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Full text of "Polyidos: Tragödie"

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HARVARD COLLEGE 
LIBRARY 



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BOUGHT WITH INCOME 
FROM THE BBQUEST OF 

HENRY LILLIE PIERCE 

OF BOSTON 




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Tragödie. 




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Leipzigy 

h e y Johann Friedrich Hartknoch, 
18 5« 



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|UNi^£'vSiTYl 

LIBRARY 

FEB 14 1955 



Personen. 



Minos. 

Glaukos. 

Poly'xdos, 

Min Bote» 

Der Chor, "bestehend aus Preisen und den Huup» 
iern von Kreta, 



Die Handlung ist vor dem königlichen Palast zu Kreta, 



Minos. Der Chor. 



60 

M i n OS t 

atu dem Palast tretend, ^ 



dafs sie das Schi£F beschirmen auf dem weiten Meer, 
und gnädig stillen meines Busens tiefen Schmerz* 
Diefs ist der Tag, an dem zurück der Bote kehrt. 
Schon harr* ich, seit Leukothea den ersten Strahl 
des grauen Moi^gens auf die finstre Erde führt, 
und schou umfälst mit kaltem Arme mich die Furcht. 



s 



Umleuchtet von der letzten Hofihung mattem Strahl 
tret* ich heraus , ihr Bürger meines Reichs , zu euch, 
Trost zu erwarten von des delfschen Gottes Mund, 'S 

SA 

Auf leichtem SchiflFe flog mein treuer Bote hin, ^ 

von günstgem Wind die weifsen Segel hoch geschwellt, ^ 



zu fragen den allsehnden Gott nach Minos Sohn. 

Den Göttern allen, von dem Wolkenführer Zeus g 



« 



o 



bis zu dem finstem Herrscher in des Ades Nacht, a 

H 

hab* ich gebracht der Opfer namenlose Zahl, 






Chor. 

ZvL früh , o Herr , gibst du der schweren Sorge Raum ; 
noch ruhn die Menschen in des Schlafes stillem Arm, 
und hei der grünen Thetis weilt noch Helios. 

Minos. 

Der Kummer dehnt mit lastendem Gewicht die Zeit! 
Ins Meer hin schaut* ich lange, ob die wehenden 
Wimpel erschienen, von der Küste Hellas her, — 
doch auf den schwarzen Wogen ruhet noch die Nacht. 

Chor* : 

Lang ist die Nacht dem Wachenden, doch sey getrost. 
Dort breitet Eos schon das purpurne Gewand 
Für Helios , der bald im Strahlenkranz erscheint ; 
der Tag ist da, der deines Kummers Ende bringt. 

Minos, 

O, dafs bey seinen Strahlen meine Nacht Entwich! 

Viel lange Tage führte Helios herauf, 

mir dunkler und verhäister , als die schwarze Nacht, i— 

Wenn sich die Menschen sehnen nach dem frohen Lic^t, ' 

das ihnen zeigt die« schöne, liebliche Gestalt 

des Lebens, und die Freunde, und den Sohn, 

der jugendlich de» Vaters unbesiegte Kraft 

vereinet mit der Mutter zarter Lieblichketit, 



3 
dann mufs ich meine Augen schliefsen vor dem Strahl 
des Tages y der mir feindlich zeigt des Sohns Verlust | 
mufs sehend mich mit Blindheit täuschen, die der Mensch 
mehr scheuet, als des Grahes ewig finstre Nacht. 

Chor, 

Zu sehr, o Herr, heweget dich der hittre Schmers! 
Viel Väter trauren um der Kinder frühen Tod, 
und keinen gah der schwarze Ades je surück; 
doch fanden sie nach -langer Trauer endlich Trost. ^ 
Von dir, o König, weichet auch der herbe Schmerz; 
denn viele Güter schenkten dir die Himmlischen, 
im Glück zur Freude , und im Ungemach zum Trost. 

Minou 

Sprich mir von Trost nicht, ehre deines Königs Seh merz 1 
Der Trost um Todte ist ein frecher Tempelrauh. 
Was bleibt dem Todten von der Erdengüter Zahl, 
als eine Wohnung in der Freunde treuer Brust, 
gehütet von der Wehmuth bittersüfsem Schmerz ? 
Den Hüter schläfert eure glatte Zunge endlich ein, 
imd bannt den Todten aus der warmen Brust ins Grab. 

Chor. 

Kein Todter ist es, welchen du, o Herr, beweinst, 
vermifst nur wird er, kehrt vielleicht dir bald zurück« 
Ein leichter Sinn herrscht in des Jünglings freyer Brust, 
er kennt die Sorgen in des Vaters Herzen nicht; 



denn was den Mann zu seinen Kindern liebend zieht, 
das sucht der Jüngling rastlos in der Ferne noch, 
vergessend Freunde und das väterliche Haus. 
Dir strahlt noch Hofinung, lafs die herben Scbn^erzen dem, 
den boi&iungslos der nimmersatte Gram verzehrt. 

Minos. 

Auch nicht von Hofinung sprich mir ! Wissen will ich ganz, 
was von den zorn'gen Göttern ich erdulden mufs. 
Ist mir der Sohn gesunken in des Ades Nacht, 
so will ich ihn beweinen mit des Vaters Schmerz ; 
und lebt er noch, so will ich, ihn zu suchen, ziehn, 
80 weit mit seinen Strahlen leuchtet Helios* 
Doch diese bangen Zweifel trag' ich länger nicht; 
dem Schmerz will ich erliegen, nicht der bleichen Furcht, 
die langsam tödtend immer weckt zu neuer Qual. 

(gehe in den Palast.) 



Der Chor. 

Erste Strafe, 

Was erblick' ich ! in Osten steigt 

Helios auf, der flammende Strafalengott. 

Hervor aus krystallnem Bett, 

aus Thetis liebenden Armen 

hebt er das goldengelockte Haupt. 

Er lenkt der Rosse nimmer ermattenden Lauf 

durch die Strafse des Himmels; 

doch er blicket hinab, 

und in den grünlichen Fluthen 

wandelt des Göttlichen strahlendes Bild. 

Erste Gegenstr ofe. 

Wie die Fluth von dem Glanz erglüht! 

Feurige Wellen brechen am Ufer sich, 

und spielend bewegt die Luft 

des Meeres ebenen Spiegel, 

kräuselt die Wellen zu frohem Tanz. 

Es freut der Schiffer sich der gesicherten Fahrt 

auf den schwankenden Wellen; 

freudig gleitet das Schiff 

hin durch die glänzen4en Fluthen, 

segelt mit Lust in das heimische Land« 



Zweite Str ofe. 

Flatternde Wimpel seh* ich in fernem Meer, 
sie glänzen hell in goldenem Morgenstrühl. 
Glückliche Fahrt geben die Götter euch, 
Freude den Harrenden im fernen Land! 

Zweite Gegenstrofe, 

Näher schon eilt es, wie sich die Segel blähn! 
Sie schwellt der Wind, er wehet von Hellas her. 
Seht, wie es eilt! Fröhliche Botschaft bringt 
schnell zu dem Könige denn der Bote naht. 

Schi ufsge sang. 

Er bringt den Spruch des alles durchschauenden, 

der den Irrthum verscheucht wie das Dunkel der Nacht. 

Ach, es entdecket der Tag 

.oft, was die Nacht gütig in Dunkel verbarg! 

und das Unglück erstarrt, 

der Gorgo gleich, den, der es erblickt. 

Bald zu des Königes Ohr schallet Apollon's Spruch; 

seht schon schreitet sein Fufs aus dem Palast. 



Minos. Der Chor. 

Minosm 
Welch wild Geschrey ertönet hier vor d6m Palart? 

Chor. 
Du wirst nicht zürnen y König , wenn du weifst , warum« 

M.inos» 
Ward euch die Kunde , wo mein Glaukos sich verhirgt ? 

Chor» 
Noch nicht; doch ehen naht der Bote, der sie hringt* 



10 



Der Bote. Vorige. 

Der Bote. 
Heil dir, o König! 

Minos, 

Rede schnell! Was sprach der Gott? 
Wo ist mein Sohn ? Sprich kurze Worte, zaudre nicht ! 

Der Bote. 

Bezähm*, o König, deiner Wünsche Ungeduld; 
denn dunklen Sinnes hlieh für mich Apollons Wort, 
und wörtlich will ich wiederholen, was er sprach. 
So sprach er , als ich fragte nach des Königs Sohn : 
Sage dem König , es ist in dem Land' ein Wunder 

gehören. 
Jedem bekannt, doch nur der Weise vermag es 

zu nennen, 
welcher euch Glaukos bringt , des Königs Erzeug- 
ten, zurücke. 
Weifs in der Kindheit ist's, wie der Strahl des 

dämmernden Morgens; 
röthlich färbt es die Jugend, gleich Eos glühen» 
' den Rosen; 



II 

schwarz ist es endlich zu sehn, wie der Nächte 

dunkelste Schatten, 
wenn sich nach ihm ausstreciien die Hände der 
sterhlichen Menschen. 
Ist nun der Mann zu finden , der das Wunder nennt, 
so magst du von ihm fordern den geliehten Sohn. 
Mehr weils ich nicht , denn dunkel scheint mir Fythios. 

