua rove
"AInvalovs.
Schmidt (Il, 261) bemerkt nun, dass Plut. Per. 31 den Epho-
ros nicht durch xAslforovg ucervoas habe bezeichnen können, unter
welchem ausdruck dieser die ihm vorliegende hauptquelle
verstehe (Il, 142), so Per. 26 den Ephoros im gegensatz zu
Stesimbrotos (II, 300, a. 1). Da aber Plutarch von c. 29
an, wie der vergleich mit Diodor ergibt, dem Ephoros folgte, so
durfte er auf ib n mit jenem ausdruck hinweisen.
Also bestätigt die beziehung von Plut. Nic. 9, 12, 18 zu
Per. 29 und 31 die annahme von Holzapfel und Fricke, dass Nic.
9—10 Ephoros benutzt ist. Für Nic. 6, 7, 31 — 8, 4 gilt das
gleiche. Hier findet sich eine äbnliche gegenüberstellung
der beiden männer wie c. 9. Auf die beziehungen dieser
stelle zu Per. 34 hat Schmidt Il, 267 hingewiesen. Demnach
scheint Plutarch im Pericles den Ephoros weit umfassender benutzt
zu haben als Schmidt zugibt, der diesem nur die auf den samischen
krieg bezüglichen stellen c. 25—27 zuweist (ll, 37 ff.). Auch
zeigen Nic. 6—8 beziehungen zu Per. 18 — 22:
Nic. 6, 7, 21 £.: onov d’ avrog Per. 18, 319, 14: à» roig orga-
OTQATEVOLTO Tig aOpa-
Aslaug lyoutvog . .
Nic. 6,8, 23: soo Ir cag 0d 12v
zoagoaA(oav» tijg Aamwyıxnc.
Philologus. XLII. bd. 3.
ınyluss eidoxius — dia
7j» Gopalsıar.
Per. 19, 320, 15: énce dros
176 Ragadlac mol.
31
470
Nic. 6, 8, 8: xuruxisloug di
Miyagtig elg 12» wodey.
Nic. 6, 7, 25: éxepugrvoes
Nicilischer krieg.
Per. 19, 320, 24: xuréxdescer
Olvsadag eig To reiyoc.
Per.22, 322, 1: &saugzuonoer
x ? ~ a
dì xal r4 ROGY pute. avi Tu yevopervu.
Per. 19, 320, 27: o$0ií» yag
ngooxoovopa Guréfn nti
TOUS OrQartvojsévovc:
Nic. 6, 7, 26: moAAG» yag 101€
T gocxoQovOop armor —ov-
devòg — Exeivog pertoger.
Nic. 8, 10, 8: rovro ı@ Nixlu
peyuainvnveyxev adoklur.
Per. 18 fin.: weyadny tovro
1 [egexdeit DoE uy nveyxer.
Holzapfel p. 73 f. führt Per. c. 20 — 22 auf Ephoros zu-
riick, dagegen rührt nach ibm c. 18—19 aus einer anderen quelle,
weil die anordnung der begebenheiten unchronologisch ist (p. 72).
Schmidt Il, 249 ff. weist jenen abschnitt dem Stesimbrotos zu.
Pforzheim. W. Stern.
Cic. de div. I, 12, 20.
Atque haec fixa gravi fato ac fundata teneri,
Ni prius excelsum ad columen formata decore
Sancta lovis species claros spectaret in ortus.
Statt Ni prius nach der konjektur von Guilelmus finden wir in
den handschriften Ne pos, Ne post und Ni post. Obschon nun
durch das konjizierte prius ein guter sinn hergestellt ist, so
muss doch der umstand, dass die handschriftliche überlieferung
eine wesentliche veränderung erfahren hat, berechtigten zweifel in
betreff der richtigkeit jener vermuthung in uns wach rufen und
den gedanken nahe legen, ob nicht eine leichtere heilung der
stelle müglich ist. Eine solche bietet sich uns dar, wenn wir
Ni posita für Ni prius schreiben und die worte posita ezcd-
sum ad columen „aufgeführt bis zum erhöhten gipfel* übersetzen,
Bestätigt wird diese konjektur durch Ciceros worte in Catil. Ill,
8, 20: idemque (haruspices) iusserunt simulacram Iovis facere
maius et in excelso collocare et contra atque ante fuerat. ad orien-
tem convertere.
Emden. Heinrich Deiter.
— — — — — — —
XVII.
Die Fasten von Constantinopel und die Fasten
von Ravenna.
Die Fasti Idatio adscripti oder Idatiani, das Chronicon pa-
schale und die Chronik des Marcellinus gehen zurück auf fasten,
die in Constantinopel geschrieben und auch von anderen chroniken
vielfach benutzt sind. Man ist einig darüber, dass diese fasten
grosses vertrauen verdienen, man ist aber im streit über das wesen
derselben. Pallmann, Geschichte der völkerwanderung Il, 213 ff.
hatte die fasten für ostrémische reichsannalen erklürt. — Ich habe
diese auffassung bekümpft (Die fasten der spüteren kaiserzeit, Phi-
lologus 384, 235—295, 386—413, 729—739), aber jetzt hat
Holder- Egger die ansicht Pallmanns in andrer form erneut. Den
ausdruck reichsannalen verwirft er ebenfalls, — aber er behauptet,
dass die annalen, welche bis etwa 395 die gemeinsame vorlage der
Fasti Idatiani, des Chronicon paschale und des Marcellin bilden,
und welche dann von den beiden letzten chroniken noch bis in die
zweite hülfte des fünften jahrhunderts benutzt sind, officiell redi-
girt wurden oder wie es an anderer stelle heisst, dass sie amt-
lichen ursprungs seien. Um 395 sei eine redaction derselben ab-
geschlossen, und diese sei dann von dem compilator der Fasti Ida-
tiani zur herstellung des ersten abschnittes seiner fasti bis 395
benutzt. Neues arcbiv d. ges. f. alt. deutsche geschichtskunde I,
238 ff.
Das ist nun allerdings deutlich, dass 395 oder jedenfalls 399
in den Fasti ldatiani ein neuer abschuitt beginnt, der von dem frü-
heren verschieden ist. Nach 399 ist es eine consulliste von ent-
31*
BEEN
472 Zu den Fasten.
schieden weströmischem charakter, der vereinzelte nachrichten zu-
gesetzt sind. Der frühere theil ist dagegen ein auszug aus einer
reichhaltigen, in Constantinopel entstandenen chronik. Es ist ein
auszug, eine unvollständige mittheilung derselben, keine bearbeitung
der vorlage, wührend das Chronicon paschale und Marcellin aus
mehreren quellen zusammengearbeitet wurden. Auch ist die zahl
der nachrichten, welche in das Chronicon paschale und in Marcellin
aus der vorlage aufgenommen wurden, aber sich nicht in den Fasti
Idatiani finden, nicht gross. Wenn deshalb die gemeinsame vor-
lage officiell war, so müssen auch die Fasti Idatiani den character
einer amtlichen aufzeichnung tragen. Den tragen sie aber nicht.
Einmal ist die zahl der nachrichten, auch wenn wir aus dem Cliro-
nicon paschale und Marcellin ergänzen, was bei ihnen aus der vor-
lage zu stammen scheint, doch so dürftig, dass der gedanke einer
amtlichen aufzeichnung uud bekanntmachung ausgeschlossen scheint.
In dem an nachrichten reichsten abschnitt finden sich vier jahre
371, 72, 73, 74 nach einander, zu denen nichts angemerkt ist.
Direct gegen den amtlichen character sprechen dann noch fol
gende thatsachen. Die Fasti ldatiani nennen 307 — 312 die von
dem usurpator Maxentius ernannten consulo neben den consulu de
legitimen kaiser. Das ist unmüglich in einer officiellen liste
Entstand dieser theil im machtbereich des Maxentius !), so mussten
die namen doch bei der spütern redaction getilgt werden, Das
selbe ergiebt sich daraus, dass die erhebung der usurpatore
Magnentius und Vetranio in der gleichen weise gemeldet wird, wie
die erhebung eines legitimen kaisers, levatus est Magnentius sagen
die Fasti ldatiani, 257995 Mayvéruos sagt das Chronicon paschale.
Diese beschaffenheit der nachrichten ergiebt also denselben
schluss, den die beschaffenheit der consulliste forderte. Die liste
sowohl wie die nachrichten zeigen merkmale, welche mit einem
amtlichen urspruug unvereinbar sind. Die genauigkeit in den ort-
und zeitangaben lässt sich auch ohne das erklären. Eher könnte
man bei dem entschieden localen character der nachrichten vermu-
1) Rom war der sitz des Maxentius. Die erwühnung seiner con-
suln scheint auf einen römischen ursprung der liste zu deuten und
es wären also nachrichten und liste verschiedenen ursprungs. Doch
wären auch andre möglichkeiten denkbar und stelle ich die sache
ahin.
Zu den Fasten. 473
then, dass die chronik, im auftrag der stadtverwaltung zusammen-
gestellt sei. Doch auch dies ist nicht zu erweisen.
Man hat kein sicheres merkmal dafür und auch kein. au-
deres beispiel der art. Dagegen lüsst sich die entstehung einer
solchen chronik auch ohne betheiligung irgend einer behôrde er-
klären. Mancherlei leute besassen damals zeittafeln. Schon die
häufigen streitigkeiten über die berechnung des osterfestes weisen
darauf hin, namentlich aber die thatsache, dass in demselben lande
bisweilen zwei ja drei verschiedene tage gefeiert wurden. Ebenso
ist das rómische kalenderwerk von 354 mit seinen verzeichnissen
von consuln, praefecten, bischöfen, martyrern, ostertagen und an-
nalen offenbar zusammengestellt worden, um solchem bedürfnis ent-
gegenzukommen '). Wer aber immer eine derartige tafel besass,
der führte die listen der consuln leicht einige jahre weiter und
trug neben die namen der consuln und die ostertage auch wohl
das eine und andere wichtige ereignis ein, das ihn erschreckte
oder bewegte. Bei der litterarischen geschäftigkeit der zeit fehlte
es nicht an leuten, welche dergleichen auf gleicbzeitiger eintra-
gung beruheude bruchstücke sammelten und mit mehr oder weniger
bearbeitung zusammenstellten. Melır bedurfte es nicht, um ein
werk wie die vorlage der Fasti ldatiani entstehen zu lassen. Eine
solche entstehung würde auch erklüren, warum auf jahre mit ganz
genauen angaben wieder jahre folgen ohne jede nachricht und neben
genau datirten, iu knapper form überlieferten thatsachen thörichter
klatsch steht.
Die Ravennater Fasten.
Die wichtigste unterstützung bat die theorie von dem amt-
lichen ursprung der annalen von Constantinopel in der behauptung
gesucht, dass auch in Ravenna solche officielle fasten geführt wur-
den. Holder-Egger hat sogar diese ravennater fasten von 379 —
577 aus den fragmenten wiederherzustellen versucht, welche er den
1) Es ist keineswegs sicher, dass es im auftrage der stadtverwal-
tung zusammengestellt wurde, jedenfalls aber tragen mehrere be-
standtheile entschiedene merkmale privaten ursprungs. Mommsen zu
seiner ausgabe in den abhandlungen der k. sächsischen gesellschaft
der wissenschaften 1850, p. 608 spricht auch nur mit grosser zurück-
haltung von der möglichkeit, dass das werk im auftrag der stadtver-
waltung zusammengestellt wurde.
474 Zu den Fasten.
chroniken entnimmt, in denen er anschliessend an eine frühere ar-
beit von Waitz, Nachrichten der ges. der wiss. zu Göttingen 1865,
p. 81 ff. ableitungen der ravennater fasten vermuthet. Neues ar-
chiv I, 345— 368.
Die vorstellung solcher fasten von Ravenna knüpft sich zu-
nächst an den sogenannten Anonymus Cuspinianus.
Dieser anonymus ist eine compilation aus ungleichartigen stü-
cken. Mommsen hat sie mit sorgfältiger beschreibung herausge-
geben als oro. VIII in seiner abhandlung : Ueber den chronographen
von 354 abhandlungen der k. sachs, gesellsch. d. wissenschaften
1868. Die compilation bietet ihre theile in doppelter recension,
und Roncallius Vetustiora latinorum scriptorum chronica druckt die-
selben als verschiedene chroniken gesondert, was für manche beob-
achtung angenehm ist, ll, 104 ff. recension A als Anonymi Cuspi-
niani Chronicon, Il, 139 ff. recension B als Incerti Auctoris Chro-
nicon. Ein grosser theil der compilation ist nichts als ein consul-
verzeichnis, dem aus der weltchronik des chronographen, aus Pros
per und anderen quellen einzelne nachrichten beigefügt sind. Etwas
zahlreicher werden die nachrichten seit 379, von 403—438 ist
eine lücke, und von 438—455 sind nur zu 3 jahren kurze nach-
richten. Der abschnitt 455—495 hat dagegen zahlreiche nach-
richten und unterscheidet sich auch äusserlich von den übriges
theilen der compilation. Er ist auf einem losen blatt erhalten und
nur in der recension A, welche 403 abbrach. Der letzte theil
496—539 ist nur in der recension B erhalten und trägt wieder
den character des ersten theils: es ist ein consulverzeichnis, dem
an 4 stellen 504. 523. 532. 533 einige nachrichten eingefügt sind,
die obendrein noch zu falschen jahren gesetzt sind.
Es liegt daher kein grund vor, diese stücke als ursprünglich
zusammengehörig anzusehen, als fragmente eines grossen, in dem-
selben geiste verfassten annalenwerkes. Verschiedenartige bestand-
theile scheinen aneinander gereiht zu sein, um eine vollständige
liste herzustellen. Am schärfsten sind die gegensätze zwischen dem
abschnitt 455—93 und den theilen bis 379 und nach 496, ähn-
lich auch zu dem 438—455. Am meisten nähert sich jenem ab-
schnitt 455-— 493 derjenige 379—403, aber die ähnlichkeit ist
keineswegs so gross, dass man beide für abschnitte desselben wer-
kes halten müsste. Dazu kommt noch, dass zwischen ihnen nicht
Zu den Fasten. 475
nur eine lücke liegt, die sich ja durch schlechte überlieferung er-
klären liesse, sondern auch ein abschnitt 438 —455, der wieder
einen anderen character zeigt. Das alles spricht dagegen, auch
nur die abschnitte 379—403 und 455—393 als ursprünglich zu-
sammen gehürig und gleichartig zu betrachten. Bei dem versuche,
die abschnitte 379 — 403, 438 — 455 aus anderen chroniken zu
ergünzen, darf man also nicht ohne weiteres von der vermuthuug
ausgehen, die vorlage derselben hätten den gleichen charakter ge-
habt wie der folgende abschnitt 455 — 493. Ferner: die ver-
wandtschaft einer chronik mit einem theile des Cuspinianus kanu
wohl die vermutbung erwecken, dass dieselbe auch mit den anderen
theilen verwandt sei, dient aber nicht schon als beweis.
Bei dieser untersuchung ist nach folgenden grundsützen zu
verfahren. Die consulliste einer chronik kann einer anderen vor-
lage entnommen sein als die nachrichten. Die frage, ob eine chro-
nik aus den ravennater fasten abgeleitet ist, muss deshalb für die
liste und für die nachrichten getrennt geprüft werden, Die cor-
recten consullisten müssen ihrer natur gleich lauten, und seit nach
der trennuug der reiche ein cousul im osten und einer im westen
ernannt wurde und (regelmüssig von 421 ab) jede reichshülfte
ihren consul an erster stelle nannte, da mussten wenigstens die ost-
rómischen und die westrümischen listen je unter sich gleich lauten.
Allein die kümpfe der pratendenten um den thron führten zu er-
nennungen, die nur in einzelnen lündern und nur vorübergehend
anerkannt wurden. Ferner hinderten die einfülle der barbaren, die
kriege und die allgemeine stockung der verwaltung sehr oft, dass
die vom kaiser ernannten consulo in den provinzen bekannt wurden.
Wie die inschriften zeigen, erfuhr man im 5ten und 6ten jahrh.
selbst in Rom häufig nur einen oder gar keinen consul, oder we-
nigstens nicht während der ersten monate. Listen, die aus den
am ort der entstehung wirklich gebrauchten jahresbezeichnungen
zusammengesetzt wurden, zeigen deshalb maunigfaltige verschieden-
heiten. Unverändert sind solche listen wohl nicht auf uns gekom-
men, meist erfuhren sie von dem autor, der sie zusammenstellte,
aus seiner sonstigen kenntnis eine art gelehrte bearbeitung, aber
mehrere listen zeigen doch deutliche spuren dieser entstehung.
Diese unregelmässigkeiten geben gelegenheit, den zusammenhang
verschiedener listen zu prüfen. Wenn zwei listen wiederholt die
476 Zu den Fasten.
gleichen mängel oder verderbnisse zeigen, so weist dies auf zu-
sammenbang hin; haben sie aber andere, oder je in verschiedenen
jahren unvollständige jahresbezeichnungen, so ist das ein beweis
der selbstindigkeit. Diese schlüsse sind zunächst immer nur für
den bezüglichen abschnitt der liste bündig, da mauche uns heute
als einheit vorliegende liste aus verschiedenen bestandtheilen zu-
sammengesetzt wurde. Andere unterschiede zeigen sich im ge-
brauch der formeln v. c. (viro clarissimo), pp pater patriae, D. N.
Dominus noster, consule, consulibus, in der zühlung der postconsu-
late, in den unterscheidenden zusützen zu gleichen namen alius
oder junior, ferner darin ob ein oder mehrere namen des consuls
genannt werden, ob die namen im nominativ oder im ablativ stehen,
und ob p. c. post consulatum formelhaft, ohne einfluss auf den
casus steht oder den genitiv nach sich hat. Endlich noch in der
schreibung der namen. Manche namen sind so wunderlich ver-
stümmelt, dass man vermuthen darf, die listen, welche diese ver-
stümmelung haben, seien verwandt. Indes fallen diese unterscbiede
oft nur dem letzten schreiber zur last oder der schlechten überlie-
ferung und haben geringeres gewicht als die aus dem namenbe-
stande der listen abgeleiteten gründe,
Die nachrichten.
Wenn wichtige ereignisse wie tod und erhebung der kaiser
in zwei chroniken stehn, so ist daraus noch nicht auf gemeinsame
vorlage zu schliessen, Erst die gleiche auswahl vieler nachrichten
oder die gleiche form des ausdrucks kann dies erweisen. Vielfach
lauten sie jedoch our so:
Occisus est, depositus est, levatus est,
moritur, levatur, dejicitur, occiditur,
dazu der name und in den bessern aufzeichnungen der ort und das
datum. Derartige nachrichten gleichen einander dann oft wort für
wort, ohne dass sie beziehungen zu einander haben. Man kann
nicht etwa wie Holder-Egger sagen, dieser stil sei erst durch die
ravennater oder allgemeiner durch die amtlichen fasten geschaffen
worden und wo er begegne, habe man ableitung aus den raven-
nater fasten zu vermuthen. Diese schreibart entsteht naturgemäss,
wo immer das chronologische gewicht überwiegt, und ob es über-
haupt amtliche annalen gegeben hat, das ist erst zu beweisen.
Zu den Fasten. 477
Bei solcher ausdrucksweise ist es nur selten müglicl, die ver-
wandtschaft nachzuweisen. Wörtlicher anklang in nebensächlichen
bemerkungen, in periodisirten sützen ist etwas ganz anderes. Ver-
wandtschaft von chroniken, die dergleichen nicht haben, ist des-
halb vorzugsweise durch die gleiche auswahl der nachrichten zu
begründen.
I. Die abschnitte 379—455 und 496—539.
Die reconstruction, welche Holder- Egger von dem abschuitt
379— 455 giebt, besteht darin, dass er die liste und die nachrichten
des Cuspinianus theils berichtigt theils ergünzt. Und zwar be-
richtigt er nicht nur dasjenige, was in anderen ableitungen der
fasten richtig steht, sondern er berichtigt alles, was ihm falsch
scheint: gleich als ob es von vornherein feststehe, dass in den
fasten von Ravenna alles correct gewesen sei. Zur ergünzung
benutzt er vor allem Prospers chronik.
Prosper und der Anooymus Cuspinianus.
a. Die consulliste.
Für die reconstruction der consulliste der gesuchten raven-
pater fasten legt Holder-Egger statt der lückenhaften liste des
Ánonymus geradezu die liste Prospers zu grunde. Er begründet
dies damit, dass die liste Prospers mit der liste des Anonymus bis
379 identisch sei. Das ist nicht richtig. Die listen der beiden
recensionen des Ánonymus sind mit der liste Prospers zwar ver-
wandt, aber nicht so, dass man sie aus Prosper oder Prosper aus
ihnen ableiten könnte oder auch nur beide direct aus derselben
vorlage. Das zeigt sich in den jahren 145—147, wo beide listen
zwar eine grosse verderbniss gemein haben, die ihren zusammen-
hang zweifellos macht, aber sich auch durch ebenso grosse unter-
schiede trennen, ferner 222. Die consuln waren Antoninus Au-
gustus IV. Alexander Severus Caesar. Daraus macht die Prosper-
gruppe (Victorius, Cassiodor, Scaliger 28) Alexander et Augustus,
der Ánonymus dagegen Alexandro et Severo ?). Ferner 238. Der
eine consul heisst in beiden listen Pius.
8) Philologus 84 p. 412 ist durch ein versehen die angabe von
Mommsen I, mit dem Victorius vermischt.
478 Zu den Fasten.
Der andere consul hat die namen
Proculus Pontianus.
Daraus hat die Prospergruppe Pius et Proculus, der Anonymus
Pontianus et Pius, (in rec. A zu Pompeiano verderbt).
Würe aber auch die liste Prosper bis 379 identisch mit der
liste des Anonymus, so bildete das bei der verschiedenheit der theile
der compilation keinen beweis dafür, dass Prospers liste auch für
die reconstruction der vorlage des Cuspinianus von 379 ab zu
grunde zu legen sei. Die consulliste ist in diesen jahren in dem
Cuspinianus (resp. dem Sangallensis) und bei Prosper fast durch-
weg die correcte liste. Sie bieten also wenig gelegenheit zur
vergleichung unter einander, zumal in den fragmenten des Cuspi-
niauus und Sangalleusis gerade einige jahre nicht enthalten sind
399. 414, bei denen unterschiede zu erwarten waren. "Trotzdem
zeigen die fragmente in 5 jahren 400, 410, 442, 451, 453 ab-
weichungen von Prospers liste, abgesehen vou denjenigen unter-
schieden, die auf schlechte überlieferung geschoben werden künnen.
Dazu kommt noch folgendes. Die liste des Cuspinianus steht der
liste von Cassiodor-Victorius, die aus Prosper abgeleitet ist, in auf-
fallender weise nüher als dem eigentlichen Prosper. |n 5 jahren
weicht die liste Cassiodors von der liste Prospers entschieden ab
399, 410. 414, 442 uud 453. Zwei von diesen jahren 399 und
414 sind in den fragmenten des Anonymus Cuspinianus nicht er-
halten, gestatten also keine vergleichung, aber in den drei andern
410, 442 und 453 stimmen sie mit Cassiodor und scheiden sich
vou Prosper. — 410 schreibt Prosper Flavio Varane v. c. Cas-
siodor-Victorius nennt auch den von dem praetendenten Attalus er-
nannten consul 'Tertullus. Der Anonymus, der hier durch das
St. Galler fragment vertreten ist, zeigt ebenfalls einen zweiten
consul. Es ist zwar in weiterer verderbnis ein falscher name
eingedrungen, aber die verderbnis lässt sich leichter begreifen, wenn
die lesart Cassiodors zu grunde lag, als von einer form aus wie
sie Prosper zeigt. 453 hat Prosper nur den weströmischen con-
sul, Cassiodor und der Cuspinianus haben dagegen auch den ost-
rómischen consul Vincomalus. 442 endlich hat Prosper eine auf-
fullende form, welche zeigt, dass er ursprünglich nur einen consul
kannte. Cassiodor und der Cuspinianus*) haben die gewöhnliche
4) Der name des zweiten consuls ist bei dem Anonymus verderbt
»
Eom ae
~
Zu den Fasten. 479
form. Also, wenn die liste der ravennater fasten aus der Prosper-
gruppe lerzustellen und die fragmente des Cuspinianus als frag-
mente dieser ravennater fasten anzusehen wären: so läge mehr
grund vor, die liste aus Cassiodor-Victorius zu eutnehmen als aus dem
in 5 jahren 399. 410, 414. 442. 453 davon wesentlich abwei-
chenden echten Prosper. Da aber Cassiodor-Victorius aus Prosper
abgeleitet ist, so ist es unmöglich, die vorlage Prospers aus Cas-
siodor-Victorius zu entnehmen. Auch dieser umstand verbietet, die
liste Prospers auf die vorlage des Cuspinianus zurückzuführen.
Das ist der grundfehler von Holder-Eggers reconstruction, und er
begeht dann noch einen weiteren feller, indem er für die recon-
struction der angeblich gemeinsamen vorlage Prosper zu grunde
legt und ihn nach dem Cuspinianus corrigirt, wo dieser das bes-
sere zu haben scheint. Holder-Egger thut dies in 5 jahren. 400,
405. 451 sind es leichte üánderungen. 400 und 405 fügt er aus
dem Cuspinianus den ehrennamen Flavius hinzu, den Prosper nicht
hat, und 451 streicht er denselben weil er in dem Anonymus fehlt.
442 hat Prosper: Dioscoro v. c. et Eudozio d. h. er hatte ur-
sprünglich nur einen consul, formulirte demgemäss die jahresbe-
zeichoung und trug dann später den zweiten consul nach. 453
hat er nur den westrümischen consul. Es ergiebt sich daraus mit
bestimmtheit, dass seine vorlage in diesen beiden jahren nicht die
vollen consulate hatte, wie sie der Anonymus zeigt. Stammen
beide aus den ravennater fasten, so schrieben diese wie Prosper
und die vollere und richtigere form des Anonymus ist als spätere
correctur anzusehen. Die vorlage Prospers kann also nicht da-
durch gefunden werden, dass mun Prosper aus dem Anonymus er-
günzt. Am wenigsten aber durfte es Holder- Egger thun, da er
p. 232 wahrscheinlich zu machen sucht, dass rec. B und der San-
gallensis, die von 403 — 455 den Anonymus vertreten, nicht aus
ravennater sondern aus rémischen fasten stammen. Diese behaup-
Theudosius für Eudoxius. Diese verderbnis findet sich auch bei Vic-
torius (Scal. 28). Man könnte geneigt sein aus dieser gemeinsamen
verderbnis aut nahe verwandtschaft der listen zu schliessen. Allein
es ist leicht möglich, dass diese nahe liegende verderbnis aus Eu-
doxius in den bäufigeren namen Theudosius in beiden listen selb-
stindig gemacht wurde. 455 begegnet sie in dem Anonymus — im
text B — noch einmal. S. Mommsen note 20 tulit Theodosum aug.
statt tulit Eudoxiam aug.
480 Zu den Fasten.
tung ist freilich ebenso unsicher, wie die annahme, dass sie aus
ravennater fasten stammen: aber wenn man sie aufstellt, so darf
man doch nicht die angeblich aus ravennater fasten geflossene liste
Prospers nach jenen fragmenten veründern.
b. Die nachrichten.
Holder-Egger behauptet 1, 328, dass Prosper von 379 au wenig-
stens bis 425 seine profangeschichtlichen nachrichten vorzugsweise aus
den fasten nelıme. Als beweis dient die weitere behauptung, dass
die meisten profangeschichtlichen angaben Prospers bis 425 „nach-
weislich in den fasten standen oder darin gestanden haben müssen".
Eine genügende grundlage zu solcher untersuchung ist nur für den
abschnitt 379—403 vorhanden. Der Cuspinianus hat in demsel-
ben 17 nachrichten zu 12 jahren. Von diesen 17 nachrichten
finden sich 10 auch bei Prosper, 9 davon betreffen tod und erhe-
bung von kaisern oder prütendenten, die zehnte den einfall Ala-
richs in Italien. Sie sind also sämmtlich der art, dass man sie in
jeder chronik erwarten muss, und ihre erwähnung ist an sich kein
beweis für den zusammenhang. Prosper hat ausserdem zwei po-
litische und zahlreiche kirchliche nachrichten, die im Cuspinianus
fehlen. Die 7 nachrichten ferner, welche Prosper nicht hat, wohl
aber der Cuspinianus, sind: 2 naturereignisse und 5 politische nach-
richten. Naturereignisse meldet Prosper überlaupt nicht, ihr fehlen
sagt also nichts, die 5 politischeu nachrichten sind: tod des Gildo,
dessen empürung das reich uud besonders die stadt Rom in grosse
noth gebracht hatte, Theodosius aufenthalt in Rom 389, die er-
hebung des Honorius, geburt (401) und erhebuug (403) 'T'heodo.
sius Î Es ist oun zunächst nicht wahrscheinlich, dass Prosper
alle diese wichtigen dinge übergungen hatte, wenn er annalen, die
wenig anderes als dies meldeten, zu grunde legte. Aber ich will
davon absehen, und nur die gemeinsamen nachrichten vergleichen.
Von diesen 10 nachrichten stellt Prosper 7 zu anderen jahren
als der Anonymus Cuspinianus. Gratians tod setzt der Cuspinianus
richtig 3823 Prosper falsch 384, die geburt des Honorius der
Anonymus falsch 383 Prosper richtig 384, deu tod des Valentinian
und die erhebung des Eugenius der Anonymus falsch 391 Prosper
richtig 392, den tod des Eugenius der Anouymus richtig 394
Prosper falsch 395. Den tod des Theodosius der Anonymus falsch
»
—
Zu den Fasten. 481
396 Prosper richtig 395, den einfall Alarichs der Anonymus falsch
401 Prosper richtig 400.
Und nun vergleiche man die fassung dieser nachrichten.
379 Anon.: His cons. 'lTheodosius levatus est imperator a Gra-
tiano Sirmi.
Prosper: Gratianus post mortem patrui Theodosium, Theo-
dosii filium, in consortium assumit imperii et ei reguum tra-
didit orientis.
383 Anon.: et levatus est Archadius.
Prosper: Archadius "Theodosii imperatoris filius Augustus ap-
pellatur.
Anon. 383: His consulibus Gratianus occisus est a Maximo
leudimo (Lugduni) VIII Kl. Sept.
Prosper (384): |n Brittannia per seditionem militum Maxi-
mus Imperator est factus, quo mox ad Gallias transfre-
tante Gratianus Parisiis Merobaudis magistri militum pro-
ditione superatus et fugiens Lugduni captus atque occisus
est. Maximus Victorem filium suum consortem regni facit.
384 (Anon. versetzt zu 383). Eo anno natus est Honorius Con-
stautinopoli V id. Sept.
Prosper: Honorius Theodosii filius nascitur.
388 Anon.: His consul. occisus 388 Prosper: Maximus tyrannus
est Maximus V Kal. Sept. a Valentiniano et Theodosio Im-
peratoribus in tertio ab Aquileia
lapide spoliatus indumentis re-
giis sistitur et capite damnatur:
cuius filius Victor eodem anno
ab Arbogaste interfectus est in
Galliis.
391 (statt 392): His cons. de- 392 Valentinianus ad vitae fa-
functus est Valentinianus Vien- stidium nimia Arbogastis ma-
nae llli idus lun. Eo die (anno) gistri audacitate ductus laqueo
levatus Eugenius imp. XI Kal. apud Viennam periit. Arbo-
Sept. gastes magister exercitus mortuo
Valentiniano cuius exitu gra-
vabatur Eugenium in Galliis
imperare facit.
482 Zu den Fasten.
8945) Anon.: His cons. occisus
est Eugenius VIII id. Sept.
395 (Anon. versetzt zu 396):
His cons. Theodosius defunctus
est Mediolano XVIII Kl. lan.
400 (401) et intravit Alaricus
in Italiam XVIII Kl. Decemb.
Prosper (395): 'Theodosius Eu-
genium vincit et perimit.
Theodosius imperator Mediolani
moritur.
Gothi Italiam, Alarico et Rha-
dagaiso ducibus ingressi.
Diese zusammenstellung bedarf keines commentars: Prosper
hat mit dem Anonymus Cuspinianus 379—403 keinen nachweis-
baren zusammenhang, und ebenso wenig mit angeblicben fasten
von Ravenna, die man auf grund des Anonymus reconstruiren
möchte. Legt man selbst die von H. E. gegebene reconstruction
zu grunde, so ergiebt sich kein anderes resultat. Im jahre 388
zeigen seine fasten allerdings eine überraschende &hnlichkeit mit
Prosper, aber nur deshalb, weil H. E. diese stelle aus Prosper er-
gänzt hat. Der Anonymus hat zu diesem jabre nur His consul.
occisus est Maximus V Kl. Septemb.
Prosper schreibt dagegen in auffallender übereinstimmung ait
den fasti Idatiani: vgl. N. A. I, 327:
Fasti Idatiani 388: Et ipso anno
occiditur hostis publicus Maxi-
Prosper: Maximus tyrannus a
Valentiniano et Theodosio im-
mus tyraunus a Theodosio Aug.
ia miliario Ill de Aquileia die
V Kal Aug. Sed et filius
eius Victor occiditur post pau-
cos dies in Galliis a comite
peratoribus in tertio ab Aquileia
lapide spoliatus indumentis re-
giis sistitur et capite damnatur,
cuius filius Victor eodem anno
ab Arbogaste interfectus est in
'Theodosii Augusti (Abogaste) *). Galliis.
Prospers bericht unterscheidet sich von dem des Idatius bei
sonst auffallender übereinstimmung 1) dadurch, dass auch der west-
römische kaiser als sieger genanut wird und Arbogastes nicht aus
drücklich als comes Theodosii, 2) durch den zusatz spoliatus in-
5) In Roncalli's ausgabe hat Prosper zu 393 die erhebung des
Honorius und die sonnenfinsternis, aber diese stelle gehdrt zu den
interpolationen aus Marcellin. Gehörte sie nicht dazu, so würde sie
beweisen, dass Marcellin den Prosper benutzte. Mit dem Anonymus
stimmt sie nicht weiter überein, als dass sie dieselben thatsachen
melden. *) Der name erhalten in Idatii Chron.
Zu den Fasten. 488
dumentis regiis sistilur. Holder - Egger behauptet nun, beide be-
richte gehen auf die amtlichen annalen zurück, die fasti Idatiani
auf die ostrémischen, Prosper auf die weströmischen. Denn er-
stens habe Prosper eine weströmische consulliste, Allein Marcellins
ostrümische liste hindert Holder-Egger doch nicht, ihn auch west-
rómische quellen benutzen zu lassen. Sodann sei in den fasti Ida-
tiani nur der ostrümische bei Prosper auch der weströmische kaiser
als sieger genannt. Áber giebt denn Prosper seine quelle stets
unverändert wieder? oder könnten nicht auch in den oströmischen
fasten beide kaiser genannt gewesen sein? Wire das nicht trotz
der nothlage Valentiniaus sogar nothwendig, wenn diese ostrómi-
schen fasten amtlichen ursprungs waren, wie Holder- Egger an-
nimmt? Dass die fasten des Idatius nur einen kaiser nennen, be-
weist nicht dagegen, denn die fasten des Idatius geben die nach-
richten häufig mit auslassungen. Wir haben für diese vermuthung
sogar ein directes zeugnis, indem Marcellin beide kaiser nennt.
Holder-Egger lässt ibn zwar deshalb hier aus den ravennater fasten
schöpfen — aber gelten nicht Marcellin und fasti Idatiani gerade
in diesem theile als ableitungen der óstlichen fasten? Neues archiv
Il, 66 ff. Ferner. Nach Holder-Egger benutzt auch das Chronicon
imperiale die ravennater fasten N. A. I, 325 ff. Und in dieser
chronik wird die hülflosigkeit des kaiser Valentinian am schärfsten
hervorgehoben. Roncallius I, 741. Es ist eben unmöglich, nach
solchen merkmalen die verlorenen ravennater fasten zu recon-
struiren uud von den ebenfalls :verlorenen ostrümischen zu
scheiden.
Abschnitt 403 — 455.
Für den abschnitt 403—-455 ist es eigentlich unnöthig, die
vergleichung anzustellen, denn der Anonymus Cuspiniani bietet hier
zu wenig material zur vergleichung, auch wenn man ihn, was mit
einiger sicherheit geschehen kaun ©), aus dem Excerptum Sangal-
6) Das Excerptum Sangallense umfasst 24 jahre aus dem zeitraum
890—578. 523 ist das letzte jahr aus dem zeitraum, den der Cuspi-
nianus hat. Bis dahin hat das Excerptum 16 jahre, von denen 6 in
die lücke des Cuspinianus 403—438 fallen, nämlich 408. 410. 418.
419. 428. 429. In den 10 jahren, die sich mit dem Cuspinianus ver-
gleicheu lassen, stimmen die consuln fiberein und die nachrichten,
welche zu 6 dieser jahre stehen, finden sich auch in dem Cuspinianus,
484 Zu den Fasten.
lense ergäust. Holder- Eggers reconstruction entbält auch noch
andere ergünzungen, verrüth aber schon durch das häufige viel-
Die nachrichten zu 4 jahren (451. 467. 501 und 502) stehen in dem
Cuspinianus nicht, passen aber su dem character desselben und kön-
nen sehr wohl aus einem vollstündigeren exemplare der compilation
geflossen sein. Die vorlage des Excerptum bestand ferner schon aus
theilen von zwei verschiedenen recensionen wie der Cuspinianus, denn
seine angaben finden sich theils in rec. A theils in rec. B. Von den
angaben zu den im Cuspinianus fehlenden jahren 408. 410. 418. 419.
428 und 429 kann man ebenfalls vermuthen, dass sie aus einem voll-
stindigeren exemplare des Cuspinianus stammen, indessen ist doch
auch die möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die eine oder andere
nachricht aus einer andern quelle stammt. Sicher ist dies bei dem
consulat des jahres 589, das in dem Cuspinianus nach der epoche des
Paulinus (consul 584) und in dem Excerptum nach der epoche des
Belisarius (535 consul) gezählt wird, und mindestens sehr wahrschein-
lich bei den angaben 541. 549, 565. 567. 569. 571 und 578, denn von
einer fortsetzung des Cuspinianus resp. seiner vorlage bis 578 liegt
keinerlei zuverlüssige spur vor. Beide haben dann noch 589 neben
dem postconsulat den consul für 539, aber der Cuspinianus nennt ihn
richtig Apion, das Excerptum Straticius, welchen namen der vater
des Apion führte (Chronicon paschale). Wenn nun aber das Excerptum
überhaupt andre quellen neben dem Cuspinianus benutzt, so könnte
auch schon eine der früheren nachrichten aus einer anderen quelle
genommen sein. Doch bleibt es immerhin wahrscheinlich, dass die
angaben bis 523, welche dem Cuspinianus fehlen, aus dem vollstän-
digen exemplare desselben entnommen sein. Dies vollständigere ex-
emplar hatte also vermuthlich auch keine lücke zwischen 408—488.
Excerptum Sangallense
ed. de Rossi Bulletino di Archeologia Cristiana 1867 p. 17 ff. Roma.
390. Valentiniano V et Neuterio conss. Signum apparuit in caelo quasi
columna pendens per dies XXX.
893. Theodosio III et Abundantio conss. Tenebrae factae sunt die
solis hora III. VI Kl. Novembres.
408. Basso et Philippo conss Romae in foro pacis terra mugitum de-
dit per dies VII et ticeno multi maiores occisi sunt id. Aug.
et occisus est Stilico Ravennae XI Kl. Septembres.
410. Verana et Philippo II conss. Roma fracta est a Gothis Alarici
XVIIII Kl. Septembres.
418. Honorio XII et Theodosio VIII conss. sol eclipsim fecit XIIII
Kl. Aug. et a parte Orientis apparuit stella ardens perdies XXX.
419. Mazimo et Pinta conss. Signum apparuit in caelo VIII Kal.
Aug. hora noctis prima.
428. Felice et Tauro conss. Signum apparuit in caelo stella ardens
sicut facula III Non. Mar. et Romam Mauri intraverunt.
429. Florentio et Dionisio conss. Terrae motus factus est Kal. Sep-
tembres die solis.
448. Mazimo et Paterio conss. Terrae motus factus est Romae et ce-
ciderunt statuae et portica nova.
451. Marciano et Adelfio conss. Stella apparuit in caelo per dies XXX.
455. Valentiniano VIII et Anthemio conss. Mauri Romam venerunt
et pugnaverunt cum Vandalis et eversa est Sabaria a terrae
motu VII id. Septb. die Veneris.
Zu den Fasten. 485
leicht, fraglich, zweifelbaft etc. in den noten die unsicberbeit und
ruht auf voraussetzungen, die theils zweifelhaft oder unbewiesen
theils nachweisbar falsch sind. Aber selbst wenn man diese re-
construction mit Prosper vergleicht, so ergiebt sich die unmöglich-
keit Prospers westrémische nachrichten auf diese fasten zuriickzu-
führen. Bei jedem jahre, zu dem etwas reichere nachrichten ge-
geben sind, zeigt sich, dass Prosper andere kunde hat als die an-
geblichen ableitungen der fasten. Man vergleiche 409. 410. 411.
412. 413. 414. 415. 416. 417. 421. 422 u. a, Uebereinstim-
mung zeigt sich nur, so weit Prosper bei der reconstruction be-
nutzt ist. Prosper hat augenscheinlich anderweitige kenntnis. Es
mag genügen das jabr 417 zu behandeln, zumal 413 noch in an-
derem zusammenhange untersucht werden wird. Holder-Eggers
reconstruirte fasten schreiben 417: 1) His conss. nuptiae celebratae
467. Puseo et Iohanne conss. Fuit boum nimia mortalitas.
492. Anastasio Aug. et Rufo. "Terrae motus factus est noctu ante
pullorum cantus VII Kl. Iunias.
501. Abieno et Pompeio conss. Terrae motus fuit VII id. Oct. die
martis hora prima.
502. Abteno iun. et Probo conss. Terrae motus fuit in Pascha XVIII
Kal. Maias.
528. Florentio et Mazimo conss. "Theodoricus occidit Symmacum et
Boetium et mortuus est lustinus imperator et levatus est Iu-
stinianus.
589. Pc Bilisarii IIII et Stratici IIIT, Tenebrae factae sunt ab hora
diei III usque in horam IIII die Saturnis. (Stratici ist ver-
dorben aus Strategius ein cognomen des Apion, der 589 con-
sul war. Kein amtliches verzeichnis konnte so schreiben. Das
Chronicon Paschale hat Animyog tsov Zrpausyiov uovov. Cf. de Rossi).
541. Pc Basilii levatus est Vadua rex et fuit nimia mortalitas in ho-
mines et vulneribus, Pc Basilii ist gleich Basilio cs., weil die
chronisten nur Pc zu schreiben gewohnt sind. So de Rossi.
549. Pe Basilii VIII. Eo anno ingressus est Vadua rex in Romam
XVII Kl. Februarias.
565. Quatuor dectes proconsul Basilius. Eo anno apparuit in caelo
stella ardens sicut facula et mortuus est lustinianus imp. et
levatus est Iustinus imp. XI Kl. Ianuarias.
567. Pc lustini anno in caelo luna XVI non comparuit II Kl. Ian. et
occisus est Sindual rex. (Heruler.)
569. Item Pc Iustiniani aug. anno Longobardi intraverunt in Italiam
XII Kl. Apriles.
571. Pc lustini IIII anno de Neapolim egressus Narsis ingressus
Romam et deposuit palatii eius statuam et capitolium et fuit
hominum et boum nimia mortalitas. "
578. VI Pe lustini Augusti. Eo anno occisus est a suis Albida rex
longobardorum VIII Kl. Iun. et fnit hominum nimia mortalitas.
Philologus. XLII. bd. 3. 32
486 Zu den Fasten.
sunt Constantii patricii et Plucidiae Kal. Ianuariis, 2) Eo anno
ingressus est Honorius Aug. Romam triumphans.
Prosper meldet die erste nachricht unter 416 und zwar zu-
sammen mit anderweitigen nachrichten über Placidia, die in den
fasten Holder-Egger's fehlen.
Die zweite nachricht lautet bei Prosper: Honorius triumphans
Romam ingreditur praeeunte currum eius Attalo quem Liparae vi-
vere exsulem iussit. Aus ihr hat Holder-Egger die zweite nach-
richt seiner fasten entnommen. Prosper hatte also auch nach Hol-
der- Egger's meinung nucbrichten über Placidia, die in den fasten
nicht standen, weshalb soll er denn ihre heirath aus den fasten
kennen? Und ferner. Wenn die mit dem triumph des Honorius
eng verbundenen angaben Prospers über Attalus nicht auf die ra-
vennater fasten zurückzuführen sind, mit welchem rechte wird jene
nachricht aus den fasten abgeleitet ?
Mit Prosper fällt schon die möglichkeit, ravennater fasten
für diesen abschnitt nachzuweisen und zu reconstruiren, doch werde
ich zur weiteren bestütigung auch noch einige andere chroniken
untersuchen, welche Holder-Egger zu seiuer reconstruction benutzt.
Die chronik des Comes Marcellinus, das Chronicon impe
riale die Chronographie des Theophanes: Holder-Egger behauptet,
Marcellin nehme alle westrómischen naclrichten aus den ravennater
fasten, mit ausnahme der angaben zu 432 und A55 und derjenigen,
die er aus Orosius habe. Es wird also anerkannt, dass Marcellin
jedenfalls noch andre quellen über westrómische ereignisse hatte
als die fasten, und wenn man nun weiter in erwügung zieht, dass
die wichtigsten ereignisse des westens — und andere meldet Mar-
cellin nicht — auch in den ostrómischen annalen standen, welche
Marcellin benutzte: so bedürfte doch die behauptung, Marcellin
entnehme die meisten weströmischen nachrichten aus den ravennater
fasten eines bestimmten beweises, Holder-Egger giebt dafür p.
252 eine zusammenstellung derjenigen nachrichten Marcellins zu
383, 390, 393 und 418, welche sich auch in dem Cuspinianus
resp. dem Sangallensis finden. Es sind 4 naturereignisse — 2 son-
nenfinsternisse und 2 auffallende sterne — und 2 politische, die
erhebung des Honorius zum kaiser und die ermordung des kaiser
Gratian durch Maximus. Diese beiden politischen angaben standen
ohne zweifel auch in den annalen von Constantinopel, von den na-
Zu den Fasten. 487
turerscheinungen ist dasselbe zu vermuthen, und die sonnenfinsternis
von 418 findet sich denn auch ausser bei Marcellin noch in der
anderen ableitung der ostrémischen fasten, in dem Chronicon pa-
schale. Bei dem verhältnis des Marcellin zu den ostrümischen an-
nalen ist man sogar berechtigt, die liickenhafte überlieferung der-
selben in den Fasti ldatiani und dem Chronicon paschale hier aus
Marcellin zu ergänzen. Dass der Cuspinianus jene nachrichten hat,
ist also kein beweis dafür, dass Marcellin aus seiner vorlage
schöpft, und andere gründe für diese annahme sind auch nicht vor-
handen. Weder die auswahl der nachrichten zwischen 388—418
ist beim Cuspinianus dieselbe wie bei Marcellin noch die form.
Bei den politischen ereignissen bedarf das keiner erürterung, bei
den naturereignissen zeigt der ausdruck allerdings vielfach über-
einstimmung, aber diese ühnlichkeit liegt nur darin, dass nichts als
die technischen oder durch die sache geforderten ausdrücke gegeben
werden. Bei einer dieser nachrichten findet sich überdies eine
sachliche abweichung.
418 Exc. Sangallense: A parte Marcellin: Stella ab Oriente per
Orientis apparuit stella ardens Septembrem mensem surgens ar-
per dies XXX. densque apparuit.
Deutlich ist, dass beide dasselbe ereignis meinen. Aber es ist kaum
môglich, dass Marcellin aus einer vorlage ühnlich der des Sangal-
lensis seine nachricht zurecht machte und eben so sehr unwahr-
scheinlich , dass der Sangallensis eine vorlage benutzte, welche den
namen des monats nannte. Der ausdruck stella ardens apparuit
beweist nicht für gemeinsame quelle, denn es ist die regelmüssige
wendung bei diesem himmelszeichen. Diese nachricht ist vielmehr
geeignet, den beweis zu unterstützen, dass Marcellin hier aus einer
andern quelle schöpft als aus der vorlage des Sangallensis. Aehn-
lich ist es in andern jahren. 389 z. b. meldet Marcellin mit ühn-
lichen worten wie der Anonymus die ankunft des Theodosius in
Rom und doch zeigen sich sachliche unterschiede (congiarium dedit
und das datum). Aehnlich ist es 391, 394, 395. Eine besondere
untersuchung fordert das jahr A08.
In mehreren chroniken wird zu diesem jahre gemeldet, dass
in Rom die erde sieben tage hindurch ein unnatürliches stöhnen von
sich gegeben babe. Am auffallendsten ist die verwandtschaft unter
32*
488 Zu den Fasten.
dem Sangallensis und der chronik von 641. Sie haben drei nach-
richten in derselben verbindung, und wenn wir in der chronik die
erläuternden worte significans — persolvit ausscheiden, so ist die
übereinstimmung überraschend. Da nun der Sangallensis und die
chronik von 641 ohne zweifel die compilation benutzten, deren
trümmer uns in dem Cuspinianus erhalten sind, so kann es als
wahrscheinlich gelten, dass sie auch diese stelle aus einem voll-
stándigeren exemplare der compilation schépften. Aehnlich steht
die nachricht in der chronographie des Theophanes, worüber unten,
sodann noch bei Marcellin und in dem Chronicon imperiale. Mar-
cellin hat jedoch zu diesem jahre über die geschichte des westens
ausführlichere nachrichten und verknüpft den tod Stilichos nicht in
der weise der chronik von 641 und des Sangallensis mit dem brül-
len der erde in foro pacis. Es bleibt also keine andere überein-
stimmung als dass er überhaupt die nachricht bringt. Denn die
ühnlichkeit der form liegt nur in dem gebrauch des gleichen tech-
nischen ausdrucks terra mugitum dedit, und dieser findet sich auch
in dem Chronicon imperiale, welches dies wunder nach Utica legt
statt nach Rom und in foro Traiani statt in foro pacis. Derartige
wundererscheinungen, welche die von der noth der zeit aufgeregte
phantasie des volkes erzeugt, werden leicht anders localisirt oder
sobald die anregung gegeben ist an anderen orten wiederholt er-
lebt. Wenu man nicht annehmen will, dass Utica für Roma ver-
schrieben ist, so liegt hier ein beispiel solcher wiederholung vor,
Auch kann es nicht auffallen, weun das Chronicon imperiale eine
solche nachricht aus Utica bringt. Der unbekannte verfasser dieses
Chronicon hat manche ausführlichere nachrichten aus Africa, und
Utica war neben Karthago vielleicht die bedeutendste stadt der
provinz. Leider ist über die fora der stadt nichts weiter bekannt,
aber die nachricht, dass ein forum daselbst zu ehren Traians be-
naont war, ist an sich sehr glaublich, da die stadt von Trajans
nachfolger Hadrian zur colonie erhoben wurde. Unter diesen um-
ständen ist man nicht berechtigt Uticae als verderbnis zu behan-
deln und in Romae zu verändern. Wenn man es aber thut, so
lässt sich die nachricht des Chronicon doch nicht auf die vorlage
des Anonymus zurückführen, da das Chronicou auch das forum an-
ders benennt. Holder- Egger ändert freilich auch weiter das fo-
rum 'Trajani des Chronicon imperiale in forum pacis; was doch
Zu den Fasten. 489
höchstens dann zulässig wäre, wenn 1) die änderung Utica in
Roma zweifellos ware und wenn es 2) in Rom kein forum Tra-
iani gegeben hatte. Nach dieser radicalkur benutzt er die stelle
als beweis, dass das Chronicon aus den ravennater fasten schöpfe:
in wahrheit aber ist diese notiz wie das unten zu behandelnde jahr
413 eine von den vielen stellen, welche die annahme, dess das
Chrouicou die thatsachen, die auch in dem Anonymus Cuspinianus
stehen, den ravennater fasten entnühme, widerlegen. In diesem
jahre bringt es auch noch den tod des comes loannis, 402 eine
sonnenfinsternis, 432 eine bungersnoth, 452 multa signa, die dem
Anonymus Cuspinianus und dem Saugallensis fehlen. Wie verträgt
sich das mit Holder- Eggers anuahmen, dass das Chronicon impe-
riale alle seine naturereignisse aus den ravennater fasten ent-
nimmt ") und dass das Exc. Sangallense die zusammenstellung der
in den ravennater fasten enthaltenen naturereignisse bilde? Wahr-
lich, das Chronicon imperiale zeigt so häufig selbstständige kunde,
dass man nicht berechtigt ist, irgend eine nachricht auf die raven-
nater fasten zurück zu führen, wenu nicht unzweideutige zeichen
dafür sprechen, uud solche nachrichten finden sich nicht. Eine an-
gebliche spur des zusammenhangs wird noch unten besprochen
werden. Aehnlich steht es mit der chronographie des Theophanes.
Er hat manche nachrichten, die au sich in ravennater fasten ge-
standen haben können und zum theil auch in äbnlicher weise in
dem Sangallensis und der chronik von 641 steheu. Besonders auf-
fallend ist, dass "Theophanes 408 den tod des Stilicho und seiner
anhünger ebenfalls im anschluss an die nachricht von dem brüllen
der erde in Rom bringt. Dies erinnert an die vorlage des San-
gallensis und der Clronik von 641, also an die ravennater fasten
— aber es beweist doch nicht nothwendig den zusammenhang.
Der tod des Stilicho war eben das wichtigste westrümische er-
eignis des jahres, aus dem jenes wunder gemeldet wurde. Auch
ist die übereinstimmung nicht vóllig, Theophanes giebt nicht an,
dass die anhänger Stilichos in einer anderen stadt getödtet wur-
den. Ware der zusammenhang erwiesen, so würde diese abwei-
chung wenig austragen, aber hier handelt es sich darum, dass man
aus der übereinstimmung in jeuer nachricht, die sich aus sachlichen
7) Neues archiv 1, 350, note ad 402.
490 Zu den Fasten.
verhältnissen erklären lässt, nicht zu viel folgert. Möglich ist es,
dass er seine nachricht aus eiuer solchen vorlage bildete, aber noth-
wendig nicht: ob es wahrscheinlich ist, hängt davon ab, ob Theo- |
phanes in anderen jahren, in denen er westrümische nachrichten
bringt, auf die ravennater fasten zurückgefübrt werden kann oder
selbständige kunde verräth. Die längeren nachrichten sind zu sol
cher untersuchung am geeignetsten. 413. Zu der angabe Prospers
413. Iovinus et Sebastianus fratres in Gallia regno arrepto inte-
rempli macht die chronik von 641, welche eine fortsetzung Pros-
pers ist und dem Prosper selbst einige zusätze giebt, edirt von
Hille als Prosperi Aquitani Chronici Continuator Havniensis 1866,
folgenden nachtrag: capita eorum Ravenna — perlata — simulque
frater eorum Salustius occiditur. Diese worte erklärt Holder-
Egger für einen bruchtheil der bei ‘Theophanes erhaltenen no-
tiz: sous ı@ bres dogáynoa»v log "Iovßıurog xai. S-
Buctsavog of Aaungoraros xai nAIov ab xepalai avrwr tr
Pwpn xai ped muéqus nérie Écpuynour Sudovonog xal ‘Hou-
xigsavoc, und folgert dann daraus, dass "Theophanes diese stelle
aus den ravennater fasten entnahm. Allein die übereinstimmung
besteht nur darin, dass beide melden, die köpfe der empörer
seien geschickt worden — und dabei ist noch die abweichung,
dass "Theophanes sie nach Rom, die chronik sie nach Raveuna
kommen lässt. Holder-Egger erklärt Rom für ein „verschrei-
ben“ — aber der irrthum konnte doch nur entstehen, wenn
die vorlage des Theophanes den ort nicht nannte. Da ihn uuu
aber die chronik von 641 ueunt, so muss man annehmen, dass ibn
ihre vorlage auch nannte, und diese vorlage kann also nicht die
vorlage des "Theophanes gewesen sein. Ferner: es fehlt im Theo-
phanes die angabe, dass lovinus, Sebastianus und Salustius brüder
waren’, und er bat offenbar nur unsichere kunde von den dingen.
Die verbindung von Salustius und Heraclian, die verwechslung von
Rom und Ravenna, die entstellung des namens lovinus und der
mangel an näheren angaben über zeit und ort zeigen das. Es
characterisirt die unmóglichkeit des ganzen reconstructionsverfabrens,
wenn trotz der annahme, dass die ostrümischen annalen oft ganz
ähnlich schreiben wie die weströmischen, ein solcher bericht schlecht-
weg für westrümisch erklärt und zu grunde gelegt wird, um die
fasten von Ravenna zu reconstruiren, Dazu kommt, dass die ver-
Zu den Fasten. 491
schiedenen chroniken, welche als ableitungen der ravennater fasten
gelten sollen, bei einem so wichtigen ereignis von einander abwei-
chen und also die angebliche hauptquelle verschmaht haben müssten.
Es ist nümlich ganz unmüglich, Prosper, Theophanes und das Chro-
nicon imperiale auf eine gemeinsame vorlage zurückzuführen (s. o.)
und bei Marcellin ist es zweifellos, dass er nicht die ravennater
fasten sondern Orosius benutzt. Das letzte erkennt Holder- Egger
an, aber aus dem reichen und von Theophanes wie von Prosper
unabhängigen berichte des Chronicon imperiale: lovinus tyrannide
post Constantinum invadit, industria viri strenui qui solus tyranno
non cessit Dardani, Atauulfus qui post Alaricum Gothis imperi-
tabat a societate Iovini avertitur. — Salustius quoque et Sebastianus
occisi. Valentia nobilissima Galliarum civitas a Gothis effringitur
ad quam se fugiens lovinus contulerat; reisst er den satz Salustius
quoque et Sebastianus occisi heraus und erklärt ihn für eine notiz
der fasten. Woher hatte denn das Chronicon seine übrige kunde?
Woher wusste er von Dardanus und dem eingreifen des Ataulf,
der flucht des Jovinus nach Valentia? Wenn er alles das nicht
aus den fasten wusste, welcher grund liegt denn vor, ihn jene
notiz, die nur das allerbekannteste enthält, aus den fasten nelımen
zu lassen und nicht aus seiner reichen quelle? — Aehnlich ist es
419. "Theophanes meldet die geburt des Valentinian zweimal, wie
er denn öfters eine nachricht zweimal oder auch dreimal wiederholt.
In der einen nachricht werden beide eltern aufgeführt, in der an-
deren nur der vater und die art der verwandtschaft mit dem ost-
römischen kaiser. Holder - Egger behauptet nun, dass diese nach-
richt aus ostrómischen annalen genommen sei, die audere dagegen,
welche auch die mutter Placidia nenne, aus den ravennater fasten,
denn Marcellin nenne ebenfalls beide eltern. Allein es ist 1) we-
der bewiesen noch beweisbar, dass Marcellin hier aus westrümi-
schen quellen und speciell aus ravennater fasten schöpfe uud 2)
nicht zu erweisen, dass Marcellin und "Theophanes hier aus der-
selben vorlage schópfen.
Theophaues giebt beide namen der Placidia, Marcellin nicht;
Marcellin hat den zusatz iunior, Theophanes nicht; Marcellin hat
das datum, Theophanes nicht. Das alles spricht eher gegen den
zusammenhang. Aehnlich steht es 421 bei der nachricht über Con-
stantius, den siegreicheu feldherru, welcheu Honorius zum mitre-
492 Zu den Fasten.
genteu erhob. Nach Theophanes fiel erhebung und tod des Constan-
tius in dasselbe jahr, nach Prosper in zwei verschiedene jahre 420
und 421. Nach Paulus Diaconus, der nach Holder- Egger hier
ebenfalls die fasten reprüsentirt, regierte er kaum 7, nach dem
Chronicon imp. fast 8 monate. Dazu sagt Theophanes Zogayn,
die anderen melden den natürlichen tod. Aehnlich 461 (bei Theo-
phanes zühlung 455). Theophanes: rov: 16 #18 écpayn Maww-
givog ele Tagtlwva vno Psusxlou matgextov xai Ennedn elg fa-
Orda Zevigos xai Jegnévuog vwruiç “Lovatass. Dies soll nach
Holder- Egger aus den raveunater fasteu entnommen sein, deren
nachricht der Anonymus Cuspin. 461 so bewahrt; His coss. depo-
situs est Maiorianus imp. a patricio Ricimere Dertona IIII Non.
Aug. et occisus est ad fluvium Ira VII id. Aug. et levatus est
imp. DN. Severus XIII Kal. Decembr. Die ühnlichkeit liegt hier
wieder nur in den namen und in der thatsache, dass der tod des
einen und die erhebung des anderen kaisers gemeldet werden.
Aber nach "Theophanes wird Majoriau zu Dertona getódtet, nach
dem Anonymus ad flumen Ira, nach Theophanes wird Severus am
7. juli erhoben, nach dem Anonymus am 19. november und da
eine andere chronik ebenfalls den 7. juli hat, so ist Theophanes
ungabe nicht so obne weiteres als verderbnis zu bebandeln, endlich
hat Theophanes für Severus auch den anderen namen Serpentius, der
nur noch in einer oströmischen quelle begeguet. Bei solchen un-
terschieden ist es unmöglich die beiden nachrichten auf eine ge-
meinsame quelle zurückzuführen, uud die stelle ist eine warnung,
sich durch die ähnlichkeit nicht täuschen zu lassen, die dadurch
entsteht, dass dieselben thatsachen iu gleich knapper form mitge-
theilt werden. Es fellt somit für die annahme, dass es ravennater
fasten von 379—455 gegeben hat, geschweige deun für eine re-
construction derselben jede sichere grundlage. Die behandlung der
angaben des Chronicon imperiale zu 408 und über lovinus u.s. w.
sowie die identificirung der angaben des Cuspinianus zu 461 mit
Theophanes genügen alleiu schon das verfahren Holder - Eggers zu
verurtbeilen.
Man hat deshalb nicht aus den chroniken, welche dieselbe
nachricht haben, eine form zu construiren, aus der sie sich ab-
leiten lassen, sondern ihre angaben neben einander zu stellen und
neben einander zu gebrauchen. Möglicherweise benutzt man dann
»
ss
Zu den Fasten. 493
zwei angaben als unabhüngige zeugen für ein ereiguis, die eine
gemeinsame vorlage haben — aber das wird nicht oft vorkommen
und practisch nichts schaden. Denn wir behandeln ja jede in die-
sen chroniken mitgetheilte thatsache so lange als gut verbiirgt,
bis wir ihre unrichtigkeit erweisen künnen. Holder-Egger hat
dagegen nicht einmal bei den einzelnen jahren regelmässig ange-
geben, aus welchen chroniken er seine reconstruction entnimmt.
Wesen dieser abschnitte des Anonymus Cuspinianus.
Nimmt man den Anonymus Cuspiniani für sich, oder bessert
und ergünzt ibn doch nur da, wo es mit sicherheit geschehen kann,
so ist das stück 438—455 wenig mehr als eine schlechte consul-
liste, der einige nachrichten beigefügt sind. Auch bei dem ab-
schnitt 879—403 kann man vermuthen, dass die nachrichten der
consulliste erst von spüterer band zugeschrieben wurden; dass sie
also nicht ursprünglich zusammengehüren. Sicherheit ist darüber
nicht zu erlangen, aber es ist doch auffallend, dass zu fünf jahren
383. 391. 396. 401. 403 also fast zu der hälfte aller 12 jahre,
welche überhaupt nachrichten haben, solche nachrichten gesetzt sind,
die zu anderen jahren gehören. Ferner:
Keine einzige von den nachrichten nóthigt zu der annalıme,
dass sie zu Ravenna aufgezeichnet wurden. Sie könnten sämmtlich
aus den oströmischen fasten genommmen sein, und zwar gilt dies
auch, wenn man die reconstruction Holder-Eggers zu grunde legt.
Noch weniger ist gruud vorhanden, einen amtlichen ursprung die-
ser fasten zu vermuthen. Schon ihre dürftigkeit verbietet das.
Direct dagegen spricht dann die angabe zu 391: His cons. de-
functus est Valentinianus Viennae IIII idus Iun. eo die (eo anno)
levatus est Eugenius imp. XI Kl. Sept. Eugenius wurde durch
eine empürung erhoben und nach einigen vergeblichen unterhand-
lungen von Theodosius mit krieg überzogen und getódtet. Er
galt als empörer und konnte in der officiellen chronik nicht als
imperator bezeichnet werden, es würe denn, dass dieselbe in dem
machtbereich des Eugenius oder wührend der unterhandlungen mit
ihm aufgezeichnet wurde. Aber dann hätte dies nachträglich ge-
tilgt werden müssen, wie die consulate der empórer aus den amt-
lichen listen getilgt wurden.
494 Zu den Fasten.
Abschnitt 495 (496) —534.
Die liste seiner reconstruction entnimmt Holder- Egger nicht
aus dem Cuspinianus, indem er I, 232 behauptet, die liste desselben sei
aus römischen fasten entnommen, die liste der ravennater fasten sei
in der chronik von 641 und in dem Auctarium Prosperi enthalten.
Der beweis für diese letzte behauptung 1, 289 soll durch die thatsache
erbracht werden, dass die listen dieser beiden chroniken unter sich
übereinstimmten uud also aus gemeinsamer quelle abgeleitet seien.
Als solche seien aber die ravennater fasten zu vermuthen, weil
jene chroniken mit den früheren abschnitten der compilation ver-
wandt seien, Diese schlussreihe hat mehrere schwache punkte.
Die ähnlichkeit der beiden listen besteht darin, dass sie von 496—
523 nur die westrümischen consuln kennen und nie den ostrómi-
schen, aber andere westrümische listen gleichen ihnen darin mebr
oder weniger. Namentlich hat die liste des Cuspinianus, welche
doch nach Holder-Egger hier nicht aus deu ravennater fasten stam-
men soll, von 503—523 dieselbe liste, während sie sich doch 496.
497. 501 und 502 durch die kenntnis der ostrümischen consuln
von ihnen unterscheidet. Jene ühnlichkeit genügt also noch nicht,
um den beweis gemeinsamer herkunft zu erbringen. Andere be-
weise fehlen, vielmehr zeigen sich abweichungen, welche gegen die
annahme sprechen. Im jahre 500 uennt die chrouik das zweite
consullose jahr nach der ratio Victoriana als drittes consulat
des letzgenannten consuls, das Auctarium dagegen schreibt der
älteren weise gemäss iterum p. c. 2) Das Auctarium giebt 508
dem consul Venantius den beinamen Basilius, dieser name scheibt
allerdings auf verderbnis oder versetzung zu beruhen und ist des
halb nicht entscheidend — allein da auch andere listen dergleichen
namen haben (Pontacus und Bucher), so ist die annalme der ver-
derbnis doch nicht ausser zweifel. 3) Deutlich verrüth sich endlich
die verschiedenheit der listen darin, dass das Auctarium den ost-
rümischen consul des jahres 507 kennt. Er ist nur freilich durch
eine verderbnis zu 509 gerathen. 4) Entscheidend sind endlich
die abweichungen, welche sich in dem früheren theile der listen
finden, denn das jahr 495 bildet in diesen listen keinen abschaitt
und es liegt kein grund vor, den abschnitt nach 495 für sich al-
leiu zu vergleichen, Das Auctarium hat 482, 486 und 489 de
>
Zu den Fasten. 495
nischen consul nicht, wo ihn die chronik hat, hat ihn dage-
i75 und 493, wo ihn die chronik nicht hat.
Noch eine andere schwierigkeit erhebt sich. Will man die
nater fasten nach 493 (495) wiederherstellen, so wird man
hst die in dem Anonymus gegebene fortsetzung also recension
‘ir ansehen, Holder - Egger vermuthet allerdings, dies stück
cht eine ableitung aus ravennatischen sondern aus rómischen
i, allein das ist doch eben eine vermuthung, und wenn man
br nicht anschliesst, so erhült man für die ravennater fasten
liste, die in 4 jahren 496, 497, 501 und 502 die ostrémi-
consuln kennt, in denen sie die chronik von 641 und das
rium nicht haben. Noch bunter wird das bild, wenn man die
der chroniken vou Cassiodor und Marius herbeiziebt, die nach
r-Egger ebenfalls auf den ravennater fasten beruhen. Cas-
r hat in 18 jahren, Marius in 14 jahren die vollstündigen
Ipaare, in denen sie jenen listen fellen. Wenn die listen der-
:n chroniken, die für besonders treue ableitungen der raven-
fasten ausgegeben werden, so stark von einander abweichen,
bedeutet da ein versuch, die ravennater fasten zu reconstruiren?
fte es endlich noch eines weiteren beweises, so würde ihn
ustand des annalenwerkes liefern, das Holder-Egger als fort-
og der ravenuater fasten reconstruirt hat Es ist eine trüm-
ifte. consulliste und bei 22 von den 31 jahren auch keinerlei
icht. Bei 3 jabren ist ferner nur ein naturereignis ver-
vet, also finden sich politische nachrichten nur zu 6 jahren
liesen 32 jahren. Und das will man amtliche annalen nennen!
ist doch unmöglich, auch liegt in den nachrichten keine ver-
sung zu der vermuthung, dass sie in Ravenna aufgezeichnet
Das ergebuis ist: 1) die vorlage des Anonymus Cuspinianus
‘n abschuitten 379—455 und nach 493 lässt sich nicht re-
ruiren, und wir sind 2) nicht berechtigt, von ravennater fasten
essen zeitriumen zu reden.
II. Der Anonymus Cuspiniani 455—493.
A. Die verwandten chroniken.
Zweifellos ist, dass die Chronik von 641 und der Anonymus
ianus aus fasten schöpften, von denen dieser abschnitt des
496 Zu den Fasten.
Auouymus Cuspinianus ein durch manche fehler und auslassuogen
entstelltes fragment bietet, Auch der liber Pontificalis Ravenna-
tensis des Agnellus hat sie benutzt und in mehreren anderen chro-
niken werden dgl. spuren theils behauptet theils bezweifelt. Aber
die untersuchung darüber ist wichtiger für die kritik dieser chro-
niken als für die reconstruction der ursprünglichen fasten. Es
liegen dabei so viele möglichkeiten neben einander, dass man jese
anderen chroniken wenigstens zunächst bei seite lassen muss, bis
die hauptfrage entschieden ist, ob dieser abschnitt des Cuspinianus
aus ravennater fasten stammt, und ob diese ravennater fasten einea
amtlichen character trugen. Bei dieser frage beschränkt man die
untersuchung passend darauf, in wie weit sich die gemeinsame vor-
lage des Cuspinianus, Valesianus und der chronik von 641 wieder-
herstellen lasse, und ob weiter Cassiodur, Marius und das Auctarium
Prosperi als ableitungen dieser vorlage d. i. der ravennater fasten.
zu betrachten sind 5). Ven dem Auctarium ist besonders eingehend
zu handeln, weil sich dabei gelegenheit bietet, den entstehungs
process solcher annalen zu beobachten, und weil es für die recos-
struction des letzten ubschuittes benutzt worden ist.
Die consulliste der chronik von 641 ist nicht identisch mit
der des Cuspinianus, worüber unten, und der Valesianus uater-
scheidet sich in den weuigen cousulaten die er bringt ebenfalls
deutlich von dem Cuspinianus wie von der chronik von 641. la
den nachrichten zeigt dagegen die chronik von 641 in dem jabre
456 und (nach der lücke 758.74) von 474—493 eine durd-
güngige übereinstimmung mit dem Cuspinianus. Sie bat bis auf
2 kurze notizen alle nachrichten, welche dieser bringt. Aber sit
hat dieselben nicht in derselben form, ja sie giebt dieselbe nac
richt selbst oft in zwei und drei fassungen. Sie hat ferner aud
noch andere nachrichten als der Cuspinianus. Einige davon sche
nen aus der gemeinsamen vorlage zu stammen, andere nicht. Die
entscheidung darüber ist meist nicht mit sicherheit zu geben. So
bei der entthronung des Avitus, bei dem tode des Nepos 480 und
vor allem in der geschichte Odoakers. Iudessen ist doch die chre-
nik von 641 neben dem Cuspinianus (und Sangallensis) die wich-
8) Agnellus lasse ich bei seite, weil er neben deutlicher über
einstimmung auffallende abweichungen z. b. in den ortebestimmunge®
zeigt und mit seiner vorlage frei umgegangen seln muss.
pu pum EC # — gr #E' M SE" —— ES. oe uL
Zu den Fasten. 497
tigste ableitung der ravennater fasten; ihr zunächst steht der Va-
lesianus, der für einige jahre sogar noch wichtiger ist. Bei der
untersuchung, ob eine chronik auf dieselbe vorlage zurückgehe wie
der Cuspinianus entscheidet deshalb zunächst die vergleichung mit
dem Cuspinianus selbst, in zweiter linie die vergleichung mit der
chronik von 641, dem Sangallensis und dem Valesianus. Doch muss
man im letzteren fall eingedenk sein, dass man sich damit schon
auf einen schwankenden boden begiebt und gefahr lüuft, sich in
einem zirkel zu bewegen. Erst ergánzt man den Cuspinianus aus
den~verwandten chroniken, indem man diejenigen züge aufnimmt,
welche zu dem bilde der ravennater fasten zu passen scheinen, wie
man es sich nach dem überlieferten Cuspinianus gebildet hat, und
dann verdeutlicht resp. verändert man das bild der fasten nach dem
bilde des so ergänzten und veränderten Cuspinianus. Jeder schritt
weiter vermehrt da die unsicherheit, und will man die beziehungen
der verwandten chroniken näher feststellen, so entsteht ein combi-
nationsspiel mit den trümmern aer überlieferung, das sich vielleicht
sofort als falsch erweisen würde, wenn ein einziges mittelglied
mehr aufgefunden würde.
Cassiodor.
Im Philologus XXXIV. b. 2, 275 ff. hatte ich gezeigt, dass die
liste des Anon. Cuspinianus von der des Cassiodor verschieden ist —
Holder-Egger will trotzdem die liste Cassiodors auf die fasten zu-
rückführen, indem er aunimmt, dass Cassiodor eine andere recension
der ravennater fasten benutzte oder rômische fasten. Aber diese
annahme ist doch genau genommen nichts als die anerkennung,
dass die listen verschieden sind. Die nachrichten könnten trotzdem
aus der gleichen quelle geflossen sein und in der geschichte des
kampfes zwischen Odoaker und Theodorich ist der zusammenbang
unverkennbar. Mit den nachrichten über diesen kampf hat es al-
lerdings vielleicht eine besondere bewandnis (s. u.), aber die über-
einstimmung in denselben erweckt doch jedenfalls wenigstens die
vermuthung, es könnte auch in den früheren abschnitten die gleiche
vorlage benutzt sein. Allein bei näherer prüfung bestätigt sich
diese vermuthung nicht. Zwar finden sich in beiden chroniken
zum theil dieselben nachrichten, aber das sind nur solche nach-
richten, die man in jeder chronik erwarten muss. Bis auf zwei
498 Zu den Fasten.
betreffen sie alle erhebung und tod der kaiser und gewalthaber ia
Italien. Daneben hat aber Cassiodor mehrere nachrichten, welche
weder iu dem Cuspinianus noch in der Chronik von 641 stehen
und bei gemeinsamen nachrichten andere einzelheiten. So 461 und
465. Es schreibt der Cuspinianus:
461 His conss. depositus est Cassiodor: His conss. Maiorianus
Maiorianus imp. a patricio Ri- immissione Ricimeris extingoiter
cimere Dertona IV non. Aug. cui Severum natione Lucanum
et occisus est ad fluvium Ira — Ravennae succedere fecit ^
VII id. Aug. Et levatus est regnum.
imp. D. N. Severus XIII KI.
Decembr.
465 His conss. defunctus est imp. 465 His conss. ut dicitur Rici-
Severus Roma XVIII Kl. Sept. — meris fraude Severus Romae in
palatio veneno peremptus est.
Die bemerkung immissione Ricimeris ist nicht wohl als ein
kurzer ausdruck für die erzühlung des Anonymus zu fassen, um
ebenso zeigen die angaben über Severus herkunft und später über
die art seines todes, dass Cassiodor anderweitige kenntnis von die-
sen ereignissen hat. Aelnlich ist es bei der erhebuug des Anthe-
mius. Die differenz ist unzweifelhaft, und Holder-Egger stellt des-
halb die weitere hypothese auf, Cassiodor folge hier nicht dea
ravennater fasten, aber doch auch amtlichen und zwar römischen
fasten, einer neu vermutheten amtsschwester der ravennater fastes.
Diese frage ist ganz bei seite zu lassen, bis wir sicher sind, obe
amtliche ravennater fasten gegeben hat. Es herrscht ferner einver-
ständnis darüber N. A. I, 250, dass Cassiodor über die erhebung des An-
themius aus einer anderen quelle schópft als der Cuspinianus. Dam
kommt, dass er 469 und 470 rebellionen gegen Ricimer und Anthe-
mius kennt, welche der Cuspinianus nicht hat und auch nicht die
Chronik von 641. Ferner. Bei der erhebung des Glycerius nenut
Cassiodor die mitwirkung des Gundobad, die weder der Cuspinianus
hat noch eine andere ableitung, und bei der erhebung des Odoaker
giebt er ebenfalls eine selbständige notiz Wenn er aber von die-
sen kaisern überhaupt selbständige nachrichten hat, so liegt auch
kein grund vor anzunehmen, dass er tod und erhebung derselben
aus den fasten entnahm. Ebenso wenig ist dies bei den mod
Zu den Fasten. 499
übrigen kaisern Nepos und Olybrius zu erweisen. Bei der erhebung
des Olybrius an stelle des Anthemius 472 erwähnt Cassiodor die
verwandtschaft des Anthemius mit Ricimer, welche der Cuspinianus
nicht hat. Marcellin erwähnt sie, wie denn Cassiodor in diesen
jahren hier und da an Marcellin anklingt, aber es ware ganz falsch,
wollte man nun aus den angaben des Cuspinianus, Cassiodor und
Marcellin die form der fasten reconstruiren ?). Marcellin hat iu
mehreren jahren ganz unzweideutig über westrümische vorgänge
nachrichten, die sich in den fasten nicht fanden, das zeigt sich auch
da, wo er dieselben nachrichten bringt. Bei dem siege über den
Alanenkönig Beorgor nennt er Ricimer rex, der bei dem Cuspinia-
nns patricius heisst. Bei dem Anonymus steht von der erhebung
des Severus und des Anthemius levatus est imp. Dominus Noster Se-
verus (Anthemius) bei Marcellin: Locum eius (Maioriani) Severus
invasit und Leo Imperator Anthemium Patricium Romam misil
Imperatoremque constituit. Schroffer kann doch der gegensatz
kaum sein, und ebenso wenig lassen sich Marcellins angaben über
den untergang des feldherrn Marcellin 468, über die erhebung des
Glycerius 473, die verwandtschaft des Nepos 474, den kampf zwi-
schen Orestes und Odoaker 476 und den tod des Nepos 480 auf
die doch sehr weitherzig reconstruirten fasten bei Holder- Egger
zurückführen. Also, falls Marcellin und Cassiodor zusammenhang
haben sollten — was dahin gestellt bleiben mag — so wire da-
mit für einen zusummenbang zwischen Cassiodor und der vorlage
des Cuspinianus (ravennater fasten) nichts erwiesen. Ferner. Die
fassung der nachrichten ist bei Cassiodor durchgängig anders wie
bei dem Cuspinianus, nur 475 ist die spur eines anklangs.
Cassiodor:
Eodem anno Orestes Nepote in Dalmatias fugato filio suo
Augustulo dedit imperium.
Cuspinianus :
His cons. introivit Ravennam patricius Orestes cum exercitu
et fugavit imp. Nepos ad Dalmatias V Kal. Sept. Eo anno
Augustulus imp. levatus est Raveun. a patricio Oreste patre suo
pridie Kl. Novembr.
9) Auch Holder-Egger bat das nicht gewagt, obwohl er Marcellin
als ableitung der fasten betrachtet.
500 Zu den Fasten.
Der anklang besteht in dem gebrauch des wortes fugare, aber kaun
es überraschen, dass Cassiodor es anwendet, ist es nicht das sach-
lich zutreffende wort! Muss er es der vorlage des Cuspinianus
-entnommen haben? Ist nicht die nachricht im übrigen ganz und
gar anders gestaltet? Dazu kommt, dass Cassiodor über die kurz
vorgehende regierung des Anthemius und die gleich folgende erhe-
bung des Odoakar angaben hat, die nicht auf den Cuspinianus und
seine vorlage zurückgehen. Es ist deshalb kein grund zu der an
nahme, dass er die absetzung und flucht des Nepos aus den fasten
entnahm. Oder stand von diesem wichtigen ereignis nichts in den
quellen, denen er die erhebung des Odoakar u. s. w. entnahm!
Vielleicht haben wir auch noch einen directen fingerzeig dafür, dass
er über Nepos eine audere quelle hatte als die vorlage des Cuspi-
nianus. lordanis, der dies doch vermuthlich aus Cassiodors Gothea-
geschichte entnahm, fügt hinzu, dass der von Nepos gestürzte Gly-
cerius ebenfalls nach Dalmatien geflohen und bischof von Salons
geworden sei, was weder der Cuspinianus noch die chronik vos
641 haben und deshalb auch deu fasten von Ravenna nicht zuge
schrieben werden kann. Ausser diesen angaben über die kaiser
hat Cassiodor bis 476 nur zwei nachrichten mit dem Cuspinianus
gemein: den sieg Ricimers über den Alanenkónig Beorgor 464
und den tod des Marcellin 468. Beide ereiguisse waren von höch-
ster bedeutung für das regiment Ricimers, namentlieh der tod des
Marcellin. Dieser war lüngere zeit herr über Sicilien und über
das meer, der gefährlichste rival des Ricimer. In oströmisches
wie in weströmischen darstellungen wurde sein sturz verzeichnet.
Die blosse thatsache also, dass Cassiodor und der Cuspinianus diese
nachrichten bringen, ist kein grund zu der annahme, dass sie mf
gemeinsamer vorlage beruhen. Dazu kommt, dass Cassiodor über
Ricimers regiment noch andere nachrichten hat (cf. 469, 470), die
dem Cuspinianus und der chronik von 641 fehlen und also auch
für die ravennater fasten nicht vermuthet werden können.
Das ergebniss ist: dass sich abgesehen von dem kampf zwi-
schen Odoakar und Theodorich 489—493 eine verwandtschaft Cas-
siodors mit dem Cuspinianus oder der chronik von 641 nicht nach
weisen lüsst. Hütte er aber dort die vorlage derselben benutzt, so
müsste er für die bezüglichen nachrichten zugleich noch andere
quellen benutzt haben. Für eine reconstruction dieser vorlage, also
Zu den Fasten. 501
der ravennater fasten, ist demnach Cassiodors chronik nicht zu
benutzen.
Marius.
Die verschiedenheit der consulliste des Marius von der des
Cuspinianus habe ich Philologus a. a. o. 279 ff. erwiesen. Ei-
pige daselbst hervorgebobene abweichungen lassen sich vielleicht
auf verderbnis u. s. w. zurückführen — aber wenn man darin
auch noch soweit geht, so bleibt doch die thatsache, dass Marius
484, 486, 490 und 493 den ostrómischen consul hat, wo er in
dem Anouymus fehlt. Holder-Egger beseitigt diese thatsache durch
die vermuthung, dass Marius noch andere listen benutzt und aus
ihnen die liste der fasten ergünzt habe — aber wie kommt es denn,
dass er 472 nur den westrümischen consul aufoahm, während doch
die ravennater fasten beide namen hatten? Und weiter, welche
listen kann mao nicht aufeioander zurückführen, wenn man so ver-
fährt? Auders steht es mit den nachrichten. Der erste theil der
chronik des Marius hat nur spürliche nachrichten — von 464—
493 sind nur zu 6 jahren und immer nur ganz kurze nachrichten,
etwas reicher sind sie 455—463. Zu vier jahren sind zwar keine
angaben aber zu den auderen fünf ausführlichere. 1m ganzen mel-
det er 16 thatsachen — davon finden sich 10 auch in dem Cuspi-
nianus. Es sind die erhebung und der sturz der herrscher Avitus,
Majorian, Anthemius, Glycerius, Nepos und Odoaker, sodann noch das
eindringen Theodorichs in Italien. Die anderen angaben betreffen
gallische verhültnisse. Man führt sie zusammen mit den angaben
des Sulpicius Severus auf vermuthete arelater fasten zurück 1°), Jene
nachrichten hatten Pallmann, Waitz, Binding auf die ravennater
fasten zurückgeführt. Binding dann auch noch eine von den gal-
lischen nachrichten. Dem habe ich widersprochen und im anschluss
daran bin ich zu weit gegangen, wenn ich auch jene italischen
nachrichten nicht aus den raveunater fasten ableiten wollte. Hol-
der-Egger hat recht, wenn er sagt, dass die übereinstimmung nicht
bloss in den technischen ausdrücken besteht. Für die reconstruction
der vorlage des Anonymus liefert Marius jedoch höchstens 493
10) Dass diese auf grund von ravennater fasten entstanden seien
ist eine beim stande der untersuchung nutzlose vermuthung.
Philologus. XLII. bd. 3. 33
502 Zu den Fasten.
eine (unbedeutende) ergänzung und 456 einen aber auch noch zwei-
felhaften fingerzeig, dass die chrouik von 641 die angabe über die
bischofsweihe des Avitus aus der vorlage nahm.
Das Auctarium.
Ein codex des siebenten jahrhunderts enthält einen auszug aus
Prosper (Continuatio Prosperi ex Ms. Vaticano) und das soge-
nannte Auctarium Prosperi. Beide knüpfen an Prosper an und
übernehmen seine zählung a passione Domini, auch scheinen sie
endlich in derselben gegend entstanden zu sein. Deon wührend sie
sonst nur ganz dürftige nachrichten haben, meldet die Continuatio zu
498 die besetzung von Dyrrachium durch die Gothen unter Valamer
und das Auctarium zu 478, dass Theodorich, Valamers sohn, in
Dyrrachium eindrang. Wir wissen, dass Theodorich damals jene
gegenden bedrüngte, aber diese bestimmte angabe ist nur hier er-
halten. Sonst haben jedoch die beiden schriften nichts mitein-
ander gemein. Die Continuatio ist ein auzug aus Prosper in dürf-
tiger weise fortgeführt bis 466. Das Auctarium beginnt mit 464
und reicht bis 560 oder 595 und ist ein ganz anderes werk.
Der autor beginnt mit einer einleitung, die ungefähr denselben ge-
danken ausdrückt, den lordanis am schluss seiner Gothengeschichte
äussert. Wie der maler das bild der weiten welt in einem klei-
nen raum zusammenfasse, so wolle er die blüthen verschiedener
grosser schriftsteller in einen kranz der weisheit vereivigen. Er
nennt dann die schriften des losefus, des lulius Africanus, des
Prosper Aquitanus, des Orosius, des Eusebius und Hieronymus
und giebt an, wie sie die jahre der welt berechnen. Mit dieses
zeilen hat er aber auch seiner gelehrsamkeit genug gethan, dens
er fügt nur hinzu, wie viel jahre der welt zu zählen seien bis
zum consulat des Olybrius und Rusticius A64 und giebt von da en
eine chronologische tafel, welche die consuln bis 548 nennt")
und daneben die daten der osterfeier bis 560. Zwischen diese
reiben sind zu 15 jahren kurze nachrichten eingefügt, die erste
465, die letzte 512. Die meisten derselben sind die in allen chro-
niken wiederkehrenden angaben über die erhebung und den tod der
11) Spüter wird nur das erste jahr der lebenslinglichen konsulate
der kaiser (566, 579, 583) angegeben.
+
Zu den Fasten. 503
kaiser und sonstigen gewalthaber Italiens, dazu dann noch angaben
über 2 ausbrüche des Vesuvs, eine sonnenfinsternis, eine synode
502, die katholikenverfolgung des Hunerich 484, Theodorichs ein-
dringen in Dyrrachium 478 und Ravenna 493 und endlich zwei
mal 493 und 496 die erwühnung, dass thórichte menschen glaubten,
der antechrist werde erscheinen. Alle anderen jahre haben keine
nachrichten. Die consulliste und die paschaltafel bilden durchaus
die hauptsache. Beide tragen unverkennbare spuren der gleichzei-
tigen aufzeichnung. Die ostertafel giebt nicht die zum voraus be-
rechneten daten sondern die daten der wirklichen feier, denn sie
merkt wiederholt an (in 13 jahren zwischen 475 und 550), dass
die Lateiner in dem jahre das fest an einem anderen tage feierten
als die Griechen, uud zwar in 6 jahren so, dass man sieht, dass
am orte der aufzeichnung die griechische rechnung befolgt wurde,
nicht die rómische, in vier jabren umgekebrt. Der ort der auf-
zeichnung wird deshalb in dem gebiete zu suchen sein, wo Grie-
chen und Lateiner sich berührten. Aehnliche spuren gleichzeitiger
aufzeichuung zeigt die consulliste uud sie unterscheidet sich durch
dieselben von allen bekanuten listen. Von der liste des Anonymus
scheidet sie sich in den sieben ersten jahren 464—470 in drei
jahren.
Anonymus. Auctarium.
464 Rustico et Olybrio Olybrio et Rustico
466 Leone Ill et Tatiano 4 Leone Augusto Ter
470 Severo et lordane Severo v. c. Console. Severus
ist der occidentalische consul.
489 hat das Auctarium ebenfalls
wieder nur den ostrómischen con-
sul Probinus, der Anonymus hat
dagegen wieder beide.
Umgekeht verhält es sich 475, worüber unten. Besonders lehr-
reich sind die jahre 484 und 493. In beiden jahren erfuhr man
am ort zunächst nur deu occidentalischen consul und schrieb:
484 Venantio v. c, consule
493 Albino v. c. consule und trug sie so in die liste ein.
Nachträglich erfuhr man auch die namen der orientalischen
33*
504 ‘Zu den Fasten.
consuln, liess die eintragung aber stehen und setzte die ostréni-
schen consul» hinter die formeln, die das Auctarium nur bei nen-
nung eines consulats anwendet. So heissen denn die jahre:
Venantio v. c. consule et Theodorico
Albino v. c. consule et Eusevio.
Kin ühnliches zeugnis für diese entstehung der liste bietet das
jahr 475. Zuerst schrieb man wie überall im westen p. c. Leonis
und diese bezeicbnung wurde auch in die liste eingetragen. Dar-
nach erfuhr man den ostrémischen consul Zeno und setzte seinen
namen darunter !?). Es entstand so die gefahr, dass man diesen
consul als neues jahr zählte, zumal beiden jahresnamen nachrichten
beigefügt waren. 496. 497. 501 und 502 hat die liste wieder
nur den weströmischen consul, während dem Cuspinianus auch der
oströmische bekannt ist. Der schluss der liste ist oben behandelt
worden, er trägt entschieden weströmischen character und ist auf
keine andere liste zurückzuführen. Die liste ist also entstanden
durch aufzeichnung der am ort wirklich gebrauchten consulate, und
regelmüssig wurde der westrümische cousul leichter bekannt als der
ostrémische. Dieser zustand der consulliste steht nicht im wider-
spruch mit der ostertafel, welche auf einen ort an der grenze des la-
teinischen und des griechischen gebietes weist wie die ostertafel. Auf
dasselbe gebiet weist die nachricht von der besetzung Dyrrachiums,
die von keiner chrouik gebracht wird und locales interesse verrath,
sowie die zweimalige erwähnung vom ausbruch des Vesuvs. Die
liste ist also wohl in Unteritalien entstanden und offenbar von einem
geistlichen geschrieben. Ferner. lm jahre 475 stehen die nachrichten
zwischen den nach einander üblich gewesenen bezeichnungen dieses
jahres. Die nachrichten wurden also wenigstens zu diesem jahre
so eingetragen, wie sie nacheinander bekannt wurden. Darauf
weisen ebenfalls die jahre 493 und 496. 493 steht die nachricht
ssTheodorich rückt in Ravenna ein“ neben der unmittelbar aus dem
leben genommenen klage, thórichte menschen behaupten, die ankunft
12) Aehnlich das Chronicon Prospers ex Msc. Augustano 451.
Erst wird das jahr Adelfio v. c. consule benannt und eine nachrieht
über die beisetzung des Theodosius hinzugefügt. Darauf heisst es:
„es wird gemeldet, dass Marcian den thron bestiegen habe“. Offen-
bar war &uch zugleich die meldung gekommen, dass Marcian der ost-
rémische consul sei, denn nun folgt die vollständige bezeichnung des
jahres Marciano et Adelfio, aber so als sei dies ein neues jahr.
Zu den Fasten. 505
des autichrists stehe bevor. Drei jahre darauf 496 wird die klage
wiederholt. Ob endlich die liste und die paschaltafel ursprünglich
für sich aufyezeichnet wurden, ist nicht mit bestimmtheit zu sagen.
Dafür spricht vielleicht die form des eingangs „in dem ersten jahre
fiel das pascha auf den tag . . ., im folgenden jahre . ... Mehr
noch der umstand, dass sich im jahre 475 ein ansatz findet auch
der zweiten consulatsbezeichnung des jahres ein pascha beizufügen.
Allein das kann recht wohl fehler des letzten compilators sein,
und andererseits liegt es doch in der natur der sache, dass wenn
eine paschaltafel angelegt wurde, auch eine jahresbezeichnung da-
neben gesetzt wurde. Diese listen dienten dem practischen ge-
brauch und in keinem kloster und keiner stadt wird es daran ge-
feblt haben. Bei dem einen und anderen jahre trug dann der
schreiber gelegentlich auch eine nachricht ein über kriegsgefahr
und was sonst die gemiither beschäftigte. Auf diese weise ist auch
das Auctarium entstanden oder sind die elemente entstanden, aus
denen um 560 der schreiber der einleitung das Auctarium her-
stellte, indem er die theile zusammenfiigte und die gelehrten be-
rechnungen des alters der welt nebst den jabren der prosperschen
zählung vom tode Christi hinzufügte. Dahei mag er auch aus
einer anderen chronik noch einige nachrichten zu den vorbandenen
hinzugefügt haben — doch lässt sich das nicht nachweisen. Viel-
leicht findet 472 sich ein anklang an den Cuspinianus, da der kampf
zwischen Ricimer und Anthemius in beiden als bellum civile be-
zeichnet wird. Aber wenn das wirklich eine spur eines directen
oder indirecten zusammenhanges sein sollte, so könnte derselbe our
sehr unbedeutend sein und das urtheil über die entstehung des
Auctarium im ganzen nicht bestimmen.
Die fasten von Ravenna oder die vorlage des Anonymus
Cuspiniani 455—493.
1. Die liste.
Io 12 Jahren von den 39, welche dieser abschnitt umfasst,
wurde nur ein consul ernannt, bald ein orientalischer bald ein oc-
cidentalischer und einmal 477 überhaupt kein consul. 468, 473,
474 475, 478, 479, 480, 481, 483, A85, 487, 491 und viel-
leicht auch noch 466 hatte auch eine correcte liste nur ein-
506 Zu dea Fasten.
zelnamen. Zieht man dies in betracht, so ist die liste des Ano-
nym. Cuspinianus bis 475 correct und ist mit allen correcten listen
übereinstimmend. Dagegen hat sie in den noch folgenden 17 con-
sulaten (485 und 491 sind ausgefallen) in 6 jahren 475, 482,
484, 486, 490, 493 keine kenntnis des ostrümischen consuls, und
zwar ist dies nicht auf verderbnis zurückzuführen, da sie zu den
namen die formeln hinzufügt, welche sie nie anwendet, wenn sie
ein vollständiges consulpaar nennt. Marius kennt den ostrümischen
consul nur in zweien dieser jahre nicht: 475 und 482, dagegen
fehlt er ihm 472, wo ihn der Cuspinianus hat. Die chronik von
641 (oder Continuator Prosperi) hat ihn iu dre? Jahren nicht 475,
490 und 493. Cassiodor in vier 475, 482, 490, 493. Das Auc-
tarium Prosperi nur in zweien dieser jahre 482 und 490, ausser-
dem aber noch 470 und 489, in denen der Anonymus Cuspin. den-
selben kennt. Dazu kommt nun noch der consul Tatianus, den
der Cuspinianus 466 nennt und den sonst nur noch Marius und
die fasti Veronenses haben, die wieder durch 484 und 490 von
dem Cuspinianus geschieden sind.
Diese zusammenstellung zeigt, dass es reine willkür ware,
wollte man die liste des Cuspinianus mit den listen der chroniken
ausgleichen, welche nachrichten aus den Ravennater fasten entnab-
men oder in denen Holder-Egger ableitungen derselben vermuthet.
Die liste des AnonymusCuspinianus hatuns als liste
der Ravennater fasten zu gelten.
Die Ravennater fasten hatten also von 455 bis 475 eine
correcte liste und zeigten keinerlei spuren der am ort der ert
stehung wirklich gebrauchten unvollständigen jahresbezeichnung.
Von den 17 jahresbezeichnungen, die dann folgen, ist dagegen über
ein drittel unvollständig. Noch deutlicher tritt das verhältnis her-
vor, wenn wir den ersten abschnitt bis 482 nehmen. Bis zu die-
sem jahre hat der Cuspinianus die ganz correcte liste bis auf das
jahr 475, das in den meisten weströmischen listen als postconsulat
gezählt wurde. Im westen wurde in diesem jahre kein consul er-
nannt, und der im osten ernannte wurde daselbst nicht bekannt.
Also bis 482 ist die liste so gut wie correct, von den 10 cnusı-
laten, welche der Anonymus aber dann noch nennt, fehlt der ost-
rémische consul fünf mal 482, 484, 486, 490, 493. Das hüngt
nup allerdings damit zusammen, dass der ostrómische consul in die-
Zu den Faster. 507
sen jabren überhaupt im westen vielfach erst am ende des jahres
hekannt wurde oder im folgenden; aber andere listen wie Cassio-
dor, Marius, die Veroneser tafel, das Auctarium haben ihre namen
doch in mehreren dieser jahre. Schon daraus ergiebt sich, dass
diese liste nicht mit amtlichen mitteln zusammengestellt wurde.
Ferner. Bis 482 scheint der letzte redactor wenigstens neben der
aus ursprünglicher aufzeichnung hervorgegangenen liste andere li-
sten zur ergänzung und zur correctur gebraucht zu haben, nach
482 dagegen nicht.
2. Die nachrichten.
Der Cuspinianus giebt die fasten von Ravenna nicht felilerlos nnd
nicht vollständig wieder — aber da der Sangallensis, der Valesianus,
die chronik von 641 und Marius doch nicht viel haben was in dem
Cuspinianus fehlt — so werden auch die Ravennater fasten nicht
viel mehr gehabt haben. Und dabei ist es immer recht zweifelhaft,
was man aus ihnen entnehmen darf. Geht man aber selbst so weit
wie Holder-Egger, so behalten die Ravennater fasten immer doch
den character des Cuspinianus und die folgenden betrachtungen über
die nachrichten treffen zu für die engste wie für die weiteste re-
construction. Deutlich sieht man, dass diese nachrichten in Italien
aufgezeichnet wurden und an einem orte, an dem man wenigstens
die wichtigsten ereignisse mit sicherheit erfuhr. Man vermuthet,
dass es in Ravenna geschehen sei, denn Raveuna wird besouders
häufig genannt. Aber das liegt in der natur der sache, weil Ra-
venna die hauptstadt war und der schauplatz der wichtigsten be-
gebenheiten. Zu beachten ist, dass bei Ravennater ereignissen regel-
mässig der name der stadt genannt wird und es ist nicht zu sagen,
ob in den unversehrten fasten der name der stadt irgend einmal
als bekannt vorausgesetzt war. Für die aufzeichnung in Ravenna
selbst spricht, dass 455 der brand der stadt und 488 der brand
einer brücke von Ravenna, also ereignisse vou localem interesse
gemeldet werden. Auffallender weise sind dagegen in dem Ano-
nymus Sangallensis, der aus einem vollstindigeren exemplare der fa-
sten, als uns in dem Cuspinianus erhalten ist, alle erdbeben, sou-
nenfinsternisse und ähnliche ereignisse zusammenstellte, weder diese
brände verzeichnet noch auch das erdbeben, welches nach Marcellin
467 Ravenna erschüttert. Dies erdbeben fehlt auch in den ande-
508 Zu den Fasten.
ren ableitungen. Der zusammenhang Marcellius mit dem Cuspinia-
nus 455 —493 ist nicht nacbzuweisen (s. o.), und wer annimmt,
dass Marcellin die vorlage des Cuspinianus benutzte, der kann we-
nigstens nicht leugnen, dass Marcellin ausserdem andere quellen
hat. Bei dem schweigen aller sicheren ableituagen der Ravennater
fasten ist es deshalb zum mindesten unwahrscheinlich, das Marcellio
diese notiz aus den Ravenuater fasten entnahm und dass diese no-
tiz überhaupt in den fasten gestanden hat. Dies spricht gegen die
annahme eines Ravennater ursprungs der fasten, gleicher weise
auch der zustand der consulliste. Man sollte glauben, dass man
in Ravenna eine genauere kenntuis der ostrümischen consulu hätte
erlangen können. Indess, sicherheit ist über diese frage des ur-
sprungs nicht zu erlangen, uud man darf immerhin die vorlage des
Anonymus Cuspin. 455—493 wie bisher als Ravennater fasten bezeich-
nen. Viele namen und ansichten der art sind nicht besser begrün-
det. Der verfasser schrieb unter Theodorichs regiment. Er giebt
den kaisern regelmüssig das D. N. Dominus noster, wo es fehlt
scheint es aus nachlässigkeit oder verderbnis zu fehlen. Kr war
offenbar ein Rümer, bezeichnend ist, dass er auch zur zeit Odoa-
kars die kaiser als die legitimen lerrn vou Italien betrachtete.
Noch 492 giebt er dem kaiser Anastasius die namen Dominus
noster und pater patriae, auch der nach Dalmatien geflüchtete kai
ser Nepos wird noch 480 als imperator bezeichnet. Odoaker wird
dagegen nie dominus, auch nicht patricius genannt, sondern nur
rex. Dagegen wird Theodorich nach dem siege über Odoakar
wiederholt als dominus bezeichnet. Der Anonymus Valesianus, der
hier theilweise genauere nachrichten hat, zeigt den rümischen stand-
punkt noch schärfer. Theodorich nennt er während des kampfe
stets mit dem römischen titel patricius, seine grossen wie rümi-
sche beamte comites, und nach dem siege lässt er Theodorich ge-
sandte an den kaiser Zeno schicken mit der bitte, ihm zu gestatten
den königstitel annehmen zu dürfen. Während die gesandtschaft
unterwegs war, sei kaiser Zeno gestorben, und da hätten die Ge-
then, ohne den befehl des neuen kaisers abzuwarten, den Theodo-
rich zum könige erhoben. Der kampf Theodorichs gegen Odoakar
wird dargestellt als ein kampf eines römischen heeres, um Italien
dem kaiser wieder zu gewinnen. Zeno . . . . recompensans bene
ficiis "Theodoricum quem fecit Patricium et consulem. donans ei mul-
Zu den Fasten. 509
tum of mittens eum ad [taliam. Cui Theodoricus pactuatus est
ut si victus fuisset Odoachar, pro merito laborum suorum loco
eius dum adveniret tantum praeregnaret. Die chronik von 641
sieht dagegen in Theodorich nur den rex Gothorum, behandelt den
kampf als den kampf zweier selbständigen kónige. Der Cuspinianus
hat dieselbe auffassung, nur dass er nach dem kampfe den Theo-
dorich als dominus bezeichnet und ebenso die rémischen kaiser.
Wenn man diese darstellung als die der gemeinsamen vorlage
betrachtet, so wird das bild dieses theils der Ravennater fasten
ein ganz anderes, als wenn man annimmt, die auffassung des Va-
lesianus sei der vorlage nicht fremd gewesen. Hierfür spricht, dass
diese auffassung auch in demjenigen theile der nachrichten des Va-
lesianus wiederkehrt, der noch die angabe der consuln und spuren
anpalistischer schreibweise bewahrt. Dagegen spricht, dass der
Cuspinianus den character der vorlage am reinsten zu bewahren
scheint. Cassiodor, der hier die fasten gleichfalls benutzt, kann die
entscheidung nicht geben, da er mit seiner vorlage stets frei um-
geht, und Agnellus bietet nichts, was diese frage liste. Noch we-
niger gewührt hier eine der andern chroniken hülfe, die als ablei-
tung der Ravennater fasten gelten. Wäre die frage zu bejahen,
d.h. wären die angaben des Cuspinianus über Odoakar und Theo-
rich excerpte aus einer ausführlichern und nicht so farblosen dar-
stellung nach art des Valesianus, so trüge dieser schluss des Cu-
spinianus einen andern charakter als die jahre 455—489, welche
die form der vorlage allem anschein nach unveründert beibehalten.
Im ganzen betrachtet bietet der Anonymus Cuspinianus 455—493
ein hervorragendes beispiel der annalistischen geschichtsschreibung
dieser Zeit. Einen amtlichen ursprung anzunehmen ist kein grund
vorhanden. Vielmehr ist es bisher nicht einmal gelungen, auch nur
über die möglichkeit einer solchen amtlichen publication bei diesem
wechselnden regiment eine genauere vorstellung zu geben. Die
aufzeichnungen sind jedenfalls gleichzeitig — es müsste also eine
reihe einander folgender beamten in demselben geiste die eintra-
gungen gemacht haben. — Ganz undenkbar ist nun gar, dass die
angaben des Sangallensis von 539—573 aus amtlicher aufzeichnung
stammten. Sie tragen aber den gleichen character der genanigkeit
wie die früheren und bilden ein zeugnis dafür. dass dieses merkmal
510 Zu den Fasten.
nicht für amtlichen ursprung beweist, sondern nur für gleichzeitige
eintragung in eine zeittafel.
Umgekehrt giebt. es verschiedene gründe, welche gegen einen
amtlichen ursprung sprechen. 1) Einmal die dürftigkeit der nach-
richten. Amtliche annalen, die aus zwei, drei jahren bewegter
zeit nichts melden! 2) Das fehlen der kirchlichen nachrichten,
wührend die kirchlichen angelegenheiten damals einen wesent-
lichen theil der aufgaben des staates bildeten und oftmals alle
übrigen beherrschten.
3) Der zustand der consullisten, Namentlich bei der hypo-
these Holder-Eggers, dass von zeit zu zeit eine neue bearbeitung
oder fortsetzung dieser amtlichen annalen veranstaltet sei uud dass
der Ánqnymus Cuspinianus aus einer etwa um 493 veranstalteten
recension herrühre, ist es ganz unmüglich anzunehmen, dass der
verfasser im amtlichen auftrage und mit amtlichen mitteln gear
beitet habe.
Nur für den abschnitt des Anonymus Cuspinianus 455— 493
können wir ravennater fasten als vorlage vermuthen und diese
fasten scheinen keinen amtlichen ursprung gehabt zu haben.
Nicht zufällig ist dagegen wohl, dass der Anonymus da beginnt,
wo Prospers chronik aufhôrt, und in diesem fall waren die Ravennater
fasten den vielen fortsetzungen Prospers beizuzühlen. Dem inhalt
nach stehen sie jedoch in einem gegensatz zu Prospers chronik
und ebenso zu Cassiodor, Marcellin u.s. w. 1) Sie melden die
nüchsten thatsachen ohne begleitende bemerkungen und mit genauer
bezeichnung von zeit und ort. Die sprache ist schlecht und feb-
lerhaft. 2) Sie melden keine kirchlichen nachrichten. Dadurch
unterschieden sie sich zugleich von den fasten von Constantinopel,
von denen sie dann ferner noch dadurch verschieden sind, dass die
zahl ihrer localen nachrichten verschwindend klein ist, wahrend die-
selben in den fasten von Constantinopel eine grosse rolle spielen.
Diese beobachtung ist wichtig , denn die angebliche gleichar-
tigkeit der fasten von Constantinopel und der fasten von Ravenna
bildet ein wichtiges glied in der kette von hypothesen, welche zu
der theorie der amtlichen annalen führte.
Strassburg. G. Kaufmann.
ll. JAHRESBERICHTE.
50. Eutropius.
(Fortsetzung : s. ob. hft. 2, p. 379).
Zur zweiten klasse der interpolierten handschrif-
ten, deren archetypus mit C bezeichnet ist, gehört der cod. Vati-
canus MDCCCLX aus dem jahre 1313 (D) und die vorlage des
Paulus Diaconus in seiner rômischen geschichte. Ueber den cod. D,
auf welchen schon Gardthausen (Fleckeis., Jahrbb. 107, p. 262)
hingewiesen hatte, berichtet Drovsen ed. mai. p. IX, und in der
vorrede (p. VII) zu der kleinen ausgabe des Paulus Diaconus sagt
er: hic codex . . . aut ex eo ipso libro, quem usurpavit Paulus,
aut certe ex simillimo eius manavit, itaque diiudicat plerumque
quaestionem , quid in breviario legerit Paulus. Die vorlage des
Paulus wird aus den übereinstimmenden lesarten der handschriften
derselben erkannt. Die handschriften , welche in sehr grosser
zahl existieren (vrgl. Gardthausen, Fleckeis. jahrb. 107, p. 261
und Droysen, editio maior p. XXIX), theilt Droysen in zwei
klassen: die eine enthält die worte [XV, 6 (p. 120, 22; 209,
22)]: (Gothi) bifarie per Alaricum ac Fridigernum divisi
decreverunt, ut utramque rem publicam id est Fri-
digernus cum suis orientalem, Alaricus vero cum
suo exercitu occidentalem opprimeret. Hi ergo, qui
cum Fridigerno in orientali remanserant parte, lin-
gua patria ab oriente Ostrogothae id est orientales
Gothi sunt dicti, isti vero, qui occiduas petierant
regiones, ab occidente Wisigothae id est occidentales sunt appellati,
in der andern fehlen die gesperrt gedruckten worte. Die letzte
klasse bietet den besten text und hierzu gehören als die vorzüg-
lichsten handschriften der cod. Bambergensis E NI, 4, 513 (H)
aus dem 9. oder 10. jahrh., der cod. Vaticanus 3339 (V) aus dem
11. jahrh. und der cod. Berolinensis Lat. 4° 1 aus dem 13. jahrh,
512 Jahresberichte.
(B). Ueber cod. Bambergensis und cod. Vaticanus sagt Droysen
ed. mai. p. XXX: quamvis non ex eodem archetypo ipti
tamen in omnibus gravioribus et hiatibus et erroribus consentiunt,
ut eorum consensus pro uno codice haberi possit. Fir die zweite
klasse, deren text interpoliert ist, hat Droysen den cod. Laures-
tianus LXV, 35 (N) aus dem 11. jabrh. und den cod. Vaticanus
7312 (Z) aus dem 12. jahrh. verwandt, dem briefe des Paulas an
Adelperga hat er den cod. Laurentianus LXX XIX aus dem 13.
jahrh. (C), den cod. Perusinus H LXXV aus dem 14. jabrh. (A)
und den cod. Vindobonensis CIV aus dem 14. jahrh. (B) zu grunde
elegt.
i Beber das verhältniss der Familie C zu A ist bereits oben
(p. 388) gesprochen. Wann der archetypus C entstanden ist, dar-
über lüsst sich nichts bestimmtes sagen, doch das ist ziemlich klar,
dass der verfasser der Epitome, die unter dem namen des Aurelius
Victor bekaunt ist, eine handschrift der familie C vor augen hatte.
Diese epitome reicht bis zum tode des Theodosius (395), ist also
frühestens c. 400 geschrieben. Leider besitzen wir noch keine
zuverlüssige, kritische ausgabe von diesem werke, um die verschie-
denheit und übereinstimmung genau feststellen zu kónnen, aber so-
viel ergiebt sich doch aus einer vergleichung mit Eutropius, das
der epitomator lesarten aufgenommen hat, die sich in keiner an-
dern handschriftenklasse des Eutropius als in € finden. Die hanpt-
stelle hierfür, Eut. 9, 19 (67, 19; 162, 3), hat Droysen p. XXVII
bereits angeführt; wührend hier die handschriften AB vel levi fati-
gatione haben, schreibt D verbi fatigatione und ebenso Epitom. 38,
7. Noch möchte ich folgende stellen als beachtenswerth vorbria-
gen: Eut. 8, 19 (61, 5; 148, 6) per CXXXII passuum milia]
RXXXII LO, XXXII D, XXII aut XXXII P(aulus), Epitom.
20, 4 per triginta duo passuum milia. — Eut. 9, 4 (63, 8;
152, 4) Budaliae] Bubaliae D und auch Paulus, Epitom. 29, 1
Bubaliae. — Eut. 9, 17 (66, 31; 160, 12) Sirmi] sirmio (siri-
nio D) aut firmio P., Epitom. 37, 4 Sirmio. — Eut. 8, 15 (60,
1; 146, 10) depravatus] depravatus DP Lincoln., pravatus O, pn-
vatus LG, Epit. 17, 4 depravatus. — — Eut. 8, 15 (60, 2; 146,
11) gladiatoriis] gladiatoris FGLO, gladiatoriis D, Epitom. 17, 4
gladiatoriis. — Hierzu möchte ich auch folgende stellen zäblen,
in denen C mit B das bietet, was die epitome hat. Eut.*9, 14
(65, 27; 158, 6) conpescuit] conspicuit A, conpescuit BC, Epitom.
35, 4 conpescuit. — Eut. 9, 14 (65, 30; 158, 9) interfector]
intertor G, interemptor F, interfector BC, Epitom. 35, 4 inter-
fector. — Eut. 9, 16 (66, 15; 158, 22) egregie moratus] se-
gyptiae G, moderatus FG, Epit. 36, 1 egregie moratus.
Das gegenseitige verhältniss dieser drei handschriftenklassen
ist nach Droysen eiu derartiges, dass C weder aus A noch aus B
direkt abstamme, dass aber der archetypus C mit A nahe ver-
Jahresberichte. 513
wandt nach einem exemplare der B-klasse corrigiert sei. Dagegen
spricht sich Mommsen in Droysens ed. mai. p. XIV dahin aus:
scilice redire ea ad archetypa duo, ut ex altero pendeant tam
Gothanus et Fuldensis (A) quam Paulini libri (C), ex altero tam
Leidensis et Audomarensis (B) quam Paeanius. Quam ob rem
ubicumque consentiunt aut AB contra C aut BC conira A, ibi
Eutropii verba tenemus, exceptis scilicet paucissimis illis locis, de
quibus supra (p. XIII) monitum est. Mit dieser aufstellung kann
ich mich insofern nicht einverstanden erklüren, da ich annehme,
dass Paeanius und B nicht aus einem archetypus geflossen sind,
dass Paeanius nicht eine interpolierte, sondern vielmehr eine sehr
gute handschrift des Eutropius benutzt hat, wie ich oben p. 394
—402 nachgewiesen zu haben glaube. Ob die andere behauptung,
dass námlich da, wo BC miteinander gegen A zusammenstimme, der
ursprüngliche wortlaut vorliege, richtig ist, mag die folgende zu-
sammenstellung der lesarten BC gegen À zeigen.
In der wortstellung findet sich eine verschiedenheit an
folgenden stellen: richtig ist dieselbe in BC 7, 11 (48, 28; 122,
3) quosdam reges ad se per blanditias evocatos numquam remisit,
wührend A per blanditias ad se hat, da Hieronymus a. 2040, wel-
cher, wie Droysen (praef. p. XXVII) mit recht sagt, meliorem
quam qui supersunt codicem adhibuit , schreibt: ad se per blandi-
tiam. Umgekehrt ist in BC die schlechtere wortstellung 1, 2 (3,
22; 10, 7) annus unus stai uous annus A, da Hieronym. 1297
die letztere stellung bestütigt. Schwer zu bestimmen sind: 3, 1
(17, 26; 46, 17) bellum ei BC und ei bellum A; 3, 20 (23, 13;
60, 17) bene in Hispania BC und in Hispania bene A; 7, 6 (47,
5; 116, 10) Asiam et Orientem BC und Orientem et Asiam A; 7,
13 (49, 14; 122, 16) Britannis intulit bellum BC «und bellum
Britannis intulit, vgl. Bitschofsky, Oesterr. gymn. 1880, p. 840,
n. 841.
Hartel hat (Eutropius und Paulus Diaconus p. 42) gezeigt,
dass C, und ich kann auch B hinzufügen, öfter durch zusätze
kleinerer und grósserer art interpoliert ist, so ist est und
sunt in BC an folgenden stellen unnöthig: 3, 18 (23, 6; 60, 11)
relatum est; 8, 12 (58, 28; 144, 6) elatus est, Paean. ag9els;
10, 11 (75, 16; 178, 8 circulatum est; 2, 28 (17, 17; 46, 10)
creati sunt ; 7, 9 (46, 12; 114, 14) profecti sunt; 9, 17 (66, 30;
160, 11) interfectus tamen est Et ist sicherlich falsch und muss
gestrichen werden 7, 3 (46, 19; 114, 19) ut Augustus Hispanias,
Gallias et Italiam teneret, Antonius Asiam, Pontum, Orientem;
ebenso et 7, 22 (53, 12; 132, 15) et menses und que 7, 12 (49,
10; 122, 13) dieque, an beiden stellen muss es des sprachgebrauchs
wegen fehlen. Nicht nöthig ist et 2, 8 (10, 31; 28, 12) inter
Picenum Campaniam et Apuliam, da Eutropius bei aufzühlungen
et im dritten gliede setzt und fortlässt, und tum oder iunc 1, 2
514 Jahresberichte.
(3, 14; 10, 1) tunc cum B. tum cum C, wo Paean, «47° éxud;
übersetzt und 2, 18 (14, 2; 38, 5) tum inventa. — Adhuc ist zu
streichen 3, 8 (19, 15; 50, 19) Alpes adhuc tum, desgleichen fere
3, 15 (22, 14; 58, 14) omnes fere Hispaniae, da Paean. nur
zavrac 100g Jonuvovg übersetzt, sowie autem 4, 12 (40, 27; 100,
3) periit autem. Oefter ist der text in BC durch hinzufügung veo
provominibus interpoliert, so: 1, 15 (7, 9; 20, 8) patriam swam;
3, 21 (23, 27; 62, 7) his induciae; 6, 3 (37, 18; 94, 2) is Ci-
liciam subegit (Paean. scheiut an dieser stelle kein pronomen vor
sich gehabt zu haben); 10, 8 (74, 10; 176, 3) eam Graeci. —
Auch der zusutz von nom. propriis scheint mir falsch an folgenden
stellen, du Paeun. denselben nicht hat: 6, 1 (37, 5; 92, 15) solus
Metellus; 3, 14 (21, 17; 56, 16) decimo anno post quam Hea-
nibal in ltaliam venerat P. Sulpicio, Cn. Fulvio consulibus Han-
nibal . . . accessit, Puean. übersetzt dexurp dè Eres ınc dmi vyr
"Tadley elocdov 12v "Ayowv Sovintxsog uiv xai Dovißsos gear
dnuios, Avrifus dì éni tv noli xrÀ., man ersieht daraus, dass er
wie A Hannibal nicht zweimal an dieser stelle vor sich batte.
Wenn Orosius 4, 17, 2 (ed. Zangem. 251, 20) decimo anno post
quam Hannibal in Italiam venerat, Cn. Fulvio, P Sulpicio consu-
libus Hannibal . . . movit genau so wie Eutropius schreibt, so ist
darauf kein gewicht zu legen, da Orosius eine handschrift der B-
klasse benutzt hat. — 8, 18 (60, 17; 146, 22) steht in BC
hinc imperii Romani administrationem , im Fuld. für Romani:
summam, im Goth, somni und in den andern handschriften omnis,
Paeanius übersetzt xai déyetus mv Baosdeluy Denuusog Tevnpoc.
Ich halte die lesart des Fuldensis für richtig, wie oben p. 391,
. 392 schon bemerkt ist. — 2, 21 (15, 12; 40, 15) liest mao in
BC omni Romano exercitu, A lässt Romano weg, ebenso Paeas.,
der wore nuonç pèv tig o1gatag OicyiMovg doapuyeïy poro
übersetzt.
Folgende zusütze iu BC scheinen dagegen von Eutropius her-
zurühren, da sie auch von Paeanius und andern bestütigt werdes.
So steht 1, 2 (3, 21; 10, 6) in BC et cum orta subito tempe
state non conparuisset, anno regni tricesimo septimo ad deos tran-
sisse creditus est et consecrutus. Fr. Lüdecke (Fleckeis. Jahrb.
111, p. 877) erklürt diesen zusatz für eine unzweifelhafte interpo-
lation, Hartel hat denselben eingeklammert, Droysen ganz wegge-
lassen. Ich glaube mit unrecht. Deno auch Hieronymus (a. 1297)
hat et consecratus, und wenn Droysen ed. mai. p. XXVII zu con-
secratus bemerkt: „vocabulum a codicibus optimis A alienum uirum
in exemplari. Hieronymi fuerit an interpolatum. ex Hieronymi libris
in deteriores breviurii codices venerit, diiudicare non ausim“, so
zweifle ich gar nicht daran, dass Hieronymus in seinem codex des
Breviariums, der sehr gut war, vielleicht besser als die A-klasve,
gewiss et consecratus. vorfand, um so mehr da auch Paeanius folgen-
Jahresberichte. 515
dermassen übersetzt : TOUTWY oũtu may Evtwy qupaov EEalypyng
En:i3dy dea»? tov "Puopwioy ênofnoer. "EE èxelvov dé els rode
nentorevias mQóg Feodg dvesdipdas. Kudsequdn ov nugu
twy ágyopévoy ern xıl., vrgl. Duncker, Progr. p. 17. Wenn et
consecratus wie ein späterer zusatz, wie ein anhängsel von frem-
der hand seiner stellung wegen erscheinen sollte, so bemerke ich,
dass diese wortstellung sich bei Eutropius ófter findet, z. b. 6, 6
(38, 7; 94, 16) coactus est et obsessus; 6, 15 (41, 29; 102, 5)
victus est et interfectus; 6, 20 (43, 20; 106, 4) victus est et
fugatus; 7, 13 (49, 24; 124, 7) post mortem consecratus est di-
vusque appellatus; 8, 8 (37, 21; 140, 24) inter divos relatus est
et merito consecratus, an den beiden letzten stellen übersetzt Paea-
nius auch x«9uequi9g. — 1, 20 (8, 14; 22, 14) hat B: post
viginti deinde (inde C) annos Veientani rebellaverunt, A lässt deinde
weg, aber Paeanius übersetzt: eixoos dè toOtEQgow 1avrQgQ TS
payns éviauroïç Béssos madevy dv(xgcav 10v. nóÀsuov, vrgl. auch
noch 3, 6 (18, 24; 48, 15) aliquot deinde annis post ..., worauf
Bitschofsky p. 840 aufmerksam gemacht hat. — 2, 9 (11, 15;
30, 12) postea cum pater ei Fabius Maximus legatus datus fuisset,
BC haben datus, was in A fehlt, Paeanius: Anyatog dì avi yes-
cororndeis 6 natno PaBios évlxnoe, vrgl. Duncker, Progr. p. 18.
In BC sind ófter est, et und andere kleine wórter aus-
gelassen, die aber gesetzt werden müssen, so fehlt est 9, 8
(64, 3; 154, 7) bei vastata; 7, 1 (45, 21; 112, 13) bei iudi-
catus; in 9, 13 (75, 30; 178, 19) bei imperio Romano; et 7,
17 (51, 5; 128, 1) hinter occidit und 7, 20 (52, 20; 130, 16)
zwischen senatui und populo, Paeanius übersetzt letztere stelle :
navit toívvy dvponmévos Tous TE und TOU dy pou xai tows dv
Taig Yyeuorlusç xai 10 ie anay Enlons te und nuviwy Juv-
paloueros Ersievmos. — 7, 21 (53, 4; 132, 9) fehlt nicht bloss
in BC, sondern auch in G " vor dimiserit , welches sich aber im
Fuldensis findet und auch von Paeanius übersetzt ist: xai yevo-
proc àni tig Baosdelag ovtws qv xosvòs xai uéiQiog, we undéra
piv dnasiou 1iuwolav, rovg dé én’ avrò GvOravrag ix Gvvo-
pocíac ageivul Te xai xaragıdumons zoic plâoi. Hartel schrieb
vel ohne genügenden grund, vrgl. Eutropius und Paulus Diaconus
p. 49.
Derselbe gelehrte hat (Eutrop. und Paul. Diac. p. 50) darauf
aufmerksam gemacht, dass Paulus alles ungewöhnliche vermeidet ;
dasselbe lässt sich in einem gewissen grade auch von B sagen.
Hartel führt mit recht an 3, 8 (19, 20; 50, 19) exercitum Ari-
minum transvexit, wo in C wie auch in B traiecit steht; solche
änderungen habe ich noch gefunden: 1, 16 (7, 19; 20, 15)
superavit FG, superfuit BC; 1, 17 (7, 24; 20, 18) fere A;
ferme BC; 4, 26 (31, 29; 82, 4) reprobata A, improbata BC;
5, 1 (32, 25; 84, 7) redirent A, venirent BC, vrgl. Lüdecke,
516 "Jahresberichte.
Fleckeis. Jahrbb. 107 p. 877 und O. Keller, Güttimg. gel. Ans.
1874, 1, p. 152, der bemerkt, dass eine ganz gleiche variante
sich auch bei Hor. epist. 2, 2, 22 finde; 6, 20 (43, 18; 106, 3)
reversus A, regressus BC. Zwar findet sich, wie Bitschofsky p.
841 gezeigt hat, regredi bei Eutropius weit häufiger als reverti,
aber das grade scheint mir auch ein grund für den abschreiber ge-
wesen zu sein, hier die bei Eutropius gebräuchliche form statt der
seltneren zu wählen; 9, 3 (72, 21; 172, 2) enuntiaverat A, Paean.:
Inuyy&iicı, nuntiaverat BC, Paeanius übersetzt nuntiare durch
ayyflley 2. b. 9, 18 (161, 19). Hierzu rechne ich auch die
umänderung des abl. plur. quis, was in A geschrieben steht, in
quibus oder qui‘, was in BC überliefert ist, an folgenden beiden
stellen 7, 11 (48, 28; 122, 3) uud 10, 15 (76, 11; 178, 29)
Qui ist sicherlich falsch, fraglich bleibt nur, was an der ersteren
stelle zu schreiben ist, da Hieronymus quibus hat. Hartel (Eutro-
pius und Paul. Diaconus p. 38) bemerkt mit recbt, dass das quibus
bei Hieronymus statt des seltneren und wohlbezeugten quis hier
wenig zu bedeuten hat, wie auch 7, 15 die lesart desselben Ale-
xandrinae statt Alexandrianae. Im Philolog. Anzeiger X, p. 50,
51 habe ich mich schon dahin ausgesprochen, dass an beiden stel-
len nichts zu ündern ist, wie es Droysen gethan lat.
Ferner ist in BC die schlechtere lesart enthalten: 3,
10 (20, 3; 52, 10) callidum BC, calidum A, aus Paeanius ergiebt
sich nichts, Capito dagegen übersetzt: 06 éguuru ywolu xatesdngus
ini nodvd dinye 10v modeuor GufAvvwv t)» tov "AvviBov OEurnsa
yooviuss diurpifaïs, vrgl. Joh. Antioch. ap. Suid. s. v. denys. —
3, 10 (20, 10; 54, 1) consulares et praetorii XX, BC haben aut,
A et, Orosius 4, 16, 3 ed. Zangem. p. 248, 5 aut, er folgt also
der B-klasse, Paeanius übersetzt dagegen: unurıxo dè avdges xai
nquiwqsos. — 3, 17 (22, 27; 60, 3) Hispaniam BC, Hispanias
A, plural besser nach Paeanius. — 4, 16 (29, 31; 76, 3) im
peratores BC, imperatorem A, Paeanius: unexplvaro pydopws
dgtoxesy “Pwyuloig dvasgetoFas 10y nyovutvoy ino Tüv UAnxOWwWY. —
6, 22 (44, 5; 108, 5) ipse BC, ipsi A, Paeanius: é2’ adi. —
10,1 (71,2; 168, 7) administrationem BC, administratione A, Paea-
nius: of uiv ov» émuvouro TI aoyng x:3. — 1, 19 (8, 10; 22,
10) sexto vel BC, sexto, Veii A, letzteres ist richtig, ebenso 4, 7
(27, 27; 71, 6) elegantem A, elegantes BC; 6, 1 (37, 7; 92, 16)
octavo demum A, octavo decimo BC; 7, 1 (45, 19; 112, 12)
civili bello A, civilibus bellis BC; 7, 18 (51, 19; 128, 11) vellet
A, velit BC; 7, 18 (51, 24; 128, 14) erecto coma capite À,
erecta roma et capite; 7, 23, 4 (53, 28; 134, 11) unam adver-
sum A, unam adversus BC, vrgl. Keller, Götting. gelehrte Anz.
1874, I, p. 145; 9, 18 (67, 11; 160, 21) posset A, possit BC;
9, 18 (67, 13; 160, 22) diductis A, deductis BC; 10, 18 (78,
9; 182, 8) quia A, qui BC. Dagegen möchte ich folgende les
Jahresberichte. 517
arten in BC für richtig halten, da sie auch durch Paeanius be-
stätigt werden: 4, 6 (27, 1; 68, 15) frater quoque BC, fraterque
A, Paeanius: xai di xai. - 7, 1 (45, 22; 114, 1) Octavianus
BC, Octavius A, Paeanius Oxrufsuros. — 7, 23 (54, 3; 134,
17) Isium BC, Iseum A, Hieronymus 2110 Isium und Paeanius:
"Iovov. — 9, 2 (62, 23; 150, 17) Persas BC, Parthes A, Paea-
nius /J£goac. Dass Persas richtig ist, habe ich im Philolog. 39, p.
179 nachzuweisen versucht; wenn Droysen in der note zu Eutro-
pius sagt: ,FG et Rufus“, so ist dies nicht ganz genau, denn
. letzterer schreib c. 22 (ed. W. Foerster p. 19, 3) Rebellantes
Parthi iugentibus proeliis contusi sunt. Isque rediens victor de
Perside fraude Philippi occisus est. — 3,7 (18, 33; 50, 3) quia
BC, iam G, Paeanius: mud; ror ‘Pwpaixov &Anozevor 010409 ;
3, 10 (19, 30; 52, 8) quadragesimo BC, quinquagesimo A, Paea-
nius: re00aQaxocioUV. — Schwer zu bestimmen sind die lesarten:
6, 24 (45, 3; 110, 14) ex Pompei filiis BC, et Pompei filius A;
7, 3 (46, 12; 114, 14) occupaverant BC, occupaverunt A; 10,
18 (78, 17; 182, 7) is BC, hic A. Ebenso die zahlwörter: 4, 11
(28, 26; 72, 11) und 7, 8 (47, 28; 118,8) quadraginta et quat-
tuor A, quadraginta quattuor BC; 3, 21 (23, 26; 62, 7) quadra-
ginta et quinque A, quadraginta quinque BC; 4, 7 (38, 18; 94, 25)
septuaginta enim quattuor A, septuaginta enim et quattuor, BC; —
ferner 4, 19 (30, 17; 78, 3) mox etiam BC, mox A, aber 6, 22
(44, 5; 108, 5) mox BC, mox etiam A, vrgl. Bitschofsky 841;
— 4, 10 (28, 17; 72, 5) tum A, tunc BC; 8, 9 (57, 26; 142,3)
tuncque primum A, tumque primum BC, auch 2, 11 (11, 29; 32,
9) steht tumque primum, doch ist vielleicht tuncque primum richtig,
da Jul. Capitolinus, der mit Eutropius aus einer gemeinsamen quelle
geschöpft hat, in der vita des Antoninus Pius c. 7, 6 (I, p. 49,
27 ed. Peter) schreibt: tuncque primum Romanum imperium duos
Augustos habere coepit. — 5, 7 (35, 23; 90, 10) et primo BC,
primo A, Paeanius: agwrov giv; 10,5 (73, 9; 172, 17) ac primo
. BC, et primo A, Paeanius xai ngurov uév. — 7, 13 (49, 22;
124, 5) egregie fecerat BC, egregia fecerat A, vrgl. Bitschofsky 841.