Minos. 

Wer Yon euch kann mir das Wunder nennen, das Apol- 

Ion meint? 
Meines Reiches heste Schätze nehm* er für die Deu« 

tung hin. 

Chor. " 

Wunderbar scheint mir der Götterspruch , ich weifs die 
Deutung nicht. 

Minos» 

llörtest du die dunkeln Worte aus dem Mund der 
Pythias ? 

Bote. 

Nelni sie safs verborgen hinter Lorbeern in dem Hei- 
ligthum. 

Minos, 
Warum gingst du nicht zum Tempel ? 



12 

Bote. 
Ton den Priefttern ward's gewehrt. 

Minos. 

Und wie konntest du ergründen , was der Mund Apol- 
lon*s sprach? 

Böte. 

Als die Pythias gebadet in des Berg's krystallnem 
Quell, 

führten sie Apollon*s Priester zu dem heiigen Drei« 
fufs hin. 

Bald erbebt* im Grund der Tempel vor des nahen Got- 
tes Macht, 

und des gottgeweihten Lorbeers Stamm und Aeste zit- 
terten. 

Furchtsam stand ich, und zum Heiligthume wagt* ich 
kaum den Blick. 

Endlich trat ein schöner Jüngling aus des Tempels 
goldnem Thor, 

der befahl mir, dir zu melden, wie du eben hast 
gehört« 

Minos. 

Den Tod verdienst du, schlechter Diener deines Herrn! 
Befahl ich dir nicht, niemand als ApoUon selbst 
zu hören, oder die Profetin Pythias? 



13 

Nun bringst du eines Knaben leere Worte mir, 
der kindisch spottet über eines Vaters Schmerz; 
drum werde dir der ungetreuen Diener Lohn ! 

Bote. 
Niemand, o Herr, darf eiugehn in das Heiligthum; 
drum zürne nicht; ich that, wie man es mir befahl. 

Minos. 
Dem Herrn allein gehorchen ist der Diener Pflicht, 
nicht fremden Männern; eilet, führt ihn fort zum Tod! 

Chor. 
Ist mir erlaubt, o König, wol ein einzig Wort? 

Minos. 
Sprich was du willst, nur bitte für den Schuld*gen nicht. 

Chor. 

Nicht sprechen will ich, was der König mir verbeut. 

Doch , Herr , bedenke , auch den hohen Göttern sind 

die Bitten theuer, die des Menschen Lippe bringt, 

und oftmals wird gewendet von dem Land ihr Zorn, 

wenn sich das Volk mit seinem König bittend naht« 

Erwäge selbst der Opfer unnennbare Zahl, 

die für des Boten schnelle Rückkehr du gebracht. 

Die Götter alle, von dem Wolkenführer Zeus 

bis zu den schnellen Winden auf dem weiten Meer, 

l^at Nacht und Tag mit heifsem Flehn dein Mund bestürmt. 



14 

Drum ratli' ich , schliefse nicht mit herrischem Befehl 
des Flehenden zu deinem Ohr gewandten Mund. 
Erzürne nicht die frommen Bitten , die des Zeus 
und aller Götter Antlitz schauen Tag und Nacht. 
Du h ist der Herrscher und dein Wille gilt im Land, 
doch mufst du seihst die Götter flehn um deinen Sohn ; 
darum sey mild, dem Milden sind die Götter hold! 

Mino s. 

Sind mir die Götter mit dem Räthselspruche hold? 
Sandt* ich den Boten darum nur gen Fytho hin, 
vergeudet' ich der Hekatomhen Menge nur, 
zu hören eines Knahens leeres Rathselwort, 
hey Langerweile sich zur Kurzweil auserdacht? 
Verloren ist durch diesen treuvergefsnen Mann 
die Zeit, die theure, die kein Gott mir wiederhringt« 
Zum Tode führt ihn, schnell vollzieht des Königs Wort. 

Chor. 

Nur Eins , o Herr , sey mir zu sprechen noch vergönnt. 
Wenn in des delFschen Gottes wunderbarem Spruch • 
verborgen war' ein dunkler ,• tiefgebeimer Sinn, 
wer kennt den Sprach, wenn dieser Mann den Tod erlitt?- 

Minos. 

Auf eine Tafel schreibe man ihn noch zuvor, 
und steir ihn auf, ob ihn ein Weiser deuten kana. 



15 



Chor. 
Wie sehr, o Herr, verblendet dich der uinre Schmerz! 
Noch hoffst du, dafs ein Weiser deute jenen Spruch, 
und schon verdammt den Boten zu dem Tod dein Mund. 
Willst du ihn strafen, send' ihn fernhin über's Meer, 
oh er den Seher finde, der das Wunder nennt. 
Wo nicht, so irr* er ewig heimathlos umher, 
und Tod erwart* ihn, wenn er je dem König naht« 

Minos. 

Der Klugheit Wort hast du gesprochen, wie mich dünkt. 
Des Landes gotterfüllte Seher frag' ich selbst; 
du aber geh, den Mann zu suchen überm Meer, 
der weisheitsvoll des Götterspruches Deutung nennt ; 
doch rath* ich, dieses halte dir im Herzen fest: 
Wenn du allein zurücke kehrst , schützt dich kein Gott 
vor meinem Zorn; und unaufhaltsam trifft dich Tod. 

{geht in den Palast,) 



16 



Der Bote. Der Chor. 



Der Bote, 

O weh mir! nimmer hätt* ich solchen Lohn gehoflt 
für meine Treue, die dem König ich bewies. 
Den müden Gliedern gönnt' ich nicht des Schlummers Ruh, 
nicht Trank , nicht Speise hat den matten Leib erquickt, 
dals ich des Königs Sorge um den theuren Sohn 
dön Tag entzöge, den Verspätung ihr gegönnt. 
Der Gaben Fülle zur Belohnung sicherte 
des Königs Wort mir für die schnelle Wiederkehr. 
Nun seh* ich , thöricht ist's , zu hoffen auf den Lohn^ 
dem, schnell versprochen, schneller noch die Reue folgt. 
Die Hoffnung trieb mich mit des schnellen WinJes Eil, 
sie gab mir Flügel, ach! zu meinem Untergang! 

Chor. 

Versagen kann ich dir des Herzens Mitleid nicht t 
doch eile jetzt, des Königs Willen zu vollziehu, 
lind tödte nicht mit eitler Klage Wort die Zeit. 

Bote. 

Seht, wie ein König seinem treuen Diener lohnt, 
daTs er muls ^neiden sein geliebtes Vaterland! 



17 



Der Chor. 

Erste Strafe. 

So schnell nicht wechselt des Himmels Angesicht, 

wenn sich in graue Nehel verhüllt 

des Af thers heitere Bläue, 

so schnell nicht wechseln auf wogendem Meer 

die Winde den eilenden Flug, 

als der Sterblichen unstetes Geschick. 

Noch auf der Lippe verkehrt 

sich der jubelnde Laut. in des Leids klagenden Ton; 

darum hoffe der Mensch nicht, 

dafs getreu ihm je bleibe das Glück! 

Erste Gegenstrofe» 

Zu leicht erhebt sich das Herz der Sterblichen, 
scLnell von den Göttern wendet es sich 
im Glück , drum wacht Adrastea. 
Den Fufs gestellt auf das rollende Rad, 
bewegt sie der Menschen Geschick, 
und zu Boden gestürzt lieget der Stolz. 
Keinen verschonet sie je, 

den die Mutter gebar aus des Manns sterblichem Blut. 

2 



18 

Auch Japetus Sohn mufs 

durch der Göttin Zorn schmachten am Fels. 

Zweite Strofe. 

Goldener Hoffnung voll 

flog der Bote des Königs auf eilendem SchifiT, 

mit Pythios Wort in der schwellenden Brust, 

nach der heimischen Kreta Strand« 

Doch das Unglück folgte ihm übers Meer, 

im eignen Busen hew^ahrte 

den Feind er im dunkeln Götterspruch. 

Zweite Gegenstrofe. 

Einsam in fernem Land 

mufs er irren in flüchtiger rastloser, Eil, 

von Wohnung und Freunden imd Kindern getrennt, 

bis zum nächtlichen, dunkeln Grab, 

das ihm spät mitleidig der Wandrer erhebt, 

den bleichen Schatten zu bannen, 

der traurend um seinen Leichnam schwebt. 

S chlufsgesang» 

Kronion , der du den hohen Ida liebst, 
der hundert Städte nährenden Kreta 
wolkentragendes, honigduftendes Haupt, 
in dessen verschwiegener Kluft 
dich geheim die Nymfen verbargen — 



19 

Hier von Amalthea gesaugt, ward dir 
Zuflucht vor Kronos tödtender Hand. 
Vom Olympos herab blicke jetzt mild auf ihn, 
der verbannt von des Königs Ergrimmen 
lassen mufs des nymfenbewohnten Ida Flur. 