Hartel (Eutropius und Paul. Diaconus p. 52) sagt, dass in
dem cod. Gothanus die genetive der eigennamen auf ius mit merk-
würdiger regelmüssigkeit auf à auslauteten. Folgende stellen habe
ich mir notiert, wo BC von A abweicht: 5, 8 (36, 1; 90, 13)
Marii — Mari; 6, 1 (37, 3; 92, 13) Sertorii C, Serturii B,
Sertori A; 7, 12 (49, 4; 122, 9) Tiberii — Tiberi; 8, 17 (60,
13; 146, 19) Salvii — Salvi. Von den (übrigen substantiven
kemmen besonders imperium und aerarium in betracht. Bei dem
genetiv dieser beiden wörter ist sich Droysen nicht gleich geblieben ;
10, 16 (77, 6; 181, 4) ist in G aerari, in BC aerarii überlie-
fert, Droysen schreibt aerari, dagegen hat 9, 27 (70, 20; 166, 17)
G imperi, BC imperii, Droysen aber imperii, — Der accusativ
Philologus. XLII. bd. 8. - 34
518 Jahresberichte.
singul. griechischer wörter endet in A auf en, in BC auf em bei
folgenden wörtern: 6, 10 (40, 6; 98, 9) Mithridaten; 6, 14 (41,
16; 100, 17) Tigranen; 6, 22 (44, 10; 108, 8) Pharnacen; 10,
8 (74, 10; 176, 3) cometen. Richtig ist die lesart in BC 3,
14 (21, 19; 56, 16) usque ad portam (ebenso auch nach B Ore- |
sius 4, 17, 4), ad portam usque G; usque ad portam schreibt Sy
burg ohne note, vielleicht stand dies in F, auch stimmt dies mit
dem sprachgebrauch des Eutropius überein (vrgl. Bitschofsky 841),
der in der regel usque ad gebraucht: 8, 18 (60, 21; 146, 25)
usque ad administrationem; 7, 8 (47, 23; 118, 4) usque ad finen;
7, 15 (50, 13; 124, 21) usque ad mortem; 8, 9 (57, 27; 142,
4) usque ad eum; 8, 5 (56, 10; 138, 19) usque ad nostram
aetatem; 8, 3 (55, 10; 136, 22) usque ad Indiae fines; 2. 2 (9,
9; 24, 11); usque ad urbis Romae portas; 3, 14 (21, 18; 56,
16) usque ad quartum miliarium; 1, 8 (5, 14; 14, 13) usque ad
quintum decimum miliarium; 6, 17 (42, 12; 102, 14) usque ad
Oceanum; 9, 8 (64, 5; 154, 8) usque ad Hispanias; 9, 10 (64,
25; 156, 1) usque ad Ctesiphontem; 6, 2 (37, 15; 92, 22) usque
ad Danuvium und daher auch wohl 6, 10 (40, 2; 98, 6) usque
ad Danuvium nach BC, wo A ad auslisst; 9, 7 (63, 25; 152, 17)
Ravennam usque ist richtig, da es in allen handschriften überliefert
ist und von Hieronym. 2282 und Orosius 7, 22, 7 bezeugt wird.
— 2, 3 (9, 19; 24, 18) triennio BC, triennium A, richtig is
die lesart in BC, da Eutropius in diesem falle ausschliesslich den
ablativ gebraucht, wie Bitschofsky 840 beobachtet hat. — 10, 2
(71, 20; 170, 4) duo A, duos BC und danach Orosius 7, 25, 16;
duos scheint richtig, da auch Eutr. 8, 13 (59, 19; 144, 21) per
duos continuos menses schreibt.
Bei einer reihe von stellen lässt sich, wie wir gesehen habes,
schwer ein sicheres urtheil abgeben, wir müssen hier entweder
nach dem sprachgebrauche oder nach dem sinne oder auch nach
dem, was die nachahmer haben, entscheiden, wo dies nicht möglich
ist, geben wir den lesarten der A-klasse den vorzug, doch da, wo
Paeanius mit BC gegen À übereinstimmt, ist mit ausnahme von
wenigen stellen, deren fehler leicht zu erkennen ist, die richtige
lesart erhalten. Was Mommsen von dem verhältnisse von AB
zu C sagt, ist richtig, nur wo in AB offenbare fehler, wie sie in
allen handschriften vorkommen, sich zeigen und wo lücken sich
finden, sind wir auf die C-klasse angewiesen. Stimmt aber Paee-
nius mit C gegen AB überein, so haben wir mit wenigen aus
nahmen den reinen text, wie z. b. 3, 1 (17, 23; 46, 15) XXIII,
vrgl. Oros. 4, 11, 3; 4, 2 (25, 12; 64, 15) ingenti gloria trium-
phavit duxit; 4, 25 (31, 21; 80, 16) alteram ex Thracia alteram
ex Sardinia triumphum ; 6, 15 (41, 24; 102, 2) octogesimo vrgl.
Oros. 6, 6, 1 u. a. m.
Die zweite hülfsquelle zur textconstituierung dea Ea-
b.
Jahresberichte. 519
tropius sind die griechischen übersetzungen, deren wir
zwei besitzen, die eine ziemlich vollständig von Paeanius, die
andere von Capito nur fragmentarisch erhalten.
1) Wann Paeanius gelebt hat, ergiebt sich aus dem zu-
satze zu 9, 24 (165, 22 ed. Droys.): rurmoç dé 5» ovrog (Nar-
res) Sunwol re xai Oguloda roi; slg riv nuertgar jasxlay dpi-
xopévo:c. Dieser Sapor starb um 379 (Clinton, Fast. Rom. II,
260; Hartel, Eutropius und Paul. Diaconus p. 9), danach über-
setzte Paeanius den Eutrop um 380, ob einige jahre vorher oder
nachher, lüsst sich schwer sagen, sicherlich aber war er ein zeit-
genosse des Eutropius (vrgl. Droysen ed. mai. p. XXI). (Genauere
nachrichten über ihn fehlen, aber aller wahrscheinlichkeit nach war
er derjenige Paeanius, der aus Syrien (E. Schulze, Philologus 29,
p. 286) stammte und um 354 oder 355 ein schüler (G. R. Sievers,
Das leben des Libanios p. 277) des Libanios (Pauly, Realencycl.
IV, p. 1009) und des Aaacius (C. Müller, Fragm. hist. Graec. IV,
24) war. Die weiteren lebensverhältnisse dieses Paeanius, die
Schulze a. a. o. zu ordnen versucht hat, sind uns aus den briefen
des Libanios bekannt. Ueber den hohen werth des Paeanius für die
textgestaltung des Eutropius ist im vorbergehenden schon aus-
führlich gehandelt, über die übersetzung spricht sich Droysen ed.
maior p. XXII folgendermassen kurz und in jeder weise zutreffend
aus: Pueanii versionis ab homine Graeco neque linguae Latinae ad-
modum perito factae in usum Graecorum haec est indoles, ut Eu-
tropii textum in universum non ad verbum vertat sed in brevius
contrahat reiectis haud raro ipsius narrationis partibus, quae nimia
continere viderentur, el omissis sescenties praenominibus Romanis,
dignitatibus virorum Romanorum, locorum regionumve . Occidentis
nominibus, annorum accurata notione. Ausserdem finden sich ver-
schiedene zusütze, die einen rühren von Paeanius selbst her, die
anderen sind, wie Schulze und Droysen gezeigt haben, von ihm
aus Dio aufgenommen. Hiermit stimmeu R. Duncker (Fleckeis.
Jabrb, 119, p. 646) und A, Köcher, De loannis Antiocheni aetate
fontibus auctoritate, Bonnae 1871, p. 21 aum. nicht überein, letz-
terer meint, dass Eutropius den Dio selbst benutzt habe, was höchst
unwabrscheinlich ist.
Der text der übersetzung wurde zuerst von Sylburg (Hist.
Rom. script. min. Frankf. 1590, vol. Ill, p. 62) veróffentlicht,
später ist er in den Eutropausgaben von Cellarius, Hearne, Haver-
camp, Verheyk und einzeln von C. F. Schmidt (1736) und Kalt-
wasser (1780) herausgegeben, aber erst Droysen hat uns in der
grossen Eutropausgabe einen zuverlüssigen text geboten. Derselbe
beruht nur auf wenigen handschriften, besonders auf cod. Lauren-
tianus (LXX, 5) aus dem 15. jahrh. und dem cod. Pithoei, wel-
chen Sylburg seiner ausgabe zu grunde gelegt hatte (Graecum eius
metaphrasten , Paeanium seu Pueaniam , e Francisci Pithoei biblio-
34°
520 Jabresberichte.
theca nobis impetravit Ioannes Opsopaeus). Ob letzterer, wic
Schulze annahm, aus dem Laurentianus stammt, ist nach Droyses
ed. mai. p. XXII zweifelhaft, dagegen ist der Monacensis Cl sehr
sorgfältig aus dem Laurentianus abgeschrieben, wahrscheinlich aud
der Marcianus. Ausser den ebengenannten handschriften soll noch
eine in dem kloster auf dem berge Athos existieren. Alle codice
müssen aus einem lückenhaften archetypus geflossen sein, da simat-
liche dieselben lücken aufweisen, nämlich 6, 9 und 10 (p. 97, 23
— 99, 3), 7, 3 (115, 20) uud 10, 12 (179, 15) bis zum ende
des werkes.
2) Capito stammte aus Lycien und lebte vor 580, da ibo
Stephanus von Byzanz benutzte, und nach 491, da er auf ereig-
nisse dieses jahres anspielte. Genauer bestimmt Carl Müller (Frag.
hist. Graec. IV, p. 133) die lebenszeit des Capito: Motus vero
Isaurici, quos narrasse in "Iouvgixoig Capitonem iure statuimus,
cum inde a Valentis maxime temporibus usque ad primos annos
Anastasii obtinuerint, deinde in fragmento 5 occurrat mentio Co-
tonis, quem eundem esse suspicor cum Conone duce Isaurorum oon-
tra Anastasium rebellantium (491): haud adeo improbabilis con-
iectura est scripsisse Capitonem nostrum — temporibus — Anastasii
(491— 518) vel Iustini (518—527). Von Capito wissen wir
nichts näheres als was Suidas sagt: Komírwv, Auxsos, iorogixos
ovrog Eygawev Touvouxà BiBAlu n, uerupouoir 15 èrrouîc Et
zooniov Ówpnaicih Ensreuoviog Alßıov 10v 'Popotor xrÀ. Diese
metaphrase, nicht die lateinische originalquelle hat sicherlich Jo-
baunes von Antiochia im anfange des siebenten jahrh. (vgl. Kö-
cher a. a o. p. 4) benutzt, „der in der späteren griechischen lit-
teratur einen ähnlichen platz einnimmt wie Livius in der lateini-
schen; das epitomieren des werkes und wieder der epitomen dee
selben einer — und das fortsetzen anderseits ist die geschichtschrei-
bung dieser epoche; und eines der wichtigsten glieder in dieser
kette ist Johannes von Antiochia**. Die chronik desselben lag
wahrscheinlich auch wieder den sogenannten planudschen und cos-
stantinischen excerpten sowie dem Suidas (vrgl. Mommsen, Hermes
6, p. 86 und H. Haupt, Hermes 14, p. 36) zu grunde. Dadurch
dass Droysen alle mit Eutropius übereinstimmenden fragmente io
der grossen ausgabe zusammengestellt hat sind wir im stande, uns
ein bild von der übersetzung zu machen, danach ist sie nicht eine
wörtliche, sondern eine verdeutlichende, freie übertragung , die
freilich au eleganz und geschmack die des Paeanius hinter sich
lüsst, aber für die textgestaltung des Eutropius von weit gerin-
gerem nutzen ist als jene, besonders da es nicht müglich ist, ibre
verwandtschafl mit einer der handschriftenklassen des Eutropius
festzustellen. Wie Paeanius seine übersetzung durch eine reihe
von zusützen ausschmückte, so thut dies in weit grósserem maasse
nach der ganzen anlage einer freien übertragung Capito, ,,der die
Jahresberichte. 521
skizzirenden striche seines originals mit dem schmuck ausmalender
und frei sich bewegender schilderung überkleidete“. Aus diesen
zusützen schloss Kócher (a. a. o. p. 17—24), dass wir nur eiuen
auszug aus Eutropius vor uns haben, dass Capito dagegen im stande
war, den vollständigen Eutropius noch zu benutzen. Gegen diese
ansicht haben sich, soviel ich gesehen habe, alle ausgesprochen,
besonders aber mit überzeugenden gründen Hartel (Eutropius und
Paulus Diac. p. 14—16), der auch durch eine vergleichung der
griechischen übersetzung des Capito mit Eutropius nachwies, dass
dieselbe doch bei aller freiheit sich wieder so eng dem lateinischen
wortlaute anschmiege, dass Capito nur das uns erhaltene breviarium
des Eutropius benutzt haben kann.
Die letzte bilfsquelle’) für die textgestaltung des Eu-
tropius sind die schriftsteller, welche das breviarium
benutzt haben. Die herausgeber des Eutropius haben auch
diese quelle nicht unbeachtet gelassen, aber eins glaube ich haben
sie nicht immer festgestellt, welche handschriftenklasse des Eutro-
pius jeder einzelne nachabmer ausgeschrieben hat.
1) Der erste, der hier in betracht kommt, ist Festus, der
in seinem breviarium ôfter den Eutropius benutzt zu haben scheint.
Wie ich früher (Philolog. Anzeiger 5, p. 104; 9, p. 242) nacb-
zuweisen versucbt habe, so heisst derselbe nur Festus, da er in
der besten handschriftenklasse, die dem ursprünglichen texte noch
ziemlich nahe steht, wie G(otbanus), P(arisiensis), B(ambergensis)
und W' (Vindobonensis) uur diesen namen führt, während in der
andern handschriftenklasse, die „lückenhaft und vollständig umge-
arbeitet ist“, wie W. Förster, Wiener studien 1, p. 304 sagt, vor
Festi noch Rufi gesetzt ist. Man nannte ihn hiernach, sicherlich
mit unrecht, Rufus Festus; jetzt nennt ihn Mommsen (Hermes 16,
p. 605) Rufius Festus und deutet (C. I. L. 6, p. 103) identität
mit Rufius Festus Avienus ?) an, was aber, wie L. Schwabe in der
neuesteu bearbeitung der röm. litteraturgeschichte von Teuffel p.
973 mit recht sagt, wenig wahrscheinlich ist. Dieser Festus, der
proconsul von Asien war und gerade desshalb auch im auftrage
des kaisers Valens einen kurzen bericht von den kriegen, welche
von dem römischen volk mit den Parthern bis dahin geführt wa-
ren, zu liefern hatte (vrgl. meine bemerkungen im Philologus
38, p. 377), schrieb sein breviarium rerum gestarum populi Ro-
mani im jabre 369. Jacobi suchte in seiner dissertation: De
Festi breviarii fontibus p. 45—50 den beweis zu liefern, dass Fe-
stus c. 20— 25 aus Eutropius geschöpft habe. Soviel ich gesehen
1) Ueber die schriftsteller, welche Eutropius benutzt hat, soll in
dem náchsten artikel gesprochen werden.
2) Dass auch der vorname Rufius bei Festus Avienus auf sehr
schwankender grundlage beruht, zeigt A. Breysig in der praef. ad
Rufi Festi Avieni Aratea p. VI.
522 Jahresberichte,
habe, hat er mit seiner ansicht überall anklang gefunden, nur
Mommsen und Droysen ed. mai. p. XXV stimmen ihm nicht zu,
und wie ich glaube, mit recht. Denn einige zusütze bei Festus
sind derartig, dass er sie nicht e memoria hinzugefügt haben kam.
So stimmt z. b. Festus c. 20 (17, 24 ed. W. Foerster) sublate
diademate nicht mit Eutropius 8, 3 überein, sondern mit Dio 68,
c. 18—19: róre dia dqua ano tig xegaAzg dpetde nuè noc Tow;
nodac abtou EFnxe.. und exelvm (HagPapcosgs) uérros armed,
070, Bovdetas, énsroepesr. Festus c. 20 zählt die namen der vos
Trajan unterjochten vülkerschaften in richtiger reihenfolge auf,
während dies bei Eutrop. 8, 3 nicht der fall ist. Sodann sind bei
Festus c. 21 und 23 einige zusätze, die bei Eutropius fehlen, so:
Philippi, qui praefectus praetorio eius erat, dann Odenatus, decurio
Pulmyrenus, ferner apud Immas haud procul ab Antiochia, alle
diese zusütze finden sich bei Hieronymus 2256, 2287, 2291. Da-
her hat Droysen (praef. XXVI) gewiss recht, weun er sagt: sta-
tuendum igilur est Festum ea, quae de Oriente narravit , non ez
ipsis Eutropi libris hausisse sed ab utroque auctore expilatum esse
chronicon qnoddam Eutropiani simillimum et ad temporis ordinem
compositum , qua in re Festus subinde maiore quam Eutropius di-
ligentia et fide auctoris verba expresserit. Trotzdem aber bleibt
der werth des Festus für die textgestaltung des Eutropius, da ei-
nige lesarten durch ihn sichergestellt werden, so z. b. 9, 18 (67,
6; 160, 16), wo von AC notissimas, von B nobilissimas überlie-
fert ist, was auch von Paeanius, Hieronymus, Festus c. 24 (20, 1)
und Orosius 7, 24, 4 bestütigt wird. Ueber Parthos und Persas
9, 2 (62, 23; 150, 17) ist oben (p. 517) bereits gesprochen.
2) Sicher ist das breviarium des Eutropius von Hierony-
mus in seiner chronik, die um 380 (also zu derselben zeit, wo
Paeanius seine übersetzung anfertigte) geschrieben ist, benutzt,
worauf schon Scaliger aufmerksam gemacht hat. Ja Momuses
(Quellen des Hieronymus, in den berichten der sachs. gesellschaft
1850, p. 672) bezeichnet dieselbe geradezu als eine verschmelzung
des Eusebius und Eutropius. Was derselbe in seiner abhandluag
als wünschenswerth hervorhob, dass in einer ausgabe des Hierony-
mns die citate auf Eutropius angegeben werden müssten, ist jetzt
geschehen, Alfred Schoene hat in seinem werke ,,Eusebi chrosi-
corum canonum quae supersunt vol. Il, Berl. 1866“ bei jeder stelle
die entlehuung aus Eutropius genau notiert. Wiinschenswerth wäre
es gewesen, wenn er dies auch für die übrigen quellen gethas
hatte, wie etwa Mommsen in seiner ausgabe des Jordanes. Die
zusütze aus Eutropius sind meistens wörtliche excerpte, freilich oft
sehr flüchtig gemacht, wie Mommsen an einigen beispielen nachge-
wiesen hat. „Hieronymus nennt selbst, sagt A. Ebert, Geschichte
der christlich - lateinischen litteratur I, p. 200, in dem an swe
freunde gerichteten vorwort sein werk ein tumultuarisches, für das
E :
ee
Jahresberichte. 523
T thre nachsicht in anspruch nimmt, zumal er einem schreiber sehr
asch dictiert habe. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass die sinn-
mtstellenden auslassungen zu einem guten theil auch auf rechnung
les letzteren. kommen, wie sich auch andere irrthümer dort aus
inem verbüren am leichtesten erklären“. Aber gleichwohl ver-
lient die chronik alle beachtung, da Hieronymus einen selr guten
‘codex benutzt hat, welcher sowie auch der von Paeanius benutzte
edenfalls weit besser war als die, welche uns noch erhalten sind.
Jerselbe lüsst sich in keine der handschriftenklassen des Eutropius
inregistrieren, da die in betracht kommenden lesarten bald mit A
regen BC, bald mit B gegen AC, bald mit AC gegen B, bald mit
JC gegen A, meistens aber mit Paeapius übereinstimmen, Droysen
d. mai. p. XXVII führt verschiedene falle auf, die sich leicht
'ermehren lassen, auch Hartel (Eutropius und Paulus Diac. p. 36)
espricht einige lesarten wie gewöhnlich in eingehender, sorgsamer
veise. Ich übergehe dieselben hier, da sie später bei den einzel-
ien stelleu zur sprache kommen werden.
3) Der nüchste schriftsteller, welcher hier angeführt werden
auss, ist Orosius, dessen ubriss der christlichen weltgeschichte
a 7 büchern von Adam bis zum jahre 418 reicht, iu welchem
abre er seine geschichte schrieb (W. Wattenbacb, Deutschlands
‘eschichtsquellen I, 68 und A. Ebert a. a. o. I, p. 324). Unter
en schriftstellern, die er ausschrieb (vrgl. Th. v. Mórner, De
ìrosii vita eiusque historiarum libris septem adversus paganos.
844, p. 49 und besonders p. 144) nimmt Eutropius einen der
rsten plätze ein. Orosius citiert denselben zwar nur an zwei
tellen (7, 11 2. 1 und 7, 19 2. 4), aber deutliche spuren der
enutzung lassen sich aus allen büchern mit ausnahme des ersten
iachweisen, wie aus der übersicht, die C. Zangemeister in dem
ndex scriptorum, quibus Orosius usus est p. 695 - 697 giebt, klar
iervorgeht. Daher sollte man auf den ersten blick meinen, dass
)rosius für kritische zwecke vom grössten werthe wäre, aber dies
st aus zwei gründen nicht der fall. Einmal, weil er, wie Fr.
Lübl, Die textesquellen des Justinus p. 30 mit recht sagt, es liebt
ie fremden federn, mit welchen er sich schmückt, nach eigenem
‚eschmacke aufzuputzen, um sich wenigstens einigermassen den
chein der selbständigkeit zu geben; so vertauscht er nameutlich
djective und verben mit synonymen, und selbst da, wo er vor-
debt, wörtlich zu citieren, scheint er genauigkeit zu den ver-
Goten glänzenden lastern der heiden zu zählen. Sodann erfordert
ie benutzung des Orosius desshalb die grösste vorsicht, weil er
ine handscbrift der B-klasse ?) vor augen batte, was sich aus
iner vergleichung der folgenden stellen deutlich ergiebt:
sutrop. 3, 10 (20, 10; 54, 1) Oros. 4, 16, 3 consulares aut
3) Vrgl. Zangemeister praef. ad Oros. p. XXI.
524
consulares et praetorii . et A,
aut B.
8, 14 (21, 17; 50, 15) decimo
anno post qnam Hannibal in Ita-
liam venerat, P. Sulpicio Cn.
Fulvio consulibus Hannibal ...
accessit, So BC, A lässt Han-
nibal hinter quam weg.
9, 1 (33, 5; 84, 11) Teutobo-
dus B, Teutomodus A.
8, 18 (60, 26; 146, 29) Par-
thos vicit et Arabas interio-
res et Azabenos. So B, in A
fehlt Arabas — Azabenos.
9, 1 (62, 11; 150, 8) a Pu-
pieno Aquileiae occisus est, Aqui-
leia A, Aquileiae B.
9, 8, (63, 32; 154, 3) occiso
apud Mursam Ingenuo. Ingenuo
A, Genuo B.
9, 9 (64, 13; 154, 14) Laeliano
res novas moliente. Lolliano A,
l. aeliano B.
9, 10 (64, 20; 154, 20) Tetricus
.. qui Aquitaniam honore prae-
sidiis administrans ... Aquita-
niam A, Aquitanicam B.
9, 11 (64, 28; 156, 4) Gallienus
. .. Mediolani occisus est. Me-
diolano A, Mediolanii B.
9, 17 (66, 30; 160, 12) inter-
fectus tamen Sirmi tumultu mi-
litari in turri ferrata. So A, B
hat autem statt tamen, turre
statt turri.
9, 18 (67, 6; 160, 16) Co-
chen et Ctesiphontem urbes no-
Jahresberichte,
praetorii.
4, 17, 2 decimo anno post quam
Hannibal iu Italiam venerat Ca.
Fulvio P. Sulpicio consulibus
Hannibal ... movit.
5, 16, 12 Teutobodus.
7, 18, 5 Parthos Arabas Adia-
benosque superavit.
7, 19, 2 a Pupieno Aquileiae
interfectus est.
7, 22, 10 Genuus ..
sam occiditur.
. apud Myr-
7, 22, 11 Aemilianus . . . cum
res novas moliretur. In der
kritischen note sagt Zangemei-
ster: aemilianus] PRv itemque
(vel em-) ¢ aemilianus D emi-
lianus V; immo Laelianus. Fort.
tamen Orosius scripsit item
aelianus (I. aeliano Eutropii codd.
Leid. et Bert., 7fovxí, Allıare
Paean.).
7, 22, 12 Tetricus, qui tunc
Aquitanicae praesidatus admi-
nistravit officium.
7, 22, 13 Gallienus Mediolani
occisus est.
7, 24, 31 ipse autem apud Sir-
mium in turre ferrata inter
fectus est.
7, 24, 4 duas nobilissimas Per
thorum urbes Cochem et Ctes-
Juliresberichte. 525
tiasimas cepit. notissimas A, no- — phontem cepit.
bilissimas B.
9, 24 (69, 16; 164, 18) Gale- 7, 25, 9 Galerius Maximinianus
rius Maximinianus primum ad- cum duobus iam proeliis adver-
versum Narseum proelium in- sus Narseum conflixisset, tertio
secundum habuit inter Callinicum inter Gallinicum et Carras con-
Carrasque congressus. So A, gressus. Zangemeister: illa duo-
primum adversus Narseum proe- — bus iam proeliis ... tertio Eu-
lium et secundum habuit inter tropii exemplar suum ita ut
Gallinicum B. codd. Leyd. et Bert. corruptum
male interpretatus scripsit.
10, 2 (71, 20; 170, 4) Caesares 7, 25, 16 Galerius duos Cae-
duo creavit . A duo, B duos. sores legit.
10, 4 (73, 4; 172, 14) apud 7, 28. 17 apud Tharsum.
Tarsum, B Tharsum.
Auf angabe der zahlen lege ich kein grosses gewicht, da
Orosius diese sehr oft ganz abweichend von Eutropius anführt.
Ob er dieselben nach anderen quellen oder aus flüchtigkeit anders
schreibt, ist schwer zu sagen, aber an zwei stellen stimmt er mit
B gegen A überein:
Eutr. 2, 24 (16, 4; 42, 12) Oros. 4, 9, 14 centum triginta.
XXX A, CXXX B.
5, 7 (35, 24; 90, 11) sex mi- 5, 20, 2 septem milia.
lia A, VII milia B.
Auch an den folgenden stellen scheint er B vor augen gehabt
zu haben, indem er X zu der zahl in B hinzusetzt: ,
Eutr. 3, 14 (22, 2; 58, 6) Han- Oros. 4, 18, 3 Hannibal in Italia
nibal in Italia Cn. Fulvium con- Cn. Fulvium proconsulem, XI
sulem subito adgressus cum octo — praeterea tribunos et XVII mi-
milibus hominum interfecit. B lia militum interfecit. — XI
VII milibus. (tribunos ist zusatz aus Liv. 27,
1, 12.
3, 16 (22, 19; 58, 17) XXV. 4. 17, 5 XXX milia hominum.
milia hominum A, XX milia
hominum B.
Folgende stelle scheint dem zu widersprechen, dass Orosius
eine handschrift der B-klasse benutzt hat, aber es ist hóchst wahr-
scheinlich, dass in dem exemplare, welches Orosius benutzte, der
ganze satz ohne lücke damals uoch stand:
526 Jahresberichte.
Eut. 9, 12 (65, 8; 156, 12) ae- Oros. 7, 23, 2 solus fratri prae-
quandus fratri vel praeferendus. —— ferendus *).
A procernendus, in B fehlt fra-
tri vel praeferendus.
4) Dass der unbekannte verfasser (Aurelius Victor) der
epitome den Eutropius benutzt hat, darauf ist schon früher
(Tzschucke praef. ad Eutr. p. XXXIV; Mommsen ad Polem. p.
243, 20; Brunner in Büdingers Untersuchungen Il, p. 98, zuletzt
A. Eomanu, Eine verlorene geschichte der rim. kaiser im IV. sup-
plementband zum Philologus p. 399, 400) hingewiesen, das ge-
naueste über diese frage findet man bei Theod. Opitz, der in seinen
untersuchungen de Sex. Aurelio Victore (Act. societ. philolog.
Lipz. Il, y. 198—278, besonders im zweiten excurse p. 267 — 269),
zu folgendem resultate gekommen ist: nec tamen in toto libello
Eutropius exscriptus est, sed solum in altera et tertia parte (i. e.
in capitibus XII—XXXVIII) atque ibi quoque ita semper, ut
maior pars vitarum, praeter XXXVII et XXXVIII, quae fere
totae Eutropianue sunt, alteri fonti debeatur. Die hauptsächlichsten
stellen sind folgende: Eutr. 8, 8 = Ep. 15, 1; 3; 7 Eutr. 8,
10 — Ep. 16, 5 Eutr. 8, 11 — Ep. 16, 7 Eutr. 8, 13
= Ep. 16, 9 Eutr. 8, 14 — Ep. 16, 8 Eutr. 8, 15 —
Ep. 17, 4 Eutr. 8, 16 — Ep. 18, 2 Eutr. 8, 17 — Ep.
19, 1 Eutr. 8, 19 — Ep. 20, 3; 4 Eutr. 8; 20 — Ep
21, 5 Eutr. 8, 22 = Ep. 23, 3 Eutr. 9, 4 — Ep. 29,1
Eutr. 9, 5 — Ep. 31, 1 Eutr. 9, 7 = Ep. 32, 5 Eutr.
9, 14 — Ep. 35, 4; 9 Eutr. 9, 15 — Ep. 35, 8 Eutr.
9, 16 = Ep. 36, 1 Eutr. 9, 17 = Ep. 37, 2; 3, 4 Eutr.
9, 18 = Ep. 38, 1; 4,5 Eutr. 9,19 = Ep. 38, 7. Welche
handschrift der epitomator benutzt hat, lässt sich schwer sagen,
aber das glawbe ich p. 512 nachgewiesen zu haben, dass dieselbe
sicher der C-klasse angehôrt hat, für kritische zwecke ist also die
epitome von keinem besondern werthe.
5) Auch der bekannte kirchenlehrer Aurelius Augu-
stinus benutzte in seiner schrift De civitate dei den Eutropius ao
einigen wenigen stellen; vrgl. W. Pirogoff, De Eutropii breviarii
indole ac fontibus p. 87. So beruht auf ihm, was Augustin lll,
c. 15 von den todesarten der rémischen kónige und der vertrei-
bung des "Tarquinius erzählt. Man vergleiche folgende stellen,
um daraus zu selen, wie Augustin hierbei zu werke gegangen ist.
August, Ill, 15 (ed. Domb. I, Eutr. 1, 3 (4, 3; 10, 12):
4) Eutr. 4, 6 (26, 28; 68, 8) wird Ariaratus gelesen, in den hand-
schriften des Orosius 4, 20, 36 (ed. Zangem. 267, 12) steht ariarates,
Zangemeister schreibt Ariurathes, da Oros. an dieser stelle aber den
Eutr. vor augen hat, muss gewiss Ariaratus hergestellt werden.
Jahresberichte.
p. 117, 26—32): Ceteri autem
reges populi Romani excepto
Numa Pompilio et Anco Mar-
cio, qui morbo interierunt, quam
horrendos exitus habuerunt ! Tul-
lus, ut dixi, Hostilius, victor et
eversor Albae, cum tota domo
sua fulmine concrematus est.
Priscus Tarquinius per sui de-
cessoris filios interemptus est.
Servius Tullius generi sui Tar-
quinii Superbi, qui ei successit
in regnum, nefario scelere oc-
cisus est.
Hl, 15 (118, p. 15—24): Quod
vero eum regno Romani postea
depulerunt uc secluserunt moe-
nibus civitatis non ipsius de Lu-
cretiae stupro, sed filii peccatum
fuit illo non solum nesciente, sed
etiam absente commissum. Ar-
deam civitatem tunc oppugnabat
et pro populo Romano bellum
gerebat ; nescimus quid faceret,
si ad eius notitiam flagitium filii
deferretur; et tamen inexplo-
rato iudicio eius et inexperto
ei populus ademit imperium et
recepto exercitu, a quo deseri
iussus est, clausis deinde portis
non sivit intrare redeuntem.
Il, 15 (118, 25—29): Postea
quam desertus ab eis quorum
fidebat auxilio regnum recipere
non evaluit, in oppido Tusculo
Romae vicino quattuordecim, ut
fertur, annos privatam vitam
quietus habuit et cum uxore
consenuit,
Eutr. 1, 11 (6, 11;
527
Numa Pompilius ... morbo
decessit. 1,5 (4, 14; 12, 6):
Áncus Marcius . . . morbo pe-
riit. 1,4 (4, 8; 12, 2): Tul-
lus Hostilius . . . Albanos vicit
... fulmine ictus cum domo
sua arsit. — 1, 6 (4, 21; 12,
11): Priscus Tarquinius . ..
per Anci filios occisus est regis
eius, cui ipse successerat. 1,
7 (4, 30; 12, 19): Servius
Tullius ... occisus est scelere
generi sui Tarquini Superbi,
filii eius regis, cui ipse suc-
cesserat.
Eutr. 1, 8 (5, 4; 14, 5): nam
cum filius eius et ipse Tarqui-
nius nobilissimam feminam Lu-
cretiam euudemque pudicissimam
Collatini uxorem stuprasset ea-
que de iniuria marito et patri
et amicis questa fuisset, in om-
nium conspectu se occidit, Propter
quam causam Brutus parens et
ipse Tarquini populum conci-
tavit et TTarquinio ademit im-
perium. Mox exercitus quoque
eum, qui civitatem Árdeam cum
ipso rege oppugnabat, reliquit:
veniensque ad urbem rex portis
clausis exclusus est,
18, 2):
Tarquinins cum suscipi non pos-
set in agrum neque ei Por-
senna, qui pacem cum Romanis
fecerat , praestaret — auxilium,
Tusculum se contulit, quae ci-
vias non longe ab urbe est,
atque ibi per quattuordecim
annos privatus cum uxore con-
senuit.
Dass wir bei dieser freien benutzung keinen grossen nutzen
für den text des Eutropius aus Augustin ziehen künnen, liegt auf
528 Juhresberichte,
der hand. Aehnlich verhält es sich mit den beiden anderen stellen
(5, 18 und 5, 22), über die Piragoff p. 88 und 89 spricht.
6) Auch Polemius Silvius (448), der vielleicht den Eu-
tropius benutzt hat (Mommsen, Polemii Silvii laterculus in den Abb.
der sachs. gesellsch. 1853, p. 239), gewährt uns keiuen nutzen.
Auf eine benutzung des Eutropius deuten folgende stellen biu:
Pol. Silv. p. 242, 15: Nero ... Eutr. 7, 15 (50, 11; 124, 20):
ad poenam quaeritur. Nero cum quaereretur ad poe-
nam.
p. 242, 18 Domitianus, qui pri- 7, 23 (53, 24; 134, 9): do-
mus Flavius nominatus dominum minum se et deum primus ap-
se dici iussit. pellari iussit.
p. 275, 2: qui ideo duo creati 1, 9 (5, 16; 16, 1) consules
sunt, ut tempore sui similium, — coepere, pro uno rege duo hac
si unus ex his per ius pote- causa creati, ut, si unus malus
statis acceptae insolens esse vo- esse voluisset, alter eum habens
luisset, ei alter obsisteret. potestatem similem coerceret.
7) Cassiodorius folgte in seiner chronik, die 519 abge-
fasst ist, bei den berichten über die jahre 31—378 hauptsächlich
dem Hieronymus, daneben aber benutzte er auch an einigen stellen
den Eutropius, so bei den angaben über die regierungsdauer des
kaisers Otto, Vitellius, Trajan und Hadriau sowie über die nero.
nisch - alexandrinischen und die decischen thermen und die Trajans-
siule (Mommsen, Die chronik des Cassiodorius iu den Abh. der
süchs. gesellsch. 1861, p. 568). Vrgl. folgende stellen: Cassiod.
ed. Mommsen p. 633, a. 64 — Eutr. 7, 15 a. 60 — Eutr.
7, 17 und 18 a. 84 — Eutr. 7, 21 a. 102 — Eutr. 8,
5 a. 120 — Eutr. 8, 5. 7 a. 160 — Eutr. 8, 9 8.
227 — Eutr. 7, 15 a. 252 = Kutr. 9, 4 a. 308 — 9,
27; 10, 1 332 = Eutr. 10, 8. Freilich ist der nutzen für
die textconstituierung des Eutropius nicht gross, da Cassiodorius
eine handschrift der C-klasse benutzte, wie Droysen ed. mai. p.
XXVIII oachgewiesen hat.
8) Jordunes hat in seiner schrift De summa temporum vel
de origine actibusque gentis Romanae auch einiges aus Eutropius
aufgenommen (Mommsen, Praef. ad lordan. p. XXV). Hauptsäch-
lich kommen folgende stellen in betracht: lord. c. 255 == Eutr.
7,8 lord. c. 257 — Eutr. 7, 10 lord. c. 259 — Eutr.
7, 12. lord. c. 264 = Eutr. 7, 21 lord. c. 267 = Eutr. 8,
2 lord. c. 272 = Eutr. 8, 10 lord. c. 282 — Eutr. 9, 2
lord. c. 290 = Eutr. 9, 13 lord. c. 294 = Eutr. 9, 18 lord.
c. 304 = Eutr. 10, 16. Es wird sich schwerlich bestimmen
lassen, welche handschriftenklasse des Eutropius lordanes seinem
werke zu grunde legte.
Jahresberichte. 529
9) Isidor benutzt in seiner chronik, die bis zum jahre 615
reicht (Wattenbach a. a. o. J, p. 72) für die kaisergeschichte bis
zur regierung Jovians neben Hieronymus auch den Eutropius als
hauptquelle (H. Hertzberg, Ueber die chroniken des Isidorus von
Sevilla in den Forschungen zur deutschen geschichte XV, p. 289
—360). Wo ihm beide berichte über dieselbe begebenheit zugleich
vorlagen, gab er dem ursprünglichen berichte des Eutropius den
vorzug. An folgenden stellen stimmt Isidor mit Eutropius überein:
Eutr. 7, 11 (48, 27; 122, 2):
quosdam reges per blanditias ad
se evocatos numquam remisit.
7, 12 (49, 8; 122, 11): cum
adversum cunctos iugenti ava-
ritia libidine crudelitate saeviret.
7, 20 (52, 17; 130, 14): offen-
sarum et inimicitiarum inme-
mor fuit, convicia a causidicis
et philosophis in sc dicta. Vrgl.
Philologus 39, p. 179.
7, 21 (52, 30; 132, 5): Titus
.. facundissimus, bellicosissimus,
moderatissimus, — Causas Latine
egit, poemata et tragoedias
Graece conposuit. In oppugna-
tione Hierosolymorum sub patre
militans duodecim propugnatores
duodecim sagittarum confixit icti-
bus. Romae tantae civilitatis
in imperio fuit, ut nullum om-
nino puniret, convictos adver-
sum sese coniurationis et dimi-
serit et in eadem familiaritate
qua antea habuerit.
Isid. Chron. ad Ronc. ll, p. 439:
iste dum per cupiditatem reges
ad se venientes non remitteret.
Il, 439: hic avaritia, crudelitate
et luxuria saevus fuit.
II, 440: immemor offensarum
fuit, convicia in se dicta leviter
tulit.
II, 441: Titus .. tanto facun-
dissimus extitit, ut causas La-
tine ageret, poemata et tragoe-
dias Graece conponeret: - tanto
autem bellicosissimus fuit, ut in
oppugnatione Hierosolymorum
sub patre militans duodecim pro-
pugnatores duodecim sagittarum
coufoderet ictibus. Porro in
imperio tantae bonitatis fuit, ut
nullum omnino puniret, sed con-
victos adversus se coniurationis
dimitteret atque in eadem fami-
liaritate, qua antea habuerat,
retineret.
Aus den worten des archetypus B: qua antea habuerat, rece-
perit muss man folgern, dass Isidor, wenn er qua antea habuerat,
retineret. schreibt, diese klasse vor augen gehabt hat.
8, 1 (54, 13; 136, 4): vir in
privata vita moderatus ... ae-
quissinum se et civilissimum
praebuit,
8,2 (54, 27; 136, 13): Romani
M, 442: vir imperio moderatus,
aequalem se et communem om-
nibus praebuit,
M, 442: Romannm imperium us-
530
imperii
diffudit.
8, 4 (55, 20; 136, 13): libe-
ralis in cunctos . . . nihil non
tranquillum et placidum agens.
8, 5 (35, 28; 138, 11): inter
alia dicta hoc ipsius fertur egre-
gium. Amicis enim culpantibus,
quod nimium circa omnes com-
munis esset, respondit talem
se imperatorem esse privatis,
quales esse sibi imperatores pri-
vatus optasset.
... fines longe lateque
Jahresberichte,
que in Orientem longe lateque
produxit.
Il, 442: liberalis cunctis atque
tranquillus.
M, 442: cuius inter alia dicta
illud fertur egregium, ut dum
interrogaretur, quod nimium
circa omnes communis esset,
respondit, talem se imperatorem
esse privatis, qualem sibi im-
peratorem privatus optasset.
Die worte Isidors: qualem sibi imperatorem privatus optasset
sind besser als das was Eutropius hat: quales esse sibi imperatores
privatus optasset. Auch Paeanius p. 139, 15 übersetzt: dmexgi-
vaio yervus tov facia rowvVrov elvas moog 1oùç Idıwiag, olov
idiwins av 1056 evbaszo T0» Bucsiéa megi nov elvai.
8, 6 (56, 18; 138, 25): qui
Traiani gloriae invidens statim
provincias tres reliquit, quas
'Traianus addiderat, et de As-
syria Mesopotamia Armenia re-
vocavit exercitus ac finem im-
perii esse voluit Euphratem.
8, 8 (57, 18; 140, 22): Anto-
ninus ... pius propter clemen-
tiam dictus est.
8, 10 (58, 7; 142, 11): Seleu-
ciam Assyriae urbem nobilissi-
mam cum quadringentis milibus
hominum cepit. Vrgl. Philolog.
35, p. 102.
8, 18 (60, 24; 146, 27): bella
multa et feliciter gessit.
8, 19 (61,2; 148, 5): Severus
... litteris doctus, philosophiae
scientiam ad plenum adeptus.
8, 21 (61, 21; 148, 19): cum
filio ... facti imperatores nihil
memorabile ex temporis brevi-
tate gesserunt. Nam imperium
eorum duum mensuum et unius
Il, 443: iste Traiani gloriae in-
videns provincias Orientis Per-
sis reddidit et Euphraten flu
men finem imperii Romani
posuit.
Il, 443: Antoninus Pius ...
propter clementiam tale cogno-
mentum accepit.
Il, 443: Seleuciam Assyriae ur-
bem cum quadringentis milibus
hominum cepit.
ll, 444: multa bella feliciter
gessit.
ll, 444: Severus .. . litterarum
et philosophiae scientiam habuit.
4, 445: hic cum filio regnans
nihil memorabile temporis bre-
vitate gesserunt. Nam post aa-
num unum seditione militari
pariter interfecti sunt,
Jahresberichte.
anni fuit. Seditione militari
ambo pariter occisi sunt.
8, 22 (61, 28; 148, 23): inpu-
dicissime et obscenissime vixit
... tumultu interfectus est mi-
litari. *
8,23 (61, 33; 148, 27): suscepto
adversus Persas bello Xerxes
eorum regem gloriosissime vicit
... Romae favorabilis fuit.
9,1 (62,7; 150,5): Maximinus
ex corpore militari primus ad
imperium accessit sola militum
voluntate, cum nulla senatus iu-
tercessisset auctoritas neque ipse
senator esset.
9, 2 (66, 22; 150, 15): Parthis
bellum iutulit ... proeliisque in-
gentibus Persas adflixit. Rediens
haud longe a Romanis finibus
interfectus est fraude Philippi.
Vrgl. Philol. 39, p. 179, 180.
9, 3 (63, 3; 150, 22): mille-
simus annus Romae urbis,
9, 7 (63, 27; 152, 18): a Sa-
pore Persarum superatus est...
ignobili servitute consenuit, Vrgl.
Festus 22 (19, 11 ed. Foerster).
9, 8 (64, 3; 154, 7): Graecia
Macedonia Pontus Asia vastata
per Gothos.
9, 13 (65, 13; 156, 16): Ro-
manam dicionem ad fines pri-
stinos varia bellorum felicitate
revocavit.
9, 17 (66, 20; 160, 5): Gallias
a barbaris occupatas ingenti
proeliorum felicitate restituit ...
vir acer strenuus ... morum
antem civilitate superaret.
9, 25 (70, 1; 166, 3): varia
deinceps et simul et viritim
bella gesserunt.
531
ll, 445: dum obscenissime vive-
ret et ipse tumultu militari in-
teremptus est.
ll, 445: hic Persas gloriosis-
sime vicit, civibus favorabilis
fuit.
ll, 445: Maximinus .. . primus
ex militari corpore absque de-
creto senatus Imperator effi.
citur.
Il, 446: hic rebellantes Parthos
et Persas afflixit. Rediens vi-
ctor de Persis fraude suorum
interiit.
Il, 446: millesimus annus Ro-
manae urbis,
ll, 447: a rege Persarum Sa-
pore captus in dedecore vitae
consenuit.
It, 446: Gothi quoque Grae-
ciam Mucedoniam Asiam Pon-
tumque depopulantur.
Il, 447: Romanorum imperium
bellando paene ad fines priores
perduxit.
II, 447: iste militia strenuus et
civilitate praeclarus Gallias a
barbaris occupatas bellando Ro-
manis restituit.
M, 448: varia bella gesserunt,
532 Jahresberichte,
10) Beda (T 735) schreibt im anfange seiner Historia ecole
siastica gentis Anglorum den Orosius ohne ihn zu nennen zum theil
wörtlich ab uud erweitert an einigen stellen seinen bericht nach
Eutropius. Im ersten buche, in welchem nur eine benutzung des-
selben möglich ist, habe ich drei stellen gefunden, wo Kutropius
vorliegt. Er selbst citiert ihn einmal im 8. capitel: scribit au-
tem Eutropius, quod Conslanlinus in Brittania creutus imperator
patri in regnum successerit und hat dabei Eutr. 10, 2 (71, 22;
170, 6) im sinne: Constantinus ex obscuriore matrimonio eius fr
lius in Britannia creatus est imperator et in locum patris exopta-
tissimus moderator accessit. Hiervon erwähnt Orosius nichts. An
einer andern stelle (1, 3 — p. 10 ed. Holder) schreibt Beda:
Orcadas eliam insulas ultra Brittaniam in Oceano positas Romano
adieci imperio ac sexto, quam profectus erat, mense Romam rediit
würtlich aus Orosius 7, 6, 10 (Zangem. p. 450, 2) ab, den m-
satz: filioque suo Brittanici nomen imposuit, der bei Orosius fehlt,
hat er aus Eutr. 7, 19 (49, 19; 124, 3) aufgenommen. — Eutr.
7, 14 (50, 4; 124, 15) wird von Beda !, 3 auf folgende weise
umschreiben :
Kut. 7, 14: Nero in re militari Beda p. 10 ed. Holder: Nero
nibil omnino ausus Britanniam — nihil omnino in re militari au-
paene amisit. Nam duo sub eo sus est. Unde inter alia Ro-
nobilissima oppida capta illic mani regui detrimenta innu-
atque eversa sunt, mera Brittaniam paene amisit;
nam duo sub eo nobilissima
oppida illic capta atque sub-
versa sunt.
11) Zuletzt ist noch Paulus Diaconus (vrgl. Hartel, Eu-
tropius und Paul. Diac. p. 1—8; 68 u. s, f.; G. Bauch, Ueber die
historia Romana des Paulus Diaconus, Góttingen 1873 p. 1—14;
H. Droysen in der grossen Eutropausgabe praef. p. XX XVIII u. ff;
A. Ebert, Allgem. geschichte der litteratur des mittelalters, Leipzig
1880, p. 36 u. ff.) zu nennen, der lehrer der Adelperga, der
tochter des Desiderius und der gemallin des herzogs von Benevent
Arichis, welcher auf ilren wunsch um 770 seine historia Romana
schrieb. Da nämlich Adelperga am Eutropius wegen seiner über-
triebenen kürze und weil bei ihm als einem heiden nichts von der
heiligen geschichte erwähnt war, keinen gefallen fand, so suchte
Paulus diesen mängeln dadurch abzuhelfen, dass er den text des Eu-
tropius erweiterte und, indem er sechs neue bücher hinzufügte, die
geschichte bis auf die zeit Justinians (553) fortführte. Er ging
bei der erweiterung des Eutropius rein äusserlich zu werke, er
bearbeitete nicht etwa das breviariun., ja er strich nicht einmal die
beziehungen, die auf specielle verhältnisse des Eutropius gehen,
sondern er schrieb eine handschrift desselben, die zur C-klasse ge
Jahresberichte. 533
hórte (vrgl. p. 512), ab und fügte seine zusütze einfach mit einem
igitur, siquidem, circa haec tempora u. dergl. ein (Droysen ed. mai.
praef. XXXVII). Nur in einem puukte wich er von seiner vor-
lage ab, indem er sprachliche formen und coustruktionen, die dem
Eutropius eigen waren, corrigierte (vrgl. p. 388). Für die erwei-
terung des eutropischen textes benutzte er hauptsächlich den Hie-
ronymus, Orosius, die schrift des Jordanes De successione regnorum
und die Epitome des Aurelius Victor, gelegentlich auch den Solin,
Frontin und die Origo geniis Romanae, die ihm noch in einer voll-
ständigeren gestalt (Mommsen, Hermes XII, p. 408) als wir sie
besitzen vorlag ; zweifelhaft ist es, ob er den Justin, Livius, Pli-
nius direkt eingesehen hat. Für die fortsetzung seiner geschichte
verwandte er den Orosius, Jordanes und die weltchroniken des
Prosper und Beda sowie auch andere schriften. Die Historia Ro-
mana wurde früher oft herausgegeben, aber erst H. Droysen bietet
uns einen zuverlässigen text in der grossen Eutropausgabe und in
der editio minor Berolini apud Weidmannos 1879.
Auch die Historia Romana des Paulus wurde wieder erweitert
und fortgesetzt. Zuerst machte ein unbekannter aus der Longo-
bardengeschichte des Paulus einen auszug und bezeichnete densel-
ben als 17tes buch der Historia Romana, abgedruckt bei Droysen
ed. mai. p. 396. Dann erfuhr die Historia Romana ums jahr
1000 durch einen Laudolfus Sagax, der uns weiter nicht be-
kannt ist (Droysen ed. mai. praef. p. LXI—LXII), eiue ähnliche
behandlung wie früher Eutropius durch Paulus, indem sie durch
reichliche zusütze aus Orosius, der Origo gentis Romanae, Nepo-
tianus, der Epitome des Aurelius Victor erweitert und an der hand
der kirchengeschichte des Anastasius bis auf Leo den Armenier
(813) iu 26 büchern fortgeführt wurde. Diese wüste compilation
erhielt, wahrscheinlich nach Pithoeus, den namen Historia miscella,
eine vollständige ausgabe besitzen wir von Fr. Eyssenhardt.
Bremen. ———— — — Carl Wagener.
Zu Eutropius.
Eutr. III, 1 (18, 1; 46, 18) haben die besten handschriften
FG hieron und einige zeilen weiter hiero. Es ist fraglich, was
Eutropius geschrieben hat, da andere beispiele der art bei ihm feh-
len, auch die quelle, aus der er schópfte, unbekannt ist, und nach-
abmer für diese stellen nicht existieren. In Fleckeis. Jahrb. 1883
p. 200 hat Th. Stang] an der hand Neues (lat. formenl.) die griechi-
schen eigeunamen besprochen und kommt zu dem resultate, dass
seit Cicero eine uuverkennbare hinneigung zum griechischen element
hervortritt, dass später im grossen ganzen die griechische schreib-
weise vorherrscht, und die lateinische endung fast nur in gelehrten
notizen der grammatiker fortlebt. Aus diesem grunde glaube ich,
dass an beiden stellen Hieron zu schreiben ist.
Bremen. C. Wagener.
Philologus. XLII. bd. 8. 35
Hl. MISCELLEN.
A. Mittheilungen aus handschriften.
16. Eine für die textkritik noch nicht benutzte handschrift
des Dionysius Periegetes.
Durch die güte und freundlichkeit des professors dr. v. Velsen
ist es mir vor einiger zeit vergönut gewesen, eine bisher unbe-
rücksichtigt gebliebene handschrift des Dionysius Periegetes genaue-
rem studium zu unterzieben. Dieselbe bildet den zweiten theil des
codex oro. 137 der kgl. bibliothek in München, beginnt mit fol.
106 zugleich mit einer neuen quaternioneneintheilung , wie die
zeichen unten rechts auf p. 106, 114 und 122 zeigen. Die hand-
schrift ist geschrieben auf glattem, starken papier, in welches ho-
rizontule linien für die schrift schwach eingedrückt sind; als be-
grenzung dieser horizontalen linien sind links und rechts in verti-
kaler richtung je zwei gleichfalls schwach eingedrückte linien ge-
zugen. Auf jeder pagina stehen 28 zeilen (verse) mit ausnahme
der ersten, welche nur 26 verse und die überschrift enthält, und
der letzten pugina, welche abgesehen von der subscription nur 9
zeilen text hat.
Die handschrift ist von einer hand mit schwarzer tinte, in
leicht lesbarer schrift mit wenigen abbreviaturen geschrieben. Nur
die überschrift —: dsowvolov olxovuívyg neginynoss: — ist mit
rother tinte geschrieben. Dieselbe hand hat am rande die über-
schriften der abschnitte und abweichende lesarten in schönerer
schrift gegeben. Eine zweite hand (iu der collation mit m” be-
zeichnet) hat über den griechischen text ziemlich oft die lateinische
übersetzung der griechischen wörter, an den rand sachliche erkla-
rungen in sehr kleiner schrift und mit vielen abbreviaturen, geo-
metrische figuren, anführungszeichen vor das erste wort eines
neuen abschnittes, die von dem schreiber hier und da ausgelassenen
accente, iota subser., interpunktionen und dgl. gesetzt, was ich bei
angube der lesarten genau angeben werde.
Miscellen. 535
Die subscription auf der letzten pagina (127) rührt vom
schreiber der handschrift ber uud lautet vollständig :
uiyamios &rmocr0Àgg Bulurtsos, peta tiv adwow zig be
gag xQídog avrov, nevla ovtwr, xi rode 10 PeBAlor EEE
yoayer ovx avev pévios podov: —
mÀovtodo:rggog yeweyse mai coping ÉQurevé
xocpe te xvdudluoro pling oto moldos alc
quopure doku 1e noviinadwyv yovéuv psdonaldwr
pelo !) 1e anyng avidnous moÀégQarov yevpa*
ale uodeura paxagrare nAvolov Atwau vog"
Mocso xi jufag poeta 08lo ye maviag Éosiodur: —
.
rw
Jvc xaitm) lwvär, nooctu£es nvg?) dy(ow noopn-
vowv Eyegow gu ?) viv rQiruegor: —
Aus dieser subscription geht hervor, dass der schreiber der hand-
schrift Michaelos Apostoles ist, der nach der eroberung Constanti-
uopels (1453) nach Creta geflohen ist, wo er sich durch abschrei-
ben von büchern den lebensunterhalt verschaffte. Er ist sehr
fleissig gewesen, denn viele handschriften, besonders der Pariser
bibliothek, tragen seinen namen und die nur mit geringen abande-
rungen wiederkehrenden worte der subscription über seine lebens-
verhültnisse; allein haudschriften des Dionysius Periegetes giebt es
von ihm, soviel ich in erfahrung gebracht habe, drei: zwei Mün-
cheuer handschriften, unsere und cod. oro. 283, welcher von Bern-
hardy benutzt worden ist und die subscription trägt: quiygaijdog
&nooijÀgc Buluvios pera inv aÀw0i» tig leoas naigldog avrov
nevi ovlwy xai 006 10 BsBilow eéyquwpev. &vev *) pévtos usodov.
Die dritte handschrift befindet sich in Madrid und hat nach C.
Müller die subscription: Æorvolou ’ Adefardoews olxovn£vgg negen-
ynow Miyuidog Anooroanç Bubuyuos dogualwros Eyouyu.
Die in der subscription unserer handschrift folgenden verse
sind an einen Georgios gerichtet. Es ist dies wahrscheinlich der-
selbe, von dem Monfaucon, Palaeogr. graec. p. 99 sagt: Georgius
Comes Corinthius ex Monembasia bibliothecam | habuit, quae ante
1) Offenbar ein schreibfehler für osîo.
2) fivs = nrevuatos.
3) yv = xovorov.
4) Wahrscheinlich ist es, dass auch hier wie in unserem codex
steht oder heissen muss: oùx &veu pévtos woSoù.
39°
536 Miscellen.
fuerat Marci Mamunae Cretensis. Denn dieser fürst lebte in der-
selben zeit, stammte aus Monembasia, dem im mittelaiter als han-
delsplatz berühmten hafen im Peloponnes, hatte, da er eine ganze
bibliothek besass, interesse für die griechische litteratur und hat
offenbar auch die in jenen versen ausgesprochene bitte des Mi-
chaelos erfüllt; denn, wie uns berichtet wird, war der sohn des
armen Michaelos Apostoles, Arsenius, spater erzbischof in seiner
vaterstadt Monembasia 5). Wahrscheinlich hat Michaelos auf he-
stellung des Georgios die Periegesis des Dionysius abgeschrieben
und ihm zum danke dafür jene verse gewidmet. Mit dieser Dio-
nysius-handschrift sandte er dem Georgius zugleich die derselben
vorangehenden vier stücke Plutus, Nubes, Ranae und Ecclesiazusae
des Aristophanes, welche sich im besitze des Michaelos befunden
haben. Die Aristophanesstücke sind nümlich, wie die schrift be-
weist, von anderer hand geschrieben, Michaelos aber hat, wie
gleichfalls die schrift beweist, die Aristophaneshandschrift durchge-
sehen, an verschiedenen stellen verbesserungen angebracht und aus-
gelassene verse hinzugefügt. Beide haudschriften hat dann Michaelos
zu einem codex verbunden, was sich darin zeigt, dass 1) mit be-
ginn der Periegesis auch eine neue quaternioneneintheilung beginnt
und 2) die drei quaternionen der Dionysiushaudschrift mehr durch
biudfaden angeknüpft als angebunden sind, am rücken der letzteren
oben uud unten auch der kleine wulst fehlt, den die Aristophanes-
handschrift zeigt.
Was den werth der Dionysiushaudschrift betrifft, so rechne ich
sie zu den weitaus besseren. Sie stimmt am meisten mit der von
demselben Michaelos stammenden handschrift der Münchener biblio-
thek überein, deren lesarten Bernhardy (M) und danach C. Müller
(d) in ihren ausgaben des Dionysius auführen. An vielem stellen
aber giebt unsere handschrift die richtigere, besser bezeugte lesart,
an einigen stellen unter allen handschriften allein die ricbtige les-
art. Von fehlern allerdings ist sie auch nicht frei. Es finden
sich in ihr, soweit ich bisher gesehen habe, dieselben falschen les-
arten wie in M(d), schreibfehler sind wiederholt gemacht, accente
falsch gesetzt oder ganz ausgelassen, besonders aber sehr viele
überflüssige und falsche iuterpunktionen angebracht worden.
Ich lasse nun die collation der ersten 250 verse der Perie-
gesis folgen, indem ich dabei alles verzeichne, was von dem text
der C. Müller'schen ausgabe (Geogr. graec. min. vol. II. Parisiis
1861) abweicht; nur die eigennamen, welche alle mit kleinen an-
fangsbuchstaben geschrieben sind, führe ich nicht an, wenn sie
sonst von der schreibweise des textes nicht abweichen.
5) Monfaucon, Pal. gr. p. 111.
Miscellen. 537
— :dıovvolov olxovué£vgg neginynog: —
1. yaiav 18 xal 2. guida 3. am rande wxeuvog
5. dsapyis, 6. nedloso xelevdovs' 7. opusvdory dosxviu.
8. dudurto. 9. Asin» peru, 0’ Am rende Aïfün. evewan.
aotn’ 10. uè», 11. »efAov. 12. alyunıoso.
13. xavwfov. 14. dotns, tuvaig dia pécov oiler. 15.
Cavgopurd uv, 15 Aluwnv. 17. ÉXAxoxnovtos®
18. Grdpa am rande T peca vellov. 24. aßdußızov
usonyv. 25. acirtdos. 27. , vor mávig hat m” ge-
setzt. 28. da. 30. am rande «rdag écnéQsog
31. Bogen 32. uiv accent von m? gesetzt. Am rande
dì
nERNYWG xai xQuriog movrog* Ogrig xai vexQóc. 35. alti oxis-
0504 wobei das darüberstehende dé von m? berrührt. 37.
juo» am rande nwog x«i lrdixóg novios. 88. Equd gator
te aldiomıov um rande ?géJQaiog xol aldioniog móvrog.
42. 100006 iur xai Toiu 43. , vor xöAnoug hat m? ge-
setzt. udes am rande of rov uxtavov péysotos xóÀnow
44. niéovac. 45. nowzscrog am rande éoneéQio;
48. xgoring 49. am rande xuoniog x«i ÜQxaviog. 50.
voxurinv diegnuttavio 51. addwy oft’ 52. dor 10
Agoysvw»* am rande reggixos. 53. xuontng 54,
agduBios — dyys9. am rande Pd 55. éMoowr
57. pellous: wozu m? am rande r pelCovec. 58. , vor vo»
hat m? gesetzt. xogur am rande fgonegln Juluoou. 59.
neluysow. 60. nepl doopos 62. vuas w uovoos
6x0À44 G xedev J ovc* 65. éorace uéya Iadvua*
66. drdastwr 67. nyt TE x{wv° 68. nAlßuroc
xvuxivoics VEPEECOS 69. „ vor novtog hat m? gesetzt.
am rande ifngixos movios. 70. dyxtyvrav «opi, 72.
màevgio: iota subscr. von m*. 73. nuév, in^ euam
74. , vor 107 hat m? gesetzt (?). rovde, ddoc* am rande
yaluznç doos. 76. , vor &&elng hat m? gesetzt. ddun' am
rande Aiyv6nàg GÀum 78. dvodvenes? — xosguvéoriec
79. wéigny’ 81. , vor éelng hat m? gesetzt. 82.
„ vor 17 hat m? gesetzt. 2/009, am rande ougdoriog movrog.
83. „ vor 10» hat m? gesetzt. runde perexdéyeras am rande
tugonvig Fuducou. 85. am rande oixelög oo. 86.
Buyvvov' 87. véveuxe 88. yoottvay, xui 89
5Qongn»ug xgioio. 90. xgiov 91. lnniytny yuïar
92. , vor xeider hat m? gesetzt. sugüvdeic«, “Aun, am rande
adgiüg un. nus xai lovin Akysını. 93. ngog Bogen
538 Miscellen.
96. deËireonr ala 97. dpunegdev évvallwr 98.
oxu = to Psd. 99. modvurevnc? 10100704 100. zvpomr-
Csxednte* 101. éxcom wozu m? am raude 7 pula éxconr
102. Tigonyn Cépuegor’ voror 103. „ vor avzug hat m?
gesetzt. 104. wovroc, wobei das , von m? herrübrt. Asßunc
votlny — éAtocu»: 105. ézéonv ventre 106. d mi
108. ui», 109. , vor éx hat m? gesetzt. osxelwr, am
rande xonıns oldpa. 110. xapnvov‘ 111. gw toy
zwischenraum radiert. 112. „ vor dosat hat m? gesetzt.
Puduccas 114. puootwrios 115. xsxAnoxovosy punkt
fehlt. am rande gagln Jalacou: 117. yainc am rande
cidor(y Faduoca. 118. doys moÀmog. Rugauelßwr.
119. änelowv am rande looixog xoAmoc. 121. vorAnyyi
122. ınuog d' éni 123. fi(cotia, &yxvAog Egnwy 124.
Bavvrerai 125. doyoufvw, 126. riyviog* Bugs ro-
eros 70040564 127. ngofloÀr augsréuorru. 130.
„ vor quiso hat m? gesetzt. d'êx «Qgxrov; am rande alyaior
néAayog 131. dco». 135. éoyatowour’ 136. éré-
ewer. uviwr am rande &Anonorroc. 137. naons. am
rande z907or1iíc. 139. nlarvc 140. „ vor 77 hat m’
gesetzt. è70 Yonixlov Boondgov’ lvw am rande Boonogos Igui-
xioc. 141. évyEaro nógnc 143. Sala oonç’ 144.
xVaréac 146. , vor den vers hat m? gesetzt (1) dì
Ösyousrog Éyyuds für avdgace novtoc. am rende evtesvog nor-
TOC. 147. dw», 150. dvo xolwras 151. per,
jntQvoi(]y T)», TE xaudéovor xugaufßır 152. nde, sdqu-
elng‘ 153. rj», Qu meguxtioves 154. Eüylacıy
155. #yyvdsr: avvous 156. éovta: 157. 10grw
eldoperov 158. vevgiic 159. diaygagévia — d’ loi
für dé 100 don 161. xogoc diooóv 162. orçopa-
duyya Blov 163. , vor den vers hat m? gesetzt. am rande
posu Alurn 164, éyxéyuotuss ner u 166. 17,
NOVIOLO pupior 167. Boonogov: «ga für vs am rande
Boonogos xiupegios 168. xiuuéoros = puyew 170. „ Nur
«tu 05c* 173. nugayrwooovn Tu, Exuora. 174. "Hros
Egr am rande Aißin und diese figur: / \ 175. voror 1Qa-
mellw 6poin 176. yudsgodev nyl 177. elg dEGrIsica
178. uroußlng Puddoone, 179. aiSionnwy, am rande yaia
aiJionnwr 180. é£i£guv: rùv, am rande égeufol 181.
ÉnixAt(ovoi 183. xvurio 184. , vor den vers hat m’
gesetzt. 185. orgiaur: yalnç am rande yaîa puavoovols.
186. , vor den vers hat m? gesetzt. rotow êni — qUÀoa: am rande
yuîu vopudwr. 187. maovÂñes, am rande pwacutcudsos. pa-
0vÀTc* 188. “Hnegor vin 190. «oo100v: 191.
Gxovetas teem dc uio 192. uixnFuos 193. fovxo-
Afovras 195. , vor deu vers hat m? gesetzt (?). da modi;
Miscellen. 539
Qurov Sguov am rande xagyndwy. 196. uiv. arag goi-
víxua»- 197. Uras 198. , vor den vers hat m? gesetzt.
199. aaan— 200. acmsroç 10040701. 202. éyelperas:
203. papa 3o 204. écrrçsxrus. 205. am rande
vednodsc. ic dune. 206. vafovcs gedokevos am rande
Àwroga yos. 207. da nor 209. vucuporwy’ am
rande vadımovsc. 211. , vor den vers hat m? gesetzt.
tÀÉSJovoy am rande aofvoras. 212. wapadw vro 10437
am rande 1éueroc AsBixov Feov 213. evinnog apvxdalwv
am rande xùonvn. modic 214. , vor den vers hat m? ge-
setzt. ulyuxros, am rande uaguegídus 215. igvntg3tv
ayylyscos am linken raude yasrovdos, am rechten »7yontec
216. , vor den vers hut m? gesetzt. am rande guvgovcios
217. valovos am rande yapaparteg 218. al9iongeg am
rande ulJionnes 210. ati wxeard nvpaing 220.
xolwruw am rande xod@rus Bleucwr 221. mioruroso am
rande »ei10ç 222. dto. Ashunter 224. évvuéras,
o
orgspPéivia 225. returvuéros ado, 226. níma'
227. niulywy 228. velàw 230. alne: 231.
Iıßunv avyec, 232. 19, nagavusruovsw am rande al-
yunıloı 233. xeAsuFoug’ 234. luegoerrog die buch-
staben osrrog in rasura. Ènsoncavio Ugorgov 235.
Thu Ga vto" 236. dieueronouvro‘ 237. Juuw
238. yulrs 240. dvdè 242. BéBnxev am rande
ulyuniov oyjuu 243. Bogenudas nw 244,
Guns‘ am rande ovnrn 245. èovuvòr 246.
Tur, veldov 247. mv, povown’ 248. vuse-
Taovor' 249. wyvylnv am raude 276. 250. uéurwr.
Rinteln. J. Rittau.
17. Zu Strabon.
Gelegentlich eines ausfluges nach dem Basilianerkloster von
Grottaferrata ist es mir dank der ausserordentlichen zuvorkom-
menheit des dortigen bibliothekars möglich gewesen, die von Gius.
Cozza daselbst aufgefuudene Strabonhandschrift in augenschein zu
nehmen. Da aus Cozza's veróffentlichung über dieselbe (Dell' an-
tico codice della geogr. di Strabone. Roma, Spithóver 1875) nicht
erhellt. welchen umfang der aufgefundene codex hat (vgl. meinen
jabresbericht über Strabon. Bd. 39, p. 331), auch sonst meines
wissens nichts hierüber veröffentlicht worden ist, darf eine kurze
mittheilung über diesen punkt wobl auf einiges interesse rechnen.
Der ganze codex besteht aus drei blüttern eiuer alten Strabonhand-
540 Miscellen.
schrift, welche in der mitte gebrochen sechs blütter eines die Heilige
schrift enthaltenden buches gebildet haben, und von denen das dritte
überdiess nur noch etwa halh vorbanden ist. Die höhe derselben
beträgt 28 ctm., etwa eben so viel die breite. leh habe nur eine
schriftlage über dem Straboutexte wahrnebmen können, während
Cozza a. a. o. p. 7 von einer doppelten spricht. Den zustand der
blitter giebt die von Cozza seiner schrift beigegebene photographie
getreu wieder: die schriftzüge sind namentlich von der nässe
mitgenommen, und auf der einen seite des einen vollständigen blat-
tes so gut wie ganz unlesbar. Eine entzifferung des noch nicht
veröffentlichten stückes vorzunehmen fehlte es mir an zeit: dass
aber diese entdeckung für die textgestaltung Strabons leider nur
eine sehr geringfügige bedeutung hat, dürfte aus dem hier mitge-
theilten zur genüge hervorgehen.
A. Vogel.
B. Zur erklärung und kritik der schriftsteller.
18. Zu Homeros.
Athenes mahnung entsprechend:
avgsov elo Kyognv xadéoas newug “Ayasovc
uedor népoade nace, Feoì 0’ ini uagrvgor Eoıwv.
urnotioac piv êni cylregu oxldvaoduı avwydi
(« 272 ff.) beruft Telemach in 8 früh am morgen eine volksver-
sammlung, die erste seit Odysseus’ abfahrt. Muthig bekennt er
auf die frage des alten Aigyptios, wer die versammlung berufen
habe und was es im interesse des volkes zu melden gebe, er habe
das volk beschickt in seinem eigenen interesse. Zu dem kummer
um den verlust des vaters komme die zweite drückende noth von
seiten der freier, die, anstatt bei Ikarios um die tochter zu freien,
in seinem hause ihm hab und gut verprassten, ohne dass es ihnen
jemand wehre. Immer wärmer und flehender wird der ton des
tief bewegten jünglings. Vor den zeugen, die sich zahlreich aus
ganz Ithaka eingestellt haben, mahnt er die freier mit rührender
bitte zur scham vor sich selber und den umwohnenden menschen,
gedenkt er des göttlichen zornes, der nothwendig rache senden
werde, und immer noch in tiefster erregung fährt er fort (8 88 ff.):
Alocopus ipévy Zyvog Olvunlou nde Oépsoros,
ni avdgwy ayooug quèr Aves 208 xa {tes
70 oyécde, q(Ào,, xal u' olov luoure n£v9ei. Avye@
teloec 9’, el un nov u mario èuòc do9Aoc Oduooevc
duouevéwr xax’ igetev Évxrnusdac ° Agarovg,
Miscellen. 541
TO» mw drrotivipevos xaxà bélere doGuev£ovrec,
Tovrovç O:Qvvovitg. duoi dé xe xégdsov ely
75 )ufuc éodtuevas nesurndia Te ngófluc(v te
ty’ vueig ye payoure wey ur moi xai 10016 etn’
10900 yap uv xoid dot” rmorimmvocolpeda uo)
xouar anasılkorıs, Ews x ano navıa dodsin
vu» dé pos &ngrxzovc; 0dvvag dußurlsıe Fuu.
Wer unbefangen diese verse nach dem was vorhergegangen liest,
muss glauben, dass, wie vorher bei reueoondnte, aldto3 re und
vnodeloure, so auch hier nur die freier gemeint sein können: er
wird die bitte Telemachs ihn allein zu lassen in seiner trauer um
den vater um so begreiflicher finden, da der tügliche besuch der
ungebetenen iibermiithigen gäste ja schon vorher als zweite drü-
ckende noth bezeichnet war. Erst bei v. 74 sieht man, dass der
redner seinen worten von v. 70 an eine unerwartete wenduug ge-
geben, dass er, wie die stelle nun einmal lautet, plótzlich das volk
anredet. Nun aber entstehen sofort auch andere zweifel. Zunächst
fragt sich, was heisst oyéo9s? — Ameis meinte „lass ab“ wie bis-
her die freier zu reizen, 74 rovrovg dtgovortec, was grammatisch
zu (fiere gehöre, aber dem sinne nach bei oy£o9e schon vor-
schwebe“. Aber abgesehen davon, dass Telemach # 114 ausdrück-
lich sagt: ovre th por mag duos ansyIousvog yadenalves, dass
keinesfalls von einem „reizen“, sondern höchstens von einem „ge-
währen lassen“ die rede sein kann, dass oyéode ferner erst im
vierten verse danach seine deutliche erklärung erhült, muss der
vers doch auch verstündigerweise eine äbnliche bedeutung haben
wie X 416. Dort will Priamos sofort nach Hektors tode trotz
des widerstrebens seiner vólker hinaus vor die stadt zu Achilles
und den harten mann durch erinnerung an seinen vater zur aus-
lósung des soliues bewegen, und alle Troer bittet er, jeden mit
namen anredend:
oyéode, qíAoi, xal ps olov «care, xndomevol neo,
2EeAForıa noàgog ixec9? ini vijus ‘Agardiv.
Also: „haltet an, freunde, und lasst mich, so sehr ihr besorgt seid,
allein vor die stadt zu den schiffen der Achäer ziehen“. Wenn
B 70 somit einen appell an das volk enthalten soll, die freier von
ihrem treiben abzuhalten, dann ist oyéode qíAo: falsch, und Lehrs
versucht darum p. 769 bei Kammer, Einh. der Od, die emendation
loyéuevas xai u' otov êuoure névdei Avye 1elgeoda. Das ist
freilich, wie schon die parallelstelle wahrscheinlich macht, eine
schwerlich richtige änderung, zumal man nun kaum umhin könnte
auch édoute... die unmögliche bedeutung zu geben: „macht, dass
ich mich allein meiner trauer hingeben kann, indem ihr diese ent-
fernt“. Dass die collekte, die Telemach in dem falle in ganz
Athaka zu erheben sich für befugt hält, wenn das volk, und nicht
542 Miscellen.
die freier sein gut verzelrten (76 ff. — übrigens eine gleichfalls
abgeschmackte annabme — einen thörichten, in jedem falle un-
ausführbaren und für den ton der rede unpassenden gedanken hin-
einbringt, ist unzweifelhaft, und diese stelle (76—79) giebt auch
Lehrs preis. Doch auch mit v. 74 f. ist nicht auszukommen.
Wer wird sich, wenn er den eindruck der ganzen rede hat auf
sich wirken lassen, durch einen abschluss derselben befriedigt fühlen,
wie ihn Lehrs vorschlägt: „da wäre mir's noch vortheilhafter, weon
ihr selbst mein hab’ und gut verzehrtet*, — worte, die, gewiss
undeutlich genug, den gedanken enthalten sollen: „so arg und wüst
wie diese würdet ihr alle zusammen nicht wirthschaften“ ! Indess
hat Lelrs darin recht, dass er gegen Kammer, der v. 68—79 für
eingeschoben erklärt, bemerkt, Telemach habe bis v. 67 „noch
nicht in dem tone geredet, dem es angemessen sei, dass er in ge-
reizter indignation das scepter zur erde werfe“. Ja ich behaupte,
dass in Telemachs rede bis dahin sogar die hauptsache fehlt, nüm-
lich das ausdrückliche verlangen, um des willen er eigentlich spricht,
dass die freier endlich sein haus verlassen sollen. Das ist es, was
er, gemäss dem gebote Athenes (a 272 ff.; vgl. a 373) mit kle
reu worten, im namen des höchsten gottes und der güttin der ge-
rechtigkeit, unter deren schutze er die versammlung berufen hat,
nunmehr fordern muss, und zwar von den freiern selbst! Nicht
allein aus diesem grunde halte ich auch Hentzes von Nitzsch beein-
flusste erklärung für ungenügend. „Lasset ab, freunde“, erklärt
er: „diese mahnung richtet 'Telemach in der leidenschaft an die
Ithakesier überhaupt, weil er sie wegen ihrer schlaffheit als mit-
schuldige ansieht“. Gegen die schlusspartie werden gar keine be-
denken geäussert, u’ olov êxoute aber heisst: lasst „mich allein,
d. i. ohne vom lärmen der freier beunruhigt zu sein“! Wie un-
klar ist diese art sich auszudrücken, wie hart und gezwungen
auch bier der wechsel der angeredeten personen.
Um endlich meine ansicht auszusprechen, so geht diese dabio,
dass alles von v. 74 an zusatz ist. Mit immer zunehmender er-
regung, halb bittend, halb entrüstet redet Telemach zu, den freiern:
Freuude, ich fleh’ euch bei Zeus, dem gott des Olympos,
und Themis,
Welche die menschen zum rathe versammelt und wieder
zerstreuet:
Haltet ein und lasst mich allein in bekümmerter trauer
Schmachten, — wofern nicht etwa mein trefflicher vater
Odysseus
Einst in böser gesinnung die erzumschienten Achäer
Kränkte, so dass ihr aus rache nun böses vergeltet mit
bösem !
Im stärksten affekt, den rhetorische mittel, wie die chiastische wie-
derholung derselben worte: duopertur xix’ Eoeber . . . maxü
Miscellen. 543
Öflere dvousv£ovısg herrlich zum ausdruck bringen, endigt Telemach
seine von stufe zu stufe sich steigernde rede, und übermannt von
seinen gefühlen wirft er weinend das scepter zur erde. In der
that ist die rübrung des volkes gross: selbst die freier bleiben
stumm und niemand wagt ausser Antinous ein wort zu sagen.
Aber auch seine worte stehen unter dem eindruck der gewaltigen
rede. Scheinbar sich an das thatsächliche haltend sucht er spitz-
findig die ganze schuld der listigen Penelope zuzuschieben !). Erst
allmählich gewinnen die freier wieder zutrauen zu sich, und nun
kehrt auch der alte übermuth zurück. Die in den reden enthaltene
steigerung ist bei Eustathius zu 4 242 treffend hervorgehoben.
Lange bevor ich Kammer und Lehrs gelesen hatte, bin ich
von der unechtheit der verse 74— 79 überzeugt gewesen und dies
trotz ihren abweichenden ausführungen geblieben. Ich sehe keinen
triftigen grund ein, der es verbite (206 auf die freier zu bezie-
hen. Es ist rübrend, dies traute wort in diesem augenblicke von
dem gesprochen zu hören, der so viel gelitten hat, und an die ge-
richtet zu sehen, die in den letzten jahren seiner kindheit so viel
unheil über sein haus gebracht haben, vor allem wohl geeignet, bei
allen mitleid zu erregen und so einen wirkungsvollen schluss ein-
zuleiten. Das leidige qí4o,! Ich meine, es ist an der ganzen
interpolation schuld. Der glaube, dass die „übermüthigen freier“
unter keinen umständen und gälte es auch besonders gemüthvoll
auf die faciArsg von Ithaka einzuwirken, „freunde“ genannt wer-
len könnten, — trotzdem doch auch Eurymachus, wenn auch in
anderem tone, a 405 Telemach gegenüber die captatio benevolentiae
pégcore anwendet und Halitherses w 455 den vüteru der freier vor-
wirft: vueréon xaxoimu, glios, rude Egyu yérorro — dieser
glaube war die veranlassung, dass man v. 70 auf das volk bezie-
hen zu müssen meinte, dem ein theil der schuld zugeschrieben
wurde. Ein rhapsode, welcher diese schuld, wie Ameis, bei oy£ods
angedeutet sah *), führte den gedanken durch das ganz ungeschickte
roviovG OTouroyres Weiter aus, um dann, vielleicht in unpassender
2rinnerung an ß 138 ff., noch viel thörichteres folgen zu lassen.
Und wenn los wirklich für die freier nicht passen wollte, was
ich entschieden leugne, hatte der dichter sich nicht durch X, 416,
wo er es vorfand, zu einem weniger treffenden ausdruck verleiten
assen können? Niemand kann leugnen. dass so etwas vorgekom-
nen ist. Um einmal ein recht charakteristisches, bisher, soweit
1) Das xóuo» avayas heisst nichts anderes als ‚einen schandfleck
mnheften“ (Dóderlein Gloss. nr. 2336), von hohn ist hier keine rede
Lehrs p. 770). Der schandfleck aber besteht darin nach Antinoos'
neinung, dass Telemach den freieru eine sie nicht treffende schuld
indichten wolle.
2) Derselbe verräth sich übrigens auch durch das zweisilbig ge-
rauchte Zus 78, das Nauck für vitiosum erklärt.
544 Miscellen.
ich sehe, unbeachtetes beispiel anzuführen: wie herrlich ist da
staunen gemalt, das Odysseus P, 154 ff. über die unvergleichliche
schönheit der Nausikaa äussert :
TQig paxages uiv Oolye mamo xai mommu unm,
TQig puüxages d? xaclyyytoss uuda nov Cpuos Feouds
oliv Euppoournosw lulverus elvexu o8io,
Atvocoviwy tosovde Fudos yogóv eloosyvevoay.
xeivog d° av megl xjQ« wuxugratog ÉEoyor allwr,
oc xt 0’ dtdvoww Boloas olxovd’ ayaynras.
ov yay nw rotor eidor Beotdy opFadpoiou,
3 »
ovi’ ardo’ ovrt yuvulxa’ ctBas u^ Eyes eloogowvra.
und wie seltsam nimmt sich der letzte vers d 141 ff. in Helenas
munde aus:
où ydg nu uva quus eorxcta wW0e Idtodas
our’ ardg’ ovrt yuvuixa, ofBas u^ Eye elogowoar,
ws 80° 'Odvoczog rahuctpecvoc ult Fosxev,
Tosuayo !
Dennoch müssen wir uns dies gefallen lassen! Und jenes gio
sollte von den freiern so ganz unmöglich sein?
Halle a. d. S. Rudolf Peppmüller.
19. Zu des Ennius Annalen.
Wie die kritik von des Naevius „Bellum Punicum‘“, liegt auch
die der Annalen des Ennius noch sehr im argen. Doch besteht der
erfreuliche unterschied, dass man hier sprachlich und metrisch überall
festen boden hat, insofern Eunius gegenüber seinem altfränkischen,
heutzutage von manchem auf unbegreifliche weise überschätzten
vorgänger im nationalen epos durchaus modern erscheint und in
formeller hinsicht fast ganz die wege der spätern daktyliker wan-
delt, die ja sämmtlich von ihm ihren ausgang nehmen. Dazu
kommt , dass die annalen nachweislich zur zeit des Caesar und
Augustus ziemlich in demselben texte vorlagen, die von Hnnius
selbst gegeben war, während bereits damals des Naevius dichtung,
ähnlich wie die Odyssee des Livius stark interpolirt war. — Frei-
lich aber kann die beschäftigung mit fragmenten nur dann ein
ernstes resultat versprechen, wenn man sich auf die citirmethode
der einzelnen autoren, von denen sie angeführt werden, versteht —
eine kenntniss, welche die meisten herausgeber von fragmenten für
überflüssig gehalten haben.
Doch ich will jetzt nicht versuche divinatorischer kritik ge-
ben. Dieselben seien einem ausführlicheren aufsatz in dieser zeit-
Miscellen. 545
schrift vorbebalten! — Für heute soll nur gezeigt werden, wie
man gelegentlich die richtige lesart bei Ennius ganz verkannt und
desshalb die exegese ebenso wie die kritik in wahrhaft ügyptischer
finsterniss getappt hat.
In der letzten ausgube des Ennius ist als zwólftes fragment
des 3. buches der Annalen folgendes gegeben:
atque gubernator magna contorsit equos vi.
Der vers wird von Quintilian, Charisius, Diomedes, endlich von
Plotius Sacerdos citirt; überall ohne nennung des autors. J. M.
Gesner hat ihn zuerst dem Ennius zugeschrieben, wie ich bald be-
weisen werde, mit recht. — Das erste wort felit bei Quintilian
und Charisius; Diomedes bietet dafür: cumque. Und dies ist rich-
tig, nicht bloss deshalb weil Diomedes überhaupt ein viel gewich-
tigerer zeuge ist als Sacerdos, sondern weil es im vorliegenden
fal einem citirenden grammatiker sehr nahe lag einen nebensatz
im interesse der bequemlichkeit des lesers zum hauptsatz umzuge-
stalten, nimmermehr aber jemand daran denken konnte atque durch
interpolation in oumque zu ändern. — Die vermuthung Vahlens
über platz und beziehnng des in rede stehenden verses will ich
dem leser ersparen. — Mir kam alsbald, als ich den eben ge-
schilderten sachverhalt erkannt hatte, der gedanke, dasss es sich
hier gar nicht um ein factum aus der römischen geschichte handle,
sondern jene worte einem vergleich zugehörten, entlehnt den da-
mals so beliebten circusspielen, — Es leitete mich dabei die
erinnerung an die von Cicero de Div. I, 48, 407 überlieferten verse:
expectant, veluti consul cum mittere signum
vult, omnes avidi spectant ad carceris oras,
quam mox emittat pictis e faucibu! currus.
Dass diese ansicht die richtige, wird bewiesen durch ein citat, das
den von Hermann Hagen erschlossenen Berner scholien zu Vergil
entstammt. Denn zu Georg. I, 512 heisst es dort folgendermas-
sen: carceribus, ianuis. Ennius ait: cum a carcere fusi currus
cum sonitu magno permittere certant. — Für a vermuthet Hagen
ansprechend: e, wie in dem oben citirten bruchstück. Statt per-
mittere wolle man lesen pervincere.
Wie man sieht, erhalt Gesners vermuthung eine glünzende
bestätigung. Der ganze passus lautete demnach ursprünglich:
cum e carcere fusi
currus cum sonitu magno pervincere certant,
cumque gubernator magna contorsit equos vi.
Im vorliegenden falle läuft das resultat unserer untersuchung frei-
lich nur darauf hinaus, dass wir eine unbegründete hypothese zu-
rückgewiesen — bei der willkür, mit der man die fragmente der
Annalen geordnet, ein etwas magerer triumph! — und einer fein-
sinnigen zu ibrem recht verholfen.
546 Miscellen.
Unvergleichlich wichtiger dagegen für die richtige erkenntnis
des inhalts der drei letzten bücher, ja für die auffassung des ga-
zen epos ist die verkennung einer, noch dazu von zwei zeugen
übereinstimmend verbürgten, lesart im 16. buch der Annalen.
Bei Festus p. 330 M. findet sich das folgende. Spicit qu-
que sine praepositione dixerunt! antiqui — et spexit. — Ennius |.
XVI (denn so hat der codex nach H. Keils zeugniss, nicht: VI,
wie in der ausgabe O. Müllers steht): quos ubi rex . . ulo spesit
de contibus celsis.
Man hat hier làngst für contibus eingesetzt cotibus (oder cau-
tibus); desto weniger wusste man mit dem vierten wort anzufan-
gen. O. Müller bezeugt, dass wegen eines zu stark ausgepragten
buchstabens auf der andern blattseite die erste silbe desselben un-
lesbar sei, und man auch nicht erkenne, ob pulo oder sulo dort
gestanden. Dass nur ein buchstabe unkenntlich geworden und
pulo, nicht sulo im Farnesianus steht, zeigt das citat bei Varro L.
lat. VI, 82: Spectare dictum ab ,specio** antiquo, quo etiam En-
nius usus: vos epulo posiquam spexit. Man hat längst erkannt,
dass hier derselbe vers vorliegt, der bei Festus steht, nur dass
Varro, wie öfters, nachlässiger referirt als Festus. — Merula
und nach ihm Vahlen beziehen das fragment auf die von Livius
XL, 21 berichtete besteigung der höchsten spitze des Haemus
durch kónig Philipp von Macedonien, der sich hatte einreden las-
sen, mau könne vou dort zugleich den Pontus und Hadria, die
Donau und Alpen erblicken. — Die verschiedenen versuche epulo
zu emendiren sind keiner erwähnung werth: am weitesten von der
wahrheit entfernt sich der des ueuesten herausgebers, der populos
schreibt, während grade die endung ,,ulo durch zwei, dem Ko-
nius au zeit nuhestehende, von einander gänzlich unabhängige zeu-
gen gesichert ist.
Mat hat auch hier am gesunden körper experimentirt und
dem entsprechende resultate erzielt. Nichts ist verderbt! Man
schreibe:
quos ubi rex Epulo spexit de cotibu’ celsis.
Zur erklärung dienen die worte bei Livius XLI, 11, 1: Paucis
ante diebus Iunius Manliusque oppidum Nesactium, quo se prin-
cipes Histrorum et regulus ipse Aepulo receperat , summa vi op-
pugnarant.
Dass a. a. o. die handschrift Aepulo bietet, wird niemand be-
irren, der weiss, wie oft das kurze e im anfang der worte, z. b.
in epulae, trepido, pretium, von den mittelalterlichen schreibern
durch ae ersetzt worden.
Hieraus ergibt sich, dass im 16. buch der Anualen der krieg
mit den lstriern, den die Römer in den j. 179 und 178 geführt,
behandelt wurde.
Die heldenthaten also des kriegstribunen 'T. Caelius Teacer
Miscellen. 547
(denn so hiess dieser maun in wirklichkeit, nicht, wie man ihn,
aller überlieferung zum trotz, genannt hat, L. Caecilius Denter)
und seines bruders C. Caelius, wegen deren nach Plinius Nat. hist.
VH, 101 Ennius das 16. buch der Annalen hinzufügte, d. h. den
bisher publicirten zwei ausgaben seines epos eine dritte anreihte,
müssen in jenem istrischen kriege stattgefunden haben.
Wer wissen will, wie wichtig der eben gegebene nachweis
für die richtige erkenntniss des inhalts der anualen und der ge-
sichtspunkte, die den dichter geleitet bei den vier ausgaben seines
epos — von denen freilich in den bisherigen bearbeitungen der
fragmente des Ennius nichts zu finden ist —, der wolle das
sechste buch des binnen kurzem erscheinenden werkes , Quintus
Ennius. Eine einleitung in das studium der römischen poesie“
nachlesen.
Sankt Petersburg. Lucian Müller.
— —— — —
20. Aesernia und Esernia.
Im Liber coloniarum I, p. 233 steht der stadtname Esernia in
der alphabetisch geordneten stadteliste von Campanien unmittelbar
hinter dem namen Diuinos. Es sind nämlich, worauf Mommsen
(Geom. Vet. Il, 159) aufmerksam machte, wenigsteus sieben namen
von stüdten, die sicher zur spätern provinz Samnium gehören,
darunter auch Esernia, unter Campanien mit verzeichnet. — Esernia
fallt auf, weil der name sonst immer Aesernia, selbst inschriftlich,
geschrieben wird. Zugleich fallt die stellung des namens hinter
dem buchstaben D auf. Mommsen ist geneigt, diese abweichungen
von dem üblichen einem späteru abschreiber, nicht dem Balbus
selbst, zuzuschreiben. Allein gegen diese vermuthung spricht fol-
gendes. Strabo reproducirt mehrfach städtenamen aus derselben
officiellen statistischen quelle, die Plinius (NH. III--VI) benutzte,
und zum theil in alphabetisch geordneten reihen, wie solche reiben
aus Plinius bekannt sind. Solcher art sind bei Strabo (bloss für
ltaliez und Corsica) V, p. 226 C: é»y dé 17 ueoculu . . . . no-
Alyvas ovyrul, Bingu te xoi Degevrivor xai. (DuAéQios xai Da-
Aioxor xai Nennru xui Stutwrlu xai adda nmAcfoug . . . ferner
Str. V, 224: tou Ó' óuwc oixnoiuu tiva uégn x«i nmodloputa
nov Binoirwv te xai XuouE xai 'Evixov(us xui Ove naveg . urxog
dì i5g vioov qnoir è ywooyugos ullus . . . . ferner Str. V,
230: AoMuzla d nv xai Artéuvas xui Didijvar xai Außıxor xai
alla tosuviu TÓTE uiv nollyriu, viv dé xwuae.... (zu dieser
angabe bemerkte Mommsen im Hermes bd. 17, 1882, p. 42, sie
sei der entsprechenden plinianischen stelle — N. h. IH, 68, 69 —
eng verwundt und vielleicht aus derselben quelle geflossen). Den
namen Aesernia hat nun Strabo zweimul, zuerst V, 238: Aloeoviu
548 Miscellen.
dè xai AAliqui dn Zuurnixai modes elotv, 5 wiv dyngnptry
xo:i tov Magoixor modepov 5 à în Gupuérovou. Die baw-
schriften haben hier sämmtlich Aicsgvia. Die zweite stelle ist
VI, 250: rosyuo 106 resi xwòpuus ytyoracw al rmodsss Eris È
exielolnucı tedtwe, Bouvòv Alceoria Ilavva Tslecta* cvvvezis
Ovevagow xai alias rosavtas. Hier haben die handschriften aber
sämmtlich "Ecsg»(ra. Ausserdem macht diese zweite stelle durch
aus den eiudruck, als ob sie aus einer alphabetischen städteliste .
entlehnt sei. Die alphabetische reihenfolge der namen ist sogleich
erkennbar, wenn wir deu handschriften folgend "Esegrfa lesen.
Jene erste stelle (Strab. p. 238) verdankt dagegen wohl Strabos ge-
schichtlichen studien ihren ursprung. Mau hat deshalb wohl ein-
mal (p. 238 C) Ailorgríu, das zweite mal (p. 250) dagegen
"Ectgrí(a zu lesen, und in der hier von Strabo benutzten städteliste
stand nicht Aesernia, sondern Esernia. Auch bei Plinius kommt
nun der name in einer alphabetischen liste vor, lll, 107: Samni-
tium colonia Bovianum vetus et alterum. cognomine Decumanorum,
Aufidenates, Aesernini, Fagifulani, Ficolenses ... (Bovianum wurde
colonia zu Flavischer zeit: s. L. Hollaender, De militum coloniis
ab Augusto in Italia deductis, Hal. 1880, p. 25). Aesernini
schreiben Jun und Detlefsen, die ülteren ausgaben, speciell Hardouin
1685, uud edit. Bipont. 1783 haben Esernini, ebenso auch Sillig
nach cod. A (Leidensis). Die haudschriften bieten Esernini und
Asernini (Sill.). Die form Esernini ist also bei Plinius nicht ge-
sichert, aber wohl vorzuziehen. Hiernach wird es wahrscheinlich,
dass auch Balbus selbst Esernia schrieb und dass diese namensform
in den officiellen Augusteischen verzeichnissen vorkam. Nun aber
giebt auch die Tabula Peut. segm. V Esernie, und die hand-
schriften des Cosmographus von Ravenna (bei Pinder et Parthey
p. 281) haben Eseruia und Eserina, das Îtin. Ant. hat Sermi. —
Liegt es unter solchen umständen nicht nahe zu schliessen, dass
die stadt sowohl in den officiellen städteverzeichnissen (welche wobl
in Strabos quelle, der Chorographia, enthalten waren), als auch
auf der rómischen weltkarte in der porticus Vipsania Esernie, und
nicht: Aesernia, geschrieben war !
Kiel. E. Schweder.
21. Zum briefwechsel des H. Stephanus.
Zu den von M. Dinse, Fleckeis. Jahrb. 1864, p. 843 nam-
haft gemachten sehr wenigen briefen, die wir von H. Stephanus
kennen, fügen wir acht, die sich in der Trew’schen sammlung in
der universitütsbibliothek Erlangen befinden. Sie sind sümmtlich
an den jüngeren Joachim Camerarius gerichtet, den sohn des be-
rühmten Joachim Camerarius, der 12. April 1500 zu Bamberg ge-
Miscellen. 549
boren, 16. april 1574 zu Leipzig starb. Der jüngere Joachim
Camerarius wurde zu Nürnberg 1534 geboren, wurde stadtphysikus
daselbst 1574 und begründete ebenda 1592 das collegium medicum.
Genannt werden in den briefen noch Joachim’s brüder Philipp und
Ludwig. Von den briefen ist nur einer voll datirt, der dritte, 15.
nov. 1574; bei den übrigeu fehlt der sitte der zeit entsprechend
entweder das jahr oder auch jedes datum. Auf der rückseite der
briefe finden wir aber von anderer hand die angabe von tag und
jahr. Da die tage immer spüter sind als die der briefe, so müs-
sen wir schliessen, dass der empfünger auf der rückseite die em-
pfangszeit sich notirte. Man vergl.
Brief II Wien 24. oct. 11. nov. 74
Brief Ill Augsburg 15. nov. 1574 19. nov. 74
Brief V » 18. dez. | 3. jan. 76
Brief VI Frankfurt 27. märz 10. april 78
Brief VII Paris 31 juli 1. sept. 79
Brief Vill Genf 10. dez. 13. febr. 92
Nur bei zwei briefen (oder eigentlich nur bei einem) trifft die
beobachtung nicht zu:
Brief IV ohne datum und ortsangabe 19. märz 75
Brief I Regensburg 15. oct. 9. oct. 74.
Da brief IV nichts beweist, bleibt nur die schwierigkeit des I. briefes
über; da ein brief in einem tag von Regensburg nach Nürnberg
gelangen konnte, so wird es 15 auf der rückseite heissen müssen;
es liegt also entweder ein versehen des empfängers vor oder 1 ist
abgesprungen. Zum glück ist es möglich, die jahresangaben auf
andere weise zu verificiren. Im I. brief verspricht Stephanus epi-
taphia Graeca den lateiniscben beizufügen; auf dieses versprechen
bezieht sich gleich der eingang des Il. briefs; durch die erwäh-
nung politischer ereignisse steht das jahr 1574 für den Il. brief
fest; da an einen längeren zwischenraum zwischen brief I und Il
nicht zu denken ist, so muss 1574 auch für den I. brief festge-
halten werden. Das jahr 1575 des briefes IV wird gesichert durch
die erwühnung des naufragium, das eine büchersendung des H.
Stephanus erlitten. Für das jahr 1575 des briefes V spricht der
in diesem jahr erschienene Arrian. Im brief VI spricht nichts ge-
gen das jahr 1578. Für den VII. brief ergibt sich das jahr 1579
durch einen an demselbeu tage geschriebenen datirten brief der
Passow’scheu sammlung. Das jahr 1591 des briefes VIII wird
durch den inhalt gerechtfertigt.
Obwohl die hier vorliegenden briefe nicht besonders ergiebig
an ups unbekannten thatsachen sind, so werden sie doch einem
künftigen biographen des H. Stephanus von nutzen sein. Der cha-
racter der Stephan'schen briefe ist sehr leicht zu definiren; es sind
keine gemachte, ausgefeilte briefe, die nicht sowohl für den adres-
Philologus. XLII. bd. 3. 20
550 Miscellen.
saten ala für andere bestimmt sind, sondern es sind, wie die cor-
recturen u. a. zeigen, rasch hingeworfene produkte geschiftliches
inbalts. Man sieht es, sozu sagen, den briefen an, dass ihr ver
fasser mit seiner zeit kargen muss. Die unsicherheit der dame-
ligen verkebrsverhültnisse veranlasst den briefschreiber, manche
nur anzudeuten, wodurch oft eine gewisse dunkelheit entstebt. Wir
lassen die briefe in chronologischer ordnung (unten ist die reibes-
folge in der Trew’schen sammlung angegeben) mit einigen erlie-
terungen folgen. Dass ich die briefe nach philologischer methode
edire, wird man hoffentlich nicht missbilligen.
Brief 1.
In diesem brief lesen wir die worte: Spero me epitaphia
Graeca. Lutinis illis additurum. Diese epitaphia sind dem vater
des adressaten, dem am 16. april 1574 zu Leipzig verstorbenen
J. Camerarius gewidmet. Diese epitaphia liegen uns vor in der
Collectio Camerariana zu München und zwar in vol. 20, nr. 218
und 219. Eine abschrift verdanke ich H. dr. Stangl. Zuerst be-
ben wir 6 lateinische Epitaphia in distichen. Denselben folgt ein
gedicht in 10 lateinischen distichen, gerichtet an die kinder des
verstorbenen Camerarius, ein entschuldigungsschreiben, in dem H.
Stephanus die captatio benevolentiae auf den hinweis auf zeit und
ort der entstebung dieser epitaphia, auf seine herzenssorgen u. s. w.
basirt. Diesem entschuldigungsschreiben folgen zwei frostige epi-
gramme in jambischen trimetern, die den gedanken, Camerarie s-
perstites sunt liberi et libri, durch beide ist er unsterblich, durch
führen. In darauffolgenden vier epigrammen, die in griechischen
distichen abgefasst sind, wird dieser gedanke förmlich zu tode ge
hetzt. Es sind der epitaphia also, wie brief Il richtig besagt, im
ganzen zwölf. Die entstehung derselben zeigen uns die erste
briefe.
Der in unserem briefe und brief II, Hl, IV genannte Chri
stophorus ist wohl Christophorus Herdesianus (Christoph Harde-
heim) summus iureconsultus et theologus, wie ihn Melchior Adam,
Vit. medic. p. 159 nennt. Ueber ihn handelt Will, Nürnbergisches
gelehrtenlexicon ll, 28. Er wurde 1565 rechtsconsulent in Nüre
berg und betheiligte sich in hervorragender weise an dem theole-
gischen streitigkeiten der damaligen zeit vgl. Gillet, Crato voa
Crafitheim Il, 75. Gestorben 23. dez. 1585.
Hoc die sabbati hanc in urbem perveni, salvus et incolumis,
Deo favente: nisi quod cum aliquo dolore tibiae, quem attulit
casus ex equo: qui mirum in modum cespitator fuit: et ipse
vicissim ex illo casu claudus factus est: ita ut, qui me de
5 ducebat, rogaverit me ut navigium vel potius navigiolem in
pago qui abest hinc itinere duorum milliarium conecenderes.
Quod feci, et ita iter terra ceptum aqua perfeci. Deducteri
Miscellen. 551
suos sex florenos persolvi, et aliquid etiam doni superaddidi:
ita ut alter ab altero contenti discesserimus. Medicus ille ad
10 quem literas dederas, bic non est: cras venturus. Saluta meo
nomine uxorem tuam et Ludovicum fratrem et item Christo-
phorum. Spero me epitapbia Graeca Latinis illis additurum.
Interim tibi felicia omnia opto, sicut te mihi optare scio.
Vale. Ratisbona . id. Octobr.
15 Tuus Henr. Stephanus.
Rogo ut Balbano dici iubeas ut recordetur literarum quas illi
dedi Augustam mittendas, sicut etiam tibi commendo quas
varia in loca mittendas tradidi.
Clariss. viro doctiss. medico D. Joachimo Camerario No-
rimbergae.
1 Brief nr. 1. 3 nach fut schrieb St. ita v, strich aber so-
fort dieses wieder aus 6 statt qui stand, wie es scheint, zuerst
quod 10 die worte meo nomine uzorem tuam stehen über der
zeile 16 nach quas wollte St. ein mit À anfangendes wort schrei-
ben, es ist À durchstrichen 19 adresse auf der rückseite
20 nach der adresse von anderer hand 74 5. octobr.
Brief 11.
In dem zweiten brief bedürfen vor allem die worte D. Crato meo
negotio gnavam operam impendit ita ut me cras literas meas ac-
cepturum spero einer erläuterung. Das negotium ist ohne zweifel
der process des H. Stephanus mit der familie Fugger. Bekaontlich
wurde Stephanus von Huldrich Fugger und wahrscheinlich auch von
seinen brüdern Marcus und Joannes in seinen buchhändlerischen
unternehmungen unterstützt, so dass er sich von 1558—68 oft
illusiris viri. Huldrichi Fuggeri oder auch Fuggerorum typographus
in seinen ausgaben nannte. Da H. Fugger durch seinen sammeleifer
in bedentende schulden gerieth, so machten ihm seine brüder den
process, in den auch Stephanus verwickelt wurde, insofern gewisse
contractliche verpflichtungen H. Fugger’s jetzt nicht mehr erfüllt
werden sollten. Eine reihe von briefen der Passow'schen sammlung
an den kais, leibarzt Crato von Crafftheim handelt von demselben.
Diese briefe gestatten uns einen schluss auf den stand der angele-
genheit zur zeit unseres briefes. Im brief nr. VII, p. 11 Passow
vom 19. jan. 1575 zeigt Stephanus seine heimkehr an, oct. 1574
war nach unserm brief Stephanus in der that in Wien. Der brief
an Crato zeigt weiter, dass es sich um eine abfindungssumme han-
delt, welche Stephanus von 300 gulden auf 500 erhóht wissen
will Auch brief XII p. 17 Passow berührt diese erhöhung. Aus
brief X XIII p. 28 Passow vom 15. mai 1575 ersehen wir, was
es mit den in unserm brief genannten literae für eine bewandtniss
hat; hier verlangt Stephanus aliae literae Caesaris, da die ersten
offenbar keinen erfolg hatten: quod vero ad meum cum Fugg. ne-
° 20°
552 Miscellen.
gotium attinet, nihil magie e re mea futurum spero, quam si
aliae impetrarentur a Caes. Maiestate literae, quibus se in per-
sona mea repulsam passum esse conqueratur: e$ hoc praecipue ur-
geat, se ideo voluisse me auctoritate literarum suarum munire,
quod praevideret nonnulla eiusmodi qualia mihi obiecta sunt, ob-
iectum iri ab illis, si quem colorem quo in deneganda mihi perso-
lutione uterentur, quaererent praesertimque illud me sine literis
affmis ipserum venire. Sed illos satis sibi esse conscios quam ini-
quum sit denegari mihi pecuniam ob non allatas hominis illius li-
feras, cuius alioqui plerisque omnibus in rebus et literas et verba
et auctoritatem contemnant !): ac se speravisse fore wt sua unius
autoritas in exigendo tam iusto debito omnium literarum vice esset,
praesertim. quum ipsum chirographum (quod huius negotii caput est)
repraesentarelur et ipse suam fidem velut interponere dignarelur.
Ego autem quim has literas impetratas esse sciam, Augustam pro-
ficiscar. Wir sehen, es handelt. sich in dem process um ein
schriftstück als beweismittel, das H. Stephanus nicht beibringen
kano und für welches das kaiserliche schreiben einen ersatz bieten
soll. Der brief XIV p. 19 Passow vom 14. nov. 1575 lässt
darüber nicht den mindesten zweifel aufkommen: Debuisti (ut aiunt)
ipsius etiam Huldr. literas afferre. Atqui, dizi, si illis insiructus
venissem , non mihi Viennam ad implorandum Caesaris favorem
proficiscendum fuisset. Mit diesen worten wird der zweck, den
der aufenthalt Stephanus’ in Wien sich setzt, auf's deutlichste ge-
kennzeichnet.
Ueber die ereignisse vor Tunis vgl. Zinkeisen, Geschichte
des osmanischen reichs Ill, 487, Goletta wurde von den Osmanen
wiedererobert 24, aug. 1574, die bastei erlag 13. sept., der in-
selthurm 15. sept.
Fidem de secundis epitaphiis meam libero, mi loachime, id
est, de Graecis quae Latinis adiuncturum me pollicitus eram.
Quatuor enim Graeca scripsi, sed et duo Latina, ita ut futurs
sint in universum duodecim, atque haec posteriora magis etiam
5 prioribus placitura esse spero. Quin etiam epistolium ad te
et caeteros fratres, eodem pertinens, adiunxi. Fuerunt autem
scripta in Danubio, quo secundo simul et adverso vecti ali-
quamdiu fuimus. Sed ex quo Viennae sum, ea recognoscere
non vacavit . quodsi non prius ea misero, Augusta saltem ac-
10 cepturus es. Interim sex quoque; illa quae iam dederam, in
aliorum manus venire nolim, si quidem illa quoque prius
recognoscere cupio. D. Crato meo negotio gnavam operam
impendit: ita ut me cras literas meas accepturum spero: sed
quantum fructus ex illis percepturus sim, nescio. Captam esse
15 Gouletam nunc demum hic omues (praeter Hispanos) credere
1) Es ist dies H. Fugger, der spüter geisteskrank wird.
Miscellen, 553
incipiunt. lli enim non credunt, aut potius non credere se
simulant. Impetratae sunt (ut aiunt) induciae cum Turca in
decem annos. Quod accidit in Polonia ante non multos dies,
puto te audivisse . id certe maximas turbas excitaturum esse
20 videtur. Rogo ut quam tutissime meas literas perferendas
cures . sunt enim magni momenti de rebus meis domesticis :
et quamvis cupiam brevi pervenire domum, tamen nisi tuto
vel potius tutissime, dari nolim, et tardius mitti, dum tutius.
Sat cito, si sat bene. Vale. Viennae Austriae, Octobr. XXIII
25 Tui studiosissimus
Henr. Steph.
Uxorem tuam meis verbis salutes velim tuum item fratrem
Philippum: necnon dominum Christophorum
Clariss. et doctiss. viro D. loach. Camerario doctori artis me-
30 dicae Norimbergae.
1 brief nr. 4 3 sta über der zeile 4 atque — spero am rande
17 cum Turca über der zeile | nach in 8 buchstaben ausgestrichen,
wie es scheint, wollte St. annos zuerst schreiben 22 nach cupiam
ist cito ausgestrichen | vor famen | buchstabe ausgestrichen 30
nach der adresse von anderer band 74 11. novemb.
Brief Ill.
Hier lesen wir die worte: fortassis enim quaedam interim
mutabo. Auch im vorigen brief hiess es: illa quae iam dede-
ram, in aliorum manus venire nolim, si quidem illa quoque
prius recognoscere cupio, Diese recognitio ist für die 6 ersten
epitaphia eingetreten, wie die collectio Camerariana vol. 20, nr. 219
in München zeigt, wo die 6 ersten Epitaphia von anderer hand in
grösserer und reinerer schrift mit drei änderungen gegeben wer-
den. Zur probe wollen wir eine mittheilen. In epit. VI heisst
es: Odimus incolumem virtutem, quaerimus illam | Sublatam ex
oculis, ut lyra docta canit. Die verbesserung lautet: oculis: Flacce
poéta canis,
Altera sex epitaphia quae literis Vieunae scriptis missurum
me hinc promiseram, mitto: simul et sex priora: nec non
carmen ad te et ad fratres, quod horum epitaphiorum mentio-
nem facit. Omnia eo sunt ordine quo velim excudi. Cupio
5 tamen a te certior fieri temporis que excudenda dabuntur;
fortassis enim quaedam interim mutabo, quin etiam a Beza ali-
quod, ut spero, obtinebo. De meo autem negotio, propter
quod tam longum, tam difficile iter suscepi, nihil possum ad
te, quo exhilareris, scribere. Scribam tamen alias, quum mihi
10 nunc non vacet, ad discessum me accingenti. Oblitus sum,
quum istinc discessi, te rogare ut talis biscocti, qualis est is
quo in secunda mensa semel atque iterum apud te usus sum,
libras duas aut tres mittendas mihi cures domum cum alicuius
554 Miscellen.
mercatoris mercibus; impositum tamen arculae aut camistro,
15 ita ut frangi non possit. Es autem conditione ut qui mibi
reddet, simul pretium indicet. Vale mi Camerari . Augustae
Vind. XV Novembr. 1574
Tuus créparoç
Salutem uxori tuae fratri tuo meis verbis dicas velim, necnon
20 D. Christophoro.
Doctissimo medico loach. Camerario Norimbergae.
1 brief nr 2 6 St. schrieb zuerst aiiquid 11 von qualis
steht is über der zeile, auf der zeile ein buchstabe ausgestrichen
14 nach mercibus ist sic tamen ausgestrichen 19 Die worte uzor:
(uae stehen über der zeile 21 nach der adresse von anderer
hand 74 19. Novem.
Brief 1V.
Zum verständniss dieses briefes ist es nothwendig, brief 12,
23, 20 der Passow'schen sammlung zu vergleichen. Unser brief
berichtet von einem unglück, das einer für die Frankfurter messe
bestimmten waarenladung zugestossen. Brief 12, p. 17 Passow
vom 25. märz 1575 sagt: Non dubito, quin antequam has accipias,
fama ad te de naufragio, quod meae merces passae sunt, quae
Francofordium | mittebantur, perveniat. Daraus ergibt sich, um
welche zeit das unglück eingetreten ist, und um welche zeit unser
brief geschrieben wurde. Brief 23, p. 28 Passow gibt uns über
Hieronymus aufschluss; Stephanus nennt ihn seinen institor. Auch
über die unglücksstätte belehrt uns der brief mit den worten: Maxima
pars eorum quae ad nundinas mittebam naufragium prope Solo-
durum passa est.
Der hier genannte Johannes Posthius ist zu Germersheim 1537
geboren, wirkte 1568— 85 als leibarzt in Würzburg, alsdann bis
zu seinem tode in Heidelberg ; er starb 1597 vgl. Adam, Vit. medic.
und Brucker's Ehrentempel p. 63, wo auch sein bildniss beigegeben
ist. Crenius publicirt in den Animadv. philol. et hist. HI, p. 62
einen für H. Stephanus bestimmten empfellungsbrief des Jo. Posthius
an den 1573 als leibarzt Maximilian's 1} nach Wien berufenen arzt
Carolus Clusius (Charles de l'Ecluse) aus Arras. Der brief ist von
Würzburg aus 25. sept. 1574 datirt und beginnt mit den worten:
Cum Henricus Stephanus ad vos esset iturus, nolui eum sine meis
literis te alloqui. Nach dem zweiten unserer briefe befand sich H.
Stephanus 24. oct. 1574 wirklich in Wien. Wie es scheint,
machte er die reise nach Wien von Frankfurt aus, wobei er Wiirz-
burg berübrte und mit Jo. Posthius zusammentraf. Wie im vor-
liegenden brief, so wird auch iu dem empfellungsschreiben des
Jo. Posthius die vermittlung des Joachim Camerarius für die über-
sendung der briefe in anspruch genommen: Tu tuas ad me litgras
Joachimo Camerario Norimbergam mittere potes.
Miscellen. 555
Nescio an a meo Hieronymo Francfordii Epitaphiorum meorum
et quorundam aliorum exemplaria acceperis. Ita certe eum
perturbavit quod nostris mercibus contigit in itinere naufra-
gium, ut multa ei memoria excidisse minime mirer. Certiorem
5 autem me fieri a te hac de re velim, ut si ab eo non accepi-
sti, operam dem ut aliunde accipias. Heri primum panem
biscoctum accepi: pro quo gratias tibi ago, Sed (quod aegre
tuli) nullas cum eo literas accepi. Rogo ut literas has ad-
iunctas tuto pariter et cito D. Cratoni reddendas cures . simul
10 etiam Posthio suas, de quo miror me nihil audire: et aut
peregre a domo abesse, aut illi male domi esse suspicor.
Salutem meis verbis dicas velim uxori tuae, nec non fratri,
et D. Christopboro. Vale.
Tuus orfpurvoc.
15 D. loachimo Camerario medico praestantiss. — Norimbergae.
1 brief nr. 6 10 nach etiam ist quas ausgestrichen 15 nach
der adresse von anderer hand 75 29 Marti.
Brief V.
Zu diesem brief ist nur weniges zu bemerken: Sambucus ist
als historiograph in Wien bekannt. (+ 13. juni 1584). Wir
verdankeu ihm mehrere ausgaben z. b. die des Plautus, (vgl. Ritschl,
Opusc. II, 114) des Diogenes (vgl. brief IV, p. 6 Passow). Die
ausgabe des Arrian erschien 1575 vgl. Renouard Annales p. 142.
lanus Antonius Saracenus war ein in Lyon practicirender arzt;
er übersetzte den Dioscorides in's latein. + 1602. Die übersetzung
wurde hervorgerufen durch Stephanus vgl. Renouard Annales p. 426.
Accepi quae D. Sambucus ut per te ad me mitterentur roga-
verat: cuius rei nomine gratias ago. Quod scribis responsum
a te ad plures tuas literas expectari, facit ut literas meas ad
te non pervenisse cognoscam. Nam et de utroque pueru a
5 te mihi diversis literis commendato scripsi, me et iuvisse et
officia quae praestari a me possent obtulisse, et invisurum
etiam postea diligentius: sed hoc scire cupere, an tantum dis-
cendae linguae nostrae causa, an simul etiam studiorum gratia
missi fuerint: id est, an haec, illorum xagegyor, illud autem,
10 égyoyv esse parentes velint. Quin etiam si quid sit quod inter
alia curae mihi in illis esse cupiant, de eo moneri cupio. Qui
enim puerorum ingenium noruut, sciunt qua in parte magis
adbortatione opus habeant. Arrianum Textori dabo, quem
tibi dono do: libellum Sarraceni De peste ab eo ipso petam:
15 quem lubentius scio missurum quam petitus a me fuerit. Tu
de misso libello gratias agens, contrahendae simul amicitiae
(de qua aliquando ad me scripsisti) occasionem accipies. Ex
556 Miscellen.
iis enim qui hic sunt, nullus est, meo iudicio, cum quo con-
trabere illam malis, si tibi omnes, perinde ac mihi, sint noti:
20 praesertim quum medicinae studium ano tig qsAoloyfag eum
non omnino abstrahat: et bac in re belle inter vos conveniat.
Vale XV. Cal. lan.
Tuus £rg. orégavog
Clariss. viro D. loachimo Camerario Norimbergae
1 brief nr. 5 | vt über der zeile 9 hoc in der zeile ausge-
strichen, sllud ausserhalb der zeile 20 vor ano ist e ausgestrichen
22 Vale über der zeile 24 Nach der adresse von anderer hand 76
3: januar.
Brief VI.
Die abfassungszeit dieses briefs kann aus dem inhalt nicht
genau bestimmt werden. Hotomuni quaestiones illustres erschie-
nen in zwei ausgaben bei H. Stephanus, die erste 1573 (vgl. Re-
nouard Annales p. 140, nr. 11), die zweite 1576 (Renouard An-
nales p. 144, nr. 4). Die nüchsterschienene juristische schrift ist
vom jahre 1580 ,uris civilis Fontes et Rivi. Iurisconsultorum
velerum quidam loci, ex integris eorum voluminibus ante Iustiniani
aetatem excerpti* (vgl. Renouard p. 147, nr. 3). Eine vollstün-
dige ausgabe des Corpus iuris civilis von Stephanus ist nicht er-
schienen.
Quem mibi tuis literis commendasti iuvenem, quam commen-
datum habuerim, ex eius, ut spero, epistola quum in urbem
nostram pervenerit, cognosces. Ad caetera quae illis conti-
nentur, alias respondebo, quum nunc occupationes nundinales
9 (cum quibus luctari molestissimum mihi est et a me alienis-
simum) vix spatium cogitandi de scribendo concedant. Novos
tres libellos, a me nunc primum editos, fratri tuo qui eodem
hospitio utebatur, dedi ut tibi mitteret. lli, quod libris ad
iurisprudentiam pertinentibus delectari audirem , Hottomani
10 quaestiones illustres donavi, lubenter, si quid aliud ad scien-
tiam illam pertinens habuissem donaturus. Spero autem fore
ut brevi Corpus iuris civilis a me prelo committatur, quod
huiusmodi erit ut eius lectio infinitis partibus utilior quam
aliarum editionum futura sit. Tradidi eidem fratri tuo Sar-
15 raceni nostri ad te literas. Vale . Francfordii XXVII Marti.
Tuus Henr. Stephanus.
Praestantiss. viro D. loachimo Camerario medicinae doctori
Norimbergae.
1 brief nr. 3 4 nunc ausserhalb der zeile 12 vor quod
ist i» ausgestrichen 18 nach der adresse von anderer hand 78
10. april.
Miscellen. 557
Brief VIL
Dieser brief ist deswegen interessant, weil er ein seitenstiick
hat in dem XXVII. briefe an Crato p. 33 Passow. Beide briefe
sind an demselben tag geschrieben worden. Wir erfahren aus bei-
den briefen, dass sich Stepbanus seit 9 monaten (bei Passow iam
nonum mensem et amplius) in Paris aufhielt. Also reiste Ste-
phanus nach Paris etwa october 1578. Seine abreise dahin wurde
veranlasst durch die schrift Deux Dialogues du nouveau langage
Frangois italianizé e$ autrement desguizé, welche ihn in Genf mit
der censur in verwicklungen brachte. Die schrift, die H. Ste-
phanus auf aufforderung des königs Heinrich III schrieb, ist De la
Précellence du langage françois. Den vorgang schildert uns genau
die Musa Monitrix principum p. 212. Ueber den entgang des
honorars handelt ausführlich Renouard p. 418.
Der am scbluss unsers briefs genannte Audreas Ellinger ist
als freund des Justus Lipsius bekannt, mit dem er in Jena zusam-
menwirkte, vgl. Ellinger's brief an J. Lipsius vom 21. marz 1574
in Burmann's Sylloge p. 4 (vgl. auch K. Halm über die ächtheit
der dem Justus Lipsius zugeschriebenen reden p. 4 und 5 anm. 1)
Ueber diesen poéta ef medicus handelt Adam, Vit. medic. p. 106.
Literas a me, non unde putares, mi Camerari, sed e Parisio-
rum zoàwv(m (ut quidem vocavit olim lulianus) accipies: in
cuius tamen oppiduli angustiis satis superque spatii ad. me
quoque capiendum iam a novem mensibus inventum est. Neque
5 tamen ea mente ingressus eram ut eo tamdiu clauderer: sed
egredi parantem rex accersivit, et cum alia multa dixit, tum
vero hoc, se, quendam tractatum, quem me promisisse intel-
lexisset, magno videndi desiderio teneri, Quum me promisisse
. quidem, sed nondum scripsisse, et nunc ad scribeudum esse ab
10 omnibus quae requirerentur imparatum respondissem, ille se
contentum iis fore pollicitus est quae pauca e multis memoria
mihi suppeditaret. Id praestiti ut potui: non, fortasse, ut
debui: sed tamen ita ut suo a me satisfactum esse desiderio
dixerit. Aliud quoddam scriptum (quod etiam magis quam
15 illud videre cupit, utpote quod sit maioris momenti) iam in-
choaveram: sed interrumpent scriptionem meam nundinae Franc-
fordienses, ad quas proficisci, dimissione impetrata ab eius
Maiestate, decrevi. ideoque, quum aliquoties ad te scripserim,
me in iis nundinis, quibus postremo interfui (interfuit quoque
20 unus e tuis fratribus) et literas et quosdam libros tum re-
cens editos ad te misisse: sed nullum a te responsum acce-
pisse: rogo ut in his certiorem me ea de re facias. Ab El-
lingero literas accepi, simulque 297»ov Graece scriptum in
patrem tuum: quem non dubito quin pridem ad te miserit: et
25 cur alia quam plurima carmina in obitum patris tui scripta
558 Miscelleu.
tumdiu publico iuvideas, valde miror. Vale. Parisiis priidie
Cal. Aug.
Tuus Heor. Stepb.
Praestantiss. viro D. loachimo Camerario dociori medico No-
90 rimbergae.
l brief nr. 7 2 Julian ed. Hertlein pe, 458 iri yyaror dyes yt
Bala nag) my gilyv dovxstiay’ óvoué(eves d' oUtec el Keltei mw
Hagssiwr rjv noliyyyy | quidem über der zeile 6 vor cum 1 buch-
stabe ausgestrichen 9 dum über der zeile 10 nach respon-
dissem ist dizissem ausgestrichen 22 ea de re über der zeile 30
nach der adresse von anderer hand 79 1 sept.
Brief VIII
Zur erläuterung dieses briefs diene folgendes: das hier er-
wühnte werk Principum Monitrix Musa sive de principatu bene
instituendo et administrando Poëma mit einigen andern sachen er-
schien Basel 1590. Die weiterhin erwühnten Meditationes histo-
ricae des (Philipp) Camerarius müssen vor dem 26. april 1592 er-
schienen sein, denn die mir vorliegende zweite ausgabe entbilt
einen brief, in dem an diesem tag der briefschreiber den empfang
der Meditationes historicae (ausg. I) anzeigt. Alexander Farnese
von Parma starb 3. dez. 1592. Unser brief muss daher in das
ende des jahres 1591 fallen, in welche zeit auch der begiun der
im brief angedeuteten kriegerischen operationen Heinrich's IV fallt.
Valde aegre fero t(e litera)s meas non accepisse, (qui)bus ad
tuas priores secundo (re)spondebam, et eas Argent(orati) da-
bam: ac (si bene memini) Abrahamo Tobolio maiorem in modum
commendabam. Praesertim autem de quadam pera coriacea
9 te admonebam quam simul cum libris illis de quibus scribis,
illi mercatori tradidi. Quantum enim meminisse poteram, te
eius etiam perae mentionem fecisse: affirmare non audebam.
Rogo igitur et nunc ut videas an illa cum libris illis tibi
reddita fuerit, in qua multae mihi necessariae chartae inclusse
10 erant, et eae quidem variae, partim excusae, partim aeriptae.
Quodsi forte eam non accepisses, ut diligenter de ea inquiras:
et omnia mili servare velis donec quid velim illis feri scri-
bam. Noudum enim quidquam de illis constituere potui, quum
res non ex meo tantum arbitrio pendeat. Rogabam te, ut in-
15 terim exemplaria illius meae Musae monitricis primum quidem
fratri, deinde vero et amicis donares. Ceterum cum illis li-
teris Argentorato datis mittebam et exemplar quorundam meo-
rum versuum, quibus problemata tria Argent. medicis proposui.
Nune quoque unum his includam. Libri fratris tui de medi-
20 tationibus historicis exemplaria tria Fraucofordii comparavi:
sed in omnibus desunt multae chartae indicis; quo factum est
Miscellen. 559
ut duo quae duobus amicis destinaram, donare, ausus non sim.
De bellis nostris nihil certi habemus: rex in obsidione Roto-
magi perseverare fertur. Dux Parmensis in finibus Belgii et
25 Galliae adhuc esse creditur. Vale. Genevae Decembr. X.
Fretri et filio salutem meis verbis dicas velim.
Tuus H. Stephan.
Clariss. viro D. loach. Camerario. Norimbergae.
1 brief nr. 8. Das eingeklammerte der 2 ersten zeilen ist abgeris-
jen 2 secundo über der zeile 9 vor maiorem ist val ausgestri-
‘ben 6 vor tradidi ist ded ausgestrichen | te über der zeile, in in der
seile ausgestrichen 7 fecisses geschrieben, s ausgestrichen | nach
firmare ist haud poteram ausgestrichen 14 ut über der zeile
22 vor donare ist dar ausgestrichen 24 finibus aus einem an-
lern wort corrigirt | vor Belgs ist Galliae ausgestrichen 25 Ge-
nevae „ober der zeile 28 nach der adresse von anderer hand 92
13 Febr.
Würzburg. M. Schanz.
C. Auszüge aus schriften und berichten der ge-
lehrten gesellschaften, sowie aus zeitschriften.
The Edinburgh Review 1881. Bd. 153. Januar. Enthält
nichts philologisches. — April. flios, die stadt und das land der
Trojaner etc. von Schliemann, in's englische übersetzt. Trotz der
hohen anerkennung, welche der berichterstatter dem forschungseifer
Schliemanns zollt, und für wie erfolgreich er auch die ergebnisse.
jeiner ausgrabungen ansieht, kann er doch der theorie desselben
durchaus nicht beipflichten, nach welcher auf Hissarlik in verschie-
lenen schichten bis zu einer tiefe von 52'/s fuss trümmer von
sieben [nach Dörpfeld sechs] nach und nach dort erbauten städten,
von denen die fünfte von oben, die dritte von unten [jetzt die
weite, s. Academy 14. oct., Voss. zeit. 25. october] gerechnet,
las bomerische 'Troja gewesen sein soll) aufgefunden worden sind;
'r möchte vielmehr die verschiedenartigen baureste und andern
unde grósstentheils den nach und nach durch Alexander den Gros-
en, Lysimachus, die Rómer, wie Sulla, vielleicht auch Augustus,
'orgenommenen ausbesserungen und verschönerungen zuschreiben.
Die beweismittel, welche der verfasser des buchs, um seine ausicht
u begründen, anwendet, scheinen dem kritiker völlig illusorisch;
ror allen dingen entsprechen nach ihm die von Schliemano für
uinen des homerischen Trojas angesehenen reste in keiner weise
ler beschreibung des dichters, namentlich der angebliche palast des
>riamus, der höchstens vier zimmer fasste, keinesweges den von
lomer angedeuteten dimensionen. Ferner führt der berichterstatter
lie stellen der alten schriftsteller an, welche zeigen, dass, im ge-
560 Miscellen.
gensatz zu den annahmen Schliemanns, das homerische Troja gänz-
lich zerstórt und das griechische Ilium novum an einer andern
stelle als jenes erbaut worden ist. Endlich sucht er den geschicht-
lichen kern, der in der sage liegt, zu ermitteln, ibn auf kämpfe,
welche die äolischen ansiedler mit den ursprünglichen einwohnern
des landes bei ihrer niederlassung zu bestehen gehabt haben, za-
zückführend. Gleich im eingange seines aufsatzes klagt er über
den mangel an anordnung in dem buche, welches nach ihm einen
wust von unverarbeitetem material beibringt.
Bd. 154. Juli. Der einfall Cásars in Britannien. Der ver-
fasser dieses aufsatzes erzählt nach Lewiu’s buch (s. Philol, X XVI,
p. 670 fig.), nach Long's Caesar (vergl. Philol. XXVI) und nach
Appach's British Expeditions from Boulogne to the Bay of Apple
dore, gelegentlich Napoléon's werk citirend, die beiden expeditionen
des römischen feldherrn, ohne erhebliche eigne untersuchungen an
seine darstellung anzuknüpfen. Er lässt Cäsar von Boulogne ab-
gehen (für diesen abfahrtsort hauptsächlich dadurch bestimmt, dass
an der spitze des dortigen hafens noch jetzt der name Isques (d. i.
Itius) haften soll) und bei Deal landen.: Nach dem übergange über
die grosse (oder kleine) Stour nimmt er an, seien die Rómer, da
ein übergang üben den Medway nicht erwühnt wird, nicht an der
Themse entlang, sondern aus der nähe von Durovernum (Canter-
bury) auf dem alten wege durch Charing über Oldberry Hill, Hol-
wood Hill (Noviomagus) nach der furt bei Kingston marschirt;
die britische festung setzt er nicht in Verulamium (Saint-Albans),
sondern in Londinium selbst (t) an. — Die gesellschaft der al-
terthumsforscher, im anschluss an Archaeologia or Miscellaneous
Tracts relating to Antiquity, vol. XLV. XLVI 1880— 1881; er-
wähnt wird duraus Nesbitt, Wall Decorations in Sectile Work (d.
i. mosaik) as used by the Romans. — October. Enthält nichts
philologisches.
Bd. 155. Jan. Carthago und Tunis, im anschluss an ver-
schiedene neue werke über die geschichte Carthago's und die za-
stände des jetzigen Tunis. — April. Terenz’ comódien, im an-
schluss an P. Terenti Comoediae; edidit et apparatu critico in-
siruxit Fr. Umphenbach, P. Terenti Comoediae, with Notes Critical
and exegetical, an Introduction and Appendix by Wilhelm Wagner,
Cambridge 1869, P. Terenti Hauton Timorumenos, erklärt von W.
Wagner, Berlin 1872; Wagners in England erschienene gesammt-
ausgabe wird wenig geschützt.
Bd. 156 enthält nichts philologisches.
The North American Review 1881. Juli bis dec. Bd. 133
enthält nichts philologisches. — 1882. Bd. 134 entbält nichts
philologisches. — Bd. 135. October. Recent Discoveries at Troy,
by dr. Henry Schliemann; ausführlicher originalbericht desselben.
The Westminster Review 1881. Bd. 60. Juli. Characteri-
Miscellen. 561
stics of Aristotle, im anschluss an die werke von Brandis und
Zeller, so wie an Grant, Aristotle, Wallace, Outlines of the Phi-
losophy of Aristotle und Barthélemy Saint-Hilaire, De la Métaphy-
sigue: Introduction à la Métaphysique d'Aristote. Der verfasser
spricht zuerst seine verwunderung darüber aus, dass Aristoteles in
unsrer zeit wieder zu so grossem ansehen gekommen ist. Er
schiebt die schuld auf seine ausleger, die zum theil in ihn hinein-
lesen, was er gar nicht sagt. So mache Wallace ilin auf die blosse
äusserung hin, dass die entstehung aller dinge auf entwicklung und
ausbildung beruhe, zum vorläufer Darwin's und Herbert Spencer's,
während sie gerade seine antagonisten seien; und Zeller, iu der
neigung, Aristoteles über die früheren philosophen zu erheben,
schlüpfe über die schwachen punkte seines systems hinweg. Nach
einer skizzirung seines lebenslaufes, aus welcher der kritiker für
ihu den vorwurf der inconsequenz ableitet, vergleicht er seine
ganze persönlichkeit und denkungsweise mit derjenigen seines mei-
sters; er meint, Plato sei in hervorragender weise ein praktischer,
Aristoteles in eben so hervorragender weise ein speculativer ge-
nius gewesen, insofern der erstere die aufgube unternommen habe,
das gauze menschliche leben zu reformiren, der andere, das ganze
menschliche wissen zu reorganisiren; Plato würde zu auderer
besserer zeit ein grosser staatsmann geworden, Aristoteles zu jeder
zeit nur ein stubengelehrier geblieben sein. In der politik scheint
dem verfasser Aristoteles durchaus unbestimmt, schwankend, ja wi-
derspruchsvoll in seinen urtheilen, in der rhetorik, trotz der von
ihm gegebenen psychologischen, ethischen und dialektischen grund-
lagen, was seine rathschläge für den redner anbetrifft, sehr wenig
belangreich. Noch weniger scheint ihm der philosoph der aufgabe
gewachsen, über poesie zu schreiben. Am meisten verfehlt will
es ihm vorkommen, dass Aristoteles dem gang der handlung mehr
gewicht beilegt als den charakteren und dass er von den heldinnen-
rollen iu der tragódie so ungünstig denkt. Lobt er gleich seine
überzeugung von der moralischen wirkung des trauerspiels, so ver-
wirft er doch seine ansicht von dem mittel derselben, nämlich der
katharsis, obgleich er eingesteht, dass die stelle des philosophen,
lange zeit missgedeutet, auch jetzt sicherlich nicht verstanden werde;
namentlich weist er Zeller’s erklärung zurück, welcher meint, dass
die einsicht in die unser schicksal bestimmenden allgemeinen ge-
setze, die verknüpfung des uoglücks mit der göttlichen gerechtig-
keit diese „reinigung“ bewirke, weil alsdano nicht durch furcht
und mitleid, sondern durch den hinblick auf eine hóhere macht die
reinigung zu stande komme, Er halt deshalb Aristoteles ausspruch
für sinnlos, weil seine ganze auffassung von der tragódie verfehlt
sei. Er dagegen behauptet, dass die durch das trauerspiel in sei-
ner hóchsten form hervorgerufeuen gemiithsbewegungen nicht schre-
cken und mitleid, sondern bewunderung und liebe sind. — Das
562 Miscellen.
ohne einschränkung gerübmte Organon scheint ibm Aristoteles aus
den platonischen dialogen abstrahirt zu haben. Für wie anerken-
nenswerth er auch die wissbegierde und die freude an der reis
theoretischen erkenntniss, selbst in den kleinsten dingen der natur,
bei dem philosophen ansieht, so scheint er ihm gerade in den na-
turwissenschaften sich faft überall den schlimmsten täuschungen
hingegeben zu haben. Und trotz dem setzt er sein hauptverdiens
in die genaue beobachtung und in die systematisirung der natür-
lichen dinge. Der verfasser will mit diesem aufsatz nur die gei-
stesrichtung des philosophen geschildert haben; über sein system
der philosophie verspricht er in einer folgendeu abbandlung sich
zu üussern. — Anzeige von Rawlinson, History of Ancient
Egypt. — October. Die systematische philosophie des Aristoteles
(fortsetzung des aufsatzes im vorigen heft). In diesem theil seiner
arbeit sucht der kritiker die unzulänglichkeit der grundideen des
Aristotelischen systems darzulegen. Er findet sie hauptsächlich in
einem vom philosophen überall in streng schematischer weise durch-
geführten dualismus. Diese seine ansicht von der sache führt der
verfasser an der physik, an der metaphysik und an der philosophie
des lebens (oder des geistes) durch. Gelegentlich geht er auf die
erklürungen und auf die eignen theorien ein, welche neuere eng-
lische metaphysiker, wie Caird und Grant, auf Aristoteles aus-
sprüche gebaut haben, ein, namentlich zeigt er, dass des philosophea
theismus mit dem katholischen glauben, der sich, wie die empfeh-
lung der schriften des heiligen Thomas beweise, darauf berufe, ua-
vereinbar sei. Trotz seines eingestandenen strebens, scharf gegen
den griechischen denker vorzugehen, muss der kritiker dennoch
stellenweise eingestehen, dass derselbe manches besser aufgefasst
bat, als die philosophen vor ihm uud nach ibm sogar bis in die
neueste zeit es gethan haben; in allen dingen, meint er, wo es auf
genauigkeit der beobachtung ankommt, ist Aristoteles ein meister,
und seine theorie der zeugung noch jetzt weniger veraltet als Har-
veys. — Anzeigen von Forchhammer, Ueber die principien der
Aristotelischen philosophie und die bedeutung der phantasie in der-
selben; von Jowelt, Thucydides, translated; von Milne, Excava-
tions at Carnac; von Postgate, Select Elegies of Propertius; von —
Sidgwick, Aeschylus’ Agamemnon; von Verrall, The Medea of
Euripides.
The Academy 1882. 7. jan. Amelia Edwards: Die eröfl-
nung der pyramide von Meydoom durch Maspero. — 4. febr.
Anzeigen von Paley, lliade 1. buch; von Paley, Oedipus Rex, Oe-
dipus Coloneus, Antigone und Troades; von Peerman, Cicere de
legibus; von Belcher, Livius, 2. buch; von Pursee, Livius, buch 1;
von Williams, Ovid. Epist. ex Ponto, buch 4 (das letztere oick
empfohlen) — 18. febr. Amelia Edwards: Die pyramide von
Meydoom. — Anzeige von Deecke, Etruskische forschungen. —
Miscellen, 563
4, mürz. Die auffübrung der Euripideischen Alceste in englischer
sprache in Brodfield, — 11. märz. Mahaffy, Altgriechische er-
ziebung, als lesbar, aber nicht gründlich genug angezeigt von Ri-
chards. — Dr. Karl Neumann, Geschichte Roms während des
verfalls der republik, mit grossem lob empfohlen von Fowler, der
nur einen index vermisst und dem verfasser vorrückt, dass er die
auctoritäten, auf welche er sich beruft, nicht nach ihrem gehörigen
werth bemisst, — Barnabei: Alte grabstütten in den Abruzzen:
auffindung der von Asinius Gallus in Teate Marrucinorum (jetzt
Chieti) gebauten wasserleitung (s. Notizie degli Scavi 1880, p. 175);
sufzühlung der von Lanzillotti in den gräbern von Chieti gefun-
denen miiuzen, rüstungsstücken; es sind ferner in Abellinum im
lande der Hirpiner ein grosser sarkophag, in demselben lande reste
einer römischen stadt, wahrscheinlich Cluvia (Liv. VIII, 31), ge-
funden worden; zahlreiche gräber, durch Nino bei Alfedena, ge-
funden, machen es zweifellos, dass bei diesem ort Aufidena, der
hauptort der Samnites Caraceni, und nicht, wie man früher ge-
glaubt hatte, bei Castel di Sangro gelegen hat. — 185. märz.
Tozer: Collection de romans grecs par Lambros, Paris; darin
unter andern Callimachus und Chrysorroe aus der mittelalterlichen
byzantinischen zeit; die übrigen sind neugriechisch. — Mahaffy:
Hayman's Odyssey Ill. bd.; gelobt werden die erklürungen, ge-
tadelt, dass der verf. die neueren kritischen arbeiten über Homer,
besonders in Deutschland, ganz unberücksichtigt lüsst. — Murray:
Geschichte der griechischen plastik von Overbeck, IE. halbband;
mit bemerkungen über die ansichten Overbecks selbst und des kri-
tikers über den Hermes des Praxiteles und einen bronzekopf der
Aphrodite im britischen museum, welcher nach der ansicht des letz-
teren dem Praxiteles selbst angehört. — Fr. Lenormant: Archüo-
logische nachrichten über die landschaft Otranto. 1. Ueber die
schütze der privatsammlungen und der museen in Lecce, Taranto
und Brindisi; sodann über die megalithischen denkmäler der pro-
vinz, welche der verf. den celtischen Menhirs vergleicht. — 25,
märz. Jeleb: Classical Writers, edited by Green; Demosthenes by
Butcher; inhaltsangabe des kurzen und gerühmten buchs über De-
mosthenes. — The Odyssey rendered into English Verse by Gen.
Schomberg, als ungenau bezeichnet. — Boase: Die ruinen Roms
von Reber, empfohlen. — Fr. Lenormant, Archiiol. nachr, etc.
il. Die neueren schutzthürmchen (fruddhi) und die alten wart-
thürme (specchie) mit einander verglichen; über die bestimmung
der letzteren im alterthum; der verf. halt sie für die der provinz
eigenthümlichen wohnungen. — 1. april. Nachricht von ausgra-
hungen im Delta, welche von einer englischen gesellschaft in gros-
sem massstabe beabsichtigt werden. — 8. april. Postgate:
Ovidii Ibis ex novis codicibus — edidit Elis; verglichen sind für
die neue ausgabe zum ersten mal G in Cambridge, P in Cheltenham
564 Miscellen.
uod T in Tours; die erklirung von Ovid’s verbannung, welche
der verf. einem vorfall im Isistempel zuschreibt, scheint dem kri-
tiker gekünstelt und wenig haltbar ; dagegen giebt er ihm für die
aouahme mancher interpolationen (z. b. 465. 466) recht und be-
spricht einige emendationen desselben. — Wroth: L'Asclepieion
d'Athènes — par Girard, Paris, welches nicht nur die topographie
des tempels, sondern den ganzen cultus des gottes behandelt. —
Fr. Lenormant: Archüol. nachr. etc. HI. Lage und bauart von
stádten, besonders Grathia; tempel; namentlich werden die reste
des bei dem dorfe Patu iu der provinz Lecce liegenden beschrie-
ben. Nach eigner anschauung urtheilend, meint der verf., dass
Mommsens sammlung von Inscriptiones Regni Neapolitani einer
sorgfältigen revision bediirfee — 15. april. Sayce: Die ge-
schichte des alterthums von Max Duncker, in's engliche übersetzt
von Abbot. Die aunahme des verf., so meint der kritiker von
einem grossen baktrischen reich, seine ansichten über Zoroaster etc,
sind nicht mehr haltbar. — Fr. Lenormant: Archüol nachr. etc.
IV. Vorbistorische antiquitaten, terra-cottas, namentlich die vor
kurzem bei Metapontum gefuudenen. — 22. april. Halton: Die
in Toronto beabsichtigte auffiibrung der Antigone iu griechischer
sprache. — Hayman vertheidigt sich gegen Mahaffy’s angriffe
in der nr. vom 18. märz. — Monro: The Journal of Hellenic
Studies, bd. Il. Uebersichtliche inhaltsangabe. — Fr. Lenormant:
Archäol. nachr. V. Gemalte gefasse. Eintheilung derselben in ver-
schiedene klassen, nach ort und zeit. — 29. april. Wilkins:
Bentley by Jepp. Hauptsächlich, so zeigt der verf., sind die ver-
dienste Bentley's zuerst iu Deutschland gewürdigt worden. —
Capes: Handbuch griechischer inschriften von Hicks, zur einführuog
der studirenden in diesen zweig der wissenschaft wohl geeignet. —
Barnabei: Ueber die Formello-vase, welche kürzlich in Veji gefun-
deu worden ist, und über welche Bréul 24. marz 1882 in der
franzósischeu Académie des inscriptions bis jetzt den ausführlich-
sten bericht erstattet hat. — 6. mai. Sweet: Etruskische for-
schungen von Bugge, mit beispieleu aus seinen entzifferungen. —
Gow: Plato's zahl, wie der verf. selbst sagt, eine einfache und
schnurgerade lösung der schwierigkeit in Plat. resp. VIII, p. 546. —
Sayce: Arisch-semitische sprache von Mc Curdy ; der kritiker ist
von dem versuch, den zusammenhang beider sprachstämme nachze-
weisen, wenig erbaut. — 13. mai. Martin: Beschreibung der
reste rómischer bauten in Norton bei Brading; besonders mosai-
ken. — Watkin: Römische inschriften in Algerien in bezug auf
Britannien. — Nachgrabuogen im Delta des Nils I, im 20. mai
Il, im 27. mai lll. — 3. juni. Krebs: Ableitung des worts Py-
renäen; nach dem verf. von dem Celtiberischen bryn oder byrio
berg, hoch (nicht neu). — Sayce: Grundzüge des ursprünglichen
glaubens bei deo indo-europäischen racen von Keary; der verf
Miscellen. 565
basirt seine ausichten hauptsüchlich auf die verzweigungen dieses
sprachstammes, die er nach dem kritiker weder vollständig noch
ganz richtig angiebt; trotz anderer ausstellungen uoch wird das
werk dennoch. wegen seiner durchgreifenden forschungen gerühmt.
— 10. juni. Evans leitet den namen Pyrenüeu von berwin, aus
bar spitze und gwyn weiss, ab. — Sayce über die Hittitischen
inschriften (aus Assyrien). — Barnabei über ein von Patti der
archüologischen akademie in Rom vorgelegtes bruchstück eines
schildes, welches für eine nachbildung des Achilleischen schildes in
ler Iliade gehalten wird. — 17. juni. Ueber Strong’s und Lee-
per's übersetzung von 13 satiren Juvenals; Hawkin's The Nico-
machean Ethiks of Aristotle buch 1—4 und buch 10, cap. 6—9;
Wells The Republic of Plato buch 1 und 2; Pollard's über-
setzung des Catilina und des Jugurtha Sullust's; Crossley's The
Fourth Book of the Meditations of Marcus Aurelius Antoninus ;
Velsen's Aristophanis Plutus (als unbedeutend beurtheilt); und
Conington’s übersetzung der Aeneide in prosa (in zweiter auflage).
— Sayce über den urspruug des indischen alphabets. — Sonnen-
schein: Flach’s ausgabe der epigramme Martial’s, unter anführung
mancher irrthümer, als eilfertig bezeichnet. — Lund über die
epoche Joseph's; Amenhotep IV wird als der Pharao der hungers-
noth angegeben. — 24. juni. Brief Halévy's über Sumir und
Accad, welche der verf. nicht für zwei verschiedene dialekte, son-
dern nur für zwei verschiedene stüdte Assyriens erklürt. — Fr.
Lenormant: Archiologische notizen über die umgegend von Otranto;
Vi, über die reste byzantinischer denkmaler dieses landstrichs. —
Barnabei : Weitere auskunft über den sogenannten schild des Achil-
les. — 1. juli. Terrien de la Couperie: The Summerian
and Accadian Dialects; der verf. behauptet, dass es zwei vor-semi-
tische dialekte Assyriens gewesen sind, welche gleichzeitig bestan-
den haben. — Halsey’s Etymology of Latin and Greek, Boston,
wird von dem berichterstatter als in sich widerspruchsvoll und zwi-
schen alten und neuen ansichten schwankend sehr obenhin behan-
delt. — Roby über ager arcifinius, limes decumanus , ager viri-
tanus und ager colonarius mit bezug auf Mommsen Corp. lnscr.
Lat. I, 88, 89. — Amelia Edwards über Naville’s besuch der
ruinen von 'Tanis (Zoan) in Aegypten. — 8. juli. Amelia Ed-
wards über Les contes populaires de l' Egypte ancienne von Maspero,
— Ellis: Ueber neue beitráge zur kritik des Catullus von Tar-
tara, Animadversiones in locos nonnullos Valeri Catulli et Titi
Livi, Romae, und von Vahlen, Indez lectionum, Berlin. — Lund
noch einmal über Amenhotep IV, identisch mit Khu—en — Aten,
dem vorletzten Pharao der 18. dynastie. — Westropp: Die aus-
grabung des forum Romanum. — 15. juli. Haverfield über
Birts das alte buchwesen, Berlin; ein auszug aus dem werk, das
wichtigste aus dem buchhandel der alten aushebend. — Paul de
Philologus. XLII. bd. 8. 31
566 Miscellen,
Lagarde: Brief über Sumir und Accad, in welchem er sich gegen
deu vorwurf eines plagiats an Fr, Lenormant etc. vertheidigt, nebet
antwort von Sayce. — 22. juli. Amelia Edwards über The
Funeral Tent of an Egyptian Queen von Villiers Stuart. — Pin-
ches über Sumer und Akkad, gegen die ansichten Hommel's in
München. — Wayte: The New Phrynichus by Rutherford, wel-
ches der kritiker für eine höchst bedeutende erscheinung erklärt;
nach ihm hat der herausgeber die von Phrynichus gegehenen re-
geln des atticismus wit der ausdrucksweise der attischen schrift-
steller, wie sie in den manuscripten erscheiot, auf aebr erfolgreiche
weise verglichen. — Wurren’s (programm von Dordrecht) ver-
gleichung der Alkestis mit der indischen beroine Savitr?, so wie
bemerkungen über den ursprung von stipulare. — Anzeige von
Lengpérier, Mémoires sur la Chronelogie et l'Iconographie des
Reis Parthes Arsacides (nach dem tode dea verf. besorgt vem Le-
roux). — Barnabei: Archäologische entdeckungen zu Ardea (obne
andre ausbeute als ein paar vasen). — Auflübrung des Phormio
in lateinischer sprache in Fort Augustus College. — 29. juli.
Roehl (s. Hermes p. 460—606) gesteht in eiper xuschrift an des
herausgeber jetzt die echtheit der 202 babylonischen bleiplatten aus
Styra auf Euboea (s. rev. arch. 1882, nr. 5 mai) ,bis auf 18“
ein. — Aufforderung, die ausgrabungen von Ephesus fortzusetzen.
— Sayce über ein trojanisches gewichtstück mit imschrift aus His-
sarlik, dem von Schliemann llios 582 beschriehenen gaus ähnlich, —
9. august. Max Müller über die neue ausgabe von Coa, Th
Mythology of the Aryan Nations, in welcher dem einfuss der se-
mitischen vorstelluagen auf die theologie der Griechen eim grüs-
&eres zugestündniss als in der ersten eingeräumt wird. — Richards
über Chronological Tables of Greek History hy Carl Pater, trear
lated by Chawner; das buch an sich wird mit geringfügigen aus-
atellungen gebilligt, aber gleichaeitig vor demselben gewarnt, wess
es als das einzige hiilfsmittel zur vorhereitung auf das examen
dienen sollte, wozu es bestimmt zu sein scheint, — Neue Hittiti-
sche inschrift in Tyana von Ramsay evtdeckt. — Monro über
The Journal of Hellenic Studies, bd. 3; das hauptstück daria sied
Ramsay s Studies in Asia Minor; ausserdem befinden sich daria
aufsätze von Mahaffy über die lage von Îliaa und von Jebb über
Pindar, — 12. august. Warr über Ihne’s Geschichte Roma, ins
Englische übersetzt; der berichterstatter rühmt besonders die dar-
stellung des einflusses des aristukralischen senats treta der deme-
kratischen volkssouverünitüt. — 19. august. Ankündigung von
Monro’s Grummar of the Homeric Dialect. — Murray über
Report of the Investigations at Assos by Clarke; diese erfolgreichen
nachgrabungen werden bekanntlich von eiper amerikanischen ge
sellschaft unternommen, (s. Voss. zeitung 1882, 14. october nr.
481) — 26. august. De Witte, Brief über den streit zwischen
Miscellen. 567
Roehl und Lenormant (s. 29. juli, rev. arch. 1882 nr. 5 mai),
in welchem für den satz über das äginetische gefäss (Hermes p.
464) der angriff von Roehl für ungerechtfertigt erklürt und die
berufung auf den briefsteller selbst zurückgewiesen wird. —
Newton über ein neues fragment der metopen des Parthenons, jetzt
im Louvre, -— Amelia Edwards über vier vusen mit inschriften,
aus deuen hervorgeht, dass sie dem priester Pirotem | gehórt ha-
ben. — Purker über die neuen ausgrabungen auf dem Forum
Romanum. — 2. september. Simicox über The Theological and
Philosophical Works of Hermes Trismegistus, translated by Chum-
bers; fleissig aber unzulünglich, urtheilt der berichterstatter. —
Nettleship über Anecdota Oxoniensia bd. 1, th. 2, enthultend eine
neue collation des Harlejanischen codex des Nonius Marcellus. —
P. de Lagarde behauptet, dass der codex Amiatinus der lateinischen
bibel in Florenz nicht, wie allgemein angenommen wird, aus dem
6., sondern aus dem 9. jahrhundert ist. — Haverfield sucht, ge-
genüber Diels im Hermes p. 377, nachzuweisen, dass die zeilen
in den büchern der alten nicht nach silben, sondern nuch buch-
staben (33 bis 37) gerechnet wurden. — 9. september. Colvert
über L'Ile de Rhodes par Bibliotti et Cottret, welches buch auch
archäologische fragen behandelt. — 16. september. Sayce über
Delbriick’s Introduction to the Study of Language übersetzt und
mit einer besonderen vorrede des verfassers versehen Nach dem
kritiker ist dies buch jetzt dasjenige, welches die beste vorstellung
von dem jetzigen stand der vergleichendeu spruchkunde giebt. —
Anzeige vun Orientalia antiqua, welche von Terrien de la Comperie
herausgegeben werden; in der 1. nummer ursprung des phónici-
schen alphabets von Bertin; ferner unzeige von Pauli's Etruskische
forschungen; von Westropp, The Cycle of Development of Roman
and Greek Sculpture. — 23. september. Anzeige von Tiele,
History of the Egyptian Religion, translated by Ballingal. — 30.
september; enthalt nichts philologisches. — 7. october. Anzeigen
von Casey, Outlines of Latin Mood Construction ; von Nettleship,
Latin Genders; von Stewart, Advanced Greek Course; von
Hulme, The Accidence of the Greek Verb taught through Inflexions
and Analysis (bei welchem getadelt wird, dass der verfasser oi-
yilw, olargéw und olxxocrgopéw als verben aufführt, die kein aug-
ment annehmen) -- Sayce über Lenormant, Les Origines de l'Hi-
stoire d'après la Bible; mit gegenbemerkungen des kritikers über
die etymologie von Deukalion, über die geographische lage von
Aslıkenaz etc.; sonst sehr getühmt. — Murray über Ancient
Marbles in Great Britain aus dem Deutschen des prof. Michaelis
von Fernell übersetzt. — 14. october. Wilkins über P. Vergili
Maronis Opera, with an Introduction and Notes by Pupillon; cou-
servativ, sagt der kritiker, im text, genau in den anmerkungen;
das beste sind nach ihm die zahlreichen übersetzungen schwieriger
568 Miscellen.
stellen. — Brief von Dörpfeld über dr. Schliemann’s Ilios. Der
briefschreiber, welcher fünf monate als architekt in Hissarlik ge-
wesen ist, behauptet aus eigner auschauung, dass nur ein neidischer
stubengelehrter noch leugnen könne, dass das alte Troja dort ge-
standen habe, da in der umgegend keine andere passende örtlichkeit
zu finden sei. Von den ruinen sind die wichtigsten die in der
zweiten und in der sechsten schicht (von unten gerechnet) gefun-
denen; jene rühren nach ihm von dem homerischen 'Troja, diese
von dem historischen [lium her. Die stadt des Priamus ist nach
ihm gäozlich (nicht, wie Schliemann hatte finden wollen, nur theil-
weise) zerstért worden. (Vergl. The Edinburgh Review 1881,
januar). — Franklin Richards, über die ethik der alten Griechen
von L. Schmidt. 2. bd. Kein system griechischer moral, aber
eine vollständige sammlung der aussprüche griechischer schriftstel-
ler über moralische vorstellungen und erklärung der dahin gehö-
rigen ausdrücke. — Fidel Fita, Eine neue celtiberische inschrift
von den ufern des Gallo, einer der quellen des Tago. — Ma-
haffy, Ueber Troja und Neu-llion von Brentano; der kritiker tadelt
die hartnäckigkeit, mit welcher der deutsche gelehrte, dem Eng-
länder Jebb folgend, gegen Schliemann ankümpft. — 28. october.
Haverfield, über Elyma graeca von Wharton; mit citirung einiger
beispiele und versuchter widerlegung einiger andrer. — 4. novbr.
Dennis, Ein altes monument zu Samos beschrieben von Herodot.
Die von dem griechischen schriftsteller 111, 60 beschriebene was-
serleitung ist vor einigen monaten wieder aufgefunden worden (mit
welcher der von Smith in Dictionary of Ancient Geography und
von Rawlinson in seinen anmerkungen zu Herodot erwübnte tunnel
nicht verwechselt werden darf, der auf der entgegengesetzten seite
der stadt liegt und wahrscheinlich der unterirdische gang ist, dea
der geschichtschreiber NI, 146 erwähnt). — 11. nov. Ellis,
über La poésie alexandrine sous les trois premiers Ptolemées per
Couat. 'Trotz der gänzlichen auslassung Lycophron's, meint der
kritiker, das vollstándigste und sorgfaltigste werk über diesen theil
der literaturgeschichte, zu welchem dem verf. besonders deutsche
gelehrte vorgearbeitet haben. Der berichterstatter benutzt diese
gelegenheit, seine landsleute zur weiteren bearbeitung eines feldes
aufzufordern, auf welchem einst Bentley durch seine klaren notes
zu Callimachus fragmenten geglänzt hat, während jetzt dort nur
das trübe licht der deutschen (es ist hauptsüchlich O. Schneider ge-
meint) schimmert. — 18. nov. Macdonell über Etude historique
sur les Impôts directs chez les Romains jusqu'aux Invasions des
Barbares, par Cagnat. Der berichterstatter hält es für glücklich,
dass der verf. sich nicht auf die directen steuern — eine übrigess
ganz moderne unterscheidung — beschränkt hat, und empfiehlt das
buch, aus welchem er über portorium, octava , vicesima libertatis
einige auszüge giebt und bemerkungen anknüpft. — Sayos über
Miscellen. 569
lebb's vortrag über die ruinen von Troja in der archäologischen
resellschaft; die gegen Schliemanns unterscheidung von sechs (oder
jieben) schichten gerichteten bemerkungen desselben werden für
ganz grundlos erklärt: — 25. nov. Anzeige von Mayor's Sketch
Xf Ancient Philosophy; empfohlen, weil es die hauptstellen der
griechischen und der lateinischen schriftsteller im original giebt. —
2. dec. Amelia Edwards über Cities of Egypt by Stuart Poole;
bauptsächlich diejenigen behandelnd, die in der bibel erwühnt wer-
len. — Fepp: The Ruins at Hissarlik: „in Hissarlik haben wir
sicht eine dünne decke (topping) des griechischen lliums mit sechs
yrähistorischen städten darunter , sondern reste des griechischen
lliums weit tiefer als sechs fuss hinunterreichend und verschiedene
sach und nach auf einander folgende perioden seiner architektoni-
schen geschichte, daon darunter eine prähistorische grundlage (re-
tiduum)“. — Postgate, über das verbum dare im lateinischen, als
epräsentaut der indo-europäischen wurzel dha, von Thielmano, nach
lem berichterstatter ein beitrag zu einem lexikon der zukunft. —
3. dec. Ellis, über Petronii Satirae et liber Priapeorum tertium
didit Bücheler, wegen der neuaufnahme von Seneca's Apocolocyn-
osis, Sisenna's milesischer fabeln, der leges conviviales aus dem
Querulus und des testaments eines schweines aus dem heil. Hiero-
ıymus empfohlen. — 16. dec. Sayce, über geschichte des alter-
hums von Max Dunker (englische übersetzung) mit einigen auf
ieuerdings gefundenen inschriften basirten einwendungen gegen die
'on dem geschichtschreiber dem Cyrus und dem Cambyses ange-
viesene stellung. — Mahaffy, über Monro’s Homeric Grammar;
is sind nach dem berichterstatter wichtige vorstudien zu einer sol-
then, hauptsächlich aus deutschen monographien zusammengetragen,
in mehr zum nachschlagen als zum lernen oder lesen geeignetes
mach und mehr praktisch als theoretisch, weil der verfasser der
legründung mancher punkte aus dem wege gehe; mit einigen ge-
renbemerkungen gegen die von ihm behauptete einheit der sprache
n lliade und Odyssee. — Conolly: Assyrische sculpturen im Va-
ican. — 23. dec. Amelia Edwards, über The great Pyramid
y Richard Proctor; über die frugen, wie und zu welchem zweck
lie grosse pyramide gebaut worden ist, weicht der verfasser von
inem andern astronomen Piazzi Smyth, der über denselben gegen-
tand, nämlich über die astronomische bestimmung derselben, ge-
chrieben hat, durchaus ab; die verfasserin gesteht nicht einsehen
u. kónnen, warum ein solches monument nicht für die bestattung
ines kónigs hat gebaut werden sollen, wenn ein privatmann sich
in noch ausgedehnteres und gewiss eben so kostspieliges unter-
rdisches felsengrab hat einrichten lassen. — Monro: The Lan-
wage of Homer, erwiederung auf Malaffy's kritik in der vorigen
ummer: „wenn ich wenig von der sprachlichen verschiedenheit der
ücher der Odyssee sage und mein kritiker den verinuthlichen
570 Miscellen.
grund darin findet, dass die Deutschen die Odyssee einer se
nauen wortkritik noch nicht unterworfen haben, wie die Iliade, ve
kann der grund doch auch darin liegen, dase, trotz aller nachfor-
schuugen und ungeachtet der wunderbaren gabe der Deutschen
solche verschiedenheiten zu entdecken, diese einfach ‘nicht vorhas-
den sind“. — 30. dec. Sayce: Lettre from Tunis. Der verf.
hat auf dem wege Sicilien berührt; hier hat er an steinen alte
ruinen, z. b. an den mauern von San Giuliano (Berg Eryx) eis
phónicisches beth entdeckt, wodurch sie und ähnliche sich als phô-
nicisch herausstellen. Vorläufig behandeln seine notizen nur Süé.
italien. — Proctor: The Great Pyramid. Der verf. vertheidigt
gegen Amelia Edwards (s. o.) seine ansicht von dem ,,horoskopi:
schen“ und „astrologischen * nebenzweck der grossen pyremide;
seine ansicht hauptsächlich darnuf stützend, dass die seiten dersel-
ben genau auf die cardinalpunkte der windrose gerichtet sind. —
Amelia Edwards: The Boolak Museum in Cairo, jetzt dem
publikum eröffnet.
The Journal of Philology 1882, vol. Xl, ur. 22. R(obin-
son) Ellis: On the Mostellaria of Plautus. — R. Ellis: Pre
pertianum. — Campbell: A neglected MS. of Plato. — R.
Ellis: On Petronius. — A. Palmer: Two Emendations in Ci-
cero (Ep. ad Att. XII, 18 ornabo statt consecrabo, XII, 46 ex tote
für exculto). — Thompson: Euripides. — Monroe: Euripi-
dea. — Monro: Hor. Carm. I, 12, 41— 44 (er vertheidigt apte
gegen die emendation arto). — Jackson: Plato's Later Theory
of Ideas. — Postgate: The Use and Meaning of Liceo end
Liceor. — Monro: Hor. Curm. 1, 13, 1-3, I, 26, 1- 4 (er
vertheidigt cerea gegen die conjectur lactea uud puellis wegen dea
vorschlag duellis).
Anzeiger für schweizerische alterthumskunde 1882. Nr. 2.
April. Vouga: Menhirs und schaleusteine an der westküste des
Neuchateller sees. — Gross: Das steinzeitalter in St. Blaise (am
Neuchateller see); gefunden: steinüxte, hirschhornwerkzeuge, bros
zedolche (zum theil mit holzgriff), die letzteren vermuthlich sw
dem auslande eingeführt, mit abbildungen. — Marcel: Hühles-
grüber aus der steinzeit. — Rabner: Zwei bronzemesser vou Mel-
lingen und Genf, mit abbildung. — Schneider: Fund einef röni-
schen altars in Brugg mit einer iuschrift, welche der verfasser er-
klärt: Aram Aventiae (doch steht vor dem + ein deutliches r)
Marcus Magius Sexti. filius Terrenus miles legionis XI Claudia
Piae fidelis centuria Crispi libens posuit. — Blümner: Bronse-
statuette aus Baden in Aargau, mit doppelter abbildung : ein ge
flügelter knube, der in der rechten hand eine weinbeere, in der
linken einen abgebrochenen stab, wahrscheinlich eine fackel (wie
man aus der vergleichung mit dem Lampadophor in Neapel museo
Borbonico Ill, 27 vermuthen muss) hält, demnach wohl ein „bek-
. Miscellen. 571
chischer genius". — Nr. 3. Juli. Rows, Notice historique sur
Vich et ses environs; alterthümer des bei Nyon gelegenen fleckens,
dessen name vom lateinischen vicus abgeleitet wird; dabei die ab-
bildung eines meilensteins und das facsimile der inschrift desselben,
ia welcher Levade den namen Valerianus, Morel dagegen Trebo-
nisous herausliest. Mommsen Inscr. conf. Helv. ur. 329 folgt der
lesart Levade's, jedoch nicht ohne seinen zweifel auszudrücken. —
Nr. 4. Oct. E: Riickblicke auf die neuesten in der Nordschweiz
ausgeführten pfahlbauten-untersuchungen. — Heim: Steinbeil aus
dem canton Zug. — Gross: Un poignard en silez avec sa
poignée de la station de Finals (lac de Bienne). — Messikommer:
Kupfer aus der pfahlbaute Robenhausen. — Voug'a: Bracelets
en bronze de l'époque Larnaudienne (lac de Neuchatel). — Gross:
Un chariot du premier dge du fer trouvé à la Tene (lac de Neu-
chátel), wit abbildung des vollständig gut erhultenen rades. —
Caspari: Dodécaëdre en bronze et masque comique en ivoire, tous
les deux trouvés à Aventicum. — Blumner: Römische funde aus
Aventicum, mit abbildungeu; dieselben, welche in der vorigen ein-
sendung beschrieben sind; die sonst in der Schweiz nocl gefunde-
men Dodecaeder werden hier aufgeführt. — Schneider: Der altar-
stein von Brugg mit Mommsens erklärung der inschrift.
1883. Nr. 1. Jan. Ritz: Fundbericht aus dem Wallis,
gefässe und ringe zum theil von glas, mit ubbildung. — . Amiet:
Römische glasgefässe gefunden in Solothurn, darunter riechflasch-
ehen (1), trinkglüser und -becher, mit abbildungeu. — Vouga:
La groite du Four; gefässe und bronzeschmucksachen.
Bulletin de la société des antiquaires de Frunce 1880. (1. bd.
der 5. serie). Lefort: Gallo-rómische begräbnissstätte zu Muzières
(Cher) mit aschenurnen. — Vallentin: lateinische inschrift aus
Valence, auf Aurelian. — Delattre: Neuaufgefundene marmor-
statue der Venus mit einem Delphin, auf dem Amor steht, zu ihren
füssen, aus Carthago. — De Witte: Etruskischer spiegel mit ei-
nem reiter (Melicertes == Hercules, nach dem verf.) und einem
Delphin; das wort Hercle bei dem reiter und Pakste bei dem
pferde in etruskischen buchstabenzeichen. — Thédenat: Henkel
einer amphora mit der aufschrift C. Semp(ronii) O(lympi); mit dem
plan des platzes in Angers, unter welchem sich der gallo-rómische
kirchhof befindet. — Derselbe: Inschrift von Lehoux 1837 aus
Beyruth in Syrien mitgebracht, auf [ulia Mamaia. — Mowat:
Zwei Gladiatoreninschriften aus Nimes, beide auf 'lhracier. —
Moresu: Gallische begräbnissstätte in Trugny (Aisne) mit waffen
und uruen. — Schmitter: 4 inschriften aus Cherchell (Caesarea
in Mauretanien), hier mitgetheilt, weil die revue africaine inschriften
nicht mehr veröffentlicht, aus den jahren 201—210, auf Publius
Aelius Peregrinus Rogatus den procurator und auf Caracalla;
desg!. nuífindung einer atutue der griechischen Isis in weissem mur-
572 Miscellen.
mor und des rumpfs einer Caryatide. — Roman: Bronzener Discus
mit dem kopf des Commodus in Autun gefunden. — Schlumber-
ger: Bleieruer einarmiger auker von der küste Cariens mit der
aufschrift >QTEIPA. — — Guérin: Ueber die stelle, wo der ko-
loss von Rhodus gestanden hat. — Terninck: Die bleihaltige gle-
sur in Gallien. -— Derselbe: Ueber die lage des vicus
wo Clodion von Aétius geschlagen wurde (s. Bull. 1879), welche
er auf dem berge Eleu bei Lens ansetzt, wührend Decagny sid
für Allaines ausspricht; Longnon dagegen weist nach, dass es das
jetzige Heléme (Helesmes) sein müsse. — Keller: Eisenstücke aus
den torfgruben bei Hedingen (Zürich), vielleicht stimuli und t-
leae der commentarien Casars. — De la Croix: Inschrift aus
Poitiers, auf Mercurius Adsmerius, zu welcher Mowat eine inschrift
aus Meaux auf Mercurius Atesmerius anführt. — Longnon: Ueber
die lage von Vosagus und Lipidiacus — Heron de Villefosse:
Münzenfund in Monaco, hauptsächlich karthagische münzen. —
Thédenat: Inschrift aus Bellevue bei Genf, auf Procus. — Ma-
gard: Nachgrabungen bei Lunnemezan (Hautes-Pyrénées) welche
besonders mannichfaltige lanzenspitzen ergeben haben, mit abbildung
und einer abhandlung über saunion und gaisos. — Mowat: Ueber
die platte mit der aufschrift Romanus (s. Bull. 1879), mit einer
neuen erklürung der inschrift Cambocluaniduci (Bull. 1877), nebst
einem excurs über die phalerae, mit abbildungen. Nach Mowat ist
Romanus der name des pferdes, nicht des besitzers; die zweite in-
schrift erklärt er Cambo Cluaniduci, uud einige andre punktirte
buchstaben im innern der scheibe liest er: g(ladiator) I (primes)
s(pectatus) v(ictor), Cambo für einen gladiator der truppe des
Cluaniducus haltend; ähnlich erklärt er eine dritte punktirte in-
schrift Dea Subremi pr(imi) sal(tuarii), wo Dea den namen der
stute des obcrforstwarters Subremus bezeichnen würde; eine vierte
inschrift auf einem pferdeschmuck BANNAI erklärt er für des
namen des fabrikanten, mag das wort der genitiv sein, oder das |
am ende für das nicht mehr deutlich gebliebene F (fecit) angesehen
werden. Héron de Villefosse findet alle diese erklürungen, bis auf
die erste, sehr fraglich. — Saglio: Resultate der von Denis 1833
und 1834 in Nasium (jetzt Naix) bei Commercy veranstalteten nach-
grabungen. — Chazaud: Meilenstein aus Vichy mit einer in-
schrift auf die beiden Philippe. — Carapanos: Bronzestatuette
Apollo's aus ‘Tarent. — Heron de Villefosse: Aschenurne aus
Nasium (Naix) mit einer inschrift auf lulia Mellis und ihre mutter
Naïs. — Sacaze: Inschriften aus den Pyrenäen. — Heron de
Villefosse: Gefässe, deren yerfertiger ihren namen auf dem hals
angebracht haben. — Rayet: Die färbung der kapitäler an tem-
pelsäulen, besonders in Priene. — Mowat: Scingomagus (Plin.
Hist. Nat. Il, 108) und Venaxomodorum (Notitia dignitatum). Der
erste name muss, nach einigen handschriften Strabu's, Excingomagus
- Miscellen. 573
geschrieben werden; es kommt nümlich der name Excingus oder
Escingus haufig in iuschriften beider Gallien vor und Excingo-
magus bedeutet demnach ,,besitz des Excingus*; für Venaxomo-
durum verlangt er Venixxamodurum , weil er in der oben er-
wühnten inschrift auf Adsmerius die letzten worte Venizzam v(o-
tum) s(olvit) libens) m(erito) vielmehr lesen will WVenixzamus
libens) m(erito) und dieser mannesname, nach seiner ansicht dem
obigen geographischen namen zu grunde liegt. — Rayet: Lan-
zenspitze mit der aufschrift: @eodwgos avéFnxe [di] Pacidei,
vielleicht von den deutschen ausgrabungen in Olympia entwendet
und in Athen zum verkauf gebracht (s. archäol. zeitung uud aus-
grabungen aus Olympia bd. | eine ühnliche dedication). Noch un-
veröffentlicht ist die aus Böotien herrührende inschrift auf einer
lanzenspitze: rov /Jioséwçs Îiagor. — Tissel will in dem von
Héron de Villefosse herausgegebenen tarif von Zraia lesen va-
tassae und erklárt es aus dem Berberschen fatassa schote; Héron
de Villefosse dagegen schlägt jetzt matassae (für mataxae) seiden-
cocons vor, auf das edict Diocletians C. I. L. t. HI, p. 837 ver-
weisend. Die 11. zeile liest er jetzt pecora innundin[aria] (d. h.
nicht zum verkauf auf dem markt bestimmt) jum(enta) immunia. —
Laurière: Inschriften aus einem neuerdings in Rom nahe der Six-
tusbrücke blossgelegten columbarium, welches der gens Sulpicia an-
gehórt hatte, und -- nach Héron de Villefosse — auch alle auf
diese familie bezüglich. — Quicherat: bruchstück eines gefässes
in rother sigillaterde aus Poitiers, nach der darauf abgebildeten
opferspenderiu zu schliessen von griechischer arbeit (abbildung). —
Mowat: Inschrift aus Allenc (Lozère) auf Gemina. -— Bertrand:
Bericht über die seit zwanzig jahren in der nahe von Corbeil vou
Campagne aus der Seine gezogenen broazewaffen, mit einer über-
sicht über die bisher aufgefundenen formen gallischer und rómi-
scher schwerter. --- D'Arbois de Jubainville: Etymologie gallischer
namen, Noviodunum, Vercingetorix , Allobrox. — De Witte:
Bronzebüste eines gallischen häuptlings mit dem torques, in der
Saône bei Lyon gefunden. — Bertrand: Fund eines goldreifens
und einer bronzenen Oenochoe in Mercey an der obern Saône. —
Derselbe: Ueber die inschrift des triumpfbogens in Orange; die auf
Tiberius beziigliche inschrift scheint ihm erst später auf dem frü-
her schon vorhandenen monument angebracht zu sein. — Thé-
denat: Griechische inschrift aus Aegypten im gymnasium zu Juilly
aufbewalrt mit wenigen lesbaren worten. — Sacaze: Inschriften
aus den Pyrenäen. — Mowat: Inschriften aus Amiens. — — Hé-
ron de Villefosse: Die inschrift auf Mercurius Dumias in Clermont
in verbessertem abdruck; nebst einer in punkten auf einer der
seiten augebrachten inschrift, die bisher noch nicht bemerkt wor-
den war, und aus der hervorgeht, dass die bronzeplatte von Romo-
gillius Regalis, einem-sohn des Macer, geweiht worden war. —
8
574 Miscellen.
Gouverneur: Ueber eine aus Dolmen herstammende sammlang vea
halsbändern in der Bretagne. — Heron de Villefosse: Geschnit-
tener stein aus Calle (Algerien) eine tänzerin darstellend, von dem
schon bekannten Leukios gefertigt. — Bertrand: Goldene arm-
bänder im museum zu St. Germain uud in andern (auch deutsches)
sammluugen. — Laferribre: Zwei meilensteine aus Pons (Cha-
rente-Inférieure); wahrscheinlich der regierung des Claudius ange-
hürig. — Mowat: Zwei celtische iaschriften in griechischen
buchstaben, die eine den oben erwühnten namen Escingus gebend. —
Derselbe: Inschriften aus Amiens. — Bertrand: Zwei etruskische
schalen bei Ludwigsburg in Würtemberg aufgefunden; im anschluss
daran bemerkungen über den verkehr zwischen Italien und Gallien
und die zeit desselben. — Thédenat: Siegel eines augenarztes
aus Reims. — Heron de Villefosse: Verbesserung der inschrift
aus Graux, auf Sirona. — Mowat: Réwmischer leicheustein ia
alter zeit schon in einen christlichen altar umgewandelt in le-
pagnac (Lozére) die spuren der antiken inschrift noch aufweisend,
mit abbildung. — Derselbe: Ueber die inschriften der gallo-rà-
mischen altáre im museum von Cluny. — Heron de Villefosse:
Nachgrabungen in Villefosse (Juliobona); römische bâder, sculp-
turen, mosaiken. — Houzey: Gefässe aus Rhodus, dem Louvre
gehörig, den von Schliemaon in Mycenae und von Salzmann in
Jalyssus gefundenen ganz ähnlich. — Moreau: Nachgrabungen in
Breny (Aisne), zahlreiche römische münzen und gallo-römische ge-
fässe. — Gaidoz: Gottheit in buddhistischer stellung zu Nieder-
koro in Luxenburg: auch Héron de Villefosse und Mowat können
zu den von Bertrand zusammengestellten typen noch einzelne his-
zufügen. — Heron de Villefosse: luschrift aus Tebessa auf Theo-
dotus. — Derselbe: Zwei statuetten aus dem Louvre, Jupiter mit
einem sechsspeichigen rade in der hand darstellend. Danach er-
klärt Mowat das wort cota in einer inschrift bei Muratori für die
handschriftliche notiz „rosa“. — Mowat: Ueber deu gehörnten
und hingekauerten gott der Gallier, Der verf. stellt den vrienta-
lischen ursprung der stellung der gottheit in abrede, erkennt io
dem gehürnten gott den Cernunnos, den die Römer mit Dispater
identificirten, und leitet von diesem die bildliche darstellung des
christlichen teufels ab, damit jedoch vielfachen widerspruch erfak-
rend. — Poinssot: Giebelstück eines Serapistempels in Affreville
(Algerien) mit einer inschrift, aus welcher der name des kaisers
weggemeisselt ist; nebst einer griechischen inschrift auf Sarapis
aus Carthago; der verf. zählt die andern inschriften auf diesen
gott auf, welche in der provinz zum vorschein gekommen sind,
und hält die aunahme, dass in Carthago ein Serapistempel bestan-
den hat, für gesichert; es folgen noch zwei andre iuschriften aus
derselben stadt. — Quicheras : Inschriften aua Lyon. — Heren
de Villefosse: Votivstele aus Afrika, jetzt im museum dea Louvre;
Miscellen. 575
ein basrelief zeigt Saturn verschleiert zwischen den büsten des
sonueugottes und der mondgóttin schlafend, „den winterlichen schlaf
des sonnengottes nach semitischen anschauungen darstellend“.
Mémoires de la société des antiquaires de France. 1880 (1. bd.
der 5. serie). Probst: Ueber zwei denkmäler, das eine dem gott
Cissonius, das andere der göttin Mugontia geweiht. Beide stammen
aus der nähe von Metz. Die inschrift auf den gott Cissonius, der
mit Mercurius identificirt auch sonst vorkommt, befindet sich unter
einem widderkopf (abbildung); oben an dem ganzen cippus befindet
sich ein ring, als wenn er zum forttragen bestimmt gewesen wäre.
Die stele, auf welcher die güttin Mogontia überhaupt zum ersten
mal erscheint, ist gleichfalls abgebildet; es folgen die sämmtlichen
inschriften, welche, wie diese, den titel tabellarius (s. auch Hirsch-
feld, Die kaiserlichen verwaltungsbeamten, Berlin 1876, Desjardins,
Bibl. de l'école des hautes études 1878 p. 51— 81) enthalten, —
Thédenat: Aegyptisches augensalbenbesteck im museum des Louvre,
webst erklärung der darauf befindlichen inschriften uud mit berück-
sichtigung der ühnlichen bestecke in Leyden, mit abbildungen.
Séances et travaux de l'Académie des sciences morales et po-
litiques. 1880. Bd. XIV (juli bis december). Havet: Beurthei-
lung zweier preisschriften über die morallehre, welche aus den
schriften des Aristoteles über ethik sich ergieht. — Fustel de
Coulanges: Studie über das eigenthum in Sparta (Fortsetzung aus
bd. XII] und schluss). Cap. 8. Ueber die ungleichheit der ver-
mogen und über die ursachen, welche das kleine eigenthum haben
verschwinden lassen. Der verfasser findet diese ursachen in der
ausnahmslosen beschrünkung des bürgerrechts auf die eingeborenen
Lacedümonier, in der beschrünkuug der rechtmüssigen und erbbe-
rechtigten ehe auf mitglieder der landesgemeinde, endlich in der
verminderung der zahl der bürger durch deu verlust des bürger-
rechts in folge einer gerichtlichen verurtheilung. Aus allen diesen
gründen wurde gegen ende des staats das vorhandensein bedeu-
teuden grundbesitzes immer grósser, die zahl der kleinen besitzer
immer geringer. — Picot: Anzeige von Lenormant, Les origines
de l'histoire d’après la Bible et les traditions des peuples orien-
faux; es wird besonders gerühmt, dass der verfasser die forderun-
gen des glaubens mit den ergebnissen der wissenschuft in überein-
stimmung zu bringen weiss. — Duruy: Anzeige von Ceuleneer,
Essai sur la vie de Septime Sévère; mehr eine reiche fundgrube
zusammengetragenen materials als ein durchgeurbeitetes werk. —
Duruy: Die bildung einer staatsreligion im römischen reich. Der
verfasser bespricht besonders die art und weise, durch welche der
kaiser Augustus die religionen der verschiedenen barbarischen pro-
vinzen mit dem römischen cultus in verbindung brachte; er rech-
net dazu besonders die einführung der verehrung der Laren und
des damit verbundenen cultus des Genius Augusti. — Giraud:
576 Miscellen.
Le concubinat en droit romain; nach der ansicht des verfassers
war der concubinatus nicht, wie nach modernen begriffen, eine mo-
ralisch verwerfliche lebensweise, sondern eine bestimmte persónliche
stellung, ein durch die gesetzgebung geregelter und gewisse bür-
gerliche folgen nach sich ziehender gesetzmüssiger zustand. Dies
sucht er in diesem ersten theil seiner abhandlungen vorlüufig durch
die aussprüche der modernen lehrer des römischen rechts von Ca-
jatius an zu begründen.
1881. Bd. 15. H. Martin, Bericht über Bertrand, L'auid
de Saintes et les Triades gauloises (s. rev. archéol. 1881). —
Duruy: Die provinzial-versammlungen im jahrhundert des Augustus.
Es handelt sich um die zuerst von Drusus und später noch in
Lugdunum und wahrscheinlich auch an andern orten Galliens und
Spaniens zusammenberufenen notabeln. Der verf. führt den allge-
mein eingeführten cultus der verstorbenen kaiser auf die verehrung,
welche das alterthum für die manen hegte, die abgöttische ehr-
furcht, welche man dem lebenden kaiser zu zollen hatte, auf die
achtung , welche der sohn für den genius des vaters empfand, zu-
riick. — Levasseur: Skizze der ethnographie Frankreichs. Der
verfasser behandelt hauptsächlich, im anschluss an Lagneau’s ar-
beiten, die Celtenfrage und den unterschied dieses volks von den
Germanen; mit bemerkungen von H. Martin und Duruy. — Franck,
Bericht über Giovanni, Severino Boezio filosofo e à suoi imitatori.
-- Geffroy, Bericht über seine eigenen Marques de briques romai-
nes (in der rev. archéol. 1881). = Eugene Levéque, bericht über
Charles Levéque, Les mythes et les légendes de l’Orient et de la
Grèce dans Aristophane, Platon, Virgile, Ovide, Tite-Live etc. —
E. Levéque, Bericht über Wallon, Histoire de l'esclavage dans l'en-
tiquilé — Havet, Bericht über Aubé, Les chrétiens dans l'empire
romain de la fin des Antonins au milieu du IIlème siècle. —
Franck, Bericht über Lilla, S. Tomaso d'Aquino, filiosofo in rela-
zione con Aristotele e Platone.
Bd. 16. Have, Bericht über d'Eichthal , Socrate et notre
temps, Théologie de Socrate. — Lagneau: Ethnographische ge-
schichte Spaniens und Portugals, mit bemerkungen von H. Martin.
— H. Martin, Bericht über marquis de Nadaillac, Les premiers
hommes et les temps préhistoriques. — Duruy: Die ersten jahre
der regierung Constantins. -- Huit: Plato in der akademie, grün-
dung der ersten philosophischen schule in Griechenland.
Bd. 17. Duruy: Die religiöse politik Constantins (vergl.
rev, archéol. 1881). — Chauvet: Die logik des Galienus. —
Duruy. Bericht über Benoist und Riemann, Tite-Live, XXIème et
XXlléme livres (schulausgabe).
I. ABHANDLUNGEN.
XVIII.
Ueber den chor in Aristophanes’ Babyloniern.
Hinsichtlich der in den Babyloniern des Aristophanes nach den
angaben der alten den Athenern vorgefübrten barbarischen sklaven
lassen sich einige schon früher aufgestellte ansichten zu grösserer
evidenz bringen, als sie bisher gehabt haben. So äussert noch
Kock, Fr. com. att. I, p. 408, über den chor dieser komoedie
keine bestimmte meinung, sondern erwühnt die ansicht Bergk's und
Dindorf’s, denen noch G. Gilbert, Beitr. z. inn. gesch. Athens, p.
148, hinzuzufügen gewesen wäre, nach welcher er aus eben diesen
sklaven bestanden hätte, und die Fritzsche’s, der ihn aus vornehmen
Athenern gebildet werden lässt, neben einander. Doch verdient
diese vorsicht, da bisher keine der beiden ansichten als bewiesen
gelten konnte, nur anerkennung. Wohl aber beruht es auf einer
nicht begründeten voraussetzung, wenn Kock ebendaselbst fortfabrt :
legatos a rege Persarum redeuntes Dionysumque deum in scaenam
inductos fuisse fragmenta ostendunt. Während nämlich letzteres
sicher ist (vgl. fr. 70 K.), kaun ersteres neben der annahme des
aus barbarischen sklaven zusammengesetzten chors nur unter der
voraussetzung bestehen, dass Bergk (Fr. com. Graec. ed. Mein., Il,
2, p. 969) mit seiner vermuthung recht hätte, dass ein gesandter
vom Perserkónige (womit allerdings das legatos a rege Persarum
redeuntes Kock’s nicht ganz identisch ist) mit einer grossen schaar
von begleitern aufgetreten würe, und dass diese begleiter (die man
sich als sklaven denken müsste) den chor gebildet hätten. Bei
Philologus. XLII. bd. 4. 39
578 . Aristophanes.
anderer auffassung des barbaren-chors (z. b. bei Dindorf Poet.
scen. p. 185: quem ex servis molitoribus compositum fuisse
Hesychii loco edoceri videmur), fällt jeder grund für die annahme
der erwühnten gesandtschaft fort. Denn dass die in den fragmenten
erwühnten, offenbar sich in untergeordneter stellung befindenden
barbaren verschiedenen kreisen angehörten, muss für äus-
serst unwahrscheinlich gelten. Ebenso würde mau also, wenn
Fritzsche, De Babyl. Arist. comm., p. 20 ff., mit seiner behauptung,
dass die in einigen fragmenten gekennzeichneten barbarischen ge-
stalten auf der bühne und nicht in der orchestra zu suchen wären,
recht hat, die iu diesem falle ein wenig zu modificirende Bergk'sche
ansicht nur dann für möglich halten können, wenn die barbaren
mit unrecht als servi molitores bezeichnet worden würen.
Nun ist aber die Bergk'sche ansicht in ihrem eigenthümlichen
grunde — dass nàmlich der dichter, der die leichtglaubigkeit der
Athener rednern wie Gorgias gegenüber hätte geisseln wollen, es
vorgezogen hätte, anstatt reden dieser art einen persischen ge
sandten einzuführen — iu keiner weise stichhaltig !), wie dies tref-
fend in der Amsterdamer dissertation von J. H. Gunning, De Ba-
bylouiis Arist. fabula, 'Traj. 1882, p. 33, nachgewiesen wordes
ist. Wir sind also, da aus dem namen des sticks sich kein
schluss auf die specialität der barbaren ziehen lässt (Hesych. Ba-
Buiwrios, oi Pupßagos naga roig "inxoig), für die bedentung
dieser, sei es nun auf der bühne, sei es als chor auftretenden bar-
baren lediglich auf die fragmente selbst und das von citirenden
schriftstellern bemerkte angewiesen.
Die écriyuéros (vgl. die fr. 64 und 88 citirenden lexiko-
graphen und fr. 97) sind nach Hesychius (Cauíwov 6 duos gre
116 nuoa 1 Agsctopaves Touç £x 100 muAwvoc iduv Baßr-
Awvlouc: Saulwr o dquos xrÀ.) in der stampfmühle oder kommen
aus derselben; die auffassung, dass die worte irgend welche ge-
stalten mit sklaven, wie sie sich an dem genannten orte zeigen,
etwa nur vergleichen kónnten, ist ausgeschlossen. Die servi
1) Gegen Bergk sprechen sich auch Gilbert und Joh. Muhl, Zur
gesch. d. att. kom., progr. Augsb. 1881, p. 34, aus; des letzteren her
leitung des titels „von den bombastischen worthelden unter führung
der Gorgias", die auch den chor gebildet hätten, hat wenig wahr-
scheinlichkeit.
Aristophanes. 579
molitores Dindorf’s, welcher mit recht auch auf das (woresor seines
fr. 66b (— 93 K.) hinweist, sind also wohl begründet, und da
wirkliche müllerknechte als begleiter persischer gesaudter doch sehr
wenig geeignet sein würden, ist keine veranlassung, eine solche
gesandtschaft für unser stück vorauszusetzen, vorhanden.
Doch suchen wir mehr positive resultate zu gewinnen.
Die annahme Dindorf’s, dass die müllerknechte den chor des stü-
ckes gebildet hätten, ist , nachdem sie von Fritzsche angegriffen
worden war, von Gunning wieder aufgenommen worden. Die zu-
rückweisung der gründe der Fritzsche’schen polemik ist demselben
(p. 2 ff.) trefflich gelungen; für das dadurch noch keineswegs ge-
wonnene positive resultat scheint jedoch das hauptgewicht auf das
fr. 79 zu legen zu sein: 7 nov x«1à Groíyovc xexgatorral ts Bag-
Bugsort. Denn wenn sich anch die bezeichnung xazu ocroiyous
in den antiken dramen nur an dieser stelle findet, wo kein zu-
sammenhang vorhanden ist, der uns lehren kónnte, ob sie in ihrer
feststehenden technischen bedeutung (Poll. IV, 109) angewaudt ist,
so muss dieses doch als das bei weitem wahrscheinlichste
erscheinen ?), wenn man bedenkt, dass der ausdruck Cuya in dem
entsprechenden sinne dem sprachgebrauch der komoedie nicht fremd
ist, sondern sich schon bei Kratinos, in der Pyläa, vorfand (fr.
173). Die von Guoniag, p. 16, geäusserten zweifel sind nichtig ;
denn auch zugegeben, dass fr. 66: Zoruo9” êpeËëns mavres imi
zoeis dontduc, auf den chor gehen müsste — was nicht ausge-
macht ist —, so ist es doch durch nichts indicirt, es in uahe ver-
bindung mit dem hier behandelten fragmente zu bringen. Was
aber das von demselben aufgenommene bedenken Kock's (p. 412)
betrifft: barbarorum chorum carmen aliquod canere parare interpre-
tatur. Bergkius; sed quis barbarum carmen intellegeret,
so ist die ansicht Bergk's (p. 974) uugenau wiedergegeben; Bergk
“ sagt nur, es erwarte jemand, dass der chor ein solches lied an-
stimmen würde, und dass nach der äusseren erscheinung desselben
eine solche — allerdings nicht in erfüllung gehende — vermu-
thung ausgesprochen wird, hat uicht das geringste bedenken, so dass
man also wohl als mindestens im höchsten grade wahrscheinlich be-
zeichnen darf, dass der chor in den Babyloniern aus barbarischen,
2) Auch Bergk, p. 975, fasste die betr. worte so auf; ebenso
Muhl, p. 36.
39°
580 Aristophanes,
zur arbeit in einer stampfmühle verurtheilten sklaven bestand, deren
abenteuerliches äussere zu allerlei scherz- und spottreden veranlas-
sung bot.
Dass diese eigenthümliche fiction den Athenern das harte loos
der bundesgenossen (xai zov; Ónpov; d» ruiç nodeciv delkac
wg dnuoxgarovvias, Ach. 642) klar vor die augen führen sollte,
ist gegen den nicht weiter begründeten zweifel Müller - Strübing’s,
Arist. u. d. hist. krit., p. 59, neuerdings wieder richtig von Guo-
ning p. 9 ff, hervorgehoben worden. Doch scheint, wie ehenfalls
noch gegen Müller-Strübing zu bemerken ist, bei dem gedanken,
sie gerade als sklaven dieser art darzustellen, das gewerbe des
damals einflussreichen Eukrates von einfluss gewesen zu sein, (Schol.
Ven. Ar. Equ. 254), wie schon Fritzsche p. 20. 40, und K. 0.
Müller, Gr. litt. gesch. Il, p. 219, angenommen hatten >), während
Gilbert diese beziehung ohne angabe seiner gründe lüugnet.
Neben dem sich auf das äussere des Babylonier- chors bezie-
henden scherzworte 4) za usıwra ‘Jotgsuva (Fr. 88) findet sich
auch das oft citirte, jedenfalls in demselben sinne gemeinte Za-
ulwr ó dnwog orev’ wg noAvyoampmarog, das um so
mehr eine berücksichtigung verdient, als die beiden letzten erklärer
desselben, Kock (p. 408) uud Gunning (p. 13) bei einem non
liquet stehen bleiben, Und doch dürfte es nicht müglich sein, die
bei Suidas und Photios (Saulwv o duos) unter anderen erklä-
rungen gegebene beziehung auf das im vergleich zu dem damali-
gen attischen reichhaltigere ionische alphabet mit Dindorf,
Poet. scen. p. 186, Fritzsche p. 19, Bergk p. 973, und Gunning
p. 8, so ohne weiteres zurückzuweisen. Freilich hat Dindorf recht,
wenn er in den sich bei Suidas (fast ebenso bei Photios) an die
erwähnte erklärung anschliessenden worten: 1006 d° °A9nvalov
Eneıce 07090 wig wy "Iuvwv youupucw * Moyivog 6 "AFnvaios
«! 4ox(vov 0’ “AFnvalov codd.» ini aeyoviog Evxieldov, rod; di
BuBviwrfovs edldage dix Kudisorgutov ‘Aguoroparns Ereos go
zov EvxAeldov xe’ «xai codd.> éni Evxitoug, need dì 100 xeb-
davioc iorogei Oeonounoc, eine polemik gegen dieselbe erblickt;
aber ist diese polemik treffend? Wer zweifelt heut zu tage daran,
3) Fritzsche wollte deshalb das fragment (696 K.): xai où xvpy-
Bsonwia Hoxyates srünnaf, gerade auf unser stück zurückführen.
4) Vgl. auch Fr. 97; etwas anders ist das ob. besprochene Fr. 79.
Aristophanes. | 581
dass schon geraume zeit vor dem jahre des Eukleides (403) das
ionische alphabet in Athen bekannt war%)? Wenn es aber be-
kannt war, konnte es von der komoedie sehr wohl zu scherzen
und anspielungen benutzt werden.
Dass jemand, der die gebrandmarkten (vgl. die p. 578 cit. stellen)
müllerknechte erblickt, bei der gewohnheit, u. a. auch buchstabeu zu
diesem zwecke zu benutzen (vgl. Plaut. Cas. 285: si hic litteratus
me sinat), sie wegen ihrer grossen anzahl — bekanntlich bestand der
chor auch gerade aus 24 choreuten — scherzweise mit den zoAv-
youppatos "Iwveg verglich, würde man also für völlig begreiflich
halten. Aber weshalb gerade die folgerung; „das ist gewiss das
volk der Sa mier; denn wie reich sind sie an buchstaben“ ?
Hesychios a. o. behauptet u. a., dass die Samier zuerst das
vollständige alphabet in gebrauch gehabt und es für die übrigen
Hellenen vermittelt hätten (dsadovzec). Mit dem zweiten theile
dieser behauptung, der schon an sich glaubwürdiger zu sein scheint
als der erste®), stimmt das schol. B H 185 (ebenso Leid. und
Lips) überein; ..... Kuiilorgarog dà o Zaápsog ini
tw Ilionorvgoiexüv Tavıny ueijveyxe tv youuuurixnr xal mu-
eédwxev AFnraloss, wc nov "Egogoc (FHG I, p. 270,
cf. IV, p. 672)... . Dies scholium verdient allerdings deshalb
besondere beachtung, weil es zu dem verse des Aristopha-
nes schlechterdings keine beziehung hat; aber ist des-
halb die sonst nirgends erwähnte thatsache als solche hinzunehmen?
Und wenn dies der fall ist, welcher zeit gehört sie ant — Entschei-
dend ist ein von Bekker nach dem rugédwxer “APnvatoss in das
scholium aus dem Victorianus, der bekanntlich in vielen scholien
das richtige erhalten hat, aufgenommener zusatz: ni agyovroc
Evxinrou Dass dies aus EvuxAc(dov verschrieben ist, wird
niemand bezweifeln. Der archon des jahres 403 passt aber nicht
zu dem vorhergehenden à ni rw» /7eZonorrnosaxwòy, ganz ab-
gesehen davon, dass für die zeit, wo ein iu Athen längst bekanntes
alphabet nur officiel! eingeführt wurde, ein sagadovvas seitens
9) Vgl. auch noch Gardthausen, Gr. pal., p. 106.
6) In noch entschiedenerem widerspruche mit den thatsächlichen
verhültnissen steht die auf den Ephesier Andron (FHG II, p. 348)
zurückgeführte erklärung 07 naga Xauiog sópé95 nouroc ta xd
yeauuata uno Kallorgdrov, vgl. auch Tzetz. chil. XII, 61 f£, und über
diesen F. A. Wolf, Prol. p. 63 not.
582 ' — Aristophanes.
des Kallistratos schlechterdings nicht gesagt werden könnte. Es
wird aber auch der archon des jahres 427/6, EvxAsfógg genannt,
und zwar bei Diod. XII, 58 und Schol. Ven. Ar. Equ. 237, wäh-
rend — was für unsere frage jedoch gleichgültig ist — durch
Arist. Meteor. I, 6, p. 343 8 4, die form EöxAng allerdings besser
beglaubigt zu sein scheint.
Da nun gerade in diesem jahre des Eukles oder Eu-
kleides die Babylonier aufgeführt worden sind, so
ergänzen und stützen einander die S«puos nodvygdupatos des Ari-
stophanes und die von Ephoros dem Samier Kallistratos zugeschrie-
bene thütigkeit ia willkommenster weise. Die art und weise des
diesem beigelegten ueragpéges» xai mupadovras der ionischen buch-
staben wird sich freilich nicht ergründen lassen; doch liegt es
nahe, an die wohl nur vorübergehende aber aufsehen erregende
thätigkeit eines rhetoren oder sophisten, durch den sich die kennt-
niss des ionischen alphabets zuerst in weiteren kreisen Athens ver-
breitet haben konnte, zu denken *).
Ich sollte denken, dass diese erklirung des viel besprochenen
verses uns genügen muss und auch kann. Und doch möchte ich
es nicht für ausgeschlossen balten, dass der dichter zugleich an die
von Plutarch (Per. 26), Aelian (V. H. Il, 9), Suidas und Photios
erwähnte, allerdings schon vor 13 jahren erfolgte brandmarkung
der flüchtigen samischen kriegsgefangenen anspielt9). Diese
massregel zu bezweifeln, wie es neuerdings von Gunning p. 9 ff.
geschehen ist, liegt kein ausreichender gruud vor; denn es ist kei-
neswegs ausgemacht, dass der betreffende bericht auf den Samier
Duris oder nur auf diesen zurückgebt, in welchem falle er al-
lerdings mit bedenken aufzunehmen sein würde; denu Plutarch, der
Per. 28 und Alc. 32 diesem schriftsteller gegenüber in richtiger
weise kritik übt, würde eine solche, wenn seine andern quellen
7) Ob Andron (vgl. p. 581, 6) diesem Kallistratos wirklich die er-
findung der 24 buchstaben zugeschrieben, oder ob er — worauf
ein vergleich mit Hesychios zu führen scheint — von der erfindung
und der übertragung nach Athen gesprochen, und etwa letztere dem
Kallistratos beigelegt hatte, so dass das verhültniss durch einen der
excerpenten verdunkelt worden wäre, muss auf sich beruhen bleiben.
8) Hieraus folgere ich jedoch keineswegs, dass ein choreut (oder
auch etwa mehrere) speciell den samischen demos repräsentirt hätte,
wie Gilbert annimmt, nach dessen ansicht auch die übrigen bundes-
enossen von choreuten mit besonderen kennzeichen dargestellt wor-
en sind.
Aristophanes. 583
(cap. 28 werden Ephoros uud Aristoteles genannt) geschwiegen
bátten, hier schwerlich unterlassen habeu, und die worte bei Suidas
und Photios: 10 dé nAuouu Sovesdug lassen sich recht wohl nur
auf das unmittelbar vorhergehende, die aus den Noero, des
Lysimachos angeführte erklärung des wortes oauusra, beziehen,
besonders wenn man es, wie Müller, FHG II, p. 483, für wahr-
scheinlich hält, dass sie aus Lysimachos selbst herübergenommen
sind?). Ebenso wenig sind wir aus inneren gründen berechtigt
an der thatsache zu zweifela (wie Guoning p. 11): es genügt,
aus dem angeführten capitel des Aelian, wo bei Perizonius
auch andere belegstellen zu vergleichen sind, an das gegen die Ae-
gineten eingeschlagene verfahren zu erinnern. Und was endlich
das von Gunning p. 13 gebilligte bedenken Kock's (p. 408) be-
trifft: „servum noctua nolatum (bekanntlich sind nach Suidas und
Photios und Aelian die samischen flüchtlinge mit diesem zeichen
gebrandmarkt worden) dici vir posse nmolvygauuaror“, so thut
dasselbe den worten des dichters gewalt an, da dieser nicht einen
der knechte (vgl. anm. 9) sondern die gesammtheit derselben, von denen
mindestens sehr viele, wenn nicht alle, Zomymévos sind, so nennt.
Die frage, ob wir neben der im obigen gefundenen bedeu-
tung des viel citirten und besprochenen verses noch diese neben-
sächliche anspielung !?) in ihm suchen dürfen, wird also darauf
hinauskommen, ob man eine solche mit der linge der seit dem Sa-
mischen kriege verflossenen zeit noch vereinbar, oder mit Fritzsche
p. 19 und Guuning p. 9 deshalb für ausgeschlossen halt, wor-
über die meinungen wohl aus einander gehen werden.
9) Bergk's (p. 973) conjectur ro dé xolacpua Aovgıdos wird mit
recht von Bernhardy zurückgewiesen. Dieser selbst bezieht die über-
lieferten worte freilich in ebenso wenig zu billigender weise auf das
folgende: oi de 19» ciuaivur vomoua elvas.
10) Die von Suidas und Photios ebenfalls zur erklärung des verses
herbeigezogene, von Aristoteles (Fr. 537) erwähnte aufnahme von
sklaven in die samische bürgerschaft hat mit recht keine vertheidiger
gefunden (vgl. Gunning p. 12).
Hamburg. Hermann Schrader.
Zu Valerius Maximus.
Il, 10, 2 laeti quod Scipionem vidisse contigisset, ad lares re-
verterunt: Cornelissen deutet richtig an, dass die praedones vom
Literninum nicht ad lares, sondern ad naves zurückgekehrt seien.
Valerius schrieb wohl ad rates.
Würzburg. A. Ensmer.
XIX.
Plutarchs bericht tiber das bergwerksgesetz des
Themistokles.
Die nachrichten, welche Plutarch in der biographie des The-
mistokles (c. 4) über das von demselben beantragte bergwerks-
gesetz gibt, sind deswegen sehr werthvoll, weil sie die angaben
des Herodot und des Thukydides wesentlich vervollständigen und
berichtigen. Aus Plutarch allein entnehmen wir die wichtige tbat-
sache, dass Miltiades sich dem plan des Themistokles widersetzte.
Hieraus ergiebt sich, dass das bergwerksgesetz, für dessen zeit uns
Herodot und Thukydides keinen sicheren anhalt bieten, noch vor
der schlacht bei Marathon eingebracht worden sein muss; dens
nachber bleibt hierfür wegeu der gleich folgenden expedition ge-
gen Paros kein raum mehr. Auch würde es uumittelbar nach dem
siege des Miltiades schwerlich gelungen sein, gegen dessen willes
einen antrag durchzubringen.
Ferner ist Plutarchs darstellung in einem puncte richtiger,
als die Herodots. Nach Herod. VII, 144 sollen nämlich auf The-
mistokles’ antrag 200 schiffe gebaut worden sein. Dass diese an-
gabe auf einem irrthum beruht, ist langst auerkaunt. Nur hatte
man deswegen nicht auf den gedanken verfallen sollen, die zahl
dinzocius aus dem texte des Herodot zu streichen; denn wie will
man es erklären, dass die nämliche zahl bei Justin Il, 12, 12 wie-
derkehrt! Wie Bauer, Themistokles p. 164 hiergegen geltend
machen kann, dass der text des Justin sehr schlecht überliefert sei,
ist mir unverstándlich; die angaben Herodots und Justins stützen
sich doch wohl gegenseitig. Auch kann das zahlwort bei Herodot
Zu Plutarchos. 585
deswegen nicht getilgt werden, weil es dem geschichtschreiber
jedenfalls darum zu thun war anzugeben, wieviel schiffe die Athener
auf den antrag des Themistokles gebaut hatten. Nach Plutarch
betrug die anzahl nur 100. Diese angabe, die sich auch bei Ne-
pos Them. 2, 2 und bei Polyaen I, 30, 6 findet, ist allem an-
schein nach richtig. Es spricht hierfür folgende erwügung. Vor
der schlacht bei Marathon besassen die Athener nur 50 schiffe,
so dass sie, um es mit den Aegineten aufnehmeu zu können, von
den Korinthern noch 20 leihen mussten. (Herod. VI, 89). Um
diese zeit mag wohl Themistokles seinen antrag gestellt haben.
Beim herannahen der Perser verfügten die Athener, wie aus He-
rod. VIII, 1 hervorgeht, zunächst nur über 147 trieren; die später
berangezogene verstürkuug (Her. VIII, 14) bestand wohl aus neu-
gebauten schiffen (vgl. VII, 144 £:£gag te Fdse zQ00vaunnyéecFas).
Plutarchs angabe scheint biernach richtig zu zein.
Sodann muss hervorgehoben werden, dass Plutarch ausdrück-
lich auf einen umstand hinweist, der von Herodot nur angedeutet
wird, nümlich dass Themistokles deu krieg mit Aegina als gruud
für die vermehrung der flotte vorschützte, wührend er in wirk-
lichkeit die von den Persern drohende gefahr im auge hatte. Dass
Themistokles den aeginetischen krieg lediglich als vorwand be-
nutzte, wird von Herodot nicht direct gesagt; es lüsst sich hóch-
stens entnehmen aus den worten: GOtuicroxAE£g; avéyvwos dO nvalovg
. vfag roviw» THY yogadru» nomoao9u dinxogiag dg TOY
xóAsuov, tov "góc Alysynjrag Aéywr, die die vorstellung erwecken,
dass er wohl von dem aeginetischen krieg sprach, aber an einen
anderen dachte, und aus der bemerkung, dass die schiffe zu dem
von Themistokles angegebenen zwecke gar nicht gebraucht wor-
den seien. Diese angabe scheint übrigens auf einem irrthum zu
beruhen; denn man sieht nicht ein, warum die Athener, die vorher
zur bekümpfung der Aegineten noch schiffe von den Korinthern
batten leihen müssen, sich nun der neu gebauten schiffe nicht be-
dient haben sollen, zumal der krieg sich noch bis zum heranrücken
des Xerxes hinzug (Herod. VII, 145). Plutarch zeigt sich auch
hier wieder besser unterrichtet; denn wenn er sagt: éxuroy . . .
àmoj9gscav tesjeess, olg!) xai ngóg ZéoEnv éravuaynour, so
1) So ist jedenfalls, wie schon Schmidt, Perikleisches zeitalter I,
228 vermuthet, zu schreiben statt des überlieferten af.
586 Zu Plutarchos.
setzt er voraus, dass die schiffe auch gegen Aegina zur verwen-
dung kamen. Dies wird auch geradezu bezeugt von Nepos Them.
2, 3, wo nur durch ein versehen die Kerkyrüer statt der Aegi-
neten genannt sind: Qua (classe) celeriter effecta primum Corcy-
raeos fregit.
Endlich ist Plutarch noch die nachricht eigenthiimlich, dass
dem 'Themistokles von seinen geguern vorgeworfen wurde: ws 10
dogu x«i rjv conida ww nodstwv napedbpevog tlg bxngecsoy xai
xuin5y» ovvedresde tov “AInvalwy diuor. Höchst wahrscheinlich
fand Plutarch, wie Schmidt, Perikleisches zeitalter II, 127 vermu-
thet, in seiner quelle auch die angabe, dass Miltiades in der voa
Themistokles beantragten massregel eine gefahr für die v erfas-
sung erblickte, denn hierdurch erklärt sich am natürlichsten die
sich an den historischen bericht anschliessende bemerkung: si ner
dn tqv axelBeav xai 10 xudagòr tov nolwutvparog EfAawer n
un taviu noakas, Éorw gslocoguwregor ensoxoneiv’ On dè n row
Gwingin éx tig Dalaoons banoke .. . ta 1° Ghia xai Agi
UÜTOG Euuprvonos x. T A.
Wenn nun aber Plutarchs bericht sich in hohem masse durch
genauigkeit und vollständigkeit auszeichnet, so ist die frage, aus
welchen quellen er seine angaben entnommen haben mag, von nicht
geringem interesse. Von vornherein liegt die annahme sehr nahe,
dass Plutarchs darstellung , sei es direct sei es indirect, auf einen
zeitgenössischen berichterstatter zurückgeht. Für die an-
gabe, dass Miltiades sich dem plane des Themistokles widersetzte,
wird nun Stesimbrotos von Thasos als gewährsmann ge
naunt. Da für die benutzung einer anderen quelle kein anbalts-
punct vorliegt, so hat die zum theil auf andere erwägungen ge-
gründete auvahme Schmidts, dass auch die sonstigen nachrichten
aus Stesimbrotos entnommen sind “), schon an sich nicht geringe
wahrscheiulichkeit, Bei abermaliger prüfung, zu der mich Bauers
widerspruch °) veranlasste, glaube ich eine bestätigung jener von
mir schon früher *) getheilten ausicht gefunden zu haben.
2) Perikl. zeitalter I, 227 ff.
3) Themistokles p. 162 ff., vgl. hierzu meine recension im phi-
lol. Anz.
4) Untersuchungen über die darstellung der griechischen ge-
schichte von 489 413 bei Ephoros, Theopomp u. a. autoren p. 153 ff.
Zu Plutarchos. 587
Wie bereits Schmidt (Perikl zeitalter II, 126) hervorgehoben
hat, setzt Plutarch bei dem übergang von dem dritten zum vierten
capitel irrthümlich voraus, dass das bergwerksgesetz erst nach
der schlacht bei Marathon eingebracht worden sei; denn dasselbe
wird ja angeführt als beweis dafür. dass Themistokles in jener
achlacht nur den anfang grösserer kämpfe erblickte. Schmidt
glaubt, dass Plutarch hier lediglich durch flüchtiges excerpiren des
Stesimbrotos, in dem die zu beginn unseres capitels stehenden
worte xai zQurov ufv eine andere beziehung gehabt hätten, einen
fehler in die darstellung gebracht habe; es lüsst sich indessen nach-
weisen, dass er durch eine andere quelle irre geführt wurde. Der-
selbe fehler begegnet uns nämlich auch bei Justin. Il, 12, 12:
Namque Athenienses post pugnam Marathoniam praemonente The-
mistocle victoriam illam de Persis non finem sed causam maioris
belli fore ducentas naves fabricaverant. Augenscheinlich schöpfen
Plutarch und Trogus hier aus derselben quelle, wofür namentlich
auch die in der ausdrucksweise mit Justin übereinstimmende be-
merkung Plutarchs spricht: of uèr yao &ÀÀos mégag movto 100
zoÀéuov tiv iy Magadav 19v BagBugwy nızuv, Oeusoroxdig dé
aeynv pelorwy aywrwr. Die gemeinsame quelle ist jedenfalls
Ephoros, den Trogus nachweislich sowohl im vorhergehenden
wie im folgenden benutzt hat 5), Der irrthum des Ephoros erklärt
sich durch ein allerdings sehr nahe liegendes missverstándniss einer
stelle des Thukydides (1, 14, 2), deren richtige erklarung wir
erst Schmidt ) verdanken. Für Plutarchs bericht über das berg-
werksgesetz selbst kann aber Ephoros nicht mehr die quelle ge-
wesen sein. Es geht dies nicht nur hervor aus der von Justin
abweichenden angabe, dass 100 schiffe gebaut worden seien, son-
dern auch aus der bemerkung, dass Themistokles seinen antrag
lediglich durch den hinweis auf den krieg mit Aegina begründet
habe, ohne an Dareios zu erinnern: où #ugeïor ovdi Hégous (ua-
xouv ydg 10a» ovtos xai dtos ov nuvv (flou we agsEopevos
nugetyov) énoelwr, Aia 17 ngog Alywiitas doy], xai quAovtix(a
100» nolstwy anoyonoaueros. Also an einen krieg mit den Per-
sern dachte man damals deshalb nicht, weil dieselben weit entfernt
5) Man vergleiche Just. II, 12, 10 mit Diod. XI, 14, 3 und Just.
Il, 12, 18 mit Diod. XI, 15, 3 ff.
6) Perikl. zeitalter II, 11 ff.
588 Zu Plutarchos.
waren! Fiir die zeit nach der schlacht bei Marathon konnte dies
nicht mehr gelten. Wenn man sich damals sicher glaubte, so
konnte hierzu weniger die grosse eutfernung bestimmen, die die
Perser schon einmal zurückgelegt hatten, als der errungene sieg,
der von einer zweiten invasion leicht abschrecken konnte. In der
von Plutarch hier benutzten quelle wird demnach, wie Schmidt II,
9 betont, vorausgesetzt, dass das bergwerksgesetz noch vor die
schlacht bei Marathon falle. Diese auffassung tritt auch hervor
an einer späteren stelle. Themistokles soll nämlich bei seinem be-
streben, die Athener zu einem seevolk zu machen, geleitet gewesen
sein von der ansicht, dass dieselben zu lande nicht einmal ihren
greuznachbarn gewachsen seien: xuraßıßalwv 1)v noAsr weog ijv
Jaluoour, wg rà nela uiv oùdè roig omogoss abiopayovg Orrag.
Auch diese angabe lüsst sich our beziehen auf die zeit vor der
schlacht bei Marathon. Plutarch hat also für das bergwerksgesetz
selbst nicht mehr die quelle benutzt, der er noch bei dem übergang
vom dritten zum vierten capitel folgte. Nun steht aber die dem
bericht Plutarchs zu grunde liegeude voraussetzung durchaus im
einklang mit der darstellung des Stesimbrotos, wonach The-
mistokles seinen antrag noch zur zeit des Miltiades einbrachte.
Es ist also klar, dass Plutarch auch die anderen angaben, die schon
ohnehin die benutzung einer zeitgenössischen quelle wahrscheinlich
machen, aus Stesimbrotos entnommen hat. Jedenfalls hat er an
dieser stelle gedankenlos gearbeitet; denn sonst würde ibm der
widerspruch der beiden berichte, die er an einander reihte, nicht
entgangen sein.
Es erübrigt nun noch, das verhältniss der plutarchischen dar-
stellung zu Thukydides ins auge zu fassen. Schmidt (Perikl.
z. I, 227 ff.) macht geltend, dass einzelne wendungen Plutarchs
übereinstimmung zeigen mit drei weit von einander getrennten
stellen bei Thukydides, und zieht hieraus den schluss, dass jene
stellen sämmtlich, ebenso wie der bericht Plutarchs, aus Stesimbrotos
entnommen seien. Ich lasse die in betracht kommenden stellen
hier folgen, indem ich die von Schmidt urgirten übereinstimmun-
gen in der ausdrucksweise kenntlich mache.
A.
Plutarch Thukydides I
xai mowrov piv ... uovog el- c. 93: tig yag di Paddeoone
Zu Plutarchos.
Plutarch
neiv dz0Àpmoe .., we yon
. . xam oxtvaca09 as 1955066 Eni
ro» nooc Atysyntus no-
. + » "Hi xui da Oe-
psotroxi”ge cvvénsscer, OU
À e por
Iugeiov oùdè Itgous (uaxgav
yóo Nour ovi xai déos ov
B£flouvov we agpsEcperos
nngeiyov) Enucelwr, AAG 17 ngog
rà
JE vv
Alywntug der xut gerorexta
... droyoncaperos evxalgwe ini
ijv magagxeviv. ‘Exarôr yuQ
.. €noenFnouy roses, alc
xai ngóg foggy Èvavpu-
176a».
Or dé n tore owınglu roig "EI-
Anosy dx ing Pudnoons inijoke
e 6 D aida xai Zegäng
éuagivonos. Tis
yung nelıxis dvvaáutug a39av-
> M
uviog
, x
Ctov diauevovons Epuyt utra
~ - T >
ijv TW VEWY NITAY WC OUX (V
uksopayos.
589
Thukydides I
nowrog ér0d4unoeveinsir,
ws äavdextéu torl.
c. 14: OsuictoxAzZg Ènescev
Alyıynrass nodepovriacg
xai Gua tov flagfgov mgog-
doxf mov ovros (vgl. Plut. Them.
3 fin: »gocdoxuv 10 péi-
Àov) tag vaug nosnoactas,
aloneg xai évavudyncay.
c. 73, 5: zexungsov dì pé-
ysotov (01 dv roig vuvoi tuv
‘Edinvwy 14 ngaypuru èyévero
74, 1) uitog Énofnces vixg-
9el; yao 10i; vavciv we où-
xéts avi duolag ovons ric
duvduews xurû T4yug 1H nÀ£ovs
TOU GO1QaTOU areywenos |).
Bauer (Themistokles p. 162 ff.) glaubt die fraglichen iiberein-
stimmungen alle durch directe benutzung des Thuk vdides von seiten
Plutarchs erklären zu können. Wenn nun aber auch zugegeben
werden muss, dass Plutarch im Thukydides wohl bewandert war,
so dürfen wir ihm eine so peinlich gewissenhafte benutzung des-
selben doch wohl nicht zutrauen, um so weniger, als er, wie wir
gesehen haben, gerade an unserer stelle nachlüssig gearbeitet hat.
Aber auch Schmidts ansicht, der ich früher beizutreten geneigt
7) Aus der rede der vor dem ausbruch des peloponnesischen
krieges nach Sparta geschickten atnenischen gesandten.
590 Zu Plutarchos.
war, erscheint mir nunmehr sehr zweifelhaft. Ich finde nämlich,
dass an den unter A angeführten stellen die übereinstimmungen in
der ausdrucksweise durchaus nichts auffallendes haben, sondern sehr
leicht durch die erwühnung der nümlichen thatsachen bedingt sein
können. Anders steht es mit den unter B zusammengestellten sä-
tzen, die nicht einen historischen bericht, sondern eine blosse be-
trachtung enthalten. Dem Plutarch sowohl wie den athenischen
gesandten in Sparta gilt es nachzuweisen, dass die Hellenen im
kriege mit Xerxes lediglich durch die athenische flotte gerettet
worden seien. Als beweis hierfür führen beide an, dass Xerxes
nach der schlacht bei Salamis sich den Hellenen nicht mehr ge-
wachsen gefühlt und deshalb schleunig den rückzug angetreten
habe. In dem munde eines Atheners, der auf die macht seiner
vaterstadt hinweisen will, kann diese übertreibung nicht auffallen;
wie kommt es aber, dass Plutarch sich zu der nümlichen behaup-
tung versteigt? Hier muss ihm doch wobl die Thukydidesstelle
vorgeschwebt haben. Nachträglich macht er sich selbst den ein-
wurf, dass noch Mardonios zurückgeblieben sei, setzt sich jedoch
hierüber hinweg mit der bemerkung, dass derselbe nur den rück-
zug habe decken sollen.
Wenn sich hiernach eine benutzung des Stesimbrotos durch
Thukydides an der hand äusserer indicien nicht mit sicherheit er-
weisen lässt, so halte ich dennoch eine solche aus inneren gründen
für hóchst wahrscheinlich. Ueber die massregeln des Themistokles
zur hebung der athenischen seemacht mochten dem Thukydides
wohl noch mündliche überlieferungen vorliegen; da er jedoch selbst
die unsicherheit derartiger nachrichten betont (z. b. I, 20, 1), se
musste ihm der bericht eines der zeit des Themistokles noch nahe
stehenden schriftstellers jedenfalls in hohem grade willkommen sein.
Da nun hinsichtlich der thatsachen zwischen Thukydides und
Plutarch vollkommene übereinstimmung stattfindet 8), so steht der
8) Bauer Themistokles p. 162 behauptet freilich, dass Plutarchs
worte: "He xai Qo» OtuicroxÀZe cuvinsscey, où dapsiov oùdè Mépoac
(uaxo&» yàp nov ovtos xai dios où navy ws dgıköusvos nageigov) im-
csiwy, alla rp nQoc Alyivitas opyg .. adnoypnoauevos gerichtet seien
gegen Thuk. I, 14: @swsoroxing Enesocer Alywitass nolsuouvrag xai Gua
tov BegBigov noocdoxiuov dvtog tas vais nowjcac9«s, Ich finde zwi-
schen diesen angaben (überhaupt keinen widerspruch. Thukydides
will in seiner kurzen skizze nur die thatsache hervorheben, dass die
vermehrung der athenischen flotte theils durch den krieg mit Aegina,
Zn Plutarchos. 591
annahme, dass beide aus derselben quelle schüpften, nichts im wege.
Diese vermuthung gewinnt noch dadurch an wahrscheinlichkeit,
dass sich überhaupt bei Thukydides keine nachricht findet, die nicht
bei Plutarch in ausführlicherer fassung wiederkehrte. Vereinzelt
scheint freilich zu stehen eine nicht ganz klare angabe des Thu-
kydides über die construction der auf Themistokles’ antrag ge-
bauten trieren (14 fin.: xai atzac ovaw slyov dia ndong xata-
ciowputa). Aber auch dem Plutarch ist die thatsache, dass die
schiffe des Themistokles sich von den in späterer zeit gebräuch-
lichen unterschieden, wohl bekannt; nur erwähnt er sie bei einer
anderen veranlassung, und auch diesmal zeichnen sich seine anga-
ben durch ausführlichkeit aus. In dem bericht über Kimons expe-
dition nach Pamphylien, die mit der schlacht am Eurymedon endete,
macht Plutarch (Cim. 12) nämlich folgende bemerkung: wounce (Kt-
pov) cous ano Kvidov xai Tosontou diaxoctaig tEsgeci, modg uiv
ráyoc xai segsaywyiv Uno COsuucroxA£ov; Upuora xutecxevacpe vass,
dxeivog dé 1018 xal nAurvrsgug énolnaey uvtac xal dsaBuosw roig
xatuciowpuacir Edwxev, wo dv und TOAlwY On payiuutsgai
7000pEg01710 Toi nolsuloıc. Den schiffen des Themistokles fehlte
es also noch an brücken, durch die die längs der seiten des
schiffes herlaufeuden verdecke, die durch einen in der mitte be-
findlichen zwischeuraum getrennt waren, mit einauder in verbindung
gesetzt wurden. Diesen umstand hat jedenfalls auch Thukydides
betonen wollen; es ist mithin zu emendiren: xai «Uras oùnw elyov
diufucess xarà rd xaracrpuuuru (statt dix 405g ratacigui—
ware). Auch hier verdanken wir dem Plutarch wieder nachrichten,
die sich bei Thukydides nicht finden, nämlich dass die schiffe des
Themistokles im vergleich zu den trieren der späteren zeit schmal
waren und dass Kimon es war, der die einrichtuug der atheni-
schen trieren verbesserte. Jedenfalls gehen die angaben Plutarchs
zurück auf einen berichterstatter, der die schiffe aus der zeit des
Themistokles mit den später gebauten noch selbst hat vergleichen
kónnen. Aus derselben quelle stammt auch wohl die im 14. capitel
theils durch die von Persien drohende gefahr veranlasst wurde; den
nebensiichlichen umstand, dass Themistokles seinen antrag lediglich
durch die nothwendigkeit begründete, den Aegineten zur see entge-
genzutreten, übergeht er daher mit stillschweigen. - Dass auch in
chronologischer binsicht zwischen Thukydides und Plutarch kein wi-
derspruch besteht, hat Schmidt II, 11 ff. gezeigt.
592 Zu Plutarchos.
des Themistokles enthaltene angabe, dass die schiffe, mit denen die
Griechen bei Salamis kümpften, flach und leicht gewesen seien,
sowie die von genauer kenutniss zeugende nachricht, dass sich amf
jeder attischen triere 18 éx:Sarus, bestehend aus 14 bopliten und
4 bogenschützen, befanden. Wenn nun Plutarch seine kenntniss
einem autor verdankt, der die ünderung in der construction der
athenischen kriegsschiffe selbst noch erlebt batte, so spricht alle
wahrscheinlichkeit dafür, dass auch Thukykides es nicht unterliess,
einen so gut unterrichteten schriftsteller zu benutzen.
Fassen wir die ergebnisse unserer untersuchung noch einmal
kurz zusammen. Wir haben gefunden, dass die darstellung Plu-
tarchs sich durch genauigkeit und vollstándigkeit auszeichnet. Dies
führte uns zu der annahme, dass dieselbe auf eine zeitgenössische
quelle zurückzuführen sei. Da nun für eine einzelne angabe Stesim-
brotos als gewührsmann genannt wird, so bielten wir es für wahr-
scheinlich, dass Plutarch aus ihm auch die auderen nachrichten
entnommen habe. Durch eine analyse des plutarchischen berichtes
wurde die richtigkeit dieser unnahme erwiesen, Sodann haben wir
wahrscheinlich gemacht, dass auch Thukydides seine angaben aus
dem von Plutarch benutzten bericht entnommen hat. Für Plutarch
selbst ergab die untersuchung kein giinstiges resultat. Es zeigte
sich, dass die betrachtung, die er am schluss des capitels anstellt,
der hauptsache nach nicht sein eigenthum, sondern aus einer rede
bei Thukydides entnommen ist. Ferner fanden wir, dass er zwei
berichte an einander reihte, ohne zu merken, dass dieselben sich
in chronologischer hinsicht widersprachen. Dieser uachweis wird
hoffentlich dazu beitragen, einer überschützung Plutarchs, in die
nunmehr die bisherige unterschätzung plötzlich umschlagen zu wol-
len scheint, einigermassen vorzubeugen.
Bei dieser gelegenheit noch eine bemerkung zum texte des
Plutarch. Im anschluss an die nachricht, dass Themistokles die
erbauung von trieren beantragt habe mi zor noùç Alysrquas
noÀeuor, wird bemerkt: nxuube yug ovrog iv 1) ‘EMad, padsore
xai xartiyor oí Alywitus nÂrdes vewr tiv Fuiuccuv. Herwerden
(Rh. mus. 35, p. 461) nimmt hieran anstoss, weil damals über-
haupt kein anderer krieg in Hellas geführt worden sei, und will
Zu Plutarchos. 593
daher schreiben: 7xuutov yag oùros. Dann müsste aber natürlich
im folgenden of Alyıynzas gestrichen werden. Zu einer solchen
änderung liegt indessen nicht der mindeste grund vor; denn dass
ausser dem äginetischen krieg auch noch andere kriege in Hellas
geführt wurden, wird bezeugt von Herodot VII, 145: 2doxse Bov-
Aevouévosos avtoios (roig “EdAnos) . . . xurallaoceodus zug Te
Eydous zus 1005 xur’ dddniwy dovrag noAÉ£uovg joay dé neòc
nvag xui addosc®) dyxiyctionutvos, o d’ uv péysoros “APnrvalosct
te xai Alyıynınaı. Plutarch befindet sich also vollkommen in über-
einstimmung mit Herodot. Seine ausdrucksweise wiirde indessen
entschieden an klarheit gewinnen durch die leichte ünderung: 7x-
pale yug ovsog «xwv» dy 17 Eluds ua Gra.
9) So ist jedenfalls zu lesen statt des überlieferten &llovs, denn
es soll doch gesagt werden, dass ausser Athen und Aegina auch noch
andere staaten mit einander krieg führen. Die ünderung ist auch
schon deswegen geboten, weil éyxeyesgyuévos nothwendig einen dativ
bei sich haben muss. Dies fühlte auch Bahr, indem er annahm, dass
A9yvaioıs zu ergänzen sei, woran natürlich nicht gedacht werden
kann.
Leipzig. L. Holzapfel.
Zu Vellejus Paterculus.
ll, 7, 2: Fulvii Flacci filius, quem pater legatum de condicio-
nibus miserat, ab Opimio interemptus est. Unrichtig ist interemptus;
dies zeigt der nächste satz: quem cum haruspex .. in vincula duci
vidisset. Zu der künstlichen deutung interimi iussus est wird man
sich in anbetracht des zusammenbangs schwerer entschliessen als
zu der einfachen änderung interceptus. So steht legatus in-
terceptus bei Liv. 29, 18, 13.
Il, 70, 2: cum in vicino esset agmen cursu ad eum tenden-
tium neque pulvere facies aut signa denotari possent. Es muss
wobl acies aut signa gelesen werden, aber nicht in der bedeu-
tung wie 112, 5 equesiris acies und signa legionum zusammenge-
stellt sind. Der sinn von acies aut signa entspricht vielmebr den
worten ipsi atque signa militaria obsourati bei Sall. Jug. 49, 5,
wo die situation ähnlich ist, Das in dieser stelle von Sallust ge-
brauchte facies kann recht deutlich zeigen, wie ungeeignet hei
Vellejus das überlieferte facies ist.
Würzburg. A. Eussner.
Philologus XLII bd. 4. 40
XX.
Avozxepatvw, dvoyéonoua, dvoxtosia, dvoxeons.
dvoyequives mag für gewöhnlich eine abneigung oder ver-
stimmung rein als diesen subjectiven zustand bezeichnen; es
unterliegt jedoch keinem zweifel, dass dieses verbum sowie die
etymologisch mit ihm zusammengehörigen worte nicht selten auch
das ergehen einer kritik über deu objectiven werth eines ge-
genstandes oder verbaltens anzeigt, einer kritik, die aber nach art
und inbalt nicht in der sache selbst gegründet oder durch die um-
stinde gerecbtfertigt ist, sondern aus einer der rechten würdigung
des objectes ungünstigen verfassung, stimmung, gedankenrichtang
des urtheilenden subjectes hervorgeht. In dem folgenden führe ic
nun einige stellen an, in denen mir diese zweite bedeutung in ver-
schiedenen specialisierungen vorzuliegen scheint, und begniige mid
damit, da mir manche der hier wünschenswerthen hülfsmittel ge-
genwürtig nicht zu gebote stehen, in den meisten fállen nur meine
auffassung ohne bezugnahme auf die anderer kurz darzulegen.
1. Platon Rep. 475 C: To» doa ntQi tu paddy pare
dvozegatvovta, Aog te xoi véoy Ovra xai urn Aoyor
Eyovta Tb re yonoróv xoi un, où pooper pouaÿr oùdè quAOGe-
gov elvas, wong 10» wegi ta citta duoyeon ovre muri
pauer our Émdoueïr cito. In beiden fällen scheint mir von
einem geschmacksurtheile über die objective güte eines geges-
standes die rede zu sein. , Dem, der an den speisen mäkelt,
schreiben wir weder hunger noch appetit zu*. Dass aber auch im
dem ersten falle nicht allein ein subjectives gefühl der abneigung,
sondern ein aus diesem entspringendes urtheil über das ob
Avoysguivw xi. 595
ject gemeint ist, geht schon daraus hervor, dass durch den au-
satz: «ÂAlwç re xui xd. die möglichkeit der berechtigung gerade
eines solchen urtheils mit der seiner herkunft aus einer reineren
quelle, dem Aoyog, ausdrücklich ausgeschlossen wird.
Solche falle nun, in denen ein nur auf ein unmittelbares ge-
fühl gegründetes urtheil angezeigt wird, bilden den übergang von
der blossen bezeichunng eines subjectiven zustaudes zu der bezeich-
nung eines urtheils, dessen anspruch auf objective gültigkeit sich
logisch vermitteln liesse, also zu solchen fällen, in denen dv-
oyégulvesy vielfach um passendsten mit „kritteln“ zu übersetzen
ware.
2. Eine pedantische kritik, die auf ausser wesentliches
gewicht legt, wird, wie mir scheiut, verbeten Platon Legg. 859 B:
Ov dvoxegavitov, el pueratu vopoderovvieg td piv EIeuer,
twy O° En dsucxonoupev méos' vouodtras yao yiyvoneda add’ oùx
icuív nw xzi. Wer schon eiue saubere ordnung in der erwähnten
beziebung fordert, der verkennt die natur des geschüftes, das hier
getrieben wird. — Dieselbe gebrauchsweise liegt vielleicht vor
Sophist. 256 A: TY» xlynow di taviov 1° sivas xai pi) tavrov
Opoloymréor xai où ducyeguvréov. ov ydg Ozav stawper
avt]» zavıov xal pui) zuvıov, Opolug tlgnxajuv, al’ xiÀ. Wer
daran anstoss nimmt, dass die beweguug in der einen beziehung
dasselbe, in der anderen — nicht dasselbe — ist, der will eine
forderung erfüllt sehen, die durch das richtig verstandene identi-
tütsgesetz gar nicht gestellt wird.
3. Eine kleinliche kritik, die auf un wesentliches unge-
bührliches gewicht legt, hat Sokrates wobl im auge, wenn er ironisch
gegen Gorgias bemerkt Gorg. 450 E: ‘YnoAußoı ay us, el Bov-
Aouo duogegalvesv Ev roig Aoyosg, 177 agetuntixny Goa
Önzogsxnv, w Togylu, Afysıg; Er macht den Gorgias darauf aufmerk-
sam, wie ein angeblich unbedeutender mangel seiner (des G.) begriffs-
bestimmungen von einer übelwollenden kritik in absichtlicher ver-
kennung seiner meinung durch ziehung der verkehrten consequenzeu
ausgebeutet werden könnte, — Hiemit glaube ich zusammenstellen
zu dürfen die bemerkung aus dem Lysis 214 D, E: "Eyouer . . .,
zives &loiv oi qíÀor 0 yag Aoyog nuiv onuatves, bu of dv wow
ayadol. xalros dvoyeguívw il ye dv attw. „Ich kann doch
nicht umhin, noch etwas an dem ergebnisse der untersuchung zu
AQ*
596 Avoysoulyw xrÀ.
bekritteln*, sagt Sokrates, im scherze seine eigene ihm berechtigt
scheinende kritik als ein splitterrichten bezeichnend.
4. Eine rigorose kritik üben, welche unerfüllbar schei-
nende anforderungen stellt, heisst ducyegoívew wohl Isokrates Pa-
neg. 12: 'Euoi dì ovdiv ngog roùç tosovrovs adda moog Exelvov;
dori tots oùdèr dmodttouévovg rv six} Asyouérwr alld du cye-
cavovvias x«l Cyticovtacg ldeiv 1 rosovroy dv roig Euoïç, olo
maga toig aAloıg oùy evenoovo:r. Er wendet sich zu denen, die
etwas in allen einzelheiten ungemeines und als ganzes dieser art
von anderen weder gehörtes noch zu hôrendes von ihm zu hören
verlangen. |n den nun folgenden sätzen gipfelt die kecke anmas-
sung, welche die ganze geniale einleitung in bewusster künstle-
rischer absicht herausfordernd zur schau trägt, und zu der dann
der schluss einen so eigeuthümlich wirksamen gegensatz bildet.
5. Von einer tendentiösen kritik ist, wie mir scheint,
Plotin Enn. IV, 4, 30 (ausg. v. H. F. Müller p. 70, v. 20) die
rede, von einer kritik, für die sich in der sache allerdings ein
anbalt findet, die jedoch nur geübt wird, um folgerungen zu ziehen,
an denen man aus irgend welchen griioden ein interesse hat, die
sich aber noch keineswegs mit nothwendigkeit ergeben. Es han-
delt sich um den glauben an den einfluss der gestirne auf die irdi-
schen, insbesondere die menschlichen angelegenheiten, an ihre früher
oder spüter erfolgende rückwirkung auf unsere an sie gerichteten
gebete. Dieser glaube au sich stellt gerade dem Plotin, wenn er
ihn nicht ohne weiteres verwerfen will, ein schwieriges problem,
da er den gestirnen die erinnerung abgesprochen hat. Dass nun
aber gar die gestirne als göttliche wesen nicht bloss zu gerechten,
sondern auch oft zu ungerechten werken ihre hülfe leihen sollen,
darin liegen wieder und für die philosophie überhaupt!) aporieen,
die an und für sich sehr gross und überdies unendlich oft von
denen hervorgehoben worden sind, welche sie zu einer tendentiösen
kritik (gegen den glauben au den einfluss der gestirne überhaupt)
ausbeuten. Wenn es also v. 20— 24 heisst: "Eye yao xad’ favrà
pey(crag xui noAvdgviilnzous nuga roig ducyegulvovosy
Gmogluc, Feoùs Guvegyovg xal ulzlovs y(yveG9as atonwy Eoyun,
zwv 1e allwv xai dn xai ngog Egwrag xal axolactov OvAAn wes
1) Vgl. p. 71, v. 5: 9 gslocoqgiac Épyor énsoxéwacSas uz,
Ivoysgulsw xi. 397
— so betrachte ich als subject zu Eyes ein aus dem vorhergeben-
den zu ergänzendes ravra und den mit Jeov; beginnenden infini-
tivsatz als eine epexegese zu diesem subjecte, die allerdings nicht
wohl feblen durfte, weil im vorhergebenden nicht allein von der
hülfe der „himmlischen götter“ bei ungerechten werken, sondern
von ihrem eingreifen in den lauf der irdischen dinge überhaupt die
rede gewesen war. Die worte: noAusgviinzous naga Toig de-
oyeoalvovosw müssen dann eng zusammengenommen und als gegen-
satz zu xa J' Exvia peyloras aufgefasst werden. Mars. Ficinus
übersetzt freilich: Habent enim haec in se ipsis maximas vulga-
Lissimasque dubitationes, apud eos praesertim, qui
graviter feruni, censeri deos adiutores auctoresque ope-
rum iniquorum cet, und Bouillet und H. F. Müller haben sich ihm
angeschlossen.
6. Einer sophistischen kritik, d. h. einer kritik, die
durch versteckte sachliche oder logische fehler vermittelt
und sich ihrer fehlerhaftigkeit bewusst ?) ist, sucht Aristoteles
vorzubeugen Metaph. 7, 3, 1005 b. 19 ff.: Td aùro cua Unupyev
xai un unaoyeıv aduvatoy 1f avr xurd TO adıd, xoi 00a adda
noocdsogsoalpe? dv, Esıw nvosdiwescptra neOG ug Aoyızas
dvoyeoetus. „Alles, was wir sonst noch (je nach umstünden)
hinzubestimmen möchten, sei hinzubestimmt gegen die logischen
spitzfindigkeiten (der sophisten)“®). — Hierher dürfte auch
2) Das moment der bewussten täuschung wird ja auch in
Platons Sophistes als ein specificum gerade der sophistischen kunst
angegeben (267 E. 268 A).
3) J. J. Borelius hat in seinem aufsatze über den satz des wider-
spruchs u.s. w. (Philos. monatshefte, bd. XVII, p. 392) diese aristote-
lische stelle als gleichartig mit den beiden platonischen stellen aus
dem Gorgias und Sophistes, die oben bereits eine abweichende deu-
tung gefunden haben, zusammengefasst. Die stelle aus dem Sophist.
(256 A) hat ja scheinbar mit der hier citierten die grósste ühnlich-
keit, unterscheidet sich aber in der that ganz wesentlich von ihr in-
sofern, als dort nicht von der ausbeutung einer unterlassenen bestim-
mung, sondern von einem dvoysgaivsıw eben dagegen die rede ist, dass
demselben verschiedenes, wenn schon ganz unverkennbar in verschie-
denen beziehungen, zukommen soll. eil ferner jene stelle in eine
polemik gegen den Antisthenes gehórt, glaubte ich in ihr, zumal mit
rücksicht auf die voraufgegangene charakteristik (251 C: 'Evruyyareıs
— — éviore nosofurigoi; avdpunoss, xai nó nevias tru c negi
Qpoórycsrv XTIHGEWS TK Tosadıa TEP AU MAK cs, xat dn | Ts
xai náccog ov olouévovc tour auto dvevenxéves), nicht
sowohl den vorwurf der sophisterei als den der pedanterie finden zu
sollen.
598 Avoyequivw xi.
zu rechnen sein Demosthenes in Leptin. 113: — Zuudur ng —
xaxovQyüy imi pi mooOxovia aQuyuara 1005 Adyous petugéon,
dvoyegsig avayxn pulreOdus. Ich glaube übersetzen zu müssen:
„wenn man die rede böswillig auf verhältnisse bringt, auf welche
das, was unter gewissen umstünden seine gültigkeit hat, gar keiue
anwendung findet, dann muss sich die rede (nämlich die auf diese
verhältnisse gegründete gegenargumentation) natürlich als sophi-
stisch erweisen *)*. Den ganzen zusammenhaug 112—117 incl.
verstehe ich nümlich folgendermassen: Demosthenes sieht voraus,
dass Leptines, der gegner der atelie, folgenden beweisgrund gegen
die von ihm vertretene ansicht ins gefecht führen wird: ,,auch zur
zeit der vorfahren haben selbst münner von grossem verdienste
keine belohnung solcher art empfangen, sondern sind froh gewesen,
eine inschrift in der Hermenhalle zu erlangen. Wer also be-
hauptet, verdiente münner müssten gerechter weise mit der atelie
belohnt werden, der leugnet entweder, duss es in der vorzeit män-
uer gegeben hat, die solcher ehre würdig gewesen würen, oder er
klagt die stadt der undankbarkeit au“. Demosthenes begnügt sich
nun nicht damit, diesen einwand vorwegzunehmen und zu entkrüften.
sondern er richtet zunüchst den in ihm gegen ihn und seine ge-
sinnungsgenossen enthaltenen vorwurf mit verdoppelter kraft gegen
seinen geguer selbst, um dann erst sein argument positiv zu wi-
derlegen , wobei er wie nur beilüufig wiederum einen vorausge-
setzten einwand nicht nur pariert, sondern auch mit einem starke-
ren nachhiebe straft, und schliesslich als auf alle fálle beweisun-
kräftig darzuthun. Durch eine geuauere disposition kann man sich
über das ganz bewuudernswerthe fechterstück klarer zu werden
suchen:
I. Wer da das ausinnen, die atelie völlig abzuschaffen, auf
die behauptung stützt, dass iu der vorzeit niemand für sein ver-
dienst einer anderen belohnung als etwa eiuer inschrift werth ge-
achtet sei, der macht sich einer durchaus unpatriotischen rede
(nyovuar ToUVzov sûr Aoyov — — xurû nóÀX aodpgogoy el-
vas Tj modes) und überdies einer unehrlichen kampfesweise (woo;
dé xai ovdé dixasov. 112) schuldig.
4) Nümlich für jeden hórer von gesundem urtheile, wenn er auch
im augenblicke nicht anzugeben wissen sollte, wo der fehler eigent-
ich steckt.
Auoyegatyw xii. 0909
1. Dergleichen zu sagen ist durchaus unpatriotisc b,
a. denn wenn er meint, dass weder damals noch) in neue-
rer zeit irgend jemand, also niemand im laufe unserer ganzen ge-
schichte einer reellen belohnung (rwäodus — eù | ma3eiv. 113)
würdig gewesen ist, so ware seiner ansicht zufolge unsere stadt
wirklich bedauernswerth ;
b. meint er aber, dass es zwar männer gegeben hat, die sol-
cher ehre würdig waren, dass sie aber doch keinem zu theil ge-
worden ist, so klagt er damit die stadt der undankbarkeit an.
2. Der vorausgesetzte einwand zeigt ferner alle merkmale
einer sophistischen polemik (rog Adyous ducoyegeis
avuyan palrec Ta):
a. Die argumentation des gegners ist fehlerhaft, dean
keine der beiden aus seiner annahme gezogenen folgerungen (1a
und 1b) kann wahr sein (for, d’ ovy ovıw xrA.).
b. Der febler ist ein versteckter, (denn gerade die atelie,
in der heutzutage — wie die verhältnisse nun einmal liegen —
die belobnung für verdienste um den staat bestehen muss, ist da-
mals in der that nicht gewährt worden 9). ~
c. Der fehler ist ein bewusster, aus böser absicht her-
vorgegangener (xaxovgywy xri.): der gegner weiss, dass es
verkehrt würe, aus dem nichtvorkommen der atelie in alter zeit
auf das fehlen jeder reellen belohnung in ihr zu schliessen.
IL Wenn man die wahrheit sagen und ehrlich zu
werke gehen will, so muss man anerkennen ’),
1. dass es in der vorzeit verdiente männer in grosser zahl
gegeben, und dass die stadt solche männer auch damals zu ehren
gewusst hat.
5) Die worte: ai uns rv noorígo» undsis punte rar bcrégow (113)
sind gewiss nicht aus dem texte zu entfernen. Demosthenes will ja
hervorbeben, dass gerade nach der ansicht seines gegners allem an-
scheine nach niemand i» änavyıı ro yoörm eine reelle belohnung
verdient haben kann, von den alten keiner, weil ja selbst Ki-
mon und dessen mitstreiter am Strymon, auf die Leptines sich beru-
fen will, mit einer inschrift hätten zufrieden sein müssen, von den
neueren keiner, weil Leptines ja die atelie gänzlich abgeschafft
wissen will.
6) Vgl. 114: ai nuaei xai r&ÀÀa ndvra tà uiv 107 fw imi vois ıdı
K9eciv, 1& de viv ini voie vor.
7) 114: ds di sd Amd ég v Eyes xal dixaséy dom diyty xsÀ.
600 Muoyequlyw xt.
2. Es war freilich mit den ehrenden belohoungen damals
ein ander ding als jetzt;
a. sie wurden nümlich gern und ohne bedenken gewührt
b. und bestanden in grossen schenkungen an land uud geld.
3. (In dem beispiel der vorzeit kann also sicherlich kein
beweggrund für uns liegen, die atelie zu beseitigen), und es nützt
auch der einwand nichts, dass die stadt damals eben an land und
geld reich war, (wührend sie jetzt verarmt ist):
a, zunüchst würe nicht auf die gegenwürtige armuth der stadt
sondern auf die wiederkehr ihres reichthums in der zukunft hinzu-
weisen; es anders zu sagen würe lásterung;
b. sodann hütte ja eine schenkung wie die angeführte minde-
stens den dreifachen werth der atelie.
III. Die berufung auf den brauch der vorzeit kann aber in
diesem falle überhaupt keine beweiskraft haben:
f.a. Selbst wenn niemand damals für seine verdienste um
den staat einen lohn erhalten hätte, so folgte daraus nicht, dass
wir einen einmal gewührten lohn ohne grund wieder entreissen
dürften. 9
b. Dieses könnte man höchstens folgern, wenn sich eine
solche beraubung auch als von den vorfahren verübt nachweisen
liesse.
2. Nun aber wäre eine solche massnahme unter allen um-
ständen schmählich ;
a. sie wäre es auch dann, wenu wir uns auf das beispiel
der vorfahren berufen könnten,
b. da aber vielmehr unsere ganze geschichte kein beispiel
bietet, so haben wir ganz gewiss keinen grund, zuerst ein solches
aufzustellen.
7. Sodann glaube ich, dass dvoyegatvey auch „ein vorur-
theil (gegen etwas) hegen“, duoyeg@ras als aor, ingress, „ein
vorurtheil fassen“, duoyfessa das vorurtheil als bleibende sinnes-
richtung, dvoyégaouc endlich den durch diese bedingten oder doch
durch sie veranlassten einzelnen ausspruch bedeuten kann. Nun
kann aber ein vorurtheil auf mehrfache weise zu stande kommen,
und zwar
A. aunächst dadurch, dass man von den ovußeßnxora auf des
wesen einer sache schliesst: Isokrates richtet an den Philipp (28.
Aueyeqatvw x13. 601
29) folgende mahnung: ovrw d’ dv axgrféorarn zul xiddsora Few-
encesac, ef ti ruyydvouer Akyovres, nv rag uiv duoyepelac rac
nEQi rovg Cogsorks xai rovg dvayiyvworxoptévovs tov doyww agé-
Ans xrÀ. Ich übersetze: „am besten wirst du prüfen, ob ich etwas
treffendes sage, wenn du von den (ganz allgemeinen) vorur-
theilen gegen die redenschreiber und solche reden, die nur be-
stimmt sind, vorgelesen zu werden, absehen willst u. s. w.“ Das
ovußsßnxog ist hier nach meiner auffassung der umstand, dass eine
rede von einem cogsornç verfasst ist, und der darauf gegründete
schluss: die rede verdient nicht die beachtung eines praktischen
staatsmannes, Als ein gegen solche reden von allen gehegtes vor-
urtheil, das aber im einzelnen doch auch nur wieder durch ge-
wisse ovußeßnxor« oder vielmehr durch den mangel gewisser für
die überredende wirkung sehr wesentlicher ovufefnxora veranlasst
sei, ist nämlich oben (25. 26. 27) die meinung angegeben, dass
es den verfassern derselben nicht auf die sache und ihre rechtzei-
tige durchführung, sondern auf die befriedigung ihrer eitelkeit und
gewinnsucht ankomme, Ein weiterer umstand, der die wirkung
gerade dieser rede beeintrüchtigen kónne, sei der, dass sie der
eurythmieen und des einschmeichelnden zierrathes entbehre. Es
gezieme jedoch dem Philipp 1. nicht auf solche äusserlichkeiten,
sondern nur auf die sache selbst zu achten 2. und für die beur-
theilung dieser nicht jene hergebrachten vorurtheile, sondern eine
gründliche und besonnene prüfung jedes einzelnen puuktes massge-
bend werden zu lassen.
B. Eines vorurtheils oder doch eines vorschnellen ur-
theils (nämlich eines urtheils, dessen subject zwar eingeschrünk-
ter, dessen prüdicat aber um so bestimmter ist) wird sich sodann
schuldig machen, wer von einem theile eines gauzen auf dessen
übrige theile schliesst oder nicht den theil aus dem ganzen, sondern
das ganze aus einem theile beurtheilt. Kurz vor der eben citier-
ten stelle heisst es (24): Tovzou d'Erexa cov tavtu dirAdov, Ty
av Il 006 parÿ zw» d» dor Asyopévwy 3 pù 7u010v 7 ur
duraròv 7 pun moémov 00, mquit, un dvcoytQa»ag anooryc
rv Aoınwv xii. „ich habe dir deswegen dieses mitgetheilt,
damit du nicht, wenn dir etwas im anfange unglaubwürdig
u. 8s. w. erscheint, vorschnell aburtheilend auf den rest
verzichtest u. s. w.“ Die richtigkeit dieser auffassung wird durch
602 Avoyequivw xt.
die folgenden sätze lediglich bestätigt: undè nadyg avro» rei
Enstndeloss. toig duoic aAA enipselvns novyuCoveay Eywr t)v dia-
vosar, Ewe av dei télouç axovons anuviwy thy deyoptrewr. Die
Enıtndesos haben nämlich, sobald ihnen nur Isokrates sein vorhaben
eröffnet ®), gleich in dem ersten schreck das urtheil gefällt,
es sei eine unbegreifliche thorheit, ein zeichen äusserster alters-
schwäche, wenn Isokrates dem Philipp in politischen dingen einen
rath geben wolle. Wenu ferner die worte: éasuslyng — —, Eu;
av dea téhovs xt. offenbar den worten: dnomns wy Acınwv ent-
gegengesetzt sind, so können die worte: novyuloucav Eywr ınr
dıavosav, in denen doch die aufforderung liegt, sich zunächst
nur receptiv zu verhalten und kritische erwügungen vorerst zu-
rückzuhalten, nur den gegensatz zu dvoyeguvac bilden sollen.
C. Einem vorurtheile folgt auch der, welcher die unter ei-
nem gewissen gesichtspunkte gewonnene ansicht von einer sache
für ihre auffassung unter anderen gesichtspunkten bestimmend wer-
den lässt. |n Platons Philebus heisst es 44 C: (Tovzoss Eeuflov-
Aevw) woneg parteci 2900y0709aí( 1,00, puavrevoptvoss ov réyry
alla Tw Övoysgelu quosws ox dyervoùs, Alay pewonxoTwy ry
inc 5dovgg duvanıy xai vevousxotwy ovdér vysíg, were xai usto
roUt0 aUr]g 10 enaywyoy yonievua, ovy ndovnv sivas. Es folgt
hierauf unmittelbar 44 D: 2001006 — ruvru uv mQogronoos,
oxewapevog Er xa td adAdu aurwr dvoreouopata — bak
darauf: pueradiwxwpev — rovrov; — xaz 10 175 Ovoyepelus
adrwv Iyvog — dann 44 E: dei dy ce. — xaJantQ epoi, xoi
10/104; TOig dvoysp£cıv dnoxgívtoJos — endlich noch 46 A:
Duone — tac wv — voonudtwy ndoruç, as oUg elmouer du-
OY OETS pecovos navrtAgg. Gehen wir von der zuerst citierten
stelle aus. Ich würde übersetzen: „Diese philosophen können uns
(die) dienste von sehern leisten, von sehern, welche aicht methodisch
zu werke gehen sondern sich bei ihren wahrsagungen von einem
unwillkürlichen vorurtheile (einer bei ihrer natur schwer
vermeidlichen voreingenummenheit) leiten lassen, das
(die) ihnen. übrigens gar nicht zur unehre gereicht — ich meine,
insofern sie sich zu eiuem übertriebenen hasse gegen die macht
der lust und zu der ansicht verstiegen haben, es sei an ihr gar
8) Vgl. Phil. 17, 18.
Avoxtoceſvu xt. 603
nichts solides, so dass auch das verluckende uud bestrickende selbst
an ihr (ganz abgesehen von anderen seiten, welche sie der betrach-
tung bieten mag) nicht eigentlich lust sei.‘ Insofern sie also auf
ihren hass gegen die lust und auf das urtheil, es sei an ihr
gar nichts solides, das ausgesprochene bestimmtere urtheil grün-
den, sie sei gar nicht einmal etwas positives (sondern nichts als
das nachlassen des schmerzes)?) — sind sie hienach seher, die aus
einer gewissen duoyéosu wahrsagen. Zu der duoyéossa gehört
demnach nicht allein der hass, sondern auch das urtheil: 7
ndovn ovdi» uysés. Der hass wie das urtheil sollen nun einerseits
zu weit gehen !°), nicht durchaus berechtigt sein, andererseits nicht
sowohl auf sachlicher beobachtung und überlegung beruhen als viel-
mehr sich mit psychologischer nothwendigkeit in ge-
wissen philosophen gebildet haben. Das urtheil, welches durch den
ausdruck dvoy£gesa mitbezeichnet ist, wäre also jedenfalls ein vor-
urtheil und zwar, dürfen wir hinzufügen, ein vorurtheil von der
zuletzt angegebenen species. Denn wenn auch mit psychologischer
nothwendigkeit, so kann es sich doch nicht ohne allen anlass ge-
bildet haben, der anlass zu diesem allgemeinen urtheil kanu aber
nur darin bestanden haben, dass sie die lust als etwas unwalıres,
ungediegenes in einer bestimmten beziehung — nämlich als etwas,
das vielfach uur ein scheinbares dyusov, in der that aber ein
xaxov war, kennen gelernt haben. Es ist nun ein beweis für die
güte ihrer natur, wenn sie empfanden, dass das wahre ayasor
niemals in der lust bestehen kann, ein beweis aber für ihre nei-
gung zur duoyéoesa, wenn der abscheu vor diesem verführerischen
scheingute so mächtig in ihnen wurde, dass sich die überzeugung
in ihnen bildete, die lust sei in keiner beziehung etwas wahres und
gediegenes, in jeder beziehung nur ein scheinwesen. Eben weil
hier nun das wort dvoy&ossa nicht allein diese ansicht über ein
object sondern zugleich die auf sie fallende gefühlsbetonang be-
zeichnen soll, dürfte vielleicht die übersetzung ,,voreingenommen-
heit“ noch vorzuziehen sein. Bestimmter lautet nun ihr ausspruch
über die lust: sie ist gar nicht einmal etwas positives; er wird
als eine wahrsagung, die jedenfalls über das ziel hinausschiesst 11),
9) Vgl. 44 B.
10) Vgl. Asa» peegesonxotwr xt.
11) Vgl. 44 D: pera dé 1ad1a af yé pos doxosow 5dovai AAndeic
alvas, nevos xr).
604 Avoyegalrw xii.
der man auch nicht für gewisse arten der lust eine unbedingte
geltung zuschreiben soll, damit also ganz unzweideutig als eis
vorurtheil, zugleich aber indirect durch den folgenden satz, der
zur betrachtung auch der anderen dvoyegaoputa dieser philoso-
phen einladet, als ein duoyéouopa bezeichnet. Will man also
auch diese anderen duoyegacpara oder sütze, die mit ihrem allge-
meinen vorurtheile zusammenhüngen, nümlich diejenigen sütze, welche
jenes obige von vorn herein feststehende ducy/oacpa rechtfertigen
sollen, in erwägung ziehen oder — anders ausgedrückt — jenen
philosophen auf der spur ihrer dvoyégesa folgen, so geschieht dies
am besten, indem Protarchos den duoyegéoz, d. h. den voreingenom-
menen oder zum vorurtheile geneigten, deren rolle Sokrates über-
nimmt, ebenso wie bisher dem in eigenem namen fragenden Sokra-
tes antwortet. Von der verfolgung dieser spur haben nun die
beiden schliesslich einen entschiedenen gewinn, jene philosophes
erweisen sich wirklich als ‚‚seher“, die wohl über das ziel hinaus-
schiessen , aber die richtung nicht ganz verfehlen kónnen, und ak
ihre bundesgenossen!?) insofern, als die beiden auf diese weise zu
der deutlicheren erkenntnis gelangen, dass manches lust zu
sein scheint, ohne es zu sein, und dass viele und gerade die stark-
sten lustgefühle nicht rein, sondern mit schmerz gemischt sind !).
8. Der bereits hochbetagte Isokrates!*) hat sich durch die
betrachtung der politischen situation zo dem kühnen entschlusse
anregeu lassen, noch einmal in einer rede das thema seines Pane-
gyrikus zu behandeln. Er sei zwar ein greis, und die aufgabe
scheine doch einen mann in der bliithe des lebens und zwar voa
der höchsten geisteskraft zu erfordern; er wisse ferner, wie schwer
es sei, zwei wirkungsvolle redeu über dieselbe idee vorzutragen,
und nun sei doch die erste so ausgezeichnet gerathen , dass selbst
seine neider sie nachahmten und im stillen mehr bewunderten als
seine überschwänglichsten lobreduer. Dann fährt er fort (12):
dÀÀ Suws zy) ruvras tas duoyegetas vmegsdwy ovıwc si
ynews yéyova quÀonuog, wore xt. Es ist für mich nicht un-
wahrscheinlich, dass auch an dieser stelle die bedeutung von dedyé-
osa unter den allgemeinbegriff der krittelei fällt, dass auch hier
12) Meradiwxwusy dy rovtovs, woneg Evuudyous xi.
13) Vgl. 51 A. wen
14) Philipp. 10. 11.