2* 



20 



Minos. Der Chor. 



Min OS 
aus dem Palast tretend. 

Der Vogelschauer und der Opferdeuter Kunst 
hab' ich vergebens um den dunkeln Spruch befragte 
Nun kehre wieder mit dem thränenvollen Blick 
nächtliche Trauer, hülle mich in dein Gewand, 
dafs ich die Freude nicht mehr schaue, die das Herz^ 
das wunde, quält, wie kranke Augen helles Licht. 
In deiner Nacht soll schimmern nur das schöne Bild 
des theuren Sohnes, Heldenbildern gleich, die Zeus 
der Welt entiückt und strahlend an den Himmel stellt, 
dafs sie den Menschen leuchten in der schwarzen Nacht, 
und unauslöschlich glänzen in der fernen Zeit, 
wenn von den Helden dunkel nur die Sage spricht. 
So sey du mir, des fernen Sohnes theures Bild! 
Klarwird es mir, was Smintheus Götterspruch gemeint': 
Niemand nennt mir das Wunder, niemand bringt den Sohn. 

Chor» 

Gescheut hab' ich , o König , mich , es zu gestehn ; 
doch weil du selbst dir deutest Smintheus Götterspruch, 
so dünkt mich auch , dafs dies die rechte Deutung sey. 



21 

Es tönt von Götterlippen kein unheilig Wort, 
und Sterbliches nennt nimmer ein Unsterblicher. 
Du aber, weil die Götter Weisheit dir verliehn, 
zu deuten, was ihr Mund in heilig Dunkel hüllt, 
so lafs die Klage schallen lim den theur^n Sohn, 
und lafs mit königlicher Pracht erhÖhn sein Grab. 

Minos. 

Im Marmorgrab, von Dädalos kunstreicher Hand 

erbauet, soll des Todten schwarzer Sarkofag, 

Yon goldnen Säulen hochgetragen, schwebend, ruhn. 

Der Todtenlampe dämmernd bleiches falbes Licht 

soll in die Halle giefsen matten Mondesglanz — 

Ach einsam wohnt der Vater nun in seinem Haus; 

vergebens sucht er seineu Sohn im weiten Land, 

er findet nirgends des geliebten Kindes Spur; 

vergebens steigt er in des Grabes kalte Nacht, 

am theuren Leichnam auszuweinen seinen Schmerz; 

die Todtenlampe leuchtet an dem Sarkofag, 

doch einsam läfst ihn auch das Grab, das Grab ist leer! 

Chor. 

Sieh, König, wie im schnellen Laufe keuchend dort 
ein Mann sich naht, es ist dein Bote, irr' ich nicht, 
und kommt er wieder , so verscheuche deinen Schmerz; 
denn einem Thoren acht' ich diesen Mann nicht gleich, 
dafs er dir nahte, und sich stürzte in den Tod, 



32 

hätt* er den Mann nicht, welcher löst den Götterspruch* 
er ist es, und erfreulich seine Wiederkehr! 

Minos. 

Erwartend steh' ich, welches Menschen hohe Kunst, 
den Mann vom Tode rettend , mich vom Schmerz erlöst ! 



23 



Der Bote. Vorige. 

Chor, 

Was verkündet dein Nahn, 

du, ^it dem geflügelten Schritt? 

Was weht dein Athem uns zu, 

der, Stürmen gleich, hraust aus der fliegenden Brust? 

Verweht deines Mundes Hauch 

des Grames mordende Seuche, 

die finster hrütet üher des Königes Haus, 

und mit Trauer erfüllet das Land : 

so öfFne zur Rede die Lippe; 

doch hat dich gefafst der Verzweiflung eiserne Hand, 

und gejagt mit der Geifsel des Wahnsinns, 

dafs du dich seihst stürzest in sichern Tod , 

so fefsl' im Munde die Zunge, 

dafs sie nicht ausspreche das Worjt, das uns 

die Herzen empört luid das Haar sträubet empor. 

Bote. 

Heil sey dir, König! meine Schuld haV ich gelöst! 
Des duinkeln Spruches klare Deutung bring'|ich dir. 
Er ist gefunden, der den Sohn zurück dir bringt; 
nun irr* ich nicht mehr flüchtig und verbannt umher! 



H 



Chor. , 

Ausgesprochen hast du ein goMnes Wort; 

dir gibt es zurück Leben und Vaterland, 

den Sohn dem traurenden Vater, 

unsern Enkeln den Herrscher inj Xiand. 

Dreimal gesegnet sey uns, 

und nimmer senden die Götter 

des Unglücks Botschaft, durch deinen Mund ! 

Denn es scheuet das Herz den Mann, 

dem die zürnenden Götter 

das ernste Antlitz gezeigt. 

Von ihm gewendet fliehen die Glücklichen , 

wie der Gesunde flieht den Seuchebelasteten; 

denn seine Red* ist der giftigen Wunde gleich, 

die in die kommende Zeit hauchet der Krankheit Duft, 

und mit des fernen Tpdes Schauer 

weissagend erschüttert den gesunden Leib. 

Aber geehrt und geliebt 

ist der Bote der gnädigen Götter; 

seiner Rede lauschen die Menschen, 

Könige freuen sich seines Worts. 

Minos* 

Sprich nun, wo du gefunden einen weisen Mann, 
der dir gedeutet jenen dunkeln Götterspruch? 
dafs ich erkenne, ob es Wahrheit oder List. 



25 
Denn, wie ich keinen Lohn dir weigre, was dich auch 
des freygelalsnen Wunsches nimmer satte Gier 
zu fordern heifst, so schwör* ich doch heym hohen Zeus! 
wenn eiteln Trüg dein angsterfülltes Herz ersann , 
durch leerer HofFnung schlau erdachtes Gaukelspiel 
den Zorn in meinem Busen zu hesänftigen, 
80 hülsest du mit tausendfacher Todesqual 
den Frevel, den an deinem König du verübt. 

Bote. 

Ich Will dir treulich alles sagen, wie*s geschehn. 
Als ich von dir vertrieben, aus der Stadt entfloh, 
da blickt' ich traurig in dem schönen Land umher, 
das ich verlassen sollte ohne meine Schuld. 
Von Trauer mehr ermattet, als von langem Lauf, 
sank ich an einem Hügel auf den Boden hin. 
Denn wer der Menschen meidet nicht das Vaterland, 
das alles, was dem Herzen theuer ist, enthält, 
mit tieferm Schmerz, als er im Leben je gefühlt? 
Auf einmal stand ein Mann von göttlicher Gestalt 
vor meinem Blick , als war* er von den Göttern mir 
zu meiner Rettung in der tiefsten Noth gesandt. 

Minos. 

War das der Seher? — - Sprich mir nicht von deinem 

Schmerz, 
und ende deiner Worte überlästge Zahl. 



26 



Bote. 

Es war der Seher. „Führe zu dem König mich," 
sprach er — ,|die Deutung hring' ich ihm des Götter* 
Äpruchs^" 

Chor. 
Nannt' er den Ort , der uns verbirgt des Königs Sohn ? 

Bote. 
Erfreut der eignen Rettung, fragt* ich nicht danach. 

Chor. 
O sieh, wie thöricht deine Wort' und Thaten sind! 

Bote. 
Ist's Thorheit, dafs ich den dir bringe, den. du suchst? 

Chor. 
Wenn du ihn bringst, warum verzögert er zu nahnr 

Bote. 
Sieh dorthin, denn die Schritte lenkt er schon hieheh 

Chor. 
Entsetzen, wehe! welchen Mann fuhrst du herbey! 



«7 

. Bote. 
Was rufst du wehe ? Ist er nicht ein Mann des Glücks ? 

Chor, 
Des Unglücks Mann, den Zomheladnen führst du her! 

Bote. 

Wie magst du schelten diesen weisheitsvollen Mann, 
dem klar ist , was dir dunkel wie die Nacht erschien ? 

Chor. 

Unselge Klarheit! schreckenvolles, hlutges Licht! 
Sieh 9 wie der König finster heftet seinen Blick! 
Polyidos, den Seher, führst du ihm herhey, 
herhey zum zweitenmale dir das Unglück seihst. 

Bote. 

Weh mir! Für fremde Missethat trifit mich der Zorn, 
und nicht einmal ist mir bekannt, was er verbrach. 

Chor. 

Bist du so fremd im Vaterland, dafs du nicht weifst, 
wie mit dem Wort der Weissagung Polyidos 
den Zorn empörte in des Königs Brust? 

Bote. 
Weissagt* er seines Königsstammes Untergang? 



«8 

Chor. 

Sich selbst weissagt* er königlicher Ehren Glanz, 
wenn einst den Sohn des Königes die Gruft umschliefst 

Bote. 
Weh mir, könnt* ich begegnen einem schlimmem Mann ! 

Cho n 
Er naht, und grimmig blickt des Königs Aug' auf ihn. 



^9 



Polyidos. Vorige. 



Mino s» 
Verwegner, wagst du mir zu schauen ins Gesiebt? 