Avoyeqalrw xrÀ. 605
eine kritik gemeint ist, die nicht den rechten und würdigen stand-
puukt gewählt hat, deren einwürfe nicht das beweisen, was sie
beweisen sollen. Von allen früher besprochenen würde sich aber
dieser fall insofern unterscheiden, als hier nicht von theoretischen
ausstellungen an einem fertigen objecte sondern von einwänden
gegen eine erst vorzunehmende handlung, nicht schlechthin von
beweis- sondern gerade von beweggründen die rede ist. Es würe
demnach zu übersetzen: „Aber dennoch habe ich mich über diese
bedenklichkeiten (obwohl ich sie mir selber entgegenhielt
und die ihnen wirklich zukommende tragweite sehr wohl erkannte)
hinweggesetzt, weil ich noch in meinen alten tagen von so hohem
ehrgeize beseelt bin, dass u.s.w. Es ist jedoch nicht zu verken-
nen, dass die dvoyégesus hier nicht die einwürfe einer von der
subjectiven stimmung beeinflussten kritik zu sein brauchen, sondern
sehr wohl die in der sache selbst liegenden schwierigkeiten sein
künnen, sofern sie nàmlich als motive vor der entscheidung jeden-
falls abgewogen werden müssen. Ueber die schwierigkeiten der
aufgabe, die er sich gestellt hat, sieht ja natürlich Isokrates nicht
etwa in dem sinne hinweg, als ob er sie gar nicht bemerkte und
zu überwinden sich bemiihte. Dies erhellt ja schon ans dem vor-
hergehenden oöx dyvomw — GA elduig (10) — og» (11). So-
fern sie aber als motive wirken, können sie von anderen höheren
motiven zurückgedrüngt werden. Mau siebt, wie die in diesen
beiden auffassungen unterschiedenen bedeutungen von dvoyégesa
gleichsam von entgegengesetzten seiten her hart zusammenrücken,
obne doch ganz zusammenzufallen. In dem einen falle wire dv-
oytqua die stimmung des subjectes dem vorhaben gegenüber, die
sich auf ein objectives verhalten beriefe, in dem anderen falle aber
dieses objective verhalten, sofern es die stimmung des subjectes
dem vorhaben gegenüber beeiuflusste. Wer also diese zweite auf-
fassung vorzieht, wird zu übersetzen haben: ,Aber dennoch habe
ich mich über diese bedenken hinweggesetzt u. s. w.“
Es kann zuweilen den anschein haben, als ob durch dvoyegat-
veıy nicht die subjectivitàt einer ungünstigen kritik, sondern
eben oor die ungunst, die strenge, härte, verächtlichkeit dersel-
ben, die übrigens in der sache durchaus begründet sei, hervorge-
hoben werden soll. Thatsächlich wird aber in allen diesen fällen
nicht das moment der subjectivität, sondern das der aussage eines
606 Auogeguirw xti.
objectiven sachverhaltes hiuwegzudenken, ducyegutvesy algo als reine
bezeichnug eines subjectiven zustandes aufzufassen sein, eines zu-
standes, der umgekehrt sehr wohl durch die sache mativiert und
in wirklichkeit mit einer kritik derselben immer verhunden sein
mag, nur dass eben duoyegatyesy für sich allein keines dieser beiden
momente ausdrückt. So dürften nun auch die drei stellen in der
Rhetorik des Aristoteles aufzufassen sein, in denen von diesem
worte gebrauch gemacht wird. So heisst es Il, 24, 1115): — d-
xalug Edvoy£oasvov ol avFewnos 10 Ilgwiayogov enayyelpu
(róv nırw Aoyov xgsittw noseiv)* weüdos te yáQ don xai ovx
GAndig dÀÀd qpusrdperov tixóg xt. Die kritik an der profession
des Protagoras iibt Aristoteles im eigenen namen aus, von den
menschen will er offenbar nur sagen: sie nebmen mit recht ein
ürgernis an dem, was Protagoras zu lehren sich erbot. Ferner
IM, 7, 3: Madnuxy, uv piv 7 vBess, doyslopévou MEig* dar
dì aoefn xai uloygd, dvoyspusvorrwg xai etAuflovptrag M-
yew xt. Es handelt sich hier um eine sprache, welche gerade
den seelenzustand des redeuden, der dem vorausgesetzten sachver-
halt entsprechen würde, zu eiuem entschiedenen ausdrucke bringt,
der immer auch dann noch sich wirksam zeige, wenn das von der
sache selbst ausgesagte unrichtig sei!5). Wir würden in der deut-
schen übersetzung wohl die beiden bestimmungen umkehren und
sagen: mit sittlicher scheu und entriistung reden. Nur
die auffassung der dritten stelle kann vielleicht schwanken. Ill,
2, 14: — 6 Sipwrldng, ore uiv edldov uic9ov dAlyor aire à
vixnoag Tois Ogevosy, ovx NIede mossiv, wo dvoysgalvwr ek
jusovovg nowiv xrÀ. Man kann zweifelhaft sein, ob hier nichts
anderes gesagt werden soll, als dass Simonides seine abneigung ge-
gen die poetische behandlung eines solchen gegenstandes zu erken-
nen gegeben habe, oder ob der ausdruck dahin ziehlt, dass Simo-
nides den gegenstand als solchen für unwürdig seiner poesie erklart,
also ein (allerdings nur subjectiv motiviertes) geschmacksurtheil
über den dem gegenstande an sich in dieser beziehung zukommen-
den werth abgegeben habe, Der ersten auffassung entsprüche etwa
die übersetzung: als wenn es ihm zuwider wire, über maul-
15) Ich habe nur zur hand die ed. Oxon. 1820.
16) Vgl. II, 7, 4: — cvvoposconades è axotwy dei 19 naOynxeg di
yorts, xav undiv Mg.
dAvoyegulvw xz. 607
esel zu dichten — der zweiten, wenn wir einen leider veralteten
ausdruck brauchen wollen: als ob er zu ekel ware, auf maul-
esel ein gedicht zu machen. Jedenfalls dichtete er, als ihm nun
ein genügendes honorar geboten wurde:
Xaleer’ celdonodwr Fuyatpes tua w y.
Eine entscheidung in solchen streitigen fällen wäre häufig zu
gewinnen, wenn es sich feststellen liesse, dass der gegenstand des
duoysgalvesv je nach der verschiedenheit der bedeutung dieses wor-
tes verschieden bezeichnet würde. Leider erweist sich das hier
behandelte in jeder beziehung unzureichende material zufällig ge-
rade in dieser beziebung als ganz besonders unzureichend. Ein
sich anschliessendes si, wie wir es Plat. Legg. 859 B haben, wird
an und für sich nie ein unterscheidendes merkmal abgeben können,
weil sich durch einen so eingeleiteten satz immer eben so wohl
das die verstimmung veranlassende moment als der angriffspunkt
der kritik muss ausdrücken lasseu. Nicht der blosse angriffspunkt
der kritik, sondern ihr object im ganzen wird Plat. Rep. 475 C
und Isokr. Phil. 29 bezeichnet, und zwar durch zeQí c. acc., ein-
mal bei duoyeguivesr, einmal bei duoyegn¢ und einmal bei dvcy£-
Qua — sodann Gorgias 450 E und Lysis 214 D durch èy bei
dem verbum, denn das x der zweiten stelle wird doch als inne-
res object anzusehen sein. Dagegen steht bei dem verbum in der
anderen bedeutung Aristoteles Rhetorik II, 24, 11 der acc. und
so nach angabe des Lex. häufig bei den tragikern uud attischen
prosaikern. Ob hierin specifica zu erkennen sind, wird sich mit
gewissheit nur auf grund einer umfassenden untersuchung entschei-
den lassen, die obne frage auch viel nicht nur zur ergünzung, son-
dern auch zur berichtigung der hier mitgetheilten auffassungen
beitragen würde.
Hannover. H. v. Kleist.
Zu L. Seneca.
Dial. VII, 5, 4: (natura homini) nullam non partem sui ex-
plicuit, ut per haec, quae optulerat oculis eius, cupiditatem faceret
etiam ceterorum. Man vergleiche 5, 1: natura nos ad utrumque
genuit, et contemplationi rerum et actioni . . . quoi porro hoc non
erit probatum, si se unusquisque consuluerit, quantam cupidinem ha-
beat ignota noscendi . .? Man vergleiche ferner 5, 2: cognoscendi
aliquid abditum. remotumque und weiterhin secretiora exquirere: so
wird man geneigt sein, statt celerorum zu lesen secretorum.
Würzburg. A. Enesner,
— — —
XXI.
ElonvogvAcé.
(Aeschines Ctesiph. p. 546 §. 159.)
Aeschines schildert, wie sich Demosthenes nach der schlacht
bei Chaironeia betragen habe. „Dieser verliess“, sagt er, „nicht
pur seinen posten im lager, sondern auch den in der stadt, indem
er einen dreiruderer bestieg, um von den Hellenen bundesbeiträge
einzutreiben“. Kazuyayovonc d’ uvıov, so führt er fort, elg mr
nor TIC unmgoodoxnTov Gwrnelag rovc né» nooirovg yoovovg $xo-
toopos Ty «»v9Qumog, xoà wagiwy nung imi tò Pipa slomro-
qvÀaxa tds avıov exédeve yeigorovtiv.
Man!) hat den ausdruck slonroguliaxa als ironie auffasses
und in dem satze x«i nugıwv — ysıporoveiv nur den gedanken
finden wollen, Demosthenes, der vorher so eifrige anhänger der
kriegspartei, sei plötzlich ein friedensmann geworden. Allein je
nen ausdruck nur als ironie aufzufassen, daran hindert, wie A.
Weidner ?) mit recht bemerkt, das sachliche verbum yesgororeir.
Die sache selbst bezeichnet derselbe gelebrte als unbekannt. Wir
wollen es versuchen sie aufzuhellen.
Bekannt ist, dass sich kéuig Philipp nach der schlacht bei
Chaironeia versöhnlich zeigte, dass er die Hellenen aufforderte de-
legierte nach Korinth zu senden, dass auf der tagsatzung daselbst
eine xosvn elgrrn (so der technische ausdruck) vereinbart, dass
darüber eine urkunde aufgesetzt wurde, von der uns einige artikel
in der rede soi rwv moog Altkardoov ovrönzwrv *) überliefert
1) Bremi zu d. stelle; A. Schäfer, Demosth. HI 1 p. 29 anm. 1.
à Aueg. der Ctesiph., anm. zu d. stelle.
3) R. Nicolai, Griech. liter. I p. 415 setzt die verträge in das
jabr 325 und noch spüter die rede. Wir glauben bewiesen zu habes,
Aeschines. 609
sind. In dieser heisst ent): fore dv ais ovränxusg Empedetcdas
Toùç Ovvedpevoyrug xal tovg inh 17) xowj qvAaxj retaypévoug
Onws d» roig xosvwroveuss modeos ic elonvnc un ylyvarın 9á-
votos xui qvyal maga tote xcpérovg tuig moAsos vououç, dà
zonudtiwv dnuevoss, unde y5c avaducpot, und: yoewy axoxonal,
und: dovAuv ántievOtquotig ni vewreoou®, Die wiederholung
des artikels (rovg o. x. rovg) lehrt, dass hier von zwei behörden
die rede sei; die eine das „synedrion“, die andere „die auf ge-
meinsame wacht gestellten“. Beide hatten dieselbe aufgabe zu
lösen. Da muss ein wesentlicher unterschied zwischen beiden in
der art bestauden haben, wie sie diese aufgabe zu lösen hatten,
und in der grösseren, geringeren befugniss, welche der einen, der
underen hierin zustand. Ein fernerer unterschied wird durch den
namen der einen angedentet: ihre mitglieder sind auf „wacht“ ge-
stellt. Es war eine ständige behörde. Was dagegen von den
synedreuontes erzählt wird, spricht dafür, dass sie nur zu gewissen
zeiten ihre sitzungen abhielten. Sie mussten bei ausserordentlichen
anlässen jedesmal erst von ihren wohnorten her zusammenberufen
werden?) Die aufgabe, welche beiden beamtungen vorlag, zeigt
dieselben als eine instanz, die über den einzelnen städten stand,
Soviel etwa lässt sich aus der überlieferung entnehmen; anderes
schliesst sich, da es mit diesen und diesen dingen immer und
überall verbunden ist, als selbstverständlich an. Mau mache es sich
nur an einem bestimmten falle kler, wie sich jene aufgabe von
jenen behörden bei dem eben gezeichneten verhältuisse zwischen
beiden bewältigen liess.
Sie sollen z. b. verhindern, dass jemand aus einer bundesstadt
wider die gesetze derselben verbannt werde, Wie können sie das?
Es muss natürlich zuerst eine meldung einlaufen, dass eine der-
artige ungesetzlichkeit vorzuliegen scheine. Eine solche scheint
dass die letztere im october 333 kurz vor der schlacht bei Issos ge-
halten sei.
4) P. 215 §. 15.
5) Diod. XVII 4; XVII 73; XVII 14. Dass es sich hier um
kriegszeiten, bezüglich um eine seit handelte, wo drohende wolken
egen die xo; eöonvn heraufzogen, kann die beweiskraft dieser stel-
fon nicht schwüchen. Das ausscheiden einiger mitglieder hitte weder
bund noch synedrion aufgelóst, wie ja auch nach Thebene serstórung
die synedroi der getreuen stiidte einen beschluss zu fassen berech-
tigt sind.
Philologus. XLII. bd. 4. 41
610 | Aeschines.
selbstverstándlich nicht den richtern vorzuliegen, sondern den ver-
urtheilten. Von diesen ging also die melduag, die appellation aus.
Ebenso nahe liegt der gedanke, dass diese meldung bei einer stan-
digen behörde eingebracht wurde, also, da von einer dritten bun-
desbehörde nirgends die rede ist, wohl bei „den auf gemeinsame
wacht gestellten“. Zu demselben resultate führt die erwägung,
dass für ein nur zeitweilig zusammentretendes bundescollegium
immer und überall eine ständige kórperschaft da sein muss, die zu
berathen hat, welche angelegenheiten jeuem collegium wäbrend
seiner nächsten sitzuugsperiode vorzulegen seien, ühnlich wie der
athenische rath alles, was er vor die ekklesie kommen lassen
wollte, annahm und vorbereitete, was ihm aber für jenen zweck
ungeeignet schien, aus eigener machtvollkommenheit abwies. Und
eben diese geschäfte hatte, wenn man auch hier nicht das vorhan-
densein einer dritten behörde ohne grund annehmen will, eben jene
ständige körperschaft „der auf gemeinsame wacht gestellten“ zu
erledigen. Sie nahmen jene appellation entgegen; sie unterwarfen
dieselbe einer vorläufigen prüfung und wiesen sie entweder ab
oder legten sie für die nächste session des synedrions zurecht.
Trat daun dasselbe zusammen, so führten die parteien, wie aus
einer stelle des Hypereides *) hervorgeht, ihre sache mit rede und
gegenrede. Des höchsten gerichtshofes entscheidung hatte man sich
zu fügen. Entweder wurde durch dieselbe das urtheil des stadt-
gerichtes aufgehoben oder bestätigt. Wenn das erstere den Athe-
nern widerfulr, wenn ein von einem athenischen dikasterion ver-
urtheilter vom synedrion freigesprochen wurde, so lief das ent-
schieden gegen dus in Athen im allgemeinen geltende princip, es
könne das einmal gefällte urtheil eines dikasterions nicht wieder
umgestossen werden. Und in diesen zusammenhang fügt sich denn
trefflich ein, was der sprecher eben jener rede [egi rw» mods
’AtEurdgor cvr9n«wv der makedouischen partei vorwirft 7): zoug
6) Pro Euxen. XXXII, 1—17 (ed. Blass.): Wenn Alexander und
Olympias dem demos von Athen eine ungerechte und unziemliche zu-
muthung machen, dann muss man sich zu einer gegenrede erheben,
ihren abgesandten gegenüber die gerechtsame der stadt vertreten
und vor das synedrion gehen, der heimath zu hülfe
Du aber hast dich dort niemals erhoben. Man beachte den
doppelsinn des zopetec%ar elc 10 ourédpsor: marschieren gegen, gehen
vor. — Diese stelle lehrt auch, dass das synedrion die iurisdiction
über streitigkeiten der bundesmitglieder unter einander hatte.
7) P. 215, 8. 12.
Aeschines. 611
Bdlous vuas vopovs Gvayxubouor Avtv, rors piv xexgiuévovug dv
zoig dixaomeloas ageévtes, Erega dì nuunindn rosatta Bralo-
meros magaroueir. Und wenn sich eine stadt solchem ansinnen
entgegensetzte, was dann?
Allgemein scheint man die truppen, welche nach der schlacht
bei Chaironeia in Chalkis, auf der burg zu Theben, zu Korinth
lagen, für makedonische zu halten®). Man kann sich indessen da-
für weder auf Arrian noch auf Diodor berufen. So oft jener der
thebanischen besatzung gedenkt, bezeichnet er sie nur als of 17»
Kudpeiuy Eyovres ®) oder xaz£yorzg !°) und Diodor als 7 dv 17
Kadut(a Ygovga !!) oder of 79 Kadusluv goougoürres !?). Da-
gegen will es nichts bedeuten, wenn rednerische übertreibung und
gehässigkeit dieselben z. b. orguzonedu tov tvgavvov !?), die gar-
nisonstädte modes Muxedorsxul !*) nennt. Und wenn der verfasser
der rede unig i2; dwdexuerluçg in den soldaten der Kadneia 37»
suv Muxedcvwy peovedy sieht !5), so ist das ein beweis für seine
unkenntniss der sache und ein beweis mehr dafür, dass wir es hier
mit einer falschung zu thun haben. Nicht viel sagen will es eud-
lich, wenu der einzige Plutarch sich durch die thatsache, dass die
burgbesatzung in Theben auf seiten der Makedonen stand, verleiten
liess einmal '®) von jener als von of ggovgod ww» Muxedorwy zu
sprechen.
Unter den mauern 'Thebens liess Alexander durch heroldsruf
verkünden, wer an der xoi? elonryn theilnelmen wolle, der solle
zu ihm kommen?) Und in eben diesem sinne standen die burg-
truppeu auf seiner seite. Sie kümpften für ihn, weil sie mit ihm
für die xov; edgnvn kämpften, auf welche sie vereidigt waren !5);
8) Z. b. A. Schäfer, Demosth. III, 1, p. 110, s. 1. Droysen, Hel-
lenism. I, 1, 41, 2. auf.
9) Arrian Anab. Alex. I, 7, 1; zweideutig ist I, 7, 9: dar &yyüs
slvas cigéltsav riy Moxidóvor trois mv Kadusiay lyovow.,
10) I, 8, 6.
11) Diod. XVII, 8 mitte und ende.
12) XVII, 12 ende.
18) Degi v. no. Al. avr9yx. p. 214, 8. 12.
14) Ibid. p. 216, 8. 17.
15) P. 180 Steph. 8. 18 ed. Blass.
16) Alexander XI, 5.
17) Diodor XVII, 9 (gegen ende).
18) Das inschriftlich erhaltene frg. der urkunde (C. I. A. H, nr.
160) scheint ein theil dieses eides zu sein.
AA
612 Aeschines.
denn kurz: sie waren nicht makedonische, sie waren bundestruppes.
Das waren auch die garnisonen zu Chalkis und Korinth. Bei die-
ser mmsicht versteht man, warum Arrian und Diodor ihren quelles
folgend niemals von of &v 17 Kadpeta Maxedovec sprechen. Fer:
ner: sach Thebens eroberung übertrug Alexander die beschlussfas-
sung über das schicksal der stadt roïç ueréyovor rov Egyou ovp-
Acixosc wach Arrian ?9) nach Diodor ??) den ovvedgos tes» "EAAQjvum.
Beides ist nach damaliger sachlage identisch. Denn nur die theil-
uelmer am kampfe gegen das abtrünnige Theben hatten ihren bun-
despflichten genügt, sie allein konnten bundesrechte ausüben, im
synedrion sitzen, und Droysen *') bezeichnet mit recht dieses ver-
fahren als ,ordnungsmüssig*. Aber weiter! Das so cunstituierte
butidessynedrion beschliesst nun, der burgfelsen von Theben sulle
seine besatzung behalten. Nach der früheren auffassung von die
ser besatzung hütte es da über eine sache beschluss gefasst, welche
den bund gar nichts anging , welche vielmehr makedonisches geld
kostete. Ganz natürlich dagegen ist es, dass das bundeseollegium
über bundesangelegenheiten und darunter über abschaflung oder bei-
behaltung einer abtheilung der bumdestruppen beschliesst. Dane:
bei Arrian heisst es nicht: &doge (roig peréyouos rov Foyov ovp-
payous) tóv MitéEavógor riv Kadpelav pooved sQattyesr, son-
dern: Edoge 17v Kuduetav poovoü xaréyesv. Sie allein wollen die
burg bewachen. Endlich stand, wie A. Schäfer selbst bemerkt ??),
der bisherigen ansicht über die drei garnisonen eine notiz entge-
gen, nach welcher Philipp auf dem rath eimiger, er selle doch die
Hellenen durch besatzungen im zaume halten, geantwortet habe, er
wolle lieber lange zeit ein ehrenhafter mann als kurze zeit ein
herr heissen *)) Er wollte also keine besatzungen in die städte
legen und doch lagen makedonische besatzungen in jenen drei
städten? Der widerspruch verschwindet sofort bei der auffassung,
der zufolge jene besatzungen eben nicht makedonische sind.
Aber diese auffassung schliesst nicht aus, dass Philipp, dass
Alexander diese sóldner völlig in seiner hand hatte, nämlich als
19) I, 9, 9.
20) XVII, 14.
21) Hellenism. I, 1, 140, anm. 1.
22) Demosthenes III, 1, 48, anm. 4.
28) Plut. Apophth. p. 177c, 4.
" A
Aeschines. 613
creamyos avroagazso des bumdes. Als solcher wird er das recht
gehabt haben, die effizierstellen zu besetzen, So hatte denn der
schlaue Philipp eine form gefunden, unter der er truppen in grie-
chischen städten halten konnte, ohne dass sie als offenkundig ma-
kedenische allgemeines ärgerniss veranlassten und ihm auch den
hass derer zuzogen, welche die thatigkeit der bundestruppen als
eine für das bellenische land segeusreiche aasahea.
Noch lassen sich spuren veu der tbátigkeit dieser truppen in
der rede /Zegì ıwr 006 AMgurdoov GevÓgxu» erkennen. Ein
artikel der bundesurkunde verbietet 24), dass verbannte aus eiuer
bundesstadt ausziehen, um gegen eine andere die walfen zu erhe-
ben. ,,So leichtsinuig^, sagt nun der redner, „bat der Makedone
die walleu erhoben, dass er sie niemals niedergelegt hat, sondern
auch jetzt noch mit ihnen umherzieht und jetzt um so mehr denn
früher, als er éx mgoo:4yua:og andere anderswohin und den paido-
triben nach Sikyon zurückgeführt hat“. Unter dem Makedonen
versteht der redner, wie er selbst erklärt, as Muxedovexai node,
also besonders Chalkis, Korinth, die burg von Theben. Jener
paidetribe ist aus Sikyon verbannt worden, Gesetzwidrige ver-
bannungen soll das synedrion, wie die urkunde vorschreibt ^), ver-
hindern. Gewiss bat sich also der verbannte an diese behórde ge-
wandt. Dieselbe bat das urtheil des stadtgerichtes aufgehoben.
Letzteres aber weigert sich den paidotriben zurückzurufen. Da
bleibt dem synedrion nichts weiter übrig als jenes zgooraype, den
verbannten mit waffengewalt zurückzuführen zu erlassen; und auf
grund dieses sgoc:«yua rücken dann die truppen aus den molec
Maxedonxul, den paidotriben in der mitte gegen Sikyon. Sie
zeigen sich bei dieser gelegenheit also als die executionsmannschaft
des synedrions.
Wer sich vergegenwürtigt, wie oft sykophanten und dema-
gogen die habsucht des pibels, sowie die jedesmalige politische
stimmung ausbeuteten, um ehrenwerthe männer ins unglück zu
stürzen, sie ihres hab und gutes zu berauben, der begreift, wie
segensreich eine einrichtung war, welche ungesetzliche confiscatio-
nen untersagte *5), sowie die streitsache aus der dumpten luft
24) P. 216, S. 16.
25) S. ob. p. 609: poi 19» nooc MÀ. ovv9yx. p. 215, §. 15.
20) Eben dort.
614 Aeschines.
kleinstädtischer gehässigkeiten und intriguen heraushob, um sie vor
das forum von männern zu bringen, welche einerseits von der
stimme ihrer mitbürger aus verschiedenen stüdten als die tüchtigsten
ausgewählt waren und andererseits keine aussicht auf antheil ao
dem vermögen des angeklagten hatten. Zugleich gewann dieser
durch die verschleppung des prozesses zeit, in der ein umscbwung
der politischen verhältnisse zu seinen gunsten eintreten konnte.
Dass indessen auch diese einrichtung zu politischen zwecken
ausgenutzt wurde, ist gewiss. Beide parteien, die makedonische
und die patriotische, rangen mit einander darpach, leute aus ihrer
mitte in das synedrion, in das collegium der imi 17 xown pviazi
teruyuévos zu bringen. Die letzteren waren, wenn sie, wie wabr-
scheinlich ist, die befugniss hatten, die einlaufenden beschwerden
nach vorläufiger berathung entweder anzunehmen oder abzulehnen,
dadurch äusserst einflussreich. Die xowr gvÀaxg nun, auf welche
sie gestellt waren, ist in diesem bunde, in dieser xoi; elonr
selbstverständlich eine œuluxn 175 xosvng slgirng. Und ein mit-
glied eben dieser dmi 17 xown qvÀaxg tig xosvng elenyng tetay-
pévos, welche bald nach der schlacht bei Chaironeia eingesetzt
wurden, wollte Demosthenes werden, wenn er sich zovg xQuiosc
xe0vovg nach jener schlacht zum elenvopvdut wählen lassen wollte.
Die wahl fand in den einzelnen städten in der form der cheiro-
tonie statt.
Berlin. G. Lewe.
Zu Vellejus Paterculus.
II, 85, 4: Caesar, quos ferro poterat interimere, verbis mul-
cere cupiens clamitansque et ostendens fugisse Antonium, quaerebat,
pro quo et cum quo pugnarent. Das gedankenverhültnis, in wel-
chem das particip cupiens zu quaerebat steht, ist von jenem, das
zwischen clamitansque et ostendens und dem hauptverbum waltet,
grundverschieden. Es ist vergebliches bemühen, durch interpunction
zwischen cupiens clamitansque dem gedanken nachhelfen zu wollen;
erst die tilgung von que lässt ihn rein hervortreten.
Würzburg. A. Eussner.
XXII.
Zur kritik einiger quellenschriftsteller der rómi-
schen kaiserzeit.
(Zweite folge. S. Philol. XLI, 1, p. 134 ff.)
IV. Zur kritik einiger auf die geschichte des kai-
sers Aurelianus bezüglicher quellen!).
Bereits an anderer stelle (in den beiden aufsätzen „Die tole-
ranzedicte des kaisers Gallienus“, Jahrbücher für protestant. theol. III,
[1877], h. IV, p. 606 —630) und „Die mürtyrer der aurelianischen
christenverfolgung“, a. a. 0. 1880 [VII], p. 449 — 494) habe ich nach-
gewiesen, dass die aurelianische christenverfolgung zwar nicht in der
intention, wohl aber nach ihrer wirkung, räumlich sowohl als zeit-
lich, eine äusserst beschränkte, unvollständige war, die nur einigen
wenigen glüubigen im südöstlichen Thracien und den zunächst be-
legenen gegenden das leben raubte — erst anfang 275 anhebend,
erlosch sie schon wenige wochen nach unterzeichnung der verfol-
gungsrescripte, da der kaiser schon um mitte märz desselben jah-
res ermordet wurde —, und dass gegen dieses ergebniss einer
sorgfaltigen prüfung des authentischen quellenmaterials (Eus.
Hist. eccl. VII 13. 22. 23. 30. VIII 1. A, Lactant. De mort. persec.
(ed. H. Hurter) c. VI, Eusebii Chron. Hieronymo interprete ad a.
279 ed. Migne, p. 578, Oros. VII 23, Rufin, Aquil. Hist. eccl. VII
26) die von den Bollandisten und anderen kirchlich gesinnten
schriftstellern geltend gemachten zahlreichen märtyrergeschichten,
weil durchweg gefalscht, keine instanz bilden. Aber die Cu-
rialisten, bemüht, die basis jener in wahrheit ganz unbedeutenden
1) Vgl. hierzu. meine abhandlung ‚Die angebliche christenver-
folg. zur zeit des kaisers Claudius II“, Zeitschr. für wiss. theol. XXVII
1884, heft 1, p. 37 bis 84 und zumal abschn. V, VI u. VII, p. 63 bis 78.
616 Rómische kaiserzeit,
leidensepoche der christenheit auf künstlichem wege zu erbreitern
und so raum zu schaífen für die hunderte von blutzeugen, die eine
getrübte tradition damit in verbindung gebracht hat, wollen auch
noch in weiteren quellen, namlich in Vopiscus, dem heidnischen
autor (!), in einer homilie Constantins und Leus des grossen, an-
spielungen auf die Aurelian-verfolgung resp. auf deren gewaltige
tragweite entdecken. Im folgenden werde ich aber nachweisen,
dass alle diese interpretationskünste gänzlich verfehlt sind.
a. Zu Vopiscus, Aurelianus, c. 19—2 1.37. 40 undzu
den alexandrinischen münzen des kaisers Aurelianus.
1. Der kardinal Baronius (Ann. eccl. t. Il p. 502, Nr. I.
Il sqq.; möchte die anfänge der aurelianischen christenverfolgung
schon ins jahr 271 versetzen. Er ist nümlich geneigt, diejenigen
senatoren, die nach Vop. Aurel. c. 19 wührend des Marcomannen-
krieges die befragung der sibyllinischen bücher für überflüssig erklür-
ten, mit den senatoren zu identificiren, die Aurelian nach
Vop. Aur. c. 21 wäbrend seines zweiten aufenthaltes zu Row
wegen angeblichen hochverrathes hinrichten liess, uud erblickt dem-
gemäss in jenen unglücklichen christliche mürtyrer, und
in cousequenz hiervon deutet er folgende worte in dem schreiben
Aurelians an die curie (Vop. Aur. c. 20): ,,Miror vos patres sancli,
tamdiu de aperiendis Sibyllinis dubitasse libris, proinde quasi in
Christianorum ecclesia, non in templo deorum omnium tractaretis“
als eine zoruige auspielung des kaisers auf die durch christliche
einflüsse hinausgeschobene consultirung der sibyllinischen bücher.
Diese annahme ist aber durchaus hinfällig. Denn erstens ging
die hiorichtung jener senatoren, wie sich aus dem vergleich von
Vop. Aur. c. 21—25 incl. und Zos, | 49 —52 mit Eus. VII 30
ergibt, der berühmten, entschieden christenfreundlichen, antioche-
nischen entscheidung des kaisers über Paul von Samosata vor-
her; Aurelian begünstigte also damals noch die christen. Uad
ferner, waren jene senatoren als christen hiugerichtet worden, so
würde Vopiscus nach der mauier der heidnischen autoren desshalb
den kaiser nicht getadelt, noch weniger aufrichtiges mitleid für die
opfer einer übertriebenen strenge geäussert haben. Wie selbst
gemüssigte leiden des 4. Jahrhunderts über christenverfolgung
dachten, beweist recht deutlich eine üusserung des älteren Aurelius
Victor (De Caesaribus c. 41, Nr. 4, ed. Gruner), der die blutige befeh-
Rómische kaiserzeit. 617
dung des christenthums durch Diocletian, Maximian und Galerius
geradezu gutheisst (,,Veterrimae religiones castissime curatae'*).
Vopiscus (c. 21) bekundet aber den angeblich christlichen senato-
ren mit folgenden worten seine innige theilnahme: ,,incivilius deni-
que usus imperio vir alias optimus seditionum auctoribus interemp-
$is cruentius ea, quae mollius fuerant curanda, compescuit. interfeoti
sunt enim nonnulli etiam nobiles senatores, cum his leve quiddam,
et quod contemni a mitiore principe potuisset, vel unus vel levis
vel vilis testis obiceret . . . . timeri ooepif princeps optimus, non
amari“ ete. Auch Neunder (Allg. gesch. der christl, religion
bd. I, abth. 1 (Hamburg 1825) p. 219, anm. 1) stellt die unbe-
gründete vermuthung auf, mit den worten ,,proinde quasi in Chri-
stianorum ecolesia etc. hatte Aurelian seinen verdacht geäussert,
manche christliche senatoren übten auf die verhandlungen
der curie ibren einfluss aus. Tillemont (Hist. des. emp. Rom.
t. HI, p. 381) erblickt in den senatoren, die sich der befragung
der sibyllinischen bücher widersetzt hatten, atheisten, d.h.
leute, die awar den griechisch-römischen polytheismus für eine wi-
dersinnige superstition hielten, aber ebenso wenig vertrauen zur
unfehlbarkeit der neuen religion hatten. Für diese interpretation
spricht nicht nur der ganze zusammenhang , sondern speciell auch
der wortlaut bei Vop. Aur. c. 19, wo der vorsitzende der curie,
Ulpius Silanus, u. a. folgendes bemerkt: ,,meministis enim, p. o.,
me in hoc ordine saepe dizisse . . . . consulenda Sibyllae decreta
e . +, recusasse vero quosdam, el cum ingenti calumnia recusasse,
cum adulando dicerent, tantam principis Aureliani
esse viriulem, ul opus non sit deos consuli, proinde
quasi et ipsae vir magnus non deos colat, non de dis
inmortalibus speret."
2. Auch in einer anderen stelle des Vopiscus hat man schon
einen beweis für den üusserst blutigen charakter der aurelianischen
ehristenverfolgung entdecken wollen. In den älteren ausgaben
der Historia augusta finden sich Vop. Aur. c. 37 (am schluss) fol-
gende worte: quidquid sane scelerum fuit, quidquid malae con-
scientiae vel artium funestarum, quidquid denique factionum, Au-
relianus toto penitus orhe purgavit." Hierzu bemerkt der jesuit
Henschen (Acta Sanct. Boll. t. I, s. 21. Jan. p. 343, Nr.
6): ,Christianam religionem hac periphrasi impius auctor
618 Rómische kaiserzeit.
complexus est.‘ Dieser auffassung gegenüber möchte ich aber an
ein zweifaches erinnern. Setzen wir zunüchst voraus, dass die
betreffenden worte wirklich zum ursprünglichen texte
des Vopiscus gehóren, so verbietet uns die ganz allgemeine
fassung der stelle, die ausdrücke scelera, mala conscientia, ar-
tes funestae, factiones nur auf das christenthum zu beziebes,
wenn ich auch gern einräume, dass heidnische autoren den ver-
hassten christen mitunter artes funestae, factiones u. s. w. zuschrei-
ben. Denn erstens sagt Vopiscus: toto penitus orbe purgavit,
wührend sogar der christliche fanatiker Lactanz nur eine zeitlich
sowohl als ráumlich sehr beschränkte christenverfolgung Aurelians
kennt. Zweitens gibt aber der biograph (c. 39) selbst manche
einzelne der von dem strengen fürsten beseitigten missbrüuche an,
die sich sehr gut in die c. 37 bezeichneten allgemeinen rubriken
einfügen lassen; c. 39 heisst es nämlich: idem quadru pla to-
res ac delatores ingenti severitate persecutus est . . . . fures
provinciales repetundarum ac peculatus reos ultra
militarem disciplinam est persecutus, ut eos ingentibus suppliciis
punire. Ferner, und das ist hier die hauptsache, erscheint es mehr
als zweifelhaft, ob die fraglichen worte Vop. c. 37 von quidquid
bis purgavit überhaupt zum echten text des Vopiscus gehören.
Wenigstens halt sie Hermann Peter in seiner bewährten edition
für ein späteres einschiebsel?)
3. Ruinart (Acta martyrum (Ratisbonae 1859), praef. gen.
p. 37) Pagi (Dissert. hypat. p. 155; Critica in Baronii annal. |
p. 290, Nr. XII), Tillemont (Mém. t. IV? p. 717, Brüsse-
ler ausgabe) und Henry Doulcet (Essai sur les rapports de
l'église chrétienne avec l'État romain, Paris 1883, p. 171, anm. 2)
nehmen, um doch für die zahlreichen aurelianischen märtyrer
etwas raum zu schaffen, eine posthume verfolgung dieses kai-
sers an, d. h. sie lassen dieselbe uoch während des sechsmonat-
lichen interregnums bis zur erhebung des Tacitus fortdauera.
Zu gunsten dieser combination liessen sich vielleicht die acten
des bekenners Chariton von Iconium (in Lycaonien) geltend ma-
2) H. Peter(ed. Scriptores bist. aug. vol. II, p. 162) schliesst die
betreffende stelle in parenthesen ein und bemerkt (a.a.0., note 24)
folgendes: quidquid sane — purgavit ego e verbis Vopisci remo-
venda esse censeo.
Römische kuiserzeit. 619
chen; hier heisst es nümlich (c. VI), die von Aurelian erregte
verfolgung sei von dessen nachfolger durch ein fórmliches edict
wieder aufgehoben worden). Hieraus könnte man schliessen,
die verfolgung hatte wülreud des interregnums, das dem regie-
rungsantritt des Tacitus vorherging, fortgedauert. Allein eine
solche argumentation wäre völlig unzulässig, da die vita s. Cha-
ritonis ein durch und durch gefälschtes actenstück aus sehr später
zeit ist (s. die beweise in meinen „Märtyrern der aurelian. christen-
verfolg.* a. a. o. p. 488 ff) Ruinart und Doulcet berufen
sich auf Vop. Aur. c. 40, wo es heisst: , denique id tertio factum
est, ita ut per sex menses imperatorem Romanus orbis non habuerit
omnesque iudices ii permanerent, quos aut senatus
aut Aurelianus elegerat, nisi quod pro consule Asiae Fal-
conius Probus in locum Arellii Fusci delectus est.“ Nun geht freilich
aus diesen worten hervor, dass die verwaltung wälrend des inter-
regnums im ganzen und grossen im geiste des ermordeten impe-
rators fortgeführt wurde. Gleichwohl schliesse ich aber mit B as-
nage (Il, p. 430, Nr. Il) aus folgenden worten des Eusebius (H.
e. VII, c. 30, Nr. 21), dass die kaum begonnene verfolgung sofort
mit dem tode ihresurhebers erstickt wurde: ,uéllorra
dì ion . . .. Delu utra) Ölen... . daprows te 10g Buds
Ovrogüv maquorucu, wc ovnore ylvosr dv bacıwrn rotg 100 fiov
áQyovOs xara rwy 10V Xosoroù exxdnowy pi) ovyl 175 umEQuayou
quoòs Tela xai otgav(o xeloe, nudelas Evexa xai Emorgogis,
xaJ' ovg av avi) doxsualos xasgovs rovi” inuredetodai curyweov-
ons“. Hier sagt also der bischöfliche autor mit empbase, die von
Aurelian beabsichtigte verfolgung sei wirkungslos geblieben,
weil die göttliche vorsehung es so gewollt. Schwerlich würde
er sich ebenso geüussert haben, weun die blutedicte des todten
kaisers noch volle sechs monate in kraft gebliebeu, und su die von
Aurelian intentirte verwüstung der kirche dennoch durchgeführt
worden wäre! Ebenso wenig würde Eusebius (VIII 4) die ganze
periode von Valerians gefangennehmung bis zu den letzteu jahren
Diocletians als eine epoche ungetrübten friedens für die christen
3) „Qui imp Aureliani sceptra suscepit . . . . iussit. persecutionem
adversus Christianos cessare per omnes provincias (Ich citire nach der
lateinischen übertragung der griechisch geschriebenen acten bei 8 u-
rius, Vitae probatae Sanctorum t. III, s. 28. sept. p. 293 sqq.).
620 Römische kuiserzeit.
bezeichnet haben, wenn jener zustand der ruhe durch ein mehr eh
halbjáhriges hinschlachten der gläubigen eine schreckliche unter
brechung erlitten hatte. Es bleibt also dabei, dass die verfolgung
sofort mit dem tode Aurelians erlosch.
4. Da die Aurelian-verfolguog, wie zumal aus der combi
nation von Lact. c. VI mit der chronik des Eusebius - Hieronymus
(a. a. o.) erhellt, erst zu anfang 275 begaun, und da der kaiser,
wie sich gleichfalls aus dem authentischen quellenmaterial erschlies-
sen lässt, schon am 25. märz desselben jahres oder doch frübestens
um die mitte dieses monats ermordet wurde ‘), so hat jene befeb-
dung der kirche nur wenige wochen gedauert. Kine langere zeit-
liche ausdehnung und naturgemäss auch eine ungleich grössere
tragweite — nach Lactanz hat der kaiser eine blutige system»
tische verfolgung im style eines Decius beabsichtigt — müssten
wir dem Aurelian-sturme vindiciren, wenn die chronologie Alfreds
von Sallet eine zwingende wäre, die dieser gründliche kenner
orientalischer kaisermünzen in seinem höchst beachtenswerthen auf-
satze „Das siebente ägyptische regierungsjahr Aurelians (Berliner
blätter für münz- siegel- und wappenkunde, bd. IV, p. 131—134)
zu begründen sucht. Er schliesst nämlich aus sieben unzweifelbaft
echten Alexandrinern Aurelians mit Z, d.h. dem zeichen seines sie
benten regierungsjahres, dass der kaiser nicht, wie man bisher aa-
nahm, zwischen dem 29. august 274 und dem 28. august 275,
sondern erst nach dem 29, august 275 von mörderhand fiel,
Die ansicht des numismatikers Zoéger, dass man auch im falle
der auffindung aurelianischer münzen mit Z diese dennoch als is.
terregnums-münzen zu betrachten habe, wird von Sallet verwor
fen. Gleichwohl sehe ich mich aber genöthigt, auf Zoégers com-
bination wieder zurückzukommen; ich nehme also an, dass die sie
4) Fasti Idatii „Aureliano III et Marcellino coss.“ (ed. Gallandius
Bibl. vet. patr. X p. 507) und Vop. Aur. c. 4l, verglichen mit Vop.
Aur. c. 37. 40., Tacit. c. 1—3. 5—9. 18, Victor sen. de Caess. c. 36,
Vict. iun. epit. c. 36, Nr. 9. Diese chronologie hat z.b. Th. Bern
hardt (Gesch. der Rómer unter den kaisern von Valerian bis Diocle-
tian, p. 214) adoptirt. Brunner (Vopiscus' lebensbeschreibungen
[Leipzig 1868. Separat-abdruck aus bd. I] der von Büdinger redi-
girten untersuchungen zur röm. kaisergesch. p. 75. 78f.) freilich ent-
scheidet sich dafür, dass der tod Aurelians schon kurz vor dem 3.
februar erfolgte. Allein diese annahme wird durch Vop. Tao. c. 18
widerlegt.
Römische kaiserzeit. 621
ben Alexandriner mit Z interregnums-miinzen sind, und zwar
aus zwei gründen. Erstens hat die v. Sallet'sche chronologie, wo-
nach der wiederhersteller der rómischen reichseinheit noch nach dem 29,
august 275 unter deu lebendes weilte, die verwerfung des ausrei-
chend bezeugten interregnums zur nothwendigen voraussetzung ;
denn da der nachfolger Aurelians, Tacitus, wie sich aus dem ver-
gleiche von Fasti Idatiani („Aureliano III et Marcellino ooss.“)
mit Vop. Tac. c. 3. 13 ergibt, spütestens am 25. sept, 275 mit
dem kaiserlichen purpur bekleidet wurde, und da Aurelian, wenn
noch Alexandriner mit Z geprügt werden konnten, jedenfalls den
beginn seines siebenten ügyptischen regierungsjahres um einige
zeit überlebt haben muss, so bleibt für das mindestens sechsmonat-
liche interregnum, welches nach dem tode des kaisers eintrat, gar
kein raum übrig. ich kann mich aber nicht entschliesseu, dieses
interregnum ohne weiteres als unhistorisch aufzugeben, da es nicht
nur durch die beiden Victor (De Caess. c. XX XVI; epit. c. XXXVI,
Nr. 9), sondern sogar auch durch Vopiscus (Aur. c. 40, Tac. c. 1. 2)
bezeugt ist?) Zweitens lautet aber die annahme, jene münzen
seien während des interregnums im namen des ermordeten impe-
rators geprügt worden, keineswegs unwahrscheinlich. Nach Vop.
Aur. c. 40 wurde ja in der zwischenzeit bis zur erhebung des
Tacitus die verwaltung im wesentlichen ganz im geiste des ermor-
deten fortgeführt; mit ausnahme eines einzigen bebielten alle von
Aurelian oder dem senate installirten beamten während des inter-
regnums ihre functionen bei. Die bisherige annahme, wonach Au-
relian schon um mitte märz 275 einer verschwörung zum opfer
fiel, ist also eiue berechtigte. —
b. Zu Constantini M. oratio ad Sanctorum coetum
c. 24 (ed. H. Valesius) und zu Leo M. (Sermo X XII [De
Pentecoste sermo Ij, c. 6, ed. H. Hurter, Ss. Patrum
opuscula selecta, tom. XIV [,S. Leonis M. Romani pontificis ser-
mones selecti*], Oeniponti 1871, p. 215 sq.).
1. Auch aus einer art von homilie des ersten christlichen
kaisers, die uns Eusebius aufbewahrt hat, lüsst sich eine irgend-
wie erhebliche wirkung der aurelianischen blutedicte nicht
9) An der geschichtlichkeit dieses interregnums hált auch Jacob
Burckhardt (Constantin d. gr., zweite auflage, 1880, p. 28 f.)
mit fug und recht fest.
622 Rómische kaiserzeit.
folgern. Allerdings erwühnt Constantin (a. a. o.) den besieger Pal
myras in gesellschaft der beiden berüchtigten christenfeinde Decius
und Valerian. Allein nur ein rein äusserlicher grund, nämlich der
umstand, dass alle drei imperatoren auf tragische weise ihre regie-
rung beschlossen, hat den kaiserlichen homileten veranlasst, des
Aurelian auf eine stufe mit Decius und Valerian zu stellen. Dass
dem so ist, beweist unverkennbar der wortlaut der betreffenden
stelle: ,xui ov uiv, Avondsaré, pAoE nurıwv adixnuuiwr, ones
Impavos diaz ot£gov tuparws tiv Ogg x qv xoneic iv won
Atuqógt rovg avdaxug 176 odov aosBots aluarog éendnowous *
Hiernach eróffnete Aurelian die verfolgung erst ganz kurz vor sei-
uem tode in Thracien. Besonnen aufgefasst, b estütigt also die
oratio Constantini einfach die darstellung des Lactanz, wonach die
Aureliau-verfolgung zeitlich und örtlich äussert beschränkt war.
2. Baronius (Ann. Il, p. 502, Nr. IV), Pagi (Critica |,
p. 290, Nr. XII), Brower (Aunal. Trevir. I, p. 189), Ruinart
(praef. geo. p. 37 f.) und Tillemont (Mémoires t. IV* p. 707)
verwerthen folgende worte der oben erwähnten homilie des papstes
Leo | des grossen (reg. 440—461) als beweis für den furchtbaren
charakter der aurelianischen verfolgung:
»Manes ergo minister falsitatis diabolicae . . . eo tempore
damnandus innotuit, quo post resurrectionem Domini ducentesimus
et sexagesimus annus impletus est, Probo imperatore Paulinoque
consulibus, cum octava jam in Christianos persecutio desaeviret 9), et
innumera martyrum millia ipsis suis victoriis probavissent implectum
esse, quod Dominus promiserat, dicens: Cum autem tradent vos,
nolite cogitare, quomodo aut quid loquamini* (Matth. 10, 19 s.) etc.
und beziehen demgemäss erstens das, was hier von einer octave
persecutio gesagt wird, auf Aurelian und zweitens wollen sie diesem
kaiser auch die „unzähligen tausende von mürtyrern*, deren der
römische bischof gleichfalls gedeokt, vindiciren. Dieser interpre-
tation stehen aber gewaltige schwierigkeiten entgegen. Zunächst
schwebt die chronologie des berühmten papstes vollständig in der
luft, falls man annimmt, er wolle die christenverfolgung Aure-
lians bezeichnen. Die zeitbestimmungen sind in der that so ver-
worren, dass die curialistischeu interpreten zu allerhand harmoni-
6) ebulliret in ülteren ausgaben, z. b. in der Magna bibl. patr.,
tom. V, pars II, p. 854.
Rómische kaiserzeit. 623
stischen kunststückchen ihre zuflucht nehmen müssen, um die ihren
zwecken passende chronologie herauszubekommen, Da wird die
achte verfolgung in das jahr 277 (Probo et Paulino coss.) ver-
setzt. Hieronymus, Orosius, Sulpicius Severus und Augustinus las-
sen aber übereinstimmend als die achte befehdung der kirche die
valerianische gelten, die ja schon in die jahre 257 bis 260 fallt. :
Dagegen nennen Hieronymus, Orosius und Augustinus in ihrem
dekaloge der verfolger den Aurelian erst an neunter stelle, Fer-
ner wird das jahr 277 irrthümlicher weise mit dem jahre 260
(von der auferstehung Christi an gerechnet) identificirt. Das jahr
260 (post resurrectionem Domini) ist aber in wahrheit mit dem
jahre 293 u.z. identisch. Pagi (I, p. 296. Nr. VIII) fühlt diese
schwierigkeit und schlügt desshalb vor, statt CCLX bloss CCL zu
lesen. Diese conjectur, die zuerst Quesnellus in einer note ©
zu unserer stelle vorgebracht hat, stützt sich aber bloss auf eine
einzige handschrift, den Codex Oxfordiensis, und hat überdiess die
vage vermuthung zur voraussetzung, papst Leo hätte das consul-
jahr des Probus und Paulinus eben uur in runder ziffer (250
statt 244) mi dem betreffenden jahre post resurrectionem Domini
identificiren wollen. Aber mag man sich auch mit dem unvoll-
kommenen nothbehelfe Pagis begnügen, immerhin liegt noch die
weitere schwierigkeit vor, dass die „achte“ christeuverfolgung , die
mit der aurelianischen identisch sein soll, von Leo in das jahr
277, also in eine zeit verlegt wird, wo jener kaiser schon zwei
jahre todt war. Ruinart gibt zu, dass in dieser chronologie
ein innerer widerspruch enthalten ist, sucht sich aber mit einer
willkürlichen conjectur über die schwierigkeit hinwegzuhelfen: er
schlägt vor, statt ebulliret resp. desaeviret zu lesen ebullisset
resp. desaevisset. Aber selbst weun man trotz aller schwie-
rigkeiten einräumen will, dass papst Leo wirklich auf Aure-
lian anspielt?), so folgt aus unserer stelle doch nur so viel,
dass der bereits der mitte des fünften jahrhunderts angehörende
kirchenvater den Aurelian ganz allgemeiu unter die christen-
7) Es läge dann seitens des papstes Leo schon eine ähnliche
cbronologische verwechslung vor, wie bei dem Byzantiner des neunten
jabrhunderts, Nicephorus, der in seiner chronographie (p. 749, ed. Guil.
Dindorf) den angeblichen bekenner Chariton, statt ihn dem Aurelian
zu vindiciren, mit der regierungszeit des kaisers Tacitus (reg.275/276)
in verbindung bringt, unter dem die christen im tiefsten frieden lebten.
624 Römische kaiserzeit.
verfolger gerechnet hat. Denn die „innumera martyrum millia",
von denen der römische bischof spricht, darf man nicht mit
Baronius und seinen nachbetern dem Aurelian vindiciren 9); ar
dernfalls würde sich ja Leo einer lächerlichen übertreibung schul-
dig gemacht haben. Der papst will vielmehr mit jenem aus
drucke nur andeuten, dass bis zum jahre 277 u.z. überhaupt schon
unzählige christen die opfer der verschiedenen verfolgungen ge-
worden seien. Die innumera martyrum millia gelten dem rómi-
schem bischofe also ungleich weniger als wirkung der perseca-
tio octava denn als opfer der früheren verfolgungen seit Nero.
Uebrigens hat schon S. Basnag e (Il, p. 430, Nr. Ill) unsere stelle
ebenso correct als kurz und bündig mit folgenden worten inter-
pretirt: „Neque innumera martyrum millia, de quibus men-
tionem Leo Magnus inserit, sunt ascribenda Aureliano. Eos in
mente habuit , qui ad id usque temporis in motis Caesarum per-
secutionibus sanguinem suum fudere, quibus paucissimos addidit
Aurelianus." Aber selbst dann, wenn Leo es unzweideutig aus
sprüche, dass viele tausende von christen unter Aurelian ibr lebea
eingebiisst hätten, so würde es doch die pflicht einer besonnenen
vorurtheilsfreien kritik sein, unentwegt an den berichten eines Eu-
sebius und Lactanz, die fast als jüngere zeitgenossen des impera-
tors gelten dürfen, als der historischen basis der Aurelian - verfol-
gung festzuhalten.
8) Von den oben genannten kirchlich gesinnten forschern steht
Tillemont (a. a. 0.) auffallender weise, noch am wenigsten an, die im
numera marí(yrum millia ausschliesslich auf die aurelianische
verfolgung zu beziehen Der verfasser der Mémotres ecclésiastiques gibt
nümlich folgende durchaus unzulüssige interpretation uneerer stelle:
Quelques - uns croient que c'est celle que S. Léon appelle la huitième,
et dont sl dit qu'elle fit voir le courage de plusieurs mit
liers de martyre."
Diisseldorf. Górres.
Zu Cicero.
Or. 52, 174: Cum enim videret (sc. Isocrates) oratores cum
severitate audiri, poetas autem cum voluptate, tum dicitur. numeros
secutus, quibus etiam in oratione uteremur, cum iucunditatis causa,
tum ut varietas occurreret. satietati. Vor dicitur scheint cwm nur
durch das folgende cum-tum in den text gerathen zu sein. Wenn
schon Rufinus Gr. L. VI 574, 3 jenes tum vorfand, so beweist
dies nur, dass der fehler alt ist, uicht, dass es keiner ware.
Würzburg. A. Eusener.
ll. JAHRESBERICHTE.
14, Thukydides.
Dritter artikel.
(S. Philol. XL, p. 271.)
Der jahresbericht über Thukydides hat dieses und noch das
nächste mal den weg weiter zu verfolgen, den er das letzte mal
(Philol. XL) eingeschlagen hat. Die absicht ist, die allgemeinen
fragen, die bier in betracht kommen, so weit unsere heutige kennt-
niss reicht, wo móglich zum abschluss zu briagen; dann erst wird
in tausend fallen für die erklärung im einzelnen der sichere boden
gewonnen sein. lm letzten berichte ist von diesen allgemeinen
fragen uur die eine, die composition, oder genauer gesprochen, die
zeit der abfassung des werkes zur erürterung gekommen. Ich muss
es der zukunft überlassen, ob sturm und sonne das ibrige thun
werden, das dort gepflanzte bäumchen zu festigen und gross zu
ziehen. Von den andern massgebenden fragen werden die folgen-
den blatter die chronologie, die der schriftsteller in seinem
werke angewandt hat, und den werth der überlieferuug be-
handeln; dann bleibt von den hauptfragen nur das leben übrig,
das zusammenfassend und abschliessend uns im nüchsten berichte
beschäftigen soll.
Dass die auzuzeigenden schriften, wenn ich von einer absehe,
jene beiden fragen an ihrem theile wesentlich gefördert oder gar
zum einstweiligen ende geführt hätten, vermöchte ich nicht zu sa-
gen. So lange die methode mit beliebigem und willkiirlichem ope-
rirt und nicht einzig darauf aus ist, das nothwendige zu finden,
kann sie schwerlich gewissbeit und sichre resultate erzielen. Na-
türlich bat jeder für das, was er schreibt, überzeugung und glau-
ben. Aber dabei, scheint mir, darf es nicht bleiben. Der wahr-
heit wohnt ein eignes charakteristisches gefühl inne, das in dem
Philologus. XLII. bd. 4. 42
626 Jahresberichte.
wissen und der nothwendigkeit seine quelle hat. Ich zweifle, ob
den verfassern bei ihren meinungen und behauptungen, mit denen
wir es im folgenden zu thun haben, dieses gefühl geworden ist.
Bekannt ist der mann, der, von hause aus auch ein philologe, ein-
mal das stolze wort gesprochen hat: ,,ich schreibe jede zeile, die
ich schreibe, bewaffnet mit der ganzen bildung des jahrhunderts“.
Gewiss war das übermuth und überhebung , deon wer darf der-
gleichen von sich sagen. Aber das ziel wenigstens, wornach die
philologen streben, sollte ein ähnliches sein: kein wort zu schrei-
ben, das nicht in der kenntniss des zugehörigen ganzen wurzelt
und sich aus seinem zusammenhang als nothwendig erweist. Das
wird doch wohl die einzige methode sein, die zur wissenschaft
führt, wenn anders diese sich nur auf nothwendigkeiten auferbaut.
Der kritiker hat leichtere arbeit; er hat schon seine pflicht ge-
than, wenn er nur die willkürlichkeiten als solche dagelegt hat.
Die schriften, die dieses mal uns zur besprechung vorliegen,
sind folgende:
G. F. Unger: Zur zeitrechnung des Thucydides. Sitzungsb.
der k. b. akademie der w. zu München. Bd. I. München 1875.
G. F. Unger: Der attische kalender während des peloponne-
sischen krieges. Kbendas, Bd. HI. München 1875.
Henr. Ludov. Schmitt: Quaestiones chronologicae ad Thucy-
didem pertinentes. Lips. Teubn, 1882.
Herm. Müller - Strübing: Polemische beitráge zur kritik des
Thukydidestextes. Wien 1879.
Herm. Müller-Strübing: Thukydideische forschungen. Wien 1881.
L. Holzapfel: Das verfahren der Athener gegen Mytilene nach
dem aufstand von 428/7. Rhein. mus. 37, 3. Frankf. a. M. 1882.
Jul. Steup: Ein einschiebsel bei Thukydides, Rhein. mus. 24,
p. 350 ff. 27, p. 637 ff.
J. M. Stahl: Zu 'Thukydides. Rhein. mus. 27, p. 278 ff.
Heinr. Swoboda: Thukydideische quellenstudien. Innsbruck,
1881.
Jul. Steup: Thukydideische studien. Erstes heft. Freib. i. B.
und Tübingen 1881.
A. Kirchhoff: Ueber die von Thukydides benutzten urkunden,
Monatsber. der akad. der w. zu Berlin. Berlin 1881.
Fr. Kiel: Der waffenstillstand des jahres 423 vor Chr. sa
Thukydides IV, 118. Neue Jahrb. 123, h. 5. 1881.
I. Zur chronologie.
Die chronologie des Thukydides bietet, so viel am schrift-
steller selbst liegt, keine schwierigkeit; sie ist deutlich und präcis
und setzt nur eins voraus, dass man sich über seine genauen a
gaben und ausdrücke nicht hinwegsetzt. Nur dadurch dass Unger
Jahresberichte. 627
in seiner zeitrechnung auf diese nicht achtet, hat er den Thuky-
dides wieder zum confusesten chronologen gemacht. Man konnte,
im grossen und ganzen wenigstens, die sache bereits für erledigt
halten. Die einzige textescorruption in f, 2, 28 !), duo statt 1£0-
c«goc, die früher alles verwirrte, hatte Krüger unter allgemeiner
zustimmung glücklich hinweggeschafft, und dann hatte Boeckh in
seinen ,,Mondeyclen' die angaben des Thukydides bis auf die ein-
zelnen tage richtig befunden und in der genauesten nachrechnung
als solche erwiesen. Aber man sieht, auch in rein wissenschaft-
lichen dingen thut's die einfache darlegung der wahrheit nicht so-
gleich; aber wundern muss man sich, dass Unger es ist, der hier
aufs neue zu thun giebt, ein mann, der in seinen untersuchungen
sonst leidenschaftslos und klar so genau und geübt zu rechnen ver-
steht und hier zumal jene massgebende textesverbesserung Krügers
nicht bloss annimmt, sondern auch seinerseits neu zu begründen
weiss (Att. kal. II, p. 7 ff).
An sich hat es der schriftsteller nicht fehlen lassen, um seine
leser aufzuklären. Sehen wir zunächst, was wir von ihm über die
zeiten des ersten, des 10jährigen krieges erfahren. Mit welcher
begebenheit und wann er ihn beginnt, wo er ihn zu ende gehen
lässt, und wie er rechnet, sagt er zu anfang uud zu ende an
zwei auf einander bezug nehmenden stellen in der unzweideutigsten
weise. Da wo die geschichtserzählung anhebt, heisst es 8, 1, 19 ff.:
Agyeras dì 0 noAsmos trFtvde nón “AF qralwy xul Ilelonovmmatun
xai zw Exatégoss Supwaywy, ev © ovre éneulyrurto être axnouxted
mao «iigdovs xatudruviss 18 Euveyüc énoléuour yéygustas Ó
fing ws Exacta éylyvero xarà Jégog xai yespwva. Ueber diese
erste stelle darf ich nach dem, was ich Philol. XX XVIII, 505 ff.
und Philol, Anz. NI, p. 158 ff. darüber gesagt habe, hier kurz
sein und mich begnügen, die resultate von da herüberzunehmen.
Vou rechtswegen und officiell nimmt der krieg erst mit dem ein-
fall der Peloponnesier in Attika seinen anfang (u, 125, 17: noiv
Zoßadeiv dg inv 'Viruxgy xai rv moàspov aguodas Pavegwe ).
Weil aber der überfall von Platäa durch den einen peloponnesischen
bundesgenossen den bisherigen friedensstand schon thatsächlich auf-
hebt (a. 20: iv @ ovrt éneplyvurro ti danguxieò mag’ aAAniovs)
und in dem einfall in Attika die theiluahme der gauzen peloponne-
sischen symmachie zur folge hat (z. 21: xaracraviss te Evveywe
énohéuour), so rechnet sich die zeit vom überfall bis zum einfall,
die 80 tage, 8, 19, 20, von selbst in die kriegszeit mit hinein,
ein verhältniss, dem der schriftsteller wie zu anfang des 10jährigen
krieges in dem doppelten relativsatze, so wieder am schluss des-
selben in einem ebenso deutlichen wie natürlichen ausdruck (ws 10
muro» 7 2oßoAn 5j dg thy arx» xai 7 doyn tov nodtuov tovde
1) Die zeilen nach der Bekkerschen stereotypausgabe.
42*
628 Jahresberichte.
éyévero) rechnung getragen hat. Zugleich weiss er mit dieser
datirung von dem überfall von Platüa für das verständniss seiner
leser einen wesentlichen vortheil zu gewinnen. Der überfall hatte
stattgefnnden 6, 2, 30: aua nes aeyoufre. Statt des schwan-
kenden kalendertages des überfalls, der im vergleich zum sonnen-
jahr wiederkebrend bald höher hinauf bald tiefer herabrückt, durfte
er also denselben stets gleichbleibenden punkt des früblingsanfangs
setzen, und indem er diesen natürlichen sonnesausgangspunkt zur
epoche nahm und demgemiiss auch weiter das einzelne jahr (z. 22:
yfyoantas 3 ÉEñc we Exacta tylyvero xara 9égog xai yespwva)
und die jahre des krieges natürlich abtheilte, e, 20, 20: xarà 9607
dé xal yeu vag agsJpüv xti., war er im besitz einer jabres-
rechnung, die nicht bloss über die verschiedenen sich oft wider-
sprechenden bürgerlichen kalender seiner zeitgenossen hinweghob,
sondern auch für alle künftigen leser allgemein verstándlich blieb.
Die zweite, die hauptstelle, in der der schriftsteller die dauer
des ersten krieges genau angiebt und sich zugleich über die art,
wie er gerechnet hat und gerechnet wissen will, ausführlich aus-
lässt, erfordert, nicht etwa weil sie in ihren massgebenden theilea
an sich unklar wäre, sondern weil Unger sie nur oberflächlich an-
gesehen und darum zum grossen schaden seiner ganzen untersuchung
gründlich missverstanden hat, eine eingehendere besprechung. Die
worte sind e, 20, 20: Avrus ub onovdas éyérorro redevrdaivios 108
euros auu nos, dx Aiovuoiwr evIùs rg» aorixwy, adrodsre
(uv dıeldovıwv xai fusQUrv GAlywv nageryxovor 3 we 16
mowtov 7 &afloAr n ig tiv Arum xal 7 ágyü 100 modépov rosde
èytvero* oxonelıw dé 116 xura TOÙS yoovovc, xai un 10» Exacrazos
7 Gogoviuv 7 and nig tivòos 1)v ánaglJugcw rav ovopatwr ls
TK 7QOytytvnpeva Onpasvoviwv morevcag piùùor. OÙ yag axçs-
Bis dour, oig xai doyoptvoss xai uecovor, xai Snwe Erugév wp,
eneybvaro 1 xa1i& don dé xoi yepwras dgdpuwry worse yt-
yeantas, svoyoes 2 uict(ag éxarégou tov evsavtov ın9 devaper
Eyovros, déxa puèv fon Yoous dé gyesuaivas 1) nut nodtpe
rode yeyevnuérovc.
Die genaue zeitbestimmung im ersten satze, der es, wie man
sieht, nicht bloss um jahre, sondern um wenige tage zu thun ist,
hängt von der bedeutung ab, die in nageveyxovswv gelegt wird.
Dürfte der scholiast massgebend sein, der das wort durch saged-
Sovowy erklärt, so wären wir aller weiteren mühe überhoben.
Aber wer wird auf scholien, zumal die des Thukydides, sicher
bauen wollen? Also müssen wir selber sehen. /uo« hat in dea
zusammensetzungen eine dreifache bedeutung: daneben, vorüber
und entgegen, aus denen sich alles besondere ergiebt. So auch
in nagagpégw. Sehen wir zunächst davon ab, wie der gebrauch
etwa die dritte grundbedeutungen im worte nüancirt haben mag, und
verfolgen wir nicht voreingenommen hesondere zwecke, so werden
Jahresberichte. 629
wir fur unsre stelle jene erste und dritte bedentung ohne weiteres
als ungebörig bei seite lassen und es der zweiten bedeutung gemäss
verstehen , also æapelSovowy, ebenso wie der scholiast verstanden
hat. [no transitivem ebensowohl wie intrausitivem gebrauch kehrt
das wort in dieser bedeutung: vorübertragen, vorüberführen, vor-
übergelien, übertreffen, die ganze reihe der schriftsteller hindurch
am häufigsten wieder; zum beleg, um anderen die mühe zu er-
sparen, führe ich an: Th. d, 135, 6; Xen. Kyneg. 5, 27; 6, 24;
Plat. Rep. 515 AB; Demosth. 531, 16 (in mid. 53); Diod. 14,
115; 17, 55; 18, 35; Plut. I, 283, B; 393 s. f.; 394, A;
425, D; 471, A; 968, F; 1047, D; Il, 432, A; Arist. id.
Panath. 1, 127; Lucian. Charid. 19; Herodian. 8, 4, 3. 4; Dio
Cass. 43, 26; 59, 5. Diirfen wir also durch diesen gebrauch
des wortes darüber beruhigt sein, dass wir xa nusgüv oAlywy
mageveyxovowy im sinne von wenigen überschüssigen tagen ver-
stehen können, so giebt alles andere, was sonst noch im satze ist,
die volle gewissheit, dass der schriftsteller nur in diesem sinne
verstanden sein will. So hat er 1) nicht schlechtweg déxu én,
sondern avzodexa gesagt. Diese verbindung des avrog mit déxa
oder einer andern zahl kómmt im Thukydides und in der ganzen
gräcität sonst nicht wieder vor. Warum also hier das ungewóhn-
liche, wenn damit uicht ein besonderes bezweckt wird? Ohne den
hinblick und gegensatz des xai ruegwr ÓAM yw» nagertyxovowy
würde es auch hier kein avrodexa geben: genau, volle zehu jahre
und wenige tage darüber. Wie durch ausdrücke wie avroà(Jivoc,
«Vti0EvÀog, avıooagE, uvtocldnoos, ura ta (nura, aUr0 1ovvay-
iov, uuro 10 meglogdgov u. a. klar ist, werden die zehn jahre
für sich in ihrer ganzheit gedacht, den wenigen tagen gegenüber,
die noch hinzukommen. Sollte ausgedrückt werden, dass die zehn
jahre nicht rund und voll sind, sondern dass ihnen noch wenige
tage abgehen, so wäre die ungewöhnliche bezeichnung unverständ-
lich und albern, der achriftsteller würde dann auch hier déxa £z
nusowy ÖAlywr d£ovıo gesagt haben, wie sonst seine gewohnheit
ist: ß, 2, 27; d, 102, 15; e, 16, 26; €, 68, 35 n, 31, 24; n,53,
21; 9, 6, 27 zw.; 9, 7, 6; 9, 17, 14; 9, 25, 11; 9, 102, 30.
Er würde 2), wenn die zehn jahre nicht voll gedacht wer-
den sollen, sondern mit einem minus oder in unbestimmterem aus-
druck mit einer differenz von wenigen tagen,. auch im folgendea
nicht x«i nutQü» oléywy nageveyxuvoüy haben sagen können.
Für die angabe einer solchen nebenbestimmung sind die einfachen
genet. absoluti da; steht dagegen hier xaf, so kann es nur das
hinzufügende sein, Das ist so zweifellos und sonnenklar, dass
darüber kein wort zu verlieren ist.
Und 3) ist die anknüpfung des folgenden aus vorhergehende
durch 7 ws nur statthaft, wenn in diesem vorhergehenden der be-
griff eines comparativ gegeben ist. Das ist durch nageveyxovowr,
630 Jahresberichte.
nicht aber schon durch dseADovrwy der fall. "Thukydides hat das
n iu der bedeutung als hüufig genug, in o allein 52mal, um mit
bestimmmtheit sagen zu können, dass nach einer blossen zeitangabe
eines verflossenen zeitraums solches 7 bei ihm keine stelle hat. n
hängt hier also einzig von nagereyxovowy ab. Dabei ist es zu-
nächst gleichgültig, wie ich quepwr Ollywr negeveyxovowv verste-
hen will, ob: wenige tage weniger, oder: wenige tage mehr.
Finde ich aber darin den sinn, wie man ihn darin hat finden wol-
len: mit dem unterschied von wenigen tagen, so versenkt sich,
wenn ich so sagen darf, das wegeveyxovaw» in dsedFoviwy, und
der comparativbegriff für n wäre damit geschwunden. Nicht zag-
eveyxovowy wird von diedFoviwr, sondern dseAForvtwy von xage-
veyxovowy aufgenommen, und das ganze heisst demnach: dieser
friede fand statt, nachdem volle zehn jahre waren und ausser die-
sen noch wenige tage mehr als der zeitpunkt war, wo u. s. w.,
wes offenbar dasselbe ist, wie wenn wir für uns einfacher uud
verstündlicher sagen: dieser friede fand statt volle zehn jahre und
wenige tage spater als der zeitpunkt, wo der krieg begann, oder
in noch schlichterem ausdruck: volle zehn jahre und wenige tage
nach dem anfang des krieges. Diese letzte art zu reden, wäre
schon dem Thukydides geläufig genug ; man vgl. z. b. nur den
anfang des 6. buchs, wo solcher zeitangaben mit pera und den
dann dazu gehörigen dativen sogleich mehrere beisammen sind: È,
3, 15/16; 4, 1; 4, 5; 5, 31; 5, 32; 5, 33; versucht ‘man aber,
darnach unsern satz in derselben weise sich auszufübren, so fühlt
man bald genug, was das für eine schwerfällige rede giebt, und
ist es gern zufrieden, dass wir's haben, wie's geschrieben ist.
Das ergebniss des bisherigen ist also diess, dass die angege-
benen nuégas OAÀíyas mageveyxovoas nichts anderes als „wenige
tage mehr“ bedeuten. Es ist dasselbe, was Boeckh behauptet, wenn
er, Monde. p. 77, sagt: ,,jueodv Ollywv magsveyxovGGO heisst
nicht, wie es einige nehmen, wenige tage darüber oder darunter",
sondern ausschliesslich „wenige tage darüber“, was er aber nicht
bloss behauptet, sondern sogleich sprachlich durch den hinweis auf
Buttmann's ausführung zur Mid. Exc. HI, pg. 129 und sachlich
durch die nachrechnung auf die einzelnen tage hin nachweist.
Unger widerspricht dieser Boeckhschen auffassung der worte; „ebenso
wenig begründet, sagt er p. 46, ist die erklürung (Boeckh’s),
dass xai nueowv OMyuv nageveyxovowy, 5, 20, und xai 2u£gac
où oa; rageveyzovoas, 5, 26, nicht mehrere tage darunter
oder darüber, sondern bloss mehrere tage darüber bedeute“. Und
seine sprachlichen griinde für diesen widerspruch? Im texte sagt
er nichts weiter, nur in der anmerkung kehrt die behauptung wie-
der, dass ,nagagpégesw (abirren, schwanken) eine abweichung
nach der einen wie nach der andern seite bedeute“. Aber darf
man so mit einem Boeckh umgehen? Wozu hat Boeckh seinen
Jahresberichte, 631
namen, wenn er, der immer begründet, durch iho nicht einmal ge-
gen blosses absprechen geschützt sein soll? Oder hatte es etwa
schon jemand bewiesen, dass zupugpfgeıw auch „schwanken“ be-
deutet? Unger hält es nicht für nóthig, auch nur eine stelle
dafür anzuführen, aber er würde vergebens darnach gesucht haben,
in der ganzen gräcität ist bisjetzt nicht eine einzige der art be-
merkt worden. Ich habe obeu gesagt, dass sagagégesy in der
composition auch entgegen heisst. Diess entgegen hat sich
dann im gebrauch zum begriff des abünderns, des abweichens und
des verkehrten nüancirt, also zagagége meinetwegen auch a b-
irren, wie Uuger sagt; aber abirren kann ihm nicht dienen,
er muss hier für sein weniger oder mehr noch einen ganz neuen
begriff haben, also: schwanken; aber ist denn abirren und
schwanken dasselbe? Zu solchen qui pro quo's kömmt man frei-
lich leicht, wenn man erst die grundbedeutung des fremden wortes
fallen lässt und dann aus dem vorrath beliebiger deutscher syno-
nyme alles für alles setzt.
Ohnerachtet dieses widerspruchs bleibt es also dabei, wie
Boeckh gesagt hat, die nufous oAlyas rageveyxovoa: sind au s-
schliesslich wenige tage mehr. Auch um des Thukydides
willen, ich gestehe, ist es mir lieb, dass es so ist. Offenbar hat
er es an unsrer stelle einzig und allein mit der zeitdauer des er-
sten zehnjührigen krieges zu thun, sie so genau anzugeben wie
möglich. Dass ers im stande ist, zeiten genau bis auf einzelne
tage auszurechnen, bezweifelt niemand, und Unger selbst weiss das
am besten. Wenn der schriftsteller z. b. bei der differenz der
Athener uud Lacedimonier über den abfall von Skione die re
frage nicht unentschieden lässt, sondern mit zuversicht sagt, d
122, 12: siye de xai n ahi Fer "epi tác ENOOTATEWS uällor j
oí "d9qratos Edixalovr dvo yàg nulguig vorsgov antornouy ol
Zxuwvaio, wie käme er hier dazu, absichtlich, obgleich er es bes-
ser weiss, statt der bestimmteren datirung eine unbestimmtere zu
geben? Unger hat freilich darauf eine antwort, weil (nach Ungers
rechnung) der erste krieg 13 tage weniger als 10 jahre, der
ganze krieg 8 tage linger als 27 jahre gedauert, habe Thuky-
dides ¢,.20, 22 und e, 26, 33 beide male dasselbe wort gewählt,
das beides zugleich besage, zugleich weniger uud mehr, Aber
wozu denn? Käme die darstellung des schriftstellers dadurch in
schaden, wenn er geradezu das eine mal weniger, das andre mal
mehr sagte! In so einer schwächlichen und spielenden art, wie
Unger ihn reden lassen will, 'würde niemand den Thukydides wie-
dererkennen. Und auch Unger lüsst ihn nur so reden, weil ihm
nach seinen voraussetzungen nichts anderes übrig bleibt und er
eben muss. Es wird sich aber im verlauf schon herausstellen, dass
der sachliche grund, der Unger zu seiner auslegung der 7uéQ0s
mag. geführt hat, eine irrige voraussetzung ist, und Thukydides
632 Jahresherichte.
witklich, wie die sprache das verlangt, beide male die juégus xug-
évéyxovdas in demselben bestimmten sinne von überschüssigen tageu
verstanden hat.
Doch zunächst müssen wir noch einen augenblick bei der
sprache und der weiteren auslegung des kapitels verbleiben. Um
zu sagen, wie er die jahre gerechnet wissen will, fährt Thuky-
dides fort: oxonelru dé 16 KUT Tous xod vovs, xai p) rd» ra
Srayov N doyorvse» 7 1 UNO TIC OG riv dwagiS9pno sav Oro-
pd tuv, è è + TIGIEUCAG palior, . . zara Fégn dì xal yespwrac
aged p», woneg vfyeuntus, evgnos xil. Der rechnung nach den
x0ovos wird also eiue andere, die nach der dxaglP prove der jabr-
lichen behürden gegenübergestellt, und jene, die rechnung xatuü
Tobg vQOvovc sodann die rechnung xaru Fon xai yeepwraus ge-
nannt. Die yeovos sind also Iéo7 xai yesuwres, und der schrift-
steller will, dass wir die jahre nach sommer und winter, also
nach dieser natürlichen jahresabtheilung zählen sollen (Gxoxetqw
dé zig), wie auch er darnach seine erzählung gegeben hat, woneg
ylygarıa. Man sollte nicht glauben, dass die identificirung der
yoovos mit Fon xal XERUVES , wie wir sie hier haben, nicht für
alle welt massgebend sein müsste. Boeckh sagt daher ‘auch ohne
weiteres schlecht und recht (p. 77), Thukydides habe der angabe
von der dauer des ersten krieges in diesen worten das bemerken
hinzugefügt, ,,er meine nicht bürgerliche jahre, die nach behürden
gezählt werden, sondern natürliche zeitjalire*. Aber nichts desto
weniger sind die ygovos Unger etwas anderes, P. 40 schreibt er:
„die hehauptung Boeckhs, Thukydides wolle mit diesen worten sa-
gen, dass er nicht bürgerliche, sondern natürliche zeitjahre meine,
gründet sich offenbar (er selbst hat sich nicht eingehender darüber
ausgelassen) auf die unterscheidung , welche hier und 5, 26 zwi-
schen der rechnung „nach den zeiten“ und der nach beamten,
welche dem jahre den namen geben, den sog. Éruwrvuos, gemacht
wird. Dieser gegensatz ist aber nicht mit dem identisch, was
Boeckh daraus macht, nämlich dem unterschied zwischen natur- und
kalenderjahren, denn auch letztere sind zeiträume (ypovos)“. Nein,
gewiss sind sie das nicht im sinne des Thukydides, yoóvos wohl,
aber nicht of yg6vos, nicht die ygoves seiner erzählung: (woneg
y&yoanıcı). Denn wären beamtenjahre nicht so gut yeovor, wie
nach Unger kalenderjahre es sein sollen? Zeiträume sind jene so
gut wie diese, aber die einen so wenig wie die andern sind oi
zyoova, die 1g0v0 , wie der gleich folgende gegensatz sie be-
schreibt (zara ‚son de xai xermuves 4&9 por , o one ri
yoarntas, ev0708), die yoovos nach sommern und wintern, wie
die eben jetzt zu ende geführte erzählung der ersten 10 jahre sie
aufweist. Diese jahreseintheilung also, die im ganzen werke wie-
derkehrt mit den angaben der zeiten, wie diese den einzelnen be-
gebenheiten im werke beigegeben sind, ist mit den worten xam
Jahresberichte. 633
rovc yoovous gemeiut, die eintheilung, die die natur selbst macht;
jede andere menschliche oder bürgerliche, also auch die eines bür-
gerlichen kalenders, ist ausgeschlossen ?).
2) Die worte, in denen Thukydides hier seine eigene natürliche
zeitrechnung beschreibt, werden von der corruptel, die, wie alle mit
recht annehmen, in dem satze: oxoneitw dé ng xarà Tob yodvous, xai
un Tí» éxactayov 5 deyovtwy 5 dnd nuns nwoc Thy anagidunow tàv
dvouctwy ig rà Npoyeysynulva onuaworrov neotedoas uällor, befindlich
ist, glücklicher weise nicht berührt. Der fragliche satz möchte des
Thukydides nicht unwürdig sein, wenn man die worte és a ngoye-
yıynuiva oquciwórrov als vom rande hereingekommen wieder hinaus-
weist. Der schriftsteller will rechtfertigen, nach welcher rechnung
genau die eben von ihm angegebenen zehn jahre herauskommen. lch
construire: oxonsizw dé ns xatà rods yodvovs xaì un (xata) rjv dna-
ci9unosr tiv Exacıayod 5j Goyóvto» 7 ano nc vwóc TOY Ovouátor, TI-
ouvoaç uällor: man betrachte (die jahre) nach den (angegebenen)
zeiten und nicht nach der abzühlung der archonten oder der namen
von einer beliebigen behórde her, solcher abzühlung mehr vertrauen
schenkend. oxonsirw erfordert ein objekt; da es sich hier einzig um
die genaue zahl der jahre handelt, wie man deutlich aus dem ende
des kapitels sieht, so ergänzt sich su oxonsirw aus dem vorhergehen-
den ungezwungen tè fm; dem zw» éxaomyoù 5 agygortwy stellt sich
TU» ovouatwv ane mung noc gegenüber. Es ist nicht nöthig, schon
twy ixaotayod 5 doyovtov von tu» övoudıwy abhängig sein zu lassen;
der satz wird einfacher und leichter, wenn man dem 7 doyovrwr,
dieser genannten behörde mit % ano tuys nwóg Tw» óroudtor alle
sonstigen nicht füglich mit bestimmten namen zu nennenden behór-
den gegenüberbringt; die stellung von mv anagiduyosy ist echt thu-
kydideisch zur engen ineinandertigung der begriffe in denselben satz
und vermittelt und mildert zugleich die construction von ano zung
zıvös. Wäre demnach einerseits an dem so gewonnenen satze nichts
auszusetzen, so sind anderntheils die von mir hinausgewiesenen worte:
és ta nooyeyevnuiva onuawörıw» als ganzes höchst unnöthig, sie tra-
gen zum verstündniss nichts bei, und in jedem ihrer theile entweder
ganz unverständlich oder bei näherem betracht doch wenigstens sehr
bedenklich. Für #5 hat noch niemand rath gewusst; warum zgoye-
yernutva statt des einfachen yeyeynuéva, wie es am ende wiederkehrt,
nóthig war, sieht man nicht, zumal die einzelnen jährlichen eponymen
nicht frühere, sondern zunüchst nur ihre jahre angeben und natir-
licher weise doch von oben heruntergerechnet wird; und endlich
würde Thukydides selbst hier, wo er die eponymenrechnung als un-
zulänglich und ungenau bezeichnen will, wohl schwerlich oyucasyortwy
gewühlt haben. Das wort steht ausser hier im Thukydides noch 15-
mal; die 7 stellen, wo es das zeichen zum angriff geben heisst, kom-
men also nicht in betracht; an den andern stellen: 8, 41, 5; 8, 43,
32; ¢, 55, 35; 9, 78, 33; B, 45, 5; n, 66, 3; a, 72, 32; B, 8, 26, wird
es immer nur von dem gesagt, was durch offenbare onsite ersichtlich
ist und über alle anzweifelung hinweggesetzt wird. Mit Ungers ver-
such, die stelle grammatisch zu erklüren, p. 39, anm., wird sich wohl
niemand befreunden. Die genet. mi» 5 apyortwy 5 — onuasoriwv
sollen von asotedcas abhüngen ; diese construction sei zwar sonst nicht
nachweisbar, wohl aber die gleiche des synonymen wortes neideodui
Toc, wofür er Thukydides 7, 73, 23 citirt. Aber abgesehen von al-
lem andern ist doch asoredesy nicht neé9eo9as, und an der angeführten
634 Jahresberichte.
Das alles ist auf den ersten blick klar, aber für Uugers auge
ist es nicht da. Ja er hält auch dann an seiner theorie fest, wenn
er sich selbst schon überzeugt bat, dass sie nicht durchzuführen ist.
P. 69 heisst es bei ihm: „da Thukydides das sommerhalbjahr mit
dem kalenderdatum des überfalls von Platäa beginnt, so sollte man
denken, er hätte auch die epoche des wintersemesters kaleudarisch
datirt . . . Das hat er aber nicht gethan“, sondern (p. 70) eine
,inconsequenz begangen, indem er dem sommer ein kalenderdatum,
dem winter dagegen einen naturjahrpunkt zur epoche giebt“. Dar-
nach müsste es also einige hoffnung geben, selbst Unger gern uns
folgen zu sehen, wenn wir im folgenden den schriftsteller von die-
ser inconsequenz befreien und darthun, dass er in seinem werke
nicht bloss den winter, sondern beides, sommer und winter gleich-
müssig, wie in diesem kapitel gesagt ist, nach dem naturpunkt be-
stimmt hat.
Auch die weitere angabe im letzten satze des kapitels: 4t
gucostag éxarégov soU Evsavıov r)v duvauıy Eyovrog, bietet in
ihrem klaren ausdruck keine schwierigkeit. Wenn Thukydides
aber noch eben gesagt hat, dass man die jahre xarà Séon xal
zespuivac abtheilen soll, und nun hinzufügt, dass jeder dieser beiden
theile (dxarfgov) die hälfte des jahres ausmacht, so ist es von
vorneherein unstatthaft, den einen theil, wie man gethan hat, den
winter zu 4 monaten, und den andern noch einmal so lang anzu-
nehmen; ja nicht einmal ist es statthaft, was Unger (p. 52) zu-
lüsst und freilich seiner theorie zu lieb zulassen muss, den einen
theil auch nur um einiges von dem andern differiren zu lassen.
Hier handelt es sich um die grundbestimmungen der rechnung;
wollte der schriftsteller es mit diesen nicht allzu genau genommen
wissen, so war er der mann und hier die stelle, das anzudeuten;
es wird sich aber schon herausstellen, dass wir auch diesen aus-
druck 2E nusoelag so genau wie möglich zu interpretiren haben.
Das resultat der grammatischen erklärung dieser beiden mass-
gebenden kapitel ist also dieses:
1. Thukydides lässt den krieg mit dem überfall von Platäs
und, da er diesen mit dem beginnenden frühling gleichsetzt, mit
dem anfang des frühlings beginnen, und berechnet von da ab die
dauer des ersten krieges zu zehn jahren und einigen tagen;
2. er rechnet die einzelnen jahre des krieges nach natür-
lichen, nicht nach bürgerlichen (kalender- oder beamten -) jahren
und theilt
3. das einzelne jahr in zwei ganz gleiche hülften, in sommer
und winter ab.
Ich habe jetzt im folgenden sachlich den beweis zu fübres,
stelle ist gar kein grund, den genet. ogw» von nei9ecdas, und nicht
vielmehr von ndvra abhüngig sein zu lassen.
Jabresberichte. 635
duss im werke selbst au allen stellen ohne ausnahme wirklich nach
diesen angaben der beiden kapitel verfahren ist.
1. Anfang und dauer des krieges.
Wenn Thukydides 8, 1, 19 (“Agyerus dì 6 modeuos evPévde
ndn) den überfall von Platäa als den anfang des krieges setzt, so
weiss er selbst sehr wohl, dass dieser überfall nicht der officielle
anfang des krieges ist. Wiederholt hült er beides geflissentlich
aus einander. Er thut das sogleich in den ersten worten seiver
beginnenden erzihlung, wie ich gezeigt habe, und thut es, dem
entsprechend ganz nach seiner art, wieder am schluss derselben, &,
20, 23: ds 16 noüror n doBoln 5 ic tyv rux)» xal 7 aeyn
toU 70ÀÉuov zoude dyfvtto. Der überfall von Platäa ist ihm für
seine geschichtserzühlung, wie ich mir zu sagen erlaubt habe, der
redaktionelle, der einfall der Peloponnesier iu Attika bleibt ihm
der wirkliche officielle anfang des krieges. Ueberall weiss er die-
ser écfodn ihr recht und ihre bedeutung als ausbruch des krieges
unverletzt zu erhalten. a, 125, 17 heisst es: zoiv écBadsiv dg
thy "irnxü» xai rv noAsuov uguodus qavegüig. Die waffen wa-
ren schon von beiden seiten auf einander gefallen, beschlüsse, dass
die Athener den frieden gebrochen, vou den Lacedümoniern lüngst
in engerer und weiterer versammlung gefasst worden; nichts desto
weniger sagt er a, 66, 21: o) uévros 0 ye noltuog mw Evrep-
QUyt; der wirkliche ausbruch des krieges, 109 wodemor aguodus
gauvegwe, fällt ihm erst, wie wir schon hier im ersten buche sehen,
mit dem 2gfaAeiv ig mv” Aruxiv zusammen. Unmöglich kano er
doch seinen anfang, jenes agyeras êvdévde ndn vom überfall von
Platáa, schon gleich darauf wieder vergessen haben; nichts desto
weniger lässt er den Melesippos, den letzten boten des Archidamos
an die Athener, am tage, wo er erfolglos von ihnen zurückkehrt,
ausrufen, c. 12, 27: nde n nuéou roig "ElAnoı peyalwr xaxüv
agts. Der tag der 2oßoAn ist das freilich noch nicht, er hat ihn
aber zur unmittelbaren folge. Da aber, wo die erzühlung daun
endlich zur wirklichen doßoAn fortgerückt ist, erhalten wir im
sione des schriftstellers alles noch einmal beisammen. In umstünd-
lichster officielle fassung wie im kanzleistil heisst es davon @ 19,
18: wera tà dv IMaralu 10v éceddonwy Onßuluv yevo peva
zuton öydonxoori; udliota, roU Jégous xai 100 otrov dxuatovtos,
écéBañor dg tiv ^ne nysito dè ° Apyldapos 0 Zevbida pou,
Aaxedusporiwy Bacsievc. Er hat also nicht vergessen, wie er
angefangen; auch hier wieder die erwähnung des überfalls von
Platia; dann die genaueste angabe, bis auf den tag ausgerechnet,
wie viel später die 20ßo%r nach jenem überfall stattgefunden, und
drittens erst hier, wo es endlich zu dem kömmt, was wirklich 2c-
foÀá ist, im officiellen ausdenck, wie wenn die erzählung aufs
ee
636 Jahresberichte.
neue anhebt: nyeiro dé ’ Aoxldapuos 0 Zev5idapov, Aaxeduuerlwr
Baosdevs. Erwähnt war Archidamos im vorhergehenden, uud zwar
bei recht bedeutenden anlüssen, schon ófter, als er vor der engeren
versammlung der Lacedümonier sich über den krieg auslüsst, a,
79, 13; als er im augenblicke des aufbruchs zu den spitzen des
versammelten heeres spricht, 8, 10, 33; als er schon auf dem zuge
begriffen sich an der attischen gränze vor Oenoe lagert, f, 18,
überall heisst es entweder schlechtweg 'zfory(duuoc, oder ’ Aoxida-
poc ó Bacsdetc utiwy, oder > Aoyldauos 0 Baciletg Tüv Auxe-
daspovlwy, nur hier erst, wo nun wirklich eingefallen wird, haben
wirs im vollen curialstil: ° Aoy(damos 6 Zevksdauov, Aaxedasuo-
viwy Baosdevc. Ich will auf dies unterscheidende 6 ZevEsdapov
nur so viel gewicht legen, als ihm zukömmt. Auch noch 8, 47,
20; B, 71, 25; y, 1, 22, bei den späteren einfällen, haben wie
wieder diese vollere formel; aber wenn weder 8, 10, 33, wo es
doch weiter heisst: Oc;Q Aysiro 16 eodov tuvrns, noch f, 18,
31, wo zu à; Oivony der zusatz: neg Eusllor ecfadeiv, hinzatritt,
weder hier noch dort die vollere formel erscheint, so ist die ab-
sicht doch klar, und kein achtsamer leser wird es verkennen, dass
diese hier zum ersten mal gebrauchte volle formel neben der be-
sonderen tagesdatirung auch ihrerseits dazu dienen soll, das hier
(z. 21) faktisch eintretende êçéfaioy als die nunmehrige wirkliche
ésBody, und diese der erwühnung des überfalls von Platäa gegen-
über, dem formellen als den officiellen faktischen anfang des krie-
ges zu bezeichnen.
Um Ungers willen musste ich hier über die &cfodj im sinne
des Thukydides, und wann er sie ansetzt, so viele worte machen,
um des Thukydides willen hätte ich's nicht nöthig gehabt. Er
sagt so bestimmt und deutlich, wie es nur geschehen kann: pera
ta èv IMiaralu . . . yevopeva fuéox Óydonxoorz; palicra. Aber
diese 80 tage, so deutlich sie nun einmal vor aller welt augen
dastehen, dürfen für Unger nicht vorhanden sein. Auf seinem wege
muss er, cottte qui cotte, auch dieses hinderniss nehmen. Vou
einem zzQuTov weudog, zu dem der chronologe, wie ich gern glau-
ben will, in seiner tugend gekommen ist, geht er consequenter
massen unentwegt von annahme zu annahme, von irrthum zu irr-
thu® Vor allem aber muss er, weil doch sonst alles nicht helfen
kónnte, die leidigen 80 tage durch eine art taschenspielerkunst vor
unsern augen verschwinden machen und um die hälfte verkürzen
(p. 48). Wir sollen nicht sehen, dass Árchidamos, auch schon vor
Vence lagernd, noch immer darauf aus ist, den krieg zu vermeiden
und in der erwartung, die Athener künnten doch endlich noch nach-
geben, den einfall hinausschiebt (8, 18, 8: pudera dé 5j dv 13
Olvon énloyeois; 2. 13: 6 dà ngocdeyoueveg — üveiyer; c. 19,
17: of re A9nvuics oùdèr énexnouxevovro), und sollen es ohaer-
achtet dieser darstellung des geschichtschreibers Unger glauben,
Jabresberichte. | 637
dass es müglich ist, vor dem einfall einzufallen, und dass Archi-
damos dieses wunder mit einem gewinn von 40 tagen vollbracht
hat. Wozu darüber noch ein wort verlieren. Alles was Unger
auf diesem grunde weiter baut, und leider hat er von diesem an-
satze aus seine neue rechnung geführt, muss als eine von dem ver-
ehrten manne rein verschwendete mühe erscheinen.
Mit der 2oßoAn, wenn diese gleich den Hellenen der wirk-
lichkeit nach aus guten gründen für den eigentlichen officiellen
ausbruch und anfang des krieges galt, hat des Thukydides eigene
rechnung der jahre sowohl des ersten wie des ganzen krieges über-
haupt nichts zu thun, Er der historiker rechnet anders und be-
ginnt anders. Natürlich muss er aber diese seine abweichende art
auch kundthun, und so ist denn auch das erste wort, das wir so-
gleich am anfang der erzühlung vom überfall von Platia zu lesen
bekommen, ß, 1: aoysıas dé è noAsmog évS£vde ndn. Dieser über-
fall hat stattgefunden nach des Thukydides eigenen angaben, c. 2,
z. 28: llvJoÓuQov Eur d’ uivas agyortos “AFyvaloss, z. 30: apa
nes dgyeué£ro, c. 4, 18: relevrwvt0g tov unvoc, nach damaligem
attischen kalender am letzten anthesterion ol. 87, 1, nach heutiger
rechnung am tage vom abend des 4. april 431 v. Chr. (Boeckh,
Mondeyel. p. 78). Von diesem datum also hat Thukydides, wenn
er sich treu bleibt, die jahre seines ersten so wie die jahre des
ganzen krieges zu rechnen. Den ersten krieg schliessen ab die
orovdal unter archon Alkaios 'EAagzfoAwovoc umvös Exın 93(-
vovrog, €, 19, 16; dieser sechsletzte elaphebolion entspricht unserm
11/12. april 421 (Boeckh, Mondc. 80), den ersten krieg muss
Thukydides also zu 10 vollen jabren und 7 tagen rechnen, und
dem entsprechend heisst es bei ihm «, 20, 20: avras al Onovdoi
éyévorro — avrodexa trav duASoviwy xai nusowy ÖAlymy nagt-
vyEyXOUGUV.
So Thukydides. Wie lässt nun Unger ibn rechnen? Weil
er , freilich wie die andern auch, die nebeneinanderstellung der
worte in e, 20: &Podn n dg a» Array xoi 7 deg 100 mo-
Aépou rovde in ihrem wahren werthe, wie ich ibn oben dargelegt
habe, verkennt, gilt ihm hier nicht die agyn rov zoàA£uov rovds,
der iiberfall von Platüa, sondern die êçfol als der anfang der
rechnung. Aber die wirkliche è5£047, 80 tage nach dem überfall,
würden an dem facit, das Thukydides für die dauer des archidami-
schen krieges angiebt, eine unmôgliche differenz ergeben. Sie
würden auf den 21. thargelion, unsern 24. juni hinführen, tov
Hgovs xai roù Gírov axuabor:os, wie Thukydides sagt. Da der
friede des Nikias den 6letzten elaphebolion 421 geschlossen ist,
so würden an den vollen 10 jahren, die Thukydides rechnet, noch
56 tage fehlen, eine summe, von der auch Unger einsieht, dass
sie zu des Thukydides weiterer angabe xoi ;uegwy oAlywr mugs-
veyxovowy gar zu schlecht stimmt. Das avıodıza kümmert ihn
638 Jahresberichte.
nicht weiter, er sieht es nicht und spricht davon nicht; für das
zugeveyxovow» hat er, wie wir geseheu haben, anderweitigen rath,
aber die grüsse der summe muss um jeden preis hinweggeschafft
werden, und so kümmt er dazu, die écfodn sans gene gegen dea
ausdrücklichen willen des Thukydides 40 tage vor der 2cßoAn zu
datiren und sie mit dem halt des Archidamos vor Oenoe zu identi-
ficiren. So wird doch von der ganzen summe der beträchtlichste
theil heruntergebracht, von den 56 tagen 40 tage. Statt vom 4.
april hebt jetzt die rechnung vom 8. munychion an und von da
bis zum 24. elaphebolion 421 sind es 10 jahre weniger 13 tage
(p. 48), ein resultat, mit dem die sache doch jetzt einiger massen
ein gesicht hat. Aber welche opfer in sache und sprache haben
wir dafür bringen müssen, und welche anderen werden uns sonst
noch zugemuthet. Thukydides hat gleich im beginn seiner erzäh-
lung, 8, 1, den anfang des krieges von Platüas überfall datirt
Das steht auch für Unger fest; jetzt soll er e, 20 von seiner ge-
wühnlichen epoche wissentlich abgewichen sein (p. 43), soll
begebenheiten, die mitten in seinen sommer fallen, zur epoche des
jahreswechsels gemacht und noch in das winterhalbjahr verlegt ha-
ben; sonst umfasst sein thema die beiderseitigen bund
mit (8, 1, 20: zwr éxutégowg Evuuuywr), jetzt soll er die bun-
desgenossen ausgeschlossen und sein ursprüngliches thema preisge-
geben haben (p. 45). Und die gründe und der zwang fiir diese
annahmen und zumuthungen? Es steht weheviwvtog tow —WVB
da. Aber es steht auch hier, wie sonst immer und wieder, apa
joe dabei, und so kann doch auch hier, was nach Unger mitte
sommers geschehen ist, nicht dem anfang des frühlings zugetheilt
sein. Es sind dem hier datirten friedensvertrage des Nikias aller-
dings nicht sogleich alle bundesgenossen der Lacedümonier beige-
treten; aber in dem vertrage selbst werden diese bundesgenossen
nicht bloss einmal, sondern elfmal mitgenannt. Aber ausserdem
bekommen wir noch von einem absonderlichen moment zu hören,
das den schriftsteller bewogen haben soll, sich hier wissentlich mit
sich in widerspruch zu setzen. Blieb er bei seiner gewöhnlichen
epoche, dem überfall von Platäa, so würde die rechnung der 10
jahre zu tief in das elfte hineingegangen sein. Es sollten aber
nur 10 jahre werden. Aeuderte er daher seine epoche und da-
tirte er hier von Üenoe, so gewann er dabei zugleich eine zahl
von höherer bedeutung, „die höchste der einfachen zahlen, welche
in den staatseinrichtungen der Athener die bedeutendste rolle spielte".
Glaubte der chronologe Unger diess zahlenargument auch nicbt zu-
rückhalten zu sollen, so war er doch feinfühlend genug , es nicht
geradezu in die person des Thukydides zu verlegen; er sagt our:
man gewann zugleich. Darum will ich es auch mit dieser blosses
erwühnung gut sein lassen, werde aber doch alsbald noch etwas
ühnliches zu berichten haben.
Jahresberichte, 639
Ueber diese widersprüche, in die Unger den schriftsteller mit
sich selber treten lässt, weiss er sich zu trösten. ,,Das werk des
Thukydides, unvollendet wie es auf uns gekommen ist, sagt er
p. 43, enthült solcher widersprüche noch mehr, ... deren vorhan-
densein sich ausreichend daraus erklürt, dass der verfasser mitten in
seiner arbeit gestorben ist“. Ich weiss auch wohl von widersprü-
chen, die man hat nachweisen wollen, aber bis jetzt verhält es sich
mit allen so wie hier, wo des schriftstellers rechnung des ersten
krieges nach der zu anfang der erzühlung augegebenen datirung
hier am schluss derselben, wie wir gesehen haben, aufs genaueste
auskómmt und sich in schénster ordnung befindet.
Jetzt zur rechnung des ganzen krieges. Diesen lasst Thuky-
dides e, 26, 17 fortgehen uéyos ov znv te dogny xattmavoay TUY
Abmaluv Aaxedasuovios xal of Evpuayos xoà 1a paxga relym
xai tov Hepase xarthafor. Eine bestimmte datirung, wann diess
letzte, die übergabe der mauern, geschehen ‚sei, auf monat und
tag, erhalten wir einzig von Plut. Lys. 18: o d’ oov Aicavdgos,
ws nagélaBe Tic te vavg dndoac nÀQv dudexa xai rà zelyn TV
? Adyvalwv, Exın ini dexaım Movvezsiivos unvoc, !y 5 xoi tay dv
Zulapir vavuayíay Ivixuy tv fa oBago», BBovAevaiv e09 vg. xai
z7» smohitelav weracınous. Es ist aber sehr fraglich, ob wir das
von Plutarch oder wie viel wir davon annehmen können. Als
ausgemacht kann gelten (Boeckh, Mondc. 65 ff), dass er die sie-
gestage und die tage der siegesfeier von Marathon und Platäa
verwechselt, und nun fügt er gar hier dem tage, an welchem die
mauern an Lysander übergehen sein sollen, den zusatz bei: dv 7
xai ijv dy Sudapives vauuuylay evixwy tÒv BugBugor, wührend er
doch selbst an andrer stelle, Cam. 19, mit sich in widerspruch,
aber der darstellung des Herodot und der wahrheit gemüss von
der schlacht bei Salamis sagt, die Athener hütten sie gewonnen
Bondgouuwros megi tac elxadas, wg mir dv 17 megì mueçoür
anodédesxtas. Freilich wiederholt er den 16. munychion als den
siegestag von Salamis noch ein andres mal, De glor. Athen. 7:
rjv dì Exinv éni déxu 100 Movvvywovoc > Aorkusds xaFséquoay, iy
7 Toig “Eddnos megi Sadapiva vexwow Énélauyer i} Seoç navot-
Anvoc. Aber wer möchte nicht gerade aus diesen worten selbst,
aus dem xadségwour, mit Boeckh entnehmen, dass er nur aus dem
tage der siegesfeier auf den tag des sieges geschlossen und also
auch hier, schon das dritte mal, siegestag mit siegesfeier verwech-
selt hat. Vgl. A. Mommsen, Heortol. 403 ff. Steht die sache
demnach so, dass die tagesnotirungen Plutarchs immerhin ihre grosse
bedeutung haben, dass sie aber für das, was sie wollen, nicht so
ohne weiteres hingenommen werden können, so wird die angabe,
die wir ihm hier in unserm falle danken, auch noch eines weiteren
wortes nicht unwerth sein.
Man mag über Xenophons Hellenika denken, wie man will,
640 Jahresberichte.
ich habe nicht gefunden, dass ich mir von seinen sachlichen notizen
etwas abzuzweifeln erlauben darf, am wenigsten fiir die beiden er-
sten bücher, für die er, wie ich das an andrer stelle ausgesprochen
und mit einigen nachweisen belegt habe, die hinterlassenen com-
mentare des Thukydides sich zu nutz gemacht zu haben scheint.
In den Helleniken nun steht geschrieben Il, 2, 22: 17 dà vorsgalu
(als Theramenes im 4. monat mit den neuen friedensbedingungen
aus Sparta zurückgekehrt war) annyyeAloy oi notoBess ty ols
of Aaxedatudveos novoivto thy elonyny agenyéees dì avrüv O-
eapéras , éyur ee xo) meideodas _Aaxedaspovtors xal tà uy
mequasgeiv aviesnoviwv dé tvwv avg, mob dì slesovwy ovre-
naswscuvtwy, Edoks dtyeodas ij» elonvny pete di rasta Av Gay-
desc Te xarénies ele bad Hegasc xal oí puyadeg xaryzecay sai
ta telyn xatéoxantoy Un atlyteldwy noA soodvpula, voullovees
éxelvny r)v quéqur 1 Eddads ügyev rig dleudeglaç. Darnach
sind also, weil das hier in demselben athem erzählt wird, an dem-
selben tage die friedensbedingungen von den Athenern angenommes
und die mauern niedergerissen. Im folgenden jahre, heisst es dana
weiter c. 3, 2: £doEc 1 drum rosaxorıa avdquç éléictas, of
tots zarQíovg vououg OvyyQutyovos, xaJ ovc rmodsrevaovos. At
ders bei Plut. Lys. 15. Nach ihm werden an dem einen tage,
am 16. munychion, dem Lysander schiffe und mauern überliefert
und erst später, weil die Athener vertragsbrüchig geworden seies
(éordvas yao 1a relyn 1ùv nusowy, tv alc ide xu3peloda:, na-
cwynuérwr), die mauern zerstört, die schiffe verbrannt, und (e09uc)
die dreissig eingesetzt. Wie’s hier bei Plutarch ist, möchte auch
Lysias in Agorat. 34, scheint es, den richtern die damaligen vor-
gänge einreden ; als wenn alles an einem und demselben tage ge-
schehen wire, die schiffe ausgeliefert, die mauern zerstórt, die
dreissig eingesetzt, sagt er: énedì) rag éxéiros (die von Agor.
denuncirten) ovdlnysd évres &déFnouv, 101€ xai 0 Avcardgos els
tovcg Asuévug rovg dueréoovs elcindevoe, xol ub vies al vpésegas
Auxsdaiuovlios nagedo9noay xai zu telyn xuteoxugy xoi of squa-
xovta xar£oınoav. Aber man sieht schon an der limitirenden weise,
wie er sich windet, 2. 15 f., dass ibm selbst dabei nicht ganz ge-
heuer ist, umd er sich vor denen, die es vielleicht noch besser im
gedüchtniss haben, einigen zwang aufzuerlegen weiss, An anderer
stelle dagegen, in Eratosth. 70 ff., wo die sache es dem kläge-
rischen advokaten nicht zu verwehren schien, deutlicher bei der
wabrheit zu bleiben, werden auch von ibm wenigsteus die zwei
volksversammlungen, die über den frieden und die über die verfas-
sung (70: TeUJ' vuüg Enuos noa&aı und 71: xoi tà selevsaior
2 + . OÙ BQOTEQOY elace 177 exxdnoiuy yeréoda:), ersichtlich genug
unterschieden. Die thatsachen selbst konnten ihm, dem gleichzei-
tigen, zu seiner trübung der darstellung die hand bieten, wie sie
den spüteren, einem Plutarch voran, dem alle neueren, auch Boeckh
Jahresherichte. 641
(Mondc. 81) folgen, zu ihrem verkennen des genaueren herganges
den aulass gegeben haben. Offenbar ist nach den zeugnissen der
alten in der volksversammlung über die verfassung von Lysander
die anklage des vertragsbruches gegen die Athener erhoben wor-
den; die mauern ständen noch, die in einer bestimmten frist nieder-
gelegt sein sollten. Und sie standen damals wirklich noch, aber
zum theil nur. Gleich nach der annahme des friedens werden dem
Lysander schiffe und mauern ausgeliefert. Noch an demselben tage
werden die schiffe verbrannt und mit der zerstörung der mauern
der anfaug gemacht. Natürlich war das nicht die sache von tagen
und wochen. Was Lysander und seine bundesgenossen angefangen,
sollten die Athener selbst in einer bestimmten frist zu ende brin-
geu. Die frist wird nicht eingehalten, so hat Lysander seinen
vorwand, und es kömmt zur einsetzung der dreissig. Woher ich
von dieser art des herganges weiss? Einmal weil es selbstverstand
ist, dass Lysander, in den besitz der schiffe und der mauern ge-
setzt, anch sofort zur feier seines sieges, wie er die schiffe ver-
brennt, auch an den mauern das werk der zerstérung beginnt, und
sodann, weil Xenophon es mir sagt. Er ist hier so kurz wie er
vielsagend ist. Mau denke sich nur in den augenblick hinein und
versuche, ihn sich lebendig zu machen. Der tag der verhandlung
über den frieden war der 16. munychion, derselbe tag, an dem
sonst Athen und was in Athen war den sieg von Salamis, die
freiheit von Hellas feierte. Da lag es doppelt nahe, dem Thera-
menes, der für die auslieferung der schiffe und mauern auftrat, in
der versammlung, wie es wirklich geschehen ist, Plut. Lys. 14,
den namen des Themistokles entgegenzubalten, den sieger von
Salamis, ihn, der damals die siegesflotte geschaffen und die mauern
gegen den willen der Spartaner aufgerichtet hatte. Und von dem
tage kommen dann ferner auch die krünze und flöten her, von de-
nen wir hören. Wo lesen wir denn sonst, dass die Griechen be-
kränzt und unter flötenspiel die mauern einer feindlichen stadt ge-
schleift haben? Hier feiern jetzt ihrerseits die Peloponnesier den
tag, wie ihn sonst die Athener begehen, auch als den tag der
freiheit von Hellas, aber in ihrem sinn, nicht ohne frohlockenden
bohn (zoiboviw»), aber doch zugleich am ausgang des langen
kampfes wenigstens für den augenblick das wort wahr machend,
mit dem sie bei seinem beginn zu ihm aufgerufen hatten.
So ist also die darstellung des Xenophon ein grund dafür,
dass wir wirklich von Plutarch seinen 16. munychion, den tag der
salaminischen siegesfeier als den tag hinnehmen dürfen, an dem in
— Athen die friedensbedingungen der Peloponnesier angenommen und
die schiffe und mauern ausgeliefert sind, an dem also gerade das
geschehen ist, was Thukydides in den oben angeführten worten als
das ende des ganzen krieges bezeichnet hat. Der 16. munychion
ol. 93, 4, unter archon Alexias, entspricht nach der damals recti-
Philologus. XLII. bd. 4. A3
642 Jahresberichte.
ficirten octaéteris (Boeckh, Mondc. p. 82) unserm 25/26. april 404.
Vom überfall von Platäa, den 4/5. april 431 bis dahin sind also
verflossen 27 jahre und 21 tage, und so erhalten wir denn auch
vom Thukydides als dauer seines ganzen krieges dem gemäss, +,
26, 31: rooavru (2. 21: Enrx xal elxoos) Eryn . . . xai Yuégas
où ztoÀÀdg rnapereyzovonc.
Die beiden thatsachen, bis zu welchen Thuk y dides hier den
ganzen krieg fortführt, die auflösung der gy der Athener und
die einnahme ilirer langen mauern und des Peiräeus durch die La-
cedümonier, ergeben sich ihm als das ende des krieges sachgemäss
von selbst. Beides ist eins und der inhalt der friedensbedingungen,
die am 16. munychion in der athenischen volksversammlung ange-
nommen werden. 'lhukydides konnte uns diese bedingungen nicht
geben, wir kennen sie aber aus Xenophon, Lysias, Diodor und
Plutarch (Lysand. 14: xuBBuio Ovitg Tov Hio xoi ta paxgu
oxfln xai ixfuvreg ix nmacwy ruv MoAswr rà» avrov yü» Eyovrec,
tava xa ÖpWwvreg tu» slouvav Eyoute, al yendosre, xai rots qu-
yadag dvévres. Ileoì 1üv vawy rw mindeog, oxoïor tl xa rnyvel
doxén, ravra noséere’) auch im detail. genugsam, um zu sehen, dass
mit der annahme dieser oxuruÂn der Lacedümonier die «eyn der
Athener ihr ende hat. Wurde aber der krieg, dessen darstellung
der schriftsteller unternommen hat, um diese «gyí geführt, wie er
das schon vor dem beginn desselben ausspricht (a, 118, 9 ff.), und
von da ab bei jeder gelegenheit wiederholt, so ist auch zweifellos,
dass mit der entscheidung über die àgyr durch einen abgeschlosse-
nen friedensakt auch die geschichtserzihlung des Thukydides an
dem ende angekommen ist, bis zu welchem historischer weise zu
rechnen war. Ware es ihm gestattet gewesen, den krieg bis zu
ende zu erzählen, so würde er wohl ohne frage die eroberung von
Samos und die rückkehr des Lysander nach Sparta noch angefügt
haben, aber in die rechnung der jahre gehörte was über den frie-
densabschluss hinauslag nicht mehr, und die eroberung von Samos
von rechtswegen um so weniger, weil die Samier eben durch die-
sen friedensschluss schon aufgehört hatten, buudesgenossen der
Athener zu sein. Aber dass Thukydides aus seinem ursprünglichen
plane für die dauer des ganzen krieges seine 27 jahr und nicht
viele tage bekommen hat, kann Unger natürlich, wie er einmal die
jahre des archidamischen krieges gerechnet hat, consequenter weise
nicht gelten lassen. „Da die 5, 20 und 5, 26 gegebenen bemer-
kungen, sagt er p. 45, wenig von einander entfernt und zugleich
in innigster beziehung zu einander stehen, so müssen hier beide
kriege, der archidamische und der ganze krieg, auch denselben an-
fangspunkt haben und auch für den ganzen krieg muss das die
bundesgenossen mitumfassende thema preisgegeben sein. Bei dieser
gelegenheit erfahren wir nun den eigentlichen anlass, p. 44, warum
es dem Thukydides darum zu thun gewesen, dass der ganze krieg
Jahresberichte. 643
zu 27 und der archidamische zu 10, nicht jener zu 28 und dieser
zu 11 jahren berechnet werde. ,,Warum dem schriftsteller gerade
an der zahl 27 so viel lag, verrath er 5, 26: everoes ng ToOavTE
Erg, Loysboevos KOE Tous xeóvovc, xai nutgag où nola T008-
vEynovouc, xai toig no ,Rencpdv ts loyuescupsévoss povoy dì
TOU10 éyvows Suußav dei yae tywye pps xoi dogopérov
zov nzoÀéuov xai were où érelevt Ge ; mgoqtgüpsvov UNO TOAAWY
On rgig évvéu Erg déow yevéodus avrov. Denn so kühl sich Thu-
kydides auch im allgemeinen zu dem wunderglauben vieler zeitge-
nossen verhült, so will er doch, wie Classen, Einl. p. LXI, be-
merkt, die möglichkeit übernatürlicher einwirkungen keineswegs in
abrede stellen. Die bestütigung dieser prophezeiung konnte aber
nur gewonnen werden, wenn der anfang und nicht bloss dieser,
sondern auch das ende des krieges anders bestimmt wurde, als
Thukydides jenen bestimmt hatte und dieses folgeriehtig bestimmen
musste: sie traf ein, wenn man, wie die prophezeienden wohl ge-
than haben, nur an Athens schicksale allein dachte uud so den
krieg erst mit dem einfall in Attika begann und schon mit der
übergabe Athens am 16. munychion 93, 4, 25. april 404 endigte. -
Wer aber, wie Thukydides sonst thut, denselben als einen krieg
nicht bloss der Athener und Peloponnesier, sondern auch ihrer bei-
derseitigen bundesgenossen (xui zw» #xarfooss Evuuuüywr, a, 1) be-
handelte, der liess ihn mit Thuk. 2, 2 an dem etwa um einen
monat früheren tage des überfalls von Platäa anfangen und musste
ihn, wie Xenophon Hell. 2, 3, 9 wirklich rechnet, erst mit dem
fall von Samos im herbst 404 endigen lassen; dann bekam er
aber nicht 27, sondern 27!/; jahre und diese giebt auch Xenophon
a. a. o. als dauer des krieges“. Also einzig des orakels wegen,
das für die dauer des krieges rQic êvr£u Frn voraussagte, bat Thu-
kydides rechnung und thema, womit er f, 1, in seine geschichtser-
zühlung eingetreten ist, wieder aufgegeben. Für jeden freilich,
der weiss, wie es mit der abfassung des thukydideischen werkes
steht und dass das gauze in allen seinen theilen erst nach dem
ende des krieges und mit der kenntniss seines ausgangs verfasst
ist, ist so etwas zu erfinden und aufzustellen von vorneherein un-
müglich. Doch lassen wir das; Unger denkt darüber ja anders,
und nach meinem urtheil über menschennatur babe ich mir gleich
anfangs wenig hoffouug gemacht, mit meinen auseinandersetzungen
zu überzeugen, wer öflentlich in der sache schon engagirt ist.
Aber wie steht es denn hier im vorliegenden fall mit Thukydides
und diesem orakel? Von anzeichen, orakeln und weissagungen ist
hin und her im werke die rede. Es wire ein mangel, wenn dem
nicht so würe, wenn das motiv der geheimen inneren stimmung,
das den menschen mit zum handeln treibt, an seiner stelle uner-
wähnt geblieben. ware. Darüber hinaus, über diese ihre bedeutung
als motiv sind diese dunkeln dinge für ihn nicht da. Ja noch
43°
644 Jahresberichte.
mehr. Der dichterjiingling mag das messer ins wasser werfen, um
sich so eine entscheidung zu holen, er der historiker fühlte in sich
den beruf, auch an diese dinge im gegensatz zu Herodots Yeior
nicht ein mal, sondern grundsätzlich seine historische kritik zu legen
und sie auf das uydgwWnesov anzusehen, das in ihnen ist. Darum
sagt auch freund Classen im verlauf seiner besprecbung an jener
citirten stelle (LX) richtig und schön: „er findet es wohl begreif-
lich, dass iu aufgeregten zeiten die menschen sich nach wunder-
barer belehrung (2, 8, 2) oder hülfe (2, 47, 4) umsehen; aber er
selbst legt keinen werth darauf und hat auch nicht heilsame fol-
gen davon erfahren, und seine wahre überzeugung wird wohl mit
der äusserung der athenischen gesandten, 5, 103, 2, übereinstim-
men, die da ratben „es nicht zu machen wie die menge, die, ob-
schon sie sich noch durch menschliche kraft retten könnte, sobald
in ihrer bedrängniss die zu tage liegenden hoffnungen nicht mehr
ausreichen, sich zu den duukeln wende, zu weissagungen und ora-
keln und zu ähnlichen mitteln, die im bunde mit den hoffnungen
nur schaden anrichten“. Und von diesem historiker, den seine hi-
storische erkenntniss dahin geführt hatte, mit dem überfall von
Platäa seinen krieg zu beginnen, wird nun so schlechtweg ange-
nommen und ohne sonstigen grund vorausgesetzt, er habe um eines
orakels willen diese seine ursprüngliche epoche des kriegsanfanges
hinterher wieder aufgegeben und auch das ende des krieges anders
bestimmt als er es folgerichtig bestimmen musste. Aber er sagt
ja gerade hier: evgros . . . xai toig dno yonouwr n loyvQica-
pevoss wovov di rovro yves Evufav, also für die, welche auf
orakelsprüche etwas geben, sei diess das einzige orakel im ganzen
kriege, das wirklich eintraf. Das kann doch wohl für jeden, der
auch nur etwas hinter den zeilen zu lesen versteht, nichts anderes
heissen, als dass er selbst unter jene «no yenouwy loyvescuperos
nicht gehören will und also sehr geneigt gewesen sein wird, auch
noch von diesem einzigen orakel zu sagen, dass es sich eben so
wenig wie alle andern erfüllt habe, wenn ihm das nur möglich
gewesen ware. So folgt also aus diesen worten des schriftstellers,
meine ich, ersichtlich gerade das gegeutheil von dem, was Unger
herausliest. Der krieg hat also nach des schriftstellers historischer
berechnung in wirklichkeit 27 jahre gedauert, ohne orakel und
ohne dass diesem erst künstlich vom historiker zu hülfe zu kom-
men war.
In der anmerkung p. 44 sagt Unger noch: ,die worte zeig
lyré£a sind gewählt, um den gedanken, dass 27 den kubus der hei-
ligen zahl 3 bildet, zum ausdruck zu bringen. Da der schriftsteller
selbst von dieser mathematischen bemerkung nicht weiter berührt
wird, so kaun ich auch diese hier, wie jene obige über die 10-
zahl, auf sich beruhen lassen; aber wenn es im texte noch heiss,
auch Xenophon habe Hel! 2, 3, 9 als dauer des krieges 27!/,
Jahresberichte. 645
jahre gerechnet, so dürfte es sich damit anders verhalten. Dort
giebt der überlieferte text: ruurx dé marta Auxeduspovtors ant
dwxe, _Tehevrwvtog 100 Jígovc, eig 0 Ea unvos xal oxtw xai etxoosy
Em 16 noÀfuo éerededta, dy ols Epogos oi agi povpevos olds èyt-
vovio . + + . Evdsog, ig! où Avouvdooç meu sas za slonutra ol-
xude xaréshevoey. Dass hier mit unrecht oxzw in éxra verändert
worden ist, zeigt sich daran, dass gleich darauf nicht 28, sondern
29 ephorennamen folgen. Aber die verbindung eig & éfüunvoç ist
hier den herausgebern schon ‚längst als ein neuer beweis hiuzuge-
kommen, dass wie andere zeitdatirungen in den Hellenika auch diese
hier ein einschiebsel sein wird. Daran ist schwerlich zu zweifeln,
dann zumal nicht, wenn man erkannt hat, dass auch die vorherge-
henden worte: ruvra dì nuviu Auxedusporlois antdwxe ein of-
fenbares zeichen dieses charakters an sich tragen. Abgesehen davon,
dass sie in dem, was sie richtiges enthalten, zu dem vorausgehen-
den nichts neues bringen, konnte zuvra závza nicht gesagt wer-
deu, da Lysander seine privatgeschenke, die OTEPUYOUS , oUg maga
ıwv molew éluuBave dweu dia, sicher nicht in den óffentlichen
staatsschatz eingeliefert hat. Auf die worte elg zöv mole pov am
schluss von 2. 8 wird also sogleich 2. 11 gefolgt sein: oi dè
tovuxoviu . + .; hat aber Xenophon selbst hier diese angabe über
die dauer des krieges nicht gemacht, so hindert nichts, dass auch
er das ende des krieges auf den 16. munychion, jene zu£qav ‘775
éleudeplac, angesetzt und die dauer desselben im anschluss an die
papiere seines vorgängers auf 27 jahre berechnet hat.
Denn diese 27 juhre zusammenzunehmeu und in ihnen eine unun-
terbrochen fortgehende kriegszeit zu sehen, war, so viel wir noch
erkeunen können, die eigenthümliche geschichtsauffassung des Thu-
kydides. Er sagt das freilich nicht mit einem ausdrücklichen wort,
aber wir dürfen es abnehmen aus der art, wie diese auffassung in
e, 25. 26 augelegentlichst vom schriftsteller gerechtfertigt wird.
Dass die dort c. 25, 11 angegebene zeitbestimmung, die viel be-
strittenen $E &ın xai déxu unvas keine corruptel sind und wie
Thukydides sie rechnet, habe ich in dem letzten jahresberichte Phil.
XL, p. 357 ff. eines weiteren darzulegen gesucht. Ich beschranke
mich also hier, nur mit einem kurzen wort darauf zurückzukommen.
Die 6 jahre und 10 monate, behaupte ich dort, sind die zeit, welche
von dem tage, an welchem der friedensvertrag des Nikias abge-
schlossen wird, dem 24. elaphebolion unter archon Alkäos, unserm
11/12. april 421, bis zu dem tage verfliesst, an welchem dieser
vertrag in Sparta für gebrochen und aufgegeben erklürt wird, im
gamelion unter archon Chabrias, unserm februar 414, Man konnte
einwenden, dass dieser beschluss der Spartaner, den krieg gegen
Athen wieder aufnehmen zu wollen, mit dem wirklichen wiederaus-
bruch des krieges noch nicht gleichbedeutend sei, Thukydides aber
sonst seiue kriegsjahre nicht von crklärungen und beschlüssen,
646 Jahresberichte.
sondern von einer waffenthat und dem wirklichen ausbruch des
krieges rechnet. Das würde seine richtigkeit haben, man würde
aber mit diesem einwande den unterschied ausser acht lassen, den
Thukydides auch sonst wiederholt und mit grossem nachdruck zwi-
schen der officiellen vou staatswegen erfolgten wiederaufhebuny
der ozovdat und dem wirklichen ausbruch des krieges gemacht hat.
Weil er das thut, bin ich in gutem rechte, die di« pécov Sup-
Laos, e, 26, 21, wie ich gethan und wie das auch schon im aus-
druck liegt, also die 6 jahre und 10 monate von versammlung zu
versammlung zu rechnen. Um noch ein übriges zur verstündigung
zu thun, will ich noch einmal darauf aufmerksam machen, wie be-
reits Philol. XL, p. 359 geschehen ist, dass Thukydides in dem
antoyovro doch gewiss sehr zutreffend und bezeichnend das bishe-
rige bestreben beider theile ausgedrückt hat, ihrerseits die Gmord«t
nicht zu brechen, von dem dann im folgenden durch die unter-
scheidung des x«i Gvayxacdévres Avous rdg Onovdag der weitere
fortgang zur auflösung der oxordat und durch avdss ic nolsnor
paveqôy xatéotjoay zum endlichen wiederausbruch des krieges ge-
macht wird.
2. Anfang des jahres und sommers.
* Die yeoros (e, 20, 25), nach denen Thukydides erzabit und
in der erzühlung die jahre abtheilt, sind 9égoc und yauwr. Gleich
im anfang heisst es fi, 1, 22: yeygamını d ES wo Exacra tyl-
yveto xata Jégoc xoi yessweu, und ebenso und ausführlicher am
schluss der ersten 10 jahre, e, 20, 29: xura Icon dé xai yepuovag
ad ur, wonte yéyguntus, evence LE nuicelas éxatégov tov
Zmavtov my duvapuv Eroviog, dexa piv 9égr loovc dé yespwrac
19 nQuiQ nzoÀtuo ıWde yeyevnuerovs. Wie hier der yesuwy auf
das Jégoc folgt, so ist es auch in der erzählung der einzelnen
jahre; jedes jahr schliesst mit ende des yesuw», worauf dann das
neue jahr wieder beginnt mit dem anfang des 9eépos. Am ende
des ersten jahres 6, 47, 16 heisst es: rosogde uiv Ó tuqosg éyéveto
dy TD gupuwv toviw xai dsedFovtog avrov noüiov Frog toù no-
Aéuou roude éreheutu. tov dì FéQovs evFdg doyoutvow . . ., und
so ähnlich durchweg bei allen folgenden jahren. Das Séços aber
wiederum hebt an mit dem beginnenden Zug. Wie das letzte der
ersten 10 jahre und der letzte yeıuwr an dem folgenden Eg seine
gränze findet (e, 20, 20: redevtwrt0g rov ytcvoc Gua nos), so
nimmt dem entsprechend das erste jahr 8, 2, 30 cua no dpyo-
evo seinen anfang, und schon daraus ist klar, dass wenn das ein-
zelne jahr dem schriftsteller aus den zwei theilen, aus J£gog und
xsıuwv besteht, der yesuwy des ersten jahres aber erst 68, 33, 10:
tov 0 imyiyvouévov y&ucvoc beginnt, das vorausgehende, also
auch jenes fag agyouevoy mit zum JEgog seines ersten jahres ge-
Jahresberichte. 647
hórt. Was so sich aus der schlussfolgerung ergiebt, wird an an-
dern stellen ausdrücklich und direkt gesagt: d, 117, 5; e, 40, 32;
C, 8, 31; 0, 94, 15; (is 19, 205) 9, 7, 29; 9, 61, 25: rov à
Zmyiyvop£vov 9£Qov; aua TD noi evduc KQxome rep. Hier beginnt
überall das neue jahr mit dem frühling, und wie die ausgeschrie-
bene stelle es noch bestimmter aussagt, mit dem so eben begin-
nenden frühling. Der anfang des einzelnen thukydideischen jahres
ist also auf die naturzeit des beginnenden Jégog, und weil dieses
bei ihm mit dem beginnenden frühling eintritt, auf die naturzeit
des frühlingsanfanges gestellt. Die datirung dieses frühlingsan-
fanges giebt glücklicher weise zu einer controverse keinen anlass.
Von den drei bei den alten erwähnten frühlingsanfüngen, dem ein-
tritt des zephyr, 8. februar, dem abendaufgang des arktur, 23. fe-
bruar, und der nachtgleiche, 26. märz, ist nur dieser letzte der im
volke allgemein gebrauchliche gewesen, aber abgesehen davon wer-
den wir auch von Thukydides selber auf diesen anfang geführt.
Ich habe.schon oben bemerkt, dass wir allen grund haben, es mit
seinen angaben in den worten e, 20, 30: 2 musoelac éxurépou
(Fégove und XEtuwros) tov avrov rjv Ouvapsy Éyovroc, genau
zu nehmen; thun wir aber das, so wird nur dadurch, dass wir für
sommer und für winter die epoche auf die gleichen setzen, für
beide die gleiche dauer gewonnen ; und ausserdem werden wir auch,
wie schon Unger p. 29 richtig ausgeführt hat, durch die erwäh-
nung der zAfov zoonul, 9, 39, 22, und die von da bis zum früh-
lingsanfang erzählten begebenheiten, 3, 61, 25, wiederum nur auf
diese letzte der friihlingsanfange hingefübrt.
Mit dieser naturepoche der einzelnen kriegsjahre hat der
schriftsteller, was die zeiten der begebenheiten betraf, für das all-
gemeine und bequemste verständniss seiner verschiedensten leser,
zugleich für alle zeiten gesorgt. Freilich war er dazu nur durch
einen glücklichen umstand im stande, dadurch, dass die erste be-
gebenheit, mit der der krieg anhebt, wenn auch nicht gerade auf
den tag der gleiche, doch nur um ein geringes später als diese
fiel, und füglich mit dieser als gleichzeitig gesetzt werden konnte.
So giebt er also für das einzelne jahr stets die natürliche epoche
und zieht nur diese in betracht. Wenn ein winter zu ende ist und
mit diesem das jahr, heisst es: zov d’ Émysyvouérou Séçgovç, nicht
tov Ó' Émyiyvoutrov trous, so durchweg. Aber natürlich machen
jahreszeiten nicht den krieg, sondern begebenheiten. Da also, wo
er den krieg iu seiner dauer nachzuweisen hat, muss er von be-
gebenheit zu begebenheit rechnen, und so heisst es denn e, 20, 23,
dass die vollen 10 jahre und wenigen tage des ersten krieges zu-
rückgehen von dem ‚eben vorgenommenen friedensakt his dahin, wg
10 ngüror . . . n «oyn roU wolfuou tovde tyérero, also wie er
diese “ox im anfang seiner geschichtserzählung anberaumt hatte,
bis zum überfall von Platia. Aber auch hier unterlässt er nicht,
648 Jahresberichte.
noch einmal! zu erwähnen, wie er es in der erzählung gehalten bat,
woneg yEyoanıcı, und dass sich jene nachgewiesenen und nachge-
rechneten zehn jahre aus dex« Eon und ebenso vielen yesuwres
zusammensetzen.