Polyidos. 
Der Götter Antlitz hab' ich furcbtlos oft geschaut. 

Minos. 
Flieh! keinen Retter findest du vor meinem Zorn. 

Polyidos. 
Dem Seher sind die Himmlischen ein sichrer Schutz. 

Minos. 
Geächtet bist du, weifst du das, in meinem Reich? 

Polyidos. 

In deinem Reiche, König, herrschen Götter auch! 
Gehorsam neiget deinen Winken sich das Volk, 
doch sicher über deinem Haupte führet Zeus 
die Wolken hin, und Bassareus der Sterne Chor; 



30 

und ob du ihnen zürntest, ziehn sie ruhig fort 

im hohen aetherhellen Götterreich der Luft. 

Du bannst sie nicht, zu ihnen reicht dein Zürnen nicht. 

So wandelt auch der Seher durch der Fürsten Land, 

doch unberührt von ihres Herrscherwillens Macht. 

Minos. 

Die Strafse führt nicht durch mein meerumflofsnes Land! 
Was führt dich her, als neuer Uebelthaten Lust? 

Foly'idos, 
Ist^s Uebelthat, dafs ich dir bringe, den du suchst? 

Minos. 
Bringst du den Sohn, so sey vor allen mir geehrt. 

Poly'idos. 
Des Götterspruches Deutung bring' ich , die du suchst. 

Minos, 
Die Deutung furcht* ich, die aus deinem Mund mir kommt. 

Poly'idos, 
Nichts spricht mein Mund, als was die Götter ihn gelehrt. 

Minos. 
Dafs Königs Ehre meines Sohnes Tod dir bringt? 



31 

Polyidos» 
Kannst du es hindern, oder ich, wenn Zeus es will? 

Minos. 

Meinst du, es sey der Seher Trug mir unbewufst? 
Des eignen Sinnes still gehegten bösen Wunsch 
nennt ihr den Menschen als der Götter Schicksal sspruch, 
dafs sie in Demuth dulden euren Uebermuth, 
und thöricht fördern, was die Bosheit ausersann. 

Poly'idos. 
O wie so wahr ist, und wie oft hab* ich erlebt . . . 

Minos. 
Was? Dafs der Trug nicht jedes Mannes Sinn bethört? 

Poly'idos. 
Dafs nicht in jedes Mächtgen Brust die Weisheit wohnt! 

Chor. 

O König, lafs des Herzens alte Bitterkeit, 

und du, o Seher, reize nicht des Königs Zorn! 

Was streitet ihr j der Menschen Herrscher, mit dem Freund 

der Herrscher im Olympos? Beiden ist's nicht gut! 

Die Götter theilten ihre himmlische Natur, 

und gaben gnädig jedem Sterblichen sein Thei). 

Dem gaben sie der Weisheit tiefen Seherblick, 



32 
dem der gewaltgen Herrschaft thatenreiche, Kraft | 
dafs um der Sterblichen Geschlecht die Liebe sich 
vereinend schlänge , die zum Gott den Menschen hebt. 
Denn einzeln ist dem todten Leibe gleich die Kraft, 
und Weisheit ohne diese , Schattenbild der That j 
vereinet aber wirken sie das iGöttliche. 
Drum ehrten stets die Könige der Seher Kunst, 
und Seher trugen ihre Weisheit zu dem Thron. 

Mino s. 
Was wollt ihr y dafs ich thue , die ihr mich bestürmt ? 

Chor. 

Lafs deuten von Polyidos den Götterspruch. 

Du, König, bist des Raths bedürftig und auch wir; 

entgegen führten dir die Götter diesen Mann, 

der dir enthüllt, vras deine Seher nicht vermocht. 

Geht er, so forschest du vielleicht noch lang umsonst. 

Minos. 

Kannst du das Wunder nennen , und bist du der Mann, 
den mir zu suchen Pythios gebeut, so sprich! 

Polyidos, 

Das Wunder, König, das euch allen wohl bekannt, 
das in der Kindheit wie der Strahl des Morgens weifs, 
bald in der Jugend, schön, wie Eos Rosen, glüht, 
und endlich schwarz «ist, ^ie die schattendunkle Nacht, 



33 

das Wunder ist die honigsüfse Frucht des Baums, 
der, aller Bäume weisester, sein Laub verschlielst, 
bis zu dem Eispol jeder Wintersturm entfiohn, — 
des Maulbeerbaums erst weifs , dann roth , dann 
schwarze Frucht. 

ßote. 

Das wufst* ich auch, nur schien die Deutung mir zu 

schlecht, — 
der Niedre wagt nicht, was dem Hohen Ehre bringt! 

Mino St 

Ob deine Deutung wahr sey, das entscheide selbst. 
Wer mir das Wunder nennen wird, sprach Fythios, 
der bringt mir den geliebten, lang vermifsten Sohn. 
Ist nun, du weiser Seher, wahrheitsvoll dein Mund, 
und lieben dich die Götter, wie du rühmend sprichst, 
so bringe schnell mir meinen theuren Sohn zurück; 
wo nicht, so haV ich deinen falschen Trug erkannt, 
dafs du kein Seher, und des Todes schuldig bist. 

Chor» 
Hart dünkt mich diefs, doch nimmer trügt Apollons Wort ! 

Polyidos, 

Hat dir Apollon so verkündet, so lafs mich 
die Götter fragen, wo ich finde deinen Sohn, 
und sey gewils , ich bring* ihn dir noch heut zurück. 

8 



34 

Chor. 
Heil, König, dir, des Sehers Wort verkündet Glück! 

Minos. 

Die Zukunft mufs uns zeigen erst, ob nicbt die Tkat 
zurückbleibt hinter seines Mundes schnellem Wort. 
Geh,, Seher, jetzt mufs sich be^vähren deine Kunst! 

{geht in den Palast,) 



35 



Polyidos. Der Bote. Der Chor^ 

Chor, 

Odu, der Menschen Weisester und Bester , spricb! 
wo finden wir, dir ist*s beekannt, bes Königs Sohn? 
Gib uns die Kunde, und gedenke nicht im Zorn, 
was unser König von dem Zorn geblendet sprach« 

Polyidos. 
In eure Mitte bringt ich ihn, das seyd gewifs« 

Chor. 
Sey dreimal uns gesegnet, wenn du das vermagst. 

Polyidos^ 
Hier harret mein; du aber, Freund, begleite mich. 

( Polyidos und der Bote gehen. ) 



3* 



36 



Der Chor. 

Erste Strafe. 

Du, der Weissagung Quell, beiliges Licht^ 

mit den ewigen Göttern gezeugt 

aus der ersten Mutter uraltem Scboos, 

du wohnest bimmlisch bey den Himmlischen, 

ihres göttlichen Hauptes 

Zierde bist du und ihr edelster Schmuck! 

Dein himmlischer Strahl füllte die Welt mit Klarheit, 

als du in jungfräulicher Schönheit hervor 

gingest, goldene liebliche Hemera, 

des finstern Chaos Tochter und Enkelin , 

aus dem Schoose der nächtlichen Mutter! 

In deinen Strahlen frohlockend 

umfing dich des Aethers, 

deines Mitgeboruen , Welten umfassender Arm. 

Staunend erblickte die dunkle Gebärerin dich, 

Staunen ergriff deines gestaltlosen Erzeugers Sinn, 

als von euch Himmlischen ward 

des hohen Uranus göttererzeugende Kraft 

und du, o göttliche Mutter 

Gäa, du Alles ernährende! 



37 



Erste Gegenstrofe, 

Deine Wundergeburt, glänzendes Kind, 

sah die Mutter mit Lust und versank, 

wie die ewig zeugende Zeit versinkt 

vor ihrer Kinder jungem Angesicht, 

Und es sank der Erzeuger 

Chaos hinab in den Armen der Nacht. 

Nun folgen sie fern liebend der Kinder Schritten; 

wo du entweichst, goldene Hemera, da 

zieht dir nach mit deip dunkeln Gewand die Nacht, 

und neigt sich liebend über das Land, auf dem 

du mit glänzendem Fusse gewandelt. 

Es zieht dir nach der Erzeuger, 

er löst die Gestalten, 

dafs mit Graim das Auge blickt in die nächtKche Welt. 

Späte Geburten , der Schlaf und der bildende Traum, 

folgen ihm nach, sehen m|t Lust ihres Geschlechtes 

schön 
blühenden Stamm, und sie nahn; 
gedankenlosend führt nächtliches Dunkel ins Haupt 
der Schlaf; es bilden die Träume 
fliefsendes, wechselndes Schattenbild. 

Zweite Strafe* 

Mit des Lichtes Strömen, 
Hemera, hast du gesäugt 
der Kinder jugendliche Götterkraft, 



38 
dafs sie widerstrahlten deiner Schönheit ewgea 

Himmelsglanz. 
Von der Sterne goldenem Heer 
strahlete hell Uranos Göttergestalt, 
und entzündet erhob sich 

des fiammengewaltigen' Titan glühender Kreis. 
Aber im Innern durchdrang 
dich Gäa der Mutter göttlicher Strahl; 
und in dem schweigenden Schoos 
schlummerte still das himmlische Licht, 
bis es geweckt von Uranos Kraft 
hervortrat in neuen Gestalten, 
blühend, athmend, tmd in der Rede Laut 
aushauchend den stillen Gedanken. 

Zweite Gegenstrofe, 

Deine Himmelsklarheit, 

Hemera, füllte der Welt 

zuerstgebornes , mächtiges Geschlecht, 

dafs es fernhin schaute durch der Zeiten ewig 

rollenden Lauf. 
Und es prangt* in glänzender Fracht 
jugendlich froh Gäas lebendiger Schoos* 
Doch in späten Geschlechten 
erlöschte des alten Erzeugers strahlende Kraft. 
Wilde Geburt ging hervor 
aus Gäas ujiwillig gebärendem Schoos. 



39 , 
Da zu dem Vater hinauf 
wandte sich Kronos flammender Zorn. 
Tödlend des alten Uranos Kraft 
beherrscht er den hohen Olympos, 
da entwich mit Kronos das ewge Licht, 
aufsteigend zu seligen Göttern. 

Zwischengesang. 

Von den Göttern nieder, heiliges Licht, 

auf die Erde blickest du leuchtend herab; 

Helios führt dich, der strahlende Gott, 

ßn des Himmels weitem Bogen dahin. 

In des Menschen Gemüth senkest du dich 

mit himmlischer Klarheit ein , 

dafs er schauet der Götter Angesicht, 

und der kommenden Zeiten fern dämmerndes Bild. 

Doch wem die Himmlischen zürnen, den trifft 

nicht dein strahlender Götterblick; 

verhüllt bleibt sein Aug* in Finsternifs , . 

lebend umfängt ihn des Ades 

freudenleere, ewig finstre Nacht. 

Dritte Strofe. 

Wohl dem, der, von Göttern geliebt, 
ruhig wandelt des Rechts sichere Bahn; 
nie verhüllt ihm Dunkel das Aug', 
ihm erscheinen die Götter, 
und er vernimmt ihr Nahn 



40 

im Donner des Wettergewölk», 

im erderschütternden Wogensturm , 

in der fittigschwingenden Vogel bedeutendem Ruf, 

und anschauend der Götter strahlendes Antlitz, 

wandelt er unter den Menschen, 

ihnen erhellend das Dunkel der fernen Zeit, 

wie Selene, Helios Antlitz schauend, 

leuchtend wandelt durch die Schatten der Nacht. 

Dritte Gegenstrofe, 

Weissagend ein glückliches Lfoos 

hebt er tröstend das Herz über die Furcht, 

weckt den Muth im fliehenden Heer, 

dafs gewendet zum Kampfe 

über das Feld es stürmt, 

zu schwingen die Fackel des Streits, 

die schon der zitternden Hand entsank, 

und der wildherstürmende Ares ertheilet den Sieg. 

Aber sprechend von fernher drohendem Unheil 

stählt er die Herzen der Menschen, 

dafs sie erkennen die Ohnmacht der Sterblichen, 

und, des Schicksals ewigem Schlufs gehorchend, 

nicht ankämpfen gegen göttliche Macht. 

Schlufsgesang. 

Bald nun kehret der Seher 
in unsre Mitte zurück. 



41 

Seinem Nahen entweicht der Kummer, 

und die Freude geflügelten Schrittes 

tanzt frohlockend entgegen ihm; 

denn er führt den verlornen, 

viel heweineten Sohn 

in das Haus des Königs zurück.* 



42 



Minos. Der Chor. 

Minos 
auf dem Palast tretend. 

Vergebens harr* ich, dafs mir Botschaft in dem Haus 
vom Seher werde, und es treibt die Ungeduld 
heraus mich mit der Geifsel nimmer ruhndem Schwung, 
ob ich den Seher selbst erspähe; denn es schärft 
der Sehnsucht immer reger, nie gestillter Schmerz 
des Forschers Auge , und des Horchers lauschend Ohr« 

Chor. 

Der Götter Gabe, König, ist die Sehnsucht auch« 
Sie ist des still bewegten Herzens reiner Klang, 
wenn gleich der Lyra Saiten zitternd es erbebt; — 
gib ihm die Ruhe, und der süfse Ton verstummt« 

Minos. 
Sieh dorthin, wendet nicht ein Mann den Schritt hieher ? 

Chor. 
Er ist es , König , wenn mich das Gesicht nicht tauscht« 

Minos. 

Naht er allein, siehst du den Knaben nicht bei ihm, 
voraus ihm wandelnd, oder folgend seinem Schritt? 



* 



43 

Chor. 
Noch, König, seh* ich keinen, als den Einzelnen« 

Minos^ 
Wie schreitet er, ist schnell, ist furchtgehemmt sein Schritt? 

Chor. 
Mir scheint er ruhig, wie es greisem Alter ziemt 

Minos^ 
Sueht er den weitern, meidet er den kurzem Pfad? 

Chor. 

Geradausschreitend weicht er von der Strafse nicht. — 
Selbst kannst du nun ihn fragen, denn schon naht er dir* 



44 



Polyidos. P^orige. 

Minos. 

Du kömmst allein, verliefsen dich die Himmlischen? 
Wo ist mein Sohn ? War, Seher, deine Weisheit Trug ? 

Foly'idos. 
Wahr spricht der Seher, hald auch siehst du deinen Sohn! 

Minos, 
Wo ist er, warum fuhrst du ihn nicht gleich zu mir? 

Polyidos. 
Ich liefs ihn in der mächt'gen Götter sicherm Schutz« 

Minos. 
So will ich hin zum Tempel, wo er dankend weilt. 

Folyidot. 
Willkommen, König, wirst du einst dem Sohne seyn. 

Mi no s. 
Warum nicht jetzt? Zweideutig ist es, was du sprichst. 



45 

Poly'idos. 
Du wirst ihn sehen, König, forsche weiter nicht! 

Minos. 

Klar seh* ich es, mit neuem Truge gehst du um, 
und neue List ersinnst du, zu entfliehn dem Tod. 

Poly'idos, 
Erwünschter, als die Wahrheit, wäre dir der Trug. 

Minos. 

Den Sohn verhirgt dein tückisch - falsches Herz vor mir; 
doch wähne nicht, dafs meiner Rache du entfliehst, 
führst den Gefundnen du nicht meinen Augen vor. 

Poly'idos, 
Schau dorthin , wenn du sehn mufst, was ich dir verbarg. 

Chor. 

O Jammer! unglückseiger, schreckenvoller Tag! 
Hinweg, o König, wende schnell dein Angesicht L 



46 



Der Bote. Vorige. 

( Glaukos Leichnam wird auf das Theater getragen, ) 

Mi no s. 

Erste Strofe. 

Ach, welch unnennhares Leid» 
welcher Trühsal untraghare Last 
legt ihr ewigen Götter 
meinem geh engten Nacken auf! 
War der Sterhlichen einer je, 
welcher so hittren Schmerz erlitt, 
als an einem Tage mir ward 
rou den Göttern gesandt? 

Chor. 

Entnommen ward dir des greisen Alters Trost, 
des Stammes Blüthe, deines Geschlechtes Stolz. 
Der späten Enkel kronengeschmücktes Haupt 
erhlickst du nicht mehr freudig in ferner Zeit. 
Du gehst, der letzte des Stammes, 
keinem vortretend auf dunklem Weg, 
zu den ernsten Schatten hiuah. 



47 

Froh betrittst du die Bahn, 

die dich führt zu den harrenden Todten; 

denn von keinem Geliebten scheidest du weg. 

Der Trauer entflohn, findest du die Beweinten. 

<7Öttern gleich steigst du hinab, 

unberührt von den Schrecken Aidoneus. 

Minos. 
Zweite Strafe. 
Aidoneus Schrecken umfangen mich Lebenden! 
Wer der Geplagten, 

die des stygischen Wassers Fluth umringt | 
erduldete schon, was ich 
dulden mufst* ^ ich , der Enkel 
des ernsten Entscheiders an Ades Thron! 
Schon streckt* ich die Hand , 
den Sohn zu umfassen, 
da sinkt er zurück in die ewige Nacht. 

Chor. 
Nicht hülset die Missethat Tantalos 
mit herberer Fein, als dir, Klagender, ward; 
zu führen den Sobn in das lang verödete Haus 
hofftest du, doch in das ungern bewohnte Grab 
mufst du ihn führen, mit trauriger Pracht 
ehren den Königentsprofsnen. 

Doch haben den theuren Leichnam die Götter dir 
geschenkt , und es werfen des Fremden Hände nicht 
deckenden Staub auf des Jünglings Leib. 