Nach den im obigen besprochenen angaben, die der schrift-
steller selbst über seine zeitrechnung macht, hat er also für eine
genaue und bequeme chronologie sorgen wollen. Es fragt sich
nun, ob seine erzühlung selbst diesen angaben entspricht, bestimmter
ausgedrückt, ob er diese seine natürliche jahresepoche, wornach
das einzelne jahr mit der frühlingsoachtgleiche, dem jul. 26.
märz beginnen soll, selbst überall wirklich eingebalten hat. Unger
ist andrer meinung und hat eine ganz neue entdeckung gemacht.
Thukydides hat seine jahresepoche, behauptet auch er, auf einen
ganz bestimmten tag gestellt (p. 31), auf den jabrestag des kriegs-
ausbruchs, des überfalls von Platäa, doch nicht auf die naturzeit,
sondern auf das kalenderdatum dieses tages (p. 38). Seine mei-
nung ist also diese: an dem tage, an welchem im attischen kalen-
der der letzte anthesterion (nach Boeckh, oder etwa der drittletzte
nach Unger) wiederkehrte, der kalendertag des überfalls von Platia,
habe für Thukydides das neue jahr begonnen. Ich bekenne, bei
den bedenken, die diese behauptung mir von vorueherein gegen sich
zu haben schien, babe ich mich wieder und wieder gefragt, ob ich
auch recht verstehe. Denn erstlich hat Thukydides für den über-
fall von Platia ja gar keinen bestimmten tag genannt, nicht ein-
mal den monat dieses überfalls mit bestimmtem namen; 2) würde
die jahresepoche mit jedem jahre gewechselt haben, im sonnenjahr
bald hóher hinauf, bald heruntergerückt sein; 3) gleiche jahres-
hälften für Irgog und yeysw» wären unmöglich gewesen ; 4) wann
hat dann überbaupt der yesuwy seinen anfang genommen! Natür-
lich dann auch dieser in jedem jahr an einem andern datum, das
freilich für die meisten leser, wenn überhaupt, nur nach der müh-
seligsten nachrechnung festzustellen war; 5) sagt denn Thukydides
nicht jedesmal beim beginn des neuen jahres: zov d’ é371yvopérov
9égovc, niemals zov d° émsysyrouérou Frovg, und der schriftsteller
soll es fertig gebracht haben, wenn einmal der letzte anthesterion
vor der frühlingsnachtgleiche fiel, doch zov d’ émysyrouérou 9é-
goug (== 7006) zu sagen? Aber es ist nicht anders, es ist das
wirklich die meinung Ungers, und so werden es ohne zweifel die
deutlichsten und schlagendsten momente sein, die den sonst so über-
legenden mann zu einer an sich so bedenklichen behauptung ge-
zwungen haben. Wenn von all den gründen und stellen, die Unger
für sich vorbringt, auch nur eine mit nothwendigkeit für die von
ihm angenommene jahresepoche spricht, so will ich der erste sein,
der sich zu ihm bekennt, und muss mich dann freilich auch in all
die folgerungen finden, die sich für Thukydides daraus ergeben
würden.
Jahresberichte. 649
»Nach der herrschenden ansicht hat Thukydides das jahr mit
frühlingseintritt beginnen lassen, also jahr, sommer und frühling
sämmtlich mit einem und demselben tage angefangen“. Offenbar
ist diese ansicht widerlegt und mit der bisherigen frühlings-jahres-
epoche des Thukydides muss es aus sein, wenn eine stelle nachge-
wiesen werden kann, an der der jahreswechsel schon vor früh-
lingseintritt angemerkt ist. Unger meint solcher stellen nicht eiue,
sondern im ganzen 8 beizubringen: e, 40; 7, 94; 9, 61; d, 52;
3, 7; n, 19; B, 47; e, 52. Zunächst über die drei ersten stellen
lesen wir bei ihm p. 32: die drei stellen: 5, 40: dua zw nos su-
Hg rov àmyiyvouévov Fégouc; 6, 94: Gua tH Hos evFicg aeyo-
pívo tov émys,yvouévou 9égovc, und 8, 61: 200 Émysyvouevou
Feoovs «pa TH mor EVTIVG àäpyouévw, sprechen, wie der zusatz
evFv¢ anzeigt, vom eigentlichen früblingsanfang der nachtgleiche,
lassen diesen jedoch nicht zugleich als jahres- und sommerepoche
erscheinen; denn zov émsytyvouéoou Pégovg bezeichnet bloss: im
laufe des neuen jahres. Hieraus folgt, dass der eigentliche anfang
des neuen sommers und jahres in diesen fallen . . . der friihlings-
nachtgleiche (wenn auch 8, 61 . . nur um sehr kurze zeit) vor-
ausgegangen war‘, Sollte wohl ein philolog aus einer stelle schon
jemals mehr als es hier geschehen ist, das gerade gegentheil her-
ausinterpretirt haben? Seit wann heisst denn Jégoc jahr und wo
ist je das natyrwunder geschehen, dass Jépos dem Zug vorausge-
gangen ist? Aber etwas scheint sich doch unserm interpreten bei
solcher auslegung sein gewissen gerührt zu haben. Er spricht
von andern „noch weit schlagenderen belegen‘‘, die er beibringen
kann. Von d, 52, auf welche stelle nicht Unger, sondern Em.
Müller zuerst aufmerksam gemacht hat, spreche ich sogleich. Un-
ger führt weiter an: +, 7, 29: rov d’ énsysyvoutvou 9£govc evFvc
éxayoutywy ruv ylwy anocıeilus tug vavg, xol dediotwr un ol
"ASnvaios 1à noaccoueva aloFwvius (navit; ydg xevpa avid»
ènpesBevorio), anontunovow of Aaxsdasporos ès KogsvSov xti.,
und sagt dazu: ,es fehlt die bemerkung, dass zugleich der früh-
ling begonnen habe; und doch lehrt das wort ev9vc, dass die hier
erzühlten anstalten zur aussendung der neu erbauten peloponnesi-
schen schiffe dem anfange des jahres angehören. Wir schliessen
hieraus, dass der frühling damals noch nicht eingetreten war“.
Bekker, Böhme, Krüger, auch die neueren Classen und Stahl ha-
ben hier die anfangsworte nach dem vatic.: apa dè r$ no rov
èrmyiyvoutvov Fégoug ev3vc, so wäre also das vermisste da, wor- .
aus Unger folgert. Aber es sei, die worte «ua 7@ 706 sollen
nicht herein gehóren, und ich selbst will sie auch gewiss nicht auf
die auctorität des einzigen vatic. hier hereingesetzt wissen; aber es
heisst ja statt dessen: zov d’ easysyvouévou 9£govc evdvs, was für
jeden bisher nichts anders geheissen hat als: sogleich im daranf-
folgenden thukydideischen sommer, den 26. märz. Aber 9égog heisst
650 Jahresberichte.
im Ungerschen griechisch nicht sommer, sondern jahr, und so will
das ja gegen ihn nicht verfangen. Dass der frühling damals noch
nicht eingetreten war, sieht er schon und einsig daraus, weil ,,die
bemerkung fehlt, dass zugleich der frühling begonnen habe*. Aber
auch 8, 47, 18 und e, 52, 20 heisst es ebenso oder ühnlich mit
tvJvc ohne erwähnung des Zag: rov d’ êmeysyvoufrov Jégovc ev-
9óc éoyoufrov. Gerade deswegen, sagt Unger p. 32, hat auch
an diesen zwei stellen das jahr schon vor dem frühliug begonnen.
Aus einem andern grunde weiss er das freilich nicht. Nun es sei,
und so wollen wir auch das hinnehmen. Aber in 3, 7 handelt es
sich ja ums jahr ol. 91. 4, 413/2, nach Boeckh ein schaltjahr,
von ihm nach der tagsumme mit f als fest bezeichnet. Darnach
fallt der letzte anthesterion, das kalenderdatum des überfalls von
Platäa auf den jul. 1. april, also die Ungersche jahresepoche nicht
vor, sondern nach frühlingseintritt. Auch dagegen hat Unger
für eine verschanzung gesorgt. In seinem ,,Att. kal.“ p. 50 ist
das jahr kein schaltjahr; sein viertletzter anthesterion, wie er
rechnet, fällt auf den 6. märz, also schon 20 tage vor frühlings-
eintritt. Nur schade, dass sein att. kalender sich mit auf seine
„zeitrechnung“ stützt, mit der wir es hier zu thun haben und die
hier bestritten wird. Ich sollte also glauben, er muss es selbst für
gerechtfertigt halten, wenn wir diese stelle 9, 7 noch nicht für
einen ,schlagenden beleg* dafür annehmen, dass das „thukydideische
jahr je vor frühlingseintritt begonnen habe. Und ein beweis ist
die stelle erst recht nicht, wenn man auf den zusammenhang der
erzählung sieht, C. 3, z. 12 heisst es von den Lacedämoniero:
maoeoxevatovio wo evtug nos 10 ug éEousvo tov rodtpov.
Abgesehen davon, dass die Lacedümonier immer zu spát kommen
und immer weniger thun als sie sich vorgenommen haben, wissen
sie hier anfänglich gar nicht was sie wollen. Erst soll der abfall
von Euboea versucht werden; das giebt Agis wieder auf, um den
abfall der Lesbier zu unterstützen. Dann kommen die Chier and
Tissaphernes und drängen die Lacedämonier, mit lonien den anfang
zu machen; dann kommen boten vom Pharnabazos und rufen nad
dem Hellespont, und woddn uia Pjy(yvtro tw dv 17 Aaxedai-
uovi, heisst es c. 6, 5, onwe où uiv ig 17v ‘Iwvlav xal Xíov oi
0 dg 10» ‘EdAnonovrov nootegov vats xai orgatsay melcoves níp-
nt. Endlich kommen denn die Lacedimonier so weit, sich für
Chios und Tissaphernes zu entschliessen, aber nun erst eine ge-
sandtschaft, wie die sachen in Chios stehen; als die zurück ist,
beschliessen sie 40 schiffe nach Chios zu schicken, und haben vor
(%uedAov), von diesen vorläufig 10 abgehen zu lassen, aber da tritt
ein erdbeben dazwischen, und statt der 10 werden nun 5 nicht
abgesandt, sondern segelfertig gemacht, z. 25: muosdxevaCorto.
Und dann heisst es zum schluss: xei 0 yeuow érehevta. — Einer
verzügerung der rüstungen, sagt Unger, wird keine erwähnung ge-
MM
Jahresberichte. 651
than, aber sie wird ja thatsüchlich und im ausführlichsten detail
erzählt und zu guter letzt im bestimmtesten ausdruck das ende des
xespuv angemeldet, womit wir für jeden andern als Unger deutlich
bei unserm 26. märz angekommen sind und einsehen müssen, dass
was hernach erzühlt wird, nach diesem datum, also nach frühlings-
eintritt anzusetzen ist. „Einen andern fall dieser art, fährt Unger
p. 34 fort, gewinnen wir durch eine sichre textänderung. Wah-
rend alle andern jahresbeschreibungen mit erwähnung des neuen
sommers beginnen und der frühlingseintritt our in verbindung mit
dieser erwähnung, nicht aber ohne sie, beim jahreswechsel genannt
wird, ist 7, 19 der frühlingseintritt ohne nennung des sommers
nach abschluss des winters eingeführt und das bei allen jahresan-
fingen mit 3égov; verbundene participium êxeysyrouérou dem worte
7005 beigegeben: xai 6 yesuar Zradevzu xui 0ydoov xai déxaror
Frog 1 nolfum Èredevra. Tov d' Emıyıyvoukvov 7005 svdvc ae-
xoufvov nowalrara di) of Aax:dasuovios xai of Evupayor dg riv
“Aruxny ëçéBalor. Dieser ausnahmsfall kann nicht von dem schrift-
steller selbst herrühren, welcher, wie oben gezeigt wurde, aus-
drücklich erklürt, dass alle seine jahresbeschreibungen in eine som-
mer- und winterhälfte zerfallen. Es ist daher zov d’ émtysyvoutvou
Fégovs eudiç agyouévov zu schreiben“. Schon das beigegebene
nepatiuta (nach Stahl: memraza) dq hätte ihm wohl bedenken
erregen können. Denn es ist doch selbstverstand, dass 709, nowul-
1£Qov, nowalraru (wie d, 6, 3; n, 78, 31; n, 79, 15; n, 39, 17;
J, 101, 28) immer nur auf eine bestimmte naturzeit, die des som-
mers, frühlings oder tages, nie auf eine willkürlich angenommene
zeit, wie Ungers fingirte jahresepoche gehen kann. Mit der än-
derung wäre also hier nichts gewonnen, wir müssten sein Jégovc
doch wieder als die naturzeit des sommers, also für 7çeç nehmen.
Doch es sei. Aber hat Thukydides denn wirklich sein jahr jedes-
mal mit nennung des 2í£goc begonnen! Auch im anfang des er-
sten 10jahrigen krieges heisst es 8, 2, 30: cua He, agyoutro,
vom Jégos ist nicht die rede. Nichts destoweniger nehme auch
ich „diesen ausnahmsfall‘ an, aber er rührt vom schriftsteller selbst
her in bewusster geschickter absicht. Auch hier 7, 19 stehen wir
wieder im aufang eines krieges, wie fg, 2 des ersten, so hier des
zweiten zehnjährigen. Erst schlecht und recht erzählt der schrift-
steller, dass in diesem frühjahr die Peloponnesier wieder in Attika
eingefallen sind, das ist ihm der ausbruch des neuen krieges, und
erst damit hebt für ihn auch ein neues Jígog seines krieges an.
Ist's ungeschickt, das neue zu markiren, oder wäre es so etwa
ungeschickt geschehen? Dass das bewusste absicht des schriftstel-
lers war, sieht man sogleich noch einmal. Auch bei den Athenern,
die nun auch ihrerseits aufs neue in den kampf eintreten, beginnt
die rede aufs neue; auch von ihrer ersten aktion heisst es c. 20,
22: rov 5goc evdùs 4gyoutrov, nicht 700 avrov ngog oder rovrov
652 Jahresberichte.
tov Neos, wie sonst oder ähnlich immer, wenn eine jahreszeit vor-
her schon genannt war; erst c. 21, 4 erscheint wieder: vxo zoug
aürovç ygóvovg rovrov tov 7eoc. Ich darf also wohl vertrauen.
dass dieses 700g aller handschriften in 7, 19 auch später an seiner
stelle erhalten bleiben wird.
Ich komme jetzt zu der letzten stelle, die einen jahresanfang
vor frühlingseintritt bezeugen soll, d, 52, 26: rov d’ émysyro-
pévov 9égovg evI0¢ tov 1e Alou Exdertés re eyéveto meoì vovun-
vluv xai rov adtov pnvdg iorupérou Ècucev. Schon im jahre
1852 hatte zuerst Em. Müller in seiner scharfsinnigen und werth-
vollen abhandlung: De tempore quo bellum Peloponnesiacum | initium
ceperit, auf diese stelle aufmerksam gemacht. Und in wahrheit ist
diese stelle gewiss sehr der rede werth und von ganz anderem
charakter als alles, was Unger selbst sonst beigebracht hat. Wir
haben also hier vom schriftsteller einen bericht über eine sonnen-
finsterniss, die von ihm rev émysyrouévou Jégouc evdùs . . magi
sovunvlav, an den eingang seines sommerhalbjahrs gesetzt wird.
Nach astronomischer berechnung hat diese verfinsterung für Athen
angefangen an unserm 21. märz 424, vormittags 7 uhr 12 min,
geendet 9 uhr 56 min. Dieser jul. 21. märz fallt nach der recti-
ficirten octaéteris Boeckhs auf den 1. elaphebolion, der am abend
des 20. märz seinen anfang nimmt. Darnach wäre der astrono-
mische neumond der sonnenfinsterniss auf die vovunvia des kalen-
ders gefallen, während er, wenn dieser in ordnung gewesen wire,
auf die £v; xai véa, den letzten anthesterion hätte fallen müssen.
Thukydides schreibt eg? vovurv(av, nicht rouurrix, wie f, 28, 4,
und schon daraus ist ersichtlich, dass er hier an den kalenderneu-
mond, nicht an den astronomischen denkt, wie Em. Müller p. 27
annimmt. Dies wird auch noch dadurch deutlich, dass er sogleich
fortfáhrt: xai tov avtov unvoc iorauérou, denn da dieser ausdruck
offenbar nur auf den bürgerlichen monat geht, so kaun doch mit
neo: vovunv(av iu demselben athem nicht der astronomische monat
gemeint sein. Doch es kömmt bei erklärung der stelle nicht dar-
auf, sondern auf etwas ganz anderes an. Eine synchronistische
erzühlung bedarf, um übersichtlich zu werden und nicht in zu
kleine theilchen zu zerbröckeln, besonderer massnahmen. Sie greift
voraus, wie es 8, 9, 9; B, 17, 24; 8, 27, 30; B, 31, 33; 8,65
(wiederholt); 8, 70, 19; 8, 97, 21; 8, 100, 23; B, 101, 2; y,
34, 27; y, 50, 11; y, 50, 19; y, 68, 21; y, 82, 15; d, 81,
23; «, 34, 8; e, 116, 16; ¢, 15, 11; m, 27, 33 geschehen ist;
oder sie holt nach, wie B. 13, 16; 8, 78, 30; y, 17; y, 87, 19;
y, 115 coll. 99, 14; €, 30, 6; È, 74, 21; 6, 105, 1; 9, 45, 18;
9, 63, 1; 9, 99, 9—11; oder sie fasst zusammen, wie y, 90,
oder sie verbindet gleichartiges mit einander, wie das an nnsrer
stelle d, 52, 26 der fall ist, Hier hat der schriftsteller von zwei
naturereignissen zu berichten, von einer sonneufinsterniss und einem
Jahresherichte. 653
erdbeben. Sie fallen beide ausserhalb der eigentlichen geschichts-
erzühlung, und da beide nur ein kurzes wort erfordern, so war es
durch die zweckmüssigkeit geboten, beides in einem gemeinsamen
ausdruck zusammenzufassen. Die sonnenfinsterniss fiel möglicher
weise, je nacbdem der att. kaleuder sich damals zum naturlauf ver-
hielt, drei kalendertage vor, das erdbeben sieben kalendertage
nach der frühlingsnachtgleiche; er zog es also vor, weil er bei-
des nicht trennen wollte, der grösseren tageszahl wegen beides
lieber in den anfang des neuen, als ans eude des alten jahres zu
setzen, was er freilich redaktionell ebeusowohl hätte thun können
und ein andres mal in einem ähnlichen falle auch wirklich gethan
hat. y, 116, 14 heisst es: 2ogun dé megi avrò 10 Lag rovro ó
Qual Tod mvpos éx 176 Alıyns. Avio 10 tug ist der 26. märz,
die frühlingsnachtgleiche, und so gehörte dieser ausbruch des Aetna,
zumal ein solcher linger zu dauern pflegt, in den anfang des kom-
menden jahres. Aber das weg zeigt au, dass der ausbruch auch
schon einen oder einige tage früher begonnen bat. Hier hat der
schriftsteller umgekehrt für die frühere datirung entschieden, wohl
aus keinem andern grunde, als weil er noch eine weitere allge-
meine historische notiz über die früheren Aetnaausbrüche anfügen
wollte, und diese allerdings passender, da die wahl gelassen war,
das alte jahr schloss als die erzählung des neuen eróffnete.
Ich komme jetzt noch mit einem kurzen wort auf die stellen,
in denen Unger jahresanfange nach frühlingseintritt
gefunden hat (p. 16). An und für sich sollte man glauben, könnten
diese stellen der alten theorie nicht gefährlich werden, nach der
Thukydides sein jahr mit dem frühling begonnen hat. Aber Unger
will an ihnen erkannt haben, dass Thukydides hier sein jahr nicht
mit, sondern nach dem frühlingseiutritt begonnen hat, also dass
jahr und frühling bei ilim eben nicht zusammenfallen. Diese stellen
sind d, 117; ¢, 8; 8, 103; y, 115; e, 20; e, 24. Zu den er-
sten beiden stellen heisst es bei ihm p. 31: „A, 117: dua igs
100 éntysyvouévou 9£govg evdug und L, 8: rov. émiysyvouérou 9€£-
Qovg «pa nos ist nicht vom ersten frühlingstag , sondern von den
ersten wochen des frühjahrs die rede: denn das ist die bedeutung
von ua nes und «ua 704 dpyouérw, wenn diese ausdrücke ohne
deu zusatz ev9vg auftreten“. Wir sind überrascht, denn d, 117
ist der zusatz ev9vs ja gerade vorhanden. Aber er belehrt uns
sofort in einer parenthese , dass dort der zusatz eíOvg bloss zu
Jéçous gehört. Was wir ihm hier aufs wort glauben sollen,
darüber ist er ausführlicher in der zweiten abhandlung „Att. kal.*
p. 33 f. Da heisst es mit zahlreichen citaten, so dass man sieht,
er bat sich die sache sauer genug werden lassen: „wo durch «i-
Jvc der eintritt eines bestimmten zeitraums bezeichnet werden soll,
wird es dem ausdruck desselben nicht vor- sondern nachgesetzt ;
wo eudug durch cgroperog verstärkt ist, kann es von diesem par-
654 Jabresberichte.
ticipium gefolgt sein. Wo dagegen die partikel der zeitbestim-
mung vorausgeht, da stehen beide nicht in partitivem verhältuiss
zu einander, sondern diese dient jener zur näheren bestimmung und
eudvç bezeichnet dann die frühzeitigkeit der erzählten handlung
selbst*. Leider ist das alles wieder dieselbe vergebliche liebesmüh,
die wir schon früher gehabt haben. Zum glück giebt es in der
philologie doch schon einige dinge, die feststehen, so unter andern
dies, dass ein adverbium zum verbum und nicht zu einem sub-
stantiv gehört. Wenn es daher an besagter stelle d, 117, 5 heisst:
Aoxedusporor xai "Adnvatos Gua TQ& TOU Imysyvop£vov —XRX
evdus éxeyeglay énosjouvro tviuvoror, so braucht man wahrlich
nicht zum ekel der leser mühselig von vorne anzufangen und den
beweis anzutreten, dass hier evPug und mit zudvc auch apa ies
zu éxoimoayvto gehört, dass also auch das zwischengestellte zov
éniysyrouérov SJéçous partitiver genet. zu gs ist und wir also
auch hier nicht mit Unger an das wunder zu glauben haben, das
das Jégoc; dem Zug vorausgegangen sei. Auch an den andern
stellen ist auch nicht der leiseste grund, Jégog und Zap nicht zu-
sammenfallen zu lassen. "Wer auszulegen , nicht unterzulegen ge-
wohnt ist, was vermag der È, 8, 31 anderes herauszulesen? Wer
mit der kenntniss, was yesuwy heisst und was zag heisst, das kap.
B, 103 liest, braucht nicht einmal guten willen zu baben, um dem
schriftsteller nicht die absurdität zuzutrauen, dass er hier das gag
noch in den reo» gesetzt habe. Unger will doch selbst, wie
wir noch eben gesehen haben, auf die stellung der worte geachtet
wissen. Hier heisst es: of dé *AInvaios xai 6 Popplwr agaries
ix cc Axugruvlug xal üquxoutvos dx 176 Navmaxrov apa fe
xarÉmAsvcav dc tag Asnvac. So haben wir hier, wie schon oben
y; 116, eine folge von begebenheiten, von denen die einen noch in
den winter, die andern schon in das folgende 3égos gehörten, die
aber in der erzühlung lieber nicht zu zerbróckeln waren. Dass
das so ist, lehrt die stellung des Gua jee nach &gavreg und agr-
xouevor und vor xarémAevoar deutlich genug. Auders ist es b
94, 15; da bekommen wir: Guu dé 10 Te. LATE ägyouéræ rov
Emsysyvouérov 9égovg ol Ev 1H Soxedle > Aÿnvaïos agavieg dx 17
Kurdvnç nugénievouy Eni Meyaguy, weil eben beides, das dgavts
so gut wie das nugéndevoay in dasselbe Dégoc gehórt. Auch die
beiden letzten noch übrigen stellen, e, 20 und e, 24, werden we-
nig kummer machen und sind für jeden ausser Unger kaum der
rede werth. e, 20, 20 schreibt Thukydides: avzas ul Gxovdai
éyévorto redevriivios tov gesuwros Guu mou Soll das nun sagen,
wie Unger will, das Zag sei hier noch in den yespwr gefallen!
Der schriftsteller musste doch, wie er immer thut, das ende des
zeppa anmerken, wie er dessen anfang angemerkt hatte, 13, 22:
tov Ó' émysyvouérou zeıuWvog evdus . . . di7A4%or, und that das
Bn dieser stelle, die eine zeitbestimmung, wie sichs gehürt, zu der
Jahresherichte. 655
andern gesetzt. Und hier sind wir sogar über den tag unter-
richtet, der gemeint ist, der 24. elephebolion, c. 19, 11 — un-
serm 11. april. Es steht bei 705 weder eëdès, noch dagyoutro,
und das kann uns ganz recht sein, wenn der friede nach der an-
gabe in die ersten wochen, den anfang des frühlings gehört.
Wenn das aber, wenn wir mit dem cua jos in c. 20 schon in
den ersten wochen des frühlings sind, so konnte der schriftsteller
auch nicht fürchten, missverstanden zu werden, wenn er gleich
darnach, nach mittheilung der nach z. 32: où 70226 üozeçor ab-
geschlossenen Evuuuyla, c. 24, 34 nichts destoweniger sein: xui
10 Jégos noye tov évdexurov t10vs schrieb. Was schon vor 14
oder gar 16 tagen seinen anfang genommen hatte, kann doch so
viel spáter nicht noch einmal beginnen. Das meint er nicht und
sagt er nicht, wenn man ihn verstehen will. Der abschluss der
Evupuayla reiht sich unmittelbar dem abscliluss des friedens an,
und so gehürt ihm jener mit diesem, wenn auch nicht officiell,
doch nach seiner geschichtsbetrachtung noch in den ersten 10jüh-
rigen krieg. Was hernach weiter folgt, ist der anfang des neuen.
Mit zó 9égog Zoye zov Évdexazov Frovg wiederholt sich also hier
nur in andrer form, was oben c. 20 mit jenem redeviwytog tov
geéuorog Gua gs schon gesagt war. Es ist dies nur die andere
und nothweudige halfte zu der ersten. Dort wird vornehmlich,
wie's sein musste, das ende des voraufgegaugenen winters notirt,
hier daneben der gewohnheit gemäss, wie's immer geschieht und
nicht fehlen konnte, der anfang des folgenden sommers. Beides
gehört nothwendig zu einander ‘und ist darum eins und dasselbe.
Wer aber zu lesen versteht und bemerkt, dass die worte: xai 10
Jégog noxe tov évdexurou Ziovg schon hier noch vor den letzten
abschliessenden worten des 10jährigen krieges eingeschoben sind,
sieht auch, dass hier im zusammenhang an der passendsten stelle
zugleich die brücke zu der nachfolgenden erzählung geschlagen
wird, so dass im folgenden c. 32, 22 mit zov Jégovc rovrov auch
hier, wie sonst, auf diesen bereits gemeldeten sommersanfang zu-
rückgegangen werden konnte.
Nach dem gesagten wird es also wohl bei dem worte des
schriftstellers bleiben. Wie ers verspricht, hat er wirklich jedes
jahr nach sommer und winter erzählt, hat seine jahresepoche auf
die naturzeit des beginnenden frühlings, die frühlingsnachtgleiche
gestellt, und nöthigt uns an keiner stelle, sein J£gog mit Unger
theils nach dem Jégog, theils in den yesuwy zu setzen. Der an-
fang seines jahres, seines Jégog und seines Zug ist derselbe, der
jul. 26. märz,
Anfang des winters.
Dass Thukydides wie für den sommer so auch für den winter
einen bestimmten anfang gehabt hat, ist unter anderm schen daran
656 Jahresberichte.
zu erkennen, dass er mitunter, f, 93, 21: coyouérou zov yesuwros ;
B, 95, 3: rov xeuuwroc rovrov deyoudvou sagt, oder dem eintre-
tenden winter die bestimmung eèduç beifügt, e, 13, 22; È, 63, 1;
3, 2, 4, einmal.sogar beides verbindet, &, 76, 34: rov d’ àm-
yiyvopévov yesuwrvog doyouérou tó9vc. Hat seine eigene angabe :,
2, 30: di npusoslas Exaréoou (Fégovs, yesucvog) rov. dvsavıov
mya duvausr Eyovıog die massgebende bedeutung , die ihr an der
stelle zukómmt, so ist dieser bestimmte anfang die berbstgleiche
gewesen, nach dem seit 432 öffentlich ausgestellten, wenn auch
noch nicbt officiell in gebrauch genommenen cyclus des Meton der
90. tag nach der am 27. juni 432 beobachteten sonnenwende, der
jul. 25. sept. Mit diesem datum stimmt in der erzählung jede
zeitbestimmung, die in betracht kümmt; nichts was vom schrift-
steller in die winterhülfte verlegt wird, fallt, so weit map nach-
rechnen kann, vor, nichts in seiner sommerhälfte nach diesem
datum.
Dem winteranfang geht das q3i»ómwQov voraus. Auch für
dieses hat Thukydides einen festen anfang. Man sieht das an der
art, wie er von ihm spricht, 8, 31, 19: zeçgi dì 76 qJorvónugor
tov Oégovg zovıov; y, 100, 20: xeçi 10 gtevonwooy, noch mehr
wenn es heisst y, 18, 12: zepi 10 qOwonwgov In aggoperor.
Es kann kein zweifel sein, dass er auch diesen anfang mit Meton
und Euctemon (Unger p. 30. 56) auf den 16. sept. angesetzt bat.
Darnach muss der thukydideische wintersanfang, da das g9Ouvo-
zwgor, wie die obigen stellen zeigen, zu seinem Séços gehört hat,
um die dauer des qJivozwQor, wenigstens einiges später als der
16. sept. gefallen sein. +, 54, 20 ergiebt ein ähnliches resultat;
hier werden wir im Jégogc schon ein paar tage später über den
16. sept. heruntergeführt. Die Lacedämonier haben im sommer
419 ihren bundesgenossen einen zug gegen Argos angesagt: pera
tov péddovta (Kagveios d° ny unv, ispounriu Awoievos) mugaoxes-
aleadus we oreatevooutvovc. Der zug findet wirklich statt, wenn
auch nur bis an die feindliche gränze (z. 7) und wird von Thu-
kydides noch in den sommer des jahres gesetzt. Der dorische
karneios entspricht dem attischen metageitnion (Plut. Nik. 28), und
da die sonnenwende in diesem jahr auf den 23. juli fällt, der erste
tag des auf den karneios folgenden boedromion dem 20. sept. Es
bat also darnach der winter erst nach diesem datum seinen anfang
genommen.
Noch weiter herab und ans gänzliche ende des Jégoc gelaa-
gen wir, wenn auch etwas umständlicher, durch folgende rechnung.
Die mondfinsterniss, die Thuk. 7, 50, 1 im sommer 413 erwähnt,
hat stattgehabt abends am 27. august. Die seeschlacht, welche die
Syrakuser darauf so schnell wie möglich erzwingen wollen (c. 51,
15: we zuyıora) und zu der sie sich einige tage in stand setzen,
2. 17: j)u£gag 000» uviois Edoxovo ixavai siva, wird stattgehabt
Jahresberichte, 657
haben den 31. august. Die Syrakuser verschliessen den hufen
evdus, c. 56, 18, wie Diodor sagt, am 3. tage, also den 2. sept.;
letzte seeschlacht den 3. sept. Darnach aufbruch der Áthener c. 75,
24: :oí: nuéog ano tic vavuayl«c, den 5. sept. Die einzelnen
tage^des marsches sind in der erzühlung des Thukydides deutlich
zu erkennen. C. 78, 28: ruvty rj nuéog, tag des autbruchs,
1. tag, den 5. sept. ; ; z. 90: nudlouveo, nacht vom 1. auf den 2.
tag; 2. 30/31: Th d vorzegala "9o , frühe des’ 2. tages; z. 9:
1j d voregula oi “APnvaios nçofeouv, 3. tag; c. 79, 15: 790
dè apunreg Enogsvovro avdıc, 4. tag; z. 23: dvenavorto , z. 93:
nuAlguvso, nacht des 4. auf den 5. tag; 2. 33/1: rj 0 vorequlg
meovyweour, 9. tug; z. 8: dvenuvovio | c. 80, 10: r7¢ dé vexroc,
nacht des 5. auf den 6. tag; z. 28: pa di ty £p, morgenroth
des 6. tages; c. 81, z. 6: ws n te luta éyévero, z. 11: mei
uglotoy wear, c. 82, 4: de — R z. 11: opodoyla ylyverus,
6. tag; z. 19: dguxvobvias F 1} nuéea, noch vor nacht am 6.
tage; c. 83, 22: if voroalu, 7. tag, 2. 34: uéyos oyé, abend
des 7. tages; c. 84, 8: inudn Suéça éyévero, anbruch des 8,
tages, c. 85, 33: Nixlac Tudlanw favróv nagadidwos, am 8.
tage, also deu 12. sept. Dieser 8. marschtag, an welchem demnach
Nikias die waffen gestreckt hat, ist’s denn auch, der sich bei Plut.
Nik. 27 dafür angegeben findet: x«i magà mácav yt my mogelay
ig neous OxtW Buddowevoc xai ToavparsCousvos vxo WY mo-
Aculwy anııyıov épularte rà» GÙv avid duvupsy. Ist aber dieser
tag, wie Plut. Nik. 28 weiter meldet, rezgas PIlvorıos ro Kag-
velou jsnvos gewesen, so geht daraus hervor, dass der dorische
kalender damals nicht genau zur natur gestimmt hat; würe er mit
dem mondlauf in übereinstimmung gewesen, hätte als tag der waf-
fenstreckung des Nikias in Syrakus nicht, wie Plutarch sagt, der
27., sondern der 29. karneios gefeiert werden müssen,
Von diesem 12. sept., wo Nikias sich ergab, bis dahin, wo
Thuk. 9, 1, 2 den sommer zu ende gehen lüsst und den winter
beginnt, c. 2, 3, mügen vergangen sein, bis fliehende Athener nach
Katana kamen, 2 tage; 7 weitere tage, bis die nachricht nach
Athen gelangte; 2 tage über dem unglauben in Athen, noch 2 bis
8 tage, bis es in Athen zu beschlüssen kam, im ganzen also 13
bis 14 tage nacb der gefangennahme des Nikias, womit wir für
jenes: rov d’ éntysyvopévou yauwros, was wir suchten, den 26.
sept, die herhstgleiche als den wintersanfang gefunden haben. Es
würde unstatthaft sein, für die worte bei Thuk. 9, 1, 24: Suwe
dì — xui 10 9égog érekeura, mehr als die dafür angesetzten tage
zu fordern ; es handelt sich hier nur um entschliessungen; dass
diese erst im folgenden winter nusgeführt werden, wird c. 4, 14:
Tageaxevalorto dì xai "A3nvuios, woneg dievojInoar, aufs be-
stimmteste gesagt.
Unger rechnet auch bier wieder anders ale die leser bisher.
Philologus. XLII. bd. 4. 44
658 Jahresberichte.
Wührend des marsches, sagt er p. 62, habe der tag nicht 7mal,
wie man allgemein angenommen hat, sondern nur 4mal gewechselt.
Jene obige angabe des Plutarch von den 8 tagen beruhe auf miss-
deutung des Thukydides, seiner hauptquelle, sei nichts als ein
missverstandniss. Unger sieht nicht, dass Plutarch hier neben Tha-
kydides noch eine andere quelle hat, aus der ihm die speciellstea
und bestimmtesten nachrichten zufliessen. Aber abgesehen davon
werden die wenigeren tage, die Unger für den marsch ansetzt, und
die behauptung, auf die er sie stützen will, Thukydides habe den
neuen folgenden tag, seine voregaía, mit sonnenuntergang beginnen
lassen, durch die erzühlung des schriftstellers aufs augenfälligste
widerlegt. Die 4 tageswechsel, welche Unger allein zulässt, wer-
den nach ihm vom schriftsteller angemerkt : 78, 30; 78, 9; 79,
33/1; 83, 22. Man lasse das einen augenblick gelten, und sehe,
was daraus folgt. Dann ist also 78, 9 bei 77 d’ vortQaía of
*Adnvaïos nponeouv abend. In der frühe des tages, der diesem
abend vorhergeht, 78, 31, sind sie vorwärts marschirt, haben nach
einem marsch von 20 stadien in der ebene ein lager aufgeschlagen,
lediglich zu dem zweck, um sichrer und ausgedehuter fouragiren
zu können, haben dann fouragirt, und natürlich ist es darüber abend
geworden. Aber rast dürfen sie nicht machen, sie müssen weiter
(17 d' voregula . . ngoneoar), werden auf ihrem marsche ringsum
von den feinden umschwärmt, haben so mit diesen andauernden
kampf (yoóvov ui» moÀóv Zuuyovıo), und es bleibt ihnen nichts
übrig, als in ihr altes lager zurückzukehren. Inzwischen hat die
zeit doch wohl nicht stillgestanden, es wird von abend morgen ge-
worden sein, also kaum in ihrem alten lager angekommen, brechen
sie ohne rast wieder auf, mem dì «avr; énogevorro avdic, mü-
hen sich den tag über vergebens ab, einen hügel, den die Syra-
kuser auf ihrem wege befestigt hatten, zu nehmen, kehren darauf
wieder um, zuerst nur ein theil von ihnen, c. 79, 23: Gvexwigovr
máAw xal üvenavovıo, dann alle (z. 32: n«on rj; OrgaTig drayu-
onouvies —- nvAlonyro), und wollen nüchten, und sie nüchten auch
wirklich, es heisst ja nvdtoavto. Aber nein. 33/1 steht ja: 17
d’ voregaly "Qovyugovr, also wieder keine rast, und mit dem an-
brechenden abend sind sie wieder auf dem neuen marsch, sind wie-
der von Unger um ihre nachtruhe gebracht, unaufhörlich so fort,
jetzt schon dreimal, und doch soll es immer noch so weiter gehen.
Und für diese unmöglichkeiten, die die Athener hier über men-
schennatur doch möglich machen, hat Thukydides kein wort, kein
wort für die nächtlichen kämpfe, deren er doch sonst stets geflis-
sentlich erwähnung thut, kein wort dafür, dass avAllsc9as bei
diesem fluchtversuch der Athener nicht wvAlleoIas, sondern xgo-
awosir bedeutet. Doch genug, ich will meine leser mit all den
andern ungeheuerlichkeiten, die sich noch aus Ungers tagesrech-
nung ergeben, nicht weiter ermüden, auch hier nicht weiter be-
Jabresberichte. 659
sprechen, wie er p. 64 ff. ,die richtigkeit seiner auffassung im
einzelnen nachweisen* will, wobei er damit beginnt, uns Diod. 13,
19 vorzuftihren, der auch wie Unger für die änderung der marsch-
route den dritten tag angebe, während gleich das uicht stimmt, da
er nach Ungers rechnung nicht den 3., sondern den 4. tag hätte
anmerken müssen. Es ist hier um so weniger grund, auf alles
dieses genauer einzugehen, weil auch Unger schliesslich, worauf
es mir allein ankómmt, das ende dieses summers (9, 1, 2: xai 16
9égog éredevta), ganz so wie es sein muss auf den 26, sept. an-
gesetzt hat.
Mit diesem für den wiuteranfang gefundenen termin ist zu-
gleich die genauere erklirung der zeitbestimmung in e, 76, 34
gewonnen. Dort heisst es: rov d° émiysyrouérou yetwros apXo-
pévov evdus oi Auxedarporsos, End) ta Kagvesa nyuyor, ète-
orgurevouy. Es ist der beginnende winter ol. 90, 3, 418. Der
1. hekatombaion des jahres fällt, wie ihn Redlich, Müller und
Boeckh (Monde. p. 19) für die attische octaéteris berechnet haben, auf
den 7. august; der erste metageitnion — karneios auf den 6. sept.
Das fest der karneien, das vom 7. bis 15. karneios begangen
wurde, ist also zu ende gewesen den 21. sept. Wir sehen daraus,
wie wir hier das ev9u¢ beziehen und verstehen sollen. Es schliesst
sich, wie auch sonst, unmittelbar an das verbum an, hier @eorgu-
revoar, und sud, 1a Kdgvese Ayayov ist in anknüpfung an die
vorausgegangene erzählung eingefügt. Erzählt wird hier also,
dass die Lacedümonier sogleich in der wintershälfte, mit oder
gleich nach dem 26. sept. ausgerückt sind, nachdem sie mit dem
21. sept. ihr karneienfest zu ende gefeiert hatten. Es kann dem-
nach auch diese stelle zum beweise dienen, dasa Thukydides sich
nach der attischen octaéteris, nicht nach dem meton. cyclus ge-
richtet hat. Meton bat den 1. hekatombaion 418 auf den 12.
juli gesetzt.
Die allgemeinen folgerungen mit dem so gefundenen winter-
anfang sind damit von selbst gegebep. Der thukydideische yes-
pov hat
1) mit seinem J£goc die gleiche dauer von 6 monaten, wie
Thukydides es e, 20, 30 f. ausspricht, nicht die dauer von 4 mo-
naten des geschlossenen meeres vom 11. november bis 10. mürz.
Wo diese einmal erwühnt werden, ©, 21, 7, stehen sie in dem
briefe des Nikias und haben mit der zeitrechnung des schriftstellers
selbst nichts gemein. Bedürfte es nach dem obigen noch einer
widerlegung dieser annahme, so würde schon der hinweis auf die
leichenrede genügen. Thukydides setzt sie in seinen winter, noch
dazu an zweiter stelle, offenbar weit vom anfang desselben, da das
neld es, B, 33, 12 lehren muss, dass die zeitkostende unternehmung
der Korinthier gegen Akarnanien und Kephellenia erst mit dem
eintretenden winter begonnen hat. Der epitaphientag, an dem die
44°
660 Jahresberichte.
leichenrede gehalten ist, ist der 7. pyanepsion (A. Mommsen, He-
ortol. p. 278 ff.), im jahr 431 der jul. 6. nov.; wir sehen also
auch so, dass der thukydideische winter dieses jahres und jene
seeunternehmung der Korinthier um ein bedeutendes vor dem an-
fang des geschlossenen meeres begonnen hat. Und
2) beginnt der thukydideische winter auch nicht mit dem
monat des ersten vollmonds nach der herbstnachtgleiche, wie Em.
Müller es will. Die beiden gründe, die ihn zu seiner normirung
der thukydideischen jahrestheilung bewogen haben, haben im obi-
gen, wie sie es gar sehr verdienen, ihre volle berücksichtiguog
und würdigung gefunden. Die d, 52, 26 in die sommerhälfte ein-
gerückte sonnenfinsterniss wird durch den zusammenhang und die
fassung der erzählung vollkommen verständlich, und die vom as-
tritt des marsches der Athener vor Syrakus bis zum neuen winter
verflossenen tage, die Em. Müller über die herbstgleiche binaus
glaubte ausdehnen æu müssen, haben uns nach der weisung des
schriftstellers selbst genau und ohne willkür berechnet gerade auf
die herbstgleiche als den anfang des winters hingeführt. Kommt
nun ‘hinzu, dass die von ‘Em. Müller vorgeschlagene jahrestheilung
weder vom schriftsteller selbst noch von sonst einem alten je mit
einem worte bezeugt wird, so wird man nicht umhin können,
hoffe ich, der zweitheilung des jahres, die die natürlichste von der
welt ist und sieh von selbst ergiebt, vor jener künstlichen, za der
uns nichts mehr zwingt, auch in zukunft ihren verdienten vorrang
eu lassen,
Ich darf diese chronologische besprechung nicht verlassen,
ohne schliesslich noch des einjábrigen waffenstillstandes zu geden-
ken und der chronologischen daten, die wir bei dieser gelegenheit
vom schriftsteller erhalten. Doch will ich kurz sein und nicht
vergessen, dass diese daten mich hier nur in so weit angehen, als
sie zur erklärung des Thukydides gehören. Thukydides leitet sei-
nen hericht von dem einjährigen waffenstillstand ein mit den worten,
d, 117, 15: ^axidoiuóvios dì xal °A9nvaîos apa jes tov ém-
ytyvouévou YEgovg evdus exeyergluv enosjoavro triavoror. De
üpa 704 euduç dabei steht, so hat also dies &xeysıplav éxosyoarm
stattgefunden sogleich am 26. oder in den ersten tagen nach dem
26. märz 423. Hernach erfahren wir c. 118, 2 zw. 8 zw., dass
der waffenstillstand abgeschlossen ist und seinen anfang genommen
bat reigida ni dixa rov '"Elagnflohurog unrôç, am 20. april
(Boeckh, Monde. p. 79. 88 ff.). Nach den angaben des Thukydides
ist also thatsache dies, dass von jenem éxeyesglay Énosncavro an
bis zu diesem abschluss die zeit vom 26. mürz bis zum 20. april,
also 25 tage verflossen sind. éxeyesgfar éenosjoarto heisst also:
sie traten in verhandlungen über den waffenstillstand ein, und muss
man hinzufügen: nachdem sie bereits beiderseitig einig und fest
entschlossen waren, ‘einen ‘waffenstilistand ‚einzugehen. ‘Dese :men
Jahresberichte. 661
sich die sache so zu denken hat, zeigt die parallelstelle a, 22, 22:
wc d' aviQv ovx écnxovov, éxelvoug uiv àné£nspwav, ab1oi dì
Reds 1096 Adnvalovg Evpuaylur énosovrio. Wenn Unger, Att.
kal. p. 23, den unterschied der beiden tempora darin findet, dass
durch das imperfectum der erste schritt, der versuch zu unterhan-
deln, von der führung der verhandlungen selbst unterschieden
werde, während mittela des aorist ein hinweis auf den gedeih-
lichen fortgang gegeben sei, der zu einem glücklichen ende
führen musste, so sieht mau leicht, wie verwischt und nebelhaft
das letzte unterschieden ist, wenn auch in dem ersten theil der be-
merkung eine wahrheit steckt. Näher schon kömmt der sache
Classen, der zu énosoùvro die anmerkung macht: einleitendes im-
perfekt „sie entschlossen sich ein bündniss mit Athen zu schliessen“.
Ganz treffend ist auch das nicht, denn „sie entschlossen sich“ iat
ein einmaliger akt, der wiederum nur mit dem aorist auszudrücken
gewesen ware. Den sinn des imperfekt Euauuylur énosoürro giebt
erst wieder, wenn wir sagen: sie pllogen verhandlungen zu einer
Evupuyla, sie thaten das in der absicht, wo möglich zu einer
Evuuuylu zu kommen, Die gepflogenen verhandlungen findeu später
z. 30 in yerouérwr Aoywy ihren ausdruck, und Evrépnour be-
richtet dann einfach die thatsache, dass es zu der beabsichtigten
Evufacig wirklich gekommen ist. Dies SuréByoav und jenes éxe-
yesoluy Enosnouvıo stehen also auf derselben linie; ulsu ist auch
in jenem éxegesglurv Enosnouvıo nicht mehr von einer absicht die
rede, durch verhandlungen wo möglich zu einem waffenstillstand
zu gelangen, das war bereits beschlossene sache; sondern nur da-
von, die einzelnen punktationen des vertrages bestimmt und ab-
schliessend zu formuliren. Dass, wie wir aus Thukydides sehen,
im ganzen 25 tage gebraucht wurden, um damit au stande zu
kommen, mag man gern etwas auffállig finden. Aber die verhand-
lungen wurden nach c. 118, 29 zw. iu Sparta geführt. Es mussten
alsu erst die athenischen gesandten sich dort einfinden, es mussten
die gesandten der spartanischen bundesgenossen dorthin berufen
werden, dann fand erst das bin und wieder der eigentlichen ver-
bandlungen statt, und nachdem man so über den vorläufigen ent-
wurf übereingekommen war, gingen die beiderseitigen gesaudten
mit diesen abmachungen nach Athen, wo dann endlich am 20. upril
in der athenischen ecclesie der endgültige beschluss gefasst wurde.
Jedenfalls ist die dauer der 25 tage eine thatsache, die man eben
hinzunehmen hat, an der aber auch sonst kein anstoss genommen
wird.
Dagegen hat zu einer coutroverse anlass gegeben, dass der
14. elaphebolion als der tag bezeichnet wird, an welchem in der
athenischen volksversammlung der waffenstillstand ratificirt wird,
während e. 119, 13 von dem abschluss desselben waffenstilistandes
der 12. tag des lukonischen gerastios genannt wird. Ist damit
662 Jahresberichte.
derselbe tag gemeint, das eine mal nach dem attischen, das andere
mal nach dem lakonischen kalender, so ist aluo damals der attische
kalender dem lakonischen um 2 tage voraus gewesen. Nun aber
wird ¢, 19, 10—11 der Gletzte elaphebolion 421 dem Aletztea
lakonischen artemisios gleichgesetzt, ulso ist damals, 2 jahr später,
der attische kalender hinter dem lakonischen 2 tage zurück. Um
diesen widerspruch der beiden kalender zu heben, versucbt Es.
Müller es (p. 25) mit einer eignen interpretation der anfangs-
worte von c. 119 und bebauptet, was dort vom 12. gerastios er-
zählt werde, sei nicht das c. 118 erzählte faktum des 14. elaphe-
bolion. Mau müsse unterscheiden. Am 12. gerastios sei man in
Sparta über die bedingungen einig geworden, die in Athen vorge-
schlagen werden sollten; am 14. elaphebolion seien diese in der
athenischen ecclesie angenommen und von den drei athenischen feld-
herrn entweder sogleich daselbst in die hünde der peloponnesischen
gesandten oder etwas später in Sparta bei den dortigen behörden
beschworen worden. Aber man darf die anfangsworte von c. 119
nur ansehen, um auf den ersten blick zu erkennen, dass das nicht
der fall ist. Sie lauten: ravra Evy£9evro Aaxsdasuovios xol wuo-
Adynoav xai oi Evupuyos, “A9nvauloss xui Toig Evuuayoss unvóg
Ev Aaxedaluovi Teguoılov dwdexury Evvert9evio dé xai eonty-
dovro Auxeduspoviwy uèv olde. Ich habe wuodoynouy hergesetzt,
wie auch Em. Miller mit recht die stelle liest, nicht mit dem Va-
tican und dem Münchner Wuocar, was allein schon die sache ge-
gen Müller entscheiden würde. Aber ich mag diese hülfe auch
hier nicht; der Vatic. sowohl wie der Monac. geniessen in meinen
augen heut zu tage einen ganz unverdienten glauben. Auch ohne
wpocuv ist die sache deutlich genug. Tavra geht zurück auf
alles, was von édoge 7 dnuw an c. 118, 30 gesagt ist, also
auch mit auf den inhalt der worte z. 32: x«94à Evyywoovcı Aa-
xedusporior xal ob Evuuuyos avıwv. Nach Müllers auffassung
würden also die worte: zuvra £vréderro dasselbe noch einmal brin-
gen, was vorher schon gesagt war. In dem ruvra steckt aber
zugleich auch, was neues in der athenischen ecclesie am 14. ela-
phebolion den von den peloponnesischen gesandten herübergebrachten
bedingungen hinzugefügt wird. Das kaun also nicht schon vorher
in Sparta verabredet sein, Sodann wäre von diesen vorläufigen
bestimmungen £ur&derzo der unzutreffendste ausdruck. Eine Ev»-
Ynxn wurde aus diesen bestimmungen erst, nachdem sie von der
athenischen ecclesie angenommen waren. Offeubar wird dies EvȎ-
Ferro hernach von dem Evver(Fevro wieder aufgenommen, sprach-
gemäss jetzt im imperfect, weil dieselbe handlung in den einzelnen
gesandschaften und ratificirenden eine sich wiederholende ist. Und
zuletzt steht nicht à» Æuxeduluovs pnvdg Teouorlou Öwdexarn,
sondern unrög iv Aaxedaluovi Tegucılov dwdexuty. So gut s,
19 der tag des 50jährigen friedensvertrages nach beiden kalendern
Jahresberichte. 663
angemerkt ist, musste es auch hier beim einjährigen waffenstill-
standsvertrage geschehen. Ginge der 12, gerastios auf deo tag
der vorbestimmungen in Sparta, so würde es also eio mangel sein,
wenn in dem entscheidenden vertragsinstrument der tag des spar-
tanischen kalenders nicht gemerkt wäre. Ausserdem wäre es sehr
überflüssig, weil ganz zwecklos gewesen, so sorgfaltig den tag
der vorbestimmungen zu bezeichnen, der für die sache selbst so
ganz ohne bedeutung war. Nach alle dem kann also keio zweifel
sein: was c. 118 vom 14. elaphebolion und c. 119 vom 12. ge-
rastios berichtet wird, ist dasselbe faktum, der 12. gerastios im
spartanischen kalender ist derselbe tag mit dem 14. elaphebolioo
im attischen, und wenn jetzt der spartanische kalender dem atti-
schen um 2 tage voraus ist, 421 aber, 2 jahr später, gegen den
attischen um 2 tage zurück, so hat inzwischen eine reguliruog des
einen oder der beiden kalender stattgefunden, wodurch diese diffe-
renz der beiden kalender von 423 gegen 421 um 4 oder 5 tage
zu stande gekommen ist. Auf die erklärung dieses unterschiedes
ist hier nicht einzugehen, sie liegt ausserhalb des Thukydides, und
ist auch längst von Boeckh (Monde. p. 86 ff.) auf das ausführ-
lichste und griindlichste gegeben worden.
So darf ich mich also sogleich zu der zeitangabe wenden, mit
welcher Thukydides von dem abgelaufenen einjährigen waffenstill-
stande spricht, zu den viel behandelten worten zu anfang des 5.
buchs. Man hat es mit der stelle auf die verschiedenste weise
versucht. Bald ist vom rande etwas in den text gekommen, bald
ein ganzer satz herausgefallen, bald der schriftsteller selbst durch
die parenthese von seinem ursprünglichen wege abgeirrt. Ich
meine, Thukydides würde, auch wenn er alle diese wunderlich-
keiten seiner ausleger hätte vorausseheo können, das was er zu
sagen hatte, doch schlecht und recht und griechisch nicht anders
gesugt haben, als wie es jetzt im texte steht; denn verlangen
muss er doch, dass man acht hat auf das, was er schreibt, auch
wenn es nur eine partikel ist. Ich brauche hier nicht einmal
weitläuftig zu sein, eigentlich müsste die blosse übersetzung der
worte es schon thun. Sie lauten: zov d’ ensysyvoutvou Ségovc
ai uiv èriuvosos Gnordai diedéAuvio u£yos Aviv . ... Kitwy
dì “AFnrulovg neloag &¢ ıd ni Oouans ywola èEErndevoe wera inv
ixeyesQlav, und das heisst zu deutsch, nicht bloss dem sinne, son-
dern auch den worten nach: „Im sommer darauf war freilich nach
ablauf des einjährigen vertrages wieder kriegszustand auch schon
in der zeit bis zu den pythien, aber erst oach diesen ging Kleon,
nachdem er die Athener dazu vermocht hatte, nach Thrakien unter
segel*. Dass das einen gesunden sion hat und guten zusammen-
hang, wird hoffentlich zugegeben: ich habe also nur die übersetzung
zu rechtfertigen. Ich behaupte sogar, dass sie wörtlich ist, aur
ist in ibr, wie's billig ist, durch weglassen uud zusetzen, dem cha-
664 Jaliresberichte,
rakter der einen und der andern sprache die nôthige rechnuag ge-
tragen. Weggelassen ist das dé in zov d’ émysyvouérou 3£gow,,
wir Deutsche haben solche übergangspartikel nicht im fortgang der
erzühlung; das folgende uéy, zwar, freilich, ist vou den auslegern
entweder ganz überseheu oder missverstauden; Krüger sagt dazu:
„dem Er entspricht nicht Kigw» dé, sondern die näcbstfolgende
erzühlung ; er meint: xai éy ij éxezecela *Adnraïos und setzt nach
Ilv9iwy ein punktum. In Oselélurro dem plusquamperfect liegt zu-
gleich ein imperfect, das hat Krüger richtig erkannt; er übersetzt:
der jährige vertrag war erloschen und es war wieder krieg.
Míyos Hv3twv habe ich wiedergegeben durch: in der zeit bis zu
den pythien, nach analogie von a, 54, 23: Koglrdıoı pèv xça-
znoavısg rjj vavpuyly uéyos vuxıog, in der zeit bis die nacht ein-
brach, und öfter. Hier habe ich auch schon uud hernach erst
hereingesetzt, ohne mir damit etwas herauszunehmen, lediglich wie
es unsere sprache fordert. Krüger sagt einmal bei gelegenheit von
xaí wahr und schön: „überhaupt genügt die lockere verbindung
durch x«( in vielen fallen, wo wir dem verstande der leser durch
genaueren ausdruck nachhelfen“. Das wort hat seine allgemeine
geltuug. Man spricht jetzt gern vom verschiedenen genius der
beiden sprachen; es würe wohl zeit, in den grammatiken und in
der erklärung auf diese kleinigkeiten, dieses feine mienenspiel der
sprache mehr acht zu haben, um diesem genius uäher zu kommen.
Wie xal ófter bei uns oder heisst, und wirklich, und we-
nigsteus, und schon, und «Au oder, und ué während
und dé während, und andres der art, so ist auch mancher aus-
druck in unsrer rede im griechischen oft gar nicht vorhanden, und
also auch nicht wiederzugeben, wie oft unser: nur, schon, erat,
dano, bloss, zu (bei unsern positiven), eben, auch, sonst (andern-
falls) u. a. m. Ich gebe hier keine beispiele, weil es endlos ware,
und sie den kenuern des griechischen zahllos genug zur hand sind.
Ich habe hier erst hereingesetzt. Man sage mir doch, welchen
ausdruck Thukydides dafür aus seinem griechisch hätte nehmen
sollen? Er hatte eben keinen, schrieb aber darum, wie überhaupt
die alten, so sachlich und klar, dass wir sehr wohl, wie Krüger
sagt, aachzuhelfen im stande sind. Der deutlichkeit wegen habe
ich in der übersetzung die parenthese weggelassen und durfte des-
wegen das wera ijv Exegssolav durch das blosse pronomen wieder-
geben. Es drückte sich damit nur um so bestimmter die meinung
aus, dass diese éxeyesgiu wie in der parenthese die waffenrube der
pythischen festspiele ist, nicht die waffenruhe des einjahrigeo ver-
trages. Dieser war mit dem 14. elaphebolion 422 zu ende ge-
gungen, der in dem jahre auf unsern 9, april fällt. Von som-
mersanfang , vom 26. märz bis dahiu sind also noch 14 tage,
allerdings noch zeit genug zur nachträglichen vollstäudigen reini-
gung von Delos. Aber wenn eben dueA£Avrro vorhergeht und daria
EEE u
Jahresberichte. 665
der gedanke gegeben ist, dass schon wieder kriegsstand war, so
wäre es ungeschickt und unmöglich gewesen, fortzufahren: xai év
th éxeyergfg, während welcher waffenruhe, dann doppelt ungeschickt
und unmöglich, wenn z@» /7v3(u» vorausgeht und diese eben auch
eine waffenruhe mit sich bringen. Mit dicA£Avrzo ist also in dem
neuen sommer die einjährige waffenruhe eben so gewiss schon
vorüber und ausser gedanken, wie mit zwy Mud wy diese neue
waffenruhe der festspiele da ist und den gedanken vorschwebt, auf
die dann einzig auch, wenn es nun heisst: „und in dieser (77)
waffenruhe“ die rede zurückgeht. So weit das sprachliche, zur
sache noch folgendes. Es werden hier im neuen kriegsjahr zwei
begebnisse berichtet, die reinigung von Delos und die expedition
des Kleon nach Thrakien, ein friedliches und ein kriegerisches, bei
dem letztern erfahren wir zugleich, dass Kleon, der anführer selbst,
es gewesen ist, der die Athener zu der unternehmung vermocht
hat. Beides ist um dieselbe zeit geschehen, wie wir jetzt von A.
Kirchhoff gelernt haben (Monatsber. der b. akad. 1864), erst an-
fang august. Bis dahin war also vom neuen jahr uichts zu be-
richten, und es bedurfte für die zuerst zu meldenden begebenheiten
der zutreffenden passenden zeitbestimmung. Ein Jépouç puecovrios
stand ihm hier nicht zu gebot, das würe mehr als eiu monat zu
früh gewesen, ein 2006 10 qJivónwgov um einen monat zu spät;
und durch ein perd dé rovio, wie sonst, konnte er sich auch nicht
helfen, eben weil es die ersten begebenheiten des jahres waren.
Will ich also sagen, dass er deswegen zur notiz uéyos Mudlwy
gekommen ist? Auch das nicht. Ich traue dem Thukydides un-
glaublich viel zu, und so auch hier, dass es ihm schon sonst ir-
gend wie müglich gewesen würe, eine andere zeitbestimmung zu
finden, die nichts als zeitbestimmung war, wenn ihm nicht gerade
pí£yos Ilv3lwy hier als eine bedeutungsvollere erschienen wäre.
Au uns ist es, für solche dinge ein auge zu haben. Einen guten
tiefsinnigen schriftsteller versteht man eben nicht, wenn man nicht
hinter seinen zeilen liest, und meist ist gerade das werthvollste,
aber auch das erfreuendste, was er andeutend verschweigt. lch
müsste mich sehr irren, wenn hier nicht der pythische Apoll und
der delische eine heimliche beziehung zu einander hätten. War es
für den geschichtschreiber eine thatsache, dass die feier des (mehr)
dorischen gottes den Athenern ein anlass war, auch des (mehr)
ionischen gottes noch einmal zu gedenken, so war es ganz in
seiner art, das durch dieses puéygs JvO(wv», durch einen strich,
olne viel worte darüber zu machen, seine leser bemerken zu las-
sen. Es wird für ihn ebenso eine thatsache gewesen sein, dass
die aufführung des aristophanischen friedens an den grossen Dio-
nysien mit das ihrige zum Nikiasfrieden gethan hat; auch da nur,
wie hier, eine blosse zeitbestimmung , dx Æsorvolwr exdig iy
“ouxwy, und das ist, scheint mir, im munde dieses schweigers ein
666 Jahresberichte.
so grosses wort iiber den dichter, als wenn andere sein lob durch
die posaune verkünden. Aber ich môchte nicht missverstanden
werden. Ich sage also in meiner erklürung der stelle, um auch
das noch deutlich und bestimmt hervorzuheben, ein doppeltes nicht;
erstens nicht, wie Grote und Arnold die sache auffassen, der ein-
jährige waffenstillstand sei entweder durch eine fórmliche überein-
kunft oder bloss faktisch noch bis zu der pythischen feier verliün-
gert worden; das lässt sich nun und nimmer aus den worten des
Thukydides herauslesen, vielmehr ist in dem dseAéAvyro gerade das
gegentheil gesagt. Und zweitens sage ich nicht mit Böhme, dass
die pythische festfeier wieder eine neue waffenruhe uud eine ver-
hinderung des kriegfiihrens mit sich gebracht hatte. Nur den theil-
nehmern und den wallfahrern hin und her sicherten die öffentlichen
feste einen schützenden frieden. Sondern péygs [lvdlwy soll alles
das nicht, und zunächst nichts anders sein als eine zeitangabe für
die beiden ersten begebnisse des neuen jahres.
Wenn ich nun schliesslich zu der zweiten thatsache im be-
richte dieses zehnten jahres komme, so muss ich zuvor daran er-
innero, so überflüssig es erscheinen mag, dass Thukydides eine
kriegsgeschichte schreibt. Ich weiss wohl und habe selbst einmal
mich weitlüuftiger darüber ausgelassen, dass er mehr als das giebt;
aber wo er einmal fremdes gebiet berührt, sieht er sich wobl vor,
sich zu weit hineinzubegeben und bleibt sich seines eigentlichen
zweckes bewusst. So auch hier. Nach ihrem missgeschick bei
Pylos war bei den Lacedümoniern, nach ihrer niederlage bei De-
lium und Amphipolis bei den Athenern das verlangen nach frieden
lebendig geworden (d, 19, 34; d, 20, 34; d, 21, 20; d, 108,
13 zw.) Das hatte endlich zum einjährigen waffenstillstand ge-
führt (d, 117), der mit der auch im vertrage ausgesprochenen ab-
sicht eingegangen war, durch weitere verhandlungen schliesslich
zum beiderseitig gewünschten dauernden frieden zu kommen (6,
118, 15 ff.; d, 118, 2 zw. — 8 zw.). Und wie es im vertrage
&bgemacht war, so geschah es wirklich. Die boten gingen bin
und her (d, 119, 22), und ihrerseits, das dürfen wir voraussetzen,
wird es an der bemühung nicht gefehlt haben. Aber doch blieb
es einstweilen noch ohne erfolg. Der waffenstillstand lief ab, aber
zum frieden war es nicht gekommen. Muss der schriftsteller erst
mit einem worte sagen, woran das gelegen, dass hüben und drüben
eine kriegspartei war, die den frieden zu verhindern wusste? Es
ist nicht seine art, das zu thun, wenn er wie hier die thatsachen
sprechen lassen kann. Obgleich waffenstillstand war, geht Brasidas
ruhig seine wege weiter und kümmert sich nicht um ihn. Auch
hier zeigt der schriftsteller, was bei ihm ein blosses x«f vermag
(d, 135, 3). Und die Athener? Sie ihrerseits sind ehrlich und
thun von staatswegen, was sie sollen. Sie wahren den waffenstill-
stand, ja halten sich still lange über ihn hinaus, so dass der
Jahresberichte. 667
schriftsteller vom 9. april bis anfang august nichts zu berichten
hat. Aber wie dort das xuf, so ist hier das °A9nvulovs nelouç,
&, 2, 22, ein sehr verständliches wort; wir sind mit ihm mitten
in der athenischen ecclesia und glauben die debatten für und wider
zu hóren. Aber die reden bekommen wir hier nicht; die beider-
seitigen motive für krieg und frieden waren bei gelegenheit von
Pylos, bei gelegenheit des waffenstillstandes uns wieder und wie-
der mitgetheilt, und wenn wir noch nicht wissen sollten, mit wel-
cher absicht Brasidas in Thrakien war und Kleon dorthin abging,
so wird es uns nachträglich noch mit dem bestimmtesten wort ge-
sagt, dass es sich für den einen wie für den andern um nichts
geringeres als um die hegemonie des eigenen staates gehandelt hat,
e, 16, 3°). In diesen vorausgegangenen kampf der kriegs- und
friedenspartei in Athen führt uns also das sseloug herein und be-
lehrt uns zugleich darüber nach allen vorher gegebenen weisungen,
dass bisher in diesem jahre die dem frieden geneigteu es werden
gewesen sein, die den krieg hinausgehalteo haben, jetzt aber be-
siegt den gegnern das feld räumen mussten. Aber warum gerade
zu dieser zeit, warum ist es erst jetzt, anfang august, bald nach
der pythischen festfeier zur expedition nach Thrakien gekommen?
Es wäre interessant, wohl gar von massgebender bedeutung , auch
das zu wissen. Oder vielleicht wissen wir es schon, und es fehlt
nur einigen von uns noch an unbefangenheit und einsicht, um so-
gleich die belehrung anzunehmen, die Müller-Strübing uns in sei-
ner neuwahl des staatsschatzmeisters bietet. Aber jedenfalls ist
das noch eine offene frage, die ich lassen muss; es ist das eine zu
langathmige controverse, als dass ich hier nach gebühr darauf ein-
gehen dürfte,
Meine auffassung der stelle kómmt also in der hauptsache,
wie man sieht, wenn auch in der erklürung sehr abweichend, auf
den sinn hinaus, den auch andere schon in den worten gefunden
haben, und den Müller-Strübing als den der Englünder Grote und
Arnold in den worten wiedergiebt: „Der waffenstillstand war ab-
gelaufen, der beginn der feindseligkeiten ward aber hinausgeschoben
bis zu den pythien‘. Zu diesen worten bemerkt er nun unter dem
text (Aristoph. 390): „Wenn dem so ist (er meint: wenn Thuky-
dides diesen sinn hat ausdrücken wollen), so wird mich niemaud
überreden, Thukydides habe das, was er sagen wollte, in so kin-
disch stammelnder, ja cretinhafter weise ausgedrückt, und da durch-
aus kein grund denkbar ist, um dessentwillen man hier eine ab-
sichtliche dunkelheit voraussetzen könnte, so kann ich nicht anders
als hier eine verderbniss des überlieferten textes annehmen“. Wenn
Thukydides aber doch, wie ich mit voller überzeugung und ohne
3) Die erklürung der bisjetzt nicht oder nur halb verstandenen
worte unten an passenderer stelle.
668 Juhresberichte.
den leisesten zweifel behaupte, die worte, wie sie jetzt dastehen,
und nur diese worte in dem angegebenen siune geschrieben hat,
so wäre er also olıne gnade jenem urtheile Müller-Strübings ver-
fallen. Er wird auch das noch ertragen kénorn, und auch mich
erregt es nicht mehr. Der belesene, gelehrte, geistvolle und fin-
dige herr hat nebenbei einen solchen schatz vou artigkeiten und
schmeichelworten für den schriftsteller, den ich mebr schätze je
mehr ich ibo verstehen lerne, dass es auf eine hand voll noten die-
ser melodie nicht mehr ankömmt. Er erzeigt mir die ehre, auch
mich zu seinen Thukydidestheologen zu rechnen. Das muss ibm
mit dank zurückkommen, und so werde ich mich doppelt zu be-
müben haben, gegen iho auch in zukunft fein sittig zu bleiben.
Ich hatte die obige besprechung der von Unger neu aufge-
stellten thukydideischen chronologie eben abgeschlossen, als mir
nachträglich die Quaestiones chronoligicae von Sch mitt zu händen
kamen, die sich in ihrem ersten und haupttheil gleichfalls mit die-
sem neuen Ungerschen theorem beschäftigen. Es ist mir eine ge
nugthuung, den verf. dieser tiichtigen verdienstlichen abhandlung,
mit der er sich auf das empfehlendste in die philologische gelehr-
tenwelt eingeführt hat, in dem hauptpunkte zu demselben satze
kommen zu sehen, dem auch ich im obigen das wort geredet habe.
Auch er bestreitet, was hier das wesentliche ist, Ungers kalenda-
rischen kriegsanfang. Weder die Ungerschen stellen für den som-
mers-(jalres)-anfang nach der gleiche, noch vor der gleiche
könnten dafür zum beweise gelten. Wiederhalt wird, so pg. 12.
36. 52, auf die nothwendige continuirung der erzählung binge-
wiesen; sehr schón in y, 116, 14 das zovro durch den rückblick
auf y, 115, 11 zur geltung gebracht; mit fleiss werden zum tref-
fenden gegenbeweis die verschiedenen tagezahlen der Ungerschen
sommer und winter herausgerechnet, und sonst in vielem einzelnen,
so über evduc, über den orakelglauben bei Thukydides, über die
lesart des Vaticanus in 3, 7, 29, über den tagesanfang und manches
andere gegen Unger sehr beachtenswerthe uud wohlbegründete be-
merkungeu gemacht. Es kann der untersuchung in ihrem haupt-
resultate keinen eintrag thun, wenn nebenbei eins oder das andere
behauptet wird, was weniger zu rechte bestehen móchte. So kann
ich unter anderm nicht beistimmen, wenn er p. 21. 25 mit Em.
Müller, Stahl und Unger die worte: n écfoA? n dg rjv mx
xai aus e, 20 hinauswerfen will, „cum eiectis his verbis 10 nowıor
aptissime cum 7 dgy?) zov moléuou coniungatur eadem ratione qua
non semel apud Thucydidem legimus ro nowrov noyero (I, 103,
4. 4; 11, 36, è. 1; 47, 2. 3; 53, 2. 1; 68, 2. 2; Ill, 86, 2. 2)“,
und nun sogar fortfahrend schreibt : „eh valde minor, qui fiet, us
quisquam stultitiam illius locutionis we 10 neũ iov à j &cBoay n è
tiv "Arroxny neglegat, cum tamen verbis 10 nodirov et L epi tyé-
vero imprudenter. disiunctis interpolatorem paene Er uvrogugæ te-
Jahresberichte. 669
neamus. Was wird er dazu sagen, wenn gerade dies 16 srQurov
sprachlich den beweis liefert, dass jene von ihm hinausgewiesenen
worte an der stelle nothwendig und also unentbehrlich sind. Nicht
70 nçgüror, sondern nowzov verbindet sich in der von ihm er-
wühnten weise mit aeyeo9as, so a, 103, 3; 8, 47, 23; f, 53,
17; B, 68, 27; &, 46, 2; ro nowror verlangt seinen bestimmten
gegensatz; also 8, 48, 33: fZoEaro dì 10 wiv nowror, we Af-
yetas, èE Aidoniug. Enura dì xal HQ Alyunıov xai AsBuny
xar£ßn. Auch in y, 86, 33: alneo xei ngog rj» Tv Aaxedas-
uorlwy T0 ngurov doyoutvou zov noléuou Evuuaylur LıayIncar,
ov puévtos Evrenodéunouy ye, ist dieser gegensatz gegen spätere
zeiten des krieges vorhanden, und zugleich ist es offenbar, dass
hier 70 zQuro» sich überhaupt nicht mit doroutvov tov rodéuov,
sondern mit zgoc rr» ruv Auxedaspovlwy Evuuuylar êréy9nour
verbindet. Wenn also in c, 20 ro mowrow steht, so kann es nur
durch die worte n &cßoAn n è tv > Aruxny gegen die späteren
einfälle in Attika seinen gegensatz finden, ebenso wie es 8, 47,
19 heisst: I1:konovrnaios xuè of Suppuyos , Ta duo peon, WOREQ
xai 10 nowrov, écéBadov dg ijv > Arrixnv. — Ebenso „wenig
kann ich es billigen, wenn er p. 32 mit Unger in 7, 19 ng0g in
Jégovc ändern möchte, oder p. 39. 40 bei seiner erwügung von
s, 24 von einer indiligentia des schriftstellers spricht und ihm
dabei die absicht unterschiebt, ut conclusio prioris operis magis oc-
cultaretur neque nimis eluceret ; oder wenn er meint, das wort 2E
nusoelug in e, 20, 30 mit Unger auch einmal nicht ganz strikte
verstehen zu dürfen; oder wenn er bei der ausrechnung der zwi-
schenzeit in e, 25, 11 ebensosehr die bedeutung verkennt, welche
die beigesetzte genaue zeitangabe in a, 87, 28— 32 dem dort in
der spartanischen ecclesia gefassten beschlusse nothwendig geben
muss, wie für das xaf vor dvayxaadärres z. 14 und den fortgang,
den es gegen das vorausgehende «reayovro in sich schliesst, kein
auge hat. Ich enthalte mich um so eher hier ähnliches gegen den
excurs anzudeuten, den er p. 91— 105 seinen Quaestiones beige-
geben hat, weil dieser ausserhalb des rahmens der neuen Unger-
schen lehre liegt, auch eine entgegnung darauf besser anderen oder
einer andern zeit überlassen bleibt. Lieber will ich noch einmal
meiner freude einen ausdruck geben, die mir die fleissige und sorg-
fältig erwägende arbeit in dem resultate ihres haupttheils gemacht
hat. Es darf doch wohl meistens mit für eine garantie der wahr-
heit gelten, wenn zwei mänuer jeder auf seinem wege zu demsel-
ben ziele gelangt sind,
ll. Zur überlieferung.
Bis zu den sechziger jahren fühlte man sich, wenn man den
Tukydides zur hand nahm, ich möchte sagen, so sicher wie in
670 Jahresberichte.
Abrabums schoss. Man brachte den glauben an den schriftsteller
selbst, an sein bestes können und wollen, seine eiusicht und ehr-
lichkeit mit herzu, und auch die überlieferung seines textes, waa
das zweite ist, wenn man einem antiken geschichtswerke vertrauen
soll, schien den meisten wenigstens so gut wie die beste, vielen
sogar von besonderer einziger treue und reinheit. Aber auch Thu-
kydides konnte unsrer zeit nicht entgehen, auch seine kritische
stunde hatte geschlagen. Wie durfte ihm ein vorrecht bleiben.
Auch er musste dem urtheil „menschlich näher gebracht“, auch
seine art zur „menschennatur zurückgeführt“ werden. So hub denn
der zweifel an ihm erst fragend und noch schüchtern bei seinem
urtheil über den zweifellosen gegner an, bis nun in jüngster zeit
glücklich der parteimann, der verschweigt, der irreführt, der ver-
leumdet, fertig gebracht ist. Uud nun gar der text, den wir in
händen haben. Wenn ein kenner des griechischen, der mehr co-
dices gelesen hat als die meisten andern, ihn schon vor jahren
passim sciolorum emblematis et additamentis obsitus et inquinatus
nennt, was wunder, dass wir seitdem viel klüger geworden sind
und es noch ganz anders wissen. Müller-Strübing kennt jetzt von
der geschichte des textes schon die genauesten details. „Der ur-
typus aller unsrer handschriften, sagt er Forsch. p. 102, war die
abschrift eines von einem grammatiker für seinen schulunterricht
prüparirten handexemplars; die abschrift, denn den schreiber des ur-
typus selbst halte ich für viel zu dumm und unwissend, als dass ich
ihn selbst mir als einen lehrenden grammatiker, einen professor
vorstellen kónnte. Der schreiber des urtypus bat daun vielfach
die randnoten uad dgl. in den text gesetzt, bald neben die erlau-
terten worte, bald mit verdrüngung der letzteren, hat aber auch
vielfach die in seiner vorlage durch verschiedene zeichen als ver-
dächtig oder unverständlich oder sonst anstössig bezeichneten worte
oder sütze einfach weggelassen“. Man sieht, was mit dieser er-
kenntoiss in der kritik für ein fortschritt gemacht ist. Jetzt hat
man es nicht sowohl mehr mit dem Thukydides, als mit seinem
interpolator zu thun, und es braucht einem nicht mehr das ge-
wisseu zu schlagen, wenn man nicht etwa ein oder das andere
wôrtchen zu ändern, sondern einzelne sätze auszustreichen oder
hereinzusetzen, wohl gar ganze partien der rede für absichtlich
unterdrückt anzusehen sich veranlasst findet. Denn auch darin ist
man über alles erwarten weiter gekommen. Früher waren uns
die alten scholiasten und grammatiker so zu sagen unpersönliche
persóulichkeiten, menschen ohne fleisch und blut, jetzt leiben und
leben sie, man kann ihnen den puls fühlen, merkt ihre prononcirten
absichten und leidenschaften, so dass einer von ihnen sogar wie-
derholt seinen „blutdurst‘“ nicht verhehlen kanu, Was solche ein-
sicht für die textkritik des Thukydides neues und unerhôrtes brin-
gen wird, sagt man sich leicht; eiu gut theil davon liegt bereits
Jahresberichte. 671
in den früheren schriften Müller - Strübiugs, neuerdings in seinen
„Forschungen“ vor, den ganzen ertrag dürfen wir erst in einem
grösseren werke erwarten, zu dem, wie er p. 69 sagt, die „For-
schungen“ eigentlich nur aphoristische vorstudien sind. Der jah-
resbericht kann ‚hier natürlich nicht allem und jedem nachgehen,
und ein blosses ja oder nein wäre seine sache nicht; so wird es
zweckinassig sein, bei dem, was in den „Forschungen“ der haupt-
theil und die mitte ist,- den lesbischen geschichten eingehend zu
verweilen, und zu untersuchen, was von den bei dieser gelegenheit
vorgebrachten behauptungen und vorschlägen annelmbar erscheint.
Sollte auch von ihnen, wie ich zu erweisen hoffe, schliesslich nicht
vieles oder vielmehr nichts übrig bleiben, so trage ich doch keinen
augenblick bedenken, auch diese letzte arbeit Müller-Strübiogs, wie
seine sonstigen, im hohen grade verdienstlich zu finden. Kräftige
irrthümer sind schon oft erspriesslicher als halb und flauverstandene
wabrheiten gewesen. Das wird auch hier der fall seiu. Müller-
Strübings energisches und sachliches denken, an dem man hier wie
sonst seine freude hat, wühlt dus erdreich um, auf dem dann schon
in einem kommenden frühling die halme zu ähren und früchten auf-
gelen werden.
Aber wenn ich wirklich, wie ich eben erklüre, den besten
willen habe, unserm forscher bei diesem abfall von Mytilene auf
schritt und tritt nachzugehen, so muss ich doch gleich bei der er-
sten stelle in der reihe mich fragen, ob über sie zu sprechen
erlaubt ist. Gleich im anfang sei in y, 3, 29 vom schreiber des
urtypus vor e dé un sus dem texte etwas weggelassen. Es wird
uns das als ein kleines präludium gegeben zu dem, was dieser
schreiber, wie wir spüter einsehen sollen, noch sonst alles auszu-
lassen und wegzustreichen im stunde ist. Aber es giebt gottlob
gewisse dinge, die ein für allemal gethan und abgemacht sind,
darum auch im leichten spiel der rede nicht wegzuscherzen. Es
würe spott und eine versündigung gegen den fleiss derer, die mit
einsicht gesammelt haben, wollte jemand es noch für néthig halten,
über diesen gebrauch der aposiopese, der von Homer an durch die
ganze gricitàt geht, neuen vorrath herzuzutragen. Wer hier läug-
net, mag etwa in launigem übermuth ins horo stosseu, zu sehen,
ob die junge mannschaft zur hand ist, oder sollte er wirklich in
der sache noch des unterrichts bedürfen, so sind die magazine der
ausführlichen grammatiken da, uoter andern der stets gut assor-
tirte Kihner (3, 986), bei denen er nicht vergebens nachfragen
wird. Also zur rechtfertigung des Thukydides wäre hier jedes
wort zu viel, und gerade bei ihm kann eine aposiopese, wie sie
hier vorliegt. am wenigsten auffallen. Es gehôrt mit zu den ei-
genthümlichkeiten seiner rede, dass er geflissentlich die wiederkehr
desselben wortes oder ausdrucks vermeidet und darum hüufiger ala
ein andrer sich der ellipse bedient. Wer sich speciell zur aufgabe
672 Jahresberichte.
machen wollte, das kapitel der bei ihm vorkommenden ellipsen za
behandeln, würde auf diesem wege vieles erklären, was bis jetzt
noch missverstanden ist. Damit dus keine blosse behauptung bleibt,
verweile ich hier noch einen augenblick, um dafür einige belege
zu geben. .
Ich spreche hier nicht von den ellipsen, von denen der spre-
chende selbst schon kein bewusstsein mehr hat, wie bei zo» flos-
Aousvov, wozu allerdings der folgende infinitiv uoch besonders zu
suppliren ist. Also an fälle wie «, 26, 29. 13; a, 27, 19; y,
16, 19; y, 92, 17; 0, 26, 34; d, 68, 1; d, 105, 9; d, 114,
18; d, 118, 22; e, 18, 23; « 28, 31; È, 27, 19, denke ich
nicht; auch nicht, wo für zö» fovloueror das gleichbedeutende e
16 Bovdetus, wie e, 115, 27; n, 82, 8, oder wo ef Boviorias
ohne einen besonderen zugehörigen infinitiv eintritt, wie d, 48, 9;
e, 35, 3; e, 37, 7; e, 50, 19; ¢, 51, 23; n, 56, 20; 9, 28, 34.
In allen diesen fallen ist freilich zu suppliren, aber der redende
fühlt es nicht, nur der grammatiker, der sich rechnung ablegt.
Ebenso ist es in den indirekten fragen, wo der uachsatz unbewusst
verschwiegen bleibt, so y, 52, 11; d, 30, 5; d, 37, 23. Ist da-
gegen bei el Bovdovrus sein infinitiv und ausserdem ein besondrer
nachsatz vorhanden, so kann offenbar nur von einem gewöhnlichen
vollstándigen bedingungssatze die rede sein, wie a, 27, 20; a, 91,
6; «, 107, 34; B, 2, 19; y, 96, 28; 0, 36, 35; d, 50, 12; ¢,
41, 24; e, 49, 15; ¢, 64, 3; m, 3, 13; 9, 26, 20. Ich war
genóthigt, bin ich doch einmal auf diese materie gekommen, auch
dies letzte scheinbar unnéthige herzusetzen wegen y, 52, 11, wel-
che stelle von den neuern auslegern missverstanden ist and falsch-
lich in diese letzte kategorie versetzt wird. Die überlieferung
giebt hier oline jede variante: wgocnéunes de abroig xnovxa Af-
yovıa el Boviovtus agndovvas riv now Exovreg 10ig Aaxedas-
peovlosg xai dixacıaig êxelvois yojoucPus, tovc re adlxovg xolabesr,
nage dixnv dé ovdtra. Dass hier ein indirekter fragesatz ist, wie
schon Valla eingesehen hat (numquid se et urbem vellent ultro La-
cedaemoniis dedere iudicesque illos habere, de noxiis supplicium, de
indemnato nemine sumpturos), und bei rovg re dÓ(xoeg xodalesy
kein nachsatz beginnt, ist sachlich und sprachlich offenbar; sach-
lich, denn wäre xolubesr ein nachsatz, so müsste auch der erste
theil des vordersatzes, nmugadovras rjv mods, in diesen nachsatz
aufgenommen sein; und sprachlich, denn erstens steht ja xolu£ssr
da, was man freilich sans gène iu xoddoeyv verändert, uud zweitens
würde die annahme des nachsatzes auch eine subjectsveründerung
für xodutew nothwendig machen. Das ganze ist eine indirekte
frage, wie die andern oben angegebenen beispiele, und xolaber
gehört allein zu dixaGraig éxelvorg yonouodw, wobei das prásens
xo).aleıy seine richtigkeit bat, und das dafür erforderliche subjekt
von selbst gegeben ist. Für das erforderniss eines 16-dé im der
Jahresberichte. 673
sprache ist diese stelle das klarste, schönste beispiel, womit man «,
25, 13; GC, 83, 18; 7, 81, 18, allenfalls auch n, 78, 23 ver-
gleichen mag.
Hier bei ßovAsc9us hat man es also, wie ich meine, mit el-
lipsen zu thun, die kaum oder gar nicht gefühlt werden und die
ich grammatische ellipsen nennen müchte. Auch manches andere
will ich gern hierher rechnen, wenn es sich dem gefühl des hôrers
auch schon stärker aufdrüngt. So soll mir also noch eine gram:
matische ellipse sein d, 76, 7—10: xai agınveizan .. Alyus .
dvo Aoyw géguv. dg 10 "feros , tov piv xa9' Su id Bokovras
zoleueiv, tov d' we dl elena» ayesv, wo die rede nach xa9 on
mit modeunoovoi, nach wo mit clozvzv ovo auszufüllen ist ; na-
türlich auch die auslassung bei e ur, wie B, 18, 11: ei un dia
tz» éxelvov ueddncw, oder die auslassung eines ganzen bedingungs-
satzes wie d, 54, 2 bei: dợorgoav rag av ob * Adyvaios Kv3n-
elovs, oder d, 126, 11 bei: éxefvo yaQ &v 00 rovrov ExQuorio,
in welchen fallen also die griechische rede dem verständniss nicht
wie wir zu thun pflegen durch sonst oder andrenfalls ent-
gegen zu kommen braucht. Auch die auslassung d, 63, 2 bei:
ov négi 700 riuwgroacJ«( tiva mag sich dem hörer kaum füblbar
gemacht haben. Also, wie gesagt, diese oder ühnliche gramma-
tische ellipsen, wie sie überall und mehr oder weniger bei jedem
schriftsteller vorkommen, sind nicht gemeint, wenn ich von der
kürze und knappheit als einer eigenthümlichkeit der thukydideischen
ausdrucksweise rede. Diese kürze zeigt sich mir in ganz andern
beispielen, wenn diese auch von den auslegern bisher verkaont sind
und aus den Thukydides texten langst verschwunden würen, wenn
nicht einigen doch zum glück noch das gewissen schlüge. Ks
genügt mir hier, nur einiges dieser art herzusetzen. In 0, 82, 16:
dovieluy dé avtol 1e EBovAovıo xoi nuiv tò avid èneveyxziv, habe
ich früher durch meinen widerspruch gegen Cobet, der dovdevesv
will, wenigstens so viel bewirkt, dass man an dovislav seitdem
nicht mehr gerührt hat. Aber erklärt ist die stelle darum noch
nicht; auch ich habe die ellipse damals zu fern gesucht, sie liegt
ganz nahe und innerhalb desselben satzes. Statt den gedanken
vollständig auszuschreiben: dovislay dé «Urol re &Bovdovio êveyxeir
xai quir to aviò émeveyxeiv, setzt Thukydides nach seiner art
bloss das eine &meveyxeiv, denn aus diesem ist auch jenes erste
éveyxety da, so bald die erste silbe, das én in éxeveyxsiy hervorge-
hoben wird. Mit der betonung tritt der gegensatz und die ergän-
zung von selbst hervor. Aehnlich und auch in einem gegensatz
begründet ist die ellipse 9, 56, 19: èvravda dh ovxén, dAXM
anoga voploavtes oí "AO3uvaio. So steht es in guten hand-
schriften, aber man siebt's au den varianten, schon den abschreibern
ist die sprache hier unverständlich gewesen. Mao lege auch hier
nur wieder auf die erste silbe in à »oga den ton, so hört sich für
Philologus. XLII. bd. 4. 45
674 Jahresberichte.
den ersten theil des satzes der gegensatz eu noga von selbst her-
aus; vollstindig und ohne die ellipse würde der satz also lauten:
épruÿdu di) oùxén eUnoga, add’ ünoga vouloarres; die ellipse ist
dem Thukydides hier nach seiner art um so uatürlicher, weil e-
noga ihm in der lage, wie die vorliegende, der gewöhnliche, von
selbst gegebene ausdruck war, nach a, 93, 20; 8, 64, 3; d, 10,
29; d, 78, 20; È, 17, 11; ¢, 90, 26; 9, 36, 31; 9, 48, 20.
32, 25: xai roig uiv «Moss Eyulvero eUnoga xai mora. Ich ge-
stehe, mir will der satz mit der ellipse evzoou sogar besser ge-
fallen, als wenn der schriftsteller es hereingesetzt hatte. Auch für
è, 87, 21: Pn el ye &Bovdndy dranoleujoat, èmipurès drzov
Ovx èvdosuorise, ist bisher ohne bunte veränderung von den ausle-
gern keine erklärung gefunden. Und doch ist hier die ellipse
ebenso natürlich, wie mit ihr dem gedunken vollkommen genüge
geschieht. Man verstehe also: imei, a ye &Bovdndn din Toisungan,
emavic dimov 10 OianoltuzOas ovx evdosuornéc: da, wenn er
dsunodsurnous wollte, das dıanoAsung«s, sollte ich meinen (dx 200),
zweifellos eine ausgemachte sache war. Wie sehr eine auf der
hand liegende, ausgemachte sache, begriindet sodann der gleich
folgende satz. Die ellipse ergiebt sich hier sogar noch leichter,
weil dafür auch aèro oder roùro eintreten kann, dieses. sich aber
grammatisch vou selbst ergänzt. Auch in y, 44, 26: nr TE rag
anopivw ivy adsxovriag uvIoug, où dit rOUTO xoi Anoxıeiva
xedevow, ef un Evugégor iy te xai Eyovite u Evyyvwuns eter, el
rj node pn ayador yulvoıro, ist alles gesund, obgleich die aus-
leger dies und das für krank erklüren, alles erdenkliche conjektu-
riren und duch dabei, wie sichs gebührt, in verzweiflung sind. Es
ist nur ein glück, dass auch hier die tradition uns das ursprüng-
liche noch erhalten hat. Statt analog dem, was „vorausgegangen
war, in ganzer und voller rede zu sagen : nv 16 ünogrvw Eyorzug
ts Euyyrwunc udrouc, ov din Tovıo xai Eyorı&s 16 Evyyvaiung ele»,
schreibt Thukydides, um nach seiner weise die lastige wiederholung
zu vermeiden, mit anwendung der ellipse nach 7» re, und ich meine,
noch immer verständlich genug: nr re, xai Eyovtés re Evyyvwpns
eiev; das elev beim particip, wie's ihm auch sonst geläufig ist, a,
67, 27; 8, 6, 61; £, 11, 10. Es sollte mir leid thun, wenn man
sich hier in die ellipse nicht zu finden vermóchte. Mag sie viel-
leicht dem einen oder andern unschön erscheinen, das kümmert mich
hier nicht, weiss ich nur, dass sie gut thukydideisch ist, Vgl. Müller-
Strübing, Forsch. p. 194. Doch es mag mit dieser aufzeigung von
ellipsen vorläufig genug sein; über eine andere längst bekannte
nur noch ein kurzes wort, weil sie zu der stelle, von der wir
ausgegangen sind, im Thukydides die parallelstelle ist. d, 13, 30
heisst es : E Ó voregaly magu0xevacapévo, wc ini vavpaylar
dvijyovro, nv piv Cvrexndeiv 896 wo oplow Èc my evoeywolav, el
dè un, wg uvzoì émtgnicevGovucrog. Von dieser stelle glaubt Mül-
Jahresberichte. 675
ler -Strübing absehen zu. können, weil Classen in seiner zweiten
auflage des 4. buchs davon zurückgekommen sei, hier vor el dé
an eine ellipse anzunehmen. Aber Classens frühere auffassung der
stelle war die richtige. Das uév in nv uf» zeigt, dass für das
vorhergehende mugacxevacupevos we ni vavpayiuy avüyovro mit
jv wév eine gabelung beginnt. Im vorhergehenden ist bloss ge-
sagt, dass sie gerüstet zu einer seeschlacht in see stechen; von
jetzt an, in den gegensätzen 7v uér uud el dè ur, handelt es sich
weiter darum, wo geschlagen werden soll, ob ausserhalb oder in-
nerhalb des meerbusens. Also wenn auch, wie Classen sagt, „ws
éxi vauuuyiur in enger beziehung zu dem ersten theil der alter-
native: 7r uèr aviexmheîv xif.^ stände, so bliebe die ellipse, wo
sie schlagen wollen, nichts desto weniger übrig und die ergánzung
ug vuvpagigories Èv 17 evovywgia ware zur vollstándigkeit des
gedankens noch ebenso nothwendig. Da wc ixi vavpaziav dem
ws vuvuayñoovtres gleich ist, so entsteht wegen des ny uéy erst
durch die annahme der doch sonst nothwendigen ellipse ohne den
gezwungenen chiasmus eine natürliche rede. Statt, ich sage auch
hier wieder, mit lästiger unerträglicher wiederholung zu sagen:
AU YAOKEVE OU LEVOS ws éxi vavpaylav ávijyovto , nv wer avızunheiv
wo cplow Es inv evovywelar, év ı7 Evovywola, el dé pr, wg
avroi énecnievoovpevor, bedient sich Thukydides der ellipse und
schreibt, wie's dasteht, in gewohnter verkürzter weise; und ist
dadurch am verstándniss etwas gekürzt worden*)?
Müller-Strübing hat seine sache, das muss mau sagen, kuust-
voll genug eingerichtet. Da es ibm zugleich um ein doppeltes zu
thun ist, einmal die erbürmlichkeit der überlieferung zu erweisen,
daneben aber auch der darstelluog des schriftstellers selbst am
zeuge zu flicken, so geht beides immer recht geschickt in eins,
und man muss gestehen, sein missverstehen und sein überseheu
reicht zu beidem vollkommen aus. Kaum ist er mit dem einen
vorspiel zu der spüteren charakterisirung der tradition, mit der
saloperie fertig, die in der ellipse vor ef dè un liegen soll, so
wird auch schon das audre thema angeschlagen, uns darauf vorzu-
bereiten, wie unzulünglich, werthlos, ja was nicht alles der schrift-
steller selber in seinen berichten ist. Die Athener liegen mit 40
schiffen vor Mytilene und fordern die Mytilenüer auf, die schiffe
4) Ich brauchte hier die ellipse nicht einmal mit we vavuayı-
corte i» Tjj evovywyig zu bezeichnen, sondern iv 1 j edorgwoig genügte.
Bei Thukydides sind ws éni vavuayig und we pk vavuayiay unter-
schieden; jenes bedeutet: in absicht, zur see zu schlagen, wenn sich
das so machen und ergeben sollte: y, 4, 10; ¢, 34, 29 zw.; n, 34, 18;
mit diesem ist eine bestimmte, sofortige seeschlacht gemeint: a, 48,
33; B, 83, 1; 8, 85, 33; p, 86, 16. Mit we ini vavuayiur ist also hier,
, 31, ws vavyaynoortes ganz gleichbedeutend, und so brauchte
also dies nicht wiederbolt su werden.
4d *
Re UO
676 Jahresberichte.
auszuliefern und die mauern niederzurgissen, Da die Mytilenäer
dieser aufforderung „nicht nachkommen, so begannen die feindse-
ligkeiten sofort, wurden aber durch nochmalige, freilich resultatlose
unterhandlungen für kurze zeit unterbrochen“, Da schreibt nun
Müller-Strübing fortfahrend folgendermassen, p. 105: „ich will
mich aber dabei nicht aufhalten, denn was nützt es uns zu wissen,
dass die Mytilenäer unter genehmigung des athenischen feldherrn
gesandte nach Athen schickten, und dass diese zurückkamen, ohne
etwas ausgerichtet zu haben (cap. 5: oi dé éx twv AFnvwy agec-
Beig ws oùdèr 7Ador noakurtes, was so viel heissen soll wie oi
dì mpecfeig we ix suv’ A9nvwuv TÀJ9ov oùdèr medEavises), wenn
wir nicht erfahren, was sie denn hätten ausrichten sollen! Sie
müssen doch wohl beauftragt gewesen sein, vorschlüge, anerhie-
tungen, zugeständnisse zu machen, und wenn wir nicht erfahren,
worin diese bestanden, so ist die ganze uotiz über das hin- und
herreisen der gesandten völlig werthlos, selbst für die zeithestim-
mung, da wir ja nicht erfahren, wie lange die gesandten in Athen
blieben“. Zunächst nur eine kleinigkeit, aber leider ist sie signi-
fikaot genug. Ich frage, was will Müller-Strübing mit jener pa-
renthese sagen: ,,was so viel heissen soll, wie*, neio es heisst, und
zwar in schönster sprache, die durch einfaches mittel die theile
der rede zu einem einheitlichen ganzen zusammenzufügen weiss.
Warum statt des edlen weines uns schales wasser vorsetzen, wie
es scholiasten bieten, Aber vielleicht thue ich Müller-Strübing un-
recht, wenn ich in der parentbese eineu übermuth durchfühle, wie
er, Müller-Strübing, der mann sei, der nicht etwa bloss die sachen,
auch die sprache ganz anders als Thukydides zu haudhaben weiss.
Doch es mag sein, ich will mich hierin ja gern geirrt haben.
Kommen wir also zu den sachen.
Müller-Strübing sagt: „die gesandten müssen doch wohl be-
auftragt gewesen sein, vorschläge, anerbietungen, zugestäudnisse zu
machen, und weun wir nicht erfahren, worin diese bestanden, so
iat die ganze notiz über das hin- und herreisen der gesandten vól-
lig werthlos*. Aber wir erfahren es ja, erfahren alles, was wir
wissen müssen und wornach wir vernünftiger weise nur fragen
können. Zunächst also, die gesandten sollen wo möglich eine
opoloyiu entecxy¢ zu stande bringen. Was wir uns unter einer
solchen zu denken haben, ist bekannt genug. Man braucht nur
die reden des Kleon und des Diodotos nachzusehen, wie die sich
darüber auslassen. Die £mieixuu, sagt Kleon, ist das verderb-
lichste ding für eine dgyz, und sollte nur gegen gute freunde in
anwendung kommen, Eine opoAoy(u émiexic ist also eiue freund-
lich gütliche übereinkunft, in der aus gewogenheit mehr zugestan-
den wird, als nach dem strengen rechte gefordert werden könnte;
a, 76, 31; y, 40, 7. 13; y, 48, 15; 0, 19, 10; e, 86, 10; 9,
93, 25. Aber hier sind wir auf solche allgemeine begriffsbestim-
Jahresberichte, 077
mung nicht beschränkt, hier kennen wir ihren speciellen inhalt, ihre
details, ja noch mehr, die mittel und wege sogar, wie die Mytile-
näer sich hoffnung machen, sie allenfalls erreichen zu können. Sie
schicken ihre gesandten mit der weisung ab: ef zug nelosuv zug
vudc aneddeîr wo opwy ovdev rewrsgsovviwr. Aber unter den
gesandten ist auch einer, ein Proxenos der Athener, der vorber in
Athen den angeber gemacht, 2, 10: dr EuvossiLovot 1e dd AboBov
dg 199 Mortsdnyny Bla xai ty raquoxeviv — ini anoorudes
îrnelyoviui. Dieser eine, o pertuedev dn, wie der bericht sagt,
ist jetzt mit unter den wortführern und tritt nuo auch seinerseits
für die betheuerung ein, wg opwr ovder vewregiovriwr: was ich
euch damals sagte, weiss ich jetzt besser, es war so schlimm nicht
gemeint, an abfall wird nicht gedacht, und die Svvofxsosc und die
rrapaoxeun, in denen ihr bedenkliche neuerungen seht, werden ein-
gestellt. In dem ws cpwy oudèr vewregsovviwy war diese versi-
cherung , dies zugeständniss mitgegeben. Hatten früher die Myti-
lenäer auf die erste gesandtschaft der Athener hin nichts davon
hören wollen, 3, 21: un» re Evvolxsaw xai 1v rmapuoxsuno diu-
Aver, und waren in folge dessen die schiffe gegen sie ausgesandt
worden, so hoffen sie jetzt, auf die versicherung hin, der neue-
rungen in zukunft sich enthalten zu wollen, die schiffe wieder ab-
ziehen zu sehen. Aber freilich, so vertrauensselig waren sie nicht,
von dieser versicherung, ohne garantien mitgegeben zu haben, sich
jetzt illusionen zu machen. Aber so oder so, was sie mit der ge-
sandtschaft wollten, hatten sie jedenfalls erreicht. Vor allem war
es ibnen von anfang an um das eine zu thun, zeit zu gewinnen.
Dazu wenden sie ein zwiefaches mittel an. Zuerst dies. Als die
athenischen feldherrn für ihre forderungen kein gehür finden, heisst
es 4, 5: ob “Adnraïos où modu dotegor xatanhedouri es wc éuqw»,
anmnyyeduy puèr ob Gigutnyoì ta ÉnecruÂwéra, oùx ecuxavertwy dé
riv MvuAnvalwv i; noAtuov xuÿlorarro. Das gilt, wie's offenbar
ist, also bis jetzt nur von den Athenern. Die Mytilenüer ihrer-
seits denken noch nicht an krieg und kriegerisches vorgehen. Un-
vorbereitet, wie sie noch waren, plótzlich zum kriege gezwungen
(4, 8: unaguoxevor dì où Muidnvaios xai èEalpyns Uvayzaodtrieg
moAtusir), suchen sie die sache hinzuhalten. Vielleicht kann eine
scheinbar entschlossene haltung helfen. Warum kanu nicht etwas
von der besorgniss der athenischen feldherrn zu ihnen gedrungeu
sein, die vorhandenen athenischen streitkrüfte möchten nicht ge-
nügen, krieg gegen ganz Lesbos zu führen (4, 15: «qoflovutvos
un ovy lxuroi woe AéoBo muon rmodepetv). Die Mytilenüer se-
gelu also zum hufen hinaus, bleiben aber in der nähe desselben,
ws ini vavpayla, scheinbar also, als wären sie zu einer seeschlacht
bereit, wenn die Athener sie annehmen sollten. Es heisst nicht:
ws ni vavpayluy, was den sinn ergeben würde, sie wären zu
einer wirklich beabsichtigten seeschlacht hinausgesegelt. Aber die
678 Jahresberichte.
Athener lassen sich durch diese demonstration nicht imponiren, und
zu einer seeschlacht kómmt es denn auch nicht. So wie die Athe-
ner heransegeln, machen die Mytilenäer kehrt und gehen in ibren
hafen zurück. Das eine war also feblgeschlagen, so versuchen sie's
nun mit dem andern mittel, der unterhandlung. Das musste we-
nigstens so viel bringen, dass während ihre gesandten nach Athen
weg sind, inzwischen andere heimliche boten nach Sparta gehen,
von dort beistand zu erbitten. Die gesandten kehren darauf aus
Athen unverrichteter sache zurück, und so ist mit ihnen denn auch
für die Mytilenäer der zeitpunkt gekommen, die wallen aufzuneh-
men. Jetzt heisst es auch von ihnen, wie es vorher von den Athe-
nern geheissen hatte, 5, 27: êç modeuor x«3(orarro ob Mvnág-
vaio. Und nun frage ich, von jenem é¢ nddgpov xaJ(cravro der
einen bis zu diesem êç xoleuov xa{orurro der andern, was ist
hier unzulänglich, unklar oder werthlos? Mir will es vorkommen,
als wire auch hier, wie sonst beim Thukydides, jede auch die
kleinste notiz so bedeutungsvoll, dass wir alles wie lebendig sehen
und mit dabeizusein glauben.
Aber Müller-Strübing kennt dafür, wie werthlos Thukydides
manchmal in seinen notizen ist, noch signifikanteres. „Das bringt
mir, fährt er p. 105 nach besprechung von y, 4 fort, eine in die-
ser hinsicht besonders charakteristische stelle in die erinnerung, d,
41, wo es heisst, die Lacedämonier hätten . . . immer wieder ge-
sandte nach Athen geschickt und versucht, Pylos und die gefange-
nen wieder zu erhalten: of dé (z. 21) usstorwr 1€ wetyorto xai
molin postufriwv avrovg angaxıovc anéneupar. Also die Athe-
ner verlangten grüsseres! Was war denn das geringere, was die
Lacedümonier ihnen angeboten hatten? So lange wir das nicbt
wissen, können wir uns gar keine vorstellung über die sachlage
bilden und namentlich nicht beurtheilen, ob die forderungen der
Atbener gerechtfertigt waren oder ob sie die grenzen der billigkeit
überschritten. und wenn der geschichtschreiber uns darüber im
dunkeln lässt, dann haben solche votizen gar keinen werth für uns“.
Erstlich ist von dem geringeren, was die Lacedümonier den
Athenern angeboten hatten, gar nicht die rede; das geringere aber,
was die Athener früher gefordert hatten, kennen wir langst, und
soll der schriftsteller das jetzt unnóthiger weise und langweilig
wiederholen? Früher als die Spartiaten auf der insel bloss einge-
schlosseu waren, hatten die Athener gefordert, erst sollten die ge-
fangenen ihre waffen und sich selbst den Athenern ergeben, und
wenn sie dann nach Athen gebracht waren, sollten die Lacedämo-
uier sie wiederbekommen, wenn sie vorher Nisäa und Pegä und
Trózen und Achaia den Athenern wieder herausgegeben hütten, d,
21, 13--20. Das also war das geringere, nicht was die Lace-
dámonier schon bewilligt, sondern die Athener schon gefordert hat-
ten, wenn auch schwerlich die Lacedämonier, hatte Kleon damals
Jahresberichte. 679
nicht weitere verhandlungen unmôglich gemacht, gegen diese for-
derungen etwas einzuwenden gehabt hütten. Das also, wie gesagt,
war das geringere. Und das grössere? Natürlich fordert Kleon
jetzt mehr, wo sie die 272 gefangenen und unter ihnen die 120
Spartiaten in ihrem gewahrsam haben. Thukydides weiss, dass
ibm schon gelegenheit werden wird, auch das au seiner stelle zu
nennen. Und auch ich muss hier Müller-Strübing noch um ein
klein wenig geduld bitten; es passt mir besser; alsbald unten auf
einem andern blatt soll es zur sprache kommen.
Wir begleiten Müller-Strübing weiter auf seinem lesbischen
zuge. Die Mytilenüer waren in die peloponnesische bundesgenos-
seuschaft aufgenommen worden. Auf ibren rath war beschlossen
worden, in einem herbstfeldzuge noch einmal, jetzt beides zugleich,
zu wasser und zu lande in Attika einzufallen. Geschihe das, so
würden die Athener nicht hinlängliche schiffe haben, und entweder
den seeangriff der Peloponnesier nicht abwehren kónnen oder von
beiden punkten, von Lesbos und dem Peloponnes abziehen, c. 13,
29—35. Das kömmt den Athenern zu ohren, die nun ihrerseits
eine demonstration am Isthmos mit 100 schiffen beschliessen: dy-
Aüous Bovioutvos Gti oùx 0gJug dyrwxacw GAA olol té soe pi
xivouvteg 10 ini AloBw vavrixóv xol r0 and ITedorrovvijoov énsdv
dudiws dpuvrecda:, 16, 36 —2. Dass in diesen worten bloss von
der flotte von Lesbos die rede ist und des abzugs der athenischen
schiffe vom Peloponnes nicht gedacht wird, war schon früher auf-
gefallen; Steup und Stahl waren der meinung gewesen, diese
athenischen schiffe um den Peloponnes seien mittlerweile, wenig-
stens zum grössten theile, schon zurückgewesen. Das unstatthafte
solcher annahme erkennt Müller-Strübing vollkommen, er versuchts,
auf andere weise zu helfen. |n einer anm. auf p. 108 sagt er:
„ich will nur gestehen, ich habe den starken verdacht, dass Thu-
kydides III, 10 geschrieben hat: un xsvovvtes to é7ì AéoBy vav-
zuxöv xai 10 negi Mekonorrnoov 10 ano IlAonovrioov (moy
dudiws duvvecFus. Es wundert mich, dass Thukydides hier nicht
auf die in Naupaktos stationirten schiffe, deren er die lesbischen
gesandten in ihrer rede in Olympia cap. 13, 3 gedenken lässt,
wieder zurückgekommen sein sollte, während er sonst fast nie
versüumt, auf die in den reden gegebenen andeutungen im lauf der
erzühlung zurückzuweisen. Wie leicht die von mir vermutheten
worte von dem schreiber des urtypus übersehen werden konnten,
liegt auf der hand. Ich weiss auch nicht, was das xaeí (selbst)
vor zo ano /lelonorvioou hier heissen soll“. Darnach soll also
bier die schuld nicht un Thukydides, sondern am abschreiber lie-
gen. Ich bekenne, dass dieser änderungsvorschlag mir der glosse
eines abschreibers so ähnlich sieht wie ein ei dem andern. Denn
abgesehen davon, dass i, xivovvrec ein gar absonderlicher ausdruck
würe für eine flotte, die im segeln um den Peloponnes begriffen
680 Jahresberichte.
ist (a, 105, 35; e, 8, 16; s, 10, 29; n, 4, 21; n, 50, 7 zw.;
3, 100, 21), muss ich doch fragen, was hat denn überall die
sachgemässe erwägung der Athener mit der berechneten übertrei-
bung der Mytilenäer zu thun, und das hier, wo in dem segeln der
30 schiffe um den Peloponnes gerade die wirksame vertheidigung
vou Attika, worauf es hier ankómmt, zugleich mitgegeben ist.
Dass die Athener so gauz richtig geschlossen haben, zeigen ja die
Lacedümonier selbst, die auf die nachricht von der verwüstung ih-
rer küste oun erst recht alle lust zum einfall verlieren. Dabei
will ich gar nicht geläugnet haben, dass in den ausgeschriebenen
worten im rückblick auf jene stelle in der rede der Mytilenäer
neben der flotte vor Lesbos auch der 30 schiffe um den Pelopon-
nes hätte gedacht werden können. Aber ich meine den Thuky-
dides genugsam zu kennen, um zu sehen, wie er das in seiner
weise und schóner gemacht hat. Mit den nachfolgenden worten,
z. 10: xal nyyfddovro xai ai megì rjv Hedonovvndov reluxovia
vie; tuv AInvalwy my mtigiogx(da avtwy mogFovcas ist an der
rechten stelle und iv einfachster weise alles gethan, was auf jene
radomontade der Mytilenäer zu bemerken war. Dass Müller - Strü-
bing schliesslich nicht weiss, was das x«( (selbst) vor 10 amò
Heionovvnoov hier heissen soll, ist sehr natürlich, das könnte ihm
niemand sagen; aber x«f heisst hier nicht selbst, sondern und,
auch; hier ist durch xuf ein particip mit einer andern verbalform
verbunden, wie e, 9, 14 und ófter, wie dergl. beispiele aus jeder
ausführlichen syntax, so aus Krüger 59 zu entnehmen sind.
In der vertheidigung jenes rQiaxov:a z. 10 gegen Steup ist
Müller-Strübing vortrefflich, p. 109 f. Es wandelt einen doch oft
ein eignes gefühl an, wenn man lesen muss, auf welche gründe
hin selbst wackre manner sich für überzeugt erklären. So kann
Stahl vou Steups ausführung gegen rgsuxovra sagen: „auch hat
er im vorhergehenden cap. 16, 2 rg««xorra. mit unwiderleglichen
gründen als eingeschoben nachgewiesen, und dass dort nur die
100 schiffe gemeint sein können, welche én(deEly 1e Enosourio
xai anoßaosıs ing Iledororvioov 7 doxoî nvroïc“, und doch be-
durfte es hier des scharfblicks von Müller-Strübing nicht einmal,
um einzusehen, wie alle bemerkungen Steups gegen das rpsuxorra
so günzlich fehlgeschossen sind. Von Steup wundert mich sein
angriff gegen igsaxovra gar nicht; er hat einmal den pruritus,
unecht zu finden, ist von dieser epidemie angesteckt und steckt
nun seinerseits auch andere, selbst freund Classen mit an. Aber
von Stahl und Classen wunderts mich, denn sie kennen den 'Tbu-
kydides und wissen daher, dass «i meoi [elonovenoov vijec, was
Müller-Strübing in seiner vertheidigung allenfalls noch hätte an-
führen können, nur schiffe sind, die jenseits im westen vom Pelo-
ponnes fahren («, 108, 30; 8, 7, 12—15; B, 23, 35; B, 25,
24; f, 30, 9; 8, 31, 22; (8, 67, 18), 8, 69, 23; f, 80, 15;
%
Jahresberichte. 681
y» 3, 24; (y, 16, 10) y, 17, 21; y, 29, 7; y, 91, 11; y, 94, 9;
y, 105, 6; d, 2, 26; d, 27, 21; È, 85, 28; ¢, 90, 21; ¢, 105,
2; n, 17, 4; n, 20, 23 coll. c. 26; 5, 57, 9), dass die 100
schiffe aber nur diesseits des Peloponnes bleiben, in der nähe des
Isthmos. Müller- Strübing ist hier in vollem recht, nur hätte ich
gewünscht, dass er sich in seinem frischen siegeslauf für 194axovra
nicht unnütz hätte aufhalten lassen durch einen vergeblichen an-
griff gegen das unschuldige uud gut beschützte ds /7:Aoz1óvvmoov
in 7, 20, das er (p. 110) in reoè [Medonovrncoy ändern will, „denn
das, sagt er, ist c. 7 die gewiss richtige lesart der Chier hand-
schrift in München (G) statt des êç /IsAonovvnoov der übrigen
handschriften, obgleich der scholiast schon êç ZlsAonovrnoov ge-
lesen hat“. Ich liebe es nicht, allgemein zu sprechen, aber fragen
muss man hier doch, wie sollte ein abschreiber darauf gekommen
sein, statt eines überlieferten meg, das einen sinn hat und das ge-
wöhnliche ist, hier ein ungewöhnliches à; zu setzen? Es konnte
ja freilich bier auch heissen, wie Müller-Strübing will: '4435raio
xai negi Iedon6vrnoor vovg antorsdar 1Quuxorta xai > dou mor
tov Populwvog crouryyér, aber sein eigentlicher und hauptzweck
sollte nicht sein, zegi /JsAonovvgcov zu fahren, sondern nach Nau-
paktos auf dauernde station zu gelen, wie sein vater dort gewesen
war, und das ists, was zum unterschiede von zoí mit dem é¢
ausgedrückt wird. Man achte nur, wie Thukydides bei I1:4026»-
ry6ov mit den prüpositiouen 2; (y, 7, 20; y, 86, 9; d, 118, 17;
e, 52, 29; È, 61, 10 zw.; n, 12, 11; n, 25, 25) und xara und
moog und naga und smeg( seiner zeit zu wechseln weiss, um hier
& in zukunft unangegriffen zu lassen, zumal diese schiffe, die hier
nach dem westen und Naupaktos gehen, offenbar im gegensatze
zu den schiffen stehen, die schon vorher nach dem osten, nach
Lesbos beordert waren. Dass der münchener G hier gegen die an-
dern handschriften zeol giebt, darin steht er ganz auf demselben
niveau der missverstehenden rationellen weise, wie Cobet und die
andern Hollander und Müller-Strübing auch; finde ich G und E
und F und zumal B jede für sich allein gegen die andern hand-
schriften, so bin ich es fast schon gewiss, dass sie im unrechte sind.
»Wenn ich nun hier Steup habe entgegen treten müssen,
fährt Müller-Strübing p. 112 fort, so stimme ich dagegen dem
verdammungsurtheil, das er über das ganze cap. 17 ausspricht,
vollstindig bei. Seine beweggründe für die unechtheit sind so
schlagend und überzeugend, dass es mir überflüssig scheint, diese
oder jene bemerkung zu ihrer vervollstándigung noch hinzuzufügen,
selbst wenn ich dazu im stande wäre. Ich verweise daher auf
seine eignen ausführungen im Rh. mus. 24, 350 und 27, 637 oder
auf den gedrüngten auszug, den Classen in dem kritischen anhang
rur zweiten auflage des dritten buchs seiner Thukydidesausgabe
mit hinzufügung eigner und treffender gründe für die unechtheit
a
682 Jahresberichte.
giebt“. Also hier wieder schlagend, treffend, überzeugend, wie
dort unwiderleglich. Von allen seiten wird jetzt gegen y, 17
sturm gelaufen, gegen das ganze kapitel oder gegen einzelne sätze
und worte, und doch muss ich sagen: ist dieses kapitel unecht, so
ist es der ganze Thukydides nicht minder. Man laufe nur immer
sturm, aber vorsichtiger wäre es doch, sich vorher die feste selbst
etwas auzusehen und die besatzung, die darin liegt. Die einzelnen
ausdrücke: àv» rois nAeioras, Erspyol, ywoic dé, vxavudwoe, di-
“douyuoi:, dsenoAsooxnoav, selbst zuletzt éxAngwFnouv, haben alle das
sprechende gepräge des Thukydides so sehr, dass viel dazu gehört,
sie mit der falschen münze eines scholiasten zu verwechseln. Und
nun gar wenn ich auf den inhalt des kapitels sehe, seinen zusam-
menhang im ganzen und die bedeutung jedes einzelnen, wundere
ich mich erst recht, dass man dieses kapitel nicht eher zu den
lehrreichsten und zu den nothwendigen im werke rechnet. Aber
was hisher für und wider vorgebracht ist, zeigt auch, dass man
eben noch nicht erkannt hat, was das kapitel denn eigentlich will,
und so ist hier wieder dieselbe sache wie oft, man verdammt, weil's
noch am rechten verstündniss fehlt. Man macht sich wohl einmal
illusionen; aber hier scheint mir alles so klar zu liegen, dass ich
die philologen wenigstens, die hier nicht schon engagirt sind,
leicht zu überzeugen hoffe. Sehen wir uns zuerst die sprache,
dann die sachen an.
Zu Exieory z. 18 bemerkt Classen: „mAsiv in der prägnanten
bedentung: in der fahrt begriffen, auf see sein, ist sonst nicht
nachgewiesen. Wohl steht màs?» oft von schiffen, doch nie ohne
prädikative bestimmung, sei es eine örtliche wie êç Æiyvxror, oder
eine qualitative wie dgoza“. Es wäre doch eine wunderliche
sprache, die zu sagen erlaubte: er ist auf einer fahrt nach Eng-
land begriffen, aber nicht: er ist auf einer fahrt begriffen. Was
sollte denn hier hinzugesetzt werden, wo es nicht auf dep ort,
oder auf ein wie, sondern einzig darauf ankam zu sagen, dass
die schiffe unter segelo waren. Aber ebenso wunderbar wire es
auch, wenn der schriftsteller in seiner kriegsgeschichte nicht auch
ein oder das andere mal gelegenheit für das nackte zAeiv gehabt
haben sollte. Nachgewiesen ist es deswegen noch nicht, weil nie-
mand bis dahin anlass hatte, nachzuweisen was selbstverstandlich
ist. Vielleicht genügt für das, was gewünscht wird, noch nicht
0, 3, 30: xoi ub uèr vig. xara Tüyoc EnAeov, aber genügen muss:
a, 27, 22: jouw dé xoi oi nArorte, noAlol, und in dems. cap. 27,
25: d «ou xwlvosrro ond Keoxvgalwv nisiv, und n, 31, 10:
OAxudu Ogmovcay . . . avınv uiv diapdeloss, os d’ uvdges ano-
qvyovrec vorsoor Aaflovreg aAAny Exdeor, und 9, 23, 3: of yag
* Adnvaîo:, woneg Èndeov, . . twy 1€ Xlwy vewv ixgargGuv; und
9, 60, 17: xoi agavıss nacaıs raig vavoiv éx ınc Podov
éxieov und È, 31, 2 zw.
Jahresberichte. 683
"Ev roig mAsiGra, habe ich früher, Philol. XVI, seinem werthe
nach zu bestimmen gesucht; hier soll es die geringere zahl der
schiffe des 4. jahres gegen die grössere des ersten jahres be-
zeichnen, die sogleich angegeben wird. Aber sieht dieser dem
Thukydides ganz besonders eigenthümliche ausdruck etwa wie das
geschreibsel eines scholiasten aus? Allerdings hat das von diesem
worte auch niemand behauptet, und so darf ich also weiter gehen.
"Evegyóc, sagt Classen, für dv Egy wy, sei von schiffen nicht
angemessen. Etwa weil schiffe keine menschen sind? Aber in
der ganzen grücitüt findet sich ja aller orten évegyo¢ ohne alle
nebenbedeutung des wirksamen, in dem einfachen siun der blossen
thätigkeit, des beschäftigtseins: évegyóg yf, evegyd¢ ywoa, êreoyor
medlov, éevegyu apyvoıa (apyvosiu), xınuuru, yonwata. Es ist
also für das, was hier gefordert wird, ein schóner lebendiger aus-
druck, der allenfalls einen scholiasten zu einer glosse veranlasst,
schwerlich ihm aber vou selbst in die feder läuft. Hesychius er-
klärt évegyol durch: Erosuos ngóg igyactav, ui un «gya(, und
wäre es unmöglich, dass er dabei, weil er «i sagt, diese unsre
stelle im auge gehabt hätte? ?»«gyol vec sind also: schiffe in
funktion gerade so gut, wie wenn Plato von richtern in funktion
spricht, Legg. II, 674, B: unde dexuoraç Èregyovs Ovrag olvov
yevecdas 10 nagunav.
Aber 2»egyóg xaAAes. Classen sagt dazu: „ein verschrobener
ausdruck des interpolators, durch welchen er die activität zugleich
mit einer vorzüglichen ausriistung hat bezeichnen wollen“. Am
ende des kapitels ist aus derselben feder geflossen: i»AgguJ7nca»r.
Wer dort das wort schreibt in dem beschrümkten sinn, wie Thu-
kydides es stets gebraucht, einzig von der bemannung und nichts
weiterem (a, 29, 30; a, 29, 34; 35, 13; 47, 24; 141, 32; y,
75, 20; 77, 10; 80, 13; 81, 28; 115, 3; d, 1, 8; 13, 36;
14, 7; È, 20, 23; 30, 26; 52, 2; n, 7, 27; 17, 13; 19, 15;
19, 18; 21, 8; 21, 29; 31, 31;:37, 30; 40, 9; 51, 17; 60,
26; 60, 32; 65, 22; 72, 3; 72, 32; 9, 15, 12; 15, 14; 19,
2; 87, 17; 95, 3; 95, 7; 97, 25; 108, 17), der giebt auch da-
durch kund, dass er genau weiss, worauf es in diesem kapitel al-
lein ankómmt, einzig auf die bemannung, auf die durch sold und
verpflegung den staatsschatz aufzelrende mannschaft. Wer also
énigouncav geschrieben hat, dem konnte nicht einfallen, zugleich
an vorzügliche ausrüstung zu denken und nun gar das etwa mit
xaÀÀe bezeichnen zu wollen. Dass xuAAss aus dem richtigen ver-
schrieben ist, darüber wird man einig sein, auch wenn man sich
einen interpolator als den schreiber denkt, und noun gar einen in-
terpolator, der die notizen dieses kapitels bringt. Aber was ist
das ursprüngliche, das richtige gewesen! Ich habe schon vor jah-
ren (Philol. XVI) xxlw vorgeschlagen oder lieber xuAws, nur bei-
läufig, ohne begründung, weil es mir damals nicht darauf ankam.
684 Jahresberichte.
Wenn ich aber dabei im stillen hoffte, der vorschlag werde bei
kennern schon durch sich selber eingang finden, so ist das aller-
dings eine illusion gewesen. Versuch ich's also hier, ihn zu be-
gründen. Pollux 1, 107 keunt die ausdrücke und stellt zusammen:
énliopey maviu àvact(Gavreg xaÀur, anacs x«Àowg, narra avévies
zu forfu. Ein oft im mund geführter ausdruck war: navra zalwr
xevety oder éxre(reiv. oder égrévas oder é£iévas oder aslar, so Ari-
stoph. Eq. 756: voy di os navra dei xalwr éEsévas GEQUI OÙ ;
dazu das scholion; Kurip. Med. 278: dy99ol yág tac muvra Jn
xuiwv; Plat. Prot. 338, A: ndvra x«Aw» éxtelvavta; Plat. Sisypb.
389, c: 16 Asyoueroy ye navra xadwy epérrec, und das scholion:
návia xudwy ègér 186, Ermrelvavies ĩ xvijcavies N celcavtes, na-
gosula êni wy mácp n9o9vula yowpérwr. [agñxras di «70
THY Ta Oyow(a FF Ta GQptva yaduivewy vavıwv. Kados, attisch
xuhop, die taue, an denen die segel befestigt waren, steht für die
segel selbst, und so wird auch bei Suid. s. v. xaà sugosula’ maria
xáÀwv xirtiv. Toomauç ano tov lo10U A€yes. unkour os dei mm
üqueru, das icroù in ioríov zu verändern sein. Dass xadw in die-
sem sinne auch sonst , nicht bloss in dem sprichwort und in ver-
bindung mit zavzreg, ARUVIEG im gebrauch war, können stellen wie
Eurip. Troad. 94: orav oipureuu’ "Aoyelwv ti xidws und äho-
liche genugsam zeigen. “Evegyoi xüAwç ist also ein technischer,
seemännischer ausdruck, in welchem der gebrauch xuAwg zu éregyot
für die anschauliche vorstellung hinzugefügt hat. "Evegyoi xu Aoc
dy£vorro ist also ein schönes synonymon für das vorhergehende
Exieov, gerade das, was hier einzig gebraucht wird, für schiffe,
die unter segeln, auf der fahrt, in funktion begriffen sind. Dabei
weiss ich freilich sehr wohl, dass diese vermuthung : vne; &vepyoi
xuAwg erst zur vollen gewissheit wird, wenn später vielleicht ein
stein zum zweiten mal dies évegyoi xuAwg zeigen wird.
Zu ywoic dé z. 22 schreibt Classen: ,,ywoîs dé absolut, ohne
ein ausgesprochenes oder leicht zu ergünzendes prüdicat, findet sich
sonst bei Thukydides nicht“. Xwoic dé kómmt im Thukydides
ausser unsrer stelle Gmal vor: a, 61, 34; f, 13, 30; 8, 31, 29;
B, 31, 31; 8, 97, 24; È, 31, 35 zw. und zwar so, dass sich
nach ywgîs dé die construction fortsetzt, wie sie angefangen hat,
das ist der brauch, also wie «, 61, 34: 19icprilorc uiv OnAlrase
faviwy, ywoig dé ruv Evuuaywr moddoic, oder in eignen sätzen
mit den nominativen des subjekts, wie 8, 31, 31: uérosxos dè Eur-
eséBudov ovx êluocous roscysAlwy Ondırwr, yugig dé ò «Aiog
ÖusAog yrdwy ovx OAlyoc. Gerade so auch an unsrer stelle. Wie
in B, 31, 31 sich zu 6 GAAog oprdog ein EvvecéBude leicht und
von selbst ergänzt, so hier dasselbe eben vorher gegangene year,
und ebenso ist es f, 97, 24 und È, 31, 35 zw., so dass zwischen
y, 17, 22 und diesen drei stellen grammatisch auch beim besten
willen nicht der geringste uuterschied wahrzunehmen ist.
Jahresberichte. 685
Ueber zovzo z. 25 heisst es bei Classen: ,,rouro muss auf den
ganzen voraufgehenden satz bezogen und von der aufstellung der
250 schiffe verstanden werden: ein ungenauer ausdruck, wie er
sich bei Thukydides sonst nicht findet“. Nein, noch viel mehr, nicht
bloss auf den voraufgehenden satz und auf die aufstellung der 250
schiffe, sondern auf den gauzen inhalt des vorhergehenden muss
das rovro bezogen werden. Und das wäre ein ungenauer aus-
druck und fande sich bei Thukydides nicht? Muss sich das doch
in jeder sprache finden, die ein und dasselbe nicht zweimal sagen
will. Wie z0de oft einen ganzen folgenden inhalt in sich trägt,
so tovro oft einen ganzen voraufgehenden. Aber ich gestatte es
mir nicht, auf allgemeine aussprüche mit allgemeinen behauptungen
zu antworten; daher führe ich hier, so selbstverstündlich die sache
ist, doch die im Thukydides vorkommenden fälle auf aus « und
8; natürlich sind die folgenden hücher nicht minder voll davon;
also: «, 5, 20; «, 9, 1; a, 10, 21; a, 32, 22; a, 50, 25; a,
74, 85 u, 77,3; u, 93, 34; «a, 120, 33; «, 131, 22; p, 6,
11; f, 11, 5 zw.; ß, 13, 9; 8, 15, 34; f, 102, 26. Aber da-
mit darf ich das zovzo noch nicht verlassen. Hier sind wir schon
an einem punkt, wu grammatik und sache in einander gehen. Ich
habe bereits oben gesagt, über das ganze kapitel würde man anders
urtheilen und respekt vor ihm haben, wenn man es erst verstan-
den hätte. Von dem bisherigeu missverstándnis wird auch dies
zovzo berührt. Nicht auf die aufstellung der 250 schiffe allein
geht dies zovzo, sondern auf den ganzen gedanken, den der schrift-
steller vorher vorgetragen hat. Es ist ein glück, dass sich das
aufs zweifelloseste beweisen und so das rechte verstündniss des
gauzen kapitels gewinnen lasst; und wie sollte es nicht, da wir
es mit Thukydides zu thun haben. Sein gedanke, den er in die-
sem kapitel darlegt, ist also dieser, den beweis gebe ich sogleich.