48 



Minos* 
Duy Seher y hast mir feindlich meinen Sohn geraubt! 
Kannst du verbergen länger noch die falsche List? 
Den Lebenden gab deine Kunst mir nicht zurück ; 
den Todten bringst du , denn du ho£Fst an seiner Gruft. 
Zu falscher Tücke brauchtest du Appollons Wort, 
und hast entweiht der Seher Kunst mit bösem Trug. 
Drum ruF ich jetzt des heiigen Rechtes Gottheit an, 
und alle Götter der geheimen Weissagung, 
dafs sie dich strafen , der du boshaft sie entweihst. 
Und wisse! fruchtlos hast du böse That verübt; 
denn sterben mufst du, dafs des Königssohnes Tod 
nie Königs Ehre bringe auf dein schuldges Haupt. 

Poly'idos, 
Schmerz tobt in dir, sonst sprach' ein weiser Wort dein Mund ! 
Kannst du mich todten , eh' die Weissagung erfüllt , 
die Königs Ehre mir verheilst durch Glaukos Grab ? 
Sanft würden mich die Wellen tragen an den Strand, 
das Schwert zerschellen an der panzerlosen Brust, 
mein todter Leichnam sich erheben aus dem Grab, 
bis jedes Wort der Weissagung erfüllet ist. — 
Denn alle Kräfte der Natur sind unterthan 
den hohen Göttern, und sie ehren ihr Gebot- 
Mi noj* 
So will ich selbst erfüllen deine Weissagung, 
dir zum Verderben, wie du nimmer es gemeint. — 



49 

Tragt diesen tbeuren Leichnam in die 'Marmorgruft, 
die seiner königlichen Ahnen Asch' umschliefst; 
doch mit ihm steigt Folyidos zugleich hinah, 
lebend geschmückt mit kÖniglic&er Leichen Pracht , 
schaudernd bevrundemd seines Grabes Herrlichkeit. - 
So bring* ihm Königs Ehre meines Sohnes Gruft! 

Igeht in den Palast,) 



50 



Palyidos. Der Bote. Der Chor. 



Chi 



Erste Gegenstrofe. 

Erschüttert steh* ich; wen klag* ich, den Lebenden 

oder den Todten, 

die des selbigen Grabes Nacht umschliefst ? 

Den blühenden Jüngling, der 

früh hinsank in des Ades 

geöffneten Schlund, oder ihn, den Grei«, 

der lebend hinab 

den Todten begleitet, 

und nimmer die Strahlen des Lichtes erblickt? 

Poly'idos. 

Wann hab* ich verschuldet, ihr Götter, diefs? 

Euch, Himmlische, ruP ich an, duldet es nicht! 

Strahlte mir darum göttliches Licht, 

dafs ich zum finstern Grab 

lebend fände den grausenden Weg, 

den mit geschlofsnen Augen nur 

still hinwandeln die Todten! 



51 

Chor. 

Zweite Gegenstrofe, 
Ach, des unseligen, dir 
selbst Verderben weissagenden Lichts! 
Nimmer trüget der Götter 
ewiges "yVort der Weissagung; 
doch des Menschen bethörter Sinn 
deutet geblendet ihr heiiges Wort, 
führt mit eigner williger Hand 
sich dais Unglück herbey. 

Polyidos. ^ 

Hab* ich je nach der glänzenden Königspracht , 
ich, ein Seher, verlangend den Blick gewandt, 
wohl , dann möchte tre£Feu der Weissagung 
schreckenvolle Deutung mein eignes Haupt. — 
Doch, der himmlischen Herrschet Lichtgenofs, 
strebt* ich nimmer nach der Könige Glanz. 
Darum werden die Götter . 
Schrecken senden über des Königes Haupt, 
der, mit lästernder Deutung den Seher 
tödtend, entweiht den Götterspruch! 



4* 



52 



Minos. Vorige. 

Minos. 
heraustretend, . 

Unnütze Flücke sendest du aus deinem Mund; 

denn klarer wird nur deines Herzens B.osheit mir. 

Führt ihn zum Grab ; dort, mit dem dumpfen Widerhall 

mag böse Worte sprechen sein Verräthermund. 

Und du, Mitschuldger, der den Seher mir gebracht, 

sollst Hüter seyn an dieses deines Freundes Grab, 

80 lange des Lebendgen Jammerton erschallt. 

Drum magst du dich mit Trank und Speise wohl versehn, 

dafs du dich lange freuest seines Klagerufs. 

Denn in der Stunde , wo sein letzter Hauch entweicht, 

steigst du hinab, und harrst bey Todten auf den Tod. 

Chor. 

Nimm zurück, nimm zurück, König, das Wort, 

das so furchtbar, wie der Ausspruch deines Ahnherrn 

an dem Thron 
Aidoneus , in die Brust dringt , Sinne bethört , Herzen 

zermalmt ! 

Minos. 
Unwiderruflich, wie des Schattenrichters Wort . . . 



55 



Chor. 

Furchtbares, schreckliches, grauenvolles Wort! 
Nimm es zurück! König, ende die Rede nicht! 

Min OS» 
Schweig' ehrfurchtsvoll , wenn deines Königs Rede tönt. 

Chor. 
Die Götter fürchtend halt' ich deine Rede auf. 

Min o s. 

Den theuren Leih des Sohnes, geh' ich jetzt, zur Gruft 
selbst zu geleiten. Stimmt die Todtenklage an, 
um Beide, wie den Todten, so den Lebenden. 
Denn alles soll ihm werden, einem König gleich, 
dafs mit ihm selbst getödtet sey die Weissagung. 

Chor. 

Erzürne, Herr, der Todten heiige Gottheit nicht! 
Im stillen Grabe ruht der Mensch von jedem Leid, 
und nie aus Grüften drang ein Jammerruf hervor. 
Darum entheilige der Todten Ruhe nicht, 
den herben Schmerz einführend in ihr Heiligthum! 

Minos. 

Das Todtenopfer bring* ich sühnend meinem Sohn, 
du aber sollst gehorchen schweigend dem Befehl. 



54 



Chor. 

Des Sohnes Leichnam gab der Seher dir zurück, 
kein Grabmal konntest dem verlornen Leib du weihn. 
Polyidos gab seinem Geist der Todten Ruh, 
und du , der Enkel des Gerechtesten , du bannst 
den Lebenden zu langer Todesangst ins Grab — ! 
Mir ziemt es nicht, zu richten über deine That; 
doch fürchte, König, der gerechten Götter Macht! 

Minos. 

Die Macht des Königs fürchte du , wenn du verziehst, 
das zu erfüllen, was dein König dir gebeut. 

Polyidos. 

Der Klage Worte hörst du nicht aus meinem Mund. 
Im Grabe selbst schau* ich der Götter Angesicht, 
und mehr nicht in dem Leben hab' ich je gesucht. 
Doch deinen Sinn verhüllt ein feindlich düstrer Geist« 
Hoffärtig meinst du , selbst zu leiten dein Geschick-, 
und ängstlich zitternd fürchtest du des Sehers Wort. 
Doch deine Sorgen sind den Himmlischen ein Spott, 
und ihren Rathschlufs ändert keines Menschen Macht. 
Unglück kann dich ereilen, bin ich gleich dir fern, 
und Glück dich tre£Fen , wenn ein Diadem mich ziert. 
Darum bedenke, dafs durch Missethat du nicht 
entfernen kannst ein Unglück, das vielleicht dir droht; 



55 

die guten Götter scheuchst du frevelnd nur hinweg, 
und nichts gewinnst du, als zum Unglück noch die Schuld. 

Min OS. 

Der Rede Künste fehlten nie dem Sehervolk. 
Jetzt aber komm und folge mir zu Glaukos Grab. 

(Alle bis auf den Chor gehen,) 



56 



Der Chor. 

Grauen erfüllt mir die Brust; 

wehe, wehe, das Grah 

ö£Fnet den nimmer satten Schlund, 

zieht die Lehenden mit den Todten hinab! 

Wer mag des Lehens .sich freuen , 

wenn der Tod die liebliche Blüthe 

der Jugend abstreift mit erstarrender Hand, 

und des moderduftenden Grabes Arm 

grälslich erg];^ift die, welche der Tod verschont! 

Erster Halhchor, 

Erloschen , lieblicher Knab' , ist dir 

des jugendlich klopfenden Herzens Gluth. 

Du gingst zu dem Unstern Ades hin, 

noch ph* dir geleuchtet des Lebens Glanz. 

Auf dich, mit der Freuden tanzendem Chor, 

harrte der goldne Königsthron; 

auf dich mit purpurnem, lächelndem Mund 

der schönsten Jungfraun blühende Schaar« 

Doch du sankest zur Nacht, 

und fernhin vom Königsthrone 

fliehen die lieblichen Freuden , 

und der Jungfraun lächelnde Lippen 

öffnet zu bittrer Klage der Schmerz. 



57 



Zweiter Halb chor. 

Vom Tod nicht f andern Sterblichen gleich, geführt, 
steigst du hinunter, Seher, ins nächtliche Grab. 
Der Zukunft Dunkel durchschaute dein Seherblick, 
und deinen Tod , weit in der fernen Zeit , 
erspäht^ er , — Wehe ! ach , nicht das frühe Grab ! 
Erbarmend seyd ihr , Götter der Unterwelt , 
die ihr den Todten gnädig -das Auge schliefst, 
dlifs sie nicht schaun die sinne verwirrenden 
Schrecken der Gruft, die kein Lebender sah! 
Dir nur, der jedes Dunkel durchblickte, 
öffnet sich jetzt des Grabes 
lichtberaubte, graunerfüllte , schattenbewohnte Nacht. 

Erster Halbchor. 

Doch preis' ich glücklich, lieblicher Knabe, dich! 
Du gehst zum Ades nimmer von Schmerz betrübt, 
der, wie die Schlange sich unter den Blumen birgt, 
bald seinen Gift unter die Freuden mischt. 
Jm Lenz des Lebens riefen die Götter dich , 
ch* noch der Sommer nähret den giftgen Wurm. 
So steigst du nieder froh zu der Väter Kreis, 
und keine Trauer trübt die Erinnrung dir. 
Schuld folgt dir nicht zu den Schatten hinab; 
Minos, des Ernsten, richtende Blicke 
bringen dir nicht Entsetzen; ' « 

selig lebst du bei den Schatten , trauererfüllt sind wir 1 



58 



Zweiter H albchor. 

Durch Grabesdunkel erscheine dir Licht, 

die Götter erhellen den finstern Weg! 

Herakles mächtige Götterkraft 

drang in der Schattenwelt Nächte hinab , 

und Orfeus liebliche Lyra sang 

den Geplagten Wonne der Seligen. 

Lebendig steigst du zum Ades hinab , 

durchwandelst die schwarzen Pforten der Gruft. 

Aber grauenerfiillt 

und seufzend sehn wir dich wandeln. 

Sterbliche Augen ertragen 

nicht des Grabes grälsliches Antlitz; 

aber dich stärket göttliche Kraft. 

Schlaf sgesang. 

Trauergesang, steig' empor, 

halle weit durch das seufzende Land! 

Jugendfülle , Schönheitblüthe 

schliefse^ die Gruft , die verhafste , ein ; 

Königsthrone sind durch sie verödet , 

Trauer umhüllt das Land. 

Halle laut, Trauergesang, 

fülle weit mit der Klage die Luft! 

Seherweisheit ist gesunken 

tief in das allesverschlingende Grab , 



59 

und das Leben — grausenvoller Jammer! — 
liegt gefesselt in der Grüfte Nacht. 

Dort naht der König! Ach, wie schreckenvoll vereint 
sich Schmerz und Zorn auf seinem bleichen Angesicht! 



6ö 



Minos. Der Chor. 

Minos. 

Es ist geschehn! In stillem Frieden ruht der Sohn, 
und willig nehmen seinen Geist die Schatten auf. 
Doch seinen Mörder nehmen Menschen nicht, und nicht 
die luftgen Schatten in des Ades Dunkel auf. 
Denn wer der hohen Götter liehlichstes Geschenk, 
das Lehen tödtet , und ihr holdes Ehenhild , 
der jugendlichen Schönheit zarten Bau zerstört, 
und frech der Liehe schönes Himmelshand zerreifst — 
den sühnt der Tod, der seihst des Blutes Schuld verlöscht, 
nicht mit den zornerfüllten Göttern hüfsend aus. 

Chor, 

Ich zittrc, König, vor der unerhörten That, 

die du hegangen. Zweifach frevelnd hast du seihst 

erzürnt das Lehen und geweckt der Todten Zorn. 

Mi nos. 
Dem Frevel zürnend hah* ich doppelt ihn hestraft. 

Chor. 
So spricht dein Zorn, doch nicht der Rachegötter Mund« 



6i 

Minos. 
Dein feiger Sinn erzittert vor dem hohen Recht 

Chor. 
Der Seher rief in tiefem Schmerz die Götter an , 
dafs sie dir Schrecken möchten senden auf dein Haupt. 
Schnell richtet Adrastea und Erinnys eilt, 
der ernsten Göttin schwarzheschwingte Dienerin. 
Schon hüllt ein dichter Schleier Helios Gesicht, 
und dumpfes Brausen schallet von den Wogen her; 
drum furcht' ich, nahe sind der Rache Schrecken uns. 

Minos» 
Um seinen Enkel hüllt sich traurend Helios 
in dunklen Schleier, und Poseidon klagt mit ihm. 

Chor* 

Der Sturm erwacht, ihn führen die Erinnyen 
auf unser Land, o König, rette dich und uns. 

Minos, 

Zur Reinigung des Lands erwacht der Sturm ; er weht 
' des Frevels Spur, gleich hösem Dunst, von uns hinweg. 

Chor. 

Weh uns! es wanket schon der Erde fester Grund! 
Befrey, o König, diesen Mann, sonst öffnen ihm 
die Götter seihst, das Land zerstörend, seinen Weg! 



62 



Min OS* 

Fest stehn der Grabes' Säulen ! Leichter öffiieten 

die Todten selbst des Ades diamantnes Thor, 

eh* dieser Mann den Ausweg findet aus der Gruft! 

Chor. 

So öffne selbst die Pforten, dafs die Götter du, 
die Zürnenden um dieses Mannes Tod, versöhnst« 
Erwarte nicht die gröfsre Noth ; sieh , dort schon naht 
ein Mann im Lauf, der neues Unheils Botschaft bringt. 
Denn schreckenbleich ist sein Gesicht, als schwang' auf ihn 
Alektos Hand der Fackel rächenden glühnden Brand. 
£s ist der Wächter, den du stelltest an das Grab -^ 
Weh uns! welch Unglück naht er zu verkündigen! 



63 



, Der Bote. Die Vorigen. 

Bote. 

Grauenerfüllt nah* ich mich dir, schreckengelähmt 
ist mir die Zung* in meinem Munde von dem Graun, 
das mir erschien. Weh mir, weh Allen, weh auch dir, 
o König ! Solche Schrecken sah die Welt noch nicht. 

Chor. 

Siiid die Säulen gestürzt des stürmentrotzenden Bau's? 

Forderte brausend die zornige Erde 

zurück von den Mauern die Steine , 

die den Frevel umschliefsen der lebentödtenden Gruft? 

Zersprang das eherne Thor von Hefästos Hand, 

vor dem Anblick des Frevels , wie reiner Krystall 

zerreilst vor des Giftes mordendem Duft? 

Bote. 

Es steht das steinerne Gebäu von Menschenhand; 

doch aufgethan zum Schrecken der Lebendigen 

ist die demantne Pforte von Aidoneus Haus, 

und zu den Menschen , durch die zitternde Erd' empor^ 

steigen die Schatten aus dem offnen Ades auf. 



64 

Chor. 
Eile, Köaig, o schnell büfse den Frevel ab! 

Minos. 
Sprich klare Worte, sinnlos dünkt mich , was du sagst. 

Bote. 

Ich stand am Graben dem du mich zum Wächter gabst, 
und horchte traurig auf des Lebendtodten Ruf} 
um mich im Kreise sammelten die Menschen sich, 
und forschten nach der schreckenvollen Strafe Schuld, 
riel Jammerworte rufend in die Gruft hinab. 
Auf einmal tönte wunderbarer Stimmen Schall 
tief in dem Grab, und um uns her erhob sich Sturm, 
und dicht in schwarze Wolken hüllte sich das Licht 
der Sonne. Schrecken fafste rings umher das Volkj 
es ahndete der Rachegötter schweren Zorn, 
und sprengen wollt' es deines Grabmals festes Thor, 
mit Aufruhr drohend , weil du solches Leid erregst 
dem Volke durch die frevelvolle Missethat. 
Denn in dem Grab vernahmen sie der Schatten Wort^ 
des ernsten Minos schauervollen Richterton 
erkannten Greise, die den König einst gesehn. 
Auch Glaukos Stimme drang hervor aus tiefer Gruft, 
und freundlich tröstend sprach sie mit Polyidos« 
£rgri£Fen von der finstern Grabbewohner Macht 
floh mit emporgetriebnem Haar das Volk hinweg. 



«5 

ich eilte über das erzitternde Land zu dir, 

dafs du uns rettest; denn bey dir nur ist die Macht« 

Chor. 

O Jammer! erfüllt ist des Sehers Wort, 

und Schrecken senden die Rächenden dir 

auf das schuldbelastete Haupt! 

Denn du stielsest das Leben hinab in die Gruft, 

und zum gräfslichen Lohne 

gibt seine Todten zurück das Grab ! 

Minos^ 
Hab' ich gefrevelt, dafs ich rächte meinen Sohn? 

Chor. 
So, König, zeugen Schatten aus der schwarzen Gruft! 

Minos^ 
Zum Opfer meinem Sohne bracht' ich seinen Feind« 

Chor» 
Doch sprach nicht feindlich Glaukos in der Gruft zu ihm. 

Mi nos, 

Weh mir, mich fafst der schwarzen Eumeuiden Macht! 
Weg Diadem, du zierst kein schuldbelastet Haupt. 
Wahr sprach der Seher, wer den Göttern will entfliehn, 
gewinnt nichts^, als zürn Unglück, das ihii trifit, die Schuld ! 