In dieser zeit, sagt er, in mitte des vierten jahres, als die Athener
mit ihren 100 schiffen zur Epideixis am Isthmos unter segel wa-
ren, latten sie mit die meisten schiffe in see, mehr jedoch noch
im anfange des krieges, wo es in einem sommer zugleich 250
schiffe waren. Und dies, dieser umstand, dass so grosse schiffa-
mengen zu gleicher zeit zur verwendung kamen, 170 und ein an-
dres mal 250, hat mit den kosten der bewachung von Potidäa
ihren staatsschatz allmählich aufgezehrt, so dass ihnen zur belage-
rung von Mytilene bereits die mittel fehlten und sie zu neuen ein-
nahmequellen, damals zu einer gogoge ihre zuflucht nahmen. Dass
mit den schiffeu, die z. 30 genanut werden, nicht bloss die schiffe
vor Potidáa gemeint sind, ist zunächst durch eine kleinigkeit klar,
durch die stellung des ze in z. 26. "Thukydides sagt nicht: any
Hottdaiuvr didgayzpol ze 0nÀias .. . vi£g te, sondern: rz» ze ydQ
Hloideiav . . . vz£g te. Das doppelte, was 2.25 in den worten:
AQuara rovro pudsora vnarudwos peta Jloudalag, vorherge-
686 Jahresberichte.
gangen war, das rovro und [Joridusa, erscheint hier in seiner
zweitheilung wieder, zuerst werden die ausgaben für Potidáa, danu
die ausgaben für die schiffe besprochen. Und dass bei diesen »ñiç
re an alle schiffsmengen gedacht wird, an die àv roig mietoras des
gegenwärtigen jahres und an die és zàÀs(ovg; des ersten jahres,
zeigt sich, wenn ich noch von dem zusammenhange des ganzen ab-
sehe, einmal ersichtlich in dem zusatze «i 74045, sodann auch in
dem _rekapitulirenden schlusswort des kapitels, z. 32: xai rie
100410 du nleioıuı, womit also dieselben beiden schiffsmengen,
die vorher im kapitel angegeben waren, als die grössten wieder-
holt werden. Wenn also Classen zu unuvudloxw z. 25 und 31
die anmerkung macht: ,vnuvudfoxw, allmählig aufzehren, passe
nicbt zu dem grosseu aufwande des j. 431, der hier auseinander-
gesetzt werden soll“, so trifft eben diese voraussetzung, als handele
es sich hier allein um das jahr 431, nicht zu; es umfasst viel-
mehr alle vorgekommenen grossen ausgaben der ersten jahre des
krieges, z. 30: 10 ngurov, und ist also ein ausdruck so passend
gewählt wie nur möglich. Ausser hier kömmt das wort in der
ganzen gräcität nur noch 7mal vor; und ein so seltener und dabei
an unsrer stelle so einzig siguifikanter ausdruck soll einem nichts-
nutzigen interpolator gekommen sein?
Ganz dusselbe ist auch von gYgovgeiv z. 26 zu sagen. Clas-
sen bemerkt dazu: „ppovgeiv ywelov muss hier verstanden werden:
den belagerten ort bewacht halten, sonst immer den zu schützenden“.
©oovpeiv heisst: wache halten, bewachen; ob ywe/or oder sonst
etwas, ist gleichgültig. Natürlich wird Ypovgeiv zugleich oft ein
beschützen in sich schliessen, aber nothwendig ist das durchaus
nicht. Auch im Thukydides ist das nicht immer der fall. «a, 107, 3
heisst es: duçodog 16 yàg n Tegavlu xai èppovpetro dei Uno
"AFyvatwy; ist da von einem schutze die redet +, 35, 16 sollten
sechs schiffe der Peloponnesier beim Triapivn, dem vorgebirge
von Knidos, frachtschiffen, die von Aegypten erwartet wurden,
auflauern; die werden von den Athenero weggenommen, und dabei
heisst es z. 20: oi "Anvuios AuuBdvovos zus Ent 16 Tocanty
poougorous FE vac, wobei also gerade das gegentheil von schutz,
just wie bei Potidäa statt gefunden hat. Aber wie besonders
schön gerade hier von Potidäa das époouçpour gewählt ist, muss
ja ius auge fallen. Denn einmal ist dies ggovgtiv hier dasselbe
wort, das der schriftsteller oben schon zweimal von demselben
Potidäa gebraucht hatte, a, 64, 20 und 22, und sodann bezeichnet
es gerade die arbeit, welche die Athener hier bei Potidäa zu leisten
hatten. Nicht um die erstürmung der stadt handelte es sich, die
versuchte vorübergehend Hagnon mit seinen neuen krüften nur ein-
mal aber vergeblich, 8, 58, 33; vielmehr hatten es die Athener
gleich anfanglich darauf abgesehen, die stadt auszubungern und so
zur übergabe zu zwingen. Zu dem ende hatten sie vom meer zu
Jahresberichte. 687
meer nördlich und südlich von Potidäa ein doppeltes zeiyog gezo-
gen uud hielten nun von da aus wache, dass nichts hineinkam.
Und dieses ggovgeiv hatte deun auch seinen endlichen erfolg.
"Exedy, heisst es B, 70, 34 . . . 6 1e oïroç Enslelolnss xoi adda
15 nolla éneyeyévnio uviods ndn foewoews négs &rayxolag xat
uveg xul adandwy éyéyourto, oviw dn Aoyous moocpépoucs mepl
EvuBuoews. Auch roAsogxeiv hätte der schriftsteller gebrauchen
kónnen, warum nicht, auch hat er es «, 70, 1 gebraucht; aber
wer erkennt nicht, dass œoovgeir hier der gewähltere ausdruck
ist, und doppelt schón, weil er die art der bekümpfung und das
zuletzt ausschlaggebende zugleich angiebt.
Und nun noch die letzte grammatische bemerkuug Classens
gegen édupfure, z. 27: „der singular im anschluss an den voran-
gehenden plural ohne beispiel bei 'Thukydides*. Zunächst nicht
ohne beispiel sonst, bei guten schriftstelleru, so bei Plato, der wie
er Protag. 324, A schreibt: oùdeiç yàg xodules rovg adixobriag
. + Tovtov Erexa ors Adlanoev, sich öfter ausdrückt. Aber so-
dann auch nicht ohne beispiel bei Thukydides. In y, 36, 13: xai
moockuveBudero oùy 2Auyıcıor tác, sours ui Medonovynofwv vies
hat Classen sich zu finden gewusst und vertheidigt, gewiss mit
recht, diesen singular beim plural, obgleich schon handschriften ge-
ündert haben. Doch gratulire ich dem Thukydides und auch mir,
dass er solchen satz nicht auch hier in y, 17 geschrieben hat; in
welchen verdacht würde er sich selbst gebracht, und wie würde
er mir dadurch die aufgabe erschwert haben. Aber als hieher ge-
hóriges beispiel wird Classen diese stelle schwerlich anerkennen,
Der singular geht hier ja dem plural voran, und in solchem falle
ist die sprache schon kühner gewesen. Aus demselben grunde wird
Classen auch n, 24, 11: are yag tapseto yowuérwr xv d95-
rufwy toîg telyeos, nicht gelten lassen, obgleich es darin besondere
für sich bestehende ze(yy waren. Aber a, 120, 13 unterscheidet
sich das jdoperoy nach drdgwr Owgppovrwr und cyadwy von unsrer
stelle in gar nichts, ja noch mehr, dort war 7douérouç leicht zu
schreiben, und hatte nichts verwirrt, hier war der singular wegen
deuyunr nothwendig und von selbst gegeben, der plural würde die
einfache rechnung unmöglich gemacht haben.
Ist demnach das resultat der bisherigen sprachlichen bespre-
chung dieses, dass die ausdrücke, deren thukydideische herkunft
man angezweifelt hat, gut legitimirt sind, so legt der inhult des
kapitels nicht minder im grossen wie im einzelnen für die echte
geburt dus zweifelloseste zeugniss ab. Reden wir zuerst vom ein-
zelnen. Die neue belehrung, die z. 20 für das erste jahr des
krieges bringt: rz» te Atrexiy xol Evßosav xui Sadupiva Éxaioy
égvduooor, ist den auslegern nicht recht, stutt dass sie sie mit
dank hinnehmen sollten. So etwas hätte ja, sagen sie, schon vor-
her vorkommen müssen. Aber es ist ja vorgekommen, und gerade
688 Jahresberichte.
so viel als dort an der stelle war; für das weitere, wusste der
schriftsteller, würde sich schon später die passendere stelle geben.
Da wo Thukydides den Perikles seinen Athenern die weise und
die mittel der kriegsfülrung auseinandersetzen lässt, heisst es wie
in einem athem 8, 13, 15: mugyves dè . . . zur mods ecedSortagc
yv)cocsıy xai 10 vavrexdy free loguovosr ÉEugrusodus. Zuerst
beachte man den ausdruck. Von Hellas, als es noch keine flutte
hatte, heisst es a, 13, 25: ravuxa 1e Enoweto n EAAag, es legte
sich flotten zu, richtete sich flotten ein; ebenso sagen die Korin-
thier von den Peloponnesiern, die zur see noch aichts bedeuten,
a, 121, 28: vavnuxov 1€ — éSugivoousdu. Ein anderes ist:
!Euprvsodus 10 ruvnxor, eine flotte, die schon da ist, in stand
setzen und segelfertig machen, so u, 25, 24; 8, 85, 33: vau...
zug nguüunupyovoug ÉEugruovio ws Ent vuvuaylar. Auch der aus-
druck jeg loyvovciv ist nicht ohne bedeutung. Wenn die Korin-
thier an jener stelle u, 121, 28 sagen: @ ioyvovcw, so haben sie
keinen grund, von der athenischen flotte mehr zu rülmen, als
schlechtweg: wodurch sie stark sind und einen seekampf bestehen
können. Das j7eg logvovow, das wir hier bei vavrexov haben,
wie wieder a, 142, 31 bei »uvols, die flotte, wo ihre stärke rubt,
in welcher kriegsweise sie ihre starke haben, deutet zugleich alle
die vortheile an, die den Athenern aus ihrer flotte erwachsen und
die Perikles «, 143 den Athenern eines weiteren auseinandersetzt.
So fordert er also hier 8,13 in dem: 10 vuvrsxor nto loyvovow
dEagiveo9us, dazu auf, die flotte, die schon da ist, in stand zu
setzeu und segelfertig zu machen und sich so, in dieser weise ge-
rade die vortheile zu sichern, die sie ihnen bietet. Und wie viele
schiffe sind das, die sie hier aufgefordert werden in see zu stel-
len? f, 13, 19 heisst es: xai untpaiwe . . . xai TIMES Tag
miotuove t1QsuxoGÍac. Also 300 segel, zu beidem, zu angriff und
vertheidigung bestimmt, Denn natürlich kehrt immer dies beides,
wie auch y, 17, so f, 13, 18 und a, 142, 29 ff.; 143, 1 neben
einander wieder. Von diesen 300 schiffen sind 50 um Potidia
und auf den andern stationen, 100 auf der westseite des Pelo-
ponnes, so bleiben noch 150 zur deckuug der inselvaterstadt (a,
143, 31 ff.) Dass die Athener in der ersten hitze des entbren-
nenden kampfes, wo zweidrittel der gesammten peloponnesischen
heeresmacht gegen sie beranzog und ins land brach, wo wer
mochte sagen was für unerwartetes und plótzliches von freund und
feind sich ereignen konnte, diese gesammten 150 schiffe nicht ua-
thätig in ihren schiffshiusern werden zurückgehalten haben, zumal
sie sich dem landheere des feindes gegenüber ihrem plane gemäss
nicht rühren wollen, das sagen wir uns von selbst, auch wenn
nichts sonst darüber verlautete. Vorläufig fragen wir noch nicht
bei unserm y, 17 an, um bestimmteres zu erfahren; der schrift-
steller hat uns sonst schon gut genug vorbereitet. Dena nicht
Jahresberichte. 689
bloss auf die deckung des eignen landes hatte es Perikles mit
diesen schiffen abgesehen; von der möglichkeit, jemals seetüchtig
zu werden, wollte er die Peloponnesier für immer ausgeschlossen
wissen. Einer geringeren schiffszahl gegenüber mochten sie es
ullenfalls versuchen, aus ihren östlichen häfen, namentlich Nisäa,
herauszukommen, in offner see zu manóvriren, endlich wohl gar
seegeübter geworden einen kampf zu wagen; durch eine grössere
in see gestellte flotte sollte so etwas ihnen für immer benommen
sein. Mit dieser bemerkung ist nur wiederholt, was Perikles bei
'Thukydides selber sagt, a, 142, 2: zug dn avdges yeweyol xai
où Jaluocos, xai mooçén ovdì pelsrous tacopevos diù 10 ig?
^v mwodduic vavoiv dei &pogusiotas, akcov uv Ts dower; nQog
piv yug OÀtyag Époguovous xav diazivduvevossav, Andes ınv
apadluy Feuovvortes, moAAuig dé sioyóueros jovydooucs xai Ev
19 py pehetwves dEuverwitegos Eoovtas xal. di alzò xai dxvned-
16004. Dass diese aufgabe, dei épopueir und elgyesy eine andere
ist, als voriibergehend im westen die peloponnesischen kiisten heim-
zusuchen , ist deutlich genug. Dort also sind es noch im allge-
meinen zoàÀai viec, eine starke schiffsmacht, hier in y, 17, wo
etwas darauf ankommt, die rechnung aufzumachen, sind es in be-
stimmter angabe die 100 schiffe geworden, um die es sich han-
delt. 50 schiffe sind also in dieser ersten zeit noch immer unbe-
manot und in den schiffshäusern geblieben. Dass diese 100 schiffe,
von denen es y, 17 heisst, sie seien zur deckung von Attika, Eu-
boea und Salamis aufgestellt gewesen, zugleich noch die besondere
aufgabe hatten, den osten des Peloponnes in schach zu halten, kann
man aus den punkten abnehmen, welche die andern 100 athenischen
schiffe um den Peloponnes anlaufen. Auf ihrer ganzen fahrt be-
rühren diese keinen punkt im osten, sie haben es nur mit dem
ganzen westen, von süden bis nordeu zu thun; natürlich, weil eben
den andern schon der osten oblag. Aber noch für ein zweites ist
so eine erfreuliche einsicht gewonnen. Nachdem die Peloponnesier
wieder aus dem lande fort sind und die Athener nun aus neuer
erfahrung wissen, was sie von solchem einfall der feinde zu be-
fürchten haben, giebt der schriftsteller uns in einem ühnlich in-
struktiven kapitel, wie y, 17, die erwünschteste belehrung, wie sie
es von jetzt au ferner mit der bewachung ihres landes zu wasser
und zu lande gehalten haben, f, 24, 11: ’ Avyaywenourrwv dé aù-
rà» oi ' A9pvaîos pudaxds xutecifourio xarà yz» xoi xata 9a-
luoour, woneg di Éuellor deu navróg tov noléuou puiakesw are.
Perikles sieht keinen anlass mehr, luxus zu treiben. In zukunft
werden nur zehn schiffe in der nähe auf wachtposten gehalten, 40
schiffe sind damals noch bei Potidán, und die 100 je besten wer-
den für einen üussersten nothfall in reserve gestellt; so sind im-
mer noch 150 schiffe zu beliebigem laufenden kriegsgebrauch zur
verfüguug. Später aber uls der plötzliche schrecken von Nisäa
Philologus. XLII. bd. 4. AS
690 Jahresberichte.
aus sie überkam, ende sommer 429, werden sie wohl einige schiffe
mehr zur eignen deckung verwendet haben, B, 93. 94.
So steht es also um die 100 schiffe, die in dem einen ersten
sommer bei Attika, Euboea und Salamis wache halten. Wie verhält
es sich nun mit den 50 schiffen um Potidäa und auf den übrigen
stationen? „Die lassen sich“, behauptet Classen, ,,schlechterdings
nicht mit den eignen angaben des Thukydides 1, 57, 4; 1, 61, 1.
3 und 2, 56, 1 in einklang bringen“, Aber soll denn und braucht
denn in einklang zu stehen das, was in den zeiten vor ausbruch
des krieges geschieht, mit dem, was sich im ersten jahre des krie-
ges begiebt? a, 57, 3 sind noch vor dem abfall von Potidäa 30
schiffe mit 1000 hopliten unter Archestratos und (vielleicht) zwei
andern feldherrn nach Macedonien gegen Perdikkas geschickt; als
Potidäa bereits abgefullen ist, folgen diesen, a, 61, 20, 40 andere
schiffe mit 2000 hopliten unter Kallias und vier andern feldherrn
nach. Diese 3000 hopliten, von der seeseite von den 70 schiffen
gedeckt, liefern die schlacht bei Potidäa, a, 61, 33; weil aber
dies vereinte heer nicht genügend erscheint, sichrer massen Potidäa
abzusperren, senden die Athener ygorm voregov, «, 64, 25, den
Phormion noch mit 1600 hopliten. Doch auch auf schiffen. Aber
auf welchen, etwa wieder auf 20 oder 30 andern, so dass jetzt
aus den 70 schiffen gar 100 geworden würen! Wir erfahren es
nicht, weil wir uns das natürliche und selbstverständliche von selbst
sagen. Wenn später im ersten jahr des kriegs 40 schiffe um Po-
tidäa liegen, so werden also jetzt, nachdem die schlacht bei Potidäa
geschlagen ist, von den 70 schiffen 50 nach Athen zurückgegangen
und von diesen wieder 20 mit Phormion und seinen 1600 hopliten
zurückgekommen sein. Erfahren wir doch auch über den wechsel
der zahl der athenischen feldherru bei Potidia keine genauere an-
gabe, wann und warum aus den ursprünglichen acht endlich die
drei geworden sind, denen Potidäa sich ergiebt, 8, 70, 7. Wozu
auch? Ist es uns denn nicht von selbst klar, dass jetzt, wo Po-
tidäa nach beiden seiten vollkommen abgesperrt ist, mit den 40
schiffen statt der 70 auch drei feldherrn statt der acht genügen,
um der sache ein ende zu machen? So viele abweichungen also
hier bei gelegenheit von Potidia zwischen den angaben des ersten
und zweiten jahres gegen die zeiten vor dem kriege, so viele
tugenden der darstellung, die unnóthiges zu übergehen weiss und
nur das wesentliche mittheilt.
Und wie mit den schiffen, so verhält es sich mit den bopliten.
»Auffallender weise, heisst es von diesen, geschieht bei dieser auf-
zühlung weder der gefallenen 150 Athener und der schweren ver-
luste durch die seuche noch auch der 4000 mann und der 300
reiter, welche im sommer 430 vierzig tage vor Polidäa lagen, ir-
gend eine erwühnung*. Also soll es ein einwand gegen >, 17
sein, dass der schriftsteler iu einer allgemeinen angabe über die
Jahresberichte. 691
kosten der belagerung von Potidäa seine darstellung nicht durch
eine unertrügliche wiederholung von einzelheiten verunstaltet hat?
Und wer will denn behaupten, dass die gefallenen 150 und et-
waiger sonstiger abgang nicht wieder ersetzt worden ist? Ue-
brigens hat Thukydides es hier nur mit den kosten des belage-
rungsheeres zu thun. Das sind allein, ganz wie y, 17 es sagt,
einmal die ursprünglichen 3000 und dann die 1600 unter Phor-
mion, welche letzteren bald nach dem beginn der belagerung ein-
treffen und von da bis gegen den herbst des ersten kriegsjahres
bleiben, 8, 29, 4 coll. 31, 29. Die 100 schiffe unter Hagnon
gegen Chalkidike und Potidäa, die wo môglich durch eine erstür-
mung der belagerung ein ende machen wollen, gehóren nicht zu
den kosten der dauernden belagerung , dies um so weniger, weil
die ganze expedition nur 40 tage dauert und von diesen schwer-
lich mehr als 14 tage auf den versuchten sturm verwendet hat,
ein hinreichender grund, warum y, 17 von Hagnon schweigt, und
ein beweis mehr, dass das kapitel vom rechten manne geschrie-
ben ist.
Und nun zum schluss noch ein wort über das kapitel in sei-
uem zusammenhunge. Der schriftsteller, bei dem unablüssig vom
aufuuge seines werkes bis zum ende hinaus der gedanke wieder-
kehrt, wie sehr geld die seele des krieges ist, hat es nicht unter-
lassen, noch kurz vorher da, wo die unternehmungen anheben, in
genauer ziffer die gelder anzugeben, die im athenischen staatsschatz
noch damals vorrüthig liegen, 8, 13, 26. Die belagerung von
Potidia, die bis zu ende des zweiten kriegsjahres sich hinzog,
hatte davon nicht wenig, im ganzen 2000 talente aufgezehrt (6,
13, 30; 8, 70, 11). Jetzt im beginnenden winter des vierten
kriegsjahres staud eine neue belagerung, die von Mytilene, bevor,
y, 19, 19, und dem historiker liegt es ob, jetzt mitzutheilen, dass
zu dieser neuen belagerung keine gelder mehr da sind und die
Athener sich genöthigt sehen, damals zum ersten mal zu einer
neuen geldquelle ihre zuflucht zu nehmen: xui 6 tp» noyero
yl(yveG9uv*. ngocdeouevos dé oi “AFnvaios yonuutwy 3g Tj» no-
Mopxluv, xai udroi éçereyxovies tore nowzor dGqogáv diaxogia
tuhevta, eéneppay xai ini 1006 Evuuayous aeyvgodoyous vovg
dwdexa. Woher dieser leere staatsschatz, woher, wenn von den
kosten der belageruug von Potidäa abgesehen wird, noch der ver-
brauch der übrigen 4000 talente? Natürlich erst hier, wo die
kasse nun leer war, war dus zu sagen, erst hier, wenn der ver-
brauch ein allmählicher war, von dem vzaraAMGxtiv, z. 25. 31, zu
reden. So wird, wenn hier neben der grossen schiffszahl des vierten
jahres die ühnlich grosse, ja noch gréssere des ersten kriegsjahres
erwühnt wird, diese nicht einmal etwa beilüufig hinterher nachge-
bracht, sondern sie gehört gerade so gut an diese stelle, wie die
schiffe dieses vierten jahres selber. Selbst früheres an passender
AN *
692 Jahresberichte.
stelle nachzutragen, hat sich auch dieser schriftsteller erlaubt nicht
minder als andere, so unter anderm y, 87, 18. 20; d, 21, 16; è,
16, 13 ff.; È, 31, 5 ff.; ¢, 54, 33 ff., ebenso wie er, wenn die
gelegenheit sich bietet, ins künftige vorausschaut, wie unter an-
derm 6, 65; y, 82; d, 60, 32—36; e, 16, 6. Aber hier ist so
etwas offenbar nicht der fall. Hier wird schlecht und recht von
einer jetzt leer gewordenen kasse die rechnung aufgemacht und auf
eine sich von selbst aufwerfende frage die nôtbige antwort ertheilt.
Wenn demnach dieses kapitel y, 17 auch in dem zusammen-
hange des ganzen eine nothwendigkeit ist und ganz an seiner
stelle, wenn die angaben desselben im einzelnen mit nichts, was
wir vorher beim schriftsteller gelesen haben, im widerspruch sind,
vielmehr nur eine dankenswerthe bestätigung dessen geben, was
wir schon aus uns selber vermuthen, wenn endlich die einzelneu
ausdrücke, an denen man anstoss genommen hat, nicht bloss allen-
falls noch des Thukydides würdig sind, sondern jeder für sich aufs
ersichtlichste seinen stempel trägt, so müsste es ein rätlısel bleiben,
wie kenner des Thukydides des kapitel in seiner nothwendigkeit
und seinem werthe verkennen konnten, wenn die zeit es nicht er-
klürte, Aber es sei, die jetzige zeit mag es streichen, eine spätere
zeit, dess bin ich gewiss, thut’s nicht und wird dieses kapitel wie-
der zu den werthvollsten im ganzen Thukydides rechnen, wie je
ein andres.
Wir kehren zu Müller-Strübing zurück. Den nächsten angriff,
der folgt, p. 112 ff., richtet er gegen y, 26, 32 — 2: Tov d
ensysyvopévou 9£gov; of Medonovvnosos Ensıdn rag dg i» Mur-
Anyny duo xai 00aQáxovra vavg dntoresdav Eyorıa "Mix(dar, 06
jv» auroig vavagyog, moogratarug, avroi ig 1iv° Arriziv xai oi
Evumayos ègéBador, Snwe of APnvaios augportew3er Sogvfov-
pavo, 7000» taig vavoiv dg 1j» Mutdnyny xatundeovoass énsBor-
Ffoovoyv. Zunächst nur eine kleinigkeit. In den worten will er
nicht Zyorvta, sondern agyorta, und schreibt zu diesem &Qxyovra in
klammern: so Classen richtig mit H. Stephanus statt des Fyorra
der libri. Wie es zu erwarten war, sind auch andere schon gern
gefolgt. Aber hätte man sich die stelle im zusammenhange des
ganzen angesehen, würde man das wort schwerlich angerübrt ha-
ben. y, 16, 12 hatte es geheissen: toregoy di ruvrsxdr nape-
oxevuloy 01» ní£uwovow ig tiv Atofor, xai xara noAug nyyyd-
Ao» teocuguxovia vewy nÀrJoc, xai vavugyoy ngoctraEav 'Adxldar,
og Eueller Enurdevcec9a. Damals also war erst die schiffe zu
stellen angesagt, und der nauarch Alkidas schon im voraus be-
stimmt, wenu die schiffe gestellt sein würden, das kommando zu
führen. Inzwischen, zwischen c, 16 und 26, sind die schiffe wirk-
lich gestellt und durch Zyovza erfahren wir jetzt, dass Alkidas be-
reits zu den schiffen abgegangen ist und das kommando übernom-
men bat. Das ist der besondere neue gedanke, den wir doch
Jahresberichte. 693
wahrlich keinen grund haben uns gegen alle handschriften nehmen
zu lassen. Wie sollte denn auch ein abschreiber, wenn ügyorsa
dagestanden bütte, dazu gekommen sein, dieses hier in der con-
struktion leicht fliessende cgyorra gegen ein £yorvra zu vertau-
schen? Uebrigens wäre dies agyovre im Thukydides ein unicum,
&Qyu» neben ravugyos von demselben mann kömmt im ganzen
Thukydides nicht wieder vor. Dies éyovza aber von dem, der das
kommando von schiffen führt, ist büufig genug, so ganz wie hier
y; 7, 26; 9, 19, 8; 9, 33, 12; 3, 41, 10; und ähnlich y, 90,
35; y, 115, 10; }, 61, 1; während Eye» von der anführung
einer sonstigen streitmacht so oft und so bekannt ist, dass zu ci-
tiren unnütz wäre. Gegen die construction: vaÿç unxfotesday Eyovıa
"Alıtdar, os nv adroïg vavagyoc, moogzukarzeg: ihn, der ihr nau-
arch war, dazu beordert habend, oder: den sie als ihren nauarchen
dazu beordert hatten, ist nichts einzuwenden; freilich aber ist's
eine construction, die thukydideisches geprüge hat, nicht eines
scholiasten.
Doch zur hauptsache. Von den letzten worten der ausge-
schriebenen stelle, von: Onwe of “AFnrvaios duportgwder Jogv-
Povusvos 90009 tuîs savoir & rji» Munnrnr xatandeovoas Enı-
Bon9noovow, sagt Müller-Strübing: „ich behaupte, die worte kün-
nen so wie sie dastehen, nicht von Thukydides geschrieben sein,
da sie eiue falsche angabe enthalten; entweder ist vor ihnen etwas
ausgefallen, oder sie sind interpolirt. Denn wie soll Thukydides
dazu gekommen sein, diesmal einen grund, noch dazu einen fal-
schen, dafür anzugeben, wesshalb die Peloponnesier ihren einfall in
Attika machten? Dieser eiufall verstand sich ja von selbst, so
sehr, dass Thukydides vielmehr, wenn der einfall einmal nicht statt-
fand, dafür einen grund angiebt und angeben muss (wie 8, 71;
y, 89)“. Dazu komme das sprachliche. Schon augoréowder Fo-
ovßovusvos sei schief, und erst recht 2mjon9/covow. Das ist
doch, als wenn es sich nach etwas anhorte. Wiederum dieselben
energischen gedanken, wie bei Müller-Strübing immer, und doch
beruht alles eben auf missverstand, weil er wieder die stelle nicht
in ihrem zusammenhang gelesen hat. Aber auch die ausleger bis
jetzt haben das nicht gethan, und so ist Müller-Strübing vollkom-
men im recht, wenn er mit der stelle, so weit sie noch unver-
standen ist, ius gericht geht. Aber wenn er schon weiter sieht
als die bisherigen ausleger alle und vor auyor&gwder stille hält
und fragt, warum ist er nicht noch einen augeublick seinem glück-
lichen impuls gefolgt, statt zu rennen und sofort beim büsewicht,
seinem interpolator und dessen „naseweiser hand“ hülfe zu suchen.
Es kümmt nur darauf an, dus Gugoréoçwder, das ihm schief er-
scheint, gerade zu richten; den andern auslegern ist es gar nicht
unter die augen gekommen, denn für das, was hier das wichtigste
ist, haben-sie alle kein wort. Für einen zweiten, einen herbstein-
694 Jahresberichte.
fall in Attika zu wasser und zu lande im vierten kriegsjahre hatten
die Lacedämonier anstalten getroffen, auf walzen eine flotte aus
dem korinthischen meerbusen ins athenische wasser herüberzubrin-
gen, 15, 29. Das ist die flotte, die in den worten 16, 2: 10
and Ilslonovvnoov émdv, sc. vuvisxor, gemeint ist, die walzen-
flotte, die Müller-Strübing so grossen spass macht. Damals sollte
diese flotte die athenischen schiffe von Lesbos abziehen, aber der
doppelte einfall in Attika zu wasser uud zu laud unterbleibt da-
mals; die peloponnesischen bundesgenossen bleiben aus, und die
Athener erscheinen, statt Lesbos aufzugeben, sogar am lstlimos mit
einer neuen flotte von 100 schiffen. Aber was im herbat unter-
blieben war, wird im drauf kommenden frühjahr aufs neue unter-
nommen. Einmal schon darum, weil’s so regel war, im frühli
einzufallen, sodaun aber auch, um die aufmerksamkeit der Athener
dieses mal von den schiffen unter Alkidas abzuwenden, die unter-
wegs nach Lesbos waren, unws oi ' A9nvaîos uuporlgwder Fogu-
Bovpevos 70009 tuig vavoiv à; ijv Muudijwnv xarankeovoug 0m-
Bon9ijcovow. Was heisst also dugotégwtev Fopufovueros? Schief,
allerdings recht schief wäre der ausdruck, wenn die eine seite
dieses œugorégwer der landeinfall der Peloponnesier in Attika,
und die andre seite, von der die Athener bedroht werden sollen,
die flotte des Alkidas wire, die ihnen ja gerade ganz verborgen
bleiben sollte. Die eine seite ist der einfall zu lande, die andre
seite ist der angriff zu wasser, wie im vorigen herbst schon beab-
sichtigt war, also dieselbe walzenflotte von damals. Davon, dass
diese anstalten wieder zurückgestellt und rückgängig geworden
waren, sagt Thukydides kein wort. Und wie sollte das auch ge-
schehen sein, da die Lacedámonier Lesbos noch immer helfen und
ihrem nauarchen zur see luft machen wollten. Also auportowde
JopuBouuevos heisst: von beiden seiten, zu land und zu wasser,
vom Isthmos aus zu laud und vom Isthmos aus zu wasser bedroht.
Dabei brauche ich gar nicht einmal darnach zu fragen, wie viele
schiffe in wirklichkeit schon auf den walzeu herübergebracht sein
mögen. Genug, dass so etwas im vorigen herbst vorgekommen
war und jetzt wieder die aufmerksamkeit der Athener in anspruch
nahm; an dem richtigen gelärm wird es dabei abseiten der Lace-
dämonier schon des zweckes wegen nicht gefehlt haben.
Das zweite sprachliche, das den interpolator verräth, soll dnı-
Bonsnoovosv sein. Manchem andern mag es gerade die ächte hand
verrathen. 'Enıßondeiv heisst: herbeieilen und schliesst immer
beides, angriff und hülfe zugleich ein, so dass bald dieses, bald
jenes in den vordergrund tritt. So heisst es z. b. kurz vorher
y, 23, 8 bei dem übersteigen der Platäer über die mauer: rag re
diodovs TW nugywy evotuvres uvıol epvdacooy undiva di’ atwwy
änıßondeiv, dass keiner durch die thürme zum angriff gegen die
übersteigenden herbeieilen könne; und in demselben gjnn ist so-
Jahresberichte. 695
gleich wieder z. 10: émiflon9ovrrag gesagt. Natürlich ist auch
hier die hülfe, die diese den ihrigen und ihrer sache bringen wol-
len, nicht ausgeschlossen. Auch ¢, 99, 19 ist in erster linie vom
angriff die rede; ebeuso 7, 3, 26; «, 62, 21; y, 110, 27; y, 96,
32; d, 66, 29; d, 4, 24: nuvrl 1e 190mm inelyorro qvas roùs
Auxedatpovloug ta ensayuiuta eeoyuccusvos noir ensBontioas,
d. h. bevor sie zum angriff der befestigendeu Athener herankamen;
und d, 7, 13 ist es nicht anders. Die interessanteste stelle, die
bedeutung von 2mıßojFeiv zu erkennen, ist d, 1, 2. Messene ist
von Athen abgefallen, z. 25: avr» ézayayoutrurv. Da waren
nun die Lokrer in das Rheginer land eingefallen, iva un (die
Rheginer) énsBonFwos toig Meconviois. Was heisst das nun? zum
augriff gegen die Messenier, die abfallen, oder zur hülfe für die
Messenier, die nicht abfallen wollen? Man sieht, érufondeiîv ist
eine vox media, die aus der sache und den umständen heraus ver-
standen sein will, und also hier heisst: damit sie nicht nach Mes-
sene ziehen, sich am etwaigen kampf dort zu betheiligeu. Ebenso
scbliesst es auch in y, 26, 2 beides in sich, augriff gegen die
schiffe des Alkidas zur hülfe der athenischen flotte, die vor Myti-
lene liegt. Und eben darum, meine ich, weil es auch an dieser
stelle wieder, wie so oft im Thukydides, seine sinnige bedeutung
hat, wird es auch seinerseits die echte hand erweisen müssen, die
diese ganze stelle geschrieben hat.
Wie der hauptaktion ein kleines vorspiel vorausging, so folgt
noch ein kleiues nachspiel. Die sich gleich anschliessenden worte
schreibt Müller-Strübing p. 115 so: ,,zyeiro dè tig &ofloAág raving
Kisopévys unig Ilavouvlov 100 HAucroávaxrog vitos Puosdtws
Orrog xui vewrtégou En, nargóg dn (denn so wird wohl mit Stahl
zu schreiben sein statt dè) ade2gog wv. Aber was soll hier dj?
Wo ist hier das wort, das zu urgireu würe, oder wo das selbst-
verstandliche und bekannte, dass der sinn ware und Thukydides
sagen könnte: wie ihr das ja wisst? Wer bringt denn aus sich
selbst die kenntniss mit, dass Kleomenes der ohm des Pausanias
wart Wie d7, das man gegen die handschriften hereinsetzen will,
der sprache nach unmöglich ist und daher auch hier nicht von
analogie die rede sein kanu, so hat das dé, das da ist, seinen an-
gemessenen sachlichen sion. Die bisherigen eivfälle in Attika wüh-
rend des krieges hatte Archidamos geführt. Jetzt, im fünften jahr
des krieges, im 41. seines königthumes, ein jahr vor seinem tode,
ist er ein alter schwacher manu, sein sohn Agis also, obwohl schon
etwa 40 jahr alt, uoch nicht könig. Die anführung dieses vierten
einfalls geht demnach auf die andere königslinie über, aber dieser
andere kónig kann selbst, weil er noch zu jung ist, das heer nicht
übernehmen, so tritt statt seiner des vaters bruder ein, und so
heissen die worte: diesen einfall führte Kleomenes als stellvertreter
des noch zu jungen kónigs, aber als desseu vatersbruder. Das
696 Jahresberichte.
dé hat also die sachliche bedeutung, dass in dem Kleomenes der
oberbefehl nicht bei der familie des Archidamos verblieb, auch nicht
an etwas ganz fremdes überging, sondern, wenn auch durch stell-
vertretung, doch au die linie kam, wohin er von rechtswegen ge-
hörte. Und dieses lehrreiche dé, in dem eine werthvolle historische
notiz liegt, hat man entsagung genug, gegen alle handschriften
wegzugeben , um ein gänzlich unverständliches und unbrauchbares
dy dafür einzutauschen.
Den Alkidas auf der fahrt begleitend kómmt Müller-Strübing
p. 116 ff. zu den worten c. 29, 5: of d’ èy raig tecougaxovia
vavoì IleAonovvnoss, ovs ides iv tuyes Ragayeréodas, mÂéorres
meol te aviny tiv IleAonovrnoov dvdiérQupav, xai zura 10v. aÀÀor
mioùv OyoAuios xomsoPérreg rovg mer èx 15 nodews ^ 49 nvatovc
darFdvovos, noiv dn 17 Anim Eoyov, noocplEavtes d’ an’ aif;
ij Ixdgo xoi Mvxóvo nurSuvorrar nowıov ors ÿ Muwdnry éa-
Awxer. Ich hatte vor nun 25 jahren gesagt, rovc ix 176 molews
> AFnvalove sei jenes bürgerheer in c. 16, mit dem die Athener
die éx(desEsg am Isthmos machen, und habe seitdem geglaubt, die
worte würden darnach weder andern noch mir je wieder zu thun
geben. Jetzt höre ich von Müller-Strübiug, dass diese erklärung
grundverkehrt ist, dass ich mit ihr ein rechtes beispiel der exegese
und kritik seiner Thukydidestheologen gegeben und einen exegeti-
schen missgriff ärgster art begangen hahe. Aber für wen schreibt
man noch, wenn selbst gelehrte, geistvolle, und was melr ist, den-
kende männer kein verstündniss mehr für die einfachste, sich von
selbst darbietende erklürung haben, die die ganze umgebung in das
hellste licht versetzt, ohne die dagegen alles ringsum in finsterniss
steckt. Statt ruhig zu überlegen, sich hineinzudenken und sich
mitzufreuen, wie alles jetzt hell wird, kómmt Müller-Strübing von
seinem leidigen handexemplar nicht los, das es ihm nun einmal an-
gethan hat, und kaon so freilich auch die sprache nicht verstehen,
die der schriftsteller redet, Zunächst macht er sich den unschul-
digen spass, uns einmal wieder eiue vorstellung, dazu eine elegant
gelehrte, von einem kampf gegen windmühlen zu geben. Ich hatte
gesagt: „mit dem ausdruck &x 775 noAsws bezeichnet Thukydides
ein heer, das aus den eignen bürgern (auch metöken) der stadt
selbst gebildet ist“, hatte dafür die stellen: a, 105, 1; 8, 31, 24;
y, 91, 21; y, 98, A; d, 28, 20; d, 77, 30 angeführt und im
verlauf das heer, von dem hier die rede ist, bürgerheer, athener
stadtheer genannt. Vorläufig macht er nun, als hätte ich mit mei-
nem stadt- und bürgerheer an ein heer aus dem hauptstädtischen
bezirk im gegensatz gegen ein heer aus den andern demen ge-
dacht, ist aber doch hinterher freundlich genug, solchen unsinn mir
nicht zuzutrauen und den gegensatz zu setzen, wie er selbatver-
stindlich war, ein bürgerheer ohne zuziehung der bundesgenossen
gegen ein heer, in dem auch bundesgenossen cooperirten. Soweit
Jahresberichte. 697
ist’s ein unschuldiges vergnügen, das mau ibm gönnen mag; wenn
er aber fortfáhrt: „dagegen unternahmen die Athener zuweilen auch
expeditionen ohne zuziehung der bundesgenossen, uud dass dann
unter umstünden ein solches blos aus Athenern gebildetes heer als
ok dx tig modews * APnvaios bezeichnet werden könnte im gegen-
satz zu den cooperirenden bundesgenossen, das ist müglich! Bei
Thukydides geschieht es aber nirgends, denn die von Herbst oben
citirten stellen beweisen nichts der art und passen in der that wie
die faust aufs auge“, so will mir das nicht mehr unschuldig er-
scheinen, und auch nicht nach seiner sonstigen art. Deno warum
geht er auf die stellen nicht ein? Das wagt er nicht und durfte
es nicht wagen. Deou hätte er nur eine einzige der stellen, die
ich jetzt hier ausschreibe, bloss den worten nach hergesetzt, so
war die sache damit abgemacht, und es hätte sich auch dem blö-
desten auge gezeigt, dass Thukydides auch sonst wie hier in y,
29, von bürgerheeren zu erzählen hat, in denen buudesgenossen
nicht cooperiren. Was also Müller-Strübing, wie es leider den an-
Schein hat, woblweislich unterlassen hat, hole ich bier nach. In
a, 105, 34—3 heisst es: of dè * 49 qvas. 16 piv ngog Atylvn
orgursvun ovx exlynoay, TY à ex ung mohews vsodolnwy
olze nossßuraros xal of vewruros apexvovrias è 12 Méyaga Mv-
Quridov oreatnyovrtoc; dem gegenüber war von dem athenischen
heer vor Aegina vorher z. 23 gesagt worden: xal of fvupmayos
íx«ríQoig nagnour. An der zweiten stelle 8, 31, 19—26, lesen
wir: negl dì 10 pPivonweov 10U Oégovc rovrov "APnvaior nav-
duel, avrot xal où uérosxos, êçéBaloy ig tv Meyaglda Ilegs-
xhéoug 100 Sardinnov OTQATHYOUYTOS , xui ob mpi IleAondvrnoov
Adnruïos dy raic Exurov vavoly (Ervyoy rag non &v Alylın Ovzeg
in’ olxov üvaxomıLöuevon) ws nodorro tovs ex 176 soàtscg
zarorgarii Er Meyagoıg Ovrag, EnAsvcav nag’ aviovs xai Evve-
ulydnonuv. Dass auf den 100 schiffen, die um den Peloponnes ge-
fahren sind, bundesgenossen waren, steht B, 17, 27. An der dritten
stelle, Y» 91, 21 steht: of d° dx 175 xo ieu navónuai ’A9n-
raiot, "Innovizou. re tov Kalllov orgatnyovviOg xai Evevuédorros
10U Oovxà£ovs, dno Onuelov & T0 udrO xatu yÿr anivıwv, also
wiederum ein heer aus bürgern der stadt, den 30 schiffen unter
Demosthenes und den 60 schiffen unter Nikias gegenüber. d, 77,
30 heisst es: ö de Innoxod inc avróg uiv dx 176 nóÀtus dé-
vanır Eyuv, Omore xasgos eln, Euedde cipursuesr dg rots Boswrovs.
Die stellen y, 98, 4 und d, 28, 26 habe ich des ausdrucks êx 176
"oÀtoc wegen mit aufgeführt, worauf es hier ankam, dagegen
weggelassen die stellen, wo sonst noch im Thukydides von einem
heere athenischer bürger aber ohne diesen ausdruck éx 776 wodews
die rede ist, wie a, 61, 21; 8, 79, 7; y, 18, 14. Die ausge-
schriebenen stellen beweisen also durchaus, was sie sollen; erstens
wird in ihnen ebenso wie in y, 29 mit dem ausdruck of ix zijc
WE
698 Jahresberichte.
aodews “A3nvaîos ein heer bezeichnet, zweitens ein beer, das nur
aus Athener bürgern besteht, und drittens kehrt auch bei diesen
bürgerheeren, wie an unsrer stelle, der umstand wieder, dass sie
sich nicht weit von der heimath, nur nach Megara oder nach Bóo-
tien entfernen. Auch dies letzte ist für das richtige und ein tie-
feres verstándniss der erzählung keineswegs ohne bedeutung. Da,
wo der erzühlung der ausdruck of 18 moegfuraros xai oi vewsruios
oder za»dqutí oder muvoigunia beigegeben ist, ist schon dadurch
der grund offenbar, warum solche heere in der nähe bleiben; aber
auch umgekehrt darf man schliessen, da wo es sich um expeditio-
nen in der nähe handelte, war man um so leichter veranlasst, alles
was von der bürgerschaft noch aufgeboten werden konnte, in be-
wegung zu setzen. Das war nun auch y, 16, 3 (— y, 19, 8)
der fall. Zunächst handelte es sich darum, x. 2: 16 awd LJelo-
norrnoou énsov (sc. vavisxdr) . . auvveodaı, also die walzenflotte
im auge zu behalten, die zugleich mit dem peloponnesischen land-
heere Attika bedrohte, c. 15, 31. Aber dazu, xu solcher beobach-
tungsflotte hatten die Athener nicht 100 schiffe gebraucht, wie sie
sie aufstellen, dazu hatte schon die hülfte genügt. Aber weil die
walzenflotte am Isthmos, in der nähe lag, so nimmt so gut wie
alles, was noch daheim ist , an dem zuge theil, avrof ze xoi oi
pétosxos, sie ziehen aus wie xurdnuel, aus dem beobachtungsheer
wird eine éa(destsc, uud so wird der doppelte zweck erreicht, die
eigene sicherheit, und zugleich den gegnern zu zeigen, was sie
noch vermégen. Ich meine, ich habe also guten grund gehabt,
hier an die stadt- und bürgerheere zu erinnern, die sich nicht weit
von der heimath entfernen; haben wir doch so schon für y, 16
die freude, hinter den zeilen zu lesen. Aber y, 16 steht hier nur
in zweiter linie; zunächst handelt es sich hier um y, 29, darum,
dass die hier erwähnten éx 175 xoewç ° Adnruïos gerade dieselben
sind, die wir schon y, 16 gehabt haben.
Dass es dieselben sind, unterliegt, wenn man den worten des
schriftstellers nachgeht , nicht dem leisesten zweifel. Thukydides
schreibt: nÀÉovreg neol Te avınv tiv IleAonovvnoov ivdi£zQuwav xai
xata tov &ÀÀov mhovv ayodaios xopsodérieg . . . AavFavouds niv
. nuv$dvorsas dé. Durch r£ — xal werden also ivdetrenpar
und oyodaios xops03éries grammatisch dem Aurdarovos und av-
Favovras untergeordnet, d. h. sachlich: durch das doppelte, einmal
durch ihr verweilen im westen des Peloponnes und zweitens durch
ibre sonstige saumselige fahrt bringen sie ein doppeltes zu wege,
einmal dass sie zwar den Athenern aus der stadt verborgen bleiben,
zweitens aber auch, dass Mytilene bereits genommen ist, Waren
of ix tig nodews *APnvaios, wie Müller-Strübing will, die wacht-
schiffe bei Salamis oder am Peiräeus oder beliebige lootsen und
kreuzer, so waren diese wachtposten ja zu jeder zeit an ort und
stelle, und schiffer aus Athen ebenso zu jeder zeit in dem atheni-
Jahresberichte. 699
schen gewässern zu erwarten; um ihretwillen also diesseits und
jenseits des Peloponnes auch nur einen augenblick länger sich auf-
zuhalten, hatte Alkidas, der ja so schnell wie müglich Mytilene zu
hülfe kommen sollte, ovg £de& dv ruyes nugayeréoIæs, nicht den
mindesten grund gehabt. Aber guten grund hatte er, den 100
schiffen der Athener, so lange diese am Isthmos in see waren,
nicht geradezu in deu rachen zu laufen. Ohne die angst vor die-
ser gefahr wäre das verfahren des Alkidas ein für immer unge-
lóstes räthsel. Ich habe also hier nur eins zu thun, aus dem be-
richte des Thukydides nochmals, wie ich es im vertrauen auf
nachdenkende leser kurz schon einmal im Philol. XVI gethan habe,
zu erweisen, dass Alkidas mit seinen 40 schiffen und die Athener
mit ibren 100 schiffen zu gleicher zeit in see waren, dass Alkidas
also aulass hatte, auf seiner fahrt sich zurückzuhalten, bis er sicher
war, auf seinem ferneren ängstlichen wege nach Lesbos in den
Attika benachbarten gewüssern nicht mehr auf die athenische flotte
zu stossen.
Also zuerst, seitwaun ist nach der erzühlung des Thukydides,
nicht nach den behauptungen Müller-Strübings, Alkidas in fahrt,
und wann ist er hinüber? Die Mytilenäer halten ihre rede in
Olympia nach dem feste, y, 8, 6. Die olympien werden um die
zeit der sommerwende gefeiert, füof tage lang; so werden wir
also nicht fehlgehen, wenn wir setzen, dass die Mytilenüer den 30.
juni 428 in die peloponnesische bundesgenossenschaft aufgenommen
sind. Sie haben den Lacedämoniern einen abermaligen einfall in
Attika in dem jahre zu wasser uud zu lande angerathen, y, 13, 32,
und die Lacedámonier sind darauf eingegangen. Die bundesge-
nossen werden also aufgeboten, und um auch zur see die Athener
zu bedrängeu, werden auf dem Isthmos walzen hergerichtet, um die
schilfe im korinthischen meerbusen nach der ostseite des Isthmos
herüberzuführen. Die Lacedümonier betreiben das eifrig, sind auch
mit ihrem contingent zuerst am Isthmos, aber die bundesgenossen,
noch mit der erndte beschäftigt, kommen saumselig herbei oder
andere gar nicht, 15, 31 coli. 16, 9. So werden also die Lace-
dimonier den 1. august etwa am Isthmos gewesen sein und den
ganzen august, vielleicht in den september hinein auf die bundes-
genossen gewartet haben. Inzwischen haben die Athener von den
zurüstungen der gegner und der walzenflotte kunde bekommen und
laufen aus mit 100 schiffen. Das werden sie also spätestens den
15. august gethan haben. Es war also nicht eingetreten, worauf
die Mytilenäer hoffnung gemacht hatten; weder hatten die Athener
ihre flotte von Lesbos und die 30 schiffe vom Peloponnes abbe-
rufen, noch erwiesen sie sich als unvermögend zum widerstand, 13,
34. 35. Die Lacedümonier mussten einsehen, dass unter diesen
umständen der einfall unthunlich war (16, 8: xai unogu voulbovres),
su zogen sie also ab, 16, 12: avsywonoav én’ vïxov, und es blieb
700 Jabresberichte.
ibnen nichts übrig, als auf andre weise den neuen bundesgenossen
hülfe zu schaffen. Sie sind also den 15. september wieder zu
haus, lassen darnach ein aufgebot an die bundesgenossen ergehen,
eine flotte von 40 schiffen zu rüsten, und bestellen ihren nauarchea
Alkidas zum befehlshaber, 16, 12: vorsgor dé vavenxov magt-
Gxevulov O1 ntuyovosv c 12» AfoBor, zul xarà. modes Éxmnyyellor
1800upuxovıa ver MARIO, xai vavupyor ngoctruEav ' Alxlday, 0;
Euciiey emndevo:sda. Das voregov steht hier in seinem üblichen
gebrauch; es bezeichnet schlechtweg einen akt, der eintritt, nach-
dem ein andrer sich abgespielt hat, meist in unmittelbar folgender
zeit (f, 25, 14; 8, 70, 19; 8, 79, 33; y, 5, 4; y, 7, 27. 34;
y» 94, 25; y, 51, 36; y, 66, 22 u. öfter), wie die lage es er-
giebt. So hier. Da es mit dem einfall in Attika nichts ist, der
bedrüngten stadt aber doch hülfe werden muss, so wird sogleich
das aufgebot der 40 schiffe erlassen. Diese brauchen natürlich nicht
erst erbaut, sondern nur in stand gesetzt und versammelt zu wer-
den, nehmen wir an in monatsfrist, so geht also Alkidas, wahr-
scheinlich mit zwei lacedämonischen schiffen nach dem westen vom
Peloponnes, nach Kyllene ab, so dass es 42 schiffe werden, und
übernimmt also den oberbefehl den 15. october. Aber er war der
rechte mann, um den geängsteten Mytilenäern, wie er doch sollte,
c. 69, 6, schnell hülfe zu bringen. Es geht ihm wie leuten, die
suchen und den besten willen haben, nicht zu finden. Wars wirk-
lich seine absicht, noch rechtszeitig zu kommen, so batte er allen
grund sich zu eilen. Die Athener hatten weg; r0 pIivonweey dr
aogopevor, 18, 12, also schon den 16. september, ihrem heere vor
Mytilene eine verstärkung unter Paches von 1000 hopliten ge-
schickt; zwei wochen später ist Mytilene bereits vollständig, nun
auch zu lande wie zu wasser, eingeschlossen, anfang winters, den
29. sept., 18, 18: xai © yeuwr noyero ylyreodus. Aber erst
ende winters, etwa den 20. märz, verlautet vom Arkidas, etwas:
Salaithos, der Lacedämonier, der um diese zeit sich nach Mytilene
hineinzuschleichen weiss, bringt die kunde mit, dass die Peloponne-
sier daran sind, in Attika einzufallen und dass zu gleicher zeit
auch Alkidas mit den 40 schiffen, as des PBonPjoas abroig, 25,
25, in Mytilene zur stelle sein wird. Das erste geschieht wirk-
lich. Die Peloponnesier fallen in Attica ein, siud auch, wie
den vorigen herbst, mit ihrer walzenflotte am Isthmos (26, 36:
auporeowdev FopuPovpevo:), um dem Alkidas vor den Athenern
luft zu machen; aber obgleich er schon hinüber sein muss, 26, 9:
ws nin nensoaswptrwur, auf die nachricht vom entsatz von Myti-
lene warten sie immer vergebens. Das ist also ihr zweiter see-
held, den die Lacedimonier im beginn des peloponnesischen krieges
aufzuweisen haben. Vom 15. october etwa bis den 15. april hat
er es glücklich fertig zu bringen gewusst (29, 7. 8: zeQ( te av-
7)» r3» [edondvyysov tvdsétaswar, xa) xara toy Glory miovr
Jahresberichte. 701
CyoAatos xowodérrec), von Kyllene, vom westen des nördlichen
Peloponnes in die nähe von Lesbos zu kommen, 7 tage später
nachdem Mytilene über ist. Das faktum liegt vor, aber was ist
der grund des langen zögerns und ausbleibens! So lange die 100
schiffe der Athener in sce sind, darf er allerdings mit seinen 40
schiffen sich im osten des Peloponnes nicht blicken lassen: aber
wie lange sind diese athenischen schiffe am Isthmos? Wir haben
gesehen, dass sie etwa den 15. august in see gehen, Den 15.
september schicken die Athener die 1000 hopliten unter Paches
als avregéra, nach Mytilene, wies in ähnlicher weise im Thuky-
dides nie vorkömmt. Die 2000 hopliteo, welche die Athener nach-
träglich nach Potidäa senden, «, 61, 21, gehen dahin in 40 schif-
fen ab. Hier werden also nur fünf schiffe zur überfahrt verwendet,
doch woll aus keinem andern grunde, als weil alles, was sie für
den augenblick an schiffen disponibel haben, schon in gebrauch ist.
Aber noch über den 15. september hinaus sind die 100 schiffe der
Athener in see geblieben und hatten guten grund dazu, auch wenn
die Peloponnesier bereits vom Isthmos nach hause gegangen waren.
Denn die 100 schiffe waren nicht bloss zur &nlde&ıc da, wie wir
gesehen haben, sie waren auch eine beobachtungsflotte für das pe-
loponnesische walzengeschwader, das am Isthmos lag und bis in
den frühling hinein dort liegeu bleibt. Daher es nicht ohne ab-
sicht ist, wenn 16, 4 vou diesen Athenern ausdrücklich naga roy
"Io9uov üvayuyovreg gesagt wird. Die worte aber 16, 15: dve-
xwonoav de xoi ob “AFnruios tuig Exurov vavoly, dna?) xai Èxel-
vovg tidov, zum beweise benutzen wollen, dass die Athener auch
ihrerseits alsbald nach dem abzug der Lacedimonier vom Isthmos
abgezogen seien, ist ohne berechtigung. Es steht nicht £uwQw»,
sondern #Îdor, nachdem sie auch jene hatten abziehen sehen. Zum
wesentlichen unterschiede der tempora vergl. man: o, 13, 1; a,
24, 29; a, 29, 18; a, 63, 10; «, 74, 10; a, 102, 7; a, 131,
9; a, 137, 26 den aoristen gegenüber: a, 5, 11; a. 6, 3; a, 11,
10; «, 18, 26; a, 26, 34; a, 28, 32; a, 29, 26; a, 30, 10;
a, 39, 33; a, 46, 12; a, 49, 10; a, 50, 15; a, 50, 19; a,
54, 28; a, 54, 32; a, 58, 20; a, 62, 22; a, 74, 19; a, 79, 7;
a, 89, 5; a, 89, 16; n, 102, 17; «a, 125, 10; a, 126, 81; a,
128, 16. Diese stellen aus « werden dazu genügen. Ueber den
genaueren zeitpunkt, wann die Athener in wirklichkeit vom Isthmos
abgezogen sind, sagen jene worte nichts aus. Nachdem Thuky-
dides den abzug der Lacedimonier vom Isthmos berichtet hat, 16,
12, nachdem sodann iu chronologischer ordnung, wie's immer ge-
schieht, weiter erzählt ist, dass die Lacedümonier die hülfsflotte
unter Alkidas rüsten und dazu das aufgebot an die eiuzelnen bun-
desgenossen ergehen lassen (z. 13: xaza modes Ennyysllor), wird
jetzt schon hiuzugefügt, dass auch die Athener auf den 100 schif-
fen abgezogen sind, uud passend wird das hier schon augereiht,
702 Jahresberichte.
auch wenn es erst einige monate spüter geschehen sein wird, ein-
mal weil ohne zweifel in dem 2z«dr, xai éxefvovg eldov der haupt-
grund lag, warum die Athener nun auch ihrerseits an den abzug
denken konnten, zweitens aber auch, weil dieser abzug der Athener
für die fahrt des Alkidas bestimmend ist und also vorher schon
erzählt sein musste. Aber wenn nicht schon den 15. september,
gleich nach dem weggang der Lacedämonier vom lsthmos, wann
sind sie denn wieder nach haus gezogen? Als mit dem anfang
winters, also nach dem 29. september, Mytilene bereits eng eio-
geschlossen war, Alkidas aber im osten des Peloponnes immer
und immer nicht erschien, so dass von diesem für das heer vor
Lesbos nichts mehr zu besorgen schien, sie vielmehr der baldigen
einnahme von Mytilene entgegensehen konnten, wird sparsamkeit
sie bewogen haben, ihre wacht am Isthmos aufzugeben und wieder
nach hause zu gehen. Nach meiner meinung haben sie das den
15. december gethan. Jedes schiff erfordert an sold für den mo-
nat 1 talent, so haben die Athener also für diese 100 schiffe vom
15. august bis zum 15. december, für diese vier monate, 400 ta-
lente verwendet, ein aufwand, der auch dem schriftsteller bedeutend
genug ist, um ihn nicht ohne bemerkung zu lassen. Unmittelbar
nachdem am ende des 16. kapitels vom abzug der 100 schiffe be-
richtet ist, wird zu dem inhalt von c. 17 übergegangen: wir sehen
jetzt, wie schön sich das wie von selbst anschliesst und ganz wie
in einem athem erzählt wird. Andrerseits ist aber dieser geld-
punkt gerade ein beweis, dass die Athener nicht gleich nach dem
abzug der Lacedümonier vom Isthmos auch ihrerseits schon nach
einem monat wieder abgezogen sind, das hatte bloss 100 talente
gekostet, immerhin ein aufwand, der aber schwerlich den schrift-
steller hier zu seiner eingehenden bemerkung über die stantskasse
veranlassen konnte,
Ich kann mich jedes weitereu wortes enthalten, alles andere
in der erzühlung ist von selbst klar. Man siebt ein, wenn der
einfall der Peloponnesier im frühling dem Alkidas für seine fahrt
luft machen soll, wie selbstverstándlich und nothwendig c. 26, 33,
noch einmal bei dieser gelegenheit an diese sendung des Alkidas
erinnert wird, natürlich auch hier wieder è78d7 mit dem aorist ;
ebenso, wenn das ausbleiben des Alkidas die Athener zum abzug
bewegt und erst ihr abzug wiederum ihm raum lässt, wie schón
dies gegenseitige verhalten in dem évdcétgsway und cyodaios und
den ebenso kurzen wie siguifikanten worten, c. 29, 8: rovg pér
êx ıns mohews ' AInvalovg AavO'avovos ausgedrückt ist. Auch der
wechsel, dass zuerst 40 schiffe, dann 42, und dann wieder 40
schiffe des Alkidas angegeben werden, mag vielleicht darin seine
einfache erklüruug finden, dass Alkidas ebenso wie später Gylip-
pos è, 93, 4, mit zwei (lacedämonischen) schiffen zur flotte nach
dem westen abgeht, diese danu aber, als er nach dem osten ber-
»
Jahresberichte. 703
umgekommen ist, wieder zurückschickt. Aber man muss lieber
nicht alles wissen wollen.
Der chronologische zusammenhang der begebenheiten, um ihn
nach dem berichte des Thukydides kurz zu resumiren, ist also die-
ser: den 15. october tritt Alkidas seinen oberbefehl über die 40
schiffe bei Kyllene, im nordwesten des Peloponnes an, während die
Athener seit dem 15. august auf der éatdestsg sind. Weil er die
Athener im osten in see weiss, bleibt er im westen, volle zwei
monat, bis zum 15. december. Da kómmt er endlich um den Pe-
loponnes herum, aber es ist ibm noch nicht recht geheuer (cyo-
Autos xou09évreç); erst als die l'eloponnesier sich gegen den früh-
ling wieder am Isthmos zum einfall in Attika versammeln, wagt er
es, die nühe des Peloponnes zu verlassen und seine richtung, um
doch nach Lesbos zu kommen, nordóstlich auf Delos zu nelimen
(das heisst: noir d 17 Ania Ëcyor), muss aber freilich alsbald
zwischen Mykonos und Ikaros erfahren, dass er zu spät und My-
tilene bereits genommen ist.
Wenn man, wie Müller-Strübing hier, sich nicht die mübe
giebt, den worten des schriftstellers nachzudenken, dabei am con-
jekturalfieber krank ist und statt vorläufigen glauben an den schrift-
steller und dessen text glauben an einen einfáltigen grammatiker
und an ein handexemplar mitbringt, so ist's freilich natürlich, dass
man von vorneherein alles gänzlich missversteht und auch bei sei-
nen conjekturen selbst das nächstliegende übersieht. Dass Alkidas
keinen grund hat, wegen wachtposten bei Salamis oder am Pei-
räeus, die immer dort sind, oder wegen beliebiger lootsen monate-
lang westlich vom Peloponnes zu bleiben, ist oben schon bemerkt
worden. Dann wird aus weiss schwarz, aus oyodaîos sein gegen-
theil ozovdaio, gemacht, dabei aber wieder übersehen, dass dann
nicht ze — xaf, sondern nothwendig ui» — dé — megi uiv ai-
rijv rjv Îlelonovynoor èvditiorpuv, xuta dé Tüv &Aloy miovy
onovdaloı xopsoFévtec) gesagt sein müsste; zuletzt 17 4720 in
iv 77 Mio geändert, und wieder nicht gesehen, dass Alkidas
doch unmöglich besorgen kann, auf einer überfahrt nach Melos
von Salamis oder dem Peiräeus aus erspüht zu werden, oder dass
lootsen doch nicht von Athen nach Melos hinausgehen, um be-
freundete schiffe in die athenischen büfen zu bringeu. Aber wer
hat neigung, sich all diesen nebel länger auzusehen; nur wissen
mócbte ich, wie Müller-Strübing glauben kann, diese philologie
einem denkenden menschen eiuzureden. Das vermag auch all die
bezaubernde frische der rede, an der man seiu ergótzen hat, nim-
mer zu weg zu bringen.
Auch die erzühlung von der weiteren fahrt des Alkidas wird
vou Müller-Strübing nicht verstanden. Schon andere haben in die-
ser partie gleichfalls aus missverstand eilig geündert; Müller-Strü-
bing billigt diese conjekturen, zieht seine weitere folgerung und
704 Jahresberichte.
bringt dann seinerseits, um einen vermeinten grossartigen uusina
wegzuschaffen, eine neue conjektur hinzu. Zu c. 31, 33 hatte
Madvig in seinen Animadd. 1, 315 bemerkt: x«i oi déoBsos Evp-
nAfoyres magnvour. Non Lesbii universi una navigantes hortati
sunt, sed Lesbii ii, qui una navigabant , hoc est, duabus litteris
geminatis, ob A€oBsos où EvurAtorres. Dieses zweite of hat Clas-
sen schon in den text gesetzt und Müller - Strübing billigt das.
Zunächst ist klar, dass Sup nh fovees eben so gut auf die addos dé
vec tov an’ Iwrlas guyadwy wie auf oi Æéofsos seinen bezug
hat. Bleibt die stelle, wie sie überliefert ist, so sind of _A4fofsos
die Lesbier, die man schon aus der vorhergebenden erzählung
kennt, also die Lesbier, die in Olympia gewesen sind, die, wie
wir hier sehen, den Lacedämoniern nicht von der seite weichen, in
Sparta fortgesetzt für die hülfe ihrer insel wirken und dann sogar,
unterstützt von flüchtlingen aus lonien, mit dem Alkidas nach dem
westen vom Peloponnes abgehen, um auch bei den bundesgenossen für
die beschleunigung der flottensendung thätig zu sein. Und um
diese schöne notiz sollen wir uns durch das eingeschobene oi brin-
gen lassen und um die freude, zu sehen, was der schriftsteller in
seiner kurzen weise zu erzählen weiss. Mit einer zweiten ände-
rung, die Classen hier vorschlägt, ist Müller - Strübing gleichfalls
einverstanden. Classen meint, dass die worte c. 32, 18: OQUYTES
yag Tus vavg ob dv Quos 00x Epeuyor HU meoceyweovy paà-
dov we "Arraig, xai dÀn(da ovd? ud flaylorny elyoy un mort
* A9nvalwv ing 9aÀacongg xgurovvıwv vais Helonovrnolwr è "Io-
vlay nagafudsiv, versetzt sind und unmittelbar nach zovg xoldovc
z. 9 gehören. ,,Der schlusssatz des capitels, sagt er, enthält nicht
die begründung der unmittelbar voraufgehenden worte: Xlwv ar-
doug öcovs elyev En agixev, xal rar adiwy rivage. Aber er be-
gründet ja, und ohne ihn hätten wir für das xai rw» GAdAwy roves
kein verständniss. Denn warum lässt er bloss einige frei, und
nicht alle, die er aufgegriffen hat? Dieser satz giebt die antwort
darauf. Frei giebt er nach den ihm gemachten vorstellungen von
den aufgegriffenen die ovre ysigag arrasgoutvovs ovre Todepslovs ;
aber dass und warum auch andere als gerade solche ihm in die
hünde gefallen waren, ist eben der inhalt dieses erklärenden satzes,
der ja nur das sagen will, warum selbst wirklich feindlich ge-
sinnte, treue bundesgenossen der Athener vor ihm nicht die flucht
ergriffen hatten. Ueberdies hält auch der name 6 *Adxidag c. 33,
22, wie man sieht, die worte an ihrer stelle fest. Dass er den
namen hier streichen muss, wenn er die worte mit Classen ver-
setzt, hat übrigens Müller-Strübing richtig erkannt.
Doch kommen wir von diesen kleinen scharmützeln zur haupt-
affaire auf der weiterfahrt des Alkidas. Weil Müller - Strübing c.
32, 10 das êç zu» “Eqecoy xuSoguicauérou nicht versteht, weiss
er sich mit recht in alles, was Thukydides weiter erzählt, nicht
Jahresberichte. 705
zu finden; für jenes êç zn» "Eyecov schlägt er daher ds rh» Ko-
0n700v vor, will natürlich daun auch für and di rj; ’Ey£oov c.
33, 22: aad dé 175 Kopnoov, uud kümmt schliesslich dazu, das
ganze von c. 33, 23—33: woIn yao $nó 175 Sudausvlag xoi
fluguiov En negi Kiupov óguav (ul d' aw "Adnrdr Ervyov nÀ-
ovous), xai dediwo ijv Olwksr Ende dia rov neduyovs we yj
Exovosog ov oynowv aAAn 7 [lelonovviow rd dé Muynte xai Toig
"Adnvalois 7498 uiv xui ano Epu9galag ciyyedla, apexveito dé
xoi xavrayóO:v: ateylorow yàg ovons ıng lwv(ag péyu 16 déos
éyéveto pn maguratories où [lehonovviosos, el zul wg un deero-
ovvro pére, moodwow dpa noogn(ziovit; tag nodes. avtuy-
ytÀos O° avróy idovous dv 17 Kiugw n te [uguños xui n Zuda-
perla Épouour, wie man das auch an einer sprachlichen unzuträg-
lichkeit soll erkennen können, für eiue interpolation, aber hurmloser
natur zu halten. In der hauptsache halte ich alles, was Müller-
Strübing vou p. 126—136 vorträgt, für ein ganzliches missver-
stehen, aber doch sind diese zehn seiten gegen die bisherigen
interpreten nicht ohne berechtigung. Denn wie konnten sie über
jenen ausdruck é¢ zi» "Epecor xudogusouuérou stumm bleiben?
Wenn sie thn auch richtig verstanden, was ich aber ihres still-
schweigeus wegen bezweifele, wäre es nicht gut gethan gewesen,
wenigstens mit einem worte vor missverständniss zu bewahren?
Allerdings hätte Müller-Strübing auch ohne erklürer auf die rich-
tige fährte kommen sollen. Aber was nun thun? Soll ich Müller-
Strübing hier schritt für schritt auf seinem irrwege folgen? Das
dürfte für audre leicht zu ermüdend werden, auch bedarf es dessen
zum verstündniss des schriftstellers nicht. Ich begnüge mich, die
hauptpunkte auf dieser fahrt des Alkidas zu erklaren, das übrige
stellt sich dann von selber ins licht.
Von Embaton also an der küste hinfahrend (52, 8: nupfnis)
kómmt Alkidas hinüber nach Myonnesos, Von hier, wo er die auf
der see aufgegriffenen gefangenen der mehrzahl nach umbriugen
lasst, segelt er um das vorgebirge Myonnesos herum weiter am
laude hin und gelangt so in die kaystrische bucht, in deren inne-
rem winkel Ephesos gelegen ist. Als er hier in der richtung nach
Ephesos vor anker gegangen ist, z. 10: & rz» Epecor xudog-
pssuptrov a)rov, noch in der gegend von Klaros, c. 33, 24: £r
négi KAugorv dguwv, wird er von den atheuischen staatsschiffen
gesehen und hat jetzt nichts eiligeres zu thun als sogleich die
weiterfahrt au der küste gen Ephesos hin zu verlassen, schleunig
mitten durch die offene see (z. 23: xur« rdyog, z. 20: dix rob
neluyous) die flucht zu ergreifen und so schnell wie möglich hin-
über nach der peloponnesischen küste zu kommen. Die worte: èç
ınv Epecoy xaSoqpicuptrov avrov übersetzt Müller-Strübing p.
128: ,uud als er in Ephesos vor anker gegangen war“, aber das
ist das mgwroy weudog, der ursprung alles weiteren missverstehens.
Philologus. XLII. bd. 4. Al
Sì nn
706 | Jahresberichte.
Was die worte in wahrheit bedeuten, ist aus andern stellen des
schriftstellers klar genug. 9, 34, 7 schreibt er: drrevder d’ vere
gow dc any Atoßov xaPoguscuuevos nagecxevcdlorte Es tow WIIK-
pov. Von einem in Lesbos ist dort ebenso wenig die rede, wie
hier von einem in Ephesos. Die nach Chios bestimmten schiffe
suchen, von einem unwetter erfasst, schutz erst im phoivikuntischen
hafen unter dem Mimas, segeln dann vorläufig, natürlich zur grös-
sero sicherheit nach Lesbos hinüber und legen sich dort, im an-
gesicht von Lesbos, vor anker, um hernach, wie's beschlossen
war, wieder nach Chios zu gehen. Hätte Thukydides hier an
einen lesbischen hafen gedacht, so würde er nach seiner weise die-
sen speciell, Mytilene oder was sonst, genannt haben. Auch später
c. 38, 33 heisst es ebenso wieder: oi d’ ix tig Afofov ’A9n-
vuios dn dtaBeByxores dg tiv Xlov . . . Æshpirsor erelysor.
Auch d, 45, 29 ist der ausdruck xadogpuscaperos in bezug auf
das vorhergehende i; Koouuvwra ıng KooirHus ebenso zu ver-
stehen. Krommyon ist korinthischer besitz und bleibt es, von einer
einnahme durch die Athener ist hier nichts gesagt, also bedeutet
xx Sogueouueros auch hier wieder, nicht dass die Athener in Krom-
myon, sondern dass sie Krommyon gegenüber, im ange
sicht von Krommyon vor anker gegangen sind. Mit é ri»
"Egecor xa909uicauévovr ist also bloss die veränderte richtung aus-
gedrückt, die Alkidas inzwischen von Myonnesos um das vorge-
birge Myonnesos herum genommen hat. Dieser gegensatz der einen
richtung gegen die andere ist auch der grund, warum Thukydides
hier ig 13» "Eyecor, und nicht schlechtweg "2c "Eysoov schreibt.
Wo solcher gegensatz nicht da ist, und wo es sich um blosse nen-
nung der stadt handelt, heisst es, wie's die regel ist (s. Philol.
XL, p. 372 ff), "Eyeoov ohne artikel: «, 137, 17; d, 50, 15;
9, 109, 18; 9, 19, 9: Epevyor us u£v vot ic Eyesor, al di
Aoınul éxi 176 Téw, wo Tiw, weil es zu 2; "Eysoor in den ge-
gensatz tritt, auch seinen nothwendigen artikel hat, der aus dem-
selben grunde auch in unsrer erzähluug c. 29, 9. 10 nicht fehlen
darf. C. 33, 22 aber steht dno dè rj; ’Egéoov, weil es vorher
schon genannt war. Ist aber mit dc rz» "Egecor rxadoppscaptrov
bloss die richtung der fahrt angegeben, so hindert nichts, das fol-
gende fi negi Alagor oguwr in c. 33, 24 der sache nach für
dasselbe zu nehmen. Ja es wird eins und dasselbe sein, weil ja
gesagt ist, dass Alkidas, so wie er noch nicht weiter als einige
stunden wegs bis nach Klaros gekommen (#7) und dort von den
athenischen staatsschiffen gesehen war, xotà roxyoc sich auf die
flucht gemacht hat. Die lesart AA«gov hier und à» 17 KAago 3.
33 unterliegt also sachlich , wie man sieht, nicht dem leisesten
zweifel. Auch sprachlich ist z. 24: 759i) "Ixagor unmöglich, weil
ohne artikel hier der name in der erzählung zuerst genannt sein
muss, Alkidas het sich alao sogleich aus der kaystrischen bucht
Jabresberichte. 707
dia 100 neAuyovg nördlich von Samos und Ikaros aus dem staube
gemacht, und sich nicht in die inselstrasse zwischen Samos und
Ikarus begeben, nicht also dahin, wo ihn Paches auf dem direkt
südlichen wege nach Patmos suchte und demzufolge auch verfehlen
musste. Aurayyedos endlich z. 32, au dem Müller-Strübing allerlei
fioden môchte, wird vor jedem uuparteiischen richter seine verthei-
digung schon selber führen.
So giebt es also in den mytilenäischen dingen von dem „harm-
losen interpolator*, den Miiller-Striibing uns nachweisen wollte, in
wirklichkeit keine spur. Aber noch ein ganz andrer, einer der
schlimmsten sorte soll hier im texte versteckt sein und seine hand
im spiele gehabt haben. „Ganz andrer art, heisst es p. 149, sind
die interpolationen, die ich jetzt nachzuweisen versuchen will. Es
sind dies die falschungen eines blutdürstigen verleumders und sie
betreffen die bestrafuug der von Athen abgefallenen Mytilenäer“,
Es handelt sich also um den bericht, wie er im texte y, 50, 7 —17
gegeben ist: roug d’ addovg avdgus oùs 6 lláygg anéneppev we
uluwitrovg Orrug tig amocracewg KA£wvos yrwun diíq9tigav ob
> AInvaior jour dé oAly~ nieloug yiAlwy. xui Mutsdnvulwy zelyn
xaJtilov xal vavg nagéAafov. vorsgor dè pogor uiv ovx Eru£ur
AcBioss, xdygoug dà mosnourtes tig yng mAny Mndvuraiwr tQug-
gudlovs Tgsuxooloug uiv roig Feoig lsgous dfeilor, End dé toùg
Ghhovg Opwy avtwy xAngouyous rovg Aaydvras ünínsuwav olg
ágyvQiov Atoßıos 1«Eautvos rov. xAngou éxuorou tov Enuviod
duo prac qíguv avioi eley&torio ri yr». Auf nahe an 100 seiten,
von p. 149—243 soll's dargethan werden, einmal, dass es nicht
wahr sein kann, was der bericht von 1000 hingerichteten Mytile-
näern erzählt, ebensowenig dass das ganze Lesbos mit ausnahme
des gebiets von Methymna in loosen an die attischen kleruchen
vertheilt worden ist. Nicht tausend und wenige mehr, sondern
schwerlich hundert und einige seien von Paches nach Athen ge-
schickt worden (p. 226) und, heisst es p. 197: ,,nachdem der an-
trag des Diodotos, über die von Paches als schuldig nach Athen
geschickten männer in ruhe zu gericht zu sitzen, einmal angenom-
men war, da war ilr leben gerettet, es müssten denn welche unter
ibnen gewesen sein, die ausser der politischen schuld auch mensch-
lich empörende verbrechen begangen hatten. . . Doch das können
nur ausuahmsfálle gewesen sein, die übrigen sind sicherlich frei
gesprochen, wenigstens nicht zum tode verurtheilt worden“, und
nicht ganz Lesbos mit ausnahme von Methymaa, sondern nur der
landbesitz von etwa 30 bis 40 edelleuten sei confiscirt und an die
attischen kleruchen ausgetheilt worden (p. 227). Und woher hat
Müller-Strübing das alles? Ja freilich , wenn's eiu andres klares
zuverlässiges wort darüber gäbe, dann wären nicht 100 seiten nö-
thig. Aber es giebt ja eine moderne historische kritik, die aus
dem vollen schöpft, die ,,die geistige luft, so zu sagen, die man in
Wi?
708 Jahresberichte.
Athen athmete, sich lebhaft vergegenwärtigt“, und aus sich selber
weiss, was sein, was nicht sein kann. Das ist ja gerade das won-
negefühl des schaffens, aus nichts etwas zu machen, der triumph,
gleich von vorneherein den bösewicht, der bewusst so scheusslich
in der überlieferung gewirthschaftet hat, zu erkennen und ibm die
larve herunterzuziehen. Aber die sache hat ihre gefahr, wenn das
selbstvertrauen stark ist und der eifer blind macht. Dann drebt
der spiess sich wohl einmal um, und aus dem anwalt mit dem
guten herzen, der „den dunkelsten blutflecken in der geschichte des
athenischen demos tilgen“ und gern „einen theil des dankes, den
wir alle dem athenischeu volke schulden, so viel an ihm ist, ab-
tragen‘ möchte, kann auch der rabulist werden, vor dessen alles
möglich machenden combinationen documente nichts sind und der
mit seinen ,,rettungen*, wenn's auf ihn ankömmt, in den texten
ein unheil anrichtete, neben dem alles, was wir bisher an interpo-
lationen wirklich erlebt haben, ein unschuldiges kinderspiel wäre.
Aber zur sache! Für's erste also die tausend und die hinrichtung.
Gesetzt, es wäre uns bei dieser gelegenheit die zahl nicht
überliefert und man hätte sich die frage vorzulegen, wie viele es
denn wohl gewesen sein werden, die Paches nach Athen geschickt
hat, so würde jeder, welcher der durchsichtigen erzählung aufmerksam
gefolgt ist, nicht anders können, als in allgemeiner schätzung schon
von selbst auf solche zahl zu kommen. Die Athener schicken
gleich anfangs, wie sie von dem vorhaben der Mytilenäer erfahren,
40 schiffe nach Lesbos 5); weil das aber nicht reicht, schicken sie
5) Die beschreibung der órtlichkeit, wie Thukydides sie von My-
tilene giebt, ist so deutlich wie man sie nur wünschen kann, es fehlt
kein strich. Wenn Swoboda (Thukydideische quellenstudien, Inns-
bruck 1881, p. 61 ff.) sich nach ihr kein bild entwerfen kann, ja so-
gar behauptet, Thukydides sei selbst nie aut Lesbos gewesen, und von
einem offenbaren irrthum spricht, den Thukydides hier begangen habe.
so kómmt das auf seine rechnung und die der vorgünger, die ihn ver-
leitet haben. Aber es war doch eine starke voraussetzung anzuneb-
men, Tbukydides habe Lesbos nie selbst gesehen, die insel, die in
drei tagen zu erreichen war und deren abfall ein integrirender theil
seiner erzihlung war. Das missverständuiss, auf dem hier die an-
klage gegen Thukydides beruht, liegt einzig darin, dass man das
Malea in den worten c. 4, 22: of wouour iv tjj Malée, von dem süd-
östl. vorgebirge von Lesbos verstand, das er ja offenbar nicht meinen
konnte, wenn er neues Bopéay 175 noleme hinzusetzt. Stahl ist auf den
gedanken gekommen, um doch an das südöstl. vorgebirge, das man
sich hier nun einmal eingeredet hatte, denken zu können, die worte:
of wpuovr iv ın Malte, durch ein komma von dem folgenden moo;
Bopiav tus nodews zu trennen, aber wo in aller welt hat ein Grieche
und nun gar Thukydides solche sätze gemacht wie diesen: é» tovt
di anoorillovcs xai dg Aaxedaiuova notofess tosyoes, Aadovtesg tò vov
"M9nvaiwv vavuxór , of wouovy évig Maléc, noûs Bogéav tas moÀseg?
Als wenn die Griechen kommata gebraucht und dadurch einem nichts-
nutzigen stil nachgeholfen hätten. Es wur schön von Swoboda, dass
Jahresberichte, 709
später noch tausend hopliten nach. Also haben sie jetzt ausser
ihrer schiffsbemannung eine streitmacht von etwa 1500 hopliten in's
er solcher auslegung nicht zugestimmt hat. Also durch den zusatz
"ngog Bogéav mo nédews hat Thukydides auf's deutlichste gesagt, dass
dieses sein Malea im norden der stadt lag. Aber auch ohne das
musste jeder sich sagen, dass hier das südöstliche vorgebirge nicht
gemeint sein kann. Das lag 70 stadien, fast zwei deutsche meilen
von der stadt entfernt, und wenn es gleich darnach heisst 6, 11: xe$
tov égóguovc én’ dugotégoig toss sudo &nosoU vto, und hier wieder
z. 16: vavotaduoy di uGliov pv adtois nloiwr xai ayoods 5 Malta, 80
wird man sich doch das thórichte nicht vorstellen wollen, dass sie
die enge einschliessung der stadt und die blokade der beiden hüfen
aus zwei meilen distanz vorgenommen haben. Ich will's kurz ma-
chen. Von dem südöstl. vorgebirge spricht Thukydides in der ganzen
erziblung mit keiner silbe. Sein Malea ist die kleine insel (vyoto»,
Strab.) mit einer gleichnamigen «xge, auf der das alte Mytilene lag,
und die sache ist diese. An der stelle des alten Mytilene war das
heiligthum des Apollon, daher 4nzólio» Malces geheissen, wie auch
der nördliche bafen Malösıs hiess (Aristot.) An der alten gehei-
ligten stelle, do rc nölswos war, wie natürlich, die festfeier haften
geblieben, und so sollte die zeit dieser festfeier von den Athenern
benutzt werden. War die ganze bevölkerung (navdnusi) über die
schöne brücke, welche die insel mit der stadt verband (Longus) auf
die insel gezogen, so brauchten die Athener, wenn's glücken sollte,
bloss in den nördlichen haufen, zu dem ein zugang offen gelassen war
(éxndovs), einzulaufen, die brücke zu besetzen, die bevölkerung war
dann abgefangen und mit der überrumpelung würe es gelungen. Aber
es gelang nicht. Die Mytilenäer hatten von der absicht erfahren,
waren nicht auf die insel hinausgezogen und hielten auch schon den
zugang zum nördlichen hafen gesperrt. Die Athener gehen nun an
der insel am nördlichen hafen vor anker, während der südliche hafen
für den augenblick noch offen bleibt (4, 20: 4» roùrw de anoorellovos
xai ds Aaxıdaluova notsfess tosros), dann aber, nach der ersten ver-
bandlung mit den Mytilenüern, ziehen sie sich auch nach dem süd-
lichen hafen herum (6, 9: xai repiopusodueros Td ngog vótor Tc n0-
dews), befestigen jetzt ihre beiden lager éxearzépmSer rj; modews, im
norden und süden der stadt, blokiren die beiden häfen (x«i rove &q.óp-
ovs én’ dugorégosc 1oig lsuéciy Enosoëvro), doch so dass ihr eigent-
liches schiffslager für zufuhr und verkehr (adoswy xai ayoods) an ihrer
ursprünglichen stellung bei Malea verbleibt (uaAAov) Man muss doch
sagen, das versteht sich alles schon recht gut, auch ohne dass Thuky-
dides seiner erzählung eine topographische karte (Swoboda) beige-
geben hat. Aber woher weiss ich denn, und ist es nicht eine blosse
annahme von mir, dass es ein Malea im norden der stadt gegeben
hat und dass Thukydides dieses bier meint? Ich könnte erwiedern,
Thukydides sagt es ja selbst, wir lesen ja bei ibm: # 17 Madég noûs
Bogéar ıns nodews. Mir wire schon das vollkommen genug. Was
zwingt mich denn, überhaupt an das hier ganz unmögliche südöst-
liche vorgebirge zu denken, das zufällig mit jenem und anderen den-
selben namen führt? Aber zum glück kennt nicht bloss Thukydides
das nórdliche Malea, auch Xenophon kennt es; aber leider haben
auch bei diesem schon die ausleger das ihrige gethan, dass, weil sie,
auch Xenophon es nicht kennen soll. Bei Xenophon heisst es Hell.
710 Jahresberichte.
feld zu stellen. Natürlich ist diese nach der stürke der gegner
berechnet, so werden wir also bei diesen etwa das gleiche an bo-
pliten oder etwas weniger, 1400— 1500 hopliten vorauszusetzen
haben, Das also waren die durazol, die dAlyos auf Lesbos. Aber
unter sich einig waren auch diese nicht, auch unter ibnen gab es
solche, die vom abfall von Athen nicht in gleicher weise erbaut
waren und gegen die andern in einer oruoç standen (y, 2, 9).
Aber sie waren die minderzall, die gegen die enragirten nicht auf-
kommen konnte. Rechnen wir sie etwa zu 500, so bleiben von den
6à(yos etwa 1000 nach, die uns in der erzühlung als of d» roig
nouypaow (28, 23), als die alııwıaıos 175 unocıaosws (50, 8),
als of ngufuvteg nous 1oùç Auxeduiporfove pudcia ru» Muu-
Anvufwy (28, 33) bezeichnet werden. Offenbar geben hier die
worte oi avutaries bis Mursdgralwr ein ganzes, so zu sagen
einen begriff, und Müller- Strübing hat recht, wenn er ualıcıa
zu ot nou£urzes, und nicht wie Holzapfel p. 460, aum. 3 thut,
zum folgenden zeygidecig Ovieg zieht. Es wäre schon gar keine
sprache mehr, die solchen bezug zweifelhaft liesse, am allerwenig-
sten die sprache des Thukydides. Mudsora kann dem begriffe, den
es verstärken soll, vorangehen oder nachfolgen. OL dé (nça£uvreç
gos rovg Auxedumorlous pudlsora) wy Muiudnvatwy aber bilden
einen verband, und was dazwischen steht, gehürt eben zu diesem.
Aufs folgende bezogen brächte ualsora zu negıdesig eine verstär-
kung, die dieses durchaus nicht nöthig hat; in zrgideetg steckt
phis schon ohne das. Diese ngasarıss 1005 rovg Aaxedas-
morlous uadiciu twv Monáqratov, also alle die der oAfyos, die
am eifrigsten den abfall von Athen betrieben, stehen im gegensatz
gegen die übrigen oAfyo., denen der abfall von Athen entweder
überhaupt nicht recht, oder für den augenblick nicht recht war (2,
2— 10). Und diesen beiden parteien der dAfyos steht als ganzem
der demos gegenüber. Auch bevor der Lacedümonier Salaithos
diesem demos hoplitenbewaffoung giebt, um ilo im felde verwenden
zu können (27, 17: ondlCes 10 duo» ngórtgo» wuÀov ovra ws
1, 6, 26 vom Kallikratidas: édesnvonossiro Tic 4éofov ini vj Malig
xo dvtioy mo Merwvdnyng, und z. 27 von den Athenern: Zreyer
d'esnvonosoduevos tv Tais Apyswovcass‘ avtas "d' eloîv dyriov tHe 4£ofov
ini 15 Malte Gxoe, an welcheu worten in alter und neuer zeit viel
versucht und geündert ist. Hier sind also beide Malea neben ein-
&nder genannt, das eine nórdliche Mytilene gegenüber, das andre
Lesbos beim vorgebirge Malea gegenüber, wobei in diesem zweiten
fall, weil es an einem andern orte fehlte, nur die allgemeine be-
zeichnung Lesbos angegeben und durch das beigegebene éné ty Maléa
äxug specialisirt wird Es ist mir eine freude und genugthuung, dass
wenigstens einer, und zumal der, der unter den heutigen Lesbos wohl
&m besten kennt, Conze, gegen des Thukydides darstellung nichts
einzuwenden bat, im gegentheil sogar die klarbeit seiner schilderung
rühmend hervorhebt.
Jabresberichte. 711
inıkıwr xoi; “AInvalos), ist der demos an der vertheidigung ge-
gen die Athener nicht ganz unbetheiligt gewesen; man sieht das
an dem g07200» sAör Oria, man sieht es auch an den worten
des Kleon 39, 21: navies yóQ nuiv ye duolwg ènédevio, olg y
v Og Quads tgemopévoss vuv nudsv dv 1) nodss EF-
pus alla Tov pera twv ÖAlywv xlvdurov nyqouperos Be-
Basoregor Evrantcincar. Aber diese worte sind bis jetzt von den
auslegern noch nicht verstanden. Sie sind ganz in ihrer eigent-
lichsten bedeutung zu fassen. Kleon will sagen und behauptet:
der demos konnte sich zu uns schlagen, d. h. aus der stadt zu uns
herauskommen, so hätten wir als sieger ihn wieder in die stadt
zurückgebracht. Es ist als wenn die vertheidigung bei Antiphon
76 auf diese anklage des Kleon, die freilich nahe genug lag,
rücksicht genommen hatte, wenn der solo hier von seinem vater
sagt: énesdy dé y nuls oA xuxwg eBovisvouto unogiùca xai
Luagié Ing vuertoas yrwung, meta Ing moAswg OÀgg jvayxacOm
GureEupagueiv. iv pèv ovy yruunr Eri xai Ev Éxeivoig Guosog nV
els vuüg, 19» d’ surosav oùxére nr En’ exsivep ijv avımy elg owas
nugéger. ovıs yug ExAıneiv ınv wodev edQoruws elyer avidi
ixuva yao nv ia evéyugu & elyeio avzov, of te muideg xai 1d
XQnuaera* trovo d’ av (die evrosa) uévovis ngóg ty nos udvid
aduvaiws elyer loyvolleodus. Also die stadt konnte der vater
nicht verlassen, mochte er uun zu jenen ÖA/yos, die nicht abfallen
wollten, oder zum Athen freundlichen demos gehören; blieb er aber,
so war es um den beweis seiner Athen freundlichen gesinnung ge-
thao, Gegen meine auffassung der worte kann man nicht an-
fubren, dass der demos ja auch jetzt in der stadt ist. Gewiss ist
er das, aber nicht vo» zaÀ». An diesem ausdruck sieht man, dass
der gedanke mit &&r» seinen ausgang von jener zeit nimmt, wo
noch die möglichkeit war, die stadt zu verlassen, und auch zu je-
ner zeit zurückgeht; es heisst also: sie konnten damuls die stadt
verlassen und sich sagen, dass sie jetzt wieder, hernach wieder
darin sein würden. Mit der bürgerzahl des demos, wie stark die-
ser gewesen, haben wir es hier noch nicht zu thun, später wird
uns auch diese frage dienen können. Dass aber die eigentlich
schuldigen unter deu öAlyos, die wir eben auf 1000 berechnet
haben, wenigstens eiue grössere zahl gewesen, nicht wenige 30
oder 40, wie Müller-Strübing will, lässt sich zweitens aus folgen-
dem umstand schliessen. Als das athener beer nach geschlossener
übereinkunft in die stadt einrückt, halten es die, welche den abfall
hauptsächlich betrieben hatten (nicht, wie Müller-Strübing p. 151
und p. 179 sagt: ,,die hauptleiter der verhandlungen“) nicht aus,
ovx jvécyorvto, vermögen es nicht über sich, das kummande abzu-
warten, sondern fliehen an die altàre. Paches giebt ihnen neue
zusicherung, wodurch sie bewogen werden, die altäre zu verlassen,
und bringt sie auf die gut athenisch gesinnte insel Tenedos (2, 7)
712 Jahresberichte.
in sicherheit, 28, 33—1. Dazu fragt Müller-Strübing p. 151:
„warum geschah das nun? Warum setzten sich die hauptschal-
digen als schutzflehende auf die altäret — Fürchteten sie, die Athe-
ner würden die eben abgeschlossene capitulation sofort brechen und
sie niedermachen? Wohl schwerlich! Ich glaube vielmehr, sie
fürchteten sich vor der rache ihrer eignen mitbürger, und um sie
vor dieser zu schützen, liess Paches sie nach Tenedus bringen, als
er sich mit der flotte für einige zeit von Lesbos entfernte*. Schlimm,
weun er das glaubt und sich seine eigene geschichte macht, und
sich mehr glaubt als dem Thukydides, der mit den deutlichsten
worten sagt, einmal, dass ihre betheiligung am abfall sie in die
angst gesetzt hat, dann, dass beim einzug der Athener diese angst
auf eine unertrügliche höhe gestiegen ist, und zuletzt dass sie trotz
der übereinkunft (ópwc) an die altäre geflohen sind. Also nicht
vor dem demos bringt Paches die schuldigen in sicherheit nach dem
zuverlüssigen Tenedos; und wenn nicht vor diesem, dann doch of-
fenbar für sich selber. Einige wenige aber konnte er auf dem
ersten besten seiner schiffe sicher und ohne heschwer in ver-
wahrung halten, aber die ganze schuldige oligarchie, tausend und
mehr, hat er sehr natürlich vorläufig, wenn es etwa für ihn noch
weiteres zu thun geben sollte, wie es bald darauf wirklich ge-
schah, wach der benachbarten insel geschafft, wie 100 geiseln der
Samier nach Lemnos in verwabrung gegeben werden, «, 115, 15,
die geiseln von 11 lakonischen ortschaften, gewiss einige hundert,
nach Kytinion, y, 101, 31 ff., 300 Argiver auf benachbarte in-
seln, ¢, 84, 19, 400 Kerkyräer auf die dem Heräon gegeniiber-
liegende insel, y, 75, 38, die auch, ebenso wie hier, vorher alle
als schutzflehende zum heiligthum geflüchtet waren. Aber mag dem
sein, wie ihm wolle, ich bescheide mich hier gern; aber dass drit-
tens in den reden des Kleon und des Diodotos mit dem gegensatz
gegen den demos nicht einige wenige, nicht 30 oder 40, sondern
die ganze oligarchie auf Lesbos gemeint ist, ist sogleich auf den
ersten blick zu sehen. Bewegen sich doch beide reden nur um die-
sen gegensatz, nur um die frage, ob man die oligarchen allein
tódten soll, oder auch den demos mit ihnen. Wenn Kleon nichts
anderes will, als den früheren beschluss aufrecht erhalten, und jetzt
sagt, 39, 20: xai um roig uiv Odlyoss n alıla ngogre9g, 10». di
Ónuov &noÀvOQgte, so ist doch nothwendig, dass diese worte den
inhalt des früheren beschlusses wiedergeben, wie er 36, 9 ange-
geben ist: ov 100 c nagovroc poror anoxtésivas GAMA xal 1006
unarıug Myrinvalovs 000 nBwosv, dass also die öAfyos, wie er
sie jetzt bezeichnet, der volle und ganze gegensatz gegen den de-
mos, eben jene zugorres des heschlusses sind, die männer, oùs o
Thiyng áné£nspwer wo ulriwruiovs ortug tg anootucews, 50, 7,
also nicht 30 oder 40, sondern der grösste theil des heeres, das
anfänglich gegen die Athener im felde gestandeu. Und eben so ist
Jahresberichte. 713
es in der rede des Diodotos. Die, welche Paches herübergeschickt
hat, 48, 17: MutAnratwy otc piv lháypgg antreuyper wg adı-
xovviag, stellt auch er, wie Kleon, als ganzes dem demos gegen-
über, sie sind uuch ibm ein lieer, mit dem aber der demos, wie er
gegen Kleon (39, 21. 23) behauptet, nicht gemeinsame sache ge-
macht hat (47, 1).
Dass also schon nach der erzühlung des Thukydides die von
Paches herübergeschickten in der hauptsache dieselben gewesen
sind, mit denen die Athener ursprünglich gekämpft haben, also ge-
wiss auf ein heer von 1000 und mehr zu schätzen, leidet wohl
keinen zweifel, und man gebrauchte, um sich das zu sagen, seine
nachträgliche angabe kaum. Und auch die schliessliche hinrichtung
dieser 1000 lesen wir schon aus seinem berichte eben so sicher
heraus. Der erste beschluss ging auf die hinrichtung beider theile,
der herübergeschickteu oligarchen und des demos zugleich. Kleon
halt diesen beschluss nach beiden seiten aufrecht. Und auch Dio-
dotos wagt gegen den einen theil des beschlusses, gegen die hin-
richtung der oligarchen, sich kaum mit einer opposition heraus.
Freilich versucht er's, ob mit seinem antrag, die von Paches als
schuldige herübergeschickten xgires xo3' zovyfar, noch der eine
oder der andere von ihnen am leben zu erhalten ist, aber dass
auch er schon dabei an eine massenhinrichtung der oligarchen denkt,
und glücklich ist, wenn er nur den Demos noch erhalten kann,
spricht sich in den unmittelbar folgenden worten deutlich genug
aus, 48, 17: thut ihr, wie ich euch rathe, so habt ihr beides ge-
than, ra ds 10 wéddow ayu9i und 14 7dn pofegu, mit der erhal-
tung des mytilenüischen demos erhaltet ihr euch in zukunft den
demos in den andern síauten, und mit der aburtheilung der oli-
garchen gebt ibr sogleich für jetzt das abschreckende beispiel.
Diodotos soll nach Thukydides die mildere stimmung vertreten, die
sofort nach dem ersten beschluss in Athen aufgekommen war.
Aber auch diese reuig gewordenen Athener hatten nichts dagegen,
36, 21: diag9sigui 109g virious, also kann auch Diodotos mit
seinem xgîras xaÓ' jovyfuy und seinem Zóm gofegu in der haupt-
sache nichts anders meinen, als eben dasselbe, dies diaq eigo 1006
aliiovs, die massenbinrichtung der schuldigen, gerade also das, was
der weitere bericht des schriftstellers sogleich bringt und wodurch
wir also nur in prüciser angabe bestütigt bekommen, was wir im
allgemeinen uns selbst schon hatten sagen müssen.
Kein wort, keine andeutung in der erzahlung steht mit der
hier gemuthmassten zahl und der hinrichtung im widerspruch. An-
ders findet es Müller-Strübing; der sonstige bericht soll es (p.
178 ff.) positiv unmöglich machen, dass die fraglichen worte vom
schriftsteller selber herrühren können. Das kürzeste wird sein, die
erzällung in den hauptpunkten, die hierher gehören, durchzugehen ;
dabei wird sich hoffentlich noch eins und das andere aufklären und
714 Jahresberichte.
zugleich gelegenheit sein zu seben, ob widerspruch und unmög-
lichkeit sich zeigen will.
Die Mytilenäer ergeben sich unter der bedingung, dass sie
gesandte nach Athen schicken, und ihnen bis diese zurück sind,
nichts leides geschieht, 28, 29—32. Als das beer einzieht, flüchten
sich die, die den abfall zumeist betrieben hatten, an die altäre;
Paches beruhigt sie und thut sie nach Tenedos in verwahrung,
péyos ov roig ASnvuloig 1 do&n, z. 1, also, wie die übereinkunft
lautete, bis die mytilenäischen gesaudten mit den beschlüssen der
Athener zurück sind. In 'lenedos nun bleiben sie, bis Paches von
seiner jugd hinter dem Alkidas her wieder anlangt und sie mit dem
Lacedämouier Salaithos und einigen andern, die er noch für schul-
dig halt, und dem gróssten theil seiner flotte nach Athen schickt,
35, 31—2. Folgt man der erzahlung, so ist bis dahin von des
Athenern über die Mytilenäer noch kein beschluss irgend einer art
gefasst. Es ist dus aus allem klar; die mytilenäischen gesandten
sind nicht zurück, sie sind noch am tage der ersten verhandlung
in Athen, 36, 22; die worte 36, 5—8: zor uir SadasIor «dv
dnéxtesvar, Éouv ua nugegoperov .... negì dì wy avdgwy yru-
pag énosovvio sagen es unumwunden; die öeyn, z. 9, in der die
Athener ihren ersten beschluss fassen, wird mit durch die nachricht
von der peloponnesischen flotte motivirt, die ibnen erst mit den zu-
rückkommenden schiffen des Paches zugeht, und auch Kleons worte
38, 28 — 32 haben nur unter dieser voraussetzung einen sion.
Paches hat also den gróssern theil seiner flotte, als er sie nicht
mehr brauchte, zugleich mit den gefangenen auf eigne faust nacb
Athen geschickt, nicht erst nach einem vorhergegangenen beschluss
der Athener über die Mytilenäer, von dem im Thukydides nicht
bloss nichts steht, sondern mit dem sogar alles sonstige im wider-
spruch ist. Müller-Strübing p. 186 ff. und Holzapfel p. 454 mit
ihm haben also den Thukydides nicht für sich, wenn sie noch eine
volksversummlung über die Mytilenàer annehmen, die der ersten
schon vorausgegangen sei, von der 'l'hukydides berichtet, und is
der auch schon über die todesstrafe der Mytilenüer beschluss
fusst sein soll, Müller-Strübiog 191; Holzapfel 456. Wäre das
wirklich geschehen, warum ist dann nicht gleich nach diesem er-
sten beschluss, muss mau immer frugen, ohne vou Müller-Strübing
p. 188 eine antwort zu bekommen, alles das eingetreten, was
Thukydides uns jetzt nach seiner ersten volksversammlung be-
richtet? Aber „es geht dies, eine frühere volksversammlung vor
der ersten bei Thukydides, sagt Holzapfel p. 454, wie Miiller-
Strübing y. 186 ff. richtig bemerke, evident hervor aus einem
satze in Kleons rede, c. 40, 4: erw uèr ov» xui 1078 TEQU/TOY xal
riv diupuzouu un perayvivar óuüc rà noodedoyutva. Also
auch schon in der ersten von Thukydides erwähnten versammlung
hat Kleon dafür kümpfen müssen, duss ein die Mytilenäer betref-
Jahresberichte. 715
fender beschluss nicht umgestossen wurde; denn anders können
doch jene worte nicht verstanden werden“. Gewiss können und
müssen sie das. Müller-Strübing ist mit seiner auslegung der
worte so sehr im recht, dass wer sie anders verstehen wollte, von
dem gang weder der rede des Kleon noch der des Diodotos ein
verständniss hatte. Aber an dieser auslegung muss Holzapfel, p.
454 ff., nichts bessern wollen. Kleon redet von vouos, gesetzen,
die nicht umgestossen werden dürfen, und von den klugen leuten,
die klüger sein wollen uls die gesetze, und richtet dus gegen Dio-
dotos, der die gesetze schweigen lasseu will, wenn es der vortheil
gebietet, und natürlich schon tags zuvor so gesprochen hat, wie
ers am zweiten tage thut. Also von einem gesetze ist die rede,
das auf den mytilenüischen fall seine auwendung findet, nicht etwa
von einem kurz vorher über die Mytilenüer gefassten wrngicna.
Aber dass die worte: 2yw pèv ob» xai tote nowrov xai vov dia-
puyouas pi ueruyrwvus vpi tu ngodedoyuéra, vollkommen in
ihrem uogekiinstelten sinne zu rechte bestehen, dazu bedarf es nicht
einer vorversammlung vor der ersten, sondern das xui tore mQuror
geht eben auf diese erste versammlung selber. Was dus nun für
ein gesetz gewesen, für dessen befolgung Kleon in der ersten ver-
sammlung eingetreten ist, brauche ich hier nicht zu erörtern, auch
würde es mich zu weit führen. Wenn aber Holzapfel p. 456 sagt:
„ich vermuthe, dass die Athener gleich damals (in der vou ihm an-
genommenen früheren versammlung) gegeu diejenigen Mytilenäer,
die sich am aufstand betheiligt hatten, gemäss dem psephisma des
Kannonos die todesstrafe erkannten“, so ist wenigstens so viel ge-
wiss, dass das ynq:ouu des Kannonos mit diesem mytilenüischen
falle nichts zu thun haben kann. Einmal schon als t7gsoua nichts,
denn in den reden handelt es sich um youos, und dann stelle man
sich einmal vor, was damit behauptet wird. 1000 und mehr, die
doch auch Holzapfel gelten lásst, jeden, nach v. Bamberg's, Herm.
XII, 513, schöner wie nothwendiger verbesserung: dsadeAnuuéroy
für dedeuévov, Xenoph. Hell. 1, 7, 20, an jeder seite rechts und
links von einem Athener gefasst und vor den demos geführt und
diese nach der verurtheilung und schlimmsten falls die ganze be-
völkerung von Mytilene ins attische Barathron geworfen.
Also erst nach der ankunft der schiffe des Paches mit den
gefangenen ist nach Thukydides zum ersten mal in der athenischen
volksversammlung über die bestrafung der Mytilenüer verhandelt
worden. Bei dieser gelegenheit tritt Kleon, gestützt auf ein ge-
setz, dafür ein, alle Mytilenüer insgesammt hinzurichten, 36, 9. 29:
où 1006 HaQOr»ixG uovov unmuxtetvas dÀÀd xol Toto unarrag Mv-
wAnvalovs 600 Boo; Diodotos widerspricht. Und wie weit
widerspricht er? Es heisst von ihm 41, 6: domeg xoi d» 17
moortou dusinola avidleye palioru ui anoxısivas Mutdnvalous.
Wer auf dies nackte MvzsAnrvafous, ohne artikel, achtet, weiss dass
716 Jahresberichte.
das heisst: die Mytilenäer als solche, die bevélkerung von Mytilene.
Also im gegeusatz von Kleon will er die Mytilenäer, die erwach-
sene männliche bevólkerung des mytilenäischen gebietes nicht
ausgerottet wissen, womit Thukydides also nicht gesagt hat, dass
nicht auch Diodotos damit einverstanden war, die wirklich schul-
digen mit dem tode büssen zu lassen. In den reden sind in bezug
auf die herübergeschickten beide in keinem direkten widersprach.
Für Kleon ist nach 37, 8; 40, 15. 18; 39, 20 die hinrichtung
dieser, nicht einiger wenigen, wie man auch hier sieht, sondern
einer ganzen zall, ein selbstverstand, und auch Diodotos will an
ihnen, wie schon oben bemerkt ist, ein abschreckendes beispiel sta-
tuirt wissen, 48, 20. Auch das gesetz, auf das Kleon seinen an-
trag gestellt hat, und das dfxasov, das dadurch begründet wird,
läugnet er nicht; dugegen macht er den staatsnutzen geltend, 44,
35— 6, und die rücksicht auf diesen ist es, der in verbindung mit
dem mitleid und der befriedigung der rache an den schuldigen ihm
zum siege verhilft. Also wird seinem antrage gemäss in der
zweiten ecclesia beschlossen, 48, 17: MursAnrulwy ovs pèr Hays
aneneuyper ws udıxouvrag xgivus xa9? nouylur, 100g d° Giov
tav olxeir. Das xud’ fovyluy gehört dem Thukydides, wohl
schwerlich dem Diodotos an, und ist offenbar vom schriftsteller im
gegensatz gegen das uno öpyüs Edokev avioi,, c. 36, 8, gesagt;
in seinem formellen antrag wird Diodotos sich wohl gehütet haben,
durch diesen zusatz anstoss zu geben. Aber eine andeutung, wie
wir das xgivaı zu verstehen haben, wird uns der schriftsteller docb
damit gegeben haben. Deun es fragt sich, was nach diesem zwei-
ten beschluss nun weiter erfolgte. — Einen hochverrathsprocess
konnte, wie sich bei gelegenleit des Arginusenprocesses an dem
ér dixacinolo bei Xen. H. 1, 7, 22 zeigt, die ecclesia entweder
selbst entscheiden oder ihn einem heliastischen gerichtshof über-
weisen. Nach dem ausdruck: xgiro« xud’ nouylur, ist wohl kein
zweifel, dass im vorliegenden fall das letztere geschehen ist,
Dann wird sie aber ihrerseits auch hier, wie es im späteren Kis-
angelieverfahren das übliche war, das strafmass zugleich mit be-
stimmt haben. Wenn es also 50, 8: Kiéwrog yrwun ditpBespar
of °A3nraîos, heisst, so ist damit gesagt, dass die volksversamm-
lung dieses strafmass hier auf einen antrag des Kleon auf tod be-
stimmt hat. Das ist also nach dem regelmässigen verfahren ge-
schehen, von einer aberreue der reue und einem allzuviel des guten
an volksversammlungen kann nur Müller-Strübing sprechen. Und
so wird auch wohl alles weitere in regelmässigem gange ver-
laufen sein. Die von Paches wg ddixovries herübergeschickteo
werden also mit der unklage auf tod an die Heliaia gewiesen, die
nun über das schuldig zu befinden hat. Euryptolemos stellt in je-
nem feldherrnprocess seine forderung auf einzelaburtheilung als
eine gesetzliche hin, Xen. Hell. 1, 7, 19 ff., also wird auch in
Jahresberichte. 717
unserm fall, wie dort, die anklage eine gemeinsame gegen ulle,
die aburtheilung eine besondere über jeden einzelnen gewesen sein
(xui Gua mavtag xal xu? fra Exuorov). Gegen eine einzige
gemeinsame abstimmung waren die angeklagten Mytilenáer also
xai TO» vôuor, nicht durch das wigioua des Kunnonos geschützt,
wie Müller-Strübing p. 197 sagt, da in diesem die eiuzelaburthei-
lung als selbstverstand nicht ausdrücklich vorgesehen war ).
Es ist also, wenn wir den andeutungen des Thukydides nach-
gehen, hier von den Athenern gegen die Mytilenäer dasselbe ver-
6) In dem wyjgsoua des Kannonos war von einem diya ixacrov
nichts enthalten, auch wenn Max Frünkel: Die att. geschwornenge-
richte p. 82 f. gegen mich (die schlacht b. d. Argin. 52) das gegen-
theil behauptet. Allerdings ist er darin gegen mich im recht, dass
mit der verweisung der sache an einen gerichtshof die einselabur-
theilung schon von selbst mitgegeben war, also die bestimmung diya
Exactor nicht noch ausdrücklich erwähnt zu werden brauchte. Aber
das entscheidende ist und bleibt, dass unter den einzelbestimmungen
des kannonischen psephisma, wie sie Xen. Hell. 1, 7, 20 dargelegt
werden: diadelyuuévov anodiziov dv to diup xai tav xatayywody adı-
xeiv, anoduveiv eg To Bapaspov Lußinderra, ta dì yonuata avtod dnusv-
Sivas xai 175 9600 15 énsdéxatoy eivas, die aburtheilung des einzelnen
nicht erwäbnt wird. Wenn Friinkel meint, map sáhe nicht, warum
Euryptolemos, im fall er selbst dus diga Exaoroy besonders zugesetzt
hätte, das wyysoue überhaupt noch heranzieht, da die angeklagten
ja schon gebunden der ecclesie übergeben sind, so übersielit er, dass
Euryptolemos doch auch wegen der todesart in verbindung mit dem
weiteren dies vg.cu« das (ayepóreror nennt. Dass er die Aristopha-
nesstelle, Eccl. 1089, nicht richtig versteht, sondern dass sie den siun
hat, den auch ich ihr gegeben habe, hat v. Bamberg, wie das seine
art ist, klar genug bewiesen. Herm. 13, 509 ff. A. Philippi, Rh. mus.
35, 609, weiss kurzen process zu machen, er streicht Xen. Hell. 1, 7,
34 die worte rara 10 Kavywvou yngsoua. Denn Euryptolemos hätte
doch, meint er zum ersten, wenn er vorher zwei modalitüten em-
pfiehlt und nun seinen antrag auf die eine stellt, diese in seiner rede
vorbereiten müssen. Aber er niusste eben einen bestimmten antrag
stellen, und hatte diesen, xe:à 16 Kavywvot vq«ou« schon gerade als
den loyvoóreror bezeichnet. Und dann „stehe ja, meint er zum zweiten,
ganz in der nähe noch ein andres glossem §. 23: é»óc uiv iv à ovi-
déyeodas vue dei xai dsawngilecdas, tav te adixsiv doxacs tav re ur,
irigov d' iv @ xanpyogrocs, érégou d' ty w anodoyyoacii«s, das freilich
scheinbar ganz verständig, doch durch die unsinnige reihenfolge ver-
rathen werde". Philippi übersieht, dass vor ankluge und vertheidi-
zung der gerichtshof zuerst noch darüber abzustimmen hatte, ob er
lie anklage überhaupt annehmen wollte, was hier also in den worten:
‘ay te adsxeiy doxwos tav te un. witenthalten ist. Wenn von den drei
sheilen des gerichtstages der eine der klage, der andre der verthei-
ligung, der dritte den richtern zugetheilt war, so ist die reihenfolge
vao sehr natürlich, die das, was von den richtern gilt, das cvddéyeoSes
ind dsaynyilecdas zusammenfasst. Ausserdem wäre die rede: digor-
vo tig nusvas Toy utQu» ohne diesen erklürenden beisatz die al-
erkümmerlichste, wie die alten eben nicht zu reden pflegen. Es will
nir also etwas eilig scheinen, wenn auch für Holzapfel p. 468 die
worte xa:d ty Aarvovoù wigsoue nicht mehr da sind.
718 Jahresberichte.
fahren eingehalten, wie gleich nachher von den Lacedämoniern ge-
gen die Platäer verfahren wird, y, 68, 11—15: udDeg 10 abro
Era Exuotov znogayayorttc xai ÉQWTWTIES , et no Auxedasporiov
zul 1005 Suunagovs dyudor iv tw nodfuw dedguxores eter, Onore
pn quier, dnayortes antxıeıvor, xai ébatotrov !noı.carıo ovdéra.
Die auklage ist auch bei diesen eine gemeinsame gegen alle, die
schliessliche aburtheilung trifft jeden einzelnen besonders. Und ist’s
ein unterschied, der den mytilenäischen fall unmöglich macht, dass
von den Lacedümoniern auf diese weise 225, von den Athenern
1000 und einige zu tode gebracht werden? Auch das dségFecgur
durfte Müller-Strübing nicht p. 198 als einen sprachlichen beweis
für eine interpolation anführen, als „passe der ausdruck durchaus
nicht zu einem gerichtlichen urtheil und den in folge eines solchen
vollzogenen hinrichtungen*. Sogleich schon bei dem gerichtlichen
verfahren der Lacedimonier gegen die Platäer kehrt der ausdruck
wieder, z. 15: di£g9tguv dì MAuradwy piv adıwr ovx educoous
dsuxoclous, 'd9nva(wv dé névre xai etxoow, und wird sogar noch
kurz vorher ebeu von dem gerichtlichen verfahren gegen die My-
tilenäer gebraucht, y, 47, 11.
Nachdem ich bisher nachzuweisen versucht habe, dass wir
schon von selbst durch die erzählung und die beiden reden auf
solche zahl, wie die nachträgliche notiz sie bringt, zu schliessen
guten grund haben und beim schriftsteller sich nichts findet, was
ihr widersprüche, ist es jetzt an der zeit es auszusprechen, dass
nicht Thukydides es allein ist, der von der hinrichtung der ber-
übergeschickten Mytilenäer berichtet, sondern dass auch Ephoros-
Diodor davon weiss. Denn Holzapfel hat vollkommen recht, wenn
er p. 450 die stelle Diodor Xlll, 30, z. 6 ff. gegen Müller-Strà-
bing in diesem sinne versteht. Die worte sind: éze( 10( ye’Adr-
vuios mg &yunourıo Mirvinvuloıs; xgatnouvres rag aviu» adr
xn70us er oudév Bovdoptrwy , énsFupovrtwy dé rms Bev eglag,
Éynplouvro 1005; ty 1} node nutaoquita:, wWpov TE xol BugBagor
TÓ © nengayu£ror, xui tavta eEnuagroy elc "Ellnvag, elc Guppagove,
ele evegyérug moÀÀdxig yeyevmuérouc. un di viv ayavaxiovriwr
el TosudrTa mgocg 1005 &AÀovg noukavres av10i naganiyolag revEor-
mus Tipwolus dixutdtatoy yuo tory, Ov xaO Eréowy vomor 1
EInxe, Tourw yowperor ur óyavoxreiv. Das missverstehen ist et-
was grandios, wenn Müller-Strübing aus diesen worten sogar be-
weisen will, p. 164, dass Diodor von der hinrichtung der tausend
gefangenen nichts gewusst hat. „Es wäre doch eine unbegreifliche
ulbernheit gewesen, sagt er, wenn Gylippos hier von einem bloss
beschlossenen, nicht ausgeführten blutbefehl und nicht von dem
wirklich vergossenen blute der tausend mytilenüischen gefangenes
gesprochen hätte“. Müller - - Strübing brauchte nur wenige zeiles
weiter zu lesen, z. 21: ddd’ 6 Tog nosovpevos prluyd ounía dia-
gegen duos wnp(cuac. wc nodes agdyy depogsev , um eimm-
Jahresberichte. 719
sehen, dass in jenem éwnplourvro, auf das dieses wnyplouac zu-
rückgeht, auch schon die ausführung des beschlusses, schon das
wirklich vergossene blut mitgegeben ist. Und aus deo sützen, die
vorausgehen, hatte er dasselbe herauslesen müssen. Da heisst es
im anfang von c. 30, z. 19: rf yàg r&v aloylorwr ovx éBovAev-
€avro, tf dì tv desvorurwr oùx ÉngaEav; Nun werden erst be-
weise für das 2ßovAevouyro gebracht, dann wird z, 6 mit den
fraglichen worten ènel rof ye "AInvaios nos èyoncuvio Mirvin-
vafosg zu dem Engakuy übergegangen, und könnte noch ein zweifel
sein, dass schon éyonouvro die that, das vergossene blut in sich
schliesst, so folgen gleich nach dem èyypfoavio die worte, z. 10:
eov te xal figflagov 10 nengayuévor, es folgt z. 12 die folge-
rung des redners> un di) rur ayavuxrouvtwy el roravia Odg Toùç
mdhoug moukavtes uvroi mupurinolus revEorras Tiuwolaç; und z.
14 noch die begründung: dixcesoratov yag êcrer, Ov xa 9 éi£-
Qu» vouov rec È Inxe, Tour yowuevor py cyavaxizir. Doch
gesetzt, das bedeutete alles nichts, und Gylippos hätte bei den
worten: éynylcario rovg Èr 17) 7048 xaruopu£us, an den beschluss
der ersten volksversammlung gedacht und diesen invidiose den Sy-
rakusern als ausgeführte that zu hören gegeben, so begreift man
nicht, wie Müller-Strübing, der sich doch ,die geistige luft, in der
man athmete, vergegenwürtigen kann“, zu der voraussetzung kommt,
die Syrakuser hütten von jener reue der Athener und dem ver-
änderten beschluss in der zweiten volksversammlung nicht ein ster-
bendes würtlein gehórt und Gylippos hatte in der weise ihnen et-
was vorlügen dürfen. Doch es sei, lassen wir das alles, und sehen
wir uns bloss die wenigen worte an. Es heisst: éynp{oarro rovg
dv 17) nóÀe xatacpatas. Das soll also bedeuten: sie beschlossen, die
in der stadt Mytilene abzuschlachten. Die in der stadt Mytilene?
Und die gefangenen in der stadt Athen sollen leben bleiben? Diesen
unsinn hat Müller-Strübing selbst gefühlt, aber er ist ihm nicht ins
bewusstsein getreten, Er übersetzt: da beschlossen sie, alle in
der stadt abzuschlachten, als stände in gutem griechisch da: 2yn-
glourvto Mursdnvatoug xaruopu£as. Aber es steht da: rovc dv ij
mod. Wo ist da alle? Aber freilich ohne das interpolirte alle
ist der unsinn zu handgreiflich, mit dem alle ist es schon nicht
mehr so arg, auch die in Athen gefangenen mit darunter zu be-
greifen. Doch genug; die worte: "APnvuios ... éynplourro robe
dy 17 nodes xuracgagas heissen nun und nimmer im griechischen
etwas anders als: die Athener beschlossen die in ihrer stadt, in
ihrer eignen stadt, in Athen befindlichen Mytilenüer hinzuschlachten,
und ersichtlich antwortet Gylippos gerade mit diesem beispiel, wie
die Athener mit ihren gefangenen verfahren sind, auf jenes andere,
auf die freigebung der gefangenen von Spakteria, das Nikolaos in
seiner rede c, 24, 15 angeführt hatte.
Also ausser Thukydides haben auch Diodor und seine quelle
720 Jahresberichte.
von der hinrichtung der von Paches herübergeschickten Mytilenier
gewusst. Thukydides also und Ephoros, dieser beiden gewichtigen
zeugen mund genügt, um für immer als historisches faktum za
constatiren, was sich aus der „damaligen luft“ der politischen ver-
hältnisse und personen schon von selbst ergiebt. Die treibjagd, die
Müller-Strübing sonst nach den hingerichteten Mytilenüern anstellt,
war also unnóthig, wie sie zugleich da, wo er sie anstellt, ganz
vergeblich sein musste. Sind die alten schriftsteller darüber aus,
das sündenregister der abscheulichsten unmenschlichkeiten berzu-
zählen, die die Athener in ihrem staatsleben verschuldeten, dann
haben sie eben ganz audere dinge, von denen sie wieder und wie-
der reden, von den Meliern, Skionüern, Histiáern, Potidaaten, To-
ronüern, Aegineten, also von ganzen bevülkerungen. die die Athe-
ner entweder austilgen oder austreiben, und können bei solcher ge-
legenheit natürlich uicht von dem verfahren der Athener gegen die
Mytilenäer reden, von denen die, welche zu tode gebracht sind,
wenn ihrer auch tausend und einige waren, als schuldige einem
richterlichen spruche erlagen, die aber als bevélkerung, als ganzes,
als die stautsgemeinde von Mytilene gerade durch einen reuigen
beschluss und die „gewohnte qlurdowniu“ der Athener gerettet
uud erhalten worden ist. Und wenn Müller-Strübing p. 154 fragt:
in welcher weise haben denn die Athener diese massenbinrichtung
vou mehr als 1000 gefangenen vollzogen ! und wenn sie ihm schon
ihrem äussern hergang nach unvorstellbar und unverständlich ist, er
aber doch bei der uiedermachung der 225 gefangenen in Piatäs
schon im stande gewesen ist, p. 157, sich eine art ausfindig zu
machen, so kann ich ihn getrost bitten, unter auderm bei gelegenheit
der 500 Melier, oder der 1000 oligarchen, die ausser den sich meist
selbst tódtenden 400 andern der kerkyräische Demos mordete (Diod.
13, 48 coll. Th. », 75), oder der 2000 heloten, die die Lacedümonier
umbringen, oder der 4000 athenischen gefangenen, die Lysander
hinschlachtet, sich diese frage noch einmal vorlegen zu wollen.
Aber die argumente, die Müller-Strübing gegen die hinrichtung
der 1000 beibringt, finden, wie er sagt, p. 225, ihren völligen
abschluss erst durch die auffindung einer andern falschung im be-
richte, die von jener blutdürstigen interpolation nichts anders als
die nothwendige consequenz sei. „Wenn wir auch in unsern 'Thu-
kydideshaudschriften noch so unzweideutig lesen, die Athener hätten
das land der Lesbier mit ausschluss des gebiets von Methymna in
3000 loose getheilt und aus diesen einen pachtzins von 100 ta-
lenten bezogen —- diese angabe kann sich nicht auf den grund
und boden von vier fünfteln der ganzen insel, sie kann sich nur
auf den confiscirten grundbesitz der (30 oder 40) verurtheilten
hauptschuldigen beziehen“, p. 224. Es handelt sich also hier um
zahlen und grüssen, aber gleich der erste unsatz, von dem Müller-
Strübing in seiner berechuung ausgeht, ist ein irrthum, hier für
Jahresberichte. 721
ihn um so verhängnissvoller, weil er seine ganze weitere argu-
mentation davon abhängig gemacht bat. Er giebt die grosse von
Lesbos auf 26 quadratmeilen an (p. 222), ungefähr dreimal zu
gross, und hat die zahl Plehn (Lesb. 3) nachgeschrieben, der ihm
in dieser verwechselung des umfangs der insel mit ihrem flächen-
inhalt vorangegangen ist. Strabo XIII, p. 616 f. giebt den umkreis
der insel auf 1100 stadien an: ovang dé ris megouéroov Orudiwy yi-
A(uv Exuröv fr n otpnaca ÉxnÂAnooï vnooc, ta xa” Exaciu obrug
yes, nach den nun folgenden bestimmungen im einzelnen hätte er
genau 1110 sagen sollen, nicht volle 28 deutsche meilen, wonach
der flücheninhalt der insel nicht volle 10 Mmeilen beträgt. Dies
ist denn auch die uugefähre grósse, in der die modernen geogra-
phen übereinstimmen. Wir wollen nun auch einmal den vergleich
mit Attika zu grunde legen, wie Müller-Strübing das thut, uud se-
hen, wohin uns das führt, wenn auch wir, wie er, die gleichen
verhültnisse setzen. Das ganze Lesbos mit seinen 10 ( Jmeilen,
Methymua eingeschlossen, ist der vierte theil von Attika mit seinen
circa 40 Djmeilen. Es kommen also, wenn auf dieses 20000, auf
Lesbos 5000 bürger. Rechnen wir mit Müller-Strübing für Me-
thymna den fünften theil ab, so bleiben für die übrige insel 4000
bürger. Boeckh rechnet auf jeden attischen bürger durchschuittlich
1 talent ertragsfahiges eigenthum ; geben wir den Lesbiern gleich
viel, also jedem auch 1 talent, so hatte jeder Lesbier, den land-
besitz mit 8°/o verziust, eine jährliche einnahme von 480 drachmen.
Aber der ganze landbesitz der bisherigen 4000 wird nach der hin-
richtung der 1000 in 3000 loose vertheilt, so trügt von diesen
loosen ein jedes jáhrlich 160 drachmen mebr, also nun 640 drach-
men. Von diesen bat der lesbische pächter dem attischen kleruchen
oder dem heiligthum jabrlich 200 drachmen zu steuern, es bleiben
ihm selbst also noch 440 drachmen, von denen er mit seiner fa-
milie leben muss. Wenn wir nun aus Demosthenes gegen Phänip-
pos 1045, 22 (xa(rov 0 wer éuóc marmo mívre xai ter1aQuxovia
prov povwy Éxuréow, tuoì xai 10 adelg@, tv ovolar xarfAvmev,
ay ns tiv ov gudsor dauv) erfahren, dass von 45 minen, die
nach der gewöhnlichen verzinsung jährlich 540 drachmen geben,
nicht leicht zu leben war, so ist darnach dem lesbischen pächter
mit seinen jährlichen 440 drachmen für seine familie ein wenn
auch bescheidenes, doch immer noch leidliches leben von den sie-
gern gelassen worden. Aus dem gleichen für jedes loos festge-
setzten pachtzins ist ersichtlich, worauf schon Stahl mit recht hin-
gewiesen hat, dass dieser pachtzins eine staatliche bestimmung war,
uod ebenso darf man aus diesem geringen jäbrlichen zins von 2
minen, wovon keine familie leben konnte, schliessen , dass diese
jährlichen 200 drachmen dem ürmeren attischen bürger nur ein zu-
schuss zu seiner sonstigen einnahme sein sollten. Die meisten von
ibnen werden, nachdem sie in Lesbos ibr besitzthum angetreten
Philologus XLII. bd. 4. AB
722 Jabresberichte.
hatten (z. 15: dGmémeuyur), alsbald wieder heimgekehrt und nur
ein geringer theil von ibnen, wie das auch Boeckhs meinung ist,
als besatzung zurückgeblieben sein. Die sache ist also nun diese:
das ganze Lesbos, immer mit ausschluss von dem treugebliebenen
Methymna, zinset von jetzt an an die attischen kleruchen im ganzen
jährlich 90 talente und leistet damit im verhältniss zu seiner
grüsse gerade denselben tribut, wie iho andre ioseln im verhältniss
zu ihrer grosse, Thasos, Aegina, Paros u. a. zu leisten hatten.
Nur das eine wirft dabei auf die damalige attische staatsverwal-
tung ein eigenthümliches licht. Diese. 90 talente fliessen, wie es
schon Grote aufgefallen ist und jedem natürlich, zumal bei der da-
maligen ebbe im attischen staatsschatze auffällig erscheinen muss,
nicht wie die andern tribute in die staatskasse, sondern in die
taschen attischer bürger, und was bleibt übrig als zu vermuthen,
dass mit solcher massnabme von damaligen staatsleitern eine po-
litik persönlicher interessen eingeschlagen ist? In der sache selbst,
dass damals der ganze lesbische landbesitz zu attischen gunsten
belastet worden ist, wird es damit um kein harchen anders. Ist
also nach der analogie, auf die bisher hingewiesen ist, an der notiz
des historikers kein anstoss zu nelmen, so wird sie ausserdem noch
durch andere berichte aus dem alterthum vollkommen bestätigt.