66 

Freywillig stell* ich mich vor deinen Richterstuhl , 

ehrmirdger Ahnherr! lafs mein eignes Opfer dich 

versöhnen mit dem fluchheladnen Opferer, 

dals nicht die unerhittlichen Erinnyen 

mich grimmig noch verfolgen in das SchattenreicH» 

Mit eignem Opferhlute will ich sühnend seihst 

mich reinigen durch meine königliche Hand 

von dieser Schuld, die seihst den Ades hat empört , 

dafs er heraufsteigt mit der Eumeniden Chor. 

Schwingt nun, Erinnys, deiner schwarzen Fackel Brand, 

doch lösch' ihn hald hesänftiget in meinem Blut! 

Chor. 

Halt ein, König, halt ein, schaue die Lichtgestalt ! 
Aus dem Thor des Falasts tritt sie segnend hervor. 



^ 



Glaulios. Polyidos. Vorige. 

Glaukos 
mit Polyidos aus dem "Paläste tretend* 

Nicht des Blutes Ströme , Vater , lafg versühnen 

„deine That. 
Sieh ! . die hohen Götter geben gnädig dir zurück 

den Sohn , 
den des dir verhafsten Sehers Stimme aus dem 

Ades rief. ' v 

Darum mit erfreutem Herzen nimm der Götter 

Gabe hin , 
und mit neuem Frevel senke nicht das Eisen in 

die Brust. 
Denn hoch im Olympos ordnen Götter das Geschick 

der Welt, 
und sie zürnen, wenn der Mensch voreilt vervregen 

ihrem Ruf; 
denn zur rechten Stunde fordert seihst ihr Wort den 

Geist zurück. 
Sey getrost, kein täuschend Schattenhildnifs sinkt in 

deinen Arm, 
selbst bin ich es, tind den Seher fühx^ ich dir als 

Freund zurück« 

5* 



68 ' 

Chor. 

Erste Strafe. 

Von der Seligen Wohnung gekehrt, 

spricht zu uns selige Rede dein Mund, 

und aus der schrecklichen Grabeshöhle, 

aus der finstern, drohenden Wolke drs Tods 

bricht uns freundlich hervor himmlisches Lichte 

Min o s,' 

Zweite Strofe, 

Entzücken und Schaam 

theilt mir im Innern das Herz. 

Ich sehe von neuem belebt 

die liebliche Blüthe des Kindes^ 

aber mich schrecket der Ernst 

auf des Sehers ehrwürdigem Angesicht. 

Polyidos. 

Ernst ist, wer in der Zeiten ewges Antlitz schaut^ 

das', wie der ruhnden Todten stilles Angesicht, 

nicht frohes Lächeln und nicht herber Schmerz umschwebt. 

Mino s. 
So zürnst du nicht, und gibst mir den geliebten Sohn? 



■ 69 

Polyidos. 

Nicht ich, die Götter geben dir den Sohn zurück. 
Im tiefen Grabe fafs ich stumm auf einem Stein; 
da "wälzt* ein schwarzer schuppger Drache rasselnd sich 
hin nach dem frischen Leichnam des geliebten Kinds. — 
Föbos Apollon sandt* ihn , wie ich sicher weifs ! — 
Zu schützen vor dem giftgen Blfs den theuren Leib , 
fafst* ich die harten Scherben eines Aschenkrugs, 
und sicher treffend tödtet* ich den giftgen Wurm, 
dafs zuckend er, in wildem Schmerz sich ringelnd, starb. 
Ein zweiter Drache krocb nun langsam aucb hervor , 
umkreiste zorngescbwollen den Erscblagenen , 
oft mit gespaltner Zunge prüfend, ob er todt. 
Bald wälzt' er sich in weiten Ringeln zischend fort, 
und von dem Moose, das die lichtberaubte Gruft 
au!S Steinen, feucht, von der, Verwesung Duft erzeugt, 
brach er, und trug es sorgsam zu dem Todten hin. 
Und plötzlich, wie des Drachen Haupt das Moos berührt, 
zuckt neues Leben ihm durch den erstarrten Leib ; 
er' sträubt die Schuppen, schüttelt rasselnd sich und wälzt 
sich fort zu seiner finstern Höhle giftger Kluft. 
Föbos Apollons und der ewgen Götter Gunst 
erkannt* ich dankend, und des Mooses trug ich schnell 
die ytreifsen Blätter auf des theuren Sohnes Haupt , 
beschwörend aller unterirdschen Götter Macht. 
Da stieg des alten Minos göttliche Gestalt 
herauf in erderschüttenidem Gewittersturm, 



70 
und Glaukos Leib erhob sieb in dem Sarkofag, 
den Geist zurückempfangend aus des Ahnherrn Hand. 
Auf seines Herrscherrufes schallenden Befehl 
sprang rasselnd aus den Riegeln das eherne Thor, 
und frey durch deiner Hüter graunerfüllte Schaar 
führt* ich den Sohn durch des Palastes Thor zu dir. 
Du aber fürchte weiter, nicht die Weissagung ; 
sie ist erfüllt, ich war in deiner Marmorgruft, 
und Königsehre gab mir deines Sohnes Tod. 

Minos. 

Erste Gegenstrofe, 

Ferne sey, was du redest von uns, 

dafs erfüllt sey durch die nächtliche Gruft, 

was dir verhiefsen die Göttersprüche. 

Denn du selbst bist warlich den Himmlischen gleich ; 

Freude bringest du mir, Segen dem Land! 

Chor. 

Zweite Gegenstrofe. 

Gewendet hat sich, 

Seher, des Königes Sinn. 

Nun höre das Flehen des Volks , 

verweile bei uns in dem Lande; 

denn wo du wandelst, da sind 

nicht die Götter fern, Segen erfüllt das Land! 



7« 



Poly'idos, 

Des Sehers Fufs darf nimmer rasten In dem Land; 
der Welt gehörend ist er jeder Heimath fremd, 
und wie sein Geist in jeder Zeiten Ferne lebt , 
so mufs sein Leib sich keinem Land der Erd' entziehn» 
Der Götter Leitung folg* ich; sicher zeigt ihr Ruf 
mir an, wohin ich meine Schritte lenken soll. 

Mi n o s. 

Der Götter Wort zu ehren, hast du mich gelehrt; 
so dräng' ich denn die Bitte tief ins Herz zurück. 
Doch diefs gestatte , dafs die königliche Fracht , 
die dich als meinen ersten Gastfreund im Palast 
umfangen sollte, dich begleit' auf deinen Weg. 
Eilt jetzt, ihr Diener, zu vollziehen mein Gebot. 
Aus meines Hauses tief verborgenstem Gemach 
bringt mir herbei den auserwählten Königsschmuck, 
Der breite Saum des weiten Furpurmantels prangt 
mit goldnen Zweigen , die , vom edelsten Gestein 
in tausend Farben glänzend, nie verwelkend blühn, 
und lieblich schimmern von der Ferien reinstem Thau* 
Den Gürtel nehmt, der von der Diamanten Fracht 
hell leuchtend wie Orions Sternengürtel glänzt. 
Die goldnes Licht verbreitenden Sandalen bringt, 
und dann des Königshauptes hohen Herrscherschmuck. 
Das königliche Prachtgewand legt dann ihm an, 
und seine Knie ihm beugend ehr' ihn alle« Volk, ' 



n 

Von goldneä Bechern suchet dann die prächtigsten 
an edle^i Stoff und an der Arbeit hoher Kunst. 
Vergebt auch nicht die golddurchwirkten Teppiche, 
und seidenschwerer , purpurner Tapeten Wand , 
der Ringe und der Ketten kostbar schwer Gewicht, 
und goldener Dreyfüfse schön geschmückte Pracht; 
dafs eines Meerschiffs volle Ladung meinen Gast 
in jedes Reich begleite, das fein Fufs betritt, 
und Königswürde ihn umgebe, wo er weilt. 

Poly'idos, 

Der Gaben königliche Fülle weis* ich nicht 
zurück, doch mir nicht, sondern dem allsehenden 
Retter ApoUon, ihm allein gebührt der Preis! 
In seinen Tempel leg' ich nieder dein Geschenk, 
für meine Rettung dankend, flehend für dein Heil. 
Leb wohl, o König, Glaukos, Kreter, lebet wohl! 

{Folyidos geht ah.} 

Chor, 

Weise lebt und glücklich, welcher zu den Göttern 

hingewandt, 
still vertrauend ihres hohen Willens Schlüssen sich 

ergibt; 
denn es lenkt kein Erdgeborner mit vorsichtger 

Klugheit ab, 
was von Ewigkeit der Götter heiiges Auge hat 

geschaut. 



7i 

■:•* 

IDarum strebe nie des Menschen Siitn*,'von eitlem 

Wahn b^thört, 
dafs er um sich schauend, des Geschickes Mächten 

mög* entfliehu; 
denn der Götter Wort ist ewig , und das Schicksal 

eilt heran — 
Nichts erringt der Mensch, als zu dem Unglück, das 

ihn trüft, die Schuld. 










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