Auch Diodor sagt dasselbe mit den dürrsten worten, XII, 55 a. E.:
"AInralos dì ig; Mursdnvns ta aclyn meguedovteg ny Atoßo⸗
0Ànv nAnv rc Mn3vpralwv ywoac xatexAngouyngav. Aber ein
noch besserer weil gleichzeitiger zeuge ist Autiphon, der nur rich-
tig vernommen sein will. J/egi r. ‘Howd. p. 79 heisst es: anaoı
yae MuriAnvaloiç át(uvgotog n tore apagtla yeytvaras: gAAaEario
piv yág node evdusuoriag nolnr xaxodusuorlar, éenstdov dé thy
guutwy nurgida avaciatov ysvouéeny. Man streitet darüber,
was dv4ciazov besagen will, ob unterthänig, was Holzapfel
behauptet, oder verwüstet, wie es Stahl versteht. Aber es ist
klar, dass es weder das eine noch das andere ist. Unterthanig
nicht, weil es das nie heisst, auch in den aus Herodot beige-
brachten stellen nicht, und verwüstet nicht, weil das zu allge-
mein gefasst ist. Es bedeutet wie überall so auch hier nur das,
was speciell im worte liegt. Suidas s v. erklärt in rücksicht auf
die mehrzahl der fälle richtig: o di riva Ovupogav n dixnr xa-
talinwy ayy olxelav xai iv dilodanz Ösuyevousrog. In diesem
sinne sagt Hermokrates bei Thuc. €, 76, 28: ov yaQ dn evdoyor
tag pèv êxet modes uvaorurouc nowiv, tag dé trIade zaroszller,
und ähnlich ist’s bei Xen. Mem. 4, 2, 29: ai uiv avactaros yi-
yrovını, ui dé éE &Aev9éQuy dovidas, bei Herod. IX, 106, 32 u.
sonst. Aber nicht immer ist dabei von einem aus dem lande ver-
trieben oder versetzt werden die rede, oft wird mit aruoraros
auch der bezeichuet, der um das seine, um lab und gut gebracht,
aus seinem besitz und eigenthum gesetzt wird, so Herod. 7, 118,
Jahresberichte. 728
20: oi de unodetauevos 'Elinswr zn» orgatny xai desnvilovres
tota dg müv xuxov ansxéato, oviw Wore avactatos ix Ty ol-
xlwy éy(vovro; Herod. X, 97, 27, und ähnlich in diesem be-
schränkten sinne steht es hier. Das êxeidor zeigt, dass avradozutog
hier etwas augenfalliges, so zu sagen, kôrperliches ist; dass wir
aber nicht an eine günzliche vertreibung aus dem laude denken
dürfen, wissen wir ja aus der ganzen erzäblung. Wenn nun aber
der Mytilenäer bei Antiphon sein vaterland dvucrarog ueunt,
so kann er doch wahrlich nicht damit meinen, dass einige 30 oder
40 edelleute um ihren besitz gebracht sind, sondern eben nichts an-
deres als was Thukydides berichtet, dass die ganze bevölkerung
der insel ausser den Methymnaern aus ihrem eigenthum gesetzt ist
und ihren bisherigen besitztitel an die attischen kleruchen verloren
hat. Dem steht denn auch weder im berichte selbst noch sonst ent-
gegen, was auch nur das leiseste bedenken machen könnte. Müller-
Strübing will (p. 235 ff.) d, 52, 28: x«i oi MunAnvalwv puyades
xai tur aÀÀwv -ieofiwv, in dem artikel ein anzeichen gefunden
haben, dass sein blutdürstiger interpolator hier im Thukydides einen
zusatz weggestrichen bat, um sich für seine einschwärzung raum
zu schaffen. Das beruht lediglich auf einem verkenuen der sprache.
Wie hier oi MvuzsAnvalwr quy&Osg heisst es d, 76, 12: xai oi
"Oeyoutv(wov qvyadeg; y, 31, 32: GAdos dé nveg tv an’ "Luvíag
puyadwr; «, 113, 6: Boowrwy tà» gevyovtwy; d, 75, 21: oi
gevyoviec twv Tupulwvz 9, 70, 4: nàÀgv toùs qevyovius ov xaij-
yov, ohne dass an einer dieser stellen vorher von den pvyadeg oder
gevyovteg die rede gewesen wäre. In der sache ist es damit
ebenso wie d, 66, 14: uno rw Gpertowv quyadwr ràv èx [nyüv
(e, 115, 23: no iu» oqertowr puy“dwyr) oder a, 83, 5: opwr
ro); puyadus, oder &, 7, 24: rovg maga oplos gvyadac gesagt
wird. MvrAnalwv pvyudes nréc, wovon Müller-Strübing spricht,
würde bedeuten: einige fliichtlinge der Mytilenäer, mit of MvriAz-
valwy guyadss werden alle, die zu diesen flüchtlingen gehören, als
ein ganzes, als eine partei bezeichnet. Der sprachgebrauch lehrt
also sogar wie etwas selbstverständliches, als historisches faktum,
dass es eben gvyudes damals aus allen staaten gab. Noch ein an-
zeichen, dass im heutigen texte des Thukydides eine lücke ent-
halten sei, will Müller-Strübing nachträglich in den scholien aus
Patmos (Revue de philol. I, p. 182 ff.) entdeckt haben. Ueber das
hinfallige dieses beweises bat schon Stahl, Rh. mus. 38, 1, 143 ff,
so schóu und überzeugend gehandelt, dass ich mich hier jedes wei-
teren wortes enthalten kann.
Die ergebnisse der bisherigen besprechung sind also noch ein-
mal kurz zusammengefasst die folgenden: Der lesbischen bürger,
ausser den Methymnüern, waren 4000. Von diesen gehörten 1500
zu den öAlyos, 2500 zum demos. Von den 1500 o4iyos hatten
1000 und einige den abfall betrieben, Beim einzuge des Paches
aa"
.
*
——
»
£^
724 Jahresberichte.
füchten diese au die altäre, werden dann nach Tenedos in ver-
wahrung gethan und hinterher als die œisswraios zur aburtheilung
nach Athen geschickt, Sie werden verurtheilt und hingerichtet;
der grundbesitz der ganzen insel, bis dahia wohl nur in den händen
der dAlyos, wird, in 3000 loosen ausgetheilt, eigenthum der atti-
schen kleruchen und der götter, die 3000 am leben erbaltenen Les-
bier werden pächter, leben aber, natürlich ohne autonomie, nach wie
vor in gemeiudeverbäuden, C. |. A. IV, 1, 96.
Nur eins ist vielleicht in bezug auf diesen letzten punkt noch
der erwähnung werth. Thukydides e, 84 darf nicht etwa zu der
annabme verleiten, als hätten die Lesbier gar, wie die andern nicht
tributpllicbtigem attischen bundesgenossen, schiffe gestellt und neben
den bundgenossen von jetzt an zu einer besonderen kategorie der
vnot rus gehört. Es heisst da freilich z. 21: * Adrvaïos Ecıgu-
TévOuy vavoly éuviwy utr tosaxoveu, Xlass dé EE, ‚Asoßlasr di
duoîr, und z. 24: sw» dé Evppuywr xai vnowiW» omAlrass pa-
Lara nertuxoolow xai yıllosc. Aber offenbar ist dort die insel
der insel gegenübergestellt und nach ¢, 85, 24 und n, 57, 31 spe
ciell an schiffe der Metbymuäer gedacht. Und was das zweite, die
zusammeustellung von Supuaywy xai vnowıwv betrifft, so ist damit
allerdings nicht geholfen, wenn man xoi vnawıwr als „nähere be-
stimmung zu £vupaywr fasst, die auch iusulaner waren; von Chies
und Lesbos“. Wie kame der schriftsteller dazu, hier zumal, wo
sich um ein flotteuheer handelt, uud sonst nirgends diese bestim-
mung zu Ëvupaywr hinzuzufügen. Die sache erklärt sich his-
liaglich aus }, 85, 22: xed yàg tovc exci fvupayosc we Exacis
xonoımos éEnyovueTa, Alovs niv xai Mndvuralou vewy nagey?
uvrovouovs, toùç dé noddovs yeonuurwv Piusotegor Yoga, addons
dè xal navy élevdéqus Evupayourrus, xuíntQ vpowwug ovsag xai
svdd mioug, diow Ev ywoloss Enıxulgoss eloi negi 10v Melonorvyooy.
Man sieht, es sind wirklich drei verschiedene kategorien, neben den
beiden ersten die dritte, die im westen des Peloponnes in mehr
freiwilliger genosseuschaft als vnoswıas sich für die Athener am
kampfe betheiligen, wie sie in dieser ihrer besonderen eigenschaft
auch wieder 7, 57, 9 zw. ff. charakterisiert werden. Doch das
beiläufig; hier soll our festgestellt werden, dass die Lesbier nach
ihrem abfall, wie sie nach des Thukydides angabe keinen tribat
zahlen, auch keine schiffe mehr stellen, damit aber aus der zahl
der attischen bundesgenossen sowohl der tributpflichtigen wie der
autonomen ausgeschieden sind.
So hätten wir also Müller-Strübing in sachen der Mytilenäer
gehórt. Mit grosser spannung, sagt er am schluss, erwarte er den
wahrspruch der suchkundigen, urtheilsfáhigen und vorurtheilsfreiea
gelebrten. Die geistreiche gewandtheit, mit der er hier so her-
zensgut der Athener sich angenommen hat, hätte es wohl verdient,
duss er für seine klienten einen günstigen urtbeilsspruch erzielte.
Jahresberichte. 725
Aber ich bin gewiss, solche gelehrte, wie er sie sich zu richtern
wünscht, werden keinen augenblick in zweifel sein, wie sie zu
entscheiden haben, vielmehr staunen darüber, wie in aller welt jemand
dazu kómmt, solche sache zu führen. Der bericht des Thukydides,
muss ich wiederholen, scheint mir in bezug auf beides, auf die
hiorichtung der 1000 und die austheilung des gauzen lesbischeu
grundbesitzes nach der gegebenen erzühlung so sehr in sich selbst
begründet und so günzlich ausser controverse gestellt, dass auch
der blutdürstige interpolator. der hier tbütig gewesen sein soll,
schwerlich dem schriftsteller, seinem texte und seiner auktorität
schüdlicher werden wird, als die sonstigen interpolatoren, von de-
nen in heutiger zeit so gern und vorzugsweise geredet wird.
Auch Julius Steup's ,Thukydideische studieu*
schwelgen wieder so recht in dieser anwendung von interpolationen,
versetzungen, interpunktionen, und wie die mittel sonst heissen, die
helfen sollen. Aber ob er damit in wirklichkeit geholfen hat?
Der erste abschnitt dieser neuen schrift möge dafür als beispiel ge-
nügen. Es wird in diesem über d, 118, die urkuude des einjah-
rigen waffenstillstandes gehandelt. Wir haben schon oben von
Steup eine probe gesehen, zu welcher radikalkur er sich unter um-
ständen verstehen kann; so ganz kurzer process wird bier nun
freilich nicht gemacht; hier sind es bloss 19 veründerungen, wenn
ich richtig gezüblt habe, durch welche der ursprüngliche text des
vertrages und des zunächst zugehörigen wieder hergestellt werden
soll. Auch ich will gewiss nicht geläugnet haben, dass das ka-
pitel seine schwierigkeit hat und dass man es zweimal und dreimal
lesen muss, um hinter die eigentliche sachlage zu kommen. Aber
wenn ich sehe, wie auch bei einer einfachen klaren erzüblung Steup
uad andere mit ausstreichen und ündern bei der hand sind, wundere
ich mich nicht mehr, was bei einer wirklichen sehwierigkeit alles
versucht und für möglich gehalten wird. ‘Thakydides schreibt d,
121, 21: 0 dè ro re nagavríxa guhaxiy teva avıois eyxatudsnwy
dséfn nulıy xal Uoregoy ++ xai 6 pir Euehiey dyyesgnoesy tais
10:6; ravrass , à TOUT ài rgunges ob r7» éxeguiqlar neQutyy£A-
Aevreg agexvovrias mug’ abr0» . . . . xal N piv orgatiá naAw
diBn dc Toguynr, oi di rd Boactda avryyeldov rnr Evrdnxnr.
Man kann schwerlich, was hier zu sagen war, einfacher erzählen
und mit einem strich malerischer darstellen. Aber für die aus-
leger, scheint es fast, ists zu schön gewesen, als dass sie's ver-
standen hätten. Madvig geht mit dem ändern voran. Scribendum,
sagt er Advv. crit. 1, 322: ol dì Evv r@ Bouolda. Nobis potius,
sagt Stahl, 1 Boacíóg imperiti videtur librarii interpretamentum
esse, Das ist aber Steup nicht genug. „Im vorhergehenden, sagt
er p. 9 anm., halte ich nicht nur mit Stahl rs Boaofda, sondern
auch zag’ avrov für ein glossem*. Nur weil man vor Thuky-
dides und seiner überlieferung jetzt den respekt verloren hat, üher-
L]
«
=
P=
726 Jahresberichte.
bietet man sich lustig im conjekturieren. Und doch ist die sache
hier so überaus durchsichtig. Brasidas ist von Torone, seinem
standquartier, nach Skione hinübergegangen und hat es zum ab-
fall gebracht. Von seinem kleinen kriegsheer lüsst er einige mann
in Skione und segelt jetzt wieder nach Torone zurück, di£f malus.
Dann heisst es c. 122, 28: é zoviw dé, also als er auf der
rückfahrt begriffen ist, rgejgec of my dxeysplay negsayyéddovres
dgexrourrus nuo’ avrov. Für eine schónheit, wie sie in dem
toergee steckt, haben die ausleger noch kein auge. Aber es wäre
doch gar zu kindisch vom Thukydides erzählt, wenn das hier
nichts weiter heissen sollte, als dass die cummissare ihre reise von
Athen nach Thrakien zu wasser, auf einer triere gemacht haben.
Also als Brasidas eben auf der rückfahrt und mitten auf see ist,
treffen ihn die gesandten zesno&ss, und dann heisst es z. 31 von
den beiden theilen, die sich auf see getroffen haben, weiter: xai
7 uiv orguuc náAw dießn ic Togwrnv, of dì 10 Beacldu avgy-
ytÀÀov inv EvrFnyxny, in welchen worten in deutlicher absicht jenes
obige dı£ßn nuls wiederholt ist. Ob die commissare schon unter-
wegs zum Brasidas an bord gegangen sind und ihm schon dort
auf deck ihre meldung gebracht oder damit bis zur beiderseitigen
ankunft im hafen von Torone gewartet haben, mag jeder sich
vorstellen, wie’s ihm lieber ist. Es ist aber wohl nach dem wort-
laut der erzahlung das letztere der fall gewesen. Aber was hat
denn hier, wo die erzühlung so einfach und klar ist, den ausl
anlass zum missverstehen gegeben? — Offenbar weil Thukydides hier,
wie auch sonst seine art ist, um seine erzühlung nicht zu zer-
bróckeln, gleich nach dem erfolg des Brasidas in Skione mit dem
voregov von dessen weiteren absichten spricht. Aber darum ist das
missverstehen seine schuld wahrlich nicht. Mit dem éy zovım dé,
z. 28, das zu dem eben vorhergehenden £u £4Ac» in den gegen-
satz tritt und das obige 70 maguviíxo z. 21 wieder aufnimmt, bat
er für die deutlichkeit das seine vollauf getban.
Die andern 17 änderungen Steups, die nachbleiben, gedenke
ich nicht der reihe nach einzeln zu besprechen. Es thut das nicht
noth. Mir ist’s darum zu thun, die methode seiner interpretation
darzulegen, dabei wird sich die erklürung der bis jetzt nicht ver-
standenen urkunde, hoffe ich, und die entscheidung über seine haupt-
sächlichsten änderungen von selbst ergeben.
Steup beginnt seine erklärung des dokuments auf p. 1 mit
drei sätzen, die wie selbstverstand hingestellt werden, 1) dass die
Athener zu den vertragsbedingungen, welche die Peloponnesier nach
Athen überbringen, ihrerseits noch etwas hinzufügten, und zwar
2) nur noch, dass die einstellung der feindseligkeiten sofort ein-
treten und zu dem zwecke das übereinkommen unverzüglich zum
formellen abschluss gebracht werden sollte; und 3) dass die grosse
eile, mit welcher der waffenstillstandsvertrag abgeschlossen wurde,
“we
Jaliresberichte. 727
von bedeutendem einflusse auf seine form gewesen zu sein scheine.
Diese drei bebauptungen müssen wir uns ohne beweise gefallen
lassen. Das ist aber für den weg, den die erklärung nimmt, um
su bedenklicher, weil ein andrer, der unbefangen herantritt, leicht
geneigt ist, gerade das gegentheil von diesen behauptungen als das
richtige anzunehmen, Denn wenn es in dem cap. 118, z. 33 zw.
heisst: xai wpoAoynour dv 1 due iy èxegesglav elvus Erıavıoy,
aozew dé mnvde tiv nuégay, so ist doch klar, dass an dieser
ouoloytu beide theile ihren antheil hatten, dass also die Athener
nicht ihrerseits allein und aus eile den tag hinzugefügt haben; und
wie kann man von grosser eile sprechen, wo es das natürlichste
von der welt ist, dass der tag, an dem die bedingungen des einen
von dem andern angenommen werden, auch der anfang des waffen-
stillstandes werden muss. Ist aber keine eile da gewesen, so hat
auch eile keinen einfluss auf die form gehabt. Dabei schliesst sich
sofort eine vierte behauptung an die dritte an. In der urkunde
nämlich sollen dinge stehen, die in einen gewöhnlichen vertrags-
entwurf gar nicht hereingehören, sätze sogar, die sich auf den
fall beziehen, dass die Athener es ablehnen sollten, auf der ihnen
angebotenen grundlage einen waffenstillstand einzugehen. Er meint
damit die worte z. 24 zw.: ef dé m uwiv ele xadhiov ere. di-
xusoregov rovtwy doxei elruc, lores dc Auxedaluoru dsduoxete ...
oi dé lovreg rélog Eyovrec lovıww, Treo xai bpéig nuas xelevere.
Auch hier lag ihm der beweis ob, dass die worte wirklich den
sion baben, den er ihnen geben möchte. Wie weno jemand zur
erklärung dieser worte an ¢, 18, 5 zw. denkt: ef dé 1 auvnuo-
pour Ono1egosodr xai Drov néQs, Auyosg dixalo:s yQupévovs si-
ogxov tlva« auporégoss 1uvin uttudeiros, On uv doxn upporkgoss,
"AS nvaloig xai Auxedasuovioss, und dadurch zu der folgerung
kómmt, dass ebenso wie hier auch dort nicht eine augenblickliche,
sondern eine spütere nachtrügliche ünderung im vertrage gemeiut
ist, wie sie etwa wührend des schon bestehenden vertrages beliebt
werden möchte, was hat Steup dafür gethan, um solche auffassung
unmöglich zu machen? Und diese auffassung ist nicht hloss mög-
lich, sondern dass sie die richtige ist, sieht man aus den worten:
oí dè lovrec téhog Eyortes lóviwv, jneo xal vueig nag xedevere.
Zu :£Àog Eyovreg macht Steup freilich die bemerkung p. 4: „die
worte 16400 Eyopytec sind bisher allgemein von dem besitz einer
unumschrünkten vollmacht verstanden worden. Diese annahme ist
jedoch irrig, wie sich aus folgender überlegung ergiebt“. Aber-
mals eine behauptung, für die der beweis fehlt. Denn diese folgende
überlegung , aus der sich das irrige des bisherignn verstünduisses
von zéloc Èyovres ergeben soll, ist eben nichts anderes als sein
eignes missverständniss, die voraussetzung, als wenn bei den worten:
el dé 1 vuir etre xaddsov elie dsxasotegoy tovrwy doxei elvai, nur
an die zeit des jetzigen vertragsabschlusses und nicht vielmehr wie
728 Jahresberichte.
in e, 18 an eine spätere zu denken wäre. T%Aog Zysr heisst eben
hier wie überall nichts anderes als: vollmacht, unumschrankte voll-
macht besitzen, und da das der fall ist, so kann der sian jener
worte auch kein andrer sein, als einzig dieser: wenn ihr aber
später an dem vertrage etwas geändert wissen wollt, so schickt
darüber gesundte nach Sparta, aber mit vollmacht, wie auch wir
auf eure auflorderung mit vollmacht hier sind. Dabei xedeveze in
xelsvers zu ändern, ist wieder vorschnell und ohne berechtigung.
Natürlich haben vorher athenische gesandte in Sparta diese forde-
rung gestellt, aber das ist nach wie vor die athenische forde-
rung, was füglich durch das xsAsvers der überlieferung zum aus-
druck kömmt,
Nachdem Steup seine erklärung der urkunde in dieser weise
eingeleitet hat, hebt die eigentliche untersuchung p. 2 mit folgen-
den worten an: „meiner meinung nach muss jeder versuch einer
exakten analyse der erklärung der Pelopunnesier von dem anfang
von Q. 4 ausgehen, der bei Stahl folgender massen lautet: xspi
ner our tovtwy Edoge Aaxsdarpovloic xai roig addow Evppazog
xarà tavtu. wade de Edoke Auxeduspovlors xal roig aAdoss Evp-
payoıs, dv onovdag noswrias o “APnvaios, Eni ing avtwy pére
éxurfgoug Eyoviang Gneo viv Eyopev xıl. Die worte xara ravra
.. + + Evppayoss finden sich nur in wenigen handschriften, seit
Poppo und Arnold hat sich aber ziemlich allenthalben die erkenut-
niss bahn gebrochen, dass die fassung, in welcher die stelle in der
grossen mehrzahl der handechriften erscheint, ganz unbrauchbar ist“.
Also die exakte analyse des ganzen soll von diesen worten aus-
gehen. Da würe es doch exakt gewesen, zuerst vor allem uns
begreiflich zu machen, warum die überlieferung der meisten und
besten handschriften wirklich unbrauchbar, und was wenige und
schlechte handachriften bringen, das richtige ist. Aber wiederum
nur behauptung, kein wort des beweises weder für dieses noch
für jenes. Und doch war ein nicht geringes misstrauen vorher za
beseitigen, welches jeder den vorgezogenen worten eutgegenbringt.
Denn abgesehen davon, dass die wenigen handschriften, die jene
worte bringen, in wirklichkeit recbt leicht wiegen, wie jeder weiss,
der sie einmal abgewogen hat, enthalten die worte selbst ihrem
inhalte nach nur was auf den ersten blick wenigstens unbegreiflich
ist. Das alles hat bisher nur zu den überraschendsten erklä-
rungen anlass gegeben, die einem schlichten sinn leicht wie ebenso
viele ausflüchte vorkommen möchten ; für Steup ist das &GAosç
eben da, er hat auch hier wiederum zur rechtfertigung kein wort.
Und rade Edoke Auxsdasuovlosg leitet für das folgende doch of-
fenbar beschliisse der Lacedimonier ein, die folgen aber nicht;
wenn man genauer zusieht, sind's zunüchst beschlüsse der Athemer,
die wir zu lesen bekommen, oder um genauer zu sprechen, es fel.
gen beschlüsse, die die Lacedümonier ihrerseits von den Athenern
Sf
erwarten. Während diese fraglichen worte des Q. 4 zum folgenden
überleiten sollen, sind Steups behauptungen über das vorausgehende,
woraus sie überleiten, wiederum ohne begründung, nicht minder
freglicher natur. „Die bestimmten vorschläge der Athener, heisst
es p. 6, haben wir in den Z2. 1 und 3; 2. 2 sei zustimmungsbe-
schluss der Peloponuesier*, aber 2. 2 steht leider zwischen 1 und
3, also, damit diese behauptung doch einen stützpunkt erhält und
nicht sogleich ins wasser fällt, wird umgesetzt und 3 vor 2 ge-
stellt. Aber damit will’s wieder nicht recht fortgehen. Nun müs-
sen roig napovcıw in 2, die jeder arglos von den in Athen anwe-
senden bundesgenossen der Lacedümonier versteht, denselben, die
c. 119, €. 2 mit namen genannt sind, zu bundesgenossen werden,
die in Sparta anwesend gewesen sind uud dort den ganzen bund
vertreten haben. Aber sind wir dadurch nur in ein neues gedrünge
gerathen, so mögen wir zusehen, ob uns herausgeholfen wird, wenn
es p. 8 bloss heisst: „diesen bund durch die c. 119, 2 genannten
fünf staaten vertreten 2u sehen, kann nicht im geringsten befrem-
den“, und wenn wir über die Boeoter und Phoker, die danu bei
der entscheidenden beschlussfassung der Peloponnesier in Sparta
gefehlt haben müssen, dadurch beruhigt werdeu sollen, dass Steup
uns versichert, „jene beiden staaten werden ohne allen zweifel die
nachträgliche annahme des ohne ihre mitwirkung beschlossenen nicht
verweigert haben“. Doch es wird damit genug sein, auch weun
ich nicht biuzufüge, dass von den eigentlichen hauptfragen, die hier
erörtert sein wollen, entweder keine aufgeworfen wird oder, wenn
sie gestreift werden, dies in einer weise geschieht, als wenn sie
eben kaum zur sache gehürten. Wer mit diesem neuen lootsen
so ohne compass uud steuer dahin führt, darf sich nicht wuudern,
wenn er schliesslich auf den sand gerüth.
Das vertragsinstrument sondert sich in zwei theile, die beide
zusammen in den worten 2. 30 zw. ausgedrückt sind: ÆdoËe rq
duo . . . nossicdas thy exeyeigluy xada Evyywoovor Auxedas-
povsos xai of Evupuayos avtwy. Also beschluss der Athener nach
dem aotrage der Lacedämonier. Mit dieser auffassung des &uyyw-
cou wollen wir uns hier genügen lassen. ÆSvyywçgeir hat wie
bekannt die doppelte bedeutung, die allgemeine: mit jemandem ei-
nen vertrag eingehen, so f, 59, 19; y, 27, 22; y, 52, 8; y, 75,
13; 0, 64, 7; 0, 64, 18; « 41, 85; e, 116, 12; 9, 70, 11;
und die specielle, die durch die umstünde sich aus der allgemeinen
ergieht: nachgeben, so: a, 140, 16; y, 75, 21; d, 22, 31; s,
41, 26; 9, 56, 13; mitunter mag's gerathen sein, mit der ent-
scheidung zurückzuhalten, wie f, 66, 19; d, 21, 17; s, 17, 7;
n, 72, 2; 9, 9, 32; 9, 93, 33. Bleiben wir hier also vorsichtig
lieber beim geringeren. Also: beschluss der Atbener nach den be-
dingangen, uuter denen die Lacedamonier den vertrag einzugehen
bereit sind. Die Lacedümonier erwarten also vou den Athenern
Jabresberichte. 729
730 Jahresberichte.
etwas für das, was sie ibrerseits den Athenern zu leisten gewillt
sind. Leistung gegen leistung, das ist natürlich und selbstverstand,
wo zwei parteien ohne direkten zwang zu einem vertrage eat-
schlossen sind. Aber diese gegenseitigkeit der leistungen steht
auch in dem ersten theile der urkunde mit deutlichen worten aus
gedrückt, z. 30: meg) ui» ovv roviw» dole Aaxedacporloss xai
Toig Evupayots, tav onovdacs noswrım oi "49 mvaios, dni ris av
twv péveiv Exartoovs Eyovtag Gneo vor Eyoper, toc piv dr 16
Kogvguct xıl. Das was die Lacedümonier ihrerseits schon be-
schlossen haben zu leisten (dog), und was nothwendig im voraus-
gehenden enthalten sein muss (zegi uev ov» tov rw v), knüpft sich
also an die bedingung: àv onovdug noswrım ol “AFnvaios mit
seinem folgenden infinitiv. Dass dieser infinitiv: 2xi r7ç avrwr
mévesy Éxarégouc Éyovrag Gneo vor éyouer, trous pèv tv 15 Koge-
gact etc. sich eng an 2av onovdas xowyvras auschliesst, ist obne
grammatische schwierigkeit, unter anderm vgl. mau d, 16, 5:
éy(yvovro omordaì rosalde, Auxeduimovrlouc — nugadovvas. Na-
türlich lasse ich hier vor der hand die etwaigen schlechten hand-
schriften aus dem spiel und benutze, was Steup mit genossen für
„ganz unbrauchbar“ erklärt, die überlieferung der meisten und be-
sten handschriften; wir werden ja sehen, wie weit damit zu kom-
men ist. Die forderung der Lacedümonier ist also diese: die
Athener sollen darauf hin abschliessen, dass beide theile stehen
bleiben, wo sie für den augenblick stehen, und nun folgen genau
im detail die demarkationslinien, welche sie von den Áthenern ein-
gehalten wissen wollen. Es sind das vier punkte, bei Pylos, bei
Kythera, bei Nisäa-Minoa und noch an einem vierten punkte.
Ueber diesen letzten punkt lauten die worte in der urkuade z. 8
folgender massen: xai rjv »n00r, nvneo EAnSov of Admvaios, Eyorrag,
unt Enıusoyoukvoug undertoove undertowoe, xai 1a Èv Tool,
00antQ viv Eyovor xal ola Evré9evro mods Asmvalous. Diese
worte werden von allen für mehr oder weniger corrupt gehalten,
Kirchhoff sagt dazu p. 840: ,,der wortlaut ist zwar ohne zweifel
verdorben und lückenhaft, auch mit sicherheit nicht wiederherzu-
stellen (in einer anmerkung: sicher ist meines erachtens nur, dass
xal ola aus xa9" & verdorben und letzteres dafür herzustellen ist
(KAO A für KAIOIA); indessen erhellt aus der verderbten über-
lieferung wenigstens so viel zur evidenz, dass hier eine demarca-
tionslinie auf gruud einer besonderen vereinbarung zwischen Athen
und 'Trózen bereits gezogen war und beide staaten zur zeit der
eröffnung der gegenwärtigen verhandlungen schon einen separat-
waffenstillstand abgeschlossen hatten, auf dessen bestimmungen be-
zug genommen wird“. Um den text des Thukydides steht es nicht
so, wie hier behauptet wird. Die worte sind nicht lückenhaft,
sind auch aufs bestimmteste wiederherzustellen , und was schliess-
lich aus der ,verderbten überlieferung** doch zur evidenz erhelles
|
soll, der separatvertrag der Trözenier mit Athen, damit wird, wie
die politischen verhältnisse des peloponnesischen bundes waren, eine
ungeheuerlichkeit angenommen, die undenkbar ist. Die worte sind
vollkommen gesund bis auf das eiue unze, denn dass dieses gram-
matisch unmöglich ist und also verschrieben sein wird, ist auf den
ersten blick klar. Für ure ist Me9uvg»v zu schreiben, uud mit
dieser einen änderung alles in schönster ordnung. Auch der grund
der verschreibung dürfte hier leicht zu vermuthen sein. Ein sonst
gut geschulter, our nicht hinreichend unterrichteter grammatiker
konnte es auffällig finden, bier Methune als eine insel bezeichnet
zu sehen, die ibm doch als halbinsel gelüufig war; er brauchte es
our nicht zu wissen, dass Thukydides auch mitanter für halbinsel
die bezeichnung insel hat, woriiber scbon die stellen in nächster
nähe d, 122, 10; d, 121, 25 ihn batten belehren können, und
dann war wegen des folgenden punderéoovs leicht für den namen
das unie da. Mit zn» voor hier Minoa zu meinen und ihm den
zusatz reg EAußov ol “APnvutos zu geben, wäre ebenso unge-
schickt erzühlt, wie andrerseits die nennung von Methone hier
nicht entbehrt werden kann. Minoa ist ja oben schon zweimal ge-
nannt, ist ausserdem lüngst in Athens besitz und in der früheren
erzühlung wieder nnd wieder erwühnt; Methone dagegen ist erst
in jüngster zeit von den Athenern genommen und früher nur ein-
mal genannt ; das rechtfertigt hier den erklärenden zusatz sehr
wohl und macht ihn sogar erwünscht. Was aher die hauptsache
ist, wodurch die nennung hier geradezu nothwendig wird, ist die-
ses: Methone und nicht etwa ein punkt in Trézen ist die vierte
station der Athener um den Peloponnes, die apogur, von wo aus
sie die benachbarte peloponnesische küste verwüsteten, d, 45, 32 ff.
So gut wir also hier die Athener im ersten fort um den Pelopon-
ues haben, rovc év xd Kogupuc{w und die Athener in den andern,
ebenso unerlässlich ist es, auch die Athener im vierten fort aufzu-
führen, rov; àv Me9wvy, oder wie das hier ausgedrückt ist: roùç
my wnoov MePwrny Éyortus. Ein zweifel kann darüber nicht sein.
Sollte aber dennoch einer, ich weiss freilich nicht was dawider
haben, sich in die änderung zu fügen, so müssen die sich an-
schliessenden worte: êrxmicyouérous undertoove underéowce, fast
möchte ich sagen auch einem blinden es sichtbar machen, dass hier
mit xai rj» vj00v . . . . Eyovsug nicht mehr dieselben Athener in
Nisäa-Minoa besprochen, sonderu bereits andere aufgeführt werden.
Für die Athener auf den drei vorausgehenden stationen waren für
jede die linien gezogen, die ihnen zu überschreiten verboten wer-
den; bei den ersten heisst es: Zvróg rj; Boupoudos xai zov To-
news pérovrag; für die zweiten: un easusoyoptrous È ınv Sup-
pagluv pnr j)uüc Moog aUrovg une uvrovs mods quuç; für die
dritten: ur vnegBulroyrag 1)» 000v . . . unde Meyagtas xai zov;
Evupayous vnegflalresv 17v. 000v tavımv; jetzt heisst es zum vierten
Jahresberichte. 731
732 Jahresberichte.
mal: Zmiusoyoutvoug underépous pnderéowce. Mnderépouc, weder
die einen noch die andern, weder die Peloponnesier noch die Athe-
ner, also émiuscyomévovs undetépous panderéguoe bloss ein wechsel
im ausdruck, wie oben von den zweiten un émuicyouéroug pnt
NaS MOOG avtods pire avr0bg 7005 nuus, oder von den dritten
un $ntofa(vorrac tiv odov . . . undì Meyagéac vnsgPalresr ge-
sagt war. Also der ähnliche ausdruck zum vierten mal setzt auch
die vierten Athener voraus, die denn auch mit zovg . . . mr r700r
Eyovrac Ms9uvp im texte gegeben und vorhanden sind. Die gram-
matische verbindung, wie sie sich leicht ergiebt, ist num diese:
das Zyorzug zieht, wie ich es schon oben angedeutet habe, das row;
in roùç dé &v Nicaía an sich, und hat wie 7)» vj6oy so auch ra
&v Tooubin zum objekt. Diese Zyoviac sind also die vierten Athe-
ner, die Methone und gegenüberliegendes land im trüzenischen inne
haben; folglich sind auch die Zyovos (dcuneg vvv Eyovos) die Atbe-
ner, doch gewiss nicht of ToosLnvsos, die wir hier nirgends babes,
und wenn es nun, an dieses Zyovos sich anschliessend, weiter heisst:
xai ola EvvtOsrro neds “AInvalovc, so ist doch wohl klar, dass
hier in Evv&derro ein wechsel des subjekts eintritt, wie es bei
Thukydides hundertmal und unter umständen aller orten geschiebt,
wenn durch solchen wechsel die deutlichkeit der rede keinen ab-
bruch erleidet. Wer sind denn aber, die EvréSerro 005 AIT-
vulovs? Wer anders als die, welche hier im anschluss an jenes:
neoì ui» ovv rovtwy Èdote Aaxedasportoss, durch den mund ihrer
gesandten bisher in der ganzen urkunde das wort führen und es
auch im nachfolgenden diesen ganzen ersten abschnitt hindarch bis
zu den letzten worten: ai dì omovdui dwavro» Ecovras behalten.
Durch xoi oia Evrédevro ngog ° AFnvalovs erfahren wir also, dass
die Lacedámonier vorher schon mit athenischen gesandten in Sparta
(Ëdo£e) über die einzelnen demarkationslinien verhandelt und be-
schlossen haben, die nun hier in bezug auf Trözen our im allge-
meinen (xai ola) augedeutet, nicht im detail angeführt werden,
wohl nur deswegen, weil die athenische volksversammlung (oder
gar wir vom schriftsteller?) mit diesem ihr unbekannten detail, das
ja in den früheren protokollen steckt, nicht bebelligt zu werden
braucht. Das überlieferte xai olu selbst aber ist echtes gold, und
nur diese überlieferung hat einen sinn. Es verrüth doch eine be-
sondere disposition und natürliche anlage zum ändern und conjek-
turieren, wenn man statt dessen xaJu vorschlägt und schon für
sicher balt, dabei aber eingestehen muss, dass man von dem gan-
zen, was ringsberum steht, eben durchaus kein verständniss hat.
Das doumeg vov Eyovcs ist besitz der Athener, den sie wie Pylos,
Kythera, Minoa durch das recht der eroberung, nicht durch einen
vertrag (xa9c) inne haben, für welchen besitz jetzt zum behuf des
waffenstillstandes hier wie dort die demarkationslinien (xoà ola)
festgestellt werden. Dun cia Evréderro geht nur auf die liuie zu
j a
Jahresberichte, 733
lande, Daher schliesst sich hier füglich zunächst für die inseln
Methone und Minva die weitere bestimmung an: xual 17 Iulucon
youpévovg . . . Auxsdasmorlous xai rovg Evupuyovg nieiv pi
paro vnt etc., aber in allgemeinerer fassung, so dass es auch
für Kythera und Pylos geltung hat. Das ersieht man aus xai
ijv &uvi@v, wie auch dies, dass nach Evuuaylur richtig jetzt ein
komma, kein punktum gesetzt wird.
Die vier verschiedenen blokadeposten der Athener am Pelo-
ponnes, die wir hier in der urkunde haben, geben nun auch ant-
wort auf die frage, die jeder sich stellt, der die urkuude zu ende
gelesen hat: was hat es für einen gruud, dass mit den Lacedümo-
niero gerade diese peloponnesischen bundesgenossen in Athen zum
ubschluss des waffenstillstandes erscheinen, die Korinthier, Sikyonier,
Megarer und Epidaurier? Die erklarer, alle ohne ausnahme, beant-
worten die frage entweder gar nicht oder so, dass sie eben zei-
gen, sie wissen nicht, was aie dazu sagen sollen, und doch ist die
antwort so nahe zur hand. Es sind eben die gesaudten der staaten
vom Peloponnes, an deren gränzen jetzt die Athener im felde lie-
gen und die ausserdem unter sich hier im osten in einem engeren
bundesgenüssischen verhältniss stehen. Eben so wie hier haben
wir dieselben staaten beim abfall von Megara wieder, a, 114, 26:
énayoutvos dì KogivOÓ(ovg xal. Sixvwrious xai 'Enidavolovg an€-
01704» ol Meyagÿc, und dass unter diesen Epidauros wieder vorort
und vertreter wie von Hermione so von Trózen war, darf man
unter anderm aus a, 27, 26 abnelimen, wenn es daselbst in beson-
derer weise heisst: x«i 'Emdavoíwv èdendnouv, oi nugésyor névte,
“Egusovncg dé u(av xai Tooibnrios duo. Für Pylos und Kythera
sind also die Lacedimonier ihrerseits selbst, für Nisäa-Minoa und
für Methone nebst dem trózenischen ist diese engere buudesgenos-
senschaft da, um als die augenblicklich am kampfe betheiligten und
bedrohten die sicherheiten zu geben uud in empfang zu uehmen.
Diese einsicht ist nicht ohne werth für das prücisere verstünd-
niss sowohl dessen, was in den ersten £2 der urkunde gesagt wird,
wie der form ihres endlichen abschlusses. Sonst pflegen die Lacedämo-
nier für ihre bundesgenossen mitzuhaudeln (N. Jahrb. LX XVII, p.704 ff,
über Spartas hegemonie und politik). e, 17, 13 beim Nikiasfrieden heisst
es: tore di nuguxul£ourres 1005 éavtwy Evuuayouc ol Auxedauo-
vos .. .. Bosouvzes 17» EvuPuow xai Eoneloavıo ngog rovc AInvulous
xai ÉuoGuv, éxeivol te noòc 100g Auxedasuoriovs rude. Sie haben
also, bevor sie den frieden abschliessen , ihre bundesgenossen mit
herzugezogen, nichts desto weniger aber vollziehen sie den ab-
schluss ohne diese, allein. Denn dass die ersten 17 namen (mit
Masvorouvak, " Ayıg) unter dem friedensinstrument c. 19, 12 nur
namen von Lacedümoniern sind, ist aus zwei gründen gewiss; ein-
mal sagt Thukydides ausdrücklich: axedasuorfwy ner, coll. 17,
17. 18, und zweitens sind es dieselben numen, die unter der ur-
734 Jahresherichte.
kunde der Suppuylu stehen, c. 24; die Evupaylu aber haben die
Lacedämouier mit ausschluss der bundesgenossen allein abgeschlos-
sen, 22, 23: avioi dé ngOc tovc > Adnvalous Evuuaylar Enosovrio.
So damals, hier ist es anders. Hier wird zu anfang das dox
naiv sogleich wieder aufgenommen durch: roig uiv Auxedusporlos
savıa doxet xoi rotg Evuuuyoss Toig xagovow und den feierlichen
akt des abschlusses vollziehen nicht die Lacedämonier allein, son-
dern diese selben anwesenden gesandten mit ihnen. Müssen wir
also daraus folgern, dieser waffenstillstand habe für Athen zwar
mit seinem ganzen zubehör, auf der andern seite aber nur für die
Lacedimonier uud diese wenigen genannten staaten seine geltung
gehabt? in Elis aber etwa oder Böotien wäre den Athenern freie
hand geblieben, einen einfall zu machen? Das wire freilich ab-
sonderlich genug, aber wir dürfen uns beruhigen, zóv Bovdopevoy
z. 22, où Bouhoueros 2. 20, und das wiederholte nackte Evuuayos,
z. 91. 14. 24 zw. 27 zw. 33 zw. sind eben so viele beweise da-
für, dass der waffenstillstand eben ein allgemeiner gewesen. Mit
dem roig Évuuuyoug Toig nugovow z. 24 hat es also seine eigene
bewandtoiss. Diese gegenwärtigen bundesgenossen sind von den
Lacedámoniern diesmal zum abschluss des waffeustillstandes mit her-
zugezogen und sind da für ihre augenblicklich im felde stehenden
truppen, so zu sagen als die bekrüftigenden eideshelfer, da ihre
staaten ja die an diesem akte zunächst betheiligten waren. Aber
weiter uls für diesen nächsten inhalt des aktes, die einstellung der
feindseligkeiten, reicht ibre bedeutung bei diesem beschlusse nicht;
für das andere, was die urkunde uoch mehr enthält, hätten die
Lacedämonier ihrer sonstigen gewohuheit gemäss ihrer entrathen
können. Auch im friedensinstrument e, 18 wird wie hier mit am-
phiktionischen bestimmungen begonnen, aber dort haben die Lace-
dämonier bei unterzeichnung der akte der bundesgenossen nicht
bedurft. So werden die bundesgenossen hier zu anfang wohl nur
deswegen genannt sein, einmal, weil sie auch sonst bei dem ab-
schluss des vertrages in Thätigkeit kommen, dann aber auch im
gegensatz zu den andern bundesgenossen, den Böotern und Phokern,
die zur ausfübrung des vertrages noch erst gewonnen werden sol-
len. Dass aber die lacedämonischen gesandten, die in diesem er-
sten abschnitte des vertrages, der lacedämonischen vorlage, ohne
wechsel von anfang bis zu ende das wort haben, die versicherung
betreffs der Bóoter und Phoker im namen ihres staates in der
dritten person abgebeu (nelosıy gacir) wird wegen des beigege-
benen zçpoçxnpuxevoueros nur angemessen erscheinen können und
hat keine schwierigkeit. Ebensowenig ist aber von all den andera
schwierigheiten, die die ausleger noch sonst in der urkunde ge-
funden haben wollen, eine einzige vorhanden. Z, 34 setzt Kirch-
hoff die partikel d£ hinein und schreibt: rv dè êxeyesplar elvas
dvsavzov. In einer anmerkung dazu sagt er p. 843: „diese par-
/
/ 3
Jahresberichte. 735
tikel fehlt zwar in den handschriften, ihre hinzufügung aber er-
scheint so nothwendig, dass ich es mir ersparen zu kónnen glaube,
sie ausführlich zu rechtfertigen“. Ks ist auch nur gut, dass er's
sich erspart hat, nicht zu rechtfertigendes zu erweisen. Wer das
vorhergehende: xai wuoAuynouv à» 19 dnu richtig versteht, sieht
ein, dass dé hier keine stelle hat. Nicht davon ist die rede, wie
Kirchhoff das annimmt, dass die lacedámonischen gesandten sich
diesen worten gemäss zu dem in der volksversummlung verlesenen
protocol! des raths bekannt hätten; in den vorausgehenden worten
haben die Athener bereits zugestimmt: nosiodu ım» éexeyecglay
xaJü Evyywgovo. Auxsdusmovios xai où Evupayor, also wenn die
zustimmung der lacedämonischen gesandten zum protokoll des raths
noch nothwendig war, so hütte diese zustimmung doch jedenfalls
früher, vor dem beschluss der Athener, mossiodu ınv exeyesolay,
schon geschehen müssen. Der beschluss der Athener, einen waffen-
stillstand abzuschliessen, war bereits erfolgt, jetzt geht es einen
schritt weiter, und es heisst: xai wysodoynouy dv to Óruo 1)v
exeyesglay ebvas èriuvior, also: und beide theile, die Atbener und
die Lacedimonier waren in der ecclesia in ouoloy{a darüber, wa-
ren darin einig, dass der waffenstillstand ein jahr dauern sollte.
Auch ich kann sagen, dass ich mir darüber lieber jedes weitere
wort ersparen will, auch wenn Steup p. 15 die besprechung der
stelle mit den worten schliesst: „nach diesen ausführungen dürfen
wir behaupten, dass der satz: x«i wuoldyrouy — évsuvroy nicht
zu erklüren ist uud ein verderbniss vorliegen muss“, Auch über
die andern aufgeworfenen schwierigkeiten ist eigentlich kaum ein
wort zu verlieren. Besonders hat man an dem fortgang der rede
z. 4 zw.: éxxinoluy dé nosjourtug tovg Orquinyovs xai 100g zQv-
tavess "Quiov negi 196 elonvng Bovdevoacdas AInrulovg anstoss
genommen. Steup sagt dazu p. 16: ‚lich glaube aber zunächst mit
Madvig (Advv. crit. 1, 322) ganz allgemein bestreiten zu «müssen,
dass auf ein zu einem particip gefügtes oder zu denkendes subjekt
heim hauptverbum ein neues, jenes erste an umfang übertreffendes
subjekt folgen kann“; und auch Kirchhoff behauptet p. 844: „diese
worte sind leider augenscheinlich arg verdorben“. Die stelle liest
sich wegen des eingeschobenen newror und weil dus Bovlevoucdas
doch auch von den strategen und prytanen gilt, ohne anstoss, so
leicht, dass Krüger, der doch auch griechisch konnte, sie sogar
ohne alle bemerkung vorübergelassen hat. Er hätte das nach sei-
ner sonstigen art lieber nicht thun sollen, aber Steup würde er
auch mit den besten parallelstellen nichts genützt haben. Steup
kannte schon die stelle e, 61, 1: x«i nelouvıes dx rov Aoywv
rob; Euumayoug evdùo éywoovv ai ’Ogropevòv rov ’Apxudızöv
nuvres nAnv ° Aoyelwv, aber statt sie zu herzen zu nehmen, schreibt
er, was soll man sagen, rechthaberisch oder naiv: „die stelle halte
ich für verderben, und ich bin geneigt anzunehmen, dass vor éyw-
736 Jahresberichte.
quer elwa £neyeígovr xai rig Egyou xai nyovpérwr avi aus
gefallen ist“. Wie hier, gerade so wie in der fraglichen stelle
die rede ohne weiteres in demselben casus aus dem besonderen ims
allgemeine übergeht, so umgekehrt aus dem allgemeinen ins besen-
dere «, 49, 22 (auf welche stelle schon Classen hingewiesen bat);
d, 23, 9 ff.; e, 70, 23; oder es fügt sich auch ein gleich selb-
ständiger satz in die rede ein: y, 34, 21; d, 80, 7; e, 81, 28;
e, 112, 2—4. Aber es ist gefahr dabei, Steup auf diese stellea
besonders hinzuweisen; er würe, wie'a beispiel lehrt, unverfrorea
genug, sie alle, diese und ähnliche, aus der guten griechischen
rede und logik nach seiner deutschen logik umzubessern und uns
für das thukydideische griechisch sein eignes in ganzen sätzen,
wie er sie für ausgefallen aunimmt, zu geniessen zu geben.
Nach dem bisherigen, wenn ich's noch einmal übersichtlich
zusammenfassen soll, verhielte es sich also mit dem waffenstill-
stande und der urkunde folgender massen. Bei beiden kriegfub-
renden müchten war in letzter zeit das verlangen nach dem friedea
lebeudiger geworden. So verhandelt man vorläufig in Athen, ia
Sparta über einen waffenstillstand, um während desselben. wo mög-
lich, zum frieden zu kommen. Was zuletzt in dieser absicht mit
athenischen gesandten in Sparta, ohue zuziehung der pelopunuesi-
schen bundesgenossen, verabredet war (c. 118, 11: xai ola Evré-
Serio noög ' AInvulovs), bringen lacedámonische gesandte, um ab-
zuschliessen, nach Athen. Sie ziehen dort gesaudte der pelopon-
nesischen staaten mit herzu, deren truppen augenblicklich mit dea
ihren gegen die Athener im felde stehen und legen im rathe die
lacedämonischen bedingungen vor. Diese bedingungen erhalten wir
in dem ersten abschnitte der urkunde, von 2. 21—20 zw.: epi
piv roù iepov — ui dé onovdui Eniuvior Esovras. In diesem gaa-
zen abschnitte haben die lacedämonischen gesandten von anfang bis
zu ende das wort, an keiner stelle werden ihre bier vorgelegten
bedingungen durch auderes, etwa durch eingestreute bemerkungen
des rathes unterbrochen. Alles ist hier ein einheitliches ganzes.
Diese lacedämonischen propositionen werden darauf im zweiten ab-
schnitte, von z. 30 zw. bis 10 zw.: Edoke 1H dquo — rov
2vsaviov, in der athenischen ecclesia angenommen, dabei der ge-
genwärtige tag als die anfangszeit des waffenstillstandes anbe-
raumt uud sodann mit übertragung des attischen datums auf den
lacedämonischen kalender der akt des abschlusses (c. 119, 11—21)
feierlich vollzogen.
Mit ausnahme jenes einzigen in Me3wrny zu ändernden prre
sind alle schwierigkeiten, welche die ausleger ich weiss nicht ob
mehr aus vorliebe oder aus missverstand in der urkunde gefunden
haben, nichts als phantasien. Aber für die eine grossartige schwie-
rigkeit, welche die urkunde jedem, der mit sachen, nicht mit wortes
rechnet, wie ein räthsel aufgiebt, haben sie kein auge gehabt.
/ ‘a
—
Jahresberichte. 737
Wenn die urkunde die waffenstillstandsbedingungen bringt, welche
die Lacedämonier den Athenern stellen, was macht sie als gegen-
leistungen namhaft, welche die Lacedämonier ihrerseits den Athe-
nern gewühren wollen? Den Athenern werden von z. 33—12 für
ibre eroberungen im Peloponnes die bestimmten linien gezogen,
über die sie nicht hinausgehen sollen; welche linien werden andern
theils den Lacedümoniern in ihren eroberungen in Thrakien gezo-
gen? Den einen selen wir wird halt geboten in der detaillirtesten
form, welcher denn den andern? C. 117, 7 erfahren wir in einer
deutlichen angabe, was die Athener ihrerseits von dem waffenstill-
stande erwarten: voulcartes “A9nvatos uiv ovx av En 10v Boa-
olduv Oywv anoorjoas oùdèr noir naguorivicurio xa9' rovy(av,
ja noch mehr, von den Lacedämoniern wird es ausdrücklich gesagt,
dass sie auf diese besorgniss der Athener ihre hoffnung gründen,
den von ihnen selbst erstrebten waffenstillstand von den Athenern
angenommen zu sehen, z. 10: Æaxedasuovtos dé rubra tous ' AFn-
valovs nyouperos aneg Edecouv gofltioc9a,, wie konnten die Lace-
dümonier also überhaupt mit den Athenern über den waffenstillstand
unterhandeln und glauben zum ziele zu kommen, wenn sie ihnen
nicht für diese besorgniss um die thrakischen besitzungen eine si-
cherheit boten? Man sage nicht etwa, die sei ja in der bestim-
mung des vertrages z. 32 gegeben: ni 776 aviwr were Exarégouc
Eyovzag uneg viv Eyouer. Wenn das schon genügt hätte, wozu
werden dano sogleich für den andern theil die bestimmtesten de-
markationslinien gezogen? Was dem einen recht ist, ist dem an-
dern billig. Oder wären die Athener gar so vertrauensselig ge-
wesen, sich im einzelnen vorschriften machen zu lassen, ohne in
bezug auf die gegner so etwas für nöthig zu finden? Die sache
liegt also so: wenn wirklich ein waffenstillstand zu stande ge-
kommen ist, der nach der lage der dinge nur durch leistung und
entsprechende gegenleistung zu stande kommen konnte, und die ur-
kunde über diesen waffenstillstand nur die leistung aufweist, die
gegenleistung aber nicht, so sind wir, denke ich, berechtigt anzu-
nehmen, dass die urkunde unvollstandig sein wird und in ihr etwas
fehlt, was diese gegenleistung entbalten hat. Für diese annahme,
zu der wir uns gedrüugt sehen, ist sogar in der urkunde selbst
das anzeichen vorhanden. Z. 30 heisst es: wegi uèr ovr rovrwr
EdoEe Auxedasporlorg xai roig Evuuayoic, tav onordas nowyius
où > APnraios. Also die Lacedämonier und ihre bundesgenossen
haben einen beschluss gefasst, einen beschluss, wie mzgi rovrwv
zeigt, über dinge, die im vorausgelenden angegeben sind. Und
welche dinge sind das? Man wird doch nicht etwa die z. 21—30
angegebenen frommen massnahmen, diese amphiktionischen bestim-
mungen, wie sie selbstverständlich bei jedem friedensschlusse ohne-
hin vorkommen, für diese hier als neugefasst angemeldeten be-
schlüsse hinnehmen wollen? und nun gar als die gegeuleistungen,
Philololgus. XLII. bd. 4. 4M
738 Jabresberichte.
nach denen wir suchen? Denn gerade diese gegenleistungen mis-
sen in diesen beschlüssen enthalten sein, es heisst ja weiter: ddr
onordag mouwvrus of ^ AInraîos, also das, was die Lacedümonier
und ihre bundesgenossen beschlossen haben (£doËe), soll unter der
bedingung beschlossen sein, wenn (dar) die Athener sich dazu ver-
stehen und den vertrag eingehen, sich die folgenden demarkations-
linien gefallen zu lassen. Wovon hier also gesagt wird, dass die
Lacedimonier es neu beschlossen haben, Zdo&e, das können also jene
vorausgehenden frommen bestimmungen nicht sein; sie sind es aac
nicht, wie zugleich aus der sprache hervorgeht. Von diesen re-
ligiösen anordoungen heisst es im präsens z. 22: doxei muir, x. 24:
10îg uiv Auxedusmorloig tuvta doxei, mit dem zusatz: xurd row
matglovs vououç, und zoig nuzeloss roposs yQuiperos muDIEG, Wie
es auch weiter unten wieder 23 zw. heisst: zoig wer Aoxedarpo-
v(o.g xaè roig Évuuayoss 1avia doxei, und auch dabei wieder der
zusatz: xata ta nurgıa. Was die allgemeine Griechensitte um
religion als selbstverständlich voraussetzt, davon heisst es doxi,
darüber konnte es nicht ein édoge geben, nicht erst ein besonderer
beschluss gefasst werden. Also zegi uèr ov» roviw» Edoke Au-
xedasuorloss xai roig Evuuayoiës kann nun und nimmer auf jene
im anfange der urkunde angegebenen amphiktionischen bestimmungen
gehen, und wenn das, so ist gerade vor diesen worten das vor-
ausgegangen, wodurch die urkuude erst vollständig wird, die aa-
gabe der gegenleistungen also, zu denen die Lacedümonier eat-
schlossen waren, wenn (êu») die Athener andern theils dazu bereit
waren, ihnen die demarkationslinien zu bewilligen, welche sie für
sich am Peloponnes forderten.
Durch die ausführlichen bemerkungen, mit denen Thukydides
die urkunde eingeleitet hat, sind wir in der glücklichen lage, we-
nigstens von dem hauptinhalte des fehlenden trotz der lücke kenot-
niss zu haben. Vor allem muss irgendwie den Lacedámoniern in
ihrem vordringen in Thrakien eine schranke gezogen sein. Im eia-
zelnen mégen gern dieselben namen aufgeführt sein, wie sie in der
friedensurkunde €, 18, 8. 9. 12. 13. 28 (ohne Zxwwratwr) er-
scheinen. Sind sie wirklich aufgeführt gewesen, dann hatte Ari-
stonymos allerdings die leichteste arbeit gehabt und würe schon
durch die urkunde selbst auf Skione aufmerksam geworden. Ue-
brigens bedürfen die worte d, 122, 34, mit denen Thukydides von
der weiter ausgeführten commission des athenischen gesandten be-
richtet, noch der richtigen erklärung: *Agiorwivuos dé roig pir
&ÀÀosg xarpves, Sxswratouc dé aloPoperoc 2x AoyvouoU 16)» ruequy
Ón votegor dqiorgxowr, ovx Egy éronovdovs iot69ei. Toig al-
Aosc ist personell, aber dieser dativ hier ist kein „ungewöhnlicher“,
sondern sehr gewöhnlich, der dativ der person mit dem accusativ
der sache verbunden; für den accusativ der sache kann natürlich
auch der infinitiv eintreten, der sogar bei xurusveiy das gewöhn-
/ 9
Jahresberichte. 739
lichste ist. Es heisst also: zoig pé» GAdoss xarnves Evondvdoug
&0:09a (oder meinetwegen eivas), den übrigen gestand er es zu,
dass sie für die Athener &vonordo, sein würden (oder: Zronordos
seien) von den Skionäern behauptete er, dass sie (für die Athener)
ausserhalb der onosdal sein würden. Kazasveiy mit einem dativ
der sache wäre etwas ganz unerhörtes. Auch bei dieser gelegen-
heit muss ich es behaupten, dass Thukydides und die gute grie-
chische sprache sich immer so ausdrückt, dass nur eine auffassung
die richtige und mögliche ist.
Ueber die frage nuu, wie die von wir behauptete lücke ent-
standen sein mag, bin ich nicht der mann, auch nur ein wort zu
verlieren. Vielleicht sind wir spüter so glücklich, dass sich noch
der stein findet; dann werden wir ja weiter sehen.
Nach dieser darlegung, wobei ich natürlich von der vermu-
theteo lücke absehe, kann ich nicht finden, dass Steups besprechung
dem verständniss der urkuude in irgend einem punkte eine aufklä-
rung oder förderung gebracht hat. Ob man das von A. Kirchholts
behandlung wird sagen können ? Den text hält Kirchhoff an zwei
stellen, z. 9—11 und z. 5 zw., für arg und unrettbar verdorben
und unternimmt es daher auch nicht, ihn wiederherzustellen; an
zwei andern stellen, z. 4 zw. und c. 119, 11 macht er verbesse-
rungsvorschläge. Ueber das xai ofa au der ersten stelle, das sehr
signifikant gerade das bringt, was man dort erwartet, das aber
nichts desto weniger von Kirchhoff durch ein ganz unbrauchbares,
ja widersinniges xa9' « weggetilgt wird, habe ich oben schon ge-
sprochen; an der zweiten stelle, z. 4 zw., weist er, um die ver-
stümmelung derselben nachzuweisen, darauf hin, dass den strategen
und prytanen das ygguoi(ca, zukomme; das ist ja gewiss und wer
weiss das nicht; aber ebenso gewiss ist auch, dass das qonuar(ou,
ohnehin schon ausgedrückt in nosrouriuç newer, ein stück des
BovisicacOa, ist und daher das specielle orgurnyovg sich in das
allgemeine “49nvafovg erweitern konnte, Ueber die dritte stelle,
z. 6 zw., das xaJ' örı cv éoin n nosofie(u, sagt er p. 745: „an
einem auderweitigen, aber nicht minder schlimmen verderbuiss leidet
ferner die fassung des satzes, in welchem der gegenstand der zu
pflegenden berathungen näher bestimmt wird. Wie er überliefert
ist, giebt er überhaupt keinen sinn, Der sprachgebrauch verlangt
eine verbalform im futur“. Darnach schlägt er vor: xa9" ou elo
ñ neesofsla. Gewiss, der sprachgebrauch fordert nach x«3' 074 eine
verbalform im futur, wenn es sein muss, aber ein andres mal wieder
Gy mit coniunctiv, wenn es sein muss, oder wieder anderes, wenn's
anders kömmt. Hier haben wir es nur mit dem unterschiede der bei-
den ersten redeformen zu thun. Das futur steht im abhangigen satz,
wenn dieser ganz allgemein uud unbedingt den inhalt des vorherge-
henden angiebt, der coni. mit av, wenn der vorhergehende satz eine
besondere bedingende wirklichkeit zur voraussetzung hat. Hier haben
CES ^
— VL.
740 Jahresberichte.
wir beides dicht neben einander. Z. 3 zw. bekommen wir: zosiodas
rovc Adyous, xad’ Ors Eatus 3) xatadvo:s 100 modfpov, die gesandten
sollen ganz allgemein berathen über den abschluss des friedens; da-
gegen heisst es z. 6 zw.: megi 176 elo»; fovdevoacdas ds-
valove, xa9' ore av êçln 3 noeofela neoì Trjg xatadvoews tou no-
A£uov, die Athener sollen hernach in der ecclesie über den abschluss
des friedens berathen auf grund der besondern bedingenden anträge,
mit welchen die gesandten bei ihnen eintreffen. Ich sollte doch
glauhen, das ware ein unterschied, und worin anders bestebt denn
die schónheit und bildung der griechischen sprache, als auch ait
darin, dass sie derartige unterschiede zu nüanciren weiss. Das fut,
nach xa9’ ox erscheint ausser an dieser stelle noch: a, 69, 4; a,
82, 10; 9, 67. 22; der coni. mit a» sogar noch öfter, ausser aa
dieser stelle noch: a, 35, 24; e, 18, 37; e, 47, 27; e, 47, 1; 9,
58, 30. ZBovdevcac3a: ’Adnvaloug xa9' ors «las» n noeofita
ztQi 176 xaradvoews toù noÀéuov ist also auch griechisch, aber es
heisst: die Athener sollen berathen über die bedingungen, mit wel-
chen die gesandtschaft über die beendigung des krieges hingehen
wird. Aber wohin denn? Wäre das schon, ohne die angabe des
ziels, eine kümmerliche rede, so würe es ja zweiteus ganz dasselbe,
was schon vorher z. 2 zw. iu den worten gesagt ist: lóviag we al-
AgAovg neéoBes xai xjQvxag nouiodus 1006 hoyoug xu 9” Sri Fora:
n xutudvoss tov nodéuov. Drittens wäre dann von einer gesandt-
schaft (5 ngecfela) zu diesen verbandlungen die rede, während wir
vorher erfahren haben, dass é» 10010 TQ yoovo), in dem ganzen jahr
des waffenstillstandes boten hin- und hergeben sollen, um über die
bedingungen des friedens zu seinem endlichen abschluss ins klare
zu kommen, und wührend es uns sogleich als thatsache bestatigt
wird, dass das wirklich geschehen ist, c. 119, 22: xai Eurnsour dr
avr; megì tv utitóvu» onordw» dit aurıog (die ganze zeit hin-
durch) 2g Aoyowc. Viertens wäre dann die erste athenische gesandt-
schaft zu diesen verhandlungen erwähnt, die letzte gesandtschaft aber,
die zum endlichen abschluss führen sollte, wäre unerwähnt geblieben.
Fiioftens wäre bekannter massen zu solchem anfang der verhandlua-
gen die athenische ecclesie gar nicht von nötlıen gewesen; den hätten
ja strategen und rath schon in eigner macht beginnen kónnen. Und
endlich sechstens wäre aus 7rowror gar nichts zu machen. Wena
also mit xu or, tici» die rede defekt und die sache nach allen
richtungen verkehrt wird, wie stellt es sich dem gegenüber mit xa3'
om av écfn? Dann sollen die strategen und prytanen zuvor eine
ecclesie egi 1ÿç elorvzs veranstalten, und in dieser die Athener auf
grund der besonderen bedingungen berathen, mit welchen die gesandt-
schaft, die eine bestimmte gesandtschuft, die in bezug auf die been-
digung des krieges kömmt, bei ihnen eintrifft. Also wegi 176 el-
onvns gehört zu éxxAnolur. Dass eine ecclesia von irgend wem
berufen wird und zgwıor, zuvor vor ihrer berathung, ist ja selbst-
/ En
— —
— — —
Jahresberichte. 741
verstand. Ks muss also einen grund haben, dass hier der strategen
und prytanen und dazu mit einem zgwroy gedacht wird. Diesen
grund weist uns das wmegì zig elgrvgc auf. Also die strategen und
prytanen sollen es xowror, zuvor, durch die hin- und hergehenden
boten dahin bringen, dass eine éxxAnola neoi jg elonvns gehalten
werden kann, eine friedensecclesie, die beräth und endgültig abschliesst
auf grund der bedingungen, die ihr gebracht werden. Und gebracht
werden von wem? Von der noeçfelu megi 176 xatadvoews tov
zoÀíuov, also vou einer bestimmten gesandtschaft, die als solche mit
namen bezeichnet wird, also: von der gesandtschaft, die behufs der
beendigung des krieges eintrifft. Ist’s eine athenische gesandtschaft
gewesen, die mit diesen schliesslich verabredeten bedingungen aus
Sparta zurückkömmt, oder ist's eine spartanische gewesen, welche
diese schlussbedingungen nach Athen bringt? Möglich wäre ja das
eine wie das andere. Aber es ist eine spartanische gesandtschaft
gewesen. Man sieht das einmal aus dieser composition éçfy, und
sodann an einem zweiten anzeichen, das hier von bedeutung wird,
undvon dem, wie ich oben gesagt habe, nachtrüglich noch die rede
sein sollte, Ich meine jenes schóne lehrreiche prüsens im munde der
lacedämonischen gesandten, c. 118, 28 zw.: 7meQ xoi vpeig Huus
xelevere. Der waffenstillstand, gleich anfangs in der ausgesproche-
nen absicht verhandelt, um durch ihn zum dauernden frieden zu kom-
men, wird in Athen abgeschlossen. Dasselbe fordern die Athener
auch vom demnächstigen friedensabschluss, wie man aus dem écíy
ersieht. So haben also die Athener schon in den waffenstillstands-
verbandlungen, worüber uns jenes xedevere belehren kann, davon ge-
sprochen uud es gefordert, dass die Lacedämonier wie zu waffen-
stillstandsverhandlungen, so auch zu den spätern friedensverhandlun-
gen mit endgültiger vollmacht in Athen erscheinen sollen. Das
êçtn aber von diesem eintreffen in der stadt ist das von selbst ge-
gebene. So e, 60, 24, da aber éceévas und èséoyopas (ich darf na-
türlich nicht Zc£gyec9 us sagen), wie bekannt, sich auslrelfen, so
dienen dafür auch die eintretenden formen von écégyouas zum be-
weise, und so darf ich also noch weiter anführen: 8, 2, 2. 13;
B. 3, 25; B, 4, 21; B, 5, 12; B, 13, 18; f, 19, 19; 8, 72, 28;
B, 73, 11; y, 25, 23; y, 28, 34; y, 66, 25; y, 102, 18. 21;
d, 70, 32; d, 110, 9; d, 111, 20; d, 113, 7; 0, 131, 26; «, 8,
17; È, 51, 23. 27; 9, 1, 21.
Nur eine stelle, wo Kirchhoff gegen alle handschriften zu ün-
dern anrathen möchte, bleibt noch übrig, c. 119, 11: zavra Ev»£-
Ferio Aaxedatuornos xai Wuo)oynoav xai of Evupayos. Die bes-
sern handschriften geben, was ich hier geschrieben habe, und so
auch Bekker. Es ist mir immer eine freude, zu sehen, wie die
richtige schitzung, die Bekker von seinen handschriften hat, ihn
wie meist so auch hier sicher geleitet hat. Sein B und G geben
bier Wpuocay statt wunAoynoar; wer aber diese beiden, B und G,
-__ oe —
——
742 Jahresberichte.
in ihrer rationellen art kennt, hat schon von vorneherein, wenn sie
allein stehen, sein bedenken, und hier wird er sie sogleich ent-
schieden abweisen, weil sie unmögliches, weil nicht thatsächliches
bringen. Denn von einem eide ist bei diesem akte überhaupt nicht
die rede. Dagegen setzt der ganze akt gerade das wysodoynour
voraus. Die Lacedämonier schliessen, wie wir gesehen haben, für
sich und ihre gesammten bundesgenossen ab. Aber hier begnügen
sie sich damit nicht, sondern haben zum vollzug des aktes gesandte
ihrer augenblicklich im felde stehenden bundesgenossen mitherzage-
zogen. So sind diese schon in der lacedimonischeo vorlage erwähnt
und werden es ebenso im protokoll des athenischen demos, z. 8 zw.:
onelcacdu. dé atilxa pula tag noesfelas Ev vo. duco tas xa-
oovoag. Also ist es dieser sachlage ganz entsprechend, weil die
betheiligung gerade dieser bundesgenossen von vorneherein beabsich-
tigt war, dass nun auch im vollzugsprotokoll dieser ihrer theilnabme
und zustimmung gedacht wird, und es also heisst, wie es da stebt:
tavtu Evrédevro Aaxedasuovios xai Wuoloynoar xai of Evpuayos.
Deswegen, weil ein andres xai wuoloynoav schon im früberen da-
gewesen, das dort durch seine personen einen andern sinn het, an-
zunehmen, es sei hier der zusatz eines unberufenen, durch dessen
flüchtige auffassung hervorgerufen, ist doch ein gar wenig gerecht-
fertigtes urtheil und so wird auch wohl der rath, diese worte, die
sogar unentbehrlich erscheinen müssen, zu streichen, schwerlich von
einem künftigen herausgeber befolgt werden künnen.
Ich komme jetzt zur erklärung selber, wie Kirchhoff sie von
der urkunde gegeben hat. Er beginnt mit einer anklage gegen die
Lacedämonier. Ihre erklürung im ersten satze hätten sie in zwei-
deutiger fassung gegeben, das zuir daselbst sei hinterbaltig; erst
von den Athenern darüber angefasst und gedrüngt, in welchem sione
das quir von ihnen verstanden werde, ob von ihren bundesgenosses
überhaupt oder nur von den anwesenden, hätten sie sich dazu be-
kennen müssen, dass sie allerdings nur die anwesenden meinten, dass
man aber sich bemühen werde, auch die zustimmung der Bóoter und
Phoker wenigstens für diesen punkt zu beschaffen. Die Athener,
durch diesen zwischenfall gewarnt, hätten darum nun die ungewöhn-
liche vorsicht gebraucht, in der übergangsformel des protokolls, wo
man dem eigentlichen gegenstande der verhandlungen näher trat,
„durch die zweimalige hinzufügung eines «AAoıg zu Évuuayoss ons-
drücklich darauf hinzuweisen, dass wie die vorhergehenden so auch
die folgenden abmachungen als lediglich zwischen den in Athen ver-
tretenen staaten vereinbart zu betrachten und Phoker und Böoter an
ihnen nicht betheiligt seien“. Wir sind es von der neuern philo-
logie auch sonst schon gewohnt, dass sie auch das gras wachsen
hört. Woher weiss Kirchhoff denn, dass der inhalt des zweiten
satzes der urkunde: roîe uiv Aaxedasuovtoss tata doxst ai rei;
Euumoyoıg toic nugovow Bowrods dé xai Duxtac Telosiv pacir
Jah resberichte.
743
dg Ovrauv moocxnguxevoueros, erst auf ein befragen uud durch
drängen der Athener veranlasst ist? Woher weiss er, dass in je-
nem doppelten zusatz des a4ào:; zu Evuuuyoi sich eine unge-
wöhnliche vorsicht der Athener ausdrückt? Woher weiss er, dass
das doppelte allo deswegen da ist, damit durch dasselbe alle an-
dern peloponnesischen bundesgenossen ausser den durch die anwe-
senden gesandten vertretenen von diesem waffenstillstande ausge-
schlossen sein sollen? Woher weiss er, dass dieses doppelte 424016
überhaupt in der urkunde vorhanden gewesen ist? Eine hypothese
auf eine andere gebaut und wenn ihrer noch so viele wären, geben
immer noch keinen beweis. Auch ich weiss sehr wohl, dass man
ohne vermuthung keinen alten schriftsteller, und überhaupt nichts,
gründlicher versteht, aber die voraussetzung muss der sachlage, wie
wir sie kennen, entsprechen, muss aus dieser wie mit nothwendigkeit
hervorgehen und nicht willkürlich gar ungeheuerliche dinge setzen.
Sehen wir uns also Kirchhoffs bau einmal etwas genauer an. La-
cedämonische gesandte kommen begleitet von einigen bundesgenossen
nach lange vorher über einen waffenstillstand gepflogenen verhand-
lungen nach Athen, um endgültig abzuschliessen. Nun sollen die
Athener immer noch nicht wissen, ob es sich dabei um einen par-
tiellen oder einen allgemeinen waffenstillstand handelt? Wenn die
Lacedamonier also in ihrer ersten selbstverstündlichen amphiktioni-
schen bestimmung doxei muir sagen, konnten die Athener ebenso
wenig darin eine hinterlist vermuthen, wie die Lacedámonier damit
zu tüuschen die absicht haben konnten. Eines drüngens abseiten
der Athener, um den begriff „wir sicher zu stellen, bedurfte es also
nicht. Zum glück lüsst es sich aber auch sprachlich erweisen,
dass Kirchhoff mit seiner voraussetzuug im unrechte ist, wenn er
behauptet: ,,die worte des folgenden satzes: roig uèr Auxsduiuo-
vloıg taviu doxei xai 100; Evuuuyors roig napovow‘ Bowrovg dé
xai Duxéus neloev gaciv dg Suruuiv nQocxgQvxevOutvos, seien
nicht worte der sich weiter aussprechenden Lacedámonier, sondern
die worte, wie der schreiber des rathes sie ale ergebniss der in-
zwischen, zwischen dem ersten und zweiten satz gepflogenen erór-
terungen protokollirt habe. Er meint also, gaol hatte der schreiber
des rathes in seinem protokoll io bezug auf die lacedämonischen
gesandten gesagt, es hätte also die lacedimonischen gesandten zum
subjekt. Aber quot und ngocxnguxevomevos gehören zusammen, und
wenn zocxgouxevoutvos, wie doch selbstverständlich, nur vom lace-
dümonischen staate selber gesagt werden kann, so ist auch klar,
dass wie dieses so auch g«c( nicht die in Athen anwesenden ge-
sandten, sondern die Lacedämonier im staate, die Lacedämonier in
Sparta zum subjekt hat. Wenu aber das, so haben wir im zweiten
satze nicht die mit der vorausgehenden rede der lacedümonischen
gesandten abwechselnde rede des protokolls, sondern die weiter fort-
gehende rede derselben lacedämonischen gesandten, wie diese denn
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744 Jahresberichte.
auch in diesem ersten abschnitte der urkuude ohne unterbrechung
und wechsel alles folgende sprechen, bis das dekret des demos aa-
hebt. Und warum sollte das nicht so sein? Wenn die lacedämo-
nischen gesandten schon im ersten satze das doxei 7uîv im namen
ihres staates gesprochen haben, warum sollen sie nicht im zweiten
fortfahren können: das ist nun die meinung unsers staates, der La-
cedämonier, die zugleich durch uns die versicherung geben, dass
sie durch herolde die Böoter und Phoker möglichst zur erfüllung
der ersten bestimmung zu bewegen versuchen wollen.
Ist es also mit dem ,,zwischenfall nichts, so fällt auch die
„ungewöhnliche vorsicht“ hinweg, die das doppelte aAAoss zu Ewu-
puzoss hinzugefügt haben soll, und mit ihr das doppelte «4405
selber. Ja, wenn nur ein einzelnes cAdoss zu verstehen wäre.
Auch andern erklärern ist das «Alos; ein stein des anstosses ge-
worden und sie sind daran zu schaden gekommen; Kirchhoff erst
recht gerätl dabei aus einem missgeschick in das andere. Erstens
ist ibm roig «loi Evuuuyoss bloss ein andrer ausdruck für roïç
fvupayoig roig mugovasr, z. 24. Solcher wechsel wäre freilich
im curialstil, den Kirchhoff ja besser kennen wird als andere, et-
was neues, Aber es sei; wie käme aber zoig aAÀow Evppayoss
dazu, mit roîg Evumuyoıs 1006 nagovory dasselbe zu bedeuten?
Kirchhoff setzt das bin wie einen selbstverstand; und doch haben
es die einen so, die andern so verstanden. Aber es sei auch das,
und es bleibe Kirchhoff die vergebliche mühe überlassen, dafür die
belege zu suchen. Wenn also zoig «44015 Evuuayoss dem obigen
toig Evuuayoss 1006 magovow gleich sein soll, so schliessen also
die Athener hier nur mit deu augenblicklich in Athen vertretenen
pelopounesischen staaten ab. So hätten wir hier nur einen par-
tiellen, nicht einen allgemeinen waffeustillstand. Das ist auch Kirch-
hoffs eigentliche meinung. ,,Es scheint mir nicht zweifelhaft, sagt
er, wie ich seine worte oben ausgeschrieben habe, dass diese hin-
zufügung (10î5 &ÀÀoig) in der absicht geschehen ist, ausdrücklich
darauf binzuweisen, dass wie die vorhergehenden, so auch die fol-
genden abmachungen als lediglich zwischen den in Athen vertre-
tenen staaten vereinbart zu betrachten und Phoker und Béoter an
ihnen nicht betheiligt seien. Allerdings, fährt er dann fort, waren
selbst von den gliedern des peloponnesischen bundes, den bundesge-
nossen der Lacedámonier im engern sinne, eiue ganze anzahl nicht
vertreten: so fehlten Elis, die arkadischen städte, Phlius, Pellene,
Trózen, Hermione . . . Indessen . . für die Athener lag keine
veranlassung vor, diesen punkt zu urgiren und die legitimation der
Lacedümonier, im namen auch dieser nicht vertretenen staaten ab-
zuschliessen, zu beanstanden, da letztere sümmtlich vermóge ihrer
geographischen lage ohnehin in die zu vereinbarende demarkations-
linie eingeschlossen wurden, und der waffenstillstand thatsüchlich im
jedem falle auch für sie wirksam werden musste, sie mochten nan
_ + Jahresberichte. 745
zustimmen oder nicht“, Das ist freilich des widerspruchs genug iu
einem athem. Erst sollen die Athener ausdrücklich darauf hinweisen,
dass sie lediglich mit den in Athen vertretenen staaten abschliessen,
und dann sollen sie wieder den punkt nicht urgiren, dass man von
der andern seite auch für die nicht vertretenen staaten abschliessen
will? Und wenn zoîs aÀÀosg wirklich dasteht und die vertretenen
staaten bedeutet, wo steht denn, dass die Lacedämonier auch für
die nicht vertretenen staaten haben abschliessen wollen? Und auf
diesen punkt soll es nicht angekommen sein, ob dieser waffenstill-
staud ein partieller oder ein allgemeiner war? Den Athenern soll
es gleichgültig gewesen sein, ob etwa die Bóoter, Phoker, Lokrer
während des waffenstillstandes in Attika einfallen konnten, oder
den Lacedämoniern, ob umgekehrt die Athener Bóotien heimsuchten
oder nach Elis segelten? Das fasse, wer mag. Aber zu alle dem
kómmt noch ein letztes. Das zweite «AAoss gehört dem satze an:
tade de Moke Auxedasporiors xai roig addoss Evupdyoss. Nun
aber ist im folgenden nichts vorhanden, worauf sich das r«de be-
ziehen könnte. Was zunächst folgt, z. 32— 15, sind nicht gefasste
beschlüsse der Lacedämonier, sondern das, was die Athener be-
schliessen und als gegenleistung gewähren sollen für das, was die
Lacedümonier ihrerseits als ihre leistung schon beschlosseu haben,
z. 90: mnegi uèr obv tovrwv EdoËe Auxedasuovlois xai 10i; Evu-
pa&yoic, tav onovdág novies où ° A3Fnvaîos. Und was vou z. 15:
xnçuxe bis zum schluss der lacedümonischeu vorlage weiter folgt,
ist nichts als ein zusatz von selbstverständlichen bestimmungen, wie
sie in andern verträgen auch wiederkehren, daher nicht #dofe, son-
dern doxsi (z. 23 zw.: roig uiv Aaxedusporlors xai toic Evuua otc
tuvru doxsi), gerade wie auch zu anfang der urkunde von einer
gleichen selbstverstündlichen bestimmung dasselbe doxe? gebraucht
war. Hat aber das rude im folgenden keinen bezug, so sieht man
wohl, aus wie gutem grunde dieser satz: rude — zoig aAÀosc Evu-
mayo: in den bessern handschriften sich nicht findet und nur von
einzelnen geringeren handschriften gebracht wird. In diesen letzten
sind auch hier dieselben abschreiber thätig gewesen, die auch sonst,
wie wir schon ófter gesehen haben, in ihrer flach rationellen art
sich mundgerecht machen, was ihnen in seinem ächten zusammen-
hang und tieferen verständniss verborgen geblieben ist. Für den
satz ist nun einmal keine rettung. Fällt er aber, so fällt auch
das allo: mit, und das erste gleich schlecht beglaubigte «44016
obendrein; dann sind aber auch mit dem «22065 zugleich alle hy-
pothesen gefallen, die Kirchhoff darauf gebaut hat und, eine wahre
herzenserleichterung, alle widersprüche, die in Kirchhoffs erklärung
des caddosc enthalten sind.
Der waffenstillstand ist abgeschlohsen worden am 14. elaphe-
bolion, c. 118, 1 zw. Es ist das nach A. Mommsens minimalansatz
der städtischen Dionysien (Heort. p. 388) der tag der nachfeier der-
746 Jahresberichte.
selben, der tag des Pandienopfers, an welchem zugleich eine ge-
setzlich angeordnete ecclesie stattfand. Wenn also zum endlichen
abschluss des waffenstillstandes noch weitere vorversammlungen ia
Athen nóthig waren, so hat Kirchhoff recht, wenn er von einer
unterbrechung dieser verhandlungen durch die Dionysien spricht, p.
851. Ich möchte mir die sache lieber etwas anders denken. Nach
c. 118, 11: ola Euréderro ngóg ASnralovs, möchte ich annehmen,
alle vorverbandlungen sind von den beiderseitigen gesandten zuletzt
schon in Sparta erledigt worden, und es hat darnach nur des end-
gültigen abschlusses in Athen bedurft. Zu diesem haben dann die
Athener die fremden gesandten auf ihre Dionysien, zur mitfeier der-
selben eingeladen, und am tage der nachfeier derselben, am früh-
lingsvollmonde der Pandien, ist dann in der volksversammlung, die
an dem tage stattzufinden hatte, endgültig abgeschlossen worden.
Dann würe schon hier beim abschluss des waffenstillstandes dasselbe
geschehen, was bei der jährlichen erneuerung des vertrages der
Evupayla geschah (s, 23, 15); auch diese ist von den lacedämoni-
schen gesandten zur mitfeier der Dionysien in Athen und von den
athenischen gesandten zur mitfeier der Hyakinthien in Sparta benutzt
worden.
Ich will das nur ganz beiläufig bemerkt haben. Kirchhoff hat
hier gewiss so viel recht, sich die sache auf seine weise vorzustel-
len, wie ich auf die meine. Doch scheint es mir nicht gerechtfer-
tigt, wenn er auch hier nach seiner art von einer thatsache spricht,
wo nur von einer müglichkeit zu reden war.
Aber freilich er vermag es über sich, auch da ohne beweis
wie von einer zweifellosen thatsache zu sprechen, wo das gerade
gegentheil die thatsache ist und eine thatsache, die auf der hand
liegt. Die sache ist diese. Kirchhoff selbst gesteht, p. 840, wie
wir schon oben gesehen haben, dass er die worte z. 10: x«2 za
&y Teostive, couneg vov Eyovos xal ola Evvédevro noòc AFnvalove,
nicht versteht; er erklärt sie für „verdorben und lückenhaft, auch
mit sicherheit nicht wiederherzustellen*; indessen, führt er fort, er-
hellt aus der verderbten überlieferung wenigstens so viel zur evidenz,
dass hier eine demarkationslinie auf grund einer besonderen verein-
barung zwischen Athen und Trözen bereits gezogen war und beide
staaten zur zeit der erüffnung der gegenwärtigen verhandlungen
schon einen separatwaffenstillstand abgeschlossen hatten, auf dessen
bestimmungen bezug genommen wird“. Es kostet etwas, bier bei
ruhigem blute zu bleiben. Also aus einer stelle, von der man selbet
bekennt, dass man sie nicht versteht, die man für zweifellos ver-
dorben, für lückenhaft, für nicht wiederherstellbar erklürt, soll sich
etwas zur evideuz ergeben können? und auch dann noch zur evi-
denz, wenn es etwas ist, was nach unsrer sonstigen kenntniss so
gut wie undenkbar ist! Oder wäre etwa ein separatwaffenstillstand,
den ein glied des peloponnesischen bundes und Athen während des
n rt —
_~ -Fhresberichte. 747
krieges sollen abgeschlossen haben, nicht etwas su unerhortes, dass
es nur dem zuverlüssigsten und unzweideutigsten zeugnisse geglaubt
werden könnte? Aber aus welcher stelle der angeblich duokeln
worte sieht denn Kirchhoff diesen separatwaffenstillstand zwischen
Athen und Trözen so hell hervorleuchten? Io den ausgeschriebenen
worten nimmt er oi TeoosLnvıos als das subjekt au, subjekt zu
£yovos, subjekt zu Ev»£Oavro. Aber zu Zyoves ist of “APnvaior, zu
EuréFerz0 ist /faxedosuório, das subjekt, wie ich oben gezeigt habe,
die Tgoı&yrsos sind nirgends da, weder vorher noch nachher, einzig
in Kirchhoffs phantasie, und so ist auch nur in dieser der separat-
vertrag zwischen Athen und Trözen zu finden.
Man mag wohl manchmal, zumal wenn man auf der suche nach
neuem ist, seine absonderlichen gedanken haben. Aber so wie
Kirchhoff der gedanke an einen separatvertrag während des krieges
kam, musste ihm doch das gewissen schlagen, dass Thukydides von
einem so ungehenerlichen, wie solcher separatvertrag es wäre, in
seiner vorhergehenden erzählung kein sterbenswörtchen berichtet hat,
und musste desshalb, sollte man glauben, sich die ihm dunkle und
lückenhafte stelle und ihre „evidenz“ wieder und wieder darauf an-
sehen. Aber darnach ist er eben der mann nicht. Er hat es ge-
rade umgekehrt gemacht. Aus seinem ersten luftgebilde entstehen
seiner schöpferischen phantasie sogleich neue wolkenbildungen, in
denen wir nun erst das wirkliche bild des historikers erkennen sol-
len. Es scheint ein eigenthümliches geschick über denen zu schwe-
ben, die am Thukydides zu meistern werden wollen. Es ist mir
immer, als weno ich sie plétzlich am eignen geiste erlahmen sehe,
wenn sie an ibm sich zu versündigen nnterwegs sind. So ist es
auch hier wieder. Was Kirchhoff, der so sehr verdiente und all-
gemein geachtete gelehrte, sonst viel besser weiss, ist alles dahin,
wenn es sich um eiowände gegen Thukydides handelt. Kirchhoff
argumentirt so: Athen und Trözen haben einen separatvertrag ab-
geschlossen ; die urkunde spricht von diesem, Thukydides aber weiss
von ihm nichts. Also ist die urkunde für seine geschichtserzähluug
nicht verwerthet. Ist’s geschehen aus nachlüssigkeit oder weil er
sie nicht kannte? Nachlässigkeit mag Kirchkoff nicht annehmen.
Also die urkunde war ihm nicht zugünglich, als er die ersten zehn
jahre beschrieb. Zugänglich aber war die urkunde an keinem an-
dern orte als im Metroon zu Athen. Also hat Thukydides die er-
sten zehn jahre in seinem exil ausserhalb Athens beschrieben, und
als er später aus der verbannung heimkehrte und „dran ging, die
geschichte des krieges nach einem erweiterten plane fortzusetzen
und bei dieser gelegenheit und zu diesem zwecke die ältere dar-
stellung der ersten zehn kriegsjahre einer umarbeitung unterwarf,
legte er die ilim mittlerweile bekannt gewordene urkunde an der
betreffenden stelle ein. Wenn dies in einer rein äusserlichen weise
geschehen ist und ohne dass das neugewonnene material gehörig
.
.
—- —
-
— xe
MATT LI
748 Jahresberichte.
ausgenutzt wurde, so beweist das eben nur, worauf auch zahlreiche
andere indicien hinführen, dass der geschichtschreiber mit seiner ar-
beit auch nach dieser richtung nicht eigentlich fertig geworden
ist*. Von der grundlage dieser ganzen deduktion, dem separatver-
trage, sage ich natürlich kein wort mehr; aber auch abgesehen
von diesem, so viel sütze hier weiter folgen, so viel irrthümer oder
neue hypothesen. Also Thukydides hätte die urkunde nicht ver-
werthet, so weit sie für seine geschichte von werth war? und doch
wusste er nachzurechnen, dass Aristonymos mit seiner forderung,
Skione vom waffenstillstand ausgeschlossen zu wissen, um zwei
tage im bessern rechte war als die Lacedümonier. Und an keinem
andern orte als zu Athen im Metroon soll die urkunde zugänglich
gewesen sein? Und also hätte der andere paciscent, Sparta, keine
abschrift der urkunde besessen, und die waffenstillstandscommissare
hätten keine beglaubigten abschriften an die betreffenden stationen
mithingebracht? Und erst soll Thukydides nach einem beschraak-
teren, dann nach einem erweiterten plane geschrieben haben, aber
mit der umarbeitung des schon geschriebenen nicht fertig gewor-
den sein? Und zu den zahlreichen andern indicien, die darauf bin-
führen, soll die nichtverwerthung der urkunde jetzt ein neues her-
zubringen? Ich warte schon lange darauf, ein einziges uud das
erste der art dargelegt und erwiesen zu sehen. Was bisher der-
urtiges an alten indicieu meist Kirchhoffs schüler vorgebracht haben,
ist noch immer von derselben bedeutung gewesen, wie dies ueue
indicium des meisters.
Friedrich Kiel, dem wir schon früher als forschendem und
denkendem gelelrten begegnet sind, geht in seiner behandlung der
urkunde von den worten aus, wie sie sich zu anfang des Q. 4 in
wenigen geringeren handschriften finden: nti uiv oU» TOVIOY
EdoSe Auxedutporlosg xol toi; Foupayos xaza tavta’ rude dé
Edoke Auxedurporloss xai t0ig addoss Evuuayox. Er hat, diese
worte der geringeren handschriften für die richtigen zu halten, vor-
laufig ebenso gut das recht, wie ich das recht in anspruch genom-
men habe, von den zahlreichen bessern handschriften auszugehen.
Schliesslich handelt es sich ja nur darum, wie weit jeder mit sei-
nen handschriften kömmt, und welche worte die sache zulässt.
Durch die annahme seines textes gewinnt Kiel drei verschiedene
bezeichnungen, mit denen lacedämonische bundesgenossen in der ur-
kunde unterschieden werden, z. 24: of Evupagyo: of nagovtec, z. 31:
oí Evupayos, und ausserdem ol cAdos Evuuayos Diese letzten,
ob «Ados Evuuayos, sind ihm: die bundesgenossen ohne ausnahme;
oí Euuuuyos die majorität der bundesgenossen, und of Eópupayo
of magovtes die in Athen anwesenden bundesgenossen. Aber alles
dreies ist nicht richtig, selbst das letzte nicht in seinem sinne, wor-
nach es bald dieses, bald aber auch ein andres bedeuten soll. Of
GAdos setzt er selbst = reiqui, die übrigen. Wenn nun in der-
\ =
; mM | Jahresberichte. 749
De 5 05 Evupayos of œagôrres vorhergeht, so kann o£
7 ‘muss man doch schliessen, nichts anderes bedeuten
ie a + Dundesgenossen mit ausnahme der vorhergenannten
inden «=. Fs £vuuayos z. 31 sollen ihm die majorität der bun-
. Wwsen , a, uud: édofe Auxedummorlois xal 10i; Evppayoss
+ : „die Lacedämonier und die majoritat der bundesgenossen
: sich dabin und erhob also zum allgemein gültigen
8*, Aber es konnte den Athenern ja ganz gleichgültig sein,
ss die Lacedämonier ihre für die peloponnesische symmachie
ailgemein gültigen waffenstillstandsbedingungen nach Athen brachten,
wie diese in Sparta ob mit majorität oder einstimmig beschlossen
waren. Für sie, die Athener, war also diese unterscheidung vou
oi Evuuayo: und oí &Ados Evuuayos, dies letztere im sinne von
Kiel, ganz überflüssig und uunütz. Und zuletzt sollen z. 24: oi
Evppayor of nagorıss die in Athen anwesenden bundesgenossen be-
deuten, die aber vollmacht haben, für alle abzuschliessen, aber z. 24
zw. sollen diese in Athen anwesenden und mit vollmacht für alle
versehenen bundesgenossen doch wieder nur mit dem blossen oí
Evupayos bezeichnet werden. Und das in derselben urkunde, im
curialstil, von dem gerade auch Kiel, und gewiss mit recht, wie-
derholt bemerkt, dass in ihm das gleiche nicht mit wechselndem
ausdruck bezeichnet werden darf. Aber diese künstliche unterschei-
dung der bundesgenossen ist für Kiel von wesentlicher bedeutung.
Mit ihrer hülfe unterscheidet er wieder verschiedene gruppen von
beschlüssen in der lacedámonischen vorlage, und zwar die folgen-
den: a. beschluss über die benutzung des delphischen heiligthums in
Q. 1, von den anwesenden gesaudten erst auf antrag der Athener
in Athen gefasst; b. beschluss über die tempelrüuber, in Sparta von
der majoritât der bundesgenossen gefasst und von den in Athen an-
wesenden gesandten erst dann zuzugestehen, wenn ohne ihn etwa
der waffenstillstand nicht zu stande kommen sollte, in 2. 3; c. be-
schlüsse, zu denen in Sparta alle bundesgenussen zugestimmt hatten,
in 4. 4—8; d. beschluss, den man der selbständigen bestimmung
der in Athen anwesenden gesandten überliess, in è. 9.
Diese unterscheidung, in welcher auf den wechsel von doxei
und Zdo&s erfreulich rücksicht genommen wird, ist nicht ohne theils
unmügliche, theils recht bedenkliche voraussetzungen. Die freie be-
nutzung des delphischeu heiligthums findet sich ebenso wie hier
auch in anderen friedensiustrumenten und kann deswegen hier nicht
erst in Athen von den Athenern gegen etwaige chikanen der Phoker
und Bóoter verlangt worden sein. Die annahme, dass die Phoker
und Bouter sich gegen den beschluss über die tempelrüuber mit
hand und fuss wie gegen einen eingrilf in ihre privaten landesin-
teressen gewahrt hätten, ist ganz willkürlich; ebenso wohl könnte
ein andrer annelımen, dass sie eben durch diesen beschluss für die
freie benutzung des heiligthums geködert werden sollten, wenn das
750 Jahresberichte.
4.
noch nöthig gewesen wäre. Aber beides war vielmehr fromme
amphiktionische bestimmung und als solche bei einem friedensvertrag
selbstverstand, so gut wie die zuletzt in 2. 9 und 10 angehängten
bestimmungen. Darnach vermag ich nicht einzusehen, wie uns durch
Kiel's voraussetzungen zur klarheit verholfen wird, zumal uns durch
ihn auf all die sachlichen fragen, zu denen der inhalt der urkunde
anlass giebt, keine antwort wird. Zum schluss, um über meine
auffassung keinen zweifel zu lassen, resumiere ich mich, was mau
mir gestatten möge, noch einmal dahin: der text ist zu lesen, wie
ihn Bekker z. 30. 31 nach den meisten und besten handschriften
gegeben hat. Lacedümonische gesandte kommen mit waffenstill-
standsanträgen nach Athen und schliessen ab im namen des ge-
sammten peloponnesischen bundes, ebenso wie sie auch den Nikias-
frieden im namen aller abschliessen. Hier haben sie so zu sagen
als eideshelfer zur bekräftigung, weil es sich um einstellung der
augenblicklichen feindseligkeiten handelt, gesandte der staaten mit-
gebracht, deren truppen gerade jetzt gegen die Athener im felde
stehen. Vorher hatten schon zwischen Athenern und Lacedämouiern
verhandlungen über den waffenstillstand in Sparta stattgefunden;
ob auch gesandte peloponuesischer bundesgenossen an diesen vor-
verhandlungen antheil genommen haben, kóunen wir mit bestimmt-
heit nicht sagen; wahrscheinlich werden die staaten der vou den
Lacedimoniern nach Athen mitgebrachten und c. 119 nambaft ge-
machten gesaudten dabei vertreten gewesen sein, Phokis und Böotien
jedenfalls nicht. In der ganzen lacedämonischen vorlage von an-
fang bis zu ende führen die lacedámonischen gesandten das wort;
es wechselt nicht an einer stelle mit ihnen der schreiber des rathes.
Nur die eigentlichen lacedämonischen beschlüsse werden als solche
mit #dofs bezeichnet; was nicht fürmlicher beschluss ist, vielmehr
als amphiktionische bestimmung ein selbstverstand, mit doxei. Diese
lacedämonischen beschlüsse, was die Lacedimonier ihrerseits leisten,
die demarkationslinie, die sie in ihren eroberungen io Thrakien
einhalten wollen, wenn die Athener andrerseits den waffenstillstand
dahin abschliessen, dass beide theile, also auch die Athener in ihren
eroberungen am Peloponues sich innerhalb der bezeichneten demar-
kationslinien halten (av onovdas moswvras oi ‘Ad paio , imi ifs
abriv preven Exattoovs tyovtug aneg vuv êxouer, rovg Mer xıl.),
diese lacedimonischen beschlüsse über ihre eigene leistung der ver-
langten gegenleistung der Athener gegenüber vermisse ich in der
urkunde; wer mag sagen, wie sie abhanden gekommen ist. Diese
lacedümonische vorlage ist sodann vom athenischen demos ange-
nommen, dieser tag der aunahme als der anfangstag des waffen-
stillstandes nach attischem uud lacedámonischem kalender festgestellt,
und darauf die urkunde von den lacedüámonischen gesandten und den
gesandten, die sie dazu mitgebracht hatten, einerseits und den Athe-
nern andrerseits vollzogen. Die worte des protokolls über diesen
N
a .
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— —
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Jahresberichte. - 751
vollzug gehen in c. 119 bis z. 21, mit 7 ner di) ixtyeola uvm
öy&vsıo beginnen wieder die worte des schriftstellers.
Kehre ich nun von hier, wo wir mit der besprechung der
urkunde zu ende sind, zurück zu der hauptfrage, um derentwillen
wir auch sie hier angestellt haben, zur frage nach dem werthe des
Thukydidestextes, so ist das resultat auch hier dasselbe, wie in
allem vorausgehenden. Der text der urkunde, behauptet man, leide
an allen möglichen mängeln, er sei ersichtlich ganz unbrauchbar,
lückenhaft, arg verstümmelt, unheilbar verdorben. Von all diesen
behauptuugen trifft da, wo man sie vorgebracht und wie man sie .
vorgebracht hat, keiue einzige zu. Nur ein einziges wort in der
ganzen urkunde ist verschrieben, und wenn je das ursprüngliche
mit sicherheit wiederhergestellt werden kann, so ist es an dieser
stelle. Dagegen ist, wiewohl man solche urtheile über den text
der urkunde abgegeben hat, die bisherige erklärung der urkunde,
muss ich leider behaupten, so kümmerlich, dass man für den eigent-
lichen inhalt derselben gar kein verständniss gezeigt und daher auch
die wirkliche lücke, die sich hier findet, übersehen hat. Im text
der thukydideischen erzählung habe ich, wenn mau von einem hie
und da ausgefallenen wörtchen, nach art von 3, 101, 17: 2x zîg
Xiov nedayias, für éx 175 Xlov où neduysas, absehen darf, lücken,
wie man sie jetzt im Thukydides überall zu sehen glaubt, nicht
gefunden, Vielmehr ist das resultat, wie es sich nach den im obi-
gen angestellten betrachtungen wiederum ergeben hat, dasselbe wie
immer: Thukydides will vor allem verstanden und erklärt, nicht
emendiert sein. Die überlieferung ist, so wie sie von der übereinstim-
mung der meisten besseren handschriften bezeugt wird, meist gesund,
an einigen wenigen stellen leicht verschrieben , an andern, gleich-
falls nicht vielen, ist auch einmal etwas ungehôriges vom rande in
den text eingedrungeu; das alles aber ist bei der charakteristisch
ausgeprügten sprache des Thukydides meist so leicht erkennbar,
dass man wahrlich nicht zu verzweifeln braucht, bei ruhigem sin-
nigem nachdenken und fortgesetztem fleiss dereinst den ursprüng-
lichen text des schriftstellers so ziemlich wieder zu haben. Ich
liebe es nicht, bei allgemeinen worten zu bleiben. Daher füge ich
für jede der hier unterschiedenen kategorien einige beispiele hinzu,
solche stellen, die bisjetzt noch der erklürung bedürfen uud für die
art, wie mau mit dem thukydideischen texte umzugehen hat, lebr-
reich sein dürften.
1. Stellen, die gesund sind und nur erklürt sein wollen.
a. €, 16, 32—6 geben die handschriften: maj dé xoi 7
dv "MyugunóAa foca 10i; ’AInvaloıg Éyeyérnro xal èredvijzes Kiéwy
re xui Bouoldag, olneg augportewder pudsora Avarssourıo 15 &-
onvn, ò piv dia 10 adruyeir te xol tiuacdos lx tov nodepeiv, 6
. dì yerouérns novylas xataparéoregos voullwy ay salvas xaxovoywv
xai unscroregog diufuddwr, 1078 dé éxatégg T], nodes onsudovtes
—
752 Jahresberichte.
Ta ualıora thy iyepovíav, Misvoroavas te 0 Ilovcavíov Pacsew
Aaxedaruoriwy x«i Nixiag 0 Nixngdiov, nisioru TOY Tore et
peooperos ey orga (aic, 10ÀÀ 6) di, pu oÀÀov ngotO uu ovr10. Weil
die ausleger mit zure dé, wofür sie jezt meist zure dy setzen, den
nachsatz beginnen, so konnten sie das überlieferte hyenorlar nicht
an seiner stelle lassen und änderten es beliebig in ouoAoy(av, nov-
glav, ouoraur, Zotu(av, bis zuletzt Stahl avn schrieb, zu wel-
cher änderung Classen anmerkt: „Es lässt sich in dieser jetzt völlig
klaren stelle die genesis der früh eingetretenen verderbniss deutlich
verfolgen“. Auch mit dieser änderung Stahls ist die sache um kein
hürchen besser geworden. Wenn die apodosis mit trote dé (oder
tote di, wie Stahl will) éxarégg vg moAsı onevdovies 14 malo
avınv beginnt, so passen dazu erstens die folgenden worte: noie
dn uüllor moosdvuosvio in keiner weise und sind ohne sinn.
Maisorw. und a uadicra sind verschieden. Wenn mudora heisst:
in sehr hohem grade, so heisst: 74 —B im allerhóchsten grade.
C, 104, 19 geht vorher: xai dpnaodeig un’ dréuov xatà rov Te-
osvator xoAnov, dann folgt z. 22: x«i made yespacdeig dc ra
paœlioru ım Tuourir nooculoyes. Man vgl. «, 92, 23, 0,74, 11;
d, 76, 13; s, 25, 18; e, 44, 10; 9, 6, 11; soi; pudsora: 9,
90, 17; 7, 29, 9. Wenn wir also schon: onevdorıss ta alor’
adzny haben, deu stärksten ausdruck, der gegeben werden konnte,
wozu ist dann noch: roll dì HélAor ngotJuuoU»to da! Und
was soll zweitens: éxuréou 17 mola? Es genügt ja doch zu sagen,
dass beide eifrigst um den frieden bemüht waren, und nun Exatéoa
th moe, während gerade alles folgende in ausführlicher darstellung
uns einzig darüber belehrt, dass beide männer, Pleistoanax und Ni-
kias, ihre persónlichen absichten hatten, wesshalb sie den frieden
wollten. Und drittens wäre es ungeliörig und gegen allen thuky-
dideischen gebrauch, die angegebenen motive, wenn ror: dé die
apodosis beginnt, durch die namen zu trennen, so dass sie, ich freue
mich Müller-Strübings, dass ihn sein gutes sprachgefühl das sagen
lässt (Aristoph. p. 635), einen theil ihrer motive und ihrer quali-
tativen bagage vor sich und den andern hinter sich haben. Tote
dé — myeuoviur gehört zum vorausgehenden, wie es schon der
wackre Heilmann eingesehen hat. Und warum soll es das nicht!
Zwischen rore dé und zoze dy ist ein gewaltiger unterschied. zdıe
dé haben wir ausser hier noch: a, 51, 7; a, 118, 9; a, 126, 12;
a, 133, 28; f, 8, 18; f, 88, 19 ; y, 104, 19; d, 82, 30; d,
108, 17; e 67, 5; ¢, 15, 20; ¢, 105, 7; m 27, 6; n, 71, 10;
tore On: a, 49, 6; a, 58, 23; B, 84, 6; 0, 78, 17; 0, 127, 28;
e, 17, 13; 6 58, 17; n, 18, 9; 9, 1, 21; 3, 92, 20. Tore dé
setzt ein späteres einem früheren entgegen, daher auch öfter ein
mol oder zQortegov vorausgeht : a 51, 6: now Ting idóvrec sinor
drs vijeg Exsivaı ensnd€ovosy, tote dé xai adroi aveyweovr. Von
einem nachsatze sollte man da lieber gar nicht reden. Tore di
Jahresberichte. 758
bedeutet: just in dem moment, der eben im vorhergehenden be-
schrieben war; a, 41, 6: êmei dì n ıgonn eyéveto lupnowç xoi
véxervio of Kogtrdsos, tore dì Egyou wag elyero ndn. Wie ist es
nun an unsrer stelle? Hier heisst es: Znudn dé xai n dv Myuqi-
mole, n00@ roig "AF qvatoss dysyévqio xai iu) rixe Kitwv te xai
Byaolduc, of nto apporkgwder uulıora ‚Nvarısodvıo " elonvg, wove
ı01e dè éxarlog rj modes omevdovies 1a ualwta iy nyemorlar,
die beide hier und da im höchsten grade immer (zv«vriovrro) gegner
des friedens gewesen waren, .... damals aber (als die dinge in
Thrakien sich abspielten) beide aufs allereifrigste sich bemiiheten,
jeder seinem staate die hegemonie zu verschaffen. Mit tore dé
stellt sich also die spätere, diese letzte zeit der beiden männer
ihrer ganzen früheren, stets von ihnen befolgten weise entgegen,
und wer kann verkennen, dass hier zugleich jenes wuAscıa z. 39
und dieses 74 u«As0rG. z. 3 seinen bedeutungsvollen gegensatz hat?
So beginnt der nachsatz also mit den namen: //lssorouruË te...
xai Nexfus, was, wenn es noch eines neuen grundes bedürfte, auch
schon deswegen nöthig ist, weil von einem allereifrigsten bemühen
des Pleistoanax um den frieden (rt wudsore) uns vorher noch gar
nichts zu ohren gekommen ist. An die namen fügen sich dann die
worte z. 6: moÀAg di padhov noosPupovrro ganz natürlich an,
im zurückbezug auf den inhalt der vorausgehenden kapitel, wie er
sich als ausführung an die worte c. 14, 33: ngoc dé rmv slonvnr
alloy rj» yvwunr elyor, anschliesst. /7g08Fvuovrro bedarf kei-
nes objekts; man hat nicht nöthig, sich in ängstlich gezwungener
redeweise aus dem vorhergehenden ein elgrrnr zu suppliren; es
steht absolut wie d, 81, 14: «avrov re Bouoldur flovioutror uu-
Arora Auxedaiponos axtotedar, noovdvundnour dì x«i ol XaÀA-
xsdjc, und wie auch d, 9, 12: oglos dé tov zelyoug zuvın aocde-
vtGT410v. Ovrog truanacucdu: uviove ]ytiro TMg0PvmncEecIus, durch
diesen absoluten gebrauch zum verstandniss kommt.
Mit diesem schutz des nyeuorluy ist nun zugleich ein dop-
peltes gewonnen, eine werthvolle historische notiz bleibt uns er-
halten, und ausserdem wird noch ein schönes zeugniss für den schrift-
steller selber gerettet, Denn einmal ist klar, was einerseits die Athe-
ner und iusbesondere Kleon sich dabei dachten und was sie denn
noch mehr wollten, als sie vordem die friedensanträge der Lacedà-
monier zurückwiesen (d, 21, 9; d, 41, 21), und andrerseits was es
speciell für hoffnungen waren, die sich den Lacedümoniern durch
die fortschritte des Brasidas neu belebten (d, 117, 18. 19); sodann
aber müssen wir es duch durch dies jyeuovfay erkennen, wie Thu-
kydides es kein hehl hat, vielmehr es freimüthig bezeugt, von wel-
cher triebfeder die politik des mannes, gegen den er an andrer
stelle, wo es sein muss, das stärkste wort des tadels hat, doch im-
mer im letzten grunde geleitet worden ist.
b Mit e, 72, 24: dda puahora dy xusu mavra th èu-
Philologus. XLII. bd. 4. 30
LI
= NN
F
——
P ud
754 Jahresberichte.
merely Aaxedurporios SiucowFéivres 1016 ty dvdely EdesEur ovy
n000v negsyevomevos, hat man sich bis jetzt nicht zurecht gefunden;
für 17 éuntigí ist allerlei versucht worden: anogla, 176 Epresglug,
neuerdings von Müller-Strübing: uruË/a, oder man hat édacow-
Sévtes gestrichen, aber auch wer die worte nicht anrührt, wie
Classen und Stahl, versteht sie nicht, und doch ist alles deutlich
und durchsichtig, wenn man nur im zusammenhang liest. Thuky-
dides beginnt die erzäblung der schlacht mit den worten, 71, 29:
Evrivriwr d’ ete Arıs Ü Buoiatoc tosovde éflovAtoca1o ET Tu
01QG107tÓ0« noseî uiv xai anarıa tovio. Im folgenden wird uns
nun das taktische manöver des Agis beschrieben, dabei zugleich aber
gesagt, dass das allgemeiner schlachtenüblicher gebrauch der heere
war. Was also die schlachtenerfahruug und schlachtenübung die
einen gelehrt hatte, das wandten auch die andern an, also dasselbe
taktische manóver der einen gegen das taktische manöver der an-
deru. In dieser schlachtenüblichen erfahrung, der éuresofa, nun
zogen die Lacedümonier deu kürzern xura zurıa. Die überflüge-
lung auf dem linken flügel misslang, sie wurden hier geschlagen,
das war das erste; der vergebliche versuch, die lücke im centrum
durch die unbotmässigen lochenführer auszufüllen, war das zweite;
vergebens versuchte Agis dann den rechten Hügel an den linken
heranzuziehen, das war das dritte; so xuru narra 17 dunecola, in
allen stücken, was ihnen ihre schlachtenerfahrung an die hand gab,
élacowd vie; , siegten sie nichts destoweniger durch die d»dQía.
Mohocia dn gehört zu êluoowdérres, nicht zu Edestur; padscia
dj — èiluccw9évi:ss steht als ein ganzes dem andern ganzen rore
— mtiQytvoutro, gegenüber, das sieht man schon aus der stellung.
So haben wir denn auch hier wieder die ipz&g(ua der drdola
(roàpa, palaxla) gegenüber, wie iu der kriegsgeschichte des Thu-
kydides unzählige male, man vgl. unter andern &, 72, 21; f, 85;
B. 89, 27; e, 7, 32; ß, 87, 27; B, 87, 20.
c. Auch die eipfachste, deutlichste stelle hat mitunter noch
ihre erklärung nicht gefunden, so d, 86, 33: oùdè «cag nr
Av tolav voullw enipégerr, ed — doviwoasm. Entweder nimmt
man hier zu einer unmôglichen ellipse seine zuflucht, oder man ver-
ändert, was schon alte leser gethan haben: oùdè aogadn, oder
schreibt: ovd’ kr cag, oder rath ovd’ Aonuorjr an. Aber braucht
es hier zum verstündniss wirklich noch mehr als des einfachen
wortes, dass der sutz ed — dovAwousm von acapr, abhängig und
der sinn dieser ist: auch bin ich nicht gemeint, euch eine solche
freiheit zu briugen, die es im unklaren lässt, o b ich die angestammte
verfassung der einzelnen missachtend u.s. w. Oder wäre es zu kübn
zu glauben, schon dieses blosses ob sei hier erklärung genug!
2. Stellen, die leicht verschrieben sind.
a. 9, 67, 22 ist die überlieferung der besten handschriften:
éneitu Enssdn i ruéqu Epuuer, EvréxAgGav inv dxxAgo(av dg so»
Jahresberichte. 755
KoÀwvov» . . . xol écriveysov oi Évrreagñs ado piv oder, avro
dé TOUT, eEsivas uiv “AS qvalwy dvurgemesy yvw pny nr av nuc fov-
Anas’ nv dé rig 10» clnóvia 7 youyniu nagurouur n um 10
teonm Picyn, weyalug Cyulag Entdecav. Besässen die ausleger
des Thukydides zwei eigenschaften, einmal, die gewohnheit im zu-
sammenhang zu lesen, und zweitens respekt vor der überlieferung,
so würden ebensowohl die gewaltsamen vorschlüge, die doch zu
nichts führen, unterbleiben, wie das richtige bald gefunden sein.
Was hat man uns hier nicht wieder alles zugemuthet! Wilamowitz-
Möllendorf will: abuser elneïr, Müller-Strübing: éEeives pèv av-
TO dev dviecgtgew (oder vielleicht doch üyısıneiv), Stahl dagegen noch
müssig genug: 'AInrulo avdot; ich wundere mich nur, wie man
sich rechnung machen kaon, mit solchen vorschlágen die sache zu
eude gebracht zu haben. Und doch lag hier die bessere erkenntniss
gar nicht so fern. Denn nicht bloss ist auf den ersten blick klar,
dass der fehler hier in drargé£mew steckt, eben weil das hier ganz
sinnlos ist, sondern eben so gewiss ist auch, was die stelle uns
statt dessen mit nothwendigkeit bieten muss. Man muss nur rück-
warts und vorwärts sehen. Es handelt sich hier um die beseitigung
des alten demos. Schon vor der ankunft des Peisandros war in
öffentlichen gesprüchen die meinung in umlauf gesetzt, c. 65, 21:
ws ovrt uuodocpognitor etn üAloug n rovg Orpazevoufvoug, ovIe
medexréor td» rnoayuurwr nÀelocw n revruxoysAloss. Das war
also bis jetzt bloss privatunterhaltung. Dann kommt Peisandros, es
findet die ecclesia auf dem Kolonos statt, in dieser treffen Evy-
yeugpis uvioxgautoges eine massgebende bestimmung, dann wird über
die eiosetzung des rathes der 400 verhandelt, und dabei heisst es,
c. 67, 7: xoi rovg neviaziogidlovs dì EvAMtyew Onotav avtoig
doxj;. Also sind diese 5000, als es sich um die einsetzung der
400 handelt, schou da, oder wenigsens, weil es c. 69, 9 erst heisst:
énesdn dé n ÉxxAnolu ovderoc urısınoviog adda (gewiss nicht dua)
xvgwouou tuviu disAudn, vou den Evyygagig in vorschlag gebracht.
Aber wo ist denn das in dem berichte des Thukydides gesagt?
Und diese wichtigste massnalime, die einsetzung der 5000 an stelle
des alten demos, deren schwierigkeit Thukydides mit solchem nach-
druck hervorhebt, c. 68, 2—8, sullen die Evyyoagns nicht vor-
nehmlich und zuerst bestimmt oder Thukydides mit stillschweigen
übergangen haben? Aber was die Evyygagis dort an der stelle
mit nothwendigkeit müssen verlangt haben uod was wir demgemüss
dort im Thukydides zu lesen bekommen müssen, steht wirklich da,
denn offenbar, wie aus der überlieferung &rargérnesy ersichtlich ist,
hat Thukydides folgender mussen geschrieben : xui égrvey xay oi
Évrreugis audio piv ovdé», avro dì rovro, e&eivus niv "AF nvalwy
ava Tx eineiv yvougr jy av tig Bovinu. Für dieses avd Fx slnetr
hat der treue abschreiber, der nur abschreiben uud nachmalen will,
sein dvazgénesy verlesen, uns dadurch uber in seinem 70 den schatz
Sur
9
756 Jahresberichte.
erhalten, der uus schliesslich doch wieder zum ursprünglichen am
mevioxiGyiA (ovg verholfen bat. Wilamowitz-Móllendorf sagt von dem
dvatgéntsr : „auf der hand liegt, dass . . . dvat:génev eine freche
änderung von dvené» ist, So geht man mit dem treuen fleisse
eines bescheidenen arbeiters um. Es stände Wilamowitz-Mollendorf
wohl an, für dieses wort noch dem alten biedermann im sack aad
in der asche busse zu thun. Durch dieses "A9nvaiwy dra xerre-
xiGyil(ov; wird nun nicht blosa die sprache verständlich , sonders
auch über den verlauf dieser staatsreform eine erfreuliche aufklä-
rung gewonnen. ’A3nvalwr, was bis dahin gauz umnütz uad des-
wegen unbrauchbar war, ist jetzt durch die zahl nothwendig uad
selhstverständlich geworden, “va kömmt auffalliger weise im
ganzen Thukydides sonst nur zweimal vor, y, 22, 34 und d, 72,
19, hier nun in dem antrage oder vielmehr der bestimmung der
Euyyoagñç ein drittes mal in distributiver bedeutung, wie es sonst
bei allen schrifistellera geläufig ist, unter andera mit derselben zahl
wie hier bei Polyb. 4, 46, 3: «va rgecysAloug xai mevtraxscysAlore,
morì dé x«l muglovç yguvGov;. Thukydides hat dafür sonst eines
andern ausdruck im gebrauck, wie wir gleich sehen werden Der
sion ist also dieser: in volksversammluugen von je 5000 soll dua
sein für jeden zu beantragen, was er will Natürlich war die
wirkliche meinung der £uyyoupns in bezug auf diese je 5000, wie
aich spüter ausweist, eine andere. Durch diesen wechsel der 5000
sollte die reform nur versöhnlicher klingen. In wirklichkeit habea
die 400 ja nicht ein einziges mul 5000 berufen. Aber da, we
das messer ihnen bereits an der kehle sitzt, kommen sie auf diese
ursprüngliche bestimmung zurück, und bei dieser gelegenheit be-
kommen wir den tbukydideischen ausdruck für denselben gedanken.
C. 86, 24 heisst es; zu» ze nevraxiGpiA(w» ou navres dv sd péges
pt9éEovos, alle an ihrem theil, wenn die reibe an sie kömmt, sol-
len antheil an deo 5000 baben. Also für unser ara hier i» 16
péges. Wenn Grote hier tw» neviuxecysA(wy vom navies abbängig
sein lässt und daun zu uedé£ouor einen geuetiv supplirt, der nicht
dasteht oder den er sich zwanzig kapitel früher herholt, so heisst
das wieder der sprache gewalt authun, wie's nicht ärger getrieben
werden kann. Und noch dazu, wenn er hier so gewaltsam vorgeht,
lediglich um hier denselben gedanken herauszubringen, der c. 93, 26
sich wiederfinde, so gelingt ihm auch das nicht. Denn c. 93 heisst
es: Afyorıss 1006 re smerruxiogidiove unopursiv, xai dx 1ovawr iv
pége, n av roig nevruxsoyiloig doxjj, tous ietpaxocieve Eco.
Also hier ist év uéos gesagt, nicht dr 1@ puéges, der gedauke also
ist dieser: die 400 sollen wechselud aus den 5000 genommen wer-
den 7 a» zig nerraziogiAloss doxjj, nach beliebiger auswahl der
5000, nicht also so, dass alle 5000 der reihe nach daran kommen
sollten, was Grote doch mit seiner interpretation der worte in €.
86 gewinnen wollte. Die stetigen 5000 erscheinen erst spüter.
Jaliresberichte. 757
Als der demos nach dem verlust von Euboea den glauben an sich
verliert, setzt er in der ersten ecclesie, die wieder auf der poyx
gehalten wird, die 400 ab und definitive 5000 ein, c. 97, 28: roig
nertux:oyiioig epnploarto 12 noaypata nugadourus (sivas dé uù-
twv brodo: xai ÓmÀa nagtyortus), bringt also jetzt wirklich zur
ausführung, was noch vor des Peisandros ankunft von seinen ge-
nossen langst vorbereitet war, 65, 20— 25.
Die staatsreform, wie Thukydides sie c. 67 beschreibt, hat also,
um es noch einmal kurz zu wiederholen, diesen verlauf. Nach des
Peisandros ankunft versammelt sich noch einmal der alte demos. In
dieser ecclesia werden £uyyguyns uvroxgutoges ernannt mit dem
auftrag, den demos an einem bestimmten tage zu berufen und ihre
massgebenden antrige zu stellen. Von dieser ecclesia heisst es:
Evréxinour tv éxxinolay és ròv Kolwröv, sie beengten die ecclesia,
man darf annehmen, schon durch den engeren reum in diesem Po-
seidonbeiligthum beschränkten sie den demos hier auf die zahl von
5000, über die überhaupt in den letzten zeiten die ecclesien vicht
hinausgegangen waren, c. 72, 8 —11. In dieser so beschränkten
ecclesia trafen die Evyyguyig, massgebend wie sie waren, selbst
keine andere bestimmung (addo pév oùdér, avrò dè zovıo) als dass
5000 der reihe nach wechseln und «desa für ihre antrüge sein
sollte. Das übrige konnte dann sofort, weil man dafür zu sorgen
gewusst hatte, dass der anwesenden nur 5000 waren, von andern
rednern aus der zahl dieser ins werk gesetzt werden
b. Eine andere leichte verschreibung hat 9, 102, 10 in den
worten: rh» dlwksy su9ùç nosovpuevos stattgefunden, doch ich muss
die ganze stelle hersetzen, weil noch anderes dabei zu erklüren und
zu bessern ist. Es heisst also z. 29-13: of d’ > A9nraios &r 17
nord dvoiv deovauız elxocs vaucly Orig, we avroïç of TE gQux-
zwgoi Éciuuvroy xoi j094vovro ra need é£falprnc modda dv 17
noleula puvérru, Eyvwoav ors danMovcw of [IeXonovviowvos. — xai
tig avt]g tuving vuxrdç, we tlyov tugove, vmoulEavrec 1) Xeo-
oornom maptràsov én’ Elaiovvrog, Bovddpevos exxietous dg 1)»
sUgugwolav rag ıwv noleulwr vavg. xal tag pèv dv ' dfivdo Éx-
xaldexu vaig Elador, npossonutrns pudaris 19 quilw àninim, onwe
aviwy avaxwc EEovow, nv éxniéwosw tas dà usrà tov Mirdugou
ana ij Lo xandovreg ınv ÓdíwEw ed9Us mosouperos, où PIdrovds
maga, GA al piv nAelovs ini ınc "Iufgov xoi Anuvov dıdpuyor,
téocages dè 1v ver al vorutas nAfovous xaruluußavorsaı nagd
tov ’EAasourra. Die lage der dinge in diesem augenblick war
diese. 18 schiffe der Athener hatten ihre station bei Sestos, 16
peloponnesische schiffe ihnen gegenüber bei Abydos; die hauptflotte
der Peloponnesier unter Mindaros war nach dem Hellespont aufge-
brochen; auf dem wege dahin wurde ihnen von der hauptflotte der
Athener aufgelauert, die ihnen dahin zuvorkommen wollten. Aber
noch vor mitternacht war die flotte unter Mindaros bereits bei
758 Jahresberichte.
Rhoiteion angekommen, Elaius gegenüber, befand sich also schon
am eingang des Hellespont. Das wird den Athenern bei Sestos
durch feuersignale angezeigt, sie haben es aber auch selbst schon
an den vielen feuern gemerkt, die plötzlich ihnen gegenüber an der
feindlichen küste sichtbar werden. Sie brechen also sofort auf, 15g
avıng Tavıng »vxiOc, und segeln eiligst, so schnell sie können, an
der ihnen befreundeten küste, der nördlichen des Hellespont, hin in
der richtung nach Elaius. BovAousros exnievour dg thy evevgwelar,
also um aus dem Hellespont, dem engen wasser binauszukommen.
Den ihnen gegenüber bei Abydos ankernden schiffen der Pelopon-
nesier waren sie dabei glücklich entkommen; wie es ihnen nun
weiter gegenüber den schon zwischen Rhoiteion und Elaius am
eingange des Hellespont befindlichen schiffen des Mindaros ergeht,
sagen uns die worte, auf die es uns hier ankömmt, z. 9: rug dé
peta 100 Mirddgov Gua rj Em xandovreg fjv Ó(wEw evIvo
HOvovpevos, OV PIdroves nmucat, GAA’ ai piv mhelovç exit rig Iu-
Beov xai Anuvov diépuyoy, Téooages dé ruv vewr al voratas
nhéovous xuradupPavorias naga 10v “Elasovria. Gehen wir genau
den worten nach, was sie uns angeben. £Ev9vs muss, wenn es
nicht eine ungebildete sprache sein soll, seinen deutlichen bezug
haben. Den hat es denn auch im vorausgehenden ua ı5 Em xa-
udories. Dano muss aber auch das verbum der eëdvçhandlung
mit dem xatsddvzec dasselbe subjekt haben, also die nocovperos ov
gIarovos müssen dieselben mit den xundurreg sein. Daraus
folgt, dass schon deswegen die änderungen, die man für xosov-
uevos vorgeschlagen hat, mosovuérov oder z0:0vuéra; unmöglich
sind. Also zosovpevos kann nicht weichen, und so haben wir hier
die verbindung q9urovos mit einem participium, wie es die regel ist.
Was aber heisst nun: zzv diu Ei» evIÙs nosovpevos, ot Garou
nacus? Wer der meinung ist, dass schwarz im griechischen
auch weiss heissen kann, und ja auch nein, der mag glauben,
die stelle erklärt zu haben, wenu er dlwksy für guy, nimmt, hier
wo eine schlachtbeschreibung gegeben wird und wo von manóvriren
die rede ist. Eine stelle für so etwas giebt es natürlich nicht,
und wenn dafür, freilich zaghafter weise genug, auf d, 44, 6: ov
xarà dlwki noAAnv ovdè rugetac quyng yevouérng hingewiesen wird,
so kann hier schon die gegenüberstellung von dlwkic und guy: so
wie die ganze vorausgehende genaue beschreibung der schlacht zei-
gen, dass dfwksc eben dlwksc und quyn gvyi ist. Zum glück ist
es hier an unsrer stelle der art, dass wir zupüchst wenigstens aufs
deutlichste sehen, was die worte 17» díwEiw t$Ovc nosovpero: ent-
halten müssen. Den worten folgt: où q3«vovos neo, GA’ ai
ner nAslovg dni 175 "Iufgov xai Afpvov ditpvyor, also wir sehen,
dies difpvyor ist das glückliche resultat dessen, was wit dem
dlwksy rosovpevos bezweckt wird, die folge von jenem thun, und
so muss also Thukydides nicht d'wfsr, sondern dí(wciv geschrieben
Jahresberichte. 759
haben. Die flotte des Mindaros hatte sich bereits von Rhoiteion
bis an die gegeniiberliegende küste hinübergezogen und den ein-
gang des Hellespont der breite nach occupirt, oder wenigstens so
ziemlich der breite nach, wir sehen das aus dem letzten der aus-
geschriebenen worte: zagà z0v ’Elasouvza. Von woher die flotte
des Mindaros gekommen war, ob „Von süden‘ oder von welcher
seite her, ist gleichgültig, genug sie hatte jetzt am eingang des
Hellespout von Rhoiteion bis nahe an Elaius stellung. Den Athe-
nern blieb also nichts als der versuch eines durchbruchs ührig; den
meisten schiffen gelingt es wirklich, durchzukommen, diépvyov, die
vier zuletzt segelnden werden von den Peloponnesiern noch bei
Elaius erreicht und haben nun das eine dieses, das andere ein an-
dres geschick. Sellst wenn das wort diworg in der ganzen grä-
eität nicht wieder vorkäme, würde uns die nothwendigkeit zwingen,
es hier von Thukydides geschrieben sein zu lassen; diwIEw kömmt
ja wiederholt vor und davon wäre ja d'wosç richtig gebildet; aber
wie anwoıg, ÉEwois, Enwoig, neolwoss, Guvwoig, su kómmt auch
diwoss sonst noch dreimal vor, ganz in dem sinne, wie wir es hier
in keiner weise entbehren können. Schon vor nun 40 jahren habe
ich (Rückk. des Alk. 38) in einer anmerkung kurz gesagt: »Thuk.
8, 102 sind die worte: zzv diwksy evdic nosovuevos den ausle-
gern eine qual; ich schlage d(wos für díwEiv vor und hoffe, die
sache ist damit abgethan“. Das war damals, sehe ich jetzt, sehr
vertrauensselig gesprochen, die ausleger haben die qual die 40 jahre
lieber weiter getragen. Ob sie sich nun endlich verstehen werden
zu dem, was doch sein muss?
Noth haben ferner in der ausgeschriebenen stelle die worte
gemacht, z. 6 —9: xui zug uiv tv “ABidy Exxaldena vais ludo»,
nQotignutvuc guhuxiic 16 qiio ézinlw, onwe aviwy avaxwe
EEovow, iv éxndfwow. Auch sie sind bis jetzt nicht erklärt, und
doch kann weder sprachlich noch sachlich ein zweifel sein. Die
sachlage, die hier in betracht kömmt, ist diese. Die Peloponnesier
unter Mindaros wollen den krieg von lonien nach dem Hellespont
verlegen. Das merken die Athener unter Thrasylos, sie trachten
also darnach, thm zuvorzukommen und das nicht ungehindert ge-
schehen zu lassen; c. 100, z. 17: un g9«oy ig tov ‘EdAnonovroy
ignisvoag (Mindaros). Thrasylos entsendet also sogleich zwei schiffe
nach dem Hellespout, um mit den bei Sestos den Hellespont bewa-
chenden (9, 62, 23: Snorow nuls tig Xeouornoov .. xadtloiavto
poovçior xai quAoxjv rov navsog ‘EdAnonovrov) 18 athenischen
schiffen die nóthige verebredung zu treffen. Diese zwei nach Sestos
entsendeten schiffe kommen alsbald wieder zum Thrasylos zurück
(c. 100, 7: xgoceyévovio dé xai èx 1où "EAAnonovrov tric duo
vnec En’ olxov uraxouılouerus), und was werden sie in Sestos ver-
abredet haben? Zunächst haben sie die bevorstehende ankunft des
Mindaros im Hellespont gemeldet und die zu erwartende ankunft
a
EE
760 Jahresberichte.
des Thrasylos dazu, und für die zeit, wenn das geschibe, von dea
schiffen bei Sestos gefordert, dem Thrasylos zu gunsten an des
eingang des Hellespont entgegenzufahren. Uud was war damit be-
zweckt? Offenbar ein doppeltes, einmal die vereinigung der ge-
sammten athenischen streitmacht, daun aber auch, bei dieser gün-
stigeu gelegenheit den Mindaros, wenn er in den Hellespont ein-
fuhr, in die mitte zu nehmen, War das nicht der zweck, so konnten
die schifle bei Sestos ohne gefahr dort im sichern bafen liegen
bleiben und an ort und stelle ruhig die ankunft des
Thrasylos abwarten. Auf eins aber war bei dem beabsich-
tigten manöver acht zu geben, nämlich die gegenüber bei Abydos
ankernden schiffe der Peloponnesier nichts merken zu lassen und
ohne von diesen behindert zu werden oder sie in allarm zu setzen,
an den ausgang des Hellespont zu kommen. Ich meine in dieser
beschreibung der sachlage nichts willkürlich angenommen, sondere
nur wiedergegeben zu haben, was der schriftsteller selber erzählt
hat. Ich übersetze also: ‚und den 16 schiffen bei Abydos zwar
blieben sie verborgen, da ihnen wachsamkeit anbefohlen war, vor
ihnen auf der hut zu sein, wenn sie auf ihrer entgegenfahrt zu
gunsten (des Thrasylos) zum Hellespont hinaussegelten“. Die sprache
ist so selbstgegeben, ungezwungen und schön, wie sie nur sein kann.
Die genet. abs. geben den grund für das &Audor, der dativ 10
gidlo àn(nÀo gehört nicht zu noossgnuérnc, sondern zu Ar dx-
niéwow. Wollte man iln zu xgossonuérng ziehen, so würde der
sinn freilich dabei derselbe bleiben, aber wozu will man sich un-
nöthiger weise in die nothwendigkeit bringen, dann émímàe für
énindfovos zu nehmen, denn ngosıpr,09us steht, wie es manchmal
einen dativ bei sich hat, ebenso gut auch wie hier absolut: e, 31,
28; è, 31, 5; a, 118, 30. Der dativ mit #v éxndéwosr verbunden,
der anfang des satzes mit dem ende, und die worte: omwg avi»
dvaxüQg EEovow, in die mitte genommen, so hat das ganze eine
schöne, einhaltbildende stellung. Schliesslich ist es kaum nóthig,
darauf hinzuweisen, wie schön hier gsAfm ist. Ein émímAovg ist
sonst in der regel ein feindlicher; hier haben wir nun 16) gole
éniniw; das 16 bei éxwAfwow zeigt an, dass die zum Hellespont
hinausfahrenden dieselben sind, denen die wachsamkeit anbefohlen
wird, das 19 quo Enno, dass diese selben zum günstigen au-
genblick entgegenkommen sollen, und da dies ganze sich an fladov
hängt, so fordert also auch hier wieder die interpretation mit noth-
wendigkeit, dass der sinn dieser ist: die athenischen schiffe bei
Sestos sollen zum Hellespont hinausfahren, dem Thrasylos entgegen,
ihm im günstigen moment gegen Mindaros hülfreich zu secundiren.
Leider ist aber Thrasylos zur rechten zeit nicht zur stelle, und so
musste freilich die sache anders verlaufen, als sie ursprünglich ver-
abredet und geplant war.
Eine dritte schwierigkeit, welche die ausgeschriebene stelle
Juhresberichte. 761
macht in den worten z. 6: rag rd» molsulwy vavç, braucht uns
nicht lange aufzuhalten. Zunächst stossen wir auch hier wieder
auf unmöglichkeiten der erklärung. Denn nach 2#’ Edasotvros eiu
punktum zu seizen und mit Bovidueros einen neuen satz zu begin-
nen, ist eine unmöglichkeit, es würde die verbindende partikel fehlen,
die in der gebildeten griechischen sprache, ausser bei einem rosicde
oder ähnlichem, niemals fehlt. Dann rag rv noAsuiwr vaëç von éx-
whevous abhängig zu machen, ist die zweite unmöglichkeit uud muss
das bleiben, bis man auch das unmögliche möglich zu machen weiss,
Was bleibt also übrig? Man könnte daran denken, die worte TUS
tv» nolsu(w» vavg nicht ganz aufzugeben, und mit ihrer hülfe zu
schreiben: xal 105 pév tv’ ABvdw Éxxuldexu 10v noAsu(uv rave
#249ov. Aber dass Abydos feindlich ist, und wenn dort schiffe
liegen, dies feindliche schiffe sind, brauchte der schriftsteller nach
seiner erzühlung c. 61. 62. 79 nicht erst besonders zu bemerken.
Also bleibt nur übrig, dass ein abschreiber hier zu den worten:
tac dy "Mfvdg éxxuldexa vabg das, was er aus der bisherigen er-
zählung wusste und auch hier wieder aus dem zusammenhang er-
sah, mit zug 1:0» nolsulwr vavs zur verständigung für den leser
an den rand setzte, von dem es dann sich in den text geschlichen
bat. Es wird schwerlich eine stelle geben, wo dieser hergung er-
sichtlicher auf der hand liegt.
So hätten wir denn in diesem kap. 3, 102 für jede der oben
bezeichneten kategorien je ein beispiel bei einander, eins, wo der
gesunde text nur der erklärung bedarf, das andre, wu er leicht,
hier nur in einem buclistaben verschrieben ist, und ein drittes, wo
er durch eine glosse gelitten hat. Von dieser dritten art hier noch
ein und das andre beispiel. Das erste sei die oft, auch von Müller-
Strübing , Forsch. p. 18 ff., wieder behandelte stelle 9, 68, 20:
xai CUT 16, ined) peréom n dnuoxqurlu xai dg —X —*
pera tv rerguaoglwr Èv vorégm perumedovia und OÙ drpov
Éxuxovro, Uouota pulveras 10v. péyou Èuoù vaso attwy TOVTWY
uinudels, wg Evyxa1t01n0e, Faraiov dlxnv anodoynoupevoc. So
giebt die worte der vortreffliche ltalus, und mit ihm auch der Va-
ticanus, der Palatinus, der Auganus (bei Bekker also ABEF), der rand
des Münchner (bei Bekker 5); dagegen liaben der Laurentianus (bei
Bekker C) und andre die worte: ueréorn n dnuoxgurlu xui lg ayürag
xatéorn pe .. nicht, und geben bloss: x«i uvzog 1e, Enudn Tu 10»
terguxoclwy xr. Dass die worte, so wie sie im Italus und in
seinen genossen steben, unveründert bleiben kónnen und so die
echten des schriftstellers sind, behauptet niemand, und das könnte
auch niemand, eben weil den worten die construction fehlt Ia
solcher lage kann wieder nur der zussmmenhang helfen. Ist dieser
der art, dass er uns lehrt, was der schriftsteller an der stelle sa-
gen musste, so kónnen wir such über die streitenden hand-
schriften zu gericht sitzen. Das ist hier der fall. In c. 67 haben
*
——
.
762 . Jahresberichte.
Euyyoagns avroxgutogec die 5000 eingesetzt, zugleich" @desa zuge-
standen für jeden beliebigen ferneren antrag. So ist der antrag
auf einsetzung eines rathes von 400 gestellt. Und von wem! Das
sagt c. 68, denn es fährt fort 2.8: nv dé 6 wär if» yrwunr zuv-
thy (auf eiusetzung der 400) einwv ITelcurdoos, xai radda éx rob
Beopuvovs ngoPvuotata Evyxuralvoucs 10» djpov. Dabei nimmt
der schriftsteller, wie er das schon mit dem uév (0 uév . . . al-
zw») eingeleitet hatte, gelegenheit, uns darüber zu belehren, wie es
müglich gewesen, das schwierige werk dieser staatsumwülzung (68,
4 ff.) zu stande zu bringen. Und nun erst, nachdem er das ge-
than und nach seiner art die motive dessen, was er zu erzählen
hat, angegeben, fügt er mit c. 69 den schlussstein ein uud be-
richtet weiter, dass dieselbe 2xxAnola, in welcher die 5000 einge-
setzt wurden, darauf auch den antrag des Peisandros auf einsetzung
der 400 angenommen und zum gesetz erhoben hat. So ist das c.
68 mit seinen motiven ein integrirender theil der erzählung, ja die
seele derselben. Die motive sind bier in den maonern gegeben, die
zusammenwirkend das werk unternommen haben, in deren besos-
derer tüchtigkeit. vor allem in dem an einsicht und beredtsamkeit
das mass der gewöhnlichen menschen weit überragenden Aati-
phon. Deshalb ist der schriftsteller über diesen ausführlicher, muss
sich aber dabei selbstverstüáudlich auf das beschrünken, woraus das
über diesen mann abgegebene urtheil erwiesen wird. Der beweis
ist ein doppelter, der eine hergenommen, weil Antiphon selbst nicht
gut wagen durfte öffentlich aufzutreten, aus der hülfe, die er an-
dern leistete, der andere hergenommen aus der vertheidigungsrede,
die Antiphon für sich selber gehalten hat. Dies zweite ist nun
aber der inhalt unsers fraglichen satzes. Was muss also dieser
satz vernünftiger weise uns bringen? Einmal eine angabe über die
art dieser rede, und dann, was sich naturgemäss dabei von selbst
giebt, eine angabe der zeit, wann diese rede gehalten worden ist.
Nur dies ist durch den zusammenhang gefordert, alles weitere ware
hier vom übel, weil es ungehórig wäre. Wenn es nun ie dem
satze iibereinstimmend in allen handschriften ohne ausnahme heisst:
quota palverus tw uéyos éuod unig avrwr zovıwr altiadelo,
ws Evyxaréorne, Iararov dixqny anodoynouperoc, 80 ist mit diesen
worten offenbar das eine, die überragende vortrefflichkeit der rede
bezeichnet, es fehlt also noch das andre, die angabe der zeit. Wie-
derum werden auch die worte, in denen diese enthalten ist, und
die den eben ausgeschriebenen werten kurz vorhergehen, von allen
handschriften ohne ausnahme überliefert, es heisst in allen: £»&ud?
10 10» 1e1Quxo0lwr ev voréQo uera necovra UNO TOU nuov Éxaxouro,
und so haben wir denn schon in den worten, wie der Laurentianus
und seine genossen sie geben, gerade das, was der zusammenhaag
hier fordert und was wir hier einzig bedürfen. Und nicht bloss
das, wir haben es zugleich in edler sprache und in diesem zusam-
Jahresberichte. 763
menbang sinnig schön ausgedrückt, denn wer kann verkennen, dass
wenn ultsaSelc, ws Svyxutéornoe folgt, das specielle, nur ein all-
gemeineres wort, wie mit éxuxovro geschieht, sinnig vorausgehen
darf. Daneben sehe man sich nun an, was ausserdem noch der
Italus und die andern bringen, und man kann nicht anders als auf
den ersten blick das ungehôrige erkennen, was hier angeflickt ist.
Es wird uns also nun zusammen geboten: 2z&d?) ueréorn 7, dnuo-
zoarla xoi ig &yQvag xuréoin pera tv Terpaxoolwr Er vortQo
uerunecovra vò TOU nuov Éxuxodro xrà. Von der mangelnden
construction spreche ich nicht, man könnte ja conjekturieren und zu
bessern versuchen. Aber was soll denn ueréorn n dnuoxga:la neben
we Evyxuztornoe, was ist zu dg dywrus xuréorn das subjekt neben
pera 10» rerQaxoG(uv, und was soll dies ic dyWras xaréoin sei-
nem inbalte nach neben uno 1où Óguov éxaxovio? Das alles ist
so uogelenk, so nebenbeilaufend und überflüssig, dass die gewissheit
über das, was die rede hier einzig bringen muss, die worte wieder
aus dem texte hinaus an den rand verweist, woher sie hereinge-
kommen sind. Sie mögen gern aus zwei glossen bestanden haben
und die eine, perform 7 Onuoxgatla zu unig avtwy tovTwy, die
andere zu airsudelç als erklärung beigesetzt sein.
Auch die betrachtung, die Classen, J. Brandis’ versuch (Rh.
mus. 9, p. 637 f.) aufnehmend, anstellt, rettet die worte nicht.
Classen will in dem c. 68 den charakter einer episode erkennen,
und durch solchen die worte gerechtfertigt finden. Ich kann nicht
anders, aber wer hier von einer episode spricht, verkennt den 'Thu-
kydides. Der mann, der überall motivirt, und gerade dadurch er
selber ist, soll das hier, wo es bei dieser wichtigen gelegenheit vor
allem seine pflicht war, nicht gethan haben? Man sieht freilich
nicht recht, wie Classen es meint, wann dieses episodeucapitel 68
geschrieben sein soll, ob zu gleicher zeit mit 67 und 69, oder
spüter. Aber was er überhaupt von der episode sagt, ist nuu
Müller-Strübing wasser auf seine mühle. Wenn Classen geschrieben
hatte: „aber es verstösst doch sicher nicht gegen den zusammen-
bang, sondern entspricht dem episodischen charakter der ganzen
atelle, wenn zur richtigen beurtheilung von Antiphons glünzendem
auftreten in seiner selbstvertheidigung die sümmtlichen noch nicht
erzählten politischen vorgänge, sowohl der umsturz der de-
mokratie wie der nachfolgende sieg derselben kurz
erwühnt werden“, so bemerkt Müller-Strübing p. 20 dazu:
„ich würde nun statt der unterstrichenen schlussworte geschrieben
haben: sowohl der umsturz der demokratie wie der nachfolgende
sieg derselben kurz recapitulirt werden. Denn ich stimme
Classens ausführung ganz bei, aber nur unter der voraussetzung,
dass diese ganze episode ursprünglich nicht in einem athem mit dem
. unmittelbar vorbergehenden und darauf folgenden erzählt, nicht in
einem zuge mit c. 67 und 69 geschrieben, sondern später, viel
| ' — —
:
764 Jahresberichte.
später zwischen sie eingeschoben ist, und zwar allerdings von The-
kydides selbst“, nämlich, wie er alsbald specieller angiebt, „bei der
letzten redaktionellen überarbeitung seines werkes . . bald wach
dem tode des Theramenes“. Nun wissen wir allerdings, woran wir
sind, aber wir sehen auch wieder, was Müller-Strübing môglich ist.
Also ein kapitel, ohne das es eben nicht geht, das von anfang as
da sein muss, wenn die erzühlung nicht stümperhaft ausfallen soll,
ist erst spüter, viel spüter hereingeflickt, bei einer letzten redak-
tionellen überarbeitung, die nie stattgefunden hat, von der bis jetzt
auch nicht eine einzige, nicht die leiseste spur nachgewiesen ist.
Habeat sibi! Wenn aber Classen selbst andrer meinung ist und
sich hier dies crimen laesae maiestatis gegen den schriftsteller nicht
zu schulden kommen lässt, sondern annimmt, c. 68 sei mit c. 67
und 69 zu gleicher zeit geschrieben, so ist es auch im geiste des
Thukydides keine episode, es fällt dann aber auch die consequess
dahin, die aus solcher gezogen werden sollte.
Hiemit kann ich die stelle, so weit es ihre constituirung be-
trifft, verlassen; doch verweile ich noch einen augeublick, weil sie
in einem wichtigen punkte, wie ich sebe, bisher uoch missverstes-
den ist. Es handelt sich nämlich jetzt um die erklärung der worte:
zul atbrog te... agora yalvsını Wr péyor tuoù unig avi
rovtwy uluadels, wg Evyxaréoinos, Favatov dixnv axodoynoapeves.
Zuvächst freut es mich, dass Classen xai aviog te gegen Bekkers
vorschlag: x«i uviog dé, dem auch ich früher (Philol. 24, 720)
gefolgt bin, beibehalten bat. Das ré macht hier die anfügung, uad
xui avrog stellt sich dem vorausgehenden z. 15: èç wir dipuor ot
nagswy ovd Es “Aldor uyüra éxovoiog oùdéra an die seite. Von
den stellen, die Classen für den gebrauch anführt, sind ¢, 45, 27
und C, 103, 25/1, offenbar andrer art, denn das ré verbindet sich
dort mit einem folgenden xal; aber die von ihm noch angeführten:
a, 9, 32 und 9, 76, 10 sind beweisend, und dazu vgl. man noch:
t, 44, 15; 9, 34, 1; 9, 70, 5. Doch nun zur sache. Alle er-
klürer legen in diese worte den sinn, als hatte Thukydides in ihnen
das urtheil abgegeben: von allen, die bis jetzt in einem process
auf tod und leben ihre vertheidigung gefübrt haben, hat Antiphon
das am besten gethau. Meinem seligen freunde Ullrich ist dabei,
scharfsinnig und weitblickend wie er immer war, der gedanke ge-
kommen, Thukydides kóunte die worte wohl im hinblick auf So-
krates und dessen lebensvertheidigung geschrieben haben. Aber ist
ein solches urtheil nicht überhaupt von vorneherein ein wunder-
bares und gewagtes ding? Es soll jemand sagen: von allen le-
bensvertheidigungsreden, die je gehalten worden sind bis auf meine
zeit, hat dieser oder der die beste gehalten? Also wer so kühn
ist, solch urtheil zu fallen, hat alle reden dieser art gelesen und
verglichen? und noch mehr, er will sich mit solebem urtheil her-
auswagen, wenn der gegenstand der anklage nicht derselbe ist, also
Jahresberichte. 765
die objekte verschieden?! Und so etwas soll ich vom Thukydides
glauben, den ich nie auf solcher führte betreffe? Aber wenn man
genauer zusieht, so sagt ja "l'hukydides etwas ganz anderes.
Schlecht und recht heisst es bei ihm: uud als später die 400 ge-
stürzt waren und vom demos verfolgt wurden, lat er von allen
bisjetzt, . . . angeklagt, ihre eiusetzung mitbewirkt zu haben, sich
am besten vertheidigt. Also doch nur: von den 400 am besten.
Kónnte daran noch ein zweifel sein, so würde der durch das bei-
gefügte bnig aviwy Tovrwr aufs gründlichste gehoben. Dies unig
aviwy toviwr gehört doch sicher nicht zu aluadelc, wo wäre ul-
teaoSas jemals mit vxég construirt? sondern offenbar gehört es zu
anoloynOupevog, und deswegen heissen die worte: von allen bis
jetzt hat er für eben diese 400 (ra ro» 1e1puxo0{wr) die beste
lebensvertheidigung geführt. Also von andern vertheidigungsreden,
die sonst in lebensprocessen gehalten worden sind, ist hier abge-
sehen, an Sokrates ist dabei nicht gedacht worden, auch an 'The-
rameues nicht, der sich gegen Kritias noch wegen ganz audrer
dinge zu vertheidigen hatte, sondern Antiphons lebensprocessrede
ist hier einzig mit den reden in vergleich gesetzt, die bis dahin,
als Thukydides das schrieb, von andern der 400 zu ihrer verthei-
digung gehalten waren. Eine wichtige zeitangabe für die abfas-
sung dieser stelle ist in den worten: rdv uíyos éuoù zugleich mit-
enthalten; sie zeigen, dass die stelle schon geschrieben ist, als sich
processe gegen die 400 noch täglich wiederholen konnten. Doch
darüber eio andres mal zu seiner zeit.
Eine andere stelle, die durch eine randbemerkung gelitten hat,
ist 7, 48, 11 zw. Die letzten worte des kapitels: zoí(feu» ovv Eq
Xoüvas ngocxaO qué£vovg, xui pi) yonunos,r, ws nodu xpelocovs clot,
vexnFéviag antévus, sind so von Thukydides nicht geschrieben wor-
den. Offenbar sollen sie kurz das resultat der betrachtungen wie-
dergeben, die Nikias in jener berathung der officiere des heeres
(47, 23; 48, 11) angestellt hat; das ist schon an dem ob» er-
sichtlich. Die worte müssen also in ihrer art wiederbringen, was
im vorhergehenden enthalten ist. Mit dem ersten theil der worte:
telBesw ovv Epn yoïvas ngocxaSnuérovc, geschieht das auch, aber
was will der folgende zweite theil der worte besagen: xui un
Yenuacw, we nodò xçalooovç lol, vexnFévrug ancévas? Dass die
worte ryonuaciu we modu xgelooouc elof zusammengenommen wer-
den, ist sprachlich uud sachlich unmöglich. Sprachlich, dena dann
müsste es nicht zoÀv, sondern roll heissen. Doch das darf ich
nicht sagen, ohne es zu beweisen. xge(oow efvus heisst entweder
siegen, soviel wie »ıxay, oder an etwas besser dran sein als ein
andrer. Im ersten fall erscheint sodv dabei, wenn’s sein muss, im
zweiten nodd@. Das ist regelmässig bei Thukydides, und ist auch
sonst der analogie der sprache gemäss. Also heisst es &, 37, 20:
jyovpus . . . wy. . nuertgur nodey uvsyy tig vor CiQuriug ws
766 Jahresberichte.
qao énsovons, xai el dic rocavin Adoı, nou xgeloow ala;
n, 41, 3: roig uir vavoi xai noXv xyelooovçs elvus, édoxovy di
xul 10v nsbor yesQuiceGD'as, das heisst nicht, wie schon der gegea-
satz lehrt: an den schiffen besser daran sein, sondern: mit der flotte
weitaus den sieg gewinnen; ähnlich 7, 60, 7: wolv .... xgam-
Java; n, 34, 14: oft yag KoglrFios rynourro xgarety el pi
xui noÂd éxquiovrio, of tr ^ 49qvaios. évouibor nooaodus, Sn
où z0À9 évixwr; vgl. a, 25, 22; a, 49, 33; n, 56, 23; 3, 17,
11; 9, 89, 7; 9, 105, 25. Dagegen lesen wir e, 101, 32: of
yàg megi drdguyuFtug 6 aydv ano rov Toov vuir, un alayuım
óqeir, negl dé cwinglas piddoy f Bovdn, moog tous xgt(GGevag
noÀàd ui dvPlowoFus; n, 55, 14: ix mugudxeviig nollé
xgelosuuc Orreg ; natürlich ist es mit dem gegentheil von xge(cow
sivas ebenso: a, 136, 27: vn! éxelvou noAA d acPevectégon; fj,
89, 10: dx 20426 vnodesctéqur; È, 1, 22; L, 1, 24; n, 80,
26; 9, 83, 20. Der gebrauch ist durchstehend; so wie auch sonst
ein direkter vergleich oder bezug auf ein andres vorhanden ist,
erscheint beim comparativ nolA@, nicht noAv; will man z. b. darauf
merken, wann Thukydides 5oÀó voregov, oder wann er dagegen
nohig vGregov schreibt, so freut man sich über die scharfe und
regelmässigkeit, mit der er unterscheidet. Doch ich muss das hier
lassen, auch gebrauche ich’s zu unsrer stelle nicht weiter. Es folgt
schon aus dem gesagten: hätte Thukydides hier ausdrücken wollea:
da sie an geldmitteln viel besser daran würen als jene, so würde
er no xgelocovs, nicht modu xyelooous gesetzt haben. Alse
goiuacw gehört nicht mit 0A» xge(GGov; zusummen. Aber wie
konnte Nikias: wg modu xpelocovs elolv sagen, mit dem sina: „da
sie weitaus sieger waren“, die Athener waren ja eben erst ge-
schlagen, und Nikias selbst war der meinung, 48, 8: xerggd cour
Ta nouypuuru sivas. Und was alsdaun von diesem zweiten theil
der worte noch übrig bleibt, ist ebenso wenig brauchbar. Will
Nikias sagen, warum man nicht abziehen darf, un anıfvas, so wird
er doch nicht so ungeschickt sein, ein wort, vex79érrag, im sinne
von: nach einer verlornen schlacht, zu gebrauchen, und damit ge-
rade den grund zu erwähnen, der zum wegzuge bestimmen musste.
Zum glück ist die sache aber auch hier wieder der art, dass wir
deutlich sehen, was der schriftsteller hier sagen musste, ued was
die worte für einen gedanken bringen müssen. Nikias hatte im
vorhergehenden eine doppelte betrachtung fürs bleiben angestellt,
die eine liegt auf seiten der gegner, die andre auf seiten der Athe-
ner. Jene drückt sich vollständig in dem ersten theil der schluss-
worte aus: i9lfew obv ypivus noogxadnutvoug; nun muss das
zweite kommen, was ihn den feldherrn bestimmt, zu bleiben, wenn
er an die Athener zu hause denkt. Der sinn also von alle dem,
was 48, 24—2 ausgeführt ist und was in den worten gipfelt, x.
32: Ponosodas wg vaò yenudtwy xarungodorvtes of Grewinyoi
Jahresberichte. 767
anjidov, muss in dem zweiten theil des schlusssatzes kurz zu-
sammengefasst sein, und des geschieht, wenn wir die worte ful-
gender massen lesen: xai un wg yonpums vxndérrag anılva. Es
ist das also derselbe gedanke, wie er vorher in den worten: we
UNO yonuutwr xurungodorıss oi Crgurnyoi anjAFoy ausgedrückt
war, dieser wichtige beweggrund, der den Nikias zum bleiben ver-
anlasst, und wie er deswegen hier, wo Nikias resumirt, wieder zu
seiner geltung kommen muss. Wie leicht ein alter erklárer, wenn
er hier yozuuos las, dazu kommen konnte, au den geldmangel bei
den Syrakusern zu denken, von dem eben gesprochen war, und des-
wegen in seiner weise: wo modu xyelooouç sloí an den rand zu
setzen, ist begreiflich, nur hat er dabei nicht bedacht, dass von
einem geldüberfluss bei den Athenern im vorhergehenden mit keiner
silbe die rede war.
Also auch durch randbemerkungen, wie hier, hat der text ge-
litten, wie sollte das nicht oft geschehen sein, aber nichts desto
weniger darf ich wiederholen, was ich immer behauptet habe, dass
die überlieferung im ganzen vortrefflich ist. 1n den allermeisten
fallen, wo man ändert, bedarf es bloss der erklärung; manche an-
deren stellen sind iu einem oder einigen buchstaben leicht verschrie-
ben, sind aber gerade bei diesem schriftsteller, bei der durchsich-
tigkeit seiner erzählung und dem präcisen ausdruck seiner gedanken
leicht zu erkennen. Vornehmlich diese stellen sind es, die uns
über die treue der überlieferung belehren können. Eben in der
sinolosigkeit, die die überliefernng hier bringt, zeigt sich ihr werth.
Wer hier lieber das unverständliche hiuschreibt, als seine eigne weis-
heit zu markte bringt, ist gerade unser mann. Denn er zeigt, dass
er vor dem, was ilm vor augen liegt, vor seinem original den
nöthigen respekt hat, und hat uns so durch seine bescheidung nun
das mittel gelassen, selber mit einigem nachdenken das ursprüug-
liche zurückzufinden. Die bandschrift also, die mehr treue des
schreibers und weniger die hand des nachbesseruden gelehrten ver-
rüth, ist die werthvollere, eben weil sie dem original die nühere
ist. Daher kömmt es, dass die übereiustimmuug der bessern hand-
schriften, als solche gelten mir die von Bekker verglichenen sechs,
oder die übereinstimmung der mehrzahl derselben vine grosse ge-
wale für die richtigkeit dieser überlieferung giebt, dagegen das,
was die einzeluen auch dieser handschriften eigenthiimliches und
besonderes bringen, in der regel aus einem unzulanglichen nachden-
ken geflossen sein wird. Machen wir einmal die probe au den
varianten des proömiums, also der ersten 23 kapitel. Hier hat die
mehrzahl dieser handschriften 111mal (unter diesen Smal die hälfte
der handschriften) das richtige, 12mal unrichtiges, nämlich: «, 2,
9; 3, 23; 9, 20; 12, 28; 13, 24; 14, 24; 15, 30; 18, 30;
19, 29; 22, 8: 22, 11; 23, 1. Auch 12, 28 uad 18, 30 habe
ich hier mitaufgefübrt. An der ersten stelle haben die Bekkerscheu
768 Jahresberichte.
handschriften alle: 70vyacaoar, aber erstens ist kein grund abzu-
sehen, warum hier der satz mit ware selbständiger auftreten soll,
und dann giebt es überhaupt bei Thukydides keine einzige stelle,
wo nach wore bei gleichem subjekt ein acc. c. infinitivo folgte; überall
erscheint in diesem falle der nom. c. infinitivo: «a, 81, 4; a, 91, 5;
B, 40, 19; B, 49, 35; 0, 64, 8 ff.; d, 65, 30; è, 61, 11; 7,6,
11; 9, 76, 14. Auch an der andern stelle, 18, 30, wird gegen
die mehrzahl der handschriften, die x170:» geben, mit wenigen an-
dern xziosyv zu lesen sein. Bei xijg muss das folgende vür èr0s-
xourtwy überflüssig erscheinen, während dies folgende: zw» rey
évosxourrwr aviny Awgitwv bei xrlosv nothwendig ist, da Lace-
damon schon vor den Doriern bestanden hat und von diesen zum
zweiten mal gegründet wird. Mit xríci giebt dann diese stelle
dasselbe, was wir €, 16, 28 wiederbekommen.
Wenn nach diesem zahlenverhältniss die mehrzahl der hand-
schrifteu in ihrer übereinstimmung schon von vorneherein vertrauen
erweckend ist, so nimmt dagegen die einzelne handschrift, wo sie
in ihrer abweichung von den andern alleiu steht, wenig fur sich
ein. Der codex A. der Cisalpinus oder Italus, hat Qmal etwas eignes
für sich, und darunter nur Imal, «, 15, 30 in ngocoyorres das
richtige; der codex B, der Vaticanus, steht auch 9inal mit seiner ab-
weichung allein, hat aber hier nicht ein einziges mal das bessere.
Auch im 8, buch will mir der Vaticanus nicht in viel günstigerem
verhältuiss erscheinen. Hier weicht er in den ersten 10 capitela
an 54 stellen von allen anderu handschriften ab und bringt dar-
unter im ganzen an 5 stellen das annehmbare: 9, 1, 6; 5, 25;
6,29; 7,6; 8,20. Der codex C, der Laurentisnus, hat in den capp.
15—23 fünfmal besonderes, darunter einmal das ursprüngliche, 22,
11: éatégwy. Der Palatinus, e, bringt (wieder in allen 23 capiteln)
ihm allein eigenthümliches 13mal, besseres nicht 1mal ; der Augustanus
F 31mal besonderes, dus bessere auch er nicht ein einziges mal.
a, 1, 5 halte ich nämlich 704», dus die mehrzahl der handschriften
hat, für nothwendig, das nıo«r in F oder das joav in G für die
weisheit des schreibers. Abgesehen von anderem muss es ersicht-
lich schon deswegen jouv sein, weil der schriftsteller unten, c. 19,
32/33, wo er auf den anfang zurückkömmt, denselben gedanken
mit 70a» wiederbringt; vgl. Philol. 38, p. 535, anm. 3. Ebenso
giebt der Münchuer G an 20 stellen, wo er mit dem seinen allein
steht, nicht au einer stelle etwas, was den vorzug verdiente. Wenn
demnach dieses zuhleuverhältniss im proómium, das mir im übrigen
werke dasselbe zu sein scheint, einigen werth hat, so würde also
die einzelne handschrift vor den übrigen für ihre besonderen eigen-
thümlichkeiten keinen anspruch erheben dürfen. Soll doch einer
ein vorzug zuerkanut werden, so müsste es die sein, die von dem
einfaltigeren aber treueren schreiber herrührt, die schreiber von
BCEFG denken mir zu viel und sind mir zu gelehrt; ich möchte
mir auch hier die armuth am gene Wes,
Hamburg. L. Vies.
III. MISCELLEN.
A. Zur erklärung und kritik der schriftsteller.
22. Zu Homeros.
Nachtrag zu p. 544. Am schluss meiner miscelle über
B 68 ff. habe ich auf ¢ 160 ff. als original für d 141 ff. hinge-
wiesen, und iu der that lüsst sich nicht bezweifeln , dass dem
dichter jener verse:
ov yág nu nva quus tosmora woe idéotus
ovr’ avdg’ ovte yuvuixu, offug pe’ Eyes eloogowcar,
ws dd’ ’Odvoonos tudaclyeoros vl, Eouxer,
Thlenayo —
jene herrliche partie vorschwebte. Aber wenn wir das eigenthiim-
liche Zocxey mit dem voraufgehendeu Zosxore vergleichen, so müssen
wir erkennen, dass das schiefe des ausdrucks nicht nur in der
einfüguug jenes verses: ovı’ uvdg ovrt yvvaixa , otfluc m Eye
eloogdwoay liegt; man sollte doch auch vielmehr 'Odvac?; und nicht
’Odvocnog vl, erwarten, ganz so wie es 7 379 ff. wirklich heisst:
Boddoi di) Eeivos radunelguos trud’ ixovro,
GAN oU nu teva que Cosxota wide ldéctas
ws ov déuug pwwriv te nodas Y Odvoons Fouxas.
Nach diesen beiden reminiscenzen hat also der dichter des vierten
buches seine stelle gestaltet.
Halle a. d. S. Rud. Peppmiiller.
23. Horat. Ep. I, 5.
Ribbeck folgt einem eindrucke, den gewiss mancher leser ge-
theilt hat, wenn er bemerkt, dass v. 6 „selbst als parenthese gefasst
sich gar trocken und kurz angebunden, ja so allein und an dieser
stelle so zu sagen patzig ausnimmt , und setzt darum den vers
hinter v. 10. Indem er nun feruer v. 12—20 als „eine ebenso
breitspurige als triviale diatribe über die angemessenheit fröhlichen
Philololgus. XLII. bd. 4. DI
770 Miscellen.
lebensgenusses und die freuden des rausches für unächt erklärt,
gewinnt er die aufeinanderfolge der verse:
si melius quid habes, arcesse, vel imperium fer:
haec ego procurare et idoneus imperor
und damit den guten zusammenhang ,oder noch lieber, lass dir mein
gebot gefallen, wie ich es meinerseits gern als ein gebot meiner
gäste ansehe, es ihnen nach kräften bei mir behaglich zu machen‘,
Es lässt sich gar nicht leugnen, dass die unmittelbare verbindung
des imperium fer uud imperor etwas bestechendes hat, zumal Horaz
solche wiederholungen liebt, vgl. Ep. 1, 18. 43: cessisse putatur —
tu cede, Ep. Il, 2. 18: dicta tibi est lez — 20 dixi. A. P. 460.
16: non sit qui tollere curet. sicuret quis opem ferre u. o., trotzdem
aber halte ich die überlieferte reihenfolge der verse für die richtige.
Zunächst nämlich erwartet man den vers: si melius quid habes
arcesse offenbar da, wo unmittelbar vorher ein bestimmter
genuss angeboten ist. Dies geschieht aber nur v. 3 und 4:
denn in der Ribbeckschen umstellung ist der inhalt von v. 3. 4
durch v. 5 gastliche herrichtung des raumes in vergessenheit gebracht,
wenn die folgende malnung: mitte levis spes — und die daran ge-
knüpfte aufforderung, die sommernacht in traulichem beisammensein
zu verchwatzen. Die beziehung für si melius quid habes würde,
wenn überhaupt die gabe einer feiusinnigen aufnahme etwas plump
als dem Horaz allein verliehen bezeichnet werden sollte, wie Rib-
beck das will, nur gewonnen werden, wenn der vers: si melius quid
habes hinter v. 26: ut coeat par iungaturque pari folgen könnte.
Dies ist aber augenfallig unthunlich. Mithin ist der eigentliche und
einzig mögliche platz für si melius quid habes der überlieferte als v. 6.
Sodann ist dies nicht die einzige stelle, in welcher der dichter
seine lebensanschauungen, seine genügsamkeit u. s. w. in einer
weise hervorkehrt, welche unserem geschmacke vielleicht heraus-
fordernd oder absprechend erscheint. Dahin gehórt der schluss der
nächsten epistel, 6, 67 : si quid novisti rectius istis Candidus imperti,
si non, his utere mecum, der eine unverkennbare ühnlichkeit mit un-
serer stelle hat. Auf die analogie von Carm. 1, 20 seinem ganzen
inhalte nach, besonders in der schlussstrophe: Caecubum et praelo
domitam Caleno tu bibes «vam: mea nec Falernae temperant vites
(vgl. Güstrower progr. 1877 p. 3) hat bereits Fr. Jacobs Verm.
schr. V, 38 aufmerksam gemacht; desgleichen gehórt hierher der
passus aus der ode an den problematischen Vergilius IV, 12: sed
pressum Calibus ducere Liberum Si gestis, iuvenum nobilium cliens,
Nardo vina mereberis u. s. w., welcher ganz der einladung an den
Fabullus bei Cat. XIII entspricht, so dass zu urcesse ein sachliches
object: dies (sc. was du hast) zu suppliren ist, und nicbt mit
Turnebus Adv. 1, 18 me. Ueberhaupt deckt sich der feine takt
der Horazischen poesie ebensowenig überall mit unseren aestheti-
schen anschauungen als mit der verbindlichkeit des modernen aus-
Miscellen. 771
druckes: wenn Ep. I, 2 schliesst: quod si cessas aut strenuus anteis,
nec tardum opperior nec praecedentibus insto, so entspricht das un-
serem: dann muss ich auf deine begleitung verzichten. Hiernach
ist auch das si melius quid habes nicht in der vollen schärfe wört-
licher übersetzung gemeiut; es bezeichnet : ich habe nichts besseres,
ich setze dir mein bestes vor, hoffentlich genügt dir das,
Weiter aber muss diese stelle sowohl wie die ganze epistel
mit einem besonderen maass gemessen werden. Sie ist ihrem wesen
und inhalt nach lyrisch, in der form didaktisch: eine einladung im
conversationston der sermonen, ein billet, wie Ribbeck treffend sagt,
aber durchaus mit den motiven eines sympotikons; was Horaz in
jungen jahren in ein sapphisches lied einkleidet, dafür wühlt er als
gereifter mann die ihm jetzt melir zusagende form der sermoni pro-
piora, weil sie ilm gelegenheit giebt, seine laune und seine unver-
gleichliche ironie spielen zu lassen. Es ist ein leichtes und in den
commentaren dazu schon vielfach vorgearbeitet, alle wesentlichen
bilder, gedanken und ausdrucksformen dieser epistel als bereits in
den oden dagewesen nachzuweisen: hat doch sogar Hofman Peerl-
kamp zu Carm. I, 20 behauptet: Auctor perpetuo ante oculos habuit
I. Epist. 5 Ita quod scripsit vile potabis Sabinum in Epist. V, 4
Vina bibes iterum Tauro diffusa; quod hic modici canthari in Epist.
V, 2 est modica patella, vox cantharus etiam in Ep. legitur V, 22
nec non et cantharus et lanz u.s. w. Hieraus ergiebt sich aber
auch, dass der passus üher die wirkungen des weins nicht bloss in
einem „Iyrischen gedichte, welches bacchische begeisterung und aus-
gelassenheit athmet, an der stelle ist“, sondern auch „in einer sonst
anständig, ehrbar und nüchtern gehaltenen epistel* (Ribbeck), welche
sich an jene lyrischen gedichte so unverkennbar anlelnt; aus der
ganzen epistel schaut der schalk Horaz heraus: er hat gesagt, dass
er keine lieder mehr dichten wolle, (Ep. I, 1, init., I, 1, 111)
und halt dus versprechen auch in dieser epistel wohl der form, aber
nicht der sache nach.
Auch im einzelnen ist der zusammenhang gut gewahrt und echt
horazisch, wenngleich die epistel nicht zu den vollendetsten leistun-
gen des dichters gehört. Der v. 4. 5 genannte wein ist kein vile
Sabinum, sondern aus vorzüglicher lage, daher der gedanke etwas
anders als C. I. 20; an unserer stelle lautet er: ich setze dir ei-
nen guten wein vor, hast du aber noch besseren, so lass ihn holen,
soust lass es dir bei mir gefallen. Der nächste vers ist begrün-
dend : hab ich mich doch schon lange auf dich gefreut und darum
alles zu deinem empfange blank putzen und herrichten lassen. Mit
leichtem gedankenfortschritt folgt nun Mitte levis spes: darum komm
und lass die sorgen hinter dir! Aehnlich spinnt Horaz oft den fa-
den weiter; keine analogie ist aber treffender als die von Carm.
HI, 8, v. 13 sume Maecenas für den übergang selbst und v. 17
Mitte civilis super urbe curas für den gedanken, wie denn dies lied
N°
772 Miscellen.
auch in der grundidee dona praesentis cape laetus horae ganz mit
der epistel barmonirt. „Wie passt grade hier zu der beschreibung
einer bescheidenen einrichtung eines frugalen mahles die einem ca-
pitalisten, nicht dem besitzer von parva rura geziemende berufung
auf vermügen, fortuna, v. 12, das nicht für den erben aufgespart
werden soll“ fragt weiter Ribbeck: Ebensogut wie zu dem pro-
pheten der aurea mediocritas ein Non ego sanius bacchabor Edonis.
Wie sich der ürmste maun als Croesus fühlen kann, so kann er
auch im scherze von sich als von einem Croesus sprechen: der in
bescheidenen verhültnissen lebende ladet einen freund zu gaste und
sagt launig scberzend: was soll mir all mein geld, wenn ich nichts
davon habe? Dieser scherz ist also an sich ganz verstündlich; im
hinblicke auf die lyrischen lieder des Horaz aber heissen diese verse:
hab’ ich nicht selbst oft geuug gesungen Nullus argento color est
avaris abdito terris (Il, 2) und Absumet heres Caecuba dignior (II,
14)? Aus solchen stellen folgt ebensowenig, dass Horaz ein Croe-
sus ist als dass er einen erben hat, der auf seinen tod wartet. —
Endlich sagt Ribbeck: Wie philisterhaft der vermessene entschluss
patiarque vel inconsultus haberi! Und „anfangen“ will er zu
trinken und blumen zu streuen: incipiam, jetzt, mehrere jabre nach
dem zweiten consulate des 'T. Statilius Taurus, d. h. nach 728,
also in einem alter von jedenfalls mehr als 40 jahren! Sollte das
alles ironie und humor sein, so war die fiction des wohlstandes
und der jugendlichen iippigkeit von anfang au aufzunehmen und bis
zum schluss durchzuführen, nicht so plötzlich, ohne alle vermitte-
lung, in ganz auderem tone wie die umgebung, mitten bineinzu-
werfen“. Allerdings, in einem lyrischen liede beherrscht der im
anfange angeschlagene ton der regel nach die ganze dichtung, und
wo das nicht der fall ist, wie iu dem unvergleichlichen carmen
amoebeum: Donec gratus eram libi oder Intermissa Venus diu oder
in dem iambus: Beatus ille qui procul negotiis beruht der effekt
eben auf dem plótzlichen umschlagen der stimmung; in den satiren
dagegen und in deu episteln bewegt sich der dichter viel freier
und grade iu dem anmuthigen wechsel von ernst und scherz besteht
ein hauptsächlicher reiz der sermonen, wie z. b. Ep. 1, 1 beweist.
Und nicht ,philisterhafi* finde ich den vermessenen entschluss vel
inconsultus haberi, sondern darin vielmehr eine nahe genug
liegende anspielung auf deu consultus Torquatus, wie ja
auch Horaz die juristen gern consultus nennt (Ep. Il, 2, 87: frater
erat Romae consulti rhetor u. 6.) die sich so zur geltung bringen
lässt: ich will einmal die sonst euch juristen beson-
ders anklebende pedanterie von mir werfen. Incon-
sulius kommt bei Horaz nicht weiter vor und gehört zu den ses-
quipedalia verba, die er nicht leicht ohne absicht braucbt; ganz
unverkenubar wird dieser scherz aber dadurch, dass der v. 21: haec
ego procurare diese ansyielung fortsetzt; denn procurare ist
M
M.
Miscellen. 773
ebenso wie procuratio procurator eiu technisches, rein prosaisches,
wort, kommt bei Horaz auch nur hier vor und passt auf die ju-
ristische praxis des "Torquatus, vgl. Cic. ad Tam. XII, 24, 2: Is
(T. Pinarius) procurat rationes negotiaque Dionysii nostri. Eine
solche procuratio zu übernehmen empfiehlt Sat. II, 5 Tiresias dem
Odysseus als ein lucratives geschüft, die voraussetzung dazu ist na-
türlich eine tücbtige juristische bildung, daher soll Odysseus seine
empfehlung auch damit beginnen: (v. 34) ius anceps novi, causas
defendere possum. Wir würden diese auspielung wiedergeben kün-
nen durch: mein geschüftskreis erstreckt sich nur
darauf, dir es recht behaglich bei mir zu machen.
Eine bestütigung für diese auffassung finde ich soeben in dem
Darmstädter progr. 1881, wo Stöpler nachweist, dass Horaz auch
c. IV, 7 juristische ausdrücke mit vorliebe braucht, C. IV, 7
und Ep. I, 5 sind aber die beiden einzigen an den Torquatus ge-
richteten dichtungen des Horaz und kónnen auch ihrer abfassung
nach nicht weit auseinanderliegen. Vom "Torquatus wissen wir
nichts, als was wir aus diesen beiden gedichten entnehmen können
(die notizen in den scholien sind werthlos); wahrscheinlich ist es
also, dass er den eingefleischten juristen zur schau trug und da-
durch die betreffenden wendungen des Horaz hervorrief. — End-
lich ist das von Ribbeck bemängelte incipiam zwar nicht eben
schón, aber nicht ohne beispiel, vergl. Sat. Il, 3, 129: populum si
caedere virgis Incipias, wo es ebenso wie hier und wie conari Sat.
11, 1, 41 als blosses hülfsverbum steht. Denn in dem incipiam
eine anspielung auf das supere aude, incipe der Ep. J, 2, 40 an-
zunehmen erscheint mir trotz des kóstlichen humors (ich will end-
lich einmal den mannhaften entschluss fassen — so habe ich ja
selbst gesungen! — recht — — vergnügt zu sein), den die stelle
dann hatte, zu gesucht.
Güstrow. Th. Fritzsche,
ee oc — = ge —
24. Zu Caesar Bell. Civ. III, 112, 2 und Hirtius Bell. Alex. 8, 2.
1. Cäsar schreibt Bell. civ. II], 112, 2: Haec insula (sc. Pharos)
obiecta Alexandriae portum efficit; sed a superioribus regionibus in
longitudinem passuum DCCC in mare iactis molibus angusto
itinere ef ponte cum oppido coniungitur. Die gesperrt ge-
druckten worte werden von 0. Schambacb (s. Neue jahrbb. bd. 125,
bd. 3, 1882, p. 220) als verdächtig bezeichnet, sowohl wegen des
ausdrucks, als aus sachlichen gründen.
Dass die annahme eines £» dou duviv (= euger brückenweg)
ein künstliches aushülfsmittel ist, wird man gerne zugeben. Die
untersuchungen Schambach's über die muthmassliche breite des hep-
tastadions sind lehrreich und dürften im allgemeinen das richtige
N
774 Miscellen.
treffen , aber die auf dieselben basierte streichung der oben be-
zeichneten worte kónnen wir nicht befürworten.
Schambach sagt u. a.: „Bei moles in mare iactae denkt nie-
mand an eine grosse breite und so könnte der zusatz angusto ili-
nere unbeschadet des sinnes auch fehlen. In diesem fall ist er je-
doch geradezu verwirrend, insofern er zu der annahme verleitet,
dass das, was von den moles schon an sich gilt, hier in besonders
hohem grade gegolten habe, während gerade das umgekehrte der
fall war, wie die folgende auseinandersetzung zeigen wird“ u. s. w.
Es ist ja richtig, dass man sich die obere fläche von molen
von vorneherein nicht als besonders breit vorstellt, aber man denkt
sich dieselben doch ebenso sicher nicht als besonders schmal. In
dem wort moles liegt vielmehr der begriff des gewaltigen und ge-
rade bezüglich der wellenbrecher bei Pharos sagt Hegesippus lii,
27, 23: circa. insulam quoque instructae ingentis magnitudinis moles
deiciuntur. Indess kommt es darauf an unsrer stelle wohl gar nicht an:
die sache muss vielmehr von einer anderen seite betrachtet werden.
„Eng“ und „breit“ sind eben relative begriffe, die ihren be-
stimmten inhalt erst durch den masstab erhalten, der im einzelnen
fall angelegt wird. Schon im verhültniss zur linge war die breite
des heptastadions, die mit Schambach auf 120 fuss angesetzt werden
mag, eine geringe. Denn die erstere betrug nach dem namen des
dammes 7 stadien = 4375 fuss (Plin, N. H. HI, 2. 85, jan.) nach
unsrer stelle 800 schritt = 4500, nach Ammian XXII, 7 1000
schritt = 5000 fuss. — Was aber Cásar bewog, den damm ein
angustum iter zu nennen, war wohl folgendes. Er hatte eben
Pharos als insel bezeichnet, muss nun aber hinzufügen, dass es ei-
gentlich keine insel ist, da ihr das charakteristische merkmal hiefür.
die völlige abgeschlossenheit durch das meer, im lauf der zeit abhan-
den gekommen war. War sie doch damals das auf künstliche
weise geworden, was sie später auf natürliche weise wurde, näm-
lich eine halbinsel. Aber die landenge, welche die briicke zwischen
Pharos und dem festland bildete, war eine auffallend schmale, im
verhültnis nämlich zu natürlichen bildungen ähnlicher art, eben weil
sie eine künstliche war. Man vergleiche doch die breite des heu-
tigen, von der natur gebildeten, verbindungsdammes mit der des
alten, und man wird die berechtigung des angustum iter leicht ein-
sehen. Dem Cäsar mochte der damm vorschweben, welchen das
meer zwischen der insel, auf welcher Oricum lag, und dem festland
angeschwemmt hatte (confr. Plin, N. H. II, 89: Rursus. abstulit
(sc. rerum natura) insulas mari iunxitque terris. — Epidaurus
et Oricum insulae esse desierunt), von dem er B. Civ. I, 40, 4 schreibt:
molem tenuit. naturaliter (al. naturalem) obiectam, quae paeninsulam
oppidum effecerat. Solche natürliche dämme von längerer ausdeh-
nung können dem anprall des meeres gegenüber nur dann stand
halten, wenn sie zugleich eine grössere breite besitzen. Wenn
Miscellen. - 775
Casar, wie es mir scheint, derartige dimme vor augen hatte, musste
ihm das heptastadion als angustum erscheinen.
Wenn ich somit die überlieferung gegen Schambach zu halten
versuche, so möchte ich doch eine kleine änderung an den bespro-
chenen worten vorgenommen wissen. Mit verweis auf Pomponius
Mela nämlich, der Chorogr. 104 (Fick) schreibt: Pharos nunc
Alezandriae ponte coniungitur, sowie auf die parallelstelle bei Plin.
N. H. V, 128: iuncta ponte Alexandriae und Strabo XVII, 792:
10 dì ywuu touv ano mmo 5Zne(gov yépuçou, schlage ich vor zu
lesen: angusto itinere ut ponte — coniungitur, und übersetze:
„diese insel schafft durch ihre lage, Alexandrien gegenüber, einen
hafen; dieselbe wird jedoch, seitdem ein von höher liegenden punkten
(1) ausgelender, 900 schritt langer damm im meer erbaut wurde,
mit der stadt Alexandria durch einen schmalen weg, wie durch
eine brücke, verbunden“. Wegen des ut verweise ich noch auf B.
Gall. I, 38, 4 uud VII, 8, 3: Cevenna ut muro munitos.
2. Auch mit Schambach's bemerkungen zu Alex. 8, 2 kón-
nen wir uns nur zum theil einverstanden erklären. Die stelle selbst
lautet: Quod si alia esset litoris Aegyptii. natura atque omnium
reliquorum, tamen, quoniam mare libere tenerent. neque hostes clas-
sem haberent, prohiberi sese non posse, quominus cottidie navibus
aquam peterent vel a sinistra parle a Paractonio vel a dextra
ab insula. Die worte a Paraetonio und ab insula sind nach
Schambach miissige zusätze eines glossators. Schambach scheint
mir den grundfehler gemacht zu haben, dass er bei bestimmung der
begriffe dextra und sinistra pars den Cäsar nach süden blicken
lásst. Diese bestimmungen haben mit der hauptrichtung, in welcher
sich Cäsars angriff bewegte, nichts zu thun. Wenn Casar von den
wegen spricht, welche die Rümer mit ihren schiffen einschlagen
können, so wird er dabei doch der see nicht den rücken kehren.
Es scheint mir so natürlich, dass für einen, der von Alexandria
wegfahren will, mit rechts nur der osten, mit links nur der westen
gemeint sein kann, dass ich nicht begreife, wie Schambach über-
huupt auf seine interpretation verfallen konnte. Und liegt denn
nicht wirklich links vou Alexandria Paraetorium und rechts die —
insula?! Bei Schambach’s annahme freilich wird dies wort zu
einem sinnlosen beisatz, schon aus dem grunde, weil Pharos im
rücken des nach süden blickenden Cüsar sich befunden haben würde.
Den nachweis, dass Cüsar von Pharos kein wasser holen konnte,
weil die dortigen brunnen nicht in seiner gewalt waren und even-
tuell auf ähnliche weise, wie die in Alexandria, unbrauchbar ge-
macht werden konnten, hätte Schambach sich ersparen können.
Denn die im text sogleich folgenden worte: quae diversae naviga-
tiones numquam uno tempore adversis ventis praecluderentur zeigen
klar, dass es sich nur um eine fern gelegene insel handeln kann.
Die fahrt vom festland nach der insel Pharos konnte überhaupt
776 Miscellen.
durch keineu wind unmüglich gemacht werden, da die letztere ant
etlichen ruderschlügen zu erreichen wer. Ferner ist die vorlie-
gende stelle doch wohl schon mehr beachtet worden, als Scham-
bach annimmt. Drumann wenigstens (vergl. Gesch. Roms Ill, p.
540, a. 23) erklart sehr bübsch, das wort insula bezeichne das
delta, indem er sich auf Strabo beruft, welcher dieses »700ç nenne.
Und in der that wird von Strabo XVII, 788 wiederhok letztere
bezeichnung angewandt. Vgl. yéyove dn v7005 dx m 156 da-
Aating xal r&v devpatwr augoiy 100 norauoù xai xadettas Aéliu.
— drmogguwyes noÀÀai xa9' OAnv pegsodeicas Ti» vnooy —. lo
gleicher weise wird XVII, 701 das delta des Indus als »700ç be-
zeichnet. Dass aber ebenso die Römer derartig begrenzte stücke
landes auch sonst als insulae bezeichneten, dafür spricht am besten
die insula Batavorum bei Cüsar B. Gall. IV, 10, 1 und bei Ta-
citus Hist. IV, 12. — Die schwierigkeiten freilich, welche die
grosse entferuung von Parütorium veranlasst, verkenne ich durch-
aus nicht. Vielleicht führt eine andere stelle auf die richtige spur.
Wir kónnen nümlich einmal den Cäsar nach westen beim wasser-
fassen begleiten. Vgl. 10, 2: Cumque ad eum locum accessisset,
qui appellatur Chersonesus, uquandique causa remiges in terram ex-
posuisset etc. Die schmale lang hingestreckte landenge also, welche
den sumpfsee, der süsswasser enthielt, vom meere trennte und auf
der das fort Chersonesos lag, war nach westen zu wohl die gün-
stigste stelle für den bezeichneten zweck.
Mit rücksicht auf die eben ausgesprochene wahrscheinlichkeit,
dass nämlich Cäsar bei seinen worten den bezeichneten strich lan-
des im auge hatte, möchte ich eine kleine änderung des überlie-
ferten textes vorschlagen. Es wird dies um so eher erlaubt sein,
als der Leidensis nach Dübner statt a Paratonio liest: aperaronis.
Vorausgeschickt sei noch folgendes. Aus dem umstand, dass
Cäsar an der bezeichneten stelle ganz ungestört wasser schöpfen
konnte, schliesse ich, dass er dies im allgemeinen auch sonst ge-
kount haben würde; (es wurden nur einige leute, die vereinzelt
um beute zu machen landeinwärts gelaufen waren, von ägyptischen
reitern aufgehoben. Vgl. Alex. 10, 2). Vermuthlich wurde das
zu Strabos zeit dort befindliche ggovgsoy erst später von den Rö-
mern angelegt. Der umstand ferner, dass Cäsar gerade an dem
genannten platze wasser fasste, zeigt, dass dieser als hiefür beson-
ders günstig bekannt war. Der name Chersonesus selbst end-
lich deutet auf eine landbildung, welche der Römer mit promunto-
rium bezeichnen konnte. Und so schlage ich denn auch vor zu
lesen: vel a sinistra parte a promuntorio, vel a dextra ab in-
sula (= Delta). Zur sachlichen rechtfertigung dieses vorschlags
verweise ich noch auf den index der Didot’schen Straboausgabe,
wo es p. 774 heisst: Chersonesus (,,parva“ apud Ptolemaeum) ca-
stellum in Libyae ora, 70 stadiis ab Alexandria — in peninsulari
Miscellen. 777
promontorio quod vocatur ,,pointe Adjemi*. In paláographischer
beziebung ist die verschreibung (oder verschlimmbesserung 1) leicht
zu erklären. Vgl. sinistra parte a paratonio und sinistra
parte a promuntorio oder Pmuntorio.
So könnte mit einer geringen änderung die überlieferung ge-
rettet und zugleich ein befriedigender text hergestellt werden, Die
Kanobische mündung, der anfangspunkt des Delta, lag 150 stadien
von Alexandria, Chersonesus 70 stadien. Da wach Friedländer
(Darst. a. d. sitteng. Roms Il”, p. 16) ein schiff bei günstigem
und starkem wind in 24 stunden sogar 1200 stadien zurücklegen
konnte, so war bei den vorliegenden entfernungen ein tügliches
wasserholen recht wobl möglich. (Vgl. Alex. 8, 2: prohiberi sese
non posse, quo minus cottidie navibus aquam peterent).
Schweinfurt. Heinrich Schiller.
B. Auszüge aus schriften und berichten der ge-
lehrten gesellschaften, sowie aus zeitschriften.
Revue archéologique, 1878. Nr. 4. April. Ch. Chipier: Denk-
schrift über den hypathrischen tempel (forts.), mit der perspectivi-
schen und der seitenansicht. Die beleuchtung des tempelachiffs
lässt der verf. von einem unbedeckten raum des daches zwischen
den inueren säulen und der umfassungsmauer kommen und erklärt
in dieser weise die worte Vitruvs Ill, 2, 8: medium — sub divo
est sine lecto. — P. Foucart: Decret über die sendung von kle-
rouchen nach Potidaea, Mit hülfe einer ähnlichen inschrift aus
demselben jahre (Corp. inscr. attic. 11, Addenda p. 403) restituirt
der verf. diese Corp. inscr. ott. II, 56 mitgetheilte inschrift von
deren linker seite ibm ein abklatsch geschickt worden ist, in fol-
gender weise :
"Eni| Moiwvos dexovios Ari] tig “Ege[x9 luidoc [quravelug
"Edokev ris Bovins xai zu Inu“ ’EoeyInic [énovzave-
vero "Ayasuoyos “Aya3agyov "O7Fey érle]appa fever oe
6 & Kepapéwy Eneotares’ Ol [, nno]; einer NtQi wy
AMyovow oi fixov Ttg Onpootas [wuga 1]dv È .......
. ac, pnplodas tu dnuuw [evEacFas per] ‚ol? xíjgvxa u-
v]z(xa pada roig Awdexa O[eoîs xai zuig Seurais Ota-
ils xai Tas “Houxdsi, è Euy oluvevéyxne "AF nvaloss népy-
u]os tovc ‚xAngovyoug ic Hoi[eldusav, sad .... + emary’
Morra] oi rxortels dnuoctu naga t» È . .
[. ac, Ivolav xai noccodor nosmoesFus, xudére dv rin d- ]
[gue dom . . . ..
Der verf. rechtfertigt seine ergänzungen und fügt einen excurs
hinzu über die chronologie des archontats des Agathokles, dessen
ergebnisse sind:
Ol. 105, A (357/6) archontat des Agathokles.
78 Miscellen.
Zug der Athener nach Euboea.
Anfang des bundesgenossenkrieges. Niederlage des Chares vor
Chios und tod des Chabrias. — Die buudesgenossen, herren des
meeres, greifen Lemnos und Imbros an, belagern Samos und er-
leben kriegscontributionen im Archipel.
Philipp bemächtigt sich der städte Amphipolis, Pydna, Poti-
daea, Crenides.
Sieg des Parmenion über die Illyrier.
OI. 106, 1 (356/5) archontat des Elpiues.
Sieg Philipps bei den olympischen spielen.
6. hekatombaion. Geburt Alexanders.
11. hekatombaion. Bündniss der Athener mit deu königen
der Thracier, der Päonier uud der Illvrier gegen Philipp.
E. Fernique: Neue ausgrabungen in Präneste, durch die fran-
züsische schule in Rom veranstaltet. Von einem monumentale
brunnen wahrscheinlich rührt die inschrift her
C LVTATIVS CN: F- CERCO
Q(uaestor)
den schriftzügen nach etwa dem ende des zweiten jahrhunderts vor
unsrer zeitrechnung angehürig. Ausserdem sind an den grössten-
theils mit einem fichtenzapfen geschmückten grabdenkmälern die in-
schriften zum vorschein gekommen, meist auf der basis desselben.
1 COCIA M: F
2 M:CVNCIVS: C-F (oder GVNGIVS)
3 L.CVPl(us)L-F-À: N(epos)
4. €: FABRICIVS C- F
5. LVSCIA: MVXOR (sic)
6 L: NVMITORI(us) Le F
L:N(epos)RVBER
7. OPILIA: C: F
8. Auf dem fichtenzapfen: ROSCIA
9. CN: SAMIARIVS CN
F
10. C: SAMIARIO M: F- M- N
11. L: SAMIARI
M-F-DOSCVO
12. L.SAMI ARFL-F
13. C-SAMIARI-C-F
und auf der andern seite M-N-AN.....
14. L'SAMIARIO-C-F-NN
15. SAMARIA: M.F
MINORQ .....
16. Auf dem fichtenzapfen C-SAVFI-(us)A-F
17. SAVFEIA‘C-F
TONDI(uxor)
18. 'TAMPIA- € V
Miscellen. 779
19. L-TITIONIO-CF
20. C TITIONIVS-C-F
21. [T]ONDIVS: M- F
M:N
22. ... TONDIA
23. TONDIAILF
24. C-VATRONIO-L-F
25. () h-VETILI 10)LF
25. CN F
27. CARVLIA FX (1)
28. M CESTI MF
| 29. P- ORATIA: L: F
30. P- NERONIVS: C. F
Der verf. zählt ausserdem die dabei gefundenen basreliefs von
gebrunntem thon in halbkreisform, mauermalereien, miünzen auf,
besonders eingehend aber ein ganzes lager von ex - voto - figuren,
einzelue glieder, wie füsse, arme, beine, hausthiere, frauenküpfe,
welche wahrscheinlich der pränestinischen Fortuna gewidmet wor-
den waren. Auch zwei statuen in kalkstein gehören zu den er-
gebnissen der ausgrabungen. — A. Martin: Die sculpturen auf
unsern felsen (der Bretagne), mit abbildungen. Der verf. hält die
eingegrabenen zeichen theils für eine schrift, theils für ornamente
der megalithischen race. — ©. Henry: Ueber den ursprung der
sogenannten convention des Descartes; betrachtungeu über die ent-
stehung der alten zahizeicheu, nebst feststellungen über die relative
häufigkeit der zeichen IV und HE, WX und VI, IX und VII
u. 5. W. — D'Arbois de Jubainville: Die Ligurier: die celtischen
ortsoamen und das schiedsrichterliche urtheil der brüder Minucius.
Der verf. findet iu den in dem urtheil der Minucier angeführten
ortsnamen keine spur der celtischen sprache, aber (gegen Müllenhoff)
auch nichts, was veranlassen könnte, die Ligurier aus dem iudo-
europüischen sprachstamm auszuscheiden und sie für einen der vor-
arischen volksstämme Europas zu halten. — Unter den nachrichten
wird nüheres über die entdeckung in Merten (bei Metz, s. die
märznummer) mitgetheilt : danach ist das monument ein mit fignren
geschmückter triumpfbogen gewesen; aber keine inschrift enthüllt
seine bestimmung ; ferner ein kurzer hericht über die entdeckuug
einer ausgezeichnet schénen mosuik in Rom, welche ein schiff mit
vollen segeln darstellt. — Anzeigen von Nouvelle revue listo-
rique de droit francais et étranger, welche namentlich auch das
griechische und das römische recht behandelt; von Fergusson, Les
monuments mégalithiques de tous les pays; von Collignon, Quid de
collegiis epheborum apud Graecos, excepta Attica, ex titulis epi-
graphicis commentari liceat , Paris, Thorin 1877; und von Col-
lignon, Essai sur les monuments grecs et romains relatifs au mythe
de Psyche, Paris, Thorin 1877, letzteres buch wird sehr geriihmt,
Index
a deorsum 334; a te 388.
absconsus 825
accensibilis 330.
acediari 327.
acharis 327.
adincresco 824.
adiuvaverunt 326.
adpropiare 328.
adsestrix 323.
aeramentum 338.
Aeschines: G. Leue, Klonvogvdak 608.
Aesernia vgl. Altertum.
aestuare 338.
aevum, in aevum, ab aevo, ex
&evo, ante aevum 328.
Afranius, L. M., Zu Afrunius 437.
onizari 827.
alterae (dat.) 333.
Altertum, Th. Bergk, Die liste der
delphischen gastfreunde 228. —
K. Boysen, Laus Alexandriae
410. — M. Erdmann, Hippodamos
v. Milet und die symmetrische
städtebaukunst der Griechen
198. — Fr. Görres, Zur kritik
einiger quellenschriftsteller der
röm. kaiserzeit: III) Zu Eusebius
(H. e. V 21) u. Aelius Spartia-
nus (Did. Jul. c.2 u. Sept. Sev.
c. 4) 134, IV) Zur kritik eini-|
ger auf die geschichte des kai- |
sers Aurelianus bezüglicher quel-
len 615. — G. Kaufmann, Die
fasten v. Constantinopel u. die
fasten, v. Ravenna 471. — M.
Schanz, Die analogisten u. ano-
malisten im röm. rechte 309 —
E. Schweder, Aesernia u. Esernia
547. — W. Stern, Zu den quel-
len ‚der sicilischen expedition
438. — G. Wolffram, Des Avidius
Cassius stellung im oriente 186.
\
rerum.
amplicare 327.
Anonymus Cuspinianus 477, 498,
495.
aplestria 327.
aporia 327.
apostolare 327.
Archimedes, J. L. Heiberg, Die Ar-
chimedeshandschrift Georg Val-
las 421.
Aristophanes, H. Schrader, Ueber
den chor in Aristophanes Baby-
loniern 577.
aromatizare 827.
assiatrix 323.
Auctarium 502.
audaciter 328.
audenter 328.
auditas (= aviditas) 327.
baiulus 384.
Becher, Ferd. vgl. Caesar, Quin-
tilian.
Bergk, Th. vgl. Altertum.
Birt, Th. vgl. Quintilian.
Boettner, Fr. vgl. Quintilian.
Bohlmann, A. u. C. vgl. Quintilian.
Bonnell, E. vgl. Quintilian.
Boysen, K. vgl. Altertum, Cornu-
tus, Julius Valerius, Palaephatus.
Boarodvos vgl. Quintilian.
Caesar, F. Becher, Zu de bello
Gallico 8 praef. 4. 409. — H.
Schiller, Zu Caes. b. civ. III, 112,
2. u. Hirtius b. Alex. 8, 2. 773.
canitia 326.
Capito 520.
Cassiodor 497.
cataclysmus 327.
cataplectatio 327.
Cato, C. Hartung, Zu Cato de mori-
bus 378.
Cauer P. vgl Homer.
cause, = morbus 123.
Index rerum.
781
Cicero, H. Deiter, Cic. de div. 1,| Ennius, L. Müller, Zu des Ennius
12,20 p. 470. — D. Detlefsen, Verse
Annalen 544
im Cic. 181, 413. — H. Ebeling, | Erdmann, M., vgl. Altertum.
Handschriftliches zu Cic. Briefen
an Attic. 403. — A. Eussner, Zu
Cic. 621.
circuietur 338.
circumpediles 326.
clangueris 333.
cognoscibiliter 325.
Cohn, L. vgl. Diodor.
colubra 326.
commemoratio 325.
complectabuntur 326.
concordatio 324.
concreare 324.
condecet 323.
condulcare 324.
coniucundari 324.
conteruisti 328.
contutari 328.
Cornutus, K. Boysen, Zur hand-
schriftenkunde des Cornutus und
Palaephatus (codex Ravii) 285.
Cremera, schlacht 14.
cunctus 342.
datus, us 326.
de foris 324.
Deiter, H. vgl. Cicero.
Deiters, H. vgl. handschriften.
delatura 325.
delectabitur = delectabit 326.
Delph. gastfreunde vgl. Altertum.
deprecatorius 328.
Detlefsen, D. vgl. Cicero.
Diodor, L. Cohn, Diodor u. seine
róm. quelle 1.
Dionysios, G.Leue, Dionys. Calliph.
81-—38. 178 — ders. Zeit u. hei-
mat des Periegeten Dionysios 175.
— J. Rittau, Eine für die text-
kritik noch nicht benutzte hand-
schrift des Dionys. Periegetes 534.
disperiet ‘333.
Droysen, H. vgl. Eutrop.
dulcor 324.
Duncker, R. vgl. Eutrop.
duum = duorum 328.
e contra 334.
Ebeling, H. vgl. Cicero.
Ebeling, P. vgl. Eutrop.
ebriacus 327.
Ehwald, R. vgl. Quintilian.
electrix 325.
elingo 328.
Ellipsen bei Thucydides 672.
emigraneum (migräne) 123.
e
eremia 327.
eructare 331.
Esernia vgl. Altertum.
eucharis 327.
Euripides, J. Schneider, Zu Euri-
pides 183, 184.
Eussner, A. vgl. Cicero, Eutrop,
Val. Maximus, Vell. Paterculus,
Seneca.
Eutropius, Jahresbericht v. C. Wa-
gener 379, 511. — Ausgaben v.
Droysen und Hartel 879. — H.
Droysen, Die ausgaben von
Schoonhoven u. Vinetus 879. —
R. Duncker, Zu Eutropius in
Fleck. Jahrb. 119 p. 641, ders.
De Paeanio Eutropi interprete
379. — P. Ebeling, Quaestiones
Eutropianae 379. — A. Eussner
im Specimen criticum ad script.
quosdam Lat., ders. in den Bl.
für d. bayr. gymnasialw. 8, 75.
979. — W. Hertel, Eutropius u.
Paulus Diaconus 380. — H. Haupt,
Zu Paianios u. Eutropius in Fleck.
Jabrb. 119, 104, ders. Planudi-
sche excerpte im Hermes 14, 36.
380. — M. Haupt, in Opusc. 3,
572. 280. — A. Koecher, De Jo-
annis Antiocheni aetate, fontibus,
auctoritate 380. — Fr. Lüdecke,
Sylburgs codex d. Eutr. in Fleck.
Jahrb. 111, 874. 380. Th.
Mommsen im Hermes 1, 468;
ders. Die Gothaer hdschr. des
Eutr. in Fleck. Jahrb. 113, 648;
ders. Ueber Planudische u. Con-
stantinische excerpte im Hermes
6, 83.380.— K. J. Neumann, Zu
Eutrop u. Herodian im Rh. mus.
35, 485.380. — R. Peiper, Zu Eu-
trop im Philolog. 38, 686.380. —
W. Pirogoff, De Eutropi brevia-
rii ab u. c. indole ac fontibus 380.
— Fr. Rühl, Zu Eutrop im Rh.
mus. 29, 639. 880. — C. Schra-
der, Zu Eutrop. in Fleck. Jahrb.
117, 218. 380. — E. Schulze, De
Paeanio Eutropii interprete im
Philolog. 29, 285. 880. — C. Wa-
gener, Zu Eutrop im Philolog.
35, 102, ders., Zu Eutrop im Phi-
lolog. 39, 198. ders. Zu Eutrop im
Philolog. 42, 533.
782
exclamabilis 327.
exeam (= exibo). exiet 333,
exporrigo 324.
exsecramentum 324.
Fabius Pictor von Diodor benutzt 1.
facula 329.
Fasten vgl. Altertum.
faux, faucem 323.
fax 329.
fervura 326.
Florus, G. F. Unger, Zu Florus 4,
8, 4 (2, 17) 118.
Foerster, R. vgl. Handschriften.
fortassis 326.
fremebit 326.
Fritzsche, Th. vgl. Horaz.
fumigabundus 325.
garrulus 339.
gaudimonium 323.
gelus, acc. gelum 326.
emesco 328.
eminus vgl. Mathematiker.
gemmula 324.
Gertz, M. C. vgl. Quintilian.
Górres, Fr. vgl. Altertum.
grossus 334.
Günther, Edm. vgl. Quintilian.
Index rerum.
Th, Fritzsche, Zu Hor. Epist. 1,5.
horripilatio 324.
Jerusalem, Jerosolyma 328.
implanare 324.
immemoratio 325.
impossibilis 338.
inaccessus 338.
inaltare 328.
incredibilis, incredulus 339.
indisciplinose 328.
ineffugibilis 825.
ineruditio 824.
Infinitivsätze mit quod, quia, quo-
niam 334
infirmiter 825.
ingenium 330.
inimicitia 337.
involumentum 325.
ire u. composita 355.
irrigare 339.
Isaeus, J. Lunäk, Ueber den status
der ersten Rede: Ueber die erb-
schaft des Kleonymos 275.
iubere c. dat. 334.
Julius Valerius, K. Boysen, Zu Jul.
Val. 140, 274, 284, 308, 318.
Kaufmann, G. vgl. Altertum.
Handschriften, R. Foerster, Hand-| Kiel, Fr. vgl. Thucydides.
schriften in Holkbam 158; ders.
Eine bandschrift im Serail 167;
Kirchhoff, A. vgl. Thucydides.
Klammer, H. vgl. Quintilian.
H. Deiters, Ein Tusculan-codex | Kleist, H. v. vgl. Plotin.
zu Leiden 171.
Hartel, W. vgl. Eutrop.
Hartung, C. vgl. Cato, Horaz.
Haupt, H. vgl. Eutrop.
— M. vgl. Eutrop.
Heiberg, J. B. vgl. Archimedes.
heremia 327
hibernalis, hiemalis 388.
Koecher, A. vgl. Eutrop.
Kühlewein, H. vgl. Hippocrates.
lacus, gen. laci 333.
laesura 338.
Lentz, F. L. vgl. Quintilian.
Leue, G. vgl. Aeschines, Dionysios.
Leutsch, E. v. vgl. Theognis.
Lindner, G. vgl. Quintilian.
Hippocrates, H. Kühlewein, Bei-|linguatus, linguosus 339.
träge zur geschichte u. beur-: linire (linere) litum 333.
teilung der hippokratischen
schriften 119.
Hirt, P. vgl. Quintilian.
Hirtius vgl. Caesar.
holocaustum , holocautoma, holo-
caustoma 330.
: Lüdecke,
| luminare 328.
linitio 324.
loquax 339.
Fr. vgl. Eutrop.
Lunäk, J. vgl. Isaeus.
Marius 501.
Holzapfel, L. vgl. Plutarch, Thu- mas, maris 342.
cydides.
pythischen Apollo 173. — R.
Peppmiiller, Zu Hom 540, 769.
honestus, honestare, honestas 325,
337.
Horas, C. Hartung, Zu Hora. 81, —
| Mathematik, Max C. P. Schmidt,
Homer, P. Cauer, Die bürger von!
Knossos u. der hymnus auf den |
Philologische beitrige zu griech.
math. 82: 1) Wann schrieb Ge-
minus? 83. —- 2) Wo schrieb
Geminus? 110. Ueber Me-
naechmus 72.
Meister, Ferd. vgl. Quintilian.
Mensecnmur vel. Mathematik.
Index rerum.
metibor 329.
Mommsen, Th. vgl. Eutrop, Quin-
tilian.
Morawski, K. v. vgl. Quintilian.
munimen 338.
Müller, L. vgl. Afranius, Ennius,
Naevius.
Müller-Strübing, H. vgl. Thucydides.
Naevius, L. Müller, Zu Naev. 407.
necesse esse, habere 339.
nectura 320.
nequam, nequa 337.
Neumann, K. J. vgl. Eutrop.
Nicolai, L. vgl. Quintilian.
nisi si 328.
nocere c. acc. 334.
Nolte vgl. Quintilian.
noxa 342.
nugacitas 325.
obductio, obductus 324.
oblitterare 328.
obturatio 324.
odi, odibunt 329.
odibilis, odiosus 338.
odorari 338.
offuscatio 324.
orditus est 333.
oro 341.
Paeanius 519.
Palaephatus, K. Boysen, Zur hand-
schriftskunde des Cornutus und
Palaephatus (codex Havii) 285.
partibor 329.
parvi pendere 342.
pavos = pavones 333.
Peiper, R. vgl. Eutrop.
Peiraeus 213.
pendere parvi 342.
Peppmüller, R. vgl. Homer.
periebant 326.
pertransiet 333.
pertusura 326.
pessimare 324.
Philologie, Gesch. der, M. Schanz,
Zum leben des H. Stephanus
414; ders. Zum briefwechsel des
H. Stephanus 542.
Pirogoff, W. vgl. Eutrop. |
placor 324. |
plaudebit 226.
Plotin, H. v. Kleist, Zu Plotins.
zweiter abhandlung über die
allgegenwart des intelligibeln
in der wahrnehmbaren welt
Enn. VI 5 54.
lus lucidior 324.
Pintarch, L. Holzapfel, Ueber die
783
echtheit der plut. schrift: De
Herodoti malignitate 29; ders.
Plutarchs bericht über das berg-
werksgesetz des Themistokles 585.
possibilis, possibilitas 338, 339.
praefatus (passivisch) 341. °
praesepe, praesepium 337.
praevaricare 326.
pravicordius 324.
prendidi 329.
prospector 324.
Prosper 477.
prospitiatio, prospitiatus 326.
quaeso 341.
querella (kórperliches leiden) 123.
Quintilian, Jahresbericht v. F. Mei-
ster 141. — Ferd. Becher, Quaest.
gramm. et crit., ders. im Philolog.
39, 181. p. 141, 146,148. — Th.
Birt, Ueberd. vokalverbindungen
im Lat. im Rhein. mus. 84, 17.
141, 144. — Fr. Boettner, De
Quint. grammatico 141, 144. —
A. Bohlmann, 5 thesis in Anti-
phontea 142, 151. — C. Bohl-
mann | thesis in: De attractionis
usu et progressu 141, 151. —
Quint. lib. X erkl. v. Bonnell-
Meister 152, 152 — Boatoavog,
To: 175 naga Koivrvhavò nai-
daywyızns 142, 158. — R. Eh-
wald im Phil. anz. 9, 566. p. 141,
146. — M. C. Gertz 141, 145. —
Ed. Günther, De coniunctionum
causalium apud Quint. usu 141,
150. — P. Hirt , Quint. buch x.
in Zeitschr. f. d. gymnasialw. 86.
142, 151. — H. Klammer, thes.
6 u. 7 in Animadv. Annaeanae
141,145. — F. L. Lentz, Wissen-
sch. monatsblätter 5, 185. p. 141,
145. — G. Lindner, Quint. red-
nerische unterweisungen 142,
154. — Th. Mommeen, Victorius
Marcellus im Herm. 13, 428.
p. 141, 142. — K. v. Morawski,
Bemerkungen zu d. sogenannten
deklamationen 142, 155. — L.
Nicolai, Elemente der philosoph.
paedagogik in Quint. 142, 158. —
Nolte in der Zeitschr. f. d. österr.
gymnasialw. 80, 167. p.141, 148.
— Const. Ritter, Die quintil. de-
klamationen 142, 156. — F.
Schéll, Krit. bemerkungen zu
Quintilian X c. 1 im Rh. mus.
34, 84 u. 85, 689. 9. 144,148. —
784
Index
O. Siesbye in Nordisk Tidskrift
for Filologi 1879 p. 45. 141. —
Ch. Thurot, Revue de philologie
IV, 24. 141, 150. — G. Wissowa,
Analeeta Macrobiana im Herm.
16, 499. 141, 148.
quispiam 9342.
religiositas 224.
respectio 325.
Rhodos 219.
rigare 339.
Rittau, J. vgl. Dionysios.
Ritter, Const. vgl. Quintilian.
Rómische rechtsschulen vgl. Al-
tertum.
Rühl, Fr. vgl. Eutrop.
salutare 324.
sanctitas 338.
Schanz, M. vgl. Altertum, Philologie.
Schiller, H. vgl. Caesar.
Schmidt, L. vgl. Vergil, Thucydides.
Schmidt, M. vgl. Mathematik.
Schneider, J. vgl. Euripides , So-
phocles, Tacitus.
Schöll, Fr. vgl. Quintilian.
Schrader, C. vgl. Eutrop.
— H. vgl. Aristophanes.
Schulze, E. vgl. Eutrop.
Schweder, E. vgl. Altertum.
scorpio 337.
scruta 334.
Seneca, A. Eussner, Zu L. Seneca.
607
sibilatio 325.
sicilische expedition vgl. Altertum.
Siesbye, O. vgl. Quintilian.
rerum.
Thucydides, Jahresbericht v. L.
Herbst 625. — L. Holzapfel, Das
verfahren der Athener en
Mykene im Rh. mus. 37,3. 626. —
Fr. Kiel, Der waffenstillestand
des jahres 423 v. Chr. 626. —
A. Kirchhoff, Ueber die von
Thucyd. benutzten urkunden
626. — Herm. Müller - Strübing,
Polemische beitrüge zu Thucyd.;
ders. Thucydid. forschungen
626. — L.Schmidt, Quaest. chro-
nologicae ad Thucyd. pertinentes
626. — J. M. Stahl, Zu Thucyd.
im Rh. mus. 27, 278. 626. — Jul.
Steup, Ein einschiebsel bei Thu-
cyd. im Rh. mus. 24, 350. u. 27,
637; ders. Tucydid. studien 626.
— H. Swoboda, Thucydid. quel-
lenstudien 626. — G. F. Unger,
Zur zeitrechnung des Thucyd.;
ders. Der attische kalender wäh-
rend des pelopon. krieges 626.
— L. Holzapfel, Zu Thucyd. 4,
83, 2 p. 53.
Thurot, Chr. vgl. Quintilian.
‘ transiet, transiebat 326, 333.
| turbido 320.
| turbor 326.
tutamentum 328.
uno (dat.) 333.
Unger, G. F. vgl. Florus, Thucydides.
vadere 359. .
| Valer. Maximus, A. Eussner. Zu
Val. Max. 583.
vasum, gen. vasi 326.
Sophocles, J. Schneider, Zu Soph.| Vergilius, L. Schmidt, Zu Vergil.
183, 185. — K. Walter, Kriti-
sche bemerkungen zu Soph. 266.
species, speciebus 323.
spes, spebus 323.
| Aen. 2, 210. p. 20.
vestigator 326.
: veteresco 323.
veto, vetati sunt 329.
sponderis = sposponderis, sponde- | vexator 326.
runt 326.
Stahl, J. M. vgl. Thucydides.
Stephanus, K. vgl. Philologie.
Stern, W. vgl. Altertum.
Steup, J. vgl. Thucydides.
Strabo,
subitaneus 288.
superbierit 333.
susurri 326.
Swoboda, H. vgl. Thucydides.
Tacitus, J. Schneider, Zu Tacit. 183.
taeduit 338.
Theognis, E. v. Leutsch, Zu Theog.
227, Zu v. 15. 265.
Thielmann, Ph. vgl. Vulgate.
A. Vogel, Zu Strabo 539. :
vectimare 324.
Vogel, A. vgl. Strabon.
Vulgata, Ph. Thielmann, Ueber die
benutzung der Vulgata zusprach-
lichen untersuchungen 318; Ent-
stehung derselben 320; Eigen-
: tümlichkeiten der sprache des
| Jesus Sirach 323, des buches
der weisheit 325, der bücher
der Maccabaeer 368.
' vulgum pauperem 333.
Wagener, C. vgl. Eutrop.
| Winon K. vgl. Sophocles.
Wissowa, G. vgl. Quintilian.
W olfigrexam, wal. Altertum.
Index graecus.
785
Index graecus.
dx Tic nodems 696.
dtéoyouas 741.
padsota 752,
ab noi Meslonovynoor yes 680;
dvevyoi vies 683.
Euyyweeiv 729.
maga bei Thucyd. 628.
nisiv 682.
tore dé 752.
$2avalioxo 686.
qoovoei» 686.
yweis dé 684.
Index locorum.
Aelian. v. b. 1, 30. 258 | Aristoph. Nub. 95 209
— — — 2,9 582 | Aristot. de anim. 8, 8, 8 62
Aeschin. Ctesiph. 159 608| — Hist. an. 7,8 (583, 18) 127 —181
— — 206 284 | — Metaph. r2 (1005b 19) 597
Aeschyl. Pers. 732. 186 | — Meteor. 1, 6 (343 6 4) 582
Afran. com. 181 323| — Pol. 2, 5 (8) 193, 208, 212
Alciphr. 8, 10 251|— — 4 (7), 10 (11) 193, 211
Ambr. de Abrah. 2, 9, 67 325 | — Rhet. 2, 24, , 605
Amm. Marcell. 16, 2, 60 390 | — — 8, 2, 14 606
— — 17, 2, 390|— — 8, 7, 8 606
— — 18, 5, 7 391|— — 8, 7, 606
— — 21, 16, 10 302 | Arrian. Anab. 1, 7, 1 611
— — 22,7 714| — — 1, 8, 611
— — 22,9, 8 391|— — 1,9,9 612
Ampel. 8, 8 392 | Athen. 2 p. 40* 173
Andoc. de myst. 46 196 | -— 6, 158 216
Anecd. graec. (ed. Bekker) I 266 — 6, 234 262
“Innoda usa ayood 196 | — 10, 452 200
Antiph. eos ro6 'Hpwd, g 79 722) Augustin. Conf. 13, 80 828
Apoll. mirab. hist. c. 8 250| — de civ. dei 8, 15 (I 117,
Apostol. XV, 25 (ed. Leutsch) 226| 26—82 D. 526, 527
Appian. b. Mith. 26 219, 226 | — 3, 15 (118, 15—24) 527
— — — 27 219, 227 | — 8, 15 (118, 25— 29) 527
— b. Syr. 6 244 | Aurel. Vict. Caes. 96 621
— — — 12 261| — — 38,2 402
Apul. Met. 9, 26 366|— — 41 616
Aristid. p. 797 222 | — Epit. 17, 4 512
— 798 225} — — 20, 4 512
— 800 225|— — 29,1 512
— 804 225|— — 35, 4 512
— 809 225|— — 85,9 892
— 896 220| — — 36 512, 621
— 889 227|— — 37,4 392, 512
— 841 226| — — 38 512
Aristoph. Achar. 642 580 | — — 39, 1 392
— Av. 995 — 1009 207|— Vir. illustr. 84 118
— Equ. 327 195, 200 | Beda 1, 3 532
— — 756 684 | — 1, 8 552
— — 794 199 —201! Cael. Aur. chr. 2, 14, 198 225
Pbilololgus. XLII. bd. 4.
VE
T11111111111111113111111111111111
Cicer. de invent. 1, 58
2, 149
de orat. 1, 49, 214
orat. 20, 67
— 50, 174
de opt. gen. dic. 14
topic. 21, 82
pro Quinctio 13
Rosc. Amer. 11
— 121
in Catil. 2, 5, 10
pro Flacc. 28, 67
in Pison. 10
Philipp. 10, 6
de finib. 1, 2, 5
Tuscul. 1, 3
4
1, 5
1, 14
1, 15
1, 16
1, 17
1, 20
1, 24
1, 29
1, 34
1, 35
1, 36
1, 37
1, 41
1, 42
171
171, 172
171, 172| — — ad Brat. 1, 15, 1
MV Gland. Quaedrig. fr. 11
Index locorum.
Cicer.
P111118511115511111111141111111111111111111121111111111
*
INS
Pont peed peed peed pasó
owe 0 o ee 9 9 €
t9 t9 t9 cO
LI
£9 PO ro Po PO fO BO
D
9» 92 go 6o 9» $9 PO pO f
Index locorum.
Clem. Strom. 4, 496 ed. Col. 250
Comment. in Apoll. Perg. Coni-
ca ed. Halley p. 9.
Cornel. Nep. Dion 8, 2.
Them. 2, 3
Cornific. 2, 16
fale. leg. 327
Olynth. 3, 16
— 8, 4
Philipp. 2, 9
— 3,31
c. Macart. 51
c. Phaenipp. 1045, 22
9, 22 1
111111111111141
465, 468
457, 462, 468
458
582
722
447, 462
10
3
787
Diod. 12, 88 — 438, 440, 446, 460,
461, 463, 465
— 12, 84 461
— 18,2 441, 457, 461
— 13,4 441, 453, 458
— 18,6 460
— 18,7 453
— 18, 8 458, 458, 459, 464, 465
— 18, 440, 453, 460
— 18,10 441, 444, 445, 446,
450, 460, 463
— 13, 11. 441,442, 446 —449, 459
— 13,12 449—446, 448, 449,
453, 463, 265
— 18, 18 438,444, 448, 450, 452,
454, 455, 460, 464
— 18,14 444—446, 450, 452,
454, 462, 463
— 18, 16 452
—18,17 452, 454, 462
— 18, 18 440, 444—447, 449, 453
— 18, 19 — '438—440, 446, 452,
Erb p bp EE Eo rp prag
UELLE EE P Eg
454, 455, 460, 463, 464, 659
21 462
462
0 717
13, 83 438, 439, 446, 454, 455
13, 48 720
13, 75 220
13, 103 455
14, 10 463
14, 54-78 457
14, 60 468
14, 64 483
14, 72 463
14, 74 463
14, 98 15
102 10
113—117 3
118 8, 17, 20
115 629
116 10
117 5, 10
7 455
16 452
4 609
8 ell
9 el
12 611
14 609 612
55 629
73 609
| 35 629
45 211, 219, 222, 225—227
72 15
101 15
20, 25 17
788 Index locorum.
Died. 20, 36 2, 17, 19) Euseb. Hist. Eco. 8, 4 619
— 20, 45 20| Eustath. ad Hom. Il. A 480 E
— 20, 73 t 0| ratos, Cdp, € 266
— 20, 82 219| Eutoc. (ed. Heib. 92) =
— 20, 88 211, 221, 222| — — HI, 106 75
— 20, 84 225, 226|— — — 112 LE]
— 20, 85 321, 228 | Eutrop. 1, 26 14 Deeps) 513, 514
— 20, 86 a1) — 1, 2 (3, 514
— 20, 90 19 1,2 8, 2) BH
— 20, 100 225, 227|— 1, 8 (4, 3) 526
— 20, 101 19|— 1, 4 (4, 8) 527
— 28, 16 244) — 1, 5 (4, 2) 386, 408
— 29, 25 258|— 1, 5 (4, 14) 527
— 33, 26 258|— 1, 6 (4, 21) 597
Diog. Laert. 7, 84 96|— 1, 7 (4, 25) 386
— — 7, 38 95|— 1, 7 (4, 30) 527
——7,89 96|— 1, 8 (5, 4) 527
223à 96, 97, 100| — 1, 8 (5, 14) 518
— — 7, 132 97|— 1, 9 (5, 16) 528
—— 7,134 97|— 1, 11 (6, 11) 527
= — 7,185 96|— 1, 12 (6, 29) 886, 401
— — 7, 138 95, 96 | — 1, 12 (6, 31) 402
— — 714 95, 96|— 1, 14 (7, 3) 386
- — 7, 152 95, 96] — 1, 15 (7, 7) 514
— — 7, 185 97|— 1, 15 (7, 9) 514
— — 81,19 205|— 1, 16 (7, 19) 515
— — 8, 115 250| — 1, 17 (7, 24) 51$
Dionys. Halic. 1, 28 8|— 1, 19 (8, 8) 401
--31 21|— 1, 19 (8, 10) 516
— — 4,88 21|— 1, 8, 515
— — 4,42 21|— 2, 2 (9, 9) 518
— — 4,55 21|— 2, 3 (9, 13) . 518
— — 4, 64 21|— 2, 8 (10, 3) 513
-—4 6 21|— 2, 9 (11, 15) 515
= — 4, 68 21|— 2, 11 (11, 29) 517
Dionye, Peri. 1—250 536 — 2, 18 (12, 24) 401
— — 109—134 175, 176 | — 2, 18 (14, 2) $14
-- 518198 177, 178, — 2, 19 (14, 10) 386
Ennius epigr. 4 2| — 2, 21 (14, 26) 386, 402
Ephor. fr. 70 462 | — 2, 21 (15, 12) 514
— 119 457, 461, 462|— 2, 22 (15, 17) 881, 386
— 128 453 | — 2, 24 (16, 4) 525
Et. Mag. s. v. dsovroxduos — 28|— 2, 24 (16, 8) 402
Eurip. Ale. 320—821 184 | — 2, 24 (16, 10) 401
— Iph. Taur. 782 186|— 2, 26 (16, 27) — 381, 382, 386
— Med. 278 684 | — 2, 28 (17, 17) 386, 513
— Troad. 94 684|— 3, 1 (17, 23) 518, 518
Euseb. Hist. Ecc. 4, 18 136| — 8, 1 (18, 1) 533
~— 4,15 185| — 3, 8 (18, 10) 386, 401, 402
--51 137) — 3, 5 (18, 21 402
--55 186, 137|— 3, 6 (18, 24 515
——5,21 134, 185] — 3, 7 (18, 33) 517
- - 7,18 615|— 3, 7 (19, 5) 382, 386
— — 17,22 615|— 3,7 He 7) 401
— — 7,28 625 | — 3, 8 (19, A) 514
— — 7, 80 615, 610| — 8, 8 (19, 20) 515
——81 BS — 8, 10 (19, 30) 517
Eutrop. 3, 10 (20, 8)
— 8, 10 (20, 10
— 8, 12 (21, 5)
— 8, 13 (21, 8)
— 8, M (21; 17)
3, 14 (21, 18)
3, 14 (21, 19)
8, 14 (22, 2)
3, 15 (22, 14)
3, 16 (22, 19)
8, 17 (22, 27)
— 8, 21 (23, 26)
— 8, 21 (23, 27)
— 8, 22 (24, 11)
— 8, 23 (24, 19)
— 4, 2 (25, 12)
— 4, 6 (26, 28
— 4, 6 (27, 1)
— 4,7 (27, 27)
— 4, 10 (28, 12)
— 4, 10 (28, 17
13 (40, 80)
, 14 (41, 16)
Index locorum.
516.
$14,
390,
401,
386,
Eutrop. 6, 14 (41, 19)
— 6, 15 (41, 24)
— 6, 15 (41, 29)
7 6, 16 (42, 5)
(47, 5)
6
8
8 (47, 29)
8 (47, 28)
9 (48, 7)
10
10 (48, 20)
11 (48, 27)
11 (48, 28)
12 (49, 4)
12 (49, 8)
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SISSSANANZANSA INSINNA
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18 (51, 19)
7, 20 (52, 17)
7, 20 (62, 20)
7, 13 (54, 3
8, 1 (54, 13
2
— 8 2 (54, 27)
—8 2 (55, 3)
1111111111111111111
=
518,
401, 515,
401,
790
Eutrop. 8, 3
8, 3 (55, 8)
& 8 (55, 10)
8, 8 (57, 18)
$ 8 (57, 21
89 67, 25)
8, 9 (57, 27)
0
8, 10 (58, 7)
10 (68,7)
j 12 (58, 28)
3
13 (59, 19)
m
, 18 (60, 26)
9
8
8, 19 (61, 2)
8, 19 (61, 5)
8
, 20
8, 21 (61, 21)
8,22
È a (61, 28)
28 (61, 33)
$ 1 (62, 7)
9, 1 (62, 11)
9,2
9, 2 (62, 2
9, 2 (62, 23)
9,2 8 26)
9, 8 (68, 3)
9,4
9, 4 (63, 8)
9,5
9,7
9, 7 (68. 25)
9, 7 (63, 27)
9, 7 (68, 28)
9, 8 (68, 32)
9, 8 (64, 9
9, 8 (64, 5)
9, , (64, 18)
Index locorum.
598 | Eutrop. 9, 10 (64, 25)
408 |— 9, 11 (64, 28) 382, sos ani
528]— 9, 12 (65, 6)
12 (65, 8) *
- 528
— 8, 18 (65, 13) 531
= 14) h
- , 27) 512
— 30) 392, 512
- 526
- 14) 382, 386
— 9, 16 426
528 |— 9, 16 (66, 15) 383, 512
526, 528] — 9, 17 526
530 |— 9, 17 (66, 20) 581
526|— 9, 17 (66, 30) 518, 5%
518|— 9, u (66, 31) 386, 512
526 | - 9, 1 526, 528
518|— 9, 18 (67, 6) 522, 524
526|— 9, 18 (67, 11) 516
526 |— 9, 18 (67, 18) 526
512|— 9, 19 5%
526|— 9, 19 (67, 18) 401
526|— 9, 19 (67, 19) 512
517 |— 9, 19 (67, 24) 386, 392
391, 514 | — 9, 24 (69, 16) 5
5181— 9, 25 (70, 1) 521
530|— 528
524 | — 9, 27 (70, 20) 517
526|— 528
530| — 10, 1 (71, 2) 516
512|— 10, 2 (71, 20) 518, 525
526 | — 10, 2 (71, 22)
530|— 10, 8 (72, 17) 387
526] — 10, 4 (78, 4) 525
531] — 10, 5 (73, 9) 518
581|— 10, 558
581|— 10, 8 (74, 10) 514, 518
524 | — 10, 9 (74, 24) 387
528 | — lu, 10 (74, 30) 391
531] — 10, 11 (75, 16) 513
517, 522] — 10, 15 (76, 11) 516
386 | — 10, 16 528
531| — 10, 16 (77, 6) 517
526, 528) — 10, 18 (78, 9) 516
512|— 10, 18 (78, 17) 517
526 | Festus ed. Müll. p. 254 318
526 |— 330 546
518 | — 352, 4 407
581| Festi brev. ed. Forst. 16 p. 15,
382, 386| 22 39
401, 402, 524 | — 20, p. 17, 24 522
515, 531|— 21 522
518|— 22 p. 19, 8 517
524|— 23 5m
VIA 24 9. 20, 1 522
Index locorum.
Festi brer- ed, Porat. 27 p.21,8 a
Flor. 8, 5, 30
— 4,2, 19 392
— 483 392
— 4, 8,4 118
Front, Str. 2, 9, 7 445
Gell. 5, 4, 18
— 10, 181
Barpocrat. a. p. Imoddune 195
Hegesipp. 8, 27, 2: 744
Hermog. ed Sposgel I 188, 28 277
— 140, 17
— 141,7 E
— 154, 28 280
— 156, 10 278, 284
Herodot. 1, 82 38
— 1, 147 32
— 1, 180 218
— 8, 49 32
— 427,5 218
— 5, 66 27
— 5,90 27
— 6, 66 27
— 6,89 585
— 6, 115 26, 39
— 6, 117 26
— 1,10 34
— 7,46 34
— 1, 18 722
— 7, 182 40
— 7, 14 584
— 7,152 26
— 7, 228 21
— 7, 233 40
&1 585
— 8,4 41, 629
— 8,5 40
— 8,7 48
— 8, 4 585
— 8, 18 41
— 8, 21 41
— 8, 57 4
— 8, 59 40
— 8, 61 40
— 8, 93 47
— 8,111 47
— 8, 113 31
— 8 122 41
— 8, 128 42
— 8, 124 48
-9,8 42
— 9, 22 46
9, 27 4
— 9, 46 47, 48
— 9, 50 4
— 9, 52 45
— 9, 60 45
Herod. 9, 62 31
— 9, 69 45
PL MM 722
Hesych. ‘Innoddpov viuas — 196
Hieron. chr. a. 197 518, 514
— 9040 518
— 2110 517
— 2118. 301
— 2256 522
— 2282 518
— 2287 522
— 2291 522
— epist, 64, 14 349
—-e, 348
— — 127, 4 375
Histor. Apoll. ed. R. p.19, 6 392
— 42,8 361
— 62, 16 392
— 63, 24 392
Hom. Il. X 416 541, 548
— Od. a 540
= — «373 542
— — a 405 548
— - 868 769
— — p 88 540
— — 8 138 548
— — 8 160 769
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— — {154 544
— — n.14 541
221 769
- 543
x Bya, Al. Pyth. 216 174
— — 326 178
— — 350 178
Horat. od. 1, 20 770
- 771
- 770
- 323
- 81
- TS
- 708
- 342
- 773
- 334
= 778
- 169
= 770
- 516
- 770
- 772
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247 392
— — 24
Hyper. pro Euxen. 82, 1-17 E
792
Jord. hist. Rom. 235 (31, 2 ed M.)
— 255
257
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2
ledex locorum.
3
Isid. chron. ed. Ronc. II 439
— 440
— 441
— 442
929,
530,
Isocrat. Panegyr. 12
92
— Phil. 29
Jul. Valer. ed. M. 1, 18 p. 188 12
— ], 18 p 18> 8
1, 19 p. 19b 4
1, 31 p. 38
p. 575 2
2, 15
8, 20 p. 126» 18
2,2
p. 72° 11
8, 25 p. 1368 22
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438, 450,
454,
498, 445, 446,
Lactant. de mort pers. 6. 615,
Lib. de Const. Magn. 2, 10
,11
Liv. 2, 48
ms
Or Co Ot i». 1 de o ho to 60 «5
239, 253
Index locorum. 793
Liv. 43, 22 289 | Oros. hist. 4, 17, 5 525
— 44, 26 243} — 4, 18, 8 525
— 44, 36 263| - 4, 20, 36 526
— 45, 9 253 | — 5, 4, 16 391
— 45, 19 258; — 5, 16, 12 524
Lucian. Amor. 8 220, 226 | — 5, 20, 2 525
— Charmid. 19 629 | — 6, 6, 1 518
Lucili incert. 77 p. 142 M. 884] — 6, 6, 2 391
Lysias in Agor. 34 640| — 6, 13, 1 391
— in Eratosth. 67 199 | — 6, 21, 20 891
— — 70 640 | — 6, 43, 4 391
— — 71 640 | — 7, 2, 1 391
Macrob. Sat. 2, 1, 12 143 | — 7, 2, 8 391
— 2,2, 7 376 | — 7, 3, 5 891
— 2, 3,7 143| — 7, 6, 10 532
— 2, 3, 8 143| — 7, 6, 12 391
— 2,4, 8 143| — 7, 11, 1 528
— 2, 4, 6 148| — 7, 12, 8 891
— 2, 6, 2 143} — 7, 13, 5 391
Marcell. ed. Walz Rhet. Gr. — 7, 18, 5 524
IV 431, 5 477| — 7, 19, 2 524
— 441, 12 477; — 7, 19, 4 523
Martial. 8, 93, 7 376! — 7, 22, 7 518
Maxim. Planud. ed. Walz Rhet — 7, 22, 10 402, 524
Gr. V 293, 2 277| — 7, 22, 11 524
— 810, 31 280| — 7, 22, 12 524
— 311,1 277, 281| — 7, 22, 13 524
— 811, 14 278| — 7, 28, 2 526, 615
— 812, 21 278, 280| — 7, 24, 4 522, 524
— 512, 24 277| — 7, 24, 81 524
Nonius p. 116, 28 437|— 7, 25, 9 525
— 531, 5 8325| — 7, 25, 16 518, 525
Oros. hist. 1, 2, 17 391! — 7, 28, 17 525
— 1, 2, 104 891| — 7, 43, 6 891
—1,7,8 891| Ovid. Fast. 2, 691 21
— ], 21, 12 391| — "Trist. 4, 1, 102 149
—2,2,1 391 | Pappus Coll. III 21 ed. Hultech
—2,2,6 391| 1 p. 54 78
—2,8,1 891| — III 23 p. 56—58 73
— 2,6, 2 391| — VII 30 II p. 672 80
— 2,7, 12 391 | Paul. Diac. 9, 17 392
— 2, 8, 4 391| — 15, 6 511
— 2, 15, 8 391| Paus. 1, 2, 5 247
— 2, 17, 18 391 |— 1, 8, 5 248
— 3, 2,5 391} — 1, 12, 9 449
— 3,7, 8 891| — 1, 18, 9 455
— 8, 20, 1 891 | — 4, 31 220
— 8, 20, 4 391| — 6, 24 217
— 3, 20, 8 391 | — 6, 24,2 194
— 8, 28, 15 391| — 8, 14, 10 247
— 8, 28, 44 391| — 10, 20, 5 248
— 4,9, 14 525| — 10, 21, 2 248
—4,11,8 918 | — 10, 23, 2 248
— 4, 12, 2 402 | Pers. 3, 82 824
— 4, 16, 8 516, 523 | Petron. 45 326
— 4, 17, 2 514, 524| — 61 323
— 4, 17, 4 518 — 64 A
Philologus. XLII. bd. 4.
93
794
Petron. 67 836| Plotin. ed. Müller p. 340
Phaedr. 1, 27 376 55, 56, 60, 68, 68, 71
876| — 341 59, 60
378| — 342 56, 61, 66, 67
454| — 348 56, 59, 61, 62, 66, 67
28|— 344 56, 62, 63, 64, 70
199| — 345 56, 64, 66, 67, 69
— 'Innodáuov rau 196| — 346 63, 66— 69, 71
Plat. Charm. 168 D 58| Plot. Aem. Paul. 2 454
— Gorg. 450 E 595, 607| — — 12 36
— — 506 E 58|— — 16 268
— Legg. 674 B 688| — Alcib. 18 451
-— — 778 B all — 20 45
— — 859 B 595, 607|— — 21 451
— Lysis 214 595, 607| — — 82 582
— — 221 — 3
— Phileb. 44 C-E ell
— — 46A 248
— — 56 B 35
— Protag. 324 A 39
Z map 475 C 594 on
- . 475 h 4
— — 506 E 45, 47, 48, 50
— — 515 AB 45, 46
— Sophist, 256 A 40
mp. 193 D 35
Pas Hacch 47,4 4L E
- 5
-— 2955 5, 28
— Menaech. 5, 9, 50 39, 52, 639
Plin. N. H 2, 8! 5
8, 89 6
64 6
, 128 sl
, 101 36, 52
, 198 591
B, 224 257
8, 256 257
7, 15 225
38, 155 22
51 455
4, 63 467
86 466
34, 88 28, 87, 457
4, 91
5, 188 641, 642
Plin, epist. 10, 98 640
Plotin. ed. Müller p. 70, 20 is 639
26—38 78
— 95,32 28, 37
96, 24—25 35, 442
— 821, 14—22 51, 443
— 835 56, 58 42
— 886 55, 56, 58, 59 469, 470
— 887 56, 57, 35
— 888 55, 56, 58, 65 69 — — 8 470
— 339 68, 88, — 461, 468, 469
Index locorum.
ludex locorum.
Plut, Nic. 12 440, 443, 446, 463, 465
-- 4 451
— - 15 451
— — 16 448, 450, 451
— — 18 443, 447, 465, 467
- — 19 446, 452, 456, 467
— — 20 440, 441, 446, 448, 465
—- 441, 448, 446—452
— — 22 442—444, 446, 448, 465
— - 28 443, 465
—-" 441, 444—446
— —% 441, 446, 487
— — 96 445, 446, 452, 465
— — 27445, 446, 449,454, 467, 657
— — 28 488—440, 446, 452, 455,
466, 656, 657
— , 455
_ p
_ 33
- 52
- 469, 470
- 469, 470
P.
De ei ap. Delph. 8
De exilio 18
De fet, Alex Il 11
P» Athen. 7
fered. malign. 1
7|— Non posee suaviter vivi sec.
0
795
Plut. De Herod. malign. 3 29, 52
5 86
81
28, 29, 39
30, 31, 39, 51
81
- 28, 29, 40
- 29, 52
— 40, 41
- 29, 31
= 29
- 81, 41
= 29
- 81, 49, 47
-- 5 29, 40, 44, 45, E: 50
I De Zas et On. 20 a
- 22 88
—— 95 38
Polyaen. 1, 30, 6
1, 42,
1, 43, 2
796 Index locorum.
Polyaen. 5, 10, 2 456
— 5, 18, 1 dl
Polyb. 1, 6 3
— 2, 18 6, 8, 12
— 3, 53,8 98
—45 241
— 4,9 241
— 4,16 239
— 417 241
— 4, 26 241
— 4,21 241
— 4, 84 234
—4 897 235
—4 67 241
— 5, 89 258
— 5, 88 225
—59 24
— 5, 96 241
— 6,2 21
— 10, 21 243
— 12, 25 454
15, 81 258
— 17,1 243
— 17,5 248
— 17,10 240, 248
— 18, 90 244
— 20,9 241
— 22, 8 241
— 2%, 14 245, 256
— 23,1 258
— 28, 17 258
— 28, 16 249, 250
— 30, 2 258
— 31,3 232
— 88, 10 239
— 37,1 260
— 38, 3 238
— 38, 6 239
— 38,7 239
Pomp. com. 72 323
Prise. 1, 158, 6 408
— 1, 230, 2 408
— 1, 285, 21 408
— 1, 249, 7 408
— 1, 338, 2 408
— 1, 352, 1 409
Procl. Diad. in Euclid. element.
libr. comm. ed. Fried]. 67 73
— — 72 74
— - 7 74
— — I 73
— — 958 74
— in Plat, Tim. III p. 149 ed.
Joh. Valder 75
Quint. 1 prooem. 6 Ha
Tad
Quint. 1, 5, 15
IEEE E ELE EE EE E PG E OG G g
TETETTEETEEEEEE ETT ETT TA TUTTA TT
. LS
312,
142,
M3,
149,
Index locorum.
Quint. 10, 1, 66 150
= 10, 1, 68 148
— 10, 1, 69 152
— 10, 1, 72 149, 150
— 10, 1, 77 147, 150
— 10, 1, 88 147
— 10, 1, 90 148, 151
— 10, 1, 96 151
— 10, 1, 103 153
— 10, 1, 117 152
— 10,28 152
— 10, 2, 18 148
— 10, 2, 17
— 10, 2, 18
— 10, 3, 10 148
— 10, 8, 20 148
— 10, 3, 25 M5, 148, 151
— 10, 8, 29 145
— 10, 5, 1 151
— 10, 7, 1 152
— 10, 7, 18 151, 152
— il, 1, 61 151
— 11, 1) 88 146
— 11, 1, 87 146
— 11, 1, 92 146
— 11, 8, 168 148
— 12, 2, 81 151
— 19, 10, 47 151, 152
— 12, 10, 51 145
— 12, 11, 18 145
— 12, 11, 16 151
— 12, 11, 31 142
Quint. Smyr. 18, 210 199
Rufin. Aquil. bist. eccl. 7, 26 615
Sall. Cat. 1, 1 382
——7,1 342
— - 17,7 342
ml 342
— — Ing. 49, 5 393
Bchol. Venet. "Arist, Equ. 287 *
_ 580
Bence, Dialog. 8, 5, 1 607
— 8, 5,2 607
— 85,4 607
Serv. ad Verg. Aen. 4, 86 — 392
— — 6, 826 1
— — 8,830 22
Bimplic. in Comment. ad Aristot.
phys. fol. 64» 94, 106
Sopater (ed. Walz) 121,90 ' 280
. 98 278
Sophocl. Aiax. 737 an
— — 739 271
— Antig. 15 . 188
— — 135 266
— — 898 267
— — 885 268
Sophocl. Antig. 1245 186
— Elect. 152 267
— — 807 186
— = 1199 271
— 0ed. Col. 316 272
— — 583 272
— — 75 270
— — WA 273
— — 1858 271
— Oed. R. 608 273
— — 910 186
— — 1409 269
269
i 274
— — 338 272
= — 44 185
— — 425 185
— - 501 an
— — 504 271
— - 567 186
— — 84 269
— — 876 269
— Trach. 71 974
— — 299 185
— — 576 an
— — 614 185
— — 615 185
— — 881 278
— — 1280 274
Sophon. 1, 6 334
Spart. Did. Jul. 2 184, 198
Sept. Sev. 4 184, 138
Stat, Silv. 4, 4, 71 142
Strabo. p. 94 108
— p MT 97
— 5 p. 220 8
— 5, 224 547
— 5, 226 C 547
— 5, 230 547
— 5, 238 547, 548
— 5, 288 € 548
— 6, 250 548
— 9, 395 214, 220
— 10, 470 462
— 10, 483 461
— 10, 489 178
— 12, 566 219
— 12, 575 220
— 18, 605 227
— 18, 616 721
— 14, 652 220, 225, 226
— M, 654 220
- 162,9, 196
— 17, 701 776
— 17, 788 776
— 17, 792 775
— 17, 798 DX
798
Strabo. 17, 797 98
Suet. Aug. 98 391
— Domit. ed. Roth p. 252 391
— Tib. 11 225
Buid. a. v. djys 516
= ode di 196
— “Innodäune dyogd
— Holépor net 262
Syrion (Walz Rhet. Gr. IV
547, 7) 278
Tacit. Ann. 1, 81 184
— — 9,16 188
— — 8,18 184
— — 8,61 392
— — 11, 26 188
——18,8 187
— — 18,9 187
— — 18,75 187
—--147 184
— — 15,6 188
— — 15, 25 188
— Hist. 4, 10, 2 776
— — 4,12 776
— — 465 184
Tert. Ap. c. 5 136
Theo Smyrn. rerum
expos.
math. ad leg. Plat. ed Heller
p. 121, 4 106
— — p. 201
— Progymn. p. 439 W. 456
Theog». 1—10 227
— 15 205
Thucyd. « 1, 5 768
— - 2,9 767
——8298 767
——51 701
—-63 701
— — 9, 20 764, 767
— — 11,10 701
— — 12, 28 161
— — 18 688, 701, 767
— — 1 587, 753, 767
— — 18 |, 767
— — 19, 29 767
— - 2081 590
— — 22,8 767
——981 167
— — 94, 29 701
678, 688, 716
— — 96 701
——9 682, 701
— — 98 701
——99 701
— — 30, 10 701
— - 3514 740
— — 89, 38 101
— - 41,6 "SS
Index locorum.
Thucyd. « 46, 12
— — 4
9 701, 786, 766
— — 50
-- 3 664, 701
— — 56, 23 766
—— 57,8 690
— — 58, 701
--61 684, 690, 697, 701
— — 62 695, 701
— — 68, 10 701
— — 64,20 686
— — 66, 21 635
— — 6784 468
— — 69,4 740
— — 70,1 687
— — 72,82 68
——4 701
— — 76, 81 616
--79 636, 701
— — 81,4 768
— — 82, 10 740
— — 87 669
— — 89 701
— — 91,85 768
— — 92, 23 758
— — 98 197, 198
— — 102 701
668, 669
696, 697
— — 107,3 686
— — 113, 6 728
— — 114, 26 788
— — 1515 m
— — M8 642, 160
— — 120, 18
— — 121, 18
— — 125 627, 635, 701
— — 126, 31 701
— — 12788 468
— — 128, 16 701
— — 131,9 701
— — 182 x
— — 187, 26 701, 7%
— — 189, 1 46!
= — 140, 16 72
— — 142 688, 68
— — 148,1
— 8,1 627, 685, 638, 64
— — 2 627, 628, 629, 637, 6
646, 6!
— — 4,18 6
— — 633, 6
——99 6
— — 10, 88. 6
— — 18 457, 652, 684, 688, €
— — 17 652, €
AC 636, (
"Thucyd. 8 19
— — 4,1
— — 95, n
r — 27,30
29, 4
IEEE E E n rg
111111411141
111141
MEME
, 30
31 652, 656, 684, 696,
38 646,
36
40, 19
4l 5
43, 32
Index locorum.
45, 5
4T 636, 644, 649, 650,
668,
: 627, 686
799
Thucyd. y 40, 7 676
— — 44, 2% 674
— — 47,11 718
— — 48, 15 676
— - 50 652, 707
— — 51, 36 7
5 672, 729
— — 66, 22 7
mm 652, 718
——15 712, 720, 729
— — 82 652, 292
— — 86 668, 669
—- 87 652, 692
— — 90, 35
— — 91, 21 696, 697
— — 96, 82
— — 98,4 696, 697
— — 100, 20
— — 101 488, m
— — no
— — 115 652, 658, 668, Ed
m 658, 654, 668
4 695
695
651
695
758
666, are
30, 696, p
682
201, 678, 758
706, 781
706
649, 652, 660, 728
6
736
652, 758
58
755
629
108, 18 666
117 647, 658, 654, 660, THE
800 Index locorum.
Thucyd. d 118
1
666, 725, 727
666
— — 119
— — 121 725, 731
— — 122 631, 726, 781, 738
— — 126, 678
— — 135 629, 665
— 22 656, 667
— — 7, 82 754
— — 9, 14 680
— — 16 629, 667, 692, 768
— — 17,7 729
— — 18 797, 788, 780
— — 19 677, 662
90 628, 680, 631, 685, 637
646, 647, 658, 659, 669
— — 22 661
— — 24 ° 658
— — 25 645, 752
— — 26 680, 681, 639, 642, 643
646
— — 98,1 760
— — 90,6 652
— — $1, 5 760
— — 84,8 652
— — 40 629
— — 4] 729
— — 44, 10 752
— — 4 740
— — 52 649, 650
— — 656
— — 60, 24 740
— — 61 735, 768
— — 68, 8 629
— — 70, 23 736
— — 72, 24 753
— — 76, 34 656, 659
— — 88,5 773
— — 84 712, 794
— — 86 676
— — 108 644
— — 112 736
— — 115 728
— — 116 652, 729
— — 119, 2 729
— 62,2 496
— — 3 630
— — 4 630
— — 5 630
— — 6 447, 460
— — 7 728
— — 8 447, 463, 647, 653
654
— — 9 461
— — 15, ll 652
— — 19 440
Thucyd. ¢ 21, 7 659
— — 25 461
— — 81 682, 684, 692
— — 83, 2 447
— — 43 444
— — 44 764
— — 46 460, 669
— — 50 458
— — 54 692
— — 55, 85 633
— — 61 460, 693
— — 62,1 460
— — 68,1 656
— — 72, 21 754
— — 73 458
— — 74 652
— — 75 458
— — 76 447, 722
— — 82 673
— — 83 673
— — 85 724
— — 88 453, 458
— — 98 460, 702
— — 94 647, 649, 654
— — 98 453
— — 99 695
— — 108 452
— — 104 752
— — 105 652
— nl 458, 458
——8 444, 695
—— 5 464
——6 464, 768
— — 7 448, 459, 465
— — 12 | 459
— — 16 453
— — 19 445, 459, 647, 649, 651
— — 23 444, 460
— — 24, 11 687
— — 25,9 459
— — 27, 33 652
— — 29,9 753
— — $l 629, 682
— — 82 459
— — 34 766
— — 88 441, 444
— — 40,5 441
— — 4 444, 460, 766
— — 42 444, 447, 450
— — 43 449
— — 45 442
— — 46 459
— — 47 443, 448, 463, 464
.- — 48 443, 447, 448 765
— — 49 442, 443, 454
— — NS 80, 454, 656
Index locorum,
Thucyd. » 52 — 450, 452, 460, 456
— — 53 444, 460, 629
657
724
766
456
638
452, 456
446, 449, 450, 729
447, 688
455
657
651, 657, 673
651, 657
657
456, 657, 670
657
88 651
84 657
85 657
86 446, 447, 449, 455, 456
— 87 454, 455, 460
—-— 4 649
—91 657, 659, 768
--2 657
— — 4,14 657
--5, 768
——6 629, 752, 768
--7 629, 647, 649, 648
——8 768
— — 9, 98 729
- — 17 629, 766
— - 19 693, 706
— — 23,8 682
—-351 629
— — 88,12 693
— — 34 706, 764
— — 85, 16 686
— — 88, 88 706
39, 22 647
— — 41, 10 693
— — 45, 18 652
— — 56 678, 729
— — 58 740
— — 60,7 682
- — 61 647, 649
— — 63,1 62
— — 65,21 755
— = 67 740, 755
— — 68,2 755
= = 69,9 755
— — 70 728, 729, 764
— — 78, 38 633
- - 7411 752
— — 6 152, 764, 768
——8 674
— — 89 766
Pbilologus. XLIL bd. 4.
801
Thucyd. 9 90 197, 752
- — 93 676, 729
— — 99 652
— — 101 651, 751
— 102 629, 757, 661
— — 105 766
— — 109 706
Timae. fr. 97 454, 467
— — 454
-- if 454
451
Treb. gi xx. Ip 97,25 ed. Pet. 402
Turpil. com. 127 328
Val. Max. 2, 10, 2 58
Varro de L. L. 5, M4 9
— — 6,82 546
— — 7,101 249
_ - a 105 16
-- 312
Vell. Peter. 2,7,2 598
— 2, 70, 598
— 2) 85, 4 614
= 2, 112,5 593
Verg. Aen. 4, 36 392
— Georg. 1, 512 545
= — 4, 64 346
Victor Vitens. 8, 55 342
Vitruv. 1, 7 211, 226
— 28 225
— 2, 8,11 211
— 7 praet. 10 323
— 9 2 206
— ‘ed R. p. 49, 8 392
im P. 49, 16 392
im P. 49, 24 392
— P. 72, 15 392
|— p. 101, 22 392
— p. 118, 7 374
— p. 159, 9 392
— p. 176, 15 392
— p. 181, 11 392
p. 182, 9 392
— p. 195, 7 392
— p. 195, 19 392
— p. 197, 11 392
— p. 200, 1 392
— p. 203, 1 392
— p. 213, 18 392
— p. 283, 8 392
Vopisc. Aur. 19 616, 617
— 20 616
— 21 616, 617
2. 616
— 87 616—618
— 89 618
— 40 616, 619, 621
Vulg. act. ap. 5, 16 Wi
dA
802
Vulg. act. ap. 8, 40
16, 6
Dan. 1, 10
2, 19
. 11, 24
5
Index locorum.
331,
342^ Vulg. dent. 32, 6
329| — — 32, 14
857|— — 33,
335
368 | — —
881|— — 9,
376 | — eccli.
388}— — 1,4
34|— — 1,16
338] — — 1, 17
329 |— — 1, 39
ssıl— — 2,2
358|— — 2,6
342|— — 2, 18
889|— — 3, 17
328|— — 8, 96
362/— — 3, 28
365|— — 3, 34
328|— — 4,7
838|— — 4, 18
s: |— — 4, 21
328|— — 4, 80
323|— — 4, 38
325|— — 4, 34
825|— — 5,1
372|— — 5,5
$59|— — 5, 10
330|— — 5, 16
367|— — 6, 5
353|— — 6, 26
341|— — 6, 81
388|— — 7, 2
341]— — 7,6
sil — 7,9
338|— — 7, 20
361|— — 7, 86
333|— — 7, 87
371|— — 8,4
358|— — 8, 10
365/— — 8, 16
342|— — 9, 15
$48| — — 9, 25
887|— — 10, 4
$40|— — 10, 14
841|— — 11,1
348) —
376 | —
363 | —
333 | —
343] —
375|—
, 92
— eccle. (Predig. Sal.) 2, 10
]
12
(Jesus Sirach) 1, 1
824,
324,
324,
$88BSEEBEBEESERDEBDEBEBEEBERSSESSEENEDBISSEEDESBEREHBDEETE
Index locorum. 803
Vulg. eccli. (Jesus Sirach) 18,13 362
M, 18 324
— — M, 18
— — 16, 22
326, 367
328, 857
326, 327
Vulg. eccli. (Jesus Sirach) 86, 11 324
36, 27 828
— — 37,4 394
— — 87,18 325
— — 87, 32 350
— — 87, 33 327
— — 97,34 856
— — 88 8 872
— — 38, 17 325
-— 22 324
— — 88, 30 326
— — 88,84 324, 333
— — 39,4 872
— — 39, 23 324
— — 39, 28 827, 339
— — 39, 86 337
— — 40, 10 827, 389
— — 40, 18 324
— — 40, 32 324
— — 41, 16 328
——41,24 324
— — 43, 21 326
— — 4,5 364
— — 45, 10 426, 349
— — 46, 10 359
— — 47,1 364
— — 48, 6 362
— — 48,9 326
— — 48, 18 326
— — 49, 13 327
— — 50,20 327
— — 50,21 886
— — 51,6 388
— — 51, 19 849
— 1 Esdr. 1, 6 333
--2, 361
——3'6 375
— — 4,18 842
— — 4,14 338
——15,91 868
— — 10,1 378
— 2 Esdr, 8, 30
= 4,2 272
In 339
— — 7, 65 852
- 18
--1B 342
— — 2,15 329
- —8, 14 365
— — 8,17 358
——94 332
— — 18,2 332
——151 366
— exod. 2, 1 346
——8,1 334
— — 10,4 376
n
804 Index locorum.
Vulg. exod. 11, 7 376 | Vulg. gen. 25, 80
_ 12, 31 335 )— — 25, 34
- 363|— — 26, 8
- 338|— — 26, 10
- 367|— — 26, 21
- 873|— — 27,4
— 842|— — 28,1
— 360 |— — 28, 18
- 363] — — 29, 6
— 884|— — 30, 10
— 338 — — 31, 10
— 349) — — 38, 15
— 833|— — 84, 19
- 363|— — 34, 24
- 352|— — 34, 25
- $40|— — 34, 80
— 342 — — 35, 5
— 834 |— — 35, 16
— 368) — — 36, 38
— 337| — — 88, 16
- 334) — — 39, 14
— 954|— — 40, 1
_ 366 |— — 40, 20
— 343)— — 41, 11
- 345|— — 41, 18
— 366| — — 41, 19
- 862|— — 42, 1
_ 340|— — 42, 6
_ 359|— — 42, 38
_ 861|— — 48,1
_ 867 |— — 43, 5
— 334 |— — 48, 10
_ 350|— — 43, 27
_ 364|— 45, 20
— 348|— — 48, 7
— 884 — — 48, 18
— 342| — Habac 2, 5
_ 836, 387 | — Hebr 4, 12
_ 876|— — 5,1
— 352| — — 7, 23
- 3884|— — 10, 6
- 388|— — 10, 8
- 841|— — 12, 14
— 835, 367 | — — 12, 18
— 340 | — Jacob. 1, 11
— 825 | — Jer. 4, 12
- 884|— — 4,
- 342) — — 8, 12
_ 8348| — — 9,9
_ 366 | — 16, 4
- 341] — — 23, 8
— 840| — — 24, 10
— 866| — — 31, 14
_ 8366| — — 81, 87
_ 8356 | — — 88, 26
_ 839 |— — 36, 22
_ UN — — W,
Vulg. Jer. 43, 2
Index locorum.
851 | Vulg. Jos. 7, 16
gi
348|— — 10,
g48|— — 11, 11
334|— — 18, 8
348; — — 22, 18
376|— — 23, 1
352|— indie. 3, 16
376|— — 7, 20
$60|— —8& 11 \
339|— — 11, 5
376|— — 15, 19
848,374 | — — 16, 29
375|— — 19, 6
352|— — 19, 18
338 | — — 20. 5
376|— — 20, 6
349|— — 21,5
348] — — 21, 15
383 | — Judith 2, 8
2, 18
378|— — 3, 9
337|— — 4, 6
376|— — 5,4
373|— — 5,5
349|— — 5,9
848|— — 5, 19
333] — — 5, 24
343|— — 5, 26
338|— — 6,3
389|— — 6,4
333|- — 6, 5
372|— — 68
331|— — 6, 10
8541— — 6, 11
353|— — 6, 18,
366|— — 7, 16
367|— — 7, 23
373|— — 8,3
346|— — 8, 14
337|— — 8, 24
359|.— — 8, 82
338]— — 9,1
343|— — 9, 8
373|— — 10, 9
381|— — 10, 16
833 |— — 12,1
381|— — 12,2
351|— — 12, 10
829 |— — 12, 12
376|— — 12, 14
376| - — 12, 19
329|— — 12, 20
350|— — 18,1
341|— — 13, 10
359|— — 13,11
806 Index locorum.
Vulg. Judith. 15, 11 859| Vulg. 1 Macc. 6, 51 828, 971
— — 15,14 338) — — 8,6 871
— — 16, 22 851|— — 9,11 828
— — 16, 24 854|— — 10, 23 338
— levit. 1, 8 327|— — 10, 24 328
— — 2,4 333 |— — 10, 51 376
— — 8,1 842| — — 18, 17 387
——58 848| — — 13, 28 828
— — 6,8 875| — — 14, 87 328
— — 7,18 366|— — 15, 27 34
— — 8, 10 883|— 2 Mace. 1, 19 328
— — 8, 16 848|— — 2,8 872
— — 8, 20 348|— — 4, 14 357
— — 8, 28 843, — — 5, 27 352
— — 9,10 848|— — 6,7 349
= — 10,1 335|— — 6,9 336
- — 10,4 335|— — 6, 11 856
— — 10, 16 846| — — 6, 12 359
— — 11, 29 376|— — 6, 21 352
— — 18, 59 376|— — 7,1 359
— — 19, 12 875|— — 7,4 874
— — 20,4 342|— — 7,84 323,
— — 20, 10 339| — — 7, 40 356
— — 95,9 376|— — 9, 20 342
— — 95, 348|— — 10, 25 328
— — 26, 10 854| — — 10, 35 359
— Luc. 1, 8 836|— — 11, 4 371
— — 2,7 337|— — 11, 18 873
— = 2) 28 337|— — 12, 16 328
— — 8,15 352|— — 12, 20 366
——1,8 362| — — 12, 42 328
— — 11, 28 366|— — 18, 2 371
— — 12, 16 837|— — 18, 11 357
— — 12, 98 358|— — 13, 15 371
— — 18,15 387) — — 13,25 376
— — 14,18 349|— — 14,5 872
— — 14,19 35|— — 14, 12 871
— — M, 29 881|— — 14, 48 328, 359
— — 15, 22 876|— — 15, 30 375
— — 21,11 345|— Marc. 1, 6 376
—— 295 34|— — 4, 35 351
— — 22,19 325|— — 6, 18 361
— — 28, 17 840|— — 6, 21 349
— 1 Macc. 1, 18 871|— — 7,4 838
— — 1, 56 357|— — 12, 83 330
— — 2) 64 359| — — 14, 19 376
— — 3,30 361|— — 15, 21 348
— — 3) 34 371|— — 15, 42 851
—— 4 30 828|— — 15, 44 356
-Igis 316|— — 16, 18 361
— — 6, 20 256 | — Matth. 3, 4 316
— — 6,30 871|— — 5, 29
= — 6,31 359|— — 5, 30 938, 375
— — 6,84 371|— — 5,83 375
— — 6, 35 871)— — 7,6 349
— — 6,45 32|- — 8 17 361
Index locorum. 807
4
DI
*
E
&
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LÀ
8
358 Vulg. 2 parall. 26, 10 357
626 8, 3
(EEREHEERERRER)
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I
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3
— 86, 16 842
2 Petr. 1, 19 374
1111111111111111
831, 378
881, 878
808 Index locorum.
DRE
I
5
*
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25 374, 376 ai
— 2,6 376 ‚4
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_ 2412 = 9,4
— = as, 36 = 10,8
== 80,7 = 10,7
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Z 2 reg. 2 Zw
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2412 Zu, 18
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ZT 10,4 184
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Im 368|— — 18,6
Im 365|— — 18, 8
=I it} 22 54|— — 13, 18
= = 18,22 34|— — 14, 26
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Index locorum.
Vulg. Tob. 7, 14
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6,
Xenoph. Ephes. 5,11
Zonar. 12,
366 |Zosim. 1, 49—52
/erzeichniss der excerpierten zeitschriften.
Anzeiger für schweizerische alterthumskunde .
Bulletin de la société des antiquaires de France
Memoires de la société des antiquaires de France .
Revue archéologique .
Revue critique d' histoire et de littérature . .
Séances et travaux de l’academie des sciences morales et
politiques .
The Academy
The Edinburgh review .
The journal of philology
The North-american review
The Westminster review
188. 418.
192. 560
416. 560
. Druckfehler.
Druckfehler. |
P. 548 s. 7 v. u. lies: gamer statt zwuon.
P. 544 s. 5 v. o. lies: Svuds statt 9sgyuoc.
P. 755 s. 8 v. u. ist das Zahlzeichen für 5000 falsch: es sollte
X| sein. |
P. 777 s. 8 v. u. lies: enwyyi- — statt snayye.
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